Die Bibel oder die ganze Heilige Schrift mit in den Text eingefiigter Auslegung, ausführlichen Inhaltsangaben und erläuternden Bemerkungen, herausgegeben von K. August Dächsel Die Bibel oder die ganze Heilige Schrift Alten und Neuen Testaments nach der deutschen Übersetzung Dr. Martin Luthers mit in den Text eingefijgter Auslegung, ausführlichen Inhaltsangaben und erläuternden Bemerkungen, herausgegeben von K. August Dächsel, Pastor prim. zu Neusalz a. d. O. x»,»-».,,..««- «.- »«,-—»,«,—»»..» - » .»»..,«««» .«»HACDMPO-VWA»V -»-«..-«-».«.«-»-«-- »»«.«»,»-.-«.-sz« Band 7 Das Neue Testament Der zweiten Hälfte oder der Lehr- und prophetischen Bijcher erste und zweite Abteilung: Die Briefe der heiligen Apostel und die Offenbarung St. Johannis Nebst einem Sachregister zum gesamten Vibelwerk F? Verlag der Lutherisc Buchhandlung Heinrich Harms — 29 roß Oesingen Inhalt Seite Lehrbüchem Die Epistel St. Pauli an die Römer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Die 1. Epistel St. Pauli an die Corinther . . . . . . . . . . . . . . . . 161 Die 2. Epistel St. Pauli an die Corinther . . . . . . . . . . . . . . . . 297 Die Epistel St. Pauli an die Galater . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381 Die Epistel St. Pauli an die Epheser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 442 Die Epistel St. Pauli an die Philipper . . . . . . . . . . . . . . . . . . 500 Die Epistel St. Pauli an die Colosser . . . . . . . . . . . . . . . . . . 533 Die 1. Epistel St. Pauli an die Thessalonicher . . . . . . . . . . . . . 571 Die 2. Epistel St. Pauli an die Thessalonicher . . . . . . . . . . . . . 602 Die 1. Epistel St. Pauli an Timotheum . . . . . . . . . . . . . . . . . 619 Die 2. Epistel St. Pauli an Timotheum . . . . . . . . . . . . . . . . . 654 Die Epistel St. Pauli an Titum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 681 Die Epistel St. Pauli an Philemon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 700 Die 1. Epistel St. Petri . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 705 Die 2. Epistel St. Petri . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 754 Die 1. Epistel St. Johannis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 781 Die 2. Epistel St. Johannis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 832 Die 3. Epistel St. Johannis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 836 Die Epistel an die Ebräer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 841 Die Epistel St. Jakobi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 930 Die Epistel St. Judä . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 967 Das prophetische Buch: Die Offenbarung St. Johannis, des Theologen . . . . . . . . . . . . . . . 1 Anhang: Sachregister zum gesamten Bibelwerk C) 2004 by Verlag der Lutherischen Buchhandlung IsBN 3-86147-269-4 (Band 1—7) ISBN 3—86147-276-7 (Band 7) Herstellung: Druckhaus Harms — 29393 Grols Oesingen Telefon (0 58 38) 99 08 08 — Telefax (0 58 38) 99 08 09 Zu beziehen durch: Verlag der Lutherischen Buchhandlung Martin—Luther-Weg 1 — 29393 Grolå Oesingen Telefon (0 58 38) 990 880 — Telefax (0 58 38) 7 02 Und er hat Etliche zu Aposteln gesetzt, Etliche aber zu Propheten, Etliche zu Evangclistem Etliche zu Hirten und Lehrern, daß die Heiligen zugerichtet werden zum Werk des Amts, dadurch der Leib Christi erbauet werde. Epheser 4, II. 12. Vorwort. Heute als an dem Tage, an welchem zu Köln a. Rh. in die Kreuzblume des einen Domthurms der Schlußstein eingesenkt und damit ein Bau zu Stande gebracht wird, dessen Beginn über 6 Jahrhunderte in die Vergangenheit zurückgreifh ist es durch Gottes Gnade dem Heraus- geber dieses Bibelwerks vergönnt, mit dem letzten Bogen desselben auch einen Bau zu beschließen, der 6 »( 3 Jahre ihn beschäftigt und viel Mühe und Anstrengung erfordert hat; aber er hat sein Werk mit Lust getrieben, und fast will es ihm wehe um das Herz werden, daß die je länger je lieber ihm gewordene Arbeit der Hauptfache nach nun ein Ende haben soll. Als im Spätherbst des Jahres 1862 die erste Lieferung als Probe erschien, fand dieselbe zwar alsbald solchen Beifall, daß die Auflage größer genommen werden mußte, als anfangs in Aussicht genommen war; aber gar Viele zweifelten, ob eines einzigen Mannes Arbeitskraft und Lebensdauer auch ausreichen würden, ein derartiges Werk glücklich zu Ende zu führen. Man erinnerte sich, wie andere Bibelwerke, die doch kleiner angelegt waren, gleich- wohl von einem Andern fortgeführt werden mußten, weil der urfprüngliche Bearbeiter noch vor der Vollendung vom irdischen Tagewerk abgerufen worden, oder aber, wenn sie auf größeren Umfang berechnet waren, eine ganze Zahl von Arbeitern gleich von vornherein in den Die-nst gezogen, nichts destoweniger aber eine lange Reihe von Jahren zu ihrer Fertig- stellung bedurft hatten; da erfchien es fast als ein allzukühnes Waguiß, daß ein einzelner, einfacher Pastor einem derartigen Unternehmen sich g ewachs en glaubte. Aber, so darf ich bezeugen, ich habe gar nichts von mir geglaubt; ich bin blos dem HErrn gehorsam gewesen, der mich durch Umstände nnd Fügungem die ich hier nicht einzeln aufzählen kann, an den Arbeitstisch rief, und habe mich 18 Jahre lang von ihm heben und tragen und erretten lassen (Jes. 46, 4), und da ist das Werk zu Stande gekommen, ich weiß selber nicht, wie? Ja, ich schreibe mit vollem Bedacht so: ich weiß selber nicht, wie? Wenn ich zurückdenke, daß ich die ersten 6 Jahre eine Gemeinde von 8000 Seelen zu bedienen, seitdem aber ein Kirchspiel von 15 Ortschaften zu versorgen, dabei mit einer Menge von Spezialkenntnissen mich erst noch auszuriisten hatte, um gewisse Tritte thun zu können mit meinen Füßen, und nun den Umfang, den das Werk mehr und mehr gewonnen hat, übersehe, so kann ich selber nicht begreifen, wie es mir möglich geworden, eine solche Aufgabe in verhältnißmäßig kurzer Zeit zu bewältigem es ist eben das, was dort (l. Sam. 14, 6) Jonathan sagt: ,,es ist dem HErrn nicht schwer, durch viel oder wenig helfen«, die einfache Lösung des Räthsels So sei denn ein Eben-Ezer mit der Auf- schrift: ,,bis hierher hat der HErr geholfen« (l. Sam. 7, 12) der Schlußstein, den ich in die Kreuzblume meines Doms einsenke! Vl Vielleicht hat der HErr mir unter der Beschäftigung mit seinem prophetischen Wort auch die Gnade verliehen, dasselbe in Betreff dessen, was er mit seinem Reiche und seiner Kirche fiir die nächst bevorstehende Zeit vorhat, richtig zu verstehen und auszulegen; dann wäre die Vollendung des Kölner Doms eine Vorbedeutung, daß es nun bald zum Bau des in Hesekiel Kap. 40 ff. geweissagten Tempels kommt, die Art aber, wie jene Vollendung in diesen Tagen festlich begangen wird, nämlich so, daß die evangelische Kirche feiert, während die katholische glaubt, sich möglichst fern halten zu müssen, die Vorbedeutung derjenigen Weise, in welcher das Gleichniß von den 10 Jungfrauen (Matth. 25, 1ff.) seine Erfüllung finden wird. Was in meinen Kräften stand, habe ich mit meiner Schriftauslegung dazu beitragen wollen, daß wir Evangelischen Oel in unsern Gefäßen haben sammt unsern Lampen; die bloßen Lampen ohne den gehörigen Oel-Vorrath helfen nicht für den Tag, an welchem der Bräutigam kommt, seine Braut heimzuholen. Steinkirche, den l.5. Oktober 1880. K. Dächsek P. die Geiste! St. heult an die Römer. Diese Epistel ist das rechte Hauptstiick des neuen Testaments und das allerlauterste Evangelium, welche wohl würdig und werth ist, daß sie ein Christenmensch nicht allein von Wort zu Wort auswendig wisse, sondern täglich damit umgehe, als mit täglichem Brod der Seele; denn sie nimmer kann zu viel und zu wohl gelesen und betrachtet werden, und je mehr sie gehandelt wird, je köstlicher sie wird und baß schmecket. Wir finden darin auf’s Allerreichlichste, was ein Christ wissen soll, nämlich, was Gesetz, Evangelium, Sünde, Strafe, Gnade, Glaube, Gerechtigkeit, Christus, Gott, gute Werke, Liebe, Hoffnung, Kreuz sei, und wie wir uns gegen jedermann, er sei fromm oder Sünder, stark oder schwach, Freund oder Feind, und gegen uns selber halten sollen; dazu das alles mit Schristen tresflich gegründet, mit Exempeln sein selbst und der Propheten beweiset, daß nichts mehr hie zu wünschen«ist. Darum es auch scheinet, als habe St. Paulus in dieser Epistel wollen einmal in die Kürze verfassen die ganze christliche und evangelische Lehre und einen Eingang bereiten in das ganze alte Testament; denn ohne Zweifel, wer diese Epistel wohl im Herzen hat, der hat des alten Testaments Licht und Kraft bei sich. Darum lasse sie ein jeglicher Christ ihm gemein und stetig in Uebung sein: da gebe Gott seine Gnade zu! Amen. (Luther.) Das I. Kapitel. Die gerechtigkeit koninit nicht aus dein gesetz der Natur und dessen Werken; denn alle Heiden sind Sünder und Ungereirhta Ä« der Eingang dieser, etwa zu Anfang März des I. 58 n. Ehr. zu Eoriath verfaszten Episiel (Aposig. 20, 2 Anm.), in welrher der Apostel, ini Begriff, das Evangelium aus den! rislorgenland nun hinüber in das Abrndland zu tragen und damit einen schon seit längerer Zeit gehegten Vorsatz in Ausführung zu bringen, vor allen Dingen engere Beziehungen zu der, in der Hauptstadt des Abendlaudes, wie des ganzen damals bekannten Erd- lireises, schon bestehenden Ehristengemeinde anzuleniipfen und sie mit der Eigenart seines Wirkens als Apostels der Heiden näher vertraut zu niachen sucht, um sie fiir sein wert: lebendig zu inleressiren und sie fiir die mission in! Qecident zu einem Stähpunltt von der Art zu gewinnen, wie seither die antiochrnisihe Gemeinde ffcr die mission im Orient ihn: ein solcher gewesen, läßt sich füglich in zwei Absihnitte zerlegen: « I« til. 1—7 enthält zunäihst die apostolifche6egräßung. Den Eeisl des Apostels bewegt, indem er die Abfassung seines Sendsiiireibeiis unternimmt, eine reiche Fülle von Gedanken; der ganze Inbegriff seiner tjeilsertcenntuisse steht lebendig vor seiner Seele und damit sein persön- liches verhältnis zur Heil-richte, sein Beruf als Heiden— ciposieL Aus dieser Fülle und Lebendigkeit seiner Er— dannen erklären sieh die erweiternden Zusätze in dieser Bemühung, es drängen sieh die Gedanken in seinem Geiste hervor und wollen die Veräußerung ini Wort; so wird fein Schreiben gleiih anfangs didalitisch, noch bevor er zu dem Punkte tioniiiit, wo dem Plane gemäß die Lehre beginnen soll. I. Paulus, ein Knecht Jefu Christi [Gal. 1, 10; Tit. l, 1], berufen zum Apostel [1. Cur. - l; 9, l; Gal. l, 1; Apvstg J, 3 ff; 22, 21], ausgefondert svon Mutterleibe Gal. I, 15; Apstg Däihselw Vibelwerc Vll. Band. 2. Aufl. 13, 2], zn predigen das Evangelium Gottes« [1. Thess 2, L. 8f.; Z. Tini. 1, 11], 2. Welches Evangelium] er sals ein in aller Welt zu verkiindigendes Kap. 10, 12 f. 18. 20; 1. Tim. 2, S] zuvor verheißen hatdurch seinePropheien in der heiligen Schlkiftisp sdes alten TestamentsL 3. Von feinem Sohne [handelnd, dein Mitt- ler und Heiland aller Menschen l, Tim. 2, 3ff.], der geboren ist von dem Samen Davids nach dem Fleisch shinsichtlich der menschlichen Natur, in die er durch Empsängniß und Geburt von einem Weibe Gal. 4, 4 eingiiig, aus demjenigen Ge- schlechte herkommt, welches den König David zu seinem Ahnherrn hat Matth. I, 1; 22, 42], 4. Und krtiftiglich erweifet ein Sohn Gottes nachdem Geist, der da heiliget swörtlichx nach dem Geist der HeiligungL seit der Zeit er auferstanden ist von den Todten, nämlich sum es zuletzt noch bestimmt zu sagen, wer dieser sein Sohn ist, von dem das eben Ausgesprochene gilt:] Jesus Christus, unser HErrttr sverftändlicher wäre zu lesen: nämlich von Jesu Christo, unserm HErrii]; 5. Durch welchen wir haben empfangen Gnade Und Apofielamt sdas von Gott uns beschiedene V. 1 gnadenreiche Amt eines Apostels] unter allen Heiden [K-ap· 15, 15 f.], den Gehorsam des Glaubens sden im Glauben oder in gläubiger Aufnahme des Evangeliums Gottes bestehenden Gehorsam Kap. 16, 26; Apostg 6, 7 bei ihnen] aufzurichten unter seinem Namen sindein wir denselben ihnen predigen und so zur Ausbreitung desselben in der ganzen Welt thätig sind Apostg. 15, 26; e, 15], 2 Römer l, 6. 7. 6. Welcher sHeiden] ihr zum Theil auch seid smit so vielen Andern], die da saus der vordem sich selbst überlassenen Menschenwelt nun] berufen sind von Jesu Christus szu seinem Reich]: 7. Allen, die zu Rom [1. Macc. 8, 16 Arm] sinds-s— szur dasigen Christenheit gehören], den Liebsten Gottes und berufenen Heiligen [1. Thess. I, 4; Col. 3, 127 1. Cor- 1, 2]. Gnade sei mit ench und Friede von Gott, unserem Vater, und dem HErru Jesu Christofss [vgl. Gar. 1, 3]. «) Die drei Prädikate, welche Paulus sich hier bei- legt, geben sortschreitende Bestimmungen. Das erste »ein Knecht Jesu Christi« ist neben ,,berufen zum Apostel« nicht, in Unterscheidung von dem apostolischen Beruf, von dem Verhältniß des Glaubens und der Ergebenheit überhaupt zu verstehen, wie es allen Christen gemeinsam ist und diese darnach als Knechte Christi oder Gottes bezeichnet werden (Kap.6,22; 16, 18« Ephes. 6, 6); es läßt sich nämlich nicht annehmen, da Paulus in seinem Bewußtsein ein doppeltes Ver- hältniß von seiner Person, das des Christen und das des Apostels aus einander halte. Sowie seine Bekehrung und Berufung zum Apostolate zusammenfällt, so liegt auch sein Leben als Christ und Apostel in einander; sein apostolischer Beruf ist die Sphäre, in welcher sich sein ganzes Leben bewegt und in welcher er seine Er- gebenheit und Hingegebenheit an Christum als HErrn erweist. Es ist deshalb das »ein Knecht Jesu Christi« auf das nachstehende »Apostel« zu beziehen, in der Weise, daß letzteres die Stellung und Sphäre angiebt, in welche er seinen Knechtsstand versetzt, in welcher sie sich bethätigt: Diener Jesu Christi in der Eigen- schaft eines berufenen Apostels. (Maier.) Der Begriff des Knechtes ist genereller, der des Apostels spezieller; jener wird durch diesen genauer bestimmt. Der Knecht Jesu Christi ist nicht nothwendig Apostel, er kann auch Prophet, Evangelist, Hirt oder Lehrer sein (Ephes. 4, 11; Col. 4, 7. 12; 2. Tim. 2, 24; Phil. 1,1); so findet zwischen beiden Bezeichnungen eine Steigerung statt, denn der Apostel nimmt die höchste Stelle unter den neutestamentlichen»Knechten Gottes oder Christi ein. (Philippi.) Das Apostelamt beruht auf direkter Berufung seitens des HErrn; es war ein einzigartiges Amt, ein Beruf, der an ganz bestimmte Voraussetzungen geknüpft war, an Bedingungen, die sich nie wiederholen können. Die Unmittelbarkeit ihrer Berufung seitens des HErrn verlieh den Aposteln die Machtfiille ihrer Aiictorität; deß ist denn auch Paulus sich bestimmt bewußt, und daran will er hier seine Leser erinnern. Der erhöhte Christus hatte sich ihn berufen; diese geschichtliche Berufung wurzelte aber in dem ihr vorangehenden göttlichen Rathschlusse, von Mutterleibe an war Paulus bestimmt für das Evangelium Gottes, nämlich sein Verkündiger zu werden. (Röntsch.) Friiher war Paulus ein Aus- gesonderter in dem Sinne, in welchem die Pharisäer sich als solche bezeichneten (1. Macc. 2, 14 Anm.); jetzt war er ein rechter, christlicher Pharisäer, einer, den Gott selbst ausgesondert hatte zum Dienst des Wortes. (Wangemann.) Hier sollten nun gleich die Worte (V. 7) folgen: ,,allen, die zu Rom sind 2c.«; aber Pauli iiberfließender Affekt läßt ihm das nicht zu, daß er, da er in V. 1 des Evangelii gedacht, sogleich davon abbrechen kann, sondern er lobet zuvor das Evan- gelium sowohl seines Alterthums, als auch seines Jn- halts wegen. (Starke.) Des Apostels Denkweise und daher auch Redeweise ist am treffendsten mit einem Wogengedränge zu vergleichen, wo in immer höherem Aufschwunge eine Welle sich dicht an die andere drängt; wie es bei lebendigen Männern immer der Fall ist, will er den Eindruck jedes seiner Worte stets durch neue beigeordnete Ausführungen oder Nebenbestim- mungen erhöhen. Vgl. besonders den Anfang des Briefs an die Epheser. (Tholuck.) sit) Das ,,welches er verheißen hat« bezieht sich nicht auf den Inhalt der Botschaft, sondern die Botsch aft selbst; also, daß sie an die Welt ergehen würde, hat Gott im Voraus verheißen durch seine Propheten. Hatten die Propheten Gottes von einem zukünftigen Heil Jsraels und der Völkerwelt zu sagen, so weissagten sie auch von einer Zukunft, wo Gott das vorhandene Heil kund thun werde; der Apostel läßt aber nicht unerwähnt, daß solche Verheißung in heiligen Schriften, also in Schriften geschehen sei, deren Hervorbringung ebenso Gottes Wort war, wie die darin verfaßte Weissagung (v. Hofmannh Der Apostel will sich von seinem Standpunkte als der Heidenapostel nach einem befriedigenden Abschluß seiner apostolischen Wirksamkeit im Orient die Christengemeinde in Rom vorbereiten und vollbereiten zum Centrum und Aus- gangspunkt einer bis an die Grenzen des Occidents gehenden Wirksamkeit im Abendlande (Kap. 15, 24. 28); sein Wirken im Abendlande soll aber nicht blos universell sein, indem es Abendland und Morgenland in Christo vereinigt, sondern auch, indem es in Rom den eigent- lichen Typus ausbildet fiir die Unionskirche der Juden- christen und der Heidenchristew Der Heidenapostel ist nach seinem Bewußtsein vollständig zum Völker- apostel gereift, und in diesem Sinne will er der Ge- meinde zu Rom das Gepräge einer Völkerkirche geben, die er als seine Stiftung betrachten kann und sie be- nutzen als Heerd seiner universellen Wirksamkeit. Diesem Zweck, die römische Stiftung von ungewisser Auctorität in eine bestimmte Stiftung von p aulinis ch er Auctorität zu verwandeln, entspricht die universell- soteriologische Doctrin des Briefes, bezogen auf den universell-ecclesiastischen Beruf des Paulus: alle Men- schen, und zwar in dem Gegensatz von Juden und Heiden, sind in Folge der Preisgebung der lebendigen Gottesverherrlichung als Sünder ohne Gerechtigkeit und Ruhm vor Gott, alle Menschen haben einen gemeinsamen Gnadenstuhl zur Versöhnung in Christo; alle sollen aus dem alten Leben des Todes in der Sünde oder im Fleisch und unter dem Gesetz übergehen ii dem neuen Leben in Christo, im Geist und in der reiheit; alle waren beschlossen unter das Gericht des Unglaubens, alle sollen die göttliche Erbarmung er- fahren. Auf diesen dogmatischen Grund soll sich die Gemeinde zu Rom vollständig stellen und dem ent- sprechend ihr inneres Verhältniß zwischen Judenchristen und Heidenchriftem wie ihr äußeres Verhältniß zur Welt reguliren, demgemäß aber auch erkennen, daß sie ihren Beruf als die Centralstadt der abendländischen Kirche erst dann verwirklicht, wenn sie den Beruf des Paulus erkennt und sich ihm in seinem universellen Wirken als Ausgangspunkt anvertraut. (Lange.) sit) Der Apostel benennt nun in V. 3 den Gegen- stand des Evangeliums Gottes: es ist die frohe Bot- schaft von dem Sohne Gottes, der dann am Schlusse von V. 4 nach seiner historisch-theokratischen Erschei- nung benannt und nach seinem Verhältnis; zur christ- lichen Gemeinde bezeichnet wird; was zwischen beiden Aussagen dazwischen steht: »der geboren ist — auf- erstanden ist von den Todten«, hält die beiden Faktoren der Person des HErrn, seine göttliche und menschliche Natur, welche bei dem Satze in V. Z: »von seinem Sohne« zur Einheit seiner Person verbunden erscheinen, Eingang der Epistelx 1) die apostolische Begrüßung 3 aus einander, so daß die in V. 4 wiederkehrende Be- zeichnung ,,Sohn Gottes« nun einen engeren Sinn bekommt und seine Gotteswürde speziell in’s Auge faßt. — Nicht dur Wandelung seiner unwandelbaren Gott- heit, sondern urch An- und Aufnahme der Menschheit in die Einheit seiner göttlichen Person, ist de-r ewig seiende Sohn Gottes ein Sohn Davids geworden; darum ist der Ausdruck erlaubt: »der Sohn Gottes ist aus dem Samen Davids geboren«. Aus dem Samen Davids ist er aber als der von der Jungfrau Maria, der Tochter Davids, Geborene; und so blieb der Davidssame zugleich der im Protevangelium (1. Mos. s, 15) verheißene Weibessame Mit dem Ausdruck: ,,nach dem Fleisch« ist die Menschennatur nach dem charakteristischen Merkmal ihrer sichtbaren, sinnlichen Erscheinung bezeichnet; in demselben Sinne steht in Joh. 1, 14: »das Wort ward Fleisch«, nicht wesentlich verschieden von: »Gott ward Mensch« (Kap. 9, 5). Das sittliche Moment der Sündlichkeit des Fleisch liegt hier fern; denn Christus ist nicht »in sündlichem Fleisch«, sondern nur »in der Gestalt des sündlichen Fleisches« erschienen· Wohl aber soll die Hinfällig- keit und Gebr-echlichkeit des Fleisches hervor- gehoben werden, wiewohl auch seine gebrechliche Men- schennatur als eine »aus dem Samen Davids« nach der Verheißuns entstandene verherrlicht wird. (Philippi.) Der näheren estimmung in der Aussage des B. Verses: ,,nach dem Fleisch« entspricht in der des weiten, pa- rallelen Satzgliedesx »und kräftiglich erwei et ein Sohn Gottes« der Ausdruck: ,,nach dem Geist, der da hei- liget.« Luther übersetzt hier nach der Auffassung der griechischen Väter, besonders des Chrhsostomus und Thcodoret, und giebt folgende Erklärung zu den Worten: »Im alten Testament ist Christi Gottheit heimlich angegeben; desgleichen ist sie zu der Zeit, da er hier auf Erden leiblich war, wenig Menschen be- kannt gewesen; sie ist allererst verklärt und der Welt öffentlich Verkündigt durch den heil. Geist am Pfingst- tage. Der Geist Gottes ist gegeben nach der Ausfahrt; von da an heiligt er die Christen und verklärt Christum in aller Welt, daß er Gottes Sohn sei, mit aller Macht in Worten, Wundern und Zeichen.« Jndessen ist es nicht nur sraglich, ob man den betr. Ausdruck des Grundtextes wirklich durch ,,Geist der Heiligung« wiedergeben und also übersetzen dürfe: ,,nach dem Geist, der da heiligt«; sondern es will auch das ,,nach« zu dem Sinne nicht passen, der bei dieser Auffassung in die Worte hineingelegt wird, man müßte vielmehr erwarten, daß Paulus dann geschrieben hätte: ,,durch den Geist 2c.« Uebersetzen wir dagegen: ,,—nach dem Geist der Heiligkeit« (so übersetzt Luther das Wort auch in 1. Thess Z, 13), und beziehen nun diesen Aus- druck auf seine höhere göttliche Natur, die ihrer Sub- stantialität 1iach Geist (Joh. 4, 24) und ihrem Wesen nach Geist der Heiligkeit oder heiliger Geist (Hebr. I, 14), so wurde er nach dieser Seite hin ,,kräftiglich«, d. i. mit voller Stärke der Beweiskraft, erwiesen durch seine Auferstehung und in Folge solcher Erweisung als Sohn Gottes seitdem auch anerkannt von solchen, die vordem, während der Zeit seiner Erscheinung im Fleisch, in gar schlimmer Weise ihn verkannt hatten (Apostg. 2, 22 ff.; 1. Tim. s, 16). Es ist das ein Gedanke, i welchem Paulus wohl auch sich selber mit im Sinne at (Apostg. 9, 3sf.; Z. Cur. 5, 16), so daß das in . 5 Gesagte in engstem Zusammenhange damit steht; entsprechen sich aber bei dieser Auffassung der Worte e einzelnen Bestandtheile der beiden Satzglieder in . 3 u. 4 auf’s Genaueste (geboren ist — erweiset, n Davids — Sohn Gottes, nach em Fleisch — dem Geist der Heiligkeit) und dürfte sie also Z JEZRXIZ Sack( annehmbarer sein, als die von unsrer deutschen Bibel vertretene. Das darunter stehende Citat jedoch: Joh. 10, 35 ff. will offenbar den Leser zur richtigeren Auf- fassung herüberlenkem — Hier findet sich zuerst, bemerkt v. Gerlach in seinem Bibelwerk, der Gegensatz von Fleisch und Geist bei dem Apostel, der in unserer Stelle, weil von Christo .nach seiner Erniedrigung und Erhöhung die Rede ist, eine Steigerung bildet. Das Fleisch, die Masse, Substanz des irdischen Leibes des Menschen, das Thierische, Natürliche an ihm, war von dem Schöpfer dazu bestimmt gewesen, von dem im Geiste des Menschen wohnenden Geiste Gottes beseelt, regiert und verklärt zu werden; aber weil der Geist Gottes damals noch nicht ganz und gar Eins geworden war mit dem Menschengeiste, weil das natürliche Leben der Seele in ihm vorherrschte, so konnte er in die Sünde fallen, und wurde nun, nach dem Sündenfall, sich selbst überlassen, oh ne Geist, ein natürlicher Mensch, eben darum aber auch, weil er innerlich nicht mehr an Gott hing und seinen Halt in der Welt suchte, ein fleischlicher, irdisch und weltlich gesinnter Mensch (1. Cor. 15, 45 sf.). Da ihm nun der lebendigmachende Geist fehlte, wurde eben damit sein Fleisch ohnmächtig, hinsällig, sterblich; aber noch mehr, es wurde der Sitz der Sünde in ihm, die fleischlichen Begierden bekämpften feindselig und übermächtig was Gott nach seiner Er- barmung von seinem Geist ihm auf’s Neue mittheilte (Gal. 5, I7). Aus diesem Grundbegrifse gehen alle Bedeutungen von ,,Fleisch« hervor. Fleisch ist die in Folge der Sünde schwache, sterbliche Natur des Menschen, welche in sich selbst die Kraft der Erneuerung nicht besitztx Fleisch ist aber auch die in Folge des geistigen Abfalls übermächtig gewordene sinnliche Natur des Menschen, in welcher die innerliche Sünde die Gestalt gewinnt, welche sie in der Menschheit allein haben kann· An sich ist das Fleisch nicht sündig, nicht die Quelle der Sünde im Menschen, diese liegt viel- mehr in dem von Gott entfremdeten, wider ihn em- pörten Geiste des Menschenx darum konnte der Sohn Gottes Fleisch werden, die o nmächtige, sterbliche, die Folgen der Sünde tragende atur des Menschen an- nehmen, ohne doch eigene Sünde zu haben. Hieraus erklärt es sich aber auch, wie die Schrist selbst solche Sünden fleischlich, Werke des Fleisches, nennen konnte, welche doch ganz geistiger Art zu sein scheinen, wie Stolz (Col. Z, 18), Neid, Haß, Spaltungen (Gal. 5, 20), und wie auch die höchste Weltweisheit eine fleisch- liche ist, wenn sie nicht aus Christum sich gründet (1. Tor. 1—-3); denn obwohl der Ursprung dieser Sünden nicht in der Sinnlichkeit liegt, obwohl sie viel- mehr recht eigentlich eine Fortsetzung der Ursünde, der Hofsart, sind, wodurch der Absall von Gott geschah, so nehmen sie bei jedem Hervortreten doch immer auch die Form der Sinnlichkeit an, es offenbart sich in ihnen das ohnmächtige Trachten des gesallenen Menschen, durch die Welt, die Natur, die Gemeinschaft mit dem Schöpfer sich u ersetzen, daher vermöge seines Fleisches in und und Gemeinschaft zu treten mit der Welt. Der Geist hingegen, d. h. in der heiligen Schrist nie blos das Nicht-Sinnliche, sondern stets auch die heilige, selbstständige Gottes-Macht und -Freiheit, ist ursprünglich Gott selbst, und nur durch seine Mit- theilung und Einwohnung ist dieser Geist auch in den Geschöpsen; daher ist der ,,Geist der Heiligkeit« in unsrer Stelle Bezeichnung des göttlichen Wesens selbst im Gegensatz gegen das Fleisch-» Jnsofern also Christus göttlicher Natur war, der Geist der Heiligkeit selbst seine gottmenschliche Natur bildete, wurde er durch seine Auferstehung von den Todten, diesen Schlußsteiiy dies Siegel seines ganzen, iin Fleische vollbrachten III« 4 Römer I, S. Erlösungswerkes als Mensch eingefetzt (wie es im Grundtext wörtlich heißt) zum Sohne Gottes, zum gottgleichem allmächtigen Könige, nicht blos Jsraels, sondern der ganzen Welt (Pf. 2,6—9; Apostg.13,33). Jn den Worten Fleifch nnd G eist liegt daher hier nicht ein unaufgehobener Gegensatz, wie sonst öfters, son- dern eine Steigerung, welche auf die Verklärung des Fleisches in den Geist durch die Erlösung Jesu Christi hindeutet. f) Der Apostel bereitet sich jetzt den Uebergang zur Nennung derer, an die er sich brieflich wendet (vgl. V. sf.), indem er nunmehr dasjenige von sich aussagt, was ihn gerade hierzu berechtigt; er sagt es aber nicht von sich allein, sondern schreibt: »wir haben empfangen«, und erstreckt damit seine Aussage auch über diejenigen, welche bisher schon an seiner Ausrichtung des in Rede stehenden Berufswerks be- theiligt gewesen sind und ferner daran Theil haben werden (vgl. Kap. IS, 21). Die eine und selbe Be- rufsstellung nun, die ihm mit seinen Genossen zu Theil geworden, nennt er einerseits eine Gnade, so- fern sie ein Gut ist, für welches er dem Geber Dank schuldet, und andererseits eine Sendung, sofern sie ihn zu dem Thun, in welchem er begriffen ist, berech- tigt und verpflichtet. Nachdem er denn allseitig aus- geführt hat, was für ein Apostel er sei und was es mit der Berufung, kraft deren er es ist, für eine Be- wandtniß habe, wendet er sich seinen Lesern zu; doch auch jetzt benennt er sie nicht sogleich als die Leser, an die er dieses Schreiben richtet, sondern im Anschlusse an das »unter alle Heiden« schickt er erst noch den Relativsatz voraus: »unter welchen auch ihr (mit so vielen Andern) seid Berufene Jesu Christi«, d. i. solche, an die der Ruf Jesu Christi ergangen ist, und drückt damit sein amtliches Verhältniß zu ihnen aus, welchem gemäß sie aufzunehmen haben, daß er nnd was er an sie schreibt. Wir sehen schon hierin, die Gemeinde zu Rom ist dem Apostel, so viele Juden ihr auch an- gehören mochten (vgl. die Grüße in Kap. 16, 3ff.), ebenso, wie die von Thessalonich oder Corinth, eine heidnische Gemeinde (das »zum Theil« hat Luther ein- geschoben); in seiner Eigenschast als Apostel der Völker- welt fchreibt er an sie, und schreibt an sie als an einen christlichen Beftandtheil derselben, welchen er, wenn er nach Rom gekommen wäre, wie er wünschte, den in der übrigen Völkerwelt von ihm gesammelten Gemein- den wiirde zuzählen können, vgl. V.13. (v.Hofinann.) ff) Von der Entstehung der ersten christ- lichen Gemeinde in Rom haben wir keine be- stimmte Nachrichtz man ist nach dieser Seite hin ledig- lich auf Vermuthungen hingewiesen, deren die neuere Forschung in Verbindung mit der Auslegung des Römerbriefs so manche aufgestellt hat. Wenn nun da öfter versucht worden ist, die grundlegenden Anfänge jener Gemeinde auf die, bei der Geschichte des ersten Pfingstfestes in Apostg· 2, 10 erwähnten ,,Ausländer von Rom« zurückzuführen, gleich als hätten diese die erste Kunde vom Evangelium bei ihrer Rückkehr nach Rom dorthin gebracht und in den abendländischen Boden verpslanzt, so ist diese Vermuthung darum eine »anz unzuläfsige, weil dem Ausdrucke: ,,Juden zu erusalem wohnend« in Apostg. Z, 5 zufolge man in Betreff derer, die sich taufen» ließen, nicht an bloße Festbesukher zu denken hat, welche nach vollendeter Feier in ihre Heiinath zurückreistem sondern an römische Juden, welche sich in der Metropole ihrer Religion, in Jerusalem, seßhaft niedergelassen hatten und natür- ich auch nach ihrer Bekehrung zu Christo daselbst verblieben, um fortan einen Theil der neuen Gemeinde zu bilden. Da will nun aber die römische Tradition zu Hilfe kommen, indem sie behauptet, im zweiten Regierungsjahr des Kaisers Claudius (a. 42 n. Chr.) wäre Petrus nach Rom gekommen und sei daselbst bis zu seinem Märtyrertode (o.. 67) 25 Jahre lang Bischof der«von ihm geftifteten Christengemeinde ge- wesen; dies widerspricht jedoch schnurstracks einestheils den biblischen Angaben, denen zufol e Petrus noch im J. 44 u. 50 zu Jerusalem sich be and (Apostg. »12, 3 ff.; 15, 7 ff? ums J. 54 mit Paulus in Anttochien zusammentra (Gal. 2, 11ff.) und etwa um’s J. 61 von Babylon aus seine erste Epistel schrieb (1.Petri 5, 13), anderntheils dem Vorhandensein eines Briess an die Römer von der Hand des Apostel Paulus, dessen Grundsatz es war, das Evangelium nur da zu treiben, wo nicht ein anderer Apostel sein Arbeitsfeld schon hatte (Kap. 15, 20; 2. Cor. 10, 15 f.), der schon ofter sich vorgenommen, nach Rom zu kommen, um auch dort sein Apostelamt auszurichten (V.13; 15,22; Apostg. 19, 21 « und der nun in diesem seinem Send- schreiben der ehrthätigkeit Petri mit keiner Silbe ge- denkt, auch unter den Grüßen (Kap. 16, 3 sf.) keinen für seinen Mitapostel hat. So ist die Geschichtlichkeit ·eser Sage selbst von römischen .Theologen gegen- wärtig vielfach aufgegeben; aber ein Keim der ahr- heit dürfte denn doch darin liegen. Um’s J. 42 n. Chr.nämlich, so etwa läßt chronologisch sich annehmen, fand die Bekehrung des römischen Hauptmanns Cor- nelius durch Petrus in Cäsarea-Palästina statt (Apstg. 10, 1ff.); aller Wahrscheinli keit nach ist dieser bald darauf mit der ganzen italichen Eohorte, zu der er gehörte, nach seinem Heimathslande zurückversetzt wor- den, indem Claudius dem Agrippa I. noch mehr den Schein eines selbständigen Königs gewähren wollte und ihm auch Cäsarea schenkte (Apostg. 12, 19), und ist nnn wohl Er es, der den ersten Samen einer christlichen Gemeinde mit seinem ganzen chriftlich ge- wordenen Hause nach Rom gebracht hat. So wäre allerdings der Apostel Petrus, toie der Grundleger einer heidenchriftlichen Kirche überhaupt (vgl. die Bem. von Starke zu Matth. 16, 18), so-insonderheit der der römischen Kirche, doch letzteres nur auf mittel- bare Weise, gewesen; und auch die Zeit, in welcher diese Grundlegung geschehen, wäre von der Tradition richtig angegeben, nur daß die Apostelgeschichte bei ihrem Bericht in Kap. 10, 1——11, 18 weiter keinen Bezug darauf nimmt, in Kap. 11, 19 ff. vielmehr unsern Blick nach Antiochien in Syrieii hinüberlenkt und uns die Entstehungsgeschichte der heidenchristlichen Kirche des Morgenlandes vorführt. Aus der Art der Entstehung dieser aber sollen wir uns die nahe damit Verwandte Art der Entstehung der heidenchrist- lichen Kirche in der Metropole des Abendlandes ab- nehmen: auch ihre Entstehung ist, wie Baumgarten sagt, auf dem verborgenen und unscheinbaren Wege der Geisteswirkung und des Waltens des HErrn ge- schehen, weder durch einen Apostel noch durch eines Apostels Schüler, sondern durch Männer ohne Namen und ohne Amt. Nun haben wir allerdings einen Namen hier ausfindig zu machen gesucht, aber ohne Amt für geistliche Thätigkeit war Cornelius ja aller- dings; und es ist nun leicht erklärlich, wie an diesen Mann die wahrheits- und heilsbegierigen Römer, von denen bei dem damaligen vollftändigen Bankerutt der heidnischen Religion (Joh. IS, 38) manche seither als Proselyten dem Judenthuni zugefallen waren, während einige Andere, die zu dem cerimonialgesetzlichen par- ticularistisch-pharisäifchen Wesen des Judenthums keinen Zug des Herzens verspürten, sondern eine ewisse Mittelstellung, eine Stellung des Hoffens aus! noch etwas Besseres einnahmen (vgl. zu Apostg 10, 2), Z) Die briefliche Einleitung. o sofort sich anschlossen und gern eines Glaubens wur- den, der ihnen die Uebernahme des Gesetzesjochs nicht zumnthete (Matth. 11, 28 ff.; Apostg 15, 7 ff.). Gletch- zeitig jedoch muß das Evangelium von Jesu Christo auch unter den Juden in Rom durch Judenchristen, die von auswärts, besonders auch aus Palåstina selber, dahin kamen, verbreitet worden sein; Namen für sie finden sich unter den in Kaki. 16, 5 ff. von Paulus Gegrüßtem und zu den auf diesem Wege zur Erkennt- niß der Wahrheit Gebrachten gehörten ohne Zweifel Aquila und Priscilla, die bei ihrer Uebersiedelung nach Eorinth im J. 52 wohl schon als Christen dahinkamen. Lag hiernach zwischen Abfassung des Römerbriefs und der ersten Begründung der Römergemeinde ein Zeit- raum von 16 Jahren, so war das vollkommen hin- reichend zu einer so weiten Ausdehnung und einem so geordneten Bestande der letzteren, wie beides in ersterem uns entgegentritt; aus der angegebenen Entstehungs- weise erklärt sich aber auch am besten der mit -des Paulus Grundsätzen in der Hauptsache harmonirende Glaubensstandpunkt der aus ehemaligen Heiden und Juden gemischten Gemeinde. Nirgends ist in der Epistel wahrzunehmen, daß die Sinnesart derselben derjenigen geglichen hätte, welche der Apostel da kenn- zeichnet, wo er sonst gegen Widersacher seiner Lehre, wie in Galatien, oder seines Apostelthums, wie in Corinth, anzukämpfen hatte; wiederholt bezeugt er ihr, daß er die Lehre, welche sie empfangen und gläubig angenommen hat, für diejenige erkennt, die er selbst sie gelehrt haben würde, und giebt auch, was er ihr schreibt, für nichts Anderes aus, als für eine Er- innerung dessen, was sie selbst wußte (Kap. 1, 12; S, 17; 16, . 2 ; , . Nur einer gründlicheren und zusammenhängenderen apostolischen Unterweisung statt der bisherigen aus bloßem Laienmunde, wenn wir uns so ausdrücken dürfen, bedürfen sie no zu ihrer Befestigung und Stärkung; und diese will enn Paulus mit seinem Schreiben im Voraus ihnen geben, noch bevor er persönlich kommt. So bietet er ihr in der Epistel eine möglichst zusammenhängende Dar- stellung der unviersalen christlichen Heilsbotschaft von dem für seine Predigtweise charakteristischen Gesichts- punkte der Glaubensgerechtigkeit aus, wenn auch nicht gerade ein gleichmäßig ausgeführtes vollständiges System der christlichen Lehre dar; fast alle Haupt- begriffe der Dogmatik empfangen hier ihre Beleuch- tung, doch ist es hauptsächlich der Unterschied von Gesetz und Evangelium, die Lehre von Sünde und Gnade und die auf dem göttlichen Rathschluß beruhende weisheitsvolle Entwickelung des Gottesreichs innerhalb der Weltgeschichte von Anbeginn, worüber der Apostel in eingehender Weise sich erklärt. -f-H-) Die stehende Grußformel bei den Griechen Ewige-»: sei gegrüßt) war allmälig leere conventionelle Form geworden, während ohne Zweifel alles Grüßen ursprünglich, nicht blos bei den Christen, sondern auch bei den heidnischen Völkern eine Fürbitte, ein Gebets- und Segenswunsch gewesen ist; es ließ nun da sich nicht anders erwarten, als daß die wiedergebärende Kraft des neuen Lebens im Christenthum auch die entleerten Formen des Grußes wieder mit neuem Inhalt füllen werde. Der Apostel nun vereinigte den alten griechischen und den hebräischen Gruß sechalom Pchemx Friede mit euch) und stattete ihn mit dem unendlich reicheren Jnhalt des christlichen Lebens aus. Dieser apostolische Gruß, welcher die zwei wichtigsten, durch Christum uns erworbenen himmlischen Güter den Gegrüßten ersteht, ist seit der Apostel Zeit von den Dienern Got- tes zu allen Christengemeinden weitergetragen und ein unerläßliches gottesdienstliches Element geworden: wo derselbe mit Bewußtsein und Glauben über der Genieinde gesprochen wird, da wirkt er auch und giebt den Gläubigen, was er erfleht. Paulus erfleht den Römern zuerst Gnade, damit sie je mehr und mehr im Gehorsam des Glaubens festgehalten und vollendet werden; dies kann aber nicht geschehen, ohne daß Gott seine Hand über uns hält und uns nahe ist. Der Friede folgt aus der Gnade, und ist Friede von Gott und mit Gott: derselbe besteht in der Wieder- herstellung der alten Harmonie mit dem lebendigen Gott, so daß unsere Gedanken mit denen Gottes zu- sammenstimmen. Hieraus folgt dann auch der Friede unter den Menschen, in der Gemeinde, so daß alle Gläubigen Eines Sinnes, Einer Rede, Eines Glaubens sind und bleiben. —- Mit dem Anfang eines neuen Jahres pflegen Freunde einander Gutes zu wünschen; was nun könnte beim Beginn des neuen Kirchenjahres meine Liebe euch Besseres wünschen, als den vollen Inhalt dieses apostolischen Grußes? Ja, Gnade sei mit euch, m. Br., die Gnade unsers himmlischen Vaters, die da Sünde vergiebt, aus Sün- dern gerechtfertigte Kinder Gottes macht und dieGerecht- fertigten mit ewiger Erbarmung segnet. Sie sei die Sonne, die euch in diesem neuen Kirchenjahr leuchtet; sie scheine hell in euer Leben, in eure Häuser, in eure Herzen hinein und verherrliche sich an euch in vielen geistlichen und leiblichen Gütern. Gnade sei mit euch und — Friede von Gott — der Friede, welcher fröhlich in Hoffnung und geduldig in Trübsal macht, der selbst die Angst dieser Welt überwindet und Sinne und Herzen bewahrt zum ewigen Leben; Gnade und Friede von Gott, beides aber durch unsern HErrn Jesum Christum, der da ist und der da war und der da kommt, der auch heute wieder zu seiner Ge- meinde kommen und immerdar bei ihr bleiben will— Halleluja, Amen. (Thomasius.) Vgl. zu l. Thess l,1 u. Ephes. I, 2. II· V. ti—17. Stuf die apoltolisctze Begrüßung liißt pau- lug nun, wie auch sonst in den meisten seiner Gpisielty eine brieflichc Einleitung folgen, welche zuletzt in die Bezeichnung des Themas seiner tiehralilzandlung ausgeht. Er beginnt den vorliegenden Abschnitt mit einer Danlisagung gegen Gott wegen des erfreulichen Fortgangs des Evangeliums bei den liefern, bezeugt dann seine Theilnahme für he, der zufolge er allezeit Gott bitte, daß es ihm vergönnt sein möge, zu ihnen zu besinnen, wie er denn schon öfters den lllorsah gefaßt habe, sie heimzusuo)kn, theils uin sie zu stürlien und sich mit ihnen im gemeinsthafllichcn Glauben zu erinunlern, theils um seinem Berufe als lijcidenaposiel gemäß auch unter den noch unisekehrten Römern Frucht zu schaffen, gleichwie unter andern Heiden, nur daß er an der Aus— führung verhindert worden; keineswegs aber sei er aus Scheu vor der macht— und weisheitgstolzen Roma bisher von ihr zurückgeblieben, denn er schiime sich des Evan- getli nicht, welches allein im Stande ist, aller Welt, sie sei, wer sie wolle, zur Seligkeit zu verhelfen. 8. Auf-s erste danke ich meinem Gott fdenc ich mit ganzer Seele angehöre und aus allen Kräften diene Apoftg· 27, 23 und dessen Ehre daher meines Lebens Freude ist] durch Jesum Christ [Kap. 7, 25; Col. 17; 1. Petri 2, H; Hebt. is, 15] euer aller halben U. Cur. 1, 4; Col. 1, 3 ff; i. Thess 1, 2], daß incm von eurem Glauben in aller Welt [wo es christliche Gemeinden schon giebt Kap. 10, 18; l. Thess. 1, 8] sageti [vgl. Kap. 16, 19]. 6 Römer I, 9—17. 9. Denn Gott ist mein Zeuge [Phil· 1, 8], welchem ich diene in meinem Geist snicht blos mit dem äußeren Werk, sondern mit innerlicher Be- theiligung meines ganzen Gemüths Ephes. b, 19; g, S] am Evangelio von feinem Sohne» daß ich ohne Unterlaß euer gedenke [Phil. 1, s; Ephes. 1, 15 f.; Ph1lem. 4 f.], 10. Und allezeit in meinem Gebet stehe, ob sich’s sendlich Kap.15, 23] einmal zntragen wollte, daß iehss zu euch käme durch Gottes Willen [Jak. 4, 13 .. 11. Denn mich verlanget euch zu sehen kfiir einige Zeit persönlich bei euch zu sein], auf das; ich euch mittheile etwas geistlicher Gabe [von der, die mir zu Theil geworden Kap. 12, S; Ephes Z, 1ff.], euch zu stärken [Kap. 16, 25 f. Anm.], 12. Das ist [ich will aber dies »daß ihr gestärket werdet« näher dahin verstanden wissen], daß ich sammt euch getrbstet [erniuntert, zu eifrigem Wirken angeregt Joh. 14, 18 Anm.] würde durch euren und meinen Glauben, den wir unter einander [gemein] habenttt [Kap. 3, 28fs.; L. Petri I, 1]. 13. Jch tvill euch aber [die ihr eurerseits wohl auch schon manchmal auf einen Besuch von mir gerechnet habt] nicht verhalten, lieben Brüder, daß ich mir [diese letzten Jahre daher Kap. 15, 23] oft habe vorgesetzh zu euch zu kommen, bin aber fdurch die Umstände und durch die Verhältnisse der bereits vorhandenen Gemeinden 2. Cor. 11, 28] verhindert bisher [Kap. 15, 22., zu kommen zu- gleich für den Zweck], daß ich auch unter euch sRömern V. 15] Frncht schafsete, gleichwie [ich’s gethan habe] Unter andern Heiden-s- [unter denen in Asien, Macedonien, Griechenland und Jllyrien Kap. 15, 19]. 14. Jch bin fwas das apostolische Frucht- Schaffen betrifft] ein Schuldner, [in Hinsicht auf die Theile, in welche die Völkerwelt als Ganzes zerfälltJ beide, der ffür den Inbegriff der Cultur- welt geltenden] Griechen und der [culturlosen Barbaren oder] Ungriechen, [und in Hinsicht auf den Bildungsstand, den die einzelnen Per- sonen für sich einnehmen] beide, der Weisen und der Unweifen-H- [in den verfchiedenen Völkerschaften]· 15. Darum, so viel an mir ist fund soweit die Umstände nicht hindernd dazwischentreten], bin ich geneigt, auch euch zu Rom sals bei denen es ja noch so viele Heiden giebt, die noch nicht zum Gehorsam des Glaubens gebracht sind] das Evan- gelium zu predigen ses hat also keineswegs, was» vielleicht der eine oder der andere denken möchte, die Scheu, auch dort bei euch mein Werk zu treiben, von der Ausführung meines Vorhabens V. 13 bisher mich abgehalten] Its. Denn ich schilme mich des Gvangelit von Christo nicht [gleichwie nicht vor den Griechen hier in Achaja Apoftg. 17, 17 ff.; 20, 2., die auf ihre Weisheit, so auch nicht vor den Römern dort in eurer Stadt, die auf ihre Welt- herrschast so stolz sind 2. Tim. 1, s; Gal. 6, 14; 1. Eor. 1, 25z Mark. s, 38], denn es ist eine Kraft Gottes, die da selig machtalle, die daran glauben [1. Eor. 1, 18. 21; Jak. 1,21] die Juden vornehmlich nnd auch die Griechen; 17. Sintemal [Luk. 1, I] darinnen offenbaret wird die Gerechtigkeit, die vor Gott giltes2. Cou H, 21], welche kommt ans Glauben in Glauben [Kap. 3, 21 f.], wie denn [in Hab. 2,4] geschrieben stehet: Der Gerechte wird seines Glaubens leben Hi [Gal. Z, 11]. r) Das ,,auf’s erste« betont ausdrücklich die Ge- flissenheih mit welcher der Apostel seinen Brief gerade so und nicht anders anfangen willx ,,meinem Gott danke ich«, schreibt er, um dies sein Danken als etwas zu bezeichnen, das so recht Sache seines persönlichen Bedürfnifses ist, und ,,durch Jesum Christ« fügt er hinzu, um den Zusammenhang desselben mit seinem Christenstande nicht unausgedrückt zu lassen. Da er dessen eingedenk zu Gott redet, daß sein Verhältniß zu Gott ein in Jesu Christo vermitteltes ist, so gestaltet sich auch sein Danksagen hiernach. (v. Hofmannh Bei ,,euer aller halben« denkt Paulus wahrscheinlich an die beiden Bestandtheile der römischen Gemeinde, Juden- und Heidenchristem (Maier.) Mit den Worten aber: »daß man von eurem Glauben in aller Welt saget« dankt der Apostel Gott nicht dafür, daß die Römer weltberühmte Glüubige wären; sondern daß die Kunde von dem siegreichen Einzuge des Evangelii in die Welthauptstadt alle Welt durchlief, dafür dankt er. Die Römer, die Herren der Welt, sind gläubig geworden! Dies Gerücht ging von Mund zu Mund überall, wo Christen wohnten, und wie das Reich des römischen Kaisers über den Erdkreis sich erstreckte, so sang man an allen Enden vom Sieg in den Hütten der Christen, als das Reich Jesu Christi nach Rom kam und Römer gläubig die Kniee beugten im Namen Jesu. Wir Spätlinge am Abend der Welt vermögen kaum die allgemeine KirchenfreudeHu verstehen, wo- mit die Gemeinde zu Rom in aller elt begrüßt ward. (Besser.) it) Es ist dies ein ganz freiwilliger Schwur, wo das einfache Ja nicht bezweifelt fein würde; und doch ein heiliger gottesdienstlicher Schwur, ein- gegeben von der lautern und starken Liebe, womit der Apostel die Brüder im Herzen trug. Der außer- gerichtliche Eid aus heiliger Gesinnung und zu geiligem Zweck ist wohl erlaubt: das Gesetz und sein rfüller (Matth. 5, 33 sf.) verbietet nur den Meineid und das gedankenlose, unnütze Schwören. Der Ge- meinde zur Stärkung ihres Vertrauens zu seiner Person, seinen Aussa en und seiner Lehre, seine Wahr- haftigkeit und die ufrichtigkeit seiner Liebe zu ver- siegeln, ist dem Apostel eine hinlängliche Veranlassung zur eidlichen Betheuerung. Die Worte, welche er hin- zufügt: ,,welchem ich diene in meinem Geist am Evan- gelio von seinem Sohne-«, bekräftigen dann noch seinen Schwur; denn den Gott, welchem er so treulich am Evangelio dient, wird er doch durch keine Lüge belei- digen, und ist er von Herzen Diener des Evan- geliums, so wird er natürlich auch das lebendigste Jn- teresse an den durch das Evangelium gegründeten Ge- meinden nehmen. (Philippi.) l Das Thema der Epistel 7 THE) Die Sache, die dem Apostel am Herzen liegt, ist ihm ein Gebetsanlie en; denn nicht auf Wegen des Eigenwillens, fon ern nur mit dem Willen Gottes will er nach Rom kommen. Wenn er nun für den in Aussicht genommenen Besuch bei den Römern die Absicht hat, ihnen ,,mitzutheilen etwas geistlicher Gabe, sie zu stärken«, so scheint sein Aus- druck darauf hinzudeuten, daß die römische Gemeinde nicht nur im Allgemeinen geistlichen Segen von ihm empfangen, sondern an seinem besonderen Charisma, nach welchem er der Heidenapostel ist, Theil haben soll; und wenn er seine Absicht dann weiter dahin be- stimmt: ,,das ist, daß ich sammt euch getröstet würde durch euren und meinen Glauben, den wir Unter ein- ander gemein haben«, so dient diese Verbindung beider Zwecke zur Erklärung des einen wie des andern —- der Apostel will, die( Römer sollen durch ihn gestärkt werden nicht etwa nur imAllgemeinen in ihrem Glauben, sondern auch in ihrem bestimmten Glaubensberuf nach ihrer römischen Weltstellung, und die Folge davon wird sein, daß der Apostel ermuntert und gefördert wird in seinem universellen Apostolat. (Lange.) s) Vorher hat der Apostel sein Verlangen, mit den Gläubigen Roms inspersönlicheii Verkehr zu treten, als den Grund bezeichneh warum er stetig Gott bittet, ob er nicht endlich einmal zu ihnen kommen soll; wenn er nun sortfährtt ,,ich will euch aber nicht ver- halten«, so bereitet er durch diesen Uebergang die Leser darauf vor, daß er ihnen etwas, mit dem Vor- hergehenden zwarZusammenhängendes aber doch davon Unterschiedenes also etwas Neues sagen wird, von dem ihm nicht gleichgiltig ist, ob sie es wissen oder nicht. Dies kann aber nicht, wie man vielfach gemeint hat, darin bestehen, daß er es bei dem bloßen Ver- langen nach ihnen nicht gelassen, sondern sich auch wirk- lich vorgenommen hat, zu i nen zu kommen; denn er schließt einen Absichtssatz an, welcher einen andern, und zwar wesentlich andern Zweck seiner Hinkunft benennt, als den er vorher benannt hatte. Eine Frucht wollte er haben unter ihnen, wie in der übrigen Völker- welt auch, also etwas als Ertrag feiner Arbeit be- zeichnen können, was erst durch ihn dem Boden, den er bearbeitete, abgewonnen war; dies ist aber etwas Anderes, als wenn er zur Befestigung der Gliiubigem die es bereits sind, etwas beizutragen hofft —- zu letzterem enügt ein Besuch der Gemeinde, zu jenem dagegen it eine über ihren bisherigenUmsang hinaus- gehende Thätigkeit erforderlich, durch welche solche zum Glauben an Jesum gelangen, die ihr noch nicht an- gehören. (v. Hofmann.) Als einheitlicher Gedanke von V. l1—-13 ergiebt sich: der Apostel, indem er sich anschickt, mit seiner apostolischen Predigt mitten in die oeeidentalische Heidenwelt zu treten, achtet es fiir noth- wendig, der römischen Gemeinde als eines Stütz- und Ausgangspunktes, sozusagen als einer Qperationsbasis, sich zu versichern. (Schott.) H) Sein Verhältniß zur Heidenwelt betrachtet der Apostel wie eine abzutragende Schuld: in dem Evan- gelium war ihm ein unendlicher Schatz anvertraut, aus dem er allen Heiden ohne Ausnahme (die Juden bleiben hier außer Betracht Gal. 2- 7) mit- theilen zu müssen glaubte. Der Ausdruck: ,,beide, der Griechen und der Barbaren (Ungriechen)« bezeichnet die Universalität der Heidenweltz die Römer, sofern sie an dem allgemeinen Culturzustande der damaligen Welt Theil nahmen, gehören mit zu den Griechen, welcher Name gewissermaßen seine blos volksthiimliche Beziehung verloren hatte, aber nur deshalb diese weitere Bedeutung gewinnen konnte, weil die Cultur der alten Welt von den Griechen ausgegangen war. (Olshausen.) Jn der zweiten Scheidung: ,,beide, der Weisen und der Unweisen« werden nicht mehr die ganzen Völker einander entgegengestellt, sondern es handelt sich nun, wie dort um die Volks-, so hier um die Person- Differenzen; die Weis en sind nämlich diejenigen unter den Heiden, welche sich höherer Erkenntnisse rühmen, die Weltweisen oder die philosophisch Gebildeten über- haupt, welchem Volke sie immer angehören mögen. Solche hat Paulus bei den Griechen kennen gelernt, und er weiß von Zolchen auch in Rom; die Unweisen dagegen sind die eute ohne philofophische Erkenntniß. (Maier.) Er ist ein Schuldner der Weisen, denn er führt das Amt des Evangelii, welches mit der Arzenei göttlicher Thorheit den Schaden menschlicher Weisheit heilt; ein Schuldner der Unweisen, denn sein Evan- gelium macht die Albernen weise und die Ungelehrten zum Himntelreich gelehrt. (Besser.) its) Mit der Bezeichnungt ,,euch zu Rom« meint er, die Leser nicht in ihrer Eigenschaft als Christen, sondern in ihrer Eigenschaft als Römer anredend, das einen Bestandtheil der Heidenwelt ausmachende Volk von Rom; er ist bis jetzt trotz seiner Geneigtheit, auch ihnen das Evangelium zu predigen, nur daran ver- hindert worden, und die Leser sollen dies wissen, damit sie nicht nach einem in ihm selbst gelegenen Grunde suchen. Und da will er nun mit dem Ausspruch: »denn ich schäme mich des Evangelii von Christo nicht« die Unterstellung von sich abwenden, als sei er des- halb bisher von Rom fern geblieben, weil er dort, in der Welthauptstadt, dem damaligen Mittelpunkte der Bildung, mit der Heilsbotschaft, die er doch ander- wärts verkiindigte, keine Ehre einzulegen besorgte (und allerdings war es »ein kiihnes Unternehmen, zum Kreuze zu rufen die Herren des Erdkreises«). Wie aber wäre das möglich, daß ich des Evangelii mich schätnen sollte? so fährt er mit dem Satze fort: »denn es ist eine Kraft Gottes, die da selig macht alle, die daran glauben«; ist sie ja doch nicht eine Menschen- lehre, von der es sich fragen könnte, ob sie zu etwas dient und ob sie für jeden einen Werth hat oder nur in einem bestimmten Kreise Anklang finden kann. Eine Gottesmacht ist sie, welche zum Heile gereicht, und zwar jed em zum Heile gereicht, dersie gläubig aufnimmt; indem der Apostel das bezeugt, setzt er voraus, daß alle o h n e Unters chied einem Verderben unterliegen, dessen sie nur dann ledig gehen, wenn sie sich so zu er Heils- botschaft verhalten, wie eine geglaubt sein wollende Botschaft es fordert, und fügt nun dem ,,selig macht alle, die daran glauben« den Satz hinzu: »die Juden vornehmlich, und auch die Griechen«. Nach der bis- herigen Geschichte der Menschheit gehörte der Jude dem Volke an, dessen Verhältniß zu Gott ein auf heilsgeschichtlichemWege gewordenes war, das Griechen- thum dagegen war die Blüthe der Entwickelung der außer dem heilsgeschichtlichen Gebiete befindlichen Menfchheiy dieser Gegensatz ist aber der apostolischen Botschaft gegenüber gleichgiltig, sowohl hinsichtlich des Heilsbedürfnisses, dem sie entgegenkommt, als hinsichtlich der Bedingung, unter welcher sie zu Heil gereicht, und nur das haben, wie das ,,vornehmlich« besagen will, die Juden vor den Griechen voraus, daß die auf heilsgeschichtlichem Gebiete erschollene Heils- botschaft (Joh. 4, 22; Apostg. 10, 36 sf.) das Volk dieses Gebiets immerhin zuerst angeht, und darnach erst die außer demselben befindliche Menschheit (v l. Kap. 2, 9 s.; 15, 8 ff.; Apostg is, 46; 28, 17 Der Apostel sagt aber nicht blos, was es um die Heilsbotschaft ist, sondern auch, warum sie dies ist. Was der Mensch bedarf, um des Unheils ledig zu gehen, welchem er sonst verfallen ist, was er zu seiner 8 Römer 1, l8——31. Seligkeit brauchh das ist Gerechtigkeit, es muß so mit ihm stehen, daß er Gottes Urtheil nicht wider sich hat, sondern für sich; ein solcher Stand nun wird geoffenbaret im Evangelium. (v. Hosmann.) Luther’s Erklärung der Worte des Grundtextesx ,,aus Glauben in Glauben«, so daß dadurch das Wachsthum des Glaubens bezeichnet würde, ist nicht wohl annehmbar; denn der Apostel handelt von der Rechtfertigung, die aus dem Glauben kommt, an sich aber von dessen Wachsthum nicht abhängig ist. Man hat daher zu er- klären: die vor Gott geltende Gerechtigkeit wird offen- hart· als aus dem Glauben auf den Glauben kommend. (Ph1lippi.) Die ganze Zusammenstellung hat vermuth- lich den Zweck, den Glauben ausdriicklich als das wesent- liche Moment im neuen Testament hervorzuheben, wie im alten Testament die Werke den Mittelpunkt bilden. (Qlshausetc.) Der Glaube ist die Bedingung der Ge- rechtigkeit, die vor Gott gilt; er ist aber auch das empfangende Organ. (Röntsch.) B« Dem Standpunkte gemäß, auf ruelclzetti Paulus zur Zeit der Abfassung unsers Briefs sich befand, wo er, rückwärts blickend auf die durchmessene Bahn feines apoftolischen Laufs imrkiorgenlande und u arw cirts blickend« auf feine Mission im 2lbendlande, der in dessen Hauptstadt · schon bestehenden Ghriftcngeiileinde dasjenige Porbild der ltehre (Kap. b, 17), welches in die lherzen der Helden zu prägen sein eigenster tEteruf war (Gphes. 3,1sf.) und welches er soeben (v. 16 f.) in feinen Grundzügen anfgezeigt hat, zu einem theuern Kleinod und einer treu zu be- wahrenden Beilage machen wollte, faucmelt er nun alle seine Kraft im heiligen Geist, um mit erfahrungsmdßigem Reich— thun! apostolischer Weisheit dasselbe eingehend zu erörtern und nach allen Seiten hin zu beleuchten. Gr thut das in zwei Partien, indem er zuuiirdersi sein Thema so durch— führt, als habe er vorhin blos gesagt: ,,die Juden und auch die holder-«, darauf aber das dem wirklichen Sach- verhatt nach den Juden noch zugefchriebene ,,vornehmlich« zum Gegenstand einer ausführlichen besonderen Abhand- lnng taucht, dainil auch die judenchristliclse Minderheit der Gemeinde riiclrlsaltlos seinem Gvangelio beifallen und an seinen rliissionslseslrklsungetr sich betheiligen könne; dein— gemäß zerlegen wir uns den von Kurs. l, 18 —11, 36 reichenden ersten, didalitischen Theil der Guistel in zwei Abschnitte, von denen ein Jlugleger nicht unpassend den einen den lehrbegrifflichety den andern den lehr- geschiaztliclfen Theil genannt hat. a. Im lehrbegrifflicizen Abschnitte (Kap. l, til—- tt, 39) zeigt der Apostel, das; weder die theiden durch ihr natürliches sticht, das ste in Lkinfternisi verkehrt haben, noch die Juden durch das Gesetz, das nur ihre Sünde schärfen und ihnen zum Bewußtsein bringen konnte, vor Gott gerecht werden können: seit Ztdanrs shall fcnd die eilen— schen, Juden wie Heiden, allzumal Sünder und dem Tode, der der Sünde Sold ist, verfallen. Zins freier Gnade aber hat Gott eine ewige Erlösung erfunden und in seinem Sohne Thristo Slefu, dem zweiten Adam, dargestellt; in dem Gufertode Thrifli llegt die versöhnende und recht— fertigende, in feiner Auferstehung die heiligende und er- neuernde Kraft dieser Erlösung, die der-Mensch iucGlauben sich anzueignen hat und dadurch ohne alles eigene Verdienst und wiirdigkeit gerecht, eine neue Erkennt, ein Erbe des ewigen llebens und stliterbe Christi wird. I. v. 18—-Kap. s, St. lllas Evangelium beseligt, weil es rechtfertigt: dies ist der erste Punkt, welchen! der Apostel bei Erörterung seines vorhin angegebenen Themas (v. 16 f.) steif zuwendet, wie er ja diesen Punkt auch dort schon als den vornehmsten bezeichnet halte, indem er nach den Worten: »das Evangelium von Thcisto ist eine Kraft Gottes, die da selig macht alle, die daran glauben 2r.«, fortfuhr: ,,s·lntcmal darin ossenbaret wird die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt«. 1. V. 18—- 32. Lag in dem, was in V. t7 gesagt wurde, bereits angedeutet, das) die im Goaagelio von Christo geoffectbarle Gerechtigkeit eitlen( absoluten Be— diirfnisl der gefancmten ilieitfchcsiwclh der Heiden sowohl wie der Juden, begegnet, ohne dessen Befriedigung die Scliglkieit fiir beide Theile ein Ding der Unmöglichkeit roher, fo liislt uun Paulus oor allen Dingen es sich angelegeil sein, diese seine Voraus· felzuug tibher zu begründen; und da hebt er, weil er nicht nur der Heiden Apostel ist, sondern auch an eine Gemeinde schreibt, die vorwiegend aus uormaligesc Heide-c besteht, mit eben diefen, den Heiden, an und stellt den Stand, in welche-n dieselben uou sich selber sich befinden, iu lhatfärhlicher Wirlilichlieit oor Augen. Es ist das aber ein Stand des tiefsten religiösen und sittlichen verfalle, ein Stand, in welchem Gottes ver- gcllende Gerethligtielc in offenkundiger weise sich offenbart, also dasl die Heiden mit dem, was» sie scud nnd wie sie’5 treiben, fo recht als Kindes: des Zorns erscheinen, deren srhliesllirhes Loos nichts« Attderes als das. ewige Verderben sein spürt-e, wenn es nicht eben eine iltlernaliirliche Rettung gäbe, wie sie in Christo von Gott liotnmt Was hier der Apostel zuerst über den religiösen und dann iiber den sittlichen Verfall der tjeideuwelt als« die Strafe fiir die gewalt- faucr Unterdriicliutcg und suuthlvillige Verliehrung des von Natur ihr eingepflanzten religiösen und sittlichen Be« luuslifeliis für cia Bild euiwirfh macht auf den, der die Geschichte und Verhältnisse der damaligen Zeit gestaltet Kraut, den tinwidcrskehlichelt Gindructi, dasl niemand anders, als die Welthauptskadt selber, wohin er seine Gpiskel richtet, und das« dort herrschende Tiaiferhalcs zu diesem Bilde ihm gesessen, und hat gen-ist die Leser aufs Ticffie ergriffen. 18. sEiner solchen Gerechtigkeit, wie sie im Evangelio geoffenbaret wird, bedürfen die Men- schen, wenn anders sie selig werden solleu, um des Zustandes willen, in dem sie sich befinden, schlechterdings.] Denn [dieser ihr Zustand ist durch und durch von der Art, daß in demselbigen] Gottes Zorn vom Himmel wird ofsenbarct über allcs gottlose Wesen und Ungcrechtigkeit der Men- schsn lEphsi- 5,· S; Col. 3, 6], die die Wahrheit m Ungerechtigkeit aufhalten« fwas denn in erster Linie von den Heiden gilt Ephes 2, 1 ff.]. 19. sJn der That schreibt deren ganze Ver- sunkenheii in Götzendienst sich lediglich davon her, daß sie die Wahrheit in Ungerechtigkeit aufhalten] Denn das man weiß [soviel ein Mensch auch ohne übernatiirliche Offenbarung von göttlichen Dingen wissen mag, insbesondere dces], daß Gott sei [anderwärts iiberfetzt Luther: dasjenige, das kü11dlich ist an Gott], ist ihnen [dem innersten Bewußtsein nach] offenbar; denn Gott hat es ihnen ofseubareh » · » 20. Damit snämlcch Ihnen offenbaret], daß Gottes san sich selbst zwar] unsichlbares saber doch in seinen Aeußerungen sich zu erkennen gebendes] Wesen, das ist seine ewige Kraft und sseinej Gott- heit sin ihren anderwetten Etgenschaften], wird Der erste, didaktische Theil. I. Der lehrbegrisfliche Abschnitt. 9 ersehen, so man deß wahrnimmt [und nicht math- willens seine Augen dagegen verschließt], an den Werken, nämlich an der Schöpfnng der Welt-«; also, daß sie keine Entschuldigung haben swenn dieser ewige und große Gott ihnen einvöllig unbekannter Gott geworden Weish. 13, 1 ff., viel- mehr einer gar schweren Schuld deswegen geziehen werden müssen], , 21. Dieweil sie swie eben nachgewiesen wurde, zwar] wußten, daß ein Gott ist [Apostg.17,27f.], und haben [doch] ihn nicht gevreiset als einen Gott sdaß sie, wie sie hätten thun sollen, die gebührende Ehre ihm gegeben hätten], noch shabeu sie für das, womit er sich an ihnen nicht unbezeugt ge- lasset! Apvstg- 14, 17., ihm] gedanket, sondern sind in ihrem Dichten [1. Chron. 29, 9 Auen] eitel worden sdaß sie Götter sich ersannen, die doch falsch undmichtig sind Jer. 16, 1·9; Apostg 14, 15], und ihr unverstandiges Herz ist verfrnstertW [daß sie alle Einsicht in die Thorheit und Un- vernunft solcher Gottesverehrung verloren haben Jes. 44, 9 fs.; Pf. 115, 4 ff.]. 22. Da sie sich für weise hielten, sind sie zu Narren worden [Ier. 10, 14]; « 23. Und haben smittels Vertauschung des einen mit dem andern] verwandelt die Herrlichkeit des unvcrgänglichen Gottes in ein Bild gleich dem vergänglichen Menschen [wie Griechen und Römer das gethan], nnd der Vögel und der vierfüßigen nnd der kriechenden Thieres— [wie bei den Egyptern mit dem Jbis-, Apis- und Schlangendienst geschah 5. Mos. 4, 16 sf.; Weish. 13, 10]. 24. Darum [zur Strafe für solch frevel- haftes Beginnen, zur Vergeltung solcher Herab- würdigung seiner göttlichen Herrlichkeit mit Ent- ehrung ihrer eigenen Menschenwürdd hat sie anch Gott dahin gegeben in ihrer Herzen Gelüste sdiese Worte bilden einen Zustandssatz, der da beschreiben soll, wie es in ihrem Herzen aussah, als Gott sie dahin gab: sie selber hegten und nährten in ihren Herzen die schändlichsten Lüste und Be- gierden, und ließ nun Gott mit seinem Dahin- geben denselben freien Laus, daß sie in ganz un- natürliche Laster versanken oder, wie der Apostel schreibt] in Unreinigkeit, zu schiinden ihre eigenen Leiber an ihnen selbst [vgl. V. 26 f.; Ephes 4, 19]: 25. Die snach dem, was in V. 23 gesagt wurde] Gottes Wahrheit sdas wahre, wirkliche Wesen Gottes] haben verwandelt in die Lügen [in die Trügerei der falschen Götter, die nichts als verkörperte Lügen sind Jes. 44, 20], und haben sdie Creatur an Stelle dessen, der Himmel und Erde gemacht] geehret und gedicnet dem Geschöpf mehr, denn dem Schöpfer, [ja in solchem Maße dem Geschöpf mehr, denn dem Schöpser, daß sie diesen ganz gegen jenes zurücksetztem ihn] der da sgleichwohh anch wenn Meuschen die gebührende Ehre ihm entziehen] gelobet ist in Ewigkeit, Amen H ses ist das eine Doxologie des Vaters im Gegen- satz zur Gdtzendienerei der Heiden; eine gleiche Doxologie des Sohnes begegnet uns in Kap. 9, 5 im Gegensatz zur Christusleugnung der Juden] 26. Darum sum nach der Aussage in V. 25 den Satz in V. 24 wieder aufzunehmen und über die dort gemeinte Unreinigkeit und Schändung der eigenen Leiber an ihnen selbst mich näher zu erklären] hat sie Gott auch dahin gegeben in schtindliche Lüste [in Lüste oder Leidenschaften, deren Ausübung am meisten geeignet war, ihre Menscheuwürde zu schändens Denn ihre Weiber haben verwandelt den natürlichen Brauch sdie natürliche geschlechtliche Beiwohnung, die an einen Mann sie gewiesen hätte] in den nnnatürlicheti sindem sie dem sog. lesbischen Laster sich ergaben und mit Andern ihres Geschlechts Unzucht trieben] 27. Desselbigen gleichen auch die Männer habest verlassen den natürlichen Brauch des Weibes, und sind an einander erhitzt in ihren Lüsten und haben [in der Knabeuschäiiduug I. Cor. 6, 9; 1. Mos. 19, 5 Anm.] Mann mit Mann Schande getrieben, nnd smit solchem Treiben selber schon, insofern sie dadurch unter das Thier sich herab- würdigteUJ den Lohn ihres Jrrthums sden sie mit dem Abfall von Gott zum Götzendienst begangen V. 21 u. 23], wie es denn fuach der Ordnung der göttlichen StrafgerechtigkeiH sein sollte, an ihnen selbst san ihren eigenen Leibern, die sie so arg schändetertV.24; 1.Cor. 6,18] empfangensssn 28. Und gleichwie sie nicht geachtet haben, daß sie Gott erkenneten ses nicht werth erachtetery die ihnen geschenkte Erkenntniß Gottes V. 19 f. in ihrem Herzen festzuhalten] hat sie Gott anch dahin gegeben in verkehrten swörtlichx unwerthen, nichtswürdigen] Sinn, zu thun, das nicht taugt salle nur erdenkliche Untugend 1. Joh. 5, 17 zu verüben, so daß sie sind]: 29. Voll alles Ungerekhten, Hurerch Schan- heit [1— COU S, 8], Geizes sHabsucht Ephes 4, 19], Bosheit [Ephes. 4, St; Col. Z, 8], voll Hasses soder Neides Tit. Z. 3], Mordes [Gal. s, 20], Haders [Kap. 13, 13], List [Apostg. 13, 10], giftig sbesser: Giftigkeit, hämischen Wesens oder Tücke] Ohrenbltisey 30. Verleumder [2. Cor. 12, 20], Gottes- verächter lnach andrer Auslegung: G o ttv e rh a ßte l. Thess 2, 15], Frevler [in 1.Tinc. 1, 13 über- setzt Luther das Wort mit ,,Schmäher«], Hosfårtigh Rnhmredige [2.Tim. 3, 2], Schcidliche [in Buben- stücken ErfinderischeL den Eltern Ungehorsame [2. Tim. Z, 2], 31. Unvernünstige [Luther: »Hans Unver- nunst, mit dem Kopf hindurch«], Treulose [Bund- 10 Römer 1, 32. brüchige, Abtrünnige Jer. 3, 8. 11], Störrjge [aller, auch der natürlichen Liebe Vaare Z. Tim. Z, 3], Unversöhnlicha Unbarmherzigekfz 32. Die Gottes Gerechtigkeit fRechtsfpruch OffeUkL 15, 41 wissen, daß, die solches swie eben aufgeführt wurde V. 29 ff] thun, des Todes würdig sind findem sie ja darauf hin selber ein Strasrecht für ihr staatliches Leben aufgestellt haben], thun sie es nicht allein ffiir ihre eigene Persou], son- dern haben auch Gefallen an denen, die es thunssk V) Der Offenbarung der Gerechtigkeit Gottes im Evangelio von Christo, welche kommt aus Glauben in Glauben, wird als geschichtlich frühere Offen- barung die des Zornes Gottes vom Himmel her ent- gegengesetztz in realer Weise geschiehtdiese als Schickung aus der Höhe der heiligen Gotteswelt nnd vom Throne des göttlichen Waltens, in idealer Weise aber durch das Licht der Gerechtigkeit, welches wie in Zornes- blitzen aus dem Reiche des Geistes herableuchtet in die Welt des schuldbewußten Menschenlebens und seine dunkeln Geschicke deutet. (Lange.) Wie die Gerech- tigkeit Gottes, die im Evangelio geosfenbart wird, in Glauben kommt, d. i. zu allen, die da glauben, so geschiehet die Offenbarung des Zornes Gottes vom Himmel üb er alles gottlose Wesen und Ungerechtigkeit der Menschen. (Olshausen.) Der Apostel beginnt mit der Schilderung des heidnischen Götzendienstes als der allgemein menfchlichen Sünde, der Naturfünde des gefallenen Menschen überhaupt; Israel war das dieser Menschheit durch positive Offenbarung ent- nommene Gottesvolk. Soweit es in den Götzendienst zurücksank, hatte es aufgehört, Jsrael zu sein, und war zum Heidenvolke geworden; es war das aber nicht die Signatur des damaligen, streng antipaganifchen Judenthums (Kap· 2, 22; Jak. 2, «19)· Von Gottes Zorn nun sagt der Apostel, daß er offenbaret werde über alles gottlose Wesen und Ungerechtigkeit der Menschen: jenes ist-ein religiöser, dieses ein ethischer Begriff; jenes bezeichnet die Jrreligiosität, die Gott- losigkeit (2. Tim. 2, 16; 2. Petri 2, 5), dieses die Jmmoralität, die Sittenlosigkeik jenes umfaßt die Sünden wider die erste, dieses die Sünden wider die zweite Tafel. (Philippi.) Die Wahrheit, welche der Apostel in dem Satze meint: »die die Wahrheit in Ungerechtigkeit aufhalten«, ist die religiöse und fittliche Wahrheit in ihrem ideellen Wesen, die Gottesidee und die Jdee vom Sittlichen (V. 21 ff: 2, 8; Joh-. 3, 21), welche letztere vermittels des Gewissens auch als prak- tische Norm des Willens in’s Bewußtsein tritt (Kap. Z, 14 f.); der Sinn des Satzes aber ist der, daß die Heiden durch ihre Sündhaftigkeit in Gesinnung und That, durch ihr Sündenleben die klare Erscheinung der Wahrheit im Bewußtsein hemmen und deren Eingehen in Gemüth und Willen, ihren praktischen Einfluß, zurückhaltem sie nicht wirksam sein lassen. (Maier.) Aller Jrrthum auf Erden kommt von der Sünde her, welche die erkannte Wahrheit solange gefangen hält, bis gerlNåensch sich derselben nicht mehr bewußt ist. v. era . ( M) Wo) die Erkenntniß der Gottheit nicht allen Menschen auf unauslöschliche Weise in ihr Herz ge- schrieben wäre, würde die Abgötterei nicht sein er- funden worden. Denn warum hat man Götzen an- gebetet, als darum, weil alle Menschen geglaubt haben, daß ein Gott sei. (Luther.) Jhr Heiden fprechet unter einander: »Was Gott giebt! wenn Gott will! guter Gott! Gott segne dich! Gott sieht alles! Gott sei’s befohlen! Gott wird’s vergelten!« Woher hast du, Nichtchristin, das? Sogar angethan mit der bekränzten Kopfbinde der Ceres, mit dem Scharlachmantel des Saturn, mit dem leinenen Rock der Jsis, in den Tem- peln selbst, wo du vor Aesculap stehst oder die Juno vergoldest oder die Minerva beschuhst, rufst du Gott zum Richter an, und nimmst keinen dieser anwesen- den Götter zum Zeugen; in deinem eigenen Bezirke appellirst du an einen andern Richter, in deinen Tem- peln leidest du einen andern Gott. O Zeugniß der Wahrheit, welche selbst bei den Dämonen einen Zeugen sich erweckt! (Tertullian.) Die Schönheit der Welt und die hehre Ordnung des Himmels zwingt uns zu bekennen, daß ein erhabenes und ewiges Wesen da ist, zu welchem das menschliche Geschlecht mit Bewunderung aufblicken muß. (Cicero.) disk) Wie ganz anders schaut der heilige Paulus die Geschichte der Menschheit vor Christo an, als die Weisen dieser Welt! Diese sagen, die Menschen seien im Laufe der Zeit fortgeschritten von Rohheit zur Bildung, und schildern mit einer Art von Andacht den Eroberungszug der »Eivilisation«; der Apostel aber sieht die Heidenwelt im ungeheuren Riickschritte vom Lichte zur Finsteruiß, der Abfall von dem lebendigen Gott trägt den abgöttischen Kindern abgöttischer Väter Frucht zunehmenden Verderbens, die Nacht des Heiden- thums wird immer dunkler —- bis der Morgen anbricht, der Weihnachtsmorgen, auf den die Heiden nicht gehofft haben. Sie waren stolz auf ihre glänzende Finsternis; und zierten ihre Nacht mitWeisheitslichtern aus, die sich geschämt haben vor dem Sterne der Weisen. (Besser.) Die Menschheit stieg nicht aus der Tiefe in die Höhe, sondern sie fiel aus der Höhe in die Tiefe. Nur auf solchen Prinzipien kann eine ächt christliche Religions- philosophie sich erbauen: ist das Heidenthum nicht Abfall, so ist das Ehristenthum nicht Wiederher- stellung. (Philippi.) Vgl. die Schlußbem zum Pro- pheten Daniel. f) Sie glaubten, die Herrlichkeit Gottes mit Weis- heit auszudrücken und festzuhalten in dem Symbol oder Gleichniß eines Menschenbildesx dazu diente ihnen natürlich das Bild der äußeren, also vergänglichen Menfchengestalt, besonders bei den Griechen, wozu dann'die egyptischen Thierbilder kamen, unter den Vögeln der Jbis, unter den Vierfüßlern der·Stier, der Hund und die Katze, unter den kriechenden Thieren das Krokodil und die Schlange (Lange.) Der Grieche der niedrigeren Klasse hielt die Statuen selbst fiir Götter; bei den etwas höher Stehenden bildete sich eine ähnliche Meinung aus, wie sie die katholische Welt von den Heiligenbildern hat, daß die betreffenden Götter die Statuen erfüllten, durch sie als ihre Organe wirkten. (Tholuck.) Jn der Thorheit folches natur- widrigen Götzendienstes hat der Mensch alle ursprüng- liche, gottgesetzte Ordnung umgekehrt: er selbst nach dem Bilde Gottes geschassen, hat nun Gott nach seinem Bilde geschasserh und zum Herrn der Thierwelt einge- setzt, hat er sieh zuihrem anbetenden Knechte herab- gewürdigt. (Ph1lipp1.) · · » H) Die Folge davon, daß die Heidenwelt die hohe Gnade der Gotteserkenntniß nicht gewürdigt, war ein göttliches Strafgericht: sie hatten Gott herabgewürdigt selbst unter den Menschen zur Thiergeftalt; so trifft sie die Strafe, daß der Mensch sich selbst unter das Thier herabwürdigt, indem er in ganz unnatiirlicher Weise Wollust treibt. (Tholuck.) Die Folgen seines Abfalls von Gott hat der Mensch nicht mehr in seiner Gewalt, sondern nach Gottes Ordnung, Veranstaltung und Gericht treten sie in den verschiedenartigsten Formen der Sünde auf (Pf. 69, 287 2. Sam. 24, 1 Anm.). Der tiefe religiöse und sittliche Verfall der Heiden. II Allerdings entwickeln sich diese Sünden nur, indem der Geist Gottes vom Abgesallenen zurückweicht, nicht in- dem er sie selbst wirkt; aber doch vollzieht sich in diesem Zurückweichen nnd seinen Folgen, nämlich in dem Be- treten der Bahn ungeziigelter Frevel und Laster, zu der Gott dem Menschen die Zugänge eröffnet und ebnet, ein positives göttliches Strafverhängniß (Ps. 81, 13; Jes. 6, 9f.; Mark. 4, 12; 2. Thess. Z, 11 f.)· Jn der That ist nun auch das vom Apostel hier er- wähnte Laster ein spezifisch heidnisches und war zugleich ein besonders in der damaligen Zeit weit verbreitetes Laster (an dem selbst der edelste unter den»Heiden, Socrates, auf die schamloseste Weise sich betheiligt·hat); im Umkreise auch der entartetsten Christenheit ist es doch immer nur sporadisch vorgekommen und nur heim- lich geübt, niemals aber vom össentlichen Urtheil ent- schuldigt oder gar gebilligt worden. Die Lasterhaftig- keit innerhalb der christlichen Kirche ist Abfall vom Christenthum und nimmt darum mit dem zunehmenden Abfall und dem Rückfall in den heidnischen Sinn selber zu; hingegen die Lasterhaftigkeit innerhalb des Heiden- thums ist Eonsequenz des Götzendienstes, wofür auch die vielen wollüstigen Gottesverehrungen des Heidenthums Zeugnis; geben. (Philippi.) Jn V. 25 wiederholt dann der Apostel die Ursache, warum Gott die Heiden so tief in Unzucht Versinken ließ; und in- dem er nun da auf ihre Hintansetzung Gottes gegen das Geschöpf zu reden kommt, bricht er voll Unwillens über solche Entehrung Gottes in einen Lobpreis des- selben aus, womit er seine eigene Verehrung zu er- kennen giebt. (Maier.) -s--H·) Der Mensch ist für Gott im religiösen Sinne, wie Mann und Weib für einander sind in sitt- lich er Beziehung: das ist die Natur, die Wahrheit der Verhältnisse (Ephes. 5, 25); daher ist auch die Naturverkehrung, Unnatur oder Lüge des Creatur- und Bilderdienstes mit der Naturverkehrung Un- natur oder Lüge der Geschlechtsbefriedigung bestraft worden. (Lange.) Stärker noch als bei andern Wollustsiinden tritt die Selbstentwürdigung des Menschen, und damit das Selbstgericht, in dem griechischen Laster der Päderastrie hervor, das in den Zeiten, wo Paulus schreibt, auch zu Rom weite Verbreitung ge- funden hatte; selbst Weiber (tribades, frictricesy d. i. Reiberinnen, genannt) machten derselben Schmach sich schuldig, die mit verschönerndem Namen nach einer be- rühmten Vorgängerin darin als «sapphische Liebe« be- zeichnet wurde. (Tholuck.) Jn den unnatürlichen Wollustsiinden erscheint die Menschheit unter das Thier erniedrigt; bei Ausübung der natiirlichen Wollust erliegt der Mensch einem allgewaltigen Triebe und hat darin eine gewisse Entschuldigung, aber die wider- natürlichen Unzuchtssünden sind reine Greuel der Bos- heit. (Olshausen.) Der in die Macht der Unzucht Dahingegebene ersinnt sich, weil das Auge sich nimmer satt sieht, das Ohr sich nimmer satt hört 2c., stets neue » Weisen der Befriedigung seiner Begierde; je unnatürlicher und schändlicher, desto mehr zeigt dann die Sünde sich als Strafe. (v. Gerlach.) Vgl. Z. Mos. 18, 23· Es) Mit V. 28 beginnt der Apostel etwas Neues; während er nun vorhin das, was die Menschen Gott angethan haben, und das, was ihnen dafür von Gott geschehen ist, einander gegenüberstellte, kommt jetzt das Eine nicht als ursächliche Veranlassung des Andern zu stehen, sondern Letzteres als das dem Ersteren eben- mäßig Entsprechende. Sie haben es nicht für zu- kömmlich erachtet, schreibt er, Gott in Erkenntniß zu haben, so hat denn Gott sie in eine unzukömmliche, das sittliche Urtheil gegen sich habende Sinnesart dahin gegeben, in eine Sinnesart, welche dahin geht, das nach dem eigenen sittlichen Urtheil Ungebuhrliche zu thun; darauf breitet er das unter dem ,,ve·rkehrten Sinn, zu thun, das nicht taugt« Begtlffene IU 591112 traurige Mannigfaltigkeit auseinander, und thut das in vier Reihen, von denen 1·e zwei Und zwkl Mit« sich formverwandt sind und se eine Doppelreiheaus vier und fünf Gliedern besteht. Was da zunächst die erste Reihe betrifft: ,,voll alles Ungerechten —·— Bos- heit«, so ist die »Hurerei« ohne Zweifel ein «Einsch«iib aus andern ähnlichen Anfzählungeth DIE UVUAEU VI« sittlichen Mißbeschasfenheiten sind nach den besten Hand- schriften so zu ordnen: ,,voll alles Ungerechtem Schakk heit, Bosheit, Geizes«. Uiigerechttgkelt Ist DE Beschaffenheit dessen, dessen Verhalten mit dem, was zwischen den Menschen von Gottes wegen Rechtells Ils- iu Widerspruch steht; Schtilkheit die Bescheffevheit dessen, welcher auf das gerichtet»ist, was er dem An- dern zu Leide thue; Bosheit die Beschaffenheitdesselh welcher seine Befriedigung darin findet, Uebel Anzu- richten, und Geiz die Beschaffenheit dessen, welcher rücksichtslos seinen Vortheil sucht, unbekümmert um den Nachtheil, den er dadurch dem Andern zufllgki EUJE Steigerung findet hierin nicht statt, wohl aber ein Fortschritt von dem Verhalten, welches Wider DIE Pflicht und wider die Liebe ist, zu dem, welchETUUs der Freude am Uebel selbstsund aus der· Begierde nach eigenem Vortheil stammt. Die zweite Reihk besteht aus fünf Gliedern: ,,voll Hasses T glfklg - Der Neid (so wäre genauer statt »Daß« zu ubersetzeO gönnt dem Andern seinen Vortheil, sein Gutes nicht, und führt, wie der Mord besagt, dazu, daß man ihn selbst beseitigt, weil man ihm das nicht gönnt, was man lieber selbst hätte; oder wenn es a1ich soweit nicht kommt, so stört man ihm doch, wie der Had er besagen will, de« ftiediicheu Genuß dessen, was er Gutes het- oder trachtet versteckter Weise darnach, wie in List sich andeutet, daß er zu Schaden komme; oder endlich, so giebt Giftigkeit zu verstehen, man deutet ihm sein Gutes zum Bösen und wendet, wns ihm dienlich sein könnte, zum Uebel. Auch die dritte Reihe setzt sich, wie die erste, aus vier Gliedern zusammen, wenn man von den sechs Worten: »Ohrenblaser, Verleumderz Gottesverächter, Frevler, Hoffärtige, Ruhmkedlge immer je zwei als Substantive mit dazu gehorigem Adjectivum verbindet: ,,verleumderiscl)e ·Ohrenblaser, gottverhaßte Frevler, hoffärtige Ruhmredige«. Ber- leumdung des Nächsten ist der Jnhalt dessen, was die Ohrenbläser dem Andern in die Ohren raunen; nichts ist so sehr Gott verhaßt, als Jener Frevel·- muth des Menschenverächters, der Seinesgleichen mit Füße« tritt; die hoffeiktigeu Pxahreizvermessen sich aller Dinge, als ob es nur bei ihnen stünde, was sie thun und lassen wollen. Die mit« den verleum- derischen Ohrenbläsern, welche durch heimliches After- reden den Nächsten um seinen guten Namen bringen, beginnende Reihe schließt mit den Schad»lichen, d. i. mit denen, welche nicht Uebel genug sich aus- denken können, mit denen sie ihre Mitmenschen an Leib uiid Leben schädigen; zwischen beiden Arten der Bosheit aber stehen der. Frevelmuth des gottverhaßten Uebermüthigem welcher den Mitmenschen so. behandelt, als ob er nicht Seinesgleichen, sondern ein preisgegebener Gegenstand seiner Willkür wäre, und der hoffartige Ruhmredige, welcher redet, als vermöchte er alles, was er will. Die hierauf folgende vierte Reihe zahlt, wie die zweite, fünf Glieder, wenn man das ,,Unver- söhnliche«, was hinter ,,Störrige« sicherlich· erst gus 2. Tim. 3, 3 herübergenommen worden ist,·hinweglaß·t, und besteht aus lauter verneinenden -Ad1ectiven; sie beginnt mit der Verneinung des allernatürlichsten 12 Römer 2, 1—14. Verhaltens, des Kindesgehorsams gegen die Eltern: den Eltern Ungehorsame, geht über zur Ver- neinung der Willigkeih sich sagen zu lassen, überhaupt: unvernünftige (Ps. 32, 8 f.), schreitet fort zur Ver- neinung der Willigkeih auf Erbietung friedlichen Ein- vernehmens zu hören (statt »Treulose« läßt nämlich, uach andrer Deutung des Wortes im Grundtext, sich auch übersetzen: ,,Unverträgliche«), kommt von da auf die Uneinpfänglichkeit für die Stimme des Bl1its: Störrige, und endlich auf die Unempfindlichkeit für den Eindruck des Leidens und der Hilfsbedürftigkeitt Unbarmherzige (v. Hofmannss Blicken wir auf das Schliißwort der dritten Reihe: Schädliche zurück, so ist hierin eine Anspielung auf das in 2. Macc. 7, 31 zu Antiochiis Epiphanes Gesagte unverkennbar; und wir irren wohl nicht,-wenn wir annehmen, daß dem Apostel bei dem schauerlichen Nachtgemälde, das er hier in Betreff der Heidenivelt vor unsern Augen auf- rollt, insbesondere auch das Thun und Treiben des julischælaudischen Kaiserhauses (Schlußbemerkung zum 1. Maecabäerb Nr· O, e u.t’) vor der Seele geschwebt hat, heißt doch jener Günstling des Tiberius, der; die Kaisergewalt zur vollen Tyrannei aiisbilden half, L. Aelius Sejanus, bei Tacitus ausdrücklich faoinorum repertog und wenn damals auch, als Paulus an die Römer schrieb, Kaiser Nero noch in der guten Zeit der ersten 5 Jahre seiner Regierung stand, so sollte das doch bald gar anders werden. Haben die Heiden der Gotteserkenntniß sich verschlossen (V. 28), so doch nicht der Erkenntniß der alle Feinde der nienschlichen Gesellschaft für todes- würdig erklärenden göttlichen Rechtsordnung; man befindet sich mit dieser Rechtsordnung, wonach alle diejenigen, deren Thun mit dem friedlichen Fort- bestande der menschlichen Gesellschaft unverträglich ist, aus ihr hinweggeschafft zu werden, also des Todes würdig seien, in Uebereinstimmung, wenn auch die biirgerliche Gesetzgebung den Vollzug der hiernach zu verhängenden Strafe auf eine größere oder kleinere Zahl der schlimmsten derartigen Versiindigungen ein- schränkt Jn welchem Widerspruche mit dem eigenen sittlichen Urtheile befindet sich nun, wer zu der Ein- sicht gelangt ist, daß dergleichen Sünder von Gottes- und Rechtswegen den Tod verdienen, dann aber doch nicht blos dieselben Versündigungen sich zu Schulden kommen läßt, sondern auch im einzelnen Falle denen Beifall zollt, welche sich ihrer schuldig machen! Es ist eine Unnatur, wenn die Heiden mit ihrer eigenen Erkenntnis; dessen, was Rechtens ist, in solchen Wider- spruch treten, nicht blos dawider zii handeln, wozu sie durch das Ueberwiegen der Begierden und Leiden- schasten getrieben sein könnten, sondern auch an den dawider Handelndem an deren Thun sie nicht persön- lich betheiligt sind, denen sie also mit ruhigem Blute gegenüberstehen, Gefallen zu finden. (v. Hosmannh Der Beifall, von dem der Apostel redet, besteht theils in dem inneren Wohlgefallen, theils in der Billigung durch’s Wort; auch die theoretische Vertheidigung vieler von den aufgezählten Lastern, der Rachsucht u. dergl» gehört hierher. (Philippi.) Das 2. Kapitel. Die Juden sind sowohl Sünder, als die Heiden, oh sie sich gleich des gesetzes Mosis und dei- Llzesohiieidiiiig rühmen. 2. V. 1—29. Juden( der Jlpostel jetzt aus die Juden übergeht, so gestattet ihm deren Dentinngsweise und Verhalten nicht, die vorher befolgte Form der Lehr- darstelluiig beizubehalten; der Vortrag wird jetzt po- leniisch, theilweis mit oiatorischer Haltung. Er siihrt den Salz, das! auch die Juden siindhaft und ltralbar seien, mit Berücksichtigung und Bekämpfung ihres heiligiieitsdiiiitäels und ihres theils eitlen, theils» sreventlicheii Verttaucns aus. Die Verdammuiigsliicht gegen die Heiden, von welcher er in V. 1 ausgeht, veronlaslt ihn, in V. 2-—16 die Geceihtigtieit des göttlichen Geisichts nachdructilich hervorzuheben und die Norm desselben nach verschiedener Hinsicht darzu- legen; worunter in V. 17-—-29 den Widerstreit zwischen Erkenntnis! und Leben bei den Juden strast und die Werthsosigtieit der sleischticheii Beschneidung ohne Gesetzesersiillung und des äusterlicheii Iudenthiinis überhaupt dar-thut. I. Darum sweil nicht dein Wissen um die Strafbarkeit des Bösen dich auch ohne Weiteres schon zu einem Guten macht, wie du dir ein- bildest], o Meusch [sondern im Gegentheil um so schlimmer dich erscheinen läßt, wenn du nun gleich- wohl dem Bösen anhängst Kap. l, 32], kannst du dich nicht entschuldigen sfijr einen solchen erklären, der schuldfrei sei], wer sauch immer] du bist, der da richtet süber die, deren religiöse und sittliche Verfassung in ihrer argen Verderbtheit vorhin dargestellt wurde, so daß du bei dir»»sprichst: ,,ich bin ein Jude, und nicht ein Sünder aus den Heiden« Gal. 2, 15; Jak. L, 19]; denn worinnen du lwas das« sittliche Gebiet betrifft] einen Andern richtest, verdammest du smit eben diesem Richten, in seiner Person] dich selbst, siniemal du eben dasselbige thust, das du [am Andern, dem Heiden] tichtestt [und hilft’s dir da nichts, daß du auf religiösem Gebiet ohne Zweifel einen bedeutenden Vortheil vor ihm voraus hast Kap. Z, 2 ff.]. 2. Denn wir wissen, daß Gottes Urtheil szurs Strafe des Todes Kap.1, 32] ist recht über die, so solches thun fund er sich nicht mit dem Augen- schein der leeren, aufblühenden Erkenntnisz des Richtenden begnügt, sondern auf den Grund gehet]. 3. Denkest du aber ssolchem unserm Wissen zu Trotz und Hohn] o Meusch, der du richlest die, so solches thun, und thust sgleichwohh dich in ein und dieselbe Kategorie mit ihnen stellendj auch dasselbigh daß du sfür deine Person] dem Urtheil Gottes entrinnen werdest [gleich als ob es in Betreff dieser deiner Person nicht zur An- wendung kommen dürfe]? 4. Oder swenn seither die in; Gesetz ge- droheten Flüche Z. Mos. 26, 14 ff; 5. Mos. 28, 15 ff. sich allerdings Über dein Volk noch nicht im vollen Maße entladen haben] verachlest du den [darin sich osfenbarenden] Reichthum seiner [so gerne wohlthuenden] Güte, sseiner beim Sündigen der Menschen so gelassen bleibenden] Geduld und sseiner die Strafe so weit hinansschiebenden] Lang- müthigkeit sindem du so gar nicht dich darum kiimmerst, in welcher Absicht er jenen Reichthum Gottes unparteiische Gerechtigkeit gegen Juden und Heiden. 13 dir und deinem Volke zu Theil werden läßt]? Weißt du nicht, daß dich Gottes Güte zur Buße leitet sindem dn muthwillens es nicht wissen magst Sir. 5, 4 f.; 2. Petri 3, 5 sf]? Z. Du aber sstatt dich zur Buße leiten zu lassen] nach deinem Verstockten nnd unbußfertigen Herzen swomit du den Reichthum seiner Güte, Geduld und Langmüthigkeit verachtest] hiiusest dir selbst [solchen Reichthum in den geradezu gegen- theiligen umwandelnd Jak. 5, Z] den Zorn auf den Tag des Zorns [Zeph. 2, 2 f.; Joel 1, 151 und der Offenbarung des gerechten Gerichts Gottes [5. P?]os. 32, 35; Sprüchm I, 20 ss.; Offenb· e, 17, is. Welcher sseiner unparteiischen Gerechtig- keit gemäß V. u] geben wird einem jeglichen nach seinen Werken« jPs 62, is; Jer. 17, to; Matth. 16, 273 2. Cor. 5, 10; 1. Petri I, 17], 7. Nämlich Preis nnd Ehre, [1. Petri 1, 71 nnd uuvergängliches Wesen [2. Tini. 1,10; 1. Petri I, 4] denen, die mit Geduld sund Beharrlichkeit 1. Thess J, 3] in guten Werken trachten nach dem ewigen Leben [vgl. Apostg. 10, 2. 34 f.], 8. Aber denen, die da ziinkisch lgleichsam Kinder der Streitsucht, aus ihr wie geboren und von ihrem Geiste ganz und gar erfüllt] sind sdaß sie fort und fort tvidersprechen Kuh. 10, 21; Apostg. 13, 45; 18, e; 28, 22; Heer. 12, Z] und [also] der Wahrheit nicht gehorchen sim Glauben sie anzunehmen], gchorchen aber dem Ungerechten finden: sie in ihrem Thun und Treiben von dem, was die Ungerechtigkeit ihnen eingiebt, sich be- stimmen lassen L. Thess 2, 12], Unguade nnd Zorn [Apostg. 13, 40 f.; 28, 25 sf.]; 9. Trübsal svon außen Jes. 8, 22] und Angst svon innen 2. Cor. 4, 8] über alle Seelen der Menschen, die da Böses thun sso sage ich in Wiederaufnahme dessen, was ich soeben V. 8 aus- sprach, und fiige nun hinzu], vornehmlich der Juden [die ich schon dort in erster Linie vor Augen hatte Offe11b.6,16f.] und auch der Griechen swenn sie bleiben, die sie sind, nachdem schon jetzt Gottes Zorn vom Himmel über ihnen offenbar geworden Kap. 1, 18 ff.], 10. Preis aber und Ehre sso sage ich weiter in Wiederaufnahme auch des in V· 7 Ausge- sprochenen] und Friede [Gal. 6, 16] allen denen, die da Gutes thun sund setze hier ebenfalls hinzu], vornehmlich den Juden und auch den Griechen i« svgl. Kap. l, 16]. 11. Denn es ist swie die Schrift ausdrüc- lich bezeugt b. Mos. 10, 17; 1. Sam. 16, 7; 2. Chron. 19, 7; Hiob 34,19] kein Ansehen der Person vor Gott sdaß etwa die Juden, wie sie vielfach sich einbilden, bei all ihrem Sün- digen straflos bleiben sollten, ja mn des Gesetzes willen, das sie vor den Heiden voraus haben V. 17 ff., von selber schon für die Gerechten gelten müßten im Gegensatz zu diesen Sündern, den Heiden]: 12. Welche ohne sein positives] Gesetz swie den Juden mit dem mosaischen es gegeben ist l. Cor. 9, 21] gesündigi haben, die snämlich die Heiden] werden [dem entsprechend] auch ohne Gesetz sohne daß der, die Sünde ausdrücklich verdam- mende Buchstabe des Gesetzes auf sie angewendet zu werden brauchte] verloren werden sindem ihr Gericht darin besteht, daß Gott in dem Verderben, das sie sich selbst bereitet haben, sie nun auch umkommen läßt]; und welche sals solche, die dem Gesetz unterstellt waren, wie es mit den Juden der Fall ist Kuh. 3, 19; 1. Cor. 9, 20] am Gesetz gesüudigi haben sso daß ihre Sünden unter den Begriff von Gesetzesübertretungen fallen Kap. 5, 20; Gal. B, 20 Anm.], die werden durchs Gesetz verurtheilts [der im Gesetz, den. Uebertretern ge- dräueten Verdammniß zugesprochen] werden, 13. [Dawider sie denn das nicht schützen wird, wie sie thörichter Weise meinen, daß sie im Unterschied von den Heiden eben ein positives, geossenbartes Gesetz besaßen, das sie hoch über jene stellte V. 17 ss.; b. Mos. 4, 8; Pf. 147, 19 f·; Offentx 12, 1:] Sintemal vor Gott nicht, die das Gesetz sgelegentlich der Vorlesung des- selben in ihren Schulen Luk. 16, 29; Apostg.15, 21; Joh. 12, 34; Gal. 4, 21] hören, gerecht sind, sondern [wie schon Jakobus so nachdriicklich darauf hingewiesen hat Jak. 1, 22 ff] die das Gesetz thun, werden gerecht sein sim Gericht dafür anerkannt werden und demgemäß straflos aus- gehen Matth. 7, 21; 1. Joh. 3, 7]. 14. sAuch sind ja die Juden durch den Besitz, ihres Gesetzes keineswegs so schlechthin über die Heiden erhöhet, daß sie diese als Leute ohne Gesetz nun auch unbedingt für Sünder Gal. 2, 15 erklären, sich selbst aber als Leute unter dem Gesetz ohne Weiteres für Gerechte halten dürften] Denn so die Heiden, die das sdurch Mosen geoffenbarte] Gesetz [allerdings] nicht haben, Und doch sin diesem oder jenem, und zwar keines- wegs vereinzelten Falles von Natur [vermöge eines aus ihrem Jnwendigen hervorgehenden Antriebes zum Guten] thun des Gesetzes Werk [dasselbe, was das geoffenbarte Gesetz von außen denjenigen zu thun befiehlt, denen es gegeben ist 2.Mos. L, 5sf.; 2· Köw b, l; Matth. 12, 41 f.; Apostg. 28, 2., vgl. auch Luk. 10, 33 ff·; 17, 15 ff.], dieselbigen, dieweil sie swie gesagt] das Geseh nicht haben, sind sie ihnen selbst ein GesetzH stragen also gerade das, worauf ihr Juden ihnen gegenüber so pocht, in ihrem eigenen Jnneren und bekunden sich als euch vollkommen ebenbürtige Lente], 14 Römer 2, 15—-17. 15. Damit, daß sie [mit ihrem Thun des Guten aus eigenem freien Antriebe] beweisen, des Gesetzes Werk fdas euch auf steinernen Tafeln vorgeschrieben ist] sei beschrieben in ihrem Herzen [als aus sleischernen Tafeln Jer. 31, 33; Hes 11, 19 f.; L. Cor. Z, 3], sintemal ihrfGewissen sie bezenget [ganz nach der Art des m1t dem Gesetz euch gegebenen Zeugmsses 2. Mos. 40, 20; Pf. 19, 8 ihnen sagt, was gut und was böse sei], dazu [dann, zum Beweise, daß vermöge dieses ihres Gewissens die richterliche Thätigkeit des Gesetzes über Geschehenes ihnen ebenfalls nicht ab- geht, nach etwa vollbrachtem Unrecht bei ihnen] anch Kommen] die Gedanken, die sich [wie in einem Wechselgespräch hinüber und herüber] unter ein- ander verklagen oder entschuldigen swas ja gegen- wärtig fchon oft genug der Fall ist Apostg. 24, 25], Its. Auf den Tag [aber in unbeschränktem Maße einst eintreten wird], da Gott das Ver- borgene der Menschen durch Jesum Christ richten wird [ohne Unterschied, ob sie Juden oder Heiden sind Pred- 12- 14L laut meines EvangeliisH [2. Tim. s, 8., indem gerade ich als der Heiden Apostel oft genug Veranlassung habe, diese unter- schiedslose Allgemeinheit des göttlichen Gerichts, wie ich sie in V. 12 den Juden gegenüber her- vorhob, ebenso auch den Heiden gegenüber zur Geltung zu bringen Apostg. 17, 30 f.; 24, 25]. if) Das ,,darum«, womit der Apostel den neuen Abschnitt beginnt, weist auf das in Kap. l, 32 Gesagte hin; er bezeichnete dort die Spitze zunächst des heidnischen Verderbens, aber auf dieser Spitze läuft heidnisches und jüdisches Verderben zusammen. Zwar gipfelt das heidnische Verderben im Billigen des Bösen, das jiidische dagegen im Richten, das Gemeinsame ist aber doch der vollkommene sittliche Selbftwiderfpruch, das Siindigen wider besseres Wissen und Gewissen. (Lange.) Daß der Apostel hier fchon die Juden im Auge hat, zeigt der Verlauf und Zusammenhang des ganzen Kapitels (V. 13 u. 17). Das eigene Gewissen mußte die Juden sogleich überführen, daß sie hier gemeint seien, denn das Richten war eben ihre spezifische Nationalsiinde Jnsofern traf der Pfeil noch sicherer, da sie nicht umhin konnten, ihn sich selbst ins Herz zu drücken. (Ph1l1ppi.) O Mensch! ruft der Apostel aus, und redet den sündigen Menschen im Juden an (vgl. Mich. 6, 8), einen von den Menschen, die allzumal Kinder des Zorns von Natur sind (Ephes. 2, 3); aber auch deshalb sagt er hier noch nicht: o Jude, sondern: o Mensch, weil er die Juden, ihnen zur Schande, mit den Heiden in einen Kuchen mengt. Ihrer Meinung nach waren die Juden von Geburt eine ganz andere Art von Menschen als die Heiden, die sie so gern ,,Sünder« nannten. In seiner Geschichte des letzten jüdischen Kriegs erzählt Josephus von der, unter dem Regiment des Johannes von Giscala (Anh. II. zum VI. Bande: e, 2) in Jerusalem eingerissenen Unsittlich- keit schauerliche Dinge: ,,nicht allein den Putz der Frauen, sondern selbst ihre Zustände ahmten sie nach, und aus unermeßlicher Geilheit ersannen sie unnatür- liche Wollüstex überhaupt wälzten sie sich in der Stadt wie in einem Hurenhaus und schändeten alles mit ihren verruchten Freveln« Es wäre kein Volk unter dem Himmel gottloser als die Juden, sagt er von seinen Volksgenossen. Was, so fragt er, sie anredend, habt ihr von allen guten Dingen, die durch unsern Gesetzgeber gefordert worden, gethan? und was habt ihr von alle den Dingen, wider die er den Fluch aus- gesprochen, zn thun unterlassen? Jch glaube, fahrt er fort, wenn die Römer wider diese verfluchten Menschen zu kommen verzögert hätten, würde die Erde sich ge- öffnet und ihre Stadt verschlungen, oder eine Wasser- fluth würde dieselbe vertilgt oder ein Feuer vom Himmel sie verzehrt haben, wie in Ansehung Sodoms geschehen ist; denn sie hat ein Geschlecht von Menschen hervorgebracht, die viel gottloser sind, als diejenigen waren, welchen dergleichen Dinge widerfahren sind. IV) Der Leichtsinn des Menschen denkt wirklich so, wenn man ihm von dem zukünftigen Gerichte Gottes sagt, er werde für seine Person diesem Gerichte ent- rinnen, auch wenn er dasselbige thue, was die thun, die er um ihres Thuns willen als dem Gericht von Rechtswegen Versallene richtet, ohne sich der hand- greiflichen Thorheit einer solchen Hoffnung bewußt werden zu wollen; seine Unbußfertigkeit aber läßt ihn dann auch unter Gottes Güte und Langmuth dahin gehen, ohne daß er einen andern Eindruck bekommt, als den des Vergnügens über sein Wohlergehen in einer Gegenwart, über die er nicht hinausdenkt. Anstatt sein Wohlergehen für das zu erkennen, was es ist, für eine Gabe Gottes, welcher ihn damit, daß er so gütig gegen ihn ist, zur Buße bringen will und des- halb so lange an sich hält seinem Siindigen gegenüber, ohne demselben strafend ein Ende zu machen, sieht er- ngchltsthwteiteydalsdaßt es· »gut gheht, ob berd glkeich ue u, un nimm re in, one zu eenen, daß es auch anders sein könnte. Also läßt er sich weder schrecken durch Gottes Gericht, das in der Zu- kunft droht, noch rühren durch Gottes Güte, die er in der G egenw art erfährt: in seiner Ungewilltheit zu sittlicher ·Umke»hr »Ist er verschlossen und unempfindlich gegen beiderlet Fljitgiruck kund Hut, was Gottes Zorn erregt; währen ott en ei t um seiner üte, Geduld und Langmuth an ihm cehrzkeigh häuft er sich einen bösen Schatz; des Zorns, dessen Vollmaß über ihn kommen wird, wenn das Gericht ergeht, dem er in leichtsinnigem Selbstbetrug entrinnen zu können meint. Der Zorn, welchen ein so beschaffener Mensch wider sich erregt, häuft sich auf während der Zeit der Geduld und Langmuth Gottes, so daß ein schweres Maß des- selben vorhanden sein wird, wenn nun ein Tag des Zornes nach all der Güte und ein Tag der Offen- barung des zgerechten Richters Gottes nach all der Geduld und angmuth eintritt; die Gerechtigkeit seines Richtens besteht aber darin, daß er einem Jeden ver- gelten wird nach seinem Thau. (v. Hofmann.) Hier- bei hat man insbesondere auch an die großen Rache- tage des Feuereifers Gottes zu denken, welche er noch in dieser Zeit über die Verächter seiner Gnade ergehen läßt; dahin gehört denn das Gericht über das Volk der Juden und die Stadt Jerusalem. (Engl. Bibelw.) Ach könnten die blinden Menschen sehen, wie ver— schonend ihr Schöpfer ihnen nachgeht, wie er alles an ihnen versucht, wodurch· er sie gewinnen könnte,·ja, wie er tagltch so unzahlige Thorhetten und Bosheiten an ihnen trägt, gleich als sähe er sie nicht, und wie er hingegen dazu alles ersinnliche Gute ihnen beweist und ausdrangt, sogar, daß er keinen Bissen Brodes in « den Mund giebt, worunter er nicht ihre Besserung ! sucht, o wie würden sie in wahrer Buße schamroth werden und sich Gott demüthigst zu den Füßen werfen! Nicht leicht ist etwas kräftiger, den Menschen zu demüthigen und in Buße zu zerschmelzem als wenn Vermöge ihres Gewissens sind die Heiden ihnen selbst ein Gesetz. 15 ihm in seinem Gemüthe recht klar wird, wie geduldig ihm die göttliche Liebe bei alle seinem Undankbaren, groben und harten Wesen nachgegangen sei, um seiner nur mächtig zu werden. Kommt dann ein Mensch erst dazu, daß er über sein tiefes Verderben ein zerschla- genes Geniüth kriegt und des natürlichen Elends über- drüssig wird, so geht ihm erst die Kostbarkeit der Gnade Gottes recht auf, daß er dieselbe recht zu brauchen und zu genießen sucht, da vorher der rohe, ungebrochene Sinn im natürlichen Menschen alle Gnade auf Muth- willen zieht und sich derselben freventlich anmaßt als einer Schuldigkeit, die ihm Gott wohl geben müsse, er halte sich dagegen wie er wolle. (Berleb. Bib.) IN) Man hat geglaubt, hier auf eine große Schwierigkeit, auf einen scheinbaren Widerspruch zwischen unserm Ausspruch und der Lehre von der Rechtfertiguug durch den Glauben zu stoßen; man muß aber einen zwiefachen Begriff der Werke bei dem Apostel unter- scheiden, wenn man aus allem Wirrwarr der Meinungen herauskommen will, denn, gleichwie schon Christus in Joh. S, 29 den Glauben ein Gotteswerk nennt, welches die Gläubigen wirken sollen, so bezeichnet ihn auch Paulus in Phil. 1, 6 als ein gutes Werk und redet in l. Thess. 1, 3 von dem Werke des Glaubens. Die Richtung des Glaubens wie des Unglaubens hat nach ihm ihr antecedens (Vorangehendes) in dem Gegen- satz der Grundrichtungen, welche er in V. 7 und 8 schildert: die Einen sind in ihrer Gesinnung nach dem ewigen Leben Trachtende, strebende Seelen, Menschen der Sehnsucht, und ihre guten Werke, die sie thun, bekunden dies Trachten und Streben als ein anhaltendes, beharrliches; die Andern sind der Ge- sinnung nach zänkisch, selbst wenn sie eine orthodoxe Glaubensform bekennen, Menschen von Streitsucht beseelt und daran erkennbar, daß sie sich gegen die Wahrheit frech empören und Knechte der Ungerechtig- keit bleiben. Die Vergeltung aber, die beiden Arten zu Theil wird, richtet sich nach den Stadien, worin sie anlangen: als Suchende finden sie den Glauben und die Rechtfertigung des Glaubens, als Glaubende jagen sie nach dem Kleinod der himmlischen Berufung, strecken sich nach dem, was vorne ist, bis sie das Ziel der Vollendung erreicht haben. (Lange.) Der Apostel sagt hier nicht etwa, daß Juden oder Heiden ohne das Evangelium, indem sie sich aus eigener Kraft guter Werke befleißigen, Preis und Ehre und unver- gängliches Wesen erlangen, sondern er will ganz im Allgemeinen den Zustand solcher Menschen beschreiben, die sich auf dem Wege zur Seligkeit befinden, mögen sie Juden oder Heiden sein; er hebt bei dieser Be- schreibung die beharrliche Uebung guter Werke hervor im Gegensatz gegen die leeren Wortzänkereien und den anmaßenden Wifseiisdünkel unter den Juden und gegen ihre Werkgerechtigkeih die sich aus einzelnen guten Thaten ein bleibendes Verdienst zu erwerben meinte, vgl. Jak. 1, 22 ff.; 2, 14 ff.; Z, 13 ff. (v. Gerlach.) f) Nachdem der Apostel mit seiner bisherigen Aus- einandersetzung auf den Satz in V. 11 hinaus-gekommen, daß Gott einem jeglichen vergelten wird nach seinem Thun, hat er sich dadurch eruiöglicht, zweierlei Thun und zweierlei Vergeltung sich gegenüberzustellen, um nun von der Thatsache, daß nur nach dem Thun sich des Menschen Geschick so oder anders entscheiden wird, zu der andern fortzuschreiten, daß der Gegensatz, ob Einer dem naturwüchsigen Völkerthum, welches im Griechenthum zur Blüthe seiner Entwickelung gelangt ist, oder dem Volke des heilsgeschichtlichen Gebiets angehört, ohne Einfluß darauf ist. Es hätte Partei- lichkeit statt bei Gott, wenn das, was Juden und Griechen unterscheideh einen Unterschied hinsichtlich des Geschicks mit sich brächte, welches die Sünder betrifft; da nun der Unterschied zwischen ihnen, welcher für ihr Thun von Belang ist, darin besteht, daß sich die einen im Besitz einer göttlichen Ordnung ihres Verhaltens, eines Gesetzes befinden, und die andern nicht, so ge- staltet sich der Satz des 12. Verses, welcher die Ver- neinung göttlicher Parteilichkeit angesichts des Gegen- satzes von Juden und Griechen aufrecht erhält, zu einer Erklärung darüber, wie sich dieser Unterschied mit der Unterschiedslosigkeit der Bestrafung aller, die gesündigt haben, ausgleichen wird. Nur von der Be- strafung sagt hier der Apostel, nicht auch von der Be- lohnung, weil es dem Parteiischen näher liegt, den Sünder straflos, als den Guten unbelohnt zu lassen, und also die Unparteilichkeit Gottes überhaupt gesichert ist, wenn es für die Bestrafung keinen Unterschied macht, ob der Sünder Jude ist oder Griechex es wird aber keinen Unterschied machen, den ausgenommen, welcher dadurch gegeben ist, daß die einen ein Gesetz hatten, die andern nicht. (v. Hofmann.) Wo Sünde ist, da auch Strafe: das gilt gleichmäßig für Heiden und Juden; denn Gott straft die Sünder ohne Ansehn der Person. Die Heiden als Sünder nun werden verloren, die Juden als Sünder werden verur- theilt: beanspruchen· letztere einen Vorzug, so ist eben das ihr Vorzug vor jenen. (Philippi.) « H) Es steht nicht geschrieben, daß sie»das Gesetz völlig erfüllen können, noch weniger, daß sie durch ihr Thun des Gesetzes gerecht werden, sondern nur, daß sie von Natur thun des Gesetzes Werk, nämlich etliches von dem, was das Gesetz auch vorschreibr Die Heiden haben auch noch einen Sinn für Recht und Unrecht, Gut und Böse, Billigkeit, Ehre, Gerechtigkeit, Liebe, Treue, Wahrhaftigkeit, Gehorsam gegen die Eltern und Herren, Erhaltung des öffentlichen Friedens und der Ordnung, Verbot von Diebstahl, Ehebruch, Mord, Lüge, Meineid, wie man das alles in der Heiden Sittenlehren und bürgerlichen Gesetzen findet. Jndem denn diese Heiden von Natur thun des Gesetzes Werk, sind sie ihnen selbst ein Gesetz. (Wangemann.) Nicht so lautet der Satz, als hätten die Heiden statt des mosaischen Gesetzes ein anderes, sondern sie sind sich das, was der Jude hat, vernehmen also nicht blos das bei sich selbst, was dem Juden das Gesetz sagt, sondern sagen es sich selbst; denn soviel ein Anderes und soviel mehr ist es, sich selbst Gesetz sein, als ein Gesetz haben· Wer ein Gesetz hat, dem ist außer ihm selbst vorgeschrieben, was Gott von ihm fordere; wer dagegen sich selber Gesetz ist, der schreibt es sich selber vor, macht also den Willen Gottes zu seinem eigenen. (v. Hofmann.) HH Der in V. 12—16 entwickelte Gedanke enthält, allerdings unbeabsichtigt, nicht nur eine weitere Ent- wickelung von Kap. 1, 32., sondern vor allen Dingen eine Ergänzung von Kap. 1, 19 f. Natur- und Vernunft- offenbarung vermittelt den Heiden die Gottes- erkenntniß; zugleich aber haben sie eine, durch das ihnen eingestiftete sittliche Bewußtsein vermittelte Gesetzes- erkenntniß. Freilich sind beide durch die Sünde ver- dunkelt, doch sind auch ihre Reste hinlänglich, um sie vor Gott unentschuldbar zu machen: die zurückgebliebene Gotteserkenntniß straft ihren Götzendiensh die zurück- gebliebene Gesetzeserkenntniß ihr unsittliches Leben. lPhilippU 17. Siehe aber zu fwie es mit deiner ver- meintlichen Gerechtigkeit vor Gott V. 13 eigentlich bestellt ist]: du heißest ein Jude [und bist stolz daraus, dich so nennen zu können Gal. 2,»15; 16 Römer 2, 18—-29. Offenlu 2, 9], und verlässest dich aus-s Geseh sals auf einen sicheren Stab und eine helle Leuchte auf dem Lebenswege Pf. 23, 4; 1l9, 105] und rühmest dich Gottes [im Gegensatz -zu den Heiden, die ohne ihn sind Ephes. 2, 12], 18. Und weiht feinen Willen, und weil du aus dem Gesetz unterrichtet bist, prüsest du, was lin den jedesmaligen Lebensverhältnifsen von dem, das zur Wahl vorliegt] das Beste zu thun sei [Phil. l, 10]; 19. Und vermissest dich [traueft dir zu] zu sein ein Leiter der Blinden, ein Licht derer, die in Finsternis sind, 20. Ein Zitchtiger der Thörichteu sErzieher der UnverständigenL ein Lehrer der Einfliltigen [was alles ja im Vergleich mit dir die Heiden in göttlichen Dingen allerdings sind Jes. 42, 6 s.], hast die Form, was zu wissen und recht ist seinen zutreffenden Abdruck religiöser und sittlicher Wahr- heit] im Gesetz [Sir. 24, 1 ff.]; 21. Nun lehrest du Andere, und lehrest dich selber nicht sdas ist denn der Fehler, um dessent- willen es mit aller dieser deiner Gerechtigkeit nichts ist]. Du predigest, man solle nicht stehlen, und du ftiehlst [befonders durch Uebervortheilung im Handel l. Thefs 4, 6; Jak. 4, 13]. 22. Du sprichst, man solle nicht ehebrechcn, und du brichst die Ehe [Joh. 8, 11 Anm.]. Dir greuelt vor den Götzen [du bezeichnest sie als einen Greuel 2. Kön. 23, 13; l. Mace. 6, 7; Hef- 20, 7], Und ranbest Gott sden du dagegen als den Einen wahren Gott bekennst Jak. 2, 19], was sein ist lwenn es sich um pflichtmäßige Tempel- abgaben handelt Mal. l, 6 ff; s, 8 ff.]; 23. Du rühmest salso zwar] dich des Gesetzes sals einer Krone oder Perle, die vor allen Völ- kern der Erde dich schmücke Baruch 4, 3], und schandest [gleichwohl] Gott durch Uebertretung des Gesetzes [vgl. Pf. 50, 16 sf.]; · 24. Denn eurethalben [heißt es ja» in Be- ziehung auf euch»Juden bei den Propheten] wird Gottes Name gelastert unter den Heiden, als sin Jes. E·)2, 5 u. Hes. 36, 20 ff.] geschrieben stehet [1. T1m. S, l; 2. Petri 2, 2]. Was der Apostel in V. 17——20 von den Juden sagt, schließt vorerst noch keinen Tadel ein: es ist nichts Unrechtes, daß er seinem Personennamen den Namen des Volks beigiebt, dem er angehört, da er wohl Ur- sache hat, sich dessen zu freuen, daß er ein Jude ist; es ist auch mchts Unrechtes, daß er sich auf das Gesetz, verläßt und stützt, das er hat, da es ihn allerdings der Unruhe überhebt, erst suchen zu müssen, was Gottes Wille und welches die rechte Ordnung menfch- lichen Genieinlebens sei; ebenso kann er Gottes sich rühmen, als der ihn hat und kennt, während die Heiden ohne Gott in der Welt sind; er kennt den Willen, nämlich den für die Menschen maßgebenden, und prüft nach ihm, was anders und verschieden von ihm ist (so nach einer andern Erklärung des betr. Wortes im Grundtext, als die der lutherischen Ueber- setzung zu Grunde liegt), beides auf Grund dessen, daß er seinen Unterricht aus dem Gesetz empfängt, das ihn lehrt, was gewollt, und das ihn würdigen lehrt, was hiervon verschieden ist. Warum sollte er sich aber dann nicht zutrauen, daß er die Blinden den Weg führen könne, den sie nicht sehen, und es bei denen licht machen könne, die im Finstern sind, daß er die, welchen der Verstand von Gut und Böse fehlt, zur Verständigkeit erziehen, die Unmiindigen, also noch Urtheilsunfähigem in der ihnen mangelnden Weisheit zu unterrichten vermöge? Er besitzt ja wirklich damit, daß er das Gesetz hat, die Ausgestaltung der Einsicht, welche ihn zum Erziehen, und der Wahrheit, welche ihn zum Belehren in Stand fetzt. Alles dies schließt an und für sich selbst weder fleifchlichen Hochmuth ein, noch Proselytenmacherei; aber schlimm ist es, wenn er, wie der Apostel in V. 21 u. 22 dann fortfährh zwar Andere lehrt, sich selbst dagegen nicht, wenn er predigt: »du sollst nicht stehlen«, und selber stiehlt, wenn er lehrt, daß Ehebruch verboten ist, und selbst die Ehe bricht, wenn er die Götzen für Greuel achtet, als ob ihm der Dienst seines Gottes heilig sei, dabei aber das Heiligthum dieses Gottes beraubt, indem er es an dem verkürzt, was er ihm schuldet. Jn B. 23 u. 24 nun faßt Paulus den Inhalt der beiden Hälften des bis hierher reichenden Vordersatzes in einen, aus ihnen sich ergebenden zweitheiligen Nachfatz zusammen, wel- cher dem Angeredeten zu bedenken giebt, wozu es ihm in Wirklichkeit dient, daß er ein Gefetz hat: er rühmt sich dessen, daß er ein Gesetz hat, aber durch seine Uebertretung desselben schändet er den Gott, dessen Gefetz es ift,« so daß dessen Name, wie mit Schrift- worten und unter ausdrücklicher Hinweisung auf die Schrift hinzugefügt ist, durch Schuld derer, die sein Volk sind, unter den Heiden gelästert wird. (v. Hof- mann·) Der Apostel zeihet die Juden einer dreifachen Schuld: l) daß sie entehren; L) daß sie durch das- jenige entehren, womit sie geehrt find; 3) daß sie denjenigen entehren, der sie geehret hat. (Chryfofto- mus.) Der Propheten Klage über das Verderben der Kirche zum Schauspiel der lästernden Welt läßt sich in allen Zeiten jammernd hören aus dem Munde treuer Zeugen. Jm 5. Jahrhundert schon mußte Salvianus klagen: »Durch uns leidet Christus Schmach, durch uns wird das Evangelium verlästert, da- die Heiden sagen: Siehe, was für Leute es sind, die Christum verehren! Wie könnte der Meister gut sein, der so schlechte Jünger hat? Siehe an, wie die Christen handeln, und schließe daraus, was Christus lehrt« Wie wörtlich wahr das prophetische Klagewort heu- tigen Tages wird, ach, das zeigen vieletausend mit abtrünnigen Christen bemannte Schiffe, die in die Häfen der Heidenländer einlaufen, und daß dennoch Heiden sich bekehren mögen, die das gütige Wort von uns ungütigen Leuten hören, ist-eine desto herrlichere Gnade des HErrn, der einst jenem Sachfenfürften das Herz rührte, daß er auf seiner Flucht vor seinen fran- kifchen Verfolgern, indem er in die Wefer sich stür te, ausrief: »von den Christen fliehe ich zu dir, H rr Jesu Christi« (Besser.) Darum soll ein Christ billig also leben, daß er doch Gottes und Christi Ehre schone, damit nicht sein Name geschändet werde und die Schuld tragen müsse deß, das er thut. Wie denn der Teufel sammt der Welt alles, was er kann, zu Unehre und Läfterung Gottes treibt, damit er nur feinen bittern Haß wider Christum und sein Wort erzeige und der Kirche Schaden thue durch Aergerniß, beide, die Ungläubigen vom Evangelio abzufchrecken und die Schwachen abfällig zu machen. Dem zu Jn welchem Falle die Beschneidung Vorhaut wird, die Vorhaut aber für Beschneidung gerechnet. 17 wehren, sollen die Christen desto fleißiger sich hüten, daß sie mit ihrem Leben kein Aergerniß geben und ihres Gottes und HErrn Namen ihnen lassen lieber sein, denn daß sie wolltenjhn verlästern lassen, so sie um desselben willen auch« ihre eigene Ehre, Gut, Leib, Leben lassen sollen, weil sie daran ihren höchsten Schatz und Seligkeit haben. (Luther.) « 25. Die Beschneidniig [auf welche ferner du dich verläßt und deren du dich rühmst V. 17] ist wohl nutze [vgl. Kap. 3, 1 ff.], wenn du das Gesetz haltst szu dessen Beobachtung dieselbe dich ver- pfl1chtEt»Gal- 4. »4; 5, 3]; hältst du aber das Gesetz nicht, so ist deine Beschneidung schon eine Vorhaut worden sdaß du auf eben der Linie stehst, aus welche du die für verabscheuungs- und ver- dammungswürdige Sünder geachteten Unbeschnit- tenen Heiden stellst]. 26. So nnn swas vielsach ja vorkommt P. 29] die Vorhaut sein in der Vorhaut befind- licher, unbeschnittener Heide] das Recht im Gesetz sdessen Rechte oder Satzungen] hält, meinest du nicht, daß seine Vorhaut werde sur eine Beschnei- dung gekechtiets [und nun er in diejenige Stelle eintritt, welche du vermöge des Bundeszeichens, das du an deinem Leibe trägst, bei Gott ein- nehmen solltest Matth. 3, 9; 8, 11 f·]? 2·7. Und wird also, das von Natur eine Vor- haut ist [der, welcher von Geburt her und nach Nationalität zu den Unbeschnittenen zählt] und ldvch» von Natur V. 141 das Gesetz vollbringet ssoweit ihm das möglich], dich richten sindem er mit eben dieser seiner Gerechtigkeit als Zeuge wider dich auftritt, wie verdammlich deine Un- gerechtigkeit sei], der du unter dem Vuchstabeii seines positiven Gesetzes] und [unter dem Bundes- zeichen der] Beschneidung bist sso daß, was gethan werden soll, du geschrieben vor dir haft, und nun auch« wirklich es zii thun eine so ""heilige Ver- pflichtung und dringende Mahniing beständig mit du: fUk)ritJ- Und [gleichwohl] das Gesetz übertrittstft 28. [Jn diesem Falle nun, daß du ein Ge- setzesübertreter bist und es bleiben willst, höre denn auf, deines Juden-Namens V. 17 und deiner Beschneidung V. 25 dich zu rühmen und den Heiden gegenüber darauf stolz zu sein.] Denn das ist nicht ein Jude lim wahren Sinne des Worts, das da bedeutet: »der HErr sei gepriesen-«, Vgl— V- 23 f.], der answendig [nach Abstammung und Nationalität, sowie in Tracht und äußerer Lebensführung] ein Jnde ist, auch ist das nicht eine Beschneidung [die der Meinung Gottes bei diesem Bundeszeichen für sein Volk eiitspricht], die· answendig snämlichs im Fleisch geschieht ses lediglich bei» dieser äußerlicheii Beschneidung Ephes Z« U; PhiL Z, 2 f. bewenden läßt]; 29. Sondern das ist ein srechter Joh. 1, 471 Sude, der inwendig verborgen ist [1· Petri 4], ; Dächsel’s Bibelwerb V1I. Band. 2. Aufl. und die Beschneiduiig des Herzens swie schon Moses und die Propheten sie gefordert haben b. Mos. 10, 165 Irr. 4, 4] ist eine Beschneidung srechter Art, indem sie eine solche ist], die im Geist und nicht im Buchstaben geschiehet salso geistlichen und nicht rein mechanischen Charakter an sich trägt]: welches [d· i. eines also beschnittenen Juden] Lob ist nicht ans den Menschen [die allerdings nur auf das sehen, was vor Augen ist, iini darnach Jemand zu ehren V. 28; Joh b, 44; 12, 43], sondern aus Gott«« sder allein das Herz ansiehet 1. Sam. 16, 7; Pf. 7, 10]. is) Nachdeni bisher nur vom Gesetze die Rede gewesen ist, dessen Vesitz den Juden von dem Nicht- iuden unterscheidet, so läßt sich der Apostel nun auch auf den andern Unterschied ein, welcher darin besteht, daß der Jiide beschnitten und also ein Angehöriger der Gemeinde Gottes ist, welche die Beschneidung alles Männlichen zu ihrem gottverordneten Unterscheidutigs- zeichen hat (l. Mos. l7, 7ff.); und zwar läßt er sich in der Art auf ihn ein, daß er zunächst anerkennt, be- schnitten zu sein habe im Falle der Gesetzeserfüllung allerdings feinen Nutzen Welchen Vortheil Beschnittem heit in diesem Falle gewähre, wird hier nicht ausge- führt, es versteht sich vorerst von selbst, da mit der Zugehörigkeit zum Volke der Beschneidung die Be- theiligung an alle dem gegeben ist, was diesem Volks- thuni heilsgeschichtlichermaßen eignet; die Rede geht vielmehr gleich auf den andern Fall über, daß der Angeredete ein Gesetzesübertreter ist, um ihm zu sagen, wie es dann um seine Beschnittenheit steht. Hier heißt es nun aber nicht, sie sei ihm nichts nütze, sondern sie sei Unbeschnittenheit geworden: er hat sich darum gebracht, ein Angehöriger der Gemeinde Gottes zu] sein, als den ihn seine Beschnittenheit bezeichnen und also freilich auch um den Vortheil gebracht, den die Beschnittenheit gewährt. Von dem Unbeschnittenen dagegen, bei welchem der Apostel den Fall seht, daß er das beobachtet, was laut des Gesetzes von Gottes- wegen Rechtens ist, sagt er nicht, daß sie Veschnittenheit geworden sei, sondern daß sie dafür werde geachtet werden; denn er wird nicht durch seine Erfüllung des Gebotenen ein Glied der in Volksgestalt lebenden Ge- meinde Gottes, wohl aber kommt er bei Gott so zu stehen, als ob er es wäre. (v. Hofmannh In der Formel: »für Beschneidung gerechnet« ist eine Be- ziehung auf das ,,zur Gerechtigkeit gerechnet« in Kap. 4, 3 unverkennbar: was sie nicht haben, wird ihnen angerechnet, als hätten sie es. Der Grund dieses An- rechneiis ist der: sie haben zwar das Zeichen nicht, dafür aber den Keim des Wesens, nämlich den Bund eines guten Gewissens mit Gott, welchen sie nach der geringen Erkenntniß, die sie von Gott haben, treu halten; deshalb können sie ohne Unwahrheit angesehen gierden als solche, die auch das Zeichen haben. (Qls- ausen. Wenn semand allein im Vertrauen auf das Wasser der Taufe meinen würde, er sei gerechtfertigt, als ob schoii durch jenes Werk die Heiligung vollbereitet sei, so müßte man ihm das Ziel der Taufe entgegen halten, nämlich, daß uns Gott durch sie zur Heiligung des Lebens ruft. Wir schweigen hier von der Verheißiing und Gnade, welche uns die Taufe bezeugt und be- siegelt; denn wir haben es hier niir mit denen zu thun, welche mit dem leeren Schatten der Taufe zufrieden sind, dagegen ihr wahres Wesen übersehen und nicht eiswägein (Ealviii.) 2 So kann man auch von unsrer Taufe reden; 18 Römer . sit) »Was in diesem Verse gesagt wird, enthält eine, die Bexahung der im vorigen erse ausgeworfenen gkrakiäpvarcliulssetzeiåge Folgeränxlzlxt das; fizstdesæswfogaxf er o e inau ommen o e, a ie ee e- erfisillung des Heiden zum thatsächlichen Gericht über den srisidikschsnGesetzesygbsecrljtretgr wird. Weihe ditis ,,seixeVorha1sit ir ur eine e nei ung gere ne wer en« au - sagte, was in dem Falle, daß der Heide das Gesetz erfiiljlvh süirckshnchstelbst gchwerågisbzi dso sagt fnun Las ,,er ir i ri en« au , a i arau ür en Juden ergiebt, der als Gesetzesübertreter sich darstellt. N. tHoftröianiåhs GWsaxns ävizeritkendvdie bHgifiteiti, die« Ton aur un e ee e er, ieun u erigenJu en richten? Nicht allein und nicht erst am jüngsten Tage, sondern schon xetzt ist jeder gottesfürchtig« und gar jeder bekehcrte Heide ein leibhaftiges Gerichtsdecret Ylgtetnszizn gulåenftdcekitc bei arger Begtnadszgåingt sich gegen e nae ero .— iegu en rienweren die bösen Engel richten (l. Cur. 6, 3); aber die bösen Chiåisten werdegi selbg von den Juden und Heiden ver ammet wer en. ( uesnel.) Ebenso wie Paulus hier, spricht Christus zu den Juden, wie auch zu den Ytslästen Chsrtisltjemwdide Leim? xoä wedrdån dim ei eau een ier iee e e un eren es verdammen; die Königin des Mittags wird auf- tretkfn im Gzecht lsvider diesfies Geschlecht und wird es ver ammen att . 12, 41 .). Its) Der Apostel schließt seine Polemik gegen den eitlen Stolz der Juden und ihr falsches Vertrauen mit grundsätzlichen Bestimmungen, welche derselben eine feste Unterlage geben, und scheint in dem Satze, womit er endigt: »Welches Lob ist nicht aus Menschen, sondernd ausNGottE eine Anspielung cguf die Avsta;n- mung es aniens ,- ude« oder , uda« (vgl. ie Bem. zu Esra I, 11),«Fwie sie ausML Mos. 29, 35; 49, 8 ersichtlich, zu liegen. (Maier.) Nicht, der es augenfälliger Weise ist, sagt der Apostel, nicht er ist Jude- und nicht, die es augenfälliger Weise, am Fleische ist, nicht sie ist Beschneidung, sondern der Fug-e, desrscefsyveäboriggngr Wgsksefsstzsdefisig gutes; un eine e» nei ung e erzen ra ei e ni Buchstabens; dieist Beschneidung. Damit sagt e«r aber nicht, daß die äußere Beschneidung etwas Untgesentliches sei oder daß es beimJudeiithuni nur auf das Jnnere an- komme, sondern daß der Jude das, was dieser Name in seiner eigentlichen Wahrheit besagt, nur dann ist, wesirzi er es) ihnsiterlich rånd ddaß Cksie Besdchnecigdung we e wa r a zum ie e er emein e ottes macht, eine Beschnittenheihrcdes Herzens ist, deren Her- sssslsungs kgisscheixeå» geschrieglend vorliegzenstecktji v(:51k- ge ie , e iner am n ern au eri - bringt, sondern kraft Geistes, welcher in seiner wirk- samste Lsecgendigsgit Juki; wccis Zr will,» sejsbsst aussSwirkt im en en. in o er Ju e ein in ie em inne Veschnittener ist es, der ein Lob «hat, welches ihm nicht von Nienschen kommt, sondern von Gott: mit diesem Satze schließt der Apostel, weil es ihm mit allem, was er in Betreff der Beschnittenheit gesagt hat, nur um die Thaisache zu thun war, daß die außerliche Be- sochnittgnhtelitkzakeekjmgge deren» Jjsvudä cktwas båiikcsjrost orau z einen mo e ie ie er au e- wegen bei Seinesgleichen gilt, ati dem göttlichen Urtheil über seine Gesetzesiibertretung nichts ändert. (v. Hof- mann.) Es ist mit der Taufe eben nicht anders, und wahrhaftig» in» dem Wahrhaftigem wyenmman davon in der Gleichformigkeit also spricht: nicht ist dieses die Taufe, die auswendig im Fleisch und Buchstaben ge- schieht, sondern die Taufe in Jesum Christ und seinen Tod, die inwendig im Geist undWahrheit geschieht. Wenn man wissen will, wer ein rechter Christ sei, Z, 1——6. so darf man nur nach dieser Richtschnur gehen: nicht ist das ein Christ, noch evangelischer Bekennen der da äußerliche Formeln annimmt, sondern der inwendig verborgen ist und es im Grunde sucht vor Gottes Augen. Es ist aber betrübt, daß so viele Seelen an dem äußeren Menschenwerk hangen, da doch die Nach- folge Jesu auf nichts als auf das innere wahre und bleibende Wesen abzweckt; sie suchen mit ihrem Aeußer- lichen etwas Menschliches auf menschliche Weise, allein die Sache soll geistig und göttlich sein. (Berleb. Bib.) Das 3. Kapitel. Die cgereahiigkeit kommt aus dem glauben. s. V. 1——20. Nachdem der Apostel in den beiden vorigen Abschnitten den Ruhm der Heiden nnd der Juden zu nichte gemach! und ihre gänzliche Bediirftigkeit einer bessern Gerechtigkeit, die auch vor Gott gilt, bewiesen hat, hätte er nun zur Darlegung dieser Gerechtigkeit nnd also zur Auseinandersaltung seines grossen Haupt- gedankens sortschreiten können. Zuvor aber begegnet er noch einem Einwurf, weliher ihm durch Misldecituiig seiner Bekämpfung des hochmülhigen Vertrauen-«- der Juden auf Gesetz und Beschneidung gemacht werden konnte, was ihn zugleich veranlapk die wirklichen hohen Vorzüge des auserwählten Volks in ihrem Hauptpunkte hervorzukehreii (V. 1—8); alsdann saht er noch einmal das Resultat seiner Darlegung des Siindeiiuerderbens bei Heiden und Juden zusammen und fchuldigt die ganze natürliche llkeiischheit des gänzticheii Mangels an wahrer Gerechtigkeit, was er endlich noch durch Aussprliihe des alten Testamenls beweist (V. 9—20). 1. Was haben denn swemi die Sache so steht, wie im vorigen Abschnitt behauptet wurde] die Juden Yortheils [vor den Heiden voraus]? Oder was nuxzet die Beschneidung-« [die sie von jenen unterfcheidet]? · 2. Zwar fast viel« sd. i· in Wahrheit sehr viel 1, Kön. 8, 13 u. Ins. 13, 1 Anm., in jeder Hinsichts ZUFU ersten [um alle ihre Vorzüge, wie ich später sie einzeln anführen werde Kap. 9, 4 s., hier in eine Gesammtsumme zusammenzufassen]- thnen ist [als ein wohl zu verwahrender und gut zu verwaltender Schatz Gal. 2, 7; 1. Tim. 1, 11] vertrauet, was Gott geredet hatt« salle heils- geschichtliche Offenbarung Gottes bis in die Zeit des neuen Testaments herein Hebn 1, 1f.; 2, jf.2;z]sps. 147, 19 f.; Apostg. 10, 36 sf.; Joh. « 3.« Daß aber etliche [und zwar ein, im Ver- hältniß zu den wenigen Andern ziemlich großer Theil des auserwählten Volks Kap. 11, 17] nicht glauben an dasselbige sbesonders was die neu- testanientliche Heilswahrheit betrifft, gegen die sie sich geradezu verstockt haben Katz. 11, 7], was liegt daran? sollte ihr Unglaube sdurch den sie sich als ungerechte oder treulose Haushalter des anvertrauten Schatzes bewiesen] Gottes Glauben sdaß er seinerseits treulich gehalten, wozu er sich in seinem Wort verpflichtet hatte] aufheben? Anerkennung des Vortheils der Juden und des Nutzens der Beschneidung. 19 4. Das sei ferne! Es bleibe vielmehr also [komme auf das hinaus, was bald anfangs vorausgesehen und zuvor fchon bedacht war, ehe es nun auch sich erfüllt hat Pf. 116, 11], daß Gott sei wahrhaftig fseinen Worten allezeit treu bleibend] und alle Menschen fihm gegenüber das Gegentheil von Treue in der einen oder andern Weise an den Tag legend] falsch; sda stellt sich die Sache nun so] wie [in Pf. 51, 6] geschrieben stebtzAuf daß du gerecht seiest in deinen Worten, Und uberwindest fals Sieger ausgehest], wenn du gerichtet wirst-f— svon den Menschen, die bald dieses, bald jenes Unrechts dich zu beschuldigen wagen]. f) Von dem Hauptgegenstande der Abhandlung kommt der Apostel in V. 1—8 auf einige Zwischeisp erörterungen. Jm Vorhergehenden hat er den Werth und die Geltung vor Gott ausschließlich von der sittlichen Gesinnung und dem sittlichen Streben abhängig gemacht, und in Ansehung dieses Maßstabes den Juden und Heiden einander ganz gleichgestelltx es war aber von jüdischer Seite das Mißverständniß zu befürchten, als ob er mit seiner Gleichstellung des Juden und Heiden jeden Unterschied zwischen Juden- thum und Heidenthum aufhebe, daß er dem ersteren allen Vorzug und Auszeichnung vor dem letzteren ab- spreche. Was die Beschneidung insbesondere betrifft, so hat er ihr in Kap. 2, 25 zwar ausdrücklich einen Nutzen zuerkannt; aber es konnte scheinen, daß die nachfolgenden Sätze das Zugeftandeiie wieder aufheben möchten. Solche Mißverständnisse, welche ihm den Vorwurf der Verachtung der göttlichen Gnaden- erweisungen und Institutionen in Israel zuziehen konnten, glaubt er nun durch bestimmte Erklärungen abwenden zu müssen; er gebraucht die dialogifirende Redesorm, wodurch der Vortrag an Lebendigkeit ge- winnt. (Maier.) sit) Obgleich den ungehorsamen Juden seine Be- schneidung nicht selig macht, obgleich der gläubige Heide trotz der mangelnden Beschneidung selig wird, hat Jsrael doch mancherlei Vorzüge. Der geordnete Gottes- dienst, die Erziehung in der Erkenntniß Gottes, mancher- leispezielle Gnadenerweisungen Gottes an Jsrael, die Erinnerung an die Geschichte des Bundesvolks, der tägliche Gebrauch der Gnadenmittel waren für Viele ein Mittel zur Bekehrung. Obgleich nun also allezeit der Unterschied geinacht werden muß zwischen dem, was wir an Gnadenerweisungen Gottes geschenkt er- halten, und dem, was wir werth sind, und obgleich es nicht genug ist, daß die Gnadeninittel an uns arbeiten, sondern vielmehr erst die Frucht dieser Arbeit an uns heilbringend ist, so ist doch schon das Vorhandensein der Gnadenmittel, abgesehen von unserer Herzens- stellung zu ihnen, ein großer Vorzug. So ist’s auch ein großer Vorzug, in ein-er christlichen Gemeinde ge- boren zu sein und aufzuwachsen, obschon wir dadurch allein nicht feli werden. (Wangemann.) ·««·’««««) Was aulus alles im Sinne haben konnte, zeigt er in Kapz O, 4f.; hier aber lag es von vorn- herein außer seinem Gedankengang und Zweck, etwas Weiteres, als nur den einen Vortheil anzuführen, daß den Juden vertrauet ist, was Gott geredet hat. (Lange.) Gottes Wort ist Jsraels Brautschatz, und nicht übel sagen die Rabbinem die Kinder Israel hätten am SinaiKränzlein auf den Häuptern getragen, weil allda Gott sie sich angetraut habe zum Eigenthumsvolke durch sein Wort· Daß Paulus insonderheit das Wort der Verheißung meint, die ,,freundliche Gottesrede zu trostbedürstigen Sündern« (Jes. 40, 1. 2), zeigt der folgende Vers, wonach das Wort Gottes sich-dem Glauben der Juden darbeut: wahrlich viel ist ihnen vertraut, weil ihnen dies Eine vertraut ist! (Besfer.) f) Wir sollen diese Worte: »auf daß du Recht be- haltest in deinen Worten« unserm eigenen Herzen und Gewissen vorhalten: denn es bleibt noch in unserm Herzen ein stark Widersprechen und Kampf wider Gott und sein Wort, daß wir nicht gerne Sünder und ungerecht, sondern fromm und heilig sein wollen. Wider solche gefährliche Gedanken sollen wir fest jechten und streiten, und glauben, daß wir Sünder find, welche doch Gott für seine lieben Kinder wolle halten und annehmen, allein, wo sie von Herzen erkennen und»be- kennen, daß fie Sünder und verloren sind und seiner Gnade und Hilfe begehren; denn durch folch Bekennt- niß, dadurch sich der Mensch selbst zu Schanden macht, seine Wunden, Krankheit und Gebrechen dem Arzte zeigt und offenbart, folgt diese Frucht daraus, daß Gott dadurch geehrt und gepreifet werde, und daß er sein göttlich Amt, das ihm allein zusteht, an dir be- weise, nämlich daß er als der rechte Arzt dein ver- wundet, krankes, schwaches Herz und Gewissen verbinde und heile. (Luther.) Z. Jsks aber also [hat es mit dein, was in V. 4 gesagt wurde, seine volle Richtigkeit], daß [nämlich, wie an dem Beispiel der ungläubig gebliebenen Juden sich zeigt] unsere [der Menschen] Ungerechtigkeit Gottes Gerechtigkeit preiset sin desto helleres Licht stellt, indem sie dieselbige in ihrer ganzen Größe und Herrlichkeit erkennen läßt] was wollen wir sagen* fwelche Folgerung könnte daraus der, mit welchem wir’s hier zu thun haben, der ungläubige Jude V. 3., für sich etwa ziehen Kap. B, I; 7, 7; 9, 1419 Jst denn Gott [wenn wir diese Folgerung uns Vergegen- wärtigen, nach der ihn: vielmehr menschliche Un- gerechtigkeit lieb sein müßte, weil sie ja zur Ver- mehrung seines Ruhms für ihn ausschlägt] auch sselber] ungerecht, daß er darüber fwas der Mensch Ungerechtes thut] ziirnet? Jch rede also [wenn ich eine solche, an Gotteslästerung ftreifende Frage jetzt aufwerfe] aus [der] Menschen Weise« sdie oft genug sich nicht scheuen, Gottesläfterliches zu sagen oder doch bei sich zu denken, wenn nur das, was sie sagen oder denken, einen Anhalt zu zu ihrer Selbstrechtfertigung zu biet-en scheint]. 6. Das sei [jedoch, was ich da, lediglich um der Menschen Thorheit an den Pranger zu stellen, ausgesprochen habe] ferne! Wie könnte sonst Gott [wäre es von ihm ungerecht, seinen Zorn über alles gottlofe Wesen und Ungerechtigkeit der Men- schen zu verhangen] die Weit richten [wie ihr ungläubigen Juden das doch in Beziehung auf die Heidenwelt mit so großem Nachdruck von ihm behauptet, auf solches sein Gericht eure nationalen Hoffnungen gründet und darum es herbeiwünscheh auch wohl selber es herbeizu- führen fucht]? OF« «« 20 » Römer Z, 7——20. 7. sOffenbar könnte ja der Heide nun gleich- falls Gottes Gericht von sich ablehnen.] Denn [jene Folgerung auch zu seinen Gunsten geltend machend, könnte er sagen:] so die Wahrheit Ghi- tes sdafz er allein Gott sei] durch meine Luge [des Götzendienstes Kap. l, 25] herrlicher wird zn seinem Preis lso daß er auf der Folie dieses Gegensatzes nun erst recht als Der erscheint, der er ist Pf. 115, 3 ff.], warum sollte ich denn noch [wie bisher von euch Juden mir geschehen ist Gals Z, 151 als ein Sünder gerichtet werden?"* 8. Und [warum, wenn die Folgerung V. 5 nicht von Haus aus verwerslich, sondern irgend wie zutreffend wäre, sollten wir Menschen über- haupt, gleichviel ob Heiden, Juden oder Christen, in sittlicher HinsichtJ nicht vielmehr also thun, wie [insonderheit] wir svom jiidischen Gesetz unab- hängig uns haltenden Christen von den Juden] gelästert werden und wie [auch] etliche svon den uns feindselig gesiunten Judaisten] sprechen, daß wir sich, Paulus, und meine Glaubensgenofsen] sagen sollen [vgl. Kap 6, 1 ff.]: Laßt uns Uebels thun, auf daß Gutes daraus komme? Welcher Ver- damtnnißswenn wirklich solche unter uns sein sollten, die das sagten] ist ganz rechts— V) Es ist das eine, aus der rabbinischen Dialektik entlehnte Formel der Besinnung über eineSchwierigkeit, ein Problem, bei welchem die Gefahr seiner falschen Eonsequenz vorliegt; der Apostel setzt voraus, daß ein ungläubiger Jude aus dem von ihm aufgestellten, durchaus richtigen Satze, daß unsre Ungerechtigkeit Gottes Gerechtigkeit preise, eine Folgerung einwenden könne, er macht aber den Einwand selbst. (Lange.) »Es) Mit diesen Worten entschuldigt der Apostel gleichsam die auffallende Rede und weist jene gottes- lästerliche Folgerung zurück; »auf Menschen Weise« heißt nach der Weise von 9Jienschen, die sich selbst, ihrer Schwachheit oder den Trugschlüssen ihrer, durch die Sünde verfinsterten Vernunft überlassen sind. (von Gerlach.) Daß durch unsere Sünde Gottes Name gepriesen wird, ist nicht Werk des Menschen, sondern Gottes, welcher als ein bewundernswerther Künstler unsere Bosheit zu unterdrücken und anderswohin zu wenden verstehet, so daß er sie neben dem-von uns beabsichtigten Ziele vorbei zur Vermehrung seines Ruhmes verwendet. Uns hat Gott die Art vor- geschrieben, wie er von uns verherrlicht sein will, näm- lich Frömmigkeit, die auf dem Gehorsam gegen sein Wort beruht. Wer diese Grenzen überspringt, will Gott nicht ehren, sondern vielmehr schänden. Wenn aber dieser sein Wille einen andern Ausgang hat, so ist es der Vorsehung Gottes zum Ruhm anzurechnem nicht der Bosheit des Menschen, bei welcher es nicht steht, Gottes Majestät zu zerstören oder zu verletzen. (Calvin.) IN) Das Unstatthafte der obigen Frage (V. 5): ,,ist denn Gott auch ungerecht, daß er darüber zürnet (genaner: ist Gott etwa un erecht, daß er Zorn ver- hängt)?« beweist Paulus D. 6) aus der von allen Juden anerkannten Wahrheit, daß Gott die Heiden- welt (Kap. 11, 1·2; l. Cor. 1, 20 f.) richten werde; dies sei aber unmöglich, wenn daraus, daß der Men- schen Ungerechtigkeit Gottes Gerechtigkeit erhöhe, folgen sollte, daß er die Sünde nicht strafen könne. Auch der Heide könnte dann sagen (V. 7): ,,auch meine Sünde hat Gottes Gerechtigkeit verherrlicht, wie kann ich denn als Sünder gerichtet werdens» (Olshausen.) f) Die indirekte Bestreitung der Folgerung der Juden Bot? einem rccleuen Argumente fortgesetzt: es wür e iee e, als ri jtig angenommen, zu einer Maxime führen, welche alle Moral aufhebt, alle Sitt- lichkeit vernichtet. Wenn nämlich das Böse wegen eines guten Erfolgs seine Natur, sein Wesen als Böses verlöre und somit aufhörte, strafbar zu sein, so könnte Pakt auch den Grundsatz aufstellenå thxkte ifmrtåerhis d? öe, wenn es zu einem guten we e ör erli i . Die Redeform ist wieder fragend, der Fragende ist aberNnicht mjehr Zier ssigheide ibn 7., sondern Pllaulus im amen er en en ü er aupt« nun wo te er schreibeåizCyund åvarum golltenrgwir sgichtEUebels thun, auf da utes araus omme « ie rinnerung an die boshafte Verdrehung seiner Lehre von Seiten der Juden und Judaisten aber veranlaßt ihn zur Ein- schaltung eines Zwischensatzes: ,,wie wir gelästert werden und wie etliche sprechen, daß wir sagen sollen.« Wahrscheinlich sind es Süße, wie die in Kap. Z, 20 u. Gal. 3, 22., welchen die Widersacher den Sinn unterlegten, als ob Paulus damit solchen unsittlichen Grundsatz lehre; da spricht er nun, um ihn entschieden von sich abzuweisen, das Verdammungsnrtheil über diejenigen, die den in Rede stehenden Grundsatz an- Empfshlfjenf lokPerL izarnach handeln dwtkllsltkfm l Gäiasierh sit iee e äterung, welche ere e ate «äter- teufel damals den Aposteln aufgebürdet hat, die noch oft gegen die Lehre von der Gnade Gottes geführt und diese also mißdeutet wird, als lehre man die Leute freventlich sündigen, daß Gott durch der Sünden Ver- gebung hochgepriesen werde. (Spener.) 9. Was sagen wir denn nun [um nach den Zwischenerörterungen in V. 2——8 auf die Frage in V. 1 zurückzukommen]? haben wir lJuden vor den Heiden] einen Vortheil sin Ansehung unserer Person, daß wir dem Gerichte Gottes gegenüber besser daran wären als sie]? Gar keinen sso ist aus solche Frage zu«antworten]! Denn wir haben droben sm Kap. 1, 18 ff. u. 2, 1 ff.] beweisen dialß, bteidekd Juign srznisft]Grdiechckä» sgdevrsi Feiikgm aeuner er err a er Une n er sie, selbst die Bessern unter ihnen, sich nicht völlig entschlagenkönneiy so daß sie nun auch alle des göttlichen Zornes und Gerichts sich schuldig be- kennen müssen]; 10. Wie denn sdiese meine Behauptung nichts Neues, etwa von mir erst Erfundenes aufstellt, sondern davon in der ganzen Schrift-des alten Testaments schon] geschrieben stehtt sso zunächst in Pf. 14, I ff. u. 53, 2 ff. heißt es]: Da ist nicht, der gerecht svor dem vom Himmel schauenden und die Menschenkinder prüfenden Gott] sei, auch nicht Einer svielmehr hängt die Jrreligiosität und Jmmoralität ihnen insgesammt irgendwie an]. 11. Da ist nicht, der verständig sei [im Denken und Handeln Einsicht bewahre]; da ist nicht, der nach Gott frage [die Gemeinschaft mit ihm zum höchsten Ziele seines Strebens mache h. Mos 4, 29; Apostg. 15, 17; 17, 27z Hebr. I1, S] « Abwehr eines gottesläfterlichen Einwandes Der J u d e n Sündenregistetx 21 12. Sie sind alle [von Gott und seinen Wegen] abgewicheu und allesammt unticchtjg sun- brauchbar, grundverderbt Hiob 15, 161 worden; da ist nicht, der sallfeitig und gründlichs Gutes thue, auch nicht Einer. « 13. sUnd weiter heißt es in Pf. 5, 10; 140, 4; 10, 7 zur Schilderung ihres bösen Thuns mit Worten:] Jht Schlnnd [aus dem die Rede kommt] ist ein offen Grab [das verpeftenden Todesgeruch aushauchts mit ihren Zungen handeln sie tritglich findem sie mit Heucheln und Schmeicheln Unvorsichtige in’s Verderben stürzen], Otterngift ist unter ihren Lippen sdas sie denn auch reichlich ausspritzen] ; 14. Ihr Mund [so oft sie ihn öffnen] ist Voll Flnchens nnd Bitterkeit sgegen den Eliächstens 15. sEbenfo wird in Jef. 59, 7 s. in Vetreff ihrer schlimmen Werke das Zeugniß ihnen aus- gestellt:] Jhre Füße sind eilend, Blut zu vergießen [Weish 2, 10 ff.]. 16. Jn ihren Wegen ist eitel Unfall und Hekzelcid [überall, wo sie gewandelt sind, lassen sie Unheil und Verderben als ihre Spuren zurück]; 17. Und den Weg des Friedens sdagegens wissen sie nicht [eine von Friedensliebe ausgehende und auf Friedensvermittelung abzielende Hand- lungsweise kommt in ihrem Leben gar nicht vor]. 18. sJn Pf. Bis, 2- endlich wird über ihr inneres Wesen das mit dem in V. 11"f. Ge- sagten sich zufammenfchließende Urtheil gefällt:] Es ist keine Furcht Gottes vor ihren Augen» [daß sie davon als dem Anfange der Weisheit sich bei ihrem Thun und Lassen leiten ließen Pf. in, 10; As, 3]. 19. Wir wissen aber [Kap. 2, 2], daß, was das Gesetz sin seinem gefammten Umfange, wo es alle Schriften des alten Teftaments in sich be- greift Joh. 10, 341 sagt, das sagt es denen, die unter dem Gesetz sind sden Juden Katz. 2, 12; und ist nun Obiges ihnen gefagt], auf das; aller Mund Verstopfet werde sder Jude sich nicht eines Vorzugs vor den Heiden rühme], Und salsos alle Welt sJuden wie Heiden V. J] Gott schuldig sei W« sihm gegenüber wie ein dem verurtheilenden Richterspruch versallener Misfethäter zu stehen kommt], 20. Darum, daß kein Fleisch skein Mensch, auch nicht ein Jude, der doch auch nur Fleisch vom Fleische geboren ist Joh. 3, S] durch des Gesetzes Werke [durch Werke, mit denen man des Gesetzes Vorschriften zu ersüllen suchts vor ihm gerecht sein mggs [Ps. 143, 2; Gal. «2, 16]. »Denn durch das Gesetz kommt Erkenntniß der SundeH [das- selbe dient nur dazu, die Sünde, die man ohne dasselbe in mehr oder weniger Unbewußtheit be- geht, zu bestimmteny deutlichem Bewußtsein zu bringen Kap. 7, 14 ff.; Hebr. 10, 3]. it) Der Apostel hatte in Kap. l, 18 ff. die Sünd- hastigkeit der Heiden dargethan, in Kap. 2 erwiesen, daß die Juden um nichts besser seien, als die Heiden, in Kap. 3, 1—8 den objektiven Vorzug der Juden in ihrem Betrautsein mit den Offenbarungen Gottes anerkannt, wobei sich zugleieh herausgestellh wie wenig die Juden diesen gottverliehenen Vortheil sich ihrer- seits zunutze gemacht; ganz natürlich kehrt er nun an- schließend an Kap. Z, l zu der im 2. Kapitel gegebenen Entwickelung zurück, und zwar mit der Frage, ob denn nun die Juden trotz ihres objektiven Vortheils einen subjektiven Vorzug hätten. Diese Frage muß er verneinen: wie der objektive Vorzug ein Vorzug in jeder Hinsicht war (V.2), so findet ein subjektiver Vorzug in keinerlei Hinficht statt. Den Beweis für die Sündhaftigkeit der Juden und Heiden nun, die er in Kap. 1 u. 2 behauptet hat und jetzt aus Zeugnissen des alten Testaments darthut, führt er namentlich für die Juden, und führt ihn gegen dieselben; denn von der Sündhaftigkeit der Heiden waren diese auch ohnedies überzeugt, was aber ihre eigene Sündhaftig- keit betraf, so konnte ihre hartnäckige Selbstrecht- fertigungssucht nur durch eine von ihnen selbst aner- kannte Anctorität zunichte gemacht werden. (Philippi.) Der Ausdruck: »unter der Sünde sind« soll eine Lage bezeichnen, in welcher für alle, Juden wie Heiden, durch ihre Schuld unausbleiblich ist, daß Gottes Zorn über sie kommt. Soweit die Sünde reicht, soweit er- streckt sich Gottes Gericht: sind« alle unter der Sünde, so sind auch alle vom Gericht bedroht. Das für ersteren Satz angeschlofsene Schristzeugniß ist aus zer- streut vorkommenden Schriftworten in der Art zusam- mengefügt, daß der Anfang des l4. Psalms die Grund- lage bildet, indem hier die ausnahmslofe Sündigkeit im Allgemeinen ausgesagt ist; daß dann diese Sün- digkeit in derjenigen Gestalt, welche sie annimmt, wo des Menschen Jnneres in der. Rede zu Tage tritt, mit Worten des u. 140, u. 10. Psalms, und in derjenigen, welche in seinem Thun und Treiben zu sehen kommt, mit einer Stelle aus Jef. 59 gefchildert ist; und daß endlich der Ausdruck, in welchen der Ver- fasser des 36. Psalms das Wesen des bösen Menschen faßt, den Schluß bildet· (v. Hosmannh it) Die Zusammenhänge, aus welchen der Apostel die nach der Septuaginta angeführten Stellen ent- non1men hat, sind sehr verschiedener Art: der 14. Psalm handelt von den Menschen überhaupt, Jef. 59 ist der Zustand des damaligen Jsrael gefchildert, in Pf. 36 ist das Wesen der Gottlosen im Gegensatz, zu den Ge- rechten gezeichnet, und der Verfasser des 5. Psalm klagt seine Widersacher an. ist es eine allerdings auszuwerfende Frage, wie der Apostel in der Gesammtheit der angezogenen Stellen dieselbe Anklage ausgedrückt finden könne, die er selbst erhoben hat; es find aber in allen diesen Stellen die Menschen beschrieben, wie sie an sich selber sind und aus sich selber werden (vgl. die Bein. zu Pf. 14, 1 unter END, und wenn sich Gerechte, die Jehova kennen und sürchien, ihnen entgegensetzen können, so verdanken sie dies der Erkenntniß Jehova’s, zu welcher sie ge- führt, der Furcht Jehova’s, welche sie gelehrt find. Sie sagen ebensowenig: »wir haben einen Vortheil«, als diejenigen, in deren Namen der Apostel in V. 9 dies verneint hat. (v. Hosmannh Die Treuen, welche mit ernster Bemühung, ihrer Erkenntnis; gemäß zu wandeln, die demüthige Einsicht ihrer Armuth und wahre Erlösungsbedürftigkeit verbinden, sind sowenig von der allgemeinen Sündhaftigkeit ausgeschlossen, daß sie auf’s Entschiedenste fiel) selbst als Sünder bekennen und dem Worte Gottes gegen sich Recht geben; die- Unter diesen Umständen— 22 Römer 3, 21——26. jenigen, bei denen mit ernstem Streben, das Gesetz zu halten, diese Demuth nicht verbunden ist, haben eine bloße Scheingerechtigkeit, indem sie das Gesetz, dessen einzelne Gebote alle aus Liebe und Wahrheit zurück- kommen, gerade in dem innersten Kern gröblich ver- letzen durch Lieblofigkeit und Leugnung ihrer Gott- entfremdung. Sünder find alle Menschen ohne Aus- nahme; sie unterscheiden sich nur dadurch, daß die einen der Wahrheit die Ehre geben und sich selbst als solche bekennen, während die andern entweder in völligem Tode der Sünde ohne Rüge des Gewissens dienen, oder, wenn sie durch dieselbe auch zu einem gewissen geseh- lichen Streben geleitet werden, doch aus diesem selbst nur neue Sünde sich zuziehen, nämlich hochmüthige Selbstgefälligkeit und Verachtang Anderer. (Olshausen.) IN) Der Jude, der sich immer so gern der Be- strafung entzieht, war durch die Worte seiner eigenen heiligen Urkunde überführt; dies wird ihm vom Apostel noch recht zu Gemüthe geführt durch die Bemerkung, daß in den vorhin angeführten Stellen nur von Juden die Rede sein könne. (Tholuck.) Alle vorhin ange- führten Ausspriiche werden von Paulus als Aussprüche des Gefetzes bezeichnet; er versteht also hier unter Gesetz das ganze alte Testament und meint: die heil. Schrift selbst redet, was sie von dem sündigen Zustand der Pienschen sagt, nicht im Allgemeinen, in Bezug aus alle Menschen, sondern zunächst in Bezug auf diejenigen, denen ja diese Offenbarungen des alten Testaments zunächst gegeben sind, in Bezug auf die Juden. Somit haben wir in V. 10—18 ein mit spezieller Beziehung auf die Juden hingezeichnetes Bild von dem vorhandenen Sündenelend, welches dem in spezieller Beziehung auf die Heiden in Kap. 1, 8 —32 hingezeichneten als Gegenbild und Seitenstück völlig gegenüber gestellt werden kann; und so entfpricht »dann auch das: »auf daß aller Mund verftopfet werde« genau dem (Kap.1, 20): ,,alfo daß sie keine Ent- schuldigung haben« (Wangemann.) Das ,,aller Mund verstopfet werde« spielt auf das Verstummen dessen an (Matth. 22, 12), der, mit einer Anklage vor den Richter gestellt, sich nicht rechtfertigen kann und eben durch sein chweigen feine Schuld eingesteht. (Maier.) T) Das gewonnene Resultat, daß jeder Mund ver- stummen müsse und alle Welt Gott schuldig sei, wird ur völligen Beugung des jüdischen Gesetzesstolzes sfchließlich durch den Satz begründet, daß des Gesetzes Werke nicht die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, ver- mitteln könnten, weil der Zweck des Gesetzes, worunter hier, wie überall, das positive mofaische Gefetz, und zwar besonders das Moralgeseg, zu verstehen ist, nicht Rechtfertigung, sondern erdammung des Sünders sei. Der Ausdruckx ,,des Gefetzes Werke« wird nun einerseits erklärt: ,,Werke, welche das Gefetz wirkt, welche es durch seine Forderungen von Menschen erzwingt«, d. i. Werke, wie sie der unwiedergeborene unter dem Gefetz stehende Mensch in Kraft des freien Willens zu leisten im Stande ist, also äußerlich gesetz liche, blos legale Werke, in Hebt. 6, 1; 9, 14 ,,todte Werke« genannt; ihnen stünden dann die «guten Werke« in Katz. 2, 7; 2. Cor- 9, 8; Tit. 2, 14; 3, s. 14 u. a. entgegen, welche Früchte der Wiedergeburt, des Geistes und des Glaubens sind. Paulus schließt aber alle Werke, nicht nur die der Bekehrung vorauf- gehenden, sondern auch die ihr nachfolgenden, von der Rechtfertigung aus; in Ephes. 2, 1O treten die guten Werke vielmehr als Folge der Rechtfertigung auf, und nun kann ja die Folge einer Sache nicht selbst ein constitutives Moment ihres Wesens bilden. Jener Ausdruck kann jedoch auch bedeuten: »die vom Gefetz geforderten und ihm entsprechenden Werke«; darunter lassen sich denn auch die guten Werke eines Wieder- eborenen begreifen, welche gleichfalls nicht rechtfertigen önnen, nicht nur, weil sie selbst erst, wie vorhin be- merkt, Folga der Glaub ensrechtfertigung sind, son- dern auch, weil sie an sich stets unvollkommen sind, niemals eine vollkommene Erfüllung des Gesetzes, das seinem ganzen Wesen nach geistlich ist vgl. Kap. 7, 14 ff. (Philippi·) Der Satzx ,,durch des Gesetzes Werke wird kein Fleisch gerecht« sagt nicht, daß, wenn jemand das Gesetz, vollkommen erfüllte, er dennoch nicht vor Gott für gerecht gelte, denn damit würde der Apostel sich selbst widersprechen (Kap. 2, 13); sondern es lie e in der Natur des Menschen und des Gesetzes, daß dieses nicht erfüllt und somit Gerechtigkeit erlangt werden könne. (de Wette) H) Das Gesetz bringt durch seine Gebote und Verbote die Erkenntniß der Sünde in albern-rote, es wird daran offenbar, was Sünde sei und worin sie bestehex aber es wirkt auch die Kenntniß der Sünde im Menschen, von der Sündhaftigkeit der Mens chen- natur, indem mittels des Gefetzes der Widerstreit unsrer fleischlichen Gesinnung und Richtung gegen das Göttliche uns zum Bewußtsein kommt. (Maier.) - Das Gesetz wirkt Erkenntnis; der Sünde, indem es durch seine geistlichen Forderungen, namentlich des Gottver- trauens, der Gottesfurcht und Gottes- wie auch Nächstenliebe, dem Menschen, je mehr er sich an ihm versucht und bespiegelt, desto tiefer die ungeiftliche, selbstsüchtige, sinnliche Befchaffenheit seiner Natur auf- deckt, so daß er aufhört, auf seine pharifäische Gerech- tigkeit und äußere Ehrbarkeit zu trotzen, vielmehr sich als Sünder Gott schuldig giebt. (Philippi.) It. V. 2l—3s. Der Apostel hat nun erwiesen, das; sowohl die heidenwelh als auch das Judenvolk seiner Zeit, von der Gottlosigkeit und Ungerechtigkeit be- herrscht seien. Er hat kein einziges Glied des Volkes von dem allgemeinen Zustand ausgenommen, weil jeder seinen Beitrag zu der jedesmal herrschenden Volks— gesittung liefert; auch hat Paulus nicht blos. die viel- gestaltigem siiudhasten Chaten im Auge gehabt, son- dern auch die siindhasten Neigungen, aus denen jene hervorgehen, denn Gottes Auge blickt in das Innere und sein Mund der Wahrheit nennt schon die sünd- haste Neigung des Herzens Uebertretung seines, das Herz und die Gesinnung sordernden Gelelzes Aber in der Schilderung des damaligen Weltzustandes hat der Apostel zugleich ein Bild des allgemeinen Zuskaudes der Menschheit aufgestellt und damit die Siindhasligkeit und Grlösungsbedlirstigkeit der Men- schen aller Zeiten und ohne Accsnahme erwiesen; daher geht er nunmehr zur Auseinanderlaltung und Ent- wickelung seines hauptgedankens (Kap.1, 16 f.) über, das! nur der Glaube die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, und die Seligkeit erlangen könne. »Weil das Gesetz uns nur verdammen kann, weil alle unsere Werke des Gesetzes das Gesetz doch nicht erfüllen, Gott uns aber selig machen wollte, so that er selbst ein Werk siir uns, nnd durch den Glauben an das— selbe werden wir errettet; er vollbrachte das Sühn- opser Jesu Christi, offenbarte darin seine eigene Ge- rechtigkeiy machte gerecht alle, die daran glauben, vernichtete allen eigenen Ruhm der Menschen und ver- einigte Juden und heiden in der Rechtfertigung durch den Glauben allein, ohne jedoch das Ge- setz aufzuheben, sondern indem er nun es erst recht ausrichtete.« 21. Nun aber lgegenüber der alttestament- lichen Zeit, wo blos Heilsbedürfniß und ein Die jetzt geosfenbarte Gerechtigkeit, die vor Gott gilt. 23 zur Befriedigung desselben ungenügendes Ge- s etz vorhanden war] ist [am letzten in diesen Tagen Hebt. l, 1f.] ohne Znthun des Gesetzes [in einer nach allen Seiten hin von ihm ganz unabhängigen Weise, so daß, ebensowenig wie dessen Erfüllung, auch nur dessen Besitz zur Voraus- setzung gemacht wäre] die Gerechtigkeih die vor Gott gilt, osfenbaret [in die Wirklichkeit getreten, nachdem sie bis dahin als eine solche, die da kommen müsse und kommen werde, bereits vorbedeutet gewesen] Und bezenget durch das Gesetz und die Propheten sin all den mannigfachen Vor- bildern und Weissagungen des alten Testaments Joh. 5,46; Apostg. 10, 43; 28, 23., so daß sie also ideell oder der göttlichen Verheißung und der menschlichen Erwartung nach, wenigstens bei dem Volke Gottes Ephes 1, 12, allerdings schon vorhanden war]. 22. Jch sage aber [wie schon die Ankündigung meines Themas in Kap. 1, 16 f. zu verstehen gegeben hat] von solcher Gerechtigkeit vor Gott, die da kommt durch den Glauben an Jesum Christ [und zwar kommt als eine verheißen e] zu allen Und sals eine unerwartet sich herabsenkende] ans alle, die da glauben« [als jene zu den Juden und als diese zu den Heiden Kap. 15, 8 ss.]. 23. Denn es ist hie [sowohl was das Be- dürfniß einer solchen Gerechtigkeit, als was den Weg, zu ihr zu gelangen, betrifft] kein Unter- s chied szwifchen Juden und Heiden Kap. 10, 12]: sie sind [ihrerseits] allzumal Sünder swie in Kap. 1, 18——3, 20 bewiesen wurde] und mangeln des Ruhms, den sie an Gottsihm gegenüber oder bei ihm Joh· 12, 43., vgl· Kap. 2, 29] haben sollten sanderwärts übersetzt Luther: den Gott an ihnen haben sollte, daß sie nämlich noch das Bild an sich trügen, das er ihnen anerschassen 1. Mos. 1, 27]; 24. Und werden [von Gottes Seiten] ohne Verdienst [genauer: umsonst, geschenks- weise Matth. 10, 8; Jes. 55, l] gerecht [ge- macht, dafür erklärt] ans seiner Gnade sEphes 2, 8] durch die» Erlösung [aus Grund der Erlösung oder Loskaufung von Sünden], so durch Christum Jesum geschehen ist«· [Matth. 20, 28; Ephes l, 7; Gal.3,13; Hebr. 9,12; Offb. 5, 9], 25. Welchen Gott hat vorgestellt svor alle Welt hingestellt] zu einem Gnadenstuhl [2. Mos. 25, 22 Anm., bei dem sie Gnade und Vergebung der Sünden erlangen soll] durch den Glauben fund zwar hat er als solchen Gnaden- stuhl ihn vorgestellt] in s einem Blntttt [ver- möge seines, für die Sünden der Welt vergossenen Blutes, oder indem er ihn fein Blut vergießen ließ, und das wiederum hat er gethan für den Zweck] damit er dieGerechtigkeit, dievor ihm gilt, darbiete in dem, daß er Sunde vergiebt isrichtigerx damit er seine Gerech- tigkeit aufzeige, was nöthig war wegen Uebersehung der Sünde Apostg.14,16;17, 30], welche bis anher bliebennar unter göttlicher Geduld-s— sworaus die Menschen sich die Meinung hätten bilden können, die Sünde werde überhaupt von ihm ungestraft gelassen]; 26. sNimmermehr aber hatte er darum, daß die Menschen in solcher Meinung stehen sollten, ihre Sünde bisher unter seine Geduld gestellt, sondern lediglich darum:] Aus daß et zu diesen Zeiten»[Gal· 4, 4; 1. Tim. 2, S; Tit. I, Z] dar- bote die Gerechtigkeit, die vor ihm gilt [wörtlich: erzeigete seine Gerechtigkeit]: auf daß ek sum schließlich beides, was eben gesagt wurde, in Beziehung zu einander zu stellen und das zwie- fache Ergebniß daraus klar zu legen] allein sdies ,,allein« ist von Luther eingeschobem besser wäre dafür zu setzen: ,,einerseits«] gerecht sei sindem er ein Sühnopfer für die Sünde der Welt ge- schehen und sie nicht immer so ungestraft dahin- gehen ließ, wie bisher Hebr. 9,15], und sandrer- seits] gerecht mache den, der da ist des Glaubens an Jesum-H— ser wollte also beides sein, einestheils gerecht in Bestrafung der Sünde, und doch auch anderntheils ein Gerechtsprecher des anDen gläubig sich Hingebenden, den er zum Gnadenstuhl vor- gestellt hat] ») Nunmehr geht der Apostel zur positiven Ent- faltung seines in Kap.1,16 f. ausgesprochenen Grund- gedankens über und entwickelt das Wesen des neuen Heils, indem er nachweist, wie die von Gott gefor- derte und vor ihm allein giltige Gerechtigkeit, welche die Menschheit zu leisten außer Stande war, nun geschenks- und gnadenweise von ihm selbst beichafft und dargereicht wird: »Nun, bei dieser Sachlage, wie sie vor- hin dargelegt worden, ist die Gerechtigkeit Gottes ohne das Gesetz offenbart worden; und wenn dieseOffenbarung nicht schon früher stattgefunden, wenn sie etwas spezifisch Neutestamentliches ist, bezeugt war sie doch bereits im alten Bunde von Gesetz und Propheten, denn diese haben weissagungsweise von der Glaubensgerechtigkeit geredet. Diese Gottesgerechtigkeit aber, um sie näher zu charakterisiren, ist eine durch den Glauben an Jesum Christum vermittelte, denn Jesus Christus« ist Gegenstand und Jnhalt des rechtfertigenden Glaubens; und weiter ist sie eine universelle, eine für alle vorhandene, für alle nämlich, die da glauben, fürsie bestimmt und auf sie sich erstreckend« (Röntsch.) Das ,,nun aber« zu Anfang des 2l. Verses ist offenbar auf die Zeit seit der Vollendung des Werkes des HErrn zu beziehen, so daß die vorchristliche Zeit als die große Vergangenheit erscheint; in dieser war die Er- lösung zwar als eine zukünftige im Gesetz il. Mof· 49, 18; 2. Mos. 34, 6; 5. Mos. 18, 15) und in den Propheten (Jer. W, 6; 33, Its; Jes. 45, 17; 53, 1fs·) durch Zeugen vorherverkündigt und bestätigt, allein sie war in diesen und den Symbolen des Opfercultus verhüllt, weshalb auch die Heiligen des alten Testa- ments selbst nur eine dunkle Ahnung von der Er- lösung hatten (1· Petri 1, 10f.), erst mit dem Tode 24 Römer Z, 26. und der Auferstehung des HErrn ward das Verborgene offenbar (Kap. 1, 4 f.; IS, 25 f.). Der Gegenstand dieser Offenbarung ist aber, daß das erhabene Ziel des Menschen, die Gerechtigkeit vor Gott, ohne Gesetz durch den Glauben an Christum erreicht werden soll. (Olshausen.) Was Luther mit ,,Gerechtigkeit, die vor Gott gilt« übersetzt, um allem Mißverständniß des im Grundtext gebrauchten Ausdrucks vorzubeugen, wie er selber vordem lange in solchem Mißverständniß sich befunden und darüber den Weg zum Frieden nicht hatte finden können, lautet wörtlich: »Gerechtigkeit Gottes«. Offenbar kann darunter hier nicht, wie in V. 5, die EigenschaftGottes verstanden werden, vermöge deren erselber gerecht ist und Gerechtigkeit übt, sondern nur eine solche Befchaffenheit des Menschen, in welcher diesem die Gerechtigkeit eignet; dabei entsteht nun aber die Frage, was das hinzugefügte ,,Gottes« besagen will, ob damit Gott als der Bewirker einer solchen Beschaffenheit, als ihr Geber und Darleiher bezeichnet werden soll (Phil. Z, 9), so daß man zu iibersetzen hätte: ,,Gerechtigkeit von Gott«, oder ob damit nur die Beziehung auf Gott ausgedrückt sei: ,,Gerech- tigkeit Vor Gott«, gleichwie in Jak. I, 20 die nämliche Redensart von »dem, was vor Gott recht ist«, im Gegensatz zu dem, was man bei ihm nicht verant- worten kann, gebraucht wird. Wir haben in der Aus- legung zu "2. Cor. 5,2l beide Auffassungen nach ihrem gegenseitigen Verhältniß neben einander gestellt, und dürfte es sich überhaupt empfehlen, beide überall da mit einander zu verbinden, wo der Apostel nicht aus- drücklich von Gerechtigkeit bei oder vor Gott redet (Kap. 2, 13; 3, TO; Gal. 3, 11). Von dieser Gerech- tigkeit Gottes nun sagt Paulus an unsrer Stelle, daß ihre Erlangung bedingt sei durch den Glauben an Jesum Christum, daß aber auch da, wo dieser Glaube vorhanden, sie als eine Gerechtigkeit von Gott komme zu allen und aus alle, die da glauben; und da dürfte wohl diejenige Auslegung das Richtige gesehen haben, welche in diesem ,,zu« und »aus« eine Wiederaufnahme der in Kap. 1, 16 ausgesprochenen an sich gleichmäßigen und nur in heilsgeschichtlicher Hinsicht ver- schiedenen Betheiligung der Juden und Heiden erblickt — zu den Juden kommt sie als eine vom Gesetz und den Propheten zuvor bezeugte in Folge göttlicher Treue, auf die Heiden aber als ein ganz unverhofft und völlig frei sich ergießender Strom der göttlichen Barmherzigkeit. Das so nachdrücklich gebrauchte Wort: ,,alle«, bemerkt Melanchthon, muß man den gefähr- lichen Gedanken (der Calvinisten) von einer unbedingten Gnadenwahl entgegenhaltenz deutlich bietet Gott allen ohne Ausnahme die Vergebung der Sünden« an, alle also sollen wir dies Evangelium hören, sollen wissen, daß es uns alle angeht, alle sollen wir es im Glauben ergreifen und unsre Gewissen durch diese Zeugnisse aufrichten. "·) Jm Grundtext schließtdurchParticipialconstruction die Aussage über das Gerechtwerden V. 24 sich als Nebengedanke an die in V. 23 geltend gemachte Gleich- heit an und will damit die dieser Gleichheit ent- sprechende Art und Weise -des Gerechtwerdens als Gegenstück hervortreten lassen: sie, von denen vorhin gesagt war, daß kein Unterschied insofern unter ihnen sei, als sie allzumal Sünder sind und des Ruhmes mangeln, werden nun auch ohne Unterschied in der Behandlungsweise von Gott gerecht gemacht; sie werden es geschenksweise, nicht erwerben sie es sich, was sie als Sünder ja nicht können, und werden es durch die Gnade des Gottes, vor welchem sie des Ruhmes mangeln und mit aller eigenen Gerechtigkeit zu Schanden geworden sind, und zwar werden sie es mittels derjenigen Erlösung, die in Christo Jesu vor- handen ist. ,,Christo Jesu« ist hier gesagt, nicht: ,,Jesu Christo«, weil die Parallele mit dem alten Testament in das Licht treten soll, wo es ein ,-gesalbter Hoherpriester« war, der das Werk der Erlösung von der alttestamentlichen Schuldhaft des Gesetzes vollzog. Hinsichtlich der Lehre von der Rechtfertigung nun besteht Differenz zwischen der katholischen und evangelischen Kirche darin, daß die letztere die Recht- fertigung oder Gerechtmachung als einen richterlichen Akt Gottes (actus forensjsx als eine Gerechterkliirung (deelaratio pro justo), die erstere hingegen als einen hervorgerufenenZustand im Menschenstiabjtus jnfusus) auffaßt; sie richtetsich da nach dem Vorgange Augustin’s, der unter der »Gerechtigkeit Gottes« (vgl. die Dem. zu V. 25) die Gnade der Wiedergeburt ver- steht, die uns geschenksweise widerfahre, weil Gott ohne unfer Verdienst mit seinem Geiste uns erneuere. Hiernach ist ihr der die Rechtfertigung verniittelnde Glaube die sog. tides formats, d· h. derjenige Glaube, der nicht ein bloßes Fürwahrhalten der Glaubenssätzh sondern durch die Liebe bestimmt, beseelt ist. Obwohl nun diese titles formats» auf göttlicher Gnadenwirkung beruht, so findet doch eine menschliche Mitwirkung dabei statt; denn das Lieben ist ein Akt des freien Willens und bringt insofern etwas Verdienstliches hinzu, ja diese Liebe im Glauben, diese Aktivität im Verhältnis; zu Gott, ist nach katholischer Auffassung eigentlich dasjenige, wodurch oder weshalb der Mensch gerechtfertigt wird, wodurch er der sowohl heiligenden als rechtfertigenden Gnade sich würdig macht. Bei diesem Ineinanderfließen der Rechtfertigung und Hei- ligung hat folgerichtig die erstere nach katholischer Ansicht ihre Grade, es findet ein Fortfchreiten in derselben statt; in weiterer Folge muß nun aber auch der Mensch stets in Unsicherheit über seinen Gnaden- stand bleiben, keiner kann zuversichtlich wissen, ob er bereits soweit geheiligt sei, daß seine Rechtfertigung nun eine vollkommene ist und er also zu den Be- gnadigten und Auserwählten gehört, es sei denn, daß er eine besondere Offenbarung darüber empfängt. Jn welchen Gegensatz hierzu die Lehre der evangelischen Kirche tritt, werden wir hernach bei V. 28 sehen; hier sei vorerst nur noch auf den eigenthümlichen Unter- schied des griechischen und des biblischen Sprachgebrauchs hinsichtlich der Bedeutung, die das Wort »rechtfertigen« hat, hingewiesen. Dort bezeichnet es die Reaction des verletzten Rechts gegen den, der es verletzt hat; der- selbe wird dadurch gerechtfertigt, daß das von ihm begangene Unrecht an ihm bestraft und durch solche Bestrafung für die Rechtsordnung wieder aufgehoben wird (Apostg. 12,19). Hier dagegen ist es das gerade Gegentheil von verurtheilen und besagt s. v. a. frei- sprechen von Schuld, für gerecht anerkennen oder er- klären, sei es nun, daß solches an einem seinerseits durchaus Gerechten, aber ungerechter Anklage, falschem Verdacht« und übler Verkennung anheim Gefallenen geschieht (Kap. Z, 47 Matth. l1, II; 1. Tim. Z, IS; 2. Chiron. 6, 23), oder daß ein an sich ungerechter, dem göttlichen Willen nicht entsprechender, vielmehr dem Gericht verfallener Mensch durch einen Gnadenakt von Schuld losgesprochen und gleich einem solchen behandelt wird, der, dem göttlichen Anspruche genüge und das Erbtheil der Gerechten zu empfangen berech- tigt sei (Luk· 18, 14; Apostg. l3, 38 f.). »Es-F) Das im Grundtext für ,,Gnadenstuhl«gebrauchte Wort Olomkysgroy verstehen die neueren Ausleger meist in dem Sinne von ,,Sühnopfer«, weil die weltlichen Schriftsteller es in diesem Sinne brauchen; liegt nun aber an sich schon die Vermuthung nahe, daß der Sie kommt durch den Glauben an Jesum Christ, der zu einem Gnadenstuhl vorgestellet ist. 25 Apostel es in demjenigen Sinne gemeint habe, in welchem es die griechische Uebersetzung des alten Testa- ments, die Septuaginta, und ihr gemäß auch die Epistel an die Hebräer (9, 4 f.) gebraucht, so wird diese Ver- muthung dadurch zur Gewißheit erhoben, daß eines- theilswohl gesagt werden kann, Christus habe sich als ein Sühnopfer Gott dargebracht (Joh. 17, 19; Ephes 5, 2; Hebr. 9, 14), nicht aber, Gott habe ihn der Menschheit als solches dargestellt oder dar- gebrachh und daß anderntheils mit einer solchen Vor- stellung, auch wenn man sie durch diese oder jene Aus- deutung allenfalls erträglich machen wollte, die Ver- bindung ,,durch den Glauben« schlechterdings sich nicht verträgt. Was mit ,,Gnadenstuhl« bezeichnet wird, das ist derDeckel der Bundeslade, die Capporeth, wie sie im Hebräischen heißt; während die Lade selber in sich die beiden Gesetzestafeln bewahrete, über sich aber die Cherubim als Träger der Gegenwart Gottes hatte, sprengte an ihren Deckel am großen Versöhnungs- tage der Hohepriester das Blut desjenigen Opfers, das er für die Gesammtsünde des Volks dargebrachthatte (3· Mos. 16, 15 f.), und sollte das ein sinnbildliches Zeichen sein, daß Gott die für die Uebertretungen des Bundes dar- gebrachte Versöhnung angenommen habe und seinem Volke wieder gnädig sei. Was nun dieser Deckel auf eine äußerliche und bildliche Weise, das ist Christus auf innerliche und eigentliche Weise: der Sünder soll in ihm und namentlich in seinem blutigen Tode das Mittel der Versöhnung sehen. Welche hohe Wichtigkeit dem Gnadenstuhl schon im alten Testament beigemessen wurde, geht aus der Bezeichnung des Allerheiligsten als »Haus des Gnadenstuhls« in 1. Chron. 29,11 hervor, wie denn derselbige auch aus massivem Golde gearbeitet, die übrige Lade dagegen nur mit Gold überzogen war (2. Mos. 25, 10 sf.); ihm gegenüber steht dann in realer Erfüllung seiner vorbildlichen Bedeutung Christus als Der, an welchem wir haben die Erlösung durch sein Blut, nämlich die Vergebung der Sünden (Ephef. 1, 7). Gleichwie in ihm die zwei Factoren des alttestamentlichen Opfercultus der dar- bringende Hohepriester und das dargebrachte Opfer, zur Einheit der Person verbunden sind, so nun auch die beiden Momente des besprengten Deckels nnd des an denselben gesprengten Blutes zur Einheit der Sache; nur dieser letztere Gedanke ist bei dem Aus- drücke, dessen der Apostel sich bedient, festzuhalten, nicht aber das Gleichniß weiter dahin auszumalen, daß die Vorstellung herauskommt, als sei Christus mit seinem eigenen Blute besprengt, um das Gleichniß selber als durchaus unpassend zu conipromittiren, vielmehr, was in Hebn 9, 24 ff. der im himmlischen Aller- heiligsten mit seinem eigenen Blute vor dem Angesichte Gottes erscheinende neutestamentliche Hoherpriester für uns ist, das ist auf Erden der im Evangelio ver- kündigte Heiland vor den Augen der Welt. Gott hat ihn »für sie hingestellt zu einem Gnadenstuhl, zu dem ein jeder mit Freudigkeit hinzutreten darf, um Gnade und Vergebung der Sünden und damit alles Heil zu empfangen (Hebr. 4, l6), wenn er nur im Glauben hinzutritt, und diese Gnade wird ihm um des auch für ihn vergossenen Blutes willen zu Theil, dessen sündentilgende und mit Gott versöhnende Kraft dem Gnadenstuhl für alle Geschlechter der Menschen auf alle Zeiten der Menschen inhärirt. — ,,Sowie nach Joh. l, 14 die Herrlichkeit Gottes, die Schechina, in der Person Christi aus der Verborgenheit des Aller- heiligsten herausgetreten ist und unter den Gläubigen gewohnt hat, so erscheintnach unsrer Stelle der Gnaden stuhl aus dem Allerheiligsten herausgestellt in dieOefsent- lichkeitderganzenWeltfürdieGläubigen,vgl.Sach.13,1.« T) So sehr auch Luther mit seiner Deutung des Ausdrucks: »Gerechtigkeit Gottes« in dem Sinne: »die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt« (vgl.Anm. zu V. 22), für viele Stellen das Richtige getroffen hat, so doch nicht für alle; um jene Deutung fest zu halten, hat er nach des Chrysostomus und Augustin Vorgange die zweite Hälfte des 25. Verses geradezu unrichtig wieder- gegeben, indem namentlich die Worte, die er iibersetztt »in dem, daß er Sünde vergiebt«, schlechterdings das nicht bedeuten können (es müßte im Grundtext dann heißen: M: »F; 0292508037 während es doch heißt: in« røju steigern» nöt- 7r9o7-. åirorpryiioitwigs Abgesehen nämlich von der irrthümlichen Fassung: »in dem, daß«, so ist auch von Sünden-Vergebung hier nicht die Rede, sondern von Sünden-Nachlassung oder Vor- beilassung in dem Sinne, in welchem Paulus in Apostg. 17, 30 sagt: »Gott hat die Zeit der Un- wissenheit übersehen«, d. i. die in-derselben be- gangenen Sünden noch nicht mit seinem schließlichen Gericht (Kap. 2, I) heimgesucht, sondern einstweilen noch unter seine Geduld gestellt (Ps. 78, 38). Um dieser bisher geübten Sünden-Nachlassung oder Ueber- sehung willen, so will der Apostel ausdrücken, war es für Gott eine Nothwendigkeit, wenn er bleiben wollte, der er ist, ein gerechter Gott, und als solcher auch von der Welt erkannt sein wollte, Christum nicht so ohne Weiteres, sondern erst »in seinem Blute« zu einem Gnadenstuhl hinzustellen, nachdem er nämlich zuvor den Tod "r die Sünden der Welt erlitten hätte (1. Petri» 1, 18 s.; 2, 24).· Ohne Blutvergießem heißt es in Hebr. I, 22 geschieht keine Vergebung; Gott konnte wohl, ehe der neutestamentl1che Versohner kam, Geduld'haben mit der sündigen Nienschenwelh daß er ein solches Verderbens-Gericht, wie es in der Sündfluth geschehen, nicht wieder über sie kommen ließ, wozu er ja sich ausdrücklich verbindlich gemacht hatte (1. Mos. 8, 21 f.), aber ein solches Hingehenlassen der Sünde ohne die volle Strafe, die ihr gebührte, war noch keine Vergebung derselben. Die momentan nach- gelassene Sünde kann später noch gestraft werden (2.Mos. 3·2, 34; 2. Sam. 16, 10 sf.; 19, 21sf.; 1.Kön. 2, 8 f. 44 fs·), nicht aber die wirklich vergebene; jene ist ein Ergebniß der göttlichen Geduld, diese ein Werk der göttlichen Gnade. Auch erschien Gott bei diesem Hingehenlassen (Weish. 11, 24: »du versiehest der Menschen Sünde«) nicht als der Gerechte, der er ist, da seine richterliche Gerechtigkeit vielmehr Strafe und Büßung, als Vorbeilassen der Sünde fordert; um nun solche Gerechtigkeit auch wirklich zu erweisen, ließ er eben Christum Jesum die Sünden der Welt büßen, und indem er jetzt diesen als Gnadenstuhl hinstellt in seinem Blute, ist der Erfolg der, daß, wie es in der zweiten Hälfte des 26. Verses zuerst heißt, er gerecht ist, was er aber nicht gewesen wäre, wenn er die Sünde nur immer hätte gewähren lassen, ohne einmal sein Zorngericht über dieselbe in ganzer Schwere zu verhängen · · « ff) Wir erfahren hier, warum Gott nicht schon früher eine Erzeigung seiner richterlichen Gerechtig- keit eintreten ließ: hätte er sein Zorngericht über die Sünde schon in der vorchristlichen Zeit in ganzer Schwere wollen ergehen lassen, so wäre nur die eine Seite seiner Gerechtigkeit offenbar geworden, die, in- dem sie die Sünde richtet, den Sünder der Verdamm- niß übergiebt. Aber absichtlich hielt er diese Seite, wie der Apostel vorhin angedeutet hat, noch zurück, bis er zugleich die and e re könnte offenbar werden lassen, nämlich seine die Sünde des Menschen richtende, ihn selber aber gerecht machende Gerechtigkeit Jn Christi Person hat er denn eine Sündensüh1iung hergestellt, 26 Römer Z, 27—3l. die ihn bei jedem, der selbige im Glauben sich aneignet, der Nothwendigkeit überhebt, seine Gerechtigkeit in einem strafenden Gericht ergehen zu lassen, sondern vielmehr die Möglichkeit ihm verschafft, demselben die Gerechtigkeit darzubieten, die vor ihm gilt; dieser Gedanke liegt in den Schlußworten des 26. Verses: »auf daß er gerecht mache den, der da ist des Glau- bens an Jesum«. Hätte Gott nur seinerseits gerecht sein und nicht zugleich ermöglichen wollen, daß wir gerecht werden, so würde er die Sünde sofort in ganzer Schwere bestraft und nicht eine Sühne für dieselbe in Christo Jesu beschafft haben. Wenn nun die erste Hälfte unsers Verses im Grundtext sehr ähnlich lautet mit der zweiten Hälfte des vorigen Verses, so dürfen wir sie doch nicht, wie manche Ausleger gethan haben, für eine bloße Wiederaufnahme derselben halten, nur daß durch diese Wiederaufnahme der in den Worten liegende Gedanke verstärkt werden solle; die Worte weichen gleichwohl von den vorhin gebrauchten wesent- lich enug,ab, um sofort erkennen zu lassen, daß es sich Bier nicht mehr um eine Erweisung derselben Ge- rechtigkeit handelt, von der vorhin die Rede war, nämlich derjenigen, vermöge deren Gott selber gerecht ist, sondern um die Erweisung derjenigen, die er uns zuertheild oder um seine rechtfertigende Gerech- tigkeit. Olshausen erinnert hier, wie die richtig verstandene, höchst scharfsinnige Lehre Anselm’s von Eanterbury von der stellvertretenden Genugthuung des Todes Christi der heil. Schrift durchaus gemäß sei. Die Elemente, aus denen sie sich vollendet, so schreibt er, sind auf der einen Seite die Größe der Sünde an sich und der daraus entspringenden Schuld und Straf- barkeit, auf der andern Seite die Unmöglichkeit, in Gott eine Eigenschaft wirksam zu denken ohne die andere, namentlich also die Liebe ohne die Gerech- tigkeit, weshalb Gott nicht auf bloße Reue hin die Schuld vergeben kann, wie ein Mensch, de: selbst Schuldner ist; und zwischen beiden die Person des Gottmenschen, der nicht ein Mensch neben vielen andern, sondern der Mensch ist, der zweite geistige Adam des ganzen Geschlechts, der ebensosehr durch seine wahre, obgleich heilige Menschheit mit den Sün- dern, als durch feine göttliche Natur mit dem Herrn der Welt verbunden ist, in dem die Liebe ebenso rein erscheint, wie im Vater die Gerechtigkeih und wieder im Vater die Liebe, wie im Sohne die Gerechtigkeit Was daher in keinem menschlichen Akt verbunden ge- dacht werden kann (indem der Mensch immer nur ent- weder Gnade oder Gerechtigkeit zu üben vermag), der höchste Akt der Gnade, die Lossprechung eines ganzen sündhasten Geschlecht-s, und die vollkommen gerechte Bestrafung der Sünder in dem Tode deß, der das ganze Geschlecht in sich trug, wie das Cen- trum sämmtliche Radien des Umkreises: das ist im Tode Christi verschmolzen, und deshalb ist die Hingabe des Sohnes durch den Vater und das freie Opfer des Sohnes die höchste That Gottes, würdig, der Gegenstand der Predigt zu werden an die ganze Menschheit, weil sie die Kraft hat, Leben in die Tod- tengebeine zu hauchen und wahrhaft den Frieden der Vergebung der Sünden zu schenken. An die objektive Gottesthat schließt sich der Glaube an, und neben der Gluthkraft seines Feuers müssen allerdings alle halb oder ganz pelagianischen Ansichten zerstieben, die durch Anstrengung eigener Kräfte dem göttlichen Liebesleben nachgeholfen wissen wollen; denn wo durch das An- schauen der Schlange, die erhöht ist, nicht Leben ge- weckt ist, da kann die größte Anstrengung und Ver- leugnung immer nur dürftige Ehrbarkeit oder fratzen- haften Dünkel bilden. Jn diesem aufgethaneu Born quillt allein das Lebenswasser, auf diesem Altar allein ist himmlisches Feuer zu holen: hier verschmilzt sich Gerechtigkeit und Gnade zu einer unaussprechlichen ginhkeih wieb sie in Gost se?stdEinåhsi;itd; diiilin disite ün enver un um es o es ri i wi e i i ·t’ ’ u e a , o gkizdxszegjizsiiezssgkz Fest: gsidrszszzsg»esissxx: r; ünberhrdas Geseeä etdneil Gyiidaldig Inächtiger isi die Gerechtigkeit, und für das Gesetz, weil es selbst darin aufrecht erhalten ward. 27. Wo bleibt nun [wenn es nach dem eben Gesagten feststeht, daß nur durch den Glauben an Jesum Christum der Mensch gerecht werden kann] der Ruhm swie er bisher bei den Juden sich breit gemacht hat, als wären sie etwas Sonderliches vor anderen Leuten Kap. 2, 17. 23; Lust. 18, 11]? Er ist aus fdaß er auf christlichem Standpunkte gar nicht mehr stattfinden kann]! Durch tvelch Gefetz fhat er ein für alle Mal sein Ende ge- funden]? durch der Werke Gesetz setwa durch das- jenige Gesetz, welches Werke fordert]? Nichl also [denn dies gerade hat ihm, wie man an den Juden siehet, die Unterlage abgegeben, sich geltend zu machen], sondern durch des Glaubens Gesetzk [durch das Gesetz, welches Glauben verlangt, ist ihm aller Grund unter den Füßen und aller Anhalt für die Hände weggenommen 1. Eor. l, 29; Ephes 2, 8 f.]. 28. So halten wir es nun sum für die ganze weitere Folge das bisher Erörterte in einem Hauptsatze auszusprechen], daß der Mensch gerecht werde ohne des Gesetzes Werke, allein durch den Glauben» [so daß jene Werke gar nicht dabei in Betracht kommen Gal. 2, 1(5]. 29. Oder [so muß man diejenigen fragen, die unter diesen Satz sich nicht beugen wollen, sondern fortfahren, in des Gesetzes Werken ihre Gerechtigkeit zu suchen] ist Gott allein der Juden Gott lwie er»es ja wäre» wenn er diesen allein die Moglichkeit gegeben hatte, vor ihm gerecht zu· werden, indem er ihnen dalleiz das Ggsetz gab]? ist er nicht auch der Hei en ott sda er nicht auch diesen zur Seligkeit verhelfen wollte]? Ja freilich [istder] atgh der Heiden dGgtt fåvie dljnn ihr Juden aus rückli anerkennt, a au er i m kein anderer Gott Mark. 12, 32; Jak. 2, 19], 30. Sinlemal [das Gesetz euch bezeugt 5. Mos. 6, 4:] es ist ein einiger Gott fein einiger Gott für Heiden und JuPen zugleichdist ier aber nur dann, wenn er ein olcher ist], er a fwie vorhin gelehrt, aus einem und demselben Wege sie beide] gerecht macht [und nur nach Maßgabe des in Kap. 1, 16 gebrauchten Ausdrucks: »die Juden vornehmlich und auch die Heiden«, der etwaige Unterschied sich» so stellt:] die Beschneidung aus dem Glauben fzu dem das Gesetz sie erziehen Sie geschiehet ohne des Gefetzes Werke, doch wird durch sie das Gesetz nicht aufgehoben· 27 sollte Gut. 3, 23 f·], und die Vorhaut durch den Glaubens» [den die jetzt nun unter ihnen er- schallende Heilspredigt ihnen vorhält Apstg. 17, 31]. 31. Wie? [fo muß ich hier fragen, um einem Einwurf zu begegnen, der von jüdifcher Seite gegen den in V. 28 ausgesprochenen christlichen Glaubensgrundfatz erhoben werden könnte:] heben wir denn das Gesesz auf durch den Glauben [wenn dieser hinfort ausschließlich gelten und jenes zur Seligkeit ganz und gar nichts beitragen sollj? Das sei ferne [vgl. 1. Cur. 9, 21], sondern wir richten das Gesetz aufs fdaß es nunmehr erst recht zu Kraft und Wirkung kommt, wie das später Kap. 6—8 wird näher dargelegt werden]. f) Die Frage: ,,wo bleibt nun der Ruhm?« ist egen die Juden Irichteh deren Selbsterhebnng, als sätten sie eigenes erdienst, der Apostel aus der Lehre von der Rechtfertigung mittels des Glaubens umstößt Diese nämlich erklärt den Menschen ausnahmslos als verdienstlos wegen gesetzlichen Thuns und die Recht- fertigung für ein freies Gnadengefchenk Gottes; wenn also diese festgestellt ist, so ist aller Selbstruhm ab- geschnitten, er kann nicht mehr statthaben. Selbstruhm konnte allerdings, so fährt Paulus fort, stattfinden unter der religiös-sittlichen Ordnung des alten Testa- inents, unter dem Geseg der Werke; denn indem dieses eben darin besteht, da es Werke fordert, welche der Mensch aus eigener Kraft vollführen foll (Luk. 10, 28), so mißt nun dieser in der Vollführung sich ein eigenes Verdienst zu, das zur Grundlage des Selbstruhms wird; die neutestamentliche Heilsordnung dagegen, das Gesetz des Glaubens, wie der Apostel sie nennt, schneidet für den Heiden und den Juden sogleich an- fangs den Selbstruhm ab, und wenn dann bei den Gläubigen der Glaube in Werken lebendig sich erweist, so kann sich auch daran kein hochmüthiger Selbstruhm knüpfen, denn sie haben das Bewußtsein, daß allein Gottes Gnade diese Werke in ihnen wirke, dieselben also kein eigenes Verdienst in sich schließent 1. Cor. 1, 31; 2. Tor. Z, 5. (Maier.) Das Gesetz kann seiner Natur nach, wenn auch nicht Ursache, doch wenigstens Veranlassung zu falschem Riihmen werden, das Evan- gelium aber auch nicht einmal das letztere (Philippi.) «) Nachdem wir zu V. 24 die katholische Auf- fassung der Lehre von der Rechtfertigung mit Kling’s Worten dargelegt haben, beschäftigt uns nunmehr die- jenige der evangelischen Kirchez dieselbe findet ihren schärfsten, jener andern Meinung bestimmt wider- sprechenden Ausdruck in dem Wörtlein ,,allein«, wel- ches Luther dem apostolischen Ausspruch: ,,durch den Glauben«« hinzugefügt hat. Das nun haben die Römischen von jeher ihm zu einem schweren Vorwurf gemacht und ihn deswegen geradezu der Schrift- fälfchung beschuldiEgy dagegen hat einer der treuesten Bekenner des vangeliums unter den deutschen Fürsten seinen, zu einer Besprechung mit den Gegnern abreisenden Theologen das vor allem an’s Herz gelegt, daß sie doch ja das Wörtlein solå wieder mit nach Hause bringen sollten. Indessen, wie schon Erasmus sagt, während man gegen Luther wegen dieses Wörtleins soviel Geschrei erhoben und gewisser- maßen ihn dafür gesteinigt hat, hört man sich’s in Ehrerbietung an, wenn auch die Kirchenväter sich des- selben bedienen, um des Apostels eigentliche Meinung recht genau wiederzugeben; ebenso findet es sich schon in einer Nürnberger deutschen Bibel vom J. 1483 und in zwei italienischen Uebersetzungen aus den Jahren 1476 Und 1538 sper la Sols. fede). Dei: Geist Gottes hat also auch drüben der menschlichen Verkehrtheit gegenüber der Wahrheit ihr Recht behauptet; und be- stätigt sich damit Luther’s Aeußerung: ,,ich weiß wohl, daß das Wort im Griechischen nicht stehet, es foll aber dennoch da stehen, und foll der Teufel selbst es nicht auskratzentk Er rechtfertigt sich dann wegen jenes Einschubs des Weiteren damit, daß er sagt: Es ist die Art unsrer deutschen Sprache, wenn sich eine Rede begiebt von zwei Dingen, deren man eines bekennt und das andere verneint, so braucht man das Wort allein neben dem Wort nicht oder kein; als wenn man sagt: »der Bauer bringt allein Korn und kein Geld«, item: »ich habe wahrlich jetzt nicht Geld, son- dern allein Korn«. So ist es der deutschen Sprache Art, daß sie das Wort allein hinzusetzh aiif daß das Wort ,,nicht« oder ,,kein« desto völliger und deutlicher - sei. Aber nun habe ich nicht allein der Sprachen Art vertraut und gefolgt, daß ich allein habe hinzugesetzeh sondern der Text und die Meinung St. Pauli fordern und erzwingen es mit Gewalt; denn er handelt ja hier das Hauptstück christlicher Lehre, nämlich daß wir durch den Glauben an Christum, ohne alle Werke des Gesetzes, gerecht werden, und schneidet alle Werke so rein ab, daß er auch spricht, des Gesetzes (das doch Gottes Gesetz nnd Wort ist) Werke helfen nicht zur Gerechtigkeit. Ja, sprechen sie, es lautet ärgerlich, und die Leute lernen daraus verstehen, daß sie keine guten Werke thun dürfen. Lieber, was soll man sagen? ist’s nicht viel ärgerlicher, daß St. Paulus selbst nicht sagt: ,,allein der Glaube«, sondern schüttelfs wohl gröber heraus« und stößt dem Faß den Boden aus und sprichtx ,,ohne des Gesetzes Werk-«? und Gal. 2, 16: ,,nicht durch die Werke des Gesetzes, ohne denn durch den Glauben«, und deß viel melzr an andern Orten. So ist es nicht allein recht, fon ern auch hoch von- nöthen, daß man auf’s Deutlichste und Völligste her- message: allein der Glaube ohne Werk macht fromm; und reuet mich, daß ich nicht auch dazu gesetzt habe: alle und aller, also: ohne alle Werke aller Gesetze, daß es voll und rund herausgesprochen wäre. Darum soll’s in meinem Neuen Testament bleiben; und sollten alle Papstesel toll und thöricht werden, so sollen sie mir’s nicht herausbringen. — Die evangelische Rechtferti.ungslehre nun, die ihre Wurzel hat in der Erkenntni der Sünde als einer den Zorn Gottes herbeiziehenden Schuld, welche den Menschen unfähig macht zu irgend einer wahrhaft guten Regung, also auch gewiß zu dem, was alles Guten Wurzel und Jn- begriff ist, zur Liebe zu Gott, kann eine solche Regung, eine freie Liebesbewegung des menschlichen Herzens zu Gott hin, wie die katholische Lehre bei der Recht- fertigung sie hauptsächlich geltend machen will, nur anerkennen als Folge einer freien Liebesbewegung Gottes, womit er dem Menschen entgegenkommt, die Schuld aufhebend und ihm in Huld sich zuwendend; und das ist eben die rechtfertigende Thätigkeit Gottes, welche beim Menschen nichts voraussetzh als Erkennt- niß der Sünde und Erschrockensein im Gewissen, eine Wirkung göttlicher Gnade oder des göttlichen Geistes vermittelst des Wortes Gottes als des die Heiligkeit Gottes und den Widerspruch seines inneren und äußeren Verhaltens zu derselben dem Menschen zum Bewußt- sein dringenden, vorhaltenden und fühlbarmachenden Gesetzes. Wo dieser Widerspruch und damit der Zorn Gottes und die eigene Berdammlichkeit lebendig em- pfunden wird, da ist eine Empfänglichkeit für die recht- fertigende Gnade, da ist ein leeres Gefäß, das zum Erfiilltwerden sich aufschließt, indem die Offenbarung 28 Römer 4, 1——6. und Darbietung dieser Gnade Vertrauen wirkt, ein vertrauendes Hinnehmen und Sichhingeben Dies aber ist der Glaube in seiner Vollendung oder in demjenigen Momente, wo er zum Abschluß kommt (t"1ducja), indem er ausgeht von der durch das Evangelium vermittelten, kraft Erleuchtung des heil. Geistes erlangten Erkennt- niß (n0titja), einem klaren Bewußtwerden der Gnade in Christo als einer den Sündern sich darbietenden, Vergebung und Huld verheißenden, und fortschreitet zu einer Zustimmung (assensus), darin er mit dem Willen eingeht in diesen Heilsweg, ganz einver- stand en damit und so zu sagen froh daran ist, woraus zuletzt sich ergiebt, daß der Mensch die feste Zuversicht faßt, diese Gnade gehe ihn persönlich an, Gott sei ihm gnädig, vergebe ihm alle seine Sünde und nehme ihn als sein liebes Kind an, dem er fortan alles Gute schenken wolle bis zur seligen Vollendung im Reiche der Herrlichkeit Nun, in dieser Gewißheit des Ge- liebtseins von Gott kann erst das Herz die Liebe gegen Gott sich aufschließen (l. Joh. 4, 10. 19); also geht die Heiligung mit allen guten Werken aus der Rechtfertigung hervor als ihre Frucht, die nicht aus- bleibt, der Glaube wird wirksam durch Liebe (Gal. 5, 6). Jn dieser schriftmäßigen Unterscheidung wird Gott die volle Ehre, daß er rechtfertigt umsonst, ver- möge seiner Gnade, ohne alles Verdienst und Würdig- keit des Menschen; und nur auf diese Weise kommt die Heiligung recht zu Stande, indem der Mensch ganz aus sich, seiner Eigenheit, seinem selbst etwas sein und machen und gelten Wollenxherauskommt und ein reines Organ des göttlichen Geistes wird, der nun das aus- geleerte Selbst mehr und mehr mit göttlichem Jnhalt erfüllt und in allen seinen Kräften und Bewegungen mit dem Sinne Christi dnrchdringt und dem gleich- förmig macht, der ihm alles ist, auf den er sein ganzes Vertrauen setzt und dessen völliges Eigenthum er zu sein verlangt. Der wahre Glaube, sagt Luther, er- greift mit ausgespannten Armen freudig den Sohn Gottes, der sich für ihn hat dahingegeben, und spricht: »das ist mein Geliebter, und ich der seinige«; ein Exempel davon giebt Paulus an die Galater (Kap. 2, 20), wenn er sagt: »der mich geliebt hat und sich selbst für mich dargegeben«. Also macht das »für mich« oder »für uns-«, wo man glaubt, den wahren Glauben aus und unterscheidet solchen vor allem andern Glauben, der nur die bloßen Historien hat. Sehen wir denn die Sache recht an, so bemerkt Spener, so ist auch der Glaube nicht sowohl das- jenige, was den Menschen gerecht macht, denn dazu wäre auch seine Kraft viel zu gering; sondern es ist allein die kräftige Gnade Gottes, welche der Glaube als eine ihm dargereichte Gabe annimmt und also von derselben den Menschen vielmehr selig machen läßt, als daß er selber ihn gerecht und selig machte sitt) Paulus führt seinen Beweis aus dem fest- stehenden Glaubenssatze von der Einheit Gottes: ist er Einer, so muß auch sein Rathschluß über das Menschen- geschlecht ein und derselbe sein; wäre er nur der Retter der einen, nicht auch der andern, so wäre er selbst nicht Einer, sondern ein Doppelten (Philippi.) Unser Dafürhalten, sagt er, wäre nur dann un- richtig, wenn Gott blos der Juden Gott wäre; dann könnte es allerdings keine andre Weise des Gerecht- werdens geben, als daß man Jude sein müßte; das gesetzliche Thun, welches dem Juden geboten ist, wäre dann ein nothwendiger Bestandtheil des Erfordernifses, um gerecht zu werden. Jst dagegen Gott auch der Heiden Gott, so ist er nicht an das den Juden Eigen- thümliche gebunden, sondern kann einen Weg des Gerechtwerdens vorzeichnen, den der Jude als Jude, der Heide als Heide geht, einen Weg also, für welchen das dem Juden eigenthümliche gesetzliche Thun gleich- giltig ist. Und das thut er denn auch; er hält es mit den Unbeschnittenen nicht anders, als mit den Be- schuittenem indem er für beide den Glauben zur Be- dingung und zum Mittelder Rechtfertigung macht. Wenn nun Paulus da in Beziehung auf die Befchnittenen sagt: »aus Glauben«, in Beziehung aus die Unbe- schnittenen aber: »durch Glauben«, so kann dies nicht so gemeint sein, als würden jene nicht durch Glauben und diese nicht aus Glauben gerecht (vgl. V. 22 u. 26; Gal. 2,16); gleichgiltig aber kann die Verschieden- heit des Ausdruckes auch nicht sein. Das eine Mal heißt es, Gott macht gerecht in Folge Glaubens, so daß also Glaube die vorausgehende Bedingung ist; sie findet sich aber bei dem Beschnittenen nicht, welcher — in Folge gesetzlichen Thuns gerecht werden will. Das andere Mal heißt es, Gott macht gerecht durch den Glauben, so daß also der Glaube das Mittel ist, durch welches Gott den Unbeschnittenen, bei dem an keine andere Möglichkeit des Gerechtwerdens zu denken ist, gerecht macht. Dadurch, daß Gott den Glauben wirkt in dem Unbeschnittenem macht er ihn zu einem, der sein Urtheil für sich hat, und wenn der Beschnittene glaubt, so thut er ihm desgleichen; aber dort ist der Glaube als das Mittel gedacht, durch welches Gott zur Gerechtigkeit verhilft, hier dagegen als die Voraus- setzung, wenn Gott für gerecht erklären soll. (v. Hof- mann.) Aus Glauben, weil Glauben und Verheißung vorher schon dagewesen und diese nur erfüllt wird; durch Glauben, in Ansehung derer, die keinen Glauben und Verheißung gehabt, sondern alles durchaus ganz neu worden. (Luther’s Randgl.) f) Sowie die Ausführung in Kap. 2 den Verdacht begünstigte, der Apostel erkenne.keinen Vorzug des jüdischen Theokraten vor dem Heiden an (vgl. Kap. 3, 1 ff.), so konnte nunmehr wieder der Verdacht er- weckt werden, er mache nichts aus dem Gesetz (Apostg. 21, 28). Was er nun mit den Worten: »wir richten das Gefetz auf« sagen will, ist dies: das sittliche Mo- ment des Gesetzes wird im Ehristenthum in erhöhter Weise erhalten; Paulus bricht aber kurz ab, ohne an- zugeben, inwiefern das geschehe. (Tholuck.) Unser Vers enthält nur einen beiläufig und vorläufig da- zwischen geworfenen Gedanken, eine abgebrochene Zu- rückweisung eines nahe liegenden Einwandes — eine Weise, die ganz der Lebhaftigkeit des apostolischeu Gedankenganges und Stiles angemessen ist. Wie die kurze Sentenz: »durch das Gesetz kommt Erkenntniß der Sünde«, womit in V. 20 die Schilderung der Sündhaftigkeit der Heiden- und Judenwelt schließt, in Kap.7,7sf. weitläufiger erörtert wird, so wird unser: »wir richten das Gesetz aus«, womit die eben gegebene Schilderung der Rechtfertigung aus dem Glauben schließt, in Kap· 8, 1ff. ausführlicher erläutert; hier verweist der Apostel gleichsam nur vorgreifend auf seine später folgende gründliche Nachweisung den angeregten Gedanken schon jetzt allseitig. zu beleuchten, würde den Zusammenhang seiner gegenwärtigen Hauptentwicklung zerstört haben. (Philippi.) Das Gesetz ist gegeben worden, daß die Gnade gesucht werde; die Gnade ist gegeben, damit das Gesetz erfüllt werde. (Augustinus.) Das Gesetz wird nicht also aufgehoben durch die Gnade, daß auch die Wahrheit sollte nachbleiben, daß man nicht sollte lieben u. s. w., sondern durch den Glauben wird uns geschenkt, daß wir dem Gesetz nicht genug thun und doch thun sollten, in dem Reich der Vergebung und Gnade; aber dazu wird uns auch gegeben der heilige Geist, welcher in uns eine neue Flamme und Feuer anzündeh nämlich Liebe und Lust Schon Abraham’s Rechtfertigung war nichts Anderes als Rechtfertigung aus dem Glauben. 29 zu Gottes Geboten. Das soll in dem Gnadenreich ansahen und immer fortgehen bis an den jüngsten Ta , da es nicht mehr wird Gnade und Vergebung heigem sondern eitel Wahrheit und ganz vollkommener Gehorsam. So wir nun also bleiben im Glauben, das ist, in der Schenkung oder Vergebung, und in dem Anfang des heil. Geistes oder der Ersüllung, so soll das Feuer am jüngsten Tage, dadurch die ganze Welt verbrannt wird, uns also fegen und rein machen, daß wir nicht mehr bedürfen werden des Schenkens und Vergebens, als wäre noch etwas Unreines und Siindliches an uns, wie jetzund ist, sondern werden allerdings sein, wie die liebe Sonne leuchtet, ohne alle Makel und Gebrechen, voller Liebe, wie Adam erstlich im Paradiese gewesen ist.» Also wird es dann recht heißen: »das Gesetz aufgerichtet und ersüllet«. (Luther.) Das 4. Kapitel. Die gerechtigkeit des glaube-is mir-d durch das Exempel llbrahams erklärt. 5. V. 1—25. Die im vorigen Kapitel aufgestellten beiden Sätze, das; der Mensch gerechtfertigt werde aus Gnaden , allein durch den Glauben, nicht durch des Gesetzes Werke, und das! diese Reihtsertignng nisht nur den Juden, den Inhabern des Gesetzes, sondern eben so sehr den heiden zu Theil werde, erhärtet der Apostel nunmehr in ihrer Schrislinäsligkeit durch Ein· gehen anf die Zeugnisse des alten Cestamenls. und hat es da namentlich mit der Geschichte ?lbrahancs, der höchsten Ituctorität der Juden. auf dessen Vorgang sie besonders gerne bei Verfechtung ihrer Anschatitingen hinsichtlich der Gerechtigkeit sich beriefen, zu thun. Zuerst nun weiset er durch ein Citat ans der Lebens- geschichte des heil. Grzuaters stach, dass dessen Recht« fertigung eben nichts Anderes war, als eine Recht» sertigung aus dem Glauben, welche die Rechtfertigung ans den Werke« ausfchloslz sie war daher nur die Rechtfertigung eines Sünders, wie dies auch die Selig- preisung Davids beweist, die demjenigen gilt, dem seine Uebertretungen bedecket sind (V.1——8). Sie war aber auch unabhängig uon der Beschneidung, denn Ilbrahanl hat die Glückseligkeit des Rechtfertignngsi siandes nicht zu einer Zeit empfangen, wo er noch in der Vorhaut sich befand, während die Beschneidung erst tiaclsmals als eine Versiegelung der bereits» er- langten Rechtfertigung hiuzukanu damit ist er denn als ein Vater aller Gläubiger» sowohl derer ans der verharrt, als derer ans der Beschneidung, hingestellt (V. 9——-12). Dies geht aber auch weiter daraus hervor, dap die ihm und seinem Samen ertheille Verheislutig des zukünltigen Grbes nicht unter Ver- mittelung des Gesetzes, sondern lediglich unter der der Glaubens-gerechtigkeit ihm gegeben wurde; sie kannnt also nicht blos denen, die unter dem Gesetz und Abrahams leibliche Nachkommen sind, zu gute, sondern auch denen, die zwar das Gesetz sticht haben, aber doch durch den Glauben in Ilbrahanis geiskliche Nachkommenschaft eintreten (t1. 13——l7). Indem Paulus hierauf das charakteristische Wesen nnd die eigenthiiniliche Art des Glaubens ?lbrahanis, der ihm zur Gerechtigkeit gerechnet und durch den er das wurde, was er geworden, der Stamnsuater einer grossen Nach· konnnenlchalh in’s Licht setzt, wendet er das anf den uns Christen rechlsertigenden Glauben an, welchen Charakter nnd welchen Gegenstand dieser habe (V. l8--25). 1. Was sagen wir denn sindem es jetzt sich darum handelt, die in Kap. Z, 28 ausgesprocheue Behauptung: »der Mensch wird gerecht ohne des Gesetzes Werke, allein durch den Glauben«« aus der Heilsgeschichte schon des alten Testanients zu erhärten] von unserm Vater Abrahamt sder da vor allen Dingen in Betracht kommt Jak. L, 21 ff.], daß er fanden habe nach dem Flelsch [auf dem Wege des Fleisches, d. i. durch äußerliche Vorzüge und eigene Leistungen, wie die Juden sich ihrer rühmen Phil. Z, 4.ff.? etwa, was diese auf solche1n Wege suchen Kap. 9, 31s., die Gerech- tigkeit, die vor Gott gilt]? 2. Das sagen wir swas zunächst die eigenen Leistungen betrifft]: Jst Abraham durch die Werke gerecht swas in gewisser Hinsicht ja allerdings von ihm behauptet werden kann], so bat er wohl Ruhm snämlich vor den Menschen], aber [darum] nicht szugleich auch] vor Gott ldaß er vor dessen Gericht gleichsalls mit seinen Werken bestünde I. Cor. 4, 3 f.]. Z. Was sagt denn die Schrift svon ihm in Betrefs seiner Gerechtigkeit, die er vor Gott ohne Zweifel ebenfalls hatte]? Abraham sso heißt es in 1. Mos. 15, e] hat Gott geglaubet, und das sdieses sein Glaub en-Habeu] ist ihm zur Gerech- tigkeit gerechriettt svgt Gat. Z, 6]. 4. Dem aber, der swie der gesetzesstolze Jude es thut] mit Werken umgehet sum ctus diesem Wege zur Gerechtigkeit und Seligkeit zu gelangen], Wird der Lohn ssür das, was er etwa leistet] nicht ausGnade zugerechnet [auf welche Zurechnung es ja doch nach obigem Schriftzeugniß über Abraham bei Erlangung der Gerechtigkeit wesentlich an- kommt], sondern [er wird ihm] aus Pflicht [oder Schuldigkeit dessen, in dessen Dienste die Leistung geschieht, zu Theil Katz. II, 6]; 5. Dem aber, der nicht mit Werten umgehet [inde1n, was er Gutes thut, er nicht in der Mei- nung thut, damit die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, sich selbst erwerben zu können], glaubet aber an den, der die Gottlosen [die wir Menschen von uns selber alle ohne Ausnahme sind Kap. 5, s] gerecht macht [Kap. Z, 26., wie unser Grundsatz in Katz. Z, 28 dies als den rechten Heils-weg be- schreibts dem wird sein Glaube gerechnet zur Ge- rechtigkeit"* sdaß er nun aus gleicher Linie steht mit Abraham, unserm Vater V. 1., wäre er auch dem Fleische nach weiland ein Heide gewesen Kap. Z, 29 f.; Ephes 2, 11; Gat. Z, 9]; b. Nach welcher Weise sder Rechtfertigung, wie sie soeben in V. 5 charakterisirt wurde] auch David [aus eigener innerster Herzensersahrung heraus] sagt, daß die Seligkeit sei allein des Menschen, welchetu Gott zurechnet die sin Ver- gebung der Sünden bestehende] Getechtigkeit sund 30 Römer 4, 7. 8. also, wie sich hiernach von selbst versteht, für gerecht ihn erklärt] ohne Znthun der Werke, da er spricht lPs- 32, 1 H: · 7. Selig sind die, welchen ihre Ungerechtig- keilen vergeben svon Seiten der dadurch verwirkten Schuld erlassen] sind, und welchen ihre Sünden sum nicht mehr gesehen zu werden Spr. 10,12; 1. Petri 4, 8] bedecket sind [Jes. 38, 17; Mich. 7, 19]; 8. Selig ist der Mann, welchem Gott keine Sünde zurechnets [daß er noch irgend eine von seinen Sünden an ihm rächen wollte]. V) Mit Abraham hat die Gemeinde Gottes ihren Anfang genommen; es stünde also die Gemeinde der neutestamentlichen Heilsbotschaft mit dem von der Schrift beurkundeten Ursprunge der Gemeinde Gottes auf Erden in Widerspruch, wenn sich das, was sie vom Glauben sagt, mit Abrahams heilsgeschichtlicher Stellung nicht vertriige. Wie ganz und gar nicht dies der Fall sei, will der Apostel hier zum Bewußtsein brin en, wenn er zu der Frage übergeht: ,,was sagen wir enn von unserm Vater Abraham, daß er fanden habe nach dem Fleisch«. (v. HofmannJ Hat jemals ein Mensch das Ansehen eines Werkhelden gehabt, so ist es fürwahr Abraham, dessen Gehorsam gegen Got- tes Gebot, vom Verlassen seines Vaterlandes bis zur Opserung Jsaaks, die höchsten Proben bestanden hat. Dennoch würde es vergebliche Mühe der Ueberlegung kosten, wenn man einen Gewinn Abrahams nach dem Fleisch ausfindig machen wollte. (Besser.) Ein-»bürger- licher Ruhm kommt dem Abraham allerdings zu, will Paulus sagen, diesen spreche ich ihm nicht ab; aber worauf hier alles ankommt, das Bestehen vor den Augen Gottes, erhält er nicht durch seine Heiligkeit, weil sie allzu befleckt ist. (Tholuck.) Man kann also auf eine doppelte Art erecht sein, entweder vor Gott durch Erlangung der ündenvergebung und Seligkeit; oder vor den Menschen, da man die Gerechtigkeit in einem gerechten Thun und Wandel beweiset. Diese gedoppelte Art, gerecht zu sein, ist sehr unterschieden: jene geschieht ohne Verdienst, ohne des Gesetzes Werke durch den Glauben, und ist allen Werken entgegengesetzy diese geschiehet durch Werke und ist die Gerechtigkeit der Werke. Jene gehet vorher und ist dieser Grund; diese folget auf jene und ist ihre Frucht Jene ist vollkommen, die Gerechtigkeit Gottes, die vor ihm gilt, ihm genug thut und gefällt, die vollkommene Gerech- tigkeit Christi, die er durch seinen Lebens- und Sterbens- gehorsam erworben hat und die uns zugerechnet wird; diese ist unvollkommen, gilt und besteht nicht vor Gottes Gericht, thut ihm nicht genug, ist innerlich, nicht von außen zugerechnet, und gefällt Gott nur um jener willen. Jene ist verborgen und allein Gott und den Gläubigen bekannt; diese ist auch den Menschen offenbar und wird aus den Werken ersehen· Jene kommt allein von Gott und rechtfertigt den Gottlosenx diese aber geschieht durch die Mitwirkung des erneuerten und frommen Menschen. Keine kann ohne die andere sein: diese, wenn sie eine wahre, keine Heuihelgerechtikk keit ist, setzt jene voraus und folgt nothwendig auf sie als ihre Frucht; jene zieht diese nothwendig nach sich als ein guter Baum. Sie sind also unzertrennlich ver- bunden und doch von der unterschiedensten Natur und also nicht zu vermengen. Von der Gerechtigkeit vor Menschen redet Jakobus in Kap. 2, 20 ff., die zu be- strafen, die sig der Gerechtigkeit des Glaubens rühinten und solche do nicht in den Werken bewiesen. (Starke.) W) Es halte Abraham, da er aus Gottes Befehl sein Vaterland verließ und sich in das Elend wagte, auch wohl einen trefflichen Glauben; es wird aber solches zut un nicht uns allen befohlen. Darum wird auch dabei ieses nicht gesagt: Abraham glaubte Gott, und es ward ihm zur Gerechtigkeit gerechnet; hier aber (bei der Geschichte in Kap· 15, 1ff.) setzet es der heil. Geist, da er von dem himmlischen Samen redet, auf daß diese Lehre in der Kirche und zu allen Zeiten gewiß geinacht werde, nämlich daß alle, die mit Abraham ies er Verheißung glauben, wahrhaft gerecht seien. (Luther.) Die Frage ist die, inwiefern der Apostel in dem an jener Stelle aus Abrahams Leben mitgetheilten Zuge bereits die Glaubensgerechtigkeit im neutestament- lichen Sinne voraus dargestellt finden könne, inwiefern der abrahamitische Glaube wesensgleich mit dem christ- lichen sei. An Abraham ergeht das Wort des HErrn: ,,fürchte dich nicht, ich bin dein Schild und dein sehr großer Lohn«; und da dieser kleinmüthig fragt, was ihm. der HErr geben wolle, da er ohne Leibes-erben dahingehe, »so heißt ihn Gott hinausgehen und zum gestirnten Himmel aufschaun —- so zahllos wie der Sterne Heer, so zahllos werde seine Nachkommenfchaft sein. Abraham glaubte dem HErrm heißt es darauf, und das rechnete er ihm zur Gerechtigkeit. Somit ist das erste Gleichheits-Moment zwischen abrahamitischem iind chriftlichem Glauben das unbedingte, riickhaltslose Vertrauen auf die Gnade und Treue Gottes. Jndeß haben wir dabei noch nicht stehen zu bleiben; denn der Glaube rechtfertigt den Menschen nicht, sofern er seinerseits eine sittliche Leistung ist, womit er ja dann wieder zum Werke werden würde, sondern um seines Jnhalts willen. Gerecht wird der Mensch dadurch, daß er im Glauben die Gerechtigkeit sich aneignet oder, um bei Gottes Thun allein noch stehen zu bleiben, weil Gott ihm eine Gerechtigkeit an- und zurechneiz die er an sich gar nicht hat. Wenn aber Abraham Gotte glaubt, so ergreift er glaubend dessen Verheißung, eine Verheißung, die mit der Gabe eines Leibeserben und einer ungezählten Nachkomnienschast zugleich den verheißenen Weibessamen und Mesfias Umfaßte; denn um Aufrechterhaltung dieser Zusage handelte es sich dabei sur den Abraham. Somit ist das andere Gleichheits-Moment abrahamitischen und christlichen Glaubens die Jdentität ihres Inhalts, nämlich Christus, der Messias, von dem alles Heil der Welt kommt. Jn dieser Auffassung werden wir durch ein Wort des HErrn selbst bestärkt, jenes wunderbare Wort (Joh. 8, 56): ,,Abraham ward froh, daß er meinen Tag sehen solltez und er sahe ihn und freuete sich.« Jn dem Inhalt feines Glaubens lag also das den Abraham rechtfertigende Moment, und so ist er zum Vater aller Glaubenden geworden; es besteht ein tiefer, heilsgeschichtlicher Zusammenhang zwischen Abraham und allen "ubigen, und in diesem Zusammenhang ist die geisti e Vaterschaft jenes von diesen begründet. (Röntsch.) ach der Ansicht der Neueren hat Pauliis nicht in Beziehung auf das Gegenständliche des Glaubens, sondern »in Beziehung auf die innere, sub- jektive Bedeutung dieser Handlung des inneren Men- schen« den Glauben des Patriarchen mit dem des Zlläubigen Christen in Parallele gestellt, durch welche nsicht allerdings die von der orthodoxen protestantischen Kirche bekämpfte katholische, socinianische u. arminianische Lehre, daß die Rechtfertigung nicht sowohl per als propter fidem (durch den Glauben — wegen des Glaubens) eschehe, unterstützt zu werden scheintz nach orthodoxer nsicht fordert vielmehr die Parallele, daß der Apostel bei Abraham dasselbe Objekt des Glaubens als bei den Christen voraus-setze, und es ist wahr, die Ebenso gilt David’s Seligpreisung dem, welchem seine Uebertretungen bedecket sind. 31 Parallele würde, wenn nicht dasselbe Objekt mitgedacht wird, unvollkommen sein, es würde alsdann auf der einen Seite der Glaube zur Gerechtigkeit gerechnet, auf der andern Christi Gerechtigkeit zur eigenen Gerechti keit. (Tholuck-) Mit gutem Grunde hat die evangelische Kirche den Ausdruck: »der Glaube wird Zur Gerechtigkeit gerechnet« für gleichbedeutend mit em Satze: ,,Christi Gerechtigkeit wird dem Gläubigen zur Gerechtigkeit gerechnet« erklärt, weil ersteres aus gtlzalikennjm der Gerechtigkeit Christi willen geschieht. iippi. . IN) Der Apostel verneint zunächst vom Lohn, daß er in dem Sinne in Rechnung gesetzt werde, in welchem dies ein nadenweises Thun ist, und bejaht dann mit andrer endung des Begriffs »in Rechnung sehen« (Ps. 106, 31), daß er aus Pflicht oder nach Schuldig- keit in Rechnung gesetzt werde: das eine Mal hat das »in Rechnung setzen« den Ton, das andere Mal das »Schuldigkeit«; wo etwas gnadenweise in Rechnung gesetzt wird, da ist dies kein Lohn, sondern der Lohn wird schuldigkeitsweise in Rechnung gebracht. Ein in-Rechnung-Stellen der ersteren Art ist das ,,rechnen zur Gerechtigkeit«, welches da statt hat, wo dem, der nicht Werke thut, sondern vielmehr an den Gerechtsprecher des Gottlosen glaubt, dieser sein Glaube als Gerechtigkeit in Rechnung gesetzt wird. Aber ein solcher Glaube muß es sein, wie er damit bezeichnet ist, daß der, auf welchen er sich richtet, ohne daß jedoch Abraham selbst unter dem ,,Gottlosen« verstanden sein will, der »den Gottlosen gerecht Sprechende« heißt. Nichts Anderes darf der Glaubende von Gott begehren und erwarten, als was dem Gottlosen zu Theil wird, den Gott durch seinen Spruch zu einem Gerechten macht; und nichts Anderes darf er vor Gott bringen, als was der nach der Gerechtsprechung verlangende Gottlose mitzubringen hat, nämlich den Glauben, welcher sich der Gerechtsprechung von Gott versieht. (v. HofmannJ Die katholische Kirche wendet gegen die evangelische Lehre ein, Gott könne nach seiner Wahrhaftigkeit nicht jemanden für etwas ansehen, was er nicht sei: sei der Mensch sündhaft, so» müsse der Wahrhaftige ihn als Sünder ansehen und behandeln, solange bis er aufgehört, es zu sein; und höre er thatsächlich auf, es zu fein, so könne er dann wieder nur als Gerechter und dur aus nicht als Sünder an- gesehen werden. Nach die er Ansicht wird nicht der objektive Rathschluß Gottes der felsenfeste Grund des Glaubens, sondern der wandelbare Zustand des eigenen Herzens: glaubt »der· Mensch den gewirkten Zustand der Gerechtigkeit m sich zu finden, o getröstet er sich seines Gnadenstandes; entdeckt er aber in Zeiten der Anfechtung denselben nicht in sich, so zweifelt oder verzweifelt er daran. Der geschärfte Blick des Wieder- geborenen findet nun auch in den besten Zuständen noch vieles an sich auszusetzeu Deshalb behauptet die katholis e Kirche nach ihren Prinzipien ganz con- sequenh da der Mensch in seinem Erdenleben nie eines Gnadenstandes gewiß sein dürfe, sondern sich in steter Unsicherheit halten müsse (vgl. zu Kap. 3, 24), während die evangelische Kirche das gerade Gegentheil lehrt. Aber wäre jener obige Grundsatz der kathol. Kirche tvörtlich verstehen, so könnte, da ohne das Werk Christi keine Sündenvergebung und Heiligung denkbar ist, vor dem vollendeten Versöhnopfer Christi kein Heiliger gelebt haben, was der ganzen Schriftlehre widerspricht. Bei jeder göttlichen Thätigkeit wirken aber alle Eigenschaften Gottes. Er kann daher aller- dings einen Menschen für etwas ansehen, was er noch nicht ist, indem er nämlich auf seinen Rathschluß sieht, der ihn zu dem, was er noch nicht ist, machen soll. So unabänderlich daher dieser Rathschluß ist, so wahr ist auch seine Anschauung dessen, was nicht ist, als des Seienden. Sodann aber ist es eben die Natur des Glaubens, als eines lebendigen Zustandes, nicht eines blos historischen Fürwahrha1tens, daß er das Wesen der Sache selbst schon in sich trägt; er ist eine das Göttliche sich aneignende Thätigkeit des Menschen, die freilich voraussetzh daß die innerste Natur desselben dem Göttlichen verwandt ist. Wendet sich der Glaube aber von seinem eigentlichen Objekte, dem Christus außer uns und dem objektiven göttlichen Rathschluß der Erlösung, ab und wendet sich auf den Christus in uns als den Grund, nicht als die Folge der Er- lösung, sich nur deshalb für begnadigt haltend, weil und so lange er ihn in sich entdeckt, so ist der Glaube in seinem Wesen vernichtet, und der Mensch dem Gesetz wieder anheim gefallen. (Olshausen.) Der Glaube ist eben kein Werk, nicht eine Gott gefällige Tugend, durch die der Mensch etwas erwerben könnte; der Glaube ist von Seiten des Menschen ein bloßes sich-Gefallenlassen dessen, was Gott thut, seiner Gnadenerweisungen, im Gefühl der eigenen Sündhaftigkeitx daher liegt die Kraft des Glaubens nicht im Menschen, sondern ganz in dem, was dem Gläubigen geschenkt wird, und Gott sieht den Glauben so an, als ob er wahre, vor ihm geltende Gerechtigkeit wäre. (v. Gerlach.) Darum soll man vom Glauben recht lehren, nämlich also, daß du durch denselben mit Christo also verbunden und ver- einigt werdest, daß aus dir und ihm gleich als Eine Person werde, welche sich von einander gar nicht scheiden noch trennen lasse, sondern Christo immerdar anhange und mit aller Freudigkeit etrost- sagen möge: Jch bin Christus, nicht« persönlich, sondern Christi Gerechtigkeih Sieg und Leben, und alles, was er hat, ist mein eigen. Und Christus wiederum auch sage: Jch bin dieser arme Sünder, das ist, alle seine Sünde und Tod sind meine Sünde und Tod, sintemal er durch den Glauben an mir hanget und ich an ihm, ja lebe in ihm. Da- her St. Paulus spricht (Eph. 5, 30): »wir sind Glieder von Christi Leib, von seinem Fleisch und von seinem Gebeine«, also daß dieser Glaube mich härter verbindet mit Christo, denn irgend ein Ehemann mit seinem Eheweibe verbunden werden mag. (Luther.) f) Der 82. Psalm ist wirklich ein davidischer, wahr- scheinlich nach dem in 2. Sam. 12 berichteten Ereignisse gesungen; die Seligpreisu1ig in den angeführten Versen ist allgemein gehalten, aber sie geht aus Davids eigener Erfahrung hervor, mit der er sie sofort begründet. Er hatte schwer gesündigt und darauf. das tiefeElend der Schuld gefühlt; aufrichtig und· mit fchmerzlicher Reue bat er sodann Gott um Verzeihung, wurde begnadigt und empfand jetzt im Zustand des Friedens mit Gott die Seligkeit, die er mit Begeisterung preist. (Maier.) David preist in der Art den selig, dem Gott Gerech- tigkeit in Rechnung seht, ohne daß dabei Werke in Rechnung kommen, daß er den selig preist, welchem Gott die Sünden vergeben hat, Sünde nicht in Rech- nung setzen wird; wonach also, um unter diese Selig- preisunå zu fallen, nichts weiter erforderlich ist, als seiner ünden durch Gottes vergebende Gnade ledig geworden zu sein, und die Gerechtigkeit, deren der Mensch bedarf, um zur Seligkeit zu gelangen, in nichts Anderem besteht, als in der Vergebung seiner Sünden. (v. Hofmannh Demgemäß hat die protestantische Kirche vollkommenen Schriftgrund, wenn sie Rechtfertigung und Heiligung unterscheidet. (Philippi.) Abraham und David, die beiden Fürsten im Volke der Verheißung, der eine vor, der andere nach dem Gesetze, geben einstimmiges Zeugniß von dem einigen Wege der Seligkeit, den Paulus predigt. Nicht aber als zweites, 32 Römer 4, 9——12. allgemeines Zeugnis; für die Rechtfertigung wird Da- vid angeführt, sondern mehr als untergeordneter Beleg für V. 4 u. 5, daß die Rechtfertigung des Menschen stets eine Rechtfertigung des Sünders sei und daß der Glaubende seine Sünde erkenne; denn in Bezug auf David war beides, feine Schuld und seine Vegnadigung, für jeden Juden ausgemacht Dabei ist es nicht mög- lich gegen diese Anführung Davids einzuwenden, daß in seinen Worten nicht von Anrechnen der Gerechtig- keit, sondern nur vom nicht-Anrechnen der Sünde die Rede sei; denn die Sündenvergebung ist ja nicht menschliche Einbildung oder That, da der Mensch zu sich selbst spricht, ich habe Vergebung der Sünde, son- dern eine That, ein lebendiges, ins Herz hinein- gesprochenes Wort Gottes, das nur der Glaube sich aneignen kann. Gottes Wort und That ist aber das Positivste, das gedacht werden kann, es ist das Sein selber; deshalb nennt Luther ganz richtig die Ver- gebung der Sünden ,,Leben und Seligkeit«, denn sie hat die Anrechnung der Gerechtigkeit Gottes in sich. (Olshaufen.) Wenn Gott die Sünde bedeckt, so will er sie nicht bemerken; wenn er sie nicht bemerken will, so will er sie nicht bestrafen. (Augustin.) Darin stim- men alle überein, daß der Mensch eine Gerechtigkeit haben müsse, wenn er vor Gott angenehm und in seiner Gemeinschaft selig sein wolle. Der Begriff, welchen uns auch die Vernunft schon von Gott, als dem allerheiligsten und gerechtesten Wesen giebt, läßt uns unmöglich anders denken und glauben, und die, welche diese allerdeutlichste Wahrheit leugnen wollten, würden billig als solche angesehen werden, die sich selbst Gewalt anlegten, um ihrer eigenen Erkenntnis; zu widersprechen und aus Licht Finsterniß zu machen. Es kommt aber nur darauf an, daß man richtig be- stimme, was für eine Gerechtigkeit es sei, welche der Mensch vor Gott bringen muß, und wie er dazu ge- lange. Hier trennen sich nun die Parteien: Einige suchen die Gerechtigkeit in dem Menschen selbst und glauben, der Mensch habe noch so viel Kräfte übrig, daß er solche Werke verrichten könne, wodurch die Gerechtigkeit Gottes wegen seiner Sünden ausgesöhnt und ihm das Recht zum ewigen Leben zuwege gebracht würde; bei diesen ist die Rechtfertigung nichts Anderes, als daß Gott die eigene Gerechtigkeit des Menschen für giltig erkläre und ihm um derselben willen das Recht zum ewigen Leben zuerkenne. Andere wollen die Sache verbessern und geben zu, daß-des Menschen Kräfte nicht hinreichen, um sich vor Gott angenehm zu machen, sie glauben daher, Gott müsse entweder der eigenen Wirkung des Menschen zu Hilfe kommen oder er müsse ihm lauter neue Gnadenkräfte zur Vollbringung des Guten einflößenz sie halten aber dafür, durch die Werke und Uebungen, welche der Mensch auf diese Weise verrichtete, würde er vor Gott angenehm und wohlgefällig gemacht. Diese können denn die Recht- fertigung nicht anders ansehen, als daß sie theils eine Mittheilung und Einflößung geistlicher Gnadenkräfte sei, theils daß Gott die durch seine Mitwirkung voll- brachten Werke für verdienstlich genug zur Seligkeit erkläre und annehme. Sowohl diese als die vorige Gattung setzt die Rechtfertigung in das Gerechtmachem Gerechtwerden und Gerechtsein, worauf zwar eine Gerechterklärung vor dem Gerichte Gottes erfolgt, die sich aber auf die in dem Menschen selbst befindliche Gerechtigkeit und Würdigkeit gründen soll; wir setzen aber die Rechtfertigung nicht in eine Wirkung, welche in dem Menschen geschieht, noch in eine gerichtliche Lossprechung, die sich auf eine in dem Menschen ge- schehene Gnadenwirkung gründet, sondern, wie die Be- schreibung derselben lautet, in eine solche gerichtliche Handlung, da der Mensch vor dem Gerichte Gottes, also nicht in sich, sondern außer sich, um des Ver- dienstes Christi willen, und nicht wegen seiner eigenen Würdigkeit, für gerecht und erbfähig zum ewigen Leben erklärt wird. (J· GeseniusJ 9. Nun diese Seligkeit [die David hier an einem Menschen preist, der seiner Schuld vor Gott erledigt worden und in den Gnadenstand bei ihm versetzt ist], gehet sie [allein] über die Beschnei- dung [als wären nur solche ihrer theilhaftig, welche die Beschneidung an sich tragen, wie es mit David der Fall war], oder [auch] über die Vorhaut sdaß sie eben so gut den Heiden als solchen gilt, die ebenfalls Antheil an ihr haben können]? Wir müssen je sagen sbei Entscheidung dieser Frage, die bereits in Kap. Z, 29 f. zu Gunsten der zweiten Möglichkeit: ,,auch über die Vorhaut« gegeben wurde, allen Nachdruck aus das in V. 3 angeführte Schriftzeugniß legen], daß Abraham sei sein Glaube zur Gerechtigkeit gerechnet. 10. Wie [d. i. in welchem von den beiden Ständen, in denen er sich während seines Lebens befunden, so fragt es sich da weiter] ist ei! [der Glaube] ihm denn zugerechnet? in der Beschneidung swelche seinen späteren] oder in der Vorhaut [welche seinen früheren Lebensstand bildete]? Ohne Zweifel nicht in der Beschneidung« sondern in der Borhaust [wie daraus sich ergiebt, daß die Geschichte in 1. Mos. 15, 1 ff. der in 1. Mos. 17, 1ff. um eine ziemliche Reihe von. Jahren vorausgeht] ; 11. Das Zeichen aber der Beschneidung sdas er erst seit der Zeit an seinem Leibe trug, wo es nun zur Zeugung des Sohnes der Verheißung kommen sollte] empfing er zum sverbürgenden 1. Cor. 9, 2; Joh. S, 27] Siegel der sbereits von Gott ihm zuerkannten] Gerechtigkeit des Glaubens, welchen er noch in der Vorhaut [als ein noch im Stande der Unbeschnittenheit Befind- licher] hattest, auf daß er svorerstim A llg e m ein en] würde ein Vater aller, die da glauben in der Vor- haut sein Vater der außerhalb des Judenthums stehenden, aber an Christum gläubig gewordenen Heiden Gut. Z, 1 ff. 29], daß denselbigen solches sihr Glauben-Haben] auch gerechnet werde zur Gerechtigkeit sgleichwie ihm das seine V. 3]; 12. Und würde sdarnach im Besonderen] auch swas das auf Grund der empfangenen Be- schneidung leiblich von ihm herstammende Volk der Juden betrifft] ein Vater der Veschneidung nicht allein derer, die von der Beschneidnng sind srichtigen ein Vater der Beschneidung, und zwar derer aus der Beschneidung, die nicht allein von der Beschneidung, d. i. weiter nichts als leiblich beschnittene Abrahamiden sind Kap. 2, 28 f.1, sondern auch derer, die da wandeln Abrahams Vater-Verhältniß zu den gläubigen Heiden und nur zu gläubigen Juden. 33 ssondern auch geistlich sich als solche ausweisen, indem sie wandeln] in den Fußstapfen des Glau- bens, welcher war in der Vorhaut unsers Vaters Abrahatnk"« [also zu einer Zeit, wo er noch in keinerlei Beziehung dem Gesetz, wie es hernach mit der Beschneidungssatzung l. Mos. 17, 9 ff. theilweis auch ihn unter seine Botmäßigkeit nahm, unterstellt war Kap. 9, 6 ff.]. Ei) Obgleich David in den vorhin angeführten Wor- ten (V. 6 ff.) im Allgemeinen alle diejenigen selig ge- priesen, denen die Sünden vergeben sind, so hätte doch (von Seiten der Juden) behauptet werden können, diese Seligpreisung erstrecke sich nur aufdieBeschnittenem zu denen David selbst gehört habe; deshalb fügt der Apostel die Frage hinzu: »Nun diese Seligkeit, gehet sie (allein) über die Beschneidung? oder (auch) über die Vorhaut?« womit er zu dem zweiten Punkte übergeht, den er durch das Beispiel Abrahams be- legen wollte, nämlich daß es nicht nur eine Bestätigung dafür sei, daß die Gerechtigkeit aus dem Glauben kommt, sondern auch dafür, daß sie gleichmäßig Heiden wie Juden zu Theil werde. (Philippi.) Von dem vorhin angezogenen Pfalmwort nimmt Pau- lus hier seinen Ausgang; er hat es als ein Wort Davids ausdrücklich bezeichneh und da kommt in Betracht, daß David ja mitten zwischen Abraham, dem Urvater, und Jesu, dem Christ, steht (Matth. l, 1) Wenn er also den selig preist, welcher seiner Sünden Vergebung empfangen hat, so kann sich fragen, ob dies nicht mit der Voraussetzung geschieht, daß der Seliggepriesene dem von Abraham stammenden Volke der Beschneidung angehört; denn in diesem Falle hätte es keine Bedeutung für die unbeschnittenen Heiden (Apostg. 15, 1). Für diese Frage nun ist von ent- scheidender Wichtigkeit derUmstand, daß dem Abrah am der Glaube zur Gerechtigkeit gerechnet wurde; aller- dings ist ja Abrahain beides gewesen, unbefchnitten zuvor und beschnitten hernach, aber er war zu der Zeit, als ihm der Glaube für Gerechtigkeit gerechnet wurde, ohne Zweifel ein annoch Unbeschnittener, und da die Zurechnung des Glaubens Eins mit der Sün- denvergebung, so beschränkt sich folgerichtig auch jene Seligpreisung Davids nicht auf die Beschnittenheit. (v. Hofmannh VI) Jn 1. Mos. 17,11 wird die Beschneidung »Zeichen des Bundes« zwischen Gott und Abraham genannt; da aber der Gegenstand, auf welchen der Bund Gottes ging, nichts Anderes war, als das Heil in Christo und vor allem die Gerechtigkeit vor Gott, die durch den Glauben an Christum empfangen wird, Abraham aber diesen besaß, so ist ,,Zeichen des Bun- des« und »Zeichen oder Siegel der Gerechtigkeit« wesentlich gleichbedeutend. Der Apostel läßt hier die andere Seite der Beschneidung, daß sie zugleich ein Sinnbild der inneren Herzensbeschneidung sein sollte (Kap. 2, 29; 5. Pios 10, 16; 30, S; Jer.4, 4), außer Betracht; aber diese beiden Seiten der Bedeutung der Beschneidung hängen auf’s Jnnigste zusammen, denn gleichwie die Beschneidung die vorher erfahrene Recht- fertigung bestätigen und erkennen lassen sollte, so ist ja die Heiligung der Gläubigen auch ein Siegelsund Spiegel der von ihnen zuvor empfangenen Gerechtig- keit des Glaubens. Ohne geschehene Rechtfertigung giebt es kein neues Leben; wo dies aber ist, da ist es ein Zeugniß und zugleich bestätigendes und bekräftigendes Siegel der vorhandenen Rechtfertigung. IN) Luther’s Uebersetzung in den Worten: ,,nicht allein derer, die von der Beschneidung sind, sondern Deichserss Birierwekkx vix. Band. 2. nun. · schneidung bewährte. auch derer, die da wandeln in den Fußstapfen des Glaubens, welcher war in der Vorhaut unsers Vaters Abraham« beruht auf der Auffassung des Theodoret, welcher in dem Ausdruck ,,Vater der Beschneidung« letzteres Wort in doppelter Bedeutung, im leiblichen und im geistlichen Sinne faßt (Kap. 15, S; Col. 2,1l), so daß das erste Glied des Satzes: ,,uicht allein derer, die von der Beschneidung sind« sich auf die Juden, das andere Glied: »fondern auch derer, die da wan- deln 2e.« sich auf die an Christum gläubig gewordenen Heiden bezöge. Jst es aber an sich schon unwahr- scheinlich, daß Paulus nach dem, was er in V.11 von der geistlichen Vaterschaft Abrahams über die gläubigen Heiden bereits gesagt hat, noch einmal mit so beson- derem Nachdruck auf dieselbe Sache zurückkomnien sollte, so müßten auch, wenn jene Auffassung richtig sein sollte, die Worte im Grundtext anders gestellt sein (statt: rofg as» s« Jrsgrrozirsg stät-so» vielmehr: or? 15059 Z« »so-texts;- kiöi-oi-); wir haben also im Atlschluß at! V. .11, wo von den Heiden die Rede war, die Aus- sage des I2. Verses auf die Juden zu beziehen, unter denen aber der Apostel einen Unterschied macht zwischen denen, die lediglich beschnitten find, wie Abraham hernachmals es war, aber an Christum un- gläubig bleiben, und denen, die vermöge des Glaubens an Christum auch eintreten in die Fußstapfen des Glaubens Abrahams, den er schon vor seiner Be- Nur für letztere ist Abraham in Wahrheit ein Vater der Beschneidung, während ersteren der Apostel dessen Kindfchaft in Abrede stellt, wie das der HErr selber in Joh. 8, 39 ff. in sehr einschneiden- der Weise gethan hatte. Daß die Zurechnung des Glaubens dem Abraham in seiner Unbefchnittenheit zu Theil geworden und daß er die Beschneidung als« Siegel seiner damit gegebenen Gerechtigkeit empfangen hat, dies beides, wovon in V.10 u. 11 die Rede war, gehört auf’s Engste zusammen, so bemerkt v. Hof- mannx mit beidem zumal und gleichermaßen war es darauf abgesehen, daß er das sei, was er genannt wird, nämlich Vater in zwiefacher Weise: l) Vater derjenigen, die im Zustande der Unbeschnittenheit glauben, und 2) Vater— derjenigen Beschnitteneth welche nicht blos vermöge dessen, daß sie beschnitten sind, sondern auch vermöge dessen, daß sie glauben, also in zweiseitig begründetem Verhältnisse der Kindschaft zu ihm stehen. Der Apostel benennt also Abrahams Vaterschaft überhaupt und dann fonderlich, wie sie durch seine Beschnittenheit eigenthümlich bestimmt ist: jenes, um zii sagen, daß Unbeschnittenheit nicht von ihr ausschließt, wo Glaube ist; dieses, um zu sagen, daß Beschnittenheit nicht für sich allein ihrer« theilhaft macht, wo nicht auch Glaube ist. In der That, so erklärt sich demgemäß Philippi, war die schon vor der Beschneidung vorhandene und durch die Beschneidung besiegelte Glaubensgerechtigkeit Abrahan1s ein starkes Zeugniß für die an keine äußeren Be- dingungen geknüpfte Universalität der göttlichen Gnade. Die später eintretende nationale, an leibliche Abstam- mung und äußeren Cultus geknüpfte Beschränkung des Reiches Gottes war schon während der Zeit ihres Be- standes keine absolute, wie die dem Gotte Jsraels sich anschließenden gläubigen Heiden erweisen, und deutete in der Prophetie auch an und für sich selbst auf die Zeit der einstigen Entschränkung hin. So existirt Eine große Familie der Gläubigen, an deren Spitze Abraham der Glaubensvater steht. Eine dreifache Klasse des .s geistigen Samens Abrahams dagegen, d.h. der wahren Christenheit, die denselben rechtfertigenden Glauben hat, will Wieseler an vorliegender Stelle unterschieden wissen; wir werden zu Kap. 14, 4 seine Auslegung 3 34 Römer 4, 13—17. ausführlich mittheilen, und würden wir nun, da sie zu- nächst das Gute für sich hat, daß die im Grundtext uns begegnende Wiederholung des Artikels vor den Worten: »die da wandeln in den Fitßstapfen 2e.«, welche die herkömmliche Auslegung nicht zu erklären vermag, bei ihr zu vollem Rechte kommt, demnächst aber auch in die folgenden Verse Licht und Klar- heit bringt, schon hier ihr gefolgt fein, wenn nicht bereits die revidirte Ausgabe des neuen Testaments vom J. 1867 jene andere Auffassung an die Stelle der lutherischen gesetzt hätte, indem sie in V. 12 den Text also wiedergiebt: »Und würde auch ein Vater der Beschneidung derer, die nicht allein von der Beschneidung find, sondern auch wandeln in den Fußstapfen des Glaubens, welcher war in der Vor- haut unsers Vaters Abraham« Unsre Leser mußten wissen, worauf diese Textänderung beruht und wie sie zu verstehen ist; dagegen läßt mit Hilfe der Wieselenschen Auffassung der urspriingliche Luthertext sich aufrecht erhalten, wenn man ihn folgendermaßen paraphrasirn 12. Und wiirde auch swas die Juden betrifft, zu denen er vermittels der, nach empfangener Be- schneidung geschehenen Zeugung Jsaaks, in welchem sein Same genannt sein sollte Kap. 9, 7., noch in einem besonderen Verhältniß der Vaterschaft steht] ein Vater der Beschneidung [nach zwei Seiten hin], nicht allein heimlich] derer, die von der Beschnei- dung sind cfiir ihre Person ihr noch anhangen und sich dadurch an das mofaische Gesetz gebunden er- achten, ohne jedoch darum ihre Gerechtigkeit darauf zu gründen, wie z. B. der Apostel Jakobus Apostg. 15, 13 sf.; 21, 20 ff.], sondern auch derer, die da wandeln in den Fnßstapfen des Glaubens, welcher war in der Vorhaut unsers Vaters Abraham [so daß sie, nachdem sie durch den Glauben an Christum gerechtfertigt sich wissen, auf die Beschneidung und die Gesetzesbeobachtung weder fiir sich noch für Andere Gewicht mehrlegen1. Cur. 7,18 f.; 9, 19 ff.]. 13. sAusgeschlossen dagegen von Abrahams erbberechtigtem Samen sind unsere Widersacher, die Gesetzesleute, welche das Mittel, um zu dem, dem Erzvater verheißenen Besitz, 1. Mos. 12, 7 ; 13, 15f.; 15, 18ff. zu gelangen, das Gesetz wollen sein lassen Gal. Z, 10.] Denn die Ver- heißung, daß er sollte sein lwie zunächst der einstige Besitzer des Landes Canaan, so hernach- mals, wenn es zur Aufrichtung des über den ganzen Erdkreis sich erstreekenden Gottesreichs Dan. 2, 44; 7, 27 käme] der Welt Erbe* s1. Mos. 12, Z. 7; 13,15f.; 15,18 ff.;17, 1 18, 18; 22- 16 ff] ist nicht geschehen Abraham oder seinem Samen sdem sie in ihm zugleich mitgegeben wurde] durch? Gesetztt sals wäre irgend welches Gesetz, damals, wo dieselbe geschah, schon vor- handen gewesen, auf welche Grundlage hin sie denn ertheilt worden wäre, indem selbst das Be- schneidungsgebot um fast ein Vierteljahrhundert später fällt, als die erste unter all den mehr- maligen Verheißungem vollends aber das mofaische Gesetz erst über 430 Jahre hernach erlassen WOVVSU ist GAL Z, 17J- sondern ssie ist geschehen] durchs die Gerechtigkeit des Glaubensttt swelche bei Abraham von Anfang bis zu Ende Hebt: 11, 8—19 vorhanden war und seinen eigentlichen Wesenscharakter ausmachte]. 14. [Und so treten nun auch wir, die in V. 11 u. 12«Beschriebenen, aus Heiden und Juden, die wir ,,vom Glauben«, d. i. dem Glauben Er- gebene sind Kap. Z, 26., allein und ausschließlich in des verheißenen Erbes Besitz.] Denn wo die vom Gesetz [die mit Werken utngehenden Anhänger des Gesetzes V. 4] Erben sind swie sie sich selber einbilden und Andern es einreden wollen], so ist der Glaube [der ja den Standpunkt Abrahams bildete, als das Erbe ihm verheißen wurde] nichts szu nichte gemacht oder außer Cours gesetzt], und die Verheißung ist sselbstverständlich nun] abe sgänzlich über den Haufen geworfen, weil— man ihr die Grundlage, darauf sie ruhet, entzogen hat; auf dem Gesetze aber als neuer Grundlage kann sie nun und nimmermehr wieder ausgerichtet werden], 15, Sintemal das Gesetz richtet nur Zorn an sbei ihm also kommt das gerade Gegentheil von dem heraus, was die Verheißung in sich« schließt und bezweckt, Gnade und ewiges Leben Kap. 2, 7ff., und ist dasselbe darum auch so lange noch nicht dazu gekommen, als die Gnade noch frei schalten wollte Gal. Z, 19]; denn Wo das Gesetz nicht ist sein in ausdrücklichen Geboten und Verboten bestehendes Gesetz noch nicht vor- handen], da ist auch keine [förmliche, Gottes Un- gnade und Zorn herausfordernde] Uebertretung-s swelche als Handlung dessen, der über ein bestimmt ihm gegebenes Gebot oder Verbot sich hinwegsetzt Kap. Z, 14., ein freies Schalten der göttlichen Gnade in Ertheilung von Verheißungen schlechter- dings nicht zuläßt] 16. Dcrhalbett sum aus dem eben Gesagten den von selbst sich ergebenden Schluß zu ziehen] muß die Gerechtigteit sdies Wort steht nicht im Grundtext, sondern es ist hier etwas zu ergänzen; während nun Luther hier »die Gerechtigkeit« ein- schiebt, hat er anderwärts »die Verheißung« er- gänzt, was aber mißlich ist, weil dieses Wort hernach ausdrücklich genannt wird, daher sach- gemäßer man ergänzt: die Erbschaft, d. i. die Erlangung dessen, was die Verheißung V. 13 versprichtJ durch den Glauben kommen, auf daß sie sei aus Gnaden [gleichwie diese, die Gnade, bei Ertheilung der Zusage ausschließlich, ohne daß irgend etwas Gesetzliches dabei mitgewirkt hätte, gewaltet hat], und die Verheißung [in dem ganzen urspgiinglichen Umfang ihrer Meinung] fest bleibe allein Samen sdem sie da zugedacht war], nicht dem sSamen nämlich] alleine, der unter] dem Ge- sesz ist sden Juden, dafern sie dem Glauben sich zuwenden V. 12], sondern auch dem [unter den Heiden] der des Glaubens Abrahams ist H [V. I 1], welcher ist unser aller san Christum Gläubigen Auch die Erlangung des Erbes geschieht, Vater [der der Gläubigen aus den Heiden nicht minder, als der der Gläubigen aus den Juden], 17. Wie sin 1.Mos.17,5] geschrieben stehet san welcher Stelle Gott zu Abraham spricht, als er seinen früheren Namen ,,Abram« in diesen neuen umwandelt]: Jch habe dich gesetzt zum Vater vieler Heiden [besser: Völker oder Nationen, und bist du nun deiner heilsgeschichtlichen Stellung nach das schon jctzt, wo bis zur Erfüllung der dir gegebenen Verheißungen noch eine lange Zeit ist] vor Gott, dem du sbei dem Vorgang in J. Mos. 15, 5 s., als dein Blick gen Himmel gerichtet und dir gesagt wurde, daß dein Samen also werden solle, wie das zahllose Heer der Sterne] geglaubet hast sals einem solchen Gott] der da lebendig machet die Todten [also gar wohl in deinem hohen Alter dir noch einen Leibeserben geben kann V. 19 ff.] und rufe-l sals allmächtiger Schöpfer] dem, das nicht ist, das; es sei salso aus dem ersten unfcheinbaren Anfange gar wohl eine ganze Welt in zahlloser Nachkommenschaft kann entstehen lassen Jes. 41, 4; 48, V) Die Genesis enthält keine Verheißung für Abra- ham, die buchstäblich so lautete, wie hier steht; es hat aber der Apostel auch nicht eine einzelne Stelle be- sonders im Auge, sondern er meint die Verheißungen insgesammt, in welchendem Abraham und seiner Nach- kommenschaft der Besitz des Landes verfprochen wird. Jn der Genesis nun ist allerdings blos vom Ererben des Landes Eanaan die Rede; aber da die Verheißung nebenher läuft: »in dir sollen gesegnet werden alle Geschlechter aus Erden«, welche auf die messianische Zeit hinsieht, so wurde später auch diese Landesver- heißung messianisch aufgefaßt und es erweiterte sich so der engere Begriff in den der Welt, d. i. des ganzen Erdkreises als des Gebietes des messianischen Reich-Z. Hiernach ist »der Welt Erbe fein« s. v. a. das Reich Gottes ererben, welches Reich ein Weltreich in dem Sinne ist, daß es sich über den ganzen Erdkreis er- streckt und alle Völker umfaßt, von den Juden als eine politische Herrschaft erwartet, im neuen Testamente aber als eine Theokratie im geistigen Sinne dargestellt. (Maier.) Die erstlich Abraham geschehene, Jsaak und Jakob bestätigte Grundverheißung lautet: Jndir sollen gesegnet werden alle Geschlechter auf Erden (1. Mos. 12, 3). Also der Fluch, der um der Sünde willen auf der Erde und allen ihren Kindern lastet, soll hin- weggethan und in Segen verschlungen werden durch den Samen Abrahams, so daß die ganze Erde zu einem gelobten Lande, ja die Welt, Himmel und Erde, zu einer Wohnung der Gerechtigkeit und des Lebens erneuert werde. Die arge Welt zu gewinnen, was hiilse es dem Menfchen? das wäre keine Ver- heißung Nein, die neue Welt meint der Apostel, die gesegnete Erde, welche der HErr seinen Sanftmüthigen zum Besitze verheißt (Matth. 5, 5), nicht durch Erobe- rung mit sleischlichem Arm, sondern durch den Glau- ben unter’m Kreuz; das herrliche Erbe meint er, wo- nach die Hoffnung der Gläubigen sich ausstreckt, um- seufzt von der Sehnsucht der mitverfluchten Kreatur. Weil die Gläubigen Erben der Welt sind, so muß ihnen freilich schon die gegenwärtige Welt dienen, alles ist ihre, und die Gottlosen füllen ihren Bauch vom Tische der Frommen. Das Canaan war ein Pfand wie die Ertheilung der Zusage, aus Gnaden. 35 der verheißenen Weltherrschafh und daß die drei Erz- Väter Abraham, Jsaak und Jakob selbst im Pfand- lande der Verheißung Fremdlinge sein mußten, dadurch wurden sie erzogen zum Warten auf eine Stadt, die einen Grund hat, welcher Baumeister und Schöpfer Gott ist (Hebr. 11, 10), und in den Fußtapfen ihres, dem zukünftigen Erbe zupilgernden Glaubens sind ihre rechten Kinder gewandelt, nachdem Jsrael ,,zur Ruhe gebracht« war in dem Lande, welches doch die Ruhe nicht geben konnte, die dem Volke Gottes noch vor- handen Ist. LBesserJ v « it) Durchs Gesetz Mosis sowenig, als durch das Gesetz der Beschneidung ist die Verheißung geschehen; der Bund der Beschneidung war nur der erste aus- drückliche Anfang der gesetzlichen Haushaltung, der Stiftung eines weissagenden Bundesvolks, welches durch leibliche Abstammung, irdisches Vaterland und ein Bundeszeichen am Fleische vereinigt war, und insofern war das Gebot der Beschneidung der Keim des ganzen inosaifchen Gesetzes. (v. Gerlach.) ist) Der Glaube wird hier gleich am Anfange des Reiches Gottes hingestellt als der Vermittler der Verheißung und das göttliche Reichsgrundgesetz für deren Empfang. Nachdem im Vorigen (V. 9—12) der falsche Ruhm der Juden zunichte gemacht worden, so- fern er sich auf die empsangene Beschneidung steisie, so macht Paulus ihnen nun auch noch den salschen Ruhm des Gesetzes durch das Vorbild desselbigen Abraham zunichte. (Wangemann.) f) Oefter ist in der Schrift ein absoluter Aus- spruch im Beihalt anderer, entgegengesetzter Aussprüche auf sein relatives Maß zurückzuführen (vgl. Joh- 2, 11; 7, 39);"so auch hier. Jn Kap.1,18 redete der Apostel von einer Offenbarung des Zornes Gottes vom Himmel, die auch die Heiden treffe, und zwar mit Recht, denn auch sie haben eine Erkenntnis? Gottes und des Sittengesetzes, wogegen sie handeln, so daß ihre ,,Unwissenheit« (Apostg.17,30) immer nur eine relative genannt werden kann; und auch abgesehen von diesem natürlichen religiös-sittlichen Bewußtsein ruht der Zorn Gottes auf dem Menschengeschlechte um des ihm an- geborenen sündhaften Prinzips willen, um dessentwillen über sie alle ausnahmslos, also mit Einschluß der bewusztlosen Kinder, der Tod verhängt ist (Kap. 5, 12. 14; Joh. 3, G; Ephes 2, Z; vgl. Pf· 51,7). Aber im Verhältniß zu dem Zorne, welcher die Gesetzes- iibertretung trifft, ist der Zorn, welcher aus der Natur- sünde lastet, gar nicht als Zorn zu betrachten. Der göttliche Zorn hat demnach seine Grade: er ruht auf der unbewußten Sündhaftigkeit der adamitischen Wien- schennatur; er wird erhöht durch das Sündigen wider das erwachte, wenn auch mannigsach umhüllte natür- liche Gottesbewußtsein und Gewissensgesetz und er erreicht seinen höchsten Grad, wenn die Sünde sich zur bewußten Uebertretung des äußerlich geosfenbarten und i11nerlich vom Geiste in seiner Heiligkeit und Ver- bindlichkeit erschlossenen » Gesetzes Gottes steigert. (Philippi.) Nicht »durch seine Natur richtet das Gesetz Zorn an, denn die ist heilig und gut, sondern durch seine, die Tiefen der Sünde zum Vorschein dringende Kraft (Kap. 7, 7 ff.); macht also das Gesetz, mit deni Menschen scheinbar es erst schlimmer, wie sollte es ihn zum Erben der Welt machen können? (Olshausen.) An sich ist es die Sünde überhaupt, die Zorn an- richtet; aber in Beziehung auf sie kann auf Seiten Gottes noch ein Schonen und Uebersehen stattfinden, welches jedoch aufhört und wenigstens die positiven Gnadenerweisungen (wenn auch nicht gerade ein Auf- schieben der Strafe Jer. 13, 14) unmöglich macht, so- bald die Sünde den Charakter der Uebertretung g»- 36 Römer 4, 18-—25. annimmt, und das thut sie, wenn nun ein bestimmtes i Gesetz vorhanden ist, das der Mensch mit feiner Sünde «! übertritt » H) Von der in Rede stehenden Erbschaft (V. 13) gilt der, zur Vermeidung aller unnöthigen Weitliiusig- ; keit (im Grundtext) unvollftändig gelassene Satzx ,,aus Glauben, damit nach Gnade«, dessen beide Hälften aus’s Engste zusammengehörem indem nur gnad en- weise, als freies Geschenk, das Erbe zu Theil werden . kann, hinwieder aber diese Weise seiner Zutheilung zur Voraussetzung hat, daß menschlicherfeits Glaube das Erforderniß ist, um seiner theilhaft zu werden. Der hieran angesiigte Absichtssatzx »auf daß die Verheißung fest bleibe allem Samen, nicht dem allein, der unter dem Gesetz ist, sondern auch dem, der des Glaubens Abrahams ist« besagt dann, was mit dieser Erbord- nung erzielt ist· Fest und· beständig soll die Ver- heißung sein, also nicht h1nfäll1g·werden, ohne sich zu verwtrklichenz und zwar soll sie es dem ganzen Gefchlecht Abrahams.sein, und da ist unter dem »unter dem Gesetz« dasjenige Geschlecht Abrahams gemeint, · das es »von des Gesetzes· wegen«, gleichwie in V. 14 unter denen ,,vom Gesetz« (oi s» reiner) diejenigen gemeint waren, welche von Gesetzes wegen Erben sein wollten. Letzteres schließt vom Erbe aus, weil es den Glaubensweg ausschließt; dagegen ,,vom Gesetze her« dem Gefchlechte Abrahams anzugehören heißt nichts weiter, als ein jüdisches Glied der Gemeinde Gottes sein. Denn »der Same« im Sinne der Gegenwart, von welcher der Apostel handelt, ist die Gemeinde Gottes in Christo Jesu, und »der Same unter (aus) dem Gesetz« ist derjenige Theil derselben, welcher von Gesetzeswegen ihr angehört, weil er unter dem Gesetze, dessen Anfang die Beschneidung war, her- gekommen ist; der andere Theil ist der Same, der des Glaubens Abrahams ist, wobei in Betracht kommt, daß Abraham als Unbeschnittener gläubig sich bewiesen, (V. 10), es ist also derjenige Theil gemeint, der aus dem Stande der Unbefchnittenheit heraus an Christum gläubig geworden. (v. HofmannJ Steht die Ver- heißung des Erbes aus Gnaden fest, so muß auch die Gewißheit des Erbes durch den Glauben fest- stehen, während da, wo das Erbe der Seligkeit irgend wie von den Werken abhängig gemacht wird, und seien es auch Werke der Wiedergeborenen, bei der Unvollkommenheit dieser Werke natürlich auch der Zw eifel an die Stelle der Gewißheit treten muß, oder höchstens eine muthmaßliche, keine absolute Gewißheit der Seligkeit stattfinden kann. (Philippi.) TH) Der Apostel hat die Beweisführung der von ihm aufgestellten Sätze zu Ende geführt. Der erste lautete: nicht durch die Werke, sondern durch den Glauben ist Abraham gerechtfertigt worden. Der zweite: Abraham ist ein Vater aller Gläubigen, derer aus den Juden wie derer aus den Heiden; denn gerechtfertigt wurde er schon vor seiner Beschneidung d·urch den Glauben, somit thut’s der« Glaube, nicht die Beschneidung. Zum Andern empfing er die Ver- heißung nicht unter der Bedingung der Gesetzes- erfüllung, sondern um seines Glaubens willen; somit thurs die Gnade und nicht das Gesetz. Thut’s also weder Gesetz noch Beschneidung, sondern der Glaube allein, dann eben ist Abraham unterschiedslos ein Vater aller Gläubigen: nicht die äußere leib- liche Abstammung, sondern dieinnere Gleichgerichtetheit, der Glaube, entscheidet über die Zugehörigkeit zu ihm. Und nun führt uns am Schluß seiner Deduction Paulus noch Abraham als den Vater der Gläubigen in der ganzen Hoheit und Erhabenheit seiner Glaubens- energie vor: der Erzbater steht vor Gottes Angesicht : zahllos wie das Sternenheer. und glaubt dem Gotte, der die absolute Macht ist, der sein Geheiß spricht über das, was noch nicht da ist, als wäre es schon da, ja der auch das Todte lebendig zu machen vermag; und so schaut er erstorbenen Leibes zu dem geftirinten Himmel auf, glaubend, daß, wie ihm Gott zugesprochem seine Nachkommenschaft sein werde (Röntsch.) Der Apostel setzt die Worte: »vor Gott, dem du geglaubet hast, der da lebendig macht die Todten und rufet dem, das nicht ist, daß es sei« als Erklärung hinzu; Gott, der Allmächtige und Allwissende machte ihn schon damals zum Vater vieler Völker, denn wie er Todte erweckt, so»steht, was noch nicht da Ist, schon vor ihm, als ware es da. (v. Gerlach·) In dem angefuhrten Worte aus 1. Mos. 17, 5 hat sich der Gott dargestellt, an- gefichts dessen Abraham glaubte, und sich so darin dargestellt, wie er von Abraham gläubig erkannt sein wollte. Abraham mußte ihn, um zu glauben, für Den erkennen, der die Todten lebendig macht, da er und sein Weib erstorben waren und doch einen Sohn erzielen sollten; und er mußte ihn für Den erkennen. der das Nichtseiende ruft wie seiend, da er ihn von vielen Völkern sagen hörte, zu deren Vater er ihn gemacht habe, während er nicht einmal einen Sohn hatte von seinem Weibe. (v. HofmannJ Bei »vor Gott, dem du geglaubet hast« ist der Gegensatz, zum Urtheil der Juden oder zur Geltung vor diesen ge- dacht, welche den Abraham nach fleischlicher Anschauung nur zum Judenvater machten; feine Vaterschaft bezieht sich aber auf die Gläubigen, und so wird der Er- werbungsgrund derselben, der Glaube, noch besonders hervorgehoben um eine nähere Charakterisirung dieses Glaubens daran zu knüpfen und denselben in seiner Art als Muster vorzuhalten, indem auch bei den Gläu- bigen ein derartiger Glaube sich finden soll. Die Worte: »der da lebendig machet die Todten und rufet dem, das nicht ist, daß es sei« beschreiben nämlich die Allmacht Gottes nach denjenigen Momenten und Wir- kungsweisen, die bei Abraham, und ebenso bei dem Glauben der Christen, zunächst in Betracht kommen: Wiederherstellung des Lebens und schöpserische Setzung des Daseins oder Lebens; wie nun Abrahams Glaube an die ihm gegebene Verheißung auf Gottes Ver- mögen sich stützte, Todten wieder Leben zu geben und neue Wesen zu schaffen, so soll der Hinblick auf diese Macht ingleichen bei den Christen Glauben erwecken an die Auferstehung des HErrn und an ihre eigene geistige und leibliche Neubelebung, vgl. V. 24 u. Kap. 8, 11. (Maier.) Der durch sein Wort Himmel und Erde geschaffen hat und hieß das Licht aus der Finster- niß hervorleuchten, der ist mächtig genug, aus Nichts Alles, aus dem Tode das Leben, aus der Sünde Ge- rechtigkeit, aus der Dienstbarkeit des Teufels und der Hölle die herrliche Freiheit der Kinder Gottes hervor- zubringen. Wie Gott die Sterne am Himmel, die er geschaffen hat, alle mit Namen ruft (Jes. 40, 26), so ruft er Abrahams Samen, der da sein soll wie der Sterne unzähliges und prächtiges Heer, noch ehe der- selbe da ist, denn bei ihm ist weder vergangene noch zukünftige Zeit, sondern es ist vor ihm Alles gegen- wärtig, was uns iiberlang widerfahren und übergehen soll. Jch kann machen, spricht er, daß da stehe, was nichts ist, und eitel Freude aus Traurigkeit und allem Herzeleid Jch kann sagen: Tod und Grab, sei du Leben! Hölle, werde du Himmel und Seligkeit! Gift, sei du köstliche Arzenei und Labsal! Teufel und Welt, sei du meinen Christen niitzer, denn die lieben Engel und frommen Heiligen! Denn ich kann und will meinen Weinberg also bauen und warten, daß er durch allerlei Leiden und Unglück nur besser soll werden. (Luther.) Das Vorbildliche und Mustergiltige im Glauben Abrahams für die Christen. 37 .18". ist unser aller Vater V. 161 hat geglaubet auf Hoffnung ldaß er gewißlich dessen werde theilhaftig werden, davon Gott zu ihm redete-l. Cor.9,1()., wider Hoffnung, d. i. unter lauter solchen Um- ständen und Verhältnissen] da nichts zu hoffen war, auf das; swie es Gott beabsichtigte, als er gerade unter jenen Umständen sein Verheißungswort ihm ertheilte] er würde ein Vater vieler Heiden [oder Völker, was er ja nur mittels eines Glaubens auf Hoffnung wider Hoffnung werden konnte; und das eben ist es, was er nach Gottes Rathschluß werden sollte], wie denn zu ihm sbei jenem Vor- gnug, den wir hier in Betracht zu nehmen haben 1. Mos. 15, H] gesagt ist: Also sso zahllos, wie die Sterne am Himmel droben] soll deinSatne sein«« 19. Und er ward nicht schwach im Glauben, sahe auch nicht an sum den von daher aufsteigen- den Bedenken Recht zu geben] seinen eigenen Leib, welcher schon erstorben fund kaum noch zeugungs- fähig] war, weil er fast hundertjcihrig warst-Mos. 17, 17], auch nicht den erftorbenen Leib der Sara» sder es ja nicht mehr ging nach der Weiber Weise i. Mos. 18, 11; Jes. 51, 1s·]. 20. Denn er zweifelte nicht an der Verheißung Gottes dnrch Unglauben [daß er diesem sich hätte hingeben mögen], sondern ward sim Gegen- theil dadurch, daß Gottes Verheißung ihm mehr galt, als der an ihm und seinem Weibe vorhan- dene Naturzustand] stark im Glauben, und gab [so] Gott die Ehre sdie ihm gebührt, indem er ihn gelten ließ für den, der er ist V. 17; Hebr. 11-,7], 21. Und wußte aufs allergewissefta daß, was Gott verheißt, das kann er auch thunsit 22. Darum sweil er in solcher Weise Gott glaubete] ist’s ihm auch ssein Glauben] zur Ge- recbtigkeit gerechnetf swie wir schon oben V. 3 dieses Schriftzeugnisses uns erinnerten]. 23. Das swas in 1. Mos. 15, 6 gesagt wird: ,,Abraham glaubte dem HErrn, nnd das rechnete er ihm zur Gerechtigkeit«] ist aber nicht geschrieben allein um seinetwilleii sals handelte es sich blos darum], daß es lsein Glauben] ihm zu- gerechnet ist [und er also in der heil. Geschichte für seine Person nun dasteht als ein solcher, der die Gerechtigkeih die vor Gott gilt, erlangt hat]; 24. Sondern auch um unfertwillen sist es geschrieben], welchen es sdas Glauben] soll zu- gerechnet werden, so wir [nämlich] glauben an Den, der unsern HErrn Jesnm auferwecket hat von den Todten; 25. Welcher ist um unserer Sünden willen ssie zu sühnen und durch ihre Sühne uns Vergebung derselben zu erwirken] dahin ge- gebcn,und umunsrerGerechtigkeitwillen sdaß wir dieselbe» im Glauben auch wirklich em- pfangen] auferwecketsip Und der seben dieser Abraham, welcher « i) Absichtlich hat Paulus das Schriftwort nur in verstutzter Form angeführt, um uns zur Schriftlesung zu ermuntern. (Calvin.) Abraham hat geglaubet auf Hoffnung wider Hoffnung: er schloß die Leibesaugeli zu vor dem Sichtbaren und allem, was daraus zu folgen schien, und that die Glaubensaugen auf im Hinblick auf Gottes Verheißung (v. Gerlach.) Sein Glaube ist ein auf Gottes Wort gegründetes Ja gegenüber dem Nein in der Sphäre der endlichen Ursachen. (Tholuck.) Wenn der Apostel schreibt: »auf d aß er würde ein Vater vieler Völker«, so ist natürlich nicht von einer Absicht Abrahams selber bei seinem Glauben die Rede, wohl aber von einer Absicht Gottes: Abrahanis Glaubensübungen hatten den Zweck, nicht blos ihn selbst zu vollenden, sondern in ihm auch die Keitne niederzulegen für die Gläubigen nach ihm; sein Leben war nicht blos ein Vorbild, sondern, daß wir uns so ausdrücken, auch ein Vorwesen, d. i. ein realer Keim des Zukünftigetr (Olshausen.) Das ist das vornehmste Kennzeichen des Glaubens, wider alle Hoffnung hoffen, was auch am meisten dessen Vollkommenheit anzeigt; es ist aber so viel, als Initten in der Verzweiflung hoffen. Und Gott hat Gefallen daran, daß er die Glaubensseelen darein wie den Abraham führt: er nimmt ihnen alle Stützen weg in ihrem Glauben; er entzieht ihnen alles, was nur eine rechttnäßige Hoffnung gründen kann. Nachdem er ihnen nun alle Hoffnung benommen, läßt er sie in einer gänzlichen Verzweiflung, daß diese Dinge je ge- schehen sollen, so daß da nichts mehr zu hoffen ist; und wenn er dann alle Gelegenheit zu einiger Hoffnung weggenommen hat, nimmt er auch die Begierde dazu weg. Und alsdann, wenn die Seele sieht, daß alle Hoffnung verschwunden und alles verloren ist, hofft sie umsomehr auf Gott selber, je weniger sie weder in ihr noch in einigem Geschöpf etwas befindet, worauf sie ihre Hoffnung gründen könnte. (Berleb. Bin) H) Abgesehen davon, daß Paulus sich hier wohl nur auf l. Mos. 15, 5 f. bezieht, wo Abrahams Glaube sofort entschieden ist, war doch auch jener in 1. Mos. 17, 17 f. berichtete Zweifel Abrahams nur ein vorüber- gehender, welchen er alsbald im Glauben überwand. (Philippi.) Weil er mit Beiseitesetzung jenes Be- denkens feinen ganzen Sinn ergab, sagt der Apostel, er sei nicht schwach geworden; und in der That war es ja ein Zeichen größerer Standhaftigkeit, die Augen vor dem, was sich ihnen von selbst darbot, verschließen, als wenn sich seinem Geiste nichts dergleichen dar- geboten hätte. Es giebt eine doppelte Schwäche des Glaubens: die eine, welche uns von der Kraft Gottes absallen macht, indem wir feindseligen Versuchungen unterliegen; die andere, welche zwar aus Unvoll- kommenheit entspringt, aber doch den Glauben selbst nicht vernichtet. Denn keine Seele ist je so erleuchtet, daß nicht viele Reste von Unwissenheit übrig bleiben sollten; kein Geist ist so fest, daß nicht viel Zweifel hängen blieben. Miit diesen Fehlern des Fleisches, der Unwissenheit und dem Zweifel, haben die Gläubigen beständigen Kann-f; in diesem Kampf wird ihr Glaube oft schwer verwundet und leidet Noth, aber endlich geht er doch stärker hervor, so daß sie selbst in ihrer Schwäche gerade sehr stark genannt werden können. (Ealvin.) Also hat Abraham seine Vernunft gefangen genommen und getödtet, da er Gottes Wort glaubte, darin ihm verheißen ward, daß ihm Gott von seinem unfruchtbaren erftorbenen Weibe, der Sara, einen Samen geben wollte. Denn solchem Worte der Ver- heißung that gewißlich die Vernunft des Abraham nicht alsbald zu Gefallen, sondern sie hat sich wider den Glauben gesträubt und es für ein nürrisch, ungereimt 38 Römer 5, l. 2. und unmöglich Ding gehalten, daß Sara sollte einen Sohn gebären. Darum ist kein Zweifel, es haben sich Glaube und Vernunft in Abrahams Herzen über diese Sache weidlich überworfen und wohl auf einander gerannt; doch hat endlich der Glaube obgelegen und den Sieg behalten und diesen allergrausamsten und schädlichften Feind Gottes, die Vernunft, überwunden und erwiirgt. Also thun auch alle andern gläubigen Menschen, so mit Abraham in das Dunkel und ver- borgene Finsternis; des Glaubens eingehen, erwiirgen die Vernunft und sagen: Hörst du wohl, Vernunft, eine tolle, blinde Närrin bist du, verstehst Von Gottes Sachen kein Meitlein (Spürlein) nicht; darum mache mir nicht viel Possen mit deinem Widerbellem sondern halte dein Maul und schweig; untersteh dich nicht, über Gottes Wort Richterin zu fein, sondern setze dich, höre, was dir dasselbigefage, und glaube ihm. (Luther.) Tit) Ein wichtiger Begriff ist das »Gott die Ehre geben«. Die Ehre Gottes wird nicht anerkannt, sobald der Mensch nicht den Eigenschaften Gottes gemäß handelt; wenn er in seinen Handlungen nicht die Allwissenheit Gottes anerkennt (Jos. 7, 19; Joh. 9, 24), wenn er die Güte Gottes thatsächlich nicht anerkennt (Luk. 17, 18), wenn er durch Mangel an Vertrauen seine Allmacht thatsächlich leugnet. Das glaubenslose Gebet wird nicht erhört (Jak. 1, 6), eben weil dabei die Ehre Gottes nicht anerkannt wird. (Tholuck-) Der Glaube ist ein allmächtig Ding, deß Kraft unmäßig und unendlich ist; denn der Glaube giebt Gott seine Ehre, welche freilich das Allergrößte ist, so man Gott immer geben kann. Denn Gott seine Ehre geben, ist nichts Anderes, den-n ihm vertrauen und glauben, ihn fiir treu und wahrhaftig, weise, gerecht, barmherzig, allmächtig, und kürzlich für den Einigen allein erkennen und halten, der alles und allerlei Gutes allein schafft und giebt. Solches ist der Vernunft unmöglich zu thun, allein der Glaube thut es, darum ist er, also zu sagen, wohl ein Schöpfer der Gottheit: nicht, daß er an dem ewi en göttlichen Werke etwas schaffe, sondern in uns schasst er es. Wo kein Glaube ist, da behält Gott nichts, weder in seiner Gottheit noch Majestät, bei und in uns; darum liegt es alles am Glauben. So fordert auch unser HErr-Gott nicht mehr von uns Menschem denn daß wir ihm allein seine schuldige Ehre geben und ihn halten für unseren Gott, das ist, daß wir ihn nicht für einen eitlen, losen Götzen, sondern für einen rechten, wahr- haftigen Gott halten, der sich unser erbarme, unser Gebet erhöre, sich unser annehme, aus aller Noth helfe. Wenn er das hat, so hat er seine Gottheit ganz und unverletzt, das ist, er hat alles, so einem gläubigen Herzen ihm möglich. zu geben ist. Darum solche Ehre von Herzen Gott geben können, ist gewiß eine Weis- heit über alle Weisheit, eine Gerechtigkeit über alle Gerechtigkeit, ein Gottesdienst über alle Gottesdienste, ein Opfer über alle Opfer. Daraus mag genugsam verstanden werden, was für eine herrliche und Gott angenehme Gerechtigkeit der Glaube sei, und wiederum, was für eine greuliche Sünde der Unglaube sei. (Luther.) Gott kann nicht mehr Ehre gegeben werden, als wenn wir mit dem Glauben seine Wahrheit be- siegelnz ebenso kann man ihm keine größere Schmach anthun, als wenn man die von ihm selbst dargebotene Gnade zurückstößt oder seinem Worte das Ansehen raubt. (Calvin.) s) Das ,,darum« zeigt uns die Natur und das Wesen des Glaubens an, warum er der Grund sei unsrer Rechtfertigung; nämlich der Glaube ist nicht ein bloßes Annehmen und Fürwahrhalten dessen, was Gott gesagt oder gethan hat, sondern ist ein solches Vertrauen aus die Verheißungen Gottes, ver- möge dessen man gar nichts mehr auf sich selbst oder auf das, was man mit Augen sieht, giebt, vielmehr nur noch aus Gottes Wort und Verheißung all fein Denken und Hoffen gründet, und zwar speziell in der Weise, daß man Gott als den Urgrund alles Lebens annimmt, der nicht blos aus Nichts, sondern auch aus dem Tode heraus noch Leben schaffen kann. Wer dies thut, der zeigt damit, daß er das Centrum seines Lebens nicht mehr in seinem eigenen Jch, sondern, aus sich selbst herausgegangem ein anderes Herz hat, und zwar ein solch neues Herz, welches nur in Gott und seiner Gnade leben kann, will und mag; und wo der HErr solchen Glaubensstand vorfindet, da sieht er nicht den natürlich angeborenen Sündenstand, sondern eben diesen Glaubensstand des Herzens an und achtet aus Gnaden einen solchen Gläubigen für gerechtfertigt. (Wangemam»1.) » H) Nicht so will das Schriftwort, um das es sich in diesem ganzen Abschnitt handelt, aufgefaßt sein, bemerkt der Apostel, als ob die Thatsache, daß dem Abraham sein Glaube als Gerechtigkeit geachtet worden ist, nur um seinetwillen, damit man über ihn Be- scheid wisse, zum Inhalt eines Schriftworts gemacht worden sei; es war dabei nicht minder auch um uns zu thun, denen ein Gleiches geschehen wird, wie ihm geschehen ist. Unter diesem ,,uns« meint nun Paulus allerdings die, welche die gläubige Gemeinde zur Zeit ausniachen, aber nicht sie allein; an ihnen hatte ja jenes Schriftwort feinen Dienst schon gethan, indem es sie den Glauben für die einzige Bedingung der Recht- fertigung erkennen lehrte, darum denkt er noch viel- mehr an die fort und fort werdende Gottesgemeinde, an diejenigen -also, welche je und je an den Gott gläubig werden, der Jesum von den Todten auferweckt und sich damit als denselben erwiesen hat, welchem gegenüber Abraha1n gläubig geworden ist. Jhnen stellt das Schriftwort in Aussicht, daß ihnen ihr Glaube für Gerechtigkeit gerechnet werden wird. (von Hosmann.) Berichtet ist die Rechtfertigung des Abra- ham in der Schrift mit Beziehung auf die Recht- fertigung der Christen; sie sollten aus seiner die einzig mögliche Art ihrer Rechtfertigung erkennen. Der christliche Glaube ist aber Glaube an den Gott, der Jesum von den Todten auferweckt hat, an den Jesum, der dahin gegeben wurde für unsre Sünden und auf- erweckt um unsrer Rechtfertigung willen. Auch hier wieder eine Aehnlichkeit zwischen dem Glauben Abra- hams und dem der Christen: Abraham glaubt dem Gott, der seinen erstorbenen Leib wieder lebens- und zeugungskräftig machen und damit ihm die Nach- kommenschaft erwecken kann, aus der der verheißene Weibessame kommt; die Christen glauben an den Gott, der Jesum von den Todten erweckt und damit das Werk der Erlösung vollführt hat. Dort ein Vor- wärts-, hier ein Rückwärtsblicken für den Glauben. Dahingegeben von- Gott, nämlich in den Tod, ist Christus worden, um unsre Sünden zu büßen und zu sühnen; auferweckt ist er, um ihn als den auszuweisen, der für unsre Sünden starb. So nämlich haben wir dies ,,auferweckt um unsrer Gerechtigkeit willen« zu verstehen, indem ja durchgehends die heil. Schrift als das unser Heil Begriindeude den Tod Christi ansiehet· Mit dem ,,es ist vollbracht« aus des Erlösers Munde war das ganze und volle Heil der Menschheit beschafft, die Auferstehung konnte dem nichts mehr als Ergänzung hinzufügen; aber uns gegenüber ist sie der Ausweis dafür, daß Jesus nicht um eigner, sondern um fremder, um unsrer Sünde willen in den Tod gegeben war. Wie der Tod also die objektive Ermöglichung unsrer Rechtfertigung ist, so ist die Auferstehung die s ubjektiv e: Der Heils- und Seligkeitsstand der durch den Glaubeu an Christum Gerechtwordenen 39 durch seinen Tod ist Jesus Sühner unsrer Schuld vor Gott geworden, durch seine Auferstehung der Sühner unsrer Schuld vor uns selbst, den wir als solchen nun erst im Glauben zu ergreifen vermögen. Wäre der HErr nicht auferstanden, dann wäre sein Tod der Tod eines Sünders gewesen, aber nicht der stellver- tretende Tod des durch die Auferstehung zur messianischen Herrschaft erhabenen Gottessohnes. szsiöntschh Beide, Tod und Auferstehung, verhalten sich daher im Leben des HErrn wie zwei nothwendige Hälften, die durch- aus nicht ohne einander gedacht werden können. Nicht der Tod Christi an sich hat die Bedeutung, sondern nur der durch die Auferstehung aufgehobene Tod. Wie aber Tod und Auferstehung Christi eine innige Einheit bilden, so auch im Menschen der Tod des alten und die Auferstehung des neuen; keines kann ohne das andere gedacht werden. Es ist unmöglich, daß jemandem die Sünden wahrhaft vergeben würden und der alte Mensch unterginge, ohne daß ein neuer entsteht; und wo ein neuer Mensch lebt, muß zugleich die Tödtung des alten statthaben. Genieiniglich wird daher nach der nothwendigen Verbindung beider Momente nur eins hervorgehoben, entweder negativ die Sünden- vergebung, oder positiv die Mittheilung des neuen Lebens. Jn beiden sich ergänzenden Hälften vollendet sich das ganze Werk Gottes in den Seelen der Menschen, und keine kann je fehlen, wo es wahrhaft begonnen hat, wenn gleich freilich in verschiedenen Momenten des inneren Lebens bald die eine, bald die andere Seite vorherrschen mag. (Olshausen.) Luther nennt diesen Spruch ein Bündleilu worein der ganze Christen- glaube zusammengefaßt ist, derhalben er ihn auch oben- angesetzt hat in den Schmalkaldischen Artikeln zur Gründung ,,des ersten und Hauptartikels, von dem man nichts kann weichen oder nachgeben, es falle Him- mel und Erde oder was nicht bleiben mag« Das Z. Kapitel. Von etlichen kfriichken der cgerechtigkeit des glaub-ans. cgegeneinanderhaltung Christi und Adams. S. V. 1—11. Fiigle der Apostel oben, bei Alilslellllng seines« Themas (·tiap. 1, 16 f.), dem Satz uon der Ge- rechtigkeit, welche liommt aus Glauben in Glauben, die Berufung aus den prophetensprlich bei: »der Ge- rechte wird seines Glaubens» lebents so kann er, nach- dem er im vorigen Abschnitt nachgewiesen, wie die Glaubens-gerechtigkeit schon die des» Itbrahaiii gewesen, dieses Anfängers der Heilsgemeinda sich nunmehr des weiteren Nachweises niiht einschlagen, das) von denen, die durch den Glauben an Jefum Christum gerecht geworden, wiriiliaj in ganzem, vollem Uiufange gilt, was der Prophet von den Glaubens-gereihten gesagt hat, sie also zu Heil nnd Leben nach alten Seiten hin hindnrchgedrlingeii sind. Solchen Nachweis führt er denn im vorliegenden Abschnitt in der Weise, dass er seinen Lesern ihren Heils- und Lebens-stand, in welchen sie durch ihre Rechtfertigung eingetreten sind, ans seiner eigenen inneren herzenserfahrlilig zu klarem Bewusstsein bringt: nicht allein stehen sie sur ihr jetziges Leben ans Erden im Friedensverhiiltnisl zu Gott und haben den freien, offenen Zutritt zu allen Buudesgnciden des neuen Testament-s, sondern sie haben auch für die znliiinftige Welt die frohe Alte-ficht auf den Mitbesitz göltlilher Herrlichkeit (V. 1 u. 2); und in der Seligkeit dieser ihrer Hoffnung kiöiinen selbst die Triibsalq die fie hienieden zu erdulden haben, sie nicht stören, im Gegentheih weil sie wissen, wie sehr selbige Triibsale zur Förderung ihres inneren Lebens dienen, rühmen sie sich ihrer und sind im Genuss der Liebe Gottes, die durch den heil. Geist in ihr Herz aus-gegossen ist, ihrer. srhliesllicheii Heitsuotlendnng sich so gest-ist, das; ohne alle Furcht sie dem Endgericht entgegengehem and um des willen, was Gott in Christo Jesu an ihnen gethan, da sie noch seine Feinde waren, einer unlink-denkbar grossen, liber- sctiwiinglictjeil Seligkeit sich von ihm getroffen, da sie nun mit ihm versöhnt und seine Freunde geworden sind (V. 3—11). Was Luther im Tiatecljismus sagt: ,,lvo Vergebung der Blinden ist, da ist auch Leben und Seligkeit-«, das ist mit kurzen Worten der Inhalt dieses Abschnitte« 1. Nun wir denn sdie wir zur christlichen Gemeinde gehören, gleichviel ob vordem Juden oder Heiden gewesen, der göttlichen Heilsordnung Kap. 4, 24 f. geniale] sind gerecht worden durch deu Glauben sdem wir bei unsrer Be- kehrung zu Christo gehorsam wurden Kasm 1, H; 1- Petri l, V, fv haben wir Frieden mit Gott sstehen im Verhältniß des Friedens zu ihm] durch unsern HErrn Jesum Christi« sum dessen Leidens und Sterbens willen unsre Sünden uns vergeben sind und dessen Gerechtigkeit uns zugerechnet worden als unsre eigene Ephes 1, 6 f.; Jes. 32, 17,f.; Si, 10]; 2. Durch welchen wir auch einen Zugang haben sgenauerx den Zugang gehabt, d. i. zu eigen bekommen haben] im Glauben zu dieser Gnade, darinnen wir sjetzt mit unserm ganzen Christenstande] sieben» [1. Petri b, 12], und rühmen uns sbeim Hinausblicken auf das,«was dereinst uns beschieden sein wird] der Hoffnung der zukünftigen Herrlichteih die Gott geben solltrt [wörtlich: der HerrlichkeitGottes, worunter entweder mit Luther die zukünftige Herrlichkeit, die Gott uns verleihen wird Kap.8, 18., zu ver- stehen ist, oder aber die Herrlichkeih die Gott be- sitzt und an der er uns will Theil nehmen lassen 1. Thess 2, 12; 1.Joh. 3, 2; 1.Petri5, 10]. V) Wie der Apostel sich früher in seiner Betrach- tung in die Heiden- und Judenwelt zurückversetzt hat, so steht er jetzt in seinem Bewußtsein mitten innerhalb der christlichen Gemeinde; daher von nun an das »wir« und das ,,ihr«. (Philippi.) Jn Einen Aus- druck faßt Paulus die ganze Fülle der Segnungen zusammen, die dem aus dem Glauben durch die Gnade Christi Gerechtfertigten zufließen, in dem ,,Frieden mit Gott«. (Olshausen.) Da Gott mit uns versöhnet ist durch den Tod seines Sohnes und der Glaube an diese Gnade uns zur Gerechtigkeit gerechnet wird, so hört Gottes Zorn über uns auf vermöge der Rechtfertigung Hier ist noch nicht die Rede von dem Aufhören unsrer Feindschaft gegen Gott durch innere Umwandlung unsers Sinnes (davon spricht der Apostel erst in Kap. 8, 2sf.), sondern vielmehr von dem Aufhören der Feindschaft Gottes gegen die Siinder und dem dadurch eintretenden Frieden (vgl. V. 10); die Rechtfertigung versetzt uns daher nicht blos in unserm Bewußtsein in einen solchen Friedenszustand mit Gott, sondern sie 40 Römer b, 3—5. ändert wesentlich Gottes Verhältniß zu uns, und da- mit dann auch nnserVerhältniß zu Gott. (v. Gerlach.) Der Gerechtfertigte steht nicht mehr unter dem gött- lichen Zorn, der auf der Sünde und dem Sünder ruht, sondern er ist diesem Zorne entnommen. Die Sünde hatte den, seinem Wesen nach heiligen Gott in Gegen- satz zu dem Menschen, dem Sünder gebracht; mittelst der Rechtfertigung von ihr aber wird dem Menschen die Sünde vergeben, und somit wird objektiv das Verhältniß Gottes zu ihm ein anderes. Wir, sagt der Apostel, nämlich wir Christen, haben dies Friedensverfhältniß und haben es durch unsern HErrn Jesum Christum. (Rontsch.) · It) Die neueren Ausleger wollen fast durchgängig in dieser ersten Hälfte des Verses nicht eine Steigerung im Verhältniß zum Vorigen Verse oder den Fortschritt zu einer neuen Aussage erkennen, sondern, indem sie unter der ,,Gnade, darinnen wir stehen« die vorhin genannte Gnade der Rechtfertigung verstehen, lassen sie den Apostel ier angeben, daß, gleichwie jenes Friedensverhältni zu Gott, von dem in V. 1 die Rede war, durch Christum uns vermittelt ist, so auch ihm wir das Gerechtwerden verdanken, auf dessen Grunde es hergestellt worden. Allerdings nun ist der Gedanke ja ganz richtig, daß die Gnade, gerechtfertigt zu sein, in ihrem Gefolge dies gehabt hat, daß unser Ver- hältniß zu Gott ein Friedensverhältniß geworden; wird dann aber in der zweiten Hälfte des Verses als eine Frucht wiederum dieses Friedensverhältnisses das bezeichnet, daß wir uns der Hoffnung zukünftiger Gottesherrlichkeit rühmen dürfen, so käme doch eine ziemlich verwirrte Gedankenfolge heraus, wenn der Apostel in dieser Reihenfolge geschrieben hätte: 1) erste Wirkung (Friedensverhältniß zu Gott), 2) Ursache (Gnade der RecbtfertigungL Z) weitere Wirkung (Herrlichkeits-Hoffnung). Hierzu kommt, daß, nachdem schon in V. 1 gesagt worden: ,,gerecht geworden durch den Glauben«, die Wiederholung: ,,im Glauben« doch sehr überflüssig wäre, wenn bei dem ,,Zugang zu dieser Gnade« auch wieder an das Gerechtwerden zu denken sein sollte; offenbar steht diese Wiederholung vielmehr in Beziehung zu »der Hoffnung« in der zweiten Hälfte des Verses, und so ist ohne Zweifel auch die ganze erste Hälfte nicht in Beziehung rückwärts zum vorigen Verse, sondern in Beziehung vorwärts zur nachsol- genden zweiten Hälfte zu setzen. Das treibt denn dazu, unter ,,dieser Gnade, darinnen wir stehen« mit Chrhsostomus und Theophhlaktus den Gnadenstand der Christen in seinem vollen Umfange zu verstehen, also von alle den Segensgaben und Heilsgüterxh welche die Christen im Reiche der Gnade hienieden, solange sie noch im Glauben wandeln, zu genießen haben (1. Cor- 1, 4ff.; Ephes 1, 3ff.); wir bekommen so in V. 1 u. 2 eine ähnliche Zusammenstellung heraus, wie wenn es in Kap. 14, 17 heißt: das Reich Gottes ist Gerechtigkeit und Friede (V. 1) und Freude in dem heiligen Geist (V. 2), letztere bestehend einestheils im seligen Genuß des schon vorhandenen Heils und anderntheils in der fröhlichen Erwartung der zukünf- tigen Herrlichkeit Freilich schreibt nun der Apostel hier nicht auch, wie er in Ephes 2, 18; s, 12 gethan und demgemäß Luther auch hier übersetzt hat: »durch welchen wir den Zugang haben«, sondern vielmehr ,,gehabt haben«; aber es kommt ihm an unsrer Stelle darauf an, die Erlangung des Zutritts zu dem Gnadenstande, in welchem die Christen sich befinden, in- sofern als einer abgeschlossenen Vergangenheit angehörig zu bezeichnen, als sie nun wirklich in der Gnade darinnen stehen, nicht etwa erst noch auf dem Wege dahin be- griffen sind, oder, wie sich auch sagen läßt, er will dem, was die Christen einst zu haben sich getrösten, das gegenüberstellem was sie hienieden schon gehabt. Indem Christus den Frieden n1it Gott gestiftet, heißt es in v. Gerlach’s Bibelwerk, hat er auch den freien Zugang zu ihm uns gewährt; wie nur diejenigen den- persönlichen Zutritt zu Königen haben, die in ihrer Gnade stehen, so hat Christi Versöhnung einen solchen Zutritt zu Gott uns zuwege gebracht, nachdem aber (mit der Vergebung unsrer Sünden) das Hinderniß weggefallen ist, steht die Fülle der göttlichen Gnaden- schätze zur Stillung jedes Bedürfnisses für das Erden- dasein uns offen. — TM) Das »und rühmen uns« enthält die zweite Steigerung; der Ausdruck ,,sich rühmen« bezeichnet die triumphirende Freude (Weish. 17, 7; Sir. 30, 2), die christliche Hoffnung aber als Gegenstand solcher Freude wird auch in Hebt. 3, 6 genannt, sie bezieht sich auf jene den Kindern Gottes bestimmte Verherrlichung von welcher Kap.8, 17 spricht. (Th»oluck.) Die Kirche hat diese beiden Stücke: sie ist eine Waise und ist doch eine Königin aller Dinge· Eine Waise ist sie; denn wiewohl sie große und ewige Güter hat, das Wort und Erkenntnis; Gottes, Vergebung der Sünden, Ge- rechtigkeih ewiges Leben, ja Gott selbst in ihr wohnend, der sie mit dem heil. Geiste regiert, so ist sie doch äußerlich dem Kreuz unterworfen. Denn die Gottloseu haben die Reiche dieser Welt, Reichthum, Wollust, die Herrlichkeit der Welt. Wiederum ist sie doch eine Königin aller Dinge, im Glauben und Hoffnung; denn ob sie schon in dieser Welt keine leibliche Hilfe hat, so hofft sie doch, wie eine Waise, Schutz von Gott, und weiß im festen Glauben, daß sie von den Tyrannen nicht kann vertilgt werden, nnd erlangt in vielen großen Fährlichkeiten herrliche Rettung. Ueberdies hat sie Trost ans der Hoffnung der zukünftigen Herrlichkeit. (Luther.) 3. Nicbt allein aber das snicht allein aber steht es so mit uns, daß wir eines zukünftigen Standes, und zwar eines solchen, der allerdings ein gar rühmlich er sein wird, unsrer einstigen Herrlichkeit uns rühmens sondern wir rühmen Uns auch sunsrer gegenwärtigen Lage, die den Kindern dieser Welt als eine gar traurige, schlim1ne, uns zu Schmach und Unehre ge- reichende erscheint, nämlich] der Tritbsale sdazu wir gefetzt sind 1. Thess Z, 3 f. und durch die, als ihrer viele, wir müsserpin das Reich Gottes gehen Apostg. 14, 22; Mattkx 5, 10. 12; Apostg. 41; 1- Petri 4, 12 f·]- dieweil wir Itheils aus den Unterweisungen der Schrift, theils aus dem Exempel anderer Gläubigen, theils auch schon aus eigener Erfahrung] wissen, daß Trübsal [nach Gottes Absicht und unter seinem Einfluß bei uns, wenn wir nur wider seine Schickung nicht murren, sondern demüthig und willig uns ihr untergeben 1. Petri 5, 6] Geduld [Standhaftigkeit, da man ,,vom Glauben sich nicht läßt trennen« Kap. Z, 7; 1.Thess.1, Z; Luk. 21,19; Hebr. 12, 2 u. Jak 1, 4 Anm.] bringet sals eine Frucht, die sie zeitigt]; 4. Geduld aber [wenn man durch die Trüb- sal sich darin üben lasset] bringet smit sich als eine weiter nun folgende Fruchts Erfahrung [d. i. Wir rühmen uns der Hoffnung zukünftiger Herrlichkeit, rühmen uns aber auch der Trübfale 41 Bewährung oder.Erprobtheit, den Stand eines solchen, der schon in mancherlei Proben sich als rechtfchaffen ausgewiesen hat, zu dem man daher auch m Betreff der Zukunft ein gutes Vertrauen haben kann Phil. 2, 22; 2. Cor. Z, 9]; Erfahrung aber fda man’s an sich selber erprobt hat: »in dem allen überwinden wir weit« Kap. 8, 371 bringet Hoffnung-«« fdie ihrer Sache sich so gewiß ist» als wäre die von der Zukunft zu erwartende Heilsvollendung schon sicht- und greifbare Gegen- wart 2. Tini. 4, 7 f.]. · 5.» Hoffnung aber fder zukünftigen Herrlich- keit, die Gott geben soll V. 2] laßt nicht zu Schanden werden» fbefchämt den nicht, der nach seinem christlichen Glauben sie i1i sich trägt, am wenigsten, wenn sie bei ihm schoii soweit im Kampf mit der Trübsal ausgeboren ist, wie eben gesagt wurde, daß er ihrer Verwirklichung nicht sollte theilhaftig werden«Ps. 119, 1·16; Sir. L, 11]; denn die Liebe Gottes fwomit er uns in Christo Jefu, seinem lieben Sohne, geliebt hat V. s; 8, II; Z. Cvv 13, 131 ist fwie ein, iiach Durchbrechnng des vorher bestandenen Dammes mit voller Macht sich ergießender Strom Jes.»4»8, 18] qusgegosscn in unser Herz durch den heiligen Geist, welcher fin der Christenheit als ein für jeden Einzelnen, der «da»gläubig geworden, zur Empfangnahme bereit]liegendes Gut] uns gegeben ist«» [Joh. 16, 7 . » i) Mitdervorhin erwähnten Aussicht auf die künf- tige Herrlnhkeit läßt der Apostel durch einen kühnen Contrast die Leiden der Gegenwart in Parallele treten, die eben so nothwendig aus der Glaubens-Gerechtigkeit hervorgehen, als der Friede mit Gott (2. Tini. Z, 12); es liegt iiämlich in dem Gläubige1i ein die Sünde in der» Welt strafendes und dadurch wider ihn erregendes Prinzip, dasmicht unentschieden bleiben läßt, sondern entweder anzieht oder abstößt, aber eben diese Leiden der Gegenwart find für den Christen abermals eine Veranlassung zum Ruhm, seine Hoffnung wird dadurch eine im Kampf ausgeborene Hoffnung, welche die Ge- wißheit der Erlangung der künftigen Herrlichkeit in sich selber hat. (Qlshausen.) Von dem Begriff des »sich rühmen« darf nichts abgediingen werden, wenn wir nicht zugleich der kräftigen Gesinnung des Apostels abbrechen wollen; nicht nur unerfchrocken, nicht nur guten Muthes ist er, sondern wirklich froh, hochauf- gerichteten Sinnes, ja, er rechnet’s sich zur Ehre, daß ihn Trübsal trifft, die ihm ein ficheres Unterpfand kunftiger Herrlichkeit ist. (Rückert.) Der siegesgewissen Hoffnung des Christen fcheint die Gegenwart zu spotten, wie denn jene ersten Christen von den Heiden den Spott über den Contraft ihrer traurigen Gegenwart mit ihrer uberschwänglichen Hoffnung zu tragen hatten; aber» der hohe Sinn des Apostels weist darauf hin, wie jene Herrlichkeit nicht ein von außen Zufallendes, sondern eine sittliche, in dieser Trübsal wurzelnde Ver- klarung sei, daher diese selbst als Mittel der Vollendung Gegenstand des Triumphs. (Tholuck.) Jm Gläubigen sind die entschiedensten Gegensätze harmonifch vereint: selige Hoffnung auf zukünftige Herrlichkeit und fröhlicher Dank für die Trübsale. Den Schmerz über die Trübsal und das mitunterlaufende Verzagen schließt solches Rühmen nicht aus, und rühmt sich der Gläubige der Trübsale nicht um ihrer selbst willen, sondern nur, insofern sie ihm die Hoffnung auf die zukünftige Herrlichkeit verstärken und verbürgen. —- Fcinge du an bei der ersten Stufe, demüthige dich unter die gewaltige Hand Gottes und ergieb deinen Willen in seinen Willen; fahre fort, nimm dein Kreuz herzhaft auf dich und bitte Gott, daß du es lieb ge- winnest als seinen Hausorden, womit er dich ehrt, und warte, ob er das Größte dir schenken will, daß du dich rühinst der Trübsale und deine Leiden und Lålsiiffeschtiingen um Christi willen für eitel Freude achtest. e er — H) Zwei verschiedene Ursacheii des Rühmens macht der Apostel an einem Christen namhaft, von denen die Hoffnung dessen, was seiner wartet, die eine, und das, was ihn jetzt Widriges betrifft, die andere ist: letzteres nämlich gedeiht ihm zum Guten, weil es ihn in der ausdauernden Standhaftigkeit übt, welche, wenn er durch sie die Drangsal besteht, ohne an seinein Christenstande Schadeii zu leiden, eine Be- währung in ihrem Gefolge hat, die daiin hinwieder als eine Erfahrung von der Siegesgewißheit des Christen feine Hoffnung auf das schließliche Erbe der Gottesherrlichkeit zu wahren nnd zu befestigen dient. (v. HofmannJ Bei den ,,Trübsalen« denkt der Apostel hauptsächlich an die Bedrängnisse, welche die Christen um ihres Glaubens willen im Conflikte mit der Welt zu erdulden haben; solche Leiden betrachtet er anderwärts auch unter dem Gesichtspunkte als preiswürdig, daß der Christ darin Mitgenosse des leidenden Heilaiides sei (Kap. 8, 17; 2. Cor. l, 5; Joh. 15, 18 f.), hier aber koninieii sie nach ihren Folgen in Betracht Die Gradation seiner Rede schließt sich ab im Begriffe der Hoffnung, welche der Apostel gleich anfangs als Ziel im Sinne hat; die ersten Glieder haben also ihren Zweck im letzten Die Hoffnung auf die Herrlichkeit des jenseitigen Lebens wird mit dem Akte der Rechtfertigung eröffnet; aber sie kann nur fortbestehen, wenn sich der Mensch im Stande der Gnade erhält, also den Glauben und das Glaubens- leben bewahrt und darin eine unerschütterliche Feftig- keit erlangt, dazu aber dienen ihn: eben die Leiden. Was Luther init ,,Geduld« übersetzt, ist hier nicht fo- wohl Geduld, das gelassene Ertragen der Wider- wärtigkeiten, denn der Zusammenhang führt nicht auf das Verhalten in Ansehung der Leiden, sondern auf die Wirkung derselben riickfichtlich des Glaubens und des Glaubenslebens iin Allgemeinen; es ist also viel- mehr die Ausdauer, standhafte Beharrlichkeit im Glauben und in der Liebe gemeint, der Sinn ist aber« nicht, daß jedes Leiden Gelegenheit gebe, während der Dauer desselben Standhaftigkeit zu erweisen, sondern die Standhaftigkeit ist als bleibender Seelenzustand gedacht, in welchen der Christ durch gegenwärtige Leiden verfetzt wird und der nun auch für künftige Bedrängnisfe bereit steht. Solche standhafte Beharr- lichkeit hat nun zur Folge die Bewährung oder Erprobtheih d. i. denjenigen Herzenszustand, der, durch Prüfungen hindurchgegangem mehr und mehr die Möglichkeit je wieder eintretender Untreue ausschließt (Maier.) Nicht blos die leidsame Stille und Gelassen- heit ist in dem Worte ,.Geduld« enthalten, sondern vor- nehmlich die tapfere Standhaftigkeit, welche dem Druck. der Trübfale mit dem Gegendrucke des Glaubens be- gegnet, und« eben dadurch, daß die Trübsal den Glau- ben, wo er ist, unter die Waffen ruft, auf’s Wort merken lehrt, zum Gebete und Anklammern an Gott allein treibt (Ps. 62), wirkt sie Geduld, und ist eine Gehilfin unserer Seligkeit, die uns übt im Beharren 42 Römer s, 6—1o. bis an’s Ende. (Besser.) ,,Erfahrung« ist, wenn Einer wohl versucht ist und kann davon reden als einer, der dabei gewesen. (Luther.) Diese Erfahrung ist eine Wirkung nicht sowohl der Trübsal, als der Geduld in der Trübsal. Wir können es mit dem Golde erläutern U. Petri 1, 7): das Feuer ist gleichsam die Trübsal des Goldes; wenn man nun das Gold in’s Feuer setzt, so wird es dadurch noch nicht bewährt. Aber wenn man das Gold so lange im Feuer stehen und aushalten läßt, bis die Schlacken fich davon absondern und die feinsten Partikelchen des Goldes in einen Klumpen zusammenfließen, alsdann wird das Gold bewähret, oder alsdann erlangt man eine Erfahrung von der Vortrefflichkeit des Goldes, daß es gut sei. Also bringt das Feuer der Trübsal an fich selbst noch nicht Erfahrung hervor, sondern wenn man durch Geduld so lange in dem Feuer der Verfuchung verharret, bis die Schlacken abgeschmolzen sind. Man erlangt eine Erfahrung 1) der Welt und weltlicher Dinge, wie eitel und vergänglich sie sind (Ps. 39, S. 12); Z) von der Wahrheit, Allmacht, Weisheit und Gütigkeit Gottes (Ps. 34, 7. 9); Z) seiner selbst, indem man so- wohl seine menschliche Schwachheit, als seinen von Gott empfangenen Glauben und dessen Beständigkeit besser kennen lernt. Diesem allem scheint entgegen zu sein das Wort in Jak. 1, Z; allein wie man das Gold nicht nur durch’s Feuer, sondern auch durch den Pro- birstein erforschen kann, so kann auch der Glaube nicht nur durch Trübsale, sondern auch durch sorgfältige Untersuchung, ob er die gehörigen Kennzeichen habe, erforscht werden: 2. Cor. 13, s. 5. (Starke.) »Er- fahrung bringetHoffnung«: gleichwie ein jeder Gerecht- fertigter die Herrlichkeit Gottes hoffen darf, weil sie ihm in der Rechtfertigung zugesagt worden, also kann und darf sie der Erfahrene, Bewährte noch gewisser hoffen, wenn er durch gnädige Läuterungen zur Em- pfehlung derselben mehr, als er zuerst war, tüchtig gemacht worden (2. Tini. 4, 7 f.); und diese seine Hoff- nung beschämt nicht oder ,,läßt ihn nicht zu Schanden werden«, weil er nun als ein Geläuterter nahe bei dem Ziele derselben ist. (Roos.) Also wirkt das Kreuz bei denen, die es dulden und die bewährt werden bis an’s Ende, eine stete, feste, vollkommene Hoffnung; in denen aber, die es nicht dulden, sondern untüchtig erfunden werden, wirkt es von Stund an schier eine Verzweiflung, die fich auch nicht bergen kann. Jm Leben des Kreuzes lernt der Menfch, daß außer Gott lauter nichts sei, darin man fich freuen soll, hoffen und rühmen; denn wenn Trübsal alles von uns nimmt, so läßt sie uns doch ja allein Gott, denn sie kann uns Gott nicht wegnehmen, ja, sie führt Gott herzu. Wenn aber alles hinweggenommen ist, auch die guten Werke und Verdienste, und wir bleiben hier stehen und harren aus, so finden wir Gott, auf wel- chen wir allein trauen; da geht es denn an, daß wir selig sind in der Hoffnung. (Luther.) ist) Der Grund, warum die Hoffnung nicht zu Schanden werden läßt, liegt indeß nicht in jener Stufenfolge von Gnadenwirku1igen in dem Menschen, von welchen vorhin die Rede war, sondern in der Liebe Gottes; unter dieser ist aber hier nicht unsre Liebe zu Gott, vielmehr Gottes Liebe zu uns zu ver- stehen, wie dies klar aus dem Folgenden erhellt, wo die Größe und Macht derselben durch das Geschenk des Sohnes an die Unwürdigen erwiesen wird. Jn- dem der sündige Menfch im Glauben die Gnade Gottes in Christo annimmt, ergießt Gottes Liebe fich wie ein voller Strom in sein Herz; während bis dahin die Sünde ihn und Gott von einander schied, ist dieser Damm nun durchbrochen (v. Gerlach.) Der Aus- druck ,,ausgießen« wird sonst von der Mittheilung des heil. Geistes gebraucht (Apostg. 2, 33; 10, 45; Tit. Z, 6); es liegt dabei die Vergleichung des Geistes mit Wasser zu Grunde (Joh. 7, 38 f.), und es verbindet fich zugleich« damit die Vorstellung von einer Fülle der Mittheilung. Hier nun ist der Ausdruck von der Liebe Gottes gebraucht, aber mit Beziehung auf den Geist, in welchem fich die Liebe Gottes substanziell dem Menschen nähert oder in sein Jnneres eingeht und welcher zugleich das Gefühl und Bewußtsein von dieser Liebe in ihm erregt. (Maier.) Der Zusatz: ,,welcher uns gegeben ist« ist nichtpleonastisch neben dem »aus- gegossen«, vielmehr verhalten fich beide Bezeichnungen so zu einander: geschenkt ist der Geist beim Pfingst- feste ein für alle Mal der Menschheit im Ganzen; aber damit ist er noch nicht in jedes einzelne Herz ans- gegossen, dazu bedarf es vielmehr erst der persön- lichen Aneignung des Werkes Christi im Glauben. (Olshausen.) Von seinen Trübsalen aus, will der Apostel sagen, treibt es den Christen immer wieder zur Hoffnung der zukünftigen Herrlichkeit, die Gott geben soll, weil er weiß, daß Gottes Verhalten gegen ihn eben doch wesentlich Liebe ist; so gewiß es ihm ist, daß Gott ihn nur liebt als einen der Sünde Ent- ledigte1i, so gewiß ist es ihm auch, daß Gott es nicht dabei lassen kann, seine Liebe ihm in der Form des Uebels, welches Folge der Sünde nnd insofern Er- scheinung des Zornes Gottes ist, zu erzeigen, sondern daß er endlich den Christen, und somit auch alle Er- zeigung seiner Liebe gegen ihn, aller Bedingtheit durch das Uebel vollständig entnehmen wird. (Schott.) Der Gedanke, den der Apostel in V. 1—5 durchgesiihrt hat, ist mithin folgender: der im Glauben Gerechtfertigte hat nichts mehr von Gottes Zorn zu fürchten, da der- selbe durch Jesum Christum aufgehoben ist, vielmehr (wie er schon jetzt in einem Stande der Gnade fich befindet, wo er alles Gute von Gott empfängt, so) hat er »sauch) die Hoffnung zukünftiger Herrlichkeitz selbst Trubsale können ihn! diese Hoffnung nicht rauben, sondern sie nur steigern und befestigen, denn er ist der Liebe Gottes gegen fich im heil. Geist versichert, so daß also auch die Trübsale ihm nicht etwa als eine Offenbarung des göttlichen Zornes erscheinen und da- durch seine Hoffnung wankend machen können. (Daran fchließt fich denn das Weitere an:) Der Gott, der aus Liebe zu den Sündern seinen Sohn zur Versöhnung gesendet, wird den Begnadigten und durch Trübsale im Glauben Vewährten desto gewisser die Seligkeit ertheilen (Philip«pi.) · · » « 6. sUnd wie hat doch diese Liebe, die im jetzigen Friedens- und Gnadensta1ide in unser Herz ausgegossen ist durch den heil. Geist, daß wir sie fühlen und erkennen und mit Gegenliebe zu dem, der uns zuerst geliebt hat, erfüllt sind 1.Joh.4,’19., schon vordem, als es noch so ganz anders mit uns stund, uns umfangen und unaus- denkbar Großes an uns gethanls Denn auch Christus sin dem die Liebe des Vaters ihre Ab- sichten verwirklicht hat und der als der Sohn des Vaters mit ihm die gleiche Liebe gegen uns in fich trägt], da wir san unserm Theile] noch fchwach waren nach der Zeit sin der damals alle Welt fich befand und die allgemein noch eine Zeit der lxnwjssenheit war Luk. 23, 34; Apostg. 17, 30], ist sur« uns Gottlose [Kap. 4, Z] gestorbenk 7. Nun stirbt soon uns übrigen Menschen] Das Größeste hat Gott vorhin an uns gethan, da wir noch schwach und seine Feinde waren. 43 kaum jemand um des Rechtes willen sdas an einem Andern in schlimmer Weise verletzt er siehet und zu dessen Vertheidigung er nun mit seinem eigenen Leben einzustehen sich getrieben fühlt]; Um etwas Gutes willen sdas er an dem Andern wahrge- nommen und darum ihn liebt und werthschätzh oder das er von ihm empfangen hat und so sich ihm als seinem Wohlthäter verpflichtet fühlt] dürfte« vielleicht jemand sterben [wagte oder gewönne er’s vielleicht über sich, für ihn sein Leben zu lassen Joh.15,13 —- in diesem zweiten Falle fällt ihm das Sterben für einen Andern wenigstens nicht so schwer, wie in jenem ersten, wenn auch immerhin noch schwer genug]; 8. Darum sweil sie gar weit über das, was menschliche Liebe zu leisten vermag, wenn es sich um’s Sterben für Andere handelt] preisei Gott sin dem Evangelio, das er uns verkündigen läßt] feine ssrei und ohne irgend welche Würdigkeit von unsrer Seite sich bethätigende] Liebe gegen Uns sderen Größe darinnen steht], daß Christus für uns gestorben ist, da wir noch Sünder salso das gerade Gegentheil von Gerechten und damit zu- gleich Gottes Feinde V. l0] warenAt 9. So werden wir sum hier wieder auf den Satz in V. 5 zurückzukommen, daß die Hoffnung, deren wir uns rühmen, nicht läßt zu Schanden werden] je sPred. 4, 8 Anm. Z] vielmehr durch ihn [unsern, nun zum Himmel erhöheten HErrn] behalten werden vor dem Zorn sder im Endgericht zum Austrag kommt 1. Thess 1, 10], Ilachdetn wir sbei unsrer Bekehrung zu ihm] dnrch sein Blut gerecht svon der Schuld unsrer, den Zorn Gottes hervorrufenden Sünde losgesprochen] worden sinds [Joh. 5, 24]. 10. [Dessen dürfen wir denn mit um so größerer Zuversicht uns versichert halten, je weniger Schwierigkeit, so zu sagen, diese schließliche Er- rettung im Vergleich mit derjenigen, welche er schon gegenwärtig uns hat zu Theil werden lassen, ihm bereitet] Denn so wir Gott- versöhnet sind durch den Tod seines Sohnes, da wir noch Feinde waren swo er also, um in das V. 1 erwähnte Friedensverhältniß uns zu versehen, einestheils sein Höchstes und Liebstes, seinen einigen Sohn, zum Opfer geben mußte, und anderntheils denselben für Feinde Col. 1, 21 f. in den Tod dahin geben mußte], viel mehr sso läßt sich leicht begreifen] werden wir selig werden durch sein sdes jetzt verherrlichten Christus] Leben, fo wir nun versbhnet sund in den V. 2 erwähnten Gnaden- stand versetzt] sind H— sindem es zu diesem unserm Seligwerden einestheils nur einer Bethätigung des eigenen Herrlichkeitslebens des HCrrn bedarf, und and erntheils nur einer Vollendung oder vollständigen Auswirkung dessen, was bereits mit uns seinen Anfang genommen] i) Jm Grundtext findet sich hier eine Yeenge ver- schiedener Lesarten, aus denen denn von den jetzigen Auslegern der eine diese, der andere jene als die rich- tige hinstellt, je nachdem seine Auffassung der Stelle die eine oder die andere ihm an die Hand giebt; wir können uns aber auf eine nähere Erörterung des Sachverhältnisses nicht erst einlassen, sondern halten uns sofort an Luther’s Uebersetzung, bei welcher das Anfangswort des Verses ein xocl wäre und das s» erst hinter dieser-Zi- folgt, und werden auf diesem Wege wohl am besten zu einem Verständniß der Mei- nung des Apostels gelangen. Schon in Kap. 4,5 hat er nämlich darauf hingewiesen, daß der rechtfertigende Glaube ein Glaube ist an Den, der die Gottlosen gerecht machtz wo nun dieser Glaube in lauterer, un- geheuchelter Weise in einem Herzen Raum gewinnt, da ergießt sich der heil. Geist in selbiges Herz und nimmt die Liebe Gottes von ihm Besitz. Nun ist es aber Christus mit seinem Opfertode, durch den Gott eine solche Gerechtmachung der Gottlosen möglich ge- worden; wie daher Paulus schon in V. 1 u. 2 des Mittleramtes Christi bei Herstellung des Friedensver- hältnisses mit Gott und Eröfsnung des Zugangs zu seiner Gnade gedacht hat, so fühlt er sich bewogen, hier nicht mehr blos gelegentlich, sondern ausdrücklich der Liebesthat Jesu Christi zu gedenken, weil diese ja für die Liebe Gottes, damit sie sich in Strömen in unser Herz ergießen könnte, erst den Damm durch- brechen mußte. Das hat er denn gethan, indem er »für uns Gottlose gestorben is « zu einer Zeit, wo wir ,,noch schwach«, d. i. der wiedergebärenden Kraft des heil. Geistes noch baar und ledig waren, die nun- mehr, seit das alles, was in V. 1-—5 genannt wurde, bei uns zu Stand und Wesen gebracht ist, an uns wirkt und uns zu einer Gemeinde macht, die da herr- lich sei, die nicht habe einen Flecken oder Runzel oder deß etwas, sondern dazu berufen, daß sie heilig sei und unsträflicls Im Vergleich mit der Liebe Gottes, die jetzt uns Christgläubigen beiwohnt und sich an uns verherrlichh erscheint noch größer und wunder- barer die Liebe Christi, womit derselbe für uns Gott- lose gestorben ist: das scheint der Apostel sagen und damit diese Liebe Gottes in Christo noch über die Liebe Gottes im heil. Geist setzen zu wollen; denn jetzt hat doch Gottes Liebe solche Leute an uns, in die er seinen Geist hat ergießen können und die ihn nun wieder zu lieben und in seinen Geboten zu wan- deln vermögen (Hes. 36, 26 f.), während die, für welche Christus starb, steinernen und gottlosen Herzens waren. Vielleicht gedenkt Paulus dabei speziell auch an seine eigene Person, daß er, wie hernachmalsan Stephani (Apostg. 8, 1), so wohl auch an Christi Tode schon sein Wohlgefallen gehabt hatte (Mark. 14,11; Luli 14, 11 Anm.); doch hatte er’s unwissend, im Un- glauben gethan (l. Tim. 1, 13), es hat also der hier gebranchte Ausdruck: ,,da wir noch schwach waren« seine volle Berechtigung, und auch das beigefügte ,,nach der Zeit« findet so eine nahe liegende Erklärung und giebt keineswegs, wie manche Ausleger behaupten, eine unpassende Entschuldigung ab. Die eine von den beiden Näherbestimmungen zu dem Satzex ,,Christus ist für uns gestorbeu«, sagt v. Hofmann, nämlrch das: ,,da wir noch schwach waren-«, zielt auf die1en1gen, welche jetzt Glieder der Gemeinde und als solche zur Liebe Gottes befähigt sind (Gal. Z, 20), während sie da- mals des heil. Geistes und damit des Vermögens, Gott r zu lieben, ermangelten; die andere, das ,,Gottlose—«, zielt auf die Beschaffenheit der Welt, für welche Christus gestorben ist, im Gegensatz zu der Gemeinde des heil. Geistes, welche jetzt aus ihr geboren ist. 44 Römer 5, 10. H) Im Grundtext steht roh-»Er, andere, wagen. Wir haben hier ein leuchtendes Beispiel über die Ver- derbniß und Verdunklung der Begriffe, welche in unsere deutsche Sprache und insbesondere durch die Unwissenheit und Unklarheit der Herausgeber in unsere edle lutherische Bibelüberfetznng eingedrungen ist. Luther fchrieb hier: um etwas Gutes willen thürste vielleicht jemand sterben; das schöne Wort ,,thürste« verstand man nicht mehr, also schrieb man schon bald nach Luther flugs: dürfte, was sowohl nach seiner Wurzel, als nach seiner Bedeutung ein ganz anderes Wort ist. —- Die ältere Sprache hatte zwei gleichartige Verben, die jetzt unrichtiger Weise in dürfen zusam- menfalletn I) gotlh tha1irban, (Präs. er thar-f, Pl· wir thaürbaiy Prüf. er thaiirftal uhd. darf-in, mhd. U. nhd. dürfen (ursp. Noth leiden, haben, dann mhd. auch schon) nöthig haben, egere (daher bedürfen); ferner: Freiheit wozu haben — eine moralifche Mög- lichkeit, eine Erlaubniß wozu ausdrückend; erst in nhd. Zeit nahm es auch die Bedeutung von: sich unterstehen, wagen an, wofür mhd. turren steht; bei Luther so nur in 1. Mof. 44, 15: »Wie habt ihr das thun dürfen ?« — Z) ahd. irrt-rein, mhd. durren (Präs. ich tax, wir durren, Prät ich torsie), gewöhnlicher: getnrren, bei Luther und seinen Zeitgenossen: thüren, turren, durren und ge- tiirren, nhd. düren in obiger Bedeutung, die mit der von dürfen nichts gemein hat. Neuere Bibelausgaben haben dennoch das alte thiiren fast überall durch ,,dür- sen« verdrängt. Die revidirte Stuttgarter Ausgabe hat es dagegen in einigen wenigen Stellen beibehalten 1. Maee. 5, 40: »wenn Judas an den Bach kommt und so muthig ist, daß er hinüberziehen than-«; V. 41: »wenn er sich aber fürchtet und thar nicht über den Bach herüber« So auch in 1.Maee.11,65; 2. M. 14, 29; 1. Mos 43, 32; Z. M. 26, 37; Jos. 10, 21; 1. Sam- 15, 17; Z. S. 17, 17; Esth. 1, 19; 7, 5; Hiob 9, 21; 10, 15; 41, 4 und in vielen anderen Stellen, wo überall von unserem ,,dürfen« nicht die Rede ist, sondern thijren steht. Wie leicht wird man folgendeStellen mißverstehenz Matth 22, 46: »und thurst (jetzt: durfte) niemand ihn fragen«; l. Cor. 6, I: ,,wie thar jemand haddern?« 2. Cor. 10, 12: »wir thüren uns nicht unter die rech- nen«; Juda I: ,,Michael aber der Erzengel thurste das Urtheil der Lästerung nicht fällen«. Das Wort kamen, wagen, sich erkühnen, unterstehen, erlosch in der 1. Hälfte des 17. Jahrh. (Jütting.) TM) Nach dem Vorgange von Hieronymus und Gras- mus nimmt Luther, wenn er überfetzt: ,,um des Rech- tes willen« — ,,um etwas Gutes willen« die betr. Worte des Grulidtextes Mater) Braula» — Jszsrån 1705 cis-»Was) im sächlichen Sinne; geht nun gleich gräm- matifch das nicht wohl an, so irrt er doch in Be- ziehung auf das Verständnis; des Wortinnes nicht soweit vom rechten Wege ab, daß man eine Ueber- setzung geradezu verwerfen müßte. Allerdings zwar scheint bei dem ersten Gliede: ,,um des Rechtes willen« eine salsche Ansicht zu Grunde liegen, indem dabei nach Melanchthoms Erklärung an solche gedacht wird, die von Rechtswegen zum Tode verurtheilt sind oder nach Pflicht und Beruf sich dem Tode aussetzen müssen, aber nur mit Widerstreben demselben sich unterwerfen; beim zweiten Gliede dagegen giebt Luther den Worten die ganz richtige Deutung: ,,um des Guten oder um einer guten Sache willen möchte noch eher ein Mensch sterben, z. B. ein Vater für den Sohn, eine Mutter für die Tochter, ein Bürger für sein Vaterland, wie man von den Heiden findet; aber da hat man nie keinen funden, der da gestorben wäre für seinen Feind — das kann die Natur nicht. Die Welt sagt das Widerfpieb es kann keiner seines Feindes schonen; wer seinen Feind spare, der baue sich selbst das Unglück-« Wir haben hiernach den Wortlaut unsrer deutschen Bibel oben stehen lassen und ihm in der Erklärung nur eine Wendung gegeben, die dem richtigen Ver- ftändniß Raum bietet. Indessen dürfte es denn doch räthlicher sein, die sächliche Auffassung ganz fallen zu lassen und die persönliche ohne Weiteres in den Text zu bringen, da es in diesem ganzen Zusammen- hange sich überhaupt nur um Personen handelt; des- halb schreibt auch die revidirte Ausgabe des neuen Testaments, deren wir schon öfter gedacht haben: »Nun stirbt kaum jemand um eines Gerechten willen; um des Guten willen dürfte vielleicht jemand sterben«, wie denn gegenwärtig fast allgemein (nur v. Hofmann läßt im zweiten Gliede das ,,um des Guten willen« im sächlichen Sinne bestehen) die Stelle so übersetzt wird. Ueber das erste nun: ,,um eines Gerechten willen stirbt kaum jemand« besteht hinsicht- lich der Meinung des Apostels so ziemliche Ueberein- stimmung unter den Auslegeriu über das andere hin- gegen: ,,um des Guten willen dürfte vielleicht jemand sterben« gehen sie insofern auseinander, als die einen bei diesem ,,Guten« an einen guten, liebreichen Men- schenfreund überhaupt denken, der die Herzen seiner Mitbürger sich zugewendet hat (Matth. 20, 15), die andern an einen solchen, der speziell demjenigen, der für ihn zu sterben sich entschließt, zu einem Gut- oder Wohlthäter geworden ist. Letzterer Auffassung gemäß umschreibt das v. Gerlaeh’sche Vibelwerk die Stelle so: »Für einen Gerechten, dem er nicht persönlich ver- pflichtet ist, wird nicht leicht jemand sterben; für einen Gütigen, dem er Wohlthaten verdankt, gewinnt es wohl noch jemand über sich zu sterben« Wir müssen jedoch die Zulässigkeit einer solchen Beschränkung des Be- griffs des»Guten« auf den eines ,,Wohlthäters« bestreiten: solche Fälle, deren Luther gedenkt, wenn ein Vater für den Sohn 2e., ein Bürger für das Vaterland stirbt, zeigen, daß nicht dankbare Liebe allein es ist, die dazu treiben kann, für den Andern zu sterben, sondern gleichwie bei dem Gerechten, für den man kaum zu sterben sichentschließt, der Grund für dieses ,,kaum« darin liegt, daß die Rechtschaffenheit eines Mannes für sich allein noch nicht stark genug ist, um den Auf- opferungstrieb für ihn in einem Andern zu erwecken, indem das bloße Recht immer noch etwas Kaltes an sich hat und nicht recht das Vermögen besitzt, eine brennende Liebe Anderer für sich zu entzünden, wenn man es auch achtet und ehrt und seinen Untergang beklagt und sich darüber entrüstet, so liegt andrerseits bei dem Guten, für den, um ihn zu retten, man ,,vielleicht« es auf sich nimmt mit dem eigenen Leben einzutreten, die Macht zur Erweckung solchen Ent- schlusses bei dem sich selber Opfernden in der Macht der Liebe, die dieser zu jenem hat; nnd da kommt es nicht sowohl darauf an, daß der Gute es an nnd für sich und für alle Andern, sondern daß er es in der einen oder andern Weise für den ist, der sich für ihn zu opfern wagt. Jn welcher Weise nun, so scheint uns der Gedanke zu sein, den der Apostel zum Ausdruck bringen will, hätten wir Gott für Gute gelten können, daß Christus, sein Sohn, sich hätte entschließen dürfen, mit seinem Leben für uns einzutreten? wir waren ja so wenig Gerechte, deren Sache er allenfalls zu der seinen hätte machen können, daß wir im Gegentheil Gottlofe waren; und darin lag für ihn vielmehr eine abstoßende, als eine anziehende Macht, vielmehr etwas, das ihn zum Zorn reizte und das Verderben von ihm, dem Allmächtigem gegen uns herausforderte, als etwas, das die Lust in ihm hätte hervorrufen können, uns mit Hingabe des eigenen Lebens vom Ein minder Großes ist’s für ihn, uns nun, seine Freunde, zur Herrlichkeit zu führen. 45 Verderben zu erretten. Hier stehen wir, sagt Besser, am Ende alles Begreifens: Antrieb und Ursach dieser Gottesliebe liegt nirgend a u ß er ihr, in den G elieb t e n, sondern einzig in ihr, der Liebe, selbst, und wir können nichts, als ihren Preis nachlallen, den das Evangelium uns vorspricht, bis wir im höheren Chor sie würdig preisen werden. Unzweifelhaft aber, so haben wir hier, wo uns am Schluß von V. 8 wieder der nämliche Ausdruck in Betreff des Sterbens Christi begegnet, den wir schon am Schluß von V. 6 lasen, uns noch zu Vergegenwärtigen, ist das »für« (,,für uns, für uns Gottlose gestorben«) gleichbedeutend mit ,,anstatt«, da soeben V. 7 von lauter solchen Fällen redete, wo Einer hätte sterben müssen, ein Anderer aber für ihn eintritt; überhaupt kann ohne klare Einsicht in die Lehre des Apostels von der stellver- tretenden Genugthuung des Opfertodes Christi unsere ganze Stelle nicht verstanden werden. Der Streit, ob Christi Leiden und Sterben ein stellvertretendes ge- wesen, ist nichts weniger als ein Wortstreit, sondern geht sehr tief und läßt sich nur auf alttestamentlichem Gebiet bei der Lehre vom Opfer entscheiden; wir halten es aber für ausgemacht, daß das stellvertretende Mo- ment beim Opfer ein so wesentliches ist, daß durch seine Hinwegnahme das Wesen des Sühnopfers selbst zerstört wird. Aus der rechten Lehre vom Opfer geht denn hervor, daß überhaupt überall, wo im neuen Testament gesagt wird, Christus sei für uns gestorben, in dem Wörtchen »für« stets ein ,,anstatt«mitenthalten ist. Man kann für jemand und doch nicht anstatt jemandes sterben, indem der Tod, den ich zu jemandes Vortheil übernehme, um ihm Gutes zu verschaffen oder Böses von ihm abzuwenden, nicht immer bedingt, daß er hätte sterben müssen, wenn ich nicht gestorben wäre; doch wird dies allerdings meistens der Fall sein, und bei Christo war es der Fall, insofern sein Tod, wie wir aus dem alten Testament wissen, ein stellver- tretender Opfertod war. Es soll also auch hier, wie in Kap. 8, 32; 14, 15; l. Cor. J, is; 2. C. 5, 14; Ephes. 5, 2; 1. Thess. 5, 10; 1. Tim. 2, 6 die für- sorgende Liebe des stellvertretenden Opfertodes Christi ausgedrückt werden. — Zum Schluß wollen wir nun aber auch an dem nicht vorübergehen, was Dr. Luther aus den in Rede stehenden Worten für die Praxis des christlicheu Lebens an trostreichen Gedanken herleitet. So gedenke nun, schreibt er, und rüste dich mit Fleiß, aus daß du allezeit geschickt seist, auch wenn du in höchsten Nöthen nnd Gefahr mit dem Tode kämpfen mußt, wenn dein Gewissen der begangenen Sünde ein- gedenk wird und erschrickt, und der Satan mit großer ålltacht dir unter Augen geht und gedenkt dich« mit der großen Last deiner Sünden gleich als mit einer Sünd- fluth zu überfallen, von Christo abzuschrecken und zu verjagen und endlich in Verzweiflung zu bringen; als- dann gedenke, sage ich, daß du mit muthigem Herzen und starkem Glauben sagen könnest: Christus, Gottes Sohn, ist gegeben, 11icht für der Heiligen Gerechtigkeit, sondern für der armen Sünder Ungerechtigkeit. Warum willst du mich denn so verkehrter Weise zum Heiligen machen, du heilloser Satan, und eitel Gerechtigkeit von mir fordern, der ich doch gar nichts, denn nur eitel Sünde habe, und nicht erdichtete, sondern rechte, wahr- haftige, nicht leichte und geringe, sondern recht große, grobe und überaus schwere Sünden. Darum ist alle Kraft und Macht der Seligkeit daran gelegen, daß diese Worte »der für uns Gottlose gestorben ist« für ernste und wahrhaftige Worte gehalten werden. ich sage solches fürwahr nicht vergeblich; denn ich habe es oftmals selbst erfahren, und erfahre es noch täglich je länger je mehr, wie über die Maßen es schwer ist Und ; i zu glauben, sonderlich wenn das elende Gewissen feine Noth und Schweißbad hat, daß Christus gegeben sei, nicht für die, so da heilig, gerecht, würdig und seine Freunde sind, sondern für die Gottlosen, Sünder, Un- würdigen und für die, so seine Feinde sind, die da verdienet haben Gottes Zorn, den ewigen Tod und Verdammniß. f) Die. Schlußfolgerutlg geht a Inajori ad. minus (von dem Größeren auf das Geringe); denn Größeres ist es, als Sünder versöhnt zu werden (V. 6—8), denn als Gerechtfertigte vor dem Zorn bewahrt zu bleiben. Daß aber hier die Rechtfertigung ohne besondere Her- vorhebung des vermittelnden Glaubens (V. l) als in dem Versöhnungsblute ruhend dargestellt wird, be- weist, wie schon früher bemerkt, daß der Glaube im Akte der Rechtfertigung nur als das, die in sich vollkom- mene Gerechtigkeit Christi ergreifende Organ, nicht als eine dieselbe vervollständigende oder ergänzende, in sich werthvolle und Gott wohlgefällig machende Gemüths- beschaffenheit betrachtet wird. Der Glaube hat im Akte der Rechtfertigung nur seinen Werth durch das Blut Christi, welches er umfaßt, und durch die Gnade Gottes, auf welche er sich stützt; nur die Recht- fertigungslehre der protestantischen Kirche vermag aus der Gnade Gottes, dem Blute Christi und dem Glauben des Sünders, diesen bei der Recht- fertigung zusammenwirkenden Momenten, einen har- monischen Dreiklang zu bilden, nach jeder andern Combination treten sie in fchreiendeDissonanz(Philippi.) H) Mittelst des Todes seines Sohnes, wie Christus jetzt genannt wird, um hervorzuheben, was es sich Gott hat kosten lassen, hat er ein Verhältniß zu ihm be- schafft, wo wir ihn nicht mehr wider uns haben; da ist denn allerdings viel mehr zu erwarten, daß wir, nachdem unser Verhältniß zu Gott auf diese Weise aus einem feindlichen ein freundliches geworden ist, kraft des Lebens des für uns in den Tod Gegebenen werden errettet werden, bedarf es doch, damit uns die Errettung zu Theil werde, um die es sich jetzt allein noch handelt, nur einer Vethätigung des Lebens, in welchem der zum Zweck unsrer Versöhnung mit Gott gestorbene Sohn Gottes steht. Es handelt sich näm- lich um unsre Errettung vor dem Zorne, welcher über die Welt ergehen wird, wenn der Tag ihres Gerichts vorhanden ist; der aber kann uns nicht gelten, nach- dem wir, wie V. 9 besagte, kraft des Blutes Christi gerecht geworden sind. (v. Hofmann.) Kein Zorn mehr, lauter Liebe, kein Fluch mehr, lauter Segen, kein Tod mehr, lauter Leben, ist in Christo unser Theil. i Daß nun, nachdem Christus sein Reich angefangen hat, im Grunde der Wahrheit keine Sünde, kein Tod, kein Fluch mehr sei, bekennen wir täglich in unserem Glauben, da wir sagen: ,,Jch glaube an eine heilige, christliche Kirche«; das nichts Anderes ist, als sagten wir: Wir glauben, daß in der Kirche gar keine Sünde noch Tod sei: denn die, so an Christum glauben, sind nicht Sünder noch des Todes schuldig, sondern sind schlechthin heilig, gerecht, Herren über die Sünde, die da in Ewigkeit werden leben. Aber solches sieht und erkennt allein der Glaube, denn wir sagen: ,,Jch glaube eine heilige Kirche.« Wo du deine Vernunft allhier Raths fragst und nach deinen Augen richten willst, wirst du gar viel anders reden. Denn du siehst auch an den Gottseligen noch viel und mancherlei, das dich ärgert, nämlich, daß sie bisweilen fallen, sündigen, schwach werden im Glauben u. s. w. Darum, höre ich wohl, die Kirche ist nicht heilig? Nicht also, das folgt nicht daraus: wo ich meine eigene oder meines Nächsten Person ansehen will, so ist’s wohl wahr, daß sie nimmer wird heilig sein; wo ich aber Christum ansehe, 46 Römer 5, 11—14. welcher die Kirche mit seinem theuern Blute Gott dem Vater versöhnt und sie von Sünder: gereinigt hat, so ist sie allerdings ganz und gar heilig, wo sie anders an ihrem Bräutigam hält, seinem Worte glaubt und bekennt, und um Hilfe und Erlösung von Sünden und allem Unglück zu ihm schreit. (Luther.) 11. Nicht allein aber das ldaß wir, wie oben ausgeführt wurde, allen guten Grund haben, der zukünftigen Herrlichkeit uns zu rühmen V. 2]; sondern wir rühmen uns auch sum, wie vorhin V. 9 aus den Satz in V. 5., so jetzt auf das in V. so« Gesagte zurückzugreifetd Gottes sals eines solchen, der unser sei und wir sind sein, rühmen uns dessen in alle den Trübsalen, die uns gegen- wärtig betreffen, und zwar thun wir das nicht in der Weise der auf das Gefetz sich steifenden Juden Kap- 2, 17., sondern] durch unsern HErrn Jesum Christ, durch welchen wir nu»n sseit wir seine Gläubigen geworden] die Versöhnung em- pfangen haben sund in derselbigen uns wohl be- wußt sind, daß unsre Trübsale, statt Erweisungen seines Zornes zu sein, vielmehr heilsame Züch- tigungen seiner väterlichen Liebe sind Hebr. 12, 5 ff.]. In V. 9 sagte der Apostel: ist Gottes Liebe uns, den Sündern, so zu Theil geworden, daß Christus für uns starb, so wird doch vielmehr, nachdem die beab- sichtigte Wirkung des Todes Christi, die Rechtfertigung, an uns geschehen ist, die schließliche Vollendung unsers Heilsstandes uns durch Christum gewiß sein. Und dies ist um so gewisser, so fuhr er in VHIO fort, weil ja das Mittel, dessen es zur Heilsvollendung für die Gerechtfertigten bedarf, gleichsani viel weniger schwierig und kostspielig ist, als das Mittel, welches Gott die Versöhnung der Sünder sich hat kosten lassen: jetzt braucht er nicht mehr sein Liebstes dahin zu geben in den Tod, sondern nur das Leben der Herrlichkeit, zu dem Christus auferwecket ist, braucht er fortbestehen (und sich auswirken Col. Z, 3 f.) zu lassen, um ver- möge der Einpflanziing der Erlösten in dasselbe auch sie ihrer endlichen Verklärung nach der Aehnlichkeit seines Verklärten Lebens entgegenzufiihren. Aber nicht blos so überhaupt gilt das »wir werden selig werden«: da könnte ja etwa ein ängstlicher Nothstand in der Periode bis zur schließlichen Errettung eintreten; son- dern diese ganze Zeit, in der die schließliche Errettung noch zukünftig ist, so will V. 11 nun besagen, ist be- gleitet von einer hohen Freude, mit der der Christ Gottes und seines Verhältnisses zu ihm sich rühmt. (Schott.) Wenn sich der Jude im Gegensatz zu denen, die ohne Gott in der Welt waren, Gottes riihmte, daß er ihn habe und zu seinem Gotte habe, so that er dies aus Grund der seinem Volk zu Theil gewor- denen heilsgeschichtlichen Gesetzesofsenbarung; die Christen dagegen stehen in solcher Freude durch ihren HErrn Jesum Christum, und was das sagen will, sagt der Zusatzx »durch welchen wir nun die Versöhnung empfangen haben«. (v. Hosmannh Jn dem Ausdruck: ,,enipfaiigen haben« ist das Moment ethischer An- eignung zu betonen, was für den Anfang des fol- genden Abschnitts sehr wichtig ist. (Lange.) 7. V. 12—2l. Zum Schlaf) der ganzen bisherigen Ab« haudlung liber die seligmachende Kraft des Cvaiigelik iii welchem die Gerechtigkeit geofsenbaret mit-d, die vor Gott gilt and des ewigen Lebens iheithastig must, fastt Paulus das darin iiber Sünde und Gnade Gesagte iioih iii einen gisoszartigeii Uebetblicti über« die religiöse Cntmiclielungsgesihictjte der Menschheit von Adam bis Christus zusammen; und indem er nun den Adam, als das Haupt der süiidigeii Menschheit, Christo, dein Haupte der« von Gott eriieuerteii Menschheit, gegenüber-stellt, steht dieser siebente Ab« schnitt zu dein fünften in Kap.4,1sf., rvo des Abrahani und David gedacht wurde, in iihiilichem Verhältniss, wie das Gesihlechtsregistec Jesn bei Liiliiis (3, 23—38) zu deui Geschlechtsregisker desselben bei Matthäiis (1, 1—17), und tritt zu der Stellung, die Paulus slir seine Person als Einer vom Samen Abrahanis eiiiiiiiiiiiit, diejenige hinzu, die er iii seinem Amte als Apostel der Heiden behauptet. Wie durch die Ziinde des Einen Menschen Adam, so lautet seine Gegenüberstellung, die Sünde und der leibliche Tod iii die Welt läanieii uiid so zu allen Menschen der Tod hiudurihdraiixk dieweil sie alle sündigten, so ist auch durch den Kteuzesgehorsaui des Einen Menschen Jesus Chriskiis die Gerechtigkeit vor Gott und das eivige Leben gelioinmeu stir alle, welche glauben (V.12—19); das niosaisctje Gesetz aber, das seiner Zeit in diese Ciitwictielangsreihe von dem eiiieu Mensihheitsbegriindec zu dem andern zwischen eingetreten, ist eben nur eine göttliche 3mische1iansialt, welche durch Mehrung der Sünde das Sündenbeiviisttseiii schärfen sollte, um die Herr-schalt der Gnade iii Christo hernach desto tiefer - zu begründen (V. 20 u. 21). 12. DerhalbenJ swenn wir jetzt nach alle den Erörterungen in Kap. 1, 18——5, 11., welche mit der aus der gesammten Menschenwelt lastenden Sünde und ihrem Verderben den Anfang machten, zuder von Christo ausgehenden und über alle, Heiden wie»Juden, wenn sie nur an ihn glauben wollen , gleichmäßig sicherftreckenden Gerechtigkeit fortschritten und schließlich von einer zukünftigen Herrlichkeit redeten, die Gott geben werde, zwifchen der nunmehrigen christlichen und der ehenialigen vorchristlivvchen Weltperiode einen Vergleich an- stellen« Verhalt s1ch’s for] wie durch Einen Men- schen [Adam, den Anfänger der natürlichen Mensch- he1t] die Sande 1»st kommen in die Welt, und der Tod durch die Sande« [1. Mos. 2, 17; Z, 19; Weish 2, 23 H, Und ist also der Tod [als ein, infolge der Sünde eines Einzelnen in die Welt bereits eingedrungeners zu allen Menschen durch- gedtungen sin der Weise, daß sie, ein jeder für sein Theil, sich ihn,fdiesen»Sold der Sünde Kap. S, Z3., auch personlich aneignetens dieweil sie alle gesnndiget habenzftt » » 13. Denn die Sande war wohl in der Welt swährend der ganzen Zeitperiode von drittehalb- tausend Jahren, die von Adam vergangen sind] bis auf das sdurch Mosen gegebene] Gesetz svon dem ich in Kap. Z, 20 sagte, durch dasselbe komme Erkenntniß der Sünde]; aber [wie ich das. mit diesem Satze schon angedeutet»habe] wo kein Gesetz ist, da achtet man der Sunde nicht sund rechnet sie sich nicht als eine Schuld an, die mit dem Tode gebüßt werden muß. Doch sind darum, obgleich ·auch Gott seinerseits diese Zeit der Un- wissenheit übersehen wollte Apostg 17, 30., die Adam, durch den Sünde und Tod in die Welt gekommen, ein gegensätzliches Bild Christi. 47 Menschen mit der Büßung ihrer todeswtirdigen Schuld, die sie gleichwohl war, nicht verschont geblieben Kap. L, 12], 14. Sondern der Tod herrschete sals ein König, dessen Gewalt nun einmal das gesammte Menschengeschlecht unterworfen war Hiob 18, 14; I— Cvr-15-»24 U· 261 von Adam an bis auf Mosen auch Uber die, die sin dieser ganzen langen Zeitperiode eben darum, weil sie kein bestimmtes, positives Gesetz vor sich hatten, das seine Ueber- tretung mit der Strafe des Todes belegt] nicht gesundiget haben mit gleicher Uebertretung wie Adams sdem von Gott gesagt worden war: ,,du sollst nicht von dem Baume der Erkenntniß essen« und der nun, indem er gleichwohl davon aß, dem Todesurtheil in Gemäßheit dessen verfiel, daß gleichzeitig ihm gesagt worden: ,,welches Tages du davon issest, wirst du des Todes sterben« 1. Mos. 2, 17 f.; Z, 17 ff.]: welcher [nämlich Adam] ist ein Bild sgeschichtliches Vorbild l. Cor. 10, 6. II] deß, der zukunftig warH sChristy des zweiten oder letzten Adam 1. Cor. l5, 45 u. 47 ff.]. i) Das ,,derhalben« knüpft so an die letzten Worte des l1. Verses: »durch welchen wir nun die Ver- söhnung empfangen haben« an, daß es zugleich auf die ganze bisherige Deduction seit Kap. 1, 18 ff. Bezug nimmt; denn in jenen Worten liegt eingeschlossen, daß wir, früher Sünder, jetzt durch Christum die Ver- söhnung haben, d. i. gerechtfertigt und somit auch des Lebens und der Seligkeit, wie der unmittelbar vorangehende Abschnitt V. 1—-11 entwickelt hat, theil- haftig geworden sind, darin ist aber eine Zusammen- fassung des bisherigen Gesammtinhalts der Epistel ge- geben. (Philippi.) Der Apostel hat bisher sein Thema nach allen Seiten hin entwickelt: er hat die Allgemein- heit menschlicher Sünde, also den allgemeinen Mangel der gottgeforderten Gerechtigkeit nachgewiesen; hierauf hat er die für alle vorhandene, durch den Versöhnungs- tod Christi beschasste Gerechtigkeit Gottes an’s Licht gestellt und ist zuletzt auf die beseligenden Folgen dieser Gerechticgkeit eingegangen. Jndem er nun jetzt einen Rückbli auf seine gesammte bisherige Dar- stellung wirft, drängt sich ihm ein Vergleich, eine Parallele auf, die er in den folgenden Versen aus-führt; die ganze Menschheit stellt sich ihm dar in den zweien: Adam und Christus, welche die Vertreter des ge- sammten Nienschengeschlechts deren beide Häupter sind. Somit zerfällt die gesammte Entwickelung der Mensch- heit in zwei große Epochem die adamitische oder vor- christliche und die christlichex das Haupt jener ist Adam, das Haupt dieser Christus, ein zweiter Adam; die Gesetzesökonomie bildet nur ein Einschiebsel, eine Episode, die aber allerdings von der größten Bedeu- tung ist, da sie von der ersten zur zweiten Epoche hinüberleitet (Röntsch.) Ei) Der Ausdruck: »die Sünde ist in die Welt kommen und der Tod durch die Sünde« besagt etwas wesentlich Anderes, als daß die erste Sünde begangen wurde und das erste Sterben sich zutrug, wozu ja schon das ,,durch Einen Menschen« nicht passen würde; die Meinung ist vielmehr, daß es eine Zeit gegeben hat, wo weder Sünde noch Tod in der Welt war, und daß, wenn beide jetzt in der Welt sind, Ein Mensch es gewesen ist, durch welchen diese Veränderung ein- trat (vgl. Weish 14, 13 f.), wobei die Frage, ob denn nicht die Sünde zuvor schon im Geisterthum vor- handen gewesen, um deswillen unveranlaßt ist, weil »die Welt« als Benennung dessen gefaßt sein will, mit dessen Schöpfungsgeschichte die heil. Schrist anhebt. (v. HofmannJ Der Apostel schweigt hier von dem zuerst vom Satan verführten Weibe (1. Tim. 2, M; Sir. 25, 32): Eva’s Versündigung allein hätte nur sie zur Sünderin gemacht (sicut per virtutem activam natura traduoitmg its. et; peccatmn Originale: Th o m a s von Aquino, s· 1274); Adam aber, Eva’s und der ganzen Menschenfamilie Haupt, ist durch seine Versäu- digung der Anfänger und das Haupt eines Sünder- geschlechts geworden. (Besser.) Wie an einem Baume nicht jeder kleine Zweig eine wesentliche Bedeutung für seine Gesammtheit hat, sondern wie manche abge- brochen werden können, ohne daß der Baum im Ganzen dadurch leidet, so auch im Menschengeschlechh aber in zwei Beziehungen vernichtet die Zerstörung auch des geringsten Zweigleins den Baum ganz und gar: erst- lich beim Keimen des Kerns, zweitens beim Pfropfen des Baumes — die Abbrechung des unscheinbarsten Keims oder des schwachen Pfropfreises vernichtet den ganzen Baum. Ebenso hat nun die Menschheit zwei Lebenspole in ihrer Entwicklung, deren Beschaffen- heit den Zustand der Gesammtheit bestimmen: erstlich Adam, der Keim, aus dem sich das Geschlecht ent- wickelte; seinTod unmittelbar nach seinerSchöp- sung hätte die Menschheit vernichtet, seine Ver- letzung schadet der sich aus ihm entwickelnden Ge- sammtheit, wie ein geknickter Keim den ganzen Baum sich unvollkommen und schief entwickeln läßt. Zweitens Christus, der sich zu der von Adam abgeleiteten Menschheit verhält, wie das edle Pfropfreis zu dem wilden Baum. Wäre es denkbar, daß Christus vor Vollendung seines Werkes hinweggenommen wäre, so würde die Menschheit ebenso in ihrer natürlichen Roh- heit geblieben sein, wie ein Baum, dessen Pfropfreis zerstört ward und der nun bloße Wasserzweige treibt; bleibt aber das edle Reis, so adelt es den ganzen Baum, alle Säfte, die durch dasselbe geleitet werden, verändern ihre Natur und verlieren ihre Wildheit. (Olshausen.) IN) Im Grundtext entsprechen sich einander die « Worte: ,,gekom1nen« Steht-Je) und ,,durchgedrungen« Gihlbex was man im Deutschen durch ,,herein -— hitidurchgekommen« oder: »ein —— durchgedrungen« wiedergeben kann; der erstere Ausdruck deutet an, daß die Sünde in der Welt des Geisterthums allerdings schon vorhanden war, Adams Sünde aber ihr den Eingang öffnete in die Welt des Mensch enthums, der andere Ausdruck folgt dann gleichsam der Ver- zweigung des von dem Einen Menschen abstammendeu vielgliedrigen Menschengeschlechts und besagt mit dem Wörtlein »also«, daß unter dem nunmehrigen Vor- handensein von Sünde und Tod in der Menschenwelt der Tod den Zugang zu jedem einzelnen Menschen gefunden habe, gleichwie in 1. Cor. l5, 22 von den Menschen es heißt, daß sie in Adam alle sterben. Da fragt es sich nun, in welchem Verhältniß bei diesem Durchgedrnngensein des Todes zu ihnen die Menschen zur Sünde stehen, deren Sold ja der Tod ist? Un- zweifelhaft hätte der Apostel schreiben können: »und ist also die Sünde und der Tod zu allen Menschen durchgedrungen«, wenn es ihm darauf angekommen wäre, Sünde und Tod als den von Adam überkom- menen Erbschaden der menschlichen Natur, zu dem ein jeder bei seiner Geburt zunächst nur leidentlich sich verhält, in’s Licht zu setzen; aber dieser Gegenstand 48 Römer 5, 15. 16. lag für die Parallele, die er mit den Worten: ,,der- ««- halben, wie« eingeleitet hat, ganz außerhalb seines Gesichtskreises. Es handelt sich dabei, gleichwie auf der andern Seite nicht eine blos leidentliche, passive Zugehörigkeit zu Christo die Theilnahme an seinem Heile vermittelt, sondern die thätige, aktiv e Zugehörig- keit, welche durch den Glauben an ihn bewirkt wird (vgl. zu V. 11: »die Versöhnung empfangen haben«), so auch auf dieser Seite um die selbstthätige Theilnahme an Adam’s Sünde und Tod, oder mit andern Worten, um die aktuelle, persönliche Aneignung dessen, was durch Adam in die Welt gekommen und in dieser dergestalt nun ein für alle Mal vorhanden ist, daß dem Ueberkommen kein Adamskind sich ent- ziehen kann, wohl aber von dem Sich aneignen einzelne Wenige unter Gottes besonderer Gnaden- wirkung möglichst freigeblieben sind (1. Mos. 5, 24; 2. Kön. «2, 11). Demgemäß schreibt denn der Apostel: »und ist also der Tod zu allen Menschen durchgedrungen, dieweil sie alle gesündigt haben« Jndem diese Ueber- setzung Luther’s den Schein erwecken könnte, als wolle Paulus sagen, erst dadurch, daß die Einzelnen sündigten, sei der Tod zu allen durchgedrungen, was ja der Er- fahrungsthatsache des Sterbens auch kleiner, noch nicht oder kaum erst geborener Kinder widersprechen würde, bedarf das ,,dieweil« einer näheren Erläuterung; man darf aber da Augustin’s Jdee nicht zu Hilfe nehmen: ,,dieweil sie in Adam alle gesündiget haben«, gleich als habe man an den beiden Stellen: l. Cor. 15, 22 u. Hebr. 7, 9 f. eine biblische Rechtsgrundlage zu solcher Ergänzung, denn dieser Satz würde zu seiner Parallele haben, daß den Gläubigen das Leben auf Grund dessen . durch Christum zu Theil werde, weil sie in ihm alle gehorsam gewesen sind, was sich aber mit den Aus- sagen des Apostels in V. 18 s. schlechterdings nicht verträgt. Nicht haben in Adam alle gesündigt, die von ihm stammen, so heißt es ganz richtig bei v. Hof- mann, wohl aber beschließt feine Sünde sie alle unter sich, weil sie von ihm stammen; nur so bleibt der Satz bestehen, daß durch Einen Menschen die Sünde und durch die Sünde der Tod in die Welt ge- kommen, während dagegen nach Augustin’s Jdee alle Menschen durch ihr, in die Sünde Adams eingeschlossenes Siindigen das Vorhandensein von Sünde und Tod in der Welt bewirkt haben würden. Erwägen wir da- gegen, daß der von Luther mit ,,dieweil« übersetzte Ausdruck des Grundtextes (i-’(p« as) für’s Deutsche nicht blos in dem Sinne: »auf Grund dessen, daß« (s7:i reden) Zu) von Paulus gemeint sein kann, wofür 2. Eor. 5, 4 (Luther: ,,sintemal«) zu sprechen scheint, ; sondern auch in dem Sinne: »unter der näheren Be- stimn1theit (in Geniäßheit dessen) daß«(57ri rot-Xa) Satz, vgl« Ziel muri gis» leben, indem man Kinder hat), wo- für Phil. 3, 12 (Luther: ,,nachdem«) ein Beleg sein würde, so ergiebt sich eine Erläuterung, wie wir sie oben dem Satze haben vorausschicken müssen, um den Wortlaut unsrer deutschen Bibel beibehalten zu können, statt das ,,dieweil« in ein ,,nachdem« Demgemäß, daß) umznänderin Der Apostel hätte nun als Nachsatz zu dem mit »Wie« angefangenen Vorderfatz können folgen lassen: ,,so ist durch Einen Menschen die Gerechtigkeit in die Welt kommen, und das Leben durch die Gerech- tigkeit, und dringet also das Leben zu allen Menschen durch unter der Bedingung, daß sie alle durch den Glauben gerecht werden«, (wie das bereits mit uns V.1 geschehen ist); indessen fühlt er nach den Worten: »gemäß dem, daß sie alle gesündiget haben«, daß er diese Aussage seinen Lesern gegenüber eigens begrün- den und näher bestimmen muß. Er thut das mit dem, was in V. 13—14 steht: »denn die Sünde war wohl in der Welt . . . mit gleicher Uebertretung wie Adan1«, konnte aber nach dieser langen Auseinandersetzung an sich schon jenen Nachsatz nicht mehr in geeigneter Form folgen lassen; zudem drängte sich ihm der Gedanke auf, daß das von Christo ausgehende Heil weit über- schwänglicher sei, als das von Adam ausgegangene Unheil, und so begnügte er sich bei Adams Erwähnung einstweilen mit der Bemerkung: ,,welcher ist ein Bild deß, der zukünftig war«, um »dann erst in V. 18 die angefangene Vergleichung in etwas anderer Gestalt wieder aufzunehmen und nun hier dem ersten Gliede auch das andere gegenüberzustellen T) An seine Zugehörigkeit zu Christo, dessen Leben ihn zur Herrlichkeit bringen wird, soll der Gläubige sich halten, nicht aber — dies geltend zu machen, ist es, worauf Paulus in diesem ganzen Zusammenhange es abgesehen hat —- soll er dahin sich irre machen lassen, als ob er außer jener Zugehörigkeit noch eine andere, speziell die zum Gesetz bedürfe, die ihm die Erlangung der in V. 1—11 dargelegten Hoffnungs- gewißheit erst sichern könnte. Die Heilsvollendung so heißt es nun hier, ist in Christi Person, mit der der Gläubige in Gemeinschaft steht, ebenso vollgiltig und allseitig uns vergewissert, ohne daß es des Gefetzes bedarf, wie auch in der Person Adarn’s schon, ohne Vorhandensein eines Gesetzes, Sünde, Tod, Verdamm- niß als bestimmende Mächte für jedes Glied der ada- mitischen Menschheit gesetzt waren. Daraus begreift sich dann auch die ausdrückliche Beziehung auf das Gesetz, am Schlusse unsers Abschnittes in V. 20 s.: gegenüber den beiden absolut bestimmenden gefchicht- lichen Epochem die in Adams und Christi Person ge- geben sind, ist das Auftreten des Gesetzes nur ein Zwischen- oder Nebeneinkommem so daß das Gesetz qar nicht aus der,-mit jenen beiden weltgeschichtlichen Entscheidungspiinkten geordneten Nothwendigkeit des geschichtlichen Verlaufs organisch herausgewachsen, son- dern von außen hineingegeben ist, also auch nicht als ein jenen beiden coordinirter Faktor der Entwickelung auf das Heil hin gelten kann. (Schott.) Mit den Sünden der gesaknmten Menschheit vor dem Gesetz stehen die Sünden der Heiden aus gleicher Stufe, die das Gesetz Mosis nicht haben. (Philippi.) Nach Pauli Meinung macht das Gesetz nicht die Sünde, sondern es macht diese zur Uebertretung (Kap.4,15); des- halb spricht er auch an unsrer Stelle nie von einer Sünde, sondern immer von einer Uebertretung oder Verfehlung Adams (V. 15. 17 u. 18 wird in Luthers Uebersetzung diese Verschiedenheit des Ausdrucks nicht beachtet), und umgekehrt nie von einer Ueb ertretung derer, die nicht mit gleicher Uebertretung wie Adam gesündiget haben. Sonst ist Pauli Gedanke hier der: Das Gesetz bezieht sich nicht auf das Vorhanden- sein, sondern nur auf die Zurechnungsfähigkeit der Sünde; nur die positiven Strafen, nicht aber die natürlichen Folgen der Sünde sind durch das- selbe bedingt, der Tod aber ist die natiirliche Folge der Sünde. (Rothe.) Die That Adams hatte bei ihm die Sünvdhaftigkeit als sitndhafte Disposition zur Folge, diese pflanzte sich durch die Zeugung auf feine Nachkommen fort und gebar aus sich immer wieder die thatliche Sünde. Die Sünde als sündhafte Dis- position ist ja von Geburt aus in jedem ållienschen vorhanden (Kap. 7, 7 ff.; Ephes. L, 3); dieser Zustand aber, in welchem das Menschenwesen als ,,Fleisch« bezeichnet wird, wird durch die Zeugung mitgetheilt (Joh. Z, 6), die Mittheilung zieht sich somit soweit zurück als die Zeugung, geht also zurück bis auf den Urvater des Geschlechts, wo die Sündhaftigkeit nicht ursprünglich, sondern die Frucht der ersten sündigen Auf Seiten der göttlichen Gnade findet jedoch Ueberschwänglichkeit der Wirkung statt. 49 That ist. Jene Sündhaftigkeit nun, deren natiirliche Folge der Tod, und die in Verbindung mit diesem das Erbtheil eines jeden Nienscheti von Mutterleibe an ist, kann ihre Wirkung äußern, auch wenn es nicht zur sündigen That kommt, wie das bei den kleinen Kindern der Fall; diejenigen aber, bei welchen das thatliche Sündigen wirklich vorkommt, thun es entweder im Zustand der vollen Zurechnungsfähigkeit, wenn sie nämlich sündigen mit gleicher Uebertretung wie Adam, und dann tragen sie den Tod, wie als natürliche Folge von Adams Sünde, so auch als eigene Strafe, oder sie thun es nicht in diesem Zustande, weil es kein unmittel- bares, positives Gesetz ist, das sie übertreten, und dann findet bei ihnen nur eine Theilnahme an fremder Strafe statt und der Tod hat für sie nur den Charakter eines natürlichen Erfolges. (Maier.) Das müssen wir wahr bleiben lassen, daß Adam in diesem Gebot (1. Mos. 2, 17) uns allzumal versündigt hat; denn wir sind allzumal in ihm gepflanzt und sein Fleisch und Blut, daß es uns gehen muß, wie es ihm gegangen ist. Denn Gott hat es so geordnet, daß von diesem einigen Menschen alle Menschen kommen müssen und wir alle seine Kinder sind. Darum wie er gethan hat und was ihm zum Fluch aufgelegt ist, dasselbe begegnet « uns gllen, also daß wir müssen mit ihm für einen Kuchen und Teig gerechnet werden: kürzlich, alles was Menschen sind. Darum auch die Schrift dem ersten Menschen und uns Allen Einen Namen giebt, daß was Mensch ist, alles Adam heißt von diesem ersten Adam, das ist vom ersten Menschen, von welchem wir alle gemacht sind. Wir sind Adam und bleiben Adam. (Luther.) H) Mit diesen Worten bezeichnet Paulus den Adam als eine Persönlichkeit, in deren Stellung zu den Nach- kommen sich dasselbe Berhältniß ausprägt, wie in der Stellung Christi zu den geistiger Weise Von ihm Ge- borenen. (Tholuck.) Daß durch Einen Menschen, der Adam heißt, ist soviel ausgerichtet, daß alle Menschen müssen sterben, beide er und wir allesammt, die wir doch nicht die Schuld verwirkt haben, sondern allein daher, daß wir von ihm geboren sind, in Sünde und Tod kommen (wiewohl es nach dem« Fall, und wenn wir geboren werden, nicht mehr fremde Sünde, sondern unsere eigene wird): das ist ja ein jämmerlicher Handel und ein schrecklich greulich Urtheil Gottes, und wäre erst noch viel greulicher, wenn wir alle sollten ewiglich im Tode bleiben. Nun aber hat Gott dagegen einen andern Menschen gesetzt, welcher heißt Christus, auf daß, gleichwie wir um jenes willen ohne unsere (Einzel-) Schuld sterben, also wiederum um Christi willenohne unser Verdienst leben sollen; undt wie wir in Adam alle allein deß entgelten müssen, daß wir sein Gliedmaß oder Fleisch und Blut sind, also ge- nießen wir hier in Christo auch allein, daß er unser Haupt ist, und ist eine lautere Gnade und Geschenk, daß wir nichts zu rühmen haben von unsern Werken und Verdienst. (Luther.) Adam ist der Urstoff der Menschheit, Christus ist ihr Urgedanke in Gott, beide persönlich lebendig; die Menschheit ist Eins in ihnen, deshalb ward Adams Sünde allen zur Sünde, Christi Opfer allen zur Sühne. Jedes Blatt eines Baumes kann für sich grünen oder verwelken, aber jedes leidet durch die Krankheit der Wurzel und geneft durch ihre Heilung. Je flacher der Mensch, desto mehr wird ihm alles isolirt erscheinen, denn auf— der Obersläche liegt alles auseinander; er wird in der Menschheit, in der Nation, ja in der Familie selbst blos Individuen sehen, bei der die That des einen mit der des andern keinen Zusammenhang hat. Je tiefer der Mensch ist, desto mehr dringen sich ihm Dächseps Bibel-merk. VII. Band. 2. Aufl. diese innerlichen, aus dem Mittelpunkt kommenden Beziehungen der Einheit aus; ja, die Liebe des Nächsten selbst ist nichts als die tiefe Empfindung dieser Einheit, denn nur den liebt man, mit dem man sich als Eins erkennt und fühlt. Was die christliche Nächstenliebe für das Gemüth, das ist jene Einheit des Geschlechts für die Erkenntniß; ist die Sünde durch Einen, und die Erlösung durch Einen nicht möglich, so ist auch das Gebot der Nächstenliebe un- verstiindig Die christliche Sittenlehre und der christ- liche Glaube sind daher wirklich unauflöslich verbun- den. Das Christenthum bewirkt in der Geschichte einen Fortschritt ähnlich dem vom Thierreich zum Men- schen dadurch, daß es die Wesenseinheit des Menschen offenbarte, die im Alterthum aus dem Bewußtsein der Völker geschwunden war. (Stahl.) 15. Aber nicht hält slelys sbei aller Aehnlich- keit, die zwischen Adam als Vorbild und Christo als Gegenbild in ihrem beiderseitigen Verhältniß zur Menschheit stattfindet] mit der [Gnaden-] Gabe sdie aus Seiten Christi in heilbringender Weise wirksam ist], wie mit der [Fehltritts-] Sünde [die auf Adams Seite ihre verderbenbringende Macht übt, als wäre auch nach innen dort und hier die Wirkungskräftigkeit eine gleiche, wie sie es nach außen ist; sondern in dieser Hinsicht ist sie dort eine überschwänglich größere, als hier]. Denn so an Eines Sünde san jener Uebelthat Adams, da er von der verbotenen Frucht aß Weish 10, Z» in Folge des göttlichen Straf- urtheils, das in ihm zugleich alle seine Nach- kommen mitbetrafs viele gestorben sind swas ja allerdings eine ungeheure Verderbensmacht solchen Vergehens bekundet], so ist viel mehr smit einer unbeschreiblich größeren HeilskraftJ Gottes Gnade Und Gabe sin Vergebung der Sünden und Mit- theilung der Gerechtigkeit zum ewigen Leben V. 17; Kap. S, 231 vielen reichlich widerfahren durchs die Gnade des einigen sjenem Einen gegenüber- stehenden] Menschen Jesu Christi« [d. i. durch die Gnadenthat, womit Jesus Christus uns von Sünde und Tod erlöset und Leben und unver- gängliches Wesen an’s Licht gebracht hat Apostg. 15, 11;2.Cor. 8, J; Tit. Z, 7; 2. Tim. 1, 10 —— in der Ausgabe vom J. 1545 hat Luther: durch Jesum Christ, der der einige Mensch in Gnaden war, bis 1530aber:,,durchdieGnade, die Einem Menschen J. Chr. widerfahren ist«]. 1ö. Und [bei dieser intensiven Ueber- schwänglichkeit, von welcher eben die Rede war, haben wir auch eine extensive in Betracht zu ziehen :] nicht ist [nämlich] die Gabe [Gottes, die in Christo Jesu uns zu Theil ward, eine Recht- sprechung] allein über Eine Sünde sdaß uns blos das vergeben würde, was der einzelne Sünder Adam verbrochen und mit ihm auch allen seinen Nachkommen den Tod zuwege gebracht hat selbst für den Fall, daß sie selber nicht ebenfalls ge- sündigt hätten], wie smit den vorhin gebrauchten Worten: ,,an Eines Sünde sind viele gestorben« 4 50 Römer 5, 17—20. allerdings ja behauptet wurde, daß] durch des einigen Sünders einige Sünde alles Verderben [über alle Menschen gekommen sei — Luther übersetzt hier ziemlich frei, um in den Sinn des sehr concisen Ausdrucks im Grundtext einzuführen] Denn das Urtheil [Gottes, das er über Adam fällte 1. Mos. 3, 19: »du bist Erde, und sollst zur Erde werden«] ist kommen aus Einer Sünde saus dem Fehltritt, den er mit dem Essen von der verbotenen Frucht begangen, über sein ganzes GeschIechtJ zur Verdammniß [so daß wir alle in solchem Stande uns von Mutterleibe an befinden]; die [Gnaden-] Gabe aber sdie durch die Gnade des einigen Menschen Jesu Christi uns widerfährt] hilft auch aus vielen Sünden [womit nach dem in V. 12 Gesagten ein jeder für sein Theil die bereits bestehende Verdammniß des gesammten Menschengeschlechts auch persönlich sich angeeignet hat] zur Gerechtigkeit« sindem sie die Schuld aller jener Sünden nicht nur aufhebt, sondern auch aus dem Stande der Verdammniß in den des Gerechtseins versetzt] i7. lJst aber die Gnadengabe von solcher Wirksamkeit, daß sie, wie eben gesagt, auch aus vielen Sünden zur Gerechtigkeit hilft, so schlägt nun die aus dem Urtheil über Eine Sünde für alle Menschen hervorgegangene Verdammniß in’s gerade Gegentheil um.] Denn sum hier ebenso auf die zweite Hälfte des 15. Verses zurück- zugreifen, wie die erste Hälfte des vorigen Verses sich an die erste Hälfte dieses Verses anschloß] so um des Einigen Snnde willen der Tod geherrschet hat durch den Einen lan dessen Sünde alle die Vielen gestorben, die je und je gestorben sind]; vielmehr sindem sie aus dem Stande der bisher Beherrschten nun übertreten in den Stand von HerrschernJ werden die, so da [wirk1ich, was für jeden Einzelnen zur Empfangnahme bereit liegt] empfahen [nämlich] die Fülle der Gnade und der Gabe zur Gerechtigkeit [vgl. V. 11], herrschen im Leben durch Einen sder jenem Einen gegenbild- lich gegenübersteht], Jesum ChriftIkk s) Von Adam aus kommt Sünde und Tod über das ganze Menschengeschlecht, von Christo dagegen mittels der von ihm erworbenen Gnade Gerechtigkeit und ewiges Leben: dies ist der Gedanke, der dem Apostel von V. 12 an im Sinne liegt. Aber nicht nur ist das Materiale in dem doppelten Verhältnisse Adams und Christi zur Menschheit seinem Wesen nach verschieden, sondern, so legt er nun weiter aus einander, es machen sich auch noch andere Verschiedenheiten in den Gegensätzen bemerklich, welche nur den Contrast steigern, aber die Parallele selber nicht aufheben. (Maier.) Adam und Christus, die im gegensätzlichen Verhältniß zu einander stehen, kommen mit einander überein im Positiv, unterscheiden sich aber im Comparativ; handelte es sich nun vorhin um den Positiv, so kommt nunmehr der Comparativ in Betracht (Bengel.) Daß der (Fehltritts-) ,,Sünde« auf Seiten Adams die (Gnaden-),,Gabe« auf Seiten Christi gegenübersteht und nicht der scheinbar entfprechendere Ausdruck (V. 18 f.): Gerechtigkeits-That oder Gehorsam, macht auf den ersten Blick keine geringe Schwierigkeit; aber es ist jener Ausdruck für den Endzweck des Apostels unentbehrlich, indem er hervorheben will, daß dem Sündenfall eine That der Erlösung gegeniiberstehe, welche nicht auf Rechtsansprüchen beruht, sondern aus freier Gnade abzuleiten ist. (Tholuck.) Christum selbst hat Gottes Gnade dazu gegeben, damit durch ihn die Gerechtigkeit zuwege käme, die er uns schenken wollte. So ist denn auf dieser Seite eine Gabe der in freier Gunst den Menschen sich erzeigenden Güte Gottes das Wirksame, auf der andern dagegen die Uebelthat des Menschen Adam; so verschieden nun das auf beiden Seiten Wirksame ist, eine so verschiedene Bewandtnis; hat es auch mit der beidemaligen Wirkung. Durch die Uebelthat des Einen ist es geschehen, daß die Vielen starben, welche gestorben sind; dem entspricht die auch von Einem ausgegangene und über eine Vielheit sich erstreckende entgegengesetzte Wirkung der Gnade Gottes in Christo. Aber wie etwas gar Anderes istes um Gnade, als um Uebelthat, was die Wirkungskräftigkeit anlangt, da der Gott, deß die Gnade ist, im Maße seines Gebens ein Unbeschränkter ist; und darum ist auch die Wirkung eine um soviel mächtigere, als auf jener Seite. (v. Hofmann.) Dem ,,Viele gestorben sind« im Vordersatze entspricht das ,,Vielen reichlich wider- fahren« im Nachsatze; es liegt darin der Begriff des verbreiteten Einflusses, aber weil er nicht sagen konnte, daß die Gnade sich fchon auf alle verbreitet habe, sondern, wie in ähnlichen Fällen (Matth. 20, 28; 26, 28), dafür viele schreiben mußte, so schreibt er auch im ersten Gliede der Ver leichung nicht, wie in V. 12, alle, sondern viele. ährend nun die Vielen im ersten Gliede alle sind, die bisher gelebt haben, sind es im zweiten Gliede alle, die schon an der Gnade Gottes in Christo Theil genommen haben, die bis- herigen Christen. (de Wette.) Die Sünde Adams nennt Paulus woran-Baars- (V. 14) als die Ueber- tretung des klar ihm gegenüberstehenden göttlichen Verbots; verneint-wro- (V. 15· 17. 18) als die Sünde, welche ein Sündenfall war; sinnig-»san« (V. 16) als einen Ausgangspunkt der Sünden; »Jaget-roh (V.19) als Ungehorsam gegen den erkannten Willen Gottes. (Lange.) Die ,,Gnade Jesu Christi« bezeichnet in den oben angeführten Stellen überall einen Gnadenakt der thätigen, wirksamen Liebe Christi, an unsrer Stelle insonderheit den erlösend en Gnadenakt, die erlösende Gnadenthätigkeit Christi, auf welcher die Gnade Gottes in Ertheilung der Gabe der Gerechtigkeit und des ewigen Lebens beruht. (Rothe.) Das ,,reichlich wider- fahren« hat nicht sowohl comparative, als superlative Bedeutung: es widerfährt jemandem etwas auf das Reichlichste, wird ihm über das Maß zu Theil. Der Unterschied in den Wirkungen Adams und Christi liegt also in der Ueberschwänglichkeit der Wirkungen des letzteren; diese Ueberschwänglichkeit gründet sich aber auf die Gnade Gottes und Christi, die nicht anders als überschwänglich sich erweisen kann. (Philippi.) Jn Adam offenbart sich blos das Prinzip der Gerech- tigkeit, in Christo aber das überströmende Element der göttlichen Gnade. (Olshausen.) Und da sind, um solches Ueberströmen in reicher Fülle zu Stande zu bringen, zu gemeinschaftlichem Zusammenwirken mit einander vereinigt die Gnade Gottes, welche den eingeborenen Sohn sendet, die GnadeChristi, welche den göttlichen Gnadenrathschluß vollbringt, und die Gnade des heil. Geistes, welche die durch das Er- lösungswerk erworbenen Gnadenschätz dem Einzelnen geschenksweise aneignet. Wiederaufnahme und Weiterführung der Bergleichung «) Adam hat die sündhaften Menschen gezeugt und von ihm haben sie die böse Natur; Christus aber hat auch alle Sünden, die aus diesem angeerbten Ver- derben entstanden sind, gebüßt und vergeben, d. i. er hat unsern Erb- und wirklichen Sünden abgeholfen. Die Gnade kann viel mehr Sünde auslöschen, denn der Adam in uns kann Sünde erben. (Luther.) Das ist ein Hauvtunterschied in den Wirkungen des Sünden- falles Adams und der Erlösung Christi, daß die Wir- kungen des ersteren in einem strenggesetzlichen Urtheil bestehen, was daher schon aus einer einzigen Ueber- tretung zur Verdammniß führen mußte, die Wirkungen der letzteren aber ein Gnadengeschenk sind, welches nicht blos eine Sünde wieder gut machte, sondern alle aus jener ersten hervorgegdangenen Wiederholungen der Uebertretung Adams; un zwar so sehr wieder gut machte, daß es wirklich die vom Gesetz erforderte Ge- rechtigkeit in den gefallenen Menschen wirkte. fvon Gerlach.) Auf der Verschiedenheit des Verhältnisses, in welchem das eine und das andere Mal Ausgangs- punkt und Zielpunkt des Vorgangs zu einander stehen, liegt alles Gewicht; sie sind nämlich einander gleich- artig in einem und einander entgegengesetzt im andern Falle. Dort ist das durch Einen, der gesündigt hat, verursachte Urtheil für die Vielen zur Verurtheilung, hier dagegen die durch Vieler Uebelthaten veranlaßte Gnadengabe zur Herstellung eines Thatbestandes des Gerechtseins gediehen: eine soviel andere Bewandtniß hat es mit der Wirkung. auf die Vielen, welche sich in der Zuwendung des Geschenks vollbringt, als wo eine solche Wirkung durch Einen, der gesündiget hat, zuwege gekommen ist. (v. Hofmann.) Eis) Wenn das, was uns in Christo gegeben ist, das, was von Adam ausging, deckt, so liegt schon darin etwas Hohes und Großes; aber noch mehr, wenn es überschwänglicher Weise deckt. Worin jedoch diese Differenz liegt, die der Apostel an der ganzen hier vorliegenden, schon in den einzelnen Aus- rücken so schwierigen Stelle darstellen will, darin walten die verschiedensten Ansichten ob, und schon die griechischen Ausleger haben nicht vermocht, einen Ge- dankenfortschritt nachzuweisen oder auch nur die ein- zelnen Gedanken scharf zu bestimmen. Auch noch neuere Ausleger haben gänzlich daran verzweifelt, logischen Fortschritt in der Auseinandersetzung des Apostels zu finden; ist nun aber speziell in dem hier uns vorliegenden Verse der Reichthum an Beziehungen und Jdeen so groß und zugleich so deutlich, wie er in der That es ist, so enthält das eine ernste Warnung für den Ausleger, wenn der Reichthum und das Tref- fende in den vorhergehenden Aussprüchen ihm minder deutlich geworden sein sollte, nicht sofort auf ab- sprechende Weise die Schuld in dem Apostel zu suchen, sondern vielmehr bescheiden und beharrlich in dem Be- mühen einer immer tieferen Ergründung fortzufahren. (Tholuck.) Durch die Sünde des Einen hat der Tod geherrscht; eine fremde, seindliche, zerstörende Natur- gewalt beherrschte die, welche von Gott nach seinem Bilde geschaffen, zu Herren der Natur bestimmt waren. So mächtig aber wirkt die Gnade auf die, welche ihre Fülle empfangen haben, daß sie selbst durch diese Gnade Herrscher werden im Leben durch Jesum Christum: der Mensch wird durch die Erlösung nicht nur frei von der Unterjochung der Sünde und des Todes, son- dern er bekommt selbst nun die volle, wahre Freiheit und Selbständigkeit; er herrscht, ewig unbesiegbar, in dem neuen Leben und vermöge desselben. (v. Gerlach.) Der Apostel sagt nicht: »das Leben wird herrschen«, entsprechend dem: »der Tod hat geherrscht,« sondern: ,,es werden die, so da empfahen die Fülle der Gnade und der Gabe zur Gerechtigkeit, herrschen im Leben«, weil der Sünder dem Tode als einer fremden, ihn despotisch beherrschendenMacht unterworfen ist, während der Gerechtfertigte, als der von der Todesmacht Be- sreite, selber zum Herrscher im Leben erhoben ist. (Philippi. Wider des Todes Reich und Sieg hat unser H rr Gott, der HErr Zebaoth, einen andern Sieg gemacht, die Auferstehung von den Todten in Christo. Der Tod hat lange gesungen: ,,Jo Triumph! Jch, Tod, bin König und Herr über alle Menschen; ich habe den Sieg und liege oben.« Aber unser HErr Gott läßt ihm wieder ein Liedlein singen, das lautet also: »Jo Triumph! das Leben ist König und Herr über den Tod, der Tod hat verloren und liegt unten« Der Tod hatwohl bisher gesungen: ,,Vietoria, Victorial Jo gewonnen, hier ist eitel Tod und kein Leben!« Aber Gott läßt ihm nun wieder singen: ,,Vietoria, Vietoria! Jo gewonnen! Hier ist eitel Leben und kein Tod» Der Tod ist in Christo gestorben, das Leben behält den Sieg und hat gewonnen. (Luther.) 18. Wie nnn sum nach den Ausführungen in V. 15——17 die in V. 12 ff. begonnene, aber dort unvollendet gelassene Vergleichung jetzt wieder aus- zunehmen und sie nunmehr jenen Ausführungen entsprechend zu gestalten] durch Eines Sünde [ge- nauer: Fehltritts-That V. 15 u. 17] die Verdammniß [zum Tode V. 161 über alle Menschen kommen ist; also ist auch durch Eines Gerechtigkeit [genauer: Gerechtigkeitsthat, die er mit feinem ganzen Leben und seinem schließlichen Sterben vollbrachte] die Rechtfertigung des Lebens [die zu Leben und Seligkeit ausschlagende Recht- fertigung Jvh« b, 291 über alle Menschen kommen« [daß, wenn anders sie wollen, sie durch den Glauben an den Namen dieses Einen ihrer können theilhaftig werden]· 19. sUnd auch das läßt sich in die Parallele mit aufnehmen, was oben in der zweiten Hälfte des 12. Verses gesagt wurde: »und ist also der Tod zu allen Menschen hindurchgedrungem dieweil sie alle gesündigt haben-e] Denn gleichwie durch Eines Menschen ungehorsam sden er Gottes be- stimmtem Willen gegenüber beging, in Folge des ihnen nun von Geburt an vermöge der Erbsünde anhaftenden widergöttlichen Willens, von dem sie in ihrem Denken, Reden und Handeln sich be- stimmen ließen] Viele [hier s. v. a. alle Menschen] Sünder [für ihre eigene Person oder im sub- jektiven Sinne des Worts] worden sind; also anch durch Eines Gehorsam swomit er sich in allen Stücken dem Willen Gottes untergehen hat Hebt. 10, 5ff·; Phit 2, 8] werden Viele salle die, denen er, indem sie nun ihm gehorsam sind, eine Ursach zur ewigen Seligkeit sein kann Hebt. b, 8 f.] Gerechte « [in eben solchem Sinne des Worts oder für ihre eigene Person werden Kap. S, 16 fs.; 8, 29f.;1.Joh.3, 2 f.]. 20. Das Gesetz aber sfiir welches eine lange Zeit es gab, in der es noch nicht vorhanden war, s weil im Vergleich mit dem bereits entschiedenen 48 5l« 52 Römer 5, 21. Gefchick der Menschheit es nach dem in V· 13 f. Be- merkten nur eine untergeordnete Bedeutung hatte] ist neben einkommen"*« sder längst schon in die Welt gekommenen Sünde V. 12 nach Gottes Willen sich an die Seite ftellend], auf daß sbei dem einzelnen bestimmten Volk, dem es gegeben wurde] die Sünde mächtiger würde lnicht blos schlechtweg mehr Sünde bliebe, wie sie bis daher es gewesen, sondern in jedem einzelnen Falle, wo sie begangen würde, zu einer eben solchen Uebelthat sich gestaltete, wie Adams Sünde das war, da er den Bund über- trat V. 14 f. 17 s.; Hof. S, 7]. Wo aber die Sünde [durch solche Steigerung auf das höchste Maß der Schärfe und Verdammungswürdigkeits mcichtig worden ist snämlich auf Jsraels Lebens- gebiet, das durch fein Gesetz zum sündigsten und verdammlichsten unter allen Völkern der Erde gemacht wurde Kap. 4, IS; 7, 7 ff; Gal. 3, 19 Anmj, da ist doch sindem dies Volk andrerseits auch zu dem herrlichsten und gesegnetsten gemacht ist Kap. 3, g; 4. Mos. 24, 17. 19; Joh 4, 22] die Gnade viel mächtiger wordensz 21. Aus daß, gleichivie [in der gesammten Menschenwelt] die Sünde [von Adam her] ge- herrschet hat zu [richtiger: in] dem Tode [als ihrem Bereiche, d. i. über alle, die dem Tode unterworfen waren V. 12 ff.], also auch smit gleicher königlicher Gewalt] herrsche die [in Israel zu vollem Durchbruch gekommene und von da aus über die ganze Welt sich verbreitende] Gnade durch die Gerechtigkeit zum ewigen Leben sdem ihre Herrschaft entgegenführt] durch Jesmn Christum sder der Mittler ist Gal. Z, 13 f. Anm.] unsern HErrnss sdiese Worte fehlen bei Luther] s) Was den Nachsatz zu dem Vergleichungs-Vorder- satz des 12. Verses gebildet haben würde, hat der Apostel mit den Worten am Schluß des 14. Verses: ,,welcher ist ein Bild deß, der zukünftig war« nur erst angedeutet; wie er denn jetzt es bringt, hat es eine ganz andere Fassung, als die jenes Nachsatzes gewesen wäre, wenn nicht der einheitliche Jnhalt von V. 15——17 dazwischen stünde, vielmehr richtet die Fassung sich nun nach diesem Inhalt, wie schon die aus demselben entnommenen Ausdrücke (vgl. den Grundtext) beweisen. (v. HofmannJ Jn der Sache selbst, so führte der Apostel vom Schluß des 14. Verses an bis zum Schluß des 17. Verses aus, darin also, daß von Einem die Sünde und der Tod, von Einem die Gerechtigkeit und das Leben ausgegangen, liegt die Aehnlichkeit, aber in der Art und Weise der beider- seitigen Wirkung findet sich ein großer Unterfchied. Denn erstlich war die Wirkung nach innen mäch- tiger: wenn der Tod der Vielen die Folge der Sünde des Einen war, so ging dagegen in viel reichlicherem Maße die Wirkung der Gnade in Christo auf die Vielen über (V. 15). Sodann war sie auch nach außen umfassender: Ein Gericht verurtheilte wegen Einer Sünde zur Verdammuiß; aber die Gnade hebt nicht blos die Folgen jener Einen Sünde auf, sondern auch die Folgen aller einzelnen Sünden, die später noch in Folge der ersten Sünde geschahen. Herrfchte der Tod daher in Folge der Uebertretung Adams, so herrschen die, welche die Gnade durch den Einen, Christus, empfangen haben, noch in viel höherem Maße im Leben. Dies ist in Bezug auf die Art und Weise der Unterschied, welcher aber die Aehnlichkeit in der Sache nur bestätigt; und so kehrt der Apostel nun zu seiner Vergleichung zurück und sagt da zuerst: Die auf Adams Uebertretung folgende Verdammuiß be- stand in dem Tode (V. 12); die Rechtfertigung der an Christum Glaubenden ist eine solche, die zugleich in den vollen Genuß des Lebens ver-seht, zu dem Herrschen im -Lebenführt(V.17). Mit den Worten: ,,dieRechtfertigung des Lebens ist über alle Menschen kommen« ist nicht gesagt, daß es auch wirklich mit allen Menschen zu dieserRechtfer- tigungkommen werde; die Ausdrücke in V. 15—17 zeigen ja schon den Unterschied an, der zwischen der natür- lichen Fortpflanzung der Sünde zum Tode und der geschenksweise erfolgten Mittheilung der Gerech- tigkeit zum Leben besteht. Um die Sünde von Adam zu empfangen, dazu bedarf es nichts, als der fleisch- lichen Geburt von ihm; um aber die Gerechtigkeit von Christo zu empfangen, dazu bedarf es der gliiubigen Annahme eines Gnadengeschenks das »Über alle Men- schen« erklärt daher nur das D arreich en des Gefchenks an alle, nicht aber, daß alle es auch wirklich annehmen werden. (v. Gerlach.) So wenig das ,,viel Gerechte« am Schluß des 19. Verses die Allgemeinheit der Gnade verbürgen will, so wenig ist mit dem ,,alle Menschen« im vorliegenden Verse die sog. Wieder- bringung spiaronocroiaroccsig Apvstg. Z, 2l) als noth- wendige Naturfolge des Heils gelehrt. (Lange.) Das Rechtfertigungsurtheil der Menschheit seitens Gottes ist gefällt; etwas Anderes ist’s freilich, ob und inwie- weit die Einzelnen durch den Glauben sich dieses Recht- fertigungsurtheil aneignen und damit zur persön- lichen Rechtfertigung gelangen — daraus einzugehen, lag dem Apostel hier fern, wo er nur die großen, objektiv gegebenen Thatsachen zu besprechenhat (Röntfch.) IV) Hier sieht die Rede plötzlich wieder auf das ,,gemäß dem, daß (Luther: dieweil) sie alle gesündigt haben« am Schlusse des 12. Verses zurück und trägt das auf der Seite Christi dem Parallele Moment nach, welches dort unterdrückt worden war. Was Paulus bisher noch nie ausdrücklich erklärt hat, daß der be- sondere Umstand, den er dort oben als einen auf Seiten Adams charakteristischen hervorgehobem auf der Seite Christi gleichfalls seine genau entsprechende Analogie finde, das spricht er jetzt auf das Bestimm- teste aus. Jn V.12 hatte er das durch Adams Sün- denfall verursachte Hindurchgedrungensein des Todes zu allen Menschen näher bestimmt durch ein »gemäß dem, daß sie alle gesündigt haben«, d. h. er hatte es dar- gestellt als unter der näheren Bestimmtheit erfolgend, daß es wesentlich zugleich ein aktuelles Sündigen oder ein wirkliches subjektiv es Sünderwerden aller Ein- zelnen sei; diesen besondern Umstand ruft er seht, ihn in den Worten: »gleichwie durch Eines Menschen Un- gehorsam viele Sünder worden sind« von Neuem auf- nehmend, in die Erinnerung zurück. Ob sich nun diesem Umstande als einem wesentlich charakteristischen Moment des Proeesses, mittels welches ,,durch Eines Sünde die Verdammuiß über alle Menschen kommen« (V·18),auf der Seite Christi ein spezisisch analoger gegen- überstellen lasse oder nicht, davon vorzugsweise hängt bei dieser Lage der Dinge die Richtigkeit der ganzen Parallele überhaupt ab; und weil denn wirklich ein solcher sich gegenüberstellen läßt, so tritt der Inhalt des 19. Verses durch ein vorangestelltes »denn« als Begründung des in V. l8 Gesagten auf. Das Kommen der Verdammuiß und des Todes durch Adams Sün- denfall über alle Menschen hatte so statt, daß es Zweck und Bedeutung des zwischen Adam und Christus neben eingekommenen Gesetzes. 53 »aus Anrechnung fremder Schuld, wes entlich zugleich ein aktuelles Sündigen, ein wirkliches (subjektives) Sündigwerden aller Einzelnen war; und diesem Umstande entspricht im zweiten Gliede der Pa- rallele genau der andere, daß durch Christi Gerechtig- keitsthat die Rechtfertigung und das Leben gleichfalls so über alle kommen, daß darin wesentlich zugleich ein wirkliches (subjektives) Gerechtwerden derselben mitgesetzt ist. (Rothe.) Im Grundtextistder Satz: ,,werden Viele Gerechte« durch die Zeitwortsform des Futuri als etwas Zukünftiges dargestellt, weil auch in dem Ge- rechtfertigten eine wirkliche Heiligung erst im Keimen und Wachsthum vorhanden und das Reich Christi selbst noch in der Ausbreitung begriffen ist. (v. Gerlach.) Der größte Theil der Ausleger, welche das ,,gesündigt haben« in V. 12 von dem Strafbarwerden verstanden, haben das ,,Sünder worden sind« in unserm Verse auch von dem Strafbarwerden erklärt; aus der Be- deutung von »Sünder« ließ sich diese Beziehung nicht gewinnen, aber wohl aus dem ,,worden sind«, indem man es auf Grund des griechischen Wortlauts in dem Sinne von ,,dar- oder hingestellt worden sind« faßte und dabei an eine Zurechnung der Sünde Adams, welchem auf der andern Seite eine Zurechnung des Verdienstes Christi entspreche, dachte. Da aber das ,,dieweil sie alle gesündigt haben« in V. 12 nicht sondern auf ein reales Sündigwerden führt, so muß das auch hier er- wartet werden. Während also der 18. Vers die Wir- kung des Sündenfalls und der Erlösung von der objektiven Seite darstellt, zeigt der 19. Vers, daß subjektiv ein reales Sündhaft- und Gerechtwerden eintritt. (Tholuck.) Und während nun in V. 18 es sich darum handelte, ob durch Christi Gerechtigkeit etwas vorhanden ist, das sich über alle Menschen erstreckt, ohne Rücksicht darauf, ob sie es alle auch wirklich zu dem sich gedeihen lassen, wozu es ihnen gereichen will und kann, stehen in V. 19 die Vielen, welche durch Christi Gehorsam Gerechte werden, dem Einen gegenüber, durch dessen Gehorsam sie es werden, ohne Rücksicht darauf, wie viele ihrer sind: was Christus den Vielen zu werden geeignet ist, das ist er für Alle, wenn auch nicht alle sich ihn dazu werden lassen, gleichwie Adam das, was er für Alle geworden ist, doch nur für diejenigen bleibt, die sich Christum das nicht werden lassen, was er für alle ist. (v. Hofmannh IN) Der Gedanke des Apostels ist dieser: Das Gesetz ist in der göttlichen Weltökonomie kein in sich selbst nothwendiger und wesentlich berechtigter Factor, kein eigentlicher Hauptfactoty sondern es ist— lediglich um eines andern willen gesetzt, mithin ein bloßer Nebenfactor; es bildet darin nicht eine wesentlich neue Periode, nicht eine Hauptperiode, sondern ist nur als vorbereitendes Mittelglied zwischen beiden Haupt- Perioden hineingeschoben. Seine Herrschaft hat keine selbständige Existenz, sondern haftet nur an der Periode des Sündenfalles, nur durch die Beziehung auf diese hat es seine Bedeutung; aber dieses doch wiederum so, daß es zugleich den Eintritt der Periode der Gnade und die vollständige Entwickelung ihrer Macht und Herrlichkeit an und in der Menschheit möglich macht und vorbereitet. (Rothe.) Neben der Haupt- ökonomie der Sünde lief die Niebenökonoinie des Gesetzes her, den allgemeinen sündhaften Zustand der Menschheit nicht in spezifischer, sondern nur in gradueller Weise verändernd, indem es ihn nicht, wie Christus, aufhob, sondern ihn nur, mit Erhaltung seines wesentlichen Bestandes, steigerte. (Philippi.) In V. 13 f. sah der Apostel sich veranlaßt, in Be- gründung des vorangehenden Satzes: ,,dieweil sie alle gesündigt haben« sich auf die Zeit bis zum Eintreten des Gesetzes zu beschränken und aus ihr seine Begrün- dung zu entnehmen; nun aber sieht er sich veranlaßt zu sagen, z welchem Zweck das Gesetz neben ein- gekommen. Da beides durch den Zusammenhang mit dem vorigen Abschnitt nicht erfordert war, so muß ihn die Rücksichtnahme auf diejenigen dazu bestimmt haben, welche von der Stelle, die das heilsgeschichtlich ge- offenbarte Gesetz in dem Verhältnisse zwischen Gott und der Menschheit einnehme, anders dachten, als er; und nun ist,.was er hier folgen läßt, eine aus dem- selben Grunde nothwendige Erklärung, aus welchem er die gegensätzliche Vergleichung Christi mit Adam an- gestellt hat, um nämlich die für das Geschick der Menschheit ein für alle Mal entscheidende Bedeutung seines Thuns aufzuzeigen. Wer dieser Vergleichung zustimmte, der begehrte keine andere Verbürgung ewigen Lebens, als die ihm in dem Gehorsam Christi und der rechtfertigenden Wirkung seiner Rechtsthat gegeben war; wer dagegen selbst etwas leisten zu müssen meinte, um sich das ewige Leben zu fichern, der berief sich auf das Dasein eines heilsgeschichtlich geoffenbarten Ge- setzes, dessen Forderungen erfüllt sein wollten. Und in der That ist ja mit der Offenbarung dieses Gesetzes ein Neues eingetreten, um dessentwillen Paulus in V. 13 f. seinen Beweis für den Satz, daß mit Adams Uebelthat sofort der Tod für alle Menschen gegeben gewesen sei, nur aus der vorgesetzlichen Zeit erholt hat und über das er sich jetzt erklären muß, um ihm gegen- über seine Vergleichung Christi mit Adam aufrecht zu erhalten. (v. HosmannJ s) Wollte der Apostel mit dem Ausdrucke: ,,neben einkommen« andeuten, daß das Gesetz dem von Adam begonnenen Gange des menschlichen Geschicks keine andere Richtung angewiesen habe, sondern in demselben Geleise daneben fortgegangen sei, so führt er nunmehr aus, wie es den Lauf der traurigen Wirkungen der Sünde sogar zu fördern bestimmt gewesen. (Reiche.) Jnwiefern aber wurde durch das Nebeneinkommen des Gesetzes die Sünde desto mächtiger? Weil die Menschen sich nicht für Sünder bekennen wollten, sind sie durch Hinzufügung des Gesetzes zu Pflichtverletzern ge- worden. (Augustin.) Jm Grundtext steht hier für ,,Sünde« dasselbe Wort, welches in V. 15 ff. immer für diejenige Uebelthat gebraucht wurde, mit welcher die Sünde in die Welt kam Oragoinrmuorx der Sinn ist also der, die Uebelthat, durch welche Adam die Sünde in die Welt gebracht hat, sollte eine Steigerung erfahren. Man wird da in Betracht ziehen müssen, daß das heilsgeschichtlich geoffenbarte Gesetz im Unter- schied von dem Verbot, welches Adam übertreten hat, einem Volke gegeben worden, das es für sein Gemein- leben um so mehr hätte maßgebend sein lassen sollen, je mehr es Gott dafür Dank schuldete, daß er es zu seinem Volke gemacht und seinen Willen ihm sonderlich kund gethan hatte; wenn nun Israel, das Volk, ebenso that, wie Adam, der Anfänger des Menschen- geschlechts, gethan hatte, so war dies aus dem Grunde eine Steigerung der Uebelthat, durch welche die Sünde in die Welt gekommen, weil sie sich hier in Gestalt einer Uebertretung wiederholte, mit welcher sündige Menschen eine sie bevorzugende Gnadenerweisung er- widerten. Aber eben hierauf war es, wie das »auf daß« zu erkennen giebt, mit der Gesetzgebung abgesehen — ein Gedanke, welcher nur dann unerträglich wäre, wenn damit ihr schließlicher Endzweck benannt sein ·sollte; der Apostel fährt aber fort: ,,wo aber die Sünde mächtig worden ist, da ist doch die Gnade viel mächtiger worden«, und ruht dann erst in dem Zweck aus, zu welchem dies geschehen ist. An einer bestimmten F 04 Römer 6, 1. 2. Stelle innerhalb der Menschheit ist das Gesetz gegeben worden und hat es seinen Ort gehabt; hierdurch er- scheint der Bereich, von welchem in dem ,,wo« die Rede ist, auf Israel, das Volk des Gesetzes, ein- geschränkt Wenn sich durch Jsraels Versündi ung gegen das Gesetz, mit der es sein Leben unter em- selben gleich begann (2. Mos. 32, 8), die Uebelthat des Anfangs gesteigert hat, so hat damit auch das wider- göttliche Verhalten, welches vordem gewesen war, eine Steigerung erfahren, indem es nun Uebertretung des geosfenbarten Gesetzes war; aber, sagt der Apostel, wo die Sünde sich solchergestalt gesteigert hat, da hat sich die Gnade in solchem Maße reich erwiesen, daß sie nicht etwa nur diese Steigerung, sondern vielmehr sich selbst iiberbot Inwiefern dies, kann nicht zweifelhaft sein; ist Ja doch eben dort, wo solche Steigerung der Sünde geschehen, das Heil der Welt erschienen, gerade ausdem Volke, welches sich ihrer schuldig geniacht hatte, Christus hergekommen· (v. Hosmannh Das Gesetz, weit entfernt, den Juden irgend einen Vortheil vor den Heiden zu gewähren, hat sie vielmehr in einen noch ärgeren Zustand versetzt, insofern sie den Tod nicht allein um der Uebertretung Adams willen, son- dern auch wegen ihrer persönlichen Sünden wider das Gesetz unterworfen worden sind. (Engl. Bibelwerkh Jvn derselben Sphäre nun, in welcher die Sünde sich hauste, ward die Gnade überaus mächtig; diese Sphäre ist aber keine andere, als das unter das Gesetz gethane Volk Israel. Diejenigen, welche ,,an Eines Sünde gestorben sind« (B. 15), haben »die Fülle der Gnade« empfangen (B. 17); in Beziehung auf diejenigen aber, in»welchen durch das Gesetz» die ihnen inhärirende Sunde zu adamitischem Fehltritt gesteigert worden, fand» ein ,,Uebermächtigwerden der Gnade« statt. (Ph1lIppI-) » H) Das «k)errschen«, von dem der Apostel redet, ist ein Herrschen wie das des Königs, welcher kraft personlicheeStelliing über die von vornherein vermöge ihrer Zugehorigkeit zu seinem Gebiet ihm Untergebenen Macht hat; eine solche Herrschaft nun hat nach V. 12 ——14 der ·Tod gehabt durch die Sünde, sofern er durch sie in die» Welt gekommen war, dann aber nicht minder auch die Sünde im Tode, indem sie ihre Herrschaft fort und fort darin übte, daß sie die Men- schen unter dem Tode hielt. Damit, daß alle sterben, ohne sich erst einzeln den Tod zuzuziehen, hat die Sünde, durch welche der Tod in die Welt gekommen und welche ·von»Adam her in der Welt war, eine Herrschast geubtuber alle, der sie von vornherein und abgesehen von ihrem eigenen Sündigen unterworfen waren» Eine eben solche Herrschaft sollte denn nun auch die Gnade haben und üben: wie konnte sie dies aber, wenn diejenigen, über welche sie herrschen sollte, sich selbst das Leben zii erwerben unternahmen? Sie mußte vielmehr in einer Größe und Fülle erscheinen, vor welcher sie» sich solchen Unterfangens entschlugen und» nichts weiter sein wollten, als Angehörige des Gebiets, iiber das sie die Herrschaft hat. Und so ist es geschehen, als Christus zu dem Volke kam, dessen Untreue gegen» das Gesetz« gesteigerte Sünde war; denn da sah man einerseits, daß durch das Gesetz gerecht zu werden· unmöglich, und andrerseits, daß Christi Gerechtigkeit die Rechtfertigung des Sünders sei. Da- nkitdie Menschen dies erkannten, und also die Gnade koniglich aber sie zu herrschen kam, ist die Gnade in Gestalt des Heilands Jsraels erschienen; und darauf hat es also schließlich hinausgewollh wenn ein Ge- setz mit dem nächsten Zwecke, Adams Uebelthat und die von daher» in der Welt befindliche Sünde zu steigern, daneben hereinkam. (v. Hofmannh Jst durch die Sünde der Tod in die Welt gekommen, so bethätigt sie eben durch ihn ihre Herrschaft; nun hebt zwar die Gnade den Tod, der das Loos aller Sünder ist, nicht aus, aber sie verleiht eine Gerechtigkeit, die das Leben arantirt, der Tod ist der Durchgang geworden zum eben. (Röntsch·) Am Schluß tritt die Erwähnung desjenigen hinzu, von dem die Gerechtigkeit ausgeht: ,,durch Jesum Christ, unsern HErrn«; es ist das eine Art von Doxologie, wie eine solche am Schluß eines so bedeutungsvollen Abfchnitts, zumal Von diesem Inhalt, eine sehr natürliche und herkömmliche Stelle findet, vgl. Kap. 6, 23 u. 7, 25. (Rothe.) Noch ein- mal faßt der Apostel den Reichthum der Lehre zu- sammen, den er von V. 12 an dargelegt hat: Sünde Tod, Gnade, Gerechtigkeit, Leben, diese fünf stehen da, die Gnade erhöht in der Mitte, die beiden überwun- denen Gewaltigen, Sünde und Tod, zur Linken, die doppelte Siegesbeute, Gerechtigkeit und Leben, zur Rechten, und über dem begrabenen Namen Adams grünt der Preis des Namens Jesu. Schau hin nach dem Hügel Golgatha und siehe die drei Kreuze! An dem Kreuze in der Mitte vollbringt die Gnade ihr Werk; rechts theilt sie aus des Paradieses Gerechtig- keit und Leben, links fahren Sünde und Tod, ab- gewandt von der Gnade, mit ihrer Beute zur Hölle. (BesseV-) Das b. Kapitel. Ilon der Heiligung und dem neuen cgehorsam als einer Frucht der gerechtigkeit des glaubens XI. d. 1-— Rad. Z, 39. Das Evangelium beseligt, indem eo zugleich heiligetr dies der andere Punkt, welchen der Jlvostel nunmehr beleuchtet. War bisher die mit der Rechtfertigung vor Gottes Gericht durch den Glauben unzerlreiinlich verbundene innere Heiligung des Menschen, zu der dieselbe den Eebenolieiin sub; her; senkt, schon öfter alg mit in das Grlösungguierli Iesu Christi einbegriffen gleichsam im Voraus berührt worden, so wird nun in dem hier folgenden Theile der Gpisiel gezeigt, wie durch den Glauben diese innerliche Be— freiung von der Herrschaft der Sünde zu Stande kommt; auch für dieses Gebiet, so wird dabei bemerlilich gemacht, reicht die Gnade für sich allein vollständig aus, das Geseh hingegen bleibt gänzlich außer Spiel. 1. V. 1—11l· Aus« dem, am Schlaf! des vorigen Theils gelhauen Ausspruch: ,,ivo die Sünde uiächtig worden ist, da ist doch die Gnade viel miiihtiger« tiouuteu leicht uuverstäiidige oder böswillige Folgerungen ge« zogen werden; diese schneidet der Apostel gleich von vornherein ab, indem er selber sie sich zum Gegenstand der Frage macht: ,,s’olleu ivir denn in der Sünde be- harren, auf das! die Gnade desto mächtiger iverde?« und uuii zeigt, das! vom Bleibet! in der Sünde bei Chrilken nicht tiöune die Rede sein, sie seien viel- mehr derselben geradezu abgestorben, und gleichwie sie mit ihr nichts mehr zu schaffen haben, so habe auch die Sünde ihrerseits in Betreff der Christen keinen Anspruch uiid tieiue Herrschaft mehr geltend zu machen (V.1 u. 2). Solche ihre Stellung zur Sünde ist, ivie Paulus den Römern des weiteren zum Bewusst- sein bringt, beivirlit durch ihreCaufe aus Christum; mittels derselben sind sie in eine völlige ung-theilte Genieinschaft mit Christo ausgenommen, sind mit ihm gestorben und begraben, aber auch mit ihm aufer- standen und in einem neuen Leben wandelnd, und zwar das eine flir die Sünde, das andere für Gott, Das Evangelium, gleichwie es rechtfertigt, so heiligt es auch. 55 so das! dieser nur allein und ausschliesllich über sie zu verfügen hat, jene aber sie gar nichts mehr angeht (V.3—-10). Es ist, was der Apostel hierniiisagh nicht als etwas gemeint, das nach der Taufe erst nach geschehen soll, als etwas, dazu die Taufe die Ge- tauften verpfliihteh sondern als etwas, das durch sie unmittelbar schon geschehen ist, als ein Gnaden· merk, das sie von selber bereits zn Stande gebracht hat; daher, indem er seine Leser ans-fordert, als An« gehörige Christi in diesem Lichte sich zu betrachten, kann er gleichzeitig von ihnen verlangen, der Sünde keinerlei Herrschaft über sich einzuräumen, vielmehr Gott allein zu dienen niit allem, was sie sind und haben (v. 11—14). 1. Was wollen wir hiezii sagen swelche Fol- gerung wollen wir aus dem soeben in Kap. b, 20 Gesagten: ,,wo die Sünde mächtig worden ist, da ist doch die Gnade noch viel mächtiger«, für unser Verhalten ableiten]? Sollen wir denn [gleich» als ergäbe solche Folgerung sich daraus] in der SUnde beharrew auf daß die Gnade desto machtiger werde?t 2. Das sei ferne» sKap. Z, 4. 6. 31]l Wie sollten wir in der Sunde wollen leben, der wir [bei unsrer Gerechtwerdung durch den Glauben, und unserm Eintreten in den Friedens- und Heils- stand Kap. 5, 1f.] abgestorben sind« [genauer: Die wir ja, wie dessen als Christo Zugehörige wir uns wohl bewußt, der Sünde abgestor- ben sind V. 11; 1.Petri2, 24., wie sollten wir noch ferner in ihr leben wollen Gal. 2, 17]? it) Das ,,beharren(« weist bestimmt auf Kalb. 5,»20 zurück; der dortige Ausspruch gab ganz auf gleiche Weise zu einer irreligiöseii Folgerun Veranlassung, wie der in Kap. Z, 4; es geht, wie Fenelon sagt, neben jeder Wahrheit ihr Schatten her, uiid neben der rößten der größeste (Tholuck.) Die Frage des postels kündigt die wahre Folgerung aus den voran- gehenden Versen an, indem sie die falsche Folgerung, die aus dem dort Gesagten gezogen werden könnte, abweist. (Lange.) Was dann folgt, ist von der höchsten Wichtigkeit für die praktische Anwendung der Lehre des Apostels von der Rechtfertigung aus dem Glauben ohne des Gesetzes Werke; und zwar nicht blos in der damaligen Zeit, sondern zu jeder Zeit, und namentlich auch in der Gegenwart. Erstlich nämlich fehlt es in keiner Zeit an Personen, welche diese heilige Lehre in der That inißverstehen und durch Mißverständniß mißbrauchem sei es, daß Stupidität oder, was wohl gewöhnlicher ist, mehr oder minder unbewußte Unlauterkeit der Grund ist, genug, Manche fassen die Lehre von der Rechtfertigung so auf, als könnten sie nun ruhig in der Sünde fort- leben, wie wenn Christus mit der Sünde, die doch selber die Unseligkeit ist, und nicht von der Sünde selig mache. Nicht weniger wichtig ist aber diese Ab- handlung zweitens deshalb, weil die Gegner der Lehre von der Rechtfertigung diesen Mißbrauch der- selben als einen nothwendigen, in ihr selbst begrün- deten ansehen und daher die Lehre als eine höchst ge- fährliche bekämpfen zu müssen glauben; in solchem Jrrthum befinden sich alle, die ohne lebendige Er- fahrung vom Wesen des Glaubens und der Recht- fertigung von einem gewissen gesetzlichen Eifer beseelt sind und das Bild absoluter Vollkommenheit durch eigenes Streben entweder bald zu erreichen oder be- reits darzustellen sich schmeicheln. Für jeden indeß, der »sehenfwill, läßt sich v · schnitts die apostolische Lehre selbst mit leichter Mühe vollstandig rechtfertigem dagegen ist freilich weder gegen die Unlauterkeit des Herzens, noch gegen die Dünkelhastigkeit der Eigengerechtigkeit irgend eine Hilfe zu finden, wenn nicht die Gnade selbst den Herzen ihre geheime Sünde enthüllt. (Olshausen.) VI) Daß wir der Sünde abgestorben sind, ist aller- dings der Grund dafür, daß wir nicht mehr in der Sünde leben werden; der Relativsatzx »die wir der Sünde abgestorben sind« ist aber im Grundtext mit Nachdruck vorangestellt, um die Unmöglichkeit des Lebens in der Sünde desto stärker hervorzuheben. Der Apostel argumentirt aus dem Gestorbensein der Sünde als einer anzuerkennenden Thatsache bei den Christen gegen die absurde Folgerung, die er vorhin aufgestellt hat, ohne sich auf die dialektische Auflösung des Trug- schlusses selber, dessen Zulässigkeit durch »das sei ferne!« bereits gebührend zurückgewiesen ist, weiter einzu- lassen; nach der bisherigen Entwickelung kann aber der Akt, wo das Abgestorbensein vor sich gegangen, nur der Akt der Rechtfertigung selbst sein, welcher dann in den folgenden Versen als an den Empfang des Tauf- sacranients geknüpft dargestellt wird· Die Sünden- Vergebung ist also zugleich der Sünde Tod: nur die vergebene Sünde wird gehaßt, die unvergebene da- gegen geliebt. (Philippi.) Der Apostel setzt hier voraus, daß in dem wahrhaft Gerechtfertigten eine entscheidende Begebenheit vorgegangen sei: er ist »der Sünde gestorben«; während vorher die Sünde so sehr zu seinem und aller innerftem Leben gehörte, daß sie von Adam anüber ihn und alle im Tode herrschte (Kap. 5, 21), so ist nun in ihm ein Tod dieses Todes- lebens vorgegangen, und, mit seinem Stellvertreter Eins durch den Glauben, ist er mit ihm der Sünde gestorben, und das neue nun in ihm wohnende Leben ist nicht mehr aus seinem sündlichen Jch, sondern aus Christo. Dies neue Leben ist also abgeschlossen gegen die Sünde, im Verhältniß zu ihr verhält sich der Christ wie ein Todter: so wenig ein Todter fein früheres Leben fortsetzen kann, so wenig der durch den Glauben gerechtfertigte und in Christum hinein ver- setzte Mensch sein früheres Sündenleben. Diesen kurz ausgesprochenen Satz, begründet der Apostel hiernach näher. (v. Gerlach.) Doch redet Paulus nur von der Herrschaft der Sünde, daß diese bei den Gerecht- fertigten ein Ende habe und sie hinfort der Sünde nicht dienen, lehrt also nicht, daß sie ohne Sünde und ohne Gefühl der Sünde seien. (Calov.) Jii der Formel: »in der Sünde leben« ist die Sünde als das leitende Prinzip und als Gegenstand des Wollens und Thuns gedacht, gleichwie dem ähnlichen Ausdruck: »in etwas wandeln« (Ephes. 2, 10; 5, 2 u. s. w.) die Vorstellung des Wegs oder der Norm zu Grunde liegt. (Maier.) Jn Christo ist keine Täuschereit die Sünde ist nicht allein vergeben, sondern auch vertrieben und aufgehoben. Deswegen sitzt Christus zur Rechten des Vaters, nicht allein, auf daß wir Kinder in Gnaden wären durch Vergebung der Sünden, sondern auch daß wir durch den empfangenen heiligen Geist von Tag zu Tage gereinigt werden, bis wir am jüngsten Tage ganz rein werden, ohne Ueberbleibsel der Sünden, die uns immerdar reizen und zurücke ziehen. (Luther.) — (Epistel ain G. Sonntag nach Crinitatigh Dieselbe neue Gerechtigkeit, die das Evangelium dieses Sonntags (Matth.5, 20——26) fordert, entwickelt in ihrer Tiefe seine Epistel Ankniipfend an die Taufe, nach Anleitung dieses Ab-- 56 Römer S, 3——11. die auf Pfingsten nach Petri Predigt begann und eine Taufe in Christi Tod ist, lehrt der Apostel, daß, wenn wir durch sie mit Christo in den Tod getauft sind, gleichwie Christus auferwecket ist von den Todten durch die Herrlichkeit des Vaters, also auch wir in einem neuen Leben wandeln follen. (Strauß.) Die neue, bessere Gerechtigkeit, nach welcher die Jünger des HErrn streben sollen, ist von uns nichtfern; keiner von uns darf sagen, wo soll ich hinfahren, sie zu finden? Du bist getauft, du bist herausgenommen aus dem Acker der adamitischen Menschheit, welcher nur Dornen und Disteln trägt, und hineinversetzt in einen neuen Lustgarten, da der Baum des Lebens steht, dessen Blätter zur Gesundheit der Heiden dienen und dessen Frucht das ewige Leben ist. (Nebe.) Christen sollen nicht in der Sünde leben wollen: l) sie sind der Sünde abgestorben, 2) sie leben Gott in Christo Jesu, unserm HErrn. (Fuchs.) Christi Weg mein Weg: I) mit ihm geh’ ich hinunter in den Tod, 2) mit ihm steig’ ich empor zum wahren Leben. (Ahlfeld.) Das wahre Christen- thum ist Gemeinschaft mit Christo: 1) mit Christo dem Gestorbeneii, Z) mit Christo dem Auf- erstandenen. Wir können Herr werden über die Sünde; denn 1) Christus hat sie überwunden, 2) wir haben an seinem Siege Theil durch Taufe und Glauben. (Stählin.) Was hat der Christ an seinerTaufe? 1) Erlösung von der Herrschaft der Sünde, 2) Kraft zum neuen Leben in dem HErrn (Sommer.) Erinnerung an die heil· Taufe: l) was hatGott bei der Taufe an uns gethan? 2) was haben wir in Folge der Taufe zu thun? (Heubner.) Was soll dem Christen der Tod und die Auferstehung Christi sein? 1) eine Wahrheit seines Glaubens, 2) eine Erfahrung seines Lebens, s) ein Vorbild seiner Zukunft. (Florey.) · 3. sOder, falls ihr das »wir sind der Sünde abgestorben« V. 2 euch bisher noch nicht zu lebendigem Bewußtsein gebracht haben sollsztet, richte ich, um es euch recht nahe zu legen, die Frage an euch:] »Wisset ihr ni»cht, daß alle, die wir in Jesum Christ sfür den Zweck, ihm einverleibt und als ihm Zugehörige übergeben zu werden I. Cor. 10, 2; Gal. 3, 27] getauft sind, die sind [indem es dabei sich zuerst und vornehmlich um den Empfang der Sündenvergebung handelte Apostg. 2, 38; 22, 16] in feinen Tod getauft-« sals durchwelchen ja die Versöhnung geschehen und die Vergebung der Sünden erworben ist Cor. b, 19 sf.]?· 4. So sind wir je [d. i. gewißlich, folgerichtig Pred. 4, 9 Anm., weil eben in ihm und mit ihm gestorben, auch] mit ihm be- graben durch die Taufe [die uns nach allen Seiten hin zu seinen Zugehörigen gemacht hat] in den Tod [in einen Todeszustand, wo, gleichwie für ihn, auch für uns das vorige Leben als abgeschlossen dahinten liegt], auf daß, gleichwie Christus ist auferwecket von den Todten [zu einem neuen, dem Be- reich der Welt und der in ihr herrschenden Sünde völlig entnommenen Leben] durch die Herr- lichkeit des Vaters [1. Eor« 6.14; Joh. 11, 40], also sollen auch wir in einem neuen Leben swörtlich: in Neuheit des» Lebens, d. i. in einer der früheren entgegen- gesetzten Lebensbeschaffenheit] wandeln« s2. Cor. 5, 14 f.; Col. 2, 12 ff.]. 5. So wir aber swie das ja wirklich in der Taufe mit uns geschieht] sammt ihm ge- pflanzet werden zu gleichem Tode, so werden wir auch sum in der That das zu können, wovon vorhin V. 4 gesagt war, daß wir es sollen] der» Auferstehung gleich sein«-Ei· sin- sofern deren Kraft zu einem neuen Leben Phil. S, 10 über uns kommt, und dies ist ein Leben, welches mitder Sünde und ihrem Dienst nichts mehr zu thun hat], s. Dieweil wir wissen, daß unser alter Mensch lEphes« 4- 225 Col· Z, 9] sammt ihm gekreuziget ist [Gal. 2, 19], auf daß der siindliche [nnter der Obmacht und Herrschaft der Sünde stehende EOL 2- 1 I] Leib anshöre, daß wir hinfort der Sünde nicht dienen-X· [2. Cor. 5,15]. 7. sEs ist also schon bei Leibesleben geist- licher Weise an uns das zu Stand und Wesen gebracht, was bei Andern natürlicher Weise erst mit ihrem Tode geschieht.] Denn wer gestorben ist sheißt es in einer sprichwörtlichen Redensart], der ist gerechtfertiget sabgethan Apostg 12, 19] von der Sünde sdaß er sein früheres schlimmes Thnn und Treiben nun nicht mehr fortsetzen kann]; 8. Sind wir aber [nicht sowohl in dieser physischen Weise, als vielmehr im geistlichen Sinne, und zwar] mit Christo gestorben, so glauben wir, daß wir [nicht blos von der Sünde gerechtfertigt seien, so daß diese uns nichts mehr anhaben kann, sondern] auch szur Vollendung solcher Gemeinschaft] mit ihm leben werden-H« sindem seine Auferstehungskräste unaufhörlich in uns überströmen Joh. 4, 14; 11, 25f.], 9. Und wissen [was den festen Bestand dieses unsers Lebens mit ihm und seiner Sicherung gegen alle Angriffe der Sünde, uns von Neuem in ihre Gewalt zu bekommen, betrifft], daß Christus, von den Todten erweckt, hinfort nicht stirbt; der Tod [unter dessen Macht er sreiwillig sich begeben, als er unsre Sünde auf sich nehm Jvhi 10- 185 Phils Z, 7f-1 wird hinfort über ihn nicht herrschen sdaß derselbe sich noch einmal an ihm vergreifen dürfte] 10. Denn das er gestorben ist, das ist er der Sünde sihre Strafe zu erdulden und ihre Herrfchaft aufzuheben] gestorben zu einem Mal [und kann also dieser Fall niemals wieder ein- treten Hebr. 9, 25 ff.; l. Petri 3, 18]; das er aber sseit seiner Auferstehung] lebet, das lebet er Gott-Hä- sist ein Leben, das einzig und allein in der Beziehung zu Gott steht, ganz in ihn aufgeht, vgl. Gal. 2, TO; Hebu 9, 28]. 11. Also auch ihr [indem ihr von ihm, dem Haupte, auf euch, seine Glieder, den Schluß Jn der T aufe sind wir mit Christo gestorben, begraben, auferstanden und wandeln in neuem Leben. 57 machetJ haltet euch dafür, daß ihr der Sünde gestorben sganz für sie todt und für alle ihre Einwirkungen schlechterdings nicht mehr vorhanden] seid und sdaß ihr jetzt allein und ausschließlich] lebet Gott in Christo Jesu, unserm HGrrnsLk sin Ttzvelchem unser ganzes Christenwesen beschlossen ist . 3 H. « i) Mit der oft vorkommenden Formel V. 16; 7, 1; 11, Z; 1. Cor. S, 2. I. 15 u. f. w.): ,,oder wisset ihr nicht?« bezieht sich der Apostel immer auf etwas Be- kanntes oder der Erkenntniß ganz nahe Liegendes, um daraus für Gesagtes oder für das, was nachfolgt (1. Cor. 9, 24), Anerkennung zu erlangen; anders dagegen verhält es sich mit der Formel (Kap. 11, 25; 1. Cor. 10, 1; 12, 1 u. s. w.): ,,ich will euch nicht verhalten«, welche etwas Neues, Merkwürdiges oder Auffallendes einführt. Jm Zusammenhang mit dem Vorigen will hier die Frage besagen: »So ist es, ihr werdet es. selbst zugestehen, ihr müßtet denn nicht wissen-« (Maier.) Der Apostel geht davon aus, daß die Taufe eine Taufe in Jesum Christ ist, d. i., daß sie uns mit ihm in eine wesentliche Beziehung und Verbindung, in seine Gemeinschaft, in sein Leben ver- fetzt; kommen wir aber durch das Sacrament der Taufe mit dem HErrn in Gemeinschaft, so versteht es sich, daß wir in erster Linie in die Gemeinschaft seines Todes eintreten, denn das heilsame, das heilkräftige Leben des HErrn für uns gipfelt eben in seinem Tode. Christus Jesus ist für uns in erster Instanz der Ge- storbene, der für uns Gekreuzigt« nur die Wunden des HErrn find unsre Trost- und Heilquellem nur sein Tod ist unser Leben. Aus diesem Umstande, daß die Taufe eine Taufe auf den Tod des HErrn ist, daß sie uns die persönliche Ge1neinschaft mit dem getödteten HErrn vermittelt, fließt, daß die Taufe auf den Namen Jesu Christi eine Taufe ist zur Vergebung der Sünden; denn der Tod des HErrn ist ja kein gemeiner, natür- licher Tod, sondern ein Tod für unsre Sünden, ein Opsertod, ein Sühnopfertod (Nebe.) H) Nachdem Paulus vorhin das »in Jesum Christ getauft fein« näher dahin bestimmt hat, daß es sei ein Getauftsein »in seinen Tod«, so geht ihm nun hieraus weiter der Satz, hervor, daß durch die Taufe das mit uns vorgegangen sei, was er ,,mit ihm be- graben sein in den Tod« nennt; was Christo geschehen ist, als er begraben wurde, das ist uns in der Art widerfahren, daß nun sein Begräbniß unser Begräbniß ist. Seine Bestattung entnahm ihn dem Bereiche der durch seinen Tod gesühnten Sünde; er sollte nicht blos gestorben sein, sondern auch zu den Todten bestattet werden, womit sein Dasein in der Welt der Sünde zum völligen Abschluß kam; werden wir nun hieran betheiligt, geschieht uns, was sein Begräbniß zu dem unsern macht, so hat damit unser Dasein in der Welt der Sünde einen Abschluß gefunden, wie er in seiner Bestattung vermöge der sühnhaften Bedeutung seines Todes für die Menschheit überhaupt beschafft war. Die Sünde ist für uns, sofern wir ihrer schuldig waren, also für unser Verhältniß zu Gott, eine völlig ab ethane Sache. Wie aber damit, daß unsre Taufe auf Jesum Christ eine Taufe auf seinen Tod gewesen, gegeben ist, daß wir an seinem Begräbniß und Todes- zustand betheiligt wurden, so ist weiter auch gegeben, daß hernach unser Leben ein eben so neues sein sollte, wie Christus aus der Todtenwelt zu einem Leben er- weckt worden ist, welches von seinem vormaligen wesentlich verschieden war; darauf, daß wir in Neuheit des Lebens wandeln sollten, sagt der Apostel, ist es Taufe, daß man sie nicht für ein ledig, bloß Z mit unsrer Vetheiligung an der Bestattung Christi in den Tod abgesehen. (v. HofmannJ Der Apostelbindet in einander Christi Tod, Auferstehung und unsere eichen halte, sondern daß darein gestecket ist die Kraft, beide, des Todes und der Auferstehung Christi. (Luther.) Eis) Der Apostel will in diesem Verse bestätigen, daß das neue Leben etwas Gewisses, etwas forthin Statthabendes sein wird: die Christen werden von dem an, daß sie getauft sind, in ein ähnliches neues Leben versetzt sein und in einem ähnlichen Stand der Freiheit sich befinden, in welchen Christus durch seine Auf- erstehung getreten ist. (Sommer) Was er vorhin gesagt hat: »in Christi Tod getauft« und ,,mit ihm begraben in den Tod« (V. 3f.), das nennt er hier: ,,sammt ihm gepflanzet werden zu gleichem Tode«, d. i. ihm also eingeleibt, daß er in uns kräftig ist und fein Tod in uns wirket; wie er aber durch die Taufe uns zueignet und verleiht die Kraft feines Todes, so auch die Kraft seiner Auferstehung, und das geschieht dazu, daß in uns auch folge, beide, Tod und Leben. Daß wir in der Taufe unter das Wasser gesteckt werden, zeigt, daß wir auch in Christo sterben; daß wir aber wieder heraus kommen, bedeutet und giebt uns, daß wir auch in ihm wiederum leben, wie er nicht im Tode geblieben, sondern auferstanden ist. (Luther.) Verkehrt ist es, bei den Worten: ,,auch der Auferstehung gleich sein« an die Leibesauferstehung oder auch nur an dieselbe mit zu denken; die Auf- erstehung auf unsrer Seite ist hier vielmehr als eine rein pneumatische (geistige) gemeint. Die Zeitworts- form der Zukunft: »wir werden gleich fein« will be- sagen, daß gewiß, sicher dieses statt hat, sobald nur jenes Sterben stattgefunden. (Nebe.) Der Apostel schildert in dieser ganzen Auseinandersetzung einen zwar mysteriösen, aber thatsächlichen und gewissen, wenn auch nur in der Erfahrung der durch die Recht- fertigung gefchehenden Wiedergeburt begreiflichen, psychologifchen Vorgang· (Philippi·.) . f) Es reimt sich nicht, daß wir wollten m dem alten sündlichen Wesen bleiben, die wir getauft und Christen sind; denn es ist schon dasselbige ,,mit Christo gekreuzigt«, d. i. das Urtheil des Verdammniß und Todes darüber gesprochen und gegangen (denn das heißt,,gekreu- zigt sein«), gleichwie Christus um unsrer Sünde willen gekreuzigt ist und das Verdammniß des Todes und Zornes Gottes getragen hat. Weil aber Christus selbst gekreuzigt ist, der doch unfchuldig und ohne Sünde war, um unsrer Sünde willen, so muß auch die Sünde an unserm Leibe gekreuzigt werden, d. i. gar verdammt sein und aufhören, daß sie kein Leben noch Macht mehr habe; darum müssen wir auch der- selbigen gar nicht dienen noch darein bewilligen, fon- dern sie als verdammt auch mit der That für ver- dammt halten und mit allen Kräften ihr widerstreben und in uns dämpfen und tödten. Paulus setzt aber unterschiedlich zweierlei Stück, daß er spricht: »Unser alter Mensch ist mit Christo gekreuzigt-«, und: »auf daß der sündliche Leib aufhöre«, als sei der alte Mensch etwas Anderes, denn der sündliche Leib (Leib der Sünde) Den alten Menschen heißt er nicht allein den Leib oder die groben sündlichen Werke, so der Leib begeht mit den äußerlichen fünf Sinnen, sondern den ganzen Baum mit allen Früchten, d. i. den anzen Menschen, wie er von Adam geboren ist, mit Teib und Seele, Willen, Vernunft und Verstand, der noch in Unglauben, Gottes Verachtung und Un- gehorsam ist, beide, in inwendigen und auswendigen Stücken; der heißt ,,alt«, nicht der Jahre halben (denn es kannwohl sein ein frischer, junger Mensch), sondern 58 Römer 6, l2—14. darum, daß er noch unbekehrt und gar nicht anders worden, denn wie er in der Sünde von Adam kommen — das ist sowohl ein Kind von einem Tage, als ein Mann von 80 Jahren. Dieser alte Mensch, spricht der Apostel, muß fchlecht ,,gekreuzigt«, d. i· gar verdammt, hingerichtet und abgethan fein auch noch in diesem Leben; denn wo der noch lebt und kräftig ist, da kann kein Glaube noch Geist sein, und bleibt der Mensch noch gar in Sünden, unter Gottes Zorn ersoffen und im bösen Gewissen, so den Menschen verdammt und nicht läßt zu Gottes Reich kommen. Nun, obwohl in denen, die nun neue Menschen sind, der alte Mensch gekreuzigt ist, so bleibt doch noch da an ihnen in diesem Leben der Leib der Sünde; das sind die übrigen Lüste von dem alten Menschen, so sich noch im Fleisch und Blut regen und gefühlt werden und gerne wollten dem Geist widerspenstig sein. Aber weil da das Haupt und Leben der Sünden getödtet wird, so müssen sie den Christen nicht schaden; doch also, daß sie gleichwohl denselben nicht gehorsam werden, damit nicht der alte Mensch wieder aufkomme, sondern der neue Mensch die Oberhand behalte und die übrigen sündlichen Lüste auch geschwächt und gedämpft werden. Darum dieser Leib auch muß endlich verwesen und zu Asche werden, auf daß die Sünde gar darin aufhöre und nichts mehr sei. (Luther.) Steht auch die gänzliche Vertilgung aller Sünde uns noch als etwas Zukünftiges bevor, wenn der Leib der Sünde vernichtet sein wird, so hat doch die Kreuzigung des alten Menschen, welche bereits in den Gläubigen geschehen ist, die Wirkung, daß sie der Sünde nicht mehr dienen. Sie kämpfen und streiten, sie leiden und bluten in diesem Kampfe, aber sie unterliegen nicht; jeder neue Angriff der Sünde und des Todes kann ihnen schmerzhafte, brennende Wunden schlagen, kann es zu tief beschämen- dem Straucheln und Fallen bei ihnen bringen, aber nie zur völligen Niederlage und zum Tode. Sie dienen der Sünde nicht mehr, sondern überwinden sie immer wieder und beherrschen sie mehr und mehr. (v. Gerlach.) ff) Daß der Sündedienst in Folge der Tödtung des alten Menschen aufhören müsse, wird in V. 7 mit Anwendung eines Sprüchworts begründet; denn aus der Allgemeinheit des Satzes erhellt, daß hier ein Sprüchwort zu Grunde liegt, und die eigent- liche Form desselben stellt sich mit Vergleichung von 1. Petri 4, 1 ungefähr so heraus: ,,nach dem Tode sündigt man nicht mehr-« (Maier.) Auf keinen Fall kann mit dem ,,gerechtfertiget von der Sünde« die Herstellung eines Zustandes der Rechtbeschaffenheit ge- meint sein, denn daß jemand außer Stand gesetzt ist, irgend etwas zu thun, und deshalb auch nicht diese oder jene Sünde begeht, das macht ihn doch nicht zu einem, welcher so beschaffen ist, wie er sein sollz der Ausdruck hat vielmehr den Sinn, daß, wer gestorben ist, hinsichtlich seiner Beziehung zur Sünde gerecht ge- sprochen, von ihrer beherrschenden Macht befreit sei. Jm Leben machte sie den Anspruch an ihn, daß er ihr den Willen thue, dem aber hat der Tod ein Ende gemacht; ein Gleiches nun gilt auch von demjenigen Tode, den der Menfch damit stirbt, daß er bei Leibesleben in die Gemeinschaft des gekreuzigten Christus eintritt, er hat von dem an sein bisheriges Dasein als das Dasein seines alten Menschen abgeschlossen hinter sich. Nach- dem denn so von dem im gemeinen Sinne Verstorbenen etwas ausgesagt ist, was aus den am Tode Christi Betheiligten und in diesem Sinne Gestorbenen An- wendung leitet, so folgt in V. 8, was von dem letzteren über jene Aussage Hinausgehendes gilt: sind wir des Todes gestorben, welcher ein Sterben mit Christo, nämlich ein von dem seinigen zwar zeitlich geschiedenes, aber dennoch als Betheiligung an dem seinen ge- schehenes Sterben ist, so sind wir dessen im Glauben gewiß, daß wir auch in einem Leben stehen werden, welches Gemeinschaft seines gegenwärtigen Lebens ist. Das Leben im vollen Sinne des Worts ist gemeint, welches uns aus der Gemeinschaft mit dem auferstan- denen Christus entfließt; und daß wir solchen Lebens fortan theilhaft sein werden, will ebenso geglaubt sein, wie daß Jesus auferstanden ist und lebt. (v. Hofmannh Daß, wenn es zu einem nicht von der Sünde be- stimmten Verhalten kommen soll, der Mensch sterben muß,das beweist Paulus aus der allgemeinen Wahrheit, daß überhaupt in dem gegenwärtigen Weltlauf ein Zustand, wo man nicht sündigt, nur mit dem Tode eintritt, indem eben, solange der Mensch in einer durch seine Leiblichkeit vermittelten Bethätigungsfähigkeit steht, er nicht anders kann, als Sünde thun. Bei dem Tode dagegen, den wir mit Christo sterben, stellt sich das anders: da ist das Loskommen von der Sünde nicht blos in jener negativen Weise, sondern auf Grund vollen Lebens und voller Bethätigungsfähigkeit vor- handen; daß wir uns aber dieses Lebens versichert halten dürfen, kommt daher, daß es nur Theilnahme an dem schlechthin unvergänglichen Leben des ver- klärten Christus selbst ist. Statt von den widergött- lichen Mächten der Sünde und des Todes ist jetzt Christi Leben allein bestimmt von der Beziehung zu Gott, welche wesentlich Gemeinschaft mit Gott ist; ist also die Taufe eine Betheiligung am Tod Christi, so find wir durch sie auch betheiligt an diesem, der Sünde gänzlich entnommenen und ausschließlich von der Ge- meinschaft mit Gott bestimmten Leben. (Schott.) Hur) Christus ist einmal dem Tode anheimgefallen; aber wir wissen, daß er von den Todten auferweckt worden durch die Herrlichkeit des Vaters und daß er durch diese Auferweckung in ein Leben eingetreten ist, welches kein Ende hat. Seine Auferweckung gleicht ja nicht im Mindesten der Auferweckung etwa des Jünglings zu Nain, der auch in das Leben zurückkehrte, aber in das alte, dem Tode unterworfene Leben, und durchaus nicht in ein Leben, welches der Macht des Todes ent- hoben war: Christus ist auferstanden von den Todten und steht nun in Neuheit des Lebens vor uns; nicht in das sterbliche Leben kehrte er zurück, sondern er trat ein in das unsterbliche’, ewige Leben, das er bei dem Vater gehabt vor Grundlegung der Welt· Ein Mal ward der Tod seiner Herr — damals, als er in Gehorsam gegen Gott«, feinen Vater, um uns von unsern Sünden zu erlösen, sich dem Tode dahingab, da schlug der Tod ihn in Banden (Apostg. 2, 24); faktisch herrschte der Tod über ihn, er riß ihn hinweg von der Erdeiund legte ihn wie einen Wurm in den Staub, wenn schon diese Herrfchaft nicht auf die Macht des Todes, sondern nur auf den zwingenden Willen Gottes und auf den sich selbst verleugnenden Gehorsam des Sohnes zurückgeführt werden kann. Aber es ist ein Wechsel bei der Auferweckung des HErrn ein- getreten: der Wille des Vaters, der Gehorsam des Sohnes ist erfüllt; der Tod kann fortan nicht mehr, nicht noch einmalHerr werden über den Auferstandenen, ist er ja doch durch feine Auferstehung von den Todten zu einem HErrn geworden, zu der Herrschaft über alles. (Nebe.) Der »der Sünde halben« (Kap. 8, Z) von Gott gesendete Sohn mußte sein Erdenleben so führen, wie es für die Wegschaffung der Sünde nöthig war, daher dasselbe von der Sünde das Gepräge er- hielt; für sein nachirdisches Leben aber ist, weil fein Sterben den Streit gegen die Sünde zum Siege ge- führt hat, in keiner Weise mehr die Sünde, sondern ganz nur seine Gemeinschaft mit Gott die geftaltende So lasset also die Sünde nicht herrschen über euch, sondern begebet euch Gott zu Dienst! 59 Macht. Hieraus folgt denn, wie der nächsie Vers be- sagt, daß auch die Christen sich zu achten haben als beziehuugslos zur Sünde und lebend für Gott in Christo Jesu. Sein Sterben war der völlige Sieg über die Sünde: sollten nun die mit ihm Verwachsenen sich achten als halb für die Sünde todt, halb noch für sie lebend, so daß ihr nunmehriges Leben halbirt wäre zwischen Gott und der Sünde, während Christus ganz nur für Gott lebt? (Geß.) Pf) Dem Vorbilde des HErrn gleicht der Christ in seinem idealen Charakter nach den beiden Momenten des Todes und des Lebens; diese ideale Anschauung sollen die Leser auf sich anwenden und sich selbst so ansehen, daß sie als Christen todt seien für die Sünde, lebend aber für Gott in Jesu Christo· Die Aufforderung geht zwar unmittelbar auf die ideale Selbstbeurtheilung und ist also zunächst nicht eine praktische Mahnung, aber sie schließt doch eine solche schon m sich und vermittelt so natürlich den Uebergang zu den folgenden Versen; denn die Forderung, sich die Jdee seiner selbst vorzuhalten, ist auch eine Ansprache an den Willen, diese Jdee zu verwirklichen oder zu bethäti en. (Maier.) Das Wort des Apostels ist um so me r für alle eine dringende Ermahnung, als gerade in dem Leben der Gefördertsten sich häufig Zeiten schwerer Anfechtung einstellen, i·n denen sich vor ihnen selbst ihr neues Leben in Gott gänzlich verbirgt und sie der Sünde anheim gefallen scheinen; in solchen Sichtungszeiten gilt es eben, sich durch den Glauben, der nicht siehet, der wider Hoffnung auf Hoffnung glaubt, aufzurichten und den Sieg zu behalten. (Ols- hausen.) 12. St) lstsset nnn sals solche, die für sie gestorben und allen ihren Ansprüchen entrückt sind V. 1»1 u. 7] die Suude nicht herrschen in eurem fterblichen Leibe sgleich als komme auf diesen, der doch einmal dem Tode verfallen, nichts weiter an], ihm srichtigerz ihr] Gehorsam zu leisten in seinen Lusten svermittels welcher sie euer wieder mächtig zu werden sucht]. 13. · Auch begebet nicht der Simde smit deren Dienste ihr ja nichts mehr zu schaffen habt V. S] eure Glieder zu Waffen der Ungerechtigkeit snach der einen oder andern Seite hin, gleich als komme auf das einzelne Glied nichts weiter an, wenn nur der übrige Leib vom Sündendienst sich frei- halte]; sondern begebet euch selbst smit eurem ganzen Menschen, wie dem Geiste so dem Leibe nach Kap. 12, 1] Gott [zu Dienst V. 16. 19], als die da snach dem vorhin Gesagten V· 4f·] aus den Todten lebendig szum Leben gelangt] sind [Ephes. S, 1—6], und eure Glieder sallzumah welche es auch seien] Gott sdem ihr in diesem euerm neuen Leben ausschließlich zugehört V. 4. 8. 11] zu Waffen der Gerechtigkeit-« [2. Cor. 6, 7]. 14. lVon euch und eurem guten Willen hängt es ab, das auch wirklich zu thun, wozu ich euch hier ermahnt habe.»] Denn die Sünde wird nichtherrschen kbnuen nber euch swenn ihr nur nicht selber die Macht über euch von Neuem ihr einräumt], sintemal ihr nicht unter dem Gesetz seid sdas freilich die Macht der Sünde eher steigert, als sie bricht Kap. b, 20; 7, 7 ff.; I. Cor. 15, 56], sondern unter der Gnade« swelche nicht nur unsre vorige Sünde durch Vergebung hinweg- nimmt, sondern auch mit der Gotteskraft zu einem neuen, heiligen Wandel uns ausrüstet Joh. 1, 17]. i) An die Ermahnung zur idealen Selbstbeurtheilung oder richtigen Erfassung des Berufs und der Bestim- mung des Christen schließt sich nun die Aufforderung, der Jdee gemäß das Leben einzurichten, sie zu ver- wirklichen und zu bethätigen; aber das solgernde ,,nun«, womit diese Aufforderung anhebt, sieht nicht blos auf den unmittelbar vorhergehenden Vers, son- dern auf den ganzen Abschnitt zurück, in welchem sich von Anfang an die Gedanken von V. 11 hindurch: ziehen, und so bilden also die beiden hier vorliegenden Verse die praktische Schlußfolgerung zu diesem Lehr- stück. (Maier.) Die Aufforderung besteht aus einem doppelten Verbote, welches dem »der Sünde ge- storben«, und aus einem doppelten Gebote, welches dem ,,lebet Gott« in V. 11 entspricht; das eine wie das andere bezieht sich auf die sittliche Beschaffenheit des äußeren, nicht des inneren Lebens, und hat die innerliche Abkehr von der Sünde und die Zukehr zu Gott zu seiner Voraussetzung. Was nun zunächst das erste Verbot betrifft (V. 12): ,,lasset die Sünde nicht herrschen in eurem fterblichen Leibe, ihr Gehorsam zu leisten in seinen Lüsten«, so ist hier ein zwiefaches Sein des Christen unterschieden, das in Christo, dem lebendigen, und das im Leibe, dem fterblichen; wer nun, anstatt ersteres·in letzterem zu bethätigen, in seinem Leibe die Sünde eine Herrschaft haben läßt welche ihn seinen Begierden gehorsam macht, der be- geht eine zwiefache Thorheitt er gebraucht die Macht nicht, welche ihm das Leben Christi über den sterb- lichen Leib und damit über die Sünde giebt, und er läßt sich in den Tod verflechten, welchem der Leib anheimfällt, während er ein Leben besitzt, dessen auch sein Leib mittheilhaft werden würde. Es wäre Schuld der Leser, wenn bei ihnen die Sünde zu solcher Herr- schaft gelangte, und war nicht blos, sofern sie es zu hindern vermöchten, sondern auch, weil es nicht dazu kommen kann, ohne daß sie selbst die Hand dazu bieten; daher tritt zu dem Satze des 12. Verses, wel- cher sagt, was nicht sein soll, der andere hinzu, welcher sagt, was sie nicht thun und was sie statt dessen thun sollen, letzteres aber im Gegensatze nicht blos zu dem zweiten, sondern in seiner ersten Hälfte auch gegenüber dem ersten der beiden verbietenden Sätze. (v. Hof- mann.) Der Leib war ursprünglich von Gott gut geschaffen und dem Geiste die Aufgabe gestellt, ihn sich zu unterwerfen, zu beherrschen und zu durchdringen, so daß der Leib selbst geistlich würde; durch die Sünde aber wurde dies Verhältniß umgekehrt, der Mensch gab durch sie dem Fleische sich hin und sein Geist wurde fleischlich. Sobald nun der neue Mensch, Christus, in uns zu leben anfängt, entsteht ein Kampf am Geist und Fleisch in uns; der im Fleische, in dem fterblichen Leibe lebende Geist erhält s eine ursprüngliche Herrschast wieder und unterwirft sich allmälig den Leib mit allen seinen Gliedern. Damit entsteht dann, unsichtbar und verborgen, in dem sündlichen Todesleibe selbst der Keim eines neuen, verklärten Leibes, von Christi Fleisch und Blut genährt, so daß es nicht blos derselbe Mensch ist, sondern auch derselbe Leib, der da stirbt und der in’s verklärte Leben von Christo wieder auf- erwecket wird. Aus dieser Einheit von Geist und Leib ergiebt sich die Nothwendigkeih die der Apostel hier ausspricht: wer da wähnte, der Leib könne der Sünde dienen, die Sünde könne herrschen in ihm, während 60 Römer 6, 15——18. der Geist Gott diente, würde furchtbar irren. Der neue Geist des Menschen lebt in dem sterblichen Leibe und soll nicht einen, sondern diesen sterblichen Leib beherrschen und durchdringen, mitten im Sündentode die siegreiche Macht des neuen Lebens geltend machen; und thut er es nicht, herrscht die Sünde in dem sterb- lichen Leibe, so beherrscht die Sünde und das Fleisch auch den Geist, der, unzertrennlich von ihm, in dem Leibe wohnt, und das höhere Leben des Geistes ist nur Schein, ist nur ein lebloser Aufschwung seiner Einbildungskrafh der in jedem ernstlichen Angriffe sofort unterliegt. (v. Gerlachh Die Gerechtigkeit muß in ihrem Kampfe gegen die Sünde, den sie in unserm Leibe auszusechten hat, auch eine Waffenrüstung haben, und sie verlangt unsre Glieder als Waffen; wir müssen dieselben also in der Weise zügeln und regeln, und sie zu ihrem Dienste in der Weise geschickt machen, daß sie mithelfen die Sünde zu besiegen. Unser Auge wird auf die Schrift, unsre Zunge zum Gebet ge- wandt; unsre in Nüchternheit erhaltenen inneren Or- gane bieten keinen Anlaß zu Ansechtungen, sondern helfen, gesund und geregelt, wie sie sind, die von außen herankommenden Anfechtungen abwehren und besiegen. (Wangemann.) IV) Wären sie unter dem Gesetz, so könnte es nach Kap. 5, 20 nur darauf abgesehen sein, die bereits in Herrschaft stehende Sünde zu steigern; sind sie aber unter der Gnade, so ist ja die Norm für ihr sitt- liches Thun nicht eine bloße Forderung, sondern, wie der Apostel soeben nachgewiesen hat, die Mittheilung dessen selbst, was des Sündenlebens entledigt Und die Kraft zu rechtem Verhalten verleiht. (Schott.) Die Gnade verleiht unaussprechliche Verheißungen und theilt auch unerschöpfliche Lebensquellen mit: macht sich die Sünde an einen Begnadigten heran, so hat sie es mit al1’ diesen Gotteskräftem ja, mit Gott selbst zu thun, der ihr widersteht; darum kann sie schließlich doch nicht die Herrschaft behaupten. (Wangemann.) L. V. 15—23. Wie der Apostel im vorigen Abschnitt es mit der Ilbivehr einer salsihen Folgerung, die man aus seinem Ausspruch in Kur. Z, 20 hätte ziehen können, öd thun halte, so beschäftigt ihn jetzt die Abwehr derjenigen Folgerung, die man aus dem Wort in V. til machen könnte: ,,wir sind nicht unter dem Gefetz, sondern unter der Gnade«; auch hiervon könnte man den Satz inolleii ableiten, die Glaubens· gerechtigkeit sei nicht sowohl eine Befreiung von der Sünde, als vielmehr ein Freibrief zur Sünde. Da— gegen nun must Paulus aul’s Gntschiedeiiste sich ver- wahren (V. t5); und da ist denn der Salz, das) das Knechtseerhiiltniss zu denisenigeci Herrn, in des! Dienst jemand eingetreten ist, es mit sich bringt, diesem Herrn amh fortan zu gehorchen, die Grundlage, auf die er feine Rede baut. Vorhin war es die Sünde, zu welcher· die Leser im Knechtsverhälttiisz gestanden nnd mit den ihr geleisteten Diensten sieh den Tod verdient haben; aber sie sind durch die gläubige Annahme des Evangeliums Gott gehorsam geworden, solcher Ge- horsam ist der nunmehrige Herr, dem sie dienen zur Gerechtigkeit, und auf diesem Wege geht es mit ihnen zum ewigen Leben, dieser Gabe Gottes in Christo Jes’u (V.16—18). Wie sie nun vorhin unter der Herrschaft der Sünde ihre Glieder begeben haben zum Dienst der Unreinigiicit und von einer Ungerechtigkeit zu der andern, davon aber in den Werken, die sie vollbrachten, nur solche Früchte gezeitigt haben, deren sie setzt sich schämen und zuletzt den Tod davonbriiigem so sollen sie unter der neuen Herrschaft des Gottes- gehorfanis ihre Glieder vielmehr zu den: Dienst der Gerechtigkeit begeben, in welchem Dienste ihre hei- kigung sich voltziehct und das ewige Leben der Uns— gang ist, der ihrer wartet (V, 19—23). 15. Wie nun sverhälrs sich mit unserm, so eben charakterisirten Christenstande in Hinsicht auf den praktischen Lebenswandels? Sollen wir suns für Freigelassene erachten, denen es gestattet ist zu] sündigeth dieweil wir swie V. 14 gesagt] nicht unter dem Gesetz, sondern unter der Gnade sind? Das sei ferne» « 16. Wisset ihr nicht sum an bekannte Ver- hältnisse des alltäglichen Lebens zu erinnern und daraus das, um was es hier sich handelt, euch abnehmen zu lassen, daß], welchem ihr euch be- gebet zu Knechteu in Gehorsam, deß Knechte seid ihr, dem ihr [nun auch wirklich, nachdem ihr ein- mal in das Dienstverhältniß zu ihm eingetreten, nach Maßgabe seiner Befehle] gehvrsam seid; sganz dasselbe gilt denn auch auf dem christlichen Ge- biet: welchem ihr euch zu Knechten begebt,- deß unbedingt ihm Untergebene Knechte seid ihr, habt ihm für denjenigen Zweck, auf welchen seine Willeusrichtung hinausgeht, zu dienen und em- psangt dann von ihm denjenigen Lohn, über welchen er zu verfügen hat,] es sei der Sünde szu Dienst der Unreinigkeit und von einer Un- gerechtigkeit zur andern V. 19] zum Tode [V. 21], oder dem Gehorsam sdes Glaubens Kap. 1, s] zur Gerechtigkeit« [deren Krone das ewige Leben ist 2. Tim. 4, s; Jak. 1, 12]. 17. Gott sei aber gedeutet, daß ihr Knechte der Sünde gewesen seid fund dieser so leidige Knechtesstand bei euch ein Ende» genommen hat I— Cvri S, UL aber nun sseit eurer Bekehrung zu Christo] gehorsam worden von Herzen sohne daß irgend welcher äußerer Zwang dabei statt- gefunden hätte Ephes S, S] dem Vorbilde der Lehre l2- Tini— l, 13], welchem ihr ergeben seidM [d. i. dem christlichen Glauben, dem ihr jetzt an- hanget Judä 3]. . 18. lSo seid ihr also jetzt, wie in V. 14 gesagt, unter der Gnade; aber davon kann da nimmer die Rede sein, daß euch fortan Freiheit gegeben wäre zum Sündigen V. 15.] Dennnnu ihr frei worden seid von der Sünde sdaß ihr nicht mehr zu Dienst und Gehorsam als Knechte ihr verpflichtet seid, wie vordem], seid ihr Knechte worden der Gerechtigkeit-s— sihr fortan zu dienen und in allen Stücken, was immer sie euch befiehlt, Gehorsam zu leisten]. s) Gleichwie in V. 1 ff. ist es dem Apostel nicht sowohl um Verwahrung der christlichen Lehre gegen widersacherische Mißdeutung zu thun, als vielmehr um Verhütung eines Wandels der Leser selbst, welcher solcher Mißdeutung Recht geben würde. Eine That- sache der Heilsgeschichte nun war es dort, deren christliches Verständnis; er gegen verkehrte Anwendung sicher stellte; gleiche Mißdeutung aber oder gleichen Nun ihr frei worden seid von der Sünde, seid ihr Knechte worden der Gerechtigkeit. 61 Mißbrauch konnte jetzt auch der auf den Christen- stand selbst bezügliche Satz erfahren, in welchem er ihn einen Stand unter der Gnade, und nicht unter dem Gesetz, genannt hat. (v. Hofmann.) War vorhin von einem Verharren bei der Sünde, also mehr von einem ganzen Zustand, von dem Gesammtcharakter des Lebens die Rede, so kommt hier mehr das ein- zelne Sündethun in Betracht; hieß es dort, der Christ kann eigentlich, subjektiv angesehen, gar nicht, so heißt es hier, er darf auch nicht, objeetiv an- gesehen, der Sünde fröhnen. (Schott.) Das Räsonne- ment, welches Paulus im Auge hat, lautet näher so: »wenn der Christ nicht unter dem Gesetze steht, so haben dessen sittliche Forderungen und Verbote auch keine Verbindlichkeit für ihn; er kann also seinen Nei- gungen und Trieben ungehemmten Lauf lassen, ohne sich damit zu versündigen.« Sowie nun hier die Fol- gerung der Zulässigkeit des Sündigens eine andere Grundlage hat, als oben, so bestreitet sie der Apostel in V. 16 ff. auch von einem andern Gesichtspunkte aus: dort ist der Grundgedanke die Jdee der Gemein- schaft der Christen mit Christus im Sterben, Wieder- erstehen und Neuleben; hier bewegt sich der Vortrag in einer Vergleichung der sittlichen Verhältnisse vor und nach der Bekehrung zum Christenthum mit dem Knechtsverhältnisse in dem Betracht, daß ein Knecht dem HErrn, dem er sich selbst hingab oder dem er übergeben wurde, ungetheilten Gehorsam und Dienst- leistung erweist, wie er denn auch, falls er von dem« einen Herrn an einen andern kommt, aus dem Dienst des ersteren gänzlich heraustritt und nunmehr dem neuen Herrn ausschließlich unterworfen ist — immer nur Gehorsam und Dienstleistung an Einen HErrnt Rücksichtlich des sittlichen Lebens handelt es sich um zwei Herren, die ihrer Natur nach sich entgegengesetzt find (Matth.6, 24), demgemäß auch ganz verschiedenen Dienst fordern, so daß hier um so weniger eine doppel- seitige Angehörigkeit und Dienstleistung zugleich statt- haben kann. (Maier.) H) Mit den: ,,wisset ihr nicht« weist der Apostel auf die Analogie eines bürgerlichen Rechtsgrundsatzes hin, er giebt aber in der zweiten Hälfte des Verses zugleich die Anwendung: wem ihr euch freiwillig ein- mal als Knechte zum Gehorsam iibergebet und ver- pflichtet, dessen Knechte seid ihr dann auch und leistet ihm Gehorsam, sei es als Knechte der Sünde &c. Der Nachdruck liegt auf dem ,,seid ihr«; mit dem ,,euch zu Knechten in Gehorsam begebet« ist das wirkliche Sein und Gelten mit seiner Consequenz zugleich gesetzt. (Lange.) Wollte man meinen, bei den Worten: ,,es sei der Sünde zum Tode« müsse unter »Tod« aus- schließlich der ewige Tod verstanden werden, weil der leibliche Tod auch den noch trifft, der sich »dem Ge- horsam zur Gerechtigkeit« als Knecht ergiebt, so läßt sich erwidern, daß durch die aktuelle Sünde der Tod nach dem ganzen Umfange seines Begriffs, also auch der leibliche Tod, wie er schon um des erbsündlichen Verderbens willen auf dem Menschen ruht, von dem Individuum auch durch eigene That persönlich an- geeignet und verdient werde; für den Knecht des Ge- horsams dagegen ist auch der leibliche Tod theils schon gegenwärtig in der Form der Strafe aufgehoben, theils zukünftig durch die Auferstehung, (Philipp1.) Gleichlautend mit dem Vorangehenden hatte man am Schluß des Verses die Worte in dieser Form erwarten müssen: ,,oder der Gerechtigkeit zum Leben«; anstatt dessen sagt Paulus: ,,oder dem Gehorsam zur Gerech- tigkeit«. Der Gedanke wird dadurch viel voller; der Apostel sagt nämlich hiermit zugleich: alle Sünde ist Ungehorsam und wirkt durch den Ungehorsam den Tod; will jemand also die Sünde nicht mehr zum Herrn haben, so ergebe er sich dem Gehorsam, so wird er dadurch zum Leben kommen, nämlich durch Ver- mittelung der durch die Gnade geschenkten Gerechtigkeit. So vermeidet Paulus den Jrrthuny als ob man durch seine Abkehr von der Sünde ebensosehr sich das Leben verdienen könne, wie man den Tod durch die Sünde verdient. (Wangemann.) IN) Er fügt eine Danksagung hinzu, zunächst um zu lehren, daß es nicht eigenes Verdienst, sondern Gottes alleiniges Erbarmen sei; zugleich aber, damit man an der Danksagung selbst lerne, wie groß Gottes Gnadenwohlthat sei, und sich desto mehr zur Verab- scheuung der Sünde ermuntern lasse. (Calvin.) Eigen- thiitnlich ist für ,,Evangelium« der Ausdruck: ,,Vorbild der Lehre«; das fcheint zu ,,gehorsam worden« nicht zu passen, es müßte vielmehr heißen: ,,euch dem Vor- bild der Lehre ähnlich gestaltet«. Allein in dem »ge- horsam« latitirt in der That diese Idee; wie nämlich der Knecht der Sünde ihr Bild in sich aufnimmt, so auch nimmt der der Wahrheit Gehorsame ihr Bild in sich ein. (Olshausen.) Bei den Worten: ,,welchem ihr ergeben seid« hat man zu beachten, daß das Vorbild der Lehre, die Regel des Glaubens, nicht sowohl den Christen, als die Christen ihm übergeben worden von dem heil. Geist, um nach diesem Bilde selbst gestaltet zu werden. (v. Gerlach.) s) Bei den Lesern ist jene Alternative, von welcher der Apostel in der zweiten Hälfte des 16. Verses redete, nach V. 17 bereits dahin entschieden, daß sie der Sünde Knechte waren, jetzt aber glaubensgehor- sam das Wort vom Heil angenommen haben; find sie aber damit von der Sünde frei geworden, so sind sie eben damit doch nur wieder in ein Knechtsverhältniß, nämlich zur Gerechtigkeit, getreten. (Schott.) Der Ausdruck: ,,Kne«chte worden der Gerechtigkeit« ist aller- dings paradox, aber sehr significant, indem er die durch die Gnade bewirkte Gebundenheit des Gerechtfertigten an die Norm der Gerechtigkeit scharf hervorhebt (Philippi.) Den Begriff der Freiheit (Joh.8,36) hätten die Leser als absolute Losgebundenheit, Schrankenlosigkeit auffassen können; darum schildert Paulus ihn als eine neue, edlere Gebundenheit, wie auch der Erlöser selbst ihn darstellt als Aufnehmen eines Jochs, einer Last (Matth. 11, 29 f.) Für das irdische Leben des Gläu- bigen, in dem die wahre Freiheit nie vollständig zur Erscheinung kommt, hat die Darstellung seines Lebens als das Gehen unter einem Joch, einer Last, das nur sanfter und leichter ist, als das und die des alten Testaments, ihre volle Wahrheit; denn wenn auch dem in der Liebe lebenden neuen Menschen Gottes Gebote nicht schwer sind (1. Joh. 5, 3), so bleibt doch das Joch immer noch mit dem alten Menschen verbunden und empfindet er insofern eine ,,Knechtschaft der Ge- rechtigkeit«, erst wenn mit der Unmöglichkeit der Sünde die absolute Vollkommenheit eintritt und Gott im Menschen alles in allem geworden, erscheint die herr- liche Freiheit der Kinder Gottes Kap. 8, 21. (Ols- hausen) (Epistel am 7. Sonntage nach CrinitatisJ Der 7. Sonntag n. Tr. ist der Sonntag der Er- quickung, der Befriedigung, der Genüge (dominica. refectionis) und weiset auf Laetaxse zurück, der den- selben Namen führt; beide haben zum Evangelium die zwei wunderbaren Speisungen der fünftausend und viertausend Mann, und wenn die erste den Schluß der Saat, so bezeichnet die zweite den Anfang der Ernte. Sowohl in natürlicher als geistlicher Hinsicht ist dieses erste Erntefest an seiner Stelle: die Speisung der vier- 62 Römer 6, 19——23. tausend Mann (Mark. 8, 1—9) war ein Wunder, das uns nicht allein über das verborgene, stille, alljähr- liche Wunder der Ernte, in der oft aus einem Samen- korn hundertfältige Frucht zu Tage kommt, sondern auch über das geistliche Wunder belehren soll, das sich unaufhörlich in der vollen Genüge und Befriedigung erneuert, wenn eine Seele Gottes Wort in sich auf- genommen und seine Wirkung nicht gehindert hat. Worin diese Wirkung besteht, verkündet die Epistel Der Apostel stellt zwei Fragen auf, die sich auf die Frucht und Wirkung der Sünde und Gerechtigkeit be- ziehen, und schließt mit dem allgemeinen Ausspruch: der Tod ist der Sünde Sold; aber die Gabe Gottes ist das ewige Leben in Christo Jesu, unserm HErrn Siehe da die wahre»Ernte, die hier schon aus dem Lichte der Gnade und des Wortes zu reisen beginnt und sich mehrt und vollendet bis in die Ewigkeit. (Strauß.) Die Sündenknechte und die Gottes- knechte: 1) ihr Dienst, 2) ihr Lohn. Wozu fordert der Gedanke an das Ende des Siinden- nnd des Gottesdienstes auf? I) von aller Ungerechtig- keit abzutreten, 2) alle Glieder zum Dienst der Gerech- tigkeit zu begeben. (Fuchs.) Die zwei Wege, welche der Mensch vor sich hat: 1) der breite Weg des Verderbens, Z) der schmale Weg des Lebens. tKunel.) Sollen wir sündigen, dieweil wir unter der Gnade sind? Das sei ferne! denn 1) wem jemand dient, deß Knecht ist er; Z) weß Knecht jemand ist, deß Lohn bekommt er. (Mi«inkel.) Die Wahl zwischen Sünde und Gerechtigkeit; sie ist eine Wahl 1) zwischen Knechtschaft .und Freiheit, 2) zwischen Schande und Ehre, Z) zwischen Tod und Leben. (Kübel.) Die Knechtschaft der Sünde; wir erwägen 1) die falsche Freiheit, mit der sie tauscht, L) die schlimmen Werke, zu denen sie führt, Z) den jaminervollew Sold, den sie bezahlt. Die wahre Freiheit; wir sagen: I) sie gehorcht, und ist doch nicht geknechtet, 2) sie arbeitet, und ist doch nicht be- schwert, Z) sie bescheidet sich, und bleibt doch nicht un- belohnt! ommer.) Der Dienst der Gerechtig- keit: 1) ein heiliger Dienst, Z) ein herrlicher Dienst, Z) ein seliger Dienst. (Caspari.) 19. Ich muß [wenn ich so eure Gebunden- heit an den Dienst der Gerechtigkeit als einen Knechtsstand bezeichne V. 18] menschlich davon reden srede von dem, was ich euch sagen will, nach Art eines auf natürlich-inenschlichem Gebiet sich begebenden Vorgangss um der Schwachheit willen eures Fleisches sdie euch verleiten könnte, mit jener Gebundenheit es leichter zu nehmen, als recht ist; daher eben ich eines recht starken Bildes nach Maßgabe menschlicher Verhältnisse mich bediene und nun auf Grund desselben fort- fahre, zu einem entsprechenden Verhalten euch zu ermahnen]. Gleichwie ihr [denn in eurem vorigen Stande V. 17] eure Glieder begeben habt zu Dienste der Unreinigkeit [Kap. 1, 24] und von einer Ungerechtigkeit [genauer: Widergesetzlichkeit oder Unrecht 1.Joh. B, 4] zu der andern, also begebet nun auch eure Glieder· zu Dienste der Gerechtigkeit, daß sie heilig werden-«« [1. Thess 4, 3—7]. 20. [Solcher Dienst der Gerechtigkeit dient zu eurem wahren Besten, wie die eigene Er- fahrung euch bezeugt-J Denn da ihr [in eurem vorigen Stande als Heiden] der Sünde Knechte waret, da waret ihr [allerdings] frei von der Gerechtigkeit [und meintet, eben darin bestehe das Glück eines Menscheii, daß er bei seinem Denken, Reden und Handeln nicht erst darnach fragen müsse, was die Gerechtigkeit von ihm for- dere, sondern ganz nach Belieben sich verhalten dürfe]. 21. Was hattet ihr nun zu der Zeit für Frucht [in den Werken, die ihr vollbrachtet Gal. 5, 19 ff.]? Welcher ihr euch «etzt sals einer gar schimpflichen und verderblichens schämet [Hes. 16. 61. 6315 denn das Ende derselben ist der Tod-«· [Ephes. 5, 11f.; Jak. 1, 15]. 22. Nun ihr aber [in eurem jetzigen Stande als Christen] seid von der Sünde frei und Gottes Knechte worden [V. 17 f.], habt ihr eure [euch wirklich zu eigen gehörende und bleibende Joh. 6, 27; 15, 16; Offenb. 14, 13] Frucht, daß ihr [in allerlei gutem Werk, dazu er euch durch seinen Geist tüchtig macht 2. Thess 2, 17] heilig werdet, das Ende aber das ewige LebenWV [in der zukünftigen neuen Welt Kap. 8, 17 ff·; Gal. S, 8f.]. 23. [Ja, kein anderer, als der in V. 21 u. 22 genannte, ist der Ausgang aus der einen Seite des Sünden- und auf der andern des GottesdienftesJ Denn der Tod ist der Sünde Sold swomit sie denen, die ihr dienen, zuletzt ihren Lohn auszahlt 2. Cor. 11, 8]; aber die Gabe Gottes [womit er seine Diener begnadigt Ephes 2- 8] ist das ewige Leben in Christo Jesu, unserm HErrns sdurch den es nicht allein erworben ist, sondern in dem es auch be- schlossen liegt 1. Joh. 5, 20]! V) Wie Jesus um der Schwachheit des Fleisches willen von den Geheimnissen seines Reichs so oft in Bildern, in Gleichnissen redete, um den unverständigen einen möglichst klaren Begriff von diesen himmlischen Dingen beizubringen, so greift Paulus auch hier zu einem Mittel der Veranschaulichung; bei den Römern aber sind die Verhältnisse wesentlich anders, als sie bei den Galiliiern waren, die das Land baueten, indem er in ihr Leben hineingreifh nimmt er das Verhältniß von Herr und Knecht, das jedem Römer wohl bekannt war, zu seinem Motiv. (Nebe.) Aii der Sklaverei, welche naiiientlich in Rom bestand in voller Blüthe, will er ihnen die absolute Geltung des neuen Lebens- prinzips klar machen. Wange) Der Apostel hatte vorhin den Ausdruck gebraucht: ,,ihr seid Knechte worden der Gerechtigkeit-«, damit sie nicht ini fleisch- lichen Mißverstande meinten, die Freiheit vom Gesetz sei eine Freiheit von der Gerechtigkeit, da sie doch vielmehr eine Freiheit zur Gerechtigkeit oder, and- greiflicher bezeichnet, eine Knechtschaft der erech- tigkeit ist. (Philippi.) Jndem er nun hierauf die Er- mahnung, daß die Leser ihre Glieder ganz ebenso, wie vordem der Unreinigkeit und der Ungerechtigkeit, nunmehr der Gerechtigkeit dienstbar zu Gebote stellen sollen, durch ein (im Grundtext stehendes) »denn« mit Begebet denn eure Glieder zum Dienst der Gerechtigkeit, daß sie heilig werden! 63 den vorangehenden Worten verbindet, macht er bemerk- lich, daß es diese an sie zu richtende Ermahnung ge- wesen, die er im Auge hatte, als er von ihrer Knechs tung unter die Gerechtigkeit redete; er hätte die mit ihnen vorgegangene Veränderung nicht unter diesem Gesichtspunkte benannt, wenn er sie nicht hätte er- mahnen wollen, ihre leibliche Natur fortan im Dienste der Gerechtigkeit zu brauchen. Sie haben sie vordem der Unreinigkeit, welche Selbstentweihung des Menschen ist, und der Ungerechtigkeit, welche alles der göttlichen Ordnung widerstreitende Wesen umfaßt, dienstbar zu Gebote gestellt, und ihr also willentlich eine Verwen- dung gegeben: ebenso sollen sie jetzt im Dienste der Gerechtigkeit thun; jenes war ein Dienst, bei dem es von einer Ungerechtigkeit zur andern ging, gleich als wäre es auf diese abgesehen, sie ins Werk zu sehen, dieses ist ein Dienst, mit dem es auf Heiligung abgesehen ist, sie zu gewinnen. (v. Hofmann.) Das macht dem natür- lichen Menschen keinerlei Mühe, seine Glieder zu be- geben zu Dienst der Unreinigkeit und der Ungerechtig- keit; es reihet sich da so ganz von selbst eine Ungerech- tigkeit an die andere, der Mensch trinkt das Gift der Sünde und wird nicht satt, immer mehr zu trinken. Wenn da nur auch das »die Glieder begeben zu Dienst der Gerechtigkeit« sich also machen möchte in eines Christen Leben! Aber die Kette des Dienstes Jesu bleibt allezeit viel lückenhafter, auch im ernstesten Ehristenleben, als die Sündenkette im Leben eines Weltkindesz um so mehr istdas ,,also« als dringende Mahnung zu betonen. (Wangemann.) M) Der Apostel hält die beiden gegen einander, daß sie ansehen sollen, weß sie beiderlei Dienstes, so sie nun erfahren, Frommen oder Schaden haben, und daraus selbst schließen und sich selbst weisen, bei wel- chem sie bleiben und welchem sie hinfort gehorsam sein wollen. Lieber, denket doch bei euch selbst zurück, sagt er, was ihr gelebt habt, da ihr frei waret von der Gerechtigkeit und thatet nichts, denn wozu euch die Sünde trieb: was habt ihr’s genossen oder daran ge- wonnen? nichts, denn daß ihr euch selbst auf diesen Tag deß schämen müsset, und dazu endlich in dem Tod hättet bleiben müssen· Die zwo köstlichen Früchte und Nutzung habt ihr und nichts Besseres damit verdient, als Schande und Tod. Ein köstlicher, billiger Lohn für solchen Dienst, da der Mensch will frei sein von der Gerechtigkeit und lebt, wie es ihn gelüstet, und hält solches für ein fein, köstlich Leben; denn es thut Fleisch und Blut sanft, welches meint wohl also un- gestraft zu bleiben. Aber es kommen zwo harte Ruthen darauf: die eine heißt ,,schämen«, daß der Mensch, beide, vor Gott und der Welt muß seine Schande be- kennen, gleichwie Adam und Eva im Paradies; die andere ist der ewige Tod und höllische Feuer, so sie müssen zu der Schande haben, darein auch unsere ersten Eltern gefallen waren. (Luther.) Jst der Tod die Grube, dahinein die Sünde ihren Diener stürzt, so tritt damit die Verlogenheit, die menschenmörderische Bosheit der Sünde in das grellste Licht: Leben ver- heißt sie, das schönste, genußreichste, seligste Leben, als Tagelohn ihren Knechten; und der Tod, Sterben und Verderben ist der Groschen, den sie in der That und Wahrheit auszahlt. Jst der Tod aber das Ende des Sündendienstes wie ängstlich sollten wir da die Sünde fliehen! Du legst deine Hand in die kalte Hand des Todes, wenn du der Sünde folgst; du schliirfst aus dem Becher, welchen die Lust dieser Welt dir kredenzt, das tödtlichste Gift. (Nebe.) sit-«) Dadurch, daß die Leser zum Glauben an Jesum Christum gekommen sind, hat sich ihr Verhält- niß völlig umgekehrt: sind sie vordem unter der Sünde geknechtet gewesen, so sind sie nun Freie; haben sie vorher der Sünde gedient, so dienen sie nun Gott undstehen dadurch zu ihm in einem Verhältniß per- sönlicher Gemeinschafh Jn solcher Gemeinschaft ist ihnen bereits eine selige Frucht egeben, nämlich die Heiligung; klebt ihnen auch no die Sünde an, so vermögen sie doch in Kraft des heil. Geistes sich täg- lich zu erneuern zum geistlichen Sinn und gottgefälligen Wandel. Die Heiligung ist der nächste Ertrag ihrer Knechtung unter Gott; schließlich aber haben sie das ewige Leben als Resultat ihrer Begebung zum Dienste Gottes. (Sommer.) Damit du nicht etwa sagen Mögest, es bestehe alles blos in der Hoffnung, so zeigt dir de·r Apostel, daß du schon Frucht empfangen hast: Befreiung von der Sünde und den Nebeln, deren bloßes Andenken schon beschämt, Heiligung des Lebens und Gewißheit der Erlangung des ewigen Erbes. (Ehrysostomus.) Die Frucht des Dienstes Gottes ist immer wachsende und dereinst vollendete Heiligung, die vollkommene Heiligung des Menschen an Leib und Seele aber ist auch sein wahres, ewiges Leben; denn durch die vollendete Gemeinschaft seiner ganzen Natur mit der Quelle alles Lebens, Gott selbst, durchströmt ihn geistlich und leiblich die Fülle des ewig seligen Lebens. (v. Gerlach.) Auffallend ist, daß hier ,,Gottes Knechte worden« steht und nicht, wie man nach V. 18 erwarten sollte: ,,Knechte der Gerechtigkeit«; der Apostel will aber sagen, daß der HErr, der uns vom Dienste der Sünde frei gemacht, nicht zu irgend welcher Jdee, sondern zu dem persönlichen Gott in das Dienstver- hältniß bringt. (Nebe.) » » » s) Jn diesem Schlußverse wird nicht sowohl ein neuer Gedanke ausgesprochen, als der in V.21 f. dar- gelegte nur näher bestimmt; wiewohl nämlich beide Lebensrichtungen ihre Frucht bringen, und der-en ver- schiedene Beschaffenheit den endlichen Ausgang be- stimmt, so ist das Verhältniß beider« doch keineswegs ganz gleich. Die Sünde ist ganz und gar des Men- schen, der Lohn derselben, der Tod, fällt ihm daher auch zu nach dem Gesetz der vergeltenden Gerechtig- keit; Gerechtigkeit und Heiligkeit aber ist ganz und gar nicht des Menschen, sondern Gottes Werk in ihm, er kann daher als der Heilige nichts fordern und nach dem Gesetz der Gerechtigkeit empfangen, son- dern zu dem Gnadengeschenk der Sündenvergebung und Heiligung fügt die Erbarmung Gottes noch das neue Geschenk des ewigen Lebens, so daß der Ver- lorene bekennen muß, alles durch sich verloren, der Selige, nichts dureh sich erlangt zu haben, zum lsskrefse Zier Gerechtigkeit und Gnade des HErm (O au en. Das 7. Kapitel. Von der kfreiheit nom gesetz, des gesetzes Nutzen, Wirkung und dem Kampf des inneren und äußeren Menschen. 3. V. 1—6. hatte der Apostel in Knie. S, 16 ff. mit besonderer Beziehung aus denjenigen Theil der römischen Gemeinde, wesiher aus dermaligen Heiden bestand, ge- zeigt, das) Christen nicht mehr unter der Kncchtsihaft der Sünde sind, so erklärt er ietzt mit Besonderer Be« ziehung aus den andern, aus» ehemaligen Juden Be« stehenden Theil, das) sie auch niiht mehr unter dem Commaiidoskab des Gesetzes» flehen. Das hatte er öc- teitg in Knie. 6, 14 ausgesprochen, es muslte aber dies Wort siir Judenchristem welche stete- geneigt 64 Römer 7, 1—6. waren, Gesetz und Gnade zu vereinigen, schwer zu tragen sein; deshalb legt er jetzt ausführlich» dar, dap das iuirtitich das lhalsächlicije Verhältnis! sei, und mie er nun für die ehemaligen Heiden das« Verhältniss der Knechte zu ihrem herrn zur Grundlage feiner Auseinanderselziiiig geniaiht hatte, so macht er tiir die ehemaligen Juden das Verhältnis! eines Weibes zu ihrem Ehemann zu eiiieni Bild und Gleichnisl dafür, dasl ein Christ nicht mehr an das Gesetz, sondern einzig und allein an Christum gebunden sei. Gerade die-z Verhältnis; war Besonders« passend, weil Iehovas Verhältnis; zu seinem Volke im alten Testament so oft mit demselben verglichen wird; und nun tritt ja auch bei ihm häufig genug der Fall eiii, wo der Tod eine völlige Neiigestaltuiig herbeiführt, indem der eine Theil von den bisherigen Ehegatteii hinwegstirbh der an- dere, iiberiebeiide Theil aber so Freiheit erlangt, ohne Bruch der Ehe sich anderweit zu vermählen. 1. sJhr nun, die hier etwa euch befremdet fühlt von dem, was ich in Kap. S, 14 sagte, daß die Sünde nicht werde herrschen können über euch, sintemal ihr nicht unter dem Gesetz wäret, weil ihr meinet, das ginge nicht an, nicht mehr unter dem Gesetz sein:] Wisset ihr nicht, lieben Brüder —— denn ich rede sin euch] mit denen soder mit solchen], die das Gesetz wissen fund kann also gar wohl ein Wissen auch um den Punkt, um welchen es sich hier handelt, voraussetzen] —, daß das Gcsetz herrschet über den Menschen, so lange er lebet-« svon seinem Tode an aber keinen Rechtsanspruch an ihn mehr hat]? 2. sSind wir denn als Christen, wie in Kap. 6, 3 ff. gesagt, in Christo wirklich gestorben und mit ihm zu einem neuen Leben auferstanden, so haben wir ja volles Recht, unsere Beziehung zum Gesetz für aufgehoben zu betrachten und statt diesem vielmehr Christo allein und ausschließlich als ihm Angehörige zu leben Gal. 2, 19 f., wie das aus den Bestimmungen des Gesetzes selber deutlich sich ergiebt] Denn ein Weib, das unter dem Manne ist fals das ihm zugehörige Eheweib], dieweil der Mann lebet, ist fallerdings] sie ver- bunden an das Gesetz fdas sie] nur dieses und keines anderen Mannes Weib sein läßt Matth. 19, 4 sf.]; so aber der Mann stirbt, so ist sie [gänz- lich, als die gewissermaßen nun auch ihrerseits für den Mann gestorben, indem sie mit ihrem ferneren Leben ihm nicht mehr angehört] los vom Gesetz, das den Mann betrifft fund ihr bisheriges Verhältniß zu ihm bestimmte 1. Cor. 7, 39]. 3. Wo sie nun sum den aus der ersten Hälfte des vorigen Verses sich ergebenden Schluß zu ziehen] bei einem andern Manne ist, weil [d. i. während oder solange noch] der Mann lebet, wird sie eine Ehebrecherin geheißen [wie Herodias, des Philippus Weib, eine solche war, seit sie dessen Bruder Herodes zum Manne genommen Matth. 14, 3Jf.]; so aber der Mann stirbt, ist sie snach dem in der zweiten Hälfte jenes Verses Bemerkten so völlig] frei vom Gesetz, daß sie nicht eine Ehe- s btecherin ist,· wo sie sin eine zweite Ehe ein- s tretendj bei einem andern Manne ist» swie Abigail des David rechtmäßiges Weib wurde, als ihr früherer Ehegatte Nabal durch den Tod hin- weggerafft war I. Sam. 25, 36 ff.]. 4. Also auch sverhält sich’s mit euch, die ihr aus dem Judenthuiw zu Christo übergetreten seid], meine Bruder, ihr seid getödtet dem Gesetz fwie das Weib ihrem bisherigen Manne wenn er stirbt V. 2., und zwar] durch den sam Kreuz getödteten GUL Z, 191 Leib Christi sin welchem das Gesetz sich gleichsam verkörpert hatte, als er demselben untergehen wurde, und welcher nun auch dessen Fluch auf sich nahm Gal. 4, 4f.; Z, 13], daß ihr [nuninehr, gleich einer auf rechtmäßige Weise anderweit vermählten Ehefrau, kraft eurer Taufe Kaxx S, 3 ff-; 14, 8 f.] bei einem Andern seid, näm- lich bei dem, der von den Todten auferwecket ist sauf- erwecket für den Zweck] auf daß wir matt, wie bisher dem Tode, so fortan] Gott Frucht bringen«« [Joh. 7, 38 f.; 12, 24. 32]. Z. Denn da wir sJuden sowohl, wie Heiden] im Fleisch waren [noch in dem, von der Sünde bestimmten, von Geburt her überkommenen Leben standen Jvlw Z, 6], da waren die sündlichen Lüste [Gal. 5, 24], welchc swas speziell uns Juden betrifft] durch das Gesetz sich erregten swie ich hernach aus»eig»ener Erfahrung bezeugen werde V. 7 ff.], kraftig in unsern Gliedern, dem Tode Frucht zu bringen sin allerlei schlimmen Werken, zu denen sie uns fortrissen 1. Cor. 15, 56; Jus. 1, 15]. 6. Nun aber sind wir von dem Gesetz los sindem wir, wie vorhin gesagt, durch den Leib Christ: demselben getödtet sind V- 4] Und ihm ab- gestorben, das uns gefangen hielt [nämlich dem Fleische, in welchem wir vormals waren, oder dem Gesetz in den Gliedern V. H. 23], also, daß wir sfortan Gott] dienen sollen im neuen Wesen des Geistes sihm Frucht zu bringen], Und nicht [mehr, wie vordem, da wir noch unter dem Gesetze stan- den] im alten Wesen des Buchftabenss [2. Cor. Z, S, wo das allerdings nicht möglich war]. V) Im Grundtext geht den Worten: ,,wisset ihr nicht« noch ein ,,oder« voraus, das sonst an das zu- nächst Vorhergehende anknüpft; aber hier bezieht sich der Beweis, den der Apostel führen will nicht auf das in Kap. S, 23 Gesagte, sondern auf Kap.6, 14. (de Wette.) Die Thatsache, auf welche sich Paulus beruft, daß das Gesetz über den Menschen Herr ist, solange er lebt, hat in dem vorigen Abschnitte keinen Berührungspunkh welcher erkennen ließe, wofür oder wogegen er sich auf diese Thatsache berufe; der Satz, zu dessen Auf- rechterhaltung er sich xetzt anschickt, kann also nur ein und derselbe mit dem sein, dessen mögliche Mißdeutung er sich in V. 15 vergegenwärtigt hat. Und da wendet er sich nun mit der Anrede: ,,lieben Brüder« an die- jenigen seiner Leser, welchen das dort von ihm aus- gesprochene Verhältniß des Christen zum Gesetz ein Anstoß sein konnte, und will mit dem der Gesetzeslehre Um von der Sünde frei zu werden, seid ihr, die ihr dem Gesetze unterstellt wart, von diesem frei worden. 65 angehörigen Satz, auf den er sie verweist, jene seine, auf die Stellung des Christen zum Gesetz bezügliche Aussage gegen ihre Bedenken sicherstellen und ihnen einleuchtend machen. Sie sind solche, die zum Gesetz in einer innerlichen Beziehung stehen, wie sie der Christen- stand eher ausschließt, als mit sich bringt; eben deshalb aber drängt es ihn, an der Stelle, wo er zu einer für sie insonderheit bestimmten Darlegung übergeht, die Anrede: ,,lieben Brüder« eintreten zu lassen und sie im Verfolge derselben noch nachdrücklich zu wiederholen (V. 4) —- sie sollen wissen, daß ihn ihre Bedenklichkeit über seinen Satz nicht hindert, sie den andern Lesern gleich als Brüder zu achten. (v. Hofmann.) Dem Satze, daß, solange er lebt, das Gesetz Herr über den Menschen sei, der die Grundlage der Beweisführung oder den Obersatz eines Schlusses bildet, bei welchem die vorausgehende Allegorie vom Sterben des Christen (Kap. 6, 3ff.) in Anwendung kommen soll, liegt wahr- scheinlich, wie in Kap. 6, 7., ein unter den Juden übliches, von den Gesetzeslehrern herstammendes Sprüch- wort zu Grunde. (Maier.) IN) Zwar enthielt das Gesetz, kein ausdrückliches Gebot, aber doch eine mittelbare Vorschrift dieser Art; denn da nur der Mann das Weib durch einen Scheide- brief von fich entlassen konnte (5. Mos· 24,1), so folgte, daß das Weib ihrerseits an den Mann auf seine Lebensdauer gebunden war. Daß das Weib auch durch den Scheidebrief von der Verpflichtung gegen den Mann gelöst ward (vgl. 5. Mos. 24, 2 f.), läßt Paulus nicht sowohl deshalb unberückfichtigt, weil er nur die Regel und nicht die Ausnahmsfälle in’s Auge faßt, als vielmehr, weil es ihm darauf ankam hervorzuheben, daß das Weib ihrerseits kein Recht habe, so lange der Mann lebt, sich von ihm zu scheiden und zu befreien, an welchem Verhältnisse durch das Recht des Mannes, sich seinerseits vom Weibe frei zu machen, nichts geändert wurde. Wenn nun die meisten neueren Ausleger in dem Inhalt von V. 2 f. nichts weiter finden als ein, die allgemeine Sentenz in V· 1 belegendes Beispiel, so läßt sich dagegen ein- wenden, einmal, daß diese Sentenz auch ohne ein solches Beispiel an sich einleuchtend genug gewesen wäre; ferner, daß das Beispiel gar unangemessen und sehr hinkend wäre, indem statt des Todes des Mannes, der das Weib von ihm frei macht, vielmehr ihr eigener hätte erwähnt werden müssen; endlich, daß so das in V. 3 Gesagte als eine zufällige und müssige Aus- führung des Beispiels erscheint, während doch gerade hierauf in der Anwendung V. 4 das Hauptgewicht gelegt wird. Wir haben daher den Jnhalt der beiden Verse der Ansicht der älteren Ausleger gemäß vielmehr als Gleichniß zu fassen: unter dem Weibe ist nach einer in der heil. Schrift so häufig vorkommenden Allegorie i(Ies. 54, 5; Jer. 2, 2 f.) die Gemeinde des Herrn, unter dem ersten Manne das Gesetz (Hes. is, 8 ff.; 2. Mos. 19, 5 f.; 5. M. 4, 6sf.), unter dem andern aber Christus (2. Cor. 11, 2; Ephes 5, 25 ff.) zu verstehen; die theilweise Umkehrung des Gleichnisses, welche in der Ausdeutung V. 4 eintritt, hat deshalb keine Schwierigkeit, weil in der Wirklich- keit der Tod des Gesetzes einerlei ist mit dem Tode des Jndividuums in Beziehung auf das Gesetz. (Philippi.) Offenbar hat der Apostel das Bild nicht der Anwendung gemäß gestaltet, daß er das Weib selbst als den gestorbenen Theil bezeichnet hätte, weil es ihm besonders auf die Wiederverheirathung ankam. War der Mann eigentlich gestorben für das Weib, so war vermöge der Einheit der ehelichen Ver- bindung in rechtlicher Beziehung auch das Weib ge- storben für den Mann; und wie nun das Weib nicht DächsePs Bibelwerh V1l. Band. I. Aufl. f eigentlich gestorben ist, wohl aber» in ehelicher Be- ». ziehung todt gelegt (griech. nary9777rocr) durch das natürliche Sterben des Mannes, so sind auch die Gläubigen nicht eines natürlichen Todes gestorben, sondern zu Todten gemacht für das Gesetz, indem sie mit Christo für dasselbe gekreuzigt sind. Die weitere Ausführung des Bildes in V. 3 hat der Apostel ge- macht mit Bezug auf die Anwendung: den gläubigen Juden warfen die Judaisten auch Abfall, also religiösen Ehebruch vor; nicht ohne Absicht schreibt daher Paulus, während er in der ersten Hälfte des 3. Verses ,,wird geheißen« fgesetzt hat, dafür in der zweiten Hälfte: »daß sie nicht eine Ehebrecherin ist«. (Lange.) Man muß das von dem Eheweibe Gesagte: ,,sie ist abgethan von dem Gesetze des Mannes hinweg« (V.·2) und das von den Christen Gesagte: »wir sind abgethan (no«1:i79717«Iø7«82-) Von dem Gesetze hinweg« 6), statt dessen in V. 4 steht: ,,ihr seid etödtet worden dem Gesetze«, zusammenstellen. Des ·hemannes Tod giebt der Ehesrau als Ehefrau den Todesstoß: so hat auch uns Christi Tod abgethan von dem Gesetz. Jenes Weib war gebunden an das Ehegesetz bis zu ihres Mannes Tode: wir an das Gesetz überhaupt bis zu Christi Tod. Des Mannes Sterben machte das Weib, Christi Sterben machte uns todt für das Gesetz; der Unterschied ist nur der, daß der Mann seinem Weibe die Freiheit bringt, indem er sterbend sie verläßt, nach- dem er zuvor in Lebenseinheit mit ihr stand, Christus aber sterbend zu den Menschen herzutritt, um, sobald er auferweckt worden, mit ihnen in Lebenseinheit zu treten. (Geß.) Die sog. Reformjudem die des Gesetzes auf eigene Hand sich entschlagen und die Aufklärung zu ihrem Heiland gemacht haben, sind Ehebrechem es ist kein anderer Name den Menschen gegeben, in wel- chem wir aus der Gefangenschaft des Gesetzes frei und von seinem unerträglichen Joch ledig werden sollen, denn allein der Name Jesu Christi, des Gekreuzigten. Wohl dem Volke der Gnade, welches von Rechts- wegen nicht unter dem Gesetze ist, der Gemeinde, die nicht eine Ehebrecherin heißen darf, da sie bei einem andern Manne ist, bei Jesu Christo! (Besser.) END) Während der Mann durch sein Sterben von dem Weibe hinweg das Recht verliert, sie ferner an sich zu binden durch des Gesetzes Band, sodaß sie nun eines Andern Weib werden kann, hat Christus durch seines Leibes Hingabe für uns das Recht er- worben, das Gesetzesband zu lösen, welches uns ge- bunden hatte, so daß wir nun frei werden können. Aus dieser Ehe, in welche der auserweckte Christus uns zieht, sind dann unsre gottgeweihten Früchte erzeugt. (Geß.) Das Bild von der Ehe führt auf das Bild von der ehelichen Frucht (Lange.) Was der Apostel hier sagt, daß sagt er zu solchen, die zuvor unter dem Gesetz gewesen sind, ehe sie Christo eigen geworden; denn es heißt: ,,ihr seid getödtet dem Gesetz«, was voraussetzh daß ie vorher unter dem Gesetz gelebt hatten, und: ,,da ihr bei einem Andern seid«, was zu erkennen giebt, daß sie dem Gesetz, noch verpflichtet sein würden, wenn sie nicht Christo zu eigen geworden wären. Nur die jüdischen oder die vormals dem Judenthum zugethan gewesenen Bestandtheile der Ge- meinde also hatten den Satz auf sich zu beziehen; und sie werden nun durch das ,,ihr seid getödtet« daran erinnert, was ihnen geschehen ist, damit sie einem An- dern, anstatt wie bisher dem Gesetze, angehörig würden. Ein Tod, wie er das Weib hinsichtlich des ehelichen Verhältnisses vom Gesetze frei macht, ist auch bei ihnen erfolgt, uxid zwar ein solcher, welcher ihre Beziehung zum Gesetz überhaupt löste. Es war ein leiblicher Tod, nur aber nicht ihr eigener, sondern ein mittels 5 66 i Römer 7, 7——11. des Leibes Christi ihnen widerfahrenen der Mittler des Heils hat eines leiblichen Todes sterben müssen, mit welchem für ihn selbst die Unterstellung unter das Gesetz, ein Ende hatte; da er ihm aber zum Zweck der Ausrichtung seines Heilswerks widerfahren ist, so gilt er allen denen, die in seine Gemeinschaft treten. Jn- dem sie an seiner Person betheiligt werden, geschieht ihnen innerlich, was seinen leiblichen Tod zu dem ihrigen macht, so daß es ist, als ob sie selbst ihm gestorben wären; dies ist ihnen aber geschehen, weil sie, statt wie bisher dem Gesetz, hinfort, wie es im Rückblicke auf den gleichartigen Fall des durch den Tod ihres Mannes frei gewordenen Weibes heißt, einem Andern zu eigen sein sollten, nämlich Dem, welcher zu dem Zwecke von den Todten erweckt worden ist, damit »wir Gotte Fruchtbringen«. Der ebenso aussallende, als absicht- liche Personenwechsel: »wir« weist nämlich bestimmt darauf hin, daß das »auf daß« nicht mit »eines An- dern seid« oder gar mit ,,ihr seid getödtet dem Gesetz«, sondern vielmehr mit den Worten: »der von den Todten auferwecket is « zu verbinden sei. (v. Hofmann.) Als der Auferweckte ist Christus Der, von welchem uns die Kraft des neuen Lebens zuströmen soll, in der wir ein neues Verhalten der Heiligkeit üben; und dies kommt dann Gott gleichsam zu gute als Ertrag dessen, was er in Christo für uns gethan hat. Unter diesen Gesichtspunkt ist aber die Auferweckung gestellt gegenüber dem Gesetz, von dem die mit »meine Brüder« Angeredeten los sind, weil gezeigt werden soll, wie wenig mit ihrer neuen Zugehörigkeit zu Christo die Verpflichtung zu rechtem sittlichen Thun beschränkt oder aufgehoben ist. (Schott.) f) Jn V. 5 ist wohl vor allen Dingen zu beachten, daß Paulus nicht, wie man nach V. 4 erwarten möchte, schreibt: »denn da wir unter dem Geseg waren«, son- dern: ,,im Fleisch«; es steht dieser ustand ebenso unserer gegenwärtigen Zugehörigkeit zu Christo gegen- über, wie vorhin unsere Unterstel1ung unter das Gesetz, wir sind beiden Zuständen durch die eine Thatsache des Eintritts in die Gemeinschaft des Auserstandenen entnommen, somit müssen sie auch beide mit einander verschwistert sein, es wird der eine Zustand nicht ohne den andern gewesen sein -— ein Zusammenfallen, wel- ches hernach die Frage in V. 7 veranlaßt. Damals nun, als wir von unserer angeborenen Natur sittlich bestimmt waren, war die Kraft, welche in unsern Gliedern bestimmend wirksam war, nicht, wie jetzt, das Leben des Auferstandenem sondern es waren das die sündlichen Lüste, die Erregung derselben aber geschah durch das Gesetz; das von der Sünde bestimmte, von Geburt her überkommene Leben ließ das Gesetz keine andere Wirksamkeit üben, als daß es die schon vor- handene Sünde zur Thätigkeit erweckte, indem es die Begierde hervorrief, wie das in V. 7 ff. näher gezeigt wird. War nun das in unsern Gliedern oder Selbst- bethätigungsorganen Wirkende das widergöttliche Ver- halten der Sünde, so konnte der Erfolg eben nur der sein, daß wir dem Tode Frucht brachten. Um nun in V. 6 den richtigen Gegensatz zu bekommen, muß man den Ton auf die Angabe der Art und Weise legen, wie wir vom Gesetz losgekommen sind, nämlich indem wir dem sleischlichen Leben durch den Tod entnommen wurden; da finden wir also wieder jenes Zusammen- fallen des Standes unter dem Gesetz und in der sün- digen Natur, so daß man von jenem nur freikommt, indem man dieses letzteren los wird. Wie nun jener frühere fleischliche Lebenszustand für das Personleben ein Niedergehaltenwerden war, so daß der Wille sich nicht frei bewegen konnte, sondern einer zwingenden Macht, der Sünde, unterstellt war, so war damals auch nur ein Dienstverhältnis; gesetzlicher Art vor- handen, nämlich die Unterstelluug unter ein Gesetz, welches immer nur Forderung blieb, ohne eine Er- füllung bewirken zu können; jetzt aber, nachdem wir jenem fleischlichen Leben gestorben und in die Gemein- schast des Verklärten Lebens Christi getreten sind, jetzt sind wir wirklich durch ein Widerfahrniß des Todes vom Gesetz losgekommen, haben als Gesetzesuntergebene zu existiren aufgehört, unser Dienstverhältniß kann also nur, wie das Leben Christi selbst, ein geistlich bestimmtes sein, d. h. ein solches, welches sich frei, nur in Kraft der uns einwohnenden und zur Er- füllung ebenso treibenden als befähigenden göttlichen Lebensmacht vollzieht. (Schott.) Wenn das Gesetz über die Leute herrscht, sind sie zwar wohl nicht müssig, sondern arbeiten heftig und lassen es ihnen sauer werden, tragen des Tages Last und Hitze, zeugen und gebären viel Kinder; aber es sind beide, Eltern und Kinder, eitel Bastarde, so der freien Mutter gar nicht zustehn, müssen derhalben, wenn es lange gewährt, mit dem Jsmael doch endlich aus dem Hause und Erbe verstoßen und verdammt werden. Darum ist es unmöglich, daß die Leute durch das Gesetz, sollten zum Erbe kommen, das ist, gerecht und selig werden, ob sie es ihnen gleich sauer darunter werden lassen mit Ar- beiten und Kindergebären. Darum seien verflucht allerlei Werke, Lehre, Leben und Gottesdienst, so dazu dienen sollen, daß man dadurch vor Gott soll gerecht werden. (Luther.) Solange der Mensch im alten Wesen sich befindet, so ist sein ganzer Dienst, sein Gottesdienst ein Dienst des Buchstabensz nicht nur daß der tödtende Buchstabe des Gesetzes immerfort aus ihm liegt, er also auf Schritt und Tritt unter das Amt des tödtenden Buchstabens beschlossen ist, sondern er kann das Gebot des Gesetzes auch nur als Buch- staben fassen: es steht das Gebot als Buchstabe außer ihm, nicht als Geist und Leben in ihm da. Das Geist- liche und Lebendige in dem Gebot, ahnt der Mensch es auch, fühlt er auch das Herrliche davon, hat er auch ein Sehnen und Verlangen darnach, doch vermag er es sich nicht anzueignen, das Gebot gestaltet sich in ihm nicht geistlich und lebendig; was er davon thut und zu thun sich vornimmt, ist nicht dem geistlichen Sinn des Gesetzes gemäß, er hält sich an die Schale, statt an den Kern, an die Erfüllung eines einzelnen Buchstabens statt an die Erfüllung des ganzen Gesetzes, er giebt mehr auf die äußere Satzung, als auf das innerliche Gesetz, mehr auf die Ceremonie als auf den Dienst im Geist und in der Wahrheit. Es fehlt dem im alten Wesen noch gesangenen Menschen der lebendig- machende Geist, daher kann er im neuen Wesen des Geistes nicht dienen. Sowie wir aber aus dem alten Wesen heraus sind: so koinmt der lebendigmachende Geist (durch die Auserstehungskraft Christi) in uns, und dieser schreibt das Gesetz Gottes aus die fleifcher- nen Tafeln unseres Herzens, in unser Herz und in unseren Sinn: er läßt uns das Gesetz, das geistlich ist, auch geistlich fassen; er gießt in unser Herz die Liebe aus, die da ist des Gesetzes Erfüllung, er erleuchtet uns über den wahren, tiefen, geistlichen Sinn jedes Gebotes, er lehrt uns die Anbetung im Geist und in der Wahrheit, den Dienst im wahren Wesen des Geistes, wie wir ihn an Christo selbst sehen. (Huhn.) It. V· 7—25. Im vorigen 2l6schnitt, wenn man ihn mit dem Worte in Rats. 6, 14 zusammenhält: »die Sünde wird nicht herrschen könnten über euch, Iintenmk ihr nicht unter dem Gesetz, sondern unter der Gnade seid«, war die Lehre ausgesprochen, dast vom Gesetz los-Kommen und von der Sünde tasliomnien ein und dasselbe sei; das nun scheint aus den Satz hinauszu- Wie ein durch den Tod vom ersten Manne getrenntes Weib seid ihr nun bei einem andern Manne. 67 lausetn ,,also ist das Gesetz selber 5iinde«. Gegen eine solche Folgerung zwar, die geradezu etwas Gotteslästertiches enthielte, ums! der Itpostel mit allein Rachdruck sich«vercoahren, nnd er wird hernach dem Gesetz das Prädikat der Heiligkeit nnd jedem einzelnen Gebot einen dreisachen Ghrentitel beilegen können; dagegen must er aber auch den in V. 5 ausgesprochenen Satz aufrecht erhalten: »du wir im Fleisihe waren, da waren die sündlicheu Lüste, welche durchs Gesetz lich erregten, kräftig in unsern Gliedern, dem Tode Frucht zu bringen«, und weist nun die Wahrheit dies’es Satzes in allen seinen einzelnen Theilen aus seiner eigenen inneren Erfahrung zu der Zeit, da er uoth unter das Gesetz gethan war, nach, indem er zeigt, wie durch das Verbot des Gesetzes: »las3 dich nicht gelüsten« die früher in einer Art Todesschlummer bei ihm befindliche Lust zum Leben gekommen sei und jetzt kräftig sich erwiesen habe, ihm den Tod zu bereiten (V. 7-—13). Fiir seine eigene person ist solcher Stand unter dein Gesetz ein vergangener, er wirst niiht weg die Gnade Gottes (Gal. T, 2t), nnd da kann er non sieh bezeugen (sJhil·. 4,13): »ich vermag alles durch den, der mich uiächtig nimm, Christus-«; aber unter seinen iudeuchrisklicljeu Lesern hat er ,,Schwaa")e« (Itiap.11l,1), denen die Ehrerbietung, woncit sie noch an dem niosoisajen Gesetz hingen, die Gefahr einer Ueberfchiitzciiig desselben insoweit bringen konnte, das! sie in indaiskisctser Weise durch das Gesetz, gleichwie Itndere gereiht (Gal. s, Ll), so ihrerseits heilig werden wollten nnd damit ebenfalls Christum verlören und ans der Gnade fielen, ob sie gleich daran festhielten, dasl jener mit seinem Blute von ihren dermaligen Sünden sie gewasiheti und diese sie zu Erben der Uerheislnng gemacht habe. Wie denn Paulus amh sonst den Juden geworden als ein Linde, aus dast er die Juden gewinne (t. Tor. g, 20), so steigt ersetzt im zweiten Theil unsers Abschnittes O. 14 —25) non seinem Chriskenstande als dem eines Starken (Rap. 15,1) herab ans den Chriskenskand derer, deren Gebrechlichkeit er tragen will, und beschreibt, der Kräfte der wiedergebnrh deren er in der Glaubens- gemeinschaft initChrisko theilhaftig geworden, gänzlich schweigend, sich lediglich als einen frommen, dem Ge- setze treu ergebenen nnd zur Erfüllung der Gebote desselben von Herzen bereiten Jsraelitem der aber. weil er eben von Christo abskrahirt und sich auf sich selber stellt, mit der ihm non Natur einwohtiendeti Sünde einen srtichtlofen Ziatnps führt nnd ihr beständig unter— liegt; solcher Stand unter dem Gesetz, der zu lauter Ge- wissensängsteu nnd Seelennöthen führt, treibt denn mit Tiothwendigkeit zu Christo hin, nnd zu dem will der Ilposteldieschwactjen unter seinen Lesern mit sich hinüber- nehmen, um dann im folgenden Absihnitt zu zeigen, was sie an ihm haben. 7. Was wollen wir denn nun [mit dem in V. 5 u. 6 Ausgesprochenem sagen? Jst das Gesetz Sunde släust uns re Behauptung etwa darauf hinaus, daß das Gesetz, die erzeugende Ursach der Sünde und also auch für sie verantwortlich zu machen sei Micha 1, 5]? Das sei ferne!» Aber die svor demselben schon vorhandene] Sunde erkannte sin diesem ihrem Dasein] ich nicht sum hier aus meiner eigenen persönlichen Erfahrung zu reden, die aber zugleich die Erfahrung jedes rechten Jsraeliten ist, der aus die Vorgänge feines inneren Lebens Acht gegeben hat] ohne durch’s Gesetzt [dasselbe ist demnach nur diejenige Kraft 1. Cur. 15,56·, welche die im Inneren verborgene Sünde nach außen treibt, um sie und ihr Elend uns so zu recht lebendigen! Bewußtsein zu bringen] Denn ich wußte nichts von der Lust sdaß in.ihr, die ich vielmehr für unschuldig und unsträflich hielt, weil sie mir ja angeboren und natiirlich sei, die Sünde ihren Wohnsitz und ihre Wirkungsstätte habe Jak. I, 14 f.], wo das Gesetz nicht hätte gesagt: Laß« dich nicht gelüsten swie es das in 2.Mof.20,17; s. M. s, 21 thut]. 8. Da nahm aber die smir inwohnende V·17] Sünde Ursach sAnlaß oder Anregung] am Gebot seben an diesem Wort: »laß dich nicht gelüften«, ihr bisher mir verborgenes Dasein mich spüren zu tasseu], und erregte in mir allerlei Lust sgerade das haben und genießen zu wollen, was dort auch nur zu begehren mir untersagt wird, und gelangte ich denn so zu ihrer Erkenntniß ver- mittels des Gesetzes V. 7]. Denn ohne das Gesetz war die Sünde todl" [noch regungs- oder wirkungs- los, gleich als wäre sie Überhaupt nicht vorhanden] 9. Jch aber lebte etwa sd. i. etwan, irgend einmal Weish. 5, 3 Anm.] ohne Gefetz snämlich während dieser Zeit, wo ohne das Gefetz die Sünde noch todt war —- befand mich da noch im Stande relativer Unschuld]. Da aber das Ge- bot kam smit seinem bestimmten Verbot an mich herantrat], ward die Sünde [von der ich vorhin sagte, daß ohne das Gefetz sie gleich einem Todten gewesen V. 8] wieder« sbesfer: nunmehr] lebendig sindem sie jetzt ihrerseits zum Leben kam]; 10. Jch aber sder ich bisher im Leben mich befand V. 9] starb [nun meinerseits, indem ich in Folge der bösen Begierden, die mein Herz durchzogeiy aus dem Stande relativer Unschuld in den positiver Schuld übertrat], tmd es befand sich sstellte sich als Resultat dieses ganzen inneren Prozesses heraus-J, daß das Gebot mir zum Tode gereichte, das mir doch sden Anssprüchen der gött- lichen Verheißung gemäß] zum Leben gegeben war [3. Mos. 18, z; 5. Mos. 5, II; Luk. 10, 28; Röm. 10, 5; Gal. Z, 12]. 11. Denn die Sünde [wie in V. 8 gesagt] nahm Ursach am Gebot sihre Macht über mich geltend zu machen in den mancherlei Begierden, die sie in mir erregte], und betrog mich sum das, wozu es mir gegeben war, wie die Schlange Evam um das Leben berückte mit ihrer Schalk- heit 2. Cor. n, Z] und tödtete mich durch das- selbige GeboPM sindem sie selber dasjenige Leben mir noch nahm, in welchem ich doch bisher mich befunden V. 9]. r) Der Apostel hat nachgewiesen, wie das neue Dienstverhältnis; zu Gott das alte zum Gefetz nicht blos aufhebt, sondern sogar, indem dies Losko1nmen vom Gefetz nur in und mit der Erledigung von dem natürlichen Leben der Sünde zu Stande gekommen ist, erst ein rechtes sittliches Verhalten ermöglicht; eben 58 68 Römer 7, 12. 13. darum scheint ja nun aber das Gesetz der Kategorie ,,Sünde« zuzufallem scheint zu den Dingen zu ge- hören, welche Sünde sind, um so mehr, da es schon in V. 5 geheißen hatte, daß durch’s Gesetz die sünd- lichen Lüste sich erregten. Dieser Mißverstand wird nunme beseitigt; aber je widersinniger er schon an sich selbst ist, desto deutlicher sieht man auch, daß es dem Apostel nicht blos um seine Beseitigung zu thun sein kann, sondern um die Vermittelung eines weiteren selbständigen Gedankens. Es wird nämlich nachge- Wiesen, inwiefern allerdings, obwohl das Gesetz nicht selbst Sünde ist, dennoch in dem Stande unter dem Gesetz, ein Vollkommenes sittliches Thun, ein rechtes Gottdienen gar nicht möglich ist. Paulus spricht da von seiner bestimmten eigenen Erfahrung; es ist das aber zugleich eine Erfahrung aller derer, die mit ihm demselben Gesetz, nämlich dem mosaischen, untergehen waren. (Schott.) Das ,,ich« ist natürlich das des Apostels; aber was er von sich erzählt, gehört der Zeit an, welche über seinen Christenstand zurücklag (v. HofmannJ Er beschreibt nun in unserm Abschnitt einen Stusengang, der scheinbar abwärts führt bis zur Verzweiflung, znm Todesgefühh eben damit aber aufwärts führt zum wahren Leben; es ist der Weg der göttlichen Traurigkeit zur Seligkeit, die Höllenfahrt der Selbsterkenntniß nach Luther, welche der Himmel- fahrt mit Christo als ihre Vorbedingung vorangeht. (Lange.) Zunächst spricht der Apostel das Verhältniß der Sünde zum Gesetz aus und beschreibt das letztere als das die Sünde zur Erscheinung bringende Moment: sie ist in der menschlichen Natur auch abgesehen vom Gesetz, aber nur an dem Gesetz kommt sie zur Er- scheinung und dadurch zum Bewußtsein des Menschen. (Olshausen.) it) Sünde und Lust stehen hier in dem Verhält- nisse zu einander, wie die vegetative Kraft der Pflanze und der in die Erscheinung tretende Keim; mit andern Worten, es ist Sünde die reale Möglichkeit der Sünde, Lust ihre unvollendete Erscheinung, sowie die äußere Handlung ihre vollendete Dar- stellung. (Tholuck.) Eigenthümlich ist in diesen Versen das Verhältniß, in welches Paulus die Sünde und die Lust setzt; auf den ersten Blick nämlich scheint es, als betrachte er die Lust als das Erste, die Sünde als das Abgeleitete, und in der sündigen That verhält sich ja wirklich beides so, die böse Lust ist die Mutter der bösen That (Jak. l, 15). Allein ,,Sünde« be- zeichnet hier den sündhaften Zustand überhaupt, der nur im concreten Fall zur Erscheinung kommt, und für dieses Verhältniß ist die Stellung gerade um- gekehrt: aus der allgemeinen sündhaften Natur des Menschen geht die Lust als erste Aeußerung hervor, und dann folgt erst die That. Bei genauerer Betrach- tung der Worte des Apostels wird nun aber auch klar, daß er hierin das Verhältniß der Sünde zur Lust ebenso gefaßt haben will: die Sündhaftigkeit läßt die böse , ust in allen ihren Formen (,,allerlei Lust«) am Gesetz Im Innern aufsteigen, und das göttliche Gebot wider die Lust enthüllt nun dem Menschen sein Verderben. Es ist also von einem Hervortretenlassen der Lust in der That gar nicht die Rede; die Lust selbst ist sündig und im Gesetz verboten, und dem Menschen kann auch an der Größe der Begierde seine Sündhaftigkeit zum Bewußtsein kommen, selbst wenn sie nicht in äußere bose Thaten ausbräche Daher ist auch das Wort: ,,laß dich n1chtgelüsten« nicht so zu verstehen, als hebe Paulus aus»den vielen Geboten nur eins hervor, sondern es· ist als Inbegriff des ganzen Gesetzes zu fassen; positiv sagen alle Gebote: ,,liebe Gott über alles-«, negativ sagen sie alle: ,,Laß dich nicht gelüsten-«. (Olshausen.) Nicht blos in Rückbeziehiing auf V. 5 führt der Apostel gerade dieses Gebot aus dem De- kalog an, sondern auch, um die Untrüglichkeit des Sündenspiegels im Gesetz zu zeigen, wie gründlich und tief das Gesetz, die Sünde bis auf ihren Keim ver- folge, wie das Gesetz das dem Menschen als Sünde vorhalte, was er sich in seinem natürlichen Zustande gar nicht als Sünde anrechnet. Die groben Ausbrüche des sündlichen Verderbens gegen die anderen Gebote, z. B. Fluchem Morden, Ehebrechem Stehlen u. dgl., fühlt wohl auch der natürliche Mensch als Sünde, und sie kommen als Sünde zum Bewußtsein (freilich als Sünde, d. h. Uebertretung eines göttlichen Ge- bots auch nicht ohne das Gesetz); aber über die Lüste und über das ganze Erbverderbem daraus die sünd- lichen Lüste aufsteigen, geht er so weg als über etwas Natürliches in den Sinnen Liegendes, womit man es nicht so genau zu nehmen habe, wenn es nur nicht zur That komme. Alle Sündenerkenntniß des natürlichen Menschen aus der eigenen Vernunft und nicht aus dem geosfenbarten Gesetz Gottes, wie fein sie auch sei, ist nicht die rechte; denn sie ist nicht diejenige Sünden- erkenntniß, die zum Sterben führt (V. 10). Zum Sterben muß es aber kommen, der Mensch muß den Tod, der der Sünden Sold ist, erkennen und fühlen, er muß seufzen lernen: »wer wird mich erlösen von dem Leibe dieses Todes« (V. 25), wenn anders es mit ihm zu einem neuen Leben kommen soll. (Huhn.) Was Paulus mit den Worten ausspricht: ,,Da nahm die Sünde Ursach am Gebot und erregte in mir allerlei Lust«, das ist die Geschichte der Sünde, von der auch Heiden etwas wissen. Ihre Sprüchwörter sind wahr: ,,Nach dem Verbotenen streben wir immer, begehren Verwehrtes,« sagt der Römer Ovid (Am. Z, 4. 17: nitimur in vetitum semper cupjmusque ne— ganz, vgl. Spr. 9, 17), und ein anderer (Horaz Carm. l. 0d. Z, 25: audax omnia perpeti gens humana ruit in vetitum nefas): »Kühn genug, alles darum zu leiden, stürzt die menschliche Art in das verbotene Unrecht:« Kam es von der am Verbote entbrannten Begierde nicht zur thatsächlichen Uebertretung des (bürgerlichen oder religiösen) Verbots, so hielten frei- lich die Heiden sich für rein; die Offenbarung des rechten Gottes aber im Gesetz, zeiht mich der Sünde, weil Lüste jeglicher Art in mir stecken, die am Gebote sich erregen, statt sich brechen zu lassen. Auf welche Lust immer das Gebot stößt, es sei Sinnenlust oder Gedankenlush Lust des Wohllebens in der Welt oder Lust an selbsteigener Klugheit und Vortrefflichkeit, keine einzige Lust läßt vom Verbote sich vertreiben, sondern stärkt sich, bis zu lästerlichem Murren oder lügnerischem Entschuldigem wider das Gebot. Die böseste, grund- ärgste Lust, womit die vom Gebote getroffene Sünde wi er Gott ausschlägt, ist die Feindschaft wider einen Gott, der verbietet, was mir beliebt, und gebietet, was mir zuwider ist. (Besser.) Die Sünde ist wie das Feuer in einem heißen Eisen, welches von dem Wasser, das drauf gespritzt wird und das ihm zu- wider ist, Anlaß bekommt, sich wirksam zu zeigen — sagt ein älterer Kirchenlehreu Denn ,,ohne das Gesetz, ist die Sünde todt«; sie ist zwar da, denn jeder Mensch ist von Mutterleibe an des sündlichen Verderbens theil- hastig, aber sie lebt und webt und zeigt sich nicht als das, was sie eigentlich ist, als Sünde. Weil ihr nichts widerspricht und widersteht, so geht alles seinen natürlichem ruhigen Gang: Natur und Sünde stehen in gutem Vernehmen mit einander. IN) Der Apostel unterscheidet hier zwei ver- schiedene Stadien in der Entwickelung seines früheren inneren Lebens: das erste ist das, da er ohne Kennt- Das Gesetz macht mit seinem Verbot der Luft die zuerst noch todte Sünde in uns aufleben. 69 niß des Gesetzes (als positiven Gottesgebots nämlich) dahinging in einer gewissen natürlichen (relativen) Un- schuld; es waren die Kinderjahre mit ihrem Paradiese. Wohl ist ja auch auf dieser Entwickelungsstufe die Sünde im Menschen vorhanden, sie ist’s aber noch nicht als aktive Machtx denn im vollen Sinne ist doch von Sünde immer erst dann zu sprechen, wenn es zur positiven, bewußten Uebertretung positiven göttlichen Gebots oder Verbots bei dem Menschen kommt. Wohl, auch in diesem Stadium war die Begierde schon da, indessen, sie schlummerte noch; geweckt wurde sie erst und zum Leben gebracht durch das Gesetz »Jch lebte etwa, war lebendig einstmals ohne das Gesetz«, sagt der Apostel im Tone einer gewissen sWehmuth, indem er auf jene Tage relativer Unschuld zurückblickt Dies Stadium wurde durch ein anderes abgelöst: das Gesetz, fährt er fort, trat an mich heran, es kam mir-zum Bewußtsein, und nun lebte die schlummernde Begierde auf, ich aber verfiel dem Tode. (Röntsch.) Bei Bestimmung des Sinnes der beiden Ausdrücke: ,,ich lebte« und: »ich starb« ist der Gegensatz ,,Sünde« im Auge zu behalten; Paulus kann nur erst in dem Sinne gelebt haben, in welchem die Sünde in ihm noch todt war, und kann nur auch in dem Sinne ge- storben sein, in welchem die Sünde in ihm lebendig wurde. Es ist also mit »ich lebte« ein Dasein gemeint, welches im Vergleich mit dem später durch persön- liche Sünde selbstverwirkten Todeszustande den Namen des Lebens noch verdiente, ein gewissermaßen dem paradiesischen Stande der Unschuld ähnliches Dasein tdoch nur gewissermaßen ähnlich, weil ja die Sünde, obwohl wie todesschlummer-artig, bereits vor- handen war), nämlich der Zustand des noch nicht in den sog. status ciiseretionjs (Stand der Selbstent- scheidung) eingetretenen Kindes, in welchem Sünde und Tod noch nicht aus schlummernden Potenzen zu per- sönlich aetualisirten geworden sind (Jon. 4, 11). An dem göttlichen Gesetze gelangt der heranreifende Mensch zum Bewußtsein dessen, was gut und böse ist; es be- ginnt nun ein selbstbewußtes und vollbewußt sich selbst bestimmendes sittliches Handeln, aber dieser Anfang persönlicher sittlicher Selbstbethätigung ist auch der Anfang persönlichen Anheimfallens an Sünde und Tod. Das Gesetz ist also nicht selbst Sünde, sondern daß es Sünde und Tod zu persönlichen Erfahrungs- thatsachen für uns niacht, ist die in unserm natürlichem d. i. angeborenen, geburtsweise übererbten Zustande begründete Wirkung der an sich heiligen und gerechten und guten Offenbarung dessen, was Gott von uns fordert. (Delitzsch.) Jn den ersten Verschuldungen reflectirt sich psychologisch mehr oder minder stark die adamitische oroegoiktocoig (Kap. 5, 13 Anm.), und mit dem Gefühl des Schuldbewußtseins stellt sich sofort auch das Gefühl der Todschuld ein (,,ich starb«), wobei man nun nicht erst zu fragen hat, ob das vom physischen, vom geistlichen oder vom ewigen Tode zu verstehen; das Gefühl der Todschuld macht eben keine Unterscheidung dieser Art, vgl. 1. Mos. Z, 7 f. (Lange.) Uns Occidentalen hat der Ausdruck: »die Sünde tödtete mich durch dasselbige Gebot« etwas Aufsallendes, nicht so für den Orientalen; die Rabbinen nennen die angeborene Lust den Todesengel, und findet sich bei ihnen der Ausspruch: »die böse Natur des Menschen steht alle Tage gegen ihn auf und sucht ihn zu tödten-« (Tholuck.) 12. Das Gesetz ist je [d· i. gewißlichPred. 4, 9 Anm., für sein Theil, statt irgendwie Sünde zu sein V. 7] heilig, und das Gebot sum welches es in dem einzelnen Falle sich handelt] ist heilig, recht und gut-I« [1. Tim· I, 8]. 13. Jst denn [nun, wenn ich in V. 10 sagte, das Gebot habe mir zum Tode gereicht, eben dies, das Gebot, das wir soeben als etwas er: kannt haben], das da gut ist, mit ein Tod sdessen er z eu g en d e und dafür verantwortlich zu machende Ursache V. 7] worden? Das sei ferne! Aber die Sünde sdie mir dazu geworden, ist es nach Gottes Leitung, der das Gesetz gegeben, nicht auf unmittelbare Weise geworden, sondern], auf daß sie erscheine, wie sie Sünde ist sin ihrem gottfeindlichen und seelenmörderischen Wesen Joh- 8, 44 recht mir offenbar werde] hat sie mir durch das Gute snämlich das m Rede stehende Gebot] den Tod gewirket sund zwar hat das Gott, der ja recht wohl wußte, daß aus mir selber sein heiliges Gesetz ich nicht zu halten vermöchte,»für den Zweck geschehen lassen], auf daß die Sunde wurde uberaus sundig fund also in tiefster Seele mir verhaßt] durcifs Gebot« swelches sie dazu hat miß- brauchen dürfen, den Anfang persönlicher Selbst- bestimmung sofort auch zum Anfang persönlicher Verfallenheit an den Tod mir zu machen]. V) Aus dem bisher Entwickelten zieht Paulus nun den Schluß, daß das Gesetz nicht blos nicht Sünde, sondern sogar positiv heilig, gottgemäß ist; und da der Mensch thatsächlich nie mit dem ganzen Gesetz auf einmal, sondern immer mit einer oder mehreren Einzel- forderungen desselben zu thun hat, die dann der Sünde in jener Weise dienen müssen, so wird absichtlich auch das Einzelgebot in dreifacher Weise nach seiner Un- tadeligkeit anerkannt. Die Sünde hat ja den Menschen vermocht, das Widerspiel des Gebots zu thun, deshalb muß dieses heilig und recht sein; und da der Erfolg solchen Thuns nicht, wie die Sünde vor- gespiegelt hatte, ein Gut, sondern das absolute Uebel des Todes war, so muß es mit dem Gebote selbst gut für den Menschen gemeint sein — darauf ist die dritte Aussage: gut zu beziehen. (Schott.) Das Gesetz ist absolut von der Sünde geschieden und der Sünde ent- gegengesetzh es ist »heilig«; und zwar gilt dies nicht nur von dem Gesetz im Ganzen, sondern auch von seiner Explieation in dem einzelnen Gebot. Das Gebot ist erstlich ,,heilig« nach seinem Ursprung als Gottes Gebot, zweitens ,,gerecht« als Einzelbestim- mung des Gesetzes, dieses Systems der Gerechtigkeit; und drittens »gut«, d. i. wohlthätige Lebensförderung an sich trotz seiner Todeswirkung an mir, ja auch durch seine Todeswirkung — dies weist schon auf den seligen Ausgang der göttlirgen Traurigkeit und auf das Evangelium hinüber. ( ange.) · H) Jn V. 7 war die Frage aufgeworfen: »Ist das Gesetz Sünde?« und hier wird gefragt: ,,»ist das Gebot mir ein Tod worden?« Beides wird auf gleiche Weise zurückgewiesem indem die Schuld beide Male der Sünde zugeschrieben wird. (Philippi».) Jm zweiten Falle nun ist das dritte dem Gebot bei- gelegte Prädikat: »gut« das neue, jetzt zu lösende Problem; denn daß das Gebot als ein heiliges und gerechtes den Tod gebracht, wäre nicht so sehr zu verwundern, aber ein Räthsel ist’s, daß» es als»e»in gutes ihn bringen sollte. Die Erklaruiig dieses Räthsels will dann auch zeigen, wie das Gesetz die 70 Römer 7, 14——23. große Wendung herbeigeführt hat: durch den Tod zum Leben! ,,Gereichte das Gute selber und unmittel- bar mir zum Lebens-»« Diese Consequenz aus dem Vorigen ist wieder abzuweisen mit einem: »Das sei ferne!« Die Sünde vielmehr ist’s, die mir zum Tode gereichte; und indem sie nun gerade durch das Gute, durch Mißdeutung und Mißbrauch desselben, den Tod erwirkt, erscheint sie als Sünde, wird sie in ihrem Wesen vollständig entlarvt. (Lange.) Die Verwerf- lichkeit der Sünde zeigt sich erst recht, wenn sie das Gute selbst zum Bösen mißbraucht; es ist das Ma- jestätsrecht des Guten, aus allem Bösen Gutes zu ziehen, und der Fluch des Bösen, aus dem Guten selbst das Böse zu bereiten. (Tholuck.) Der zweite, mit einem abermaligen »auf daß« beginnende Absichts- satz spricht dann den ersten noch stärker aus und steigert ihn, indem er in Parallele sich zu ihm stellt: die Sünde wird gleichsam überschwänglich sündig durchs Gebot; denn ist es schon gottwidrig, den zum Leben bestimmten Menschen in den gjottwidrigen Zustand des Todes zu bringen, so ist es oppelt gottwidrig, dazu das gottgegebene Gebot zu benutzen, welches ja gerade dem Menschen das Gut des Lebens vermitteln soll. (Schott.) Was soll also das Gesetz, da es selbst gut ist, im Verhältnis; zur Sünde? in ihrer Häßlichkeit und Abscheulichkeit, in ihrer ganzen Blöße soll sie durch’s Gesetz dargestellt und erkannt werden. Es ist nicht genug, daß der Mensch in dem Spiegel seiner eigenen Gedanken von heilig, recht und gut die Sünde ansieht: dieser Spiegel täuscht ihn; der sündige Mensch hat in sich nicht die rechten Gedanken von heilig, recht und gut; es gehört zum Wesen der bösen Lüste, daß sie auch in diesem Stück den Menschen in Jrrthum Verderben, daß sie das Gefühl des Heiligen, Rechten und Guten abstumpfen, verzerren, verkehren bis zum Gegentheih daß sie die Sünde nicht überaus sündig, sondern, umgekehrt, zu etwas blos Natürlicheny wohl gar Erlaubteny Unschuldigem, höchstens zur sinnlichen Schwachheit u. dgl. machen. Nur die Gedanken Gottes über heilig, recht und gut sind die rechten Gedanken darüber; und diese Gedanken spricht Gott im Gesetz aus. Das Gesetz, Gottes allein ist also der untrügliche Spiegel, in welcheni wir unsere Sünde ansehen müssen; und sehen wir sie in diesem Spiegel an, so wird uns die Sünde überaus sündig, so sehen wir ihre Häßlichkeit und Abscheulichkeit, ihre ganze Blöße. Zu diesem Zweck hat Gott das Gesetz gegeben; dazu sollen wir es brauchen. (Huhn.) 14. sJst also gleich, wie in V. 1«0 gesagt, das Gesetz uns zum Leben gegeben, so vermag es doch um unsrer natürlichen Beschaffenheit willen uns nimmermehr zum Leben zu v erh elfen.] Denn wir wissen [Kap. 2, 23 Z, 19], daß das Gesetz [zwar seinerseits] geistlich ist [des Geistes Art und Natur an sich tragend, so daß, wer ebenfalls den Geist Gottes in sich hat, mit seinem Wesen ihm entspricht]; ich aber sfo muß da jeder Einzelne von uns bekennen] bin smeiner mensch- lichen, von Adam überkommenen Natur nach] fleischlich sdem Fleische gemäß geartet und gerichtet Kap. 8, 4 ff.; Joh. Z, 6; 1. Cor. 3, 1], unter die Sünde verkauft* szu einem leibeigenen Knecht, daß ich ihr Gehorsam leisten muß, ohne im ein- zelnen Falle erst noch fragen zu dürfen, ob ich das auch will 1. Kön 21, 20. 25]. 15. sDas merke ich allüberall bei meinem täglichen Thun und Handeln] Denn ich weiß swenn ich etwas ausrichte] nicht, was ich thue swie solches Wissen doch überall da stattfinden wo man nach eigenem Willen sich entscheidet, son- dern bin wie ein Sklave, der nur dem Gebote des rücksichtslos über ihn verfügenden Herrn folgt]; denn ich thue nicht, das ich will, sondern das ich sals etwas meiner Zuneigung oder Willensrich- tung Widerstrebendes Kap. 9, 13] hasse, das thue ich [vgl. V. 19]. 16. So ich aber smit dieser oder jener Uebel- that] das thue, das ich [selber] nicht will, so willige ich sstimme dem zu], daß das Gesetz swelcheszmir eben dies Böse, das ich nicht will, verbietet] gut sei swie es von sich selbst bezeugt 5. Mos. 4, 8; Pf. 19, 8 sf.]. 17. So thue nun swenn ich Böses ausrichte oder in’s Werk setze] ich dasselbige nicht, son- dern die Sünde, die in mir wohnttt [die voll- bringt es mittels der Obmachh die das Fleisch über mich hat]. 18. Denn ich weiß swenn ich so, wie in den vorhergehenden Versen geschehen, zwischen meinem eigentlichen Jch und der in mir wohnenden Sünde unterscheide »und beide in Gegensatz zu einander stelle], daß in mit, das ist [um dasjenige Jch, welches ich bei dem »in mir« meine, näher zu bezeichnen] in meinem Fleisch, wohnet nichts Gutes [genauer: Gutes nicht wohnet]. Wollensdas Gute] habe ich [dem inwendigen Menschen-nach V. 22] wohl [es liegt mir da nicht ferne, sondern zur Hand]; aber Vollbringen das Gute [von dem es darnach scheinen könnte, als brauchte ich nur zuzufafsen, um sofort es auch zu ergreifen] finde ich [gleichwohl] nicht [vielmehr entzieht sich mir dies Vollbringen auf der Stelle, sobald ich dazu schreite, und schiebt sich nun das gerade Gegentheil von dem mir unter, worauf jenes, mein Wollen, gerichtet war]. 19. Denn das Gute, das ich will, das thue ich nicht lwie schon in V. 15 gesagt], sondern das Böse, das ich nicht will, das thue ich. 20. So ich aber thue, das ich nicht will, so thue ich swas meinen inwendigen Menschen be- trifft] dasseibige nicht sum hier auf den Satz in V. 17 zurückzukommenh sondern die Sünde, die inmir ivohntispk sals eine meinem eigentlichen Jch entgegenstehende und es überwältigende Macht Gal. s, 17]· · 21. So finde ich mir nun sfasfe ich jetzt den aus V. 15—»20 sich ergebenden Thatbestand in eine Summe zusammen] ein Gesetz [auferlegt, dem ichL der ich wia das Gute thun kdamit doch mich nicht entziehen kann, es gehört vielmehr zu meiner Natur, dies Gesetz nämlichL daß mir das Böse au- Um eben dieser Sünde willen ist eine rechte Vollbringung des Gesetzes uns gar nicht möglich. 71 banget swelches denn mein Wollen mich nicht zur Ausführung bringen läßt, sondern mein Thun so- fort ins gerade Gegentheil verkehrt]. 22. Denn ich habe smit allen alttestament- lichen Frommen Pf. I, 2; 112, I; 119,16.47. 70. 771 Lust an Gottes Gesetz nach dem inwendigen Menschen [2. Cor. 4, 16 Anm.]; » 23. Jch sehe aber ein ander Gesetz in meinen Gliedern, das da widerstreitet dem smit Gottes Gesetz V. 22 im Einklang sich befindenden V.16] Gesetz in meinem Gemuthe sdiesem Gegenpart der Glieder Matth. 26, 41; Ephes Z, 16], und nimmt mich gefangen in der Sunde Gesetz, welches lals Widerspiel des Gesetzes Gottes] ist in meinen Gliedern-s— sdaß ichi wider meinen eigenen besseren Willen dasjenige thue, was dasselbe mir vor- schreibt, das Böses. i) Jn dieser Schilderung redet der Apostel nicht nur, wie bisher, in der ersten Person, sondern auch, anders als vorhin, in der gegenwärtigen Zeit, gleich als ob er noch damals, als er schrieb, in dem beschriebenen Kampfe gestanden hätte; er trennt sein Jch von der in ihm vorhandenen Sünde (V. 17) und sagt, nach dem inwendigen Menschen habe er Wohl- gefallen an Gottes Gesetz, was bei einem Unbekehrten ja keineswegs der Fall ist. Aus diesen Gründen haben viele Schriftausleger annehmen zu müssen geglaubt, Paulus rede hier von dem Zustande eines wieder- geborenen, gerechtfertigten Christen, und haben dabei sich auf die tiefen Erfahrungen von der Macht der Sünde berufen, welche die heiligen Männer Gottes sowohl in als außerhalb der heil. Schrift aus ihrem Leben schildern. Dagegen aber haben andere Aus- leger eingewandt, der Apostel könne hier nicht von seinem wiedergeborenen Zustande reden, denn der Zu- sammenhang lehre ja, daß er hier den Zustand unter dem Gesetze beschreibe, während er den friedevollem seligen Zustand wiedergeborener Christen erst im fol- genden Kapitel darstelle; von den letzteren könne doch unmöglich gesagt werden, daß sie fleischlich und unter die Sünde verkauft seien (vgl. Kap. 6, 6 u. 14), daß sie das Gute, das sie wollten, nie vollbringen· könnten (im Widerspruch mit V. 4 u. Kap 8, 1fs.), ja, auch der Ausdruck «fleischlich sein« bedeute doch offenbar dasselbe, wie ,,im Fleische fein« in V. 5. Unleugbar, so müssen denn auch wir sagen, ist der Kampf, welchen der Apostel beschreibt, ein Kampf unter dem Gesetz, nicht. der Kampf eines gläubigen Christen mit den Waffen des Evangeliums; es ist der ohnmächtige Ber- such der sich selbst überlassenen Natur, ohne innere Er- neuerung und Gemeinschaft mit Christo, blos durch das Wohlgefallen am Gesetze Gottes, das Böse zu meiden und das Gute zu vollbringen. Denn nicht nur wird zwischen V. 13 u. 14 nichts von der Rechtfertigung durch den Glauben gesagt, sondern auch nachher ge- schieht nur des Gesetzes, nie des Evangeliums, der Gemeinschaft mit Christo fund des Geistes der Kind- schaft, bei dem Kampfe Erwähnung. Nichtsdestoweniger, so sagen wir jedoch weiter, führt die Darstellung des Apostels darauf hin, daß er hierbei die bestimmte Ab- sicht hatte, anzudeuten, wie auch er noch gegenwärtig, falls das Bewußtsein der göttlichen Gnade in Christo von ihm weiche, solche fruchtlose, ohnmächtige und darum tödtende Kämpfe unter dem Gesetz» haben müs e: nachdem er bis V. 13 als von einer vergangenen Zeit geredet, spricht er auf einmal in V. 14 in der gegen- wärtigen Zeit, indem er sich, auch noch wie er damals schon war, abgesehen von der göttlichen Gnade und blos dem Gesetz gegenüber, als hilflos verloren darstellt; immer aber hatte er sie dann nicht als wiedergeborener Christ, sondern insofern er etwa, des Glaubens unein- edenk, durch das Gesetz gerecht werden wollte — ein ustand, in welchen Petrus dort in Antiochia hinein- gerieth (Gal. Z, 11ff.) und in dem die Galater soweit vom Evangelio sich verirrten (Gal.3, 3; 5, 4), daß sie das im Geiste Angefangene im Fleische vollenden wollten und der Apostel ihnen zurufen muß: ,,ihr habt Christum verloren und seid von der Gnade ge- fallen.« (v. Gerlachh Der mit den Worten: »unter die Sünde verkauft« beschriebene Sklavenstand spricht einerseits die völlige Abhängigkeit des Fleischlichen von der Sünde aus, andrerseits aber auch schon seine Un- freiwilligkeit nnd Renitenz gegen dies Verkanftseim was nicht zu übersehen ist. (Lange.) Auch aus dem Fol- genden geht hervor, daß nach der Lehre des Apostels die sündliche Verderbniß noch nicht die Substanz des Menschen geworden, sondern nur in aceidentellem Ver- hältnis; zu ihm steht; erst wenn der Mensch aufgehört hat, dem Gesetz wider sich selbst Recht zu geben (V. 16), hat er sich ganz mit der Sünde zusammengeschlossen (Tholuck.) Ein zum Sklaven Verkaufter ist schlimmer dran, als ein geborener Sklave; und ein Verkaufter heißt der Mensch, weil er im Anfang kein Sklave ge- wesen. (Bengel.) VII) Diese drei Verse enthalten eine Auseinandew setzung und Begründung des zweiten Gliedes von V. sit: »ich aber bin fleischlich, unter die Sünde ver- kauft«; der Hauptgedanke ist der Schlxißsatz V.17 aus V. 15, und V. 16 macht eine beiläusige Folgerung. (Maier.) Jn V. 15 verneint der Apostel, daß zwischen dem, was er in’s Werk setzt, und seinem innerlichen Leben eine Gemeinschaft statthabe, ein Fremdes viel- mehr, ein Fremdartiges ist es ihm; denn es ist nicht etwas, das er will, sondern im Gegentheil etwas, das er haßt, als etwas seiner Willensrichtung Widriges von sich ausschließt — was er nicht will, thut er. Thut er aber, was er nicht will, was also nicht blos kein Gegenstand seines Wollens, sondern ein Gegenstand seines Nichtwollens, seiner willentlichen Verneinung ist, so giebt er, heißt es in V. 16 weiter, dem Gesetze, da sein Thun ein Thun des vom Gesetz-e Verbotenen ist, die der Selbstbezeugung des Gesetzes zustimmige Erklärung, daß dasselbe gut ist und wohl daran thut, das zu verbieten, was er selbst nicht will. Dieser Satz ergiebt sich aus dem, womit er seine Aus- sage in V. 14, daß er unter die Sünde verkauft sei, in V. 15 erklärt und gerechtfertigt hat. Mitdem ,,nun« in V. 17 bringt er dann einen zweiten Satz, welcher mit dem vorhergehenden zusammengenommen sein will, damit sich der Gedanke ergehe, auf den es abgesehen ist. (v. Hofmann.) Wenn es denn so steht, wie der Apostel in V. 15f. von sich gesagt hat, daß nämlich sein Sündethun seiner innersten persönlichen Selbstbe- stimmung widerstreitet und dieser sein Wille denselben guten Jnhalt hat, wie das göttliche Gesetz, so folgt daraus, daß der Grund des Sündigens in einem Wollen liege, welches zwar im Mensch en, aber doch von seinem auf das Gute gerichteten persönlichen Willen verschieden ist; und dies ist eben die Sünde. So hat sich der Gegensatz des Gutes wollenden und doch Sünd e thuenden Menschen umgesetzt in den Gegensatz des persönlichen Jch und der in ihm wohnenden Sünde. (Schott.) Falsch ist es, wenn man blos dem durch Christum wiedergeborenem erneuerten Menschen ein solches Jch zuschreiben wollte, welches einwilligt, daß das Gesetz gut sei: der Piensch würde aufhören, Mensch 72 zu sein, müßte nicht sein innerstes Wesen auch wider Willen und mitten im Vollbringen der Sünde dem Schöpfer das Zeugniß geben, daß er ihn gut geschaffen habe und daher sein Gefetz gut sei. Dies auch in den blinden Heiden wohnende, unkräftige, stets unterliegende Gefallen an Gottes Gesetz ist bei Weitem noch nicht ein Zeugniß von dem neuen Menschen in ihm; aber nichts desto weniger kann auch mitten in dem Gnaden- stande eine Zeit eintreten, wo der Mensch unter das Gesetz geräth und nichts weiter als das hat. (v. Gerlach.) Der vom Apostel geschilderte Widerspruch des Menschen mit sich selbst wird auch öfters von griechischen und römischen Klassikern erwähnt (0vid. Klemm. 7, 19: Aliudque Cupido, mens aliud sonder; vide0 melioisa pr0b0que, deteriora sequoinseneca episi.sIlI: Quid est; hoc, Lucili, qu0d nos alio tendentes alio irahit ei; so, unde recedere cupimus, repellitsi quid col- Iuctatur cum animo n0str0, net: permittit nobis quidquam semel vel1e. Epicten Enohixz II, 26: ö åztocproiiimsi — Z fis-» HEXE, m? »als-«, uoci Z sit-H HEXE, nackt. Vgl. Eurip. Medea v. 1077 u. Xenopik Symp- VI, 1 § 41), obwohl ihre Aussprüche allerdings nicht um Beweise dienen können, daß sie eine solche Knecht- fchaft unter die Sünde als den herrschenden Zu- stand bei allen Menschen angesehen haben. (Tholuck.) Obwohl auch in der Heidenwelt ähnliche Erfahrungen, wie sie hier geschildert werden, sich mit dem Wissen um das nach Kap.2,15 jedem Menschen eingeprägte Gottesgesetz verbinden können, so redet doch der Apostel von dem heilsgeschichtlichen positiven Gesetze und jedenfalls von einer solchen sittlichen Scheidung des inneren und äußeren Menschen (V. 21ff.), welche nicht in dem Menschen als solchem besteht, sondern von dem heil. Geiste, dem auch durch das Gesetz wirksamen, gewirkt wird, wenn anders der Mensch sich zur Selbst- besinnung, d. i· zur Erkenntniß seiner Pflicht, Gottes Willen zum Inhalt seines eigenen Willens zu machen, bringen läßt (Joh. 7, 17); er beschreibt also die sitt- lichen Erfahrungen des von der Gnade ergriffenen Menschen unter dem Gesetz, welcher dasselbe lieb» ge- wonnen, weil es ihm Liebe abgewonnen. Der Mensch ist da gewillt, zu thun, was das Gesetz ihm als Gottes Willen vorhält (Ps. 119, 5); aber die seiner Natur inne- wohnende Sünde macht es ihm unmöglich· Die Wir- kung des Geistes der Wiedergeburt ist das noch nicht, denn jenes Wollen des Guten ist ein ohnmäch- tiges; aber darum ist dieser Zustand für den Wieder- gebotenen doch nicht ein schlechthin vergangener, auch ihm wird es nicht erspart, dergleichen Erfahrungen zu machen, daher denn hier überall die Zeitwortsform der Gegenwart gebraucht wird, während in V. 7—13 die der Vergangenheit statthatte. Jeder Christ muß das, was Paulus sagt, aus selbsteigener Erfahrung besiegeln; und wohl ihm, wenn er auch das besiegeln kann, daß Gottes Gesetz, und also Gottes Wille, seine Freude ist, daß er das Gute will und das Böse haßt, und zwar so, daß die Sünde, zu der er wider Willen fortgerissen wird, ihm innerlichst fremd ist! Aber wehe ihm, wenn er aus selbsteigener Erfahrung nur dies, und nicht auch das besiegeln könnte, daß derGeist des in Christo Jesu quellenden neuen Lebens ihn aus dem, durch das Gesetz nicht aufgehobenen, sondern iiur zu Tage gebrachten Sündenzwange und Todeszustande be- freit hat, so daß sein, durch das Gesetz auf das Gute gelenkter, aber ohnmächtiger Wille nun des Guten wirklich mächtig und dem in ihm fortwirkenden Tode eine ihn beherrschende, überwindende und endlich in Herrlichkeit triumphirende Macht des Lebens entgegen- gestellt ist. (Delitzsch.) · · sit) Was der Apostel hier von sich aussagt, beruht Römer 7, 24. 25. auf der concreten Anschauung solcher Zustände, in denen auf besonders augenfällige Weise die Gewalt der Sünde als eine blinde, das höhere Jch gefangen nehmende Macht offenbar wird; dies geschieht vorzüglich bei den Uebereilungssündem wenn der innere Mensch sein Auge auf das Gute gerichtet hat und dennoch, sobald es zur Ausführung kommen soll, unversehens das Böse in die Erscheinung tritt. Das Wollen des Guten fällt nicht so schwer; wenn aber zur Ausführung geschritten werden soll, wird es aufgehalten und —- auf einmal ist das Böse da! Der Mensch hat sich vorgenommen, sich der Afterrede zu enthalten, und auf einmal drängt sie sich über die Zunge (Jak. Z, 2); er hat sich vor- genommen, ein gutes Werk zu verrichten, und auf einmal versagen die Hände den Dienst. (Tholuck.) Es steht, will Paulus sagen, mit ihm so, daß er Gutes will, aber nicht thut, und Böses nicht will, aber thut, daß ihm also das Wollen des Guten zur Hand liegt und nicht ferne steht, aber das Vollbringen desselben unerreichbar ist; dies nun lehrt ihn zwischen sich und sich, nämlich zwischen seinem Jch und seiner angeborenen Natur, unterscheiden, indem er sich einer persönlichen Willensrichtung bewußt ist, die auf das Gute geht, aber in dem, was ihm Mittel der Bethätigung dieses seines persönlichen Willens sein sollte, also in dem, was er als angeborene Natur überkommen hat, auf solches, das ihn das Widerspiel des Gewollten thun macht, d. h. aus die Sünde trifft, welche ihm einwohnt, sofern er Natur und nicht sofern er persönlich wollendes Jch ist. So gewiß er also thut, was er nicht will, so gewiß — das wiederholt er jetzt als zu Recht be- stehende Unterscheidung —- ist nicht er es, der es thut, sondern die in ihm wohnende Sünde. (v. Hofmaniy Die Wiederholung derselben Worte (in V. 19 kehrt V. 15, in V. 20 aber V. 16 wörtlich wieder) macht auf die treffendste Weise den Eindruck einer trostlosen Einförmigkeit des inneren Ringens, bevor eine höhere Gewalt des Friedens sich im Gemüthe offenbart hat; inzwifchen ist doch diese Wiederholung keineswegs als zwecklos zu denken, vielmehr soll sie zu immer stär- kerem Bewußtsein des sündlichen Zustandes und da- durch zu immer lebendigerer Sehnsucht nach der Er- lösung leiten. (Olshausen.) » · 7«« f) Der Apostel hat dargelegt, daß zwischen seinem Wollen und seinem Thun ein Widerspruch besteht, welcher dem guten Wesen des Gesetzes, auf welches das Wollen gerichtet ist, und der entgegengesetzten Be- schaffenheit seiner eigenen Natur Zeugniß giebt (V. 15 u. 16); sodann, daß es die in ihm, d. i. in seinem Fleische oder, was dasselbe, seiner Natur, wohnende Sünde ist, welche dem Wollen seines Ich so Ent- gegengesetztes vollbringt (V. 17—20). Jn V. 2-1 be- gin1it er nun seine resultatische Darlegung mit der Folgerung: »so finde ich denn das Gesetz mir, der ich das Gute thun will, daß mir das Böse zur Hand ist«; dieses Nebeneinander seines das Gute wollenden Jch und des die Ausführung vereitelnden oder doch sich in sie einmengenden Bösen zu ändern, ist er außer Stande, es ist »ein Gesetz«, d. i. ein für ihn unab- änderlich Vorhaiidenes und ihn unausweichbar Be- stimmendes. ,,Denn —- so fährt er in V· 22 f. be- giündend und erläuternd fort — ich habe meine Lust an dem Gesetze Gottes nach dem inwendigen Me1ischen; ich sehe aber ein ander Gesetz in meinen Gliedern, im Streite liegend mit dem Gesetz in meineni Gemüthe und inich gefangen nehmend unter das Gesetz der Sünde, das in meinen Gliedern befindliche.« Es sind zwei einander entsprechende Paare von Gesetzem welche der Apostel unterscheidet: 1) ein objektives Paar — das G esetz G ottes, welches über den Menschen erhaben Wir müssen nothwendig zu Christo hin, wenn wir von der Sünde Gesetz frei werden wollen. 73 ist, indem es ihm offeubarungsweise entgegenkommt, und das Gesetz der Sünde, welches unabhängig vom Jch des Nienschen besteht, indem er sich ihm unterworfen vorfindet; sodann L) ein subjektives Paar —— das Gesetz im Gemüthe, das Gesetz seines sich selbst bestimmenden, und zwar nach Gottes Gesetz sich selbst bestimmenden Willens- und Erkenntnißver- mögens, und das Gesetz in den Gliedern, das Gesetz der seinem Jch als Bethätigungsmittel nach außen dienenden Leiblichkeih welche gleichfalls dem Ge- setze Gottes gemäß beschasfen sein sollte, in Wirklichkeit aber durch das ihr inwohnende Gesetz der Sünde bestimmt ist. Die Genitive in ,,Gottes Gesetz« und »der Sünde Gesetz« bezeichnen als gen. auctoris die gesetzgebenden Mächte, die beiden Bezeichnungen da- gegen: ,,Gesetz in meinem Geniüthe« und: »Gesetz in meinen Gliedern« benennen die zwei, dem Menschen persönlich und naturhast eigenen Gesetze, welche der Reflex jener beiden andern sind, nach dem Orte und Mittel ihrer bestimmenden Wirksamkeit; das Gesetz in den Gliedern ist das den Gliedern eingeprägte Gesetz der Sünde, und das Gesetz im Gemüthe ist die Freude des inneren Nienfchen am Gesetze Gottes, sein Wunsch und Wille, sich durch dieses Gesetz bestimmen zu lassen und dasselbe in Ausübung zu bringen. Daß in der Näherbestimmung: ,,nach dem inwendigen Men- schen« der inwendigeMensch nicht ohne Weiteres s. v. a. neuer Mensch«1st, versteht sich von selbst: jeder Mensch ist in pfychischer Verbundenheit ein innerer und ein äußerer, er hat eine dhnamisch-mannigfaltige, charakterhaft gestaltete Jnnerlichkeit und eine dy- namisch-mannigfaltige, eigenthümlich und physiognomisch gestaltete A euß erlichkeit Anderwärts bezeichnet der ,,innere Mensch« allerdings die wiedergeborene Inner- lichkeit des Menschen (2. Cor- 4, 16; Ephes Z, 16; 1. Petri 3, 4), obwohl auch da nicht an sich, sondern nur dem Zusammenhange nach; hier aber kommt der innere Mensch noch nicht als neuer, d. i. wieder- geborener, sondern zunächst nur in seiner durch die Gesetzesoffenbarung vermittelten Scheidung vom äußeren in Betracht Der Apostel meint damit nicht ein dem Menschen nach dem Falle verbliebenes höheres, besseres Selbst, sondern das durch Gnade, nämlich durch die heilsordnungsmäßige Pädagogie des Gesetzes gewirkte oder, wie sich auch sagen läßt, ent- bund ene bessere Selbst; denn im natürlichen Zustande sind innerer und äußerer Mensch gleicherweise unter der Sünde, es ist also ein Werk der Gnade, wenn es mit einem Menschen dahin gekommen, daß. er seinem inneren Menschen nach Freude an Gottes Gesetz hat und seinemeigensten herrschenden Personleben nach das Gute, dem geistlichen Gesetz Gottes Gemäße will, während in seinem äußeren Menschen, d. h. in seinen Gliedern und überhaupt in seinem Naturleben, noch das Gesetz der Sünde waltet, so aber, daß er die Sünde haßt und, auf jenes sein eigenstes herrschendes Jch gesehen, sie nicht sowohl thut als erleidet. Sonach redet Paulus zwar von sich, dem Wiedergeborenen, d. i. von noch fortdauernden und nicht schlechthin ver- gangenen Erfahrungen; aber er redet nicht von sich als Wiedergeborenem, d. i. nicht von Erfahrungen, welche ihm durch die spezifisch neutestamentliche Gnade der Wiedergeburt vermittelt sind, sondern von Er- fahrungen, welche das göttliche Gesetz in jedem Men- schen hervorruft, der sich- gegen die, dem Heilszlvecke desselben entsprechende vorbereitende und· fort und fort zuchtigende Gnade mcht verhärtet. (Del1tzsch.) 24. Jch elender Mensch sso muß ich, wenn ich nichts weiter hätte als das Gesetz, mit dem ich auf die eigene Person beschränkt bleibe, aus- rufen], wer wird mich erlösen von dem Leibe dieses Todes [von«d1esem Leibe, in dessen Gliedern die Sünde wohnt und in demselbigen kräftig sich er- weist, dem Tode Frucht zu bringen V. 5]? 25. Jch danke Gott durch Jesum Christ, unsern HErrnk sin welchem solcher Ruf nach einem Erlöser, wie hernach des Weiteren nach- gewiesen werden wird Kap. 8, 1 ff., Erhörung gefunden Kur. 6, 6]. So diene ich nun swenn ich, wie in V. 14—23 geschehen, in dem Stande mich betrachte, bis zu welchem das Gesetz mich zu bringen vermocht hat] mit dem» Gemüthe dem Gesetz»Gottes, aber mit dem Fleisch dem Gesetz der SUUdeH fund das ist ohne Zweifel noch-nicht der Stand der wahren, eigentlichen Heiligung, sondern vielmehr erst der eines inneren Zwie- spaltes, auf welchen man wegen der Erfolglosig- keit seines besseren Wollens und wegen der Menge nnd Schwere seiner Sündenfülle das Bewußtsein seiner Verdammlichkeit nicht los wird, bis es dann zu dem Stande in EhristmJesu kommt Kap. 8, 1 ff.]. «) Schon die Gestalt der Klage: ,,ich elender Mensch, wer wird mich erlösen von dem Leibe dieses Todes?« zeigt, daß sie aus der Brust eines Bekehrten kommt: ein Unbekehrter würde vor allem sehnsüchtig zu ver- langen haben nach Losbringung seines Jch vom Wollen des Widergöttlichen und vom Wohlgefallen daran und nach Kraft, ernstlich das Gute. zu wollen; der Bekehrte aber weiß sich seinem eigensten Personleben nach los von der Sünde und auf Gott und das Gute gerichtet, er seufzt darnach, daß er nun auch erlöst werde von diesem Todesleibe, durch den jenes sein Personleben so beschwert und getrübt wird, frei von dem, um jenes punctum saliens eines dem Willen Gottes gleich- förmigen Wollens gelagerten Natürlichem worin die Sünde mit ihrem Todessolde waltet. Der Apostel beantwortet nun seine, mit der Klage ausgesprochene Frage sich sofort selbst: »ich danke Gott durch Jesum Christ,»unsern HErrn«; es ist »dasvWerk Jesu Christi, daß sein sehnsuchtig Seufzen in siegesfrohes Danken übergehen kann. An Jesu Christo hat er, wonach er seufzt: in diesem Todesleibe befindlich, ist er doch, weil in Jesn Christo, frei von der Sünde und dem Tode. (Delitzsch.) Das Gesetz ist wohl mit dem in V. 15 ff. Gesagten in seiner göttlichen Heiligkeit erwiesen, indem ja die Sünde es ist, die den Menschen vermöge seiner Leiblichkeit zum Sündigen bringt (vgl. Weish. 9, 15), und eben durch das Gesetz ihm die Erkenntniß der Sünde als solcher aufgegangen ist; allein da das Ge- setz ihn eben doch in diesem Fleische beläßt, so daß also nur ein harter Conflict zwischen dem das Gute thun Wollenden und dem das Böse Thuenden entsteht, so ist damit auch erwiesen, daß man, um zu wirklichem gottgemäßen Verhalten zu gelangen, vom Gesetz los- kommen muß, und zwar so, daß man von dem Fleische erledigt wird «— der Mensch muß, wie es in V. 6 hieß, ihm absterben, das uns gefangen hält. Der Apostel kehrt also nur zu dem Gedanken, der schon durch den vorigen Abschnitt sich hindurchzog, zurück, wenn er den, dem Gesetz Unterstellten ausrufen läßt: ,,ich elender Mensch, wer wird mich erlösen von diesem Todesleibe« (wie es besser, statt »von dem Leibe dieses », Todes« heißen muß). Das kann nun nicht vom leib- 74 Römer 8, 1—7. lichen Sterben gemeint sein, denn der Klagende und Fragende möchte ja in einem Leben stehen, wo er durch seine Leiblichkeit nicht gehindert wäre, seinen Willen, den Willen des göttlichen Gesetzes zu voll- bringen; sondern er verlangt nach einer Erledigung von dem sündigen Naturlebem bei der er doch im Leben bleibt, nach dem also, was nach Knie. 6, 1 ff. dem Christen bereits widerfahren ist. Der (wenn auch Bon zu Gott Bekehrte, doch) noch nicht in Christo iedergeborene hat also geklagt: der wiedergeborene Christ antwortet mit dem Freudenrufe, mit dem er Gott für die bereits geschehene Erfüllung jenes ver- zweiflungsvollen Wunsches·dankt. (»Schott.) · » »Es) Was der »Apostel hier von sich aussagt, das ist die Verfassung, in welcher er sich befindet, seit er Gottes Gesetz kennen gelernt und dieses heilige, geist- liche Gesetz lieb gewonnen hat; er dient seitdem mit seinem frei sich selbst bestimmenden Gemiithe Gottes Gesetz, mit dem Fleische aber infolge einer unglückseligen Naturnothwendigkeit dem Gesetz der Sünde. Das Ge- setz hat seinen Heilszweck an ihm erreicht, die Sünde erscheint ihm im Lichte dieses Gesetzes um so sündiger; aber er fühlt sich auch um so unseliger, da seine dem Geseå widerftrebende natürliche Beschaffenheit ihn von der ünde nicht loskommen läßt. Weiter hat ihn das Gesetz nicht bringen können, als zu dem sehnsüchtigen Klagerufe nach Erlösung von diesem mit der Sünde den Tod in sich tragenden Leibe. (Delitzsch.) Jm ersten Menschen, wie er aus der Hand des Schöpfers hervorging, waren die beiden Grundelemente seines Wesens, das irdische und das überirdische, der Erden- staub und der Gotteshauch, im Gleichgewicht; er war weder fchon fleischlich, noch auch schon geistlich, sondern er war eine lebendige Seele (1. Mof. 2, 7; 1. Cor. 15,45). Jn diesem Zustande konnte und sollte aber der Mensch nicht bleiben; er sollte, eben weil er ein persönliches Wesen ist, sich frei entscheiden zwischen der Herrschaft des höheren Elementes über das niedrigere oder des niedrigeren über das höhere, zwischen der Hingabe an Gott oder an die Welt und ihren Fürsten, zwischen gut und bös. Welcher von beiden Wegen der normale, seinem Begriff allein entsprechende sei, war dem Menschen schon durch seine Organisation selbst angezeigt, sofern der Geist aus Gott sich durch sein eigenes Wesen als das höhere Element ausweist; und hätte nun der Mensch diesen normalen Weg ein- geschlagen, so hätte sein Geist immer mehr Lebenskräfte von oben her, aus Gott, eingeathmet und eben daher nach unten hin den Leib und auch die äußere Natur allmälig verklärt und vergeistigt, der physis ch e Lebensbestand wäre auf dem Wege geradliniger Ent- wickelung ohne Tod in den pneumatisch en über- gegangen (1. Cor. 15, 46). Faktisch hat der Mensch den umgekehrten Weg, den der Sünde eingeschlagery und dadurch ist das Unterste in ihm zu oberst gekehrt, das Oberste aber zu unterst: der materielle Faktor ist übermächtig geworden, er hat mit seiner vom Satan vergifteten Luft die Seele überfluthet, und diese ver- kehrte Einheit von Leib und Seele, in welcher der krankhaft erregte Staubesleib das herrschende Prinzip ist und welche nun die charakteristische Eigenthümlichkeit des empirischen Menschen bildet, nennt die heilige Schrift Fleisch, daher nun ,,seelisch« im Wesentlichen s. v. a. ,,fleischlich« ist (1. Cor. L, H; Jak. Z, 15; Judä 19). Der Geist ist nicht schlechthin entwichen, aber er ist einerseits zum blos natürlichen Lebens- prinzip herabgesunken; andrerseits, was das religiös- sittliche Leben, die persönliche Gemeinschaft des Men- schen mit Gott betrifft, ist er dem Sünder 11icht mehr · inne als lebendigmachende Kraft, welche das göttlich s Gute erzeugen könnte, sondern nur noch als Gesetzes- stimme, welche dasselbe bezeugt als die heilige, unver- brüchliche Norm des Menschenwefens. Das Gewissen (Kap. 2, 15) ist es, worin der zur bloßen Form und Norm gewordene, seiner Kraft beraubte, zum Thau, zur Herstellung eines entsprechenden Lebensbestandes unfähige Geist im Sünder existirt Bei Jesu ist nie- mals von einem Gewissen die Rede, weil er den Geist als Kraft besitzt Gewissen haben auch die Heiden, aber mit wenigen Ausnahmen haben sie seiner Stimme nicht gefolgt, sondern Gottes Recht und Wahrheit, die darin sich bezeugen, in Ungerechtigkeit niedergetreten (Kap. 1, 18. 28. 32); dadurch wurde ihr Gewissenslicht immer mehr verfinstert, und Gott gab sie in Unwissen- heit und thörichten Sinn dahin (Kap.1, 21f. 28; Ephes. 4, 17 f.), richtete aber auf der andern Seite in Israel fein Gesetz, durch positive Offenbarung um so nachdrücklicher auf. Auch dieses positive Gesetz ist von derselben Art, wie das natürliche Gewissensgesekn es hat keine Leben erzeugende Kraft, vielmehr bringt es, dem Menschen das heilige Jdeal seines Wesens und seiner Bestimmung vorhaltend, die Sünde erst recht zur Entwickelung nnd zum Bewußtsein, und gereicht so, statt zum Leben, zum Tode. So stehen auch bei den gewissenhaftesten und gottesfürchtigsten unter den Menschen, wie sie abgesehen von Christo sind« ja gerade bei ihnen am meisten, Fleisch und Gewissen, das Gesetz in den Gliedern und das Gesetz im Gemiith, der innere Mensch, einander gegenüber, und zwar in der Weise, daß das Fleisch und die darin wohnende Sünde das Hausregitneut führt, während es der innere Mensch nur zu einem machtlosen Wollen bringt. (Auberlen.) Das 8. Kapitel. Dei« sgcänbigen kfceiheii non der Ferdammunxx Mandel nach dem seist, Trost wider die Leiden. Z. V. 1—17. Gab mit dem vorigen Abschnitt der Apostel eine weitere Ausführung und nähere Begrün- dung des in Bau. 7,5 Gesagten: ,,da wir im Fleische waren, da waren die siindlichen Lüfte, welche durchs Gesetz sich erregten, kräftig in unsern Gliedern, dem Tode Frucht zu bringen«, so geht nun dieser neue Abschnitt aus das Wort in Kost. 7, 6 sittlich: ,,nun aber sind wir vom Gesetze los nnd ihm abgestorben, das uns gelangen hielt, also das) wir dienen sollen im neuen Wesen des Geistes, und nicht im alten Wesen des Buchskabens«, und setzt dessen Inhalt in eingehender weise auseinander; denn das! auch der hier vorliegende Abschnitt es speziell noch mit den Iudenchrisken in der römischen Gemeinde zu thun hat, geht bestimmt daraus hervor, das) Paulus in V. 3 eines Ilnsdriicsis Orepi desto-pries; —- Sünd« opser hebr.10, 6) sich bedient, der nur von solchen, welche mit der alttestamentlichett Opsersprache bekannt waren, richtig verstanden werden konnte. hat er nun im ztveiten Theile des vorigen Ilbsajnitts aus seiner eigenen Erfahrung heraus dargelegt, wie elend der Mensch ist, wenn er nichts weiter hat, als das Wollen des Guten und die inuerliche Lust an Gottes Gesetz, dabei aber, weil aus sich selbst beschränkt, nicht dazu gelangt, das Gute auch zu thun, vielmehr mit seinem Fleische dem Gesetz der Sünde dient, so niacht er da« gegen hier, und zwar gleichfalls aus eigener Gr- fahrung heraus, geltend, dasd an denen, die in Christo Jesu sind, keinerlei Verdammniss halte, sondern das Gesetz des Geistes, der da lebendig tuacht in Christo Das Gesetz des Geistes, das dalebendig macht in Chr. J., hat mich frei gemacht vom Gesetz der Sünde &c. 75 Iesn, ihn sreigemacht habe in Christo Jesn Sollte dort, wer fein Selbskzeagnist vernahm, sich veranlasst fühlen, bei sich selber zuzusehen, ob er dieser Gr- fahrung seinerseits» eine andere eittgegenzufetzen habe, so soll hier der hörer seiner Rede nun merlietg dass, um von der Sünde« frei zn werden, man nicht mehr das zu solcher Befreiung itnverniögende Gesetz zum Manne haben dürfe, sondern Christi eigen werden n1iisse, wie in Ren. 7, il gesagt war; darum schlief-it sofort ein Hinblick; auf diejenigen sich an, die unter dem Gesetz oder im Iudenlhum verblieben sind und des Gesetzes» sich zwar rühmen, aber in ihrer fleisch- lichen Seins— und Sinnesweise die vom Gesetz erforderte Gerechtigkeit nicht zu leisten vermögen, während den mit dem Geist Christi begabten Christen, wenn sce als« die im Geiste Lebenden auch im Geiste wandeln, dies allerdings» niöglich isk (V. 1——9). Leiblictj geht es mit ihnen freilich auch noch zum Tode, diesem Sold der Sünde; aber sie tragen ein Leben ans Gott in lich, das dereinst zu einer Wiederlebendigntachnng auch des Leibes sich verklärt (V.10 u.11). hatte der Apostel schon vorhin einmal Gelegenheit genommen, diejenigen, welchen speziell seine Auseinandersetzungen hier gelten, zu einer Sesbskpriifuttg aufzufordern, ob ihr Chriskenskand in dogmatischer Hinsicht auch wirst« lich ein voller Stand in Christo Jesu sei (V. 9), so folgt jetzt eine eindringliche Ermahnung an sie, in sittlicher Hinsicht ein volles Geistes-leben zn führen, wie es ihnen als Kindern Gottes; und Miterbeit Christi gebiihre(V.12—-17), und mündet so der Schfuss dieser ganzen Verhandlung mit den Judenchrisien seit Kaki. Knie. 7,1 ff. in die zunächst an die heidenchrisken gerichtete Verhandlung in Ratt. h, 16 ff. ein, womit denn der Salz in Rad. 6, 15 seine vollständige Gr- ledigteng gesunden hat. I. So ist nun sseitdem die in Kap. 7, 25 gepriesene Erlösung geschehen und sie nicht mehr unter dem Gesetz, sondern unter der Gnade sind Kap. 6, 141 nichts Verdammliches skeinerlei Ver- dammniß, wie sie nach dem im vorigen Abschnitt Dargelegten der Stand unter dem Gesetz in so reichem Maße mit sich brachte] an denen, die in Christo Jesu sind [’2. Cor- 5, 17], die nicht nach dem Fleisch wandeln, sondern nach dem Geist sdiese Worte gehören nicht hierher, sondern sind aus V. 4 von den Abfchreibern in Mißverständniß hinzu- gefugt]. Z. Denn das Gesetz des Geistes, der da lebendig macht in Christo Jesu [indem er dessen Leben mir eingepflanzt Gal. 2, 20], hat mich frei gemacht von dem Gesetz der Sünde und des Todes« sin welches das Gesetz in den Gliedern mich hatte gefangen genommen Kap. 7, 23; Joh. 8, 38]. "3. sJn Christo ist ja in der That, gleichwie dem Tode 2. Tim. 1, 10., so auch der Sünde die Macht genommen und dem lebendigmachenden Geist eine freie Bahn gemacht.] Denn das dem Gesetz Unmbglich war snämlich die Freiheit von der Sünde bei uns zu bewirken und die von ihm erforderte Gerechtigkeit in uns herzustellen Gal. Z, 21], sintemal es durch das Fleisch geschwcichet ward san welchem die Sünde eine wider alle seine Anstürme wohl geschirmte Burg besaß, aus der es sich nicht vertreiben ließ, vgl. Luk. 11, 21 f.], das that Gott sin seiner erbarmenden Liebe Joh. 3, 16 f.] und sandte seinen Sohn in der Gestalt des sündlichen Fleisches stieß ihn dergestalt Fleisch werden, daß alles, was die Beschaffenheit unsrer Natur, der sündlichen, aus-Macht, mit einziger Ausnahme ihrer sündlichen Willensrichtung, auch seiner menschlichen Natur eignete Joh. 1, 14; Phil. Z, 7; Hohe. 4, 15], und verdammte die Sünde im Fleisch [Kap. 7, 8 f. 17 f. 20f·] durch Sünde sindem er zugleich ihn ein Sündopfer werden ließ —— die revidirte Ausgabe des neuen Testaments liest hier: »in der Gestalt des sündlichen Fleisches und der Sünde halben, und verdammte die Sünde im Fleisch«], 4. Auf daß die sLebens-] Gerechtigkeih vom Gcsetz erfordert sKap. 2, 26], in uns erfüllet würde [Eol. 1, 22f.; i. Petri L, 24], die wir nun snachdem jene Verdammniß geschehen und wir unter der Gnade stehen] nicht nach dem Fleisch wandeln swie vorhin] sondern nach dem [in der heil. Taufe Tit. Z, 5 f. uns mitgetheilten] Geist« sals der fortan uns beherrschenden Macht Gal. h, 16 sf·]. 5. sMit gutem Bedacht habe ich soeben ge- sagt: »in uns erfüllet würde, die wir nach dem Geiste wandeln«, und habe da an uns Juden ge- dacht, die wir Christen geworden, im Gegensatz, zu denen, die unter dem Gesetz geblieben sind und gerade damit eine Erfüllung der Gerechtigkeit, vom Gesetz, erfordert, nicht erreichen.] Denn die da fleischlich sind smit ihrem ganzen Wesen noch so sehr Zugehörige des Fleisches, daß dieses ihr ganzes Jch beherrscht, wie das mit ihnen, den ungläubigen Juden, der Fall], die sind snunauch sachgemtiß] fleischlich gesinnet sso daß bei ihnen alles Sinnen und Denken« Trachten und Streben in des Fleisches Interessen und Zwecken aufgeht]; die aber swie wir das von uns sagen können] geistlich sind sunter dem Walten und Wirken des Geistes stehend Kap. 5, b; Gal. b, 1], die sind lfvlgstichtig UUU AUchJ gkkstlkch gesktmet lJvb Z, 5 f. und damit auf dasselbe gerichtet, was das Gesetz erfordert V. 4; 7, 14. 16]. b. Aber sin weiterer Folge kommt es denn auf jener Seite auch zu keinen andern, als zu todten Werken Hebr. 6, 1; 9, 14; denn] fleisch- lich gesinnet sein, ist sdem Charakter der Gegen- stände gemäß, auf die es sich richtet PhiL 2, Z; 3, 19; 1. Joh. 2, 17; Pf. 17, 14] der Tod [Gal. 6, 8]; und geistlich gestattet sein sdagegens ist Leben Und FriedWi sdaß das, wozu das Gesetz gegeben Kap. 7, 10; Jes. 48, 18., in Wirklichkeit uns zu Theil wird Kap. 14, 17]. 7. sDaß aber bei den Andern nur der Tod in todten Werken statt einer Leben und Frieden 76 Römer 8, 8——11. mit sich führenden Gerechtigkeitsersüllung zu Tage kommt, ist dasnatürliche Ergebniß ihrer ganzen Herzensrichtung.] Denn fleiskhlich gesinnet sein, ist eine Feindschaft wider Gott [Kap. 11, 28; Jak. 4, 4 und bringt solches Gesinntsein es nie zu etwas wahrhaft Gutem], sintemal es dem Gesetze Gottes nicht unterthan ist, denn es vermag es auch nicht-s- fweil dessen Charakter Kap. 7, 14 das gerade Gegentheil von seinen eigenen Wünschen und Bestrebungen ist]. 8. Die aber fleischlich kd. i. im Fleische als in ihrem Lebenselemente] sind, mögen [eben des- halb, weil ihre ganze Seins- und Sinnesweise eine Feindschaft wider ihn ist und der reine Gegen- satz einer wahrhaften Gesetzeserfüllung Matth. S, 20—7, 5] Gott nicht gefallen fwenn sie auch noch so steif und fest sich einbilden, mit ihrer äußeren Gesetzesbeobachtung sein Wohlgefallen sich in besonderem Maße erworben zu haben Luk. 18, 9—12]. 9. Ihr aber [init denen ich hier im Beson- deren rede, die ihr nicht blos nach dem Fleisch meine Brüder seid, wie jene Kap. I, 3., sondern auch gläubige Brüder in Christo Col. 1, 2] seid nicht [mehr, wie normals Kap. 7, H] sleischlich, sondern [seit eurer Bekehrung zu Christo] geistlich, so anders [wie es ja sein soll und sein kann] Gottes Geist in euch wohnet [1. Cor. 3,16; 2. Tini. 1, 14];· wer aber Christi» Geist sPhir 1, 19; Gar. 4, S] nicht hat, der ist nicht seinH sund da prüfet nun euch ernstlich, wie es mit eurem Christenthum beschasfen ist 2. Cor. is, 5]. , 10. So aber fwas ich von ganzem Herzen euch allen wünsche] Christus in euch [wohnend Ephes Z, 17; Joh. 14, 231 ist, so ist der Leib zwar todt [nach wie vor dem Tode verfallen und ihm auch mehr und mehr entgegenreifend L. Cor. 4, 16] um der Sünde willen fder wir nun ein- mal gedienet haben und darum es uns auch müssen gefallen lassen, daß wir ihren Sold em- pfangen Kap. S, 23], der Geist sin uns] aber [den wir von Christo empfangen haben] ist das Leben [Kap. 6, 8; 2. Cor. 4, 11 sf.; Joh. b, 21. 24] um der Gerechtigkeit willen sdie uns ge- schenket und damit aller Verdammlichkeit an uns ein Ende gemacht ist V. 1]. 11. So nun der Geist des, der Jesum sder ja auch ein Menfch war, wie wir] von den Todten auserwecket fund damit gezeigt] hat fwas an uns Menschen zu thun ihm möglich sei], in euch Wohnet, so wird auch derselbige sGott 2. Cor. 5, 5], dkk [ihn, diesen Jesum, zugleich als] Christum [d. i. als unsern Heil-mittler] von den Todten anferwecket hat fund damit kundgethan, was er an den Heils- genossen vorhabe], eure sterblichen Leiber san: Tage der Wiederkunft des HErrn durch Wiederauf- erweckung der einen und Verwandlung der andern 1. Thess 4, 16 f.; 1. Cor. 15, 51f·] lebendig machen um deß willen, daß sein Geist [der diese eure sterblichen Leiber zu seinem Tempel geheiligt hat l. Cor. G, 19] in euch wohnetfff fund er wohl zulassen kann, daß sein Tempel von der Hand des Todes gebrochen werde, aber nicht, daß er gebrochen im Staube liegen bleibe Joh. 2, 19; 2. Cor. 5, 1]. · V) Daß mit den Anfangswortenx »so ist nun« der Apostel nur aus dem nächstvorhergehendem selbst schon gefolgerten Satze (Kap. 7, 25b): »so diene ich nun mit dem Gemüthe dem Gesetz Gottes, aber mit dem Fleische dem Gesetz der Sünde« eine Folgerung macht, ergiebt sich aus der Betonung, welche das un- mittelbar sich anschließende ,,nichts Verdammliches« (d. i. keinerlei Verdammniß) hat, indem im Grundtext das ,,nichts« oder ,,keinerlei« an der Spitze des Verses steht (,,keinerlei also nun Verdammniß ist an denen, die in Christo Jesu sind«). Wer innerlicher Weise (mit dem Gemüthe) göttlichem Gesetze dient, unterliegt insofern allerdings keinem Urtheile der Berurtheilungx aber dient er daneben mit dem Fleische dem Gesetz der Sünde, so ist er um deß willen solchem Urtheil eben doch verfallen: der Tod selbst, in welchem er sich be- findet und vermöge dessen er unfähig ist, das Gute zu thun, das er will, und nicht anders kann, als das Böse thun, das er haßt, ist schon seine Verdammniß. Daraus folgt denn nicht, daß diejenigen, welche in Christo Jesu sind, jeglicher Verdammniß ledig gehen, sondern daß man, um jeglicher Verdammniß, auch der- jenigen, welcher der blos innerlich dem Gesetze Gottes Dienende unterliegt, ledig zu gehen, nicht auf sich selbst beschränkt, sondern in Christo Jesu sein muß. Wie nun der Apostel den Sah: »so ist nun nichts Verdammliches an denen, die in Christo Jesu sind« aus dem gefolgert hat, was er von sich, dem auf sich selbst Beschränkteir vorhin gesagt hatte, so erhärtet er ihn auch in V. 2 durch Geltendmachen von solchem, das ihm selbst geschehen ist. Es ist so, wie er gesagt hat, daß man in Christo Jesu sein muß, um aller und jeder Verdammniß ledig zu gehen, auf Grund eigener Erfahrung bezeugt er es; denn was ihn vom Gefetze der Sünde und des Todes frei gemacht hat, ist das . Geseg des Geistes, welcher in Christo Jesu lebendig, der ebendigkeit Christi durch Einpflanzung in seine Gemeinschaft theilhaftig macht. Daß der Apostel von einem Gesetze dieses Geistes redet, erklärt sich einer- seits aus dem Gegensatze gegen das Gesetz, welches bisher schlechthin so genannt war (vgl. Kap. 7, 6), andrerfeits aus dem Gegensatz eines Gesetzes der Sünde und des Todes, von welchem er hier redet. (v. Hofmannh Durch das Gesetz ist nicht ohne Wir- kung des heil. Geistes in ihm ein Wollen des Guten entstanden, aber ein um des Fleisches willen ohnmäch- tiges, welches eben als erfolglos ihn nicht der Ver- dammlichkeit enthebt; ist er aber zugleich in Christo, so trifft ihn jetzt auch keinerlei Verdammniß mehr, denn er ist nicht mehr unter jenem Gesetz, welches ihn nicht weiter, als bis zu diesem machtlosen unseligen Zwiespalt bringen konnte, er trägt ein über das Gesetz, der Sünde und des Todes ihn hinwegrückendes Gesetz in sich, nämlich den Geist des Lebens Christi, welcher sein Jch nun ebenso übermögend und das Vermögen des Guten mittheilend bestimmt, wie es, wenn er sich außer Christo ansieht, durch die überwältigende und alles Wollen des Guten unmöglich machende sündige Natur bestimmt wird. Das 1Invermögen unsers Jch, Was Gott in Christo gethan, um die Sünde im Fleisch zu verdammen. 77 das gewollte Gute durchzusetzem und der Zwang des Fleisches, welches wider unser besseres Wissen und Wollen zum Thun der Sünde fortreißt und dadurch, da Wollen ohne Thun des Guten vor Gott nicht als Gesetzeserfüllung gelten kann, unter den Fluch des Gesetzes Verhaftet, besteht nicht mehr, nachdem uns in Christo der Geist des Lebens erwirkt und in diesem die zum Gutes-thun befähigende und eben damit dem Todeszusiande der Sünde enthebende Macht verliehen ist. (Delitzsch.) «) Daß die Erlösung, nach welcher er in seinem Stande unter dem Gesetz rufen mußte, Gott thatsäch- vlich durch Christum gestiftet habe, hatte der Apostel schon in Kap. 7, 25 angedeutet; hier nun sagt er, was Gott für diesen Zweck gethan habe: er hat seinen Sohn gesandt in der Gestalt des sündlichen Fleisches und hat durch den Tod desselben das ganze Sündenwesen im Fleisch rechtmäßig abgethan und ihm die Macht ge- nommen, sowie andrerseits durch seine Auferweckung und Erhöhung das Geistesleben innerhalb der Mensch- heit real eonstituirt, indem Christus nun seinem ganzen, auch leiblichen Lebensbestande nach Geist geworden ist, und zwar so, daß er, weil seinem ganzen Wesen nach Herr und Haupt der ganzen Welt, zugleich Geistesquell für alle Menschen zu sein vermag (1. Cor. 15, 45 sf.; 2. Cor. 3, «17; Joh. 6,-51 sf.; 7, 37 sf.). So ist in Christo»die Herrschaft des Geistes aufgerichtet, welcher gleichmaßtg dem Fleisch und dem Buchstaben (des Ge- setzes) gegenübersteht (Kap. 7, 5f.) und nun in diesem Abschnitte die Hauptrolle spielt, während er im ganzen vorigen Abschnitt (Kap. 7, 7—25) nicht vorkam (zum Zeichen, daß Paulus dort nicht den Stand eines wiedergeborenen und in der Gemeinschaft des HErrn lebenden Christen, sondern den Stand eines solchen Jsraeliten unter dem Gesetz vor Augen hat, an dem das Gesetz seinen Heilsziveck erreicht hat, ihn zur Er- kenntniß nicht blos seiner Thatsünde, sondern auch seiner Sündhaftigkeit und seiner Ohnmacht zum Guten zu führen); durch ihn kommt denn die Wesensumwand- lung im ållienschen zu Stande, welche das Gesetz nicht zu bewirken vermocht hatte. Hat nämlich das Ge- wissen im Glauben das Wortvon Christo angenommen, so wird nun durch die Taufe einerseits das Fleisch in den Tod Christi versenkt nnd damit seiner verkehrten Uebermacht entkleidet, andrerseits der Geist von oben den Menschen mitgetheilt (Kap. S, 3 ff.; Tit. 3, 5 f.), was wir uns als eine göttliche, durch Christum ver- mittelte Einhauchung, ähnlich der bei der Schöpfung (1. Mos. 2, 7) zu denken haben. Jetzt ist das pneu- matische Element im Menschen nicht mehr blos ohn- mächtige Gesetzesstimme, sondern der Geist« ist jetzt lebendigmachende Kraft (2. Cor. B, 6), so daß nun die Rechtsforderung des Gesetzes in den Geistesmenschen wirklich zur Erfüllung kommen kann; das Fleisch um- gekehrt ist nicht mehr das dominirende, sondern es ist prinzipiell getödtet und außer Kraft gesetzt (Kap. S, 6.1l;Gal.5, 24; Col. Z, 3). So ist die Wieder- geburt geschehen; nicht mehr das Fleisch, sondern der Geist ist das Lebenselement, worin der Mensch .sich jetzt bewegt; er ist das geworden, was er seiner ur- sprünglichenBestimmung nach sein soll, ein pneumatischey Gott und dem Himmel angehöriger Ptensch (vgl. die Wem. unter «« zu Kap. 7, 25). Das Fleisch wird zwar jetzt ebensowenig aus dem Menschenwesen schlecht- hin entfernt, als vorher der Geist, es giebt noch einen fortwährenden Kampf zwischen Fleisch und Geist (Gal. 5, 17); aber der Mensch muß nun nicht mehr dem Fleische dienen, sondern ist befreit von dem Gesetze der Sünde und des Todes (V. 2 u. 12). Das Fleisch ist jetzt in einer ähnlichen Unniacht, wie früher das Gewissen (der inwendige Mensch), und der Kampf, geist- lich geführt, endet eben so gewiß mit dem Siege des Geistes, als früher mit dem des Fleisches. (Auberlen.) Das Gesetz konnte die Sünde wohl schelten, aber, weil es geschwächet ward durch das Fleisch, nicht effektiv verurtheilen; die Sünder konnte es ver- urtheilen (2. Cor. Z, 6 ff.), aber die Sünde nicht, diese lebte vielmehr auf durch das Gesetz (Kap. 7, 9). Hätte das Fleisch nicht der Sünde den Bergungsort dargeboten, so hätten die Scheltworte des Gesetzes er- folgreich sein können; denn wenn die Sünde nur vor- handen wäre als That, nicht aber als ein der mens·ch- lichen Natur einwohnender Hang, so könnten die vom Gesetze gegen die Sünde gerichteten Worte den Men- schen abhalten, neue sündige Thaten zu thun. Während nun also unter dem Gesetz die Sünder verurtheilt wurden und starben, die Sünde aber auflebte, so hat dagegen nunmehr Gott die Sünde verurtheilt, daß sie sterben muß; da enthalten nun aber die Worte: »Gott sandte seinen Sohn in der Gestalt des sündlichen Fleische»s« noch nicht den Verurtheilungsakt selbst, son- dern nur erst dessen Vorbereitung. (Geß.) Es ziemte Christo, der die Sünde im Fleische wegnehmen wollte, in keinem andern Fleisch sie wegzunehmen, als in-wel- chem die Sünde natürlich wohnte; denn, was hülfe es uns, wenn er in besserem Fleisch und in erhabenerer Natur den Sündenschaden getilgt hätte? Also, sprichst du, war Christi Fleisch sündlich, weil er unser Fleisch annahm? Mit nichtenl Da er unser Fleisch annahm, machte er es zu dem seinigen; da er es zu dem sei- nigen machte, macht er es zu nicht sündtichem (Ter- t11llian.) Gott that, was - das Gesetz nicht konnte, nämlich zugleich die Sünde verdammen und den Sün- der erretten: er sandte seinen Sohn in der Aehnlich- keit des Fleisches der Sünde und als ein Siihnopfer (Luther hat die Worte: »als ein Sündopfer« übersetztt ,,durch Sünde« und sie zum Folgenden gezogen; der Sinn ist dann der, den er selbst zu Gal.2, 19 angiebt: ,,Paulus macht zweierlei Sünde, wie der Prophet Hof. l3, 14 zweierlei Tod, die Sünde aber, die die andere verdammt, ist die rechte, wahrhaftige Gerechtigkeitz es nennt es aber St. Paulus eine Sünde aus fröhlichem Herzen, das des Geistes und Glaubens voll ist« — also s. v. a. durch sch einb are Sünde, d. i. durch einen Menschen, der mit den Sündenstrafen beladen starb, hat er die wahrhaftige Sünde verdammt), und ver- dammte die Siinde im Fleisch. »Der Sohn Gottes erschien in der Aehnlichkeit des Fleisches der Sünde«, d. i. Christus nahm, da er zuvor bei Gott als Gott war, Fleisch an, wie die sündigen, von Adam ab- stammenden Menschen es haben, doch ohne selbst Sünder zu werden (Joh. 8, 46; 14, 30); vermöge dieser An- nahme des Fleisches stellte er sich mitten in die Ge- meinschast der Sünder und ward versucht allenthalben, gleichwie wir, und mußte Gehorsam lernen an dem, das er litt, aber er hatte selbst und that keine Sünde und brach mitten in der verderbten Menschheit der Herrschaft des Geistes auf’s Neue die Bahn. Er er- schien aber ferner auch als »ein Sündopser«; die Strafe, die zu unsrer Versöhnung nothwendig war, lag auf ihm. Durch alles dies verdammte Gott die Sünde im Fleisch; er hielt Gericht und in demselben verurtheilte er sie, sie aber verlor nun ihr Recht und ihre Macht über den Menschen. (v. Gerlach.) Im Fleische erschien der Sohn Gottes, der, weil er selbst ein Sünder nicht war, deshalb eben auch nur dem Sünder ähnlich erscheinen konnte und damit, daß er, der Heilige, das Fleisch annahm, dies der Sünden- herrschaft entriß, durch sein heiliges Fleischesleben aber die Sünde im Fleisch verdammte und das gesammte 78 Römer 8, 12——1 5. Menschenwesen heiligte (,,denn er machte damit es offen- bar, I) daß die Sünde nicht zum Fleisch an sich gehört, sondern ihm inhärent ist als ein fremdes, unnatürliches verdammliches, uuszuscheidendes und scheidbares Ele- ment, und Z) daß sie nun auch ausgeschieden werden soll vermittels des von ihm ausgehenden Geistes aus der ganzen Menschennatur«: Lange). Ebenso ver- dammte an ihm, der für die Sünde starb, sie aufisich nahm, auch Gott die Sünde. Und was war der End- zweck solcher Sendung und Verurtheilung? Der, daß die Rechtsforderung des Gesetzes zur Erfüllung gebracht werde an denen, die nicht nach dem Fleisch, sondern nach dem Geist -leben. Es ist richtig, daß Jesus Christus Sündentilg er, Versöhner ist, und das ist er an erster Stelle; es ist aber auch das andere richtig, daß er Sündenbrecher ist, Erlöser, der uns frei gemacht hat von der Knechtschaft der Sünde —- erft mit diesen beiden Momenten ist ganz und voll ausgesaghwas er uns ist und sein soll· (Röntsch.) Mit dem Beisatz: »die wir nun nicht nach dem Fleisch wandeln, sondern nach dem Geist« will nicht gesagt sein, was dazu ge- höre, damit es zu jener Erfüllung der Gesetzesforderung komme, noch giebt er Aufschluß über die spezifische Art und Weise derselben; sondern er benennt die Christen nach dem, worin sich zu erkennen giebt, daß sie in ihnen zuwege gekommen ist, wobei sich freilich doch immer erst fragt, ob ein Christ auch wirklich dem Geiste und nicht dem Fleische nach wandelt, ehe er zu denen gezählt werden kann, in welchen die Absicht Gottes ihre Verwirklichung gefunden. (v. HofmannJ TM) Wer die erlösende Kraft Christi im Herzen er- fahren hat, der trachtet nach dem, das droben ist, sein Sinnen, Wollen, Denken und Empfinden hat Christum, fein Wort und Reich zum Mittelpunkt; denn er weiß, daß von dort allein Leben und Friede, zeitliches und ewiges Glück über ihn kommt, daß dagegen das Trach- ten des Fleisches an sich schon Tod im weitesten Um- fange des Wortes ist. Darum hasset ein solcher den Sinn des Fleisches als den Mörder seines seligsten Glücks; er fühlet diesen Tod in seinen Gliedern und seufzt täglich darüber, er vernichtet denselben täglich durch Reue und Buße mit der Kraft des Lebens Christi und strecket sich aus nach dem, was diesen Tod von ihm fern hält. Schärfer kann die Thorheit und Nichtigkeit des eiteln Strebens der Welt, das von Gott hinweg auf alles, was wider Gott ist, geht, nicht gezeichnet werden: die Welt und das Fleisch bilden sich ein, durch ihr Sinnen und Jagen nach Freude, Lust und Genuß, nach Reichthum, Macht und Ehre, nach Weisheit und Bildung, die des göttlichen Lebens ent- leert ist, ihr Leben glücklicher, beständiger, freier zu machen, den Tod zu bannen und möglichst fern zu halten; und siehe, dieser ihr Sinn ist selbst schon Tod, weil Gott, in welchem allein Leben und Glück ist, nicht darin ist, und ihre Wege neigen sich ohne Aufenthalt zum ewigen Tod hinab. Lasse sich daher nur nie- mand vom bösen Feind einbilden, man werde zu lauter Tod und Melancholie berufen, wenn man zur Buße und Glauben an den HErrn Jesum gelockt wird. O nein, es ist lauter Licht, Heil und Leben, eine frieden- und sreudenreiche Lebensart, darein Christen nach dem Geist, als nach dem besten Theil, versetzt werden durch wahre Bekehrung. s) Es ist dem natürlichen Menschen nichts ärger- licher, als wenn sein Sinn mit dem rechten Namen als Feindschaft wider Gott bezeichnet wird; niemand glaubt es, was für ein giftiger Haß wider die Wege Gottes, Zweifel an Gottes Güte und Gerechtigkeit, heimlicher Widerwille gegen Gottes Wort, insbesondere gegen dessen Verurtheilung und Verdammung alles menschlich - natürlichen Wesens und Werkes, sowie gegen Gottes» Liebesrathschluß der Erlösung durch Christum, den wahren Gott und Menschen, im Herzen verborgen ist; ja, die Welt will von Sinnen kommen, wenn sie hört, daß die besten Kräfte, das ganze Licht der Vernunft fleischlich und gottfeindlich sein sollen — nur wer es durch Gottes Wort und Geist erkannt hat, wie sein eigen Fleisch voll Empörung und Widerspruch gegen alle Sachen Gottes ist, giebt dem Apostel Recht und pflichtet Luther bei, der von der »Frau Ver- nunft« sagt, daß sie Gott nicht fürchtet, ihn nicht liebt, ihm nicht vertraut, sondern ihn freidahin ohn alle Scheu verachtet, sich weder an sein Dräuen noch Verheißen kehrt; dazu hat sie weder Lust noch Liebe zu seinem Wort und Willen, sondern n1urret und schnurret, zürnet und poltert, sonderlich wenn es übel zugegeh dawider. Summa, sie ist Gottes ärgste ein m. H) Höchst merkwürdig ist es, daß der Apostel hier in Einem Satze denselben Geist einen Geist Gottes und Christi nennt; der heilige Geist geht von dem Vater aus (Joh. 15, 26), aber ebenso auch von dem Sohne, wie alle die Aussprüche zeigen, die ihn einen Geist Jesu Christi nennen (1. Petri I, 11; Gal. 4, 6). Wie der Vater und der Sohn Eins sind in dem heil. Geiste, so ist nicht blos der Vater, sondern auch der Sohn Eins mit den Seinigen durch seinen Geist, den er ihnen giebt. Wäre der heil. Geist nicht auch ein Geist des Sohnes, dann würden die Gläubigen mit Christo durch einen andern als seinen Geist, also nicht unmittelbar mit ihm verbunden sein; daher sagt der Apostel von derselben Sache in V. 10: ,,Christus ist in euch«. —- Ohne diesen Geist des Vaters und des Soh- nes, der sein von ihm getrenntes, fleischlich gewordenes Geschöpf wieder aus’s Jnnigste mit ihm vereinigt, ist der Mensch noch fleischlich, oder ,,im Fleisch«, ja, er gehört nicht zu denen, die Christus die Seinen nennt (Matth. 7, 237 Luk. 13, 25), er darf sich mit Recht nicht einen Christen nennen. (v. Gerlach.) ist) In diesen beiden Versen zeigt der Apostel hin auf die höchste Stufe der Vollendung des individuellen Lebens, auf die Verklärung des Leibes; wie es im Paradiese hieß: »wenn du von dem Baume der Erkenntniß des Guten und Bösen issest, wirst du des Todes sterben,« so bringt der Genuß vom wahren Baume des Lebens, von Christo, wieder zum vollen Leben, auch der Leiblichkeit. Unsere Stelle hat ihren Commentar in Joh. S, wo Christus als das Leben nach allen Beziehungen hin sich darstellt, auch der Leiblichkeit ,,Euer Leib ist zwar todt«, sagt der Apostel; Jhr, die ihr Christi Geist und damit Christum selbst sammt dem Vater in euch wohnend habt, seid jetzt noch nicht ganz des Geistes, der Todesleib (Kap.7,24) haftet euch noch an und quält euch; aber seid nur getrost, der, welcher Christum von den Todten er- weckt hat, der wird, so lange ihr auf Erden lebet, mit seinem Leben auch den Todesleib durchdringen, daß, wenn er nun in Staub und Asche zerfallen ist, ein neuer Leib, der ganz des Geistes ist, auferstehen wird. Gleichwie die Verklärung des Geistes im Menschen hier auf Erden beginnt und erst am Tage der Aufer- stehung sich vollendet, so muß auch die Wiedergeburt der materiellen Seite des Menschen, des Leibes, hier auf Erden beginnen und allmälig fortschreiten, bis am jüngsten Tage der vollendete, wiedergeborene Leib aufersteht und es offenbar wird, daß Christi Geist, Christi Fleisch und Blut, vom sterblichen Leibe im heil. Abendmahl genossen, schon hier auf Erden den Auf- erstehungsleib zubereitet haben. Vers 11 bezieht sich demnach auf den Tag der Auferstehung, aber so, wie Wie so gar nicht die noch im Fleische seienden Juden das Gesetz zu erfüllen vermögen. 79 der HErr sagt: »wer mein Fleisch isset undtrinket mein Blut, der hat das ewige Leben, und ich werde ihn auferwecken am jüngsten Tage« (Joh. S, 54). Weil euch Gott, erklärt Luther, inwendig »schon lebendig, gerecht und selig gemacht hat, so wird er auch den eib, der da ist die Hütte des lebendigen Geistes, nicht dahintenlassen; sondern weil der Geist schon allhier von Sünden und Tod auferstanden ist, so muß die Hütte und der verwesliche Rock, welches ist Fleisch »und Blut, auch wieder herfür aus dem Staube der Erden, sinte- mal es ist. die Herberge und Wohnung des seligen auferstandenen Geistes, also daß beides wieder zusam- menkommen und ewiglich leben soll. Luther läßt hier das im Grundtext liegende wichtige Moment der bereits im diesseitigen Leben beginnenden Durchdringung des Todesleibes mit dem Auferstehungsleben Christi außer Betracht. Zunächst nun giebt es allerdings keinen andern Grund für den Auferftehungsleib, als daß der Auferstehungsgeist im Gläubigen wohnt und die neue geistliche Perfönlichkeit schafft: nur der geist- liche Mensch fordert den neuen geistlichen Leib, und nur das erste Wunder der neuen Persönlichkeit fordert das zw eite des neuen Leibes; darnach bereitet also das Abendmahl den Auferstehungsleib zunächst in keiner andernWeise,als daß es diegeistlichePersönlichkeit nährt, stärkt, erquickt. Aber eben damit bereitet das Abendmahl auch den neuen Leib; denn der Gläubige hat ja eben das verklärte Fleisch und Blut des HErrn empfangen, und die ganze Auserstehungsherrlichkeit hat sich ihm dadurch thatsächlich im Voraus geschenkt, nicht blos wie durch das Wort verheißen, sondern thatsächlich geschenkt, thatsächlich dem bestimmten Men- schen übergeben. Das ist mehr als bloße Stärkung der geistlichen Person, umsomehr als diese Schenkung sich durch unser leiblich Essen und Trinken vollzieht: damit ist dieser (Todes-) Leib selbst zur Auferstehung thatsächlich ausgesondert. Es ist das viel mehr, als das Empfangen eines bloßen Unterpfandes, es ist das That des HErrn, fertige, geschlossene That, that- sächliche Aussonderung zur Auferstehung; dieser arme, der Verwesung verfallende Leib ist damit ein- verleibt und eingegliedert zwecks der Aus- erstehung. Einen Leib, der den seinen empfangen, kann der HErr nicht mehr vergessen; der vorüber- gehende Abendmahlsakt hat ein unzerreißbar Band zwischen ihm und dem HErrn geschasfen, hat ihn zu des HErrn nicht blos erworbenem, sondern auch angeeignetem Eigenthum gemacht, hat ihn thatsäch- Fåch skiner Auferstehungsherrlichkeit zu- und angeeignet. lör e.) (Epi»siel am 8. Sonntage nach Ttinitati5.) Der 8. Sonntag n. Tr. ist der Sonntag der guten Werke. Das Evang. Matth. 7, 15—23 lehrt mit Be- zug auf die falschen Propheten, daß man die Menschen an ihren Friichten erkennen soll; gute Friichte oder Werke sind aber nur solche, die. ans dem Lichte der Erleuchtung, aus dem Glauben, hervorgegangen sind. Die Epistel führt den Gegensatz der guten und argen Werke, des Lebens nach dem Geist und dem Fleisch noch weiter aus; es wird in derselben die Thätigkeit in em Reiche Gottes, in der für die Ewigkeit reifen- den Ernte der Gerechtigkeih geschildert, wie das Leben nach dem Fleische Tod, das Leben nach dem Geiste Leben bringt, wie das Leben nach dem Geiste in der Gotteskindschaft erhält, deren uns der heil. Geist ver- sichert, und wie die Kinder Gottes Miterben Christi sind. Der selige Stand der Kinder Gottes: I) ein kindlicher Geist ist ihnen gegeben, 2) eine siegende Macht wohnt ihnen bei, Z) ein himmlisches Erbe ist ihnen verheißen (Sommer.) Die Gewißheit des G nad enstandes: 1) wie wir dahin gelangen, 2) worin sie besteht. (Münkel.) Das christliche Leben: 1) ein heiliges, 2)" ein seliges, Z) ein herrliches Leben. Der Weg zum Ziel: l) durch Tod zum Leben, L) durch Kampf zum Frieden, s) durch Leiden zur Herrlichkeit (Stählin.) Woran erkennen wir, daß wirEhristi Geist haben? daran, daß wir 1) nach dem Geist leben, 2) zuversichtlich Abba rufen, 3) des ewigen Erbes uns trösten. Die Kinder Gottes: I) ihre Pflicht, 2) ihr Recht. (Fuchs.) Wozu der Geist Gottes die Kinder Gottes treibet: 1) das Fleiich zu überwinden mit rechtem Ernst, 2) mit kindlichem Ver- trauen an den Vater sich zu halten, s) ihrer zukünf- tigen Herrlichkeit eingedenk zu sein. (Stier.) 12. So sind wir nun fals folche, als welche wir vorhin V. 5 ff. nach dem von den Andern uns unterscheidenden Merkmal uns er- kannt haben], lieben Brüder [vgl. Kap. 7, 1 u. 4],» Schuldner» nicht dem Fleisch fdürfen also nicht meinen, wir wären durch irgend etwas verpflichtet], daß wir nach dem Fleisch leben« [gleichwie sie, die nun einmal noch im Fleische sind V. 8., sondern nach dem Geiste zu wandeln V. 4 ist unsre Schuldigkeit]. 13. Denn wo ihr nach dem Fleisch lebet, so werdet ihr sterben miissen sgleichwie jene sich mit solchem Leben den Tod bereiten V— S; Ivh. 8, 21. 24]; wo ihr aber fso wenig nach dem Fleische lebt, daß ihr vielmehr] durch den [von Gottes und Christi Geist beseelten V. J] Geist des Fleisches [nach besserer Lesart: des Leibes] Geschäfte swomit er euch dem Gesetz der Sünde in seinen Gliedern Kap. 7, 23 will dienstbar machen] tödtet U. Cor. 9, 27; Matth. 19- 125 Hebt— 12, 16], so werdet ihr leben-H« fnicht blos hier zeitlich, sondern auch dort ewig- lich V. 10 u. 11., wie das Gott seinen Kindern verheißen hat V. 32; 4, 13]. 14. fSolche Verheißung aber euch zuzueignen, habt ihr in dem angegebenen Falle ein wirkliches, und nicht, wie die Andern, ein blos vermeintliches Recht.] Denn welche der Geist Gottes treibet [genauer: wieviel ihrer vom Geiste Gottes getrieben oder regiert werden Gal. 5, 18], die snicht aber auch die Andern, die vom Fleisch getrieben und regiert werden] sind Got- tes Kinder-«« [Gal. 3, 26 f.]. 15. [Dessen» ist die ganze Art und Weise der Wirksamkeit des euchi mitgetheilten Geistes an euren Herzen ein Siegel und Unterpfand 2. Cor. 1, 21 f.] Denn ihr habt nicht einen knecht- lichen Geist seinen Geist der Knechtschaft Gal. 4, 7..21 ff.] empfangen, daß ihr euch abermal fürchten müßtet lwie das euer Stand war, da ihr noch unter dem Gesetz euch befandet Kap. S, 145 Hebn 12, 18 ff.]; sondern ihr habt einen kindlichen Geist feinen Geist der Kindschaft Gal. 4, b; Ephes 1, b] empfangen, durch welchen 80 Römer 8, 16. 17. wir [Christen, gleichviel ob vormalige Heiden oder vormalige Juden Gal. Z, 28; 4, 28] rufen: Abba, lieber Vater [Gal. 4, 6]! 16. Dcrselbige Geist [genauer: er, der Geist, den wir empfangen haben, im Unterschied von einer bloßen selbstgemachten Einbildung die nichts als Selbstbetrug ist Joh. 8, 41 ff] giebt Zeugnis; unserm Geist, daß wir [wirklich, wie schon das Bewußtsein unsers neuen Lebens in Christo uns das sagt] Gottes Kinder sind-1- sund versichert uns dessen, daß wir uns nicht ebenfalls selbst betrügen]- 17. Sind wir denn Kinder swie nach dem eben Gesagten es gewiß sich also verhält], so sind wir auch Erben sdas ergiebt sieh von selbst schon aus menschlichen Verhältnissen], namlich fwas euch, die ehemaligen Juden betrifft, die ihr in vorlaufender Weise zwar schon Kinder, aber noch unter dem Zuchtmeister und da von bloßen Knech- ten noch wenig unterschieden waret Gal. Z, 23 f.; 4, 1 ff.] Gottes Erben sals die nun wirklich in das von ihm verheißene Erbe eingesetzt sind GaL 4, 7] nnd [was euch vormalige Heiden betrifft, die ihr ohne Gott waret in der Welt und fremd von den Testamenten der Verheißung Ephef 2, 12] Miterben Christi sin welchem ihr nun aber beide, vormalige Heiden und vormalige Juden, gleichwie zu der nämlichen Kindfchafh so auch zu der nämlichenErbschafbzusammengeschlossen seid, und werden denn wir Christen diese unsre Erbschaft dereinst gewißlich auch in Empfang nehmen], so wir anders mit [ihm, dem HErrn Christo] leiden, auf daß wir auch swie unter dieser von ihm gestellten Bedingung es ja ge- schehen soll Kap. 5, 2 ff.; Matih 10, 37 ff; Apostg:14,»22; L. Tim. 2,11 f.] mit [ihm] zur Herrlichkeit erhoben werden-H· [2. Cor. I, s; Hebn 12, 1ff.; l. Petri 4, 13; 5, H. V) Obgleich die Epistel des 8. Sonntags n. Trin. mit der vom 7. Sonntag (Kap. 6, 19 ff.) nicht in einem unmittelbaren, lo kalen Zusammenhange steht, so stehen beide Texte doch innerlich einander so nahe, daß der Gedankengang ununterbrochen fortgeht: wenn die vorige Epistel das alte und neue Leben einander gegenüber- etzte als Sündenknechtschafh welche in Schande und schließlich in den Tod führt, und als Gottes- dienst, welcher zur Heiligung und zu dem ewigen Leben ausschlägh so wird hier das alte Leben, die Sündenknechtschafh als Leben nach dem Fleisch e, und das neue Leben, der Gottesdiensh als Leben im Geiste der Kindschaft dargestellt. (Nebe.) Das Fleisch ist hier unter dem Bilde eines Herrn gedacht, wie in Kap. 6 die Sünde, und an dieses Bild knüpft sich die Vorstellung von einer Verpflichtung, nach dem Gesetz oder Willen des Fleisches zu leben (vgl. Kap. G, 16 f.), tvelche mit der Eiitsetzung dieses Herrn aufgehört hat und in die Schuldigkeih dem neuen Herrn Folgsamkeit zu leisten, übergegangen ist. (Maier.) »Nicht nach dem Fleische leben« heißt, ihm keine Herrschaft über unser Leben gestatten: gehorchen soll das Fleisch, und nicht befehlen; es darf unsern Wandel nicht ordnen, sondern muß sich fügen nach den Ge- setz en des Geistes-» (Chri)sostomus.) Die Verpslictk tung des Christen ist» eine solche, die ihm nichts weniger, als dem Fleische seinen Willen zu thun, zur Pflicht macht Nur verneinungsweise benennt der Apostel die aus dem Vorigen sich» ergebende Verpflichtung, nicht als unteffrdruckte er, wie man zu meinen sich versucht fuhlen konnte, ·irn lebhaften Fortschritt derRede den Gegensatz zu dieser Verneinung, sondern absichtlich be- schrankt er sich darauf, den Wahndes naturlichen Menschen auszuschließem als ob er sich» selber schulde, auf das bedacht zu sein, was zu seinem irdischen Wohl- befinden dient; statt sich’s wohl sein zu lassen, was, wie es im folgenden Verse heißt, den Tod bringt, der auf dem Wege des Fleisches liegt, inuß der Christ iåielbmehtrödhart gegeg sich sei)n und die Geschäfte des ei e en. . o mann. Ist) Außer Christo und ohne seinen Geist sind wir· allerdings Schuldner dein Fleische; denn wir stehen Ja» im Solde «der Sande, die unser Fleisch bewohnt. Dieser Sold ist der Tod, aber wir halten ihn einst»- weilen sur unser Leben, erlustigen uns mit des Flei- sches Lust und erwarten vom Fleische, was wir be- gehren, Wohlleben, Ehre bei der Welt, Wissenssätti- gnug, Ruhm der eigenen Gerechtigkeit u. s. «w.; dafür fordert denn das Fleisch, daß wir nach ihm leben und fleischlichen Wandel führen, Gottes Wort -verach- teBtunki)·?1ieis;erli)i, an unsere eigzenseemottenfgaßigie Je- re igei un äiigen, um e ammon un er übrigen Weltgötzen unsere Seele verwetten und keines Dinges uns enthalten, das·dem Fleische behagt. (Besser.) Es ist aber dem Fleische fein Tod bestimmt und das Urtheil längst über dasselbe gesprochen. Er- geben wir uns nun in seinen Dienst, so haben wir nichts Anderes zu erwarten, als daß wir mit ihm ins Verderben gestürzt werden; darum müssen wir viel- mehr das Fleisch, als die Ursache des Todes, bei uns selbst tödten. Wir müssen dem alten Stamm des alten Adam, den wir noch nicht mit der Wurzel aus der Erde bringen können, alle seine Ausschläge, wo er bei uns bald diese, bald jene sündlichen Lüste heraustrei- ben und Früchte bringen will, fein, ehe sie erstarken, abbrechen und abreißen, damit so des alten Stockes Kraft selbst mehr und mehr schwach wird und allge- mach erstirbt. (Spener.) Statt ,,Geschäfte des Fleisch es« heißt es nach richtiger Lesart im Grundtext vielmehr ,,Geschäfte des Leib es«; darunter sind die Thätigkeiten gemeint, deren Seele ein dem Geiste ungehorsamer, von ihm unabhängiger Fleischestrieb ist, die also der Leib für sich ausübt. (v. Gerlach.) Der natürliche Leib ist nicht blos Organ der Sünde, so daß die Sünde von außen her ihn dirigirte, sondern er hat» die Sünde in sich aufgenommen, sie hat ihn durchdrungen, ihn verderbt und sich dienstbar gemacht; der Leib, wie er jetzt von Natur ist, hat ein Gesetz in seinen Gliedern, welches mit dem Gottesgesetz im schärfsten Conflikt sich befindet, er bewegt sich aus eigeneni Antriebe der Sünde zu, ganz von selbst fängt er an sich zu regen und zu retten, zu machiniren wie zu operiren. Diesen seinen Geschäften nun sollen wir durch den Geist den Tod zufügen; solch Tödten aber der Sünde durch den Geist geht also zu, sagt Luther, daß der Mensch seine Sünde und Schwachheit erkenne, und wo er die sündlichen Lüste fühlet sich regen, bald in sich selbst schlage und sich erinnere Gottes Wortes, und durch den Glauben der Vergebung der Sünden sich dawider stärke und also ihr widerstehe, daß er nicht darein willige, noch sie in’s Werk kommen lasse. Ein Christ darf nicht dem Fleische Raum lassen, son- dern muß immerdar an ihm tödten, daß er nicht von Jhr aber seid Schuldner nicht dem Fleisch, sondern habt den Geist Gottes empfangen. 81 ihm getödtet werde. (Nebe.) Keiner fällt in die Hölle und steigt in den Himmel, es sei denn, daß er die dazu sührenden Wege geht: das Leben nach dem Fleische ist der breite Weg zur Hölle, des Geistes Leben ist der Fußsteig zum Paradies. (Lassenius.) Mk) Der vom Apostel gebrauchte Ausdruck: »ge- trieben werden« soll die dauernde Einwirkung des Geistes Gottes bei den Kindern Gottes bezeichnen, im Gegensatz gegen den augenblicklichen Antrieb durch denselben bei den Männern Gottes im alten Bunde; sodann aber liegt in dem Ausdruck, daß der Mensch, in welchem Gottes Geist wirkt, sich zunächst rein passiv verhalten muß, ehe er mit seinen eigenen geheiligten Kräften sich dem Treiben des Geistes Gottes anschließt. Auch bezeichnet diese Redensart schön das Lebendige nnd Kräftige in dem neuen, durch die Wiedergeburt dem Nienschen mitgetheilten Quell des Lebens, von welchem unübertrefflich Matth. Claudius schreibt: »und wie das Weizenkorn in der Erde erweicht und aufgelöst wird und nach und nach, ohne daß wir es verstehen und begreifen, ein Leben seiner Art annimmt, Keime treibt und im Stillen fortwächst, bis der Halm über der Erde zum Vorschein kommt, so geht es, nach der heiligen Schrift, auch in einem solchen Herzen. Es verliert nach und nach seine eigene Gestalt und die vorigen Neigungen und Ansichten, spürt in sich etwas Lebendiges und Krästiges, das den Geist mehr und mehr löset und über diese Welt erhebt, bis der Tag anbricht und der Morgenstern aufgeht, und das Ge- hcimnißx Christus in uns in ihm vollendet wird« —- Dies ist noch ein weit größerer Sie erkranz, als der vorige; darum sagt er nicht blos: » ie im Geiste Gottes leben«, sondern: »die von ihm getrieben wer- den«, und zeigt damit an, der Geist solle so sehr Herr unseres Lebens sein, wie der Steuermann des Schisfs und der Fuhrmann seines Gespanns Und nicht blos der Leib, sondern auch die Seele untergiebt er seinem Zügel; damit niemand, sein Vertrauen auf die Taufe setzend, an den christlichen Wandel nachher nicht denke, sagt er nicht: »die den Geist empfangen haben«, sondern: »die der Geist treibt-« (Chrysostomus.) Es muß der Geist erst im Menschen sein, ehe er ihn regieren kann, und es läßt sich wohl ein Zeitpunkt denken, in welchem der Geist bereits da ist, ohne noch den Menschen und seine Kräfte seinem heil. Reginiente unterthänig gemacht zu haben. Auch muß man sich hüten, zu schließen: ,,dieser oder jener hat sich in dem oder jenem Fall vom Geiste Gottes nicht leiten lassen, also ist Gottes Geist nicht in ihm«; denn es ist kein Mensch, der allewege und in allen Fällensich dem Geiste Gottes übergiebt: wäre der Geist nur bei denen, welche vollkommen Gehorsam leisten, so wäre er bei niemand, weil niemand vollkommen dem guten Geiste folgt. Es ist der heil. Geist barmherzig und gnädig, geduldig und von großer Güte und Treue, —- wenn er in einen Menschen einzieht, so weiß er am besten, daß er Mühe und Arbeit, Geduld und Erbar- men, langmüthiges und großes, an uns wenden muß, weil unsere Krankheit zu schwer und groß ist nnd zu tief geht, als daß wir schnell und bald heil und heilig werden könnten. Es ist daher schon ein hoffnungs- reicher Zustand, wenn im Allgemeinen der Wille und das treue Verlangen da ist, Christo zu dienen und seinem Geiste zu gehorchen. (Löhe.) Also heißet nun, vom Geist Gottes getrieben werden, ein solch Herz kriegen, das da Gottes Wort gerne höret und an Christum glaubet, daß er in ihm habe Vergebung der Sünde und Gnade, und solchen Glauben bekennet und auch beweiset vor der Welt, suchet vor allen Dingen Gottes Ehre, das; er ohn Aergerniß lebe und andern Leuten diene, gehorsam, geduldig, züchtig, keusch, wilde, gütig u. s. w. Und ob er schon etwa iibereilet ist und gestrauchelt hat, doch bald wieder aufstehet durch die Buße und aushöret zu sündigenx denn solches alles lehret und weiset ihn der heil. Geist, so er das Wort höret und annimmt und nicht selbst muthwillig den! Geist widerstrebet. Darum sehe hier jeder auf sich, damit er nicht sich selbst Beträge; denn Viele wollen Christen heißen, die es doch nicht sind· Das merket und siehet man dabei, daß sie nicht alle durch Gottes Geist getrieben werden; denn einen Geist müssen sie haben, der sie treibet: ist es nicht Gottes Geist, der sie treibet wider das Fleisch, so muß es sein der andere, böse Geist, der da treibet zum Fleisch und seinen Lüsten, wider Gottes Geist. Darum müssen sie auch sein entweder Gottes eigen und seine lieben Kindlein, Söhnlein und Töchterleim zum ewig-en Leben und Herrlichkeit berufen; oder wiederum von Gott ver- worfen und abgesondert, des Teufels Kinder, und mit ihm Erben des ewigen Feuers. (Luther.) s) Jn der palastinensischenLandessprache (Mark. 5, 41 Anm.) wurde das aramaische abba (Vater) statt des hebt. ab gebraucht; dieselbe Form findet sich noch in Mark. 14, 36 u. Gal. 4, 6. Nach diesen Stellen ist anzunehmen, daß die Anrede ,,Abba« aus den jüdischen Gebeten in die christlichen übergegangen, in diesen aber durch Christum selbst, welcher als Sohn den Vater so anredete, die Weihe besonderer Heiligkeit empfangen habe; dieses heilige Abba nun nahm allmälig die Natur eines Eigennamens an, und so kam es, daß die griechisch betenden Christen das aramäifche Wort als Eigennamen beibehielten und daneben in der Inbrunst des Kindschaftsgesiihls die spezifisch-christliche Vater- anrede durch den Gattungsnamen »Vater« noch beson- ders ausdrücktem sodaß nun das ,,Abba, Vater« stehend wurde. Gewöhnlich nimmt man an, Paulus habe das »Vater« zur Erklärung zugesetztz aber dagegen ist, daß an so empfindungsvollen Stellen, wie unsere und die in Gal. 4,6, eine Dolmetschung, noch dazu für ein Wort, welches bei der Bekanutfchast der jiidischen Sprache in Rom’s und Galatien’s Gemeinden zwei- selsohne keiner Erklärung bedurfte und gewiß auch durch die evangelische Geschichtstraditioii als ans dem Munde Jesu geflossene Gebetsanrede bekannt war, un- natürlich und unpassend erscheint, sowie daß an allen drei Stellen stets nur ,,Abba, lieber Vater« steht, ohne daß eine Dol1netschungsformel(wie: »das heißt« u.dgl.) beigegeben ist. (Meher.) Das hebräische Wort Abba, welches heißt: ,,lieber Vater, ist das Rasen, wie ein junges Kindlein, so der Erbe ist, aus einfältiger, kind- licher Zuversicht mit seinem Vater lallet und ihm rufet: ,,Ab, Ab«; denn es ist das leichteste Wort, so ein Kind kann reden lernen, oder wie die alte deutsche Sprache auch schier leichter geredet hat: ,,Etha, Etha«. Solch einfältig kindlich Wort redet auch der Glaube zu Gott durch den heiligen Geist, aber« aus tiefem Herzen und, wie Paulus hernach (V. 26) sagt, mit unaussprechlichem Seufzen, sonderlich wenn er in Kampf und Nöthen ist wider das Zweifeln des Fleisches und des Teufels Schrecken und Plagen, daß er sich da- gegen wehren muß, und sagen: »Ach, lieber Vater! du bist ja mein lieber Vater, denn du hast ja deinen einigen lieben Sohn für mich gegeben, darum wirst du ja nicht mit mir zürnen, noch mich verstoßen; item, du siehest meine Noth und Schwachheit, darum wollest du mir helfen nnd retten.« (Luther.) — Es sind in Bezug auf die ganze Verhandlung seit Kap.» 7, 7 mehrere menschliche Zustände in Betracht zu ziehen: der erste ist der Zustand der Sich·erheit, der andere der Zustand der Knechtschast oder der Furcht, der 82 Römer 8, 18—23. dritte der Zustand der Kindschaft. Der erste ist unser natürliches Leben und Wesen, in dem wir weder Liebe noch Furcht zu Gott haben, dem die ganze Re- ligion nur in Meinungen, vorübergehenden Ahnungen, Gefühlen und Regungen des Willens besteht, in wel- chem man aber keinen festen Grund, keine Zuversicht, geschweige Lust und Liebe zu Gott hat. Jn diesem Zustande leben und sterben die Meisten. Der zweite Zustand ist nicht natürlich, sondern erfordert schon eine Einwirkung Gottes und seines Geistes; es ist das der Zustand der Knechtschaft, der knechtischen, sklavischen Furcht Wenn die Stimme Gottes vom Sinai ergeht und die Posaunen des Weltgerichts erschallen und die Erde mit ihren Bergen bebt und hüpft, wenn Gott das Volk Jsrael in dem Lauf seiner Geschichte mit Strafwundern angreift und es ihnen durch Erweisung seiner Allmacht zu verstehen giebt, das; er Gott sei, da erwacht freilich ein Abhängigkeitsgesühh man fühlt sich im Nichts, im Unrecht, im Rechte und der Gewalt des Allerhöchsten. Dieser Zustand ist der der reinen, durch keine evangelische Erweisung gemilderten Gesetz- lichkeit, der sich nicht blos bei alttestanientlichen Juden, sondern auch bei neutestamentlichen Menschen und ge- tauften Christen findet. Wenn Gott einem Menschen durch seinen Geist die Augen über sich selbst und sein Verhältniß zum Allerhöchsten öffnet, da giebt’s oft ein Grauen, eine Furchh eine Knechtschaft, die hart genug lastet. Sie ist keine Sicherheit, und ohne Vergleich besser als diese; sie ist aber wie die grauenvolle Nacht, bevor es dämmert, schwarz, schaurig, doch nicht ohne Hoffnung. Der dritte Zustand ist nun der des Evan- geliums, des Tages, wo man, erlöst von Furcht und chrecken des Gesetzes, durch den Geist des HErrn vertraut gemacht wird mit dem in Christo vollendeten Heil. Was vor achtzehnhundert Jahren geschehen, was die Kirche bekennt und lehrt von unserer Freiheit und Frieden in Christo Jesu, das wird durch eine unaus- sprechliche Wunderwirkung des Geistes Gottes iii das Herz als Eigenthum gelegt; aus dem allgemeinen Heil entsprießt das Heil der einzelnen, eigenen Seele, und gelehrt, ermuthigt und gestärkt von dem Geiste des HErrn nennt man nun auch die Erlösung Jesu, die allgemeine, das Eigygenthum des glücklichen, einsamen eigenen Herzens. ian lernt mit Demüthigung und Erhöhung sagen: »Mein Jesu« — und in Folge des; »Mein Vater«, ,,Abba, lieber Vater«. Das fühlt und erkennt sich dann als eine hohe That, nicht als ein bloßes Wort; und in dem Recht und der Macht, so beten, also ,,Vater unser« im Geist und in der Wahr- heit beten zu dürfen, begreift man dann, daß der Geist in uns ist, daß wir Gottes Kinder sind. Trau- tes, süßes, aber auch heiliges, hehres Leben, wenn Einer, ein Mensch, der Staub und Asche dem Leibe nach, der Seele nach aber ein kleiner Geist gegen den unermeßlichen Abgrund des göttlichen Wesens ist, sprechen kann zu diesem unermeßlichen Wesen: ,,Abba, lieber Vaters« Man kann sagen, was man will, man kann die Würde, die Ahnung, Sehnsucht, die noch vor- handene Kraft des Menschen erheben, so viel und hoch man will: wer aber bist du, wer sind wir alle — vor ihm! Stille vor ihm alle Welt! Aber seine Kinder sind nicht stille und sollen es nicht sein, son- dern es löst sich von ihrem Herzen immerfort der Ruf, der Schrei: ,,Abba, Vater«. Das ist Rauchwerk von dem Altar, das steigt auf, das wird gewürdigt im Himmel —- und erkannt und gefühlt von denen auf Erden, welchen es gegeben ist. Und wenn sich die Rauchwolken der Anrufung des Vaters im Geist und in der Wahrheit mehren, da mehrt sich im Herzen der Gläubigen die Gewißheit, daß sie den Geist haben und Gottes Kinder sind. (Löhe.) H) Wen beerben Gottes Kinder? mit wem erben sie? Der alteGott ist es, den wir beerben, der aber selbst nicht aufhört zu besitzen, wenn seine Millionen von Kindern i«n’s Erbe eintreten, der ewig jung und ewig reich bleibt, wenn vor seinem Angesicht die Schaar der Kinder sich mehrt. Und mit wem erben sie? wer ist der Erben neidloser Erster und Herzog? Der, mit welchem zu leiden schon Seligkeit genannt werden kann, wie vielmehr der gemeinsame Eintritt in den ewigen Besitz und die gemeinsame Freude des Besitzes Wahrlich, wenn Gottes Kinder Gottes Erben und Miterben des Messias oder Christus sind, so ist das etwas mächtig zur Kindschaft Ziehendes und Lockendes Denn der Mensch hungert nach einem ewigen Loose — und gewiß, so findet er es herrlicher, als er’s ahnen und hoffen konnte. So ziehe denn und locke das Erbe so viel es kann, und die gedop- pelte Antwort vom Besitz des Geistes hier und dazu dort des ewigen, unvergänglichen Erbes erfülle uns alle mit der rechten Ehrerbietung vor der Würde eines Kindes Gottes. (Löhe.) Das Leben des Christen ist wesentlich ein Leben des Leidens, inner- lich und äußerlich, nur daß stets über Leiden und Druck das Bewußtsein der göttlichen Kindschaft empor- hält. Der nie aufhörende Schmerz über »die eigene und fremde Sünde, das Leiden durch das Leuchten in Worten und Werken mitten in einer Finsterniß, die das Licht nicht aufnimmt, ein eigentliches Leidensleben, ist eine so unumgängliche Bedingung der zukünftigen Verherrlichung, daß derjenige kein Kind Gottes, kein Christ sein kann, welcher diesem Zustande entfremdet ist; denn nur, indem der Christ durch den Glauben so innig verbunden wird mit feinem Heilande, daß Christus selbst in ihm lebt, er also ein dem Leben Christi auf Erden gleichartiges Leben in der Welt führt, hat er Hoffnung auf die zukünftige Herrlichkeit. (v. Gerlachs Wenn die Gläubigen nicht verfolgt werden, so liegt es nur daran, daß sie mit ihrem Christenthum keinen rechten Ernst m·achen, sondern es unter den Scheffel stellen »aus Feigheit und Menschenfurcht » (Harms.) Wie wurden uns die andern Heiligen im Himmel an- schauen, wenn wir das Zeichen des Kreuzes nichtmit- brächten? sie würden uns nicht kennen, und wir instr- den Fremdlinge unter ihnen sein. (Joh. Arndt.) Weil er, unser HErr und Haupt, solches hat müssen thun, warum wollten wir es besser haben? Summa: wer unter diesem HErrn sein will, der muß gewohnen, daß er auch auf dem Wege mit ihm trinke und leide. (Luther.) 6. V. 18-80. Nachdem der Itposlek im tetzten Vers« des« vorigen Abschnitte) beide Theile der römischen Ge- meinde, von denen der eine aus vorniakigeii Heiden, der andere aus vorniasigeii Juden bestand und deren jedem er in Rats. S, 16——23 einerseits und Rats. 7, 1——8, 18 audrerseits eine besondere Darlegung ihrer Verpflichtung zur Heiligung und der in der Erlösung durch Jesum Christum ihnen dazu auch uerkieheiieii Befähigung se nach dem besonderen Stand ihrer früheren Verhältnisse widmete, wieder zu dem Ganzen einer einzigen chrisllicheii heilsgeuieinde zusammen- geschlossen hat, nimmt er den Punkt, in wekiheni die beiden Linien sich vereinigen (vgk. V. 10 s. n. Rats. 6, 22 s.), den jetzigen Leidens· und liiitistigeii herrlich— tiefre-stand, zum Thema einer eigenen, die ganze, ans die Heiligung und den nenen Gehorsam beziigliihe partie seit Rats. 6, 1 abschtiesseiideii Iiiihandkung, um Die den Kindern Gottes beschiedene Heilsvollendung 83 nach der einen Seite hin zu zeigen, dass die von den Christen zu erwartende Heilsvoclendritig sie zu einer Herrlichkeit siihreii werde, an der anih die übrige sie nmgebende Schöpsungswett tietheitigt sei, nach der andern Seite hin aber anch daraus hinzuweisen, das, wie fiir diese Schöpstiiigswelt die Gegenwart eine Zeit des Seuszens sei, also sie es» auch sein niiisse siir die Christen selber, und selbst der Geist, der ihnen ein- rvohne, sei davon nicht ausgeschlossen (V. 18—27); gleichwohc aber sei sie auch eine Zeit der Gewissheit, dass wir an das Ziel unsrer llorherliestininiriicg ge- langen werden, die schon so wesenttiih verwirklicht ist, das) ihre Veeitetung undenhüar (V. 28—-30). »Es» ist ein hoher Text, eine tiefe Rede, ein wunderbare-·- Ztiicti nentesiancetttlicher Weissagnng, max- wir hier vor Eins« haben: Patilas hat ein feines Ohr, er hört das nnanssnrectjtictje and nicht in Worte gesaslte Seufzer: der armen, in die Richtigkeit und den Utitergaiig ge- bundenen Crenturl Und was er mit dem Ohre des , Geistes vernimmt, das weis! er zu deuten so tilar und getvislz sein Auge wird sticht von den Leiden dieser Zeit timflort, niiht von der Finliernisl des dnniiten Thaler» in dem wir in dieser Weltzeit wandeln, ge« halten, es sieht die zukünftige Herrlichkeit nicht wie den Schimmer einer besseren Morgenrölhh sondern in dem hellsten, vollsten Mittagsgtaiizeft (Epistel am El. Sonntage nach Crinitatiø) Das Evangelium des Sonntags (Luk. 6, 36—42) zeigt das Mitleid der Kinder Gottes mit den leiden- den und fehlenden Menschen, die Epiftel das Mitleiden der unvernünftigen Creatur mit den Kindern Gottes. (Löhe.) Was tröstet den Christen unter den Leiden dieser Zeit? 1) die Herrlichkeit der Frei- heit, die ihm verheißen ist; L) die Gewißheit, mit der er solche Freiheit erwarten darf. Die Sehn- sucht des Menschenherzens nach Erlösung: l) wie sie veranlaßt ist durch den Leidensstand unter der Sünde, 2) wie sie ihr Abbild hat im Ringen der Creatur nach Verklärung Z) wie sie sich bezeugt im Verlangen des Herzens nach der ewigen Freiheit. Der Zusammenhang zwischen dem Reich der Natur und dem Reich der Gnade; er stellt bei beiden sich dar l) in ihrem Leiden unter der Sünde, Z) in ihrem Sehnen nach Freiheit, s) in ihrer Ver- klärung zur Herrlichkeit. (Sommer.) Der Mensch und die Schöpfungt l) wie sie jetzt in klagender Sehnsucht einander begegnen, Z) wie sie dereinst ge- meinsame Erben der Freiheit sein werden. (Herold.) Wer darf sich der zukünftigen Herrlichkeit der Erlösten getrösten: l) wer ein Mitgefühl hat für die gegenwärtige Eitelkeit und Sehnsucht der Creatur; 2) wer eine Erfahrung hat von der Sünde und dem Tode in der eigenen Natur; 3) wer die Erst- lingsgabe des heil. Geistes hat, die zum Kinde Gottes macht. (Thomafius.) Was macht dem Christen die verheißene künftige Erlösung so theuer? l) die Herrlichkeih die seiner wartet; Z) die Eitelkeit, die ihn umgiebt; Z) das Warten auf diese Erlösung, das in seiner eigenen Brust sich findet. (Caspari.) Die Vollendung unsers Heils in Christo Jesu: l) wie weit sie sich erstreckt, Z) wann sie geschieht, Z) wodurch wir dafür zugerichtet werden. (Eig. Arb.) 18. [Jch meinestheils, soviel ich auch des Leidens Christi haben muß 1. Cor. 4, 9 ff.; Z. Cor. I, Z; U, 23 ff» unterwerse mich gleich- wohl demselben ganz williglich] Denn ich halte es dafür, daß dieser Zeit Leiden der Herr« lichkeit nicht Werth san Schwere nnd Gewicht nicht im Vergleich mit ihr zu stellen] sei, die an Uns [bei Christi Wiederkunft Col. Z, 4; 1. Petri b, 4] soll «offenbaret werden-i« svielmehr ist diese Herrlichkeit eine ewige und über alle Maße swichtige, während unsre Trübsal jetzt nur zeitlich und leicht ist 2. Cor. 4, 17]. 19. sAlles Weh stillend und alles Verlangen nach Heil und Wohlbefinden erfüllend wird die- selbige in so umfassender Weise sein, daß sie auch die ganze äußere Schöpfungstvelt in ihr Bereich hineinziehen wird; das können wir dieser jetzt schon anmerken und abfiihlen.] Denn das ångstliche sgleichsam mit erhobenem Haupt der endlichen Erreichung der ihr in Aussicht gestellten Zukunft Jes. 65, 17; Pf. 102, 27 sich entgegen- ftreckende und ganz in solcher Erwartung auf- gehende] Harren der Creatur [Weish. 16, 24; 19, S; T· Petri Z, 4] wartet auf die Offen- barung der Kinder Gottes «« sin ihrer vollen Ausgestaltung, mit welcher erst jene Zukunft ein- treten kann], 20, Sintetnal die Creatur [seit dem über sie gesprochenen Fluche Gottes 1..Mos. 3, 17 f.] unterworfen ist der Eitelkeit [Pred. 1, 2. 14] ohne ihren Willen, sondern um deß willen, der sie unterworfen hat sd. i. um Gottes willen l. Mos 5, 29, sie unterworfen hat] auf Hoffnung sder Wiederbefreiung von selbigem Dienstverhältniß und des Eintritts in den Stand der Verklärung 2. Petri Z, 13; Offenb. 21, 1]; 21. Denn snach Gottes, das gesamtnte Weltall umsassendem Heilsrathschlusse, wie er am Ende der Zeiten in Ausführung kommen soll Matth.19,28] auch site] die Creatur frei werden wird von dem Dienst des vergäng- lichen Wesens sin welchem jene Eitelkeit, der sie unterworfen worden, zur Reife kommt] zu der herrlichen Freiheit der Kinder Gottes-«« sum für diese eine ihrem nunmehrigen Wesen Matth. 13, 43 entsprechende neue Wohn- und Wirkungsstätte zu bilden Jes 65, 18 ff.; Apostg Z, 20 f.; Hebt 12, 26 f.]. 22. Denn wir [Christen, die wir den Geist aus Gott empfangen haben und alles geistlich richten 1. Cor.2, 12ff.] wissen, daß alle, Creatur sehnet sich mit Uns [richtiger: mit einander, von der herrlichsten bis zur geringsten] und ångstet fiel) sals mit Einem Herzen seit jener ihrer Unterwerfung unter den Dienst des vergänglichen Wesens] noch immerdar [ohne daß mit der Er- scheinung Christi im Fleisch ein wesentlicher Wandel darin eingetreten wäre] 23. Nicht allein aber sie ssehnet und ängstet sich noch immerdar] sondern auch wir selbst, die wir sim Vorzug vor ihr einen Anfang Sä- 84 Römer 8, 23. der zukünftigen Herrlichkeit schon in uns tragen s 2. Cor. Z, 1»7 f., indem wir] haben des Geistes Erstlinge [V. 15 f.; L. Cor. 1, 22; 5, 5; Ephes I, 14], sehnen uns auch bei uns selbst nach der Kindschaft sm derjenigen Hinsicht, m welcher sie zur Zeit uns noch abgeht 1. Johsz 3, L] und warten auf unsers Leibes Erlösung-i· sda das Sterbliche verschlungen wird von dem Leben 2. Cur. 5, 2 ff.; 1. Cur. 15, 42 ff.; Luk. 20, 36]. i) Wenn man, das will der Apostel mit dem Worte ,,werth« nach dessen Grundbedeutung im Griechischen sagen, in die eine Wagschale die Leiden dieser Zeit legt und in die andere die zukünftige Herrlichkeih so besteht zwischen diesen beiden Wagschalen durchaus kein Gleichgewicht; sie halten sich ganz und gar nicht die Wage, sondern stehen in einem offenbaren Mißver- hältniß zu einander· Die Leiden dieser Zeit sind gewichtlos, von keinem Belange, also nicht der Rede werth im Vergleich mit der Herrlichkeih welche an uns soll offenbaret werden. (Nebe.) Sie find kurz im Gegenhalt zur ewigen Freude, und sie sind klein in Betracht des Vollmaßes von Seligkeit, die wir dann zu genießen haben. (Sommer.) Der Apostel sagt Von- der künftigen Herrlichkeit nicht: »die uns zu Theil werden wird«, sondern: »die an uns soll offenbaret werden«; sie ist schon da, aber noch verhüllt, wie er deutlich in Col· 3, 3 sagt, unser Leben sei mit Christo verborgen in Gott. Sei daher ihrethalben guten Muths, sie ist dir schon bereitet, die auf deine mühe- vollen Kämpfe nur wartet. Betrübt es dich, daß sie zukünftig ist, so freue dich darüber vielmehr; denn weil sie eben so groß und so unaussprechlich ist und die gegenwärtige Weltordnung übersteigt, darum ist sie dort aufbewahrt. (Chrysostomus.) An uns soll sie offenbart werden; damit zeigt der Apostel an, daß nicht allein St. Petrus oder Paulus derselben Herr- lichkeit theilhaftig werden, sondern wir und alle Christen gehören mit in das ,,uns«; ja auch das geringste Kindlein, das getauft Ist und stirbt, das kriegt durch seinen Tod, als sein Mitleiden, diese unaussprechliche Herrlichkeit, welche ihm der HErr Jesus Christus, in welches Tod es getauft ist, erworben und geschenket hat. (Luther.) Bei Versen, wie dieser, der von den Leiden handelt, ist nichts gewöhnlicher, als daß man an die allen Menschen, sie seien Christen, Heiden oder Juden, gemeinsamen Leiden und Wcchselfälle des irdi- schen Lebens denkt; ja, so gewöhnlich und allgemein ist die Anwendung solcher Verse auf Krankheit, Armuth, Kummer und Nahrungsforge, daß derjenige, welcher das Recht zu dieser Anwendung zu bestreiten wagt, wie ein Mensch angesehen wird, der seinen Brüdern den noch vorhandenen einzigen Trost unbarmherzig raubt· Und doch redet nun einmal der Apostel weder in diesem noch in vielen anderen Versen von dem all- gemeinen Lebenslovse menschlicher Leiden; und man kann sich die allgemeine Gewohnheit, die angedeuteten apostolischen Stellen so auszulegen, nur dadurch er- klären, daß die Bekanntschaft mit denjenigen Leiden, von welchen der Apostel redet, bei uns wie verloren gegangen ist. Würde man die Leiden, von denen die Rede ist, aus Erfahrung kennen, so würde man sich keine falsche Auslegung unterschieben lassen, sondern sich den Trost vorbehalten und bewahren, welcher uns in solchen Stellen für eine hohe Nothdurst unsrer Seelen hinterlegt ist. Die Leiden unseres Verses sind nun einmal nur Christenleidem Leiden, die der Gläubige um Christi willen von den Ungläubigen und Feinden des Christenthums zu erdulden hat. Nur sie stehen zu der dereinstigen Herrlichkeit in Beziehung weil auch die Herrlichkeit nur eine Herrlichkeit Christ ist, von welcher wir Miterben genannt werden, soferi wir mit ihm, das ist, um seinet willen leiden. (Löhe. sit) Schwerlich hat Luther mit seiner späteren Ueber setzung (vom J. 1545): »das ängstliche Harren« de1 Sinn des Paulus bei dem im Grundtext gebrauchtei Worte (oi7conoxgocöossior) richtig getroffen; weit bes e« war seine anfängliche Uebertragung: »das endlich» Harren«, welches er so auslegt, daß die Creatur stets' denkt an ihr Ende (vgl. das ,,endlich« in. Luk. I, II) Nicht die Angst, sondern die Sehnfucht ist in den Harren das Moment, welches hier hervorgehobet werden soll; mit ausgerecktem Halse, mit hoch empor gehobenem Haupte gleichsam steht erwartungsvoll, di« Dinge, die da kommen sollen, erharrend und sehnlichs verlangend, die Creatur da. (Nebe.) Jm Gegensatz« zu den Kindern Gottes, dem Werke der erlösendei Thätigkeit Gottes, kann ,,Creatur« nur zusammen fassende Bezeichnung desjenigen sein, was als Wer der schöpferischen Thätigkeit Gottes von ihr dei Namen hat; hiermit ist aber dann die Menschenwel ausgeschlossen Von selbst versteht sich, daß es sich nur utn diejenige außermenschliche Schöpfung handelt, welchi die Welt des Menschen ausmacht und deren Geschic deshalb in die Geschichte der Menschheit verflochtenis im Unterschied von dem Geisterthume, welches Mach hat über diese Welt. (v. HofmannJ Das Reich de« Natur und das Reich der Gnade sind nicht getrennt« Dinge, sondern stehen in einem innigen Zusammen Hang, welcher z. B. bei Adam und dem Paradies, be dem gefallenen Menschenpaare und der verfluchtei Erde, bei dem Fall Israels und der Verödung de; Landes, bei Christi Tod und der Finsterniß, bei Christ Auferstehung und dem Erdbeben hierbei hervortritt dieser Zusammenhang macht sich nun auch bei de1 Worten auf die künftige Verherrlichung der Menschei und der Natur geltend. Das gleichsam mit erhabenen Haupte geschehende sehnliche Harren der Creatur ha zugleich mit dem Menschen einVerlangen nach einen besseren, vollkommeneren Stand, als der des gegen wärtigen Lebens ist: mit Sehnen sieht die Natur den Akt entgegen, in welchem die Herrlichkeit der Kinde« Gottes auch äußerlich sichtbar hervortreten und de1 vollen Glanz ihrer Erscheinung entfalten wird, wo di Creatur, nachdem sie die Sünde des Menschen mitzu büßen hatte, auch die Seligkeit der Kinder Gottes mit zugenießen haben wird. (Sommer.) Es ist nicht wahr das Dichterwort, daß die Erde sei vollkommen überall wo der Mensch nicht hinkomme mit feiner Qual; da; ist eine durchaus oberflächliche Naturbetrachtuug Da gegen hat der andere Dichter (Fr. Schlegel) Recht, de da singt: ,,es geht ein allgemeines Weinen, soweit di stillen Sterne scheinen, durch alle Adern der Natur es ringt und seufzt nach der Verklärung, entgegen schmachtend der Gewährung, in Liebesangst die Crea tur«. Dies Wort, ein dichterisches Echo der aposto lischen Sentenz hier, findet einen Widerhall in alle1 tiefer angelegten Menschen; es geht ein Zug de« Trauer und Schwermuth, eines unbewußten Sehnens und Verlangens auch durch die unvernünftigeSchöpfunx — wir fühlen und ahnen davon etwas, wenn in Herbst das dürre Laub unter unserm Fuße raschelt wenn wir den Aufschrei eines von seinem unbarm herzigen Treiber gequälten Thieres hören, wenn wi- den Krieg aller gegen alle in der Thierwelt wahr nehmen. Und die Schrift giebt uns Aufschluß übe« diese schmerzlichen Thatfachem der Mensch als Her der Schöpfung hat diese mit sich in seinen Fall unt dessen Folgen hinabgezogen. (Röntsch.) Schau einma Nach derselben sehnet sich mit ihnen die gesammte irdische Ereatmz 85 dem Thiere in’s stumme, freudenlose, fragende Auge, betrachte, wie ganz anders sein Lebenslauf ist, wie völlig anders seine Freude, als sie in Gottes Nähe sein würde, wie es im Dienste der Vergänglichkeit sein Leben beginnt und endet: ist dir das Seufzen und Sehnen nicht klar? Sieh die leblose Natur mit nüch- ternem Auge an: ist sie, was oft Weltmenschen, sich selbst belügend, behaupten, ist sie ein Paradies? Daß die Erde in weiten Länderstrecken wüst und leer, ver- ödet und versandet, oder in Sümpfen und Niorästeii daliegt, daß sie ohne Aussaat und Pflanzung, ohne Schweiß des Arbeiters nur an wenig Orten die Noth- dürft» trägt, daß sie da, wo ihr Ansehen noch am meisten einem Paradiese gleicht, in jenen viel geprie- senen südlichen Ländern, auch so viele Plagen, Gift- pflanzen, giftige Thiere und andere Schrecken des Tages und der Nacht hervorbringt, daß Unkraut, Dorn und Disteln den treuen Fleiß des Landmanns verhöhnen und als Zeichen göttlichen Fluches über die ganzeErde hingestreut sind, bedenken jene nicht, welche so gern tsich durch die Natur in ein Entzücken ver- setzeu lassen, ihr dienen, wie ihrem Gott, und ihren Gott die Natur nennen. Die kahlen Berge, die nackten Felsen, die wie alternde Gebeine zum Himmel starren, triefen vom ängstlichen Warten auf Erneuerung; das Abendroth und der Sonne täglich Abschiednehmen predigen die Sehnsucht dieser Welt nach der Offen- barung jener Welt. Nur wer selbst keine Sehnsucht hat und auf die Zukunft eines vollkornmnen Lebens nicht harrt, kann die Natur vergöttern, wie die Heiden; wer aber den Himmel von ferne gesehen hat, im Spiegel der Verheißung, wer gehört hat vom Strom des Lebens, vom Gehölz des Lebens in jener Welt und von der neuen Erde, auf welcher Gerechtigkeit wohnet, wer nur je die verheißene Herrlichkeit des Reiches Gottes in der Schrift mit gläubigem Herzen betrachtet hat, der kann sein Herz an diese irdischen Naturschönheiten nicht hängen, der fühlt sich auf den Gipfeln und in den Thälern der Alpen und auf den immer jungen Frühlingsinseln der Siidsee nicht da- heim, der kann diese Erde, diese Sonne nicht so gar schön heißen, da sie Menschen dienen, welche ohne Christum, den schönsten Helden und Heiligen Gottes, leben können. Was ist alle Herrlichkeit dieser Erde, auf der man ihn nicht sieht? was hilft’s, daß man feinen Namen in allen Jahreszeiten abgeschattet und auf den Fluren hingeschrieben findet, wenn er selbst nicht geschaut wird, auf deß Geheiß die Frühlings- schönheit blüht und der Herbst verwelkt? Wer mit der Erde zufrieden ist, kennt den Himmel nicht, wer sein Herz in ihre Freuden vertieft, macht es untüchtig für die Himmelsfreuden (Löhe.) Wenn ich einsam Nachts in der freien Natur stehe, da ist? mir, als ob sie ein Geist wäre und mich um Erlösung bäte; oft habe ich die Empfindung gehabt, als ob die Natur mich jam- mernd wehmüthig um etwas bäte, daß es mir das Herz durchschnitß nicht zu verstehen, was sie verlangte. (Bettina von Arnim.) Ohne leisen Mißton ist wohl keine, selbst nicht die lieblichste Form der Natur. (Forster.) IN) Daß die Schöpfungswelt desjenigen Wesens- gehalts entbehrt, welcher ihr Dasein zu einer Offen- barung des in sich selbst beständigen Lebens Gottes machen würde, setzt der Apostel als anerkannt voraus und macht nur geltend, daß es bei ihr im Gegensatze zum Menschen lediglich ein Widerfahrniß gewesen ist, das sie in solchen Zustand gebracht hat. Dies liegt schon in dem Pafsivutnt ,,unterworfen ist«; es wird dann aber auch noch besonders ausgedrückt durch den Beisatzz ,,ohne ihren Willen«, welcher in Verbin- dung mit jenem Passivum besagt, daß der Schöpsungs- welt nicht, wie dem Menschen, der willentlich that, was ihm den angedroheten Tod zuzog, nach ihrem eigenen Willen geschehen ist. Freilich nicht, als hätte sie wirk- lich so thun können, wie der Mensch; der Apostel ver- neint nur, daß bei ihr ein eigener Wille an dem, was ihr widerfuhr, Theil gehabt habe, ohne damit zu sagen, daß dies wirklich hätte der Fall sein können. (v. HofrnannJ Die Erlösung der MenschheitistGnade, die Erlösung der Natur Gerechtigkeit; denn der Fall der Menschheit ist freiwillige Schuld, der Fall der Natur unfreiwilliges Leiden. (Philippi.) Der Eitelkeit ist die Creatur unterworfen; diese Eitelkeit steht im Gegensatz zur künftigen Herrlichkeit und be- faßt also in sich die Schwäche und Mangelhaftigkeit, die Nichtigkeit und Vergänglichkeit der Gegenwart. Durch den Siindensall des Menschen hat die Natur ihren ursprünglichen Reiz, ihre Schönheit, Gleichheit und Dauerhaftigkeit verloren, sie ist durch viel Schäd- liches oder keinen Nutzen Bringendes verdorben wor- den; die Ereatur ist in einen Stand der Widerspenstig- keit gegen den Menschen und des Mißbrauchs von Seiten der Gottlosen gerathen; sie muß den thörichten, eitlen und selbstsiichtigen Zwecken des gefallenen Men- schen dienen, ob sie wohl sich dagegen sträubt, und sie muß sich mißbrauchen lassen im Götzendienst der« Heiden, in der Abgötterei derer, die ihr Herz daran hängen, in der Rohheit derer, die sie mißhandeln und verderben, in der Gewissenlosigkeit derer, die ihre Gaben vergeuden. (Sommer.) Als die liebe Sonne, die schönste und lieblichste Creatur, die dienet das wenigere Theil den Frommen; wo sie einen Frommen bescheinet, da muß sie tausend und abermal tausend Schälke be- scheinen, als da sind Gottes Feinde, Lästerer, Ver- folger, deren die Welt voll ist; item, Mörder, Räuber, Diebe, Ehebrecher: denen muß sie leuchten zu alle ihrem gottlosen Wesen und Bosheit, und also ihren schönsten und reinsten Dienst gegen die unwtirdigsten,. schändlichsten, losesten Buben gehen lassen; Das thut der Sonnen, sagt St. Paulus, herzlich wehe; nnd wenn sie eine vernünftige Creatur wäre und sollte nach ihrem Willen gehen, nicht nach unsers HErrn Gottes Schöpfung, der sie ohn ihren Willen der Eitel- keit unterworfen hat, so inöchte sie leiden, daß alle bösen Buben nicht ein Glänzlein von ihr kriegten; daß sie aber ihnen scheinen muß, das ist ihr Leiden und Kreuz, darüber sie seufzet und ächzet. Wiewohl sie nun solches nicht gerne thut, ist sie dennoch Gott gehorsam, und nicht allein sie, sondern die ganze Ereatur; und ist sehr fein tröstlich geredet, daß er die ganze Ereatnr einzeucht, gleich als in Eine Person, die mit uns ein Verlangen habe, aus diesem Leben in ein anderes zu kommen. Die Sonne wartet eines andern Schmucks, den sie haben soll, sammt der Erde und allen andern» Ereaturem nämlich, daß sie gereinigt soll werden von allem Mißbrauch des Teufels und der Welt. (Luther.) Wie die gebärende Mutter das lebendige Kind gleichsam dem Tode abringt, so ringt »die unter der Gewalt des Todes seufzende Natur, eine neue, unvergängliche Schöpfung aus sich herauszu- gebären. (v. Gerlach.) Wie es demnach eine Wieder- geburt des Jndividuums giebt, so auch eine Wieder- geburt des Alls (Matth.19, 28; Apstg.3, 21). Luther bezeichnet diese Verklärung der Natur mit kindlichem Ausdruck als Anziehen des Osterrockes Gottes, statt des jetzigen Werkelkleides, wobei die Vergleichung des Weltlaufs mit der Schöpsungswoche zu Grunde liegt, auf die dann auch ein neuer Sabbath folgen wird. Aus diese Zeit deuten die Weissagungen der Propheten, daß die Wüsten wieder blühen sollen (Jes. 35, I ff.), 86 Römer 8, 24—28. daß Lamm und Löwe zusammen weiden werden (Jes. n, e; ff.; 35, o; 65, 25). s)«Auf ein Wissen bezieht sich der Apostel, das seine Leser mit ihm theilen, auf ein Wissen von dem gegenwärtigen Zustande der Schöpfunm daß durch den ganzen weiten Umfang derselben ein Stöhnen geht und ein Wehenschmerz wie einer Kreisenden, daß ihr Gesainmtleben ein in ihren Lebensäußerungen sich knndgebender Schmerz angstvollen Ringens mit steter Todesnoth dnrchzieht Der Christ kennt beides, die gespannte Erwartung, mit welcher sie nach einer Wand- lung der Dinge ausschaut, und das Seufzen und Stöhnen, welches ihr die Schmerzensangst ihrer Gegen- wart auspreßt; die erstere kennt er vermöge seiner Hoffnung »auf die Verklärung der Kinder Gottes, das letztere vermöge des Eindrucks, den ihm das Welt- leben macht, er kann das gegenwärtige Wesen der Schöpfung nicht für ein in sich selbst befriedigtes und diese Welt nicht für die beste ansehen. Jndem so der Apostel von seiner Hinweifung auf eine Zukunft, wo es mit uns und mit der Schöpfung so gar anders werden wird, zu einer Gegenwart übergegangen, die eine Zeit des Seufzens ist für die Schöpfung, fügt er nun in V. 23 hinzu, daß sie eine Zeit des» Seufzens sei auch für uns; wie nämlich Jesus zwar im Fleische schon Gottes Sohn gewesen, aber vom Tode erstehen mußte, um Gottes Sohn in Machtherrlichkeit zu sein (Kap. l, 4), so sind wir durch Empfang des Geistes Gottes zwar Gottes Kinder schon geworden, gleich- wohl steht uns eine Herstellung zur Gotteskindschaft durch Verklärung zu einem Naturlebem welches unsers christlichen Personlebens entsprechende Offenbarung sein wird, erst noch bevor, und das ist’s, wonach ·wir uns sehnen und seufzen. (v. Hofmann.) Zwar hier schon werden wir durch den Glauben an den gekreuzigten Sohn des Vaters Kinder, spüren oft seinen Frieden, genießen seine Liebe, doch aber nicht ungestört, sondern oft und viel unterbrochen. Wir sind auf Erden nur in Hoffnung selig, und wozu wir das Recht empfangen haben, das haben wir noch nicht in Händen. Der ganze Himmel ist uns zugesprochen, aber noch stehen wir vor seinen Thoren; alle Güter des ewigen Lebens sind uns verschrieben, aber noch nicht ausgethan; wir sind eines großen Königs Erben, aber unmündig; wie man unmündigen Kindern nicht freie Hand läßt über ihr Vermögen, so haben auch wir, so lange wir hier wallen, weder Freiheit noch Geschicklichkeit, sondern nur Hoffnung, unsere Kindschaftsgüter zu verwalten. An jenem Tage aber wird uns alles ausgethan, und wir werden mit auferstandenen Leibern in allen Gütern unseres Vaters freudenvoll wandeln. ,,Unsers Leibes Erlösung« bringt nicht der Tod; dieser löst uns zwar von dem Leibe, aber er erlöst den Leib, die andere Seite unseres Wesens, nicht, er überantwortet ihn viel- mehr erst recht dem vergänglichen Wesen, der Unehre, der Schwachheit Es ist also vielmehr die Erlösung des Leibes von allen Unvollkommenheiten und Schwächen in der Auferstehung und Verklärung gemeint. 24. sLaßt es euch nicht Wunder nehmen, wenn ich von uns, die ich doch in V. 14 als schon jetzige Kinder Gottes bezeichnete, soeben nun sagte, wir sehnten uns erst nach der Kind- schast; es verhält sich mit beiden Llussagen ganz richtig«] Denn wir sind sdurch die Erlösung, so durch Jesum Christum geschehen Kap. Z, 24] wohl selig fals solche, die da gesegnet sind mit allerlei geistlichem Segen in himmlischen Gütern Ephes l l i, 3], doch in der Hoffnung [Tit. Z, 7., vgl. 2. Cor. s, 7]. Die Hoffnung aber, die man siehet swo das, worauf sie gerichtet ist, man vor Augen siehet], ist nicht Hoffnung sdaß von ihr noch die Rede sein könnte]; denn wie kann man deß hoffen, das man siehet? sman hat’s ja schon vor sich und braucht also nicht mehr darauf zu warten.] 25. So wir aber deß hoffen, das wir nicht sehen swie ja das wesentlich zu unsrer Signatur als Christen gehört 2. Cor. 4, 18; Col. 1,5], so warten wir sein durch Geduld sso bringt das ein Warten mit sich, wie von einem solchen vorhin V. 23 ebenfalls die Rede war, und das schließt die unter dem Leid der Gegenwart aus- harrende Geduld ein Kap. 5, 2 ff.]. Das Wort «Hoffnung« wird auf zweierlei Weise in der Schrift gebraucht. Einmal heißt es der große Muth, der in aller Anfechtung und Unglück fest bleibt und harrt des Sieges und der endlichen Seligkeit; auf diese Meinung braucht es St· Paulus, da er spricht: ,,wie kann man deß hoffen, das man siehet«? Zum Andern heißt es derselbe Sieg und endliche Seligkeit, welche die Hoffnung und Muth des Herzens erwartet und kriegen soll; auf diese andere Meinung braucht er es, da er spricht: »die Hoffnung, die man siehet, ist nicht Hoffnung« — das ist von der Hoffnung geredet, die da ist die Seligkeit selbst, der wir warten. Solcher Seligkeit warten wir mit Geduld und großem Ver- langen; denn solange wir hier leben, klebt die Sünde immerdar in unserm Fleisch, auch bleibt das Gesetz in unsern Gliedern, welches dem Gesetz unsers Gemüths widerstrebt und uns gefangen nimmt, der Sünde zu dienen, werden dazu mit mancherlei Plage und Unglück angefochten, sind auch keinen Augenblick vor dem Tode sicher. Jn solchem Kampf des Fleisches wider den Geist hält die Hoffnung fest, wartet des Siegs und der endlichen Seligkeit und zweifelt nicht daran, sie werde zu seiner Zeitdasjenige erlangen, deß sie wartet. (Luther.) 26. Desselbigengleichen ladet, wie unser, im Hoffen des Zukünftigen bestehendes Christenwesen uns lehrt, dieses Zukünftigen in Geduld zu warten, und so uns hilft, den gegenwärtigen Leidensstand zu überstehen] auch der Geist fden wir empfangen haben als Siegel unsrer Gotteskindschaft V. «16 und unsers Antheils am einstigen Erbe L. Cor. 1, 221 hilft unsrer Schwachheit shilft uns in unsrer Schwachheih in welcher wir solchen Lei- densstand zu überstehen haben] auf findem er unsers Vetens, als zu welchem unser Sehnen und Warten V. 23 sich gestaltet, sich annimmt] Denn wir fnoch in einer Schwachheit befindlich, die das Widerspiel der uns zugedachten Herrlichkeit ist] wissen nicht, was wir beten sollen, wie sich’s ge- bühret sverstehen uns auf das, um was gebetet sein will, nicht in dem Maße, daß wir das Wort auch wirklich träfen, welches den VolIinhalt jener Herrlichkeit entsprechend ausdrückte, derselbe ist eben für uns ein unermeßlicher; doch soll er darum gleichwohl bei unserm Seufzen und Beten Mark.7, 34 nicht unausgedrückt bleiben], sondern Und auch der Geist, der ihnen ei1iwohnt, nimmt Theil an ihrem Stande des Seufzen-A 87 der Geist selbst sder hienieden mit uns gewisser- maßen ebenfalls im Leidensstande sich befindet, indessen gar wohl auf das sich versteht, worauf wir uns nicht verstehen] vertritt Uns sbei Gott] auf’s Beste mit· unaussprechlichem Seufzen snnt einem Seufzen in unserm Herzen, das unendlich mehr besagt, als in nienschliche Rede sich umsetzen ließe]- 27. Der aber szu dem das Seufzen aufsteigt und der nun] dieHerzeIi forschet sdaß er gar wohl siehet, was in ihnen vorgeht Pf. 139, 1 und wer eigentlich es ist, der aus ihnen heraus zu ihm betet], der weiß [auch]», was des Geistes Sinn sei swas derselbe mit seinem Seufzen meint und will 1. Cor. 14, 14., nnd thut denn nach dessen Sinnen und Trachten]; denn er sder Geist] vertritt die Heiligen sin denen er wohnt und betet] nach dem, das» Gott gestillt sdamit ihr Wunschen und Beten nicht auf blos tnenschlichem Wohl- meinen, sondern auf göttlichein Vorhaben bernhe und ihm die Erfüllung gewährleistet sei]. Wie es in V. 16 von dem Geiste hieß, daß er unserm Geiste unsre Gotteskindfchaft bezeuge, so heißt es hier von ihm, daß er mit unaussprechlichem Seufzen vor Gott für uns eintrete: dort redet er zu uns, hier zu Gott; wie nun dort sein an uns komniendes Zeugniß unterscheidbar ist von dem unsers eigenen Bewußtseins und ihm eine außer uns begründete Ge- wißheit verleiht, so ist auch hier unterscheidbar, daß solch Seufzen zu Gott, obgleich es aus uns aufsteigt, doch einen über unser eigenes Geistesleben zurück- liegenden Ursprung hat, ohne den es nicht eines, unser Gebetsvermögen soweit übersteigenden Juhalts wäre. Danii ist aber solch Thun des Geistes allerdings, wie der Apostel sagt, ein »für uns Eintreten auf’s Beste«: im Gebete reden wir für uns selbst zu Gott; haben nun jene in kein Gebetswort faßbaren Seufzer ihren Ur- sprung im Geiste, so redet er in ihnen für uns zu Gott. Um uns behilflich zu sein, daß wir in unsrer Schwachheit das Leid der Gegenwart bestehen, achtet er, da wir das Gebetswort nicht zu finden wissen, welches der volle Ausdruck unseres Gebetsbedürfnisses wäre, die Sprache des Seufzens nicht zu gering, um in ihr besser zu Gott zu reden, als wir in Worten zu reden vermöchten, und um darin auszudrücken, was sich in menschliche Rede nicht fassen läßt. Für Gott aber, so fügt der Apostel darauf hinzu, ist diese seine Sprache wohl verständlich. (v. HosmannJ Höchst wichtig ist diese Stelle wegen des tiefen Blicks, den sie uns in das Verhältniß des Geistes Gottes zu den von ihni geleiteten Gläubigen thun läßt; sie sagt uns, er vertritt sie, d. h. er bitiet für sie. Es ist hier nicht die Rede von einem Vertreter: des heil. Geistes außer uns, in der Gottheit, sondern sofern er in uns wohnt und uns geschenkt ist; dessen ungeachtet wird dieser Geist klar und bestimmt von unserem Geiste, und zwar nicht etwa von dem alten, sondern von dem noch schwachen neuen Menschen in uns unterfchieden. Die Vertretung und Fürbitte Christi (V.34) geschieht außer uns, von ihm, der zur Rechten Gottes sitzt und das Verdienst seines ewig giltigen Sühnopfers vor dem Vater geltend macht; die Vertretung des heil. Geistes aber geschieht in den Gläubigen selbst, indem der göttliche Geist Eins wird mit ihrem Geist, in alle Noth und Schwachheit der kämpfendew sich sehnenden und harrenden Kinder Gottes si-ch ganz und gar hinein- versetzt, und nicht blos ihr Herz und ihren Geist zum Gebet entzündet und ihr Auge auf den rechten Ziel- punkt leitet, sondern auch, wenn dessen ungeachtet ihre Schwachheit fehlgreift und ihre Inbrunst zu erkalten droht, mit unaussprechlichen Seufzern, die in die Worte schwacher fündhafter Menschen sich nicht fassen lassen, aus ihnen selbst zu Gott redet. Das; auf diese Weise der heil. Geist, Gott zu Gott redet, darf uns nicht mehr befremden, als daß Christus, unser Hoherpriester, da er aufErden war, und noch jetzt zur Rechten Gottes für uns bittet; vielmehr muß uns dies große, uns hier enthüllte Geheimniß von diesem Eintreten des Geistes Gottes für uns zu staunender Anbetung der göttlichen Liebe und Herablassung erwecken. Die Persönlichkeit des Menschen ist kein vorübergehender Schein, geht nicht auf in das allgemeine Leben; aber sie lebt nur dann wahrhaft ein Leben des Geistes, wenn der persönliche Geist Gottes die Seele ihres Lebens, Gott in ihr ist, der Geist der ewigen Gemein- schaft des Vaters und des Sohnes, Gottes und seiner Schöpfung Von Ewigkeit ist Gott die allmächtige, heilige Liebe, und um es zu sein, bedurfte er nicht der Welt, hing nicht in dieser seiner Eigenschast von ihr und ihrem Dasein ab; der ewig ihm gleiche, voll- kommene Gegenstand seiner Liebe ist vielmehr der Sohn, durch den er die Welt erschafft zu seiner Ver- herrlichung in der heiligen Liebe. Aber die zwei Per- sonen, Vater und Sohn, würden ewig einen unauf- gehobenen Gegensatz bilden, wenn nicht der persönliche Geist der freien, heiligen Liebe, der von beiden aus- geht, sie ewig vereinigte; und das, was Gott erschaffen link, würde ihm-fremd werden und ausscheiden aus seiner Gemeinschaft, wenn die Seele alles Lebens darin nicht Der wäre, durch welchen der Vater und Sohn ewig Eins sind. Wie der Sohn Gottes daher, als der Weltschöpfer, die Erlösung ein für allemal vollendet und den Weg gebahnt hat zu dieser neuen Verherr- lichung Gottes, so tritt in und mit dieser Erlösung der Geist Gottes, der die Schöpfung beseelende Geist, in die neu erschaffenen Menschen ein, belebt sie, redet und handelt aus ihnen und macht sie persönlich heilig und Gott gefällig; ja, wie Christus nicht zum Scheine, sondern wahrhaftig unsere nicht scheinbare, sondern wirkliche Noth fühlte und unter ihrer Last unaus- sprechlich litt, und obwohl er der Sohn war, an dem, das er litt, Gehorsam lernte, so sendet auch, in unsere schwache Natur versetzt, der heil. Geist unaussprechliche Seufzer aus den Eins mit ihm gewordenen Gläubigen unter allen ihren Kämpfen und Leiden zu Gott em- por; ihre Noth wird ganz und gar die seine, und durch ein Mitleiden in ihnen überwindet er sie. (von Gerlach.) (Epistel am Tage St. Ialiobh v. 28—89). Vgl. zu Matth. 20, 20 ff. 28. Wir wissen aber swenn so, wie vor- hin darauf hingewiesen wurde, alles um uns her und alles an und in uns in einem Seufzens- und Leidensstande sich befindet], daß denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen [1. Mos. 50, 20., also gerade dieser Stand am meisten zu ihrer Förderung auf dem Wege zur Herrlichkeit beitragen muß; und zwar muß er das, weil sie ja solche sind], die nach dem fin Ewigkeit von Gott gefaßten] Vorsatz szur Herr- lichkeit] berufen sind* fund nun diesen durch die 88 Römer 8, 29—37. Berufung verwirklichten Vorsatz nichts stören und erschüttern darf]. 29. Denn welche er [Gott, gemäß seinem Vorsatz] zuvor versehen [Kap. 11, 2; 1. Petri 1, Z. 20; Apostg. 2, 23] hat, die hat er auch ver- ordnet U. Cur. 2, 7; Ephes I, 5. 11], daß sie ssowohl leiblich als geistlich 2.Eor..3, 18; Phil- 3, 21; 1. Joh Z, 2] gleich sein sollten dem Ebenbild seines Sohnes [Matth. Z, 17; 17, 5], aus das; derselbige sals in welchem das Jdeal der Menschheit schon verwirklicht und ihr Ziel der Verherrlichung auch bereits erreicht ist V. 17;- Offenb. Z, 211 der Erstgeborene sei unter vielen sihm nachgeborenen Ephes 4, 13] Brüdern [Col. 1,18;Hebr.1,6; 2, 10ff.;Offenb.1, 5]. 30. Welche er aber verordnet hat, die hat er auch berufen [2. Theff 2, 13 f.]; welche er aber berufen hat, die bat er auch gerecht gemacht[Kap. 5, 1f.]; welche er aber hat gerecht gemachh die hat er auch herrlich gemachttt [Kap. 5, 2 ff.]. d) Wie Vers 23 im Anschlusse an V. 22., so hat auch V. 26 im Anschlusse an V. 23 von einer Gegen- wart gehandelt, von welcher jetzt etwas Andersartiges ausgesagt wird, als vorher. Wir wissen, hieß es zu- vor, daß die Schöpsnngswelt ihr gegenwärtiges Dasein unter Seufzen hinbringt, wir seufzen auch selbst, ob- gleich wir den Geist besitzen, welcher die Erstlingsgabe unsrer Erlösung ist; und auch der Beistand, den der Geist unsrer Schwachheit leistet, besteht in Seufzern, die er für uns zu Gott sendet. Aber andrerseits, so fährt der Apostel nun hier fort, wissen wir, daß denen, die Gott lieben, alles zum Guten dienlich ist, indem sie die vorsatzmäßig Berufenen sind. Man hat wohl Ursach, sich zu fragen, wie der Apostel dazu kommt, als diejenigen, denen alles zu Gutem förderlich»ist, die Gott Liebhabenden zu benennen, nachdem er doch in diesem ganzen Zusammenhange keinen Anlaß gehabt hatte, den Christenstand nach dem ihm wesentlichen Verhalten zu benennen; wir sehen denn da seinen Gedankengang, nachdem er gezeigt hat, daß Unter- gebung itnter das Gesetz nicht nöthig noch dienlich ist, um Erfüllung des Gesetzes und einen Stand der Gott- gestilligkeit zuwege zu bringen, sondern daß beides sammt der Hoffnung der leiblichen Verlebendigung und Verherrlichung in und mit dem Geiste des Lebens in Christo Jesu gegeben ist, jetzt bei dem Punkte wieder angelangt, wo er bereits in Kap. 5, 1 ff., als er von der auch unter Trübsalen nur um so gewisseren Hoff- .11ung göttlicher Herrlichkeit redete, welcher wir, die vermöge Glaubens Gerechtfertigtem uns rühmen und welche uns nicht wird zu Schanden werden lassen, weil durch den uns gegebenen heil. Geist die Liebe Gottes in unsre Herzen ausgegossen ist (nur daß nun zu der Liebe Gottes zu uns, wie sie in der Recht- fertigung zu Tage tritt, hier unsre Liebe zu Gott, dieses Grundprinzip der Heiligung, als Gegenstück hinzukommt). Zu den Worten: ,,denen, die Gott lieben« fügt Paulus dann noch die andern hinzu: »die nach dem Vorsatz berufen sind« und begründet seinen Satz, daß den Gott Liebhabenden alles zu Gutem dienlich sei, damit, daß sie die vorsatzmäßig Berufenen sind. Das ,,nach dein Vorsatz« schließt die Zufälligkeit aus; die göttlichen Berufungen ergehen nicht unvorbedachter Weise, je nachdem es eben Gott zu Sinne kommt, daß man sürchten könnte, sie möchten ebenso wieder zunichte werden, wie sie geschehen sind, sondern ein Vorsatz vollzieht sich in ihnen und ein durch sie u erreichendes Ziel hat Gott sich vorgesteckt. Die Berusung als solche ist Vollzug »eines Vorsatzes: daß sie ergangen sein kann, ohne daß der Mensch ihr die entsprechende Folge leistete, bleibt da außer Betracht, wo nur von denen die Rede ist, die ihr Folge geleistet haben. (v. Hof- mann.) So gut ist Gott, daß er nichts Böses zulassen würde, wenn er nicht so mächtig wäre, daß er aus jedwedem Bösen etwas Gutes hervorzwingen könnte. (Augustin.) Nicht allein das Unglück, so wir leiden und uns von Andern zugerichtet wird, sondern auch das Böse, das wir selbst thun, muß uns zum Guten gerathen. Ja, sagst du, wie geht das zu? Antwort: Also, daß ein frommer und gottseliger Mensch, wenn er seinen Fall sieht, dadurch zu Schanden und ge- demüthigt wird, und darnach auch Gott fleißig und brünstig muß anrufen; und treibt uns unsre verderbte Natur, so noch in unserm Fleische steckt, eben dazu, das; wir uns selbst feind werden, verdammen müssen und mit Paulo sagen (Kap. 7, 24): «HErr, nimm und kreuzige unser Fleisch!« Also nimmt der Glaube zu durch Gelegenheit der Sünde und Gebrechlichkeih die noch in unserm Fleisch übrig ist. (Luther.) Das macht der unwandelbare Rath der göttlichen Liebe, die ihren Freunden und Liebhabern lauter Gutes zudenkt und nicht zugeben kann, daß es ihren Seelen übel gehe; und ob sie gleich keine guten Tage für das Fleisch suchen, sondern sich stracks in der Bekehrung gutwillig unter das Joch und Kreuz Christi geben, so muß doch auch eben dieses und alles andere Leiden dem Geist zu lauter Seligkeit werden. Wo es der höllische und alle andern Feinde auf’s Aergste ineinen, da richtet Gott alles zum Seligsten ein. (Berleb. Bib.), «) Jn diesen beiden Versen stc-llt der Apostel den Vorsatz Gottes dar, von welchem er am Schluß des 28. Verses redete, wie er sich nach den einzelnen Mo- menten entfaltet und verwirklicht: er selber entfaltet sich als vorzeitliche und ewige Grundlage der geschicht- lichen Heilsordnung in den beiden Momenten der Vor- ersehung und der Verordnung mit Beziehung auf das ewige Ziel, die Herrlichkeit; er verwirklicht sich dann geschichtlich in den Heilsakten der Berufung und der Gerechtmachung, und vollendet sich endlich in der Verherrlichung der Gläubigen, welche letztere durch den Ausdruck: »die hat er auch herrlich gemacht« so nothwendig und gewiß hingestellt wird, daß es so gut ist, als ob sie jetzkschon geschehen wäre. Die Vor- ersehung geht im Grunde von Ewigkeit zu Ewig- keit; die Verordnung geht von der Ewigkeit aus herüber in die Zeit, und die Verherrlichung aus der Zeit wieder hinüber in die vorzeitliche Ewigkeit, während in der Berufung und Gerechtmachung sich die beiden Ewigkeiten verketten und die Ewigkeit in der Zeit offenbar tnachen. Eine erläuternde Pa- rallele zu unsrer Stelle bildet die Stelle Ephes. l, 4—14: wie hier Vorersehung der Verordnung vorangeht, so geht dort die Erwählung der Ver- ordnung voran, woraus folgt, daß Vorersehung und Erwählung im Wesentlichen dasselbe bedeuten, und zwar ein der Verordnung, der Prädestination voraus- gehendes Moment. (Lange.) Es ist ein zwiefaches Thun Gottes, welches der Vorsatz, demzufolge die Berufung ergangen ist, in sich schließt, ein Vor- ersehen, welches die Personen, und ein Verordnem welches die ihnen zugedachte Beschaffenheit zum Jn- halt seines Vorsatzes machte; diese beiden Stücke unter- scheidet der Apostel, um zu sagen, daß das eine nicht ohne das andere ist. Wer in und mit dem Bewußt- sein, Gott zu lieben, die Gewißheit besitzt, ein vorsatz- Alle Dinge dienen denen zum Besten, die Gott lieben, die nach dem Vorsatz berufen sind. 89 mäßig Berufener zu sein, da er sonst nicht dazu ge- langt wäre, Gott zu lieben, der weiß hiermit au»ch, daß er in die Vorersehung Gottes eingeschlosse11·ist, und braucht sich, um ferner gewiß zu sein, daß ihm alles zum Besten diene, nur darauf zn besinnen, wozu er vermöge dessen von Gott verordnet oder voraus- bestimmt worden ist. Wenn Paulus hierauf »das Weitere aufzählh was Gott denen gethan habe, die er seinem Sohne ebenbildlich zu gleichen bestimmt hat, so erinnert er damit, wie vieles schon geschehen sei, seinen Vorsatz zu verwirklichenz es will da im dritten Satze das ,,herrlich gemachttt nicht ausschließlich auf die Zukunft bezogen sein, denn mit dem, welchen Gott fur gerecht erklärt hat, steht es nicht mehr so, wie init dem, welcher noch in seinen Sünden ist (Kap. Z, 23), daß er gleich diesem des Ruhmes mangelte, den wir an Gott haben sollen. Wer den Geist empfangen hat, der da lebendig macht in Christo Jesu (V. 2 und ein Geist der Herrlichkeit ist 1. Petri 4, 14), der entbehrt der Gottesherrlichkeit nicht mehr, sondern besitzt sie schon, wenn aiich vorerst nur innerlich und verborgen, weshalb der Apostel die Zuwendung der uns bestimm- ten künftigen Herrlichkeit in V. 19 eine Offenbarung der Kinder Gottes selbst genannt hat; ist sie dies, so ist unsre zukünftige Berherrlichung nur die Vollendung einer bereits geschehenen, welche sammt der göttlichen Berufung und Rechtfertigung die schon hinter uns liege1ide Verwirklichung dessen ausmacht, wozu uns Gott vorausbestimmt hat, daß wir es werden sollen. (v. Hofinannh Christus ist das wahre und reale Jdeat menschlicher Tugend, dem wir ähnlich-werden sollen und als Christen ähnlich zu werdeti bestimmt sind. (Heubner.) Er ist der Erstgeborene und deshalb der Vorzüglichste, der Chorführer einer zahlreichen Familie; sein Vorzug vor uns besteht aber darin, daß er von Natur ist, was wir durch Adoption werden, daß er an sich ist, was wir durch ihn werden, und daß er der G ottmensch ist, wir aber nur Mensch en G ot- tes. (Philippi.) Wen Gott verordnet hat vor der Welt, den hat er berufen von der Welt, gerechtfertigt in der Welt, und wird sicherlich ihn herrlich inachen nach der Welt. (Augustin.) 7. V. st——39. Ju lehrbegrisslieher Hinsicht ist das in Katz. 1, 16 s. aiisgesiellte Thema nun vollständig erschöpft; es ist nachgewiesen, dasl das Evangelium von Christo wirklich, wie es dort hieb, eine Krast Gottes sei selig zu niacheii alle, die daran glaubeti, iiideni es rechtfertigt und heiligt nnd so ans deiii Elend dieser Zeit eiiier ewigen und iiber alle Masse wichtigen Herrlichkeit entgegensiihrt Da solgt denn nunmehr ein trinniphirenderAbschlusl dieses ganzen Theils: der Itiiostel isk ini Geiste schon aiigelaiigt auf dein Gipfel des Berges der Vertilärniig; er weist, dass in Gottes Gericht dereinst nichts ihn verlilageti nnd oerdainnieit und des ewigen Erbes net-lustig iuacheii kann, aber auch nichts in dieser Welt ihn aufzuhalten verniag, seinen Laus zu vollenden und Glauben zu halten bis an’s Ende, selbst die Mächte der Finsleriiisl vermögen das sticht, Judeiu er im Begriff steht, demnächst nach Rom zu tioninieik maiht Gottes Geist ihn zum Propheten desjenigen Geschicke» das ihn dort erwartet; indem er aber nicht blos in seineni eigenen, sander1i zugleich ini Namen seiner Glaubensgenossett redet, iiiacht Gottes Geist ihn zugleich zum paratileteii derer, die nach wenigen Jahren schon die erste Christen« versolgung der römischen Kaiser unter Nera würden zu erdnldeii haben, und gewisl hat sein Wort: »in den: allen überwinden wir weit durch den, der uns geliebet hat« die röniische Gemeinde gar niiichtig ge— skärtit (Rap.1, 1t), als nun diese Verfolgung iu schauderhastesler Weise hereinbrach (a». 64 n. Chrch « ihr mit Löwenmuth zn begegnen. 31. Was wollen wir denn sann] hiezu sagen swelche Folgerung daraus, daß Gott unser Heil so allewege sicher gestellt hat, alle den Widerwärtigkeiten gegenüber ziehen, die uns in dieser Welt noch be- gegnen]? Jst Gott für Uns sso rufen wir, denselbigen Trotz bietend, aus], wer mag wider uns sein«-ask Mos. 14, 9; Pf. 91, 1ff.]? 32. Welcher [ja] auch seines eigenen Sohnes [Joh. 5, is; 20,17] nicht hat ver- schonet, sondern hat ihn für uns alte sin Noth und Tod Kap. 4, 25; 5, 8] dahin gegeben [Joh. Z, is; 1. Mos 22, i3 Anm.]: tote sollt er uns mit ihm nicht alles schenken« swas er im Himmel und auf Erden besitzt, d. i. die ganze Welt V. 17; 4, is; I. Cor. 3, 22 f.; Joh 17, 1012 33. Wer lvill [wenn nun am Tage des Gerichts es zur Entscheidung kommt über ihre Ererbuug des Reiches, das ihnen bereitet ist von Anbeginn der Welt Matth. 25, 34] die Aus- erwählten Gottes [Mart. 13, 20; 2. Thess 2, IS] beschuldigen sdaß um ihrer auf Erden begangenen Sünden willen sie unwtirdig wären, in solche Erbschaft einzutretensii Gott ist hie, der da gerecht machttti lJes 50, 8 f.]. 34. Wer will verdammen sHiob 34, 2912 Christus ist hie, der sfür uns Gottlose Kap. s, S] gestorben ist, ja vielmehrsGat 4,9], der auch auferwectet ist sKap.4, 25; 5, I0], welcher ist zur Rechten Gottes und ver- tritt unss [Mark. 16, i9; Ephes i, 20 ff.; Hebt. 9, 24; 1. Joh. 2, 1]. 35. Wer will uns scheiden von der Liebe Gottes snach richtiger Lesart: von der Liebe Christi- vgl. V. 37]? Trübsal, oder Angst, oder Verfolgung, oder Hunger, oder Btbße, oder Fähr- lichkeit, oder Schwert? 36. Wie snämlich in Pf. 44, 23 in Be- ziehung auf die Leiden der alttestamentlichen Gottesgemeinde, die sie von der gottfeindlichen Welt zu erdulden hat] geschrieben stehet: Um deinetwillen werden wir getödtet den ganzen Tag; wir sind geachtet fiir Sihtachtschafe sso können wir, die neutestamentliche Christusgemeinde, das- selbe auch von uns sagen Matth. 5, 12; J. Cor. 4,11ff.; 15, 30 f.; 2.Cor.4,11; 6, 4 ff. ii; 11, 23 ff.]· 37. Aber in dem allen überwinden wir weit [2. Cor. 4, 7 ff.; 6, 9 f.; Phil. 4, 11 sf.;iApostg. 5, 40 ff.; 7, 55 ff.; 16, 22 ff.] um deß willen snach anderer Lesart: durch den], der Uns geliebet hatH [Gat. 2, Do; Offenlx i, s; Joh. 16, 33; J. Joh. 5, 4]· 90 Römer 8, 38 39· 38. sJa, in dem allen überwinden wir weit l] Denn ich bin gewiß [2. Tun. 1, 12], daß weder Tod noch Leben [Kap. 1«4, 8], weder Engel [Gal· 1- 8] noch Fitrstenthnm noch Gewalt [Kol. 2, 15; Ephes S, 12; 1. Cor. 15, 24], weder Gegen- wärtiges noch Zukimftiges [1· Con Z, M, 39. Weder Hohes noch Tiefes, noch keine andere Creatnr sdie etwa mit all dem Voran- stehenden noch nicht bezeichnet sein sollte Kap- 13, g; i. Tim, 1, «10] mag Hei-s mit Anwen- dung von Recht, sei’s mit Anwendung von Ge- malt] uns scheiden von der Liebe Gottes, die in Christo Jefu ist, unserm HErrusH [Kap. 5, 5 ff.; Ephes 2, 7; 2. Tini. i, 9]. V) Die Frage: ,,was wollen wir nun hiezu sagen?« (vgl. Kap. J, so) wirft der Apostel namens derer auf, namens derer er den Satz, daß denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen, in V. 28 mit den Worten eingeführt hat: »wir wissen aber«; sie können im Hinblick auf die Thatsachew in denen fich ihre Be- stimmung bereits verwirklicht hat, auf keinen andern Gedanken kommen, als der mit jenem Satze im Ein- klang steht. Da sie sehen, daß sie Gott für fich haben, so bieten sie dem Trotz» der wider sie sein will; denn in diesem Sinne macht der Apostel den aus dem Vor- hergegangenen gewissen Saß: »Gott ist für uns« zum Vordersatze der Frage.: »wer mag wider uns sein?« welche nicht sowohl verneint, da der Christ ja nicht rühmen kann, er habe niemanden gegen fich, als vielmehr heraussordert (v. Hofmann.) Der gottbegeisterte, alles Jrdische tief unter seinen Füßen zurücklassende Glaube des Apostels spiegelt fich auch in der erhobenen Form des Ausdrucks wieder; dies haben fast alle Ausleger empfunden, und schon Erasmus hat dieser Empfindung in seiner Weise Worte geliehen, wenn er fragt: quid usquain Cicero dixit gisandjloquentiussi Jn der That, wie V·19—23 eine heilige Elegie, so kann V.31—39 ein heiliger Hymnus genannt werden, jene eben so zart und innig, als dieser kühn und er- haben nach Jnhalt und Form, jene eine Ausführung des »wir sehnen uns und sind beschweret« in ·2. Tor. 5, 4., dieser ein Commentar zu dem »Unser Glaube ist der Sieg, »der die Welt überwunden hat« in 1· Joh- 5, 4. (Phtlippi.) — » · · H) Nachdem der Apostel im vorigen Verse die Er- habenheit der Gotteskinder über die feindliche Welt in negativ er Beziehung dargestellt hat, stellt er sie nun in positiver Beziehung dar. (Lange.) Mit welcher Zuversicht der Christ auf Grund dessen, daß er Gott für fich hat, die herausfordernde Frage: »wer mag wider uns sein?« thun könne, foll er nach der That- sache bemessen, daß Gott, wie fich der Apostel im An- schluß an 1 Mos 22, 16 ausdrückt, seines Sohnes nicht verschont, sondern ihn, der mit gleicher Betonung, wie in V. 3 sein, so hier sein eigener Sohn (d. i. der es von Natur ist, im Unterschiede von den Adoptiv- fühlten) heißt, für uns alle, nicht etwa nur diesem oder " nem zu Liebe und zugute, in das Gefchick, welches ihm thatsächlich widerfahren ist, dahingegeben hat. Darm, daß Gott solches gethan und also, wie sehr er für uns sei, hinreichend bewiesen hat, um uns trutzig zu machen für jedweden, der wider uns sein mag, schließt sich dann als ein Weiteres, daß wir uns von demselben Gott auch dessen versehen dürfen, er werde uns, nachdem er seinen Sohn uns nicht vorenthalten der Dinge (:o2 weinen) schenken, um es zu besitzen Die Welt, nämlich die Welt der Zukunft, zgcm Erbe zu haben, ist dem Geschlecht Abrahams zugesagt; Gott hat sie ihmzunterworfem Jesu voran und uns als seinen Brüdern (Hebr. 2, 5 ff.). Während nun jenes Erste, daß wir im Vertrauen aus den Gott, der so sehr für uns ist, jedwedem Trotz bieten können, der wider uns sein mag, fich auf die Gegenwart bezieht, in der wir uns vor niemandem zu sürchten brauchery als könnte er uns um das Heil bringen, das wir be- sitzen, bezieht fich dieses Andere, daß derselbe Gott, der uns mit« Christo das All der Dinge schenken wird, es zu besitzen, auf die Zukunft, in der fich unser Heil damit vollenden wird, daß Gott uns die Welt zu eigen giebt. Auf diese Zukunft bezieht fich nun auch die folgende Frage, deren Fassung wohl nicht zufällig an Sach. Z, 2 erinnert. EIN) Wie das: »wer mag wider uns sein?« in V. 81, so ist auch das: »wer will die Auserwählten Gottes beschuldigen?« nicht sowohl V erneinend, als heraus- sordernd gemeint: Gotterkorene sind über alle Anklage« hinaus; nachdem sie Gott einmal an fich ge- nomn1en hat, mag, wer da will, gegen sie anbringen, was er will, es wird ihnen keinen Eintrag thun, sie dessen nicht verlustig machen, worauf ihnen ihre Ers- wählung Anwartschaft giebt. Der Uebergang zu dieser Frage ergiebt sich» aus dem Zusammenhang zwischen der schließlichen Heilsvollendung und dem schließlichen Gerichtsvollzuge; denn daß fich der Apostel eine An- klage denkt, welche dann erhoben würde, wenn die Angeklagten im Begriff stehen, den erhofften Besitz anzutretem also eine Anklage zur Zeit des Endgerichts, findet in der Fassung des Satzest »Gott ist hie, der da gerecht macht« seine Bestätigung. Hiermit ist also nicht die Gerechtfprechung gemeint, mit welcher Gott je und je die Bitte des fich zu ihm Bekehrenden er- widert (Luk. 15, 20 fs.), sondern die schließliche, mit der er die Guten von den Bösen scheidet (Matth. 12, 36 f.): wenn wir, heißt es, an Gott Den haben, der uns alsdann für gerecht erklärt, woher sollte uns ein Urtheil der Verurtheilung kommen? (v. HofmannJ Die Frage: »wer will beschuldigen?« ist ganz all- gemein und schließt alle nur erdenklichen feindlichen Mächte, Satan, Gesetz, Gewissen, Welt u. s. w. ein, ohne irgend eine derselben bestimmt oder ausschließlich bezeichnen zu wollen. Gleichwie nun die Bezeichnung: »die Auserwählten Gottes« in dem Sinne gemeint ist: ,,solche Menschen, welche Auserwählte Gottes sind«, ist der Ausdruck: »Gott ist hie, der da gerecht macht« energifcher, als wenn es blos hieße: »Gott macht sie gerecht« — rechtfertigt Gott, so versteht sich, daß niemand anktagen wird oder doch seine Anklage nich- tig ist; er würde dadurch erfunden als ein solcher, der wider Gott streitet. (Philippi.) s) Das Verdammen folgt auf das Beschüt- digen und wird deshalb hier von demselben zur Stei- gerung des Gedankens noch unterschieden. Mit den Worten: ,,Christus ist hie, der gestorben ist« wird dann die in der negativen Frage: »wer will ver- dummen ?« von selbst schon enthaltene Antwort bestätigt; der Tod Christi ist natürlich als Versöhnungstod zu denken, der eben als solcher jegliche Verdammniß aus- gehoben hat. Die darauf folgenden Worte: »ja viel- mehr« enthalten eine Correktur; denn nicht sowohl als der todte, als vielmehr als der lebendige Christus vermag er uns vor der Verdammniß zu schützen Wie aber schon die Auferstehung Christi, so enthält mehr noch sein Sitzen zur Rechten Gottes die Bürgschaft unsers Geschütztseins vor jeglicherVerdammnifx denn hat, mit ihm, den wir schon zu eigen haben, das All h als der zur Rechten Gottes Erhöhte hat er eben Theil Triumphirender Abschluß des lehrbegrifflichen Abschnitts 91 an göttlicher Herrschaft und vermag deninach die Sei- nigen allmächtig zu schirmen Wie nun als solcher er schirmen kann, so besagt das: »und vertritt uns«, daß er auch schirmen will. (Philippi.) Der Aus- druck, dessen Paulus sich bedient, indem er nach wört- licher Uebersetzung des Grundtextes schreibt: »wer ists’s, der verdammt?« spricht aus, daß es in berechtigter Form nur Einer sein könnte, Christus: dieser aber gerade ist unser Versöhner und Vertreter. (Lange.) ff) Wenn nach V. 34 von Christo so wenig zu befurchten ist, er werde da verdammen, wo nach V. 33 Gott gerecht spricht, daß er uns in seiner überwelt- liche1i Hoheit vielmehr vertritt, damituns Gott für gerecht achte, so kann es uns, die wir Gott für uns haben und seine Erkorenen sind, an der schließlichen Vollendung unsers Heils nicht fehlen, wenn nur die Liebe Christi auf uns gerichtet bleibt und nicht auf- hört, sich an uns zu erzeigen; daher die weitere und letzte, von jener Zukunft in die Gegenwart zurüc- kehrende Frage des 35. Verses: »wer will uns scheiden von der Liebe Christi?« bei welcher von der Liebe zu Christo die Rede darum nichtsein kann, weil wir nur von dem, was außer uns ist, geschieden werden können· Die Dinge, von denen hierauf der Apostel sagt, daß wir in ihnen allen (,,eine scheinbar fürchterlicheSie b en - zahl, welche aber das siebente: Schwert, womit Paulus seine eigene Todesart voraus bezeichneh zum festlichen Abschluß des Märthrerthums bringt« Apostg 12, 2) durch den, welcher uns geliebet hat, weit über- winden (,,so daß wir also diesen Leiden nicht nur gewachsen, sondern auch weit überlegen sind«), sind wirklich der Art, daß es scheinen kann, als ob der- jenige, der sie einem Christen widerfahren läßt— denn auf ihren Ursächer weist die Frage: »wer will scheiden?« zurück —, der Liebe Christi den Weg versperre, sich in der That an ihm zu erweisen. Es geht ja den Gliedern der neutestamentl. Gemeinde, wie es lautdem angezogenen Psalmtvort den Gliedern der alttestamentlichen ergangen ist. Die Feinde Jsraels, die es um des Gottes willen verfolgten, dessen Volk es war, achteten die Knechte Jehova’s, die sie erwiirgten, für preisgegeben wie Schafe, die in des Schlächters Hand gegeben sind, nnd wähnten also damit die Zuversicht, mit der sich Jsrael der Liebe seines Gottes getröstete, Lügen zu strafen; hätten sie darin Recht gehabt, so würden sie, da Je- hova sein Volk wirklich liebte, in Wahrheit ihm durch ihr Thun unmöglich gemacht haben, seine Liebe ferner zu erzeigen. Gleiches gilt jetzt von den Christen: was ihnen um Christi willen widerfährt, ist in den Augen ihrer Feinde ein Beweis, daß es nichts ist mit der Liebe Christi, deren sie sich getrösten; sie selbst aber, da Christus lebt und sie lieb hat, müßten in dem, was ihnen widerfährt, wenn es mit der Liebe Christi gegen sie unverträglich wäre, einen Sieg ihrer Feinde über Christum sehen und sich von seiner Liebe, die sich ihnen nicht mehr erzeigt, abgeschieden achten. Aber was man ihnen auch anthue, und sei es der Tod, sie bleiben obenauf und siegen ob durch eben Den, welcheni die Feindschaft ihrer Widersacher gilt; denn er hat sie nicht blos seiner Zeit geliebt, sondern beweist ihnen seine Liebe fort und fort durch die Kraft, die er ihnen verleiht, in allem, was ihnen um seinetwillen wider- fährt, den Sieg zu behalten. (v. Hofmann.) Hi) Der Apostel spricht in der begeisterten Rede aus seinem eigenen Jnnenleben heraus, setzt aber na- türlich den selbstgefühlteii Zustand des eigenen inneren Lebens bei allen wahren Christen voraus. (Maier.) Der Widerwärtigkeiten, die uns entgegentreten könnten, hat er vorhin sieben aufgezählt (Hiob 5, l9)-; hier zählt er der Potenzen, die uns anfechten könnten, zehn und ordnet da zweimal zuerst paarweise, darnach stellt er je drei Momente zusammen. (Lange.) Das erste der zweitheiligen Glieder erinnert noch an die vorher ausgeführten Leidensmächte (V. 35: ,,Schwert«) durch die Voranstellung des ,,Tod« vor »Leben« (anders als in 1. Cor. Z, 22). Jn den drei folgenden sind wohl mit ,,Cngel« die guten Engel bezeichnet, bei denen allerdings die Absicht einer solchen Trennung der Christen von Gott nicht vorausgesetzt werden kann; aber der Apostel spricht hier hypothetisch und will in dem, was er hier nennt, überhaupt nur das Moment der Macht hervorheben. (Tholuck.) Nachdem denn die höchsten persönlichen Mächte und Gewalten genannt sind, schließt sich daran in den Worten: »Weder Gegen- wärtiges noch Zukitnftiges, weder Hohes noch Tiefes« alles, was überhaupt nur in Zeit und Raum befindlich zu denken ist, mit dem ,,noch keine andere Creaturlt aber wird der Begriff alles nur Erdenklichen voll- ständig erschöpftz zwar findet in der Wirklichkeit jedes Geschöpf sich schon in Zeit und Raum beschlossen, aber die ganze Sphäre der denkbaren Endlichkeit ist doch erst» durch diesen Zusatz mit Sicherheit durchmessen. lPhlltpplJ Das 9. Kapitel. Die Erwählung hängt nicht am äußerlichen Vorzug, sondern an igoiies Hunde. b. Auf den so unifangceiehen tehrbegrifflichen Theil läßt Paulus in Lieb. 9, 1——11, 36 einen, wenn auch nicht eben so langen; doch ausführlich genug gehaltenen lehr- geschichtlichen Abschnitt folgen (vgl. die Eint. zu Rad. l, 18); derselbe war gleich von vornherein dadurch nöthig gemacht, daß bei Angabe des Themas in Rad. l, 16 f. zu den Worten, das Evangelium von Ghrislo sei eine Kraft Gottes, die da selig macht alle, die daran glauben, der Zusatz gemacht war: die Iluden vornehmlich oder in erster Linie, und in zweiter Linie dann auih die Heiden, was doch aber der bisherigen geschichtlichen Gr- sahtung, die in Zukunft sogar noch enlsehiedener sich geltend machen würde (Apoltg. Es, 17 ff.), schnurstracks zu wider- sprechen fehlen. Denn eben dies Evangelium war ja der unübersehtiar großen Mehrheit der Juden vielmehr ein Gegenstand des Aergcrnisses und des Hasses, statt daß es- vernioiht hätte, dieselben fiir den Glauben zu gewinnen und sie dadurch selig zu machen; thatsiichticlz sind es im Gegrntheit zunieist nur die Heiden. die sich davon angezogen und befriedigt fühlen, und diese sind denn auch bereits in die erste tEinie eingetreten, die jenen bestimmt war. Wie erlitärt sich das? inwieweit hat sich Gottes ursprüng- liihe Grdnung dennoch wirlisam erwiesen? inwiefern ist aber auch die faktisch gewordene lllmtiehrung seiner Ged- nung von Gott schon vorgesehen? und welches sind seine heilogcdanllen fsir die weitere Zukunft? Das sind denn die Fragen. iiber welehe der Apostel kraft göttlicher Er— leucylung und mit prophetifcliem Siharfblicli in diesen! von den Auslegcrn vielfach für einen bloßen Anhang ange- sehenen Abschnitt Auskunft giebt. I- V. 1—33. Es schmerzt den Apostel tief, daß ein so großer Theil Jsraels von der Gnadenanstalt Gottes in Christo ausgeschlossen bleibt, doch ist darum dir Ver— heißung nicht zunichte geworden: von Anfang hat die göttliche Verheißun nur das reihte Israel vor Augen gehabt; daher wurden schon in der äußeren Theoleratie nur die auf dein Wege wunderbaren: Beugung entstan- denen ttaehlioniiiien Abrahain’s, die Kinder Mantis, als Bundesgtieder angesehen, ja, unter diesen wurde wieder 92 Römer I, 1—18. deni Jakob vor dein Gsau das Grstgeburtsreott iiiit allen seinen Segnnngen zuerliannh ohne auf beiderseitige Werke Rücksicht zu nehnien (id.1——t3). Von Seiten Gottes liegt hierin kein Unrecht; »denn Erbarmen ist der letzt: Grund, wenn er jeniand Wohlthat erweist, nicht aber ein Laufen und wollen von Seiten des Men- schen; und wie er iiun deni Messe, auf dessen hohe Be— gnadrmg die Juden so stolz sind, diese eben nur aus freier Entschließung hat zu Gheil werden lassen, so hat er auch andrerseits den ihm Widerstrebenden und gegen seinen willen sich auslehnenden slharao versteckt, uni seine Macht an ihm zu erzeigen, worin zu jehiger Zeit des nngläubigen Israel Geschick sich spiegelt (lt1.14—18). Dasselbe hat an und siir sich schon kein Recht, iiber Gottes verfahren mit ihm sich zu lieschweren, am wenigsten aber bei der großen Geduld und tlangmutlk womit es von ihm getragen worden, ehe es zu dem schließlichen Gericht der ttlersiorliung und Vermerfung ge— lioitiiiienz und nun steht ihm eine ans Heiden und Juden gesammelte Ghristengenielnde gegenüber, an der sich der lteichthuin der göttlichen Bariiiherziglieit offenbart und an der siih zeigt, daß auch Israel hätte selig werden können, wenn es nur der Gnadenordnung Gottes sich hätte unterwerfen wollen und nicht an den Stein des Jlnlanfens sieh gestoßen hätte (V.19—33). I. Jch sage die Wahrheit in Christo und lügt nicht [1. Tun. Z, 7J- deß sdaß ich nämlich mit dem, tvas ich jetzt von mir aussagen werde, die Wahrheit rede in Christo und nicht läge] mir Zeugnis; giebt mein Gewissen sdessenseugniß zwar an sich nicht zuverlässig wäre, wohl aber wird es das, weil es geschiehet] in dem heiligen Geist sder mein Jnneres dnrchwaltet und vor Selbstbetrug mich bewahrt 1. Joh. Z, 27], 2. Daß ich [wegen der immer mehr sich herausstellenden Verstockung Jsraels Kap. 11, 7; 2. Eor. Z, 141 große Traurigkeit und Schmerzen ohii Unterlaß iii meinem Herzen habe. Z. Jch habe sin derselben Liebe zu meinem Volk, die Moses in 2. Mos. 32, 31 ff. an den Tag legt] gewünscht [wo das möglich wäre Gal. 4- 155 Pf— 49- 8 f-] verbannet zu sein von Christo fund all des Heils zu entrathen, dessen ich in der Gemeinschaft mit ihm zu genießen habe] für meine Brüder, die metiie Gefreundte sind nach dem Fleisch* [für die Juden, bei welchen solche Verbannung wirklich stattfinden und ihnen jenes Heil gewissermaßen abzutreten]: 4. Die da sind von Israel sGottes auser- wähltem Volk 2. Cor. 11, 22; Phil. 3, 5], tveichen gehöret die Kindschaft s2. Mos. 4, 22 f.; 5.Mos. 14, 1f-; Jes Es, 167 Hof. 11, I] und die Herr- lichkeit [Hebr. 9, 5; 2. Mos. 40, 35 Anm.] und del? Bund [1. Mos. 17, 7; Z. Mos. 19, 5 f.; 24, 3ff.; Jes 54, to] und das Gesetz so. Mos. 4, 7; 33, 2 f.; Pf. 19, 18 ff] und der Gottes: dienst [Ps. 27, 4; Joh. 4, 22] und die Ver- heißung sEphes 1, 11 s; 2,« 12;»Offb. 12,1 ff.]; 5. Welcher auch sind die Vater [Kap. 4, i; 9, 10; Joh. 4, 12; 7, 22], aus welchen Christus herkommt nach dem Fleisch [Kap. 1, 3], der da ist Gott über alles [Kap. 1,4; 1.Ti:n· 3, to; Tit— 2, 133 I· J0h· 5- 201- gelobet in Einigkeit [Kap. l, Zpz 2. Cor. 11, Bis. Amensst v V) Jn einen schwungvollen Hymnus feines freu- digen, weltüberwindenden Glaubens hatte der Apostel die Erörterungen über den Gnadenstand des Christen aus- gehen lassen (Kap. 8, 31 fs.); und nun eine ergreifende Elegie, in die seine Rede fast unvermittelt übergeht! Bedingt ist das durch den im Augenblick ihm vor die Seele tretenden Gegensatzt in dieser Glaubensseligkeit wir Christen, und dagegen — Israel! (Röi1tsch.) Den Gegenstand oder Anlaß seiner Betrübnis; nennt der Apostel nicht sogleich und nicht direkt; sein großer Schmerz bezieht sich aber nicht nur auf den bereits vorhandenen großen Fall seines herrlichen Volks, fon- dern auch auf seine tragische Stellung zu den Brüdern nach dem Fleisch (das Reich Gottes von ihnen zu nehmen und es den Heiden zu bringen 9Jiatth. 21,43), und auf den schweren prophetischen Beruf, jetzt das ganze Gericht der Verstockung über Jsrael niit seinen unabsehbaren traurigen Folgen offen aufzudecken (vgl. Apostg. 28, 25 ff.). Auch Christus weinte, als er Je- rusalems Schicksale voraussagte. (P. Lange) Aus- geschlossenheit von Christo, in der er alle die Güter entbehren würde, welche die Gemeinschaft mit Christo in sich schließt, meint der Apostel, wenn er sagt: ,,ich habe gewünscht verbannet zu sein von Christo für meine Brüder, die meine Gefreundte sind nach dem Fleisch«; er selbst würde, wenn sein Wunsch sich erfüllte, von Christo weg verbannet sein, und seine Volks- genossen befänden sich dagegen da, wo er jetzt ist, in der beseligenden Gemeinschaft Christi. (v. Hofmann.) Die ganze heilige Nationalliebe, die noch heute zwischen Jude und Jude in einzelnen so ergreifenden Zügen zu Tage tritt, hat nie heller geglänzt, als in diesen Auslafsungen des Paulus. (Wangemanii.) is) Sind sie doch, fährt der Apostel fort und macht damit feinen Wunsch noch erklärlichey Jsraelitem und was dann der hieran sich anschließende Satzi ,,welchen gehört« aufzählh liegt alles auf heils- geschichtlichem Gebiet und soll den Schmerz begreiflich machen, mit dem er sein Volk, welches alle diese Güter hat, nun desjenigen entbehren sieht, in welchem sie ihren Abschluß gefunden haben. Es ist im Gegensatz, zur übrigen völkerweise lebenden Menschheit 1) das Volk, zu welchem sich Gott in das Verhältnis; eines Vaters zu seinem Sohne geslellt hat; 2) das Volk, deß die Herrlichkeit war, nämlich die wesei1hafte Er- scheinung Gottes, die nirgend sonst, als hier, zu sehen kam; B) das Volk, mit dem er in den Tageii Abrahums zuerst und in den Tagen Mosis hernach eine Lebens- gemeinschaft eingegangen ist, sein Gott sein und es zu seiner Gemeinde haben zu wollen; 4) das Volk, dessen Gemeinleben, wie bei keinem andern Volke, durch ein Gesetz geordnet war, welches Gott ihm als den wirklichen Ausdruck seines Willens wunderbar geoffenbart hatte; 5) das Volk, dessen Gottesdienst das einzige auf Erden war, mit welchem wirklich und in rechtschaffener Heiligkeit Gott verehrt wurde; S) das Volk, welchem Gott die Verheißungen gegeben und zu wissen gethan hat, deren Erfüllung das Heil der Welt aus-macht. Dies die sachlich en Vorzüge dieses einzig- artigen Volksthumsx und wenn nun andere Völker auf Männer stolz sind, von denen sie stammen oder die aus ihnen hervorgegangen sind, so gehören diesem Volke diejenigen an, auf welche die Gemeinde Gottes als auf ihre Ahnen zurückblickh nämlich Abraham, Jsaak und Jakob, die Anfänger des einigen Heils- gemeinwesenszund ist ausihm derjenige hervorgegangen, Il. Der lehrgeschichtliche Abschnittt Israels Verstoßung und Wiederannahma 93 in dessen Person das Heilsgemeinwesen zu seiner Voll- endung gelangt ist, Christus nämlich, der Mensch, welcher Gott ist. (v. Hofmann.) Die Beziehung der Schlußworte: »der da ist Gott über alles 2c.« aus Christum, so daß in denselben Christus dem Vater völlig gleich gestellt wird, ist nicht nur die einzig natür- liche, sondern auch die nothwendige; denn da: ,,nach dem Fleisch« offenbar einen Gegensatz fordert, so ist es das Natürlichste, daß, wenn ein solcher, wie hier thatsächlich der Fall ist, in den gleich folgenden Worten sich findet, diese auch als Ausdruck dieses Gegensatzes verstanden werden. Es ist dies aber nicht nur natür- lich, sondern auch nothwendig: im entgegengesetzten Fall müßte der Gegensatz zu: ,,nach dem Fleisch« ver- schwiegen und müßte also in Gedanken ergänzt werden; das ,,nach dem Fleisch« steht aber nur um des fol- genden ,,welcher ist Gott über alles« willen da. Ohne diesen Gegensatz enthielte es eine hier gewiß nicht beabsichtigte Verkleinerung der Vorzüge Israels. Der Apostel würde dann einsach: »aus welchen Christus herkommt« geschrieben haben; denn daß der Messias von den Juden herkommt, ist ein höherer Vorzug, als daß er nur nach dem Fleische von ihnen herstamn1t. Daß aber Der 11ach dem Fleische von ihnen herstammt, welcher Gott ist über alles, das ist der denkbar höchste Vorzug. 6. Aber nicht sage ich solches sdaß ich näm- lich große Taurigkeit und Schmerzen ohn’ Unter- laß in meinem Herzen habe und sogar gewünscht habe, verbannet zu sein von Christo, wenn ich damit Israels Verbannung von ihm abwenden könnte V. 2 f., in der NieinungL daß Gottes Wort darum sweil nun gerade Israel des Heiles in Christo verlustig gegangen] aus sei [hinfällig und zu Schanden geworden] Denn es sind nicht alle Jsraeliter sAngehörige des Israel Gottes Gal· S, 16], die von Israel sind fin nationalem Sinne Israeliter sich nennen dürfen] 7. Anch nicht alle, die sdem äußeren Wort- verstande nach] Abkahams Same sind [insofern sie leiblich von ihm abstatnmen], sind darum auch Kinder sdesselben im Sinne Gottes, denn leiblich statnmte auch Ismael von ihm ab]; sondern in Jsaak sso lautet der Gottesspruch in I. Mos. 21, 12] soll dir der Same genannt sein lihn allein meine ich, wenn ich bei meinen Verheißungen von deinem Samen rede]. 8. Das ist sum das gleiche Sachverhältniß nun auch auf die anzuwenden, welche allerdings verniittels des Isaak von Abraham abstammen, auf die von Israel V. 6 nämlich], nicht sind das sohne Weiteres schon auch] Gottes Kinder ssolche, denen Gott die Kindschast bei ihm zuspricht], die nach dem Fleischa [nach der natürlichen; leiblichen Abstammung] Kinder sind szu demjenigen Volke zählen, welchem die Kindschast gehört V. 4]; son- dern die Kinder der Verheißnng [die dem Jsaak zugleich darin gleichen, daß sie über das hinaus, . was der gewöhnliche Lauf der Natur zu Stande bringt, durch die höhere Macht der Verheißung geboren sind Gab 4, 21ff.] werden fvor Gott] für Samen gerechnet ]Joh. 8, 37 ff.;Luk. Z, 8]. 9. Denn dies ist ein Wort der Verheißnng sund macht den Isaak ausdriicklich zum Kinde der Verheißungs da er sder HErr in 1· Mos. 18, 10] spricht: Um« diese Zeit will ich snächstes Jahr wieder] kommen, und Sarabsollsdann kraft außer- ordentlicher Wirkung meiner GotteZmachtJ einen Sohn habend fder ist denn auch nachher Abra- hams alleiniger Erbe geworden 1.Mos. 25, 5 ff.]· 10. Nicht alleiu aber ists mit dem smit Abrahams Sohne, dem Jsaak] also· [daß nur er, und nicht auch Jsmael, das Kind der Verheißung in Gottes Augen war], sondern auch, da Rebekka von dem einigen Jsaak, unserm sder Juden, an- deren Erz-] Vater, schwanger ward kund es also um zwei gleichzeitige Zeugungen eines und desselben Ahnherrn Israels sich handelte], 11. Ehe die Kinder geboren waren und sder eine wie der andere] weder Gutes noch Böses gethan hatten [wodurch sie, der eine nach dieser, der andere nach jener Seite hin, mitbestitnmend hätten einwirken können], auf daß der Borsatz Gottes sseine Willensbestimmung, wer von ihnen beiden, die doch sonst einander ganz gleich standen und in keinerlei Weise einer vor dem andern etwasvoraus hatten, der Träger der Verheißung sein solle] bestünde nach der Wahl, ward zu ihr sbei ihrem Besragen des HErrn] gesagt- 12. Nicht swie aus dem, in der ersten Hälfte des vorigen Verses erwähnten Umstande erhellt] aus Verdienst der Werke, sondern swie bereits» in der zweiten Hälfte des vorigen Verses bemerkt wurde] aus Gnaden des Vernfers [Ephes. J, n; 2. Tim. I, 9], also: Der Grdßere soll dienstbar werden dem Kleineren [1. Mos. 25, 21 ff.]·; 13. Wie denn [in Beziehung auf diese, ledig- lich in Gottes zugeneigter, resp. ab geneigter Ge- sinnung begründete Heranziehung des einen und Zurüekziehung des andern bei Mal. I, 2 f.] ge- schrieben stehet: Jakob habe ich geliebet, aber Esau habe ich gehassettt ]Luk. 14, 26; Ich. 12, 25; Mos. 21, 15]. it) In der That wäre, wie der Apostel hier es ausspricht, wenn das Geschick Israels mit der Schrift in Widerspruch stünde, nicht etwa nur ein einzelner Bestandtheil des Wortes Gottes oder das Wort Gottes in einer einzelnen Beziehung hinfällig geworden; denn die gesammte heilsgeschichtliche Offenbarung faßt sich zusammen in der Verheißung welche auf Israel lautet, und ist, wenn Israels Geschick damit in Widerspruch steht, gleichsam von da, wo sie ihren Standort hatte, entfallen. (v. Hosmannh Die messianischen Verheißungen waren dem Samen Abrahams ertheilt; der rohe, fleischliche Sinn nun eignete sie der gesammten fleisch- lichcn Nachkommenschaft zu, daher jener gangbare jüdische Grundsatz, welchen der Talmud ausspricht: ,,ganz Israel hat einen Antheil an dem zukünftigen Leben«, und die Gemara zu der Stelle nimmt von jener Gesammtheit niemand aus, als die verschiedenen Arten von Ketzern (z.B. Saniariter). Dieser sleischlichen Auffassung tritt denn der Apostel hier durch eine 94 Römer 9, 14——22. geistige Deutung des Begriffs der Nachkominenschaft Abrahams entgegen und weist zunächst darauf hin, daß Gott schon bei den unmittelbaren Nachkommen Abrahams nicht alle, die leiblich von ihm herkommen, auch als Kinder, welchen die Rechte des Erbes zu- kommen, anerkannt, sondern nur die, deren Abstam- mung durch Jsaak hindurchgeht; darnach macht er geltend, daß Jsaak nicht durch natürliche Zeugungs- kraft, sondern nach einer objektiven göttlichen Verheißung geboren war. Wenn daher Abraham durch Jsaak hin- durch eine Nachkommenschaft mit Kindesrechten erhält, so liegt darin die Andeutung, daß Gott auch nicht der fleischlichen Abstammung von Jsaak für sich allein die Kindesrechte zugesteht, sondern nur den zugleich nach seinem Vorbild in geiftlicher Weise (Gal. 4, 29) Ge- borenen. (Tholuck.) IV) Gegen das Beispiel von Jsaak konnte ein- gewendet werden, daß es zum Beweise einer, von leib- licher Abstammung unabhängigen göttlichen Erwählung aus dem Grunde nicht tauge, weil zwischen jenem und dem hintangesetzten Jsrael mütterlicherseits ein wesentlicher Unterschied der Herkunft bestehe: Jsmael ist ein Sohn der Magd, und dem Jsaak falle so als dem Sohne der Freien rechtmäßig der Vorzug vor ihm zu (Gal. 4, 21sf.). Deshalb bringt der Apostel noch ein anderes Beispiel bei, das keinen Widerspruch gegen seine Beweiskraft zuläßt, weil hier, bei Zwil- lingen, die Eltern dieselben sind. An diesem Beispiele tritt aber noch ein weiteres Moment hervor, das der Apostel sehr nachdrucksam behandelt, nämlich die Unab- hängigkeit der göttlichen Erwählung von sittlicheu Leistungen, die unter die Kategorie der Gesetzes- werke gehören. (Maier.) Es ließe sich zwar gegen das Moment: ,,ehe die Kinder geboren waren und weder Gutes noch Böses gethan hatten« einwenden, daß doch dem göttlichen Vorherwissen die zukünftig en Werke schon gegenwärtig gewesen seien und demnach die Vorherbestimmung den vorhergesehenen Werken gemäß geschehen fein könne; indeß, die Ankündigung tritt doch in der alttestameiitlichen Geschichtserzählung in der reinen Form absoluter göttlicher Bestimmung auf und es ist dort keine Spur von Andeutung einer Rücksichtnahme auf zukünftige Verdienste der Bethei- ligten vorhanden. Der Apostel hatte also Grund zu schließen, daß, wenn die Werke der Zwillingsbrüder ihr Loos entschieden hätten, dasselbe dann, wie sonst gewöhnlich, während des Verlaufs ihres Lebens nach vollbrachter guter oder böser That, und nicht schon vor ihrer Geburt, durch göttlichen Ausfpruch festgestellt worden wäre. (Philippi.) Völlig verwerflich ist es, wenn reformirte Theologen unsere Stelle so deuten, als habe Gott durch einen ewigen Rathschluß Jakob zum ewigen Leben und Esau zur ewigen Verdamm- niß bestimmt: der Gegenstand, den Paulus er- läutern will, liegt ja nicht jenseit der Zeit, sondern mitten in der Zeit; es handelt sich um das zeit- weilige Eintreten in das theokratische Erbe und darum, daß zeitweilig die Heiden in diesem Stück den Juden vorangekommen seien. Dies soll an Esau’s und Jakobs Beispiel erläutert werden; im Uebrigen war Esau weder in Bezug auf äufzerliche Segensgaben noch in Bezug auf das ewige ErbtheilGegenstand des Hasses Gottes; sein äußerlich Segenserbtheil empfing er aus Gottes Hand durch Jsaaks Segen in dem Lande Seir, und seine Verheißung des Antheils am Messiasreiche empfing er durch den Mund der Pro- pheten (A·in. 9, 11 s.; Apostg. 15, 15 ff.). Daß also Edom ewig verdammet sei, ist durchaus gegen die Schrift. (Wangemann.) 14. Was wollen wir denn hie smit einer folchen Ausdeutung der eben erwähnten heils- gveschichtlichen Thatsache und des darauf bezüg- lichen Schriftworts] sagen [Kap. Z, 5·; 6, l; 7, 7; 8, 31]? Jst denn swenn ihm so ein Lieben und Hassen zugefchrieben wird, das keinen Grund habe in den Gegenständen des einen und des andern] Gott ungerecht? Das sei ferne [5. Mos. 32, 4]! 15. Denn er [wahrt ausdrücklich auch dem Mittler des alten Bandes gegenüber die Unbe- schränktheit seines freien Wahlrechts bei dessen Begnadigung in Z, Mos. 33, 12 ff. und] spricht zu Mose: Welchem ich gnädig bin, dem bin ich gnädig; nnd welches ich mich erbarme, deß erbarme ich auch. 16. So liegt es nun [wie aus dem eben angeführten Wort sich unzweideutig ergiebt, beim Vegnadigtwerderq nicht an jemandes Wollen oder Laufen seigeninächtigem Sichbemühens sondern an Gottes Erbarmen« [genauer: an dem, dessen Sache es ist, sich zu erbarmen, an Gott]. 17. sUnd gleiche Bewandtniß hat es sonach auch mit dem Widerspiel der Erbarmung, mit der Verstockung.] Denn die Schrift lund in ihr der, dessen Wort sie ist Gal. Z, 8] sagt zu Pharao sin 2. Mos. 9, 16]: Eben darum [zu keinem andern, als zu dem Zwecke] habe ich dich erwecket sauf » dem Schauplatz der Geschichte des Reiches Gottes austreten lassen Mich. b, 4], daß ich an dir meine sauch den hartnäckigsten und bös- artigsten Widerstand zuletzt doch siegreich über- windendeJ Macht erzeige, auf daß mein Name ver- kündiget werde in allen Landen lwenu du nun wirst umgekommen fein mit alle deinen Wagen und Reitern 2. Mos. 14, 17; 15, 11 f.]. 18. So erbarmet er sich nun sum hier beides, sowohl das, was sich aus dem in V. 15 ange- führten Schriftworte ergiebt, als das, was aus der eben erwähnten anderen Stelle hervorgeht, in einen Doppelsatz zusammenzustellen] welches er will, und verstockeh welchen er will" sund zeigt sich nach beiden Seiten hin Gottes unbeschränkte Macht- vollkommenheit]. V) Der Vorwurf der Ungerechtigkeit auf Seiten Gottes, den Paulus hier zurückweisen will, scheint allerdings durch den Jnhalt des angeführten Citats eher noch gesteigert als gehoben; indeß diese Art, die Gegenrede mehr zurückzuschlagem als zu erledigen, entspricht ganz der Verfahrungsweise des Apostels da, wo er es mit felbstgerechten Gegnern zu thun hat (vgl. Kap. s, 3 ff.), und die Widerlegung liegt darin, daß das angeführte Eitat einSchriftwort ist, dessen Verbindlichkeit und Ueberführungskraft auch der Ein- redner zugestand. Er konnte deninach weder die pau- linischen Schlußfolgerungen aus der Geschichte der Söhne Abrahams und Jsaaks etwa nur für irrthiim- liche, subjektive Auffassung erklären, da das Wort Gottes selber ihnen zustimmte, noch auch durfte er einwenden, daß aus ihnen der Vorwurf der Ungerech- tigkeit gegen Gott resultire, da das, was Gott von sich selbst in der Schrift aussagt, auch ohne Zweifel Gottes unbeschränkte Freiheit, sich zu erbarmen oder aber zu verwerfen. 95 der Jdee Gottes als des Gerechten entsprechend sein wird. (Philippi.) Man darf nicht übersehen, welch ein Gewicht darauf liegt, daß es gerade Mose ist, an den das angeführte Gotteswort erging: selbst ein Mose hat die Begnadigung, die ihm zu Theil wird, als eine freie Gabe Gottes anzusehen, die ihren Grund nicht in seinem Thun, sondern im Willen Gottes hat. (von HofmannJ Die Juden meinten, unter keinen Um- ständen könnten sie von Gott verworfen und dagegen die Heiden von ihm angenommen werden; wie daher auch ein rechtschaffener Mann gegen eigensinnige und neidische Förderer mit größerer Schroffheit verhandelt, als sonst seine Sinnesweise ist, unt sein gutes Recht zu wahren und das Lob der Güte und Freigebigkeit nicht für andere Fälle preiszugeben, so vertheidigt hier Paulus gegen die auf ihren Namen und ihre Verdienste sich steifenden Juden Gottes Macht und Recht und bedient sich dabei ganz opportun derselben Redeweise, welche er früher in der pharisäischeii Schule gelernt zu haben scheint (nur daß man sie dort zu Gunsten des Vorzugs der Jsraeliten in Uebung hatte): Gott dem HErrn darf niemand etwas vorschreibem noch etwas als seine Schuldigkeit von ihm verlangen und durch Unverschämtheit erpressen wollen; man darf sich, sozu- sagen, nicht auf Wechsel zu ihm stellen. (Bengel.) Wie der Apostel hier nachdrücklich hervorhebh daß nicht das Wollen oder Laufen eines Menschen die Ur- sache sei, daß er Gottes Gnadengabe erlangt, so er- mahnt er anderwärts (1. Cor. 9, 24sf.; Phil. 3, 12 ff.) auf’s Entschiedenste zum Wollen und Laufen; aber zu einem Wollen, dessen Seele Gottes Erbarmen gegen den Sünder, zu einem Laufen, dessen Kraft Gottes erneuernde Gnade ist. »Es) Daß alle Begnadigung als freies Thun Gottes angesehen sein wolle und nicht in dem, was der Mensch ist oder thut, seinen ursächlichen Grund habe, ist der Saß, welchen der Apostel in V. 17 bestätigen will; und die Schriftstelle, welche er zu seiner Be- stätigung verwendet, lehrt uns die Geschichte des Gott Widerstrebenden äghptischen Königs so verstehen, daß Gott seine Macht erzeigen, seinen Namen verherrlichen wollte und zu diesem Zwecke dem Könige Raum und Möglichkeit gab, dasjenige zu , thun, was Gottes Machterweisungen nach sich zog. Die wunderbaren Dinge, welche derselbe zu sehen, die Plagen und Schreck- nisse, die er zu erleben bekam, hätten einen Eindruck auf ihn machen können, der ihn bestimmte, Israel ziehen zu lassen, nur um der Macht aus dem Wege zu gehen, die ihm darin entgegentrat: daß er diesem Eindrucke nicht Raum gab oder immer wieder sich von ihm erholte, wird auf göttliche Wirkung zurijckgeführh die ihn zu dem Zwecke in sich selbst verfestigte, damit es zuletzt zu jener mächtigsten That Gottes käme, deren Erinnerung das ganze nachmalige Leben Jsraels be- herrschte. (v. HofmannJ Wenn nun der Apostel, in- dem er in V. 18 das Resultat aus dem in V. 15—17 Gesagten zieht, seine Argumentation rücksichtslos auf die äußerste Spitze treibt, so ist der Gegensatz, mit dem er es zu thun hat, fest im Auge zu behalten, damit die allerdings vorhandene Möglichkeit der prädestinatianischen Auffassung seiner Worte uns nicht unnöthiger und unbegründeter Weise als unbedingte Nothwendigkeit erscheine. Er will ja bisher durchgehends nur den abstammungs-, beschneidungs- und gesetzes- stolzen Juden mit demselben Gottesworte überwinden, auf das er seinen angebornen Vorzug und sein unver- äußerliches Anrecht, sowie die göttliche Verpflichtung und Gebundenheit ihm selbst gegenüber meint gründen zu können; solchen Ansprüchen entgegen galt es eben . vor allen Dingen, das durch nichts außer ihm gebundene, also in dieser Hinsicht völlig freie Wahl- und Ver- werfungsrecht Gottes zu behaupten und zu sichern, damit ist aber an sich noch keineswegs ausgesprochern daß Gott nun auch von diesem Rechte nach zufälliger Willkür Gebranch mache, daß er mit Barmherzigkeit und Gericht nach beliebigen Einfällen und dem des- potischen car tel est mon plaisir entsprechend spiele, vielmehr läßt sich damit an sich gar wohl vereinigen, daß diese göttliche Freiheit ein immanentes Gesetz und eine selbstgegebene Bestimmung in sich trage. (Philippi.) Ein Anderes ist es zu sagen, Gottes Erbarmen sei frei, ein Anderes, es sei absolut; jenes schließt aus die Nothwendigkeit einer Verpflichtung und die Berück- sichtigung von Verdiensten, dieses aber schließt alle und jede Rücksicht aus und beseitigt sogar auch die Ansehung des Glaubens. Die Freiheit des Erbarmens hat nichts gemein mit der ealvinistischen Absolutheit desselben. (Ealov.) 19. So sagest du [mit dem ich’s schon bei der Frage in V. 14 zu thun hatte und der du nun bei dem im zweiten Theile des vorigen Verses Gesagten fühlst, daß dies Wort wohl auch in Be- ziehung auf dich zur Geltung kommen könnte Kap. 11, 7 ff.] zu mir sin Ablehnung des schweren Vorwurfs, den ich dir und Deinesgleichen machen muß Kap. 2, 5]: Was schuldigt er denn uns [wenn er, Gott selber, es ist, der da verstocket, welchen er wills? Wer kann seinem Willen wider: stehen* fdaß er nicht auch also thun müßte, toie einmal die göttliche Verordnung es über ihn ver- hängt hat]? 20. Ja [Luk. 11, 28], lieber Mensch [so gebe ich auf solche deine Frage als Gegenfrage dir zurück Hiob 9, 12], wer bist du denn, daß du mit Gott rechten willst? Spricht auch fwie es in Ies. 45, 9 solchem Haderer gegenüber weiter heißt] ein Werk zu seinem Meister: Warum machst du mich also fwie ich nun, in Folge dieses deines Machens, bin, und nicht vielmehr zu etwas An- derem, Besserem]? 21. Hat nicht ein Töpfer fvon Rechtswegen, seiner ganzen Würde und Stellung nach] Macht, ans Einem Klumpen faus einer und derselben Thonmassej zu machen ein Faß zu Ehren und das andere zu Unehrentt [Weish. 15, 7; Sie. 33, 13 s.; 2. Tun. 2, 2019 22. Derhalben [wenn auf Seiten eines Töpfers das Recht unzweifelhaft feststeht, die aus einem und demselben Klumpen gebildeten Gefäße theils hierzu, theils dazu für den Gebrauch hinauszu- geben], da Gott [als der Töpfer, um den es sich hier handelt, wieder, gleichwie vormals bei der in V. 17 angezogenen egyptischen Geschichte] wollte Zorn. erzeigen und kund thun seine Macht, hat er sin diesen unsern Tagen ebenfalls, wie er’s da- mals mit Pharao gethan] mit großer Geduld ge- tragen die Gefäße des Zorns, die da zugerichiet [schon vollständig ausgereift] sind zur Verdammniß [des Zerschlagenwerdens Pf. 2, 9], 96 Römer 9, 23——29. 23. Aus das; er sdabei zugleich andrerfeits ebenfalls, wie es damals an den Kindern Israel geschehen ist] kund thäte den Reichthum seiner Herrlichkeit sKap. 2, 4; Weish. 19, 21; Ephes. 1, 7; Z, 16] an den Gescißen der Barmherzigkeit, die er bereitet szuvor versehen »und verordnet Kap. 8, 29 f.] hat zur Herrlichkeit, 24. Welche sAls welche, d. i. als Gefäße der Barmherzigkeit] er berufen hat sdie bereits zur Gemeinschaft feines Sohnes Jesu Christi Be- rufenen 1. Cor.1, 9], nämlich uns, sdie wir be- rufen sinds nicht allein ans den Juden [wie diese es erwarteten und in Anspruch zu nehmen ein Recht zu haben vermeinten Apostg. 11, 1 ff; 13, 44 ff.], sondern auch fund zwar vorzugsweise Jes. 65, 1 f.] aus den Heiden-Nr; 25. Wie er [Gon] denn auch swas die Be- rufung derer aus den Heiden betrifft] durch Hoscam sin Kap. 2, 23 u. 1, 10 des prophetifchen Buches desselben] spricht: Jch will das mein Volk heißen, das nicht mein Volk s5. Mos. 32, 21] im, und UJeiUe Liebe, die nicht die Liebe— war [1.Petri 2, 10 ; 26. Und soll gescheheir an dem Ort, da zn ihnen gesagt ward: Jhr seid nicht mein Volk, sollen sie Kinder des lebendigen Gottes genannt werdens. 27. Jesajas aber swas andererseits die Jud en betrifft und den geringen Samen, der allein aus ihnen zum Heil gelangen werde] schreiei sin Kap. 10, 22f. seiner Weiffagungsredenf für Israel srufet über dasselbe in feierlicher und zu- versichtlicher Rede ans Joh. 1, 153 7, 28. 87; 12, 44; Apostg 23, e; 24, 21]: Wenn die Zahl der Kinder Israel würde sein wie der Sand am Meer s1. Mos. 22, 17; 32, 12], so wird doch [ausfchließlich] das Uebrige sdas nur einen ver- schwindend kleinen Rest ausmacht Jes. 6, 13 u. 7, 3 Anm.] selig werden [vgl. Kap. u, 5]. 28. Denn es wird ein Verderben sdes Volkes] nnd smittels desselben ein] Steuern geschehen zur Gerechtigkeit, und der HErr wird dasselbige Steuern sdnrch Bewahrung und Beseligung Jes. 6, is] thun auf ErdenH [vgl. die Bem. zu Jes.10,22]. 29. Und wie Jesajas zuvor sin Kap. 1, 9 seines Buches] sagt sfo vollzieht sich’s nun auch in dieser unsrer Zeit, was die Antheilnahme der Juden an dem Heile in Christo betrifft]: Wenn uns nicht der HErr Zebaoth hätte lassen seinen kleinen] Samen überbleiben sder das Heil wirklich erlangt hat], so wären wir sdas vorerwählte Bun- desvolk V. 4] wie Sodoma worden, nnd gleichwie GomorraHf [d. i. dem gänzlichen Untergang verfallen] V) Der Apostel denkt sich unter dem Gegner, von dem er sich hier einen Einwand machen läßt, offenbar einen hoffärtigen Juden, wie er es ja in der ganzen vorliegenden Entwickelung nur— mit einem solchen zu thun hat. Der Einwand, daß er feinen Brief ja nicht an Juden, sondern an Christen geschrieben habe, kann diese Auffassung nicht widerlegen, ist doch auch die ganze Deduction in Kap 2,17 ff. direkt gegen die Juden gerichtet; dies könnte nur ausfallen, wenn feine Leser für sich keinen Nutzen daraus zu ziehen ver- mocht hätten, es ist aber bekannt, wie sehr auch die Judenchrift en überall in Gefahr standen, in die jü- dische Anschauungsweife zurückzufallen (Philippi.) Der schon in V. 14 angenommene Gegner versteht das ,,welchen er will« am Schlufse des vorigen Verfes von einem positiv auf Verftockung des Menschen ab- zielenden göttlichen Willen, dem eine positive göttliche Einwirkung entspreche, die aber nun auch alle Schuld auf Seiten des Verftockten aufhebe: »wenn Gott die Verstockung will und sein Wille für den Menschen eine unwiderftehliche Macht ist, wie kann er dann noch dessen Ungehorsam und Unglauben fchelten?« (Maier.) Der Ausdruck: ,,tadelt« (Luther: ,,schuldiget«) scheint absichtlich gewählt zu sein, um das Willkürliche in einem Schelten hervorzuheben, wo von keinem wirk- lichen objektiven Schuldverhältniß die Rede fein kann; und bei dem »er« denkt der Jude nicht unmittelbar an Gott selbst, sondern an die Voraussetzung der Gottesidee, wie sie Paulus aufzustellen scheint. (Lan» e.) H) Jn diesen beiden Versen ist nur eine Art b- weifung enthalten: der Apostel will dem Gegner nicht den Standpunkt einräumen, den er immerfort einnimmt; erst nachdem er ihn in die rechte Herzens- ftellung zu Gott verwiesen, folgt dann in V. 22 ff. die Lösung seines Einwurfs (Tholuek.) Das »Ja« wo- mit er beginnt, führt mit dem Anschein der Billigung dessen, worauf geantwortet wird, einen desto schnei- denderen Widerspruch dagegen ein; die Anrede: ,,lieber Mensch« aber erinnert den Angeredeten daran, was er Den! gegenüber schuldig ist, mit dem er rechtet, und betont dies im Hinblick auf das nachfolgende ,,mit Gott«. Bei der weiteren Frage nun: ,,spricht auch ein Werk zu seinem Meister: warum machft du mich alfo?« handelt es sich nicht etwa (im Anschluß an V. 19) darum, daß der Mensch Gott so, wie er ist, nichtrecht ist, sondern vielmehr darum, daß es dem Mensch en nicht recht ist, so zu fein, wie er ist; der Gedanke, daß er Gegenstand eines göttlichenWillens sein könne,welcher sich mittelst Verftockuiig an ihm vollzieht, ist dem Gegner unleidlickn und da geht denn das »also« in der Art auf die Weise des Schaffens oder Machens, daß sie um der Beschaffenheit dessen willen, was dadurch zu- wege kam, Ursach des aus-gedrückten Mißvergnügens ist. Daß es sich hierbei nicht um eine fittliche B e- schaffenheit handelt, sondern um dieBeftimmung, wofiir das Geschöpf gefchaffen ist, erhellt, abgesehen von dem Zusammenhang mit der Schriftftelle, um deren Giltigkeit sich die Rede und Gegenrede bewegt, schon aus der (im Grundtext mit ,,oder« angeschlosfenen) weiteren Frage, ob etwa ein Töpfer nichtMacht habe über den Lehm, aus einem und demselben Teige ein Gefäß mit ehrlicher und eins mit unehrlicher Bestim- mung zu machen: auf Gott und den Menfchen an- gewendet heißt dies, Gott habe gleicherweife Macht, Menfchen werden zu lassen, welche, wie Mofe, seine Güte zu erfahren bekommen sollen, und Menfchen werden zu lassen, die im Voraus dazu bestimmt sind, wie Pharao als Gegenstände feines Zorns zur Offen- barung feiner Macht zu dienen; die letzteren verftockt er dann, was aber eben, nach Maßgabe der Geschichte Pharao’s verstanden, etwas ganz Anderes ist als Ver- setznng in diejenige geistige Verfassung, in welcher man kein Gegenstand göttlicher Huld fein kann. Die Das ungläubige Israel steht jetzt in Parallele zu dem einst sich verstockenden Pharao. 97 göttliche Wirkung, welche den eghptischen König fest machte gegen den Eindruck, den Mosis Wort und Werk wohl hätten auf ihn üben können, hat ihn nicht in eine andere sittliche Befchassenheit umgesetzt, als in der sie ihn vorgefunden hatte, sondern hat nur gemacht, daß er letztere in derjenigen Richtung beharrlich be- thätigte, in welcher er den ihm zugedachten göttlichen Gerichten verfiel. Eben weil es mit dem Verstocken diese Bewandtniß hat, kann es als ein dem endlichen Zorngericht nicht blos vorläufiges, sondern auch gleich- artiges Thun Gottes dem Sicherbarmen gegenüber- stehen, welches, wie das Beispiel aus Mosis Geschichte gezeigt hat, den Menfchen ebensowenig in eine andere sittliche Beschaffenheit umsetzt, als in der es ihn vor- gefunden hat, sondern ihn Gottes Güte an sich er- fahren läßt, wie der Verstockte seinen Zorn an sich zu erfahren bekommt· (V. Hofmanwi Die, an welchen sich Gottes Wille in verderblicher Weise vollzieht, waren ja auch mit den übrigen Jsraeliten derselbe Teig (Kap. 11, 16); sie waren auch, schon bevor sie zu individuellem Dasein kamen, in der Masse, aus der Gott die Gefäße für die Verwirklichung seines heils- geschichtlichen Willens bilden wollte, sie konnten also auch Gefäße werden, an und in denen Gottes Wille sich in heilsamer Weise vollzog. Daß sie nun aber Gott dennoch hat werden lassen, obwohl sie nur in einer ihnen selbst verderblichen Weise der Ausrichtung des göttlichen Heilswillens dienen sollten, das ist Gottes Sache: er macht sie nicht zu etwas Anderem, als die Andern, sondern er schafft sie nur, ob- gleich sie in einer andern Weise der Verwendung seinem Willen dienen werden; gleichwie ein Töpfer nicht qualitativ verfchiedene, ehrliche und un- ehrliche, sondern nur der Beschaffenheit nach gleiche Gefäße macht, nur aber so, daß wenn er sie hinausgiebt, die einen zu Ehren, die andern zu Un- ehren von den Menfchen verwendet werden mögen. (Schott.) Wir sehen also, daß wir in V. 20 u. 21 in keiner Weise eine Lösung des in Frage stehenden Problems zu suchen haben, sondern nur eine Zurüc- weisung des gegen dasselbe in V. 19 erhobenen Ein- wandes durch Verweisung auf die unbedingte und unbestreitbare Machtvollkommenheit des Schöpfers. Der Apostel setzt eine Abstraktion gegen die andere: wie der Gegner von der freien Machtvollkommenheit Gottes abftrahirt und nur Ansprüche erhebt an die göttliche, durch menschliche Rechtsforderungen gebundene Gerechtigkeit, so hebt der Apostel nur diese unbeschränkte Oberherrlichkeit Gottes hervor mit Abstraktion von der dieselbe ordnenden Liebe. Die Ereatur muß schlechter- dings erst in diese Stellung der Selbftvernichtung dem Schöpfer gegenüber gebracht sein, daß sie ihm als dem unbeschränkten Herrn das freie Recht zuerkennt, zu erretten oder zu verderben nach seinem Wohlgefallen, ehe die immanente Liebes- und Gerechtigkeitsordnung sich ihr enthüllen kann; und was schon der Ereatur als solcher geziemt, das gebührt noch viel mehr der sündigen Creatuiz welche die Seligkeit nicht nur von der freien Liebe des Schöpfers, sondern auch von der freien Gnade des Richters zu erwarten hat, doch hat der Apostel es hier, dem vorliegenden polemischen Gegenfatze entsprechend, nur mit der Creatur als solcher zu thun, der gegenüber, weil sie Gott in seinem Thun durch ihre eigenen Ansprüche gebunden glaubte, die völlige Freiheit» dieses göttlichen Thuns sicher zu stellen war. (Phil1pp1·) · Its) Der ganze Saß m V. 22 f. hat den Aus- legernunsägliche Mühe verursacht. Jm vorigen Verse hatte der Apostel Ifagtt wie ein Töpfer aus seinem Teige nach freiem elieben Gefäße der Ehren und der Unehren, d. h. Gefäße zu edlem und Gefäße zu ge- meinem Gebrauche daraus macht, so gehtauch das Walten Gottes als des Bildners nicht weiter, als daß er einen großen Unterschied constituirt zwischen edlen und gemeinen Gefäßen der Berufung nach den Selbst- bedingungen, welche sich die mit der Heilsbediirftigkeit correspondirende Berufung gesetzt hat. Allein in dieser Richtung führt der Apostel das Bild nicht aus, viel- mehr urgirt er nur momentan das Bild, nach welchem Gott die freie, volle Macht habe, welche wesentlich Recht zugleich ist, aus dem Teige seines Volkes (denn nach Kap. 11, 16 ist der hier in Betracht kommende Teig das jüdische Volk) Gefäße zur Ehre und Gefäße zur Unehre zu machen; er macht dann aber in B. 22 f. eine Wendung, welche sagen will, Gott habe von diesem Rechte nicht einmal den vollen Gebrauch ge- macht, er habe vielmehr vorgefundene Gefäße des Zornes sogar noch mit Langmuth getragen, und zwar zu d em Ende, um damit die Offenbarung seiner Herrlichkeit an den Gefäßen der Gnade zu vermitteln. Wenn Gott, so ist des Apostels Meinung in diesen beiden Versen, ungeachtet jener vollkommenen Macht, von der vorhin die Rede war, und obschon bereits willens, seinen Zorn hervortreten zu lassen und seine Macht zu erzeigen, ebenso an sich gehalten hat, wie damals, als er das Vertilgungsgericht über den Pharao suspendirte (2. Mos. 9, 14 ff.), indem er jetzt mit großer Langmuth Gefäße des Zorns, die zum Untergang schon fertig waren, noch getragen hat, und zwar auch zu dem Endzweck, daß er die Fülle seiner Herrlichkeit an den Gefäßen der Gnade, von ihm zuvor bereitet zur Herrlichkeih kund machte: wie steht es dann mit der Beschwerde, daß er mit Ungerechtigkeit Gebrauch mache von seiner Macht (V. 19 u. 14)? Offenbar tritt hier schon der Gedanke hervor, den das 11. Kapitel weiter ausführtt im Walten Gottes sind Gerichte und Erbarmun en verkettet; die Gerichte sind die Vermittelungen des r- barmens. (Lange.) Die beiden Satztheile: »Gott wollte Zorn erzeigen und kund thun seine Macht« und: »auf daß er kund thäte den Reichthum seinerHerrlich- keit« stehen einander parallel, so daß letzteres, von dem wiederholungsweife zu ergänzenden ,,hat ge- tragen« abhängig, den Nachsatz bildet: hat Gott mit dem Willen, seinen Zorn zu beweisen und seine Macht kund zu thun, in großer Langmuth Gefäße des Zorns getragen, die zum Verderben fertig waren, so zugleich auch mit der Absicht, den Reichthum seiner Herrlichkeit kund zu thun über Gefäße der Barmherzigkeit, die er für Herrlichkeit zuvor bereitet hat. Während oben der sich immer nur selbst vollziehende göttliche Wille prin- zipiell unter den Gesichtspunkt der Gerechtigkeit gestellt war, so wird hier die Heilsamkeit feines geschichtlichen Vollzugs an einer bestimmten historischen Thatsache aufgezeigt; die Thatsache aber, an welche der Apostel hierbei denkt, ist die jüngste und größte Erfahrung dieser Art, die Verstockung Jsraels, welche dazu ge- dient hat, die Heidenwelt zur Stätte des Reiches Gottes zu machen. Durch den Anschluß des 24. Verses: ,,welche er berufen hat« an das ,,Gesäße der Barm- herzigkeit, die er zuvor bereitet hat zur Herrlichkeittt will nun gesagt fein, daß die Berufung war, was sie sein mußte, wenn sie an Juden und Heiden zugleich, also ohne Berücksichtigung der leiblichen Zugehörigkeit zu der israelitischen Gemeinde, erging, nämlich eine Berufung aus freiem göttlichem Gnadenwillen, gerade wie auch bei der endlichen Begnadigung Jsraels so wenig das maßgebend fein wird, was Jsrael ist, daß dieselbe Jsrael vielmehr nur als Errettung zu Theil wird, für die es lediglich dankbar zu sein hat. (Schott.) 7 « nach auch von 98 Römer I, 30——33. f) Mit den Worten: ,,wie er denn auch durch Hoseam spricht« will Paulus besagen, die Berufung aus den Heiden sei nicht nur neutestamentliche Thatsache, son- dern auch alttestamentlich schon vorher beglaubigt. (Lange.) Es werden zwei, im Originale gesundem, aber dem Sinne und der Beziehung nach zusammen- ehörige Stellen verbunden; sie handeln im Originale ällerdings nicht von den Heiden sondern von dem Israel der zehn Stämme, aber d«er Apostel stellt dies Israel ind seiner dsitstlichgcsålzrsiinkektcheit den Hckäideii gleich, un von ie em ei tspun te aus ma ter von dessen Wiederbegnadigung eine typische Anwendung auf die Berufung der Heiden zum messianischen Heil. (Maier.) Indessen ist doch die Eitation des »Apostel-T- nicht als bloße Anwendung, sondern als eigentliche Beweisstelle zu betrachtenx in der That enthält ja das Verfahren Gottes gegen das abtrünnige Israel das Gesetz seines Thuns gegen die Abtrünnigen überhaupt, auch war Israel in seinem Abfalle den Heiden gleich sgkeltxordemFFiedVerkgzndigung izerfWifferaniåcåhnkle e en zu in ern ottes ent iet a o in ir i eit auch eine Weissagung der Annahme der Heidenwelt Das ,,an dem Orte, da zu ihnen gesagt ward« paßt gut zu dem Sinne des Apostels, welchem das Zehn- stämmereich im Lande des Exils Repräsentant der Heiden in den Heidenländern ist; zu diesem nun ward g;s2ks»s.k»--;ks trinke» ihr: aa te nerungu eraenei on o je en or, enn au m n 1 nen er- Fkrcdt gititttlighervscgsxeåibcjclrung un; das? Zzcrchhdas kro- nommen oder nichtiiufgenommem doch im heil. Lande gegen sie erschallte. Was nun das Reich Israel im Gelgensgtze fzu Iuda alså åxepbräsentatYnf der Heiden; vö er etri t, o war a el e von nang an un tdrähreigph der Ejkizatcihzendseit seines dBestandesh ein götzigw ieneri es« ei « arum war es au unter ie Heiden weggeworfm ohne jemals als Reich in’s ge- lobte Land zurückzukehren, es löste sich auf und ging unter in die Heidenwelh der es sich gleich gemacht hatte· (Philippi.) Das Urtheil: ,,nicht mein Volk« versetzt Israel unter die Heiden zurück, und die Bezeichnungx ,,nicht die Liebe« stellt es sogar noch unter die Heiden selbst als ein schwer heimzubringendes Volk dar; wenn nun an dieses Nichtvolk mitten unter den H eideki iäezräkteilsruffyrfegehz s; hst derselbe schökpferiK origina e e eutung att . , ) — er erge t ni t an Israel all? Gottgs Volk, sscgndern er ilekrsimaffz ksich ein ottesvo aus em gemi ten Nichtvo er In en und der Heiden. (Lange.) H) In sehr vielen Stellen verkündigen die Pro- pheten, daß nach großen Strafgerichten Gottes uber sein Volk nur ein kleiner Theil desselben zu der Selig- keit des Reiches des Messias im neuen Testament ge- Znxzhenssollg (Jås.ck;t, 13; F) 135 Engl Si; 5Zk Am.ch9,d9; ep.,1« a.«’,;aele rütau er hier vom Apostel angeführte Prophetenspruch aus, der stark unt? krgtigl cc1hll)e flkedischlsiischen Ansprüchx zu Jskzosden Wirt. v. er a . ie redigt von em e te, welcher allein selig werden sollte, dünkte dem Volke damals, hals sie di; PropheteE gegchah ebenso, wie nach er zu riti eit, eine hor eit und war ihm ein Aergerniß (Dre·chsler.) · » rchffsj Essas zuvdlelnoZeiteZ itites Tsårgphzteziti sich[ led1b- 1 anIrae ozgen ae, a aez en Zeiten des Apostels sich geistlich an ihm erfüllt: es ist dasselbe Volk, welches sich in derselben Weise, wie da- mais, « auch jetzt zu demselben Gott verhält und dem- leichem Geschick betroffen wird, nur daß eben das trafgericht nicht in alttestamentlich- leiblicher, sondern in neutestamentlich-geistlicher Form auftritt. (Philippi.) Durch den geretteten Rest ward dem Ganzen das Leben erhalten; ohne denselben wäre ganz Israel dem Verderben versallen und dann freilich Gottes Verheißung aufgehoben. (Olshausen.) 30. ·Was wollen wir nun [indem wir nach den Ausführungen in V. 6——29 jetzt wieder zu. der Sache zurückkehren, die in V. 1———5 uns be- schäftigteJ hie sagen? Das wollen wir sagen: Die Heiden, die nicht fwie es mit den Juden der Fall war Ephes 4, 18 f.; 1. Thess 4, 5 f.; Röm. 2, 17 ff; 10, 2] haben nach der Gerechtigkeit sals Ziel des religiösen Wettlaufs] gestanden, haben [gleichwohl den Siegespreis oder das Kleinod 1. Cor. I, 24; 2. Tim. 4, 7 f., nämlichs die Gerechtigkeit erlanget [Kap. 10, 20f.]; ich sage aber [was ich da von erlangter Gerechtigkeit rede] von der Gerechtigkeit, die aus dem Glauben kommt fund von der in Kap. Z, 21f. nachgewiesen worden, daß sie allein eine Gerechtigkeit ist, die vor Gott gilt, vgl. Sir. 27, 9]. 31. Israel aber hat [zwar] dem Gesetz der Gerechtigkeit nachgestanden [d. i. nachgetrachteh ist hinter seinem Gesetz, welches Gerechtigkeit lehret 5· Mos 6, 24 f.; Pf. 119, 7·, allerdings her gewesen], Und hat [dennoch] das Gesetz der Gerechtigkeit sdasjenige Gesetz, welches zur Gerech- tigkeit wirklich verhilst Kap. 3, 27; s, 2] nicht iiberkommenk 32. Warum das? Darum, das; sie es [das Gerechtwerden] nicht ans dem Glauben fauf wel- chem Wege es doch allein zu finden ist Hab. 2, 4], sondern als aus den Werken des Gesetzes sgleich als wenn es schlechterdings auf diesem Wege und sonst nirgends zu finden wäre] suchen [Phil. Z, 6 ss.; und da sind sie denn mit ihrem Suchen zu Schanden worden und des Heils verlustig ge- gangen]. Denn sie haben sich gestoßen an den Stein des Anlausens soder Anstoßens Luk. 2, 34; 1. Cor. I, 23]; 33. Wie [ja Christus längst zuvor als ein solcher Stein in der Schrift beschrieben worden und als ein Seligmacher und Heiland nur für die Gläubigen bezeichnet ist, wenn i-n Jes.28,16 u. 8, 14] geschrieben stehet: Siehe da, ich lege in Zion einen Stein des Anlausens und einen Fels der Aergernißz und wer an ihn glaubt, der soll nicht zu Schanden werden» [1. Petri 2, 6 sf.]. s) In einem Oxymoron spricht Paulus den Ge- danken aus, daß die versunkenen, um keine Gerechtig- keit sich kiimmernden Heiden dieselbe, als sie ihnen in Christo angeboten ward als Gnadengeschenk, ergriffen, während die der Gerechtigkeit nachjagenden Juden sie nicht erreichten; diese Worte kommentiren den Ausspruch in V. 16 authentisch, alles Wollen und Laufen der Juden half zu nichts, indem sie zwar die fleischlichen Sünden und Götzendienst ängstlich mieden, dafür aber in desto größere geistige Sünden, in Dünkel, Härte, Lieblosigkeit verfielen, und so der zweite Betrug ärger war als der erste. (Olshausen.) Das spezifisch Eigentlicher Grund des Ausschlusses Jsraels von dem Heile in Christo. 99 judaistische Streben nach Gerechtigkeit war den Heiden fremd; denn das geoffenbarte Gesetz, das unter Jsrael solches Streben entzündete, besaßen sie nicht, und auch das in ihre Herzen beschriebene Gesetz (Kap. Z, 14 f.) hielten sie nicht, entweder gar nicht oder doch nur vereinzelt und mangelhaft. Der eigenthümliche Charakter des heidnischen Lebens ist nicht das Streben nach ab- soluter Rechtbeschaffenheit, die der Forderung des gött- lichen Gesetzes vollkommen genügt, sondern das Streben nach Lust im Genusse des Augenblicks. (Philippi.) Auch Goethe in seiner Schrift über Winkelmann sagt, das Charakteristische des heidnischen Lebens sei das Leben in der Gegenwart; Jsrael dagegen hat einen Eifer um Gott, die Religion ist in einem höheren Sinne, als bei den heidnischen Völkern, das Confii- tuirende ihres Volkscharakters (Tholnck.) Jn dem Ausspruch über Israel: ,,es hat dem Gesetz der Ge- rechtigkeit nachg estanden, und hat das Gesetz, der Gerechtigkeit nicht überkommen« ist unter dem ,,Gesetz der Gerechtigkeit« das erste Mal offenbar das mosaische Gesetz gemeint, das als Gesetz der Ge- rechtigkeit bezeichnet wird von seinem Ziele, welches eben Gerechtigkeit ist (vgl. Kap. 10, 5);»indem nun Jsrael diesem Gesetze nachsteht oder nach1agt, so kann man dem Gedanken nach allerdings dafür setzen, es hat der Gerechtigkeit des Gesetzes oder aus dem Gesetz nachgeftanden, nur darf man nicht meinen, jener Ausdruck sei in diesen aufzulösen (sondern Paulus hat absichtlich so geschrieben: dem Gesetze, als Gerechtigkeit verschaffend, hat Israel nachgestanden). Nun wird auch das zweite Mal das ,,Gesetz der Gerechtigkeit« von einigen Auslegern vom mosaischen Gesetz ver- standen und das ,,nicht überkommen« dahin aufgefaßt, Israel ist nicht zur vollkominenen Gesetzeserfüllung und damit zur Gerechtigkeit gelangt; aber diese Auf- fassung ist nach Kap. 10, 3 verfehlt, man kann hier nicht abermals an das mosaische Gesetz denken, son- dern nur an den idealen Weg zur Gerechtigkeit, der wirklich zu ihr führt, oder an die Norm, nach welcher man wahrhaft vor Gott gerecht wird. (Maier.) Pf) Der Apostel giebt hier zum ersten Mal den eigentlichen Grund des Ausschlusses Jsraels vom messianischen Heile an: es ist kein anderer, als die Werkgerechtigkeit und der selbstverschuldete Unglaube des olkes an seinen ihm von Gott verordneten Messias; diese Behauptung entwickelt er dann noch ausführlicher im folgenden 10. Kapitel. Trägt aber der Unglaube Jsraels die Schuld feiner Verwerfung, so kann nicht die absolute göttliche Prädestination als die Ursache derselben gedacht werden; nur prä- destinatianische Sophistik kann das Gegentheil behaupten nnd die Vereinigung so eontradictorisch entgegengesetzter Thesen für möglich halten. Der Widerspruch ist ein- mal ein logisch er; denn wenn den Juden ihr Un: glaube vorgeworfen wird, so mußten sie auch glauben können, stand aber das Glauben oder das Nicht- glauben in ihrer Macht und ist ihr Unglaube nur in ihrem widerspenstigen Willen begründet, wie nicht nur hier, sondern namentlich auch in Katz. 10, 11—13. 16. 21 das direkt und unwidersprechlich ausgesagt wird, so kann nicht zugleich Glaube oder Unglaube von der Willkür der göttlichen Vorherbestimmung abhängig sein. Denn es würde sonst in ihrer Macht stehen, was doch zugleich nicht in ihrer Macht steht. Der Widerspruch ist aber zugleich auch ein ethischer; denn unmöglich kann Gott fordern, was er selbst versagt, und strafen, was er selbst gewirkt. Mag immerhin in abstkacto dem trotzigen Widersprecher gegenüber dieses Recht der göttlichen Allmacht vertheidigt werden, die Ausübung desselben widerspricht nicht nur dem gottgestifteten sittlichen Bewußtsein, sondern auch der gottgeosfenbarten Idee göttlicher Gerechtigkeit und Liebe. Endlich widerfpricht aber auch der Zusam- menhang der paulinischen Entwickelung selber der in Rede stehenden Annahme; denn hätte der Apostel schon in Kap. 9, 6—19 als Grund des Aus- schlusses Jsraels den ewigen Rathschluß Gottes (das decretum abs01utum) angegeben, so könnte er unmög- lich in V. 32., wo er die Frage nach diesem Grunde aufwirft, die früher gegebene Antwort gänzlich ignoriren, ja an ihrer Stelle die entgegengesetzte Antwort geben. Er würde dann entweder, die schon im Vorhergehenden enthaltene Lösung recapitulirend, sich wiederum, kurz zus ammenfass end, auf die unbedingte Vorherbestimmung Gottes berufen haben, oder doch wenigstens den Un- glauben und die Werkgerechtigkeit Jsraels, welche er hier als einzigen Grund der Verwerfung aufführh auf diese Vorherbestimmung zurückgesührt und mit ihr in Zusammenhang gesetzt haben; da der Apostel keins von beidem thut, so müßte man geradezu zu der Be- hauptung fortschreiten, daß er sich gleichsam in Einem Athem widersprochen habe, und während er in V. 6—-29 die Lehre von der unbedingten Gnadenwahl aufstellte, ihr in V. so— 10, 21 die Lehre von der Bedingtheit der göttlichen Gnadenwahl durch den vorhergesehenen Glauben oder Unglauben des Menschen entgegenstella Allerdings nun haben einige neuere Ausleger sich nicht gescheut, dem Paulus, dem klaren und tiefen Denker, dem scharfen Dialektikey dem hei- ligen Apostel, einen folchen Selbstwiderspruch aufzu- bürden; doch in der Weise würde ihn in der That selbst der beschränkteste und profanste Schriftsteller nicht leicht begangen haben. Es muß demnach viel- mehr der dunkle Schatten prädestinatianischer Doetrim wie er auf V. 6——29 zu fallen scheint, vor dem Lichte universalistischer Anschauungsweife, wie es mit V. 30 ff. aufgeht, verschwinden und sich eben als bloßen Schein erweisen. (Philippi.) Das 10. Kapitel. Die Erkenntnis; der Ermähluiig ist nicht zu finden im gesetz, sondern im Eoangelia 1I. b. 1——21. Der Ztposlel erörtert in diesem Abschnitt noch weiter die Frage, wie es gekommen, daß Israel vom Heile in Christo oorliiusig ausgeschlossen bleibt, und zwar legt er den in V. 30—33 des vorigen Kapitels hiervon angegebenen Grund, nämlich Israels Werk— gerechtigkeit und tlnglaubettz näher dar. Jluch hier beginnt er mit der Versicherung seines Schmerzes über den ilnglauben und die daraus hervorgegangene Verwerfung seines Volks; dann bezeichnet er die schon in Rast. 9, 32 ausgesprochene Schuld der Juden noch bestimmter. Allerdings, sagt er, eifert das Volk um Gott und um die Gerechtigkeit vor Gott; aber zu dem Ziele der Gerechtigkeit nor Gott können sie auf dem Wege der eigenen Geselzeserfüllung niemals gelangen, sondern nur durlh den Glauben an Christum (U.1—-4). Diesen doppelten Weg, den der Gerechtigkeit aus dem Gesetz und den der Gerechtigkeit aus dem Glauben, hat schon Moses selbst, theils unmittelbar, theils mittelbar, in seinen Jlussprüchen angedeutet, im neuen Testament aber ist der weg der Rechtfertigung durch den Glauben als der allein sithere Weg zur Seligkeit für Juden und Heiden noch klarer offenbart w. 5—13). Uun können die Juden sieh damit nicht unschuldigen, es sei ihnen der richtige weg zur Rechtfertigung nicht genügend 7918 100 Römer 10, 1—10. oerleündigt worden; denn es smd verständiger des Evan- geliums in alle Welt ausgegangen, aber es haben nicht alle dem Gvangelio gehorcht Es ist aber auch dieser tlnglaube Israels schon von den Propheten oorauss verlisindigt worden; darum hann von einer Nichterfüllung des Wortes Gottes über Israel Man. 9, is) um so weniger die ikiede sein (v. 14—2l). 1. Lieben Brüder [1. Eor. 14, 20; Gal. S, 15], meines Herzens Wunsch sgenauert Lust 1. Thess 2, s] ist, nnd flehe auch Gott für Israel ssoviel ihrer an den Stein des Anlaufens sich gestoßen haben Kap. s, 31 f.], daß sie selig werden [Kap. I, 3]. 2. Denn ich gebe ihnen das Zeugnis, daß sie eifern um Gott [Apoftg. 22, 3], aber ssie thun es] mit Unverstand sindem sie in Betreff der Art und Weise, wie dies zu geschehen habe, von fal- schen Ansichten und Meinungen sich leiten lassen]. Z. [Und nun ist es eben dieser Unverstand, der sie um das neutestamentliche Heil gebracht hat, vgl. die Bem. zu Hohel. b, Z] Denn sie erkennen die Gerechtigkeit nicht, die vor Gott gilt [Kap. 1- 17]- und trachten ihre eigene Gerechtig- keit auszurichten [Kap. 9, 32], und sind also der Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, nicht unterthan [wie ich meinestheils ihr bin unterthan worden, der ich früher auf demselben Standpunkte mit ihnen mich befand Phil. Z, 4 ff.]. 4. sHätten sie das gethan, sich der göttlichen Ordnung, welche auf den Glauben an Christum Jesum sie verwies Apstg Z« 38 ; 16, 31.,unterworsen, so stünde es jetzt in zwiefacher Hinsicht anders mit ihnen: sie würden nun nicht mehr über die Maße eifern um das Gesetz Gal. 1, 14 und sie würden der Gerechtigkeit wirklich theilhaftig geworden sein, die sie noch immer auf falschem Wege suchen und da nimmer finden werden Kap. 9, Z1.] Denn Christus ist des Gesetzes Ende [daß mit ihm eine andere Heilsordnung an die Stelle der bisherigen tritt Kap. 7, 1 ff.; Luk. 10, 23 ff.; 16, 16; Hehre. 8, 6ff.]; wer an den glaubt, der ist gerecht [und das können wir denn,-die wir ihm wahrhaftig angehören, aus fröhlichem Herzen von uns bezeugen Kap. 5, 1]. Wenn der Apostel feine Leser mit ,,liebe Brüder« anredet, so hat diese Zuwendung zu ihnen ihren Grund darin, daß er von ihnen nicht mißverstanden sein will, als ob er zwar traure um das Geschick seines Volks, aber nur, wie man um etwas trauert, was nicht zu ändern ist; im Gegentheih deß ungeachtet, daß ihm Christus ein Stein des Anlaufens geworden, erbittet er ihm noch Heil, und weist nun auf die Lebensrich- tung hin, die dieses Volksthum auszeichnet Und zwar rühmt er als etwas, wodurch Israel sich vor der in das irdische Wesen versenkten heidnischen Welt (Kap. 9, sc) auszeichnet, seinen Eifer um Gott und dessen Ehre: wie sollte er sich angesichts desselben damit zu- frieden geben, daß Jsrael nun eben des Heils ver- lustig gegangen, welches in der heidnischen Welt selige Menschen schafftl Aber freilich ist es nicht genug, Eifer um Gott zu besitzem man muß Gott meinen, wie er ist, und nicht, wie man ihn will; sonst wird es ein Eifern der Eigensucht, und ein solches Eifern ist das die Juden kennzeichnende. (v. Hofmannh Das Gesetz hatte keine Erkenntniß der Sünde in ihnen gewirkt, wie es doch dessen Bestimmung war (Kap. Z, 20); daher ergriffen sie auch nicht den neuen Heils- weg, der ihnen hätte geben können, was das Gesetz ihnen nicht zu bringen vermochte. Sie hielten fest am Gesetz, obgleich es in Christo sein Ende erreicht hatte; an ihrem Geschick erkennt man demnach, wie der Mensch nicht an einer momentanen Wirkung Gottes hängen solhsondern an Gott selbst, um dem Wechsel seiner Wirkungen folgen zu können. Die Juden stritten eben dadurch wider den HErrn, daß sie eine Institution, die allerdings von ihm herrührte, festhalten wollten, als er sie aufhob: wahre Frömmigkeit liebt Gott, nicht seine Gaben. (Olshausen.) Z. Moses [auf dessen eigene Aussage es für das Gesetz und den Grund, warum dasselbe schließlich ein Ende nehmen mußte, besonders an- kommt] schreibet wohl von der Gerechtigkeit, die aus dem Gesetz kommt smit dem Wort in 3. Mos. 18, 5 sie genau charakterisirendp Welcher Mensch dies salles das, was in diesem Gesetzbuche geboten wird] thut, der wird darinnen sdurch solches fein Thun der Gebote Jak. l, 25] leben [Leben und Seligkeit haben Luk. 10, 28; Gal. Z, 12]. 6. Aber die Gerechtigkeit aus dem Glauben scharakterisirt sich selber als diejenige, die nicht erst von dem Menschen beschafft zu werden braucht, sondern ihm so nahe gebracht wird, daß er sofort sie ergreifen kann, und] spricht [um für ihr Selbst- zeugniß ihr einen Ausdruck zu leihen, der an die Stelle in 5. Mos. Z0, 11—14 sich anschließts also: Sprich nicht in deinem Herzen [wie du allerdings jenem mosaischen ,,welcher Mensch dies thut« gegenüber also sprechen durftest]: Wer will hinauf gen Himmel fahren [um das Leben nun auch wirklich zu erlangen, das die Verheißung in Ausficht stellt]? — das ist nichts anderes, denn Christum herab holen sder allerdings es zu bringen der rechte Mann ist, aber auf den als den vom Himmel her schon Gekommenen weise ja eben ich, die Gerechtigkeit aus dem Glauben, dich hin]. 7. Oder [auch, gleich als müßte es von der entgegengesetzten Seite her erst noch erworben werden]: Wer will hinab in die Tiefe fahren? —- das ist nichts anderes, denn Christum sbehufs der Auferstehung] von den Todten holen [und das verkündige ich dir ja eben, daß aus dem Ab- grunde oder dem Reiche der Todten Offenb. 9, 12 Anm. er als der Auferstandene wieder her- vorgegangen 1. Petri Z, 18 sf.; Apoftg. 2, 22 ff.]. 8. Aber was sagt sie [die bis daher mit ihrem Verbot dir nur etwas Negativ es gesagt hat, im weiteren Anschluß an die Stelle bei Moses nun positiv]? Das Wort ist dir nahe, ncimlich in deinem Munde und in deinem Herzen sund darum das, um was es sich handelt, dir eben so Israel eifert um Gott, aber die Werkgerechtigkeit verschließt ihm das Herz gegen Christum. 101 leicht faßbar und erfaszbar, als es dir völlig unerreichbar bleiben würde, wenn du es aus dem Himmel von oben oder aus der Hölle von unten Sprüchw. 30, 4 erst noch erholen müßtests (Epistel am St. Zlndrekisscagex V. 8b—-—t8.) Vgl. die Bem. zu Matth. 4, 18. Dies [dasjenige Wort, das dir hier als so nahe gelegt beschrieben wird] ist das Wort vom Glauben [1. Tim.4, 6], das wir [die Apostel des HErrn, und darunter vornehmlich ich, Paulus, mit dem eigens mir vertrauten Evangelio Kap. l6,25f.;1.Cor.1,23;15,9 ff.; Gal.5, l1] predigen« [damit es in Mund und Herz der Leute komme und diese so selig werden]. 9. sMit gutem Grunde ist aber bei diesem Wort von einem Nahesein in deinem Munde und in deinem Herzen die Rede.] Denn so du mit deinem Munde bekennest Jefum, daß er der HErr soder Christ Apostg. 2, 36; Phil. 2, II] sei U. Cor.12, 3], und glaubest in deinem Herzen, daß ihn Gott von den Todten auserweclet hat [1. Cor.15, 17], so wirst du selig [nur daß die hier in Gemäßheit des in V. 8 angeführten Ausfpruchs aufgestellte Folge dem eigentlichen Sachverhalte nach die umgekehrte ift]. 10. Denn snach Pf. US, 10 müßte es viel- mehr so heißem] so man von Herzen glaubt, so wird man gerecht; und so man mit dem Munde bekennet, so wird man selig» sso daß also das Herz allerdings das Erste ist und der Mund das Zweite Apoftg. 8, 37; Matth. 10, 32]. V) Wir haben hier eine Gegenüberftellung des Charakters beider Oekonomienx und zwar wird zu- nächst in V. 5 der eigenthümliche Charakter der Ge- setzesökonomie mit einem Ausspruche des Mose selbst angegeben, bei Auslegung der dunklen Worte aber, die dann in V. 6—8 folgen, fragt es sich einer- seits, welchen Gedanken kann der Apostel dem in V. 5 ausgesprochenen entgegenzufetzen beabsichti en, und andrerseits, welchen Gedanken setzt die n- wendung, die er in V. 9sf. von dem Ausfpruche macht, voraus? Von V. 5 nun ausgehend wird man den Gedanken erwarten: bei Christo aber kommt es auf den Glauben an; damit stimmt denn auch V. 9 f. zu- sammen. (Tholuck.) Um den Sinn unsrer Stelle rich- tig zu fassen, muß man einerseits von V. 3——5, andrer- seits von 8 u. 9 ausgehen· Jsraels Fehler ist, daß es, die Gerechtigkeit aus Gott ignorirend, bei dem eigenen Bewirken der Gerechtigkeit beharren will, während doch Christi Kommen dem Befchaffen der Gerechtigkeit durch Gesetzesvollbringung das Ende brachte (V. 3 f.); denn welcher Gegensatz zwifchen Mosis Mei- nung und der, welche nach Christi Gekommensein gelten muß (V. 5 ff.)! Moses beschreibt die Gerech- tigkeit aus dem Gefetz als resultirend aus des Men- schen Thunx die Glaubens erechtigkeit verweist auf das in unserm Mund und erzen vorhandene Wort von Jesu als dem HErrn und feinem Erwecktsein von den Todten: sobald wir dieses bekennen und glauben, gehöre »aus die Gerechtigkeit und das Heil. Moses stellt die Gerechtigkeit an das Ende der von uns zu vollbringenden Thatenx die Glaubensgerechtigkeit spricht sie unserm läubigen Bekenntniß Jesu sofort zu (V. 8 f.). In . 6 f. geht dieser positiven Sprache der Glaubensgerechtigkeit eine n eg ativ e voraus: sie warnt davor, im Herzen zu sprechen: »wer wird hinausfahren in den Himmel«, nämlich, um Christum herabzuholen, oder: »wer wird hinabfahren in den Abgrund«, näm- lich um Christum aus den Todten heraufzuholenx sie will, nachdem Christus gekommen ist, nicht den Sinn dulden, als wäre das Heil in der Ferne, erst durch machtvolle Anstrengung an uns zu reißen. (Geß. Aus Z. Mos. 18 erweist der Apostel das Thun als den Charakter des Gesetzes und im Anschluß an 5. Mos. 30 das Glauben als den des Evangeliums: jenes fetzt die active, dies die passive Seelenfte1lung voraus; während nun die erstere Stelle für das, was Paulus sagen will, vortrefflich sich eignet, ist dagegen die andere, in der die Glaubensgerechtigkeit gleichsam per- fonificirt und als redend gedacht ist, gar schwierig, und stimmt der Wortlaut weder mit dem Grundtext noch mit der griechischen Uebersetzung der Septuaginta überein. (Olshausen.) Gleichlautend mit den Worten bei Mose it in dem, was der Apostel die Glaubens- gerechtigkeit sagen läßt, nur die Frage: »wer will hinauf gen Himmel fahren?« jedoch ohne daß ,,uns« dabei stünde, und der Sah: »das Wort ist dir» nahe (nämlich) in deinem» Munde und in deinem Herzen«, wo jedoch nicht nur das ,,fas « bei ,,nahe«, sondern auch, was bezeichnend ist für die Art und Weise der Ver- wendung der Stelle, das ,,daß du es thues « hinter den Worten: »in deinem Munde und in deinem Herzen« weggelassen ist. Das Wort, welches die Glaubensgerechtigkeit meint, ist eben ein anderes, als das, von.welchem Mose spricht, nicht ein Wort des Gebots, welches gethan fein will, sondern das von den Zeugen Jesu verkündigte Wort, welches geglaubt fein will; und hiermit hängen die übrigen Verschiedenheiten zusammen. Ei) Jm 9. Verse bringt der Apostel zunächft den Grund, warum es sich so verhält, daß wir dies Wort so nahe, im Munde und im Herzen, haben; inwiefern nun aber der Grund hierfür darin beftehe, daß wir Heil erlangen und vor dem tödtlichen Zorne Gottes bewahrt bleiben werden, wenn wir den HErrn Jesum bekannt und an seine Auferweckung geglaubt haben, kann nur in dem Maße klar werden, als man sich verdeutlicht, was die Glaubensgerechtigkeit dem An- geredeten damit sagt, daß sie fpricht: »das Wort ist dir nahe«; sie meint damit, wie Paulus erklärend hin- zugefügt hat, das Glaubenswort der apoftolifchen Verkündigung, und kann es auch meinen, ohne die altteftamentliche Stelle, welche sie verwendet, dem Sinne zu entfremden, den sie als Schriftwort hat. Denn was Mose feinem Volke gegenüber geltend macht, ist die Thatsache, daß es in dem Worte, welches ihm gegeben ist, die Offenbarung des Willens Gottes be- sitzt und nicht in der Lage sich befindet, rathlos dar- nach ausfchauen zu müssen, wie es dazu gelange, den Willen Gottes zu erfahren; in Gestalt des Wortes hat es ihn zu eigen bekommen, das war aber freilich ein Wort des Gebots, und sofern es als folches dem Einzelnen sordernd gegenüberstand, half es ihm nicht zum Heile, während dagegen Jsrael als Volk an iefer Offenbarung des Willens Gottes das vor aller Welt es auszeichnende Heilsgut besaß (Osfenb. H, 1). Anders im neuen Testamenter hier ist der im Worte geoffenbarte Wille Gottes sein verwirklichter Heilswille; was nun von der Offenbarung des Willens Gottes im Worte alttestamentlicher Weise gilt, das gilt auch neu- testamentlicher Weise von ihr. Wer das Wort ver- nimmt, bekommt es in Mund und Herz; der darin 102 Römer 10, 11-—17. geosfenbarte Wille Gottes giebt sich ihm zum Inhalte seiner Rede und seiner Herzensgedankem aber da es jetzt der verwirklichte Heilswille Gottes ist, der sich ins Wort gefaßt hat, so hat nun der Einzelne das Gut seines nicht erst zu erwirkenden, sondern für ihn vorhandenen Heils an dem Worte. Es steht nicht so, sagt die Glaubensgerechtigkeih daß du nach dem Heile, dessen Verwirklichung Christus heißt und Christi Sache ist, rathlos ausschauen müßtest oder dürftest: du hast es im Worte der apostolischen Verkündigung, welches dir in Mund und Herz gelegt ist; denn Jesus ist der erschienene und durch seine Auferweckung vollendete Christus und somit das verwirklichte Heil. Wer nun mit dem Munde ihn bekennt, daß er der HErr ist, und mit dem Herzen glaubt, daß Gott ihn auferweckt hat, dem ist das Heil gewiß; von dem neutestament- lichen Worte, welches ihn zum Inhalte hat, gilt wirk- lich im Unterschiede von dem alttestamentlichen, welches Gebote zu erfüllen befahl, daß zum Heile genügt, es im Munde und Herzen zu haben, der in’s Wort ge- faßte Christus will geglaubt und bekannt sein, und solches Thun des Herzens und des Mundes gedeiht zu Gerechtigkeit und Heil, ohne daß ein Anderes da- neben, ein Erfüllen geschriebener Gebote, welche außer uns sind und äußerlich uns gegenüberstehen, erfordert wird. War nun dem Juden gegenüber, welcher den lebendigen Gott bekannte, in V. 9 im Anschlusse an die alttestamentliche Stelle zuerst das Bekenntniß des HErrn Jesu zu nennen und dann derGlaube an seine Auferweckung ohne welchen solch Bekenntniß nicht möglich ist, so hebt dagegen der Apostel in V. 10 mit dem inwendigen Glauben an und schreitet fort zu dessen Aeußerung, um die zureichende Heilsamkeit der einen und der andern auszusagen Gerechtigkeit und Heil ist alles, was wir bedürfen; und alles, was uns noththut, um sie zu erlangen, ist ein Zwiesaches, das so natürlich beisammen ist, wie Herz und Mund, Ge- danke und Rede, nämlich daß wir das mit dem Herzen glauben, was uns in’s Herz, und das mit dem Munde bekennen, was uns in den Mund gelegt ist. Wie aber der Jnnerlichkeit des Glaubens die unsichtbare Ge- rechtigkeit des Gläubigen entsprichh so der Offenbarkeit des Bekennens die offenbarliche Heilszuwendung an den schließlich zu verklärenden Gerechten. (v.Hofmann.) 11. [Ja, so du glaubest in deinem Herzen, daß ihn Gott von den Todten auferwecket hat, so wirst du selig; das Gesetz, kommt dabei nicht weiter in Betracht.] Denn die Schrist spricht [in dem schon am Schluß des vorigen Kapitels angeführten Spruch Jes. 28, 16, sowie in dem ähnlichen Wort Pf. 25, 3]: Wer an ihn glaubt ser sei, wer er wolle, sich glaubend auf ihn stützt], wird smit seiner Heilserwartung] nicht zu Schanden werden [vgl. V. 4]. 12. Es ist [also] hie swas diese Sache, das Seligwerden durch den Glauben an Christum, betrifft] kein Unterschied swie er allerdings bei dem, das Volk Gottes von den Weltvölkern scheidenden Gesetze stattfand Apostg. 10, 1»0 ff. 34 f.] unter Juden und Griechen [Kap. Z, 23]; es ist aller zumal Ein HErr [Joh. 17, 2; Matth· 28, 18fs.; Apostg. 10, 36], reich san Gnade] über alle, die ihn anrufen [ihnen Heil und Leben in vollem Maße mitzutheilen]. 13. Denn sheißt es in Joel Z, b] wer [nur immer] den Namen des HErrn wird anrufen, soll selig werden« [Apostg. Z, 21]. 14. Wie sollen sie aber sgenauerx nun, wenn nämlich nach dem eben Gesagten zum Seligwerden das Anrufen des Namens Christi nothwendig ist, einen solchen] anrufen, an den sie nicht glauben? Wie sollen sie aber glauben san einen], von dem sie nichts gehöret haben? Wie sollen sie aber sdas ihn und sein Heil verkündigende Wort] hören ohne Prediger sselbigen Worts]? 15. Wie sollen sie aber ldie des Wortes Zeugen sind] predigen, wo sie nicht szur Verkün- digung desselben von Dem, der das Heil zu seiner Zeit wollte predigen lassen 1- Tim. Z, S] gesandt werden? sdarum ist auch solche Sendung schon im alten Testament ausdrücklich verheißen und hat sich in dieser unsrer Zeit gar herrlich erfüllt] Wie denn sin Jes. 52, 7] geschrieben stehet: Wie lieblich [schön zu erschauen, erfrenlich] sind die Füße derer, die den Frieden verkimdigen, die das Gute verkündigenltt [so ist es in der That und Wahrheit geschehen V· 18; Apostg. 10, 36 ff.] Its. Aber sund das ist der Grund, warum die Heilswirkung der in der Welt erschallenden Heilspredigteine so allgemeine nicht ist, als sie es sein könnte und sollte] sie sind nicht alle swie doch ihre Pflicht wäre] dem Evangelio gehorsam sdaß sie demselben auch Glauben schenkten, wenn sie es zu hören bekommen; darin denn abermals sich erfüllt, »was die prophetische Weissagung zu- vor verkiindigt hat Joh. 12, 37 f.]. Denn Jesaias [Kap. 53, 1] sprtcht: HErr, wer glaubet unserm Predigen?*" [es sind der Gläubigen so wenige, daß sie der Unmasse der Andern gegenüber zu einem Nichts verschwinden.] r) Zu welcher Begründung dient das »denn« zu Anfang des 11. Verses? Es ist diese: das Schrift- wort verheißt dem Glauben Errettung; so— erweist sich also auch, daß diese nicht von der Erfüllung des mosaischen Gefetzes abhängt, daß der Ausspruch in V. 10 Wahrheit hat, und V. 10 u. 11 bestätigen zu- sammen den Jnhalt von V. 4. Befrerndend ist es nun, daß der Apostel, gleichwie schon in Kap. 9, 33, so auch hier dem aus Jes. 28, 16 angeführten Schrift- wort dem »wer« im Grundtext ein ,,1eder« wisse) vorangestellt hat; indeß liegt dies eben in dem un- beschränkt lantenden ,,wer«. (Tholuck.) Dies, dem »wer« vorangestellte ,,jeder«, das köstlicher ist als die ganze Welt und wie hier, so auch in V. 12 und 13 steht, wird dann in V. 14 f. dahin bestätigt, daß es nicht nur bedeutet: »wer immer anruft, soll selig werden«, sondern auch, Gott wolle es, daß er von allen heilsam angerufen werde 1. Tim· 2, 4 ff. (Bengel.) Das ,,jeder, der da glaubt« wird hierauf in V. 12 im Gegensatz, zum jüdischen Partikularismus näher dahin erläutert, daß es sich gleichmäßig auf Heiden wie auf Juden beziehe; die Worte: ,,es ist aller zumal Ein HErr« wären besser zu übersetzen gewesen »ein und derselbe ist HCrr aller«, darunter aber ist nicht Gott, wie man nach Kap. Z, 29 f. annehmen zu müssen Die Signatur der jetzigen Zeit als Zeit der Heilspredigt entspricht dem, was das prophetische Wort sagt. 103 geglaubt hat, sondern Christus zu verstehen. So- wenig der allgemeine Gottesglaube den Juden ab- gesprochen werden konnte, ebensowenig konnte das An- rufen des Namens Gottes als das spezisische Cha- rakteristikum des rechtfertigenden und heilbringenden Christenglaubens bezeichnet werden; überhaupt ist »der HErr« iiach paulinischeni Sprachgebrauch aus- nahmslos Christus (vgl.Phil. 2, 11). Weil nun dieser HErr aller ist, hat er den Willen, weil reich über alle, hat er das Vermö g en, sie alle,Heiden wie Juden, wenn sie anders gläubig ihn anrufen, des Heils theil- haftigzu machen. (Philippi.) Der Apostel beruftsich sur diesen seinen Ausspruch auf eine prophetische Schriststelle, in welcher aber von der Anrusung Je- hova’s, des Gottes Jsraels, die Rede ist; da indessen der von der alttestamentlichen Schrist bezeugte Gott des Heils in dem von Gott ausgegangenen und zu Gott hingegaiigenen Christus neutestamentlich geoffen- bart ist, so ist Anru ung Jehova’s und Anrusung Christi in der Art Eins, daß die an erstere geknüpfte Verheißung in der neutestanientlichen Zeit für die- jenigen und nur für sie gilt, welche ihre Heilszuversicht aus Jesum setzen und also ihn anrufen. (v. Hofmann.) Wie Paulus oben (V. 9 f.) das Glauben und das Bekennen mit einander verband, so verbindet er hier mit einander den Glauben und das Anrufen; Anrufen und Bekennensind beides Ae u ß er u n g en des Glaubens, die eine zum Himmel, die andere zur Welt ge- richtet, aber während oben dem Zusammenhange gemäß es sich um das Bekennen handelte, ist hier mehr das Anrufen an seiner Stelle, indem das Heil als dessen Erividerung, gleichsani als der Lohn für gläubig Bittende dargestellt werden soll. VI) Die Bewahrheitung des Satzes in V. 4: ,,Christus ist des Gesetzes Ende; wer an den glaubt, der ist gereiht« ist durch eine Reihe von Sätzeii in der Art geschehen, daß die Begründung schließlich auf den Satz in V. 13 hinauskann jeder, der Jehova, somit aber, da Jesus der HErr ist, in welchem sich der Gott Jsraels geosfenbart hat, jeder, der Jesum anrufe, werde Heil erlangen; von hier aus kommt denn der Apostel dahin zurück, wo er vor dem 4. Verse stand, also auf die Verschuldung seines Volks. Es steht fest, daß, nachdem Christus erschienen ist, das Heil durch Anrufung Jesu, und nicht durch gesetzliches Thun erlangt sein will; dann ist dies aber nothwendig auch die Zeit, in welcher Gottes Sendboten Jesum ver- kündigen, daß man an ihn glaube, dann inuß man ihn als den Heiland anrufen, um schließlich Heil zu finden und vor dem Zorn bewahrt zu bleiben, so ist Glaube an ihn nöthig, ohne den man ihn nicht an- riefe, und muß also der Endzeit, in welcher die Schei- dung zwischen denen, die verloren gehen, und denen, die Heil erlangen, sich vollzieht, eine Zeit vorausgehen, in der er verkündigt wird, weil man nur da an ihn glauben kann, wo man von ihm gehört hat. Erwartete nun der Jude (wie sicl) auch an Johannes im Ge- fängniß zeigt Matth. 11, 2 ff.) von der Offenbarung Christi eine Verwirklichung des Heils, welche so nicht eingetreten war, und stieß er sich an derjenigen, welche geschehen war, weil sie sich nicht anders als in dem Wort der apostolischen Verkündigung dargab, so eigt dem entgegen der Apostel, daß so gewiß, als Anrusung des HErrn die Voraussetzung ist, unter welcher man des Heils theilhaftig wird, die Gestalt der gegen- wärtigen Heilszeit gerade die sein muß, welche sie ist; Sendboteii müssen vorhanden sein, welche Den ver- kündigen, an den geglaubt sein will, damit man ihn anrufe. Dies ist nothwendig die Gestalt der Zeit, in welcher das Heil zwar vorhanden ist, aber, wie vorhin ausgeführt, im Worte; und es entspricht solche Ge- stalt auch der Schriftstelle von den erwünschten Boten, die da Frieden verkündigen, das Gute verkündigem denn auch ihr zufolge geht der schließlichen Heils- Vollendung eine Botschast voraus, der man Glauben schenken muß, um, wiees dort weiter heißt, der Offen- barung Jehova’s frohlich entgegenzusehem aus »Babel auszubrechemund dem Gotte, »der sein Volk· erlost, zu folgen. (v. Hofmann.) An dieser Stelle tritt uns der wichtige Gedanke entgegen, daß das Evangelium sich nur auf dem Wege der Predigt durch die Menschheit verbreitet; es kann nicht etwa durch unmittelbare Geisteswirkung hie und da sporadisch erzeugt» werden, sondern es wird stets vom Mittelpunkt der Kirche aus eine Mittheilung erfordert, um es zu verbreiten. Die Kirche Christi theilt die Natur jedes geschlossenen Or- ganismus, der sich nur so entwickeln kann, daß alle Glieder im Zusammenhange mit dem Ganzen bleiben; eine Gemeinde von Christen kann nicht nur nicht ent- stehen ohne Zusammenhang mit dem Ganzen der Kirche, ohne daß ihr »die Geschichtepon Christo» ge- predigt wird, sondern sie kann auch nicht aus die Lange bestehen ohne diesen Lebenszusamnienhankx ohne ihre III-Heini« iekspskrsixis dkikskksiFchtå Fsr akjsksispiisen eee1. ra au mirien Charakter des Christenthums, das wesentlich auf den Thatsachen der Geschichte Jesu beruht, und sodann aus Zensi G5e3iste, ders in tåer Fresdigtodeis Tlgirkeifidiepistx ie es rinzip it an ie er on Je u ge nüpt Joh. 7, 39) und verbreitet sich in zusammenhängender Wir- kung von ihm aus, Die Missionstljätigkeit gehört also zum Wesen der ·Kirche, und der Befehl in Matth 28, 19 gilt sur sie -bis ans Ende der Tage. (Olshausen.) » IN) Die Aussendung der Boten ist» wohl geschehen, will der Apostel sagen, und damit sur alle die Be- dingung, unter der sie zum Glauben und zur An- Fuksung gellaxgenhkoifntienk wengter rclibeg daräach fortt- ä rt: ,,g ei wo in ie ni a e em vangeio gehorsam«, so bezieht sich das auf die Masse des Vol- kes Jsrael, welche nicht geglaubt hatte. Paulus hat es also hier nicht mit »den einzelnen Jndividuen (2. Thess 1, 8), sondern mit den beiden Volks-ganzen, mit der Judenwelt und Heidenwelt zu thun; er handelt ja überhaupt in diesen drei Kapiteln von dem Un- glauben Jsraels, nicht von dem Unglauben der Heiden, vielmehr umgekehrt von der Annahme der Heidenwelt an Jsraels Statt, und war sonach durchaus keine Veranlassung für ihn vorhanden, das Faktuin, daß auch unter den Heiden, deren Gesammtbekehrung er im Prozesse fortschreitender Verwirklichungbegrisfensieht (Kap.11, ··25), bis dahin noch viele unglaubig geblieben waren, hier besonders» hervorzuheben. Gleicherweise handelt auch die angeführte Prophetenstelle, bei deren Anführung das: »denn Jesaias spricht« soviel ist als: ,,also mußte es geschehen, denn also war es durch Jesaias vorhergesagt«, von dem Unglauben des Volkes Israel an de? Knechtß Gottes, desseågrniedrigiibiig dden Juden ein ergerni war; im merze ü er ie Masse der Ungläubigen übersieht der Prophet, und mit kslzznälder)Apostel, die geringe Zahl der Gläubigem iippi. 17. So sdem eben angeführten Propheten- spruche gemäß] kommt der Glaube aus der Predigt sund bestätigt sich damit das in V. 14 Gesagte], das Predigen aber [kommt, wie daraus sich er- giebt, daß der Spruch an den HErrn gerichiet ist, welchem der Prophet in demselben gleichsam Rechenschast giebt von dem Erfolge des ihm auf- 104 Römer 10, 18——21. 11, 1——7. getragenen Werkes] durch das Wort Gottes* fdas an den Prediger ergangen ist, der die Sendung V. 15 empfangen, und wird dadurch das, was die Hörer aus seinem Munde vernehmen, zu einer göttlichen Predigt 1. Thess Z, 13]. 18. Jch sage aber [in Betreff derer, die nicht dem Evangelio gehorsam sind V. 16., um zu- nächst die eine denkbare Möglichkeit in Betracht zu ziehen, die ihnen etwa zur Entschuldigung dienen könnte]: Haben sie es [was die Prediger in V. 15 zu verkündigen haben] nicht gehbrefs Zwar [d. i. ja gewiß haben sie es gehört 1. Kön. 8, 13 Anm. I; denn es verhält sich in der That so, wie es in Pf. 19, 5 von den Predigern heißt] es ist je [Pred. 4, 8 Arm] in alle Lande aus- gegangen ihr Schall, und in alle Welt ihre Worte« [so daß auch die, so unter den Heiden wohnen, sie haben hören können] 19. Jch sage aber [noch einmal, um dem- nächst auch eine andere denkbare Möglichkeit vor- zubringen]: Hat es Israel fwenn es auch das Wort göttlicher Predigt gleich den Andern hörte, doch] nicht erkannt [was es demselben gegenüber zu thun habe I. Thesf 2, 13]? Der erste Moses [d. i. Moses, der als der älteste Prophet zuerst sein Zeugniß über den wirklichen Sachverhalt ab- geben mag] spricht: Jch will euch eifern machen über dem, das nicht mein Volk [genauer: ein Nichtvolk, ohne alle Beziehung zu mir und meiner Offenbarung im alten Bunde stehend] ist; und über einem unverständigen Volk sdas nicht einmal meinen Namen kennt Käse. 2, 19rf.; Apoftg. 17, 22 ff.; Ephes. 2, 12; l. Petri l, 14] will ich euch erzürnen [5. Mos. 32, 21]. 20. Jesajas aber darf wohl swagt sogar Kap. 5, 7 Anm. im Namen eben des Gottes, in dessen Namen schon Mose jenes Wort gesprochen, bestimmt und offen zu] sagen: Jch bin erfunden von denen, die mich nicht gesucht haben, nnd bin fals Helfer und Heiland] erschienen denen, die nicht nach mir gefragt haben [Jes. 65, 1]. 21. ZU [richtiger: in Beziehung auf] Israel aber spricht er san dieser Stelle V. 2 weiter und giebt als den wahren Grund von Jsraels Unglauben sein hartnäckiges Widerstreben gegen Gottes Heilsabsichten an]: Den ganzen Tag habe ich meine Hände ausgestreckt zu dem Volk, das sich nicht sagen läßt und widerfpricht*t* [Matth. 23, 37; Hebr. 12, 3; Apostg 7, 51f]. s) Ehe der Apostel das, was er vorhin V. 16 mit Beziehung auf die Juden gesagt und als Erfüllung einer prophetischen Weissagung charakterisirt hat, weiter verfolgt und erledigt, faßt er zunächst den in V. 14 u. 15 ausgeführten Gedanken noch einmal zusammen, ihn nachträglich zum Abschluß bringend. (Wangemann.) Wo das leibliche äußerliche Wort nicht gepredigt wird, da vermuthe man sich nicht, daß der heil. Geist allda wirke. Gleichwie es mit der Sonne zugeht, die hat zwo Arten an ihr, nämlich den Schein und die Hitz e; wo nun der Schein und der Glanz hingeht, da kommt auch die Hitze hin, wo aber der Glanz nicht hingeht, da bleibt auch die Hitze aus. Also geht’s mit dem äußerlichen Worte und mit dem heil. Geiste auch zu: der heil. Geist wirkt nirgend, wo er nicht zuvor HEXE, da)s Wort, als durch eine Röhre, in’s Herz kommt. ut er. ist) Steht es fest, daß zum Glauben das Hören, zum Hören das Predigen erforderlich ist und daß es bei den Juden an dem Gehorchen oder Glauben ge- fehlt hat, so fragt.sich, ob ihnen etwa die Predigt nicht zugekommen und deshalb das Gehorchen und Glauben unmöglich war: dieser Entschuldigungsgrund wird hier vom Apostel abgeschnitten (Philippi.) Er eignet sich da Psalmworte an, die von der Stimme Gottes in der Natur gesagt sind, was aber von ihr gesagt wird, das realisirt sich nun auch bei der Offen- barung durch das Evangelium; denn das ,,ihr« und ,,ihre«, welches im Psalm auf die Himmel geht, be- zieht er auf die Boten des neuen Bandes. Bedenkt man, was es einem Juden bedeuten mußte, die gött- liche Offenbarung, die bis dahin nur in dem engen Kreise Judäcks verkündet wurde, nun durch viele Boten an die Griechen, an -die Römer, an.die Barbaren ge- bracht zu sehen, wie sich ein Paulus dabei vorstellen mußte, daß nun ein Feuer in die Menschheit geworfen worden, welches von Geschlecht zu Geschlecht fort- zündend eine ganz neue Ordnung der Din e auf der Erde bewirken würde, so kann es nicht au allend er- scheinen, wenn sich der Apostel, obwohl bis dahin erst ein kleiner Theil des Erdkreises das Wort des Lebens empfangen hatte, dennoch so umfassender Ausdrücke bedient; auf ähnliche Weise spricht er begeistert von der Wirkung des Evangeliums in Col. I, 6 u. 23. (Tholuck.) » , Its-«) Nachdem im vorigen Verse der Gedanke ab- gewehrt worden, als ob etwa die der Heilsbotschaft nicht Gehorsamen das, was den Glauben wirkt, näm- lich die durch ein Gotteswort gegebene Kunde, nicht ehört haben, blieb eine zweite Frage gleichartigen Jnhalts in besonderer Beziehung auf Israel zu stellen, um dessen Ungehorsam gegen die Heilsbotschaft es ja sonderlich zu thun ist. (v. Hofmannh Schonend hatte der Apostel in V. 16 u. 18 Israel als Subjekt nur gedacht, nicht ausdrücklich namhaft gemacht; letzteres geschieht erst hier, wo er nicht sowohl eine Anklage, als vielmehr die Israel im Grunde ehrende Verwun- derung:»,,hat es Israel nicht erkannt?« ausfpricht (Ph1lipp1.) Das ,,nicht erkannt« steht dem »nicht ge- hört« m V. 18 parallel, es ist daher dasselbe zu er- gänzen, was dort ergänzt werden muß: die Predigt vom Glauben (Gal. Z, 2), auf welchen Begriff auch der ganze Zusammenhang der Stelle leitet. Paulus antwortet nun indirekt auf diese Frage, indem er sagt, da die Heiden glauben, wie hätte da Jsrael nicht sollen glauben können, wenn es nur gewollt hätte! Dieser Gedanke ist es denn, der, gleichwie in der aus Mose beigebrachten ersten, so auch in der aus Jesaias angeführten zweiten Schriftstelle liegt, welche ganz unumwunden ausspricht, was dort nur erst andeutend gesagt wird: ,,selbst die mich nicht suchten, fanden mich« — wie vielmehr hätte mich Jsrael finden können; aber vergeblich breitet Gott seine Arme aus gegen das untreue Volk, sie haben eben nicht gewollt. (Olshausen.) Jsrael hat darum keine Entschuldigung wenn es der Heitspredigt nicht glaubt. 105 Das 11. Kapitel. Die Ermählung ist unwandelbar. XII· its· t——32. nachdem Paulus bisher die Ursache dar· gelegt hat, wie es gekommen, daß Israel, das Volk, das so hohe göttliche Vorzüge empfangen, von dem Heil in Ghristo ausgeschlossen geblieben, und zu dem lliesultat gelangt ist, daß die Schuld hiervon im Geringslen nicht auf Gott falle, sondern allein auf Igraets ungehorsam gegen Gottes ihm klar verliiindigten Gnadenwilleitz wie dies ja auch Moses nnd Slesaias geweissagt, wendet er sich nun von dem düstern, demüthigenden Bild der einem großen Theil non Israel widerfahreneu derslockung zu dem Troß der Zukunft, wo es sich noch in einem weit höheren Sinne zeigen wird, daß Gottes verbeißung keineswegs zu nichte Man. 9, s) geworden, sich biet— mehr auch an dem ioolke Israel als Ganzem herrlich erfüllen wird. Gott hat, sagt Paulus, sein illotk nicht willkürlich verstoßen, sondern schon jetzt eine Auswahl aus Gnaden errettet, die Uebrigen aber um ihrer Werkgerechtigkeit willen dem Gericht der berstomung übergeben Oh. l—10). Aber die itlerstociiung Jsraels ist« keineswegs das Ziel der Wege Gottes mit Israel ge- wesen, sondern nur ein Mittel seiner ewigen Liebe, daß er einstweilen die itjeidenwelt begnadige und darnach auch Qlsrael als Volk wiederaunehme und selig mache (id. 11—15). Zdiese zukünftige Wiederannahnte Israels folgt schon aus seiner ihm non Gott selbst ge- gebenen, auf dem ewigen ltiatlssclsluß der triebe be- ruhenden Berufsstellung unter den Völkern aus Erden; darum sollen sich die Heiden durch die zeitweilige ver— werfung des Volkes Gottes und ihre Grmählung an seiner Statt nicht etwa zur Selbsiiiberlsebung und zu hochmüthiger Verachtung Stsraels verleiten lassen, sondern vielmehr allezeit eingedenk bleiben, daß sie nicht gebotene Kinder der Gottesfatnilig sondern nur Gäste im Hause Gottes sind, daß das Schictisal der ungehor- samen Kinder noch viel sicherer die ungebührlichen Gäste treffen werde und daß das nähere ltiecht der Kinder vor den Fremden irotz ihrer augenblicklichen Verweisung aus dem tljause nur außer Kraft gesetzt sei, seiner Bett aber wieder austeben werde (io.16——24). Aus diese Darlegung der durch die tlatur der Sache begründeten Hoffnung folgt die ausdrückliche prophetisehe Ankiindigung der in Zukunft, zur gottgesetzten Zeit, bevorstehenden Gesammtbekehrung Beweis, welche der— heißung auch ihrerseits wieder theils durch Zeugnisse der heil. Schrift, theils durch die Treue, Mannigfaltigkeit und Allgemeinheit der göttlichen tiarmherzigkeitbegrsindet wird w. 25—32). l. So sage tch nun swenn der gegenwärtige Stand der Dinge der ist, wie er nach Kap. 10, 19 ff. von dem prophetischen Wort des alten Testaments längst vorausgesehen worden, daß das Reich Gottes von den Juden genommen wird und den Heiden gegeben Matth. 2t, 43]: Hat denn Gott sein Volk verstoßen? Das sei ferne [Ps. 94, 14; Jer. 31, 35 ff.]! Denn ich sder Heiden Apostel V. 13] bin auch ein Jsraelitey von dem Samen Abrahams, [und zwar als einer] aus dem Geschlecht Venjamini svon so acht israelitischer Herknnfh wie es nur irgend wer sein kann 2. Cor. 11, M; Phil. 3, 5]. Z. Gott hat sein Volk nicht verstoßen, welches er zuvor versehen sund ihm damit auf alle Zeiten eine unwiderrufliche heilsgeschichtliche Bestimmung Kap. 8, 29 s. gegeben] hat swie das selbst der gegenwärtige so betrübende Stand der Dinge ausweist]. "Oder [um euch an einen, schon in der alttestamentlichen Geschichte dagewesenen ganz pa- rallelen Fall zu erinnern] wisset ihr nicht, was die Schrift sagt von Elia sgenauerx in Elia, d. i. in dem von Elia handelnden, hierher gehörigen Abschnitt Mark. 12, 26; Luk. 20, 37]? Wie er sin i. Kön. 19, 9 ff.] tritt vor Gott wider Israel [als dessen Ankläger] und spricht: 3. HErn sie haben deine Propheten getödtet, und haben deine Altare ausgegraben [von Grund aus umgestürzt], und ich bin allein svon deinen Verehrerxq über blieben, nnd sie stehen mir nach meinem Leben [auch mich, den letzten von den Deinen, noch umzubringen]! 4. Aber was sagt ihm szur Berichtigung seines menschlichen Jrrthums] die göttliche Ant- wort? sNämlich dies:] Ich habe mir sats hei- ligen Samen, der aus dem allgemeinen Ver- derben errettet worden] lassen überbleiben sieben tausend Mann, die nicht haben ihre Kniee gebeugt vor dem Vaal [dem alle Andern als ihrem Gotte dienen] 5. Also swie damals] gehet-s auch jetzt zu dieser [unsrer] Zeit mit diesen sder großen Masse der Verstockten gegenüber allerdings nur wenigen] Ueberbliebenen [Kap. 9, 27., die es sind] nach der Wahl der Gnaden» [und sind demgemäß in die christliche Gemeinde eingetreten als solche, die das Gegenstlick bilden zu jenen siebentausend Mann Apostg 6, 6 Anm.]. 6. Ist? aber sdies Uebrigbleibenlassen der Wenigen, von Seiten Gottes geschehen] aus Gnaden, so ist es nicht aus Verdienst der Werke; sonst würde Gnade nicht Gnade sein sda deren Wesen ja eben darin besteht, daß sie frei handelt und umsonst schenkt]. Ists aber sum zu desto nachdrücklicherer Geltendmachung dieser Schluß- folgerung der Werkgerechtigkeit der Andern gegen- über auch den gegentheiligen Sachverhalt auszu- sprechen] aus Verdienst der Werke, so ist die Gnade nichtsz sonst wäre Verdienst nicht Ver- diensts« [s. 5. Mos. I, 4 s.]. 7. Wie denn nun [wird demgemäß der Satz lauten, den wir an die Stelle des in V. I be- strittenen zu setzen haben, Gott habe sein Volk verstoßen]? Das Israel sucht sso muß es heißen] das erlanget es nicht sund das ist die Gerechtig- keit aus den Werken Kap. 10, 3]; die Wahl aber [von der in V. 5 die Rede war] erlanget ess- swas sie ihrerseits sucht, nämlich die Gerech- tigkeit aus dem Glauben Kap. 9, 30], die Andern sind berstockt sdaß sie eine solche Gerech- tigkeit, die sie ja ebenfalls erlangen könnten, nicht 106 Römer 11, 8———16. haben mögen Kuh. 9, 32 f.; und darin vollzieht sich an ihnen ein Gericht], 8. Wie geschrieben stehet swenn man die beiden Stellen: Jes. 29, 10 u. 5. Mos 29, 4 mit einander verbindet]: Gott hat ihnen gegeben einen erbitterten Geist [richtiger: Geist des Schlafs], Augen, daß sie nicht sehen, und Ohren, daß sie nicht hören, bis auf den heutigen Tag [vgl. Jes. S, 10; Apostg. 28, 26 f.; Luk. 8, 10]. 9. Und David fin Pf. 69, 23 f.] spricht: Laß ihren lmit niedlicher Speise und köstlichem Getränk wohl besetzten] Tisch fdaran sie in Wohl- leben schwelgeiq zu einem Strick sfür sie] werden sdarin sie sich fangen] und zu einer Beruckung [zu einem Jägergarn Pf. 35, 8] und zum Aetgetniß szu einer Falle, in die sie unver- sehens gerathen], nnd lzwar mache hierzu ihren TischJ ihnen zur Vergeltung ffijr ihre Verachtung. deiner Gnade und Verwersung deines Heils-J; 10. Verblende ihre Augen, daß sie nicht sehen [was·zu ihrem Frieden dient Luk. 19, 42], und beuge ihren Rucken allezeitH sso zusammen, daß sie lendenlahm seien und nicht aufrecht stehen und gehen können Pf. 66, 11]. V) Darin, daß der Apostel statt ,,Jsrael« die Be- zeichnung ,,sein Volk« wählt, liegt schon die Unmög- lichkeit und der Selbstwiderspruch der in der Frage enthaltenen Voraussetzung angedeutet, was dann noch bestimmter in V. 2 in der Beifügung hervortritt: ,,welches er zuvor versehen hat«. Wenn dann Paulus bei der Berufung aus seine eigene Person zu ,,auch ein Jsraeliter, von dem Samen Abrahams« den enealogischen Zusatz macht: ,,aus dem Geschlecht enjamin«, so dient derselbe dazu, den Begrissder reinen Jsraelitenschaft und des ächten Theokratenthums scharf hervorzuheben; denn bei der Trennung des Staates in zwei Reiche schlossen sich die Benjaminiten an den Stamm Juda an (1. Kön. 12, 21), und auch nach dem Exil bildeten diese beiden Stämme den Kern der neuen jüdischen Colonie in Palästina, vgl. Esra 4, 1; 10, 9. (Philippi.) Verstoßung Jsraels, welche Zurücknahme seines heilsgeschichtlichen Berufes wäre, ist, so will Paulus mit der Berufung auf seine Person sagen, unverträglich mit der Thatsache, daß derjenige ein Glied dieses Volks ist, den Gott dazu bestellt hat, die Heiden in die Gemeinde Christi einzuführen, indem hierdurch eben da, wo das Reich Gottes von Jsrael übergeht in das Völkerthum, Jsraels heilsgeschicht- licher Beruf besiegelt würde· (v. Hofmann.) «) Eine völlige und für alle Zeiten geltende Ver- wersung Jsraels brächte Gott auch insofern mit sich selbst in Widerspruch, als er nach ewiger Vorsehung dies Volk sich zum Eigenthum erkoren hat; und da muß denn sein in Ewigkeit über dasselbe gefaßter Gnadenrath allezeit, es sei so oder anders, zu seinem eschichtlichen Vollzuge kommen-· Wenn dem jetzt die hatsache entgegenzustehen scheint, daß Jsrael sich zum Heile in Christo abweisend verhält, so ist nicht zu vergessen, wie diese Thatsache in der Geschichte bereits ihre Analogie hat; gleichwie aber damals, so hat auch jetzt Gott sich einen Rest, ein Ueberbleibsel erhalten, das sind die, die an Christum gläubi ge- worden. (Röntsch.) Die christliche Kirche ist die ort- setzung der wahren Theokratiez diejenigen Juden also, die zu ihr übergetreten, sind die Ueberbliebenen, und sie sind das »durch Auswahl der Gnade«, d. i. durch eine Auswahl,welche die Gnade gemacht hat. (de Wette.) ANY) Das ,,nach der Wahl der Gnaden» am Schluß des vorigen Verses hat der Apostel aus den Worten V. 4: ,,ich habe mir lassen überbleiben« entnommen; es bildet, wie er nun hier ausdrücklich hervorhebt, den Gegensatz zu dem anmaßlichen Rechtsanspruche der jüdischen Werkgerechtigkeir Hierin also, nicht im absoluten göttlichen Dekret, ist die Verwersung der großen Masse des Volkes begründet; das absolute Dekret besteht vielmehr, wie Bengel sagt, darin, daß Gott beschlossen hat: «gerecht mache ich allein aus dem Glauben, keinen aber aus den Werken«, und dies Dekret kann niemand durchbrechen. (Philippi.) T) Das, wovon der Apostel sagt, daß Jsrael es nicht erlange, kann nicht ein und dasselbe sein mit dein, worauf sein Dichten und Trachten gerichtet ist (das Heil an sich oder die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt); wenn Jsraels Trachten auch darauf gerichtet wäre, und es erlangte es nicht, so müßte es ihm Gott lediglich deshalb geweigert haben, weil er’s ihm nicht geben wollte. Wohl aber ist Jsraels Sinn und Wille darauf gerichtet, eigene Gerechtigkeit zu beschaffen, durch Werke das Heil zu verdienen, auf dem nach V. 6 ausgeschlossenen Wege der Werkgerechtigkeit das zu werden als Volk, was die Wahl der Gnaden ge- worden ist; was es nun nicht erlangt, ist Gerechtigkeit vor Gott, Besitz der Gnadengabe des Heils, man kann also nicht sagen, es habe nicht erlangt, wonach es ver- langt und trachtet. Wohl aber hat die Wahl, wie der Apostel die Gesammtheit der Erkorenen nennt, das erlangt, worauf ihr Sinn und Wille steht, denn sie begehrt nichts Anderes, als aus Gnaden die Ge- meinde des Heils zu sein; es ergänzt sich also zu: ,,erlanget es« nicht: »das Jsrael sucht«, sondern: »das es (selber) sucht«, wie denn auch der Ton nicht auf Jsrael ruht, sondern auf sucht. (v. Hosmann.) H) Daß der Apostel sich hier wieder auf den objeetiven Standpunkt der Betrachtung stellt und die freigewollte menschliche That unter dem Gesichtspunkte der gottgeordneten Begebenheit auffaßt, hat darin seinen Grund, weil er von V. 11 an weiter entwickeln will, welche höheren Zwecke die göttliche Weisheit an diese, in ihren Vorsehungsplan mit aufgenommene Menschenthat geknüpft habe; denn wie die Behauptung, daß Gott das Volk Jsrael als solches verstoßen habe, schon dadurch widerlegt wird, daß eine Auswahl aus demselben zum Heile gelangt ist, die Gefallenen aber über den Fels ihrer eigenen Werkgerechtigkeit gestürzt sind, so findet sie weiterhin noch eine geniigendere Widerlegung darin, daß Gott diesen Sturz selbst geordnet hat, um durch denselben Andern den Weg zum Heile, ihnen selbst aber den Weg zur Rückkehr zu ebnen. (Philippi.) Es wäre durchaus unrichtig den apostolischen Gedanken in V. 12, daß Jsraels Fall der Heiden Reichthum geworden sei, dahin zu verstehen, daß so überhaupt nur die Möglichkeit ge- schaffen worden wäre, die Heiden zum Heile zu bringen; dann müßte von vornherein der Fall des Gottesvolks göttlicher Rathschlußgewesen sein, Jsrael hätte dann nicht anders gekonnt, als das Heil von sich abweiseih damit stünde es aber auch nun in seinem Unglauben gerechtfertigt da — eine Annahme, die den Apostel in grellsten Widerspruch mit sich selbst bringen würde (Kap. 9, 19 fs.). Gewiß, Jsrael sollte und konnte Christum und mit ihm das Heil ergreifen, und auf dies Ziel hin hat der HErr auch mit allem Ernste bei seinem Volke hingearbeitet; was Paulus behauptet und darlegt, ist nur das, daß Gott, dem vermöge Jsraels Verwerfung ist keineswegs das Ziel der Wege Gottes mit seinem erwählten Volke. 107 seiner Vorausficht alles bekannt ist, den Widerspruch und Ungehorsam Jsraels in seinen Heilsplan mit verflochten und eingeordnet hat. Weil und da es widerstrebt, hat Gott dies sein Widerstreben sich in seinen Planen dienstbar für die Heiden gemachtt wenn Jsrael gläubig geworden wäre, auch dann wäre die Heidenwelt des Heiles theilhaftig geworden, nur auf anderem Wege. Wir erhalten an diesem Beispiele einen Einblick, wie Gott die Ergebnisse menschlicher Freiheit in seine Heilsplane einzuordnen versteht, und gewinnen da den Grundsatz, den heilsgeschichtlichen Kanon, daß das menschliche Verhalten nur die Art und Weise des Vollzugs göttlichen Willens bestimmt, nicht aber dessen Vollzug selbst; nicht auf das Daß, wohl aber aus das Wie der Durchführung göttlichen Willens influirt unser Wille. Doch gilt dieser Kanon nur für das Ganze undGroße, für die Menschheit und die Völkerwelt, während, den Einzelnen an- gesehen, eine völlige Verneinung göttlichen Willens denkbar ist; denn Gottes Gnadenabsicht mit jedem Einzelnen ist es, ihn selig zu machen, und doch wissen wir, wie der Einzelne diese Liebesabsicht Gottes über und an sich verneinen kann. (Röntfch.) 11. So sage ich nun sin dem, was ihnen widerfahren ist, sogar etwas Heilsames erblickend, weiter]: Sind sie setwa] darum san den Stein des Anlaufens Kap. 9, ZZJ angelausen sals sie gegen Christum ungläubig sich verhärteten], das; sie fallen sollten sum nach Gottes Willen für immer liegen zu bleiben]? Das sei ferne! Sondern snachdem erfahrungsmäßig schon das hat angefangen zu geschehen, daß] aus ihrem Fall ist den Heiden das Heil widerfahren sKap. 9, 23 ff., läßt sich nach den Worten in«5. Mos. 32, 21 als Endziel der Wege Gottes mit ihnen auch bereits das er- kennen: sie find lediglich darum angelaufen], auf daß sie denen swelchen aus ihrem Fall das Heil widerfahren] nacheifern solltetti san ihnen wieder schätzen lernten, was sie ihrerseits muthwillens ver- scherzt, und schließlich ihnen wieder zuvorkämens 12. Denn so sgenauert So aber, wie ja bereits zu Tage getreten] ihr Fall der sbis dahin ohne Gott und fremd von den Testamenten der Verheißung dahin lebenden und darum für gar arm zu rechnenden] Welt Reichthnm ist sindem diese in Folge solchen Falles hinzugeführt worden zu Dem, durch den wir Menschen überhaupt erst in geistlichem Sinne reich werden Apostg 13, 46; Z— END· S, 7 U— 9]- Und ihr Schade sden sie am Heil dadurch erlitten haben, das; ihre bei Weitem größte Zahl von demselben ist ausgeschlossen worden] ist der Heiden Reichthum sindem nun diese in den vollen Heilsbesitz eingetreten find]: wie vielmehr swird es der Heiden-Welt Reichthum an Gnade und Heil einbringen], wenn ihre sjetzt so geminderte] Zahl san wahrhaftigen Abrahams- kindern und Erben der Verheißung durch Be- kehrung zu Christo] voll würde« [was gewiß noch einmal geschehen wird V· 25 f.]? 13. Mit euch Heiden sgerade] rede ich swenn ich folches, wie eben in V. 11 u. 12 ausge- sprochen worden, Vortrage, auf daß ihr nicht ver- kennet, was bei meinem Dienst an euch im tiefsten Grunde mich treibt und bewegt]; denn dieweil ich der Heiden Apostel bin szu einem solchen vornehmlich von dem HErrn berufen und als ein solcher von den andern Aposteln aus- drücklich auch anerkannt Kap. 1, M; Apostg 9, 15; Gal. 2, 7 sf.], will ich szwar durch treue Arbeit unter den Heiden] mein Amt preisen saber ich thue es doch nur im beständigen Hinblick auf Jsrael], 14. Ob ich setwa, je mehrere ich von den Heiden für Christum gewinne] möchte die, so mein Fleisch sind sdie Juden Kap. 9, 3], zu eifern reizen snicht länger hinter den in’s Reich Gottes in Fülle eingehenden Heiden zurückzubleiben] Und ihrer swenigstens] etliche sda freilich mein Absehen immerhin nur bei einer geringen Anzahl mir gelingen wird] selig machenspsp sdadurch, daß auch sie sich bewegen lassen, dem Evangelio ge: horfam zu werden Apostg. 28, 17 sf.]. 15. sOhne Zweifel ist und bleibt die Ge- winnung der Juden für Christum, die, wenn die Vollzahl V. 12 erreicht sein wird, auch die Wiedereinsetzung derselben als Volksganzes in die organische Gliederung des göttlichen Reichshaus- halts zur Folge hat, für die Heilsvollendung auch der Heidenwelt von der größten Wichtigkeit.] Denn so ihr Verlust [richtiger: ihre Verwerfung » von Seiten Gottes, daß sie aufgehört, sein Volk zu sein] der Welt Versöhnung ist [2. Cor. 5, 18 sf.], was wäre das anders, denn das Leben von den Todten nehmenf sdie revidirte Ausgabe vom J. 1867 hat hierfür« dem Grundtext gemäß: was wird ihre Annahme anders sein, denn Leben von denTodten — s. dieBem. zu Jes. 57, 21; Jer. Z, 25 u. Hes. 47, 12]? 16. sZu dieser Wiederannahme aber wird es dermaleinst um des durch eine zweimalige Gottesthat dem ganzen Jsrael aufgeprägten Charakters der Heiligkeit willen auf jeden Fall kommen :] Jst der Anbruch sder Abhub des Erst- lings-Teiges 4. Mos. 15, 17 ff., durch Abgabe an das Heiligthum] heilig swie es doch thatsäch- lich sich also verhält, daß an das Heiligthum der christlichen Heilsgemeinde Jsrael einen Theil seines Volksbestandes schon hat abgeben müfsen], so ist auch der sganze übrige, aus dem Jahres-Getreide bereitete] Teig heilig; und so die Wurzel heilig ist swie das ja mit dem Baume des israelitischen Volkes vermöge seiner wunderbaren Pflanzung durch Gottes eigene Hand Jes. 51, 1 f. wirklich der Fall] so sind auch die Zweige heiligH [vgl. V. 28; 1. Cor. 7, 14]. i) Gleich von vornherein deutet der Apostel den Endgedanken der nachfolgenden Entwickelung an, daß nämlich Jsraels Verwerfung nicht als eine schließliche 108 Römer 11, 17—20. und immerwährende, sondern nur als eine zeitweilige, als ein Fall, von dem noch ein Aufstehen in Aussicht -steht, zu bezeichnen sei; wenn er nun zugleich als Mittelzweck der göttlichen Liebe bei dieser Verwerfung Jsraels diesen angiebt, daß den Heiden das Heil widerfahre, so darf daraus nicht geschlossen werden, daß ohne den Fall Jsraels die Heiden gar nicht zum Heile gelangt wären. Die Glaubensannahme des Messias von Seiten Jsraels würde für den göttlichen Weltplan kein anderes Ziel, sondern nur einen an- deren Modus seiner geschichtlichen Verwirklichung er- geben haben. (Philippi.) Die messianischen Ver- heißungen haben von Anfang an auch den Heiden ge- golten (Kap. 4, 9sf.; 15, 9 ff.); der Unglaube der Juden hat nur bewirkt, daß die Einladung der Heiden und ihre Aufnahme desto eher erfolgt ist. Zuerst sollte der alttestamentlichen Vorbereitung gemäß ganz Jsrael für das messianische Heil gewonnen werden und den Stamm des neuen Gottesreichs bilden, an den sich die Heidenwelt anschlösse; als aber Jsrael die Einladung verschmähte, so erging sie unmittelbar an die Heiden, und es hat sich hiermit der Gang der Heilsökonomie dahin abgeändert, daß diejenigen, welche der Bestimmung nach die Ersten sein sollten, die Letzten eworden sind, doch soll die Aufnahme der Heiden elber dazu beitragen, daß Jsrael schließlich noch u seiner Bestimmung gelange. (Maier.) Jhr Fall ist ökonomisch beschränkt, daß er nicht zu einem Hinfallen in’s Verderben geworden; und er ist ökonomisch gewendet und verwendet zum Heil der Heiden. (Lange.) Japhet wohnt zwar jetzt in den Hütten der Kinder Sem’s (1. Mos. 9, 27), diese tragen die Schuld ihrer Väter und haben aufgehört, der Mittelpunkt der göttlichen Heilsanstalt zu sein; aber sie sind nicht auf immer verstoßen, sondern nur für eine Zeit ist ihnen der Vorzug entzogen, er bleibt ihnen aufgehoben. Sie gleichen einem durch Schuld der Vorfahren vom Thron gestoßenen Königsstamm, dem aber die Krone ausbehalten bleibt für die Zeit, da es Gott gefällt, ihn wieder in sein Reich einzuführen. (Olshausen.) Wie in einer Frau, die durch ihre Schuld von dem Manne verstoßen ist, die Eifersucht entbrennt, so daß sie dadurch sich getrieben fühlt, mit ihrem Ehegatten sich wieder zu versöhnen: so soll es ge- geschehen, daß die Juden, indem sie die Heiden an ihre Stelle getreten sehen, im Schmerz über ihre Ver- stcåißliingfndlich nach der Versöhnung mit Gott trachten. a vm. s IV) Schon an und für sich mußte der Gedanke, daß Jsraels Verwerfung so heilsame Folgen gehabt, und die Auszeichnung Gottes, welche hierin"gewisser- maßen für Jsrael liegt, zu dem andern überleiten, wie herrlich die Folgen von der Wiederannahme Jsraels fein würden; der Apostel kommt darauf in V. 15 zurück. (Tholuck.) Der erste Vordersatzx »so ihr Fall der Welt Reichthum is« hat keinen Nachsatz; er würde heißen: ,,wie viel mehr wird es ihr Wieder- aufstehen sein!« Paulus verschmilzt ihn aber in den Nachsatz zum zweiten Vordersatz: ,,wie viel mehr, wenn ihre Zahlvoll würde!« Denn »die volle Zahl«, die Bekehrung von ganz Jsrael (V. 26), ist eben ihr Wiederaufftehen (v- Gerlach.) Der künftige Voll- bestand Jsraels ist nicht blos ein gedachter Fall, der aber nicht wirklich wird, so daß man mit Luther über- setzen dürfte: »wenn ihre Zahl voll würd e«, sondern es muß heißen: ,,voll wird«; so gewiß jenes, der Schaden Jsraels ist, so gewiß wird dieses werden, die volle Zahl. Obgleich dies Volk jetzt so zerrissen und zersplittert ist in alle Welt, bilden doch die ciisjecta membra (aus einander gerissenen Glieder) desselben ein zusammengehöriges Ganze; ein Band der Einheit hält sie alle zusammen und hindert sie, sich zu verlieren unter die Völker, unter denen sie wohnen; sie sind nicht blos eine Summe Vieler, sie sind ein einheitliches Ganze. Dies einheitliche Volksganze also wird sich bekehren; gerade ihr Zusammenhang, in dem sie mit einander stehen, wird es möglich machen, daß— die Bekehrung eine allgemeine sei und Jsrael ein christliches sein wird, wie es jetzt ein nichtchrist- liches ist ——- eine Volksbekehrung Jsraels findet statt und ein bekehrtes Volk Jsrael ist das Resultat. (Luthardt.) Schon vor 300 Jahren erklärte ein spanischer Rabbinen »Auf uns Juden ruht ein Fluchi und ein Segen; man wird uns heben wollen und es nicht vermögen, denn es ruht ein Fluch auf uns (vgl. Hes. 20, 37), man wird uns vertilgen wollen, End es wird nicht gelingen, denn auf uns ruht ein egen. »Es-V) So groß war die Liebe des Apostels zu seinem Volke, und so durchdrungen war er von dessen hohen Gnadenv"orzügen, daß er, ungeachtet er Heidenapostel war, es doch als eine Verherrlichung seines Amtes ansah, wenn durch seine Thätigkeit unter den Heiden auch nur einige Juden nach Gottes heiliger Absicht zur Eifersucht gereizt und bekehrt würden; er sagt dies zu den Heiden, damit sie, wie er«in dem Fol- genden noch näher darauf eingeht, nie vergessen möch- ten, daß Gott bei ihrer Bekehrung noch immer an sein altes Bundesvolk denke und dessen Bekehrung durch die ihrige vorbereite. (V. Gerlach.) f) Wie hier Luthers Uebersetzung zu verstehen sei, wird man nicht so leicht einsehen; in der Randglosse sagt er: »von .den Todten das Leben holen ist nichts; wie sollte denn der Heiden Leben daher kommen, daß die Juden gefallen und todt sind? vielmehr sollen die todten Juden von der Heiden Exempel zum Leben gereizt werden«. Aber abgesehen davon, daß diese Auffassung eben das bestreitet, was der Apostel in V. 11f. ausdrücklich behauptet, bezeichnet auch der griech. Ausdruck (aus-solch, den Luther nach derVulgata mit ,,Verlust« übersetzt (Apostg. 27, 23), vielmehr die Wegw erfung-(Mark. 10, 50 ; Hebn 10, 35)- oder Ver- stoßung, zu der dann die (Wieder-) Annahme (-r9(5gtyis«g) in Gegensatz tritt. (Tholuck.) Wenn sich Jsrael bekehrt, so ist das nicht wie eine Bekehrung irgend eines andern Volkes, sondern die Bekehrung des erwählten Volkes: alle andern Völker haben nur kirchengeschichtlichen Beruf, Jsrael ist das Volk des heilsgeschichtlichen Berufs, ist es aber das, so wird seine Bekehrun Folgen haben nicht blos für die Kirrhengeschichta sondern— die Heilsgeschichta welche seit dem Schluß der apostolischen Zeit stille steht, wird einen Schritt vorwärts thun, die Erfüllung der neu- testamentlichen Weissagungen wird beginnen und sich anschließen an die-Heilsgeschichte, deren Bericht im neuen Testament niedergelegt ist. (Luthardt·) Als Gott das jüdische Volk von sich warf im Zorn, daß es aufhörte, seine Gemeinde zu sein, gedieh dies der Welt (die im Verhältniß der Feindschaft zu Gott sich befand Ephes 2, 1 ff.) zur Versöhnung mit ihm (ver- möge ihrer Berufung zu Christo): was wird, hiernach «zu urtheilen, damit eintreten, wenn er es sich nimmt in Güte, daß es wieder seine Gemeinde sei? Gewiß- is? HEXE-»F; I?T«k3«9eikis2« IF? dkåß Eis? 2FV"»T«L’TET.T ist für die außerisraelitische Welt, so mußgeg bei dem andern auch sein; es ann sich da nur fragen, ob eine g eistlich e Neubelebung der geistlich erstorbenen Heidenwelt gemeint sei (und das» ist mit Beziehung auf Osfenb Z, 16; 11, 7ff. allerdings der Fall), oder Jst der Anbruch heilig, so ist Eiuch der Teig heilig re. 109 ein Lebendigwerden innerhalb des Bereichs des leib- lichen Todes, so daß die Gott versöhnte Welt nun åskkdsausskdåmkkisp"ie ieikFdks ists-käme ist-Tit i mi o in er eiien er arungi - end?tte. (v. Hoftäilantli.) Aber gegen dåeskef von djen mei en neueren us egern vorgezogene r ärung, ie iederannahme Jsraels werde die Auferstehung der odten nach sich ziehen, haben wir (abgefehen davon, daß dafür sich sonst nirgends der Ausdruck: gest; Z« sue-posi- im neuen Testament findet, sondern immer nur czcviiegelrgisecäarg 158730342 End Fuge-IT) Fitkveiterlets einzug ia rai,a a or, enne wirklich die Auferstehung der Todten als das bekannte göirekgnißmirrsi Tugechhätktdeßdes Akktikegs niäekht eiånilangeln ür te; a li , a' ier ei er ara e ismus des Gedankens zwischen ,,diPr Welt Versöhnung«, d. i. der dem Reiche Gottes fern stehenden Heiden, und »Auferstehung der Todten« völlig wegfiele, während ihn der Zusammenhang (vgl. V. 1-: »der Heiden Reichthum«) schlechterdins fordert. Wir fassen also das Wort» im geistigen åinne (s. Kap. G, 13: cög Es» Hex-Ha«- d;m-Zi;d——- als kdie di; agisVdkki Frocidgen llebevndgg : ie ie eranna me e o e rae ir , wie vormals dessen Verstoßung zur Vedsöhnung der Heiden geholfen, so nunmehr Leben zeugen, wo alles dLem Ende verfallen· war åHef 47, 8 f.); ung) fsolcge rwe ung aus geitigem ode, aus einem utan e tåer Erstorbenheit ist gewiß mehr, als jene Versöhnfung s wird also, wenn der Zeitraum des Heidenchri ten- thums verflossen sein wird (Luk. 21,24) und das Volk Jsrdaeløkziei seigeräeksthrung wiedeg aufgdenomkxiien i? in ie emein e ri i, ein neue , wie erge orene Fretkelrcihedjer kJixizilschkzeit (Offenb. Z, 20; 11, 11 u. 13) . e er. d· syst) Zighchdegi lder Tlposstselk kåie groß? Ailigsichtssauf ie erri en ogen er ee rung «; rae ero ne hat, kommt er aus die Gründe für die Hoffnung dieser Fekegruiäklx xeklbstz es fszitnd zwlsi Gleicäjnåssleb dbied nitcht, ie ie u eger mei anne men, a e e e eu en, sondern während das zweite allerdings auf die »Erz- Väter und die Nachkommen derselben geht und mit dessen Wiederaufnahme in V. 17 ff. dann ein neuer Gedanke eintritt, bezeichnet das erste mit dem Anbruch jgxläubigzlen bJudåmbmitchdem Tizget ctzheersdkgüksigzni «e. nru ezeinena . o. , —- das Erftlingsbrod welches, wenn der Teig geknetet wurde, von dem vorweggenommenen Theile für den Priester gebacken ward; indem so der Anbruch als Repääsgntant ges chGanzen dem sEsFrn geheiligth wär, war e en da ur die ganze a e als gewei t e- Fraclhtet Was nun die Deutung des Bildes betrifft, o iegt es nahe, in Rückbeziehung auf die voran- gegangene Entwickelung den"»Anbruch« von der ,,Wahl der Gnadeix in V. 5 u. Z, d. i. von den gläubig ge- wordenenJuden zu erklaren, den ,»,Teig hingegen vorn! kubrksgen gjiasse des Fodlksksm xxrbieä Oiäelghe z g ei ie run mauer un en run e an er neutestamentlichen Kirche abgeben) ist gleichsam das ganze Volk geheiligt und sie bieten als Erstlinge das Unterpfand dafür, daß künftig noch das ganze Volk zum Heil gelazigen tråerde (Philippi.) Da der Aszzoskgb wie man im olgen en sieht, in dem zweiten i e mit den Zweigen die Glieder des jüdischen Volks in dieser ihrer Eigenschaft meint (Zweige des Baumes), so hat man· bei der Wurzel nicht an Christus Jesus, noch an die aus Jsrael hervorgegangene Christen- gleknieihndh fondexn ai(1 dgi fAhnherrnO des Vlrklskzs, Er; ra am zu den en. v. o mann.) ie zwö po e und die erste Zahl der bekehrten Juden gelten dem Paulus als der Anbruch, dessen Weihung an den HErrn ihm eine Bürgschaft dafür bietet, daß auch der übrige, jetzt noch zurückgebliebene Theil von Jsrael dennoch dem HErrn angehöre und seiner Zeit von ihm werde nachgeholt werden in sein Reich. Jst nun der An« bruch nur ein Theil von der Gesammtmasse, so ist dagegen die Wurzel dasjenige, woraus die Zweige hervorwachsem die Wurzel aber, aus der Jsrael hervorgewachsen, ist Abraham, mit ihm hängen die Juden organisch zusammen und haben also die Aus- sicht, auch der Segnungen dieser Wurzel theilhaft zu werden.— Wunderbar ist es, daß Jsrael unter Be- dingungen, die keinem Volke eine nationale Existenz fristen würden, nun fchon über 1800 Jahre aufgespart wird: dieses Faktum allein läßt fchon erwarten, daß der HErr mit diesem Volke noch große Dinge vorhat. (Wangemann.) 17. Ob aber nun fwie der Stand der Dinge gegenwärtig ist] etliche [Kap. Z, Z] von den Zweigen sdes edlen Oelbaumes Israel V. 24; Jer. 11, 16; Hof. 14, 7; Sach. 4, II] zerbrochen [ausgebrochen, von dem Baume abgethan] sind, Und du sder Christ aus den Heiden], da du ssolchem deinem heidnischen Volksthum gemäß] ein wilder Oelbaum warest, bist san Stelle der ausgebrochenen] unter sie fdie -noch verbliebenen Zweige V, b] gepfropset [1. Kön G, 31 Anm.], und theilhaftig worden der Wurzel und des Safts im Oelbaum [Kap. 4, 11. 16; 15, 27; Ephef 2, 11ff-1; . 18. So rühme dich nicht wider die [natur- lichen] Zweige sweder wider die ausgebrochenen, noch wider die verbliebenen, gleich als wärest du mit deiner Heidenschafh aus der du herkommst, etwas Besseres als alles, was Jude heißt]. Rühmest du dich aber sgleichwohh deines Gnaden- standes dich überhebend] wider sie sindem du der Meinung huldigst, daß du nun für alle Zeiten das Centrum des Reiches Gottes einnehmest, sie dagegen auf immer in die Peripherie hinaus- gedrängt seien], so sollst du wissen swohl bedenken, um solches Riihmen ein für alle Mal zu ver- lernen l. Cor. II, 16], daß du die Wurzel nicht trägst, sondern die Wurzel träger dichr sworaus folche Meinung als eine durchaus irrige sich ergiebt]. l9. So sprichst du sum dem gegenüber eine jetzt offen vorliegende Thatfache geltend zu machen und daraus deine Meinung zu begründen]: Die Zweige sind zerbrochen, das; ich hinein gepfropfet würde [oder, wie der HErr in Matth. 21, 43 sagt: das Reich Gottes ist von den Juden genommen und den Heiden gegeben]. 20. Jst wohl geredet ssolange es sich blos um die äußere Thatsache handelt; faßt man aber Grund und Ursache in’s Auge, so giebt die Thatsache dir, dem Heiden, keinen Anlaß zur Selbstüberhebung, sondern vielmehr zu kluger Vorsicht und ernster Besorgnißs Sie sind zer- brochen sausgebrochen aus dem Oelbaum der 110 Römer 11, 21—24. Theokraties um ihres Unglaubens willen, du stehest aber [als demselben eingepsropfter Zweig] durch den Glauben san Christum Jesum, in welchem die alttestamentliche Theokratie zu neutestament- licher Vollendung gekommen]; sei [nun] nicht stolz sals wäre solcher Stand schlechterdings ein un- verlierbarer für dich], sondern fürchte dich [1. Cor. to, 12]. 21. Hat Gott [nämlich] der natürlichen saus- Wurzel und Stamm selber hervorgewachsenen und also dem Baum unmittelbar angehörigen] Zweige nicht verschonet sso liegt» Ja die Befürchtung nur allzunahe]», daß er vielleicht dein sder du lediglich ein kiinstlich eingepflanzter Zweig bist] auch nicht verschonetr [Matth. 22, 11 ff.]. 22. Darum schau die Güte und den Ernst [d. i. die Strenge] Gottes [vgl. Kap. 2, 4]: den Ernst an denen, die gefallen sind, die Güte aber an dir, so ferne du an der Güte bleibest [Apostg. 13, 43; 1. Cur. 7, 24]; sonst wirst du auch abgehalten werden. — 23. Und jene sihrerseitss so sie nicht bleiben in dem Unglauben, werden sie [in den Oelbaum der Gemeinde Gottes wieder] eiugepfropfet werden [2. Cor. Z, 16]; Gott [bei dem kein Ding un- möglich] kann sie wohl wieder einpfropfen M. 24. sUnd zwar kann das nicht blos ge- schehen, sondern es wird auch einmal mit leichter Mühe von Seiten Gottes vollbracht werden.] Denn so du aus dem Oelbaum, der von Natur wild war [aus dem heidnischen Völkerthum, das dem Reiche Gottes gänzlich fern stand Ephes 2, 12], bist ausgehauen und wider die Natur [nach deren Gesetzen nur Verwandtes mit Verwandtem zUsammeUwächstJ in den guten Oelbaum gepfropfet [was doch ohne Zweifel ein äußerst schwieriges Werk und nur der allmächtigen Gnade Gottes möglich war, indem sie dich von Grund aus umschuf], wie vielmehr werden die natürlichen [Zweige, welche von Haus aus aus ihm heraus- gewachsen und so gleichsam ihm blutsverwandt waren] eingepfrohfet in ihren eigenen OelbaumH It) Von Wurzel und Zweigen hat der Apostel in der zweiten Hälfte des vorigen Verses geredet, also vom Baume; da verfolgt er denn das Bild weiter, und zwar ist es das Bild vom Oelbaume, das er aufnimmt, ein schon den Propheten geläufiges Bild fiir Jsrael als theokratisches Volk. (Röntsch.) Als Volk des heilsgeschichtlichen Berufs verhält sich Israel zu jedem andern Volke, wie der edle Oelbaum zum wilden: es ist in der Wurzel verschieden, weil es allein einen Ahnherrn hat, der es heiliger und heils- geschichtlicher Weise geworden ist, und der Saft, den es seinen Zweigen mittheilt, ist ein anderer, weil es die Heilsthaten Gottes«sind, aus denen es seine eigen- thümliche Lebensnahrung zieht. Da ist denn die Versetzung eines Nichtisraeliten in die Heilsgemeinde Christi Einpfropfung in den edlen Oelbaum Israel, indem er eines Gemeinlebens mittheilhaft wird, dessen Ursprung und ganze Vorgeschichte israelitisch ist; hieran erinnert der Apostel seinen heidnischen Leser, der etwa den Juden gegenüber darauf stolz sein wollte, daß er des Heils theilhaft ist. (v. Hofmannh Die Einpfropfung wilder Oelzweige auf den edlen Oel- baum kommt im Orient wirklich vor; diese Operation wird indessen vorgenommen, um mit dem Zweige dem Stamme zu nähen, nämlich seine Fruchtbarkeit zu fördern, und während der wilde Zweig zwar den Nahrungsfaft des edlen Baumes aufnimmt, so wird er selbst doch nicht veredelt. Allein es kommt dem Apostel in seinem Gleichniß nicht darauf an, genau die Naturwahrheit zu treffen, sondern nur, seinen Ge- danken klar zu machen, der in die Augen springt. Sind die Zweige die einzelnen Glieder des jiidischen Volks, so ist der Oelbaum oder dessen Stamm das Volk als Ganzes; aber das Voll? ist nicht nach seiner Nationalität gedacht, sondern als theokratischer Körper, und man kann also auch das Abstraktum »Reich Gottes« dafür setzen. So erklärt sich das ,,ausge- brochen«; es werden nämlich einzelne Glieder von dem Volke losgetrennt, inwiefern es der Körper der Theokratie ist, das Gottesreich constituirt, sie fallen um ihres Unglaubens willen beim Uebergang der alten Theokratie in die neue Form des geistigen Gottesreichs weg, während sie in Hinsicht auf Nationalität Glieder des Volkes bleiben. (Maier.) So erfcheint nun aber auch das von jenem Pfwpfverfahren entlehnte Bild nach allen Seiten hin als die denkbar treffendste Veranschaulichung des gesammten Sachverhältnisses; denn obschon der Wildlingszweig eingepfropft wird, damit der keine Frucht tragende Baum fruchtbar werde (Luk. 13, 6sf.; Matth 21, 43), so kann jener eben doch nur reichliche und gute Frucht tragen, weil er der Wurzel und des Safts des edlen Stammes theil- haftig geworden. (Riehm.) Sowohl aus zarter, schonender Liebe gegen sein Volk, als auch zurDämpfung der hochmiithigenSelbstüberhebung der Heiden gebraucht der Apostel den beschränkenden Ausdruck: ,,etliche von den Zweigen«, wiewohl doch in der Wirklichkeit das Volk in Masse abgefallen und nur ein Rest übrig ge- blieben war; im Anfchaun des stolzen Baums der durch Verheißung und Glauben geheiligten Theokratie, bestehend aus den Patriarchen und allen Gläubigen des alten Bandes, sowie den gläubigen Juden seiner Zeit, schwindet gleichsam vor seinen Blicken die Zahl der abtrünnigen Juden zusammen, und er ist um so weniger geneigt, die Größe dieser Zahl hervorzuheben, da sie ja auch an sich eine zum Verschwinden, d. h. zurWiederaufnahme in das Gottesreich, bestimmte Zahl war. Der Heidenchrist nun stand in Gefahr, auf Israel, welches er als Volksgan es verworfen sah, mit Verachtung herabzublicken und sich derGemeinschaft, aus der er stammte, weil sie mit der Aufnahme in das messianische Reich vor Jsrael bevorzugt war, stolz zu Überhebenz in individualisirender Weise redet denn der Apostel ihn mit »du« an (vgl. Kap. «2, 17), betrachtet ihn aber nicht als einen einzelnen Zweig des wilden Qelbaums, sondern bezeichnet ihn als solchen selber: ,,da du ein wilder Oelbaum warest«, weil dieser mit seinem sich Rühmen die Sache so ansiehet, als wäre schon die ganzeHeidenwelt dem Reiche Gottes einverleibt, in V. 24 dagegen gelangt der wahre Thatbestand zu seinem Ausdrucke. (Philippi.) Nach dem voraus- gegangenen Bilde vom wilden Oelbaum konnten die Heiden versucht sein sich zu rühmen, durch das Heiden- thum seien erst die Glieder der jüdischen Glaubens- kirche neu belebt worden, so wie man etwa gerühmt hat, das Germanenthum, das Lutherthum insbe- sondere, habe das Christenthum selbst reformirt, während doch das Christenthum von seinem Grunde Jhr eingepfropften Zweige des Oelbaums, rühmet euch nicht wider die natürlichen Zweige! 111 aus seine Erscheinungsformen reformirt hat und noch reformirt. (Lange.) Mögen diejenigen zusehen, daß sie nicht ,,wider sie sich rühmen«, welche die dereinstige Bekehrung der Juden nicht ugeben wollen. (Vengel.) «) In V. 19 stellt der rwidernde der Thatsache, die der Apostel im vorangehenden Verse geltend ge- macht und die ihn demüthigt, eine andere entgegen, von der er meint, daß sie ihn gleichwohl zum Rühmen berechtige: er macht geltend, was geschehen ist, näm- lich ein Ausbrechen von Zweigen, und mit welcher A bsicht es geschehen ist, nämlich um ihn einzupfropfen; und daraus, daß solches und daß es mit dieser Absicht geschehen, will er beweisen, daß er doch Grund habe, das zu thun, wovon der Apostel ihn abgemahnt hat. Die Thatsache selber nun konnte der Apostel, wie er in V. 20 dann thut, einräumen, auch so, wie sie der Heide ausdrückt, wenngleich er die Gesinnung nicht gutheißt, welche dem Ausdrücke der Heiden zu Grunde liegt; sein ,,ist wohl geredet« rechtfertigt sich aus dem richtigen Verständnisse dessen, was er selbst von der Verblendung des jüdischen Volks und von dem hieraus der Völkerwelt erwachsenen Segen gesagt hat. Ein ander Ding aber ist es mit dem Rühmen gegen- über dem jüdischen Volke, zu welchem der Heide darauf hin berechtigt zu sein wähnt: er sieht nur auf das, was geschehen ist, und läßt außer Acht, wie es ge- schehen ist, während gerade dies für sein Verhalten dazu maßgebend sein müßte. Der Unglaube hat gemacht, daß die Zweige ausgebrochen worden sind, und der Glaube ist es, vermöge dessen der Heide da steht, wo jene entfallen sind; wenn er dies erwägt, wird ihm die Furcht näher liegen als Hoffart, indem er, wie in V. 21 gesagt wird, nicht erwarten darf, daß Gott ihn ungestraft lasse, wenn er vom Glauben läßt, da er derer nicht verschont hat, die als natürliche Glieder seiner Gemeinde durch Unglauben sich ver- sündigt haben. (v. Hofmann.) Während der Apostel im Hinblick auf die göttliche Erwählung des Ganzen in V. 17 nur von etlichen abgebrochenen Zweigen redet, behauptet der Uebermuth der Gegner des Vol- kes Jsrael im Hinblick auf die vorliegende Thatsache seines allgemeinen Abfalls, daß sämmtliche Zweige ausgebrochen, d. i. die ganze jiidische Nation verworfen sei (V. 1); die Anmaßung und das hochmüthige Selbst- gefühl der Heidenchristen wird dann in den Worten: »daß ich hineingepfropft würde«, in welchem Satze das ,,ich« den Accent hat, markirt. Der Apostel ge- steht nun das Fakturn zu, giebt aber den wahren Grund desselben an, welcher nicht etwa in willkürlicher Vorliebe Gottes für die Heiden und in willkürlichem Hasse gegen Jsrael, sondern im Unglauben Jsraels und feiner Einbtldung auf eigene Trefflichkeit besteht. (Philippi.) Was der Heide, d. i. der Heidenchrish aus der Umkehrung des ursprünglichen Verhältnisses sich zu entnehmen hat, ist etwas ganz Anderes, als was er in seiner Selbstüberhebung sich daraus entnimmt, die ernste Warnung nämlich, daß, wenn Gott mit seinen Gerichten der natürlichen Zweige nicht verschont hat, er das um so weniger mit den von Haus aus wilden und später erst durch die Einpfropfung ver- edelten thun werde. (Röntsch.) Jene hatten doch vermöge ihrer natürlichen Verwandtschaft mit dem eigentlichen Stamm gewissermaßen ein Anrecht und konnten erwarten, Zweige zu bleiben; aber wenn jenen das nichts geholfen hat, wieviel weniger hast du, der ehemalige Heide, Aussicht, verschont zu werden, wenn du dieselben Bahnen einschlägst, wie das alte Israel. (Wangemann.) Hiernach ist es recht wohl möglich, daß der Heidenwelt ihr Leuchter weggerückt werde (Offenb. 2, 5); partielle Erscheinnngen der Art bietet schon die bisherige Geschichte dar, namentlich in der orientalischen Kirche (Olshausen.) IN) Hat der Apostel vorher an das menschliche Verhalten erinnert, in welchem die in Rede stehende Thatsache ihre Erklärung findet, so ermahnt er nun mit den Worten: ,,darum schau die Güte und den Ernst Gottes«, ein zwiefaches göttliches Ver- halten, welches hier vorliegt, in’s Auge zu fassen, eine göttliche Strenge, die sich an denen, die gefallen sind, erzeigt hat, und eine göttliche Güte, welche dem Angeredeten unter der Bedingung zugewendet ist, daß er sich an sie hält; denn hält er sich nicht an sie, so wird es ihm ebenso ergehen wie jenen, welche umge- kehrt, wenn sie von ihrem Unglauben lassen, ebensogut werden eingepfropst werden, wie es ihm geschehen ist. Gott ist wohl im Stande, fügt der Apostel hinzu, nicht ohne mit diesem selbstverständlichen Satze den Heiden zu befchämem welcher ganz außer Acht läßt, daß dies geschehen kann, Gott ist wohl im Stande, die ausgebrochenen Zweige, wenn die Bedingung sich erfüllt, ohne welche allerdings keine Rede davon sein könnte, dem Baume wieder einzupfropfem von dem er sie ausgebrochen hat. (v. Hofmann.) Was nach der zu V. 21 angeführten Bemerkung von Olshausen für möglich erklärt wurde und in partieller Weise der Kirchengeschichte gemäß bereits zur Wirklichkeit ge- worden, das wird nach richtigem Verständniß der Worte in Offenb 3, 16: »weil du aber lau bist, und weder kalt noch warm, so werde ich dich ausspeien aus meinem Munde«, die der siebenten und letzten Entwickelungsform der heidenchristlichen Kirche, der Gemeinde zu Laodicea, gelten, sowie des Gesichtes in Offenkx 11, 1—10 noch einmal zu voller Wirklichkeit werden, wie wir im Bibelwerk das sattsam an vielen Stellen nachgewiesen haben; weder hat der Apostel es mit einzelnen Personen, sondern nur mit der Heiden- christlichen Kirche in corpore zu thun bei dem ,,du«, dessen er sich seit V. 17 bedient, noch ist das Wort in V. 21: »daß er vielleicht dein auch nicht verschone« und das andere am Schluß des 22. Verses: ,,sonst wirst du auch abgehauen werden« ein bloßes Schreck- bild, das er der Heidenwelt vorhält — er weiß wohl, welchen Ausgang die kirchengeschichtliche Entwickelung znletzt nehmen werde. Vgl. zu Jer. Z, 25; Hes 36, 28; 37, 14 u. 28; 38, 3· s) Die durch das Wort am Schluß des vorigen Verses: »Gott kann sie wohl wieder einpfropfen« als mö glich erwiesene Thatsache der Zukunft stellt dieselbe hier in der Art als eine wirklich zu erwartende in Aussicht, daß es eine schon vorliegende dafür bürgen läßt: wie sollte, sagt der Apostel, das Eine geschehen sein nnd das Andere unterbleiben, während doch das Zweite weniger verwunderbar ist als das Erste? Das Eine besteht darin, daß ein Zweig von dem Baume, welchem er natürlicher Weise angehörte, einem wilden Oelbaume, abgehauen und, was gegen seine Natur war, in einen edlen Oelbaum eingesenkt worden ist; das Andere darin, daß mit denen, von deren Ein- pfropfung vorhin die Rede war, diese als ein ihrem natürlichen Verhältniß zu dem Baum entsprechender Vorgang sich vollzieht. Es handelt sich bei dieser Schlußfolgerung des Apostels um das verschiedene Verhältniß des Völkerthums und Jsraels zur Ge- meinde Gottes: der Heide steht in feiner Eigenschaft als Volksgenosse nicht nur außer Beziehung zur Ge- meinde Gottes und zu ihrer Geschichte, sondern auch in einem, von dem Wesen des natürlichen Volksthums untrennbaren Widerspruche mit ihr; er muß hinsicht- lich seines Verhältnisses zu Gott nicht nur aus dem Zusammenhange des adamitifchen Geschlechts heraus- 112 Römer II, 25—32. gehoben werden, um zu Christo sich zu bekehren, son- dern auch dem Geiste und der Geschichte feines Volks entfremdet werden, um ein Glied der Gemeinde Christi zu sein. Der Jude dagegen ist in seiner Eigenschaft als Volksgenosse der Gemeinde des Heils in dem Maße verwandt, als ihr Ursprung und ihre Geschichte Eins ist mit dem Ursprunge und der Geschichte seines Volks; seine Bekehrung zu Christo ist eine Bekehrung zu dem, was das unterscheidende Wesen seines Volks- thums ausmacht(vgl. zu es. 36,15).Je schmerzlicher nun es dem Apostel war, da dieses Volk als Volkseinheit außerhalb der Gemeinde Christi zu stehen kam, desto näher lag es ihm aber auch, zu hoffen, daß dieser unnatürliche Zustand nicht von Dauer sein werde. (v. Hofmann.) Es ist naturgemäß, will der Apostel sagen, daß der Zweig auf seinem eigenen Stamm bleibe, und es ist naturwidrig, daß er abgehauen werde, um in einen andern eingepflanzt zu werden; ist nun an den Heiden das Naturwidrige geschehen, so wird gewiß an den Juden das ursprünglich Natur- gemäße. wieder in sein Recht treten und» sich auf’s Neue erfüllen. (Philippi.) Die urspriingliche Anlage im Heilsrathschlusse Gottes war es ja doch, daß der in Abraham gepflanzte Stamm seine eigenen Zweige aus sich heraustreibe und entsaltez wenn nun·in solchen natürlich gewachsenen Baum andere Zweige eingepfropst werden, so geschieht an diesen zweierlei Unnatürliches —- das Eine, daß sie von ihrem eigenen Stamm ab- gehauen werden, das Andere, daß sie in einen fremden eingesenkt werden. Gott hat also die Heiden nur durch ein zwiefach widernatürliches Verfahren zu Zweigen im Reiche Gottes machen können; zwiesach hat hier die Natur durch die Gnade überwunden werden müssen. Dagegen, daß die von Abraham nach dem Fleisch Ab- stammenden auch Theil haben an den Verheißungen, die Abraham und seinem Samen gegeben sind, das ist etwas Naiürliches, Selbstverständliches; wenn also Gott die Unnatürlichkeit der Heiden überwunden hat, um sie in sein Reich einzunehmen, wievielmehr wird er doch geneigt sein, da, wo ihn außer seiner ·egen Juden und Heiden gleich großen allgemeinen iebe, Freundlichkeit und Barmherzigkeit, noch seine, an Jsrael gegebenen Verheißungen und das 2000 Jahre v. Chr. einnehmende natürliche Wachsthum seines Reichs in den Schranken des Abrahamssamens an seine Bundes- treue erinnern, da auch diese abgehauenen Oelzweige wieder in den Stamm, welchen sie ihren eigenen Stamm zu nennen berechtigt sind, aufzunehmen! (Wangemann,) · » 25. Ich will euch nicht verhalten [·Kap. 1, 13], lieben Bruder [die ihr aus den Heiden zu Christo bekehrt seid V. 13], dieses Geheimniß sdas durch besondere göttliche Offenbarung mir kund geworden 1. Cor. 15, 51], auf daß ihr nicht stolz [genauer: be-i euch selbst weise Jes. 5, 21; Spr. Z, 7] seid [d. i. nach der eigenen, vermeintlich klugen Vernunft euch über Jsraels Verwerfung eine Ansicht z1irecht macht und diese dann für Wahrheit haltet]. Blindheit [wörtlich: Verstockung gegen das Evangeliums ist Jsrael eines Theils szum Theil, was die »Andern« in V. 7 betrifft] widerfahren sdoch nur auf eine bestimmte Zeit], so lange bis die Fulle der Heiden [die Vollzahl aller derjenigen heidnischen Völker- schaften, die zuvor zum ewigen Leben verordnet sind V. 12; Apostg. 13, 48., in’s Reich Gottes Luk. 11, 521 eingegangen sei sauf daß sie dann ein Ende nehme Matth. 23, 39; Luk. 21, 24], 26. Und alsv lschließlich doch noch] das ganze Jsrael [durch Christum Jesum] selig werde fin derGesaniintheit der aus allen zwölf Stämmen Verstegeltetl Offevkb 7, 2 ff.1, wie geschrieben stehet sin Jes. 59, 20 s. u. 27, 9]: Es wird kommen aus Zion, der da erlose und abwende das gottlose Wesen von Jakob. 27. Und sso sagt der HErr selber in jenen Stellen bei Jesaia und bei Jerem. 31, 33 s.:] dies [was dort weiter folgt] ist mein Testament mit ihnen sder Bund, den ich alsdann anf’s Neuemit ihnen schließe], wenn ich ihre Sünde werde wegnehmen [vgl. zu Hes se, 32 u. 38]. Der Apostel läßt es nicht dabei, seine Hoffnung für Jsrael nur bedingter Weise im Vorhergehenden ausgesprochen zu haben; der letzte Satz: ,,wie viel mehr werden die natürlichen Zweige eingepfropfet in ihren eigenen Oelbanm« hat ihm schon den Uebergang gebahnt zur unbedingten Vorhersagung, die er nun zur Bestätigung der Thatsache, deren Erwartung er als eine durch die Bekehrung der Heiden verbürgte vorgestellt hat, mit den einleitenden Worten: ,,ich will euch nicht verhalten« anfchließt; und ein ,,Geheimniß« nennt er das auf diese Weise Eingeleitete, weil es nicht anders kund geworden ist noch gewußt werden kann, als vermöge heilsgefchichtlicher Offenbarung. »Auf daß ihr« nicht euch selber klug seid«, setzt er hinzu; denn wer sich selber klug ist, beurtheilt eine Sache nur so, wie sie ihm erscheint. Die bekehrten Heiden konnten es aus sehr erheblichen Gründen für undenkbar achten, daß sich das jüdische Volk, welches Jesum gekreuzigt und den Zeugen seiner Auferstehung nicht geglaubt hatte, doch noch einst als Volkseinheit von seiner Feindschaft gegen ihn zum bußsertigen Glauben an ihn sich bekehren sollte. Freilich, die Bekehrung einzelner Juden, weniger oder vieler, würde vernünftiger Weise niemandem haben unglaub- lich scheinen können; denn warum sollte nicht auch ferner vorkommen, was bisher so reichlich vorgekommen war? Wenn also hierauf sich beschränkte, was der Apostel seinen Lesern vergegenwärtigt haben wollte, so wäre unverständlich, wie er dies ein Geheimniß nennen konnte; wohl aber liegt daraus der Ton, daß die Verblendung, welche dem jüdischen Volk für jetzt widerfahren ist, ein Ende haben, nicht über einen gewissen Zeitpunkt hinaus währen wird, und der End- punkt, bis zu welchem es bei dem bisherigen Stande der Dinge bleibt, ist der, wenn »die Fülle der Heiden eingegangen ist«, nämlich da wird eingegangen sein, wohinein zu kommen dem jüdischen Volke durch seine Blindheit unmöglich ist. Jn dem Satze, daß alsdann, wenn dies geschehen fein wird, auch das gan e Jsrael werde selig werden, kommt denn nun zum bschlusse, was der Apostel als geoffenbarte Wahrheit angekündigt hat; es ruht da der Ton zumeist auf dem »ganz« im Gegensatz gegen den dermaligen Stand der Dinge, wo nur ein Theil des jüdischen Volks zum Heile ge- langt ist. Nächstdem ist aber auch das ,,also« betont, welches auf die im 25. Verse ausgesagte zeitliche Be- schränkung der dem jüdischen Volke widerfahrenen Verblendung sich bezieht: dadurch, daß sie ihm mit Be- schränkung ihrer Zeitdauer widerfahren ist und also seiner Zeit aufhört (vgl. zu Offenb. 12, 7 ff.), ist ihm die Möglichkeit gegeben, als Volk das Heil zu er- Das wirkliche Endziel der Wege Gottes mit seinem Volke. 113 langen, wie es jetzt als Volk verblendet ist. (v. Hof- mann.) Das Fortbestehen des israelitischen Volks unter allen übrigen Völkern, diese ganz einzige Er- scheinung in der Geschichte, hat also den -Zweck, daß Gott seine Vundestreue durch eine noch bevorstehende Gesainmtbekehrung des Volks dereinst verherrlichen will. (v. Gerlach.) Der Zeitpunkt, wo dieses eink treten werde, wird nicht bestimmt; aber man kann ihn nicht unmittelbar vor das Weltende setzen, weil nach V. 12 u. 15 von der gänzlichen Bekehrung Jsraels eine Rückwirkung auf ie schon bekehrten Völker zu erwarten steht, die doch wohl einen andauernden Zu- stand begründen soll. (Maier.) Auch wird jenes Ziel schwerlich durch die Thätigkeit der Mission erreicht; diese müßte zuvor ein ganz anderes Leben und Gestalt gewinnen, vor allem müßte es (was aber nach den eben angeführten Versen im guten Sinne nicht geschieht, sondern im gerade gegentheiligen) mit der Kirche der Heimath ganz anders werden. (Luthardt.) 28. Nach dem Evangelio halte ich sie für Feinde sso Luther nach Theodorets Erklärung der Worte, richtiger aber ist zu übersehen: Nach dem Evangelio zwar find sie Feinde, nämlich für. Gott, stehen zu ihm so, daß sie ihn wider sich haben, und das geschieht] um euret- willen [kommt euch zugute V. 11]; aber nach der Wahl [V. 2; Ies 48, 12] habe ich sie lieb srich- tiger: hat er sie lieb] um der Väter willen [Luk. J, 54f.; Hohel. 8, 6 f.]. 29. Gottes Gaben [Kap. 9, 4 f.] nnd Be- rufung swomit er nun einmal Israel zum Volke seiner Wahl gemacht hat Kap. 9, 13] mögen ihn nicht gereuen* [daß er je sie für immer zurüc- nehmen sollte Kap. 3, Z; 4. Mos. 23, 19]. 30. sUnd so wird zu dem gegenwärtigen Stande der Dinge noch einmal ein Gegenstück hinzukommen] Denn gleicher Weise, wie auch [besser fällt dies ,,nach« hinweg, da es in den besten Handschriften des Grundtextes fehlt] ihr weiland sda ihr noch im Heidenthum standet] nicht habt geglaubet an Gott ssondern seiner na- türlichen Offenbarung den Gehorsam verweigert Kap. 1, 18 ff.], nun aber [feit eurer Bekehrung zu Christo] habt ihr Barmherzigkeit überkommen [Kap. 15, 9., und zwar] über ihrem [der Juden] Unglauben saus Veranlassung des. Unglaubens, womit sie dem Evangelio nicht haben gehorsam sein wollen Kap. 10, Z. 16; Apostg. 13, 46]; 31. Also auch jene sdie Juden] haben jetzt nicht wollen glauben an die Barmherzigkeit, die sin Christo Jesu] euch widerfahren ist isund sind so gleichsam auf euren ehemaligen heidnischen Standpunkt von Gott heruntergesetzh aber das ist doch nur in der Absicht geschehen], auf daß sie [dereinst, wie davon in V. 25 f. die Rede war] auch sgleichwie ihr jetzt] Barmherzigkeit über- kommen-» « 32. geschichte mit ihrem Anfang zusammenschließen, der eine Gesammtwelt vorfand, wo beide, Juden sSo wird sich das Ende der Kirchen- und Griechen, alle unter der Sünde waren Kap- 3, 9]. Denn Gott hat alles [beide, von denen bisher die Rede war, Juden und Heiden] be- schlossen unter den Unglauben, auf daß er sich aller [der einen sowohl wie der andern, ebenfalls in ihrer Gesammtheit, doch nicht so, daß nun auch alle einzelnen Jndividuen darin eingeschlossen wären] erbarmeM sGat 3, 22]. V) Der Apostel will in diesen beiden Versen aus- sagen, wie die Juden dermalen zu Gott stehen: ihm sind sie einerseits Feinde, andrerseits Gegenstand seiner Lieb e; das eine sind sie ,,nach dem Evangelivo«, das anderes ,,nach der Wahl«, mit welchen Bezeiely nungen angegeben wird, was bestimmend dafur ist, daß sie das eine oder das andere sind. Er würde das Evangelium verleugnen, wenn er nicht wider sie wäre, nachdem sie demselben den Gehorsam weigern; und er müßte seine Erwählung verleugnen, wenn er ihnen nicht zugethan wäre, sofern sie eben sein Volk sind. Dem ersteren entspricht das ,,um euretwillen«, dem andern das ,-,um der Väter willen«: wenn Gott wider die Juden ist, so hat er dabei die Heiden im Auge, welche des Heils nicht theilhaft würden, wenn er den Ungehorsam der Juden gegen die Heilsbot- schaft nicht damit strafte, daß er sich eine Gemeinde schafft, von der sie ausgeschlossen sind; und wenn Gott den Juden deß ungeachtet andrerseits zugethan bleibt, so hat er dabei die Väter im Auge, welche um die Erfiillung der Hoffnung kämen, mit der sie auf Grund göttlicher Verheißung dem Endgeschick ihres Volks entgegensahenpwenn er das Verhältniß aufgäbe, in welchem er vermöge seiner Erwählung Jsraels bis jetzt zu diesem Volke sonderlich gestanden hat. (v. Hof- mann.) Gottes Berufung Jsraels muß sich noch ein- mal wirksam erweisen, weil sie unter keine Bedingung gestellt war, als sie geschah, sondern unbedingt das Volk zum Bundesvolk bestimmte; diese Bestimmung bezieht sich aber immer nur auf das Volk im Ganzen, die einzelnen Jsraeliten dagegen konnten bleibend abfallen, weil-Gott mit ihnen» den Bund nicht ge- schlossen. (Philippi.) Es verhält sich also gerade»so, wie der Baum nicht umgehauen wird, wenn der Gart- ner ihn der verdorreten und unfruchtbaren Zweige be- raubt, da es nie seine Absicht gewesen war, da er den Baum pflanzte, jeden Zweig zu erhalten, selbst zum Schaden des Baums. (v. Gerlach.) H) Das Räthsel, warum Gott sein Volk ein un- gläubiges Volk hat werden lassen, welches als Volk außerhalb der christlichen Gemeinde bleibt, findet seine Lösung darin, daß er schließlich ebenso, wie jetzt die Heidenwelt, nämlich wie diese als heidnische·Welt, und nicht in· einer Anzahl von Gläubigen, »die»sich Israel anschl1eßen, so auch die Juden alsjudisches Volk, und nicht in einer Anzahl von Gläubigen, die sich, einzeln der heidnischemChristenheit anschließen, zum Heile gelangen lassen will. (v. Hofmannh Wenn auch nicht unmittelbar, so doch mittelbar, wenn man auf das in V. 12 u. 15 Gesagte zurückblickh läßt sich aus V. 30 f. der Schluß ziehen: ward der Unglaube der Juden die Veranlassung zur Berufung der Heiden, so wird auch wiederum ein Abfall der Heiden der Anlaß der Wiederannahme der Juden sein. »Es) Der apostolische Ausspruch in diesem Verse bildet gleichsam den Schlußstein des ganzen bisher aufge- sührten Lehrgebäudesx preisgegeben hat Gott alle ohne Ausnahme, Heiden wie Juden, dem Unglauben, aber doch nur in der Absicht, sich aller zu erbarmen; nurist dies Handeln kein schöpferisches, setzendes, son- 114 Römer U, 33——36. dern ein aufnehmendes, ordnendes zielführendes Sünde und Unglauben hat Gott in seine Plane, und zwar in seine ewigen Liebesplane verflochten: ein tvundervoller Accord, in dem alle Dissonanzen sich versöhnend auflösen! (Röntsch.) IV· d. 33-—36. Wie Paulus in Nah. Z, 3t—39 den lehrbegrisslichen Kbsthnitt dieses didaktisrhen Gheils seiner Gpislel mit einem Griumphliede til-schloß, so thut er’s nun auch hier mit dem lehrgeschichtlichen Abschnitt; nur daß der Eobpreis hier die Ehre Gottes selber zum Inhalte hat, während dort die hohe Seligkeit der Gtäubigen und deren ttnerschtitterlichkeit allen störenden und feindlithen stlächten gegenüber es war, die im ltlordergrunde stand. »Der Apostel hat die kühne Höhe erreicht, von der sein Auge die weiten der Geschichte überschaut; Anfange— und Gndrunkt der heilsgeschichtlichen Entwickelung zeigen sich seinem Blicke, und öder dem dunkeln Gewölke der Sünde heht er he leuchten, die Sonne der göttlichen Gnade (tjohel. s, 6f.). Da beugt er seine Kniee und, überwöltigt von dem Reichthum göttlicher Gnade und Weisheit, bricht er in diesen itobpreis Gottes aus. So werden wir Gott einst preisen, wenn wir im Lichte der Gwigkeit die Dinge erkennen, wenn die tausend und abertausend dtäthseh die uns die Geschichte im Ganzen und Einzelnen vorlegt, sich uns lösen und die Fäden, die hier sieh oft zum wirren Knäuel zusammenrolltem nch einer nach dem andern ausrollencki (Epistel am Trinitatisssesteh Die Epistel des ersten Pfingsttages berichtet die Aufnahme von Juden und Judengenossen in die Ge- meinde, also die Stiftung der Kirche unter Jsrael; die Epistel des zweiten Festtages berichtet die Auf- nahme von Heiden in die Gemeinde, also die Stiftung der Kirche unter den Heiden. Die vorliegende Epistel knüpft hieran an; von den Anfängen der Kirche ver- setzt sie uns an das Ende der Wege Gottes, da Eine Heerde und Ein Hirte sein wird. (Nebe.) Jn dem Feste Trinitatis, dem Angelpunkt und Pol des Kirchen- jahres, begegnet sich beides, das selige Geheimniß der göttlichen Dreieinigkeit, das der Himmel anbetet, » und ihr größtes Werk auf Erden, die Wiedergeburt des erlösten Menschen. Die Kirche schaut auf das Festsemester zurück und zieht die Summe aller Er- fahrungen, welche sie in der Betrachtung der großen Thaten Gottes zu unserer Erlösung gemacht hat, und faßt dieselben in die Anbetung des dreieinigen Gottes, in welchem sie durch den Glauben das neue Leben hat, zusammen. Ehre dem dreieinigen Gott! denn er ist 1) aller Dinge Ursprung; Z) Bestand; Z) Ziel. (Sommer.) Die heiligen Tiefen der Gottheit: 1) wie sie vor uns stehen in Gottes Werken, Wegen und Wesen; Z) wie wir vor ihnen stehen in Demuth, Glauben und Hoffnung. (Gerok.) Der Christ vor den Tiefen der Gottheit. Er steht davor 1) in Demuth; L) in heiliger Ehrsurcht; Z) in dankbarem Lob Gottes. (Caspari.) Unser ganzes Heil ruht in der heil. Dreieinigkeit: 1) im Gnadenrath des Vaters, 2) in der Gnadenthat des Sohnes, Z) in der täglichen Ar- beit des heil. Geistes. (Ahlfeld.) Was der Apostel zum Lobe des allein wahren G ottes Ver- kündigt: er ist 1) der ewig Reiche, der alle Fülle in sich trägt;· 2) der unerforschlich« der ohne Offenbarung mcht erkannt werden kann; Z) der Hoch- erhabene, vor dem keiner ein Verdienst aufzuweisen hat; 4) der Einzige, dem allein Ehre gebührt. (Lehmus.) Der unerforschliche Gott: 1) uner- forschlich groß in seinem Wesen, darum müssen wir ihn ehrfurchtsvoll anderen; Z) unerforschlich reich an Erbarmen, darum müssen wir ihn über alle Dinge lieben; Z) unerforschlich weise in allen seinen Füh- rungen, darum müssen wir ihm kindlich vertrauen. (Couard.) Unser Gott ist ein verborgener Gott: I) woran man das gewahre, 2) wie oft man das erfahre, s) wovor uns das bewahre. (Schultze.) 33. O welch eine Tiefe soder überschwäng- liche Fülle] des Neichthums [so muß man hier am Schluß der ganzen Erörterung seit Kap. 9 mit anbetender Bewunderung ausrufen], beide [Jes. 27, 1 Anm. 2], der Weisheit und Er- kenntniß Gottes« [die er njcht nur besitzt und in sich trägt, sondern auch nach außen hin bei der Verwirklichung seiner Rathschlüsse in der Mensehenwelt walten läßt und bethätigt]! Wie gar unbegreiflich [auch für die höchste mensch- liche Vernunft und Einsicht] sind seine Gerichte swenn er die einen versteckt, während er der andern sich erbarmet Kap. 9, 18] Und Uner- forfchlieh [auch für den schärfsten Verstand und das tiefste Denken] feine Wege« sauf welchen er alles unter den Unglauben beschließt, um zu- letzt sich aller zu erbarmen V. 32]l 34. sUnd wie sollte es anders sein, als daß sich Gottes Gerichte und Wege allem Forschen und Begreisen der Menschen völlig entziehen?] Denn sheißt es mit Recht in Jes. 40, II] wer hat des HErrn Sinn erkannt? oder wer ist sein Nathgeber gewesen [1. Con 2, 16]? 35. Oder swie der HErr selber so fragt in Hiob 41, e] wer hat ihm etwas zuvor ge- geben, das ihm werde wieder vergoltenYikk 36. [Eine derartige Stellung irgend eines Menschen zu ihm, wie die drei Fragen sie ver- neinen, ist auch schlechterdings undenkbar.] Denn ser ist der Urselbständige und nach«jeder Rich- tung hin durchaus Unabhängige] von ihm und durch ihn und in ihm sso nach der Vulgata, richtiger schreibt Luther anderwärts: zu ihm] sind alle Dinge-s· ser ist als Schöpfer, Regierer und Vollender der gesammten Welt aller Dinge letzter Grund und letztes Ziel Ephes. 4, 6].i Ihm set Ehre in Ewigkeit! Amen [1.Petr1 4, 11; Gal. I, 5; ·Eph·es. 3,’21]. »Es) Durch das Wortletn«beide, welches Luther zwischen ,,des Re1chthums« emer- und »der Weisheit und Erkenntniß Gottes« andrerseits eingeschoben, hat er den ersten Genitiv: ,,des Reichthumstf von dem Wort »Tiefe«, von diesem ersten Genitiv aber dann weiter den zweitenund dritten: »der Weisheit und Erkennt- niß· Gottes« abhängig gemacht,· wie das auch ·die meisten älteren Ausleger thun; die Tiefe des Reich- thums bildet dann einen zusammengehörigen Begriff, der zwar der Sache nach gleichviel bedeutet wie ,,tiefer, unerschöpflicher Reichthum«, aber doch. der Form nach ein viel eonereterer, inhaltsvollerer Aus- druck ist, indem er Gottes Reichthum an Weisheit und Erkenntniß unter dem Bilde eines Meeres mit seiner unausschöpfbaren Wasserfälle vergegenwärtigg«(vgl. das glaserne Meer in Offenlx 4·, S; «15, 2). te unter«- schetden sich nun aber ,,Wetsheit« und ,,Erkenntniß Lobpreis der Weisheit und Erkenntniß Gottes. von einander? denn wenn wir einmal bei Luthers Auffassung der Worte des Grundtextes bleiben, so muß, damit das vorangestellte ,,beide«, welches s. v. a. unser Jetziges ,,svwvhl als auch« ist (griech. nat' —- nat)’, zu seinem Rechte komme, ein bestimmter, erfaßbarer Un- terschied zwischen beiden Eigenschaften nachzuweifen sein. Nun ist es ja herkömmlich geworden, die Weis- heit auf diejenige Thätigkeit Gottes, vermöge deren er sich die besten Zwecke setzt und zur Erreichung der- selben auch die besten Mittel wählt, zu beziehen, und wir können auch ohne Bedenken es bei dieser Er- klärung»bewenden lassen; hinsichtlich der Erkenntniß dagegen ist die Begriffsbestimmung schwieriger und wird darum auch verschieden von den Auslegern ver- sucht. Soviel steht indessen fest, daß das Erkennen im biblischen Sprachgebrauch nicht ein blos theoretisches Wissen um etwas bezeichnet, sondern vielmehr ein Eingehen des erkennenden Subjekts auf’den Gegen- stand, damit es sich zu thun macht, ein Aufheben der zwischen ihm und diesem Gegenstand bestehendenFremd- heit, ein an sich Heranziehen und sich Aneignen des- selben; daraus erklärt sich der Gebrauch dieses Worts theils im geschlechtlichen Sinne (1. Mos. 4, 1), theils zur Bezeichnun des göttlichen Erwählungsrathschlusses (Amos Z, 2 nm.), die älteren Theologen pflegten daher zu sagen, nicht blos ein nosse cum affectu, sondern auch cum effectu werde durch ,,erkennen« ausgedrückt. Wenden wir denn das auf die vor- liegende Stelle an, so steht Gott bei Ausführung und Durchführung seines Heilsrathschlusses ja Wesen gegen- über, die mit Freiheit des Willens begabt sind und den Wegen, die er nach seiner Weisheit einschlagen will, den größten Widerstand entgegensetzem wohl gar sie durchkreuzen und vereiteln; aber er kennt genau die menschlichen Herzen und ihre Anschläge, er weicht vor der Versunkenheit der Heiden und vor der Ver- stocktheitJsraels nicht als vor einem unbezwinglichen Hinderniß zurück, sondern weiß, wie er jenen dennoch beikommen und diese endlich herumholen soll. Engel wie Menschen würden angesichts einer solchen Aufgabe, wie er sie sich zur Ausrichtung seines Reiches auf Erden gesteckt hat, freilich rath- und machtlos dastehen; sie vermögen im Voraus nicht die Schwierigkeiten der Lösung nach allen Seiten hin zu übersehen, sie erkennen nicht die Tiefen des Satan (Offenb. 2, 24), der in den Kindern des Unglaubens sein Werk treibt. Aber Gottes Augen sind auch diese Tiefen nicht verborgen, und er findet wohl Mittel und Wege, selbst aus ihnen die Menschheit herauszuholen und sie an das Licht seiner Gnade zu führen. Anders nun, als Luther, betrachten die neueren Ausleger die drei Begriffe: »Reichthum, Weisheit, Erkenntniß« meistentheils als einander coordinirt und lassen sie in gleicher Weise von »Tiefe« abhängig sein: O welch eine Tiefe des Reichthums und der Weisheit und der Er- kenntnis; Gottes, worin denn das Erstaunen darüber sich ausdrückt, in welche unabsehbare Tiefe hinab a) Gottes Reichthum, b) seine Weisheit und c) seine Erkenntnis; sich erstrecke; er hat, wie von Hofmann diese dreifache Aussage von Gott erklärt, reichlich, um zu geben (Kap. 10, 12; PhiL 4, 19), ver- steht mit dem, was er hat, wohl umzugehen, und hat im bestimmten Falle die durchdringende Einsicht in die Verhältnisse, unter denen es verwendet fein will (vgl. die Bem. zu 1. Eor. 12, 8). Zu Gunsten dieser Auffassung hat man bemerkt, daß, wenn man mit Luther den ,,Reichthum« mit der »Tiefe« zu Einem Begriffe zusammenfaßh gerade diejenige Eigenschaft Gottes fehlen würde, deren Erwähnung man dem Zusammen- hange gemäß» vor allen Dingen erwartet, der Reich- er sich o tief deutüthigta 115 thum seiner Gnade in Christo Jesu (Ephes. I, 7; Z, 7) oder seiner Güte, Geduld und Langmiithigkeit (Kap. Z, 4). Jndessen ist es doch nicht sowohl die Univer- salität der göttlichen Gnade an sich, was den Apostel zu dem Lobpreis Gottes anregt, als vielmehr die Mannigfaltigkeit der Mittel, welcher die göttliche Weis- heit sich bedient, um diese Gnade geschichtlich zu ver- wirklichen und durch alle Gegensätze hindurch, ja ver- mittelst derselben zu ihrem Ziele zu leiten. Vgl. Ephes 3, 10; l. Petri 1, 12. . Es) Der Ausruf des Apostels besteht in zwei Sätzen, welche unverbunden einander nebengeordnet sind: bewundert der erste, in welche unabsehbare Tiefe hinab Gottes Reichthum und Weisheit und Er- kenntniß sich erstreckt, so redet der andere davon, wie so völlig sich Gottes Entscheide und Wege dem forschenden Blick des Menschen entziehen. Jene, die Entscheide (Luther: ,,Gerichte«) Gottes, sind seine Willensentschließungem die er dann selber ins Werk setzt, und die sind dem Menschen, der ja Gott nicht in’s Herz zu schauen vermag, unerforschban der Mensch erfährt, was Gott beschlossen hat, nur dann, wenn er es ihm kund giebt; diese, die Wege Gottes, sind die- jenigem welche er sich bahnt für die Verwirklichung seiner Entscheide, und die ausfindig zu machen, fehlt es dem Menschen an der nöthigen Spur, erst hinterher kann er sehen, welchen Weg Gott gegangen ist. (von Hofmann.) Unter den Rechtsfestsetzungen Gottes, was das im Grundtext für ,,Gerichte« stehende Wort zu- nächst bedeutet Maine-roh, sind wohl auch hier (vgl. Pf. 36,7; 119, 75; Weish. 12,12) seine Richtersprüche zu verstehen, so daß man an die im Vorhergehenden erwähnten Verstockungsgerichte zu denken hätte; im Gegensatze dazu bezeichiien dann die ,,Wege Got- tes« speziell die Gnadenwege, welche das Endziel seiner Gerichte bilden. (Philippi.) Alle Wege Gottes sind Gerichte, denn es giebt keinen Weg der Erlösung, wo nicht die Sünde zugleich gerichtet wird (1. Petri 4, 17); wiederum sind alle seine Gerichte, solange es noch nicht das letzte Gericht ist, verborgene Wege der Gnade. Wie Gott gerecht bleibt in der Gnade und gnädig in der Gerechtigkeit, das zu ermitteln ist eben , die Tiefe der göttlichen Liebesweisheit. ·(Stier.) sitt) Dreierlei verneint der Apostel von den Menschen- kindern, damit der Welt aller Ruhm in göttlichen Sachen genommen ist: den Sinn des HErrn erkennen, was er gedenke und vorhabe oder bei ihm selbst von Ewigkeit beschlossen habe; Rath geben oder weisen, was und wie er es vornehmen, angreifen und thun soll; und auch ihm geben, das ist, mit ihrem Vermögen " Kraft und That dazu helfen. Das ist alles men chs licher Natur unmöglichx denn weil sie seinen Sinn nicht kann erkennen, so wird sie viel weniger mit ihrer Weisheit und Thun ihm Rath geben oder was geben können. Darum ist es ja eine schändliche Vermessen- heit, daß sich die Welt solches untersteht, vermeint nicht allein Gottes Wesen, Willen und Werk durch sich selbst zu ersehen und zu treffen, sondern auch ihm Rath zu geben, wie er es machen solle und was er ihm solle gefallen lassen, ja, auch selbst mit ihren Werken ihm abverdienen und soviel thun, daß er ihnen müsse dafür vergelten. (Luther.) Wir brauchen uns nicht zu schämen, wenn' wir nicht mehr wissen als Der, welcher bis in den dritten Himmel entrückt worden nnd unaussprech- liche Geheimnisse gesehen hat (2. Eor. 12, 3f.), und der do hier kein ander Erzzelsindsn konnte, als daß a vin. s) Alles ist aus Gott: aus Gottes Schöpferkraft ist alles hervorgegangen, und er ist der Urgrund und Urquell aller Dinge; wäre neben Gott auch der 88 116 Römer 12, I. Z. Mensch Grund seines Werdens, so müßte er auch um das Werden wissen. So ist es aber nicht, vielmehr hat alles Bestehende seinen Grund und Ursprung nur in der Schöpfungsthat Gottes. Alles ist durch Gott: alles Vorhandene existirt nur durch Vermittlung Gottes, durch Gottes continuirliche Einwirkung, wie sie in der Erhaltung und Leitung der Welt hervortritt; könnte d er Mensch seinen Fortbestand sich vermitteln, so würde er auch selbständiges Bewußtsein von dem in dieser erhaltenden Thätigkeit zum Vollzug kommenden Ge- danken haben. So ist es aber nicht, vielmehr hängt des Menschen Fortbestand lediglich von göttlicher Machtäußerung ab. Alles ist zu Gott: nichts auf Erden und im Himmel kann sich eine von Gott unab- hängige Bestimmung geben, sondern alles muß dem Zwecke Gottes dienen; wäre für das Ziel der Ent- wicklung des Menschen neben Gottes auch der mensch- liche Wille maßgebend, so wäre neben Gott auch der Mensch als letzter Zielpunkt und ein Bewußsein des Menschen hiervon denkbar. So ist es aber nicht, Gott ist aller Dinge einiges Ende; denn weil alles aus ihm geflossen, so suchet alles auch in ihm seine Ruhe. Alle Dinge haben ihr bestimmtes Ziel erreicht, wenn Gott ist alles in allen (1. Cor. 15, Z8). Man hat in unsrer Stelle eine Hindeutung auf die Dreieinigkeit Gottes gefunden: der Vater ist der Urquell von allem, der Sohn ist der Vermittler und Ordner alles Daseins, der heil. Geist ist der Lebensstrom, der alle Dinge beseelt und sie auf ihren Ursprung zurückleitet (1. Cor. 8, 6); wenn wir indessen erwägen, daß das ,,ihm« doch nur auf den in V. 34 genannten HErrn oder nach V. 33 auf Gott sich beziehen kann, und wenn wir den Zusammenhang in’s Auge fassen, in welchem unsre Stelle steht und in dem nur davon die Rede ist, wie wunderbar Gott die Geschicke der Völker, insonder- heit auch Jsraels leitet, so ist es sicherlich nur die einheitliche Person Gottes, welche der Apostel bei seinem Ansspruch im Sinne hat. Es ist richtig, daß die Trinitätslehre im Bewußtsein Pauli lebendig war; aber hier hat er sie nicht ausgesprochen. (Sommer.) Auch ist es biblisch nicht richtig, den heil. Geist als das letzte Ziel der Dinge hinzustellen (dies fühlend, hat man eben statt ,,zu ihm« das »in ihm« gesetzt); wenn der Sohn nach 1. Cor. 15, 24 ff. am Ende das Reich Gott dem Vater überantwortet, alles, was ihm unterthan ist, dem Vater unterstellt und sich selbst ihm unterwirft, damit Gott sei alles in allem, so kann hiernach der heil. Geist nicht als dasletzte Ziel aller Dinge bezeichnet werden. (Nebe.) Das 12". Kapitel. Chrisicirhe Lebens-regeln. C« Es folgt ietzt der zweite, paränetische Theil« (vgt. die Eint. zu ileiap 1, 18 ss.); derselbe zeigt die Früchte aus, an denen die Gesundheit des Glaubens der Römer gemessen werden soll, erinnert sie an ihren Beruf, auf Grund der erfahrcnen Barmherzigkeit Gottes den lebendigen Gottesdienst in der Vollziehung des realen srandopfcrs darzuslellen, und geht nach einigen naehdrsirlilichen Gr- Mahnungen, die auf den Ghrislenwandel im Allgemeinen gerichtet sind, darnach auf mehrere spezielle Verhältnisse des Gemeindetebens ein. I- U. 1«—Kap. II, 7. Ist der Glaube die ljiunahme des Opsers Christi, so ist wiederum des Glaubens Frucht die Hingabe des Ghristenmenschen an Gott zum Opfer seines Wohlgefallens in Christo: die Ermahnung zu diesem Sellsstopfer stellt Paulus an die Spitze der vierlehatls Kapitel, worin er die heiligen zu Rom aus- ruft, mit ihrem neuen Erben den ltjGrrn zu preisen. hat er nun damit die Stellung des Christen zu Gott liurz und tsestimmt gekennzeichnet (v.1 u. 2), so charak- terisirt er daraus weiter auch des Christen Stellung zur Gemeine und zum Uärhsten überhaupt, auch zum Feind e W. 3—2l), und ebenso dessensteltung zur irdischen Obrigkeit (Kap.13, l—7). (Episiel am l. Sonntag nach Epiphania.) Mit feinem Sinn hat die alte Kirche das 12· Kap. des Römerbriefs zu den Episteltexten der drei ersten Epiphaniensonntage verwendet: angeschienen von der Barmherzigkeit Gottes und seiner heilsamen Gnade, die in dem Christkinde erschienen ist allen Menschen, leuchte die Gemeinde herwieder von dem Lichte, welches über ihr anfge angen. (Besser.) Das Evangelium des l. Sonntags (guk. Z, 41 sf.) zeigt uns den zwölfjährigen Jesus im Tempel zu Jerusalem, wie er Gott dienet, wie er in dem Hause seines Vaters so ganz und gar ist in dem, das seines Vaters ist, daß er alles Andere darüber hintenansetzt und vergißt:-die Epistel führt uns auch in das Haus Gottes, um den vernünftigen Gottesdienst, das lebendige, heilige, gottwohlgefällige Opfer, das wir darbringen sollen, uns zu le en. (Nebe.) Von des Christen gottwohlgesälligem Opferdienste: 1) er opfert sich selbst mit Leib und Leben seinem Gotte; Z) was die Welt an ihm hat, das opfert er täglich, um nach Gottes Willen zu wandeln; Z) was er an Gaben empfangen, das stellt er in demüthig dienender Liebe seinen Brüdern zu Dienst. (Langbein.) Worin erzeigt sich der vernünftige Gottesdienst des Christen? I) in dem Opfer, das er bringt; Z) in dem Gehorsam, den er be- thätigtz Z) in der De1nuth, mit der er dient. Der durch den heil. Geist erneuerte Christ: 1) der Dienst, den er übt, Z) die Regel, danach er lebt, B) das Ziel, dem er zustrebt. (Sommer.) Das Leb en des Christen ist ein Opferdiensh es ist dies 1) in der Hingabe an Gott, Z) in der Verleugnung der W elt, Z) in dem Wirken für die Brüd er. (Stählin.) Wozu die Erfahrung der göttlichen Barm- herzigkeit uns bewegen soll? I) zu entschiedener Verleugnung der Welt, Z) zu völliger Hingabe an Gott, 3) zu detnüthigem Dienst an den Brüdern. (Wiesinger.) Was gehört dazu, ein lebendiges Glied am Leibe Christi u sein? 1) der rechte Gottesdienst, Z) die rechte ildung, Z) die rechte Arbeit. (Otto.) Wollen wir der Welt uns nicht gleichstellen, wie haben wir da uns zu stellen: I) zu Gott, Z) zu uns selbst, 3) zu dem Nächsten? (E1gene Arbeit) · 1. Ich» ermahne euch snunr Ephes.4,1], lieben Bruder lnachdem ich in den bisherigen Kapiteln das Evangelium von Christo Kap. 1, 16 f. so ausführlich euch vorgetragen habe], durch die Barmherzigkeit Gottes sauf Grund der Barmherzigkeit, die Gott mittels desselben auch über euch wie einen Strom ausgeschüttet, indem er in Christo euch Vergebung der Sünden ge- schenkt, zu seinen Kindern euch gemacht, Friede und Freude im heil. Geist, Kraft zur Heiligung und die Hoffnung des ewigen Lebens euch mit- getheilt hat 15, 9], daß ihr sin herzlicher Dank- barkeit gegen ihn] eure Leiber lund zwar ein jeder ser seit Kap Der zweite, paränetische Theil: I. hinsichtlich des Christenwandels im Allgemeinen. 117 unter euch den seinen] begebet sihm darstellet, wie beim vorbildlichen Opferdienst die Opferthiere an den Altar gebracht und damit Gott zur Em- pfangnahme dargeboten werden 3. Mos. 16, 20] Im Opfer, das da lebendig, heilig und ott wohlgefallig set, welches sBegeben eurer Leiber zu einem solchen Opfer] sei euer ver- nünftiger sder Idee eines Gottesdienstes wahr- haft entsprechenders Gottesdienstkii 2. Uud stellet euch fda Gottesdienst nicht zusammen mit Weltdienst bestehen mag Matth. S, 24; 1. Joh. 2, 15; Jak. 4, 4J nicht dieser Welt gleich [daß ihr euch so halten und ver- halten wolltet, wie die, welche noch der gegen- wärtigen argen Welt Gal. 1, 4 angehören, in der das Fleisch die Herrschast führt und die fleischliche Gesinnung ihre Feindschast gegen Gott zum Ausdruck bringts sondern verändert euch [indem ihr euch umgestaltet nach einem andern Muster und Vorbild I. Petri 2, 21] durch [be- ständige] Verneuerung eures Sinnes sder vordem ja auch der der Weltkinder gewesen],»auf daß ihr [in solcher neuen Verfassungs prufen möget, welches da sei der gute stm All- gemeinen über das, was gut und recht ist, ent- scheidende], der wohlgefållige [auch in dem jedesmal vorliegenden speziellen Falle zur An- wendung kommende] und der vollkommene fdem uns gesteckten Ziele der Vollkommenheit Matth. 5, 48 entgegenführende] Gotteswillesllc V) Wie Ein Gedanke liegt dem Apostel vor, was . l, 16 f. im Anschlusse an jenen Satz und als Ausführung desselben geschrieben hat; aber damit hatte er seinem Bedürfnisse, der Gemeinde eine geist- liche Gabe zukommen zu lassen (1,11), noch nicht völlig Genüge gethan, er mußte auch aus das Ein- zelne des christlichen Lebens eingehen und darin den Christenstand zu bewähren sie ermahnen, insonderheit wie er gerade diese Gemeinde dessen bedürftig oder ihr es dienlich wußte. (v. HofmannJ Aus dem Glauben an Christum und seine geschehene Erlösung muß das ächt sittliche Leben sich freilich nothwendig erzeugen, so gewiß als, wo Feuer ist, Licht und Wärme sich verbreiten muß; wollte man indeß daraus folgern, daß es demnach keiner besonderen ethischen Er- Mahnungen bedürfte, so würde man die Verkehrtheit der menschlichen Natur verkennen. Hätte nämlich in jedem Individuum das Glaubensleben seinen durch- .aus richtigen Verlauf, so wäre allerdings nicht nöthig, besonders an die Früchte zu erinnern, die aus demselben hervorgehen sollen, sowenig als es beson- derer Vorkehrungen bedarf, um einen edlen Baum zum Tragen edler Früchte zu veranlassen; allein im wandelbaren Menschen hat das Leben keinen so physisch normirten Verlauf, das aus einander gefallene Ver- hältnis; von Kopf und Herz läßt ihn oft sich einreden, er habe das Glaubensleben, ohne daß er es wirklich besitzt Daher ist es nothwendig; auf die Früchte des Glaubens hinzuweisen, indem er Mangel derselben ein entscheidendes Kennzeichen für die Mängel des Inneren ist. Die Absicht bei den ethischen Er- mahnungen ist daher zunächst nicht, durch dieselben die Früchte zu erzeugen: das ist überall nicht die Fähig- — keit des Gefetzes, auch nicht in seiner neutestamentlichen Form. Jnzwischen ist ihr Zweck doch auch nicht jener rein negative, blos einen Spiegel bilden zu sollen, in dem der Leser erkennen könne, was er nicht hat und ist; vielmehr haben die ethischen Ermahnungen des neuen Testaments darin ihren positiv en Charakter daß sie zwar nicht produeirend wirken (denn das kann blos der Glaube oder die die Ermahnungen begleitende Kraft des Geistes) wohl aber das Bewußtsein wecken sollen, wie weit die Glaubenskraft in alle, auch die feinsten Lebensverhältnisx hineinwirken muß. Die geförderten Glieder der irche, vor allen die Apostel, haben den-nach den andern den Weg zu zeigen, um allmälig zu allseitiger Durchdringung des christlichen Prinzips zu gelangen. (Olshausen.) »Es) Jn der Heiligung des Lebens nach außen, welches eben leibliches Leben ist, muß sich die Wand- lung erzeigen, welche durch Gottes Erbarmen inner- lich mit dem Christen vorgegangen ist; er muß also fort und fort seinen Leib Gotte begeben als etwas, das nicht ferner ihm, wie er von Natur ist, gehört, sondern Gotte, in dessen Dienste er steht. Dies heißt aber ihn als Opfer darstellen; und daß nun der Apostel dieses Opfer ein lebendiges, heiliges, gottwohlgefälliges nennt, geschieht nicht im Gegensatz, zu den Thieropfern des alttestamentlichen Gottesdienstes, welche ja nicht von alle dem das Gegentheil, sondern alles dies in ihrer Weise auch waren, sondern was dieselben alt- testamentlicher Weise gewesen sind, das soll der Chrisst in seinem gottgeweiheten Leben neutestamentlicher Wei e sein, indem er sich selbst zum Opfer begiebt. Solche Selbstbegebung an Gott bezeichnet Paulus als einen ,,verniinftigen Gottesdiens «, weil er dem denkthätigen Wesen des Menschen gleichartig ist, im Gegensatz gegen einen auf das Gebiet des Stofflichen eingeschränkten und deshalb auch gedankenlos vollziehbaren Gottes- dienst. (v. Hosmann.) Als lebendiges Opfer soll der Christ sein Leibesleben darstellen, d. h. als ein Opfer, das nicht blos in einem äußeren Thun besteht, sondern das auch von Herzen kommt, aus freiem Antrieb in dankbarer Liebe Gott dargebracht wird. (Sommer.) Die Leiber sollen wir dann weiter als heiliges Opfer Gott darbringen. Was wir Gott darbringein nehmen wir aus dem gewöhnlichen, gemeinen Gebrauche heraus; was heilig ist, ist für Gott ausgesondert. Indem wir unsre Leiber Gott darbringen, stellen wir sie in seinen Dienst, in den Gehorsam seines Willens, zur Förderung seiner Ehre. Dieses lebendige, heilige Opfer ist nun aber auch Gott wohlgefällig. Was kann es Gott wohlgefallen, wenn wir ihm alle Güter in der Welt geben, aber unser Herz, nach welchem er verlangt, ihm vorenthalten? doch was hülfe es, wenn wir Gott unser Herz, unsern inwendigen Menschen übergeben wollten, aber den äußeren Menschen, unser leibliches Leben ihm nicht weiheten? Der wahrhaftige Gottesdienst soll ein Anbeten Gottes im Geist und in der Wahrheit sein: dieses Wort ist solange unerfüllt, als wir Gott blos Seele und Geist opfern, und nicht auch den Leib; die Anbetung im Geist wird dadurch erst eine Anbetung in der Wahrheit, wenn wir das, was der Geist Gott gelobt, in dem Leibesleben leisten. (Nebe.) Vernünftig ist unser, in christlichem Selbst- opfer bestehender Gottesdienst, weil dieser Gottesdienst ein gotteswürdiger und gottgemäßer ist, gleichwie die lautere Milch des Evangelii vernünftig heißt (l.Petri 2, 2), weil sie die den Kindern Gottes gemäße Nahrung ist. Jm Geist und in der Wahrheit dienen wir Gott, der Geist und Wahrheit ist (Joh. 4, 24), indem wir unsre Leiber begeben zum lebendigen, heiligen, Gott wohlgefälligen Opfer: todte Werke erzwungenermaßen 118 leisten, mit Werken umgehen auf Verdienst und Eigen- lob, Werke erfinden nach eigenem Gutdünkel, ist un- vernünftiger Gottesdienst. Die ungläubigen Juden sind in diesem Stück nicht oder doch nur zu ihrem Nachtheil unterschieden von den gottlosen Heiden mit ihren unvernünftigen Gottesdiensten (Kap. 1, 25); unser christlichesOpferleben aber ist ein rechtschaffenes Priester- thum und recht vernünftiger Gottesdienst, wie er ziemt den Gläubigen an Jesum Christum, der sich selbst zum Opfer dargegeben und sich ein Volk geheiligt hat zur Priesterschaft in seinem Namen. (Befser.) Bemerkens- werth ist, daß der vernünftige Gottesdienst gerade der römischen Gemeinde empfohlen wird. (Lange.) sitt) Der Apostel verlangt hier, daß die Christen nicht in Meinung und Sitten, im Denken und Thun den Weltkindern gleich werden, welche noch in dem Machtgebiet des Satan sich befinden und in welchen noch die Sünde herrscht (Kap. 13, 13; Ephes.4,18f.), sondern sich verändern, d. h. in ihren Gedanken, Worten und Werken diejenige Form annehmen, in welcher sich die Gestalt Christi wiederspiegelt (Gal. 4, 19); diese Veränderung soll denn vor sich gehen durch Verneuerung ihres Sinnes. Der Sinn des Geistes steht im natürlichen Zustande unter der Herrschaft der Sünde und bedarf der Erneuerung, welche zwar durch die Wirkung des heil. Geistes jedem Gläubigen zu Theil wird, bei welcher aber auch der Christ durch sein Wollen thätig fein muß. Auch der Christ bedarf der fortwährenden Verneuerung seines Sinnes durch die erneuernde Wirkung des heil. Geistes, weil auch in ihm, solange er in diesem Leibes-leben sich befindet, die alte Natur nie ganz aufhört, sondern immer Fleisch und Geist sich widerstreiten; er hat täg- lich an sich zu bessern, vom alten Menschen abzubrechen und vom neuen hi usetzen und so immer mehr der Herrschaft des Geistes Gottes sich zu untergehen, auf daß er immer mehr aufhöre zu sein, was er von Natur ist, und immer mehr anfange und fortfahre zu sein, was er aus Gnaden werden soll. Die Verän- derung durch Verneuerung des Sinnes soll nun bei dem Christen zu dem Zwecke sich vollziehen, daß er prüfe, was der Wille Gottes, und zwar, was der gute, der wohlgefällige und der vollkommene Gottes- wille sei. (Sommer.) Der natürliche Mensch ist des Sinnes, nur immer darnach zu fragen, was dem Fleische wohl thue; je mehr aber die innerliche Er- neuerung fortschreitet, desto mehr prüfen wir in jedem einzelnen Falle, was Gottes Wille sei. (v. Hofmann.) Das Christenleben soll nicht durch eine äußere Ge- setzgebung, sondern durch die innere, welche durch geistige Prüfung und Selbstbestimmung geleitet wird (Gal..6, 4; Ephes. 5, 10; Phil. I, 10), seine Ent- wickelung erhalten. (Lange.) Gottes Gebot in seinem heil. Gesetz ist eine allgemeine Regel, deren Anwendung im einzelnen Falle auch gewußt werden muß. Er sagt: du follst deinen Nächsten lieben wie dich selbst; aber wann diese Liebe durch Geben und wann durch Versagen, wann durch Verzeihen und wann durch Strafen, wann durch Milde und wann durch Strenge zu üben, das sagt das Gesetz nicht. Und wenn ihr nun in das Leben eingehet, giebt es da nicht in den ehelichen Verhältnissen, zwischen Eltern und Kindern, Dienstboten und Herrschaften, Vorgesetzten und Unter- ebenen, Fremden und Bekannten, und in den Ge- sjchästen und hundert Verrichtungen des Lebens, giebt es da nicht überall Fälle, wo euer Gemüth im Zweifel steht? Oftmals in nicht geringen, sondern in den allerwichtigsten Dingen, was gäben wir nicht darum, wenn uns jemand mit Sicherheit sagen könnte, was hier das Rechte, nämlich der Wille Gottes sei zu thun? Römer 12, 3——6. Es ist bedenklich, in solchen Fällen das Loos ent- scheiden zu lassen; es ist Thorheih sich durch sogenanntes Bibelausschlagen zu helfen, Gott zu versuchen und sem Wort zu mißbrauchen Aber was ist denn nun sein Weg der Erkenntniß und die jrechte Erforschung des göttlichen Willens? Jhr fühlt wohl, das Unklare liegt nicht in dem Willen Gottes, der geoffenbaret ist, sondern in unsrer Unfähigkeit, ihn mit Sicherheit zu erkennen, um ihn zu üben. Womit werden wir denn fähig zu solcher Prüfung? Paulus sagt es deutlich. Zum Ersten: ,,stellet euch nicht dieser Welt gleich!« Die Welt, die sich Gott nicht geopfert hat, wird vom Geiste der Selbstsucht regiert, von Augenlust, Fleisches- lust und hoffärtigem Leben: das ist wie ein Nebel, der ihre Sinne blendet; dasist eine Trunkenheit, darin sie taumelt. Dem stellet euch nicht gleich; fondert euch, scheidet und unterscheidet euch von ihr, daß der Nebel, das Blendwerk zerreiße und euer inneres Auge klar bleibe. Dann aber: ,,verändert euch durch Berneuerung eures Sinnes«; lasset durch die Kraft und Gnade des heil. Geistes euren inneren Sinn neu und gottgeneigt, hell, klar und scharf werden! Denn auch der Verstand, die Erkenntniß ist geschwächt und getrübt durch die Sünde und dadurch unfähig geworden, Gottes Willen zu verstehen. Gleichwie das Auge in langer Finster- niß oder anhaltender Dämmerung fchwach wird und unsicher im Sehen, so ist unter der Herrschaft der Sünde der innere Sinn geschwächh lasset das Licht hereinfallen, lasset euer inneres Auge mehr und mehr an die Sonne sich gewöhnen, licht aft werden, so werdet ihr immer sicherer Gottes illen erkennen! Durch Gewohnheit erlangt man geübte Sinne zur Unterscheidung des Rechtem durch gründliche, wahr- hafte Aenderung, Reinigung und Heiligung des inneren Menschen wird auch der Sinn, das Auge des Geistes, tüchtig, Gottes Willen zu erkennen, und durch sonst nichts. Denn dies ist nicht eine Wissenschaftz die man lernt, wie man die Regeln einer Kunst oder eines Gewerkes lernt; sondern dies ist eine Wissenschafh die nur ein Herz lernt, das aus Gottess Geist wieder- geboren ist und täglich in der Heiligung wächst. (Petri.) 3. Denn sum eure Aufmerksamkeit jetzt auf ein einzelnes, bestimmtes Gebiet zu lenken, auf welches es mir besonders bei der vorhin ausge- sprochenen Ermahnung ankommt, nämlich auf euer gegenseitiges Verhältniß zu einander] ich sage sin anordnender, gebietender Weise als Christi Diener Mattkx 5, 34. 39. 441 durch die Gnade, die mir gegeben ist [da ja der HErr mir das Apoftelamt besonders unter den Heiden anver- traut hat, demgemäß ihr denn mein Wort als sein eigenes Wort hinzunehmen habt Kap. 1, S; Ephes. 3, 2], jedermann unter euch ser sei Knecht oder Freier, Einfältiger oder Weiser, Weib oder Mann, Jüngling oder Greis], daß niemand sin Selbstüberschätzung und Anmaßung] weiter von ihm halte, denn sich? gebühret u halten; sondern daß er von ihm maßigli sder ihm beschiedenen Stellung und Aufgabe gemäß] halte, ein eglicher, nachdem Gott ansgetheilet hat as Maß des Glaubens« snach welchem Grundsatz nun allerdings derjenige wird höher von sich halten dürfen, dem ein besonderer Stärke- grad des Glaubens 1. Cor. 13, 2 verliehen ist, Wie rechte Stellung zu Gott, so auch rechte Stellung zur christlichen Gemeinde! 119 als ein Anderer, der in engere Schranken sich gewiesen siehet 2. Cor. 11, 23]. 4. lSehen wir denn zu, daß wir in richtiger Selbstschätzung auf Grund des uns geschenkten Glaubensmaßes ein jeder die richtige Stellung im großen Ganzen der Gemeinde einnehmen i] Denn gleicher Weise, als wir sMenschens in Einem ·Leibe [wie ein jeder ihn für sich hat] viel Glieder haben sals Augen, Ohren, Hände, Füße u. s. w.], aber alle Glieder nicht einerlei ssondern das eine Glied dies, das andere jenes] Geschäft sdas es ausrichten soll] haben fund behufs solcher Ausrichtung nun die verschiedenen Glieder nicht mit einerlei, sondern mit ver- schiedenen Kräftenund Geschicklichkeiten begabt sind] ; Z. Also sind wir Viele [die wir die Christenheit ausmachen] Ein Leib in Christo [in unsrer Glaubens- und Lebensgemeinschaft mit Christo, der unser gemeinsames Haupt ist l. Cor. 12, 12; Ephes 1,»22 f.]; aber unter einander swas das gegenseitige, zwischen uns bestehende Verhältnis; betrifft] ist einer des anderen Glied-«« [indem er zu einer einzelnen bestimmten Verrich- tung verordnet ist, womit er einem jeden von den Andern dienen soll], » b. Und haben [wir nun in Gemäßheit der verschiedenen, einem jeden übertragenen Verrich- tungen] mancherlei [Geistes-] Gaben [wie sie ja auch bei euch Römern in mannigfacher Art zu finden sind V. 7 f.] nach· der Gnade, die uns gegeben istiW [1· Petri 4, 10]. - V) Die erste Besonderheit, zu der der Apostel von dem Allgemeinen übergeht, ist die D emuth, die eigen- thümlich-christliche Tugend, die Trägerin aller übrigen; durch sie erkennt jeder seine ihm gewordene Stellung und Gabe an und macht so eine gemeinsame Wirksam- kcit möglich. Diese, wie die folgenden Ermahnungen, spricht aber der Apostel nicht als subjektive gute Wünsche, sondern vermöge seiner apostolischen Macht- vollkommenheit aus, und nur für Gläubige; denn nur für den Standpunkt des Glaubenslebens passen die folgenden Mittheilungen, wie denn auch das »unter euch« zu verstehen geben will, daß die Ermahnung an Gläubige, an Glieder der Kirche gerichtet ist. (Ols- hausen.) Durch sden vom Apostel gewählten Ausdruck: ,,jedermann unter euch« wird die Richtung seiner Er- mahnung ausnahmslos auf jeden Einzelnen scharf hervorgehobem denn nur durch die Befolgung der- selben von Seiten jedes Einzelnen konnte ihr Ziel, die gegliederte Einheit des Leibes Christi herzustellen und vor jeglichem Bruch und jeder Verrenkung zu bewahren, erreicht werden. (Philippi.) Paulus will keinerlei Ausnahme, auch nicht einer einzigen Person gestatten und trifft damit auch den vornehmsten Geistlichen oder Bischof zu Rom, der sich nachher unter dem Namen des Papstes zum Haupt der ganzen Kirche und zum Statthalter Christi aufwarf und unter dem Namen eines Knechts der Knechte unersättliche Herrschsucht übte und die ganze Christenheit zu seinem Knechte machen wollte. (Münkel.) Es ist zwar in keiner Uebersetzung möglich, wörtlich und tresfend den Sinn des Apostels wiederzugeben, namentlich aber den dreifachen Aus- druck von der rechten Selbstschätzung: ,,daß er nicht übermäßig halte neben dem Maß hin, darnach er halten soll, sondern daß ein jeder von sich also denke, daß es mäßiglich oder gesund, besonnen sei, sowie Gott einem jedeiiz das Maß des Glaubens ausgetheilt hat«; aber was er will, das ist dennoch klar. Er giebt ein Maß an, nach welchem man sich selbst zu schätzen hat; und das ist nichts anderes als das Maß des Glaubens, das Gott einem jeglichen Gliede am Leibe Christi mit- getheilt. Man wird unter dem Worte ,,Glauben« in dieser Stelle wohl nicht blos den rechtfertigendeii Glauben, sondern alles- dasjenige zu verstehen haben, was wir Glaubensleben, geistliches Leben, inneres Leben zu nennen pflegen; und wenn wir auch den Ausdruck nicht völlig aus dein 6. Verse verstehen, Glauben und Gnadengaben nicht ganz gleichbedeutend nehmen dürfen, so wird doch zur richtigen Auffassung des Verhältnisses eines jeden Gliedes am Leibe Christi zu den andern Gliedern und zum Ganzen die Er- kenntniß und Erwägung der vom HErrn geschenkten Gnadengaben besonders viel beitragen, auch die Gabe zum Glaubensleben zu rechnen sein. Wer dasMaß feines Glaubenslebens und seiner Gabe richtig erkeniit und schätzt und seine Stellung in der Gemeinde darnach beurtheilt, von dem kann man sagen, er habe das richtige Verhältniß zur Kirche gefunden, er halte nicht weiter von sich, denn sich gebührt zu halten, sondern er halte mäßiglich von sich.. Wenn z. B. der heil. Paulus in jenen bekannten Stellen, darin er sein Ver- hältniß zu den andern Aposteln beschreibt, sagt, er halte dafür, daß er nicht weniger sei, als die hohen Apostel, daß er mehr gearbeitet, als die andern alle u. s. w., so schätzt er sich nach dem Maße des Glaubens- lebens und der ihm verliehenen Gaben; und so groß auch das Urtheil von ihm selber lautet, so ist es doch nicht übertrieben, nicht unmäßig, sondern im Gegen- theil das gerechte, gesunde Urtheil eines Mannes, dem die heilige csmhigocsiiisy (1. Tim. 2, 15 — Luther: ,,Zucht«, eigentlich Enthaltsamkeit, bald als Ent- haltsamkeit des Leibes oder Keuschheit, bald als Ent- haltsamkeit der Seele oder Bescheidenheit gedacht) oder die Tugend des rechten Maßes und der gesunden Ansicht aller Dinge zur andern und neuen Natur ge- worden ist. Jst es etwa eine Demut-h, wenn der Mensch nicht wahrhaftig ist und sich selbst nicht richtig schätzt und erkennt? ist nicht Wahrheit und Wahrhaf- tigkeit eine solche Grundlage der Demuth, » daß man ohne sie selbst zum Heuchler und Gleißner wird? Darf jemand seine Gaben gering schätzen, wenn sie groß sind, oder ist’s ein Beweis von geiftlichem Leben, wenn einer das Maß des Glaubens nicht kennt, das in ihm ist? Man kann ja nicht blos durch die Menge der Sünden demüthig werden, sondern auch durch die Große der Gabe und durch die Fülle des inwendigen Lebens, welche Gott beigelegt hat. »Er hat Großesan »Mir gethan, der da mächtig ist und deß Name heilig ists, ruft die Mutter Gottes, sie weiß ihre Größe; sie weiß aber auch ihre Niedrigkeit, wie sie denn ausruft: ,,er hat die Niedrigkeit seiner Magd angesehen-«. Da hebt das Gefühl der Niedrigkeit das Gefühl der Große nicht aus; beide gehen wunderschön zusammen, wie auch David sagt: »wenn du mich demuthigst, machst du mich groß«. (Löhe.) Auch Luther hat nicht weiter von sich gehalten, denn sich’s gebühret zu halten, wenn er zu seiner Käthe von dem ,,edlen Wilde« geredet, welches sie erjagt habe. (Besser.) «) Auch bei dieser Darstellung geht der Apostel, wie in andern Stellen, die von der Kirche reden, ganz von der Einheit der unsichtbaren und sichtbaren Kirche aus. Er weiß sehr wohl, daß eigentlich zur Kirche nur die wahrhaft Gläubigen gehören; aber er behandelt 120 Römer 12, 7. 8. alle Glieder der sichtbaren Kirche insolange als wahre Glieder, als nicht durch das Mißglücken der brüder- lichen Zucht an dem oder jenem der handgreifliche Beweis gegeben ist, daß er kein Glied der Kirche sei. Wie könnte »das auch von einem praktischen Manne anders geschehen, zumal wenn man das Verhältniß des Einzelnen zur Kirche darzustellen im Begriff ist! Kann ich denn zur unsichtbaren, d. h. meiner Wahr- nehmung entzogenen, mir unbekannten Kirche in ein Verhältniß treten? muß nicht alles, was Geist heißt, wenn es dem mit einem Leibe verbundenen Menschen- geiste bemerklich werden soll, selbst irgendwie leiblich werden? Mit einer unsichtbaren Kirche, welche sich in der sichtbaren verbirgt, kann ich in keine mir bewußte Gemeinschaft treten; wohl aber mit einer solchen un- sichtbaren Kirche, die sich mir sichtbar macht, mit einer sichtbaren Kirche, die ich für den Leib der unsichtbaren nehmen kann und in welcher ich die unsichtbare Kirche als vorhanden be rüßen darf. Kurz, die Lehre von der unsichtbaren Kirche ist zum Troste für die Zeiten und Orte aufgefunden, wo sich offenbar die Kirche im Verfall befindet und unter dem Hausen der Gottlosen und Maulchristen verborgen ist; nicht aber zu einer Grundlage des Verhaltens eines Gliedes zum andern oder zur ganzen Kirche. (Löhe.) Nicht als Einzel- personen stehen die Christen neben einander da, auch nicht ein durch einander gewürselter Haufe sind sie; sondern durch allerlei Gelenke zusammengefügt hangen sie an einander als Glieder Eines ganzen Leibes (Ephes. 4, 16). Weder der einzelne Christ, noch eine einzelne Gemeinde besitzt alle Gaben des Geistes zur Erbauung, sondern vertheilt hat Gott die mannig- faltigen Gaben des Einen Geistes unter die Glieder des Leibes, damit nicht eine Spaltung im Leibe sei (1. Cor. 12, 25), sondern ein Glied für das andere sorge und eins vom andern sich versorgen lasse im Geben und Nehmen der Liebe. (Besser.) Ein jegliches Glied ist zufrieden und läßt ihm genügen daran, das es hat, und fragt nicht darnach, ob ein ander Glied edler sei. Also z. B. die Nase ist nicht so edel als-das Auge: noch halten sich die beiden also gegen einander, daß die Nase nicht zürnet, ob sie nicht Auge sei, son- dern gönnet dem Auge seinen Adel und gefällt ihr wohl; wiederum brüstet sich das Auge nicht wider die Nase noch verachtet sie, sondern gefällt ihm allerdinge wohl, was andere Glieder haben. Ja, wie auch St. Paulus sagt (1. Cor. l2, 23), die unehrlichen Glieder, deren wir uns schämen, haben größere Ehre denn die ehrlichen. Da sehen wir, wie die Hand und das Auge ihres Adels vergessen, sorgen und schafsen, die Unehr- lichen Glieder zu decken und zu fchmücken, und setzen ihre Ehre für jener Unehre und Schande, wie sie mögen. Ein jegliches Glied führet seine Werke zu Nutz dem andern Gliede und dem Leibe; denn das Auge siehet, wo die Hand thun und der Fuß gehen soll, und der Fuß gehet und trägt den Leib, daß dem Auge nicht Sxhaden geschiehet, und ist immer ein Glied für das· andere und nicht für sich selbst sorgfältig und geschäftig, also daß man kein feiner Exempel der Liebe und guten Werke finden kann, denn an den Gliedern unsres eigenen Leibes, darin Gott solch Gesetz der Liebe mit so lebendigen und kräftigen Exempeln geschrieben hat, das wir täglich an uns tragen und immer vor Augen haben. (Luther.) sit) Die Christen sind in Christo Ein Leib, sie haben die Bestimmung für die Einheit und für das gegenseitige Dienen unter einander; was aber die Gnadengaben, die dem Einzelnen zu Theil gewordenen Gnadengeschenke betrifft, so waltet eine Verschiedenheit unter ihnen ob, indem Gott dem einen diese, dem andern eine andere Gabe gegeben hat. (Sommer.) Durch diese Verschiedenheit der Gaben wird die Ein- heit nicht zerstört, sondern verklärt. (v. Gerlach.) Nicht widerstrebe also einer dem andern, wenn er sieht, daß ihm etwas Anderes übergeben ist; sondern er freue sich mit, daß der Leib Christi vollkommen sei. (Am- brosius.) Zum gesunden Gemeindeleben gehört l) Ein- heit in Christo, Z) Mannigfaltigkeit der Gnadengaben. (Lange.). Man irrt sich sehr, wenn man behauptet hat, die Charismen (Gnadengaben), welche in der apostolischen Kirche so mächtig trieben, wie im Früh- jahr der frische Saft in den Bäumen, seien in der Kirche mehr und mehr in’s Stocken gerathen, und in unsern Tagen sei von Charismen gar nicht mehr die Rede. Diese Behauptung verstößt arg gegen des Apostels Satz hier; denn wenn ein jedes Glied am Leibe des HErrn sein Charisma hat, so heißt, es giebt jetzt keine Charismen mehr, nichts Anderes als, es giebt auch keinen Leib des HErrn mehr, der Leib des HErrn liegt im Grabe und ist ein Raub der Ver- wesung geworden. Wie der reale Leib des HErrn nicht in dem Grabe geblieben, sondern von den Todten auferstanden und gen Himmel gefahren ist, so kann auch der andere Leib des HErrn, sein idealer, sein mystischer Leib, die Kirche, nicht verwesen, auch er triumphirt über Zeit und Vergänglichkeit Besteht der Leib des HErrn, hat er lebendige Glieder, so fehlt ihm auch die charismatische Ausstattung nicht. Man wolle aber beachten, daß der Leib des HErrn in dieser Zeit lebt und daß die Zeit wechselt. Der Baum lebt anders im Frühjahr, als im Sommer, Herbst und Winter; mit dem Menschen steht es ebenso, die Kinder treiben es anders, als die»Jünglinge, der Greis denkt anders, wie der Mann. Weil die Kirche mitten in dieser Welt darinnen steht und ihr gegenüber ihre Aufgabe zu erfüllen hat, so kann es leicht kommen, daß die Aufgabe, welche die Kirche heute zu lösen hat in dieser Welt, eine andere ist, als welche ihr in den ersten Zeiten ihres Bestandes gestellt war; und wenn dies der Fall sein sollte, so versteht» es sich von selbst, daß die Kirche mit andern Mitteln, auf andern Wegen, in andrer Weise heute vorgehen muß. Die Erscheinungsformen der Charismen sind »zeitlich, wan- delbar: der Geist, welcher damals diese Gaben aus- theilte, theilt heute andere Gaben aus je nach Be- dürfniß. Wer wollte denn leugnen, daß Gott der nachapostolischen Kirche eine ganz vorzügliche Geistes- abe gegeben hat, welche der apostolifchen Kirche ast fehlte? ich meine, die heil. Kunst, Dichikunst, Ton- kunst, Malkunst, Baukunst. Wer wollte in Abrede stellen, daß selbst in unsern Tagen, welche uns viel- fach so arm erscheinen, der heil. Geist in der Kirche die Fülle seiner heiligen Gaben austheilt? Weisen uns die Werke der äußeren wie der inneren Mission nicht darauf, daß Kräfte der zukünftigen Welt unter uns wirksam sind? So fest es steht einerseits, daß der HErr, welcher Leben und Wohlthat an uns thut, das menschliche Geschlecht nicht von Jahr zu Jahr im- potenter an Geist, Seele und Leib geboren werden läßt, sondern jetzt noch eine reiche Fiille natürlicher Gaben austheilt, und so wenig andrerseits geleugnet werden kann, daß der HErr heute noch große Menge zur Beute und die Starken zum Raube hat, so sicher ge- gründet ist die Behauptung, welche wir in aller Demuth aufstellten, daß die Kirche heutzutage noch der charis- matischen Ausstattung nicht ermangelt; denn die Charismen entspringen ja aus diesem Darüberkommen des heil. Geistes über die Naturgaben des Menschen, aus der Heiligung und Förderung unsrer natürlichen Begabung durch den Geist Gottes. (Nebe.) Jeder richte das Seine aus nach Maßgabe seines Berufs und seiner ihm gewordenen Gabe! 121 (Episiel am Z. Sonntag nach Epiphaniä.) Als Evangelium des Tages ist Joh. 2, 1 ff., von der Hochzeit zu Cana, verordnet; wie dieses ,,Hochzeits- Evangelium« dem Prediger die beste Gelegenheit dar- bietet, die christliche Ehe, Christum als Helfer in der Noth oder als Freudenspeudey und den christlichen Hausstand zum Gegenstand der Betrachtung zu machen, so fordert auch die Epistel zur Predigt von den ·häus- lichen Tugenden und dem Verhalten des Christen in den verschiedenen Verhältnissen des geselligen Lebens auf. (Alt.) Die einzelnen Rathschläge des Apostels- betreffen theils geradezu häusliche Tugenden, theils können sie auf dieselben bezogen werden· Uebrigens scheint der Gegensatz geistlicher Freude gegen die fleisch- liche in den Schmausereien und Trinkgelagen des schon beginnenden Carnevals die Wahl mit bestimmt zu haben. (Strauß.) Laß dich aus dem Text be- lehren, wie du dein Haus fest gründen kannst! I) Was du auch seist, sei ganz und gar; 2) bei aller Lieb sei fest und wahr; Z) in Demuth weich, getrost im Schmerz; 4) für fremde Noth ein warmes Herz; S) dazu ein Aug, das aufwärts schaut — dann ist dein Haus auf Fels gebaut. (Sehbold.) Der christ- liche, von Gott gesegnete Hausstand: 1) die Liebe zu Gott muß den Haus-stand beseelen, 2) und unter einander darf Liebe nicht fehlen; 3) von Müssig- . gang muß man nichts wissen zu sagen, 4) und jegliche Trübsal geduldig ertragen; 5) den Elenden muß man zu Hilfe stets eilen, 6) und Freuden und Leiden mit einander theilen· Christo nach, ihr Christen: 1) in der Treue in unserm Berufe, 2) in der Liebe zu Gott und den Menschen, Z) in der Geduld in Trübsal, 4) in der Herablassung zu den Niedrigenl (Fuchs.) Die Schule des Lebens: i) die Schule des Be- rufs, 2) die Schule der menschlichen Gemeinschaft, Z) die Schule der Trübsal. (Ziethe.) Das Rechte auch recht zu thun) darin bestehe die wahre Vollführung unsers christlichen Berufs! Sie zeige sich darin, daß jeder l) in seinem Amt oder Dienst gewissenhaft, L) in Uebung der Liebe herzlich und wahrhaftig, Z) in alle seinem Trachten demüthig und bescheiden sei. (v. Burger.) Von dreierlei Friichten der Gerechtigkeit: l) gewissenhafte Treue in dem vom HErrn verliehenen Berufe, 2) auf- richtige Liebe in unserm Verhalten gegen den Nächsten, Z) eifrigesSchaffen des eigeuenSeelenheils. (Wiesinger.) Das rechte Verhalten I) in unserm besonderen Lebensberufe, Z) in unserm allgemeinen Chriftenstande. (Eig. Arb.) 7. Hat jemand sunter euch] Weissagung sdie Gabe, von Gottes Geist eingegebene Aus- sprüche zu thun Apostg. 21, 9; J. Sam. 7, 2 u. 10, 10 Anm.], so sei sie sseine Weissagung oder prophetische Rede] dem Glauben ähnlich [bleibe im Zusammenhang und in der Ueberein- stimmung mit den ein für alle Mal feststehenden Grundzügen der christlichen Wahrheit, daß sie nicht etwas Anderes dafür an die Stelle setzen wolle GaL 1, 8; 6, 16; PhiL 3, 16; 1. Tini. Z, 15 f.]. Hat jemand ein [Diakonen- oder Pfleger-] Amt, so warte er des Amtes [dazu ihm der HErr die besondere Gabe verliehen, und greife nicht in ein fremdes Amt 1. Petri 4, 11 u. 15]. Lehret jemand fund ist also mit dieser speziellen Gabe betrauet Apostg. 13, 1], so warte er der Lehre fnach Maßgabe des Gebets: ,,gieb, daß ich thn mit Fleiß, was mir zu thun ge- bühret, wozu mich dein Befehl in meinem Stande führen« 1. Cor. 12, 30 Anm.], 8. Grmahnet jemand sals mit der Gabe ausgerüstet, mit besonderer Eiudringlichkeit die Erweisung der Liebe gegen Gott und den Nächsten einzuschärfen und durch stetiges Anhalten zu reizen, zu wecken, zu treiben, auf daß die Christen nicht träge und faul werden, auch in Trübsal und Angst zur Treue und Standhaftigkeit zu ermun- ternL so warte er des Ermahnens lohne sich auf Anderes einzulassen, das ihm nicht befohlen ists. Giebt jemand [Vou dem Seinen, um Diirf- tigen» mitzutheilen Ephef s, 28], so gebe ·er emfalttglich sin Herzenseinfalt und Aufrichtig- keit, welche nur der Bruderpflicht zu genügen be- dacht ist, alle Lohnsucht und Ruhmsucht aber ausschließt Matth. G, 2 f.; 2. Cor. 8, Z; 9, 7]. Negieret jemand sals Vorsteher und Ordner von Gemeindeangelegenheiten], so sei er sorg- faltig [und richte seine Sachen mit aller Ge- wissenhaftigkeit und Treue aus]. Uebet jemand Barmherzigkeit san Kranken und andern Elendeiy ihnen Trost, Rath und Hilfe zu bringen Jak. I, 27], so thue er’s mit Lust fweil so erst sein Wohlthun ein wirkliches Wohlthun wird]. Von mancherlei Gaben, die wir haben nach der Gnade, die uns gegeben ist, hat der Apostel vorhin (V. G) geredet; das griech. Wort für ,,Gabe«: charjsina kommt außer in 1. Petri 4, 10 nur im paulinischen Sprachgebrauch vor, es bedeutet im Allgemeinen »das aus Gnaden Gegebene«, speziell ist es das einem Ein- zelnen zu Theil gewordene besondere Gnadengeschenk, eine zur Förderung der christlichen Gemeinde durch Gottes Gnade verliehene und in der Kraft des heil. Geistes wirksame besondere Fähigkeit und Tüchtigkeit (vgl. l. Cor. 12). Was nun die Ordnung betrifft, in» der Paulus die einzelnen Guadengaben anführt, so nennt er zuerst die Gnade, welche in ihrer Erweisung nicht an eine bestimmte Regelmäßigkeit ge- bunden ist; denn der mit der Prophetie oder Weis- sagung Begnadete gebraucht diese Gabe, je nachdem gerade der Geist über ihn kommt. Sodann nennt der Apostel die Gnadengabe, welche eine regelmäßige Thiitigkeit bedingt, nämlich die Diakonie (Luther: »Amt«) Hierauf hebt er zwei Gaben hervor, welche mit der Weissagung in einem gewissen inneren Zu- sammenhange stehen, nämlich die Lehre und Er- mahnung; worauf er dann drei Thätigkeiten anführt, welche als einzelne, besondere Erweisungen der Dia- konie betrachtet werden können, nämlich das Mit- theilen (Luther: ,,Geben«), das Vorstehen (Luther: ,,Regieren«), das Ueben der Barmherzigkeit. (Sommer.) Unter dem Ausdruck Geistesgabe oder Gnadengabe versteht der Apostel eine Offenbarung des Geistes zum gemeinen Besten (1. Cor. 12, 7; 14, 12), d. h. eine bestimmte Kraft und Aeußerung des vom heil. Geiste entzündeten und geleiteten Glaubenslebens, welche zur Erbauung der Kirche dient, die vorherrschende religiöse Tüchtigkeit, das göttliche Pfund des Einzelnen, womit er in die Lebensthätigkeit des Ganzen organisch eingreifen und dessen Wachsthum befördern soll; sie ist also, wie schon der Name anzeigt, etwas übernatürlich 122 Römer 12, 8. Gewirktes und aus freier Gnade Geschenktes (1. Cor. 12, 11), schließt sich aber dennoch, wie das Christen- thum überhaupt, an eine natürliche Basis, an die an- eborenenintellectuellen und sittlichen Fähigkeiten des enschen an, die ja auch Gaben Gottes sind, ertheilt ihnen die Geistes- und Feuertaufe und entfaltet sie zu höherer und freierer Wirksamkeit. Es giebt viele Charismen, entsprechend den verschiedenen Kräften des geistigen Lebens und Bedürfnissen des Leibes Christi, und gerade in ihrer Fülle und Mannigfaltigkeit offen- bart sich der wunderbare Reichthum der göttlichen Gnade (1.Petri 4, 10); wie sie aber alle aus derselben Quelle fließen, von Gott durch denselben heil. Geist gewirkt und aus Gnaden verliehen sind, so dienen sie alle demselben Ziele, nämlich der Erbauung des Leibes Christi, und daher findet auf sie das schöne Gleichniß vom leiblichen Organismus, von dem einheitlichen Zusammenwirken verschiedener Glieder seine Anwendung V· 4 ff.; 1. Cor. 12, 12 fs.). Jeder hat seine eigene abe, die gerade seiner natürlichen Eigenthümlichkeit am meisten entspricht und für seinen Wirkungskreis une11t- behrlich ist (1. Cor. 7,7); aber es können auch mehrere Charismen in Einem Individuum vereiniät sein. Sspies war besonders bei den Aposteln der Fa , deren Amt ja ursprünglich alle andern geistlichen Aemter und ihre Funetionen in sich schloß Freilich haben nicht alle dieselben Gaben in gleichem Maße; Johannes scheint besonders die Charismen der Liebe, des Tiefblicks und der Prophetie, Petrus die des Kirchenregiments, der Wunderwirkung und der Geisterprüfung, Jakobus die der treuen bischöslichen Leitung der Gemeinde und des stillen geduldigen Dienstes am Altar gehabt zu haben. Am vielseitigsten war in dieser Hinsicht der Apostel Paulus, gleich ausgezeichnet in der Er- kenntniß wie in der Darstellung göttlicher Geheimnissq in schöpferisch bahnbrechender wie in erhaltender Wirk- samkeit, in Gesichten und Offenbarungen einheimisch, im Zungenreden alle Corinther übertrefsend (1. Cor. 14, 18) und auch durch Zeichen und Wunder sich unter ihnen ausweisend oder legitimirend(2.Cor.12,12). Nach der herrschenden protestantischen Ansicht gehören die Charismen oder wenigstens ein Theil derselben, wie die Wundergabe und das Zungenredem nicht zum Wesen und bleibenden Bestande der Kirche, sondern bilden blos einen hinzutretenden Schmuck, eine zufällige Efflorescenz der apostolischen Periode, gleichsam das Hochzeitkleid der jugendlichen Braut, und verschwanden nachher aus der Geschichte, um der ordnungsmäßigen und natürlichen Art sittlich-religiöser Wirksamkeit Platz zu machen. Die Jrvingianer dagegen sehen, ähnlich den Montanisten im 2. Jahrh., in diesen apostolischen Geistesgaben und Aemtern die nothwendigen Be- dingungen eines gesunden Zustandes der Kirche über- haupt, leiten ihr Verschwinden aus der Schuld der Christenheit ab und halten eine Heilung der kirch- lichen Gebrechen ohne Wiederbelebung der Charismen und des Apostolats für unmöglich, mit Berufung auf Stellen wie 1. Cor. 12, 27 ff. 31 u. 14, 1; Ephes. 4, 11 ff.; 1. Thess 5, 19 s.; auch die Mormonen, deren Entstehung (am S. April 1830) fast gleichzeitig ist mit dem Austritt des Jrvingismus in England, machen tm? ihrer sonstigen radikalen Verschiedenheit ebenfalls An pruch auf den Besitz aller Aemter und Geistesgaben der apostolischen Kirche. Es scheint uns hier Wahr- heit und Jrrthum auf beiden Seiten gemischt zu sein. Man muß in diesen Charismen zwischen Wesen und zeitlicher Form iinterscheiden; das erstere ist geblieben, die zweite verschwanden, bricht aber doch zuweilen sporadisch wieder hervor, obwohl nicht mit demselben Grade der Stärke und Reinheit, wie in der apostolischen» Periode. Eslag in der Natur der Sache, daß das Wirken des heil. Geistes bei feinem ersten Eintritt in die Menschheit mit besonders fchöpserischer Kraft, Fülle und Frische ich geltend machte, zu der Masse der un- christlichen elt einen ausfallenden Contrast bildete und eben durch das Außerordentliche und Wunderbare eine gewaltige Anziehungskraft auf diese ausübte, ohne welche sie gar nicht hätte überwunden werden können. Das Christenthum strebt aber darnach, sich in die Menschheit hinein zu leben und sich in allen ihren Zu- ständen und Thätigkeiten als das herrschende Prinzip, als die zweite höhere Natur einheimisch zu machen; indem es das Natürliche immer mehr in die Sphäre— des Geistes erhebt, so wird eben damit auch das Ueber- natürliche immer mehr natürlich. Es sind dies nur— die beiden Seiten eines und desselben Prozesses; wir finden daher, daß in demselben Maße, in welchem die herrschende Macht des Heidenthums gebrochen wurde, gerade diejenigen Charismen, welche am meisten einen wunderbaren Charakter an sich tragen, abnehmen und vom 4. Jahrh. an fast ganz zurücktreten. Es ist dies nicht eine Folge der Schuld der Christenheit, die ja gerade damals mehrere ihrer größten Lehrer, einen Athanasius und Ambrosius, einen Chrysostomus und Augustinus, aufzuweisen hatte, sondern vielmehr ihres Sieges über die Welt. Jedoch verschwanden sie damit nicht völlig und für immer; denn in Zeiten großer Erweckung und mächti er Geistesausgießung in schöpfe- rischen Epochen der irche zeigen sich je und je ganz ähnliche Erfcheinun en, wie im ersten Jahrhundert, sammt den entspre enden Gefahren und Mißbräuchem ja sogar auch däinonischen Nachäffungen und Ver- zerrungen, und nehmen dann allmälig wieder ab nach dem eben angeführten Gesetze, welchem die Entwickelung eines neuen Prinzips unterworfen ist. Solche Er- fahrungen können zur Bestätigung und Erläuterung apostolischer Zustände dienen. Uebrigens muß bei Beurtheilung derselben, besonders des Legendenkreises der römischen Kirche, welche noch fortwährend aus den Besitz der Wundergabe Anspruch macht, mit der größten Vorsicht und schärssten Kritik verfahren werden; und gegenüber der montanistischen und irvingischen Ueber- schätzung der Charismen darf man nie vergessen, daß Paulus gerade diejenigen, welche sich unsrer klaren Anschauung am meisten entziehen und am seltensten vorkommen, wie das Zungenredem weit unter die andern stellt, welche zu der regelmäßigen Thätigkeit der Kirche gehören und zu allen Zeiten in größerem oder ge- ringerem Maße vorhanden sind, wie die Gaben der Weisheit, der Erkenntniß, der Lehre, der Geisterprüfung, des Regiments (Schafs.) Jch sehe zwar deutlich, daß die Gemeinfchast der Jrvingianer Männer zu den Jhren zählt, die ausgezeichnete Einsicht in Gottes heiliges Wort und große Tugend im Leben besitzenx aber gerade ihr Dringen aus ein immerwährendes Apostolat kann ich nicht für schriftmäßig erkennen, und das, was sie als Fortsetzung der uralten Gabe des Weissagens und Zungenredens rühmen, hat mir keine Ueberzeugung verliehen, daß ihre Sehnsucht nach den uralten Gaben bei ihnen in dem Maße erfüllt sei, wie sie es glauben. Dagegen aber ist die Frage, ob die Wunder und Weissagungen in der Kirche aufgehört haben oder noch bestehen könnten und sollten, keines- wegs blos eine irvingianische. Ebensowenig können diejenigen, welche behaupten, Wunder und Weisfagungss Habe habe längst aufgehört und blos zum Behuf der irchengriindung stattgehabt, Anspruch auf alleinige Geltung ihrer Meinung machen; denn sie haben eben blos eine Meinung, die man wohl in der Kirche dulden kann, die sich aber keineswegs auf ein klares Wort Die Liebe sei nicht falsch! der heiligen Schrift stützt. - (Löhe.) Besonders in der Corinthergemeinde fand sich eine große Fülle und ein reiches Wogen der mannigfachsten Geistesgaben; die Römergemeinde dagegen scheint spärlicher bedacht ge- wesen zu fein, namentlich an außerordentlichen oder wunderbaren Charismen im engsten Sinne des Worts, weshalb wohl der Apostel an unsrer Stelle außer der Weissagung ·keine derartigen Charismen aufführt (Phil1ppi.) Weissagenhetßt überhaupt aus gottlicher Erleuchtung, aus gottlichem Geistestrreb heraus, unter unmittelbar göttlichem Einfluß reden; damit verbindet sich das Merkmal einer gehobenen, ergreifenden, ein- dringenden Sprache und Darstellung. Jn der aposto- lischen Zeit war es eine besondere Gnadengabe, welche auf die Besserung, Ermahnung und Tröstung zielte; es handelte sich dabei nicht um Mittheilung neuer Er- kenntnisse, sondern um kräftige Anregung des Gefühls und Willens durch Auslegung und Anwendung des geoffenbarten Worts. (Fronmüller.) Wer da prophezeit oder weissagt, sagt, was er weiß, durch Offenbarung von Gottes Rath und Willen, sei es die verhüllte Zu- kunft, die er enthüllt, oder die unverstandene Gegen- -wart, die er deutet; sei es der geheime Rathschluß Gottes, den er kund macht, oder das Verborgene des Menschenherzens, das er aufdeckt; sei es endlich, daß er mit zeu enhafter Gewißheit, die der Geist giebt, die großen haten Gottes predige und den Weg des Heils verkündige, redend den Menschen zur Besserung und zur Ermahnung und zur Tröstung ( esser.) Wenn nun der mit der Gabe der Weissagung Betraute den vom heil. Geist empfangenen Inhalt aussprach, so könnte es scheinen, als sei die Weisung des Apostels, die Weissagung sei dem Glauben ähnlich, halte sich an die regula Mai, an den prinzipiellen Kanon der christ- lichen Wahrheit, ohne rechten Grund; denn was vom heil. Geiste kommt, kann ja gar nicht anders, als mit dem Glauben in Uebereinstimmung stehen. Es ist aber u bedenken, daß ja der vom heil. Geist empfangene Jnhalt doch erst durch das menschliche, sündige Subjeet hindurchgehh bevor er zum Ausdruck kommt; da ist es wohl nöthig, daß eine objective Norm vorhanden sei, nach welcher der vom heil. Geist empfangene Inhalt von etwaiger menschlicher Zuthat, die von Gott ge- offenbarte Wahrheit von etwaigen Eingebungen des eigenen Geistes frei erhalten werden kann. (Sommer.) Mit der Weissagung stehen, wie schon oben gesagt, in einem gewissen inneren Zusammenhange die Lehre und Ermahnung; wie jene, so konnte auch diese der Prophet üben (1. Tor. 14, 31), nur daß dann beides in eigenthümlich prophetischer Form geschah. Doch gab es auch eine ruhige, verstandesmäßige«Lehrent- wickelung, die von dem Lehren des von pneumatischem Ergriffensein getragenen Propheten sich unterschied; richtete aber das Lehren sich an den Verstand, so richtete weiter das Ermahnen sich an Gemüth und Willen —- wie es scheint, knüpfte es sich öfter an die Vorlesung alttestamentlicher Schriftstellen an (Apostg. 13, 15). Nun ist eine der eigenthümlichsten und weit- verbreitetsten Aeußerungsweisen des menschlichen Hoch- muths, vor welchem der Apostel warnt (V. 3), das in ein fremdes Amt Greifen (1. Petri 4, 15); darum verlangt er mit den Worten: ,,lehret jemand, so warte er der Lehre; ermahnet jemand, so warte er des Er- mahnens« die Selbstbeschränkung auf die der Gabe entsprechende Thätigkeit —- Das griech. Diakonie kommt allerdings in 1· Eor. 12, 5; Ephef 4, 12 von jeglicher Dienftverrichtung jedem kirchlichen Amte über- haupt vor; in dieser Bedeutung hat Luther das Wort nach Ehrysostomus auch hier genommen (anders in seiner Predigt über den Text, wo er sich dahin aus- Die brüderliche Liebe unter einander sei herzlichl 123 läßt: ,,dies Amt war unter den Christen, daß man den armen Wittwen und Waisen diente und unter sie das zeitliche Gut austheilte, wie St. Stephanus und seine Gesellen waren«). Doch sind hier überall spezielle Leistungen und Verrichtungen genannt; wir haben darum die Diakonie vielmehr auf das spezielle Amt der Diakonen oder Diener (Apostg. 6, I ff.; Phil I, I; I. Tim. 3, 8. 12; l. Petri 4, 11), welches es mit der Besorgung der äußeren Gemeindeangelegenheiten, der leiblichen Pflege der Armen, Kranken u. s. w. zu thun hatte, zu beziehen, vgl. die ,,Helfer« in I. Eor. 12,28. Auch da wird eine demuthsvolle Beschränkung auf die dem eigenthümlichen Eharisma entsprechende besondere Sphäre der Thätigkeit von selbst vor dem ,,weiter von sich halten, denn sich’s gebührt zu halten« bewahren und das »von ihm mäßiglich halten, nachdem Gott einem jeglichen ausgetheilt hat das Maß des Glau- bens« zuwege bringen. (Philippi.) Der, welcher ein Amt hat, will der Apostel sagen, soll ganz, mit Seele, Geist und Leib in dem sein, was seines Amtes ist; er soll weder in seinen Gedanken noch in seinen Werken über die Sphäre seines Amtes hinausgehen, er soll von feinem Amte so hingenommen sein, daß er außerhalb seines Amtes gar nicht zu finden ist. (Nebe.) Bei den Sätzent »Aiebt jemand, so gebe er einfältig- lich; regieret jemand, so sei er sorgfältig; übet jemand Barmherzigkeit, so thn er’s mit Lust« handelt es sich nicht mehr um Begabungen, sondern um Thäti keiten, und deshalb auch nicht mehr um eine der Be onder- heit der Begabung entsprechende Selbstbeschränkung, sondern um die jeder sonderlichen Thätigkeit ent- sprechende Weise, sieszu üben; die Ermahnung geht also hiermit von der ichtung ab, welche sie mit dem ,,ich sage« in V. 3 eingeschlagen hatte, ohne aber das sittliche Gebiet zu verlassen, auf welchem sie sich von da ab bewegt hat«, indem auch die Thätigkeiteih welche hier genannt werden, auf demGebiete des christlichen Gemeindelebens liegen. (v. Hofmann.) Alle drei Eigenschaftem in welchen die Genannten wirken sollen, charakterisiren ebenfalls das Wesen des »von sich halten, wie sich’s gebührt zu halten«. ·(Meyer.) Auf drei Thätigkeiten macht der Apostel aufmerksam, von welchen die erste, das Geben, und die letzte, das-Barmherzig- keit-Ueben, allerdings in Verwandtschaft stehen zur. Diakonie; während aber die Diakonen das Austheilen oder Vertheilen des fremden, zu diesem Zweck ihnen anvertrauten Gutes zu besorgen hatten (Apstg. 4, 35; 6, 1 ff.), ist hier vielmehr mit dem Geben ein Mit- theilen von seinem Eigenen (Luk. Z, 11) gemeint, und während jene in amtlicher Weise der Kranken, Ge- fangenen, Verwundeten u. s. w. sich anzunehmen hatten, geht hier das Barmherzigkeitiueben mehr auf die privaten, freiwilligen Werke der Barmherzikgkeit Offenbar erweitert Paulus den Begriff der Gabe irch- licher Wirksamkeit nunmehr zu dem der christlichen Wirksamkeit überhaupt (1. Eor. 7, 7); er schiebt jedoch zwischen beide Süße, die aufalle Glieder der Gemeinde ohne Unterschied des Amts und der besonderen Be- gabung gehen, in dem, was er von dem Regieren sagt, das Amt des Gemeindevorstehers ein· Das thut er ohne Zweifel, um jetzt alles Sichüberheben auf Grund der empfangenen Gabe und der Berufsstellung gänzlich abzuschneidem es ist da besonders aufsällig, daß er den Vorsteher mitten hineinstellt unter solche, welche Diakonats- oder Helfersdienste thun, und das auch nicht einmal in amtlicher Eigenschaft, sondern als einfache Christen, derselbe soll also am wenigsten sich über irgend jemand erheben. Wie verkehrt doch St. Paulus die Ordnung, schreibt Luther, daß er das Regieren nicht oben und vorn an seht, sondern 124 läßt die Weissagung vorgehen, darnach dienen, lehren, ermahnt-n, geben, und setzt das Regieren am aller- letzten unter den gemeinen Aemtern, nämlich am fechsten Ort! Es hat der Geist ohne Zweifel dies gethan um des zukünftigen Greuels willen, daß der Teufel würde in der Christenheit eine lautere Tyrannei und welt- liche Gewalt anrichten, wie denn jetzt ist, das Regieren das Oberste ist und muß sich alles, was in der Christenheit ist, nach der Thrannei und ihrem Muth- willen lenken und ehe alle Weissagung Dienst, Lehre, Ermahnen und Geben untergehen, ehe dieser Tyrannei Abbruch gelitten würde. I. Die Liebe sgegen den Nächsten, dieses Band der Vollkommenheit Col. s, 141 sei nicht falsch [sei eme ungeheuchelte 2. Cor. S, S; 1. Joh. 3, 18; 1. Petri 1·, 22]. Hasset Darum, weil ohne das eine ungeheuchelte Liebe nicht bestehen kann] das Arge, banget dem Guten ans« fAmos 5, 15; Pf. 97, 10]. 10. Die briiderliche Liebe unter einander fwomit ein Christ den andern liebt 1. Thess 4, 9; 1. Petri 1, 22; L. P, 1, 7;. Hebrn 13, 1] sei herzlich feine so zärtliche, wie sie unter nahen Blutsverwandten, besonders auch unterGeschwistern als Eines Vaters Kindern und Einer Faniilie Gliedern stattfindet; und bei solcher Zärtlichkeit beobachte sie auch die rechte Zartheit] Einer komme Daher] dem andern mit Ehrerbietung zuvor« fnicht daraus wartend, daß Ehre und Achtung von dem andern ihm zuerst bewiesen werde, um sie dann auch ihm zu erwidern, son- dern vielmehr mit dem Exempel gegenseitiger Hochachtung ihm vorangehend]. . d) Auf die Ermahnung, daß niemand weiter von sich halte, denn sich’s ebührt zu halten, in V. 3., welche der Apostel bis . 8 durchgeführt hat, folgen nun andere Ermahnungen zu verschiedenen christlichen Tugenden, die, im Ganzen gemischter Natur, nur im Einzeln durch innere Verwandtschaft ihrer Objekte mit einander verknüpft sind. An der Spitze steht die Lieb e als des Gesetzes Erfüllung (Kap. 13,10); sie reiht sich auch am leichtesten an das im vorigen Verse zuletzt genannte Barmherzigkeit-when als dessen allgemeine und nothwendige Basis an. (Philippi.) Die Liebe, des Glaubens Schaffnerin, folgt im I. Vers, auf die mancherlei Gnadengaben eben so, wie im 13. Kap. des 1. Corintherbriefs der Preis der Liebe auf das 12. Kalb. folgt, worin die gliedliche Art der Kirche und die unterschiedliche Begabung der Glieder beschrieben ist· (Besser.) Von der Liebe verlangt der Apostel, daß sie mit Abwischung aller Schminke aus einem lauteren, aufrichtigen Sinne entspringex und das war auch vor allem noth, denn es ist schwer zu sagen, wie erfinderisch fast alle Menschen sind, um Liebe zu erdichten, die sie doch nicht haben. Sie lügen dieselbe nicht allein An- dern vor, sondern bilden sie auch sich selber ein, in- dem sie sich überreden, sie liebten diejenigen gar wohl, die sie doch nicht blos vernachlässigen, sondern sogar thatsächlich von sich stoßen. Ein jeder mag da sich selber Zeuge sein, ob er nichts im Innersten seines Herzens habe, was der Liebe widerstrebh (Calvin.) ,,Hasset das Arge, hanget dem Guten an«, sagt Paulus, indem er von der Liebe redet; das Arge ist aber die heuchlerische Eigenliebe und der falsche Eigennutz, die Römer 12, 9—13. sich so oft mit dem Namen der Liebe des Nächsten schmücken. Die wollen dann mit den Leuten es nicht verderben, und um sie warm zu halten, deckt man mit dem Mantelsogenannter Liebe alle ihre Verkehrtheiten zu, lacht, wo man weinen, lobt, wo man schelten sollte. Steht die Liebe nicht auf Seiten des Guten, des Rechts, der Wahrheit, so ist sie die gemeine, fleischliche, weltliche Liebe, die wie eine feile Buhldirne den Men- schen in die Netze des Verderbens verstrickt (Münkel.) Solche falsche, unheilige Liebe ist sehr oft die Zu- neigung der Brautleute und Ehegatten gegen einander im Anfang, -eine blinde Leidenschaft, eine verkehrte Lust, die gut und böse gar nicht unterscheidet; und darum ver ehet sie auch gewöhnlich bald, weil sie nicht als reine iebe in Gott gegründet war. (Stier.) H) Hat die allgemeine Liebe, von der vorhin die Rede war, einen schweren Stand wegen der Falsch- heit und Bosheit der Menschen, so verlangt der Apostel hauptfächlich nur das, daß sie aufrichtig sei; dagegen verlangt er von der brüderlichen Liebe mehr, die soll herzlich sein. (Münkel.) Die Christen sollen unter einander eine sondere Liebe haben, über die gemeine Liebe gegen andere Leute, denn das Wörtlein ,,herzlich« heißt die Liebe, so Vater und Mutter gegen Kinder und Brüder unter einander haben; als sollte er sagen: ihr Christen sollt euch nicht allein lieb haben unter ein- ander, sondern ein jeder soll gegen den andern herzlich- mütterlich, väterlich, brüderlich sein: 1. Thess 2, 117 I. Petri Z, 8. (Luther.) Die nun als Blutsverwandte sich herzlich unter einander lieben, sollen sich ebenso von Herzensgrund unter einander ehren, denn was man lieb hat, das hält man auch werth, und nur da allein kann die Gemeinschast gedeihen, wo man sich gegenseitig achtet· (Nebe.) Die Liebe stirbt oder wird schaah unbefriedigend und eitel, sowie der Mensch nicht Achtung und Ehrerbietung mit ihr verbindet. Freun- desliebe, Elternliebe, Kinderliebe, Geschwisterliebe, na- tiirliche oder geistige Liebe bleiben wohlschmeckend, stark, andauernd, langen Lebens, wenn man sich nicht allzusehr nahet, nicht zu sehr in einander auf- und übergeht, mit dem Herzen das Fernen vom Herzen (Pred. B, 5) verbindet. Das eben ist heiliges, gött- liches Gemeindelebem wenn die Brüder vermögen mit wallendem Herzen einander entgegen zu gehen, und mit Ehrerbietung vor einander zurück zu treten. (Löhe·) In der Ehrenbezeigung einander den Vorrang zu geben, wird durch die Erwägung der Vorzüge Anderer und der e1igenen Gebrechen sehr erleichtert (Bengel.) l. eifrig in dem], was» ihr thun sollt [Jerem. 48,- 10]- Seid brunstig tm Geiste [»Ap.ostg. 18, 25., auf daß, wenn der erste Eifer bei einem angefangenen Werk nachlassen will , in eures Herzens Grunde, in eurem von Gottes Geist durchdrungenen Menschengeiste Kap. 8, 4 ein Feuer vorhanden sei, das ihn immer von Neuem ent- zündet]. Schicket euch in die Zeit« fwenn trotz, allem Eifer eurerseits eine Sache doch nicht so vorwärts schreiten will, als ihr gern möchtet, und seid lieber mit einem kleinen Erfolge zu- frieden, wie er unter obwaltenden Umständen allein sich erreichen läßt, statt daß ihr die that- sächlichen Verhältnisse außer Acht lassen und da- mit allen Erfolg euch abschneiden wolltet] 12. Seid funter allen Umständen, wären sie zur Zeit auch noch so widrig] frohltch in Seid nicht träge ffondern vielmehr» mahnung ergänzend Seid nicht träge, sondern brünstig im Geist! Schicket euch in die Zeit! Seid fröhlich in Hoffnung! 125 Hoffnung sob der zukünftigen Herrlichkeit, die Gott geben soll Kap. b, 2], geduldig [ausharrend] in Trübsal sda ihr ja des göttlichen Beistandes in der Noth, des herrlichen Ausgangs derselben, und des Segens, der aus ihr erwächst, euch ver- sichert halten dürfet Kap. 8, 28; 2. Cor. 4, 17 s.], haltet saber auch, daniit die Fröhlichkeit in Hoff- nung und die Geduld in Trübsal euch nie aus- gehege Pl: am Gebet« sEol. 4, L; 1. Thesf. Z) Frisch am Werk ist der Liebe Art: dasselbe Wort ,,Eifer« (Luther: ,,Sorgfalt«), swelches Paulus vorhin dem Regierer zugerufen hat (V. 8),, kehrt hier wieder; allen Brüdern ziemt Eifer in ihrem Christenberufe Jm Eifer nicht träge! oder wie es Luther mit Hervorhebung des einem jeglichen besohlenen Werks, woran er feinen Eifer setzen soll, verdeutscht: seid nicht träge, was ihrthun sollt! Saumseliges Zaudern, schläfriges Angreifen, Anfängen ohne Fortfahrem wankelmiithiges und wählerisches Treiben bald hierhin, bald dorthin, weichliches Zurücksehem wenn die Arbeit am Pfluge Schweiß kostet, gehört nicht in die Ge- meinde Gottes. (Besser.) St. Paulus will, daß wir wacker, ausrichtig und geschäftig sein sollen, nicht wie die, die heute Eins ansahen, morgen ein Anderes, bleiben auf keinem Dinge, und werden’s leicht müde und verdrossen: als man findet, die etwas Gutes an- fangen, geschwinde und mit großem Ernste, wenn sie es aber zwei oder drei Mal gethan haben, werden sie laß und führen’s nicht hinaus, denn die erste Brunst hat sich geleget, wie ein Vorwitz sich leget, wenn er gebüßet wird; dann werden denn eitel unbeständige, untüchtige Leute aus. (Luther.) Es kann in unserm Eifer ja Vieles uns träge machen: wir sehen so wenig Erfolge unsrer Arbeit; dieselbe nimmt unsre Kräfte länger und stärker in Anspruch, als wir gerechnet hatten, sie verliert am Ende auch den Reiz der Neuheit. Wie mancher, der in hellem Eifer sein Werk anfing, hält nur noch aus Pflicht-, ja aus Schamgefühl bei seinem Werke aus! Darum tritt der Warnung: ,.seid nicht träge, was ihr thun sollt« sogleich die positive Er- zur Seite: «seid brünstig im Geiste« (Nebe.) Es ist ein großer Unterschied zwischen den Wallungen des eigenen Geistes, zwischen einer selbstischen geistigen Erhitzung und zwischen der ver- rgenen Lebenswärme des Geistes Gottes, von wel- cher der Christ nach des Apostels Mahnung seine Seele durchdringen lassen soll. Man kann brünstig im Geiste sein, und doch dabei recht nüchtern, was·bei dem bloßen Enthusiasmus nicht der Fall ist; aufge- regte Gefühle geben uns selten Wahrheit, die Inbrunst des Geistes aber ist ein Durst nach dem lebendigen Gott —- ,,der im Geiste glüht, der kalt geworden ist für die Welt«, sagt Hieronymus. Der im Geiste Brünftige vermag daher auch die Dinge klar zu er- kennen, wie sie sind, die irdischen nach ihrer Vergäng- lichkeit, die himmlischen nach ihrem überschwänglichen Werth, und ist im Stande, bei aller Geiftesgluth die Schranken der christlichen Klugheit zu bemessen und zu beachten, zu deren Einhaltung der Apostel weiter ermahnt, wenn er den Christen bedeutet, daß auch der regste Eifer den Zeitumständen Rechnung tragen muß. (Sommer.) Wie es einerseits das Thun der Liebe ist, in welchem der Christ nicht lässig, sondern brennenden Eifers voll erfunden werden muß, so muß ihn auch dieselbe Liebe dazu bestimmen, sich den je- weiligen Umständen fügsam zu unterwerfen, um das, was dem Nächsten dient, immer so zu thun, wie es den Umständen nach am besten geschehen mag, anstatt eigensinnig es nur so thun zu wollen, wie er es sich in den Kopf; gesetzt hat, und also lieber nichts zu thun oder zu erzielen, als sich Mittel und Wege durch die Umstände vorschreiben zu lassen. If) Von den wechselnden Umständen kommt der Apostel auf die Hosfnungzu sprechen, welche über sie hinausblickt; und von ihr auf die Drangfale, welche die Gegenwart belasten; und von ihnen aus das« Gebet, welches den Druck der Drangsale durchbricht und über- windet. Sofern der Christ Hoffnung hat, soll er fröhlichen Muthes sein; sofern er Draugsale zu tragen hat, soll er in Geduld ausharren; sofern ihm Gebet gegeben ist, soll er ihm obliegen ohne Unterlaß. (v.Hosmann.) Wie der dreigliedrige Satz des vorigen Verses die rechte Aetivität in Beziehung zu den Verhältnissen der Zeit bestimmte, -so bestimmt der drei- gliederige Satz des vorliegenden Verses die rechte Passivität in diesen·Verhältnissen. (Lange.) Paulus ermahnt zum Fröhlichseinin Hoffnung als zur Ersullung einer Christenpflicht: freudlos und mit schwerem Herzen thun, was wir thun sollen, ist nicht evangelisch; derhalben wollen wir uns schänien, daß die Geistesfrucht der Freude (Gal. 5, 22) so kärglich bei uns wächst, und wollen dem Unglauben Abschied geben, der den Helm der Hoffnung (Ephes. 6, 17) von unserm Haupte stiehlt. (Besser·) Ein Mensch, der sich nicht freuen kann der Hoffnung, die ihm gegeben, ist mit jeder Zeit unzufrieden, klagt und jammert über sie und zieht sich in seinen Schmollwinkel zurück, statt daß er die Hand rühre und ergreife, was sie ihm in ihrem Schoße-darbietet; weil die Heiden keine Hoff- nung haben, trauern sie (l. Thess. 4», 13), dagegen— freuen wir Christen uns allewege, weil wir zu einer lebendigen Hoffnung wiedergeboren sind. Hoffend nun hat sich »der Christ über die Gegenwart·hinwegzusetze·n; geduldig aber hat er sich mitten in diese Zeit hinein- zustellen, denn sie ist böse, voll Trübsal und Drangsal sur ihn. (Nebe.) Das Evangelium giebt allenthalben den Christen böse Tage und das Kreuz; darum rüstet es uns auch nicht anders denn mit geistlichen Waffen, das ist, es lehret uns nicht, wie wir des Unglücks los werden und Friede haben, sondern wie wir darunter bleiben und überwinden, daß es nicht diirch unser Zuthun und Widerstreben abgewendet werde, sondern daß es sich an uns matt und müde arbeite und solange uns treibe, bis daß es nimmer kann und von ihm selbst aufhöre und kraftlos abfalle, wie die Wellen auf dem Wasser »an dem Rande sich stoßen und von ihnen selbst zuruckfahren und verschwinden. Es gilt nicht weichen» sondern beharreii. ·(Luther.) Wenn die Welt ihre Feinde dadurch überwindet, daß sie ihnen Trübsal anlegt, so überwindet der Christ die Welt dadurch, daß er von ihr Trübsal leidet; aber auch, wie der Text sagt, anhält am Gebet. Die Trübsal findet allezeit schwache Menschen, die auf den ersten Stoß von ihr umgeworfen werden; findet sie aber Christen, die vor ihr zu Gott fliehen im anhaltenden Gebet, so findet sie stählerne Herzen und eiserne Arme, die den Kampf niit ihr aufnehmen und den Sieges- kranz der Hoffnung mitFreuden davontragen. (Münkel.) Das Aug voll Licht der Hoffnung, das Leben voll Ge- duld, das Herz voll brünstiger Andacht und Flehens, daß er das Ziel erlange und den Sieg gewinne, so geht der Christ vorwärts von Schritt zu Schritt durch’s Jatnmerthal (Löhe.) 13. Nehmet euch swenn ihr nicht selber in Trübsal stehet, sondern andere Christen darin 126 Römer i2, 14—18. stecken sehet] der Heiligen [der durch ihre Be- rufung zu Christo von der Welt abgesonderten und unter der Erziehung des heil, Geistes stehen- den Gläubigen Kap. 1, 7; 15, 26; Ephef 6, 18; Apostg. 9, 131 Nothdurft an [wörtlich: nehmt Theil an den Bedürfnissen der Heiligen, indem ihr sie stillet, den Bedürftigen gebet und mittheilets Herberget [insbefondere] gerne [reisende und obdachlose Glieder auswärtiger Gemeindencnicht blos aufnehmend, wenn sie ein Unterkommen bei euch suchen, sondern selber ein solches ihnen entgegenbringend 1. Tim. 5, 10; Hebr. 13, Z; I. Petri 4, 9]. Diese beiden Ermahnungem welche eng zu einander gehören, schließen sich an die des vorhergehenden Verses ungezwungen an: dort hat der Apostel ermahnt, daß die Christen in der Trübsal, die sie selber betrifft, als Christen sich verhalten sollen (l. Petri 4, 16); nun sagt er, was sie zu thun haben, wenn sie an den Andern, die in einer Trübsal stecken, als wahrhaftige Christen sich erweisen wollen. (Nebe.) Wer das Be- dürfnis; des Bruders wie fein eigenes fühlt, wird auch den aus der Fremde angekommenen Brüdern, die Obdach, Nahrung und Kleidung nöthig haben, dasselbe ·ern gewähren; er wird der Gastsreundschaft sich be- 3eißigen, die zu den Zeiten des Apostels für verfolgte und reisende Christen besonders nöthig war. Origenes macht aufmerksam, daß der Apostel nicht schreibe: übet Gastfreuiidschaft, sondern befleißig et euch derselben; sie sollen also nicht blos die Kommenden bei sich auf- nehmen, sondern auch die aufsuchen, welche auf den Straßen sitzen. ·(Sommer.)· Jaget der Gastfreund- schaft nach, schreibt Paulus im Grundtext, richtet auch ein Verfolgen an, verfolget die Flüchtlinge und Fremd- linge; aber nicht, um sie zu quälen, wie ihre andern Verfolger, sondern um sie unter euren Hausfrieden einzuführen und ihnen wohlzuthun. (Lohe.) 14. Segnet, die euch verfolgen [wie ja der HErr selber das befohlen hat und mit seinem Exempel es uns vor die Augen gemalt l· Petri Z, 23]; segnet [ich wiederhole das köstliche Wort noch einmal 1. Cor. 4, 12; 1. Petri Z, I] und fluchet nicht sso sehr man euch auch fluchet]· Während im l2. Vers das eigene Verhalten des verfolgten Christen dargethan wird (denn überall fast, wo im neuen Testament das Wort ,,Trübfal« vor- kommt, ist nicht an das Leiden des gewöhnlichen Lebenslaufes, sondern an die Noth der Verfolgung VI denken), und im 13. V. das gegen die mitversolgten rüder, giebt uns nun der 14. Vers einen neuen Zug des Gewölbes: er zeigt die Gemeinde und ihre Glieder in ihrem Verhältniß gegen die Verfolger. Der Christ duldet nicht blos, er kann und thut mehr; er hält nicht blos die Hand rein von Gewaltthat und roher Vergeltung, sondern auch das Herz von Rache und läßt sich den Haß der Verfolger nicht dahin treiben, auch zu hassen. (Löhe.) Der Ausspruch des Verses erinnert an Matth. 5, 447 Luk. S, 28., welches Wort des HErrn dem Apostel hier wohl auch vorgeschwebt aben mag; ähnliche Beziehungen in den apostolischen riefen, welche vorherrschend auf die Bergpredigt zurückweisem finden sich in Kap. 2, 19; I. Cor. 4, 12 f.; 7, 10; . , 9; 5, 12; l. Petri 3 9. 14; 4, 14. (Phiiippi.) Worte» die Feinde nichts. Gutes vom Christen annehmen, daß er ihnen ebensowohl erweisen niöchte,» wie »den Freunden und Brüdern, so können sie doch nicht hindern, daß er sie segnet, daß er für sie bitter, Gott wolle ihnen zur Erkenntniß ihrer Sünde verhelfen, vom Wege des Verderbens sie herumholen auf den Weg des Friedens, und mit solcher Bitte im Herzen alles Gute ihnen wünscht. (Sommer.) Dies Segnen ist nun freilich eine fchwere Section; darum wiederholt sie der Apostel und drängt das zurück, was dem natürlichen Herzen so nahe liegt: ,,segnet und fluchet nicht«. (Starke.) Es ist dies: ,,segnet und fluchet nicht« aber auch ins· emein geredet für jeder- mann, ob sie gleich nicht erfolger sind, nnd will sagen: nicht allein sollt ihr die Verfolger segnen, son- dern auch euer ganzes Leben soll also angethan sein, daß es niemand fluche, sondern jedermann segne, daß ihr niemand etwas Böses wünscheh sondern jedermann eitel Gutes. (Luther.) 15. Freuet euch [in aufrichtiger, neidloser Theilnahme an ihrem Glück] mit den Fröhlikheih lmd sgleich fern von heimlicher Schadenfreude wie von selbstgefälligem Sichweiden an dem eigenen Wohlbefinden — ,,im Unglück unsrer bestenFreunde ist etwas, das uns nicht ganz mißfällt«: Kant] weinet mit den Weinenden sSirach 7, 38; im Grundtext steht: Sich freuen mit den Fröh- lichen und weinen mit den Weinenden —- das sei eure Loosung]. Hat der Apostel in V. 13 von der Theilnahme an den Bedürfnissen der Brüder gefprochen und in V. 14 ermahnt, auch die Verfolger zu segnen, so bringt er jetzt zwei Ermahnungem darauf bedacht zu sein, daß wir überhaupt dem Nächsten wohlthun, was auch dadurch geschieht, daß wir an seinem Leid und an seiner Freude ausrichtigen Antheil nehmen und unsere Mitempfindun ihm in entsprechender Weise ausdrücken. (Sommer.) iehe, wie wenig Paulus schwere Lasten auflegt; denn er sagt nicht: reiße ihn aus dem Unglück, damit du nicht einwendeft, das fei dir unmöglich; er gebietet dir das Leichtere, dessen du Herr bist. Denn kannst du ihm die Noth nicht lindern, bring ihm deine Thränen, und du hast schon das Meiste gelindert; kannst du sein Glück nicht mehren, bring ihm deine Mitfreude, und du hast ihm viel hinzugeschenkt. (Chrh- sostomus.) Mit den Weinend en zu weinen ist noch minder schwer, denn zuni Mitleid fühlt der Mensch leichter sich gestimmt, zumal jeder wohl an sich selbst wissen kann, was Leid ist; obwohl es auch hier sich nicht handelt um schwächliche Empfindsamkeih sondern um die Kraft des Trostes, die mein Mitgefühl dem Nächsten bieten soll und nur bieten kann in dem Maße, als ich selbst die Kraft des Trostes in Gott kenne und genieße. Aber auch mit den Frö lichen sich freuen und sich durch eigenes Leid und ummer darin nicht hindern lassen, das ist schwerer, denn es fordert ein neidloses Gemüth; Neid und Mißgunst aber von sich fern zu halten ist eine Kunst, in welcher sich die Demuth zeigt und ihre innige Verwandtschaft kund giebt mit der Liebe. Washilsks jedoch, den Schmnck aller dieser Tugenden auszubreitem wo die Kraft fehlt, ihnen nachzukommen? Sie sind wohl köstlich und ein- ladend, ihrem Reiz kann niemand widersprechem ihnen Beifall spenden muß auch das natürliche Gemüth; aber sie üben und in solcher Uebung leben und Freude und Genuß darin empfinden, das muß gegeben sein von oben. Wem wird es gegeben? Glaube an den HErrn Jesum Christum und werde mit ihm Eins im Geiste der Liebe, die er giebt, die von ihm ausgeht, Jst’s möglich, so viel an euch ist, so habt mit allen Menschen Frieden! 127 und du kannst es! (v. Burger.) Werden wir hier nicht erinnert an Den, der in Cana mit den Fröhlichen sich freute, dessen Herz aber auch von Mitleid brach: ,,mich jammert des Volks«? (Brückner.) Its. Habt fals Glieder Einer Familie, deren Vater der rechte Vater im Himmel, deren erstgeborener Bruder Jesus Christus und deren Familiengeist der Geist des Vaters und des Sohnes ist] einerlei Sinn unter einander fwas ja recht wohl möglich ist, wenn ihr nach der· einen Regel, darein wir kommen sind, wandelt Phil »3, 16]. Trachtet nicht nach hohen Dingen, sondern haltet euch herunter n den Niedrigen lnach andrer Uebersetzung: lagt euch mit fortziehen von den Niedrigen —· statt dem Zuge hoher Dinge zu folgen, gehet vielmehr den Ansprüchen und Aufgaben nach, welche von den niederen Lebensverhältnissen an euch ergehen].- Wie im vorigen Verse schon, so will auch hier des Apostels Spruch aus der christlichen Gemeinde eine Familie machen, die durch die Abstammung von Einem Vater, Gott, durch die Bande des Blutes Christi, durch die gemeinsamen Leiden und Freuden so mit einander verbunden ist, daß die Sache des einen zur Sache aller wird; er empfiehlt also diesen Sinn, da sich einer in den andern schickt, einer dem andern nach- Bebt, weil eben jeder des andern Sache zu seiner ache macht und sie auf dem Herzen trägt. Nun aber hat von Natur jeder seinen eigenen Sinn und trä t allein sich und seine Sache auf dem Herzen, und ist Ho vielerlei Sinn, wie es Köpfe giebt; die rechte Schule ist da die, daß man sich fleißig darin übe, nicht hinauf, sondern herunter zu steigen, nicht nach Ruhmund Ehre, sondern nach einem stillen, verborgenen Leben zu trachten und Gott in den geringen, alltäglichen Geschäften treu zu dienen, als wären es große Reichs- angelegenheiten. (Münkel.) Statt hoch hinaus zu wollen, sagt der Apostel (nach Luther’s Uebersetzung, die sich an die Auffassung der alten Väter anschließt), und also einen eigenen Weg einzuschlagem welcher über die Köpfe der Andern hinweggeht, sollt ihr euch in die Schaar derer, die niedrigen Stand einnehmen und auch nichts Anderes begehren, hineinziehen und als Jhresgleichen, verschwindend zwischen ihnen, des Weges, den sie gehen, mit fortziehen lassen. (v. Hof- mann.) Jn dem gewähltenWort: ,,haltet euch herunter« liegt die Wahrheit verborgen, daß der Mensch von Natur nach Oben gerichtet, auf hohe Dinge versessen ist, daß er den Weg nicht aus eigenem Antrieb ein- schlägt und in eigener Kraft wandelt; er wird auf diesem Wege der Demuth geführt, getrieben gleichfam wider Wunsch und Willen, von einer fremden, starken Hand daraus fortgestoßen — diese starke treibende Hand ist die Hand der heilsamen Gnade. (Nebe.) Die Christen sollen sich den Niedrigen eben machen, denn also hat Christus auch gethan: alles, was hoch in ihm war, hat er nicht weggeworfen noch geleugnet, aber er brüstete sich nicht damit; er machte sich unserm Elend eben, verachtete uns nicht und dienete uns mit seinem hohen Wesen. (Luther.) (Epistel am Z. Sonntag nach Epiphansiäh Diese Epistel schließt sich als Fortsetzung der vor- hergehenden eben so sehr dieser, als dem Evangelio des Tages (Matth. 8, 1 ff.) an, insofern die Predigt der Liebe, die wir hier hören, gewissermaßen die Er- gänzung zu der bußfertigen Demuth und dem zuver- LichtJPeU EGlauplicelnu isstbr davknækileö Yuptznaniä edigrt ur ein xeme n eig. . ie rie n- liebe des Christen: I) wie sie aller Wiedervergel- tung des Bösen entsagt, 2) wie sie dem Unfrieden jede Handhgbe 4e)ntziehtf, 3)d wiå g; akklleä Gerjicht Im HErrn überlä t, wie ie ur o t un en egner ge- winnt. Die Friedfertigkeit der Kinder Gottes: I) sie haben Frieden, 2) sie stören nicht den Frieden, s) sie suchen Frieden und jagen ihm· nach. (Sommer.) Die Friedenskunst der Kinder Gottes: 1) das Lehrlingsstiick heißt, Andern keinen Anlaß zumfllnfrieden geben; 2) das Gesellenstiick heißt, sich in den Un rieden Anderer nicht hinein- reißen lassen; Z) das Meisterstuck heißt, Andere von ihrem Unfrieden heilen. (Wiesing«er.) Von der christ- lichen Friedensschule mit ihren dreiKlassent l) in der untersten Klasse» heißt die Lection,· brich nicht den Frieden durch eigene Schuld; 2)«in »der Mittelklasse heißt’s, halte am Frieden mit stiller Geduld; 3) in der Oberklasse heißt’s, känipfe um den Frieden mit Großmuth und Huld. (Gerok.) Laß dich nicht das Böse uberwindenx 1·) nicht das Böse in dir selbst, »2) nicht das »Vose »in Andern. (Couard.) Ueberwinde das Bose mi»t Gutemz I) das Gute allein vermag das Böse zu uberwinden, a . . - F’s"«s23i«åi?ch"s«? FFiIhBiit EZZTZZZTITKEETISEQZLTZd aufgabe, die nkir ntieckgattiz elrcfhüllen werden, der wi a e o äg i immer von gineueni »unsrversu1cl)en sollen: ·1)christlich«lieben, Z) christlich leben, Z) christlich leiden. (Eig. Arb.) 17. Haltet euch nichz selbst fur klug [Kap.V11k,) Spr. 3S·7; Jåf 5, DE» jdaßWihlrt euer er a en gegen ie eu umge en e e und ihre Feindschafctj nach dem, was eurer eigenen Meinung als das erathenste erscheint, einrichten wolltet, sondern höret auf die Weisungen Gottes, die ihr nachstehend aus meinem apostolischen Munde vernehmet]. Bergeltet lso sage ich nach der Gnade, die mir gegeben ist V. Z] niemand fer sei Christ oder Nichtchrist] Böses mit VBseMY [Spr· 20, 22; 1. Petri 3,·9]. Fleißiget euch der Ehrbarkeit gegen jedermann« sstellet euch gegen einen jeden also, daß ihr ihm gefallen möget und er nur Gutes von euch denken kann 1. Thess 5, 15; 2. Cor. 8, 20 f.; Spr. 3, 4]. 18. Ist? möglich· fsoweit es nicht Gottes Ehre und das Heil des Nächsten verbietetL soviel an euch ist [daß ihr’s könnet mit Verzichtleistung auf euer Eigenes und mit Nachlassen oder Nach- geben in Dingen des zeitlichen Lebens bewirken], so habt mit allen Menschen Friedetjit sund lasset ihnen allen eure Lindigkeit kund sein Phil. 4, s; I· Petri Z, 11; Hebr. 12, 14]. V) Der Apostel hat bisher den Gläubigen neben den Selbstpflichten vorherrschend (doch»vgl. V. 14) ihre briiderlichen Pflichten gegen einander eingeschärftz nun- mehr richtet sich sein Blick vorherrscheiid auf die, welche draußen sind, und er regelt das Benehmen der Christen zu denselben in einigen, im Verhältniß zu ihnen be- sonders nahe liegenden Punkten, indem er namentlich das Verbot der Selbstrache und das Gebotder Fried- fertigkeit und Gutthätigkeit aufstelln (Philippi.) Bei 128 Römer 12, 19. 20. dem Sa e nun: ,,haltet euch nicht selbst für klug« hat der Apo tel die oben citirte Stelle aus den Sprüch- wörtern in Erinnerung, welche im Zusammenhange besagt, man soll sich nicht für klug genug achten, um seinen Weg selbst zu finden, sondern auf die Weisung Gottes hören· (v. HofmannJ Der Aäosteh welcher in V. 20 wieder ohne Weiteres eine telle aus den Sprüchwörtern sich aneignet, führt auch hier eine solche an, ohne den Ort anzugeben, wo er dieselbe gefunden, weil er an eine überwiegend aus Heidenchristen be- stehende Gemeinde schrieb, bei welcher eine vertraute Bekanntschaft mit dem alten Testament nicht voraus- zufetzen war, und bahnt mit dieser Ermahnung aus Gottes Wort sich den Weg zu den folgenden Vorschriften Was er nun da den Römern an’s Herz legt, wie sie u ihren Feinden sich zu stellen haben, wenn anders sie dem Ehristennamen nicht Schande machen wollen, ist ja der gerade Gegensatz zu dem, was wir Men- schen in solchen Fällen für gerecht »und heilsam er- kennen. Das Unrecht, welches uns jemand angethan hat, giebt uns —- so denken wir nicht blos in dem Momente, da das erfahrene Unrecht uns in eine Ge- miithsaufrefgung und Wallung versetzt hat, die ein ruhiges Ue erlegen nicht mehr aufkommen läßt, son- dern selbst dann noch, wenn unser Blut wieder ruhig seine Bahnen geht und wir wieder Herren unsers Asfekts geworden sind — das vollständige Recht, nach der Norm, welche jemand gegen uns in Anwendung gebracht hat, ihn unsrerseits zu behandeln; ja, wir gehen noch weiter und sagen: wenn wir nicht nach dem Gesetz der Wiedervergeltung gegen unsre Wider- sacher verfahren, so leisten wir damit seinem Muth- willen nur Vorschub, und unsre Geduld und Sanft- muth reizt ihn nur zu weiteren Gehässigkeiten, die ihn in’s Verderben stürzen und uns in’s Verderben bringen können, woraus am Ende der Schluß gezogen wird, wir seien es ihm und uns selbst schuldig, daß wir ein- greifen und Böses mit Bösem heimzahlen. (Nebe.) Droben (V.14), da der Apostel lehret, man solle nicht fluchen, redet er von denen, die sich nicht rächen noch wieder Böses thun konnten; denn diefelbigen haben nicht mehr, ohne daß sie fluchen und alles Unglück wünschen denjenigen, so ihnen zu mächtig sind. Hier redet er von gleichen Leuten unter einander, da eins dem andern kann wiederum Böses mit Bösem be- zahlen und einen bösen Tück um den andern beweisen, es sei mit Thun oder Lassen, am meisten jedoch ge- fchiehet es mit Lassen; aber ein Christ soll Gutes thun dem, der ihm übel thut, und nicht ablassen, wie Gott seine Sonne läßt scheinen über die Gerechten und Un- gerechten. (Luther.) »Es) Es ist dies vom äußerlichen Wandel ge- sagt, daß ein Christ nicht soll denken, er möge thun, was er will, unangesehen, es gefalle niemand oder gefalle jedermann; denn folches soll er thun nur in Glaubenssachen, aber im äußerlichen Wandel soll er sich so halten,·daß man nichts Sträfliches an ihm finde, sondern jedermann er gefalle, 1. Eor. 10, 32f.; 1. Petri 2, 12. (Luther.) Es giebt nicht einen welt- lichen Anstand blos, sondern einen christlichen auch: die Kinder des Lichts lassen allezeit ihr Licht leuchten; wo man sie sieht, sieht man sie getrieben vom Geiste Gottes. Es ist eine sittliche Schönheit, eine sittliche Gleichmäßigkeit über ihr ganzes Leben aus-gegossen; in den verschiedensten Lagen und Verhältnissen sind sie doch immer dieselben. Der Apostel trifft mit seinem Worte eine Seite, die wir viel zu wenig beachten. Gar leicht gestatten wir uns sittliche Gebrechen, die uns klein erscheinen und es doch nicht sind. Wie oft treten in heiteren Stunden Dinge zu Tage, die wider ( den christlichen Ernst verstoßen! wie oft zeigen unbe- wachte Augenblicke Schwächen auf, die wir sonst zu überwinden vielleicht redlich bemüht sind! Es ist eine traurige Wahrnehmung, daß auch christlich gesinnte Menschen, die man aus der Ferne bewundert, ver- lieren, wenn man sie in der Nähe betrachtet. Bei dem Christen soll es nicht also sein: je näher du ihn kennst, desto mehr muß» er gewinnen in deinen Augen. (Brückner.) »Es) Laßt uns die apoftolische Forderung: ,,habt mit allen Menschen Frieden« erst in’s Herz fassen und uns prüfen, ob wir durch Christum willig und mäch- tig sind, sie zu erfüllen; dann tröste es uns, die wir in der unfriedfamen Welt sind, daß der Apostel dazu setzt: ,,ist’s möglich, soviel an euch is «. (Besser.) Einmal sagt der Apostel: ,,habt mit allen Menschen Frieden« —- mit allen, d. h. es ist kein Mensch so schlecht, kein Mensch so lieblos gegen dich, keiner der Verwandten hat so sehr alle Verwändtschaft gegen dich verleugnet, daß du ein Recht hättest, im Unfrieden mit ihm zu leben. Geld kann viel, Liebe kann alles; es steht dir wohl, wenn du auf Feindschaft mit Freund- schaft antwortest, und du darfst dich nichtschämen, wenn du auch dem ein gutes Wort gönnest, der eines guten Wortes nicht werth scheint. —- Sprichst du: ,,ich habe es gethan, er will den Frieden nicht; tausendmal habe ich ihm die Hand geboten, und er hat sie zurückge- stoßen; er leidet’s nicht, er wills nicht«, dann kommt die zweite Ermahnung: ,,haltet Friede, soviel an euch ist«. Das will sagen: Lasset euch verfolgen, nur verfolgt selbst nicht; lasset euch schmähen, nur schmähet selbst nicht; lasset euch wehe thun, nur thut selbst nicht wehe; laßt als Feinde euch behandeln, handelt aber selber als Freunde. Zanken zwei, so haben beide Unrecht. Hat jemand den, welcher unser Vorbild ist, Jesum Christum, zur Feindseligkeit zwingen können? Verleumdeth verklagen und plagen, in’s Angesicht schlagen, anspeien, verspotten konnte ihn betrüben, aber nicht ein einziges Scheltwort, nicht eine einzige spitze Rede ihm ermessen. (Easpari.) Soviel immer an ihnen ist, sind die Friedfertigen niemals Ursächer des Streits, Anfänger des Haders, sondern Quellen des Friedens; denn Frieden haben sie selbst, und darum haben sie ihn überall im Sinn und bei allen ihren Werken zum Ziel und zur Absicht, also daß es nicht ihre Schuld ist, wenn dennoch Unfrieden kommt. Denn der wird freilich kommen, es wird eben nicht möglich sein, allewege Frieden zu bewahren und zu üben mit allen Menschen, denn sie sind nicht alle Kinder des Friedens. Die Friedfertigen sind keines- wegs gehalten oder gesonnen, der Welt und ihrem Fürsten das Feld zu räumen und eine unbestrittene Herrschaft zu lassen; sie sind nicht gehalten oder ge- sonnen, aller Unwahrheit, Ungerechtigkeit und Gott- losigkeit freies Spiel zu lassen, den Mörder von Anfang frei und ungehindert würgen zn lassen, beide, die Leiber und die Seelen, beide, zeitliihe und ewige Wohl- fahrt; sie sind nicht gehalten oder gesonnen, vor dem Toben und Wiithen der feindseligen Welt wie furcht- same Hasen zu fliehen. Nein! soviel allerdings an ihnen selbst ist, soviel es ihren Willen und ihre Sache betrifft, ihre Meinung und ihr Recht, ihre Güter und ihre Ehre, halten sie Frieden mit Nach- geben, Weichen, Opfern, Leiden; soviel es aber Gottes Willen und Gottes Sache betrifft, sein Wort und Ehre, sein Gebot und Verheißung, sein Regiment und Ordnung, seine Gaben und Güter und seine Diener und Kinder, da erhalten sie den Frieden durch Streit und Kampf, nicht allein durch Widerstehen, son- dern auch durch Angreifen. (Petri.) Wir machen aber Rächet euch selber nicht, sondern gebet Raum dem Zorn! Ueberwinde Böses mit Gutem! 129 nur gar zu oft gerade es umgekehrt: handelt es sich um zeitlich Gut und eigene Ehre, da sind wir allemal auf dem Platze, daß wir es mit den Zähnen vertheidigen; aberGotte s Sache — ja Gottes Sache, die mag er selbst schützem wir wollen uns darum nicht die Finger verbrennen! (Münkel.) 19. Nächet euch selber nicht [an denen, die trotzdem, daß ihr ihnen nichts Böses mit Bösem vergeltet, sondern auch gegen sie euch der Ehr- barkeit befleißiget, dennoch in einer Weise fort- fahren, euch Unrecht zu thun und so hartnäckig alle eurem Friedehalten widerstreben, daß aller- dings es sich nun um eine Rache über die Uebel- thäter handelt], meine Liebsten, sondern gebet Naum dem Zorne [Gottes, daß der rein und voll, wie zur rechten Zeit, so auch in dem rech- ten Maße sich an ihnen vollziehen könne, greifet ihm also nicht vor, noch stört ihm seine Maßnahmen mit den euren, womit ihr ja eures Gottes Ma- jestätsrechte kränken würdet]; denn es stehet lin 5-M1)s-32- 351 geschrieben: Die Nache ist mein, ich will vergelten, spricht der HErrsk fvgt Hebr. 10, 30 u. l. Sam. 24, II; 25, 32 f.]. 20. So nun snachdem du alle Rachsucht aus deinem Herzen verbannt hast und statt der- selben vielmehr von dem Verlangen jetzt getrieben wirst, wo möglich auch Gottes Rache von ihm abzuwenden durch seine Bekehrung] deinen Feind hungert, so speise ihn; dürstet ihn, so tranke ihn swieschon in Sprüchw. 25, 21 f. hierzu er- mahnt wirds Wenn du das thust, so wirst du [wi·e es dort weiter heißt] feurige Kohlen auf sein Haupt sammeln« sihm so empfind- liche Schmerzen »Über sein bisheriges Verhalten gegen dich im Gewissen bereiten, daß er in seiner Stellung dir gegenüber nicht beharren kann, son- dern seine Bosheit von sich abschütteln muß]. V) Der erste und der vierte Satz in dem Abschnitt ,,Vergeltet niemand Böses —- ich will vergelten, spricht der HErr« sind verwandten Jnhalts, ebenso wie der zweite und dritte, aber ohne in Eins zusammen zu fallen; der erste verbietet, sich damit gütlich zu thun, daß man das Böse zurückgiebt, das man erlitten hat, der vierte verbietet, die Strafe selbst zu vollzieht» die der Andere dafür verdient, daß er an uns Unrecht gethan hat. (v. HofmannJ Stellt euch mit eurer Selbstrache nicht an die Stätte, die Gottes Zorn ein- geräumt fein will, ermahnt der Apostel: es ist recht, den Gottlosen zu zürnen und auch Gott anzurufen, daß er seine Ehre, welche die Feinde der Christen schänden, herstelle durch Gerechtigkeit und Gericht; aber es ist nicht recht, in Gottes Amt zu greifen durch Selbstrache, denn in dem Selbst steckt immer etwas vom Fleifche, und unserm Zürnen ist das Sündigen so nahe, wie das Fleisch dem Geist Ephes. 4, 26. (Besser.) Je schwerer der Mensch dem Verbote der Selbstrache sich unterwirft, je leichter er es iibertritt, desto an- gemessener sucht der Apostel— es hier durch die in- ständige und gewinnende Anrede: »meine Liebsten« seinen Lesern eindringlich zu machen. (Philippi.) Christenftand ist Leidensstand, wie geschrieben steht (Kap. 8, 17): »wir sind Gottes Kinder und seine Erben Däcbseps Bibe1werk. V1L Band. 2. Aufl. und Miterben Christi, so wir anders mit leiden«; und dazu schickt dir Gott einen Haufen Widersacher, damit er daran deinen Sinn prüfe, ob du dich wohl mit Ge- duld und ohne Bitterkeit in deinen Stand und seine Ordnung schicken kannst. Dagegen die Rache hat sich Gott vorbehalten; die wird er auch gewiß üben an allen denen, welche Böses thun. Es ist ihm eine heilige ernste Sache, die Leidenden zu schützen und zu rächen; auch wird er kein Unrecht ungerochen lassen, wenn er gleich eine Weile ruhig darein siehet — seine Mühlen mahlen langsam, mahlen aber trefflich klein; ob aus Langmuth er sich säumet, bringt mit Schärf er alles ein. Aber das alles kommt dir nnr zu gute, solange du leidest, ohne dich zu rächen, und deine Sache Gott heimstellstx rächest du dagegen dich selber, so fällst du Gott in sein obrigkeitliches Recht und Amt, begehst eine schwere Sünde gegen ihn und häufest seinen Zorn auf deinen eigenen Kopf. (Münkel.) Darum halt deine Faust stille und gieb Raum seinem Zorn und Strafe und laß ihn machen, als der es nicht will ungerochen lassen und härter straft, denn du be- gehren magst; denn wer dir Leid oder Schaden thut, hat nicht dich, sondern viel höher Gott selbst ange- tastet und ist schon in seinen Zorn gefallen, dem wird er nicht entlaufen, wie ihm denn noch keiner entlaufen ist. Was willst du denn zürnen, weil schon Gottes Zorn, der unermeßlich größer und schwerer ist, denn aller Welt Zürnen und Strafen, über ihn angegangen ist und du bereits höher gerochen bist, denn du dich rächen könntest, und hat (er, der Widerfache»r) dir noch nicht das zehnte Theil so wehe gethan, alsihm selbst? Warum willst du denn viel fluchen und rächen, weil du siehst, daß-er in solchem schweren Urtheil liegt, daß du dich vielmehr seines Jammers erbarmen solltest und für ihn bitten, daß er möchte herauskommen und sich bessern? (Luther.) Siehe dich aber auch wohl vor, wenn du die Rache Gott befiehlst, daß du nicht heimliche Rachgier behaltest in dem Wunsche, daß Gott deinen Feind nachdrücklich strafen möge; erst wenn du wünschest, daß dies nicht geschehen möge (sondern der Widersacher herumgeholt werde von seinem bösen Wege und erleuchtet mit dem Lichte der Lebendigen) hast du es Gott recht befohlen. (J. Lange.) »Es) Wer aus aufrichtigem Herzen alles Gericht über das Böse, das sein Feind ihm zufügt, Gott dem HErrn befiehlt, und wessen Seele darnach verlanget, daß sein Feind zur Erkenntniß seiner Sünde komme, Vergebung derselben vom HErrn erlange und sich bessere, der wird nicht blos alle Selbstrache unterlassen, sondern wird seinen Feind durch Liebeserweisung zu über- winden suchen. Es werden auf Grund der Stelle, auf welche Paulus hier Bezug nimmt, ohne sie anzuführen, einzelne Verhältnisse, in welchen man dem Feinde Gutes erweisen soll, von ihm namhaft: gemacht, um damit überhaupt die Erweisung jeder Art von Liebe zu bezeichnen. (Soinmer.) Wenn wir bemerken, daß unsern Feind hungert, so sollen wir ihm uns nahen, und keine Miene in unserm Angesicht darf ihm ver- rathen, daß es uns im Herzen wohlthut, in dieser Weise ihn zufbeschämem denn selbst unser Herz darf nichts von einer inneren Genugthuung, von einem inneren Wohlgefallen, daß es so gekommen ist, em- pfinden. Sehr zart ist nun, was schon die Sprüch- wörter gebieten, wenn·wir unsern Feind hungern sehen; das Wort für ,,speisen« heißt nämlich eigentlich: »kleine Bissen geben«, wie man sie einem Kinde dar- reicht, also: ,,fÜttere ihn« — wir sollen ihm nicht blos mit unsrer Hand die Speise in den Mund stecken und dieselbe nicht etwa blos so hinstellen, daß er weiß, wo er nun seinen Hunger stillen kann, sondern ihn l) 130 Römer 12, 21. 13, I—i4. behandeln wie eine Amme, wie Vater und Mutter das Kind behandeln, mit väterlicher, herzlicher Liebe. Gleicherweise liegt in dem ,,tränken« angedeutet, daß du dem Dürstenden das Getränk selbst hinhaltestz beide Ausdrücke sind höchst malerisch und bezeichnen ein durchaus liebevolles Thau, das denn auch seiner Wir- kung nicht verfehlen wird. (Nebe.) Wenn man einen Haufen glühender Kohlen auf ein hartes Metall legt, so wird das Metall darunter erst heiß, darnach weich und fängt endlich an zu schmelzen So wirst auch du durch dem Wohlthun dem Feinde die schlimmen Ge- danken von dir benehmen und sein Herz zur Gegen- liebe entzünden. (Hedinger.) So wenig man gegen glühende Kohlen auf dem Haupte unempfindlich bleiben kann, so wenig wird der Feind, welcher Gutthat em- pfängtsür Uebelthat, hiegegen unempsindlich bleiben können, daß er nicht über das, was er gethan, un- ruhig werden und sein Unrecht bereuen sollte. (v. Hof- mann.) Daran, wie du innerlich zu deinen Feinden stehst, kannst du merken, wie du zu deinem besten Freunde, deinem Heiland stehst; daran, wie du ver- giebst, was Andere an dir gethan, kannst du merken, wie du durch Christum die Vergebung empfangen hast für das, was du wider Gott gethan; daran, wie du wohlthust denen, die es um dich nicht verdienten, kannst du merken, ob du die Gnade Gottes gewürdigt hast, die du auch nicht verdientest (Brückner.) 21. Laß dich nicht das Böse [dadurch, daß du dich durch die Bosheit des Widersachers selber zur Bosheit in wiedervergeltender Rach- s»ucht hin-reißen lässest] altes-winden, sondern Uberwinde svielmehr auf die Weise, die in V. 20 dir gezeigt worden, indem du nämlich des Feindes Bosheit durch deiner Liebe Gutthat brichst, ihn durch Wohlthun zu reumüthiger Erkenntniß seines Unrechts und zur Umkehr von seinen schlimmen Wegen bringst] das Böse mit Gutem [Weish· 7, 30]. Der Christ soll nie geschlagen und überwunden aus dem Kampfe mit seinen Gegnern hervorgehn; seine Siegeswasfe gegen deren Böses istsdas Gute. (von Gerlach.) Wie Feuer nicht mit Feuer ausgelöscht wird, so auch nicht Böses mitBösem, oder Scheltwort mit Scheltwort: das ist der herrlichste Sieg, für Böses Gutes erzeigen und den Feind zum Freunde machen. (Starke.) Nach der Welt Urtheil ist’s umgekehrt; da hat der überwunden, der sich an seinem Feinde gerächt hat, aber bei Gott heißt dies, daß uns das Böse überwunden hat. Jn der Welt meint man, der sei überwunden, der sich muß Unrecht thun lassen und es leidet; aber bei Gott heißt dies, er habe überwunden. (Spener.) » Hat dich dein Widersacher dahin gebracht, daß du roiederverg1ltst, so hat er dich sich ähnlich ge- macht und dich also besiegt; wenn du es aber durch Geduld dahin gebracht hast» daß er vom Unrecht ab- steht, so hast du gesiegt. (Hieronymus.) Ob du gleich hier den Sieg des Guten, der Sanftmuth und Demuth, der Barmherzigkeit und Freundlichkeit, selten sehen magst, dennoch ist der Sieg gewißlich dein: der HErr wird dich krönen entweder mit dem Gewinn Bekehrter oder mit Reinheit von dem Blute derer, welche dem Zorne heimfallem (Besser.) Wer dagegen das Böse mit Bösem zu überwinden unternimmt, wird vielleicht den Feind seinerseits an Bosheit überbietem aber doch nur zu seinem eigenen Verderben. (Calvin.) Das 13. Kapitel. Wie man sich gegen die Obrigkeit, den Nächsten und sich selbst verhalten soll. I. Jedermann [wörtlich: jede Seele ohne Ausnahme Kap. 2, J] sei saus freiwilliger Ent- schließung, ohne sich erst durch äußeren Zwang dazu nöthigen zu lassen] Unterthan der Obrigkeit, die Gewalt über ihn hat«« [der Obrigkeit« in ihrer verschiedenartigen Zusammenfetzung und Gliederung, der er nach den thatsächlichen Verhältnissen nun einmal unterstellt ist] Denn es ist keine Obrigkeit, ohne Von Gott [die obrigkeitliche Gewalt als solche oder der Idee nach hat von niemand anders als von Gott ihren Urfprung]; wo aber Obrigkeit ist [in welchen Trägern ihrer Gewalt auch immer- hin sie zur Erscheinung komme], die ist von Gott berordnetkk sso daß man eben diese Träger für die jedesmal von ihm eingesetzte oder doch von ihm verhängte Obrigkeit anzusehen und deshalb sich ihnen zu unterwerfen hat Weis-h. 6, 4 f·]. 2. Wer sich nun [da es in der That sich also verhält, wie eben gesagt wurde] wider die Obrigkeit swie sie nun einmal besteht] setzet, der widerftrebet Gottes Ordnung fund macht sich zu einem solchen, der wider Gott streiten will Apostg b, 39]; die aber widerstreben, werden [da Gott sich nicht spotten läßt Gal. 6, 7] über sich sschon hie zeitlich, sei es durch das Schwert der Ver- geltung in der Hand der Obrigkeit, sei es durch die Schergen des göttlichen Gerichts, die wohl auch jenseit des Meeres sich finden] ein Urtheil [zur Verdammniß Kap. 2, Z; Matth. 23, 14.; Iak. 3, 1] empfahenftt 3. sEs braucht aber auch niemand wider — die Obrigkeit sich zu setzen, sondern kann eben der, die Gewalt über ihn hat, ohne alle Sorge um seine Wohlfahrt Unterthan sich erweisen B. 1.] Denn die Gewaltigen [die jedesmaligen Inhaber der obrigkeitlichen Gewalt] sind nicht den guten Werken, sondern den bösen zu fürchten fes ist also gar keine Ursach vorhanden, auf ihre Beseitigung zu sinnen, gleich als könne man unter ihnen seines Lebens nicht froh werden] Willst du dich aber nicht fürchten vor der Obrigkeit swas man allerdings dir nicht verdenken kann, denn die Furcht hat Pein 1· Joh. 4, 18 und läßt es zu keinem frohen Lebensgenuß kommen], so thue Gutes; so wirst du Lob von derfelbigen haben sinsosern sie dich als einen guten Bürger und getreuen Unterthan behandeln wird] 4. Denn sie ist Gottes Dienerin, sdie er zunächst und vor allen Dingen] dir zu guts]- shat eingefetzt, daß du ein ruhiges und stilles Leben führen mögest in aller Gottseligkeit und Ehrbar- keit 1. Tim. 2, L; und da wird er’s auch nicht Jedermann sei unterthan der Obrigkeit, die Gewalt über ihn hat! 131 daran fehlen lassen, daß solche Wohlthat dir wirk- lich m gewissem Maße zu Theil werde]. Thust du aber Böses, so furchte dich [allerdings, nämlich vor dem Arm der göttlichen Strafgerechtigkeit, der in der Obrigkeit in dieses zeitliche Leben schon heremreichts Denn sie trägt das Schwert sdas sie als Abzeichen ihrer Gewalt selbst über Leben und Tod führt] nicht Umsonst ssondern gebraucht’s auch, wo es nöthig ist]; sie ist Gottes Dienerin fauch nach der andern» Seite hin], eine Rächetin znr Strafe [näml1ch] uber den, der Böses thntH. V) Das feindliche Element, gegen welches Paulus das Verhalten der Christen in Privatverhältnissen bis daher bestimmt hatte, trat in der apostolischen Zeit gleichsam conceiitrirt in der Staatsgewalt des römischen Reichs der Kirche entgegen; eine mißver- standene Auffassung der Idee der christlichen Freiheit hätte daher die Christen leicht verleiten können, sich gegen die heidnische Obrigkeit in ein falsches Verhält- niß zu setzen, wie bekanntlich unter den Juden die Partei des Judas Galiläus (Apostg. 5, 37) es zu einem Glaubensartikel machte, daß es unerlaubt sei, den Heiden Abgaben zu zahlen, indem der ächte Jude nur Jehova als theokratischen König anerkennen könne. Jn dem Bericht des Suetonius (Apostg.18, 2 Anm.), daß die Juden in Rom unter Anführung eines ge- wissen Chrestus sich empört hätten, liegt vielleicht eine Andeutung, daß die römischen Christen zum Theil das Verhältniß zur Obrigkeit im regen Gefühl der christ- lichen Freiheit nicht ganz richtig aufgefaßt hatten. Erwägt man nun, daß der Brief an die Römer unter Nero geschrieben ist, nachdem schon Tiberius, Caligula und Claudius mit ihren Greueln und Unsinnigkeiten vorhergegangen waren, so tritt in der Ermahnung des Apostels eine Größe und Reinheit der Gesinnung heraus, die auf ergreifende Weise mit der Bosheit und Gemeinheit contrastirt, welche sich in der herrschenden Potenz des römischen Reichs offenbarte.· (Olshausen.) Der Gedanke des Uebergangs von dem vorigen Kapitel zu der nunmehrigen Ermahnung ist wohl dieser, daß auch in dem heidnischen Staate das Böse müsse über- wunden werden durch das Gute. Bei dem universellen Charakter unsers Briefs, auch auf der praktischen Seite, mußte es dem Apostel Bedürfniß sein, von seinem Prinzip aus das Pflichtverhältniß der Christen zum Staate zu bestimmen, auch ohne daß er erst durch be- sondere Umstände darauf geführt wurde. (P. Lange) Zu dem ,,besleißiget euch der Ehrbarkeit gegen jeder- Mann« in Kap.12, 17 gehört auch die gehorsame Un- terwerfung unter die össentlichen Gewalten, welche sich in der getreuen und willigen Erfüllung der bürger- lichen Pflichten bethätigtz in gleichem Verbande stehen solche Ermahnungen in I. Petri 2, 12 ff. (Maier.) Uebrigens ist unsre Stelle die einzige ausführliche und nachdrückliche Einschärfung des Gehorsams gegen die Obrigkeit in den paulinischen Briefen; theilweise Aehn- lichkeit damit hat die vorhin angeführte Stelle bei Petrus. (Met)er.) Wie der Apostel mit der Ermahnung zum gliedlichen Gemeinschaftswandel in Kap 12, 3 an jedermann in der Gemeinde sich gewandt hat, so verpflichtet er hier jedermann zur Unterthänigkeit gegen die Obrigkeit; und zwar sagt er nachdrücklich: ,,jede Seele« — Christen oder Heiden, gleich viel, es sind eben Seelen, die unter obrigkeitlicher Gewalt stehen. DieChristen sind also nicht ausgenommen von der Unterthanenschaft unter den Obrigkeiten dieser Welt, sondern vielmehr um des Gewissens willen zu ehrfürchtigem Gehorsam verpflichtet; gehorsam (Tit. 3, l) sollen sie unter die Obrigkeit sich stellen als an die Stelle, die Gott ihnen anweist, gleichwie nach Ephes. 5, 22 die Weiber unterthan sein sollen ihren Männern als dem HErrn. Die Zinsmünze mit des Kaisers Bildniß in den Händen der Juden war genug, ihnen die kaiserliche Gewalt über sie zu beweisen (Matth. 22, 19); in der Gewalt, welche der Kaiser über sie hatte, wies sich die Obrigkeit aus, welcher man unterthan sein sollte. (Besser.) » H) Die erste Satzhälfte: ,,es ist keine Obrigkeit ohne von Gott« drückt im Allgemeinen das Herrühren aller Obrigkeit überhaupt von Gott aus; in der zweiten Satzhälfte wird dann dies Verhältniß hin- sichtlich der in concreto bestehenden Obrigkeiten noch näher bestimmt als göttliche Einsetzun g: ,,wo aber Obrigkeit ist, die ist von Gott verordnet«. Der Christ soll also jedwelche Obrigkeit, wenn ihr Regiment über ihn thatsächlich besteht, als göttlich verordnet betrachten, da sie nicht ohne Gottes bewirkenden Willen zum Vorhandensein gekommen ist, was auch von der tyrannischen oder usurpatorischen Obrigkeit gilt, wenn gleich eine solche nach Gottes Rathschluß vielleicht nur eine zeitweilige ist und Uebergangsbestimmung hat. Von diesem Gesichtspunkte ausAgehorcht der Chrisnaber auch nicht der menschlichen illkür und Ungerechtigkeih sondern dem Willen Gottes, welcher im Zusammen- hange mit seinem, der menschlichen Einsicht unzugäng- lichen Regierungsplane auch den unwürdigen und un- rechtmäßigen Herrscher als die faktisch bestehende Obrig- keit zur Erscheinung gebracht und zum Werkzeug seiner Maßnahmen gemacht hat. Casualsragem wie sich der Christ in politischen Katastrophen zu verhalten, welche Obrigkeit er in solchen Zeiten für die faktisch bestehende anzusehen habe, läßt Paulus hier unberücksichtigt und giebt nur die prinzipale Vorschrift des Gehorsams, welche er auch nicht etwa von dieser oder jener Ver- fassungsform abhängig macht. (M»eyer.) »Der Christ, der als solcher sich als Bürger einer hoheren Welt weiß, hat, wenn er nicht zugleich durch seine bürger- lichen Beziehungen dazu verpflichtet ist, nicht die Auf- gabe, sich in Untersuchungen über die Rechtmäßigkeit der bestehenden Gewalt einzulassen, die ohnehin ge- meiniglich sehr schwierig sind und daher unmöglich jedem Individuum überlassen bleiben können; er ge- horcht derjenigen, welcher Gott über ihn die Gewalt gegeben hat — die bösen Obrigkeiten haben ihre Richter allein an Gott, nicht an Menschen (Olshausen.) Mit Gott geschieht es nicht, wenn man sich selbst berust zum Streiter für einen ,,legitimen« König, der nicht da ist, wider einen ,,Emporkömmling«, der da ist; Gott setzt Könige ab und setzt Könige ein (Dan.2, 21), und bedient sich dazu meistens der Gottlosen, die im Uebertreten seiner Gebote seine Gerichte vollstrecken müssen. Dawider sollen Christen nicht murren noch sich auflehnen, sondern Raum geben dem Zorne Gottes, der zu seiner Zeit und Stunde die großen Diebe richtet wie die kleinen. Vaterlandsliebe ist edel, und es ist Gottes Naturordnung, daß ein Volk seine Sprache und Sitte und alle die zeitlichen Güter, die ihm geschichtlich zugewachsen sind, werth halte und schütze; aber ein Götze wird aus dem Volksthuin»ge- macht von denen, welche ihrer »Nationalität« zu Liebe sich dem Weltregimente Gottes und den Schickungen seiner gewaltigen Hand widersetzen und sich die Vor- sehung anmaßen, wie lange und wie weit ein Volk wohnen soll Apostg. 17, 26. (Besser.) » sitt) Der Christ kennt kein Recht der Revolutionx er kann in die Lage kommen, der Obrigkeit den Ge- horsam zu verweigern, aber nur, wenn die Obrigkeit II« 132 Römer IS, 5—10. ihn nöthigen will, ein Unrecht zu begehen, nie, wenn es nur gilt, ein Unrecht zu leiden· Das Leiden eines Unrechts hat noch keinem Christen Schaden gebracht, hat vielmehr eine kräftige Verheißung des HErrn; der Christ sieht auch in der verbrecherischen Obrigkeit noch Gottes Ordnung, der er nicht widerstreben darf. Jsrael weinte und seufzte unter Pharao’s Druck; aber denselben abzuwerfen, das überließ es Gott dem HErrn. (Wangemann.) T) Ohne si durch den ihm vorliegenden Zustand im römischen eich im Mindesten einnehmen oder er- bittern zu lassen, bleibt der Apostel ganz bei der Jdee der Obrigkeit stehen, welche allerdings nie ganz realisirt wird, weil die Obrigkeit durch sün liche Menschen re- präsentirt ist, die aber auch in der schlechtesten Obrig- keit sich noch erkennen läßt, indem ihre eigene Existenz ihr nothwendig macht, die gesellschastliche Ordnun im Wesentlichen aufrecht zu erhalten; hiernach ers eint die Obrigkeit als ein Heil für "eglichen, selbst für den, der durch einzelne Ungerechtig eiten, die von ihr aus- gehen, leiden sollte. (Olshaufen.) Allerdings war da- mals noch die bessere Zeit des Neronifchen Regiments Lom Oktober 54 bis Ende 59 n. Chr.); doch würde aulus auch später sein Prinzip und seine Vorschrist nicht geändert haben. Ueberhaupt macht er die Ge- horfamspflicht gegen die Obrigkeit nicht von der Be- schaffenheit der letzteren, sondern von dem gottgeord- neten Bestände derselben abhängig. Dei« Zweck ihres Bestehens ist die Aufrechthaltung des Rechtes; dieser Zweck wird auch unter dem tyrannischsten Regiinente, trotz noch so vieler Ungerechtigkeiten im Einzelnen, im Allgemeinen doch immer noch realifirt, und kein Tyrann hat jemals prinzipmäßig das Unrecht an sich als Rechtsgrundsatz proklamirh vielmehr selbst das mannig- fache Unrecht, was er faktisch beging, gemein1glich noch unter den Formen und dem Scheine des Rechts zu decken gefucht. (Philippi.) Das weltliche Regiment ist eine herrliche göttliche Ordnung und eine treffliche Gabe Gottes, der es auch gestiftet und eingesetzt hat, und auch will erhalten haben, als das man allerdinge nicht entbehren kann; und wo es nicht wäre, könnte kein Mensch vor dem andern bleiben, es würde einer den andern fressen, wie die unvernünftigen Thiere unter einander thun. Darum, gleichwie des Predigtamts Werk und Ehre ist, daß es aus Sündern eitel Heilige, aus Todten Lebendige, aus Verdammten Selige, aus Teufelskindern Gotteskinder macht, also ist es des weltlichen Regiments Werk und Ehre, daß es aus wilden Thieren Menschen macht und Menschen erhält, daß sie nicht wilde Thiere werden. (Lut·her.) Es giebt in Heidenländern Gesetze und vermeintlich gute Werke, die zu thun einem Christen zwiefache Scha11de wären; dennoch ist ein Abendschimmer der unter- gegangenen Sonne göttlicher Rechtsbezeugung auch den Heiden verblieben, und vornehmlich im römischen Rechte iebt der Mond des natürlichen Rechts einen Wider- chein des Lichts göttlicher Rechtsoffenbarung mitten in der Nacht des Heidenthums Da waren die Christen in Rom in der glücklichen Lage, daß sie ihr Licht in Christo nur recht leuchten lassen durften, und siehe, die Leute, auch die Gewaltigen, sahen ihre guten Werke, Werke ehrerbietiger Unterthanen, getreuer Knechte und Mägde, gehorsamer Kinder, frommer Eheleute, barmherziger und hilfreicher Nächsten, ehr- licher Handelsleute, fleißiger Arbeiter, wahrhaftiger Zeugen- guter Nachbarm uneigenniitziger Freunde. Diesen Werken sind die Gewaltigen nicht zu fürchten, ja selbst gottlofe Gewaltige pflegen einen Amtssinn zu haben, der etwas davon merkt, daß die Christen gute und erwünschte Unterthanen sind; wiederum sind auch solche Gewaltige, die selbst mit Lust Böses thun, doch elten so unverständig, daß sie nicht zu sein wünschten, was die Obrigkeit sein soll, ein Schrecken der Misse- thäter. (Be:sser.) H) Der Apostel zeigt uns hier, daß die Obrigkeit das Amt des Gesetzes aus Erden übt: wie Gottes Gesetz, die Guten belohnt, die Bösen bestraft, wie es Recht schasst, Gottes Recht herstellt an denen, durch die es verletzt worden, so die Obrigkeit. (v. Gerlach.) Jn der Regel haben denn nur die Gottlosen Ursach, sich vor der Obrigkeit zu fürchten, weil ihre Straf- gewalt vornehnilich gegen die Auswüchse der Sünde erichtet ist. Dazu hat die Obrigkeit das Schwert be- onimen, ein Zeugniß, daß ihre Macht von Gott sei; denn der Mensch als Mensch hat keine Macht über das Leben seines Nächsten. (Wangemann.) Z. So seid nun aus Noth unterthan snach besserer Lesart im Grundtext: So muß man nun, weil man, wie vorhin gesagt, in der Obrig- keit mit einer Dienerin Gottes es zu thun hat, die seine Ordnung auf Erden handhabt, unter- than s ein], nicht allein swie Widerstrebende es thun] um der Strafe willen [welcher diejenigen verfallen, die sich widersetzenL sondern auch swie Christen gebührt, die bei allen Dingen nach Gott und seinem Willen fragen] um des Gewissens willent [1· Petri 2, 13]. 6. Derhaiben [indem ihr die Nothwendigkeit solcher Unterordnung recht wohl fühlt] müsset ihr auch Schoß geben [besser: gebet ihr auch, um von andern Leistungen der Unterthanen abzu- sehen, Steuer Esra 4, 13; Luk. 20, 22]; denn sie sdie Gewaltigen V. Z] sind Gottes [mit dem Amt der Rechtsverwaltung auf Erden betränte] Diener, die solchen Schutz swie ihr ihn im bürgerlichen Gemei1iwesen denen gegenüber, die da Böses thun, genieße] sollen handhaben» sund das nur be- ständig zu thun vermögen, wenn ihnen die er- forderlichen Geldmittel dazu gereicht werden] 7. So gebet nun sals die, welche sich üben zu haben ein unverletzt Gewissen allenthalben, beide, gegen Gott und Menschen Apostg. 24,16] jedermann [von den obrigkeitlichen Personen] was ihr schuldig seid: Schoß, dem der Schoß gebührt [dem, der mit Erhebung des Schosses oder der Personalsteuer beauftragt ist], Zoll [oder Waaren- steuer], dem der Zoll gebührt [dem Zollerheber]," Furcht soder Scheu vor seiner] Strafgewalt], dem die Furcht gebuhrt [den Richtern und Rechts- pflegern], Ehre soder Ehrerbietung], dem die Ehre gebUhrtVH [den obrigkeitlichen Personen in Stadt und Land]. V) Der Apostel verbietet nicht das Gehorchen »Um der Strafe willen«, sondern bezeichnet es nur als das- jenige Motiv, welches für den Christen nicht das letzte u höchste ist: auch er, soweit er noch Fleisch ist, soll gehorchen um der Strafe willen; aber soweit er Geist ist, gehorcht er um des Gewissens willen. (Philippi.) Pf) Seher, ·wie gut es ist, Schoß geben und» ge- horchen, daß ihr damit helset die Frommen schutzen und die Bösen strafen; darum laßt es euch nicht ver- Seid niemand nichts schuldig, denn daß ihr euch unter einander liebet! 133 drießenl (Luther.) Vermittelst der Steuerzahlung nimmt der Unterthan auch selber Theil an dem Re- iment der Obrigkeit; er betheiligt sich faktisch an der Zlusrechthaltung dieser Verwaltung, welche im höchsten Sinne, bewußt oder unbewußt, ein Reichsdiener, ein Liturg Gottes im weiteren Sinne ist, analog dem Li- turgen des Tempels. (Lange.) »Es) Die Aufzählung unterscheidet erstlich im An- schlusse an das Nächstvorhergegangene zweierlei Amt der Erhebung von Abgaben, indem Schoß (dasjenige, was von den einzelnen Häuptern zusammengeschos en wird) die Abgabe ist, die man als Angehöriger des Gemeinwesens, Zoll die Abgabe, die man im Handel und Wandel zu entrichten hat. Und zweitens unter- scheidet sie zweierlei Art des persönlichen Bezeigens, nämlich Furcht egenüber dem, welcher Macht hat zu strafen, und Egrerbietung gegenüber dem, wel- cher in Würden steht. (v. Hosmann.) II- di. 8—14. Jln die Ermahnung zum Gehorsam gegen die Obrigkeit schließt sich in unmittelbarer Folge die an, einem jeden überhaupt zuleistein was man ihm schuldig ist; der Apostel faßt das alles in eine tljauptsumnicy welche das Gebot der Liebe des Nächsten ist, zusammen und bezeikhnet diese Liebe als die Grsiillung des Gesetzes (v. Z——10). Alsbald aber nimmt er einen neuen Lin— sah und fiihrt aus, wie die Belhiitigung des Glaubens auch darin sich zu erweisen habe, daß der olhrist die ihm geschenkte Gnadenzeit nach Gottes willen benuhe und sie zum heil seiner Seele anmende (v. 11——14). ((Lpiltel am Ali. Sonntag nach Epiphaniii.) Das Evangelium des heutigen Sonntags (Matth. 8, 23 ff.) handelt vom Schifflein Christi und von der reichen Hilfe aus der guten Hand dessen, der auf dem Meere fuhr und im Sturme schlief; das Herz des Schlafenden war und ist eine Schatzkammer der Liebe und großer Barmherzigkeit, aus welcher zu allen Zeiten alle Bedürftigen ihren Antheil und ihren Segen nehmen konnten. Man könnte daher in der Liebe, die er den Seinen auf dem galiläischen See erweist, den Punkt der Anknüpfung und des Zusammenhangs finden, der zwischen Evangelium und Epistel wäre; allein welches Evangelium, welche Erzählung aus dem Leben Jesu würde nicht auf diese Weise zu unserer heutigen Epistel passen? Der HErr ist die Liebe, und nach dieser Liebe sucht man in keinem seiner Worte und Werke umsonst. Darum wollen wir den Scharfsinn sparen, der nach dem Zusammenhang der Epiphaniem Evangelien und Episteln forschet, und erinnern uns nur daran, daß sich in den Evangelien dieser Sonntage der Lebenslauf Christi in seinem herrlichen Gedeihen ent- faltet, in den Episteln aber der Lebenslauf und Wandel der Gemeinde. (Löhe.) Jn dieser Epistel fassen sich die vorhergehenden drei zu einer lebendigen Einheit zusammen; die in ihnen zerstreuten, gesonderten und besonderen Ermahnungen fließen in diesem Gebote der Liebe wie die Flüsse uud Ströme insgesammt in dem tiefen Meer in Eins zusammen. (Nebe.) Warum all unser Thun von der Liebe getragen wer- den soll? weil durch die Liebe I) alle Gebote erfüllt werden, L) die Erfüllung leicht wird, Z) diese leichte Erfüllung doch wahren Werth hat. (Sommer.) Das Verharren in der Liebe; es ist 1) in Ansehung des Nächsten eine Schuld, die niemals abgetragen werden kann, 2) in Ansehung des Gesetzes aber dessen Erfüllungsp (Fay.) Die Liebe des Gesetzes Er- füllungx sie erfüllt das Gesetz l) aus dem reinsten Grunde, 2) im vollsten Umfange, Z) mit der größten Leichtigkeit. (Schuur.) l) Sie lehrt das Gesetz am besten auslegen, Z) hilft das Gesetz am treuesten er- ·"llen. (Beck.i I) Sie nimmts schwer, Z) sie macht’s leicht. (Gerok.) Die Nächstenliebe eine Schuld: 1) wem liegtsie ob? 2) wer mahnt sie ein? Z) wie trägt man sie ab? 4) wann kommt man von ihr los? (Schultze.) DieLiebesschuld gegen den Nächsten: 1) eine unbezahlbare und doch keine drückende Schuld; 2) eine alle eigene Gerechtigkeit aufhebende und doch zur wahren Gerechtigkeit hinführende Schuld. (Eig. Arb.) 8. Seid niemand nichts schuldig slasfet gegen niemand irgend eine Schuldigkeit, die ihr nach bürgerlichem Recht gegen ihn habt, uner- Iedigt Psalm 37- 21]. denn daß ihr euch unter einander liebet [in dieser Schuldigkeit freilich werdet ihr niemals dahin kommen, daß ihr sie nun ganz geleistet hättet und niemand mehr etwas schuldig wäret, aber doch werdet ihr mit derselben alle eure Schulden, die ihr nach gött- lichem Recht gegen den Nächsten habt, auf ein- mal los-J; denn wer den andern licbet, der hat das Gesetz» erfüllett [insofern bei ihm dasjenige wirklich erreicht ist, worauf die Gebote der andern Tafel mit ihren einzelnen Forderungen hinaus wollen Gal. b, 14; Jak· 2, 8]. 9. Denn das da sin 2. Mof. Do, 13——17 u. b. M. 5, 17—21] gesagt ist: Du sollst nicht ehebrechen, du sollst nicht tödten sin Betreff dieser Umstellung der beiden Gebote vgl. Mark. 10, 19«; Luk. 18, 20 u. die Bem. zu Matth. 19, 19], du sollst» nicht stehlen, du sollst nicht falsch Zeugnis; geben, dich soll nichts geluften, und so ein ander Gebot mehr ist sda ja das Gesetz in so vielerlei Einzelvorschriften sich auseinanderlegt, wie das z. B. auch in Z. Mos. 19, 11 ff. gefchieht], das wird indiesem Wort verfasset sin dasselbe wie in eine Summa zu- sammengefaßt Z. Mos. 19, 18]: Du sollst deinen Nächsten lieben als dich selbst-«« [so daß, wer dieses Gebot hält, keinem der übrigen Gebote jemals entgegenhandelt, wenn er ihrer auch nicht immer einzeln sich erinnert) 10. Die Liebe thut dem Nächsten nichts Böses [von all der mancherlei Art, wie die ver- schiedenen zahlreichen Verbote des Gesetzes es namhaft machen, so daß, wenn sie überall und im rechten Maße vorhanden wäre, es dieser Ver- bote gar nicht bedürfte; sie thut vielmehr dem Nächsten alles Gute, welches die Verbote zu ihrer Kehrseite haben 1. Cor. 13, 4———7]. So ist mm [weil es also sich verhält, wie eben gesagt] die Liebe des Gesetzes Erfüllung-««- sin ihr ist solche Erfüllung thatsächlich vorhanden) V) Seid niemand nichtsschuldig, bezahlt redlich und pünktlich alle eure Schulden, wie Schoß und Zoll, Furcht und Ehre an die Obrigkeit (V.7), so an jeder- wann, was ihr ihm schuldet nach bürgerlichem Recht und Gesetz: in diesem Stück sollen sich Christen nicht übertreffen lassen von ehrbaren und ordentlichen Welt- kindern, die darauf halten, daß sie niemand etwas schuldig bleiben, sondern mit jedermann im Reinen 134 Römer 13, 11—14. seien. Aber unsre Christenschuldigkeit können wir freilich nicht so abtragen, daß wir jemals mit einem ; Menschen fertig würden und nicht mehr seine Schuld- ner blieben; diese Schuld, die Liebe des Nächsten, hat die Art, daß man immerfort daran bezahlt und doch nimmer sie abbezahlt (Besser.) An der Liebe behält jeder ein Kapital auf sich, davon er die Zinsen ohne Aufhören entrichten muß. (Starke.) Die Erfüllung der Liebe vermehrt auch deren Anforderungen; denn je mehr wir Liebe beweisen, desto weiter tritt uns das Feld entgegen, auf dem es gegenseitige Liebesarbeit gilt. (Sommer.) Wie ist es mit der Buße: nimmt die nicht auch zu, je mehr wir zunehmen an Weisheit, Alter und Gnade bei Gott und den Menschen? Wie tief wir gefallen sind, wie verderbt unsre Natur ist, erkennen wir, je länger wir das Werk der Heiligung treiben, desto gründlicher, die Heiligkeit Gottes und die Gnade Jesu umleuchtet uns mit jedem Schritte voller; die letzte Buße ist ungleich tiefer als die erste, die unergriindlichen Geheimnisse in unserm und in unsers Gottes Herzen erschließen sich erst allmälig. Es steht mit dem Gebote der Lie ganz ähnlich: wir meinen zu wissen, was lieben heißt; wie bald werden wir es inne, daß wir es nicht wissen! Je eifriger wir diesem Gebote nachdenken und nachjagen, desto mehr weitet sich unser Gesichtskreis aus; wir übersehen erst allmälig dieses unendliche Feld der gegenseitigen Liebes- arbeit, und desto klarer erkennen wir, daß die Er- weisungen der Liebe, wenn sie sein wollen, was sie sein sollen, mit einem ganz andern Geist voll selbstver- leugnender Hingebung müssen getrieben werden- (Nebe.) Die Nächstenliebe, obwohl so eine unabtragbare Schuld, ist gleichwohl eine solche, die der Christ mit Ehren tragen darf. Während in andern Verhältnissen der Mensch um sobesser steht, je weniger er schuldig ist, steht es mit der Liebe am besten, je mehr sie sich schuldig weiß. (Olshausen.) Göttliches Sollen und menschliches Wollen in Einklang zu bringen vermag die Liebe. (Heubner.) Pl) Es ist nicht soviel an der Ordnung der Gebote gelegen, als daß sie alle wohl in Acht genommen werden; daß der Apostel das sechste voransetzn geschieht wohl darum, weil Ehebruch und Hurerei bei den Römern alle Scham verloren hatten. (Starke.) Viel- leicht hat es darin seinen Grund, daß Paulus seine Ermahnung in Kap. 12 mit der begonnen hatte, die Christen sollten ihre Leiber Gott zu einem Opfer be- geben. Das vierte Gebot ist ohne Zweifel darum weggelassen, weil es in V. 8 heißt: »den Andern lieben«, die Eltern stehen aber mit den Kindern nicht auf gleichem Niveau; sie sind die dem Kinde über- geordneten, die dasselbe beherrschenden Nächften und verschwinden hier aus der Reihe der Nächften, weil das Wort nur von sich gleichstehendem von gleich- berechtigten Personen gebraucht wird» (Nebe.) ,,Du sollst n1chtehebrechen«: das ist eine Pflrcht des Hauses; sie ist in der Liebe verfasset. Wenn sie nur da wäre, wo wären die unglücklichen Ehen? Es würde keine Gattin mehr verborgene Thränen weinen, daß der, dem sie sich angetraut, sie einsam läßt und leer an Liebe; es würde aber auch kein Gatte mehr mit Traurigkeit an die Stätte· denken, die er sein Daheim nennt und wo er statt des höchsten Glückes die bitterste Täuschung nur erfahren. Der Fluch der Zerrissenheit, der jetzt aus so vielen Familien lastet, würde verschwinden; Friede würde sein, wo jetzt Unfrieden ist; dauerndes Glück würde sich gründet» wo jetzt der Kummer sein düsteres Angesicht zeigt. Die Liebe begründet das häus- liche Glück! ,,Du sollst nicht tödten, nicht stehlen«: das sind Pslichten des Lebens, des Verkehrs; sie sind in der Liebe verfasset. Der Mörder wird ge- i i richtet; aber Seelen zu werfen in die Arme des ewigen Todes, solche Thaten erreicht die ftrasende Gerechtig- keit nicht. Der Dieb wird verdammt; aber unreine Künste zur Mehrung des Gewinns gestattet man sich. O wollte man nur lieben lernen, wie sehr würde auch hierin ein feineres Gefühl herausgezogen werden! Niemand würde, wenn er seine Blüthen pflückt, kalt- sinnig das Blümchen seines Nachbars zertreten; die in Fülle haben, wie die in Entbehrung schmachten, sie hätten alle nur Ein Ziel, sich gegenseitig zu segnen und einander zu—dienen. Die Liebe lehrt das Leben nach Leib und Seele achten und reinigt den Verkehr! »Du sollst nicht falfch Zeugnis; geben«: das ist eine Pflicht der Rede; sie ist in der Liebe verfasset. Jetzt wird falfch Zeugniß verurtheilt; aber alle die über- eilten, verleumderischen Urtheile, diese erlaubt man sich. O wenn man nur lieben lernte, würde man dies auch dann noch thun? Ausrichtiger Sinn, freundliche Nachsicht, brüderliche Geduld wären der allgemeine Sinn; wo Hände sich drückten, würde sich kein falscher Sinn hinter dem Lächeln des Mundes mehr verbergen, und wo Auge in Auge schauet, sähe man die lautet-e Flamme reinen Wohlwollens leuchten. Die Liebe läutert das Urtheil! ,,Dich soll nichts Zelüsten«; das ist ein Gebot für das Herz; es ist in er Liebe ver- fasset. Wie oft treibt jetzt der Neid sein geheimes Wesen und die Mißgunst bestimmt das Denken und Thau; aber wollte man nur lieben lernen, es würde auch hierin anders werden. Niemand würde mehr sich gelüsten lassen nach dem, was seines Nächften ist; es wäre ja allen die höhere Lust ausgegangen, zu haben, als hätte man nicht. Die Liebe reinigt die Herzen! (Brückner.) « IN) Wenn die Liebe dem Nächften Böses überhaupt nicht thut, so thut sie ihm auch das einzelne Böse nicht, was die einzelnen Gebote ihm anzuthun unter- sagen, und fassen sich also sie alle in das eine Gebot der Nächstenliebe zusammen. Daß der Apostel nur die Verbote darin ausgehen läßt, kann eben so wenig besremden, als daß er nur den aus das Verhalten gegen den Nächften bezüglichen Theil« des Gesetzes in Betracht zieht; denn daß der, welcher den Andern lieb hat, ihm Gutes thut, versteht sich von selbst, es handelt sich also nur darum, daß er ihm das Böse nicht thue, das im Gesetz» verboten ist. Die Liebe aber, welche der Apostel von dem Gläubigen fordert, ist aus dem Grunde immer die Nächstenliebe, weil sich die Liebe zu Gott da von selbst versteht, wo man an den Vater Jesu Christi glaubt, während die Nächstenliebe dieses Glaubens Bethätigung ist. (v. HosmannJ Die Liebe giebt dich deinem Nächften mit allen deinen Gütern; die Liebe will und thut dem Nächften nur Liebes und Gutes, sie ist deshalb vollständig unfähig, dem Nächften Böses anzuthun. Jn dieser Position sind alle nega- tiven Sätze eingeschlossen, wie umgekehrt jene Ne- gationen diese Position in sich bergen. (Nebe.) Das Gebot der Liebe ist ein kurz Gebot und ein lang Gebot, ein einig Gebot und viel Gebot; es ist kein Gebot und alle Gebot. Kurz und einig ist es an ihm selbst, und des Verstandes halber bald gefaßt; aber lang und viel nach der Uebung, denn es begreift und meistert alle Gebote. Und ist gar kein Gebot, so man die Werke ansiehet, denn es hat kein eigen sonderes Werk mit Namen; aber es ist alle Gebote, darum daß aller Gebote Werke seine Werke sind und sein sollen. (Luther.) Die Liebe ist mehr als ein vereinzeltes losgerissenes Handeln, mehr als ein Hier oder Da, sie ist der heilige Odem, der alle unser Thun durchwehen soll; sie ist die leitende Triebkrast, die alle unsre Be- strebungen regieren muß; sie ist der Verklärungsglanz . Ein Adventsgr « werden will: 1) dein Heiland hat den Tag gebracht, Die Liebe ist des Gesetzes Erfüllung Die Stunde ist da, aufzustehen vom Schlaf. 135 der von innen heraus über unser ganzes Leben sich ausbreiten soll. Sie ist nicht eine einzelne That, son- dern ein immerwährender Sinn. (Brückner.) Jst es dir nicht immer möglich, alle Seiten der heil. Schrift aufzufchlagcm halte die Liebe fest und du wirft in ihr alle Wissenschaft finden. (Augustin.) Der ganze ethische Theil des Römerbriefs (seit Kap. 12) ist im Grunde eben so sehr eine Darlegung der Natur der Liebe, als der dogmatische Theil (Kap. 1——8) eine Ent- wickelung des Wesens des Glaubens und der Anhang desselben (Kap. 9—11) eine Entwickelung des Wesens der Hoffnung war. (Olshausen.) (Epiftel am 1 Sonntage des Advent) Mit diesem Sonntag tritt das Kirchenjahr seinen ge- segneten Kreislauf wieder an; was nun ein Kirchen- jahr fiir eine Bedeutung hat, das sagt auch diese Epistel (vgl. das Ev- Matth. 21, 1 ff.): es trägt das Heil unter feinen Flügeln, es bringt vom Himmel wieder den Abglanz der Herrlichkeit Gottes, das Ebenbild seines Wesens, das Licht vom Licht geboren, das Licht der Welt; ein neuer Gnadentag bricht an — die Nacht ist vergangen, der Tag aber herbeigekommen. (Nebe.) ,sDie Nachtift vergangen, der Tag aber herbeigekommen«: das ist der Grundton aller Adventspredigt und die Quelle der rechten Adventsftimmung in den Herzen der Gemeinde; und gleich der erste unter den Advents- texten kommt uns mit dieser Verkündigung entgegen. Wie sollten wir eine so freudenreiche Verkündigung nicht gern vernehmen und nicht willig länger dabei verweilen mit unserm Nachdenkem um ihren Inhalt zu beherzigen? Die Nacht ist vergangen, der Tag aber herbeigekommem 1) zuerst lernen wir die vergangene Nacht und den gekommenen Tag näher kennen; 2) hierauf prüfen wir uns, ob auch für uns die Nacht vergangen und der Tag herbeigekommen ist. (J. Müller) Der neue Lebensanfang: dazu fordert uns auf der Blick 1) auf die Zeit, in der wir stehen; 2) auf die Gnaden, die wir bereits empfangen haben; Z) auf das Heil, das sich uns auch heute wieder in Christo zu erfahren giebt. (Thomasius.) Der Christ an der Pforte des neuen Kirchen- jahres: 1) welche Aussicht sich ihm da eröffnet, 2) welche Verpflichtung sich ihm da auferlegt. Die Adventsbotschaft: Christus kommt! l) Heil Verkündigt sie, ·2) Heiligung fordert sie. (Sommer.) uß an jede Seele, die selig Z) entschlag dich drum der Sündennachtz 3) mit lichten Waffen zieh zum Streit, 4) halt Seel undLeib in Niichternheitl (Seybold.) Es ift Zeit, daß du 1) auf- stehest vom Schlaf, Z) dich ankleidest und riistest, Z) die Werke des Tages vollbringest. (Baur.) Das Heil in Christo Jesu und das neue Kirchenjahrt l) seinem Anfange nach ist das Heil in Christo fchon erfchienen, das neue Kirchenjahr aber bietet es« uns von Neuem an, daß wir immer besser es ergreifen; Z) in feiner Vollendung rückt das Heil in Christo uns fort und fort näher, das neue Kirchenjahr aber will von Neuem die Gefahr von uns abwenden, daß wir seiner verlustig gehen. (Eig. Arbeit) 11. Und weil wir solches [das, was mir bei meiner nachstehendeaweiteren Ermahnung im Sinne schwebt] wissen, namlich [welcherleiArt] die Zeit [sei, in welcher wir gegenwärtig leben, in- dem dieselbe sich kurz dahin charakterisiren läßt], daß die Stunde da ist, Nunmehr] aufzustehen vom Schlaf [der vorher uns gefangen h1elt], sintemal unser Heil svon Seiten feiner schließ- lichen Vollendung bei Christi Wiederkunft vom HimmelKan W« f·; I. Petri 1, 7 ff; Apstg. Z, 20 f] jetzt naher ist, denn da wir? snach dem- jenigen Maße, in welchem es in der Predigt des Evangelii als bereits vorhanden uns angeboten wird] glaubten« sim Glauben zuerst annahmen oder erfaßten, nach andrer, einfacherer Uebersetzung: denn da wir gläubig wurden Apostg. 4,4]; 12. Die Nacht ist vergangen [genauer: im Vergehen begriffen], der Tag aber herbeikommen shat sich also genähert, daß er sich seiner Zeit auch vollends einstellen wird 1. Joh. Z, 8., nämlich der Tag, der schlechthin »der Tag« heißt l. Cur. 3, 13; I. Thess 5, 4; Hebt: .10, 25 oder ,,jener Tag« 2. Tim. 1, 12 u. 18., auch »der Tag der Erlösung« Ephes. 4, 30]: so laßt uns [thun, was bei entschwin- dender Nacht und herbeikommendem Tage zu thun sich gebührt; laßt uns also] ablegen sdie Nacht- kleidet, die wir bis daher getragen, ich meine] die Werke der Finsternis; [Werke, wie sie unter der Obrigkeit der Finsternis; vollbracht und von ihr unter ihre Decke genommen werden V. 13; Ephes 5, II] und sauf dem Untergrunde des rechten Tageskleides, des HErrn Jesu Christi, den wir anzuziehen haben V. 14] anlegen die Waffen des Lichts« sum vielmehr gegen die Mächte der Finsterniß zu streiten, statt ihnen zu dienen Ephef. S, 10 ff.; 1. Thess Z, 8; 1. Tim. 1, 18; 2. Cur. S, 7; 10, 4f.]. 13. Lasset uns ehrbar-lich wandeln [1. Thess 4, 12] als am Tage [so, wie man am Tage wandelt, wo man alles Unanständige meidet, und durch die ganze Art und Weise unsrer Lebens- fährung zeigen, wir seien solche Leute, für welche die Nacht vergangen und der Tag des sich voll- endenden Heils im Aufgehen begriffen ist], nicht salso sei euer Wandel ein Wandeln] in Fressen und Sausen [wie es bei den noch von der Macht der Finsterniß gefangen gehaltenen Un- gläubigen der Fall ist], nicht in Kammern und Unzuklfjfts nicht in Hader und Neid [Gal. 5, 19 »; 14. Sondern ziehet an den HErrn Iefum Christttt [Gal. Z, 27], und wartet des Leibes sdurch die ihm gebührende Pflege oder indem ihr dem Fleische seine Ehre thut zu seiner Nothdurft Col. 2, 23; Ephes 5, 29], doch also, daß er nicht [durch übermäßig ihm» zu- geführte Kräfte] geil siippig und zu ausschwelfelp den Begierden gereizt] werde-f. V) Die Verse t1—14 haben darin eine geschichtliche Merkwürdigkeit, daß sie es waren, welche die Be- kehrung Augustins vermittelten, dieses größten Lehrers, den die Kirche bis auf die Reformation gehabt» hat. (Olshaufen.) »Nimm und liess« lautete jene Stimme im Garten zu Mailand, die er vernahm, während seine 136 Römer 13, 14. Seele im Kampf mit seinem bisherigen sündigenTreiben lag; er öffnete die Schrift und fand unsre Stelle, da drang ein klares Licht in seine Seele, das ihn seines Weges fest und sicher machte. (Augustin’s Bekenntn VIII, 12). Der Apostel ermahnet darin die Christen zu Rom, ermahnet uns Christen hier, an die jetzt sein Wort ergeht, aufzustehen vom Schlaf: und warum? Einmal, weil es schon Tag ist, Gnadentag um uns her durch das Licht des Evangeliums; und sodann, weil der Tag immer näher kommt, der große Tag des Gerichts und der Entscheidung (Stier.) Wir wissen, daß nicht blos die Zeit da ist, d. h. im Ganzen und Großen jetzt die Zeit erfiillet ist, in welcher die schwindende Nacht und der angebrochene Tag zum Aufstehen auffordert, sondern auch schon die Stunde ist da, d. h. die speziell für jeden Einzelnen nahe ge- rückte Zeit, die nur noch eine sehr kurze Frist zur Besinnung übrig läßt, wenn man überhaupt dem Rufe Gottes folgen will. (Wangemann.) O, es liegt ein starker Nachdruck für die Verpflichtungem die wir haben, für die Ermahnungen, die man uns zu den- selben giebt, in der Berücksichtigung des Zeitpunktes, da sie geschehen: es ist ganz etwas Anderes, wenn ich zur Vollführung meiner Pflichten noch eine lange, weite Zukunft vor mir sehe, und ganz etwas Anderes, wenn die Zeit zusammengeht und die Sanduhr ver- rinnt» und die Aufgabe gelöst sein soll und die Rechen- schaft vor der Thür steht. (Löhe.) Da Paulus und die Erstlinge Roms gläubig wurden, umfing sie des Heils gnädige Nähe im Evangelio, aber voran zur künftigen Herrlichkeit schickten sie ihre Herzen in Hoff- nung; nun war ihnen das Kleinod und Ziel ihrer Hoffnung, das Ende ihres Glaubens um so viel näher, als Jahre der pilgernden und streitenden Kirchehinter ihnen lagen. Seitdem Paulus dies geschrieben, sind 1800 Jahre verronnent freuet euch, die ihr wartet auf den Tag des HErrn und seine Erscheinung lieb habet, freuet euch und jauchzet, daß die endliche Erlösung soviel näher gekommen ist! Was wir gelebt haben, seitdem wir gläubig wurden und uns aufmachten, in’s Reich Gottes einzugehen, es sind Staffeln unsrer Wall- fahrt, Strecken unsers Leidensweges, die uns dem vor- gesteckten Ziele näher gebracht haben; freuet euch, der HErr ist nahe! (Besser.) Die Erscheinung des HErrn, welche er selbst schlechtweg als die Erlösung bezeichnet ·(Luk. 21, 28), wird hier als das Heil im absoluten Sinne charakterisirt: wie kann nun aber von dem Apostel ausgesprochen werden, daß dieser Moment der Erscheinung Christi (Tit. 2, 13) viel näher uns ge- kommen sei, als es damals stand, da wirgläubig wurden? Lassen sich die wenigen Jahre, welche, seit- dem die Römer zum Glauben an den HErrn gelangt sind, bis zu dem Zeitpunkt verflossen, in welchem der Apostel ihnen schreibt, so bemessen, daß in Rücksicht aus sie die Wiederkunft des HErrn als eine nähere bezeichnet werden kann? wie können. diese wenigen Jahre in Betracht kommen, wo die Zeit bis zur Wiederkunft des HErrn über Jahrhunderte und Jahr- tausende sich erstreckt? Das Räthsel löst sich nicht anders, als wenn wir uns zu der Behauptung entschließem daß der Apostel in dieser Stelle den Zeitpunkt der Wiederkunft Christi als sehr nahe bevorstehend sich gedacht habe: vgl. 1. Cor·«7, 29z 15, 51; Phil 4, 57 l. Thess 4, 15 fs.; 1. Petri 4, 7; Hebr.10, 37. (Nebe.) Für das Individuum ersetzt einstweilen, solange der Tag des HErrn sich verzieht, sein Kommen zum Heil durch den Tod das Kommen des Heils zu ihm durch die Auferstehung von den Todten. (Philippi.) ist) Es liegt etwas Räthselhaftes in diesen Worten; denn als Paulus sie schrieb, da war das Heil bereits in die Welt gekommen und das Evangelium von Christo leuchtete weithin über die Länder der Erde, die zuvor in Finsterniß und Todesschatten saßen. Es war Tag geworden nach der langen Nachtx und auch in den Herzen der Christen, an die der Apostel schreibt, war dieser Tag bereits angebrochen durch den Glauben an Den, der das Licht der Welt ist. Dennoch redet er also, als ob noch immer die Dunkelheit über der Welt, auch über der Christenheit lagerte und nur erst die Strahlen der Morgensonne am Horizont herauf- leuchteten, die Nähe des Tages zu verkünden; das hat darin seinen Grund, daß er noch von einem andern Tage weiß, mit deni das volle Licht, das vollkommene Heil erscheinen wird, das ist der Tag des HErrn, der Tag der Offenbarung unsers HErrn Jesu Christi. Diesem Tage gegenüber dünkt dem Apostel alles, was von Licht und Leben in der christlichen Kirche und im christ- lichen Leben sich findet, doch nur wie Schattenwerh wie die Dämmerung des Morgens; und weil nun dieser Tag nahe ist und immer näher kommt, so ruft er in die Christenheit hinein, daß es Zeit sei, aufzu- stehen vom Schlafe. Denn wenn der Tag anbricht, der Tag der letzten großen Entscheidung, da muß jeder bereit und wohlgerüstet stehen, wer bestehen will. (Thomasius.) Das, was St. Paulus hier den Tag heißt, ist der volle Mittag des Reiches Christi; es ist dasselbe, was er vorhin das Heil genannt und davon gesagt hat, es sei jetzt näher gekommen, als da wir gläubig wurden. Darnach ist denn die Zeit, in der wir leben, und die von uns beachtet sein will, der Morgen, wo Tag und Nacht sich scheiden, die Stunde, wo man Ursach hat, vom Schlafe aufzustehen: die apostolische Zeit, das ist der frühe Morgen, und unsre Zeit, das ist der späte Morgen, an dem sich wache Sinnen um so mehr geziemen; Advent und Morgen ist Eins, und wenn der Apostel den Römern zurust: ,,schon ist’s Zeit und Stunde, vom Schlafe aufzustehench wie seine Worte genauer lauten, so müssen wir Wächter auf der Zinne in dieser unsrer Zeit sagen: ,,schon ist bald nicht mehr Zeit« oder: ,,es ist höchste Zeit, wer erwachen will; die Sonne steigt, der Mittag kommt, es geht mit der Welt zur Vollendung« Ernste Zeit, ernste Jahre, alle Jahre ernsterer Advent —- das beachtet, und wer Ohren-hat zu hören, der höre! (Löhe.) Wer aufgewacht ist und wirklich aufsteht zum Tagewerk, der legt ab und zieht aus, was der Nacht gehörte, ziehet an und’ ergreift, was am Tage sich ziemt. So, lieber Christ, willst du mit Wahrheit behaupten: »ich schlafe nicht mehr«, wohlan, so müssen die Werke der Finsterniß aus deinem Leben hinweg. Was sind aber Werke der Finsterniß? Das ist alles, was vor dem heil. Lichte Gottes nicht offenbar werden kann, ohne gestraft zu werden; alles, was aus der Finsternis; unsers natür- lichen, unbekehrten Sinnes noch von selber hervor- kon1mt und in die Finsternis; der Hölle führt. Das sind ja nicht etwa blos die groben Sünden, argen Laster und Verbrechen: o nein, auch das träge, todte Träumen, selbst über Gottes Wort nur Träumen in unkräftigem matten Gedanken, als wäre es damit kein Ernst für die Ewigkeit; das Liegenbleiben, Warten und Aufschieben, auch nur bei der geringsten Sünde Meinen, es habe noch Zeit damit; das so dahin Leben, ohne daß man mit vollem Ernst überall Hand anlegt und Schritte thut im großen Werk der Heiligung, gleich als ob nicht mit jedem Tag der Tag der Rechenschaft über uns hereinbrechen könnte. Dagegen sollen wir anlegen die rechten Tagkleider, die einem aufgewachten Christen geziemen; weil aber unser Christenleben hie- nieden ein Kampf und Streit ist, nennt sie der Apostel Wartet des Leibes, doch also, daß er nicht geil werde! 137 gleich eine Rüstung oder Waffen des Lichts; und wie er das meint, lehrt er uns an einem andern Ort, wo er zu den Thessalonichern (1. Thess 5, 4 ff.) fast redet, wie hier zu den Römern. (Stier.) Auf der Wacht und im Streit ist der Stand aller, welche sich der Finsterniß entwinden und im Lichte wandeln wollen; und es gilt, die Waffen des Lichtes beständig anzu- legen oder, was dem gleich ist, seine Glieder zu be- geben zu Waffen der Gerechtigkeit (Kap. 6, 13), wollen wir anders den Sieg behalten gegen die nächtlichen Gewalten, Fleisch, Welt und Teufel, und unbefleckt und unsträflich erfunden werden vor dem HErrn auf den Tag seiner Zukunft. (Besser.) its) Am Tage thut man kein Werk der Finsterniß, jedermann schämt sich vor dem andern und stellt sich ehrbarlich. Man spricht: »die Nacht ist unv-erschämt«; das ist auch wahr, darum thut man auch die Werke in der Nacht, deren man schämt sich am Tage. Der Tag aber ist schamhaftig und zwinget zum ehrbarlichen Wandel. Also soll auch ein christlich Leben geschehen und sich halten, daß alle seine Werke dergestalt seien, daß sie sich nicht schämen, ob sie alle Welt sehe. (Luther.) Was unsre deutsche Bibel mit ,,Fressen und Sausen« ausdrückt, sind nach dem Grundtext Schmausereien und lustige Umzüge berauschter Jünglinge, denen es in den Häusern zu enge wurde und die dann singend und tanzend auf den Straßen ihren Muthwillen und ihre Neckereien trieben. Was damit gewöhnlich verbunden war, hebt Paulus noch besonders hervor: ,,Kanimern und Unzucht«, jenes auf außerehelichenBeischlaf zielend, dieses die ausgelassene schamlose Frechheit weinend, welche in unzüchtigen Geberden, Worten und Werken sich kundgiebt Solche Festivitätem wie sie der Apostel in dem ersten Paare von Lastern andeutet, endigen gewöhnlich mit Hader und Streit, bei weniger gebil- deten Leuten vielfach mit Prügeleien; aus dem zweiten Paare aber entspringt gar häufig Eifersucht, daher als drittes Paar »Hader und Neid« hinzukommt. Nun hat Paulus keineswegs in diese drei Gruppen alle Laster unterbringen wollen; die Nacht hat noch weit mehr Werke der Finsternis; in ihrem Schoße, ihre Familie heißt Legion- (Mark. 7, 21 ff; Gal. H, 19 ff.). Es ekelt aber den Apostel, diese Brut Stück für Stück an das Tageslicht hervorzuziehen; er meint, es sei genug mit diesen drei Paar-en. (Nebe.) Einem solchen, allem Wandel im Licht und im Wohlanstand geradezu widerstreitenden Verhalten gegenüber geziemt dem Christen, den HErrn Jesum Christ anzuziehen, worin das Mittel liegt, Völlerei, Geschlechtslust und Gehässig- keit zu bekämpfen 1ind zu überwinden. Hier redet der Apostel nicht mehr blos von Werken, sondern er führt zu Höherem hinauf, zur Gemeinschaft mit Christo, der Kraft zu allen Tugenden. (Sommer.) Fasset das Wörtlein ,,sondern« recht: nicht in Fressen und Sausen, sondern ziehet an den HErrn Jesum Christum, so werdet ihr essen und trinken als Christen und die Lust des Vauches nicht vollbringen; nicht in Kammern und Unzucht, sondern ziehet an den HErrn Jesum Christum, so werdet ihr eure Leibesglieder in Ehren halten als Christi Glieder und dämpsen die schändliche Brunst in keuscher Liebe zu eurem Seelenbräutigam; nicht in Hader und Neid, sondern ziehet an den HErrn Jesum Christum, so werdet ihr die Liebe selbst angezogen haben, seine Freundlichkeit wird eure Zank- sucht und seine Holdseligkeit euren Neid« begraben. (Besser.) Ziehet an den HErrn Jesum Christum: was heißt das? Es ist zunächst ein bildliches Wort voll des reichsten, seligsten Trostesx denn darin liegt doch vor allem, daß es sich hier nicht um etwas handle, das von uns erst erarbeitet oder errungen werden müßte, sondern das allbereits für uns da ist und uns nun dargeboten, geschenkt, wie ein Kleid zum Anziehen dargereicht wird. Und was das für ein Kleid sei? Jch könnte antworten, es ist dasselbe, von dem der Prophet (Jes. 61, 10) gesagt hat: »ich freue mich im HErrn und bin fröhlich in meinem Gott, denn er hat mich angezogen mit Kleidern des Heils und mit dem Rock der Gerechtigkeit mich bekleidet«; das- selbe, von dem die Kirche singt: ,,Christi Blut und Gerechtigkeit, das ist mein Schmuck und Ehrenkleid, damit will ich vor Gott bestehen, wenn ich werde zum Himmel eingehen« — und ich hätte doch die ganze Tiefe des apostolischen Worts noch nicht erreicht; denn das nennt ja nicht die Gerechtigkeit, die uns Christus erworben hat, sondern ihn selbst, seine heilige, gott- menschliche Person. »Es lautet: »ziehet an den HErrn Jesum Chrcstum«; ihn selbst also, zu welchem der Vater gesagt hat, du bist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgesallen habe, ihn selbst, die leibhaftige Ver- söhnung, die persönliche Gerechtigkeit und Heiligkeit, ihn selbst können wir anziehen, so anziehen, daß er im eigentlichen Sinne unser wird und alles, was sein ist, unser ist. Solches Anziehen aber geschiehet durch den Glauben; denn das ist die wunderbare Macht des Glaubens, daß er Christum ergreift und sich ihn zu- eignet, ja vielmehr, daß er Christum in sich schließt und in sich beschlossen hält, wie der Vrautring den Edelstein. Haben wir denn Christum angezogen und halten wir ihn fest im Glauben, dann bleibt uns seine Heiligkeit und Gerechtigkeit nicht wie ein von außen angelegtes Kleid, sondern die Schönheit des Gottes- bildes, das in ihm leuchtet, bildet sich auch unserm inwendigen Menschen ein; sein Geist beginnt in unserm Geiste zu wirken, seine reinigende, heiligende Liebe senkt sich in unsre Seele; im stillen Umgang mit ihm gewinnen wir einen neuen, zarten, edleren Sinn, eine heilige Scheu vor der Sünde, eine verborgene Kraft zum Guten. So fangen wir an vorsichtig zu wandeln als am Tage, seinen Fußtapsen nachzufolgen — und das sind wir auch seiner Ehre schuldig, besonders in dieser ernsten Zeit. Da gilt es nicht nur von seinem Namen zu reden, sondern mit dem Leben, mit dem ganzen Wandel es zu bezeugen, daß das Christenthum noch eine Wahrheit, eine Kraft zur Gerechtigkeit und zum Leben ist. (Tho»inasiu·s.) · f) Zärtlinge, die ihr seid, Wächter eures Fleisches und des Fleisches eurer Kinder, die ihr mit der Er- ziehung, welche ihr euch selbst und euren Kindern gebt, nicht dem Leibe, dem ewigen Genossen der Seele, son- dern dem vergänglichen, verderblichen Fleische Ehre thut und fröhnet: merket diese Mahnun ! Wenn der Apostel von dem hohen Gedanken des nziehens Jesu zur Mißbilligung eurer leiblichen Gewöhnung und Erziehung übergeht, so ist’s freilich, wie wenn er von einem hohen, lichten Gipfel in eine wüste Lache oder Pjütze niederführez aber der Uebergang ist ganz recht, seine praktische Weisheit erfordert ihn. Es wird bei vielen Römern gewesen sein, wie bei euch, bei manchen unter euch, daß über dem üppigen fleischlichen Leben des Leibes alle Fähigkeit und alle Kraft verloren geht, die Zeit zu benutzen iind auszubeutenx wie sollen die, die ihre Glieder der Sünden nicht tödten, die im Wasserbade dargestellten Glieder des neuen Menschen waffnen mit der Wasfefnrüstung Christi und stählen, die steile Vahn der Heiligung zu gehen? Nein, Jesum anziehen ist ein Gegensatz gegen alles weichliche, üppige, fleischliche Leibesleben! Wer Jesum anzieht, der er- kennt nicht den Leib und sein Wohlsein als Absicht und Zweck des Lebens, sondern er hat höhere Ziele, denen auch der Leib unterthänig gemacht werden muß. 138 Römer 14, 1—6. Er sorgt schon für den Leib, aber so, daß er der Seelen Zweck nicht hindert, die Verklärung in Christi An« glesicht nicht aufhält; er ordnet das ganze leibliche Leben so an, daß es dem Geiste dient, daß es bei Hut und Pacht und Kampf und Streit und Heiligung und Vorwartsdringen zu allem Guten nicht hinderlich sei, sondern auch wo mö lich förderlich. (Löhe.) Das; Fleisch ist zu kasteien, da es diene und unterthan sei Text; Geist untzhdeliisosjperåcnßnikt auhs dem Faktxell tgeeerrsrce ieerum au a , a e geen un tragen könne. (Luther.) Sorge für deinen Leib, aber nicht anders, als daß du ihn für seine Wanderschast hienieden unterstützestx nicht aber so, daß du dich hie- durch deines Vaterlandes vergessen machest. (Calvin.) Das 14. Kapitel. Wie man sich gegen die Schmachgläuhigen verhalten soll. III. b. 1———uap. 15,13. Nachdem der Apostel bisher Grmahnungcn ausgesprochen, welche dem Thristen als solchem und also allen auf gleiche Weise gelten, folgen jetzt solche Weisungem die sich auf eine, bei gleicheni Thristenstande verschiedene Weise christlichen Lebens beziehen; die Fortführung der tliede geschieht daher im Grundtext mit einem ,,aber«·. Uorab fordert Paulus die Glieder der Gemeinde zu brüderlirhem Ver— halten gegen die Schwachen im Glauben, die unter ihr siih befinden, auf (tt.1), worauf er zwei Difserenzpiiniite zwischen beiden Theilen, den Starken und Schwachen namhaft macht, einem jeden Theile den rechten Gesichts- puulit für seine Stellung zum andern an die ltjand giebt und das, was er in dieser Beziehung aussprichh näher begründet, aber auch das dem rechten Gesichtspunkte widersireitende Benehmen, wie es bisher vielfach zu Tage getreten, einem scharfen Tadel unterwirft und als rcchtswidrig zuriirliweish da der hoirr allein Richter sei und nur ihm ein jeder Rechenschaft zu geben srtiuldig W. 2—12). Der Apostel behennt jetzt in Betresf des Esseiis von allerlei Speise (v. L) seine eigene Meinung, deren er im hGrrn Iesu sich gewiß sei, und tritt dafür seine person auf Seite der Starken und Freien, an die er gleich anfangs vornämliclz sich gewendet hatte (i).1); aber desto eindringlich» ermahnt er nun auch diese, daß sie nicht etwa durch schonungslose Geltendmachung ihres prinzipi- den Sctswacligläubigen einen Anstoß be- reiten, sondern lieber ihrer Freiheit sich begeben und in die weise der Jindern sich schicken uiiichten, als diesen irgend welche Seclengefahr zu bereiten W. 134231 Zu solchem Tragen der Schwachen in Geduld und Selbst— oerleugnung reizt er denn noch weiter mit Grinnern an das Vorbild aller deuiiithigen Selbstverleugnung, an Christum, dem es niiht zu viel war, um unsertwillen Schmach auf sich zu nehmen; da tiann es uns auch nicht zu schwer werden, mit den Schwächen der Brüder uns zu tragen (Kap. 15, 1—-4). Indem nun aber. Paulus dasjenige, was er so eben von Thristo aussagte, in ein alttestamentliches Schriftwort kleidete, kommt er über- haupt auf die Schrift zu reden und tiehrt noch einmal- zu dem Grundsprucli seiner Gptstelx »die Juden vor- nämlich und auch die Heiden« zurück, auf daß er in der Gemeinde, an die er schreibt, ein recht etnmiithiges und einhelliges wesen pflanze w. 5——l3). 1. Den Schwachen [aber] im Glauben seinen jeden solchen Christen in eurer Mitte, der noch nicht im Stande ist, von der den Gläubigen an Christum geschenkten Gnade, vermöge deren wir es alles Macht haben 1· Cor. 6, 12 und nichts verwerflich ist, das mit Danksagung empfangen wird l. Tim. 4, 4., den vollen Gebrauch im täglichen Leben zu machen, sondern der allerlei Bedenken hegt, mit denen er doch sein Gewissen nicht zu beschweren brauchte, wenn er schon die volle Consequenz von der Freiheit, damit uns Christus besreiet hat Gal. 5, 1·, zu ziehen ver- möchte] nehmet [ihr, die ihr den Hauptbestandtheil der Gemeinde bildet, nämlich ihr Starken Kap- 15, l] auf sindem ihr ihn um seines Glaubens willen, obwohl derselbe noch ein schwacher Glaube ist, als einen euch zugehörigen, vollberechtigten Bruder in Christo anerkennt und behandelt V. Z; 15, 7], nnd verwirret die Gewissen nicht [damit, daß ihr irgend einen äußerlichen Brauch, wie Fleischessen und Weintrinken, darin ja das Reich Gottes nicht stehet V. l7., zur Bedingung eurer Anerkennung machen wolltet; denn dadurch brächtet ihr den Schwachen in die Versuchung, etwas zu thun, was er nach seiner ihn noch beherrschenden Gewissensrichtiing nicht thun darf V. 23]. Jn diesem Kapitel ·eht der Apostel von dem Ge- biet der all emeinen rmahnungen auf ein ganz be- sonderes Fe d der christlichen Pflichten über, auf das Verhtiltniß der Starkgläubigen und der Schwach- gläubigen oder der Strengeren und der Freieren zu einander; ihn veranlaßte dazu der Zustand und das besondere Bedürfniß der römischen Gemeinde, die ja aus Heidenchristen und Judenchristen zusammengesetzt war. Die Heidenchristem die ohne Gesetz, durch den Glauben allein, Glieder Christi geworden waren, konnten leicht auf die Meinung kommen, das ganze Halten der Juden über ihr von Alters her ihnen heiliges Gesetz sei eine Gott mißfällige Starrheit und darum zu bekämpsende Sünde; desgleichen konnten die Judenchristen leicht auf den Gedanken kommen, die christliche Freiheit gegen die Vorschriften des Ge- setzes, welcher die Heiden sich bedienten, schließe die Gefahr der Zügellosigkeit in sich und sei nicht zu ver- einigen mit der Ehrerbietung, die doch jeder Gläubige dem Worte Mosis, das ja Gott selbst geoffenbaret habe, schuldig sei. Wenn den Strengeren die Freiheit als Zügellosigkeit erschien, so erschien den Freien die Strenge als Gesetzlichkeit und Knechtschafy es waren also Momente genug vorhanden, um sie gegeneinander mißtrauisch 1ind feindselig zu machen. Paulus, wie dies schon seine Stellung als Heidenapostel mit sich brachte, stand auf der Seite der Freien, deren Glauben er als den stärkeren bezeichnet; von diesem Stand- punkte aus nennt er den Strengeren einen ,,Schwachen im Glauben«. Der Standpunkt nämlich, auf tvelchem man durch den Buchstaben des Gesetzes sich in seiner freien Bewegung gehemmt glaubt, ist ein unter- geordneter im Vergleich dem, wo man weiß, das Gesetz ist in Christo erfüllt und sein Buchstabe zwingt uns nicht mehr; aber es kann einer noch also in den Fesseln des Gese es sein und doch schon sein Heil in Christo allein su en, also im Glauben stehen. (Wangemann.) Das Prädikat ,,stark im Glauben» bezeichnet einen solchen Standpunkt, wo der Glaube an den Erlöser, das Vertrauen auf die durch ihn er- langte Gerechtigkeit in solchem Maße beseelendes Prin- zip der Ueberzeugung geworden und die ganze Denk- weise so durchgebildet hat, daß der Mensch alle Lebens- IFI. Sp e z ielle Ermahnungen Den Schwachen im Glauben nehmet anfund verwirret die Gewissen nicht! 139 verhältnisse darnach zu beurtheilen und zu behandeln vermag, daß er durch kein fremdartiges Element einer andern Denkweise, die ihn früher beherrschte und von der er sich noch nicht ganz zu befreien vermag, darin irre gemacht werden kann, wie namentlich damals, wer von dem jiidischen gefetzlichen Standpunkte zum Glauben gelangt war, erst allmälig von dem Einflusse desselben auf die Beurtheilung aller Lebensverhältnisse sich lossagen konnte, indem das aus dem Glauben an den Erlöser hervorgehende neue christliche Prinzip seine Denkweise immer mehr durchdrang. Diese, das Urtheil beherrschende Glaubenskraft bewies sich also z. B. darin, daß Einer, seines Heils in der Gemeinschaft mit Christo gewiß, in dem Gebrauche äußerlicher Dinge nicht mehr durch die Bedenken, welche er sich früher auf dem gesetzlichen Standpunkte gemacht hatte, ·sich bewegen ließ, als ob dies oder jenes ihn verunreinigen könne. Den Gegensatz, gegen diese Stärke des das Leben beherrschenden Glaubens bildet das ,,schwach sein im Glauben«, wo neben dem Glauben noch ein anderes, aus dem früheren Standpunkte herrührendes Element die Ueberzeugung beherrscht; daher der Wider- streit, die gegen das Glaubensprinzip streitenden Be- denken! Wenngleich Paulus vermöge der durch die damaligen Zeitverhältnisse gegebenen Veranlassung dies besonders in Beziehung auf den jüdisch-gesetzlichen Standpunkt entwickelt, so gilt dasselbe in seinem Sinne doch auch von dem Verhältnisse jedes andern Stand- punktes zu dem chriftlichen, in der Lebensbildung durch den Glauben begründeten; die das Leben beherrschende Glaubenskraft giebt daher den selbständigen christlichen Charakter, die christliche Charakterfeftigkeit, die christ- liche Geistesstärke und Geistesfreiheit. Das eigenthüm- liche Wesen der christlichen Freiheit besteht darin, daß, »» indem der Christ sein ganzes Leben auf Christum als « seinen Erlöser und durch ihn auf Gott bezieht, indem er nur von dem Bewußtsein dieser Abhängigkeit be- seelt wird und keine andere als die darin begründete anerkennt, er eben dadurch sich unabhängig fühlt von allen Gefchöpfen, von allem Weltlichen, welcher Art es auch sei; daß er in dem Bewußtsein dieser inneren Unabhängigkeit handelt, durch den beseelenden Geist Christi alles beherrscht und sich keinem Menfchem keinem Verhältnisse dienstbar macht, daß nichts so auf ihn einwirken kann, um ihn anders, als es der Geist Christi verlangt, zu bestimmen (1· Cor. 7, 31 ff.; 6, 12; Z, 22). Diese von dem Glauben ausgehende, wie alles Christliche im Jnneren begründete Freiheit und Welt- beherrschung kann sich aber auch unter allen äußer- lichen Beschränkungen offenbaren, und sie erweiset sich gerade dadurch, daß diese äußerlichen Beschränkungen für den über dieselben erhabenen, in dem Glaubens- bewußtsein sich von allem unabhängig fühlenden Geist etwas Beschränkendes u sein aufhören; Paulus-be- weiset seine christliche Freiheit gerade darin, daß er zum Besten Anderer, um alles dem Geiste Christi dienstbar zu machen, alles so zu behandeln, wie es zur Förderung des Reiches Gottes am meisten dient, durchaus frei in alle Formen der Abhängigkeit eingeht (1. Cor. 9, 19) — der von allem Freie, der sich Allen dienstbar macht. (Neander.) 2. Einer [wer nämlich zu den Starken 15, 1 zählt] glaubt, er möge allerlei essen [indem ja keinerlei Speise ihm an dem Leben in Jesu Christo hinderlich sei Matth. 15,11]; welcher aber schwach ist sim Glauben V. 1 und sich wegen der Götzen- opfer Gewissensbedenken macht, daß er unver- sehens an dergleichen Fleisch gerathen könne und nun sich damit verunreinigen würde 1. Cor. 8, 7], der ifset [einfach blos] Kraut [oder Gemüse, sich des Genusses von Fleisch sowie auch des Weines V. 17 u. 21 lieber ganz enthaltend]. 3. Welcher sdenn allerlei] isset, der verachte den nichtsals einen beschränkten und abergläubischen MenschenL der da nicht [allerlei, sondern nur Kraut] ifset ssondern schone sein Gewissen, das nun einmal ein ängstliches ist 1. Cor. 8, 12]; nnd welcher [Fleisch] nicht isset [sondern dessen sich enthält], der richte den nicht sgleich als wäre er ein gewifsenloser Mann, der des rechten christ- lichen Ernstes ermangele], der da ifset, denn Gott hat ihn sin seine Gnadengemeinschaftdurch Christum] ausgenommen sGottes Auserwählte aber soll man nicht beschuldigen Kap. 8, 33 f.; 15, 7]. 4. Wer bist du, daß du einen fremden Knecht sder nicht dein, sondern eines Andern Knecht ist] richtest sindem du nach deinen selbstgemachten Geboten ihn meisterst Iak. 4, 12]? Er steht oder fallt seinem HErrn [nämlich Christo, der als der HCrr allein zu entscheiden hat, wer vor ihm stehen und bestehen soll oder nicht V. 9 f.; Luk. 21, 36]. Er mag aber sso sehr -dn auch dafür hältst, daß die Freiheit, deren er sich bedient, so viele Gefahren für seine Seele in sich schließe, daß er schließlich nothwendig zu Falle kommen müs e] wohl ausgerichtet werden sum bis an’s Ende sich aufrecht zu erhalten, ohne daß es zu einem Fallen mit ihm kommt]; denn Gott kann ihn wohl lzu beständigem Stehen im Glauben 1. Cor. 16, 13; Z— Cvrs l, 241 aufrichtenk [oder im Aufrecht- stehen beständig erhalten]. 5. Einer swer zu den Schwachen zählt] halt einen Tag vor den andern szieht ihn als heiliger den andern vor Gal. 4, 10; Col. L, 16]; der andere aber [vermöge seines stärkeren Glaubens] halt alle Tage gleichisp swill jeden Tag gleich heilig gehalten wissen]. Ein jeglicher sder eine sowohl, der zwischen den Tagen einen Unterschied macht, als der andere, welcher keinen macht] sei in seiner Meinung gewiß« sund stelle nun dieser seiner Ueberzeugung gemäß für s ein Theil sich zur Sache, vermeide aber dabei das Richten oder Verachten des Andern]. 6. Welcher auf die Tage hält sso denke von selbigem der andere Theil, der da stark ist im Glaubens, der thurs dem HErrn sihm will er damit dienen und nach seinem Willen leben, so gut er ihn erkennt]; und welcher nichts drauf hält, der sso denke nun seinerseits wieder der erste, schwächere Theil von ihm] thurs auch dem HErrn [indem er alle Tage in gleicher Weise heilig halten will]. Welcher sum hier wieder auf den in V. 2——4 besprochenen Unterschied zurück- zukommen, allerlei] ifset, der isset dem HErrn ffo halte sich der schwächere Theil, der ihn essen sieht, 140 Römer 14, e. überzeugt], denn er dunkel Gott [indem er sein Tischgebet auch über dem Fleische hält, das er genießen will, was er ja nicht thun würde, wenn er fürchten müßte, mit folchem Genusse Christum zu verlieren und von der Gnade zu fallen Gal. 5, 4]; welcher nicht isset, der sfo halte auch andrer- seits der im Glauben Starke sich von ihm über- zeugt] isset dem HErrn nicht lmeidet des! Fleisch- und Weingenuß um Christi willen, daß er in feiner Weise ihm treu verbleibe], und danket Gott-s- süber seiner geringeren Speise, dem Kraut, weil er der Meinung ist, daß eben mit solcher Ent- haltsamkeit er am besten das Interesse seines HErrn wahrnehmes V) Aus der vorwiegend heidenchristlichen Zusammen- setzung der römischen Gemeinde, wie aus dem Einfluß paulinischer Perfönlichkeiten in ihrer Mitte (vgl. Kp. 16), folgt, daß wir bei ihr, namentlich zur Zeit unseres « Briefes, die christliche Lehr- und Lebensrichtung des Paulus voraussetzen müssen, welcher auch manche Christen aus den Juden, wie Aquila und Priscilla angehörtenx das schließt jedoch nicht aus, daß eine kleinere Fraction daselbst judaisirte, wenn man diesen Ausdruck gebrauchen will, nur ist dabei jeden- falls nicht an den exclufiven Judaismus der galatischen Jrrlehrer zu denken. Bevor das Gottesgericht über das erwählte Volk und die jüdische Institution in der Zerstörung des Tempels durch Titus erfolgt war, war die Beibehaltung der jüdischen Bräuche, zumal von Seiten der Judenchristen Palästina’s, durch welche sie nur auf die für das christliche Heil zunächst ver- ordneten Volksgenossen einwirken»konnten, nichtsKrank- haftes, sondern naturgemäß (l. Tor. 7, 17 ff.), wenn jene nur nicht in pharisäischem Sinne zur nothwendigen Bedingung der Seli» keit gemacht wurden. Jnftructiv für die Ansicht des aulus ist die in dieser Beziehung noch wenig beachtete Stelle unsers Briefs: Kapj 4, 11 ff; zu dem geistigen Samen Abrahams, d. i. der wahren Christenheit, die denselben rechtfertigenden Glauben hat, werden hier gerechnet: l) solcheHeid en- Christen, die, ohne sich beschneiden zu lassen, den rechtfertigenden Glauben besitzen, den auch Abrahani in der Vorhaut hatte (,,die da glauben in der Vor- Haut« V· 11); und-Z) Jud enchristen, die den recht- fertigenden Glauben haben, und zwar a) solche, die ,,nicht aus der Beschneidung allein sind« (V. 12a), sie nicht zur alleinigen, mithin nothwendigen Bedingung des Heils machen (Gal. 5, Z; Apostg. 15, 1),«sie nicht auch von den Heiden fordern, wenn sie für ihre Person sie auch befitzen und das mofaifche Gesetz beobachten, b) solche,· welche auch für ihre Person das mofaifche Gesetz, nicht mehr oder doch nur unter Umständen beobachteii, also »in den Spuren des vorhautlichen Glaubens Abrahams wandeln« (V. 12bs, wie z. B. Paulus selber und die paulinischen Judenchristen. Während hiernach Paulus folche Judaisten, wie die des Galaterbriefs, welche die Beschneidung als noth- wendige Bedingung des Heils ansehen und die Beob- achtung des mosaischen Gesetzes fordern (,,die vom Gesetz« Kap. 4, 14), von dem geistigen Samen Abrahams und dem Erbe der Verheißung ausschließt, rechnet er dagegen solche zum geistigen Abrahains- samen, welche für ihre Person das mofaifche Gesetz noih beobachten, ohne jedoch feine Erfüllung für zum Heile nothwendig zu halten und es den Heiden auf- zuerlegen, wie sie namentlich in Palästina sich fanden; denn auch sie glaubten durch die Gnade des HErrn Jesu selig zu werden (Apostg. la, 11; Pl, 20 ff.). Zu dieser Klasse von Judenchriften gehorte denn die judaifirende Fraetion in Rom, mit welcher die stark- gläubige Majorität Frieden halten soll; letztere bestand vorwiegend, wenn auch nicht ausschließlich (da Paulus in Kap.15,1fich mit ihr zusammensaßt), aus ge- borenen Heiden. Während nun der Starkgläubige wegen seiner höheren Erkenntniß aus den schwach- gläubigen Judenchriften leicht verächtlich herabfah, war dieser in seiner Serupulosität geneigt, jenen zu richten, d. h. sein freies Verhalten als leichtfertig und sündlich zu tadeln, ohne gerade ihm die Seligkeit abzusprechen. Daß unter den Schwachgläubigen Christen aus den Juden zu verstehen sind, geht bestimmt daraus hervor, daß sie einen Unterschied zwischen reinen und unreinen Speisen statuiren und auch einen 1Interschied zwischen den Tagen machen, also an den jüdischen heiligen Zeiten, vornämlich den Sabbathen noch fest- halten; in ersterer Hinsicht aber geht ihr Verhalten über die Speisegebote des Pentateuch hinaus, wenn sie kein Fleisch, sondern Gemüse essen, und auch keinen Wein trinken (vgl. zu Col. 1,17). Jst damit eine gänzliche, nicht blos zeitweilige Enthaltung ausgesagtz so war sie wohl in einer ascetischen, durch das sittliche Streben nach Beherrschung der Materie motivirten Lebensweise begründet, wie sie nach der kirchlichen Tradition auch die Apostel Matthäus und Jakobus der Gerechte geübt haben sollen; man griff darauf zurück, daß dem Menschen ursprünglich die Pflanzenkost zur Nahrung angewiesen war (l. Mos.1, 29), Fleisch und Wein aber erst später hinzugekommen sei (l. Mos. 9, Z. 20 ff.), »und. nun konnte gerade in Rom sich der dortigen Ueppigkeit und Schwelgerei gegenüber in den ernsteren Gemüthern leicht eine Werthschätzung derEnt- haltsamkeitausbilden (Wiefeler.) Durch die Rabbinen war den Juden alles von den Heiden gefchlachtete Fleisch, sowie der Wein der Heiden verboten, um sich nicht durch etwas, was in Beziehung zum Götzendienst stand, zu verunreinigenz während nun die Juden von dem geselligen Zusammenleben mit den Heiden und die strengeren, namentlich die palästinenfischen Juden- christen auch von dem mit den Heidenchristen sich lieber ganz zurückzogen, ohne sich deshalb den Genuß des Fleisches und Weines überhaupt zu versagen (Apostg. 11, Z; Gut. 2, 12 ff.), thaten die Judenchristen von jener Fraction zu Rom ersteres nicht, fürchteten aber doch, wenn sie Tischgemeinschast mit den Heidenchristen unterhielten, durch den nicht leicht zu vermeidenden Genuß des auf den heidnischen Fleischmärkten käuf- lichen Opferfleisches und des Libationsweines sich zu verunreinigen nnd in entheiligende Gemeinschaft mit den Götzen zu treten, und trugen nun Bedenken, wenigstens in diesem ihrem Zusammenleben mit den Andern, die an derartige Besorgnisfe sich nicht kehrten, gerade Fleisch und Wein zu genießen, weshalb sie mit bloßem Gemüse sich begnügten (Dan. 1, 8 ff.). Einer solchen Glaubensrichtung pflegt der Apostel auch sonst als einer in der alttestamentlichen Gottesoffenbarung wurzelnden und auf der geschichtlichen Entwickelung des Volkes Israel ruhenden, wo sie sich nur nicht in direkten Gegensatz zur evangelischen Heils-lehre stellt, mit der zartesten Rücksichtnahme zu begegnen (1. Cor. 9, 20; Apostg. 16, Z; 18, 18. 21; 21, 20 sf.); ebenso hatte schon der Apostelconvent zu Jerusalem die be- sondere Aengstlichkeit der Judenchristen in Hinsicht auf die Unsauberkeit der Abgötter oder die Götzenopfer den Heidenchristen zur besonderen fchonenden Berück- sichtigung empfohlen (Apostg. 15, 20. 29; 21, 25). Nun finden wir als charakteristisches Kennzeichen der Der Starke verachte den Schwachen nicht, und der Schwache richte den Starken nicht! 141 »in genere aber Schwachen auch ,,das Halten eines Tages vor den andern«; die Judenchristen dieser Richtung dürften aber von jenen, welche nur Gemüse aßen, wohl zu unterscheiden sein als die strengeren, wahrscheinlich palastmensischen Judenchristen (Ap»stg». 21,·20ff.). Ihrer mochten nur wenige in Rom ansassig sein; daher ihr Tagewählen in V. 5 f. nur mehr beiläufig berührt wird.- (Philippi.) Es beruhte wohl daraus, daß der Sabbath von Anfang der Schöpfung an geheiligt war. (v.Hofmann.) Sowie der Name: »die Schwachen« kein unbedingter Tadel ist, so der Name: »die Starken« kein unbedingtes Lob; dem Schwachen gereicht seine Befangenheit zu einem gewissen Schutz, solange er seine Schwachheit rein hält, d. h. nicht zur Norm für Andere macht, dagegen gereicht dem Starken sein an sich berechtigtes Freiheitsgefühl zur Gefahr der Selbst- überhebung —- diese Sätze können durch die Beispiele frommer Katholiken und unfrommer Protestanten be- legt werden. Gleichwohl ist der Standpunkt des Starken an sich der höhere, und der Apostel bezeugt ausdrücklich: der Starke wird in seiner Glaubens- freiheit stehen bleiben; er spricht da nur von der Zu- kunft des Starken in genere, nicht von jedem Ein- zelnen, denn daß einzelne vermeintlich Starke der Gesetzlosigkeit verfielen, das hat er schon früh erfahren, hat sich sein Wort herrlich erfüllt (Lange.) M) Jn dem ,,hält alle Tage gleich« spricht sich die altapostolische Ansicht aus, die nicht besondere Feste unterschied, weil ihr das ganze Leben in Christo Ein Fest geworden war; mit dem Zurücktreten der Blüthen- zeit der Kirche mußte sich indeß alsbald das Bedürf- niß wieder geltend machen, in dem allgemeinen Fluß des Alltagslebens sestliche Lichtpunkte herauszuheben. (Olshausen.) Nach der idealen Auffassung soll das ganze Leben des Christen ein ununterbrochener Sonn- tag, jeder Tag und jede Stunde dem Dienste des HErrn gewidmet sein; und was uns hier als sittliche Aufgabe vorschwebh der wir ernstlich nachjagen sollen, das wird dereinst auch seine volle Verwirklichung finden in der ewigen Sabbathsruhe der Heiligen, die dem Volke Gottes verheißen ist (Hebr. 4, 1 ff.). Allein wie die sinnlich räumliche Beschränktheit unsers irdischen Lebens einen örtlichen Cultus verlangt, so macht der zeitliche Charakter unserer Existenz und die Natur unsrer Berufsgeschäfte schon der Ordnung halber die Aussonderung gewisser Stunden und Tage für aus- schließlich religiösen Gebrauch nothwendig. Während das Wo und Wann, zwar nicht der tieferen alttestament- lichen, aber doch der populären jüdischen sowie der heidnischen Gottesverehrung im Gegensatz gegen das Ueberall und Jmmer der christliche11 Gottesverehrung stand, kann sich dagegen die letztere unbeschadet ihres Universalismus an Ort und Zeit accommodiren, und thut es auch, bis die irdische Ordnung der Dinge ganz in ein himmlisches und ewiges Dasein verklärt sein wird. Aehnlich verhält es sich ja auch mit dem Ge- bete: wir sollen immer in Gebetsstimmung und im Gebetsgeiste, unser ganzes Leben soll ein ununter- brochenes Gebet sein (1. Thess 5», 17); dessen unge- achtet müssen wir zu gewissen Zeiten im engeren Sinne beten und unser Herz in Bitte, Fürbitte und Dank- sagung vor Gott ausschütten Von diesem Gesichts- punkte aus sind denn die festlichen Zeiten der Kirche zu betrachten, nicht als ein jüdisches Joch, sondern als eine heilsame und unentbehrliche Ordnung der evangelischen Freiheit, in der sich der Christ freudig und dankbar bewegt, über das Geräusch des alltäglichen Lebens und Treibens zum Genusse der himmlischen Geistesfeier sich emporschwingt und alle seine Berufs- geschäfte zum Dienste Gottes weiht. Sie sind nicht ein Abfindungsquantum so daß man, wie leider noch heutzutage von vielen Christen in ihrer fleischlich jiidischen Gesinnung geschieht, seine Frömmigkeit auf den Sonntag und die Betstunden beschränkt und da sozusagen seine Rechnung mit Gott wieder für eine ganze Woche in’s Reine bringt, um in dieser der Welt desto ungehinderter zu dienen; sondern sie sind ein Mittel, um immer mehr zu dem Beten ohne Unterlaß zu gelangen und den Zustand herbeizuführen, wo der Unterschied zwischen profanen und heiligen Zeiten verschwinden wird, wo wir allezeit vor dem Stuhle Gottes sein und ihm dienen werden Tag und Nacht. (Schuff·) EIN) Gewiß werden kann man nur der Meinung, die auf einem göttlichen Grunde ruht; daher will der Apostel damit nicht abmahnen von der Erforschung der göttlichen Wahrheit und die Schwachen aus den Sandgrund ihres eigenen Meinens bauen lassen, son- dern gerade durch das Trachten nach Gewißheit, durch immer weiteres Forschen solle jeder von ihnen wahr- haft befestiget werden. (v. Gerlach) Der folgende Vers ist dann ein Leitstern, nach welchem jeder in seinem Geistesleben seiner Ueberzeugung gewiß werden soll: je mehr Einer seine Meinung religiös zu heiligen, vor den HErrn zu bringen, in Danksagung zu ver- wandeln sucht (statt richtend über den Andersdenkenden sich zu erheben oder verächtlich auf ihn herabzublicken), desto mehr muß er dazu kommen, im Lichte Gottes Wahres und Falsches zu unterscheiden. (Lange.) Die beiden Richtungen finden sich in der Christenheit bis auf diesen Tag, und selten verstehen sich ihre Vertreter völlig; der Unterschied zwischen jetzt und der Apostel-- zeit liegt nur in dem Gegenstande, um welches willen die strengere und die freiere Richtung von einander abweichem Jn unsern Tagen sind die Fragen, über welche die Anschauungen auseinander gehen, z. B. die, ob ein Christ Blut essen dürfe, ob er Branntwein trinken, Tabak rauchen dürfe, ob er sich an Tanz und Concert und Schauspiel betheiligen dürfe; darum ist es sehr wichti für uns, daß wir in unserm Kapitel sowie im 1. Forintherbrief bestimmte und klare Wei- sungen des Apostels besitzen auf die solche Streitfragen entscheidenden Grundgedanken» (Wangemann.) Von jeher hat man in der Kirche die apostolische Unter- weisung auf das Verhalten der Christen in allen sog. Mitteldingen (adiaph0ra) bezogen, d.h. in Dingen, die von Gott weder geboten noch verboten sind. Daß Branntwein an sich selbst schädliches Gift sei, also der Genuß desselben eine Sünde wider das fünfte Gebot, ist eine Sage, die schwerlich begründeter ist als manche andere Gift-Erklärung, wonach z. B. auch Kaffee und Tabak Gifte wären. Etwas Anderes dagegen ist es, wenn Manche Bedenken tragen, mit Danksagung etwas zu trinken, was der Teufel zu einer Mordwasfe an jämmerlich vielen Menschen macht; ebenso, wenn der- gleichen Genüsse, die über des Leibes Nothdurft hinaus-- gehen, einen Christen entweder an der Liebe des Nächsten hindern, daß er dem Armen abbricht, was er zur gütlichen Leibeswartung verbraucht, oder an der unbeschwerten, nüchternen und munteren Hingabe Leibes und der Seele an den Dienst Gottes mit Beten und Arbeiten, so sind es ihm keine Mitteldinge mehr, sondern Dinge wider die Liebe Gottes und des Näch- « sten, die er nicht mit Danksagung genießen kann. Wer sich aus Scheu vor Hinderun an einem heiligen Leben in der Liebe möglichst bedürfnißlos hält, thut Jeden- falls wohl; auch der thut nicht Unrecht, wer der Ver- suchung, irgend welchen Genusses Knecht zu werden, durch gänzliche Enthaltung sich entzieht als im Gefühl 142 Römer 14, 7——15. seiner Schwachheit. Aber nicht richtig nach dem Glauben und der Liebe handeln diejenigen, welche ihre eigene Wahl und Weise in dergleichen äußerlichen Dingen zu einem wesentlichen Stück des christlichen Lebens machen mit Richten der Brüder, die andere Weise halten. (Besser.) · f) Der Apostel setzt selbst in Liebe von jeder der beiden Parteien voraus, was er will, daß eine von der andern voraussehen soll; seine Ausdrucksweise enthält eine indirecte Aufforderung zur gegenseitigen Anerkennung und Duldung und zugleich eine mittel- bare Ermahnung zur Selbstprüfung für jeden Ein- zelnen, ob er auch der vertrauensvollen Voraussetzung des Apostels entsprechend gesinnt sei und handele. Gleichwie nun aber die hier ausgesprochene Voraus- setzung, so schließt auch die in den nächsten Versen folgende eine indirekte Aufforderung zur Selbstprüfung und zur wirklichen Erfiillung des Vorausgesetzten in sich; wie nämlich der Apostel an unsrer Stelle voraus- setzt, daß das auf die Tage Halten und das nicht darauf Halten, das Essen und nicht Essen dem HErrn zu Dienst und Ehren geschehe, so setzt er nachstehend voraus, daß überhaupt keiner unter den Christen sich selber, sondern jeder dem HErrn lebe und sterbe, wo- durch eben die Richtigkeit der ersten Voraussetzung be- gründet wird. Denn wer sich im Allgemeinen und Ganzen dem HErrn gewidmet hat, der hat sich ihm auch im Einzelnen und Besonderen gewidmet. 7. [Wenn ich aber in der eben angegebenen Weise annehme, daß die einen unter euch eben- sowohl wie die andern das, was sie thun oder nicht thun, nicht sich selber, sondern dem HErrn thun oder nicht thun, nicht sich selber zu Ehre und Dienst, sondern dem, der unser aller Haupt ist; so nehme ich nicht mehr an, als was bei Christenja wirklich der Fall ist-J Denn Unser keiner ldie wir uns nach Christo nennen] lebt ihm selber sführt sein Leben so, als ob der eigene Wille ihm Gesetz und die eigene Person ihm Zweck wäre und er also seinem Vortheil und seiner Ehre nachjagen dürfte], Und keiner stirbt ibm selber [2· Cor. 5, 15]. 8. Lebe-mir, so leben wirdemHErrn sJesu Christus; sterben»w1r, so sterben wir demHErrn. Darum wirleben oder sterben, so sind wir des HErrtti sin allen Voxnahmen 1. Cor. 10, 31., wie in allen Widerfahrnissen sein Eigenthum]. 9. Denn dazu ist snach göttlicher Absicht] Christus auch gestorben und auferstanden und wieder lebendig worden snach der Auf- erstehung auf’s Neue in ein zu der Menschenwelt in Beziehung stehendes Leben eingetreten], daß er uber Todte und Lebendige HErr sei« fund dereinst auch alle sie richte Apostg 10, 42z 2. Tim. 4, l; damit aber sind wir, gleichwie verpflichtet, so auch ermächtigt, ihm zu leben und zu sterben 1. Thess. b, 9f.]. · V) Es ist hier nicht von unsrer ob1ectiven, sondern von unsrer subjectiven Abhängigkeit von dem HErrn die Rede; denn daß Leben und Tod in seiner Hand stehen, damit wäre nur ein allgemein menschliches, kein spezifisch christliches Verhältniß ausgedrückt. Ebenso ist bei dem Satze: ,,sterben wir, so sterben wir dem HErrn« nicht an ein dem HErrn Leben nach dem Tode, sondern an ein dem HErrn Sterben beim Ende des gegenwärtigen Lebens zu denken. Es tritt also hier das naturnothwendige Sterben in der Form eines sittlich freien, Gott wohlgefälligen Aktes auf; nicht nur opfert der Christ sein Leben im Dienste und zur Ehre des HErrn in freiwilliger Hingabe, sondern er erduldet auch den Tod im Gehorsam gegen das gött- liche Verhängniß in freudiger Annahme, während da- gegen derjenige sich selber lebt und sich selber stirbt, der im Eigenwillen oder im Unwillen lebt und ebenso im Unwillen oder im Eigenwillen stirbt. (Philippi.) Auch das Sterben des Christen — in so idealer Weise ist sich Paulus der sittlichen Macht und Weihe der Lebensgemeinschaft mit Christo bewußt — ist ein sitt- licher Akt im Angehörigkeitsverhältnisse zu Christo, in welchem mit seinem Leben gestanden zu haben und nun auch mit seinem Sterben zu stehen der Christ im Tode fühlt und weiß; das ist das selbstbewußte »in dem HErrn« Sterben (Offenb. 14,13., vgl. Phil. 1, 20; Rönn 8, 38. (Meyer.) Dem Halten und Nichthalten, »dem Essen und Nichtessen (V. 6) liegt ein stärkerer Gegensatz zu Grunde, das Leben und Sterben; beide aber fallen darin zusammen, daß wir des HErrn, ihm angehörig sind. (Lange.) M) Luther übersetzt nach der herkömmlichen Lesart im Grundtextez nach der wohl richtigeren, einfacheren Lesart aber müßte es heißen: ist Christus ge- storben und lebendig worden. Nicht das betont hier der Apostel, daß der HErr nicht im Tode geblieben, sondern daß er gestorben und so aus dem Tode in sein jetziges Leben eingetreten ist; dadurch hat er ein Leben gewonnen, in welchem der Gegensatz von Leben und Tod aufgehoben und er unser HErr ist, gleichviel ob wir leben oder sterben. Jn solchem Rechte seiner ob- jeetiven Herrenstellung im Verhältnisse zu uns liegt denn aber weiter die Pflicht unserer subjectiven Knech- tesstellung im Verhältnisse zu ihm begründet. Nach dieser andern Lesart nun besteht zwischen Vorder- und Nachsatz ein Parallelismus: auf der einen Seite entsprechen sich die beiden Worte: ,,gestorben« und ,,Todte«, auf der andern: ,,lebendig worden« und ,,Lebendige«. Die Ausleger erklären das mit Be- rufung auf Kap. 10, 10 in der Regel ftir einen blos formalen Parallelismus, so daß Paulus nicht sagen wolle, Christus sei gestorben, damit er über Todte HErr sei, und wieder lebendig geworden, damit er’s Über Lebende sei; und allerdings ist dieWechselbeziehung der Ausdrücke insofern blos formell, als einerseits das ,,Sterben und Lebendigwerden« und andrerseits das ,,Todte und Lebendige« zusammengenommen werden muß in dem Sinne: durch Tod und Auferstehung zu- sammen hat Christus das Herrenrecht gemeinsam über Todte und Lebendige erworben. Jndessen liegt doch dem formalen Parallelismus nach 1. Petri 3, 18f.; Ephef 4, 9 f.; Phil. 2, 10 f. auch ein materialer zu Grunde. 10. Du aber sder du nicht issest], was richtest du deinen Bruder sder da ifset, als» nähme er’s mit seinem Christenthume nicht ernst V. 3]? Oder du anderer sder du issest], was verachtest du deinen Bruder sder da nicht isset, als wäre er ein beschränkter Kopf, ein engherziger Thor]? Wir werden alle sdie einen sowohl, die auf freierem Standpunkte stehen, als die andern, die ängstlicheren Gewissens sind] vor den Richistnhl Christi dargestellt werden-« sum aus dem Munde erweisen, sondern er will darthun, daß Das richtet, daß niemand seinem Bruder einen Anstoß oder Aergerniß darstelle! 143 dessen, der der HErr ist über Lebendige und Todte V. I; Joh. 5, 27., unser Urtheil zu em- pfangen 2. Cor. s, 10]; 11. Nachdem [oder: gemäß dem, daß] ge- schrieben stehet sin Jes. 45, 23., welchen Spruch man auch auf den jüngsten Tag beziehen kann, wo sein Inhalt zu vollkommener Erfüllung kommt]: So wahr, als ich lebe, spricht der HErr, mir sollen alle Kniee gebeuget werden sPhil 2, 10], und alle Zungen sollen Gott sals den alleinigen HErrnJ bekennen» 12. So wird nun swir wir aus diesem Schrift- worte erkennen] ein jeglicher lohne Ausnahme, da ja dort von allen Knieen und allen Zungen die Rede ist] für sieh selbst Dereinst] Gott Rechen- schafi geben [über sein Thun und Lassen hier aus Erden und also gegenwärtig vor allem darauf sehen müssen, wie er alsdann selber bestehen möge Matth. 12, IS; Gab 6, 5]. 13. Darum lasset uns nicht mehr swie es leider noch vielfach von uns geschiehet] einer den andern richten [1. Eor 4, 5], sondern das richtet vielmehr sstatt ein richtendes Urtheil zu fällen, fasset vielmehr ein s ittl-iches Urtheil, indem ihr’s euch zu einem Lebensgrundsatz macht], daß niemand fund da wende ich mich besonders an euch, die Starken, die ich schon in V. 1 ermahnet habe, die Gewissen nicht zu verwirren] seinem Bruder einen Anstoß oder Aergerniß darstellettt sin den Weg lege, darüber er zu Falle kommen könnte] is) Das ,,du aber«, womit der Apostel diesen Vers anhebt, deckt den Contrast auf, in welchem das von ihm gerügte Richten einerseits und Verdammen andrer- seits (welches letztere aber auch ein Richten in sich schließt) mit Christi Herrschast steht. (Meyer.) Oben (V. 4) stand das »du« im Gegensatz zu dem fremden Knechte, der aber nun als Bruder bezeichnet ist. Wie aber das Richten über den Bruder in das Herrscher- amt Christi eingreift, so greift es auch seinem Richter- stuhl vor. (La»nge.) » » v IV) Merkwurdig ist diese Stelle, wie auch schon V. 8 u. 9, dadurch, daß sie ein so starkes Zeugniß für die Gottheit Christi enthält, ja daß sie zeigt,.wie nahe es dem Apostel lag, das, was im alten Testament von dem allerhöchsten Gott ausgesprochen wird, ohne Weiteres auf Christum zu beziehen. (v. Gerlach.) Zwar will der Apostel hier nicht die Gottheit Christi wir vor keinem menschlichen, sondern vor Christi Richterstuhl dar- gestellt werden sollen, weshalb auch in dem Citate wohl auf ,,mir« und »Gott« der Nachdruck ruht; indem er nun aber seinen Erweis durch eine Belegstelle führt, in welcher Gott, der HErr, als HErr und Richter auftritt, folgt unmittelbar von selbst, daß mit dieser Bezeichnungx »Gott der HErr« Christus gemeint sei — markirt doch auch sonst beim Apostel das »HErr« als Prädikat Christi diesen als den Jehova des alten Bandes; daß er aber speziell die hier citirte Jesaias- Stelle direkt auf Christum bezogen, zeigt Phil ·2,10f. lPhilippiå · , IN) Bisher hat der Apostel·gezeigt, daß der, welcher nicht ißt, weder von wegen des Andern (V. 3—9), noch von wegen seiner selbst (V. 10——12) Ursache oder Berechtigung habe, den ungiinstig zu be- urtheilen, welcher ißt, und daß ebensowenig letzterer Ursach oder Berechtigung habe, auf den ersteren gering- schatzig herabzusehenzxetzt dagegen geht» er zu einer Weisung uber, die sich fast ausschließlich auf das Essen bezieht. Denn wer nicht ißt, kann hieran nichts ändern, weil er innerlich gebunden ist, nicht zu essen; dagegen wer ißt, kann das Essen lassen, weil er innerlich frei ist, es so oder anders zu halten. (v. Hofmannh Alles ist an sich rein, sagt da der Apostel; aber es ist unrecht, nach diesem an sich wahren Prinzipe rücksichtslos zu handeln, da es eben nur an sich, aber nicht für deinen schwachen Bruder gilt. (Tholuck.) Dem Ansich der Sache wird die subjeetive Vorstellung von derselben entgegengestellt: gilt sie in dieser als unrein, so ist sie es auch wirklich für die betr. Person, welche in sittlicher Hinsicht durch den Genuß sich verunreinigen würde, indem sie thäte, was sie doch für unerlaubt hält. Während nun die Worte Anstoß oder Aergerniß in Kap. 9, 33 in gleichem Sinne verbunden sind, werden hier beide Ausdrücke durch ein ,,oder« grammatisch geschieden, und das Nach- folgende gestattet es nicht blos, sondern scheint es so- gar zu fordern, sie auch in verschiedenem Sinne zu nehmen, nämlich ,,Anstoß« von einem Anstoß gegen die fremde Ueberzeugung, welche nicht ein Wankend- werden der eigenen oder ein überzeugungswidriges Verhalten, sondern nur Unwillen oder Betriibniß (V.15) zur Folge hat. (Maier.) Der ängstliche Bruder kann sich entweder verbittern und noch mehr in seiner Befangenheit verhärten, oder aber in frivoler Weise über seine Gewissensbedenken sich hinwegsetzen (V. 23) und sich frei machen ohne Verständniß des Prinzips der Freiheit. (Lange.) 14. Jch weiß und bin-s gewiß in dem HErrn Jesu [spreche demnach keineswegs eine blos sub- jective Ansicht meinerseits aus, wie es unter Um- ständen wohl einmal geschieht 1. Cor. 7, 25 u. 40], daß nichts swie im vorliegenden Falle Fleisch und Wein V. 21] gemein lund mit der Heiligkeit eines Christen unverträglich] ist an ihm selbst [Matth. 15, 11; l. Cor.10,26; 1.Tim.4, 4 f.]; ohne der swie der»Schwache im Glauben thut V. I] es rechnet sur gemein, demselbigen ists gemein [ihn würde es allerdings verunreinigen oder entheiligen, wenn er’s genösse, weil er ja solches Genießen für unrecht hält und also sein Gewissen mit etwas, das für ihn Sünde ist, be- lastete V. 23; 1. Cor. 8, 7; Tit. 1, 15]. 15. sDarnach kannst denn du, der du glaubest, du mögest allerlei essen V. 2., wenn du es mit dir allein zu thun hast V. 22., allerdings auch demgemäß dich Verhalten] So aber swenn du es mit Andern zu thun hast] dein Bruder sdessen Gewissen ihm das Essen solcher Speise, wie du sie genießest, verbietet] itber deiner Speise be- trübet wird [indem er dich etwas essen siehet, wovon er meint, daß dadurch die Heiligkeit des Christenstandes überhaupt verletzt und insbesondere dir selber dein Verhältniß zu Christo beeinträch- tigt werde], so wandelft du schon [durch Erregung solchen Anstoßes V. 13] nicht nach der Liebe swelche dir vielmehr gebietet, dem Bruder die 144 Römer 14, 16— 23. 15, 1. 2. Betrübnis; zu ersparen, wenn sie gleich auf einem blos eingebildeten Grunde beruht]. Lieber [Richt. 4, 19 Am. 1], verderbe den nicht mit deiner Speise [dadurch, daß du vielleicht gar es ihm verleidest, zur christlichen Gemeinde übergetreten zu sein, da er hier ein Verhalten wahrnehmen müsse, das ihm als Zuchtlosigkeit und Ungebun- denheit erscheintL um welches willen Christus ge- storben ist [sondern hat er, der HErr, zur Be- seligung desselben selbst sein Leben daran gegeben, so gieb du, um ihn auf dem Wege zur Seligkeit zu erhalten, doch willig das Geringere, deine Speise und die an sich dir zustehende Freiheit, allerlei zu essen, daran]. 16. Darum schasfet sihr in der Gemeinde, die ihr das hohe Gut der Freiheit, die wir in Christo Jesu haben, ergriffen habt], daß [dieser] euer Schatz [1.Cor. 10, 29; 2. Cor. Z, 17; Gar. Z, 4] nicht verlästert werde svon denen, die kein Verständniß dafür haben und noch nicht im Stande sind, sie von Libertinage oder Ungebundenheit zu unterscheiden]. 17. [Solchen ängstlichen und befangenen Gemiithern gegenüber leistet denn auf den Ge- brauch eurer Freiheit Verzicht, um der Gemeine Gottes kein Aergerniß zu geben 1. Cor. 8, J; 10, 32; ihr erleidet damit keine Einbuße am Reiche Gottes, auf dessen Besitz es doch allein euch ankommen soll] Denn das Reich Gottes ist nicht Essen und Trinken sBesitz und Genuß desselben bestehet nicht darin, daß ihr auch that- sächlich esset und trinket, was ihr wollet, wozu ihr ja grundsätzlich allerdings die Macht habet V. 2 u. 14], sondern Gerechtigkeit fvor Gott aus dem Glauben an Christum Jesum] und Friede sin Folge der Versöhnung mit ihm] und Freude in dem heiligen Geiste fFreudigkeit des Gemüths, von dem im Herzen wohnenden heiligen Geiste bewirkt Kap 3, 22; 5, J; 8, 15 ff., vgl· Blum. 4 zu l. Thess. l, l]. 18. Wer darinnen fdiese drei Güter vor allem festhaltend und von ihrem Besitz bei allem sich bestimmen lassend] Christo dienet, der serntet den zwiefachen Segen, daß er] ist Gott gefällig und den Menschen werth [indem Gott ihn für einen ächten Bürger seines Reiches schätzt, Menschen aber, statt Anstoß an ihm zu nehmen, sich seiner vielmehr freuen und ihm nach- zuarten suchen]. 19. Darum fweil wir, die wir stark sind, unter Umständen auch wohl aus den Gebrauch der Freiheit, deren wir uns bewußt sind, ver- zichten können, ohne am Reiche Gottes etwas ein- zubüßen] lasset uns sim Verhältniß zu Schwachen] dem nachstreben, das zum Frieden dienet [dadurch, daß wir ihnen das Betrübtwerden V. 15 er- sparen], Und [dem nachstreben] was zur? Besserung unter einander dienet Dadurch, daß wir ihnen uns werth machen V. 18 und so am besten von ihrer Schwachheit sie heilen]. Solche Geister allerdings will Paulus nicht geschont oder geduldet wissen, welche ihre leibliche Uebung zu einem nothwendigen Stück des Reiches Gottes machen und den Reichsbefitz dadurch verdienen wollen, während sie denselben allen aburtheilen, die nach anderer Mei- nung ihr äußerliches Leben führen; aber wo es Brüder sind, Mitgläubige und Mitheiliga die solcher leiblichen Uebung warten nicht im Dünkel von Verdienst und überleier Frömmigkeit, sondern in der Furchtsamkeit schwacher Gewissen, die den empfangenen heil. Geist bei Nichtenthaltung von diesem oder jenem Genuß zu betrüben meinen, da soll die Erkenntniß, daß das Reich Gottes Gerechtigkeit Friede und Freude im heil. Geist ist, uns, die wir« diese Güter durch keinerlei Speise,- Kleider, Gebrauche u. s. w. vertreiblich halten, zur Liebesiibung und zu dem thatsächlichen Beweise an- treiben, daß wir das Reich Gottes nicht in das Haben und Brauchen der Dinge setzen, welcher jene sich ent- halten. Allerdings ist Freiheit dem Reiche Gottes wesentlich, dessen Bürger lauter Könige sind; es wäre aber eine ärmliche Freiheit, nicht nach dem Geiste des HErrn (Matth. 17, 25 ff.), wenn man ihrer verlustig ehen sollte durch Verzicht auf ihren Gebrauch in sseu und Trinken und andern Niitteldingen Vielmehr ist das die rechte Freiheit im Reiche Gottes, daß Christen vermöge des Glaubens ungebunden sind in ihrem äußerlichen Verhalten, und doch nach der Liebe in allen Dingen sich zu jedermanns Knecht machen können: wer allerlei essen und trinken müßte, wäre schon un- frei, gefangen genommen unter die Uebung seiner Macht (1. Tor. S, l2). Alles mögen Gottes Reichs- genossen thun und alles mögen sie lassen, wobei sie ihren Schatz unversehrt behalten, auch des Reiches Gut und Ehre, Gerechtigkeit und Friede und Freude im heil. Geist: G erechtigkeit durch den Glauben, woraus Friede mit Gott folgt (Kap. 5, l), und die Freude im heil. Geist (1. Thess 1, 6), welche nicht kommt und nicht geht, wie die Freude dieser Welt, sondern aller Gläubigen und Hausgenossen Theil ist (Kap. 15, 13), sie essen Fleisch und trinken Wein oder sie essen Kraut und trinken Wasser. (Besser.) Gerechtigkeit, Friede und Freude im heil. Geist ist eine schöne Stufenfolge; alle drei erlangt man nur durch den heil. Geist, aber mit der Gerechtigkeit —- der negativen, die in Vergebung der Sünden besteht, und der positiven, die in der Ertheilung des neuen Lebensstandes besteht — fängt es an, aus ihr erwächst dann der Friede, das wiederhergestellte richtige Verhältniß zu Gott, zu dem Nächsten, zum eigenen Gewissen, und das Bewußt- ein darum, und die» Frucht aus Gerechtigkeit und Friede endlich ist die Freude im heil. Geist, eine ungetrübte Seligkeit. (Wangemann.) 20. Lieber sso nehme ich meine Mahnung in V. 15 nach einer andern Seite hin wieder auf], verstbre nicht um der Speise willen [damit dieser, die ja immerhin nur ein nichtiges Ding bleibt 1. Cor. 6, 13., ihr Recht widerfahre, daß sie nämlich genossen werden dürfe und nicht, wie der Schwache meint, zu meiden sei] Gottes [Bau-] Werk sdas in demselben mit seinem schon vor- handenen, wenn auch noch mit mancherlei Schwach- heit behafteten Christenthnm angefangen ist Phil l, S; l. Cor. Z, 9., indem du etwa ihn ver- Was nicht aus dem Glauben gehet, das ist Sünde. 145 leiten wolltest, allerlei zu essen, wie du thueft]. Es ist zwar [wie ich bereits in V. 14 erklärt habe, an ihm selbst] alles rein; aber es fdas an sich Reine] ist nicht gut [sondern vielmehr ein siindlicher und die Verdammniß mit sich führender Genuß V. 23] dem, der es isset mit einem Anstoß seines Gewissens swelches so, wie es nun einmal gerichtet ist, den Genuß ihm verbietet, aber unter dem Essen gewaltsam von ihm unterdrückt wird]. 21. Es ist besser, du sder du ohne solchen Anstoß essen und trinken kannst, was du willst] essest kein Fleisch und trinkest keinen Wein, oder sthuest überhauptsnicht I. Cor. 10, 31] das, daran sich dein Bruder stößet oder ärgert oder sdariiber er sonstwie] schwach wird [selbst, wenn sein Schwach- werden nicht bis zu einem eigentlichen Anstoß- oder Aergernißnehmen fortschritte I. Cor. 8, 10 sf.; 10,32-—11,1]. 22. Hast du den Glauben [du mögest aller- lei essen V. 2], so habe ihn süberall da, wo du es mit schwachen Brüdern zu thun hast] bei dir selbst vor Gott [trage ihn aber nicht zum Anstoß für Andere öffentlich zur Schau 1. Cor.14,28 und 1iöthige ihn nicht denen, die ihn nicht von selber haben, zu einem Aergerniß für sie aus]. Selig ist [von solchen, die da essen, ausschließlich nur derjenige], der sich selbst kein Gewissen macht in dem, das er annimmt [oder zu thun sich erwählet hat, vielmehr sich dessen gewiß ist, daß er so recht thut, wie er eben thut V. 5]. 23. Wer aber darüber zweifelt sob das Essen, um welches es sich handelt, auch recht sei], Und isset doch lsich damit auf die Seite der Stark- gläubigen stellend, ohne doch ihnen innerlich an- zugehören], der ist verdammet sdem göttlichen Verwerfungsurtheil anheimgefallen Joh. 3, 18]; denn es gehet ssein Thau] nicht aus dem Glauben sfondern aus Lllienschenknechtschafh sei es Menschen- furcht oder Menschengefälligkeit, hervor]. Was aber sdies der hier in Anwendung kommende allgemeine Grundsatz] nicht aus dem Glauben gehet, das ist Sünde. Nun verstehen wir, warum dem Apostel so mächtig viel daran liegt, daß die fchwachen Anfänger im Christen- glauben, die dessen Tragweite in das ganze äußerliche Leben hinein noch nicht durch Erfahrung erprobt haben, liebreich aufgenommen und nicht im Gewissen verwirrt werden; als zarte Pflänzlein will er sie behandelt sehen, die man nicht bestürmt mit Suchen von Frucht, wie sie die Sonne zeitigt an stämmigen Bäumen, noch dem Wetter aussetzt, welches den festgewurzelten Eichen gut ist: sie stehen in« Gefahr zu verlieren, was sie haben, wenn man ihnen anmuthet zu leisten, was sie nicht vermögen. (Besser.) Man mißverstehet das Wort: »was nicht aus dem Glauben gehet, das ist Sünde«, wenn man mit Augustin den Satz daraus herleitet, alle Tugenden der Heiden seien glänzende Laster, ebenso alle bürgerliche Gerechtigkeit unbekehrterChriften beurtheilt, desgleichen alles Culturleben der Gegen- wart; es ist schon mißlich, wenn man die Gläubigen Dcichseks Bibelwertä VIL Band. T. Aufl. als fertig betrachteh aber noch mißlicher, wenn man: von diesen nur fertige Ungläubige unterscheider Unser Wort bezieht sich gar nicht auf Heiden oder unbekehrte Christen, sondern recht eigentlich auf erweckte Bekenner des Evangeliums; an diese richtet es die Aufforderung, alles zu lassen, was sie nicht mit voller Freudigkeit des Glaubens thun können. (Lange.) Der Christ versündigt sich mit allem, was er anders als auf Grund seiner Glaubenszuversicht zu Gott thut: wozu sie ihn nicht berechtigt, dazu hat er kein Recht; leidet er also an einer Schwäche derselben, mit der ja ihre Lauterkeit sich gar wohl verträgt, so muß er fich alles dessen enthalten, was bei ihm der Voraussetzung entbehren würde, unter welcher allein es christlich recht gethan ist. (v. Hofmannh Wo es sich um positive Gebote oder Verbote Gottes handelt, da hat die sub- jektive Ueberzeugung gar keine Stimme; in Adiaphoris aber — d. h. nicht in sittlich indifferenten Verhältnissen, denn die giebt es überall nicht, sondern in solchen, für die keine objektive Norm möglich, weil sie durch Um- stände bald sittlich gut, bald verwerflich werden können, in denen die größere oder geringere Entwickelung der Subjektivität von Einfluß ist —- ist die momentaiie persönliche Ueberzeugung oder der Glaube der ent- scheidende Bestimmungsgrund. Man kann daher auch nicht sagen, der wahre Glaube, die richtige Ueber- zeugung allein darf der entscheidende Bestimmungs- grund zum Handeln sein, nein, auch der objektiv falsche! Die Ueberzengung dieser Asceten in Rom war eine objektiv falsche; und doch räth ihnen Paulus, derselben gemäß solange zu handeln, bis sich in ihnen das christliche Leben zu einer reineren Ueberzeugung durchgebildet habe. (Olshausen.) Das 15. Kapitel. Warum die Schmachgliiubigeii mit igeduld zu tragen, und mie man zum christlichen Leben kommen inäge I. Wir aber, die wir [ogl. Kap. 14, 14 u. 20] stark sind, sollen sstatt diejenigen, die es nicht sind, zu einem Thun zu verleiten, das wider ihr Gewissen wäre] der Schwachen Gebrechlichkeit tragen sindem wir ihrem Standpunkt so viel als möglich uns anbequemen 14, 21 f.; Gal. 6, Z; 1. Cor. 9, 22], und nicht Gesallen an uns selber haben« sdaß wir dächten, wir müßten unsern eigenen Standpunkt um jeden Preis zur Geltung bringen 1. Cor. 10, 33]. 2. Es stelle sich aber [vielmehr, da uns eben nicht gebühren will, daß wir an uns selber Ge- ifallen haben] ein jeglicher unter uns [gerade hier- durch als die Starken, die alles vermögen durch Christum Phil. 4, 13., uns Beweisend] also sin " seinem ganzen Verhalten, sei es Thun oder Lassen], daß er seinem Niichsten gesalle zum Guten, zur Besserung« [oder Erbauung 1. Cor. s, 1., also für den Zweck und mit dem Erfolge, daß dieser sich im Guten fördern und in seinem Glaubens- leben weiter bringen läßt und so auch zu einem Starken heranwachse]. 10 146 Römer 15, 3—7. 3. Denn [was das am Schluß des 1. Verses Gesagte betrifft] auch Christus sder ja in allen Dingen und für alle« Verhältnisse unser. Vorbild ist 2. Cor. 8, J; Ephes. 5, P; Phil 2, 5; I. Petri 2, 21; Heim. 12, 21 nicht an ihm selber Gefallen hatte sdaß er irgendwie seine eigene Ehre gesucht hätte], sondern [mit seinem ganzen Leben verhält es sich also], wie sin Pf. 69, 10 prophetisch von ihm und aus seiner Seele heraus] geschrieben stehet: Die Schmache sSchnzähungens derer, die dich [Gott] schmahen, sind uber mich gefallenkstt F) Jm natürlichen Leben wird das Schwache durch das Starke vielfach niedergedrückt, vergewaltigt; im Reiche des Geistes dagegen ist mit der Stärke schon die Bestimmung und Pflicht ausgesprochem die Schwach- heiten der Schwächeren zu tragen. Diese Schwach- heiten sind allerdings eine Last und somit eine Hem- mung für den Fortgang der Starken; allein um die Schwachen mitzunehmen, müssen sie ihre Schwachheiten auf sich nehmen, wie dies Gesetz ist bei einem Reife- zug. Das Tragen besteht aber nicht blos im Dulden, sondern viel mehr noch im Schonen. (Lange.) Indem sich hier die Ermahnung an die Stärkeren fortsetzt, geschieht dies mit Erweiterung ihrer sachlichen Be- ziehung; denn sie geht nicht mehr blos aus den einen und andern bestimmten Gegenstand der christlichen Frei- heit, sondern auf alles, was in diesem Betresf Schonung und Selbstverleugnung gegen die Schwachen fordert und worin sich die Sorgfalt für ihr Heil bethätigen kann. (Maier.) «) Suchst du nur Gottes Willen und nicht deine Meinung, so wird der Nächste auch Vertrauen zu dir fassen, und du wirst aus ihn Einfluß gewinnen; während er, solange er den widerwärtigen Anblick hat, daß du dir selber gefällst, sich von dir wenden wird. (Wange- mann .) » Ist) Uebernahm Christus, um Gott zu gefallen, in selbstverleugnender Hingebung an Gottes Sache die ärgsten Schmähungen der Gottesfeinde, so geht daraus hervor, daß er nicht sich selbst zu gefallen lebte. So wäre also nur das negative: ,,er hatte nicht Gefallen an ihm selber«, nicht auch das positive: »dem Nächsten gefallen zum Guten, zur Besserung« belegt: es genügt aber auch an jenem Ersten. Denn wer nicht sich selbst zu gefallen lebt, sondern, Gott zu gefallen, Schmach erduldet, der wird auch, da Gottesdienst immer zugleich Bruderdienst mit einschließt, eo ipso dem Nächsten zu gefallen suchen zum Guten, zur Besserung. (Phil1ppi.) (Epistel am 2. Sonntage des Advent) Ganz adventmäszig, ja ganz eigentlich von der Wiederkunft des HErrn Jesu spricht das heutige Evan- gelium (Luk. 21, 25 ff.); dagegen aber die Epistel, die wir hier lesen, wie paßt sie zum Evangelium und zum Adventsgedanken? Scheinbar spricht sie ja von etwas völlig Anderem, von der Geduld mit den Schwachen, von der Behandlung derer, die in die christliche Freiheit nicht einzugehen vermögen und den Gefreieten des HErrn Aufenthalt, Mühe und Beschwerden verursachen! Aber doch wird der Haupt- inhalt der Epistel, wie er in den letzten Worten der- selben angegeben ist, durch die Art und Weise, wie ihn der Apostel behandelt und durch die Begründung, die er unter feinen Händen findet, ganz adventmäßig und schlägt eine Saite aus der Offenbarung Gottes vom Ende der Welt und der Wiederkunft Christi an, die zwar nicht unter diejenigen gehört, welche häufig an- geschlagen werden, die aber neben dem gewaltigen Donner des heutigen Evangeliums eine süße, helle Melodie von der letzten Zeit anstimmt; denn unser Text will, daß wir in Kraft des heil. Geistes völlige Hoffnung haben oder überfließen an Hoffnung, d. i. an der sicheren, freudigen Aussicht auf das Ende der Weltperiode, in der wir leben, und den Beginn eines ewigen Reiches der Herrlichkeit (Löhe.) Es ist aber auch die Zeit der Heiden, von der unser HErr un- mittelbar vor dem Beginn unsers heutigen Evangelii redet (Luk. 21, 24), also die Annahme der Heiden, die Bekehrung der Völker zu Christo, ein rechter Advents- gedanke: Christus feiert seinen Advent nicht blos unter dem Volke, dem er verheißen ist (Matth. 21, 4 f.), sondern auch unter den Heiden, unter allen Völkern; es ist noch immer Adventszeit auf Erden, denn der HErr nimmt die Heiden noch fort und fort an, und die Heiden hoffen immer mehr auf ihn. Die Sonne, welche am 1.Adventssonntage aufgegangen ist, sie» neigt sich noch lange nichtzum Niedergang« sie steigt am Himmel der Gnade immer hoher auf und sendet ihr Licht in immer weitere Kreise und entlegenere Länder. Der Tag des Heils, welcher angebrochen ist (2. Cor. 6, 2., vgl. Röm. 13, 11 ff.), freuet sich wie ein Held zu laufen den Weg Pf. 19, S. (Nebe.) Vom Segen der Ankunft unsers HErrn Jesu Christi in der Welt: l) welchen Segen seine An- kunft der Welt bereits gebracht hat, 2) wie wir dazu helfen können, daß dieser Segen der Welt in immer ausgedehnterem Maße zu gute komme. (Baur.) Die Ermahnung zur Liebe und zur Hoffnung als eine Ermahnung des Advent: l) die Ermahnung zur Liebe, und zwar a. zu einmüthigem Sinn, b. ein- müthigem Wort und c. eininüthigem Werk; 2) die Ermahnung zur Hoffnung, von dieser Hoffnung lesen wir zu Anfang und zu Ende des Tertes, und so giebt es auch a. eine angehende, b. eine voll- endete Hoffnung. (Westermeier.) Wozu uns der Heiland auffordert, der da kommt: l) zur Ge- duld unter den Leiden dieser Zeit, 2s zu einerlei Ge- sinnung gegen die Brüder, 3) zu völliger Hoffnung in des heil. Geistes Kraft. (Sommer.) Das Glaubens- leben in der Liebe Christi: es zeigt die Christen l) verbunden unter sich, 2) gebunden an Christum. (Berk.) Die Einigkeit der Christenheit bei aller ihrer Verschiedenheit: l) einerlei sind sie unter einander gesinnet nach Jesu Christo, 2) ein- müthiglich loben sie mit Einem Munde Gott und den Vater unsers HErrn Jesu Christi. (Couard.) Der Heiland ist gekommen: 1) an dieser Wahrheit wollen wir bleiben, 2) dieser Wahrheit wollen wir uns getrösten, Z) aus dieser Wahrheitwollen wir unter einander leben und in ihr wandeln. (Petri.) Was ist das Leben eines ernsten Christen? 1) ein Leben in der heil. Schrift, daß er wachse in heilsamer Erkenntnißx 2) ein Leben in der Nachfolge Christi, daß er fortschreite auf dem Wege der Heiligung; B) ein Leben in der Hoffnung, daß er Geduld be- weise und Trost genieße in den Nöthen dieser Welt. (Eig. Arb.) 4. Was aber sum zum Schluß bei der Schrift des alten Testaments, auf die ich soeben V. 3 Beziehung nahm, eure Gedanken noch etwas langer festzuhalten] zuvor geschrieben ist, das ist falles mit einander] uns [auf welche das Ende der Welt kommen ist l. Cor. l0, U; 1. Petri l, 12] zur Lehre geschrieben [Kap. 4, 23 f.; Nehmet euch unter einander auf, gleichwie euch Christus hat aufgenommen! 147 2. Tim. Z, 16], auf daß wir sindem wir aus solcher Lehre lernen, daß Gottes Heil sich immer erst durch große Schwierigkeiten hindurcharbeiten muß und vielen Kampf zu bestehen hat, zuletzt aber doch sicher und herrlich sein Ziel erreicht] durch Geduld und Trost der Schrift swelches beides sie uns reichlich darreicht, die] Hoffnung haben« [d. i. mit der zuversichtlichen Erwartung unsre Christenhoffnung in uns tragen, wir werden die Vollendung des Heils, um welche es bei ihr sich handelt, nachdem die Herbeiführung desselben bereits geschehen, gewißlich noch sehen, ein wie schwieriger und dornenvoller Weg auch bis dahin noch zurückzulegen ist Kap. 5, 2 ff.]. 5. Gott aber der Geduld und des Trostes fGott aber, von dem als dem Brunnquell aller guten Gaben Jak. l, 17 Geduld und Trost herkommen und der sie in uns wirkt durch das Gnadenmittel seines heil. Worts] gebe euch [als weitere, nur da eine Stätte findende Gabe, wo jene schon vorhanden sind], daß ihr einerlei gesinnet seid unter einander [Phil. Z, 16] nach Jesu Christo «« [wie es seinem Geiste und Vorbilde, aber auch seinem ausdrücklichen Willen gemäß ist, den er z. B. in seinem hohepriester- lichen Gebet kund thut Joh. 17, 20 f.]; 6. Auf daß ihr fvermöge solchen einerlei- Gesinntseins unter einander nun] einmüthiglieh mit Einem Munde lobet Gott und den Vater unsers HErrn Iesu Christi-Hi« [2- Cor. 1,3;11,31; Ehes.1,3; Col. 1, 3., wie es einer christlichen Gemeinde, die in der That und Wahrheit das sein will, was sie heißt, zukommt Apostg. L, 46 f.; Ephes. 5, 19 f.; Col. Z, 16f.]. 7. Darum fdamit es an solchem einmüthigen und einmündigen Loben Gottes bei euch nicht fehle] nehmet euch unter einander auf [zu gegenseitiger Gemeinschaft der Starken mit den Schwachen und der Schwachen mit den Starken] gleichwie euch ldie einen wie die andern] Fhristus sin seine Gnade und Gemeinschaft, ohne die einen den andern vorzuziehen oder die einen hinter die andern zurückzustellen] hat aufge- nommen uGottes Lohe-Xa V) Der ’irche Gottes, in welcher die Predigt des Evangelii zur Wirkung und Erhaltung des Glaubens schallt, kommt alles, was Gott geredet hat (Kap. Z, 2), zu heilsamer Lehre heim; denn die Bibel ist das Buch desselbigen Geistes, der von Christo pfingstlich aus- strömend die Christen mit Licht und Leben erfüllt und. alles zu Stand und Wesen bringt, was in der Vor- geschichte des Heils abgeschattet und von heil.Menfchen Gottes Verkündigt ist (Apostg. B, 24). Nicht allein die wörtliche Weissagung von dem zukünftigen Christus und der Seligkeit in seinem Reich (1. Petri l, 10 f.), sondern auch die Lebensbeschreibung der Heiligen und die Aufzeichnung der heil. Volksgeschichte, alle Schrist- bezeugung vom Walten und Wirken des Geistes Christi in dem Volke der Wahl, in dessen Sitten und Rechtem Liedern und Gebeten, Sprüchwörtern und Weisheitsregeln, es ist alles uns zur Lehre geschrieben, auf welche das Ende jenes Anfangs gekommen ist, wovon Samuel sagt (1. Sam. 12, 22): »der HErr verläßt seinVolk nicht um seines großen Namens willen; denn der HErr hat angefangen, euch sich selbst zum Volk zu machen«. (Besser.) «· Daß niemand aus eigenen Kräften sich ver- messe, Geduld und Trost der Schrift zu haben, zeigt St. Paulus mit diesem Gebet an, daß es Gottes Gab-en sind, die man mit Bitten erlangen soll; viel weniger aber ist das in unsrer Kraft, daß einer des andern Gebrechen trage und einmüthig mit dem andern über den Glauben sei. (Luther.) Die Geduld wächst nicht in dem Garten der Natur, sondern sie ist Gottes Gabe und Gnade; Gott ist der rechte Meister, der sie wirket. So mag auch ein Troftspruch im Herzen nicht haften, wenn ihn nicht Gottes Finger hineindrückr (H. Müller) Gott aber nimmt sich unsrer Seele an (Jes. 38, 17) als Gott der Geduld, als der Gott, der den Sünder duldet und Mitleid mit ihm hat, wie der Vater mit seinem kranken Kinde, und der zugleich das vertrauensvolle Harren auf ihn, die Geduld im Leiden und im Umgang mit den schwachen Brüdern wirkt. Gott nimmt sich unser weiter an als Gott des Trostes, als der Gott, der die vollkommene Fülle des Trostes in sich schließt und von derselben den Seinen mittheilt, um sie unter allen Widerwärtigkeiten und Trübsalen ruhig und gefaßt zu erhalten und ihnen alle Bitterkeit genießbar zu machen, indem er sie ihnen versüßr Die Erfahrung der göttlichen Geduld und des Trostes aus Gott verändert nun das Herz: sobald der Mensch anfängt zu fühlen, wie nur die Liebe und die Barmherzigkeit Gottes es ist, die ihn trägt und tröstet, wird er auch anfangen, seinen schwachen Nächsten zu tragen und zu trösten. Da ist denn bereits der Anfang zur Bewährung der einmüthigen Gesinnung gemacht, die Gott als weitere Gabe den Gläubigen schenken will. (Sommer.) Bei den Römern fand kein einerlei-Gesinntsein unter einander statt; sie bildeten wohl eine Gemeinde, aber diese war mehr äußere Form, es fehlte ihr die Seele. Es bestand ja eine Verbitterung zwischen den Gemüthern, ein tiefer Riß ging durch die ganze Gemeinde: es standen auf der einen Seite die starken Geister, welche sich ihrer christ- lichen Freiheit bedienten ohne briiderliche Liebe und den Schwachen Anstoß und Aergerniß bereiteten; und auf der andern Seite schwache Seelen mit scrupulösem Gewissen und ängstlichem Glauben, die, wie sie von den Starken verachtet wurden, an diesen durch ein liebloses Richten und Verdammen sich rächten. So drohte die Gemeinde, welche der HErr aus beiden Völkern, aus Juden und Heiden gesammelt hatte, aus einander zu fahren, in eine judaistische und in eine heidenchristliche Sekte sich zu theilen; der Apostel nun hat das Seine reichlich gethan, den Riß zu heilen, da befiehlt er denn Gott die Sache und bittet ihn, auch das Seine zu thun und den zerfallenen feindlichen Brüdern den rechten Brudersinn zu schenken. (Nebe.) Gemeinsame Geduld und gemeinsamer Trost in gemein- samen Trübsalen ist Quell und Bindemittel der Ein- tracht, zumal wenn die Trübsal in der Schmähung und Verfol ung von Seiten der Gottesfeinde besteht, welche die ottesfreunde zu desto festerem Zusammen- halten anfforderr Wie die Christenheit u jeder Zeit, so war gewiß auch die Römergemeinde schon vor dem Ausbruch der eigentlichen, blutigen Verfolgung von dieser Trübsal betroffen; so findet also von der Ge- duld und dem Troste zur Eintracht kein blos zu- fälliger Uebergang statt, wie aber alle gute Gabe von i Oben herab kommt, so auch die Eintracht, und sie 10’s 148 Römer 15, 8—13. muß so gut wie Geduld und Trost von Gott verliehen und darum auch von ihm angewünscht und erflehet werden. (Philippi.) Die Christen sollen gesinnt sein nach Jesu Christo; der ist nicht nur die Regel, wonach der Sinn geprüft werden muß, sondern auch die Ur- sach neuer Gesinnung. Unter dem Kreuz Christi stirbt aller Eigensinn: da sind zwar viele Glieder, aber nur Ein Haupt und Ein Sinn. (Steinhofer.) ist) Während es hier allerdings heißt: ,,unsers HErrn Jesu Christi«, steht im Grundtext am Schluß des 5. Verses: ,,nach Christo Jesu«; die Umkehrung der beiden Bezeichnungen ist hier von wunderbarer Feinheit und Wirkung. Die gemeinsame unerschöpfliche Quelle aller neutestamentlich gereiften Geduld und alles alttestamentlich vorbereiteten Trostes ist Gott, und von ihm muß die Gabe kommen für die Gläubigen, daß sie aus das Gemeinsame unter sich denken, wie es dem Christus Jesus gemäß ist; auf diesem Wege der Selbsterniedrigung allein sollen und können sie auf den glorreichen Weg kommen, daß sie verherrlichen den Gott und Vater unsers HErrn Jesu Christi, den, welcher den Jesus als Christus verherrlicht hat, nachdem der Christus den Jesusweg der Erniedri ung gegangen ist, und den sie verherrlichen in dem or- gefühl, daß er sie auch mit ihm verherrlichen wird, wie er sie schon in ihm verherrlichet hat. (Lange.) Das ,,einmüthig« besagt, daß alle aus Einem Muthe heraus Gott preisen sollen -—- alle sollen die Liebe und Barmherzigkeit Gottes bedenken, die ohne ihr Verdienst und Würdigkeit ihnen zu Theil geworden, und solche Erwägung soll in allen das gleiche Dankgesühl rege machen, das sie treibt zum Preise der Gnade; weß aber das Herz voll ist, deß gehet der Mund über, haben nun Alle den gleichen Muth und den gleichen Trieb des Geistes, so wird auch die Aeußerung als eine solche hervortreten, die wie aus Einem Munde kommt — dawird alle Rücksicht aus Alter und Ge- schlecht, auf Stand und Beruf ferne bleiben, und alles Parteiwesen wird heiliger Eintracht Platz machen. (Sommer.) T) Christus hat an euch noch viel mehr zu über- winden gefunden und hat alle eure Schwachheit nur um so mehr als Grund gelten lassen, euch in Liebe nachzugehem daran nehmt euch nichtnur ein Exempel, sondern bedenket auch, daß, wenn der HErr Christus nicht so gegen euch verfahren wäre, keiner von euch gerettet würde. Zahlt also die Schuld, die ihr ihm schuldet, durch gleiches Benehmen gegen die Brüder ab: damit preiset ihr Gott am meisten. (Wangemann.) Siehe, das heißt St. Paulus Gottes Ehre angerichtet durch Christum, daß er uns angenommen hat und unsre Sünde getragen und vertilgt; also sollen wir unsres Nächsten Sünde, Bürde und Gebrechlichkeit auch auf uns laden, sie dulden, bessern und helfen. Wenn das denn die Gebrechlichen hören oder empfin- den, so wird ihr Herz gegen Gott wohlgemuth und muß sprechem Ei, das ist ja ein feiner, gnädiger Gott und rechter Vater, der solch Volk hat und will von ihnen haben, daß sie uns arme Sünder und Gebrech- liche nicht urtheilen, nicht verdammen, nicht verachten, sondern annehmen, helfen und mit uns verfahren sollen, als wären unsere Sünden und Gebrechen ihr eigen. Wer wollte solchen Gott nicht lieben, loben, preisen und ehren und aus Grund des Herzens ihm allerdinge vertrauen? Was will er selber sein, wenn er sein Volk also haben will! (Luther.) Auch wir haben allerlei Gegensätze unter uns; auch unter uns giebt es Schwache und Starke, ja wir haben noch eine dritte, heuchlerische und gleißnerische Partei, die weder schwach noch stark ist, aber wohl weltlich und frech genug, sich ihre Fleischesfreiheit zur christlichen Freiheit und Stärke umzudeuten. Wahrlich, da gilt es dulden und sich gedulden zur Rechten und zur Linken, beten und arbeiten und nicht müde werden, bis entweder der Zweck erreicht oder doch die Arbeit zu Ende ist, bis die verschiedenen Parteien zu Einer werden oder der Widerstand der Bösen sie aus den Pforten der Kirche hinausgesührt hat, oder wir von der thränenreichen, betrübten Arbeit, die Wider- strebenden zu Christo einzusammeln, durch den Tod entbunden sind. Brüder, die wir von Gott ermahnt sind, heilige Hände ohne Zorn und Zweifel an allen Orten aufzuheben, laßt uns allenthalben Gott an- rufen, daß wir aus dem Muth und Werk der Geduld nicht entfallen! Laßt uns doch Keinen aufgeben, so lange es Tag heißt, laßt uns einander nicht aufgeben, uns nicht zur Verachtung des Bruders wenden, nicht zu der verdammten Gesinnung, die Andern ihr grun- miges Racha und Narr zuschreitl Jn aufrichtigen treuer Liebe laßt uns aneinander arbeiten, ob wir vielleicht doch noch einmüthig werden, um einhellig den gotht und Vater unsers HErrn Jesu Christi zu preisen! o e. 8. Jch sage aber sum über diese meine Worte; ,,gleichwie euch Christus hat aufgenommen zu Gottes Lohe« V. 7 mich näher zu erklären] daß Jesus Christus sei ein Diener gewesen der Beschneidung [d. i. der Juden, wie er selber in Matth. 15, 24 bezeugt, daß er nur zu ihnen gesandt sei] um der Wahrheit [Wahr- haftigkeit oder Treue Kap. Z, 4] willen Gottes ssie aufrecht zu halten durch] die That], zu be- stätigen die Verheißung, den Vätern ge- schehenV [Apostg. Z, 25 f.; 2. Cor. 1, 20]; 9. Daß die Heiden aber [dafür, daß auch sie zum Heile gelangt sind] Gott loben [Apstg. 10, 46; 11, 18] um der Barmherzigkeit willen« sdie sie damit überkommen haben Katz. 11, 30], wie geschrieben stehet [in Pf. 18, 50 u. 2. Sam. 22, 50]: Darum will ich [Christus, der durch David vorbedeutet ist] dich loben unter den Heiden und deinem Namen [unter ihnen] singen sindem ich dieselben ebenfalls meinem Reiche einverleibe]. l0. Und abermal [an einer andern Stelle, nämlich in b. Mos. 32, 43] spricht er [besser: sie, nämlich die Schrift Kalb. 9, 17]: Freuet euch, ihr Heiden, mit seinem Volk swie die Worte so in der griechischen Uebersetzung jener Stelle sich finden, vgl. die dort gemachte Wem. sowie die zu Hebr. 1, 6]. 11. Und abermal [in Pf. 117, 1]: Lobet den HGrrn, alle Heiden, nnd preiset ihn, alle Völker sdie ihr, vormals Heiden, nun erst zu Völkern Hes.30, 3 Anm. geworden seid 1. Petri I, 10]. 12. Und abermal spricht Jesaias sin Kap. 11, 10,, und zwar auch hier nach dem Wortlaut der Septuaginta]: Es wird fein die Wurzel Jesse [Jes. 11, l; 53, Z; Offenb Z, s; 22, 16; Sir. 47, 25], und der auferstehen Der Gott der Hoffnung erfülle euch mit aller Freude und Frieden im Glauben! 149 kfich erheben] wird, zu herrschen über die Heiden, auf den werden die Heiden hoffenEEH »F) Die Aufnahme vormalend, womit Christus uns alle ausgenommen hat,,will der Apostel davon reden, wie aus Juden und Herden die Eine heilige Kirche ge- sammelt wird; also erstlich davon, daß Jesus Christus sei ein Diener geworden der Beschneidung. Als Jesus, Mariens Sohn, ist Christus, der König von Israel, in sein Eigenthum gekommen, ein Diener des Beschneidungsvolks solch ein Diener, der selbftdie Be- schneidung an sich» nahm und unter das Gefetz sich thun ließ, um durch Hingabe seines Lebens zu erlösen, die unter dem Fluche des Gesetzes waren. Jn die Schei- dung ging er ein, die Gott durch die Beschneidung zwischen Juden und Heiden gesetzt hatte;« die verlorenen Schafe vom Hacufe Jsrael zu suchen hielt er sich ge- sandt, mit den Juden schloß er sich» zusammen als zu dem Volke, von welcheni das Heil kommt zu allen Geschlechtern auf Erden. Und zwar um der Wahr- heit Gottes willen ist er geworden, was er werden sollte nach der Verheißuiig den Vätern geschehen; diese Verheißung hat er bestätigt durch»Erfülluiig, auf daß feststehe das prophetische Wort, ein Wort des wahr- haftigen Gottes, des Helden in Jsrael, der nicht lügt und den seine Zusage nicht gereut. (Besser.) Jst nun Christus den Juden zu gute gekommen, so sind auch die Schwachen nicht zu verachten, welche aus den Satzun en· dieses Volkes noch nicht völlig zur christ- lichen reiheit durchgedrungen sind. (Sommer.) sit) Die Heiden, sagt der Apostel, loben Gott um der Barmherzigkeit willen, ein Ausdruck, der auf das vorhergehende ,,um der Wahrheit willen Gottes« zu- ruckbliikr. Gott war den Heiden gegenüber keine Ver- pflichtungen eingegangen; denn wenn er auch im alten Testameiite von der Berufung der Heiden geredet uiid ihre Bekehrung vorhergesagt hat, so hat er doch nur guchJäraaselLgcs geFproZeiM ugdsdse Hekitveii könitiven ihni i r eine un e or a en —- enn er sie annimmt, so ist er ihnen gegenüber dazu nicht ver- pflichtet, es ist dann sein Annehmen das Schalten und Wcikijltgen seiåieiz freier; Gnade? (Nebc;.) Den Heiden ist ni ver eißen, arum ie an nichts gewarten konnten; wiewohl auch die Juden den Heiden darin gleich sind, daß Christus ja aus lauter Gnade den Juden verheißen, als er den Heiden ist gegeben. Doch, nachdem er verheißen ist, haben sie redliche Ur- sach gehabt, sein auch zu warten, als der ihnen Eegeben werden sollte; darum haben die Juden hristum nicht allein aus der Gnade der Verheißung, sondern auch aus der Wahrheit Gottes, die feine Ver- heißung erfüllen sollte. Aber die Heiden haben weder die Gnade der Verheiszung, noch die Wahrheit der Erfüllung, sondern die lautere, bloße, unbedachte, un- versehene Barmherzigkeit, die ihnen Christum giebt, ginteh akle Pflicht der Wahrheit Gottes zu erfüllen. u er. IN) Die vier Stellen des alten Teftaments, die St. Paulus hier anführt, haben im Allgemeinen denselben Inhalt, sie reden von der Vereinigung der Juden und Heiden zu Ciner Kirche;·mit einander verglichen aber erfullen sie» einen Fortschritt und Stufengang des großen Werkes. Jn der »ersten Stelle sieht man den rloser der Welt nach seinem prophetischen Amte unter den Volkern thätig, wie er die großen Thaten Gottes (durch seine Apostel) unter ihnen Verkündigt, den HCrrn lobt und seinem Namen singt; die zweite Stelle giebt den Völkern die Erlaubniß, sich des Evan- geliums anzunehmen, gleicherweise wie die Juden, und was diese zweite Stelle wie dem Anfange nach zeigt, das zeigt die dritte im schwellenden Fortgang, solcher Fortschritt im Werk ersteigt aber in der vier- ten Stelle den höchsten Gipfel. Der lobsingende sMtzessidasKdessen Sfang sie viälltönixghe Aisizwogt gåskukisdem et ie rone au un wir zum err en en e iasz Jesus von Nazareth, der Juden König, erscheint als angebeteter Herrscher und Zuversicht aller Völker. (Löhe.) Wie in den drei ersten Stellen der Heiden- preis im Allgemeinen, so ist in der vierten »der Grund Lin; Jlånhdaltpdeist gpeidenhofxjnung äizgtirpiipamitsszugleiidch e ei en reie angege en. ii i» ur ie Judenchristen enthalten diese Bibeleitate die Mahnung: verachtet die Heidenchristen nicht, die ja keineswegs so sich zu euch verhalten, als sei euch» von Altersher die Gnade allein verbeißen, den· Heiden aber durfe keine widerfahren; diese haben vielmehr ebenfalls in Zerß Prgfitheten Fchrifteifi Ekårsii Gnsadeiäverheisßung nur a ni zu i iien e gepro)en it, wie zu Israel, daß sie es gewußt hätten und sie Gott bei seiner Bundestreue fassen könnten, wohl aber ist von ihnen geredet. (Wangemann.) Die Judenchristen sollen nicht stolz sein «auf ihre Berufung und sich nicht uber die Heidenchristen erheben, denn auch diese sind berufen, die Heidenchristen faber sollen bescheiden sein, indem·sie der iinverdienten Gnade Gottes ge- denken, die sie berufen hat. (Soninier.) 13. Gott aber der Hoffnung [vgl. V. s] erfülle euch mit aller snur möglicheUJ Freude und smit allem nur möglichen] Frieden [Kap. 14, 171 im Glaubknjim Staude des Gläubig- seins], daß ihr vollige Hoffnung habt san ihr überaus reich seiet] durch die Kraft des heiligen Geistes sder sie in euch wirket, damit sie nicht unter dem schweren Druck der Zeit euch ausgehe, sondern vielmehr durch alles Gewölk des natürlichen Kleinglaubens immer siegreicher und strahlender hindurchbreches Wie V. 1——4 in einen Segenswiinsch (V. 5 u. G) übergingen, so geht auch jetzt die mit V. 7 neu an- · hobene Ermahnungsrede in einen Segenswunsch über, welcher zugleich den Schluß des ganzen Abschnitts von Kap.14 an bildet. (Meher.) Der Segenswunsch schließt fiel) aii die Worte in V. 12 an: »auf den werden die Heiden (zu denen ihr ja euerm Herkommen nach meistentheils gehört) hoffen« Gott ist der Ur- heber der Hoffnung, wie der Geduld und des Trostesz und wie nach V. 4 die Geduld und der Trost der Schrift die Hoffnung wirken und doch selbst aus der schon vorhandenen Hoffnung hervorgehen, so soll hier Gott als der Gott der Hoffnung die Freude und den Frieden verleihen, insofern beide aus der Hoffnung hervorgehen, die sie doch auch selbst wieder in ge- steigertem Maße zur Folge haben. (Philippi.) Gott ist die Quelle aller guten Gaben; und da er alle diese iiicht blos hat, sondern sie sein eigentliches Wesen sind, da er die Liebe, die Allmacht 2e. nicht hat, sondern die Liebe und Allmacht selbst ist, so kann er nach jeder herrlichen Eigenschaft und Gabe auch benannt werden. Was die Heiden in ihrer Vielgötterei voraus zu haben glaubten, wenn sie eine Göttin z. B. der Treue, der Hoffnung u. s. w. verehrten, das besitzt der gläubige Christ noch viel gewisser und wirksamer, wenn er lebendig erkennt, daß der wahre Gott die persönliche Treue, Hoffnung, Liebe selbst ist, so alle diese Eigen- schaften hat, als hätte er nichts als sie. (v. Gerlach.) Der Gott der Hoffnung nun soll mit aller möglichen Freude und Frieden die Römer erfüllen. Freude ist 150 Römer 15, 14—21. jene heilige Freude des Christen, die aus dem Heils- « besitze entspringt, die Freude an seinem roßen Gott und Heiland Jesus Christus (V. 10); ist iese Freude voll in allen Herzen, so ist auch Friede in denselben. Selbige Freude will nicht blos Gehilfen ihrer Freude haben, die Freude an dem Gott, der uns in Gnaden angenommen hat, macht uns auch willig und» geschäf- tig, Gnade zu üben, jede Schwäche des Bruders als ein sanftes Joch zu tragen, die Eintracht zu pflegen, die Einigkeit im Geist durch die Liebe, das Band der Vollkommenheit, zu bewahren, Friede zu machen und Friede zu halten mit jedermann. Wer in seinem Gott sich freuet und in dieser Freude feiert, daß nun alle Fehd’ ein Ende hat, daß nun Friede mit Gott ge- schlossen ist, der ist ein Kind des Friedens, ein Fried- fertigen (Nebe.) Alles, was rechte Freude ist in diesem Leben, ist ein Vorschmack der Freude des ewigen Lebens: Freude am HErrn und seinem Wort, Freude an allen seinen Wohlthaten, die Leib und Seele fröhlich machen, Freude an seinen Reichsgeschäf- ten allenthalben in der Welt, Freude der Brüder an einander, der starken an den schwachen, die Christus nicht verachtet, der schwachen an den starken, die Christus so mächtig gemacht, aller gemeinschaftliche und höchste Freude Jerusalem, droben und hienieden! Aller wahre Friede in dieser Welt des Unfriedens und der Angst ist ein Vorgenusz des Friedens im Reiche der Herrlichkeih Friede mit Gott durch das Blut der Versöhnung, Friede in Zufriedenheit mit allen seinen Wegen, die sich enden in lauter Segen, Friede in Ge- lassenheit unter den Leiden dieser Zeit, die der zu- künftigen Herrlichkeit nicht werth sind, Friede in Fried- samkeit mit allen, die berufen sind auf einerlei Hoff- nungddes Christenberufs, aller gemeinsamer und tiefster Frie eEr selbst, Jesus! Weit aller Freude und Frieden erfülle uns' Gott der Hoffnung im Glauben! Zu glauben an unsern HErrn Jesum Christum, imGlauben zu bleiben und zuzunehmen, das Eine gebe uns Gott in Gnaden; so sind unsre Herzen Krüge und Krüglein, die er füllt mit aller Freude und Frieden nach dem Maß seines Wohlgefallens (Besser.) Die Erfüllung der Römer mit Freude und Frieden im Glauben soll ihnen dazu dienen, daß sie überfließen mögen in der Hoffnung, und das soll an ihnen geschehen durch die Kraft des heil. Geistes; vermöge dieser in ihnen wirkenden Kraft sollen sie die Christenhoffnung die Gewißheit der Vollendung ihres Heils im reichsten Maße haben. Die Kraft des heil. Geistes ist es, welche die Hoffnung weckt, unter Kämpfen und Schwach- heiten bewahrt und stärkt und zur Gewißheit Voll- endet, daß Der, welcher alle berufen hat zu seinem Reich und zu seiner Herrlichkeit, der Getreue ist, der dazu auch aushelfen wird. (Sommer.) D- Der-Sextus- ocx apum. or: Apostel ist jetzt niit den siinimtliihen Beicht-ringen und Ermahnungem welche er den dtöinern zu ertheilen fiel) vorgenommen hatte, zu Ende; er ssigt daher seiner Gpislet nunmehr den Schluß hinzu, der aber nicht in-eine1n, sondern in drei Als— sthnitten verläuft. In Belress dieses mehrtheiligen Seltlusseg bemerkt Bengel: »der Ausgang aus einer Hauptstadt pflegt durch Thore mit mehr als einen: portale zu siihrenls I. b. 14—33. Zu dem Eingange in Kap. l, Bis. bringt der Apostel zunächst das Gegenstiicle eines Zluggangz indem er einerseits wegen seiner Wagnisseeg an die Römer zu schreiben, sich entschuldigt und andererseits iiber seine jetzigen tlteisepliine ihnen iilittheilung innen. 14. Jch weiß aber [wenn ich in solcher Weise, wie ich mit dieser meiner Epistel gethan, mich lehrend und ermahnend an euch wende] fast wohl von euch, lieben Brüder, daß ihr selber voll . Gütigkeit [d. i. Gutheit, religiös-sittlicher Trefflich- keit Gal. 5,’ 22; Ephes 5, 9] seid, erfüllet mit aller Etkenniniß [der göttlichen Wahrheit und Einsicht in die Pslichterh die sie euch auferlegt], daß ihr euch unter einander könnet ermahnenr [ohne erst noch eines auswärtigen Ermahners, wie ich bin, zu bedürfen 2. Petri I, 12; 1. Joh. 2, 21]. 15. Ich hab’s aber dennoch strotz der euch eignenden Trefflichkeit und Einsicht] gewagt sals Lehrer und Ermahner euch gegenüber aufzutretenL und euch etwas wollen schreiben, lieben Bruder, euch zu erinnern san das euch schon Bekannte und Bewußte], um der Gnade [des Apostelamtes Kap. 1, 5; 12, »Es] ·willen, die mir von Gott ge- geben ist« sdamit ich nämlich der Pflicht, welche diese Gnade mir auferlegt, entspräche], 16. Das; ich soll· sein ein Diener Christi Unter die Heiden ssür dieselben oder in Beziehung auf sie Kap. 11, 13], zu opfern sd. i. in priester- licher Weise zu verwalten] das Evangelium Gottes, auf daß die Heiden sindem sie dasselbe im Glauben annehmen und sich dadurch lassen neugebärens ein Opfer werden, Gott angenehm, geheiliget durch den heiligen Geistiii [Apostg. 26, 18]. r) Daß nicht bloße Klugheit, sondern neben liebe- voller Zartheit auch aufrichtige Demuth und wirkliches Zutrauen zur Römergemeinde im Ganzen dem Apostel diese Worte eingegeben habe, geht sowohl aus Kap. I, 8 u. l2., als aus der Sache selbst hervor, weil er im entgegengesetzten Falle dem Vorwürfe der Unwahr- haftigkeit nicht entgehen könnte; allerdings aber sind die Worte zugleich als Ausfluß pädagogischer Weisheit zu betrachten, welche den Menschen leichter zu dem bildet und in demjenigen befestigt, was sie ihm zu- traut. (Philippi.) Mit schöner Bescheidenheit und ausrichtiger Demuth spricht der hohe Apostel den Namen ,,Brüder« aus; nicht ein leerer Name ist der Brudername in seinem Munde, sondern mit Ehr» erbietung erkennt er in christlichen Brüdern Leute, die ihm selber ebenbiirtig sind an Adel durch den heil. Geist, über deren Glauben auch ein Apostel nicht Herr ist, wohl aber ein Gehilfe ihrer Freude (2. Cor. 1, 24). Nachdem er aber so, Christo zu Ehren und den Brüdern zur Befestigung, die ihnen gegebene Gnade anerkannt hat, verschweigt er auch die siir die Römer und alle Heiden ihm gegebene Gnade nicht, deren Werk und Werkzeug dieser Brief ist. (Besser.) H) Der Grund, warum der Apostel unerachtet der vorhin in Betreff der römischen Gemeinde ausge- sprocheiien Ueberzeugung gleichwohl nachdrückliche Er- mahnungen an sie gerichtet, liege, so sagt er hier, in seinem apostolifchen Berufe, der ihn dazu angewiesen und verpslichtet habe. (Maier.) Berufsgefühl und Berufspflicht macht kühn; so hat den Apostel das Ge- fühl von seinem großen Berufe getrieben, etwas zu thun, was an sich als ein Wagniß erscheinen könnte. (Lange.) Er hat an eine Gemeinde gefchrieben, welche ohne sein Zuthun entstanden war und von welcher er in Kap. l, 8 gesagt hat, daß man von ihrem Glauben in der ganzen Welt erzähle; da äußert er denn am Schluß der Epistel. Wie der Apostel dazu gekommen, an die Römer zu schreiben Schlusse sich darüber,·wie er dazu gekommen sei, ihr solchen Brief zu schreiben (v. Hofmann.) » its) Seinen apostolischen Amtsdienst stellt Paulus im Bewußtseinder hochheiligen Würde desselben» nicht blos als offentl1che Verwalterschafh sondern als priester- lichen Opferdienst dar; dabei ist das Evangelium zwar nicht, wie Luther’s Uebersetzung das ausdrückt, das Opfer, welches dargebracht, wohl aber das göttliche Institut, welches durch die Opferdarbringung verwaltet sisdaeiirxiosr«Tlsrissckiiesixklssssutlishiiisti Zdsitxipiiiebrsinxtsiflikiikis vielmehr die durch das Evangelium bekehrten und durch den Geist zu Gottes Eigenthum geweiheten Heiden. (Meyer.) Wie Kap. 12, 1 eine Grundstelle ist für die neutestamentliche Lehre vom allgemeinen Priesterthum der Gläubigem so unser Vers für die Fårechsgiitng gen Scgienst apnxizhBkort )als ein priester- i es m zu ezei neu. iippi 17. Datum sweil ich die Gnade von Gott empfangen habe, der Heiden Apostel zu sein, um sie durch priesterliche Verwaltung des Evangelii ihm zum Opfer darzubringen V. 15 f.] kann ich mich ruhmen in Jesu Christo, daß ich Gott diene sals ein solcher, der seine bestimmte Stellung im göttlichen Haushalte hat und eine ihm eigens überwiesene Aufgabe vollbringen muß, wenn ich dergleichen thue, wie ich mit meiner Epistel zu thun gewagt] 18. Denn ich dürfte nicht- etwas reden lwürde allerdings nicht wagen Kap s, 7 Anm., in irgend welchem vorkommenden Falle etwas zu reden], wo dasselbige Christus nicht durch mich wirkte sdas thut er denn aber wirklich und reichlich nach Maßgabe meines Berufs], die Heiden zum Ge- horsam sdes Glaubens an seinen Namen Kap. 1, 5] zu bringen durch Wort und Werk, 19. Durch Kraft der Zeichen und Wunder sbethätigt er sich aber an mir, daher meine Werke einen erwecklichen Eindruck auf die zu Bekehrenden hervorbringen Apstg. 13, 9 ff.; 14, 8 ff.; 19,11ff.; 28, 3 ff.], und durch Kraft des Geistes Gottes sindem auch mein Wort geschieht in Beweisung des Geistes und der Kraft l. Cor. 2, 4], also, ge se se« ,is«:.,s««sst2zlEIi;«s-ss- « , U. , Um. l All I mUcl «? UcU sdiese Grenzscheide zwischen Orient und Occident] alles mit dem Evangelio Christi erfullt habe; 20. Und mich sonderli efli en sdas als .. . S . Ehrensache fur mich angesehn], das Evangelium süberall nur da] zu predigen, wo Christi Name nicht lschon durch die Predigt Anderer] bekannt war, auf daß ich nicht ais einjen fremden svon andern Arbeitern gelegten] tun bauete [2. Eor 10, 15 f.], « 21. Sondern ysvielmehr also thäte] wie [»in Jes 52, 1:)] geschrieben stehet: Welchen nicht ist von ihm sdem Knechte Gottes] gerkundigeh die sollen’s sdas durch ihn bewirkte eil] sehen, Und welche nicht sdas Evangelium von Christo] gehötet 151 haben, sollews verstehen sdurch gläubige Annahme sich aneignen] Paulus bezeichnet mit ,,Jerusalem und umher« die Sphäre seiner anfän glich e nWirksamkeit(Gal. l, 15 ff. ; Apostg. 9, 20 ff.; 11, 25 ff.), nicht, wie man öfter sich ausdrückt, den östlichsten Punkt derselben, denn dieser war Lykaonien, Eappadocien und Galatien (Apostg. 14, 6 ff.; 16, s; 18, 23); in Parallele dazu steht dann »Jllyrien«, der Küstenstrich an der Ostseite des adria- tischen Meeres oder das heutige Croatien und Dak- matien mit Vosnien, Herzegowina und Montenegro nebst deni nördlichen Theil von Albanien umfassend, als der Schlußpunkt seiner bis jetzt, zu Anfang des J. 58 n. Ehr. absolvirten Thätigkeit Um eben solcher Parallele willen muß nun aber Jllyrien eine mit einzuschließende, wirkliche Stätte dieser Thätigkeit gewesen sein, und sie war das auch nach den Aus- einandersetzungen zu § 161 in der Uebersicht über die Ereignisse des apostolischen Zeitalters (Anh.11.) zu Ende des J. 57. Nachdem der Apostel die Inten- sivität seines Wirkens durch ,,Kraft der Zeichen und Wunder und Kraft des Geistes Gottes« charakterisirt hat, kommt er nun auf die Extensivität zu reden; es kann da mit der Bezeichnung: ,,bis hin nach Jllyrien«' nicht gesagtseim ,,bis an die Grenze dieses Landes«, so daß letzteres nicht mit inbegriffenszu denken sei, denn sonst könnte es in V. 23 nicht heißen: ,,nun ich aber iiicht mehr Raum habe in. diesen Ländern«, son- dern in Apostg 20, 2 ist unter ,,denselbigen Ländern« auch an Jllyrien zu denken, so sehr auch viele Aus- leger diese Auffassung zu bestreiten suchen. Luthens Uebersetzungr , ,,ich habe alles mit dem Evangelio Christi erfüllen« ist allerdings sowohl wort- als sach- widrig; Paulus will nicht sagen, daß in dem be- schriebenen Gebiet des Orients überall das Evan- gelium auch schon angenommen, sondern nur, daß der Schall desselben überall hin durch seinen Dienst ge- drungen sei (Kap. 10, 18; Col. l, 28). Da indessen die Schrifterklärer noch gar sehr uneins sind, welches denn die wort- und sachgemäße Deutung des griech. Ausdrucks: ,,ich habe das Evangelium Christi erfüllet« eigentlich sei, und mit ihren verschiedenen Deutungen im Grunde doch nur denselben Sinn herausbringen, der schon in den Worten unsrer deut- schen Bibel liegt, wenn man sie dahin versteht, daß der Apostel seinen Priesterdieiist am Evangelio, von dem er in V. 16 redete, in den Ländern des Orients nun soweit ausgerichtet habe, als dies seine Aufgabe war, so ziehen wir es vor, jene Worte ungeändert zu lassen; die Aufgabe des Apostels war nämlich überall nur eine grundlegende, nicht aber die, daß es für das Evangelium überhaupt in den betreffenden Ländern nichts mehr zu thun gebe, vielmehr hatte er nur an gewissen Centralorten die christliche Kirche zu pflanzen, von welchen aus sie dann gleichsam von selbst in immer weiteren Kreisen sich verbreiten würde. Jn- wiesern der in V. 20 f. von Paulus ausgesprochene Grundsatz darauf hinweist, daß die Gemeinde zu Rom nicht von einem andern Apostel, namentlich dem Petrus, wie die katholische Tradition behauptet, gestiftet sein könne, wurde schon zu Kap.1,7 angedeutet; auch von besonnenen katholischen Gelehrten wird daher jene Tradition aufgegeben. Aber jener Grundsatz schließt nicht aus, daß Paulus jetzt an die römische Gemeinde schreibt und die Absicht hegt, zu ihr zu kommen und auch unter ihr Frucht zu schaffen, gleichwie unter andern Heiden (Kap. 1, 13 ff.); denn eben darum, weil noch kein anderer von den Aposteln dagewesen, die Gemeinde vielmehr sich sozusagen wie von selbst ge- 152 Römer 15, 22——32. bildet hat und dies in einer Weise gefchehen ist, daß er Rom als ein Pertinenzstück des ihm als dem Heiden- apostel zugehörigen Arbeitsfeldes betrachten darf, schreibt er an sie mit demselben Recht, wie später an die Gemeinde zu Eolossä, deren Stiftung ja auch nicht unmittelbar auf seine Rechnung fällt, sondern von Epaphras bewirkt worden war (Col. 4, 12f.); was aber seinen Besuch bei ihr betrifft, so will er diesen auch nur auf der Durchreise machen, während fein eigentliches Ziel Hispanien ist (V. 24). 22. Das fdaß ich bisher die in V. 19 be- schriebene Aufgabe zu erfüllen hatte] ist auch die Sache fdie eigentliche Ursach], darum ich vielmal fsooft ich auch mir vorgesetzt hatte es zu thun Kap. 1, 13] verhindert bin [getvesen], zu euch zu kommen. 23. Nun ich aber nicht mehr Raum habe in diesen Ländern fdes Orients, keinen solchen Central- ort mehr, dessen ich mich erst noch bemächtigen miißte, wenn ich meinem apostolischen Amte nach allen Seiten hin genugthun will], habe aber Ver- langen, zu euch sdie ihr den Eentralpunkt der abendländischen Völkerwelt bildet] zu kommen, von vielen Jahren her fschon seit Bekehrung des römischen Landvogts Sergius Paulus auf Cypern Apoftg. 13, 6sf., besonders aber seit ich das Gesicht in Apostg. 16, 9 gehabt habe, gedenke ich mein Vorhaben demnächft auszuführen]: 24. Wenn ieh [nämlich] reisen werde in Hjspgnien [1. Macc. 8, Z» was bald geschehen soll V. 25 u. 28], will ich zu euch kommen. Denn ich hoffe, daß ich [bei dieser Gelegenheit] da [näm- lich durch Rom] durchreisen und euch sehen werde, und von euch dorthin snach HispaUienJ geleitet werden möge [Apostg.15, Z; 17, 14 f.; 20, 38; 21, H; 2. Cor. 1, 16]; so doch, daß ich zuvor sehe ich von Rom wieder abreise] mich ein wenig mit euch ergöhe* [vgt. die Bem. zu Kind· 1- 12li 25. Nun aber [was die gegenwärtig von mir auszufiihrende Reise betrifft] fahre ich hin gen Jerusalem, den Heiligen [der christlichen Gemeinde daselbst] zu Dienst [Apostg. 19, 21; 20- 3 M· 26. Denn die aus Macedonia und Achaja fdie Gemeinden in diesen Ländern] haben willig- lich lohne durch einen Zwang meinerseits dazu getrieben worden zu sein, wenn auch auf meine Veranlassung hin] eine gemeine Steuer zusammen gelegt den armen Heiligen zu Jerusalem [genauer: den Armen unter den Heiligen dort Apostg. 24, 17; Gal. 2,10; 1. Cor.16, 1ff.; 2. Cor. 8 u. 9]. 27. »Sie haben es williglich gethan [so sagte ich von ihnen], und sind auch fwie ich meinerseits ihnen vorgehalten, als ich sie dazu veranlaßte] ihre Schuldner. Denn so die Heiden sind ihrer geistlichen Güter fder in Kap. 14, 17 genannten Güter des HimmelreichZJ theilhastig worden, ist’s billig, daß sie ihnen auch in leiblicheu Gütern fzum Entgelt für jene höheren Güter] Dienst be- weisen« [1. Cor. 9, 11]. 28. Wenn ich nun solches [die zunächst von mir zu vollbringende Dienstreise nach Jerusalem] ausgerichtet und ihnen [den dortigen Christen] diese Frucht fder Liebe ihrer Brüder in der Heiden- welt 2. Cor. 8, 8; Phil 4, 17] versiegelt habe, will ich durch euch [meinen Weg über eure Stadt Rom nehmend 2. Con 1, is] in Hispanien ziehen. 29. Jch weiß aber, wenn ich [so aus der Durchreisej zu euch komme, daß ich mit vollem Segen des Evangelii Christi kommen werde-M« fund auch euch wird es an der rechten Empfäng- lichkeit zur Aufnahme dieses Segens nicht fehlen Apostg 28, 28]. V) Die Verkündigung des Apostels bewegte sich in regelmäßigem Fortschritt vorwärts; wie ein kühner und kluger Feldherr hat er sich einen sicheren und eonfequenten Angriffsplan gebildet, von dem er nicht willkürlich Und launenhaft abspringL Erst jetzt, wo er von Jerusalem an und umher den ganzen Orient bis Jllyrien bin durch das Evangelium erobert oder doch wenigstens die Hauptplätze und Bollwerke des Heidenthuins für dasselbe in Besitz genommen hat, geht er nach dem Occidente über, um nun vom west- liehsten Punkte, von Spanien aus in entgegengesetzter Richtung zu operiren. Rom bleibt da allerdings wieder nur Durchgangspunkt, eben weil dort schon Grund gelegt war; aber er konnte auch zu dieser bei- läusigen Befuchsreise und diesem flüchtigen Aufenthalt in Rom bisher nur deshalb nicht kommen, weil seine apostolische Aufgabe im Orient bis dahin noch nicht gelöst war. (Philippi.) Auffallend ist, wie Paulus sagen kann: ,,nun ich aber nicht mehr Raum habe in diesen Ländern«, da er doch in Griechenland und Klein- asien noch bei Weitem nicht überall gepredigt hatte. Wir sehen ihn aber stets in den großen Hauptftädten der Provinzen wirken, und dann die weitere Ver- breitung des Evangeliums von denselben aus seinen Gehilfen, die dort fest stationirt wurden, überlassen; seine Aufgabe schien ihm daher überall Bahn zu brechen und das Evangelium zu predigen allen Völkern zu einem Zeugnis; über sie (Luk. 24, 46f.; Matth. 24, 14), und diese Aufgabe konnte er in den östlichen Provinzen als gelöst ansehen. (Olshausen.) Der Grund, weshalb Paulus nicht auf einen fremden Grund bauen, sondern überall selber erst Grund legen wollte (V. 20; I. Cur. 3, 10), lag in dem hohen Bewußtsein seiner apostolischen Bestimmung (Apostg. 26, 17 s.), nach welchem er das Größte und Schwierigste, die Grundlegung der Kirche, als des Apostels Aufgabe erkannte und in der Lösung dieser Aufgabe seine apostolische Ehre fand. (Meher·) VI) Es « die Pfiugstreise nach Jerusalem, seine fünfte und letzte Reise dorthin (Apostg. 9, 26 f.; 11, 29 f.; 15, 2 ff; 18, 22; 21,17 fs.), wovon der Apostel hier redet: an der Diakonie (12, 7), womit er die Heiligen bediente, betheiligte er sieben Männer, Erst- linge der Heidenernte aus allen drei Hauptgebieten seiner Apostelarbeit; diese Sieben waren ein Zeichen, daß dem heiligen Anbruch zu Jerusalem (11, 16) heiliger Teig in der Heidenwelt ähnlich geworden, und der Heidenapostel wollte nicht fürder reisen den Heiden zu Dienst, ehe er mit solchem Pfingstopfer die Einig- keit der Heiligen, beide, am Orte tausendjähriger Hei- ligkeit und an den Orten jüngstgeheiligter Heiden, ver- Paulus ist jetzt auf der Reise nach Jerusalem begriffen, darnach will er durch Rom kommen. 153 siegelt hatte. (Besser.) Nicht wenige Ausleger nehmen an, Paulus habe durch das in V. 26 f. Gesagte mittel- bar und verdeckt die römischen Christen auffordern wollen, die armen Judenchristen in Jerusalem gleich- salls zu unterstü en; doch einmal würde er wohl, wenn dies seine bsicht gewesen wäre, es direkt und offen gethan haben, und dann betrachtete er auch die Collekte als abgeschlossen. Eher ließe sich eine wieder- holte allgemeine Hinweisung der Heidenchristen auf ihr Bärhalten gegen ihre jüdischen Brüder annehmen. iippi IN) Die bloße Ueberbringung der gesammelten Collekte that noch nicht die Hauptsache; wenn aber der Apostel dann dazu erzählte, mit welcher Liebe und Bereitwilligkeit sie gesteuert worden sei, dann war erst das Siegel auf die Gabe gedrückt und das brüderliche Band recht fest geknüpft (Apostg. 21, 19s.). Und daß er nun, wenn er darnach nach Rom käme, mit vollem Segen Christi (das dazwischen eingeschobene ,,des Evangelii« ist wohl ein unächter Zusatz) kommen werde, dessen konnte er von vornherein sich versichert halten; eine reiche Erfahrung hatte es ihm ja bestätigt, daß, wo heilsbegierige Christen waren und wohin der mit Gnadengütern für die Kirche von Gott reich ausge- rüstete Apostel kam, es nicht ohne den reichsten Segen für die Christen abgehen konnte· (Wangemann.) Von Rom aus nach Spanien, so dachte der Apostel nach unsrer Stelle zu Anfang des J. 58; indeß bereits im April desselben Jahres ward ihm offenbar, daß in Jerusalem Ketten und Banden seiner warteten (Apostg. 20, 22 f.). Der HErr hatte andere Gedanken über ihn; die Schrift verbürgt, daß er mindestens bis zum Frühling des J. 63 theils in Cäsarea, theils in Rom gefangen lag, er also auch nach Rom nicht kam, weil er sich vorgenommen hatte, dahin zu gehen, sondern weil der HErr die Begebenheiten so fügte, daß er dahin» kam. Nach der allgemeinen Weisung, die Paulus in Apostg 22, 21 bei seiner Berufung empfangen, hatte er die volle subjektive Berechtigung, an die spanische Reise zu denken; als ihm aber der HErr in der auf das Verhör vor dem Synedrium im J. 58 folgenden Nacht erklärte (Apostg. 23, 11): ,,wie du von mir zu Jerusalem gezeuget hast, also mußt du auch zu Rom zeugen«, war letztere Stadt das Ziel sekigses Faufsgjäiiisd mit iåer åssredigt Les gsvangeliå da- e t eine ifion vo en et —— ie em rü eren Verständiiisse angehörige Reise nach Spanien erledigte sich von da an von selbst, daher in Apostg 19, 21 nicht einmal des auf sie beziiglichen Vorsatzes gedacht wird. (Otto.) Auch in allen Briefen, welche Paulus aus der römischen Gefangenschaft geschrieben hat, ist jede· Spur des fürderhin von ihm gehegten spanischen Reiseplans verschwunden; in Phil. 1, 25 f.; Z, 24 hat er für den Fall seiner Befreiung als das weitere Ziel nicht den fernen Westen, sondern Macedonien, also die Rückkehr in den Osten, im Auge. (Meyer.) 30. Jch ermahne euch aber, lieben Bruder, durch unsern HErrn Jesum Christum [vgl. Kap. 12- l; 2. Cor. 10, 1] und durch die Liebe des Geistes sdie er doch gewiß in euren Herzen zu mir als eurem Bruder und des HErrn Apostel schon gewirkt hat Gut. ·5, 22], daß ihr mir helfet kämpfen mit Beten sur mich zu Gott«· [Col. 4, 12; 2.Cor. 1,11;Phil.1,19u.27;2.Thess.3,1;Phil.22], » 31. Auf daß ich errettet werde von den Un- glaubigen in Judiia [die mir sogar nach dem Leben stehen Apastg 20, 22 ff.; 21, 11. 27 sf.; 22, 22; 23- 12 ff; 25- 3], und daß mein Dienst, den ich gen Jerusalem thue smit Ueberbringung der Collekte dahin V. 25 ff.], angenehm werde den Heiligen-«« [daselbst, die noch gar sehr wider mich einge- nommen sind Apostg 21, 20 ff.]; 32. Auf daß ich mit Freuden [mit freudiger Erinnerung an das, was ich in Jerusalem habe ausrichten dürfen] zu euch komme swenn ich nun nach Rom gelangen werde] durch den Willen Gottes [Kap. 1, 10; 1. Cor. 4, 19; Hebr. S, 3], und mich mit euch erquickettk sindem wir uns in unserm gegenseitigen Glaubensverkehr an ein- ander erfreuen Kap. 1, 11 f.; 1. Tor. 16, 18; 2. Cur. 7, 13]. V) Das Wissen um die göttlichen Pläne, auf welches Paulus in·V. 29 hingedeutet hat, war bei ihm nicht ein fatal1stisches; er sagt nicht, ich weiß, ich musi doch nach Rom kommen, ich bedarf daher keiner Vorsicht, keiner Fiirbitte, es war vielmehr ein lebendiges, freies Wissen um die Pläne des freien persönlichen Gottes, die· sich erfüllen durch Zusammenwirkung freier Thaten freier Wesen. (Olsh·ausen.) Jn mannigfacher Beziehung kann das Gebet ein Kampf genannt werden: theils sind es innere geistliche Feinde, wider die zu kämpfen ist — das Fleisch mit seiner Lust und Furcht, die Welt mit ihrer Lockung und Drohung, der Teufel, der die Seele bestürmt; theils sind es äußerliche Feinde, bestimmte Leiden und Gefahren, gegen welche der Gebetskainpf zu richten ist. Aber das Gebet ist nicht nur ein Kampf, insofern es die Feinde der Seele zu- rückfchlagem sondern auch sofern es den Freund der Seele, den die Erhörung verzögernden und prüfend sich als Feind verstellenden Gott (1. Mos. 82, 24 ff.), gewinnen will» (Philippi.) «) Dreimal hinter einander (V. 25. 26 u. 31) nennt Paulus die gläubigen Juden Jerusalems ,,Heilige«: in ihnen war übrig das heilige Volk, zu welchem Gott Mitbiirger aus den Heiden annimmt, wogegen die Ungläubigen in Judäa, die auf ihr heiliges Land und ihre heilige Stätte trotzten, dem heiligen Israel Gottes entstorben waren. Daß er errettet werde von diesen ismaelitisch und edomitisch gearteten Kindern Jsraels, die mit Unverstand und Unglauben das letzte Mittel ihrer Rettung, die Botschaft von dem Segen des Evangelii unter den Heiden, von sich stießen, darob zuerst inöchten die Römer ihrem Apostel kämpfen helfen in ihren Gebeten; und hierzu mußte sie der Geist der Liebe um so mehr treiben, als um ihret- willen, um der Heiden Opferung willen, Paulus zu einem Fluch und Fegopser seiner blinden Brüder nach dem Fleisch sich her-gab. Aber auch darum möchten sie mit ihm bitten, daß der Dienst heiliger Gemein- schaft, worin er nach Jerusalem reiste, angenehm werde den Heiligen; die Apostelgeschichte (Kap. 21) zeigt uns die Meinung dieser Bitte —— die Befestigung der Ein- tracht zwischen Juden- und Heidenchristen war Pauli Anliegen, und die schwachen Brüder in Jerusalem, welche das unjüdische Leben der gläubiggewordenen Heiden mit Mißtrauen und Befremdung ansahen, zu gewinnen und zu stärken, war sein apostolisches Ver- langen. (Besser.) IN) Der Apostel stellt es noch in Gottes Willen, ob feine Reise überhaupt und in welcher Gestalt sie ausgeführt werden sollte; sie kam auch ganz anders, als Paulus zuvor gedacht hatte. (Wangemann·) Das wäre seine Freude und Wonne gewesen, hätte er nach 154 Römer 15, 33. 16, 1—16. Rom kommen können mit dem Bericht von Jerusalems i Ausgrünen aus verdorretem Gezweig: diese Freude ward ihm nicht befchieden, er hat die große Traurig- keit seines Herzens, von der er in Kap. 9, 2 redet, mit in’s Grab genommen. Dennoch ist seine Bitte mit der Römer Fürbitte für ihn nicht unerhört ge- blieben; denn durch den Willen Gottes ist er endlich doch mit Freuden nach Rom gekommen, vgl. Apostg. 28, 15. 3o f. (Besser.) 33. Der Gott aber des Friedens sder Gott, der den Frieden für uns und in uns schasft Kap. 16, 20z 2. Eor. 13, 1«1; PhiL 4, 9; 1.Thess. 5, 23; 2. Thess Z, IS; Hebt. IS, 20] sei mit euch allen [Kap. 16, 20 u. 24]. Amen [Kap. i, 25; 9, 5;11, 36;1. Tini. 1,17]. Was der Apostel mit Kap. 1, 8 begonnen, ist in der Art zu Ende gebracht, daß das Ende sich mit dem Anfange berührt; denn wie er in Kap. 1, 8—15 versichert hat, daß es sein Herzenswunsch sei, die Ge- meinde zu besuchen, und daß er von lange her Willens gewesen und nur immer verhindert worden sei, auch in Rom die Heilsbotschaft auszubreiten, so hat er jetzt in V. 14——32 sich darüber ausgesprochen, kraft welchen Berufs er an die ohne sein Zuthun im rechten christ- lichen Stande befindliche Gemeinde einen Brief schreibt, wie diesen, und warum er nach seinen bisherigen Ver- hinderungen auch jetzt nicht lieber selbst zu ihr kommt, sondern erst nach einem Besuche in Jerusalem seine beabsichtigte Reise nach Spanien so anstellen wird, daß sie ihn über Rom führt. Mit dem nun, was er der Gemeinde Sachliches zu schreiben hatte, zu Ende ge- kommen, schließt er ab mit einem Segenswunsche und geht dann zu solchem über, was einzelne Personen betrifft. VI. HofmannJ Daß er da Gott den »Gott des Friedens«« nennt, wird ihm nahe gelegt durch seine Kämpfe und ihre Differenzen. (Lange.) Das 16. Kapitel. Empfehlung der Phönix schließliche-r Zeug. Warnung und Danksagunxf II. h. 1——24. Auf den ersten Schluß läßt Paulus hierauf einen zweiten Schluß folgen in Empfehlung der Ueberliringerin deH Eritis, in Grüßen von seiner Seite, mit welchen er eine Warnung verbindet, und Griißcn oon Seiten der in Corinth ihn ausgehenden-personen, nach welchen er noch einmal den srhon vorhin ausge- sproihenen Segenswunsai vorbringt. I. Jch befehle euch aber sdie Ueberbringerin dieser meiner Epistel] unsere Schwester sin Christo] Phöbh welche sals Diakonisse oder Helferin] ist am Dienst der Gemeine zu Kenchreci sdem östlichen Hafenort von Corinth Apostg. 18, 1 Anm. 2]; ·2. Daß ihr sie sindem sie jetzt auf ihrer Reise zu euch kommt] aufnehmet in dem HErrn sPhkl- 2, 29], wie sichs ziemet den Heiligen sdaß sie ihre Brüder und Schwestern in Christo um seinetwillen gern und mit allen Ehren ausnehmen und nicht blos die gewöhnliche Gastfreundschaft ihnen erzeigen], und thut ihr Beistand in allem Geschäfte, darinnen sie sin den Privatangelegen- heiten, die sie nach Rom geführt haben] euer bedarf. Denn sie hat auch [1hrerseits] vielen sm Ausübung ihres Berufes] Beistand gethan, auch mir selbst fund da gebührt sich’s noch besonders, ihr Gleiches mit Gleichem zu vergeltenss Der männliche Eigenname Phöbus und der weib- liche Ph öb e, die beide auch bei weltlichenSchriftstellern des Alterthums sich finden, könnte an den heidnischen Gott Apollo erinnern, der- häufig den Beinamen Phöbos, d. i. der Reine, Klare, Glänzende, führt, auch nicht selten einfach selber so genannt wird; in- dessen hat wohl bei der Häufigkeit der Namen diese Beziehung aus die Götterlehre sich gänzlich verwischt oder es ist gleich anfangs das Eigenschaftswort selber dasjenige, welches den Eigennamen zu Grunde liegt, daher es keinem Bedenken unterlag, wenn letztere von Christen beibehalten wurden. Nach der sehr wahr- scheinlichen Annahme der meisten Ausleger nun ist die hier gemeinte Phöbe die Ueberbringerin des Briefes an die Römer gewesen. Sie war, wie der Apostel ausdrücklich angiebt, Diakonissin der corinthischen Zweig- gemeinde zu Kenchreä. Wir finden nämlich neben dein Helfer-(Diakonen-)Llmt (Kap.12,7) in der apostolischen Kirche auch das Institut der weiblichen Helferinnem welches dem ersteren ergänzend zur Seite steht und in der griechischen Kirche bis in’s 13. Jahrh. sich erhalten hat. Man leitet dasselbe gewöhnlich von den heiden- christlichen Gemeinden her, wo die Weiber sehr zurück- gezogen lebten uiid ihr Verkehr mit den Männern in engere Grenzen eingeschlossen war, als unter den Juden. Aber nicht nur die Gesetze des Anstandes, sondern das allgemeine Bedürfnis; brachte es mit sich, für die spezielle Seelsorge, die Arnien- und Krankenpflege unter dem weiblichen Theil der Gemeinde ein ent- sprechendes Amt zu griinden; hier war den Frauen, welchen der Apostel das öffentliche Auftreten in den Versammlungen untersagt, ein schöner und weiter Wirkungskreis zur Entfaltung ihrer eigenthümlichen Gaben, zur Uebung ihrer reichen Liebe und Auf- opferung eröffnet, ohne daß sie aus ihrer natürlichen Sphäre herauszutreten brauchten. Vermöge dieses Amtes konnten sie die Segnungen des Evangeliums in die geheimften und zartesten Fugen des häuslichen Lebens einführen und ungesehen von der Welt, in aller Stille und Bescheidenheit unsäglich viel Gutes schaffen. An diese Verpflegung der Wittwen, der Armen und Kranken schlossen sich dann wohl, wie bei den männ- lichen Diakonen, noch manche andere Dienstleistungen an, obwohl wir keine ausdrücklichen Nachrichten darüber besitzen; dahin wäre zu rechnen die Erziehung ver- waister Kinder, die Verpflegung der Fremden, die Ausübung der Gastfreundschaft (1. Tim. 5, 10), und wohl auch der nöthige Beistand bei der Taufe von Personen weiblichen Geschlechts, besonders wenn diese in der Form völliger Untertauchung vollzogen wurde. Höchst wahrscheinlich dienten die Frauen Tryphena, Tryphosa und Persis, welche der Apostel in V. 12 wegen ihrer Arbeit in dem HErrn belobt, in derselben Eigenschaft an der römischen Gemeinde; in welcher Weise nun die Phöbe ihm Beistand gethan, dafür läßt ein geschichtlicher Nachweis sich nicht geben, doch liegt die Vermuthung nahe, daß er einmal bei seiner An- wesenheit in Kenchreä krank gewesen und da der Pflege bedurfte, oder daß er überhaupt Handreichung in der Weise von ihr empfangen, wie die Frauen in Luk. 8, 2 f. sie dem HErrn erwiesen. 3. Griißet die Priseilla sPrisca 2. Tim. 4, 19] und den Aquila, meine Gehilfen [Mit- Empfehlung der Ueberbringerin des Briefs Grüße an bekannte Gen1eindeglieder. 155 arbeiter Apostg 18, 26] in Christo Jesu sdie nun wieder bei euch in Rom sind Apostg. 18, 2 Anm.], 4. Welche [vor Jahresfrist in Ephesus] haben für mein Leben ihre Hälse dargegeben [zur Rettung desselben sich selbst der äußersten Todesgefahr aus- gesetzt], welchen nicht allein ich danke, sondern alle Gemeinen unter den Heiden« sfür diesen mir ge- leisteten Liebesdiensts 5. Auch grüßet die Gemeine sdies in ihrem Hause« [zum regelmäßigen Gottesdienst sich ver- sammelt 1. Cor. 16, 19]. Gritßet Epiinetum, meinen Liebsten, welcher ist der Erstling unter denen ans Achaja snach richtiger Lesart: As ia, — nach 1. Cor. 16, 15 war Achaja’s Erstling vielmehr Stephanas mit seinem Hause] in Christo swelcher unter denen in Kleinasien zuerst an Christum gläubig geworden Apostg. 19, 8]. e 6. Grüßet Mariam, welche viel Mühe und Arbeit mit Uns sgelegentlich einer Krankheitsnoth in der sie die Pflege übernommen] gehabt hat. 7. Grüßet den Andronicns und den Junias, meine Gefreundte sVerwandten Luk. 1, Zu. 58; :2-, 44; 14, 12; 21,16; Joh.18, 26] und meine Mitgefangene [in einer der mancherlei Kerkerhaftem die ich erduldet habe I. Cor. S, b; II, 23], welche sind berühmte Apostel snach besserer Deutung: rühmlichst bekannt bei den Aposteln, als die von Anfang der christlichen Gemeinde in Jeru- salem zugehöret haben Apostg. 21, IS] und vor mir gewesen in Christo-««- sfrüher als ich an ihn gläubig geworden sind]. 8. Grüßet Amplian sden Amplias oder Am- pliatos], meinen Lieben in dem HErrn 9. Griißet Urban sden UrbanusL unsern Gehilfen in Christo, und Stachyn [den Stachyss meinen Lieben. 10. Grltszet Apellen fden Apelles], den Be- wtthkten in Christi) lden bewährten, erprobten Christen]· Grimm, die da sind von Aristobulns Gesinde sdie Christen unter den Hausgenossen, d. i. Sklaven des Aristobuluss . 11. GrüßetHerodionemsdenHerodions meinen Gesreundten fVerwandten V. 7]. Gräser, die da sind von Narcissus Gesinde, fund sind] in dem HErrn [ihm »als Gläubige angehörig]. 12. Grußet die Trhphena nnd die Tryphosa, welche in dem HErrn [in seiner Sache als Dia- konissen vgl. zu V. 2] gearbeitet haben. Grüßet die Persis, meine Liebe [die mir theureSchwester in Christo) welche in dem HErrn [nicht blos über- haupt, wie die Tryphena und die Tryphosm sondern] viel gearbeitet hats. 13. Grüszet Rufnm, den Auserwählten in dem HErrn [vgl.2.Joh.13], und seine und meine MutterH [Mark. 15, 21 Anm.]. 14. Griißet Asyncritum sden Asynerituss und Phlegontem sden Phlegons Hekman sden Hermas], Patroban sden Patrobas], Hermen [den Hermes], und die Brüder bei ihnen fdie zur Betreibung gemeinsamer äußerer Lebenszwecke, als des Handels oder des gleichen Handwerks Apostg 18, Z» mit ihnen zusammenwohnen]. 15. Griißet Philologum sden Philologuss nnd die Julta sseine Gattin], Nerenm [den Nereus] und seine Schwestey und Olympan sden OlympasJ und alle Heiligen bei ihnen-Hi. 16. Griißet euch unter einander mit dem heiligen Kuß [vgl. i. Petri s, 14]. Es grüßen euch die Gemeinen Christi-Or [1. Cor. 16, 20; 2. Cor. 13, 12]. V) Kein Brief Pauli enthält der namentlichen Grüße so viele (vierzig), wie der Römerbrief; an diesen vielen Grüßen konnten die Brüder spüren, wie innig und ernstlich der Apostel es meinte, da er allezeit in seinem Gebet flehete, ob sich’s einmal zutragen wollte, daß er zu ihnen käme durch Gottes Willen (Kap. 1, 10), wie treulich er die Gemeinde, die er von Angesicht noch nicht gesehen, im Herzen hatte und mitten in der Ueberfülle seiner Arbeiten und Leiden keines Bruders und keiner Schwester in der Ferne vergaß, die er kannte im HErrm Zuerst nun grüßt er das heilige Ehepaar, welches in Eorinth ihn aufgenommen, als er niedergeschlagen von Athen zum ersten Male dahin kam. Er hatte diese beiden Gehilfen in Christo Jesu hernach mit nachEphesus gebracht; in Ephesus, wo Priseilla und Aquila den Apollos zu sich nahmen und ihm den Weg Gottes auslegtem wird es auch gewesen sein, wo sie für des Apostels Leben ihre Hälse dar- gegeben haben. Verbargen sie ihn etwa bei dem Volks- aufruhr (Apostg. l9, So) in ihrer Wohnung (wo er ver- muthlich herbergte I. Cor. 16,19), so legten sie damit ihre Hälse unter das Richtbeih wie der Ausdruck ,,dar- gegeben« eigentlich besagt, denn dieses konnte auf einen Wink des Kanzlers sie treffen (vgl. Phil. Z, 30). Um dieser aufopfernden Liebe willen wurde ihrer mit Dank gedacht nicht allein von Paulo selbst, sondern auch von allen Gemeinden unter den Heiden, die ja der beiden Retter ihres Apostels nimmer vergessen konnten, nnd die Römer besaßen in diesem Ehepaar, welches aus der Verbannung nach Rom hatte zurückkehren dürfen, ein lebendiges Band der Gemeinschaft mit allen Ge- meinden unter den Heiden. Auch wir, sagt Bengel, sollen noch heute der Priseilla und dem Aquila danken, und dereinst werden wir ihnen Dank sagen» (Besser.) It) Was die gottesdienstlichen Versammlungslokale im apostolischen Zeitalter betrifft, so war an die Er- richtung von besonderen Kirchengebäuden in dieser Periode natürlich noch nicht zu denken, theils wegen der Armuth der Christen, theils und besonders weil sie als solche noch keine rechtliche Existenz im römischen Reiche hatten und durch ösfentliche Häuser der Andacht nur noch mehr den Verfolgungseifer der Juden und Heiden würden herausgefordert haben; es blieb ihnen also nichts übrig, als entweder ein öfsentliches Lokal zu miethen, wohin z. B. der Hörsaal des heidnischen Rhetors Tyrannus in Ephesus gehört (Apostg. 19,9), oder sich in den Privathäusern ihrer angeseheneren Brüdevzu erbauen, wie in dem Hause der Lydia zu Philippi (Apostg. 16, 16, 40), des Jason» zu Thessa- lonich (Apostg. 17, 5. 7), des Juftus zu Cormth (Apostg. 18, 7), des Aquila und der Priscilla zu Ephesus (1. Cor. 16, 19). Jn größeren Städten und zahl- reicheren Gemeinden gab es mehrere solcher Versamm- lungsörter, und die Christenhäufleim welche in den- 156 Römer 16, 17——20. selben ihre regelmäßigen gottesdienstlichen Uebungen hielten, werden deshalb von Paulus Hauskirchen ge- nannt (vgl. Col. 4, 15; Philem. 2). Diese Hauskirchen oder Hausgemeinden bezieheusich indessen blos darauf, daß die Christen, wo sie bereits sehr zahlreich ge- worden waren und weit von einander lebten, wie be- sonders in Rom, dessen damalige Einwohnerzahl die des heutigen Paris überstieg, in verschiedenen Lokalen zur Erbauung sich versammelten, und schließen eine organische Verbindung derselben zu einem Ganzen und ihre Leitung durch ein gemeinschaftliches Presbyterium keineswegs aus; daher sind auch die apostolischen Briefe nie an einen abgesonderten Theil, eine ecclesiola in ecclesja oder einen Conventikel, sondern immer an die Gesa1nmtheit der Christen zu Rom, Corinth, Ephesus &c. gerichtet und behandeln sie als Eine moralische Person. (Schaff.) Niögen auch in einzelnen Häusern solcher, die ein dazu geeignetes Lokal hatten oder welche durch Lehrvorträge die bei ihnen sich Ber- sammelnden zu erbauen besonders tüchtig waren, be- sondere Versammlungen einzelner Theile der Gemeinde sich gebildet haben, so war doch gerade dies etwas, das erst später, als die schon regelmäßig organisirte Gemeinde zahlreicher wurde, erfolgte; und diejenigen, welche zu solchen Versammlungen zusammenkamem trennten sich dadurch nicht von dem großen Ganzen der unter dem leitenden Senat oder Presbyterium bestehenden Gemeinde. (Neander.) VIII) Dem Apostel ist es mit seinem Grüßen nicht blos darum zu thun, freundschaftliche Beziehungen in gemüthlicher Weise wahrZlunehn1en, er will vielmehr mit einem eigentlichen bschnitt des Briefs und in der weisen und wahrhasten Form seiner Begrüßungen der Gemeinde zu Rom zum Bewußtsein bringen, daß sie in ihren Hauptbestandtheilen eine mittelbar pau- linische sei. Charakteristisch in dieser Beziehung ist es schon, daß Aquila und Priscilla an der Spitze der Begriißten stehen; und auch noch manche Andern unter den Begrüßten sind als seine Vorläufer ihm voraus- gegangen. Theilweis sind dieselben Gehilfen seiner Niissiom welche mit ihm gearbeitet, ja wohl auch Ge- fahren bestanden haben; andere sind Verwandte von ihm, oder sehr nahe Befreundete, oder solche, die er als seine von ihm bekehrten Schüler oder als wohlbekannte Freunde auszeichnen kann. (Lange.) Es ist merk- würdig, wie viele Namen, hebräische, griechische und römische (Luk. 23, 38), in diesem Kapitel vorkommen, darunter eine Menge von Brüdern und Schwesterm die aus Pauli Umgebung nach Rom gezogen waren; mit ihnen kam des Apostels Stimme seinen Füßen voran nach Rom, und der daselbst gelegte Grund war eine Frucht seiner Predigt. (Besser.) Was nun zunächst den Epänetus betrifft, so legt der Umstand, daß er gleich hinter Prisca und Aquila genannt ist, den Ge- danken nahe, daß er mit diesem Ehepaar nach Rom gekommen sein möge. (v. Hofmann.) Wahrscheinlich war er, weil der Apostel auch in Ephesus sich zuerst an die Juden wandte (Apostg. 19, 8 s·), ein Judenchrist; ebenso deutet der Name der Maria auf eine Juden- christin. Den Andronikus und Junias bezeichnet Paulus als seine Verwandten; und wie er sonst her- vorhebt, daß er der zuletzt Berufene unter den Aposteln sei (1. Cor. 15, 8), so ordnet er sich hier in Demuth auch diesen seinen Verwandten unter, die vor ihm gläubig geworden. Daß sie so alte Christen waren, trug wesentlich mit dazu bei, sie ausgezeichnet oder rtihmlichst bekannt bei den Aposteln zu machen, so daß sie bei diesen in Jerusalem in hohem Ansehen stunden. Wann aber, wo und wie lange sie mit Paulus ge- fangen waren, wissen wir nicht. (Philippi.) T) Der Name Apelles oder Apella war häufig bei jüdischen Freigelassenew Neben ihm, dem Be- währten in Christo, der also in mancherlei Proben als einen Christen sich öffentlich bewiesen, grüßt Paulus die von Aristobulus Gesinde, wie neben seinem GesreundtenHerodion die von Narcissus Gesinde. Aristobulus und Narcissiis scheinen vornehme Leute gewesen zu sein (letzterer schwerlich der bekannteGünst- ling des Kaisers Claudius, da derselbe schon im J. 54 hingerichtet wurde): es war Paulo besonders zu Herzen gegangen, daß von dem Gesinde dieser beiden Edlen etliche sich bekehrt hatten (vgl. Phil.4, 22), vormalige Sklaven, aber nun Freie in dem HErrn (Besser.) Wie sich die Demuth des Apostels darin kund giebt, daß ihm im HErrn jeglicher Unterschied, auch der von Sklaven und Freien verschwindet (1. Cor.12,13; Gal. Z, 28); so auch neben seiner Demuth die wunderbare Zartheit und der Reichthum seiner Liebe darin, daß er jedem sein spezisisches Beiwort und die ihm nach dem Maße seiner Gabe und seines Werks gebührende Anerkennung zu Theil werden läßt, worin er selbstseine Vorschrift m Kap. 12,f 3 ff. u. »16 befolgt. (Ph1l1pp1.) Der Glaube macht nicht mürr1sche, sondern redselcge Leute. (Bengel.) H) Welchen geschichtlichen Grund diese Bezeichnung: »und meine Mutter« habe, läßt sich vermuthen, wenn Rusus derselbe ist, als dessen Vater in Mark. 15, 21 jener Simon von Chrene näher bezeichnet wird; nnd er ist wohl sicherlich derselbe, da der Verfasser des zweiten Evangeliums fiir nichtjüdische Leser (vgl. Mark. 7, 2ff.), denen er Griechisches durch Lateinisches erklärt (12, 42; 15, 16. 39. 44), also wahrscheinlich in Rom geschrieben hat, wo er die Näherbezeichnung Simons von Ehre-ne, daß er der Vater des Alexander und Rufus sei, nur dann für zweckmäßig erachten konnte, wenn diese beiden Brüder daselbst gekannt waren. Hat Rufus mit seiner Mutter in Jerusalem gelebt, ehe er mit ihr nach Rom übersiedelte, so kann Paulus, als er sich in Jerusalem aushielt, im Hause der Mutter gewohnt und ihre mütterliche Pflege (vgl. Joh. 19, 26 f.) genossen haben. Wie aber zur Mutter, wird er auch zum Sohne von daher in einem persönlichen Verhältniß gestanden haben, worauf er wohl mit der Bezeichnung: »den Auserwählten in dem HErrn« hindeutet; denn weder einen Christen, was zu all- gemein, noch einen ausgesuchten Christen, was sehr unapostolisch wäre, kann er ihn damit nennen wollen, sondern nur einen, der ihm ein im HErrn Erkorner, ein erlesener christlicher Bruder ist. (v. Hofmanng sit) Manche von den in V.14 Gegrüßten wu ten wohl kaum, daß sie dem hohen Apostel mit Namen bekannt waren; aber er hielt sich auch im Grüßen herunter zu den Niedrigen (12, 16), und einem ge- ringen Bruder eine Freude zu machen durch Er- wähnung seines, im Buch des Lebens geschriebenen Namens (Phil. 4, 8), war seiner Liebe Vergnügen. (Besser.) Vielleicht haben wir in den V. 15 Genannten die erste christliche Gelehrten- und Abschreibergesellschast vor uns; wenigstens deutet der Name ,,Philologus« auf einen Mann, der gern gelehrte Untersuchungen anstellt, auf einen Freund der Wissenschaften, und das ,,alle Heiligen bei ihnen« weist (vgl. »die Brüder bei ihnen« in V. M) auf eine zu gleichem Studium mit den drei genannten Männern verbundene Genossenschaft hin. (Philippi.) Es) Bei all den einzelnen Begrüßungen ist die ganze Gemeinde angesprochem welche die Grüße an die genannten Personen bringen soll; und so macht es sich ganz natürlich, daß der Apostel zuletzt die s Aufforderung zu einer allgemeinen gegenseitigen Be- Warnung vor Jrrlehrerm die künftig sich an die Gemeinde niachen könnten. 157 grüßung der Gemeindeglieder anschließn Hei: Kuß s begleitet fast bei allen alten Völkern die Begrüßung (Luk. 7, 45; 22, 48); er wird schon durch den dafür üblichen griechischen Ausdruck Animus-r) als eine Hand- lung der Freundschast und Liebe bezeichnet, und soll bei den Christen, wo er auch bei dem Gottesdienste, namentlich bei der Feier des heil. Abendniahls ge- bräuchlich wurde, ein Zeichen der sie alle verbindenden Bruderliebe sein, welche eine Frucht des heil. Geistes ist; deshalb heißt er »der heilige Kuß«. (Maier.) Der Kuß, der leiblich verbindet, ist Bild und zugleich Ausdruck der inneren Verbundenheit (Tholuck.) Von vielen Gemeinden nun waren dem Apostel ohne Zweifel wirklich Grüße an die Römer aufgetragen worden, da er ihnen seinen Plan, nach Rom zu reisen, auch wohl vorher hin zu schreiben, gewiß nicht vor- enthalten hatte; von den übrigen gilt, was fchon Erasmus sagt, daß Paulus in ihrer aller Namen grüßt, weil er ihrer aller Interesse für die römische Gemeinde kannte. (Meher.) 17. Jch ermahne aber euch, lieben Brüder, daß ihr sum euch vorsorglich vor ihnen in Acht zu nehmen Phil. 3, 2; Matth. 7, 15] aussehet auf die, die da Zertrennung und Aergerniß an- richten [durch Versührung zu irgend welcher Mei- nung oder Satzung, die sie aufstellen] neben der Lehre, die ihr gelernet habt [Kap. 6, 17; Col. 1, 23], und weichet von denselbigen smeidet ihren Umgang, wenn sie von außen her sich an euch heranmachen wollen, um auch bei euch, wie bei andern Gemeinden, Eingang zu finden 2- Joh. 10]. 18. Denn solche dienen nicht dem HErrn Jefu Christo sdaß sie dessen Reichssache sörderten, wie es ihre Pflicht wäre], sondern ihrem Bauch sindem sie bei ihrem Treiben nur ihre Gewinn- sucht im Auge haben, um dann dem Wohlleben zu fröhnen Phil. Z, 19]; und durch süße Worte und prächtige Rede verführen sie die unschuldigen Herzen« [die, wie sie selber nichts Arges denken, auch bei Andern immer nur Gutes, Aufrichtig- keit und Redlichkeit, voraussetzens 19. lJch versehe mich nun dessen zu euch, daß es nur der in V. 17 ausgesprochenen Er- mahnung bedarf, um euch beizeiten gegen der- gleichen Eindringlinge, wie ich sie hier geschildert habe, vorfichtig und unzugänglich zu machen.] Denn euer Gehorsam swomit ihr so willig und so bald das Evangelium von Christo aufgenommen habt] ist unter jedermann auskommen [Kap.1, 8]. Derhalbeii freue ich mich über euch [und habe die gute Zuversichh daß ihr euren guten Glaubens- stand euch auch bewahren werdet]. Jch will aber fwenn nichtsdestoweniger ich mit einer Ermahnung mich euch nahe], das; ihr weise seid aufs Gute, aber einfältig auf-s Böse [1. Cor. 14, 20., um euch ebenso unempfänglich und unzugänglich den Verführern gegenüber zu erweisen, wenn sie nun kommen, als ihr euch den Predigern und Lehrern der Gerechtigkeit gegenüber empfänglich und zu- gänglich bewiesen habt, als diese kamen]. 20. Aber der Gott des Friedens sder nach Kap. 15, 33 mit euch sein wird] zertreie den Satan unter eure Fuße in kurzem. Die Gnade unsers HErrn Jesu Christi sei mit euch» V) Vorhin schloß der Apostel die lange Reihe seiner einzelnen Grüße mit der Aufforderung an alle, ein- ander mit dem Kusse der heiligen Bruderliebe zu grüßen, und grüßte sie dann Namens aller Gemeinden hristi, da er ja wußte, welchen Antheil sie alle an der Gemeinde der Welthauptstadt nähmen; indem er sie aber auf diese Weise mit der ganzen einheitlichen Christenheit in Verbindung seht, tritt ihm die Gefahr vor die Seele, die der christlichen Eintracht von denen droht, welche die Spaltungen anrichten, wo solche vor- kommen, und Dinge lehren und aufbringen, die der gemeinchristlichen Lehre widerstreiten und die durch sie Gesammelten zu Fall bringen können. So ganz all- gemein benennt der Apostel diese Menschen, daß man nicht sagen kann, wen er dabei sonderlich im Auge hatte; von welcher Seite aber auch solche Verstörer der christlichen Einheit und Wahrheit kommen mochten, von allen galt, daß sie aus dem Lehren ein Gewerbe machten, von dem sie irdischen Gewinn ziehen wollten, und daß sie ihren Betrug in schöne Reden kleideten, durch welche sie arglose Gemi«ither täuschten.»(v. Hof- mann.) Als ein Zeugniß auf zukünftige Zeiten steht diese Warnung im Römerbriefe gleich dem Liede Fzosis (5. Mos. 32,1—43) für das Volk Israel. engel.) » » IV) Die Gemeinde zu Rom zeichnete sich durch kind- lichen Glauben und gläubige Folgfamkeit gegen die apostolische Lehre aus; der Apostel bestärkt sie in dieser Gesinnung, wünscht ihr aber gleichwohl eine größere Reife, damit sie das Gute weislich wählen, von dem Bösen aber so unberührt bleiben möge in ihrer Ein- falt wie unverständige Kinder. (v. Gerlach.) Gerade um des Gehorsams willen, den der Apostel an den Römern rühmend anerkennt, waren sie-leicht der Ge- fahr ausgesetzh in ihrevUnbefangenheit auch falschen Lehrern zu folgen; wie Ja auch heute gerade die er- weckten und angefaßten Christen ganz besonders Gegen- stand der Verführungskünste sektirerischer Jrrlehrer sind. (Wangemann·) Empfängliche Forscher nun sollen sie sein für das Gute, für das Schlechte dagegen so unempfänglich und ungelehrig, als wären sie einfältige Leute. (Lange.) Zum Troste fügt der Apostel seiner Ermahnung und Weisung die Versicherung hinzu, daß es, wenn sie auf der Hut sind, der ihren Frieden störende Satan nicht lange treiben wird: Gott wird ihn in einer Kürze unter ihren Füßen zermalmen, indem er sie einen Sieg über ihn gewinnen läßt gleich dem, welcher in 1. Mof. 3, 15 dem Weibessanien ver- heißen ist. (v. Hofmannh Der Gott des Friedens bildet den Gegensa zu deni Urheber alles Haders, der durch seine Wer zeuge hienieden wirkt; die Gottes- kraft in den Gläubigen, der Christus in ihnen, zertritt der Schlange den Kopf. (Olshausen.) Nur einmal in diesem ganzen Brief nennt der Apostel den Feind; in allen Briefen überhaupt— neun Mal den Satan, sechs Mal den Teufel. (Bengel.) Das »in kurzem« ist noch ein besonders dringlicher Wunsch des Paulus, denn bisweilen dauert es, wenn auch schließlich der Satan niedergetreten wird, doch eine geraume Zeit, binnen welcher er viel Verderben anrichten kann; diese Zeit wünscht Paulus den Römern abgekürzn (Wange- mann.) Der Segenswunsch am Schluß gehört ebenso, wie in V. 24, in den Text: der Apostel wollte schließen, sieht sich aber noch zu einer weiterenZuthat von Grüßen veranlaßt, nach welcher er den Segenswunsch wieder- l58 Römer IS, 21——-27. holt und ihm dann das ,,Amen« beifügt, das hier noch fehlt. (Ma1er.) » »· » » 21. Es grußen euch Umotheus mein Gehilfe [Apostg. 16, Z; 19, 20 u. 20, 2 Anm.], nnd Lucius svielleicht der in Apostg. 13, 1 erwähnte Prophet der antiochenischen Gemeinde] und Jason [ver- muthlich einerlei mit dem in Apostgesch. 17, 5 ff. erwähnten Judenchristen von ThessaloUichJ Und Sosipater [jedensalls verschieden von dem in Apstg 20, 4 genannten Beroenser Sopater, der ein Heidenchrist wars, meine Gefreundte sVerwandte V. 7 u. 11]. 22. Ich, Tertins, gruße euch, der ich diesen Brief snach dem Diktat des Briefstellers nieder-] geschrieben habe» in dem HErrn [1. Eor.16,19]. 23. Es grußet euch Ga1ns, mein und der ganzen Gemeine Wirth lApvftgs 19, 34 Arm. unter litt. c.]. Es grüßet euch Erastus, der Stadt sEorinths Rentmeister [2- TM· 4- 205 Apoftg 19, 20 Anm.], und Quartus, der Bruder»- sin Christos 24. Die Gnade unsers HErrn Jesu Christi sei mit euch allen [V. 20]. Amen« [vgl. 2.Thess. Z, 16 u. l8]. V) Es kann ausfallen, daß Titnotheus nicht an der Spitze des Briefes (vgl. 2. Cor. l, l; Phil. l, l; Col. 1, 1; 1. Thess I, l; 2. Thess. 1, I) als Mit- sendschreiber aufgeführt ist, da er doch damals bei Paulus war; möglicherweise liegt der Grund darin, daß Paulus gerade vor der römischen Gemeinde in seiner ganzen alleinigen und nngetheilten apostolischen Auetorität mit seinem Briefe zu erscheinen für ange- messen fand. (Meher·) Neben Timotheus, welchem der Amtsname eines Apostelgehilfen in besonderem Sinne zukommt, grüßen drei Gefreundte oder Vettern Pauliz da solche es auch zu Rom gab, so ist die Familie des Saul von Tarsus eine Segensfamilie rechter Jsraeliten geworden, vgl. auch Apostg. Es, 16ff. (Besser.) Dem Tertius hatte Paulus ohne Zweifel den Brief in die Feder diktirt, wie ja der Apostel auch sonst seine Briefe zu diktiren pflegte (1. Tor. 16, 21; Col. 4, 18; 2. Thess Z, 17,, vgl. l· Petri 5, 12); so floß (zumal das eigenhändige Schreiben ihm so viel Mühe machte) am freiesten, gleichsam predigtweise, der Strom des Geistes dahin (nur bei den Galatern machte er eine Ausnahme Gal. 6, ll). Nun wäre es ganz unschicklich gewesen, wenn der Apostel von ihm als von einer dritten Person gegrüßt hätte, während dieser doch selbst den Gruß niederschrieb; er überließ ihm daher selber die Ausführung des Grußes, fuhr aber daraus in V. 23 wieder fort zu dietiren. Wie nun Paulus in V. 13 des Rusus Mutter auch seine Mutter nur im uneigentlichen Sinne nennt, so bezeichnet er hier in gleichem Sinne den Gajus, seinen Wirth, bei dem er herbergte, zugleich als Wirth der ganzen Ge- meinde; entweder wurden in dessen Hause die regel- mäßigen Gemeindeversammlungen abgehalten, oder, was eine noch ansprechendere Beziehung wäre, es stand sein Haus gastfrei allen Gemeindegliedern offen, von denen täglich ihrer etliche den Apostel anliefen 2.Cor.11, 28. (Philippi.) Auch der Gruß des Erastus bedeutete den Römern etwas; nicht viele Edle nahmen die evangelische Berufung an (1. Cor. l, 26), wie in Eorinth, so allenthalben, aber doch etliche; und zu diesen gehörte der Stadt Rentmeister. Zugleich enthält diese Bezeichnung einen Wink, daß Christen im obrigkeitlichen Amte, als Stadt- und Staatskassenverwalter, in einem Berufe von Gott stehen und desselben warten sollen mit aller Treue (Kap. 13, 6); der Gemeindewirth Gajus war nicht heiliger als der Stadtrentmeister Erastus. Schließlich grüßt noch Quartus, ein Römer oder doch Jtaliener wie Tertiusz der war weder Gemeindewirth noch Stadtrentmeister, aber die Würde hatte er, welche allen diesen Grüßen Saft und Kraft giebt und darum billig die lange Reihe derselben beschließt: »der Bruder« — mit dieser Ehre ist sein Name geziert. (Besser.) H) Bis hierher hatte Tertius den Brief geschrieben; nun unterschreibt ihn Paulus durch eigenhändige Bei- f« ung (2. Thess s, 17) des in Folge dessen zum dritten M (Kap.15, 33; 16, 20) wiederkehrenden Segenswunsches. (v. Hofmannh DieSitte des Apostels bringt es so mit sich, daß er dieselbe Grußformel etliche Mal wiederholt; gleicherweise pflegen wir heut- zutage, wenn ein Brief mit ,,Lebewohl« schon ge- schlossen ist, es bietet sich aber unsern Gedanken noch Einiges dar, was wir mit etlichen Worten erwähnen, zu schreiben: »Und nun nochmals Lebewohl«. (Wolf.) Zum endlichen völligen Abschluß tritt in den folgenden drei Versen noch eine inhaltsvolle, tiefbe- wegte Lobpreisung Gottes (wohl vom Apostel eigen- händig hinzugefügt, wie die voranstehende Grußformeh hinzu, in welcher der leitende Jdeengehalt des ganzen Briefes, wie er bereits im Eingang der Epistel seinen andeutenden Vorklang, in Kap. 11, 33 ff. aber schon seinen vorläufigen doxologischen Ausdruck gefunden, nun noch im vollsten Aceord begeisterter Pietät seinen concentrirten Ausklang zur letzteii rechten Weihe des Ganzen empfängt. (Meher.) Von den gegriißten und gesegneten Brüdern wendet der Apostel anbetend den Blick empor zu Gott mit Lob und Dank für seine Gnade, deren Preis und Zeugniß er hier gestiftet hat in Ausrichtung seines Apostelamts (Besser.) Etwas Ausfallendes hat diese Lobpreisung in ihrer abgerissenen Stellung am Ende des Kapitels und nach dem Schluß- Segenswunsche allerdings; diese Erscheinung erklärt sich aber daraus, daß Paulus nach Beendigung des Briefs denselben wieder durchgelesen und vom Inhalte desselben so sehr ergriffen wurde, daß er sich bewogen fand, die Lobpreisung einzufügen. (de Wette.) III« V· 25—27. Es kommt noch zu einem dritten Schluß durch eine lnhaltsvolle, tiefbewegte skobvreisung Gottes, in welcher» sowohl der Gingangggruß in Kuh. l, l-—7., als der in than. l, l6 f. angegebene Grund— gedantie des Scndschreibens ebenso von Ueuem nnlilingß wie der Inhalt des ersten Schlusse-z in Beziehung stand zu dem Inhalt des Eingangs in Linn. l, 8 ff. 25. Den: aber, der euch starken kann sim Glauben, in allerlei Lehre und gutem Werk 1. ThessI 3, Z; 2. Thefs 2, 17] laut meines Evangelii sKap.- 2, 16] und smeiners Predigt von Jesu Christo, durch welche das Geheimniß offenbaret ist, das von der Welt her verschwiegen gewesen ist; 26. Nun aber osfenbaret, auch svorhin wenigstens theilweis schon] kund gemacht durch der Propheten Schriften swenn auch oft nur wenig verstanden Kap. l, S; Apostg 15, 15 ff.], aus Befehl des ewigen Gottes snunmehr geoffenbarer indem er einen eigenen Apostel dazu beriefls den Gehorsam des Glaubens aufzurichteti unter allen Heiden« sEphes Z, 3 sf.; Col. 1, 25 ff.]: Grüße von Personen aus des Apostels Umgebung. Lobpreisung Gottes zum Schluß. 159 27. Demselbigen Gott, der allein weise ist [1. Tini. 1, 17], sei Ehre durch Jesum Christum sin welchem er eben vermöge seiner allumsassenden Gnade als allein weise erscheint Kap 11, 33; Ephes Z, 10] in Ewigkeit» Amen [vgl. Ephes Z, 20 f.; Judä V. 24 u. 25]. V) Die Stärkung, welche nach Katz. 1, 11 der Apostel bei seiner persönlicheu Anwesenheit den Römern bringen wollte, sollte einstweilen sein Schreiben er- sehen; wie er aber schon dort durch die passive Form, deren er im Grundtext sich bedient: »auf daß ihr ge- stärket werdet«, andeutet, daß er das Stärken nicht sich, sondern Gott zuschreibe, so führt er es hier aus- drücklich auf ihn zurück. Indem nun Gott allein es ist, der sie stärken und befestigen kann, sein Brief an sie aber denselben Zweck verfolgt hat, so kann er diesen nicht passender schließen als mit einer Lobpreisung des Gottes, von dem alle Stärkung eigentlich ausgeht. Es ist aber speziell sein Evangelium, seine Predigt von Jesu Christo, welche eine solche Stärkung gerade derjenigen Gemeinde, die er hier vor sich hat, mit Zuversicht erwarten läßt; denn diese vorherrschend aus Heidenchristen bestehende Gemeinde der heidnischen Welthauptstadt Rom drückt mit ihrer Existenzl an und für sich selber schon seiner Verkündigung von dem Mitbestimmtsein der Heiden ur gliedlichen Gemein- schaft am Leibe Christi das Siegel der Wahrheit auf, und wie ihn nun dieser Gemeinde gegenüber von An- fang an der Gedanke an sein Heidenapostelamt und an die Mitberufung der Heiden zum Evangelium lebendig bewegt hat (Kap. l, 5 f. 13 ff.), er auch im ist (Kap. 3,«29; 4,10f.; I, 24 ff. so; 10,11 ff.;11,11. 133 30;’15, 9 15 ff.), so daß er als durchgehends beim Diktiren ihn begleitender Gedanke sich heraus- stellt,»so kehrt er nun auch am Ende des Briefs gleich- sam m» diesen Anfang zurück und giebt demselben so seinen in sich vollkommen gerundeien Abschluß. Kom- menden Jrrlehrern gegenüber (V.17ff.) bedürften die Römer vor allen Dingen der Stärkung in seinem Evangelio, in der Predigt von Jesu Christo, in welchem weder Jude noch Grieche, weder Beschneidung noch Vorhaut gilt; darum preist er den Gott, der sie in diesem Evangelio zu stärken vermag, wodurch er ihnen zugleich diese Stärkung anwiinscht (Philippi.) »Es) So legt Paulus zuletzt seine fleischliche Weis- liest, wonach er weiland wider Gott stritt, sammt aller Weisheit der Klagen dieser Welt, unter die Füße der Majestät des allein weisen Gottes. (Besser.) Die Lob- preisung Gottes in V. 25—27 findet sich in mehreren Handschriften nach Kap. 14, 23., in andern sowohl dort als hier, also zwei Mal; aber die Stellung hier, und zwar allein hier, ist, wie die am meisten be—- zeugte, so anch die ursprüngliche Nur durch eine Versetzung sind die Verse an’s Ende von Kap. l4 zu stehen gekommen, indem man an der den Brief schließenden Doxologie Anstoß nahm, weil kein andrer paulinischer Brief mit einer solchen schließt und der gewöhnliche Schluß schon in V. 24 sich findet, dagegen das ,,stärken« in V. 25 sich auf die ,,Schwachen im Glauben«, von denen Kap. 14 handelt, zu beziehen sch1en; Abschreiber nun, die beide Stellungen, sowohl die am Ende von Kuh. 14 als die am Ende von Kap. 16 kannten, jedoch keine Entscheidung zu geben wagten, führten auch beide in die von ihnen beforgten Laufe des Briefs immer wieder auf ihn zurückgekommen Handschriften ein. (de Wette) Lin die Römer« gesandt von Garinth durch sdhöbem die am Dienst war der Gemeine zu Kenrhreä [Kap. 16, 2]. Scljluskliemerlkungen zu der Gpislrl an die siismer Die Briefe des Paulus verdanken ihre Entstehung der apostolischen Gestaltung seines Lebens tm Ganzen wie in einzelnen momentanen Berührungem der Apostel, so unermüdet thätig, genügte sich nicht mit anwesender Leitung der durch ihn unmittelbar oder mittelbar gegründeten Gemeinden; auch abwesend wollte er mit ihnen die geistige Gemeinschaft unterhalten und hervortretende Bedürfnisse gleichsam gegenwärtig befriedigen, auch abwesend Freunden und Schülern Berather und Vater sein und einem jeden nach Beruf und Gabe dienen. Der Stil aller seiner Briefe ist denn ein treuer Abdruck seiner Persönlichkeit; charakteristisch daran ist ein Reichthum der Sprache und eine Fülle und Lebendigkeit des Ausdrucks bei gleicher Fiille und Tiefe des Gedankens, welche einen gewissen Mangel an klassischer Correktheit und rhetorischer Rundung mehr als ersetztp Die Gedrungenheit der Con- struction, die verhältnißmäßige Menge von abgebrochenen Sätzen, Ellipsen, Parenthesem dabei aber auch von belebenden Antitheseiy Steigerungen, Fragen 2c., alles dies ist ein charakteristisches Zubehör dieses Mangels wie jenes Reichthums. Die Folge der paulinischen Briefe nun, wie sie im Kanon des Neuen Testaments vorliegt, beruht nicht auf der Chronologie oder der Zeit ihrer Abfassung, viel- mehr theils auf Wichtigkeit und Umfang des Inhalts, theils aus der Rangordnung derer, an welche sie gerichtet sind. Voran stehen daher die Briefe an ganze Gemeinden, dann erst folgen die an einzelne Personen; nach Maßgabe der Chronologie müßte aber, der von uns vertretenen Ansicht über die Abfassungszeit der verschiedenen Episteln gemäß, die Reihenfolge diese sein: 1) die beiden Episteln an die Thessalonichey im Jahre 52——53 von Corinth aus geschrieben; 2) Ep. an die Galater, zu Ende des J. 54 von Ephesus aus; Z) I. Ep. an Timotheus, im Juli des J. 56 von Corinth aus; 4) I. Ep. an die Corinther, um Ostern 57 von Ephesus aus; 160 Schlußbemerkungen zur Epistel an die Römer. b) Ep. an Titus, einige Zeit nach Ostern des J. 57 von Ephesus aus; 6) 2. Ep. an die Corinthey im Sommer 57 von Macedonien aus; 7) Ep. an die Römer, im Frühjahr 58 von Corinth aus; 8 2. E . an Timot eus . 95 Es» s« die Ephesksr E im Sommer 61 von Rom aus; 10 E . an ilemon U? an Colosser E 61 Von Rom aus? 12) Ep. an die Philippey gegenEnde 62 von Rom aus. In unsrer deutschen Bibel finden sich unter fämmtlichen paulinischen Briefen, sowie unter der Epistel an die Hebräer, die schon in alter Zeit aufgekommenen, besonders von dem alexandrinischen Diakonus Euthalius (um 450 n. Chr) weiter ausgebildeten Unterschriften, welche traditionelle Vermuthungen über Zeit und Ort der Abfassung enthalten, deren Angaben aber meistentheils erweis- lich unrichtig sind. Bei unserm Briefe indessen ist das Richtige gesagt, wenn die Unterschrift dahin lautet: An die Römer gesandt von Corinth durch Phöbe, die am Dienst war der Gemeine zu Kenchreäh War aber einmal, wie vorhin bemerkt, nirht die Zeitfolge, sondern die Bedeutung des Inhalts und der Empfänger maßgebend für die Zusammenordnung der Briefe des Apostels im Kaum, so ist es ganz sachgetnäß, daß die Epistel an die Römer den ersten Platz ein- nimmt; denn Rom, das Ende der alten Heidenwelh ist nach Gottes Rath auch der Anfang, der universelle Herd und Ausgangspunkt der neuen katholischen Christenwelt geworden und für die Zeiten der Heiden (Luk. 21, 24) in die Stelle Jerusalems eingetreten, das während dieser Zeiten zertreten daliegen muß. Und wie so die römische Gemeinde für die Wirksamkeit des Heidenapostels die höchste Staffel bezeichnet, bis zu der er emporsteigen mußte, so ist nun auch der Inhalt seiner an diese Gemeinde geschriebenen Epistel gleichsam eine paulinische Dogmatik, indem alle wesentlichen Momente, die der Apostel in seiner Behandlung des Evangeliums vorzugsweise hervorzuheben pflegte, hier ausführlich entwickelt werden. Die Epistel sollte die perfönliche Predigt Pauli einstweilen, bis diese selber erfolgen würde, in Rom vertreten; daher enthält sie eine zufammenhängende Lehrentwickelung des spezifisch paulinischen Evangeliums, wie keine andere. Wie die Briefe an die Colosser und Epheser vorwiegend christologischen, die beiden Corintherbriefe ecclesiastischen, die beiden Thessalonicherbriefe eschatologischen, die sog. Paftoralbriefe nebst dem Briefe an Philemon pastoralen und die Epistel an die Philipper vorwaltend ethifchen Charakters sind, so sind der Galater- und der Römerbrief soteriologisch; während aber jener es vornehmlich zu thun hat mit dem Gegensatz, der Gerechtigkeit des Glaubens gegen die judaistische Gerechtigkeit aus den Werken, so hat dieser es zu thun mit dem universelleren Gegensatz der Gnade und der Glaubensgerechtigkeit zu dem allgemein menschlichen Verderben sowohl der Juden- als der Heidenwelt Welche Bedeutung nun unserm Briefe fpeziell in der Entwickelungsgeschichte der christlichen Kirche zukommt, darüber wurde schon zu Apoftg. 20, 2 das Nöthige bemerkt. Zhic I. ttkpisiel St. sllauli an dir Clloriuiher Wie der Römerbrief die Glaub ensepistel ist vor allen andern, so ist der erste Corintherbrief vornehmlich die Kirchenepistel oder, um denselben noch näher und im Unterschied vom Epheserbriefe zu bezeichnem die Kirchenordnungsepisteh denn durch die traurige Nachricht von allerlei Unord- nung in seiner geliebten corinthischen Gemeinde, sowie durch Fragen ihrerseits nach christlöblicher Ordnung in Dingen, worin sie sich nicht zurechtzufinden wußte, wurde Paulus zum Schreiben dieses Briefes veranlaßt. gestiftet, zum immerwährenden Segen der Kirche Das 1. Kapitel. Vermahnung zur Einträohtigiieit und Demuih A· Der Eingang des Srhrribens zerfällt in zwei Abschnitte: I— V. 1—3. Der Schreiliendr nennt sirh und seinen Mit— arbeitet, wendet sich an die, an wrtehe sein Schreiben gerichtet ist, bezeichnet sie ebenfalls, wie er das vorher in Beziehung auf sieh selbst und seinen Genossen gethan, nach ihrem Ucrhältniß zu Gott und dein Heiland, und wünscht nun non Gott, dem Vater, und dem ijttirrn Jesu Christo in Gnade und Friede ihnen den Inbegriff aller Hcilggüter herab. 1. Paulus, berufen zum Apostel Jesu Christi [Röm. 1, l; Apostg.-9, 15; 22, 21], durch den Willen Gottes [dessen Gnadenwahl bei solcher Be- rufung den obersten Beftimmungsgrund abgab Gab l, 15 f-], und fmit Paulus zugleich] Bruder Softheuesi fden er hier in Ephesus bei sich hat und der ihm beim Schreiben dieser Epistel hilf- reich zur Seite gestanden Kap. 16, 21; Röm. IS, 22] 2. «Der Gemeine Gottes zu Corinthtt [an welche beide die Epistel richten 1. Thess. 1, 1 Anm. 1], den Geheiligicn in Christo Jesu [in dessen Lebensgemeinschaft sie, die einzelnen Glieder der Gemeinde, durch den Glauben stehen], den berufenen Heiligen [Röm. 1, 7], sammt allen denen fberufen und geheiligt], die anrufen den Namen unsers HErrn Jesu Christi [Apostg. 2, 21; 9, 14; Rom. 10, 12] an allen ihren und unsern QrtenNtt 3. Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem HErrn Jesu Christo [Röm. l, 7 u. I. Thess. 1, 1 Anm.]. d) Das ,,berufen« steht willkürliches: Anmaßung, eigenmiichtigem Sicheindrängen entgegen; im Hinblick auf Parteien, welche sein Apostolat nicht gelten ließen, ihn den von Christo berufenen Aposteln nachsetzen wollten, war es am Orte, daß Paulus seine ebenfalls unmittelbar durch Christum und nach Gottes Willen erfolgte Berufung bestimmt hervorhob. (Kling.) Der miterwähnte ,,Sosthenes« ist ein sonst unbekannter Mann; der in Apoftg. 18, 17 genannte jüdische Vor- steher der corinthischen Shnagoge ist es schwerlich, wenigstens« fehlt uns für die Annahme seiner späteren Dächseps Bibelwerk VlI. Band. Hier hat die bischöfliche Tugend und Weisheit des Apostels ihr reichstes Denkmal (Besser.) Bekehrung und eines so nahen Verhältnisses zu dem Azriosielywie es unsre Stelle voraus-seht, jede Spur. urger· «) Corinth, die altberüh1nte Handelsstadt auf dem Jsthmus (der den Nordosttheil Griechenlands oder Hellas mit dem Südwesttheile oder dem Peloponnes verbindenden Erdzunge, s. Karte 1V.), der üppi e Sitz der Bildung und Ueberbildung, desgleichen der irren- losigkeit, insbesondere des schamlosen Aphrodite-Cultus, war das Ziel der zweiten Piifsionsreife des Apostel Paulus gewesen; während seines anderthalbjährigen Aufenthalts vom Herbst des J. 52 bis zu Ostern 54 n. Chr. pflanzte er das Christenthum daselbst und stiftete eine, gleich anfangs vorwiegend aus Heiden- Christen bestehende Christengemeinde (Apost· 18,1—17). Als dann ein Halbjahr später, im Herbst des J. 54, der beredte und fchriftgelehrte, alexandrinisch gebildete und von einem bloßen Johannisjünger u einen: vollen Bekenner Christi durch Priscilla un Aquila bekehrte Apollo von Ephesus nach Corinth über- siedelte (Apostg. 18, 24 ff.), wurde er den Gläubiger! daselbst sehr nützlich, da er vermöge seiner Gewandt- heit in der Auslegung der Schrift die Juden in öffent- licher Verhandlung nachdrücklich überführte, daß Jesus der Christ sei; aber die kunstmäßige und rednerische Form, in welcher er das Evangelium verkündigte, so sehr sie die Gemeinde an Lehre und Erkenntnis; för- derte, und der von der einfachen Weise des Paulus (Kap. 2, 1ff.; Z, I f.) nicht minder abstechende, auf dem Gebiete der Apologie und Typologie sich bewegende Jnhalt seiner Predigt gab doch zugleich Anlaß zu den Anfängen jener Parteibildung, welche ernach in so zerriittender Weise um sich griff· Nach iap. 16, 7 u. Cor. L, l; 12, 14. 21; IS, 1 f. zu urtheilen, machte der Apostel einen zweiten Besuch in Corinth, dessen jedoch in der Apostelgeschichte nicht erwähnt wird; derselbe geschah im Sommer des J. 56 während der mehr als zweijährigen Wirksamkeit Pauli zu Ephesus (Apostg. 19, 20 Anm.). Er kam damals über Mare- donien auch hierher zur Anregung einer Collekte für die armen Gemeinden in Judäa, und was er nun sah und beobachtete, erfüllte ihn mit Traurigkeit; unter dem Eindruck seiner Betrübnis; und Sorge richtete er an den Timotheus seine erste Epistel nach Ephesus, doch fchien die Zeit zu einem energischen Eingreifen ihm noch nicht reif, er begab sich vielmehr mit seinem Begleiter Titus auf ein neues Arbeitsfeld, nach der Insel Kreta, wo er nach Stiftung einer Christen- gemeinde zur weiteren Pflege derselben eben diesen Gehilfen zurückließ. Aber in Ephesus angekommen, richtete er, um von der C iftel an Titus hier abzu- sehen, ein Schreiben nach orinth, das wir freilich nicht mehr besitzen, auf das jedoch in Kuh. 5, 9 aus- 11 " 162 1. Corinther 1, 4—9. drücklich Beziehung genommen wird. Darin strafte er, was er aus eigener Anschauung der Strafe be- dürftig erkannt hatte, und stellte sein baldiges Wieder- kommen zu einementschiedenen Auftreten nach einem Plane, der freilich hernach in dieser seiner ursprüng- lichen Anlage (2. Cor. I, 15 f.) nicht zur Ausführung gekommen, in Aussicht; indessen erreichte er damit nicht, was er wollte, im Gegentheil wurde jetzt von seinen Gegnern die Agitation gegen ihn mit doppelter Heftigkeit betrieben. In Folge dessen ging dann im nächsten Frühjahr (67 n. Chr.) von Seiten der Corinther unter Abordnung einer eigenen Gesandtschaft, die aus Stephanus, Fortunatus und Achaikus bestand, ein Schreiben bei ihm ein, aus welchem er ersah, daß etliche seiner Aeußerungen falsch verstanden worden waren, und in welchem die Gemeinde seine Rügen durch Berufung auf angeblich apostolische Ueber- lieferungen zu entkräften versuchte und, wenn auch unter n1ancherlei höflichen Redensarten, doch eher ihren Verbleib bei diesen Ueberlieferungen als ihre Unter- würfigkeit unter des Paulus Anordnungen zu erkennen gab (Kap. 5, 9 u.11; 7, 1; 8, 1ff.; II, 2 ff.). Gleich- zeitig empfing der Apostel durch die aus Chloös Ge- sinde (Kap. 1, 11) mündliche Nachrichtem die das Bild der in Corinth herrschenden Wirren, wie wir sie her- nach werden im Einzelnen zu betrachten haben, ver- vollständigteiy während er nun den Timotheus und Erastus auf dem Wege über Macedonien nach Corinth abordnet behufs Vorbereitung der demnächst für Judäa zu veranstaltenden Collekte, bei welcher Gelegenheit der erstere der wider den Apostel aufgeregten Feind- schaft die Spitze abbrechen und verständigend auf die Gemeinde einwirken soll, giebt er den oben genannten drei Abgeordneten derselben sein Antwortschreiben in dieser 1. Epistel an die Corinther bei ihrer, um die Osterzeit des J. 57 n. Chr. auf dem Seewege (s. Karte VI1I.) erfolgenden Heimreise mit. Die Unter- schrift, welche man dieser Epistel zugefügt hat, erweist sich also insofern als unrichtig, als einerseits den drei Ueberbringern des Briefs, Stephanus, Fortunatus und Achaikus, nicht auch Timotheus als Vierter hätte hinzugefügt werden sollen, und als andrerseits derselbe nicht zu Philippi in DJtacedonien, wie man aus falscher Auffassung von Kap. 16, 5 annahm, sondern zu Ephesus geschrieben und von dort abgesendet worden ist. WHI Der Apostel ruft mit Absicht den Corinthern ihre Zugehörigkeit zur großen christlichen Gemein- schaft in’s Bewußtsein, damit sie das Verderbliche ihrer Neigung zu Spaltungen, dadurch der Leib Christi zertrennt wird, fühlen und sich ihrer fchämen lernen. II. v. 4—9. Bevor der Apostel zur sliüge der ver— sehiedencn Mißstände in der Gemeinde schreitet, welche den Hauptzweck dieser seiner Gpislel bildet, erkennt er zuoördersi mit Dank gegen Gott das bei ihr vorhandene Gute an und knüpft an das, was Gotte-z Gnade in Christo Icsu ihr bereite geschenkt hat, die Hoffnung, diese Gnade werde sich auch fernerhin nicht unbezeugt an ihr lassen, sondern sie befestigen, bewahren und vollenden. (Epis’tel am l8. Sonntag nach Crinitatish Jm Evangelio des Sonntags (Matth. 22, 34 ff.) lenkt der HErr die Gedanken der Pharisäer von dem Gefetz auf das Evangelium hinüber; jene fragten nach dem vornehmsten Gebot im Gesetz, er deutet ihnen an, daß alle Erkenntniß des Gesetzes uns nichts nützen kann, sondern daß Christum als seinen Gott und HErrn erkennen besser ist und allein zur Seligkeit führt· Wohl ist es eine Gnade Gottes, daß er das Gesetz ge- geben hat, denn das Gesetz ist uns niithig als ein Zuchtmeister auf Christum; aber herrlicher Ist des HErrn Gnade darin geoffenbarh daß ·er uns m Christo die wahre Gerechtigkeit und die ewige Seligkeit ge- schenkt hat. Wenn der Sänger des 119. Psalms das Gesetz des HErrn rühmt und spricht: ,,ich habe Lust an deinen Geboten, und sind mir lieb«, wieviel mehr haben wir dann Ursach, das theure Evangelium zu rühmen, ohne welches das Gesetz doch nur den Tod bringt! Darum hat St. Paulus wohl Rechh wenn er hier anhebt Gott zu danken für die Gnade, die er den Corinthern in Christo Jesu geschenkt hat: solche Gnade ist alles Dankes Werth. (Dieffenbach.) Von der kirch- lichen Gemeinschaft hat die vorige Sonntagsepistel ge- handelt, sie hat die Einheit der Kirche auf das Ent- schiedenste betont: bei diesem Kapitel von der Kirche bleibt die vorliegende Epistel stehen, es wird darin die Kirche als die Jnhaberin aller Lehre und Erkenntmß, als die Verwalterin aller Gnadengaben und als die Vermittlerin aller Gemeinfchaft mit dem HErrn bis an’s Ende gepriesen. (Nebe.) Als der Apostel diesen Brief vorbereitete, hatte er allerdings die Absicht, kund- bar gewordene Verirrungen der Gemeinde zu strafen; es war Ansehn der Menschen und zerrüttende Partei- s11cht vorhanden, die Zucht der Sitten war in einem groben Falle von Fleischessünde Verabsäumt, des HErrn Tisch war verunehrt, selbst falsche Lehre in einem Hauptstück des christlichen Glaubens, der Lehre von der Auferstehung der Todten, war aufgetaucht. Gleichwohl war in der Gemeinde ein guter Kern vor- handen, der die Besserung der Schäden möglich machte und einen heilsamen Erfolg der Rüge nicht vergeblich hoffen ließ; denn der Apostel dankt gleich zu Anfang seines Briefs seinem Gott für die spürbare Wirkung, welche die Predigt von Christo zu Corinth gethan, und für den Segen auf Zeit und Ewigkeit, den sie gefchaffen habe, und seine Wahrhaftigkeit und Frei- müthigkeit gestattet uns nicht, in dieser Danksagung vor Gott eine Unwahre und unwürdige Schmeichelei zu sehen, durch welche er seine bittere Arznei in etwas habe versüßen wollen» Er hat die anklebenden sünd- lichen Gebrechen von dem guten Grunde, der vorhanden war, zu unterscheiden vermocht und die Weisheit eines geistlichen Vaters bewährt. Nun wird es sich mit der christlichen Kirche im Ganzen und Großen immer so verkåaltem wie mit dieser Gemeinde zu Corinth: es wir immer ein Kern des Guten vorhanden sein, der des Dankes vor Gott werth und ein Grund der Hoff- nung ist; und es werden auch zu allen Zeiten Sünden, Schäden und Gebrechen vorhanden sein, die der Strafe bedürfen und zur Demuth und Besserung auffordern Zuweilen wird das Gute mit Macht hervortreten und die Kirche des HErrn als die Stadt auf· dem Berge gesehen werden; aber gemeiniglich pflegt s1ch»mehr das Schlimme unsrer Erkenntniß darzubietem weil es freier zu Tage tritt, wir auch leider mehr Augen dafür haben und lieber tadeln als loben; denn das Loben macht demüthig, aber das Tadeln befriedigt unsre Eitelkeit. (Petri.) Unsre heutige Epistel ein Spiegel für unsre Gemeinden; der Blick in den- selben kann 1)uns demüthigen, 2) uns trösten. (Ziethe.) Unser Text ein Spiegel für Pfarrer und Gemeinden: 1) die Pfarrer sollen dem Apostel leichen a. an Weisheit des Verhaltens, b. an Jnnig- eit des Betens, e. an Hoffen auf Erfolg; Z) die Ge- meinden sollen den Corinthern gleichen a. an Reich- thum der Erkenntnis» b. an Uebung des Erkanntem o. an Sehnsucht nach Vollendung. (Seybold.) Wofür wir Gott am meisten zu danken haben: I) für die Gnade Gottes, die uns reich macht an Erkenntniß aushalten könnet], nnd wartet nur auf Dankbare Anerkennung des Guten, was Gottes Gnade den Corinthern verliehen. des Heils; 2) für die Macht Gottes, welche diese Er- kenntniß bei uns zur Kraft kommen läßt; Z) für die Treue Gottes, welche das angefangene gute Werk zu einem seligen Ende führt. (Westermeier.) Von der Dankbarkeit gegen Gott: 1) Dankbarkeit gegen Gott folgt auf seine Gnade V. 4—7; 2) Gottes Gnade folgt auf unsre Dankbarkeit V. Zu. 9. (Lisco.) Was die Berufung in Christi Gemeinfchaft uns bietet: 1) Licht für unsre Erkenntniß, Z) Kraft für unser Leben, Z) Trost für unser Ende. (Sommer.) Von dem Reichthum des Christen: I) worin er besteht, L) wie er erhalten und bewahrt wird. (Sommer.) Der wahre Christ hat 1) den größten Schatz, 2) das prächtigste Kleid, 3) das schönste Haus, 4) das weiteste Feld, 5) den mächtigsten Freund. (Schuur.) 4. Ich danke meinem Gott sdem Gott, zu dem ich in Wechselbeziehung stehe, so daß ich mich ihm ergeben habe, wie er sich mir ergeben, und daß er sich wiederum mir ergiebt, so oft ich mich ihm ergehe] allezeit eurethalben [vgl. Röm. I, s; 1. Thes J, 2f.; 2. Thess I, Z] fiir die Gnade Gottes, die euch gegeben ist sseit ihr] m Christo Jesn [seid, in seine Ge- meinschaft gebracht worden Joh. 1, 14 u. 16]; 5. Daß ihr [nämlich] seid durch ihn an allen Stücken sdie zu einem rechten Christen- stande gehören] reich gemacht, an aller Lehre sbesser: an allem Wort oder in aller Rede Kap. 4, 19 f.; 2. Cor. 8, 7; n, 67] und in aller Erkenntnis« is. Wie denn die Predigt von Christo in euch sin euern GemiitherUJ kräftig worden ift sindem ihr sie im Glauben habt angenommen und bisher behalten, was eben zur Folge gehabt hat, daß ihr derart, wie vorhin gesagt, an allen Stücken seid reich gemacht], 7. Also, daß ihr keinen Mangel habt an irgend einer Gabe sdes heil. Geistes, son- dern in Betreff der Charismen Röm. 12, 8 Anm. den Vergleich mit jeder andern Gemeinde wghl le Offenbarung unsers HGrrn Jesu Christi« [Ph1l. 3, 20 f.; Tit. L, 13 f.]; , 8. Welcher snämlich der Gott, welcher sein Werk an euch damit angefangen, daß er die Pre- digt von Christo in euch hat kräftig werden lassen V. S; 2. Cor. I, 21 f·] auch wird euch fest behalten bis an? Ende [des jetzigen Welt- laufs Matth. 24,13], daß ihr unsträflich seid auf den Tag unsers HErrn Jesu Christi sum vor seinem Richtstuhle bestehen zu können Röm.14,10 ff; Col. 1, 22f.;Phil. l, S; 1.Thefs. s, 13; 5, 23]. 9· Denn Gott ist treu [Kap. 10, is; I. Thesf 5, 24; 2. Thess 3, 3], durch welchen ihr berufen seid zur Gemeinfchaft seines Sohnes Jesn Christi, unsers HErrnttt sschon fiir die gegenwärtige Zeit, welche Gemein- 163 schaft aber dann sich vollenden soll an jenem Tage Joh. 17, 24]. if) Dem kurzen, grüßenden Voreingang (V. 1——3) folgt nun der Haupteingang (V. 4 ff.), gleichsam zur Vollendung des Segens in einem Dankgebet, das, in einem gedrängten und bestimmten Bild den Gnaden- stand der Gemeinde darlegend, freudig auf den Ur- sprung desselben zurück und dann auf sein Ziel und seine Vollendung hoffnungsvoll hinausblickh die Riige ihrer großen Gebrechen noch zurückhaltend, aber mit edler, ebenso gewinnender als beschämender Wahrheit, Klugheit und Liebe ihr den Eingang in ihre Herzen bereuend. Die Dankgebete, mit denen die apostolischen Briefe (mit Ausnahme weniger, die aus Gründen sie weglassen) beginnen, athmen die frische Begeisterung des Urchristenthutns und geben den Sendschreiben ein ebenso herzliches als feierliches, gewissermaßen Priester- lich-arntliches und liturgifches Gepräge. (Osiander.) Was der Apostel schreibt, ist vor allem Wahrheit; es geht ihm von Herzen, er freut sich wirklich, daß Gutes vorhanden ist und Grund zur Hoffnung für die Zukunft. Dies geht aus dem väterlichen Sinne (4, 15) hervor; es ist, wie de Wette sagt, unwillkürlicher Ausdruck des Gefühls, welches beim Apostel im Ge- denken an eine christliche Gemeinde, selbst wenn er sie zu tadeln und zurechtzuweisen hat, ein froh dankbares und hosfnungsvolles ist. Es ist aber auch keine Selbst- täuschung oder falsche Einbildung; denn wie groß auch die Gebrechen im Einzelnen sein mochten, das Werk der göttlichen Gnade war dennoch vorhanden mit allem Reichthum seiner Gaben, worauf ja auch im weiteren Verlauf des Schreibens hingewiesen wird, und die Hoffnung auf die befestigende Wirksamkeit des HErrn und auf die Treue Gottes, der sie zum Ziel der Voll- lommenheit führen werde, war ja eine wohlbegründete Jn alle dem nun ist nicht menschliche Berechnung, sondern es ist das den wahren Gesetzen der Psychologie, vor allem dem Gesetz der Liebe, die da alles glaubt und alles hofft, gemäße Verfahren, welches zur Folge hat, was menschliche Klugheit nrselbstsüchtiger Weise zu berechnen pflegt. (Kling.) Wie es Gott nicht ge- reuete, daß er seine Gemeinde m Corinth gesammelt, so that es auch seinem Knechte nicht leid, sondern er war allezeit voll Dankes darüber, daß er gewürdigt worden, die Predigt von Christo nach Corinth zu bringen; denn er sah an die Gnade, welche er den berufenen Heiligen darum zuversichtlich anwiinfchen mochte, weil sie eine Wohnstätte unter ihnen gefunden im Wort der Gnade. Laßt uns doch das Siechenhaus der Kirche ansehen lernen mit Pauli und mit Luthers Augen! (Besser.) Wer die Kirche will darnach an- sehen, daß noch etwas Gebrechliches oder auch Unreines unter dem Haufen, die da Christen heißen, gefunden wird, der wird der Kirche, ja des Evangelii und Christi fehlen und nimmer keine Kirche finden noch treffen. (Luther.) Das ,,allezeit«, das vom Denken ausgesagt wird, ist nicht streng nach dem Wortbegriff, sondern nach der Jnnigkeit der beständigen Liebe zu bemessen, vgl. Phil. 1, 3 f. (Meher.) Das allgemeine ,,an allen Stücken« wird von dem Apostel näher um- grenzt durch den Zusatz: ,,an aller Lehre und in aller Erkenntniß«; statt ,,Lehre« ist aber zu verstehen ,,Rede«, d. h. die Gabe und das Vermögen der Rede, der mannigfachen Mittheilung und Bezeugung des göttlichen Heilsgutes, denn die Nebeneinanderftellung der beiden Worte, wie sie auch anderwärts bei Paulus vorliegt, läßt nicht zu, das erstere von dem an die Eorinther ergangenen Wort zu verstehen,"sondern ge- stattet nur, auch bei ihm wie bei dem andern, an ihre U« 164 1. Corinther I, 10——12. eigene Begabung zu denken. Mit Abficht hebt der Apostel gerade diese zwei Stücke hervor; denn nicht hinsichtlich auch aller übrigen Früchte der lebet-Mig- machenden Gnade könnte ihnen der Apostel bezeugen, daß sie daran reich seien. (Burger.) Eine seltene Gabe der Rede, eine staunenswerthe Redetüchtigkeit eignet der Gemeinde; aber auch eine tiefe Einsicht, eine bewundernswerthe Erkenntniß der Wahrheit. Seiten findet man diese Gaben beisammen: meist ist die Gabe der Rede dem nicht verliehen, welcher der Gabe der Erke1i1itniß sich erfreut, so daß die Schätze der Weisheit und der Erkenntniß welche er durch tiefes Forschen aus Gottes Gnade gefunden, keine rechte Frucht tragen für die Gesammtheit; und umgekehrt ist es ja sooft der Fall, daß dem, welchem die Gabe der Rede geschenkt ist, die Gabe der Erkenntnis; versagt worden, so daß seine Rede nur auf der Oberfläche ein- hergeht. Jn Corinth hielten sich diese beiden Gaben die Wage: in aller Rede waren die Eorinther reich, das Wort der Weisheit wie das Wort der Erkenntnis» der Zuspruch der Ermahnung wie der Zuspruch des Trostes, die Rede der Prophetie zu den Menschen wie die Rede der Glossolalie zu Gott (vgl. Kap. 12, 8) stand ihnen zu Gebote; in aller Erkenntniß hatten sie die Hülle und Fülle, Erkenntniß des Heilsrathes und Erkenntniß der Heilsthat, Erkenntniß von den Höhen der Gnade und Erkenntniß von den Tiefen der Sünde, Erkenntniß von demZeugnisse und Erkenntniß von der Zukunft Jesu Christi. (Nebe·.) · · » is) Die Predigt von Christo ist in den Corinthern befestigt worden, wie es wörtlich heißt, nämlich von Gott durch die das Wort der Predigt begleitenden innerlichen Wirkungen des Geistes; durch die über- zeugende Einwirkung des heil. Geistes ist ihnen die Wahrheit des Zengnisses Jesu bestätigt, und sie sind in dem Glauben daran immer fester geworden. Diese Befestigung hatte zur Folge, daß sie an keiner Gnaden- gabe im Rückstande sind, sondern daß sie sich den göttlichen Segnungen des Christenthums in eben so reichem Maße erfreuen dürfen, wie andere im Glauben stehende Gemeinden. Der Besitz, der geistlichen Gaben, mögen diese nun zur Lehre und Ermahnung, zur Re- gierung oder zum Dienst an der Gemeinde nöthig sein, oder mögen sie zur Förderung eines christlichen Wandels erfordert werden, wird der corinthifchen Ge- meinde in reichem Maße zugeführt. (Sommer.) Was für einen Reichthum hatten die Eorinther, wie voll aller Güter war ihre Seele —— der Apostel dankte dafür, so oft er ihrer gedachtel Dennoch fehlte ihnen allen etwas, das erst noch kommen muß, die persönliche leibliche Erscheinung ihres HErrn, sein Anschaueiy wie man es in den vierzig Tagen zwischen Ostern und Himmelfahrt zu genießen hatte. Reich in allen Stücken leben sie dennoch in der Spannung, noch mehr zu empfangen, und mit der süßen Befriedigung für die Gegenwart vereinigt sich ein heiliges Verlangen nach der Zukunft. Hätten sie dieses Verlangen nicht gehabt, so wären sie weniger gegen die Gefahr des Ermattens geschützt gewesen; denn den Menschen, welcher gliicklich und aller Güter voll ist, überfällt die Sicherheit und die Trägheit wie eine schwere Last; wenn er nicht immer vom Zuge der Zukunft und von einer Hoffnung angefrischt wird. Aller geistliche Reichthum ohne Hoff- nun ist daher nicht geeignet, den Menschen völlig glü lich zu machen und ihm dies Glück zu sichernx man kann sagen, daß »zum wahren Reichthum die Hoffnung wesentlich gehore, wie zum wahren Besitz die Verwendung, ohne welche das Wort wahr wird, das geschrieben steht: »wer nicht hat, dem wird auch genommen, das er hat«. Indem daher der Apostel von dem Warten der Corinther auf die Wiederkunft ihres HErrn redet, macht er im Grunde nur das Ver- zeichniß ihres Glückes vollständig; er setzt demselben damit keine Grenzen, er erweitert es und zeigt ihnen so den Grund und Boden, auf dem sich fein letzter Wunsch für sie erfüllen kann. (Löhe.) Zwar hat Luther das Wörtlein »nur« auslegungsweise eingefügt in die Textworte: ,,indem ihr wartet auf die Zukunft unsers HErrn Jesu Christi«, aber den Sinn hat er damit getroffen; denn zwar sagt man richtig, es habe den Corinthern doch gar viel gefehlt an der Darstellung der inwendi en Herrlichkeit der heil. Kirche im Leben, deiinoch blei t es dabei, daß sie auf sonst nichts war- teten, als auf die Endthat unsers HErrn Jesu Christi am Tage seiner Wiederkunft. Es ist heutzutage Mode unter den Träumern von einer Kirche der Zu- kunft, vielerlei Dinge, worauf sie warten, herbeibeten zu wollen in Gebetsversammlungem die man in der ganzen Welt ausschreibt und worin besonders um eine erneute Ausgießung des heil. Geistes gebetet wird. Gott ist so freundlich und gütig, daß er Kin- dern, die in Hetzenseinfalt uin einen Stein bitten, gern Brod giebt; aber die Mißachtung der in der Kirche gegenwärtigen Gnade und Wahrheit straft er, wie ein Exempel solcher Strafe zu sehen ist in den aus England eingeführten Jrvingschen Apofteln, die von sich sagen, sie seien ans das heiße Flehen vieler tausend Christen um Ausgießuiig des heil. Geistes der ganzen Christenheit gegeben, um alle Gliiubigen dem nahen Anbruche des tausendjährigen Reiches wohlge- schmückt entgegenzuführen. (Besser.) TM) Die Alten fanden in der Verheißung: ,,welcher auch wird euch fest behalten bis an’s Ende« einen leisen Wink, daß es mit dem festen Stande der Co- rinther nicht weit her gewesen; allein ich kann Einem von Gott erflehen, daß er fest gemacht werde, ohne daß ich damit von ihm aussage, daß er einem Rohre gleiche, welches der Wind hin und her wehet, daß er den inneren Halt, die Standhaftigkeit im Glauben ver- loren habe. Wir leugnen nicht, daß eine ganze Anzahl in der Gemeinde zu Corinth sich wägen und wiegen ließ von allerlei Wind der Lehre; aber an diese wankenden und schwankenden Seelen denkt hier der Apostel nicht. Er sieht die Gemeinde im Ganzen und Großen, Augen und Herzen gen Himmel gewandt, die Offenbarung unsers HErrn Jesu Christi erwartend; und da kann er nicht anders, als aus dem tiefsten Grunde flehen, daß Gott sie fest mache bis an’s Ende. (Nebe.) Allem Pelagianismus feind führt der Apostel nicht blos die anfangende, sondern auch die fort- führende nnd vollendende Thätigkeit im Werke der Erneuerung des Menschen allein auf Gott zurück; der Menfch hat nur die negative Thätigkeit des Nicht- widerstrebens gegen die Gnade. (Olshausen.) Die Gemeinschaft Jesu Christi, zu welcher Gott uns beruft, umfaßt das ganze Verhältniß, in welches wir durch Kraft des gehörten und ge laubten Worts und der empfangenen Sacra1nente verfetzt sind, von der Kind- schaft bei Gott, die wir in ihm haben, bis zum Erbe der Herrlichkeit, das wir mit ihm theilen. (Btirger.) Auffällig ist, mit welcher Absichtlichkeit der Apostel den Namen Jesu Christi, und zwar in volltönendster Fassung, sowohl in der·Ueberschrift (V». 1——3), wo er vier Mal, als auch in diesen einleitenden Worten (V. 4—9), wo er fünf Mal begegnet, um unmittelbar darnach (V. 10) zum zehnten Male wiederzukehren, der Gemeinde immer und immer wieder in Ohr und Seele ruft. Mit dem Eindrucke, daß in einer christ- lichen Gemeinde Christus das Ein nnd Alles ist, soll sie, welche Gefahr läuft, das Christenthum wie eine Der Epistel erster Theil: Rüge der dem Apostel bekannt gewordenen Schäden der Gemeinde. 165 Sache mensehlichen und sonderlichen Beliebens zu be- handeln, des Apostels Mahnungen, Rügen und Be- lehrungen zu vernehmen sich anschickein (v. Hosmannh B· hierauf wendet net) der Apostel im ersten Theil des Brirfe zur Mge derjenigen lsei der eortnthischen Genieinde vorhandenen Schiiden, die ihm aus eigener Erfahrung oder auf dem Wege mündlicher itiitlhcilung zur Kenntniß gekommen (v. 10—l.iav. b, Ah. I- In V. 10—Kap. 4, 21 lioinnit er zunächst aus das par— tetwesen zu spreehen, das in der Genteiude herrschend geworden, meist auf tllhristum als den alleinigen Mittel— puniit des Glaubens hin und vertheidigl gegenüber den Zumuthungen der avollonischrn parlei seine ltnnsttose Weise, dar Evangelium zu predigen. a. V. 10-—3l. Mittels Vorausschictiung der Er- niahnung zur Einigkeit im Betienntnisl und der Ab— mahnung von parteinngen bahnt sich panltis den Weg zur Knndgebting seiner Kenntnis! von den in Corinth vorhandenen vier Fractioiieii der politischen, 2lvol1isiheii, Kevhischen und Christischeii (lJ.10——12), und zieht nun zunächst wider die erste derselben zu Felde, die sich nach seinem tin-neu nennt. Wie überhaupt alles parteiwesen einem gesunden christlichen Bewusst- sein ividersvrichy das nur von den! Eiiien ringt-theilten, Allen gemeinsamen nnd Alle durch das Band der Ge- nieinschast oereinigendeii Christus weist, so ist es nach ofsene Thorheit, sich nach einen: einzelnen Apostel zu nennen, wenn er auch der Stifter der Genieiiide und ihr geistlicher Vater ist; es wird dainit Christo die ihm gebiihrende Ehre genommen und die Taufe aus dessen Namen hintenangesetzn und dazu hat sIaiilns um so weniger Veranlassung gegeben, je weniger er selber das Causen in Corinth vollzogen hat (V.13—l6). Indem der Apostel Gewicht darauf legt, das; das predigen des Evangelii sein eigentlicher Beruf sei, nnd dabei anmertit, in welcher Weise dasselbe von ihm geschehen solle, lenlit er den Kann-s seht hinüber wider die zweite Frechen, welche den Apollo zu ihrem Schildträger geniacht hat; in ihr Kommt am nieisten der eigenthlimlich griechische Geist zum Zlciss drncti, der aus Schönheit der Form und-Glanz der Weisheit sieht, daher die weitere Auseiiinndersetzting niit besonderen: Fleisi sich den Nachweis» angelegen sein lässt, dast nienschliche Liebhaberei und nienschliche Weisheit von Gott geriihtet sei, seit er in Christo Jesn sein Reich aufgerichtet habe (v. 17—31). 10. Ich ermahne euch aber, licben.Bri«ider, dnrch den Namen unsers HErrn Jesu Christi sindem ich euch aiif denjenigen Namen hinweise, welcher das Eine Bekenntniß aller Gläubigen ausmacht, und euch damit den Beweggrund zur Befolgung meiner Ermahnung vorhalte Röm- 12, 1; 15, so; Matth. 23, 8 u. los, daß ihr allzumal einerlei Rede flehen, und lasset nicht Spaltungen unter euch sein, sondern haltet fest an einander in Einem Sinn nnd in einerlei Mei- nung siu gleicher Denkungsweise und überein- stitnniendem Urtheil]. 11. Denn mir ist vorkommen szu Ohren gekommenL lieben Brüder, durch die aus Ehloes Gesinde [Röm. 16, 10. 11], von euch, daß Zank unter euch sei-« 12. Jch sage aber swenn ich da von Zänkereien rede] davon, daß unter euch einer spricht: Jch bin Paulischz der andere: Jch bin Apollisch [Kap. 3, 4; 4, b; Apostg. 1»8, 24jf.]; der dritte: Jch bitt Kephischz der vierte: »Ich bin Christisch «« [Kap. 3, 22 f.; 2· Cor· 10, 7]. i) Nachdem Paulus die Gemeinde Gottes zu Corinth a1igeschaut hat, wie sie in Jesu Christo dastand, richtet er nun den Blick darauf, wie sie die ihr gegebene Gnade gebrauchte und im Leben darstellte; da sieht er denn viel Trauriges, doch immer behält er im Auge, daß es Brüder sind, z1i denen er redet, und faßt darum sie an bei ihrem Bekenntnisz des HErrn Jesu Christi mit der Zuoersichh daß der treue Gott sie nicht lassen, sondern in die Gemeinschaft seines Sohnes, dazu er sie berufen, auch immer völliger hineinziehen werde, auch mittels dieses Briefes. Jm Römerbriefe folgt das ,,ich ermahne euch, lieben Brüder« erst im 12. Kapitel auf das Lehrbild: hier steht es gleich im Anfange, unsre Epistel gleich von Haus aus als eine Ermahnungsepistel kennzeichnend; nur. daneben, sagt Luther, macht er etliche Ausläufer heilsamer Lehre. (Besser.) Mittels desselben— Namens, der ihnen von dem Voraus-gegangenen her (V. 1—9) in den Ohren tönt, richtet der Apostel seine Ermahnung an die Eorinther; dieser Name soll der Ermahnung Eingang verschasfen und Nachdrutk verleihen, als einer auf ihn sich be- rufenden sollen sie ihr Gehör eben. Denn um diesen Namen, daß alle sich ihn das Pein lassen, was er dem Christen sein soll, handelt es sich ja hier, wo er sie ermahnt, allzumal einerlei Rede zu führen; so nämlich sagt er im Hinblick auf das einige Bekenntniß zu dem Namen Christi, und nicht, wie in L. Eor. 13, 11; Phil 2, 2·, einerlei Sinn zu haben, weil er solche Zerspaltungen der Gemeinde zu rügen hat, welche sich nicht sowohl aus auseinander gehende Rich- tun en des christlichen Lebens, als vielmehr auf eine ver chiedene, aber immer gleich salsche und in immer gleich thörichten Bekenntnissen sich kund gebende Stel- lung zu menschlichen Persönlichkeiten zurückführen. (v. Hofmannh »So sind denn auch die »Spaltungen«, auf die er hinweist, nicht eigentliche Lehrspaltungem sondern Spaltungen der Gemlither, Parteiungen in Anschließting an verschiedene Lehrer und in der Art, die Lehre aufzufassen und anzuwenden; es steht im ethischen, nicht im späteren kirchlichen Sinne. (Osiander.) Wir erkennen in diesen Spaltnngem welche der Apostel aus dem Hochmuth und aus er Ueber- schätznng menschlicher Gaben und Eigenthümlichkeiten ableitet, die große Beweglichkeih »den politischen Partei- geift und die philosophische Zanksucht der Hellenem auf christlichen Boden verpflanzt — eine Eigenthümlichkeih welche die griechische Kirche einerseits befähigte, in den Lehrstreitigkeiten der ersten Jahrhunderte eine höchst wichtige Rolle zu spielen, aber zugleich andererseits eine der Hauptursachen ihres späteren Zerfalles war. (Schaff.) Die Worte »Sinn« und ,,Meinnng«, für welche der Apostel Einigkeit und Einerleiheit fordert, beziehen sich darauf, daß man in Corinth über wich- tige Gegenstände verschieden dachte und in Folge dieser verschiedenen Denkthätigkeit verschiedene «Meinungen und Urtheile parteimäßig bildete und ge en einander verfochtz statt dessen nun sollen die Corint er im christ- lichen Denken und Urtheilen übereinstimmen, ihre rechte Verfassung soll sich im Gleichdenken und Gleich- meinen herstellen. Von beiden, von der christlichen Gedanken- und Meinungsgleichheit, ist der in V. 11 gerügte Zank die Erscheinung des Gegentheils, so daß also jene Gleichheit nicht etwa das wohlwollende Ver- handeln abweichender Punkte im Denken und Urtheilen 166 l. Corinther I, 13——19. zur Verständigung und Erzielung der Uebereinstim- mung ausschließh wohl aber die Parteiverschiedenheit und Feindseligkeit (Meyer.) Ob Chloä (d. i. die Grijnende), diejenige Frau, durch deren Angehörige Paulus in Ephesus die erste Kunde von den Spal- tungen in Eorinth erhielt, in Corinth lebte und ihre Leute nach Ephesus gekommen, oder ob sie in Ephesiis Ivohnte und ihre Leute von einer Reise nach Corinth heimgekehrt waren, ist ungewiß; daß ihre Angehörigen die in Kap. 16,17 erwähnten Männer Fortunatus und Achaikus seien, ist jedensalls sehr unwahrscheinlich. (Riehle.) Aus Liebe zur Besserung etwas an ge- hörigem Orte anzeigen, ist keine Sünde wider das achte Gebot; nur hüte ma1i sich, daß über die Wahr- heit nichts hinzugesetzt werde. Auch sollen Lehrer nicht einer jeden Narrheit glauben, sondern erst der Sache gewiß werden, ehe sie etwas öffentlich bestrafen. (Hedinger.) its) Jn Hinsicht auf diese Parteiungen muß wohl beachtet werden, d sie noch keineswegs zu äußerer Sonderung geschritten und in Sekten aus einander gegangen waren (vgl. Kap 14, 23 ; es fanden viel- mehr nur stets wiederkehrende treitigkeiten unter ihnen statt aus vorwiegender Liebhaberei für den einen oder andern Lehrer, wie sie noch heute in Gemeinden vorkommen können, an denen persönlich verschieden be abte, obwohl im Bekenntniß einige Lehrer arbeiten, da ein Theil diesem, der andere jenem den Vorzug giebt und darüber disputirt wird. Jndeß war der Vorgang gefährlich genug, um den ganzen Ernst des Apostels zu seiner Bekämpfung auszurusen, damit nicht aus der noch leicht zu hebenden Verirrung schwerere Folgen sich ergeben möchtein (Burger.) Fast allgemein wird anerkannt, daß von vier Parteien die Re e sei, die man denn vermöge verschiedenartiger Eombinationen wieder auf zwei Grundrichtuugen zurückzuführen strebt. Am nächsten liegt es da, den bekannten Gegensatz des apostolischen Zeitalters (heiden- und judenchristlich) herbeizuzieheih wonach wir zwei Richtungen zu unterscheiden hätten, von denen jede wieder in zwei Modificationen oder gar nur unter doppelten Parteinamen (Paulisch und Apollisch auf der einen, Kephisch und Christisch auf der andern Seite) existirte. Man hat aber auch die vier Parteien da- durch in zwei Haupt egensätze aufzulösen versucht, daß man eine apostoliFche Richtung, die sich an mensch- liche Vermittelungen des Christenthums anschloß (Pau- lisch, Apollisch», Kephischl und eine antiapostolische unterschied, die keinerlei derartige Vermittelung aner- kannte (Christisch); die Christuspartei stellte man da entweder auf die heidenchristliche oder auf die juden- christliche Seite, oder man erblickte in ihr einen, gegen diesen Hauptgegeiisatz sich gleichgiltig verhaltenden exclusiven Sonderbund (Holtzmann.) Die Aufeinander- folge erklärt sich am einfachsten aus der geschichtlichen Entstehung der Parteien. Die paulische steht natür- lich voran, weil ja die Gemeinde von Paulus als ihrem Stifter abhing und der bei der parteiischen Hin- neigung eines Theils zu dem hernach ausgetretenen Apollos an Paulo und seiner Weise festhaltende Theil als die Urpartei u betrachten war; ebensowenig aber als Paulus ein Tzarteihaupt sein wollte, lag dies im Sinne des Apollos, wie schon daraus zu ersehen, daß er ungeachtet des Zuspruchs von Seiten des Paulus, einen Besuch in Corinth zu machen, dies für jetzt entschieden ablehnte, um dem Parteigeist nicht neue Nahrung zu geben (Kap. 4, S; 16,12). Es hatte viel- mehr das Parteiwesen sich ohne sein Zuthun gemacht, wenn auch in Fol seines in Apostg. 18, 27 f. er- ziihlten Auftretens in Corinth. Seine Auffassung des Evangeliums war ohne Zweifel im Wesentlichen die paulinische; aber während Paulus Einfachheit der Darstellung sich zum Gesetz, machte, trat bei Apollos die alexandrinische Gelehrsamkeit und rhetorisch-dia- lektische Bildung mehr hervor. Diese war es, was ein Theil der Gemeindeglieder so überfchätztq daß sie den Apollos über Paulum stellten als einen Lehrer von höherer Bildung; und nun erhob sich diesen Apollischen gegenüber eine paulische Partei, welche den Stifter der Gemeinde als ihren Meister pries und zum Partei- haupt machen wollte. Während so zwischen beiden Parteien schwerlich ein Gegensatz der religiösen Denk- weise stattfand, und es sich nur um die Geltung ge- wisser Persönlichkeiten handelte, so wird sich der Gegen- satz einer dritten Partei, der Kephischen oder der Pe- triner, wohl aus die religiös-sittliche Denkweise erstreckt haben. Die Entstehung derselben ist, da eine An- wesenheit des Petrus in Corinth nicht nachgewiesen werden kann, auf judaistische Lehrer zurück uführen, welche auf Petrum sich beriefen und der paulischen und apollischen Partei eine gefetzlich strenge entge enzustellen ein Jnteresse hatten, indem sie wohl den etrus als den, der mit dem HErru selbst Umgang gehabt und von ihm ausgezeichnet worden sei, erhoben. Es liegt nun nahe, daß den verschiedenen, an christliche Lehrer und Apostel sich anschließenden Parteien Andere sich entgegengestellt haben, welche allein Christum als das Haupt, dem sie angehörten, hervorhoben, aber in einer parteiisch ausschließenden Weise, so daß sie, statt ein einigendes Element zu sein, den Riß ärger mach- ten; das sind denn die Christischen (Kling.) Geht man von diesem Namen der Christuspartei aus, der eine Opposition gegen die menschlichen Apostelnamen anzuzeigen scheint, so ergiebt sich, daß die Christischen alle menschliche Auctorität in anmaßender Willkür verwarfen und im Gegensatz gegen die Anhänger irgend eines Apostels, im Gegensatz gegen die von Gott selbst geordnete Vermittelung sich blos an Christum halten wollten, ähnlich wie sich viele Sekten älterer und neuerer Zeit im Gegensatz gegen die Kirchenlehre und alle Symbole blos auf die Schrift berufen, die- selbe dann aber in ihrem Sinne und durch die Brille ihrer eigenen Tradition einseitig und verkehrt auf- fassen, und indem sie die Spaltungen in der Kirche bekämpfen, dieselbe nur vermehren. (Schaff.) 13. Wie? ist Christus nun zertrennet sso daß eine jede Partei ein Stück von ihm, die eine dieses, die andere jenes hats? Jst denn Paulus sur euch gekreuziget fund hat euch damit sich zu eigen erworben Apostg. 20, 28]? oder seid ihr in Pauli Namen getauft* fund habt damit ihm euch zu Glauben und Gehorsam verpflichtet]? 14. Jch danke Gott, daß ich niemand unter euch getauft habe, ohne Crispum [Apostg. 18, 8] und Gajum [Röm. 16, 23]; 15. Daß nicht jemand sagen möge, ich hatte auf meinen Namen getauft shätte ihn durch die Taufertheilung meinerseits also an meine Person gebunden, daß er ein Recht habe, sich nach mir zu nennen]. 16. Jch habe aber auch swie mir jetzt nach- träglich einfällt und ich zur Correktur des in V. 14 Gesagten noch ausdrücklich hier hinzusüges getauft des Stephana Hausgesinde [Kap. 16, 15]; Die vier Parteien. Bestrafung zunächft derer, die sich 1iach dem Apostel Paulisch nennen. 167 darnach weiß ich nicht, ob ich etliche Andere ge- tauft habe« 17. [Jch lege überhaupt auf das eigene Taufen kein sonderlich Gewicht] Denn Christus hat mich nicht gesandt zu taufen, sondern [Apostg. 9, 15. 20; 22, 15; 26, 16 ff.] das Evangelium zu predigen, sund das thue ich nun] nicht mit klugen Worten sfo daß ich den Gegenstand meiner Predigt mit dem äußeren Gewande philosophischer Begründung oder kunstreich beredter Darstellung zu umkleiden suchte Kap. 2, 4., sondern in ganz einfacher, schlichter Weises auf daß nicht das Kreuz Christi zunichte sirgendwie feiner Vollkraft, die es an sich selber hat, beraubt und an Stelle der- selben ein ästhetischer Reiz oder blos theoretischer Beifall gesetzt] wekdeKks 18. sWerfe da niemand mir ein, daß ich durch solche Predigtweise das Kreuz Christi viel- mehr nicht zu seiner vollen Kraft und Wirkung kommen lasse, welche allein da sich äußern könne, wo das Evangelium eben mit klugen Worten ver- kündigt werde. Eine solche Rede wäre ganz ver- kehrt l] Denn das Wort vom Kreuz ist [einestheils] eine Thorheit denen, die verloren werden fund hört auch nicht auf, ihnen das zu sein, selbst wenn man versucht, mit klugen Worten es· an sie zu bringen]; uns [anderntheils] aber, die wir selig werden, ist es eine Gotteskraft [Röm. 1, 16 und ist das um so mehr, je weniger es mit mensch- lichem Schmuck ausgestattet wird]. 19. Denn swas namentlich den ersten Punkt betrifft, daß Gott der HErr, wenn er n1in Hilfe und Heil schafft, es in einer Weise thun werde, die denen, welche des Heils verlustig gehen, als Thorheit erscheint] es stehet sin Jes. P, 14J ge: schrieben: Jih will zu nichte machen die Weisheit der Weisen, und den Verstand der Verstandigen will ichverwersens fvgl 2. Cor. 2, 15 f.]. i) Die erste Frage: ,,Wie? ist Christus nun zer- trennet?« fchlägt die Vielheit und den Zwiespalt der Parteien mit der Jdee der Einheit und Untheilbarkeit Christi und seines Rechts an die Gemeindejsowie der Gemeinde an ihn, darnieder. Der Sinn ist: hat jede Partei in ihrem schroffen Absonderungstriebe ihren besonderen Christus? ist Christus verstümmelt und zerrissen, in sich selbst 1ineinig, da es seine Kirche ist? macht er Parteien und hat keine den ganzen Christus? Er straft ihre Thorheit und Einseitigkeit, mit der sie sich selbst des ungetheilten Se ens, der ungefchinäler- ten Erkenntnis; und Gemein chaft Christi berauben. (Osiander.) Was er weiter fragt: ,,ist Paulus für euch ekreuzigt? oder seid i r in Pauli Namen getauft?« gätte er begreiflicher eise von Petrus und Apollo ebensogut sagen können; er wählt aber absichtlich s ein e n Namen, zum Zeugniß, daß er nicht im Entferntesten gemeint ist, die Pauliner etwa deshalb glimpflicher zu beurtheilen, weil sie ihn zum Aushängeschild ge- brauchen, und der Zweck der Frage ist, von den will- kürlich selbstgewählten Sonderstellungen sie auf die einzige, unverrückbare Grundlage ihres Glaubens und Bekenntnisses, die ein und dieselbe für alle ist, zurück- zuweisen. (Burger.) Die erste Frage ist eine dem Apostel selbst und unmittelbar aus dem gerügten That- beftande erwachsende, die zweite dagegen richtet er an die Leser; jene hat die Art einer Folgerung, indem sie die Voraussetzung benennt, unter welcher allein jener Thatbestand berechtigt wäre, diese nöthigt den Lesern ein befchämendes Nein ab, mit welchem sie sich selber das Urtheil sprechen. (v. Hofmann.) Jn der ersten Frage liegt absichtlich etwas Widersprechendes um den Corinthern die Absurdität solcher Anhänglichkeit an Menschen zum Bewußtsein zu bringen und sie auf den Gekreuzigten als alleinigen Grund ihres Heils zu ver- weisen; ie zweite Frage geht auf ein, freilich nur durch grobes Mißverständniß, doch an sich mögliches Moment ·· Unverständige konnten sich denken, daß sie durch die Taufe in ein besonderes Verhältniß zu dem gesetzt wären, der die Taufe vollzog. (Olshausen.) Wie die Corinther einen Werth darauf legten, von wem sie getauft worden waren, statt daran zu denken, auf wen, so legen jetzt Manche einen größeren Werth darauf, von wem, als in was und zu was sie con- firmirt worden sind. (Bibl. Wörterb.) «) Indem Paulus zeigen will, wie absurd das Bekenntniß derer sei, die von sich sa ten: ,,Jch bin Pauliseh« (V. 12), weil es so absurde oraussepungen haben würde, wie die in der zweiten Frage V. 13) angedeuteten, geht er auf das erste Moment: ,,ist denn Paulus für euch gekreuziget?« nicht näher ein, da die Antwort auf solche Frage sich von selbst versteht; da- gegen fügt er dem andern Moment: ,,oder seid ihr in Pauli Namen getauft?« weitere Ausführungen hinzu und macht ausdrücklich die einzelnen wenigen Fälle, wo er in Corinth die Taufe selbst verrichtet hat, nani- haft. Nachdem er da zunächst wei von ihm getaufte Personen genannt (V. 14), fällt ihm noch eine corinthische Familie, von der dasselbe gilt, ein, und gewissenhaft trägt er das nach, worauf er, da mit eben diesem Nachtrag er sich bewußt geworden, daß er feinem Gedächtniß nicht unbedingt trauen kann, die Mb lichkeit eines etwa noch weiter nöthigen einzelnen Nacstrags ziigiebt (V. 16), zugleich aber auch andeutet, wie gleichgiltig es an und für sich ihm sei, ob er Taufen selbst vollziehe oder durch Andere sie voll- ziehen lasse (vgl. Apostg 10, 48); denn wäre dem nicht so, läge seiner Selbstertheilung der Taufe eine be- sondere Absicht zu Grunde, so würde er nicht nur nicht mit so seltenen Fällen sich begnügt, sondern auch die ver- fchiedenen Fälle sich genau gemerkt haben. Worauf indessen er selber kein Gewicht legte, auf die Selbst- ertheilung der Taufe durch ihn, darauf konnten -leicht die, denen dieselbe widerfahren, Andern gegenüber, denen sie nicht widerfahren war, einen Werth legen und sich für solche ansehen, die in ein besonderes, eigenartiges Verhältniß zu ihm gestellt, ihm gewisser- maßen einverleibt worden wären, wie ja auch später bei ausgebildeteren schismatischen Parteien in der Kirche auf die menschlichen Organe, durch die man die Taufe empfangen, ein zu großes Gewicht gelegt wurde und wie vielleicht schon damals zu Corinth unter denen, die da sagten: ,,Jch bin Kephisch«, solche sich befanden, die, aus Palästina heriibergekommem der durch Petri eigene Hand empfangenen Taufe bei den Corinthern sich rühmten und dem unter ihnen gerade sich entspiiinenden Parteiwesen die erste Veranlassung zu jener Ausgestaltung gaben, welche in V. 12 vor- liegt. Wenn der Apostel in V. 15 sagt: »daß nicht jemand sagen möge, ich hätte auf meinen Namen ge- tauft«, so denkt er schwerlich, wie manche Ausleger seine Rede aufgefaßt haben, an böswillige Verleumder, die etwa ihm schuld geben würden, er hätte bei der von 168 1. Corinther l, 20-——25. ihm ertheilten Taufe entweder unmittelbar an die Stelle des Namens Christi, auf welchen die Taufe sonst verrichtet wurde (Apostg. 8, 16), seinen eigenen Namen gesetzt oder doch neben dem ersteren auch den letzteren irgendwie anzubringen gewußt; vielmehr, da das Taufen auf jemandes Namen eine Handlung bedeutet, welche zu dem, dessen Name bei der Taufe genannt wird, in ein perfönliches Verhältniß fetzt, die aber sich Pau- lisch Nennenden sich geberdeten, als wären sie wirklich in ein solches persönliches Verhältniß zu dem Apostel gestellt worden, so sind diese selber es, die auf mittel- bare Weise ihm gewissermaßen schuld geben, auf seinen Namen getauft zu sein. Da freut er sich nun, daß er hierzu ihnen keinerlei Anlaß, keinerlei Anhalt, nicht einmal durch eine Selbstertheilung der Taufe gegeben; die Wenigen, die er selber getauft hat, kann er ohne Bedenken namhaft machen, denn gerade sie, so dürfen wir annehmen, hatten sich dem anzen Parteitreiben fern gehalten, was wollten aber gie Andern, die sich Paulisch nannten, auch nur für einen Schein des Rechts vorbringen, um denen, die sich Kephisch nannten, sich als Paulische gegenüberzustellen? Er hat es nicht aus eigener Berechnung gethan, wenn er des eigenen Taufens sich möglichst enthalten und damit einer Paulus-Partei jedes Recht der Existenz von Haus aus abgeschnitten hat; wohl aber erblickt er eine Fügung seines Gottes darin, daß er also gethan, dieser hat gleichsam für ihn die Sache berechnet. Oft regiert die Vor ehung Gottes in unsern Dingen also, bemerkt Bengel, daß wir hernach ihre Fügung mit Dank erkennen. Eis) Das Taufen, das zwar in den Stiftungs- worten (Matth. 28, 20) den Aposteln befohlen wird und das auch Paulus selbst nicht als einen seinem Berufe fremden oder widerstreitenden Akt ansah, konnte gleich- wohl von den Aposteln nur mittelbar (vgl. Apostg. 13, 5) geschehen und mußte im Betracht ihrer höheren Begabung und um ihre Thätigkeit dem Hauptzweck ihres Berufs zu erhalten, Andern, namentlich den Diakonen überlassen werden (wie der HErr selbst während seines irdischen Lebens es den Jüngern über- ließ Ioh. 4, 2), so daß die constante Praxis der Kirche in dieser Hinsicht wie in der Natur der Sache, so im Gebrauch der Urkirche gegründet ist· (Osiander.) Die zweite Hälfte des Verses, obgleich grammatisch aus der ersten zu ergänzen, ist darum doch Anfang einer neuen Gedankenreihe, in der der Apostel sich nun zu denen kehrt, welche um der glänzenderen Vortrags- mittel des Apollos willen diesem in einer Weise den Vorzug gaben, daß darüber der Apostel aufhörte ihnen das zu sein, was er der Gemeinde von Rechts wegen war und sein mußte. (v. HofmannJ Zunichte, seiner Kraft entleert wird das Kreuz Christi durch eine solche Verkündigung, welche den Zuhörer vermöge ihrer schmeichelndem gewinnenden Form fesselt; denn wenn das Wort vom Kreuze Christi die menschliche Kunst der Darstellung und den Weg philosophischer Begrün- dung zu Hilfe nimmt, so wirkt es nicht mehr, wenigstens nicht mehr allein durch seinen Inhalt, sondern mög- licher Weise au blos durch die Form seines Vor- trags. Dann a er ist auch seine Wirkung selbst auf’s Ungewisse gestellt; denn wer sich durch die gewinnende - Form hat bestechen lassen, ohne daß er dem Inhalt der Predigt sich befreundet, der ist im Grunde nur getäuscht. Von der Kraft des Kreuzes Christi selbst wird er nichts an sich erfahren; sie ist für ihn unter der blendenden Darstellung erstickt. (Burger.) f) Der den Ideenzusammenhang zwischen dem in V. 18 und dem in V. 17 Gesagten vermittelnde Gedanke ist dieser: die Predigt des vangeliums darf deshalb nicht in Menschenweisheit geschehen und diese ebt aus dem Grunde die Kraft jener auf, weil beide, vangelium und Menschenweisheit, widerstrebende Elemente sind, die keine Verbindung gestatten; eins entzieht dem andern seine Natur und beide trachten einander zu vernichten. Daher, wo Menfchenweisheit herrscht, erscheint das Evangelium als Thorheit; wo das Evangelium herrscht, da erscheint die Menschen- weisheit als Thorheit und das Wort vom Kreuze als die ächte Weisheit. Dieser Gegenfatz gegen die Thor- heit wird zwar nicht ausgesprochen, er liegt aber in dem Ausdrucke ,,Krast« mit beschlossen; denn die wahre Weisheit ist eben Kraft. (Olshausen.) In beiden Sätzen ist ein Dativ des Urtheils (,,denen, die ver- loren werden —- uns, die wir selig werden«); aber in dem einen eines in Verblendung beruhenden Vor- Urtheils, in dem andern eines in Erfahrung begrün- deten Urtheils der Wahrheit. (Kli3kcf.) Das Wesen des Wortes vom Kreuz fpricht der postel dahin aus, daß die einen ihm als einer Thorheit gegenüber stehen müssen, während die andern eine göttliche Macht der Errettung an ihm besitzen; nach dem, was ihnen wider- fährt, bezeichnet er die einen als die, die verloren werden, die andern als die, die da selig werden, ohne darum ihre göttliche Vorherbestimmung zu solchem Geschick den Grund sein zu lassen, woher es kommt, daß dasselbe Wort den einen Thorheit, den andern göttliche Macht ist. Um solche Grundangabe ist es iiberhaupt nicht zu thun, sondern um das Ueberein- treffen der beiden Gegensätze, daß aus dem einen und selben Menschengeschlecht die einen umkommen, die andern« Rettung finden, und das; das eine und selbe Wort des Kreuzes eine Thorheit ist und eine göttliche Macht. (v. HofmannJ Mit dem Wörtlein ,,uns«, das der Apostel seiner Rede zusetzt, da er nun von solchen fpricht, die da selig werden, will er die Co- rinther von ihren abschiissigen Wegen zurückziehen zu der Gnade ihrer Berufung; sie standen im Begriff, die Kunst der Pharisäer und Schriftgelehrten in ver- feinerter Gestalt, als Wissensgerechtigkeit, unter sich in Schwang zu bringen, darum hält er ihnen jenes prophetische Wort vor, das an den heuchlerischen Schriftgelehrten und Gesetzesklugen in Israel sich er- füllt hat, als der HErr Jesus zu ihnen kam und die Sehenden blind wurden, vgl. Matth. 15, 7 ff.; Joh. 9, 39. (Besser.) 20. sHat nicht der HErr den eben ange- führten Spruch zu dieser jetzigen Zeit, wenn man auf den Bestand der Heilsgemeinde hinblickt, in augensälliger Weise ersiillt?] Wo [so sagen wir mit dem Propheten: Jes. 19, 12; 33, 18] sind die Klagen? wo find die Schriftgelehrten? wo sind die Weltweisen? Hat nicht Gott sum noch auf eine andere Stelle der Schrift, Hiob 12, 17., Bezug zu nehmen] die Weisheit dieser Welt zur Thorheit gemacht? · 21». Denn dieweil die [vorchristl1che] Welt durch ihre sheidnische Welt- und jüdische Schuh] Weisheit Gott m feiner Weisheit [besser: an der Weisheit Gottes, wie er den Heiden in den Werken der Schöpfung Röm. 1, 19s.; Apostg. 14, 17 und in der Naturanlage des menschlichen Herzens Apostg. 17, 27 f., den Juden aber in der besonderen Offenbarung seines heil. Worts Röm. Z, 2 zur Erfassung seiner sie vorgelegt Bestrafung der Apollischeu Gegensatz der menschlichen und der göttlichen Weisheit. 169 hatte, Gott] nicht erkannte sdaß sie ihn wirklich erfaßt und sich zu eigen gemacht hätte], gefiel es Gott lzu dieser christlichen Zeit] wohl, durch thbrichte Predigt selig zu machen die, so daran glauben« swas ihnen gepredigt wird, so sehr es auch auf dem Standpunkte der Weisen als Thor- heit erscheint], 22. Sintemal die Juden Zeichen fordern sJoh. 4, 48J, nnd die Griechen nach Weisheit fragen [Apostg. 17, 18 ff.]; » 23. Wir aber predigen den gekreuzigten Christus, den Juden ein Aergerniß [Gal. 5, n] und den Griechen eine Thorheit 24. Denen aber, die berusensind, beide, Juden und Griechen, predigen wir Christum, fund er er- weist sich nun ihnen als] göttliche Kraft Und gött- liche Weisheit-«»- sRöm. i, is; Col. 2, 3]. 252 Denn die gbttliche Thorheit [wörtlich: das Thörichte Gottes, d. i. Gott in seiner (scheinbaren) ThorheitJ ist weiser, denn die Men- schen sind; und die göttliche Schwachheit sdas Schwache Gottes oder Gott in seiner (schein- sage? SchtrJächeJ ist stärker, denn die Menschen n . V) Jn überrafchend schneller Wendun , in ver- bindungsloser Reihenfolge andringender ragen, im Ton edlen Triumphes läßt Paulus dem prophetischen Citat die Ersiillung gleichsam auf dem Fuße folgen und giebt damit einen zweiten, verstärkten Beweis für den aufgestellten scharfen Gegensatz, der menschlichen und göttlichen Weisheit; er sieht und erklärt die erstere als vernichtet, des wahren Werthes und Ruhmes der Weisheit beraubt dur die Offenbarung der ersteren, deren Lehre und Anstalten des Heils jene weder erfinden noch verstehen und glauben, deren segensreiche Wirkungen sie nicht hervorbringen konnte. Weit entfernt, daß er das Fernbleiben dieser Weisen vom Evangelium, von der Kirche als einen Verlust siir diese beklagen sollte, sieht er vielmehr in jenen Weisen die Verlorenen und Vernichtetew Die Aus- führung gewinnt an anschaulicher Lebendigkeit durch die Ausführung der Inhaber der menschlichen Weis- eit nach ihren verschiedeiien Klassen. (Osiander.) ie Aufzählung umfaßt Juden und Heiden: beider angemaßter Weisheitsdünkel ist gerichtet. ,,Weise« ist die gemeinschaftliche Bezeichnung, ,,Schriftgelehrte« die besondere der jüdischen, ,,Weltweise« die der hellenischen Gelehrten. (Burger.) Von ihnen allen heißt es, nicht, daß sie sich nicht mehr geltend machen können, sondern daß es ihnen ergangen ist, wie das Schriftwort vor- hergesagt hat, daß sie da unfindbar sind, wo der Christ das Heil erlangt: das Heil ist ohne sie und ist nicht für sie vorhanden; sie haben nichts dazu gethan, es zu beschaffen, und der Weg, auf welchem es von Gott beschafft worden ist, hat ihre Weisheit nicht nur als Thorheit erwiesen, sondern wirklich zu einer Thorheit gemacht, indem er sie vermöge des Widerspruchs, in welchem dieser sein Heilsweg mit ihr steht, zu einer Erkenntnißunfähigkeit machte. (v. HofmannJ M) Die Weisheit Gottes lag der Welt vor Augen, den Heiden in den Werken der Schöpfung, den Juden außerdem noch in der Offenbarung des alten Testa- meutsx in dieser seiner manifestirten Weisheit hätte Gott von den Menschen erkannt werden können und sollen, aber sie erkannten ihn nicht darin, gelangten durch das von ihnen angewendete Mittel ihrer Weis- heit zu dieser Erkenntniß nicht. Darum traf· Gott die Maßregel, durch das Gegentheil von· Weisheit, nämlich durch die Thorheit des Evangeliums, die Gläubigen selig zu machen. (Meyer.) Man muß bei dem, was der Apostel in diesem Verse sagt, an Vor- christliches denken, an gewisse, der Offenbarung m Christo vorangegangene Kundgebungeu der göttl1chen Weisheit, woran die Nienschheit Gott erkennen konnte und sollte, an das Walten derselben in der Natur und Geschichte und an ihre Veranstaltungen in der Führung des Bundesvolksh Eine lebendige, Gemeinschaft mit Gott in sich schlieszende Gotteserkenntniß nun, wenn die Welt sie durch ihre Weisheit aus der gdttlichen Weisheit sich zu eigen ge1nacht hiitte, würde sie sur das Verständniß der vollkommenen Gottesofsenbarung in Christo, als Abschluß und Erfüllung der voran« ehenden, tüchtig gemacht haben, so daß die evangelische redigt ihr nicht eine thörichte gewesen sein wurde; aber die menschliche Weisheit oder Einsicht, die »das Organ sein sollte, Gott an oder im Bereiche seiner Weisheit zu erkennen, erwies sich als t1nta·ugl1·cl) hierzu, weil die Welt, die Inhaberin dieser Weisheit, sich von Gottes Wahrheit und Liebe abgewandt hat und durch Jrrthum und Sünde verkehrt ist. Darum fand Gott für gut, nicht mehr mittels Kundgebmig der Weisheit an die menschliche Weisheit sich zu »wen- den, sondern durch die Thorheit der Predigt seligfzu machen, die da glauben, d. h. durch eine Predigt, deren Inhalt das Gepräge der Thorheit, des Wider- sinnigen an sich trägt oder doch der Welt, wie sie ein- mal ist, so erscheinen muß, aus Sünde und Verdamm- niß zu retten und in die Seligkeit des Gottesretchs einzuführen die Glaubenden, also statt an die Weis- heit an den Glauben sich zu wenden. Das Wesen dieses Glaubens ist die der Selbstthätigkeit, dem aktiven Erfassenwollen in der Kraft des Jch, tvie sie der menschlichen Weisheit eignet, entgegenstehende reine Empfänglichkeit, das demüthige Auf- und Annehmen der Predigt von dem gekreuzigten Christus trotz der Widersprüche, die in einer solchen Heils ehre für den Verstand des natürlichen Nienschen liegen, also mit Selbstentäußerutig in Vetrefs des eigenen Meincns -und mit Lossagung von den herrschenden Ansichten. (Kling.) Die Welt muß ihre eigene Weisheit zuvor ausgeben und an etwas glauben, was vermöge der- selben ihr als Thorheit ersche1nt, ehe sie zur Erkennt- Fuß und( eksiildångtt zur wahren Weisheit gelangen ann. v. er a . »Es) Diese drei Verse (2·2—24) geben den Beleg zu dem in der zweiten Hälfte des 21. Verses Gesagten: ,,es gefiel· Gott wohl, durch thörichte Predigt» selig zu IFschMwPLHIIV Mit« VI« ? d« ALFJLTLkZUZZTkETZT , i er in ie en or en ang Beschluß in den Erscheinungen und Ereignissen der Gegenwart sich verwirklicht. Verständlicher wicrd die Aufeinanderfolge der»Gedanken·, wenn wir· den Yznhalt Yo trgeiåergelåenäh »S;·»ntedmal dies, daß åviychwahrencd te u en ei en or ern un ie rie en na ) Weisheit fragen, einen gekreuzigten Christus predigen, nur die Folge haben kann, daß der von uns Gepredcgte den Juden ein Aergerntß und deu Griechen eine Thorheit ist; aber gerade der so und nicht anders von uns gepredigte Christus istnun auch andrerseits den unter den Juden owohl wie Heiden zur Seligkeit Berufenen statt des Aergernisse·s, das die unglaubigen Juden an ihm nehmen» göttliche Kraft, und statt der Thorheih wofür die unglaubigen Griechen ihn schätzen, göttliche Weisheit«. —- Juden und Griechen 170 1. Corinther 1, 26-31. (Heiden Röm. I, 16) sind die zwei großen Abthei- lungen, in welche die Welt damals zersiel; Erkenntniß Gottes nun ist nach V. 21 bei den einen so wenig zu finden als bei den andern. Die Juden in ihrem blinden theokratischen Stolz fordern Nahrung ihres nationalen Dünkelsx sie wollen nur dem Messias glauben, der sich vor ihnen durch göttliche Wunder ausgewiesen, die Wunder Jesu aber genügten ihnen nicht einmal in den Tagen seines Fleisches, da sie ihn noch vor sich sahen und hörten (Luk. 11, 16 u. 29), nun vollends, da er am Kreuz verschieden, wollen sie ganz andere Beweise haben, um feine Auferstehung und Herrlichkeit zu glauben, als die in den Zeug- nisfen von ihm (Apostg. 5, 32) vorliegen. Sie kleben an der Erinnerung der Wunder auf Sinai und in der Wüste (Joh. 6, 80 ff.): durch ähnliche soll nicht blos der Messias vor ihnen sich verherrlichem sondern auch ihrem Ruhm und Vorzug neue Stützen geben; der sanftmiithige, demüthige Erlöser dagegen ist ihnen ein Anstoß, ein Aergerniß, sein Gebahren und sein Aus- gang am Kreuz scheint ihnen ganz und gar unwürdig des Anspruchs welchen seine Apostel für ihn erheben (Apostg. 5, 31), darum verwerfen sie ihn. Dasselbe thun aber die Griechen, die nach Weisheit fragen: ihr Sinn ist nur auf das gerichtet, was sie ftir Weisheit halten, auf scharfsinnig ausgesponnene Lehrsysteme, aus Stoff zum Disputirem Nahrung für ihren Wissens- dünkel; ein Zeugniß Gottes, dem sie sich unterwerfen, unter das sie ihre Vernunft gefangen geben sollen (2. Cor. 10, 4f.), wie es die Predigt von Christo, das Wort vom Kreuze ist, ist ihnen Thorheit Darum wird Christus, der Heiland und Erlöfer, verworfen von beiden Theilen; die Welt erkennt ihn nicht, die jiidische sowenig als die heidnische, die sich mit der Bildung von Hellas fchmückt Aber alles, was sie an ihm vermißt, das finden und erlangen in ihm die Berufenen, unangesehen ob sie den Juden oder Griechen vorher zugehört haben — Kraft Gottes, deren Erweis die Zeichen fordernden Juden begehren, und Weish eit Gottes, welche die verblendeten Griechen nicht in ihm zu finden vermögen. (Burger.) f) Man nimmt gewöhnlich an, Paulus habe bei diesem Satze von Gott kommende Thatsachem von ihm geordnete Verhältnisse im Auge, wie eben die Ver- mittelung des Heils der Menschheit durch den Kreuzes- tod Christi, welche nach dem Urtheil der sich weise Diinkenden und alles nach. dem Maßstab ihrer ein- gebildeten Weisheit Mefsenden etwas Widersinniges war; von diesem ,,Thörichten Gottes« sage er, es übertresfe alle Menschen, wie weise sie sich dünken oder gehalten werden oder was sie immer aussinnen mögen an Weisheit. Auf dieselbe Weise wäre auch das Folgende zu fassen: das ,,Schwache Gottes-«, d. i. eine göttliche Anordnung, die in den Augen der auf äußere, fleischliche Macht Haltenden nnd Pochenden ohnmächtig ist, wie die Veranstaltung der Erlösung durch einen in die Ohnmacht des Todes dahin ge- gebenen Gekreuzigten, ist stärker, trägt eine höhere Kraft in sich als die Menschen mit all ihrer einge- bildeten Stärke oder Macht. Es bietet sieh aber auch noch eine andere Auffassung dar, die der Zusammen- hang mit dem Folgenden an die Hand giebt: es sind die Berufenen in V. 24 damit gemeint, welche den Gekreuzigten als Gottes Kraft und Gottes Weisheit an sich erfahren, also göttlich weise und göttlich kräftig werden und nun als das Gott angehörige Thörichte und Schwache solche sind, die an Weisheit und Kraft die Menschen, d. i. die außerhalb der Gemeinschaft Christi bleibende Menschheit, übertreffen. (Kling.) Ob er wohl gekreuziget ist in der Schwachheit, sagt Paulus von Christo, der in seiner Gemeinde waltet, so lebt er doch in der Kraft Gottes; und ob wir auch schwach sind in ihm, so leben wir doch mit ihm in der Kraft Gottes unter euch (2. Cor.13,4). Auch in unsrer Stelle meint der Apostel, wie die folgenden Verse zeigen, Christum und die Christen, indem er den Sieg der göttlichen Thorheit und Schwachheit über die Menschen bezeugt. (Besser.) 26. Sehet an, lieben Brüder, euren Beruf [d. i. den Stand, aus welchem heraus ihr be- rufen worden seid Kap. 7, 20]: nicht viel Weise nach dem Fleisch ffleischlich oder menschlich Weise 2. Cor. I, 12], nicht viel Gewaltige, nicht viel Edle [von hoher Herkunft Luk. 19, 12] sind be- rufen sdergleichen Leute giebt es nur wenige in eurer Gemeinde, vgl. Röm 16, 23 u. Apostg. 17, 34]. 27. Sondern was thörikht ist vor der Welt, das hat Gott erwählen daß er die Weisen zu Schanden machte; und was schwakh ist vor der Welt, das hat Gott erwählen daß er zu Schanden machte, was stark ist; 28. Und das Unedle vor der Welt und das Verachtete hat Gott erwählen und das da nichts ist sso nichts geltend, als ob es gar nicht existirte, oder, wie wir zu sagen pflegen, eine Null], daß er zu nikhte machte, was etwas ist [durch Ansehen, Glück u. s. w· in der Welt seine Geltung hat], 29. Auf daß sich vor ihm kein Fleisch skein Mensch, der von sich selber ja nichts als Fleisch ist Apoftg 2, 17] rühme« [sondern jeglicher Grund zur Geltendmachung menschlicher Vorzüge ihm gegenüber völlig wegfalle Röm. 3, 27; Ephes 2, 9]. 30. Von welchem fnämlich von Gott] auch ihr [mit allen denen, die er zu seiner Kindschaft berufen Joh. 1, 12 f.] herkommt in Christo Jesu, welcher uns gemacht ist von Gott zur Weisheit sdem Grundtext entsprechender wären die Worte so zu stellen: welcher zur Weisheit uns gemacht ist von Gott], Und zur Ge- rechtigkeit und zur Heiligung und zur Erlösung. 31. Auf daß lvon euch nun also geschehe], wie [in Jerem. 9, 24., wenn man den Spruch in eine kurze Summa zusammenfaszts geschrieben stehet, wer sich rühmeh der rühme sich des HErrntt (2. Cor. 10, 17]. It) Die ,,Weisen« stellt der Apostel unter denen, aus deren Klasse nur wenige von Gott zu seinem Reiche berufen seien, voran, denn das hellenische Element der Wissenschaftlichkeit und des Wissenschafts- dünkels war das stärkste, gefährlichste und verwirrendste in der Gemeinde; dagegen ist seine Polemik amstärksten gerichtet, er concentrirt sie hier in dem beigegebenen Merkmal: ,,nach dem Fleisch«, was den Ausdrücken: ,,Weltweise« und ,,Weisheit dieser Welt« in V. 20 entspricht, doch in das innere Wesen und den Grund dieser Bildung mehr eingeht. Bei den ,,Gewaltigen« und den ,,Edlen« fällt der Beisatz weg, da die blos Nicht viel Weise nach dem Fleisch, nicht viel Gewaltige, nicht viel Edle sind berufen. 171 äußerliche Beziehung sich bei diesen von selbst versteht, der moralische Begriff von »Fleisch« aber keine An- wendung findet. Beide Klassen nun, die Gewaltigen und die Edleu, hängen mit einander nahe zusammen; unter den ersteren kann man außer den Würden- trägern, den sog. Prytanen und Demiurgen, auch die Reichen, Vermögenden verstehen, die letzteren dagegen bezeichnen die Patrizier und die vornehmeren Ge- schlechter des Biirgerstandes, wie denn in Eorinth das aristokratische Element vorherrschend war. Den mög- lich stärksten Gegensatz zu den Weisen nach dem Fleifch bildet hierauf das: ,,was thöricht ist vor (besser: in) der Welt-«; das Neutrum hier und bei den folgenden Ausdrücken dient zur Verallgemeinerung des Begriffs, vielleicht aber zur Andeutung dieser kaum als Personen, als Menschen geachteten Glieder der Gesellschaft (vgl. unser deutsches ,,d as Mensch«). Jm Gegensatz zu den Edlen stehen in steigender Auf- einanderfolge die drei Begriffe: ,,das Unedle, das Verachtete, das da nichts is «; denn zu Corinth war Stand und Herkunft der herkömmliche Maßstab für die Schätzung der Ntenschem auch gab es der sog. Ehr- losen drei Klassen in absteigenden Graden: die Thetem die Libertiner und die Sclaven. Letztere nun sind »die da nichts sind«, d. i. Personen, die in äußerster Niedrigkeit auch gar nichts mehr gelten, aller persön- lichen Geltung ermangeln. Bedeutsam ist, wie dem dreimaligen: »vor (in) der Welt« ein dreimaliges ,,hat Gott erwählet« als unmittelbar sich anschließender Gegensatz gegenübersteht; der Leser soll da den Gegensatz von Welt und Gott, von Welt und Er- wählten in ganzer Stärke fühlen. (Osiander.) Jn den ersten Jahrhunderten wurde dem Christenthum mehr- fach vorgeworfen, daß meist nur geringe Leute, Frauen nnd Sklaven zu ihm überträten: Paulus erkennt diese Thatfache nicht nur an, sondern findet in ihr selbst eine Verherrlichung des Evangeliums; denn darin gerade erweist sich dasselbe als Gottes Kraft und Gottes Weisheit, daß es von diesen Ständen ausgehend dennoch äußerlich und innerlich die Welt überwunden hat. Es hat gerade in diesen seinen verachteten Be- kennern eine Kraft des Handelns und Leidens erzeugt, die über das natürlich-menschliche Maß hinausging — sie allein haben sich dem Despotismus der römischen Kaiser nicht gebeugt; desgleichen hat es ihnen eine Festigkeit der Ueberzeugung mitgetheilt, welche die stolze griechische Weltweisheit nirgend besaß, nnd ein christlicher Handwerker konnte dasjenige beantworten, wonach der griechische Philosoph sich vergebens fragte. (Neander.) Auf Grund unsrer Stelle und iihnlicher Aussprüche der Schrift stellte der spanische Mönch Johannes a Cruce den Spruch auf: Um zu ergründen das Ganze, wisse nichts; um zu erkosten das Ganze, koste nichts; um zu besitzen das Ganze, besitze nichts; um zu werden das Ganze, werde nichts. Besser) Man könnte meinen, natürliche Gaben, eisheit, Vermögen, Standesvorzüge, kommen ja auch von Gott und können zu dessen Ehre und Ruhm angewendet werden; in der Schrift aber rechnet der Geist Gottes erst alsdann, daß man Gott die Ehre gebe und sich seiner rühme, wenn man ihn als die Quelle der Gnade in Christo kennen lernt und darin bei tiefster Vernichtigung seiner selbst all fein Heil sucht. (Rieger.) «) Vom Negativem der Ausschließung alles sich Rühmens vor Gott, wendet der Apostel sich nun zum Positiven, zu dem sich Riihmen in dem HErrn, wo- die Gläubigen dadurch bestimmt werden sollen, daß sie aus ihm sind, von ihm herkommen in Christo Jesu und in diesem ihrem Heilande alle Heilsgüter zu ihrer Seligkeit besitzen; da soll es nun allerdings. zu einem Sichrühmen bei ihnen kommen, aber eben nur zu einem solchen, dessen Grund und Gegenstand der HErr, es selbst aber die Aeußerunä des Hoch- gefühls, der Freude und Zuversicht ist. ( ling.) Der äußeren Niedrigkeit der Christen, von der in V. 27 f. die Rede war, wird in V. 30 zunächst ihre innere Herrlichkeit entgegengestellt: aus dem Vater durch den Sohn haben sie ihr Wesen; und das nicht blos in Beziehung auf ihre Schöpfung, sondern vorzugs- weise in Beziehung auf ihre Neuschöpfung, ihre Wiedergeburt. Durch welche Stufen nun diese hin- durchgeht und wer dieselbe vermittelt und vollbringt, das spricht Paulus in dem aus, was er von Christo sagt; derselbe erscheint da als ein den Menschen von Gott hingestelltes Geschenk, er ist durch seinen thätigen und leidenden Gehorsam uns Weisheit, Gerechtigkeit, Heiligung und Erlösung geworden, und was nun bei uns davon sich findet, ist die Entfaltung des in ihm Gegebenen. Die vier Begriffe stehen zu einander im Verhältnis; einer Stufenleiter und umfassen mit ein- ander die Erscheinungen des chriftlichen Lebens von ihren Anfängen bis zu ihrer Vollendung: die Weis- heit, insofern sie das wahrhaftige, wesentliche Wissen vom Göttlicheiy das Eins ist mit dem Wissen der eigenen Nichtigkeih bedeutet, ist der Anfang alles wahren Lebens; sie führt zur Gerechtigkeit und dann weiter zur Heiligung, die Erlösung aber geht hier aufs Ende, auf die Vollendung des neuen Lebens. Jst so die Wiedergeburt ganz Gottes Werk, wie die Schöpfung, Gottes Werk uach Anfang, Mittel und Ende, so hat nun auch der Christ sich desselben, seines Gottes und HErrn, zu rühmen, während dagegen ein Mensch seiner selbst sich nicht vor ihm rühmen soll; darum beruft sich Paulus zum Schluß noch aus- drücklich auf die zweite Hälfte des Spruches in Jer. 9, 23 u. 24., nachdem die erste Hälfte ftillschweigend seinen Ausführungen in V. 26 ——29 zu Grunde gelegen. (Olshausen.) Daß Paulus die Weisheit, welche wir an Christo Jesu haben, durch die Wortstellung im Grundtext sonderlich betont und ihr die drei andern, unter sich durch »und« verbundenen Stücke mittels eines dem ersten derselben beigefügten Wörtleins (rs) einheitlich nebenordnet, kann in diesem Zusammenhange nicht befremden, in welchem es sich ja um die Weis- heit vorzugsweise andelt. Sie besitzen wir damit, daß wir Christum aben, weil in ihm das wesentliche Verständniß aller Dinge und die Lösung aller Räthsel gegeben ist; nicht minder aber besitzen wir damit auch jene andern drei Stücke, welche sich zusammen zur Weisheit verhalten, wie des Menschen Selbstbestimm- barkeit zu seiner Erkenntnißfähigkeih die Gerechtig- keit nämlich oder den aufSündenvergebung beruhen- den Stand des Menschen zu Gott, in welchem wir Gottes Urtheil für uns haben, die Heiligung oder die Umsetzung unsers Verhaltens aus einem sündigen in ein unserer Gerechtigkeit entsprechendes, und die Erlösung, welche hier im Unterschied von der Recht- fertigung und Heiligung gemeint und also Herstellung aus der Knechtschaft unter dem Tode als dem Solde der Sünde in die Freiheit eines unserer Gerechtigkeit und Heiligkeit entsprechenden Lebens ist. Die Gerech- tigkeit ist die einmal für immer vorhandene, die Hei- ligung eine während unsers Lebens sich fortsetzende, die Erlösung eine jenseit unsers irdischen Lebens sich vollendende: wer dies alles sammt der Weisheit besitzt und in einem dadurch erfüllten Dasein steht, der rühme sich des HErrn, d. i. Gottes, welcher es gemacht hat, und Christi, in welchem ihm vermittelt ist, daß er in sol- chem Dasein steht. Man kann aber auch sagen, er rühme sich Christi, an welchem er alles besitzt, und 172 1. Coriuther Gottes, welcher Christum dazu gemacht hat, es uns zu sein. (v. Hosmannh Das 2. Kapitel. Einfältige Weise, das Evangelium zu predigen. b. V. l——l6. Nach dem, was der Apostel in Ren. l, 17 von seiner Sendung gesagt, halte er hinter einer längeren sachlichen Ilaseinandersetzctttg seine person einstweilen zurücktreten lassen; diese stellt er denn vorerst wieder in den Vordergrund, indem er seine Bernfserfiillttng in Corinth als eine solche be- schreibt, durch welche er das eigenthümliihe Wesen des ihm besohtenen Worts in seinen! vollen Rechte be- lassen (V.1-—5). hieraus aber weist er in eingehender Weise nach, wie die Träger des Wortes vom Kreuze Christi, so sehr dasselbe der Weit auch fiir Thorheit gelte, dennoch eine hohe Weisheit in sich tragen, wo- siir auch die Vollliommenen sie bereits ernennen; dieses. Wort ist nämlich die heimtiche, verborgene Weisheit Gottes, welche Gott oerordnet hat vor der Welt, am die, welche ihrer thcithastig werden, zur Herrlichkeit zu führen, durch die prophetie des alten Cestameitts als ein heitsgtit in sah schtieslend ange- biindigt hat, das liber alles nienschtiche Sinnen und Gedentleii weit hinausgeht, nnd nun auch geofsenbaret hat durch seinen Geist, nnd wie er durch diesen sie innerlich zu erfassen giebt, so liislt er durch ihn sie auch diejenigen, die zu ihrer Verkündigung berufen sind, in einer ihrem geistlichen Inhalt entsprechenden geistlichen: Form vortragen (V. 6—-13). Solchem Vor— trag sieht nun aber freilich der natürliche Mensch mit giinzlichem Utivermögetk der richtigen Auffassung, gegen— über, er sieht nichts als Thorheit in dem Vorge- tragenenz mer aber selber geistlich geworden und Christi Sinn in Folge der an ihn ergangenen pre- digt angenommen, steht wiederum hoch iiber allen unverständigen da, das; er wohl alles zu richten ver- mag, aber von niemand gerichtet werden liann (V. 1ir—16). l. Und ich, lieben Brüder, da ich svor 472 Jahren das erste Mal Apoftg. 18, 1 ff] zu euch kam, kam ich lmeinem Berufe eines Predigers des Evangeliums gemäß Kap. 1, 17] nicht mit hohen Worten oder hoher Weisheit smit übertegeuer Beredtsanikeitund dtalekttfcher KunftL euch zu ver- kundigen die gottliche Predigt [wörtlich: d a s Z e u g- niß Gottes» von dem, was» er in Christo zum Heile der Welt gethan 1- Joh. 5, 9]. Z. »denn ich hielt mich nicht dafur, daß ich etwas wußte Unter euch fobwohl ich auch mit an- derem Wissen euch hätte dienen können, wenn? darauf angekommen wäre], ohne allein Jefum Christum, den Getrcnzigtenr sGat 6, 14., welchen zu wissen ja so sehr euch noth that]. 3. Und tch war fanfänglich nach meiner Ge- müthsstiinmungs bei euch mit Schwachheit und mit Furcht und nnt großem Zittern« [Apost. 18, 1 n. 9]. · et. Und mein Wort und meine Predigt sats ich darnach Muth und Freudigkeit gewann und nun mein Werk unter euch mit Erfolg trieb 2, 1-11. Apostg. 18, 5 Arm] war nicht in vernünftigen idem bloßen Verstaudesbedürfniß zufagenden] Reden menschlicher Weisheit, sondern swar viel- mehr] in Beweisung des Geistes nnd der Kraft-«« [so daß diese, die in meiner Predigt sich kund gaben, euch iiberwanden]; 5. Auf daß euer Glaube lden ich auf eurer Seite herbeiführen sollte Röm. 10, 17] besteht nicht auf Menschen Weisheit, sondern auf Gottes KMftt l1- Theil— 1, S]- -l«) Die Weisheit seiner Predigt und die Macht seiner Wirksamkeit: suchte Paulus in nichts Anderem als in dem, was der jüdischen Wundersucht das größte Aergerniß und der griechischen Weisheitssucht die größte Thorheit war (1, 23), in dem Kreuze Christi. Von Christi Verföhnungstode muß alles: seinen Ur- sprung nehmen, was als ewige Wahrheit und göttliche Weisheit den Menschen erleuchten soll; jede Verkün- digung des Evangeliums, in der das Kreuz Jesu Christi nicht der Mittelpunkt ist, von dem alles her- geleitet wird, ist nicht apostolisch Damit ist aber nicht gesagt, daß keine aus dieser Grundwahrheit abgeleitete Lehre in der christlichen Gemeinde Verkündigt werden dürfte: die Reden und Briefe der Apostel zeigen, wie reich und mannigfaltig und über alle menschlichen Verhältnisse sich ausbreitend die Weisheit war, die sie aus jener Quelle schöpften, wie sie aber auch immer so leicht auf jenen Mittelpunkt zurückkommett konnten. Wie mächtig mußte diese Erinnerung wirken, da sast alle die Personen, welche der Apostel hier anredete, jener Predigt von Christo dem Gekreuzigten ihr ganzes« Heil verdankten (Kap. 9, 2); welch eine Verirrung aber in der corinthischen Gemeinde, daß er, dem sie alles verdanktety diese seine Predigt, aus welcher ihr Heil hergeflossen war, gegen sie. vertheidigen mußte! (v. Gerlachh H) Der Apostel meint hier den Mangel an natür- licher Willens-starke und Entschlossenheit, welcher ihm nach dem geringen Erfolge, den er in Athen erzielt hatte, und gegenüber der offenen Feindseligkeit der corinthischen Judenschaft die kräftige Betreibung seines Berufs so sehr erschwerte, daß ihn der HErr jener wunderbaren Ermuthigung die wir in Apostg 18, If. berichtet finden, bedürftig erachtete. Jn der mancherlei Noth und Drangsah deren er in I. Thess Z, 7 gedenkt, unter den mißgearteten und argen Menschen, von denen er in 2. Thefs Z, 2 errettet zu werden begehrt, hätte er lieber geschtviegem wenn ihn sein Beruf nicht hätte reden heißen. Somit war er weit davon entfernt, eine selbsterwählte Lehrthätigkeit zu üben, zu der ihn ein Bewußtsein sonderlicher Begabung und die Luft, sie geltend zu machen, antrieb; denn dies vor allein, und nicht blos rednerische und philosophische Verkündigung des Evangeliums, soll damit ausgeschlosseu sein, daß er an den Zustand erinnert, in welchem er sich während seines Aufenthalts in Corinth befand. (v. Hofmannh Es fragt sich, ob wir unsre Schwachheit, Furcht und Zittern nicht zu viel vertuschen und verkiinsteln und die Lücken, die es oft giebt, zu geflissentlich mit Natur- kraft ausfüllen, auch uns vor den Urtheilen der Welt zu viel entsetzem die es Einem nicht gutheißt, wenn es nicht immer in einem gleichen Muth, Fertigkeit und Brauchbarkeit fortgeht; allein wo Leben ist, da giebt es auch Abwechselungen, beim Leben hat das Wachs- thum durch Hindernisse hindurchzubrecheta (Rieger.) IN) Sowohl sein Lehrwort beim feelsor erlichen Gefpräch und beim Unterricht, als feine öffentliche Das Wort vom Kreuz, der Welt eine Thorheit, trägt dennoch hohe Weisheit in sich. 173 Predi tbotschaft verschmähte die Kunst der Weltweisen und eltredner, die durch« Denk- und Redegeschicklich- keit ihre Meinung plausibel zu machen suchen; ver- nünftige, auf Ueberredung berechnete Reden, wie inenschliche Weisheit sie an die Hand giebt, at der Diener am göttlichen Wort iiicht angewandt. s giebt eine Art glänzender und überrumpelnder Beweis- führung, welche die christlichen Lehrsätze bei der Ver- nunft einschmeichelt; hierfür würden die Corinther ge- iieigte Ohren gehabt haben, aber Paulus hat dergleicheii Schönfärberei weit von sich gewiesen. Auch hat er niemand durch Ueberlegenheit im Disputiren, Folgern und Schließen gefangen, oder gar auf die Nerven ge- wirkt und geistlichen Sinnenrausch als ein Mittel zur ,,Erweckung« gebrauchh wie die Methodisten heutiges- tages thun. Ueberzeugung der Herzen durch biindige, unumstößliche Beweisführung war sein Anliegeii und Augenmerk; aber zu solcher Beweisführung hielt er überredende Weisheitsworte oder hinreißende Gefühls- worte weder schicklich noch fähig, sondern seine Lehre und Predigt ging im Geleite der Beweisung des Geistes und der Kraft. (Besser.) Der Sinn dieser letzteren Worte kann entweder der sein: »so daß ich Geist und Kraft bekundete«, oder der: »so daß Geist und Kraft sich durch mich kund gaben«, oder auch der: »so da Geist und Kraft den Beweis fiihrten«; letzteres ist dem gewählten Ausdruck am entsprechendsten Paulus meint den heil. Geist und die in demselben sich mittheilende Gotteskraft, welche durch seine Vorträge auf die Ge- inüther, sie von deren Wahrheit überfiihrend, ein- wirkten. (Meyer.) Der Beweis des Geistes steht einem Beweis durch den Buchstaben entgegen, der Beweis der Kraft einem Beweis durch logische De- inonstration; es ist das Zeugniß des heiligen Geistes, was Paulus hier allein gelten lassen will. (Neaiider.) Hiermit ist der göttliche Zweck bei der Leitung des Apostels in der Weise seiner Verkündigung aus- gesprochen, ein Zweck, der auch »in die Absicht des Apostels selbst aufgenommen war. Die Predigt ist ja das den Glauben an Christum Vermittelnde: sttitzte sich diese auf Menschenweisheit und deren überredende, durch oberflächliche Eindrücke gewinnende Worte, so würde auch der Glaube auf einem lockeren Grunde ruhen und den Angriffen der Menschenweisheit leicht wieder erliegen können; wenn dagegen die Predigt auf dem Beweise des Geistes und der Kraft beruht, wenn darin Gottes Geist und Kraft den Beweis führt, so ruht der Glaube auf Gottes Kraft, auf einem un- erschütterlicheii Grunde, so daß er Anfechtungen, die von menschlicher Machh Kunst, Wissenschaft ausgehen, siegreich widerstehen kann. Darauf war es abgesehen; darum mußte ich, will Paulus sagen, in solcher Weise predigen. (Kling.) · 6. Da wir aber von reden snämlich das Wort vom Kreuz, das Andern als eine Thorheit erschemt Kap. 1, 18. 23], das ist dennoch Weis- heit bei den Vollkommenen sunter uns Phit 3, 15]; nicht [freilich] euie Weisheit dieser Welt, auch nicht der Obersten dieser Welt sden Machthabern und Toiiangebern in ihr], welche Vergehen smit ihrer Machtstellung und ihrem Einfluß zuletzt doch ein Ende nehmen und damit zugleich ihre Weisheit selber zu Schanden machen]; 7. Sondern wir reden von der heimlichen, verborgenen snur durch besondere göttliche Offen- barung zur Kenntniß der Menschen gelangenden, an und für sich aber in der unerforschlichen Tiefe · seiiliås Zlliathschlusses ZeschEosLeUeUJ Illåeisheit sGåttH lve ,e von Seiten es ei s, um as es i ei ihr handelt] Gott verordnet hat vor der Welt snoch vor Beginn der Zeiten Ephes 1, 4] zn unserer Herrlichkeit ssie von Ewigkeit her dazu bestimmt hat, daß wir durch sie zur Herrlichkeit eingeführt werden sollen Col. 1, 25 ff.; 1. Petri l, TO; Hebr. 2, 10], 8. Welche Weisheit] keiner von den Obersten dieser Welt erkannt hat [Joh. 1, 11]; denn wo sie die erkannt hätten, hätten sie den HErrii der Herrlichkeit sJesum Christum, den Inhaber der Herrlichkeit, aus welcher er kam und zu welcher er dann zurückkehrte Joh. 17, b; Luk. 24, 26; Jak. 2, 1;Ephef. 1, U] nicht gekreiizigett sApstg 3,17;13,27]; 9. Sondern ses verhält sich mit ihr, dieser Weisheit, was ihren Inhalt betrifft, für alle Peenschen so] wie sin Jes. 64, 4] geschrieben stehet: Das kein Auge gesehen hat, undkein Ohr gehör« hi;t, jnndCijn keibnes Hiietnlscläegitjerz ommen it, as ott ereie ia enen, die ihn lieben« [Röin. 8, 28]; 10. Uns aber sdie wir in Christo Jefn siiid und zu den Vollkomnienen V. 6 gehören] hat es [was nach dein eben angeführten Pro- phetenwort den Menschen von Natur aus uner- sichtlich und nnerforschlicli war] Gott offen- bar-et durch seinen Geist sdeii er uns ge- geben, so daß es nun uns innerlich bewußt und klar ist Gal. 1, 16]. Denn der Geist [Gottes, der heilige Geist] erfotschet alle Dinge, anch die Tiefen der Gottheitkstt 11. Denn welcher fanden] Mensch weiß, Was im Menschen ist siii mir oder in dir vorgeht], ohne der Geist des Menschen, der iii ihm ist [d. i. mein oder dein eigener Geist, der dann erst den Andern durch die Aussprache in Wort oder Ge- berden offenbaren muß, was sie von sich selbst nicht wissen können Sprüchw. 20, 27]? Also auch weiß niemand, was in Gott ist, ohne der Geist Gotiess fund der, welchem er es durch feine Einwohnung und Erleuchtung offenbart Matth. 11, 27]. se) Die llebersetzun Luthersz »Da wir aber voii reden, das ist dennoch eisheit« ist zugleich Erklarung; im Griechischen heißt es einfach: ,,Weisheit aber reden wir bei den Vollkommenen«. Es fragt sich da vor allem, was hier als Weisheit bezeichnet werde, ob dasselbe, was in V. 4 geineint ist im Zusammenhalt mit Kap. 1, 21——25., oder etwas Anderes, ein bisher noch nicht erwähnter Gegenstand der Predigt, der nur den Vollkommenen vorgetragen werden könne. Die das letztere annehmen, stützen sich dabei hauptsächlich auf Kap. Z, 1——3 und finden den Sinn, daß allerdings die evangelische Predigt auch Bestandtheile enthalte, welche Anspruch haben, Weisheit genannt zu werden, daß aber diese nicht schlechthin jedem sogleich verkün- digt werden können, sondern eine gereiftere Fassungs- kraft, eiiic höhere Stufe der Erkenntnißfähigkeit er- 174 1. Corinther Z, 12——16. heischen, wie sie bei den Anfängern, bei jungen Kin- dern in Christo noch nicht vorhanden sei; Jnhalt dieser Weisheit seien die in V. 9 angedeuteten Ge- heimnisse der Vollendung des Gottesreichs. Allein es ist unschwer zu erkennen, daß diese Erklärung in den Zusammenhang unsrer Stelle sich wenig schicken will; der Gedanke, der in Hebr. 5, 11 ff. nach dem dortigen Zusammenhang unstreitig vorliegt, daß manche tiefere Aufschlüsse der christlichen Offenbarung nicht sofort jedem zugänglich seien, hat in unsrer Stelle schon des- halb keinen Boden, weil sol e besondere, tiefere Auf- schlüsse weder hier noch in Kap. Z, 4 ff. vorgetragen werden, darüber aber, was mit dem Citat in V. 9 gemeint sei, selbst erst der Zusammenhang entscheiden muß. Ganz unzulässig erscheint es daher, nach der ausdriicklichen Vezeugung in Kap. I, 24 f. u. Kap. 2, 2. 5., daß gerade im Wort vorn Kreuze die Tiefe göttlicher Kraft und Weisheit sich erschließe, hier unter der Weisheit bei den Vollkommenen etwas Anderes, iiber das Wort vom Kreuze Hinausgehendes, von ihm als Weisheit sich Unterscheidendes zu verstehen; da- wider sträubt sich der ganze Fortschritt der Rede, wel- cher aber trefflich sich zusamnienschließh wenn der Apostel von V. 6 an nachweist, daß dennoch wirklich seine Predigt eine Weisheitspredigt sei, aber freilich nicht im Kreise der Juden und Griechen, welche ur- theilen, wie in Kap. I, 23 steht, und dieser Welt an- gzehören (V.6u. 8), wohl aber im Kreise derer, welche ! ollkommene genannt werden dürfen als solche, denen ihr Christenthum Ernst ist, die sich mit keinem bloßen Schein oder dem leeren Namen begnügen, sondern die wirklich in der Gemeinschaft Christi durch den Glauben stehen (vgl. Col. 1, 28), also im Kreise der Erwähltem wiesie in Kap. 1, 26——28 charakterisirt wurden. Daß diese Weisheit eine andere sei, als was die Welt und ihre Obersten dafür achten, wird in der zweiten Hälfte des 6. Verses noch mit Nachdruck wiederholt (vgl. Kap. 1, 22f.) und in V. 8 bestätigt als durch die That erwiesen; darum aber haben auch diese Obersten und die Welt, der sie angehören, sammt ihrer Weis- heit keine Anwartschaft auf Dauer und Beständigkeit, sondern sie vergehen, sind ihrer Natur nach zu nichts Anderem fähig als dem Untergang zu verfallen, wäh- rend die Weisheit Gottes nach V. 7 ihre Jünger der Herrlichkeit entgegensiihrt (Burger.) Ehe der Mensch die göttliche Weisheit als Weisheit erkennen kann, muß Lich zuerst die Kraft Gottes an ihm beweisen; sie muß ie Sicherheit und Vermessenheit des natürlichen Menfchen erschüttern, der Sünde ihn überführen und ein neues Leben ihm schenken, dann erkennt er die höchste Weisheit in dem, was ihm früher als Thor- heit erschien. (v. Gerlach.) Die Obersten dieser Welt bezeichnen die weltlichen Großen in Wissenschast und Staat; sie werden als diejenigen beschrieben, welche den HErrn der Herrlichkeit kreuzigten Auf die Juden allein indeß darf dieser Ausdruck nicht bezogen werden, in Pilatus sah vielmehr der Apostel den Repräsen- tanten der heidnischen Obersten, und meinte demnach eben so sehr die Heiden als die Juden in ihren wissen- schaftlichen und politischen Repräsentanten. (Olshausen.) Jn der Verwersung Jesu Christi seitens der Juden- obersten, in der Verurtheilung des den Heiden Ueber- antworteten durch den -römischen Gewalthaber stellt sich dar, wie die Welt, nicht blos der rohe Pöbel, sondern gerade die gebildete und vornehme Welt, ver- finstert ist in Unwissenheit und Gottesfeindschaft, so da ’ durch die Missethat ihrer Unwissenheit den gtgitshfchluß der Weisheit Gottes hat vollführen müssen. e ein) VI) Jn höherem Wort- und Gedankenaufschwung legt Paulus ein heiliges Siegel der Schrift seiner Behauptung bei, daß sein Zeugniß göttliche Offen- barung, erhaben über alle menschliche Weisheit, ent- halte; das Citat tritt eben so rasch und abgebrochen, ohne eigentliche Satzverbindung ein, wie das in Kap. 1, 31., und dazu liegt auf demselben in Hinsicht auf seine Quelle eine große Dunkelheit und Schwierigkeit. Schon mehrere der bedeutendsten Ausleger unter den Vätern nehmen, weil sie keine Stelle des alten Testa- ments der unsern recht entsprechend fanden, ein Citat aus einer andern Schrift, mit oder ohne nähere Be- stimmung derselben, an; namentlich aber wird als Quelle die apokrhphifche Apokalhpse des Elias ange- geben. Dagegen streitet die solenne Anfiihrungsformeb ,,wie geschrieben steht«, die nur von den kanonischen Schriften, der heil. Schrift selber gebräuchlich ist; es steht aber auch der gewöhnlichen Annahme, daß das Citat aus Jef. 64, 4 sei, nichts entgegen. Die Stelle ist zwar in Hinsicht auf Worte und Sinn ausfallend frei behandelt, jedoch wohl erkennbar; es zeigt sich darin das freie Walten des Geistes im Buchstaben der Schrift bei dem hier durch den Geist so merkbar ge- hobenen Apostel; jedoch kein regelloses. (Osiander.) TM) Wie Johannes (Joh. 1, 18) sagt: ,,Niemand hat Gott je gesehen; der eingeborene Sohn, der in des Vaters Schooße ist, der hat es uns verkündigt«, so schreibt Paulus dem heil. Geiste, dem Offenbarer des Heils Gottes im Menschenherzen, göttliche Wissen- schaft zu als Eigenschaft seiner göttlichen Würde. Er erforschet alle Dinge (,,zählst den Staub des kleinsten Sandes, griindtst des tiefsten Meeres Grund«), nicht um von Unkenntniß zu Kenntniß zu gelangen, sondern weil es ihm eigen ist, mit persönlich thätigem Wissen alles kräftig zu durchschauem auch die Tiefen Gottes. Unterschieden von Gott, dessen Tiefen er erforscht, ist er doch nicht geschieden vom göttlichen Wesen, dessen Allwissenheit in seinem Erforschen sich bethätigt Die Tiefen Gottes sind die Fülle des Reichthunis der ver- borgenen Weisheit Gottes (Röm.11,33), und Paulus wählt diesen Ausdruck, um den Quellgrund der Weis- heit des Kreuzes aus dem Gebiete der Welt hinweg in den Schooß des ewigen dreieini en Gottes zu setzen. EBesserJ Daraus, daß der Geist ottes alles erkennt, olgt aber nicht, daß er den Menfchen auch alles offen- bart; der Apostel bezeichnet in V. 12 das, was der- selbe offenbart, mit den Worten: »was uns von Gott gegeben ist«. (Olshausen.) f) Wie der heil. Geist in Gott selbst der die Tiefen Gottes durchforschende ist, so auch, indem er dem Menfchen mitgetheilt wird: um dies und die vorher ausgesprochenen Wahrheiten anschaulich zu machen, vergleicht Paulus damit den Menfchen. Auch der Mensch kann sich selbst anschauen und erkennen, und das Bewußtsein seiner selbst einigt den Erkennenden undErkannten mit sich; dies ist aber etwas dem Auge eines Andern Verborgenes: nur dann, wenn der Geist des Menfchen die Tiefe des Jnwendigen aufge- than hat fiir den Andern, wird es diesem offenbar. So auch kann alle Erkenntniß von Gott nur auf der Mittheilung seines Geistes beruhen. (v. Gerlach.) Wo nur der Geist der Welt ist, da ist schlechthin ungekannh was uns Gott durch den Geist, welchen wir empfangen haben, durch den aus Gott herkommenden, geosfenbaret hat. Wenn des erschaffenen Menfchen Jnneres gegen seine Mitmenschen, die doch Seinesgleichen sind, so abgeschlossen und verschlossen ist, wieviel mehr das Jnnere Gottes gegen jeden, der nicht er selbst ist! (v. Hofmann.) Der natürliche Mensch freilich hat für die göttliche Weisheit kein Fassungsvermögem 175 12. Wir aber ldie wir innerhalb der christ- lichen Gemeinschaft stehen V. 10] haben nicht empfangen den Geist der Welt sals wären wir dessen noch irgendwie bedürftig, wie Manche unter euch sich einreden], sondern den Geist ans Gott, daß wir sin Kraft seiner, vollkommen für sich allein ausreichenden, ja sogar allein es bewirkenden Offenbarung] wissen können, was uns von Gott gegeben ist. 13. Welches [nämlich das, was uns von Gott gegeben ist V. 9 u. 6] wir sHaushalter über Gottes Geheimnisse Kap. 4, 1] auch reden, nicht mit Worten, welche menschliche Weisheit lehren kann [nicht mit einer aus menschlichen Rede- oder Weisheitsschulen hervorgegangenen Beredtsamkeit Kap. 1, 17], sondern mit Worten, die der heilige Geist lehret, und richten geistliche Sachen geistlichkk [wohl richtiger: ordnen zusammen Geist- liches mit Geistlichem, verbinden mit der Verkündigung des geistlichen Lehrinhalts auch eine geistliche, von dem Geist Gottes uns an die Hand gegebene Lehrform]. 14. Der natürliche [wörtlich: seelische, keinen Geist habende Judä 19] Mensch aber vernimmt nichts vom Geist Gottes snimmt nicht mit Verständniß und Geneigtheit das auf, was des Geistes Gottes ist, ihm angehört und von ihm nach Inhalt und Form herkommt V. 12 u. 13]; es ist ihm eine Thorheit [Kap. 1, 18u. 23], und kann es nicht erkennen sAmos Z, 2 Anm.]; denn es muß geistlich gerichtet sein-«« skann nur dann in seinem wahren Sinn uud Wesen erfaßt werden, wenn der, der darüber urthei-lt, selber unter der Leitung desjenigen Geistes steht, der es geoffenbart und durch die Redenden V. 13 zum Ausdruck gebracht hat]. 15. Der Geistliche sder geistliche, mit dem Geiste Gottes begabte und unter dem Einfluß desselben stehende Menschs aber tichtet alles [allem, was ihm vorkommt, kann er vermöge seiner vom heil. Geist erleuchteten und getragenen Urtheils- kraft die rechte Würdigung angedeihen lassen], nnd witirbon niemand gerichtet [der nicht selber auch getstlich ist] 16. Denn sum mit dem Propheten Jes. 40, 13 zu reden] wer hat des HErrn Sinn er- kannt? oder wer will ihn uuterweisen? [vgl. Röm. 11, 34.] Wir aber sdie wir Christo wahrhaft angehören l. Joh. 2, 20] haben Christi Sinn-s- sitnd so kann auch uns niemand richten, der nicht eben diesen Sinn hat, sondern wir stehen als Mitwisser um die Gedanken und Willensmeinungen Christi und als Genossen seines Heiles da uner- reichbar für das Verständniß und das meisternde Urtheil solcher, die ihres eigenen Sinnes sich rühmen, aber weiter nichts als einen natürlichen, seelifchen, dem Geiste Gottes entfremdeten und feindseligen Sinn in sich tragen] V) Wenn auch der Apostel und die ihm gleichge- stellten Lehrer vorzugsweise und als die Erstlinge an dem hier beschriebenen Segen Theil hatten, so ist er ihnen doch gegeben, nicht damit er bei ihnen beschlossen bleibe, sondern durch ihren Dienst auch Andere er- fülle; soweit dies schon geschehen war, soweit erstreckt sich auch der Umfang dieses »wir« und der Gegensatz, in den es unser Vers stellt. »Wir haben nicht em- pfangen den Geist der Welt«; denn diesen hätten wir nicht erst zu empfangen gebraucht, von ihm sind wir ohnehin umfangen und getragen. (Burger.) Statt blos den Schluß hinzuzufügen: »wir aber haben diesen Geist (von welchem am Schlnß des vorigen Verses die Rede war) empfangen, folglich erkennen wir auch die Tiefen der Gottheit«, stellt der Apostel noch den Gegensatz dazwischen: »wir haben nicht den Geist der Welt empfangen«, weil zu der tieferen Weisheit die Corinther Weltweisheit und weltliche Redekilnst für nothwendig hielten. (v. Gerlach.) Der Geist der Welt ist das, die Welt oder die unerleuchtete und ungeheiligte Menschheit beherrschende und wirksam durchdringende Prinzip des Lebens und Denkens, das auf das Eitle, Wandelbare, Täufchende gerichtet oder, davon aus- gehend, selbst auch und in seinen Erzeugnissen eitel, wandelbar, täuschend ist, ein Prinzip der Eigenweis- heit, das die natürlichen Kräfte zur Erkenntnis; steigert, aufregt, begeistert, aber ihre Schwäche nicht überwindet und, sich selbst überlassen, von Gott abgekehrt, nicht blos mit Schwiiche und Unwissenheit, sondern auch mit Berkehrtheit und Jrrthum (1. Joh. 4, 6) behaftet bleibt. (Osiander.) Nicht diesem Geiste sind die Christen an- heimgegeben (dessen sollen die Corinther sich bewußt werden) sondern dem Geiste Gottes, der da weiß, was in Gott ist (V. 11), aber nun hier als Geist aus Gott erscheint, weil es sich um den von Gott mit- getheilten und den Herzen der Gliiubigen einwohiiendeii Geist handelt, der sie zum Wissen um die in Christo ihnen geschenkten Heils- und Gnadengiiter befähigt; der Ausdruck: »was uns von Gott ge eben ist« faßt das in V. 9 u. Kap. I, 30 Beschriebene urz zusammen. «) Wie jedwede Weissagung dem Glauben ähnlich sein soll (Röm· 12, 7), so fügt sich die Sprache der vom Geiste Gottes getriebenen Prediger zur Aehnlich- keit der geistlichen Sachen, die sie reden. Nicht mit Worten, welche menschliche Weisheit lehren kann, nicht nach ungelernten Regeln lveltlicher Beredtfamkeit und Denkkuust, sondern mit Worten, die der heil. Geist lehrt, als der nach Christi Verheißung (Matth.10, 19 f.) beides darreicht, was und wie Christi Zeugen reden sollen, also reden wir, sagt Paulus von sich und seinen Mitzeugen zur Beschärnung der Corinther, welche die Sprache desselbigen Einen Geistes im Munde ihrer, Lehrer Paulus und Apollos mißdeuteten und dem Menschen zuschrieben, was Gottes ist. Mit Rechthaben unsre Alten hier eine Hauptbeweisstelle für die wört- liche Inspiration der prophetifchen und apostolischen Lehre In Rede und Schrift gefunden. Was hülfe auch der Kirche eine heilige Schrift, deren Sinn zwar von Gott eingegeben wäre, aber ihre Worte nicht? nur aus den rechten Worten vermögen wir ja den rechten Sinn zu vernehmen. Die Weise der göttlichen Ein- gebung vermessen wir uns nicht abzuzirkelm genug, daß wir wissen, was und wie die Propheten und Apostel geredet haben, das ist gerade so, wie es da- steht, Gottes Wort, vom heil. Geist ihnen gegeben auszusprechen (Apoftg. 2, 4; 2. Petri 1, 21). Der heil. Takt und das zarte Anstandsgefühl, womit die 176 I. Corinther 3, 1——5. geistgelehrten Menschen Gottes geredet haben, drückt Paulus mit den Worten aus: ,,wir fügen zu geist- lichen Sachen geistliche Worte«, d. . wir richten unsre Redeweise dahin, daß sie den geitlichen Sachen ent- spreche, also auch selbstgeistlichseiz (Besser.) Luther? Uebersetzung: »und richten geistliche Sachen geistlich« beruht auf der Bedeutung: ,,beurtheilen«, die das griech. Wort, welches wir o en mit ,,znsamnienordnen« iibersetzt haben, allerdings auch hat; aber von einer Beurtheilun des einen Geistlichen durch ein anderes Geistliches ist in dieseni Zusammenhange nicht die Rede, sondern Paulus verbindet die Gedanken der beiden Verse 12 u. 13., da er zuerst von einem Wissen und dann von einem Reden gehandelt hat, zu einer Einheit, indem er die Gleichartigkeit von Stoff und Vortrag zuni leitenden Grundsatz; erhebt, und schließt diese Sache ab, um im Folgenden zu einer andern überzugehen, zu der Aufnahme, welche die Predigt Sdes Evangeliums findet je nach Beschaffenheit ihrer .;orer. VII) Daß die apostolische Lehre, die nach Jnhalt, Ursprung und Vortragsweise ein göttliches Gepräge hat, von Vielen nicht aufgenommen wird, erklärt der Apostel ans der Beschaffenheit der Menschen, an die sie sich wendet, welche eben so sehr in einem 9Jiißver- hältniß zu ihr steht, als sie selbst in jeder Hinsicht ein in sich Harmonisches ist. Diese Beschaffenheit wird ausgedrückt durch: ,,seelischer Mensch«, was Luther dem Sinne nach richtig durch »natiirlick)er Mensch« wieder- gegeben hat. (Kling.) Das griechische Ohr lörte in dem Worte «seelisch« dasselbe, was unser eutsches Ohr in dem Worte ,,natürlich« (fleischlich oder Mensch- lich Judä 19; Jak. Z, 15) hört; es tritt aber darin die Seite der verderbten Natur besonders hervor, wonach unser Verständniß verfinstert ist gegen über- natürliche, geistliche Dinge. Daß der Mensch von Geburt geistigen Wesens ist (V. 11), befähigt ihn nicht zum Vernehmen und Aufnehineii der geistlichen Güter, weil der gottgeschaffene Menschengeist zum gottwidrigen Weltgeiste (V. 12) geworden ist durch den Sündenfall; in dem natürlichen Menschen ist der Geist seelisch, ge- bunden von der Seele und dienstbar dem Fleische Nicht als wäre der natürliche Mensch zum Thiere ge- worden, mit welcheni er die lebendige Seele gemein hat, sondern es bleibt der persönlichen, selbstbewußten Meiischenseele der erschreckliche Vorzug vor der Thier- seele, daß sie eine sündige Seele ist oder unheiligen Geist hat; darin aber ist der des heil. Geistes baare Mensch sreilich dem Viehe gleich (Ps. 49, 217 ·2. Petri 2, 12), daß er in diesem Leben, in dieser Welt, auf Erden seine Seele weidet und sättigt, hingegeben an die Sinne und Triebe des Fleisches, unvernehmlich und unbegierig in Betreff der Weisleit, die von oben herabkommt (Jak.3,15). Es isi unsre Natur, die Art unsrer in’s natiirliche Leben verlorenen Seele, daß wir nicht ausnehmen (mit Sanftmuth Jak.1, 21), sondern mit Unlust und Trotz von uns weisen, was des Geistes Gottes ist, ihm angehört und von ihn: kommt. Gewaltiger kann der Apostel die Hoffart der Vernunft 1iicht niederschlagen: er erwartet von dem natürlichen Menschen durchaus nichts Anderes, als daß er dem Worte des Geistes widerspricht; denn es ist ihm, der nach dieser Welt Weisheit fragt, eine Thorheit, widersinnige Rede und fabelhafte Kunde aus einer ihm verborgenen Welt, und kann es nicht er- kennen, gleichwie in Röm. 8, 7 es von dem Willen des natürlichen Menschen heißt, er kann dem Gesetze Gottes nicht unterthan sein. (Besser.) Die Erkennt- niß, zu welcher zu gelangen dem natürlichen Menschen das Vermögen hier abgesprochen wird, ist jedoch nicht als ein begrifsliches Fürwahrhalten der Glaubenslehren aufzufassen, denn zu dem kann man allerdings durch natiirliche Bemühung kommen; sondern als Einsicht aus innerer Erleuchtung und Erfahrung. (Olshausen.) Mit blos natürlicher Verstandesthätigkeit wird nie eine Erkenntnis; der göttlichen Wahrheiten des Christenthums möglich sein; die Erneuerung des ganzen Menschen ist dazu nothwendig, der heil. Geist muß uns ganz und ar erleuchten und heiligen, dann entsteht ein neues Dicht für die Erkenntniß in uns. (V. Gerlach.) f) Der· Apostel sagt das in V. 15 f. Ausgesprochene ohne Zweifel mit besonderem Bezug auf solche Eo- rinther, die sich heraus-nahmen, ihn zu meistern. (Neander.) « Die Krankheit und der Uebermuth der, die Weisheit Gottes und seiner Offenbarung und die Organe derselben meisternden Afterkritik menschlicher Weisheit ist in diesen eindringenden Sä en aufs Stärkste gezeichnet. (Osiander.) Der Geistzliche hat den richtigen kritischen Blick des Prüfens für alles, was ihm zur Beurtheilung sich darbietet (l. Thess 5, 21)· Wie oft hat Paulus selbst dieses geistliche Richten auch in nicht ur Lehre gehörenden Dingen unter den verschiedenen agen bewährt, z. B. in seiner Benutzung der Umstände bei Verfolgungen und Ver- antwortungen, auf seiner letzteii Seefahrt (Apostg. 27), in seinen Urtheilen iiber Ehesachem Rechtsstreitigkeitem Sklaverei, Eollektensachen und Anderes, wobei er alles uiiter das Jiichtscheit eines höheren geistlichen Gefichis- punktes mit bewunderungsivürdiger Sicherheit, Klar- heit und llnbefangenheit taktvollst zu stellen weiß »; in seiner Wurdigung der verschiedenen Persönlichkeiteiy in seinen Anbequemungen an gegebene Verhältnisse, in seinen großarti en urtheilen, wie in Kap. Z, 22., i1i seinem inächtigen elbstzeugiiiß 2. Cor. «, 4 ff» in der edlen Unabhängigkeit vom Jrdischen Kap- 7, 29 ff; Phil. 4, 11 f.! (Meyer.) Da der Christ den Geist aus Gott enipfängh der auch die Tiefen der Gottheit erforscht (V. 10), so giebt es nichts für ihn, was ihni völlig und auf immer verschlossen bleiben könnte, viel- mehr eröffnet sich ihm auf jedem Standpunkte, wo er sich befindet, das ganze Reich der Erkenntnißz wie er niin alles, so kann ihn wiederum niemand recht beur- theileii, der nicht desselben Geistes theilhaftig geworden, denii da er Gottes oder, was dasselbe ist, Lhristi Geist hat, so müßte ein natürlicher Mensch, um einen geist- lichen beurtheilen zu können, den HErrn selbst beur- theilen oder ihn»meister»ii können, was schon in jener Prophetenstelle sur unmoglich erklärt wird. (V. Gerlach.) Was der Apostel hier in Bezug auf den Geistlicheu im Allgemeinen sagt, findet natürlich in concreto seine Beschränkung je nach dein Maße und der Stufe der Vollkommenheit des geistlichen Lebens. (Kling.) Das Z. Kapitel. Lehrer sind Diener, Haken und Zsiiuceutir Der HErr nnd »He-und des Heils. isi Christus. e. V. 1——23. Wie der Aposkei zu Anfang des vorigen Kapitel-«- sein Betst-verfahren iii Coriiith mit kiiiciijicht auf Ren. 1, 17 rechtfertigt« so thut er ini Eingang des vorliegenden Kapiteks ein Gleiches im Anschluß an oie Ilaseinaiidersctziingen in Ran L, 6 ff.- der Unistand, dass die Corinther noch nicht Volliiouiniene teuren, sondern noch junge Linn-er, noch nicht Geist· siehe, sondern nur Fkeischkichh wie sie ja auch setzt neu) mit ihren Zännereien sich als solche bewiesen, Seither haben die Corinther selber als unfähig, starke Speise zu empfangen, sich erwiesen. 177 hat ihn gehindert, bei ihrer Unterweisung in der chrisilichen Heils-lehre an dieser diejenige Seite hervor« zutiehreiy nach welcher sie als eine über alle mensch- liche Weisheit hoch erhabene göttliche Weisheit in die Augen siillt (V.1——Ll). Hierauf l·egt Paulus den Lesern dar, in welcheni Lichte sie die Stellung ihrer Lehrer« zu ihnen und deren Arbeit an ihnen ansehen sollen; and zwar besihiistigi er sich da einestheils mit deni Verhältniss der nienschlichen Werkzeuge zu dem hErrii, der sich ihrer bedient bei Gründung und Förderung einer Chrisiengemeinde (V. 5——9), andern— theils mit der Verantwortung, die sie ans sich haben slir ihre Arbeit, und dem Tage der Entscheidung über Werth oder Univerth derselbigeig dein sie entgegen gehen (V.10——15). Jetzt niacht dei· Apostel einen raschen Untergang, nni den Leser-i auch diejenige Stellung zum Bemusltsein zu bringen, die sie als Gemeinde, als Tempel Gottes, den Arbeitern an ihnen gegenüber einzunehmen haben; seine Rede iierliinst da in lebhaster Bewegung und wachsender Steigerung, indem sie der Gemeinde die Würde, zu der sie Gott erhiihet hat, ans der einen Seite zu ihrer Warnung, aus der andern Seite aber auch zur Ertienntnisl ihres hohen Standes vorhält (V. 16-—23). l. Und ich, lieben Brüder, [als ich während der anderthalb Jahre Apostg. 18, 11 bei euch war und euch, nachdem ihr den Glauben an Jesum Christum angenommen hattet, in der christ- lichen Heilslehre nun weiter unterwies Apostg. f2», 42] konnte nicht mit euch reden als mit Geist- lieben, sondern als mit Fleischlichen,.wie mit jungen Kindern in Christo. 2. Milch habe ich sda mit meinen Vorträgen] euch zu trinken gegeben, und nicht Speise sgereicht wie man denen sie giebt, die durch Gewohnheit schon geübte Sinne haben Hebt b, l1 ff.]; »denn ihr konntet noch nicht sftarke Speise verarbeiten], auch konnet ihr sdass noch seht nicht, 3. Dieweil ihr noch [immer, wie damals V- l] fletschltch seid fund keineswegs schon zuvden Vollkommenen Hebr. 5, 14 gehört]. Denn s1nte- mal [wie ich vernommen habe Kap. 1, U] Eifer und Zank und Zwietracht unter euch sind, seid ihr denn nicht sleischlich sGal 5,c19 ff.; Rom. is, 13] und ioandelt nach menschlicher Weise ssteckt im un- geistlichen, natürlichen Menschentreiben 1. Petri 4, 2]? 4. Denn so einer sagt: Jch bin Paulischz der andere aber: Ich bin Apollisch swie es jabei euch geschiehet Kap· l, 12]·; seid ihr dennoiicht fleischlich fund würdet ihr nicht, wen1i ihr geistlich wäret, vielmehr allzumal einerlei Rede führen und fest an einander halten in Einem Sinne und einerlei Meinung Kap. 1, 10]? Jn Kap. 2, 1., wo der Apostel ebenso wie hier an- hebt, redet er von dem Anfange, hier von dem Fort- gange seines apostolischen Unterrichts; denn es ist ihm noch immer um die Verantwortung seiner Predigt und Predigtweise bei den Corinthern zu thun. Die er Christo gewonnen und zur Taufe auf seinen Namen geführt hatte durch die Predigt des Worts vom Kreuze, waren nun nicht mehr eitel natürliche Menschen (V. 14): D ächfe l’s Bibelwerk V11. Band· aus dem Zustande des natürlichen Menscheth der nichts vom Geiste Gottes vernimmt noch annimmt, hatte das kräftige, wiedergebärende Wort Gottes sie errettet; aber der neue geistliche Mensch in ihnen, der geistlich hört, urtheilt, will, wirkt und empfindet, war noch dermaßen vom Fleische, d. i. vom alten Menschen ge- bunden und gehindert, daß der Apostel sie Fleifchliche nennen muß nicht blos in dem Sinne, wie jeder Christ einestheils noch fleischlich ist, von des Fleisches Schwach- heit umgeben, sondern als solche, die dem Zuge des Geistes zuwider hievund»da dem fleischlichen Sinne folgten, nach dem Fleische sich ruhmten und mit fleisch- licher Weisheit umgingen zur Schädigung der christ- lichen Lauterkeit, und so war auch ihr Anspruch, namentlich seiten der Apollischem Paulus hätte anders, aus höherem Tone mit ihnen reden sollen, unver- ständig und unchristlich (Besser.) Als Geistliche konnte Paulus die Corinther noch nicht behandeln; sie waren noch Fleifch, höchstens vom Hauch des göttlichen Geistes soweit berührt, daß er sie als junge Kinder in Christo betrachten und bezeichnen konnte, darum aber war und ist noch immer ihre Empfänglichkeit mangelhaft, ihre Einsicht schwach und dürftig, und was in Kap. 2, 15 vom Geistlichen gesagt ist, auf sie nicht anwendbar. Darnach aber mußte sich nothwendig auch die Lehrweise des Apostels richten; er mußte um so mehr alles ver- meiden, woran ihr fleischlicher Sinn auf Kosten des Inhalts seiner Predigt selbst sich hätte hängen können. Was des gewaltigen Gegenstandes seiner Predigt allein würdig (Kap. l, 17. 21. 25), was um der Wirkung willen, die sie haben sollte, allein zweekgemäß war (Kap· 2, 4f.), das war auch durch den Zustand seiner Hörer selbst gefordert: sie hätten einen andern Lehr- vortrag, der in die ganze Tiefe des göttlichen Heils- raths sie sofort einzuführen und dessen Weisheit als solche ihnen, wie Paulus wohl gekonnt hätte, aufzu- decken den Versuch gemacht hätte, gar nicht zu folgen vermocht; um so weniger dürfen sie sich beklagen, daß er gerade so, wie er gethan, sie unterwiesen habe. Ihr waret starker Speise noch nicht gewachsen, sagt er, darum habe ich euch Milch zu trinken gegeben (vgl. 1. Petri 2, 2). Den Unterschied von Milch und Speise aus einen verschiedenen Jnhalt der Predigt zu be- ziehen, ist weder durch das gebrauihte Bild noch durch den Zusammenhang geboten; der den Corinthern nöthige Fortfchritt bestand nicht darin, Neues zu lernen, sondern das Alte, ihnen von Paulus schon Bezeugte, besser zu würdigen und völliger zu er- fassen, es als die Weisheit zu erkennen, die es ist für die Vollkommenen, und dadurch selbst als zu diesen gehörig sich zu erweisen. (Burger.) Paulus erwähnt hier von den in Knie. I, 12 genannten vier Parteien die beiden ersten, weil er es in diesem ganzen Ab- i schnitt eben mit dem Gegensatz» der Apollonier gegen ihn und gegen die, welche sich wider seinen Willen nach ihm nannten (vgl. Kap. 4, 6), zu thun hat. (Meyer.) 5. Wer ist nun sda ich um eures Partei- wesens willen solche Frage ja aufwerfen muß, damit ihr aus der Antwort, die darauf zu geben, die Thorheit und Verwerflichkeit solchen Wesens euch abnehmen könnt] Paulus? wer ist Apollo? Diener sind sie, durch welche ihr seid gläubig worden salso keine Herren, an die ihr euch als Häupter mit eureni Glauben halten dürstet]; nnd dasselbige [find sie, nämlich Diener, die euer Gläubiggewordens ein vermittelt haben, in der Weise], wie der HErr einem jeglichen [es] gegeben hat. 12 178 1. Corinther 3, 6—15. fund da tritt allerdings ihr Dienst in zwiesacher Gestalt hervor, der eine gewisse Verschiedenheit in der Art ihrer Wirksamkeit bedingte]. b. Jchllabe sdas Gewächs eurer Gemeinde als einer christlichen] gepflanzeh Apollo hat begossen sApostg. 18, 1—18 u. 27 f.]; aber Gott hat das Gedeihen gegeben fund so hebt sich denn jene Verschiedenheit sofort wieder aus zur Einheit dessen, der über beiden gewaltet hat]. sz 7. So ist nun weder, der da pflanzei, noch der da begeußt, etwas [Joh. Z, 27., daß man nach seinem Namen sich zu nennen ein Recht hätte], sondern Gott, der das Gebeihen giebt« sist alles in allem Col. Z, 11; Pf. 115, l; er mußte den gelegten Samen besruchten, daß er ausging, und mußte das Begießen segnen, damit es das Wachsthum nährte]. 8. Der aber pflanzen und der da begenßt, ist einer wie der andere snämlich nichts weiter als ein Arbeiter im Dienste Gottes]. Ein jeglicher aber sder eine wie der andere] wird seinen Lohn empfahen fam Tage der Vergeltung] nach seiner Arbeit» fnach Maßgabe der Mühe und An- strengung, der Treue und Gewissenhaftigkeit, die er aus das, was ihm befohlen war, verwendet hat]. 9. Denn wir seure Lehrer] sind Gottes Mit- arbeiter [arbeiten mit ihm an seinem Werke]; ihr sdie christlichen Gemeinden] seid Gottes Ackerwetk soder Ackerfeld, das bearbeitet] und Gottes Gebauspk [das ausgeführt werden soll Ephes. 2, 21 f.]. V) Der Apostel siehet die corinthische Gemeinde als eine Pflanzun an, welche ihren Ursprung ihm, dem Paulus, ihre Förderung, welche auch Zunahme nach außen in sich schließt, dem Apollos verdankt, aber beides nur, sofern dies die menschlicheuThätigkeiten waren, welche dem Wachsthum wirkenden Gotte dienten, ohne den es weder Pflanzen noch Begießen zu einem Gewächs gebracht hätte; damit wird das Verdienst, daß eine Gemeinde in Corinth vorhanden ist, den Beiden, welche hierzu menschlich thätig gewesen sind, abgesprochen und auf Gott allein zurückgeführt (v. Hof- mann.) Wie mußte den Corinthern, die durch des Apostels Arbeit in jenen anderthalb Jahren (vom Herbst des J. 52 bis zum Frühjahr« 54: Apstg. 1«8, 11) aus der Judenwüste und Heidenwildniß in den Kirchen- garten verpflanzt waren, das Herz schlagen bei seinen Worten: »ich habe gepflanztl« ,,Er lehrte sie das Wort Gottes«, sagt Lukas einfach vom Pflanzen Pauli in Corinth; und wir haben im 2. Kapitel gelesen, wie er sie das Wort Gottes lehrte, sie einpflanzend in den Fruchtboden der am Kreuze Christi geofsenbarten Got- tesliebe. Als nun die Brüder zu Ephesus von der Pflanzung des Apostels in Corinth hörten, sandten sie den Apollos hinüber; und dieser ,,half;·viel denen, die gläubig waren geworden, durch die Gnade« Ihm hatte der HErr die schöne Gnadengabe gegeben, das Evangelium von Christo durch die ganze Schrift zu ziehen und beweismächtig die Gegenreden der un- gläubigen Juden zu überwinden, also der Einwurzelung der Pflanzen des HErrn (Jes. 61, 3) in den Geistes- grund der Schrift und ihrer Entfaltung aus der Samen- rast des Worts zu Stengeln, Blättern, Blüthen und Früchten zu dienen. Davon sagt Paulus mit freudiger Anerkennung der seinem Bruder verliehenen Gabe: ,,Apollos hat begossen«; aber sammt ihm tritt er nun hinter Den znrück, welcher allein durch seiner Werk- zeuge Pflanzen und Begießen das Leben der Gepslanzten und Begossenen gewirkt hat, nämlich das Leben des Glaubens —- ,,Gott hat das Gedeihen egeben«. (Besser.) Nach ihrer Meinung erhuben die arteileute die zu Parteihäuptern geschlagenen Männer recht hoch, in Wahrheit aber entwiirdigten sie dieselben; denn die über Gebühr Menschen erheben, berauben dieselben ihrer wahren Würde, da all ihr Vorzug nur darin besteht, Diener des Glaubens zu sein und nicht sich, sondern Christo Jünger zu gewinnen. (Calvin.) Nicht das ist Unrecht, daß die Schafe Christi, die seine Stimme kennen, lieber erleuchtete und wiedergeborene, als fleischlich gesinnte Prediger hören; wohl aber sind die Zuhörer fleischlich zu nennen, wenn sie bei unter- schiedenen Gaben rechtschaffener Diener einein anhangen und die andern verachten, sie gar nicht oder doch selten hören, wodurch sie sich nicht nur an diesen, sondern auch an Gott selbst und seinem Worte versündigen. (Starke.) Ei) »Der da pflanzt und der da begeußt, ist einer wie der andere«: es ist kein Uuterschied unter ihnen hinsichtlich ihrer Stellung zu Dem, der sie als seine Werkzeuge braucht; sie sind beide nicht mehr noch weniger als seine Diener, darin Eins, daß sie ebe11 nur dies sind. (Burger.) Obwohl aber alle Arbeiter in Gottes Ackerwerk gleich sind in dem Stück, daß keiner mehr und keiner weniger ist als Gottes Diener und Werk eug, also der Uuterschied böse, den der Parteidün el unter ihnen machtx so giebt es doch einen Uuterschied unter ihnen vor Gott: »ein jeglicher wird seinen Lohn empfahen nach seiner Arbeit«. Bei gleicher Seligkeit, die der gleiche Christus allen verdient hat und den auf einerlei Hoffnung berufenen Gläubi en bescheidet, werden die Diener Gottes mancherlei e- lohnung empfangen, einer höher denn der andere, je nach ihrer Arbeit, Macht über zehn nnd über fünf Städte (Luk. 19, 15 f.), Ehrenstühle, E renkronen, Himmelsglanz, Lob vom HErrn (Matth. W, « S; 1. Cor. 9, 25; 1. Petri 5, 4; Dan. 12, s; 1. Cor. 4, 5; Matth. 25, 23). Tröstlich dabei ist dies, daß der Lohn bemessen ist nach der Arbeit, nicht nach dem Erfolge; auch die schier fruchtlose Arbeit Pauli in Athen und seine so heiße, aber so vergebliche Arbeit in Jeru- salem hat ihren Lohn im Himmel. Warum redet er aber hier vom Lohn der Diener Gottes? weil er ihren wahren Lohn, den sie von Gott empfangen werden je nach ihrer Arbeit, entgegensetzen will dem fälschlichen Lohn, welchen die corinthischen Parteien nach fleisch- licher Werthgebung austheiltem Wehe den Dienern Gottes, die nach älltenschenlob und— Parteikronen geizig sind! Sie haben ihren Lohn dahin; die aber unbeirrt von menschlichem Gericht treu dienen und arbeiten, werden vollen Lohn empfangen. (Besser.) Jm Ver- hältniß zur Erlösung kann nicht von Verdienst die Rede sein; innerhalb des Bereichs der Erlösung aber fragt es sich, wie getreu einer die empfangene Gnade benutzt und mit ihr wirkt. Da heißt es dann: »wer da hat, dem wird gegeben«; das ist’s, was Paulus den Lohn nennt. (Neander.) Weiter sagen wir, daß die guten Werke wahrlich verdienstlich seien, nicht daß sie Vergebung der Sünden uns sollten verdienen oder uns vor Gott gerecht machen, denn sie gefallen Gott nicht, sie geschehen denn von denjenigen, welchen die Sünden schon vergeben sind. So sind sie auch nicht werth des ewigen Lebens; sondern sie sind verdienst- lich zu andern Gaben, welche in diesem und nach diesem Leben gegeben werden. Die Seligen werden Wer ist Paulus? wer ist Apollo? Diener sind sie, durch welche ihr seid gläubig worden! Belohnung haben, einer höher denn der andere: solchen Unterschied macht der Verdienst, nachdem er nun Gott gefällt, und ist Verdienst, dieweil diejenigen solche gute Werke thun, die Gott zu Kindern und Erben an- genommen hat. So haben sie dann eigen und sonder- lich Verdienst, wie ein Kind vor dem andern. (Apol. der Augsb. Eonf.) dir) Mit ungemeiner Kraft und Würde tritt, den heiligen Adel der Lehrer und der Gemeinde hervor- hebend, (im Grundtext) das Wort »Gottes« voran und läuft, in schönem Aufsteigen Lehrer und Gemeinde ver- knüpfend, durch die drei Glieder; jene, die schon oben (V. 5) mit dem ehrenvollen, aber immer noch de- 1nüthigen Ausdruck ,,Diener« benannt wurden, werden nun hier viel höher als ,,Gottes ålliitarbeiter« bezeichnet und eben dadurch, wie durch die gleiche Heiligkeit der Gemeinde, den niedrig menschlichen, fleischlichen Ur- theilen und Parteiverhältnissen entrückt. (Osiander.) Gottes Mitarbeiter oder Mithelfer (2. Cor. G, l) stehen mit ihrer Arbeit und Hilfe nicht neben Gott wie Ge- sellen, mit denen der Meister sich in die Arbeit theilt; hier ist nicht Menschenkraft und Gotteskraft zusammen- gespannt, als bedürfte Gott eines Gehilfen, sondern das Wirken der Diener ist durchwirkt von Gottes Wirkung (2. Tor. 5, 20), wie denn umgewandt auch der HErr ihr Mitarbeiter heißt (Mark. 16, 20). Nicht weggegeben hat der HErr aus seiner Hand das Amt des Geistes, da er es seinen slliitarbeitern gab; wohl aber hat er sie zu feiner Hand gemacht. (Besfer.) Die Gemeinde ist Gottes Ackerwerk, ihm gehört sie an; er ist es, der dieses Feld anbaut, äußerlich durch die Predigt der Lehrer, innerlich durch seinen Geist. Was die Lehrer thun, ist pflanzen und begießenx aber sein ist das Wort, das ausgesäet wird, seine Gabe alle Tüchtigkeit, die in der ersten Anpflaiizutig wie in der weiteren Pflege sich erzeigt, von ihm hängt alles Ge- deihen ab, ohne seine Segenskraft kann alles Pflanzen und Begießen nichts ausrichten Was aber so Gottes ist, das ist ein Heiligthum, das ihm bewahrt werden muß: da einen Andern als Miteigenthümer einführen wollen, ist eine srevelhaste Verkennung und Mißachtung seines Rechts. Die Gemeinde ist Gottes Gebäu, ein mit dem Ausdruck: »Tempel Gottes« verwandtes Bild. Jn beiden Bezeichnungen ist der Inhalt der Wirksam- keit der Mitarbeiter Gottes angezeigt: Bearbeitung des Ackerfeldes, Aufführen des Gebäudes. (Kling.) Der Apostel nun, indem er zu dem ,,Gottes Ackerwerk«, welches Bild durch die Ausdrücke ,,pslanzen und be- gießen« veranlaßt war, noch das ,,Gottes Gebäu« hin- zufügt, shat nicht in Absicht, dies neue Bild weiter auszuführen, sondern er will zu einer Ausführung übergehen, siir welche dieses zweite Bild einen be- quemeren Anknüpfungspunkt bietet, als jenes erste. (v. Hofmann.) 10. Jch von Gottes Gnaden, die mir smeinem apostolischem zu Gemeindestiftungen ver- ordneten Amte gemäß Röm. 15, 24 Anm.] ge- geben ist, habe den Grund gelegt, sund habe das gethan] als ein weiser Baumeister [indem ich die göttliche Predigt euch so Verkündigt habe, wie in Kap. 2, 1——5 gesagtsx ein anderer snicht ein Einzelnen sondern manch Einer, der nach mir als Lehrer zu euch kommt Kap. 4, 15] battet darauf. Ein jeglicher [von solchen Nachbauendens aber sehe Zu, wie smit was für Material V. 12] er darauf alte« 179 11. Einen andern Grund kann zwar niemand [unter ihnen, den Nachbauendens legen, außer dem, der [ein für alle Mal von Gott selber schon Matth. 21; 42; Apostg. 4, 10 f.; Ephes. 2, 20 und dem entsprechend auch bei euch von mir] gelegt ist, welcher ist Jesus Christ« [denn wollte einer das thun, so wäre er eben nicht mehr ein Bauender, sondern ein Verstörer und Verwüster]; 1.2. So aber jemand auf diesen Grund bauet Gold, Silber, Edelsteine [edles Gestein, als z. B. Marmor, Porphyr, Jaspiss Holz, Heu, Stoppelm 13. So wird eines jeglichen Werk offenbar werden, der Tag [Röm· 13, 123 Hebr. 10, 25] wird? klar machen sob er das eine, Gold, Silber, Edelsteine, oder das andere, Holz, Heu, Stoppelm mit feinem Wirken gebauei hat]; denn es wird durchs Feuer offenbar lvon den hienieden die rechte Einsicht in seine eigentliche Beschaffenheit noch hin- dernden irdischen Hüllen und Blendwerken befreit und dadurch klar erkennbar gemacht] werden snach anderer Deutung: denn er, der Tag des HErrn, wird in Feuer geoffenbart, seine Offenbarung geht im Element des Feuers vor sich 2. Thess 1- 8], und welcherlei eines jeglichen Werk sei, wird das Feuer bewähren« sob Ein- bildung es gewesen, was er geredet und getrieben, oder göttliche Weisheit, ob Kunstgefchwätz oder kräftiges Wort, ob ersonnene Meinung oder un- triigliche Wahrheit]. 14. Wird jemandes Werk [unter jenem, alles Untaugliche verzehrenden Feuer unversehrt] bleiben, das er darauf gebauei hat, so wird er Lohn em- pfahen [als ein solcher, der wirklich ein Verdienst um Gottes Gebäu sich erworben V. 8]. 15. Wird aber jemandes Werk verbrennen, so wird er deß Schaden leiden sindem er nicht nur sein ·Werk untergehen sieht, sondern auch den Lohn für seine Arbeit einbüßt, auf den er sich Rechnung gemacht hatte]; er selbst aber svorausgesetzh daß er aus den rechten Grund gebauei hat und von demselben nicht abgewichen ist] wird selig werden sApostg 2, 21; 13, 39;«16, 31], so doch, als durchs Feuers— sdenn er muß durch viel Angst und Gefahr hindurchgehen und kommt auch nicht ohne empfindliche Verletzungen und Einbußen davon, gleichwie ein fchiffbrüchiger Kaufmann zwar sein Leben aus den Wassern davon bringt, aber doch Waaren und Gewinn einbüßt Matth. s, 19. V) ]Nachdem der Apostel in den vorangehenden Versen gezeigt hat, wie verkehrt es ist, wenn sich die Einzelnen an ihn oder einen Andern persönlich hängen oder für die Person des Einen Partei nehmen gegen die des Andern, so wird ihm der Schlußsatz dieses Abschnittsu ,,ihr seid Gottes Gebäu« zum Ausgangs- punkt einer Warnung für diejenigen, welche sich dessen unterwinden, in sein Werk der Auferbauung der Ge- nieinde einzutreten. Von seiner eigenen Arbeit spricht 128 « (Bes er.) »der Gemeinde gestört statt gefördert werde. 180 1. Corinther Z, 16—-18. er nicht mit Bezug auf den Lohn, dessen er sich ge- trösten darf, sondern lediglich um zu sagen, was nach ihm an der Gemeinde zu thun bleibe: ihm) hat Gott gegeben, als Baukundiger den Grund zu legen; jedes Anderen Thun nun ist ein Darausbauem und da heißt er denn ihrer jeden wohl zusehen, daß er richtig drauf- baue. Keiner von ihnen kann einen anderen Grund legen neben dem und mit Beiseitesetzung dessen, der bereits liegt, sie sind eben alle, die in Corinth hinter dem Apostel her kommen, auf das Daraufbauen an- gewiesen, weil sie den Grund, den einzigen, welcher überhaupt gelegt werden kann, wo eine christliche Ge- meinde erstehen soll, bereits gelegt finden. (v. Hof- mann.) Paulus nimmt den Inhalt des ,,ich habe ge- pflanzt« (V. S) in das Bild vom Bau auf (Jer. 18, B) und spricht noch einmal nachdrijcklich aus, was seine ihm vom HErrn zugewiesene Arbeit sei; er bekennt da, daß ihm die Gnadengabe zum Grundlegen, diese vornehmliche Apostelgnade (Röm. I. 5; 15, 20), gegeben sei und daß er mit dieser Gabe den Corinthern gedient habe als ein weiser Baumeister Nicht ohne einen Stich in’s griechische Fleisch nennt er sich gerade so: ,,weise«; er hat den Grund gelegt, indem er die Predigt von Jesu Christo dem Gekreuzigte11, die den Weisen dieser Welt eine Thorheit ist, nach Corinth brachte und anhielt mit dieser thörichten Predigt, bis sie fest ward in einer Gemeinde berufener Heiligen, die ihren Glauben einträchti lich bekennen mit An- rufen des Namens unsers H rrn Jesu Christi (Kap. l, 2 u. 6). Weiland war Paulus von den thörichten Bauleuten einer gewesen, die den köstlichen Stein Zions verworfen haben (Matth. 21, 42); aber nachdem er aus Gnaden den zum Eckstein gewordenen Christus erkannt hatte, ward er zu einem weifen«Baumanne, ja weisen Baumeister (Architekten), mit dem Grundriß des ganzen Baues als Gottes Mitbaumeister vertraut und als Werkführer und Arbeitsanfänger den Grund also legend, daß der darauf erwachsende Bau fest ge- gründet stehe nicht, auf Menschen Weisheit, sondern auf Gottes Kraft (Kap. 2, 5). Als ,er dann von Co- rinthAbschied nahm, hatte er die Arbeit vollführt, wozu er gesandt war: der Heerd des evangelischen Feuers stand da, der Brunnen lebendigen Wassers war gegraben, der Grund war gelegt. »Ein anderer bauet darauf«, sagt er, weil er weiß. daß die von den Apofteln eröffnete Reihe der Mitarbeiter Gottes sich hinstrecken wird, Glied um Glied, bis an den Tag des letzten Feuers der Bewährung; die Arbeit aller dieser nachsolgenden Bauleute nun kann keine andere als Aufbau-Arbeit sein, und an sie alle richtet-er denn seinen Warnungsruf: »ein jeglicher sehe zu, wie er darauf baue!« Es besteht aber der Weilerbau im Fort- .fahren mit der evangelischen Predigt und in all dem Dienste, wodurch die Gemeinde im angefangenen Wesen gestärkt und in Christo Jesu gefördert wird, beide, in Lehre und Leben. Jm Zusammenhange der vier ersten Kapitel unsers Briefes warnt der Apostel hier zunächst nicht vor Hervorbringen von vornherein fremder Lehre, sondern nur vor sleifchlicheni und weltlichem Richten geistlicher Sachen, vor Mißbrauch der rechten evan- gelischen Lehre zum Stoffe menschlicher Wort- und Weisheitskunst und folgeweise zum Parteizankapfel; dies ist wichtig im Sinne zu behalten, um das Gericht zu verstehen, welches in V. 15 angekiindigt wird. Jeder, dessen Geschäft das Weiterbauen ist, so mahnt der Apostel, habe Acht, daß es auf die rechte Weise, mit dem rechten Baumaterial geschehe, daß nicht durch unpassende, der grundlegenden Lehre nicht entsprechende Lehren und Lehrweisen die Forktbildung Kling. Hist) Diese Hinweisung auf das Eine Fundament der christlichen Kirche und Lehre deutet auf eine starke, indirekte Tendenz hin gegen Lehrer, die mit Unigehung des realen Christus von dem Fundament zu weit ab- zukommen, das Daraufbauen in ein abermaliges, und zwar falfches Grundlegen umzusetzen oder in die Luft zu bauen Gefahr liefen. (Osiander.) Jch hab erfahren und gemerkt in allen Geschichten der ganzen Christen- heit, daß alle diejenigen, so den Hauptartikel von Jesu Christo recht gehabt und gehalten haben, sind fein und sicher in rechtem christlichen Glauben blieben; und ob sie sonst daneben geirrt und gesündigt haben, sind sie doch zuletzt erhalten, denn wer hierin recht und fest steht, daß Jesus Christus rechter Gott und Mensch ist, für uns gestorben und auferstanden, dem fallen alle andern Artikel zu und stehen ihm fest bei. Wiederum hab ich auch gemerkt, daß aller Jrrthum, Ketzereiem Abgötterei, Aergerniß, Mißbrauch und Bos- heit in der Kirche daher kommen sind ursprünglich, daß dieser Artikel oder Stück des Glaubens von Jesu Christo verachtet oder verloren worden ist; und wenn niau’s bei Licht und recht ansiehet, so fochten alle Ketzereien wider den lieben Artikel von Jesu Christo, wie Simeon (Luk. L, 34) von ihm sagt, daß er sei gesetzt zum Fall und Auferstehen vieler in Jsrael und zum Ziel, dem widersprochen wird. (Luther.) IN) Die verschiedenen, in lebhaftem Asyndeton (ohne Verbindungspartikeln) neben einander gestellten Beispiele von Baustosfen bedeuten die verschiedenen Lehrstoffe, welche von Lehrern angewendet und mit dem Glauben an Christum in Verbindung gesetzt werden,- um die christliche Bildung der Gemeinde zu entwickeln und zu vollenden; treffend daher ist Luthers Glosse: »das ist von Predigten und Lehren gesagt, die zu des Glaubens Besserung oder Geringerung gelehrt werden«. Sie sind entweder, wie Gold, Silber und töstliche Steine, von hohem Werthe und unvergänglicher Dauer, oder aber, wie Holz, Heu, Stoppeln, von geringem Werthe und vergänglich, so daß sie, während jene bei Christi Erscheinung in ihrer ewigen Wahrheit bestehen, zu nichte, d. h. als nicht zur ewig bleibenden Wahrheit gehörig offenbar werden und keinen Bestand- theil der dann eintretenden vollkommenen Erkenntniß (Kap. 13, 12) ausmachem Es ist bei dieser Deutung das Zwiefache zu beachten: l) daß die einzelnen Ma- terialien nicht auf bestimmte namhafte Glaubenssätze gedeutet werden dürfen, obwohl im Allgemeinen das stufenweis Verschiedeue der Bestandtheile der beiden Klassen nicht zu verkennen ist, L) daß die zweite Klasse keine geradezu widerchristliche Lehren in sich faßt; ersteres würde nur willkiirliche, im Text unbegründete Bestimmungen erzeugen, gegen letzteres wäre dies, daß aufdas Fund ament gebaut wird, sowie dieapostolische Aussage in V. 15: ,,er selbst aber wird selig werden«. Allerdings liegt es nahe, das ,,Holz, Heu, Stoppeln« auf solche Lehren zu beziehen, in denen abschwächende und verunstaltende Produkte menschlicher Weisheit und Kunst, philosophische und jüdische Meinungen der gött- lichen Wahrheit beigemengt werden; überhaupt sind alle Lehrentwickelungem Speculationen u. s. w. gemeint, welche, obwohl in das zeitliche Lehrgebäude eingefügt, doch bei der letzteki Vollendung am Tage des HErrn sich nicht bewähren und nicht als Bestandtheile der vollkommenen Erkenntniß mit eintreten, sondern dann, statt die endgeschichtliche Katastrophe probehaltig zu überdauern, wie die mit dem Golde u. s. w. ver- glichenen Lehren, als nicht zur göttlichen Heilswahw heit gehörige Stücke enthüllt und hinfällig werden. Solche Stücke hat mehr oder weniger auch jede Kirche mit in ihrem menschlich festgestellten Lehrgebiiude; Der Tag wird’s klar machen und das Feuer es bewähren, welcherlei eines jeglichen Werk sei. 181 und dieselben je mehr und mehr zu erkennen und aus- zuscheiden nach der Schrift, ist die Aufgabe der Fort- entwickelung, welcher keine Kirche bis zum Tage jener letzten Krisis sich-verschließen soll, am wenigsten die evangelisch-lutherische mit ihrem centralen Schrift- prinzip, welches ihren beständigen protestantischen Charakter bestimmt und regelt. (Meyer.) Großer Spielraum ist offen für die Auswahl des Lehrstosfs, für die Verbindung, in die er gesetzt wird, für die Art, wie einzelne Lehrstiicke betont, für die Ordnung, in der sie behandelt werden 2c.; es kann dieselbe Wahr- heit auf fruchtbringende Weise dargelegt oder durch blos verstandesmäßige, trockene Behandlung ihre Kraft gemindert werden, es kann die Form gepflegt werden auf Kosten des Inhalts, mit rednerischem Schmuck und Zier die Einfalt des Kreuzes Christi zugedeckt, durch gesetzliche Werthlegung auf Außendinge das Gemüth von der Hingebung an den Kern und Mittelpunkt des Evangeliums abgefiihrh das Wort Gottes recht getheilt oder durch einseitige Hervorhebung einer Wahrheit vor der andern die Kraft dieser geschwächt und un- wirksam oder doch in nicht rechter Weise wirksam gemacht werden — kurz, in der menschlichen Behandlung, Dar- legung und Benutzung der von Gott gegebenen Wahr- heit liegt die Möglichkeih Gold, Silber, Edelstein oder Holz, Heu, Stoppeln zum Dienst der Gemeinde daraus zu ziehen. Beispiele, wenn man sie suchen will, giebt die Geschichte der Kirche vielfacht man betrachte die Zeit der Kämpfe um die Feststellung des christlichen Lehrgehalts in den ersten 5 Jahrhunderten, oder die Arbeit der Scholastiker im Mittelalter, oder die Ent- wickelung der evangelischen Kirche nach der Reformation, und es wird jetzt schon Manches als Gold und Manches als Stroh sich unterscheiden lassen, was in diesen Zeiten zu Tage gefördert worden ist; aber die schließ- liche endgiltige Entscheidung steht noch bevor. (Burger.) s) Die unzerstörbarem edlen Materialien sind die dem Fundament, dem Worte vom Kreuz angemessenen, auf rechte Weise aus dieser ewigen Grundwahrheit abgeleiteten ewigen Wahrheiten, verbunden mit ihren gleichfalls ewigen, unzerstörbaren herrlichen Wirkungen, den durch die rechten Lehren erwekkten, geförderten, ächten Gliedern der Gemeinde; umgekehrt, die ver- gänglichen Materialien sind die Abirrungen von der Wahrheit, welche die Haupt- und Grundlehre zwar noch nicht umstoßen, in dem Einzelnen aber doch ein weites Zurückbleiben verursachen, in der ganzen Ge- meinde die Beimischung vieler falschen und erstorbenen Glieder zur Folge haben. Der Tag nun, welcher über die Probehaltigkeit des Baumaterials entscheidet, ist der Gerichtstag des HErrn, der Tag der Enischeidung und Vollendung, wo das sinnliche Feuer das Welt- gebäude umschmilzt und das geistige Prüfungsfeuer die rechten Glieder des HErrn bewährt. Hier empfängt denn der treue Arbeiter seinen Lohn dadurch, daß sein Werk erhalten wird, ihm zur Freude und Krone, daß eine Schaar ächter Glieder des HErrn, die er geweckt und gefördert hat, mit ihn: in die Seligkeit eingeht, die nur das in sich aufnimmt, was ewig bleibt; der aber, welcher die Wahrheit mit Jrrthum vermischt hat, ohne doch den Grund selbst zu verfälschen, sieht sich seines Lohnes schmerzlich beraubt, indem die Lehren, die er Verkündigt, und die Menschen, die er dadurch gewonnen hat, die Probe nicht bestehen und er selbst nur mit großer Gefahr errettet wird. (v. Ger- lach.) Christus, wenn er sich offenbart als Der, dem alles Gericht gegeben ist, wenn er mit seiner richter- lichen —Majestät, die alles ausscheidet und verzehrt, was nicht sein ist, alles durchsucht und erprobt, wird das, was nicht seines Geistes Gepräge an sich trägt, sondern aus einem andern, fremden menschlichen Geiste hervorgegangen, ein Produkt menschlicher Kunst und menschlichen Denkens und Meinens ist, wie hoch es auch von Menschen geachtet wurde, doch nicht probe- haltig finden; sein Gerichtsseuer wird es zunichte machen. So ist denn die Arbeit eines solchen verloren; er kann nicht ausgezeichnet werden als Einer, der mit- gewirkt hat zum Gottesbau, kann nicht mit Freu- digkeit dem richtenden HErrn entgegenschauen als Dem, der seine Treue belohnt; er muß bange sein, vor ihm zu erscheinen als Einer, der vergeblich gearbeitet, der so gut wie nichts geleistet, der das Gotteswerk nicht wirklich gefördert hat, und wie Einer noch wirklich froh sein muß, wenn er durch ein fein Bauwerk ergreifen- des Feuer hindurch noch eben sein nacktes Leben zu retten vermag, so geht es einem solchen, daß er zwar für seine Person noch gerettet wird, aber von all seiner Arbeit nichts hat, daß seine Werke ihm nicht nach- folgen. (Kling.) Hiernachspliegt in unsrer Stelle die wichtige Wahrheit, die auch die evangelische Kirche immer auf’s Entschiedenste festgehalten hat, daß die Seligkeit selber nur bedingt wird durch den Glauben, mit dem die Grundlegung Christi verbunden ist, der Grad der Seligkeit aber im Verhältniß steht zu dem Grade der Heiligung, welchen der Mensch erlangt: wessen Werk in Gottes Gerichte besteht sammt dem Grunde in ihm, der hat einen höheren Lohn, als wer sein Werk verliert, wenn er selbst auch noch noth- dürftig selig wird. (Olshausen.) Häufig zeigt der HErr seinen Knechten schon angesichts des Todes aufs Empfindlichste und zu tiefer Beschämung, was ächt oder unächt, Gnade oder Natur« an ihrem Werke ist; so manche eingewohnte, lebenslang gehegte Ein- bildung ver« eht in der Gluth des Lichts der Ewigkeit, welches in terbestunden fällt. Doch auch in Nöthen und Anfechtungen noch in dieser Zeit kann bereits die Kraft der Feuersbrunst uns ergreifen, welche die Welt endlich verbrennen wird; und wohl-uns, wenn wir von Tage zu Tage zum Verbrennen hingeben, was nicht lauter Gottes Wort und That ist in unserm Christenthunn ehe der Tag kommt, der im Feuer offen- bar wird! (Besser·) 16. Wisset ihr nicht, daß ihr Gottes Tempel seid, Und sdas zwar darum, weil] der Geist Gottes in each wohnet [Hes. se, 27; Rom. 8, 9 u. u; 2· Tun. I, 14]? 17. So jemand den Tempel Gottes ver- derbet, den wird snach gerechter Wiedervergeltung] Gott verderben [Matth. 10, 28; Qffb. 22,18 f.]; denn der Tempel Gottes [als seine Wohnung oder Stätte seiner Gegenwart] ift heilig [also linder- letzlich und ohne schwere göttliche Strafe nicht zu verderben], der snach anderer Fassung: das, näm- lich heilig] seid ihr* sindem ja jede Einzelgemeinde als Einzelverwirklichung der Kirche an ihrem Theile, das ist, was die Kirche überhaupt 2. Cor. 6, II; Ephes. L, 21f.]. 18. Niemand betrüge sich selbst [Kap. S, 9; 15, 33]. Welcher sich unter euch fdie ihr nach dem eben Gesagten Gottes Tempel und Wohnung seid] dunkt weise zu sein, der werde ein Narr in dieser Welt, daß er möge snun nicht ncehr blos seiner Selbsteinbildung nach, sondern in der That und Wahrheit] weise sein. 182 I. Corinther 3, 19—23. 19. Denn dieser Welt Weisheit ist Thorheit bei Gott svor den Augen oder im Urtheil Gottes Röm. 2, 13., und da kann denn niemand mit ihr, der Weisheit dieser Welt, auch in Gottes Gemeinde ein Weiser fein]. Denn es stehet ge- schrieben sHiob 5, 13]: Die Weisen erhaschet er in ihrer Klugheit släßt sie die Ziele, die schlau sie verfolgen, nicht erreichen, sondern macht, daß ihre Klugheit zu ihrem eigenen Verderben aus- fchlägt und damit in das gerade Gegentheil von Weisheit umfchlägt]. 20. Und abermal [Ps. 94, 11]: Der HErr weiß der Weisen sim Psalm steht ,,Menschen«] Gedanken, daß sie eitel sind« lsie sind von ihm schon gerichtet und zunichte gemacht, noch ehe sie bei ihnen auftauchen]. 21. Datum [weil es also fich verhält, wie ich von V· 5 an auseinandergesetzt habe] rithme sich niemand sunter euch, wie ihr es jetzt thut, wo der eine spricht: ,,ich bin Paulisch«, der andere: ,,ich bin Apollisch«, der dritte: ,,ich bin Kephisch« Kap. 1," 121 eines Menschen fgleich als dürfe er stolz darauf sein, diesem oder jenem Gottesmanne als angehörig sich zu bekennen) Es ist [vielmehr euch angehörig alles, was die Gottesmänner haben, ja nicht blos, was diese haben, sondern auch, was alles Andere außer euch und um und neben euch in sich schließt und ent- hält —- es ist] alles euer; 22. Es sei Paulus oder Apollol2.Cor.4- b]- es sei Kephas oder die Welt, es» sei das Leben oder der Tod, es sei das Gegenwartige oder das Zukunftigex alles ist euer [und muß, als euch zu- gehörig, euch auch dienen Röm. 8, 28 u. 38]. 23. Ihr aber falle miteinander] seid Christi fso daß niemand ein Recht hat, von sich aus- fchließlich oder doch vornehmlich zu sagen: ,,ich bin Christisch, gehöre Christo an« Kap. 1, 12], Christus aber ist Gottes M [Kp. 11, Z; Luk. 9, 20]. s) Bis daher hat Paulus die Gemeinde als ein Gott angehöriges Gebäude betrachtet und die große Verantwortlichkeit der weiterbauenden Thätigkeit an derselben, nachdem das einzig rechte Fundament gelegt worden, dargethan; jetzt schreitet er fort zur näheren Bezeichnung ihres heiligen Charakters als eines vom Geiste Gottes bewohnten Gottes-Tempels, dessen Verderb ein entsprechendes göttliches Gericht nach sich ziehen werde. Mit der Frage: ,,wisset ihr nicht?« be- ruft er sich auf ihr chriftliches Bewußtsein und giebt zu verstehen, das; in dem die Gemeinde zerriittendem auf ihre Auflösung, also Zerstörung des Gottes-Tempels hinführenden Parteigeist eine Verdunkelung dieses Be- wußtseins fich kund gebe, daß sie sich so verhalten, als wüßten sie das nicht. (Kling.) An den Sa in V.9: ,,ihr seid Gottes Gebäu«, welcher ihm Anla gegeben hat, von der hinter ihm allein möglichen Bauarbeit zu handeln, fchließt der Apostel jetzt den andern an: ,,ihr seid Gottes Tempel«, um »von hier aus die Ver- derber dieses Tempels zu warnen. Für diejenigen war V. 10—15 bestimmt, welche es leicht damit nahmen, in die Fortfetzung seiner Arbeit einzutreten; das Fol- gende dagegen ist für diejenigen bestimmt, welche sich nicht scheuten, die Frucht seiner Arbeit zu Grunde zu richten (namentlich wohl fiir die Parteihäupter derer, welche das: ,,ich bin Kephifch — ich bin Christisch« im Munde führten, die sich nicht ebenso, wie oben die wider ihren Willen zu Parteihäuptern erhobenen Stifter oder Begründer, Paulus und Apollo V. 5, per- sönlich vorführen, dagegen aber im Gegensatz zu ,,Diener« als Verderber charakterisiren ließen) Was er diesen zu sagen hat, soll die Gemeinde ihrerseits sich gesagt sein lassen, um darnach ihr Verhalten gegen dieselben einzurichten; darum beginnt er mit einer an Lie selbst gerichteten Erinnerung. (v. Hofmannh Unter em Verderben des Tempels ist etwas Anderes und Aergeres, als die Beimifchung fchlechter Baustoffe, un- ächteymenfchlicher Lehre und Lehrart (V. 12) verstanden; es handelt sich nun um Befchädigung des Baues, Um- stoßutig des Grundes durch widerchriftliche Lehrer, Zerriittung der Gemeinde durch Parteigeist und von demselben hervorgerufene gefährliche Bewegungen. Paulus weckt da, wiederanknüpfend an den allgemeinen Würdenamen der Christen in Kap. l, 2., das wahre, heilige Ehrgefühl und den heiligen Gemeinsinn der Corinther im Gegenfatz zu der unwürdigen Servilität in der Unterwerfung unter zertrennende Menschen- auetorität und überläßt die ernste Schlußanwendung dessen, was er sagt, ihnen selbst. (Osiander.) W) Jm Vorigen hat der Apostel die Gemeinde von denen unterfchieden, welche sie etwa verderben; nun geht er in V. 18 zu der Warnung über, es möge niemand sich selbst betrügen und mit einer Weisheit, die es in diesem gegenwärtigen Weltlaufe ist, in der Gemeinde einen Weisen vorstellen wollen; die Selbst- täufchnng, vor der er warnt, besteht also darin, daß jemand irrthümlich etwas zu sein sich einbildet (Gal. S, 3). Der eigentliche Nachdruck der Warnung liegt hiernach auf dem nun folgenden Gegensatzm »unter euch« und »in dieser Welt«. Weise sein in der Ge- meinde und weise in dieser Welt schließt sich gegen- feitig aus; wer also ersteres zu sein sich dünket, der ist es eben deshalb nicht, sondern er muß es erst werden und muß zu diesem Zweck ein Narr in dieser Welt werden. Seine Weisheit, auf die er sich etwas zu gute thut, ist ja eine Weisheit dieser Welt; als, folche ist sie Thorheit in Gottes Augen, mit dem aber, was in Gottes Augen Thorheit ist, in seiner Gemeinde ich für einen Weisen achten und ausgehen, heißt den empel Gottes verderben, denn was ungeeignet ist ihn zu bauen, kann nicht maßgebend für ihn werden, ohne . ihn zu Grunde zu richten. So möge denn keiner sich selbst betrügen, als ob er die Weisheit, welche er sich beimißt, in der Gemeinde geltendmachen könne: er bedenke, was die Schrift von den Eigenweisen sagt! (v. Hofmannh Der Rausch der Selbfttäufchung wird hinweggenommen, indem aller Weisheitsdünkel auf- gegeben, aller Einbildung des weltlich-Weiseseins ent- sagt wird, indem einer ein Thor wird, d. h. jener Weisheit sich entäußernd der Glaubenseinfalt, die für Thorheit gilt oder die er selbst bisher dafür gehalten, sich zuwendet. Der Apostel hat wohl auch hier, wie überhaupt da, wo er von der Weisheit dieser Welt redet, hauptfächlich die apollische Partei im Auge, die, wie sie in Apollos die rhetorisch-dialektische Gewandt- heit und die Gelehrsamkeit rühmte und sich daran hängte, auch wohl feiner Weise nachahmte, sich als Werth legend auf weltliche Weisheit zu erkennen gab. (Kling.) Das Citat aus Hiob ist zwar ein Wort des Eliphas, der selbst auch im Gericht der göttlichen Weisheit im Ganzen nicht bestand; aber es ist, wie Alles ist euer; ihr aber seid Christi, Christus aber ist Gottes. 183 so mancher Spruch in jenen Reden, zur Stimme der Weisheit auf der Gasse gehörig, wie Salonio (Spr. 1, 20) sagt, daher hier mit dem Stempel der göttlichen Wahrheit bezeichnet und bestätigt. (Osiander.) Tit) Nicht auf das nächst Vorhergegangene allein bezieht sich das ,,Darum« zu Anfang des 21. Verses, sondern auf den ganzen Abschnitt, welcher nunmehr zu Ende geht; der Apostel kehrt zum Anfang des Ka- pitels zurück und kommt damit auf die richtige Weise zu sprechen, wie sich die Gemeinde zu den Trägern des Worts stellen soll. ,,Niemand rühme sich, nur des HErrn soll man sich rühmen« so rief er in Katz. 1, 31 feinen Lesern zu, als er sich darüber erklärte, warum er ihnen Christum ohne die Mittel einer dem natür- lichen Wesen angehörigen Weisheit gepredigt habe; jetzt, wo er als Grund, warum er die ihm wirklich zu Gebote stehende Weisheit unter ihnen zurückgehalten habe, ihre christliche Unmündigkeit bezeichnet hat (V- 1—4), heißt er sie, nicht Menschen zum Gegenstand ihres Rühmens machen. Wen man zum Gegenstand seines Rühmens macht, dem angehörig zu sein achtet man für ein Gut nnd ist stolz daraus; darum hält ihnen der Apostel vor, daß ja alles, was da ist, viel- mehr ihnen angehöre. In drei Gegensätzen führt er dies aus: anhebend mit Paulus und Apollos und Kephas, an deren Person sie sich hängen, während sie doch nur Diener Gottes sind, deren Thun ihnen- so oder anders zu gute gekommen, stellt er diesen Dienern Gottes die W elt gegenüber, welcher das fremd ist, um dessentwillen jene drei ihnen Etwas sind; sie, die Welt, dient, den Glauben durch Anfechtung zu be- währen, welchen das von Paulus und Apollos und Kephas gepredigte Wort gewirkt hat. Von diesem Gegensatze innerhalb dessen, was ist, schreitet der Apostel fort zu dem der Seinsweise, Leben und Tod, und zu dem der Zeit, Gegenwart und Zukunft: der Tod erlöst die Christen aus dem Elend des irdischen Wesens, während das Leben ihnen Raum gewährt, Frucht zu schassen; die Gegenwart aber ist eine Ge- stalt der Dinge, welche in der Hoffnung übt auf die- jenige Zukunft, die das Widerspiel der Gegenwart sein oder bringen wird. (v. Hofmannh Die Warnung vor dem sich Hingeben an menschliche Auctoritäteih vor dem sich Abhängigmachen von Menschen begründet der Apostel durch Hervorhebung der Würde der Christen als solcher, die, in ihrer Angehörigkeit an Christum und durch ihn von Gott aller solcher Abhängigkeit enthoben, vielmehr einen Anspruch aus alles von Gott und Christo Abhängige haben, daß alles ihnen diene und für die Erreichung ihrer Bestimmung förderlich sei. Anstatt in parteiischer Einseitigkeit zu sagen: der und der gehört mir an als mein Meister und Führer, sollten sie sich alle dessen bewußt sein, daß alles und alle ihnen angehören. Dies wird nun spezificirt, und zwar so, daß zuvörderst, wie es der Zweck der ganzen Rede mit sich brachte, die verschiedeneu Lehrer, die man zu Parteihäuptern stempelte, hervorgehoben wer- den; er will sagen, daß sie jeden derselben nach seinen besonderen Gaben sich zunutze machen sollten, statt sich an den einen oder andern ausschließlich zu hängen. Jn hohem Aufschwung führt er aber dann den Ge- danken weiter aus, als es der nächste Zweck erforderte, nennt auch die Welt und darnach Leben und Tod, Gegenwärtiges und Zukünftiges (Kling.) Bei dem zwei Mal ausgesprochenen Satzet ,,alles ist euer« hat der Apostel eine Form des Parteibekenntnisses im Auge, wie etwa die: »Paulus ist mein« oder: ,,Kephas ist mein Mannl« Nachdem er nun in V. 22 das aktive Eigenthumsverhältniß der Christen, denen alles dienstbar sei, ausgesprochem ein Verhältniss, welches nach seiner Allgemeinheit das Großthun mit Menschenauctoritäten verwehren soll, fügt er in V. 23 auch ihr pas s ives Eigenthumsverhältniß hinzu, wel- ches demselben Unwesen entgegen sei, so daß also auch in dieser Hinsicht das sich Rühmen eines Menschen (V· 21) nur ungebührlich sein kann. Wenn er da zu dem Satze: ,,Jhr aber seid Christi« noch den andern hinzusetztx ,,Christus aber ist Gottes«, obwohl es zur Begründung des Verbots: ,,niernand rühme sich eines Menschen» nicht erforderlich war, so geschieht es aus dem Grunde, weil, wenn er mit jenem ersten Satz geschlossen hätte, er scheinbar der Partei derer, die da sagten: »ich bin Chr1stisch« und »sich damit Christo zu- sprachen, um sich nicht eines Menschen zu rühmen, Recht gegeben hätte; das aber wollte er nicht, denn das Bekenntniß dieser Partei, obwohl der Idee nach rich- tig, war dennoch durch schismatischen Mißbrauch ver- werflich. Er steigt daher bis zur höchsten, absoluten Instanz aus, welcher Christus untergehen ist, um hier, wo er die drei auf menschliche Auetoritäten sich stützen- den Parteien verwirft, auch die Christischen ihr Unrecht fühlen zu lassen, als wollte er sagen: Christus aber ist nicht etwa ein Parteihaupt, wozu ihn manche unter euch machen möchten, sondern Gott angehörig, also auf’s Höchste über alles Hereinziehen in das Partei- wesen erhaben. Wie nämlich Christi Gottgleichheit und seine göttliche Herrlichkeit v or der Menschwerdung wenngleich wesentlich, doch eine abgeleitete war (Col. 1,15), so ist die göttliche Glorie, welche er nach dem bis zum Kreuzestode geleisteten Gehorsam gegen Gott durch seine Erhöhung erlangt hat, eine ihm wieder verliehene (Joh. 17, 5) und seine Herrschaft nach Kalt. 15, 28 zur Zuriickgabe an Gott bestimmt. (Meyer.) Das 4. Kapitel. Der Vrediger Ansehen, Amt und Zustand. d. V. 1——2s. Indem der Apostel von Tier-has, den er in Rad. Z, 22 mit bei Ramen genannt hatte, füglich absehen kann, da er nicht unniittelbar selber in einem Lehrverhältnis! zur corinthischeti Gemeinde stand, sondern nur von etlichen parteigäugerii in Be· ziehung zu ihr gesetzt worden war, legt er den Lesern dar, was er and Ilpollos in Gemeinschaft mit etwaigen andern Mitarbeitern im Gegensatz zu dem, was die Parteien ans ihnen machen wollten, in der That und Wahrheit seien, nämlich Christi Diener nnd haus- halter über Gottes Geheimuisse, also Verwalter der Schätze des Hauses Gottes, nnd tiezeiihuet da allen unberechtigteii Ansprüchen gegenüber die man an den einen oder andern mache, die Treue in ihrem Amte als die einzige an sie zu stellende Forderung (v. 1 u. 2). Indem er nun aber weiter diejenige Gering- schätzung, die im Vergleich mit Jlpollos bei einem sehr groben Theil der Gemeinde ihn: kuiderfuhr, gleich als ob er diesem Manne nicht das Wasser reiihe, erhebt er sich holt; über dieses Richien der Leute, die über seinen Werth oder Unwerth nichts zu entscheidet: haben; er liötinte nun zwar auf fein gutes Gewissen sich berufen, aber auch das tiann in Betress feiner Ilmtsfiihrliiig ihm nicht volle Gewähr leisten, und darum unterstellt er sich unmittelbar dem Gerichte des hGrrn am Tage seiner Wiederkunft, und warnt die Coriuthen diesem Gericht irgendwie vergreifen zu wollen (V· 3—5). Apollo selber hat keine eigene Veranlassung zu der Bevorzugung, die man ihm ange- deihen liess, gegeben; darum sthlieslt sich Paulus 184 1. Corinther 4, 1-—5. alsbald wieder mit ihm zusammen und straft wie im Verein mit ihm in längerer Ausführung den Ueber· knnih und Dunkel, sowie das wettsörniige Christen« thum der Coriniher (V. 6—13), nimmt aber« dann von seinem besonderen Rechte, das ihm als dem geist- lichen Vater der Genieiiide zusteht, Besitz und meist auf sein demnächstiges Kommen zu ihnen hin (V. 14——21). (Epistek am Z. Sonntage des Advents.) Die erste Adventsepistel handelte von dem K ommen des HErrn in diese Welt, die zweite von seinem Weiterkommen in der Welt, die dritte nun handelt von seinem Wiederkommen zu der Welt. (Nebe.) Alle Propheten haben von dem HErrn geweissagt und seine Ankunft verheißen und vorbereitet; der HErr selbst nun weist im Sonntags-Evangelium (Matth. 11, 2 ff) darauf hin, daß ihre Verheißungen in ihm erfüllt sind, der letzte Adventsbote aber, der unmittel- bar vor ihm herzog, ist Johannes der Täufer, dem er ein so köstlich Zeugniß giebt. Noch immer sendet der HErr seine Adventsboten aus, daß sie ihm den Weg bereiten zu allen Herzen und sein Heil verkündigen unter allen Völkern: von diesen Adventsboten des HErrn handelt die Epistel des 3. Advents. (Diefsen- bach.) Sie handelt von dem Hirten und Lehrer des neuen Testaments, zeigt zuerst, was er sei, und dann, wie er sein solle, zuletzt aber wird der ganze Advent des HErrn, seine Wiederkunft, hingestellt als ein Advent für die Prediger und Hirten des neuen Testa- ments voll Gericht und Gerechtigkeit Es ist das ein ähnlicher Gedankengang, wie der des Evangeliums, in welchem auch »ein großer Lehrer, der Täufer Johannes dargeftellt und zuerst gezeigt wird, was er sei, der Engel Jesu, dann, wie er sei, ein Mann von unüber- windlicher Treue, während das ganze Evangelium den Vorliiufer in dem Gerichte seines Adventskönigs zeigt und stark an den Schluß der Epistel erinnert: »als- dann wird einem jeglichen von Gott Lob widerfahren«. (Löhe.) Von den Dienern des HErrn, der da kommt: 1) was rechte Diener Christi sind, 2) was von ihnen gefordert wird, 3) welchem Gericht sie unterstehen. (Sommer.) Von den Dienern der Gemeinde Gottes: 1) ihre Pflicht, Z) ihr Gericht, Z) ihr Gewicht V. 6 u. 7. (Münkel.) Wozu hat der HErr das heilige Amt der Kirche gegeben? damit es 1) verkündige das Heil des ersten Advents, 2) verhelfe zur Erfahrung eines inneren Advents, S) zubereite für den Lohn des letzten Advents. (Stählin.) Lasset uns ringen, daß wir als treue Diener Christi erfunden werden: 1) vor dem Urtheil Anderer, Z) mehr noch vor dem Urtheil des eigenen Gewissens, 3) am aller1neiften vor dem Urtheil des himmlischen Richters. (Wiesinger.) Die rechte Wage, darin des Menschen Werth gewogen wird: 1) die Wage der Welt — verachte sie nicht, aber überschätze sie auch nicht; 2) die Wage des Gewissens — horche auf dein Gewissen, aber trotze nicht daraus; Z) die Wage des HErrn —- gehe seinem Richterspruch entgegen mit heiliger Furcht, aber auch mit christlichem Vertrauen. (Gerok.) Unser Leben im Advents- lichte unserer heutigen Sonntagsepistelx sie erinnert uns l) an den HErrn, dem wir dienen, 2) an den Gerichtstag, den wir erwarten, 3) an den Richter- spruch, den wir empfangen. (Ziethe·) I. Dafur halte uns smich und den Apollo, um die es hier fich vornehmlich handelt V. 6 u. Kap. Z, 4 f.] jedermann, namlich fur Christi Diener [die mit einem bestimmten Auftrag von ihm betrauet find] und Haushalter über Gottes Geheimnisse [daß sie diese in Gottes Hause, der Kirche, durch Verkündigung den ihnen befohlenen Seelen offenbaren und so letztere zu der ihnen zu- gedachten Seligkeit hinführen]. 2. Nun sucht man nicht mehr an den shier in Rede stehenden, gleichwie an andern] Haushaltern, denn daß sie treu [Luk. 12, 421 erfunden werden« swährend dergleichen An- sprüche, wie ihr darüber hinaus sie erhebt, keine wirkliche Berechtigung haben]. 3. Mir aber [den ihr so tief«herabgesetzt, weil ich diesen euren unberechtigten Ansprüchen so wenig genüge] ist? ein Geringes, daß ich von euch gerichtet werde, oder von einem menschlichen [Gerichts-] Tage swollte man etwa einen solchen wider mich anberaumen]; auch richte ich mich felbst nicht [wieviel ich werth oder nicht werth sei]. 4. Ich bin mir wohl nichts svon einer Verletzung der Amtstreue, im Gegentheil nur einer gewissenhaften Ausrichtung meines apostolischen Berufs Apostg.20,18 ff.] bewußt, aber da- rinnen bin ich nicht gerechtfertiget [daß ich nun schon über alles Gericht hinaus wäre und mir den Lohn der Treue für mein Haushalten selber zuerkennen diirfte]; der HErr sJesus Christus, dem der Vater alles Gericht gegeben hat Jvhs 5, 221 ist’s aber, der mich richtet san jenem seinem Tage 2. Tim. 4, 8]. 5. Darum richtet nicht [über Werth oder Unwerth eines Dieners Christi] vor der Zeit slaßt vielmehr die Entscheidung über ihn anstehen], bis der HGrr komme, welcher salsdann nicht blos so obenhin, in Bausch und Bogen, richten, sondern, sein Urtheil zugleich begründend] auch wird an’s Licht bringen, was shier auf Seiten der Widersacher eines Dieners Christi] im Finstern verborgen ist sderen heimliche Praktiken und böswillige Machinationen], und sauf Seiten ihrer, seiner Diener selbst] den Rath der Herzen offenbaren [Ps. 139, 12; Rom. 2, 16., daß nun öffentlich erscheinet, was sie, die so oft verkannt wurden, innerlich getrieben und bewegt hat]; alsdann wird einem jeg- lichen sder ein Ehrenurtheil verdienet hat, er sei, wer es sei, indem jetzt keine parteiische Vorliebe mehr stattfindet, wie vormals bei den Menschen- kindern] von Gott [aus dem Munde dessen, den er zum Richter verordnet hat] Lob widerfahren« sdas denn dahin lautet: ,,Ei, du frommer und getreuer Knecht, du bist über Wenigem getreu gewesen, ich will dich über Viel setzen« Matth. 25, 21. r) A]uf das Verbot in Kap. Z, 21: ,,es rühme fich niemand eines Menschen«, worin er aussprichh wie man fich zu ihm und Seinesgleichen nicht stellen Dafür halte uns jedermann, nämlich für Christi Diener und Haushalter über Gottes Geheimnisset 185 solle, läßt Paulus nun das Gebot folgen, wie man sich zu den Trägern des Worts zu stellen habe; das nakhdrücklich betonte ,,dafür«, womit er da anhebt, dient zur Einführung des Richtigen im Gegensatz zu jenem Falscheiisz (v. HofmannJ Von allen fordert der Apostel die richtige Erkenntniß und Schätzungz denn er redet zu Christenleuten, die allesamnit berufen und befähigt find, nach Christenweise zu urtheilen. Da er sich den Lehrer Apollos, der kein Apostel war, zugesellt, so redet er nicht ausschließlich von den Apofteln, sondern in das Wörtchen ,,uns« gehören sammt den Aposteln alle evangelischen Amtleute hinein, denen irgend ein Amtszweig aus der Wurzel» des Apoftelanits zugewachsen ist, wie denn in Tit. 1, 7 die Bischofe und Aelteften der Gemeinden Christi den- selben Nainenz ,,Gottes Haushalter« tragen, welchen Paulus hier sich und dem Apollos beilegt. (Besser.) In zwei Bezeichnungen faßt Paulus den Beruf eines achten »und rechten Evangelisten zusammen: er ist für’s Erste ein ,,Diener Christi-«; dieser Ausdruck charakterisirt die betreffende Person nicht nach den Functioneiy welche sie nach unten hin zu leisten hat, sondern nach ihrer dienstlichen Stellung nach oben hin. Der das Evangelium treibt, ist also nicht ein Diener der Ge- meindein dem Sinne, daß er sie als seinen Herrn und Richter anzusehen, ihr zu Gefallen sein Wort zu wenden und zu drehen und ihr zu predigen hätte, nach dem ihr die Ohren jücken (2. Tim. 4, 3); er steht nicht unter ihr, Majoritätsbeschlüsse können feine· Lehre nicht bestimmen, der Beifall der Menschen kann ihm nicht der Maßstab für sein amtliches Wirken sein, sondern er ist ein Diener Christi und deshalb ein Freier. Aber seine Freiheit von Menschenknechtschaft ist ihm nikht ein Freibrief zur Ungebundenheit, zur Herrschaftuber die Gemeinde: er ist frei von Menschen dadurch einzig und allein, daß er des HErrn eigen ist. (Nebe.) Rechtschaffene Lehrer erkennen, daß Christus Herr und sie nur Diener sind; darum bereiten sie nicht sich selbst, sondern Christo den Weg zu der Menschen Herzen; es ist. ihnen gleich, ob sie was haben, was gelten oder nicht, wenn nur Christo Bahn gemacht wird, daß er ungehindert in die Seelen einziehe. (H. Müller.) Christi Diener sind nun aber auch weiter ,,Hausk)alter über Gottes Geheimnisse«. Ein Haus- halter gehörte zu der Klasse der Diener, hatte aber nicht nur Einen Zweig des Haus-Wesens, sondern das Ganze zu verwalten, war daher über das übrige Ge- sinde gesetzt (Matth. 24, 45); doch ist hier im Begriffe des Haushalters nicht auf den Vorrang vor Andern, sondern auf die verantwortliche Verwaltung anver- trauten Guts Gewicht zu legen. (Neander.) Die Ge- heimnisse Gottes sind der Gegenstand seiner Verwal- tung; es sind damit die Offenbaruiigen Gottes gemeint als etwas, was nur durch göttliche Kundmachung zu erkennen ist, und ihre Verwaltung besteht in der Pre- digt und Unterweisung. (Kliiig.) Die Diener Christi haben Auftrag, die vom natürlichen Menschen nicht erkannten, aber in Christo vollzogenen und mittels Offenbarung enthüllten göttl. Rathschlüsse zur Erlösung des Menschengeschlechts durch Verkündigung des Wortes Gottes und durch Verwaltung der Sacramente den ihnen anvertrauten Seelen mitzutheilen; sie sollen das Wort Gottes jedem bringen» wie es seiner Fassungs- kraft und Empfanglichkeit fur’s Göttliche angemessen ist (2. Tini. 2, 15), gleichwie rechte Haushalter jedem ihrer Untergebenen das rechte Maß von Belehrung undArbeit zutheilem (Sommer.) Die Pflicht derer, die im geistlichen Anite stehen, ist eine doppelte, eine, die sie gegen Christum, und eine, die sie gegen die Gemeinde haben: gegen Christum haben sie die Pflicht, daß sie seine Diener sind, von ihm in das Amt gerufen und mit ihrem Herzen ihm unterthänigx gegen die Gemeinde haben sie die Pflicht, daßs sie ihr die Nahrung aus GottesHaushalte reichen. Da nun aber viel gefordert wird von einem Diener Christi und ein treuer Diener selbst viel von sich fordert, so hat der Apostel einen Zaum darum gesetzt und die Forderungen auf ihr geringstes, aber auch nothwendiges Maß heruntergebracht und gesagt: ,,nun suchet man nicht mehr an den Haushalterm denn daß sie treu erfunden werden«. Also das suchet man, daß sie treu n1it Gottes Geheimnissen umgehen, dieselben nicht ändern noch verfälschen, sie vollständig und deutlich lehren und öffentlich und sonderlich einem jeden damit dienen; namentlich müssen sie den Weg zur Seligkeit voll- ständig, sorgfältig und klar lehren und deshalb Gesetz und Evangelium deutlich scheiden, müssen, kurz gesagt (Apostg. 20, 21), die Buße von den Sünden und den Glauben an den HErrn Jesum einfältig nach Gottes Wort lehren. (Münkel.) Ein Lehrer muß treu sein 1) Gott, daß er lauterlich auf ihn sehe, seine Ehre suche, nach seinem Willen handle, ihm nichts vergebe; Z) der Gemeinde, daß er ihr nichts vorenthalte, nichts, was zu ihrem Heile dient, versäume, sein Amt niemandem entziehe, daß keine Seele durch seine Schuld verwahrlost werde; s) seinem Amte, daß er nicht herrsche, sondern sich als eiiien Diener halte, der da bereit ist zu arbeiten und zu gehorchen. (Starke.) Will man einen Unterschied machen unter den Lehrern, so sehe man vielmehr auf die Treue, als auf die Gaben und deren Ruhm; denn nur aus deren Ge- brauch ist die innere Vortrefflichkeit in den Menschen Gottes zu schätzem d. h. aus der Anwendung zu Gottes Ehre und des Nächsten Dienst in lauterer Liebe. (Rieger.) Die Gemeinde zu Corinth ging in Parteien auf, die nicht um die Wahrheit stritten, denn die hatten und wollten sie alle; auch nicht um Tugend und Treue, denn die war bei den Lehrern, um die es sich handelte, wohl zu finden; sondern rein um die höhere oder niedere Gabe, uni den schöneren u1id passenderen Vortrag, um die Elocution, um die Form. Ein ent- schlafener Lehrer der lutherischen Kirche behauptete, die protestantische Christenheit Deutschlands habe sich aus dem neuen Testamente insonderheit die Corinther- briese zuzueignen; die Gaben und die Fehler der corinthischen Gemeindefänden sich auch bei den deutschen Protestanten. Jch weiß nicht, ob der theure Mann bei den Gaben Recht hat; aber mit der Gemeinsam- keit der Fehler hat es seine Richtigkeit, insonderheit niit dem Fehler der Wählerei und der Parteiungen um der besonderen Gaben willen des Vortrags nnd der Beredtsamkeit der Lehrer. Denn diese Widerwär- tige, ekelhafte Untugend, aus der Lehr- und Predigt- weise eine Liebhaberei zu machen und den Lehrern nachzulaufen, je nachdeni einem die Ohren jücken, ist bei uns allerdings allenthalben sehr gemein· Mancher Lehrer wird in der Entwickelung seiner Gaben durch die Mißachtung, welche er findet, aufgehalten und ge- hindert, wenn ihm nicht gar durch Gram und Ver- druß darüber die Gabe selbst zerdrückt wird und ver- loren geht; manch Andrer aber ist wie ein Vogel, den man zum Singen reizt, der sich mit vielem Gesang und durch Mißbrauch seiner Stimme die Stimmeivers dirbt und aufhören muß vor der Zeit, denn gerade so mißbraucht mancher Prediger, wenn er vom Lobe seiner Anhänger gereizt wird, seine Gabe und nützt sie ab, so daß sein Schatz bald leer wird und sein Segen versiegt. So verderben die Gemeinden viele Lehrer und Prediger, weil sie mehr auf die Gabe sehen, als auf die Treue, mehr auf die Befriedigung ihres 186 1. Corinther 4, 6—8. geistlichen Geschmackgelüstes als auf den Gehorsam gegen den Willen des HErrn. (Löhe.) Es) Die Paulischen lobten ihren selbsterdachten Pau- lus und· setzten ihm mit dem Richten, Schätzen und Klassif1ccren, womit sie ihre Lehrer musterten, eine Ehrenkrone auf; eben so gering schlug er das an, wie das herabwiirdigende Urtheil der andern Parteien — gute Gerüchte benebeltenihn nicht,-böse Gerüchte er- bitterten ihn nicht (2. Cor. G, 8). Es ist leicht gesagt: »der Leute Urtheil ist mir gleichgiltig«; häufig spricht sich so gekränkter Ehrgeiz aus, indem er in den Schein der Verachtung von Menschenehre sich hüllt Paulus wünschte herzlich, daß seine Brüder ihn erkenneten und niit rechtem Gericht beurtheilten (2. Cur. l, 13 f.); um Ihretwillen war es durchaus- ihn: nicht gleichgiltig, was sie von ihm hielten, denn er hatte sie lieb. Aber für sich selbst hatte er ihr Lob und ihren Tadel unter seinen Füßen; denn zum Finden der Treue, worauf bei den Haushaltern alles ankommt, gehören Augen, die überhaupt kein Mensch untrüglich-rein hat, ge- schweige Menschen, welche nach corinthischer Weise etwas mehr als Treue an den Haushaltern suchen. (Vesser.) Die Corinther richteten, sie verurtheilten bis auf einen Bruchtheil in der Gemeinde, welcher dem Manne treu geblieben war, der ihnen das Wort des Lebens in großer Schwachheit, aber in Beweisung des Geistes und der Kraft gesagt hatte, den großen Apostel und erhoben auf seine Unkosten andere genannte und namenlose Lehrer; der Apostel verbietet ihnen ihr Richten nicht, erklärt ihnen aber, daß ihr Gericht, wenn es ihm sicher auch wehe thut, ihn nicht kümmern daß er sich hoch erhaben wisse über ihr Urtheil, wie über das llrtheil eines menschlichen Tages. Der Aus- druck: Hnenschlicher Tag« bezeichnet einen Gerichtstag den Menschen anberaunien, in welchemMenschen das Urtheil fällen; die Rede des Apostels ist stolz und demüthig zu gleicher Zeit, sie schreitet noch einen be- deutenden Schritt über die letzte Aussage hinaus, und insofern liegt hier eine Steigerung vor. Er ist von den Corinthern schon gerichtet worden, nicht in förm- licher Weise, nicht in gründlicher Untersuchung, er schlägt deshalb ihr Gericht niedrig an; aber er fürchtet sich auch vor keinem Gerichte, welches ad hoc zu- sammengerufen wird, um über ihn das Urtheil zu stillen, er bekennt, daß er den Spruch, der ein solches Gericht spreche über ihn, für ar nichts achten werde. Zngleich beschwichtigt er mit dieser stolzen Rede, die ihm so wohl steht, weil er mit seinem HErrn steht und fällt und sich bemüht, ein gut Gewissen vor ihm zu haben, die Gemüther der Corinthen welche sich dnrch die Erklärung, daß ihr Urtheil ihn gleichgiltig lasse, verletzt fühlen 1nöchten. (Nebe.) Oder es liet die Steigerung eines förmlichen, strengen Gerichts, as er dennoch nicht fürchte, darin: sie dürfen ihm den Prozeß machen. Die scheiubare Härte dieser seiner Verachtung ihres und alles menschlichen Aburtheilens mildert und begründet er dann dnrch Verzichtleistung auf dasjenige menschliche Gericht, welches dem göttlichen am nächsten kommt, auf das Selbstgericht im Gewissen. (Osiander.) Sich selbst richten ist christlich, so es geschieht mit Selbstprüfung zum Erfahren unsers Wesens vor Gott (K . II, 313 2. Tor. 13, 5); dieses Selbstgericht hat Paulus so gründlich angestellt, daß er sein eigenes Gewissen unfähig befand, ihm ein Ruhekissen vor Gott zu sein, wiewohl er im Hinblick auf sein Amtsleben mit Hiob (27, 6) sagen durfte: ,,mein Gewissen beißt mich nicht meines ganzen Lebens halber«. Das ,,ich richte mich selbst nicht« heißt also hier: ich spreche nicht selber über mich das Urtheil, worauf ich hoffe. (Besser.) Jch bin erstaunt über das Wort des Apostels: ,,ich bin mir nichts bewußt«; für mich liegt in dieser Be- hauptung, auch wenn ich sie begrenze und auf bestimmte Vorwürfe der Coriiither gegen Paulus beziehen will, nach dem Zusammenhange nichtsdestoweniger die Be- hauptung einer außerordentlichen Vollendung des inneren und äußeren Lebens, und weil ich dem Apostel die Worte glaube, ein Beweis, daß man selbst bei Bekenntnissem wie sie St. Paulus in Röm. 7 gethan hat, doch auch in diesem Leben eine bedeutende Stufe der Heiligung erringen kann. Sonst aber glaube ich nicht blos aus meiner eigenen, sondern auch aus der Seele andrer Hirten heraus die Stimme abgeben zu dürfen, daß die Berufung auf das Amtsgewissen mit St. Pauli Worten nicht leicht von einem Lehrer unsrer Zeit gewagt werden wird. Das Bewußtsein vieler und schwerer Schuld hat einmal einen Hirten gedrungen zu sagen: ,,selig kann ein Pfarrer sterben, aber fröh- lich nicht«; und einen solchen Ausspruch könnte ich wenigstens weit eher unterschreiben, als die Worte des Apostels: ,,ich bin mir wohl nichts bewußt«. So tief scheint mir das Bewußtsein meiner Schuld, meiner Amtsschuld zu gehen, daß ich oft schon den gewagteii Wunsch gethan habe, der HErr möge mich gnädiger richten, als ich mich selbeiysonft müsse ich schon um meiner Amtssünden willen ewig verloren sein; ich habe zu- weilen gemeint, es könne einem irten begegnen, daß sein Auge vom Schauen in die chwärze seiner Sün- den auch nicht mehr das Gute sähe, das Gottes Geist in ihm wirkte, wie man durch’s Schauen in’s Schwarze etwa für’s Licht unempfänglich werden kann. (Löhe.) Bei den Worten: ,,doch darin bin ich nicht gerecht- fertigt« ist nicht an die Rechtfertigung durch den Glauben zu denken, wie wenn der Sinn wäre: ,,bin ich auch rein, so bin ich doch nicht wegen dieser Reinheit gerecht- fertigt, sondern nur durch en Glauben an die Ver- söhnung Christi«. Davon ist hier nicht die Rede; der Sündenvergebnng im Allgemeinen, seines Gnaden- standes, war ja Paulus vollkommen gewiß, er will hier nur von dem Stande der Heiligung sprechen. Wie weit diese vorgeschritten ist, erkennt auch der Wiedergeborene nicht; insofern bleibt also auch ihm ungewiß, was noch ’ tadeln findet, wieviel sich in seiner Wirksamkeit als vergängliches Holz und Stroh zeigen wird. (Ols- hausen.) »Der HErr ist’s, der mich richtet«: das macht rechtschaffene Diener Christi einerseits getrost gegenüber allerlei menschlichen Urtheilen, welche sich anmaßen ihren Werth zu bestimmen, andrerseits demüthig in ihrer Selbstbeurtheilung. Der HErr, der da weiß, was im Menschen ist, der die geheimsten Vorgänge, die dem Tageslicht und dem menschlichen Urtheil sich entziehen, der an seinem Gerichtstag an’s Licht bringen wird, was das Jnnerste seiner Diener bewegt, was ihr Verlangen und Streben, was die Triebfeder ihrer Handlungen ist, der ihre geheimen Kämpfe durchschaut, vor dem ihre unaussprechlichen Seufzer wie ihre ausqesprochenen Gebete offenbar sind — er ist’s, der sie richtet. Mögen Menschen, die nach dem Schein urtheilen, dieses und jenes an ihnen zu tadeln finden oder sie in ihrem Thun und Lassen ver- kennen: sie können dies ruhig hinnehmen und dem allein gerechten Urtheil des alles offenbarenden HErrn, ihres wahrhaften Richters, getrost entgegensehen Auf der andern Seite aber hat die Erwartung dieses allein giltigen Urtheils auch etwas Demiithigendesk Ob auch das eigene Gewissen sie keiner Untreue in ihrem Amte anklagte, darauf gründen sie nicht ihr Tadellossein vor dem HErrn; denn sein alles durchdringendes Auge erkennt Mängel und Flecken, die dem eigenen Bewußt- sein verhüllt sind (1. Joh. Z, 20), in seinem alles der ewige Richter an ihm zu s Solches habe ich ans niich und Apollo gedeutet um enretwillen 187 beleuchtenden Lichte mag als unrein erscheinen, was in jenem noch getrübten Lichte fleckenlos scheint. Darum kommt ihm das entscheidende Urtheil zu. Wer treu zu sein beflissen ist, dem wird das ihm gebührende Lob nicht entgehen, wie auch Menschen über ihn ur- theilen mögen; der wird aus seinem Munde das Ur- theil hören: »du frommer und getreuer Knecht, du bist über Weniges getreu gewesen, ich will dich über Viel setzen; gehe ein zu deines HErrn Frendel« Wie aber schon hier jedes Ehrenurtheil ihn beugt, so wird er· in tiefer Beugung jenes hohe Lob des gnaden- rveichenErzhirten vernehmen· (Kling.) ,,Alsdann wird einem jeglichen von Gott Lob widerfahren«, sagt der Apostel, denn er geht zunächst von sich und Apollo aus; für sie beide kann er freudigen Gewissens Lob erwarten, wenn er auch dessen Maß und Grad ganz dem HErrn anheinistellt Von solchen, die gar kein Lob verdienen, sieht er hier völlig ab. (Burger.) s. Solches aber, lieben Brüder swas ich von Kap. 3, 5 an anseinandersetzteL habe ich auf mich und Apollo gedeutet sin solcher Weise dargelegt, als ob wir beide besonders dieser Lehre bedürften] um euretwillen sdie vielmehr ihr derselbigen be- dürfet], daß ihr an uns lernet, daß niemand sbei euch, wie»es allerdings und gar übler Weise viel- fach geschiehetj höher von fiel) halte, denn jetzt sdies »Jetzt« ist von Luther nach Maßgabe seines Verständnisses dem Texte hinzugefügt, bleibt aber besser weg, da nicht an solches zu denken ist, was der Apostel vorher geschriebe1i hat, sondern an den Schriftkanon überhaupt, der einem jeden es an die Hand giebt, wie viel ihm von sich zu haltet; gebühret· Röm- 12, H] geschrieben ist; auf daß sich nicht sm der Genieinde] einer wider den andern um jemandes willen anfblase sden er zu seinem Parteihaupte erhebt und damit ihm einen ansnehmenden Vorzug zuschreibts 7. Denn wer hat dich vorgezogen [der du in der Genieinde eine bevorzugte Stelle in Anspruch nimmst? nieinst du etwa um besonderer Gaben willen, deren Träger du bist, ein Anrecht darauf zu haben]? Was hast dn aber [so frage ich weiter], das dn nicht empfangen hast? soffenbar hast du nichts der Art aufzuweisen;] so du es aber [alles, was du etwa besitzestJ empfangen hast [wie hu das ja nicht in Abrede stellen kannst], was tuhmest dn dich denn» [desselben], als» swärest du ein solcher] der es nicht empfangen hatte [sondern es lediglich von ihm selber besäße]? Seine eigene und des Apollos amtliche Stelluna und Berufsarbeih ihr damit gegebenes Verhältnis? zum HErrn und zur Gemeinde und ihr sonderliches Verhiiltniß zu einander hat der Apostel in der bis- herigen Darlegung bezeichnet und bemessen, gleich als gälte es, ihm selbst und dem Apollos in Erinnerung zu bringen, wie sie von sich und einer vom andern zu halten haben; hieran erinnert zu werden, so fährt er nun fort, bedürften aber vielmehr Andere, nicht sie, und das drückt er damit aus, daß er sagt, er habe dem, was er darlegte, indem er es auf sich selbst und auf Apollos wendete, eine andere Richtung gegeben, als in der er eigentlich Ursach gehabt hätte, es dar- zulegen — das ist der Sinn des ,,ich habe gedeutet«. Als den Zweck, zu welchem er’s von sich und Apollos gesagt, bezeichnet er diesen, daß die Leser etwas von ihnen lernen sollten; es gab also solche in der Ge- meinde, denen es zu ihrer Zurechtweisuiig hätte gesagt werden mögen, in welchem Falle aber es weniger geeignet gewesen wäre, um die Leser das »nicht höher von sich halten, denn geschrieben ist« zu lehren, als wenn sie es nun an Paulus und Apollos lernen können, und dies werden denn solche gewesen sein, welche ohne eine Verufsstellung oder Berufsarbeih die sich mit der eines Paulus oder Apollos vergleichen ließe, doch eine Geltung für sich in Anspruch nahmen, von welcher der Apostel fiir sich und seinen Nachfolger nichts wissen wollte. Jndem er nun, was er jenen strafweise hätte sagen müssen, von sich und Apollos gesagt hat, deren Verdienst um die Gemeinde außer Zweifel stand, so war es hierdurch besser geeignet, die Leser Selbstbescheidung zu lehren; und da meint denn der erste Absichtssatzx »daß niemand höher von sich halte, denn geschrieben ist«, diejenigen, welche für ihre eigene Person etwas gelten und vorstellen wollen, der andere aber: »auf daß sich nicht einer wider den andern um jeinandes willen aufblase« diejenigen, welche ihre Weisheit darin zeigen wollen, daß sie für den rechten ållianii Partei nehmen. Der sich Auf- blasende nämlich hat immer einen, für den, eben damit aber auch immer einen, gegen den er sich aufbläset; anstatt jeden an der Stelle und mit der Gabe, welche ihm Gott gegeben hat, anzuerkennen und so sich selbst zu bescheiden, geberden sich die Parteigänger in ihrer Selbstüberschiitzung als ob deni gegenüber, für wel- chen sie sich erklären, kein Anderer berechtigt sein könnte, und stellen sich nur zu dem Zweck auf des Einen Seite, um einen Andern zu haben, über den sie sich stellen, indem sie sich das Urtheil anmaßen, daß er nichts gelte, weil er nicht der ist, der ihnen alles gilt. Dies war die Gestalt, welche die Selbst- iiberhebung bei denen annahm, die nicht selbst in der Lage waren, eine Partei fiir sich oder gegen sich zu haben. Sei es aber die eine oder die andere Art von Selbstiiberhebung, für jede konnte die Weise, wie Pau- lus von sich und dem Apollos gesprochen, zur Be- schämung und Zurechtweisung dienen; denn wer von ihnen konnte seine Stellung mit derjenigen, tvelche Gott dem Paulus angewiesen hatte, oder seine Begabung mit derjenigen, welche dem Apollos eignete, auch nur entfernt vergleichen? Daher fragt der Apostel im Hinblicke aus seine eigene Unterschiedenheik »wer hat dich vorgezogen?« und im Hinblick auf die Begabung des Apollo: »was hast du, das du nicht empfangen habest?« und mit dem »so du aber empfangen hast« überführt er den, der etwa durch seine Gaben sich fiir bevorzugt erachtete, wie thöricht er thut, sich dessen zu berühmen, was er doch nicht von sich selber hat. (v. Hofmannh Es kann jeinand viele Naturgaben empfangen haben, die sind aber kein Verdienst und geben ihm keinen Ruhm, wohl aber viel Verantwortung; und ohnedem, wo Gott nicht seinen Segen darauf legt, richten auch die größten Gaben nichts aus. Darum falle nicht in den Jrrthum der Welt, welche die Gaben preist und die stille Demuth und Treue nicht achtet! (Münkel.) 8. Ihr seid schon satt worden, ihr seid schon reich worden, ihr herrschet sseid zur Herrschaft gelangt] ohne Uns sdie wir doch euer Christen- thum überhaupt erst begründet haben Kp. Z, 5 H; und wollte Gott, ihr herrscheteh auf daß auch wir 188 1. Corinther 4, 9——13. mit euch herrschen möchten sindem uns ja, wenn es wirklich einmal zum Herrschen mit Christo kommt, die Theilnahme daran am allerwenigsten vorenthalten werden wird] 9. Jch halte aber fweun ich darauf sehe, wie es zur Zeit noch mit uns steht], Gott habe uns Apostel für die Allergeringsten [für Menschen der untersten Daseinsstufe] dargestelleh als [solche, die Verurtheilten gleich] dem Tode übergeben sfind und nun fortwährend des schmählichen Endes, das sie nehmen werden, gewärtig sein 1niissen]; denn wir sind ein Schauspiel worden der Welt, und fzwarf den Engeln und den Menschetit salfo daß des Himmels Bewohner sowohl wie die der Erde unsern Draugsalen und Verfolgungen zuschaueu mit theilnehmendem Interesse Hebt 10, 32 ff.]. 10. Wir sind Narren [alberne, bornirte Leute] um Christi willen [Kap. i, 18 u. 25], ihr aber seid klug in Christo fgeltet für aufgeklärte Christen, mit denen man sich verständigen kann]; wir sper- möge unsrer Gebundenheit an Christum] schwach, ihr aber fbei eurer Ungebundenheit] stark; ihr sseid] herrlikh fhoch geehrt oder gefeiert], wir aber lsind] verachtet. 1. Bis auf diese Stunde leiden wir Hunger und Durst [2. Cor. 11, 271 nnd sind nackend fder nöthigen Bekleidung ermangelnd Matth. 25, ge; Jak. 2, 15; 2. Mof 12, 34 Anm.], nnd werden fmit Fäusten 2. Cor. 12, 7; Matth. 26, 671 gefchlagen, nnd haben keine gewisse Stätte finden! wir immer von einem Ort zum andern ziehen müssen Apostg. 16, 39; 17, 10.14; 18,«1], 12. Und arbeiten und wirken mit unsern eigenen Händen [Apostg. 20, 34]. Man schilt uns, so segnen wir; man verfolgt uns, so dulden wirs sMatth s, 44; 2. Tini. 2, 10]; man liistert Uns, so flehen wir fgeben unsern Lästerern gute Worte 2. Cor. 5, 20]. 13. Wir sind stets als ein Fluch der Welt fnach andrer Deutung: Abschaum der Welt, von dem sie befreit fein willf nnd ein Fegopfer aller Leute« fihr Schmntzabgang, für dessen Beseitigung sie mit allem Kraftaufwand sorgen, vgl. Apostg. 19, 26 f.; 24, 5]. V) Die Worte: ,,ihr seid schon satt worden, ihr seid schon reich worden, ihr herrschet« sind eine durch V. 6 u. 7 vorbereitete strenge Riige der in die Ge- meinde eingedrungenen falschen Befriedigung, Selbst- genugfamkeit und Selbsterhebung als wären sie schon am Ziele alles christlichen Hoffens und Strebens an- gelangt; dort hatte er sie zur Bescheidenheit nach seinem und Apollos Vorbild ermahnt und an ihre alles Sichriihmen ausfchließeiide Abhängigkeit vom HErrn in Bezug auf alle etwa vorhandene Begabung erinnert, jetzt hält er ihnen vor, daß sie nicht nur dieser Abhängigkeit uneingedenk seien, sondern sich auch in einem eitlen Wahne der Vollkommenheit wiegen, sie, die er doch in Kap. 3, 1 ff. überführt hatte, daß sie sich noch in einem Zustande großer Unvollkom1nen- heit und sittlicher Verkehrtheit befinden. (Kling.) Er spottet ihrer, merkt Luther an, und meint das Wider- spiel. Bitter hat man die Ironie genannt, womit er Schlag auf Schlag die Höhen zerstört, auf welche sie sich verstiegen hatten; aber die Liebe läßt sich nicht er- bittern, wenn auch die Arzenei bitter schmeckh die sie eingeben muß (vgl. zu l· Kön. 22, 15). Paulus hat sich nicht hinreißen lassen von seinem Temperament u diesen beißenden Worten, sondern, wie er selbst in . 14 betheuert, väterliche Liebe hat ihn zu so scharfer Züchtigung bewogen: der Diener Christi in ihm brauchte 11icht zu erröthen über dem Ergusse wallenden Zornes aus der Quelle herzlicher Liebe, und das Salz des Spottes, womit seine Rede gewürzt ist, benimmt ihr die Lieblichkeit (Col. 4, s) ebensowenig, wie der HErr Christus aufhört, holdfelig zu reden, wenn er spottet Joh 7, 28). Eswäre zu wünschen, daß unsre Sprache eichen für den Ton hätte, in welchem die Worte wollen gelesen sein. (Besser.) Gegen den Dünkel d.er Bornirtheit redet man am besten ironisch, sarkaftisch. (Neander.) Jn obigen Worten beschreibt der Apostel die Art des Christenstandes der Corinther auf die Weise, daß er den Eindruck, welchen ihr Gebahren macht, in eine Beschreibung ihres Chriftenstandes um- setzt, wie man sich ihn darnach vorstellen müßte: sie geberden sich nicht nur, als ob sie von selbst besäßen, was sie besitzen, ohne es empfangen zu haben (V. 7), sondern auch, als ob sie alles befäßen, was sie brauchen, ohne daß ihnen irgend ein noch unbefriedig- tes Bedtirfniß bliebe —- diesen Zustand bezeichnet er mit: ,,ihr seid schon satt worden«. Einen Vor ang benennen hierauf die Zeitwortsformen im Grun text (Aoriste) bei den Sätzenx ,,ihr seid reich worden, zur Herrschaft gelangt (herrschet)«; sie haben bereits den großen Schritt gethan, der sie aus der Artuuth und Gedrücktheit des diesseitigen Christenstandes in den Reichthum und die königliche Machtherrlichkeit jener Zukunft hinüberführte, welche mit der Offenbarung Jesu Christi eintritt. Solange der Christ im Fleische lebt, bedarf er fort und fort des geistlichen Zuflusses von außen, um nicht innerhalb feiner selbst zu ver- kümmern; sie aber sind bereits dazu gelangt, das Voll- maß geistlichen Lebens innerhalb ihrer selbst zu be- sitzen, wie es bei dem verklärten Christen der Fall sein wird. Desgleichen untersteht der Christ, solange er in der Welt lebt, fort und fort der Anfechtung von außen, der er nicht widerstehen kann, ohne den Druck fchmerzlich zu empfinden, den sie auf ihn aus- übt; sie aber sind bereits dazu gelangt, alles, was einen Christen anfechten kann, unter sich zu haben nnd mit einer Stetigkeit und Unbedingtheit darüber Herr zu sein, wie es bei dem in der Gemeinschaft des über- weltliche11 Herrschers Jesu erhöheten Christen der Fall sein wird. Der Wunsch nun, den Paulus hernach folgen läßt: »und wollte Gott, ihr herrsgh·tet, auf daß auch wir mit euch herrschen möchten«, ist nur insofern ernftlich gemeint, als er Ausdruck einer wirklichen Empfindung, nämlich der Empfindung einer das grellste Widerspiel jener königlichen Machtherrlichkeit bildenden draugsalvollen Gegenwart ist; um so mehr aber, als er dies ist, schärst er den Stachel, welchen der Apostel feinen Lesern mit dem Wort ,,ohne uns« in’s Fleisch treibt, indem er ihnen die Thorheit eines Gebahrens bemerklich macht, welches ihnen das Ansehen giebt, als ob sie vor denen, durch welche ihnen die Botschaft des Heils zugekommen ist, und ohne sie dazu gelangt wären, die Welt und die in ihr waltenden feindlichen Mächte hinter und unter sich zu haben. Er ftellt jetzt l mit dem ,,uns Apostel« die Bringer der Heilsbotschaft Wir sind stets als ein Fluch der Welt und ein Fegopfer aller Leute. 189 mit den Empfängern derselben, die sich anstellen, als wären sie über die Lage hinaus, in welcher die ersteren sich befinden, in Gegensatz und bezeichnet diese Lage in den stärksten Ausdrücken dahin, daß sie auf der untersten Stufe der Menschheit zu stehen kommen, den zum Tode Verurtheilten vergleichbar, welche nichts Anderes in Aussicht haben, als ein schmähliches Ende, dessen sie immer gewärtig sein müssen; er sagt aber nicht sowohl, daß sie in solcher Lage sich befinden, als vielmehr, daß Gott sie so dargestellt, zur Schau gestellt habe. Die Apostel hätten also den corinthischen Christen, wenn sie an deren königlicher Machtherrlich- keit mitbetheiligt worden wären, das Widerspiel dessen zu danken, was ihnen von Gott widerfahren ist; doch sagt er wiederum nicht unmittelbar, daß Gott so an ihnen gethan habe, sondern schickt »das ,,ich halte aber« voraus, läßt also seinen Wunsch dadurch be- gründet sein, daß es ihm dünkt, Gott habe es so mit ihnen gehalten, recht im Gegensatz zu der Mei- nung, welche seine Leser von ihrer Stellung zur Welt haben oder zu haben scheinen. (v. HofmanuJ Beachte, wie Paulus hier bis V. 13 das apostolische Bild nach seiner eigenen persönlichen Erfahrung zeichnet, vgl. Kap. 15, 30f.; 2. Cor. 11, 23 ff. (Meyer.) Gott scheint die Frommen oft nicht als seine geliebten Kin- der, sondern als die schlechtesten Leute zu behandeln, wenn man auf ihr Elend sieht. (Heubner.) Jn die Schilderung seiner Niedrigkeit n1ischt sich aber bei Paulus wieder ein mächtiges Gefühl der Hoheit, die ihm geworden: wie der HErr selbst, von dem Himmel ausgegangen, von der Erde ausgestoßen, dahing am Kreuz zwischen Himmel und Erde, beiden ein Schan- spiel der Rührung oder der Schadensreude, so sind auchi die Seinen in der Welt (1. Joh. 4, 17) ein Schauspiel dem Universum und seinen Bewohnern, sowohl den himmlischen als den irdischen. Engel und Rienschen bezeichnen weder die guten noch die bösen allein, son- dern beide zugleich; der Anblick des in den Seinen leidendeu Christus weckt nur für beide, für die guten und für die bösen Engel und Nienscheiy nach ålliaßgabe ihrer Natur verschiedene Empfindungen. (Olshausen.) Es) Mit dem Wort: ,,ihr herrschet« hat der Apostel von den Lesern etwas ans-gesagt, was allerdings eine Christenhoffnung ist, was aber eben deshalb bei ihnen noch nicht eingetreten sei, sondern nur im Sinne eines Vorwurfs von ihnen gesagt werden kann: sie geberden sich nur, als sei es bei ihnen eingetreten. Anders verhält es sich mit den Eigenschaften, die er ihnen jetzt beilegt, daß sie klug in Christo, stark und herrlich oder in Ehren stehend seien; damit besagt er etwas, das sie wirklich sind, aber —— in den Augen der Welt, für welche dagegen die Apostel Narrenum Christi willen und schwach und verachtet sind. Die Apostel sind Christi wegen Thoren, indem für ihr Denken und Thun Christus in einer Weise maßgebend ist, daß es der Welt als Thorheit erscheintz die Leser dagegen macht ihr Christenstand zu vernünftigen Leuten, deren Denken und Thun die Welt als verständig anerkennt. Die Apostel sind unvermögend in Dingen, von welchen die Welt meint, daß man sie können müsse, und die Leser können sie wirklich; so entbehren denn auch die Apostel aller Ehre, welche die Welt giebt, während die Leser bei ihr in Ansehen stehen. Paulus straft also hier ein Christenthum, welches sich mit der Welt und mit welchem die Welt sich vertragen kann, und welches wir da wiederfinden werden, wo er dem Mißbrauche der christlichen Freiheit, der Theilnahme an götzen- dienstlichen Mahlzeiten, der Abneigung gegen die Lehre von der Todtenauserstehung entgegentritt (Kap. 6, 1·2; 8, 11; 10, 22; 15, 34). Mit einem solchen Christen- thum konnten die Leser freilich ein Leben in der Welt führen, welches dem der Apostel, wie es Paulus nun beschreibt, sehr unähnlich war; er beschreibt aber nur das eigene und überläßt es ihnen, das ihre damit zu vergleichen. Jn drei Abschnitten verläuft diese Be- schreibung: der erste zeichnet das, Leben der Boten Christi als ein Leben in Hunger und Durst und Blöße und Mißhaudlung und Unstetigkeit und miihseliger Arbeit um das tägliche Brod; dem allen unterziehen sie sich um ihres Berufes willen, wie bequem leben dagegen die Leser! Der zweite Abschnitt stellt zu- sammen, was den Apostelu widerfährt, und wie sie sich dazu verhalten: daß man sie in’s Angesicht schmäht, worauf sie mit Segnen antworten; daß man sie ver- folgt, und sie es ruhig sich gefallen lassen; daß man ihr Thun und Wollen lästerlich mißdeutet, ohne daß sie ablassen zu bitten und zu erwähnen. So sehr be- geben sie sich alles Rechts wider Unrecht, um statt ihrer Person die ihnen anbefohlene Botschaft zur Gel- tung zu bringen: ist den Lesern nicht umgekehrt an der Geltung ihrer Person mehr gelegen, als an der Wahrheit, welche sie vertreten sollten? Endlich der dritte Abschnitt sagt die feindliche Mißachtung aus, mit welcher die Boten Christi behandelt worden sind; man ist mit ihnen umgegangen, wie wenn sie der Welt Kehricht todten, den man aus ihr hinaussegh als allgemeinen Unrath hat man sie behandelt, dessen sich jeder entledigen zu sollen meinte. Wie beschämend ist dieses Bild, welches der Apostel von seinem und seiner Berufsgenossen Leben in der Welt entwirft, für die in Folge der Weltförmigkeit ihres Christenthums so ganz anders zur Welt stehende und deshalb einer höheren Stufe des Christenstandes sich berühmende Gemeinde! (v. HofmannJ Jn den Bibelausgaben von 1522, 24 u. 27 hat Luther den IS. Vers sinnent- sprechender iibersetzti »wir sind ein Kehrich der Welt und eins jedermanns Schabab worden« (vgl. zu Hes. 21, 9); das hat er dann mit der jetzigen Uebersetzung vertauscht, die zwar der Wortbedeutung nach sich diirfte rechtfertigen lassen, aber weniger in den Zusammen- hang paßt, indem der Gedanke einer auf der Welt lastenden Schuld, welche dadnrch gesiihnt, oder eines über alle hereingebrocheneu Unheils, welches dadurch abgewendet werden soll, daß man die Apostel dahin- giebt, hier zu fern liegt. Luther spricht nämlich über den Sinn, den er mit seiner jetzigen Uebersetzung verbin- det, sich dahin aus: Fluch (auf Griech. perikatharinan Fegopfcr (peripsema) hieß ein Mensch, der eine solche böse That begangen hatte, daß man meinte, Gott würde Land und Leute darum verfluchen und ver- derben; darum, wenn sie denselbigen abthäten, meineten sie, sie hätten den Fluch weggethan und das Land gereiniget. Solcher Fluch war der Prophet Jonas, da er in’s Meer geworfen ward. Zuweilen nahmen sie auch einen nnschuldigen Menschen, wenn so große Plage im Lande war, und meineten, sie fegeten das Land von solcher Plage mit solchem Tod oder Opfer, warfen ihn in’s Meer und sprachen: du seiest unser Fegopfer, daß wir genesen und erlöset werden. Also meinet die Welt, daß die Apostel und des Evangeliums Prediger die ärgsten und schädlichsten Leute auf Erden seien; wenn sie davon los wären, so stünde es wohl und wären alles Unglücks und Fluches los, hätten Gott damit einen großen Dienst gethan (Joh. 16, 2). —- Wie verbreitet in der heutigen Christenheit ist jener corinthische Sinn, welcher Leiden und Schmach den Apostelu und ersten Christen überlassen, selbst aber ein Christenthum haben möchte, wobei man in der Bil- dung und im Lebensgenuß auf der Höhe der Zeit stehen und allgemeine Anerkennung genießen möchte; s »Ihr 190 I. Eorinther 4, 14—21. s, 1. 2. wo man, wie Augustin sagt (uti deo et frai mundo), als ein falscher Mißbraucher die Welt genießen und. Gott gebrauchen möchte! (v. Gerlach.) Das Glück, welchem die Eorinther auf Erden nachjagtem war da- inals und ist jetzt nur um den Preis der Lossagung von den Aposteln und dem rechtei1 Evangelio zu haben; aber im Himmel und auf Erden grünt die Ehrenkrone über dem Haupte der verachteten Apostel, derweil alle coriiithische Herrlichkeit wie Heu ist. (Besser.) 14. Nicht schreibe ich solches swas ich» in V. 8—13 vorgebracht habe], daß ich euch beschame smir dafür, daß ich von euch gering geachtet worden, die Genugthnuiig, euch recht tief beschämen zn können, verschaffeL sondern ich ermahiie euch als meiiie lieben Kinder U; Thefs 2, 11]. 15. Denn ob ihr»glcich zehn tausend [Kap. 14, 191 Znchtineisier hattet in Christo [die einer nach dem aiidern bei e1ich austreten als solche, welche freinde Kinder in ihre Erziehung und Ueber- ivachung nehmen Kap. Z, 10 ff.], so habt ihr doch nicht viele Vater lfondern im Grunde nur einen einzigen, nämlich niich]. Denn ich habe euch ge- zenget in Christo Jesu durch das Evangelium [V. 17; Philem 10; Gal. 4, 19]. 16. Darnni ermahne ich euch, seid meine Nachfolger sindem auch ihr euch Demuth und Selbstverleugnuiig zu eigen niachet, wie ihr bei mir sie wahrnehmen könnet Kap. 11, 1; 1. Thess El, 6; PhiL Z, 17]. » » Der Eindruck des Gesagten, namentlich der darin enthaltenen Parallele zwischen den Aposteln und den Leserii, konnte freilich kein anderer als ein tief be- schämeiider für diese sein; gleichwohl sagt der Apostel, das sei nicht der Sinn seines Schreibens. Denn was er an sie bringen will, ist eine väterliche Ermahnung, der sie bedurftenx wenn diese ohne Beschämung für sie nicht stattfinden konnte, so ist das wenigstens nicht der Gedanke und die Gesinnung, welche ihn dabei be- wegt, wie er denn auch wörtlich genauer so schreibt: ,,nicht euch beschämend, schreibe ich dies, sondern als nieine «eliebten Kinder ermahne ich euch«. (Burger.) äter, erbittert eure Kinder nicht, auf d " nicht scheu werden« (Eol. Z, 21): dies Gebot wollte Paulus selbst gern halten; konnte er ohne Beschämung nicht aussprechem was er verschweigen nicht durfte, so war doch nicht der Schinerz solcher Beschäniung seine Absicht, sondern die Erweckung der kindlichen Pietät, wodurch seine ,,lieben Kinder« sich möchten zurecht- bringen und von dem Jrrthiim ihres Weges zurück- holen lassen· So, als eines Vaters Ermahnung, sollten sie hinnehmen, was sie beschämte, und sich nicht er- bittert und scheu von ihm abwenden. (Besser.) Diese Weise der Züchtigung ist wohl zu befolgen, damit buszsertige Herzen nicht in Verzweiflung fallen. Es lerne bei Paulo, wer Beichte hört uiid Seelen ver- sorgt! (Melanchthon.) Der- Apostel begründet sein Recht zur Vermahnung der Eorinther durch Hervor- hebung seines väterlichen Verhältnisses zu ihnen, wel- ches er zunächst gegensätzlich darlegt, indem er die Vaterschast gegenüberstellt der bloßen Zuchtmeisterschaft unter Hinweisung aus andere Lehrer, welche, wieviel ihrer auch sein mögen, doch anders zu ihnen stehen, als er, auf den sie den Ursprung ihres geistlichen Lebens zurückzuführen haben. (Kling.) Die große Zahl, die Paulus bei den Zuchtmeistern nennt, her- genommen von der großen Menge von Sklaven, die es zu Eorinth gab, dergleichen man gewöhnlich zur Beaufsichtigung und Erziehung uninündiger Kinder verwendete, deutet auf den Reichthum der Lehrgabetn aber auch auf den starken Zudrang zum Lehramt in der Gemeinde hin; wenn er im Gegensatz. dazu ,,11icht viele Väter« sagt, so will er den Gegensatz mäßigen, da er eigentlich nur von einem Vater hätte reden sollen, und läßt auch sonst etlichen, wie namentlich seinen Begleitern (Apostgesch. 18, 5), einigen Antheil an der Ehre der geistlichen Vaterschaft zukommen. (Osiander.) 17. Aus derselben Ursach sniimlich um euch für eine Nachfolge meines Vorbildes zu gewinnen V. 161 habe ich Tiniothenm zu euch gesandt, wel- cher ist mein lieber und getreuer Sohn in dem HErrn [Apostg. 16, 3 Anm.; 1. Tini. 1, 2 u. 18; 2. Tim· 1, 2 und der wohl auch bald bei euch ankommen wird Kap· 16, 10; Apstg. 19, 22], daß et« euch sdieweil ihr sie vergessen zu haben scheint] erinnere meiner Wege, die da in Christo sind sder Wege, die ich im Dienste Christi gehe], gleichwie ich aii allen Enden in allen Gemeinen lehre« sgemäß dem, wie ich ausnahmslos im ganzen Kreise meiner Wirksamkeit den Beruf eines Lehrers des Evangelii ausrichte oder als Lehrer zu Werke gehe].» 18. Es blahenssich etliche auf, als würde ich nicht zn eiich kommen. 19. Jch will aber gar kürzlich zu euch kommen, so der HErr will [Rö1n. 1, 10; Jak. 4, 15., da ich nur noch bis Pfingsten in Ephesus zu bleiben gedenke Kap. 16, 5 ff.], nnd erlernen, nicht die Worte der Ausgeblasenen swas und wie sie reden, da das mir ja ohnedies fchon bekannt genug ist], sondern die Kraft swas und mit welcheni Erfolge sie wirken, wovon bisher noch wenig zu spüren gewesen]. 20. sDarauf allein, auf die Kraft, von der ich eben redete, kommt es an, während die Worte ganz unnütz sind] Denn das Reich Gottes stehet nicht in Worten [wenn sie auch noch so hochsahrender Natur sind], so ndern in K ra sit« swelche Herzen für dasselbe zu gewinnen und darin zu erhalten vermag Kap. 2, 4; 9, 19ff.; 1. Thess 1, Z; Col. 1, 28 f.]. 21. Was wollt ihr [lieber]? soll ich lwenn ich nun kommen werde] mit der Ruthe sder Züch- tigung Tit. i, is; 2. Tim. 4, 21 zii euch kommen, oder mit Liebe nnd sanstmiithigem Geist?M sich meinestheils wünsche das zweite, muß aber leider die Nothwendigkeit des ersten besürchten.] V) Wie Kinder in ihrem leiblichen Leben dein Vater nachartein so ziemt es der Gemeinde, in ihrem geist- lichen Leben nach dem Apostel sich zu richten (V. 16); und weil sie es hieran haben fehlen lassen, so hat er den Timotheus zu ihnen gesandt, damit er ihnen die Weise seines Ehristenlebens nach Maßgabe der Art und Weise, wie er selbst in jeder Gemeinde christlich zu leben lehrt, in Erinnerung bringe. (v. Hosmannh Des Apostels Auslassung über das Verfahren der Corinther in Betreff des Blntschänders 191 Der Vater sendet zu seinen Kindern deren Bruder, der ihm besonders lieb nnd getreu ist, zu welchem jene also auch volles Vertrauen haben können; durch dessen Erinnerung an die ganze Art und Weise, wie sich der Apostel in seinem Berufe benahm und verhielt, sollte die Nachahmung seiner bezweckt werden. Denn mußte sie nicht seinen in Corinth vielfach verkannten und verdächtigten Charakter rechtfertigen und in nach- ahmungswiirdigeni Lichte erscheinen lassen, namentlich in Betreff seiner Selbstverleugnung und Demuth, welche von der eorinthischen Aufgeblasenheit und Selbstsucht so sehr abstachen? (Meher.) El) Paulus beugt einer aus der Sendung des Timotheus etwa zu ziehenden Folgerung vor, als ob er selbst nicht komme, in welcher Voraussetzung Gegner des Apostels sich übermüthig erhoben, indem sie wohl behaupteten (vgl. 2. Cor. i0, 1), er wage es nicht, persönlich in Corinth sich einzufinden. (Kling.) Jn göttlicher Erleuchtung deckt der Apostel die während des Lesens seiner Epistel in den Herzen dieser Wider- sacher entstehenden Gedanken aus. (Bengel.) Mit einer anmaßlichen Selbstiiberhebung welche er von der an der Gemeinde überhaupt gerügten noch unter- scheidet, geberden etliche sich so, als wollten sie von ihm sich nicht sagen lassen; es werden dieselben sein, welche zu sagen pflegten: ,,ich bin Christisch« (Kap. 1, l2). Aber obwohl nicht jetzt, wird er doch bald kommen und zusehen, ob diese Aufgeblasenen sich ihm gegenüber eben so tapfer mit der That zu behaupten vermögen, als sie tapsere Reden führen. (v. Hofmann.) Jhre Worte erst noch kennen zu lernen, ist dem Apostel iiberfliissig, die kennt er genugsam; aber wovon er bei ihnen noch nichts hat inne werden können, das will er erfahren, nämlich den Nachdruck, den wirksamen Eindruck, die sich bewährende Macht ihrer Worte, welche ein Erweis des Geistes Gottes durch das Wort ist. Die wird durch hochtrabende Rede nicht ersetzt und durch keine Kunst des Vortrags erreicht; auf sie kommt aber alles an, dieser Erweis des Geistes im Wort giebt den Ausschlag. (Burger.) Vom Reiche Gottes redeten die Corinther mit Vorliebe,- aber Pau- lus hat andere Reichsgedanken als die Aufgeblasenen und Fleischlichem weder kommt das Reich Gottes durch Wortemachen, noch stehet es darin; es kommt, wenn der himmlische Vater uns seinen heiligen Geist giebt, daß wir seinem heiligen Worte durch seine Gnade glauben, und es steht darin, daß wir göttlich leben, hie zeitlich und dort ewiglich. (Besser.) Mk) Der Mensch bereitet sich selbst die Behandlung, die ihm widerfährh entweder Strafe oder sanfte Zucht. Wohl dein, der noch in der Gnadenperiode der tigung sieht! er ist besser als der ganz Verworsene (Heubner.) Wer sich wider den Kreuzessinn sperrt, fällt in Ungezogenheiten, die mit der Ruthe gestraft werden müssen; wer dagegen am Kreuzessinn festhält, immsr mit sanstmüthigem Geist zurecht zu bringen. reger. Das 5. Kapitel. Xiesirasuiig »der Unzucht äusseguug des sauer: flugs. Wie und warum die Sünde zu meiden. II. tiiap. 6 u. 7· Nunmehr zu den andern ttebeln und Schäden der Gemeinde, die ihm von selber schon be- kannt oder durch mündliche Mittheilung liund geworden waren, fortschreitena erklärt der Jtposiel sich zunäthst über den liitulschiindey der zu ercomttiuniciren sei, inißbitligt sodann dae Kaufen vor die heidnisehen Gerichte und straft fchließlich die Meinung, als gehöre Hurerei zu den Jtlitteldingem darüber der Christ Macht habe zu thun, wiss ihm gut scheute. a. V.1—13. Jn der eorinthischen Gemeinde lag ein Fall non hurerei vor, wie er selbst bei den Heiden lianm ein-nat vorkam, dass ein Christ mit seiner Stiefmutter in ehelichcr Genieinfchaft stand; dawider nun hätte die Gemeinde lelber einschreiteii sollen, hatte es aber in der Lauheit ihres:- sittlichen Urtheilkz dieser Iiehrseite ihres geistlichen Dunkels, nicht gethan (v. 1 u. 2). Darum zeigt der Ztpostel zuoördersk an, was er seinerseits zu thun beschlossen habe, wenn sie tiichl eines Besser-en sich besinnen und nachträglich thun würde, was ihre Pflicht sei (V.3——5); darnach skraft er singe-lichtes des siioislheic Osterfestes, in dessen Nähe er seine Gpiskel schreibt, die vom Sauerteig anzeslechie Gemeinde und ermahnt sie die Bedeutung der alttestanieiitlichen Oskergebriiciche an sich selber in Kraft des Osierlamnie5, das im neuen Bunde geopfert ist, zu erfüllen (v. 6—8), woraus« er mit einen! nöthigen Unterricht über die Rircheiizticht fchliesih indem er eine lliisideutung feines vorigen Schreibens berichtigk woncit die Corinther seinem Ge- bote, mit den Hur-ern niihts zu schaffen zu haben, ansgeioicheii waren (v. 9--1Z). 1. Es gehet ein gemein svon mehr als Einem Falle redendess Geschrei, daß Hurerei unter euch ist, und sunter diesen Fällen denn als der schlimmste] eine solche Hurereh da anch die Heiden sdie nun einmal in der Lustseuche wandeln 1. Thess. 4, 5s nicht von zu sagen wissen, daß einer seines Vaters Weib [die allerdings nicht seine rechte Mutter, sondern nur seine Stiefmutter, aber doch immer- hin seines Vaters Weib gewesen ist 2. Cor. 7, 12., zur Ehe III-atte 14, 4; 22, 281 habet is. Wiss« 18,28; gjiols FLXZOJ f sch db D· . U i c Ull ck cUcU o lIU are lllgc vor sich gehen] seid ausgeblasen sals wäret ihr Leute, die in einem hohen Stande christlicher Weisheit und Vollkommenheit sich befänden], und habt nicht Vieiulehr swie es ja bei nur einigem Ernst eures Christenthums sich geziemt hätte] Leid getragen, auf das; swozu solches Leidtrageti schlieszlich geführt haben würde, wenn ihm mcht auf andere Weise die Ursach genommen worden wäre], der das Werk gethan hat, von ench gethan wurde« [Matth. 18, 17]. ») Schlimm genug war es schon, daß die Gemeinde Gottes zu Corinth in dem gemeinen Geschrei stand, daß Hurerei unter ihrhwärles undHdas ungelstrasjtve; zwar war ganz Corint vo von urerei, a er ie Heiden »und alle Weltmenschen wissen genau, daß ihre weltublichen Laster den Christen eine Schande sind, und worüber sie unter sich schweigen oder mit lachendem Munde reden, darüber schreien und höhnen sie, wenn FschChrFsten sind, hie helildnisch Handels; dDieseNThat- a e it ein un reiwi iger renzo em amen Christi, wiewohl die spöttischen Schreier eben diesem Namen gram und feind sind. Das gemeine Geschrei über die Hurerei inmitten der eorinthischen Gemeinde Zvurde vermehrt durch einen unerhörten Scandal: es atte einer eines Vaters Weib, d. h. seine Stief- 192 1. Corinther 5, 3——7. Mutter, entweder zur Eoncnbine oder zum Weibe — beides ist Hurerei. Etliche mit allgemeinem Abscheu genannte Fälle ausgenommen, war bei den Heiden dergleicheii unerhört; denn die Natur hat einen Greuel an derselben Ehe, sagt Luther. (Besser.) Ob der Vater i1och lebte oder nicht, darüber ist i1ichts gesagt; es aus Z. Cor. 17, 12 zu schließen, wie viele Ansleger thun, indem man dort unter dem, der ,,beleidiget ist«, den gekränkten Vater versteht, dessen Frau der unnatürliche Sohn zum Weibe genommen habe, ist iniudestens un- nöthig, da jene Worte füglich eine andere Deutung zulasseii. Bedenkt man noch, daß, wenn Paulus wirk- lich den Vater als den Beleidigten dort im Sinn hätte, der weitere Schluß nahe läge, den man auch wirklich in der Regel macht, daß dieser Vater Christ gewesen sei, also dem Verbrechen der Blutschande noch weiter die Scheidung des Weibes von ihrem christlichen Manne vorangegangen sein müßte, um dessen gleichsalls christ- lichen Sohn zu ehelichen, so wird durch diese Umstände die vorliegende Unthat zu einer Höhe gesteigert, welche mit den Erklärungen des Apostels in 2. Tor. 7, 11 und den milden und begütigenden Ausdrücken in 2. Cor. Z, 5 ff. kaum mehr in Einklang zu bringen ist. Un- leugbar wird der ganze Vorgang erklärlicher, wenn der Sohn nach des Vaters Tode dessen nachgelassene Wittwe, seine Stiefmutter, zum Weibe nahm; dann läßt sich wenigstens denken, wie der Fall von der Ge- meinde ungerügt bleiben konnte (vgl. I. Kön 2, 13 fs.), und der Verbrecher selbst erscheint zwar als ein durch rohe, unbewachte Sinnlichkeit in schwere Schuld und Schande versunkener Mensch, aber doch nicht als ein so frecher, raffinirter Sünder, als bei der andern Auf- stellung, daß der Vater noch lebte, anzunehmen nöthig wäre. (Burger.) Ei) Von der rügenden Erwähnung des Verbrechens geht Paulus zur Rüge der Gemeinde und ihres Ver- haltens dabei über. Mit ,,ihr seid ausgeblasen« be- zeichnet er ein Hauptgebrechen der Gemeinde (Kap. 4, 6 u. l8), den geistlichen Hochmuth auf glänzende Gaben, aus unfruchtbar gebliebenes Wissen, der.sie für den gebeugten Sinn einer wahren Buße verschließt; in den weiteren Worten: ,,ihr habt nicht vielmehr Leid getragen« läßt er den eigenen Schmerz seiner heiligen Liebe durchblicken, mit welcher er nach 2. Cor. 2, 4 diesen Brief unter Thränen geschriebem die Rüge schließt dann mit Bezeichnung der Wirkung, welche dies tiefe Leid, wenn es auch bei ihnen vorhanden gewesen wäre, hätte haben müssen und die nun aus- geblieben. (Osiander.) » · , 3. Jch zwar sfur mein Theil, im Gegensatz zu euerm gleichgiltigen Verhalten], als der ich mit dein Leibe nicht da bin, doch mit dein Geist gegenwartig fund euch nach Maßgabe meines göttlichen Eifers über euch nicht aus den Augen lassend 2. Eor. 11, Z; Col. 2, 5; 2. Kön. 5, 26], habe schon als gegenwartig fsgleichwie ein prrsöw lich bei euch anwesender Bischof es thun müßte] beschlossen uber den, der solches also gethan sm so ärgerlicher und nichtswürdiger Weise zur Aus- fnhrung gebracht] hat snamlich nicht ·nur ganz frank und frei, ·als könne nian in einer christ- lichen Genieinde sich erlauben, was selber die Heiden sich nicht gestatten V. 1., sondern auch dabei als ein besonders geförderter und in christ- licher Freiheit stehender Bruder sich geberdend, vgl. 4. Mos. Les, 6]: 4. Indem Namen unsers HErrnJesu Christi, in eurer Versammlung mit meinem Geist [gegen-, wärtig, da ich leiblich nicht da bin] und snun angethans mit der Kraft unsers HErr Jesu Christi sdie meinem Urtheilsspruch Nachdruck verleihen wird], Z. Jhn zu übergeben dem Satan [1. Tim. 1, 20], zum Verderben des Fleisches, auf daß der Geist selig werde am Tage des HErrn Jesu [vgl. I. Petri 4, G; -2. Eor. 10, 8; 13, 10]. »Ich habeschon beschlossen«, schreibt der Apostel um sein Urtheil als ein fertiges zu bezeichnen, welches nur des Vollzugs wartet; als ein in Wirklichkeit leib- lich Abwesender, geistig aber allerdings Anwesender hat er fein Urtheil gefällt, während die Gemeinde, in deren Mitte die greuliche Uebelthat geschehen ist, nichts gethan hat, um sich dieser Schmach zu entledigen. Er selbst will auch nun den Ausspruch thun, der den Uebel- thäter dem Satan überantwortet, nur aber so, wie er allein dies abwesend thun kann, also durch ein der Gemeinde schriftlich zugehendes, in ihrer Versammlung kund zu gebendes Wort. (v. Hofmannh Welch mäch- tiger, das Unsichtbare, als wäre es sichtbar, lebendig ergreifender Glaube wohnte in dem Apostel, daß auch die Schranken des Leibes und des Raumes wie ganz hinwegfielen und er im Geist und Glauben gleichsam lebte und handelte in den entfernten Gemeinden des HErrnl (v. Gerlach.) Der Gedankengehalt, welchen die Rede des Apostels in V. 4 in concreter Feierlich- keit veranschaulichh ist dieser: Jch habe bereits be- schlossen, daß ihr eine Gemeindeversaminlung halten, miih selbst, mit der Gewalt Christi versehen, dabei als gegenwärtig betrachten und in dieser Versammlung nun aussprechen sollt: ,,Pauliis im Namen Christi, mit dessen Gewalt er hier geistig unter uns ist, übergiebt hiermit den Blutschiinder dem Satan« Dieses »Über- geben dem Satan« in V. 5 mit seiner näheren Be- stimmung ist charakteristische Bezeichnung des höheren christlichen Banngrades, mit welchem wese11tlich die in apostolischer Amtsgewalt beruhe11de Verfügung ver- bunden war, daß der Satan den ihin Untergebenen mit körperlichen Plagen peinige; dadurch unterscheidet sich diese besondere Art des aus der Synagoge in die Kirche übergegangenen Bannes (Joh. 9, 23 AnmJ von dein einfachen »von euch hinaus thun« in V. 2 u. 18., was die Gemeinde vollziehen konnte, während das ,,iibergeben dem Satan« hier undin 1. Tim. I, 20 als der apostolischen Machtvollkommenheit vorbehalten erscheint. Die einfache Ausschließung stand also der Gemeinde selbstständig zu, und der Apostel fordert noch am Schluß unsers Abschnitts die Corinther auf, diese Befugniß nachträglich auszuüben, nachdem sie es in ihrer Jndifferenz bisher versäumt hatten; ihm selbst in der Kraft Christi gehörte das Recht und die Macht der geschärften Bannstrafe, die Uebergabe an den Satan, von welcher er daher nicht sagt, die G emeind e solle sie vollziehen, sondern er habe bereits« solche Vollziehung beschlossen. Diese Ueberantwortung an den Satan nun ist vom Apostel als ausdriicklicher und exhibitiver Akt der Verweisung aus der christlichen Gemeinschaft in die Gewalt des Fürsten der Welt gemeint, und zwar mit dem Endzweck, daß der Satan, der seinerseits das allerdings nur in der widerchrist- lichen Absicht thut, womöglich auch die Seele zu ver- derben in die Hölle, den ihm Untergebenen mit leib- lichem Elend schlage, dies aber zur Rettung des letztereii nach göttlichem Willen diene, welche Rettung denn 193 Was der Apostel seinerseits zu thun beschlossen habe. Paulus nicht blos als möglich denkt, sondern als eine Folge, die nach Tödtung der sündlichen Triebe durch das Verderben des Fleisches bei dem dadurch zur Sündenerkenntniß und Buße gefiihrten Menschen ver- möge der rettenden Macht Christi nicht ausbleiben werde, erwartet; denn das Uebergeben dem Satan zum Verderben des Fleisches ist ja eine Maßnahme, bei welcher der Geist außer der Gewalt Satans und für die Gnadenwirkung Christi zugänglich bleibt. (Meyer.) Fleisch ist hier der die Sünde in sich tragende und ihr dienende Organismus; dieser, der auf eine so schändliche Weise von dem Manne als Werkzeug der Sünde gemißbraucht worden, soll dem Satan preis- egeben tret-»den, daß derselbe eine entsprechende Zer- störun oder Zerrüttung darin ausrichte und so das göttli e Gericht daran vollziehe Nach strenger Wort- bedeutung bezeichnet dann Verderben des Fleisches eine tödtliche Krankheit oder Pla e (vql. Katz. 11, 30., wo auch von theokratischer Bestrafung der Profanirung des Heiligen mit tödtlicher Krankheit die Rede ist), die dazu führen soll, daß der Mensch nicht ganz und gar dem Verderben verfalle, sondern, durch das Gericht über seine Leiblichkeit zur Buße gebracht, wenn er auch dem Leibe nach zu Grunde geht, doch dem Geiste, dem ür die göttliche Einwirkung noch empfänqlichen innerten Kern seiner Perfönlichkeit nach dem Verderben entrifen und in die Gemeinschaft des ewigen Heils zurückgebracht und so in dem Bereiche der Geretteten erfunden werde an dem Tage der großen Scheidung und Entscheidung. (Kling.) Daß der Strasakt, wel- chen der Apostel sich Vorbehalt, durch die Wirksamkeit des Satans vermittelt werden soll, beruht auf der bi- blischen Jdee der auch physisch zerrüttenden und quälen- den Wirksamkeit des Satans, wie sie bei Hiob (1, 12 sf.; 2, 6 f.), Paulus (2. Cor. 12, 7), in andrer Weise bei den Dämonischen (Matth. 8, 34 Anm.) sich offenbarte; daß aber der Satali selbst und ein von ihm gewirktes Leiden als Werkzeug und Mittel zur sittlichen Heilung und ewigen Errettung des Sünders wider des ersteren Willen gebraucht wird, beruht auf der weiteren Jdee der Bibel von der Beschränktheit der Macht desselben überhaupt (Matth. 10, 28) und von ihrer Gebrochen- heit durch die Kraft der Erlösung insbesondere. Es kommt nun aber hier das Verhältniß des apostolischen Strafbeschlusses zu Z. Cor. Z, 6 ff. in Frage, das nicht ohne Einfluß auf die Auffassung unsrer Stelle ist; nach dieser Stelle bezeichnet das ,,ich habe beschlossen« nur den Vors atz einer solchen Strafsentenz aus Seiten des Apostels, die Ausführung selber einstweilen noch unentschieden lafsend. (Osiander.) Zum wirklichen Vollzu e kam es hernach nicht, weil mittlerweile die Corintger ihre in V. 2 angedeutete Versäumnis; gut machten, indem sie der Aufforderung in V. 13 nach- kanien; dieser nachträgliche Eifer der Gemeinde und der Eindruck desselben auf den Sünder machte das von dem« Apostel angedrohete schärfere Zuchtmittel unnöthig. (Burger.) (Epiftel am heil. Otkersilt.) Nicht das Typische des Osterlanimes, sondern das Vorbildliche der jüdischen Ostergebräuche ist der Lebens- nerv dieses Textes; die Gemeinde soll daraus lernen, was das wefentlichste Stück jeder christlichen Osterfeier sei, nämlich die gründliche Ausfegung des alten Sauer- teiges, um in einem neuen Leben zu wandeln. (Nebe.) Diese Epistel ist nichts anderes denn eine Vermahnung zu christlichem, gutem Wandel und Werken an die, so das Evangelium ehört und Christum erkannt haben; das heißt er re te süße Brode nnd Oblaten oder Fladen essen, wie wir Deutsche dies Wort aus der Diichseps Biber-seit. v11.Va-id. ·desH Kirche genommen, aber verkürzt und für Oblaten ,,Fladen« gemacht haben. (Luther.) Die Wahl unsrer Epistel für den ersten Osterfesttag halten wir für ver- fehlt, weil sie nicht die nöthigen Anhaltspunkte bietet, um die Thatsache der Auferstehung Christi und deren Bedeutung zum Ausdruck zu bringen; es bleibt uns nur übrig, an das Wort: »wir haben auch ein Oster- lamm, das ist Christus, für uns geopfert«, die Oster- thatsache und ihre Bedeutung anzuknüpfem die Predigt soll aber aus dem Texte heranstragen und nicht ge- nöthigt sein, in denselben einzutragew Mit Recht findet es Ranke unliturgifch, daß die Epistel eines hohen Festes, an welchem man erwartet, die Festthat- sache auch in der Lection in höherem Tone anfchlagen R: hören, anfängt: ,,euer Ruhm ist nicht sein«. Von i fch ist die Stelle vorgeschlagen: l. Cor. 15, 12——20; in » ürttemberg gilt als erste Epistel: I. Cor. 15, 1—-20., als zweite: 1. Cor. 15, 51—58; in Sachsen wird l. Petri 1, 3—9 gelesen. Da indessen bei uns die vorliegende Stelle nun einmal noch in Gebrauch ist, so geben wir dafür folgendes Thema: Des Christen wahre Osterfeier; 1) in dankbarer Freude tröstet er sich des Sieges Christi über Sünde, Tod und Hölle; 2) in der Kraft des Glaubens weihet er alle Tage zu Auferstehungstagen durch einen Wandel im neuen Leben. (Sommer.) Was fordert der Oftertag von der neutestamentlichenGemeinde: l! Rei- nigung bis zum Grunde, 2) Wandel in Lauterkeit und Wahrheit. (Herold.) Der feine Ruhm eines Christen; er besteht darin, daß wir I) ungefänert sind, Z) ungesäuert uns halten, Z) und darin auch unsre Ostern feiern. (Peiri.) Lasset uns Ostern halten, l) ein Ostern in der Erinnerung, Z) ein Ostern in der Erfahrung und Z) ein Ostern in der Hoffnuiågl (Brückner.) Das Fest derAuferstehung rrn als das Passafest des neuen Bun- des; wir bedenken, wie der Aiiferstandene l) uns be- freit aus der Knechtschafh 2) uns leitet durch die Wüste, s) uns einführt in das gelobte Land unsrer wahren Heimath (Baur.) S. GuetjNnhm Das, dessen ihr euch rühmet, nämlich euer christlicher Gemei1idezustand] ist nicht swie ihr meinets fein ssondern vielmehr mit einem schlimmen Makel behaftets Wisset ihr nicht, daß« [wie das Sprüchwort sagt Gut. 5, P] ein wenig Sauerteig den ganzen Teig versciuertt sund ihr also zu fürchten habt, jener Makel werde mehr und mehr auch das Gute, was ihr wirklich besitzet Kap. l, 4 ff., verderben und zii Grunde richten]? 7. Darum feget den alten Sauerteig [das, was von dem Wesen des alten Menschen noch bei euch vorhanden ist Ephes 4, ·22; Col. Z, J] aus, auf daß ihr ein neuer sein frischer, mit Sauerteig unvermengter] Teig seid, gleich- wie ihr svermöge der bei eurer Aufnahme in das Reich Gottes euch zu Theil gewordenen Gnade»Kap. S, 11; 2. Cor. b, 17; Joh. 15, s] ungesauert seid fund es demnach zu eurer Be- rufung und Erwählung gehört, einen solchen neuen Teig darzustellen]. Denn wir [Chriften] haben auch sso gut, ja· wohl noch besser als die Kinder Israel, die in diesen Tagen ihr Passa schlachten und essen werden und da allen äußerlichen Sauer- 13 194 1. Corinther 5, 8—13. teig aus ihren Häusern entfernen, um nun sieben Tage lang nur süße Brode zu genießen 2. Mos. 12, 3—27] ein Osterlamm, das ist Christus, für uns geopfert« swie zu unsrer Verscho- nung und Rechtfertigung, so auch zu unsrer Hei- ligung und Vollendung I. Petri l, 18 ff.; 2, 24; Hebr. l0, 10]. s. Darum lasset Uns smit unserm ganzen Leben] Ostern sgenauer:· Festfeier] halten, nicht im alten Sauerteigu auch snamentlichj nicht im Sauerteig-e der Bosheit und Schalkheit snach Luther: der öffentlichen Sünde und des verborgenen, geheimen Unrechtssz son- dern m dem Sußteige der Lauterkeit swas die innere Gesinnung] Und der Wahrheitsks swas das äußere Bekenntniß und den christlichen Wandel betrifft]. V) Von dem Ruhm, d. i. dem Gegenstand, dessen sich die Corinther rühmten, sagt der Apostel, daß er nicht fein, daß es übel damit bestellt sei. Sie meinten, in einem gedeihlichen und sehr achtungswerthen Zu- stand des christlichen Lebens sich zu befinden, dessen sie sich wohl rühmen dürften (erwiesen sich doch die Gaben des Geistes unter ihnen in einer solchen Mannig- faltigkeit und Fülle, wie sonst nirgends; es wurde bei ihnen mit Zungen geredet und geweissagt, sie hatten es weitgebrachtin der Erkenntniß und schienen in der christlichen Vollkommenheit hoch ekommen zu sein); daß aber durch Duldung des in .1 erwähnten grob unsittlichen Gliedes dem Stand ihrer ganzen Gemeinde ein bedeutender Makel anhaftete, übersahen sie völlig. Der Apostel nun schlägt den Selbstruhm der Corinther nieder, indem er ihnen die Gefahren vorstellt, in welche die Gemeinde geräth, wenn grobe Sünder ungestraft bleiben; durch ein sprüchwortartiges Gleichniß macht er aufmerksam, wie durch Duldung auch nur Eines Lasters der sittliche Gesammtzustand der Gemeinde Schaden leide. Es ist die Natur des Sauerteigs, daß er nicht müssig liegen bleibt, sondern die ganze Teigmasse, mit welcher er in Verbindung steht, in seine Gährung hineinziehtx so geht es bei dem einzelnen Christen, wo die Gleichgiltigkeit gegen Eine Uebertretung des göttlichen Gebots leicht der Anfang zur Aufhebung alles Gehorsams wird; so geht es bei der Gemeinde, wo jedes geduldete Laster nicht ohne Wirkung bleibt, sondern jedes böse Beispiel seinen verderblichen Ein- fluß äußert auf die ganze Gemeinschaft. (Sommer.) Der Sauerteig bezeichnet eine nicht ausgefegte, aus dem Zustand vor der Wiedergeburt herübergenommene Unlauterkeih von welcher ein kleiner Rest, wenn er geduldet wird, alles gewonnene Heil wieder zu ver- derben und unwirksam zu machen vermag. (Burger.) Vgl. die Bem. zu 2. Mos. 12, 17. IV) Es ist keine Frage, Paulus spielt hier sehr be- stimmt schon in dem ersten Satze auf die jüdische Osterfestsitte an: ängstlich ward an dem Tage, an dessen Abend das Passalamm geschlachtet wurde, nachgesehen, ob auch aller Sauerteig, und was aus Sauerteig ge- backen war, aus dem Hause hinweggeschasst sei; das ganze Haus wäre um den Segen des Festes gekommen, wenn auch nur eine Kleinigkeit von Sauerteig in irgend einem Winkel liegen geblieben wäre (2. Mos. 12, 20 Anm.). Hieran knüpft Paulus nun seine Mah- nung an, und getrost konnte er dies Bild aus der jü- dischen Sitte entnehmen; denn dem einen Theile der Gemeinde ist dieselbe durch Mitmachen von früh an bekannt, dem andern aber durch das Lesen in dem alten Testament bekannt geworden. (Nebe.) Die ganze hier ausgeführte Allegorie wäre dem Paulus unnatür- lich gewesen, wenn er seinen Brief, den er vor Pfingsten geschrieben hat (Kap.1·6,8), nach Ostern und also zwischen Ostern und Pfingsten» geschrieben hätte; sehr natürlich hingegen war sie ihm, wenn das iüdische Passa kurz bevorstand, wodurch eben diese, sonst an keiner andern Stelle von ihm behandelte Allegorie sich ungesuchtihm darbot, so daß das absonderliche Gepräge seiner Rede sich als Abdruck der Festgedanken gestaltete, welche beim Nahen des Passa in ihm lebendig waren. (Meyer·) Schon mit der Frage in V. 6: ,,wisset ihr nicht?« hat Paulus betont, wie sie das wohl wüßten, was er ihnen jetzt sage, und wie es also an ihnen sei, das um sich greifende Böse von sich auszuscheidem er spricht aber die Forderung noch ausdrücklich aus in den Worten: ,,feget den alten Sauerteig aus, auf daß ihr ein neuer Teig seid«. Der alte Sauerteig ist das aus deni vorchriftlichen Zustand hertibergenommene, von den Corinthern immer noch nicht völlig über- wundene sündliche Wesen; von diesem sollen sie sich aus-reinigen. Der Ausdruck: ,,feget aus« ist gewählt mit Beziehung auf das Gebot in Z. Mos. 12, 15 ff., nach welchem die Jsraeliten zur Zeit des Passa zum Zeichen der sittlichen Reinigung des Hauses allen Sauerteig aus demselben entfernen mußten; so sollen die Christen alles unsittliche Wesen abthun, was durch Buße und Tödtung des Fleisches gefchieht, dabei denn, wie H. Müller sagt, der Anfang am Herzen gemacht werden muß. Ein neuer Teig sollen die Christen fein, d. h. ein frischer Teig, in dem noch kein Sauerteig ist und der als erst gewordener mit der Vergangenheit, aus welcher der alte Sauerteig stammt, keinen Zu- sammenhang und nichts gemein hat; eine heilige, von Aergernissen freie Gemeinde, deren Mitglieder durch Christum neue Menfchen geworden sind, sollen die Christen darstellen, denn nur diese entspricht dem ge- heiligten Wesen des Christenstandes, wie das mit den Worten angedeutet wird: ,,gleichwie ihr ungesäuert seid«. (Soinmer.) Ein neuer, srischer, von keinem alten Sauerteig durchgohrener Teig zu werden, ist die Gemeinde Gottes berufen; ihre Verpflichtung sowohl als ihre Ermächtigung zum Dienste Gottes im neuen Wesen rechtfchafsener Gerechtigkeit und Heiligkeit zeigen die Worte an: ,,gleichwie ihr ungesäuert seid«. Jn Christo sind wir ungesäuert, rein und heilig, eine neue Creatur; was nun Gott uns gegeben hat durch die Gnadenthat der Berufung zur Gemeinschaft seines Sohnes Jesu Christi, unsers HErrn (Kap. 1, 9), und was wir empfangen haben durch den Glauben, das will ich in uns kräftig beweisen, und wir sollen es zur rast kommen lassen, damit wir ein neuer Teig seien im göttlichen Wandel und Leben. Ebenso wie hier die Ermahnung: ,,feget den alten Sauerteig aus, auf daß ihr ein neuer Teig seid«, sich gründet auf Gottes Gnadengabe: ,,gleichwie ihr ungesäuert seid«, folgt in Col. Z, 5 die Ermahnung: »so tödtet nun eure Glieder« auf die Gnadenthatsache (V. 3): ,,ihr seid gestorben«· Wenn nun der Apostel hier fortfährt: »denn wir haben auch ein Osterlamm, das ist Christus, für uns geopfert«, so begründet das Wörtlein »denn« den ganzen vorangehenden Satz; sowohl den Zuspruch, daß wir ungesäuert sind (denn das sind wir durch den Glauben an das Blut unsers Osterlanimes), als die Ermahnung zum Ausfegen des alten Sauerteiges, damit wir ein neuer Teig seien (denn dazu sind wir berufen in der Kraft unsers HErrn Jesu Christi, der für uns geopfert ist und in uns lebt). »Wir haben auch ein Osterlamm«: nicht ärmer also ist die christs Bestrafung der vom Sauerteig angesteckten Gemeinde und Vermahnung zum Ausfegeir 195 liche Kirche als die Kinder Israel, die in ihrem Oster- lamm den Schatz aller ihrer Schätze hatten, das Schönste ihrer schönen Gottesdienste, das Grundopfer ihrer Opfer und das Haupttestament unter den Testa- menten der Verheißung Der Jsraeliten Qsterlamm war kein andres als unser Osterlamnn Christus; aber bis er kam, der da kommen sollte, und Johannes der Täufer mit dem Finger auf ihn zei te: ,,siehe, das ist Gottes Lamm!« — bis dahin mußten die Bundes- kinder das Eine Lamm, welches Jesajas (53, 7) im Geiste zur Schlachtbank führen sah, in vielen Läinmerii abbilden, deren unschuldiges Blut durch das daran gehängte Verheißungswort die Versöhnung, die im Blute Christi ist, dem siindigen Volke zumittelte. Nun aber ist das rechte, wahrhaftige Ofterlamm geopfert oder geschlachtett ,,für uns«, frohlockt Paulus, Juden und Heiden in Eins fassend; denn die Sünde der Welt trägt dieses Lamm und ist die Versöhnung für der ganzen Welt Sünde. (Befser.) ist) Weil wir nun ein Ofterlamni und ein recht Osterfest haben, sagt St. Paulus, so sollen wir auch demselben sein Recht thun und dasselbe fröhlich be- gehen und feiern, wie sich gebühret, daß wir nicht mehr den vorigen alten Sauerteig, sondern rechte Oblaten und Fladen essen. (Luther.) Das in den Worten: ,,lasset uns Festfeier halten!« gemeinte Fest ist zwar das Osterfest, aber so, daß das Passaseiern als bildliche, charakteristische Darstellung der ganzen christlichen Lebensführung vom Apostel gedacht ist: was im alten Testament nach vorbildlichem Gebrauch einmal des Jahres geschah, das soll im neuen Testa- ment seine Erfüllung finden als ein das ganze Leben der Christen beherrschendes Gebot. (Meher.) Vielleicht hat die ganze Stelle ihren Grund in dem Wunsche des Apostels, den Petrinern (Kap. 1, 12) zu zeigen, daß die Christen auch ohne jüdifche Form das Wesen des alten Bundes hätten; war nun in V. 7 das Bild so gewendet, daß die Corinther, in ihrer Gesammtheit gedacht, selbst den neuen Teig bilden,-so daß sie aus sich allen Sauerteig anszuscheiden haben, so sind sie nunmehr als die Feiernden dargestellt, die keinen Sauerteig genießen. Es sind das freie Wendungen im Gebrauch des Bildes, wodurch der Grundgedanke durchaus nicht umgestaltet wird. (Olshausen.) Ein ununterbrochenes Osterfest-Feiern wird von Paulus gefordert, das ganze Leben wird unter das Licht der Ostersonne gestellt; jeder Tag soll uns ein Ostertag sein und jeden Tag sollen wir nach dem Vorbild der jüdischen Ofterfeier uns des Sauerteigs gänzlich ent- halten. Das Christenleben soll eine unaufhörliche Fest- seier fein; die alte Kirche hat dies wenigstens so beobachtet, daß sie auch jedem Wochentage den Namen feria (Feier- oder Festtag) beilegte, und die alten Väter hören nicht auf, die Christenheit zu ermahnen: ,,jeder Tag sei euch ein Fefttag!« (Nebe.) Während der Beisatz: ,,nicht im alten Sauerteig« sich aus dem Zusammenhange mit dem Vorhergehenden erklärt, gilt dies keineswegs von der Fortsetzung desselben: ,,auch nicht im Sauerteig der Bosheit und Schalkheit« und dem Gegensatze dazu: ,,sondern in demSüßteig der Lauterkeit und der Wahrheit«; und auch sonst entsteht die Frage, was diese Fortsetzung soll. Hatte nun etwa die Gemeinde sich etwas zu Schulden kommen lassen, was sich mit der Lauterkeit und Wahrheit nicht ver- trug und einer nichtlediglich auf das Gute gerichteten, mit dem Andern es wohlmeinenden Sinnesart ent- stammte? (vgl. zu V. 9.) Denn gleichwie die Bosheit die Gesinnung dessen bezeichnet, der in sich böse, die Schalkheit die Gesinnung dessen, der für Andre schlimm ist, so ist Lauterkeit die Befchafsenheit des in sich Lauteren, Wahrheit die Eigenschaft des fiir den Andern Durchsichtigen. (v. Hofmann.) Den alten Sauerteig unterscheidet der Apostel von dem Sauerteige der Bos- heit und Schalkheih indem er unter jenem die Ueber- reste der alten verderbten Gewohnheiten, unter diesen! vorzugsweise neu aufkominende Verderbnisse der Un- redlichkeit und Unlauterkeit aller Art versteht. (v. Ger- lach.) Christi Aufopferung hat die ganze Zeit des neuen Testaments zur Feftzeit gemachtz das kann aber nicht bei dem unbußfertigen Verharren im alten Sauerteig bestehen, noch auch wo man seinen aus- gegangenen neuen Sinn wieder mit Bösem vermengen läßt, noch wo man sich das Böse unter gutem Schein einer rechtmäßigen Freiheit aufdringeii läßt. (Rieger.) Der Siißteig der Lauterkeit und Wahrheit ist dagegen der Sinn der Aufrichtigkeit vor Gott, welcher dem öttlichen Lichte sich öffnet und, von ihm durchstrahlt, selbst Licht wird. (Burger.) 9. Jch habe euch geschrieben in dem sfrühereiis Briese, daß ihr nichts sollet zn schassen haben mit den Hnrerns sdie in Unzucht dahin leben V. is. 10. Das meine ich gar nicht swie ihr meine Rede laut eurer Aeußerung in dem Antwort-s schreiben Kap. 7, 1 so gefaßt habt] von den Hurern in dieser Welt [unter ungläubigen Juden und abgöttifchen Heiden], oder sum auch Andere hinzuzunehmen, mit denen ich den Verkehr euch untersagt habe] von den Geizigen, oder von den Räubern oder von den Abgöttischen sin dieser Werts; sonst müßtetihr sum mein Verbot zu halten] die Welt räumen [da ihr nirgends auf Erden einen derartigen Verkehr völlig vermeiden könnetz ich würde also etwas geradezu Verkehrtes gefordert haben, hätte ich mein Wort so verstanden wissen wollen, wie ihr es gedeutet]. 11. Nun aber habe ich euch sallerdings da- mals ohne nähere Bestimmung] geschrieben, ihr sollt nichts mit ihnen fmit dergleichen Leuten] zu schassen haben; nämlich sso war dabei selbstver- ständlich meine Meinung] so jemand ist, der sich läßt einen Bruder nennen [also, worauf der Nath- druck liegt, zur christlichen Gemeinde zählen will], und ist ein Hurer oder ein Geiziger oder ein Abgdttischer oder ein Liisterer oder ein Trunken- bold oder ein Räuber, mit demselbigen soltet ihr auch nicht essen skeinerlei Art Tischgemeinschaft unterhalten Luk. 15, L; Apostg. 11, Z; Gut. Z, 12]. 12. Denn was gehen mich die draußen sdie noch außerhalb der chriftlichen Kirche stehen Mark. 4,11; Col.4,5; 1.Thess.4,12; l. Tim. Z« 71 an, daß ich sie sollte richten sein disciplinarisches Gericht iiber sie halten]? Richtet ihr nicht fwenn ihr Kirchenzitcht übet, auch nur solche], die da hinnen find szu eurer Gemeinde gehören, und hättet daraus schon von selbst euch abnehmen können, auf wen jene meine Bestimmung ginge]? 13. Gott aber wird, die draußen sind, richten sso daß wir uns gar nicht um ihr Gericht zu kümmern haben] Thut Dagegen, wie das schon 138 196 1. Corinther 6, 1—-6. die alttestamentliche Ordnung des Volkes Gottes s verlangt] von euch selbst hinaus seinen solchen], wer da bose ist [5· Mai. 13, s; 24, 7]. «) Es folgt hier eine Art Episode zum eigentlichen Gegenstand dieses Ab sitmitts; die Ermahnung zur Reinigung von Besleckungen und zu einem reinen, ihres Christenberufs würdigen Verhalten führt den Apostel zur Erläuterung einer mißverstandenen Stelle seines vorigen Briefs, den Verkehr mit Hurern be- treffend. Dogmatische Aengstlichkeit, welche kein Ver- lorengehen eines apostolischen Schreibens zulassen wollte, bezog das: »ich habe euch geschrieben in dem Briefe« auf den hier vorliegenden 1. Corintherbrief, und zwar näher auf V. 2 u. 6 unsers Kapitels; aber dafür paßt weder der Ausdruck: ,,in dem Briefe« (vgl. Z. «Cor. 7, 8), noch der Jnhalt von V. 2 u. 6: es muß ein früherer Brief sein, der aber für uns verloren gegangen. Die Warnung vor Verkehr oder Umgang mit den Hurern nun hatten die Corinther so gedeutet, als sollten sie überhaupt mit Menschen dieser Art gar keinen Verkehr haben —- vielleicht aus einer geheimen Abneigung, dieser Ermahnung nachzukommen, und wohl in ihrem Antwortschreiben (vgl Kap. 7, I) auf die Unausführbarkeit der Sache hingewiesen; da er- klärt er denn sich näher über seine Nieinung (Kli11g.) Der hier angedeutete Inhalt des verloren gegangenen Briefs stimmt zu den Zuständen der corinthischen Ge- meinde, wie sie in 2. Cur. 12, 21; 13, 2 bei der in der Apostelgeschichte übergangenen zweiten Anwesenheit des Apostels in Eorinth (Apostg. 19, 20 Anm.) voraus- gesetzt werden; denn schon vor dieser hatten sich Glieder der Gemeinde vergangen durch ,,Unreinigkeit und Hurerei und Unzucht« und hatten später nicht Buße gethan, und schon damals hatte der Apostel verkündet, daß er nicht schonen werde, wenn er wieder komme. Nicht unwahrscheinlich ist es, daß er in diesem Briefe auch den in Cur. l, 15 f. erwähnten Reise- plan ankündigte, welchen er aber in diesem unserm ersten kanonischen Briese (Kap. 16, 5ff.) aus Gründen, welche in ·2. Cor. I, 17 entwickelt werden, änderte. Ueber den weiteren Inhalt des Briefes wissen wir nichts; vielleicht war er nur kurz und enthielt kaum mehr, als aus den angeführten Stellen ersehen werden konnte, und ist eben deshalb nicht auf die Nachwelt gekommen. Abgefaßt muß der Brief sein nach der in der Apostelgeschichte übergangenen Anwesenheit des Apostels in Corinthz denn nur daraus erklärt es sich, daß Paulus noch bei Abfassung unsers ersten kanonischen Briefs seinen Jnhalt gegenüber den Corinthern in der hier vorliegenden Weise rechtsertigt; wahrscheinlich hat ihn Paulus in Ephefus, nachdem er dorthin (Ende Oktober des J. 56) wieder zurückgekehrt war, abge- faßt. (Wieseler.) Hat denn aber die Gemeinde wirk- lich nicht verstanden, daß er lediglich von dem Ver- kehr der Christen unter sich sprach, aus welchem sich ausgeschlossen sehen solle, wer ein mit seinem Christen- namen in Widersprnch stehendes Leben führt? oder wollte sie ihn nur 1nißverstehen, um seiner wirklichen Zumuthung, wie er sie meinte, sich zu entziehen? Der Apostel macht ihr diesen Vorwurf nicht; aber fühlen läßt er sie, daß ihm ihre Entgegnung eine Aeußerung dessen scheint, was er in V. 8 Bosheit und Schalkheit genannt hat, eine Unlauterkeit, die ihrem Wesen fremd, eine Unwahrhaftigkeit gegen ihn, deren sie nicht fähig sein sollte. VI) Jn der ersten Aufzählung von Sündern, mit welchen er den Verkehr untersagt (V. 10), fügt Paulus zu den in geschlechtlicher Zuchtlosigkeit Lebenden (Hurer) einerseits die in Bezug auf Mein und Dein Gewissen- losen, welche rücksichtslos das Jhre zu mehren oder Fremdes an sich zu bringen bedacht sind (Geizige und Räuber), und andrerseits die Theilnehmer am Götzen- dienst (Abgöttische), welche, ohne selbst die heidnischen Götter für etwas zu achten, mit Betheiligung an ihrem Dienste die Fortdauer freundlichen Vernehmens und Verkehrs mit den Heiden erkaufen (Kap. l0, 7. 19 sf.); die zweite Aufzählung dagegen (V. l1) besteht aus drei Paaren von Gliedern — Hurer und Geizigetz wer seiner Lust fröhntspin geschlechtlicher und erwerb- licher Beziehung, Abgöttischer und Lästerer, wer Gottes und wer des Nächsten Ehre kränkt, Trunkenbold und Räuber, wer Gottes irdische Gabe gierig mißbraucht und des Nächsten irdisches Gut gierig an sich rafft- Mit folchen Sündern keinen Verkehr zu pflegen, hatte der Apostel brieflich ermahnt und nicht so mißver- standen zu werden erwartet, wie ihn die Gemeinde in ihrem Schreiben an ihn verstanden haben will, wenn sie ihm entgegnet, daß der Abbruch jedes derartigen Verkehrs das Leben in dieser Welt unmöglich machen würde. Sie mußten sich doch selbst sagen, daß die außerhalb der Kirche Befindlichen zu richten (denn ein Richten derselben würde ihm Ausschließung aus dem Verkehr der Christen allerdings sein) nimmermehr seines Thuns sein kann; er überläßt ja die draußen Befindlichen dem Gerichte Gottes, nur auf die drinnen Befindlichen erstreckt er seine richtende Thätigkeit Und er steht in dieser Beziehung nicht anders als die Ge- meindex er thut nur, was sie selbst thut, wenn sie richtet, und nach dem, was sie selbst thut, hätte sie ihn verstehen sollen. Es ist aber ein mit der Zuge- hörigkeit zur Gemeinde Christi gegebener Vorzug, ihrem Gerichtezu unterstehen, indem dies dem Sünder dazu dienen kann, dem Gerichte Gottes nicht anheim zu fallen (Kap. U, 31 f.), welchem die außer ihr be- sindliche Welt überlassen bleibt. Steht nun die Ge- meinde so wesentlich anders zu den ihr Angehörigen, als zu den außer ihr Befindlichen, so ergiebt sich von selbst, was ihr hernach zu thun obliegt; statt sich darum zu bekümmerm daß es außer ihr grobe Sün- der giebt, soll sie aus ihrer eigenen Mitte den, der arg ist, hinausthun (v.Hofmann.) Daß die Uebung der Kirchenzucht eine Pflicht ist für die Kirche, daß sie auf apostolischer Anordnung ruht und somit gött- lich geboten ist, wird niemand nach Lesung des Ka- pitelis zu leugnen vermögen: warum aber erweckt schon die Nennung dieser Sache folchen Widerspruch und stößt ihre Uebung auf kaum u überwindende Schwierigkeiten? Weil der Unterschie , den sie voraus- setzt und auf den der Apostel seinen Befehl gründet, der Unterschied zwischen drinnen und draußen, zwischen Kirche und Welt zwar nicht aufgehoben, wohl aber der äußeren Wahrnehmung entrückt ist. Die Kirche steht nicht mehr in der Welt, sondern die Welt» steht mitten in der Kirche; darum sträubt sie sich gegen Maßnahmen, durch welche sie ihren Platz wieder außerhalb der Kirche erhielte, und die Kirche selbst kennt ihre Glieder nicht mehr und ist aus jedem Schritt gehemmt durch die Menge derer, welche alle Rechte der Kirchenglieder in Anspruch nehmen ohne ihre Pflichten. Was wir dergestalt als Folge eines welt- geschichtlichen Prozesses zu beklagen haben, wird in der Hauptsache bleiben, bis Gott durch Wege des Gerichts den gegenwärtigen Zuständen überhaupt ein Ende macht: bis dahin wahre jeder sein Gewissen, so gut er weiß und kann, und vergesse wenigstens nicht, was er soll, auch wo es unmöglich ist, es sofort in’s Werk zu richten. (Burger.) Man findet jetzt die Herren dieser Welt mitten in der Kirche; das geringe Häuflein der Gläubigen hat da freilich keine Macht· (Rieger.) Ueber den Verkehr mit unsittlichen Menschen in und außer der Gemeinde. 197 Das 6. Kapitel. Bestrafung des nnbefugten gerichtlichen Zankens nnd der cgurerei. b. V. 1—11. Von dem geifkliiheii Zuchtgericht der Gemeinde über ihre Glieder, das in Carinth erschlafft und in einem so schweren Falle ganz unterlassen war, aber keine Ausdehnung ans die Ungläubigen zarten, geht die avoskofisihe Riige zu dem umgehehrten Falle " über, da die Gemeindeglieder ihre wektfiihen 5 trei t- sachen unter sich dem Gericht der Heiden unter- warl·en, was Paulus afs mit ihrer erhabenen Be— stimmung durchaus unvertriiglich verwirft (lJ. 1—6). Der Fehler, um den es sich hier handelt, ging ohne Zweifel von dem vorherrscheiiden Bcskandtheif der Gemeinde, von den heidenchrisken aus; der hecfenische Raiionalsimi stimmte die Bewohner einer so grossen Handels-findt, wie Corinih, eben so sehr wie in andrer Hinsicht die ?lthener, welche für Liebhaber von Rechts· händeln galten, prozesitiictslig Aber eben darum zeigt nun auch der Apostel, wie es an und für sich schon eine Verleugnniig des christlichen Charafiters sei, wenn Christen überhaupt mit einander rechten, da ihnen ihr HGrr gebietet, viel« lieber Unrecht zu leiden, als Unrecht zu thun, nnd es sich gesoffen zu lassen, von Andern iibervortheifet zu werden; damit stimmt der Coriuther verhaften gar wenig, die das Unrechtlhun und Uebecvartheifeii selber, und noch dazu ein Bruder an dem andern, leben. Darum hält er ihnen weiter vor, das! Ungereajte dereinst nicht Theil« haben werden an dem Reiche der Herrlichkeit, nennt auch noch andere 5iindendiener, von denen das Gleiche gilt, und erinnert die Leser, das) sie bei ihrer Taufe aus dem Bereiche alles solchen Laskerdiensies aus-getreten seien, affo nicht wieder sich dahin zurück« wenden diirfeii O. 7——11). 1. Wie darf [d. i. wagt es zu thun Röm. 5, 7 Anin.] jemand unter euch, so er einen [Rechts-] Handel hat mit einem Andern, hadern [rechten,»den Handel ausfechten] vor den Unge- rechtcn lden Heidens und nicht [vielmehr] vor den Heiligen« sden Christen]? Z. Wisfet ihr nicht, daß die Heiligen [dermal- einst, bei Christi Wiederkunft 2. Thess 1, 10., dessen Herrlichkeit und Herrschaft sie ja theilen sollen Röm. 8, U; 2. Tun. 2, 12] die [im Un- glauben gebliebene] Welt richten werden? So denn nun die Welt soll von euch sinsoferu ihr zu den Heiligen zählt und wofern ihr auch Glieder· ihres einstigen Gerichtshofes sein werdet] gerichtet werden Izu ihrer ewigen Verdammniß Mark. le, 16; Weish s, s; Offenb.v2, 26 f.]: seid ihr denn ffür diese gegenwärtige Zeit] nicht gut genug, geringere Sachen [bei denen es sich blos. um Dinge des gewöhnlichen Lebens Luk. 16, 10 handelt] zu richten?· » » » » v 3. Wisset ihr nicht, daß wir nber die [zum· Gericht des großen Tages behaltenen 2. Petri 2, 43 Judä 6]»Engel richten werden? Wie viel tnehr fhaben wir da Fug und Recht, zu richten] Ubrt die zeitlichen Gitter« swenn in einer Streit- suche unter Brüdern diese in Frage kommen]? 4. Jhr aber, wenn ihr über zeitlichen Gütern [Prozeß-] Sachen habt; so nehmet ihr die, so bei der Gemeine sinfofern sie ihr doch nur als solche, die da draußen stehen Kap. 5, 12f., gelten können] verachtet sind, und fetzet sie zu Richtern sindem ihr euch vor ihrem Richterstuhle einfindet und eure Sachen von ihnen entscheiden lasset] 5. Ench zur Schande muß ich das sagen swas ich soeben ausgesprochen habe Kap.15, 34., da es doch ganz anders bei euchsstehen sollte und könnte] Jst so gar kein Weiser unter euch? oder doch nicht [auch nicht einmal] Einer, der da könnte sin schiedsrichterlicher Weise] richten zwischen Bruder Und Bruder sum die Sache zu schlichten, daß es gar nicht erst zum Prozeß käme]? b. Sondern ein Bruder mit dem andern hadert szieht der schiedsrichterlichen Schlichtung ohne Weitere-Z die Anhängigmachung des Pro- zesses vor], dazu vor den Unglaubigentti soder Ungerechten V. 1., den Heiden V. 4]. V) Jn brieflicher Ungebundenheit, wie springend von einem Punkt zum andern, fährt Paulus in feinen Rügen fort, hebt sofort mit einer Frage lebhaften Vefremdens an undfiihrt so mitten in die Sache ein. (Meyer.) Das gewaltige Wort: »Wie wagt jemand« deutet auf die Majeftät der Gemeinde Gottes hin, die durch ein solches verächtliches Verfahren verletzt wurde; absichtlich braucht auch der Apostel von den Heiden den Ausdruck: ,,Ungerechte«, die in offenbarer Uebertretung der Rechte und Gebote Gottes leben, um das Widersinnige des Verfahrens zu zeigen, wenn man bei den Ungerechten sein Recht sucht. (v· Gerlachh Um das Unwürdige die Selbstwegwerfung ihnen« noch sühlbarer zu niachen, redet er sie selber dann mit ihrem Würdenamem ,,Heilige« als solche an, die von der Welt und ihrem gemeinen, fündlichen Treiben erlöst und gesondert ihr nicht zum Anstoß oder zum Gegenstand ihres Gerichts, sondern zum Segen sein sollen. Wie überhaupt jeder in fich geschlofsenen Ge- sellschaft die Schlichtung von privatrechtlichen Streitig- keiten zukommt, so besonders auch religiösen, da die Religion das stärkste Eitiigungsi und Sühnemittel ist; daher übte auch die jitdische Synagoge, selbst mit Zugeständnis; der römifchen Oberherrem eine Gerichts- barkeit über ihre Glieder in Privatsachem dies ging auf die Kirche über und erhielt sich in aiisgedehntem Maße, zu großer Beläftigung der Bischöfe, besonders in der lateinifchen Kirche, schlug aber bei dem großen äußeren Wachsthum der Kirche durch Mißbrauch in die steigende Macht der Hierarchie und in die Verwelt- lichung der Kirche u1n. (Osiander.) Die Christen u Corinth haderten vor den dasigen Heiden, indem fie ihre Streitsachen vor den, von der heidnifchen Obrig- keit bestellten öffentlichen Gerichtshöfen zum Austrag brachten und sich dem dort üblichen Verfahren in völliger Gleichstellung mit dieser Welt unterwarfen; was der Apostel von ihnen erwartet hätte, ist dies, daß sie ihre fich etwa ergebenden Differenzen unter einander durch brüderlich bestellte Schiedsrichter fchlich- teten. (Burger.) Amt und Auftrag der weltlichen Obrigkeit, auch wo sie in Heidenhände gelegt ist, lehrt Paulus (Röm. is, 1ff.) ehren, und widerspricht auch Yes: seiner Lehre von der Obrigkeit und von der hristen schuldigen Unterthänigkeit mitnichtenx was aber unter Christen, den heiligen Bürgern des Reiches 198 l. Corinther S, 7—11. Christi, Rechtens ist, vermögen, die da draußen sind, nicht zu urtheilen und zu richten, ja des weltlichen Gerichtes Amt ist nicht, zur Liebe zu erwähnen, son- dern zur äußeren Gerechti keit zu zwingen, deshalb greift unser Text auch da laß, wo die von der Obrig- keit gesetzten Richter Christen sind und ihres Amtes mit Gottesfurcht warten. (Besser.) Es) »Die Heiligen werden die Welt richten«, ist ein in solcher Allgemeinheit und so directer Fassung nur hier sich findender Saß, der aber im vollsten Einklang steht mit den an andern Stellen gegebenen Auf- schlüssenz der Sinn des Satzes kann dabei nur der sein, daß die Gläubigen selbst richten, selbst zu Gericht sitzen werden, denn nur so paßt der Schluß des Apostels aus dem Größeren auf’s Kleinere, daß den zukünftigen Richtern der Welt nicht zieme, jetzt von eben dieser Welt Recht zu nehmen in Angelegenheiten des gemeinen Lebens. (Burger.) Jn dem Welt- gerichte wird Christus, nachdem er die Seinigen von der Sünde und dem Tode vollkommen erlöst hat, sie zu seinen Beisitzern im Gericht nehmen und dieselbe Macht, die er vom Vater empfangen, auch ihnen mit- theilen; völlig gereinigt von der Sünde und vom Jrrthum werden sie die dann offen vor aller Augen daliegende Sünde in allen ihren Gestalten zu erkennen und richtig zu beurtheilen wissen. Wie nun alles, was in jener Welt vollendet dastehen wird, seine Wurzel und den Anfang seiner Erscheinung schon in dieser Welt gehabt haben muß, so wäre auch dies Gericht nicht möglich, hätten die Heiligen nicht schon seht, ihrer mangelhaften Heiligkeit ungeachtet, durch den Geist der göttlichen Erleuchtung die Fähigkeit, über Recht und Unrecht zu entscheiden. (v. Gerlach.) Eine der größten Verheißungen und eine hohe Würde der Gläubigen ist, daß sie in’s Reich Gottes eingehen nicht nur als Unterthanen des HErrn, sondern auch als solche Reichsgenossem die der königlichen Würde mit theilhaftig werden. (Starke.) Das Richten der Engel in V. 3 soll offenbar eine Steigerung sein zu dem Richten der Welt in V. 2 und bezieht sich» also auf Überirdische Wesen; da nun aber überall in der Schrift (vg1. Markt» 13, 39; 16, 27; 24, 31; 25, 31; L. Thess 1, 7) die guten Engel im Gefolge des rich- tenden Christus, als Organe desselben und als Zeugen feiner richterlichen Thätigkeit aufgeführt werden, so stellt die Erklärung von den gefallenen Engeln als allein richtige sich heraus, zumal das im Grundtext unbestimmt gelassene ,,Engel« (den Artikel »die« hat erst Luther hinzugefügt) eben auf die Qualität der zu Richtenden gegenüber der Welt hinweist, die Analogie mit der Welt aber auf Wesen dieser Art, die in einem abnormen Verhältniß zu Gott stehen, so daß das Richten ein Strafe oder Verdammniß verhän endes ist, wie in V. 2. — Es ist ..ein gewaltiger Aus prucht »die Heiligen werden die Welt richten« und: »wir werden Engel richten-«; damit wird ein Blick geöffnet in die Geheimnisse des Himmelreichs, und zwar vor allem in das Grundgeheiinniß der Menschwerdung des, wie schaffenden, so richtenden Worts und in die Lebensgemeinschaft der an den HErrn Glaubenden mit ihm, sodann in das Geheimniß der Zukunft, wo mit Christo, dem jetzt in unsichtbarer Herrlichkeit waltende-n, auch das jetzt mit ihm verborgene Leben der Seinigen offenbar werden wird, ein Leben göttlicher Macht und Heiligkeit· Sie, von denen er sagt: ,,ich in ihnen und du in mir« und von denen es in jenem prächtigen Liede heißtt «sie bleiben ohnmächtig und chützen die Welt«; sie, die hier Mitgenosseii seiner eiden und seiner Schmach gewesen, werden einst ålliitgenossen seiner offenbar gewordenen Herrlichkeit sein ·— nnd Corinth eine Vorstellung haben. dazu gehört ja auch die Gemeinschaft seines richterlichen Waltens. Sie, die durch den Glauben an ihn dem Gericht entnommen, und des ewigen Lebens theilhaftig worden sind, werden mit ihm ausführen jenen ent- scheidenden, die Fülle seiner Majestät kund gebenden Akt des Gerichts über die unter allen Erweisungen göttlicher Liebe und Weisheit, Macht und Gerechtig- keit in Widerspruch mit Gottes Wahrheit, in der Richt- achtung seiner Gnade, in der Verschmähung seines Heils, im Widerstand gegen seine Reichswege gebliebeue und darin ganz und gar verhärtete Menschenwelt; jenen Akt, wodurch sie als unverbesferlich von der nun vollendeten Gemeinschaft des Heils, vom offenbar ge- wordenen Reich Gottes ausgeschlossen wird — ein Akt der tiefsten, den Grund der Herzen und Geister und die Unentschuldbarkeit der Bösen durchschauenden Einsicht, wie der höchsten ethischen Macht oder der vollkommenen, durchgreifenden, keine Einsprache mehr gestattenden, alle Vertheidigung schlechthin nieder- schlagendem durch die Energie der alles durchleuchten- den Wahrheit als lügnerisch und unhaltbar vernich- tenden Gerechtigkeit. Diese Einsicht und ethische Macht ist prinzipiell in ihnen gesetzt mit dem Leben Christi in ihnen, mit der Geburt aus dem Geist; und sie entwickelt sich und kommt zur Vollendung mit ihrem geistlichen Leben, und zur vollen Bethätigung in jenem Akte, dessen Voraussetzung aber ist eine Er- weisung und Bewährung des Sinnes Christi, sowohl seiner den Verlorenen nachgehenden und die Mittel des Findens und Rettens mit aller Geduld und Weis- heit anwendenden Liebe und Barmherzigkeit, als auch seiner von aller Gemeinschaft der Sünde sich scheiden- den, dem Dienste Gottes ungetheilten Herzens sich weihenden, im Glauben und Gehorsam des Glaubens, unter den mancherlei Versuchungen von innen und außen, in Freud und Leid, unter Ehre und Schmach, in Ueberfluß und Mangel, in gesunden und kranken Tagen bis in den Tod beharrenden Lauterkeit und Heiligkeit, so daß sie als Gefäße und Werkzeu e seiner Licht- und Liebesmacht zur Erweckung, Ueber?ührung, Gewinnung der noch in der Finsterniß Wandelnden gethan haben, was sie konnten, und somit als befähigt und berechtigt auch zum Richten mit Christo erscheinen. (Kling.) Ueber den Teufel und seine bösen Engel werden wir richten, wenn an uns erscheinen wird, was jetzt die Kirche als Geheimniß des Glaubens ver- kündigt, daß der Fürst dieser Welt gerichtet ist (Joh. 16, 11), und was sie in Kraft des Glaubens erlebt, daß sie größer ist, als der in der Welt ist, und hat den Bösewicht mit seinen Gewaltigen überwunden (1. Joh. 4, 4). Der Prozeß des Verklägers ist ver- loren, und die vorhin Verklagten und Verfiihrtem die durch des Lammes Blut gewonnen haben, überwindend bis zur letzten Versuchung des Satan, die werden in Christo Jesu ihn richten und sprechent »gehe hin, du Verfluchten in dein ewiges Feuer» Die majestätifche Weissag11ng Jesaia’s (24, 21 f.) wird alsdann herrlich erfüllt werden. (Besser.) .Der Gedanke, daß die Hei- ligen die Welt und Engel richten werden, hat nur von den Geistern der vollkommenen Gerechten (Hebr. 12, 23), d. h. von den Gliedern der inneren Kirche in ihrer Vollendung, seine volle Wahrheit; hält man die wahrhafte Mittheilung der göttlichen Natur an solche Gläubige fest (2. Petri l, 4), so hat es kein Bedenken, sie mit Christo auch als Richter und Herrscher zu denken und ihn als den Erstgeborenen unter vielen Brüdern. (Olshausen.) »Es) Zum Verständniß des in V. 4 Gesagten ist es nöthig, daß wir vom damaligen Gerichtsverfahren in Der Proeonsul von Bestrafung der Corinther wegen ihres Prozessirens vor weltlichem Richterstuhl. 199 Achaja (Apostg. 18, 12) bereiste zu bestimmten Ter- minen die Provinz! und setzte für die ein elnen Bezirke Gerichtstage an ( postg.19, 38); dazu tellten sich die Parteien ein, die über zeitliche Güter Sachen hatten. Das Erste, was zum Prozesse geschah, war die Be- stellung von Richtern aus den ,—,Edlen« der Landschast (etwa wie bei unsern Geschwornen-Gerichten), die aus sog. Richterrollen eingetragen wurden; nunmehr hatten sich die streitigen Parteien zu verständigen, wen sie aus der eingetragenen Zahl zu Richtern annehmen wollten, denn nach römischem Rechte war das Ver- trauen der Rechtenden zu den Personen erforderlich, die über ihnen zu Gericht sitzen sollten. Das hieß ,,zu Richtern setzen«. Was thaten mithin Christen, welche Heiden über sich zu Richtern setzten? sie erklärten that- sächlich: wir haben zu diesen ,,edlen Männern« das Vertrauen, daß sie ein rechtes Gericht darüber richten werden, wie wir in der zwischen uns streitigen Sache als gute Christen handeln sollen. Sie also, die be- rufen waren zu der Hoffnung, die Welt, ja Engel- gewalten zu richten, nahmen die, welche bei allem möglichen Respect, den sie um bürgerlicher Recht- schasfenheit willen genossen, bei der Gemeinde ver- achtet sind, d. h. der einigen Ehre mangeln, welche in der Gemeinde Gottes gilt, daß einer gläubig ist an Jesum Christum und ein Erbe des Reiches Gottes in ihm (vgl. Pf. 15, 4), die nahmen sie aus freien Stücken, unberufen und ungezwungen, und setzten sie zu Richtern über sich, nämlich iiber Leute, auf welchen die Ehre des Namens Christi und seiner heil. Kirche ruht! (Besser.) Unsre Stelle streitet nicht mit Röm. 13, l; 1. Petri 2, 13 f.; denn hier ist die Ehrfurcht vor der Obrigkeit eingeschärft als eine Pflicht gegen Gott, der sie verordnet hat, und das Gebot erstreckt sich auf das gesammte Unterthanenverhältniß in wel- ches sich ein Christ Verse t sieht. Aber etwas Anderes ist die freiwillige Rechtsp Je, unter die der Christ beim Streit mit einem andern hristen nicht von Gott ge- stellt ist, sondern die er selb t aufsucht, der er sich selbst unterstellt, statt, was "er so leicht konnte, ein solches Vorgehen zu vermeiden: tragen doch noch immer Christen lieber ihre-Sachen friedlich unter sich aus und gehen nur ungern sogar an die christliche Obrig- keit. (Burger.) 7. Es ist schon ein Fehl unter euch sein Nachtheil, der euch an dein, was ihr als christ- liche Gemeinde seid, schädigt und verkürzt], daß ihr [überhaupt] mit einander rechtet sauch abge- sehen von den Sachen, um welche es dabei sich handelt, und abgesehen von der so eben gerügten Art, wie ihr sie zum Austrag bringet]. Warum lasset ihr euch nicht viel lieber Unrecht thun swie euer HErr und Heiland es von euch verlangt 5Veatth. 5, 39 f.]? warum laßt ihr euch nicht viel lieber vervortheilen [da eine zeitliche Einbuße doch so wenig besagen will im Vergleich mit dem geistlichen Gewinn, den die Friedfertigen davon- bringen]? 8. Sondern swas nun vollends an der Ehre und Hoffnung einer christlichen Gemeinde euch benachtheiligt] ihr thut Unrecht [statt es zu er- leiden] nnd vervorthetlet [statt vervortheilet zu werden], nnd solches [thut ihr obendrein] an den Brüdern* [da doch der HEm was ihr an diesen thuet, ansehen will, als wäre es an ihm selbst geschehen Matth. 25, 45; 1. Thess 4, 6]. 9. Wisset ihr nicht, daß die Ungerechtcn werden das Reich Gottes nicht ererben swenn es nun geoffenbart wird in Herrlichkeit, also alle die unter euch werden davon ausgeschlossen sein, die in der Sünde der Ungerechtigkeit leben und verharren]?" Lasset euch nicht verführen [Kap. 15, 33; Gut. 6, 7]: weder die Haar, noch die Abgdttischem noch die Ehebrecheh noch die Weich- linge, noch die Knabenschänden 10. Noch die Diebe, noch die Geizigem noch die Trunkenbolde noch die Lästerey noch die Räuber werden das Reich Gottes ererben» [Gal. 5, 19 ff.; Ephes. b, 5]. 11. Und solche [eigentlich: solcherlei, Leute von folchem Gelichter] sind euer etliche gewesen; aber ihr seid abåewaschen sApostg 22, ISL ihr seid geheiliget l up— 1, 2; Ephet s, 26]- ihr seid gerecht sin den Stand der Gerechten, zur Theilnahme am Heil des Reiches Gottes Berechs tigten eingeführt] worden durch den Namen des HErrn Jesu und durch den Geist unsers Gottes-Its· i) Christen sollen die zeitlichen Güter so gering achten, daß sie nicht hoch darnach fragen, ob sie solche haben oder nicht haben; so sollen sie sich auch unter einander so lieben, daß, wo zwischen mir und meinem «Bruder ein Streit wäre, ob dieses oder jenes mir oder ihm gehöre, so soll mir das Zeitliche so wenig und der Bruder so viel anliegen, daß, ehe ich wollte einen Pro eß anfangen, wodurch ich mich in meinem Gemüthe szo sehr beunruhigen würde, daß ich zu vielen göttlichen Dingen untüchtig, auch dem Nächsten mit Gelegenheit znin Sündigen geben würde, ich lieber solches solle fahren lassen und es dem Bruder selbst« Lchenkem als mit ihm aritber rechten. (Starke.) Wie ie Sünden gegen das 8. Gebot von denen an ein- ander begangen, die unter einander Glieder sind (Ephes. 4, 25), sonderlich schwer wiegen, ebenso die Sünden wider das 7. Gebot an Brüdern, weil es Sünden an der Gemeinde der Heiligen sind. umgewandt sagt Paulus (Gal. 6, 10): ,,lasset uns Gutes thun an jgiestfma)nn, allermeist aber an des Glaubens Genossen«. ( e er. «· Ungere te, in V. l von den Heiden gesetzt und h)ier absichtlcihch wiederholt, um die Gleichstelluug derer, von welchen er redet, mit den Heiden auszu- drücken, sind diejenigen, bei welchen das Unrechtthun habituell geworden oder die in der Rechtsverletzun beharren, sich nicht bußfertig davon abwenden. Da nun ein das Recht Gottes, die Ordnung der heiligen Liebe verletzendes Verhalten von dem Erbe des Reiches Gottes, dieses in seiner Vollendung gedacht, aus- schließe, lie tin der Natur der Sache; in der corinthischen Gemeinde kscheint es aber nicht an leichtfertigen Leuten efehlt zu haben, welche sich und Andere zu bereden suchtem Gott nehme es nicht so genau, den in die christliche Gemeinde Eingetretenen könne jene Erbschaft nicht fehlen, gleichwie unter den Juden die Meinung bestand, daß schon der Glaube an Einen Gott auch bei einem lasterhaften Leben gegen die zukünftigen Strafen sixcilger stelle (Jak. Z, 1 ). Vor solchen ,,ver- geblichen orten« warnt Paulus mit dem Ausdruck: ,,laßt euch nicht verführen!« und läßt eine nähere 200 1. Corinther 6, 12—14. Aufzählung der von der Erbschaft des Reiches Gottes ausschließenden Unsittlichkeiten folgen. (Kling.) Hat der Apostel in Kap. 5, 9 ff. sein zunächst auf die Hurer bezügliches Gebot, keinen Verkehr mit solchen groben Sündern zu pflegen, über alle ihnen Aehnliche erstreckt, so erstreckt er nun auch die Ausschließuug aus dem Reiche Gottes, welche er zunächst den Ungerechten an- gekündigt hat, über alle, die in groben Sünden leben, indem er zwei verschiedene Arten derselben verbindet: 1) weder die Hurer noch die Abgöttischen, «2) weder die Ehebrecher noch die Weichlinge, Z) weder die Knabenschänder noch die Diebe, 4) weder die Geizigen noch die Trunkenbolde, 5) nicht die Lästerer, nicht die Räuber. Dreierlei Sünden des geschlechtlichen Lebens zählt er auf (Hurerei, Ehebruch, Knabenschändung) und dreierlei Arten der Sünde gegen das Eigenthum (heimlicher Diebstahl, die den Andern beeinträchtigende Erwerbsucht, die offene Beraubung), dazu kommen die Sünden der Ueppigkeit, der Trunksucht, der Schmäh- sucht, derBetheiligung an der Abgötterei. Der des Näch- sten Ehre schändet und der des Nächsten Habe an sich reißt, stehen beisammen; ebenso der Erwerbsüchtige und der Trunksüchtige, der in Ueppigkeit sich selbst Pflegende und der des Nächsten Weib Verführende, der heimliche Verbrecher an der göttlichen Ordnung des Eigenthums und der Sünder wider die göttliche Ordnung des geschlechtlichen Lebens, der Hurer, welcher nicht Eines Weibes Mann, und der Götzendieney welcher nicht des Einen Gottes Verehrer ist. Absicht- lich mischt der Apostel die verschiedenen Arten von groben Sünden so mannigfaltig, um darzustellem wie eins sie alle sind; aber vorwiegend sind es die dem naturwüchsigen Völkerthum sonderlich eignenden Laster, die sonst als Hurerei und Geiz (Ephes. 5, Z) zusammen genannten, deren verschiedene Arten und Namen immer wiederkehren (v. Hofmannh »Es-«) Das bloße »und solche seid ihr gewesen« würde E: viel sagen, da nicht alle ohne Ausnahme vor ihrem intritt in’s Ehristenthum in der einen oder andern Art der Unsittlichkeit sich bewegt hatten, geschweige denn in allen; die Aussage wird also beschränkt durch das beigesügte ,,etliche«, das etwas Milderndes hat. (Kling.) Diese Beschränkung ist in Hinsicht theils auf die noch hin und wieder von dem Strom der allge- meinen Lasterhaftigkeit gerettete äußerliche und natür- liche Sittlichkeit, theils auf den kleineren Theil von Judenchristen oder Proselyten in der Gemeinde hin- zu esetzt, auf die wenigstens das ,,Abgöttische« nicht pa te. (Osiander.) Durch die Erinnerung an die mit ihnen vorgegangene Veränderung führt hierauf der Apostel den Eorinthern zu Gemüthe, daß sie dies- seits derselben nicht mehr sein sollten, was sie vordem gewesen; in dreimaligem Anlauf (im Grundtext steht das »aber« auch vor ,,geheiligt« und ,,gerecht geworden«) stellt er da drei verschiedene Bezeichnungen dessen gegenüber, womit die Zeit des Lasterlebens für sie ein Ende genommen. »Ihr seid abgewaschen« bezieht sich auf ihre Selbstuntergebung unter die Taufe, daß sie sich durch deren Vollzug von ihren Sünden, also von der anhaftenden Schuld derselben, haben reinigen lassen; aber auch das ,,geheiligt« und ,,gerecht ge- worden« bezieht sich auf denselben einmaligen Abschluß ihres Siindenlebens, denn ersteres ist ihnen damit zu Theil geworden, daß sie der heiligen Gemeinde ein- verleibt wurden, und letzteres ist die Gerechtsprechung von Seiten Gottes, welche die Taufe zu einer Be- freiun vom bösen Gewissen macht, vgl. Helle. 10, 22 u. 1. etri 3, 2l. (v. Hofmannh Er braucht drei Worte, um ein und dieselbe Sache auszudrücken, damit er sie desto mehr abschrecke, daß sie nicht eben dahin zurückfielem von wo sie herausgekommen waren, und in dieser Mannigfaltigkeit der Worte liegt ein großer Nachdruck; denn man muß immer den Gegensatz hin- zudenken: der Abwaschung und des Schmutzes, der Hei- ligung und Eder Befleckung, der Gerechtwerdung und der Schuld, daß die einmal Gerechtgemachten nicht eine neue Schuld auf sich lüden, die Abgewaschenen nicht mit neuen Flecken sich verunstalteten, die Ge- heiligten sich nicht wieder gemein und unrein machten und entweihten, sondern vielmehr der Reinheit sich beflissen, in der Heiligung beharreten und den früheren Schmutz verabscheueten (Calvin.) Der Zusatz: »in dem Namen des HErrn Jesu und in dem Geist unsers Gottes« gehört zu allen drei Gliedern; allen wird dadurch ihre objektive Kraft gesichert und der Charakter derselben als göttlicher Gnadenertveisungen bestätigt. Daß wir im Namen Jesu getauft, geheiligt, gerecht- fertigt sind, daß diese drei Stücke nur in ihm ihren Grund und ihre Geltung haben, ist unbestrittene Schriftlehre; daß aber alle drei durch den heil. Geist— an und in uns verwirklicht werden, ist ebenso gewi (Burger.) · c. V. 12—20. Nachdem der Apostel in den beiden vorigen Abschnitten die Angelegenheit in Betress des Blutschscnders und die in Betrefs deslauteus vor die heidnischen Gerichte erledigt hat, tiommt er jetzt zu einen: dritten Punkte, den er in Ren. Z, 1 schon damit fixierte, dass, ehe er im Besonderen von dem Blutschänder redete, er im Allgemeinen von hurerei sprach, die unter den Corinthern herrsche Man machte Miene, diese Sünde mit unter den non ihm selbst aufgestellten Grundsatz non der christliche-it Frei- heit in tltitteldingem namentlich was- die alttesiautend Eichen Speisegesetze betrifft, zu befallen, indem man sich einreden wollte, es handle sich hier lediglich um die Befriedigung eines natürlichen Triebe-s, die ebenso sittlich unvertängliclj sei, wie die Befriedigung anderer natiirlicher Triebe, als z. B. des. Triebe-« nach Nahrung (v. 12). dawider erhebt denn Paulus seine Stimme mit Macht, stellt zuerst den gewaltigen Unterschied zwischen der ordnungsmäsligen Stillung des Bauches mit der ihm zuliommenden Speise und der ordnungs- widrigen Befriedigung des Geschlechtstriebes durch Hurerei in helles Licht (v. 18 u. M) und lässt sich dann über Bedeutung und Bestimmung des Leibes, wie der Christ sie erkennen soll, und über den Greuel der tjurerei, wie er daraus sich ergiebt, näher aus, um wie mit einer Warnung nor der letzteren, so mit einer Mahnung, Gott an ihrem Leibe zu preisen, den Corinthern an’5 Herz zu reden (v. 15——20). 12. Jch habe es alles Macht, es srommet aber nicht alles ldaß das, was ich thue, immer auch iuVezug auf des Nächsten Erbauung und meine eigene Förderung wohl gethan wäre Kap. 10, 283]. Jch habe es alles Machh es soll mich aber nichts gefangen nehmen«« [Macht über mich haben; denn in solchem Falle wäre ich nicht mehr sittlich frei, sondern ein Knecht meiner Lüste]. 13. »Die Speise dem Vauche, und der Vauch der Speise; »aber Gott wird diesen sden Bauch] Und jene sdie Speise, bei der Vernichtung der gegenwärtigen Welt und der Neugestaltung der menschlichen Leiber in der Auferstehung] biukichten sdaß sie beide keine Bedeutung mehr haben]. Der Leib aber nicht swie Manche, eine Parallele zu dem »der Bauch der Speise« ziehend, sich Die Speise dem Bauche und der Bauch der Speise, der Leib aber nicht derHurerei, sondern demHErrnl 201 einreden wollen] der Hurereh sondern dem HErrn sder sich ihn zum Eigenthum erworben V. 20], Und [nun, in Parallele zu dem »die Speise dem Bauche«] der HErr dem Leibe [für den er ja auch in der That eine Speise zum ewigen Leben sein will Joh. 6, 32 ff.]. 14. Gott aber hat den HErrn auferweckt, Und wird Uns auch swas den Leib, diesen Träger unsrer Persönlichkeit, betrifft] auferweckt-n durch seine snämlcch durch Christi Phil 3, 21] Kraft-H« suns also von der zeitweiligen Hinrichtung im Tode wieder aufrichten]. V) Die Worte: ,,ich habe es alles Macht« scheinen eine Rede zu sein, deren der Apostel selbst früher in Beziehung auf die Aeußerlichkeiten des Gesetzes sich in orinth bedient hatte, die aber den rücksichtslosesten Mißbrauch der Freiheit zu beschönigen von Vielen in der corinthischen Gemeinde, besonders wohl von denen, die nach Paulus selbst sich nannten (Kap. 1, 12), angewandt worden war; dieser Anwendung stellt er denn eine doppelte Regel entgegen, welche jenen all- gemeinen Satz beschränkt: zunächst, daß der Gebrauch der Freiheit stets von der Liebe des Nächsten geleitet sein müsse, was in Kap- 8 ff. weiter ausgeführt wird; sodann daß die Freiheit, wenn man nach ihr blos als nach einer Freiheit der Wahl zwischen Gutem und Bösem, nicht aber als nach der Freiheit von der Sünde, daher als der wahren Heiligung trachte, in ihr gerades Gegentheil umschlage und zur schmiihlichsten Knechtschaft werde. (v. Gerlach·) Der Uebergang vom vorigen Abschnitt zu diesem geschieht sehr rasch und abgebrochen mit einer Gemeinwahrheit oder Maxime, mit einem Ausspruch, der wahrscheiiilich vom Apostel selbst gegen die cerimoniellen Beschränkungen des Jndaismus gethan worden war, den aber die iberalen in der Gemeinde, die Pauliner, mißbriiuchlich im Munde führten und den Paulus nun, folchem Miß- brauch gegenüber, seiner dennoch seststehenden Giltig- keit wegen zweimal in der Form der ersten Person wiederholt, um den Gegensatz des apostolischen Ge- brauchs gegen den Mißbrauch der fleischlichen Latitu- dinarier recht stark hervortreten zu lassen; so abgerissen . er auftritt, so hängt er doch mit V. 11 eng zusammen, indem die Gnade, die Gerecht- und Freisprechung des Sünders durch Christum kraft des Glaubens ihn auch innerlich freimacht von aller Beengung durch blos äußerliche Satzungen des Gesetzes (z. B. der Speise- gebotel und durch ein von der Sünde und-der Angst vor der Sünde gebundenes, zur Werkgerechtigkeit ge- triebenes Gewissen. (Osiander.) Man kann die Schluß- worte des vorigen Verses auch hierher ziehen; dann würde der Apostel sagen: im Namen des HErrn Jesu und im Geist unsers Gottes ist alles mir erlaubt; der Name Jesu, wenn es ihm unterstellt, der Geist Gottes, wenn es ihm zugeeignet ist, macht es dazu. (v. Hof- mann;) Wie man sagen kann, Gott undiChristo, dem Sohne des lebendigen Gottes, steht alles frei, weit die Unmöglichkeit in ihnen ist, etwas Sündliches zu wollen, so steht auch dem aus Gott Geborenem in dem Christus lebt, alles frei; denn Gottes Same ist in ihm, er kann nicht sündigen (1. Joh. 3, 9). Käme nun dieser-Zustand hienieden in den Gläubigen zur voll- kommenen Erscheinung, so bedürfte der Sah: ,,es ist alles erlaubt« gar keiner Einschränkun ; allein das ist nicht der Fall. Erstlich ist bei den iedergeborenen immer noch der Rückfall möglich; sodann aber bleibt, auch vom Abfall ganz abgesehen, immer auch in dem Wiedergeborenen, solange er auf Erden lebt, der alte Mensch neben dem neuen, und deshalb kann das für den letzteren geltende Prinzip in der Praxis nur eine beschränkte Anwendung finden. Es gilt zuvörderst gar nicht außer der Sphäre des Reiches Gottes, d. h. in dem durch positive göttliche Gesetze ausgeschlossenen Gebiet der Sünde; das sich Einlassen in dieses Gebiet ist vielmehr der werdende Abfall von Christo. Aber auch innerhalb der Sphäre des Reiches Gottes be- kommt das Prinzip der Freiheit hienieden nur eine beschränkte Anwendung: zunächst muß der Gläubige auch ans Andere sehen und die Schwachen schonen, er kann daher um ihretwillen nicht alles thun, was ihm sonst an sich frei stünde; und überdies muß er auch in dem Genus; des Erlaubten stets den alten Menschen im Auge haben, der sich in dies oder jenes eingewöl)nt, sich so beherrschen läßt und dann wieder durch die Lust den ganzen Menschen Beherrscht, d. h. den neuen Menschen hinausdrängt, der das Prinzip des wahren Herrschens seiner Natur nach in sich hat. (Olshau en.) Es ist etwas Großes um die Macht eines freien Christenmenschem die Paulus mit Wort und That ge- priesen hatx aber nirgendwo baut der Teufel seine Kapelle listiger nebenan, als neben den Tempel der christlichen Freiheit. (Besser.) «) Mit dem allgemeinen Ausfpruch in V. 12 hat der Apostel eingeleitet, was er der Gemeinde über und für ihr Verhalten in Betreff des Erlaubten oder von ihr für erlaubt Geachteten zu sagen hat; er spricht nun da im vorliegenden Abschnitt zunächst von solchem, was mit Unrecht dafür geachtet wurde, und schließt Willkür des geschlechtlichen Lebens unbedin t von dem Gebiet der christlichen Freiheit aus. Wie so te er dazu kommen, wenn— er nicht wüßte, daß die Gemeinde, was ja in Corinth noch leichter als» sonst und« anderwärts unter heidnisch gewöhnteu Christen überhaupt ge- schehen konnte, dasjenige, was er Hurerei nannte (denn die Leser werden es freilich nicht so genannt haben), als etwas menschlich Natürliches und darum an sich mit dem Ehristenstande nicht Unverträgliches, sondern unter die chriftliche Freiheit Fallendes anzusehen ge- neigt war? (v. Hofmannh Es ist bekannt, wie über- aus abgestumpft im griechischem morgenländischeii und durch dessen Einfluß weiter im römischen Heidenthum das sittliche Gefühl und Gewissen gegenüber den Sün- den wider das 6. Gebot war: die Vorschrift in Apostg. 15, 20. 29 findet darin ihre Erklärung. Jn Eorinth aber, wo man den Schein der Weisheit liebte und für sittli e Verirruugen Rechtfertigung suchte in empfehlen- den heorieen, war man nicht abgeneigt, die Befrie- digung des Geschlechtstriebes eben so gut für ein Gebot der Natur zu erklären, als die des Nahrungs- bedürfnisses, und beide Dinge auf gleiche Linie zu stellen, wodurch der Unzucht låür »und Thor geöffnet worden wäre. Wie weit man iesem Grundsatz schon Einfluß auf die Lebensführung gestattet hatte, daraus kommt nichts an: wir dürfen wohl annehmen, daß der noch nicht erloschene, wenn auch mannigfach ge- trübte Geist des lebendigen Ehristenthurns der An- wendung desselben widerstrebt hat, daß man die Sache vielleicht noch als eine Art von offener Frage ansah, über die nur hier und da eine Stimme laut ward; jedenfalls aber hatte der Apostel Grund, dem gefähr- lichen Betruge zu begegnen, der sich einzuschleichen drohte. (Burger.) Jn den Aussprüchen V. 13 u. 14 tritt der Gegensatz hervor zwischen einem Adiaphoron (Röm. 14, 6 Anm. 3), auf welches der allgemeine Grundsatz in V. 12 anwendbar ist, und der mitnichten in diese Kategorie gehörenden urerei. Theils aus der gegenseitigem in der schöp erischen Anordnung 202 1. Corinther S, 15«—20. beruhenden Beziehung der Speise und des Bauches, daß jene dazu bestimmt ist, von diesem aufgenommen und verdaut zu werden, theils aus der Vergänglichkeit beider, ihrer Bestimmung blos für das gegenwärtige Leben, ergiebt sich, daß Speisegenuß an sich etwas sittlich Jndifferentes ist (Matth. 15, 17) und nur an dem ,,es frommet nicht alles« und ,,es soll mich nichts gefangen nehmen« seine Schranke hat. Ganz anders verhält es sich mit der Hurereix diese ist nicht eine naturgemäße Function eines vergänglichen Organs, sondern ein Gebrauch des ganzen, dem HErrn ange- hörigen, mit ihm zu unvergänglichem Leben bestimmten Leibes gegen den Willen des HErrn. (Kling.) Speise und Bauch sind freilich für einander da, jene für diesen verordnet und dieser auf jene angewiesen; und hier, im Essen und Trinken, gilt das Wort: ,,ich habe es alles Macht«, ich kann mich an allerlei Speise machen und mich ihrer bedienen, nur daß die oben aufge- stellten beiden Gebrauchsregeln eingehalten werden (Röm. 14, 15; 13, 13). Aber verkehrt ist die Gleich- ftellung des Bauches und des Leibes, und verkehrt die Gleichftellung des Essens und der Hurerei, wie die Beschöniger der letzteren sie sich lassen zu Schulden kommen. Warum Bauch und Leib nicht einerlei Würde haben, sagen die beiden Erklärungsgegensätze »— einerseits: »Gott wird diesen und jene hinrichten«, andrerseits: ,,Gott hat den HErrn auserwecket und wird uns auch auserwecken durch seine Krast«. Hin- richten wird Gott den Bauch und die zum Brauche des Bauches herabgesetzte Speise, nicht blos so, wie der Tanze Leib hingerichtet und zerstört wird durch den od; sondern zum Aufhören und Nimmerwiedep erstehen wird Gott den Bauch und die Bauchspeise hinrichten Magen und Gedärme in ihrer Bauch- eigenschaft dienen der Erhaltung dieses natürlichen Lebens; wiewohl nun der geistliche Auferstehungsleib alle wesentlichen Theile des natürlichen Leibes auf neue Weise haben wird (Kap. 15, 44), so wird er doch des Bauches unbediirfti und ledig sein. Denn der Bauch verwandelt das ahrhafte der Speisen in Blut und bereitet das Nichtnahrhafte zum Wiederauswerfen zu; im Reiche der Herrlichkeit dagegen wird man also essen und trinken (Matth. 26, 29), daß das in geist- liches Leben verklärte Fleisch und Blut mit Lebens- speise sich durchdringt, wie die Luft mit Sonnenstrahlen zum Hell- und Warmwerden sich sättigt. Der HErr Christus hat nach seiner Auferstehung mit seinen Jüngern gegessen und getrnziken (Apoftg.»10, 41), »die irdische Speise, welche er zu nehmen sich herabließ, unterpfändlich verwandelnd in Unverweslichkeit Nach- dem alle irdische Speise hingerichtet sein wird, werden die Lebensbäume am Lebensstrome der Gottesftadt neue Friichte tragen (Offenb. 22, 2) und das Gewächs des Weinstocks wird neuen Trank geben; dem neuen himmlischen Wesen solcher Speise wird das neue, himmlische, innerleibliche Organ entsprechen, welches nicht mehr Bauch heißt. (Besser.) Absichtlich nennt der Apostel bei dem Gegensätze: »der Leib aber nicht der Hurerei« nicht das einzelne Organ, das der Ge- schlechtslust dient, sondern den ganzen Körper, nicht sowohl von höherem Schicklichkeitssinn geleitet, als um den eigenthümlichen und bedeutenden Charakter der geschlechtlichen Verbindung, als welche das Ganze des Menschen berührt, Person mit Person in Gemeinschaft bringt, zu bezeichnen; eben damit hängen die übrigen Ausdrücke über die Bestimmung des Leibes zusammen, welche das Bedürfniß und die Befugniß für die Un- zucht in Abrede stellen, den ehelich-geordneten Genuß der Geschlechtslust dagegen nicht ausschließew Der Leib ist zum Gefäß und Medium der Kräfte des HErrn in den Gläubigen geweihet, bestimmt, als Organ seines heil. Willens ihm selbst zu dienen, als seinen Eigenthumsherrn ihn aufzunehmen, sein Tempel u sein. Diese Jnnigkeit der Beziehung der ganzen FBersönlichkeit, oder des Leibes als Trägers derselben, zum HErrn tritt in der Form der Gegenseitigkeit durch das andere Glied des Verhältnißsatzes: »und der HErr dem Leibe« hervor, welches zweite Glied dem ersten Glied des ersten Satzesx »die Speise dem Leibe« entspricht und sich darauf beziehen läßt, daß der HErr das höhere, geistliche Nahrungsmittel und Lebens- prinzip auch des Leibes ist. Mit solchem Adel des Körpers und folcher seiner Bestimmung schon hier hängt als seine höchste Entwickelung zusammen der Adel seiner künftigen Erneuerung und Verklärung, der Zzlzeichfalls durch die Hurerei entweihet würde. (Osiander.) ir sind nicht blos dem««Geiste, sondern auch dem Leibe nach Christi Glieder; durch die Hurerei aber entziehe ich ihm sein Glied, indem ich es wider feinen Willen hingebe zu einer Verbindung, die niemals eine bbn seinem Geiste durchdrungene, nie eine Abbildun seiner Verbindung mit seiner Gemeinde (Ephes. 5, 22 ffZ sein kann. Anders dagegen verhält es sich mit der Vereinigung der Geschlechter in der Ordnung der Ehe« bei welcher auch in und unter der Ausübung des Geschlechtstriebes der Leib des HErrn bleibt; denn abgesehen davon, daß sie dem höheren Zwecke, der Erzeugung und Erziehung von Erben des Himmel- reichs dient, ist hier die Vereinigung der Geschlechter vom HErrn eingesetzt als ein Abbild der Gemeinschaft, die zwischen ihm und den Seinigen besteht: Mann und Weib sollen dem Geiste nach, aber auch bis zur völligsteit leiblichen Gemeinschaft, welche eine Trägerin und Osfenbarerin der geistigen sein soll, Eins werden; sie sollen so sehr Ein Geist werden, daß' sie sogar Ein Fleisch werden. (v. Gerlach.) 15. Wisset ihr nicht, daß eure Leiber fdie ihr in eurer Zusammenfassung als Ganzes oder als Gemeinde des HErrn dessen Leib ausmacht (Ephes. 1, 23; Col. l, 18; 2, 191 Christi Glieder sind [Ephes. 4, 16]? Sollte ich nun [in diesem meinem mannigfach gegliederten Leibe] die Glieder Christi nehmen [de1n wegnehmen, dem sie zuge- hören] und [durch Einfügung in eine Hure] Hurenglieder daraus machen? Das sei ferne! 16. Oder [wenn ihr etwa nicht einräumen wolltet, daß derjenige, der sich mit einer Hure einläßt, in der That sich eine solche Versäu- digung, wie ich sie eben näher bezeichnete, zu Schulden kommen läßt] wisset ihr nicht, daß, wer an der Hure banget sindem er sich fleifchlich mit ihr zusammenschließt Sm 19, 3], der ist Em Leib mit ihr? Denn sie werden, spricht er fder HErr, indem er jene Art des Anhangens näher charakterisirt 1.Mos. Z, 24], zwei in Einem Fleifch fein [Matth. 19, b; es werden also un- zweifelhaft die in fleischliche Vermischung mit der Hure getretenen Glieder, als nun ihr zugehörig geworden, Hurenglieder]. 17. Wer aber dem HErrn sim Glauben] an- hanget [5. Mos. 10, 20; 1»1, 223 2. Kön. 18, S; Matth. 6, 24], der ist Ein Geist mit ihm lnnd kann nimmer in seiner leiblichen Persönlichkeit Eure Leiber sind Christi Glieder: wehe, wer daraus Hurenglieder machen wolltel den HErrn, der ihr einwohnt, so tief herabwür- digen, daß er Ein Fleisch mit einer Hure werden wollte]. Wie wir als Personen, so sind auch unsre Leiber Gliedmaßen Christi, die ihm als Bestandtheile seines Leibes, nämlich der im leiblichen Leben stehenden Ge- meinde, angehören; mit dieser Zugehörigkeit zu Christo ist aber Hurerei unverträglich, als welche den Leib in der Art in Anspruch nimmt, daß er der Hure angehört, der man sich ergiebt. Denn gemäß der von der Schrift oder, genauer gesagt, von dem Gotte, dessen Wort die Schrist ist, bezeugten Thatsache, daß Mann und Weib Ein Fleisch ausmachen, ist derjeni e, welcher einer Hure anhangt, Ein Leib mit ihr. Zb Paulus das aus I. Mos. 2, 24 nach der Septuaginta, daher mit Einschaltung des »zwei« angeführte Schriftwort für Fortsetzung des vorhergegangenen Ausspruchs Adam’s oder übereinstimmig mit den gleichartigen Stellen: I. Mos. 10, 95 32, 33 für eine Bemerkung des Erzählers angesehen habe, ist nicht zu erkennen; er nimmt es ledi lich als Bestandtheil der Schrift, des geschriebenen ortes Gottes auf und verwendet es, um seine Bezeich1iung des Verhältnisses von Mann und Weib als eine aus schriftgemäßer Erkenntniß desselben herstammeiide erscheinen zu lassen. Geschieht nun eine splche Vereinigung von Mann und Weib, wie sie in den angeführten Schristworten charakterisirt wird, in Gestalt der Ehe, so ist sie Verwirklichung einer durch die Schöpfung gesetzten Ordnung und als -solche mit dem aus der Heilsgeschichte stammenden Verhältnisse zu Christo verträglich; die Frage selber aber, inwiefern sich die Ehelichkeit mit der Zugehörig- keit zum HErrn vertrage., bleibt dem Apostel außer Betracht, für ihn handelt es sich nur darum, ob es sich mit dem allerdings von Gott gestifteten geschlecht- lichen Thun ebenso verhalte, wie mit der von ihm ebenfalls geordneten Selbsternährung, ob es ebenso frei stehe» willkürlich mit diesem oder jenem Weibe eschiechtlicheGenieinschaft zu» pflegen, wie diese oder » peise sur seine Ernahrung sich anzueignem Hiegegeii ist des Paulus Beweisführung gerichtet; und sie ist vollendet, nachdem er gezeigt hat, welch ein Unterschied zwischen willkürlicher Selbsternährung und willkür- lichem geschlechtlichem Verkehre stattsindet, indem letzterer den «anzen Menschen, sofern er in leiblichem Leben steht, tatt daß er mit diesem Leben Christo an- »ehören sollte, an die Buhle überliefert. (v. Hosmannh st durch V. 16 bewiesen, daß der Apostel in V. 15 nicht zuviel gesagt hat, wenn er von unzüchtiger Geschlechtsgemeinschast behauptete, man mache damit die Glieder Christi zu Hurengliederii, denn der Aus- spruch ist gerechtfertigtdurch die Schrift; so deckt nun V. 17 zugleich auf, wie und gar unangemessen und unleidlich solcher fleischliche Mißbrauch fiir den Christen ist, mit dem der HErr sich durch das Band der innigsten Gemeinschaft verbunden hat-» (Burger».) 18. Fliehet die Hurerei. Alle Sunden, die derMensch thut, sind sin Ansehung dessen, wie die Sache nach vollbrachter That sich verhält] außerjeinem Leibe; wer aber huret fHurerei treibt] der sundifset [in diesem Ein-Fleifch-Werden mit einer Per on, die ihm doch nicht zugehört, womit er also recht eigentlich sich prostituirt] an seinem eigenen Leibe* [und da muß denn gerade euch Christen solche Sünde um deswillen, was euer Leib ist, als ein zwiefältigey überaus schändlicher Frevel erscheinen] z um die Art und Weise des 203 19. Oder wisset ihr nicht, daß euer Leib [der Leib eines jeden unter euch] ein Tempel des heiligen Geistes ist, der in euch ist fein Tempel des in euch wohnenden heil. Geistes ist Kap. 3, 16; Röm· 8, 11], welchen sGeiftj ihr habt von Gott [und nicht von euch selber], und seid silber- haupt, gleichwie durch das Werk der Heiligung, so auch durch das der Erlösung] nicht euer selbst? 20. Denn ihr seid theuer lmit einem hohen Preise, 1iämlich mit dem des Blutes Christi 1. Petri 1, 18 f., zu Gottes Eigenthum Apostg. 20, 28; Offeulx s, 9] erkauft fvon der Macht und Herrschaft der Sünde, der ihr vordem unter- worfen waret Röm. S, 17 sf.]. Darum [weil so zwiefach an Gott gebunden] so preiset Gott an eurem Leibes* sdurch ein Leben in Keuschheit, während ein Leben in Unzucht eine Schändung Gottes Röm. 2, 23 in seinem eigenen Heiligthum wäre. — Hiermit schließt die Stelle, was noch folgt :] und in eurem Geiste, welche find Gottes sift ein nach Kap. 7, 34 gebildeter, doch schon frühzeitig gemachter Zufatz]. V) Was im Vorhergehenden gemeint war, die War- iiung vor Hurerei, das wird jetzt bestimmt ausge- sprochenx aber obwohl Resultat der vorangegangenen Belehrung, wird sie doch in rascher verbindungsloser Darstellung eingeführt. »Das »fliehet« ist dabei ein tresfender Ausdruck; andere Laster, sagt Anselm, werden durch» Kämpfen besiegt, die Unzucht aber durch Fliehen. (Kling.) Wer sie nicht fliehet, wie Joseph, den wird sie erhaschen; weil die Neigung dazu in unsern: Fleische heimisch ist, so sollen wir auch in den Vorzimmern der Unzuchtskammern uns nicht aushalten, sondern durch muthige Flucht aller Gele enheit, die der Teufel nie versäumt, um uns zu fassen, unsrer Schwachheit zu Hilfe kommen. (Besser.) Wenn nun der Apostel, um seine Warnung vor dieser Sünde durch Hinweisung auf das Charakteristische derselben zu verstärken, behauptet: ,,alle Sünden, die der Mensch thut, sind außer seinem Leibe; wer aber huret, der sündigt an seinem eigenen Leibe«, so beruht die Wahr- heit seiner Worte darauf, daß jede andere sündige That, wenn sie überhaupt niit dem Körper zu thun hat, von außen her auf denselben einwirkt und somit außerhalb desselben ihre Stellung zum Leibe nimmt; der Sünder macht das, was nicht des Leibes, sondern außer dem Leibe ist, wie z. B. Speise und Trank, zum Mittel seines unsittlichen Thuns, wodurch die Sünde, im Verhältniß zum Leibe angesehen, außer dem Leibe zu stehen kommt und hier die Sphäre ihres Zustande- konimens und Vollzugs hat. So verhält fich’s selbst mit dem Selbstmördey dessen That ja auch der sünd- liche Gebrauch äußerer Dinge ist, sogar den Fall freiwilligen Hungertodes nicht ausgenommen, da dieser durch den Mißbrauch der Speiseenthaltung und also immerhin von außen her in Vollzug gese t wird. Wie ganz anders, als bei allen solchen andern ündeni thaten steht der Sachverhalt bei der Unzucht, durch welche nicht außer dem Leibe, sondern an dem eigenen Leibe gesündigt wird, insofern der selbsteigene Leib das unmittelbare Objekt ist, welches der Hurer sündlich affizirt, dessen sittliche Reinheit und Ehre er durch seine That verletzt und kränkt. (Meyer.) Indessen handelt es sich bei dein, was der ostel sagt, nicht sowohl ollzugs der Sünde, als 204 1· Corinther 7, 1——5. vielmehr um das Verhältniß der gethanen Sünde zum Leibe des Sünders; denn von gethaner Sünde, von einer solchen, die ein Menfch bereits vollzogen hat, ist die Rede, und das ,,außer dem Leibe« will von dem verstanden sein, was nach Vollbrachter That der Fall ist. Wer geschlemmt hat, trägt die Folgen seines Schlemmens an seinem Leibe, aber das Ding seiner Sünde bleibt nicht bei ihm; und wer sich selbst er- inordet hat, der ist selbst mit seiner gethanen Sünde außer dem Leibe. Dagegen wer an einer Hure hangt (denn in diesem Sinne meint ja der Apostel das ,,huret«), der sündigt nicht blos mit diesem und jenem, was er thut und was, wenn es gethan ist, zu etwas außer ihm Befindlichen wird, sondern gehört mit seinem leiblichen Leben überhaupt und stetig der Hure zu, an welche seine sündige Lust ihn leitet, und sündigt solchergestalt gegen seinen eigenen Leib, macht diesen selbst zum Gegenstand seines Sündigens. (v. HofmannJ Der Akt der Hurerei ist eigentlichst Prostitution (Preis- . gebung) des Leibes und des leiblichen Lebens in seinen geheiligtsteii Beziehungen, Bruch der Gemeinschaft zwischen dem Leib und Christo, dein Herrn und Haupt des Leibes, Dahingabe des Leibes unter die Macht und den leiblich-geistigen Einfluß von Trägern der Sünde, eine Dahingabe in jenen Organen, welche die öttliehe Bestimmung haben, in heiliger Ordnung leib- icher Weise das Gefchlecht Gott zu er alten. (Harleß.) It) Das in V. 18 vom eigenen eib Gesagte darf ja nicht, so führt der Apostel in V. 19 f. weiter aus, dahin ausgebeutet werden, daß eben, weil es der eigene Leib ist, das Sündigen wider i n auch niemand als uns angehe; denn -dieser unser eib ist kraft der uns zu Theil gewordenen Erlösung ein Eigenthum des HErrn geworden, von ihm auch als sein Tempel in Besitz genommen, darum nicht mehr so unser, daß er nicht zugleich und vielmehr sein wäre und ihm angehörte, wir sind ihm verantwortlich, wie wir mit seiner Behausung umgehen. (Vurger.) Paulus beruft sich den Corinthern gegenüber nicht auf das gemein- nienschliche Ehrgefiihl (Bewußtsein der geistigen Wiirde), sondern auf das christliche Hochgefühh Träger des heil· Geistes zu sein, das mit dem frommen Abhängigkeitsgefühh nicht sich selbst anzugehören, ver- bunden ist; er sagt: ,,euer Leib ist ein Tempel des in euch wohnenden heil. Geistes«, nach der richtigen An- sicht, daß die Seele, welche zunächst Trägerin des heil. Geistes ist, den Leib durchwaltet (de Wette) Jn keinem Vriefe redet Paulus so häufig und reichlich von dem Empfängniß und von den Inhabern des heil. Geistes, wie im 1. Corintherbriefex das macht, er schreibt hier an Christen, welche im Glanze der mancherlei Geistesgaben froh sein wollten, aber die Kraft des Einen Geistes im Leben dämpftew (Besser.) Was sind aber die« andern Gaben allzumal gegen diese Gabe, daß der Geist Gottes selbst, der ewige Gott, heruntcrtöinmt in unsre Herzen, ja in unsre Leiber, und wohnet in uns, regiert, leitet und führt uns! (Luther.) Nicht der Geist allein, sondern der davon unzertrennliche Leib ist ein Tempel des heil. Geistes, das heißt nicht blos ihm geweiht, sondern als sein Heiligthum von ihm persönlich bewohnt. Der Bauch vergeht (V. 13); aber den Leib, das Haus des Geistes Gottes selbst, hat dieser sich zu seiner unver- gänglichen Wohnung erwählt, niemand darf darüber willkürlich verfügen, als gehörte er ihm als Einzelnem an, sondern nur in dem HErrn. Schon vermöge der Schöpfung war Gott darüber Eigenthunisherrz aber nachdem der Mensch Leib und Geist durch die Sünde Gott entzogen und dem Teufel übergeben hatte, hat ihn Gott sich für einen theuren Preis wieder erkaufn Daraus folgt, daß Gottes theuer erlauftes Eigenthum fortan gänzlich nur zu seiner Verherrlichung da sein soll. (v. Gerlach.) Was sie mit ihrem Leibe thun, soll eine Verherrlichung Gottes sein, anstatt, daß sie für erlaubte ’Befriedigung eines leiblichen Bedürfnisses ansehen, was in Wahrheit eine Beeinträchtigung des Rechts, das Christus auf ihren Leib hat, und Ver- sündiguiig gegen den in die Leiblichkeit ihres Daseins eingegangenen heil. Geist, also weit davon entfernt ist, unter den Satz zu fallen, daß in dem Namen des HErrn Jesu und im Geiste unseres Gottes, wie es in V. 12 in Verbindung mit den letzten Worten des 11. Ve)rses hieß, dem Christen alles erlaubt sei. (v. Hof- mann- Das 7. Kapitel. Izesoheid auf mancherlei kfragen oom ehelichen, ledigen und Witwen-Stande. C— In dem nun folgenden zweiten Theil feiner Mittel, der non http. 7—l4 reicht, nimmt der Jlpollel den von der Gemeinde Man. l, 2 Kam) ihm zugefandten Brief zur Hand und anlwortet auf die darin ihm vor- gelegten Fragcn oder liiifipft feine Belehiungen an die, gegen ihn gemachten Mahnungen, um llnlilaieg aufzuheben, mißbräuchlich« zuriiklkiuwrifetr und überall die richtigen Gesichtspunkte festzustellen. I— In hab. 7 handelt es sikh zunächst um ctltchr fragen, die den Glieftand betreffen, die Knlipfung wir die Fortsetzung oder Lösung des ehelichen Bandes. Indem Paulus gerade dicfc Materie zuerst vornimmt, lll er vielleicht von außen her« durch die Ordnung, welche das Kntragefchceibcti der Gemeinde klnhiclh veranlaßt, es ist aber auch ein innerer Zusammenhang mit dein unmittel- bar vorhergehenden Jlbsclinitt they. h, 12——20) nicht zu übersehen; denn ro ist eine auch sonst vorkommende Erscheinung, daß fleisihliclfer ltibertiuigmusg wie rr dort lieliämpft wurde, und agcetifche Natur— und weltber- achtung, wie sie hier sich will geltend machen, hatt neben einander aus verwandt-n Wurzeln wohnen. Wieweit beide Richtungen in Eorintli fihon entwickelt waren, läßt sich auH unserm isrirfe nur annähernd fihließcnz wir werden da wohl nicht. fehl gehen, wenn wir an— nehmen, daß keine von beiden schon zu rntfchicdcnrr Jtugprägung gelangt war, sondern der Jlpoftcl nur noch den ersten Spuren und Regungen entgegentritt, daß in— dessen, was speziell dle agrelische diictflung betrifft, man in Gorlnth hinsichtlich des lllrllieilg über den sittlichen« Werth der Ehe und deg gelchleihtltchcn llmgaugg in derselben bereits in Schwanken und dlußcherheit ge— rathen war. a. V. 1—24. Was ift heller. ehelich werden oder ehrlos bleiben? und so jemand eheliih geworden, wie soll! er lich halten im Leifien der schuldigen Freund· schaft? endlich, loll jeder Eheliche cinler allen Um« stiinden in der Ehe bleiben nnd sich nicht scheiden, auch in dem Falle trittst, wo dei- eiiie Theilheidnilch ist? Das find die Ilntragen, welche der Apostel in dieser erlien Hälfte unsers« Kapitels beantwortet; er antwortet aber in dem Sinne, dap er eines-theils die göttliche Ordnung des Ehestondes ehren lehrt und die Ehe frei läßt, ja, allen denjenigen sie anliefiehltz welchen lie vonnöihen ifi oder frommt, auch von christ- lichen Eheleuten fordert, fie sollen nach dem Gebote des hErrn in der Ehe bleiben und sich nicht leitest-en, und das) er ondcrntheils allen Menscher: die Gase Der Epistel zweiter Theil: Antwort auf die in dem Briefe der Gemeinde gestellten Fragen. 205 wünscht, die er hatte» sich der Ehe enthalten zu Können, auch den ajriskliajen Gatten Iiir angefangen erklärt, im Fall der heidniiiiih den das Gebot des hErrn icicht Eint-et, das Elseiiand löst (v. 1——16). Den Grundsatz, das! das Evangelium den Ehesiaiid nicht umsiöslh sondern die Ghelente lehrt nnd ermäctsi tigi, chcistlias im ehelichen Stande zu leben, erstreckt der Apostel nebenbei auch ausvoiiästhicni und bürger- lichen Stand: ein jeglicher, wie ihn der hErr berufen hat, also nmndele er, je in feinem Stande ein Ge- sreietee und dort) ein Knecht Christi (v. 17—24). 1. Von dem ihr aber mir geschrieben sin Beziehung auf diejenigen Punkte, die ihr in eurem Briese mir in Frage geftellt] habt, antworte ich swas zunächst den ersten Punkt, das ehelos-Bleiben betrifft]: Es ist [allerdings, wie etliche unter euch diese Meinung vertreten] dem Menschen gut lzu- träglich oder heilsam], daß er kein Weib berühre [1. Mos. 20, 6 und also dem Ehestaude fern bleibe]. 2. Aber um der Hurerei willen szur Ver- hütung von Hurereivergehen] habe ein jeglicher [der nicht die Gabe der Enthaltsamkeit besitzt V. 7] sein eigen [ihm ehelich zugehöriges und in solcherOrdnung zu geschlechtlichem Verkehr ihm VerstattetesJ Weib, nnd eine jegliche [der jene Gabe abgeht V. 9] habe ihren eigenen Mann-« smit dem sie rechtmäßige Gemeinschaft pflegen möge]. Z. Der Mann leiste dem Weibe die schnldige Freundschaft [d. i. die eheliche Pflicht, wie wir uns auszudrücken pflegen] de-sselbigen gleichen das Weib dem Manne seine Gegenseitigkeit, bei welcher allein die Ehe zu ihrer vollen Geltung kommt] 4. Das Weib ist [nach Gottes Ordnung Matth. 19, 4 ff] ihres Leibes nicht mächtig sdaß sie als Trägerin desselben auch über dessen ge- schlerhtliche Bestimmung frei nach ihrem selbst- eigenen Willcn zu verfügen hätte], sondern der Mann shat die Anwartschaft auf ihn in der hier in Rede stehenden Beziehung]. Desseibigen gleichen der Mann ist snach der nämlichen Seite hin] seines Leibes nicht mächtig sobwohl er sonst als des Weibes Haupt ihr Herr ist], sondern das Weib« sdaß sie von ihm die Befriedigung ihres geschlecht- lichen Bedürfnisses fordern darf]. Z. Entziehe fich nicht eins dem andern swas die eheliche Beiwohnung betrifft], es sei denn aus beider Bewilligung eine Zeitlang fund zwar für den Zweck], daß ihr zum Fasten und Beten swenn es unter besonderen Umständen von euch angestellt werden soll] Muße habet sihm ungetheilt, weil frei von dergleichen irdischen Dingen, euch widmen könnet]; und kommt wiederum swenn die verab- redete, der besonderen Gebetsübung bestimmte Zeit vorüber ist] zusammen, auf daß euch der Satan [der immer »auf uns lauert und Schlimmes im Sinne hat T. Cor. 2, 11] nicht versuche, um eurer Unkenschheit [des nun einmal euch anhaften- den Unvermögens zu einer langdauernden Ent- haltung] willenspw svermittels eures Mangels an Enthaltsamkeit euch zu schandbarer Ausübung des Geschlechtstriebes reize]. is) Während die Ueppigkeit der heidnischen Be- wohner von Corinth und die zügellose Freiheit vieler Christen der Neigung zur Unzucht selbst in der Ge- meinde Vorschub that, scheinen Manche in derselben, um einen besonders hohen Grad der Vollkommenheit zu erreichen, gegen das eheliche Leben, und zwar so- wohl gegen den Eintritt in dasselbe, als gegen die Fortsetzung des ehelichen Umgangs unter Christen, Bedenken erhoben zu haben, an welche fich dann nosls andere, wegen des Zusammenlebens mit heidnischen Ehegatten 2c., anschlossern Zum richtigen Verständniß dessen nun, was der Apostel hier vom ehelosen Stande sagt, ist vor allem zu bemerken, daß er nicht etwa in dem eheliche11 Zufamrnenleben selbst, welches ja auf Gottes urspriinglicher Schöpfung und Einsetzung beruht und älter ist als der Sündenfall irgend etwas Unreines oder in der fleischlichen Enthaltung irgend einen höheren Grad von Heiligkeit findet: hiervon ist in allen seinen Worten keine Spur; das in Kp.6, 12 ff. Gesagte eigt deutlich, wie lebhaft ihm stets die er- habene Zehre des göttlichen Worts vom Ehestande, die er in Ephei 5, 22 ff. so herrlich ans-führt, gegen- wärtig war. Aber er wußte, daß der Wiederkunft des HErrn, über deren Zeitpunkt Jesus seinen Apofteln nichts gesagt hatte und die er nahe glaubte, große Trüvsale vorangehen würden; er erfuhr in seinem eigenen ehelosen Stande, wie sehr unter ihren Leiden und Kämpfen "die Freiheit von allen irdischen Banden den Zeugen Christi den Sieg erleichtere, darum erhebt er hier die Vortheile der Ehelosigteit Doch erkannte er auch zugleich, daß es nicht jedermanns Ding sei, freiwillig dazu fich zu entschließen; sondern, nielchen sie als eine Gabe verliehen sei, die sollten dankbar sie unter den damaligen Umständen als einen Vorzug anerkennen, die Andern aber fich vor aller scheinbaren Heiligkeit wohl hüten, die sie in desto größere Sünde stürzen würde, und annehmen, was Gott ihnen zur Zügelung ihrer Begierden gegeben habe. Daher miß- verstehen die den Apostel, welche meinen, er schreibe hier dem Eheftande gar keine höhere Bedeutung, keine segnende und heiligende Wirkung zu, außer der Be- wahrung vor Unkeuschheitz auch dies würde der völligste Widerspruch gegen seine eigene Lehre in Ephes 5, 22 ff. sein. Es ist vielmehr im Au e zu behalten, mit wem er zu thun hatte: mit den hochsahrendem aufgeblasenen, an Geistesgaben reichen, an christlicher Liebe, Demuth und nachhaltiger Verleugnung armen Corinthern, die, weil sie den Apostel ehelos leben sahen und einen Werth daraus legten, nun es ihm gleichthun wollten in der apostolischen Vollkommenheit und ebenfalls, die ehelichen wie die ledigen, keine Weiber mehr berühren, die aber dabei wegen ihrer falschen Freiheit, ihrer Zuchtlosigkeit in der Gemeinde nnd des verfiihrenden Beispiels ihrer üppigen Stadt in großer Gefahr standen, in gemeine Unzucht zu fallen; ihnen gegen- über konnte der Apostel keine andere, als diese Seite des Verhältnisses hervorheben. (v. Gerlach.) Wie wollen doch die Rdmischen beweisen, daß ihre Priester von dem einen jeglichen verpflichtenden Gebote: ,,um der Hurerei willen habe er sein eigen Weib« ausge- nommen seien? Es hätte einen.Sinn, wenn sie nur diejenigen zum Kirchenamte zuließenspwelche die Gabe eheloser Keuschheit besäßen; aber dann würden bald die meisten Bischofsstühle leer stehen, denn aus der heil· Schrift und aus der Geschichte der apostolischen 206 1. Corinther 7, 6-—12. Kirche lernen wir das Gegentheil von der Menschen- lehre, Gott wolle zu den Amtsgaben auch die Gabe fügen, daß ein Bischof keines Weibes Mann und doch keusch sein möge (l. Tim. s, L; Tit. 1, 6). Die ehe- liche Gemeinschaft zwischen Mann und Weib mag freilich im Sündenstande nicht ein reiner und unbe- fleckter Gottesdienst sein, wie sie’s wohl im Paradiese hätte sein können (dort würde das Kinderzeugeti ein sehr heilig Werk und ohne alle Brunst und Unzucht ge- wesen sein, sagt«Luther); aber sie ist doch auch nicht Hurerei, sondern der Zug der Geschlechter zu einander wird geheiligt durch Gottes Ehewort, und christliche Eheleute haben den Trost, daß Gottes Gnade in Christo bedeckt, was vom fündlichen Fleische in ihr eheliches Beieinanderwohnen sich einmischr (Besser.) «) Eine stetige Ordnung meint der Apostel damit, wenn er vorhin verlangte, es solle ein jeder sein eigen Weib, eine jegliche ihren eigenen Mann haben, weil er damit die Ungebundenheit des geschlechtlichen Ver- kehrs ausgeschlossen haben will; hierzu gehört aber dann, daß der Mann dem Weibe, das Weib dem Manne das wirklich leiste, was ihre Ehe zu einer den Hurereien vorbeugenden Ordnung macht. Die ,,schnl- dige Freundschaft« nennt es Paulus, weil die eheliehe Ordnung dem Manne ein Recht giebt auf den Leib des Weibes, und umgekehrt; weshalb das ,,sich ent- ziehen« ein Berauben des Andern im Sinne der Vorenthaltung des ihm Zuständigen wäre. (v. Hof- mann.) Vermuthlich hatten schon Verheirathete den ehelichen Umgang mit ihren Frauen aufgegeben, weil sie es für sittliche Vollkommenheit hielten, kein Weib zu berühren (V. 1); dieser Umstand veranlaßt den Apostel zu der hier vorliegenden Erinnerung. Die Art, wie er diesen Punkt behandelt, zeigt deutlich, daß er das Spezifische der Ehe in der geschlechtlichen Ver- eini ung findet, was auch bei aller höheren idealen Au assung des Verhältnisses festgehalten werden muß. Eheleute sollen Ein Fleisch sein, nicht blos Ein Geist (das sind auch alle Gläubigen) und Eine Seele (das find auch alle Freunde). Uebrigens erscheint hier nicht blos das Weib vom Manne abhängig, sondern auch der Mann abhängig vom Weibe. (Olshausen.) Während die Ehe das Moment derFreundschast als der gegenseitig ergänzenden Einigniig der Gemüther in sich hat, kommt in ihr noch hinzu das Moment der gegenseitig ergänzenden leiblichen Einigung, das·Ge- schlechtliche, was, zwar auch seine psychische (seelische) Seite hat, aber im leiblichen Leben zur vollen Aus- prägun und Verwirklichung kommt. Beide sind in dieser insicht an einander gewiesen, und jeder Theil bedarf des andern zur Erfüllung seiner geschlechtlichen Bestimmung: der Mann der Frau zur Verwirklichung seiner schöpferischen Kraft, in welcher er Gottes Bild (Kap. 11, 7) ist; die Frau des Mannes, damit ihre Empfänglichkeit ein wirkliches Empfan en werde, ihre mütterliche Anlage zur wirklichen LFusbildung und Vethätigung gelange. Dies gegenseitige Bedürfen als ein göttlich geordnetes führt aus eine gleiche Ver- pslichtung und Berechtigung beider in ihrem Verhält- niß zu einander, daß jedes ein Recht hat an den Leib des andern und jedes die Verpflichtung zum Sichhin- geben an den andern in Bezug auf die Geschlechts- emeinschaft, daß hier kein beliebiges einseitiges Ver- fiagen sittlich statthaft ist, sondern nur eine Entsagung oder Enthaltun in gegenseitiger Einwilligiing um eines höheren weckes willen.- (Kling.) Giebt der Ehebund beiden Gatten gleiches Recht an einander, so ist eigenmächtiges Entziehen oder Berauben eine Art Ehebruch. (Besser.) Die ununterbrochene Liebe bedarf durch mancherlei Arten der Hilfleistung und so auch durch wirklichen Gebrauch der Ehe unterhalten zu werden; deswegen eigenliebiges oder gar rachgieriges Enthalten von einander ein mißlicher Bruch in die eheliche Liebe ist. (Rieger.) Aus dem in V. 4 Ge- sagten ersiehet man, wie der Ehebruch der rößte Raub und Diebstahl ist auf Erden; denn er ie t da- hin den lebendigen Leib, der nicht sein, un nimmt einen lebendigen Leib, der auch nicht sein ist. (Luther.) Its) Auch die freiwillige Entsagung in der Ehe umgiebt der Apostel mit bestimmten Schrankem nän1- lich I) daß sie nur stattfinden solle in beiderseitigem Einverständnis» nicht nach eige11willigem Belieben blos des einen Theils, und 2) nur auf Zeit, damit nicht durch weiter gehende Verpflichtungen die Gatten sich selber in Versuchung führen; denn der Satan, der jede Blöße dem Christen ablauscht und jede gegebene Ver- anlassung ergreift, um seine Versuchungen daran zu knüpfen, könnte leicht die Schwäche eines und des andern Christen benutzen, wenn er sich aus eigener Wahl eine Enthaltsamkeit auflegen wollte, der seine Natur nicht gewachsen ist, und die eigenwillige Ver- schmähung der göttlichen Ordnung an ihm dadurch rächen, daß er ihn um so tiefer in Schmach und Schande stürzt. Belege, wie wohl begründet diese Warnung sei, kann man in der Geschichte des erzwungenen Eölibats der katholischen Kirche und seiner Folgen zur Genüge finden. (Burg—er.) Die Ansicht, als sei der Beischlaf nur in der bestimmten Absicht der Kinder- erzeugung statthaft, begünstigt der Apostel nicht, denn er will den ehelichen Umgang nicht ausgesetzt wissen, außer bei längeren geistlichen Uebungen; für besonders ausgesetzte Gebetszeiten (vgl. Apostg. 13, 2 f.) hat ja der Mensch das Bedürfniß, die gewöhnlicheu Geschäfte des Lebens zu unterlassen und zu beschränken, und so denn auch den ehelichen Umgang, dessen Meidung ganz besonders mit zu dem ,,fasten und leiblich sich bereiten« vor dem Genuß des heil. Abendmahls gehört, das Luther im Katechismus ,,eine feine äußerliche Zucht« nennt. (Olshausen.) Daß der Geschlechtsumgang zu heiliger Feier, zu frommen Uebungen sich nicht schicke, war auf testamentischem (2. Mos. 19, 15), wie außer- testamentischem Gebiet angenommen. (Kling.) 6. Solches s·nämlich, daß ein jeglicher sein eigen Weib und eine jegliche ihren eigenen Mann haben soll V. 2] sage ich aber aus Vergunst saus- Rücksicht auf eure Schwäche, vermöge deren ihr so sehr der Verführung zur Hurerei ausgesetzt feid], und nicht aus Gebot fass wollte ich das ehelos-Bleiben euch verbieten]. 7. Jch wollie aber sum der gegenwärtigen Noth willen V. 261 lieber, alle Menschen wären sebenso mit der Gabe der Enthaltsamkeit ausge- stattet], wie ich bin lund vermöchten nun des Be- rührens der Weiber sich zu begeben, wie ich schon in V. 1 andeutete]; aber ein jeglicher »hat» seine eigene Gabe von Gott, einer sonst sd. i. so, Apostg. 19, 32], der andere so sindem dem einen diese, demanderen jene Tüchtigkeit in geistlicher Hinsicht verliehen wird Kap. 12, 4; Röm. 12, 6., und da werden es freilich immer nur Einzelne sein, die ohne Gefahr für ihr Seelenheil ehelos bleiben können]. Einzig ri tig ist die Beziehung des ,,solches« auf V. 2., zu we chem V. 3—5 in untergeordnetem Ver- hältniss stehen; die Worte: »ein jeglicher habe sein Fragen, die den Ehestand betreffen: was ist besser, ehelich werden oder ehelos bleiben? 207 eigen Weib re« konnten leicht, wenn man das ,,um der Hurerei willen« übersah, als Befehl genommen werden. (de Wette) Eine aus solchem Grunde, wie er in den eben angeführten Worten benannt ist, er- theilte Weisung hat nicht Art und Sinn eines Gebots, mit welchem es auf die ebotene Sache selbst abgesehen ist, sondern Art und inn einer auf angemessener Rücksicht beruhenden Verstattung. Dem nun, was er gesagt hat, dasjenige entgegensetzend, was er wünscht und gerne möchte, daß es nämlich mit allen Menschen in der betreffenden Beziehung so« stehen möchte, wie mit ihm, stellt er diesem seinem Wollen und Wünschen als eine Thatsache, welche der Verwirklichung dessen, was er gern niöchte, entgegensteht, die Verschiedenheit der Begabungen gegenüber, vermöge deren nicht jeder die ihm selbst eignende Gabe der geschlechtlichen Selbst- enthaltung, dafür aber irgend eine andere Sonder- begabung besitzt. Man sieht da erstens, daß er es auf göttliche Begabung zurückführt, wenn jemand so, wie er selbst, ohne Nachtheil und Gefahr dem Weibe fern zu bleiben vermag, und zweitens, daß er seinen eigenen ehelosen Stand aus dem Besitze dieser gnä- digen Gabe Gottes verstehen heißt und also mit den Worten: ,,wie ich bin« nicht sowohl auf ersteren, als vielmehr auf letztere zielt. Der ganze Abschnitt aber läßt erkennen, daß die Anfrage der Gemeinde durch Fälle veranlaßt war, in denen Einzelne, wahrscheinlich mit Berufung auf Aeußerungen oder doch auf das Beispiel des Apostels, den geschlechtlichen Verkehr als solchen für Christen ungeziemend achteten und sich deshalb, wenn sie auch in der Ehe selbst verblieben, der ehelichen Beiwohnung entzogen. (v. HofmannJ Paulus hatte die Süßigkeit des Gutes geschmeckh kein Weib berühren zu dürfen, welches er zu den Gaben zählen mochte, womit ihn Gott von Mutterleibe an ausgestattet durch seine Gnade (Gal. l, 15); und je sehnlicher er in der Nähe des jüngsten Tages lebte, desto lieber wollte er, alle Menschen wären wie er in diesem Stück, daß sie unverwickelt in Sorgen um das, was der Welt angehört, dem HErrn entgegengingen auf den Tag seiner Zukunft. Aber wohl zu merken, für einen Stand sonderlicher Heiligkeit oder gar für verdienstlich hielt er den Eölibat ebensowenig, wie er sich herausnahm, aus seinem Wunsche ein Gebot zu machen; denn ein jeglicher, sagt er in nüchterner Er- kenntniß, hat seine eigene Gabe von Gott. Nur die, denen es gegeben ist, fassen zu praktischer Erfahrung das Wort, daß es nicht gut ist, ehelich werden (Matth. 19, 11), oder daß es dem Menschen gut ist, kein Weib zu berühren. (Besser.) Die Neigung zur Ehelosig- keit ist eine sittlich berechtigte, wenn sie frei ist von fleischlicher Bequemlichkeit und Scheu vor dem Haus- kreuz, wie von geistlichem Hochmuth und Ehrgeiz, der durch die Enthaltung von der Ehe eine besondere Hei- ligkeit zu haben und eine höhere Stufe der Seligkeit und Herrlichkeit zu verdienen meint, wenn überhaupt Eigensinn und Eigenwikligkeit, Eitelkeit und falsche Sprödigkeit oder irgend welche sittliche Verkehrtheit in die Ablehnung der Ehe sich nicht einmischt, wenn das Bewußtsein, nicht etwa der Untüchtigkeit zur Ehe, welche das Eingehen derselben zu einem sittlich ver- werflichen Akt stempeln würde, sondern der vom HErrn verliehenen Tüchtigkeit zur Enthaltung von derselben und des göttlichen Berufs zu einer Wirksamkeit für das Reich Gottes, für welche das eheliche Leben eine wesentliche Hemmung sein würde, oder das Nicht- Zustandekommen angestrebter oder gewünschter ehelicher erbindungen durch göttliche Fügung und die ruhige Erwägung des göttlichen Willens und Wohlgefallens in Folge solcher Vorgänge, wenn überhaupt ein Mangel an Neigung und Trieb dazu, den man im Ausblick zu Gott und im Flehen um seine Erleuchtung in dieser Sache als einen göttlichen Wink verstehen lernt, zur Ehelosigkeit oder zum Beharren darin führt. Wenn alle diese Bedingungen nicht stattfinden, so ist der Ein- tritt in die Ehe, wo eine Aufforderung dazu ergeht und begründete Hoffnung, daß— es eine Gemeinschaft im HErrn sein werde, vorhanden ist und die physischen und psychischen Voraussetzungen einer dem Zweck ent- sprechenden Verbindung nicht fehlen, als etwas von Gott Gewolltes indizirh und es stellt sich eine Ver- pflichtung heraus, an der Fortpflanzung des mensch- lichen Geschlechts und an der ganzen religiös-sittlicheu und sozialen Bildung der kommenden Generationen in diesem Verhältniß sich mit zu betheiligen. Die durch die Erwartung der Nähe der Erscheinung Christi, wo mit dem nahen Aufhören der irdischen Existenzform auch diese Verpflichtung zurücktritt, bedingten apostolischen Weisungen bekommen aber aufs Neue Giltigkeit, wenn sichere Zeichen der Zeit diese Katastrophe erwarten lassen. (Kling.) Vgl. Offenb. 14, 4. 8. Jch sage zwar snach Maßgabe des in V. 1 ausgesprochenen Grundsatzes] den Ledigen sbeiderlei Geschlechtss und sbesonders auch den wieder ledig gewordenen] Witwen: Es ist ihnen gut, wenn sie auch bleiben wie ich snänilich un- verheirathet, vorausgesetzt, daß sie die Gabe der Enthaltung besitzen]. 9. So sie aber sich nicht enthalten sder Gabe der Enthaltung ermangeln], sc) laß sie freien sso sollen sie freien, das Freien wird dann für sie zur Pflicht]; es ist besser freien, denn Brunst leiden-«« snicht als ob jenes nur der geringere Schaden wäre im Vergleich mit diesem, sondern jenes ist rechtmäßig und erlaubt, dieses dagegen ein be- dXrohlicher Zustand voll Gefahr und Versuchung, den man meiden muß, vgl. Matth. b, Als. 10. Den Ehelichen aber gebiete nicht ich, son- dern der HErr sin den Aussprüchern Matth. 5, 32; 19, I; Mark. 10, 11f.; Luk. 16, 18], daß das Weib sich nicht scheide von dem Manne; 11. (So sie sich aber scheidet swie ja derartige Fälle bereits wirklich bei euch vorliegen], daß sie [da ihre bisherige Ehe nicht als eine rechtmäßig ge- löste anzusehen ist, eine anderweite Verheirathung also einen Ehebruch in sich schließen würde Matth. 19, I] ohne Ehe bleibe, oder swas jedenfalls noch besser ist] sich mit dem Manne versbhne), und see, der HErr, gebietet ebenfo], daß der Mann das Weib nicht von sich lasse» ssich nicht durch Ent- lassung oder Fortschickung Matth. I, 19 von ihr sche1de]. 12. Den andern aber sdie nicht dem christ- lichen Eherecht schlechthin unterliegen, wie das mit den bisher besprochenen Personen der Fall war, vgl. l. Thess 4, 13] sage ich, nicht» der HEm So ein Bruder ein ungläubig snoch dem Juden- oder gar dem Heidenthum angehörig] Weib hat, und dieselbige läßt es ihr gefallen sstimmt mit ein in sein Vorhaben, die Ehe 208 1. Eorinther 7, 13—16. fortzusetzem also daß sie entschlossen ist], bei ihm zu wohnen sals Eheweib auch fernerhin ihm an- zugehören 1. Petri Z, 7], der scheide sich nicht von ihr. » 13. Und so ein Weib einen ungläubigen sjüdischen oder heidnischens Mann hat, und er laßt es ihm gefallen, bei ihr zu wohnen, die scheide sich nicht von ihm. 14. Denn der unglaubige Mann ist snach dem Grundsatz, daß bei gemischter Ehe die Re- ligion des höheren Standpunktes das eheliche Verhältnis; nach sich bestimmt, nicht aber die des niederen Standpunktes Apostg 16, 3 Anm.] ge- heiliget durch das Weib, und das unglciubige Weib wird geheiliget durch den Mann lso daß keine Gewissensnöthigung für den christlichen Theil be- steht, den Bund als einen unreinen ciufzulösens Sonst [wenn keinesolche Heiligung des ungläubigen Theils durch den gläubigen ftattfände] wären eure sder christlichen Eltern] Kinder unrein sdem Rechts- gebiet der dem Götzeudienst verfallenen Heidenwelt zugehörigsx nun aber sind sie heiligttt fwie ihr das ja selber so ansehet, indem ihr sie nicht der Welt, sondern der christlichen Gemeinde zuzählt Apostg. 21, 5]. 15. So aber der Unglänbige fder nicht- christliche Theil, sei es das Weib V. 12 oder der Mann V. 131 sich scheidet, so laß ihn sich scheiden sohne aus Gewissensbedenken dich dagegen sträuben zu wollen]. Es ist der Bruder oder die Schwester [im Bande der bisherigen Ehe als eines unauf- löslichen Verhältnisses] nicht gefangen in solchen Fällen sdaß er oder sie sich an den Ehegatten noch ferner gebunden zu erachten hätte, wie in dem V. 11 angegebenen Falles. Jm Frieden aber hat uns Gott berufen sfeine Berufung zu Christo, die wir empfangen haben, bezweckt, daß wir im Frieden stehen, des Friedens genießen sollen Col. Z, 15., nicht aber hat er damit uns Pflichten auferlegen wollen, die wir doch nicht würden zu erfüllen· vermögen]. 16. Was weißt du aber [richtiger: Denn was weißt das, du Weib, ob du den Mann werdest selig machen swenn du auch ferner, obwohl er sich von dir bereits geschieden hat, dich als an ihn gebunden erachten und um seinetwillen un- verehelicht bleiben wolltest]? oder du Mann, was weißt du, ob du das Weib werdest selig machens sgleich als müsse eine solche rührende Treue auf Seiten des gläubigen Theils unter allen Um- ständen die Wirkung bei dem ungläubigen Theil zur Folge haben, daß er endlich sich bekehrt]? V) Ein auf die Führung der Ehe bezüglicher Irr- thum war es gewesen, welchem der Apostel in V. 3 ff. zunächst begegnen mußte; aber damit waren die Fälle und Fragen nicht erschöpft, welche die Gemeinde ihm vorgelegt hatte, es handelte sich auch um Ehelösung und Ehefchließung Auch hier nun beginnt er damit, daß er seinen an die Spitze gestellten Grundsatz, aber nicht ohne die Einschränkung, mit der er ihn ausge- sprochen, aufdiejenigen anwendet, auf welche er An- wendung leidet; im Anschlusse an das Nächstvorher- gegangene (V. 7) das, was ihm das Wünschenswerthe ist, obgleich nicht jeder die Gabe hat, darnach zu thun, gegen diejenigen eigens aussprechend, welche in der Lage waren, es sich gesagt sein zu lassen, fährt er fort: ,,ich sage aber den Ledigen« und fügt denselben auch die ,,Wittwen« hinzu. Bei diesen leuchtete es ja am schwersten ein, daß es ihnen in ihrer Verlassenheit gut fein follte, sich nicht wieder zu verehelichem aber auch sie heißt der Apostel ebenso wie die andern nur dann in die Ehe treten, wenn sie im ehelosen Stande aus Mangel an Kraft der Selbstbeherrfchun Brunst leiden müßten, was in demselben Sinne chlimmer wäre, als ehelich werden, in welchem es besser ist, außer, als in der Ehe zu leben. (v. Hofmannh Das ,,Brunst leiden« ist ein stark bildlicher Ausdruck der zur Leidenschaft gesteigerten Gefchlechtslustx Ealvim der drei Stufen der Lust und Leidenschaft unterscheidet, nimmt hier die mittlere an, da nämlich die Seele noch im Widerstand begriffen, doch an einer Auf- regung, die in ihre heiligsten Berrichtungen hemmend und störend eingreift und das Gewissen belastet, krank ist. Das: ,,es ist besser« wird unrichtig von katholischen Auslegern auf den Satz hinausgeführt, daß die Ehe nur das kleinere Uebel sei; es werden nicht zwei Uebel mit einander in Vergleichung gestellt, sondern ein un- vollkommenes Gut und ein großes Uebel. (Qsiander.) H) Jm Gegensatz zu dem bisher Besprochenem was unter den Gesichtspunkt der Freiheit fiel, wird nun ein die Ehelichen verbindendes Gebot hervor- ehoben; die Entgegenstellung von ,,ich« und »der Err« hier (vgl. V. 12) ist also nicht so zu nehmen, als spreche der Apostel nur das eine kraft göttlicher Erleuchtung, das andere lediglich aus seiner natür- Anfchauung und seinem natürlichen Wohlmeinen (vgl. V. 25 u. 40), sondern er unterscheidet zwischen dem, was er kraft der ihm beiwohnenden Erleuchtung als Apostel Christi für vorkommende Fälle in bedingter Weise räth, so daß dem Andern die Erwägung und Bestimmung frei blieb, ob der gegebene Rath für seine Lage und für seinen Zustand passe, und er daher nicht gebunden war, dem gegebenen Rathe unbedingt zu folgen (V. 35), und zwischen dem, worüber der HErr unzweideutig selbst sich ausgesprochen hatte, wo demnach der Gehorsam zweifellose Pflicht und eine Erwägung über die Anwendbarkeit der Vorfchrift nicht mehr statthaft war. Ob das ledige Gemeinde- glied, Jüngling oder Jungfrau, Wittwer oder Wittwe, in die Ehe treten wolle oder nicht, darüber giebt der Apostel keine bindende Vorschrift, sondern nur einen Rath zur Erwägung, den er selbst abhängig macht von vorhandenen Bedingungen und unter Umständen sogar den entgegengesetzten ertheilt (V. 8 u. 9; 1. Tun. · 5, 14); daß aber die in die Ehe Getretenen sich nicht fcheiden oder, wenn je, keine andere eheliche Verbin- dung eingehen worbehaltlich des vom HErrn selbst ausgesprochenen Falles: Matth 5, 32; 19, 9. — Pau- lus führt den Vorbehalt nicht mit an, weil er keinen Grund hatte, die Sache zu erschöpfen), das hat der HErr geboten und also der Wahl und Willkür der Gläubigen keinen Spielraum mehr in diesem Stück gelassen. (Burger.) Der Apostel würde das Gebot des HErrn, daß die Ehe ungelöft bleiben soll, nicht in der Ordnun auf Mann und Weib anwenden, daß er zuerst dem eibe verbietet sich vom Manne zu trennen, und dann erst dem Manne, das Weib von Soll jeder Eheliche unter allen Umständen in der Ehe bleiben und sich nicht scheiden? 209 sich zu thun, wenn es nicht ein Fall der ersteren Art gewesen wäre, um den er befragt worden: woraus sich erklärt, daß er, ohne dies ausdrücklich auch über den Niann zu erstrecken, dem Weibe sagt, was sie zu thun habe, wenn sie sich, wie das den Worten »so sie aber« im Grundtext beigefügte »auch« betont (vgl. Cor. 5, l6), wirklich bereits von ihrem Manne getrennt hat; indem er aber das für den Fall erfolgter Tren- nung allgemein giltige Gebot auf Fälle anwendet, wo solche Trennung in der corinthischen Gemeinde erfolgt ist, setzt er voraus, sie werde nun dort fernerhin nicht mehr vorkommen. Fragt es sich nun, was in den Fällen, um welche der Apostel befragt wurde, das Weib dazu bestimmt haben mag, von dem Manne sich zu trennen, so muß man daraus, daß er nur das Ausscheiden aus dem ehelichen Verhältniss selbst rügt, nicht aber die Ursachen oder Beweggrüude desselben, schließem daß nichts Anderes ihm vorlag, als eine nnzulässige Anwendung des von ihm gntgeheißenen Satzes, daß es dem Nienschen gut sei, geschlechtlichen Uingaiig zu meiden; es begreift sich aus der Natur der Sache, daß Frauen leichter als Männer auf diese Llinveiidiitig desselben verfielen und-also ihrem Aus- scheiden aus der Ehe zunächst begegnet werden mußte. (v. Hofmannh Die in Klammern eingeschlossenen Worte des 11. Verses bezeichnen den äußersten Grad dessen, was in der christlichen Kirche erlaubt sein soll: eine freiwillige Auflösung des Ehebundes soll nie stattfinden; wird aber das Zusammenlebem z. B. wegen Miß- handlnngen oder verführerischer Laster des einen Theils, dem andern unerträglich, dann soll ihm, um größere Uebel zu verhüten, die Trennung erlaubt sein, jedoch so, daß der unschuldige den schnldigen Theil immer noch als seinen Ehegatten betrachte. Dies ist der Ursprung der in der christlichen Kirche nachher einge- sührten Trennung von Tisch und Bett in solchen Fällen. (v. GerlachJ Sehr sorgfältig sind die Ausdrücke »sich scheiden« vom Weibe und »von sich lassen« vom Manne gewählt: das Weib ist stets abhängig vom Manne, es kann daher nicht den Mann entlassen, es kann sich ihm nur entziehen; der Mann dagegen kann es von sich lassen, ein mildernder Ausdruck für ,,fortschicken«. (Olshausen.) IN) Die ,,Andern«, an welche der Apostel sich hier wendet, find Verehelichte, von denen der eine Theil nach der Verehelichung Christ geworden ist; denn nach der Bekehrung Nichtchristeiy namentlich Heiden zu hei- rathen, wäre wohl nicht gestattet gewesen. Für die Giltigkeit der Ehe in solchen Fällen hatte Christus keine besonderen Vorschriften gegeben, sie bezogen sich ans gleiche Ehen seiner Bekennen daher der bescheidene Ausdruck: ,,sage ich, nicht der HErr«, womit Paulus eine subjektive Entwickelung seiner Ansicht aus dem Wesen der Ehe als eines göttlichen Instituts andeutet, doch ohne Ausschließung eines leitenden und heiligenden Einflusses von oben, darunter er stund. Er knüpft die Bedingung der Unlösbarkeit der Ehe an die Ge- neigtheit des ungläubigen Theils zur Fortsetzung der- selben; bei dem gläubigen Theil wird als solchem die Geneigtheit zur Fortsetzung der Ehe, deren Heiligkeit im Christenthum stärker begründet ist, gefordert oder doch vorausgesetzt. (Osiander.) Das Ehegebot des HErrn hat der Apostel derartigen Ehelichen nicht zu sagen, weil dasselbe nur die angeht, die in seinem Reiche unter ihm leben, also einander wechselseitig ver- pflichtet sind nach christlichem Eherecht Wo die Ehe ungleich ist, sagt Augustin, da findet das Gesetz Christi nicht statt. Dennoch soll der christliche Ehetheil nicht ohne Belehrung darüber bleiben, was er seiner- seits um Christi willen zu thun und zu lassen hat im D iichieps Bibelwerä VIL Band. Ehestande, und das; es Paulus ist, nicht der HErrz der solches sagt, benimmt dem Gesagten nichts an Verbindlichkeit; denn keineswegs will es der Apostel in’s freie Belieben der hier Angeredeten stellen, ob sie seiner Regel folgen wollen oder nicht· Werden sie gleich von dem Worte des HErrnr ,,ich sage euch« (Matth. 5, 32) nicht gleichermaßen getroffen, wie die Ehepaar-e, welche beidentheils ,,drinnen« sind, so sind sie doch ihrestheils 11icht ,,draußen« mit ihrem un- christlichen Gatten. Darum fordert der Apostel vou ihnen, daß sie, soviel an ihnen ist, das Eheband un- löslich halten und sich nicht scheiden sollen; will aber, so führt er hernach aus (V. 15), der. Ungläubige des jüdischen nnd heidnischen Eherechts brauchen, worunter er die Ehe eingegangen ist, und scheidet sich, was die Kirchenicht hindern kann, so soll der Gläubige die Ehe als wirklich geschieden und sich selbst als ehef rei ansehen. (Besser.) Wenn der ungläubige Theil es zufrieden ist, in der Ehe zu verbleiben, soll der gläubige, es sei Mann oder Frau, ihn nicht »von sich thun«, wie es im Grundtexte heißt; dieses Ausdrucks bedient sich der Apostel ungebräuchlicher, eben deshalb aber absichtlicher Weise auch vom Weibe, um damit zu verstehen zu geben, daß die Frau, welche ihren nicht- christlicheu Mann verläßt, während er gewillt wäre, in Lebensgemeinschaft mit ihr zu bleiben, ihm mit derselben wehethuenden Willkür aufkiindi t, wie wenn der Mann sein Weib von ihm gehen hei t. Was er in V. 14 zur Begründung seiner Weisung beifügt, ist 11icht ein Beweis, daß solche Lösung der Ehe eine Ver- süudigutig an dieser göttlichen Ordnun wäre, sondern daß die Beschasfenheit einer solchen he keine Aus- nahme von der durch die Hinweisung auf den Aus- spruch des HErrn bereits geltend gemachten Regel begründet. Geheiligh sagt er, ist der ungläubige Theil vermöge des gläubigem damit nämlich ist der nn- gläubige Theil geheiligt, daß er dem gläubigeu ehelich verbunden ist, die christliche Heiligkeit des gläubige« Gatten macht das Verhä«ltniß, in welchem er zu dem ungläubigen steht, zu einem heiligen, heiligt also, da es ein persönliches Verhältnis; ist, den nngläubigen selbst in seiner Eigenschaft als Gatte und für des gläubigen Theils Gemeinschaft mit ihm. (v. Hofmannh Gemischte Ehen zwischen Christen und Heiden konnten damals dem christlichen Ehegatten viele Bedenken machen: von dem Reiche der Finsterniß und des Satans selbst übergegangen in das Reich Gottes, sah der Christ den heidnischen Theil in einer Gemeinschaft der Un- reinigkeit und der Grenel; selbst durch die Taufe in einen Bund eingetreten mit dem lebendigen Gott, sah er den, mit welchem er in einem unauflöslichen Bunde der irdischen Lebensgemeinschaft stand, außerhalb jenes Bandes stehen, und die Kinder selbst schienen mit ihm dem Reiche der Finsterniß anzugehören. Der Apostel stellt dem eine Lehre entgegen, die von dem Grund- edanken ausgeht, der Christ solle in allen seinen ebensverhältnissen stets das Reich Gottes als das mächtigere, sieghafte, zuletzt jeden Widerstand über- wältigende, das Reich der Finsterniß dagegen als das ohnmächtige und besiegte und immer mehr zusammen- stürzende ansehen; in der gemischten Ehe heiligt daher die mächtigere Gotteskraft, die in dem gläubigen Theile wohnt, den noch in der Finsterniß lebenden ungläubigen. (v. Gerlach.) Der ungläubige Gatte, obwohl persönlich dem HErrn nach wie vor ent- fremder, ist doch durch die Verbindung mit einem läubigen Gatten insofern geheiligt, als das eheliche Band beider die Geltung vor dem HErrn hat, wie wenn sie beide gläubig wären; die Heiligkeit des einen kann die iuangeliide p ersönliche Heiligkeit des andern 14 210 1. Corinther 7, 17——24. nicht ersetzen, aber sie verbreitet ihre Wirkung über den Bund beider, sodaß keine Gewissensnöthigung für den Christen besteht, diesen Bund als einen unreinen aufzulösen. Der Glaube des christlichen Theils be- herrscht das Verhältniß, in welchem er steht, weil es an sich seiner Natur nach, als ein auf göttlicher Ord- nung beruhendes, eine solche Anerkennung nicht aus- schließt; bei fleischlicher Verbindung von der in Kap. G, 15 f. erwähnten Art dagegen kann von einer solchen Heiligung der Verbindung nicht die Rede sein, im Gegentheih der Gläubige verliert durch sie den Charakter der Heiligkeit auch für sich, die Unreinigkeit des andern Theils behält die Oberhand und den Sieg, denn jenes Verhältniß steht als solches schon mit der Heiligkeit des Christen im Widerspruch. (Burger.) Den Beweis dafür, daß der nichtchristliche Gatte durch seine christ- liche Ehehälfte geheiligt sei, gründet Paulus auf etwas, was Von den Corinthern ohne Weiteres als richtig zu- gestanden, was von ihnen selber als sich so verhaltend, wie er es aussagt, angenommen und in praxi zur Geltung gebracht wurde, darauf nätnlich, daß die Christenkinder nicht profan, außerhalb der theokratischen Gemeinschaft stehend und der unheiligen Welt zuge- hörig, sondern vielmehr heilig seien; es geht da das ,,eure Kinder« zunächst auf die Kinder der christlichen Ehegattem schließt aber die aus gemischter Ehe her- vorgegangenen nicht aus. Gewöhnlich nun sagt man, daß der Apostel diesen Schluß von der Heiligkeit der Christenkinder als einer unbestrittenen Thatsache auf die Heiligkeit auch einer gemischten Ehe, welche noch im Zweifel stand, nicht hätte machen können, wenn damals schon die Kindertaiife in der Kirche üblich ge- wesen wäre, weil sonst an diesen Kindern nicht ihr Verhältniß zu den christlichen Eltern, um welches es sich ja bei der ganzen Beweisführung handele, der Grund ihrer Heiligkeit wäre, sondern vielmehr ihre Taufe; dagegen läßt sich aber auch· behaupten, daß der Apostel die Heiligkeit der Christenkinder den Corinthern nicht als eine von ihnen anerkannte, über allen Zweifel erhabene Wahrheit vorstellen konnte, wenn dieselbe nicht bereits in einem kirchlichen Institut, in dem der Kindertaufe, ihren thatsächlichen Ausdruck gefunden hatte, denn blos subjektive Annahmen des Einzelnen geben hier keine feste Grundlage für· den Beweis, den er führen wollte, das that nur die objektive Praxis der ganzen Gemeinde, eine Praxis, die eben das ,,eure Kinder sind heilig« zur Voraussetzung hatte. Ein Ungläubigey der sich scheidet, soll geschieden sein, das Ehebund aufgelöst; es ist der Bruder oder die Schwester nicht gefangen in solchen Fällen, das Band der Ehe ist in diesem Falle nicht, wie bei beider- seits christlichen Eheleuten (V.11), als ungelöst zu behandeln, denn überhaupt nicht ein knechtifches Joch ist das Ehejoch dem Christen, sondern als ein freies Gnadenkind trägt er dasselbe, wissend, daß Gott in Frieden ihn berufen hat. (Besser.) Auf die Hoffnung aber, daß ein Theil zu des andern Rettung etwas beitragen könne, darf man nicht so hineinfallen und der übrigen Warnungem z. B. ,,ziehet nicht an fremdem Joch mit den Ungläubigen« vergessen, sondern es will alles mi)t viel Mäßigung verstanden und geiibt sein. Rie er. ( Gemäß dem vom Apostel in V. 15 aufgestellten Satze wird auch in der katholischen Kirche, die vermöge ihrer Auffassung der Ehe als eines Sacraments eine eigentliche Scheidung gar nicht kennt, schon nach einer Eonstitutioii des Papstes Jnnocentius III. (1193·—— 1216 n. Chr.), wenn von zwei ungläubigen Ehegatten der eine sich dem Christenthum zuwendet, der andere aber mit ihm die Ehe nicht fortsetzen will, jener von diesem mit der Erlaubniß, eine anderweite Ehe ein- zugehen, getrennt; im Laufe des 18. Jahrh ist in diesem Sinne mehrmals entschieden worden, wenn von zwei jüdischen Ehegatten einer Christ geworden war und unter der angegebenen Voraussetzung getrennt und zu zweiter Ehe verstattet fein wollte. Es ist nun aber auch bekannt, wie in der evangelischen Kirche bei Weitem die meisten Kircheuordnungen des 16. Jahrh. außer dem Ehebruch auch die malitjosa deserijo oder bösliche Verlassung auf Grund unsrer Stelle als schrift- mäßigen Ehescheidungsgrund geltend gemacht haben, welcher böslichen Verlassung dann wiederum Luther die hartnäckige Verweigerung der ehelichen Pflicht gleichstellt; indessen leuchtet sofort ein, daß auf eine christliche Ehe das von Paulus in Beziehung auf solche Ehen, wo der eine Theil ungläubig ist, Gesagte gar nicht angewendet werden darf. Jn dem vom Apostel behandelten Falle scheidet sich ja gar nicht der christliche Gatte, sondern er wird geschieden von Seiten des nicht christlichen; soviel an ihm ist, hat er selbst dem heidnischen Gatten gegenüber unbedingt als zur Treue verpflichtet sich zu erachten, das kann er aber rechtlich und sittlich nicht mehr, wenn er von diesem verstoßen wird. Etwas ganz Anderes ist die in das evangelische Eherecht als rechtmäßiger Scheidungsgrund aufgenommene bösliche Verlassung; wird diese, wie das evangelische Eherecht allerdings annimmt, nicht schon darin gefunden, daß etwa das Weib von ihrem Manne fortzieht und sich weigert zu ihm zurückzukehren, wo- mit wir bereits bei der vollständigen Scheidungswillkür und der gänzlichen Aufhebung des Gebots Christi angelangt wären, sondern lediglich darin, daß der untreue Gatte .in eine auch für die Obrigkeit nicht mehr zu erreichende Ferne geht, der obrigkeitlichen Auffor- derung zur Rückkehr nicht Folge leistet und keine ge- gründete Hoffnung zu feiner Rückkehr da ist, also daß er biirgerlich als verschollen, als bürgerlich todt zu betrachten ist, so fällt dieselbe in die Fälle des Todes oder des Ehebruchs. Der entwichene Gatte hat alle Gemeinschaft mit dem andern gerade so aufgehoben, wie durch den Ehebruch, welcher in den meisten Fällen wohl auch als wirklich vorliegend angenommen werden kann; der unschuldige Theil ist darum allerdings ,,nicht gebunden in solchem Falle«; doch wird immerhin es entschieden rathsamer für ihn sein, zu warten, bis auch die Wirklichkeit des Ehebruchs oder der Tod eonstatirt ist. Dagegen dürfte des Apostels Wort auf unsere Verhältnisse dahin anzuwenden sein, daß ein christlich gesinnter Gatte in keinem andern Falle, als in dem des»Ehebruchs, des bürgerlichen Scheidungsrechts sich bediene,· um von seinem Gatten loszukommem viel- mehr seinerseits alles aufbiete, um auch dem andern Theil den Gebrauch dieses Scheidungsrechts unmöglich zu machen; kann er nun gleichwohl denselben nicht hindern, eine Scheidung herbeizuführen, so hat er auch wirklich als geschieden sich zu betrachten, unangesehety auf welchen Grund hin die Scheidung erfolgt ist, und ohne erst abwarten zu müssen, bis der andere Theil sich anderweit verehelicht hat oder aber verstorben ist. 17. Dort) sum nach diesem ZwischensatzeV 16 von der, in dem V. 15 bezeichneten Falle dem Bruder oder der Schwester gegebenen Freiheit wieder zurückzukommen auf die, für den andern Fall in V. 12——14 ausgesprochene Verpflichtung — es gelte euch als Grundregel für euer Ver- halten das:] wie einem jeglichen Gott hat aus- getheilet [sein Loos], ein jeglicher, wie sin welcher Ein jeglicher bleibe in dem Beruf, darinnen er berufen ist, auch hinsichtlich andrer Verhältnisse! 211 Lage oder in welchen Lebeusverhältnissen] ihn der HErr berufen hat, also wandele er sso daß also, wer irgend in der Ehe mit dem ungläubigeii Gatten verbleiben kann, dies auch zu thun hat]. Und also sdaß man seines Christenberufes warte in der Weise, wie einen jeden der HErr in diese oder jene Lebensumstände gesetzt hat] schaffe ich es in allen Gemeinen sdie unter meiner Fürsorge stehen, auch in Hiusicht auf andere Verhältnisse, als um die es hier sich handelt] 18. Jst jemand beschnitten berufen, der zeiige keine Vorhaut sbringe nicht wieder auf künstliche Weise die Vorhaut an seinem Leibe hervor, gleich als hätte er sich seiner Beschneidung zu schämen 1. Macc. 1, 16 Anm.]. Jst jemand berufen iii der Vorhaut, der lasse sich nicht beschneiden swie ich diesem Grundsatz gemäß z. B. mit Titus ver- fahren bin Gal. 2, 1 ff.]. 19. Die Beschneidung ist nichts, und die Vor- haut ist nichts sweder der eine noch der andere Stand hat irgend welche Bedeutung fiir die Be- wahrungides in Christo erlaugten Heils], sondern Gottes Gebote halten* [darauf allein kommt alles an Gal. 5, 6; 6, 15]. 20. Ein jeglicher bleibe in dein Beruf, da- rinnen er berufen ist sso nehme ich mein Wort in V. 17 wieder auf, um es noch nach einer andern sehr wichtigen Seite hin zur Geltung zu bringen] 21. Bist du snäinlich] ein Knecht berufen, sorge dir iiicht sals stünde dein Knechtsstand im Widerspruch mit deinem Christenstande, und trage dich nicht mit unfruchtbaren Wünschen, frei zu werden]; doch, kannst du frei werden [wie ja die Gelegenheit dazu hin und wieder einem Knechte allerdings- geboten wird], so brauche deß viel lieber fund werde wirklich frei]. 22. sJch sagte zuerst: ,,bist du ein Knecht berufen, so sorge dir nicht«; und dazu habe ich guten Grund] Denn wer fass] ein Knecht be- rufen ist in dem HErriy der ist sinsofern auf ihn gerade sich diejenige Seite unsers Verhält- nisses zu Christo anwenden läßt, die in Joh. 8, 36 ausgesprochen wird] ein Gefreiter des HErrn sein dem HErrn nun angehöriger Freigelassener]; desselbigen gleichen sdie andere Seite dieses Ver- hältnisses Ephes S, 6 ebenfalls aus die ent- sprechenden Personen angewendet], wer [als] ein Freier berufen ist, der ist. ein Knecht Christi. 23. sJch habe aber auch meine guten Gründe fiir das andere, was ich in V. 21 sagte: ,,kannst du frei werden, so brauche deß viel lieber« —- ich spreche sie aus in dem Satze:] Ihr seid theuer erkauft [zu Christi Eigenthum Kap. S, 20., auf daß ihr ihm allein dienet und gehorchet]; werdet [also, um dieses euer Dienstverhältniß nicht zu verleugnen] nicht der Menschen Knechte« [und n1in wird es offenbar viel leichter sein, euch davor zu hüten, wenn ihr auch äußerlich eines Menschen Knecht nicht mehr seid] 24. sUm nun aber zum Schluß beiderlei Lagen eines Knechts, die ich soeben besprochen habe, da er entweder ein Knecht bleiben muß oder aber frei werden kann, noch in Eine Er- mahnung zusammenzufassen, so sage· 1ch:] Ein jeglicher, lieben Bruder, iooriiuien sm welchem Stande oder Lebensverhältnißf er berufen ist, darinnen bleibe er bei Gott-«« [d. i. in einer solchen Weise, daß seine Gemeinschaft mit Gott keinen Schaden leide, sondern allewege Gottes heil· Wille geschehez er bleibe also ein Knecht und verlange nicht frei zu werden, wenn Gott einmal den Knechtsstand ihm beschieden hat, wem dagegen Gott die Freiheit zuertheilt als sein weiteres Loos, der nehme sie dankbar an]. V) Da siehest du, daß St. Paulus keinen Stand einen seligen Stand fein läßt ohne den einigen, den Christenstand; die andern macht er alle frei, ß « weder zur Seligkeit noch Verdammniß dienen von ihnen selbst, sondern mögen allesammt durch den Glauben seliglich und durch den Unglauben Verdauun- lich werden, ob sie gleich aus’s Allerbeste gehalten würden für sich selbst. (Luther.) Das Christenthum als die wahre Religion der Menschheit zeichnet dadurch sich ans, daß»es jede geschichtlich gewordene Lebens- stellung der Jndividuen, insofern sie nur nicht wesent- lich mit sich führt ein unsittliches Thun, in seine Sphäre aufnimmt und entweder durch seine heiligenden Kräfte verklärt oder im Verhältnis; zu seiner geistlichen Wir- kung zu etwas Jndifferenteiii herabsetzt Die Gegen- sätze der religiösen Lebensstellung der Juden und der Heiden, äußerlich abgebildet durch» Beschneidung und Vorhaut, verschwinden in der christlichen Sphäre, in- sofern hier das allein Giltige und Werthgebende ist das Eingehen des Menschen mit seiner ganzen Per- sönlichkeit in die heilige Ordnung Gottes, was geschieht durch den Glauben, der in der Liebe thätig ist, also daß der Unbeschnittene, der also befunden wird, ganz gleich ist dem Beschnittenen, der sich also verhält; dennoch hat weder der eine noch der andere irgend Grund, aus der einen Stellung in die andere über- zugehen, als wäre die Beschneidung, das Zeichen der Gesetzesherrschafh des davon befreiten Christen un- würdig oder die Vorhaut, als Zeichen der außerhalb des Bandes und der Verheißung Stehenden, ein Hin- derniß der Theilnahme an diesem. ’«·’«·) Nachdem der Apostel in V. 18 den religiösen Gegensatz, in welchem die ganze damalige Menschheit sich bewegte, hinsichtlich seiner äußeren Darstellung (Beschneidung oder Vorhauh als indifferent in Bezug auf das Reich Gottes bezeichnet hat, so kommt er nun auf den großen Gegensatz des sozialen Lebens, den der Sklaven und Freien, und erklärt, daß das Sklaven- verhältniß mit dem Christsein keineswegs unvereinbar sei, also der Sklave, der gläubig geworden, diesen seinen äußeren Stand sich nicht solle einen Gegenstand der Sorge sein lassen, als ob er nicht in dieser äußeren Gebundenheit als Christ, als Freier beten und Gott dienen könne oder sonstwie in seinem christ- lichen Rechte verkürzt sei. (Kling.) Jn V. 22 macht Paulus einerseits geltend, daß der im HErrn berufene Knecht ein Freigelassener des HErrn, und andrerseits, 148 212 daß der Freie nach seiner Berufung ein Knecht Christi ist; beide Sätze verbindet er durch das Wort: ,,des- selbigengleichen«, u1n ben1erklich zu machen, daß die in ihnen ausgedrückten Thatsachen gleichartig sind tjvgl. Lnk. 16, 25., wo Luther das betr. Wort des Grund- textes durch »dagegen« wiedergegeben hat). Sie find es aber insofern, als beide Male sich darstellt, daß der Gegensatz von Knechtfchaft und Freiheit auf dem Gebiete des natiirlichen Lebens fiir den Christenstand als solchen gleichgiltig ist; denn die Begriffe: »ein Gefreiter des HErrn« und: »ein Knecht Christi« sollen sich nicht gegenfätzlich ausschließen, sondern den einen und selben Christenstand nach zwei verschiedenen Seiten bezeichnem einerseits hinsichtlich der erfolgten Erlösung aus der Knechtfchaft unter der Sünde, andrerseits hin- sichtlich der hierfür eingetretenen Gehorsamspflicht gegen Christum. Nicht weiter, als der von Christo in Freiheit Gesetzte nnd der ihm zu Dienst Verpflichtete, also in Wirklichkeit gar nicht, sind der christliche Knecht und der christliche Freie hinsichtlich ihres Christen- ftandes von einander entfernt; oder auch, der Unter- schied, daß der eine ein Knecht, der andere ein Freier ist, bringt keinen größeren Unterschied in ihrem Christenstande mit sich, als den die verschiedene Wen- dnng der beiden Sätze ausdrückt, wenn der eine von dem redet, was der Berufene ist (ein Gefreiter des HErrn), und der andere von dem, was einer durch seine Berufung ist (ein Knecht Christi). Jst nun aber dieser Doppelsatz so durchweg darauf angelegt, nicht etwa den Adel der wahren Freiheit, welche dem Christen eignet, er mag Knecht oder Freier sein, her- vorzuheben, sondern vielmehr die Gleichgiltigkeit natür- licher Knechtfchaft und Freiheit für den Christenstand auszudrücken, so kann feine Bestimmung nicht sein, den Sklaven nicht blos, solange er es sein muß, zu willigem, sondern auch wenn er frei werden könnte, zu freiwilligem Verbleiben im Sklavenstande zu vermögen, wie diejenigen Ausleger meinen, welche die zweite Hälfte des 21. Verfes so verstehen wollen: sondern, wenn du auch frei werden kannst, brauche deß (daß du als ein Knecht berufen bist) viel lieber sund bleibe in deinem Kuechtsstande, statt von der Gelegenheit zum Freiwerden Gebrauch zu machen); denn warum sollte der Sklave von der Piöglichkeih frei zu werden, keinen Gebrauch machen, wenn sich dadurch in feinem Christenstande nichts ändert? Wohl aber eignet sich der Doppelsatz, dem Sklaven zu zeigen, daß er nicht nöthig hat, weil er als Sklave berufen worden, auch dann es zu bleiben, wenn sich ihm die Möglichkeit des Freiwerdens darbietetx denn warum sollte sein Chriftenstatid ihn dazu nöthigen, wenn doch der Uebergang aus der Knechtschast in die Freiheit keine andere Bedeutung hat, als daß er aus einem von dem HErrn in Freiheit Gesetzten ein Christo zu Dienst Verpflichteter wird, im Grunde also bleibt, was er seiner Berufung nach schon ist? (v. Hosmannh Mit dem Bleiben in dem Beruf, darinnen er berufen ist, besteht sehr wohl, daß einer die Freiheit als ein höheres Gliicksguh als eine von Gott ihm geschenkte Gabe (V. 17) dankbar annimmt, wenn ohne sein Sorgen und Zuthun sie ihm zu Theil wird; gerade wie ein Kranker zu seinem Segen still und willenlos seine Krankheit tragen soll, wenn zur Heilung sich keine Ausficht zeigt, kann er aber gesund werden, es dankbar annehmen soll, um seine erneuerten Kräfte zur Ehre Gottes an- zuwenden. (v. Gerlach.) Tit) Obwohl ein Beruf mehr Verfuchungen unter- worfen ist als der andere, so steht dennoch jeder unter Gottes Vorsehung; und wenn genugsame Sorgfalt angewendet wird, so läßt er bei Gott bleiben, wie 1. Corinther 7, 25-—-29. denn auch das Bleiben bei Gott in allem Beruf vor allem Andern soll gesucht und ausgeiibt werden. (Starke.) b. V. 25——Ll0. Von den beiden Cxekntieln der Volks- attgehötigtieit und der bürgerlichen Lebensstellung iiomnit der Apostel in dieser zineiteti Hälfte unsers Kapitels auf die Beantwortung der in Bettess der Ehe ihm vorgelegten Fragen zurück; und zwar· be« handelt et« nach den Fragen über Führung und Fortführung der Ghe nun auch die über die Gingehung derselben. Indem er da mit den Jungfrauen anhebt, deretwegeti man zunächst ihn nsn einen Bescheid angegangen hatte, lielieiinl er, das! er ein Gebot des» hErrti hier intht zu verlilucdigeii habe, aber feine Mein u n g will et· sagen als ein Begnadigter treuer Diener des hErrik, und giebt nun diese dahin ab, dasl un( der gegenivärtigesi Nothstäiide willen das« Ledigbleibett jedenfalls» das, Gerathenste sei, daher man die Ehe ohne ztviugeiide Gründe nicht suchen, sondern, wenn man die Gabe der Enthaltung lsesitzg ihr lieber fern bleiben solle, obgleich man Keine Sünde thue, wenn man in sie eintrete Tun-h den Tltiinsictsti giebt er das zu bedenken, wendet sich aber nunmehr zugleich an die Verehelichtem denen er, gleichwie allen andern Christen, soweit sie in dieses« Weltweseii verflochten find, die Vorschrift ertheilt, sich ihre geisilishe Unab- hängigkeit dabei zu bewahren; oon da aus geht er abermals— auf den Unterschied ztoifihett nerehelichteti und ledigen personen in hinsnht anl die grosterc Freiheit von den Dingen dieser well und auf den besseren Stand, mag» die Hingabe an den HErtn be· trifft, ein und sagt nun den Vätern, die Töchter zu verheirathen haben, und lVitttuen, bei denen es sich um eine Wiederaerheirathting handelt, mag» sie. zu thun haben, um se nach ihrer verschiedenen Lage M) lein zu net-halten. 25. Von den Jungfrauen aber sin Beziehung auf deren Ntchtverheirathung ihr noch im Besonderer: eine Anfrage an auch gerichtet habt] hab ich kein Gebot des HENU [welches unbedingt dafür ent- fch1ede, weder m den Ausfprtichety die er während seines Wandels auf Erden gethan, noch auch in speziell mir zu Theil gewordenen Offenbarnngenh Ich sage aber lwenn ich gleichwohl euch einen be- stimmten Besche1d gebe] meine Meinung als sein solcher, der] ich Barmherzigkeit erlanget habe von dem HErrtt, treu zu fein * sin ineiner Haushaltung oder Amtsfiihrutig Kap. 4, L; Hebr Z, 5., und da muß Immerhin das, was ich sage, von großem Gewicht für euch sein und dürft ihr’s euch zur Richtschnur nehmen V. 40]. 26. So meine ich nun sindem ich jetzt das soeben angekiindigte apostolische Gutachten abgebe], solches sdas Unverheirathetbleibety worauf eure Anfrage hmausliiuft] sei gut fden Jungfrauen] um der gegenwartigen Noth willentr sdenn es ist ja böse Zeit, in der wir leben Ephes 5, 16; Avpostg 14, 22; ich beziehe aber meinen Spruch nicht auf die Jungfrauen allein, sondern urtheile aus dem nämlichen Grunde ganz allgemein], daß es dem Menschen falso auch einem Manne] gut sei, also fwie er jetzt noch ist, nämlich ledigen Standes] zu fein [vorausgesetzt, daß er wirklich noch frei über sich zu verfügen hat]. Frageujnjlietreff der Eingebung der Ehe: es ist dem Menschen gut, ehelos zu sein. 213 "27. Bist dn sfreilich, o Mann, durch schon geschehene Verheirathung oder doch durch Ver- löbnis; bereits] an ein Weib gebunden, so snche sticht los zu werden seine solche Auflösung der schon bestehenden Verbindung würde ein Mißbrauch des von mir gegebenen Rathes sein]; bist du aber los vom Weib sindem das Verlöbniß aus irgend welchen unverschuldeteii Umständen wieder rück- gängig geworden, oder aber du bist ein Wittwer], so suche kein Weib ssondern verharre in dem dir wieder zu Theil gewordenen ledigen Stande]. 28. So du aber strotz des hier von mir gegebenen Rathes] freicst, sikndigest du nicht, nnd so eine Jungfrau freier, sundiget sie nicht ses handelt sich ja eben blos um einen Rath meiner- seits, nicht um ein Gebot des HErru in dieser Sache, das allerdings nicht ohne Sünde über- treten werden könnte]; doch werden solche [die un- geachtet meiner Warnung in die Ehe treten] leibliche Trübsal haben svor Andern, die für sich allein dastehen, wenn sie in der Noth dieser Zeit, die den Christenstand ohnehin zu einem schweren Stande macht, noch überdies für einander und für ihre Kinder zu sorgen haben werdens Jch ver-schone aber euer gerneiii smit dergleichen sonder- lichen Drangsalen, nnd freue mich darum, wenn jemand unter euch dem in V. 26 gegebenen Rathe Folge leistet]. i) Das »von den Jungfrauen« ist buchstäblich zu nehmen und nicht etwa von den Ledigen beiderlei Geschlechts zu verstehen; geht gleich das Folgende nicht ansschließlich auf die Jungfrauen, so riihrt ja das eben daher, daß er ein spezielles Gebot für sie nicht hat, also auch ihren Fall unter die allgemeinen Regeln und Grundsätze, wie sie in V. 26——35 folgen, mit begreift, von V. 36·an beschäftigt er sich aber bis V· 38 näher mit ihnen allein. (Burger.) Es handelt der Abschnitt hauptsächlich von den Jung- frauen, bei denen wohl ein besonderer Werth auf be- ständige Reinheit gelegt wurde, und nur gelegentlich von ledigen Männern. Der Apostel bestimmt nun zunächst die Quelle und Auetorität seiner Belehrungen über das Ehelichwerden der Jungfrauen: er kann die Anfrage der Gemeinde nicht mit Geltendmachung eines Gebotes des HErrn, sondern nur mit Kundgebung seines eigenen Urtheils beantworten; jedoch, wenn er auch seinen Rath oder seine Meinung unter die Ge- bote des HErrn herabsetzen muß, kann er sie denselben andrerseits auch nahe stellen als ein hochbegnadigter Apostel. Gegenstand nun der ihm zu Theil gewordenen hohen Begnadigung ist die bei ihm zusammenfallende Berufung zum Glauben nnd zum Apostel; da ist denn, wenn er hier als Berather und Leiter der Ge- 1neinde spricht, an das Amt, wenn auch nicht aus- schließlich, doch überwiegend zu denken. (Osiander.) Jn den Worten: »als ich Barmherzigkeit erlanget habe von dem HErrn, treu u sein«, liegt einerseits eine Herborhebung seiner apostolischen Auctoritäh daß er glaubhaft, zuverlässig sei, so daß man Grund habe dafür zu halten, was er rathe, sei etwas, das man als dem Sinn des HErrn gemäß anzunehmen habe nach dem Worte Christi: »wer euch höret, der höret mich«, obwohl es nicht in einer ansdrlicklichen Vor- schrift des HErrn bestehe; andrerseits aber spricht er wie in 2.Cor. 4, 1 so, daß er, sich selbst demüthigend, der Gnade des HErrn die ganze Ehre in dieser Sache giebt, der Gnade des HErrn, die ihn aus tiefem Elend heraus in dieses apostolische Amt emporgehoben und ihm den Geist der Wahrheit ge eben, welcher ihm den Sinn Christi also ausschließe, da sein Ausspruch solches Gewicht der Zuverlässigkeit habe. (Kling.) Zur Tüch- tigkeit nnd Treue eines rechtschaffenen Lehrers gehört, daß er in Dingen und Fragen, welche in der heil. Schrift nicht ausdrücklichentschieden sind, nach den Grundregelm die sich darin befinden, den Gewissen mit genugsamem Unterricht zu rathen wisse; daher er dieselben im göttlichen Lichte recht einsehen und richtig anzuwenden wissen muß. (Starke.) ist) Unter der Noth, um deretwillen es nach des Apostels Urtheil einem Menscheii gut sei, in ledigem Stande zu leben, versteht man insgemein, indem man das im Grundtext für »9bgenwärtig« stehende Wort im Widerspruch mit der allein möglichen und nach- weisbaren Bedeutung (vgl. 2. Thess 2, Z; Gal. 1, 4) anders deutet, die vor des HErrn Wiederkunft zu erwartende Drangsal (Matth. 24, 21), während der Apostel dasselbe meint, um dessentwillen er in Ephes· 5 schreibt: ,,es ist böse Zeit«; er braucht damit nicht auf eine damals gerade außerordentlich bedrängte Lage der Christenheit zu deuten, vielmehr ist ihm die Gegen- wart überhaupt, in welcher ja das Bekenntniß zu Christo für jeden eine Ursach der Feindschaft und Ver- folguiig wurde, eine Zeit der Noth, in welcher seinen Christenstand zu behaupten um so viel schwerer fällt, je mehr man durch Gemeinschastsbande des natür- lichen Lebens mit Andern verflochten ist. (v. Hofmannh its) Aufs Klarste verwahrt sich Paulus gegen den Mißverstand, als wolle er die Ehe zur Sünde n1achen, was etliche in Corinth vielleicht schon Lust hatten zu lehren (1. Tim. 4, 3); aber das erklärt er unumwunden, der Ledige werde es nach den Verhältnissen der da- nialigen Zeit leichter haben, sein Rath sei demnach auf Schonung für sie berechnet Der Ausdruck ,,leiblich e Trübsal« verlegt die ganze Folge der Verheirathung in das niedere Gebiet: man bereitet sich dadurch Noth, Angst, Sorge in äußerer Hinsichtx aber keine Trübsal in Beziehung auf’s geistliche Leben. (Olshausen.) Nicht will Paulus sagen, daß das ehelose Leben sittlich höher stehe als das eheliche, wie die Katholischen seine Worte also auslegen, sondern daß in Anbetracht der schweren Zeiten der Ehestaiidg im Vergleich mit dem ledigen der schwerere sei. (Kling.) Sind aber Eheleute Eines Sinnes und fürchten sie mit einander Gott, so können sie sich auch die Last sehr erleichtern (Starke.) Leibliche Leiden am Fleisch haben Eheleute mehr; Ledige dagegen mehr andere Versuchungem die das Wort Gottes leicht ersticken können. (B»erleb. Bib.) 29. Das sage ich aber, lieben Bruder, sals etwas, wobei es sich nicht um einen bloßen wohl- geineinten Rath, sondern um eine ausgemachte, auf alle Fälle zu beherzigende Wahrheit handelt:] die Zeii ist kurz [in’s Kurze zusammengedrängt, und nur wenig Frist bis zum Weltuntergangc noch übrig Rom· 13, 11]« Weiter ist das die Meinung snn Anschluß an diesen Satz ertheile ich nun weiter euch folgende Weisung, die sich auf alle eure Verhältnisse bezieht, welche sie auch immer fein mögen]: Die da Weiber haben, daß sie seiest, als hatten sie keine; und die da weinen, als weineten sie nicht; 214 1. Corinther 7, 30-—88. 30. Und die sieh freuen, alssreueteit sie sich nicht; nnd die da kaufen, als besaßen sie es nicht swas mit ihrem Kauf sie sich erworben haben]; 3»1.· Und die dieser Welt brauchen, daß sie derselben nicht mißbrauchen [nach anderer Ueber- setzung: nicht gebraucheiy nämlich zum Genuß, sondern ihrer blos brauchen zum Bedarf]; denn das Wesen dieser Welt vergehet sdie Welt behält nicht diejenige Gestalt oder Erscheinungsfortm in welcher sie jetzt dem natürlichen Menschen ein Gegenstand seines Begehrens ist, und bei solchem Vergehen der Welt mit ihrer Lust 1. Joh. 2, 17 verliert derjenige alles, was er sich erwählt hatte, der sich an sie hängt]. Die Worte: »das sage ich aber« leiten ebenso wie in Kap. 15, 20 einen Satz von besonderer Wichtigkeit und entscheidendem Nachdruck ein, in welchem das Vorangegangene eine Art Abschluß oder schließliche Begründung findet: eben das Gebot der Selbstver- lengnung, das hernach folgt, einer Selbstverleugnung welche den Christen nicht erspart werden kann, zeigt, daß der Apostel wirklich schonend verfährt, wenn er räth, daß man die Uebung derselben sofern als thun- lich sich nicht selbst erschwere. (Burger.) Die Zeit, um welche es sich handelt, wenn von dem Thun nnd Lassen der Christen die Rede ist, diese Gegenwart im weiteren Sinne, kennt der Christ als eine zwischen des HErrn Auffahrt und Wiederkunft eingeschränkte (das bedeutet wörtlich der griech. Ausdruck, den Luther mit ,,kurz« übersetzt), während sie sich dem Auge dessen, welcher von solchem Ende derselben nichts weiß, in ziellose Ferne ausdehnt; zu dem Zwecke nun macht der Apostel die Thatsache, daß die Zeit eine eingeschränkte ist, in diesem Zusammenhange geltend, damit auch die, welche Weiber haben, so seien, als hätten sie keine, und was er dem Verwandtes weiter einschließt. Nicht blos die Unbeweibten sollen von der Weltverflochtenheit, welche der Ehestand für den natür- lichen Menschen mit sich bringt, nach dieser Seite hin frei sein, sondern auch die Beweibten sollen die gleiche innerliche Freiheit haben und beweisen, Vor welcher ja der Unterschied des Beweibtseiiis und Unbeweibtseins, oder auch der Fröhlichkeit und Traurigkeit um Zeit- liches, des Erwerbe11s und des Ermangelns von Jrs dischem verschwindet; der Christ, welcher so zu dieser Zeit steht, wie es jene Eingeschränktheit derselben mit sich bringt, erwirbt durch Kauf nicht anders, als ob das, was er erwirbt, nicht sein Eigenthum würde, indem es ihm innerlichst gleichgiltig ist, ob er es hat oder nicht hat, er macht von der Welt Gebrauch, aber er thut es nur in der Art, daß sein Gebrauchen keine Ausübung eines vermeintlichen Rechts seines Eigen- beliebens ist. (v. HofmannJ Die, so Weiber haben, sollen zwar mit einer besonderen Liebe ihnen an- hangem aber so, daß sie in der Verleugnung bleiben, ihnen zu Gefallen nicht wider Gott sündigen, auch bereit seien, auf Gottes Wink und Willen ie zu ver- lieren. (Starke·) Der Beweibte soll ni t an das eheliche Verhältniss, der Weinende nicht an seine Trüb- sal, der Fröhliche nicht an sein Glück, der Welt- brauchende nicht an seinen Weltgebrauch die sittliche Freiheit der christlichen Herzens- und Lebensstellung verlieren; das Gegentheil dieser Unabhängigkeit s. in Luk. 14, 18—20. (Meyer.) Die Frommen brauchen der Welt also, daß sie Gott genießen in seinen Gaben; die Gottlosen aber wollen Gott brauchen, um die Welt zu genießen. (Augnstin.) Die Heiligen brauchen der Welt als einer Herberge, daraus sie bald wandern müssen, hängen ihr Herz nicht an weltliche Geschäfte, sondern was leiblich ist, das besorgen sie mit der linsken Hand, die rechte aber strecken sie aufwärts nach dem himmlischen Vaterland. (Luther.) Paulus sagt: »das Wesen, d. i. die Gestalt, der sicht- bare Stand dieser Welt vergehet«; denn nicht die Welt selbst vergeht beim Anbruch des Reiches Gottes, sondern nur ihre Form, es folgt ein neuer Himmel und eine neue Erde. (Olshausen.) 32. Jch wollte aber [wenn ich zwar das Eintreten in die Ehe keineswegs verbiete, wohl aber soviel als möglich davon abrathe V. 28], daß ihr ohne Sorge sfrei von den, mit der Ver- » flechtung in die Welt zusammenhängenden Sorgen] wäret. Wer swas zunächst den Mann betrifft] ledig ist, der sorget sausschließlich und ungetheilten Herzenss was dem HErrn angehören wie er dem HErrn gefalle sindem irdische Bande in keinerlei Weise ihn hindern, ganz dem Reiche Gottes zu leben Matth. 19, 12]. 33. Wer aber freiet, der sorget [wie die tägliche Erfahrung zeigt], was der Welt angehöreh wie er dem Weibe gefalleX Es ist sdann ebenso, wie zwischen einer ledigen und einer verheiratheteu Mannspersoiu auch] ein Unterschied zwischen einem [im Ehestand lebenden] Weibe und einer Jungfrau sdie für sich allein dasteht]. 34. Welche nicht freiet, die sorget, was dem HErrn angehöret, daß sie heilig sei, beide, am Leibe und auch am Geiste; die aber freiet, die sorget, was der Welt angehören wie sie dem Manne gefallesspt 35. Solches aber swas ich bisher zur Em- pfehlung des Ledigbleibens ausgesprochens sage ich zu eurem seigenens Ruf; [in geistlicher Be- ziehung]; nicht daß ich euch smit solcher Em- pfehlungs einen Strick an den Hals werfe sals solltet ihr durchaus ihr gemäß handeln], sondern dazu sempfehle ich das Ledigbleibens, daß es sein ist szur Förderung dessen, was einem Christen wohl ansieht, gehört] und ihr stets und unverhindert dem HGrrn dienen könnetttr swenn ihr von andern Banden frei seid]. · V) Des Apostels Meinung ist nicht, daß ein solcher nicht darauf denke, wie er dem HErrn gefallen möge, sondern nur, daß er bei sonst gleicher Hingabe an den HErrn seinem Weibe zugewendete und somit Dinge der Welt betreffende Anliegen habe, deren Stelle bei dem Unverheiratheten dem HErrn zugewendete und des HErrn Sache betreffende einnehmen; und in der That ist es auch in der christlichen Ehe nicht anders, als Paulus sa» t: der Verehelichte ist getheilt, durch sein eheliches Tserhältniß zu einem Theile in Anspruch ge- nommen, während der Unverehelichte bei gleicher Ge- sinnung ungetheilt dem leben kann« was Sache des HErrn ist. (v. HosmannJ Ach, wie viele ledige Leute sorgen gar nicht, was dem HErrn angehört und bleiben nur darum ledig, damit sie der Welt desto besser dienen können, weinend, daß sie, wenn sie eine Familie hätten, nicht viel würden aus ihr Wohlleben toendeii können! (Spener.) Jn jedem Verhältniß, in dem sie stehen, haben Christen ihre geistliche Unabhängigkeit zu bewahren. 215 H) Bei dem Satze: ,,s1e sorget, daß sieheilig sei-J, stellt Paulus das ,,am Leibe« voran, weil darin die Differenz beider Stände liegt: der Leib der Jungfrau gehört blos dem HErrn (vgl. V. 4), kann also auch unbeschränkten zumal da die Sorgen und Mühen des hausmütterlicheii Berufes wegfallen, dem Dienste des HErrn sich weihen, und bleibt vor der Entweihung, die das eheliche Geschlechtsverhältniß ohne höhere Wachsamkeit mit sich führt, verwahrt. Der Apostel setzt aber noch das höhere Element: ,,auch am Geiste« hinzu, weil die leibliche Reinigkeit nur durch die des Geistes ihren wahren Werth und Halt bekommt. (Osiander.) Der Apostel spricht nicht etwas aus, was in der Natur der Ehe mit Nothwendigkeit liege, son- dern nur, was erfahrungsgemäß der Fall zu fein pslege, wozu die Ehe dringend versuche; wäre es anders, wäre mehr als die nahe liegende Versuchung und das häufige Vorkommen, daß sie obsiegt, aus den Worten zu lesen, so könnte die Ehe nicht mehr Sache der christlichen Freiheit fein, wie sie doch Paulus in V. 6 f. 28 u. 35 hinstellt. Er deckt die in ihr liegende Gefahr auf, welche durch die That oft genug bestätigt wird; aber er fetzt nicht die göttliche Stiftung selbst herab, als thue sie der Entfremdung vom HErrn mit ein- gestammter Nothwendigkeit Vorschub. (Burger.) sitt) Der Apostel verwahrt sich in Beziehung auf feine Anpreisung des Ledigbleibens, daß sie nicht aus selbstsüchtigeni Motiv geflossen, aus dem Interesse» einer Beherrschung ihres Gewissens oder eines Ehresuchens durch Aufdringen seines eigenen ehelosen Standes, sondern allein aus der Riicksicht auf ihren Nutzen, sei es, ihnen Ungemach zu ersparen (V. 28) oder, worauf der Vers selber hinweist, ihnen die Behaup- tung ihres Christenstandes in dieser Zeitlage zu er- leichtern· (Kling.) Daß auf diese Stelle von einer Seite Anordnungen gegründet worden sind, welche weit über die Aussprüche des Apostels und das Maß, das er sich selber seht, hinausgehen, ist bekannt genug; daß andrerseits auch in Fällen und Lagen, wo das wohl am Platze wäre, auf den Rath des Apostels gar keine Rücksicht genommen wird, ist aber auch nicht zu loben und straft sich zur Genüge. (Burger.) 36. So aber jemand sich lcisset dünken, es wolle sich nicht schicken mit seiner Jungfrau sseiner noch im Jungfrauenftande befindlichen Tochter, wenn er sie ferner ledig bleiben ließe, indem sie leicht eine Beute der Verführung werden könne], weil sie eben wohl mannbar süber die erste Zeit der Mannbarkeit schon hinaus und also Gefahr im Verzuge] ist, und es will nicht anders sein sdie Beschaffenheit der Tochter macht ihre Ver- heirathung zu einer Nothwendigkeith so thue er, was er snach Maßgabe dieser seiner Ueberlegung] willz er sündiget nicht, er lasse sie [die Tochter und den Eidam] freien« sV. 9]. 37. Wenn einer aber ihm fest vornimmt, weil er ungezwungen ist und seinen freien Willen hat, und beschließt solches in seinem Herzen, seine Jungfrau also swie sie noch ist, nämlich ledig] bleiben zu lassen, der thut wohl« 38. Endlich sum das in den beiden vorigen Versen Gesagte in einen Schlußsatz zusammen- zufassen] welcher verhcirathet [feine Tochter dem, der um sie wirbt, zur Ehe giebt], der thut wohl siusofern er den Umständen Rechnung trägt und schlinimen Möglichkeiten vorbeugt]; welcher aber nicht verheirathet [feine Tochter von Haus aus für den ledigen Stand bestimmt und alle Be- werbungen von ihr fern hält, falls sie für jenen Stand sich eignet], der thut bessert« swie aus dem in V. 34 Bemerkten sich ergiebt] V) Hier kommt der Apostel nun besonders auf die Jungfrauen zu reden (V. 25); der Ueberga11g ist wie zufällig gemacht auf Anlaß des ,,fein« im vorigen Verse, welchem nunmehr ein ,,es wolle sich nicht schicken« gegenübertritt. (de Wette) Es ist aber nicht unmittelbar von den Jungfrauen selber, sondern von Vätern, welche über Töchter zu verfügen haben, die Rede; denn der Wille des Vaters hatte nach der Anschauung des Alterthums die Bestimmung zu treffen, Wünsche der Töchter konnten nur in Betracht kommen, wenn sie der Vater theilte· (Burger.) Indessen stellt Paulus nicht blos nach der Weise des Orients, sondern nach Gottes Ordnun selber die väterliche Gewalt, namentlich in Betre der Heirath der Kinder, sehr hochz doch steigert er sie nicht zu absoluter Gewalt, indem er, was die vielen Bestimmungen in diesem Vers andeuten, die väterliche Entscheidung als eine wohl erwogene, von der Liebe, von Riicksicht auf des Kindes Wohl und Art bedingte seht. (Osiander.) Die Macht der Väter in der Bestimmung des Weges ihrer Kinder setzt voraus, daß sie denselben auch vorher Gottes Wahrheit kund gethan und ihnen im Zugang zu Gott priesterlich gedienet haben. (Rieger.) sit) Die Festigkeit und Beharrlichkeit, welche Paulus lobt, ist kein Eigensinn und keine Herrschsuchtx nur dann kann ein Vater christlicher Weise fest stehen in seinem Herzen bei dem über seine Tochter einmal gefaßten Vorsatze, wenn er ungezwungen ist, keine Rücksicht zu nehmen hat aus irgend welche zur Ehe weisende Noth, und seinen freien Willen hat, ohne Verletzung der Liebe seinem eigenen Willen folgen darf. So erkennt der Apostel die väterliche Gewalt war an, und daß Kinder wider den Willen ihrer ltern heirathen, ist wider den schuldigen Kindes- gehorsam; aber wiederum hält er auch den Vätern vor, daß sie eine Schranke ihres Willens darin er- kennen sollen, wenn Neigung nnd Wunfch der Kinder anderswohin gehen, als wohin sie, die Väter, gedachtein Diesen oder jenen bestimmten Mann zu heirathen, mag ein Vater seiner Tochter weigern, wenn er von der Thorheit und Schädlichkeit des Verlangens der- selben überzeugt ist; aber von ihr zu fordern, daß sie überhaugit der Ehe entsage, wenn sie derselben begehrt, ist Miß rauch der väterlichen Gewalt. (Besser.) Mk) Kaum hat der Apostel am Schluß von V. 37 fein »der thut wohl« ausgesprochen, so beugt er unter Rückbeziehung auf das ,,er sündiget nicht« in V. 36 dem Mißverstande vor, als ob ein Vater, welcherseine Tochter deshalb verheirathet, weil er in andrer Ver- fassung und Lage ist, wenn auch nicht fündige, doch übel thue, indem er in dem Satze, welcher abschließend die beiden Möglichkeiten umfaßt, das ,,thut wohl« von dem sagt, welcher seine Tochter verheirathet, dafür aber freilich von dem, welcher es nicht thut, ein ,,thut besser« ausspricht. (v. HofmannJ Das zwingt Hiero- nymus (indem er der Lehre von der höheren Heilig- keit der Jungfraufchaft huldigt) dahin, daß solches wohl und besser thun sei gesagt von dem Verdienst vor Gott, daß es Sekten mache unter den Christen; so es doch öffentlich am Tage ist, daß St. Paulus redet von dem wohl und besser thun dieses zeitlichen 216 1. Coriiither 7, 39. 40. 8, 1—6· Lebens, daß eine Jungfrau, ohne Sorge des Haus- haltens und der Kinder, auf diesem Leben besser Raum und niehr Zeit hat« Gutes zu warten, und läßt alles Verdienst dem gemeinen Glauben bleiben. (Luther.) 39. Eil! Weib [das bereits in der Ehe steht] ist gebunden an das Gesetz sdaß sie nicht ans derselben nach ihrem Belieben wieder austreten kann]- so lange ihr Mann lebet;» so aber ihr Mann sim Tode] entschlaft, «ist sie frei sich zu verheirathen, welchein sie will [Röm· 7, 2 f.]; allein lnur durch die Bedingung ist das ,,welchem sie will« eingeschränktL daß es in dem HErrti gefchehe falso der Mann, dem sie ihre Hand reicht, ein Christ sei 1. Tim. H, 14]. 40. Seliger ist sie aber [vermöge der Ruhe des Herzens in der Freiheit von irdischen Sorgen und wegen der ihr gar sehr erleichterten unge- theilten Hingabe an den Dienst und die Gemein- schast des HErrnL wo sie also bleibet, nach meiner Meinung. Jch halte aber, ich habe »auch sso gut, wo nicht besser noch, als Andere, die sich solchen Besitzes in einer Weise rühmen, als eigne er ihnen ausschließlichs den Geist Gottes ldaher ich wohl erwarten darf, ihr betrachtet meine Meinung nicht als ein bloßes individuelles Dafürhalten, sondern nehmet sie auf als den Rath eines erleuchteten Dieners Christi, dem zu folgen wohl- gethan sei]. » Schon fruher (V. 8) hat der Apostel auch der Wittwen gedacht, daß sie Zåit daran thun, es zu bleiben, obwohl ihnen die iederverheirathnng nicht verwehrt sein soll; aber erst jetzt, nachdem er in Vetreff der Jungfrauen den Vätern seine Meinung gesagt hat, geht er eige11s dazu über, auch über die Verheirathung eines verehelicht gewesenen Weibes sich auszusprechen. Er hätte dies nicht mehr nöthig, und würde es nicht gerade so thun, wie er es thut, wenn ihm nicht die Art und Weise, wie sich die Gemeinde in ihren: Briefe darüber geäußert hatte, einen eben hieraus erkennbaren Anlaß böte. (v.Hofmann.) Vom Manne scheint die zweite Heirath nicht bezweifelt worden zu sein, vermuthlich weil bei Wittwerii eine neue Heirath wegen der der Mutter beraubten Kinder meist dringendes Bedürfniß zu sein pflegt. Jn späterer Zeit dagegen zeigt sich ein gewisses Odium, das auf der zweiten Ehe auch der Männer lastete; Geistliche durften keine zum zweiten Mal Verheiratheten sein (1. Tini. Z, 2), ja, unter Umständen wurden solche (vgl· auch l. Tim. 5, I) sogar von den: heil. Abend- inahl ausgeschlossen. Das »nur daß es in dein HErrn geschehe« besagt iiicht gerade, daß Eine, die zur zweiten Ehe schreitet, in wahrhaft chriftlichem Sinne ihre Wahl treffe, sondern da ,,welchem sie will« vorhergehh kann das »in dem HErrn« nur aiif die zu heirathende Person-gehen; nur einen Christen soll sie heirathen. (Olshauseii.) Paulus stimmt also nicht niit der legis- lativen Gestattung der Verheirathung von Christen mit Juden. (Mel)er.) Jn den Schliißworten der ganzen Auseinandersetznngt ,,ich halte aber, ich habe auch den Geist Gottes« hat das vergleichende »auch ich« eine poleniische und sogar ironische Beziehung nnd Färbung; so gut als die ihrer Geistesgaben sich hoch ttiiihiiieiiden oder als die von ihnen hochgefeierteii Apostel, gegen die er von Mancheii gar nirht als Apostel geachtet wurde, glaubt Paulus die Amtskräfte des Geistes sich zuschreiben zu dürfen, indem er einer Litotes sich bedient oder derjenigen Redeweise, da man weniger sagt, als man ausdrückeii will, nnd durch das Wort: ,,ich halte aber« die Sache noch als unaus- geniacht hinstellt, obgleich sie doch schon fest und sicher« ist. (Osiander.) Wie man oft durch eine hinzugefügte Versicherung eine Sache zweifelhaft macht, so bedient man sich auch umgekehrt eines zweifelnden Ausdrucks, uni etwas Unzweifelhaftes zu sagen. (Schrader.) Das s. Kapitel. Iioni Hätzenopser und gehraiieh christlicher Freiheit ohne Uergernisj II. Von diesem Kapitel an bis Kinn. U, l handelt es snh um das verhalten der Starken oder Freigesinnien in tklitteldingrn den Sihwarhcn gegenüber; die sehr eingehende Erörterung der Sache ist herbeigeführt durrh eine Ztnsrage der Gemeinde in Betresf des Esscns deg Giitjenopferfleisclies, daher der Apostel, nachdem er non der anftinglichen Erledigung dieses Punktes eine längere Abschweifung gemacht hat, schließlich wieder auf ihn zitrilrlilioininh Die Frage hat eigentlich zwei Theile: I) darf man Gdtjenopferfleisrts genießen? L) darf man an dkiiGiihenopscriiiahlzriten Theil nehmen? Letzteres scheint Paulus unbedingt zu verneinen; erstem bejaht er, will jedoch aus die Schwachen itüclisicht genommen wissen. a. V. 1—13. Die Corinlher halten woht iiher die Sache, hinsichtlich deren sie des» Apostels llieiiiung hören wollten, icirht blos« ihre Frage gestellt, sondern zugleich eine bestimmte Ilnsiiht dahin ausgesprochen« dass dem Christen nach der Erliennlnish die er habe, der Genup non Götzenoosersleislh niihts Unreihles und Unerlauhtes sein könne; von dieser Ilnsiast lässt denn der Apostel« das in thesi Richtige gelten, schneidet aller dar» in praxi Falsche davon ab und sehr! die Sihraiilien des Gelirausijs lienneiy den ein Christ von solcher seiner höheren Einsicht zu inacheii habe. So siiinml er oon einer 3eitsragr, die bald oerlinmniet ist, im heil. Geiste Aal-ist, mitvaiidelhaise Grniidregelii hinznsielleiy wonach allezeit das Verhalten der Christen in Mitteldiiigeii sich zu rishtcn habe. 1. Von dem Gbtzenopfer aber sum jetzt auf einen andern Gegenstand eurer Anfrageii über- zugehen] wissen wir [wie es mit den Götzen und den— ihnen dargebrachten Opfern sich verhältV 4 sf.; käme es also bei diesem Gegenstande nicht auf etwas Anderes als auf die Geltendmachung der theoretisch richtigen Erkenntnis; an, so brauchte darüber gar nicht erst lange verhandelt zu werdens; denn wir haben alle das Wisseii sdoch »dieses Pochen auf die theoretisch richtige Erkenntnis» wie es von euch in so rücksichtsloser Weise geschiehet, kann sehr nachtheilig wirken]- Das Wissen blåset auf sdaß Gineehochmüthig auf Andere herabsiehtsz aber die Liebe bessert [genauer: erbauet den Nächsten Ephes 4, 12., und die läßt sich bei euch noch gar sehr nermissens 2. So aber sich jeniand dunlen lasset, er wisse etwas Isei es dies oder dass, der weiß noch Fragen in Beziehung aus’s Essen von G ö tz e n o p f e r s l e i s ch und die Theilnahme an dergl. Mahlzeiten. 217 nicht [weder dies noch das, noch etwas Anderes], wie er wissen svll sseine ganze Erkenntnis; ist nur einseitig und oberslächlich, unwahr und unpraktischs 3. So aber jemand Gott liebet swas sich daran beweiset, daß er seinen Nächsten liebt und bei allem auf dessen Erbauung abzweckt Kap. (3, 12; 10, 23], derselbige ist von ihm erkanntK 4. So wissen wir nun von der Speise des Göszenopfets sum nunmehr den in V. 1 einst- weilen noch bei Seite gelassenen Jnhalt unsers Wissens bestimmter anzugeben], daß ein Götze nichts in der Welt sei sKap. 10,19; 1. Sam. 12, 21; Jerem. 2, 11 —- nach anderer Deutung: daß es keinen Götzen in der Welt gebe, d. i. daß kein Heidengott als Wesen, wie ihn der Heide sich denkt, vorhanden sei], nnddaß kein anderer Gott sei, ohne der einige« [1.TinI- 2, S]- 5. Und wiewohl es sind, die sin der heil. Schrift] Götter [im abgeleiteten Sinne des Worts] getrennt werden, es sei im Himmel [Ps. 97, 7; Hebt: 1, e] oder auf Erden [Ps. 82, 3. e; 97,9; 47, 10]; sintemal es sind [wenn man Stellen liest, wie 5. Mos. 10, 17; Pf. 89, 7; 136, 2f.] viel Götter und viel Herren sindem sowohl die Engel oder himmlischen Mächte, als auch die Richter und irdischen Machthaber mit diesem Namen geschmückt werden, vgl. Joh. 10, 34 ff.]: 6. So haben wir Christen] doch nur Einen Gott,.[der in wirklicher Beziehung als Gott zu uns steht, nämlich] den Vater, von welchem [her, als dem Urgrunde des Seins Rönn 11, Bis] alle Dinge sind, und wir in [nach besserer Lesart im Grundtext: zu] ihm; Und Einen HErtn [der es in vollem Sinne des Wortes für uns ist Phil- 2, III, Jesum Christum, durch welchen alle Dinge [schon in geschöpflicher Beziehung] sind, und wir sChristen auch in Hinsicht des Seelenheils] dnrch ihn-«« [Joh. I, Z; Pf. 100, Z]- ") Was Luther mit ,,Götzenopfer« übersetzt, sind die Ueberreste der nur in ihren edleren Theilen zum eigentlichen Opfer bestimmten Thiere, welche theils dem Priester, theils dem Darbringenden selbst zusielen (3. Mos. Z, 5 Anm.) und theils zu öffentlicheiti Ver- kauf ausgeboteiy theils auch zu Opfermahlen in den Tempeln oder in den Hiiusern verwendet wurden (3. Mos. 3, 17 Anni.). Jn Eorinth nun bestand ein Unterschied zwischen solchen einerseits, welche im Be- wußtsein sowohl der Nichtigkeit alles Götzenthuins als der christlichen Freiheit in Betresf alles dessen, was mit der christlichen Lebensordiiung nicht im Widerspruch steht, dafür hielten, daß es ihnen freistehe, Götzen- opferfleisch, das auf dem Markte feil geboten wurde, zu kaufen und sowohl dieses, als was ihnen bei Gast- mahlen in heidnischen Häusern vorgesetzt wurde, zu essen, ja auch wohl an Götzenopsermahlzeitem zu denen sie von heidnischen Verwandten und Bekannten geladen wurden, sich u betheiligen, da ja dieses Fleisch gleich anderem Fleische sei und sie mit den Götzen dadurch in keine Beziehung kämen, die einen nachtheiligen Ein- fluß auf sie mit sich bringen könnte, sintemal die Götzen als tüchtig, als wirkungslos von ihnen erkannt seien; und zwischen solchen andrerseits, welche davor ein Grauen hatten und eine Verunreinigung darin sahen, insofern ihr Bewußtsein von den Götzen als wirksamen Wesen, welche einen schliinmem befleckeiiden Einfluß üben auf die ihnen irgendwie sich Bloszgebendem namentlich auf die von dem Fleische der ihnen ge- weiheten Thiere Essenden, noch nicht erloschen war. (Kling.) Enthaltung vom Götzenopfer war eins von den Stücken, welche die apostolische Synode den Heiden- christen auferlegt hatte; der Apostel vermied es aber, den von ihm selbst gestifteten Gemeinden diese Ent- haltung kirchenordnungsmäßig vorzuschreiben (Apostg. «, 23 Anm.), und argumentirt da lieber aus dem Jn11eren des Ehristenthums heraus, als daß er sich auf jenen Shnodalbeschluß beriefe. Es stimmt nun ganz zu der corinthischen Art, wie sie im ersten Theil des Briefs uns bekannt geworden, daß man an den Apostel geschrieben hatte: es verstehe sich doch wohl von selbst, daß die über das Nichts der Götzen Aus- geklärten keine Rücksicht nöthig hätten auf die Zurüc- gebliebenen, welche noch Anstoß am Essen von Götzen- opferfleisch nähmen. Paulus nimmt den Wissenshelden das Wort aus dem Munde, indem er schreibt: »Von dem Götzenopser aber» wissen wir; denn wir haben alle das Wissen«; hernach (V. 7) sagt er: ,,es hat aber nicht jedermann das Wissen« und erinnert die Wissen- schaftlichen daran, daß es außer ihnen doch noch andere Menschen gebe, Brüder, für welche Christus auch gestorben ist. Demnach sind die Worte: »wir haben alle das Wissen« wie mit Anführungszeichen geschrieben zu denken, als spräche Paulus: ,,Läge es« am Wissen, so wäre vom Götzenopfer zu reden nicht nothz denn freilich haben wir, wie ihr sagt, alle das Wifsen«. Die es nicht hatten, zählten in den Augen der corinthischen Wortsührer nicht mit; aber die Art von Wissenschaft, welche sie mit Paulo gemein zu haben sich rühmten, erhält von diesem geringes Lob: »das Wissen bläset auf«- (Besser.) Er bejaht jenen Satz der Eorinther nur, um zu erinnern, daß die Erkennt- niß, nämlich sie für sich allein, den aufbläset, welcher sie hat, während die Liebe den bauet, auf welchen sie gerichtet ist; das bloße Wissen ist eine Erweiterung des eigenen Selbst, welches Hohlheit desselben mit sich bringt, die Liebe dagegen eine Förderung des Nächften, welche ihn mit reicherem Jnhalt erfüllt. Damit weist er sie auf einen ganz anderen Gesichtspunkt hin, unter welchem sie den Gegenstand ihrer Anfrage erwägen sollten. Aber mehr noch: der Apostel stellt dasjenige Erkennen, welches die Gemeinde geltend Mächte, als ein seines Namens unwerthes dar; denn wer die Meinung von sich hege, er habe etwas erkannt (nicht daß er es sich nur einbildet, wohl aber thut er sich etwas darauf zugnte), der habe noch gar nicht recht erkannt, also nicht blos das nicht, was er erkannt zu haben vermeint, sondern überhaupt noch nichts. (v. Hof- mann.) Jn V. 3 würde der Fortschritt des Gedankens den Nachsatz fordern: der erkennt in Wahrheit, wie man erkennen soll; der Apostel aber wendet den Satz mit hohem Bedacht (vgl. Gal. 4, J) und setzt an die Stelle des Erkennens das Erkanntsein von Gott. (Burger.) Er steigt von der Nächstenliebe zu ihrer Wurzel, der Gottesliebe, und von dem menschlichen Erkennen zu seiner Quelle, dem göttlichen, hinauf: wo jene ist, wo der Menfch Gott liebt, wovon die Liebe zum Nächsten die wesentliche Folge und Aeußerung ist (l. Joh. 4, 20 s.), da ist er von Gott erkannt; einen solchen hat Gott erkennend in sich aufgenommen, er ist somit in die Sphäre des geistlichen Lichtlebens Gottes erhoben, wovon dann Licht der Erkenntniß sich in ihn ergießt, so daß das Erkanntsein von Gott Erkennen 218 zur wesentlichen Folge hat, wie das Gottlieben die Nächstenlieba (Kling.) Gott ist ein unzugängliches Licht, kein geschaffener Geist kann mit eigener Kraft in ihn eindringen, ihm seine Geheimnisse rauben; jedes Bestreben der Art giebt eine Scheinerkenntniß. Wohl aber kann Gott sich in der nach wahrer Erkenntniß sehnenden Seele offenbaren und so in der Passivität die wahre Erkenntniß schaffenx das Gotterkennen setzt daher ein Erkanntwerden von ihm voraus. (Ols- hausen.) Soviel wir lieben, soviel erkennen wir. (St. Bernhard) It) Mit ,,Speis e des GötzenopfersC wie Paulus hier schreibt für das bloße ,,Götzenopfer«, was in V. l stand, wird der Gegenstand noch näher bestimmt: nicht um Götzenopfer als solche kann es sich bei den Christen handeln, sondern nur darum, ob ihnen erlaubt sei, vorkommenden Falls von dem Fleisch solcher Thiere zu essen, welche den Götzen zum Opfer dargebracht worden. (Burger.) Die Scheu vor der Götzenopfew Speise rührte bei schwachen Christen (V. 7ff.) von dem Grauen her, womit sie von den Götzen sich ab- wandten als von den unfauberen Mächten, die in der Finsterniß des Heidenthums herrschten; dieser Abscheu ist recht, denn teuflische Gewalten treiben die Heiden zu den Opfern, womit sie ihren Götzen dienen (Kap. 10, 20), unrichtig ist nur die Vorstellung, daß die so- genannten Götter, ein Jupiter, Apollo und die übrigen, welche die Heiden sich erdacht haben (Apstg. l4, 11ff.), wirkliche Personen wären, in deren verderberische Ge- meinschaft jemand geriethe, so er von der Speise des Götzenopfers äße. Ein Götze ist nichts, ein Unding; Richtigkeit ist sein rechter Name, wo egen der Name Gottes: ,,Jehova« ausspricht, daß r ist (5. Mos 32, 21). Jn der Welt ist ein Götze nichts; denn die Welt, das All der geschaffenen Dinge, ist Gottes Gemächte, worin nichts ein Wesen hat, was Menschen- gedanken machen. Jm Herzen des Menschen freilich, da sind die Götzen ein schreckliches Etwas und ,,kein Scherz«, wie Luther sagt, und das erste Gebot ist nicht gegen Wind geredet; aber in der Welt, wo ihre Bilder stehen, sind sie nichts, und es weiden sich vom Winde (Hos. 1·2, 2) alle, die sie für etwas halten. (BesseV-) Mit) Jn V. 4 sagte der Apostel, in der Welt (denn etwas Jnnerweltliches ist ja der Götze im Gegensatz, zu Gott) gebe es das nicht, was dem Heiden sein Götze ist, und es gebe keinen Gott, Einen ausgenommen, welcher das wirklich wäre, was der Name »Gott« im eigentlichen und vollen Sinne be- zeichnet; darum kann es aber doch, so fährt er hier fort, solche geben, die Götter genannt werden, und zwar nicht blos irrthiimlich so benannte Götter, die es nicht sind, sondern solche, die man im weiteren Sinne des Worts so nennt. Trotz der Vielheit von Göttern und Herren, die aus den Bezeichnnngen der Schrift sich ergiebt, giebt es indessen keinen andern Gott und keinen andern HErrn, der in einer mit diesem Namen ausgedrückten thatfächlichen Beziehung zu den Christen steht, als »Gott der Vater und Jesus Christus der HErr; ·um eine solche thatsächliche Be- ziehung handelt es sich denn, wenn es sich fragt, ob ein Christ ohne Gefahr den Götzen Geopfertes essen könne, und um ihrer willen steht nun das »von wel- chem alle Dinge sind und wir zu ihm« hinter »Gott dem Vater«, und das ,,durch welchen alle Dinge sind und wir durch ihn« hinter ,,Jesus Christus dem HErrn«. Jn diesen Bezeichnungen heißt es im Unter- schied von der Gesammtheit des Seienden, deren Her- kunft von Gott dem Vater das »von welchem« aus- sagt, von den Christen, daß sie als solche in die Rich- 1. Corinther 8, 7-—13. tung und Abzielung auf eben denselben Gott gestellt sind, daß ihre Bestimmung ist, ihm das zu sein, was sie als Christen sind, so daß sie also nichts in der Welt an der Erreichung ihres Ziels zu hindern ver- mag; und ebenso ist es auch der eine und selbe Jesus Christus, ohne dessen mittlerische Thätigkeit nichts ge- worden ist in dem ganzen All der Dinge (Col. I, 16) und dessen mittlerische Thätigkeit die Christen zu dem gdemacht hat, was sie als solche sind, so daß also kein ing der Welt im Stande fein kann, etwas Anderes aus ihnen zu machen, als was sie durch Jesum Christum sind. (v. Hofmann.) Wie wir Christen nur Einen Gott haben, den wahren Schö fer, dessen Zwecken wir dienen, so auch nur Einen H rrn, den wahren Mittler, welchem alle Dinge ihr Dasein und wir unsre christliche Existenz, das, was wir als Christen sind, verdanken. (Meyer.) Freude! viel Herren, und doch nur Einer! Jene haben den Titel und den Schein, Einer hat das Recht und die Macht sammt dem Titel; dieser ist Christus, dem sollen wir leben und sterben (Röm. l4, 8), kein Anderer soll über uns, sondern nur unter ihm gebieten. (Hedinger.) 7. Es hat aber [obgleich ich V. 1 auf eure, die kleine Minderheit gar nicht erst in Anschlag dringende Redeweise einstweilen einging und dort von allen redete] nicht jedermann sin der Gemeinde] das Wissen sdaß ein Götze nichts in der Welt sei V. 4]. Denn etliche machen ihnen noch fvon ihrem früheren Heidenthum her] ein Gewissen über dem Götzen sum den es sich gerade handelt, sei es dieser oder jener, ob ihm nicht doch eine ge- wisse Realität in der Welt zu Grunde liege, so daß sie ihn als eine niedere Gottheit sich denken], nnd essen? [nun, das Fleisch der diesen Gott- heiten geopferten Thiere] für Götzenopfer [nicht für gewöhnliches Fleisch, auf welches der in 1. Tim. 4, 4 ausgesprochene Grundsatz Anwen- dung leidet, sondern eben als geweihetes Fleisch, das in Berührung bringe mit denen, welchen es geheiligt worden]; damit fdaß sie so etwas thun, was sie ihrem Standpunkte nach nicht thun dürfen] wird ihr Gewisseiy weil es so schwach fuun einmal noch von ihrer früheren Vorstellungsweise her in gewisse Vorurtheile befangen] ist, beflecket [von einer Schuld, deren sie sich theilhaftig ge- macht Röm. l4, 23]. Aus dem ,,noch«, welches auf das vorchriftliche Verhältniß zurückweish ergiebt sich unzweifelhaft, daß die Schwachen nicht als Judenchriften zu denken sind, sondern als Heidenchristem deren Gewissen aus ihrer heidnischen Zeit her noch mit der Vorstellung behaftet war, der Götze sei eine göttliche Realitätz sie mochten sich unter diesen Götzen untergeordnete gött- liche Wesen vorstellen, von deren Verehrung sie zu der des höchsten Einen Gottes gebracht seien, so daß sie den Genuß des Opferfleisches nicht als bloßen unver- fänglichen Fleifchgenuß anzusehen vermochten, sondern von dem Gedanken, mittelst solchen Essens in Be- rührung mit jenen Götzenwesen zu treten, in ihrem Gewissen noch nicht loskommen konnten. (Meher.) Durch das Licht des Evangelii von der einigen Gott- heit im Himmel und auf Erden wird alle falsche Furcht und alles vergebliche Vertrauen vertrieben; und wir haben nur im Glauben, Beten und Anrufen unser Nach Lhristlicher Erkenntniß giebt es allerdings keine Götzen, aber man hat der Schwachen zu schoneiizslii Herz immer auf den Halt an den einigen Gott und an den einigen HErrn Jesum Christum zu sammeln und bei einander zu behalten. (Rieger.) 8. [Nun hätten wir allerdings ein Recht, in Betreff der Speise des Götzenopfers uns ganz nach unserm eigenen besseren Wissen und Gewissen V. 4 ff. zu richten und aiif die Schwachen gar keine Rücksicht zu nehmen, wenn dieselbe irgend- wie mitbeftinimeiid wirkte bei dem göttlichen Urtheil über unsern sittlichen Werth oder Unwerth.] Aber die Speise fördert uns [in dieser Hinsichts nicht vor Gott [weder iiach der einen noch nach der andern Seite hin Rönn 14, 17]. Essen wir, so werden wir [bei ihm] darum nicht besser sein; essen wir nicht, so werden wir darum nichts weniger sein [vor ihm gelten]- 9. Sehet aber zu [das ist denn bei solchen! Sachverhalt der Bescheid, den ich auf eure Frage euch zu ertheilen habe], daß diese eure Freiheit sderen ihr euch rühmet und die ihr darum auch gern zur Schau traget durch öffentliche Ausübung] nicht gerathe zu einem Anstoß der Schwachen sdaß diese, sich leichtfertig oder aus falscher Scham über ihre Gewissensbedenken hinwegsetzend, auch so thun, wie ihr Röm. 14, 13]. 10. Denn so dich, der du das shier in Rede stehende] Erkenntniß [Pred. S, 4 Anm.] hast, jemand svon den Schwachen] sähe zu Tische sitzen im GötzenhausH sund also vollständig an einer heidnischen Götzeiiopfermahlzeit Theil nehmen]; wird nichtsein Gewissen, dieweil er schwach ist, ver- Ursachet [indem er deinem Beispiele folgt, aber nicht dasselbe zu thun, wie du thust, nämlich bloßes Fleisch, sondern, wie sein eigen Gewissen das ansiehets das Gbtzenopfer zu essen?" 11. Und wird also über deinem Erkenntniß sdas du in so rücksichtsloser Weise praktisch ver- wirklichsts der schwache Bruder umkommen sdes Glaubens und, wenn er ihn nicht wieder erlangt, des Heiles selber verlustig gehen], Um welches willen doch Christus gestorben ist«« [Röm. 14, 15 u. 23]. 12. Wenn ihr aber also [wie davon soeben ein besonders greller Fall hervorgehoben wurde] sündiget an den Brüdern und schlaget ihr schwaches Gewissen [1nit einer tiefen, vielleicht gar zum geistlichen Tode führenden Wunde], so sündiget ihr an Christo sindem ihr ihm die wieder zu Grunde richtet, die er vom Verderben errettet und zur Seligkeit gebracht hatte Matth. 18, 6]. 13. Darum so die Speise [die ich nehme, wäre es auch nur gewöhnliches, mit dem Götzen- opfer gar nicht zusammenhängendes Fleisch] meinen Bruder ärgert, wollte ich sim ganzen Leben] nimmermehr Fleisch essen, auf daß ich meinen Bruder nicht ärgertes sund damit an Christo mich versündigte Röm. 14, 21]. «) Abfichtlich wählt Paulus einen sehr grellen Miß- brauch der christlichcn Freiheit, das Theilnehmen an Opfermahlzeiten in den heidnischen Tempeln selbst, um die bösen Folgen davon anschaulich zu niachen; in- dessen müssen solche Fälle doch wirklich vorgekommen sein, sonst würde die Beweisführung des Apostels keine Beweiskraft haben. Wenn es übrigens hier scheinen könnte, als tadele er die Theilnahme an Opfermahl- zeiten im Götzenhause nicht an sich, sondern nur wegen der Folge für Schwache, so zeigt die Stelle Kap. 10, 14 ff., daß er eine solche Theilnahme auch an und für sich für unstatthaft erklärt. (Olshauseii.) «) Eigentlich heißt es in dieser zweiten Hälfte des Versest »wird nicht sein Gewissen, da er schwach ist, erbauet werden dazu (bis dahin), daß er Götzen- opfer iszt?« Der Schwache wird sich nach dem Vor- bild des Starken richten: dies könnte unter anderen Umständen wirklich ein Erbauen des Schwachen durch den Starken sein; in der That aber, da dies Vorbild im egebenen Falle nicht die Schwäche des Schwachen selbt hebt, ihm nicht den Glauben und die in ihm gegründete Erkenntniß verleiht, sondern ihn nur ver- leitet etwas zu thun, wozu er nach seinem persönlichen Erkenntnißstande noch nicht die innere Freiheit hat, wird es eine Erbauung zum Sündethum denn der Schwache ißt das mit zweifelndem Gewissen als Götzenopfey worin der Starke nichts als Fleisch sieht. (Burger.) IN) Die Schuld des die Freiheit Mißbrauchenden wird durch drei Momente erheblich gesteigert: I) der Schwache, der als solcher mit rücksichtsvoller Scho- nung behandelt werden, dem man nichts Vimuthen sollte, was über seine Kräfte geht; 2) der ruder, der, durch ein so enges Band mit dir verbunden, vielmehr Hilfleistiing zum Heil von dir erwarten dürfte, als Hineinstoßung in’s Verderben; S) was die Schuld am schwersten macht, ein sol er, um dessent- willen Christus gestorben ist, so da durch dich der Zweck des erldfenden Todes des HErrn an ihm ver- eitelt wird. (Kling.) Mit dieser höchsten Probe der Verleugnung und Selbstaufopferung steht die fleischliche Selbstsucht hinsichtlich jener Adiaphora (V. S) in eben so rellem Widerspruch, wie mit dem durch Christum so Bauer erworbenen Heil das so leichtsinnig zugefügte Unheil. (Osiander.) Wem das Umkommen eines Bruders, für den man doch nach Christi Sinn und Vorgang eher das Leben lassen, geschweige in einer solchen Sache seiner schonen sollte, gering ist, der ist gewiß in Gefahr, auch selbst um ukommen (s·liieger.) s) Nicht blos Götzenopferspe1se, sondern» jedwede Fleischspeise wollte Paulus meiden, wenn sie seinen Bruder ärgerte, und lieber nimmermehr Fleisch essen, als durch ärgerliche Speise seinem Bruder ärgerlich werden. Etwas so Gleichgiltiges und Unerhebliches, wie Speise und Trank, ist ihm wichtig und greift in seinen Ehristenstand ein, weil er bei allen Mitteldingen darnach fragt, ob sie frommen. Jn diesem Satze zieht er die Summa des ganzen Kapitels, und indem er ausspricht, wie er selber seine Freiheit im Zügel der erbaulichen Liebe halte, lockt er seine Brüder, ihm nachzufolgen und die Liebe zur Speisemeisterin anzu- nehmen. (Besser.) Das 9. Kapitel. Wie der Apostel die christliche Freiheit iii Ferrichtnng seines Amtes gebraucht. b. V. 1—23. Was» Paulus iii Rast. s, 13 als« per- sönlichen Grundsatz und Vorsatz liurz ausgesprochen, 220 1. Corinther 9, 1—t2. das siihrt er nnn weiter aus, indem er siachweist, wie er Selbstverleiigkictng ans Liebe zum hErrtt und zn den Brüdern in der That geübt, wie er in einem höheren Masse, als er ihnen, den Corintherin zumuthe, aus sein Recht und seine Freiheit um des Evangeliums und der zu gewinneudeit Seelen tuilletc verzichtet habe; die Freiheit oder das Naht, um welches- es sich da handelt, ist das, sich und ansh eine Gattin, wenn er eine solche mit sieh aus seinen Missionsreisesi umher fuhren wollte, non den Gemeinden erhalten zu lassen, aber er leiste, gleichwie daraus, sein eigenes Weib zu haben (Rap. 7,2), so selber siir seine person ansdeu tiuterhalt Verzicht, ja, bequeme sich in seinerapostolisiheii Jlmtssiihrueig nach Aller Bediirstiisfein 1. Bin ieh nicht eiu Apostel? bin ich nicht frei snach besserer Lesart im Grundtext sind diese beiden Fragen gegen einander un1zuftellen: Bin ich nicht frei? bin ich nicht ein Apoftel]? habe ich nicht [wie das zum Wesenscharakter eines Apostels als Augenzeugen des Auferstandenen Apostg. 1, 22; 2, 32; 3, 15; 10, 40 f. gehört] unsern HErrn Jesum Christum sdort auf dem Wege gen Damaskus Kuh. 15, s; Apostg. 9, 3 ff.; 22, 14f.; 26,16] gescheit? seid sticht ihr [selber, wenn ihr fragt, wodurch ich denn als einen wahr- haften Apostel mich ausgewiesen habe] mein Werk [in derjenigen Beziehung, was ihr seid] in dem HErrttt soder von Seiten eurer christlichen Seins- weise Kuh· 4, 15]? 2. Bin ich Andern nicht ein Apostel [wie ich denn in der That denen aus der Beschneidung nicht ihr Apostel bin Apostg. 22, 17 ff.; Gal. 2, 7ff.; Rom. 11, 13], so bin ich doch euer sals einer heidenchriftlichen Gemeinde] Apostel; denn das Siegel meines Apostelamtes [der un- trügliche und unwiderfprechliche Beweis, daß das Apostelamt in seinen: ganzen Umfange und seiner vollen Kraft mir eignet] seid ihr smit eurem Sein] itt deut HErrn « soder eurem Christenftande 2. Cor. Z, I ff]. V) Nur aus« der Ansicht, daß Paulus jetzt zu etwas völlig Anderem übergehe, konnte die herkömmliche Lesart des Grundtextes, wie auch unsre deutsche Bibel sie befolgt, entstehen, wonach das ,,bin ich nicht ein Apostels« voransteht; allein es muß vielmehr der Satz: ,,bin ich nicht frei?« der unmittelbar an den vorhergehenden Gedanken anknüpfh vorausgehem und ist der Sinn dieser Worte nun so zu fassen: ,,oder wäre ich, der ich ein solches verleugnendes Verfahren, wie in Kuh. 8, 13 angedeutet, beobachte, etwa nicht frei, daß ich so thun müßte und kein Fleisch essen dürfte?« Der Blick auf feine Gegner, die ihm alle apoftolischeMachtvollkommenheit streitig machten, bringt ihm nun sogleich den Hauptgedanken vor die Seele: ,,bin ich wohl gar kein rechter Apostel? habe ich etwa den HErrn nicht gesehen?« und um in die Frage fo- gleich die Widerlegung hineinzulegen, setzt er hinzu, was selbst die Feinde nicht behaupten konnten: »feid ihr etwa nicht mein Werk in dem HErrn? habe ich etwa die Gemeinde in Corinth nicht gestiftet?« (Ols- hausen) «) Wenn er, dieser Paulus, welcher bis zu feiner Berufung außerhalb der schon vorhandenen Christen- gemeinde gestanden hatte, nur gehört hätte von dem HErrn, so htitte er die Heilsbotschaft von Andern über- kommen, und könnte nicht Apostel sein gleich den Zwölfenx so aber kann er sich für sein Apostelthum darauf berufen, wie er auch in V. 1 thut, daß er den HErrn zu dem Zwecke zu sehen bekommen hat, damit er von ihm zeuge, was ihn, weil es der Erhöhete war, der ihm hierfür erschienen ist, denen gleichstellt, welche Jesus, als er auf Erden war, sonderlich und namentlich zu seinen Zeugen verordnet hat. Daß er den HErrn gesehen, das nun wissen die Leser nur durch ihn, daß sie aber im HErrn, d. hdginsichtlich dessen, was sie zu Christen macht, fein erk sind, können sie selbst bezeugen; denn, sagt er, wenn ich Andern kein Apostel bin, so bin ich es doch jedenfalls euch. Man versteht dies insgemein im Sinne der Geltung, die er bei Andern und bei ihnen hat; aber der Apostel läßt den Fall zu, daß er wirklich zu An- dern in dem Verhältnisse nicht stehe, welches er seinen Lesern gegenüber in Anspruch nimmt, und angefichts der Unterscheidung zwifchen einem Apostelamt unter die Veschneidung und unter die Heiden oder an die Vorhaut (Gal. 2, 8) kann uns dies auch nicht wundern. Die jüdischen Christen waren ihm allerdings Aner- kennung seines Apostelthuins schuldig; aber wenn sie sagten, ihr Apostel sei er nicht, so konnte er ihnen dies zugestehen. Die heidnischen Gemeinden dagegen, die er gestiftet hatte, und so denn zunächst die corinthische, waren in ihrer Eigenschaft als christliche Gemeinden ein Thatbeweis, oder, wie er sich ausdrückt, das Siegel seines Apostelthums (v. Hofmannh - 3. Wenn man mich fragt, so antworte ich also: sder Satz gehört vielmehr zum vorhergehenden Verse und lautet genauer übersetzt also: Meine Verantwortung gegen die, die mich in Untersuchung ziehen oder meine Apostelschaft in Frage stellen, ist diese, wie ich sie soeben ausgesprochen habe: ich verweise sie von mir hinweg auf die von mir geftifteten Gemeinden und lasse, statt selbst für mich zu sprechen, die Thatfache ihres Vorhandenseins für mich reden] 4. Haben wir [denn, ich und der nachher zu nennende Mitapostel V. 6; Apostg. 14, 4. 14., auf Grund von Christi Wort in Luk. 10, 7 f·] nicht Macht zu essen und zu trinken [auf Kosten der Gemeinden, in deren Dienst wir arbeiteten]? z. Haben wir nicht auch Macht, eine Schwester zum Weibe [als ebenfalls von den Gemeinden zu beköstigendes Eheweib, auf den Amtsreisen] mit umher zu führen, wie die anderen Apostel seiner solchen Befugniß sich ja thatfächlich bedienen] uud sich da namentlich als Beispiel ench anführen kann] des HErrn Brüder sSimon von Kana und Judas Lebbäus Matth. 10, 4 Atem. Nr. 10 u. 11; Apostg. 15, 31 Anm.] uttd [den seit Matth. 8, 14 f. verheiratheten] Kephas [in Babylon 1. Petri s, 13]? s. Oder haben allein ich und sder ursprüng- lich mit mir für die Mission unter den Heiden bestimmte Apostg. 13, 3 Anm.] Varnabab nicht Macht, solches zu thun* [weil wir es von Anfang unsrer Wirksamkeit an nicht gethan haben und HEXE. de» Apkksteli tek.?ljssikssptjspg»sesxkes. steif-lieh» titles-»seiner, .Ixss1l2ssk,g7kii»M,echt ssstäußssts 221 ich, seit ich von Bariiabas getrennt amtire, noch fort und fort es nicht thue, daß ich iiän1licl) von den Gemeinden inich ernähren ließe, statt selber zu arbeiten Apostg. 20, 33 ff.]? 7. Welcher ziehet jemals in den Krieg sLnther: Welcher reiset jenials I. Köin 4, 26 Aiini. Z] auf seinen eigenen Sold? welcher pslanzet sals gedungeuer Arbeiter] einen Weinberg, iind isset iiicht von seiner Frncht? oder welcher weidet eine Heerde, und isset nicht von der Milch der HeerdeW 8. Rede ich aber solches swas ich unter An- wendung der sinnlichen Analogieeii in V. 7 von jenem apostolischen Rechte V. 4-6 sage] auf Menschen Weise [blos auf Grund von einem durch Menschen aufgerichteten Herkommen Gal. 3, 15]? sagt nicht solches das Gesetz auch sund giebt damit der Sache eine göttliche Bestätigiiug]? 9. [Allerdings!] Denn ini Gesetz Mosis stehet geschrieben [5. wiss. on, 4., vgl. i. Tini. s, 1·7 f.]: Du sollst dem Ochsen iiicht das Maul verbinden, der da drischet. Sorget Gott fwenn er eine solche Verordnung in seiii Gesetz hat aus- nehmen lassen] sur die Ochsen [als käme es ihm aus diese ausschließlich oder doch vornehmlich an]? 10.» Oder sagt ers nicht allerdiiige iim unsertwillen sdie wir euch Lehrerdienst erweisen V. »11]? Denn es ist ja um unsertwillen ge- schrieben [es verhält sich in der That also, daß jenes Wort seine hauptsächliche Beziehung auf uns hat iind da einen bestimmten Grundsatz, zur Geltuiig bringen will]. Denn der da pftiigetz spll auf Hoffnung [daß seine Arbeit ihni selbst etwas eintragen werde] hflngeih Und der da drischt, soll auf Hoffnung dreschen, daß er seiner Hoffnung theilhaftig wcrde*" [indem auch er. seinen Antheil an dein Erdrusche bekomnit]. . 11. So wir [ich und die niit mir in gleichem Dienste stehen] euch das Geistliche säen sindem wir niit unsrerPredigt des Evangelii einen srucht- barenSamen in euren Herzensacker ausstreuen], isks ein groß Ding, ob wir sin dem, was ihr zu unsers Lebens Unterhalt uns darreicht] euer Leib- liehes ernten soder habt nicht vielmehr ihr den großeren Gewinn bei diesem gegeiiseitigen Ver- hältniß]? «12. So aber Andere sdienach mir und iiieiiien Gefährten in Apostg. 1·8, 1—18 zu euch als Lehrer gekommen sind Kap. Z, 1() fs.] dieser Macht an euch theilhaitig sind sdaß sie ihren UZITEVPATI VOU euch beztehens warum nicht vielmehr wir sich, der Apostel, der den Grund bei euch gelegt,.mit meinen danialigeii Gefährten 2. Cur. l, 19]s Aber ivir haben solcher Macht iiicht ge- brauchh sondern wir vertragen allerlei finden: wir mit unsrer Selbsteriiährung, wie wir sie in Aus- i·ibiing bringen Apostg. 18, Z; 20, 34,, vie[ Mühe iind Arbeit, .viel Entbehrung und Ungeiiiach auf uns nehmeii Kap. 4, l1 s.; 2. Tor. 11, 27; Phib 4, 11 f.], daß wir iiicht dem Evangelio Christi ein Hindernis machenAs V) Der Vers zeigt nicht blos an, daß die übrigen Apostel (wenn aiich nicht alle, denn dies folgt iiicht mit Nothwendigkeit, so doch zum Theil, namentlich aber Petrus und die Brüder des HErrii) verheirathet waren, sondern daß sie auch von ihren Frauen auf ihren Berufsreiseii sich begleiteii ließen und, wie siir sich selbst, so auch für diese ihren Unterhalt voii den Gemeinden nahmen; daß diese Frauen ,,Schwesterii« waren (das Wort in demselben Siiine gebraucht, wie das Wort ,,Brüder« in Kalt. 8, l1sf., also s. v. a. Gläubige, Christinnen), liegt in der Natur der Sache. An dienende Frauen zu denken, wie sie den HErrn aus seinen Wegeii begleiteten (Lnk. S, 2 s.), ist eine Deutung der römischen Kirche, die dem iiatürlichen Wortsinn gegeiiüber (nicht: ein Weib als Schwesteiy sondern: eine Schwester als Weib) sich in Verlegeiiheit befindet, indeni die Uebersetzung: ,,eine weibliche Schwestey eine Schwester, die eiii Weib ist«, den Apostel doch garzu Müssiges sagen ließe. (Burger.) Mit der apostolischen Klugheit, die das Aergerniß meidet, ivürde sich die Sitte einer solchen Mitumher- sührung bloßer Reisegesährtinnen nicht vertragen haben; die Vergleichung mit dem HErrn paßt nicht, auch führt der Ausdruck ,,niit uniher führen-«, i1anient- lich im Zusammenhang mit dem vorhergehenden Verse, iiicht auf eine Gefährtin, die den Lebensunterhalt reicht, wie jene Freundinnen Jesu, sondern auf eine solche, welcher er mit gereicht werden muß. (Osiaiider.) Daß Paulus die Brüder des HErrn und deii Kephas unter den Apostel1i sonderlich namhaft macht, kann seinen Grund nur darin haben, daß sie soiiderliches Ansehen genossen, die Brüder des HErrm weil sie dies waren, iiiid Kephas um seines hervorragenden Berufes willen. (v. Hosniann.) Den Bariiabas erwähnt Pau- lus, wie es scheint, für den Zweck, die Heidenapostel den Aposteln der Beschneidung gegenüberzustellen und darzuthuin daß erstere nicht minder als letztere ein Amtsrecht hätten, ihren Unterhalt von· deii Gemeinden zu begehren; schließen läßt sich aus dieser Stelle nicht, daß Barnabas noch irgendwo an der Heidenmission arbeitete, sondern die Erwähnung geschieht nur ans Grund der gemeinschastlichen Vokation in Apstg 13, L. (Otto.) Sie geschieht wohl auch in dankbarer Er- innerung an den Mann, der ihn in seine Apostelarbeit eingeführt (Apostg. 11, 25f.) und ihm init eigeiieni Vorbilde gezeigt hatte, in welcheni besonderen Sinne die Prediger des Evaiigelii das Wort des HErrii Jesii (Apostg. 20, 35) erfahren mögen: «geben ist seliger denn nehmen«. er. «) Es folgt hier die Begründung des Rechts ans Unterhalt von Seiten der Gemeinden, und zwar zuerst durch Analogie von irdischen Berufsarbeiten Dem vollen Affekt der vorher ehendeii Stelleii und der beab- sichtigteii Stärke und Biindigkeit des Beweises ent- sprechend giebt Paulus ihn iiiit schöner Fülle in den drei schlageiidsteii Analogieem die, jede für sich, treffeiide iind beliebte Bilder des ,eistlicheii Lehrerberiifes sind: den Mühseligkeiten uiid efahrei1 desselben iind dem ihn erschwerenden nnd zu besiegeiiden Widerstand der Welt entspricht das Bild des Krieges, vgl. 2. Tun. 2, 4 (die Selbstverköstigiing der Kriegsleute kam nur ausnahmsweise vor I. Sam. l7, l7 f.; Nicht. 20, 10 Anni., der Apostel hat hier aber die Regel vor Augeii); das andere Bild vom Pslanzer oder Weingärtner liegt noch näher (Kap. 3, S; Many. 20, l ss.), ain nächsteii 222 liegt das Bild vom Hirten. (Osiander.) Noch jetzt be- steht der Lohn der Hirten im Oriente in einem Theil der Milch. (Meyer.) its) Aus dreierlei Gebieten des natiirlichen Lebens entnahm der Apostel in V. 7 Thatsachen, welche, auf das hier in Rede stehende Gebiet des geistlichen Lebens übertragen, zum Beweise dienen, wie billig es sei, daß derjenige, welcher in des HErrn Jesu Kriegsdienste steht, einen heiligen Weinberg pflanzt, eine Menschetk heerde mit dem Worte Gottes weidet, dafür Sold bekomme, von seiner Arbeit Gewinn ziehe, seinen Unterhalt davon nehme; das nun, so fährt er in V. 8 fort, soll man nicht so ansehen, als rede er es blos nach dem Verstande, welchen der Mensch von s« selbst aus haben mag, denn er kann in V. L) sich dafür auf das geoffenbarte Gesetz berufen, welches verbietet, dem Ochsen, wenn er drischt oder den Dreschschlitten zieht, einen Maulkorb anzuhängen. Etwaigen Bedenken, wie dieses Gesetzeswort hierher anwend ar sei, begegnet er dann mit einer Doppelfrage, an deren zweiten Theil in V. l0 sich in Form einer von dem richtigen Ver- ständniß der fraglichen Stelle hergenommenen Be- stätigun dieser allgemeinen Aussage ein bejahender Sah an?chließt. Es war wohl der Mühe Werth, für den Gedanken, den der Apostel alsdann weiter entwickelt, ein Schriftwort anzuführen, welches ihn als einen von Gott bezeugten darthut; indem man sich sonst unter dem Vorwande, daß es sich zieme, das Gute zu thun, ohne Lohn dafür zu begehren, der Pflicht gegen den, welcher es thut, hätte entfchlagen mögen. (v. Hof- mann.) Dies Gesetz, das den Gewohnheiten der meisten heidnischen Völker gerade entge enlief, sollte an den Thieren dem Menschen die Dan barkeit über- haupt einprägem der Ochse, der in vollster Arbeit für den Menschen war, indem er ihm das Korn austrat, sollte nicht mit einem Maulkorbe versehen werden, der ihn abhielt, während seiner schweren Arbeit hie und da von dem Gedrofchenen zu fressen. Bezog sich also auch das Gesetz im nächsten und eigentlichen Sinne auf die Ochsen, so waren sie doch nicht eigentlich der Zweck des Gesetzes, sondern der Grundgedanke des- selben war, Dankbarkeit gegen solche zu erwecken, deren schwerer Arbeit wir genießen. (v. Gerlach.) Zu be- achten ist, daß Paulus den Anspruch der Lehrer an den Unterhalt aus Gemeindemitteln mit denselben Worten, wie hier, in der l. Epistel an den Timothens begründet. (Apost . 19, 20 Anm.) f) Solches Hin erniß hätte in mannigsacher Weise aus der Geltendmachung seines Rechtes von Seiten des Apostels entstehen können, schon durch die Mög- lichkeit, ihn des Eigennutzes zu verdächtigen (2. Tor. 11, 7 ff.); jedensalls war die Hochherzigkeih mit der er anf jeden zeitlichen Genuß als Frucht seiner Arbeit verzichtete, ganz dazu angethan, die Lauterkeit seines Strebens zu bekunden und seinem Dienste miichtig Vorschub zu leisten. (Burger.) Wer Liebe für das Evangelium hat, wem es anliegt, dessen unanstößigen Lauf zu fördern, der soll alles können überhin gehen lassen. O, erhalte unter dem Lehrstand noch immer einen merklichen Stamm derer, die Menschentage nicht suchen (Jerem. 17, 16), sondern das Evangelium des Friedens in göttlicher Kraft verkündigeni (Rieger.) Auf Hoffnung auch im leiblichen Sinne sollen nach V· 10 Christi Diener arbeiten, nicht auf Rech- nung: wer, um sicher zu gehen, vor gethaner Arbeit Lohn nimmt, thut nicht, was er nach diesem Spruche soll. (Besser.) 13. Wisset ihr nicht [aus dem mosaischen Gesetz 4· Mos. 18, 8 ff.; h. M. 18, 1 ff.], daß, 1. Corinther O, 13—23. die da opfern [deren Arbeit die Versehung des Heiligthums oder des Gottesdienstes ist, die alt- testamentlichen Priesters, essen vom Opfer? und die des Altars pflegen, genießen des Altars [haben ihren Mitantheil an dem Altar, beziehen von den Opfern, welche aus ihm dargebracht werden, ihren Theil für sich]? 14. Also hat auch der HErr sin den Aus- sprüchen Matth. l0, 10 u. Qui. 10, 17] befohlen, daß, die das Evangelium verlundigen, sollen sich vom Evangelio nahten [1.Ti1n. 5, 18]. Nach der vorläufigen Erklärung über seine Verzicht- leistung auf jenes Recht, die er in V. 12 abgegeben, giebt Paulus hier noch einen Beweis für dasselbe aus der Analogie der jiidischen Priester; entsprechend den für sie ge ebenen Bestimmungen des alttestamentlichen Gesetzes it dann Christi Gebot im neuen Testament. Die Umschreibung der Priester nach ihren Geschäften in V. 13 dient der Gleichmäßigkeit der Darstellung mit V. 14., die doppelte Bezeichnung aber macht die Analogie mit den christlichen Lehrern für den Zweck der Rede desto klarer und wirksamer: das Heilige, an welchem sie arbeiten, ist das Evangelium (Rönc.15,16), und das Opfer, welches sie darbringen, ist der Glaube der von ihnen Bekehrten (Phil. L, 17) und somit die letzteren selbst. (Meher.) Wie diejenigen, welche an den Dingen des Heiligthums ihr Geschäft haben, auch ihren Lebensunterhalt vom Heiligthum haben, und diejenigen, welche des Altars warten, mit dem Altar theilen, von dem, was anf den Altar kommt, ihren Antheil bekommen, so soll auch die Heilsbotschaft ihren Verkündigern den Lebensunterhalt schasfen; und wer durch Gehorsam gegen sie Gott zu eigen wird, soll auch dem, durch dessen Dienst sie ihm kund geworden, von dsm Seinen dargeben, was er bedarf. (v. Hos- mann. 15. Ich aber habe der keines swas nach der eben erwähnten sowohl alt- als neuteftamentlichen Ordnung V. 13 f. einem Diener des Evangelii von Rechts wegen zusteht] gebraucht sdaß ich mir Nahrung, Kleidung, Geld u. dgl. hätte reichen lassen Apostg. 20, 33]. Jch schreibe auch nicht darum davon, daß es mit mit sfür die Zukunft] also sollte gehalten werden sdaß man mir gewähre, was mir zukommt]· Es wäre mir lieber, ich stürbe, denn daß mir seinand meinen Ruhm sdasz ich das Evangelium rein unentgeltlich, ohne auch nur einen Bissen Brod dafür zu empfangen, predige V. 18] sollte zu nichte machen-« sindem er mich dahin brächte, künftig eine andere Weise, als bisher, zu beobachten und fernerhin mich ebenfalls von den Gemeinden unterhalten zu lassen]. 16. Denn daß ich das Evangelium predige, [dessen] darf ich mich nicht rühmen swie Andere wohl an diesem Dienst an sich schon eine Ursach des Ruhmes haben, die ihn gern, von selbst oder aus freien Stücken V. 17 treibensx denn ich muß es thun sbei mir handelt es sich ja nicht um einen freiwilligen Eintritt in das Predigtamh sondern um eine nöthigende Einführung von Seiten Schriftbeweis für das Recht der Diener des Evangelii, sich vom Evangelio zu nähren. 223 des HErrn Jerem. To, 7]. Und wehe mir, wenn ich das Evangelium nicht predigte swas für ein schweres Gericht würde ich damit auf michladen]l 17. Thue ich es gerne saus freiem Triebe und ungeuöthigt durch eine solche Beschlagnahnie, wie sie der HErr auf mich gelegt hat, da er mitten auf dem Wege eines mörderischen Verfolgers zum Apostel uiich berufen Kap. 15, 9], so wird mir [allerdings, wie es bei den andern Aposteln der Fall ist, die von der Zollbiide oder von den Fischernachen her berufen und aus freier Ent- schließung dem Rufe gefolgt find, nach Christi Wort in Mattkx 19, 28 f.] gelohnet; thue ich es aber ungerne snicht mit freiwilligem Erbieten, sondern gezogen und verpflichtet durch einen Ruf, den ich nicht ablehnen konnte, ohne mich auf’s Aergste zu verschulden, und das ist ja nun mein Fall im Gegensatz zu dem der andern Apostel], so ist mir das Amt doch [besser: eben, ohne daß ich Anspruch auf irgend welchen Lohn machen dürfte Luk. 17, 7 befohlen. 18. Was ist denn nun mein Lohn? [keiner sonst, als der in der Freude der Darbringung eines Dankopfers liegt !] Nämlich, daß ich predige das Evangelium Christi, und thue dasselbige smit Verzichtleistung auf alle Gerechtfame eines Apostels] frei umsonst, auf daß ich nicht meiner Freiheit miß- brauche fbesserc ausbrauche Kap. 7, St] am EVaUgelioU [denn ein Gebrauch dessen, worauf Andern ihr Dienst am Evangelio das volle Recht giebt, würde bei meiner eigenthümlichen Stellung zum heil. Amte für mich ein Ausbrauchem ein unzulässiges Ausnutzen des letzteren sein, ich muß vielmehr nach dem Wort in Luk. 7, 47 verfahren]. 19. fund nach diesem Wort verfahre ich denn auch in meinem übrigen Verhalten als Apostel, selbst abgesehen von dem Anspruch auf Lebens- 1interhalt von Seiten der Gemeinden.] Denn wiewohl ich sals des HErrn Apostel, der ihm, dem HErrn, allein verantwortlich ist Gal. 2, 6] frei bin von jedermann, hab ich mich doch selbst jeder- mann zum Knechte gemacht [mich nach eines jeden Bedürfnis; in dienender Selbstverleugnung bequemt], auf daß ich ihrer viel suicht bloß Einzelne] ge- wiunettt [für Christum und sein Reich, durch ihre Bekehrung] 20. Den Juden bin ich worden als ein Jnde [indem ich jüdische Gebräuche, Tracht, Sprache und Wissenschaft beobachtet, auch jiidischer Lehr- form mich bedient habe Apostg. 16, 20; 21, 40 ff.; 13- 15fs.]; aus daß ich die Juden gewinne. Denen, die unter dem Geseß sind leben den Juden, von denen ich vorher redete, was ihre religiöse Eigen- thümlichkeit außer der nationalen betrifft] bin ich worden als unter dem Geseß sobwohl ich doch als Christ nicht mehr unter deuiselben stehe Gal. 2, 19., indem ich den gesetzlichen Ceremonien mich uiiterwarf Apostg. 18, 18; 21, 23 ff.]; auf daß ich die, so unter dem Geseß sind, gewinne. 21. Denen, die ohne Gesetz sind [den Heiden Röm- L, W, bin ich als ohne Gesetz worden [indem ich vorkommenden Falls jüdische Beobachtungen, z. B. in Betreff der Speise, unterlassen oder aber griechischer Weise bei meinen Vorträgen mich be- dient habe Apstg. 17, 22 ff·], so ich doch [an und für sich allerdings] nicht ohne Gesetz bin vor Gott, sondern bin in dem Gesetz Christi [aber ich meine hier das mofaische Gesetz» in feinen cerenionielleu Bestimmungenh auf daß ich die, so ohne Gefetz find, gewinne. 22. Den Schwachen [in den christlichen Ge- meinden Kap. 8, 7 ff.; Röm. 14, l; 15, l; 1. Thesf 5, 14; Apostg. 20, 35] bin ich worden als ein Schwacher, auf daß ich die Schwachen geivinue [für das Fortschreiten in rechter Einsicht und gottwohlgefälligem Wandel] Jch bin jeder- mann [mit wem immer ich zu thun gehabt habe, je nach der Beschaffenheit feines individuellen Wesens] allerlei worden [so daß ich mich in die, den verschiedenartigften Verhältnissen entsprechen- den Weisen gefügt habe]; auf daß ich allenthalben ja [auf jeden Fall] etliche selig machet » 23. Solches aber thue ich um des Evangelii willen [damit es allerwärts Eingang und gute Aufnahme finde], auf daß ich seiner vsmit denen, die 1ch für dasselbe gewmne] theilhaftig werdeH [nämlich feines Heils und der Güter, die es hienieden schon giebt und für künftig verheißt] V) Jn der ersten Person Singularis schreibt hier der Apostel (vgl. V. 4ff. u. 11f.), weil er bereits vorhat, sich über Sinn und Meinung seiner bisherigen Auseinandersetzung in der Art auszusprechem daß dem Mißverstande vorgebeugt ist, als ob es mit ihr darauf abgesehen sei, daß man ihm von jetzt an erzeige, was er bisher nicht für sich in Anspruch genommen hat; damit nimmt seine Auseinandersetzung eine Wenduii , in welcher sie ledi lich seine Person betrifft. (v. Hof mann.) Den äu ersten zeitlichen Verlust achtete er geringer als den Verlust seines Ruhmes, den er mit- nehmen wollte in die Ewigkeit; dürfte er eins von beiden wählen, zu sterben mit dem Ruhm eines evan- gelischen Predigers, der seiner Freiheit und Macht um der Sache und Ehre des HErrn willen sich entäußert hat, oder zu leben um den Preis, daß solcher sein Ruhm zunichte gemacht werde, so würde er sprechen: »ich will lieber sterben, denn ich besor e, ohne meineii Ruhm würde ich die Frucht nicht scha en, derethalben ich allein Liist zu leben habe« (Phi"l.1,22). Mit seinem Ruhme pries Paulus Gott nnd opferte ihm Dank für die überschwäiigliche Gnade, womit er ihn, den Spätling, ja den Verfolger, zum Apostel berufen hatte; deshalb hielt er nicht dafür, daß sein Ruhm die andern Apostel verdunkele, die Weise seiner Berufung stellte ihn anders zuni Apostelamte als die Zwölse, so daß er sich als Undank angerechnet hätte, was bei Egnsiefii Flmtsgenossen Gebrauch ihres Amtsrechtes war. e er. 224 I. Corinther 9, 24—--—27. Hh Diese Verse erörtern die persönliche Stellung des Apostels zu seinem Amte: sie ist nicht die gewöhn- liche, bei Andern stattsindende, sondern eine besondere, ihm eigenthümliche Andere Apostel, vom HErrn be- rufen unter Umständen, welche ihnen die Wahl ließen, ob sie ihm folgen wollten oder nicht, haben durch die freiwillige Uebernahine ihres Dienstes (vgl. Joh. 6, 67) Anspruch an die vom HErrn diesem Dienst verheißene Belohnung: ich, meint Paulus, stehe nicht, wie sie; meine Berufung war eine solche, das; ich ohne Tod- sünde in keiner Weise mich ihr hätte entziehen können. Will ich also bei meiner Amtsführung nicht ganz leer ausgehen, so liegt mir etwas zu thun ob, wozu die Andern keinerlei Berpflichtung haben, nämlich das Evangelium zu predigen ohne allen Entgelt. Man verfährt sehr plump und versteht sich schlecht auf den Jartsinn des Apostels, wenn man auf Grund dieser S tiseinaiidersetzung ihm aufbiirden wollte, er trachte durch eine Art ,,iiberflüssiget1Verdienstes« sich einen Vorzug zu erwerben; gerade das Gegentheil folgt ans unsrer Stelle, was Andern als eine solche Art »liber- sliissigen Verdienstes« hätte erscheinen können, das stellt er eben dar als eine Sache, wozu ihn die noch in der letzten Stunde ihm zu Theil gewordene Gnade ver- pflichte Wir erkennen in dieser Erklärung dieselbe Demuth und Selbstanklage, wie in Kap. 15, 8 f.; Ephes Z, 8; I. Tim. 1, 15 f.; Paulus stellt sich in Betreff der sittlichen Würdigung seiner persönlichen Stellung zu seinem hohen Amte den andern Aposteln nicht gleich, darum erachtet er sich verpflichtet zu thun, was diesen nicht oblag, nm damit den Ernst und die Tiefe seiner Dankbarkeit für das so unverdient ihm zu Theil ge- wordene Heil und Amt bei Ausrichtung des letzteren sein Lebenlang hindurch zu beweisen. Das Wort in Matth. 10, 8: ,,umsonst habt ihr es empfangen, um- sonst gebet es auch« hat für ihn noch eine ganz andere Bedeutung, als für eine Amtsgenossen, und dies be- zeugt er durch die Verzichtung auf das in Rede stehende Recht, welches ihm sein Amt giebt. (Burger.) Dis) Der Zusammenhang dieses Abschnitts mit dem vorhergehenden ist vermittelt durch den Gedanken, daß es überhaupt sein Grundsatz sei, von seinem Rechte keinen Gebrauch zu machen, wie nur geben und nicht zu nehmen, so auch sich selbst Andern hinzugeben, anstatt dieselben sich zu unterwerfen, oder sich von ihnen, anstatt sie von sich abhängig zu machen; dies führt er nun näher aus, und zwar immer mit Dar- legung des Zwecks seines Verfahrens. Zuerst (V.19) sagt er im Allgemeinen, wie er unt solchen Zweckes willen feiner Unabhängigkeit sich be eben, sich, da er als Apostel von keinem Menschen abgängw gleich- wohl in die Abhängigkeit von allen gestellt, nach ihren Sitten, Vornrtheileii u. s. w. sich gerichtet, also aus der apostolischen Machtvollkomntenheit in die Niedrig- keit eines Sklaven herunterbegeben habe. (Kling.) Das ,,ich habe mich selbst jedermann zum Knechte gemacht« tritt treffend dem fleischlichen, hellenischen Freiheitssinn entgegen, der sich in die Jdee nnd den Genus; der christlichen Freiheit einmischte und sich fälschlich von dieser nährte. (Osiander.) Sich Andern zum Knecht zu machen muß jeder«leruen, wer Andern nützlich werden will; auch nur zn vernünftiger Regierung seines Hauses, will geschweigen der Gemeinde Christi, ist es nöthig, daß der HErr im Hause auch Aller Diener sein kann. Als HErr muß man Weisheit haben, gute Einrichtung machen, über Ordnung halten, als Diener mehr der Untergebenen Bestes, als nur seine Auctorität suchen, sich freiwillig nach Andern richten, alles, was sie ärgern könnte, vermeiden; was man ohne Verletzung des Gewissens jedem zu Gefallen thun kann, gerne thun und dabei nicht immer auf seine Freiheit sehen, ob man es schuldig sei, sondern sich durch das Gesetz Christi zum Tragen von des Andern Last als Diener hingeben. (Rieger.) ·s·) Daß Paulus in dieser ganzen Schildernng seines Sichanbequemens keine widerchristliche Connivettz und Menschengefälligkeit ausdrücke, sondern die praktische Weisheit der wahren christlichen Liebe und Selbstver- leugnung im Lehramte, dieses von selbst zu verstehen vertraut er zu der Bekanntschaft, welche seine Leser von seinem Charakter hatten (vgl. auch Gut. I, 10; 2, 3—5). Diese praktische Weisheit ist um so mehr als Frucht der Erfahrung unter der Zucht des Geistes zu betrachten, je seuriger und entschiedener sein Tent- peraiuent war; und wer mag ermessen, wieviel er auf— diesem Wege gewirkt hat! (Meyer.) Der Fromme kann vielgestaltig sein; denn nichts ist mannigfachey als die Niittel und Wege der göttlichen Weisheit und Gnade, um ihre Absichten auszuführen. Es ist aber ein großer Unterschied zwischen der erlaubten edlen Bequemung des Christen und den Schleifwegen der Weltklugen (Heubner.) H) Veachte die Demuth des Ausdrucks: der mehr als alle gearbeitehhat doch für sich nur das Heil mit den Gläubigen überhaupt, keinen höheren Lohn im Auge! (Meyer.) Mit diesen Worten, welche die beste Erklärung von V. 15———18 sind, geht der Apostel nun schon zum Folgenden über; er zeigt, wie es keineswegs jedem frei stehe, ob er auf diese selbstverleugnende Weise seiner Freiheit sich eutätißerti oder auf sein Recht sich steifen wolle. (v. Gerlachh Wo man des Evangelii und seiner Kraft und seines Segens und seiner theuern Verheißungen theilhaftig zu werden begehrt, da be- schwert man sich nicht, so herabzusteigen, wie der Sohn Gottes in seiner Erniedrigung zu uns gethan hat. (Rieger.) c. V. 2Il—Rap. 10, is. Seine Grundsätze in Illig· iibnng zu bringen, ntathet der» Ilposkel auch den Corinthern zu; denn jeder Gliinbige hat je nach den Verhältnissen, in denen er lebt, sich selbst zu ver- leugnen. Paulus vergleicht da zntiiichsk das Leben des Christen einem Weilt-teil, wie dergleichen bei den grossen griechischen Festsoieletn auch aus dem Jsihntus ganz nahe bei Corinth, in regeln-listigen Zeitabschnitten gehalten zn werden pflegten: nicht an: Laufen allein nach dein Ziel dürfen da die Christen sich genügen lassen, sondern den Sieger, der das» Kleinod wirklich erlangen iniissest sie sich zntn llitcsler uehnteu, nnd nni überhaupt eiu Liiuser mit der Jlnssnht ans Erfolg werden zu Können, dazu gehört nach den! Vorbild der griechischett Liiciser eine grosle 5elbstenthaltittig. Juden! der Ilpoltel aber noch aus ein anderes Bild ans diesen Wettliiimcssetn den Fansiliaiiitsl eingeht, stellt er den Leib, dieses Organ der untergeordneten Begierdetu als den Gegner dar, den man durch Fauslscljliige über· meistern und als Uebermutidetieit sich zum Knechte machen müsse. Immer ernster ttttd attdrittgetider aber wird seine Rede, wenn er hierauf weiter ans das toariiende Beispiel des» non Eggptett nach Catiaati mandernden Israel eingeht, welches» zeigt, das; es sticht genug sei, Gnade entplaitgeti zu habest, sondern dass man darin auch bestehen niiisse bis ans; Ernte, unt nicht von einem Fallen zum andern immer tiefer ine- Uerderbeti sich zu uerskrictieti nnd endlich gar verloren zn gehen. (Cpi»liel am Sonntage Septuagesiiuc"i.) Da die Geistlichkeit schon mit diesem Sonntag ihre Fasten zu beginnen hatte, so erhielt er im Munde des Volkes den Namen «Herrenfasten«, zum Unterschied von Des Ehssssssslsbesee Ei« Wsttlsusi esse« IsessskempsI»P«ILHHLSJIPITDVIEEIJYIEtritt)-»F? der init Aschermittivoch beginnenden Fastenzeit des Volkes; in dieser Epistel nun ermahnt der Apostel unter Berufung auf seinen eigenen Vorgang zu dem Ringen nach der nnvergänglichen Krone mit spezieller Hinweisung auf die Pflicht, den Leib zu zähmen. (Alt.) Gleich beim Eintritt in die Fastenzeit wird uns sehr nachdrücklich gesagt: ,,alles nützt dir nichts, wenn du nicht recht kämpfest wider dein eig en Fleisch und Blut; der HErr hat sein Fleisch geopfert an dem Holz, du mußt dein Fleisch auch opfern, tödten« (Nebe.) Die selbstverleugnende Liebe, welche sich gern ihres Rechts und ihrer Freiheit zum Besten des Nächsten begiebt, hat der Apostel seinen Lesern empfohlen und hat sie darauf hingewiesen, wie er selbst aus reiner Liebe zu ihnen in ma11cherlei Weise auf sein Recht und seine Macht, die ihm als Apostel Jesu Christi zustehe, ver- zichtet. habe, damit er ihre Seelen für das Evangelium gewinne; er hält ihnen Vor, wie das letzte Ziel seiner Arbeit sei, daß er zugleich mit ihnen das Heil erlange, welches in der Botschaft von Christo Allen angeboten werde. Jn unserm Abschnitt geht er nun dazu über, den Lesern als nachzuahmendes Beispiel vorzustellen, was alles er sich zugemuthet und was alles er auf sich genommen habe, um des Heils nicht verlustig zu gehen. Er vergleicht das Christenleben einem Kampfe, in welchem es ernste Selbftverleugnung gilt, um den Sieg zu erringen. Der tiefe Ernst des Christen- lebens: es ist so ernst 1) wegen der Entsagung, die es fordert; 2) wegen des Kampfes, in den es stellt; Z) wegen des Gerichts, mit dem es endet. (Sommer.) Läufst du um der Erde Lohn oder um des Himmels Kron? 1) Dort gilt’s einen ver- gänglichen Kranz, hier ein unvergängliches Kleinod; L) dort kaun’s nur Einer gewinnen, hier darf ein jeder mit anstehn; 3) dort ist die Straße breit, hier läuft man in göttlichen Schranken; 4) dort ist der Gewinn unsicher, hier ist er dem treuen Kämpfer gewiß. (Gerok.) Die Bedeutung der heiligen Sacra- mente für des Christen Lauf und Kampf: I) die Taufe stellt den Christen an den Anfang des Weges und macht ihn geschickt zum Lauf nach dem Ziel, 2) das Abendmahl erquickt den Christen iin Lauf nach dem Ziele und giebt ihm die Kraft zum siegreichen Kampf; Z) aber beide, Taufe und Abend- mahl, bringen den Christen nur dann zum Ziel, wofern er die Gnaden, die sie uns darbieten, treulich ebraucht zum rechten Lauf und Kampf: (Thomasius.) aufet also, daß ihr das Kleinod ergreifet! Wir betrachten 1) die Schranken, in welchen der Christ nach dem Kleinod läuft; 2) die rechte Weise des Laufens; Z) das Kleinod, welches wir ergreifen sollen. (Ahlfeld.) Das Bild eines Streiters Gottes: l) wonach ein Streiter Gottes ringen, Z) wessen er sich enthalten und Z) wie er kämpfen muß. (Baur.) Unser Leben hienieden ein Lauf, ein Kampf, eine Pilgerreise: I) ein Kleinod ist uns vorge- steckt, danach sollen wir laufen; L) eine Krone wird uns aufbewahrt, die sollen wir uns erkäinpfen; Z) ein himmlisches Canaan ist uns verheißen, dem solleii wir entgegenwallen (C·ouard.) · · , 24. Wtsset ihr nicht, daß sbeiden griechischen Wettkämpfen] die, so m den Schranken sder Rennbahn von 125 geometr1schenSchritten] laufen, die laufen alle, aber Einer erlanget das Kleinod [bestehend in einem Siegeskranz aus Fichtenreisern und Eppichblättern]? Laufet nun also [wie es nach dem Exempel dieses Einen im Vergleich mit seinen Genossen nöthig 1ft], daß D s chseiss Biber-vers. vix. Var-d ihr es fdas euch vorgehaltene Kleinod L. Tini. 4, 7 f.] er reifetsi [1«.Tim. 6, 12;Hebr.1»2,1f.]. 25. in jeglicher aber,- der da kampfet fin den Wettkämpfen bei den griechischen Spielen als Bewerber um den Siegespreis mit austreten will], enthält sich sschon Monate zuvor] alles Din es fdas der Leichtigkeit und Gewandtheit des örpers nachtheilig sein könnte, und so müssen auch wir Christen alles meiden, was für unsern Lauf uns träge und untüchtig niacht]; jene [die griechischen Wettkämpfer, thun] also, daß sie eine vergängliche Krone sin dem Siegeskranz] empfahen; wir aber lenthalten uns, daß wir davonbringens eine unvergänglichess [Krone, das Erbtheil im Himmel 1. Petri l, 4; 5, 4; Jak. I, 12]. 26. Ich laufe aber [indem ich an mir das Exempel eines Wettläufers und Wettkämpfers von der rechten Art darzustellen beflissen bin] also [wie ich auch euch möchte laufen sehen], nicht als auf’s ungewisse [wie Einer, der kein ge- wisses Ziel vor sich hat und dessen Schritte keine bestimmte Richtung einhalten]; ich fechte also [wie auch ihr. den Faustkampf führen müßt], nicht als der in die Luft ftreichet [weil er seinen eigentlichen Gegner nicht kennt und nun versäumt, aus diesen loszuschlagen]. 27. Sondern [man kann genau bei mir wahrnehmen, wie ich mich halte:] ich betäube [nämlich] meinen Leib und zähme ihn »Es« fschlage auf ihn als meinen nächststehenden und hauptsächlichsten Widersacher los und ziehe ihn als Ueberwundenen hinter niir her], daß ich nicht den Andern predige [als Herold sie zum Ein- tritt in den Kampf aufrufe und ihnen die Kampfes-· regeln kund thue], und [doch, was meine eigene Person betrifft, indem ich ja ebenfalls zu den Wettkämpfern zähle] selbst vetwerflich lals un- bewährt des Siegespreises für unwiirdig erachtet] werde-X· [vielmehr mit dem Siegespreis geschmückt aus dem Kampfe hervorgehe]. NWiePaulusinderLehrweisedeiiGriecheiieinGrieche, den Juden ein Jude wurde (V. 20f.), davon finden sich nun hier in V. 24—27 uiid dann in Kp. 10, 1——11 recht anschauliche Beispiele: welch ein Ernst der Ver- leugnung und welch ein angestrengter Kampf erfordert werde, um des als Siegespreis vorgehaltenen Heils theilhaftig zu werden, das bringt er in den vorliegen- den Versen den Corinthern zum Bewußtsein durch Hinweisung auf die hellemschen Kampfspiele, dergleichen sie ja in ihrer unmittelbaren Nähe hatten, auf die isthniischeu Spiele; auf die Beleuchtung aus dem hellenischen Lebensgebiete folgt dann in Kap. 10, I ff. die aus dem israelitischem denn das, was auch hier beleuchtet und begründet wird, ist der Gedanke, der von V. 23 an der herrschendste ist, daß die Theilnahme am Heil, an der im Evangelio verheißenenHerrlichkeit bedin t sei durch den Ernst der Verleugnung (Kling.) Die piele oder Wettkämpfe waren die Freude nnd der Stolz der Griechen, sie trugen den Charakter von 15 226 I. Corinther 9, 27. 10, 1-—5. Nationalfestem die Jugend übte sich Jahr aus Jahr ein zu ihnen ein, in allen Städten gab esdeshalb Gymnasien oder Uebungsschulen. Ganz Griechenland nahm dann an den Wettkämpseii den lebhaftesten An- theil, man strömte zu ihnen von allen Gegenden zu- sammen; und die gefeiertsten Dichter hatten ihre Harfen schon gestimmt, um den Sieger zu preisen. Es war der höchste Ruhm, den Siegeskranz davon getragen zu haben: der Sieger konnte gewiß sein, daß er von seinen Mitbürgern im Triumphe in die Heimath zurückgeleitet und sein Name für lange Zeit in Ehren gehalten wurde. Jn einem fünffachen Wettkampfe be- standen die Spiele, im Springen, Laufen, Werfen der Wurfscheibe, Leibesringen und Faustkämpfenx die be- rühmtesten waren sdie zu Olympia in der Landschaft Elis, nach welchen die Griechen auch die Zeit berech- neten (Olympiaden), aber auch dicht bei Corinth, auf dem Jsthmus (s. Apostg. 18, l Anm. 2), wurden alle vier Jahre solche Spiele gehalten. An sie denkt daher der Apostel wohl zuweist, wenigstens mußten die Corinther vor allen andern an sie denken; aber nicht auf den ganzen Fünfkainps geht Paulus ein, er hebt daraus nur einen Zweikampf heraus, vorerst den Wett- laus, der ursprünglich die einzige Art des Kampfspiels gewesen und auch hernach immer die vornehmste blieb, und später (V. 26 f.) den Faustkamps (Nebe.) ,,Wisset ihr nicht«, hebt der Apostel an, indem er auf den Wettlaus in den griechischen Spielen hinweisen will: freilich wußten die Corinther wohl, wie es bei ihren isthmischen Spielen herging; aber mit dem Blicke, womit Paulus diese Wettläufer ansah (Phil. 3, l2 ff.), hatten sie dieselben noch nicht betrachtet Jn den Schranken oder der Rennbahn (von 600 griech. Fuß oder V» geogr. Meile Länge) liefen die festlichen Spieler alle von Einem Punkte aus nach einem Ziele; aber nur Einer, der Sieger im Lauf, erlangte das Kleinod oder den Preis. Wie dieser Eine nun, so sollen wir Christen alle laufen, damit wir unser Kleinod ergreifen· (Besser.) Der Laus des Christen unter- scheidet sich dadurch von dem Wettlaus in den beid- nischen Kampfspielen, daß nur bei ersterem- allen Läufern die Erreichung des Preises erniöglicht ist; aber der Apostel will auch betonen, wie das Laufen in der Rennbahn noch nicht die Erlangung des Preises verbürge, wie Keiner denken dürfe, es sei, weil er in der Gemeinschaft der nach dem Heile Laufenden sich bewege, ihm schon deswe en die Erlangung des ewigen Lebens völlig sicher. arauf kommt es an, will Paulus sagen, daß man so läuft, wie es nöthig ist, damit man den Preis erlange; preiswürdig soll der Christ laufen, er soll in seinem geistlichen Laufe so ernstlich und beständi sein, wie der Eine, welcher im Wettlaus durch die ntscheidung des Kampfrichters den Preis empsänt (Sommer.) Der Gegensatz des ,,alle, die in den chranken laufen«, und des ,,Einen, der das Kleinod erlanget«, deutet auf die Gefahr, bei schon gemachtem Anfang im Christenthum ohne be- harrlichen Ernst im Fortgang das Ziel des Glaubens (1. Petri l, 9) zu verfehlen, und auf den bedenklichen Gegensatz zwischen der großen Zahl der Berufenen und der kleinen der Auserwählten (Matth. 20, 16) hin; daß dann Paulus schreibt: ,,laufet nun also, daß ihr es ergreifet«, kommt daher, daß er, obgleich von sich selbst, von seines Laufes Weise und Ziel, Mühe und Lohn aus- und darauf zurückgebend (V. 23 u. 26 f.), sich doch von seinen Kampfes- und Heils- genossen, von dem Gedanken an sie nicht trennen kann, er ruft ihnen zu und zieht sie, von der großen An- schauung der Kämpferschaar im Bilde bewegt, mit sich, auch hier sie zu gewinnen suchend. (Osiander.) if) Das ,,ein xeglicher aber, der da kampfet«» geht aus jede Art des Wettkampfes in den griechischen Spielen und schließt das speziellere Wettlaufen in sich; die Wettkämpfer nun hatten sich zehn Monate lang zum Kampfe zu bereiten durch Enthaltung von Wein, vom Geschlechtsumgang und von beschwerendem Speise- genuß, doch nicht von guter Fleischkost Auch bei den geistlichen Wettläufern, den Christen, findet eine Ent- haltung von allem statt, nur daß das bei ihnen auf sittlichem Gebiete liegt, was bei jenen, den griechischen Wettkämpfern, auf leiblichem Gebiete lag. (Meyer.) Ach, Seligkeit erlangen ist kein Kinderspiel! Erworben ist sie ohne unsre Mühe, das Kleinod stehet da; aber du mußt darnach ringen — Ernst, Furcht und Zittern (Phil. Z, 1v2) ist nöthig, dorthin zu gelangen, wo den Siegern die Krone wird ausgesetzt. (Hedinger.) »Für einen ewgen Kranz das arme Leben ganz«, wie A. Knapp kurz und treffend L. Hofackeiks Sinn be- zeichnet, das ist der Sinn eines rechten christlichen Känipfers; im Blick aus die ewige Herrlichkeih die Krone des Lebens, ist ihm kein Opfer zu groß, ist er zu jeder Verleugnung entschlossen, thut er der Natur Gewalt an und wird nicht müde, in der Kraft des Geistes die Gelüste des Fleisches zu tödten (Röm. 8, II; Gal. 5, 24; Col. Z, 5). Solche, die Christo angehören wollen, aber irgend einer natürlichen Nei- gung nachgeben, dem Fleische zärtlich thun oder doch nicht wehe thun mögen, obwohl das geistliche Leben darunter leidet und sie in ihrem Laufe zum himmlischen Ziel dadurch gehindert und aufgehalten werden, werden auf’s Tiefste beschänit durch Weltmenschen (Luk. 16, 8), welche um eines zeitlichen Gewinnes oder Ruhmes willen die größten Anstrengungem die schmerzlichsten Entsagungen sie? gesallen lassen, ja Leib und Leben daran sehen, da sie ihren Zweck erreichen. (Kling.) IN) Der Apostel führt sich als Beispiel eines rechten Kämpfers ein. Jch laufe oder führe meinen Christenstand, sagt er, in der Weise, wie Einer, der nicht auf’s Ungewisse läuft, sondern seines Zieles sich wohl bewußt· ist; die Ehre Gottes, sein und des Nåchsten Heil-zu fördern, ist der Endzweck aller seiner Arbeit. Jndem er dann fortfährt, sich als einen Faust- känipfer darzustellem der nicht in die Luft schlägt, sondern seinen Gegner trifft, geht er zu einer andern Art der Wettkämpfe über. (Sommer.) Wie er sich zuvor gewissermaßen im Laufe gesehen hat, so sieht er sich als einen Athleten an, als einen Faustkämpfey als einen Ringer; denn bei den griechischen Festspielen wurde nicht blos gelaufen, sondern es kämpften auch kräftige Männer mit einander, kleidlos, über und über niit Oele gesalbt, damit beides um so schwerer werden möchte, zu fassen und gefaßt zu werden. (Löhe.) Bei den Vorbereitungen, womit man sich auf den Kampf mit dem wirklichen Gegner einzuüben pflegte, fand eine Skiainachie (Scheinsechterei) statt, wobei man bloße Luftstreiche that; nähme Paulus mit den Worten: ,,nicht als der in die Luft streichet« hierauf Bezug, so wäre seine Meinung die, er stehe nicht ini leichten, efahrlosen Vorspiel des Kampfes, sondern im Haupt- ampfe selbst. Das Bild geht aber ohne Zweifel auf die Fehlstreiche beim eigentlichen Kampfe, die in die « Lust fallen, und bezieht sich auf die unmännliche, sich selbst schonende Weichheit im geistlichen Kampfe der Verleugnung; in speziell historischer Ausdeutung hat man dabei auf den völlig nutz- und zwecklosen Gebrauch, den die Corinther von ihrer Freiheit in Mitteldingen im Streit niit den Schwächeren machten, gedacht. Osiander.) Wie beini ersten Bilde das sichere, stetige rachten nach deni Ziel, so gilt bei diesem zweiten, daß man nicht seine Kraft vergeude durch unsichere 227 Das Christenvolk ein Nachbild des aus Egypten nach Canaan ziehenden Israel. Streiche, die den Gegner nicht treffen, sondern ihn so schlage, daß man den Kampf siegreich ende. Nun wird der Leib, als« das Organ der ungeordneten Begierdem .als der Gegner dargestellt, den sein Bekämpfer durch Faustschläge übermeistert nnd als Ueberwnndenen sich zum Knechte macht. »(Burger.) Die Heiligung ist wesentlich ein Kampf- welcher wider unser Fleisch und Blut, wider unsern Leib gerichtet ist; die Welt kann uns nichts anhaben, wenn wir den Versucher, den Feind unsrer Seligkeit in uns, überwunden haben. Wir selbst, soweit wir noch aus dem Fleische geboren sind und in dem Fleische leben, sind unsre gefährlichsten, schlimmsten Feinde: wollen wir siegen in dem Kampfe, der uns verordnet ist, so müssen wir nicht gegen die Welt, sondern gegen unser eigen Fleisch und Blut die Waffen kehren und den Angriff richten. Unser Leib hatte sich der Sünde in Dienst gegeben und seine Glieder ihr zu Werkzeugen dargeboten: es gilt nun, den Leib, der sich an diese Sklaverei gewöhnt hat, zur Freiheit zu erziehen, und die Glieder, welche sich ganz von selbst wieder zu ihren Sündenwerken in Bewegung sehen, in strenge Zucht zu nehmen. Der Apostel schont sein selbst nicht in diesem Kampfe; er faßt seinen Leib nicht mit weichen Handschuhen an und ist weit davon entfernt, ihm nur sanfte Backenstreiche zu geben. Er nimmt seine ganze Kraft zusammen; er führt schwere, wuchtige Streiche, er zielt mit ihnen nach dem Orte, wo die Schläge am meisten brennen, am tiefsten schn1erzen. Er schlägt seinem Gegner frischweg unter die Augen, in das Angesicht hinein, daß es auffchwillt nnd braun und blau wird (denn dies bedeutet das Wort des Grundtextes welches Luther mit ,,betäube« ijbersetzt Luk. 18, 5); er schlägt zu, wenn der Gegner auch noch so jämmerlich um Gnade schreit; er schlägt zu, wenn jeder neue Schlag auch die gräßlichsten Schmerzen verursacht; er schlägt zu, bis daß der Widersacher vollständig überwunden auf dem Boden liegt und sich gefangen giebt. (Nebe.) Einer falschen Askese will Paulus hier nicht das Wort reden, die tadelt er selbst (Phil. 2, 23); wohl aber will er die Freiheit des Fleisches beschränkt wissen und die Corinther ermahnen, im rechten christlichen Sinn das Fleisch sammt den Lüsten und Begierden zu kreuzigem Gut. 5, 13 ff. (Olshausen.) s) Sein Predigeih durch welches er Andere zum Kampfe gegen das Fleisch und zum neuen Leben des Geistes in Christo Jesu aufsordert, vergleicht der Apostel mit dem Geschäfte des Herolds, welcher die tkampfordtiung verkündete und die Kämpfer zum Kampfe ausrief; er ruft auch hier feine Leser zum geistlichen Kampfe auf, er muthet jedem einzelnen unter ihnen zu, daß er preiswürdig kämpfe, da will er denn sich vorsehen, daß er nicht selbst ein Unbewährter werde dadurch, daß er nicht thut, was er sagt. Er will als ein Bewährten der mit dem Siegespreis geschmückt wird, aus dem Kampfe hervorgehen, auf daß sein Beispiel seinen Lesern vorleuchte und sie zum Kampfe antreibe (Somn1er.) Das ist die rechte Theologie, daß der Lehrer auch selbst gehorche dem Worte der Wahrheit, daß er als Vorbild der Heerde vorangehe nnd zeige, daß es niöglich sei: wer darin Christo folget, der ist ihm angenehm und den Menschen niitze. (Berlenb. Bib.) Das 10. Kapitel. kfseischliohe Sicherheit zu theilte-II. 1. Ich will euch aber, lieben Brüder sum euch die soeben besprochene Wahrheit, daß viele zwar berufen, »aber nur wenige auserwählt sind, auch aus dem israelitischen Lebensgebiet nahe zu führen], nicht verhalten [Röm. 1, 13 ; u, 25], daß unsere Väter sind alle unter der Wolke sals ihrer schützenden Obhut wider Egyptens König und sein Heer] gewesen, Und sind alle durch? Meer ldessen Wasser ihnen zu Mauern ward zur Rechten und zur Linken] gegangen [2. Mos. 14, 19 ff.]. 2. Und sind alle unter snach dem Grund- text: auf] Mofen getauft mit der Wolke und mit dem Meer sindem sie ihm, dem Mittler des alten Bundes Gal. 3, 19., durch die in jenen beiden zusammengehörigen Thatsachen sich "voll- ziehende göttliche Wunderthat als Gottes frei gewordene Gemeinde zu fortgehender Leitung und Pflege übergeben wurden und sich ihm auch zur Folgeleiftung verpflichteten 2. Mos. 14, Bis; 3. Und haben alle einerlei geistliche Speise gegessen [zu essen bekommen 2. Mos. IS, 13 sf.; Pf. 78, 23 ff.; Weish. 16, 20 f.], 4. Und haben alle einerlei geistlichen Trank [in dem Wasser, das ihnen der HErr wunderbar schenktes getrunken [Pf. 78, 13 ff.]; sie tranken aber ssoost sie so aus den Felsen getränkt wurden 2. Mos. 17, 6; 4. M. TO, 11; Pf· 78, 15 f.; Jes. 48, 21] von dem geistlichen Fels, der mitfolgte, welcher war Christus fund da tritt ihre Geschichte uns, den Christen, nun um soviel näher, weil wir es mit demselben HErrn zu thun haben, wie sie]. 5. Aber an ihrer vielen snänilich bis auf zwei von alle den Männern, die mit aus Egypteti gezogen 4. Mos. 14, 20 ff.; 26, 651 hatte Gott keinen Wohlgefallen; denn sie sind sdie übrigen alle außer jenen Zween] niedergesthlagen in der Wüste [Pf. 106, ge; Hebt. Z, 17]. Jst der Apostel mit Kuh. 9, 23 ff. dazu über- gegangen, von dem Zwange zu sagen, welchen der Christ sich anthun müsse, um seinen Christenlauf so zu vollbringen, daß er den Siegespreis davonträgt, und hat er sich selbst, wie vorher hinsichtlich seines Ver- zichts auf folches, worauf er ein Recht hätte, so jetzt hinsichtlich seiner Selbstkasteiung als Beispiel zur Nach- ahmung hingestellt, so bleibt er in demselben Gedanken- zusammenhange, wenn er von Kap. 10 an Thatsachen aus der Geschichte des auf dem Wege von Egypten nach Canaan begrisfenen Volkes Gottes in Erinnerung brin t, welche beweisen, daß man ohne jene Bändigung des Ieibes und seiner Bedürfnisse und Begierden, ohne. welche er für sich selbst fürchten müßte, daß er ver- werslich würde, noch auf dem Wege des Heils verloren gehen kann. Jn Gestalt der Be ründung einer schlini- men Möglichkeit, welche er sich selbst vor Augen hält, fügt er die Hinweisung auf jene Thatsachen an, mit einem ,,ich will euch nicht verhalten« sie einleitend, welches, da die Thatsachen selbst den Lesern bekannt waren, nur daraus sich erklärt, daß er die beabficltigte Uebersetzung derselben, sowohl was den Gnaden taub, als was das Geschick des Volkes Gottes anlangt, in das Neutestamentlichz also die den Lesern nahe zu 15’«« 228 1. Corinther 10, O. legende Anwendung auf die christliche Gemeinde dabei im Auge hat. »Unsere Viiter« nennt Paulus das aus Eghpten nach Canaan wandernde Israel in keinem andern Sinne, als in welchein er sonst Abrahani ,,unsern Vater« nennt (Röni. 4, 1. 12 u. 16), nämlich sofern die neutestanientliche Gemeinde, die ihr einver- leibten Heiden mit eingeschlossen, an dem alttestament- licheii Volke Gottes seine Ahnherrschast hat (Gal. z, 29); damit nun gleich deutlich werde, welche innere Verwandtschast zwischen den Gnaden bestehe, die jenen Vätern, allen ohne Unterschied, und die den Christen, ebenfalls allen ohne Unterschied, widerfahren sind. gedenkt Paulus der Unterstellung der ersteren unter die schützeiid und führend über ihnen schwebende wunderbare Wolke und ihrer wunderbaren Rettung durch das Meer hindurch nicht, ohne gleich beizufügen, daß sie hiermit auf Mose getauft worden, und gedenkt ihrer wunderbaren Speisiing und Tränkung in der Wüste nicht, ohne Speise und Trank geistlich zu nennen und Christum als Den zu bezeichneiy der ihnen den wunderbaren Trank gespendet hat. Der Ausdruck: ,,sie wurden auf Mosen getauft« ist nur von der christ- lichen Taufe aus verständlich, an welche er erinnern soll; was den Jsraeliten damals der christlichen Taufe Vergleichbares geschah, setzte sie in eine ähnliche Be- iehung zur Person Mosis, wie diese die Christen zur I erson Christi, indem es sie seiner Führerschast ge- horchen hieß. Inwiefern aber der Vorgang selbst ein Taufen heißen kann, ist aus dem zu entnehmen, was dem Volke damit geschah, daß die wunderbare Wolke es unter seine Obhut nahm und das Meer ihm wun- derbar Raum gab, hindurchzuziehent die Untergebung unter die Wolke nach der einen und das Hervorgehen aus dem Meer nach der andern Seite entspricht jener Ueberströmung mit Wasser bei der Taufe, welche, weil sie Ueberströmung mit heiligem Geiste ist, den Täufling aus dem Stande der adaniitischen Menschheit in die Genieinschaft Christi überführt. Doch nicht blos der Taufe, sondern auch dem Mahle des HErrn alt- testameutlich Entsprechendes ist den Vätern zu Theil geworden, und zwar, gleichwie jenes bei der Aus- führung aus Egypten, so dieses auf dem Wege von Eghpteii nach Canaan; sie haben eine Speise zur Nahrung, einen Trank zur Erquickung bekommen, welche deshalb geistlich heißen, weil sie, obwohl an sich und in ihrer Wirkung irdischer Natur, dennoch ihren Ursprung nicht in der Schöpsungsordnung hatten, sondern in einer heilsgeschichtlichen That Gottes (vgl. Gal. 4, 29. Durch den Beisatzx ,,sie tranken aber von dein geistlichen Fels, der initfolgte, welcher war Christus« wird jene Bezeichnung hinsichtlich der Tränkung sonderlich gerechtfertigt; während sich nämlich das Manna vermöge seiner Beschaffenheit, wie durch die Art und Weise seiner Spendung, und weil es vor- her und nachher desgleichen nicht gegeben hat, un- zweideutig als Wunderbrod darstellte, war das Wasser, welche-s dem von Mosis Stab berührten Felsen ent- sprang, kein anderes, als welches die Menschen sonst auch tranken, aber eben sein Ursprung machte es zu einem geistlichen Tranke, indem es nicht der natürliche, an seinem Ort haftende Fels war, der es vermöge seiner natürlichen Beschaffenheit spendete, sondern ein geist- licher, ein mitfolgender Fels. Der Fels nun, welcher Israel das Geleit gab, war Iehova, den die Schrift (Jes. 30, 29: ,,Hort Israels«, vgl. »5. Mos. 32, 15. l8, 30) den Fels Jsraels nennt; ii1dem aber der Apostel dafür sagt: ,,welcher war Christus«, bringt er diese heilsgeschichtliche Trankspenduiig der neu- testamentlichem welche durch Darreichung des Kelches Christi geschiehet, eben so nahe, wie der Vorgang bei Israels Erlösung aus Egypteii durch den AusdruckJ ,,sie wurden getauft« der christlichen Taufe nahe geruckt ist. Daß er so in jenem Felsen Jsraels ohne Weiteres Christum erkennen heißt, hat seinen Grund in der Thatsache, daß alles heilsgeschichtliche Thuii des Gotxs wegchen dig alTtåestairkientlichedSchgfttbezeiigY ein huii es in ie elt omnien en o tes un insofern des Christus war, welchen die neutestament- liche Gemeinde als ihren HErrn bekennt; denn seit er geoffenbaret worden, wissen seine Gläubigen den in die Welt Gekominenem welcher Gott ist, und den Gott, der ihn in die Welt entsandt hat, zu unterscheidem während vordem dieser Unterschied in dem Einen Funke? Iehb2vg· vesribgrggn tgewesetn walrch (v. Hoäniaiiåih auu ie ie e en ar, m1 we er er ier ie Reihe seiner warnenden Beispiele anhebt: »ich will euckåöiiscsht verhalten« (vgl. Katze 12, 1;ck L. fCor. l, 8; 1. e . 4, 13); sie lenkt mit achdru au eine ent- weder ckioch nicht hinlängäzchherkaniåte F? nczfki nkicht ausrei )end angewandte a rheit ie "u mer« am eit, und kommt nie anders als mit ,,lieben Brüder« ver- bunden vor, was offenbar der Bemerkung des Apostels nicht blos Aufmerksamkeit, sondern auch Aufnahme verschaffen sollsz (Neb·e.) Er will damit hinleiten zur Anwendung seines eigenenBeispiels »auf die Leser, gcgeiclrzlts fwlcålsltte er sageiäzchnch bidn datfur lxesorxåh das; i m e verwer i wer e« rage eu mi leicher Sorge, denkt nur daran, wie an Israel in der üste trotz alles Gnadenempfanges zuletzt das Urtheil der Verwersung vollzogen worden ist! Saget nicht, wir haben die heil. Taufe und das heil. Abendmahl, wir? bixnn esd ugischfehjltenfgrskizsirzeldhatÅukjlj Ashnslickses gea , un o i ie i ie erza einer Glieder (dieser Ausdruck: »die Mehrzahl« oder: »ihrer viele« erhält dadurch großes Gewicht, daß den Leseru die Minderzahl nicht unbekannt sein konnte) dein Ver- derben verfallen«. Die Gnadenerweisungen, deren sich Israel zu erfreuen hatte und die die Vorbilder auf die neutestamentlichen Gnaden der Gemeinde Christi twerdsektn tnun åiofn Aposäielllangefiährr ESofriiinerg i)ig i ie uammen e ung on aue un Abendmahl als der beiden neuteftamentlicljeii Gemein- schastszeichem deren alttestamentliche Analoga Paulus aussucht; sie ist ein Zeugniß für die protestantische zvlsnschixiiunä voåifslkvetrhjztkikihäizt Tier 3Sa;k)a;ii)entF. såkveandgrh ieie unu .er1, .,oarer Edåirchzxg if)urch’s rothe Meer ein Vorbiliz dåitl ihrig- i en au e: durch die schützende und hin ur eiten e Wolkensäule und durch das Meer wurde Israel von Egypten gereinigt und gesondert und Gott zu seinem Voflksje gseweiht iåjied übergeben. Tiefe) Taiffe geschah au o es, den ittler des alten un es« ie wur en durch jenen reinigenden, sondernden, erretteiiden Durch- zug dem Moses übergeben zur fortgehenden Leitung xintiftVergflägunå, WIesTZefTLIZUsteSriY Jus Cjhräzsztiixna au ,au er emein a er uneun e - geschieden, von ihren Befleckungen gereinigt, Christo zxr Faufåpühkrlxzegeii wcåildd?n·.·hl(v. gHerlachlJtyWårFatus e em o e eim uza en er a ie aer gewandten göttlichen Heilsthaten hauptsächlich ankommt, zeigt dkigs fginf Mcäl wiederholte ,,alle«, wcikimitf er guf jenes , 4): ,, ie laufen alle« zurü weit; er Schlußspriich des Septuagesiniä-Evangeliums: ,,vicle sind berufen, aber wenige siiid auserwählt« ist gepaart mit dem Ausgange der Septuagesimä-Epistel: allen sind Gottes ber1ifende Gnadenthaten widerfahren, aber ,,an ihrer vielen hatte Gott keinen Wohlgesallen«. Gllejhchwig nuszilii Petrus in dem Wasser dZr Siindsäziizth we es ie . ettiingsarche iiber die ver ammte elt emportrug, das seligmachende Tausivasser vorbedeutet Denket daran, wie an so vielen Gott kein Wohlgesalleu hatte! 229 findet, so zeigt 11ns Paulus in dem durch die Wolke zum Rettungswasser geweihten rothen Meere ein Vor- bild unsrer Taufe. Das sacrame11tliche Vorbild der Taufe, die Beschneidung, trugen die Kinder Abrahams, ein jedes einzeln, schon an ihrem Leibe; aber mit Wolke nnd Meer wurden sie zu Einem Volke getauft, alle zu Einem Leibe (Kap. 12, 13). Darum sagt Paulus: sie wurden mit der Wolke und dem Meer getauft auf Mosen, den Mittler des Gesetzes- bundes und den Herzog, der mit gottverliehenem Stabe das Volk führte und regierte; in Mose aber war ihnen vorhanden Christus, aus welchen wir getauft sind mit Wasser und Geist, denn eingewortet in Mosis Rede und Thaten erbot sich ihnen der Heiland und Herzog ihrer Seligkeit, und durch Mosen hin auf Christum ging des Volkes Glaube, im Anfang des gesammten Volkes Glaube, so daß das ganze Heer des HErrn auf Einen Tag aus Egypten zog und, wie Melanchthon sagt, im Vertrauen auf Mosis Wort in’s Meer stieg. Wenn darnach Paulus die Speise und den Trank der Väter in der Wüste »geistlich« nennt, so thut er es erstlich deshalb, weil das Manna und das Felsen- wasser keine Naturprodukte waren, sondern durch Gottes Wort hervorgebrachte Gaben (wie auch Jsaak in Gal. 4, 29 ,,nach dem Geist geboren« heißt); auch das Brod, welches aus der Erde wächst, und das Wasser, welches man aus dem Brunnen schöpft, sind Gaben Gottes, doch in dem vom Himmel hernieder- thauenden Manna und in dem aus trockenem Felsen springenden Wasser aßen und tranken die Jsraeliten eine Speise und einen Trank, wovon sie auch ihr geist- liches Leben nährten, wenn sie aßen und tranken im Glauben an das Gnadenwort Gottes, ihres Ernährers in der Wüste (5. Mos. 8, 3). Darum heißt ihre Speise und ihr Trank auch deshalb geistlich, weil der Segen dieser Speise und dieses Tranks z11gleich dem Geiste, nicht blos dem Leibe vermeint war. Von Seiten Gottes war nun da allen Essenden und Trinkenden geistliche Speise und geistlicher Trank be- reitet, zu geistlichem, ewigem Leben; die Ungläubigen dagegen aßen und tranken sich daran das Gericht des Todes, und wenn nun Paulus ausdrücklich sagt, sie haben alle einerlei geistliche Speise gegessen und haben alle einerlei geistlichen Trank getrunken, so ist gleicherweise das Abendmahlsbrod, der Leib des HErrn, und der Abendmahlswein, das Blut des HErrn, in aller Abendmahlsgenossen Munde, gewirkt nicht durch den Glauben der Empfänger, sondern durch das Wort des Gebers, wiewohl dieselbige Wunderspeise und derselbige Wundertrank nach Kap. 11, 27 nur den Gläubigen zum Leben, den Ungläubigets aber zum Tode gereicht. (Besser.) Der Fels, aus dem das Wasser kam aus das Wort Mosis, heißt auch ein geist- licher, nicht als ob er seiner Beschaffenheit nach kein wirklicher, natiirlicher Fels gewesen wäre, sondern weil an ihm die Gotteswirkung sich kund gab, durch die das Wasser ihm entquoll. Nun aber geschah dies Wunder der Wasserspendung aus dem Fels nicht ein- mal, sondern, soviel uns erzählt wird, wenigstens zwei- mal; es war also nicht ein einzelner bestimmter Fels, an den die Wunderwirkung geknüpft war, sondern sooft das gleiche Bedürfniß wieder-kehrte, war auch der wassergebende Fels wieder da; denn jeder konnte den- selben Dienst thun durch dieselbe Wirkung. Jn diesem Sinne erscheint der Fels als ein die Kinder Israel auf ihrem Zuge begleitender: so wenig auch einer der Steinfelsen seinen Platz verließ, so fanden sie doch überall, wo sie es bedurften, den Felsen wieder, der ihnen Wasser gab; denn der Fels selbst ist das Un- wesentliche, die wasserspendende Kraft ist die Hauptsache, und die kann jeden Felsen zu ihrem Dienst brauchein Diese Kraft aber ist Gottes, und zwar desselben Gottes, der nun in Christo Jesu offenbar ist, Gottes, der bei Gott war am Anfang, der Fleisch geworden ist und unser Erlöser; er heißt der sie begleitende Fels, weil Er es ist, durch dessen Wirkung verschiedene Felsen nach einander die gleiche Kraft bekamen, daß sie Wasser geben konnten. (Burger.) Es ist wahr, daß unser Heil nicht bei uns steht und daß es weit mehr auf Gottes Thaten und Führ-ringen, als auf unser Ver- halten ankommt, wenn wir selig werden sollen; die Seelsorger haben auch gerade bei den gewifsenhaftesten Gliedern der Gemeinden sehr häufig vor einer Ueber- schätzung des eigenen inneren Lebens, der eigenen geistlichen Erfahrungen und Zustände zu warnen- Manche Christen dringen mit einer Art von Gesetz- lichkeit auf inneres Leben und quälen sich und Andere, wenn sie die Stufe und Vollendung bei sich nicht finden können, die sie suchenx solche Wahrnehmungen dienen ihnen nicht blos zur Demüthigung und zum Kleinwerden, sondern zur Verzweiflung an ihrer Selig- keit. Da gilt es dann predigen, daß Gott größer ist als unser Herz, und daß wir in den Sacramenten theure Pfänder seiner Barmherzigkeit, Gnade und Langmuth und seiner endlichen Aushilfe zum ewigen Leben haben: man kann in solchen Fällen oft nicht genug auf die Allgenugsamkeit des Verdienstes Jesu Christi hinweisen, weil alle Augenblicke das Herz im Gefühl seiner Sündentiefen zur Verzweiflung über- springen will; was sollte man da thun, wenn man nicht auf die Sacramente und auf Gottes Verheißung hinweisen könnte? Und noch ein anderer Falll Woinit sollten sich denn die Seelsorger riicksichtlich ihrer meisten Pfarrkinder trösten? Der äußerlich erkennbare Zustand der meisten ist ja ein so armer und geringer, so wenig geistliche Frucht und Segen der Gnadenmittel erscheint an ihnen, daß man i rethalben, zumal im Falle des Todes, verzagen mii te, wenn man nicht in den Gnadeninitteln so kräftige Zeichen der unaussprech- lichen Liebe Gottes und solche Pfänder für die geheime innere Wirkung des heil. Geistes an den Seelen hätte, daß man sich an denselben aufrichten könnte: je länger man im Amte steht, desto mehr hofft man auf Gott und seine heil. Gnadenmittel, desto weniger hat man Luft, dem Menschen je nach seiner kenntlichenVollendung das Glück des ewigen Lebens zu- oder abzusprechen —- Gottes Gnadenwerke werden Einem um so größer und lieber, je weniger Zuversicht man aus dem Ver- halten des Menschen nehmen kann. Aber so wahr das ist und soviel sicherer man auf Gottes unaussprechliche Gnade und deren gewaltige Mittel, als auf die er- scheinende Stufe des inwendigen Lebens und der Hei- ligung vertrauen kann, so gewiß ist es doch, daß der Mensch selbst alle Ursache hat, sein inneres und äußeres Verhalten und den Gang seiner Heiligung zu prüfen und in Acht zu nehmen. Oder warum find denn trotz aller Gnaden und Wunder so viele tausend Jsraeliten in der Wüste niedergeschlagen und begraben, als weil ihr persönliches Verhalten Gott nicht gefiel? Und warum sind denn von den vielen tausend Jsraeliten in den Zeiten des neuen Testaments so gar wenige seli geworden? hat es ihnen an Gnade gefehlt? hat es sur sie keinen Ausgan aus der Höhe, keinen Schein der Sonne, die Jesus cghristus heißt, keine Predigt, keine Einladung zur Gottseligkeit gegeben? Gewiß wird das niemand sagen können; aber gewollt haben sie nicht, wie ihre Väter, so auch sie, und wie deshalb über sie Jesus Christus am Anfang seiner Todeswoche geweint hat, weil sie seiner gnädigen Lockung nicht folgen wollten, so findet auch jetzt noch jeder wahre 230 1. Corinther 10, 6——11· Freund Jsraels die selbstverschnldete Blindheit und Verhärtung des auserwählten Volkes beklagens- und beweinenswerih Wie aber Jsrael, so auch wir! Wir dürfen in der That alle die Fragen an uns stellen, ob nicht der dunkelrothe, blutige Strom, auf dem das Jsrael»der» neutestamentlichen Zeit zur ewigen Ver- dammn1ß bisher gefahren, auch das Fahrwasser ist, welches uns mit fortnimmt und in dasselbe ewige Elend befördert; es liegt soviel an unserm eigenen Verhalten, daß Keiner sich auf die himmlische Berufung nnd die Gnadenmittel verlassen kann und darf, der mit Willen auf der verkehrten Bahn beharrt. (Löhe.) Obwohl unsre guten christlichen Werke Gottes Wohl- gefallen nicht verdienen können, so können doch unsre bösen unchristlichen Werke Gottes Wohlgefallen von 1ins vertreiben und uns des Segens berauben, womit wir durch die Predigt des Evangelii und durch die Sacramente beschenkt sind. (Besser.) (Epistek am 9· Sonntag nach Criniiciiis.) Diese Epistel schließt sich folgerecht der vorher- henden vom 8. Sonnt. n. Trinit. an (Röm. s, 12 ff.); je leichter nämlich die dort hervorgehobene Kindschaft Gottes durch Mißdeutung zu einem sehr bedenklichen Sicherheitsgefühl verleiten konnte, desto nothwendiger schien es, zur Warnung auf das Volk Jsrael hinzu- weisen, das in dem stol en Bewußtsein, das aus- erwählte Volk Gottes zu sein, sich sicher wähnte und darum den göttlichen Strafgerichten verfiel. (Alt.) Der ungerechte Haushalter im Evangelio dieses 9. Sonntags n. Trinitatis (Luk. 16, 1ff.) handelte klüglich und ward wegen dieser Klugheit von seinem HErrn gelobt; er sorgte für sein Fortkommen und benutzte die kurze Frist, die ihm gegeben war. Von ihm sollen wir rechte Klugheit lernen, daß wir an unser ewiges Leben gedenken und die Gnadenzeit wohl benutzen: das hat Jsrael nicht gethan, es hat vielmehr die Gnade Gottes auf Muthwillen gezogen, und sollen wir nun an ihm uns« ein Exempel zur Warnung ent- nehmen. (Dieffenbach.) Jsraels Uebertretungen in der Wanderzeik sie sollen uns dienen 1) zum Spiegel unsrer Schuld, 2) zum Riegel unsrer Sünde. (Herold.) Der Fall Jsraels in der Wüste eine mächtigeWarnung für daspilgerndeChristen- volkx laß dich warnen I) vor Jsraels Abgötterei, L) vor Jsraels Fleischeslush 3) vor Jsraels Murren wider Gott! (Ahlfeld·) Unsrer Wallfahrt An- fechtung und Hilfe: 1) hab Acht! fünf Feinde dich bekriegen; 2) halt aus! ein Freund wird sie besiegen. (Seybold.) Zwei falsche Stellungen unsers Herzens in den Versuchungen, die uns tref- fen: 1) falsche Sicherheit, L) falsche Aengstlichkeit (Kübel.) Was soll uns vor fleischlicher Sicher- heit bewahren? 1) der Reichthum der göttlichen Gnade, 2) der Ernst der göttlichen Gerichte, 3) die Menge der uns umgebenden Versnchungen und 4) die Schwachheit unsers armen Herzens. (Ziethe.) Die Gefahren, welche auf dem Wege durch die Wüste dieses Leb ens nach dem gelobten Lande droben uns bedrohen: l) welches sind diese Ge- fahren nicht? und welche sind es in Wahrheit? Z) wie überwinden wir des Teufels, der Welt und unsers Fleisches Versuchungen? und wie bestehen wir Gottes Prüfungen? (Eig. Arb.) is. Das [was nach dem vorhin Gesagten Israel in Erfahrung von Gnade und Gericht an sich erlebt hat] ist» aber uns zum Vorbilde geschehen, daß wir sindem wir darauf merken, warum die Gnade bei ihnen schließlich zum Gericht hat müssen ausschlagen, und unsern Fuß davor bewahren, auf ihren Wegen ihnen nachzufolgens uns nicht gelüsten lassen des Bösen, gleich- wie jene [in so mannigfacher Weise] gelüstet hat«-I· 7. Werdet auch nicht sum hier auf spezielle Auswüchse ihres bösen Begehrens, die noch ganz besonders zu beachten sind, näher einzugehen] Abgöttisihe [durch Theilnahme an heidnischen Opfermahlzeiten und den darauf folgenden Lust- · barkeiten Kap. 8, 10], gleichwie jener etliche wurden, als [in 2. Mos. 32, S] geschrieben stehet: Das Volk setzte sich nieder, u essen und zu trinken, nnd stund auf, zu pielen 8. Auch laßt uns nicht Hurerei treiben, wie etliche unter jenen Hurerei trieben sbesonders die Simeoniter 4. Mos. 25, 1 ff.; 26, 14 Anm.; Hof· 9, 10], und fielen auf Einen Tag [in Folge der von Gott verhängten Plage 4. Mos. 25, 3 ff.] drei und zwanzig tausend« lwozu dann noch eintausend kamen, die den Streichen der Richter erlagen 4. Mos. 25, 4 f. 9]. . 9. Laßt uns aber auch Christum fnach anderer Lesart: den HErrn, vgl. jedoch V. 4] nicht versuchen [indem wir etwa uns unzu- frieden äußerten über unsre jetzige Lage als Christen, weil diese soviel Verzichtleistung auf früher, im Heidenthiim gehabte Sinnengenüsse in in sich schließt] wie etliche von jenen [in der Geschichte 4. Mos. 21, 4 ff.] ihn versuchten, und wurden von den Schlangen umgebracht. 10. Murret auch nicht sgegen die von dem HErrn euch verliehenen Lehrer und Führer, wenn ihre Zucht euch unbequem wird], gleichwie jener etliche swider Mose und AaronJ warteten, und wurden flaut der Geschichte: 4. Mos. 16, 21 ff. bei 14,700 Mann] umgebracht durch den Verderberwk sden Engel, dessen Gott zur Vollstreckung der Strafe sich bediente 2. Mos. 12, 23; 2. Sam. 24, 1(3; 2. Kökn 19, 35]. 11. Solches alles widerfuhr ihnen sden noch am Anfang der Heilsgeschichte stehenden Juden] zum Vorbildez es ist aber geschrieben uns ur Warnung, auf welche das Ende der elt kommen ist-i— fsvgl. die Bein. zu den ,,letzten Tagen« in Apostg. 2, 17]. V) Vorbild ist immer etwas Geschichtliches (eine Person, Begebenheit oder Einrichtung), das, auf einer niederen Stufe der Entwickelungsgestalt des Reiches Gottes stehend, die Bestimmung hat, cin eutsprechendes Zukünftiges auf einer höheren Stufe vorznbilden So waren die Vorgänge in der Geschichte Jsraels bestimmt, das entsprechende Verhältniß und Ergehen der Christen vorbildlich darzustellen; die Christen sollen aus dem Loos, das Jsrael traf, ersehen, was sie nach Empfang ähnlicher Wohlthaten durch ähnlichen Undank fiir Strafen zu erwarten hätten« Ja, die Wahrheit wird das Bild übertreffen, und Ehrysostomus bemerkt richtig, daß des Apostels Worte erkennen ließen, wie Alles, was an Israel geschehen, widerfuhr ihnen zum Vorbilde und uns zur Warnung. 231 bei den Christen die Strafe noch größer sein werde, als bei Jsrael; denn wie in Betreff der Gnaden dem Vorbild die Wahrheit folge, so werde es auch in Betress der Strafe sein. (Sommer.) Jn diesen Vorgängen (das Wort »das« schließt beides ein, sowohl Sachen, nämlich die Wassertaufe und die wunder- bare Speisung und Tränkung, als Personen, nämlich. die Vielen, die in der Wüste niedergeschlagen wurden) sollen nicht wir eine Lehre, eine Mahnung, eine War- nung finden, sondern der Apostel sagt, daß sie in einer ganz bestimmten propädeutischen, pädagogischen Absicht Gottes geschehen seien; und der Apostel giebt auch den Zweck, den Gott dabei im Auge hatte, als er alles gerade so geschehen ließ, mit den Worten an: »daß wir uns nicht gelüsten lassen des Bösen, gleichwie jene geliistet hat«. Der im Grundtext dafür gewählte Ansdruck, welcher nicht in einfachem Zeitwort, sondern in einer Umschreibung besteht: »daß wir nicht Begehrer schlechter Dinge seien«, läßt das Begehren als constante, bleibende Beschaffenheit hervortreten· (Nebe.) Man darf das nicht auf das Begehren der Jsraeliten nach Fleisch beschränken (4. Mos. 11, 4), vielmehr geht es überhaupt auf die bösen Gelüste, welche sie so oft und vielfach ans ihrem Zuge äußerten, jenes Begehren nicht ansgeschlossew Nach der all- gemeinen Warnung folgen dann in V. 7——10 vier besondere Warnungen vor Vergehungem zu welchen das Begehren des Bösen so leicht führen konnte. (Meyer.) Einem jeden von dem, was der Apostel da anführt, entspricht eine Ungehörigkeit bei den Eo- rinthern. (Theodoret.) VI) Das Gemeinsame der drei ersten Warnungen (V. 6, 7 u. 8) it dies, daß die erste vor einem Zurück- sehnen nach solchem, das der heidnischen Vergangenheit angehörte, die zweite vor einer Betheiligun an den mit heidnischem Götzendienst verbundenen enüssen, die dritte vor einer dem heidnischen Leben recht eigent- Iich angehörigeit Sünde (1. Thess 4, 5), alle drei also vor heidnischer Verleugnung des Christenstandes ver- warnen. Ob nun gleich, wie vorhin bemerkt, das ,,nicht gelüsten lassen des Bösen« in V. 6 nicht blos einen so einzelnen Fall meint, wie er in 4. Mos. 11, 4 vorliegt, so ist doch der Ausdruck augenscheinlich aus der sonderlichen Beziehung auf jenen Vorgang ent- flossen und will den Lesern etwas Sonderliches sagen: ein Begehren der Jsraeliten wie jenes, von welchem an jener Stelle erzählt ist, war ein Begehren nach solchem, was sie gehabt hatten, ehe sie Jehova aus Egypten erlöste; hierin nun sollten es ihnen die Christen nicht nachthun und nicht im Besitze des Heils, das sie in Christo erlangt, nach solchem Begierde tragen, was mit ihrem Eintritt in seine Gemeinschaft fiir sie aufgehört hatte, denn war es dnrch ihre Zu- gehörigkeit zu Christo für sie ausgeschlossen, so war es auch vom Uebel. Dies galt von allen Lustbarkeitem welche in der heidnischen Abkehr des Menschen von Gott wurzelten (1. Petri 4, 3), und es galt auch von dem geselligen Vergnügen, welches sich an den heid- nischen Opferdienst anschloß. (V. HofmannJ Das Fleisch, wonach die Jsraeliten gelüsteten, ist an sich nichts Sündliches, sondern ein Adiaphoron oder Ncitteb ding; da sie es aber mit Verschmähung der von Gott ihnen angewiesenen Nahrung im Eigenwillen begehrten, so wurde das Mittelding für sie zum Bösen, wie in andrer Hinsicht dies auch bei den Corinthern stattfand, insofern sie mit Verleugnung der Liebe zum HErrn und zu den Brüdern sich des Götzenopferfleiscljes ge- liisten ließen. An die sündig gesteigerte Sinnlichkeit reiht nun der Apostel ihre böseste Frucht, die Abgötterei, warnend an; der Uebergang von dem »daß wir uns nicht gelüsten lassen des Bösen« in die zweite Person: ,,werdet nicht Abgöttische«, die Beschränkung der Anwendung aus die Corinther selbst, ist hier ganz passend, denn es ist zunächst mittelbarer Götzem dienst durch die Theilnahmean Götzenopfermahlzeiten gemeint· Das ,,jener etliche« hat wohl Anstifter und Stimmführer, die, wie gewöhnlich bei frevelhaften Neuerungen, so auch hier vorauszusehen sind, vielleicht die Hartnäckigstem die als Opfer des strasenden Eifers der Leviten fielen (2. Mos. 32, 25 ff.), im Auge, nicht ohne Seitenblick auf die bedeutenden Vorgänger unter ihnen, den Corinthern. Die Parallele, die Paulus hier warnend zieht, ist um so treffender, als die Jsraeliten durch jenen symbolifchen Bilderdienst so wenig, als die corinthischen Christen beim Besuch der heidnischen Opfergastmahle, in wirklichen Ab ottsdienst zu fallen meinten. (Osiander.) Wenn der postel in den Worten des 8. Verses an den Vorgang in 4. M. 25 erinnert, so lag eine ähnliche Gefahr auch den Co- rinthern nahe, wo in den Götzentempeln der Artemis und Aphrodite die Hurerei zum Cultus mitgehörtr. (Sommer.) Die corinthische Gemeinde trug noch die deutlichsten Spuren der Schooßsünde ihrer Heimath an sich; wir sehen dies daraus, daß nach Kap. 5 in der Gemeinde die Sünde des Menschen, der mit seiner Stiefmutter blutschänderischen Umgang pflo , durchaus nicht energisch gerü t wurde, so daß der Zlpostel mit der ganzen Wucht seiner apostolischen Auetorität ein- greifen mußte, um die Gemeinde von diesem Schand- flecken zu reinigen. (Nebe.) IN) Von anderer Art als die- Warnungen in V. 6—8 sind die in V. 9 u. 10. Versuchen heißt, den Versnch mit Einem machen, entweder was man ihm thun kann, ohne daß er sündigt (sei es, damit er siindige, sei es, um ihn zu bewähren I. SJios. 22, 1 Anm.), oder was man ihm thun oder zumuthen kann, ohne daß er gütig zu sein aufhört oder zu zürnen und zu strafen anfängt (5. Mos.6,16 Anm.); Murren dagegen ist Aeußerung eines Mißmuths, zu dem man sich berechtigt glaubt, ohne es zu sein. Jnwiefern der Apostel vor beidem zu warnen Anlaß fand, ist aus den Hinweisungen auf gleichartige Versündigungen des auf dem Wege nach Canaan befindlichen Jsrael zu entnehmen. Daß die erstere den in 4. Mos. 21 be- richteten Vorgang meint, ist klar ans der Beschaffen- heit der in Erinnerung gebrachten Strafe dieser Ver- sündigung zu ersehen; ist es nun jenes Mal der Un- dank gegen den Erlöser aus Eg pten und seine wunder- bare Ernährung der in der üste Wandernden ge- wesen, welcher aus dem seine Wunderspeise gering achtenden Volke sprach und ihn herausforderte, seine gnädige Hand von ihm abzuziehen, so kann die Sünde, vor welcher der Apostel warnt, auch nur darin be- stehen, daß man die Gnade Christi gering achtet über der Entbehrung, welche sich gefallen lassen muß, wer aus der Welt erlöst ist und als ein Glied seiner Gemeinde der zukünftigen Seligkeit entgegengeht. Minder unzweideutig ist, an welchen Vorgang der Apostel mit den Worten: »und wurden umgebracht durch den Verderber« in V. 10 erinnert; doch muß damit ein Sterben gemeint sein, welches von dem durch eine sichtbare Ursache, wie dort durch die Schlangen bewirkten, ebenso verschieden ist, als von dem gemeinen Loose eines allmäligen Wegsterbens, wie es in Folge des in 4. Mos. 14 berichteten Murrens über Jsrael verhängt wurde, ein Sterben also, welches senchenartig und massenhast hinwegraffte gleich dem der männlichen Erstgeburt Egyptens, ein Sterben dieser Art aber wird in 4. Mos. 16 als Bestrafung des Murrens berichtet, mit welchen: sich das Volk nach dem schrecklichen Unter- 232 l. Corinther 10, 12—20. gang Koralys und seiner Genossenschaft gegen Mose und Aaron auflehiite Hiernach wird denn auch zu bemessen sein, vor welcher Versündigung der Apostel seine Leser init dem Zurufet «murret auch nicht« warnt; sie sollen die Zucht, welche Namens Christi in ihrer Mitte geübt wird, nicht für einen Grund des Unmuths ansehen und nicht darüber murren als über eine Un- gebiihr, welche der Gemeinde widerfahre· Jstdies die Meinung, so begreift sich auch, warum es dies Mal nicht: ,,lasset uns auch nicht murren« heißt; denn »in die Möglichkeit dieser Sünde schließt der Apostel sich begreiflicher Weise nicht ein, nachdem er auf die An- rede: ,,werdet auch nicht Abgöttische«, iii die er natur- gemäß V. 7 übergegangen war, als er die Form des Absichtssatzes: ,,daß wir uns nicht gelüsten lassen des Bösen« niit der eines selbstständigeii Jniperativsatzes vertauschte, die pluralischen Selbstermahnungen in V. 8 U. 9: ,,laßt uns nicht Hurerei treiben, laßt uns Christum nicht versuchen«, welche bewiesen, daß er sich von der Gefahr solchen Sündigens keineswegs ausschließe, doch wohl absichtlich hatte folgen lassen. (v. Hofmann.) T) Auf ähnliche Weise, wie der Apostel die warnende Beziehung der alttestanientlichen Vorgänge auf die Christen eingeleitet (V. 6), schließt er sie nun auch; er betrachtet da seine Zeit als die Zeit einer Krisis, als eine Zeit schwerer Prüfungen für die Gläubigem in welcher es gilt auf der Hut zu sein, mit ernster Ver- leugnung sich vorzubereiten, und legt es auch den Corinthern an’s Herz, daß sie doch nicht durch Sicher- heit sich der äußersten Gefahr aussetzen möchtein (Kling.) Um so mehr müssen wir diese Begebenheiten mit ihren Gerichten zu Herzen nehmen, als wir nicht mehr mitten in der Zeit leben, wonach wir Zeit und Gelegenheit hätten, das, was wir versäumt haben, noch nachzuholen und so dem drohenden, vorgebildeten Gottesgericht zu entgehen; wir haben, wenn wir diese Zeit, in der wir jetzt stehen, nicht wahrnehmen, keine Zeit mehr, das Heil unsrer Seelen zu schasfen, die Zeit ist vielmehr kurz, sehr knapp zugemessen (Kap. 7, 29), denn das Ende ist jetzt gekommen. (Nebe.) Aus den Geschichten des alten Testameuts, besonders auch aus manchen Vergehungen der Heiligen, sucht man oft Futter für das Fleisch; aber man sollte viel- mehr an Gottes Gericht und Ernst dabei denken. Statt den Leuten vorzuspiegelm als ob es ausgedient hätte, sollte man lieber merken, daß jetzt dessen Gebrauch erst heller und völliger ist als vormals. (Rieger.) 12. Darum swenn ich euch den Hauptpunkt der bisherigen Vorhaltungen zum Schluß noch in einer kurzen Verwarnung darlegen soll], wer sich läßt dünken, er stehe sbefinde sich bereits im Stande des rechten Christenwesens und habe nicht mehr Ursach, auf dem Wege der Anstrengung und Selbstverleugnung erst noch mühsam darnach zu ringen, wie ich das meinerseits thue Kap. g, 27], mag wohl zusehen, daß er nicht falle saus dem, was er allerdings schon erreicht hat, zurückfalle in’s alte heidnische Unwesen]. 13. Es hat euch sin eurem bisherigen Christenstande] noch keine, dem! menschliche Versuchung swie jeder Mensch sie erfährt und, wenn er nur ernstlich will, recht wohl sie über- winden kann 2. Sam. 7, 14; Hof. 11, 4] be- treten; aber [auch, was die Zukunft betrifft, wird euer Stand nicht zu schwierig sein. Denn] f Gott ist getreu, der euch nicht laßt ver- suchenuber euer Vermogem sondern« macht, daß die Versuchung so ein Ende gewinne, daß ihr es konnet ertragen sgenauen s on- dern niit der jedesmaligen Versuchung auch den Ausgang aus ihr, daß man nämlich un- überwuiiden oder unverletzt daraus hervorgehe Z· Petri 2, 9., schafft, damit ihr sie er- tragen könnet]. Mit Bedacht richtet der Apostel seine Mahnung an den, welcher zu stehen meint, weil solches Meinen, mit welchem man sich selbst anstatt Gottes getröstet, schon der Anfang verderblicher Sicherheit ist. So all· emein nun aber diese Mahnung: »wer sich lässet dün en, er stehe, mag wohl zusehen, daß er nicht falle« lautet, so hat sie doch vermöge der Veranlassung, welche den Apostel darauf geführt hat, ihr sonderliches Absehen auf die Gefahr, in welche sich die corinthischen Christen begaben, wenn sie an den gottesdienstlichen Mahl- zeiten ihrer heidnischen Verwandten oder Befreundeten Antheil nahmen; hieraus erklärt sich, daß er im un- mittelbaren Anschluß an diese Mahnung, ehe er in V. 14 ihnen zuruft: ,,fliehet von dem Götzendienst!« von Versuchung redet, gegen welche sie Stand halten sollen. Nichts machte ja den Bruch des zum Christen- thum bekehrten Heiden mit seiner Vergangenheit und seiner bisherigen Umgebung so offenkundig, als wenn er sich weigerte, den Einladungen zu jenen Mahlzeiten fernerhin Folge zu leisten; und eben um den hiervon zu befürchtenden Anfeindungen und Nachtheilen zu entgehen, redeten sich die corinthischen Christen ein, sie könnten ohne Gefährdung ihres Christenstaiides an ihnen Theil nehmen. Daher führt ihnen der Apostel zu Gemüthe, daß ihre Besorgniß, durch völligen Ab- bruch dieser Gemeinschaft mit ihren götzendienerischen Verwandten und Volksgenossen in allzuschwere Ver- suchung zum Abfall voni Christenthum zu gerathen, weder im Blicke auf ihre bisherigen Erfahrungen, noch im Hinblicke auf das, was sie noch betreffen könnte, gerechtfertigt erfcheine und sie also auch nicht bestimmen könne, sich in eine so unmittelbare Gefahr der Betheiligung am Götzendienste selbst zu begeben, wie sie mit der Theilnahme an jenen Mahlzeiten ver- buiiden war. (v. Hofmann.) Jn den beiden Versen warnt Paulus zuerst vor Trotz und falscher Sicherheit, sodann vor Verzagtheit und Verzweiflung, wie beides so eng stets verbunden ist (Jer.17, 9). Die Corinther hatten noch keine heißen Kämpfe, keine heftigen Ver- folgungen zu erdulden gehabt; der Apostel deutet ihnen aber an, daß dergleichen sol en könnten, und weiset sie dann auf den rechten Tro t,» der vor Verzweiflung sie bewahren konnte. Gott, der die Versuchung zuläßt, giebt mit ihr zugleich den gliicklichen Ausgang, wenn wir in derselben ganz und gar ihm vertrauen. (v. Gerlachh Die Hinweifung ans die Treue Gottes, seine sichstets gleich bleibende Liebe, bezieht sich auf die göttliche Berufung (Kap. 1, 9), welche als eine unzuverlässige erscheinen würde, wenn Gott Ver: suchungen über die Berufenen kommen ließe, die ihr Vermögen übersteigen. Wie nun mit den Worten: »der euch nicht lässet versuchen über euer Vermögen« das Maß der Versuchungen angedeutet ist, welches stets ein solches sei, daß es die von Gott verliehene Kraft nicht übersteigt, was zuglcich einschließt, daß er mit späteren schwereren Versuchungeii auch die Kräfte werde wachsen lassen; so niit den Worten: ,,sondern niachet, daß die Versuchung so ein Ende gewinne, daß ihr’s könnet ertragen«, die Dauer der Versuchungen, W» ssch läßt dieses» s» stehe» ones. weht-seichte« Deß «« escht selbst» Dsceccsksxteickzeiss,c-Niskssx»2ktk mit tvelchem Satze nach dem Wortlaut des Grund- textes gesagt ist, daß das Schasfen der Versuchung allemal mit dein Schaffeii des Ausgangs verbunden sei, daß Gott die Versuchung nicht schaffe ohne auch ihren Ausgang, sei es nun, daß man diesen im Sinne von Abschluß oder Ende nimmt (vgl. das ,,Ende des HErrn« in Jak. 5, 11) oder im Sinne von Ausweg oder Entkommem (Kling.) Gott ist hier als der-« jenige gedacht, welcher die Versuchung macht, d. i. die veriuchlicheii Verhältnisse und Lagen bewirkt (Matth. 6, 13), während vorhin als derjenige, welcher ver- sucht werden läßt; beides ist aber nach pauliiiischer Anschauun der göttlichen Wirksamkeit im Wesen der Sache gleich, der zulassende Gott ist auch der wirkende, daher beide Vorstellungen abwechseln können, ohne sich u widersprechen. (Meyer.) Vgl. Nöm. 1, 24 und die em. zu 2. Sam.24, 1. Die Versuchung, welche Gott gestattet, welche von seinem zulassenden Willen ab- hängig ist, ist somit auZ von ihm geordnet; Gott ordnet aber niemals die ersuchung für sich allein, er läßt den Menschen nicht verfucht werden um der Versuchung willen, so daß diese der Zweck und das Ende seiner Wege wäre, sondern sie ist nur ein Mittel, um zum Ziele aller Wege Gottes zu ge- langen. Es wird deshalb mit der jedesmaligen Ver- suchungauch der Ausgang von Gott gesetzt; am besten nimmt man dies Wort in dem Sinne des Her- Vorgehens ans etwas, des glücklichen Hindurchkommens — Gott verheißt uns nicht, daß die Versuchungem während wir im Fleische wallen, ei1i Mal ein Ende nehmen sollen, wohl aber dies, daß wir mit seiner Hilfe ohne Schaden an unsrer Seele durch alle Ver- suchungen hindurchkomnien sollen. Die Schlußworte sollen dann ohne Zweifel die Absicht Gottes anzeigen, warum er mit der Versuchung den Ausgang setztx thäte er dies nicht, so würden wir in der Versuchung den Muth verlieren, weil wir 11icht wüßten, daß alles u einem guten Ende führen soll, und so unbedingt sollen. (Nebe.) d. V. its— Ratt. it, l. Mit gewaltigem Ernst hat Paulus vorhin getrennt, mit herzlicher tltildigtieit hat er am Sihliisl des Abschnitte gelrösketz nun faslt er die Gewarnten nnd Getrösketeii aii niitzärtlicher Liebe, sie zum Fliehen des götzendleiierischen Wesens zu be« bewegen, und mit seelforgirlicher Weisheit sucht er sie non dem Jrrthcim ihres Uleges herumzuholeir Rach ihrer Meinung nämlich beslectiten sich mit Götzendiensk höchstens diejenigen Gäste bei Göhenopferniahlzeitein welche das Götzeiiopferfleifch fiir Götzenopfer often; die Andern, welche das rechte Wissen non der Nnhtigtieit der Götzen hätten, asten eben nichts als Fleisch, und darum sei die Sache aii und fiir sich frei und unoerfäiiglich Aber, so weist der Ilposlel setzt näher nach, niiht blos die Vorstellung, das! ein Götze etwas sei, mach! die Theilnahme am Götzenopferniahte zu götzeiidienerisciier Verfiindignng sondern dietjandi sung der Theilnahme felbsk bringt in götzeiii dienerische Genieiiischafh zwar nicht in Gemeinschaft init Götzen, die ja nichts sind, wohl aber in Ge- nieiiischaft niit dem Teufel, der das Nichts der Götzen mit seinem greulichen wesen erfüllt (V.14 —22). hieraus tiehrt Paulus zu dein in Rats. s, 8 ff. eingeuommeueit Standpunkt der Betrachtung sittlich, indem er die praktischen Regeln und Grund« fätze anfsiellh nach denen die Corinther iii einzelnen concreteii Fällen, inie die in Verhandlung stehende Sache sie an die Hand giebt, ihre christliche Freiheit behaupten und doch der rechten Selbskbefchiäntiuiig in dir Liebe sich unterwerfen sollen (V. 28—Rap.11,1). 14. Darum, meine Liebsten fweil ihr vor der Versuchung, die euch aus der Verweigerung der Theilnahme an götzendienerischen Mahlzetten erwachsen könnte, euch nicht zu fürchten brauch·t, als würde sie zu schwer für euch sein, vglsz die Bem. zu V. 12 f.], ftiebet von dem Gbtzeudienst fund begebet euch nicht durch die Theilnahme an dergleichen Mahlzeiteii vielmehr in die Ge- fahr, in das abgöttische Thun und Wesen selbst mit verflochten zu werden]. 15. Als mit den Klugen rede ich fwenn ich im Folgenden in Beziehung auf diese Theilnahme Gesichtspunkte geltend niache, die freilich nicht auf der Oberfläche liegen und daher sich leicht dem Bewußtsein entziehen]; richtet ihr, was ich sage« sob ich damit nicht Recht habe]. 16. Der gcsegnete Kelch [wörtlich: der Segnungs-Kelch], welchen wir segnen ssooft bei unsern christlichen Gottesdiensten das heil. Abendmahl gehalten wird], ist der nicht die Ge- meinschast des Blutes Christi? Das Brod, das wir [da, bei der Austheilung] brechen, ist das mcht die Gemeinschaft des Leibes Christi? 17. sEs kommt aber im heil. Abendmahl zu dieser einen Genieinschaft, von tvelcher eben die Rede war, noch eine zweite hinzu.] ·Denn·Ein Brod ists sdas allen Tischgenossen gereicht w1rd]; so sind wir viele Ein Leib sbilden eine ihre Viel- heit gliedlich zusammenschließende Einheit Röm 12, 5], dieweil wir alle sdie wir das Sacrament empfangen] Eines Brodes tbeilbaftig sind» sein jeder seinen Antheil an demselben dahin nehmen]. 18. Sehet an [uni euch noch bestimmter davon zu überzeugen, daß die Theilnahme an heidiiischen Götzenopfermahlzeiten euch tvirklich in Berührung bringt mit dem heidnischen Götzen- dienst] den Israel nach dem Fleisch: welche die Opfer sdie auf ihrem Altar dargebracht worden] essen, sind die nicht in der Gemeinschaft des Altare-«« sinsofern sie mit jenem ihrem Essen ihre gottes- dienstliche Zugehörigkeit gerade zu diesem Altar bethätigen] ? 19. Was soll ich denn nun sagen saus dem bisher Dargelegten für eine Folgerung ziehen]? Soll ich [im Widerspruch mit dem, was bereits in Kap. 8, 4 ff. für- das Richtige von mir aner- kannt worden ist] sagen, daß der Götze etwas sei? oder daß das Götzeuopfer etwas sei? Mein, das sage ich keineswegs, sondern es bleibt bei dem, was an der obigen Stelle als unser Wissen feststeht] » 20. Aber ich sage, daß die Heiden, was ste bittern, das opfern sie den Teufeln soder Dämonen], nnd nicht Gotte [5- Mvs 32, 27; Pf. 106,37; Baruch 4, 7]. Nun will ich trittst, daß ihr in der Teufel Gemeinschaft sein sollt fund verbiete 234 euch darum die Theilnahme an götzendienerischen Opsermahlzeitens 21. Ihr könnet nicht zugleich trinken des HEtrn Kelch sbeim heil. Abendmahl] und der Teufel Kelch sbei einer heidnischen Obermahlzeih so daß ihr ebensogut »zn dieser, wie zu jenem euch halten dürften; ihr konnet nicht zugleich theilhaftig sein des HErrn Ttfches [da er in dem gesegneten Brode seinen für euch gebrochenen Leib euch dar- reichtJ und der Teufel Tifchesf [wo ihr mit dein Götzenopfersleisch etwas nehmet, das euch in die Gemeinschaft der Götzenaltäre versetzt und in das unheimliche Wesen des heidnischen Götzendienstes verflicht]. 22. Oder wollen wir [damit, daß wir gleich- wohl versuchten, von beiderlei Kelch zu trinken und an beiderlei Tisch uns einzufinden] dem HEtrn troszen [als müsse er solches Thnn sich von uns gefallen lassen]? Sind wir [etwa] stärker, denn ersH sdaß wir seine Strafe dafür von uns abzuwenden vermöchten]? V) Die Corinther mochten behaupten, ihre Theil- nahme an den Opfermahlzeiten der Heiden (Kp. 8, 10) sei nur geselliger Natur, nur Theilnahme an den Mahlzeiten als solchen, und habe mit der Gottesdienst- lichkeit derselben nichts zu thun; da will ihnen der Apostel beweisen, daß diese Unterscheidnng der that- sächlichen Wirklichkeit gegenüber nicht Platz, greife, muß aber zu diesem Behufe auf eine tiefere und feinere Betrachtung der Sache eingehen, welcher sich die Leser, wenn sie nicht guten Willen hatten, leicht entziehen konnten, und schickt daher ein freundliches Wort voraus, welches sie geneigt machen soll, sich über ihre, dem oberslächlichen Verstande unanfechtbare Unterscheidung hinaussühren zu lassen. Sie sollen selbst urtheilen, ob er nicht Recht hat, indem er sich dessen zu ihnen versiehet, daß sie ihm Recht geben und sich damit so urtheilssähig erweisen werden, wie er voraussetzh daß sie es seien; und nun weist er im Folgenden auf das Mahl des HErrn sie hin, sie sollen sich besinnen, was es vermöge der gottesdienstlichen Natur desselben um die Theilnahme an ihm sei, nm darnach zu bemessen, ob die von ihnen geltend gemachte Unterscheidung eine thatsächliche Wahrheit habe. (v. Hofmannh « VI) Ossenbar bekämpft der Apostel in diesem Ab- schnitt eine vermeintlich freisinnige Ansicht, welche von dem Gedanken ausging, die Theilnahme an heidnischen Opfermahlzeiten sei nur für den besleckend, welcher sie als Opfer esse, so daß das Befleckende in keiner Weise in der Sache selbst, die er thue, sondern lediglich in der Anschauung liege, die er davon habe, wonach es also unversänglich sei, mit den Heiden an ihren Götzen- mahlen Theil zu nehmen, wenn man sich nur von der Vorstellung frei halte, als thueman damit etwas auf Götzendienst und Götzenopfer sich Beziehendes. Dieser Meinung, welche alle Betheiligung an der götzen- dienerischen Gemeinschaft von der Handlung selbst, durch welche diese Gemeinschaft statt hatte, lostrennt und blos in die Vorstellung des sich Betheiligenden verlegt, tritt der Apostel entgegen durch den Hinweis auf die Gemeinschaft, die durch das heil. Abendmahl bewirkt wird oder die auch in Israel schon statthatte bei Opseressenden, um zu zeigen, daß dem entsprechend allerdings auch schon das Essen von Götzenopscrn 1. Corinther 10, 21. 22. selbst in eine Gemeinschaft bringe, die dem Christen nicht gezieme, daß also nicht blos die Vorstellung, die man habe von der hier besprochenen Handlung, son- dern die Handlung selbst in Betracht zu ziehen sei, wenn es sich um die Frage handele, ob ein Christ aus dieselbe sich einlassen dürfe. (Burger.)« Den Kelch nennt Paulus zuerst, weil er vom Brode dann weiter reden und namentlich auch das israelitische Opferessen besprechen will, wie es seinem Thema vom Opferfleisch entsprachx daher erledigt er den Punkt vom Kelche in der Kürze vorweg. (Meyer.) Den Kelch nun nennt der Apostel den «gesegneteii« oder genauer den ,,Kelch der Segnung«; während es nätnlich heidnische Opfer- mahlzeiten sind, die ihn veranlas en, auf das Mahl des HErrn hinzuweisen, verglei t sich doch letzteres seiner Wesenheit nach nicht mit ihnen, sondern mit dem Passamahle der alttesta1nentlichen Gemeinde, bei welchem der dritte Becher Weins, der herumgereicht wurde, der Kelch der Segnung hieß (4. Mos. I, 5 Anm.); denn daß der Apostel bei seiner Benennung des Abendmahlskelchs diese Vezeichnung im Sinne hatte, läßt sich doch schwerlich in Zweifel ziehen. Da nun aber jener Passamahlskelch seinen Namen davon hatte, daß seine Darreichung mit einer Lobpreisung Gottes verbunden war, so sagt der Veisatz: ,,welchen wir segnen« etwas vom Abendmahlskelche aus, was über seine vom Passamahl hergenommene Bezeichnung als eines »gefegneten Kelchs« hinausgeht und ihn von jenem Passamahlskelche nnterscheidet, eben damit aber selbstverständlich auch jener Bezeichnung desselben einen andern, dem ,,welchen wir segnen« entsprechenden Sinn giebt. Ein Segnen findet bei dem einen wie bei dem andern statt; aber das eine Mal ist es ein Segnen der Lobpreisung, welches Gott, »und das andere Mal ein Segnen der Weihung, welches den Kelch selbst zum Gegenstande hat. Der Passamahlskelch begleitet nur eine von ihm unabhängige gottesdienstliche Handlung, der Abendmahlskelch dagegen ist bestimmt, eine an ihn gebundene Gnade darzugeben. Beim Brode bedurfte es keiner solchen Näherbestimmung; bei ihm verweilt dagegen die weitere Ausführung des Apostels in der Art, daß er erinnert, welche Folge die Einheit und Selbigkeit des Brodes fiir die Vielheit der Einzelnen hat, die von ihm bekommen. (v. Hofmann.) Das wir in den Sä en: »wir segnen, wir brechen« wird am besten auf ustheiler und Empfänger zugleich be- zogen; während nun beim Kelche die Segnung oder Weihung durch Gebet hervorgehoben wird, wird diese beim Vrode als selbstverständlich nicht weiter erwähnt, dagegen die Function des Brechens eingeführt, wie auch in Katz. 11, aus diesen Ritus bei Christo selbst Gewicht gelegt wird, ja der Ausdruck: »das Brod- brechen« war nach Apostg. Z, 42; 20, 7 die erste, stehende Bezeichnung des heil. Abendmahls. (Osiander.) Gemeinschaft mit dem HErrn nnd in dem HErrn, das ist im Allgemeinen die Grundidee des hl. Abend- niahlsx Er in uns und wir in Jhm, und wir demnach unter einander vereinigt, Glieder des Einen Leibes, der die Gesammtheit der in Gemeinschaft mit ihm Stehenden bildet. Diese Gemeinschaft ist aber nicht eine blos geistliche, vermöge des im Glauben aufge- nommenen Wortes des HErrn, wodurch sein Geist unserm Geiste Zeugnis; giebt, daß wir Gottes Kinder und Jesu erlöstes Eigenthum sind, in ihm gerecht, ans dem Bereich der Sünde und des Todes heraus- enommen und mit dem Rechte der Theilnahme an einem himmlischen Reiche begabt; sie ist nicht eine blos geistliche, also daß Jesus im Geiste Wohnung in uns macht durch den Glauben, sondern sie ist eine leiblich vermittelte und das leibliche Leben umsassendr. Die Theilnahme an heidnischen Götzenopfermahlzeiten ist schon an sich selbst verwerflich. 235 Es ist sein für uns geopfertes Versöhnungslebein sein für uns in den Tod gegebener Leib, sein für uns vergossenes Blut, dessen wir theilhastig werden ver- mittels des Brodes und Weines im Abendmahl· Dieses sein Leben in seiner Totalität wird uns mit- getheilt als ein unser Leben nährendes, stiirkendes, erfrischendes, als Speise und Trank für unser Leben in seiner Totalität, nämlich für unser neues Leben aus Gott, welches, iii Christo begonnen, in der Auferstehung auch leiblich sich vollendet (Joh. 6, 54z Röin. 8, 11). Wie aber geschieht solches? das ist die Frage, um die sich der Streit der Confessioiien bewegt. Fassen wir den paulinischen Ausdruck: ,,Geinei1ifchaft des Leibes, des Blutes Christi« iii’s Auge, so wird diesem keines- wegs Geniige gethan durch die überschivängliche Vor- stellung, daß in Kraft des priesterlichen Worts Wein und Brod anfhöre, da zu sein, also eitel Leib und Blut vorhanden sei; denn da kann man nicht mehr von Gemeinschaft reden. Aber auch das genügt nicht, wenn man blos eine symbolische Beziehung annimmt oder daß dem Glaubensbewußtsein durch Brod und Wein Leib nnd Blut Christi dargestellt, vergegenwärtigt und so eine Geineinfchaft des gläiibigen Subjekts mit demselben vermittelt werde, sei es nun in d er Weise, daß dasselbe an dem geopserten Leib und vergossenen Bliit Theil nehme, insofern es der dadurch begründeten Vergebung der Sünden versichert werde (Zwingli), oder daß eine geheimnißvolle Einignng mit dem in den Himmel erhöheten Leben Christi erfolge (Calvin). Das apostolische Wort: »das Brod, der Wein ist eine Gemeinschaft des Leibes, des Blutes Christi« sagt doch wohl mehr; ist Brod iiiid Wein Mittel der Gemein- schaft des Leibes nnd Blutes Christi, so liegt die Voraussetzung nahe, daß es selbst daran partizipire, wie ja in der Stelle Joh. 11, 25 Christus sich selbst die Auferstehung und das Leben nennt, d. h. den- jenigen, durch welchen das Leben wieder hergestellt und mitgetheilt wird, insofern er in seiner Person das Leben ist und das wieder hergestellte Menschheitslebem Dies führt also auf die (lutherische) geheimnißvolle, durch die Kraft des Geistes Christi in seinem Wort vermittelte Einigung der Elemente mit Christi Leib und Blut, mit seinem nicht nur gewesenen, sondern gegenwärtigen Versöhnungslebem Man sagt nun freilich: wie paßt dies zur Einsetzung des Abendmahls? Da konnte diese Vereinigung doch noch 1iicht statt- finden; und sollte hierin ein Unterschied sein zwischen der ersten Abendmahlsseier und allen folgenden? Allerdings, müssen wir sagen und mit Oetin er an- nehmen, daß auch hier, wie bei der Taufe, eine tusen- folge stattfiiide: ,,bevor Christus gestorben und wieder lebendig gemacht worden war, empsingeii die Jünger das Fleisch und Blut Christi niehr efficienter (der Wirkung) als siibstantialiter (der Substanz nach), nach der Himmclfahrt aber« siibstantialiter lind eflicienter.« Durch diese Vereinigung aber wird Brod und Wein eine geistliche Speise und Trank, d. h. eine Nahrung des neuen geistlicheu Lebens, welche freilich bei Un- einpfäiiglichkeit des Genießenden nicht nährend, soii- dern richtend wirkt, wie das Evangelium dem Einen ein Lebensgeruch zuniLeben, dem Andern einTodesgeruch zum Tode wird. (Kling.) Niemand soll die Mittelung oder Verwirklichung der im heil. Abendmahl statt- findenden Gemeinschaft des Leibes und Blutes Christi aus der Handlung des niiiiidlicheii Essens und Trinkens weg in etwas verlegen, was neben dem niiiiidlichen Essen und Trinken geschähe; den1i nur dann dient der Hinweis auf das Mahl des HErrn dazu, wozu er hier dienen soll (nämlicl) zu beweisen, daß nicht die Vorstellung, die jemand vom Götzeiiopser habe, sondern der Genuß des Götzenopfers selber befleckend sei), wenn in diesem Mahle die Gemeinschaft des Leibes und Blutes des HErrn auf solche Weise sich vollzieht, daß ihr Bollzug ebensoweit reicht, wie die Speiidung und der Empfang von Brod und Wein. Die Jrrthuni abwehrenden lutherischen Verhältniß- wörter: unter, in und mit haben an dem Text: spruche festen Halt. Nicht über den Elementen fchwebt das himmlische Gut, so daß jemand die Elemente ge- nießen könnte, ohne des himmlischen Gutes theilhast zu werden, sondern unter Brod und Wein wird Christi Leib und Blut gegessen und getrunken; nicht nebeii den Elementen wird das hininilische Gut ge- spendet, so daß ein zweitheiliger Empfang stattfände, r eine leiblich, der andere geiftlich, sondern in Brod und Wein wird Christi Leib und Blut gespendet und empfangen; endlich nicht ohne Brod und Wein oder blos bei fcheinbarem Brod und Wein vollzieht sich die Gemeinschaft des Leibes und Blutes Christi, sondern mit wirklichem (unverwandeltein) Brod und Wein. Dem Zielpunkte des Textes gemäß, den Tisch des HErrn als heilige Parallele dem unsauberen Tisch» der Teufel gegenüber zu stellen, fügt dann der Apostel zu der Genieinschaft des Leibes und Blutes Christi, welcheim Abendmahl ihreii Bestand hat fiir alle Essenden und Trinkenden, die Vereinigung, welche das Abendmahl zwischen seinen Gästen bewirkt: wiehier das Eine Brod alle Tifchgäste des HErrn zu Einem Leibe verbindet, so treten die Gäste im Götzenhause und am Götzentische durch den Genuß von einerlei Speise in eine Genossenschaft, »die das Widerspiel der Abendmahlsgenossenschaft ist. (Besser.) Die Abend- inahlsgenossen bilden eine Abendmahlsgemeinde, ohne daß es von dem Einzelnen abhängt, ob er eiii Glied der- selben sein will oder nicht; das Brod, welches er ißt, macht ihn dazu, indem nicht blos ein jeder Brod isset, sondern alle zumal das Eine Brod theilen, wel- ches dasselbe für alle, sonach jedem, er mag wollen oder nicht, dasjenige Brod ist, dessen Brechen und Aiistheilen des Leibes Christi mittheilhaft niacht. Ebenso nun verbindet die götzendienstliche Natur der Götzenopsermahlzeiten alle Theilnehmer zu einer Ein- heit, ohne daß der Einzelne sagen kann, er halte nur eine Mahlzeit und nicht diese götzendienerische (v. Hofmann.) sitt) Gegen den Vergleich des heil. Abendmahls mit den heidnischen Opfermahlzeiten hätte jemand ein- wenden können, daß doch das Abendmahl kein Opfer- mahl sei; denn zwar ist Christus auf dem Altar des Kreuzes geopfert iind der am Kreuz gebrochene Leib, das am Kreuz vergossene Blut, nun iu Lebensherrlich- keit verklärt, ist die Abendniahlsspeise und der Abend- mahlstranh doch nicht die Abendmahlsgemeinde opfert Christum iind empfängt den geopferten Leib und das geopferte Blut zum Genusse wieder, sondern Christus hat sich selbst einmal geopfert. Auch bringt die Ge- ineinde nicht Brod und Wein zuni Opfer, sondern nur zum Essen und Trinken bringt sie beides, damit der HErr unter solchem Essen und Trinken seinen Leib und sein Blut spende, getreu seinem Worte. Deshalb nun, weil das Abendmahl wohl ein gottesdienstliches Mahl, aber nicht im eigentlichen Sinne ein Opfermahl ist, weist der Apostel auch noch auf die jüdischen Opferniahlzeiten hin, uin den beabsichtigten Vergleich vollständig zu machen. (Besser.) Er bringt sie den ans den Juden Gewonnenen zu lebhafter Erinnerung und Anschaiiung, indem er schreibt: ,,Sehet an den Israel nach deni Fleischltt (Osiander.) Der Zusatz: ,,nach deni Fleisch« bezeichnet Jsrael als das geschicht- liche, als das durch fleischliche Abstammung zu einer 236 1. Corinther Nation verbundene; denn Paulus kennt noch ein anderes Jsrael, zu dem die Heidenchristen auch gehören, den Jsrael Gottes (Gal. G, 16), aber er will hier auf die Opferbräuche des ersten Jsrael hinweisen, um von da auf die Aehnlichkeit, die bei heidnischen Opfern statt- findet, überzugehen. Opfer und Altar gehören, wie diese Aehnlichkeit ergiebt, zusammen; auch was vom Opfer gegessen wird, weist auf den« Altar hin, eben weil es Opfer ist, von dem ein Theil auf dem Altar dargebracht ward. Darum stehen auch, die vom Opfer essen, kraft dieses Essens in Beziehung zum Altar; und hängt dies nicht von ihrer Vorstellung ab, in der sie es thun, sondern wer an der gottesdienstlichen Feier des Opferessens sich betheiligt, betheiligt sich eben damit am Opfer selbst und an dem Altar, durch den es, in- dem es auf demselben dargebracht worden, zum Opfer geworden ist. (Burger.) f) Um die Besorgniß der Leser, die da sehen, wo- hin die Beweisführung des Apostels zielen sollte, zu beseitigen, als theile er die Vorstellung der Schwachen von der Realität der Götzen und der dem Fleisch der Götzenopfer inhärirenden Kraft (Kap. 8, 7 ff.), erklärt er, daß er ferne von solcher Vorstellung sei, und deutet damit, wie schon früher an, es gebe keine Götzen und an den Götzenopfern hafte keine solche Kraft; aber deshalb sei doch der heidnische Dienst keineswegs ohne Macht, und sie irrten sehr, wenn sie ihn für unbedingt machtlos hielten. Die Phantasiegestalten der Götter existiren freilich nicht, aber dem Heidenthum liegt nichts desto weniger eine Macht zu Grunde, vor deren Einfluß man sich hüten muß; daher die Warnung, an den Mahlen im Tempel Theil zu nehmen, obgleich der Genuß von Opferfleisch in Privatkreisen, wie hernach (V. 25 ff.) weiter folgt, unbedenklich und un- versänglich ist. Der Apostel giebt nun auch über die Natur der die Heidenwelt beherrschenden Macht näheren Aufschluß, wenn er erklärt, die Opfer der Heiden gälten den Dämonen, man käme daher durch jene in eine Gemeinschaft mit diesen. (Olshausen.) Der opfernde Heide kennt freilich nur die Götzen, und auf sie ist sein Sinn gerichtet, wenn er opfert; aber er vollbringt damit eine Handlung, welche an sich selbst und in Wirklichkeit, anstatt ein Gottesdienst u sein, was sie von Rechtswegen sein sollte, im Dienste solcher Geistwesen geschiehet, die, von ihm ungekannt, ungöttlicher und widergöttlicher Weise in dem Leben des Völkerthums ihr Walten haben. Jst es nun nicht möglich, an den Götzenopsermahlzeiten in der Art Theil zu nehmen, als ob es nur ein Essen und Trinken wäre, ist Betheiligung an ihnen ohne Betheiligung an ihrer Gottesdienstlichkeit unmöglich (vgl. V. 15—18), so brin t sie auch in Gemeinschaft der widergöttli en Geistwesen, in deren Dienst wirklich und wahrha tig solcher Gottesdienst geschiehtx daher fährt der Apostel fort: ,,ich will nicht, aß ihr in der Teufel Gemeinschaft sein sollt«, welchem Satze sich die beiden Verneinungs- sätze des 21. Verses nebenordnen. Dort ist benannt, was der Apostel verhüten will, wenn er von der Theil- nähme an den Götzenopfermahlzeiten abmahntz hier dagegen schreitet er dazu fort, die Unverträglichkeit derselben mit dem Christenstande in der Art geltend zu machen, daß er den ausschließenden Widerspruch, welcher zwischen dem heil. Mahle der-Christen und heidnischem Opfermahle besteht, auf seinen stärksten Ausdruck bringt. (v. Hofmann.) Unsere Stelle ist ungemein wichtig für die richtige biblifche Benrtheilung des Heidenthums Wären die einzelnen falschen Götter der Heiden, wie die meisten Kirchenväter an- nahmen, böse Geister gewesen, dann würde jede heid- nische Religion nichts als ein Gewebe von Bosheit 10, gis-so. nnd Lüge gewesen sein; so aber ist zwar jede salsche Religion nach der heil. Schrift unter teuslischem Ein- slusse entstanden, indeni sie von dem wahren Gott ab- führt, dennoch aber bricht in denselben das Verlangen nach Gott hie und da hervor und erinnert an die Gemeinschaft mit ihm, die der Mei1sch verloren hat. Wären ferner die einzelnen bösen Geister fähig, sich den Menschen als einzelne bestimmte Wesen zu offen- baren und einen Dienst aus Erden für sich zu gründen, so würde ihnen damit eine Macht zugeschrieben, von der sonst nichts Aehnliches in der heil. Schrift sich findet, da nicht einmal eine leibliche Erscheinung des Satans irgendwo erwähnt wird. Nichts destoweniger steht aber das ganze Heidenthuny insbesondere aber die heidnische Gottesverehrung unter dem unmittel- baren Einfluß des Reiches der Finsterniß Alle heid- nischen Religionen sind nicht etwa aus einem all- mäligen Suchen des menschlichen Herzens nach dem wahren Gott, sondern aus einem Abfall von ihm durch teuflische Verführung hervorgegangen; dadurch also werden sie ein ganz eigentlicher Teufelsdienst (v. Ger- lach.) Wenn in der Schrift überhaupt dem Teufel ein starker Einfluß aus die Menschheit zugeschrieben und die Welt, die ungöttliche Masse als unter seiner Gewalt vorgestellt wird und Er ihr Fürst ist, so läßt sich bei einer so ungeheuren Erscheinung menschlicher Verkehrtheit und menschlichen Verfalles, wie das Heidenthum ist, die Beziehung auf das Reich der Finsterniß nicht verkennen, da der Teufel der Feind und Nebenbnhler Gottes ist (Matth. 4, 9); ja, es fragt sich, obes das Heidenthum, obwohl in das sinnliche und natiirliche Element verkehrt und versunken, ohne eine iibersinnliche in ihm wirkende Macht zu einer solchen Herrschaft in der Menschheit hätte bringen und so tiefe Wurzeln in ihr schlagen können. Als Teufels- dienst aber tritt der Götzendienst entweder direkt auf, wie in der Verehrung böser Gottheiten, Geister 2c., wie er in so viele dualistische Religionen eingedrungen und in Afrika fast der einzig herrschende ist, oder indirekt, insofern der Teufel durch den Götzendienst Gott die Ehre, die ihm allein gebührt, raubt und sie so sich, dem Verführer zu diesem falschen Dienste, an- maßt (Offenb. 9, 20); immerhin kann man also sagen, wenngleich nicht in der Absicht vieler Heiden, nanient- lich der Hellenen, doch in der Wirkung, sei der Götzendienst ein Teufelsdienst gewesen. Uebrigens setzt Paulus in diesem Abschnitt nicht den Namen des Einen Fürsten der Finsterniß, des Teufels, sondern der bösen Geister, der Teufel, um die ausgebreitet wirkende Macht des Reichs der Finsternis; in dem vielverzweigten Götzendienst anzudeuten. (Osiander.) Wahrscheinlich wählte der Apostel, um die Theilnahme am Götzendienst als abschenlich darznstellen, absichtlich einen Ausdruck (Dämonen), der zwar bei den Heiden ihre Götter (vgl. Apost. 17, 18 im Grundtext), aber zugleich bei den Juden die bösen Geister bezeichnete. (Bengel.) Der Genuß des heil. Abendmahls verpflichtet, weil es die innigste Verbindung mit Christo ist, zur strengsten Absonderung Von allem Unheiligem darum kann der Christ nach dem Genuß des Abendmahls eines gewissen bangen Ernstes sich nichterwehren. (Heubner.) Der HErr ist ein eifersiichti er Bräutigam seiner Abendmahls-Brantgemeinde (·2. or. U, 2), und ihm zu trotzen oder, wie der Grundtext eigentlich lautet, ihn zum Eifer zu reizen (5. Mos. 3·2, 21), ist der Sünde der Kinder Israel gleich, die Christum versuchten (V. 9). Scharf in die corinthische Stark- geisterei trifft die Frage: ,,sind wir stärker als Er? wagen wir, es auszunehmen mit dem Zorn seines Eifers?« Und doch geht Paulus gerade bei diesen Verhalten in Beziehung auf Gbtzenopferfleisch beim außergottesdienstlichen Gebranch. 237 scharsen Worten aus der Anrede in V. 2l: ,,ihr könnet nicht 2c.« in die Gemeinfchaftsrede: »wir« über (vgl. Kap. 11, zl); er schließt sich mit seinen Brüdern zusammen, damit sie einmüthig mit ihm ant- worten: ,,nimmermehr! Wir können nicht zngleich in der Teufel Gemeinschaft und in des HErrn Gemein- schastsein: heilig, heilig, heilig ist der HErr Zebaoth!« e r. 23. Jch hab sum vor den weiteren Erörterungen in Betress des Götzenopferfleisches den von euch zu Gunsten eines sreien Genusses desselben zur Geltung gebrachten Grundsatz, indem ich nach der einen Seite hin ihn allerdings als richtig aner- kenne, doch nach der andern Seite hin in ge- bührender Weise zu beschränkens es zwar alles Macht, aber es frommt nicht alles swas ich nun vermöge solcher Machtvollkommenheit vornehme]; ich hab sum den Satz durch nochmalige Wieder- holung als an und für sich unanfechtbar hinzu- stellen] es alles Macht, aber es bessert nicht alles sdienet nicht alles zur Förderung und Auser- bauung des Nächsten, manches steht vielmehr im Dienste des Gegentheils Kap. 8, 9 sf.]. 24. Niemand suche, was seinistz sondern ein jeglicher, was des Andern ist sso gebietet die christ- liche Liebe Röm. 15, 2; und allein eine mit Beobachtung dieses Gebots in Anwendung gebrachte christliche Freiheit, die gern auf ihre Rechte ver- zichtet, wenn es gilt, das Heil des Andern zu fördern, mag rechtfertig bestehen vor Gott]. Von der Theilnahme an eigentlichen Opfermahl- zeiten ist jetzt nicht mehr die Rede; diese ist in V. 14 —-22 besprochen und das Nöthige gesagt, von nun an dagegen handelt es sich nur noch um den Genuß von Opserfleisch, der außerhalb eigentlich götzen- dienerischer Feier vorkommen kann, also uni eine Frage, die wirklich in das Gebiet der christlichen Freiheit fällt, und da nimmt der Apostel zunächst seinen Satz in Kaki. 6, 12 wieder auf. (Burger.) Den Grundsatz der Freiheit spricht er aus, wie dort, in lebhafter Verdoppelung; ebenso sind es zwei Grundsätze der Beschränkung, die er entgegenhält, und zwar ist der erste der nämliche, wie an jener Stelle, während der andere nicht mit dem dortigen zweiten stimmt, sondern init deni dortigen und hiesigen ersten parallel gehet. (Ofiander.) Die Leser sollen bedenken, daß nicht alles an sich Erlaubte auch zuträglich ist, und sollen nicht sowohl daraus sehen, was ihnen erlaubt ist, sondern auf das, was dem Nächsten zur Förderung dient; mit diesem zweiten Satze kehrt der Apostel zu dem zurück, was er in Kap. 8, l sagte: »die Liebe bessert«. (v. Hofmanns Wenn nun schon V. 23 den Grundsatz andeutet, daß es in Adiaphoris (Mitteldingen) nicht blos aus die individuelle Freiheit, sondern auch auf die Berücksichtigung der Brüder ankomme, so tritt in V. 24 noch der Gedanke hinzu, daß das Adiaphoron sogar zur Sünde wird, wenn der Gebrauch der indi- vidnellen Freiheit in Beziehung auf dasselbe dem Nächsten zum Nachtheile gereicht. (Neander.) Es könnte als Uebertreibung erscheinen, wenn der Apostel sagt: ,,uiemand suche, was sein·ist, sondern ein jeg- licher, was des Andern ist«; allein es ist dieser Grund- satz gewiß ganz in vollster Ausdehnung zu fassen, und wir müssen sagen, würde er allgemein ausgeführt, so würde für jeden besser gesorgt sein, als wenn er für sich allein sorgt, denn der reine Liebe Uebende kann allerdings zwar im Jrdischen in Verlust kommen, aber ini Ewigen wird er auch schon in dieser Welt ge- winnen. (Olshausen.) 25. Alles, was feil ist aus dem Fleischmarkh das esset, nnd forschet nichts [in Beziehung auf keins der da zum Verkauf ausgelegten Stücke, ob es Opserfleisch sei oder nicht], ans daß ihr des Gewissens verschvnet [mit unbeschwertem Gewissen Röm. 13, 5 essen könnet, was nicht der Fall sein würde, wenn ihr von dem Gekauften in Erfahrung gebracht hättet, es sei eben Opferfleischs 26. Denn die Erde ist des HErrn, und was drinnen ist«- sheißt es in Pf. 24, 1 u. so, 12; also gehöret ihm auch das Fleisch an, das ihr kauset und esset, und daran kann an sich der götzendienerische Gebrauch, den Heiden davon ge- macht haben, nichts ändern]. 27. So aber sum dem eben erwähnten Fall noch einen zweiten, damit nahe verwandten hinzu- zufügen] jemand von den Unglciubigen szur Mahl- zeit in seinem Privathauses ench ladet, nnd ihr wollt hingeben swas ich euch nicht verbiete, obwohl es besser wäre, ihr nähmet solche Einladnugen gar nicht erst an]; so esset alles, was euch vor- getragen wird, nnd sorskhet nichts [in Beziehung auf keins der Fleischgerichte, ob Opferfleisch dazu verwendet sei oder nichts, ans daß ihr des Ge- wissens verschvneHt sdenn allerdings würdet ihr nicht unbefangen essen können, wenn ihr hören würdet, ihr hättet Götzenopferfleisch Vor euch]. 28. Wo aber jemand würde zu euch sagen: Das ist Götzenopserz so esset nicht, um des; willen, der es anzeigete, auf daß ihr des Gewissens ver- schonei. (Die Erde ist des HErrn, und was drinnen ist sdiese Wiederholung des 26. Verses gehört nicht in den Text, sondern ist blos durch Abschreiber hineingebracht].) 29. Jch sage aber swenn ich hier abermals, wie in V. 25 u. 27., von Verschonung des Ge- wissens rede] vom Gewisseth nicht swie es dort der Fall war] dein selbst sder du in solche Lage kommst, daß jemand zu dir saget: »das ist Götzen- opfer«], sondern des Andern sder es dir anzeigete; im Gegentheil, da das eigene Gewissen dir recht wohl das Essen von solchem Fleisch gestatten würde, so würde die Rücksicht aus dasselbe dich auch treiben müssen, wirklich zu essen]. Denn warum sollte ich meine Freiheit lassen urtheilen von eines Andern Gewissen sdaß ich unter dieses sie gefangen gäbe und mir nichts erlaubete, was der Andere nicht ebenfalls für erlaubt hält]? 30. [Der Andere hat auch gar kein Recht, 1iach dem Maßstabe seines Gewissens in der Weise meine Freiheit zu urtheilen, wie er es thut-J Denn so iciys swas ich esse] mit Danisagnng ge- nieße, was sollte ich denn [als ein Verbrecher an 238 der christlichen Religion, als ein »zum Götzendienst Abgefallener] verliistert werden 1iber des, hhfiir ich danke?"«· [Also nicht um des eignen ewi ens ivillen, als müßte sich dieses nach dem des Andern gestalten, Unterlaß das Essen, wohl aber um das Gewissen eines Schwachen zu schonen Kap. 8, 13.s V) Eine ·Erkundigung, ob das Feilgebotene nicht etwa von einem Opfer herstamme, konnte, will Pau- lus sagen, euch das Gewissen beschweren; denn brachtet ihr so in Ek;fclihrn;ig, das es» gchd tiåirålsisch s; giit dem l" vr te,owüreie a en aonu1i- oderadoch verfänglich machen, es würde den Zweifel merken, ob ihr auchrecht daran thuet, wenn ihr esset, während doch an sich das auf den Fleisch- malrkt ggbrtachted Fleifgh die Bdezienitig zum Ohpfetr ver oren a un wie er in ie a egorie ge or , davon es heißt: »die Erde ist des HErrn, und was drinnen is«. Die Götzem oder vielmehr die beim giötzendigistttbgtheiliggjeenchDähioneIiHhas-den »Ein; reatur o e eine a , owei ie e e ni eigen ihreni Einfluß unterstellt wird-» (B·iirger.)v Die schwächeren Christen furchteten die Möglichkeit, auf deni Fleifchmarkte Opferfleifch zu kaufen, weil sie noch nicht zu der Ansicht sich erhoben hatten, daß das·auf den Markt gekommene Fleisch der» Opferthiere seines Opferwesens entaußert und gewohnliches Fleisch ge- worden·war Gan. is, 7); sie mochten daher oft genug beim Einkauf angstliche Erkuudigung, obs OpferfleIsiIJ sei oder nicht, vornehmen. Igie Starbkens ltblsatehi kgas ’·d b"ll"t ls ·t oes IBLBHkk2ZZD-L»IA(YYFFHLH) «« schm e « « VII) Auch bei den besten Mahlzeiten, von denen wir Kunde aus dem Alterthum haben, kam Vieles vor, was den Christen tief empören mußte und in Gefahr setzen konnte, durch die Theilnahme darandkje Treue gegen seinen HErrn zu verleugnen« daher gie t der Apostel den Corinthern zu bedenken: ob sie sich zu entschließen vermöchten, ein» heidnisches Gastmahl zu befuchen, verbietet es ihnen jedoch nicht schlechthin. (v. Gerlach.) Da das Christenthuni die Bande des Familienlebens und des geselligen Verkehrs nicht lösen, sondern heiligen tvollte, so» läßt Paulus hier eine gewisse Freiheit, die auch, tvurdig gebraucht, unterge- wissen Umständen zur Jlnnaherung der ·Unglaubigen an das Christeiithum fuhren konnte. (Osiander.) Jii- deni man eine Sache jedem zu eigenem Nachdenken überläßt, ob und warum er wolle, erweckt man oft Fehl? frUKTtbares) Nachdenken als durch eigentliches t. ie« er. er-I«’gk) Von 28 an fetzt der Apostel einen »beson- deren Fall, in welchem« die götzendienstliche Beziehung einer Sheise kbeigi Madhl ZemdgeFdenenlC ristend ohne sein Zutun un wir « ier ur nämi wir eine besondere Beschränkung der Gestattung in V. 27 : ,,»esset alles, was euch vorgetragen wird« herbeigefuhrt. Unter dem ,,je»mand« ist ein Diener des Hauses oder ein Mitgash nicht aber der Gastgeber zu verstehen; es fragt sich 1edoch, ob der Anzeiger als Heide oder als Christ zu denke1i sei, und da entscheiden die Worte: »so esset nicht um deß willen, der es anzeigete, auf daß ihr des Gewissens verschonet« für das letztere, weil das Gewissen eines Heiden nicht fiiglich davon affizirt werden konnte, wenn ein Christ vom Götzen- opfer aß, so daß wir» also bei dem Jemand« einen schwachen Bruder, sei es ·einen Judenchristen oder einen ängstlicheren Heidenchristeii uns vorzustellen haben. Der Fall, daß auch ein strenger denkender Christ an einein Mahle bei Heiden Theil nahm, konnte recht 1. Corinther 10, 31—33. 11, 1—3· wohl vorkommen; es konnten bei ihm Collisionen seiner Grundsätze und seiner Verhältnisse vorliegen, bei denen er für letztere sich entschied, zumal wenn er strenge Vorsicht gegen alle Befleckung mit Ab- göttischen dabei sich zur Pflicht machte, und ein Ausfluß dieser seiner Gewissenhaftigkeit wäre nun das, daß er seinen Mitchristen aufmerksam auf das macht, was er (wohl durch ein Forschen, wie Paulus in V. 27 es iiicht haben will, wie er aber selber es für seine Pflicht erachtete) in Erfahrung gebracht hat: »das ist Götzeii- opfer«. Hier stehen denn das Gewissen des schwachen Bruders, der die Anzeige geinacht, und das Gewissen des Stärkeren, zu deni der Apostel redet und der die Anzeige enipfangen hat, sich einander gegenüber, und da niuß es bei deni letzteren zu einer Ausgleichung zwischen dem Grundsatz der Freiheit und deni Grund- satz der Liebe (V. 23 f.) kommen. Die Sache liegt nun so: das eigene Gewissen des seiner Freiheit sich bewußten Christen kann durch das Essen nicht mehr , verletzt werden; er sieht in deni bei Tische aufgetragenen Fleisch keiii Opferfleifch mehr, weil es sich hier nicht um ein Opfermahl handelt, er würde also, wenii er sein Gewissen fragt, ganz unbedenklich essen. Wohl aber steht dem eigenen Gewissen das des Andern gegenüber, der mit seiiien Gedanken noch ininier von dem Fleisch als Opferfleisch, das es vorhin gewesen, 1iicht loskom1nen kann und den Genuß desselben auch in einem Privathause als eiiie Vetheiligung am Götzenopferinahl ansiehet: diesem schwachen und irrenden Gewissen nun soll der Starke sein erleuchtetes Gewissen allerdings nicht zuni Opfer bringen, daß er es darunter gefangen gäbe und von gleichen Skrupeln sich ein- nehmen ließe, wie ja Manche ihr Christenthiini in förmlicheni Jagdmachen aiif Gewissensscrupel voll- führen, als läge darin die rechte Christentugend; viel- mehr tritt Paulus mit den beiden Fragen, die er auf- wirft, sehr energisch ein für die Freiheit des Essens, welches sogar durch das über dem vormaligen Götzeii- opferfleisch gesprochene Dank- und Weihegebet nun- 1nehr eine Art Dienst des rechten Gottes sei (die Danksagung, sagt Bengel, heiligt alle Speise, leugnet der Götzen Auctorität und bezeugt die Gottes), und rügt damit zugleich in scharfer Weise die Lieblosigkeih deren die Schwachen durch ihr Richten sich schuldig machen (Röm. 14, 3 f.). Wohl aber soll das Nicht- essen ein Tragen der Gebrechlichkeit der Schwachen (Röin. 15, 1), ein Schonen ihres Gewissens sein. Aus unsrer Stelle geht übrigens hervor, daß Paulus der Christen Tischgebet auch am Tisch eines ungläu- bigen Wirths für selbstverständlich hielt. 31. Ihr esset nun oder trinket [sei es bei Gastmahlen oder im alltäglichen gewöhnlichen . Lebens, oder was ihr [sonst] thut [in eurem ganzen Wandels so thut es alles zu Gottes Ehre [Col. 3,17; 1.Petri 4, 1i; Matth. s, ins. 32. Seid nicht sin der einen oder andern Weise] årgerlich, weder den Juden noch den Griechen ldiesen beiden Theilen der noch ungläubigen Welt], noch der Gemeine Gottes [Kap. 11, 22; Rom. 15, Z; Apostg. 24, 16]; 33. Gleichwie ich auch jedermann in allerlei mich gefiillig mache, und suche nicht, was mir, sondern-was Vielen frommen daß sie selig werden [Ksip. g, 19 ff.]. Kap.11 V. 1. Seid meine Nachfolger sworaii ihr es allerdings bisher mehrfach noch habt fehlen lassen Kap. 4, 16], gleichwie ich sbin ein Nach- folger] Christi [des höchsten Mufters einer selbst- verleugnenden, niir auf das Heil Aiiderer gerich- teten Sinnes- und Denkweise Phil. 2, 4 ff.; Röm. 15, Z; Matth. 11, 29]. Die ausdrücklich vom Opferessen handelnde Be- lehrung ist gefchlofsenx da folgen denn mit »nun«, welches hier aiis dem Besonderen das Allgemeine folgert, noch einige Ermahnungen, in denen sich die leitenden sittlichen Grundfiitze für alles rechte Christen- verhalten ausdrücken. (Meyer.) Alles so zu thun, daß es Gotte zur Verherrlichuiig gereicht, in allem so sich zu verhalten, daß nian niemandem Anstoß giebt, dies ist die Summe der Belehrungen des Apostels nicht blos über den Genuß von Geopfertem, sondern über die auf chriftliche Freiheit bezüglichen Fragen überhaupt; und er kann hierfür in gleicher Allgemein- heit, wie diese seine Weisung lautet, sich selbst als Beispiel zur Nachahmung hinstellen, weil er seinerseits Christum sich zum Beispiele nimmt, gleich Christo in aller Beziehung Allen in der Art zu Gefallen lebend, daß es zu ihrer Errettung dient. (v. Hofmaniih Nicht selbst will Paulus das Bild sein, wonach die Corinther ihr Betragen einrichten sollen, sondern er setzt hinzu: ,,gleichwie ich ein Nachahmer Christi bin«, als wollte er sagen: mein Verfahren habe ich nicht ersonnen, ich habe es von dein heiligen Urbilde der Menfchheit ge- lernt! (Olshauseii.) Gewiß steht dem Apostel das ganze Lebensbild Christi vor Augen; dann mußte er aber ein geschichtliches Bild von dem Thun und Lassen Christi besitzen, ein Bild, wie es uns in den von den Evangelisten gefchilderten Zügen sich darstellt —- ein Grund mehr gegen die mythifche Auffassung des Lebens Jesul (Neander.) II1. von than« 11, 2 — 14, 40 folgen in weitereni Kn- sihliiß an das, was die Corinther in ihrem Sihreiben vorgebrachh Zelehrungen und Zurechtweisungen Tiber idinge der guten Ordnung chrtsilichenGeiiieinde- let-eng; und zwar gesaiieht der Anschluß an diejenige Stelle ihres Briefe, wo sie unter versitherung ihres Fest— haltens an seinen Einrichtungen oder ilelierlieferungen von einein stluntcte Kenntniß gaben, in welchem ein naih ihrer Meinung gteichgiltiger und unbedcutilirher anderer Brauch aufgenommen sei. a. V. 2—«t6. sJaiilus beginnt niit einer Be· lobignng der Genieinde, dass, wie sie selbst von sich bezeugt hat, sie alles so halte und ordne, wie es die slete Erinnerung an ihn mit sich bringe, und seine Unterweisungen nicht ausser Acht lasse oder hintenausetzez sofort aber geht diese Beleidigung in eine Belehrung über, welche der Gemeinde zur Klarheit iiber denjenigen Ijanlit chrisilicher Sitte ver· hellen soll, in welchem sie sich eine Ittiweichuiig ge- statten zu dürfen sich ein6ildcte. Der« Apostel sagt da nicht, um welchen Puniit es sah handelt, wir können es aber· gleich im Voraus entnehmen, wenn er mit einer allgemeinen Wahrheit als demjenigen Gesichtspunkte beginnt, uiiter dem die in Rede stehende Ginzelheit betrachtet sein will; es ist das die wahr- heit, das) das Weib zuni Manne in einem Verhältnis; siehe, welches ihr Verhältnis! zu Gott zu einem andern macht, als in welchem der Mann vermöge seines Ver— hältnisses zu Christo sieht, nnd so ist es denn die Nichtoerschleieriiicg derbetenden oder weis· sagenden Frauen, welche gegen die allgemeine Sitte is! COXMH zur Geltung kommen wollte und welche nnn hier als eine Unsitie von Paulus lieliänipsc wird. Rechtes Verhalten in allen Lebeusverhälinissen und Lebenssbeziehungen überhaupt. Das 11. Kapitel. Von etlichen igeberdeii im Boten, und mürdigeni gebrannt) des heiligen Afiendmahldc 2. Jch lobe euch, lieben Brüder, daß ihr [wie ihr mir schreibts an mich gedeutet in allen Starken [aller meiner Lehren und Einrichtungen eingedenk seid], und haltet die Weise swas Gebräuche und Zucht des Gemeindelebens betrifft 2. Thess 3, 6], gleichwie ich sdieselbe zur Beobachtung theils münd- lich, theils schriftlich in meinem vorigen Briefe Kap. s, 91 euch gegeben habe. 3. Jch lasse euch aber lin Beziehung auf denjenigen Punkt, mit welchem ihr eine Aus- nahme zu machen gedenkt V. 5 u. 13] wissen [weil ihr mit eurem Ausiiahmemachen diese Wahr- heit verleugnet], daß Christus ist eines jeglichen Mannes Haupt [Col. 1, is; Ephes.4,15], der Mann aber ist des Weibes Haupt [Ephes. 5, 23]; Gott aber ist Christi Haupt [Kap. 3, 23; 15, 281. So gern der Apostel ihren Gehorsam anerkennt, wo er statt hatte, so findet er doch nöthig, die folgen- den Belehrungen i rer ernstlichen Beachtung zu em- pfehlen. Es ist ni t zu zweifeln, daß sie durch Vor- gänge in Corinth veranlaßt waren, daß die dortige Gemeinde ihre Neigung, von einem falschen Freiheits- begriffe aus die richtigen Schranken außer Acht zu lassen, auch dadurch an den Tag legte, daß die Weiber ihre Stellung vergaßen und dies auch in ihrer äußeren Erscheinung kund gaben; daher die Ausfiihrlichkeit der folgenden Belehrung, welche eine an sich rein äußer- liche Vorschrift auf tiefer liegende Gründe zurückführt. (Burger.) Die Frauen in Corinth überschritteii nament- lich ihre Schranken dadurch, daß sie in den Gemeinde- Versammlungen mit unverhülltem Haupte betend und prophezeiend auftraten; der Apostel nun mißbilligt beides, sowohl das Auftreten, um zu beten und zu weissagen, als die Entfernung des Schleiers, hier aber tadelt er blos letzteres und verspart ersteres aus Kap. 14, 34. Um die Frauen in ihre Schranken zurück- zuweifen, erinnert er sie an ihre Unterwerfung unter den Mann, dem er ebenfalls seine Stelle in der sitt- lichen Rangordnung anweist und diese bis hinauf zu Gott führt. (de Wette.) Der Mißstand, ivelchen Pau- lus so fcharf und entschieden züchtigt, muß erst nach Entfernung des Apostels von Corinth, wahrscheinlich durch ungebührliche Ausdehnung des Grundsatzes der christlichen Freiheit auf Veranlassung der Theilhabung an den Geistes-gaben (vgl. V. 4 mit Apoftg. 21, 9) und gewiß unter Einwirkung der größeren Ungebunden- heit hellenifcher Frauentrachh eingerissen fein, weil er anwesend ihn nicht hätte aufkommen lassen; der Brief der Corinther selbst muß, wo er von der Befolgung der apostolischen Anweisungen in Corinth geredet hat, eine Anfrage über jenen speziellen Punkt enthalten haben. (Meyer.) Wenn der Apostel den Mißbrauch, daß die Weiber beim öffentlichen Beten und Weisfagen über- haupt das Wort nehmen, bis zum 14. Kap. verfchiebt, so liegt Bier ein ähnlicher Fall vor, wie der, der uns in Katz. , It) ini Vergleich mit Kap. 10, 20 f. begegnete. (Besser.) Der Mann, so führt Paulus zuvörderst aus, ist mit feiner Unterwürfigkeit nur an Chriftiim gewiesen als an fein Haupt, von dem er Gnade und Gaben nicht nur für sich, sondern auch zu göttlicher Regierung 240 I. Corinther 11, 4—-12. seines Hauses empfähtz das Weib aber an den Mann, auch außer der ehelichen Verbindung, weil ja doch, auch in der kirchlichen Verfassun , es durch Anordnung der Männer geht. Und das soll man sich nicht schwer dünken lassen, da sogar zwischen Gott und Christo über dem Geschäft unsrer Versöhnung ein solcher Aus- und Rückfluß statthat und Christus alles aus dieser Fülle nimmt und auf dieses Haupt zurückführt, was er als unser Mittler auf uns bringt. (Rieger.) Warum beschränkt Paulus das Verhältniß zu Christo als dem Haupt auf den Mann, so daß es nur vermittelt durch den Mann dem Weibe eingeräumt scheint? Die Aus- zeichnung des Mannes durch diese Beziehung auf Christum ist nur relativ zu nehmen: in seinem Haus- wefen, seinen Privatverhältnissen ist er nur abhängig von Christo, im bürgerlichen Leben genießt er gleich- falls eine höhere Selbstständigkeit als das Weib und bedarf nicht der Ergänzung und Vertretung, die sie bedarf; desgleichen ist er im öffentlichen Gemeinde- leben bevorzugt vor ihr und zum Dienst des HErrn als sein Organ befähigt, wie sie es nicht ist. Es handelt sich also hier nur von äußeren Verhältnissen bei diesem Vorrang, nicht aber von der höheren Sphäre des inneren Lebens im Glauben, innerhalb welcher der Unterschied der Geschlechter und der Vorrang des einen vor dem andern ausgeglichen und aufgehoben ist, vgl. Gal. s, 28. (Osiander.) Soll eine Ehe glück- lich und gottgefällig sein, so muß 1) der Mann Christum für sein Haupt erkennen und sich von ihm durch seinen Geist regieren lassen; L) muß er sich als des Weibes Haupt in der That erzeigen und sein Weib recht regieren, nicht also, daß sie blöde, scheu und schüchtern werde; 3) das Weib muß den Ehe- mann als ihr Haupt erkennen und sich ihm gebührend unterwerfen, nicht den Meister zu spielen sich unter- stehen. (Starke.) Das »Gott ist Christi Haupt« wird nicht von dem Wesen gesagt, sondern von dem Amt; der Sohn als Mittler empfängt sein Amt durch Gottes Rathschluß, wie er selber spricht: »der Vater hat mich gesandt«. (Melanchthon.) 4. [Aus dem in V· 8 Gesagten folgt nun zweierlei. Erstens-J Ein jeglicher Mann, der da betet oder weissaget sans Trieb des Herzens zu Gott oder aus Trieb des Geistes von Gott vor Andern redet Apostg 9, 11; 19, 6], und hat ettvas auf dem Haupt seine Kopfbedeckung], der schandet sein Haupt san welchem man um eben dieser Bedecktheit willen nun siehet, er erkläre sich für abhängig und unterworfen, während man, wenn es unbedeckt bleibt, vielmehr wahrnehmen würde, er sei niemand als Christo allein unter- geben]. Z. [Zweitens:] Ein Weib aber, das da betet oder weissaget mit unbedeektem Haupt, die schändet ihr Haupt sindem dieses nicht mit dem Zeichen ehrbarer Frauen geschmückt ist, sondern statt dessen ein Zeichen angenommen hat, welches sie in eine ganz andere Klasse versetzt]; denn es ist eben so viel, als wäre sie beschorent ssie steht für das durch die Erscheinung bestimmte öffentliche Urtheil auf völlig gleicher Linie mit derjenigen, welche die Haarschur einer Buhlerin an sich trägt]. 6. Will sie sich sbeim Gottesdienst] nicht be: decken, so schneide man ihr sum sie auch für ihr übriges Leben der Zierde der Frauen zu berauben, wie sie verdient] auch das Haar ab. Nun es aber übel stehet, daß ein Weib verschnitten Haar habe oder beschorett sei; so lasset sie swenn sie solcher Beschimpfung für das öffentliche Leben entgehen wills das Haupt bedecken« ssobald sie in der gottesdienstlichen Versammlung erscheint oder gar betend und weissagend da auftritt]. 7. Der Mann aber [um die Rede wieder auf diesen zu lenken V. 4] soll sim Gegensatz zum Weibe, welche allerdings das soll V. 10] das Haupt nicht bedecken swenn er betend oder kreis- sagend vor Gott in der Gemeinde steht], sintemal er ist Gottes Bild Und Ehre sihm eignet etwas von Gottes Herrschermajestäh vermöge deren er in seinem Kreise mit gottähnlicher Macht und Frei- heit waltet 1, Mos. 1, 26 ff.]; das Weib aber ist des Mannes Ehre sallerdings nicht sein Bild, als ob sich in ihr abfpiegelte, was der Mann ist, wohl aber seine Ehre, als die in ihrem weib- lichen Walten eine Lehnsträgerin des Mannes ist und dessen Macht repräsentirt]. 8. sEs beruht aber dieses Verhältniß von Oberherrlichkeit und Unterherrlichkeit zwischen Mann und Weib auf einer gleich von Haus aus von Gott begründeten Ordnung] Denn der Mann ist nicht vom Weibe, sondern das Weib ist vom Manne U. Mos. g, 21—23]. 9. Und der Mann ist nicht geschaffen um des Weibes willen, sondern das Weib nm des Matt-les willen-W« [1. Mos. 2, 18—20]. 10. Darum [weil das Verhältniß des Weibes zum Manne ein solches ist, wie es eben darge- legt wurde] soll das Weib eine Macht [das Zeichen der Macht eines Andern über sie in dem Schleier, den sie trägt] aus dem Haupte haben, um der Enge! willens— [die in der Versammlung der Ge- meinde, wenn sie ihren Gottesdienst hält, unsicht- bar gegenwärtig sind und durch jede Verletzung der Wohlanständigkeit gekränkt und verscheucht werden würden, während sie gerne da find, wo alles ehrlich und ordentlich zugehetKap. 14, 40]. 11. Doch ist weder der Mann ohne das Weib, noch das Weib ohne den Mann in dem HErrn sin ihrem Verhältniß zu Christo; in d er Gemeinschaft, in welcher beide Grund und Ziel ihres geistlichen Lebens haben, löst sich der Unterschied in eine gegenseitige Abhängigkeit auf]. 12· sDies Verhältniß, welches in der sittlichen Ordnung des Christenthums besteht, hat schon in der geschöpflichen Ordnung seinen Grund.] Denn wie das Weib swas die Schöpfung betrifft 1. Mos. 2, 21 f·] von dem Manne, also kommt auch lwas die dafür nun eingetretene Geburt betrifft] der Mann durch das Weib sso daß alle Männer von Weibern Geborene sind Matth. 11, 11; Gal. 4, 4]; aber alles [was so auf das gegenseitige Verhältniß Die gute Ordnung des christlichen Gemeindelebens. Verschleierung der Frauen. 24l der beiden Geschlechter zu einander Beziehung hat und es theils so, theils so bestimmt, kommt] von Gott-H- [der hat es geordnet und damit das Verhältnis; geheil1gt]. V) Man hat gemeint, da der Apostel die beiden Fälle nenne und beurtheile, daß ein Mann verhüllten und daß ein Weib unverhiillten Hauptes bete und weissage, so müsse auch beides in der Gemeinde vor- gekommen sein; allein daß er den ersten Fall nur nennt, damit derselbe dem Hweiten zur Unterlage diene, erhellt aus der Art und eise, wie er bei letzterem verweilt, sowie aus dem Schlusse seiner Erörterung in V. 13——15., welcher nur von diesem Fall allein handelt. (v. HofmannJ Unverhüllten Hauptes in der Gemeinde zu beten und u weissagen ist des Mannes Ehrenzeichem er würde sein aupt schänden, wenn er es verhülletet mit solchen ugen sahen die Griechen die Sache an, und der Apostel wird den Griechen ein Grieche, indem er in ihre Weise der Anschauung ein- geht. So bemächtigt sich der Geist Gottes der Volks- fitte, wo anders sie nicht Verkehrung, sondern Aus- druck ursprünglicher Naturordnung ist, und zeigt den Hintergrund göttlicher Ordnun bei mancherlei Dingsm die darum ,,sittlich« ind, weil Esie »ländlich« sind. ie in den Augen der riechen ein Mann, der bei öffent- lichen Feierlichkeiten etwas auf dem Haupte gehabt hätte, seine Mannesehre verleugnet aben würde, so hätte ein christlicher Grieche mit erhüllen seines Hauptes sich geberdet, als wäre er nicht das sichtbare Haupt feines Weibes und stünde unter einem Andern, außer Christo, als unter seinem Haupte. Dage en schändete ein Weib ihr Haupt, wenn sie unverhüllt o er unverschleiert sich öffentlich sehen ließ, weil sie sich gleichsam zum Haupte über ihren Mann auswarf und ich äußerlich den lüderlichen Weibspersonen gleich- tellte, denen man zum Zeichen ihrer Scham- und Zuchtlosigkeit das Haupt beschor. sit) Paulus setzt voraus, daß sich das Anstandss »efühl eines sittsamen Weibes gegen das Haarab- schneiden sträubt; deshalb kann er ihr die Unge- schicklichkeit, unbedeckten Hauptes sich sehen zu lassen, nicht fühlbarer machen, als durch die Zumuthung, mit dem ersten kecken Schritt auch den zweiten zu thun. ·Schämt sie sich aber dessen, weil es übel steht, daß ein Weib verschnittene Haare habe oder gar beschoren sei, nun, so möge sie auch den ersten unweiblichen Schritt zurückthun und ihr Haupt bedecken. (Besser.) Milder, als sie in der Erklärung ausgedrückt worden, läßt sich die Meinung des Apostels dahin verstehen: »Der Haarwuchs ist ein unterscheidendes Zeichen des Weibes; will sie nun dem Manne gleich sein, so möge sie sieh dieser unterscheidenden Eigenthümlichkeit auch entledigen. Däucht ils: aber dies ein Verzicht auf eine ihr geziemende esonderheit, so soll sie auch ihren Unterschied vom Manne dahin anerkennen, daß sie den Brauch der Selbstverschleierung einhält, mit welchem sie ihn ihrerseits bestätigt«. «M) Die Notwendigkeit, an der strengen Sitte fest- Zihaltem erläutert der Apostel noch weiter aus dem erhältniß von Mann und Weib nach AnleituF der mosaischen Schöpfungs eschichte: der Mann ist ottes Bild und Ehre, das eib aber des Mannes Ehre. Dies weist auf 1. Mof. I, 27 zurück, in welcher Stelle das Herrschen als Hauptcharakter des göttlichen Eben- bildes hervorgehoben wird, dieser offenbart sich aber im Manne mehr als im Weibe; nur deshalb und insoweit schreibt Paulus ihm die Ebenbildlichkeit zu und dem Weibe nicht. Dieses hat vorherrschend eine abhängige Stellung, ihre Person und ihr Wirken soll D ä ch s e l ’ s Bibelwort. VlL Band. dazu verwendet werden, dem Manne zu dienen, ihn in seiner hohen, bedeutsamensStellung hervorzuheben. Das soll der Ausdruckx ,,des Mannes Ehre« bezeichnen, wobei der Apostel die Parallele mit dem ,,Bilde« fallen läßt. «Um dann die Ab ängigkeit des Weibes vom Manne noch klarer in’s icht zu stellen, setzt er noch eine Erörterung aus dem 2. Kap. des I. Buchs Mosis hinzu und benutzt den Umstand, daß das Weib aus der Ribbe des Mannes gebildet ward und die Be« stimmung hat, ihm zur Gehilfin zu fein, für seinen Zweck. (Olshausen.) Paulus führt das »von dem Manne« auf das dahinter liegende ,,um des Mannes willen« urück und hiermit Nzugleich das Herkunftss verhältnis des Weibes zum anne auf den geschicbt- lichen Vorgang ihrer Erschaffung um seinetwillen. (v. Hofmann.) Das Christenthum ist unschuldig an der ungebührlichen Damenverehrung, die unter christ- lichen Völkern oft dagewesen; doch ist deswegen das Weib nicht bloßes Mittel. (Heubner.) is) Unter der ,,Macht« auf dem Haupte ist jeden- falls eine Kopfbedeckung gemeint; warum sie diesen Namen trägt, der sonst in dieser Bedeutung nicht vor- kommt, darauf läßt sich nur aus dem Zusammenhang unsrer Stelle ein Schluß ziehen. Eine Macht soll das Weib auf dem Haupte haben, d. h. das Zeichen einer Macht, unter der sie steht, nämlich der des Mannes, dem sie untergeordnet ist, der ihr als nächstes Haupt gegeben ist von Gott (V. 3), daß sie vor Gott nicht treten soll, ohne in geziemender Demuth das Zeichen dieser ihrer Abhängigkeit an sich zu tragen. (Burger.) Dies Zeichen ihrer Unterthänigkeit nun soll das Weib in der Gemeindeversammlung tragen »Um der Engel willen«, weil, auch ohne daß Menschen darauf achteten oder Werth legten, Gottes Boten, die höheren, reinen Geister, die Theil nehmen an der An- betung Gottes durch. die Seinigen auf Erden (in Pf. 138, 1 hat die griech. Uebersetzung des alten Testa- ments, nach der auch Paulus sich richtet, statt: »vor den Göttern« vielmehr: »vor den Engeln«, v l. Kap· 8, 5) und ihre Gebete vor ihn bringen (Dan. Z,21 sf.; Offenb. 8, 3), ihre Freude haben an der Züchtigkeit und Ehrbarkeit der christlichen Frauen und ihre Nähe die Gemeinde stets mit Ehrfurcht erfüllen soll. Wollen daher anderswo, sagt der Apostel, die Frauen ver- schleiert erscheinen, so ziemt es ihnen wahrlich am meisten in der Gemeinde, wo alles mit der höchsten Zucht, Ordnung und Ehrbarkeit vor sich gehen soll; die Rücksicht auf Menschen, wenn diese es ihnen auch verstatteten, unbedeckt und also ohne Abhängigkeits- zeichen aufzutreten, soll sie dabei nicht leiten, da nicht blos Menschen zugegen sind, sondern auch die Engel Gottes selbst, wie im Tempel Cherubim abgebildet waren zur Erinnerung an die Anwesenheit der himm- lischen Geister. (v. Gerlach.) H) Was Paulus von V. 7 an gesagt, konnte von den Männern zur Verachtung der Weiber und von den Weibern zur Geringschätzung ihres eigenen Stand- punktes gemißdeutet werden; daher diese Verwahrung wider die mögliche Verrückung des christlichen Ver- hältnisses beider Geschlechter. Zwischen beiden findet in der christlichen Lebenssphäre ein solches Verhältniß statt, daß weder das Weib vom Manne gesondert, d. i. außer Gemeinschaftsverband mit ihm und auf eigene» Hand dasteht, noch umgekehrt; sie sind als chriftlcche Ehegatten zu gegenseitiger, einander er- gänzender Zusammengehörigkeit vereinigt, kein Theil eine Sonderperson für sich; wenn das nicht so wäre, so wäre ja das Ehristenthum der natürlichen göttlichen Ordnun entgegen. (Meyer.) Beide sind in der ihnen angewiesenen Stellung zu gegenseitiger Ergänzung 242 l. Corinther II, 13——22. einander unentbehrlich; und darum wäre es ein Frevel gegen die öttliche Ordnung, wenn sie dies Band ver- suchen wo ten auf geistlichem Gebiete außer Acht zu lassen oder zu mißbrauchen. (Burger.) 13. Richtet bei euch selbst [lasset ganz unab- hängig von dem, was gewisse Wortsührer euch einreden wollen oder die augenblickliche Verirrung der eigenen Gedanken euch vorspiegelt, euer natür- liches gesundes Urtheil entscheiden Kap. 10, 15; Apostg 4, 19], ob es wohl stehet [und nicht viel- mehr etwas den Anstand Verletzendes hat], daß ein Weib uubedeclt vor Gott betet« 14. Oder lehret euch auch nicht die Natur [ohne daß es erst einer so ausführlichen Erör- terung auf Grund der Schrift von meiner Seite bedarf, wie ich sie hier gegeben habe, vgl. Mark. 12, 10], daß einem Manne eine Unehre ist, so er lange Haare zenget sdas Haar mit geflifsentlicher Sorgfalt lang wachsen läßt, weil ihm das ein weibliches Aussehen giebt Offenb. 9, 8], 15. Und dem Weibe eine Ehre, so sie lange Haare zenget sweil sie damit zu der Stellung, die ihr Gott angewiesen, sich offen bekennt]? Das Haar [indem in beträchtlicher Länge es ihr Haupt umgiebtj ist ihr zur Decke gegeben« sdaß es ein natürlicher Schleier für sie sei, und ist damit schon von Natur der Schleier als dasjenige gekenn- zeichnet, was für sie den Wohlanstand bildet]. 16. Jst aber jemand unter euch, der Lust zu zanken hat [wörtlich: sich zu Sinne kommen läßt, streitlustig oder rechthaberifch zu fein], der wisse, daß wir sich und meine Bundesgenossen] solche Weise nicht habeUHV sder Streitlust Nahrung und Pflege angedeihen zu las en], die Gemeinen Gottes auch nicht [die Weise, der Rechthaberei nachzuhangen und sie in Uebung zu erhalten; daher schließe ich die ganze Verhandlung hiermit ab und lasse, nachdem alles für denjenigen, dem es um Recht und Wahrheit zu thun, schon satt- sam klar gelegt ist, auf weiteren Dispüt mich nicht ein]. V) Der Apostel hat die Gründe seiner Mißbilligung dessen, was er für ungehörig erklärt, aus Thatsachen hergenommen, welche der von der heil. Schrift dar- åezreichten Erkenntniß des Verhältnisses von Mann und eib angehören; er wendet sich nun auch an das selbsteigene Urtheil seiner Leser, zu welchem sie von der Natur selbst ungeleitet werden, wobei das dem Wort ,,Natur«, worunter hier nur die schöpfungs- mäßige und also jedem von selbst erkennbare Ordnung der Dinge verstanden werden kann, beigefügte ,,selbst«-« (Luther: ,,auch«) besagt, daß sie für sich schon und abgesehen von den in der Schrift beurkundeten That- sachen hinreicht, die Un iemlichkeit dessen einzusehen, was in seinen Augen Unsitte ist. (v. Hofmannh Diese Redeweise des Apostels, wenn er hier auf die Natur selbst verweist, ist in der heil. Schrift sehr selten, indem gemeiniglich die Natur in der absoluten Abhängigkeit vonGott aufgefaßt und daher auch bei rein physischen Beziehungen statt ihrer vielmehr Gott genannt wird; die vorliegende Stelle nun zeigt, daß der je tzt herrschende Sprachgebrauch, alles auf die Natur zurückzuführem zwar nicht an und für sich verwerflich ist, wohl aber ist die Sorgsamkeit, mit welcher der Name Gottes vermieden wird, offenbar eine Frucht des Unglaubens, man will die Natur ohne alle Beziehung auf Gott aufgefaßt wissen. (Olshausen.) In. dem Sake: »daß ein Weib unbedeckt vor Gott bete« beschränkt ich Pau- lus auf das Gebet mit Uebergehung des Weissagens (V. 4 u. 5), sei es, weil dies die heiligere Function oder, was wohl möglich, die häufiger auch von Frauen geübte war. (Osiander.) Wenn die Frauen, indem sie mit dem öffentlichen Sprechen eines Gebets den Männern sich gleichstellten (1. Tim. L, 8), eben darum auch gleich ihnen unverhüllt austreten zu dürfen meinten, so ist es umso tressender, daß er sie auf das Unge iemende ihres Verhaltens im ösfentlichen Ver ehr mit Gott, in dessen Willen die damit ver- letzte Ordnung beruht, hinweist. (Kling.) sit) Läßt man der Natur, der natürlichen Art und Anlage der Geschlechter freien Laus, so findet sich, daß dem Weibe das Haupthaar länger wächst als dem Manne; fast ausnahmslos bei allen Völkern und in allen Zeiten hat sich an dieser natürlichen Thatsache das natürliche Gefühl gebildet, wonach es dem Manne eine Unehre ist, so er lange Haare Fug, weil es weibisch aussieht, umgekehrt aber dem eibe eine Ehre, so sie lange Haare zeugt, weil es weiblicher Art gemäß ist. Die Eitelkeit der Weiber hat aus dem an en Haar einen Schmuck zum Prangen gemacht (1. etri Z, s; 1- Tim. Z, 9), Paulus aber sieht in dem natürlichen Haarschmuck ein Zeichen ächter Weibes- .zierde (1. Petri 3, 5), da er sagt: »das Haar ist ihr zur Decke gegeben«· Die Natur selbst hat dem Weibe etwas von jener Macht gegeben, die sie aus dem Haupte haben soll um der Engel willen (B. 10), und es ist billig, daß sie zur Gabe der Natur ihres durch Gnade gezogenen Willens Ausdruck füge und ihr Haupt verhülle zum Zeichen weiblicher Unterwürfigkeit. (Besser.) Ausnahmen von der schon durch die Natur vorge- schriebenen Regel, wie bei den Nasiräern (4. Mos. 6,5; Richt. 13, 5), waren dem Apostel nicht unbekannt (Apostg. 18, 18), hatten aber ihren Grund in beson- deren Bestimmungen, einem besonderen Abhängigkeits- gelübde, welches der Nasiräer auf sich nahm. Zu dem ganzen Abschnitt ist zu sagen, daß hinsichtlich der Frage, die er zunächst behandelt über Entblößung oder Bedeckung des Hauptes von Männern oder Frauen beim Gebet und Gottesdienst die nationale Sitte zum Theil anders sich gewandt hat; der Apostel ·hat auch für eine solche an sich äußere Sache ein schlechthin bindendes Gesetz nicht geben wollen, noch nach der Natur der evangelischen Heilsordnung geben können, daher die Sitte, auf welche er hier sich mit beruft, nicht unwandelbar ist, namentlich der nationalen Au- schauung und Gewohnheit Raum läßt. Dagegen un- wandelbar sind die Grundsätze über das Verhältniß der Geschlechter selbst, wie sie in V. 3, 7—9 u. 11—12 ausgesprochen sind, und jede Verrückung derselben wird sich rächen durch sittliche Schädigung derer, die sie verrücken. (Burger.) Man sieht, es handelt sich nicht um den Schleier an und für sich, sondern um die Stellung des Weibes m Manne, deren Verrüekung ihren Ausdruck fand m dem, was der Apostel hier beseitigt wissen will; den Branch des Schleiers an sich und als solchen schlechterdings eltend zu machen, ist er nicht gesonnen, vielmehr dent er sich die Möglichi lett, daß auch Gegengründe vorgebracht werden, will sich aber, wie der folgende Vers besagt, auf eine Fort- setzung dieser Verhandlung, die zum Streite würde, nicht einlassen. (v. HofmannJ Mißstände bei den Gemeiiideversammlungen. Das Zerfallen in Gruppen. 243 »Es) Wahre Glieder der Kirche werden ihre sonst wohlbegründete Meinung niemand ansdriugen oder darüber zanken, sondern lassen solche Zänker fahren, und überlassen es ihrer Verantwortung· (Starke.) b. V. t7——34. War» der Apostel isi dem nunmehr folgenden Abschnitt verhandelt. hiingt allerdings» nicht mit einer Antrage der Gemeinde zusammen, sondern mit dem Berichte, der iiber coriuthische Genieindei zuskände ihm gemacht worden (V. 18), gehört also insofern nicht in diesen zweiten (von Rad. 7-——t4 reichenden) Theil der Evisiel, sondern in den ersten (vgl. die Eins. zu Knie. i, 10); aber es ist in zwie- lacher Weise anf’5 Engsle an den vorigen Abschnitt angeschlossen, indem ini Gegensatz zu der dort ent- wickelten avostolisehen Meinung, welche immerhin sish noch gefallen lassen müsste, das) auch andere Gesichtspunkte ihr gegeniiber geltend gemacht würden (V.16), nun ein aposkolischer Befehl zu Worte Kommt, nnd im Gegensatz zu dem Lebe, womit dort die Rede anhebt O. 2), nun eine scharfe Rüge, ein schwerer Vorwurf den Eingang bildet. Das ganze sieht so als eine Gpisode oder Zivischenverhandlung da, gleichwie wir bei der Erörterung der Frage in Betresf des« Göhenopsersleisches in Katz. 8, i--11,1 einer ziemlich weit gehenden Digression oder Ab· schweisung in Rad. 9, 1—10, 13 begegnetetu welche bestimmt war, die Sache gründlich zu erledigen und alles Fraglicije an ihr nach jeder Seite hin klar zu skellen. Während nun die hier folgende Riige davon ausgeht, dass als vornehmsier lliisllskand bei den Gemeindeversanimlangen ein Auseinandergehen in verschiedene Gruppen sich bemerkbar mache, welches schliesslich noch zur Bildung von förmlichen sonder— genossenschasten innerhalb der Gemeinde führen werde, bezieht sich der Befehl aus Absietlung desjenigen Mist- stande5, der in die Begehung der gemeinschaft- lichen tllahlzeitem in deren Verlause dann das Mahl dek- hErrn gehalten zu werden pflegte, sich bei den Corinthern eingeschlichen hat und der nun eine wirkliche Feier des heil. Abendmahl-» zur reinen Unmöglichkeit siir sie macht. 17.· Ich muß aber fwäkzreud ich bei dem Gegenstand der Verhandlung in V. 3-—15 nicht sowohl ein Gebot des HErrn zur Grundlage hatte, für das ich hätte eintreten müssen, »als viel- mehr blos eine Meinung meinerseits, die ihr eurer eigenen Einsicht V. 2 gemäß euch habt zur Richt- schnur dienen zu lassen Kp. 7, 25. 40] dies [worauf die Spitze der nunmehrigen Verhandlung ·in V. 33 f. hinausläuft, allerdings, weil hier eine eigene Anordnung des HErrn mir zur Seite steht V. 23 sf.] bcfehlen [und da schicke ich Folgendes als Grundlage voraus]: Ich kann’s nicht loben, daß ihr nicht auf bessere Weise fzum Besser- werd en] , sondern auf atgere Weise [zum»Aerger- werden] zusammen komme» [indem bei der Art, wie es geschieht, statt Förderung der Gemeinschast mit dem HErrn und untereinander vielmehr Ent- sremdung nach beiden Seiten hin· die Folge ist] 18. Zum ersten sdenn ob ich gleich nicht gesonnen bin, alle Uebelstände der Reihe nach einzeln auszuführen, so muß ich die Reihe doch wenigstens beginnen und den ersten und vordersten Uebelstand bestimmt angeben Röm. 1, s; 3, 2], wenn ihr zusammen kommt in der Gemeine, höre ich, es seien Spaltnngen unter euch sda man sich gruppenweise zusammenthuh die eine Gruppe diesen, die andere jenen Platz für sich einnehmend]; nnd zum Theil glaube ich’s [was mir darüber mitge- theilt worden, sollte auch Anderes auf falscher Auffassung oder übertriebener Darstellung beruhen] 19. Denn es müssen [sogar] Rotten unter euch fein fselbft dahin, so sehe ich voraus, wird es der HErr mit euch noch kommen lassen, daß Sondergenossenschaften, welche neben der eiiiheit- lichen Gemeinde ihr besonderes Dasein für sich haben wollen Gal. 5, 20., sich bilden], auf daß die, so rechtfchaffen sind [in ihrer Hingabe an die göttliche Wahrheit und in Festhaltung an unserm allerheiligsten Glaubens, offenbar unter euch weiden« [im Unterschied von denen, die nach ihren eigenen Lüsten des gottlosen Wesens wandeln Judä 18 ff.]. 20. Wenn ihr nun sum jetzt zu demjenigen Mißstand überzugehen, der außer jenen Spal- tnngen im Allgemeinen V. 18 sich noch in be- sonderer Weise bei euch findet und eine ganz besondere Auslassung meinerseits nöthig niacht] zusammen kommet [am Ort der gemeinschaft- lichen Mahlzeitem der Liebesmähler Apostg 2, 43 Anm.], so hält man da nicht des HErrn Abendmahl [genauer: so ist bei dem Verhalten, das ihr -da beobachtet, es nicht möglich, bei dieser Gelegenheit auch das Herren-Mahl zu essen]. 21. Denn so man das Abendmahl halten soll, nimmt ein jeglicher sein eigenes vorhin srichtigerx Denn ein jeglicher nimmt sein eigenes Mahl vorweg beim Essen, bei dem, der Abendmahlsfeier vorangehenden Gemeindemahl], und einer [der Arme, der nur wenig mit zur Stelle bringen konnte] ist [in Folge dessen, daß er ebeii mit diesem Wenigen sich hat begnügen müssen] hungrig swenn es nunmehr zur Abendniahlsfeier kommt], der Andere ist trunken« fbeide Theile also, der Ungesättigte an Brod sowohl, wie der Uebersättigte an Wein, sind ganz und gar nicht in der rechten Verfassung für Empfangnahme des Saeraments, sondern der Hungernde ißt das Brod, das ihm da gereicht wird, als gemeine Speise, die ihn sättigen soll, und der Trunkene trinkt den Wein aus des HErrn Kelch nicht anders, als er vorhin seinen eigenen getrunken hat]. 22. Habt ihr aber [wenn euer Abendmahls- begehen nichts Anderes sein soll als ein solches Privatessen und Privattrinken] nicht Häuser, da ihr essen und trinken möget fund warum beuutzt ihr nicht lieber diese für euren PrivatzweckP Oder [wenn ihr gleichwohl der Sache den Anstrich eines Gemeindemahls gebt] verachtet ihr die Ge- meine Gottes [in denjenigen Gliedern derselben, 244 1. Corinther 11, 23--25. denen ihr von eurem Mitgebrachten nichts mit- theilen möget, gleich als gingen sie euch nichts an], und beschamet die, so da nichts habenssjdaß ihre Armuth eurem Ueberfluß gegenuber ihnen drückend werden muß Jak. 2, 5 f.]? Was soll ich euch sagen? soll ich euch loben? Hietinnen lobe ich euch nicht. V) Gebieten wollte der Apostel nicht in einer Sache des bloßen Brauchs; aber in einer andern gebietet er allerdings, in derjenigen, zu welcher» er mit den Worten übergeht: »Jch muß aber dies befehlen«. Unmittelbar schließt sich nun allerdings ein Gebot nicht an; doch die Auseinandersetzung welche hier be- ginnt, unterscheidet sich von der vorherigen dadurch, daß sie in ein Gebot ausgeht, die ganze Auseinander- setzung selber aber ist Darlegung des Grundes, warum die Gemeinde hinfichtlich desjenigen Theils ihres Gemeindelebens, welchem der abzustellende Uebelstand angehört, kein Lob verdient. (v. HofmannJ Nicht um eine Sitte handelt es sich hier, die so oder anders sein kann und worüber die Gemeinden Gottes sich nach Zeit und Umständen vertragen mögen, sondern um eine Ordnung, welche der Apostel anbefielklt (Kap. 7, 10); er muß es befehlen um der Wohla rt der Gemeinde willen, als ihr treuer Wächter un sorg- fältiger Regierer, und die Gemeinde muß solchem Be- fehle fol en, - wenn sie nicht Christum versuchen und seinen Zorn herausfordern will. Befehlsweise ausgesprochen findet sich die Sache, worauf das Zei e- wort ,,dies« hinweist, erst in den beiden SchlußverFen des Kapitels (Besser.) Wenn so die dem Verständniß der Leser durch die Erörterungen in V. 18—32 nahe gerückten Befehle schließlich in V. 33 u. 34 auch in bestimmtester Form hervortreten, so geschieht es doch, daß das voran Geschickte viel weiter reicht, als diese äußeren Anordnungen, und noch viel tiefer gehende Anweisungen enthält. Jn V. 2 nun konnte der Apostel mit einer Anerkennung ihres Gehorsams beginnen, get: muß er sofort und ernstlichst tadeln: nicht zum esseren, sondern zum Schlechteren kommen sie zu- sammen, d. h. so, daß keine Besserung als Frucht davon bleibt, sondern daß im Gegentheil durch die Art ihrer Zusammenkünfte der Stand ihres Christen- thums sinken, schlechter werden muß. Die Rede ist von den christlichen Versammlungen zur Feier der gemeinsamen Liebesmahle, welche mit dem heil. Abend- mahl schlossen und dies zu ihrem eigentlichen Zweck und Ziele hatten; bei diesen schied sich, wie der fol- gende Vers besagt, die Gemeinde gleich von Haus aus, indem nach eigener Wahl und Willkür Einzelne sich zusammenhielten und dadurch eine Art geschlossener Kreise bildeten, die sich von andern sonderten. Burger.) is) Die schreckliche Verirrung, daß die orinther selbst die heiligste Feier in der Gemeinde mit ihren Spaltnngen entweiheten, will der Apostel nur zum Theil glauben; dennoch, auch um desjenigen willen, was er davon glaubt, straft er sie sehr schars, indem er fortfährt: ,,nicht blos Spaltungen, sondern sogar Rotten, d. h. Trennungen der Gemeinde in verschiedene Sekten, müssen unter euch vorkommen; ihr seid so tief verderbt, daß, um den Schaden zu heilen, es noth- wendig ist, ihn offenbar zu machen, damit dann die ächten Christen sich absondern können von den streit- süchtigen, blos das Ihre suchenden Scheingliedern«. Da das Böse einmal vorhanden ist in der menfchlichen Natur, so muß zur Errettung und Bewahrung der Guten und zum gerechten Gericht über die Unheil- baren von Zeit zu Zeit die Gottlosigkeit, nach gött- licher Ordnung selbst, offen hervortreten; dieser Ge- danke wiederholt sich sehr oft in der heil. Schrift, z. B. Liik 17, I f.; Jo . 9, 39; Apost . Z, 237 Röm- 5, 20. (v. Gerlach.) er Apostel er annte die Ge- rüchte, die er vernommen, für übertrieben; daß sie aber nicht ganz erdichtet seien, dafür bürgte ihm die Kenntniß der Wege Gottes, der über eine Gemeinschaft stets Sichtungen kommen läßt, um die Unlauteren auszuscheiden und so die Bewährten offenbar werden zu lassen. (Olshausen.) Gott wendet alles zum Besten: der Most muß gähren und toben, soll Wein daraus werden; so muß die Kirche mit Meinungen und Miß- bräuchen angefochten werden, was böse ist, schäumet ich da aus. So lernt man sich kennen, und scheidet Fdder Heuchler von dem Christen, vgl. 1. Joh.2, 18 f. e inger. » Mk) Der Name Agapen (Liebesmähler) kommt zuerst in Judä 12 u. 2. Petri Z, 13 vor (an beiden Stellen übersetzt Luther den Ausdruck mit ,,Almosen«); was die Sache betrifft, so hänåt sie mit der ursprüng- lichen Cinsetzung des heil. bendmahls durch den HErrn selbst zusammen. Er hatte dieses Mahl bei einer Mahlzeit, der jüdischen Ostermahlzeitz eingesetzt und gesagt: »dieses thut, sooft ihr irgend trinket, zu meinem Gedächtniß« (V. 24), wodurch er andeuten wollte, daß fortan das Abendmahl von der Ostermahl- zeit losgetrennt gefeiert werden sollte; es wurde daher fortan mit einer eigenen, gewöhnlichen Mahlzeit ver- bunden und bildete den Beschluß derselben. Diese Mahlzeit fand wahrscheinlich in den ersten christlichen Gemeinden täglich statt (Apostg. 2, 42. 46), und zwar des Abends, abgesondert von den übrigen gottesdienst- lichen Versammlungen. (Herzog.) Unter dem Mahl, von dem der Apostel redet, meint er die Verbindung der Gemeindemahlzeiten mit der Abendmahlsfeier, wie sie nach uraltem apostolischen Gebrauch in den Christen- gemeinden stattsand, entsprechend der Einsetzung des heil. Abendmahls, welche an eine Mahlzeit sich an.- chloß. Es war ein Mahl, wozu jeder etwas mitbrachte und dessen Schluß das eigentliche Mahl des HErrn bildete; das von den Einzelnen Mitgebrachte sollte aber gemeinschaftlich genossen werden, so daß die Liebes- gemeinschaft sich darin darstellte, in der alle Sonderung aufgehoben ist. So war es eine schickliche Vorbe- reitung zum HErren-Mahl im engeren Sinne, da alle von Einem Brod aßen, aus Einem Kelch tranken; in Corinth aber konnte dieses Mahl, worin alle als Eine Familie erscheinen, die von einem gemeinsamen Eigen- thum lebt, nicht zu Stande kommen, weil in Folge einer Erkaltung der Liebe ein jeder für sich behielt und genoß, was er mitbrachte, so daß der Unterschied der Reicheren und Aermeren, der in der Einheit der Gemeinde verschwinden sollte, wieder hervortrat, und zwar in dem Maße, daß, während in dem einen ein Gefühl des Ungesättigtseins zurückblieb, es bei dem andern zur Uebersättigung kam, was in einzelnen Fällen wohl ein Sichbetrinken oder Betrunkensein werden mochte. (Kling.) Statt einträchtigen Essens im HErrn zwiespältiges Essen auf eigene Hand, wobei die Reichen Ueberfluß und die Armen Man el hatten: kam es nach solchem Unliebesmahle noch zu er aupt- sache, dem Essen und Trinken des Leibes und lutes des HErrm so war der Eine hungrig und empfing das sacramentliche Brod wie zur gemeinen Sättigung, der Andere trunken, als hätte er ein Lustgelage gehalten, und trank aus dem gesegneten Kelch nicht wie einer, der des HErrn Kreuzestod Verkündigt. Mißbräuche, wie die hier gerügten, haben das Aufhören der Agapen oder Liebesmahlzeiten veranlaßt. (Besser.) Es war auch weit besser, daß sie ganz wegfielen, als daß die Das Ungebührliche bei Abhaltung der gemeinschastlichen Mahlzeitein 245 Feier des heil. Abendmahls unter ihren Mißbräuchen mitleiden sollte. (v. Gerlach.) f) Mit den Worten: ,,da ihr essen und trinken möget« will Paulus das gemeine Essen, die blos sinnliche Befriedigung bezeichnen; dies verweist er in ihr gemeines Hauswesen aus der heil. Versammlung der Gemeinde, deren es dazu gar nicht bedürfe, hinaus. Genau schließt sich daran der andere stark rügende Grund an: ,,oder verachtet ihr die Gemeine Gottes?« Eine solche wecklose, ja zweckwidrige Benutzung der Gemeindeversammlung zur Befriedigun leiblicher Be- dürfnisse des Einzelnen ist freventliche erachtuziåg der Gemeinde Gottes, Entweihung ihrer heiligen ürde und Bestimmung für Gottes Gemeinschaft und Ver- ehrungs diese wird dadurch zu einem blos mensch- lichen erein für irdische Lebenszwecke herabgewürdigt Sie ist aber nicht blos eine Entwiirdigung und Ver- achtung der Gemeine Gottes im Ganzen und nach ihrer Idee, sondern noch besonders ihrer einzelnen Klassen und Glieder, von denen die, welche sich das Unrecht zu Schulden kommen ließen, sich zurückzogen, also namentlich der Aermeren; und gerade deren waren nicht wenige in der Gemeinde, ja, sie bildeten den Hauptbestandtheil derselben (Kap. I, 26 f.). Be- schämt aber wurden hier die Armen, indem ihre Armuth als eine Kluft zwischen ihnen und den Reichen, die sie von ihrer Tischgenossenschast ausschlossen, auf kränkende Weise ihnen fühlbar gemacht und zum Anlaß gewiß- braucht wurde, sie in ihren heiligen Gemeinderechten zu verkümmern. (Osiander.) Die Gemeinde hatte den Apostel ihres Festhaltens an seinen Belehrun en in einer Weise versichert, welche zu verstehen gab, aß sie sicher sei, dafür von ihm belobt zu werden; er hat sie dafür auch im Allgemeinen belobt (V. 2), aber jetzt, wo er in einem so wesentlichen Stück ihres Gemeinde- lebens so argen Mißstand zu rügen findet, unterläßt er nicht, ihnen bemerklich zu machen, daß ihre Er- wartung, von ihm belobt zu werden, eine in folcher Unbedingtheit nicht gerechtfertigte war. Er fragt mit schneidender Schärfe, ob dies etwas sei, um das er sie loben solle, und antwortet mit einem ,,ich lobe nicht«, welches als Antwort auf solche Frage empfind- licher ist, als wenn er sagte, er schelte sie darum. (v. Hofmann.) (Episiel am grünen DonnerHiage: V. 23——32.) Vgl. die Vorbem. zu Joh.13, 1sf. — Das heil. Abendmahl: I) was es uns giebt, 2) was es von uns verlangt. (Münkel.) Der Tisch des HErrm er ist ausgezeichnet I) durch die Würde des Gebers, der ihn bereitete; 2) durch den Reichthum der Gaben, die er gewährt; Z) durch die Zahl der Gäste, die er befriedigt; 4) durch die Dauer der Zeit, worin er bestand undbestehen wird. (Zeis.) Die hohe Be- deutung des heil. Abendmahls; diese wird uns einleuchten, wenn wir sehen I) auf die Person des Stifters, 2) aus die Zeit, in welcher es eingesetzt ward, Z) auf die uns darin gebotenen Gnaden- gaben, 4) auf das von uns geforderte Bekenntniß, 5) auf den schweren Fluch, welcher dem unwürdigen Genuß desselben folgen soll. tLangbeinJ Drin ende Ermunterungen zum würdigen Genu des heil. Abendmahls; der Apostel gründet sie I) auf die Stiftung dieses Mahles selbst, 2) auf die un- vergleichlich herrliche Gabe, die uns in demselben mitgetheilt wird, 3 auf die traurigen Folgen, welche der unwürdige enuß desselben nach sich zieht. (Couard.)— Wie geht der Christ mitSegen zum heil. Abendmahl? I) nimm deine Vernunft ge- fangen und glaube; 2) gieb Jesu dein Herz und mit s ihm deinen Willen; 3) wandle nach seinem Vorbild in Liebe und Demuth (Thieß.) Solches thut zu meinem Gedächtniß; wir suchen den Sinn dieser Worte zu erfassen und ihren Segen zu gewinnen, in- dem wir sie in ihre beiden Hälften auseinanderlegen: I) solches thut, 2) zu meinem Gedächtniß. (Petri.) 23. Ich habe es von dem HErrn [auf dem Wege der Offenbarung Kap. 15, 3; Gal. l, .12] empfangen, das ich [auch, eben darum, weil, und ganz so, »Wie ich es empfangen] euch gegeben habe«- lwie es nämlich mit der Stif- tung des heil. Abendmahls sich verhält]. Denn sum das Empfangene hier noch einmal genau zu wiederholen, da ihr’s so ganz vergessen zu haben schemtJ der HErr Jesus in der Nacht, da et verrathen [nnd in der Sünder Hände über- antworten ward, nahm er dasVrod lwelches von der eben genossenen Ostermahlzeit noch vor- handen war], 24. Dankete und brach’s, nnd sprach: Nehmeh es s et [diese Worte sind vermuthlich erst aus Matth. 26, 28 hinzugefügt und haben ur- sprünglich nicht mit iin Texte gestanden, vgl. Luk. 22,· I9], »das swasnch hiermit euch reiche] ist mein Leib, der sur euch gebrochen wird [nach anderer Lesart: der für euch ist, zu eurem Heile gereicht Joh. 6, 51., nämlich dadurch, daß an ihm vollzogen wird, was das Brechen des Brodes anzeigt, gewaltsame Auflösung, Zer- störung]; solches thut zu meinem Gedächk nißsps [Luk. 22, I9]. 25. Desselbigen gleichen [nahm er, um entsprechend damit zu verfahren, d. i. darüber zu danken] auch den Kelch nach dem Abend- mahl [den Kelch, welchen er nach der Passatisch- Ordnung als bewirthender Hausvater den Seinen noch zu guter Letzt zu reichen hatte, s. zu Kap. 10, 181,und sprach: Dieser Kelch ist das neue Testament, in meinem Blatt« [d. i· indem er mein Blut enthält und euch darreicht ·— Luther: ,,darum, daß mein Blut darinnen ist« »— vgl. 2. Mai. 24, 8]; solches thut, so oft ihr’s [eben diesen Kelch des neuen Testa- ments in meinem Blut oder diesen Sacraments- KelchJ trinkt, zu meinem Gedächtnißss »Es) Der Apostel findet sich veranlaßt, die ganze Ge- schichte der Einsetzung des heil. Abendmahls seinem Sendschreiben einzuschalten, damit er diese heilige Stiftun in ihrer ursprünglicheii Reinheit, von allen den Mi bräuchen frei, die in Corinth sich daran ge- hängt hatten, ignen vor die Au en stellete; mehr, als alle Worte der· rmahnun , mu te der Eindruck davon zeigen, wie weit ihr gesellfchaftliches Essen in der Ge- meinde von dem Sinn und Zweck des Sacraments entfernt war. (v.» Gerlachxjg Jn den Worten: ,,Jch (auf dem Worte liegt ein a druck) habe es von dem FErrn empfangen« stellt Pan us mit großer Emphase eine agostolische Auctorität und die göttliche Authentie seiner atzung der Abendmahlsfeier in der Gemeinde voran. Das ,,empfangen« wird besonders von münd- 246 1. Corinther 11, 26—32. licher Belehrung, namentlich auch religiöser gebraucht, und zwar von solcher, bei welcher durchaus nichts von eigenem Schaffen und Mitwirken, sondern rein recep- tives Verhalten stattfindetx das »von dem HErrn« ließe zwar nach dem Wort, welches im Grundtext für »von« gebraucht ist, recht wohl zu, an eine mittel- bare, durch Menschen vermittelte Empfangnahme zu denken, indessenscheint das Wort hier nicht sowohl diese Art der Empfangnahme, als vielmehr das Aus- ehen von einem höheren und bedeutsamen Punkte bezeichnen zu sollen, und stünde nun bei der Ableitung von dem gen Himmel erhobenen HErrn ganz assend. Auch spricht die nahe Beziehung, in welche fich der Apostel zum HErrn stellt, die Hervorhebung seiner Person in dem eigens ausgedrückten ,,ich«, die bei einer blos mittelbaren, auch andern Christen eignenden Beziehung keinen Sinn hätte, auch hier für die sonst von Paulus so sehr behauptete unmittel- bare, von aller menschlichen Belehrung unabhängige Beziehung zum HErrn (Qsiander.) Allerdings können wir nicht füglich annehmen, daß jede historische Einzel- heit im Leben des HErrn dem Apostel unmittelbar von Christo mitgetheilt sei; allein mit dem heiligen Abendmahl hatte es eine besondere Bewandtniß, die dogniatische Jdee darin war so nahe verknüpft mit der historischen Grundlage, daß sich eins von dem andern nicht trennen ließ, in diesem Falle ist daher eine un- mittelbare Mittheilung vom HErrn ganz an ihrer Stelle. Wollte Paulus nur Anspruch machen auf ein Empfangenhaben von den Aposteln als Augeuzeugem so stünde er allen andern Christen gseich, die das Abend- mahl auch von den Aposteln hatten, er legt sich aber hier etwas Besonderes bei, und wäre nun das Empfangen- haben etwa bei einer persönlichen Erscheinung Christi, und nicht blos durch Offenbarung des Geistes, Geschehen, worauf das für »von« gebrauchte Wort im rundtext vielleicht hinweisen soll, so hätten wir hier eine authentische Erklärung des Auferstandenen selbst über sein Sacrament, wes alb auch die Kirche sie von je- her als die wichtigste rklärung des neuen Testaments über das Abendmahl betrachtet hat. (Olshaufen.) Auch die historische Seite der so wichtigen Sache mußte dem Paulus ebenso göttlich gewiß sein, wie den andern Aposteln, sollte er sie mit gleicher Auctorität wie jene mittheilen können. (Burger.) H) Paulus bezeichnet die Zeit, wann der HErr das gethan hat, woran er erinnern will, als die Nacht, in welcher er überantworteh der ihm feind- lichen Gewalt überliefert wurde« das weist auf die Beziehung hin, in welcher dem HErrn selbt die Be- schaffenheit jener Nacht zu der Handlung stand, die er in ihr vernahm. (v. HofmannJ Es war der letzte Akt des seinem Tode entgegengehenden HErrn, wie er das ihm Bevorstehende im Voraus vergegenwärtigte, gleichwie die nachherige Feier eine Erinnerung an seinen Opfertod sein sollte. (Kling.) Das Gebet, der Dank, womit jede irdische Mahlzeit geweiht und esegnet wird (1. Tim. 4, 5), war und ist ganz be- fonders die Weihe des tief bedeutsamen Mahles zum Symbol und Unterpfand des höchsten geistlichen Ge- nusses; diese Danksagung bezog sich ohne Zweifel auf die höchste aller Erbarmungen und Wo lthaten Gottes, auf das Werk der Erlösung. Das rechen, das gemäß der Beschaffenheit jener Brodkuchen geschah, ist bedeutsam für das Abendmahl als Bundes- und Gemeinschafts eichen (Kap. 10, 17), aber auch als Ge- dächtnißmahl es Opfertodes Christi. Zur Handlung und zum Zeichen kommen dann die eigentli en Stif- tungs- und Bermächtnißworte, die da sind theils Worte der Deutung, theils ein Wort bleibend giltiger An- ordnung. (Osiander.) Die Corinther hielten das heil. Gnadenwahl auf eine Weise, daß bei ihnen in Vergessenheit gerathen konnte, was uns Christen zu essen nnd zu trinken von Christo selbst eingesetzt ist; darum stellt der Apostel das Abendmahlsvermächb niß des HErrn seiner Abendmahls ermahn ung voran. Das Brod, welches wir brechen (Kap. 10, 16), ist die Fortsetzung des Brods, welches der HErr Jesus nahm, dankete und brach es und sprach: »Nehmet, esset, das ist mein Leib, der für euch gebrochen wird!« Nach ansehnlichen Lesarten fehlt im Text das Wort: e- brochen, und es heißt nur: »das ist mein Leib für euch!« Gewiß ist, daß gebrochen einerlei Sinn hat mit gegeben (Luk. 22, 19); ob aber nicht allein die Dahingabe in den Tod, sondern auch die Dar- gabe zum Essen unter Viele dadurch bezeichnet ist (Luther wollte sogar ausschließlich die letztere Bedeu- tung festhalten), läßt sich nicht mit Gewißheit ent- scheiden. (Besser.) Der HErr will sagen: »dieses Brod ist mein, zu eurem Heil bestimmter Leib, insofern das Brechen desselben darstellt die zu euerm Heil erfolgende Ertödtung meines Leibes«. Daß es aber nicht ein bloßes Erinnerungszeichen sei, sondern ein Zeichen, das die Sache darreicht, mittheilt und darum auch in sich hat, also Mittheilungsmittel und Träger derselben ist, das läßt sich aus diesen Stiftungsworten nicht er- weisen; dazu leitet erst die authentische apostolische Auslegung in Kap. 10, 16 hin. Wir erkennen in dieser die Deutung des Geistes Christi, welche in der Gedankenentwickelung der Christenheit fortwirkt und in der Substanz des lutherifchen Lehrbegriffs einen wesentlich wahren Ausdruck gefunden hat, während einerseits die römifche Verwandlungsle re ein phan- tastifches Gepräge hat, die reformirte uffassung in ihren verschiedenen Modificationen theils die exegetische Nüchternheit übertreibt, theils in der verständigen Auseinanderhaltung stehen bleibt und nicht zur christ- lich-specnlativen Einigung hindurchdringt· (Klmg.) IN) Beinerkenswerth ist die (dem obigen: »in der Nacht, da er verrathen ward« entsprechende) Zeit- bestimmung: ,,nach dem Abendmahl« (vgl. Luk. 22, 10), d. i. iiach dem Pafsamahl, dessen Beschluß das Brechen des Brodes, sowie dieses selbst der Anfang der neuen Stiftung war; jedenfalls will Paulus damit den Un- terschied des Neuen von dem Alten und der heiligen Stiftung vom gewöhnlichen irdischen Mahl, dem die Stiftung des alten Bandes, das Pafsamahl, Viel näher stand, auch durch die Trennung der Zeit noch hervor- heben. Möglich auch, daß, wie Einige meinen, mit diesem Ausdruck der Kelch im Abendmahl von dem Kelch beim Pafsamahl, bei dem nach Luk. 22, 17 f. der HErr auch gesprochen, unterschieden werden soll. Osiander.) Die einzelnen Theile des Satzesu ,,dieser elch ist das neue Testament in meinem Blut« sind nicht so zu verbinden, als wären die Worte: »in meinem Blut« ein erklärender Zusatz u: »das neue Testament« (s. v. a. das durch mein lut besiegelte Testament , wonach das Testam ent die eigentlich dar- gebotene ache, die Erwähnung des Blutes nur zur näheren Bekinimung dieses Testament-s bei efügt sein würde; son ern die Worte: ·,,in meinem lut« ge- hören «zu dem Hauptsatz: »dieser Kelch it«, so daß der Sinn ist: dieser Kelch ist das neue Testament kraft meines Blutes, er ist das neue Testament, fo- fern und weil er mein Blut ent alt; er wäre das nicht, wenn er es nicht enthielte. er HErr bezeichnet also auf’s Bestimmteste sein Blut als den Inhalt des dargereichten Kelchsz dieser Kelch ist in Kraft seines Bluts, welches er darreichh das neue Testament, und er ist dies als das uns mitgetheilte Blut der Ver« Erinnerung daran, wie es mit der Stiftung des heil. Abendmahls sich verhält. 247 söhnung, indem er uns mit demselben und durch das- selbe aller Güter des neuen Teftaments theilhaftig macht, vgl. Jer. 31, 33. (Burger.) Nichts Anderes als sein Blut, welches Vergossen zu werden im Be- åriffe war, sieht der HErr im Weine des Bechers; hristi Blut aber ward dadurch, daß es verYssen ward, das Sühnemitteh durch welches der neue und gestiftet wurde (Röm. Z, 25), der Gnadenbund, in welchem von Seiten der Menschen ni t, wie im alten Bunde, die Erfüllung des Gesetzes, son ern der Glaube an Christum, und von Seiten Gottes die gnadenweise Vergebung, Rechtfertigung, Heiligung und Verleihung des ewigen mefsianischen Heils festgestellt ist (2. Cor. Z, 6). Als diesen Bund nun sieht der HErr den Kelch, weil er in dem Weine des Kelchs fein bundes- fchließendes Blut siehet; so ist ihm in dieser tief- lebendigen Plastik der Anschauung der Kelch als das, was das Bnndesblut enthält, der Bund selber. Nach unsrer Stelle fällt mit jeder Wegdeutung des ver- söhnenden Todes Jesu alles Verständnis; des heil. Abendmahls hinweg. (Meher.) Auch hier also sagt der HErr von dem Trinken, welches geschiehet, wenn die Jünger aus dem von ihm dar ereichten Kelche trinken, daß es ein Trinken seines Blutes sei, wie vorher von dem Essen, welches geschiehet, wenn sie das von ihm dargereichte Brod essen, daß es ein Essen seines Leibes sei; nur daß die Bedeutung solchen Essens und Trinkens das eine Mal durch den Beisatz: »der für euch gebrochen wird« betont ist, das andere al dagegen durch das Prädikat: »das neue Testa- ment«, welches hier an die Stelle von ,,mein Blut« tritt, dies xedoch nicht» ohne daß· durch den Beisatz: ,,in meinem Blut« »dieses Prädikat auf das dem ,,mein Leib« entfprechende zurückgeführt erscheint. Die Gleichsetzung aber der beiderseitigen Einzeldinge, des dargereichten Brodes und Kelches einerseits und des Leibes und Blutes Christi andrerseits, bedarf einer Verständigung nur ebenso, wie wenn wir in Offb. 19, 10 lesen: »das Zeugniß Jesu ist der Geist der Weifsagung«. Wie es dort von dem Zeugnisse Jesu heißt, es sei der Geist der Weissagung, weil jenes und diesen haben eins und dasselbe ist; so heißt es hier, das dargereichte Brod, der dargereichte Wein sei Christi Leib und Blut, weil das Essen und Trinken, zu welchem dies Brod und dieser Wein dargereicht wird, ein Essen und Trinken des Leibes und Blutes Christi ist. (v. Hof- Mann) s) Jn B. 24-konnten die Worte: ,,solches thut zu meinem Gedächtniß« nach dem nächsten Zusammenhang auf Jesum selbst, von dessen Thun beim Abendmahl bis jetzt die Rede war, bezogen werden: die Seinigen sollen das, was er jetzt gethan, thun, d. h. das Brod mit Dankfagung brechen und austheilen, zur inneren Vergegenwärtigung seiner Person in ihrer SelbstaufopferunE für sie. Hier, in V. 25 dagegen bezieht sich das hun, wie der Beisatz: Jooxt ihr’s trinket« deutlich anzeigt, auf den Kelchgenu , und da ist die Erinnerung die der Freunde an den Freund, der Geretteten an den Retter, der Beseligten an den Befeliger. Das Abendmahl ist aber darum nicht ein Gedächtuißmitteh sondern eine thatfächliche Gedächt- nißverkündigung, wie« der Apostel im Folgenden weiter ausfiihrt " 26. [So verträgt sich denn, wie ich schon in V. 20 s. bezeugte, die Art, wie ihr euer Gemeinde- mahl haltet, nicht mit des HErrn Abendmahl, das sich daran anschließt.] Denn so osi ihr von diesem Brod sim hochwürdigen Sacrament] esset und von diesem Kelch trinket, sollt ihr [laut seiner Worte: ,,solches thut zu meinem Gedächtnis; — solches thut, sooft ihr’s trinket, zu meinem Ge- dfchtuifW V- 24 U« 251 des HErrn Tod ver- kündigem bis daß et kommt* [und nun persön- lich wieder da ist, wo dann das neue Mahl in « seinem Reiche beginnt Matth. 26, 29; Mark. 14, 25; Luk. 22, 16 u. 18; aber wenn ihr gleich das äußerlich mit dem Munde thut, doch so, daß dabei der Eine hungrig ist, und der Andere trunken, so ist das eine ganz unwürdige Art der Verkündigung]. 27. Welcher nun [das bedenket wohl] un- würdi von diesem Brod isset oder von dem Kelch des Hätrn trinlei [so davon isset und trinket, wie es der Würde dieser Speise und dieses Trankes zuwider ist], der ist schuldig an dem Leib nnd Blut des HErrUVV [befindet sich ihnen gegenüber in einem Zustande der Schuldverhaftung und wird der auf ihre Entweihung gesetzten Strafe nicht entgehen Jak. Z, 10]. 28. Der Mensch [d. i. jedermann, vgl. Kap. 4, I] prüfe aber sich selbst [ob er in der Verfassung sei, das Sacrament würdig zu em- pfangen, ehe er an demselben Theil nimmt], nnd also swenn er bei der Prüfung befunden hat, daß er wirklich in solcher Verfassung stehe] esse et von diesem Brod nnd trinke von diesem Kelch. 29. sUm seines eigenen Besten willen ver- säume er ja nicht zu thun, was ich hier befohlen habe] Denn welcher unwiirdig isset und trinket, der isset und trinket ihm selber das Gericht sein Verwerfungs- oder Verdammungsurtheil Röm. 3, 8; 13, L; Gal. 5, 10, wenn auch nicht gleich das zur ewigen Verdammniß], damit, daß er nicht unterscheidet den Leib des HErrnsspt [von ordi- närer, gemeiner Speise, ihn dahinnimmt, wie diese, und so ihn profanirt oder entweihet] 30. Datum sweil ihr an dieser Unterscheidung es bisher noch so vielfach habt fehlen lassen und damit auch wirklich schon das Gericht euch gegessen und getrunken habt] sind auch so viele Schwache und Kranke unter euch, und ein gut Theil schlafen-r ssind schon in den Schlas des Todes versunken Kap. 15, 6]. 31. Denn so [mittels der Selbstprüsung, wie ich in V. 28 sie forderte] wir Uns selber richteten, so würden wir nicht gerichtet [nicht in solche Gerichte, wie das eben angedeutete, ver- fallen, womit der HErr uns gewaltsam die Augen öffnen will über unsern Zustand, den wir uns muthwillens verbergen] 32. Wenn lvit aber swie es mit euch bereits der Fall ist V. 30] gerichtet werden, so werden wir von dem HErrn gezitchtiget [Hebr. 12, 6; Tit. 2, 125 2. Tim. Z, 25f.], ans daß wir nicht sammt der Welt verdammet werden-H- [Kap. s, 5]. 248 1. Corinther 11, 33. 34. «) Auf die Geschichte und Worte der Stiftung folgen nun wieder die eigenen Worte des Apostels, haupt- sächlich praktische Bestimmungen und Anwendungenx in stetiger Wiederholung (s. V. 26. 27. 28 u. ·29) tritt uns da überall die feierlich genaue Bestimmtheit der heil. Handlung durch beiderlei Gestalten entgegen. (Ofiander.) Die Katholiken täuschen sich, wenn sie in dem ,,oder«, welches in V. 27 gebraucht wird, die Abendmahlsfeier unter EinerGestalt als bestehend ausgesagt oder als erlaubt angegeben finden; wollte man das Wort in diesem Trennungsfinne fassen, so müßte eben so gut der Kelch ohne Brod, als das Brod ohne Kelch genommen werden können. (Nebe.) Wo der Kelch fehlt, da ist ein verstümmelt Abendmahl, wie denn auch Christus nicht mit dem Brode, sondern mit dem Kelche sein Blut vermacht hat. (Spener.) Nachdem Paulus die Einsetzung des heil. Abendmahls selbst aus authentischer Kunde dargelegt hat, so knüpft er seine weiteren Auslafsungen an das: ,,folches thut zu meinem Gedächtiiiß« an; an die Stelle des Gedächt- nisses des HErrn tritt hier das Verkündigen des Todes des HErrth ein feierliches Aussprechen der Thatsache, daß der HErr den Opfertod für seine Gemeinde er- duldet und dadurch ihr Erlösung verschafft habe, ein mit der Handlung verbundenes, wie durch sich selbst angedeutetes Bekenntniß mit Lobpreifung, sei es nun, daß es bei den Einzelnen aus einem von der Liebe des HErrn durchdrungenen Gemüth hervorging oder nicht. (Kling.) Wie dieses Verkündigen, das nicht als ein blos thatsächliches, sondern zugleich als ein wirklich mündliches gefaßt werden kann, geschehen sei, ist uns unbekannt; es hatte sich wohl damals fchon ein liturgifches Element der Feier, die bereits über ein Vierteljahrhundert im Gange war, gestaltet, wie auch beim jüdischen Osterfest in 2. Mos. 12, 27; 13, 8 ein ausdrückliches Bekennen vorgeschrieben ist. (Meyer.) Der Corinther Schade war, daß sie in einem Zustande das Abendmahl genossen, worin sie mit dem Herzen des HErrn Tod vergaßen, den sie mit dem Munde verkündigten; denn wie können die des HErrn Tod im Herzen bewegen, welche fleischlichen Zank und fleisch- lichen Genuß pflegen? (Besser.) Die Verkündigung des Todes des HErrn soll nicht nur sooft geschehen, als das Abendmahl gefeiert wird, sondern diese Feier und somit auch die damit verbundene Verkündigung soll währen bis zur Wiederkunft des HErrn, also durch den ganzen gegenwärtigen Weltlauf bis zum Abend- mahl des Lammes im Reiche Gottes. (Olshausen.) Das Geheimniß des Abendmahls verbindet den Anfang und das Ende der Zeit des neuen Teftaments: was irgend uns durch den Weggang Christi entzogen zu fein scheint, wird uns durch das heil. Abendmahl er- fetzt, so daß wir vom Abschied des HErrn bis zu seiner sichtbaren und glorreichen Wiederkunft ihn, den wir eine Weile nicht sehen, dennoch leibhaftig haben, wie Leo d. Gr. schreibt: das Sichtbare unsers Heilandes ist in die Sacramente übergegangen· (Bengel.) «) Das ,,oder« in dem Satzet ,,welcher nun un- würdig von diesem Brod isset oder von dem Kelch des HErrn trinken« steht nicht für ,,und«, sondern der Sinn ist: es mag jemand das eine oder das andere unwiirdig genießen, so ist er schuldig; weder beim Brode noch beim Wein soll »ein unwürdiger Genuß stattfinden swas offensichtlich in Beziehung steht zu dem ,,einer ist hungrig, der andere ist trunken« in V. 21). Die Verschuldung aber des einen sowohl als des andern unwürdig Genießenden ist die nämliche und ganze, daher steht im Nachsatze nicht wieder ,,oder«, sondern: »der ist schuldig an dem Leib und Blut des HErrnC Paulus bestimmt nicht näher, in welcher Weise das unwürdig Genießen geschehen kann, wie denn auch ein unwürdiger Genuß in concreten Fällen sehr vielfach ftattfindet; er überläßt es für Ietzt den Lesern, ihre Weise des Abendmahlsgenusses dem allgemeinen ,,unwürdig« unter uordnen, erst in V. 29 charakterifirt er selbst die besondere Form des un- würdigen Genusses, welche bei ihnen stattfand. (Meyer.) Von dem unwürdi en Essen und Trinken des Brodes und Kelches des H rrn sagt der Apostel, daß es mit einer auf des HErrn Leib und Blut begüglichen Schuld behaftet mache: inwiefern dies, lehrt ie Aussage des HErrn, was es um das Essen und Trinken dieses Brodes und Kelches sei; so, wie sie lautet, ist es ein Essen seines Leibes und Trinken seines Blutes, und versündigt sich also unmittelbar an seinem Leibe und Blute, wer es unwürdiger Weise be eht. (v· Hofmannl Die Verfündigung an Leib und lut des HErrn be- steht in der leichtsinnigen Entweihung des Mahles, theils sofern es Erinnerungszeichen des Opfertodes Jesu, theils und ganz besonders aber sofern es Mittel für die Selbstmittheilung des aufgeopferten Heilandes, seines Leibes und Blutes ist; streng buchstiiblich gefaßt spricht diese Stelle für die objektive, lutherische Ansicht von der Mittheilun des heil. Leibes und Blutes auch an Unwürdige. (O«s;iander.) IN) Prüfen heißt, sich wohl bedenken, wie du geschickt seiest; also erfordert es die Prüfung selbst, daß man nicht seinen bloßen Gedanken noch Anderer Meinung sogleich glaube, sondern es solan e verdächtig halte, bis man die Sache vor Gott nach einem Wort wohl überlegt hat. Hierzu gehört eine Tüchtigkeitz daher sich kein Unbekehrter prüfen kann, es sei denn, daß er anfängt, der vorlaufenden und züchtigenden Gnade Gottes Platzzu lassen, und ein Fünklein des göttlichen Lichts bei ihm aufgeht. (Spener.)» Auf die Ermahnung des Apostels: »der Mensch prufe sich selbst« wird mit Recht die Zweckmäßigkeit der Vor- bereitung durch die Beichte gestützt; der paränetische Geist dieses Ausfpruchs ist dem gese lichen ·und hierarchischen Zwange einer kleinlichen inzelbeichte, wie die römischckatholifche Kirche sie fordert, entgegen, ist aber mit dem Jnstitut der richtig und evangelisch- gefaßten Privatbeichte, die an sich dem Brauche der allgemeinen Beichte vorzuziehen sein dürfte, wohl vereinbar. (Osiander.) Die Selbstprüfung besteht darin, daß man zusehe, ob man Buße und Glauben habe — nicht eine vollkommene Buße und einen voll- endeten Glauben, wie denn Einige auf Bollkoinmenheit dringen, die es nirgend giebt, und damit alle Menschen für immer vom heil. Abendmahl abhalten; sondern wenn du mit aufrichtigem Herzens-verlangen nach Gottes Gerechtigkeit dich sehnst und, durch die Er- kenntniß deines Elends niedergebeugt, ganz und gar auf Christi Gnade vertrauest und dich verlässest, dann bist du ein würdiger Gast an diesem Tische. Denn würdig heißt, wen der HErr nicht hinausstößh fehlt dir auch sonst noch viel; auch der anfangende Glaube macht aus Unwürdigen Würdige. (Calvin.) Wie das Bekenntniß der Taufe die Erkenntniß der Sünde, so fordert die Feier des Abendmahls die Erkenntnis; feiner selbst; der Befeftigun des Willens, ein mit der Jdee übereinstimmendes Le en zu führen, kommt es auf das Tiefste ent egen, weil es dem Menschen un- mittelbar die Gewigheit giebt, daß die Aufgabe, die er zu lösen hat, an und für sich in Christo fchon gelöst ist, und daß also die Wirklichkeit eines göttlich freien Lebens, wie er es sich ersehnt, nicht unmöglich M. (Rofenkranz.) Wer dagegen rech genug ist, ies ahl von andern Mahlzeiten nicht zu unterscheiden, und so unbedacht und unbesonnem so leichtsinnig und Vom unwürdigen Empfangen des Sacra1nents, was es verwirke und wie es zu meiden. 249 frevelig herzunaht, als ginge er zu einer gewöhnlichen Mahlzeit, der wird seiner Strafe nicht entgehen, seinem Gerichte nicht entfliehen; und wenn dies Gericht auch nicht die ewige Verdammniß ist, sondern nach V. 32 von derselben unterschieden und gerade dazu aus-- geübt wird, auf daß wir nicht mit der Welt verdammet werden, so bleibt die Sache doch immer noch ernsthaft genug, und was der HErr zur Züchtigung wegen un- würdigen Abendmahlsgenusses über uns verhängt, das ist immerhin so groß und bedeutungsvoll, daß wir alle Ursach haben, unsTZu prüfen und die unbesonnene, träge, unehrerbietige eise unsrer Abendmahlsgänge abzuschaffen (Löhe.) Jnnerhalb der Gnadenzeit ist das Gericht noch nicht das Gericht ewiger Verdamm- niß, vielmehr widerfåkrt es denen, die sich darunter demüthigen, zur« A wendung des Verdammungsi gerichtesx jedoch bei denen, die sich gegen das Zucht- gericht verstocken, wird es zum Verdammnißgerichte (Besser.) Die Auffassung des unwürdigen Abendmahls- enusses als an und für sich die ewige Verdammniß gerbeiführend oder der Sünde wider den heil. Geist gleich stehend, kann durch Abschreckung vom Genuß des heil. Abendmahls sehr fchadenx merkwürdig sind in dieser Hinsicht die Bekenntnisse Goethes, der durch diese Furcht zuerst von Kirche und Altar zurück- gescheucht sein will. (Olshausen.) f) Eine leibliche Krankheit hatte in Corinth viele Christen ergriffen, manche schon getödtet: der Apostel erklärt der Gemeinde, dies sei ein göttliches Straf- gericht wegen ihrer Entheiligung des Abendmahls Obwohl zu allen Zeiten ähnliche göttliche Gerichte wegen derselben Vergehung eintreten, so standen doch in dieser Hinsicht die ersten Gemeinden unter beson- derer gdttlicher Leitung, vgl. Apstg. 5, 1 ff. (v. Gerlach·) Der Beginn der Kirche Christi und die in ihr waltende Ehristokratie erforderte ähnliche Heils- und Strafwunder, wie die beginnende Theokratie des alten Bandes, woran der Apostel in Kap. 10, 6 ff. so stark erinnert. Andere Ausleger weisen auf die theokratische Aus- rottung aus dem Volke hin, die aus Profanation des Osterlammes gesetzt war. (Osiander.) Aus dem ,,schlafen«, was Paulus von den bereits Gestorbenen aussagt, dürfte hervorgehen, daß diese, um ihres üblen Abendmahlsgenusses willen Gestorbenen sich noch vor ihrem Ende mit Gott versöhnt haben und in Frieden dahitägzefahren sind, denn im neuen Testament kommt das ort nur im guten Sinne vor; hätte Paulus das Gegentheil sagen wollen, so stand ihm wohl ein kisenäiclzer Ausdruck wie in Kap. 10, 5 zur Verfügung. e e. H) Um nicht schuldig zu werden, laßt uns be- kennen, daß wir schuldig sind! Ja, laßt uns be- kennen, daß wir der Strafe und Züchtigung werth sind, auch um so manchen üblen Haltens des Abend- mahls willen, so wird Gott seinen Zorn fahren lassen und unser mildiglich verschonen, seine zeitlichen Ruthen- schlage mäßigen und uns zum Besten wenden, die ewige Verdammniß aber, die wir verdient haben, nicht über uns sehen lassen um Jesu Christi, unsers HErrn willen. ( e sen) Je strenger der Piensch egen sich selbst ist, de to schonender ist Gott; Selbstsehonung bringt nur Unheil. Klage dich selbst an und verurtheile dich, so wird dir Gott vergeben· Hält aber Gott durch eitliche Strafen uns unsere Schuld vor, und wir lassen uns ziehen, so werden es heilsame Züch- tigungen. (Heubner.) Das Selbstrichten ist der Sache nach ein Unterscheiden des eigenen sittlichen Zu- standes von seiner Norm, von der göttlichen Regel, wie er sein sollte, ein solches Erkennen seiner selbst, tso man über das, was man ist nnd was man nicht ist, sich klar wird: wer in dieser Weise selbst das Ge- richt über sich übt, dem braucht der HErr nicht durch züchtigende Heimsuchunåen erst die Augen zu öffnen über seinen Zustand. ritt nun aber ein Züchtigen ein durch verhängtes zeitliches Ungemach, so ist das ein Richten des HErrn, das vom Verurtheilen sich wohl unterscheidet: der Welt läßt er viel hingehen, aber ihr Ende ist die Verdammniß; mit seinen Kindern dagegen nimmt er es genau und züchtig; ihre Fehler bald, damit sie vor den Wegen der elt bewahret bleiben, nicht in deren Untergang verwickelt werden. (Burger.) s 33. Darum, meine lieben Brüder [um jetzt, nachdem ich das, was verwerflich bei euch ist, getadelt habe, euch nun auch das Heilmittel dieser Uebelstände und guten Rath, wie ihr euch zu verhalten habt, auf Grund der bisherigen Aus- einandersetzungen zu geben], wenn ihr [zum Ge- meindeessen, dem sog. Liebesmahl V. 20] zusammen kommeh zu essen, so snehme keiner sein Eigenes vorhin V. 21., sondern] harre einer des andern [das gilt euch Reicheren den Aermeren gegenüber, denen von dem Euren mitzutheilen ihr euch nicht weigern sollet]. 34. Hnngert aber [von euch Aermeren] jemand [d. i. handelt es sich bei ihm um die Stillung des leiblichen Hungers], der esse daheim swieviel und was ihm Gott bescheeret hat, und denke nicht, daß er das Gemeindemahl zu einem Mittel könne machen, sich einmal gütlich zu thun], auf daß ihr nicht [durch eine unwürdige Feier des dem Gemeindemahl folgenden Abendmahls des HErrn] zum Gericht zusammen kommen-« Das Andere swas in Betreff der Haltung der heil. Mahlzeiten zu beobachten ist und worüber ihr Anfrage bei mir gethan habt] will ich ordnen, wenn ich komme« sbis dahin kann die Sache ausstehen, da sie nur zu löblichem Anstande dient, nicht aber zur Ab- wendung von Schaden und Gericht der sofortigen Regelung bedarf, wie die, welche ich soeben abge- handelt habe]. «) Der Apostel kommt nun dazu, die in V· 17 an- gekündi te Weisung zu geben, deren Bedeutung durch die zwifchenliegende Erinnerung, was es um würdige oder unwürdige Begehung des Mahles des HErrn sei, hinreichend in’s Licht gestellt ist, um verstehen zu lassen, was es um das vorher Gerü te und um das jetzt Anzubefehlende für eine ernste ache sei, da es sich um nichts Geringeres handelt, als eine Begehung jenes Mahles zu ermöglichen, welche es wirklich ist. Beides nun, was der Apostel sagt: ,,harre einer des andern« und: «hungert jemand, der esse daheim«, ist erforder- lich, wenn die Versammlungen zu gemeindlichem Essen nicht zu einem Gericht im Sinne des 29. Verses aus- schlagen sollen; es muß wirklich zu einem gemeinsamen Essen kommen, und es muß ein Essen sein, bei dem es sich für niemand um gemeine Stillung des Hungers andelt. Wenn Keiner hungrig in die Versammlung ommt, daß es ihm um das Essen zur Befriedigung leiblichen Bedürfnisses zu thun ist, und Keiner des- halb das Seinige für sich vorweg nimmt, weil es ihm darum zu thun ist, gut zu essen und u trinken, dann s wird das gemeinsame Mahl auch wir lich ein gemeinh- 250 1. Eorinther 12, 1——3. liches sein, dessen Theilnehmer nur zu dem Zweck und in der Art eine Tischgenossenschaft bilden, um ihre christliche Gemeinschaft dadurch zu betätigen; eine solche Tischgenossenschaft kann auch das ahl des HErrn würdiger Weise ihrem gemeinsamen Mahle anschließen. Its) Die Gemeinde hatte den Apostel, wie man siehet, über dieses und jenes befragt, worauf er nicht nöthig findet, sich brieflich einzulassen; dagegen von dem, was er zu rügen gefunden, war ihm nur münd- liche Mittheilung zugekommen (vgl. V. 18). Die Ge- meinde hatte diesen Mißstand nicht empfunden und wird überrascht gewesen sein, so scharfem Tadel zu begegnen, wo sie nur Lob erwartete und nur über untergeordnete Aeußerlichkeiten seine Willensmeinung zu vernehmen begehrte. (v. Hofmannh Es wird diese Stelle von Seiten der Katholischen benutzt zu dem Beweise, daß die Apostel nicht alle ihre Verfügungen schriftlich, sondern viele auch mündlich getroffen haben, und daß die letzteren gleich den ersteren zu halten seien. Allein denersten Theil dieser Behauptung hat noch niemand bestritten, und den zweiten auch nicht, sofern für irgend eine Anordnung oder Einrichtung der apostolische Ursprung erwiesen ist; nur wird zu- gegeben werden müssen, 1) daß unter den Anordnungen der Apostel auch solche waren, welche blos als zeit- liche, durch Verhältnisse der damaligen Gegenwart bedingte zu betrachten sind, wie gleich in unserm Ka- pitel sowohl hinsichtlich der Bestimmungen über die Tracht der Frauen beim Gottesdienst, als derer über die Einrichtung der Liebesmahle von keiner Seite be- stritten wird, und 2) daß bleibende, für alle Zeiten gegebene Bestimmun en, die den Charakter göttlicher Ordnungen tragen so en, von den Aposteln selbst immer auf den HErrn und sein Wort zuriickgeführt werden (vgl. Kap. 7, 10; 9, 14), und also die Regel berechtigt ist, daß nichts als göttliche Ordnung in der Kirche bestehen kann, was mit erkannten und bestimmten Aussprüchen des HErrn und seiner Apostel im Wider- spruch steht. (Burger.) Das 12. Kapitel. Wie geislliohe gaben zu gebrauchen. c. V. l-—Kap. sit, 2l0. Von den unter dem Aus« drncli ,,des Andern« besaslten Dingen, aus die der Apostel siir setzt sich iticht einlassen will (Kp.1l,34), geht er zu einem andern, die gnle Ordnung christ- lichen Genieindelebens Betreffenden punlite über, der ihm allerdings wichtig genug ist, um die Gemeinde sticht in der Unsicherheit darüber zu belassen, welche sie in ihrer daraulbeziiglicljen Ansruge zu Tage gegeben hat; es handelt sich da um die geistlichen Gaben oder die mannigfachen Kräfte und Aeusleruiigeii des vom heil. Geist entzündeten und geleiteten Glaubenslebens, wie sie in der apoflolifchesi Kirche aus wunderbare Weise vorhanden waren, um deren herrlichtieit kund zu thun und ihren Ausbau zu befördern (Röm.12, 8 Anm.). Unter den beweglicheii Griechen, namentlich in Corinth, offenbarten sich diese Geistes-gaben um gewaltigstenz alle Formen und Erscheinungen derselben schenken hier heroorgetreten zu sein und in mächtiger Gährung sich wirlisam gemacht zu haben. Du indessen die Träger dieser an sich heiligen Gaben noch nicht völlig geheiligt waren, da sogar manche unter ihnen ihre menschlichen Schwächen aus die geistige Kraft, die sie erfüllte, Einfluss gewinnen lieben, so lionnte es gesajehem das! die Anwendung der Gaben zu manchen Miszbräuchen Anlasl gab; so verhielt es sich namentlich mit der 5prachengabe, deren auffallendg blendende Aenslerung die Corinther ihren Werth überschätzen liest. Von diesem Mißbrauch aus, den er zu rligen entschlossen war, stellt Paulus die ganze folgende Betrachtung an, die nach lllaslgabe der drei Kapitel, durch welche sie sich hindurchziehh in drei Haupttheile zerfällt: a. Von den mannigfaltigen Gaben deS Geistes überhaupt. (Epistel am 10· Sonntag nach Crinitatis.) Die Epistel von den gei tlichen Gaben und den niancherlei Aemtern und rüsten, die trotz ihrer Mannigfaltigkeit doch allesammt Wirkungen eines und desselben Geistes sind, stellt sich als Fortsetzung des vorangehenden Epistelunterrichts, aber gleichsam als ein neues Kapitel dar; nachdem nämlich von der Taufe, dem Absterben der Sünde, dem Dienst der Gerechtigkeit und der durch das Zeugniß des heiligen Geistes verbürgten Kindschaft Gottes die Rede war, dabei aber auch von dem vermessenen Pochen daraus gewarnt worden, wendet sich der epiftolische Unterricht den praktischen Wirkungen des heil. Geistes in der Christenheit zu, und zwar zuerst in einem allgemeinen summarischen Ueberblick, wie er eben in dieser« Epistel uns vorliegt. (Alt.) ,,Darum, daß du nicht erkannt hast die Zeit, darinnen du heimgesucht bit«: das sind die Worte, mit welchen der Mund der ahrheit im heutigen Evangelio den Grund und die Ur ach von all dem unaussprechlichen Weh und Leid angab, wel- ches über Jerusalem kommen sollte nnd auch kam; Jerusalem erkannte seine Heimsuchung nicht, darum »in es schrecklich unter. enn nun Jerusalems Be- straksung uns zum Vorbild und zur Warnung geschah, wie wir nicht werden leugnen dürfen, so fragt sich vor allem, was denn die Heimfuchung ist? und die Ant- wort auf die Frage ist im Evangelium klar. Jeru- salem war heimgesuchh angesehen, Gnade und Er- barmen ihm an etragen durch die Gegenwart Jesu, durch seinen flei igen Besuch, durch seine Predigten und Wunder, welche er vor allem Volke that. Unsre Heimsuchung ist anders: der HErr tritt nicht mehr sichtbar in die Welt hinein, redet nicht mehr mit eigenen Lippen, sondern er hat seinen heil. Geist und dessen Wirkungen nachgelassen, wie Elias seinen Mantel; seine Heimsuchung bei uns ist nichts Anderes als die Erweisung und die Gaben seines Geites Von dieser Heimsuchung redet die Epistel und ste talso der Heim- suchung Jerusalems bedeutungsvoll die Heimsuchung der Welt, wie sie seit dem ersten Pfingsten vorhanden ist, zur Seite· (Löhe.) Von den geistlichen Gaben, die der Christ nöthig hat: wir sehen I) wiesie gegeben werden durch den heil. Geist, daher wir arum bitten sollen; Z) wie sie sich kennzeichen durch das Bekenntniß Jesu, da er wir durch Lehre und Leben Jesum verherrlichen so en; 3) wie sie die Ge- meinde des HErrn erbauen, daher wir unsern Brüdern demüthig damit dienen sollen. Wie soll ein Christ die geistlichen Gaben gebrauchen, die ihm gegeben sind? 1) in Demuth, denn sie« sind Gottes Geschenkx 2) in Liebe, denn sie sind auch für die Brüder bestimmt; 3) im Vertrauen, denn Gott kann auch das Kleine groß machen. (Sommer.) Wie leitet der Apostel die Eorinther zu demuthsvoller Liebe? dadurch, daß er 1) an das Elend erinnert, in dem sie alle waren; Z) an den Helfer mahnt, der sie alle gerettet; Z) auf die Gnaden- aben hinweist, die sie alle von Einem Geist zu Einem Zwei! empfangen haben. (Seybold.) Von der Aus« Die in der Gemeinde vorhandenen G e i ft e s g ab e n: welche Stellung man dazu einzunehmen habe. 251 theilung der eistlich en Gaben: wir achten I) auf den hohengwech 2) auf die große Mannig- faltigkeit, 3) auf das rechte Maß, welches dabei ftattsindet. (Kiibel.) Die rechte Werthschätzung der geiftlichen Gaben: 1) hast du viel, laß dich’s nicht verführen; 2) hast du wenig, laß dich’s nicht verdrießen; Z) was du hast, das nütze aus! (Hedinger.) Von»de·n geiftlichen Gaben; l) wo siesich finden? 2) wie sie sich erzeigen? (E1g. Arb.) I. Von den geistlichen [vom heil. Geist herrührenden und dessen Wirksamkeit im Gemeinde- leben zur Erscheinung bringenden] Gaben aber will ich euch, lieben Brüder swährend ich vorhin allerdings Manches, darauf ihr gern Ant- wort von mir hättet, noch unerledigt gelassen , 34], nicht verhalten-l« sdaß ich auch hier euch in Unkunde sollte lassen, was davon und wie es damit zu halten sei Kap. 10, 1; 1. Thess 4, 13]. - 2. Ihr wisseh daß ihr svor eurer Be- kehrung zu Christo insgefammt, soviel euer bei der Sache, um -die es vor allen Dingen sich handelt, in Frage kommen] Heiden seid gewesen Und [nun in solchem euerm früheren Religions- stände] hingegan en zu den stummen Götzen lfHabY 21 18 s« 1151 4 ffsly wie ihr ge- führt wurdet [einer euch blindlings leitenden Macht folgend, von der ihr euch freilich keine ordentliche Rechenschaft geben konntet, und von Kräften angezogen, die allerdings unheimlicher Art waren]. Z. Darum sweil ihr in Rückerinnerung hieran den euch befremdlichen Geisteserscheinungen gegenüber in falsche Aengstlichkeit gerathen seid] thue ich euch kund, da niemand Iesum verflucheh der durch den eist Gottes redet; Und [weiter sage ich, im Anschluß hieran, denen unter euch, die nur blendende, besonders in das Auge fallende Geisteswirkungen für solche aner- kennen wollen, die andern, mehr unscheinbaren aber für nichts gelten lassen] niemand kann Iesum einen Errn heißen, ohne durch den hei- ligen Ast« [es sind also Geisteswirkungen auch da anzuerkennen, wo überhaupt von Christo und für ihn Zeugniß abgelegt wird Joh. 15, 26f.]. «) An das Vorhergehende schließt sich dieses Ka- pitel so an, daß Paulus bemerklich macht, wenn es auch mit den anderweitigen Bestimmungen wegen des Abendmahls Zeit habe bis zu seiner Ankunft, so müsse er sich doch über die geiftlichen Gaben (Kap. 14, I) sogleich erklären, um durch seine Ermahnungen sofort den Mißbräuchen Einhalt Zu thun. (Olshausen.) Nicht verhalten will er den rüdern, was zu wissen ihm gegeben war; er wäre kein treuer Haushalter ewesen, hätte er sie in Unwissenheit gelassen über efen, Werth und rechten Brauch der geiftlichen Gaben, womit der dreieinige Gott sein Haus baut und ziert. (Besser.) Daß die so umfafsende und in’s Einzelne eingehende Behandlung des· casuellen Gegenstandes durch Anfragen des cormthischen Briefs ( up. 7, l; 8, l) veranlaßt sei, wird mit Recht angenommen. (Meyer.) Wenn nun der Apostel mit den Worten: ,,ich will euch nicht verhalten« das bedeutende Moment des Gegenstandes, zu dem er übergeht, und mit der Wichtig eit desselben zugleich dessen Dunkel eit und das Bedürfniß seiner Aufhellung ankündigt, o hat er dabei nicht den Gegenstand und seine Realität an sich im Blick, denn der Geistesgaben waren sich die Leser nur zu sehr bewußt; sondern er will sie zum Bewußt- sein des Wesens, Ursprungs, Werthes und Gebrauchs derselben leiten. So sehr er nun aber auch der Auf- hellung und Ausführung der Lehre von diesen Gaben sich, wie sonst nirgends, in dieser klassifchen Stelle darüber besleißigt, so dunkel bleibt doch noch immer für uns Manches in dieser Region; und gar tief haben dieses Dunkel, das in der Differenz der Zeiten, der christlichen Urzeit und der den außerordentlichen Ein- flüssen des Geistes schon ferner liegenden Folgezeiten beruht, selbst schon die Kirchenväter, die doch dem frischen Urquell des göttlichen Geisteslebens im Christen- thum näher stunden, gefühlt. (Osiander.) Dies ganze Gebiet ist sehr dunkel; die Dunkelheit bewirkt aber die Unkenntniß und Ermangelung von Dingen, die zwar damals sich ereigneten, jetzt aber nicht geschehern (Chrysostomus.) VI) Zwar redet der Apostel in diesem großen Ab- schnitt seines Briefs durchaus nicht ausschließlich von der einzelnen Geistesgabe des Zungenredens (vgl. zu V. 10), sondern er giebt Aufschlüsse über die reiche Mannigfaltigkeit der Geiftesgaben, über die Fülle der Charismen (Rön1. 12, 8 Anm.) überhaupt; aus Kap. 13, l; I4, I. 5. 1·2 ff. geht indessen hervor, daß die Corinther vor allen Dingen über das Zungeureden Auskunft nöthig hatten und begehrten. Es war das diejenige Geistesgabe, welche in der corinthischen Ge- meinde in ganz auffallender Weise hervortrat; sie do- minirte offenbar unter den mancherlei Gaben, und nun war die ganze Gemeindesiiber sie im Unklaren, ja im Streit. Denn während der eine Theil diese Zungengabe hoch über alle andern Gaben erhob, so daß sie alle begehrten mit Zungen zu reden, wollte der andere Theil von diesem Charisma gar nichts wissen; er verachtete es·und wollte es in den Gottesdiensten schlechterdmgs nicht zur Verwendung gelangen lassen. Der Verachtung des Zungenredens von Seiten der letzteren ging dann parallel eine Geringschätzung des Weissagens auf Seiten der ersteren, weil man an dieser Gabe die außerordentlichen äußeren Erschei- nungen, von welchen jene begleitet war, vermißte. Von diesem Stande der Dinge geht denn der Apostel bei seiner Erörterung aus, wie er auch am Schluß der- selben (14, 39) auf ihn wieder zurückkommt und die von den Corinthern erbetene Belehrung in eine kurze Weisung zusammenfaßt Was nun das Zungeureden betrifft, so verschiebt Paulus es auf seine weiteren Auslassungen, die Ueberschätzung dieser Geistesgabe zu bekämpfen; er nimmt vielmehr zunächst die Unter- schätzung derselben vor und beugt am Schluß des 3. Verses gleichzeitig einerUnterfchätzung des Weissagens vor, dessen hohen Werth er später noch besonders be- tonen wird (Kap. 14, 1sf.). Er kann, so deutet er in V. 2 an, es sich wohl erklären, warum so Manche in der corint ischen Gemeinde in Betresf des Zungen- redens gro e Bedenken hegten, ja, sogar Angst und Schrecken vor dieser Erscheinung empfunden und sie im Gemeindegottesdienst nicht dulden wollten. Jn ihrem früheren Heidenstande waren. sie, wie sie jetzt dessen sich wohl bewußt waren (Kap 8, 4), lediglich zu todten, stummen Götzen als zu wirkichen Göttern ge- laufen, wenn sie zu den Tempeln und den dort auf- gestellten Bildern kamen; eine unheimliche, finstere Macht, 252 1. Corinther 12, 4-—11. so hat der Apotel selber in Kap.10, 20 ihnen erklärt (vgl. Ephes Z, ) und so haben sie wohl selber, wenn auch nur dunkel, damals gefühlt, hatte sie in einer Weise zu diesen Gottesdiensten geführt, bei der sie kaum noch des Gebrauchs ihrer eigenen Vernunft und ihres freien Willens- mächtig waren. Konnte nun nicht in denen, die mit Zungen redeten, weil sich an ihnen Erscheinungen bemerkbar machten, welche mehrfach in der Form an die heidnische Mantik (1.Kön. 18, 26 ff; 4. Mof. 11, 25 u· Anm. zu 1. Sam. 7, 2 u. 10, 10) heranstreifte, eine gleiche unheimliche Macht beim christ- lichen Gottesdienft ihnen gegenüberstehen und ihre Künste dahin versuchen, daß ihre Seelen von Christo ab- und den Teufeln wieder zugeführt würden? Denen, die solche Befürchtung hegten und darum das Zungen- reden ganz aus dem christlichen Gottesdienst verbannt wissen wollten, thut Paulus kund, daß niemand Jesum verfluchet, der durch den GeistGottes redet, und bezeugt ihnen damit, daß jeder, welcher in dem Geiste Gottes redet, wie es im Grundtext heißt, der also den Geist Gottes als Lebenselement in sich trägt und in ihm bei seinem Reden sich bewegt, unmöglich etwas sagen könne, das zur Lästerun des Namens Jesu, als wäre er nicht der Christ des H rrn, sondern ein solcher, dem man fluchen müsse, weil Gott ihn verflucht habe, gereiche, wenn man auch nicht ver- steht, was er sagt (Kap. 14, 16); vielmehr dürfe man getrost voraussetzen, daß er mit Gott rede und bete und die großen Thaten der Erlösung durch Jefum Christum zum Gegenstand seines Lobens und Dankens mache (Kap. 14, 2. 13 ff.), und sei demnach der Geist auch in denen, welchen die Gabe der mancherlei Sprachen verliehen werde, nicht zu dämpfen (1. Thesf. 5, 19). Jndem dann aber der Apostel weiter kund thut, daß niemand kann Jesum einen HErrn heißen, ohne durchden heil. Geist, tritt er der Geringschätzung der Weissagungsgabe entgegen (1. Thess 5, 20); auch das einfachste Bekenntniß Jesu als des HErrn(Phil.2,11) ist nur einem solchen möglich, dem der heilige Geist innewohnt, und o thut man Unrecht, wenn man ein dieses Bekennttniß in sich schließendes und Christi Namen verherrlichendes Reden darum für geistlos und unbedeutend erachtet, weil es nicht mit hohen Worten und unter überschwänglichen Geistesäußerungen vor etragen wird. Die hier gegebene Auslegung, wie sie besonders von v. Hofmann und Nebe vertreten wird, weicht von der herkömmlichen ab; diese behandelt den Text des s. Verses so, als würde im ersten Theil gesagt, wer Jesum verfluch e, der rede nicht durch den Geist Gottes, und im zweiten Theil, wer Jesum nicht für den HErrn bekenne, der rede auch nicht durch den heil. Geist, während es umgekehrt heißt, wer durch den Geist Gottes redet, der verfluche Jesum nicht, und nur, wer durch den heil. Geist redet, könne Jesum einen HErrn heißen, weshalb denn das Dasein des letzteren immer auch ein Zeichen von dem Dasein des ersteren sei. Offenbar nun soll der Ausspruch in der ersten Hälfte des Verses gegen die Aengstlichkeit vor einem dem Hörer unvertändlichen Reden, welches der in der Ge- meinde wunderbar waltende Gottesgeist bewirkt, der Ausspruch in der andern Hälfte aber gegen die Unter- schätzung eines von Christo und für Christum zeu- enden Redens verwahren, das zwar ohne aussallende und erbarkeit gefchieht, dessen ungeachtet jedoch ebenfalls durch den Geist Gottes gewirkt sein muß, wie sein Inhalt an den Tag giebt. 4. Es sind mancäerlei [Gnaden-] Gaben, aber es ist Ein Gei . 5. Und es sind mancherlei Aemter [wörtlich: Dienstleistungen, griech. Diakonieen Rom. 12, 8 Anm.]; aber es ist Ein HErr [der einem jeden das Gebiet anweist, aufwelchem er thätig sein soll]. · » s. Und es sind mancherlei Krafte sKrastäußerungen oder Machterwe1sungen]; aber es ist Ein Gott, der da wirket alles fwas von solchen Machterweisungen vorkommt] in allen sdureh die selbige geschehen]. Der Apostel weist hier den Gedanken ab, daß der heil. Geist, welcher das Lebensprinzip in allen Gläu- bigen ist, sich in einerlei Art und Weise offenbare: nein! dieser heilige Geist, welcher in dem alten Testa- mente feinem eigenen Gehalte nach als ein reicher, mannigfaltiger Geist beschrieben wird (Jes.11, 2), be- weist sich nach außen hin auch in einem seltenen Reich- thum, in einer reichen Mannigfaltigkeit. Es giebt nur Einen Geist, aber es giebt, wie es im Grundtext heißt, Vertheilungen der Charismen oder Gnadeugaben; diese werden nie einem Individuum in ganzer Fülle, in ungetheilter Ganzheit mitgetheilt, sondern der heil. Geist, welcher sich über die Gläubigen ausgießt, theilt dem einen dieses, dem andern jenes Charisma mit V.11. (Nebe.) Obwohl alle Gnadeiigaben den gleichen Grundcharakter haben, so finden doch, gleich- wie der Stamm eines Baumes in mancherlei Aeste und Zweige ausläuft, Vertheilungen statt, so das; dem einen Christen diese, dem andern jene außerordentliche Thätigkeit innewohnt; die verschiedene Vertheilung alterirt aber keineswegs das gemeinsame Prinzip, von welchem diese Gaben alle ausgehen, es ist ein und derselbe heilige Geist, von dem sie alle gegeben worden sind. Ebenso findet eine Vertheilung der äußeren Dienst- und Amtsleistungen statt; dem . einen ist die Begabung zur Kranken-, dem andern zur Armenpflege &c. zugetheilh aber es ist ein und der- selbige HErr, der zur Förderung seines Reiches jedem das geeignete Thätigkeitsseld anweist. In gleicher Weise bestehen Vertheilungen der Krafterfolge; aber es ist ein und derselbige Gott, der die Kräfte zur Erzielung solcher Erfolge verleiht. Mit Grund ist unsre Stelle von jeher als Beweis für die Trinität zebraucht worden. (Sommer.) Gaben, Dienste und räfte sind war nicht blos drei verschiedene Namen für dieselbe ache, aber auch nichtdreierlei einander aus- schließende Dinge, sondern die Gaben befähigen zu den Diensten und äußern sich in kräftigen Wirkungen; alle drei sind demnach, obwohl unterscheidbar, doch in der Wurzel Eins, wie der Geist, der sie giebt, der HErr, dem damit gedienet wird, und der Gott, von dem die Wirkung ausgeht, zwar drei, aber nicht dreierlei, d. h. verfchiedenartige Personen, sondern Eines Wesens sind. (Burger.) · « 7. In einem jeglichen erzeigen sich die Gaben des Geistes zum gemeinen Nutz« sbei einem jeglichen, der überhaupt begabt wird, hat die Kundgebung der in ihm vorhandenen Geistes- kräfte das Beste der Gemeinde, ihre Auferbauung zum Zweck Kap. 14, 12]. 84 Einem wird ge eben durch den Geist, u reden von der eisheit szu reden in orten, in welchen Weisheit sich kund giebt, oder kurzweg: Weisheits-Rede]; dem andern wird gegeben, zu reden von der Erkenntnis; Die reiche Mannigfaltigkeit der Geistesgaben, woher sie kommt und werzsieqwirkzetsz z- 253 szu reden in einer Weise, daß damit der Erkenntniß gedient wird, Erkenntniß-Rede], nach dem- selbigen Geist [so daß der heil. Geist, wie vor- hin den Vermittler des Redens, so hier die Norm und Regel abgiebt, nach welcher es geschieht]; 9. Einem andern fwird gegeben] der Glaube [diejenige Zuverfichtlichkeit des auf irgend etwas Einzelnes gerichteten Wollens, welcher es an dem Erfolge nicht fehlt, daß das Gewollte auch wirklich·geschiehet»Kap. is, 2; Matth.2«1, 21], m demselbigen Geist [a·ls der ihn damit aus- rüstet]; einem andern die Gabe, gesund zu machen, in demselbigen Geistz 10. Einem andern, Wunder zu thun; einem andern [wird gegeben] Weissagung; einem andern sdas VermögenL Geister zu unterscheiden; einem andern swird gegeben das Reden in] mancherlei Sprachen; einem andern fdas Vermögen] die Sprachen aus- zulegem 11. Dies aber alles wirkt derselbige einige Geist ltvelcher nicht blos über dem Ganzen der Gemeinde, sondern auch über jedem Einzelnen, der»zu ihr«gehört, waltet], Und theilt einem jeglichen seines zu, nachdem er will sverleiht ihm diejenige Begabung, die er haben soll]. Nur in Einer Person wohnte die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig, nur bei Einem ist von gebrochenem Lichtstrahl, von Maß des heil. Geistes nicht die Rede, das ist der HErr (Joh. Z, 34); unter den Gläubigen aber wird deni einen dieses, dem andern jenes Eharisma zugetheilt Der heil. Geist verklärt keinen einzelnen Christenmenschen mit dem ganzen un- getheilten Lichte von oben, sondern auf jeden Ein- elnen fällt nur ein Strahl diesesstrahlenwerfenden ichtes, und von diesem einen Strahle vielfach nur ein Bruchtheil (Nebe.) Nicht einmal mehr die Apostel hatten die volle Wirklichkeit, schon in ihnen legt sich Christus aus einander: Petrus ist mehr König, Pau- lus mehr Prophet, Johannes mehr Priester. Noch weiter breiten sich die apostolischen Gaben in der Ge- meinde aus (Röm. l2, 4 ff.), die Einheit aber dieser verschiedenen Begabungen besteht in dem Zusammen- wirken zum allgemeinen Besten —- was jemand vor Andern hat, das hat er auch für Andere. (Böhmer.) Wie der heil. Geit mit seinem ganzen Wirken Jesum als den HErrn verklären will, so hat auch die Wirkung der geistlichen Gaben nur die Heiligung und Ver- klärung des Leibes, an welchem Christus das Haupt ist, zu ihrem Zwecke. (Sommer.) Was die Ein- theilung der Charismen betrifft, so hat man sie viel- fach in übernatürliche im strengen Sinne und in natürliche unterschieden, was aber unpassend ist, da einerseits alle auf einer Naturbasis ruhen, selbst die Wundergabe (nämlich auf der Herrschaft des Geistes über den Leib, des Willens über die Materie), andrer- seits alle übernatürlich find und gerade durch das supranaturale, göttliche Element erst zu Charismen werden; auch die Spaltung in permanente, der Kirche zu allen Zeiten angehörige, und in tran- sitorische, blos auf· die apostolische Periode be- schränkte, läßt sich nicht streng durchführen. Wir schlagen daher eine psychologische Eintheilung nach den verschiedenen Grundkräften der Seele vor, indem diese alle einer Heiligung fähig und bedürftig sind, und der heil. Geist auch in der That keine von ihnen unberührt gelassen, sondern sie alle zum Aufbau der Kirche verwendet hat. Damit correspondirt dann die Eintheilung nach den verschiedenen Zweigen des kirchlichen Lebens, worin die eine oder die andere Kraft in dieser übernatürlichen Steigerung überwiegend thätig ist. Darnach würden wir drei Klassen von Charismen erhalten: I) solche, welche sich vorzugsweise auf das Gefühl und den Cultus, Z) solche, welche sich auf die Erkenntiiiß und die Theologie, s) solche, welche sich auf den Willen und die Kirch en- Verfassung beziehen. Zu der Gefühlsgabe rechnen wir das Zungenred en, dessen Auslegung, und die Weissagung oder die prophetisch begeisterte Ansprache V. 10., zu den theoretischen oder Erkenntnißgaben die Charismen der Weisheit und der Erkenntnis; V. 8, der Lehre und der Geisterprüfung V. 28 f.; Röm. 12, 7; 1. Joh. 4, 1., zu den praktischen oder Willensgaben die Charismen derDienstl eist un g V.28; Ihm. 12, 7., des Regiments V. 287 Röm.12, 8 und die wunderbaren Heilkräfte B. f) f.; Röm. 15, 19. (Schaff.) An vorlie ender Stelle sind die beiden ersten Charismen (die der eisheit und der Erkenntniß V. 8) "intellektueller, die drei folgenden aber (der Glaube, die Gabe gesund zu machen nnd die des Wunderthuns V. 9 f.) ethischer Natur; wie jene zwei einer Po- tenzirung unsers Erkenntnißverinögens ihr Dasein ver- danken, so diese einer Verklärung unsrer Willens-kraft. Die vier noch übrigen Charismen, wo immer zwei zu einander gehören (die Gabe der Weissagung und die der Geisterunterscheidung, die Gabe der mancherlei Sprachen und die der Auslegung der SprachenV.10) schließen darin sich zusammen und gegen die andern ab, daß bei ihnen weder der Verstand noch der Wille, sondern das Gefühl vor allen Dingen in Anspruch genommen ist. Daß nun znvörderst die Charismen der Weisheit und der Erkenntnis; außerordentlich nahe mit einander verwandt sind, darauf weisen schon die Ausdrücke des Apostels hin, der sie unter den einheitis lichen Begriff des Wortes stelltx wie aber unterscheiden sie sich von einander, das Reden der Weisheit und das der Erkenntnis? Luther geht da auf den Unter- schied von Dogmatik und Ethik, von christlichem Glauben und christlichem Leben zurück, wenn-er erklärt; »von Weisheit reden heißt die Lehre, so da lehret Gott erkennen und eiget, was sein Wille, Rath und Meinung ist, begreiziet alle Artikel, was man Fanden soll, wie man vor Gott gerecht wird; von der rkenntniß reden heißt die Lehre, so da sagt von dem äußerlichen Leben uiid Wesen der Christen, wie man sich darin gegen jedermann halten soll«. Während von den neueren Auslegern manche noch bei dieser Untetscheidung stehen, ist bei andern das Verhältniß gerade umgekehrt, so daß die Erkenntniß theoretisch, die Weisheit dagegen praktisch wäre, und in der That lassen sich für beiderlei Auffassungen Stellen anführen, so daß man damit nicht wohl zurecht kommt. Nach Osiander dagegen ist Weisheit die Auffassung der göttlichen Wahrheit in ihrer Totalität, der End- zwecke und Rathschlüsse Gottes, des Erlösungsplanes und Heilswerkes, also der Offenbarung Gottes in Christo in ihrem Zusammenhang, in ihrein göttlichen System und Organismus; Erkenntniß aber ist die ein- gehende Erkenntniß des Einzelnen , göttlich Gegebenen mit der inneren Aneignung und Erfahrung — jene also wäre mehr die objektive, extensive, großartig totale Seite oder Form der Erkenntnißx diese die 254 1. Corinther 12, 11. subjektive, intensive, einzelne. Aehnlich uiiterscheidet v. Hofmann die beiden Begriffe zunächst dahin, daß Weisheit eine Eigenschaft des Subj ekts ist, Erkennt- niß dagegen ein Verhalten zu einem Objekt, und bezeichnet nun jene alsdie Eigenschaft, welche zu richtigem Urtheil überhaupt befähigt, diese als die Durchdrin ung eines im bestimmten Falle die Thä- tigkeit des rkennens erheischenden und aufsich ziehenden Gegenstandes; wie also dort die Selbftäußerung im Reden in der Bethätigung einer, das Gebiet des geistlichen Lebens im Allgemeinen beherrschenden Ur- theilsfähigkeit besteht, so hier in der Bethätigung des Vermögens, einen einzelnen Gegenstand, der sich gerade darbietet, richtig zu würdigen. Nach Andern eignet die Weisheit mehr dem tiefsinnigen Beschauer, Er- kenntniß dagegen dem nachdenkenden Beobachter; beide Gaben aber beziehen sich, da nicht von ihnen selber, sondern vom Reden der Weisheit und Reden der Erkenntniß, also von Aeußerungen derselben die Rede ist, auf die L eh rv orträge in der Gemeinde, welche bei dem einen Geistesbegabten den Charakter der Weisheit, bei dem andern den der Erkenntniß tragen, wie speziell in Corinth Apollos geredet hatte von der Erkenntniß nach demselbigen Geist, durch welchen Paulus geredet hatte von der Weisheit. — Unter dem die zweite Reihe beginnenden Glauben ist, da es— sich hier um eine besondere Geiftesgabe neben andern handelt (vgl. Gal. 5, 22), nicht der selig- ma chende Glaube gemeint, welcher als die Bedingung aller Gemeinschaft mit dem HErrn und somit auch « jeder Geiftesmittheilung überhaupt bei dem Empfänger von Geistesgaben schlechthin vorausgesetzt wird, sondern eine solche Geisteswirkung, welche zu einem eigenthüm- lich bestimmten, vorzugsweise kräftigen Ergreifen der Verheißung und Zusage Gottes und damit zuGlaubens- thaten und Glaubenszeugnissen befähigt, die der Ge- sammtheit der Kirche oder einer Einzelgemeinde dienen; wir können ihn als den wunderschassenden Glau- ben bezeichnen, in einer Verfassung des Willensvew mögens bestehend, die sich bei dem Christen mehr oder weniger finden kann, ohne daß sich darnach der Werth seiner Stellung zu Gott oder die Gewißheit seines Heils bemißt (Matth. 7, 22s.). Es will nun aber wohl unterschieden sein, ob ein Christ im einzelnen Falle durch seinen Beruf darauf angewiesen ist, solchen Glauben zu haben oder ihn« sich zu erbitten (Luk. 17, 5 f.), oder ob ihm derselbe überhaupt so auszeich- nender Weise eignet, daß ihm daraus ein sonderlicher Beruf erwächst, ihn im Gemeindeleben zu bethätigenz an unsrer Stelle hat der Apostel letzteres im Auge, und da nennt er denn neben den mit dem Glauben begabten Christen, dessen Vegnadigung sich etwa in ausfallender Kraft und Erhörung des Gebets kund that, einen andern, der die Gabe der Krankenheiliing und wieder einen andern, dem die Gabe der Macht- wirkung überhaupt verliehen ist. Man könnte meinen, bemerkt v. Hof mann, erstere Gabe sei in der letzteren eingeschlofsen, in ihr als der allgemeineren schon mit enthalten; aber während bei dem mit der Kranken- heilung Begabten sich diese immer nur auf den be- stimmten vorliegenden Fall beschränkt und das gerade vorhandene Uebel nur eben diejenige Machtwirkung hervorruft, deren es zur Beseitigung desselben bedarf, ist bei dem Wirkungsmächtigen das ihm einwohnende Vermögen ein so vielfältiges, als die Veranlassung, es zu erzeigen, er ist fähig, das von ihm Gewollte zu verwirklichen, ohne an irgend welche ihm äußerliche Bedingung gebunden oder in sie eingeschränkt zu sein. Blicken wir auf Paulus hin, der selber die hier ge- nannten drei Geistesgaben besaß, so hat er sie niemals in seinem Privatinteresse verwendet, sondern bei ihrem Gebrauch sich stets vom Zweck der Verherrlichung Christi und der Förderung seines Reichs leiten lassen (Apoft esch. 13, 9fs.; 14, 8fs.; 16, 16 sf.; 19, 11s.; 20, 7 ·; 28, 3 ff. 8 s.); daher hat er den todtkranken Epaphroditus, seinen Gehilfen und Mitarbeiter, nicht durch die Heilungsgabe gesund gema t, sondern nur die barmherzige Güte Gottes über dem ranken angerufen (Phil. 2, 25 sf.; Jak. 5, 14 sf.), dem kranken Timotheus ein natürliches Heilmittel empfohlen (1. Tim. 5, 23), den Trophimus krank in Milet zurückgelassen (2. Tim. 4, 20), in Athen aber, wo das Heidenthum mehr in philosophischer Form austrat und wo feine epieureischen und stoischen Zuhörer den Beweis der Kraft jedenfalls als Gaukeleien verspottet haben würden, gar keine Zeichen und Wunder gethan (Apoftg. 17,16fs., vgl. Luk. Es, 8 f.). — Auf dem Gebiete des Gefühlslebens haben wir es mit den beiden Gaben der Weissagung und der Gabe der Sprachen zu thun; sie sind nahe mit einander verwandt und treten darum auch für gewöhnlich im Verein mit einander auf (Apst. 8, 17; 10, 46; 19, 6), wie aber dabei das Zungenreden dem Weissagungsreden vorangestellt wird, so werden wir gut thun, wenn wir auch hier jenes zuerst in Betracht nehmen und dann dieses davon unterscheiden. Das »in (mit) Zungen reden«, wie es in den vorhin ange- führten beiden Stellen der Apostelgeschichte heißt, ist ein abgekürzter Ausdruck für die ursprüngliche, voll- ständige Formel: mit neuen (vom heil. Geist ein- egebenen) oder mit andern (als den gewöhnlichen) Zungen oder Sprachen reden (Mark. 16, 17; Apostg. 2, 4); nach der älteren, zum Theil noch immer viel- fach verbreiteten Ansicht nun wäre auch an unsrer Stelle, gleichwie in Apstg. L, 4., ein Reden in fremden, nicht aus natürlichem Wege erlernten Sprachen zu verstehen, mit welchem der heil. Geist zuerst die Apostel am Pfingstfeste und später noch andere Gläubige zur schnelleren Ausbreitung des Evangeliums ausgerüstet habe. Allein dagegen erheben sich unüberwmdliche Schwierigkeiten. l) Das Griechische, welches nicht ohne providentielle Fü ung seit dem Eroberungsguge Alexanders d. Gr. au in den vorderafiatischen än- dern die herrschende Schrift- und Umgangssprache geworden war, reichte innerhalb des römischen Reichs fast überall, wenigstens in den Städten , zur Verkün- di ung des Evangeliums hin; in dieser Sprache ver- sagten denn auch die neuteftamentlichen Schriftsteller alle ihre Werke, und zwar selbst dann, wenn sie, wie Jakobus, in Paläsiina und für Judenchristem oder, wie Paulus, an die Römer oder zu Rom schrieben. Z) Es ist gegen die Weise des heil. Geistes, seine Zeugen der Schwierigkeiteii zu entheben, die mit ihrem Werke verbunden sind, vielmehr sind diese fortwährende sitt- liche Bildungs- und Uebungsmittel der Selbstver- leugnung, der Geduld und Ausdauer; so wird er denn auch den Missionaren, welche sich zu den barbarischen Völkern wandten, bei denen übrigens das Evangelium im 1. Jahrh. noch gar keinen festen Fuß faßte, das mühsame Erlernen der sremdländischen Sprachen, wenn auch erleichtert, so doch schwerlich völlig erspart haben. Z) Wir finden Spuren davon, daß die Apostel in der That nicht alle Sprachen verstanden; so scheinen z. B. Paulus und Barnabas des Lykaonischen unkundig ewesen zu sein, da sie das ab öttische Vorhaben der Bewohner von Lystra nicht aus ihrem Gespräch, sondern erst aus ihren Zurüstungen zum Opfer merkten (Apstg. 14, 11 sf.), und was den Petrus betrifft, so bezeichnet eine uralte Tradition den Evangelisten Markus als seinen»Dolmetscher, was sich pielleicht speziell auf das Lateinische bezieht, dessen dieser Evangelist mächtig Wesensbeschaffenheitund Bestimmung der verschiedenen Geistesgalkn im Einzelnen. war. 4) Paulus setzt in Kap. 14, 14 ff. das Zungen- reden nicht der Muttersprachq sondern als die Sprache des Geistes der Sprache des Verstandes (Luther: ,,Sinn«), des ewöhnlichen Lebens gegenüber, mochte nun diese die gebräische oder griechische oder römische sein; wäre es ein Reden in ausländischen Sprachen gewesen, so hätte er es wohl auch nicht mit den un- klaren Tönen einer Harfe re. (14, 7 sf.) verglichen und für etwas erklärt, das ohne die Gabe der Auslegung allen Zuhörern unverständlich sei, da in einer zahl- reichen Versammlung wenigstens Einige sich finden mußten, welche die betreffenden Sprachen kunnten. Die Unverståndlichkeit bezog sich also nicht auf die Abweichung des Zungenredens von der Muttersprache, sondern von allen Sprachen, auch den fremdländischen; ja, indem der Apostel es mit den letzteren vergleicht (Kap. 14, 10 f.), unterscheidet er es zugleich von ihnen. Vielmehr, so müssen wir nun sagen, war das Zungen- reden, wie schon die Bezeichnung in Mark. 16, 17: ,,mit neuen Zungen reden« darauf hinweist, eine von allen damals gebräuchlichen Dialekten abweichende Sprache des neuen, über die Jiinger ausgegossenen Geistes; der neue Geist, indem er, die Schranke der Natur durchbrechend, vom menschlichen Geist sozusagen gewaltsam Besitz nahm und die menschliche Zunge feierlich zum Organ des Evangeliums weihete, schuf sich auch eine neue Sprache, wie denn überhaupt Jnneres und Aeußeres, Seele und Leib, Gedanke und Form eng mit einander zusammenhängeiu Wir haben nun zu unterscheiden, was das eigentliche Wesen des Zungenredens als einer Gabe der apostolischen Kirche überhaupt ausmacht, und die b es ond ere Fo rm, in welcher sie bei ihrem ersten Hervortreten am Pfingst- fest erscheint. Seinem allgemeinen Wesen nach ist es ein unwillkürliches pneumatisches Reden in einem ekstatischen Zustande der gesteigertsten Andacht, wo der Mensch zwar nicht außer sich versetzt, vielmehr in die tiefste Jnnerlichkeit seines Gemüths versenkt ist, da, wo es direkt mit dem göttlichen Wesen zusammenhängh wo aber doch eben deshalb das alltägliche Welt- und Selbstbewußtsein, und somit auch die gewöhnliche Redeweise zurücktritt, der Redende ganz vom Gottes- bewußtsein beherrscht und ein willenloses Organ des ihn erfüllenden objektiven Geistes Gottes wird. Aus den Worten in Apostg 2, 4: »sie fingen an u reden mit andern Zungen, wie der Geist ihnen ga auszu- sprechen«, geht hervor, daß bei dem Zungenreden (Glossolalie) eine Inspiration stattfand, die sich auf Inhalt und Form, Gedanken und Styl zugleich bezieht: der Jnhalt war das Lob der Großthaten der er- lösenden Liebe Gottes, die Form aber Gebet, Dank- sagung und Gesang; den Gedanken nach hatte es mit der äußeren Mission Hunächst nichts zu thun, es war keine Predigt, keine erkündiguiig an die Außen- welt,. sondern ein innerer Eultusakh ein ekstatischer Dialog der Seele mit Gott, und nun geschah es dem Styl e nach in einer besonderen, unmittelbar vom Geist inspirirten erhabenen, aber dunkeln, desultorischen (ab- fpringenden, flüchtigen) Sprache, die, je nachdem das Reden ein Beten oder Psalmensingen (Kap. 14, 15) war, vielleicht auch, «e nach der Muttersprache des Redners und den verslchiedenen Graden seiner Erregt- eit, eine große Mannigfaltigkeit zuließ, daher der postel in V. 10 u. 28 von ,,mancherlei Sprachen« und in Kap. 13, I von einem Reden mit Menschem und mit Engelzungen spricht. Jenes bezieht sich wohl auf eine ganz ungewohnte Handhabung der Mutter- sprache, dieses auf eine ganz neue pneumatische Sprache, die sich von allen gewöhnlichen Sprachen in demselben Grade unterschied, in welchem der Gemüthszustand des Zungenredners über das alltägliche Bewußtsein und die verständige Reflexion er aben war. Vom Geiste gewaltig fortgerissen, die elt und sich selbst ver- gessend und m uninittelbarem Genusse der Gottheit schwelgend, brach der Zun enredner in das Lob der Großthaten der ewigen Li·e e aus; und nur dem, der selbst in der Eckstase sich befand, waren jene hoch- begeisterten, festlichen, wie aus der Engelwelt herüber- klingenden Töne verstäiidlich, den Uneingeweiheten aber kamen sie vor wie die undeutlichen Töne eines mu- sikalischen Instruments oder einer fremdländischen Sprache oder gar eines Wahnsinnigen, zumal wenn Viele zu gleicher Zeit sich mit Gott auf solche Weise unterhielten (Kap. 14, 23). Sie diente, die Glossolalie, zunächst nicht der Erbauung der Gemeinde, sondern ihr Hauptzweck war die Selbsterbauung des Redners; die innere Entzückung, die ungewöhnliche Steigerung des seiner selbst nicht mehr mächtigen Geistes in das göttliche Leben drückte sich auch unwillkürlich in der Art und Weise der Mittheilung aus, daher in Apostg 2, 13 ein Theil der versammelten Menge der Apostel spottet und die an ihnen wahrgenommene Erscheinung aus Trunkenheit ableitet. Auch bei den Aposteln am Pfingsttage nämlich ist das Zungenreden zunächst ein Reden mit Gott und nicht mit Menschen, ein gottes- dienstlicher Akt der Jünger, der ekstatische Ausdruck ihres Lob- und Dankgebetes, gehört also dem inneren Leben der Kirche selbst an; es begann ja schon, ehe die Menge sich versammelte, und konnte hernach in den Zuhörern blos ein dunkles Staunen, den Eindruck eines von Gott gewirkten Wunders machen und den Wunsch nach einem näheren Verständnis; desselben erwecken, das ihnen dann auch nicht durch einen neuen Akt der Glossolalie, sondern durch die klare, in die Sprache des alltäglichen Lebens gesaßte Predigt des Petrus zu Theil wird. Während nun in Apstg 8,17; 10, 46 u. 19, 6., sowie in den paulinischen. Gemeinden die ekstatische Mittheilung des Zungenredners sich ohne Zweifel im Wesentlichen an dessen Muttersprache an- schloß, geschah· das Zungenreden der Apostel am«Pfingst- tage offenbar in den fremden Sprachen der beim Feste in Jerusalem anwesenden Ausländer; darauf bezog sich gerade ihre Verwunderung, daß die ungelehrten Ga- liläer in Sprachen redeten, deren Kenntniß man ihnen nicht zutrauen konnte, sondern sie mußte ihnen plötz- lich auf wunderbarem Wege mitgetheilt sein. Hiernach fand beim ersten s chöpserischen Hervortreten der Sprachen- gabe und vor einer aus allen Weltgegenden zusammen- geströmten Menge eine Steigerung derselben dahin statt, daß der heil. Geist die Jiinger temporär be- fähigte, in ihrem Zustand ekstatischer Vegeisterung in die verschiedenen, damals gerade repräsentirten Sprach- gebiete iiberzugreifen und dadurch einen um so tieferen Eindruck auf den empfänglichen Theil der Zuhörer zu machen; es ist auch nicht fchwer, die shmbolische Be- deutung dieser Erscheinung herauszusindem sie sollte einestheils persönlich für die Apostel eine göttliche Versicherung und Garantie sein, daß sie zu Zeugen Christi in der ganzen Welt berufen seien, anderntheils für alle Anwesenden eine augenscheinliche prophetische Hinweisung auf die Universalität des Christenthums, weshalb auch Lukas die Völkernamen unter deni Titel: ,,allerlei Volk, das unter dem Himmel ist«, einzeln anführt. Sonach steht das Zungenreden am Geburtstag der Kirche, wie dieser Tag selbst, einzig und beispiellos in der Geschichte da« gleich bei ihrem ersten Anfange ist das Ende ihrer Entwickelung, wel- ches nichts Anderes als die endliche Auflösung der babylonischen Sprachverwirrung und die Vereinigung der Völker und Sprachen durch den heil. Geist ist, 256 1. Corinther 12, I2——20. prophetisch anticipirt und vorgebildet Hernachmals dagegen ist das Zungenreden nur ein unwillkürliches, psalmenartiges Beten oder Singen in dem Zustande der pneumatischen Entzückung und tiefster Versenkung in die Geheimnisse des göttlichen Lebens, wo der menschliche Geist, seiner selbst nicht mächtig, ein mehr oder weniger passives Organ des heil. Geistes; gleich- sam das Instrument ist, auf welchem dieser seine über- irdischen Melodieen spielt; von einer wunderbaren Mit- theilung und Handhabung von Sprachen fremder Völker ist da keine Spur mehr. Sollte nun aber die Gemeinde von diesem Zungenreden einen Gewinn haben, so mußte entweder der Zungenredner selbst den Inhalt seiner Rede hernachmals, wenn er aus dem Zustande der Verzückung in den der Besonnenheit zurückgekehrt war, aus der Sonntags- in die Werk- tagssprache überse en, oder mußte, da nach Kp. 14, 28 es auch Zungenre ner gab, welche sich nicht auf die Auslegung verstanden, ein Anderer vorhanden sein, der, wie wir an unsrer Stelle hören das Charisma, die Sprachen auszulegen, besaß; dasselbe bestand darin, daß der, dem es verliehen war, die Sprache der Ekstase oder des Geistes in die Sprache des gewöhnlichen Bewußtseins übertrug und der Fassungskraft der ganzen Gemeinde anpaßte. Jst jedoch ein· solcher Ausleger nicht da, so soll nach des Apostels Weisung der Zun en- redner sich überhaupt nicht öffentlich vernehmen lassen, sondern sich im Stillen mit Gott unterhalten. Nahe verwandt mit der Sprachengabe ist, wie schon oben bemerkt, die Weissagungsgabe oder die Gabe der Prophetiex auch sie ist ein hochbegeistertes Reden aus einem Zustande göttlicher Erleuchtung und Offenbarung, doch geschieht dies nicht, wie bei dem Zungenredem in der eigentlichen Ekstase, sondern im wachen Selbst- bewußtsein, und ebenso ist es nicht ein Verkehren mit Gott in geheimnißvollem für Uneingeweihete unver- ständlichen Tönen, sondern nimmt seine unmittelbare Richtun auf die Gemeinde, sie erweckend, mahnend und trötend, ohne daß diese zum Verftändniß dessen, was da gesagt wird, eines Auslegers bedürfte« Ja, nicht blos den Gläubigen kamen die Erweckungs- und Trostreden der Propheten zugute, sie zu stärken, zu erquicken und neu zu beleben (Apostg. 4, 36), vielmehr konnten empfängliche Juden und Heiden, die etwa dem Gottesdienst der Christen einmal beiwohnten, gewaltig dadurch erschütterh bestraft und zur Buße gerufen werden (Kap. 14, 24f.), so daß die Weisfa ungsgabe für die Ausbreitung der Kirche von großer edeutung war. Im engeren Sinne gab es in der christlichen Gemeinde allerdings auch eine Prophetie, die mit der Vorhersagung zukünftiger Dinge, welche mit dem Reiche Gottes direkt oder indirekt zusammenhingezh es zu thun hatte (Apostg. 11, 28; 21, 4·10ss.); allein um diese spezielle Gabe der Voraussagung handelt es sich hier nicht, sondern es sind gegenwärtige Dinge, auf welche die vom Apostel gemeinte Weissagung sich bezieht, die Rathschlüsse Gottes, die Tiefen der heil. Schrift, die verborgenen Zustände des menschlichen Herzens, die Abgründe der Sünde zu enthüllen, in einzelnen Fällen auch wohl Gottes Wahl und Be- rufung zu einem bestimmten Amt oder Geschäft m seinem Reiche kund u thun Apostg. 13, Z; l. Tini. I, 18; 4, 14)· sieht die rophetengabe nach der andern Seite in naher Verwandtschaft mit der Lehr- gabe (vgl. zu V. 28); doch unterscheidet sie sich von dieser dadurch, daß sie nicht sowohl von dem ruhig entwickelnden Denken, als von der unmittelbaren An- schauung und dem tief er risfenen Gefühl ausgeht und sich nicht sowohl an den erstand, als an die Affekte der Zuhörer wendet, daher auch fortreißender oder erfchütternder aus sie einwirkn Gleichwie der Lehrer ist der Prophet nicht rein passives Organ des Geistes; er hat eine gewisse Freiheit in der Ausübung seiner Gabe und darum auch eine bestimmte Verantwortung für ihre Anwendung (Kap.14,32). Wie es nun nicht blos wahre, vom öttlichen Geiste getriebene Propheten gab, sondern au falsche, von menschlicher oder ar satanischer Begeisterung getra ene, so konnte seizbs in dem Vortrag eines ächten Propheten die Wahrheit mit diesem oder jenem Jrrthum gemischt fein; als ein heilsames Correktiv egen Auswüchse und Mißbräuche steht da, wie dem ungenreden die Gabe der Aus- legun , so dem Weissagen die Gabe der Geistev Unterscheidung zur Seite. Jm Allgemeinen ist diese Geisterunterscheidung Sache der Gläubigen überhaupt (1. Thess. 5, 21); in versammelter Gemeinde aber gilt es, daß augenblicklich und sofort entgegengetreten werde, wenn sich ein der heil. Wahrheit fremder Geist ent- weder geradezu für den heil· Geist ausgeben oder doch Jrrthum mit der WahrZeit verflechten will, und da bedarf es einer solchen egabung, welche den, der sie besitzt, für den Unterschied des einen und andern Geistes unmittelbar empfindlich macht, ohne daß er erst auf dem Wege nachdenklicher Ueberlegung sich ein Urtheil über das vom Propheten Geredete zu ver- schasfen brauchte, das, weil hinterdrein gewonnen, meistentheils zu spät kommen würde. enn am Schlusse dieser Aufzählun der mancherlei Begabungen der Apostel no sagt: ,, ies aber alles wirket der- selbige einige eist« und damit auf einen Gedanken zurückkommtz von dem er schon oben (V. 4) ausge- gangen war, so will er der Gemeinde, in deren Schooße sich alle diese Gaben so kräftiglich bethätigtem die Weisung geben, daß sie sich nicht über dteselbi en theilen un spalten, sondern die ihnen mit eben dieksen Gaben an die Hand gegebene Einheit und Einigkeit bewahren sollen; und wenn er darauf fortfährt: »und theilet einem jeglichen seines zu, nachdem er will«, so will er verhüten, daß keiner in Ueberschätzung seiner Gabe sich über den andern erhebe und keiner in Ge- ringschätzung dessen, was ihm zu Theil geworden, einem andern das diesem verliehene vermeintlich Höhere mißgönne, ein jeder hat vielmehr zu nehmen, was ihm gegeben wird, und alle Gaben mit dem Maßstab zu messen, daß sie eine wie die andere Gnaden- und Geistesgaben sind, an und für sich also eine der andern völlig gleichstehen. Der heil. Geist hat bei seiner Ver- theilung der Gaben einen bestimmten Plan, einen festen Willen; er handelt nicht als dunkle, blinde Naturmachh sondern als göttlich freie, ihrer selbst be- wußte und weise ordnende Persönlichkeit. Nur wenn wir den Dispositionem die sie trifft, mit willigem Ein- gehen darauf uns unterordnen, unsre Gabe erkennen und ihre Bestimmung erfüllen, werden wir wirklich etwas ausrichten, wie zur Ehre Gottes und zur För- derung seines Reiches, so auch zu unserm eigenen Frieden und Wohlbefinden; während das Verlassen der uns vorgeschriebenen Bahn und das Sicheindrängen in einen anderen Berufskreis nur Verwirrung für das Ganze herbeiführt und uns selber um unser Loos und Erbe bringt. Uebrigens ist zu beachten, wie entschieden in der Fassung dieses Verses sowohl die Gottheit als die Persönlichkeit des heil. Geistes hervortritt: die erstere, weil er thut, was nach V. 6 Sache Gottes ist, die andere, weil er es thut vermöge eines durch Rath und Weisheit bestimmten Willens. 12. fAber nicht blos ihrem Ursprunge nach, von dem ich soeben V. 11 redete, gehören die Geistesgaben zusammen, sondern auch nach ihrem Aii einem Leibe schließt die Einheit nicht die Vielheit und die Vielheit nicht die Einheit aus. 257 Zweck und ihrer Bestimmung] Denn gleichwie sbei einem jeden unter uns, was unsre äußere Erscheinung betrifft] Ein Leib ist und hat sder- selbe] doch viel Glieder sso daß die Einheit die Vielheit iiicht ausschließt]; alle Glieder aber Eines snach aididerer Lessiiirtz de? Legety Hiiewohlß ihrer viel sin find e oih ,iii eib o da nun wiederum« die Vielheit der Einheit nicht im Wege steht]: also auch Christus* san dem, als dem hier in Betracht kommenden Leibe Ephes 1, 23; S, 29 f., wir Christen die Glieder sind Röm. 12, 4 f.]. 13. Denn wir sind durch Einen Geist sden wir einer wie der andere bei unsrer Aufnahme in die Christenheit durch die Taufe empfingen] alle zu Einem Leibe getauft wir seien Juden oder Griechen, Knechte oder Freie sGal. Z, 28z Col. 3, 11], nnd sind alle smit dem Wasser, das uns da selig machte l. Petri 3, 20 f·] zu Einem Geist sEphes 4, 4] getråUketH sindem der heil. Geist sich über uns ausgoß Tit. Z, 6 und zur Einheit von lauter Geistbegabten und mit der Salbung 1. Joh- 2, 20 ff. Begnadigten uns zusammenschloß]. 14. sDaß wir aber hinsichtlich der indi- viduellen Begabung oder der besonderen Gnaden- gabe die jeder empfangen, uns dennoch von ein- andei unterscheiden, das schadet jener unsrer Einheit nicht und hebt sie in keinerlei Weise auf.] Denn auch der Leib ist nicht Ein Glied, sondern viele sGlieder, die im Verein mit einander das Ganze ausmachen und darum auch in ihrer Stellung zum Ganzen der einem jeden gegebenen Bestimmung entsprechen]. 15. So abeeder Fuß sum seiner Stellung am unteren Theile des Leibes willen und in Verkennung seiner darin sich aussprechenden Be- stimmung] spriichex Ich bin keine sam Obertheile des Leibes befindliche] Hand, darum bin ich des Leibes Glied nicht; sollte er um deß [solcher selbst- verächtlicheiu verdrießlichen Meinung] willenniiht des Låibikbs Eile; sgln Xshcitls gljlHozte nun wirklich zum eie er u ni mer 16. Uiåd so das Ocgr sweilgs dem Seitedn- theile des opfes, ni t dem ordertheile o er Angesicht angehört] spräche: Jlhbin kein Auge, darum bin ich nicht des Leibes Glied; sollte es um deß sseiner sich selbst geringschätzendem aus Unlust jheirvoilcgliehgideiil Rede] wiklcgn nigtt deglLeilkeå Gäied en gei as wäre on as ngeit as volle Haupt und nur das, was an ihm sich be- Enden habe Anspruch auf die Zugehörigkeit zum anzen]? 17. Wenn der ganze Leib gAuge wäre swie im Grunde diejenigen verlangen, die davon alle Zugehörigkeit ·zum»Leibe abhängig machen, daß Ein? Fluge segilii Ewig? rknichizes Leibes Gkiseddzx ei en, wo ee a ni weniger a a Gesicht nothwendige] Gehör? So er swenn nun DiichsePs Bibelwert VII. Band. weiter jemand jene Zugehörigkeit etwa von dem Ohr-Sein abhängig machen wollte] ganz Gehör Ware, wo bliebe der ssür sein Theil ebenso unent- behrliche] Geruch? 18. Nun aber swie allen solchen ungereimten Möglichkeiten gegenüber die Sache sich wirklich verhält] hat Gott die Glieder gesetzh ein jegliches fonderlieh am Leibe san eine bestimmte, unverrück- bare Stelle], wie er getvollt hat [und hat denn ein jegliches der ihm angewiesenen Stellung und Bestimmung willig sich zu fügen, nicht aber da- gegen irgendwie sich aufzulehnen]. 19. So aber alle Glieder saus deren Zu- sammenfügung nach Gottes Ordnung ein Leib besteht] Ein sein einziges, unterschiedsloses] Glied waren, wo bliebe der Leib sdessen eigentliches Wesen ja eben die Zusammensetzung verschiedener Or- gane ist]? · · · 20. Nun aber swie es Gottes Weisheit also geordnet hat] sind der Glieder viel, aber der Leib ist Emerspst ser in seinem Zusammenschluß der verschiedenen Glieder zu einem Ganzen repräsentirt die Einheit, welche die ihm zugehörige Eigenschaft bildet]. «) Nach der Weise, wie Paulus in Gal. Z, 16 den Einen Berheißungssamen ,,Christus« heißt und doch hernach (V. 29) die, welche Christum angezogen haben in der Taufe, in Abrahams Samen einschließt, nennt er hier die Christenheit Christum, weil in ihr Christus seine sichtbare Gegenwart hat und seine An- wesenheit in ihr bethätigt durch die Gnadenmittel und Gnadengaben seines Geistes. Was im biirgerlichen Gemeinwesen eine ,,nioralische Person« ist, die Cor- porationsrechte hat, das ist auf dem Boden des Geistes die Kirche, und ihr gliedschaftlicher Personnanie heißt Christus. Sie ist unters ch ied en von Jesu Christo, dem eingebornen Sohne Gottes, aber ung eschied en von ihm heißt sie, wie Er amtlich heißt, und sowohl als Empfängerin ivie als Haushälterin seiner Güter und Gaben ist sie, was Er ist. Dieses Geheimniß ist Paulo kund geworden auf dem Wege nach Damaskusy da er die Stimme des HErrn hörte: ,,Saul, Saul, was verfolgst du mich!« und im Hause Judä zu Damaskus, wo der HErr mit ihm redete und handelte durch Ananiä Mund und Hand (Apostg· 9, 4. 17 sf.); von da anstand es ihm felseiisest, daß der en Himmel erhöhete Jesus sich eingechristet hat in einer Kirche auf Erden als der Stätte seiner gnädigen Christus- Gegenwart. (Besser.) Die Glieder zusammen mit dem Haupt sind Ein Christus; das Wort ,,Christus« steht da für alle, welche die Gemeine bilden, vgl. Ephes. 2, 20 f. (Berlenb. Bib.) Hätte der Apostel geschrieben: ,,also auch die Gemeine Christi«, so würde die Kirche als ein für sich bestehender Körper erscheinen, welchem die einzelnen Christen angehören; dafür will er sie aber nicht angesehen wissen, sondern die Glän- bigen sollen sich für Glieder an Christo achten, welche durch ihre Zugehörigkeit zu ihm dazu geeinigt sind, Einen)Leib, nämlich seinen Leib zu bilden· (v. Hof- m n. ais-«) Es erhellt ans dieser Stelle, wie Paulus die Einheit der Kirche nicht als etwas von außen her sich Ergebendes betrachtet, sondern als etwas von innen heraus sich Bildendes (Neander.) Auch in Ephes. 4, 6 17 258 1. Corinther 12, 2l—27. führt der Apostel die Eine Taufe als eins der höchsten Vereini ungsbande der Kirche auf. Schön stellt er an unsrer telle den Gegensatz der Vielheit und Allheit: »wir alle« zwischen die Einheit der mit etheilten Gnade und ihres Zieles und Werkes, die ereinigung zu Einem organischen Ganzen: ,,zu Einem Leibe« hinein und drückt nun den Gegensatz in der Vielheit recht stark durch Specification der durch Volkssitten und Standesdisferenzen äußerlich scharf Getrennten aus: »wir seien Juden oder Griechen, Knechte oder Freie«, jedoch nur um die, auch durch ,,oder — oder« sich andeutende Auflösung, in die Einheit desto höher er- scheinen zu lassen. ie Anwendung ist sehr praktisch, zeit- und ortsgemäß, da diese Gegensätze in den Elementen der Gemeinde mit so starker Reibung und Abstoßung der Höheren gegen die niedriger Stehenden, der Juden gegen die Hei en, der Freien gegen die Sklaven, hervortraten. Jm Streben, die Einheit des Geistes, die Gemeinschaft der Gläubigen möglichst stark zu bezeichnen und zu begründen, läßt er noch den Parallelsatz folgen: »und sind alle zu (nach anderer Lesartx mit) Einem Geist getränket«. Jn Betresf dieses ,,getränket« führt schon Chrhsostomus die nahe liegende Deutung auf das andere Sacrament, das so sehr als Sacrament der Vereinigung und der Liebe erscheint und als solches auch in Kap« 10, 17 aufge- faßt ist, als die gewöhnlichste an, neigt sich aber für sich selbst zu einer freieren, figürlichen, die das »tränken« als Bild der reichen Mittheilung des heil. Geistes nimmt, vgl. Joh. 7, 38f. u. Sirach 15, B. (Osiander.) Nur der einmalige Vorgang, mit welchem die Zugehörigkeit zur Gemeinde anhebt, also die Taufe, kann in beiden Theilen des Verses gemeint sein; es fragt sich nur, welchen inneren Grund es hat, daß ihn der Apostel mit diesen zwei Bezeichnungen bemerkt. Offensichtlich nun erscheint das eine Mal der Vorgang als eine Ausqießung des Geistes, welcher den Men- schen wie ein Bad überströmt und ihn der Gemeinde einverleibt (Ephes. 5, 26), das andere Mal als eine Tränkung mit ihm, daß er in den Menschen eingeht und seine innerlich regende und bewegende Wirkung übt in alle den Geisteserscheinungen, von welchen hier die Rede ist. (v. HosmannJ "·*) Jn den Schlußworten des 12. Verses: ,,also auch Christus« liegen nach Maßgabe der vorhergehenden Worte des Verses, auf welche sie sich beziehen, zwei Wahrheitem 1) daß es sich mit Christo verhält, wie mit dem in seiner Vielgliedrigkeit einheitlich en Leibe, wo gemäß den Worten: ,,alle Glieder des Leibes, wiewohl i rer viel sind, sind sie doch Ein Leib« die Vielheit der lieder der Einheit des Leibes nicht im Wege steht; diese erste Wahrheit hat der Apostel mit dem, was er in V. 18 sagte, bewiesen — alle, wie verschieden sie auch an sich nach ihrer religiös- nationalen und politisch-socialen Stellung waren, haben doch, als sie Christen wurden, den Einen Geist em- pfangen und sind so zu Einem Leibe zusammen- geschlossen worden. Jn jenem kurzen Aussprache lag aber auch noch eine zweite Wahrheit, 2) daß es sich mit Christo verhält, wie mit dem, unbeschadet seiner Einheit, doch in viele Glieder auseinander gehenden Leibe; das ,,denn«, womit der die Beleuchtung dieser Wahrheit einleitende 14. Vers anhebt, weist zurück auf das »gleichwie Ein Leib ist und hat doch viel Glieder« zu Anfang des 12.Verses und nimmt den darin liegenden Gedanken nun in der Form wieder auf: ,,auch der Leib ist nicht Ein Glied, sondern viele«. Gezeigt soll also jetzt werden, daß die Angehörigen Christi, gleichwie sie nach der vorhin ange ührten Ueberströmung und Erfüllung mit einem und demselben Geist allesammt eine Einheit bilden, so nun ver- möge der mannigfaltigen Begabung, welche der Geist Gottes ihnen zutheilt, eine Vielheit, indem sie nach dieser Seite hin unter sich verschieden und jeder etwas Anderes sind am Leibe Christi. Hier greifen denn folgende drei Gedanken Platz, die ein je er in zwei zusammengehörigen Versen zum Ausdruck kommen. a) V. 15 u. 16: kein Glied soll darum, weil es nicht das ist, was ein anderes ist, im Verdrusse über seine vermeintlich niedere Stellung und in daraus hervor- gehender Verachtung seiner Bestimmung seine Zu- gehörigkeit zum Leibe in Abrede stellen; diese ist viel- mehr vollständig vorhanden und keineswegs, wie man sich vorredet, ein in die Besonderheit anderer-Glieder eingeschränkter Vorzug. Der Apostel begegnet damit denjenigen in der Gemeinde, welche un ufrieden sind mit ihrer Gabe und Stellung, die sie empfangen haben, gleich als wäre sie im Vergleich mit andern zu schlecht und gering. b) V. 17 u. 18: es gäbe kein Gehör, wenn der Leib ganz Auge wäre, und keinen Geruch, wenn er ganz Gehör wäre; so ist es aber auch nicht, sondern Gott hat seinen Willensgedanken eines mannig- faltig be abten Ganzen in der Art verwirklicht, daß er den Leib mit einer Vielheit von Gliedern aus- stattete, deren jedes zur Erfiillung der ihm gegebenen Bestimmung die entsprechende Stellung am Leibe er- halten hat. Damit weist der Apostel auf die Thorheit derer hin, welche diese oder jene für ausschließlich werthvoll geachtete Geistesgabe haben möchten und Gott etwas zu thun ansinnen, was seinem großartigen Willensgedanken geradezu widersprechen würde; statt zu einem wohlgeordneten Leibe müßte er die Gemeine zu einem unordentlichen Klumpen machen, wollte er das Begehren solcher Thoren erfüllen, vielmehr müssen diese von ihrem eigenwillig-en Begehren abstehen und in Gottes Gedanken sich finden, dann werden sie auch die ihnen zu Theil gewordene Stellung und Begabung für ebenso wichtig und werthvoll erkennen, als jede andere, nach welcher sie bisher das Verlangen getragen. c) V, 19 u. 20: es gäbe« keinen Leib, wenn die Glieder alle ein und dasselbe Glied wären, sondern es gäbe danneben nur dies Eine Glied; aber so ist es ja auch nicht, vielmehr sind der Glieder viel und vermöge solcher Vielheit sind sie unter sich verschieden, einer aber und einheitlich ist der aus ihnen bestehende Leib. Offenbar wendet sich der Apostel gegen die Andern, « welche zwar auch, wie die vorhin Abgefertigten, auf Eine Art der Begabung den ausschließlichen Werth legten, aber nun, weil sie im Besitz derselben sich wußten, alle ihr Untheilhaftigen für nichts achteten und mit solcher Geringschätzung sie verleiteten, ihre eigene Begabung wegzuschätz en, wo nicht gar weg- zuwerfen, so daß in der corinthischen Gemeinde die Erscheinung zu Tage trat, daß alle Glieder Ein Glied sein wollten, wenigstens fand das bei denen statt, die einer Ueberschätzung des Zungenredens sich schuldig machten, indem sie entweder darauf pochten, wenn sie gerade diese Gabe besaßen, oder aber sich darüber etrübten, wenn sie nicht sie, sondern eine andere Gabe . besaßein 21. Es kann sum dem bisher gebrauchten Bilde noch eine Wendung nach derjenigen Seite hin zu geben, wo es nun für die an Gabe und Stellung Vevorzugten von besonderer Bedeutung wird] das Auge nicht sagen zu der Hand: Jch darf [Jes. Z, 24 Anm. I] dein nicht; oder wiederum das Haupt skann nicht sagen] zu den Füßen: « Jch darf euer nicht. * Jhr seid der Leib Christi und Glieder, ein jeglicher nach seinem Theil. 259 22. Sondern vielmehr [wenn wir denn ein- mal auf eine Vergleichung der Glieder mit ein- ander in Hinsicht auf die Bevorzugung, die den einen vor den andern gebührt, wollen eingehen, verhält sich die Sache so :] die Glieder des Leibes, die uns dünken die sihwiichsten zu sein [wie die zarten inneren Theile des Leibes, die sich nicht selbst zii schützen vermögen, noch eine sichtbare Wirkung nach außen zu üben im Stande sind], sind die nöihigsien [indem nicht weniger als das Leben selbst von ihrem Dasein und ihrer Gesund- heit abhängt]; » » 23. Und die uns dunken die unehrlichsten [an sich selbst am wenigsten in Ehre stehenden Sprüchw. 19, 11- Anni.] zu sein sals Bauch, Lenden und Oberschenkeh auch Brust, Arme und Beine], denselbigen legen wir am meisten Ehre an [indem man sie in einer Weise bekleidet, daß sie eben so ehrlich sich ausnehmen, wie die bloß ge- lassenen Körpertheileh und die uns übel anstehen sdaßwir sie überhaupt nicht sehen lassen dürfen] die schmiickt man am meisten sindem man sie nicht blos ebenso verhüllt, wie die unehrlichen Theile, sondern auch bei ihrer Bezeichnung ganz besonders des Anstandes sich besleißigt]. · 24. Denn die uns [schon von selber] wohl anstehen [das Haupt mit seinen Theilen, die Hände und unter Umständen auch die Füße] die bedürfeiks nicht« sdaß man sienoch bekleide und durch solchen Schmuck hervorhebe]. Aber Gott [der bei dem, was wir in der hier besprochenen Weise thun, durch seine Ordnung den Trieb dazu in unsre Natur gelegt] hat den Leib also verinenget san ihm die verschiedcnen Glieder harmonisch zu einem Ganzen zusammengefügt] nnd [dabei] dem dürftigen sunangesehenen 1. Sam· 2, 8] Glied am meisten Ehre gegeben, 25. Auf daß nicht eine Spaltung im Leibe sei [von der Art, wie in V. 21 eine solche ein- mal angenommen wurde; ohne daß sie jedoch in der Wirklichkeit auch vorkommen .könnte], son- dern die Glieder slir einander gleich [auf ein und dasselbe Absehen gerichtet, nämlich daß eins wie das andere für sein Theil sich wohl befinde] sorgen swie z. B. wenn die Hand etwas Störendes oder Schmerzhaftes von dem Auge hinwegnimmt, was ihm hineingeflogen]. M. Und [wie vollkommen ist auch Gottes Absicht in der gegenseitigen Sympathie der Glieder des Leibes erfülltl Denn] so Ein Glied leidet, so leiden alleGlieder mit; iind so Ein Glied wird herrlich gehalten [in Vollbesitz des ihm eigenthümlichen Lebens durch blühendes Gedeihen versetzt wird], so freuen sich alle Glieder mit-««- [vgl. Rom. 12,1·t')]. 27. Jhr seid aber sdas bedeutet, wenn ihr alles das, was ich hier von dem Leibe und seinen Gliedern geschrieben, nun gelesen habt, eurer Gesammtheit iiach] der Leib Christi nnd seurer Befonderheit nach dieses Leibes] Glieder, ein jeglicher nach seinem Theils sweun ihr das erwägen werdet ihr die rechte Anwendung von dem Ge- sagten zu machen wissen] V) Jn V. 14—20 hatte es der Apostel bei Aus- führung seines Bildes mit denjenigen zu thun, welche mit ihren für geringer gehaltenen Geistesgaben unzu- frieden waren und die der Andern auch für sich be- gehrtens insofern solches Begehren gerade durch die Andern, die ihrer Gaben sich überhoben und die über- triebene Werthschätzung derselben selbst erst in Schwang gebracht hatten, herbeigeführt oder doch genährt worden war, hatten sie zuletzt (V. 19 u. 20) ebenfalls schon eine Rüge ihrer Verkehrtheit erhalten, aber von V. 21 an wendet sich nun Paulus speziell an sie und läßt sie den Unverstand, der in ihrem Gebahren liegt, wenn sie auf ihre Gaben stolz sind und auf Minderbegabte geringschätzig herabsehen, fühlen. Das Auge, sagt er, darf nicht meinen, der Hand, und das Haupt darf nicht meinen, der Füße entbehren zu können, da ja, was nicht näher auseinandergesetzt zu werden brauchte, das S ehen eines Ge enstandes ohne die Möglichkeit, ihn zu greifen, und das Hollen eines Ziels, ohne die Möglich- keit, es zu erreichen, nimmermehr. genügen würde. — Die eine scharfe Einsicht in göttliche Dinge haben, können derer nicht entrathen, die äußerliche Verrichtungen in der Kirche besorgen; der Regierer kann derer nicht entratheiy die vor Andern Last und Beschwerden zum Besten der Kirche tragen. (Starke·) IV) Mit dem allen giebt Paulus zu verstehen, daß die geringeren Gaben in der Gemeinde nicht gering- geschätzt und vernachlässigh sondern vorzüglicher Be»- achtung und Sorgfalt gewürdigt werden sollen, da sie fur· das Ganze unentbehrlich lind die Ehre der Jagd? dadåigch egeniso bedings lseiirihvie dieddeFzLEiZbes ur en mu er unaneini en nn ie er- hüllung der unanständigen Theile. (Kling.) Die Dar- stellung des Apostelshat offenbar» ihre genaue Be- ziehung auf die Verhältnisse in Corinth, wo man eine valsge dmenschzchestslgoäslkelluikyg ttvonwikkiisiiri tålierthe iåer er ie enen ei e g en a e; e man ie wesentlichen wegen ihrer Unscheinbarkeit verachtete, iåkilerschätzte Tat; die Fpriächensäbe wegend ihres anzes, un o a te i r er rr nur arum einen besonderen Glanz oder Sehinuck zugetheilt, weil Felaiåaigndlxiiii fsfich Æilsgensgeizingereii Gaben zählte, g. . , . au en. VII) Wie es dem Haupte unmöglich ist, sich um die Leiden des Fußes nicht u bekiimmerm weil in beiden Ein Leben ist, und wie szein Wohlsein den ganzen Leib froh macht, so soll diese natürliche Nothwendigkeih der der jLeikb gielzhorchefi muß, duns auf site hgherellNoth- wen ig eit inwei en, der er erlö te en wi ig sich unterwerfen soll. (V. Gerlach.) Zu der corinthischen Gemeinde war Spaltung; die einmüthige Sorge, welche alle Kirchenglieder beseelen soll, daß sie alle mit und durch einander wachsen in Christo, war verdrängt von der Parteisorge unc Anerkennung der besonderen Gaben, die der. eine vor dem andern voraus hatte. gailälus leu ne; wkåikiizt Fien Unteåschiegßder geistLichen a en no i re uung na gr erem un ge- Zingeåeiihi Werghh viel-mehr bessätggt zlbxides durch as e eimni vom ei e un en ie ern« aber die Spaltung bestraft er, die wir! Gott nicht Eier-en, sie ist Sünde. »Damit nicht» Spaltung im Kirchenleibe sei, sondern die Glieder fur einander mit gleichem Jnteresse sorgen, hat Gott eben die Erbauungsgaben 170 260 1. Corinther 12, 28—31. ungleich und sonderlich vertheilt, sowohl unter den einzelnen Christen als unter den einzelnen Orts- gemeinden, und leitet durch solche Vertheilung die Kirchentheile an, sich zu erkennen und zu beweisen als Theile Eines Ganzen, als Glieder Eines Leibes. (Besser.) f) Nehmen wir zu dem, was der Apostel in V. 21 —26 ausgeführt hat, hinzu, was diesen Ausführun en voraus-gegangen ist, die Erweisungen der gleichen u- gehörigkeit zum Ganzen, wie verschieden auch die Be- gabung oder Berufsstellung der Einzelnen ist, im Gegensatz gegen den Unmuth derer, welche das sein möchten, was Andere sind, und die Darlegung der Nothwendigkeit einer Mannigfaltigkeit von Begabungen im Gegensatz zu der Neigung, nur gewisse Begabt- heiten gelten zu lassen oder werth zu halten, so dürfte keine auf diesem Gebiet des gemeindlichen Lebens mögliche Verirrung möglich sein, welcher der Apostel nicht mit der Durchsührung seines Bildes begegnet wäre; die Anwendung davon zu machen, ist nun Sache der Leser, denen er dieses Wort des 27. Verses zuruft. (v. Hofmann.) In jeder christlichen Gemeinde stellt sich der Leib Christi dar, wie in jeder der Tempel Gottes (Kap. Z, 16); aber nicht ist jede Gemeinde ein abfonderlicher Leib Christi, als ob die Gemeinden Leiber Christi wären und also dieser der Leiber mehrere hätte, sondern was die Kirche im Großen und Ganzen ist, das ist auch die Einzelgemeinde an ihrem Theile. Jst nun die Gemeinde als Gesammtheit Christi Leib, so sind die Einzelnen Glieder (vgl. Kap. S, 15), aber dieses nicht unterschiedslos, so daß ein jeder ein jedes Glied sein kann, sondern »ein jeglicher nach seinem Theil«, je nachdem ein jeder im Gesammt- or anismus der Gemeinde seine sonderliche, ihm für sein Theil zugefallene Stellung und Fnnction hat. (Meyer.) « 28. Und [damit ihr euch überzeuget, daß der Einzelne nicht alles zu haben und zu sein braucht, sondern für Anderes Andere in der Ge- meinde da sind, so schauet an:] Gott hat gefetzt in der Gemeine [nicht in der Einzelgemeine, son- dern m der Gesammtkirche] aufs erste die Apostel, aufs andere die Propheten, aufs dritte die Lehrer [vgl. Ephes 4, 11], darnach die Wnnderthaten darnach die [Jnhaber der] Gaben gesund zu machen, [ferner] Helfer, Regieter, fund weiter die Träger der] mancherlei Sprachen [vgl. V. 8—10 u. Rönu 12, 7 f.]. 29. Sind sie alle Apostel? sind sie alle Propheten? sind sie alle Lehrer? sind sie alle Wuuderthater? · 30. Haben sie alle [dce] Gaben gesnndzu machen? reden sie alle mit mancherlei Sprachen? können sie alle anslegenk [Nein, nicht alle. haben und sind nur Eines; aber es hat auch Keiner alles zusammen, sondern die Gaben und Aemter sind auf Verschiedene vertheilt]. 31. Strebet aber [wenn ihr außer den Gaben, die ihr schon besitzt, noch andere euch wüUfchetJ nach den besten Gaben« [welche für das Beste der Gemeinde am werthvollsten und nöthigsten sind und nicht so sehr nach solchen, welche dafür wenig austragen]. Und ich wtll euch [in dem, was im nächsten Kapitel folgt] noch einen köst- lichern [ganz vorzüglich so zu nennenden und vor allen Dingen zu betretenden] Weg zeigend« [wandelt ihr diesen, so seid ihr überhaupt erst Leute, denen Geistesgaben etwas nützen, während siesonst euch im Grunde nur schaden würden Kap. 13, 1—-3]. ««) Paulus entwickelt in diesen beiden Versen das ,,Glieder, ein jeglicher nach seinem Theil« am Schlusse des vorhergehen en Verses weiter, und zwar so, daß er zunächst eine gewisse Rangordnung der mit Amt oder Gabe oder Kräften (V. 4—6) Betraueten ausstellt und dann durch seine Frage zum Bewußtsein bringt, daß nicht alle Eines seien oder haben, und so sich nochmalts gegeåi jeiz bausskchließlickå SchätzsidcngAdefr einen o er an ern a e er ärt. in . ie u - zählung ist in jenåm und in difesentz Ferse die gleiche, ausgenommen, da in e terem ie e er und Regierer fehlen und daß in erstetzem sich kein dem ,,auslegen« entsprechendes Glied findet; es sind das Ungleichheitem welche verdeutlichen, daß es nicht um eine abgegrenzte Zahl gewisser Begabungen oder Begnadungen sonder- licher Art sich handelt, sondern unt alle und jede, wes; Namens sie immer sein mögen. (v. HofmannJ Zuerst zählksPaiälus drFiHl),a1fptäänterc;uf: die Apostesh die rün er un o er ten eiter er ganzen chri t- lichgn Gåmeinded in Bezug Jus Hehre End Leben; dtann in en emein en zuert ie rop eten, die es- halb den Lehrern voranstehen, weil sie, wenn auch vielleicht in andrer Hinsicht minder wichtig, doch Gottes unmittelbare Aufträge an die Gemeinden empfingen; hierauf die Lehrer. Unter den nun folgenden geringeren Aemtern oder Thätigkeiten in der Ge- meinde stehen nun wieder die beiden wunderbaren voran; die Wunderthäter werden unterschieden von denen, welche die Gabe hatten, gesund zu machen, wahrscheinlich deshalb, weil unter den ersteren man solchsz Feyftansy welche zußerordentlikhe zläten auch an ier pen tigen verri teten utie er r ütterung der Gläubigen und Ungläubigenz (Apost .5, 5 f. 10 f.; 13, 8), wozu wohl auch besonders das glustreiben der Teufel gehörte (Apostg. 16, 18), die Gabe, gesund zu machen, dagegen wirkte im Stillen auf solche, welche sich mit gläubigem Herzen ihr ingaben. Für Helfer, Regierer steht im Grun text: ,,Hilfen, Leitungen«, die Gaben dazu; das erste bezieht sich auf Armen- und Krankenpflegtz das zweite auf die Leitung der Gemeinden. Jnsofern beides mehr auf die äußeren Verhältnisse der Gemeinden sich bezog, steht e? hier bei: cåäidelrnsGgbenSnagichäöm derlketztånlstelle a er nenn nun ie ra enga e, e e m Corinth übermäßig hochgeschätzh von den: Apostel aber darum geringer geachtet wurde als die übrigen, weil sie mfehr gemucsöitilzelgien zu glnte katxih und eiä Zeicheii war ür ie ng äu igen, a er ni t ur rbauung der Gemeinde diente. (v. Gerlach.) Liuch Kap. 14 szeåghh dåißst tåer Aposäsjl die Gabe desVWeksfcißgens e r o e t, zunä t zwar nur im erhä tni zum äurågenredenz alläkin Zlie Bejschßiiffånheiåzdeä apostglischklen "ir e war von er rt, a as ei agen ama s jauch an fund sürßtfich betrachtdet tämb dedr grcitßteixkuBe- eutnng ein mu e, es war ie a e er Erwe ng, wodurch die Ausbreitung der jungen Kirche bedingt ward. Die Lehrer waren mehr für die im Glauben und in der Erkenntniß wachsende Kirche; ihre Stellung ward daher erst recht bedeutungsvoll, als die Kirche im Ganzen befestigt war und ihre innere Ausbildung in Wissenschaft und Leben begann. (Olshausen.) Nach Strebet nach den besten Gaben! Und ich will euch noch einen köstlicheren Weg zeigen. 26l der herrschenden Ansicht fällt die Lehrgabe mit dem in V. 8 erwähnten Reden von der Weisheit und Reden von der Erkenntniß zusammen, so daß Weisheitsrede und Erkenntnißrede blos zwei besondere Zweige der Lehrgabe wären; indessen schließt diese zwar immer die Erkenntnißgabe in sich, aber nicht umgekehrt, es läßt sich vielmehr der Fall denken, daß Einer einen sehr hohen Grad geistlicher Erkenntniß und doch sehr wenig Mittheilungs- und Darstellungstalent besitzt. Das Eigenthümliche der Lehrgabe besteht also in der Fähigkeit, die Schätze des göttlichen Wortes und der christlichen Erfahrung in klarem, zusammenhängendem Vortrag zur Belehrung und Erbauung der Gemeinde auszulegen und zu entfalten; während die prophetische Ansprache in der Gluth der Begeisterung vom Gefühl zum Gefühl spricht und hauptsächlich auf Erweckung und Neubelebung ausgeht, so wendet sich der Lehr- vortrag mehr in der Form begrifssmäßiger Aus- einandersetzung an den Verstand und dient zur För- derung und zum Ausbau der bereits gegründeten Ge- meinde. DieGabe der äußeren Hilsleistuug und Pflege (,,Helfer«) begreift wohl die verschiedenen Geschäfte des Diakonenamtes in sich, also vor allem die Armen- und Krankenpflege, das stille und anspruchslose, aber darum nicht minder nothwendige und ehrwürdige Wirken der selbstverleugnenden Liebe, welche entweder» Habe und Gut oder, was mehr ist, alle Zeit und Kraft dem Dienste der Bedürftigen in der Gemeinde widmet- Die Gabe der Regierung und Seelsorge bedürfen alle Vorsteher und Hirten der Gemeinde oder, um sie mit ihrem glewöhnlichen Amtstitel zu bezeichnen, die Pres- bhter ( "eltesten) oder Bischöfe, deren Geschäft es ist, die ihnen vom heil. Geiste anvertraute Heerde zu weiden, im höchsten Maße aber die Apostel, welche nicht blos eine einzelne Gemeinde, sondern die ganze Kirche zu leiten hatten; denn je ausgedehnter und verwickelter der Wirkungskreis, desto mehr Organi- sations· und Regentengabe wird auch erfordert. (Schaff.) VI) Mit dem ,,streben« streitet nicht das in V. 11 Gesagte: »der heil. Geist theilt einem jeglichen seines zu, nachdem er will«, weil der Wille des 1nittheilenden Geistes keine Willkür ist, sondern mit nach der Em- pfänglichkeit und geistigen Richtung des Jndividuums sich estimmt. Das eifrige Streben nach den besten Gaben besteht also negativ darin, daß man folche Charismen, welche weniger allgemeine Nothwendigkeit und Werth für die Gemeinde haben, wie z. B. die Glossolalie, welche zu empfangen Prunks halber Von Vielen erstrebt ward, auch weniger zum Ziel seiner Willensrichtung und Empfänglichwerdung macht; po- sitiv aber darin, daß man dagegen jene besseren Gaben den Gegenstand seines augelegentlichen Be—- gehrens und das Ziel seiner selbstthätigen Entwicklung sein läßt, um so die bestimmte Receptivität zu erreichen, welche dazu gehört, das Organ der betreffenden Wirk- samkeit des Geistes zu sein und somit vom freien Willen des Geistes der besseren Begabung theilhaftig zu werden. (Meyer.) Daß jeder mit der Stelle zu- frieden ist, welche er in der Gemeinde einnimmt, darauf drang vorhin der Apostel; das will er aber nicht so verstanden wissen, als sollten die Leser lediglich bleiben, was sie nun einmal sind, sondern er fordert selbst sie auf, sich um Begabungen zu bemühen, welche sie noch nicht besitzen, wobei sich nun nach V. 7 u. 11 von selbst versteht, daß man sich um das, was Gott durch den heil. Geist schenkt, nicht anders bemühen kann, als indem man es erbittet. (v. Hofmann.) Der heilige Geist begabt den Menschen nicht wie einen todten Schlauch, sondern als einen, der den Mund aufthut und trinkt: »wer da bittet, der empfähet, und wer da suchet, der findet«, das gilt ganz besonders von den Empsängern der geistlichen Gaben. (Besser.) Hi) Ehe der Apostel den eben ausgesprochenen Gedanken, daß man unter den Geistesgaben vor allem nach denen trachten soll, die zur Erbauung der Ge- meinde dienen, in Kap. 14 weiter ausführt, lenkt er zuvor in Kap. 13 den Blick hin auf die Liebe, welche alle Gaben beseelen und regieren soll, ohne welche sie nichts sind. (v. Gerlach.) Der gewählte starke Aus- druck: ,,einen köstlicheren Weg«, der superlativisch oder als stärkster positiver Ausdruck des unvergleichbaren Werthes zu fassen ist, kündigt schon den beginnenden Schwung des Gemiiths in der Erhebung zum über- schwänglichen Element der Liebe an und die große und wahre Hyperbeh in der er ihre Herrlichkeit preist. (Osiander.) Wie im leiblichen Organismus die allge- meine Lebenskraft alle Glieder zusammenhält und zweckmäßig in einander greifen läßt, so ist die Liebe, die Gott seinem Wesen nach selber ist (1. Joh. 4, 16), die dem Leibe Christi Leben und Einheit gebende Macht, ja das Prinzip der Ewigkeit in ihrer zeitlichen Erscheinung: ihr nachzujagen ist daher noch wichtiger, als Gaben zu suchen; ohne sie sind alle Gaben nur Schein. (Olshausen.) Das 13. Kapitel. Der christlichen Liebe lloctrefflichlieii und Eigenschaften. s. Von der Liebe, ohne welche der Besitz der Geistesgaben werthlos und die ein viel höheres Gut ist als sie alle. (Epislek am Sonntag Quinqiiagesimae oder Estomihih Das alte Testament enthält das hohe Lied von der Liebe, welche den HErrn nnd seine Braut, die Gemeinde, verbindet; vergebens suchen wir in ihm nach dem hohen Liede von der Liebe, welche ihr Band um die Kinder des Hauses, um die Kinder des Reiches schlingt. Die Bruderliebe kommt im alten Testament aus schwachen Ansätzem aus unvollkommenen An- fängen nicht heraus; im neuen Bunde erst reift in dem warmen Sonnenscheine der Liebe Jesu Christi zu seinen Brüdern nach dem Fleisch die Frucht der Bru- derliebe. Der Sonntag, welcher der Leidenszeit im engsten Sinne des Worts vorangeht, ist daher mit diesem Psalm aus höherem Chor, mit diesem Preis- gesang der Liebe ausgestattet. Das bittere Leiden, das unschuldige Sterben Jesu Christi ist der höchste Preis der Liebe Gottes des Vaters, der seinen ein- gebornen Sohn für uns Sünder in den Tod giebt, und der Liebe Gottes des Sohnes, der zu diesem Opfer seiner selbst für uns von Terzen bereit ist; wir sollen diese Liebe mit Liebe erwi ern, Gott der Vater und Gott der Sohn wollen aber, daß wir die Liebe, welche wir zu ihnen in dem Herzen tragen, an unsern Brüdern erweisen —- was wir denselben thun, das wollen sie ansehen und annehmen, als hätten wir es ihnen selbst gethan. (Nebe.) Man fühlt es dem Apostel wohl ab, daß er die Liebe, die er preist, mit eigenen Augen geschaut und am eigenen Herzen er- fahren hat; sonst könnte er nicht mit so hohen Worten von ihr reden, er könnte uns sonst nicht solch ein Bild ihrer Herrlichkeit und Schönheit vor die Augen stellen, dergleichen vor ihm und nach ihm Keiner gezeichnet 262 1. Corinther 13, 1—7. hat. Dieser Text läßt sich deshalb auch gar nicht aus-legen, wie man sonst einen Predigttext auslegt, er ist zu hoch, zu art azu; man muß befürchten, durch jede menschli e Zuthat seine göttliche Schönheit zu verderben. Jch mbchte am liebsten, nachdem ich ihn eurer Andacht vorgelesen, das Buch zumachen und weg ehen, um euch ganz dem stillen Eindruck der apo tolischen Predigt zu überlassen; indessen ist doch auch dieses Apostelwort wie jedes Gotteswort nicht« dazu geschrieben, daß wir seine Erhabenheit bewun- dern, sondern daß wir uns dadurch wähnen, richten und züchtigen lassen. Das Lob der Liebe: 1) ihr Werth, 2) ihre Schönheit, 3) ihre Dauer. (Tho- masius.) Die Liebe, die Königin im Reiche des heil. Geistes: I) das Höchste, fehlt die Liebe, ist nur Schein; L) wo Liebe ist, muß jede Tugend sein; Z) wenn alles schwindet, bleibt die Lieb allein. (Sey- bold.) Die Hoheit der läubig en, heiligen Liebe: wir erwägen 1) die Zliachh die sie über alle andern Gaben übt; 2) den Geist, mit dem sie in der Welt wandelt; 3) die Bedeutung, die sie für die Ewi keit hat. (Briickner.) Die Herrlichkeit der Lie e: 1) sie übertrifft alles, 2)« sie überwindet alles, Z) sie überdauert alles. (Keim.) Glaube, Lieb und Hoffnung sind der wahrhafte Schmuck der Christen: l) Glaube legt den ersten Stein zu des Heils bewährtem Grunde; 2) Liebe muß des Glaubens Frucht Gott und auch dem Nächsteu weisen; Z) Hoffnung macht der Liebe Muth, alle Noth u überwinden. (B. Schmolk.) Warum ist die iebe die größte unter den drei Haupt- tugenden der Christen? weil sie 1)durch nichts sich ersetzen läßt, 2) so herrliche Eigenschaften und Z) eine ewige Dauer hat. (Caspari.) . 1. Wenn ich mit Menschew und mit Gngelzungen redete sein Zungenredner wäre, der die Gabe der mancherlei Sprachen Kap. 12, 11 Anm.-in einem Maße besäße, daß aus seinem Munde alle nur möglichen Arten redender Zungen, nicht nur die der Menschen, sondern auch die der Engel, sich vernehmen ließen], und hätte der Liebe nicht ldie nicht das eigene Beste, sondern in Selbsthingabe das der Andern sucht], so wåre ich lbei allem Klang der Stimmen, die ich von mir gäbe, doch, weil ja das schlagende Herz darin fehlte, weiter nichts als] ein tönend Erz oder eine klingende Schellekt 2. Und wenn ich weissagen könnte und wüßte [vermöge der mir beigelegten Propheten- gabe Kap.12, 11 Anm.] alle Geheimnisse und alle Erkenntniß [so daß mir zugleich die Rede der Weisheit und die Rede der Erkenntnis; Kap. 12, 8 eignete], Und hätte allen lwunderthätigen Kap. 12, 91 Glauben, also, daß ich Berge versetzte, und hätte [gleichwohl, was allerdings möglich ist, da bei einem Menschen, in dem das christliche Leben ursprünglich vorhanden war, die Kraft desselben, auch wenn es selber bereits ge- schwunden ist, wohl eine Zeit lang noch fortdauert, wie die Schwingungen einer angeschlagenen Saite fortdauern über den Moment des Anschlagens hinaus] der Liebe nicht; so wäre ich nichts« [hätte für meine Person gar keinen Werth]. 3. Und wenn ich alle meine Habe [ver- spendete, d. i.] den Armen gäbe, und ließe meinen Leib brennen sgäbe ihn in den Feuer- tod dahin Dan. 3, 28], und hätte der Liebe nicht; so wiire mir’s nichts nütze-«« [sondern in dem Ruhme, den ich etwa suchte, hätte ich meinen Lohn schon dahin Matth. S, 1 ff.]. «) Unter den Gaben, die er mit der Liebe vergleicht, stellt der Apostel die in Corinth so hochgeschätzte Gabe des in Zungen Redens voran: wenn es hoch kommt, so will er den Corinthern sagen, so redet ihr doch nur in der Erhebung des Geites in Menschen-Sprachen; redetet ihr aber auch selbst in der Engel Sprache, würde euch ein Maß des Geistes zu Theil, das die irdifchen menschlichen Sprachen ganz durchbräche und in der Sprache des Himmels sich ergösse, und es se lte euch die Liebe, so fehlte euch die Seele und das Le en. Jn den beiden Bildern: ,,töneud Erz« und ,,klin ende Schelle« liegt eine Steigerung, die mit den ,,Mens en-« und ,,En el-Zungen« gleichläuft: ,,ir end ein tönendes Erz, aufts Beste ein laut erklingen es Instrument« Cioörtlichx Cymbel 2. Sam. 6, 5). Ein solcher Ton hat weder für das Instrument, das ihn von sich giebt, noch für Andre, die ihn hören, Bedeutuw , wenn der Geist sie ihm nicht giebt, und dieser Geit kann auch in dem begabtesten Christen nur die Liebe sein: ohne sie erregt die Sprachengabe nur dumpfes, unfrucht- bares Staunen und Betäubung. (v. Gerlach.) Für uns deutet der Satz aus menschlikhe Beredsamkeiy laßt darum ihr ihn euch gesagt sein, die ihr dereinst Pre- diger des Worts zu sein berufen werden wollt. Und wenn ihr noch so beredt, noch so åzsschickh noch so er- greifend reden lerntet über das ort der Wahrheit und die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt —- habt ihr die Liebe nicht als den Pulsschlag, welcher durch eure Worte hindurchschlägt, sucht ihr nur euren Ruhm, nur euren Nutzen, so seid ihr nichts als ein tönendes Erz, das zwar tönt, aber selbst von seinem Tone nichts empfindet; ihr seid eine klingende Schelle, die zwar für Andere klingt, aber nicht auch für sich selbst. Jhr könnt vielleicht durch Gottes Gnade Andere gewinnen für Gott und sein Reich, aber euch selbst gewinnt ihr nicht; ihr selbst werdet nicht gebessert, und das fällt zuletzt auf euer Haupt zurück. (Briickner.) W Von dem Vorzüge, Einer zu sein, bei dem es zum Reden in aller erdenkbaren Sprache kommt, steigt der Apostel zu solchem auf, das Sache des bewußten Erkennens oder frei eigenen Willens ist, nämlich zur Gabe des Weisfagens einerseits und des Wissens um alles vor Menschen· Verborgene und der voll- ständigen Durchdringung des zu erkennen Gegebenen andrerseits, sowie zu der unbedingten Willens- zuversicht, welche über jedes entgegenstehende Hin- derniß, wie unbesieglich es auch dem gemein mensch- lichen Vermögen sei, kraft der Wundermacht Gottes, an die sie sich hält, obzusiegen vermag: wer jene und diese besitzh aber Liebe nicht, von dem sagt der Apostel, er sei nichts, was nicht von seinen: sittlichen Unwerthe vor Gott verstanden sein will, sondern von dem per- sönlichen Werth eines solchen Menschen überhaupt; nur das, was er hat, ist etwas, nicht aber er selbst. (v. Hofmann.) Unser Viele: Leben und Streben geht auf Bildung, auf Weisheit, aus Erkenntnis; der höchsten Dinge —- nicht aus eine blos äußerliche und ober- flächliche Kenntniß, nein! in das Wesen,- in die Tiefe, in den verborgenen Zusammenhang der Dinge möchten wir eindringen, das Geheimniß der Natur und Ge- schichte verstehen, die letzten, die obersten Gründe der Von der Liebe, ohne welche der Besitz aller Geistesgaben werthlos ist, und ihrem Wesen. 263 Dinge, ja, die Gedanken Gottes, die alles tragen und be- wegen, möchten wir ergründen; und ivas uns auf diesem Wege gelingt, das möchten wir dann auch aussagen mit dem rechten, treffenden Wort, was uns innerlich bewegt und mit großen oder heilsamen Gedanken er- füllt, dafür auch in Andern Begeifteriing erwecken. Es giebt in der That keine edlere Aufgabe für den denkenden Menschen, es lgiebt nichts, worin der mensch- liche Geist größere Sel stbefriedigung fände, als in diesem Streben, Suchen und Finden! Selbstbefrie- digung -— o, m. Fr., ist etwa das der letzte Zweck, das letzte Ziel, das wir bei dieser unsrer Geiftesarbeit im Auge haben, die Befriedigung an der Luft des Er- kennens, die Genugthuung, die es gewährt, etwas Rechtes für sich selbst zu wissen und etwas Nechtes zu lehren? Lasset uns doch bedenken, was der Apostel sagt! (Thomafius.) IN) Von dem, was Gabe ist, steigt hier der Apostel zu folchem auf, das Einer kraft eigenen Willens- entfchlusses, sei es dem Nächsten u gute oder in Ver- tretung der Sache Gottes thut. aß er Hab und Gut dem Dürftigen dargiebt, Leib und Leben opfert, ehe er die Sache verleugnet, die er zu der seinen gemacht hat, sieht wie ein Thun der Liebe aus, der Liebe gegen die Brüder und gegen Gott, kann aber aus selbstischer Sinnes-weise stammen, welche nur sich selbst ein Genü e thut und den eigenen Willen behauptet: hat es sol e Bewandtniß damit, ermangelt derjenige, welcher solches thut, der Liebe, so hat er deß keinen Gewinn; es kommt den Brüdern zugute und der Sache Gottes, ihm selbst aber nicht! (v. Hofmann.) Wenn ich alles Gute thue, das ein Mensch thun kann, und alles leide, was ein Mensch leiden kann, ohne die Liebe ift’s kein utes Werk, davon ich einen Gnadenlohn zu hoffen hätte. (Hedinger.) Es giebt ein Verdienst, das alles aufopfert und selbst Leiden erd1ildet, und doch weder Gottes Gnade noch ewigen Lohn verschafft, weil die Liebe fehlt, weil es aus Eigensucht geschiehet. (Heubner.) Es giebt vielfach einen Heroismus und Enthusiasmus u Werken der Barmherzigkeit, welcher nicht in der iebe zu den Brüdern, sondern in der Selbstsucht, Ehrfucht, Herrschsucht seinen letzten Grund hat. Es ist eine Frage, welche der HEry der Herzen und Nieren prüft, allein beantworten kann und am Tage des Gerichts auch beantworten wird, was beiden Gründern des Jesuitenordens das eigentliche Motiv war, daß sie in den Lazarethen zu« Venedig dienten, wobei der sog. heilige Xaver aus den fcheußlichften Gefchwüren die faulige Materie mit seinem eigenen Munde aus- saugte. (Nebe.) Alles kann der Mensch hergeben und doch noch das Beste zurückbehalten, alles kann ihm durch eine fremde Macht genommen werden, Eines aber muß er selbst geben, und das ist seine Liebe. Wem er diese schenkt, dem fchenkt er sich selbst. (Rieger.) Geben ist zwar eine Frucht der Liebe, aber nicht die Liebe selbst. Die Liebe ist eine geistliche Gabe, welche das Herz und nicht allein die Hand rührt; Liebe heißt nicht dasjenige, was die Hand thut, son- dern was das Herz empfindet. sLutherJ 4. Die Liebe ift langmuthig [Kräukungen gegenüber den Zorn beherrschend und ihr eigenes Wesen bewahrend Jak. 1, 19] und freundlich sin Huld und Güte nur Gutes für den Nächsten im Sinn habend und darauf denkend, wie sie das ihm zuwenden möge, vgl. Tit. 3, 4]; die Liebe eifert nicht sweiß nichts von leidenschaft- licher Erregung über des Nächsten Gut und Gabe, ,,es verdrießt sie nicht, ob es Andern besser gehe, denn ihr« —- Luther]; die Liebe treibet nicht Muthwillen [in wiiidiger Eitelkeit vor Andern sich brüstend]; fie blahet sich nicht findem sie immer noch sich schuldig weiß, wieviel sie auch schon bezahlt hat Röm. II, 8]. 5. Sie stellt sich nicht imgeberdig [meidet alles, was sich nicht schickt, nicht wohl anftehet]; sie suchet nicht das Ihre [sondern das, was des Andern ist Kap. 10, 24. 33; Phik L, 44]; sie läßt sich nicht erbittern fauch wo man ihrem Willen in deii Weg tritt und ihre besten Absichten durchkreuzt]; sie trachtet nicht nach Schaden [daß sie, wo ihr Böses von jemand geschieht, es ihm nun zum Bösen gedächte]. · b; Sie freuet sich nicht der Ungerech- tigkeit sdaß es ihr irgend welches Ergötzen be- reiten sollte, wenn dem Andern Böses geschiehet mit Unrecht],· siefreuet sich aber der Wahr- heit [wenn diese in dem, was Einem widersährt, zu ihrem Recht gelangt]; 7. Sie verträget alles fwovon man meinen möchte, es werde machen, daß sie zu lieben auf- hört, indem es den Gegenstand der Liebe so un- liebenswerth erscheinen läßt], sie glaubet alles strauet dem, den sie liebt, alles zu, was ihr ihn liebenswerth zu machen geeignet ist], sie hpsfet alles [verfiehet sich alles dessen, was ihm jetzt noch fehlt, um ihn liebenswerth zu machen, von der ZUkZIUftL sie duldet alles lwas sie um dessentwillem « den sie liebt, und um deß willen, daß sie ihn liebt, uber sich muß ergehen lassens Jn diesem Abschnitt sieht man irriger Weise einen Lobpreis der Liebe als der Mutter aller Tugenden; wäre dies die Meinung, so müßte die überwiegende Zahl verneinender Sätze (es find deren acht, von denen die ersten vier eine Weise des Gebahrens, die letzten vier aber eine Sinnesart verneinen; der bejahenden Säpe dagegen, von denen» der erste die Aufzahlung eröffnet, die andern sie fchließen, sind zu- sammen nur sechs) befremden, welche blos sagen, was Liebe nicht thut. Richtiger wird man in dieser Aufzählung dessen, was sie thut und nicht thut, eine Kennzeichnung sehen, an welcher die Leser inne werden mögen, was es heiße, Liebe haben, damit sie sich prüfen, ob sie den Weg schon gehen, den ihnen der Apostel zeigt, oder ob sie seiner Mahnung bedürfen, der Liebe nachzujagen; denn nicht, daß die Liebe so Großes thut, ist betont, noch daß die Liebe es ist, welche dies alles thut oder nicht thut, sondern daß dies efchieht und dies Andere nicht geschieht, wo man iebe hat. (v. HofmannJ Jm Schwunge der Rede perfonisizirt hier der Apostel die Liebe, indem er das von ihr selber aussagt oder verneint, was an dem wahrhaft liebenden Christen sich sindet oder nicht findet. (Sommer.s Es ist abftrakt von der Liebe, nicht von den Liebenden die Rede, weil sich jene nie in con- creter Erscheinung vollständig darstellt; auch der Beste ist«in bloßer Annäherung an ihre absolute Natur be- griffen. (Olshausen.) Wie die sieben Farben des Regenbogens erglänzen hier zweimal sieben Liebes- tugenden: Langmuth ist die eine, Freundlichkeit die andere Grundtugend, aus welchen beiden die sechs 264 1. Corinther IS, 8——12. übrigen (wenn man die Worte: ,,sie läßt sich nicht erbittern, sie trachtet nicht nach Schaden« in der 2. Hälfte des 5. Verses zusammennimmt) hervorleuchten; denn die Liebe leidet Böses und thut Gutes. Der Regen- bogen ist das Zeichen des Triumphs der Sonne über den Regen: so zeigt sich der Liebe mannigfaltige, der Vollendung zustrebende Art siegreich über feindselige Hindernisse; des Geistes Himmelstochter triump irt über das, was fleischlich und irdisch ist. (Vesser.) as man dage en in der Welt Liebe und Freundschaft zu nennen päegh ist mehrentheils nur Kaufmannschaft und Gewerbe: ich gebe, daß du wieder gebest, i? thue, daß du wieder thuest, haben die Meisten im inne; wenn sie Gutes thun, so sind es solche Gaben, die einen Haken haben, damit sie eine größere wieder zurückziehen wollen. (Starke.) Nun höret im Ein- elnen die Schilderung, welche der Apostel von den Eigenschaften der christlichen Liebe macht (obwohl es seine besonderen Schwierigkeiten hat, den Gedanken- ang herauszufindem welche er bei Aufzählung dieser i enschaften verfolgt, und man da leicht in die Ver- sucsuts geräth, die einzelnen Ausdrücke durch Biegen und eugen der eigenen Auffassung gehorsamer zu machen)! Es ist des unvollkommenen viel auf Erden; den wohlgemeintesten Absichten treten Hindernisse in den Weg, und dem blos menschlichen Eifer wird es nicht gelingen, sie zu überwinden, legt er auch frische Hand an’s Werk, er wird bald erlahmen, wenn er nicht die Liebe zur Grundlage hat. So aber die Liebe nicht: sie wartet; und wenn von der guten Aussaat auch nur erst ein kleiner Keim des Guten sichtbar geworden ist, pflegt sie ihn mit Freuden und verträgt’s, daß er nur langsam wächst. Sie ist langsam zum Zorn, immer voll Huld und Gütigkeit, auch wenn sie zürnen muß: die Liebe ist langmüthig und freundlich. Wer sich selbst einen Vorzug zuschreibt, gelte es nun Vor- züge des Körpers oder des Geistes, oder des Ranges und Standes, gelte es Ehre oder Freundschaft, der will von Andern ihn anerkannt sehen, der will überall der Erste sein, will niemand neben sich leiden, sucht Andere niederzudrücken oder zu verkleinern: das thut die Liebe nicht! Sie freut sich dessen, was ihr gegeben ist, und freut sich dessen, was Andern gegeben ist; sie trübt kein Glück, sie neidet keinen Vorzug, sie ver- kleinert kein Verdienst — die Liebe eifert nicht. Wem fremde Vorzüge ein Greuel sind, dem ist fremde Schwäche ein Gegenstand des Scherzes; er zieht sie rücksichtslos hervor an’s Tageslicht, giebt schonungslos dem Gelächter sie preis, und es kümmert ign nicht, ob er den also Behandelten bis in die tiefste eele hinein verwundet. Die Liebe thut dies nicht; des Nächsten Fehler sucht sie zu bessern, des Nächsten Thorheiten sucht sie unschädlich zu machen, für fremde Sünde und Thorheit hat sie einen heiligen Ernst, ja einen heil. Schmerz — die Liebe treibet nichtMuthwillen. So gern ein Mensch seine Vor üge der Welt in’s glänzendste Licht stellt, so viele ühe wendet er auf, seine Fehler u verbergen; ein hosfärtiges, stolzes, ab- sprechendes enehmen, ein künstlich angenommenes, nach jeder Seite hin und in jeder Lage wohl abge- messenes Wesen soll Andern jeden Zweifel benehmen, als ob er auch seine schwachen Seiten habe. Die Liebe verachtet solchen Ruhm und verschmäht solche Kunst; sie will sein, was sie scheint, und will scheinen, was sie ist — die Liebe blähet sich nicht. Hin- gegen thut sie auch nicht das Gegentheil; sie kommt nie aus der recl:ten Haltung. Seinen Zorn, seinen Kummer, seine Freude legt Mancher rücksichtslos an den Tag« ohne ich um das Aergerniß zu kümmern, das er urch sein Fluchen oder sein Verzweifelm oder auch durch die rohen, emeinen und unwiirdigen Aus- briiche seiner Fröhlich eit giebt. Die Liebe kennt auch einen Zorn -— denkt an den Heiland, wie er die Käufer und Verkäufer aus dem Tempel treibt! sie kennt auch einen Kummer — denkst an den Heiland, wie er weint über Jerusalem! sie kennt eine Freude — denkt an den Heiland, wie er das Hochzeitsfest armer Leute durch seine Gegenwart verherrlichte! Aber sie mißachtet kein Gebot des Anstandes und ver- letzt keine Sitte; was lieblich und keusch , was wohl lautet, dem trachtet sie nach im Zorn, im Schmerz und in der Freude — sie stellet sich nicht ungeberdig. Warum stehet aber die Liebe so groß, so edel, so rein und so herrlich da, während alles, was von Fleisch und Blut kommt, so klein, so gemein, so unrein und befleckt da. egen erscheint? Sie thut alles um Gottes und des ächsten willen; der Apostel drückt ihr eigent- lichstes und Innerstes Wesen aus, wenn er sagt: sie suchet nicht das Ihre. Darum, wo sie Undank erntet, läßt sie sich nicht erbittern, und wo sie an einem Feind· sich rächen könnte, thut sie’s nicht, sie trachtet nicht nach Schaden. Von Schlechtig- keit und Gottlosigkeit zu hören, ist einem liebeleeren Menschen eine himmlis e Freude; es ist ihm eine süße Lust, sagen zu können, o schlecht bin ich nicht, und er macht nichts so gern zum Gegenstand seines Gesprächs als des Nächsten Fehler und Laster. Das thut die Liebe nicht: sie freuet sich nicht der Ungerech- tigkeit, sie freuet sich aber der Wahrheit. Wo die Wahr eit einen Sieg erkämpft, wo eine Sünderin zu des H rrn Füßen ihre Sünden beweint, wo ein gefallener Petrus wiederkehrt unter die Zahl der dringet, wo ein feindseliger Saulus ein bekehrter Paulus wird, da ist’s, wo die Liebe eine Freudenstunde feiert; da freuet sie sich wie die Engel im Himmel. Und endlich giebt der Apostel seiner Beschreibung den mächtigen Schluß: sie verträget alles, sie glau- bet alles, sie hoffet alles, sie duldet alles. (Easpari.) Mag der Liebe von Andern widerfahren, was zur Erduldung zu schwer erscheinen kann, alles trägt sie; was mißtrauisch machen kann, alles ver- trauet sie; was die Hoffnung auf den Nächsten zer- stören kann, alles hofft sie; was zum Weichen bringen kann, allem hält sie Stand. (Meyer.) 8. Die Liebe höret nimmer auf [eigent- lich: verfället nimmermehr, was spätere Bibelausgaben dann abgeändert haben], so doch die Weissagun en aufhören werden, und die Sprachen au hören werden, und das Er- kenntnis; aufhören wird-« [so nach Luther?- Uebersetzung in der Postillez in der Bibel selbst schreibt er: Die Liebe wird nicht müde. Es müssen aufhören die Weissagungen, und aufhören die Sprachen, und das Erkennt- niß wird aufhören]. 9. Denn unser Wi en i Stiickwerh und unser Weissagen i Sticckwerk sbeides geschieht niemals aus dem Vollen oder Ganzen, sondern hat es immer nur mit einzelnen Theilen der göttlichen Wahrheit zu thun, es kann daher auch niemals selber ein vollkommenes, allseitig fertiges sein]. 10. Wenn aber kommen wird das Voll- kommene [mit der Vollendung des Reiches Gottes am Ende der Zeiten I. Joh. Z, 2], so wird Die Liebe höret nimmer auf, so doch die Weissagungen te. aufhören werden. 265 das Stiickwerk aufhören« [und eben dies Vollkommene dafür an die Stelle treten]. 11. Da ich ein Kind war, da redete ich wie ein Kind, und war klug wie ein Kind, nnd hatte kindische Anschläge [und in solchem Stande befindet sich mit mir ein jeder hier auf Erden, ja die ganze Kirche während ihrer irdischen EntwickelungszeitD da ich aber ein Mann ward, that ich fvermöge der nun durch- gemachten Entwickelungszeit ganz von selber] ab, was kindisch war [und so wird für niich und jeden Gläubigen, also auch für die ganze Kirche, die Zeit des vollkommenen Mannesalters kommen Ephes 4, 13., wo wir alles, was zur Zeit noch von unreifen Vorstellungen, Urtheilen und Aus- drücken uns anhaftet, ablegen und die rechte Fer- tigkeit dafür eintauschen]. 12. Wir sehen jetzt fin dieser gegenwärtigen, bis zur Wiederkunft Christi reichenden Weltzeit alles, was wir zu sehen bekommen, lediglich] durch einen Spiegel fder immer nur ein Bild, nicht die Sache oder Person selber uns schauen läßt, und vernehmen alles, was wir zu hören bekommen, lediglich] in einem dunkeln Wort sin einer dunkeln, räthselhaften Rede, die ebensowohl ver- hüllt, als sie offenbart Dan. 7, 3 Anm., wie man das Glas färben muß, womit man will in die Sonne sehen], dann aber fschauen wir Gott und die himmlischen Dinge] von Angesicht zu An- ge kht [4. Mos. 12, 8; Matth. b, 8]. Jetzt er enne ich? stiickweife [was mir zu erkennen gegeben wird, so daß ich den betreffenden Gegen- stand immer nur von der einen oder andern Seite zu erfassen vermag, nie aber in seiner Ganzheit und seinem innersten Wesen]; dann aber werde ich es erkennen, gleichwie ich [von Gott Kap. 8, Z] erkannt bin-««- [so daß meine Erkenntniß eine centrale und totale sein wird]. «) Bis V; 7 geht die Beschreibung der Liebe: die Leser mögen darnach bemessen, ob sie Liebe haben; wer sie hat, der soll nun in diesem neuen Abschnitt sich bewußt werden, was für ein großes Gut er an ihr besitzt, und wer sie nicht hat, was für ein Gut ihm fehlt. Denn nicht einen neuen Zug fügt der Apostel von hier an der bisherigen Beschreibung bei, welche ja Beschreibung eines Verhaltens gewesen ist, während Unvergänglichkeit dasjenige, von dem es ausgesagt wird, als ein Gut erscheinen läßt, sondern er rechtfertigt nun, was er in Kap. 12, 31 von dem Wege dessen, der Liebe hat oder ihr nachjagt, gesagt hat, daß er über die besten Begabungen hinaussühre, indem er ihre Unvergänglichkeit dem vergänglichen Wesen alles dessen entgegenstellt, was Sache der Be- abung ist. (v. Hofmannh Die Liebe, sagt der postel nach dem Wortlaut des Grundtextes, sie fällt niemals Mein, kommt niemals in Wegfall, sondern bleibt immer estehen. Seien es Weissagungen (der Plural bezeichnet die Gabe der Weissagung in der— Mannigfaltigkeit ihrer Erschemungenx sie werden abgethan werden, wenn das, was ihren Jnhalt bildet, zur Verwirklichung gelan t und das jetzt Ver- hüllte in Klarheit erscheint. eien es Zungen (Sprachen), sie werden aufhören, wenn diese un- vollkommenen Kund ebungen des Geistes von dem klaren und vollständigen geugniß abgelöst werden, welches durch den in der Zukunft eintretenden Einblick in die Geheimnisse der göttlichen Weisheit ermöglicht wird· Sei es Erkenntniß, sie wird abgethan werden, d. h. die unvollkommene Art unsers Erkennen-s, da wir durch Unterricht, durch Nachsinnen und Erfahrung kaum etwas Weniges begreifen, wird aufhören, wenn das Licht der Ewigkeit alle Ordnung der Dinge be- leuchtet und deren Zusammenhang in lichter Klarheit vor unserm Auge sich eröffnet. Sommer) Der Apostel beweist den Satz nicht: »die Liebe höret niin- mer aus«, er stellt ihn einfach als eine Behauptung hin; die Wahrheit dieser Behauptung ist ja leicht ein- zusehen, so daß er den Corinthern gegenüber von einem strengen Beweise abstehen durfte. Es versteht sich hier von selbst, daß unter dieser Liebe keine andere Zeemeint sein kann, als die, von welcher bisher die ede war, nämlich die Liebe gegen Andere. Weis- sagungen, Zungenredem Erkenntnis; werden wegfallen, aber die Liebe kann nie in Wegfall kommen, weil das Objekt unsrer Liebe ein ewiges ist, weil wir ewig in solchen Verhältnissen sein werden, wo wir Andere, Nächste haben. Diese Liebe wird nun mit Charismen verglichen, nicht init der Gesammtheit derselben, son- dern mit besonders hervortretenden, mit der Weis- fagung, dem Zungenreden und der Erkenntniß Auffallend ist, daß, während in V. 1 u. 2 drei Cha- rismen namhaft gemacht wurden, die mancherlei Sprachen, die Weissagung, welche letztere die Erkenntniß unter ihre Flügel genommen hatte, und der Glaube, hier das letzte Charisma in Wegfall gekommen ist, dafür aber die Erkenntniß sich selbst- ständig gemacht und die Weissagung die mancherlei Sprachen überslügelt hat. Von jenem Glauben sieht Paulus wohl hauptsächlich deshalb ab, weil es ein Mal an und für sich schon klar ist, daß in dem zu- künftigen Leben keine Berge mehr zu versetzen sind, sondern dann alles glatt und eben ist, und zum An- dern, weil er, wenn er hier von dem Glauben die Vergänglichkeit hätte aussagen wollen, sich in nähere Definitionen hätte einlassen müssen, damit nicht, was er zum Schluß in V. 13 sagen wollte, wie ein Selbst- widerspruch erschiene. Jene Voranstellung der Weissagung vor die Zungen erklärt sich wohl ganz natürlich daraus, daß dem Apostel die Weissagung viel höher stand als das Zungenredem wie das selbständige Hervortreten der Erkenntniß wohl aus dem Umstande, daß es dem Apostel darauf ankam, durch eine größere Summe von Beispielen seinem Satze mehr Fülle und Gewicht zu verleihen. (Nebe.) Die Liebe höret nimmer auf: wie könnte es auch anders sein? was sollte aus ihr Schöneres werden? in welchen höheren Zustand sollte sie sterbend übergehen? Nein, es giebt nichts Höheres und Schöneres! Die Liebe hört nicht auf, räuint ihren Platz nicht Anderem ein, verwandelt sich auch in nichts Anderes, treibt keine höheren Blüthen, ist himmlisches Leben schon auf Erden, kann durch Versetzung in die Ewigkeit nur insofern schöner werden, . als Uebel und Befleckung der Sünde aufhören und damit jedes Hindernis; ihres vollkommenen Gedeihens schwindet. (Löhe.) IV) Daß das unvollkommene und unverständliche Zungenreden nur eine vorübergehende Bedeutung habe, leuchtet von selbst ein (und wohl nicht zufällig ist es, wenn es hier ganz übergangen wird — vielleicht liegt darin eine Vorausverkündigung, daß die Glossolalte 266 1. Corinther l3, 13. 1-4, 1—3. am wenigsten von Bestand selbst in der zeitlichen Ent- wickelung der Kirche sein werde); warum aber auch Weissagung und Erkenntniß aufhören wird, dafür giebt der Apostel in diesen Versen als Grund an, daß das, was in der Gegenwart an Weissagung und Erkenntniß vor- handen sei, nur unvollkommene Bruchstücke der Voll- kommenheit darstelle, der beide Gaben fähig seien und zu der sie aufsteigen sollen. Unser je iges Erkennen und Weissagen ist nur ein theilweises ( uther: ,,Stück- werk«), gewährt noch kein Einschauen in den Zusammen- hang des Ganzen und in den Grund, der alles be- stimmt und verbindet, da a-uch dem erleuchteten Forscher nur einzelne Durchblicke in die göttlichen Geheimnisse gewährt sind; erst wenn gekommen ist das Vollkommene, d. h. die mit der Wiederkunft Christi eintretende Voll- endung des Reichs Gottes, dann wird das Theilweise oder das Stiickwerk aufhören. (Sommer.) Gottes Rath zur Seligkeit ist uns in seinem Worte soweit geossenbart, als uns zur Erlangung derselben vonnöthen ist; aber dies sind nur wenige Tropfen aus einem ganzen Meer, der göttlichen Erkenntniß, und wer findet nicht öfters in dem Tropfen selbst einen Abgrund, den er nicht ergründen kann, sondern ausrufen muß: ,,o welch eine Tiefe des Reichthums, beide, der Weis- heit und der Erkenntniß!«, (Lassenius.) Freilich ist auch unser Lieben Stückwerk, aber nicht die Liebe; das Wissen sammt dem Weissagen hat in diesem Leben das Stückwerk zur Natur, die Gabe der Erkenntniß und Weissagung selbst wird uns nicht anders zu Theil, als daß wir stückweise erkennen und weissagen. Jst doch der Prophet Jesus Christus in den Tagen seiner Erniedrigung eingegangen in die Weise menschlichen Erkennens und Weisfagens und hat sich seiner gött- lichen Allwissenheit entäußert (Mark. 13,32). Die Wahrheit giebt sich in dieser Zeitlichkeit nur bruchstiick- weise zu erkennen, so daß der mit höchster Erkenntnis; Begabte weder alles weiß, was Gott weiß, noch- das durch Offenbarung Erkannte so erkennt, wie» es Gott erkennt; vielmehr hat unser Wissen und Weissagen die Schranke, daß wir die Wahrheit nicht anders erfassen und festhalten mögen, als mit bescheidener Ergebung in unser Unvermögen, alle scheinbarenGegensätze und Widersprüche zu lösen, wie sie vor Gott in vollkommene Harmonie aufgelöst sind. Das evangelische Lehrgebäude hat darum viele Linken, die unvermauert sein wollen; denn es sind Fenster, wohinaus man zum Himmel aussieht, dem Kommen des Vollkommenen entgegen, wie ja z. B. Melanchthon seine Sterbenslust nährte mit der Freude aufsdie nicht mehr stückliche, sondern vollkommene Erkenntniß des Geheimnisses der aller- heiligsten Dreieinigkeit. (Besser.) sitt) Jn V. l1 beleuchtet der Apostel das Verhält- niß unsrer jetzigen stiickweisen Erkenntniß zur künftigen vollkommenen durch die Analogie der menschlichen Entwickelungsstufeiy der unmündigen Kindheit und des reifen Mannesalters: wie mit der Mannesreife zwar nicht das Reden, Denken und Urtheilen selber aufhört, sondern nur die Art und Weise des Redens, Denkens und Urtheilens, wie man sie als Kind hatte, abgethan ist, so wird unsre, in der gegenwärtigen Weltzeit un- reife und unvollkommene Erkenntniß aufhören und dem Zustand der Reife und Vollkommenheit Platz machen. Inwiefern nun aber unser gegenwärtiger Erkenntnißstand hinter dem der Zukunft zuriicksteht, agt der Apostel im 12. Verse, in dem er den Unter- chied der beiden näher bestimmt: die gegenwärtige Erkenntniß ist nur eine mittelbare, die»zukünftige eine unmittelbare; die gegenwärtige Erkenntniß ist nur Stückwerk, die zukünftige ist eine ganze und voll- kommene. (Sommer.) Auch wenn es uns gegeben wird, nicht mehr Kinder zu sein, die sich wägen-und wiegen lassen von allerlei Wind der Lehre (Ephes. 4, l4), bleiben wir doch diesseits Kinder im Vergleich mit der Mannheit, die unser wartet im Himmel, und wozu wir jetzt erzogen werden: es rede einer mit entzückten Zungen, doch wird er an sein Reden wie an Kindeslallen sich erinnern, wenn er nun unter den vollkommenen Lobsängern das neue Lied der Ewigkeit anstimmt« es sei einer klug, mit geistlichem Sinne Gottes Offenbarung zu erfassen, doch wird er wie auf Kindesklugheit zurückblickem wenn er nun den ent- hüllten Inhalt aller Weissagung zusammenschaut in einem Augenblick; es habe einer Anschläge und Ge- danken, die ihm erwachsen aus dem Worte Gottes zu lebendiger Erkenntniß, doch wird er sie wie Kindes- anschliige erfinden, wenn er nun in der Mitgestalt des Ebenbildes des Sohnes Gottes zu seiner Rechten steht und ihn siehet, wie er ist. Wie indessen der Mensch nicht aufhört, wenn aus dem Kinde ein Mann wird, so bleibt auch der Christ derselbe, wenn seine dies- seitige Kindesart in die jenseitige Mannesart aufgeht; in seinen kindischen Reden, Vorstellungen und Gedanken keimt schon das männliche Wesen, welches aufblühen wird unter der Sonne der herrlichen Erscheinung Jesu Chriti, und was kindisch war, wird er abthun, wie die lüthe ihre Knospenblätter abstreift. (Besser.-) Durch einen Spiegel sehen wir jetzt, sofern die Ge- stalt der himmlischen Dinge uns nicht an ihnen selbst, sondern nur an dem Bilde erscheint, das sie jetzt als in einen Spiegel werfen, durch den wir sie sehen, so daß, was wir davon sehen, noch nicht ihre volle Wahr- heit, sondern nur ein ohngefährer Abriß derselben ist (man hat hier besonders auch an die noch unvollkom- menen, nur in geschlisfenen Metallplatten bestehenden Spiegel der Alten zu denken). Jn einem dunkeln Wort sehen wir die Wahrheit: so heißt die im Worte Gottes enthaltene Offenbarung auch schon deshalb, weil sie durchgehends in Ausdrückem welche her- genommen sind von menschlichen Zuständen undtEr- scheinungen, die göttlichen befchreiben muß, gleichsam in einer fortgesetzten Bildersprache, deren wesentlichen Inhalt unser Geist mehr ahnen-d als durchdringend faßt. Das hört auf, wenn die Sachen selbst erscheinen, und wir von Angesicht zu Angesicht sie sehen. (Burger.) Weil unser derzeitiges Sehen ein Sehen durch einen Spiegel im dunkeln Worte ist, so bleibt es dabei: ,,jetzt erkenne ich’s stückweise«; der Spiegel ist für den ganzen Gott, für die ganze Fülle der Gottheit zu klein, und unser Verstand zu gering, um für das im dunkeln Wort vor uns Stehende allemal die rechte Lösung zu finden. Wenn aber jener große Zeitpunkt wird gekommen sein, da es heißt: »von Angesicht zu Angesicht«, da wird sich auch das erfüllen: »dann aber werde ich’s erkennen, gleichwie ich erkannt bin«. (Nebe.) Dem Apostel ist schon das Große bei seiner Bekehrung eschehen, daß Gott sich ihn zum Gegenstande eines rkennens gemacht hat, welches dies im vollen Sinne des Worts ist, eines solchen Erkennens nämlich, daß er ihm schlechthin aufhörte ein Fremder zu sein (Gal. 4, 9); was nun damit angefangen hat, das; er solchen, mit seiner Annahme zu naden in Eins zusammen- fallenden Erkennens Gegenstand ward, das wird seinen Abschluß in einer entsprechenden Zukunft finden, wo ihm Gott gleichartigen Erkennens Gegenstand sein wird. Hat jenes die Vergebung der Sünden in sich geschlossen, so wird dieses mit der vollen Verwirklichung der Sündenvergebun eintreten. (v. Hofmann.) Hie- nieden ist Gott vorgerrschend in uns, in der voll- kommenen Welt werden wir auch anz in ihm sein und ihn dann erst sehen, wie er in ich ist (1. Jöh· Z, 2), Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die größeste unter ihnen. 267 während wir hier ihn nur sehen, wie er in uns ist. (Olshausen.) 13. Nun aber swährend nach dem in V. 8 ——12 Gesagten die Geistes-gaben der Weissagung, der Sprachen und der Erkenntniß sammt allen andern nur für die gegenwärtige Weltzeit Bestand haben, mit dem Eintritt der Vollendungszeit da- gegen abgethan werden oder von selbst aufhören] bleibet [auch bis in die Vollendungszeit hinein und in die Ewigkeit hinüber] Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die größeste unter ihnen sbesser so zu stellen: aber die größeste unter ihnen ist die Liebe, zu der ich ja euch hinführen wollte Kap· 12, 31]. Die meisten Ausleger fassen diesen Vers als eine Aussage über den Werth der Liebe; das ,,nun aber« bildet ihnen den Gegensatz zu dem »dann« in V. 12 und wird von ihnen auf die gegenwärtige Weltzeit bezogen: jetzt, in diesem irdischen Leben, bleiben als die drei Haupttugenden und haben als die drei wesent- lichen und zureichenden Bestandtheile des Ehristenthums bleibenden Werth — Glaube, Hoffnung, Liebe. Man führt dann den Gedanken, der in dem Verse läge, dahin aus (Lassenius): ,,Glaube, Liebe, Hoffnung . machen in der Zeit eine dreifache Schnur, die nicht zerreißt, in jenem Leben aber wird die Liebe von ihrer Mutter, dem Glauben, und von ihrer Schwester, der Hoffnung, einen fröhlichen Abschied nehmen«; oder (Quesnel): »der Glaube und die Hoffnung sind Wanders- leute, welche uns Zum Himmel führen, ohne selbst hineinzugehen, die iebe allein gehet hinein, zu sehen, was sie geglaubet hat, und dessen zu genießen, was sie durch die Hoffnung verlanget hat«. Aber so schön und einleuchtend diese Erklärung scheint, so entspricht sie doch dem usammenhange nicht, welcher vielmehr darauf hinweit, daß V. 13., gleichwie von der Dauer der Liebe, so auch von der des Glaubens und der Hoffnung handelt; das ,,nun aber« ist also dahin zu ssen: nun aber, da die Gnadengaben der Jetztzeit nicht fortdauern, sondern mit der Erscheinung Christi aufhören, dauern dagegen in das ewige Leben hinein diese drei. (Sommer.) Sonst stellt nun allerdings Paulus Glaube und Hoffnung als etwas dar, was dem gegenwärtigen Leben im Gegensatz zum zukünftigen angehört (2. Cor. E, 7; Röm 8, 24 ff.); hier aber ist der Glaube nicht als Gegensatz zum Schanen, noch die Hoffnung im Gegensatz zum wirklichen Haben und Genießen aufzufassen; sondern der Glaube, wie er die ewige Grundlage des Heilszustandes ist, so bleibt er in’s ewige Leben hinein als das vertrauende Erfassen und Festhalten Christi als des einzigen Heilsgrundes für alle und jeden, die Hoffnung aber als die auch im Herrlichkeitszustandenoch stattfindende Erwartung immer neuer und höherer Entfaltung dieser Herrlichkeit (Kling.) Es bleibet der Glaube, denn der Glaube macht ge- recht und selig auf Erden und im Himmel; auch in der Ewigkeit werden wir uns als errettete, begnadigte Sünder wissen, errettet durch das Blut des Lammes, selig gemacht durch den Namen Jesu Christi. Es bleibet die Hoffnung, denn wenn gleich alsdann unsre Hoffnungssehnsucht erfüllt und das unbefleckte, unverwelkliche Erbe, nach dem wir jetzt voll heißen Verlangens aussehen, uns zum Besitz gegeben ist, so wird es doch nicht aus eschöpft noch ausgelebt durch den Besitz, sondern es lühet in ewig frischer Jugend und entfaltet sich vor uns in immer neuer Herrlichkeit Also bleibet Glaube und Hoffnung, nur daß freilich dort die beiden in eine andere Gestalt verwandelt werden, alles abstreifend, was ihnen von dem Stück- werk der Zeit und Vergänglichkeit anhaftet —- der Glaube in’s Schauen, die Hoffnung zur vollen seligen Freude. Aber die Liebe bleibt, wie sie ist, unwandel- bar in sich selbst, ein und dieselbe in Zeit und Ewig- keit; denn Gott ist die Liebe, und wer lieb hat, der ist von Gott geboren und kennet Gott. Sie ist das Leben der Seligkeit, das Leben der Heiligen, hier wie dort, das Band der Vollkommenheit, das Band der Gemein- schaft, das uns mit dem Vater und dem Sohne im heil. Geist und mit dem Chor der heiligen Engel und Auserwählten in Ewigkeit verbinden— wird. So ist sie die größeste unter ihnen, größer als der Glaube, weil sie die reife Frucht desselben ist; größer als die Hoffnung, weil sie das schon in sich hat, was für die Hoffnung noch in der Zukunft liegt; größer als beide, weil sie nicht durch Wort und Bild vermittelt ist, son- dern unmittelbar am Herzen Gottes ruht un Eins mit Gott alles umfaßt, was Gottes ist. »Gott ist die Liebe, und wer in der Liebe bleibet, der bleibet in Gott und Gott in ihm«. (Thomasius.) Das 14. Kapitel. Rom rechten gebraut-h der Spraohen und Weissagung -y. Von der Gabe des Zungenredens und ihrem Werth im Vergleich mit dem der Gabe der Weissagunzx 1. Strebet nach der Liebe sdaß ihr sie in Besitz bekommt; unter dieser Voraussetzung lasse ich denn in Betreff des Themas, das in Kaki. 12 uns beschästigte, mich weiter aus]. Fleißiget euch der« geistlichen Gaben [die allerdings für die Kirche noch-in dieser gegenwärtigen Weltzeit ihre große Bedeutung haben, so sage ich in Wiederaufnahme der Ermahnung in Kap. 12, 31], am meisten aber [so füge ich nun hinzu, um auch weiter zu sagen, was ich unter den besten Gaben dort verstehe], daß ihr weissagen [Kap. 12, 11 Anm.] möge» [welche Gabe der Sprachengabe, aus die Viele unter euch einen so besonderen Werth legen, bei Weitem vorzuziehen ist]. 2. Denn der mit Zungen redet, der redet nicht den Menschen [steht mit seiner Rede nicht im Verhältniß der Mittheilung zu Menschen], sondern Gott [er verkehrt mit Gott, der die tiefsten und brünstigsten Gebetsregungen des Geistes ver- nimmt Röm. 8, 26 f.]; denn ihm hört niemand zu [besser: niemand vernimmt oder versteht es, was er sagt Mark. 4, 33], im Geist aber [in dem Zustande der Verzückung, wo seine eigene Verstandesthätigkeit ganz zurücktritt und er Aus- drücke erfaßt, wie sie ihm gerade gegeben werden, ohne dafür zu sorgen, daß sie auch von Andern verstanden werden] redet er die Geheimnisse fdie er zu schauen bekommts Z. Wer aber weissaget, der redet den Menschen zur Besserung, und [zwar, um es näher zu be- 268 l. Corinther zeichnen, inwiefern er ihnen zur Besserung oder Erbauung redet] zur Ermahnung und zur Tröstung [die Trägen anzuregen und die Niedergeschlagenen aufzurichten 1· Thess 2, 11]. 4. Wer mit Zungen redet, der bessert [o»der erbauet Kap. 8, l] sich selbst [indem er theils Jetzt bewegt und gehoben ist von dem, was ihm zu sehen und zu empfinden gegeben wird, theils davon auch nachher noch eine wohlthätige Wirkung ver- spürt]; wer aber weissaget, der bessett die Gemeine« sin der vorhin V. 3 angegebenen Weise].· · 5. sJndefsen dürft ihr mich nicht dahin miß- verstehen, als wolle ich das Zungenreden ganz aus der Gemeinde verbannet wissen, wie wohl Manche diesenWunfch hegen Kap. 12, 3 Anm.; im Gegentheibj Jch wollte, daß ihr alle mit Zungen reden kdnntet swofern die Förderung der Gemeinde dabei gewahrt wird]; aber viel mehr sals das eben Ausgesprochene, wünsche ich], daß ihr weissagetet [4. Mos. II, 29; Joel 3, 1 ff., und spreche nun damit bestimmt aus, was ich in Kap. 12, 31 mit den Worten meinte: »ftrebet nach den besten Gaben-J. Denn der da weissagt, ist größer, denn der mit Zungen redet; es sei denn, daß ers sder Zungenredney hernachmals vermöge einer weiteren ihm verliehenen Gabe] auch attslege swas er vor- hin in der Verzückung geredet], daß die Gemeine davon gebessert [erbauet] werdet« [in welchem Falle allerdings das Zungenreden dem Weissagen an Gemeinnützigkeit nicht so sehr nachstehts «) Die Ermahnung: ,,Strebet nach der Liebe« reiht sich ohne Verbindung dem Vorigen an; die Rede war in Kap. 13 zu sehr gehoben und bewegt, als daß die ruhige Auseinandersetzung die nunmehr folgt, in ähn- licher Weise, wie sonst, durch eine Uebergangspartikel verbunden sich anschließen könnte. Nach dem Schluß von Kap. 13 tritt gleichsam eine Pause ein; es folgt ein neuer Anfang. (Burger·) ,,Strebet nach der Liebe«: eigentlich heißt es ,,jaget nach«, was stärker ist als das folgende ,,fleißiget euch«. Die Liebe ist so köstlich, daß ihr nachzujagen die Hauptsache im Christen- leben ist; und auch wer Liebe erlangt hat, muß ihr nachjagen, weil niemand ist, der nicht täglich den alten Menschen mit seiner Unliebe auszuziehen und den neuen Menschen mit seiner Liebe anzuziehen hätte. Jagen wir aber nach der Liebe, so sind wir zugleich auf dem richtigsten Wege zu den geistlichen Gaben, wonach mit Fleiß zu trachten uns wohl ansteht; und am meisten begehrenswerth unter ihnen ist die Gabe der Weissagung Die Eorinther gelüstete mehr nach der ausfallenden Zungenrede, als nach der frommen Weissagung; die Ermahnung nun, am meisten nach der erbaulichsten Gabe zu trachten, ruft die Liebe wach, welche nicht das Jhre sucht. (Besser.) Das Zungenreden konnte zwar wohlthätig wirken, aber sobald es zu oft geübt und iiberschätzt ward, konnte es auch nachtheilig werden für die Ruhe und Ordnung einer Gemeinde; und so war es eben in Corinth, viele hatten zugleich geredet, hatten dadurch Verwirrung angerichtet, ohne Nutzen zu stiften, und verachteten andere, weni er blendende Gaben neben ihrer Sprachengabr. Gewiß werden wir nicht irren, wenn wir die Vorgänge in der corinthischen Gemeinde uns ähnlich denken, wie das Leben sich jetzt 14, 4—--12. etwa in einer MethodistemGemeinde gestaltet und früher unter den Montanisten aussprechen mochte: wäre man auf diesem Wege fortgegangen, so hätte sich die Kirche unfehlbar in Schwärmerei verloren; die Weisheit des Apostels hemmt also die einseitige Ge- fühlsrichtuug um das Gleichgewicht der Kräfte her- zustellen» (Olshausen.) » · «) Einen zwiefachen Gegensatz zwischen dem Zungen- reden und dem Weissagen sehen wir den Apostel hier ausführen. Der erste besteht zunächst darin, daß dort ein Reden stattsindet nicht für Menschem sondern für Gott; der Redner spricht da eine Sprache, in welcher er den Hörern unvernehmbar ist, sein Reden ist ein solches, welches lediglich vermöge Geistes, somit ohne in der selbstbewußten Denkthätigkeit des Sprechens den vermittelt zu sein, zuwege kommt, und sein Reden ist ein Reden von Geheimnissen, so daß es nach zwei Seiten hin für die Hörer verschlossen und unerfaßbar ist. Das Weissagen dagegen ist ein Reden bei Be- wußtsein und geschieht mit den Darstellungsmitteln des selbstbewußten Menschen, im Gegensatz zu dem Reden für Gott ist es also ein Reden für Menschen und im Gegenfatz zu dem Reden von Geheimnissen ein Reden zur Besserung und zur Ermahnung und zur Tröstung; das in ihm Dargegebene dient zur Weiterbildung des christlichen Lebens, zum Antriebe für das christliche Wollen, zur Kräftigung des christ- lichen Gemüths. Der zweite Gegensatz besteht darin, daß derZungenredner s ich selbst bessert,der Weissagende aber die Gemeinde. An sich weckt alle Rede ge- heiligten Jnhalts eine Förderung des christlichen Lebens; wenn nun aber Einer weissagt, so liegt es in der Natur solcher Rede, daß sie an eine versammelte Ge- meinde gerichtet ist und eine Förderung ihres christ- lichen Lebens bezweckt, dagegen wenn Einer wunder- bare Sprachen redet, so mag ein solcher Vorgang immerhin einen Eindruck auf die Anwesenden üben, aber eine Wirkung des Gered eten kann nur inner- halb des Redenden stattfinden, welcher allein unter dem Eindruck desselben steht. (v. Hofmann.) Was der Prophet als solcher zu fchauen und zu vernehmen bekommt, das schaut und vernimmt er nicht für sich allein, sondern als berufener Mittler der heilsordnungs- und rathschlußmäßigen Gottesgedanken für sein Volk und die Menschheitz er bringt darum das im Geist von ihm Geschaute und ihm fort und fort Bewußte unter Betheiligung des Verstandes und der seelischen Thätigkeiten zur angemessenen und verständlichen Aus- ge. Dadurch nun unterscheidet sich die prophetische Ekstase von der glossolalen oder von der des Zungen- redners, dessen Reden ein entzücktes Reden in ver- zücktein Zustande ist, welches erst dadurch der Gemeinde einen bewußten Gewinn brachte, daß entweder ein Anderer (V. 27) oder der Redner selbst (V. 5 u. 13) es dolmetschte. Das Gemeinsame der Prophetie und der Glossolalie besteht in der Erhebung des Bewußt- seins über die rein menschliche Sphäre, der Unterschied aber darin, daß der prophetifch Jnfpirirte in dem vollen Bewußtsein seiner reflektirenden Geisteskräfte war, während die andere Jnspiration sich nur durch Ver- mittelung der intuitiven, auf Gott gerichteten Seite des menschlichen Geistes mit Unterdrückung des dis- cursiven (nach außen gerichteten) Denkens äußerte. Die Glossolalie war eine Wunderwirkung des Geistes Gottes im menschlichen Geiste des Geniiiths, d. i. in der unterhalb des gewöhnlichen Tagesbewußtseins ge- legenen Tiefe; der Zungenredner war im Zustande des anbetenden und lobpreisenden Gebets, und war, da die Thätigkeit seines eigenen Denkens zurü rat, des übernatürlichen Gebet-s, wie es unsre Alten nennen, Fleißiget euch der geistlichen Gaben, am meisten aber, daß ihr weis s agen möget! 269 und diese in Gott entsunkene, triumphirende Gebets- stimmung schuf sich selber eine Sprachform, in der sie unaufhaltsam wie in heiligen Dithhramben (Rausch- liedern) aus dem Gemüthe hervorbrach. (Delitzsch.) IN) Nach dem Bisherigen konnten die Leser meinen, Paulus wiinsche überhaupt nicht, daß wunderbares Zungenreden vorkomme; daher läßt er jetzt sie wissen, daß er ihnen allen die Gabe solchen Redens wünsche, fügt aber zugleich hinzu, mehr wünsche er, daß sie weissagen möchten, und drückt diesen seinen Wunsch im Grundtext auf· eine Weise·aus,, die ihnen zu verstehen giebt, daß sie das ·Jhr1ge hierzu thun sollen. Hieran reihet sich dann eine Vergleichung des Zungenredners und des Weissagenden hinsichtlich ihres Ranges, daß letzterer der Größere von beiden sei auf der Stufenleiter der Begabungen: warum dies, sagt der Beisatz, in welchem er den als möglich gesetzten Fall ausnimmt, daß nicht etwa ein Anderer, sondern der Zungenredner selbst verdolmetschet, in welchem Falle der Gemeinde eine Förderung allerdings zu Theil werde; hiernach also soll bemessen werden, ob eine Begabung ihrem Jnhaber größere oder mindere Bedeutung verleiht. (v. HofmannJ Auch für das eigene stille Gebet soll jeder Christ stets ein Wort suchein Der ewige Offenbarer Gottes heißt selbst das Wort (Joh. 1, 1); ohne Wort giebt es bleibend gar nichts Göttliches für den Menschei1, ohne Wort ist er der Schtvärmerei oder dem unfruchtbarsten Hinbrüten preisgegeben. (v. Gerlach.) it. Nun aber, lieben Brüder [um es euch an einem unmittelbar vorliegenden Falle recht klar zu machen, wie wenig Werth für die Gemeinde- sörderung die Gabe der mancherlei Sprachen an und für sich hat], wenn ich zu euch käme fda ich ja bald euch einen Besuch zu machen gedenke Kap. 4, 215 11, 34; 16, 1 ff.] und redete sin eurer Gemeindeversammlung] mit Zungen [was ich aller- dings könnte, weil auch diese Geistesgabe in be- sonderem Maße mir eignet V. 18], was wäre jch euch nütze, so ich nicht [das in Zungen Geredete nachher auf die eine oder andere Weise auch aus- legend und weiter ausführend] mit euch redete entweder durch Offenbarung oder durch Erkenntnis, oder [damit ich beide Weisen der Mittheilung auch noch anders bezeichne] durch Weissagnng, oder durch Lehre? 7. Hält steh? doch auch also ldaß man näm- lieh, um von Vorgetragenein einen Nutzen zu haben, auch dessen Jnhalt und Meinung muß verstehen können] in den Dingen, die da lauten nnd dokh nicht leben [in Beziehung auf die an sich todten, aber doch in gewissem Sinne sprach- fähigen musikalischen Jnstrumente], es sei eine Pfeife oder eine Harfe [4. Mos. 10, 2 Anm.]: wenn sie nicht imterschiedliche Stimmen von sich geben sTöne in bestimmter Modulation, nach Höhe und Tiefe, Länge und Kürze, Stärke und Schwäche mit einander abwechselndL wie laut! man wissen, was gepfiffen oder geharfet ist [eine auf der Pfeife oder Harfe vorgetragene Melodie aus den Tönen heraus erkennen? steht es nicht vielmehr so, daß man nicht klug wird, was denn eigentlich gespielt worden sei]? 8. Und so die lzum Signalgeben dienende 2. Prof. 19, .16 u.19; Z. Mos. 25, 91 Posaune [4. Mof to, 2 Anm.] einen nndeutlichen Ton giebt [aus dem sich kein bestimmtes Signal heraus erkennen läßt], wer will sich zum Streit rüsten? 9. Also auch ihr, wenn ihr mit Zungen redet, so ihr nicht [nachträglich mittelst der Sprachen- auslegung Kap. 12, 11 Anm.] eine deutliche Rede gebt [dereii Sinn durch klare und bestimmte Worte nnd durch geordneten Zusammenhang der letzteren unter einander faßbar hervortritts wie kann man [wenn man euch zuhört, um an eurer Rede sich zu erbauen] wissen, was [von euch] geredet ist? [Stellet darum das Zungenredem wenn ihr diese Bedingung nicht erfüllen könnt, lieber ganz eint] Denn ihr werdet fwenn ihr’s, das Zungenredein in solcher Weise treibt, wie es meist von euch geschieht V. 6 Anm., doch nur] in den Wind reden [vgl. Kap. 9, 26]. 10. Zwar [um zur Erläuterung dessen, was ich sage, noch auf ein anderes Beispiel einzugehen] es ist mancherlei Art der Stimmen [der Menschsv in den verschiedenen Sprachen und Mundarten] in der Welt, und derselbigen ist doch keine un- deutlich [an und für sich, nur muß der Zuhörer der betreffenden Sprache oder Mundart mäch- tig sein]. 11. So ich nun nicht weiß der Stimme Deu- tung [weil ich eben dieser Sprache oder Mundart nicht mächtig bin], werde ich [der Hörer] undeutsch sein dem, der da redet sdaß ich nicht auf feine Gedanken eingehen und sie mir zu Nutze machen kann], Und der da redet, wird sauch seinerseits] mir undeUtsch sein sdaß er nichts bei mir aus- richtet, sondern wir stehen uns als wildfremde Menschen einander gegenüber, zwischen denen ein gegenseitiger Verkehr nicht möglich ist]. 12. Also auch ihr [vgl. V. 9], fintemal ihr euch [in fast übertriebener Weise] sleißiget der geistlichen Gaben sweswegen ich euch allerdings tadeln könnte, es jedoch lieber nicht thue, um nicht den Schein eines Widerspruchs mit der Er- mahnung in V. 1 auf mich zu laden], trakhtet [dabei wenigstens] darnach, daß ihr [durch den Gebrauch jener Gaben] die Gemeine bessert, auf daß ihr alles [wie ihr dessen euch rühmt Kap. 1, 5 ff.] reichlich habet« [nicht blos dem Besitze der Einzelnen nach, sondern als Gemeingut der Gesammtheit]. «) Jn diesen Schlußworten des Verses liegt nicht eine vier-, sondern eine zweigliedrige Eintheilung vor, die aber, von zwei verschiedenen Eintheilungsgründen ausgehend, in vier Glieder auseinander geht; die zwei ersten: ,,Qffenbarung und Erkenntniß« sind mit Hin- sicht auf Ursprung und Inhalt des Mit utheilenden zusammengestellt, die zwei letzterem »Weissagung und 270 1. Corinther 14, 13——25. Lehre« sind die jenen ersteren entsprechenden Formen der Mittheilung. (Osiander.) Offenbarung unter- scheidet sich von der Erkenntniß als die besondere prophetische Begabung von der auch durch den Geist Gottes gewirkten Einsicht, bei welcher -aber die in der menschlichen Natur als solcher liegenden Kräfte in den Dienst des Geistes genommen und von seinem Licht erfüllt und durchdrungen werden; die Offenbarung wird ausgesprocgen in der Weissagung, die Er- kenntniß in der ehre. (Burger.) Aus dem Jnhalt unsers Verses läßt sich schließen, daß gemeiniglich das Zungenreden ohne Dolmetschung in Corinth austrat; der Apostel bringt den Corinthern zum Bewußtsein, was er ihnen wohl nützen würde, wenn er sich bei seinem Kommen zu ihnen so verhalten wollte, wie ihre Znngenredner sich zu verhalten pflegten, ob sie nicht selber von ihm verlangen würden, daß er das in Zungen ihnen Vorgetragene hernach noch auf andere, ihnen zugängliche Weise zum Ausdruck bringe. Bei diesem, in ihnen erweckten Gedanken, wie wenig eine solche Art des Zungenredens wie sie bei ihnen im Schwange geht, für die erbauungsbedürstige Gemeinde ein Interesse habe, hält er sie auch im Folgenden fest, indem er anssührt, daß eine Sprache verständlich fein muß, um den Zweck des Sprechens zu erfüllen, und dies sowohl an den Tönen an sich lebloser Instrumente, die aber durch die sie Handhabenden gleichsam auch Leben bekommen und so in die rechte Ordnung sich zu schicken vermögen, als auch an den vielen menschlichen Sprachen und Mundarten nachweist, von denen zwar keine an sich unverständlich ist, die aber, wenn es um eine ein- zelne sich handelt, beiden Theilen geläufig sein müssen, dem Hörenden sowohl wie dem Redendem wenn ein Wechselverkehr möglich sein soll. VI) Der Werth eines Vortrags in christlicher Ge- meindeversammlung ist zu bemessen nachseiner G e mein- verståndlichkeit und nach feiner Wirkung auf die Herzen. · Mystisch-theosophische Ueberschwäng- lichkeit, Hinaufführenwollen in die Höhen, Hinabführem wollen m die Tiefen der Erkenntniß Gelehrsamkeit und Subtilität der Ansle un» hoherdichterischer und rednerischer Schwung der arstellunm glänzende Schön- rederei und dergleichen, was Aufsehen macht, was Leute von weltlicher Bildung und verbildetem Ge- schmack anziehen mag, oder was einem geistlichen Vor- witz Nahrung giebt oder dem Unverstand, der gerade das Dunkle liebt, zusagt, das gehört nicht vor die Gemeinde. Auf die Frage eines jungen, begabten Hilfspredigers, der in der Hauptstadt des Landes zu predigen anfangen sollte, wie er’s denn angreifen müsse, um es recht zu machen, antwortete ein alter, erfahrener Geistlicher, ein im Segen wirkender Prediger und Seelsorger, er sollte so predigen, daß es auch die Mägde verstehen: so sei es recht für alle! Dies ist das Eine, was ein Prediger sich muß angelegen sein lassen; und das wird ihm um so mehr gelingen, je mehr er sich in die heil. Schrift und ihre Sprache, in Luther’s Bibelübersetzung und in die Werke dieses Meisters in volksthümlicher Sprache und Predigt hineinlebt. Das Andere ist das, was man das pro- phetische Element der Rede nennen kann, daß die Herzen getroffen werden, indem ihre geheimen Vorgänge, die innersten Triebfedern und Gesinnungen, die verborgenen Bewe ungen und Stimmnngen anfgedeckt werden, so da die Hörcnden sa en müssen: hat er denn unser geheimstes Sinnen, Tra ten, Streben durchschaut? hat er unsere, aller össentlichen Wahrnehmung sich ent- ziehenden Gespräche und Handlungen belauscht? oder hat ihm jemand, der uns und unser Thun und Treiben näher kennt, Vericht darüber gegeben? Hierzu gehört vor allem geistliche Begabung und Erleuchtung, welche aber vermittelt wird durch immer tiefer eindringende Selbstbeobachtung nnd Selbsterkenntniß und Beobach- tung der Menschen in verfchiedenen Lagen und Ver- hältnissen, beides im Lichte des göttlichen Worts, wel- ches der Menschen We e, wie Gottes Wege, offenbart als ein Richter der Ge anken und Sinne des Herzens; und damit die Rede um so eindringlicher werde, muß der Prediger bei den Propheten in die Schule gehen und mit ihrer Sprache sich vertraut machen, um in seinem Maß und nach dem vorliegenden Bedürfniß sie anzuwenden. (Kling.) 13. Darum [weil bei allen Geistesgaben die Besserung der Gemeine als Zweck muß im Auge behalten werden, vgl. Kap. 12, 7], welcher »Mit Zungen redet [was überhaupt nur ein solcher ösfentlich thun soll, der auch die Auslegungsgabe besitzt V. 28], det bete also shalte seinen Gebets- vortrag gleich von vornherein mit der bestimmten Absicht], daß ers [hernach] auch auslege 14. So ich aber [richtiger: Denn wenn oder solange ich] mit Zungen bete, so betet mein Geist sin unmittelbarer Anschauung und Empfin- dung und in einer dieser Unmittelbarkeit ent- sprechenden, über die Köpfe der Zuhörer hinweg gehenden Sprache]; aber mein Sinn» [d. i. mein Verstand oder das Vermögen in mir, geistig freie Vorstellungen zu haben und in einer dem Verständnis; Anderer angepaßten Weise zu äußern] bringet niemand Frucht-« [weil er unterdessen zurückgedrängt ist und ganz nnthätig sich verhält]. 15. Wie soll es aber denn fein swie soll ich es bei einer Sachlage, wie die eben angegebene, halten, damit Andere denn doch von meinem Zungen- reden Frucht haben]? Ntimlich also: Jch will beten mit dem Geist szuerst beim ZungenredenL und will beten auch im Sinn shernach beim A us- legenj; ichivill Psalmen sin en im Geist, und will auch Psalmen singen mit em Sinn lwas ich vorhin in überschwänglichem und unerfaßlichem Gebet oder Lobgesang vorgetragen, will ich hinter- drein noch einmal in verständiger und verständ- licher Wiederholung an die Gemeinde bringen, damit auch sie ihre Betheiligung daran habe]. 16. Wenn du aber [Gott] segnesi im Geist [dich darauf besehränkst, blos im Zustande der Entzückung, im Zungenredem einen Lobgesang zu Gottes Ehren zu sprechen]: wie soll der, so anstatt des Laien stehet [der Zuhörer in der Ge- meindeversammlung, der ja nicht ebenfalls in Entzückung sich befindet, sondern mit niichternem Verstande deine Worte aufnimmt], Amen sagen aus deine Danksagnng [sich damit dazu bekennend 1. Chron 26, 31 Aum.], sintemal er nicht weiß, was du sagen» 17. Du danksagest wohl fein [der Inhalt deines Lob- oder Dankgebets ist vielleicht ganz vortrefflichk aber der Andere wird nicht davon Vorzüge der Weissagungsgabe im Vergleich mit der Sprachengabe 271 gebessert [für ihn gehet also, wenn keine Aus- legung folgt, dein Beten geradezu verloren]. 18. Jch danke meinem Gott, daß ich mehr mit Zungen rede, denn ihr alle smit dieser Geistesgabe in ganz besonderem Maße ausgestattet bin; so kann niemand mir nachsagen, ich lege ihr nur darum einen so geringen Werth bei V. b» weil ich selber sie nicht befäße]. » 19. Aber ich will in der Gemeine lieber sunf Worte [die Hälfte von zehn] reden mit meinem Sinn fmit verständigem, klarem Bewußtsein und in verständlichen jedermann faßbarem Vortrags, auf daß ich auch Andere unterweise, denn sonst zehn tausend Worte salso tausendmal zehn] mit Zungen-«« [denn es ist viel besser, verstanden, als bewundert zu werden]. «) Man mag jetzt die Gelehrsamkeit mitder Sprachen- gabe vergleichen: hat ein Gelehrter zugleich die Gabe, das, was er gelehrt gefaßt, auch deutlich vorzustellen, und kann seine Gelehrsamkeit zur Erklärung der gött- lichen Wahrheit und Erbauung der Gemeinde an- wenden, so hat sie ihren herrlichen Nutzen; und sofern ist auch nicht zu verwerfem etwas aus fremden Sprachen, sonderlich aus den Grundsprachen der heil. Schrift, in Predigten anzuführen, wenn man dessen Nachdruck mit den deutlichsten Worten zu zeigen weiß. (Starke.) IN) Das Amen der Gemeinde zu den Gebeten des Liturgen ist also apoftolischen Herkommens; mit solchem Amen eignet sich die ganze Gemeinde an, was Einer betet, deshalb soll das Gebet so geartet fein, daß es jedermann verstehe. Laien nennt der Apostel hier alle, welche des Veters und Lobsängers Hörer waren und den Platz der Hörer einnahinenx die sollte mit auf dem Hei-gen tragen, wer in der Gemeinde betend und singend en HErrn lobte, damit ihr Amen nicht eine leere Formel, sondern ein herzliches Bekenntniß wäre. (Besser.) IN) Geist und Sinn unterscheidet der Apostel in diesem anzen Abschnitte so, daß Geist das höchste eistige nschauungsvermögem Sinn aber sein ver- tändiges Bewußtsein bezeichnet Ersteres war es eigentlich,» was bei der Sprachengabe in Thätigkeit war; das verständige Bewußtsein des Redners trat dagegen so sehr zurück, daß er Andern nicht hätte mit- theilen können, was der Geist innerlich sprach, wenn bei ihm nicht auch die Gabe der Auslegung hinzukam (v. Gerlach.) Sinn ist hier der Verstand, das Reflexions- vermögen, das klare, selbstbewußte Denken. Der Apostel sagt: ,,ich will in der Gemeine lieber fünf Worte reden mit meinem Sinn, denn sonst ehntausend mit Zungen« — warum? Nun, jene fünf orte, weil sie aus dem klaren, vernünftigen Denken hervorgehen, sind für alle faßlich und verständlich; was aber auf dem Wege unmittelbarer Anschauung und Empfindung im ge- heimnißvollen Verkehr mit Gott beim Zungenreden gewirkt wird, das bleibt, selbst wenn man es nachher auszulegen verfucht, für die Uneingeweihten doch immerhin ein ungeliistes Räthsel (Fronmüller.) 20. Lieben Brüder, werdet nicht Kinder an dem Verständnis [wie ihr auf dem Wege dazu allerdings schon seid und eure Sucht nach Glosso- lalie in der That etwas Kindisches an sich hat], sondern an der Bosheit [Kap. 5, 8] seid Kinder; an dem]Verstcindniß aber seid vollkomment [Röm. IS, I9 . 21. In! Gesetz [d. i. in den Schriften des alten Bandes Joh. 10, 34 Anm. 2] stehet ge- schrieben fnämlich in Jes. 28, 11]: Jch will mit andern Zungen und mit andern Lippen [durch Leute oder Völker, die sowohl eine ihnen völlig fremde Sprache führen, als auch eine ganz andere Be- handlung ihnen angedeihen lassen, als die sie von mir erfahren haben 5. Mos. 28, 49 ff·] reden zu diesem Volk, und sie werden mich auch also nicht hören [sondern in ihrem Unglauben fortfahren], spricht der HErn 22. Darum [weil nach dieser Stelle das ,,mit andern Zungen reden« den Charakter eines Gerichts an sich. trägt und den lehren, äußersten Versuch Gottes bezeichnet, verhärteten U n g l a ub e n zu brechen] so sind die Zungen [der mit der Glossolalie Begabten] zum Zeichen, nicht den Giciubigem sondern den Unglciubigen [haben eine exoterische, auf die, welche außerhalb der Gemeinde stehen, berechnete Bestimmung, sie als solche zu kennzeichnen], die Weissagung aber lwie sich hier- nach von selbst versteht, ist zum ZeicheUJ nicht den Unglciubigem sondern den Glciubigentt fwelche damit als solche geehrt, aber auch dadurch immer weiter in ihrem Glauben gebracht werden sollen]. 23. Wenn nun sum den Fall, auf den eure Ueberfchätzung des Zungenredens im Grunde hinausläuft, da darnach man ja eine allgemeine Ausrüstung der Gemeine mit dieser Gabe wün- schen müßte, einmal als verwirklicht zu setzen] die ganze Gemeine zusammen käme an Einem Ort, und redeten alle mit Zungen; es kämen aber hinein [in eine derartige gottesdienstliche Versammlung] Laien oder ungläubig» würden sie ni·cht sagen, ihr wäret unsinnig [Apostg. 2, 13; 26, 24., und würden also, statt für den Glauben gewonnen, vielmehr gegen denselben nur desto ärger einge- nommen werden]? 24. So sie aber [um jetzt den andern Fall gegeniiberzustellem auf dessen Verwirklichung mein Begehren V. 1 u. 39 hinausläuft, in einer solchen Gemeindeversammlung, wie die in V. 23 ange- nommene] alle weissageteiy und käme dann cin Un- gliiubiger oder Laie hinein; der würde von den- selbigen allen sdie da weissagen] gestraft und von allen gerichtet [Joh.16, 8 ff.]. 25. Und also würde das Verborgene seines Herzens fihms offenbar; und er würde also sin weiterer Folge solcher Gemüthsversassung] fallen aus sein Angesicht» Gott anbeten nnd bekennen, daß Gott wahrhaftig in euch seit« [vgl. Jes. 45, 14., und nun wohl auch zu eurer Gemeinde sich hinzuthun lassen Apostg 2, 37 ff.]. V) Mit der herzlichen, gewinnenden Ansprache: ,,Lieben Brüder!« führt er eine ernste Mahnung in 272 1. Corinther 14, 26—33. Betress der Ueberschätzung des Zungenredens ein, be- zeichnet die Hochschätzun einer zwar großes Aufsehen erregenden, aber für’s anze nutzlosen Gabe als etwas Kindifches, als Mangel an Reife des Urtheils, und legt ihnen nun an’s Herz, in dergleichen Hinsicht sollten sie nicht Kinder, Unmündige werden, sondern zu einer männlichen Reife sich erheben; dagegen komme dem Christen das Kindsein zu in Rücksicht auf die Bosheit, das Gegentheil der Liebe, dieser Quelle alles Guten. (Kling.) In Beziehung auf Bosheit oder sittliche Ver- dorbenheit sollen sie Unmündigen ähnlich bleiben, d. h· von ihr so ferne, daß sie auch keine Ahnung von ihr haben, geschweige erfahrungsmäßige Kenntniß. Es ist das ein trefsendes Wort gegen den gefährlichen sittlichen Jndisferentismus und Libertinismus, der die Gemeinde bedrohete und in verschiedenen Richtungen und Ausbrüchen befleckte. IN) Die von Paulus aus dem Propheten Jesaias in freier Uebersetzung und Anwendung angeführte Stelle enthält eine Drohung Gottes, mit dem wider- spenstigen Volk des Reiches Jsrael, welches auf die sreundliche Einladung der Propheten nicht hören wolle, eine andere Sprache zu führen, durch fremd redende Zunge; worauf der Prophet damit hinweist, das ist der Einfall der Assyrer und die strafende Heimsuchung Gottes durch deren Arm. Dies wendet nun der Apostel hier an als ein Gleichniß des Zungenredens und gründet darauf den Schluß, die Zungen seien zum Zeichen für die Ungläubigen: wie Ungläubige (das verstockte Zehnstämmereich) es waren, denen Gott durch Jesaias androhen ließ, hinfort mit ihnen in andrer Sprache reden zu wollen, so sind es auch Ungläubige, welche, durch das Außerordentliche des Zungenredens überrascht und betroffen, einen Anstoß bekommen sollen, in sich zu gehen, um wo möglich noch bekehrt u werden. Wenn indessen dazu bemerkt wird: »und szie werden mich auch also nicht hören«, so ist schon darauf hin- gewiesen, daß durch ein Uebermaß des Gebrauchs jener Gabe nichts werde gewonnen werden, daß sie als Mittel nicht unfehlbar sei; im Gegentheil sagt Gott die Ersolglosigkeit selbst voraus, und die Corinther können daraus einen Schluß ziehen. (Burger.) Sie waren Kinder am Verständnis» wenn sie meineten, die Zungen- rede sei die wirksamste Missionssprache der Kirche. (Besser.) Aber auch noch einen andern Schluß konnten sie aus dem Jnhalt der Stelle ziehen. In unverständ- licher Rede stellt sich Gott dar nicht als der den Gläu- bigen sich Aufschließendh sondern als der den Un- gläubigen sich Verschließendez wenn man nun der christ- lichen Gemeinde Unverständliches darbietet, so läßt man sie als eine solche erscheinen, der Gott sich ent- zieht, die unter dem Gerichte steht als nngläubige, an welcher auch die gewaltigsten göttlichen Kundgebungen vergeblich sind, welche auch dadurch nicht zum Achten auf ihn sich bringen läßt. Dagegen bietet die verständ- liche Sprache der Weissagung den Glaubenden sich dar als ein Sichausschließen Gottes. (Kling.) Die Un- gläubigen bleiben meist ungläubig, wenn der Schall der Zungen unter sie sälltx aber die Weissagung macht aus Un läubigen Gläubige und weidet die Gläubigen. (Bengel. IN) Jm Anschluß an die in V. 21 f· voraus- gegangene Bezeichnung der verschiedenen Wirkungs- fähigkeit des im Zungenreden und des im Weissagen sich begebenden Wunders wird hier zu bedenken ge- eben, welche Wirkung auf Nichtchristen oder Gegner ges Christenthums zu erwarten wäre, wenn sie in eine Ehristenversammlung kämen, wo die ganze Gemeinde in allen ihren Gliedern nur wunderbare Sprache redete oder nur weissagte. Der Begriff des ,,Laien« bestimmt sich hier nicht blos, wie in V. l6., durch den Gegensatz zum Zungenredney sondern durch den Gegen- satz gegen die Gesammtgemeindq es ist also ein Nicht- christ darunter zu verstehen, so gut wie unter den ,,Ungläubigen«, derselbe ist aber nur-als des Christen- thums unkundig gedacht, während im Ausdruck: ,,Ungläubiger« die em Christenthum f e i n d l i ch e , es von sich ausschließende Willensrichtung liegt. Aus beide würde nun, wenn sie einen nach dem andern wunder- bare Sprache reden hörten und nichts sonst, der Vor- gang, dessen Zeugen sie wären, keinen andern Eindruck machen, als daß dies eine allgemeine Verrückt eit sei; dagegen wäre von einem Weissagen aller die irkung auf einen Nichtchristen oder Un läubigen zu erwarten, daß er, von dem Worte getro en, toelches er ver- nimmt, erkennete und bekennete, hier sei eine Gemeinde Gottes, und sich vor dem in ihr gegenwärtigen Gott beugete· Absichtlich gebraucht der Apostel das eine Mal den Plural: ,,Laien oder Ungläubige«, das andere Mal die singularische Bezeichnungz »ein Un- gläubiger oder Laie«, weil dort die Wirkung auf alle die gleiche wäre, hier dagegen nur von einer möglichen oder auch der Natur der Sache nach zu erwartenden Wirkung auf Einzelne die Rede sein könnte; und ebenso absichtlich steht in dem einen Falle »Laien« voraus, im andern ,,Ungläubiger«, weil dort die Mei- nung ist, daß schon der Unkundige, geschweige der Un- gläubige, einen solchen Eindruck empfinge, hier das gegen, daß die Wirkung selbst auf den Un låubi en, geschweige auf den blos noch Fremden, eine tsolche sein würde. (v. HofmannJ Um der Engel willen sollen Christen auf löblichen Anstand beim Gottesdienst halten (Kap. 11, 10), um der Ungläubigen und Un- kundigen willen, die unter sie etwa eintreten, auf Gemeinverständlichkeit: so umspannt die christ- älufsssifbe Hohes und Niedriges, Himmel und Erde. e er. 26. Wie ist ihm denn nun [wie liegt die Sache oder was solgt aus dem bisher Erörterten V. 155 Apostg. 21, 22], lieben Brüder? Wenn ihr zusammen kommt [in gottesdienstlicher Ver- sammlung], so hat ein jeglichet sder mit Geistes- gaben ausgestattet ist, das eine oder das andere; er hat einen] Psalmen [in BereitschastL er hat eine Lehre [die er vortragen will], er hat Zungen seine Zunge, die laut werden möchte], et hat Offenbarung [die ihn zu einer prophetischen An- sprache treibt], et hat Auslegung swelche er einer gehaltenen Zungenrede beizugeben vermag]. Lasset es sdas ist das allgemeine Regulativ sür alle dergleichen Geisteserzeugnissd alles gescheheu zur Besserung* soder Erbauung der Gemeindes 27. So jemand mit der Zunge redet, oder sso das, wie es allerdings zulässig ist, thun] zween, oder aufs meisie drei, eins ums andere [also nicht etwa die zwei oder drei zugleich, wie solche un- ziemliche Simultanvorträge bei euch leider Vor- kommen], so lege es Einer ans sder die Gabe dazu hat, sei nun der Eine er selber, der allein geredet hat V. 5 u. 13., oder sei es für die Mehreren ein Anderer V. 26., der das von ihnen Vorgetragene dann in eine Summa zusammen- faßt und es so auf einmal wiedergiebt]. Wie es mit dem Zungenreden sowohl als mit dem Weissagen gehalten werden soll. 273 28. Jst er aber nicht ein Ausleger [richtiger: Ist aber ein Ausleger überhaupt nicht vor- handen], so schweige er sder Zungenredner] Unter der Gemeine; rede aber [was der Geist an Gebet oder Lobgesang ihm eingiebt V. 15] ihm selber und Gott» [so daß er’s bei einem stillen, inner- lichen Vorgange bewenden läßt V. 2]. 29. Die Weissager aber lasset reden, zween odertdtei [doch soll hier die Drei nicht gerade, wie in V. 27., das aus’s Höchste Zulässige be- zeichnen], und die andern sunter den Propheten, die nicht zu Worte kommen] lasset richtcn [ob das von jenen Geredete auch wirklich vom Geiste herrühre, und was etwa nicht, damit ihre Pro- phetengabe wenigstens in der Gabe der Geister- prüsung Kaki. 12, 10 sich bethätige]. 30. So aber swährend der eine noch weissagt] eine Offenbarung gefchieht einem andern, der da sitzt, so schweige der erstes« fund weiche ihm, statt ihn warten zu lassen; denn darin, daß der Geist den andern zum Reden treibt, liegt für den ersten ein Wink, daß er nun aufhören könne]. 31. Ihr kdnnet [wenn ihr Maß zu halten wißt und eine gute Vertheilung treffet] wohl alle tveissagen [die ihr die Prophetengabe besitzt], einer nach dem andern [wenn auch nicht in einer und derselben Versammlung, so doch durch Hinzunahme folgender Versammlungen], auf daß sie alle lernen sindem ein Weissagungsvortrag mehr belehrender Natur ist] nnd alle ermahnet werdet! fsofern dagegen ein anderer Vortrag mehr in praktisch andringender Rede sich bewegt]. 32. Und lwürde etwa der eine oder andere von euch einwenden, der Geist erlaube es ihm nicht zu schweigen, wie ich in V. 30 geboten habe, so antworte ich, der ich ja selbst die Propheten- gabe besitze und daher aus Erfahrung weiß, wie es in dieser Hinsicht sich verhält:] die Geister der Propheten sind den Propheten unterthan [und das ermöglicht es ja, daß einer den andern, sei es im Laufe einer und derselben Versammlung oder in der Aufeinanderfolge der Versammlungen, zum Worte gelangen lasse, anstatt allein oder immer wieder zu reden]. 33. [Und so haltet denn meine Vorschrift zur Herstellung guter löblicher Ordnung und Bewahrung rechter Eintracht unter euch.] Denn Gott ist nicht ein Gott der Unordnung, sondern [Röm. 15, 33; 16, 20; 1. Thess 5, 231 des Friedensf (wie in allen Gemeinen der Heiligen [diese Worte gehören nicht an den Schluß des vorliegenden Verses, sondern bilden nach richtiger Vertheilung den An- fang des folgenden Verses]). «) Die verfchiedenen, in der Gemeinde wirksamen Gaben werden aufgezählt; nicht jeder hat alle diese Gaben, aber keiner unter denen, die überhaupt mit Geistesgaben ausgerüstet sind, geht leer aus, jeder hat eine derselben. (Bur er.) Das ,,er hat« ist nicht blos so zu fassen: ,,er istimgsesitz dieses oder jenes Charisma«, sondern es bezeichnet ein Vorempfindem daß das Charisma sich eben jetzt äußern will; ohne Zweifel nun mußten die, welche reden wollten, es vorher den Presbhtern ankündigem und ward nun von diesen auf Beobachtung der Reihenfolge gehalten. (Olshausen.) In der siinsgliederigen Reihe von gottesdienstlichen Charismen beginnt der Apostel mit einem der ge- feiertsten, den Psalmen oder Lobgesängety womit wohl die Gottesdienfte begannen, und ist da jedenfalls ein Psalm gemeint, improvisirt aus Eingebung, mit hellem Bewußtsein vorgetragen. Jn der Lehre tritt ein Charisma des Verstandes, der Erleuchtung, der in der Pfalmdichtung sich äußernden Begeisterung gegenüber; und wie nun der Form nach die Lehre dem Psalmvortrag gegenübersteht, so dem Inhalte nach der Offenbarung, mit der sie im Gattungsbegrisf der göttlichen Wahrheit zusammentrifft, nur daß durch ,,Offenbarung« die Unmittelbarkeit der göttlichen Mit- theilung und die Tiefe des höheren Lichtblicks hervor- gehoben ist im Unterschied von der Selbstthätigkeit der erleuchteten Reflexion in der Lehre. Die Offenbarung bezieht sich besonders auf ihr Organ, die Prophetie (vgl. V. 6); die wischen der Lehre und der Offen- barung erwähnte unge aber ist die Gabe um Gebet, von dem Psalm sich dadurch unterscheiden , daß sie ohne Gesang und dichterische Form geschieht. Zu diesem Vortrag gehört dann das fünfte Glied der ganzen Reihe, die Auslegung. Nach dem Schlußsatz des Verses ist der Eine heili e Gesammtzweck aller dieser Gaben das gemeine Besle (Osiander.) Wenn der Apostel schreibt: ,,lasset es alles geschehen zur Besserung«, so will er damit sagen: wenn ihr zu- sammenkommh und es bringen alle etwas der Art mit, »was sie empfangen aben, so soll jeder dabei nicht blos dem eigenen range folgen, nicht blos daran denken, wie er anbringe, was er hat, sondern er soll sich erst fragen, ob es auch allen zur Förderung gereiche, wenn er es vorbringt. Au bei denen alsd, die blos die Sprachengabe hatten, .wo och die Aetivität des eigenen Geistes am meisten zurücktrat, se t der Apostel die Fähigkeit voraus, den Drang des eistes zu håmtltteg )und sich nicht laut auszusprechem vgl. V. 28. v. era . ( «) Dreierlei ordnet der Apostel in Betresf des öffentlichen Zungenredens: erftlich, nicht mehr als aus’s meiste drei follen mit Zungen reden, damit die Gemeinde nicht überladen und der nütz- licheren Weissagung die Zeit nicht vorweg enommen werde; anwendungsweise wehrt diese Vorschrist der Ueberhäufung des Gottesdienstes mit liturgischen Cerimonien. Zweitens, eins um’s andere follen die Zun enredner reden, nicht wüst durch einander; einer soll en andern nicht unterbrechen, sich auch nicht hin- reißen lassen, seinen Empfindungen »uft zu machen, während der andere redet. Anwendungsweise eigt diese Vorschrift, wie es sich ziemt, daß ein jeder seine Andacht auf das lenke, was geredet, gebetet und ge- sungen wird, und nicht Privatandacht für sich selbst flege. Drittens, die im Geist gesprochene Zungenrede oll ausgelegt werden von einem, der die Aus- legungsgabe hat; wäre aber kein Ausleger da, so soll der mit Zun enrede Begabte in der Gemeinde schweigen und sein Ge priich mit Gott allein halten· Hiernach sieht sich jeder rechte Prediger, umal wenn er einen fchwieri en Text zu erklären hat, eine Gemeinde darauf an, ob ie Speise, welche ihm selber nahrhaft ist, auch· ihr verdaulich sein wird, und prüft sich, ob er im Stande ist, deutlich und gemeinverständlich zu sagen, 274 1. Corinther l4, 34—40. was ihn selbst im Geiste ergötztx wo nicht, so schweigt er von solcher Sache und bringt nicht auf die Kanzel, was seinen Ort im Kämmerlein hat. (Besser.) »Es) Eine ganz ähnliche Weisung, wie den Zungen- rednern, giebt der Apostel den Propheten; auch ihnen wird das gleiche Maß gesetzt, zwei bis drei in einer Versammlung, nur mit Weglassung des ,,auf’s Meiste« bei drei (womit wohl stillschweigend auch eine Me r- Vhl von Rednern zugestanden wird, wenn etwa ie erhältnisse eine Ausnahme von der Regel mit sich bringen sollten), damit auch für andere erbauliche Vor- träge, namentlich der Lehre, Raum bleibe. Und wie dort die Auslegung geübt werden soll, so hier die Geisterunterscheidungz bei den andern, die sie voll- bringen sollen, denkt man am natürlichsten an die übrigen, nicht zum Vortrag kommenden Jnhaber der Weissagungsgabe, welche als solche auch die Gabe der Unterscheidung hatten —- sie sollen richten, was in dem Vortrage aus Gottes Geist oder eines fremden Geistes ist. Demnächft wird auch den Propheten das ,,eins um’s andere reden« eingeschärft, und zwar mit der Maßgabe, daß, wenn einem andern als dem, der einen prophetischen Vortrag hält, eine Offenbarung geworden ist und damit eine Geistesanregung zu prophetifchem Vortrag, derjenige, der zuerst das Wort gehabt, schweige, seine Rede nicht weiter ausdehne, sondern dem srischen Erguß des andern Raum gebe. (Kling.) Anwendungsweise lehrt dieser Text, wie mehrere Amtsbrüder, welche einer Gemeinde vorstehen, in Eintracht, Befcheidenheit und Verständigkeit ihr gzmsts ans-richten und einer den andern ergänzen sollen. e er. . f) wei Gründe führt der Apostel an für die in V. 30 gegebene Anweisung: der erste, es thut nicht noth, daß ihr euch dieser Anordnung entzieht, vielmehr ist bei ihr die Möglichkeit gegeben, daß alle, die mit der Weissagungsgabe ausgerüstet sind, zum Sprechen kommen, wenn auch begreiflicher Weise nicht in der- selben Versammlung, was, wenn so jeder zu seiner Zeit in seiner Ordnung redet, den Vortheil ge- währt, daß alle lernen und alle ermahnt werden; denn so vielseitig ist die Gabe der Weisagung, daß durch die Ansprachen der verschiedenen ropheten nach ein- ander kein bei irgend einem Gemeindeglied vorhandenes Bedürfnis; unberücksichtigt bleiben wird. Der zweite Grund, weshalb dem Vollzug der Anordnung des Apostels nichts im Wege steht, ist der, daß die Geister der Propheten, d. h. ihre eigenen prophetisch angere ten Geister, den Propheten, d. h. ihnen selbst, den Sprechen- den, unterthan sind; der Geist des HErrn reißt sie nicht in der Art fort, daß er die Freiheit des Be- wußtseins und der Selbstbestimmung ihnen nähme, so daß sie willenlos seinem Zuge folgen müßten und sagen dürften, ich kann nicht schweigen, der Geist treibt mich, daß ich fortreden muß, im Gegentheil, dem Propheten bleibt die Freiheit, zu reden und zu fchweigen je nach Bedürfniß der Gemeinde und dem Gebot gemeindlicher Ordnung und Wohjanständigkeih Un- ordentliches Wesen, eine Verwirrung, wie sie unaus- bleiblicl) entstehen müßte, wenn verschiedene Propheten zugleich mit einander reden wollten, statt sich geziemend abzulösen, kann nicht Gott zum Urheber ha en, also auch nicht auf seinen Geist als Ursache zurückgeführt werden. (Burger.) Auch in dem von Gott begabten Propheten soll stets die von Gott erleuchtete und ge- heiligte Vernunft die Oberherrschaft führen und die rechte Art der Anwendun der Gabe bestimmen; um so weniger hat ein Prediger des Evangeliums ohne die außerordentliche Prophetengabe das Re t, Un- ordnungen und Ungebühr, die er sich im redigen erlaubt, mit einem unwiderstehlichen Drange des Geistes zu entschuldigen. (v. Gerlach.) 34. Eure Weiber lasset schweigen [mit Hin- zunahme der Schlußworte des vorigen Verses: Wie in allen Gemeinen der Heiligen, sollen auch bei euch die Weiber schweigen] unter der Gemeine; denn es foll ihnen nicht [wie ihr eurerseits das gestattet habt, und noch dazu in der Kap. 11, 3—16 gerügten ungebührlichen Weise] zugelassen werden, daß sie reden, sondern unterthan fem sist das, was ihnen gebührts wie auch das Gesetz [in1.Mos.3,16] sagt-« [1.Tim. 2 12]. « 35. Wollen sie aber [statt mit einem Vor- trage Andere zu belehren, für sich selbst] etwas lernen, so lasset sie daheim ihre Mannet fragen snicht aber in öffentlicher Versammlung mit ihren Fragen Luk. 2, 46 hervortretens Es stehet den Weibern sauch in dieser zweiten Form eines öffentlich Sichgeltendmachens] ubel an, unter der Gemeine reden» 36. Oder [wenn ihr etwa meinen solltet, andre Gemeinden könnten sich eher nach euch richten, als daß ihr euch nach ihnen richten solltet, und wenn sie das nicht wollten, so hättet ihr wenigstens das Recht, euern Weg für euch zu gehen, so sagt mir doch:] ist das Wort Gottes von euch auskommen fdaß ihr den Anspruch er- heben könntet, eine Auctorität für andere Ge- meinden zu sein] ? oder ists allein zu euch kommen« [daß ihr keine Rücksicht auf die Gesammtheit der Gemeinde der Heiligen zu nehmen hättet]? «) Das öffentliche Reden in der Gemeinde ist ein Leiten und Re ieren, welches im Widerspruch steht mit der dem eibe ziemenden Unterthänigkeit. Noth kennt zwar kein Gebot (in Kirchenordnungssachenx und wohl mag Luther sagen: ,,wo es dahin käme, daß kein Mann vorhanden wäre, möchte dann ein Weib auf- treten und den andern predigen auf’s Beste, so sie könnte; sonst aber ist es nach gemeiner Kirchensitte keinem Weibe gestattet, in der Gemeinde zu reden. Der allgemeine Wille Gottes, der auf Unterordnung unter den Mann lautet, soll dem Weibe gewisser sein, als irgend ein besonderer Geistesdran und Geistestrieb, worin sich der eigene Geist betrüglich mit einzumischen pflegt. (Besfer.) Fast immer sind es schwärmerische Sekten, die an des Apostels Befehl sich nicht kehren. (Burger.) it) Daß die Frauen in öffentlicher Versammlung auch nicht durch Aufwerfen von Fragen zu ihrer Be- lehrung das Wort nehmen sollen (wie es scheint, war das für manche das Mittel, sich in öffentliches Reden einzudrängen), vielmehr solche Fragen zu Hause ihren Männern, falls diese ebenfalls Christen sind, vonlegem begründet der Apostel damit, daß Reden in öffentlicher Versammlung einem Weibe schimpflich sei; es ist ein ich in Beziehung Setzen der Frauen zu Männern mit eiseitesetzung der Abhängigkeit von ihren Ehegattem von welchen und durch deren Vermittelun ihnen auch das zur Befriedigung ihrer Wißbegierde rforderliche Zikommen sollte, was zur Reinhaltung des ehelichen erhältnisses wichtig war, wogegen ein unmittelbarer, auch geistiger Verkehr mit andern Männern in öffent- Eure Weiber lasset schweigen unter der Gemeine! Schluß der Abhandlung. 275 lickgegsVexsammlurkgNleichk ege Förung dkgsselbeii ver- an a en onnte. ing. ie telle ent ält zugleich einen fruchtbaren Wink über die Weise der häuslichen Gemeinschaft der Christen und über das Hauspriestev thurlrgs des Mannes. (Osiander».) · ) Alterthum und Verbreitung gelten zwar mchts gegengtotttäkså WILL-is; cggr megischlickjte ·tirchegtorki)mungen, ie m i er a angeium re1 en, on ern em Evangelio zu Dienst gestellt sind (z. B. bestimmte Flgiesåtage oFJer ggottesssdgenstlichlg Fseriånonikenäzlsåll grau a er ings arau ane en, o ie as ir i e er- kommen für sich haben oder nicht, und lieber Weis- geilt lernen bonRden Akten, cgs dfich selbst für klug aten — eine egel, ie z. . ie alten, allgemein kirchlichen Lectionen (Perikopen) aufrecht hält. (Befser.) 37. So sich jemand läßt dünken, er sei ein Propbet oder geistlich sfonst mit Geiftesgaben aus- gestattet], der erkenne, was ich euch jin Betreff des Zungenredens und Weissagens in diesem ganzen, nunmehr zum Abfchluß zu bringenden Kapitel] schreibe, denn jbesfert der erkenne in Beziehung auf das, was ich euch schreibe, daß] es sind des HEttn Gebote swelche Erkennt- niß ihm ja, falls er wirklich das ist, was zu sein er sich dünken läßt, ihm alsbald ausgehen muß, da Einer, der geistlich ist, auch das Geist- liche in Andern herauszufinden vermag Kap. 2, 15]. 38. Jst aber jemand unwissend sdaß er diese Einsicht nicht gewinnen zu können vermeint], der sei unwissend sich werde mir weiter keine Mühe geben, ihn zur Einsicht zu bringen, da das ja bei feinem Nichterkennenw ollen vergebliche Mühe wäre, sondern ihn bei feiner Unwissenheit belassen Kap. l1, 16; Ofsenb. 22, 11]. Mit der Wendung: »So sich jemand dünken läßt, er sei ein Prophet oder ckgeiftlich« kehrt er in den Zu- sammenhang dessen zurü , was er vom Weissagen und Sprachenreden glesagt hat; er gebraucht mit ,,Prophet oder geistlich« us rücke, wie er sie im Briefe der Gemdinde vorgefunden haben wird, und was immer sie damit hat bezeichnen wollen, i m ist es nur darum zu t un, daß jeder, der sich ein rophet oder sonstwie ein ensch des Wundergeistes zu fein dünkt, das, was er fchreibt, für Wort des HEern zu erkennen habe. Er sagt aber: »so sich jemand läßt dünken zu sein«, weil er folche im Sinne hat, von denen er sich Widerspruchs versiehet, eines Widerspruchs welcher ihm dann ein Beweis ist, daß sie mehr von sich halten, als sie in Wirklichkeit find. Nun erwartet er von ihnen nicht, »daß sein: »der erkenne 2c.« Nachachtung finden werde; da sollen sie denn wissen, daß ihm folche ihre Nichterkeiintniß ziemlich gleichgiltig sei, in- dem er fortfährt: ,,ist aber jemand unwissend, der sei unwissend«, womit nicht ein zuftändliches Nicht- wissen, sondern das Verhalten eines solchen gemeint ist, der etwas un ewußt läßt, es nicht wissen mag. (v. Hofmannh m S luß des letzten Satzes findet sich im Grundtext eine esart, nach der man zu über- setzen hätte: »der sei ignorirt, bleibe unbeachtet«, d. i. die Gemeinde behandle ihn nun auch als einen Unwissenden und lasse sich nicht als Geistlichkeit und Weisheit von ihm aufreden, was ja doch nur Fleisch- lichkeit und Eigenfinn ist. 39. Darum, lieben Brüder sum zum Schluß der ganzen, seit Kap. 12, 1 angestellten Erörterung die Hauptpunkte, auf die es für euer Gemeinde- leben ankommt, in zwei Ermahnungen zusammen- zufassens fleißiget euch des Weissageng und wehret nicht mit Zungen zu reden [während ihr also jenes zu erstreben habt, ist dieses blos nicht zu ver- wehren, wenn es fich nun einmal geltend macht]. 40. Lasset sdenn bei euren gottesdienftlichen Versammlungen, wie auch sonst in eurem ganzen Gemeindeleben] alles ehrlich fehrenhaft oder wohl- anständig Sprüchnx 19, 11 Anm.] und ordentlich szu rechter Zeit und in rechtem Maße, wie die Gefetze einer guten Ordnung es vorschreiben] zugehen. , Nur Einzelnen gilt das Wort des Unmuths in V. 38; für die Gemeinde faßt der Apostel den Jnhalt feiner Beantwortung ihrer Frage, um sie abzufchließem in zwei Worte, wie sie in diesen beiden Versen vor- liegen, zusammen. (v. Hofmannh Scheint auch die mit so großer Ausfiihrlichkeit von dem Apostel in diesen Kapiteln gegebene Belehrung, namentlich die in Kap. 12 u. 14., für uns heutzutage von geringerer Wichtigkeit und praktischer Bedeutung, nachdem die darin besprochenen Gaben in der Gemeinde erloschen sind, so behält sie doch hohen Werth: 1) weil sie uns einen Blick thun läßt in die Zustände der ersten christis lichen Gemeinden, ihre reiche Ausstattung sowohl wie die mit derselben verbundenen Gefahren; Z) weil es leicht ist, davon erfolgreichste Anwendung zu machen auf noch vorkommende Verhältnisse und Zustände, und manches Gesagte unmittelbar auch für die Gegenwart paßt; 3) weil sie uns zwar einen Spiegel dessen vor- hält, was wir verloren haben, und ein Sporn ist, bei drängendem Bedürfniß es uns wieder u erbitten, aber auch eine Warnung enthält, bei unserm Bitten nicht das Unwesentliche dem Wesentlichen gleich zu ftellen, geschweige vorzuziehen. (Burger.) Das 15. Kapitel. lion der Auferstehung der Todten, und wie es damit beschaffen. D· Nachdem Paulus in den vorangehenden acht Kapiteln oierrrlei an ihn gebt-achte Fragen, über ehe- liches Erben, siber Götzenopferesfem über verskhleierung betender oder welssagender Frauen und siber das Jungen— reden beantwortet hat, sihließt er nun noch einen dritten Theil den beiden früheren in diesem 15. Kapitel an, welcher auf eine Zureshtweisung derjenigen Gemeindegtleder abzwectiy die da leugneten, daß es eine Todten-Auf- erstehung gebe; es sieht aber dieses Kapitel weder in Bezug auf einen Zestandthril des Zriefs der corintbischen Ge- meinde, noth hängt es mitilklittheilungen zusammen, die dem Apostel über deren Verhältniss: zu Theil geworden, wie bei den ersten sechs Kapiteln dies der Fall war, sondern mit Er— schcinungen in der unmittelbaren Umgebung des Apostels zu Ephesug (2. Um. L, 17 f» vgl. l· Tim. l, 20), von denen er aber mußte, daß sie in ihren Anfängen auch bei den Eorinthern sich vor-fänden, und die er nun gleich bei ihrem ersten Zlustaushen im Keime zu ersticken sucht. 276 1. Corinther 15, 1—11. I— V. l—1l legen für die folgende Kugeinandersetziing den Grund durch den ilaelsweiei der hisiorisehen Gewiss— heil von Jesu Auferstehung; diese ist ein ihauptsiüm des Evangeliums und so allseitig von allen Kposteln und den Gliiubigen der Urzeit, die mit ihrem Leben zum großen Theil nokh in die Gegenwart hineinreiehem bezeugt, das; ihr in lkeincr Weise nahe getreten werden darf, ohne den ganzen Grund der Kirche zu untergraben. Der Jtposlel darf flch versichert halten, daß auch die Eeugner der Auferstehung, welche er bekämpfen will, das, wag er hier sagt, für riehtig anerkennen werden; ehe er aber hernach darauf eingeht, zu beweisen, daß die Eeugnung einer Auferstehung der Todten ihrem Wesen nach eine Eeugnung der Auferstehung tllhrifli selber sei, bringt ers; zuvor zum Bewußtsein, wieviel bei jener ceugnung auf dem Spiel stehe und wessen alles fleh die berauben, die ihr zu huldigen den Anfang gemacht haben. (Epistel am It. Sonntag nach Crinilatig.) Daß diese Epistel auf diesen Sonntag verordnet ist, scheint daher geschehen, daß sich das letzte Stück reimet mit dem Evangelio des Sonntags (Luk. 18, 9 ff.), da St. Paulus, ob er wohl ein hoher Apostel war-«. und in seinem Amte mehr gearbeitet hatte als die andern alle, doch riihmet nicht sein eigen Werk, wie der hoffärtige Pharisäer, sondern gleich dem armen Zöllner bekennet er seine Sünde und Untvürdigkeih und was er ist, schreibt er allein Gottes Gnade zu. der ihn, da er ein Verfolger war, zu einem Christen und Apostel gemacht hat. (Luther.) Evangelium und Epistel lösen mit einander ein und dieselbe Frage, wenn man sie zusammennimmh beide Texte zeigen den Weg zum ewigen Heil, und zwar in dreifacher Weise. Zuerst wird ein falscher Weg des Heils ge- zeigt an dem Pharisäer; das ist der Weg der eitlen, strotzenden Selbstgerechtigkeit, den man vielmehr einen sicheren Weg zum ewigen Unheil nennen muß. Sodann wird an dem Beispiel des Zöllners-der rechte Weg zum Heil, jedoch nur erst im Allgemeinen, der Hauptsache nach gezeigt; das ist der Gnadenweg — Gnadensehnsucht, Gnadenhunger, wie er beim Zöllner sich findet, ist Morgendämmerung der Ewigkeit und ein schöner Anfang, der auf Fortgang und ein seliges Ende weissagt. Die Epistel nun, indem sie uns die großen Heilsthaten Gottes zeigt, dann, wie wir uns aus ihnen das Heil aneignen können, und endlich das Verhältniß unsrer Werke zu dem Heil, legt uns den geilsweg völlig klar und vollständig vor. (Löhe.) rei hellleuchtende Sterne, die unser Text in’s Erdendunkel scheinen läßt: I) Schrift, die einzige Quelle aller Offenbarung, Z) Christus, der einzige Heiland der Seelen; B) Gnade, der einzige Weg der Errettung. (Seybold.) Die Herr- lichkeit des Evangeliums; wir erkennen dieselbe l) aus der Größe seiner Gabe, 2) aus der Fülle seines Inhalts, Z) aus der Gewißheit seines Zeug- nisses. (Stählin.) Eine Erinnerung an drei großeWohlthatenGottes;nämlicheineErinnerung daran, was es sei I) um das Evangelium, 2) um die Predigt des Evangelii, 3) um den Glauben an die Predigt des Evangelii. (Wiesinger.) Der lebendige Christus: 1) unsers Glaubens Inhalt, 2) unsers Lebens Kraft· (Kübel.) Erinnerungen an das Evangelium; sie beziehen sich 1) aufseinen wichtigen Inhalt, 2) auf seine Glaubwürdigkeit und Z) auf unser Verhalten gegen dasselbe. (Couard.) Von Gottes Gnaden bin ich, das ich bin: 1) ein Mensch, und seine Gnadesoll nicht vergeblich an mir sein, ich will meine Menschenwürde nichtmit Füßen treten; L) ein Christ, und seine Gnade soll nicht vergeblich an mir sein, ich will meinen Christenstand nicht um ein Linsengericht verkaufen; Z) ein Arbeiter im Weinberge des HErrn, und seine Gnade soll nicht vergeblich an mir sein, ich will immer zunehmen im Werke des HErrn. (Eig. Arb.) I. Ich erinnere euch aber, lieben Brüder sbevor ich zur Auseinandersetzung schreite, welche dies neue Kapitel enthält], des Evangelih das ich euch [bei meiner Wirksamkeit in CoriUthJ verkündiget habe, welches ihr auch Damals, als ihr Christen wurdet, ein jeder für sein Theil] angenommen habt, in welchem ibr auch szur Zeit nochj stehet, 2. Durch welches ihr auch selig werdet [wenn nun die Zeit kommt, wo ihr das Ende eures Glaubens werdet davon bringen —- und ihr eurerseits gedenket nun daran], welcher Ge- stalt ich es euch verkündiget habe, so ihr’s behalten habt, es wäre denn, daß ihr’s umsonst geglaubet hättet [indem ihr’s euch wenigstens theilweis habt wieder entreißen lassen, in welchem Falle ihr allerdings des von mir gewünschten Gedenkens nicht recht fähig wäret]. Im Grundtext beginnt der 1. Vers mit den Worten: ,,Jch thue euch aber kund das Evangelium«; das ist freilich der Sache nach ein Erinnern an etwas Be- kanntes; aber der Ausdruck ist nachdrücklicher, an- regender, für einen Theil der Leser beschämend und der fundamentalen Wichtigkeit des je t zur Sprache zu Bringenden entsprechend. Unter » vangelium« ist nicht blos die Kunde von Iesu Tod und Auferstehung, sondern die christliche Heilskunde über aupt gemeint, daraus dann erst das ,,zuvörderst« in . 3 den hier- er bezüglichen Inhalt« hervorhebt. (Meyer.) Die orte: »das ich euch verkündigethabe, welches ihr auch angenommen habt, in welchem ihr auch stehet, durch wel- ches ihr auch selig werdet« enthalten eine stufenweis fort- schreitende Steigerung von der Verkündigung zur Annahme, von dieser zum beharrenden Festhalten daran, von diesem zu der dadurch verbürgten Selig- keit — eben soviel Gründe für die Leser, das Em- pfangene nicht wieder preiszugeben, nachdem es so enge schon mit ihnen verwachsen ist. (Burger.) Was darauf weiter im Texte folgt, das sind harte und scharfe Worte, und doch freundlich und süße geredet, daß man sehe, wie treulich und väterlich er’s mit ihnen meint und für sie Sorge trägt. Er will sagen: ,,ihr wisset ja, was ich euch geprediget habe, wenn ihr euch nur erinnern und daran halten wollet, und nicht durch Andere davon führen lasset; so höret ihr auch, was Andere predi en, und könnet dagegen halten, wie und welcherlei Gestalt ich’s euch gepredigt habe, es wäre denn, daß ihr es nicht behalten, sondern bereits hättet fahren lassen und also umsonst geglaubt, wie ich doch nicht hoffe«. Da redet er wie ein frommer Prediger, der, beide, das Beste bei ihnen hoffen soll und doch daneben sorgen muß; will sie also zugleich trösten, daß sie nicht verzweifeln, und ob sie angesochten werden, davon zu fallen, sich wieder fest daran halten, und doch auch warnen, daß sie nicht ohne Sorge seien, sondern denken, was ihnen für Fahr und Schaden darauf stehet, wenn sie nicht fest bei dem bleiben, das sie von ihm empfangen haben. Wo ihr nicht an dem Evangelio haltet, so bezeugt er ihnen, und höret Andere, so habe ich umsonst gepredigt und ihr umsonst Der Epistel dritter Theil: Belehrung über die Auferstehung der Todten. 277 geglaubt, und ist alles vergeblich und verderbt, was ihr zuvor gehabt habt, Taufe und Christus, daß Ihr keine Seligkeit zu hoffen habt. (Luther.) Man kann das seligmachende Evangelium nicht behalten, wenn man es nicht behält, wie es die Apostel verkündigt haben; man.kann nicht im evangelifchen Schmuck- und Ehrenkleide vor Gott bestehen, wenn man seinen Glauben usammenflickt aus Lappen vom Evan elio und aus umpen des alten Vernunftkleides. (Be?ser.) 3. Denn ich habe euch zuvörderst ge- geben sum diejenigen Hauptpunkte meiner Verkündigung, welche für das, was ich euch in diesem Kapitel vorhalten will, von entscheidender Wichtigkeit sind, in der Kürze namhaft zu machen], welches ich auch [von solchen, die der Sache kundig waren, speziell von Ananias und den andern Jüngern in Damaskus Apostg. J, 10 empfan en habe, daß Christus gestorben se: für un ere Sünden szu ihrer Sühnung Röm. s, 23 ff; Gal. Z, 13; Hebr 10,12], nach der Schrift [1. Mos. Z, 15; 4. Mos. 21, 8f.; Jef. 53, 4 f.; Dan. 9, 26; Sach. 12, 10; Luk- 24, 25 ff.], 4. Und daß er begraben sei lJes 53, s; Apostg. 13,29], und daß er auferstanden sei am dritten Ta e, nach der Schrift-«· [Joh. 2, 22; 20, I; uk. 24, 25 ff.; 1. Petri I, 9; Pf— IS, 9 ff-; Jom Z, 1 ff-; Hof— S, II; 5. Und daß er [nach seiner Auferstehung, noch am Tage derselbigen Matth. 28, 15 Anm.] gesehen worden ist von Kephas, darnach von den Zwölfenss [Luk. 24, 33 ff.; Joh. 20, 19 ff.]; · » · s. Darnach ist er lm Gal1läa, auf einem Berge Matth. 28, 20 Anm.] gesehen worden von mehr denn fünf hundert Brüdern auf einmal [Matth. 28, 16 ff.], deren noch viel leben, etliche aber sind sda seitdem fast 27 Jahre verflossen, im Glauben an denAuserstandenen und in Hoffnung ihrer eigenen künftigen Auf- erstehung Matth. 9, 24] entfchlafen 7. Darnach ist er gesehen worden von Jakvbo [dem Aelteren, in einer ihm speziell zu Theil gewordenenErfcheinung Matth. 28, 20 Nr. 8], darnach von allen Apostelnstss swiederum in Jerusalem, zur Zeit seiner Himmelsahrt Mark. 16, 14 ff.; Luk 24, 44 ff.; Apostg. 1, 4 ff; Mark. 16, 19 f.]; 8. Am letzten nach allen [Aposteln, nach- dem er schon seit einigen Jahren gen Himmel erhöhet war] ifc er auch von mir als einer unzeiti en [unfertigen, noch unausgebildeten] Gebur [die in Folge frühzeitiger Niederkunft der Mutter zur Welt kommt] gesehen worden sauf dem Wege nach Damaskus Apostg 9, 3 fs.; 22, 6 ff; 26, 13ff.]. 9«. sEine unzeitige Geburt im Vergleich mit den übrigen Aposteln aber nenne ich mich mit gutem Bedacht.] Denn ich bin der geringste unter den Avostelm als der ich nicht werth bin, daß ich ein Apostel heiße sgleichwie eine unzeitige Geburt ja auch im Vergleich mit einem ordentlich ausgetragenen Kinde eigentlich noch nicht werth ist ein Mensch zu heißen; ich bin nicht Werth, jenen Ehrennamen zu führen], darum, daß ich die Gemeine Gottes verfolget habe-s— fEphes 3, s; 1. Timoth. I, 15]. 10. Aber von Gottes Gnaden bin ich, das ich bin snämlich auch ein Apostel Jesu Christi, des Auferstandenen Gal. l, 15 f.], und seine Gnade an mir ist fwas den beabsichtigten Erfolg betrifft] nicht vergeblich gewesen, son- dern [im Gegentheil sehr fruchtbringend und wirksam, denn] ich habe viel mehr gearbeitet, denn sie alle [als alle Apostel mit einander]; nicht aber ich [in meiner Selbstheit habe soviel Frucht geschafft Röm- 15, 18 f.], sondern Gottes Gnade, die mit mir ist-H· fund da ist denn eine Verkennung meines Apostelthums, wie sie Manche bei euch sich lassen zu Schulden kommen Kap. 4, 3., nicht sowohl eine Verunehrung meiner Person, als vielmehr der mir zu Theil gewordenen und mit mir seienden Gnade Gottes]. U. Es sei nun ich [der als Diener des Evangeliums auftritt] oder jene [die andern Apostel], also fwie oben angegeben V. 3 ff.] predigen wir, und also fdaß Ihr unsre Predigt habt vernommen und angenommen] habt ihr geglaubetxfff V) Der Apostel hat den Corinthern zuvörderst oder vor allem das, was zu den wichtigsten Lehrstücken gehört, mitgetheilt, nämlich die Thatsachen des Todes und der Auferstehung Christi; dazu wird von Lassenius bemerkt: »Das Allervornehmste, was gelehrt werden kann, ist Christus; er ist das Centrum. der ganzen heil. Schrift und das ganze Fundament unsers Glaubens, fonderlich sein Tod für unsre Sünde und seine Auf- erstehung für unfre Gerechtigkeih Weiß jemand alles, und dieses nicht, so ist alle Weisheit Narrheit und alle Wissenfchaft«Unwissenheit«. (Sommer.) Der Bei- satzz ,,welches ich auch empfangen habe« be eichnet diesen Jnhalt seines Unterrichts als einen an? dem- selben Wege gefchichtlicher Mittheilung, auf welchem die Corinther ihn überkommen haben, an ihn ge- lan ten; denn um einen gefchichtlichen Vorgang handelt es sich, dessen er allerdings nicht mittelst menschlicher Verkündigung, sondern mittelst wunderbarer Selbst- offenbarung Christi gewiß geworden ist, so daß er die von ihm gepredigte Heilsbotschafh sofern sie Botschaft des von ihm erkannten und geglaubten Heils ist, nicht von Menschen überkommen hat (Gal.1, 11s.), dessen gefchichtlichen Verlauf aber immerhin von denen gelehrt worden ist, welche vor ihm Jünger Jesu gewesen sind. Wie nun Er sich auf deren Zeugnisse hin diese gefchichtlichen Thatfachen Jnhalt seines durch wunderbare Offenbarung gewirkten Glaubens an den HErrn hat werden lassen, so können auch die corinthischen Christen nicht im Glauben an den HErrn stehen, ohne sie auf fein Zeugniß hin, durch welches sie gläubig geworden sind, Jnhalt dieses ihres Glaubens sein und bleiben zu lassen. (v. Hofmann.) Daß Paulus zwischen Tod und Auferstehung ausdrücklich hervor, 278 1. Corinther 15, 12. 13. hebt, daß Christus auch begraben worden sei, muß einen bestimmten Grund haben; es kommt aber hier das Grab nicht als die Stätte des Todes, sondern als die geheimnißvolle Keimstätte neuen Lebens in Betracht An dem Begrabenwerdem an dem, was in dem Grabe mit der Leiche geschieht, nahmen die Eorinther wohl Anstoß; sie meinten, die Verwesung des Grabes vernichte jegliche Hoffnung der Auferstehung, da betont denn Paulus, daß auch Christus vor seiner Auferstehung im Grabe gelegen. Und wie er nun vorhin betont hatte, daß Christus um unsrer Sünden willen estorben sei, so legt er jetzt in Beziehung auf die Au erstehung nicht darauf den Nachdruck, daß sie um unsrer Gerechtigkeit willen, sondern darauf, daß sie am dritten Takge geschehen sei; damit will er ohne Zweifel aufmer sam machen, daß Christus nicht sofort von den Todten auferweckt worden sei, sondern erst nach Verlaufs einer bestimmten Frist; und wenn nun auch die Zwi chenzeit von Tod und Auferstehung bei uns mit diesem Zeitraum von drei Tagen bei dem HErrn, wenn man mit Ziffern rechnet, sehr wenig Gleiche hat, so gleichen sich doch beide Zwischenzeiten darin völlig aus, daß jenem wie diesem ein Tag von Gott gesetzt ist, da sie ein Ende nehmen. (Nebe.) IN) Mit diesem Verse geht die Reihe von Sätzen zu Ende, welche von den Worten in V. Z: »ich habe euch zuvörderst gegeben, welches ich auch empfangen habe« abhängen, und nicht zufällig oder für den Sinn gleichgiltig ist es, daß die weitere Aufzählung von Erscheinungen des Auferstandenen in selbständigen Sätzen geschieht; die nun zur Erwähnung kommenden wollen nicht gleich den vorher genannten, welche mit Jesu Auferstehung als deren Kundgebung zufammen- gehören, für Bestandtheile jener mit den Worten: ,,welches ich auch empfangen habe« als eine Einheit bezeichneten Thatsache genommen sein, der Apostel gedenkt ihrer nicht als bei seiner Verkündigung berichteter Thatsachen, sondern er hat es da mit den- jenigen Erscheinungen bewenden lassen, durch welche diejenigen, die der HErr berufen hatte, den Grundbau seiner Gemeinde zu bilden, was ja von Kephas noch wieder sonderlich galt, seiner Auferstehung vergewissert worden waren. (v. Hofmann.) Der Apostel schweigt gänziich von den Frauen, sowie auch von den Emmaus- Fingern, die nicht zur Zahl der Apostel gehören (Mark. 16, 9—13); er will ja nicht alle, sondern nur die Hauptklassen der Erscheinungen und die Hauptzeugen der Auferstehung) anführen, und so gedenkt er hernach auch nicht der ssenbarung am See (Joh. 21, 1 ff.). Daß er der Frauen nicht gedenkt, darin bleibt er seinem Grundsatze treu (Kap. 14, 34): ,,eure Weiber lasset schweigen in der Gemeine«. Jst es eine Unbill gegen die Frauen, wenn ihnen das Auftreten in der Oeffentlichkeit versagt wird? geschieht es nicht, um ihnen desto unversehrt« den eigenen hochwichtigen Wirkungskreis aufzu paren, darin sie kein Mann zu ersetzen vermag? ich meine den Wirkungskreis im ver- borgenen Heiligthunt des Hauses, das unscheinbare und doch so unentbehrliche Walten im Schooß der Familie! Wer kann, wie sie, mit Schweigen und Reden zur rechten Zeit, mit stiller Fürbitte und feinem Aufmerken, mit einem Handeln ohne Zudringlichkeit zur günsti en Stunde das Geziemende thun? Sie wartet des Hauses, so befchreiben schon die Sprüche Salomo’s (31, 23) das Walten des tugendsamen Weibes; sie wartet des Hauses, auf daß ihr Mann berühmt sei in den Thorem Und in der Ostergeschichte haben die Frauen ihr wich- tiges Amt im Familienkreise der Jünger Christi, unter dem Volk aber und den Völkern treten nur diese als Zeugen auf. (Riggenbach.) Mk) Die evangelische Geschichte berichtet uns nichts von der, mehr als 500 Jüngern auf einmal zu Theil gewordenen Erscheinung, man darf aber annehmen, daß die feierliche Offenbarung auf dem Berge in Galiläa gemeint sei. Obgleich Paulus durch die ihm wider- fahrene himmlische Erscheinung zum Zeugen des Auf- erstandenen geweiht war, hat er es doch nicht ver- schmäht, mit Fleiß bei denen sich zu erkundigen, die es von Anfang selbst gesehen (Luk. l, 2f.); und so weiß er mit Bestimmtheit, daß die meisten von jenen mehr als 500 Brüdern noch leben. Ein Andronikus und ein Junias (Röm. 16, 7) mochten unter dieser Brüderzahl sein, und es ist Pauli Freude gewesen, auf seinen Reisen im jüdischen Lande und in den Heiden- ländern diese noch lebenden Auferftehungs-Augenzeugen aufzusuchen und sich an ihnen zu erquicken, während er zugleich die von Fälschern des Evangelii Beirrten freudig hinwies auf diese unverwerflichen Zeugen, welche Gott nicht ohne Liebesabsicht solange am Leben ließ. (Besser.) Eine weitere Erscheinun des Auf- erstandenen, welcher sonst im neuen Te tament nicht weiter gedacht ist, wurde dem Jakobus zu Theil; da es im darauf folgenden Satze nicht heißt: ,,darnach von den Aposteln«, sondern: »von allen Aposteln«, so ist Jakobus der Apostel einer gewesen, es wurde ihm erst eine Erscheinung für sich zu Theil, bei der den Aposteln aber überhaupt zu Theil gewordenen Offen- barung war er auch mit gegenwärtig. Mit gegen- wärtig war aber wohl auch Matthias, der ja nach Apoftg. I, 21f. ein Zeuge der Auferstehung mit den übrigen Aposteln sein sollte als ein solcher, der bei ihnen gewesen die ganze Zeit über, welche der HErr Jesus unter ihnen aus- und eingegangen war, von der Taufe Johannis an bis auf den Tag, da er in der Himmelfahrt von ihnen enommen ward; daher wird hier der Ausdruck »Apostel« gebraucht, während in V. 5 von den ,,Zwölfen« die Rede war, unter denen zwar Judas Jscharioth fehlte und von denen in der dort gemeinten Erscheinung auch Thomas sich etrennt gehalten hatte, aber der Ausdruck ist dort mtsbezeichnung für den engeren Jlingerkreis (Luk. 18, Si) ohne Rücksicht darauf, ob die eigentliche Zahl voll war oder nicht, während es nunmehr auf den Apostelnamen ankommt, der auch noch zwei andere umfaßt, als die urfprünglichen Zwölfe Trat Matthias in den Kreis der letzteren an des Judas Stelle ein, so geht nun Paulus selber über diesen Kreis als dreizehnten für die Heidenwelt bestimmter Apostel hinaus; auf die ihm gewordene Erscheinung kommt er denn im Folgenden zu reden. f) Die Heilsthat der Himmelfahrt führt Paulus zwar nicht wörtlich an, doch ist sie der Kraft nach ent- halten in der Erscheinung, die ihm selbst widerfuhr; denn wie Stephanus den Himmel offen und des Men- schen Sohn zur Rechten Gottes stehen sah (Apostg. 7, 55), so umleuchtete ihn ein Licht vom Himmel. (Besser.) Das Gefühl des hohen Glücks, der Erschei- nung des Auferstandenen gewürdigt zu sein, regt beim Apostel seine tiefe Demuth auf, welche immer von dem schmerzlichen Bewußtsein, einst die Gemeinde ver- folgt zu haben, genährt wurde; er fpricht daher das starke Ge ühl seiner Unwürdigkeit aus, indem er sagt, er sei gleichsam die unzeitige Geburt; was er damit bildlich bezeichnen wollte, erhellt klar aus dem fol- genden Verse, daß er nämlich in dem Maße geringer, unwürdiger als die übri en Apostel sei, in welchem das abortirte Kind dem reigebornen nachstehe. (Meyer.) Je tiefer aber Paulus sich heruntergiebt, so daß kein Widersacher ihn tiefer herabsetzen mochte, desto stärker läßt er nun auch nachstehend die andere Seite hervor- Die Thatsache der Auferstehung Christi, so vielseitig und glaubwürdig bezeugt. 279 treten, die herrliche Wirkung der Gnade in ihm und durch ihn. (Kling.) Er will sein Apostelarnt unverachtet haben, weil Gott durch ihn mehr gewirkt hat: um der Rotten eister willen muß er hier seinen Beruf anziehen und rühmen. (Luther.) Die größere Wirksamkeit Pauli hat zum großen Theil in dem Umstande ihren Grund, daß die Juden gegen ihre Berufung sich oerschlossen; da nämlich die Zwölfe hauptsächlich für diese bestimmt waren, mußte dadurch ihr Wirkungkreis eingeengt wer- den, vgl. zu Joh. 21, 18. (Olshausen.) H) Die Gnade Gottes ist an ihm nicht ohne Er- folg geblieben: mehr als die andern Apostel hat Er als Apostel der Heiden gearbeitet, mehr, nicht hinsicht- lich der aufgewandten Anstrengung und des bewiesenen Eifers, wohl aber hinsichtlich der gewonnenen Frucht. (Sommer·) Jch habe keine so närrische Demuth, daß ich die mir verliehenen Gaben Gottes verleugnen wollte; von mir selber habe ich freilich genug, was mich demüthigen und zernichten kann, an und in Gott aber muß ich stolziren, über seine Gaben fröh- lich sein, srohlocken, triumphiren und rühmen. (Luther.) Der heil. Paulus ist nach unserm Texte zugleich dem Zöllner und dem Pharisäer im Sonntags-Evangelio scheinbar ähnlich, und ist doch wieder auch keinem von beiden zu vergleichen, wenn man ihn genau be- trachtet. Wenn er sagt: »ich bin der geringste unter den Aposteln, der ich auch nicht werth bin ein Apostel u heißen, darum daß ich die Gemeine Gottes ver- folgt habe«, so klingt das zwar immer noch so, daß man hört, Paulus ist und bleibt ein hoher Apostel; aber er bekennt doch große und schwere Sünden, und zwar spezieller als der Zöllney er schlägt doch auch geistlich an seine Brust und legt die Würdigkeit seines gesammten früheren Lebens schon um der einen Sünde willen, daß er die Gemeine Gottes verfolgt hat, in Unwerth und in Staub. St. Paulus erscheint damit neben dem Zöllney noch ehe wir aus seinem Munde vernommen haben, wie er die göttliche Gnade preist, auf welche sich ja auch der Zöllner beruft. Die Aehn- lichkeit Pauli mit dem Zöllner leuchtet ein; aber klingt? nicht auch wieder wie pharisäerartig wenn er sich mit den andern heil. Aposteln, « also nicht wie der Pha- risäer mit Dieben, Räubern, Ehebrechern und Zöllnern vergleicht und dann als Resultat seiner Vergleichung herausbringt, daß er ,,mehr gearbeitet habe als sie alle«, daß er also die größten, erhabensten, gesegnet- sten Menschen an Frucht und Segen und guten Werken übertresse? Das schreibt er so hinaus in die Ge- meinden, an das geschwätzige Volk der Eorinthey von wo aus es schon aus-kommen und den Zwölfen selbst zu Ohren kommen wird, was der Heidenapostel im Vergleich mit ihnen von sich selbst urtheilt! Wahrlich, St. Paulus sagt von sich mehr, als der Pharisäer von sich, und sein Selbstruhm übertrifft fast den Selbstruhm aller Menschenx auch ist bekanntlich diese Stelle des Ruhmes Pauli nicht die einzige, in 2. Co- rinther 11 kann man finden, wie er nach einiger Zeit, also nach Besinnen und ohne Reue, Aehnliches von sich sagt. Und doch ist St. Paulus kein Pharisäer mehr, auch nicht mit dem Pharisäer zu vergleichen. Die Aehnlichkeit mit dem Zöllner bleibt ihm, wenn schon der Zöllner ihm nicht ähnlich ist, weil wir von dessen Arbeit und Dulden im Reiche Gottes nichts wissen; aber die Aehnlichkeit mit dem Pharisäer, so unniöglich es einen Augenblick scheinen könnte, fällt doch ganz und gar, ja ganz und gar dahin, und zwar durch ein einziges Wörtchen, nämlich durch das Wörtleim welches Zö ner und Apostel, arme Sünder und geheiligte Jünger Christi in gleichem Maße preisen, durch das Wörtchen Gnade: »von Gottes Gnaden bin sich, das ich bin, und seine Gnade an mir ist nicht vergeblich gewesen«. Der Pharisäer prangt mit fahlem Gesicht des Fastens und mit den reichen Zehentwagem die er, selbst enthaltsam, bringt, doch nur in eigener, welkender Gerechtigkeit, der Zöllner sehnt sich, arm und leer von eigener Gerechtigkeit, aber auch von Gottes Huld, nach Gnade, nach der Gnade der Vergebung; der Apostel aber kommt mit dem Dankopfer eines großen reichen Lebens und-Leidens ohnegleichen, aber — es ist nicht das Bekenntniß des Hochmuthiz was, von ihm kommt, sondern gerechtes, tiefgefühltes Bekenntniß eines dankbaren Herzens. Nicht gebläht, sondern ge- beugt von Gnade, nicht hoffärtig und voll Stolzes, sondern mit demüthigen Thränen der Buße, im Ans- denken unvergeßlicher Sünden, vergleicht er sich mit den größten Menschen und giebt Gott die Ehre, der ihn, den größten Sünder, aus Gnaden zum größten Heiligen gemucht hat, auf daß nicht blosdie Predigt Pauli, sondern auch Leben und Wirken Pauli allen Juden und Heiden den Heilsweg empfehle, aus dem man von solchem Falle zu solcher Höhe des Lebens, des Wirkens, derHeiligung kommen kann. (Löhe.) » Hfs Nachdem Paulus zwischen· sich und denAposteln die Vergleichung gezogen, sich m V. 8 u. 9 ihnen nach-, 1n»V. 10 aber vorangestellt hat, vereinigt er sich mit ihnen in der gleichen Berechtigung und dem Einen Objekt und Jnhalt ihres Zeugenberufs (Osiander.) Ob er· oder die ubr1gen Apostel predigen, in Bezug auf die in V. 3 ff. bezeu ten Thatsachen predigt einer, was der andere, und au Grund dieser Predigt haben sie den Glauben angenommen; daß sie ihn aber an- genommen haben, ist selbst schon ein Beweggrund, ihn jetzt nicht lerchtsinnig aufzugeben oder zu ver- leugnen. (Burger·) II« V. 12—34. Von der Thatsache aus, daß Christus von den Todten auferstanden, geht der Apostel jetzt ohne weiterer auf die in der rorinthisctsen Gemeinde vor- kommende Behauptung ein, es gebe keine Auferstehung der Todten, zeigt, wie diese Behauptung, wenn sie Recht hätte, jene Thatsache selber vernichten und damit alle evangeltsche ijeilgpredigt und den durrts sie gewirliten Glauben der Christen nicht blos vergeblich, sondern geradezu zu schanden machen würde w. 12——l9), und geht hierauf auf die hetlsgesctgastliche dlothwendiglieih mit welcher Christi Auferstehung eine Auferstehung der Todten in ihrem Gefolge hat, sowie auf die Ordnung, in welcher die ganze Sache sich vollzieht und das Ende aller Dinge zu ihrem letzten Zielpunkte hat, näher ein All. 20—28). Indem er dann noch die Wirkung den Torinthern zum Bewußtsein bringt, welche der Wegfall der Aussicht auf die Auferstehung der Todten aus das chrisilictse verhalten siben mußte, schließt er diesen Abschnitt mit einer ernst- lirhen Verwarnung an sie W. 29——34). 12. So aber [wie das nach dem eben Be- merkten V. 11 eine ausgemachte Sache ist] Christus [allerwärts, wo das Evangelium von ihm erschallets gepredigel wird svor allen Dingen von der Seite oder m dieser BeziehungL daß er sei von den Todten auferstanden [Apostg. I, 22; 2, 243 Z, 13 ff.; 4,2.10;5,30;10,39 ff.;13,30 ff.;17,3.31; 23, S; 26- S— 23J, wie sagen denn etliche unter euch, die Auferstehung der Todten sei nichts les könne unmöglich eine solche geben, sie finde absolut nicht statt]? 13. Jst aber die Auferstehung der Todten nichts sso daß es sich wirklich so verhielte, wie 280 l. Corinther 15, 14—28. diese Etlichen behaupten], so ist auch Christus nicht auferstanden seine Schlußfolge, die sie freilich selber nicht ziehen, indem sie vielmehr an dieser That- sache noch fest halten, die aber nun ich euch gegenüber ziehe, damit ihr sehet, welche Con- sequenzen sich mit innerer Nothwendigkeit aus jener ihrer Behauptung ergeben]. 14. Jst aber [so folgere ich weiter] Christus nicht auferstanden, so ist unsere sder Apostel und Diener des Evangeliums] Predigt swie ich sie vorhin V. 3 ff. ihrem vornehmsten Jnhalte nach wiederholt habe] vergeblich [so gegenstandslos, daß wir besser sie uns ganz erspart hätten], so ist auch euer Glaube [womit ihr unsere Predigt habt angenommen V. 1] vergeblich [so grundlos, daß ihr ebensalls besser gethan hättet, euch gar nicht erst darauf einzulassen] 15. Wir [unserntheils, wir Apostel mit unserm Predigen] würden aber auch swas noch viel schlimmer ist, als daß wir Träger wären eines gegenstandslosen, nichtigen Geredes Apostg. 17, is] erfunden folg] falsche Zeugen Gottes sit: dem Sinne nämlich], daß wir wider Gott ge- zeuget [und ihm sozusagen etwas Unsinniges ge- than zu haben aufgebürdet] hätten findem wir verkündigtenL er hätte Christum auferweckt, den er [doch, wie die Sache in der That und Wahrheit sich ver-hielte] nicht auserwecket hatte, sintemal [nach der Behauptung derer in V. 12] die Todten süberhaupts nicht unterstehen. 16. Denn ldas ist gewiß] so die Todten nicht aufersiehen, so ist [der in V. 13 von mir ge- zogenen natürlichen Schlußfolgerung gemäß] Christus auch nicht auferstanden. 17. Jst Christus aber nicht auferstanden, so ist [um in Betresf eurer Lage nun gleichsalls noch etwas Schlimmeres als das in V. 14 Ge- sagte, euch zum Bewußtsein zu bringen] euer Glaube eitel [indem er euch nicht einfach blos nichts eingebracht, sondern sogar euch Schaden durch salsche Vertröstung zugefügt hat, vgl. das ,,eitel« in Tit. 3, 9], so seid ihr fnämlichj noch in euren Sünden [während ihr bisher euch der Vergebung derselben versichert halten zu dürfen meintet]; 18. So sind auch die, so in Christo ent- schlasen sind sin der Hoffnung, durch ihn wieder aufgeweckt zu werden aus dem Todesschlafe], ver- loren sinsofern sie um der ihnen gleichsalls noch anhaftenden Sündenschuld willen dem ewigen Tode verfallen sind]. 19. Hoffen wir- [Christen] allein in diesem Leben auf Christum [und haben von einer andern Welt nicht auch die Erfüllung unsrer Hoffnung zu erwarten] so sind wir die elendesteu unter allen Menschen [als die wir um des Gehofften willen auf der einen Seite so vielem haben entsagen müssen, was Andere sich gewähren, auf der andern Seite aber auch so vieles von den Andern haben erdulden müssen, und nun doch kein besseres Theil als sie erlangen, sondern ebensogut wie sie dem Todesverderben anheimfallen]. Die ganze Auslassung des Apostels führt darauf hin, daß die Thatsache der Auferstehung Christi nicht Gegenstand der Bestreitung in Corinth war; daher kann er von dem so wohl bezeugten Jnhalt der apostolifchen Predigt, von dem er vorhin geredet, aus- gehen und die Gegner damit widerlegen, daß ihre. ehauptung consequenter Weise auch zur Verneinung jener Thatsache und damit zur Aufhebung des ganzen christlichen Heilsstandes führen würde. (Kling.) Die Leugnung der Auferstehung der Todten, deren etliche unter den Corinthern sich schuldig machten, ist wohl nicht aus dem Sadducäismus abzuleiten, denn sonst würde Paulus sie aus dem alten Testament widerlegt haben, wie der HErr in Matth. 22, 23 ff., sondern hing mit griechifclxphilosophischem Scepticismus (vgl. Apostg. 17, 32) und gnostischem Spiritualismus zu- sammen und war vielleicht mit der krebsartig um sich greifenden Behauptung des Hymenäus und Philetus in Kleinasien (2. Tini. 2,· 17 f.) verwandt, die Auf- erstehung der Todten sei schon geschehen (Schaff.) Diejenigen, welche einer gnostisch-spiritualistischen R1ch- tung zugethan waren, konnten leicht an der Auferstehung des Fleisches, worin ihnen grober Materialismus zu liegen schien, Anstoß nehmen, und faßten nun, ähnlich wie Hymenäus und Philetus, die Auferstehung geistig, indem sie die durch Christum bewirkte geisti e Belebung der Welt als die verheiße11e Auferstehung Fetrachtetenz die leibliche Auferstehung hielten sie für jiidisch- materialistisch und glaubten blos an ein reines Fort- leben der Geister ohne materielle Hülle, in deren Ver- bindung mit dem Geist sie vermuthlich eine Befleckung « sahen. (Olshausen.) Jndem nun Paulus die verderb- lichen Folgerungen entwickelt, welche aus einer solchen Leugnung der Auferstehung herfließen, tritt als die vornehmste gleich voran: wer die Auferstehung der Todten leugnet, der leugnet auch Christi Auferstehung, dies vernichtet aber ebenso den Glauben an die ganze Erlösung, als es das Zeugniß der Apostel überhaupt entkräftet. (v. Gerlach.) Vom 13· Verse an führt der Apostel die Etlichen durch eine Kette von Schlüssen, die durch das weiterfiihrende »aber« ein eleitet und aneinander gereihet werd.;n, mit ihrer ehauptung ad absurduxyx Der erste Schluß beruht auf dem Grundfatz: hebt man das Allgemeine auf, so ist auch das Besondere aufgehoben. Christus war ja auch ein Todter geworden und war nach seiner menschlichen Wesenheit von den übrigen Menschen nicht verschieden (V. 21); da wäre es denn unmöglich gewesen, daß, nachdem sein Leib, der Leib seines Fleisches (Col. l, 22), getödtet worden, er wieder ausgestanden wäre, wenn überhaupt leibliche Wiederbelebung leiblich Gestorbener ein Undin wäre. Ohne die Auferstehung C risti aber, so setzt Lsgaulus die Schlußreihe im 14. erse fort, was sind wir, die Apostel« mit unsrer Predigt, und was seid ihr mit eurem Glauben (V. 11)! Auf ersteres geht dann V. 15 u. 16 näher ein, auf letzteres V. 17—-19. (Meyer.) Warum die Christen in dem V. l9 gesetzten Falle, wo die Worte eigentlich lauten: ,,Sind wir nur Leute, die in diesem Leben aus Christum hoffen, unsre Hoffnung aber mit demselben endet und im Tode fich als Täuschung erweift«, elender sind als alle Menschen, erhellt aus Stellen, wie Röm. 8, 18; 2. Cor- 5, 17; I. Petri 4, 12 s. Ein Leben voll Selbstverleugnung und darnach ein Tod, der alle Hoffnungen ausl«scht, das ist trauriger noch als die Wer die Auferstehung der Todten leugnet, stößt auch die Thatsache der Auferstehung Christi um. 281 Weise dieser Welt, deren Kinder sich’s wenigstens in diesen Erdentagen so wohl sein lassen, als sie können. Damit ist nicht, wie der Spott des Dichters sagt, alles Gliick des Christen in die Zukunft versetzt, während er für jetzt leer ausgehe: das Christenthum hat seine egenwärtigen hohen Güter, welche die Welt nicht enntz aber daß sie mit der gehofften künftigen Voll- endung so eng zusammenhängen, daß der Wegfall dieser auch sie selbst antastet und unhaltbar macht, dies bleibt nichts desto weniger gewiß. Die ganze Schlußkette in V. 12—-19 hat die Bestimmung, den Irrwahn aufzu- decken, als sei es möglich, vom christlichen Glauben und Bekenntniß auch nur Ein Stück festzuhalten, wenn man die Auferstehung leugne, den Grundstein, auf dem es erbaut ist (Röm. l, 4). Darin eben täuschten die eorinthischen Bestreiter der Auferstehung fich und Andere, daß sie trotz dieser ihrer Jrrlehre das Christen- thum meinten behaupten zu können; Paulus zeigt ihnen, wie ganz und gar unmöglich dies sei. (Burger.) Weil ein jeglicher Christ muß glauben und bekennen, daß Christus auferstanden ist, so ist er bald dahin zu bringen, daß er auch die Auferstehung der Todten muß lassen wahr sein, oder er muß das ganze Evangelium und alles, was man von Christo und von Gott predigt, aus Einen Haufen verleugnen: denn es hängt alles, aneinander wie eine Kette, daß, wo ein Artikel bleibt, da bleiben sie alle. (Luther.) Bis zum kläglichsten Er- gebniß hat in V. l9 die Schlußkette geführt, welche an dem Satze hängt: »die Auferstehung der Todten ist nichts«; dagegen dreht nun der Apostel die Sache um und erschließt aus der wahrhaftig geschehenenesAuf- erstehung Christi mit Triumph die Auferstehung der Christen. (Besser.) 20. Nun aber [steht es nicht so, daß wir Christen allein in diesem Leben auf Christum hofsten und daß die, die in ihm entschlafen find, verloren wären, sondern so: es] ist Christus [nach dem gewissen und einstimmigen Zeugnis; all der Vielen, denen er fich zu sehen gegeben V. 5 ff.] auferstanden von den Todten, und [damit ist er] der Erstling [vgl. Apostg. 26, 23; Col. 1, 18; Offenb. 1, b] worden unter denen, die da schlafen [so daß auch diese zu ihrer Zeit aus dem Todes- schlummer erwachen und zu neuem Leben aus dem Grabe fich erheben werden]; 21. Sintetnal [nach Gottes Heilsordnung es eben sv fett! soll, daß] durch einen Menschen der Tod [1. Mai. Z, 19] und durch einen Menschen die Auferstehung der Todten kommt [Röm. 5, 12 -Y—18: das Uebel, welches durch einen mensch- lichen Ursächer entstanden, mußte auch durch einen menschlichen Ursächer gehoben und in sein Gegen- theil verkehrt werden] 22. [Und diese von Gott gesetzte und der Grundlage nach bereits volIzogene Ordnung wird denn seiner Zeit auch zu völligem Austrag kommen] Denn gleichwie sie in Adam fkraft der Zugehörigkeit zu ihm, in der sie fich befinden] alle sterben, also werden sie in Christo alle [bei denen eine gleiche Zugehörigkeit stattsindet] lebendig gemacht werden-« fwas freilich für die, welche fich nicht von ihm unter sein Heil begreifen lassen, eine Auferstehung zum Gericht zu seiner Kehrseite hat Joh. Z, 28 s.]. 23. Ein jeglicher [in der langen Reihe derer, die zur Auferstehung gelangen, kommt] aber Dazu] in seiner Ordnung fdie dreifach sich gliedert]. Der Erstling Christus leröffnet natürlich die Reihe Col. 1, 18., seine Auferstehung ist denn bereits eine vollzogene Thatsache]; darnach fkommt die Abtheilung derer] die Christo [in ganz besonderem Sinne Offenb. 20, 4 f.] angehören, wenn er kommen wird [sein Reich auf Erden anzurichten in Herr- lichkeit Apostg. l, S; 3, 20 f.]. 24. Darnach [nach einem Zwischenraum] das Ende fdes ganzen Entwickelungsprozesses, der ganzen Zeitgeschichte 1. Petri 4, 7], wenn er das Reich Gott nnd dem Vater [Röm. 15, 6] über- antworten wird [Und das thut er], wenn er ans- heben wird [genauer: aufgehoben haben wird] alle lgVttfeiUdIicheJ Herrschaft und alle [wider- strebende] Obekkeit und Gewalt» [in der höheren wie niederen Geisterwelt Offenb. 20, 7 ff.]. 25. Er muß aber sum in Beziehung auf das eben Gesagte zunächst zu erklären, weshalb nicht früher das Ende eintritt, als bis die Uebergabe des Reiches an Gott und den Vater von Seiten Christi geschehen kann, der in Pf. 110, 1 ihm gestellten Aufgabe gemäß] herrschen [die Reichs- regierung als messianischer König führen], bis daß er Christus] alle seine Feinde unter seine [als des messianifchen Königs] Füße lege [Matth. 22, 44; Apostg. 2, 34; Hebr. 1, 13; 10, 12f.]. 26. Der letzte Feind [nun], der aufgehoben wird, ist der Tod fund kann nun auch dieser sammt der Hölle von ihm in den feurigen Pfuhl geworfen werden Offenb. 20, 13 f., dann erst hat er seine Aufgabe vollständig gelöst]. 27. fDaß aber auch der Tod selber von ihm aufgehoben werden muß, steht außer allemZweifel.] Denn er fGott der Vater] hat ihm [laut Psalm s, 7-, vgl. Ephes 1, 22; Hebt. 2, 8] alles unter seine Füße gethan [was auf alle Widerstrebenden, feindlichen Mächte fich bezieht, und von diesen kann am wenigsten gerade die letzte und schwerste, der Tod«, ausgenommen sein]. Wenn er aber [Der, der wie überhaupt die Schrift Kap. s, 16., so auch dem Psalmisten dieses Wort hat einge- geben] sagt, daß es alles unterthan [zur Unter- wersung unter ihn, den HErrn Jesum Christum, bestimmt] sei, ist’s offenbar, daß [von solcher Un- terwerfUngJ ausgenommen ist [Er], der ihm alles unterthan hat [der Vater; bei ihm macht also das Herrschastsüben Christi Halt, über ihn hinaus kann es nicht weiter fich fortsetzens 28. Wenn aber alles ihm [Christo] unterthan sein wird, alsdann [hier kommen wir auf den andern in V. 24 angegebenen Punkt, auf den 282 l. Corinther 15, 29. mit dem Ende sich nun vollziehenden Uebergang des Reiches an den Vater, und vergegenwärtigen uns, in welchem Umfange derselbe geschiehet] wird auch der Sohn selbst [dem Ablaufe seiner Herr- schaft willig Folge gebend] unterthan sein dem, der ihm alles uuterthan hat, auf daß [hinfüro, wie bisher Christus Col. Z, 11., so nun] Gott sei alles in allenttt sgemäß der ihm, als dem Vater, gebührenden Ehre PhiL 2, 11«; Röm. 11, 36]. i) Der Apostel hat gezeigt, welche Folge die Un- wirklichkeit der Auferstehung Christi einerseits für die apostolische Verkündigung und den christlichen Glauben hinsichtlich ihres Inhalts, und somit für die Zeugen der ersteren, und andererseits für den Werth des Christenstandes haben würde; er kehrt nun zu der vorher erwiesenen Wirklichkeit der Auferste ung Christi zurück, um darzuthun, daß mit ihr eine luf- erstehung der Todten gegeben sei, welche also glauben muß, wer an Christi Auferstehung glaubt. War er bisher von dem Satze ausgegangen, daß Christi Auf- erstehung nicht geschehen sein kann, wenn die Auf- erstehung der Todten ein Unding ist, so stellt er nun- mehr als Ausgan spunkt für das Folgende in. V. 20 den Satz hin, das; die wirklich und wahrhaftig ge- schehene Auferstehung Christi die Auferstehung eines Erstlings der Entschlafenen ist. Der Begriff eines Erstlings bringt den eines Ertrags oder einer Ernte mit sich: ist nun Christus als Erstling der Entschlafenen von den Todten erstanden, so ist eine Auferstehung zu erwarten, welche sich zu der seinen verhält, wie der Gesammtertrag zu der Erstlingsfrucht, mit der er anhebt. Daß es nun mit Christi Auferstehung diese Bewandtnis; hat, wird in V. 21 durch den mit »sinte1nal« eingeführten Hinweis auf die Thatsache, daß es ein Mensch war, durch welchen der Tod vorhanden ist, und den Nachsatz dazu, daß es eben deshalb auch ein Mensch ist, durch welchen Todtenauferstehung zuwege kommt, in der Art erläutert, daß man sieht, es liege in der Ordnung der Dinge, wenn die Todtenauferstehung mit der Auferstehung des Menschen Christus ange- hoben hat. Der darnach mit »denn« in V. 22 ange- schlossene Satz zeigt dann die Wirklichkeit dessen auf, was soeben als in der Ordnung der Dinge gelegen nachge- wiesen war, und zwar so, daß wirklich von Christo eine entsprechende Lebendigmachung Aller zu erwarten steht, die in ihm begründet und vermittelt ist, wie das Sterben Aller in Adam seinen Grund hat. Jenes ist eine Thatsachq welche sich nicht blos mit dieser andern vergleicht (Röm. 5, 12), sondern das Verhältniß Adam? und Christi, des Erstgeschaffenen und des Heilsmittlers, des Anfängers und des Erneuerers der Menschheit, bringt es mit sich, daß von dem letz- teren eine gleichmäßige Wirkung zum Heile ausgeht, wie von dem ersteren zum Unheil: wenn nun in der Person des Einen ein Sterben Aller seinen Grund hat, wie sollte denn nicht auf Seiten des Andern dies entsprechen, daß eine Leb endigmachun Aller statt- findet, welche ihren Grund in seiner Person hat? ist ja doch auch, daß ein Todter lebendig wird, an sich selbst nicht verwunderbarer, als daß ein in’s Leben e- schafsenes Wesen stirbt! Das ,,Aller« kann hier ei kein Bedenken erregen, als würde damit eine Auf- erstehung zur Seligkeit allen Menschen ohne Unter- schied verheißenz denn es heißt nicht, die allgemeine Lebendi machung werde eine LebendigmachungvAllerin Christo sein, sondern in Christo sei eine solche lebendig- machung Aller begründet, die dann aber selbstver- ständlich Allen nur insoweit gilt, als Christus sie in sich und unter sich beschließt. (v. Hofmannh Der Ausdruck: ,,Erstling unter denen, die da schlafen«, ist ein sinnvolles Bild von der Ernte und ihren Erst- lingen, mit der die Auferstehung als eine neue, voll- komnienere Lebensentfaltun aus dem Schooße der Erde verglichen ist; das Bil bezeichnet nicht blos den Ersten der Auferstandenen der Zeit nach, sondern auch der Würde und Wirkung nach. Denkt man andie Erstlin sgarbe am Pasfafest, die am Tage nach dem ersten stersabbath dem HErrn zur Weihe des Ernte- segens gewoben ward (3. Mos 23, 10 sf.), so liegt in jenem Ausdruck zugleich der Opferbegriff des Gott- geheiligten und Gesegnetem aber auch des heiligenden und segnenden Vorgangs und Unterpfandes der wei- teren Ernte, der mit und nach Christo auferstehenden Brüder. Da die Epistel um die Zeit des Osterfestes gefchrieben ward (Kap. 5, 6 ff.), so läge die Anspielung wohl nahe. (Osiander.) Wenn Paulussagt:»in Christo werden alle lebendig gemacht werden«, so kann damit zunächst nur gesagt sein, daß die Kraft, die Von Christo ausgeht, eben so weit reicht, als die Wirkun Adams: es ist an Christo kein Mangel, noch ist das and der Gemeinschaft mit ihm schwächer, daß nicht der Sieg in ihm sich soweit erstrecken könnte, als die Nieder- lage in Adam. Bei Adamsp wird der Kreis, bis wieweit die von ihm ausgehende Wirkung des Todes reicht, geschlossen durch den natürlichen Zusammenhang der fleischliJen Abstammung, und der umfaßt alle Men- schen o ne Ausnahme; bei Christo dagegen wird er geschlossen durch das Band des Glaubens, der uns zu Gliedern macht an ihm, dem Haupte. (Burger.) «) Ausgehend von der successivensVollziehung der Auferstehung eröffnet der Apostel den Blick in die letzte Vollendung der göttlichen Oekonomie, in das Ende der Wege Gottes· Zunächst werden die ver- schiedenen Momente der in Christo begründetenLebendig- machung Aller vorgeführt, und werden da die in ver- schiedenen Zeitpunkten Lebendigzumachenden als unter- schiedene Abtheilungen vorgeführt, in deren einer sich ein jeder derselben befindet. Voran geht Christus, der als Erstling derer, die da schlafen, das erste Glied oder die erste Abtheilung bildet und die Reihen derer, die lebendig gemacht werden sollen, als Herzog führt; die nächste Abtheilung nach Christo bilden die, die ,,Christo angehören«, der Zeitpunkt ihres Lebendig- gemachtwerdens aber ist die Paruksie Christi (,,wenn er kommen wird«), seine Machtosfen arung zur Aufrichs tung seines Reiches nach Vernichtung der antichristischen Macht, denn mit dieser Machtofienbarung ist die erste Auferstehung verbunden (Offenb. 20, 5). Nicht als unmittelbar andiesen Vorgang sich anschließend ist zu denken »das Ende«, darunter in diesem Zusammenhang der Schlußpunkt der Auferstehung zu- verstehen ist, ein Moment, der übrigens zusammentrifft mit dem Welt- ende, mit der völligen Aufhebung der gegenwärtigen Weltentwickelung, mit dem Eintritt eines neuen Himmels und einer neuen Erde· Bei diesem Ende nun geschieht von Seiten Christi die Uebergabe des Reichs an Gott den Vater; die mittelb are Gottesherrschafh das einen fortwährenden Kampf mit feindlichen Mächten und eine fortgehende Hineinführung in die Unterthänigkeit unter Gott in Kraft der geschehenen Versöhnung und Erlösunsz mit sich führende Walten des Sohnes, des gottmen chlichen Königs, des vollkommenen Stellver- treters Gottes, hört auf und es tritt ein die absolute, unmittelbare Gottesherrschaft, da der Sohn das Univerfum dem Vater übergiebt als ein ihm ohne einen Widerstand unterthan gewordenes, in welchem er Christi Auferstehung hat nothwendig eine Auferstehung der Todten zur schließlicheu Folge. 283 mit ruhiger Majestät walten kann, nachdem der in die Entwickelung und den Kampf eingegangene Sohn alles Widerstrebende bewältigt hat, nachdem er abgethan alle Herrschaft und alle Oberkeit und Gewalt, d. h. alle widerchristliche und widergöttliche Macht, worunter wohl gemeint ist das Satansreich mit allem, was als herrschend, Gewalt übend, Kraft äußernd demselben angehört, sei es nun dämonisch (Ephes. 6, 127 Col. 2,15) oder den dämonischen Mächten sich hingebendes und verfallenes Menschliches (Kling.) Während die Herrschaft des Todes seit Adam, von der in V. 22 die Rede war, wie an ihm selbst so auch an allen seinen Kindern bereits offenbar ist, zeigt sich in dem andern Kreise, dessen Mittelpunkt Christus ist, noch nicht die entsprechende Herrschaft des Lebens; ja, eben die Erscheinung, daß auch die Gläubigen in Christo nach wie vor dem Tode unterliegen, konnte der Mei- nung eine Stütze geben, eine Auferstehung der Todten gebe es nicht. Diesem Bedenken nun tritt V. 23 ent- gegen: lebendig werden in Christo alle, die ihm an- gehören; aber in der Ausführung dieses Werks, hin- sichtlich der Ordnung, nach der sie eintritt, findet ein Unterschied statt gegen den Kreis, der durch Adam bestimmt ist. Christus geht voran als der Erstling, die Seinen folgen ihm erst bei feiner Wiederkunft und am Ende. (Burger.) Christus ist und-»bleibt der Erst- ling, der Erste aus der Auferstehung von den Todten (Apost .26, 23); denn die vor ihn! und von ihm selbst Erwe ten, sowie die von Aposteln Erweckten, wurden ja keiner zum unsterblichen Leben erweckt, Henoch und Elias aber (1. Mos.5,24; ·2.Kön.2,11) starben gar nicht. (Meyer.) Zwischen der Wiederkunft Christi und dem Ende, von dem der Apostel redet, liegt offenbar ein Zeitraum (wenn auch kein so langer, als zwischen der Auferstehung Christi als des Erstlings unter denen, die da schlafen, und der Auferstehung derer, die ihm angehören, daher im Grundtext das zweite ,,darnach« durch ein kürzeres Wort ausgedrückt ist als das erste); denn wenn Christus kommt, so kommt er nicht, die Herrschaft zu übergeben, wie es am Ende geschieht, sondern sie erst recht anzutreten, er kommt, um das Gnadenreich, das er bisher hatte, zum Herrlichkeitsreich zu wandeln, seine Offenbarung ist zugleich die seines Reiches. Jst das aber unfraglich, ist die Wiederkunft Christi vielmehr die Reichsübernahme statt der Reichs- Übergabe, ist dagegen das Ende, von dem Paulus redet, die Reichsübergabe, so fallen die Wiederkunft und das Ende nicht zusammen, sondern liegen außer einander. (Lut ardt.) So ergiebt sich uns für die Parusie oder iederkunft der Gnadenvorzug einer ersten Auferstehung, wie sie in der Offenb. Joh. ge- lehrt wird; die chiliastische Beziehung der Stelle hat schon der chiliastisch-montanistische Tertullian richtig erkannt. (Osiander.) Die schließliche Reichsübergabe des Sohnes an den Vater ergiebt sich von selbst; denn wie die im Erlösun swerk begründete Thätigkeit Christi einem bestimmten iel entgegengeht, so wird sie noth- wendig ihr Ende gewinnen, wenn dieses Ziel erreicht ist. (Necmder.) ist) Diese ganze Stelle ist um so merkwürdigen als sie einzig in der heil. Schrift dasteht; selbst die Offenbarung St. Johannis enthält an ihrem Schluß keine solchen Winke, wie sie Paulus hier giebt, es wird da blos der Gründung des neuen Himmels und der neuen Erde Erwä nung gethan, ohne daß aus- eführt wäre, wie si der Erlöser zu diesem neuen äustande verhält. (Olshausen.) Dazu hatte sich der ohn in die Geschichte begeben und war Mensch ge- worden und dazu ward er von Gott erhöht auf seinen Thron und wird wieder kommen in die Welt, daß er die Gott entfremdete Welt wieder gewinne und zu Gott zurückführe: das ist sein Mittlerberuf, der auch mit seiner Wiederkehr noch nicht zu Ende ist, sondern sich auf dem Wege der Machtoffenbarung fortsetzt. Wenn nun aber die ganze Welt wieder Gottes sein wird und keine gottfeindliche Macht und Gewalt mehr Gott in der Welt gegenüberstehen, sondern diese völlig beseitigt und aus der Welt Gottes ausgeschlossen sein wird, dann ist das Werk des Mittlers zu Ende; dann wird der Sohn die Welt, die der Vater ihm unter- geben hat, daß er sie gewinne, feinem Vater zu Füßen legen, und seine Krone, die ihm der Vater bei seiner Erhöhung auf’s Haupt gesetzt hat und die er bisher trug als der König aller Könige und Herr aller Herren, wird er vom Haupte nehmen und in die Hände seines Vaters zurückgebem denn die Zeit seiner be- sonderen Herrschaft ist zu Ende. Denn was sollte er fürder thun? es ist ja alles Gottes geworden; es sind keine Sünden mehr da, die zu versöhnen, es sind keine Kinder des Todes mehr da, die zu erlösen wären, es ist alles Heiligkeit, Leben und Herrlichkeit geworden. Damit steht der Mittler am Ziel seines Werks und ist zu Ende mit seinem Mittlerthum: so wird er also aus dieser Zwischenstellung zwischen Gott und der Welt, die er bisher eingenommen, heraustreten und von der Herrschaft, die er bisher geübt, herabtreten und sich dem Vater untergehen. Er bleibt der ewige, gottgleiche Sohn, er bleibt die zweite Person der Trinität; aber er hört auf, die Stellung einzunehmen, die er bis dahin einnahnr. Bis dahin hat er feine besondere Geschichte gehabt, zuerst der Niedrigkeit, dann der Herrlichkeit: nun wird er nicht mehr seine besondere Geschichte haben; er tritt, wenn wir so reden dürfen, gleichsam wieder in Gott zurück, ohne doch aufzuhören der Sohn zu sein, gleichwie er zum Behuf seines Werks aus Gott herausgetreten ist, ohne doch aufzu- hören, in Gott zu sein· Das will es sagen, daß er sich dem Vater untergiebtl Er tritt aber aus seiner besonderen geschichtlichen Stellung in Gott zurück, damit Gott der Vater sei alles in allen; denn wie der Vater der letzte Ursprung aller Dinge ist, so soll er auch das letzte Ziel sein. Jn ihm mündet der Strom der Geschichte; der Sohn hat sie hindurchgeführt durch die Zeit (welche auch das tausendjährige Reich mit umfaßt sammt dem Ausstand des Gog und Magog und der darauf folgenden allgemeinen Auferstehung, dem Weltgericht und Weltende), beim Vater ist sie angelangt in der Ewigkeit. Das Leben der Ewigkeit aber, die da ist der Quell, aus dem der Strom der Zeit entquollen, und das weite Meer, in das er mündet, entzieht sich aller Vorstellung. Die Reichsherrschaft Christi können wir ahnen, denn wir kennen bereits ihre Anfänge; das Leben der Ewigkeit dagegen ist zu groß und reich, als daß unser enges Herz es fassen könnte. (Luthardt.) 29. [Jch kehre jetzt auf die in V. 12——19 bekämpfte und in ihren Consequenzen als so nach- theilig für den christlichen Glaub ensgehalt aufgezeigte Behauptung zurück und kann sie auch als höchst nachtheilig für das christliche Ver- halten erweisen, indem ich zunachst frage:] Was macheu sonst [was werden sie für einen Gewinn von ihrem Thun haben], die sich taufen lassen aber den Todten [besser: für die TodteuL so allerdtnge sfchlechterdings Matth. 5, 34; Apostg. 18, 211 die Todten nicht auferstehn« was lassen sie sdie den Tod so unmittelbar vor Augen haben, 284 I. Corinther 15, 30——34. daß bei ihnen die Taufe nur noch eine Einver- leibung in die Gemeine der Abgeschiedenem nicht mehr der Lebenden, ist] sich taufen über den [für die] Todten* swenn Christi Heils- und Segensmacht sich eben nicht auch über «die Ab- geschiedenen zu ihrer einstigen Auserweckung er- streckte, und wäre es nicht besser, sie unterließen ein solches Sichtaufenlassen gänzlich]? 30. Und smit jener ersten Frage eine zweite verbindend, fahre ich fort:] was stehen wir sdie apostolischen Verkündiger des Evangeliums] alle Stunden in der Gefahr [Röm. 8, 36; 2. Cor. 4,11;11,23]? 31. Bei unserm Ruhm, den ich fmit den übrigen Aposteln gemein] habe in Christo Jesu, unserm HErrn, tch sterbe tciglich smuß täglich aufs Sterben mich gefaßt halten] 32. Habe ich menschlicher Meinung [gemäß, von ihr getrieben und aufrecht gehalten, hier] zu Epheso mit den wilden Thieren sdiesen wüthven- den Juden, die ohne Unterlaß meinem Leben nachstellen und mir gar schlimme Kämpfe bereiten Apostg. 20, 19; Röm. 16, 4; 2. Cor. 1, 8 sf.] gefochteUZ Was hilft michs, so die Todten nicht auferstehen? sStünde es wirklich so, wie jene Etliche V. 12 sagen, dann thäten wir Apostel ja doch weit klüger, statt um des Evangelii willen soviel Noth und Gefahr uns auszusetzem genössen wir unser Leben, solange wir’s haben, und er- wähleten den Spruch der leichtsinnigen Kinder dieser Welt auch zu unsrer Loosung:] Laßt Uns essen nnd trinken; denn morgen sind wir todt« [Jes. 22, II; Weis-h. 2, I fs.; wie aber stünde es dann um die Bekehrung der Welt zu Christo, dem einigen Seligmacher, und um euch, die ihr in ihm das Heil schon gefunden habt Kp. 12, 2]! V) Das, was der Apostel zur Ausführung des Satzesz ,,Christus ist auferstanden« sagen wollte, ist in dem vorhin erklärten Abschnitt V.20—28 nun voll- ständig abgethan; er hat es nun wieder mit dem Gerede derer u thun, die· da behaupteten, die Auf- erstehung der odten sei nichts, und weist sie noch m einer andern Hinsichh als er bereits m V. l4-—19 gethan, als höchst nachtheilig, nämlich als alle christ- liche Sterbensfreudigkeit und allen christlichen Selbst- aufopferungsmuth vernichtend nach. Da begegnet uns nun aber gleich an der Spitze dieses neuen Abschnitts ein Vers von so schwieriger Auslegung, daß schon Calovius, der berühmte Schriftausleger des 17. Jahrh., nicht weniger als 23 verschiedene Auffassungen auf- ählt. Luther hat mit seiner Uebersetzung: ,,über den TodtenC was s. v. a. über den Gräbern der Todten ist, zwar der Sache nach nicht das Richtige getroffen (,,die Auferstehung zu bestärken, ließen sich die Christen über den Todtengräbern taufen«), da ein derarti er Gebrauch aller geschichtlichen Spur aus der apostoliscleen Zeit ermangeltx wohl aber ist sie dem Sinne nach der richtigen Auffassung schon ziemlich nahe stehend. Ganz verwerflich ist die neuerdings vielfach beliebte Erklärung, das »die sich taufen lassen für die Todten« sei soviel als »zum Besten der Todten«. Man trägt damit einen später bei Häretikern sich findenden Ge- brauch auf die apostolische Zeit über, gleich als habe man sich da schon zum Besten ungetauft, aber gläubig Verstorbener noch einmal taufen lassen in der Meinung, dies werde denselben als eigene Taufe und als die noch erforderliche Ergänzung ihrer bereits innerlich geschehenen Bekehrung angerechnet werden; aber wie kann man doch lauben, der Apostel werde einen solchen abergläubifzchen Gebrauch haben ungerügt hin- gehen lassen, um eine Beweisführung darauf gründen zu können? oder wie kann man mit Neand er sich einreden: wenn in solchen Fällen, wo einer zum Glauben gelangt war und sich taufen lassen wollte, aber, ehe es zur Ausführung kam, starb, ein Ver- wandter an seiner Statt sich taufen ließ in der Ueber- zeugung, daß er nur das thue, was jener gethan haben würde, wenn er am Leben geblieben wäre, so wäre das nicht gerade etwas Abergläubisches gewesen? Wir wollen uns auch nicht lange dabei aufhalten, wie so- wohl der bei ,,Todten« im Grundtext stehende Artikel, als auch die futurische Zeitwortsform: »was werden die machen«, d. i. für einen Gewinn davon bringen, die sich taufen lassen, schlechterdings mit einer solchen Erklärung sich nicht verträgt, bei welcher die Todten etwas gewinnen sollen, während doch die Getauften diejenigen sind, um deren Vortheil es bei der ganzen Beweisführung sich handelt, sondern sogleich denjenigen Sinn entwickeln, in welchem der Apostel das »für« hier gebraucht hat; es ist derselbe, wie in 2. Cor. I, 7., wo es soviel bedeutet, als »in Beziehung auf« (griech. »Er-O. Während nämlich sonst gewöhnlich die Taufe eine Aufnahme in die Gemeinde der lebenden Christen war, ist hier von solchen die Rede, bei denen sie zu einer Aufnahme in die Gemeinde der Christo angehörigen Todten wurde, indem sie noch auf ihrem Sterbebette sich taufen ließen ; Clinici oder bettlägerige Patienten, die nichts Anderes als den Tod zu gewär- tigen hatten, nahmen gleichwohl noch die Taufe an, ja man eilte bei ihnen sogar damit, wenn sie auch noch nicht den ganzen Cursus der Katechumenen durch- gemacht hatten, und vielleicht kamen derartige Fälle gerade damals in Corinth häufiger vor, da nach Kap. 11, 30 die Sterbefälle dort häufig waren. Solche Täuflin e nun wurden nicht für die Lebenden, um deren emeinde einverleibt zu werden, getauft, sondern für die Todten in Christo (l. Thess. 4, 16); denen wollten sie, wenn sie aus dieser Welt gingen, zuge- sellet sein, um an der Hoffnung derselben, durch Christum zum ewigen Leben auferweckt zu werden, gewissen Antheil zu haben. Es wäre aber dies ihr auf die Zukunft gerichtetes Thun eine reine Illusion, wenn die Auferstehung der Todten nichts wäre: das ist’s, was der Apostel den Corinthern zum Bewußtsein bringen will. Wie nun dieser Gedanke verwandt ist mit dem in V. 17 u. 18 vorgetragenen, so dann der in B. 30—32 mit dem in V. 19. Es) Nach der soeben gegebenen Erklärung von V. 29 schließt sich, wie v. Gerlach richtig bemerkt, der 30. Vers unmittelbar an denselben an; der Apostel will etwas Aehnliches aus seinem und aller Apostel Leben anführen, mit der Taufe im Angesicht des Todes zum Eintritt in die Gemeinde der Verstorbenen gleich die Leidenstause (Matth. 20, 22; Luk. 12, 50) zusammen- stellen, bei welcher der Christ jeder weltlichen Hoff- nung entsagt und gleichsani in den Strom der Ge- fahren untertaucht, um gereinigt und verklärt jenseits wieder hervorzukommen Nachdem er da zunächst von den apostolischen Vertündigern des Evangeliums im All emeinen geredet hat, geht er in den beiden fol- gen en Versen aus feine eigene Person im Besonderer: Die Leugnung der Todtenauferstehung hebt auch alle christliche Sterbensfreudigkeit re. auf. 285 ein und führt den Corinthern vor, theils (V. Si) was sie aus seinen Erlebnissen in Corinth von selber ächobn wissen mluåtemb isn iåielchlzer Lage er feinåkage in ringt, nämi in etän igi n umringen er o es- gefahr, thgls (V. sEYftvhas sie akus chder zilichihneSii ge; drungenen unde in r a rung ge ra t, we en tan gr an sbeineinsgegeiiiizärlfiisen Aiåfknthiijzlitzsgrtf z; Ephetfus en er ittert ten un e arrli ten i er a ern, en ungläubigen Juden egenüber einnehme, die da an ihn wollen, sein Fleisch zu fressen (Ps. 27, 2). Täglich xarbseikcx sie ahixs sdhen Mittgefoiluntgen siäifeklpostkgislkk — er rge , on zu rin in n, an jedem einzelnen Tage, den er dort zubrachte, voraus- setzen mußte, es werde dieser Tag ihm den Tod durch die, tdie nacg bei? Lilebån Sgellteihy brnågenHEiind nur ur ie au eror enti e ewa rung es rrn Zrettgt werdenf kixinte hNuicB liegt freilich eiige soldche ezie ung au orint ni t vor, wenn ie en Worten: ,,ich sterbe täglich« vorausgehende Betheuerung so tla1li’tet, wtie uåisxe dteutschEBibElt ntciclf einerbrtiieniger gu ezeug en e ar im ruii ex ie gic : ,, ei unserm Ruhme, den ich habe in Christo Jesu, unserm HErrn«; bei solchem Wortlaut bezöge sich die Be- theuerung vielmehr auf ein ,,ich sterbe täglich«, das der Apostel in Beziehung auf seinen gegenwärtigen Stand zu Ephesfus aus-sagen will. Aber dazu paßt nicht wohl die in V. 3·Z aufgeworfene Frage, welche die Eachelz ukn dilechesß skich da e; haiådelZ als HfihCog rint ern in ängi e annt un au er wei e e en voraussetzt; auch paßt nicht recht, das »Unser Ruhm« Z: lyichnlkjsaseCSklålerizingsbwisd giiknssbeim pjrsaktiscksvene era er eeieeeoeaenmuen,i Luther nach der von ihm benutzten Ausgabe des griechischen neuen Testaments sie nun einmal giebt, und haben wir darnach oben bei unsrer Erklärung Ins? gerigstseyttiäisseästchlkiftfich jedoäh habet; wir nach e erer e ar ie e e o zu ne men: » ei eurem Ruhme, den ich habe in Christo Jesu, unserm HErrn, ich sterbe täglich-«, d. i. bei dem Ruhme, den ich an Stil? bdarin bhakåaei lietben ;8rüic)her, igißftiik euclztzunz u en ge ra un aii eu m ra er mi mi wirkenden Gnade (V. 10) eine so ai1sehnliche, reich- kegkabte Geincäinäe lfn tcshlrigo geiöiacltzlf»håibte, zgrf ich e euern, i er e agi — i r ur e ni ein, foasb ishr Leid, ge? ichf iäieinhLebeiih nkicht bei euch! in o etän iger o esge a r ätte in ringen wo en, fogidetrn nach jenem Auftritte inSApostg. l8, 12 ff. mich o al als möglich aus dem taube geniacht hätte. Zsie nun lhei diåsem Auftritte undd ung) »fe3ierhii; ie ungläu igen Juden es waren, ie em po te nach dem Leben stellten, so hat er mit diesen noch einen viel schwereren und gefährlicheren Stand hier zu ges-ski- szss ssch rsssspssip sskssgkgzsgs . , « aneeerau m og. ,. Cz: bezegchkiåegt aber diese nachstellenden Faden bildlich a s wil e iere· dazu hatte er volles echt, weil die Teil· Schrift des, alten Testaments für die gleichen Nerlåältåiåsselsdssselbgn Båzegchnigiå sich giidkfent ,« , .un au er rrin en u- dkiickeii redet (Mqtth. 7, s; 10, 16). Vgl. übrigens Z. Tim.4,17., wo bei dem ,,Löwen« ebenfalls an den Fanatismus der fei1idseligen Judenschaft zu denken ist. 33. Lasset euch iiicht verführen [Kap. 6, »9; Gab 6», 7; Ephes 5, b; Jak. I, 16]. Bose Gegchtgasze lktciniåäuchspehikißemdZeselcZschZfEFUJ vek et en gne en wie a grie . i er- wort sagt, vgl. Apostg». 17, 28 u»- Tit. I, 12]. M. Werdet doch einmal iecht niichtern sLuther schreibt dafür in seiner Bibelübersetzuiig: Wachet recht auf, nämlich aus dem Zustande der Be- rauschtheit, der euch bis zu einem gewissen Grade schon ergriffen hat Joel 1, 5], und sundiget nichi senthaltet euch von der Sünde, welche mittels der Irrlehre euer mächtig werden will, indem ihr der letzteren keinen Raum gestattet]; denn etliche wissen nichts von Gott swie sie mit ihrer Leugnung der Auferstehung V. 12 an den Tag geben Matth 22, 29], das sage ich euch zur Schaiidett sdamit ihr euch solcher Leute in eurer Mitte schämet, statt euch von ihnen bethören zu lassen Kap- 5, S; 6, 5]. · » » » «) Nachdem der Apostel auf die sittliche Seite der bekämpften Jrrlehre einmal aufmerksam gemacht hat, geht er von dem Tone der Belehrung in den der ernsten und andringenden Warnung und Bestrafung über. Es handelt sich ihni nicht um eine bloße Lehr- frage, wie man bisweilen Erörterungen nennt, denen man die praktische Bedeutung absprechen will: er kennt keine solchen christlichen Lehrfragen, die blos Gegen- stand müssiger Speculation sind; soweit dergleichen aufYworfen werden, behandelt er sie ganz anders (1. im. I, 4; 6, 4; 5, 20; 2. Tim. 2, 16. 23; Tit. 1, 13 f.; Z, 9). Aber die Lehren des Heils, zu denen die von der Auferstehung gehört, sind Gegenstände des Glaubens und somit bedingende Grundlage des Lebens; sie antasten ist niemals nur ein harmloser Jrrthum, sondern hängt immer zusammen mit sünd- licher Verirrung. Diese Seite kehrt der Apostel hier scharf hervor, ioenn er den Eorinthern zuruft: ,,Lasset euch nicht verfuhren; böse Geschwatze verderben gute Sitten«. Der letzte Satz ist eine Art Sprüchwort und einem griechischen Dichter (Menander, ein Athenien- ser, lebte um 320 v. Ehr.) entnommen, jedenfalls aus dem Gedächtniß als gänge und gäbe, aber richtige Rede angeführt und der Beherzigung empfohlen (vgl. die Bem. zu Apostg. 17, 29), und enthält eine War- nung vor unberufenem Verkehr mit Leuten, welche solche Reden führen, wie die vom Apostel in unserm Kapitel Gestraften, und auch nach erhaltener Warnung nicht von ihnen lassen wollen. VI) Paulus vergleicht denZustand, der den Corinthern möglich machte, solchen Reden, wie die Auferstehungs- leugner sie führten, auch nur halbwegs das Ohr zu leihen, miteiner ArtBetäubung oder Berauschung, der es Zeit sei sich mannhaft zu entreißen, weil sie, sündlich in sich, auch nur zum Sündigen Anlaß und Reizung geben könne. Nur eine Verdunkelung der Gottes- erkenntniß, so erklärt er dann weiter, konnte eine Verirrung wie die gerügte erzeugen; er beschränkt das auf die Etlichem von denen die Jrrlehre ausging, deckt aber damit nochmals auf, wie schwer und verhängniß- voll sie sei, und wie unentschuldbar auf sie u hören und sich von ihr blenden zu lassen, wovor? Anfänge christlicher Erkenntnis; zu verwahren genügt hätten. Deshalb dient es auch der ganzen Gemeinde zur Beschämung, daß solches in ihrer Mitte möglich war und nicht sofort erkannt und gebührend geahndet wurde. (Burger.) Das Gift aller Jrrlehre ist be- rauschend, und wir lassen uns berauschen, weil unserm Fleische Menschenweisheit süßer schineckt als Gottes Wort: wohl uns, wenn wir recht aufmachen (,,also, daß es recht und seliglich gemacht is« — Luther) solange die Stimme der Wahrheit uns weckt, damit wir das Sündengift ausspeien, ehe wir daran sterben! (Besfer.) chon die » 286 1. Corinther 15, 35—»45. III« P. 35——58. ilachdem der Apostel von der wohl ltezeugten und das ganze christlictte heil begricndenden und bedingenden Ehatsactie der Auferstehung Christi aus in den beiden vorigen Abschnitten den Glauben an die Todtenauferslehung fehgehellt und die ilnilatthafltgtteit des Gegentheils noch mit anderweitigen Gründen dar- gethan, so begegnet er nun denjenigen Einwürfen da- gegen, welche sich theils auf den Eiergang der Zins— erstehung selbst, theils auf die Beschaffenheit der Auf— ersiehungsleiber beziehen; den Protest der Auf— erweeteung beleuchtet er da durch die Analogie des Psianzenlebens, die Beschaffenheit des Auf— ersiehungsleibes alter als eines von dem gegen- wärtigen verschiedenen erläutert er theils durch Jlnalogieen aus· verschiedenen Gebieten der Schöpfung, theils leitet er ihn aus dem Unterschied des ersten und zweiten Adam her (ill. 35——50). Wenn er nun bei dieser Kuseinanders selzung so hart: betonte, daß, ohne eine Wandelung an unserm Eeibe zu erfahren, wir das klein) der here— lichlteit nicht ererben minnen, so legte hch die Frage nahe, was denn mit denen geschehen solle, die zur Zeit der letzten Posaune, wo die Todten zu dieser Mandelung aus ihren Gräbern auferstehen werden, noch in diesen gegenwärtigen Leibern auf Erden da sind; da weist er nun darauf hin, daß außer der Wandlung durch Stuf— ertvecliung es auch eine solche due-h llleberltleidang giebt. Ist aber beides geschehen, Jlufermecltung der Todten nnd ileberltleidung der Lebenden, dann hat die Herrschaft des Todes» ihr völliges Ende erreicht und das davon weissagende Wort der Schrift ist erfüllt; indem Paulus im Geiste in diese selige Jultunft sich versetzt, stimmt er schon im voraus ein Weges— und Triumphlird an und schließt diese ganze Jlbhandlung mit einer herkiichen nnd cisekdringenden Ermahnung an die Eorinther (io. 5i—5 . 35. Möchte aber jemand sagen [denn ich glaube den Einwand schon zu hören, den man trotz meiner bisherigen Beweisführung für die Auferstehung der Todten dennoch gegen diese Lehre erheben wird]: Wie werden die Todten auf- erstehen swie soll ich zunächst im Allgemeinen den Vorgang mir möglich denken]? Und sdann, was dabei noch besonders in Betracht kommt] mit welcherlei Leibe werden sie saus ihrer Verborgen- heit im Grabe hervor-] kommen? 36. Du Narr [der du bist und so gar nicht daran denkst, was Jahr aus Jahr ein unter deinen eigenen Händen sich begiebt, so antworte ich auf solche unbesonnene Fragen. Denn siehe doch], das du seiest, wird nicht lebendig sum zu einem neuen Gewächs sich zu entfalten], es sterbe denn [gehe in der Erde durch Verwesung zu Grunde Joh. 12, 24; wie thöricht ist es da, wenn du meinst, weil die zur Erde bestatteten Menschen- leiber daselbst in Verwesung übergehen, sei ihr Wiederlebendigwerden nicht möglich] 37. Und das du seiest, ist ja nicht der Leib, der werden soll sdie neue, lebensfrische Pflanze selber schon] sondern ein bloßes [in seiner jetzigen Beschaffenheit ziemlich unansehnliches und das, was aus ihm werden soll, noch wenig verrathendes] Korn, nämlich [etwa] Weizen oder [aber] der andern [Fruchtsamen] eins [denn es verhält sich bei der einen Aussaat genau ebenso wie bei der andern] 38. Gott aber giebt ihm [dem von dir aus- gesäeten Korn, beim Aufgehen und Wachsen] einen Leib, wie er will [in dem durch seine Natur- ordnung Kap. 12, 18 schon voraus bestimmten Gewächs, das daraus hervorgeht], und [zwar] einem jeglichen von den Samen snicht irgend welchen beliebigen, noch ungewissen, sondern] seinen eigenen [der Gattung derjenigen Pflanze, von wel- cher das Korn genommen war, entsprechenden] Leib «« [1. Mos. I, 11., so daß also, im Fall du Weizen gesäet hast V. 37., nur ein Weizengewächs zum Vorschein kommt]. sit. Nicht ist alles Fleisch [der lebendigen Wesen auf Erden] einerlei Fleisch, sondern ein anderes Fleisch ist der Menschen, ein anderes des Zieht-is, ein anderes der Fische, ein anderes der o e. gelb. Und es sind swenn wir unsern Blick von hier unten zugleich nach oben wenden und die Welt über uns betrachten] himmlische Körper nnd irdische Körper; aber eine andere Herrlichteit haben die himmlischen, und eine andere die irdischen. 41. [Und selbst unter den himmlischen Kör- pern welche MannigfaltigkeitU Eine andere Klar- heit hat die Sonne, eine andere Klarheit hat der Mond, eine andere Klarheit haben die Sterne; [und auch unter letzteren wiederum welche Ver- schiedenheith denn ein Stern übertrifft den andern nach der Klarheit» 42. Also auch die Auferstehung der Todten [es verhält sich mit ihr— so, daß auch bei ihr eine Verschiedenheit des dann erstehenden Leibes im Vergleich mit dem jetzigen Menschenleibe her- vortritt]. Es wird sum hier auch das in V. 36 —38 gebrauchte Bild wieder aufzunehmen, von den Menschen, die den Leib zu Grabe bringen] gesliet vcrwesliclh Und wird [am jüngsten Tage, wenn Gott den Todten ruft, daß sie sollen wieder leben] auferstehen anverweslich. 43. Es wird gesäet in Unehre, und wird auferstehen in Herrlichkeit. Es wird gesciet in Schwachheit, und wird auferstehen in Krastcktt 44. Es wird [um diesen drei Sätzem die den drei Beziehungen in V. 39—41 entsprechen, einen neuen hinzuzufügen] gesciet ein natürlicher sgenauerz seelischer Kap. 2, 14] Leib [in wel- chem die Seele, die sinnliehe Seite des inneren Lebens, überwiegt und der hiernach organisirt ist], und wird auferstehen ein geistlicher sfür die Vor- herrschaft des Geistes organisirter] Leib. Hat man einen natürlichen Leib, so hat man auch einen geistlichen Leib lsogut man jetzt einen natürlichem seelischen Leib hat, wo die Seele das die Be- Wie werden die Todten anferstehen? und mit welcherlei Leibe werden sie kommen? 287 schassenheit des Leibes Bestimmende ist, so gut kann man auch hernachmals einen seiner Be- schassenheit nach dem Geiste entsprechenden geist- lichen Leib haben; die ge g enw ärtige Befchasfen- heit unsers Leibes schließt eine künftige anders- artige so wenig aus, daß diese vielmehr ganz gewiß an die Stelle jener treten wird, wenn die Vorherrschaft des Geistes einmal an die Stelle der jetzigen Vorherrschaft der Seele getreten ists. 45. Wie es [auch also] geschrieben stehet [wenn es in l. Mos. Z, 7 heißt]: Der erste Mensch, Adam, ist gemacht ins naturliche Leben [wurde zur lebendigen Seeke], nnd sdiesem Schrist- wort ist dann als paralleles Glied der andere Satz beizufügen, wenn der Gedanke vollständig werden soll:] der letzte Adam icrs geistliche Leben-s [zum lebendigmachenden Geists. «) Der Apostel führt in V. 35 die Gegner redend ein als solche, die durch die bisherige Beweisführung nicht befriedigt sind und nun erst mit ihren Zweifels- gründen anrücken (Kling.) Die Einwendung aber ist zwiefach, die erste Frage nicht gleichgeltend mit der zweiten; das ,,wie werden die Todten auferstehen?« geht auf den Prozeß und Akt der Auferstehung, auf ihre Mö lichkeit, die zweite Frage: ,,mit welcherlei Leibe wer en sie kommen?« auf das Faktum und Resul- tat, auf die Beschaffenheit der Auferstehungsleiber. Die Fragen sind übrigens nicht blos als Fragen um Belehrung, sondern als skeptische (Zweifler-) und skoptische (Laurer-) Fragen der Gegner u fassen, wie Luther sie entwickelt: ,,es sind scharfe Gesellen gewesen, welche St. Paulus hier mit ihren Worten einführt, die nicht allein diesen Artikel fein drehen und ver- kehren, sondern auch auf das Meisterlichste, wie sie meinten, verspotten konnten. Lieber, wie wird es denn zugehen, sprechen sie, wenn alle Menschen anferstehen werden? was werden sie-für Leiber haben oder was wird es für ein Wesen werden?« Der Apostel beginnt daher in V. 36 seine Antwort mit einem Scheltwort: je weiser sich die Klügsten mit ihren Streitfragen dünkten, desto schonungsloser tritt er ihrer Geistes- beschränktheit und Schwäche entgegen. (Osiander.) Je mehr sich, wer so fragte, wie vorhin angegeben, auf seine Klugheit zugute that, desto empfindlicher mußte ihn der Ausruf: »du Narr!« treffen (gleichwie hier, so steht auch in Luk. 12, 20 im Grundtext ein anderes Wort als in Matth. Z, 22; das an le terer Stelle gebrauchte bege net uns aber auch in atth. 23, 17 n. 19), und in er That, wie nahe lag ihm, sich seine Fragen selbst zu beantworten. Das im Grundtext nachdriicklich hervorgehobene »du« führt ihm dies insofern zu Gemiithe, als er damit auf solches, was er etwa selbst thut, und auf das sinnenfällige Erlebniß, welches sich ihm daran schließt, hingewiesen wird, um sich beschämt zu überzeugen, daß er bei besserem Nach- denken seine Fragen hätte unterlassen mögen. (v. Hof- mann.) Die Fragen, wie die Gegner sie vorbrachten, sind immer die, zu welchen die Auferstehungslehre veranlaßt, und zwar um so eher, je grobsinnlicher sie gefaßt wird (vgl. Matth. 22, 23 ff.); denn desto eher ann man dagegen Schwierigkeiten aus der natura- listischen Ansicht erheben. Da geht denn der Apostel auf das Naturgebiet ein und zeigt, wie gerade dieses auf höhere Möglichkeiten der mannigfachsten Art uns hinweist. Wenn nun mit dem ,,wie werden die Todten auferstehen?« vorerst auf die Schwierigkeit eines aus dem Tode hervorgehenden neuen Lebens überhaupt hingewiesen werden sollte, so giebt Paulus mit der Ansprache des 36. Verses: »du Narr, das du säest, wird nicht lebendi , es ersterbe denn«, dem in’s Blaue hinein schwatzen en Gegner zu bedenken, wie die Lebendigmachun des Gesäeten, auf welche er’s bei feinem eigenen äen ja immer abgesehen hat, nicht anders erfolgt, als nachdem dasselbe zuvor gestorben ist; wie kann nun, wer dies weiß und deshalb ruhig es sich gefallen läßt, daß der von ihm ausgestreuete Samen in der Erde zu Grunde geht, sich daran stoßen, daß die menschlichen Leiber zu Grabe gebracht werden, um dort der Verwesung anheimzufallen, und um solcher Verwesung willen eine Erstehung aus dem Todeszustande für unmöglich erklären! Wie hier für ,,aufkeimen« vom Samen gesagt wird ,,lebendig werden« und für: ,,in den Zustand der Auflösung gerathen« steht ,,sterben«, um Bild und Sache einander mehr zu nähern, so begegnet uns ans demselben Grunde im folgenden 37. Verse der Ausdruck ,,Leib« für das aus dem Samen hervorsprießende Pflanzen- gewächs; bei der Hervorbringung dieses Gewächses tritt denn, wie V. 38 besagt, Gottes ausschließliche Thätigkeit ein, der Mensch ist dabei in keinerlei Weise betheiligt, sondern je nach der Wahl, die er in Betrefs des. Samens getroffen, greift auch Gottes gleich bei der Schöpfung festgestellte Ordnung Platz, wonach der einmal gewählte Same ein ganz bestimmtes, mit keiner andersartigen oder gar mit einer ganz neuen Fruchtart wechselndes Gewächs hervortreibt. Wie der Säemann wohl weiß — das find die Gedanken, die der Apostel in diesen beiden Versen den Auferstehungsleugnern ent- gegenhält ——, daß er nicht die Frucht säet, sondern« den Samen, der verwesen muß, so wissen wir Christen wohl, daß der bei der Beerdigung in die Erde gesenkte Menschenleib noch nicht der Auferstehungsleib selber ist und darum auch die Verwesung des ersteren nicht die Möglichkeit des letzteren aufheben kann;- vielmehr lebt und webt gleich bei der Aussaat in dem Korne etwas, was hernachmals aus dem Schooße der frucht- baren Erde entbunden wird und als neu Gewächs um Vorschein kommt, und gleicherweise trägt der zur rde bestattete Menschenleib einen Auferstehungskeim in sich. Es wird aber —— und damit wendet die Betrachtung sich bereits der zweiten von jenen beiden Fragen zu: ,,mit welcherlei Leibe werden sie kommen?« — nicht ein ganz fremdartiger, ein nichtmenschlicher Leib sein, der bei der Auferstehun zu Tage tritt, sondern wie das Weizenkorn den Fizeim nur zu einem Weizen- gewächs, und zu keinem andern in sich trägt, so wird auch der ausgefäete Menschenleib nur einen solchen wieder bei der Auferstehung aus sich heraussetzem allein der Art, nicht der Gattung nach ist er von dem- selben verschieden, inwiefern aber der Art nach, dies zu beleuchten ist Sache der in V. 40 ff. sich anschließen- den weiteren Analogieen aus den Vorkommnissen in der Naturwelt Zu bemerken ist noch, daß Paulus in V.38 absichtlich Gott so voranstellt im Gegensatz zu der vorher beschriebenen Thätigkeit des Menschen, und ebenso absichtlich den Willen Gottes als einen längst seststehenden und bestimmten hinstellt: bei der Auf- erstehungslehre kommt es ja durchweg darauf an, daß man Gottes Allmacht in Rechnung ziehe und seine Kraft nicht geflissentlich hinwegleugne, sowie darauf, daß man dem in seinem Wort uns kund ethanen Willen ebenso zuversichtlich vertraue, wie der äemann dem in der Naturordnung sich aussprechenden Willen Gottes vertrauend seinen Samen mit Beziehung darauf wählt, was für ein Gewächs er u erzielen gedenkt, und schon im Voraus es ganz bestimmt weiß, daß der 288 1. Corinther 15, 46—50. Acker ihm eben die Frucht tragen werde, für welche er die Aussaat bewirkt hat. H) Jn drei Reihen ist hier die Mannigfaltigkeit der Körperwelt geschildert. Zuerst fallen in’s Auge die belebten Leiber, die alle Fleisch sind, doch nicht einerlei Fleisch; denn vom Menschen an stufenweis abwärts zu Vieh und Vögeln und Fischen hat ein jedes sein besonderes Fleisch. Ferner siehst du himm- lische Körper und irdische Körper, jene und diese in unterschiedlicher Herrlichkeit An Engelleiber, auch wenn die En el einen Leib hätten (was jedoch nicht der Fall ist att . 18, 14 Anm.), ist hier offenbar nicht zu denken, a ja der Apostel an Dingen, die jedermann vor Augen hat, die Möglichkeit veran- schaulichen will, daß die Todten in gewandelter Leib- lichkeit auferstehent wie sollte er da auf Engelleiber hinweisen, die niemand je gesehen hat? Dagegen die Himmelskörpey Sonne, Mond und Sterne, sehen wir vor Augen und gewahren, daß sie in ihrem wandel- losen Stra lenglanze eine andere Herrlichkeit haben als die Er engebilde, deren Herrlichkeit heute in ma- jestätischer Pracht oder in lieblicher Anmuth, in groß- artiger Kraft oder in zierlicher Feinheit erscheint, morgen aber verwittert und verdorrt. Und, zum Dritten, nicht blos von den irdischen Körpern sind die himmlischen verschieden, sondern auch unter sich: ,,eine andere Klarheit hat die Sonne, eine andere Klarheit hat der Mond, eine andere Klarheit haben die Sterne«; und wiederum in mannigfaltigem Licht erglänzt die unzählige Menge von Sternen, denn »ein Stern übertrifft den andern nach der Klarheit«. Im nächsten Verstande zielt dieses Gleichniß nicht auf die unterschiedlicheHerrlichkeit der Leiber der Auferstandenen unter sich, sondern auf den Unterschied der zukünftigen Leiblichkeit von der gegenwärtigen. Giebt es, will Paulus sagen, schon im Naturgebiete Himmels und der Erden eine so reiche Mannigfaltigkeit und Ver- schiedenartigkeit leiblichen Wesens, warum sollte es dem Schöpfer aller Creaturen unmöglich sein, den auf- erweckten Todten einen solchen Leib zu geben, wie er Erben des ewigen Lebens gebührt? Falsch ist der Schlusz von der Beschaffenheit des irdischen, sterblichen Menschenleibes auf die Leiblichkeit insgemein, ebenso falsch, wie wenn Einer sagte: weil das Fleisch des Viehes schwer ist und am Erdboden haftet, so können die Vögel in der Luft kein Fleisch haben; oder: weil der Erdkörper dunkel ist, so kann die leuchtende Sonne kein Körper sein; oder: weil das Gestirn des Orion in röthlichem Glanze funkelt, so kann die weißlich sgimmernde Milchstraße nicht aus Gestirnen bestehen. e er.) ( IN) Mit V. 42 folgt die Anwendung, welche das Ergebniß der Analogieen von V. 36——4l zusammen- faßt, indem sie auf beidem, der Aehnlichkeit des Vor- gangs mit dem Samenkorn und der Verschiedenartigkeit der Leiber zugleich fußt- ,,Also auch gehet es zu bei der Auferstehung«: es wiederholt sich da, was dem irdischen Samenkorn begegnet, nämlich, daß der in ihm beschlossene Keim eines neuen Gebildes entbunden wird; aber nicht blos dies, sondern es geschieht damit zugleich die Verwandelung in eine ganz andere Art von Leib, was bei dem Samenkorn noch nicht der Fall ist, wozu aber die Möglichkeit für die göttliche Allmacht durch den Hinweis auf die von ihr bereits geschafsenen verschiedenartigen Leiber oder Körper genuåsam erwiesen ist«. (Burger.) Die Beschreibung er nterschiede des jetzigen und des Auferstehungs- Leibes bewe t sich in schöner Symmetrie, in leichter Folge der Hauptglieder und ihrer Gegensätzz und flicht die bil lichen und eigentlichen Ausdrücke (gesäet — auferstehen) gemäß ihrer inneren Verwandtschaft sinnvoll zusammen. Das ,,verweslich« ist nicht blos auf den gestorbenen, sondern auf den sterblichen Leib überhaupt zu beziehen; es ist dies das erste Merkmal des irdischen Leibes, ihm tritt der stärkste Ge ensatz, die Unverweslichkeih gegenüber, dieses größte under und tiefste Räthsel für die Vernunft, die nur vom irdisch-materiellen und also auflösbaren Körper weiß. Auch das »in Unehre« ist auf die Unvollkommenheit des ganzen irdischen Zustandes, der nur im Tode seine Spitze erreicht, zu beziehen; es liegen darin die demüthigenden Unvollkommenheiten und Gebrechen, denen der Leib als ein Leib des Todes ausgesetzt ist (vgl. ,,nichtiger Leib« in Phil. 3, 21), und tritt diese Unehre am allerstärksten in dem Abscheu und Grauen erregenden Stand der wirklichen Entseeltheit und Ver- wesung und in der Erniedrigun unter die Erde her- vor. Der Gegensatz: »Herrlichkeit« bezeichnet sichtbare Vollkommenheit, die Schönheit und Würde, welche den Adel des Geistes, die Herrlichkeit des göttlichen Eben- bildes und der göttlichen Jnwohnung widerstrahlt. Die zudritt hervorgegobene ,,Schwachheit« des jetzigen Leibes begreift alle ingeschränktheit des Willens in sich; auch sie vollendet sich im Zustande und unter der unüberwindlichen Gewalt des Todes, der die absolute Entkräftung ist. Der höchste Aufschwung erueuter und erhöheter Lebenskraft tritt in der Auferstehung hervor und begleitet die erneueten Leiber auf dieser höchsten Stufe des sie erfüllenden Lebens. (Osiander·) f) Luther hat hier wie in Kap. 2,-14 statt seelisch übersetzt ,,natürlich«, und das insofern richtig, als der seelische Leib allerdings der je t uns natiirliche ist; aber das Eigenthümliche der «» ezeichnung ist damit verwischt, indem dem ,,seelisch« ein »getftlich« ent- gegengesetzt wird. Ein seelischer Leib nun ist ein solcher, wie er für das Leben des noch seelischen Menschen sich eignet, während der geistliche Leib der Art des nun geistlich gewordenen Menschen entspricht: was aber ist seelischer und was geistlicher Mensch? Paulus beruft sich auf die Worte aus der Schöpfungs- eschichte: »und also ward der Mensch eine lebendige eele«; diesen Worten gemäß ist der Mensch in den zwar guten, aber gewissermaßen noch unentschiedenen Stand hinein geschaffen, wo die S e el e , dieses Einigungs- band zwischen Geist und Leib, die annoch bestimmende Macht über beides war, derjenige Stand hingegen, wo der in dem Gotte seines Ursprungs lebende und webende Geist die Personenmacht bildet, die den Leib und die Seele bestimmende und sie einigende Macht, war nur erst noch das Ziel seiner Berufung. Dieses Ziel ist nun sowenig erreicht worden, daß der Mensch, statt geistlich zu werden, vielmehr s eelis ch und sleis ch- lich geworden, d. i. ganz und gar bestimmt von seiner dem Geiste entfallenen und in bestimmungswidriger Weise selbstisch auftretenden Seele und der dem Geiste entfallenen und aus einem materiellen zu einem grob materialischen ewordenen Fleische; der Geist ist da nicht, was er ein sollte, die persönliche Macht des Gesammtlebeus, sondern nur noch Bewußtsein des durch die Seele zusammengehaltenen Einzellebens Aber darum hat Gott dem Menschen seine Bestimmung nicht ent ogen, er hat sie vielmehr vollkommen in dem zweiten dam, in Christo Jesu, erfüllt; den hat er, wie Luther überse t, gemacht in’s geistliche Leben, in- dem in ihm das ort, das im Anfange bei Gott war, Mensch geworden und damit gleich von Haus aus der mit Gott eeinte Geist die personenbildende und be- stimmende iacht gewesen ist, die über Seele und Leib waltete, um sie in das geistliche Leben hinein u ziehen. Jn der Auferstehung nun hat der Geist Christi jegliche DerUnterschied des ersten u. zweitenAdam bestimmt auch den Unterschied des jetzigen u. künftigenLeibes. 289 Schranke abgestreift, die ihn noch nicht vollkommen als lebendigmachenden Geist erscheinen ließ, und ist in der Himmelfahrt mit dem heil. Geist in Eins zusammen- gegangen, den er von da an als seinen Geist mittheilt, um unsern Geist seinem wahren Wesen zurückzugeben, ihm die Obmacht über das seelische und fleischliche Wesen in und an uns zu verschaffen und fchließlich auch unsern nichtigen Leib zu verklären, daß er ähn- lich werde seinem verklärten Leibe. Der von Gottes Hand gebildete menschliche Leib, schreibt Delitzsch, ist, seit er materialisch geworden, wie ein überkrustetes Mysteriumz daß dieses nicht zur Freude aller Wesen einmal offenbar werden sollte, ist ganz undenkbar, die Auferstehung wird es einmal in’s hellste Licht stellen. Aber uns schon jetzt eine deutliche Vorstellung von den geistlichen Leibern der Auferstandenen zu machen, sind wir außer Stande und sollen es auch nicht ver- suchen, wenn wir nicht sofort unsere Ohnmacht und Beschränktheit zu unserm Schaden inne werden wollen. 46. Aber der geistliche Leib ist nicht der erste sdaß gleich mit ihm die Geschichte der Menschheit bei Adams Erschafsung hätte beginnen können], sondern der tiatitrlichc soder seelische Leib ist der erste]; darnach [erst,« nämlich wenn die Geschichte der Menschheit zu ihrem Ziel und Abschluß kommt, kann] der geistliche serfolgenx das mögen diejenigen sich gesagt sein lassen, die etwa einzuwenden ge- dächten, daß, wenn der Mensch auf seiner höchsten Stufe für einen geistlichen Leib bestimmt sei V. 44, es ja besser gewesen wäre, Gott hätte ihn gleich damit ausgestattet und es gar nicht erst zu dem natiirlicheii Leibe kommen lassen]. 47. sEin solcher Einwand ist um so unge- reimter, wenn man die Person dessen ansiehet, der im Gegenfatz zum ersten Menschen den an- deren bildet V. 4.] Der erste Mensch ist von der Erde nnd irdisch [wie er seinen Ursprung von der Erde nahm, so konnte er auch der Beschaf- senheit seines Leibes nach nur irdisches Gepräge an sich tragen]; der andere Mensch ist der HErr vom Himmels sder von dort herabgekommene Sohn Gottes, der wohl zu einer gewissen Zeit Mensch werden, aber nicht von Haus aus und seinem eigentlichen Wesen nach Mensch fein kann, weil er eben schon etwas Anderes war]. 48. sNun aber dieser einmal in die Reihen der Menschelikinder eingetreten ist und das zweite Hauptglied der ganzen Kette bildet, so daß er wie ein zweiter Stammvater, wenn auch nur als ein geistlicher, dasteht, so muß sich auch das noch answirken, daß wir ebenso von seinem Fleisch und Gebein sind Ephes h, 30., wie wir Fleisch und Gebein sind des ersten Adam; und daraus nehmet euch noch bestimmter Antwort aus die Frage ab V. 35: ,,mit welcherlei Leibe werden die Todten kommen?«] Welchcrlei der irdische sAdams ist, solcherlei sind auch die irdischen [die leiblich von ihm herstammenL und welcherlei der himmlische [vom Himmel hergekommene und nun wieder zum Himmel erhöhete] ist, solcherlei sind DiichsePs Bibelwerk V11. Band. anch die himmlischen sdie aus ihm geboren sind Joh. 2, 20 und im Sterben zu ihm entriickt wurden 2. Corx b, 8, wenn es nun zu ihrer vollen Ausgeburt in der Auferstehung kommt]. 49. Und wie wir ssolange wir in diesem jetzigen Leibe wohneten «2. Cor. b, S] getragen haben das Bild des irdischen sStannnvaterss also werden wir auch tragen das Bild des himmlischen sdenn unser künftiger Leib wird seinem verklärten Leibe ähnlich fein Phil. Z, 21]. 50. Davon sage ich aber, lieben Bruder sum von hier aus, wo ich nun bei der Vollendung des Reiches Gottes angekommen bin, euch noch ausdrücklich auf die hohe Wichtigkeit der Auf- erstehungslehre aufmerksam zu machens, daß Fleisch Und Blut sunser ganzes xetziges Wesen, da wir nicht blos Fleisch und Blut an uns tragen, son- dern auch so vielfach davon noch bestimmt werden] nicht können das Reich Gottes: ererben; auch wird das Verwesllche sm dem wir Ja doch ein-mal noch stecken, wenn wir auch nach dem Ewigen uns ausstrecken] nicht erben das Unverwesliche" lson- dern es muß ein Verwandlungs- und Verklärungs- prozeß mit uns vorgehen, wie er eben durch die Auferstehung sich vollziehts V) Jst denn nicht auch der Geist des ersten Men- schen, indem er ihm von Gott eingehaucht wurde, himmlischen Ursprungs, und ist denn nicht auch die Leiblichkeit Christi, da er aus Maria geboren ward, irdischen Ursprungs? Beides ist wahr: der erste Mensch hatte eine himmlische und der letzte Mensch hat eine irdische Seite seines Wesens; auch die Leib- lichkeit des Erhöheteih obwohl himmlisch umgebildet und in die Gottheit aufgenommen, ist doch, aus ihren Ursprung gesehen, keine andere, als die in Maria angenommene. Die Gegenüberstellung des Apostels besteht aber doch in ihrer ganzen Schärfe, sie gilt den rund- und wesensverschiedenen Anfängen der beiden nfänger der Menschheit: der eine nahm, indem Gott der Schafsende vorerst Staub von der Erde zu einem Menschenkörper formte, einen dinglichen, irdisch en Anfang, der andere dagegen einen persönlichen, himmlischen, indem Gott der Erlösende sich aus freier Selbstmacht in den Schooß der Jungfrau senkte; der eine wurde Person, indem der geschöpfliche Geist sich mit dem ohne sein Zuthun entstandenen Körper einte, der andere war schon Person, als er sich zum Subjekte einer nicht ohne sein Wollen entstehenden Menschennatur machte. Während also dem einen die Aufgabe gestellt war, die seinem Wissen und Wollen zuvorgekommene irdische Grundlage seines Daseins geistig zu bemeistern (eine Aufgabe, welche er erfüllen konnte und auch nicht erfüllen konnte, und in Wirk- lichkeit nicht erfiillt hat), ist der andere gleich von vornherein Herr· im Bereiche des menschlichen Wesens, in welches er, vom Himmel herniedergekommem kraft bewußten freien Wollens, ohne fiel) selbst zu verlieren, eingegangen ist, und obwohl sein Geist den Leib nicht sofort verklärt, so ist er doch in Kraft des göttlichen himmlischen Jch, welches in ihm sich menschlicher Weise seiner selbst bewußt wird, gleich von vornherein Macht und Bürgschast der unausbleiblichen Verklärung- (Delitzsch.) If) 290 1. Corinther 15, 51-——58. «) Ebensowenjg wie Fleisch und Blut, worin unsre Adamsnatur sich zusammenfaßh an Christum glauben können (Matth. 16, 17), können sie das Reich Gottes ererben; auferstehen können und werden Fleisch und Blut der Verdammten, aber nicht zum Ererben des Reichs, sondern zur Pein des ewigen Feuers. Damit aber Fleisch und Blut zum Ererben des Reichs auf- erstehen, muß die jetzige Fleisch- und Blutart auf- gehoben werden, erstlich durch die geistliche Wieder- geburt im Taufgrabe, darnach durch die leibliche Ver- wandlung im Erdengrabe, auf daß ein geistlich Fleisch und Blut daraus werde nach der Weise des Fleisches und Blutes unsers HErrn Jesu Christi. (Besser.) Innerhalb der einmal geschaffenen Welt fällt keinem- ziges Atom jemals der Vernichtung anheim; die Grundstoffh aus denen der nun verweste Leib bestand, sind also noch vorhanden, und der Allwissende weiß, wo sie sind, und der Allmächtige kann sie wieder sammeln· Sie haben aber unterdeß mitsammt der Naturwelh in welcher sie aufbehalten sind, den Feuer- Prozeß erfahren, aus welchem Himmel und Erde in lichter Verklärung hervorgehen: aus dieser Welt der Verklärung bringt Der, welcher uranfangs den Leib des Menschen aus Erde Edens gebildet hat, die Grund- stofse unsrer Leiber wieder zusammen, in gleicher Be- stimmtheit der sie durchwebenden Kräfte und gleicher Mischung der wesentlichen Bestandtheile, soweit diese Bestimmtheit und diese Mischung, die nach Abzug der Sünde mit ihren Voraussetziingen und Folgen übrig bleibende Individualität des Einzelnen bedingen, und die mit diesem Leibesgebilde wieder zusammengeführte Seele nimmt Besitz davon, wie eine Königin von ihrem Thron, durchdringt ihn mit ihrem himmlischen Licht und macht ihn zur durchsichtigen Erscheinung ihres geistlichen Wesens, und schließt sich mit ihm als dem Ziele ihres Sehnens zu einheitlicher Selbstvollendung ihrer Persönlichkeitzusammen (Delitzsch.) Das Wort: ,,Auserstehung des Fleisches« im apostolischen Glaubens- bekenntniß will blos besagen, daß derselbe Leib, den wir hier als Fleisch getragen haben, auferweckt wird, nicht aber, daß er auch dann noch Fleisch sein werde. (Burger.) 51. Siehe, ich sage euch ein Geheimniß sdas durch göttliche Offenbarung mir kund geworden Röm. 11, 25]: Wir werden nicht alle [im Tode] entschlafen sund also nicht alle durch Wieder- erweckung zu einem geistlichen Leibe gelangen], wir werden aber alle [die wir diesen Prozeß nicht durchmachen] verwandelt werden sum dadurch auf gleiche Stufe mit ihnen erhoben zu werden]. 52. Und dasselbige sdies Verwandeltwerden, wird geschehetq plbtzlich in einem Augenblick, zu der Zeit der letzieu Posaune-« [die das Ende des gegenwärtigen Weltlaufs ankündigt Jes. 27, 13]. Denn es wird die Posaune schallen, und die Todten werden anfersiehen nnverwesliclz und wir [die wir dann noch im Leben da sind] werden [dahin] ver- wandelt werden [daß aus unserm annoch natür- lichen Leibe der geistliche wird oder das Leben das Sterbliche an uns verschlingt 1. Thess. 4, 15ff.; 2. Eor. 5, 4]. 53. Denn dies Vetwesliche sdas wir im irdischen Leben an uns tragen] muß ssei es nach einer vorausgegangenen Entkleidnng, sei es durch eine sofort erfolgende Ueberkleidung L. Cor. s, 2ff.] anziehen das Unverweslichh und dies Sterbliche muß anziehen die Unsterblichkeit« sanders kann das Reich Gottes nicht zu seiner Vollendung gelangen]. 54. Wenn aber dies Verwesliche wird an- ziehen das Utiverwesliche und dies Sterbliche wird anziehen die Unsterblichkeit, dann wird erfüllet saus einer vorerst nur noch verheißend auftretendeit Weissagnng zu einer vollendetem auch gefchichtlich nun eingetretenen Thatfache umgeschaffen] werden das Wort, das geschrieben stehet [Jes. 25, 8]: 55. Der Tod ist verschlnngen in den Sieg sbeim Propheten hat unsere deutsche Bibel dafür: ,,ewiglich«]. Tod, wo ist dein Stachel swomit du die Lebendigen getödtet]? Hölle [du Ort der Todten Hiob 7, 9 Anm.], wo ist dein Sieg"*? sso wird es dann heißen im Anschluß an Gottes Zusage in Hof. 13, 14; denn beide sind dann in den feurigen Pfuhl geworfen Offb. 20, 14 und also dem Satan zurückgegeben, der über die nun völlig erlöste Menschheit in alle Ewigkeit keine Macht mehr durch sie beweisen soll Hebr. 2, 14; Offenb. 6, s; 21, 4.] 56. Aber der Stachel des Todes [das- jenige, um dessentwillen der Tod Macht hatte zu tödten Röm. H, 12 ff.] ist die Sünde; die Kraft aber soder das Mächtigmachende Er- regende] der Siinde ist das Gesetz [Röm. 7, 7 ff., wie ineine Predigt des Evangelii euch das schon früher auseinander gefetzt hat]. 57. Gvtt aber sum auch daran euch zu erinnern, was den Inhalt meines Evangelii selber bildet] sei Dank, der Uns sdurch Aufhebung zuerst der Sünde und des sie erregenden Gesetzes und zuletzt auch des Todes und der in seinem Gefolge befindlichen HölleJ den Sieg gegeben hat, [ihn uns gegeben hat] durch unsernHErrn Jesam Christum-s V) »Ist« das vorhin Ausgesprochene richtig, was « wird dann mit denen geschehen, die der Tag des HErrn nicht als...Gestorbene, sondern noch auf Erden lebend antrifft, so daß sie nicht auferweckt werden können?« Dieser Punkt war nicht Inhalt der Frage in V. 35., der Apostel will aber auch hierüber sie nicht ohne Aufschluß lassen; nun theilt er ihnen denselben mit als ein Geheimniß, d. h. nicht als eine Lehre, die geheim zu halten sei, sondern als eine solche, die nur durch göttliche Offenbarung bekannt wird. (Burger.) Dies Geheimniß hat wesentlich den Inhalt, daß mit denjenigen, welche die Zukunft des HErrn erleben, eine Verwandlung vorgehen werde, wodurch sie zur Theilnahme am Reiche Gottes gleich den aus dem Tode Erweckten geeignet werden, daß also auch in Beziehung auf sie das in V. 49 f. Gesagte seine Gel- tung habe; unter dem Verwandeltwerden nun versteht er den unmittelbaren Uebergang aus dem Zustand der irdischen Leiblichkeit in den der himmlischen, ohne den vermittelnden Prozeß des Sterbens und Auf- erwecktwerdens aus dem Tode, welcher in einer solchen, alle zeitliche Währung ausschließenden Weise erfolgt, Verwandlung derer, die im Leben noch da sind, wenn Christus vom Himmel erscheint. 29l das; ein Sterbensprozeß gar nicht stattfinden könne. Hiermit ist freilich eine vorangegangene Befähigung, eine Vorbereitung dieser Verklärung durch die Wirkung des Geistes Christi nicht ausgeschlosseiq es wird nur gesagt, daß diese Verklärutig augenblicklich hervortreten werde. (Kling.) Ob er selbst, Paulus, unter den Entschlafenen, welche auferstehen, oder unter den Ueberbleibendem welche ohne Auferstehung verwandelt werden, den Tag des HErrn sehen sollte, stellt er Gott anheim: hier begreift er sich mit unter diese, gleichwie in Kap. G, 14 unter jene. (Besser.) Er faßt mit den- jenigen sich zusammen, welche der Schall der letzten Posaune lebendig betrifft, weil er zu der lebend en Gemeinde redet, welche gleich ihm des Endes dieses ge enwärtigen Weltlaufs stets gewärtig sein muß, so da? die aus ihr Hinwegsterbenden nur als Einzelne erfcheinen, die diesen ihm unsern bevorstehenden Ans- gang ihrer Wartezeit (Kap. 7, 29) nicht miterleben. (v. Hofmann.) Inwiefern diejenigen, welche bei Christi Erfcheinung vom Himmel eine plötzliche Umsetzung aus dem einen Lebensstande, in dem sie sich noch befinden, in den andern durch Wandelnng erfahren werden, hierzu schon vorbereitet sind, gehtdaraus hervor, daß ja Christi Erscheinung von1 Himmel nach der Gestal- tung der letzten Dinge, wie sie in Offb. 19,11—21, 8 beschrieben wird, nicht unmittelbar nach dein Sturz des Antichrist und seines Reiches erfolgt, sondern zwischen ihr und diesem Ereigniß erst die Aufrichtung des tanfendjährigen Reichs liegt, welche die Bindung des Satans, die Auferweckung der Auserwählten und deren Herrschaft mit Christo in sich schlieszt; das alles sind Momente, welche sowohl für die Erde selbst als fiir die auf ihr noch lebende Gemeinde eine Ver- klärnng ihres gegenwärtigen Wesens in ähnlicher Weise vorbereiten, ja theilweis schon hervorbrechen lassen, wie einst der HErr eine solche vorläufig auf dem Berge erfuhr (Matth. 17, 1 ff.). H) Aufs Klarste und Empfindlichste ist Paulus deß gewiß, daß ein Christ, der Fleifch und Blut hat, in ein gar anderes, neues Wesen umgekle1det werden muß, um einzugehen in das herrliche Reich Gottes; aber eben so gewiß weiß er, daß eben dies Verwes- liche und dies Sterbliche das Pfand der Verklärung in Unverweslichkeit und Unsterblichkeit besitzt, vgl. 2. Cor. 5, 5. (Besser.) Wenn wir nicht Jesnm Christum und den neuen Menschen von Tag zu Tag anziehen, so kann das Verwesliche und die neue un- verwesliche Menschheit des verklärten Heilandes nicht so flugs zusammengegossen werden: wer der erwünschten Veränderung will theilhaftig werden, der muß sein Herz hier ändern lassen. (Berlenb. Bib.) VI) Ganz ergriffen von seinem erhabenen Gegen- stande redet der Apostel in einem herrlichen Triumph- gesange den Tod und die Zerstörung als die furcht- barsten, letzten Feinde Christi an (V. 26); er zieht da zwei Prophetenstellen in Eins, verändert beide etwas und führt sie nur dem allgemeinen Sinne nach an. Durch nichts ist man berechtigt, in diesem ganzen Ab- schnitt eine Andeutung der endlichen Errettung aller Verdammten zu finden; es ist hier überall lediglich von der endlichen Vernichtung des Todes in dem Reiche Christi, also an den Seinigen, die Rede. (v. Ger- lach.) Einen solchen Triumphgesang wie er hier vor- liegt, kann keine Weltweisheit anstimmen; nur die Thatsache der Erlösung stimmt mit solchen Liedern. (Heubner) s) Von der Höhe der Heilsvollendung blickt der Geist zurück auf die Hemmungen desselben, auf den Gegensatz des Heils in feinen wesentlichen Momenten; dadurch wird er immer anf’s Neue erweckt zum Preis der Gnade Gottes, die durch Jesnm Christum diese Hemmungen hinwegräumt und den Sieg giebt, in welchem das volle Heil, die Erfüllung aller Ver- heißuiig beruht. Durch drei unzertreiinlich zusammen- hängende Stufen geht die Verwirklichiing des Heils hindurch: Abthtin des Gesetzes, der Sünde, des Todes. Das Gesetz wird als das den Widerspruch gegen Gott hervorrufende und steigernde abgethaii durch die Er- weisung oder Offenbarung der vollkonimenen Liebe Gottes, der den eingeborenen Sohn, den Heiligen und Gerechten, bestimmte, den Fluch des Gesetzes, den Zorn und die Strafe auf sich zu nehmen und zu erduldeii und also uns zu erlösen von Fluch und Gericht und uns das Gerechtsein vor Gott zu vermitteln, da alles vergeben und damit eine Liebesgemeinschaft hergestellt ist, welche die Theilnahme an der göttlichen Herrlich- keit mit sich führt. Jn Kraft dieser Liebesofsenbarung wird das Gesetz aus einer Summe von strengen Ge- boten und Verboten mit schrecklicher Drohung für Uebertreter zu einer Kundgebung des Willens des in Christo gnädigeu Vaters, welcher« erkannt ist als der, der in allem es gut meint, also uns nichts untersagt, als was uns schädlich und verderblich ist, uns nichts thun heißt, als was nöthig und heilsam ist, uns nichts zu leiden auflegt, als was zu unserm Besten dient, also uns züchtigt, weil er uns lieb hat. Damit ist die Kraft der Sünde gebrochen, und ein immer mehr erstarkender Liebestrieb, welcher der entgegenstehenden Regungen und Reizuiigeii immer völliger Meister wird und das ganze Leben mit feinen Organen und Kräften mehr und mehr entschieden und ungetheilt, willig und freudig in den Dienst der heil. Liebe hingiebtp führt zur Heiligung des ganzen Ptenschen Eben dadurch wird aber auch dem Tode sein Stachel genommen: er ist für die Gläubigen und der Heiligung Nachja enden nicht mehr. die Pein und Grauen erregende, Herein- samung und Verödung mit sich führende Lebensans- löfung, sondern ein Eingehen in die Ruhe Christi, welches zu einer herrlichen Lebenserneuerung führt, in der dann der vollkommene Sieg über den Tod und damit die Vollendung des Heils zur Erscheinung kommt. (Kling.) 58. Darum, meine lieben Bruder, [in herz- licher Dankbarkeit für das, was Gott durch Jesnrn Christum für uns und an uns gethan hat V. 57] seid fest lim Glauben V. 1s.]- unbeweglich [von der Hoffnung des Evangelii, indem ihr weder aus eigener Bewegung jenen fahren lasset, noch durch fremdes Gerede an dieser irre werdet] nnd nehmet immer fund nach allen Seiten hin] zu in dem Werk des HErru sin der Thätigkeit und Wirk- samkeit für den HErrn, dessen Diener ihr seid Kap. 16, 10; 12, 5], sintemal ihr saus dem, was das Evangelium euch für Aussichten in die Zukunft eröffnet] wisset, daß eure Arbeit [eure dem Werke des HErrn gewidmete Arbeits-weihe] nicht vergeblich ist in dem HErrn sin dessen Ge- meinschaft ihr stehet und der nun durch euch und in euch alles herrlich hinaussührt, was zur Voll- endung feines Reiches noch zu geschehen hat 2. Chron. l5, 7]. Der Hymnenton geht, dem praktischen Geist des Apostels und der Lehre von der Auferstehung gemäß, zuletzt noch über in den paränetischen und der pro- phetische Blick über in den ethifchen; es fordert aber 19"4« 292 1. Corinther 16, 1——9. diese Schlußerinahnuug das rechte Dankopfer des Herzens und des Lebens. (Osiander.) Fest wird man und unbeweglich wird man, wenn man sich nur immer an’s Centrum hält. (Berlenb. Bib.) Solange man nicht sucht, im Christenthum zur Festigkeit zukommen, wohlbegriindet im Glauben auf den Fels Christum und unbeweglich wider die Sturmwinde der Versuchungen (Ephes. 4, 14), solange ist die Arbeit in Uebung des Christenthums größtentheils vergeblich, ja nicht sowohl eine ernstliche Arbeit, als vielmehr Trägheit und schläfriges Wesen. (Starke.) Wer dagegen die Wur- eln des ewigen Lebens durch Erkenntnis; unsers HErrn Zesii Christi in sich bewahrt, der kann gegen die innere Flatterhastigkeit feststehen, ge en äußere Versuchungen unbeweglich sein 1ind dem årmüden entgehen, viel- mehr zunehmen in dem Werk des HErrn, davon der Glaube das Triebrad zu allem Uebrigen ist. (Rieger.) Das Werk des HErrn ist: a) was er in uns wirkt, b) was wir in seiner Kraft vollbringen; des HErrn Werk in uns nun gelingt sicher, er läßt aber auch dem Christen sein Werk nie mißlingen. (Heubner.) Das 16. Kapitel. Von Sammlung einer steuer fiir die dürftigen Christen zu Jerusalem. B. De: Schiuß d« crpisikt tragt zunacha eine tetuporelle und loliale Anordnung nach, die sitt) an den Schlußoers des vorigen tiapitels lressend ansthließt und mit der wiederum die Jtntiündigung des Reises-lang, wie Paulus gegenwärtig ihn vorhat, insofern ini Zusammen— hang sieht, als ja die Genieinde wissen muß, bis wann sie ihn zu erwarten habe, um sieh darnach einzurietsten W. 1 bis 9). Es folgen deninäctjsi eklahnungenin Beziehung auf das Verhalten der Corinther gegenüber- dem Tiinotheusz der bereits zu ihnen entsendet sei, uiid Kndeutungen da- riiber, warum Apollo, ungeachtet die Gemeinde ihn gern wieder bei sich gehabt hätte, den itebecbringern des Briefes sich nicht zugesetlt habe; diese Jtndeutungen liegen mittel- bar verborgen in dem unmittelbar folgenden Wort, womit der Apostel aus tzeharrlichlieit tin Glauben und auf das Wandeln in der Liebe bei den Corintherii dringt (V. 10 bis l4). Wenn nun aber auch Apollo nicht lioniint, so smd es doch andere, und zwar um die Gemeinde doppelt net— diente Glieder derselben, die den Brief überbringen, solche, dle auch jetzt wieder, da sie bei paulo gewesen sind, den Gorinthern einen grossen Dienst gethan haben und deshalb von ihnen besonders in Ehren zu halten sind (b.15—18). Den eigentlichen Jlbschtusz des ganzen Sendschreibens bilden, wie gewöhnlich, Größe, die dei- Briessteller auszurichten hat und denen er dann den seinigen beifiigtz er thut es aber hier mit besonderem Ernst und in einer eigcnthiiiiilichen form (V. 19——24). 1. Von der Steuer sCollekte Apostg. 20, 6 Anm.] aber, die den Heiligen gcschiehet sden Armen in der Gemeinde z1i Jerusalem zu gute kommen soll Röm. 15, 26., um zum Schluß auch von dieser Sache, die ich bei euch angeregt habe L. Cor. 8, 10., ein Wort zu sagen], wie ich den Gemeinen »in Galatien smit welchen ich durch Silas in beständiger Beziehung stehe Apstg 16, 3 Anm.] geordnet habe, also thut auch ihr snämlich so, wie ich jetzt sagen werde] Z. Auf je der Sabbather einen sd. i. auf jeden ersten Wochentag oder Sonntag Joh. 20, 1 Anm.] lege bei sich selbst sdaheim in seinem Hause] ein jeglicher unter euch und sammlc slege auf- sammelnd bei sich nieder], was ihn gut dünkt [nach anderer, gewöhnlicher Lesartx was ihn: glück- lich gehet, tvas er durch glücklichen Erwerb ge- tvonnen Apostg. 11, 29; 2. Cor. 8, 12], auf daß nicht, wenn ich komme, dann allererst die Steuer zu sammeln sei« [sondern auf Grund der schon bereit gehaltenen Ersparnisse ohne viel Umstände bewerkstelligt werden könne]- 3. Wenn ich aber smemem in V. 5 ff. an- zugebenden Reiseplan gemäß] dar sbis zu euch nach CoriiithJ kommen bin, welche ihr durch Briefe sdie ihr ihnen mit auf den Weg zu geben gedenket] dafur sdaß sie die Ueberbringer zu sein sich eignen] anseheh die will ich sals der Veranstalter dieser ganzen Collektem womit ich niich einer eigens übernommenen Pflicht Gal. L, 10 entledige] senden, daß sie hinbr1ngen eure Wohlthat soder Liebesgabe 2- Cor 8, 4- 6 f· 191 gen Jerusalem. 4. So es aber [was die Gemeinden meiner Stiftung bei dieser Steuer aufbringen, nach Maß- gabe seines Betrags] werth ist, daß ich auch hin- reife [nach Jerusalem und der persönliche Ueber- bringer der verschiedenen Collekten werde], sollen sie seure Abgeordneten] mit mir reifen« sdenn daran ist mir, um böse Nachreden zu verhüten, auf jeden Fall gelegen 2. Cor. 8, 20 f.]. V) Der Apostel ist nun mit allem zu Ende, was er der Gemeinde, sei es von selbst oder auf Anlaß ihrer brieflichen Ansragen und Aeußerungem aus dem Schatz seiner christlichen Erkenntnis; an Rüge oder Ermah- nung oder Belehrung darzureichen hatte; sie hatte ihn aber, wie der Uebergang: »von der Steuer aber« (vgl. Kap. 7, 1. 25; 8, 1; 12, I) zu erkennen giebt, auch ferner wegen einer von ihm (aus der in der Apostelgeschichte nicht erzählten Reise im Sommer des Jahres 56 —- s. zu Kap. I, 2 Anm. 1) veranlaßten Sammlung befragt, wie es mit ihr zu halten sei, und als er in Kap. 15, 58 schrieb: ,,nehmet.iminer zu in dem Werke des HErrn,« hatte er wohl bereits in Ge- danken, daß er nun zur Beantwortung dieser Frage übergehen wolle. Daß nun aber der Apostel seine Weisung, wie es mit dieser Sammlung gehalten werden soll, nicht giebt, ohne beizufügen, daß er in den Ge- meinden Galatiens dieselbe Anordnung getroffen habe, kann nur den Zweck haben, den Lesern bemerklich zu machen, daß er damit nicht etwa nur einem augen- blicklichen Belieben folge, sondern seinen guten Grund habe, es so und nicht anders gehalten wissen zu wollen; von der in Galatien veranstalteten Sammlung lag ohne Zweifel das Ergebnis; bereits vor (und dies hatte das Jnteresse der Corintlser um des Silas tvillen der von ihnen aus nach Galatien gesendet worden war und ·dort so gute Resultate seines Wirkens er- zielt hatte, in besonderem Maße erregt). An jedem ersten Wochentage, so lautet die Anordnung, soll jeder bei sich daheim zurücklegen, was ihm als Ersparniß und Gewinn zurückzulegen gelingt; der Einzelne soll sich also dessen, was er für die Sammlung bestimmt, nicht sofort entäußern müssen, daß es, wenn er es Schluß der Epistel Anordnungen wegen der Steuer und Reiseplan des Apostels. 293 etwa selbst noch bedürfen sollte, nicht mehr zu seiner Verfügung stünde, sondern es soll nur vorgesehen sein, daß bei des Apostels Ankunft das Ausgesparte ledig- lich zusammengelegt und nicht durch dann erst anzu- stellende wiederholte Sammlungen eine Summe zu- sammengebracht zu werden braucht (v. Hosmanns Wenn auch hier nicht, wie in Apostelgeschichte 20, 7, ausdrücklich von einer gottesdienstliiijen Versammlung am Sonntag die Rede ist, (denn ,,bei sich selbst« sollte ein jeglicher etwas einlegen und aufsammeln), so läßt sich doch merken, daß eben der Sonntag ein Collekten- tag der Gemeinde war: wie man an diesem Versamm- lungstage den öfsentlichen Gotteskasteii bedachte, so sollten am selbigen Tage zu Hause, etwa in eine Büchfe für Jerusalem, die Corinther einen Sammelpfennig einlegen; denn an diesem Tage, ssagt Chrysostomus, sind die himmlischen Güter kund geworden und ist die Wurzel unseres Lebens aufgegangen. (Besser.) » «) V. 3 ist richtiger so zu« ubersetzem »Wenn ich abersdarkommen bin, welche ihr dafür ansehet, die will ich durch Briefe (d. i. unter Mitgabe von Briefen oder Empfehlungsschreiben an diese und jene Personen der jerusalemischen Gemeinde) senden 2c.«; bei derjenigen Verbindung der Worte im Grundtexte, welche Luther nach Vorgang der älteren Ausleger be- folgt, hat das, daß Paulus sie senden will, keinen rechten Sinn. Wie der Apostel dadurch, daß er noch während seiner Abwesenheit die Sammlung vorbereiten ließ, den Verdacht abwendete, als habe er durch sein Ansehen das Geld von den Gemeinden erpreßh so wollte er damit, daß er ihnen die Wahl der Ueber- bringer überließ, ihr Vertrauen erhöhen; denn Klug- heit und Liebe geben gern Garantien, auch wo Andere nicht gerade niit einem schon vorhandenen Mißtrauen gegenüberstehen. Noch steht, wie wir hier lesen, jetzt, zu Ostern des Jahres 57, der Vorsatz, den Paulus in Apostelg. 19, 21 einige Wochen später, beiin Heran- nahen des Psingstfestes, ausspricht, ihm nicht fest; es ist vi mehr erst, wie V. 4 zu erkennen giebt, ein bei ihm sich anbahnender Gedanke, der dann zu einen: Entschluß sich entwickelt und schließlich sogar zu einem göttlichen Muß sich ausgestaltet (Apostg. 21, 10 sf.). Warum er nun hier die Reise nach Jerusalem für den Fall in Aussicht nimmt, daß die für die Heiligen daselbst zu sammelnde Collekte reichlich genug aus- fällt, so spricht sich darin ein Vorgefühh eine Ahnung aus, daß sich in der nachher wirklich erfolgten persön- lichen Ueberbringung durch den Apostel die Weissagung in Mal. I, 11 erfüllen follte (Apostg. 20, 6 Anm.); nur bei einem reichlichen Ertrag konnte Paulus mit der in seinen heidenchristlichen Gemeinden veranstalteten Sammlung am Pfingftfest d. J. 58 als ein folcher in Jerusalem sich einfinden, der das dort geweissagte »reine Speis-Opfer« von Seiten der Heiden auch in einer äußerlichen Gabe darbrachte, und ist nun sein Wort an die Corinther eine zarte Mahnung, sich eine reichliche Beisteuer am Herzen liegen zu lassen. Z. Jch will aber sin Abänderung meines ursprünglichen Reiseplans 2. Eor. 1, 15 f., wie ich ihn euch in meinem früheren Briefe Kap. 5, 9 mitgetheilt habe] zu euch kommen, wenn ich durch Macedonien snach Achaja] ziehe; denn durch Ma- cedonien werde ich ziehen swie ich mir niinmehr vorgenommen habe Apostg. 19, 21., statt daß ich früher direkt von hier aus euch besuchen wollte]. 6. Bei euch aber werde ich vielleicht swenn die Umstände darnach angethaii sind] bleiben slängeren Aufenthalt nehmen, im Gegensatz zu Macedonien, wo ich nur durchzureifen gedenke] oder auch wintern [vgl. hierzu Tit. 3, 12 und dazu die Auseinandersetzungen unter § 161 der Uebersicht über die Ereignisse des apoftol. Zeit- alters im II. Anh.], auf daß ihr [darnach, beim Ausdruck) im Frühjahr] mich geleitet smir das Geleit gebet Apostg. 20, 28], wo ich hinziehen werde sin dem V. 4 angegebenen Falle: nach Jerusalem Apostg. 19, 21; Röin 15, 25]. » 7. Ich will euch jetzt nicht sehen im Voruber- ziehen lwie es das vorige Mal, da ich bei euch war, geschehen ist Apostg. 19, Anm.]; denn ich hoffe, ich wolle sdies Bia»l] etliche Zeit bei euch bleiben, so es der HErr zulastt [Jak. 4, 13 ff.; Apostg. 20, ·2]. 8. Jch werde aber shier Kap. 15, 321 zu Ephesus bleiben bis auf Pfingsten salso noch 7—8 Wochen]. 9. Denn mir ist [an hiesigem Ort] eine große Thiir aufgciham die viel Frucht wirket iGelegenheit zu einem ebenso weitgreisenden und thatkrästigen Wirken gegeben, die ich möglichft mir zunutze machen muß 2· Cor.2,12; Col. 4, 3], und sind sdagegen auch] vielWidekwårlige da» sderen Be- streitung und Abwehr ich möglichft lange fort- setzen muß, um das Ergebniß meiner hiesigen Arbeit sicher zu stellen Apostg. 20, 18 ff.]. V) Die Worte: ,,Durch Macedonien werde ich ziehen« und: ,,bei euch werde ich vielleicht bleiben oder auch wintern« stehen zu einander im Gegensatz und sollen den Corinthern den Vorzug fühlbar machen, den er ihnen damit einräumt; das »vielleicht« macht nicht seine Absicht selbst zweifelhaft, sondern soll nur andeuten, daß die Umstände aus die Art ihrer Aus- führung noch Einfluß haben werden. Jn dein Satz: »auf daß ihr mich geleitet« hat das ,,ihr« den Nach- druck: sie sollen die Ehre genießen, ihm diesen Liebes- dienst zu erzeigen, weil er bei ihnen verweilen will; auch dies ist ein gewinnender Zug, der von feiner be- sonderen Liebe zu ihnen zeugt. (Burger.) Das; die Christen weiter ziehende Lehrer, wohl in einer Depu- tation der Gemeinde, aus Achtung und Liebe weiter geleiteten, zeigen mehrere Stellen: Apostg. 15, 3; 17, is; Röm. 15, 245 Joh. 6. (Kling.) Wenn Paulus sagt: ,,ich will euch jetzt nicht sehen ini Vorüber- ziehen«, so scheint das vorauszufetzem daß er sie früher einmal im Vorübergehen gesehen hatte, was ans seine in Apostg. 18, 1—18 berichtete anderthalbjährige An- wesenheit in Corinih nicht paßt; man wird also kauin zweifeln dürfen, daß es sich hier um eine Anwesenheit handelt, welche Lukas in der Apofteägeschichte ebenso übergangeii hat, wie noch einzelnes ndere aus dem Leben des Apostels. (Wieseler.) Die Worte in V. 5: »denn durch sJiacedonien werde ich ziehen« find im Grundtext durch die Zeitwortsform der Gegenwart im Präsens ausgedrückt: ,,durch Macedonien ziehe ich«; diese Form bezeichnet das Gegenwärtige als in der Vorstellung gegenwärtig, d. i. als ganz gewiß ge- dacht. Jndem man aber die Worte fälschlicher Weise dahin aufsaßte: »ich bin (eben jetzt) auf der Reife durch Macedonien«, ist daraus die falsche Angabe in der Unterschrift entstanden, daß der Brief von Philippi aus geschrieben sei. (Meher.) 294 l. Corinther 16, 10——19. «) Rechte Christen geben Acht auf des HErrn « Stunde: eine treffliche Uebung, daß man immer lernt in der Dependenz Abhängigkeit) bleiben! Wer nicht sein eigener Herr ist, der wendet weder seine Zeit noch Güter an, wie er will, sondern wie der HErr will, auf dessen Wink er siehet. (Berlenb. Bib.) Wenn an volkreichen Orten von rechtschaffenen Predigern der ganze Rath Gottes kräftig vorgetragen, solcher dadurch auch mit ihrem eigenen Wandel bekräftigt wird und ihnen Gott in dieser Ordnung eine Thür zur Be- kehrung Inancher Seelen öffnet, regt sich der Satan gemeiniglich dawider in seinen Werkzeugen; dadurch wird die geöffnete Thür eher noch mehr erweitert, sintemal der Widerspruch Nachfrage und Aufmerksam- keit erweckt und diese Ueberzeugung bringt (Phil. l, 12 ff.). Ein treuer Diener nun muß den Feinden nicht weichen; wer fiel) über die Widersetziingen und Verfolgun-gen wundert, vergißt, daß er ein Diener des Gekreuzigten ist. (Starke.) 10. So Timoiheus kommt [den ich, wie schon in Kap. 4, 17 erwähnt, zu euch gesendet habe und der wohl bald nach Eingehen dieses Briefes bei euch eintreffen wird], so sehet zu, daß er ohne Futchi bei euch sei sindem ihr nicht etwa so euch zu ihm stellet, als könntet ihr ihn nicht für voll ansehen, wodurch er ja eingeschüchtert werden miißte]; denn er treibet auch das Werk des HErrn, wie ich fund ist als ein Diener Christi in Ehren zu halten Phil. 2, 20 sf.; Apostg. 16, 3 Anm.]. 11. Daß ihn nun nicht jemand snnter euch seiner Jugend wegen l. Tim. 4, 121 verachte sda er allerdings erst im 26. Lebensjahre steht; sondern gedenket lieber daran, wie er gleich an- fangs zur Begründung einer Gemeinde in Coriiith mitgeholfen Apostg 18, 5; 2. Cor. 1, 19]. Ge- leitet ihn aber lsobald als möglichs im Frieden, daß er zu mir komme [und haltet ihn nicht durch Streitigkeiten, in die ihr ihn verwickelt, unnöthiger-« weise aufs; denn ich warte sein mit den Brüdern* sdie außer Erastus ihm zur Seite stehen Apostg. l9, 22]. - 12. Von Llpollo, dem Bruder, aber sin Be- ziehung auf welchen ihr den Wunsch geäußert habt, ihn wieder bei euch zu sehen] wisset, daß ich ihn sehr viel erniahnet habe, daß er zu euch käme mit den Brüdern sdie aus ihrer Rückreise nach Corinth diesen Brief euch überbringen V. 17], und es war allerdinge sdurchauss sein Wille nicht, daß er jetzt käme; er wird aber kommen, wenn es ihm gelegen sein [er gelegene Zeit dazu finden] wird» «) Eine leichte Gedankenverbindung führt den Apostel von seinem eigenen Besuch in Corinth zu dem, den sie als einen Vorläufer des seinigen von feinem Stellvertreter Tiniotheus zu erwarten haben; er schärft ihnen da Regeln eines würdigen Und brüder- lichen Empfanges 11nd Verhaltens gegen ihn ein, in- dem er zunächst Achtsamkeit und Schonun verlangt. Das »ohne Furcht bei euch sei« deutet aus. einen ge- wissen Trotz und Terrorisinus, den leidenschaftliche Parteiführer und ihre blinden Anhänger üben konnten, der mit ihrem oft geriigten Dünkel zusainmenfälltz vielleicht aber auch auf eine Bescheidenheit und Schlich- ternheit, mit der sein jugendlicher Freund austrat (vgl. ·2. Tim. l, 6 f.), so daß sich die Gegner nur um so mehr gegen ihn herausnehmen konnten, wogegen nun Paulus bemerkt, daß nicht blos das Werk seines Be- rufs den Timotheus ehrt, sondern auch die Art, wie er es treibt. Darauf fordert er einen positiven Be- weis ihrer Hochachtung und Liebe gegen ihn beim Abschied, nämlich den Ehren- und Liebesdienst eines freundlichen Geleits (Osiander.) «) Nach der Art und Weise zu urtheilen, wie Paulus im Grundtext die Rede auf Apollo lenkt (vgl. zu V. 1), antwortet er hier auf ein Begehren, das die Gemeinde an ihn gerichtet hatte, den Apollo zu bestimmen, daß er nach Corinth komme. Man sieht nun aus seiner Antwort, wie einträchtig er mit diesem stand; er hat ihn dringend aufgefordert, den Wunsch der Gemeinde zu erfüllen, so gewiß war er, daß seine Einwirkung auf sie nur heilsam fein würde. Warum er aber jetzt nach Corinth zu kommen so schlechter-- diugs ungewillt war, überläßt der Apostel seinen Lesern zu errathen (Kap.1, 12 Anm.); und nun wird es nicht zufällig fein, daß er von dieser Nachricht zu der Ermahnung übergeht, welche folgt. Der Gemeinde war es wohl darum zu thun, den geistvollen, gelehrten und redebegabten Mann wieder in ihrer Mitte zu haben und sich seiner anregenden Schriftauslegung und Schriftanwendung zu freuen; statt dessen weist sie der Apostel aus das Nothwendigere hin, das in ihrem eigenen Vermögen steht. Wenn sie wachen Sinnes und standfest im Glauben sind, ihr Herz mannhaft nnd ihre Kraft stark werden lassen, wie der so sich steigernde Zuruf von ihnen verlangt, dann haben sie, was sie brauchen, um gegen alle Versuchung, die von außen kommt, gesichert zu sein; und wenn andererseits Liebe die Seele alles ihres Thuns ist, so wird auch ihr gemeindliches Leben, ihr Verkehr unter einander, in der rechten Verfassung fein. (v. Hofmannh · 13. Wachen stehet im Glauben, seid mannlich, und seid stark sdurch Gottes Geist an dem inwendigen Menschen Ephes. 3, 16]. s 14. Alle eure Dinge lasset in der Liebe ge- chehen. » . Die Erwähnung des Apollo in V. 12 mußte den Lesern den Jnhalt der-ersten vier Kapitel dieses Briefes lebendig vergegenwärtigem darum begleitet der Apostel die Nachricht von dem Bruder mit einem doppelten Zuruf, zu welchem Apollo sicherlich Ja und Amen sagte. (Besser.) Die Ermahnung bewegt sich um die zwei Hauptpunkte, Glaube und Liebe; das Stehen in jenem, die Standhaftigkeit darin, hat zur wesentlichen Voraussetzung das Wachen, die christliche Besonnenheit, welche vor allen Angriffen des versiih- rerischen, inneren nnd äußeren Feindes auf der Hut ist, sich keiner Sorglosigkeit hingiebt, darauf achtet, daß nicht Versuchung von innen und außen Schaden bringe (Kap. 10, 1·2 f.), und steht in Wechselwirkung mit der wackeren, muthigen, niännlichen Haltung und dem kräftigen Auftreten der des Feindes mächtig werdenden Stärke. Dem Ganzen liegt das Bild des geistlichen Kampfes zu Grunde: das Stehen im Glauben ist das Feststeheiy da man von dem Glauben, der Basis des christlichen Lebens, sich nicht wegdrän en läßt, sondern nnverrückt dabei beharret. (Kling.) Ein. Christ ist ein Soldat, der auf allen Seiten von Feinden umgeben ist: er muß wachen, wenn er nicht will über- rumpelt werden, darf den Posten des Glaubens nicht verlassen, muß männlich streiten, sich stärken und die Lücken wieder ausfüllen nach dem illa-griff, daß er Mittheilungen über Timotheus und Apollo. Mahnungen und Grüße. 295 einen neuen aushalten möge. Die Liebe über alles nun giebt unsern Handlungen das rechte Geschick und den rechten Nutzen bei den Menschen, gleichwie ihnen der Glaube vor Gott das rechte Gewicht giebt, vgl. Gal· S, 6. (Starke.) 15. Jch ermahne euch aber, lieben Brüder saußer zu dem, wozu ich vorhin V. 13 f. für euer ganzes christliches Leben euch ermahnt habe, noch zu einem besonderen euch gebührenden Ver- haltens: Jhr kcnnet das Hans Stephanas sdas »ich auch selbst getauft habe Kap. 1, 16], daß sie sind die Erstlinge in Achaja [vgl. Röm. 16, 5], und haben snun neben diesem Verdienst, indem sie durch ihre so frühzeitige Bekehrung die Bahn gebrochen, daß bei euch eine Ehristengenieinde zu Stande gekommen, noch das andere, daß sie haben] sich selbst verordnet zum Dienst den Heiligen sdas follt ihr denn beides in dankbarer Weise auch aner- kennen und dein gemäß Stellung nehmen]; 16. Auf das; auch ihr solchen nnterthan seiet sgleichwie sie euch mit ihrem Dienen sich unter- stellen], und [ebenso] allen, die mitwirken nnd ar- beiten [ihrem, der eben Genannten Wirken sich zugefellen und gleiche Mühe, wie sie, auf sich nehmen]. Der Apostel fühlt das Bedürfnis» den Stephanas, der den Brief der Corinther (Kap. 7, 1) nach Ephesus gebracht hatte und jetzt umgekehrt den des Paulus nach Corinth überbringt, den Lesern zu empfehlen; vielleicht hatte sich gegen ihn als Unparteiischen Mann von Seiten der Parteien in Corinth (Kap. 1, 10 sf.) eine Bitterkeit ausgesprochen. (Olshausen.) Stephanas hatte, wie es scheint, über eine störrische Ungeneigtheit der Corinthery sich von ihm und den Seinen sagen zu lassen, gegen den Apostel geklagt; daher die Ermahnung, es an jener Selbstunterordnung, welche den Christen überhaupt in ihrem Verhalten gegen einander eziemt (Ephes. 5, 21), hier aber noch besondere Pfli r war, nicht fehlen zu lassen. Ein zwiefaches Verdienst hat aber Paulus, ehe er seine Ermahnung aussprichh be- nannt, welches das Haus oder die Familie des Ste- phanas um die Gemeinde habe: sie hat durch ihre Bekehrunz die Bahn gebrochen, Achaja zu einem Ge- biet des hristenthums zu machen, und sie hat den Dienst der Gemeinde freiwillig zu ihrer sonderlichen Aufgabe gemacht. (v. Hofniannh Wie die Familie so in Ansehung des Glaubens sich aus-zeichnete, so auch hinsichtlich der Liebe (V. 13 f.); das, wozu sie sich selbst verordnet hatte, bestand wahrscheinlich in Liebesdiensten an Einzelnen, Armen, Kranken, besu- chenden Brüdern, und in Uebernahme von Besorgun- gen für die Gemeinde, wie die Reise des Stephanas nach Ephesus zu dem Apostel. Das »unterthan fein« nun, welches Paulus von der Gemeinde ,,solchen« gegenüber fordert, mit welchem Ausdruck er die eben Eharakterisirten meint, ist s. v. a. sich nach ihnen richten, ihrem Rath und Einfluß sich untergehen. (Kling.) Mit den Worten: »und allen, die mitwirken und arbeiten« verallgemeinert Paulus die eben in Be- ziehung auf das Haus Stephana ansgesprochene Mah- nung, leitet aber zugleich auf die folgenden beiden Verse über, indem er wohl fchon den Fortunatus und Achaikus speciell im Sinne hat; die Ueberbringer seines Briefes, eben dieser Stephanas in Gemeinschaft mit Fortunatus und Achaikus, waren jedenfalls beauf- tragt, den darin enthaltenen Mahnungen, Unterwei- sungen und Anordnungen noch mündlich Nachdruck zu geben, und da sollte denn die Gemeinde ihnen unterthan fein. 17. Jch freue mich über die Zukunft [d. i. Hierherkunft oder Anwesenheit bei mir, von Seiten des] Stephanas· und Fortnnatus und Achaicus sdieser drei, die mich hier in Ephesiis besucht habe·n]; denn wo ich euer Mangel hatte sindem ihr ja nicht alle mich aufsucheii konntet, wie ich denn am liebsten euch alle bei mir gesehen hätte], das haben sie erstattet [insofern ich nun in ihnen mit euch allen, wenigstens dem Geiste nach, ver- kehren konnte]- 18. Sie haben smit dein, was sie mir ge- leistet] erquicket meinen und euren Geist swenigstens versehe ich mich deß zu euch allen, daß meine Freude euer aller Freude sei Z. Cor. 2, 3]. Er- kenuet, die solche sind swelchen hohen Werth sie haben 1. Thess 5, 12., nämlich für die Aufrecht- haltung eines gegenseitigen freundlichen Verhält- nisses, und begegnet ihnen nun mit gebührender Achtung und Unterwerfung V. 16]. Ueber Fortunatus uni) Achaikus ist nichts Näheres bekannt; zur Familie des Stephanas, die bereits be- sprochen ist» sind sie nicht« mit zu rechnen. (Met)»er.) Sie waren jenem wohl als der Hauptperson beige- geben. Paulus spricht nun aus, wie ihre Gegenwart die Abwesenheit der Eorinther ihm ersetzt hätte, und fordert sie zur Dankbarkeit gegen sie auf. (»Olshausen.) Den Werth, den das Erscheinen dieser drei bei ihm im Namen der Gemeinde für ihn hatte, spricht er in einem einfach starken Ausdruck der Liebe aus: der Mangel an ihnen, an ihrer Gegenwart, die Sehnsucht nach ihnen, wiirde ihm durch diese ihre Vertreter er- fülltz ersah und begrüßte die ganze Gemeinde in ihnen. Sie beruhigten, erleichterten sein von schweren Sorgen uni sie gedrücktes Gemüth, sie thaten ihm wohl durch die lebendigen Zeichen der Liebe und des bei großen Gebrechen und Gefahren doch von ihnen noch nicht geschiedenen Geistes des HErrm Zeichen, die ihm eben in der Seiidung und Erscheinung solcher würdigen Glieder der Gemeine, in dem Brief, den sie ihm mit ihren Anfragen überbrachten, und in ihren Manches aufhellenden und in ein milderes Licht bringenden inündlichen Nachrichten gegeben waren; der Gedanke aber an die Beruhigung und Freude, die dem Apostel durch ihren Besuch ward, mußte auch für sie selbst nach ihrer herzlichen Liebe zu ihm wohl-» thuend, das Bewußtsein, daß das Band der Gemein- schaft und gegenseitigen Mittheilung zwischen dem Apostel und der Gemeine durch sie erneuert und be- festigt sei, auch für sie, die Corinther, beruhigend und erquickend sein. (Osiander.) 19. Es grüßen euch die Gemeinen in Asien sin allen Städten des kleinasiatischen Küstenlandes Rom. 16, 16 Anm.]. Es grüßen euch sehr in dem HErrn sals ein besonders warmes Interesse im HErrn Röm. 16, 22 an euch nehmend Apstg. 18, 2 f. 26 f.] Aquilas und Priscillm sammt der Gemeine in ihrem Hause sdemjenigen Theil der christlichen Gemeine hier in Ephesus, der in ihrem Hause zu gottesdienstlichen Versammlungen sich 296 l» Coriiither 16, 20—24. 2. Corinther 1, 1· 2. einfindet, wie denn auch ich bei ihnen herberge Röm. 16, 4]. 20. Es grüßen euch alle Brüder [der hiesigen Gemeine außer der erwähnten]- unter einander mit dem heiligen Kuß [Röm. IS, 16; 2. Cor. 13, 12; l. Thess. 5, 26; 1. Petri 5 14. « Paiilus bestellt zunächft theils ihm aufgetragene, theils nicht eigens aufgetragene Grüße: nicht aufge- tragen ist der Gruß, den er von allen Gemeinden Afiens bestellt, nur in ihrem Namen kann er zu grüßen gemeint sein; aufgetragen dagegen ist der Gruß von Aquilas und Priscilla, dem vormals in Co- rinth wohnhaften Ehepaare, und von dem in ihrem Haufe zusammenkonnnenden Theile der ephefinischen Gemeinde, worauf noch ein Gruß der ganzen Ge- meinde folgt. (v. Hofmann.) Mit dem heiligen Kuß, so fordert hierauf der Apostel, sollen die Corinther sich nach der Verlesung des Briefes unter einander grüßen und damit ein jeder dem andern feine Bruder- liebe kund geben, denn der heilige Kuß ist der, welcher das Zeichen der christlichen Vruderliebe war und somit den specififchen Charakter der chriftlichen Weihe hatte; ohne Zweifel war dieses gegenseitige Grüßen ein stilles, bei welchem statt des Wortes eben der Kuß das Vermittelnde ist. (Meyer.) 21. Jch, Paulus, grüße euch mit meiner Hand swas ich sonst da thue, wo ich einem von mir diktirten Briefe das Zeugniß seiner Aechtheit durch meine Unterschrift beifügen will 2. Thess. 3, 17; Col. 4, 17., hier aber geschieht es zur Bezeugung meiner fortdauernden Liebe gegen euch Gal. G, 11; aber freilich gilt diese Liebe nicht allen ohne Ausnahme und unter jeder Bedingung]. 22.« lJm Gegentheil sage ich zuvor, ehe ich den Schluß V. 23 f. folgen lasse:] So jemand den HErrn Jesum Christum nicht lieb hat, der sei Anathema sverflucht oder in den Bann gethan Gal. I, 8 f.], Maharam Motha [d. i. zum Tode verurtheilt — so hat Luther das Wort des Grund- textes im Anschluß an einen jüdischen Bannspruch abgeändert; es steht aber da: Maran atha, d. i. der HErr kommt und wird gewiß einen solchen, der ihn nicht lieb hat, von seiner Gemeinde aus- schließen]. Griißet euch e 23. [Jetzt, nachdem ich des Grußes Sinn und Meinung gegen solche gewahrt habe, welche kein Recht haben, ihn auf sich zu beziehen, spreche ich ihn denn aus :] Die Gnade des HErkn Jesu Christi sei mit euch [Röm. 16, 20 u. 24; Ephes 6, 24]. 24. Meine Liebe sei soder vielleicht besser zu übersetzem ist] mit euch allen in Christo Jesu [soviel euer in ihm sind, soviel ist auch meine Liebe mit euch allen]. Amen. Diese vier Verse hat also der Apostel eigenhändig gefchrieben. Anathema heißt ,,Fluch«, d Ver- bannung aus der Gemeinschaft Gottes und der Seinigen: in einer christlicheii Gemeinde soll Keiner sein, der Jesum nicht lieb hat; er ist hier und dort von der Seligkeit ausgeschlossen. Maran atha be- deutet in aramäischer Sprache: »der HErr kommt«; der Apostel wollte ein kurzes, nachdrückliches Wort dem Briefe hinzufügen, und schrieb in der ihm be- sonders geläufigen, heilig und feierlich ihm klingenden Sprache diese ernste Erinnerung an die nahe Ankunft des HErrn zum Gerichte bei. Mit dem Wunsche, daß die Gnade Jesu Christi sie stets leiten und bewahren möge, und mit der Versicherung, daß feine Liebe, in- sofern sie beiderseits in der Gemeinfchaft mit Christo verharren würden, stets mit ihnen sein werde, schließt er dann diesen Brief voll Weisheit und Liebe. (von Gerlach.) Das Schlußwork »meine Liebe sei mit euch allen in Christo Jesu« ist dem ersten Corintherbriefe eigenthümlich vor den anderen Vriefen Pauli. Die Liebe, welcher er in diesem Buche das köstliche Lied (Kap. 13) gesungen, die Liebe, die sich nicht erbittern läßt, die alles verträgt, glaubt, hofft, duldet, die Liebe, die nimmer aufhört — in Pauli Herzen brannte sie; und so umfaßt er mit feiner Liebe alle, alle insge- sammt in Christo Jefu, und was wollte er lieber, als daß die Zertrennten und in unchristliches Wesen Ver- lorenen sich von seiner Liebe ergreifen und zum HErrn Jesu herumbringen ließen. Dazu sollte denn auch das schwere Wort dienen in V. 2·2; indem dort der Apostel die Feder ergreifen wollte zum Hinschreiben des übli en Grußes mit eigener Hand unter feine diktirten riefe (Röm. 16, 2- Anm.), erschrak er im Gedanken an diejenigen, welche etwa nach Lesung seines Ermahniingsbriefes ohne reuemüthig in sich zu schlagen, seinen Gruß an sich reißen möchten, der doch ein Gruß im HErrn und ein Zeichen der Ge- meinschaft im HCrrn ist. (Besfer.) Die ZVÜZ Epistel an die Eorinther, gesandt von Philipp-en [vielniehr: von Ephes us K0p- W, 5 AUULL durch Stepliiinan nnd Æortunatum und Jichaikum und Cimotheiim sder letztere Name muß wegfallen Apostg. 19, 22., vgl. Schlußbemerkungen zum Brief an die Römers iltie 2. Episiel St. Wauli an die Cllorinther Soll der zweite Corintherbrief einen bezeichnenden Namen haben, so mag man ihn vor andern den Hirtenbrief nennen; und da Paulus der Hirte und Seelsorger ist, welcher in zärt- licher, treuer Sorge für die Seelen der Corinther hier sein Herz ausschüttet und ihnen bezeugt, was sie an ihm haben, so ist dieser Brief recht eigentlich der Paulusbrief unter den Briefen des heil. Apostels. Gänzlich im Dienste der Liebe und zur Ehre des HErrn, dessen Amt er trägt, redet Paulus in diesem Briefe von sich s elb er, wie im vorigen vom Stande der Dinge in der corinthischen Gemeinde; denn es galt ihm nichts Geringeres, als die von Versührern umschwärmte Gemeinde fest- zuhalten bei der apostolischen Predigt, an welcher sie nicht fest bleiben konnte, wenn es dem Satan gelang, an dem Manne sie irre zu machen, der wahrlich ihr Apostel war. Das 1. Kapitel. Faust geduld in lferfolguiixf A« Der Eingang dieser zweiten, etwa 4 Monate nach der ersten an die Cortnther netfaßten Øpistet (Jtpostg. M, 2 Zum) läßt sich ebenfalls, wie bei jener, in zwei Abschnitte zerlegem I. di. t u. L. Bei dem nunmehrigeii Schreiben steht nicht, wie beim ersten, Sostheneg dem Apostel, der sich jetzt nicht mehr zu Ephesuz sondern zu Philippi in Klare- donien befindet, zur Seite, vielmehr ist Timolheug nun bei ihm und gesellet sieh ihm als Griißender zu; ist nun gleich der Gruß selber der nämliche, wie in den iibrigen Episteln des Paulus, so ist dort) die Jtnfsrhrift in diesem zweiten Briefe etwas teiirzer gefaßt, als« in dem ersten, und stinimt mit der in Col. l, 1 überein, während die des ersten Briefes an die reichere Kugstattung in Kinn. 1, If. sieh ansehließt I. Paulus, ein silpostel Jesu Christi durch den Willeu Gottes, und [mit1hmzugleich] Bruder Timothcus fdeu ihr ja kürzlich erst wieder bei euch gehabt und der mir Nachrichten von euch gebracht hats, der Gemeine Gottes zu Corinth sammt allen Heiligen »in ganz Acha1a: Z. Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem HErrn Jesu Christo [Röm. I, 7 u. 1. Thess. 1, 1 Anm.]. Jn der Ueberschrift des früheren Briefes hatte Paulus neben sich, dem Apostel, einen Sosthenes ge- nannt, welcher zur Gemeinde in keinem anderen Ver- hältniß stand, als welches er damit ausdrückte, daß er ihn ,,Bruder« nannte; und ebenso bezeichnet er jetzt: den Timotheus, aber während er dort den Brief selbst in der ersten Person Singularisz begann und fortsetzte (1. Tor. l, 4 ff.), schreibt er hier (V. 4 ff.), gleichwie in den Briefen an die Thessalonicher (1. Thesf 1, 2 ff.; Z. Thess l, 3 ff.), von Anfang an in der ersten Person Pluralis und fährt auch so fort, schreibt also, was er den Lesern zu sagen hat, zugleich auch im Namen des Tiinotheus, welcher ja vermöge seiner Theilhaberschaft an der Gründung der Gemeinde (Apost. 18, 5 sf.) soviel anders zu ihr stand, als jener osthe1ies. (v. HofinannJ Der Brief ist nicht ein Rundschreiben an die Gemeinden in Achaja, wie der Brief an die Galater an die in Galatien (Gal.1, 2), sonderii es scheint, das; die in ganz Achaja t s l s (Befser.) zerstreut wohnenden einzelnen Heiligen oder Christen sich alle als Angehörige der corinthischen Gemeinde betrachtet und zu ihr gehalten haben; unter Achaja ist aber die römische Provinz dieses Namens zu ver- stehen, welche ohngefähr das Gebiet des heutigen Königreichs Griechenland Umfaßte. (Burger.) Wir erinnern uns, wie Paulus noch vor Ab- fassung des ersten Briefes den Timotheus nach Eo- rinth gesendet hatte, von ihm voraussetzth er werde später als der Brief dort eintreffen, aber auch ihn bald zurückwünschte, um durch ihn Nachrichten über den Eindruck und Erfolg seines Sendschreibens zu er- halten (1. Cor. 4, 17; 16, 10 f.); nun ist auch Timo- theus ohne Zioeifel bis nach Corinth gekommen und bald wieder zum Apostel nach Ephesus zurückgekehrt, noch bevor dieser zu Pfingsten des Jahres 57 die Stadt verließ, obgleich keine bestimmten Nachrichten darüber vorliegen, doch war bereits in Folge eines Arrangements, wie es im H. Anh zu § 160 der Beil. näher dargelegt ist, von Kreta aus in Beglei- tung des Tychikus ein anderer Apostelgehilfe, Titus, nach Eorinth abgegangen, um noch wirksamer dort thätig zu sein, als Timothens, den Paulus so bald wieder hatte abberufen müssen, und sollte denn dieser Titus sich so einrichten, daß er seinen Rückweg über Maeedonien nähme und dem Apostel, wenn er von Ephesus nach diesem Lande reisen würde (1. Cor. 16, 5), bis Troas entgegenkäme Die Mittheilungen nun, welche Timotheus geniacht hat, lauteten inso- fern günstig, als die Mehrzahl der Gemeinde die in . Cor. 5, 13 in Betresf des Blntschänders enthaltene Weisung befolgt und solche Maßregel auf diesen einen guten Einfluß geübt hatte; dagegen hatte derselbe auch sehr Betriibendes zu melden, wie man nämlich den Apostel wegen der in 1. Cur. 16, 15 ff. ange- kündi ten Abänderung seines ursprünglichen Reiseplans der chwäche und Unbeständigkeit beschuldige, ihm Ruhmredigkeit vorwerfe, sich über gewise Stellen seines Briefes als tief verletzend beschwere nnd auch über die Unverständlichkeit seines Evangeliums sich be- klage. Um so gespannter war Paulus auf diejenigen Nachrichtem welche Titus überbringen werde, und reiste so zu Pfingsten von Ephesus ab zunächst bis nach Troas; aber er fand hier den Erwarteten noch nicht vor, ließ sich daher nicht zurückhalten, so gern man ihn länger dort behalten hätte, sondern setzte die Reise ungesäumt bis Philippi fort und schrieb nun bei Lukas den ersten Theil der Epistel, der außer dem Eingang in Kap. 1, 1—11 den Abschnitt Kuh. l, 12 bis 7, 1 umfaßt; der zweite und dritte Theil nebst dem Schlufz dagegen fällt in die Zeit, als Titus nun wirklich beim Apostel 298 eingetroffen war und bessere Nachrichten überbracht hatte nach der einen Seite hin, während allerdings nach der andern Seite hin der Stand des Apostels bei den Corinthern jetzt noch um Vieles schwieriger sich befand. II· V. 3—11. Mit der Austchrift und dein Gruß ver— bindet der Apostel eine Eobpreisung Gottes fiir den Trost, der ihm in aller seiner Trübsal gewährt sei und der ihn denn in den Stand setze, auch Andere zu trösten; und wie nun zu Anfang des vorigen Lriefs der tlanie Iesu Christi immer und immer wieder sich vernehmen ließ, so ist hier immer und immer wieder von Trost und Triislung die Rede, daran aber soll die Geiiieinde wetten, welche Gemiithsstiiiiniung und welche Absicht liipitordergrund der Seele Pauli steht, indem er setzt zum Schreiben dieser zweiten Gpistel sieh anschiaiL Es ist aber die Errettung aus einer Todesnoih, die er initsaiiimt dein Ciniotheus neuerdings erfahren hat, was sein innerstes Her; bewegt; und da stellt er absikhttieh seine Vantisagung gegen Gott und seine Hoff· nung fiir die Zutiuust an den Eingang dieses Schreibens, um init sieh auch die Leser auf einen iiber Zwiespalt und ikliszsiiiniiiuiig erhabenen Standpunkt eniporzuheben und das Band der Liebes· und Gebetsgeineinschiift desto fester anzustellen, je loitierer die iibrigen Bande zur Zeit geworden sind. 3. Gelobet sei Gott und der Vater unsers HEtrn Jesu Christi [Ephes. l, B; l. Petri l, Z; 1. Cor. 15, 24], der Vater der Barmherzigkeit fwelchem das Erbarmen wesentlich eigen ist Röm. 12, i] nnd Gott alles Trostest [Röm. 15, 5], 4. Der uns fmich und den Timotheus, wie auch alle andern Arbeiter in seinem Reiche] tröstet in aller unserer Trübsal, daß wir auch trösten können, die da« sind in allerlei Trübsal [in welcher immer sie sich befinden mögen], mit dem Trost, damit wir getröstet werden von Gott» sdurch Christum im heil. Geist]· 5. Denn gleichwie wir des Leidens Christi [des Leidens, wie Er, das Haupt, es hat erdulden müssen und es nun an den Gliedern seines Leibes sich fortsetzet Apostg. 9, 4; Gal. S, 17; Col. l, 245 Phiks Z, 101 viel haben, also werden wir auch reichlich getröstet durch Christum« sder mit seinem Geiste, dem Tröster, iiiis einwohnt Röm. 8, 9 f.; Ephes 3, 17; Pf. »94, 19]. it. Wir haben aber Trubsal oder Trost, so geschiehet es [beides, das eine sowohl wie das andere] euch zu gut. Jst’s sum zunächst den ersten von den beiden Fällen vorzunehmen, die aber nicht außer einander liegen, sondern sich einer in den andern einfügen] Trübsal, so geschiehet es ench zu Trost und Heil; welches Heil beweiset sich ser- zeiget sich wirksam], so ihr leidet mit Geduld, dermaßen, wie wir leiden swelches eben auch ein Leiden niit Geduld ist Röm. 15, 4 f.]. Jsks sum nun auch des andern Falles zu gedenken] Trost, so geschiehet es ench auch zu Trost nnd Heil; » 7. Und stehet [da] unsere Hoffnung fest sur ench fin Beziehung auf ench 1. Cor. 15, 29 Anm.], dieweil wir wissen, daß, lvie ihr des, ·2. Corinther 1., 3-—10. Leidens theilhastig seid, so werdet ihr auch des Trostes theilhastig seinHk It) Der Apostel benennt Gott in zweierlei Weise nach seinem Verhältniß um HErrn Jesus, als dessen Gott und dessen Vater («zoh. 20, 17); weil nun Gott iin Verhältniß zu Jesu Christo das eine nicht ist ohne das andere, so ist er auch uns nicht anders Gott, als daß er uns zugleich Vater ist. Um so leichter schließt sich hieran die andere Bezeichnung Gottes: »der Vater der Barmherzigkeit und Gott alles Trostes«, deren Vestandtheile denen der ersteren in umgekehrter Folge entsprechen; sie sagt, was für ein Vater, was für ein Gott er in seinem Verhältnisse zu uns ist, und zwar so, daß seine erste Bezeichnung als des Gottes und Vaters Jesu Christi hierfür die Voraussetzung bildet — weil er dies ist, darum haben wir einen solchen Vater und Gott an ihm. Durch etwas, das uns widerfährt oder zu Theil wird, sind beide Be- griffe, Vater und Gott, näher bestimmt: er ist in der Art Vater, daß er sich über die erbarmt, deren Vater er ist (Ps. 103, 13), und ist in der Art Gott, daß sich diejenigen, deren Gott er ist, alles dessen von ihm versehen können, was geeignet ist, sie in äußerer oder innerer Bedräiigniß aufrecht zu erhalten oder wieder aufzurichten (v. Hofmannh Gerade da, wo der na- türliche Mensch nur Lieblosigkeit oder Unbarmherzigkeit siehet, in Trübsalen und Leiden, erscheint Gottes Barmherzigkeit dem Glauben in ihrem schönsten Licht und überfließendsten Maß vermöge des Trostes, den sie darreicht. (Ofiander.) its) Nach seiner innigen Gemeinschaft mit den Ge- meinden sah der Apostel alles, was ihm geschenkt ward, als nicht allein für ihn bestimmt an, sondern auch für die seiner Fürsorge anvertrautensChristen Wie die Apostel das Hauptgewicht aller Leiden und Anfechtungen tragen mußten, wie sie die zahlreichsten und erfchütterndsten Kämpfe u bestehen hatten, so floß der ihnen reichlich gespendete rost auf ihre noch zarten Pflanzungen über, welche selbst Aehnliches noch nicht Eätten tragen können. Wir sind die Säugammen von hristi Kindlein, sagt Baxter: genießen ivir selbst keine Speisen, so lassen wir sie Hunger leiden; genießen wir ungesunde Speise, so werden sie bald darunter erkranken. (v. Gerlach.) Ein guter Hirt empfängt Alles von Gott für seine Heerde; er ist ein Kanal sowohl des Trostes als anderer Gnadengabem die Gott seinem Volke geben will. (Starke.) TM) Nach dem Grundfatz (1. Joh. 4, 17): »gieich- wie Er ist, so sind auch wir in dieser Welt« stellt der Apostel Leiden und Trost der Gläubigen mit dem Leiden und dem Trost, wie auch mit der Herrlichkeit Christi in Parallele; die ,,Leiden Christi« sind die Leiden, welche Christus erduldete, diese wiederholen sich an den Gläubigen ebenso wie der Trost, den der Erlöfer empfand, und die Herrlichkeit darnach. (Ols- hausen.) Die Leiden Christi, insofern sie auf seine Diener übergehen, diese in die Gemeinschaft derselben eintreten können, sind Leiden im Kampf mit der Welt und ihrem Fürsten, Leiden um der Sache Gottes (der Gerechtigkeit) willen; jeder, der solche besteht, leidet der Kategorie nach dasselbe, was Christus. Diesem Leiden Christi entspricht die Tröftnng durch Christum; den in die Gemeinschaft seiner Leiden Eintretenden giebt sich auch seine Sympathie (Mitempfindiing) zu erfahren, welche nach dein Maß ihrer Leiden sieh tröstend an ihnen erweist. (Kling.) Dagegen sind die Leiden der Welt Galle ohne Honig; und in dein Maße als jene wachsen, wächft auch die Trostlofigkeih (Com. a Lapideh Lobpreisung Gottes für den Trost, den der Apostel in seiner Trübsal genießt. f) Die Worte: »Wir haben aber Trübsal oder Trost, so geschiehet es euch zu gut« hat Luther dem, was Paulus in den beiden Versen zur besonderen Anwendung des in V. 5 Behaupteten auf die Corinther sagt, als eine kurze Summa zur Erleichterung des Verständnisses vorangestellt; beides, so ist die Mei- nung des Apostels, sowohl Trübsal als Trost sol- cher hervorragenden, durch ihre Stellung wie durch ihre Begabung gleich ausgezeichneten Glieder der Kirche, wie er mit seinen Berufsgenosfen ist (vgl. Col. l, 24 f.), hat immer für die Gesammtheit der Kirche oder fiir die gerade in Frage kommende Einzelge- meinde ein besonderes Gewicht, eine große Bedeutung, theils dadurch, daß ihre persönliche Förderung und Vollbereitung ihnen zur Ausrichtung ihres Amtes zu statten kommt (V. 4), theils aber auch dadurch, daß die ganze Kirche an dem Segen Theil hat und ihn mitgenießh den sie durch Kampf und Streit erringen müssen. Nachdem denn Luther den die beiden Seiten, Trost und Trübsal, gleich in Eins zusanunenfassenden Satz vorausgeschickt hat, kann er, während im Grund- text sogleich auf die erste Seite mit den Worten ein- gegangen wird: ,,Haben wir aber Trübsal« und dem- entsprechend es hernach in Betreff der andern Seite heißt: ,,werdeu wir aber getröstet«, so theilen: ,,ist’s Trübsal — ist’s Trost« Jn Hinsicht auf das erstere nun wird gesagt: ,,Jst’s Trübsal, so Hleschieht es euch zu Trost und Heil«; und die gleiche usfage begegnet uns nach dem Wortlaut des griechischen Textes, wie die l. und 2. Ausgabe des neuen Testa- ments von Erasmus (vom Jahre 1516 und 1519) ihn darbietet, auch in Hinsicht auf das andere: ,,Jst’s Trost, so geschieht es euch zu Trost und Heil« Aber nicht nur rücksichtlich dieses Satzbaues, sondern auch rücksichtlich der beiden Satzglieden »Welches (welcher) sich beweifet . . . wir leiden« und: »Unsere Hoffnung xtlehet fest für euch« weicht der Wortlaut in der dritten usgabe des neuen Testaments von Beza und in der sinaitischen Handschrist so bedeutend ab, daß die beiden Verse nach der Uebersetzung in der v. ållieyer-Stier- fchen Bibel nun vielmehr heißen: S. Wir haben aber Trübsal, so geschiehet es euch zum Trost und Heil; oder wir werden getröstet,« so ge- schiehet es euch zum Troste, welcher sich kräftig erweiset in der Geduld derselbigen Leiden, die auch wir leiden. 7. Und stehet unsere Hoffnung fest für euch, dieweil wir wissen, daß, wie ihr des Leidens theilhaftig seid, also auch des Trostes. Diese Textgestalt wird von den neueren Auslegern meist für die rich- tige und ursprüngliche gehalten, obwohl diese bei der Erklärung des Einzelnen mehrfach von einander ab- weichen; es giebt indessen in der 1. Ausgabe des Erasmischen neuen Testaments (Luther hatte dessen 2. Ausgabe vom Jahre 1519 vor sich; ihre Lesart ist nachmals durch Bezcks Beitritt in den Ausgaben der Gebrüder Elzevir zu Leyden zum herkömmlichen Texte geworden) noch eine dritte Form, der wiederum andere Schriftsorscher den Vorzug zu geben geneigt sind und die z. B. auch das v. Gerlach’sche Bibelwerk zu Grunde legt, wenn dasselbe im Anschluß an Luther übersetzv 6. Wir haben aber Trübsal oder Trost, so geschiehet es euch zu gute. Jst’s Trübsal, so geschiehet es euch zu Trost und Heil, welches Heil beweiset sich, so ihrleidet mit Geduld, dermaßen, wie wir leiden; und ist unsere Hoffnung fest fiir euch. 7. Jst’s Trost, so geschiehet es euch auch zu Trost und Heil. Dieweil wir wissen, daß, wie ihr des Leidens theilhaftig seid, so werdet ihr auch; 299 des Trostes theilhaftig sein. Dazu wird dann die Bemerkung gemacht: »Das Leiden sowohl als der Trost eines Dieners des Evangeliums, als eines Vor- kampfers im Streite Christi, gereicht den übrigen Christen zu Trost und Heil — sein Leiden dadurch, daß jedes Leiden fiir Christum und mit und in Christo ein Sieg ist; indem der ausdauernde Glaubens- muth der Zeugen im heißen Kampfe die Sünde und Welt in ihnen überwindet, wird ihr Anblick ein Trost aller, die ihrem Kampfe zusehen und ihnen nach- kämpsen. Und indem die Zeugen Christi wiederum gxetröstet werden, strömt nun nach der tieferen Jidenserfahrnng auch eine reichere Quelle von Trost und Krast von ihnen aus in die Herzen der Andern. Dem ersten Satze ftigt der Apostel noch hinzu, dies Heil beweise sich, wirke kräftiglich in dem Ausharren unter denselben Leiden; denn obwohl die Coriuther jetzt Ruhe hatten und nicht so schwere Leiden, wie die Apostel, war ihnen doch, wie allen Christen, ein iihnlicher Kampf verordnet, und darauf folgt dann der Ausdruck der Zuversicht, er hoffe gewiß, sie würden im Kampfe bestehen (vgl. 1. Cor. 1, 8 f.). Dem zweiten Satze, daß er zu ihrem Troste getröstet werde, fügt Paulus das als Grund hinzu: wie sie mit ihm gelitten hätten, durch die Gemeinschaft der Liebe, so sei nun auch der Trost ihm und ihnen ge- meinschaftlich, sie genössen das ihm Gefchenkte mit-« Jn Beziehung auf das oben erwähnte Verfahren Luther’s, den ihm vorliegenden Wortlaut des Grundtextes nicht buchstäblich genau wieder zu geben, sondern in etwas freier Weise ihn deutsch zu gestalten, verweisen wir auf die im Bibelwerk schon öfter gemachten Bemerkungen über seine Grundsätze bei der Bibelverdeutschung 8. Denn wir wollen euch sdamit ihr euch erklären könnet, warum wir gerade mit den in V. 3—7 ausgesprochenen Gedanken diese Epistel an euch eröffnen] nicht verhalten [1·. Cor. 10, I; 12, 1], lieben Brüder, unsere Trübsal, die uns in Asien widerfahren ist, da wir uber die Maaße [was die äußere Größe der Trübsal betrifft] be- schweret waren, und über Macht swenn man auf das menschliche Vermögen zu tragen 1. Cor. 10, 13 Rücksicht nimmt], also daß wir uns auch des Lebens erwegteti ff. v. a. begaben Weish. 17, 15 Anm.], 9. Und bei Uns beschlossen sauf die Frage, was aus uns» werden solle, nur den Bescheid] hatten, wir inuszten sterben. Das sdaß es nämlich mit uns zu einer so schweren, ganz hoffnungs- losen Bedrängniß durch Gottes Schickung kam] geschah aber darum, daß wir sgleichwie damals, so auch in jeder ferneren Noth, auch wo die Ge- fahr nicht so bis auf’s Aeußerste steigt] unser Vertrauen nicht auf uns selbst stelleten, sondern auf Gott, der die Todten auferwecket fund also selbst da, wo alles schon verloren und nichts mehr zu hoffen scheint, ein neues Leben schaffen kann Röm. 4, 17 f.; Hebn 11, 19]. · 10. Welcher sdenn auch wirklich] uns von solchem Tode swie er uns bereits umfangen hatte] erlöset hat nnd noch täglich erlöset sdiese auf die Gegenwart bezüglichen Worte fehlen in etlichen Handschristen und find wohl nur ein Zufatz der Abfchreiber, welche die Rede des Apostels vervoll- 300 2. Eorinther I, 11——14. ständigen zu müssen glaubten], und hoffen auf ihn, er werde uns auch hinfort erlösen« fsolange es nöthig ist, daß wir im Fleische bleiben Phil. I, 24], 11. Durch Hilfe [auch] eurer Furloitie fur uns lzu der— wir uns versehen Röm. 15, 30 ff.; Phil· l, 19]; auf daß uber uns [wenn nun die erbetene Errettung geschehenj fur die Gabe, die uns [damit] gegeben Ist fnamlich Christum noch ferner verkündigen und ihn auch denen bringen zu können, die ihn noch nicht haben Ephes Z, 8 f.], durch viele Personen viel Danks geschehett fmdem ja alle diejenigen, die vorher für uns gebeten haben, nachher auch über uns danken werden]. r) Paulus hebt ein bestimmtes, ohne Zweifel noch sehr neues Ereigniß aus der Kette seiner Leiden, das er wohl vorhin fchon bei dem, was er da geschrieben, ganz besonders im Auge hatte (vgl. das »denn« zu Anfang des Verses), mit dem die Aufmerksamkeit fpannenden Uebergang: »wir wollen euch nicht ver- halten, lieben Brüder« hervor; die ungeheure Größe seiner Drangfal bei diesem Ereigniß u bezeichnen, ringt er fast mit der Sprache und häuft die stärksten Ausdrücke. Doch ist das Ereigniß, auf welches er sich bezieht, schwer zu bestimmen; auf den in l. Eor. 16,9 erwähnten Kampf mit seinen Gegnern zu Ephe- sus können die Worte nicht gehen, denn das könnte den Lesern nicht erst als etwas Neues angekündigt werden. (Osiander.) Aber auch an den Auflauf des Denietrius in Ephefus (Apoftg. 19, 23 sf.), auf wel- chen die Ausleger vielfach verweisen, ist nicht zu denken, da Paulus dabei nicht iii perfönlicher Gefahr war; und wenn Andere an eine schwere Krankheit denken, so steht dem entgegen, daß es nach B. 5 ein Leiden Christi gewesen fein muß, das Ereigniß auch nicht blos den Apostel selbst, sondern zugleich den Timotheus betroffen hat, weil er im Plural davon redet. (Meyer.) Die Ortsbezeichnung: »in Asien« läßt an ein anderswo und nicht gerade in Ephefus vorgekommenes Ereigniß denken: welcher Art es ge- wesen, läßt sich vielleicht aus dem ersehen, was Paulus darüber sagt· Ueber die Maßen schwer nennt er die Wucht der Drangsah von welcher sie betroffen worden, so schwer, daß es über ihr Vermögen ging, darunter aufrecht zu bleiben, und sie nicht mehr wußten, wie sie am Leben bleiben solltenx und wenn sie nun bei sich auf die Frage, was aus ihnen werden solle, keinen andern Befcheid hatten, als der auf den Tod lautete, so sollte dies, wie der Apostel weiter be- merkt, dazu dienen, daß sie, wie sie denn auch thun, ihr Vertrauen nicht auf sich selbst fetzten, sondern auf den Gott, welcher die Todten erweckt. Die Drangsal muß darnach eine solche gewesen fein, bei welcher ihnen der Tod vor Augen stand, ohne daß sich ihnen irgend ein Mittel oder irgend eine Möglichkeit darbot, sich selbst z11 retten, was sich mit Apostg. 19, 30 fchwerlich vereinen würde; vollends wenn der Apostel ihre Errettung eine Errettung von ,,solchen1 Tode« nennt und die Hoffnung ausspricht, daß ihn Gott auch ferner von solchem Tode erretten werde, so will dies zu keinerlei Gefahr passen, die ihm von Menfchen drohen konnte, denn durch die Hand der Feinde Christi u sterben, konnte ihm nicht ein sonderlich schrecklicher Tod sein; war er doch, wie er in Kap. 11, 25 er- wähnt, fchon einmal gesteinigt worden und für todt liegen geblieben. Dagegen gedenkt er eben dort einer Todesgefahy in welcher umzukommen ihm in der That schrecklich gewesen wäre: ,,Tag und Nacht habe ich zugebracht in der Tiefe des Meeres« lesen wir dort und gewinnen dadurch die Vorstellung, daß er einmal (wahrscheinlich auf feiner Reise von Ephefus nach Troas, Apostg. 20, 1) in Folge eines Schjffbruchs Tag und Nacht lang ohne Hoffnung des Lebens und ohne alle Möglichkeit, sich selbst zu helfen, ein Spiel- ball der Wellen gewesen, immer in Gefahr, von ihnen verschlungen zu werden: sollte er durch ein Unglück, das Gott selbst über ihn verhängt hatte, eines so graufigen Todes sterben, welcher nicht, wie wenn er als Blutzeuge Christi starb, für die heilige Sache, der er lebte, etwas austrug? Wenn er auf Grund der Erfahrung, die er in dieser jüngsten Vergangenheit gemacht, für die Zukunft sich eines Gleichen von dem versichert, auf den er seine Hoffnung bleibend ge—- richtet hat, so thut er’s im Hinblick darauf, daß nach seinen Reiseplänen (Apostg. 19, U; Röm. 15, 24 sf.) ihm wiederholte weite Seereifen bevorstanden, von Corinth nach Judäch von dort nach Rom und von Rom nach Spanien: da setzt er seine Hoffnung auf Gott, daß er ihn nicht in den Wellen des Meeres werde den Tod finden lassen, während er unterwegs ist, seinen großen Beruf zu erfüllen, sondern ihn aus folcher Gefahr nicht minder erretten, als er ihn in Asien so wider alles Verhoffen errettet hat (und solche Hoffnung fhat denn wirklich sich erfüllt in Apostg. 27, 9 ff.). Die Ortsbezeichnung: »in Affen« kann uns an unserer sonst durchweg bestätigte« Vorstellung, welcher Art jene Lebensgefahr gewesen, nicht irre machen, da es nicht darauf ankam, die Stelle genau zu bezeichnem wo sie ihn betroffen hat, sondern nur das Land zu benennen, wo er, fchon im Begriff, es zu verlassen, noch solche Todesnoth erleben mußte. (v. Hofmannh H) Auch hier führt der Apostel in das innerfte Wesen der chriftlichen Gemeinschast hinein. Jndem Gott freie Wesen nach seinem Ebenbilde erschaffen hat, will er mit ihrer Hilfe sein Reich ausbauen und leiten: auf ihre Bitte soll fein Name geheiligt werden, sein Reich kommen, sein Wille geschehen; auf ihre Bitte sollen auch die Werkzeuge, die er zur Ausbreitung feines Reiches erwählet hat, aus ihren Gefahren er- rettet werden. Die allgemein unter Christi Gliedern gefühlte Noth erweckt dann auch einen allge1nein tief empfundenen Dank. (v. Gerlach.) Ein so köstlich Ding ist das Danken, sonderlich das gemeinschaftliche Danken, daß Paulus darein den letzten Zweck der göttlichen Gebetserhörung seht. (Beffer.) B. V. 12—iiau. 7,1. Die nach drm Eingang nuninehr beginnknde eigentliche Geiste! steht in diesem ihrem ersten Theil noch auf dein Standpunkt derjenigen lilittheilungem die dem Apostel durch Tiniotheug iibcr die corinthtfotien Verhältniss: und die lici der Gemeinde liter- sehendc Stimmung gemacht worden sind (vgl. zu v. 2); es laffrn steh da drei Abschnitte unterscheiden, von denen dir beiden ersten je eine Selliftrechtfeettgung deo Apostels, die Ablehnung eines ihni gemachten Uorwurfg enthalten, der dritte alter an den im zweiten Jldfchnitt lirhandrlten Gegen« stand eine sehr andringende Ermahnung für die Corinthrr anschlirßk der Gnndenzeih in der sie flehen, iult allem Ernste wahrzunehmen. uns verloren gegangenen Setzrellsen an die Corinther (1. Tor. 5, 9 Kam) denjenigen Reises-lau, den er in V. 15 f. des vorliegenden l. Rad. erwähnt, ange- lnindigß in dem weiteren Schreilikn aber, dao jetzt als der erste Corinlherbeief zählt, einen andern dafiir an dle Stelle gesetz! (1. Gar. Its, 5 f.); dies hatten seine I- ils. 12 — Bau. L, 1·7. Paulus hatte in drin ersten, fiiri Der Epistel erster Theil: Ablehnung der dem Apostel gemachten Vorwürfe. 301 Widersacher begierig aufgegrissen als ein Zeichen seines unzuvertiissigeii und wan eluiütlsigen Charakters, um sein Jlnsehen bei der Gemeinde herabzusetzen, daruni geht er in diesen! ersten Abschnitt angfiihrlicher auf die Saihc ein und rechtfertigt sich wegen der getroffenen Jibs iindernng a. V. t«2--24. Der Fiirbitle und Dantisagiing von der et· vorhin geredet, darf der Apostel milssiuinit dein, der bei seinen: Sendsajreilieii ihiii zur Seite steht (V. 1), sich nicht tinwerth achten üei einem Wandel. wie sie überhaupt in der Welt und besonders auch bei den Corintherii ihn geführt haben; ist das ein Wandel in göttsiiher Einsälliglieit Und Laulertieil gewesen, so wird sich?- t5esindeii, das; dieselbe Einfältigtieit und Latilertieit auch oligewaclet hat in der Sache, iini die es sich jetzt handelt, in der Abänderung des ursprüng- lichen Reises-satte. Die Widersacher haben diese Sache freilich zu einem Vorn-and genommen, ihn, den stan- lu5, der Leiihtserligüeit zu lieschtildigeii nnd seine Ilnschläge jleischlich zu nennen, ais der jetzt Ja sage nnd alsbald wieder 2’ceiii, jetzt ein Versprechen gelse und hernach es wieder aushelie: nun, wenn auch in seinen niensihliihen Enlschtiestuiigeii ein solches Ja nnd Nein zugleich einmal oortioiiinieii mag, so doih jedenfalls» nicht in dem Eoangctio von Jesu Christo, das er in Genieiiischast mit seinen Mitarbeiter» den Co« rinthern gebracht hat und das lauter Ja und Amen enthält, wie die Coriiither das an sich selber· erfahren haben; atier atish das Nein zu dein Ia liei dei- Ali« iindernng des Reiseplanes war für sie sehr« wohlge- meint, eine Schonung gegen sie nnd eine Freigebung ihres eigenen Glaubens-leisem» um sich selber· wieder zurecht finden zu können. 12. sGetviß aber werdet auch ihr Fürbitte und Danlsaguiig in der V. 11 bezeichneten Weise für uns und über uns als euch theure und hoch- achtbare Ntänner thun] Denn unser Ruhm swa- mit wir euch gegenüberstehen und durch manche Feindseligkeih die uiis widerfährt, in dem Anspruch auf eure Liebe und Werthschätzuag uns nicht irre machen lassen] ist der, nainlich das Zengniß unsers Gewissens» [Hebr. 13, 18], daß wir m Einfalt1g- keit und gottl1cher Lauterkeit sdie Worte des Grund- textes können auch iibersetzt werden: in gött- licher Einfältigkeit und Lauterkeit], nicht in fleifchlicher Weisheit sdie wir im Gegentheil geflissentlich« gemieden I. Cor. 1, 17 fs.; 2, 1 u. 4], sondern m der Gnade Gottes auf der Welt ge- wandelt haben, allernicist aber bei euch-« swo wir in ganz besonderem Maße eines solchen Wandels uns befleißigt haben]. 13. [Ia, in Einfältigkeit und Lauterkeit haben tvir bei euch gewandelt l] Denn wir schreiben euch sin den Briefen, die wir an euch richten] nichts anderes, denn das ihr sden Worten nach] lefet Und auch [dem nachherigen Verhalten nach wirklich] befindet lso daß wir bei dem, was wir schreiben, weder von Haus aus etwas Anderes uns denken, als was ihr daraus euch entnehmen müßt, noch die Meinung davon haben, wir wären daran nicht weiter gebunden, wir könnten es später ganz nach unserm Belieben wieder abtindern und ganz abweichend davon verfahren]. Jch hoffe aber, ihr werdet uns auch bis an’s Ende also befinden, gleichtvie ihr uns zum Theil [vom ersten Tage unsers Eingangs bei euch bis auf diese Stunde, allbereitss befunden habt snämlich als durchaus zuverlässig und in jeder Beziehung ausrichtigen Sinnes, wenn auch unsre Widersacher das in Abrede stellen]. 14. Denn [von diesem Bewußtsein sind wir stets bei unserm Verhalten in Beziehung auf euch getragen, daß] wir find euer Ruhm ssolche Lehrer für euch und Pfleger eures geistlichen Lebens sein müssen, deren ihr euch werdet rühmen dürfen, wenn nun das Ende da ist], gleichwie auch ihr unser Ruhm seid auf des HErrn Jesu Tag« [l. Thess 2, 19 f.; Phil. 2, 16]. V) Nicht geringen Werthes rühmte sich Paulus, indem er zu den Corinthern sich versah, daß sie über ihm als einem theuren Gnadengeschenke Gott danken würden; fein Rühmen aber war der Art, daß er nicht darüber zu Schanden werden konnte, sein Gewissen gab ihm Zeugniß, daß er Anspruch habe auf die Hilfe der Fürbitte der Corinther und werth sei der Be- zahlung ihres Dankes. Dem falschen Zeugniß feiner Widerfachey welche die Gemeinde an ihm irre machen wollten, stellt ei: ruhig das Zeugniß seines Ge- wissens entgegen; diesem durfte er trauen als einem richtigen Zeugnis» weil sein Gewissen berichtigt war im heil. Geist. zum klaren und treuen Spiegel des in’s Herz gefetzten Willens Gottes. (Befser.) Wie es ein doppeltes Gericht giebt, so auch einen doppelten Ruhm: es giebt ein Gericht der Menschen und ein Gericht Gottes; vor den Menschen rühmen wir uns unsers Gewissens, vor Gott der Barmherzigkeit. (Melanch- thon.) Wie die Christen ermahnt werden (Ephef. 5, 1), Gottes Nachfolger zu sein, und die Bestimmung haben, an feiner Heiligkeit Theil zu nehmen (Hebr. 12, 10), so bezeichnet der Apostel die Einfältigkeit und Lauter- keit, welche er seinem Verhalten beiinißh darnach, daß dies Gottes Art und Weise sei (vgl. Jak. 1, 5); hat er nun hiermit die sittliche Beschaffenheit benannt, die er in seinem Wandel erzeigt hat, so besagt das »in der Gnade Gottes«, was ihm für seine Schritte maß- gebend war, Gang und Verlauf feines Wandels hatte m solchem, das Gott ihm gnädig zugetheilh seinen Beftimmungsgrund, statt in fleischlicksr Verständigkeit Die ,,fleischliche Weisheit« ist ein efitz des natür- lichen Menfchem vermöge dessen er sich darauf versteht, fein Thun und Lassen so einzurichten, daß feinem sünd- haften Eigenwillen ein Genii e geschieht; der Apostel dagegen kann sich das Zengniß geben, daß er göttliche Gnade den Bestimmungsgrund seines Wandels hat fein lassen. Was er hierunter versteht, erhellt aus dem Umstande, daß es sich darum handelt, wie er und Tiinotheus in Ansrichtung ihres apoftolifchen Berufs sich verhalten haben: wenn sie sich für dies ihr Ver- halten die ihnen gewordene Berufsaufgabe bestimmend fein ließen, so konnte er das, was ihre Schritte regierte, göttliche Gnade nennen, indem ihnen Gott gegeben hatte, was sie thun und wie sie es thun follten, im Gegenfatz zu der fündhaften Klugheit, welche das Thun und Lassen des natürlichen sJtenfchen bestimmt. Gilt dies von feinem und des Timotheus Verhalten über- haupt, so ganz besonders gegenüber der Gemeinde von Corinthr er kann sich das Zeugniß geben, hier ganz 302 2. Corinther 1, 15—22. besonders dieser Richtschnur seines Verhaltens gefolgt zu sein, nicht als hätte er es anderwärts weniger gethan, sondern weil er unter den dortigen Umständen, die ihn so leicht zu Mitteln fleischlicher Weisheit ver- leiten konnten, ganz besonders auf seiner Hut war. (v. Hofmann.) «) Die Versicherunszg der Lauterkeit seiner Hand- lungsweise bekräftigt panlus nun auch in Ansehung seiner Briefe, wohl im Hinblick auf gegnerische Ver- dächtigung, als sei da eine Differenz zwischen dem Aus- druck, wie er dem Leser und dessen einfachem Ver- ständniß vorliege, und zwischen seiner eigentlichen Mei- nung: wir haben bei dem, was wir schreiben, so be- engt er, nichts Anderes im Sinne, als was beim Lesen sich als der einfache Wortsinn ergiebt. (Kling.) Von sich und seinen! Genossen sagt Paulus im 14· Verse, er sei der Ruhm der Corinther, ihn zum Lehrer und geistlichen Vater gehabt zu haben, sei etwas, deß sie sich wohl riihnien dürften; damit er aber nicht zu viel gesagt zu haben scheine, setzt er mit ebensoviel Wahr- heit als Zartsinn hinzu: »gleichwie ihr unser Ruhm seid«. Nicht blos sie sollen seiner sich zu rühmen haben, auch er will sich ihrer rühmen, und thut es jetzt schon, womit er die Anerkennung, die er für sich in Anspruch nimmt, ihnen zurückgiebt Auf den Tag Jesu weist er hin als auf den Zeitpunkt, wo die volle Wahrheit in ungetriibtem Licht erscheinen wird, und ist gewiß, daß der genannte zwiefache Ruhm die Probe jenes Tages bestehen werde. (Burger.) Da steht es wohl, wenn der Prediger seine frommen Pfarrkinder rühmt, und sie ihn wieder; dagegen ist’s nicht gut, wenn er fein Amt mit Seufzen thut (Hebr. is, 17). Wiederum kommt es für ihn darauf an, das; er bis an’s Ende treu sei; hingegen ist es betrübt, wenn ein Lehrer sich zwar einige Zeit treu erweiset, hernach aber ein dummes Salz wird (Matth. 5, 13) und in den Weltsinn verfällt. (Starke.) 15. Und ans solches Vertrauen sdafz ihr mich ebenso als enern Ruhm ansehet, wie ich euch als den meinigen betrachte auf des HErrn Jesu Tag] gedachte ich jenesmal sals ich den in i· Cor. 5, 9 erwähnten Brief schrieb, gleich unmittelbar von Ephesus, meinem damaligen Aufenthaltsorte aus] zu euch zu kommen, auf daß ihr abermal eine Wvhlthat sin geistlicher Stärkung Rö1n· l, 11., wie bei meiner ersten Anwesenheit Apstg. 18, 1 ff., von mir] empfinget [während ich bei meiner zweiten Anwesenheit nur im Vorüberziehen I. Cor. 16,7 bei euch gewesen war], 16. Und szwar wollte ich diesen Zweck durch ein ztveimaliges Kommen erreichen, indem] ich durch euch in [nach] Maecdonien reisete, und wiederum aus Macedonien zu euch käme, und von euch sdann weiter] geleitet wiirde in Judäamk swenn ich aufs Pfingstfest nach Jerusalem reisen würde Röm. 15, 25]. 17. Hab ich aber einer Leichtsertigkeit ge- branchet, da ich solches gedachte [so daß ich her- nach bei besserer Ueberlegung es hätte wieder auf- geben müssenJP oder sind meine Anschläge fleisch- lich [daß ich überhaupt nicht recht weiß, was ich will, und also heute Ja sage und ein Versprechen gebe, morgen aber ein Nein dafür an die Stelle setze und mein Versprechen wieder zurücknehnce, je nachdem das Fleisch mich so oder anders be- stimmt, mich die Lust bald zu dem einen, bald zu dem andern anwandelt]? Nicht also; sondern bei mi]r ist Ja Ja, und Nein ist Nein« [Matth. s, 37. 18. Aber, o ein treuer Gott sder uns das verliehen] daß miser Wort an euch sals wir euch das Evangelium verkündigten Apost. 18, 1 ff.] nicht Ja und Nein [zugleich] gewesen ist sin dem, was er da euch verkündigeii ließ] 19. Denn der Sohn Gottes, Jesus Christus, der unter euch durch uns geprediget ist, ]nämlich, da es hier vornehmlich um diejenigen sich handelt, die bei euch gepflanzet haben 1. Cor. Z, G] durch mich und Silvanntn und Timotheu1nsApstg. 18, 5], der war sganz entsprechend dem, daß er eben Gottes Sohn ist, mit dem Vater gleichen Wesens und Eines Wollens und Wirkens] nicht Ja und Nein lbald das eine und bald wieder das andere], sondern es war snichts als lauter] Ja in ihn: sbei dem, tvas wir von ihm euch zu predigen hatten]. 20. Denn alle Gottes-Verheißungen swie sie im alten Testament vorliegen] sind [so- wenig, was die durch ihn gewordene Erfüllung betrifft, ein Ja und Nein zugleich, eine Be jahung auf der einen Seite in der wirklichen Ausführung gemachter Zusagen und eine Verneinung auf . der andern Seite in Zurücknahme solcher Ver- sprechungen, die nicht zur Ausführung gekommen wären, daß sie vielmehr alle mit einander sind] Ja in ihm nnd Amen inihm sbeides zugleich, Bejahung und Bekräftigung, Bejahung in der Erfüllung und Bekräftigung durch die- Art, wie das Erfüllte nun auch zugeeignet wird] G ott zu Lobe durch uns [die wir dabei die Yeittelsp personen sind]. 21. Gott ist’s aber [um hier besonders nach auf die Bekräftigung hinzuweisenL der uns [die Verkündiger des Evangelii] befestiget sammt euch sden an das Evangelium Gläubig Gewordenen] in Christum [um in ihm zu sein und zu bleiben] nnd uns [beiderfeits] gefalbet [mit jener Salbung begnadigt hat, welche volle Zuversicht und Ge- wißheit des Glaubens bewirkt l. Joh. 2, 20 fs.], 22. Und lder uns nun auch auf den Tag der Erlösung Ephes I, 13 f.; 4, so] versiegen und szur gewissen Versicherung dieser unsrer künf- tigen vollkommenen Erlösung] in unsere Herzen das Pfand, den Geist, gegeben hatt« [Kap. 5, s; Röm· 8, 23]. «) Indem der Apostel erklärt, daß sein Vertrauen zu den Corcnthern ihm einen so liebevollen Plan ein- gegeben habe, wie· er ,,jenesmal« ihn gehegt, giebt er zu verstehen, daß er an eine Mißdeuttikig der Ab- Rechtfertigung wider den Vorwurf der Unzuverlässigkeit wegen der Reise-Abänderung. 303 änderung, die er hernachmals habe eintreten lassen, nicht habe denken können. (Kling.) Mit Paulo mögen sich trösten, die aus Brüdern Verleumder aufstehen sehen und erfahren müssen, was der alte Reißner singt: ,,mir hat die Welt trüglich gericht’ mit Lügen und mit falschem G’dicht viel Netz und heimlich Stricke«; aber an Paulo können wir auch lernen, daß ein Christ um schwacher Brüder willen es nicht für unter seiner Würde hält, nach Vermögen wider bösen Lenmund sich zu vertheidigen (Besser.)» » VI) Der Apostel führtfragend eine Schlußfolgerung ein, welche die Gegner aus der in Rede stehenden Aenderun seines Reiseplans zogen: ,,also war es leichtfertig, dag ich es so vorhatte, wie in V. 16 gesagt, weil ich es jetzt anders eingerichtet habe?« Wir sehen hieraus, daß die lauernden Widersacher des Apostels diese schein- bare Unbeständigkeit desselben sofort benutzt haben, um zu sagen: »was ist das für ein Mann, der heute so und morgen so spricht?« Diesen Vorwurf faßt Pau- lus noch bestimmter in der zweiten Frage, bei welcher Luthers Uebersetzung einer Berichtigung bedarf: ,,oder, was ich mir vornehme, nehme ich mir das fleischlicher Weise vor, damit bei mir das Ja-Ja und (zugleich) das Nein-Nein sei (d. i. ein Ja, auf welches kein Verlaß, weil es jeden Augenblick in’s Nein utnschlagen kann)?« Fleischlicher Weise steht entgegen dem geistlich und bezeichnet als Quelle nicht den Geist Gottes, von dem Paulus als Apostel sich allezeit sollte leiten und bestimmen lassen, sondern das Fleisch, d. h. die natürliche Sinnesweise, welche, schwankend und unsicher in sich selbst, sooft sie Ja gesagt, auch das Nein sich vorbehälh um es je nach Gutdünken an des ersteren Stelle treten zu lassen. Das Ja wie das Nein setzt der Apostel zweimal in der Lebhastigkeit der Rede, um den Gegend? beider recht nachdrücklich zu bezeichnen. Die lutheri che Uebersetzung, indem sie die zweite Frage theilt und deren zweiten Theil rnittels Einschiebung eines ,,Nicht also!« als Antwort nimmt und ferner die beiden Ja und Nein so trennt, daß je das erste Subjekt, das andere Prädikat wird, behandelt theils den Grundtext zu gewaltsam, theils zerstört sie den Fortschritt des Gedankens von V. 17 zu V. 18. (Burger.) « IN) Aber [wenn denn auch wirklich einmal, was die menschlichen Entschließungen eines Apostels betrifft, eine Abänderung erfolgt, so daß da Ja und Nein beisammen zu seinscheint], o ein treuer Gott, daß unser Wort an euch nicht Ja und Nein gewesen ist ses also jedenfalls, was die apostolische Predigt betrifft, sich anders verhält]! So haben wir gemäß der vorhin angegebenen Berichtigung der lutherischen Uebersetzung nunmehr den Gedanken- Zusammenhang zwischen V. 17 u. 18 herzustellen — Paulus unterscheidet in diesen Versen sehr bestimmt zwischen der absoluten Wahrhaftigkeit Gottes und der relativen Wahrhaftigkeit seiner eigenen mensch- lichen Entschließungen: in der apostolischen Predigt des Wortes sei jede Gottesverheißung Ja und Amen geworden; dafür bürge nicht menschliche Auetoritäh sondern die Auetorität des heil. Geistes selbst, durch dessen Darreichung Gott die Predigt als wahrhaftig erwiesen habe. Dagegen sei die Entschließung des Apostels unter Vorbehalt gefaßt; nachdem die Um- stände sich geändert, habe er im Jnteresse der Liebe, nämlich um den Corinthern nicht hart fallen zu müssen, seinen urspriinglichen Entschluß aufgegeben. Hiernach darf man um des Vorsatzes willen, den Paulus in Röm. 15, 28 ausspricht, nicht ohne Weiteres voraus- setzen, er habe die Reife nach Spanien auch wirklich gemacht, gleich als würden daraus, daß des Apostels Entschließuiig nicht sollte zur Ausführung gekommen sein, bedenkliche Consequenzen für die Wahrhaftigkeit der apostolischen Predigt sich ergeben; nur in Einem Falle durfte der Apostel seines Weges völlig gewiß sein, und mußte dieser Weg hernach auch wirklich gerade so sich erfüllen, wenn der HErr selbst ihm den- selben ausdrücklich vorgezeichnet oder doch unucittelbar zu erkennen gegeben hatte, und da empfängt er denn in Apostg 23, 11 in der That einen näheren Auf- schluß über die Nieinuiig des Wortes in Apstg. 22, 21., damit aber erledigte sich die dem früheren Verständniß dieses Worts angehörige spanische Reise von selbst. (Qtto.) Wenn des Apostels Weise, etwas zu be- schließen und sich vorzunehmen, mit sich bringt, daß sein Ja, mit dem er es setzt, kein schlechthiniges ist (und also hernachiiials, in Folge einer Abänderung seines nrsprünglichen Beschlusses, an die Stelle des Ja allerdings ein Nein treten kann, an die Stelle eines Versprechens dessen Zurücknahme, wie es ja bei der in Rede stehenden Reise nach Corinth der Fall war), so kann er daneben betheuern, daß es sich mit dem, was er und seine Berufsgenossen den Lesern ge- predigt haben, insofern anders verhält, als dasselbe nicht Ja und Nein ist; bei seinem Beschließen ist das Ja immer mit dem Vorbehalt eines Nein gemeint, weil es nur aus seiner eigenen Erwägung hervorgeht, während das Wort seiner Predigt nicht seinem Denken oder Wollen entstammt, sondern Gottes Wort ist (l. Thess. Z, 13) und alssolches sich auch an den Lesern bewährt hat. (v. HofmannJ Jndem der Apostel die Corinther an seine Predigt unter ihnen erinnert, vertauscht er mittelbar die Rolle des Ver- klagten mit der eines Mannes, der sich mit Re tüber sie beschweren darf: hat seine Predigt sich als »öttlich ewiß nnd durch ihren Erfolg an ihnen selbst als ahrheit kräftig ausgewiesen, wie mögen sie den Mann, der solche Botschaft unzweifelhaften Heils ihnen ebracht, dessen Wort Gott selbst» bestätigt hat, nun geischlicher Anschläge und Wankelmuths leichtsinnig eihen, weil er in einer Sache eigenen Beschließens feinen früheren Plan geändert hat? hätte nicht die große Erfahrung, die sie an seiner Verkündigung fchon gemacht hatten, sie verpflichtet, vielmehr mit ihrem Urtheilen zurückzuhalten und, statt mit dem Vorwurf der Leichtfertigkeit rafch zu ufahren, den Schluß zu ziehen, daß er gewiß zur Zlenderung seines Planes seine guten Gründe gehabt habe? (Burger.) Nachdem denn der Apostel einerseits dagegen sich verwahrt hat, daß man aus der allerdings vorhandenen Thatsache eines Ja und Nein bei ihm in Betreff des Reiseplans eine Schlußfolgerung in Beziehung auf die Beschaffen- heit seiner Predigt des Evangelii ziehe, als habe man es da auch mit Ja und Nein zu thun und können sich also nicht auf die unbedingte Geltung ihres Inhaltes verlassen, und nachdem er andrerfeits indirekt -auf die Lieblosigkeit hingewiesen, womit man jenes Ja und Nein bei ihm in Betreff des Reiseplans überhaupt zu einer falschen Unterstellung geniißbraucht hatte, legt er nun den wahren Sachverhalh aus welchem Be« weggrunde er den versprochenen Besuch in Corinth nicht zur Ausführung gebracht habe, unter einer Be- theuerung dar; lediglich die liebevolle, schonende Rück- sicht auf die Coritither hat ihn dazu bewogen, und weil ihm alles darauf ankommt, daß ihm diese seine Versicherung auch geglaubt werde, so betheuert er die Wahrheit derselben in gehobener Stimmung mit Ab- legung eines Eides, was von Wichtigkeit ist, um in Beziehung auf das in Jak. 5, 12 aus Christi Munde wiederholte Verbot des Schwörens ein richtiges Urtheil zu gewinnen. 304 2. Corinther 1, 23. 24. 2, 1——4. Das 2. Kapitel. Von Unfnehniuiig des buszfertigeii Sünders. 23. Jch rufe aber swenn ich jetzt dazu schreite, den Grund anzugeben, der bei meinem Nein-Nein nach dem vorangegangenen Ja-Ja V. 17, d. i. bei dem Unerfülltbleibenlassen der früher euch gemachten Zusage, mich bestimmt hat, in eidlicher Bekräftigung dessen, was ich da vorbringe, damit ihr euch recht fest darauf ver- lassen niöget, daß es wirklich sich also verhalte, Kap. 11, 31; Gal. 1, 20; Röm I, 9] Gott an zum Zeugen auf meine SeeleA daß ich skeine Wortbrüchigkeit gegen euch begangen, sondern lediglich] euer verschonet habe in dem, daß ich nicht wieder fbevor ich nach Macedonien reiste] gen Corinth kommen bin swie ich euch in Aussicht gestellt hatte V. 15 f.; denn ich hätte, wie es zur Zeit noch bei euch stehet, müssen mit der Ruthe kommen l. Cor. 4, 21, und damit eben wollte ich wo möglich euch verschonen, damit ihr nicht scheu würdet, wenn ich etwa mich genöthigt sehen sollte, die ganze Machtvollkotnmenheit des apostolifchen Amtes an euch geltend zu machen Col. 3, 2l]. 24. Nicht fwill ich damit, daß ich so von einer Schonung gegen euch, von einer Zurück- haltung der apostolischen Machtvollkommenheit rede, die Meinung aussprechen, wie die Wider- sacher, die immer gleich mit einer Mißdeutung bei der Hand sind, mir etwa unterftellen möchten], daß wir sDieiier Christi] Herren seien über euren Glaube« [l. Petri 5, Z, ihn mit Zwangsmaß- regeln ganz nach unserm Belieben zu gestalten und, soweit er nicht vorhanden, gewaltsam her- beizusühren], sondern wir sind [wo wir es mit einer schon bestehenden Gemeinde Christi zu thun haben, statt Herren über euren Glauben, vielmehr] Gehilfen eurer Freude fhaben bei unserm Thun und Vornehmen nur dies Ziel ins Auge zu fassen, daß -wir etwasbeitragen zu eurem Wachs- thum in jener Freude im heil. Geist, die der Besitz des Reiches Gottes gewährt Röm. 14, 17, und diese Berufsaufgabe hatte ich auch bei euch Corinthern zum Maßstab meines Verhaltens zu uehmen]; denn ihr stehet im Glauben» fseid also gar wohl fähig, in der christlichen Heilsfreude gefördert zu werden und selber dazu das Eurige zu thun]. s) Paulus ruft Gott an zum Zeugen auf feine Seele, um durch solchen Anruf des allerhöchsten Zeugen die Aussage zu beglaubigen, womit er aus innerfter Seele die ihm nnd Gott allein bewußte Wahrheit sagt; vorhin hat er mit »wir« und ,,uns« geredet (V. 18 ff.), seine Amtsgenossen ausdrücklich einschließend in seine Verantwortung, den Schwur aber nimmt er aus seine Seele allein als in seiner Sache, worin er Gott zum Mitwisser hatte. Schon Augustin hat diesen feierlichen Schwur des heiligen Apostels zum Beweise dafür angeführt, daß das Ber- bot des HErrn in der Bergpredigt (Matth. 5, 34 sf.) nicht jedwedes Schwören trifft, sondern nur das Schwören, wodurch der Name Gottes nicht geheiligt, vielmehr unnützlich gebraucht wird, also das eigenwillige und eigenniitzige Schwören. Paulus schwört hier zum Nutzen seines Nächsten und zur Ehre Gottes; die eid- liche Vertheidigung seiner gekränktcn Amtsehre ist ein rechter Gottesdienst. (Vesser.) Die Betheuerung hat ihren guten sittlichen Grund darin, das; es sich um eine Wahrung seines amtlichen Ansehens gegen Gegner, welche seine Wahrhaftigkeit verdächtigtem handelte, womit die Ehre Christi, seines Senders, und die Sache Gottes, die er in Corinth vertrat, wesentlich zusammenhing. (Kling.) Wenn Paulus öfters in seinen Briefen seine Aussagen eidlich betheuert, so ist zu bedenken, daß er eben an schwache Brüder schreibt, in deren Herzen er noch viel Mißtrauen zu bekämpfen hatte; in der Gemeinschaft der Heiligen dagegen, im vollkommenen Reiche Gottes, in dem kein Bann, keine Lüge mehr ist, wo Wahrheit alle Glieder durchdringt, wo allgemeines Vertrauen herrscht, sowohl im öffent- lichen als im Privatlebem findet der Eid keine Stelle mehr, v l. Offenb. 14, 5 Anm. (Let)rer.) Its) er Grund, warum Paulus nicht, seinem frü- heren Vorhaben nach, unmittelbar nach Corinth ge- kommen, sondern zuvor die macedonischen Gemeinden , besucht hat und sich nun noch einmal schriftlich an die Corinther wendet, ist in ,,euer verschonet habe« ange- deutet; er hofft, durch dieses Schreiben werde die Ge- meinde vollends so zurechtgebracht und ihr Verhältnis; zu ihm hergestellt werden, daß er nicht nöthig habe, mit Strenge aufzutreten, wiewohl er auch jetzt noch nicht ohne Sorge in dieser Beziehung war, vgl. Kap. 12, 20 f.;«13, 1 ff. (Kling.) Ein Vater wendet oft eher das Auge von etwas ab, als daß er ein wohl geord- netes Kind zu viel beschämt. (Rieger.) Bo.n der Zart- heit dieser Seelsorgerliebe verstanden aber die her- rischen Geister nichts, welche Apostel spielten in Co- rinth und Paulum verdunkeln wollten (Kap. 11, 20); mit bedachtfamer Sorgfalt wählt er daher feine Worte und schützh was er soeben vom Schonen gesagt hat, sofort vor Mißverständniß Daß er ihrer verschont habe, alfo doch die Macht befitze, ihrer nicht zu schonen (Kap. 13, 2), möge niemand dahin mißdeutem als machte er sich oder irgend einen seiner Mitdiener Zkmi Herren über ihren Glauben; fern ist er von der nmaßung, eine Herrschaft über die Gläubigen zu üben, wie ein Hausherr über seine Knechte, wohl aber möchte er ihnen ein Gehilfe ihrer Freude sein. Es konnten, wenn er persönlich gekommen wäre, etliche aus Menschenfurcht, etliche aus Menschengefälligkeih alfo in Menschenknechtschaft sich vor seinem Ansehen- beugen und seinen Anordnungen sich fügen; Freude hätten sie aber davon nicht gehabt. Um also als Freudengehilfe, nicht als Stockmeifter oder Partei- führer, von ihnen empfangen zu werden, wartete er auf den Erfolg seines Briefes und der Sendung seiner Boten, zuerst des Timotheus und jetzt des Titus, in- dem er lieber einer argen Auslegung feiner lauteren Absicht seitens der Widersacher sich aussetzte, als etwas thun wollte, was die Wohlthat seines Be—- fuchs (V. 15) schwachen Brüdern verleiden könnte. (Besser.) Wer durch den Glauben ein Knecht Gottes geworden, ist eben damit ein Gefreiter Christi und kann nicht mehr eines Menschen Knecht sein (1. Col-· 7, 22 f.); daß dies auch von den Corintherii gelte, bezeugt Paulus ausdrücklich mit den Worten: ,,im Grund und Absicht des Apostels bei Abänderung seines Reiseplans. 305 Glauben stehet ihr«, nach dieser Seite also, will er sagen, habe ich keine Bevormundung über euch zu üben (Gal. 5, I; Joh. 8, 36), sondern mein Geschäft ist nur das, daß ich ein ,,Gehilfe eurer Freude« euch werde. Welche Freude er da meint,· ist aus dem Zu- sammenhange klari Störungen des Glaubenslebens, der rechten Glaubensentfaltung wie sie in Corinth vorgekommen, lassen Freude in Christo nicht auf- kommen, wenigstens nicht völlig werden; wer jene Störungen entfernt, der hilft zur Freude. Das will denn der Apostel thun und nennt sich dazu, für diesen Zweck, einen Mithelfer, weil er ihre Mitwirkung dazu bedarf und verwenden will; ohne dieselbe aber könnte er seine Absicht nicht erreichen. (Burger.) Nicht einmal die Apostel wollen über den Glauben herrschen, wie- viel weniger sollen es ihre Stellvertreter thun! Der Geist soll durch das Wort jeden Christen frei leiten. (Heubner.) b. V.1—1l. Jluaj um seiu selbst willen, siihrt der Ilposkel fort, habe er veriniedety nach Carinth zu liotutneux er wollte nicht abermal in Traurigkeit bei der Gemeinde verweilen, mie das vorige Mal die-«- ge— scheheii sei; denn da miirde er amh sie haben traurig machen euüssen nnd sich um die Freude gebracht haben, die bei einem Besuch der Gemeinde ihm doch so sehr Bedürfnis! isk· Darum habe et· es vorgezogen, siih brieslich an die Corinther zu wenden nnd durch schrift- liche Riige eine Beseitigung der tllislskiiiide herbeizu- führen, welche Grund und Ursach der Cranriglieit ge« bildet haben winden, wie er denn auch wiriilnh schon in grosser Trübsal nnd Ilngsk des Herzens, mit viel Theatern, seinen Brief geschrieben (V.1—4). Indem Paulus seht speciell ans die Sache des« Blutschäiiders eingeht, erlienut er an, das! diese dnnh das, mak- von der Mehrheit dec Genieiiide gethan nnd au dem Uebelthäler auch bereits» erreicht morden ist, erledigt sei, und dringt nun selber daraus, das; demselben jetzt vergeben und er wieder zu einen: Bruder ange- nommen werde. (v. 5——11.) Kaki. 2, V. I. Ich dacht aber solches bei mir sbeschloß auch mir zum Besten, nicht wieder gen Corinth zu kommen Kap. 1, 23], daß ich nicht abermal in Traurigkeit sweil so mancherlei Gebrechen und Uebelstände vorfindend] zu euch käme swie es damals der Fall war, als ich von Ephesus aus im Vorüberziehen euch besuchte, J. Cor. is, 7; Apostg. 19, 20 Ann1.]· Z. Denn so ich sdurch Strafe und Rüge, die ich unter solchen Umständen würde in Anwen- dung bringen müssen] euch traurig mache, wer ist, der mich fröhlich mache, ohne der da von mir be- trübet wird?*« [ich bringe mich dann selbst um die Möglichkeit, bei euch froh zu werden. was mir ja bei einer solchen Visitationsreise Herzens- bedürsniß ist, indem ich diejenigen betrübe, von welchen her allein mir Freude zufließen kann.] s. Und dasselbige [was ich zur Strafe und Rüge vorzubringen hatte] habe ich euch sin dem vorigen, um die Osterzeit dieses Jahres dem Stephanas, Fortunatus und Achaikus mit heim- gegebenen Briefe] geschrieben [vgl. besonders 1. Tor. 1, 10 bis, e, 20], daß ich nicht, wenn ich käme swie denn auch nach Abänderung meines WHAT-PS Nilus-vors VI! Nasid ursprünglichen Reiseplans ich noch immer in Ab- sicht habe, zu euch zu kommen I. Cor. 16, 5 f.], traurig sein müßte swegen der bei solchen be- stehenden Mißstände und Gebrechen], über welche ich mich billig sollte freuen [ihr vielmehr, da nun noch eine geraume Frist zwischen jetzt und meiner Ankunft dazwischen liegt, unterdessen Zeit hättet, alle jene Mißstände abzuthun und die Gebrechen zu beseitigen]; sintemal ich mich des; zu euch allen versehn daß meine Freude euer aller Freude sei« sihr also gewiß bereit sein werdet, die Freude mir möglich zu machen, und nur Zeit be- dürfet, um es wirklich zu thun] 4. Denn ich fchrieb euch [wie es zur Zeit noch stand, namentlich bei dem, was ich in 1. Cur. b, 1 ff. geschrieben] in großer Trübsal und Angst des Herzens mit viel Thranen [genauer: aus vieler Bedrängniß und Angst des Herzens heraus durch viel Thränen hindurch, wenn ich auch nicht selber die Feder führte, sondern nur einem Andern meine Worte in die Feder diktirte]; nicht daß ihr solltet betrübt werden [dies, obgleich es als die nächste Folge meines Schreibens sich nicht vermeiden ließ, war doch nicht die eigentliche Absicht desselben] sondern [das letzie Ziel, auf welches ich es abgesehen, war dies :] auf daß ihr die Liebe erkeunetet, tvelche ich habe sonderlich sin ganz besonderem Maße] zu euch «« [wenn nun das erreicht sein wird, was ich erreichen wollte, nämlich ein solcher Stand eurer Gemeindeverhältnisse, wie er sich geziemt und euch zur Ehre und mir zur Freude ge- reicht]. V) Der Apostel bezieht sich mit dem ,,abermals« auf einen früheren Besuch der Gemeinde, welchem der hier in Rede stehende, aber in Folge der Abänderung seines Reiseplans nicht zur Ausführung gekommene darin gleich gewesen wäre, daß er, wie damals, Herze- leid gehabt hätte, und erklärt sich dann in V. 2 da- rüber, warum er so nicht ein zweites Mal habe kommen wollen; wenn ich, so sagt er da, wieder in Betrübniß zu euch komme, so mache ich euch betrübt, und wer ist nun, der mich erfreue, außer dem, welchem von mir aus, so daß ich deß Ursache bin, Betrübniß wider- fährt? (v. Hofmann.) Außer ihnen kann in Eorinth ihn doch nichts und niemand erfreuen; und eben die, von denen Freude ihm kommen müßte und allein kommen könnte, hätte er selbst traurig machen müssen, wie sollten sie ihm da zur Freude sein? Dies der Grund, warum er auch um sein selbst willen be- schlossen, nicht wieder in Traurigkeit zu ihnen zu kommen. (Burger.) Der Singular in diesem Satze: ,,ohne der da von mir betrübet wird« ist durch die ooraufgehende Frage, die absichtlich siugularisch ge- halten ist: »wer ist, der mich fröhlich mache?« herbei- geführt; allerdings hätte auch der Plural stehen können, aber der Singular macht die Rede conciser, senten- tiöser. (Olshausen.) Wie er ihnen ein dienendes Werkzeug der Freude sein will (Kap. I, 24), so sucht er auch seine höhere Freude, den versüßenden Ersatz so vieler Leiden und Opfer, so vieler Bekümmernisse seines Amts bei ihnen, die Freude des (geistlichen) An 306 2. Corinther L, 5—11. Vaters an seinen Kindern, des Lehrers an dem Ge- deihen und der Liebe seiner Schüler; er geht von dem rein- und geheiligt-meiischlichen Zartgefühl der Freund- schast, welche Freude, den Genuß am Freunde zur Absicht und Frucht des Besuchs, der Einkehr hat, aus. Wie zart und innig spricht er sich darüber aiis in Röm. 1, 12; 15, 24! wie herzlich daher sein Verlangen nach Genieindebesuchen in PhiL 1, 8! (Osiander.) VI) Beide Male, gleichwie in V. 1f. so in V. 3 f., redet Paulus von etwas, das er für sich nicht wollte, nämlich erstens nicht in Betrübniß hin- komnien, weshalb er wegzubleiben beschloß, und zweitens keine Betriibniß haben, wenn er kommt, weshalb er ihnen schrieb, ehe er kommt; aber beide Male war es ihm doch um die Gemeinde zu thun. Dort setzt er voraus, daß feine Betrübnis; die Ge- meinde betrübt mache, und hier spricht er die Zuver- sicht aus, daß seine Freude ihrer aller Freude sei. (v. HofmannJ Die schönsten Züge, die Paulus in jenem herrlichen Bilde der Liebe: 1. Cur. 13, 6 f. zeichnet, driickt er verwirklicht hier, in dieser Probe seiner Hirtenliebe, diesem sllieisterstück apostolischer Kunst, Seelen zu gewinnen, ab; er leiht den Lesern gleichsam vom Ueberfluß seiner Liebe und haucht sie ihnen damit ein. Er mißkennt die Wirklichkeit und ihre großen Mängel und Schattenseiten in der Gemeinde nicht; aber er appellirt an ihr innerstes christliches Selbst, an den, obwohl angegriffenen, doch nicht er- stickten innersten Lebenskeiin ihres liebethätigen Glau- bens. Das überfließende Maß seiner apostolischen Liebe tritt noch besonders in der Ausdehnung seines Vertrauens auf alle, bei so vieler Spaltung nnd Disharmonie und der Bitterkeit gewisser Parteien gegen ihn, hervor, aber sein Herz ist auch dafür weit genug, er hebt sogar das ,,alle« durch die Wieder- holung noch besonders heraus in dem ernsten Ve- streben, die traurige Angelegenheit, um die es sich handelt, zu einer heiligen Gemeindeangelegenheit zu machen und auch durch diese sie alle, wie mit ihm, so unter einander zu verbinden. (Osiander.) Mit Liebe vorerst die Gesanimtheit der Gemeinde zu gewinnen, darauf ist das Verfahren des Apostels berechnet; erst nachdem er für diesen Zweck das Möglichste ge- than, und zwar, wie er hoffen kann, nicht ohne Frucht, geht -er in Kap. 10 ff. zur offenen Bestreitung und Beschäinung seiner Gegner über. (Burger.) Jedem Seelsorger gebe der HErr von dem Geiste, der in Paulo as Gesetz erfüllt hat (Sach. 7, 10): ,,Denke Keiner wider seinen Bruder etwas Arges in seinem· Herzen-«! Jst je einer verfucht worden zu Argwohn åiznd Zfsilttekfkeits soGisFs Paulus fgesweseiisß uigter dåssen eru s ei en ie e ahr unter al chen rü ern ("ap. 11, 26) und das Weh über undankbare Kinder (Kap. P, g) niFht kdie ldeichtesten waren; denngchbhat ihidi er rr tar« un mächtig gemacht im ie en un ihm ein süßes, freundliches, unvergrämtes Herz be- wahr-E; (B»esser.) · y · » «· Hievsehen wir, »aus welch einer Gesinnung wahrhaft·chr1stliche, heiltzzk Strafreden und Vorhal- tungen fließen sollen. anche laute Strafprediger schelten, »ja donnern»gegen die Sünden und wollen damit einen recht gluhenden Eifer zeigen; inzwischen sind sie selbst aber in einer gaiiz ruhigen Stimmung, als ubten sie Kehle und Lun e zum Spiele. Ein ksiasssssksskixkissssssei« nene,eieer e ini- schweigendem Nachdenkeiy ehe er ein Zeichen des Un- willens von sich giebt, und behält stets noch mehr Schmerz in sich, als er Andern verursacht. -(Calvin.) Auf seine Thranen beruft sich Paulus auch in Apostg. 20, 19 und 31; Phil. Z, 18: sie sind kein Zeichcn eines unniännlichen Charakters, den man Paiilo gewiß nicht vorwerfen kann, sondern einer Weichheit, die aus der Liebe Christi stammt und sich auf ihr Vorbild be- rufen kann, Luk. 19, 41; Joh. 11, 35. (Burger.) Daß er an die corinthische Gemeinde durch seine dort sehr lange dauernde Station und durch den reichen Segen, init dem er nach vorhergegangenem schweren Kampfe dort arbeitete, besonders angeschlossen war und in dieser Gemeinde eine besonders reiche Aussaat seiner Liebe niedergelegt, das ist unstreitig. (Osiander.) Die Liebe der Mutter zu ihren Kindern erzeigt sich ani zärtlichsten gegen ihr krankes Kind, und die Liebe des Hirten äu seinen Schafen läßt sich sonderlich er- kennen im uchei1 eines verirrten Schafesz so hatte Paulus bei seiner Sorge für alle Gemeinden (Kap. 11, 28) eine sonderliche Liebe zu den Corinthern, weil sie die liebebedürftigsten waren und ihni die meiste Noth machten. (Besser.) 5. So aber jemand [nämlich der, von dessen Uebelthat in 1. Cur. b, 1 ff. die Rede war, iiiit seiner Versiindigung] ein Vetrübniß [Pred. S, 4 Anm.] hat angerichtet, der hat nicht mich betriibeh ohne zum Theil snicht mich für meine eigene Person, sondern nur insofern, als ich mich als einen euch zugehörigen Theil weiß; und habe ich nun da die ganze Betrübniß darum auf mich allein genommen], auf daß ich nicht euch alle be- schwere* swenn ich euch sie hätte wollen tragen lassen]. 6. Es ist aber genug, daß derselbige von vielen also gestraft ist swie es nach der Mit: theiluiig, die Timotheus mir gemacht hat, ge- schehen ists; 7. Daß ihr nun hinfort ihm desto mehr [vielmehr, statt weitere Strenge zu üben, das angerichtete, aber von ihm bereute und abge- thane Aergerniß] vetgebei und [durch Zusprechung der göttlichen Gnade ihn] tröstet, auf daß er nicht swenn ihr wolltet ihn völlig von euch verstoßen] in allzu großer Traurigkeit verfinstert sdavoii ver- schlungen werde, d. i. in Verzweifelung zu Grunde gehe, da seine Traurigkeit schon jetzt einen hohen Grad erreicht hat]. 8. Darum ermahne ich euch, daß ihr die Liebe an ihm betveiset sund durch Gemeindebeschluß bestinimet, daß er fortan wieder als ein Bruder betrachtet und behandelt werde]. 9. Demi darum habe ich euch auch smittels meines vorigen Briefes] geschrieben [und nicht blos auf mündliche Weisungen durch eure zurück- kehreiiden Gesandten mich beschränkt], daß ich ek- kennete, ob ihr rechtschaffen seid [euch dahin als eine christliche Gemeinde bewähren würdet], ge- horsam zu sein iu allen Stücken [und meiner Aufforderung gemäß statt der früheren Gleich- giltigkeit die nöthige Strenge eintreten zu lassen; nachdem dies geschehen, kann es mir nicht darauf ankommen, nun auch noch meine apostolische Straf- Wie jetzt die Gemeinde mit dem Blutschänder zu verfahren habe, nachdem er Buße gethan. 307 gewalt in Verwirklichung des in 1. Cor. 5, 5 gedroheten Bannes zur Geltung zu bringen]. 10.· Welchem aber ihr etwas ver-gebet, dem vetgrbe ich auch [so daß ich im Gegentheil jetzt eurem Verfahren mich anschließe, und werdet ihr nun da ohne alles Bedenken die in V. 8 in Anspruch genommene Liebe an ihm beweisen]. Denn auch ich, so ich etwas vergebe jemanden, das vergebeich um euretwillen an Christi StattM [und wie ihr nun ohne Bedenken den, um welchen es sich handelt, wieder annehmen könnet, so wird auch die christliche Klugheit erfordern, das zu thun]; 11. Auf daß wir nicht icbervortheilet werden vom Satan [wenn Ihr durch übergroße Strenge Anlaß geben wolltet zu einer Gemüthsstimmung des Bestraften, die dann jener, der Satan, für seine Zwecke ausbeuten könnte, indem er den Mann entweder in Verzweifelung stürzte oder aber in’s Heidenthum zurückzöges Denn uns ist nicht unbewußt, was er im Sinn hats snämlich auf alle nur erdenkliche Weise dem Reiche Gottes Abbruch zu thun und Menschenseelen zu Grunde zu richten Ephes. 6,12; 1. Petri b, 8]· V) »Nicht daß ihr solltet betrübt werden, habe ich euch geschrieben«: so sagte Paulus in V. 4; nun ist ja aber allerdings eine Betrübniß in der Gemeinde angerichtet worden, die ist jedoch, so fährt er hier fort, aus ihrer eigenen Mitte hervorgegangen, und damit kommt er auf den speziellen Anlaß und Gegen- stand, auf die Sache in Betreff des Blutschänders, wobei er indessen so schonend und mild als irgend möglich sich ausdrückt. Denn nicht nur nennt er die Person und ihr Verbrechen nicht, redet vielmehr nur leise andeutend von einem unbestimmten ,,jemand«, der ein Betritbniß angerichtet habe, sondern er bedient sich auch der blos voraussetzendem nicht unmittelbar be- hauptenden Redeweise mit ,,so«. Wenn er nun von diesem jemand, dem Vlutschänder, sagt, derselbe habe nicht ihn betrübt, so meint er mit dem ,,mich« sein eigenes, persönliches Interesse; nicht dieses fühle er gekränkt oder verletzt, wie wenn etwa das ihm wehe thäte, daß die Ehre feiner Wirksamkeit in Eorinth geschändet worden durch ein Verbrechen so schlunmer Art, davon auch die Heiden nicht zu sagen wissen, sondern das Interesse und die Ehre der ganzen Ge- meinde· Jn Luther’s Uebersetzung: ,,ohne zum Theil, auf daß ich euch nicht alle beschwere« sind die Worte des Grundtextes anders abgetheilt und anders auf einander bezogen, als die neueren Ausleger sie meisten- theils abtheilen und mit einander in Verbindung bringen, indem man vielmehr folgende Satzfügnng annimmt: sondern zum Theil — daß ich nicht [ihn, den Betheiligten, mit einem schlimmeren Vor- wurf] beschwere [als der in Wirklichkeit ihn trifft, was ja geschehen würde, wollte ich nicht dieses »zum Theil« vorausschicken] — euch alle sdenn es sind nur viele unter euch, nicht alle, welche die Sache als eine Betrübnis; aufgenommen haben V· 6]. Wenn nun gleich diese Auffassung der Stelle den Vorzug verdient vor derjenigen, die uther auf Grund der ihm vor- liegenden Hilfsmittel zur Schrifterklärung giebt, da hier nun auch der Uebelthäter dieselbe Milde und Schonung des Urtheils erfährt, die Paulus vorhin der Gemeinde als solcher hat zu Theil werden lassen, so muß uns doch für den praktischen Gebrauch vor allem daran gelegen sein, den in unsrer deutschen Bibel nun einmal angenommenen Sinn zu erfassen und, soweit es irgend thunlich, dem Ganzen einzufügen. it) Die Frage ist bei dem, was der Apostel in V. 6 von Strafe redet, ob die von ihm in Kap. 5 in Anregung gebrachte Excommunieation vollzogen worden sei oder nicht; ersteres nehmen die Meisten an, so daß sie das ,,es ist genug« auf die genugsame Dauer der Exeommunieation beziehen, allein eine geschehene voll- ständige Ausschließung ist schon wegen des »von vielen«, d. i. von der Majorität oder Mehrzahl der Gemeinde, nicht anzunehmen, wohl aber, daß die Mehrzahl der Gemeindeglieder dem ,,thut den Bösen hinaus« in 1. Cor. 5, 13 zufolge den Sünder als einen Ex- eommunieirten betrachtet und alle Gemeinschaft mit ihm aufgegeben habe. Damit hatte die Majorität vor der Hand dem erklärten Willen des Apostels Genüge geleistet; zur Minorität mögen theils die sittlich Er- schlafften, theils aber auch Gegner des Apostels, letztere in prinzipieller Opposition wider ihn, gehört haben. (Meyer.) Merke, daß schon zur Zeit der Apostel bei Gemeindehandlungen die Majorität auftritt; aber nicht wider, sondern für die Auctorität des apostolischen Worts und Amts. »Es ist genug, schreibt Paulus: leicht konnten die durch seinen rief zu Eifer und Rache (Kap. 7, 11) Geleiteten sich zu dem menschlichen Gedanken verirren, wer ihren Apostel dermaßen be- trübt und die Ehristenehre der Gemeinde vor den Heiden so schmählich gekränkt hätte, bei dem dürfte von Milde keine Rede sein, die Heiden müßten hand- greiflichen Beweis kriegen, daß die Gemeinde Gottes sich zu reinigen verstünde von Schandflecken ihres guten Namens. Solchen Gedanken, worin sleischliche Anschläge in den geistlichen Willen hineinpfuschem wehrt der Apostel in göttlicher Lauterkeit und giebt der Gemeinde zu bedenken, daß des Strafens an dem Gefallenen genug geschehen, da er zur Buße sich ge- wendet; aber fertig war die Gemeinde nicht mit ihm, so erinnert er weiter, sondern nun sollte die barm- herzige, rettende Liebe, in deren Dienste auch der Bann steht (1. Cur. 5, 5), ihr eigentliches Werk aus- richten mit dem Gegentheil vom Strafen, näcnlich mit Vergehen und Trösten. (Besser.) .Pfarrherrn sollen diejenigen, so da fallen, wohl hart und heftig schelten und strafen; doch wenn sie merken, daß ihnen leid ist und sich bessern wollen, sollen sie sie wiederum trösten und ihnen aufhelfen, ihre Sünden so gering und leicht machen, als sie immer können, nämlich also, daß die Barmherzigkeit Gottes, der seines eigenen Sohnes nicht verschonen sondern ihn für uns alle dahingegeben hat, größer sei denn alle Sünde, auf daß die, so da gefallen sind, in allzugroßer Traurigkeit nicht ver- stnken. Denn so steif der heil. Geist, die Lehre des Glaubens zu erhalten und zu vertheidigen, so willig und freundlich ist er auch, die Sünden zu tragen und geringe zu achten, wenn nur die, so gesündigt haben, es ihnen lassen leid sein und Gnade begehren. (Luther.) ist) Jn der Anordnung des Apostels (V. 8), nun- mehr Liebe walten zu lassen gegen den, welcher so großes Herzeleid bereitet hatte, konnte man einen Widerspruch mit dem Inhalt seines Briefes finden, worin er ja einen so großen Ernst an den Tag ge- legt, und etwa gar einen neuen Anlaß zu jener An- schuldigung, wie sie in Kap- 1, 17 angedeutet worden, daraus entnehmen; dem tritt nun Paulus mit dem entgegen, was er in V. 9 sagt, sein Brief habe näm- lich darauf abgezweckt, die Haltung der Gemeinde, ob sie ihrer Pflicht nachkommen würde, zu erforschen, nachdem aber dieser Zweck erreicht sei, so sei, wie er 20« 308 2. Corinther 2, 12.—17. zugleich andeuten will, auch der Zweck des Schreibens selber erreicht und kein Grund vorhanden, darüber hinaus die Weisungen desselben aufrecht zu halten. (Burger.) Wie wir ihn in V. 4, wo es sich um den scharfen Tadel handelte, in welchem er der Gemeinde überhaupt geschrieben hatte, der Vorstellung begegnen sahen, als habe er ihr nur gerne wehe thun wollen, so begegnet er hier, wo es sich um fein scharfes Vor- gehen gegen jenen Sünder handelt, der andern Vor- stellung, als habe er nnr wie um eine ihm persönlich angethane Kränkung gezürnt. Seine Liebe sollten sie kennen lernen, sagte er dort; ihren Gehorsam wollte er kennen lernen, sagt er hier. Aber daß er sich mit dem begnügt erklärte, was gegen diesen Sünder ge- schehen war, machte nicht das ganze Anliegen der Gemeinde aus; sie wäre nur zur Hälfte beruhigt ge- wesen, wenn er ihr zwar zuließ oder auch anbefahl, ihm Vergebung angedeihen zu lassen, aber ohne auszu- sprechen, daß er auch selbst ihm verzeihe. Daher fügt er ausdrücklich hinzu, aber in einer Form, durch welche er auch hier, wie bisher, die Person des Sünders zu nennen vermeidet, daß er in ihre Vergebung, wenn sie nun erfolgt, seine eigene einschließe: hat er ja doch schon vergeben und um ihretwillen vergeben; denn in diesem Sinne will der mit »denn« auge- fchlossene Satz verstanden fein. (v. Hofmann.) Der Apostel stellt in diesem Satze fein Vergeben noch von einer andern Seite, nämlich für sich und unabhängig von dem, welches die Corinther üben, hin: von seiner Seite, aus Rücksichten seiner apostolischen Liebe u ihnen, habe er schon den Versöhnungsbefchluß gesagt. Jn der hypothetifchen Form, in welcher er das aus- spricht: »so ich etwas verIbW liegt eine hohe Zart- heit, indem Paulus die ergebung und damit das Vergehen selbst als etwas Abgemachtes, wovon kaum noch zu reden ist, in den Hintergrund stellt; das ist die vollkommene, den Andern erhebende, mit aller Fülle der Rührung und des Trostes beglückende Ver- gebung, wenn man selbst nicht mehr weiß, daß man etwas vergeben hat. Dies ist beim Vergeben das, was beim Geben das Nichtwisfen der Linken von dem, was die Rechte thut (Matth. 6, 3). Mit dem Zufatz: ,,an Christi Statt« schließt sich der Akt der Vergebung als heiliger Amts- und Gemeindeakt vor dem HErrn der Gemeinde und von ihm autorisirt an den beschlossenen Strafakt in l. Tor. 5, 5 harmonisch an. (Osiander.) T) Sehr viel ist aus dem Verfahren des Apostels zu lernen für Handhabung christlicher Gemeindezucht Wie weit ist er entfernt von irgend welchen gesetz;- lichen Bestimmungen, durch welche die Wiederaufnahme des Gezüchtigten an »eine bestimmte Zeit oder an irgend ein äußerlich vorgezeichnetes Verfahren, eine bestimmte Form der Abbitte u. dgl. gebunden würde! Jhm schwebt nur der eine, in l. Corn 5, 5 ausge- fprochene Zweck vor, den Gefallenen zu retten: sobald die Buße eingetreten ist, ohne welche die Rettung un- möglich war, hört alle ftrafende Zucht auf und tritt völlig die der liebenden Theilnahme und brüderlichen Aufhilfe ein. Nur wo dieser Geist liebenden Ernstes waltet, kann christliche Zucht recht geübt und mit Er- folg angewendet werden. (Burger.) c. V. 12—17. Gedachte der Apostel in V. 4 der 5eetenstininiiciig, in welcher er sich tieini Schreiben der vorigen Epislel befand, so geht er nunmehr« ancti ans diejenige Gemiithsoersasscing ein, in welcher er von Gphesiis ans seinen Weg über, Croas statt iitier Corinth, wie es früher sein Plan war Man. l, 16), genommen hat; ans Sorge um die Coriuther hc1t er dort, so einladend auch die Verhältnisse waren, sich nicht aushalten mögen, sondern ist ohne Verzug weiter tiis gen Macedonien gereist, mn je eher desto lieber mit Titus- zcifamntcii zu treffen und zu hören, wie ek- um die Gemeinde ikehe Nun hat er, weil dieser zur Zeit noih kiicht ein-getroffen, die so sehnlich erwar- teten bercthigeiideti Nachrichten nicht empfangen; ocnh weis! er nicht, ob Titus überhaupt solche bringen wird: da findet ei« denn seine Erholung uon der bis- herigen Unruhe in den! Gedantien an die grossen Dinge, die Gott durch ihn nnd seine Mitarbeiter aus· richten lädt, welchen Gedanken! gerade tliacedoiiieii ihm so nahe legt, nnd diese Tisihe in Gott und in dem Bewusstsein der Tüihtigtieit zum Itnit des neuen Ceslaments gegeniitier den seltisisiiihtigeii Fälscher-it des göttliche« Worts fällt er sieh nun auch tiictit nehmen durih den Gedantien an das, inne« etwa diese iu Corinth ihm schaden. 12. Da ich aber· [auf meiner Reise von Ephesus hierher nach Macedonien Apostg. 20, I] gen Treus kam, [un1 daselbst, solange ich Auf- enthalt wiirde nehmen können] zu predigen das Evangelium Christi, und sauch wirklichj mir eine Thür aufgethan war in dem HErrn szn erfolg- reicher Wirksamkeit t. Cor. 16, 9]; 13. Hatte ich keine Ruhe in meinem Geist, da ich Titum, meinen Bruder sder bei seiner Rück- kehr von Corinth mit mir sollte dort zusammen- treffen], nicht fand, sondern ich machte meinen Abschied mit ihnen fden dortigen Brüdern, bis zur Wiederkunft bei gelegener Zeit Apoftg 20, 6 ff.; 18, 19 ff.], und fuhr aus in Macedonien sum da seiner zu harren und Nachrichten von ihm entgegenzunehmen, in welchem Stande des Wartens ich denn zur Zeit noch immer mich befinde]- Wiewohl der Apostel nach Troas kam, an den Beinen geftiefelt, als fertig zu treiben das Evan- gelium des Friedens (Ephes. 6, 15), und ob- gleich ihm daselbst eine Thür aufgethan war in dem HErrn, so hielt er doch Troas nicht für den Ort, wo er längere Zeit bleiben und wirken sollte: wider- fuhr ihm in dieser Unruhe etwas Menschliches, was den Geist Gottes in ihm hemmte? Nun, die große Trübsal und Angst seines Herzens, welche er beim Ausbleiben seines Bruders und Boten Titus mit neuer Stärke empfand, war nicht fleischlich, sondern geistlich, eine Unruhe ans Liebe, und wenn er gleich seinen in Christo geheiligten Geist noch im Fleisch hatte, so daß dieses von seiner Unruhe und Unge- duld der heiligen Unruhe des Geistes etwas auf- drängte (vgl.Kap.7, 5), so hat er doch die Entscheidung über Bleiben oder Gehen nicht nach dem Fleisch, fon- dern nach dem Geist getroffen. Des HErrn Willen und Weisung hat er darin erprüft, daß er Titum nicht in Troas fand und deshalb zu der nöthigen Ruhe und Unbes wertheit des Gemüths nicht ge- langte, um seinen orsatz, in der dichtbevölkerten See- ftadt mit der Predigt des Evangelii zu verweilen, aus- führen zu können: die Erhebung einer schon gesam- melten Gemeinde ging ihm über die Sammlung einer neuen. Uebrigens gab es in Troas bereits Brüder, von welchen der Apostel Abschied nehmen konnte und welche seine Unruhe und Sorge nicht verachtet haben, womit er Tito entgegen nach Macedonien auf- brach. (Besser.) Es geht alles darauf, die sonderliche Liebe des Apostels zu den Corinthern zu zeigen: so Pauli Unruhe auf der Reise. Seine Wiederaufrichtung durch den Segen seines Amts. 309 lieb hat er sie gehabt, daß er die erwünschte und herrliche Gelegenheit, in Troas das Evangelium aus- zubreiten, unbedenklich aus den Händen gab, ja, daß er vor Unruhe des Geistes und Herzens nicht ver- mochte, an jenen Orten das Gewebe evangelischer Arbeit fertig zu weben, dessen Aufzug er soeben unter sichtlichem Segen angefangen hatte. (Hnnnius.) Wo die Kirche am mehrsten Noth leidet, da soll man nach Erforderung des Berufs am willigsteii helfen, daß der Satan nicht in kurzer Zeit umstoße, was in langer Zeit mit vieler Arbeit erbauet worden. (Starke.) 14. Aber Gott sei gedautt, der uns [mir und meinen Berufsgenossen] allezeit Sieg giebt [genauer: uns allezeit, auch wenn wir als Ueber- wundene erscheinen, Triumph halten läßt] in Christo und ossenbaret den Geruch seiner Er- kenutntß [Kap. 10, 5] durch uns an allen Orten« [indem mittels unsrer Wirksamkeit er es herbei- führt, daß seine Erkenntniß allenthalben ihr Wesen und ihre Kraft erweist]. « 15. Denn wir sind [mit eben dieser unsrer Wirksamkeit] Gott ein guter Geruch Christi sein W»ohlgeruch, aus dem ihm Christus entgegen- duftet Ephes 5, 2., in welchem allein er sich will erkennen und finden lassen, und zwar sind wir ihm das] beide [Jes. 27, 1 Anm. 2], unter denen, die selig werden, und unter denen, die verloren werden [l· Cor. 1, 18]: 16. Diesen [die verloren werden] ein Geruch des Todes zum Tode; jenen aber [denen, die selig werden] ein Geruch des Lebens zum Leben« Uud wer ist hieztt [zu solchem entscheidungsvollen Dienst und Werk] tüchtig? [Aniwort: nur solche, welche, wie uns, Gott selber tüchtig gemacht hat, das Amt zu führen des neuen Testaments Kap. s, 5 s.] 17. sDessen dürfen wir uns wohl rühmen] Denn wir sind nicht, wie etlichcr viele [bei euch Kap. 10, 12 ss.], die das Wort Gottes verscilschen s,,um des Geizes und Bauches willen, wie ein Kretschmer den Wein fälscht« —- Randgbsz sou- dern als aus Lauterkeit und als aus Gott, vor Gott, reden wir in Christo-«« swie es den ächten Dienern am Wort gebühret] » E? An der geschichtlichen Thatsache, deren Paulus m . 12 f. gedenkt, hatte die corinthische Gemeinde einen Beweis, wie sehr eben damals, als er nicht zu ihr kommen wollte, der sorgliche Gedanke an sie sein ganzes Gemüth in Anspruch nahm; aber hinwiederum sollen die Corinther nicht meinen, als habe ihn die Sorge um sie so giingenommem daß kein erhebender Gedanke daneben aum hatte, sein Amt ihm werth zu machen. Daß immerhin eine. Ursache des Dankes gegen Gott ihm blieb, diesen Eindruck mußte es auf die Leser machen, wenn sie ihn nach dem soeben Vor- hergegangenen fortfahren hören: »aber Gott sei ge- dankt!« Beachtenswerth ist hier die Wortstellung: wenn diejenigen Recht hätten, welche diesen Uebergang daraus verstehen wollen, daß der Apostel, sowie er Macedonien nannte, auch des Trostes edachte, welchen er dort durch des Titus erfreuliche Nachrichten empfing, so sollte man glauben, daß er, von der Unruhe, die er damals um die corinthische Gemeinde empfand, zu der Beruhigung übergehend, die ihm nachmals zu Theil geworden, vielmehr ,,Dank aber sei Gott« hätte schreiben müssen; die Betonung dagegen, mit welcher er »Gott« vorangestellt, läßt einen andern Gegensatz erwarten. (v. Hosmannh Erst in Kap. 7, 5 ff. kommt Paulus, in sichtlicher Wiederanknüpfung an V. 13 unseres Kapitels, auf sein Zusammentreffen mit Titus zu reden und giebt dort sowohl in V. 4 als in V. 8 ff. seiner Freude darüber vollkommen entsprechenden Aus- druck; hier dagegen will er mit Absicht der vorüber- gehenden Beugung, die er in V. 12 f. beschrieben, die stetig ihn begleitende Kraft des Segens gegenüber- stellen, die weder durch Schwachheit noch Betrübnis; auf seiner Seite gehemmt wird, sondern seinen Gang überall zu einem Gang des Sieges für den HErrn macht. (Burger.) Der Nachdruck liegt auf ,,allezeit« und ,,an allen Orten«: auch wenn die Streiter Christi äußerlich und innerlich durch Trübsal gehen, ist ihr Gang dennoch ein gewisser Siegesgang in Christo; und auch wo ihr Fuß nicht hingelangen oder weilen kann, erfüllt dennoch der Geruch ihrer Predigt das Land. Mit Verwunderung und Anbetung blickt er hin auf das Siegesseld, welches er bisher durchmessen hat und weiter zu durchmessen gedenkt; und wie er weiß, daß Gott ihn allewege zum Trintnphiren führt über die widergöttlichen Gewalten dieser Welt, so weiß er auch, daß an allen Orten — in Asien, auch in Troas, welches er nur eilenden Fußes berührte, in Europa, auch in Achaja, wo Widerwärtige sein Werk zerstören wollten, und bis au’s Ende der Erde (Col· I, 6. 23) — Gott den Geruch seiner Er- kenntniß durch die apostolischen Prediger dermaßen offenbart, daß kein Ort unbesucht und unberührt bleibt von dieser kräftigen Offenbarung, wie der Geruch eines Würzgartens die Luft durchdringt und ersüllt, vgl. Rönn 10, 18. (Besser.) VI) Daß Gott es sei, der ihm und seinen Mit- arbeitern allezeit Triumphe schaffe in Christo und den Geruch seiner Erkenntniß durch sie offenbare aller Orten, setzt Paulus damit ins Licht, daß er sie selbst, die Or ane der göttlichen Wirksamkeit, als Träger dieser rkenntniß hinstellt, welche Gott wohlgefällig seien, weil aus ihrer Predigt ihm Christus entgegendufte, und nun ihm wohlgesällig seien, auch wenn dieser Dust unter denen, welche die Predigt hören, in ganz verschiedener Weise sich als Geruch geltend mache. (Kling.) Der Apostel nimmt, indem er jetzt die Be- ziehung auf die zwei entgegengesetzten Theile ent- wickelt, den Gattungsbegriff ,,Geruch« für das vor- hin gebrauchte ,,Wohlgeruch« auf und redet nun theils von einem ,,Geruch des Todes«, d. i· einem Ge- ruch, wie ihn der Tod hat und von sich giebt, theils im Gegensatz dazu von einem ,,Geruch des Lebens«; die beiden Genitive: ,,des Todes, des Lebens« dürfen aber nicht in strengster Symmetrie zu einander ge- dacht werden, sondern so, daß bei dem ersten Glied die Voraussetzung mehr in dem Menschen, beim andern mehr in der einwirkenden Kraft, im Evangelio liegt. (Osiander.) Daß die Gnadenpredigt keinen Menschen so läßt, wie sie ihn findet, sondern ihre Verächter ärger macht und aus Gleichgiltigkeit zu Grimme und Lästerung aufreizt, darin erzeigt sich das Wort Gottes als ein kräftiges, vom heil. Geist erfülltes Wort. Der Uuglaube des Menschen wird nicht verursacht von Gott, sondern von des Menschen boshastem und ver- bostem Willen allein; aber daß sich zum Tode ver- letzt, wer sich durch Unglauben am Worte des Lebens versündigt (Spr. 8, 36), das geschieht durch Gottes strasgerichtlichen Willen. Es verhält sich mit dem Gnadenmittel des Worts nicht anders wie mit dem 310 2. Corinther 3, 1—3. Gnadenmittel des Saeramentst wer unwürdig hört, hört nicht ein leeres, geistloses Wort, sondern er hört fich selber das Gericht. (Besser.) Das ist ein wun- derlich Ding, daß durch das Evangelium, so die Menschen erweichen und zur Buße locken sollte, sie nur je härter, ärger und böser werden sollen; aber es Seht doch der Sonne auch also. Die scheint auf einen chlamm oder Koth; derselbige ist gar weich und voll Wassers, aber die Feuchtigkeit vertrocknet durch der Sonne Wärme und Hitze, und wird der Koth so hart wie ein Stein oder Kießling Dagegen aber scheint die Sonne auch auf Wachs, das ist hart, daß man’s mit Aexten und Schlägeln muß von einander treiben; aber wenn das Wachs der Sonne Wärme fühlt, so ioird’s weich, es zergeht, zerschmilt und zerfließt. Also werden auch etliche aus der LsZredigt des gött- lichen Worts nur ärger und verstockter, und denen i-st das Wort ein Geruch zum Tode; aber christliche Herzen bekehren sich dadurch zu Gott und werden selig, und ihnen ist das Evangelium ein Geruch zum ewigen Leben. (Lut er.) ist) Zu einer solchen Wirkung, so wollte der Apostel hinzusehen, ist aber nur der tüchtig, welcher in Lauter- keit und als aus Gott vor Gott redet in Christo, d. h. indem er alles aus Gott nimmt, vor Gott handelt und an Christi Gemeinschaft festhält, das evangelische Predigtamt führt; doch er wendet den Gedanken und wirft zuerst die Frage auf: »wer ist hiezu tüchtig?« welche andeuten soll, wie ernst und genau es jeder mit der Prüfung seiner eigenen Tüchtigkeit zu diesem Amte nehmen sollte. (v. Gerlach.) Dem Sinne nach ist auf diese Frage zu antworten: »die vielen nicht, wohl aber wir; denn wir machen es nicht wie sie-« Mit den Worten: «sie verfälfchen das Wort Gottes« will der Apostel nach dem Wortlaut des Grundtextes sagen: sie treiben betrügerische Handelschaft mit dem Worte, mißbrauchen es zu Zwecken des Eigenmitzes und thun, dieser ihrer Gesinnung entfprechend, dazu und davon, je nach dem sie es für ihre Absichten förderlich finden; wie schlechte Wirthe, so legt Luthers Uebersetzuiig den Wortlaut aus, das gute Getränk des Weins mit Wasser mischen und es für ächt ver- kaufen, so mengen sie ihre eigenen Gedanken in die Predigt des Evangeliums und machen dessen lauteren Gehalt verfälscht und unrein. Nicht so Paulus und feine Mitarbeiter: sie reden aus lauter Lauterkeit, d. h. aus einem wahrhaftigen, allen Trug und Täu- schung verabscheuenden Gemüthe, so, wie man aus einem solchen Gemüthe redet; aber 1iicht blos aus» solcher subjeetiven Lauterkeit, sondern ferner »als aus Gott«, d. h. als solche, die nicht die eigene Meinung oder Ansicht verkündigen, sondern, was sie von Gott empfangen haben, mittheilen, und dies thun sie »vor Gott«, d. i. im Angesichte Gottes, als solche, die Gott dabei vor Augen haben und ihrer Pflicht und Verantwortlichkeit vor ihm sich jederzeit bewußt sind. Endlich »in Christo« reden sie, d. h. in der Gemein- schaft Christi stehend, als solche, deren Wort und Zeugniß von dieser Gemeinschaft durch und durch be- stimmt ist, ihr nie entfällt und niemals diese heilige Bestimmtheit verleugnet und vergißt. (Burger.) Das 3. Kapitel. Verlheidigiiiig des evangelischen Vredigtamts 11- o. kann. s, ei. baute; hat wein aisskchtlich im vorigen Abschnitt init eineiii Ghrenzeugniß geschlossen, das er sich selbst und seinen Arbeitsgenossen ini Gegen- satz zu andern kehrten, die sich bei den Corinthern Gel- tung zu verschaffen wußten, auostellte, um so sich den Weg zu einer Reetilfertigung seines Thuns nnd ber- haltens auch noch in einer andern hinsichß wo die Widersacher ihn herabzuwiirdigen suchten, zu bahnen; diese warfen ihni nämlich vor, daß er nur gar zu gern und iiber Gebühr sich selber riihine und bei den Co— rinlhcrn sich in ein Licht zu sehen suche, das Andere neben ihm, die wohl größerer Ehre werlh seien, ver— duntieln sollte. Der Apostel benutzt die Gelegenheit, welase die ilothwendiglieik gegen solchen böswilligen Vorwurf sitt) zu rechtfertigen, ihm bietet, um die here— lichtieit des neutestainentlictjen Amtes gegenüber der des attteslainentlichen Jtniterk welcher seine judaislischen Gegner sich rühmen, einmal nach allen Seiten hin zu erörtern und daran dann ini folgenden Abschnitt recht eindringliche Ermahnungen an die durch dergleichen Irrlehrer im rechten Bestand des chrisllikljen Glaubens gefährdet: Gemeinde zu knüpfen. a. V. 1—Ktip. it, 6. Nachdein der Itoosiel ausge- führt hat, dasl er nach seinem Verhältnis; zu den Corinthern weder· einer eigenen Empfehlung an sie bedürfte, noch einer solchen durch Andere, wie aller- dings fremde Etndringlinge der Lobebrtese nöthig hätten, um sich Geltung zu verschaffen, preist er das neuteskaineiitliche Amt, das zu führen er von Gott berufen und liichtig gemacht worden sei, von Seiten feiner weit grösseren, sa iilierfchiväitgliaseii Klarheit, die im Vergleich niitdeni Amt des alten Testanients ihm verliehen sei, preist ferner die, welche durch dieses Amt sich halten gewinnen lassen, von Seiten des ihnen zu Theil gewordenen Heils im Gegensatz za denen, die noih an Mofe und dem Gesetz hängen, niid meist nnndaranf hin, in welcher Weise er fein Itmt führe im Unterschied von den falschen Lehrern nnd unbeirrt von verkehrten 3uhörern, die sich selber den Segen dieses Anttes unzngijiiglich niacheiu 1. Heben wir denn smit dem, was wir soeben Kap. Z, 17 von uns aus-sagten] abermal an [wie man uns das schon wegen einzelner Aeußeruiigen im vorigen Briefe, z. B. 1. Cor. 4, 1 ff. 15 ff.; 9,"19 ff.; 10, 33; 14,18, Schuld gegeben], uns selbst zu preisen? oder bediirfen wir, wie etliche sdie von auswärts zu euch kommen oder von euch nach austvärts gehen], der Lobe- soder Empfehlungsksbriefe an euch oder Lobebriefe von euch sum uns da Eingang und Ausnahme zu verschaffen, wo wir austreten wollen]? 2. sNun wohl, wenn denn einmal um Lobe- briefe es s1ch» handeln soll, so sage ich:] Jhr seid unser Brief, m unser Herz geschrieben sdarin wir das bestimmte Bewußtsein um euch haben, daß ihr die Fruchtunsrer Arbeit seid 1· Cor. 9, 1], der [auch für unsre Handschrift allerwärtsJ erkannt und lseinem Jnhalte nach, nämlich in eurem Heils- und Gnadenstande] gelesen wird von allen Menschen [1. Cor. 9, 2; Röni. I, 8]; s. Die ihr sin dem, was ans euch geworden, nachdem ihr zuvor Heiden gewesen] offenbar worden seid, daß ihr ein Brief Christi sein von Christo verfaßter, von ihn: diktirter Brief] seid, durch Unser Predigiamt sdes neuen Testaments V. 6 ff.] zubereitet und durch uns [durch mich und Silvanus Rechtfertigung wider den Vorwurf des über Gebühr sich selber Riihmens 3l1 und Timotheus Kap. I, 191 efchriebeth nicht swas das Schreibmittel betri t, einem mensch- lichen Briefe gleich] mit Tinte, sondern mit dem Geist des lebendigen Gottes, sauchs nicht swas das Schreibmaterial betrifft, dem mosaischen Gesetze gleich V. 7] in steinerne Tafeln, sondern [der für die Zeit des neuen Testaments gegebenen Ver- heißung gemäß] in fleifcherne Tafeln des Herzens [Jer. 31, 31 ff.; Hes It, 19 f.; 36, 26 ff.]. Der Apostel wußte, daß die Gegner ihm Selbst- gefälligkeit vorgeworsen hatten; darauf hin äußert er, ob er jetzt etwa wieder sich selbstgefällig empfehlen wolle? wodurch ähnliche Aeußerungen von vornherein abgeschnitten werden sollen. Zugleich ftellt er durch eine zweite Frage: ,,oder bedürfen wir, wie etliche, der Lobebriefe?« die hochmüthigen Widersacher in ihrer Blöße dar; diese hatten im Gefühl des ihnen mangelnden göttlichen Ansehens sich durch Einpfehlungs- briefe an die Corinther und von diesen an andere Gemeinden zu helfen gesucht. (Olshaufen.) Es ist hier die erste Spur der nachher in der alten Kirche so gangbar und zur Wahrung vor Betrug durch falsche Brüder so nothwendig gewordenen Empfehlungsbriefe Uiterae System-jagte, f0rmatae, c01nmunjcat0riae), die reisenden christlichen Brüdern von ihrem Bischof an die Bischöfe der Gemeinden, die sie besuchten, mitge- geben wurden und zugleich als Band brüderlicher Gemeinschaft der verschiedenen Gemeinden und ihrer Vorsteher unter einander dienten. Der Brief an die Römer (16, 1) ist gewissermaßen selbst ein solcher Empfehlungsbrief für Phöbe (Osiander.) Das ,,wie etliche« ist ein Seitenblick auf antipaulinische Lehrer, welche Empfehlungsbriese, sei es von angesehenen Lehrern, sei es von Gemeinden, an die Corinther mit- ågbracht und sich hinwiederum aus Corinth bei ihrer eiterreise folche hatten geben lassen; doch hatten sie die, die sie mit ebracht und auf die sie nun zur Schinä- lerung des An ehens Pauli pochten, schwerlich von den Uraposteln (Jakobus) und von der unter ihrer Leitung stehenden jerusaleinischen Gemeinde als folcher, sondern etwa nur von etlichen Mitgliedern der letzteren (Gal. 2, 12) empfangen. (Met)er.) Er selbst, Paulus, hatte weder ihr, der Gemeinde, noch von ihr brieflich empfohlen zu werden nöthig: unser Brief, sagt er, seid Ihr, ein Brief, der in unsern Herzen eingeschrieben steht, der zu aller Menschen Kenntniß kommt und von allen Menschen gelesen wird. Damit bezeichnet er den empfehlenden Brief, den er und seine Berufs- genossen (Kap. I, 19) an der Gemeinde besitzen, einerseits als einen solchen, der ihm ins Herz ge- schrieben ist, wo er ihm die innerliche, persönliche Zu- versicht giebt, daß er darauf hin in und außer der Gemeinde etwas gelten werde, und nicht, wie man sonst einen Brief bei sich trägt, von dessen Vorzeigung man verhosft, sie werde dazu dienen, daß man etwas gilt; und andererseits als einen solchen, den er nicht erst vor uzeigen braucht von Ort zu Ort, damit er ihm zur mpfehlung diene, sondern der vor Aller Augen liegt — ersteres im Gegensatz zu den Empfeh- lungsbriefeiy die jene Andern an die Gemeinde abzu- ·eben hatten, und letzteres itu Gegensatz zu den nipfehlungsbriefeiy die jene Andern von der Ge- meinde sich mitgeben ließen. Jm Anschluß an letzteres kann der Apostel von dem, was die Gemeinde ihm ist, zu dem übergehen, was sie selbst ist, und zwar durch ihn geworden ist; er geht hierzu über, indem er ihr sagt, wodurch sie ihn: ein Empfehlungsbrief ist für die übrige Welt. Dadurch nämlich ist sie es ihm, daß ossenkundifz zu Tage liegt, was sie ist, ein Brief Christi, de sen Anfertigung durch ihn besorgt worden: Christus selbst hat damit, daß er die Ge- meinde schu, einen Brief hergestellt, und der Apostel hat zur Herstellung der Gemeinde das gethan, was derjenige thut, der das zu Papier bringt, was ein Anderer ihn schreiben heißt; und wer nun von der Gemeinde hört, der hört auch, daß sie durch seinen Dienst hergestellt worden ist. Darauf bezeichnet der Apostel erstlich das Mittel« der Herstellung dieses Briefs, daß es in göttlichen! Geiste bestand, welcher innerlich zu wirken, und zwar Leben zu wirken ver- mag; und benennt zweitens, worein der Brief ein- eschrieben worden, nämlich in Herzen, also in das gnwendigste derer, welche die als Brief Christi vor- estellte Gemeinde bilden. (v. HofmannJ Nicht auf apier mit Tinte ist der Brief, den Christus in der corinthischen Gemeinde verfaßt hat und durch den Apostel schreiben lassen, geschriebeiy d. h. er ist nicht ein solches Menschenwerk, wie die Enipfehlungsschreibeii jener falschen Lehrer, sondern mit deni Geiste des lebendigen Gottes, oder mittels des Geistes, der im Apostel wirksam war und in der Gemeinde wirksam ward, ist er von Christo geschrieben. Dieser Gedanke nun veranlaßt den "Apostel, deni Bilde noch eine neue Wendung zu geben:· jene Jrrlehrer erhoben das mo- saische Gesetz und seinestrenge Beobachtungz Paulus indessen stellt die christliche Gemeinde noch höher. Auch das Gefetz war ein Brief Gottes an die Menschen, aber es war von Gottes Finger nur auf steinerne Tafeln eingegraben; die christliche Gemeinde dagegen ist ein auf die Herzenstafeln geschriebener Brief, in- dem Gott im neuen Bunde das, was er gebietet, durch seinen Geist auch in die Herzen fchreibt. Somit ist also die corinthische Gemeinde ein Empfehlungsbrief, der nicht nur mehr gilt als alle, welche die Jrrlehrer sich schreiben ließen, sondern selbst höher steht, als Gottes Gesetz, welches jene als ihren größten Empfeh- lungsbrief immer mit sich herumtrugem (v. Gerlach.) (Epilicl ain IT. Sonntag nach Crinitcitish Jm Anschluß an die Epistel des vorigen Sonntags (1. Cor. 15, 1 ff.) handelt diese von der Herrlichkeit des evangelischen Predigtamts, insofern sie dem Amt des Bnchstabens, das die Verdaniinniß predigt, das Amt des Geistes gegenüberstellt, das die Gerechtigkeit predigt, die Tüchtigkeit aber, es zu verwalten, einzig und allein von Gott ableitet. Erkennen wir nun in dem Taubstummem von welchem das Evangelium des Sonntags (Mark. 7, 31 ff.) erzählt, uns selbst wieder, wie wir von Natur gleichfalls taub und stumm sind im geistlichen Sinne, und untiichtig, recht zu hören und u reden, bis des HErrn wunderbares Hepcgatha uns und und Ohren öffnet, so stellt sich das Van- gelium «leichsam als praktischer Beleg zur Epistel dar. (Alt.) er Taubstumme, der nicht hörte noch redete, ist Paulus und mit ihni alle, die das Amt des neuen Testaments haben; auf die heiligen Amtsträger deutet die Kirche durch ihre Textwahl das Evangelium, und in dem Taubstumnien sollen alle, welche das Amt tragen, ihr Vorbild und den Weg erkennen, auf dem auch sie zu Erkeuntniß und Zeugniß kommen. (Löhe.) Die Herrlichkeit des· evangelischen Predigt- amts; sie beruht 1) aurseinem Ursprung, 2)»auf seinem Geiste, Z) aus seinem Jnhalt, 4s auf seiner Dauer. (Baur.) Der Dienst des neuen Bandes: 1) seine erhabene Würde, Z) sein herrlicher G egen- stand, 3) seiiie bleibende Bestimmung. (Lichten- stein.) Sinai und Golgatha oder die Klar- 312 2. Corinther s, 4——6. heit des alten und die überschwängliche Klar- heit des neuen Bandes: J) dort am Sinai ein ewaltiger Propbet, hier auf Golgatha ein blutendes amm Gottes; 2) dort am Sinai ein steinerner Buch- stabe, hier auf GolEatha lebendig machender Geist; Z) dort auf Sinai od und Verdammniß, hier auf Golgatha Gerechtigkeit und Leben; 4) dort am Sinai eine Pilgerstation in der Wüste, hier auf Golgatha eine ewige Heimath (Gerok.) Das Amt des neuen Testaments: I) wie es ausgerichtet wird, Z) welche Klarheit es hat. (Miinkel.) Warum die Diener Jesu Christi allezeit ein gutes Vertrauen haben dürfen? l) um des kräftigen Beistandes willen, dessen sie sich zu versehen, 2) um des herrlichen Amtes willen, das sie zu führen haben. (Wester- meier.) Gesetz und Evangelium: I) dort ein tödtender Buchstabe, hier ein lebendig machender Geist; Z) dort eine Predigt der Verdammniß, hier eine Predigt der Gerechtigkeit; Z) dort ein Amt, das da aufhöret, hier ein Amt, das da bleibet. (Ziethe.) Gesetz und Evangelium: l) was enthält das Ge- setz Großes und HerrlichesP warum reicht es aber gleichwohl zu unserer Gerechtigkeit nicht hin? 2) was Verkündigt das Evangelium weit Größeres und SeligeresP und wie sollen wir sein recht brauchen? (Eig. Arb.) 4. Ein solch Vertrauen aber [wie ich-s vorhin V· 2 zu erkennen gab, daß ihr mit eurem Christenstande ein Empfehlungbrief für uns seiet] haben wir durch Christum [der es uns ver- mittelt und ohne welchen wir nie dazu gekommen wären] zu Gott [auf den allein wir bei allem, was wir thun und vornehmen, unsern Blick richten, so daß unser Vertrauen in keinerlei Hinsicht ein fleischliches ist]. 5. Nicht [meine ich, wenn ich ferner V. 3 einen Brief Christi euch nannte, der durch uns er Predigtamt zubereitet und durch uns geschrieben sei, und daniit große Tüchtigkeit uns beimaß, Kap. 2, 14 ff.], daß wir tiichtig sind von uns selber [her], etwas [auch nur] zu denken [ge- schweige denn auszurichtenL als von uns selber [aus unserm eigenen Geist und Vermögen heraus]; sondern daß wir tiichtig sind [die rechten Mittel nnd Wege zu einem erfolgreichen amtlichen Wirken zu erkennen und zu beschließenL ist von Gott«« [Jak. 1, 17]. 6. Welcher auch sauf daß wir zugleich die erkannten Mittel und Wege wirklich gebrauchten und gingen]» uns tüchtig gemacht hat, das Amt zu fuhren des neuen Testamentsz [und das ist ein Amt] nicht des Buchstabens [wie das des alten Testaments], sondern des Geistes [damit aber hat er uns zu einem weit besseren Amte tüchtig gemacht, als das des alten Testa- ments gewesenl Denn der Buchstabe tödtet; aber der Geist macht lebendig» V) Paulus vers chmähtEmpfehlung und Empfehlungs- briefe für die Corinther und von ihnen; er beruft sich auf seine gewaltigen Erfolge in Corinth, auf den eschenkten göttlichen Segen, welcher ihn und sein postolat genugsam empfehlen könne. Das konnte » als Vertrauen auf eigene Kräfte und als Ruhm eigener Tüchtigkeit erscheinen. Selbstsucht, Hoffahrh Eitelkeit waren also die Namen, welche von den Feinden Pauli ihm und seinen Reden beigelegt werden konnten. Gegen den Ruhm des Vertrauens auf eigene Kraft sagt nun der Apostel (V. 4): »ein solch Vertrauen aber haben wir durch Christum u Gott«; gegen den Vorwurf des Ruhmes eigener üchtigkeit spricht er (V. 5): ,,nicht daß wir tüchtig sind, von uns selber etwas zu denken, als von uns selber; sondern daß wir tüchtig sind, ist von Gott« Wenn er also die corinthische Gemeinde seinen Empfehlungsbrief nennt, der von allen Menschen eingesehen und gelesen werden könne, nicht mit Tinte, auch nicht auf Stein, sondern mit» dem heiligen Geiste und in die Herzen einge- schriebensey so sieht der heilige Apostel nicht auf sich selbst, nicht auf seine Kruste; er hält vielmehr den Erfolg in Coriiith für groß genug, um ihn als eine Folge der Vertretung und Fürbitte Christi anzusehen, er hat die Zuversicht und das Vertrauen durch Christum zu Gott, daß in Corinth etwas Außerordentliches und Göttliches geschehen sei, eine göttliche That vor Augen liege. Unter solchen Umständen solche Erfolge errungen zu sehen, das erweckt ein Vertrauen zur Fürbitte Christi und zur Wirkung Gottes: das muß Gott ge- than haben und nicht Nienschem und alle Menschen sollen es zu Gottes Lob und Preis auch einsehen. Jst aber das, so ist damit ohnehin schon gesagt, wie wenig der Apostel auf sich selbst iind seine natürliche Tüchtigkeit vertraut. (Löhe.) Für sich selbst ist Keiner, der das Predigtamt führt, hinreichend geschickt, etwas zum zeitlichen Leben Dienendes auch nur zu denken; für sich selbst vermag Keiner die rechten Mittel und Wege zu einem erfolgreichen amtlichen Wirken zu er- wägen und zu berechnen. Natürlicher S arfblick und Klugheit, menschliche Gelehrsamkeit und eredtsamkeit genügen auf geistlichem Gebiete nicht. Da bedarf es einer andern Tüchtigkeit, nämlich der, welche von Gott, dem Geber aller guten und vollkommenen Gabe, herkommt: Gott ist es denn auch, der Paulum und seine Gehilfen mit den erforderlichen Amtsgaben aus- gerüstet und zu erfolgreichem Wirken tüchtig gemacht hat, s. V. 6. (Sotnmer.) Pauliis sticht und haut um sich auf die falschen Apostel und Predigerz denn er ist mördlich feind solchen Tropfen, die da groß Ding vorgeben, was sie doch selbst nicht haben, rühmen viel Geistes und brüsten sich darauf, was sie aus ihrem Kopf erträumen. Das thun wir nicht, spricht er, wir trauen nicht auf uns selbst, unsere Weisheit und Tüchtigkeit, predigen auch nicht, was wir selbst erdacht haben, sondern darauf trauen wir durch Christum für Gott, daß wir in euer Herz Gottes Wort geschrieben haben. (Luther.) M) Was durch das »auch« zu Anfang des Verses ausgedrückt wird, ist die Nebenordnung eines zweiten Tüchtigmachens zu dem ersten in V. 5; das erste sagt nur eine Fiihigmachung zu etwas ganz Besonderem, nämlich zum Denken aus, das zweite aber eine solche zum ganzen Amte. (Nebe.) Gott hat Paulum und seinen Gehilfen tüchtig gemacht zu Dienern des n euen Bandes, wie die Worte im Grundtext lauten. Dieiier sind sie, denn sie stehen im Dienste des Herrn aller Herren, dessen Reich zu fördern ihre Lebensaufgabe ist; Diener des neuen Bandes sind sie, denn ihre Arbeit gilt nicht der Aufrichtung des alten Bandes, der durch Mosen gestiftet und dessen Grundlage das Gesetz war, sondern der Aufrichtung des neuen Bandes, in welchem die Gnade Gottes in Christo Jesu an die Stelle des Gesetzes getreten ist, in welchem nicht die Gesetzeserfüllung sondern der Glaube die Bedingung Das Amt des neuen Testaments in seinem Unterschied von dem des alten. der Heilserlangung ist. (Sommer.) Der Ausdruck Testament statt ,,Bund« ist dadurch veranlaßt, daß schon in der Septuaginta das hehr. Wort beritiy wo von dem Bund mit Gott die Rede ist, nicht durch synthskä sondern durch diaihäkä wiedergegeben wird, um auszudriickem daß es sich dabei nicht um einen Vertrag zwischen zwei Gleichberechtigten, sondern um einen ausschließlich durch Gottes Jnitiative aufgerich- teten Bund, also um eine Stiftung oder Verfügung Gottes handle; da nun das Wort diathäkö auch die letztwillige Verfügung, das Testament bezeichnet und da das Wort, in diesem Sinne genommen, die Mög- lichkeit bot, die Nothwendigkeit des Todes Christi für die Aufrichtung des neuen, ewigen Bandes deutlich zu machen, so ist es schon in Hebt 9, 15 ff. in dieser Bedeutung und Absicht verwendet. (Riehm.) Das griechische Wort diailiäkä bedeutet sowohl einen zwischen Zweien geschlossenen Bund (Apostg. 3, 25; Röm. I, 4), als auch die letzte Willensbestimmung eines Menschen, der festsetzt, wie es nach seinem Tode gehalten werden soll, oder ein Testament; beide Bedeutungen des einen Worts entsprechen dem ganzen Berhältniß der Offenbarung Gottes an’s Mensrhengeschlechh doch tritt die erstere Bedeutung mehr im alten Testamente, wo es sich auch um gestellte Bedingungen handelte, eroor, während im neuen Testament mehr die andere edeutung zu ihrem Rechte kommt, indem hier Christi To d die göttliche Gnade vermittelt und der Begriff des Erbes im Bordergrunde steht. Genau genommen hätte man also zu sagen: »der alte Bund — das neue Testament«; doch wird einerseits der Aus- druck ,,Bund« von der alttestamentlichen Oekonomie auf die neue übertragen und dieselbe im Unterschied vom alten Bunde der neue Bund genannt (Jer. 31, 31 ff.), andererseits wird ebenso das Wort Testament von dem neuen VerhältnißsGottes auf das alte über- tragen (G»al. Z, 15), wobei zu bemerken ist, daß, wie die hebräische Sprache keinen Ausdruck für ,,Testa- ment« besitzt, so die lateinische Uebersetzung (die Vul- gata) ohne Unterschied seiner Bedeutung das griechx djathEkS immer durch testamentiiin wiedergegeben hat, und darum hat Luther ebenfalls fast durchweg ,,Testament« geschrieben, auch wo besser würde ,,Bund« gestanden haben (Hebr. 8, 8 ff.; 9, 4. 20z Osfenb. 11, 19). Wie nun der ganze Jnbegriff der Offen- barungen Gottes, welche in den alten Zeiten als Bund, in den neuen als Testament den Menschen ge-· geben sind, unter dem gemeinsamen Namen des alten und neuen Testaments zusammengefaßt wird, so hat auch schon Paulus in V. 14 unseres Kapitels ange- fangen» mit diesen( Namen zugleich die Schriften zu bezeichnem in welchen die Offenbarung niedergelegt ist, welche Bezeichnung dann schon im 3. Jahrhundert eine ganz gewöhnliche war. (Wunderlich.) Die das Amt des neuen Testamentes führen, führen ein Amt, nicht des Buchstabens, sondern des Geistes; denn des neuen Testamentes Art und Tugend ist mittheil- sainer Geist, nicht vorgeschriebener Buchstabe. Weg mit der Mißhandlung dieses Spruches seitens alter und neuer Schwarmgeistey welche entweder von einem doppelten Sinne des Wortes heili· er Schrift fabeln, einem buchstäblichen und einem geistlichen, um ihre eigenen Einfälle in das Schriftwort hineinzulesen, oder gar frech mit der Verwerfung des äußerlichen Worts, welches sie Buchstaben nennen, den Geist Gottes, der sich darin ausspricht, verwerfen, damit sie ihres eigenen gottlosen Geistes Propheten werden! Weder von einem doppelsinnigen, theils buchstäblichen, theils geistlichen Worte Gottes, noch von einem neben dem äußerlichen Schriftwort irgendwo befindlichen 313 Geiste redet Paulus, sondern klar und deutlich von dem Amt des alten Testaments, welches ein Amt des Buchstabens ist, weil es nicht mehr vermag, als das Gesetz Gottes mit dem Griffel der Worte: »du sollst« und: »du sollst nicht« vor den Menschen hin- zuschreiben, und gegentheils von dem Amte des neuen Testaments, welches ein Amt des Geistes ist, weil es mehr vermag, als blos zu beschreiben, was geistlich, was gerecht, was lebendig ist; es vermag nämlich die evangelische Gnadengabe des Geistes, der Gerechtigkeit und des Lebens mitz utheilen. (Besser.) Das Gesetz heißt Buchstabe, weil es die Vorschrift äußerlich dem Menschen vorhält, ohne sein Herz zu ändern; das Evangelium heißt Geist, weil durch die Versöhnung mit Gott in Christo un die dadurch er- neuerte Gemeinschaft mit ihm ein lebendig und selig machender Geist von Gott dem Menschen mitgetheilt wird. (v. GerlachJ Der Gegensatz von »Buchstabe« und ,,Geist« ist schon durch V. 3 vorbereitet, sofern dort schon auf eine in steinerne Tafeln eingegrabene Schrift hingewiesen wurde, zu welcher, was Christus mittels Geistes des lebendigen Gottes in Herzen ein- geschrieben hat, als eine nur uneigentlich so zu nen- nende Schrift den Gegensatz bildete; dem entsprechend heißt es hier von dem Dienste der neuen Gottes- ordnung, daß er es mit Geist zu thun hat, der in sich lebendig ist und Leben zu schaffen vermag, und nicht mit Schrift, welche nur Vergegenständlichung des in sie Gefaßten ist. Da es sich um die gegensätzliche Wesenheit der einen und der andern Gottesordnung handelt, so bleibt außer Betracht, ob auch in der Zeit der alttestamentlichen Ordnung Geist gewirkt hat und auch in der Zeit der neutestamentlichen Ordnun ge- schrieben wird; es war das unterscheidend igen- thümliche der ersteren, daß sich dem Menschen das Göttliche nur als geschriebenes Wort vergeg en- ständlichte, statt sich ihm in seiner Wesenheit als lebendig wirksamer Geist zu verinnerlichen, daher Bengel sagt: ,,auch während er dies schrieb, hat Paulus gehandelt nicht als ein Diener des Buchstabens, sondern des Geistes, Moses dagegen, wo er das Amt des Gesetzes handhabte, hat am Buchstaben gedient, auch wenn er nicht schrieb« Da nun des Menschen natiirliche Willensrichtung widergöttlich ist, so besteht die bloße Vergegenständlichung des Göttlichen in einer Forderung, welche nur Ungehorsam wirkt und dadurch dem Tode überliefert; daher heißt es: »der Buchstabe tödtet-« (v. Hofmann.) Der Apostel hat hier judai- stische Lehrer im Auge, welche mit, ihrem Gesetzes- treiben sich über ihn, den Berkündiger der Gnaden- botschaft, erhoben und die Seelen irre zu führen drohten durch allerlei Vorspiegelung, als ob ihr Wirken ein heilsaines, s ein Wirken ein gefährliches und verderbliches sei. Es finde, so bezeugt er, das gerade Gegentheil von dem statt, was sie vorgeben: der Buchstabe, dem sie ihre Thätigkeit widmen, tödte, der Geist dagegen, dem er diene, mache lebendig. (Kling.) Wiesern der Buchstabe tödte, ist zu ersehen aus Stellen wie Röm. 7, 7 ff.; Gal. Z, 107 Röm. 4, 15: er tödtet, weil er die Sünde rei t und zum Aus- bruche bringt und die Sünder dem ericht des Todes unterwirft, während er zur Ueberwindung der Sünde keine Kraft giebt. Dagegen der Geist macht lebendig, weil er sich dem Geiste des Menschen mittheilt und diesen zu sich selbst emporhebh vgl. V. 17 f.; Röm. 8, 9 . (Burger.) Dienst des Buchstabens mit knech- tischer Zucht ist auch unter Christen (Papstthum, kalte Orthodoxie), wo der Wille Gottes nur aus dem ge- schriebenen Buchstaben erkannt wird, ohne Zeugniß des Geistes; wo nur befohlen, gefordert, gedroht wird, 314 2. Corinther Z, 7—11. wo man glaubt und gehorcht, weil es geschrieben steht, ohne innere Herzenserfahrung aus Zwang und Furcht Dem steht entgegen der Dienst des Geistes, wo der Geist im Herzen Gottes Willen, Gottes Gnade empfin- den läßt; wo man das innere Zeugniß zum Worte hat, wo man glaubt und folgt, getrieben vom Geiste, der Luft und Trieb einflößt und Kraft mittheilt (Heubner.) 7. So aber das Amt, das durch die Buchstaben swelche es in den zehn Worten des Gesetzes der Heiligkeit zu verkündigen hatte] tödtet nnd [das, insofern es wesentlich in der Ueberbringung der beiden steinernen Tafeln bestand 2. Mos. 24, 12] in die Steine ist gebildet san den Herzen derer aber, mit denen es ver- handelte, keine Erneuerung hervorzubringen ver- mochte], Klarheit hatte lwie jener Strahlen- glanz zu erkennen gab, von dem in L. Mos. 34, 29 ff. die Rede ist], also daß die Kinder Israel nicht konnten ansehen das Angesicht Mosis, um der Klarheit willen seines An- esichts, die doch anfhöret simmerhin nur eine szolche war, die nach und nach wieder verschwand und also keinen bleibenden Bestand hatte V. 11]: 8. Wie sollte nicht swenn wir die Sache näher erwägen] vielmehr das Amt, das den Geist giebt [Hebr. e, 4 f.; 10, 29; Gar. 3, 14; Apostg. 10, 44J, Klarheit habenR « s Si. Denn sum die Berechtigung der so eben ausgesprochenen Erwartung durch eine weitere Vergleichung der beiden Aemter, wie vorhin in Hinsicht auf das, was sie bewirken oder darreichen, so hier in Beziehung auf das, was sie ver- kündigen, zu erhärten, dabei aber die Erwartung selber gegen vorhin noch zu steigern] so das Amt, das die Berdammniß prediget [indem es über die Uebertreter des Gesetzes, mit welchem dasselbe es zu thun hat, Gottes Fluch oder Ver- werfutigsurtheil ausfpricht 5. Mos. 27, 26; Gal. Z, 10], Klarheit hat slaut der in V. 7 erwähnten· Geschichteh vielmehr hat« das Amt, das sinn- tels der Botschaft von Christo, durch welchen Ber- gebung der Sünden aus Gnaden erlangen alle, die an ihn glauben Röm. Z, 22 ff; 10, 4] die » Gerechtigkeit prediget, überschwängliche Klarheit» 10. Denn swas die Steigerung: ,,über- schwängliche Klarheit« betrifft] auch jenes Theil, das verkläret war sauch die dem alt- testamentlichen Amte in jenem Lichtscheim der Mosis Angesicht erglänzen machte, zu Theil ge- wordene Klarheit, wenn man in’s.Auge faßt, daß sie eben nur eine theilweise und nicht den Amts- träger in seiner Totalität ergreifende war] ist nicht für Klarheit zu achten gegen dieser überschivänglichen sweit darüber hinausgehenden, weil über den ganzen Menschen sich erstreckenden Matth. 7, D] KlarheitsM [der neutestament- lichen Amtsträger V. 18]. 11. Denn [so läßt sich weiter aus dem, was am Schluß des 7. Verses über selbigen Lichtglanz auf Mosis Angesichtgesagt wurde, eine Folgerung über die Herrlichkeit beider Aemter im Vergleich mit einander ziehen, die in Parallele steht zu der in V. 9 und die überschwängliche Klarheit des neutestamentlichen Amts vollends ins Licht stellt] so das Klarheit hatte, das da aushoret, vielmehr wird das Klarheit haben, das da bleibet.-1· ii) Ohne Zweifel ist dieseganze Vergleichun des neutestamentlichen Dienstes mit dem Dienste Mosis in V. 7—11., sowie hernach der Schatten, welcher in V. 12f· auf das Benehmen Mosis eworfen wird, desgleichen die Abschweifung über die erhärtung der Juden in V. 14—18 nicht ohne Absichtlichkeih viel- mehr in unmittelbarer Polemik wider die Judaisten postg. 15, Z. 5 u. is, 23 sub. Anm.) hingestellt. (Meyer.) Den Vorzug des neuen Bundes vor dem alten hat Paulus vorhin nur heraus-gehoben, um die Würde des Apostelamts recht hoch, höher zu stellen als die des Dieners des alten Bandes; er bedient sich dabei des Schlusses a minori ad majus (vom Kleineren auf’s Größere), und zwar drei Mal: V. 7 f., V. 9 u. V. 11. Das »aber« am Anfang des 7. Verses leitet zu diesem Schlusse über, und bezeichnet nun da der Apostel den Dienst am alten Bunde als ein Amt, das durchs die Buchstaben tödtet, d. i. als ein Amt des tödtenden Gesetzes, worunter man denn das Amt« Mosis zu verstehen hat. (de Wette.) Indem es nämlich um denjenigen Dienst sich handelt, durch wel- chen an die Menschen kommt, was Gott gegeben hat, daß es an sie komme, beschränkt sich dieser Dienst alttestamentlicher Seits auf Mose, durch welchen das Gesetz, die eigenthümliche Gottesgabe jener heils- gefchichtlichen Ordnung, ein für alle Mal an Israel gelangt ist; neutestamentlicher Seits aber besteht er in dem Amt derer, welche dazu verordnet sind, daß das Ergebnis; der Heils-that Gottes in Christo, der ewiges Leben wirkende Gottesgeist, an die Menschen gelange. (v. Hofmannh Moses wird hier nicht als Mittler betrachtet, so daß ihm Christus gegenüberstehen müßte, sondernsals Diener, wo er denn als Reprä- sentant aller Gesetzeslehrer den apostolischen Dienern des Evangeliums oder des neuen Bandes entgegen- steht. Jn einer kühnen Wendung nun, den Dienst mit dem Gegenstande, an welchem er geschieht, in Eins zusammenschließend bezeichnet Paulus das Amt des Gesetzes, das durch die Buchstaben tödtet und so dem Tode und dessen Herrschaft gleichsam in die Hände arbeitet, als ein in die Steine gebildetes Amt; der Dienst Mosis und aller seiner Nachfolger bestand nämlich darin, das mit Buchstaben in Stein eingeprägte Gesetz vorzuhalten und einzuschiirfem ein Weiteres vermochte er nicht zu thun. Zugleich wird mit den Worten: ,,in- die Steine gebildet« die Starrheit und Aeußerlichkeit dieses Dienstes stark hervorgehoben. (Kling.) Dieser alttestamentliche Dienst aber hatte doch auch seine Herrlichkeit oder Klarheit, was sich in der Thatsache darstellt, daß die Jsraeliten dem Niose, sooft er in seinem heil. Dienst gewaltet hatte, nicht in das Angesicht zu sehen vermochten; dieser Glanz auf seinem Angesicht zeigte, wie er die von ihm verkündete Offenbarung nicht aus sich selbst, sondern durch Ver- setzling in das Gebiet himmlischen Lichtes, in die un- Die überschwängliche Klarheit des neutestamentlichen Amts gegen die des alttestamentlichen. 315 mittelbare Nähe Gottes erhalten hatte. Indessen war fl Gerechtigkeit. Das alte Amt spricht Gottes Urtheil der Lichtglanz auf Mosis Angesicht nicht ein beständig bleibender, sondern ein vorübergehender; denn er dauerte immer nur eine Weile und verschwand dann allmälig wieder. Hatte also ein solcher Bund Herr- lichkeit, dessen Offenbarung doch nur äußerlich und vorübergehend, nur verdammend und todbringend an den Menschen herantritt, wie sollte, so schließt Paulus vom Kleineren auf’s Größere, die Herrlichkeit des neuen Bandes nicht größer sein, da dessen Offen- barung das Jnnere des Menschen erfaßt, Rechtfertigung vor Gott bringt, neues Leben und ewi e Seligkeit zuführt! (Sommer.) Aber worauf sieht Paulus hin, wenn er von der Klarheit des Amtes redet, das den Geist giebt? Nun, ein äußerlicher Lichtglanz, wie auf Mosis Angesichte, war nicht zu sehen auf dem An- gesichte Pauli oder Timothei oder der andern Diener am Evangeliox auch die Zeichen und Wunder, mit welchen der HErr das Apostelamt eingeführt hat in die Welt (vgl. Kap. 12, 12), find zwar eine sichtbare Ausstrahlung der Klarheit desselben, doch wie seine Gabe geistlich ist, so ist auch seine Klarheit oder Herr- lichkeit geistlich, erkannt und gepriesen von denen, welche durch das Amt gesegnet sind mit allerlei geist- lichem Segen in himmlischen Gütern durch Christum. Die überschwengliche Klarheit des neutestamentlichen Amts erweist sich darin, daß das milde Licht der evang. Predigt nicht nur anzusehen ist von den Kindern des neuen Testaments. sondern auch sie durchleuchtet und zu Spiegeln Christi macht (V. 18). Den Corinthern mußte dieser Preis des Amtes, welches sie sich hatten verdunkeln lassen, durch’s Herz gehen wie eine Straf- predigt, die doch ganz evangelisch schmeckt; denn der Apostel zieht die Wankenden zu sich und hält sie fest mit Anpreisen des allertheuersten Schatzes, woran sie reich geworden waren durch sein Predigtamt, vgl. 1. Cor. l, 4 ff. (Bes er.) Das neutestamentliche Amt steht im Vergleich mit dem größten, was wir in der Mit- und Vorwelt finden können, mit dem Amte der Obrigkeit und dem Amte des alten Testaments, einzig da; denn es giebt, was kein anderes giebt, Geist, Leben und Gerechtigkeit. Der stille Pastor, der am Altar und auf der Kanzel des Amtes waltet, der, vielleicht von Noth und Verachtung der Welt umgeben, den Menschen unniitz und sogar werth erscheint, mit seinem ganzen Thun und Treiben aus der menschlichen Gesell- schaft entfernt zu werden, der hat, so klein, so schwach er scheint und so verachtet er ist, dennoch, weil er das Amt des neuen Testaments trägt, zugleich ein Amt, welches Geist, Leben und Gerechtigkeit verleiht. (Löhe.) ff) Auf die großen Grundgedanken seiner apostos lischen Lehre vom Gesetz und Evangelium geführt, kann Paulus sich noch nicht losreißen, sondern geht zu weiterer innerer Begründung des Vorzugs der neu- testamentlichen Oekonomie (Haushaltung) und neu·- testamentlichen Diakonie (Amisverwaltung) vor der des alten Testamentes fort. (Osiander.) Das Amt, das durch die Buchstaben tödtet, empfängt jetzt einen andern, verwandten Namen, indem es nun als ein Amt, das die Verdammniß predigt, bezeichnet wird; es ist ein Amt des Todes dadurch, daß es mit seinen Geboten die Sünde reizt und zum Ausbruch bringt und so den Sünder mehr und mehr dem Gericht des Todes ent- gegentreibt, ein Amt der Verd ammniß aber dadurch, daß es den Fluch Gottes über den Missethäter dem- selben zum Bewußtsein und an demselben zur Aus- führung bringt. Wie nun das Amt des alten Testa- ments in unserm Verse nach dem benannt wird, was es darbietet, so auch das des neuen Testaments nach dem, was es im Namen Gottes darreicht, nämlich die , über uns aus: ihr seid Sünder und verdammt; das neue dagegen Verkündigt: ihr seid gerecht, denn hier ist Christus, welcher euch zur Gerechtigkeit gemacht ist. (Nebe.) Verdammniß predigen ist ein an sich schrecklicher, dem Gesetz aber doch ehrwürdiger Name: o daß uns der nur lehrte mit dem Gesetz recht um- gehen, von ihm das Leben nicht zu suchen, aber auch in seinem Amt es nicht zu hindern; so würde man in selbiger Enge den rechtmäßigen Ausgang in Gottes Erbarmen finden, den das Evangelium zeigt, das die rettende Gerechtigkeit predigt, die aus aller Ver- dammniß des Gesetzes führt, den Menschen mit Gott zufrieden stellt, auch das Gesetz; bei uns aufrichtet und den Geist giebt, der da lebendig macht. (Rieger.) »Es-«) Dieser Vers bildet eine Art Anhang zu dem vorigen, herbeigeführt durch das ,,überschwängliche »Klarheit« am Schlusse desselben, und will nun den Vorzug des neutestamentlichen Amts in seiner ganzen Ueberschwänglichkeit darthun, indem es denselben näher bestimmt und seinem Grade nach als einen so weit darüber hinausgehenden bezeichnet, daß dagegen die Klarheit des alttestamentlichen Amtes erlischt, wie der Glanz des Mondes vor dem der Sonne erbleicht; aber in der Erklärung der Worte weichen die Aus- leger gar sehr von einander ab, ohne daß bei irgend einem eine recht befriedigende Deutung uns begegnet wäre, daher wir oben unsre eigene Auffassung, für welche wir zu näherem Verständniß auf die Be- merkung zu Z. Mos. 21, 11 uns berufen, den Textes- worten eingefügt haben. Welchen Sinn Luther mit seiner Uebersetzung, die mehr eine umschreibende, als eine wörtliche ist, verbunden hat, erhellt aus folgender Erläuterung, die er selber dazu giebt: »Das ist, wenn man recht diese Klarheit und Herrlichkeit ansieht, die »wir in Christo haben durch die Predigt des Evangelii, so ist jenes Theil der Klarheit (nämlich des Gesetzes, welches nur eine kleine, kurze und aufhörende Klar- heit ist) auch nicht Klarheit, sondern eitel dunkle Wolken gegen dem Licht Christi, so uns je t aus Sünde, Tod gib Hölle zu Gott und ewigem eben leuchtet und einet«. f) Jn diesem Verse wird der Ausdruck: »Über- schwängliche Klarheit« am Schluß des vorigen gerecht- fertigt durch Hervorhebun eines neuen, schon in V. 7 symbolisch angedeuteten oments des Bleibenden, im Gegensatz zum Vergehenden, Aufhörendem ich sage ,,gegen dieser überschwänglichen Klarheit«; denn wenn das Aufhörende herrlich ist, so ist vielmehr das Bleibende herrlich. Die hier gemeinte beiderseitige Diakonie (L mtsverwaltung) hat natürlich die beider- seitige Oekonomie (Haushaltung) selbst zu ihrer Voraus- setzung als ein Aufhörendes einerseits und ein Blei- bendes andrerseits; die alttestamentliche Amts-verwal- tung ist ein mit dem Gesetze selbst im Verschwinden Begriffenes durch den Eintritt der neutestamentlichen (Röm. 10, 4), die ein Bleibendes ist bis zur Erschei- nung des HErrn, wo sie in seinem himmlischen Reiche ihre ewige Verklärung findet· (Kling.) Mosis Amt ist ein vergehendes, weil es eben das Amt des alten Bundes ist, der über sich hinausweist auf einen neuen Bund und diesem also, wenn er eintritt, Platz zu machen hat; das Amt des neuen Bundes heißt ein bleibendes, weil dieser neue Bund die absolute Religion ist, Hebr. 1,1sf. (Nebe.) Durch Klarheit hin (so wörtlich im Grundtext) geht das Amt, welches aus- hört, nnd seine Klarheit erlischt in dem Ende, worin das Gesetz sein Ziel erreicht und erfüllt sich findet, näm- lich in Christo und seinen Gläubigen; aber in Klar- heit steht das Amt, welches bleibt ohne Ende, bis 316 2· Corinther Z, 12-—18. der HErr kommt, um die aller Welt verborgene Herr- lichkeit desselben (Dan. 12, Z) an’s Licht zu bringen. esser.) 12. Dieweil wir nun fnach dem vorhin Ge- sagten] solche Hoffnung haben sdaß nämlich unser Amt um des bleibenden Wesens derjenigen Haus- haltung willen, der es dient, in seiner Klarheit bis an’s Ende sich behaupten werde, ohne je etwas davon einzubüßen], brauchen wir [bei Ausrichtung dieses Amtes] großer Freudigkeit [in ofsener, rück- haltloser Mittheilung der christlichen Wahrheit, so daß wir frank und frei auch vor den Juden von den Vorzügen des neuen und dem Aufhören des alten Bundes reden Hebr. 8, 6 sf.], 13. Und thun nicht wie Moses, der snach dem, was in L. Mos. 34, 33 ff. nächst dem oben in V. 7 Erwähnten weiter gemeldet wird] die Decke vor sein stlngesicht hing, daß die Kinder Israel nicht ansehen konnten sbesserx sollten] das Ende ließ, der [wie mit seinem nach und nach verschwindenden Glanze, so auch mit seiner schließ- lich einem Andern 5. Mos. 18, 15 ff. weichenden Geltung] aufhöretf sfie würden aber das letztere Aufhören inne geworden sein, wenn sie das erstere bemerkt hätten, darum eben mußte dieses verdeckt werden]. 14. [Und so wollen sie denn jetzt, wo des Moses Ende bereits eingetreten ist, muthwillens nichts davon wissen] Sondern ihre Sinne sind verstoelt lJes S, 9 f·; Jvh· 12- 37 fis; Apostg- 28, 26 f.; Röm. 11, 7 ff.]· Denn bis auf den heutigen Tag bleibt sfür die, die jetzt noch Juden sind] dieselbige Decke [die da hindert, das Ende deß, der aufhöret, einzusehen] unaufgedeckt iiber dem alten Testament [vgl. zu V. 6], wenn sie es lesen ssooft die Vorlesung aus demselben in der Shnagoge geschieht Apostg. 15, 21], welche [Decke ja doch] in Christo anfhöret [so daß dieselbe, da dieser erschienen, objektiv oder der Sache nach nicht mehr vorhanden ist]. 15. Aber bis auf den heutigen Tag, wenn sgenauen zur Stunde, wo] Moses [in seinen Schristen dem Gesetz] gelesen wird, hängt die Decke vor ihrem Herzen [sie ist also subjektiv, d. h. für sie, um ihres ungläubigen und ver- stockten Herzens willen, allerdings noch ebenso da, wie in 2. Mos. 34,·33]. 16. Wenn es aber sihr jetzt noch ungläubiges Herz] sich beichtete zu dem HErrn swas allerdings noch einmal geschehen wird Röm. 11, ff.], so würde ssofort oder zur nämlichen Stunde] die Decke abgethan svon diesem ihrem, zur Zeit damit noch überhängten Herzen, gleichwie Moses als- bald die Decke von sich abthat, wenn er hinein- ging vor den HErrn 2. Mos. 34, 34]. 17. Denn der HErr ist der Geist swer durch Bekehrung zu ihm in Gemeinschast mit ihm tritt, wird auch seines Geistes theilhaftig, gleich- wie der, der an die Sonne hervortritt, auch Licht und Wärme von ihr empfängt 1. Eor. 15, 45]. Wo aber der Geist des HErrn ist sdem Herzen eintvohnend Röm. 8, 9], da ist Freiheit« [die aller Banden und Hüllen los und ledig macht Joh. s, 36; Gal. 4, 1ff.]. V) Der reichen Ausführung und großarti en Dar- stellung der Herrlichkeit des apostolischen mts läßt Paulus jetzt die Anwendung auf die Führung seines Amts in einem einfachen Selbstzeugniß folgen. Die Hoffnung, die er da als einen gesicherten Besitz zu haben bekennh ist verwandt, aber nicht Eins mit dem Vertrauen in V· 4: jenes Vertrauen stützte sich auf schon Vorhandenes, auf die Frucht seiner Amtsarbeit; die Hoffnung aber geht auf Zukiinftiges, noch Ver- borgenes, nämlich auf die bleibende Fortdauer der Anstalt und des Amtes des neuen Bundes und seines Segens und aus die einstige Offenbarung und Voll- endung desselben. (Osiatider.) Er sagt von einer Hoffnung, die er besitze, weil er von seinem Amte gesagt hat, daß es bleibende Herrlichkeit habe; insofern ist sein Bewußtsein von der Herrlichkeit seines Amtes eine Hoffnung zu nennen, und er nennt es so, weil er ausführen will, daß ihm kein Gedanke an ein Auf- hören seiner Amtsherrlichkeit die unbedenkliche Rück- haltlosigkeit störe, mit welcher er sich denen gegenüber bewegt, an denen er sein Amt ausrichtet Freudig- keit ist die rückhaltlose Zuversichtlichkeih mit der man innerlich oder äußerlich dem Andern gegenübersteht, entweder weil man nichts von ihm zu fürchten oder weil man nichts vor ihm zu verdecken Ursach hat. Mose nun hatte solche Zuversichtlichkeit, frei offen gegenüber zu treten, nicht, wenn er nach Dargabe der empfangenen Offenbarung eine Hülle über sein Angesicht legte, damit diejenigen, welche in dem wunder- baren Glanze desselben ein Zeuguiß der göttlichen Herkunft dessen gesehen hatten, was er zu ihnen redete, ihren Blick nicht an dem nachmaligen Berschwinden dieses Glanzes sollten haften lassen; denn die Worte, wie sie im Grundtext lauten, drücken ganz bestimmt und unzweideutig eine in dem Thun des Mose liegende Absicht ans. (v. Hofmannh Der Sinn der Worte ist: Moses legte eine Decke auf sein Antlitz, damit die Kinder Israel nicht erkenneten, daß sie einer vorüber- gehenden Haushaltung angehörten, sondern der Ein- druck, den sie durch das Glänzen seines Angesichts von der Herrlichkeit seines Amtes bekommen hatten, sich gleich bliebe. Hier entsteht nun aber die Frage: liegt denn eine solche Beziehung in den Worten 2. Mos. 34, 33 ff.? Es scheint dort, daß der Zweck der Ver- hüllung ein ganz anderer war als der, den Jsraeliten das Verschwinden des Glanzes zu verbergen; und, so könnte man sagen, die typische Erklärung darf doch die Geschichte zum Behuf ihrer Deutungen nicht um- gestalten, sie muß sie nehmen, wie sie ist. Das werden wir nun allerdings als Grundfatz festzuhalten haben; allein eine gewisse Freiheit in der Benutzung der Ge- schichte ist auch nothwendig mit der Typik gegeben, sie darf, was nicht ausdrücklich erzählt oder als Zweck einer Handlung geltend gemacht wird, modifizirt auf- fassen. Daß nun das Berhüllen des Antlitzes Mosis deswegen geschah, weil die Jsraeliten den Glanz seines Angesichts nicht ertragen konnten, steht nicht ausdrück- lich dort, sondern ergiebt sich nur aus dem Zusammen- hang der Stelle als nächster Zweck der Handlung; nachdem denn Paulus diesem Zweck in V. 7 wenigstens mittelbar Rechnung getragen, konnte er hier noch einen Mit welcher Freudigkeit Paulus und die Seinen das ihnen befohlene Amt führen. 317 andern aufzeigen, der fich mit jenem darin begegnet, die ganze Handlung Beziehung hatte auf die Schwachheit der Jsraeliten. Wie sie nämlich den Glanz äußerlich nicht zu ertragen vermochten, so konnten sie auch innerlich den Einblick in die Wahr- heit nicht ertragen; für beiderlei Art der Schwachheit war denn die Verhüllung nothwendig. (Olshauseii.) Moses konnte es nicht frei heraus sagen, daß er nur einer vorübergehenden Haushaltung diene, obwohl er als ein in den göttlichen Haushaltungsplan tiefer hineinfchauender großer Prophet darum wußte; und wenn er auch nicht klar und bestimmt darum wußte, so bewegte ihn doch eine prophetische Ahnung bei dem, was er that, und so fällt das Verhüllen seines An- gesichts unter den Be riff einer pädagogischen Maß- regel. (Kling.) Das erhüllen des Angesichts Mosis diente als Mittel zur prophetischen Darlegung einer höheren Wahrheit, die im Lichte des neuen Bundes nunmehr offenbar geworden ist, damals aber noch ver- borgen gehalten werden mußte; Paulus verfährt bei dieser Ausdeutung des angeführten Zuges der Ge- schichte in ähnlicher Weise, wie er in Gal. 4, 21 ff. das Verhältniß des alten und neuen Testainents an dem Vorbild der beiden Söhne Abrahams nachweist und aufdeckt. (Burger.) «) Jii den Zusammenhang gehört diese Erwähnung der Blindheit der Kinder Israel so hinein, daß ja eben bei der ganzen judaisirenden Partei das der Haupt- punkt ihrer Bedenklichkeiten ge» en Paulus war, daß er ihnen den Glanz des alten Egestaments aufzuheben schien; an sie dachte er bei den Worten in Kap. 2,17 u. s, l wohl vorzugsweise, und so mußte denn nach der Parallele beider Oekonomieen in V. 6fs. noth- wendig die Beziehung auf die Juden und die vielfach auf ihrer Seite stehenden Judaisten hervortreten. Sie spricht indirekt die Mahnung für die letzteren aus, sich doch vom verhüllten Moses vollständig loszusageii und dem unverhüllten Christus, dessen Herrlichkeit aus seinen Gläubigen widerstrahlt (V. 18), in’s Anzeesicht zu schauen. (Olshausen·) Unter ,,Sinne« in . 14 ist nicht die Fähigkeit des Wahrnehniens, sondern die Thätigkeit des Denkens sammt den sich bildenden Ge- danken selbst verstanden; diese wurden ,,verstockt«, ver- härtet, daß sie mit beharrlicher Blindheit fich in dem Wahn festsetztem an der Haushaltung und dem Dienst des alten Bandes das bleibende, für alle Zeit gegebene Heil zu besitzen Wann dies geschehen sei, wird nicht angegeben, nur das wird im Folgenden gezeigt, daß dieser Zustand noch immer währt; ebenso wird nicht gesagt, von wem ihre Sinne verstockt wurden. (Burger.) Ebenso wie die Schrift beiderlei Rede führt, Gottver- stocke das Herz des Gottlosen, und der Gottlose ver- stocke selbst sein Herz (2. Mos. 4, 21 u. Jes. 6,·10 Anm.), fügt Paulus beides zusammen: den Schrift- lefern, deren Sinne verstockt werden, verbirgt Gott den Sinn der Schrift durch eine Decke, welche über dem gelesenen Schriftwort hängt (V. 14); und das thut er, weil sie selber das Licht der Schrift von fich abwehren durch eine Decke, welche vor ihrem Herzen hängt (V. 15). Wer hat je von dieser zwiefachen Decke der verblendeten Blinden aus so schmerzlicher Erfahrung eredet, wie Paulus? Aber auch die Barmherzigkeit it ihm überschwiin lich widerfahren, wovon die Worte engen: »wenn es Eil) aber bekehrete zu dem HErrii, so würde die Decke abgethan«. Wegen) Luther hat bei diesen Worten nicht ohne den influß der Mei- nung, daß eine solche Bekehrung nicht bevorstehe (Jes. 57, 21 Anm.), eine Uebersetzung gegeben, welche es dahingestellt sein läßt, ob es sich also noch einmal begeben werde; Paulus drückt fich aber im Grundtext sehr bestimmt aus: Wenn es aber Einmal) fich zum HErrn bekehrt haben wird, so wird die Decke abgethan. Der Ausdruck erinnert ganz an 2. Mos. 34, 34 und schwebt dem Apostel Moses, wie er, wiederum zum HErrn nahend, die Decke hinweg- genommen, als Typus dieses Vorgangs vor. An V. 16 schließt fich dann eng der folgende Vers an: denn der HErr, zu dem fich ihr Herz bekehren wird, ist der Geist. Hier findet eine Jneinssetzung Christi und des heil. Geistes statt: der HErr, zu dem das Herz fich bekehrt, ist nicht verschieden vom heil. Geist, welcher in der Bekehrung empfangen wird; Christus ist der Geist, insofern er bei der Bekehrung und sonst im Geiste sich mittheilt, der heil. Geist sein Geist, das lebendige Prinzip seiner Eiiiwohnuiig und Wirk- samkeit ist. Die Jneinssetzuiig Christi und des Geistes aber gilt nur von dem erhöheten Christus, in welchem das ganze seelisch-leibliche Leben in selbständiges gött- liches Licht- und Kraftwesen aufgegangen, aller Aeußers lichkeit in Bezug auf die göttliche Licht- und Lebens- kraft enthoben ist, so daß der Menscheiisohn nicht mehr der entäußerte Sohn Gottes ist, welcher den Einfluß des göttlichen Geistes erfährt, sondern mit ihm zu vollkommener Einheit zusammengeschlossem also, daß man sagen muß: er ist der Geist, dieweil er verklärt ist in das himmlische Geisteswesen. (Kling.) Was nun die Freiheit betrifft, die da ist, wo der dem HErrn innewohnende »und· auf die Gläubigen »Über- Fehendfe Geist ist, so ist. diese zunächst fals geistliche reiheit zu nehmen, Freiheit von den die Erkenntnis; Gottes und der Wahrheit hemnienden Hüllen und Schranken, wie sie im Gesetz gegeben und we· en der Schwachheit des Fleisches nöthig waren, somit Freiheit vom Gesetz selbst, um dessen Aufhebung sich dieser ganze Abschnitt bewegt, und von all deni beschränkten Wahn und Jrrthum, worin eine falsche Anhänglichkeit an das Gesetz festliielt. (Osiander.) 18. Nun aber [im Gegensatz zu den un- gläubigen, noch bei Mose verharrenden Juden V. 14 f.] spiegelt sich in uns sGliedern des neuen Bandes] allen des HEtrn Klarheit [wir zeigen an uns selbst, wie in einem Spiegel, die Klarheit des HErrnJ mit anfgedccktem Angesicht sindem sowohl der HErr ohne Decke vor uns hintritt V. 14., als auch wir ohne Decke ihm gegenüber- stehen V. 15]; nnd wir ssein Bild nun nicht blos äußerlich aufnehmend wie ein Spiegel, sondern es zugleich in’s Herz hereinlassend] werden verklaret in dasfelbige Bild [2. Petri 1, 9], .von einer Klar- heit zu der andern [Joh. 1, 16; Rom. »8- 295 Gal. 4,19; 1. Joh. 3, 2], als svom Geist des HErrn — so Luther in der Bibelübersetzung vom J. 1545, früher dagegen hatte er geschrieben: als] vom HErrn, der [da] der Geist ist [oder: der da ist der Geist]. Hier hast du einen trefflichen Gegensatz, zwischen dem Stande der Juden und dem Stande der Christen; wie nämlich der Apostel gezeigt hat, daß auf der Juden Herzen und Augen eine Decke liegt, derhalben sie beim Lesen des alten Testaments das Ende des Gesetzes nicht wahrnehmen, so spricht er nun gegenthcils den Christen der Erkenntniß klares Licht zu, bei dessen Beschreibung er auf das vorhin eingeführte Geschichtsi bild zurückdentet. Denn wie Moses zwar sein An- gesicht verdeckte, wenn er vor das Volk trat, aber, sobald er hineinging in die Hütte und zum HErrn fich 318 2. Corinther 4, 1——6. kehrte, mit aufgedecktem Angesicht des HErrn Klarheit anfchaute, so, sagt Paulus, sind wir Christen nicht ge- blendet nach der Weise der Juden, sondern schauen ein in des HErrn Klarheit, welche aus dem Spiegel des Evangelii widerstrahlt; und gleichwie Moses im geheimen Umgange mit Gott erlangte, daß sein Ange- sicht von einem neuen Lichte glänzte, so werden wir, indem wir im allerreinsten Spiegel des Evangelii des himmlischen Vaters Huld und sein gnädiges Antlitz erblicken, auch selber von Lichtstrahlen durchleuchtet und zu seinem Bilde erneuert, welches sich von einer Klarheit zur andern, d. i. mit stetigem Zunehmen, in uns hervorthur (Hunnius.) Nicht draußen bleibt das Bild des HErrn, von dem wir angespiegelt werden, stehen, sondern es ist ein lebendiges Bild, welches sich kräftig einmalt und abprägt in unserm inwendigen Nienschen (im Widerspiel zu dem in die Steine ge- prägten Gesetzesbilde V. 7), so daß die Züge des HErrn, des Schönsten unter den Menschenkinderm sich wiederspiiren lassen im Seelenbilde aller seiner Heiligen, welche hinanwachsen zu dem vollkommenen Manne, der da ist in der Maße des vollkomnienen Alters Christi (Ephes. 4, 13)· An seinem rechten Orte steht dieser köstliche Spruch gerade in dem Briefe Pauli, welche-r am hellsten von allen das Seelenbild dieses Menschen Gottes in Christo abspiegelr (Besser.) Am Schlusse des Verses ist diejenige Uebersetzung, welche Luther der Vulgata gemäß zuletzt angenommen hat (vgl. die Ueber- setzung von Matth 28, 19, wo Luther ebenfalls zuletzt der Vulgata sich anbequemt hat, während er früher z hatte: »in djen Namen des Vaters): »als vom Geist des HErrnts gegen die Stellung, welche die Worte im Grundtext einnehmen, und erscheint als zu wenig sagend; die andere dagegen: »als vom HErrn, der da Geist ist« bezeichnet Christum als Den, der in seinem Wesen und Wirken Geist, eine ganz in Geist und Leben erhabene und erhebende Persönlichkeit ist, was sehr gut paßt und dem entspricht, was in B. 17 ge- sagt wurde: »denn der HErr ist der Geist«, nur darf man diese Worte nicht als unmittelbare Uebersetzung, sondern nur als Umschreibung des griechischen Wort- lautes: »als vom HErrn des Geistes« nehmen, indem man ihn in dem Sinne faßt: als vom HErrn, dessen ganzer Charakter und Wirksamkeit Geist ist (vgl. das ,,Vater der Barmherzigkeit« in Kap.1,3). Andere verstehen den griechischen Wortlaut in diesem Sinne: als vom HErrn, der den Geist in Besitz hat und mit- theilt (v l· das ,,HErr der Herrlichkeit« in l. Cor. 2, 8); von diesem angestrahlt zu werden, muß natürlich auch das wirken, daß man in sein Bild verklärt wird, wäh- rend das Amt des Buchstabens (V. S) das nicht zu bewirken vermochte, daß man auch in ein solches Wesen, wie der Buchstabe des Gesetzes es vorschreibt, hineingebildet worden wäre. Das 4. Kapitel. Fruchtbarkeit des Enangelii in den unter dem Kreuz streitenden rgliiubigem 1. Darum, dieweil wir ein solch Amt [wie in V. 7—-—11 beschrieben worden] haben, nachdem sgemäß dem, daß] uns Barmherzigkeit [mit der Berufung] widerfahren ist sTräger desselben zu sein 1- Cor. 15, 9; Ephes 3, 8; 1.Tim. 1, 12 ff·], so werden wir nicht müde salles das für seine Ausrichtung zu leisten, was dieselbe erfordert, und lassen es in dieser Hinsicht besonders an dem eines Apostels würdigen Verhalten nicht fehlen]; 2. Sondern meiden auch heimliche Schande sverschmähen alle Einschmeichelungskünste und un- redlichen Mittel der Selbstempfehlung] und gehen nicht [wie die Eindringlinge und falschen Lehrer es thun] mit Schallheit um sdie allen alles zu sein und aus allem alles zu machen versteht 1. Thess 2, 5], falschen auch nicht [wie diese] Gottes Wort ldurch Vermengung des Göttlichen mit Menschlichem, des Evaugelischen mit Ju- dailklschem Kapi T, 17]; sondern sgehen vielmehr um] mit Offenbarung der Wahrheit [in freimüthiger Verkündigung des Evangelii Kap. 3, 12], und beweisen uns wohl gegen aller tbienschen Gewissen vor Gott«« U. Thessx 2, 2 ff.]· 3. Jst nun unser Evangelium sdas Evan- gelium, wie wir es verkündigen, rein und abgelöst von den Schranken des Gesetzes] verdeclt [was allerdings in gewisser Hinsicht der Fall] so ist es in denen [d. i. unter denen oder im Kreise derer Kap. Z, 15], die verloren werden [1. Cor. l, is; 2. Thess 2- 10], Verdeckt; 4. Bei welchen der Gott dieser Welt [der Teufel Joh. 12,31; 14, 30., der sich ja überall dem wahren Gott, dem Schöpfer und Erlöser, hinderlich in den Weg stellt] der Unglciubigen Sinn sihren eigenen als solcher, die vermöge des Unglaubens seiner Einwirkung sich preis- gegeben haben Apostg 26, 18., Sinn] verblendet hat, daß sie nicht sehen das helle Licht des Evangelii von der [auch im Stande seiner Erniedrigung überall hindurchbrechenden Joh. 1, 14., vollends aber im Stande der Erhöhung so deutlich sich kundgebenden] Klarheit Christi, welcher ist das Ebenbild Gottes «« [Col. I, is; Hebr. l, 3., und daß nun dieses Licht für sie so gut als nicht vorhanden ist]. 5. sJn keinerlei Weise dagegen wird man uns die Schuld beimessen dürfen, wenn unser Evangelium ihrer etlichen dahin Verdeckt ist, daß sie nicht zur Erkenntniß der Herrlichkeit Christi» durch die Predigt desselben kommen, gleich als suchten wir mit diesem Evangelium nur uns selbst zur Herrschaft zu bringen, und unter solche wollten nun eben nicht alle sich beugen.] Denn wir predigen nicht Uns selbst [unsre eigene Weisheit bei euch an den Mann zu bringen und uns so zu Herren über euren Glauben zu machen Kap. 1- 24; 1, Tor. 2, 4 f.], sondern Jesum Christum, daß er sei der HErr [dem in Kraft der durch ihn geschehenen Erlösung ihr als Eigenthum aus- schließlich angehört Apostg. 20, 28], wir aber swollen nichts weiter sein als] eure Knechte um Jesu willen sdem wir mit unserm Dienst euch zuzuführen und treu zu erhalten haben, damit Wie Paulus mit den Seinen sein Amt auch führt anders als die falschen Lehrer. 319 er nicht um den Lohn der von ihm in der Er- lösuiig vollbrachten Arbeit komme Kap. U, Z; 1. Cur. 1, 13]. b. sJesnm Christum nun m dieser Weise zu predigen und mit solcher Predigt uns auch zu Knechten um seinetwillen zu begeben, dazu sind wir ausdrücklich berufen] Denn Gott, der da hieß das Licht aus der Finsternis hervor leuchten swie m 1. Mos l, 3 zu lesen, »der ists auch], der [da] hat [indem er in uns seinen Sohn offen- barete Gut. 1, is] einen hellen Schein in unsre Herzen gegeben [und zwar nicht für den Zweck, daß wir ihn für uns selbst behielten, sondern vielmehr in der Predigt des Evangelii auch Aiidern mittheilten], das; dntch uns sbei denen, für welche wir zu Aposteln und Predigern gesetzt sind] entstunde die Erleuchtung von der Erkenntuiß der Klarheit [oder Herrlichkeits Gottes swie sie sich zu schauen giebt] in dem Angesicht Jefu Christispt [dieses Ebenbildes des unsichtbaren Gottes V. 4]. V) Paulus kommt nuii von der Herrlichkeit des Evangeliums und des Amtes an ihm auf sich, den Diener des letzteren, und seine derselben entsprechende Weise, es zu bedienen, also auf seine wahre Selbst- vertheidigung und Empfehlung zurück. (Osiander.) Mit »darum« wird begründet, waruni ein Träger des im vorigen Kapitel beschriebenen Amtes nicht müde werden kann: die Herrlichkeit desselben läßt es nicht zu. Jm darauf folgenden Verse, wo der Apostel die Weise seiner Amtssührung im Gegensatz um Verfahren Anderer näher charakterisirt, ist die Zzeriode im Griechischen so gebaut, daß als Hauptsatz voranstehtc »wir meiden heimliche Schande«, dann in zwei Partieipialsätzem ,,indem wir nicht wandeln in Schalkheit, auch nicht Gottes Wort verfälschen« ange- geben wird, auf welche Weise man dergleichen heim- liche Schande üben könne, die der Apostel meidet, und darauf in einem dritten Participialsatz sein wirkliches Verhalten dem gemiedenen positiv entge« engesetzt wird: ,,indem wir uns vielmehr durch O enbarung der Wahrheit empfehlen an jedes Gewissen der Menschen vor Gott» Jm Hauptsatz sagt Paulus wörtlich: wir haben uns losgesagt von der heimlichen Schande, nicht als wäre das erst geschehen, nachdem er sie eine Zeit hindurch geübt hätte, sondern man sagt auch einer Sache ab, wenn man sie von vorn- herein zurückweist, wie es hier die Meinung ist; bei ,,heimliche Schande« aber ist nicht an Vergehungen der Art zu denken, wie sie in Rönm 1, 27; 13, 13 an- gedeutet werden, sondern an ein solches Verfahren in der Führung des Amtes, welches das Licht des Ta es u scheuen hätte, weil man sich dessen schänien mü te. s folgen sogleich Beispiele eines derartigen Ver- fahrens in den beiden Sätzent wir gehen nichtmit Schalkheit um, d. i. schmeicheln uns nicht auf listige Weise ein und verfolgen bei unserer Amtsführung nicht ehrgeizige und gewinnsüchtige Pläne, auch fälschen wir nicht Gottes Wort. Von alle dem, sagt Paulus, haben wir uns losgesagt, und empfeh- len nun uns selbst durch Offenbarung der Wahrheit an jedem Menschengewissen vor Gott. Andere (Pauli Gegner Kap. 2, 17; 11, 3 ff.) brauchen viele Künste, um sich zu empfehlen: wir ver- wenden zu unserer Empfehlung nur Ein Mittel, wir machen die Wahrheit offenbar; und mit dieser Kund- gebung der Wahrheit in der Predigt des Evangelii empfehlen wir uns an jedem Menschengewissem schmei- cheln nicht den Lüsten der Menschen, willfahren nicht ihren Leidenfchaften, nehmen nicht ihre unlauteren Regungen in unsern Dienst, sondern haben es auf ihr Gewissen abgesehen. Wenn dabei Paulus noch hin· ziisetzt: »vor Gott«, so ist das hier wie in Kap. 2, 17 eine Berufung auf die Lauterkeit und Redlichkeit seines ganzen Verfahrens, bei welchem er Gott stets vor Augen hat und sich von ihm gesehen und beobachtet weiß. (Burger.) An das Gewissen aller Menschen wendet sich die Predigt von Christo mit dem Anspruch, anerkannt zu werden als das, was sie ist, göttliche Wahrheit. Jn jedem Menschengewissen regt sich stärker oder schwächer ein Wissen um das, was Gott fordert und verbietet; daher trifft die Offenbarun der Wahr- heit durchs Evangelium in jedem Menxschengewissen einen Zeugen für sich an, welchem sie die Zunge löst, daß er Ja sage zur Wahrheit-Verkündigung, und wo folches Ja verweigert wird, da folgt Gottes Gericht über die Liebhaber der Lüge in dem unvertilglich ihnen eingebrannten Wissen um die Argheit ihres Un- laubens. (Besser.) Giebt es auch ein sittliches Ver- tändniß bei andern Menschen, so daß man sich auf den Eindruck berufen kann, den man macht, so ist doch alles Menschliche noch trügerischz deshalb beruft sich Paulus auf Gott selbst als den Zeugen seiner auf- richtigen Gesinnung und Handlungsweise (Neander.) «) Wider das eben von Paulus in Beziehung auf sich und seine Gehilfen behauptete »wir gehen um mit Offenbarung der Wahrheit und beweisen uns wohl gegen aller Menschen Gewissen vor Gott« konnte ein- gewendet werden: und doch ist euer Evangelium ver- hüllt (der Ausdruck bot sich aus noch frischer Erin- nerung von Kap. 3, 14 dar), wird von so vielen gar nicht als Wahrheit anerkannt! Darum fährt der Apostel fort: wenn auch dieser Fall stattsinde, wie er das allerdings zugeben müsse, so betrefse er doch nur die, die verloren gehen, welche der Teufel geblendet habe, und könne daher ni t gegen jene Behauptung elten. Der Ungläubigen inn gegen das Licht des van elii blind zu machen ist des Teufels Geschäft und erk, und dieses sein charakteristisches Werk hat er in denen, die verloren werden, bereits ausgeführt; in ihren Seelen ist ihm die-teuflische Arbeit, der Un- gläubigen Sinn zu verblenden, gelungen. (Meyer.) Das ,,Ungläubige« giebt den Wechselbegrisf für »die verloren werden« ab und hebt bei aller Zurückführung ihrer Verblendung auf den Satan ihre eigene Schuld in ihrem Unglauben als dem Widerstreben gegen das Geistliche und Göttliche hervor. (Osiander.) Paulus nennt den Satan den »Gott dieser Welt« weil die un- gläubige Welt ihn abgöttisch verehrt und ihm blind- lings folgt (Phil. 3, 19), sich also ihm ergiebt, als wäre er der wahre, lebendige Gott. Durch seine Ver- blendung sehen denn die Ungläubigen das Licht des Evangelii nicht, obwohl dieses die Herrlichkeit Christi Verkündigt und Christus Gottes Ebenbild selbst ist, nicht, wie Moses und die Propheten, sein theilweise von ihm erleuchteter Gesandte. (v. Gerlach.) Jch habe es selbst nie glauben können, daß der Teufel sollte Herr und Gott der Welt sein, bis ich nunmals ziemlich erfahren, daß es auch ein Artikel des Glaubens sei: ,,Fiirst der Welt, Gott dieses Zeitlaufs.« Es bleibt aber wohl ungeglaubt bei den Nienschenkinderin und ich selbst auch schwächlich glaube; denn einem jeglichen gefällt seine Weise wohl, und hoffen alle, das; der Teufel sei jenseits des Meers und Gott sei in unserer Tasche. Aber um der Frommen willen, die da selig 320 2. Corinther 4, 7 412. werden wollen, müssen wir leben, predigen, schreiben, alles thun und leiden; sonst, wo man die Teufel und falschen Brüder ansiehet, wäre es besser, nicht gepre- digt, geschrieben, gethan, sondern nur bald gestorben und begraben. Sie verkehren und lästern doch alle Dinge, machen eitel Aergerniß und Schaden daraus, wie sie der Teufel reitet und führt. (Luther.) Der Gott dieser Welt betrügt die Ungläubigen um den wahrhaftigen, ewigen Gott, der sein unsichtbares Wesen ewiglich anschaut und der Welt zu Heil und Leben versichtbart hat in Christo Jesu, seinem lieben Sohne. (Besser.) Daß der Apostel hinzusetzh ,,welcher ist das Ebenbild Gottes« geschieht einerseits, um zu erinnern, wie groß die Herrlichkeit des Weltheilandes ist, und andererseits, um hervorzuheben, um was der Satan die bringt, welche er dafür blind niacht. (v. Hof- wann) ritt) »Unser Evangeliumch so hat Paulus in V. 3 seine Verkündigung genannt und dies Evangelium in V. 4 als das Evangelium von der Klarheit Christi bezeichnet: daß er nun mit Recht sein Evangelium, das von ihm gepredigte, so nennen darf, erhärtet er zunächst im 5. Verse, indem er sich darauf beruft, daß er nicht sich, sondern Christum als den HErrn ver- kündige, nicht für sich Macht, Ansehen, Einfluß in An- spruch nehme, sondern das alles nur für Christum, hingegen, was ihn selbst und seine Gehilfen betrefse, als nichts gelten wolle, denn daß sie Knechte der Ge- meinde Jesu seien, zu ihrem Dienste bestellt, sich diesem Dienste bereitwillig und gern unterziehend, und zwar um Jesu willen, eben zu dem Ende, daß dieser ganz und allein, wie er es sein will, ihr HErr werde. Dazu, so sagt der Apostel darauf in V. 6 weiter, hat Gott sie tüchtig gemacht durch einen schöpserischen Akt der Gnade. (Burger·) Paulus stellt die Wiedergebnrt in Parallele mit der Schöpfung (vgl. Jef 42, 5 ff.), indem er schreibt: »Der Gott, der da sprach, es solle das Licht aus der Finsternis; hervorleuchten, der leuch- tete auch in unsere Herzen hinein (bei der ersten Be- kehrungh machte dadurch die innere Finsternis; licht und befähi te uns so zum Auslenchtem d. h. zur Er- lenchtung nderer«, vgl. Ephes 5, 8. (Olshausen.) Die erhabene Beschreibung des wahren Gottes nach seiner Schöpfersprärogative ist hier umso trefsender gegenüber der vorhergehenden Erwähnung des usur- patorischen Gottes dieser Welt (V. 4), wie denn auch der Ursprung des Lichts von dem guten und großen Gott einen schönen Gegensatz bildet gegen die versin- sternde Gewalt des falschen Gottes. (Osiander.) Da- mals nun sprach Gott: ,,es werde Licht!« und es ward Licht; ietzt aber hat er es nicht gesprochen, son- dern ist selbst unser Licht geworden. (Chrysostonius.) Ein alter Name Gottes, den er sich mit einem seiner ersten Werke gemacht, den er aber noch mit vielen ähnlichen Erweisungen im Großen und Kleinen be- hauptet, ist, daß er das Licht aus der Finsternis; her- vorruft; und so findet er sich nun sonderlich bei der Offenbarung seines Sohnes durch das Evangelium in der Menschen Herzen. Bei seinem Wandel in der Welt hat man in seiner Person und Angesicht das beisammen gehabt, was dahin leiten konnte, Gott recht zu erkennen, von Herzen Vater ihn zu nennen, mit ganzer Macht ihm zu vertrauen; die Apostel aber haben, was sie esehen, so zuverläßig bezeugt, damit uns ihre Verkün igung und schriftliches Zeugniß das Nämliche aus-trüge, was ihnen der persbnliche Anblick ausgetragen hat. (Rieger.) Die Klarheit Gottes ist der Reichthum der göttlichen Güte und Barmher- zigkeit und das Geheimniß seiner wunderbaren Weis- heit, welches kund geworden ist in dem Rathschluß unsrer Erlösung; und diese Klarheit erglänzt in dem Angesicht Jesu Christi, denn in Christo hat sich die unergründliche Barmherzigkeit Gottes gegen uns er- öffnet und durch Christum ist der anbetuiigswürdige geilsrath der göttlichen Weisheit vollendet und zu tand und Wesen gebracht. (Hunnius.) b. V. 7—Kcip. 5,10. tliit der iui vorigen Ab« schnitt geschilderten und nach allen Seiten hin be- griiiideteii Herrlichkeit des cis-asiatischen, überhaupt des neutestauteiitlicheii Jlnites sieht freilich die äuslere Erscheinung und das zeitliche Ergeheit seiner Träger in einem scheinbaren Widerspruch; es is? das jedoch ein Widerspruch, durch den die Iirast des Anites selbst tiicht verhindert wird, im Gegentheil leuchtet aus der Zerbrechlicistieit der Jlnitsicsesäsle des Amtes innieiidige herrlichtieit desto heller hervor, und durch alle Trübsal hindurch geht es mit ihnen selber zu einer ewigen und iitier ntIe tliosle wichtigen herr- lichlieit, gegen welche sie diese Trübsal nur siir zeitlich nnd seicht, ja siir nichts aihteii (v. 7—-18). Uui solche Herrlichkeit, siir welche gerade unter der Trüb- sal der innerliche Mensch von Tag zu Tag cruenet wird, liann nun selbst die Verderbung des iiuslereii llieiischen Christi Diener nicht bringen: allerdings möchten sie niiiiisihein nicht diirch Enttileiduiikk son- dern durch Uebertileidiing zur Herrlichkeit einzu- gehen; welches aber auch der siir sie bestimmte Weg sei, in jedem Falle ist ihr Fteip daraus gerichtet, dein tjErrn wohl zu gefallen, bei welchen: daheini zu sein sie. verlangen und vor dessen Richterstuhl eiiiniat jeder offenbar Inerdeti trinkt, uni aus der hand desselben das zu empfahen, was er je nach seinem handeln bei Leibesteben sich iierdienet hat ("Ltap. Z, 1—10). (Epistel am Tage St. Bartholomäh V. 7—t0.) (Vgl. zu Luk. 22, 24 ff.) 7. Wir haben aber sum jetzt non unserm inneren Wesen auf unsre äußere Erscheinung Uber- zugehen] solchen Schasz swie er nach dem in V. 6 Gesagten uns geschenkt ist] tn irdischen soder thönernen, gar zerbrechlichen und iinansehnlichen] Gesäßem auf» daß die nberschwangliche Kraft sdie in unserm Wirken zu Tage tritt Kap. 2, 14 ff] sei Gottes salsv eine von Gott ausgehende sich beweises und nicht von unss » · 8. Wir haben allentbatben Triibsal sdie uns bedrängt]; aber wir angsten uns nicht sfühteieuns doch nicht so dadurch eingeengt, daß wir keinen Raum zur Ausrichtung unsers Amtes mehr vor uns sähen Apostg 16, 19——18,»18.] Uns ist bange fwenn wir in Verlegenheiten fgerathen]; aber wir verzagen nicht [wie solche, die sIch gar keinen Rath niehr wissen Apostg. 19, 23 ff.]. 9. Wir leiden Verfolgung sdurch unsere Widersacherh aber wir werden nicht verlassen [von Gott, daß er uns so ohne Weiteres und unter allen Umständen in ihre Hände gäbe Kap. 1«1, 32f.]. Wir werden swenn wir allerdings hin und wieder in der Verfolger Hände fallen] unter- drückt [von ihnen zu Boden geworfen]; aber wir kommen nicht um« sunter ihren Händen, daß wir nicht wieder uns zu erheben vermöchten Apostg. 14, 19 f.]. Contrast zwifchen der Herrlichkeit des Amts und der Schwachheit der Aintsträger. 10. Und tragen um allezeit das Sterben des HErrn Jesu an unserm Leibe findem wir überall einer eben solchen gewaltsamen Lebensberaubung wie Jesus sie hat erfahren müssen, ausgefetzt find l· Cor. H, 3l; Phil. Z, 10], auf daß auch das Leben des HErrn Jesu [in dem, was er durch uns ausrichtet Apostg. 1, 1 Anm.] an unserm Leibe offenbar werde. 11. Denn fwenn ich an Stelle des vorhin gebrauchten fchwer verftändlichen Ausdrucks: »wir tragen um allezeit das Sterben des HErrn Jefu an unserm Leibe« einen leichteren setzen und direkt sagen soll, was ich meine] wir, die wir leben [im Leben auf Erden noch da find, um eine Gleiche abgeben zu können mit dem HErrn während der Tage feines Fleisches] werden immerdar in den Tod gegeben um Jesu willen [Röm. 8, 36], auf daß auch das Leben Jesu fder nun im Himmel thront] offenbar werde an unserm fterblichen Fleische [zur wunderbaren Erweisung, wie mächtig dieses Leben sei]· 12. Darum sum auch das noch zu sagen, wen das eine und wen das andere von dem beiden, das hier zwei Mal genannt worden, be- trifft] so ist nun der Tod mächtig in uns [den Aposteln], aber das Leben in euchttr [den Ge- meinden, die wir mit unsrer Arbeit stiften und fördern] · J) Das »aber« führt hinüber zur Darlegung des Eontrastes zwischen der Herrlichkeit des apostolischen Amts und der Schwachheit und bedrängten Lage der Träger desselben. Die Annahme, die Gegner hätten dem Paulus körperliche Schwäche und seine Verfol- gungen zum Vorwurf gemacht als Zeugnisse wider rechte Apoftelsch·aft, ist abzuweisen, da ein solcher Vor- wurf, der ia nicht blos ihn, sondern die apostolischen Lehrer überhaupt betroffen haben müßig-an sich ganz unwahrfcheinlich ist und sich auch in dem ganzen sol- genden Abschnitt keine Spur davon findet. Dennoch ist gewiß auch dieser Abschnitt nicht ohne indirekte Polemik; denn Paulus hatte nach der Eigenthümlichkeit seines apoftolischen Charakters weit mehr ertragen Und gelitten, als die gegnerischem judaistischen Lehrer, und daher lag in dem Verhältnis; seiner Drangsale zu seinem Wirken ein ganz absonderlicher heiliger riumph für ihn über seine Feinde, vgl. Kap. 11, 23 ff. (Meyer.) Solcher Schatz ist nach V. 6» das den Aposteln zu dem Ende geschenkte Licht, damit sie es leuchten lassen, die in ihnen leiichtende und von ihnen ansstrahlende Erkenntnis; der Klarheit Gottes in dem Angesicht Jesu Christi. Man sollte erwarten, daß dieser köstliche Schatz wegen seiner Wichtigkeit und Bedeutung ein feinem Werthe entsprechendes Gefäß habe; aber das Gegentheil, sagt der Apostel, ist der Fallt wir haben ihn in irdischen, irdenen, von Erde gemachten, zerbrechlichen und leicht der Zerstörung ausgesetzten Gefäß en. Gemeint ist hier die hinsällige, dazu viel- geplagte, stets Gefahr des Zerbrecheiis laufende Leib- lichkeit (Kap. 5, l; 1. Cor. 15, 47); in einer solchen tragen die Apostel jenen Schatz, damit zweifellos kund werde, daß die außerordentlichen Wirkungen, welche von dem Evangelio ausgehen, das sie predigen, ihren Ursprung nicht aus ihnen haben, sondern in Gott, der Dächseks Vibeliverh Vll. Band. 321 beides, der Herr und der Inhalt des;Evangeliuins ist (Kap. l2, 9f.; l. Cor- 2, 1sf.). Das Zeitwort sei in dem Satze: »auf daß die überschwängliche Kraft sei Gottes, und nicht von aus«, mit dem nachdrücklichen Nebensinnx erwiesen werde, kund werde, kommt ebenso vor in Röm. Z, 26: »auf daß er allcin gerecht fei«. (Burger.) Ließe Gott durch Engel oder schon in den Stand der Herrlichkeit versetzte Pienschen das Evan- gelium predigen, würde man leicht auf solche Werk- zenge fallen und die Kraft solchen herrlichen Personen zuschreiben; nun es aber durch arme, schwache Men- scheii geschieht, so bleibt die Ehre Gott allein. (Starke.) «) Um auszuführen, was es heißt, zu dem in den Worten: »auf daß die— überschwängliche Kraft sei Gottes, und nicht von uns« an egebenen Zweck den Schatz der zur Erleuchtung der elt bestimmten Er- kenntnis; Christi in irdenen Gefäßen zu haben, reiht der Apostel an das »wir haben« in V. 7 vier Sätze an, welche einerseits besagen, wozu es bei den Trägern des apoftolischen Berufs vermöge dessen kommt, daß sie in der Schwachheit menschlicher Natur leben, und andererseits, wohin es bei ihnen vermöge dessen nicht kommt, daß Gott in ihnen so mächtig wirksam ist. (v. Hosmann.) Trübsal oderDrangsal allenthalben und in allerlei Weise haben die Predi er des Evan- gelii, denn der Gott dieser Welt ist eni Evangelio erzfeind und will dessen Boten herausdrängen aus feinem Gebiet; sie fühlen auch mit betrübter Seele das Drängen des Feindes, denn nicht wie die himm- lischen Boten des HErrn Zebaoth, mit niederschmet- ternden Posaunen find sie gerüstet, sondern tragen den Schatz ihrer Botschaft in irdischen Gesäßen, darum sehen wir, wie allenthalben Dornen und Hecken ihren Weg versperren und ihnen die Füße verwunden — Pauli Lauf von Jerusalem bis Corinth und von Co- rinth bis Rom ist deß Zeugniß. Aber wir ängsten uns nicht, sagt er der überschwän lichen Kraft Gottes zu Ehren: wohl kommen Angxststundem wo auch ein Paulus weder aus noch ein weiß (Kap.6,4; l2, l0: ,,Aengste«); doch keine Enge darf Gottes Diener also ängstigen, daß sie nicht Macht hätten zu sprechen (Pf. 10, 20): »der HErr führt uns aus in den Raum und reißt uns heraus« Wie eine Flamme, die sich nicht einengen läßt, sagt Balduin, dringt das Evangelium durch, und auch in Banden ängsten die sich nicht, welche mit Paulo dafür halten, daß Gottes Wort nicht gebunden ist (2. Tini. 2, 9). Uns ist bange, das verschweigt der Apostel ni t (vgl. Kap. 1, 8); denn weil er in irdischem Gefä den Schatz des Apostelamts hatte, so war Gefahr um Gefahr sein Loos (Kap. 11, 26), und die zweifelhaste Frage: ,,wie wird’s werden?« war seiner Seele nicht unbe- kannt. Als er, von Athen schnöde abgewiesen, in die große Weltstadt Corinth einwanderte, als er zu Je- rusalem von den röniischen Kriegsknechten den Händen der Juden entrissen wurde und dann ein Vierteljahr nach dem andern im Gefängniß zu Cäsarien still si en mußte, oder als er in Sturm und Nacht da in schi te und alle Hoffnung des Lebens dahin war ( postg. 18, l; 2l, 27 bis 26, 32; 27, 20), da war ihm ja bange, aber -— wir verza en nicht, die Kraft Gottes macht dein Zagen und Zweifeln ein Ende, daß es nicht zum Bei-zagen und Verzweiseln kommt. Es sei durch Leben oder durch Tod, durch Sendung wunderlicher Hilfe oder durch Stärkung in der Geduld, gewißlich wird Gott das Leiden feiner Heiligen zum Preise des Schatzes wenden, welchensie mitten im Leiden haben: solche Gewißheit läßt nicht verzagen (Phil. I, 20). Nachdem so der 8. Vers in Pauli bedrangtes und doch nicht geängstigtes, zagendes und doch nicht ver- 21 322 Z. Corinther 4, 13-—18. agendes Gemüth uns hat blicken lassen, redet der 9. ers davon, was für ein Angesicht die leidenden Be- kenner Christi der Welt zeigen. Verfolgung müssen alle Christen leiden (2· Tim. 3, 12), und die Lehrer im ersten Treffen; denn das Licht, welches ihr Schatz nnd ihre Spende ist, ist den Liebhabern der Finster- niß verhaßt, und weil das evangelische Licht leuchtet nicht wie der schreckliche Blitz» sondern wie die liebe freundliche Sonne, welche es duldet, daß die Nacht, des Tages Feind, sie vertreibe, so soll’s und kann’s nicht anders sein, die Kirche hat ihren Feinden gegen- über in dieser Welt nur das Recht des Leidens der Verfolgung. Aber unverschanzt, wie sie ist, hinter weltlicher Wehr und unberufen zu Waffen fleischlicher Ritterschafh wird sie doch nicht verlassen von Gott; Einer ward verlassen für uns, auf daß wir rühmen dürften, wir werden nicht verlassen. Will Gott es thun, so kann er der Verfolgung ein Ziel setzen und den tobenden Bösewicht aufhalten durch die schützende Ordnung der Obrigkeit, wie Pauli und der ganzen Kirche Verfolgungsgeschichte von dieser Weise göttlichen Beistandes und oberherrlicher Erlösung laut redet; aber auch, wo Gefängniß und Verbannung, Raub von Gut und Ehre, Feuer und Schwert unauf- gehalten ihre Werke thun, bleibt doch der Ehristentrost bestehen: wir werden nicht verlassen! Und wie die Kirche, die eine verlassene Wittwe ist vor Menschen- augen (Jes. 54, 4), unverlassen streitet, weil der HErr bei ihr ist, so ist auch im Unterliegen ihr Sieg: wir werden unterdrückt, aber wir kommen nichtum; die Pforten der Hölle sollen uns nicht überwältigen (Matth. 16, 18). Zu Boden werfen können uns die Verfolger, will Paulus sagen, denn wir tragen den alleredelsten Schatz in irdischen Gefäßenz aber ver- derben und vernichten können sie u11s nicht (Mich. 7, 8; Joh. 16, 20)· Die aus dem Leidensdunkel dieser Welt abscheiden im Glauben an Jesum, kommen nicht um, denn sie gehen heim zum HErrnx und die noch wallen im finstern Thal, kommen nicht um, denn der HErr ist ihr Licht. (Besser.) IN) Jn demselben Sinne, in welchem in Kap. I, 5 gesagt wird: ,,gleichwie wir des Leidens Christi viel haben«, heißt es hier in V.10: »wir tragen um alle- zeit das Sterben des HErrn Jesu an unserm Leibe«. Die stetige Todesgefahy unter welcher der Apostel seinen Beruf ausrichtet (Kap· 11, 23), ist ein fort- gesetztes Sterben; das Sterben des HErrn Jesu nennt er es, weil es nur die Fortsetzung und Wieder- holung dessen ist, was sein HErr erlitten hat, weil der Vorgang des leidenden und sterbenden Jesus in ihm Nachsolge und Abbild hat. Wir trag en um an unserm Leibe dies Sterben, sagt er, d. h. es begleitet uns auf allen unsern Wanderungen und Reisen; überall ist uns dieselbe Gefahr nahe, überall verfolgt uns der Tod —- wo wir auch seien, ist das Sterben Jesu bei uns. Und zwar sagt der Apostel: an unserm Leibe tragen wir dies Sterben um; denn der Leib ist das gebrechliche Gefäß, in welchem der Schatz Gottes nieder- gelegt ist (V. 7). Aber in demselben Gefäße offenbart sich auch das Leben des HErrn Jesu, in den kräftigen Wirkungen nämlich, welche an dem gebrech- lichen Gefäße und durch dasselbe kraft des darein ge- legten Schatzes stetig sich kundgeben und erweisen. Es ist das wirkliche Leben Jesu, welches in dem Leibe des Apostels, durch dessen Schwachheit ungehindert, sich überschwänglich mächtig erzeigt; damit nun dieser Erweis des Lebens Jesu in ihm recht augenfällig und offenkundig werde, darum stellt er in seinem ganzen Laufe ein Bild des dem Tode preis Gegebenen dar. Das Sterben Jesu wiederholt sich an ihm, aber auch der Sieg des Lebens Jesu in den Siegen, die er trotz seiner Schwachheit unablässig gewinnt, in den Früchten seines Amtes. Der folgende 11- Vers wiederholt darauf erklärend, was der 10. Vers ausgesprochen hat. Mit den Worten: »denn wir, die wir leben, werden immerdar in den Tod gegeben um Jesu willen« wird gesagt, inwiefern die Apostel das Sterben des HErrn Jesu an ihrem Leibe herumtragen; sie erleiden zwar den Tod nicht so, daß sie wirklich ihr Leben verlieren (V. 9), aber dem Tode preisgegeben sehen sie sich be- ständig, so daß sie immer in dem Gegensatz sich be- wegen, als Lebende sieh dem Tode verfallen zu sehen, als dem Tode stetig übergeben doch immer noch zu leben. Um Jesu willen gcschieht ihnen das, sonst wäre es nicht das Sterben Jesu, das sie an ihrem Leibe herumtragen Während so die erste Vershälfte von V. IOihier ihre vollständige Erklärung erhält, wird die zweite Vershälfte fast wörtlich wiederholt in den Worten: »auf daß auch das Leben Jesu offenbar werde an unserm sterblichen Fleische«, nur daß statt ,,an unserm Leibe« hier ,,an unserm sterblichen Fleische« esetzt wird, offenbar um desto nachdrucksvoller die "raft hervorzuheben, die dieses hinfällige Geräthe zum Gegenstand und Werkzeug ihrer Siege nimmt. Denn das sich in ihrer, der Apostel, Schwachheit ossenbarende Leben ist in der That das eigene des erhöheten Mitt- lers, und die Offenbarung dieses Lebens ist der Amts- fegen, welcher die Apostel begleitet (vgl. Kap.2, 14 ff.). Von V. 12 nun entspricht der erste Satz den beiden ersten in V. 10 u.11., der zweite den zweiten Hälften dieser Verse: »der Tod ist mächtig in uns« oder auch an uns, d. h. er übt seine Wirksamkeit an uns, er ist thätB und geschäftig, uns allmälig aufzureiben; »aber das eben in euch«, nämlich das urch uns, in unserm schwachen Leibe an euch sich kräftig erweifende Leben Christi, welches euch durch das Wort unsrer Ver- kündigung vom geistlichen Tode anfweekt und in die Gemeinschaft feines Lebens versetzt. Um diesen Preis will der Apostel gern das Sterben Jesu an seinem Leibe tragen, wenn nur das Leben Jesu unter dieser Schwachheit ihnen zugute kommt (2. Tini. 2, 10): die Wendung des Satzes « überraschend und ganz geeignet, auf die Eorinther Eindruck zu machen, welche aus eigener Erfahrung die Wahrheit dessen, was er sagte, zu bestätigen in der Lage waren. (Burger.) Beachte noch, wie Paulus in V. 10 u. 11 nur den Namen Jesus, und wie wiederholt er ihn nennt! Als Träger des Sterbens und Lebens des HErrn an seinem Leibe hat er die eoncrete menschliche Er- fcheinung, Jesum, im innigsten Gemeinschastsgefühl vor Augen und im Herzen; auch der Erhöhete ist und bleibt ihm ,,Jesus«. (Meyer.) 13. Dieweil wir aber denselbigeii Geist des Glaubens haben swie derjenige ist, der sich von Seiten der frommen Männer des alten Bundes aussprichts nachdem lin Pf. ne, 10] geschrieben siebet: Jch glaube, darum rede ich, so glauben wir auch, darum so reden wir auch sverhalteic uns gleich ihnen, wie in der einen, so auch in der andern Beziehung, glauben nicht nur, wie sie, sondern reden auch von dem, das wir glauben]; 14. Und wissen, daß der, so den HErtn Jesum bat anferwcclet [Apostg. Z, 15; 1. Thess I, 10; i. Petri 1, 21], wird uns auch auferwecken durch Jesum und wird uns sheilig und uusträflich vor seinem Richterstuhl Kap Z, 10; Col. 1, 22] Doch leuchtet aus der Zerbrechlichkeit der Anitsgefäße des Amtes Herrlichkeit um so mehr hervor. 323 darstellen [und zu ewiger Herrlichkeit einführen] sammt euch-« [2. T1m. 4, s; l. Thess 2, 19]. 15. Denn es geschiehet alles swas vorstehend von unsern Trübsalen und unsern Errettungen, von unserm Glauben und unserm Reden gesagt worden V. 7——14] Um enretwillen [euch im Heils- besitz zu befestigen und für die Heilsvollendung zuzubereiten 1. Cor. 3, 21], aus daß swenn diese nun eintritt] die uberschwiingliche Gnade [die sich an uns erwiesen] durch Vieler Danksagett [denen dadurch zum Heilsbesitz verholfen worden] Gott reichlich preise» smdem der Lobpreis um so voller sich gestaltet, je größer der Chor derer ist, durch die er geschieht]. V) Aber, so möchte man fragen, ist das nicht eine für den Apostel traurige Theilung, daß er für sein Theil den Tod behält, dessen Herrschaft er in alle dem verfpürt, was ihm widerfährt, während das Leben, obgleich es in seinem leiblichen Dasein sich offenbart, doch auf die Seite derjenigen fällt, an denen er seinen Beruf ausrichtet, indem solche Offenbarung des Lebens eben zu dem Ende geschieht, damit es in ihnen seine Wirkung thue? Was hat er davon, daß ihn das Leben Jesu zur Ausrichtung seines Be- rufs unter allen Widerwärtigkeiten in den Stand setzt und dadurch nicht blos denen, an welchen er ihn aus- richtet, offenbar, sondern auch in ihnen wirksam wird, wenn er selbst für seine Person nur die Widerwärtig- keiten zu erdulden bekommt, welche sein Beruf mit sich bringt? (v. Hofmann.) Nun, in diesem irdischen Leben verzichtet der Apostel auf jeden Lohn; er redet nach dem Geiste des Glaubens, der in dem Psalmisten war, darum, weil er glaubt, und harret nur auf die dereinstige Auferwcckung Hier unablässig in Leiden und Todesgefahrem ist er gewiß, daß er dennoch, wenn auch erst jenseits, von jedem Tode erlbfet sein wird; und dann wird der Lohn seiner Hingabe um so größer sein, weil er auch diejenigen, zu deren Heil er alles erduldet hat, vollendet neben sich wird stehen sehen. (v. Gerlach.) «) Wie fchon in V. 12·, so bezieht Paulus auch hier den Gewinn seiner kampfvollen und siegreichen Wirksamkeit auf die Corinther; und zwar veranlaßt ihn dazu das »sammt euch« am Schluß des vorigen Verses, wodurch er das höchste Ziel seines Lebens und Sterbens, nämlich zu Christo zu gelangen, als ein solches bezeichnet, das nur für ihn Werth hat, wenn er es mit seinen Geliebten in Christo erreichen kann. Hieraus erklärt sich die Verbindunsgz unsers Verses mit dem vorigen durch ,,denn«. (de ette.) Nicht ohne die Corinther hofft Paulus am Ziele dargestellt zu werden, er kann sich eine solche Scheidung gar nicht denken; denn, sagt er, es geschiehet alles um euretwillen, alles nämlich, wovon in diesem Ka- pitel die Rede war, sowohl die Erleuchtung der Apostel zum Zweck der Verbreitung der Heilserkenntnisz (V. 6), als die Mühseligkeih unter der sie ihres Amtes warten (V. 7—9), sowohl ihr tägliches Sterben, als die Offen- barung des Lebens Jefu in ihrem Leibe zum Behufe des Baues und der Förderung der Gemeinde (V. 10 —13) und das glaubensgewisse Predigen (V. 13). Als Frucht wird aber noch angegeben der Dank, den das alles bewirkt; es läßt aber da der Grundtext sich auch so fassen: auf daß die Gnade, gemehrt um der Danksagung der Mehreren willen, über- schwänglich sei (überfließe) zum Preise Gottes. Die Gnade ist hier gesagt im engeren Sinne von der an den Aposteln zur Ausrichtiing ihres Amtes sich erweifenden Gnadenkraft (V. 7—13; Kap. l, 1l); für diese Gnade danken Viele, denen sie zugute kommt, welche den Segen der apostolischen Amtsausrichtung an sich erfahren und genießen. Dies ist die Dank- sagung der· Mehrerem von welcher der Apostel fpricht, absichtlich diesen Ausdruck wählend statt »der Vielen«, entweder um des in der Uebersetzung (gemehrt — der Mehreren) ausgedrückten Gleichklangs der Worte willen oder mit einer Nebenbeziehung (vgl. Kap 2, 6), daß nicht alle Glieder der corinthischeii Gemeinde sich diesem Danke anschließen, sondern nur die Mehrzahl derselben es thut. Um dieses Dankes willen, in Berücksichtigung desselben, Inehrt sich die Gnade, welche die Apostel erfahren, wird sie immer reichlicher und· größer; aber der letzte Zweck davon ist, daß sie überfchwänglich werde, überschwänglich sich ergieße in den Preis Gottes, daß Gottes Ehre dadurch erhöht, um solcher an den Aposteln sich kundgebenden Gnade willen hoch gepriesen werde. (Burger.) Laßt uns von Paulo lernen, nicht nur der Fürbitte unsrer Brüder uns zu getrösten, sondern auch zur Hilfe ini Danken sie herbeizurusenz und wünscht jemand seinem SeelsorgerGottes Gnade zum Nichtmüdewerdem so füge er zum Bitten auch das Danken für fchon erwiesene und nicht vergeblich gewesene Gnade. (Besser.) 16. Darum sweit wir das wissen, was in V. 14 gesagt worden] werden wir nicht müde sdaß wir sollten Muth und Lust verlieren, alles das in V. 8 ff· Erwähnte auf uns zu nehmen]; sondern, ob unser iiußerlicher Mensch [wie es aller- dings der Fall ist] verweset sverzehret wird bis zum Verschw1nden], so wird doch der innertiche von Tag zu Tag verneuerti [um einem ganz neuen und unendlich besseren Wesen oder Dasein entgegenzureifen]. 17. Denn unsereTriibsal, die zeitlich sbald überstanden] und leicht sunschwer zu tragen] ist, schafset eine ewige und iiber alle Maße wichtige swegen ihrer Fülle mit unberechenbarer Schwere in’s Gewicht fallende] He rrlichkeitisp sdie dann eintritt, wenn nun das Reich Gottes zu seiner Vollendung kommt Röm. 8, 17 ff.], 18. Uns, die wir [als aus das in’s Auge zu fassende Ziel unsers Strebens] nicht sehen aus das Sichtbare, sondern aus das Un- sichtbare [was nun aber auch unablässig von unsrer Seite geschehen muß, soll wirklich unsre Trübsal solche Herrlichkeit schaffen] Denn was sichtbar ist, das ist zeitlich [und da kann freilich beim Sehen darauf keine ewige Herrlichkeit herauskommen]; was aber Unsichtbar ist, das ist ewig [und wird bald erscheinen in seiner Kraft und Pracht, wenn Christus, unser Leben, sich offenbaren wird Col. Z, 4]. «) Der Anfang des Verses hat Aehnlichkeit mit V. 1., dort wie hier steht: ,,darum werden wir nicht müde«; aber jenes ,,darum« weist zurück auf die Herr- lichkeit des Amts, das dem Apostel anvertrauet ist, dieses dagegen auf die Kraft Gottes, die sich an den l Trägern des Amtes unter den an sich niederbeugenden IF« 324 «2. Corinther b, 1—5. Erfahrungen bewährt. Hierauf beruft sich der Apostel sofort selbst: mag sein, sagt er, daß unser äußer- licher Mensch verweset, aufgerieben, zu Grunde gerichtet wird, wie das unter der Last der steten Müh- sale und Leiden nicht anders sein kann, so wird doch der innerliche Tag für Tag verneuert; seine Verneuerung wächst leichen Schrittes mit der Ab- nahme und dem Ausygeriebenwerden des andern — wie dieses, so ist auch die Erneuerung ein stetig und ununterbrochen sich vollziehendes Werk. Der Ausdruck: »innerer Mensch« kommt auch in Ephes. 3, 16; Rö1n. 7, 22., der Ausdruck: ,,äußer er Mensch« aber nur hier vor. Jenes ist der Kern der Persönlichkeih der geistige Mittelpunkt des Menschen, von welchem jede Regung und Bewegung ausgeht, die seinen Charakter, sein wahres persönliches Sein vor Gott bestimmt. Dieser inwendige Mensch ist nicht etwa von der Sünde unberührt geblieben; aber Er ist es, bei welchem der HErr das Werk der Wiedergeburt und Erneuerung anhebt, bis es von ihm aus den ganzen Menschen durchdrungen hat und in der Auferstehung und Vollendung auch seine äußere Gestaltder her- gestellten inneren gleichförmig geworden ist. Der ,,inwendige Mensch« ist daher nicht gleich dem ,,neuen« Menschen (Ephes. 4, 24; Col. Z, 10), denn dieser ist die durch die Wiedergeburt selbst gewirkte neue Lebens- macht im Menschen, welche an dem inwendigen Men- schen zuerst wirksam erscheint; darum ist es schon eine Frucht der Wiedergeburh wenn der inwendige Mensch Lust hat an Gottes Gesetz»(Röm. 7, 22). Aber vom inwendigen Menschen ausgehend setzt sich nun dies Geschäft der Erneuerung in stetem Wachsthum fort, und darum kann der Apostel sa en, sein inwendiger Mensch werde von Tag zu ag verneuert. Der äußerliche Mensch daneben ist der Menschnach seiner dermaligen zeitlichen Erscheinung, also zwar nicht ·eradezu s. v. als der Leib, aber doch mit besonderer erücksichtigung des leiblichen Ergehens, der Mensch nach seinem gesammten, der Außenwelt vorliegenden Aussehen, Auftreten, Verhalten und Gebabren Er ist daher auch nicht gleich dem ,,alten« Menschen, dem Menschen nach seiner sündlichen Bestimmtheit, der in den Tod gegeben, ausgezogen werden und aufhören soll; aber er ist die gebrechliche zeitliche Hülle und Darstellungsform für den inwendigen Menschen, welche zerbrechen wird, um einer neuen, dem wiedergewonnenen Stand des inwendigen Menschen entsprechenden Gestalt desselben Platz zu machen. Darum erscheint auch dem Apostel das Verderben des äußeren Menschen nicht als ein Schaden, da das Wachsthum des inneren dadurch gefördert wird. (Burger.) Das Gegentheil von Müdewerden ist Neuwerden (Jes. 40, 31): mag der äußerliche Mensch unter den täglichen Leiden nicht nur müde, sondern gar aufgerieben werden, der inner- liche wird nicht müde, sondern er wird täglich er- neuert. Allerdings ergreift der im innerlichen Men- schen geschäftige heilige Geist auch den äußerlichen enschen; doch bleibt dieser äußerliche Mensch in seiner zeitlichen Erscheinun und mit dem Gesetz in seinen Gliedern (Röm. 7, 2 ) ein irdenes Gefäß, mehr eine beschwerliche Hütte und Hülle, als ein gefügiges Darstellungsmittel des inwendigen Menschen, und es muß das irdene Gefäß zerbrochen werden, damit es in neuer, des erneuerten inwendigen Menschen würdigen Gestalt erstehe. Darum blickt Paulus auf die Ver- wesung seines äußerlichen Menschen, wozu das Leiden denselben beförderte, mit ruhiger Zufriedenheit und ohne Leidensüberdruß hin, deß gewiß, daß die aus Kraft des herrlichen Reichthums Gottes (Ephes. 3, IS) von Tag zu Tage Wachsthum empfangende Erneuerung des innerlichen Menschen gekrönt werden wird, wenn endlich auch in dem äußerlichen das Bild der Klar- heit des HErrn (Kap. Z, 18) erscheint. (Besser.) «) »Unsere Trübsal ist zeitlich«, ein Wölklein vor der Sonne, das schnell vorübergeht, wie Cypriau sagt: hier muß man bedenken, der Geist rede; denn die Vernunft kann es nicht glauben, daß die Anfech- tung kurz und nur ein Augenblick sei, sondern sie hält sie für unendlich, weil sie nur an der gegenwärtigen Empfindung hängt, sie sieht nichts, sie hdrt nichts, ne gedenkt an n1chts, sie versteht mchts als den gegen- wärtigen Schmerz und das gegenwärtige Uebel· Dero- wegen ist das die geistliche Uebung, daß man alle Schreckeusbildeh die man sieht, fahren läßt und das Herz zu dem, das man nicht sieht, gewöhnt, d. i. daß man im Glauben sich fest an das Wort hält. (Luther.) »Unsere Trübsal ist leicht«: sie ist »das, weil sie nur äußerlich den Menschen trifft und von Menschen kommt; sie ist nichts gegen den Zorn Gottes, die Seligkeit aber ist Genuß der göttlichen Gnade. (Heubner.) Schwer ist die Trübsal, denn der äußerliche Mensch erliegt darunter; und doch leicht ist dieser Zeit Leiden, denn der innerliche Mensch wächst daraus hervor von Tag zu Tage mit neuer Kraft. Und das Ende? die Trübsal endet in Herrlichkeitx für das, was zeitlich ist, wird Ewiges, für das, was leicht ist, Gewich- tiges eingetauscht. Eine Wage, hält Gott in der Hand, deren eine Schale heißt Zeit, die andere Ewig- keit; in der einen wird die Trübsal abgewogen, in der andern die Herrlichkeit, und siehe, die miterbliche Herr- lichkeit, die an den Mitleidenden Christi soll offenbart werden, ist so großartig und hehr, daß ihr Gewicht die Trübsal über alle Maßen aufwiegt (Röm. 8, 18). Wie Lazarus den Trost in Abrahams Schooß über- mäßig fand gegen sein voriges Elend (Luk. is, 25), so iiberwältigeud gewichtig ist in Pauli Au en die ewige Herrlichkeit gegen die zeitliche Trübsal; a er doch ist die Trübsal nicht unwichtig oder unwerth, denn sie schafft solche Herrlichkeit (Besser.) Die reini ende, das Fleisch beschränkende Kraft des Leidens wir t und fördert die Heiligung der Seele und des Leibes, welche, mit Bengel zu reden, die zugedeckte Herrlichkeih sowie die Herrlichkeit die aufgedeckte Heiligkeit ist; doch be- schränkt Paulus mit Recht den ganzen herrlichen Satz von dem überschwänglichen Werth der Leiden auf die Gläubigem die nicht sehen auf das Sichtbare, sondern auf das Unsichtbare. (Osiander.) Das Unsichtbare ist hier nicht das, was seiner Natur nach nicht gesehen werden kann (Eol.1, 15; 1. Tim. I, 17), sondern was nur jetztnoch nicht gesehen wird, bis es zu seiner Zeit erscheint (1. Tim. S, 15; 1. Joh. Z, Z; Col. 3, 4). Auch im nächsten Satzet »denn was sichtbar ist, das ist zeitlich, was aber unsichtbar ist, das ist ewig«, haben die Worte ,,sichtbar« und ,,unsichtbar« denselben Sinn und wird nur die Vergänglichkeit der gegen- wärtigen, jetzt in die Sinne fallenden Gestalt der Dinge entgegengesetzt der ewigen Dauer jener Herr- lichkeit, in welcher die erneute Schöpfung künftig prangen wird. (Burger.) Zwischen dieser Wahl stehen wir alle Augenblicke mit all’ unserm Reden und Handeln, auf unsern inneren und äußeren Berufs- wegen: zu greifen und zu zielen nach dem Zeitlichen oder nach dem Ewigen, nach der kurzen Freude und dem langen Leid oder der kurzen, leichten Trübsal und dem ewigen Gewicht der überschwänglichen Herr- lichkeit. (v. Gerlach.) Du sprichst in deiner Angst: ,,ach HErr, wie so lange!« es ist aber nicht lange, es dünkt deiner Schwachheit nur so. (Starke.) Leicht, leicht istdas Kreuz: du sagst, nein, es ist schwer! Hebe die Augen auf nach der Herrlichkeit: sagst du es nach? (Hedinger.) Um die einstige Herrlichkeit kann selbst die Verderbung unsrer Le·ibeshiitte itns nicht bringen. 325 Das 5. Kapitel. » Trost der gläubig« wider allerlei Trübsal. Ali-ask des Euangelii. 1. Wir wissen aber sindem wir eben solche sind, die nicht sehen auf das Sichtbare, sondern auf das Unsichtbare Kap. 4, 18], so»unser irdisch Haus dieser sgegenwärtigen Leibes-] Hutte s2. Petri 1, 13 f.; Weis-h. 9, 151 zerbrochen wird swas in dem Falle geschieht, daß wir noch vor dem Ein- tritt der Wiederkunft Christi den Tod erleiden müssen Kap. 4, 10 f.], daß wir san unserm künf- tigen Auferstehungsleibe 1. Cor. 15, 42 ff.] einen Bau haben von Gott sin unmittelbar schöpferischer Weise] etbauet san Stelle dessen, den wir mittels der Selbstsortpflanzung des Menschengeschlechts empfangen hatten], ein Haus, nicht mit Händen gemacht [und darum dem Wiederabbruch aus- gesetzt], das ewig ist sihn, den Bau, oder es, das Haus, als uns beigelegt 2. Tim. 4, 8 haben] im Himmel« svon wo aus es uns dann bei der Auferstehung zu Theil wird, vgl. Ofsb. 21, 2], 2. Und über demselbigen snoch während wir in dem irdischen Haus dieser Hütte wohnen] sehnen wir uns auch sschon] nach unserer Be- bansung, die vom Himmel ist sso tief ist uns die Gewißheit ihres künftigen Besitzes eingedrückt], und uns verlanget, daß wir sohne daß erst ein Zerbrochenwerden des irdischen Hauses im Tode einträte] damit iiberkleidet werden swie man etwa ein Kleid über das andere herzieht, ohne zuvor das bisherige abzulegen]; 3. So doch, wo wir sim geistlichen Sinne, nämlich mit dem Rock der Gerechtigkeit Jes. Si, 10; Ephes 6, 141 bekleidet, und nicht bloß sOffb. s, 18] erfunden werden» swenu Christus kommt, die Seinen zu vollenden Phil. 3, 9]. 4. Denn dieweil wir in der Hütte sunsers gegenwärtigen Leibes, die beständig dessen gewärtig sein muß, daß sie zerbrochen werde] sind, sehnen wir Uns nnd sind beschwetet ssehnen wir uns als solche, die sich von einem ihnen bevorstehenden gar schmerzlichen Prozeß, nämlich dem des Todes, beschwert fühlen] sintenial wir wollten lieber nicht entkleidet, sondern überklcidet werden, auf daß swie es bei solcher Ueberkleidung der Fall sein würde] das Sterbliche würde vcrschluiigen von dem Lebens« svon der Lebensmacht Christi, die er bei seiner Erscheinung an den Seinen offenbaren wird]. 5. Der uns aber zu demselbigen [daß doch einmal das Sterbliche an uns verschlungen wird von demLeben, sollte es auch erst auf dem Wege der Zerbrechung unsrer gegenwärtigen Leibeshütte und der Herstellung einer neuen in der Auferweckung Kap. 4, 14 zu Stande kommen] bereitet, das ist Gott, der uns das Pfand sfür unsre einstige Ver- s klärungL den Geist, gegeben hats [Kap. i, 22; s Ephes 1, 14]. V) Mit dem »wir wissen« nimmt Paulus die schon in Kap. 4, 14 ausgedrückte Zuversicht wieder auf; es ist aber das Wort hier nicht, wie sonst oft (Röm. s Z, L; Z, II; 7, 14; 8, 28), Bezeichnung einer allge- ] mein bekannten Wahrheit, sondern seiner eigenen und seiner Streitgenossen, ja aller Christen Glaubensgewiß- heit. (Osiander.) Das »Haus dieser Hütte« ist, wie der Zusammenhang unzweifelhaft ergiebt, unser sterb- licher Leib; er ist ein Haus, weil wir darin wohnen, wird aber mit erklärendem Zusatz als Haus der Hütte bezeichnet, um anzudeuten, daß es nicht zur bleibenden Wohnung uns bestimmt ist, sondern uns nur den Dienst leistet, den ein Zelt den Wanderern gewährt, indem es bestimmt ist wieder abgebrochen zu werden (Jes. 38, 12); irdisch heißt es (vgl. 1. Cor. 15, 40), weil es auf Erden uns zur Wohnung dient, im Gegen- satz zu dem folgenden ,,im Himmel«. Wenn nun oder im Falle, daß dies irdifche, vergängliche Haus abgebrochen, aufgelöst wird, sagt der Apostel, so sind wir doch nicht ohne Trost und Hoffnung; wir wissen vielmehr, wir haben als Christen, als Glieder des Leibes, dessen Haupt der HErr ist, als Kinder Gottes und Miterben Christi die Gewißheit, daß wir im Himmel einen Bau von Gott haben, ein nicht mit Händen gemachtes ewiges Haus. Paulus setzt den Fall: »wenn unsre Hütte zerbrechen ivird«, weil ihm immerhin noch nicht ausgemacht ist, daß dieser Fall wirklich eintreten müsse, denn er dachte sich die Wieder- kunft des HErrn nicht so unwidersprechlich ferne, daß er nicht möglicher Weise noch im Leibe sie erleben könne (1. Thess 4,»15; I. Cor. 15, 51 f.); indessen auch für jenen Fall spricht er die angeführte Hoffnung aus. Unter dem ,,Bau von Gott«, dem ,,Hause, das nicht mit Händen gemacht, das ewig ist«, kann wegen des Gegensatzes zu dem irdischen Haus der Hiitte nicht füglich etwas Anderes verstanden werden, als der zukünftige Leib der Auferstehung: ein Bau von Gott oder aus Gott wird er genannt, um schon durch die Wahl dieses Ausdrucks auf die Herrlichkeit· und Schöne hinzuweisen, die ihm als dein zu seiner Vollendung hergestellten Tempel Gottes zukommt, und um als ein Werk Gottes in besonderem Sinne ihn zu bezeichnenz derselbe Bau wird sofort in der Beifügung ein Haus genannt, wie im Bedingungssatze unser irdischer Leib das Haus der Hütte heißt, und durch die Zusätzm nicht mit Händen gemacht, ewig, dem irdischen, vergänglichen entgegengesetzt Jener Ausdruck, vom Leibe der Auferstehung gebraucht, hat etwas Auf- fälliges; allein wir finden denselben Ausdruck in Mark. 14, 58; Hebr. 9, 11. 24 (vgl. Hebr. 8, Z) gebraucht im Gegensatz zu Jrdischem, Zeitlichem, und die Ab- sicht in allen diesen Stellen ist, ein anderes Gebiet oder eine andere Schöpfiiiig den diesseitigen, von Anfang an der Vergänglichkeit und dem Verfalle unter- worfenen Werken, wie wir sie auf Erden kennen, ent- gegenzustellein (Burger.) Das Präsenst wir haben ist die Gegenwart des Zeitpunktes, in welchem jenes ,,zerbrechen« geschehen sein wird; da hat der Ge- storbene, vom Moment des eingetretenen Gestorbe1iseins an, statt des zerstörten Leibes den von Gott her- rühreiiden Leib, zwar noch nicht als realen Besitz, wohl aber als idealen, bei der (nahen) Wiederkunft Christi zweifellos zu verwirklichendeii Besitz. Vor dieser Verwirklichung hat er ihn im Himmel, eben weil der Besitz noch ideal und proleptisch ist; der Auf- erstehungsleib wird ihm bei Christi Wiederkunft vom Himmel aus (vgl. V. Z) gegeben werden und erscheint 326 2. Corinther 5, 6—10. bis dahin wie ein Besitz, welcher ihm einstweilen im Himmel zur künftigen Mittheilung aufbehalten ist, gleich einem ihm gehörigen Gut, welches ihm Gott, der künftige Gebet, im Himmel aufbewahrt. (Meyer.) Aufsallend in dieser Stelle ist, daß der Zeit nach der Zusammenhang zwischen Sterben und Auferstehen als so nahe, der Wesenszusammenhang dagegen zwischen dem alten und neuen Leib als so lose und verfchwin- dend und das neue Leben kaum als Auferstehung er- scheintz letzteres erklärt sich aus der Absicht des Apostels, den Auserstehungsleib in seiner ganzen überschwäng- lichen Herrlichkeit und die Auferstehung selbst als eine neue Schöpfung darzustellem ersteres aber daraus, daß ihm die Vollendung, die mit der Auferstehung eintritt, die Hauptsache ist, wobei denn der Zustand zwischen Tod und Auferstehung in seinen: Bewußtsein ganz zurücktritt. (Osiander.) ’"""«) Es gehört nach V. 1 zu dem Jnhalt des christ- lichen Glaubensbewußtseins, daß wir, wenn unsre irdische Pilgrimschaft zu Ende ist, einen Leib himm- lischen Wesens und Aufenthalts zu eigen bekommen; in V. 2 nun wird jene un re Gewißheit eines solchen, nach dem Tode unser gewärtigen himmlischen Leibes (bei der den Apostel erfüllenden Erwartung der Wiederkunft Christi als einer nächstkünstigen kann es nicht befremden, daß der Mittelzustand von ihm über- sprungen wird oder doch fast ganz für ihn ver- schwindet) daraus begriindet oder dadurch erläutert, daß mit unserm gegenwärtigen Seufzen sich die Sehn- fucht nach Ueberkleidung mit dem himmlischen, d. i. nach sofortiger, nicht erst jenseit des Todes erfolgender Bekleidun mit demselben verbindet. (Delitzsch.) Die Last des Iebens, das nur dem Fleische gefällt, drückt dem Geiste Seufzer aus nach einem edleren Zustande, nnd dieser wird durch den Ausdruck ,,überkleidet werden« bezeichnet, der in dem »auf daß das Sterbliche würde verschlungen von dem Leben« am Schluß von V. 4 näher beschrieben ist. Paulus denkt sich nämlich als ein besonderes Glück, den Tod gar nicht zu kosten, diesen Leib gar nicht ablegen zu müssen, sondern lebendig wie Elias verklärt zu werden, den himm- lischen Leib gleichsam über diesen darüber zu ziehen als ein Gewand, natürlich aber so, daß der irdische Leib in die Natur des geistigen Leibes herübergenommen wird. In V. 3 macht dann der Apostel bemerklich, daß, um des Segens theilhaft zu werden, den Tod gar nicht zu kosten, welcher allerdings denen wider- fahren wird, welche bei der Wiederkunft Christi noch am Leben sind (1.Cor.15, 51 s.), dies noch am Leben Sein keineswegs ausreicht, sondern das Stehen in der Gnade nothwendige Voraussetzung sei. (Olshausen.) Mit dem irdischen Leibe bekleidet zu sein ist nicht genug, um das drüberanzuziehem was uns vom Himmel kommt; wir müssen uns auch dieser Ueberkleidung ent- sprechend angethan, bekleidet haben, weil wir sonst, obgleich im Leibe lebend, für sie nackt, also einer Ueberkleidung unfähig sind. Was dies für ein An- ziehen sei, war für die Leser ebensowenig undeutlich, als was es mit der Ueberkleidung für eine Bewandt- niß habe: geschieht diese damit, daß uns die Herrlich- keit Christi überkommt, uns leiblich zu verklären, so besteht jenes in dem, was der Apostel sonst ,,Christum anziehen« nennt (Gal. Z, 277 Röm. 13, 14). Am inneren Menschen muß mit Christi Gerechtigkeit angethan sein, wer . seiner Leiblichkeit Ver- klärung von Christi Wiederossenbarung soll ver- hoffen können. Der Satz in V. 3 ist also nur ein nebensächlicher Anhang zu dem ,,überkleidet werden« in V. 2; auf leZeren Vers bezieht sich denn nun auch das »denn« in . 4. (v. HofmannJ IN) Nicht etwa Todesfurcht skiricht hier aus dem Apostel, wohl aber die der mensch ichen Natur eigene Todesscheu, die Scheu vor.dem Todesprozesse als einem schmerzlichen Sein Wunsch war nicht, vor der Wiederkunft Christi erst noch zu sterben, und dann auferweckt zu werden, sondern lebend verklärt zu werden; und wer, dem die Nähe der Wiederkunft Christi so gewiß war, hätte anders wünschen mögen? (Meher.) Die menschliche Natur schaudert zurück vor dem Tode als dem Solde der Sünde. Das schauer- liche Gefühl der Verstoßung von Gottxder Quelle alles Lebens und aller Seligkeit, das der Mensch bei der Vernichtung des Leibes empfindet, das Vorgefühl der Verdammniß die er als Sünder verdient hat und an deren Rande die rettende Gnade ihn vorübersührh wird auch dem gläubigen Christen bei der Nähe des Todes nicht genommen; es wird dies ihm eine heil- same Züchtigung, die ihn tiefer hineintreibt in die Gemeinschaft des Heilandes, welcher allein von Sünde und Tod erretten kann. Daher bleibt in allen eine Sehnsucht, lieber nicht erst entkleidet, sondern bei der Erscheinung des HErrn, wie die dann Ueberbleibenden (1. Cor. 15, 513 1· Thess. 4, 17), mit dem himm- lischen Leibe so überkleidet zu werden, daß ohne Todesgefühl das Leben selbst die Verklärung voll- ende. Hierin liegt eine Andeutung, daß dies die urfprüngliche Bestimmung des Menschen war: der irdische Leib, den Adam empfangen hatte (1. Cor. 15,17), sollte unter der Zucht und Herrschaft des Geistes allmälig vom Geiste ganz durchdrungen und verklärt werden ohne gewaltsame Vernichtung des Leibes im Tode. (v. Gerlach.) Zwar wissen wir als Christen, daß Sterben unser Gewinn und Abfcheiden aus diesem Jammerthal uns besser ist, als langes Leben, denn wir kommen heim zu Christo, unserm wahren Leben (Phil. 1, 21 u. 23); dennoch haben wir das Recht heiligen Widerwillens ge en den Tod, wel- « cher den sterbli en Leib auf eine eile der Gemein- schaft mit dem eben entreißt, und mögen im Geiste seufzen unter der Last des harten, vor dem jüngsten Tage ungelösten Widerspruchs, daß wir nimmermehr sterben sollen, so wir des Glaubens an Jesum Christum leben (Joh. 11, 26), und doch täglich sterben (1. Cor. 15, 31), ja endlich in’s Grab gescharrt werden. Unser tiefstes Verlangen gehet dahin, daß das Sterbliche würde verschlungen von dem Leben: wie die grünen Zweige und Blätter, wenn es Frühling wird, die Bäume überkleiden und deren starres, trauriges Winter- kleid in ein frisches, fröhliches Frühlingskleid ver- wandeln, so möchte das vom Himmel kommende Leben, unser HErr Jesus Christus (Col. Z, 4), das Sterb- liche an uns sieghaft ergreifen und es ohne Zer- störung aufheben in unsterbliches Wesen! (Besser.) T) Weil unsre Seele nach dem geistlichen Wesen ihr Theil hinweg hat und durch den Glauben mit Christo bereits im neuen, ewigen, himmlischen Leben ist und nicht kann sterben und begraben werden, so haben wir nichts Anderes mehr zu erwarten, denn daß diese arme Hütte und der alte Pelz auch neu werde und nicht mehr vergehen könne, weil das beste Stück droben ist und uns nicht kann hinter sich lassen. Und so, der da heißt: resurrexit (er ist auferstanden), hinwe ist aus dem Tode und Grabe, so muß, der da klagt: credo (ich glaube) und an ihm hängt, auch hinnach; denn er ist darum uns vorangegangen, daß wir sollen hinnach fol en, und hat solches schon angefangen, daß wir durch ort und Taufe täglich in ihm auferstehen. (Luther.) Gott hat in unsern äußern und innern Gang Nachwehen unsers leidigen Falls und Vorempsin- dungen der Herrlichkeit in einander geflochten. (Rieger.) Sehnsucht nach Ueberkleidung; aber auch auf dem Wege der Entkleiduiig geht’s zum HErrn. 327 b. Wir sind aber sin Folge dessen, was nach V. 5 Gott an uns gethan und fortwährend an uns thut, indem uns das die sichere Aussicht auf herrliche Vollendung gewährt] getrost sbei aller unsrer Sehnsucht und Beschwerniß, die wir fühlen V. 4], und wissen swenn wir darein uns begeben müssen, das nicht zu erlangen, worauf jenes unser Sehnen gerichtet ist, nämlich die Ueber- kleidungL daß, dieweil wir im Leibe sals unserm jetzigen HeimathsorteJ wohnen, so wallen wir dem HErrn ssind auswärts oder in der Fremde von ihm Ruth l, l; Jes. 23, 7]. 7. Denn wir wandeln sja hier] im Glau- ben, und nicht im Schauen [und das ist ein Beweis, daß wir eben noch fern von Dem sind, dem wir zugehören, weil wir sonst schon jetzt ihn schauen würden, wie er ist 1· Joh. Z, 2]. s. Wir sind aber getrost sinsofern mit dem einen Bewußtsein zugleich das andere verknüpft ist: der Weg kürzt immer ab, wir kommen mit unserm Wallen dem HErrn immer näher], und haben snun, das Verlangen nach Ueberkleidung V. 2 u. 4 zurückstellendj vielmehr Lust, außer dem Leibe zu wallen sdurch Sterben von der bisherigen Heimathsstätte im Leibe auszuziehen] und daheim zu sein bei dem HErrict [Phil. I, 23]. 9. Darum sweil das zweite, in V. 6—8 erwähnte Loos uns ebensowohl beschieden sein kann, wie das erste, von dem in V. 1——5 die Rede war] fleißigen wir uns auch ssür das eine sowohl wie für das anderes, wir siltd swenn Christus zur Vollendung seines Reichs vom Himmel erscheint, nach V. 8 schon] daheim sbei ihm] oder [wir] wallen snoch aus Erden fern von ihm V. 6., so daß wir zu den dann noch am Leben Befindlichen zählen, wie es der Fall sein würde, wenn der in V. 2 f. ausgedrückte Wunsch in Erfüllung gehen sollte], daß wir ihm wohlgesallen. 10. sHierein haben wir für beide Fälle unsre Ehre zu setzen.] Denn wir müssen alle [mögen wir am jüngsten Tage daheim sein oder noch wallen] offenbar werden sindem wir in ersterem Falle dem Leibe nach aus unsern Grä- bern hervorgerufen, im andern Falle hingerücket werden in den Wolken, dem HErrn entgegen in der Luft Joh. 5, 25 ss.; 1.Thess. 4, 16f.] vor dem Richtstuhl Christi [Röm. 14, 10; Apostg 17, 31], aus daß ein jeglicher [gleichviel, ob er unmittelbar aus dem leiblichen Leben hinweg vor den Richtstuhl gestellt wird, oder aus einem zwischenliegenden Todeszustande heraus] empfahe [seinen Lohn], nachdem er gehandelt hat bei Leibes Leben [solange er im leiblichen Leben stund] es sei gut oder böse« sRöm. 2, 6]. «) Die mit der Todesscheu verbundene Sehnsucht nach der Ueberkleidung, von der der Apostel vorhin geredet, wandelt sich nun hier bei ihm um zu der die Todesscheu selbst überwindenden Sehnsucht nach der Heimath. (de Wette.) Unser zu Hause Sein im Leibe ist ein in der Fremde Sein in Bezug auf den HErrm das zeigt sich darin, daß wir hier im Glauben wan- deln, nicht im Schauen. Jm Glauben ist nun aller- dings auch eine Gemeinschaft mit dem HErrn, aber eine noch verhüllte, da er nicht unmittelbar geschaut wird, in seiner himmlischen Herrlichkeit uns noch ver- borgen ist; erst jenseit ihrer gegenwärtigen Existenz kann er sich den Seinigen in seiner Herrlichkeit zu schauen geben, und da wird denn das Verlangen nach diesem Schauen zu einem Verlangen, aus der gegen- wärtigen Existenz heraus oder aus der Fremde nach der Heimath zu kommen. So setzt sieh der in V. 4 ausgesprochene Wunsch, der den, lieber zu bleiben im Leibe bis zur Wiederkunft Christi, als davon zu scheiden, in sich schloß, in Folge der Erwägung, daß das Sein im Leibe ein Hinwegsein von dem HErrn sei, in das heitere Verlangen um, vielmehr aus dem Leibe auszuwandern, also zu sterben, und daheim zu sein bei dem HErrn. (Kling.) Die Bezeichnung des Wohnens im Leibe als eines Fremdlingsaufenthalts charakterisirt dasselbe zwar auf der einen Seite als eine Trennung vom HErrn, auf der andern Seite aber auch, da es nur ein Reiseaufenthalt ist und jede Reise ihr Ende und ihr Ziel hat, als ein immer näher Kommen zu dem, von dem wir jetzt noch getrennt sind; sehr sinnvoll ist Luther’s Uebersetzung: »wir wallen dem HErrn«, die beides, die Ferne und die An- näherung, zusammenfaßt (Osiander.) Die heilige Schrift redet nicht häufig von dem Zustande der im HErrn Entschlafenen vor ihrer Auferweckung, jedoch, was wir hier lesen, ist genug, uns den Abfchied leicht zu machen; denn wiewohl der Apostel das Bekenntniß seiner Unlust am Entkleidetwerden nicht widerruft, so sagt er doch freihin, daß er Lust habe, die Hütte der Fremde zu verlassen, und der Stand, worein er nach dem Abfchied von diesem Leben einzu· ehen sich freut, ist ihm ein ,,Daheimsein bei dem H rrn«. (Besser.) Die seligen Seelen waren diesseits schon ihrem innersten Personenleben nach in dem HErrnz nun aber, aus- gewandert aus dem Leibe der Sünde und des Todes, sind sie daheim bei ihm. Sie sind nackt (entkleidet V. 4), denn den sterblichen Leib haben sie ausgezogen und haben ihn noch nicht verklärt zuriickempfangem indeßs sie sind auch nicht nackt, denn weil sie Christum hienieden angezogen (V. s) und mit seinem Fleisch und Blut sich genährt haben, kommt ihr, nun des Leibes der Sünde und des Todes entbundenes wahres Wesen zu« um so ungetrübterer Erscheinung, und schon diese Erscheinung ist ein Kleid ihrer Nacktheih Nicht allein aber das: die Gnade Gottes in Christo, welche ihnen schon hienieden Kleider des Heils angezogen, schmückt sie auch jenseits mit Kleidern der Herrlichkeit; die von Christo den Ueberwindern verheißenen weißen Gewänder (Qffenb. Z, 4 f.) ersetzen ihnen einstweilen die Verklärung ihrer Leiber, und daß sie dieser ge- wärtig sein können und was sie an ihr haben werden, das sagt ihnen und verbürgt ihnen das Anschaun ihres Heilandes, des auferstandenen und Verklärten, und der ungehinderte nahe Verkehr mit ihm, der Maria Magdalena abwehrte, indem er ihr das Wort in Joh. 20, 17 zurief. Nun ist er aufgefahren, und nichts scheidet fürder ihn und die ihm nachgefahrenen minnenden Seelen, die er hienieden schon mit seinem Leibe gespeist und mit seinem Blute getränket hat. (Del1tzsch.) · » » · «) Hat der Apostel eme gemischte Christenheit im Sinne, so kann das »auf daß ein jeglicher empfahe, 328 nachdem er gehandelt hat bei Leibes Leben, es sei gut oder böfe«, auch die Ausschließung aus dem Reiche Gottes in sich begreifen; redet er aber von Gläubigen im eng eren Sinne, so hat man an unterschiedene Grade der zuerkannten Belohnung zu denken, je nach dem Maß der Treue· Solcher Unterschied wird nicht aus- geschlossen durch die Jdee des Gerecht- und Selig- werdens aus Gnaden, denn innerhalb der Gnaden- ökonomie waltet das Gesetz der Gerechtigkeit: ob auch die Versöhnung durch Christum in das ganze Leben der Gläubigen sich erstreckt, so ist doch ihre Wirkung im Einzelnen vermittelt durch die fortgehende Buße, und ob sie auch vor der Verdainmniß bewahrt und die Theilnahme an der Seligkeit verfchafft, so hebt sie doch die Verringerung des Gnadenlohns durch Untreue nicht auf. (Kling.) Dem HErrn sind wir allezeit offenbar; wir müssen aber offenbar werden, daß die ganze Welt an uns erkenne, was wir gewesen, ob fromm oder böse. Mancher kann den Schalk be- decken; aber zu seiner Zeit wird alles offenbar werden vor allen Engeln und der ganzen Welt Augen. (Starke.) c. V. 1l—2t. tiach der 3ivischenpartie, die in Nov. El, 7—5, 10 uns vorlag, kehrt der Apostel zur Hauptpartie iu Rats. Z, 1- Lls, 6 zuriicli und fiihrt fort, leiste Ilnitssiihrting in das rechte Licht zu stellen und gegen böswillige Verdiichtigiiiigeii zu rechtfertigen. Im Hinblick auf den hGrru und sein zu fürihtendes Gericht, davon er vorhin geredet hat, verfährt er in seinem Ilmte in einer weise, die freilich von den Gegnern ihm ebenfalls zu Unguiisteii gedeutet wird, womit er aber gleichwohl nor Gott und vor dem Gewissen der Gemeinde zurecht besteht; denn wie er nach der einen Seite seines Verhaltens hin das, was er thut, Gott zu Diensten thut, so nach der andern Seite hin der Gemeinde zum Besten. Ihn beseelt alliiberiill die Liebe Christi; er kreist, dast in Folge des Todes, den der HErr siir alle gestorben ist, ein jeder sich als in ihm und mit ihm gestorben zu be— trachten nnd iticht mehr sich selbst zu leben hat, son- dern dem, der auch fiir ihn gestorben und auferstanden ist sit. tl—15). Seit er das weist, ist ihm auch niemand mehr nach dem Fleische bekannt, was selbst in Beziehung auf Christum gilt; er ist nunmehr, seit er in Christo ist, eine neue Creatur, sein ge« sammter tserfötilicher Lebensstand ist ein andrer ge- worden. Das ist durch Gottes Gnade in Christo Jeln, dem Versöhner der Welt, bewirkt; diese Gnade hat denn auch ihn und seine Ilrbeitsgetiosseii zu Bot· schalten: der ansgerichteteii Versöhnung gesetzt, die liir Christum nnd für den Glauben an ihn mit ihrer Vcrkiiindiguiig nnd ihren Bitten werben (V.17——2t). 11. Dieweil wir denn [dem in V. 10 Ge- sagten zufolge] wissen, daß der HErt fals unser einstiger Richter] zu fürchtest ifi fund die heilige Scheu vor ihm auch bei der Art und Weise unsrer Amtsführung uns bestimmt]- fahren wir flhdn mit den Leuten fgehen säuberlich mit ihnen um, was denn die Gegner uns ebenfalls zum Uebeln auslegen]; aber Gott sind wir offenbar saus welchem Grunde und in welcher Absicht wiss thun] Jch hoffe aber, daß wir auch m euren Gewissen sin Beziehung hieraus] offen- bar sind«- · 12. Daß wir uns nicht abermal loben fschreiben wir das, was wir soeben über unsre Herzens- stellnng bei der geistlichen Amtsführung äußerten], 2. Corinther 5, 11——15. sondern euch eine Ursach geben, zu rühmen von Uns swährend ihr bisher euch nur gegen uns habt verstimmen und einnehmen lassen]; auf daß ihr snämlich, um es näher zu bezeichnen, gegen wen ihr füglich euch unser annehmen solltet, einen Anhalt] habet zu rühmen wider die, so sich nach dem Ansehen richteten, nnd nicht nach dem Herzen« [indem ihr da auf Grund dessen, was euer Ge- wissen euch bezeugt, geltend macht, wie wir mit unserm ganzen Wesen und Thun nicht uns selber leben, sondern dem HErrn und seiner Gemeinde]- 13. Denn thun wir zu viel fso daß wir gar die Beschuldigung hören müssen, wir wären von Sinnen], fo thun wir’s Gott [in dessen Dienst all unser Thun und Treiben steht]; sind wir [dagegen] mäßig [wie das ja auch bei unsrer Amtsführung vorkommt, daß wir ganz nüchtern und ruhig oder, um es mit einem hergebrachten Wort aus- zudrücken, vernünftig verfahren], fo sind wir euch [die ihr das Hohe und Ueberschwängliche wenig vertragen könnt] mäßig. 14. Denn die Liebe Christi dringet uns alfottt fdaß wir nicht anders können, als bald auf die eine, bald auf die andere von den beiden Weisen V. 13 uns zu bezeigen]; fintemal wir sseit unsrer Bekehrung zu ihm Katz 4, 6 dafür] halten, daß, fo Einer sitt« alle [zu ihrem Besten] gestorben ist, so sind sie [mit und in ihm, was die Wirkung und Geltung betrifft] alle gestorben [Röm. 6, 1 ff.; Gut. 2, 19; Col. 3, Z» weil sonst das »für alle« seine Richtigkeit nicht hätte]. 15. Und er ist darum für site] alle gestorben [1. Tini. 2, 6], auf daß die, so da leben [sie, die nach jenem ihrem Sterben im geistlichen Sinne doch immer im Leben noch da find in leiblichem Sinne], hinfort nicht [mehr wie vordem] ihnen selbst leben, sondern dein, der für sie gestorben und auferstanden ists sGalt 2, Los. I) Von seiner Amtsführung dem HErrn Rechnung zu thun, war Paulus gewärtig, und weil er wußte, daß der HErr zu fürchten ist, so wandte er allen Fleiß daran, vor dem surchtbaren Richterstuhle als ein treu erfundener Haushalter (1. Cor. 4, L) zu erscheineiu Seine Gegner in Corinth, welche durch trotzige Dreistig- keit zu imponiren suchten (Kap. 11, 20), wollten ihm den Leumund machen, sein säuberliches Umgehen mit den Leuten, die herzgewinnende Freundlichkeit seines Wesens, wäre eitel List und Berechnung (Kap. 12,16): so ver- führe kein richtiger, seiner Vollmacht gewisser Apostel; Paulus aber sagt, aus Gottesfurcht fahre er schön mit den Leuten. Durch herrisches Zufahren und vor- nehme Härte irgend einer Seele Schaden zu thun scheute er sich mit rechtem Ernst und ließ sich keine Mühe des Zuredens und Verantwortens verdrießen, um jedermann zu überzeugen, daß sein Evangelium das rechte, einige Evangelium und er, Paulus, ein wahrer Apostel Jesu Christi sei — dieser zweite Corintherbrief selbst zeigt auf’s Beste, was es heißt: »wir fahren fchön mit den Leuten«- ,,Gott nun sind wir osfenbar«, sagt er weiter; dem Herzenskündiger ist be- kannt, warum wir schön fahren mit den Leuten, näm- Wie Paulus im Amte sich verhält, geschieht alles Gott zu Dienst und der Gemeinde zum Besten. 329 lich nicht aus Eigennutz, sondern aus Liebe zu den Seelen. Und diese Liebe ist etwas so Durchsichtiges und Eindringliches, daß sich Paulus wider alle Ver- dächtigungen seiner Lauterkeit auf einen Entlastungs- zeugen im erzen der Corinther berufen kann, auf ihr eigen Gewi sen; an ihnen selber gewifsenhafte Ver- theidiger seiner Apostelehre zu finden durfte er mit Grun hoffen, und schämen mußten sie sich, daß unter ihnen die Rede sich hervorgewagt hatte, Paulus wäre ein vielgelobter Mann, am meisten gelobt von sich selber. (Besser.) Das Gewissen ist das dem Men- schen als folchem natürliche Bewußtsein von dem Ge- setz in feinem Herzen, die dem nienschlichen Geist inne- wohnende und sich in allen Lebensgestalten desselben selbst wider Willen zur Geltung bringende religiös- sittliche Bestimmtheit seines Selbstbewußtseins, die ethische Seite des dem Menschen auch nach seinem Falle verbliebenen allgemeinen Wahrheits efiihls, das fort und fort in Form des Triebes und rtheils und Gefühls sich bezeugende Wissen um das, was Gott will und nicht will. (Delitzsch.) «) Aus das Selbstzeugniß in Kap· 2, 17: »als aus Lauterkeit nnd als aus Gott, vor Gott, reden wir in Christo« ließ Paulus in Kap- 3, I die Frage folgen: «heben wir denn abermal an uns selbst zu preisen?« Hat er nun hier in V. 11 sich wieder ein Zeugniß sittlicher Lauterkeit ausgestellt, so war er ja damit veranlaßt, auf’s Neue auf den ihm gemachten Vorwurf des Sichselbstrühmens Bezug zu nehmen; und daverneint er denn zunächst, daß sein Selbst- zeugiiiß als Selbstempfehlung gemeint sei, um dann zu sagen, wie es in Wirklichkeit gemeint sei. So näm- lich ist es gemeint, daß er den Lesern an-die Hand geben will, was sie von ihm sagen sollen, um sich in rechter Weise seiner zu berühmen; er braucht nicht in’s Einzelne auszuführen, was sie denen sagen sollen, welchen gegenüber sie in dem Falle sind, sich seiner zu berühmen, sondern es genügt, daß er sie auf das aufmerksam macht, was den Grund und Kern ihres Rühmens bilden soll, das ist aber nichts Anderes, als daß all sein Thun von der Furcht des HErrn regiert ist, wie er nicht blos von sich bezeugen, sondern wofür er sich auch aus ihr Gewissen berufen kann. Wenn dies und solches es ist, was sie von ihm sagen, so werden diejenigen, gegen welche sie ihn zu rühmen nöthig haben, geschlagen sein. (v. HofmaiinJ Jn dem Mangel der rechten Stellung zu dem HErrn Jesus Christus lag der Unterschied zwischen Paulus und seinen Gegnern; diese judaistischen Christen theilten ihre Herzen zwischen Christus und ihrem Nationalstolz, und wo durch die Verkündigung des Evangeliums nicht dem letzteren gedient wurde, da ärgerten sie sich an jenem. Für ein gesetzliches Christenthum fehlte nun allerdings in der corinthischen Gemeinde aller Boden, wir sehen daher auch nicht, daß daselbst je ein Versuch geniacht worden wäre, demselben Eingang zu verschaffeii, während dies in den galatischen Gemeinden mit dem größten Erfolge geschah; wohl aber wollten die judenchristlichen Gegner des Apostels in Corinth ein Christenthum nicht anerkennen, welches, unabhängig von den Uraposteln, lediglich auf der Predigt des Paulus beruhte und als ein Christenthuin der Vor- haut ohne beherrschenden Einfluß der Gemeinde zu Jerusalem sich entwickelte. Sie versuchten nicht das jüdische Gesetz den Heidenchristen aufzudrängen; aber . sie meinten ein Recht der Urgemeinde auf Herrschaft in der Heidenchristenheit ausüben und gewissermaßen die Zwölfe dortselbst vertreten zu müssen. Als gesetzes- eisrige und dem Anschein nach ebenso für die Sache Christi glühende Leute hatten sie sich von angcsehenen Männern der Gemeinde zu Jerusalem Empfehlungs- briefe verschasft, um in der Heidenwelt für Christus zu wirken; statt aber Christum den Heiden zu predigen, fanden sie es bequemer und wichtiger, bestehende Christengemeinden der Auctorität der Urgemeinde und ihrem Apostolat zu unterwerfen. Es ist dies ein sectirerischen Richtungen eigenthüniliches Treiben: auch Baptisten und Jrvingiten versuchen sich noch heute lieber an lebendigen Christen als an Ungläubigen. Wie aber diese Judaisten in der Verherrlichung des Judenthnms und des judenchristlichen Apostolats nur die eigene Ehre im Auge hatten, so konnte es nicht fehlen, daß sie geradediesen Vorwurf gegen den Heidenapostel erhoben; sie verdeckten den eigenen Nationalhochmuth mit ihrer Unterwürfigkeit gegen die Zwölfe and Petrus, dem Paulus dagegen legten sie seine Selbständigkeit als Eigensucht aus· Daher be- haupteten sie, derselbe predige nicht das wahre und ächte Christenthuin, sondern vielmehr sich selbst ,· und was er Vortrage, sei nicht das allgemeine, objektive Christenthum Jerusalems, sondern ein ganz subjektives und verhülltes, also apokryphes. Was nun konnte die Corinther geneigt machen, solchen Beschuldigiingen irgend Gehör zu geben? Das war die Aehnlichkeit in der Stellung ihrer Herzen zu Christo: wie jene Ju- daisten Christo und zugleich dem fleischlichen Sinn ihres eigenen Ich zu dienen versuchten, so hatten auch die Corinther noch nicht sich selbst zu Gunsten Christi absagen mögen. Das war ja die letzte Wurzel aller der im ersten Brief vom Apostel so ernst bekämpften Erscheinungem im zweiten Briefe hat er es mit der- selben fleischlichen Art zu thun, doch nur, sofern sie das Verhältniß der Gemeinde zu ihrem Vater »in Christo vergistete. (Gran.) Die Andern, so lassen sich die Schlußworte des Berses deuten, tragen ihren Ruhni auf dem Gesicht, nicht im Herzen; ihr Ruhm ist vor Menschen, die auf das Gesicht, aus das Aeußere sehen, nicht vor Gott, der das Herz ansiehet. (v. Gerlach.) Its-«) In dem Satze: ,,thun wir zu viel« nimmt der Apostel jedensalls einen Vorwurf seiner Gegner auf. Der griechische Ausdruck bezeichnet einen über· das Maß des Gewöhnlichen hinausgehenden Zustand geistiger Erregung und konimt in Mark. B, 21 geradezu in der Bedeutung vor: ,,er ist von Sinnen«: auch hier ist diese Bedeutung die passendste. Das Außer- ordentliche in dem Auftreten Pauli, das hinreißende Feuer seiner Rede, der heilige Ernst seiner Strafen (vgl. l. Cur. 5), seine Unermüdlichkeit, die völlige Selbstvergessenheit in Ausübung seines Berufs, sem hohes Selbstbewußtsein und die Kraft, mit welcher er sein apostolisches Ansehn geltend machte, das alles konnte von den Gegnern mißbraucht werden zur Er- hebung des Vorwurss: ,,er ist nicht bei Sinnen« (Apostg. 26, 24). Der Apostel nimmt nun das Wort an, es sei so, wie siesagen; doch wenn’s so ist, bezeugt er zngleich, so sind wir’s Gott zu Dienst, so dienen wir in solcher Begeisternng, die sie Unsinnigkeit nennen, Ihm, unserm HErrn. ,,Sind wir mäßi «, fährt er fort, d. i. verfa ren wir mit nüchterner esonnenheih mit Vernunft ( ark. 5, 15) und saßbar sicherer Ein- sicht, so thun wir’s euch, so ist es die Liebe und der Wunsch, ench zu nüFem der uns zu solcher Besonnen- heit und Mäßigung ewegt. Ju beiden Fällen ist unser Verhalten gerechtfertigt und ein Zeugniß unsrer Lauter- keit und Liebe. Für Gott kann nian nicht zu«viel thun; auch das Außerordentlichste und Ungewöhnlichste der Leistung ist nur ein schwacher Zoll der Hingebung und Liebe, welche wir ihm schuldig sind — mögt ihr also immerhin es einen Wahnsinn nennen, so ist es doch gewiß ein heiliger. Und wiederum könnet ihr 330 2. Corinther 5, 16——20. nicht in Abrede stellen, daß ihr mich auch als ver- nünftig, besonnen, klar und nüchtern kennen gelernt habt; so sehet ihr darin die Bezeugung meiner Liebe zu euch, welche mich bewegt, mich so zu halten, wie ich euch nützlich sein kann. Den Grund, durch den sein ganzes Verhalten bestimmt wird, nennt der Apostel in den Worten: »die Liebe Christi dringet uns also«, wobei nach dem Sprachgebrauch des Paulus (Röm. 5, 5. 8; 8, 35. II) und nach dem Zusammenhang mit dem Folgenden Christi Liebe gegewuns gemeint ist. (Burger.) Das Dringen der Liebe Christi ist ein Zusammendrängen und Zufammenhalten aller Kräfte Leibes und der Seelen in dem Eiiiigen, was Paulus in Gal. 2, ausspricht; (Beser.)· · · T) Seit Paulus sich der efrlofenden Liebe Christi bewußt geworden, ist daraus sur ihn ein neues Prinzip des Handelns hervorgegangen. (Neander.) · Ohne Christi Tod wäre Keiner im Stande, der Eigenheit abzusterbenx denn es ist das nur möglich durch ein Eingehen in sein Liebesleben (Olshausen.) Für ,,sintemal wir halten« steht im Grundtext: ,,nachdem wir zu dem Urtheil gekommen find«, d. i. die Einsicht und Ueberzeugung gewonnen haben. Der Apostel spricht durch die Zeitwortsform der Vergangenheit aus, daß er diese Eiiisicht zu einer bestimmten, nun bereits hinter ihm liegenden Zeit gewonnen habe; seitdem steht er unter dem bestimmenden Einfluß jener Liebe. Wenn er nun den Jnhaltjeiies seines Urtheils zunächst dahin bestimmt, daß ,,Einer sur alle gestorben ist«, so bedeutet für hier sowenig als irgendwo anders geradezu s. V. a. anstatt, sondern nur: zum Besten aller, allen zu gut, um aller willen. Gleichwohl bleibt die Folgerung stehen: »so sind sie alle gestorben«; denn war uns nicht anders zu helfen, als daß Einer für uns starb, so ist genugsam klar, was unser Theil gewesen wäre, wäre der Eine nicht für uns einge- treten; und was dieser Eine für uns gethan hat, das gilt vermöge der durch seine Menschwerdung und Gleichftellung mit uns (Phil. ·2, 7) eingetretenen Ge- nieinschaft und der Haftung, die er für uns über- nommen hat, uns allen. (Burger.) Sein Sterben ereicht uns nur darum zum Besten, weil er an unsrer Statt, als ftellvertretendes Opfer gestorben ist; und nun spricht auch der Apostel die stellvertretende Art seines Todes deutlich aus, wenn er aus der evan- gelischen Heilsthah daß Einer für Alle gestorben ist, die evangelische Gewißheit folgert, daß sie »alle ge- storben sind. Dieser Schluß hatte keine Bundigkeih wenn nicht der Tod, zu welchem alle verschuldet sind, an Einem vollzogen wäre, welcher an aller Stelle trat, sein Leben gebend zur Erlösung für viele. (Besser.) Die Liebe Jesu nun, darin er für uns alle gestorben, will eine solche Veränderung in uns schaffen, daß wir durch sein Leiden und Sterben gerührt und durch seine Auferstehiing erweckt werden, ihm in Liebe eigen zu sein und zu leben, ihm anzuhangen, ihm zu essen und zu trinken, ihm zu schlafen und zu wachen, in und mit ihm zu wandeln und alles durch seine Liebe zu heiligen und zu versüßen. (Berleb. Bib.) l6. Darum fweil Christus für alle in gleicher Weise gestorben] von« nun an fseit wir haben er- kannt, daß in und mit ihm auch wir gestorben, und haben nun angefangen, nicht mehr uns selbst zu leben, sondern dem, der für uns gestorben und auferstanden ist] kennen wir niemand nach dem Fleisch fGat 3, 28]; und ob wir auch Christum gekannt haben nach dem Fleisch [wie es denn in der That sich also verhält Apostg. O, 2 Anm·], so kennen wir ihn doch jeszt nicht mehr« [von dieser Seite, sondern von einer andern, nämlich nach dem Geist Röm. l, 4; Gal. 1,16; l. Petri 3, 18]. 17. Datum [wie an diesem unserni Exempel zu merken, da wir unsrer ganzen Anschauungs- weise und Art der Beurtheilung nach völlig andere Leute jetzt sind, denn die wir früher ge- wesen], ist jemand in Christo findem das an ihm geschehen, was in V. 14 f. gesagt wiirde], so ist er eine neue Creatur [Gal. S, 15]; das Alte ist sbei einem solchen] vergangen, siehe, es ist alles fder gesammte persönliche Lebens-stand dessen, der in Christo ist, gegen früher] neu worden» fut njves vere now, wie der Schnee vergangen ist, wenn ein neuer Frühling herbeigekommen]. 18. Aber das alles [dieser ganze Zustand, da das alte Wesen und Leben bei uns ver- schwunden und alles neu worden ist, kommt her] von Gott, der uns mit ihm selber versbhiict hat durch Jesum Christ und sung] das Amt gegeben, das die Versöhnung predigetttt sdurch beides, indem er nicht. blos die Versöhnung zu Stande gebracht, sondern auch für deren Verkündigung und die Möglichkeit ihrer Aneignung gesorgt, hat er eine solche Umwandlung herbeigefiihrt]. s) Paulus zieht aus dem eben Gesagten eine Fol- gerung: da durch das Gestorbensein Christi für alle ihr sinnlich-selbftisches Leben mit seiner Besonderheih Beschränktheit &c. aufgehoben ist, da die Gliiubigem dieweil Christus für sie gestorben ist, als solche da—- stehen, deren neues Leben ausschließlich Christo und seiner Sache geweiht sein soll, so findet bei uns von nun an kein Kennen nach dem Fleisch in Bezug auf irgend jemand statt. Das Kennen ist hier ein solches, welches die Beurtheilung in sich schließt, das Fleisch aber eben das, worauf das Gestorbensein in V. 14 sich bezieht. Man kann nun das ,,nach dem Fleisch« entweder subjektiv nehmen, als das aus Seiten des kennenden Subjekts das Kennen Be- stimmende (nach blos menschlicher Erkenntniß, ohne Geisteserleuchtung, oder mit sündhaft natürlicher An- schauungsweise u. dgl.), oder objektiv (vgl. Kap. 11, 18; Phil. 3, 47 sah. 8, 15), so daß das Objekt das Normgebende für das Kennen ist, hier also das blos Menschliche, das Natürliche in seiner Besonderheit oder Beschränktheit in denen, die erkannt werden, also irgend welche natürliche, d. h. mit dem göttlichen Geistesleben in Christo nicht zusammenhängende Eigen- schaften, Vorzüge, wie jüdische Abkunft, Reichthum, Bildung, äußere Stellung. (Kting.) Mit dein »wir an unserm Theile«, wie der Wortstellung im Grund- text gemäß es genauer heißen sollte, tritt der Apostel der feindseligen Urtheilsweise der Widersacher (vgl. V.13) entgegen; diese urtheilen iiber Andere nach deiii Fleisch, wir hingegen aus dem in V. 14 f. angegebenen Grunde kennen von nun an (Luk. 12, 52) niemand nach dem, was er den: Fleische nach ist. Demnach fordert der Gedankenzusamnienhang von V. 16 mit V. 14 f. das ,,nach dem Fleisch« nicht als subjektive Norm des Kennens zu nehmen, sondern als objektive Norm, so daß ,,kennen nach deni Fleisch« s. v. a. jemand nach blos inenschlicher Erfcheinung kennen, ihn so kennen, daß man ihn nach dem beurtheilt, was er verniöge Nicht ihm selber, sondern Dem, der für ihn gestorben und auferstanden ist, lebt der Christ. 331 feiner natürlichen materiellen Daseinsform ist; wer nun Keinen in dieser Weise kennt, der sieht z. B. bei dem Juden von seiner jüdischen Abkunft, bei dem Reichen von seinen1Reichthum, bei dem Gelehrten von seiner Gelehrsamkeit, bei dem Sklaven von seiner Knechtschast ab, das ,,nicht kennen« steht also im Sinne völliger Abstraction (vgl. l. Cor. L, 2): »wir wissen nichts von ihm nach solchem MaßstabeC (Met)er.) Um recht stark zu sagen, daß er niemand nach dem Fleisch kenne, überträgt Paulus das sogar auf Christum; Christum nach dem Fleisch gekannt haben heißt da, ihn blos als einen irdifchen, natürlichen Menschen äußerlich gekannt haben, wie ihn die Leute in Nazareth nur zu genau kannten (Matth. 13, 54 ss.), wie seine Feinde und Richter ihn kunnten. Diese Kenntniß, die der Apostel früher, wahrscheinlich zu Jerusalem (Luk· 14, 11 Anm.), von Christo hatte, erscheint ihm jetzt so nichtig, daß er sie ganz vergessen hat über der Er- kenntniß des auferstandenen Christus Apostg. 9, 3sf. (v. Gerlach). Sieht man auf das ,,sich nach dem An- sehn rühmen« in V. 12 zurück, so kann wohl sein, daß in den Worten ein Gegensatz gegen diejenigen ent- halten ist, die ihren persönlichen Umgang mit dem Erlöser auf Erden gegen Paulum geltend machten· (Olshausen.) Oder sie legten ihrem Zusammenhang mit den Aposteln der Beschneidung als solchen, die im persönlichen Umgang mit Christo ·eftanden, einen besonderen Werth gegenüber dem päter berufenen Paulus bei. (Osiander.) Hi) An das, was er in V.16 zunächst in Beziehung auf sich und seine Anschauungs- und Beurtheilungs- weise aus dem Vorangehenden gefolgert hat, knüpft Paulus nun hier eine weitere allgemeine Folgerung: da bei Gläubigen nicht mehr Fleisch das die Kenntniß und das Urtheil Bestimmende ist, so folgt daraus, daß, wenn jemand in Christo ist, in der Lebenssphäre Christi sich befindet, ein solcher eine neue Creatur ist, d. h. ein ganz Anderer, als vorher. (Kling.) Jn dem Ausdruck: ,,neue Creatur« liegt der Begriff der totalen, von Grund aus gehenden, nur durch die All- macht der Gnade 1nöglichen Umwandlung des Men- schen, die, eben weil sie schöpferisch und der ersten Schöpfung analog ist, den Menschen zu seinen: Ursprung und höheren Urzustande zurückführt; diese Umwandlung und Erneuerung betrifft auch das Erkennen und Denken des Menschen, die Wiedergeburt des Verstandes, mit welcher die des Herzens und Lebens, wie mit der Erleuchtung die Heiligung, gleichen Schritt geht. (Osiander.) Der Ausdruck des ganzen Verses, ins- besondere der zweite Satz: »das Alte ist vergangen, sie e, es ist alles neu worden« beweist zur Genüge, da von der Veränderung die Rede ist, welche mit dem Eintritt in die Gemeinschaft Christi sofort voll- zogen wird, von unsrer völlig neuen Stellung zu Gott, von der damit zufammenfallenden Wiedergeburt zu neuem Leben. Diese ist kein allmälig fortschreitender Prozeß, wie es auch die Rechtfertigung des Sünders vor Gott nicht ist, sondern ein einmaliger göttlicher Akt, dem dann die tägliche Erneuerung als die noth- wendige Folge und Wirkung sich anschließt Ob dem Apostel bei Niederschreibung dieses Verfes die Stelle: Jes. 43, 18 f. oder: Jes. 65, 17 vorgeschwebt habe, wie die Ausleger meinen, läßt sich zweifeln; jedenfalls ist in beiden prophetischen Stellen von Anderem die Rede, und eine wirkliche Rückweisung auf sie dürfte nur in 2. Petri Z, 13 u. Offenb. 2l, 5 zu finden sein. (Burger.) · · TM) Paulus leitet hier das Wunder der Neugeburt der Gläubigen aus Gott kraft der großen Grundthat- sache und Grundlage des Heils, der von ihm aus- gegangenen Versöhnung durch Christum her, mit deut- licher Wiederanknüpfung an V. 14; in dieser Zurück- führung auf Gott als den letzten Grund der Ver- söhnung ist der Rathschluß seiner Liebe und die darin begriffene Veranstaltung gemeint und also von der Liebe Christi in V. 14 harmonisch anschließend zur Liebe Gottes aufgestiegen. (Osiander.) Durch eine zwiefache That hat Gott die neue Schöpfung zu Stand und Wesen gebracht: erstlich hat er uns mit sich ver- söhnt durch Jesum Christum, und zweitens hat er das Amt gegeben, das die Versöhnung predigt. Die neutestamentliche Sprache hat für versöhnen zwei Wörter, wovon das eine (Hebr. 2, 17; 1. Joh. L, L; 4, 10., vgl. Luk. 18, 13) die Bedeckung und Tilgung der Sündenschuld, die Gutmachung oder Sühnung, welche durch Leistung eines von der göttlisåxhen Gerech- tigkeit geforderten oder ihr genügenden equivalents für die begangene Verletzung bewirkt wird, das andere (Röm. 5, 10; Ephes Z, 16; Col. 1, 20) die Wieder- herstellung des gestörten richtigen Verhältnisses (vg’l. 1. Cor. 7, U) oder die Versetzung aus dem Stan e unter Gottes Zorn in den Gnadenstand hervorhebt; hier gebraucht der Apostel das Wort, welches die Versöhnun bezeichnet als Wiederbrin ung aus dem unseligen ustande der Feindschaft wifchen Gott und uns zur seligen Friedens-gemeinschaft mit Gott, doch kommt zugleich das Sühnmittel, durch welches Gott die Versöhnungsgabe bereitet hat, nämlich das Sühn- opfer Christi, zur Aussprache. Gleichwie nun in dem Satze: »Gott hat uns mit ihm selber versöhnet durch Jesum Christum« das ,,uns« die ganze Christenheit, die Gesammtheit der in Christo Neugefchafsenen um- faßt, so hat dieses ,.uns«, welches im Grundtext und in den früheren Ausgaben der lutherischen Uebersetzung des neuen Testaments auch dem andern Satze: »und das Amt gegeben, das die Versöhnung predigt« bei- gefügt ist, denselben Umfang: uns, der Christenheit, hat Gott das Amt der Versöhnung gegeben; die Kirche ist, wie die Empfänger-in der Versöhnung, so auch die Trägerin des Amts, das die Versöhnung predigt. Jn V· 20 nimmt dann der Apostel des Amtes, welches der Kirche insgemein verliehen ist, insonderheit. als eines von Gott ihm und feinen Mitbotschaftern gegebenen sich an. (Besser.) 19. Denn [um die beiden Heils- und geist- lichen Schöpferthaten Gottes, deren wir eben gedachten, nochmals und noch bestimmter hervor- zuheben] Gott war in Christo [Col. 1, 19], und versöhnete [durch dessen Kreuzestod Röm. 3, 24 f·] die Welt mit ihm selber und rechnete ihnen» [den Menschen, welche die Welt bilden] ihre Sunden nicht zu [wie er seiner Gerechtigkeit nach hätte thun müssen], und hat [nun, damit diese Heilsthat auch jedermann bekannt werde und denen, die im Glauben sie ausnehmen, zu gute komme] unter uns aufgerichtet das Wort von der Versöhnungt sindem er es in den Mund derer gelegt, welche die Ver- söhnung zu predigen haben]. 20. So sind wir nun sdie wir diesem Worte von der Versöhnung dienen] Botschafter an Christi Statt [oder in Christi Dienst, durch den ja die Versöhnung gefchehen und dessen Sache es daher ist, daß sie auch zu Kraft und Wirkung komme, und zwar hat Der uns zu seinen Vot- schaftern gemacht, der in Christo war]; denn [kein 332 Z. Corinther Z, 2l. 6 1. s Geringerer als] Gott vermahnet durch uns. So bitten wir nun an Christi Statt sfür Christum, in seinem Interesse, daß er nicht umsonst gearbeitet hat-ej: Lasset euch versohncn ·mit Gott» sergreifet die von Gott euch dargereichte Hand der Ver- söhnungji »21. Denn er hat den, der von keiner Sunde wußte sdem Widerspruch mit Gott, Abweichung von dessen heil. Willen in seinem inneren und äußeren Leben etwas schlechthin Fremdes, etwas ganz außerhalb seines Selbst- bewußtseins und »seiner persönlichen Erfahrung Liegendes war], fur uns sunsers Besten wegen oder in unserm Interesse] zur Sünde sgleichsam zur personifizirtem ihren Lohn empfangenden Sxinde Gab s, 131 gemacht, auf daß wir wurden in ihm sdurch den Eintritt in seine Gemeinschaft vermöge des Glaubens Röm. Z, 22z Phit Z, 9] die«Gerechtigkeit, die vor Gott gilts« lwörtlicht die Gerechtigkeit Gottes, d. i. Gerechtigkeit von Gott, darum aber auch vor Gott Röm. 1, 17; 1. Petri 2, 22 ff.]. It) Der Saß, womit der Vers anhebt: »Gott war in Christo«, macht durch Voranstellung der Jmmanenz Christi in Gott den Werth und die Kraft der von ihm vollbrachten Versöhnung nur um so einleuchtender; diese Anknüpfung an die Gottheit Christi ist hier gegenüber der niedrigen Denkart von ihm, die den Gegnern ankleben mochte, ganz am Platze (Osiander.) Sehet an den Mittlerx nicht Gott außer der Menfch- heit und nicht der Mensch außer der Gottheit ist Mittler, sondern zwischen der bloßen Gottheit und der bloßen» Menschheit ist Mittlerin die Menschgottheit und die Gottmenschheit Christi! (Augustin.) »Gott hat uns mit ihm versöhnt« bedeutet nicht: er hat uns die Feindschaft gegen ihn aus unserm Herzen genommen, uns einen Sinn gefchenkt, der ihn fucht und liebt; der ganze Zusammenhang beweist, daß davon hier gar nicht die Rede ist, denn Gott hat ja dadurch uns mit ihm selber versöhnt, daß er unsre Sünden uns nicht xirechneth daß er die Strafe unsrer Sünden auf hristum legte. »Gott hat uns mit ihm versöhnt« heißt daher: er hat seine Gnade uns wieder zugewandt, ist zu uns in ein andres Verhältniß getreten, sein Zorn hat sich in Liebe gekehrt; dies bewies er dadurch, daß er unsere Sünden, deretwegen er uns zürnte, uns nicht zurechnete, und dies konnte er, seiner Heilig- keit unbeschadet, vermöge des Sühnopfers Christi für uns. (v.» Gerlach.) Der Tod Jesu wirkte als Sühn- opfer, mithin als Gottes heilige Feindschaft oder seinen Zorn tilgend, so daß er den Menschen die Sünden nun nicht zurechnete und sie auf diese Weise durch einen gerichtlichen Akt mit sich versöhnte, wobei ledig- lich der Glaube die subjektive Bedingung der An- eignung auf Seiten der Menfchen ist; die Dankbarkeit, der neue Muth, das heilige Leben &c· ist erst Folge der im Glauben angeeigneten Versöhnung, nicht Theil derselben. (Met)er.) ihre Sünden nicht zu« gehört näher mit ,,er ver- söhnete die Welt mit ihm selber« zusammen, da die Zurechnung der Versündigungen in Wegsall kommt, wo Gott die Welt zu ihm selbst in ein Friedensver- hältniß stellt, als mit »und hat unter uns aufgerichtet das Wort von der Versöhnung«, da dies von einer Veranstaltung Gottes handelt, durch welche die Welt Der Sah: »und rechnete ihnen z » « Hände zum Schenken haben, sagt Ja dazu! Verhindert erfährt, daß Gott sie in ein Friedensverhältniß zu ihm stellen will, statt ihr die Versündi·gungen· anzu- rechnen. (v. Hofmannh Geschehen ist die Versöhnung der Welt durch Gottes Menschwerdung und durch das vollbrachte gottinenschliche Werk Christi, und sie erstreckt ihre Kraft, eine Kraft Gottes, durch die ganze Welt- zeit hin bis in die Ewigkeit (Hebr. 10, 14); zugleich aber hat Gott liebreich dafür gesorgt, daß seine in Christo vollbrachte Heilsthat der ganzen Welt Heil werden könne durch das Heilswort (Apost . 18, 26), auf die einmal geschehene Erlösung folgt ie immer sortfahrende Predigt der Erlösung (1. Tim. 2, 6). Aufgerichtet, fest und dauerhaft ein, esetzt hat Gott das Wort der Versöhnung, das theure vangelium, indem er dasselbe in den Mund eines Amtes der Ver- söhnung legte, nicht dem freiwilligen Bekenner- und Missionstriebe aller Gläubigen allein die Predigt von der Versöhnung überlassen hat. (Besser.) Das evan- gelische Lehramt ist die fortwährende Predigt der von Gott angebotenen Versöhnung, die beständige, in seinem Namen geschehende Proclamirung des allgemeinen Pardons; ein Mittleramt, das dem Mittlerwerk Christi dient, das unselige Mißverhältnis; zwischen Gott und Menfchen aufheben soll. (Heubner.) it) Wir sind Botschafter oder wir verrichten das Geschäft von Botschaftern für Christum, sagt der Apostel; der Begriff der Stellvertretung, welchen die Uebersetzungt ,,an Christi Statt« giebt, liegt nicht in den Worten, wohl aber ist der Sinn hier und nachhey wo auch zu übersehen ist: »so bitten wir nun ür Christum«, daß die Apostel in Ausrichtung ihres Dienstes Christi Sache führen, daß sie nicht im eigenen, sondern im Interesse seines Liebeswerks darin thätig sind, und dieser Gedanke entspricht auch allein dem Zusammenhang von V. 11 an, insbesondere dem Jn- halt von V. 14., welcher die ganze weitere Aus- führung beherrscht. Der Wechsel der Namen: »So sind wir nun Botschaster für Christum, sintemal Gott durch uns vermahnet; so bitten wir nun für Christum« findet seine volle Erklärung in V. II: sofern Christus der Ausrichter des Versöhnungswerks ist, führen die Verkündiger desselben Christi Sache, arbeiten in Christi Dienst und Interesse; sofern Gott jenes Werk in Christo, in der Person des Mittlers ausgerichtet hat, ist es Gottes Wille, der durch die Predigt desselben bekannt gemacht und an die Menfchen, welche sie höremygebracht wird (1. Cor. 4, 1). Durch beides wird mit achdruck darauf hingewiesen, welche Auctorität dem Worte dieser Verkündigung zukommt und welche Verantwortung die Verächter derselben auf sich laden; den Jnhalt der Botschaft und Bitte aber giebt der Schluß des Verfes in ausdrueksvoller Kürze an: ,,lasset euch versöhnen mit Gott!« Nicht einer menschlichen Thätigkeit wird also die Verwirk- lichung dieser Versöhnung mit Gott auch an den einzelnen Menfchen zugeschriebem sondern sie werden lediglich aufgefordert, an sich geschehen zu lassen, was Gott für sie bereitet hat und ihnen darbeut, den Widerstand aufzugeben, welcher sie von seinem Heile ausschließt, und sich vertrauend seiner Gnade hinzu- geben. (Burger.) Laßt nur geschehen, was euch geschieht: wenn sein Geist an eurem Herzen zieht, o so laßt euch lenken, und nehmt die Gaben, die seine nur nicht die gute Hand, unterlasset euren Widerstand, legt die Waffen nieder und laßt euch wenden, so wie der Thon in des Töpfers Händen: stoßt ihn nicht weg! (Woltersdorf.) IN) Was es um das Geheimniß der Ver- söhnung sei, kann man nach dieseni Text mit Wirsind Botschafter der Versöhnung, die-für Christum werben. 333 Wenigem sa en: es ist ein seliger Tausch, darinnen Christus unFre Sünden auf sich nimmt und uns da- gegen seine Gerechtigkeit schenkt; es ist ein Gericht, darinnen Gott die Sünde der Welt an seinem Sohne richtet, um uns von der Sünde los und gerecht vor ihm zu machen. (Thoniasius.) Das »den, der von keiner Sünde wußte« ist das einzige ausdrückliche Zeugniß Pauli von Christi Sündlosigkeit, die er übrigens bei seiner Opferanschauung von dessen Tode durchaus voraussetztx es überbietet nun aber auch dies einzige Zeugniß wo möglich alle andern an Stärke, und es hebt sich noch, wie das Licht gegen den es be- rührenden Schatten, durch das unmittelbar folgende »für uns«, durch die Zusammenstellung mit den Sün- dern; denn dieses »uns« ist wieder allgemein, die ganze Welt (V. 19) umfassend· (Osiander.) Den nun, der von keiner Sünde wußte, keine Ahnung von ihr hatte, machte Gott zur Sünde, d. h. belegte ihn mit den Strafen der Sünde; er behandelte ihn nicht als ein en Sünder, als einen sündigen Menschen aus der ganzen Zahl aller Sünder, sondern als die Sünde, als Einen, der an der Stelle des gan en sündigen Menschen- geschlechts stand, der die Stra en aller Sünden trug. (v. Gerlach.) Wie Gott die Sünde behandelt, die er verflucht, so hat er Den behandelt, der von keiner Sünde wußte, hat ihn den Uebelthätern gleich ge- rechnet, unsre Sünde auf ihn werfend durch Zurech- nung, so daß er die Sünde der Welt in Christo sah und Christus die Sünde der Welt in sich empfand mit Schniecken ihrer Strafe (Hebr. 2, 9). Wie nun aber Christus für uns zur Sünde gemacht ist, ebenso sind wir iii ihm zur Gerechtigkeit geworden: der von keiner Sünde wußte, ist für uns zur Sünde gemacht, da ihm Gott unsre Sünde zurechnete; und die wir in uns selber keine vor Gott giltige Gerechtigkeit haben, sind in Christo vor Gott giltige Gerechtigkeit geworden, da Gott Christi Gerechtigkeit uns znrechnete Röm. 4, 6. (Besser.) Durch Zurechnung seiner Gerechtigkeit werden wir in Christo die Gerechtigkeit Gottes und gewinnen im ganzen Reiche Gottes einen solchen recht- mäßigen, durch keinen Widerspruch zu bestreitenden Zugang zu Gott und zur Erbschaft alles Neuen, als der über alles zum Erben gesetzte Sohn Gottes selbst ein Recht daran hat· Halleluja! (Rieger.) Das 6. Kapitel. Vermahnung zu würdiger Anwendung. der Hunde Heiles. III. v. 1—tåap. 7, 1. liest) gan; erfüllt von dem hei- ligen Gegenflandh von welchem er in hab. Z, 5 ge— handelt hat, braucht der Apostel sein evangelischen Knit jetzt an den Corinthernz nachdem er früher ihr Erniahner gewesen ist niit der Bitte: ,,lasset euch versöhnen mit Gott» so wird er es jeht niit der andringenden Auf« forderung, Gottes Gnade, die nunmehr über ihnen waltet, seit sie sich haben versöhnen lassen, nicht ver— get-lich zu empfahen. a. V. 1—10. Indem Paulus zu der Erniahikniig an die Corinthei sich ansihictih die in der Versöhnung mit Gott durch Christum empfangenen Gnade nicht wirkungslos zu niacheii durch eilten unchrisklichen Wandel, malt er ihnen zur Bekräftigung sohher Ernicihnnng in lebendigen Ziigen due- Lciieii wahrer Christen vor die Augen, ivie es in den Itposielii zur Erscheinung til-innig und legt nnn dar, niie diese der Welt gegen« iitier könnt-sen· leiden und siegelt, und wie sie in dir Genieiiiscljast mit Christo die skäriisien Gegensätze überwinden und so die Gnade Gottes an ihrem Theile oerherrliitjein sEpistel am l. Sonntag in der Fasten: Jnvocavit.) Die Wochen, welche der heutige Sonntag einführt, waren der alten Kirche eine große Bußzeih sie wollte in ihnen nicht im Mindesten das Leiden Christi selbst zur Anschauung bringen, sondern den Weckruf Johannis des Täufers: ,,thut Bußel« recht kräftig an’s Herz legen. Unsere Epistel nun macht den Anfang; sie erinnert uns, daß jetzt für uns eine große entscheidende Stunde geschlagen hat, daß jetzt angenehme Zeit, der . Tag des Heils ist, und wir nun die Gnade Gottes ja nicht vergeblich empfangen, sondern in allen Ver- suchungen und Anfechtungen treu aushalten und ge- duldig überwinden sollen. Zwischen Evangelium und Epistel baut sich so eine Brücke: Jesus wird versucht, aber er besteht die Versuchung (Matth. 4, l ff.); auch der Jünger des HErrn ist in dieser Gnadenzeit nieht von Versuchungen frei, aber er geht aus allen siegreich hervor, wenn er nur Acht hat auf sich selbst und die Gnade Gottes· (Nebe.) Die Epistel scheint zunächst mit Rücksicht auf V. 2 gewählt zu sein, um die österliche Buß- und Fastenzeit, in die das ,,Faten« in V. 5 hineinweist, in ähnlicher Weise wie die doentszeit als eine Zeit des Heils anzukündigen, zugleich aber auch an die christlichen Pflichten zu erinnern, durch welche die Erlangung des Heils bedingt ist. (Alt.) Der Segen der heil. Passionszeih l) sie lehrt uns unser Leben hier auf Erden im rechten Lichte betrachtenz 2·) sie macht uns vorsichtig und gewissenhaft im tag- lichen Wandel; Z) sie giebt uns Trost und Kraft sur jegliche Art von Kreuz, das uns befällt. (Eig. Arb.) Jetzt ist die angenehme Zeit, jetzt ist der Tag des Heils: l) lasset uns erwägen, von welcher Zeit das gesagt sei, 2) und wozu dies nun uns erwecken müsse· (Langbein.) Waruni darf der Christ die Zeit des Leidens Christi als eine angenehme Zeit preisen? l) weil sie uns den vollen Reichthum der herrlichen Gnade Gottes offenbart; 2) weil sie uns gegen alle Versuchung mit der rechten Kraft ausrüstetx ·) weil sie uns mit Christo leiden, aber auch alle Leiden dieser Zeit überwinden lehrt. (Baur.) Wie erweist sich der Christ als wahrhaftiger Diener Gottes? 1) wenn er die Gnade Gottes in Christo gläubig ergreift; 2) wenn er in der Kraft Christi heilig lebt; s) wenn er um Christi willen gdeduldig leidet. Der Christ in der Welt als ein iener Gottes; wir erwägen l) die Gnade, die er Zu ergreifen, 2) die Gefahr, die er zu meiden, s) as Kreuz, das er zu tr en, 4) den Kampf, den er zu führen, 5) den Reicht«hum, den er zu schätzen»hat. (Sommer.) Wann ist Christus fiir dich nicht umsonst gestorben? wenn du l) zuerst das für mich recht fassest, und Z) dann auch das mir nach treulich befolgst. (Ahlfeld.) 1. Wir ermahnen aber euch [nachdem wir unser Botschafteramt Kap. 5, 20 an euch bereits ausgerichtet haben und nun der Welt Versöhnung Rönr. 11, 15 auch euch schon zugefallen ist] als Mithelfer [Gottes, der Ia durch uns schon bei jener Ausrichtung unsrer Botschaft ermahnete Kap. 5- 20], daß ihr nicht vergeblich die Gnade Gottes empfahets sdie euch in dem erlangten Heilsstande zu Theil geworden, sondern sie das weiter an euch wirken lasset, was sie wirken will]. 334 2. Corinther 6, 2—10. 2. Denn er [Gott, der einst durch die Pro- pheten geredet hat] spricht [weissagend in Jes. 49,· 8]: Ich habe dich m der angenehmen Zeit erhoret und habe dir am Tage des Heils geholfen. Sehet sso setze ich als er- mahnender Mithelfer diesem Worte hinzu, es auf euch anwendend, während es dort allerdings zu- nächst einem Andern gilt], jetzt sseit Christus erschienen bis dahin, wo er wiederkommt zum Gerichts ift die angenehme Zeit, jetzt ist der Tag des Heils» s) »Wir ermahnen aber euch«, mit diesen Worten führt der Apostel die nachfolgende Ermahnung als eine Steigerung ein; denn man kann sich mit Gott ver- söhnen lassen, und doch keinen rechten Nutzen davon haben, nämlich für die Heiligung des Lebens. (de Wette) Das ,,als Mithelfer« steht im Rückblick auf das »Gott vermahnet durch uns« im vorigen Kapitel, sofern dort ein Ermahnen benannt ist, welches Gott durch den Apostel, seinen Gesandten, an diejenigen richtet, welche ihn wider sich haben, jetzt dagegen ein Ermahnen, welches der Apostel als Gehilfe Gottes an diejenigen richtet, in denen Gott seine Gnade walten läßt, nach- dem sie ihm versöhnt sind. (·v.Hosmann.) Mithelfer nennt Paulus sich und seine Amtsgenossen m dem- selben Sinne, in welchem er in I. Cor. Z, 9 schreibtt »wir sind Gottes Gehilfen, ihr seid Gottes Ackerwerk nnd Gottes Gebäu«, d. h. wir predigen, arbeiten an euch mit dem äußerlichen Wort durch Predigen und Ermahnen, aber Gott giebt inwendig durch den Geist den Segen und Gedeihen, daß unser äußerlich Wort nicht vergeblich arbeite. Darum ist Gott inwendig der rechte Meister, der das Beste thut, und wir helfen und dienen ihm dazu auswendig mit dem Predigtamt Er riihmt aber solche Mithelfer darum, daß sie das äußer- liche Wort nicht sollen verachten, als bedürften sie sein nicht oder als könnten sie es zu wohl; denn ob Gott wohl möchte alle Dinge inwendig ohne das äußerliche Wort ausrichten, allein durch seinen Geist, so will er’s doch nicht thun, sondern die Prediger zu seinen Mit- helfern haben und durch ihr Wort thun, wo und wann er will. eil denn die Prediger das Amt, Namen und Ehre haben, daß sie Gottes Mithelfer sind, soll niemand so gelehrt oder so heilig sein, der die allers geringste Predigt versäumen oder verachten wollte, sintemal er nicht weiß, welche Zeit das Stündlein kommen werde, darin Gott sein Werk an ihm thue durch den Predigeiu (Luther.) Auf dem ,,ihr«, welches im Grundtext an letzter Stelle steht, liegt ein Nach- drucki sie , die Corinther sollen dies zu Herzen nehmen, es handelt sich um sie, sie sind in Gefahr, Gottes Gnade vergeblich zu« empfahen; denn bei ihnen ist ja ein höchst bedauerlicher Stillstand, 1a ein höchst bedenk- licher Rückgang in »dem christlichen Leben wahrzu- nehmen. (Nebe.) Die lassen die Gnade Gottes ver- geblich sein, welche die Vergebung der Sünden» ohne wahre Buße wie einen Raub hinnehmen, die den Glauben nur im Munde führen und sich nur iiußerlich um Wort und Saerauient halten, i1n Grunde aber ich auf ihr eigen Thun und Verdienst verlassen, die die Gnade auf Muthwillen ziehen oder die doch nicht ernstlich der Heiligung na ja en, wohl gar, nachdem sie eine Zeitlang sich der u t des heil. Geistes hin- gaben, wieder herausfallen und ärger werden als zuvor. (Genzken.) «) Jn der Stelle, auf welche Paiilus hier Bezug nimmt, redet Gott den Knecht Jehovcks an und ver- eißt ihm Erhörung und Hilfe; diesen angeredeten necht Jehova’s weiß der Apostel in Christo Jesu er- schienen, Christus Jesus aber ist das Haupt des wahren Gottesvolks. Zur angenehmen Zeit hat Gott seinen Knecht erhöret und am Tage des Heils, an dem für die Mittheilung des Heils bestimmten Zeitpunkt hat Gott seinem Knecht geholfen, nämlich dadurch, daß er ihn das im Elend der Sünde, in der Gewalt des Todes und des Teufels besindliche Volk retten und erlösen ließ; dieser Zeitpunkt der Erlösung, erinnert der Apostel, ist in der Gegenwart auch für sie, für die Corinther vorhanden, Gott will die Verheißung, die er seinem Volk gegeben hat, auch an ihnen erfüllen, sie aber sollen der Erfüllung dieser göttlichen Zusage nicht dadurch entgegentreten, daß sie der Gnade wider- streben. ,,Siehe«, ruft Paulus, ,,jetzt — in der Gegen- wart, in welcher euch das Evangelium von Christo gepredigt wird -— ist die angenehme Zeit, jetzt ist der Tag des Heils«, da die Stunde der Rechenschaft noch nicht angebrochen ist, sondern allen Menschen der freie Zutritt zu dem in Christo erworbenen Heil noch offen steht. Darin also liegt der Nachdruck der Ermahnung: weil Zorn und Strafe weg, Huld und Heil da ist und weil diese Zeit schnell vorübergehen kann, sollen die Christen dieselbe beniitzen, sollen in Kraft der Ver- söhnungsgnade das alte Wesen der Welt- und Fleisches- lust ausziehen und ini neuen Wesen des Geistes wandeln. (Sommer.) Der Apostel beschreibt, welch eine reiche Seligkeit das ist, wo das Evangelium geht: es ist eitel Gnade und Hilfe da, da ist kein Zorn noch Strafe. Es sind unaussprechliche Worte, die er hier setzett auf’s Erste, daß es angenehme Zeit ist; das ist auf hebräische Weise geredet und gilt auf deutsche Weise s. v. a. es ist eine gnädige Zeit, darin Gott seinen Zorn abwendet, eitel Liebe, Lust und Wohl- gefallen hat, uns wohl zu thun. Hier ist aller Sünden vergessen, beide, der vergan enen und noch übrigen; kurz, es ist ein Reich der armherzigkeih darinnen eitel Vergebung und Versöhnung ist, der Himmel stehet jetzt offen, es ist das rechte güldene Jahr, da niemand nichts versagt wird. Darum spricht er: »ich erhöre dich zur Zeit des Wohlgefallens«, d. i. ich bin dir hold, was du nur willst und bittest, das hast du gewiß; versäume dich nur nicht und bitte, weil sie währet. Zum Andern, daß es ein Tag der Seligkeit, ein Tag des Heils ist, ein Hilfetag, darinnen nicht allein wir angenehm find und gewiß, daß uns Gott günstig und hold ist, sondern auch, wie wir also gewiß sind, so hilft er auch und thut es, beweiset es mit der That, daß unser Bitten erhöret sei. Das heißen wir einen seligen Tag, einen glücklichen Tag, einen reichen Tag; denn es muß und soll beides bei einander sein, daß uns Gott günstig sei und diefelbige Gunst mit der That beweise. Daß er iins günstig sei, giebt das Erste, daß eine gnädige, angenehme Zeit ist; daß er uns helfe und beistehsh giebt das Andere, daß ein seliger Helfertag sei. eides will und muß mit dem Glau- ben gefaßt sein im guten Gewissen; sonst, wo man nach dem äußerlichen Menschen will richten, würde diese selige Zeit wohl vielmehr eine unselige des Zorns und der Ungnade genannt werden. Aber nach dem Geist niuß man solche geistliche Worte nehmen; so finden wir, daß dies zwei herrliche, liebliche, schöne Namen sind der evangelischen Zeit, damit aller Schatz und Reichthum des Reiches Christi gewiesen wird. (Luther.) 3. Lasset uns aber niemand irgend ein Aergerniß geben, auf daß unser Amt nicht verlaftert werde; Vermahnung, die in der Versöhnung mit Gott empfangene Gnade nicht wirkungslos zu machen. 335 4. Sondern in allen Dingen lasset uns beweisen als die Diener Gottes-«« srichtiger ist diese ganze Stelle so zu lesen: Z. Die wir niemand (oder besser: in keinem Dinge) irgend ein Aergerniß geben, auf daß unser Amt nichtverlästert werde; 4. Son- dern in allen Dingen uns beweisen als Diener Gottes und als solche uns empfehlen Kap. Z, 1], in großer Geduld, in Tritbsalem in Nöthem in Aengsten [Kap. 11, 8], 5. JaSchlägen [Kap. 11, 23 ff.; Apstg 16, 23 f.], m Gefangmssen sagt. zu Kap. 11, 23], in Aufruhr-en lApOftg· 13, 503 14, 195 16, 19 ff.; 19, 23 ff.], in Arbeit [Kap.11,23. s27; 1. Cor. Z, 8; 15, 58], in Wachen [Kap. 11, 27z Ap0stg- 20- II]- in Fasten« lApvstgs 14, 23; 13, 2 f.; 9, 9], 6. In Keuschheit, in Erkenntnis, in Langmuth, in Freundlichkeit, in dem hei- ligen Geist, in nngefiirbter Liebe, 7. In dem Wort der Wahrheit, in der Kraft Gottes, durch Waffen der Gerechtig- keit zur Nechten und zur Linken IV« 8. Durch Ehre und Schande, durch böse Gerüchte und gute Geritchtez als die Berfiihrety und doch wahrhaftig; 9. Als die Unbekannten und doch be- kannt; als die Sterbenden [Kap. 1, 9; 4, 7 ff.; l. Cor. 15, 30 ff-]- und siehe, wir leben [Kap. 1, m; Pf. 118, 17]; als die Gezitchtigten [Jes. 53, 3 f.], nnd doch nicht ertödtet sPs 118, 18s; 10. Als die Traurigen l1i Petri 1- Si, aber allezeit fröhlich [Phil· 4, 4sz als die Armen [Apostg. 3, 6], aber die doch viele reich machen [1. Cor. 1, 5; 9, 11 vgl. 2. Cor. 8, 9]; als die nichts inne haben [Phil.4, 13], nnd doch alles haben-s· [1. Cor. 3, 22; Röm. 8, 28. 38 f.]- -t) Die lutherische Uebersetzung, welcher die Vulgata insofern schon vorgegangen ist, daß sie, während sie das erste Partieipium allerdings durch ein Partieipium wiedergiebt (nemini dantes nllam 0tkensj0nam: niemand irgend ein Aergerniß gebend), doch das andere in einen Conjtinctiv verwandelt ssed in omnibus exliibeaiiius nosmet ipsos sicut dei mjnist1-os: »so«- dern in allen Dingen lasset uns beweisen als die Diener Gottes«), ist offenbar nicht richtig: wie können wir hier nur eine Ermahnung an die Corinther finden, wo der Apostel nichts weiter im Sinne hat, als sich den Verdächtigungen und Verleumdungen seiner Feinde zu Corinth gegenüber als einen rechten Apostel Jesu Christi, als einen rechten Ausrichter seines heil. Amtes zu erweisen? (Nebe.) Wenn das Leben der Prediger der Ermahnung ihres Mundes widerspricht, so hat der Teufel Mithelfer in ihnen, der vom Evangelio ab- mahnt und abschreckt Paulus konnte durch Gottes Gnade von sich sagen, daß er in keinem Stücke irgend ein Aergerniß gebe, weder den Juden, noch den Griechen, noch der Gemeinde Gottes (1. Cor.10, 32), weder durch Verkehrung der christlichen Freiheit in Unordnung und Eigenmächtigkeih noch durch Schlagen und Verwirren schwacher Gewissen, noch durch Miß- brauchen des Schatzes der Glaubensgerechtigkeit zu einem Freibrief des Fleisches, ja, auch nicht durch rück- sichtsloses Gebrauchen seiner evangelischen Macht und Befu niß (1. Cor. 9). Mußte sein Amt am Evangelio verlästert werden von denen, welchen das Evangelium Verdeckt ist (Kap. 4, 3), so hatte er den Trost, daß nicht er es verdeckte und verdunkelte Also den Strick des Lästerers (1. Tim. Z, 7) konnte er zerreißen mit dem Zeugniß seines Gewissens, welches sich auch denen draußen aufnöthigte, daß er in allen Dingen als ein Diener Gottes sich beweise oder empfehle (Kap. 4, 2). ,,0ch diene«, so schrieben wohl die deutschen Ritter in ihr Wappen zum Bekenntniß ihrer Lehns- treue: belehnt von Gott mit der Gnade des Apostel- amts, bewies sich Paulus in seiner ganzen Amts- sührung als ein Diener Gottes in seinem Gnadenreich zum Preise des Amts, welches Gottes Huld und Hilfe den Menschen andient in der evangelischen Gnadenzeit (Besser.) Pauli Ermahnung stützt sich auf sein und überhaupt der Amtsträger Christi Wohlverhalteiu weil sie solche Lehrer und Seelsorger haben, deshalb sollen die Corinther die Gnade nicht vergeblich fein lassen; es möchte sie sonst bei dem HErrn der . err- lichkeit jede einzelne Tugend ihrer Lehrer und eel- sorger verklagen, ihr Weh und ihre Verdammniß desto größer werden. Es ist ganz richtig, daß das Wort Gottes im Munde der verschiedensten Lehrer, ja auch sehr ungetreuer Lehrer dennoch rein und auch wirksam sein kann; wenn aber eine Gemeinde Lehrer hat, die nicht blos im Allgemeinen recht predigen und das Amt wohl verwalten, sondern auch durch ihr Beispiel, durch ihre Aufopferung und ihre Begabung die Menschen einladen das Wort aufzunehmen, und es ihnen da- durch auch leicht machen, so ist das noch eine besondere Gnade Gottes, für deren Gebrauch der HErr Ver- antwortung fordern wird. Je größer der Lehrer ist, desto verdanimlicher wird der Jünger, wenn er sein Wort nicht annimmt. (Löhe.) Jnsosern der Apostel das Bild seines Lebens und Wirkens im Amte zur Nachahmung den Corinthern vor die Augen stellt, ist in Luther’s Uebersetzung der Sinn der Stelle im Flllgåmelinåiz nicht gerade unrichtig wiedergegeben. v. er a . IV) Alles, was in diesem ersten Abschnitt aufge- zählt ist, faßt sich in den Namen derjenigen Tugend zusammen, die an der Spitze steht: »in großer G eduld«; nachdem der Apostel auf diese Weise eingeleitet hat, nennt er all das Unglück und darnach die Hauptsachen der Mühseligkeitem unter welchen sich seine Geduld bewahrte. Bei Aufzählung des Ungemachs und Un- glücks steigt er wie an einer Leiter empor und zeigt uns immer eine größere Noth nach der kleineren: an erster Stelle nennt er die Trübsal oder äußere Ver- folgungen; an der zweiten die schwerem bedrängten Umstände, die Nöthe, welche aus den Verfolgungen kommen; an der dritten die Aen ste, welche aus Verfolgung für das Herz und innere efinden kommen. Dann geht er weiter und zeigt, wie die Verfolgung zu ihrem Ziele schreitet, Noth und Angst nicht ohne Ursach ist: er redet von den Schlägen, die sein Leib um Christi willen aus-zuhalten hat, sodann von den Gesängnissen, in die er geführt worden ist, und endlich von den Schrecken des Aufruhrs, der sich so manchmal um seinet- und seines Evan eliums willen erhoben hat. Damit beschließt er die eihe alle der Unglückssälle, die ihm schon um Christi willen zuge- kommen sind, und es ist kein Zweifel, daß wir diese 336 Reihe aus der Epistel des Sonntags sexagesjiiiae (Kap. 11, 19 ff) noch vermehren können. Hierauf nennt er noch drei besondere Mühseligkeiten, deren eine jede ihm oft genug in Erfahrung gekommen ist, er nennt nämlich mühselige Arbeit, oftmaliges Wachen und Fasten; in allen diesen schweren und lastenden Fällen des Lebens schreibt sich der Apostel Geduld zu. So wie ein Lastthier stille steht und sich beladen läßt mit dieser und jener Last, ohne auch nur Miene zu machen, sich derselben zu entziehen; so wie es daher geht, alle seine Kräfte anstrengt, um sich aufrecht zu halten und die Last fortzubewegen, der Aufgabe nicht untreu wird, die ihm gestellt ist, so ent- zieht sich der Apostel alle den Leiden nicht, geht ihnen alle Tage wieder mit Ruhe und Freudigkeit entgegen, bleibt aufrecht, wird nicht laß noch müde, so sehr sich auch-Hände und Kniee nach Ruhe, die Augen nach Schlas, der Leib nach Speise, die Seele nach einer Zeit der Erleichterung und Erquickung sehnt. Es lassen sich wohl noch viele andere Proben der Geduld denken, aber es läßt sich auch nicht leugnen, daß die angeführte Reihe eine ausgesuchte, auserwählte ist, eine hohe Schule der Geduld, und daß derjenige groß im Dulden geworden sein muß, der sich in dieser Reihe geübt und eine Meisterschaft errungen hat; auch muß es eine große Sache sein, um deretwillen man sich alle dem hingeben soll, einmal und immer auf’s Neue. Und wenn nun St. Paulus um der Ausrichtung seines Amtes willen diese Lasten sich immer auf’s Neue auf- erlegen läßt und diese Mühseligkeiten erduldet, da er sich ihnen doch entziehen konnte, wenn er Beruf und Predigt ließ, so ist es am Tage, was für ein großer und treuer Diener Jesu er ist, und wie er durch so vtele Leiden und große Geduld den Gemeinden hätte empfohlen werden sollen. (Löhe.) Als» das erste Stück seiner allseitigen thatsächlichen Selbstempfehlung, durch die er als einen Diener Gottes sich darstellt, dem man wohl bei sich Raum geben darf, nennt er das Aushalten unter alle dem, was fein Beruf Schweres mit sich brachte; derartige Vorkommnisse aber, in denen er sich nach dieser Seite hin empfiehlt, führt er drei- mal in folgenden Reihen an: 1) »in Trübsalen, in Nöthen, in Aengsten«, welche Bezeichnungen beschwer- licher Lagen aufsteigen von der Vorstellung einer Be- drängnng, die sich lästig macht, zu der einer Klemme, in der man sich nicht helfen kann, und zu der einer Eng e, in der man nicht mehr seines Bleibens weiß; Z) »in Schlägen, in Gefängnissen, in Aufruhren«, von welchen Widerfahrnissen jedes folgende schlimmer ist, indem die körperliche Mißhandlung doch vorübergeht, die Haft dagegen andauernd und ihr Ausgang zweifelhaft ist, vollends aber der Aufruhr statt geordneten Verfahrens willkürliche und maßlose Gewaltthat erwarten läßt; Z) »in Arbeit, in Wachen, in Fasten«, wo zu den Widerfahrnissen, die er über sich ergehen lassen muß, die Lebensbeschwerungen hin- zutreten, denen er sich selbst unterziehen muß, weil sein Beruf sie mit sich bringt, nämlich mannigfaltige ArbeitsmühsaL welche matt und müde macht, schlaflofe Nächte, in denen er sich die natürlichste Erholung von der Arbeitsmü sal nicht gönnen darf, und Selbstkafteiung des chwerbekümmerten, der sich auch die Nahrung versagt, die er bedürfte, um solche Tage und Nächte auszuhaltem (v. Hofmann.) Die Geduld beweist Paulus in Trübsalen, in Ndthen, in Aengsten; davon nennt er als Beispiele a) der Trüb- sale: Schläge, b) der Nil-the: Gefängnisse, c) der Aengste: Aufruhre, fügt dann aber weiter hinzu: Ar- beiten, Nachtwachem Fasten, als nach eigener Be- stimmung übernommene Mühfeligkeiten bei Ansrichtung 2,. Corinther S, 10. seines Berufs, die er sich nie zu viel und zu lästig werden ließ, um den Erfolg und Fortgang seines Dienstes zu sichern. (Burger.) IN) Ein geduldiger Diener Gottes in der feind- seligen Welt, stand Paulus in der Gemeinde als ein keuscher Diener Gottes da; die Keufchheit führt den Chor der Tugenden und Gaben, womit er seinen Gemeindedienst ausrichtete. Sie nun, die Keuschheit, die er auch seinem Sohne und Mitdiener Timotheus so nachdrücklich anempsiehlt (1. Tim. 5, 2·2), besagt nicht allein das Reinhalten von den Sünden wider das sechste Gebot, sondern insgemein die Reinheit und Lauterkeit des Herzens und Willens und aller Begier (1. Petri 1, 22); und wie die Geduld sich erzei t in den neun oben angeführten Proben (Trübsale —- Faftenl so durchgeht die Keuschheit die acht übrigen hier auf- gezählten Tugenden und Gaben (Erkenntniß — Waffen der Gerechti keit zur Rechten und zur Linken)· Ohne sie giebt es urchaus nichts, was einen Diener Gottes und überhaupt einen Christen ziert in den Augen Gottes und seiner Heiligen; es ist die Grundtugend, die dem HErrn wohlgefiel an dem rechten Jsraeliten Nathanaeh in welchem kein Falsch war (Joh. 1, 47), das Gegenstück des Grnndfehlers derer, so sich nach dem Ansehen rühmen und nicht nach dem Herzen ap. 5, 12). Nur dem keuschen, einfältigen Auge des Gecnüths erschließen sich die göttlichen und geistlichen Dinge zur Erkenntniß; denn nicht Verstandesgelehrk heit meint der Apostel mit dem edlen Wort ,,Erkennt- niß«, sondern die Herzens-einsieht in die Wahrheit, wonach jemand Bescheid weiß mit dem Wege der Seligkeit und in allen Fällen den wohlgefälligen Gottes- willen zum Besltzen der Seelen zu treffen versteht, insonderheit die aftoralweisheit eines Dieners Gottes. Die keusche, von fleischlicher Weisheit rein gehaltene Erkenntnis; hat zu Zwillingstöchtern die Langmuth und die Freundlichkeit (Gal.5, 22): die Langmuth hat starke Schultern zum Tragen der Schwachen (Röm. 15, 1), denn sie erkennt das allmälig wachsende Werk des HErrn und hascht nicht nach dem vollen Weizen in den grünen Saatspitzen (Mark. 4, 28), entzieht sich auch der nnlauteren Selbstgefälligkeit, welche bald fix und fertig ist mit einem gebrechlicheu Bruder, weil sie mehr als des Bruders Besserung den Ruhm eigener Vortrefflichkeit fucht; und als die ältere Schwester unterstützt die Langmuth die Freundlichkeit, daß diese nicht ein temperamentlicher Anflug natürlichen Wohl- wollens, sondern der dauerhafte Charakterzug der keuschen und einfichtigen Liebe ist (1. Cor. II, 4). Die süße Tugend der Freundlichkeit —- eine sanfte, stille und liebliche Tugend nennt sie Luther, allerdinge füglich zur Gesellschaft, und die alle Welt lockt, mit ihr Gemeinfchaft zu haben ——, sie giebt ihren Geschmack reichlich in diesem Briefe, wie im ganzen Leben Pauli. (Besser.) Prüfen wir uns beim Ueberblick all der Tugenden und Gaben, die St. Paulus nennt, ob auch wir die göttliche Lauterkeit und Reinheit der Begier, die Keuschheih vorne an als Chorführerim als Grund- tugend, ja als Bedingung der übrigen gestellt haben würden, so werden wir vielleicht in eine Verlegenheit kommen; wir machen gern eine andere Ordnung, sicherlich wiirden wir den heiligen Geist, der erst an fünfter Stelle steht, an die erste, die Erkenntnis; an die zweite, dann die heil. Lauterkeit an die dritte Stelle gebracht haben. Nun aber sehen wir zwar die Erkenntniß auch an zweiter Stelle, an der ersten aber die Lauterkeit des Willens und der Begier. Diese Stellunz die an und für sich selber richtig sein muß, weil ja t. Paulus den Geist des HErrn hat, rechtfertigt sieh bei einiger Ueberlegung schnell auch vor unserm Das Leben wahrer Christen, wie es in den Aposteln zur Erscheinung kommt. 337 Verstande. Ohne Lauterkeit der Begier giebt es in göttlichen und geistlichen Dingen keine rechte Erkennt- nißz diese Erkenutniß ist zu sehr ein Stück des Lebens, als daß sie von andern losgetrennt werden könnte. Es giebt schon eine Verftandeserkenntniß und eine Gelehrsamkeit, die ohne Tugend entsteht und wächst und groß wird: wie viele befitzen sie und verzichten in der Ruhe, die sie darauf liegend halten, auf Besseres und Größeresl Aber dies fahle, todte Licht des menschlichen Verstandes ist von dem göttlichen Lichte der Seelen, welches auf dem Wege unsrer christlichen Erkenntniß und Vollendung Erkenntniß heißt, sehr verschieden. Keine wahre Erkenntniß ohne ein lauteres Herz; Finsternis: ist im Innern, solange nicht der Wille entschieden zum Guten sich neigt. Es ist eine Thatsache, die kein Erfahrener leugnet, daß oft eine lautere Willenskraft vorhanden ist, während ihr doch noch Licht, Weg und Ziel mangeltx daher eht allers dings unser Weg von der Lauterkeit zur rkenntniß. An der dritten Stelle bringt uns dann der Apostel Langmuth, an der vierten Freundlichkeih wie in der vorigen Epistel (1. Cor- 13, l ff.) von der Liebe gesagt wird, sie sei erstens langmüthig, zweitens aber freund- lich, so ist auch hier die Freundlichkeit nach der Lang- muth gesetzt. Was wäre auch eine Freundlichkeit ohne Lan muth? kann man eine Tugend hoch anschlagen, die eine Dauer hat, sondern schnell wieder dahinstirbt? kann jemand die bleibende, andauernde Tugend der Freundlichkeit besitzen, ohne die Macht in seiner Seele zu haben, vermöge deren man alle Schwachheit des Nächsten und jedes Hindernis; der Liebe überwindet? Wahrlich, einen guten langen Muth, ein ausdauerndes unermüdliches Wohlwollen bedarf derjenige, bei dem die Freundlichkeit nicht pur Aprilwetter und vergäng- liche Laune sein soll! Die geistliche Tugend der Lang- müthigkeit aber, die Mutter der Freundlichkeih ver- dankt ihr ganzes Leben dem lauteren Willen und der denselben begleitenden klaren Einsicht: bei unlauteren, falschen Herzen, sowie bei dunkler und wandelbarer Erkenntniß giebt’s weder Langmuth noch wahreFreund- lichkeit, du müßtest denn die angeborenen temperament- lichen Tugenden gleichen Namens mit den geistlichen Tugenden vermengen. Nunmehr folgt an fünfter Stelle der heil. Geist: es versteht sich von selbst, daß darunter hier nicht im Allgemeinen die dritte Person der Gottheit gemeint sein kann —- wie würde auch Der, welcher ein Quell und Meister alles Guten ist, in irgend einer Reihe die fünfte Stelle einnehmen können? Es muß hier unter dem Namen ,,heiliger Geist« irgend etwas, irgend eine Wirkung des vor- handenen heiligen Geistes gemeint sein, die an fünfter Stelle stehen kann, die zu dem bereits Angeführten in einem Verhältniß des Fortschrittes, zu dem aber, was nachfolgt, im Verhältniß der Urfache zur Wir- kung steht. So ist es auch: hat der heil. Geist lauteren Willen, Licht der Seelen, Langmuth und Freundlichkeit geschenkt, so mehrt sich nun das Leben; der Geist des HErrn, der zuvor zündete nnd den Anfang machte, tritt jetzt mit Flammen hervor in’s Bewußtsein der Seele und wie ein fprühender, feuriger Quell, so daß sich die vorgenannten Erstlingstugenden wiederholen und zu einer neuen Stufe der Verklärung gefördert werden. Da wird denn durch die neue Kraft und Wirkung des heil. Geistes aus der Lauterkeit und heil. Stille der Begier die ungefälschte Liebe, die lautere, brennende Begier, die nach dem Heile der Brüder hungert und dürstet; aus der Erkenntnis; wird nun die Offenbarung, das Wort der Wahrheit, und was zuvor eine schwache Erkenntnis; war, wird nun zur göttlichen Gewißheit; an die Stelle der Lang- Dächselttj Bibelnserh VlL Band. muth tritt nun die Kraft des HErrn, und aus der Freundlichkeit hervor hebt sich eine gewaffnete Gerechtigkeit, welche rechts und links den Feinden trotzt und ihnen ein Zeugniß wird, daß hier ist Im- manuel. (Löhe.) Die Keuschheit dessen, welcher sich von den Dingen der sündlichen Welt und ihrer Lust rein erhält, bildet die andere Seite zur Geduld des unter allem, was sein Leben in der Welt ihm Schweres bringt, standfest Aushaltenden und schließt sich»am nächsten an das Fasten oder an die Selbftkasteiung an; die Erkenntniß aber, welche sich neben diese Reinigkeit stellt, ist im Sinne von I. Cor- 8, 1 ge- meint: sie besteht in der sittlichen Erkenntniß, welche die Reinigkeit nicht in irgend welche Aeußerlichkeit setzt, sondern richtig beurtheilt, was den Menschen vor Gott rein und unrein macht. Sonach bezieht sich beides auf das Verhältnis; zu Gott, dagegen das fol- ende Gliederpaan in Langmuth, in Freundlich- Seit, auf das Verhältnis; zu den Menschen; wie aber diese beiden Gliederpaare, so sind auch die nächsten beiden: in dem heiligen Geist, in ungefärbter Liebe —- in dem Wort der Wahrheit, in der Kraft Gottes, einander gleichartig, und zwar schon darin, daß« der Ton im ersten auf den Adjektiven (,, eilig, ungefärbt«), im zweiten auf den Genitiven (,, ahrheit, Gottes«) ruht. Das eine Mal sagt der Apostel, was für ein Geist es ist, der ihn regiert, und was für eine Liebe es ist, die ihn beseelt; und das andere Mal, welcher Art das Wort ist, das er hand- habt, und welcher Art das Bermö en, das er ausübt. Dort verhalten sich ,,Geist« und ,, iebe« zu einander gemäß I. Cor. 14, 1., und hier ,,Wort« und ,,Kraft« wie 1. Cor- 4, 20. Heiliger, nicht weltlicher Geist ist es, welcher das in ihm wirkt, worin sich feine Be- gabung kund giebt, und ungeheuchelth nicht blos scheinbare Liebe ist es, die ihn seine Gaben zum Dienst der Brüder verwenden läßt; und spricht er, so ist es Wahrheit, die er Verkündigt, hand elt er, so ist es göttliches Vermögen, das ihn stark macht. An dies Letzte schließt sich: durch Waffen der Gerechtig- keit an, zu den beiden vorhergehenden Reihen, die aus je zweimal zwei Gliedern bestehen, die dritte bil- dend. Waffen der Gerechtigkeit sind die Kampfes- mittel des Christen, sofern sie dem dienen und zu dienen geeignet sind, was von Gottes-wegen Rechtens ist; da aber in diesem Kampfe der Widerpart sowohl bestritten als abgewehrt sein will, so fügt« der Apostel hinzu: zur Rechten und zur Linken, ja betont diesen Gegensatz vornämlich, wodurch auch diese an sich un- gegliederte Reihe eine zweitheilige wird und sich zu- gleich die Reihe von Gegensätzen einleitet, in denen der dritte Abschnitt dieser Aufzählung verläuft. Nach- dem nämlich der erste Abschnitt derselben (V. 4f.) fein Verhalten nach der Seite der Leidentlichkeih der weite (V. 6 f.) nach der Seite der Thätigkeit be- fchrieben hat, wird nun der dritte die Selbstgleichheit eines Verhaltens in allen Gegensätzett »seiner Lage beschreiben, so zwar, daß wir hören, wie er sich von keinem Gegenfatze beirren läßt, den er durch- zumachen hat, und alle Gegensätze, sei es dessen, was er wirklich und was er vermeintlich ist, oder dessen, was er in Wirklichkeit gegensätzlicher Weise beides zugleich ist, als für ihn gleichgiltig oder in ihm auf- gehoben unter stch beschl1eßt. (v. Hofmann.) s) Jn den verschiedensten Lebenslagen und unter den entgegengcfetztesten Erfahrun en beweisen die Apostel sich als Diener Gottes und empfehlen darum ihr Amt. Durch Ehre, die sie sich bei den Freunden des Evan- geliums erwerben, und durch Schande, die sie sich ei den Gegnern zuziehen, erhalten sie das Zeugnis; 22 338 T. Corinther S, 1l—13. als Diener Gottes: wer das Evangelium annimmt, erfährt dessen Kraft und wird die segnen uiid loben, die ihm solche Wohlthat gebracht haben; wer das Evangelium verwirft und zuriickstößh wird sich doch der richtenden Schärfe des Wortes nicht zu entziehen wissen, von welcher fein Gewissen getroffen ist. Je mehr die Ungläubigen gegen das Evangelium sich auf- lehnen und Ie grimmiger ihre Angrisfe gegen dasselbe werden, desto mehr erkennen sie damit an, welche hohe Kraft der Verkündigung beiwohnt, gegen die sie o gewaltige Mittel aufwenden. Die bösen Gerüchte sind nun die, welche von denen kommen, die der Wahrheit feind sind, die uten Gerüchte die, die von Freunden der Sache ottes kommen. Mit »als« bringt dann Paulus eine Reihe von näheren Be- stimmungen zu den bösen und guten Gerüchtem indem er den bösen Ruf und das Nachtheilige anführt, das die Welt von den Aposteln sagt, und diesem immer den wahren Sachverhalt und das Rühmliche gegen- überstellt, das ihnen in Wahrheit zukommt. Als die Verführer oder Jrrgeister, wie auch Christus von den Juden in Matth. 27, 63 ein Verfiihrer genannt worden, als Leute, die zu schwärmerischen und gefähr- lichen Grundsiitzen verlocken und das Volk auf falsche Wege leiten, sind die Apostel von ihren Feinden ver- schrieen, und in Wahrheit sind sie doch wahrhaftig, m der Lehre vertreten sie die Wahrheit und mit ihrem Wandel leben sie in der Wahrheit. Als die Unbe- kannten, als obscure Leute, die man in weiteren Kreisen nicht kannte und die in eingebildetem Hoch- muth sich nur an einzelnen Orten ungebührlich vor- drängen, werden die Apostel von ihren Gegnern be- Zeichney und in Wahrheit sind sie doch bekannt, eute, die man wohl kennt, die in allen Gegenden von denen anerkannt sind, welche ihre Predigt auf- genommen und die Kraft des Evangeliums an sich erfahren haben. Jn den folgenden Gegensätzen bleibt nur noch die Beziehung auf die ,,bösen Geriichte« je im ersten Glied; im zweiten Glied wird der wirkliche Sachverhalt hervorgehoben ohne Beziehung aus die »guten Gerüchte«, daher auch die freie Construction: »und siehe, wir leben«. (Sommer.) Jn dem »durch Ehre und Schande, durch böse Gerüchte und ute Gerüchte« behält das durch wesentlich denselben Sinn, welchen es in den Worten V. 7: ,,durch Waffen der Gerechtigkeit« hatte, nämlich den, das Mittel abzu- geben, welches zur Bewährung und Empfehlung des poftels (V. 4) in Anwendung kommt, nur mit dem leicht faßbaren Unterschied, daß die Waffen der Gerechs tigkeit der Apostel selbst führt und sich ihrer bedient in seinem Amte, dagegen Ehre und Schande, böse und gute Geriichte Mittel sind, welche Gott jedes in seiner Weise braucht, um den Lauf seines Evangeliums zu fördern; denn daß gerade Lästerung der Wahrheit und Verleumdung ihrer Diener nicht selten hat dazu dienen müssen, ihnen zu solcheii Herzen Bahn zu brechen, welche das Lob mißtrauisch aufgenommen hätten, aber ge en die Wahrheit selbst noch nicht vollkommen ab- ge chlossen und verhärtet waren, ist eine in geistig bewegten Zeiten, alten wie neuen, nicht selten wieder- kehrende Erfahrung. Was nun der Apostel von bösen und guten Gerüchten gesagt hat, welche den Dienern Christi folgen, führt er mit immer sich steigerndem Schwung der Rede aus in einer siebenfachen Gegen- überstellung dessen, wofür die Boten Christi vor der Welt gelten und was sie in Wahrheit sind, und zwar so, daß der trügliche Schein, der Inhalt der bösen Gerüchte immer voran steht, das Zeugniß der Wahr- F« im zweiten Gliede folgt. Von den beiden ersten egensätzenr »als die Verführer und doch wahrhaftig, als die Unbekannten und doch bekannt« war bereits die Rede; Paulus fährt nun fort: ,,als die Ster- bend en, und siehe, wir leben.« Sterbende, gleich- sam im Sterben stets Begriffene sind sie wegen der beständigen Todesgefahr, in der sie schweben, so daß sie nicht blos der Welt, sondern auch in ihren eigenen Augen solche find, die dem Tode bereits verfallen; mit großer Lebhaftigkeit einfallend heißt es da im zweiten Gliede: ,,siehe, wir leben« — die stete Er- rettung aus den drohenden Gefahren und, was hier wesentlich mit in dem gebrauchten Worte liegt, die immer frische, unverkürzte Lebenskraft, die sich in ihrem Zeugnis; und Verhalten offenbart, ist ein mäch- tiges Siegel ihrer Sendung, eine Beglaubigiing, daß sie Gottes Diener sind· »Als die Gezüchtigten und doch nicht ertödtet«: Gezüchtigte sind sie in Betracht des Scheines, den es hatte, als seien sie ein Gegen- stand göttlicher Züchtigung, Leute, an denen Gott selbst Mißfallen habe und auf die er deshalb seine Plagen lege; die Züchtigung an sich nun leugnet der Apostel nicht (in dem Sinne, der in Hebt. 1«2, 5 ff. aufgezeigt ist, kann er ja wohl zu eben, daß er sie erleide), aber ertödtet werden sie ni t, an’s Leben darf die Züch- tigung nicht gehen, sie darf nur das Leben läutern, kräftigen, erheben, nicht seine Aeußerung und Wirkung mindern. »Als die Traurigen, aber allezeit fröh- lich«: als Traurige, Betriibte mußten sie erscheinen, wenn man ihr äußeres Erkehen in’s Auge faßte, wenn man sah, wie sich eine rübsal nach der anderen auf sie häufte; aber allezeit fröhlich sind sie kraft des sie erfüllenden Geistes, der über den Druck des Leidens sie hinweghebt, weil er es überwiegt durch das Gefühl getroster Zuversicht und sieghafter Hoffnung, mit der er ihre Seelen stärkt (Röm. 14, 17; l. Thess 1, S) — ein rechtes Beispiel solcher Freude in Leid s. Apstg. 16, 22 ff. »Als Arme, aber die viele reich machen«: ihre Armuth an äußeren Gütern war offenkundig, das Arbeiten Pauli mit seinen eigenen Händen (l.-Thess. 2, 9; Z. Thess 3, 8) ist ein .schlagender Beweis dafür; - viele aber werden durch sie reich geniacht, vor allem an sgeistlichen Schätzen, doch kann auch an solchen Gaben, wie sie die Lahmen in Apostg. Z, 6f.; 14, 9 f. und andere Elende empfingen, beiläufig mit erinnert werden. »Als die nichts inne haben und doch alles haben«: daß sie nichts haben, ist der gesteigerte Aus- druck für die vorher bezeugte Armuth, sie sind darin ihrem Meister gleich, der nicht hatte, da er sein Haupt hinlege (Matth.8, 20); aber auch darin tragen sie sein Gleichniß an sich, daß fie trotz ihrer Armuth alles inne haben, wobei an die königliche Würde der Ge- salbten Christi, seiner Gläubigen zu denken, kraft deren die Ereatur jetzt schon zu ihrem Dienst bestellt ist und mit ihnen und um ihretwillen einst verklärt werden soll, wie sie jetzt der Eitelkeit unterworfen ist um ihret- willen. (Burger.) Weil noch Christen auf Erden sind, so muß der Wirth (die Welt) des Gasts genießen; wie auch wiederum der Gast, das ist die Christenheit, des Wirths entgelten muß, so lange sie hier ist. (Luther.) Dieser ganze Abschnitt von V. 4 an, so ausgezeichnet in der Fülle und Lebendigkeit der Aufzählung, in der Kraft und Schärfe der Gegensätze, in der Ebenmäßig- keit der Glieder, im Reichthum des Inhalts, in der Mannigfaltigkeit der Form und in der Frische und Klarheit des ganzen Vildes, wird mit Recht von den Auslegern als eine der schönsten Blüthen paulinischer Beredtsamkeit bewundert; den höchsten Werth aber hat der Inhalt, der einen großartigen und umfassenden Umriß von den Amtsleidem Amtstugenden und dem Amtssegen des evangelischen Predigers, eine Pastoral- theologie im Kleinen giebt. (Osiander.) Anwendung der früheren Ermahnung auf die speziellen Verhältnisse der Coriiitheu 339 b. V.1i-—«tiap.7, i. Es soigt setzt die Jliiwenduiig der Ermahnung in V. 1 s. aus die speziellen Verhält- nisse der Corintheip wie sie unter diesen sich in Anst zn nehmen halten, das! sie nicht vergeblich die Gnade Gottes eins-sahen; derselben geht aber erst noch ein herzensergiisl des Apostels voraus, in weichem einer- seits die duiih die vorangehende Sihilderiiiig hervor« geruseue Geniiithsbewegiiiig noch nachtöiih andrerseiss aber die zn ertheiteiide Warnung und Mahnung ein- geleitet wird, indem es hiersiir daraus antiani, dasl zuvor das geslörte Verhältnis! zwischen deni Jlposkel nnd der Gemeinde iviederhergeskelkt und neii befestigt todte, daniii, was jener zu sagen hat, bei dieser offenen Eingang iiiid willige Rusnahiiie siinde W. 11 -—13). LVaH nini sjaiisiis den Coriiitherii gegenüber ans dem Herzen hat, besteht zunächst in der ernsten Warnung vor ungehörigeiii Genieiiischastiiiacheii niit Heiden und vor dem Eingehen in heidiiisiises Treiben; in der Art, wie diese Warnung durch eine siinffciche Gewissengsisage eingeschiirst wird, inacsit sich der noch sortwirliende Schwang gehobener Rede, der im vorigen Illischnitt und in der Einteilung zu dem vorliegenden herrschte, bemerkbar. Die siinste Frage giebt dann Gelegenheit, die theuersieii Verheisliiiigeii Gotte-·«- aus tliose und den Propheten dem Chrislenvoitiezuzueignen « und davon Ilniap zn einer gar herzbeiveglicheii Gr- uiahiiiiiig herzunehnien (V. txt-Kalt. 7, 1). 11. O ihr Corinthcr, unser Miind hat fiel) zu euch aufgethan shat sich in dem, was ich eben geschrieben, mit rückhaltloser Freimüthigkeit gegen euch ausgesprochens unser Herz ist getrost« [rich- tiger ist erweitert oder weit gemacht, daß es euch alle mit voller und ganzer Liebe umfaßt) 1»2. Uuserthallzeii durst ihr euch nicht ängstenz daß ihr euch aber aiigstet, das thut ihr aus herz- lichrr Meinung« fdafür sollte es heißen: Jhr seid nichtenge in uns; aber ihr seid enge in eurem eigenen Jnneren]. 13. Jch rede mit euch als mit meinen Kin- dern [1. Cor. 4, 14f., und erwarte nun das, daß ihr sLiebe um Liebe gebend] euch auch also gegen inich stellet swie ich zu euch stehe] und seid auch getrostttt fwerdet auch weit V. 11., indem ihr euer jetzt so verengtes, verschlossenes Herz mir aufschließet, um mit meinen nun folgenden Ermahnungen mich eine Stätte darin finden zu lassen]. · , V) Der Apostel hält mit dem, was er in V. 3—10 geschriebeii, hier inne und, als wundere er sich selbst über den reichen Strom des Geistes, der sich in die Befchreibung eines rechten Dieners Gottes ergossen, ruft ei: aus; »O ihr Corinther, unser Mund hat sich zu euch aufgethan!« Lieber hielte ei: seinen Mund zu, als daß er von sich selbst und seinen Amtsthaten redete, insofern diese iiinerlich sich vollbrachten; aber wo er zu seiner Brüder Bestem reden mußte, da überwand er auch die Unliebsanikeit des Selbstlobes. (Besser.) Bei den Worten: »Unser Herz ist getrost« beruht Lutheifs Uebersetzung auf einem Mißverständniß der Stelle, welches ihn auch den folgenden Vers uiirichti fassen ließ; es sollte vielmehr heißen: ,,unser Herz it weit« (früher hatte Luther: ,,hat fiel) ausgebreitet«). Wie Pauli Mund vorhin sich zu den Eorinthern auf- gethan, insofern er ohne allen Rückhalt sich gegen sie ausgefprochen hat, so ist nun auch sein Herz gegen sie weit, daß er mit großer Liebe sie umfaßt hält. (Burger.) Dem aufgethaneii Munde entspricht das weit geösfnete Herz; ein weit gegen Einen aufgesehlossenes Herz aber ist ein solches, das bereit ist, ihn in sich aufzunehmen und in sich einzufchließen Mit solchem Herzen steht der vor den Corintherm dessen Mund sieh frei auf- gethan hat: sie sollen von ihni sich sagen lassen, ihn: sich hingeben, so fordert er; und er kann das fordern, wenn sie das Zeugniß anerkennen müssen, das er vor- hin sich egeben. (v. Hofinannh «) Zu seiner Ueberse ung bemerkt Luther am Rande: »Aus der vorigen pistel waren die Corinther erschreckt und härmten sich, daß sie den Apostel be- leidigt hätten; nun tröstet er sie und spricht, sein Herz und Mund sei fröhlich und ausgebreitet, darum sollen sie sich nicht ängsten und härmen, als sei ei· über sie unlnstig. Daß sie sich aber darob härmeiy sei an ihm keine Ursach, sondern als fromme Kinder härmten sie sich aus gutem Herzen, da es auch nicht noth ist.« Diese Auffassung der ganzen Sachlage ist 1edoch, wie oben schon bemerkt, eine durchaus verfehlte, undläßt die darauf sich grüiidende Uebersetzung in niehr als einer Hinsicht sich sprachlich nicht rechtfertisenz die Sachlage war vielmehr die, daß das Herz der orinther gegen den Apostel wie zusammengezogen oder zu- famniengefchnurt war durch Mißtrauen in Folge von allerlei Verdächtigungen und Verleumdungem welche feine Widersacher bei ihnen aiigebrachtund welchen sie nun auch Raum bei sich verstattet hatten, und statt nun dieser ihrer· eigenen Herzensengke sich bewußt. u sein, bildeten sie sich ein, sein, des· postels, Herz sei zu enge sur sie, und beschwerten sich wohl auch, sie nähmen iii feinem Inneren eine viel kleinere Stelle eiii als ihnen zukäme. Jn Widerlegung dieses Arg- wohns schreibt er denn zunächst: Jhr seid nicht enge in uns, ini Gegentheil, wie vorhin gesagt, ist unser Herz w eit und umfaßt euch mit so voller, ganzer Liebe, daß ihr es völlig im Befitz habt; wir können euch ja nicht einen noch größeren Raum bei uns ein- nehmen lassen, als ihr ihn schon einnehmet, unser Herz gehört e1ich e»ben ganz. Zugleich aber giebt er zu, daß sie allerdings eingeengt, zufammengefchnürt seien iin Verhältniss zu ihm, daß sie in einer Herzensvew fassung sich befändeip wo es zu keiner Fechten Liebes- bewegung konimen könne, allein die Statte dieser ihrer Beengtheit sollten sie in ihrer eigenen Brust suchen: ihr seid enge in eureni Inneren; wennsie da wollten weit werden, so wurde er seinerseits bei ihnen denjenigen Raum finden, den er jetzt nicht einnehme und der ihn; doch »als einem»Vater im Verhältniß zu seinen geziftlichen Kindern gebuhre. Darauf, auf diesen ihm ge uhrenden Raum, macht er dann ini folgenden Verse Anspruch, der in genauer Uebersetzung lautet: Zur gleichen Vergeltung —- ich rede als mit meinen Kindern (1. Tim. 5, 4) —- werdet auch ihr denn weit! » » « » » sit) Erfiillten die Corinther die vaterliche Er- mahnung ihres Apostels, so nahmen sie die nun fol- ende Ermahnung als von herzlicher Sorge für ihre eelen eingegeben mit Sanftmuth auf, ohne sich das Herz dawider zu verfchließen durch die unkindliche Meinung, Paulus sahe bei ihnen gern schwarz und warnte sie vor Gefahren, welche ihnen nicht gefährlich wären. (Besser.) Ach, Lehrer genug, deren Herz in Liebe offen und ausgebreitet ist, ihre Zuhörer zu um- fangen; aber. dieser Herz ist groß»entyeils· enge und verschlossen, sie init ihrem Wort nicht hineinzulassent (Starke.) Das weite, volle Herz des Christen muß oft die traurige Erfahrung macheii, nicht verstanden, iiicht aufgenommen zu werden. (Heubner.) 224 340 2. Corinther 6, 14. Ziehet nicht am fremden Joch mit den Unglciubigetst sden Heiden) Denn was hat die Gerechtigkeit sdie im Reiche Gottes herrfchender Grundsatz ist] für Genieß lMitgenuß an gemein- schaftlichem Gut] mit der Ungerechtigkeit [diesem Element des heidnischen Lebens Röm. 6,19]? was hat das Licht für Gemeinschaft mit der Finster- ttiß lEphes- H, 8 ff-; Col· 1- 12f-1? 15. Wie stimmt Christus mit Belial [5. Mos. is, 13 Anm.]? oder was für ein Theil hat der Glänbige mit dem Ungliinbigen? 16. Was hat der Tempel Gottes für eine Gleiche mit den Götzeik [1. Cor. 8, In; 10, 19 ff.]? Ihr aber feid der Tempel des lebendigen Gottes [1. Eor. Z, 16]; wie denn Gott fin 3. Mos. 26- 11 f-; Hei. 37, 271 spricht: Jch will in ihnen wohnen, nnd in ihnen wandeln, nnd will ihr Gott sein, und sie sollen mein Voll sein» 17. Darum gehet aus von ihnen und sondert euch ab, spricht der HErr sin Jes. 52, 11], undrühret kein Uureines an, so will ich ench annehmen, 18. Und euer Vater sein, und ihr solltmeineSdhneundTbchtersein,sprirht der allntåchtige HErrspf ff. v. a. der HErr Zebaoth 2. Sam. 7, 8 u. 14]. Das 7. Kapitel. Ermahnung zur Heiligung. 1. Dieweil wir nun solche Verheißnng fwie sie in den V. 16—18 angeführten Sprüchen enthalten ist] haben, meine Liebsten, so lasset uns von aller Besleckniig des Fleisches sdie da gefchieht in Begebung der Sinne nnd Glieder zum Dienst der Unreinigkeit Röm. s, 19] und des Geistes L,damit"der Mensch inwendig sich vor Gott befleckt und verderbt, da es doch" vor der Welt und äußerlich nicht so scheint«: Luther] uns reinigen, und fortfahren mit der Heiligung in der Furcht Gottes-f [als des Allwissenden und stets Gegen- wärtigen, dessen Gemeinschaft bedingt ist durch ernstliches Streben nach vollendeter Heiligkeit Hebr. 12, 14]. i) Diese Ermahnung nimmt die allgemeine in V. 1 in sehr bestimmter Anwendung auf das in V. 3 auf- gestellte apostolische Vorbild der Unanstößigkeit auf. siander.) iit einem feinen Unterschied des Aus- drucks, der im Deutschen nur schleppend wiedergegeben werden könnte, heißt es im Grundtext: ,,werdet nicht Leute, die am fremden Joch ziehen mit den Un- gläubigem( Der Apostel warnt sie, es dazu nicht ommen zu lassen, in diese für sie nicht geziemende Verbindun sich zu begeben; er will nicht voraus-setzen, daß sie s on in solchem Joche ziehen, sondern dem zuvorkommem daß sie nicht dahin gerathen es zu thun. Der Ausdruck: ,,am fremden Joch ziehen« beruht auf alttestamentlichen Stelleth namentlich 5. Mos. 2«2, 10., 14—18. 7, I. wo verboten ist, reine und unreine Thiere zusammen- zufpannem dieses Verbot behandelt Paulus ähnlich wie das in 5. Mos. 25, 4 (ngl. 1. Cor- 9, I) als ein vorbildliches oder typisches, welches seinen eigentlichen Sinn in der Anwendung findet, die er davon macht. Ein fremdes Joch für den Gläubigen ist das, in welchem die Ungläubigen ziehen: mit ihnen, dies der Sinn des Bill-es, soll er sich nicht zusammenspannen lassen, daß er mit ihnen gleiche Jnterefsen verfolge, in ihre Be- strebungen, Anschauungem Grundsä e sich verflechten lasse. Der Ausdruck ist absichtlich a gemein gehalten; er ist nicht auf ein Verbot gemischter Ehen mit Un- gläubigen oder der Theilnahme an ihrem götzen- dienerischen Treiben zu beschränken, wiewohl beides ohne Zweifel mit einzuschließen ist, sondern greift weiter und umfaßt jede Art von Verbindungen, welche dem Christen die lautere und entschiedene Wahrung seines Standpunktes, seines göttlichen Berufs unmög- lich machen oder auch nur erschweren könnten. Daß nicht alle und jede Art von Verührungen mit Un- gläubigen an sich ausgeschlossen sei, beweist 1. Cor. 5,10; aber etwas Anderes sind die Beziehungen, welche das äußere Zusammenleben in derselben bürger- lichen Gesellschaft bedingt und unvermeidlich macht, und etwas Anderes das freiwillige Zusammengehen zxur Verfolgung bestimmter Ziele, das unvorsichtige inlassen in Verbindungen, die den Gläubigen unwill- kürlich zum Theilhaber an Werken der Finsterniß und widergöttlichem Treiben machen. (Burger.) Das ,,mit den Ungläubigen« bezeichnet nach dem Wortlaut des Grundtextes eine Genieinschafh in welcher der un- gläubige Theil das Maßgebendh für die Denk- und Handlungsweise des christlichen Theils Ve- stimmende ist; das gedachte Joch ist das von Un- gläubigen gezogene, den Christen fremdartige, und letztere sollen nicht behufs Mitziehens daran den Un- gläubigen verfügbar sein. (Meyer.) Wer liebt Gesellschastem die ihn die Liebe Gottes kosten? (Hed1nger.)»Chr1sten müssen sich solcher Gesellschast enthalten, die nicht unter Christi Joch ziehen will; die ihnen widerfahrene Gnade ist as Joch, unter dem sie zu gehen haben: Matth. 11, 29 f.; Röm. 6, 15 ff. (Berleb. B1b.) — its) Seine Abmahnung begründet der Apostel in fünf Fragesätzeiy worin er den Corinthern die Un- vereinbarkeit christlichen und heidnisogen Wesens zum Bewußtsein bringt; die Häufung der ragen hat etwas Nachdrückliches und Eindringliches. (Kling.) Von den fünf Fragen gehören die zweite und dritte, die vierte und fünfte näher zusammen; auf den Gegensatz der menschlich-sittlichen Beschaffenheit, die hüben und drüben statt hat, in der ersten Frage (Gerechtigkeit und Ungerechtigkeiy fol t der Ge ensatz sowohl des beider- seitigen Vereichs, er nach feiner Zuständlichkeit mit «,,Licht« und »Finsterniß« benannt ist, als auch der beiden Häupter desselben, des von Gott gesandten Heilsmittlers (Christus) und des widergöttlichen Ver- derbers (Velial); hierauf wiederum folgt der Gegensatz dessen, worin sich das hier und dort ftatthabende Ver- halten zu Gott ausprägt, einerseits nämlich in der Gläubigkeit und Ungläubigkeit des Einzelnen, andrer- seits in dem, was die einen und was die andern zu einer gottesdienstlichen Gemeinschaft vereinigt, dem Tempel Gottes dort und den Götzenbildern hier. Was die Ungenauigkeit des Gegensatzes ,,Tempel Gottes« und ,,Götzen« anlangt, so ist sie nur eine scheinbare und wird dadurch aufgehoben, daß die eigentliche Meinung desselben auf die Unverträglichkeit des hier und dort gottesdienstlich Einigenden geht: um die s Götzeii sammeln sich die Unglänbigem einen Tempel Warnung vor dem Gemeinschaftmachen mit Heiden und Ermahnung zum Fleiß in der Heiligung. 341s Gottes bilden die Gläubigen, wie das aus s. Mos 26 angeführte Wort besagt. (v. Hofmann.) Die fünf Gewissensfragen sind so geordnet, daß die beiden ersten die Geschiedenheit des Heils vom Verderben, die mittelste die Geschiedenheit des Heilands vom Ver- derber, die beiden letzten die Geschiedenheit der Ge- heiligten von den Verde-rbten zum ersragten Inhalt haben. (Vesser.) Paaren (V. 14 u. 15) verbunden; die fünfte, zur l)öchsten Bezeichnung der christlichen Heiligkeit aus- steigend, steht allein (V. 16), und an sie nun knüpft sich zum mächtigen Schluß der Rede das sie bestätigende Zeugnis; und Geheiß Gottes in V. 16—18. (Met)er.) ON) An jene Zusage in V· 16., welche Jehova Jsrael gegeben hat, daß er in seiner Mitte gegenwärtig sein» und als sein Gott es zu seinem Volke haben will, schließt Paulus in V. 17 u. 18 mit freiestem Gebrauch alttestamentlicher Worte die Ermahnung, die den Co- rinthern aber eine Ermahnung desselben Jehova und seiner heil. Schrift sein soll, von denen sich zu sondern, die nicht sein Volk sind, und mit deren unreinem Wesen unverworren zu sein, indem er dann, also unter dieser Bedingung, sich als Vater zu ihnen als seinen Söhnen und Töchtern bekennen und halten will. Da sie» doch diejenigen sein wollen, an welchen jene Ver- heißung der Schrift in Erfüllung gegangen ist, so müssen sie auch der Ermahnung nachkommen, welche ihnen dann gilt: nur so sind sie der Gotteskindschaft theilhastig, welche den Gliedern des Volkes Gottes zugesagt ist. Der nicht wörtlich so in der Schrift hinter dem aus Jeix 52, 11 Entnommeiien vorsindliche Schlußsatz: »so will ich euch annehmen und euer Vater sein, und ihr sollet meine Söhne und Töchter sein» ist wohl deshalb so gefaßt, um die Leser zu erinnern, welchen Ersatz sie finden für den Verlust, den ihnen die Absonderung von der heidnischen Gemeinschast bringt, wenn sie dadurch Eltern und Geschwistern nnd Blutsverwandtrn entfremdet werden. (v. Hof:nann.) Paulus schmelzt viel Sprüche auf einen Haufen und geußt einen solchen Text daraus, den die ganze Schrift giebt und der der ganzen Schrift Meinung ist. (Luther.) Wie gebrechlich es auch bei uns aussieht, so sollen wir doch den, durch den Glauben an den Namen des HErrn Jesu und durch den empfangenen Geist unsers Gottes erreichten Unterschied und Vorzug vor der im Ar en liegenden Welt nicht gering nehmen. (Rieger.) Zu der Welt sind wir von Gottes Angesicht verwiesen: wer von ihr ausgeht, wird vom Vater angenommen. (Heubner.) f) Mitergriffen von der allerhöchsten Liebe, die in den angeführten Verheißungen sich aussprichh redet Paulus seinen Brüdern und Schwestern, den Söhnen und Töchtern des allmächtigen HErrn, recht an’s Herz: »meine Liebsten«, und wandelt seine väterliche Er- mahnung (Kap. 6, 14 sf.) in den Ausruf, den er an sich selber mit richtet: ,,lasset uns!« Wir haben, schreibt er, solche Verheißungent wir haben sie als erfüllte durch den Glauben, als noch zu erfiillende in der Hoffnung. Wir sind angenommen von Gott zu seinem Volke, einem Volke von Söhnen und Töchterm und wir sind geheiligt zum Tempel des lebendigen Gottes, in welchem Gott wohnt und wandelt; doch ist noch nicht erschienen, was wir sein werden, wenn auf den letzten Ausgaii aus dem Wesen dieser Welt, nämlich aus dem rabe, der Eingang in’s ewige Vaterhaus im Himmel folgen wird. Auf daß wir dann erfunden werden mögen unter den Angenommenen und Geheiligteii, so laßt uns er. (Besser.) Die Aus- forderung, uns selbst zu reinigen, steht nichtini Wider- fpruch mit der Wahrheit des Wortes in 1· Cor. s, 11·, Die vier ersten Fragen sind zu zwei» sondern die bereits empfangene Gnade verpflichtet uns, was Gott an uns gethan und geschenkt hat, nun auch in treuem Gehorsam zu benutzen und dazu die von Gott mitgetheilte Kraft und Gnade uns dienen zu lassen. Von Befleckung des Fleisches und des Geistes redet der Apostel, wobei unter jener zunächst die Sünde leiblicher Unreinigkeit, Unmäßigkeih Unzucht und was dazu gehört, unter dieser solche Sünden, welche ihrer Natur nach geistiger Art sind, wie Stolz, Ehr eiz, Neid, Herrschsucht &c· zu verstehen sind. Sünden des Hzleisches und des« Geistes schließen sich aber nicht ge enseitig aus, sondern berühren und kreuzen si beständig; um so nöthi er ist, gegen beide ernstli anzukämpfew Für. die orinther war auf der einen Seite der Hang: zu geschlechtlichen Sünden und die Neigung zur heilnahme an götzendienerischer Un- sauberkeih auf der andern die hochfahrende Eitelkeit und der Dünkel vermeinter Höhe der Erkenntniß e- sährlich und Gegenxtzand nothwendiger Wachsam eit und Bekämpfung. ( nrger.) Was die Heiligun betrifft, u der der Apostel nächst dem Reinigen due tägliche uße und Erneuerung ausfordert, so ist ja diese angefangen durch Abtreten vom gemeinen Gemeng, durch Zugang zu Gott, durch Hingabe in seinen Dienst; aber fortgefahren nnd vollendet muß es sein. Furcht Gottes ist hierbei unsre Festung nnd Bewahrung: nur nicht durch Vermessenheit daraus entfalleni 2· Petri Z, 17. (Rieger.) Auf dem schmalen Wege nicht fort- schreiten heißt rückwärts schreiten; denn am mindesten gut ist, wer nicht besser sein will, und wo jemand an- fängt besser werden nicht zu wollen, da hört er auf gut zu sein. (St. Bernhard) C. d. 2—Kao. IF, 10. Der jeht folgende zweite Theil ist nicht unmittelbar eine weitersiilsrung des ersten Theils, sondern er eröffnet gleich in seinen Tingangsoersen fiir das, was nun zur Verhandlung iionimen soll, solche Gesichtspunkte, die unverkennbar dem Apostel erst durch inzwischen empfangene neue Nachrichten iilier den Stand der Dinge in Torinth aufgegangen sind (ogl. zu Lan. I, L) und da einerseits die Wiederaufnahme eines Gegenstandes, der bisher sitzen erörtert worden war,- nöthig machen, um ihn auch noch in anderer Hinsicht zu erledigen, und andrer- seits zu einer speziellen und ausführlichen Behandlung der- jenigen Angelegenheit, die bisher noch gar nicht hatte beriitfrt werden können, Veranlassung geben. von wein diese neuen tlaihriclzten dem Paulus zngelioniiiiem das sagt er ebenfalls bald anfangs, indem er nunmehr der Rück· hehr des Titus zu ihm gedenkt, von dem er in Rad. 2,12 f. nur erst melden konnte, daß er in Troas ihn nicht vorgefunden und deshalb die Weiierreise nach sklaeedonien beschleunigt habe; sie sind nun aber auch derart, daß rr jeht gleich von Haus von der Gemeinde als solcher seine Widersacher als einen zu der Gesanimtheit derselben nicht mehr zählenden Theil abliish um sie offen zu bestreiten nnd öffentlich zu beschämen, was er litsher noch nicht gethan hatte. I« V. 2—s.ap. 9, is· Indem der Jlpostel die drei se— srhutdigungen, welche seine Gegner in Torinih gegen ihn erhoben und nach den Trösfniingem die Titus ihin ge-. taucht, damit Mißtraueic gegen seine tieihilictzlieit und Uncigrnniihigtzeii bei der Gemeinde zu ermcitien suchten, zunächst durch einfache Ablehnung zurücliweisk sucht er die Torintheig soweit diese noch nicht selber zu den entschiedenen Gegnern gehörten, sondern niit ihrer iljcrzenestcllung zwischen den beiden Parteien insofern hin und her schwaniiiem als sie den vrrleumdern zwar nicht ohne weiteres glaubten, aber doch auch den Verlenins deten nirht wider sie in Schutz nahmen und ihnen iiiit 342 Z. Corinther 7, 2—-9. tlaehdructi den sklund staunen, durch ebenso vertrauens- volle als zarte Zegegnung auf seine Seite zu ziehen und dassir zu gewinnen, daß he in tliebe und vertrauen steh mit thm Zusammenwirken; nachdeni er sie denn so den Gegnern, aus deren Seite sie sith neigen wollten, wieder abwendlg gemacht hat, entnimmt er von jenen tief-hul- digungen das Thema fsir die drei dinlerthclle dieses ersten Abschnitte; in der Art, daß er die erste und zweite Beschutdigung gleieh auf einmal durch nothmaligeg Ein« gehen aus die Same mit dem Blulsehänder alcthut, der dritten tiesehuldigung aber durch eine zwiefache Be— sorechung der Tabellen-Angelegenheit allen Grund und Boden wegnim1ut. a. V. 2—16. Nach dem schon vorhin licsprochetten Eingang zu den drei Unterlheiteti linsers Abschnills (V. 2—7) folgt die Wiederaufnahme der Dis- ciolinaratigelegenheihdiederdposielinttlorä angeregt und nach Rats. L, 1 fis. auch bereits in einer ihn selbst vollständig befriedigenden Weise erledigt halte: Paulus srent sich iiber die Wirkung, welche das, was er im vorigen Briese in dieser Angelegenheit ge- slhriebetp hervorgebracht hat nnd womit der Zweck seines Schreibens allseitig erreicht ist O. 8—12); er siihll sich vollkioniniett auih der Corinlher wegen beruhigt, die das Vertrauen, welches er den: Cimolhetis gegen- iiber in sie gesetzt hatte, ganz und gar gerechtfertigt haben, and wie nun dieser ihnen setzt noch viel mehr als vordern zngelhair ist. so nersiehet er auch selber sich alles Guten zu ihnen siir die Zuliunst O. 13—t6) 2. Fasfet uns fgebet uns Raum in eurem Herzen, damit die Liebe eurerseits richtig verstehe und beurtheile, was die Liebe unsrerseits gethan und angeordnetshah und ihr nun der Versicherung glaubet]: wir haben niemand Leid soder Unrecht] gethan swie etliche uns dessen in Beziehung auf den Uebelthäter 1. Cor. 5, 1ff. beschuldigenh wir haben niemand verletzt soder geschädigt, wie man das uns nachredet in Beziehung auf die Bestrafung, die jenem in Folge unsers Andringens in 1. Cur. 5, 13 von der Mehrzahl der Gemeinde widerfahren ist Kap. 2, 6]; wir haben niemand vetvoriheilet [oder um das Seine gebracht, wie man unsrer Anordnung der Collekte in 1. Cor. 16, I ff. eine so schlimme Deutung gegeben hat Kap. 12, 17]. Z. Nicht sage ich solches swas ich hier von allerlei üblen Nachreden und Befchuldigungeti gegen uns schreibe], euch zu verdammen [ais wäret ihr selber die, welche solche böswillige Aeußerungen thun, und betrachteten wir deshalb euch als unsre Feinde]; denn ich habe droben smit dem, was ich in Kap. 6, 11 ff. äußerte] zuvor gesagt, daß ihr in unserm Herzen seid sPhiL 1, 7], mit zu sterben nnd tnii zu leben [d. i. unter allen Lagen und Umständen, es gehe nun mit uns zum Tode oder zum Leben Kap. G, I; Röm. 8, 38]. 4. Jch rede [vielmehr, statt euch zu ver- dammen] mit großer Freudigkeit zu euch [ais zu solchen, zu denen ich gute Zuversicht habe]; ich rühme viel von euch sbei denen hier in Macedonien Kote. 9, 2]; ich bin etsbllet mit Trost, ich bin übetschwäitglich in Freuden [überaus reichlich ver- sehen mit Freude] in alle unserm Trübsal« [dar- unter wir in diesem Leben überhaupt einhergehen müssen Kap. 1, 4; 4, 8 und damit wir nun auch wieder hier in Macedonien beschweret.sind V. 5]. 5. Denn da wir [nach dem in Kap. 2, 13 erwähnten Aufbruch von Troasj in Macedonien kamen, hatte swährend bis dahin der Geist der beunruhigte Theil gewesen war, nun auch] unser Fleisch keine Ruhe; sondern allenthatben waren wir in Trübsal, auswendig [gab es dafür uns] Streit smit den feindfeligen Juden], inwendig loher, in Folge der Kämpfe, die wir zu bestehen hatten] Furcht sindem es nur gar zu leicht wieder zu Verfolgungen für uns kommen konnte, wie bei unserm ersten Aufenthalt in Macedonien Apostg. 16, 12—17, 15]. b. Aber Gott, der die Geringen sNiedrigen oder Niedergebeugten] tröstet [Kap. 1, 3], der tröstete uns durch die Zukunft [d. i. Zu-uns-kunft oder Ankunft Apostg 7, 52; 1. Cur. 16, 17] Titi sdaß wir ihn nach dem langen, sehmerzlichen Warten endlich wieder hatten Kap. 2, 13]. 7. Nicht allein aber durch seine Zukunft sdie ja an und für sich schon etwas Tröftliches für uns hatte]; sondern auch durch den Trost, damit et gettöstet war an euch sin Beziehung auf euch LThefs 3, 7], und vertimdigtc sderseibe nun auf Grund der von ihm in Corinth gemachten Beobachtungen und Erfahrungen] uns euer Ver- langen smich wieder bei euch zu sehen V. 11], enet Weinen [oder Wehklagen, mit den Unord- nungeu in euern Gemeindeverhältnissen mich so betrübt zu haben], euren Eifer nm mich [mich zu beruhigen und zufrieden zu stellens also, daß ich mich noch mehr freuen« sals ich schou durch den Trost, den er selber gewonnen, erfreut worden war] «) Dieser Abschnith verglichen mit Kap. 10ff., zeigt klar, daß Paulus zwar den ganzen Brief an die äußerlich noch ungetrennte Gemeinde schreibt, daß er aber doch sich innerlich in den ersten neun Kapiteln mehr an die Wohlgesiniiten und in den späteren Ka- piteln mehr an die Widersacher richtet. (Olshausen.) Die Worte: ,,fasset uns« sind von dem An- und Auf- nehmen mit dem Gemüth zu verstehen, von dem wohl- wollenden, liebenden Anhören und Eingehen in den Sinn des Sprechendem der Apostel begehrt damit die freundliche Aufnahme wohlwollenden Vertrauens für sich, wie man sie von einem liebenden und geliebten Freunde erwarten kann. (Burger.) Aus liebloserz engherziger Gesinnung nämlich ließen die Corinther es zu, wenn sie auch selbst der bei Weitem größten Mehrzahl nach dergleichen vom Apostel nicht glaubten, daß seine Gegner solche Beschuldigungen gegen ihn aufstelltem wie hier angeführt werden, er habe Andere beleidigt, in’s Verderben gestürzt durch zu große Härte, und Geld erpreßtx indem er nun diese Beschuldigungen ablehnt, fiirchtet er in seiner großen Liebe zur Gemeinde, er könne schon mit dieser Verantwortung gegen Vor- würfe, welche sie weit entfernt waren ihm zu machen, Der Epiftel zweiter Theil: Ablehnung anderweitiger Beschuldigungen 343 sie verletzt haben, und versichert sie mit Bezug auf Kap. S, 12 seiner Liebe als einer Liebe für Tod und Leben. (v. Gerlach.) Jm Herzen Pauli waren die Co- rinther Mitsterbende des täglich Sterbenden, Mitlebende des von Tag zu Tag zum Leben Erneuerten; ,,denn«, durfte er sagen (Kap. 4, 15), ,,es geschieht alles um euretwillen«. Bei seinem Sterben im Dienste Christi hatte er sie im Herzen, und seine Fürbitte zos sie hinein in felige Sterbensgemeinschaft; und sein eben im Glauben hoffte er mit ihnen zu theilen bis zum Eingang in’s gemeinschaftliche Schauen (Kap. 4, 14): »Gott wird uns darstellen sammt euch-« (Besser.) Mit den Worten: ,,ich habe viele Freudigkeit zu euch« (wie es im Grundtext eigentlich heißt, statt: ,,ich rede mit großer Freudigkeit zu euch«) sagt Paulus, wie er innerlich zur Gemeinde steht, als der sich des Besten zu ihr versieht; mit dem ,,ich rühme viel an euch« aber thut er kund, wie er sich hinsichtlich der Gemeinde gegen Andere stellt, indem er das Beste von ihr sagen und rühmen kann. Dem Eindrucke, unter welchem er dies schreibt, rückt er dann näher, indem er diesen beiden Sätzen die andern zur Seite stellt: ,,ich bin erfüllet mit Trost, ich bin überschwänglich in Freuden in alle unserm Trübsal-«, wobei er nicht Tröftung und Freude überhaupt meint, sondern eine durch den Zu- sammenhang näher bestimmte Tröstung und Freude, die gerade Ietzt ihn so erfüllt hat, daß nichts in ihm ist, das ihrer ledi wäre, und die er eben jetzt so reich- lich zu erfahren ekommt, daß sie alle seine Drangsal überwiegt, wie groß und mannigfaltig diese auch der- malen ist. (v. HosmannJ Er) Die Ausleger fassen in der Regel das Sach- verhältniß so auf, daß Paulus hier die in Kp. 2, l2 f. abgebrochene Beschreibung seiner Reise von Ephesus über Troas nach Macedonien wieder aufnehme und die dort in V. 14 ff. nur indirekt angedeutete Ankunft des Titus bei ihm erst jetzt direkt und näher darauf eingehend nachbringex aber abgesehen von der Unmög- lichkeit, die ganze Partie von Kap. 3, 1—7, 1 für eine bloße Einschaltung oder ein Zwischenstück anzu- sehen, unterscheidet sich das, was Paulus nunmehr sagt, in so wesentlichen Stücken von dem, was er dort erwähnt hat, daß die beiden Mittheilungen unver- kennbar zwei verfchiedene Perioden beschreiben. Aller- dings kennzeichnet das ,,auch«, welches im Grundtext an der Spitze des 5. Berfes steht, die jetzige Erzäh- lung als eine Fortsetzung der früheren und die nun- mehrige Unruhe als eine zu der vorherigen hinzu- getretene; indessen, während Paulus in Kap. 2, 12 f. mit ,,ich« erzählte und von etwas, das ihn selbst betraf, berichtetc, erzählt er hier im Plural und schreibt »Unser Fleisch hatte keine Ruhe — wir waren allent- halben in Trübsal«, und ferner, während er in Kap- 2, 13 sagte: ,,ich hatte keine Ruhe in meinem Geis«, spricht er hier: »Unser Fleisch hatte keine Ruhe«, was auf eine Unruhe seines äußeren Lebens deutet, die seine Mitarbeiter, außer Timotheus jedenfalls auch Lukas, mit ihm theilen mußten und die, wie aus den Worten in Kap. 2, 15 f.: »unter denen, die verloren werden —- diesen ein Geruch des Todes zum Tode« hervorgeht, von den ungläubigen Juden ihnen bereitet wurde. Es ist ohne Zweifel eine verfehlte Auffassung, wenn die Ausleger diesen doppelten Unterschied eines- theils ignoriren, anderntheils dadurch beseitigen, daß sie die Unruhe im Geist mit der Unruhe des Fleifches identifizirenz auch paßt es gänzlich nicht in den Zu- sammenhang, daß Paulus, nachdem er in V. 2—4 sich alle Mühe gegeben hat, eine liebe und vertrauens- volle Herzensstellung der Corinther ihm gegenüber herbeizuführen, ihnen die Unruhe seines Herzens, die Sorge seiner Seele, die er um ihret- und ihrer Zu- stände willen hatte, jetzt von Neuem aufrücken soll, vielmehr bJnügt er sich mit leisen, zarten Andeutungem wie sie in .7 enthalten sind. Darnach ist das Sach- verhältniß dies: in Katz. 2, 12 f. konnte er seine Mittheilung nicht weiter fortsetzen, weil da, als er den ersten Theil unsrer Epiftel schrieb, er sich noch unter den dort geschilderten Verhältnissen befand, wo er voll innerer Unruhe der Rückkehr des Titus harrete; jetzt aber gedenkt er dieser Rückkehr, weil er mit V. 2 den zweiten Theil der Epistel angefangen hat, bei dem er nun aus dem Standpunkte der von Titus über- brachten Nachrichten sich befindet. Und da wird es uns nun auch nicht Wunder nehmen, daß er auf die in Kap. Z, 1—11 schon erledigte Angelegenheit mit dem Blutschänder in V. 8—-16 unsers Kapitels noch einmal u sprechen kommt: er hat eben in Folge dessen, was itus ihm gemeldet hat, die Sache noch von einer andern Seite, als die dort zur Sprache gekommen, zu behandeln, um jetzt auch die G emeiud e zu trösten, wie er früher den reuemüthigen Uebelthäter wieder auf - richten hatte. Von dieser Trostesbedürftigkeit der Ge- meinde hatte ihm Titus noch besondere Mittheilung Eemaehh wohl in Folge von Aufträgen, die ihm die orinther ertheilt: ,,er verkündigte uns euer Verlangen, euer Weinen, euren Eifer um mich«; es stand also jetzt ganz anders als vordem. Verlangen, Schmerz und Eifer hatte Paulus vordem um die Gemeinde haben müssen; nun war bei ihnen das alles um ihn eingetreten! Es gilt das natürlich nicht von allen einzelnen Personen, die zur Gemeinde zählten; aber schon früher haben wir zu bemerken Gelegenheit ge- habt, daß der Apostel durchweg bestrebt ist, den Kern der Gemeinde, den besseren, -für Wahrheit und Recht noch empfänglichen Theil derselben zu gewinnen und ihm zu dem Bewußtsein zu verhelfen, daß er die eigentliche Gemeinde bilde, um die Widerwärtigen zu ifoliren und desto erfolgreicher zu bekämpfen. 8. Denn [was zunächst euer Weinen, be- trifft, von dem ich eben sagte, daß es ebenfalls dazu gereicht habe, meine Freude zu vermehren, was allerdings euch befremden dürfte, so diene dies zur näheren Erklärung z] daß ich euch durch den .[vorigen] Brief lnamentljch durch das, was 1ch m 1. Cor. h, l—·—8 schr1eb] habe traurig ge: macht, reitet mich nicht. Und ob’6 mich reuete swas allerdings vor der Ankunft des Titus von Zeit zu Zeit bei mir der Fall war], so ich aber sieht, wo der Erfolg» vor Augen liegt] sehe, daß der Brief vielleicht eine Weile sim Grunde xa nur auf eine kurze Zeit, bis ihr diesen andern Brief erhaltet, der euch meine nunmehrige Stellung zur Sache kund thut] euch betrübt hat, » 9. So freue ich inich doch nun, nicht daruber [nicht in Folge oder auf Grund davon freue ich michLdaß ihr [überhaupt] seid betrubtworden swas ja an und für sich keine Ursach zur Freude für mich sein könnte], sondern daß ihr seid betrübt worden zur Reue smit dem Erfolge der Sinnesänderung]. Denn ihr seid göttlich [so, wie es dem guten und gnädigen Willen Gottes gemäß ist Röm. 8, 27] betrübt worden [indem ihr also betrübt worden seid, und ist nun auch die Absicht Gottes, die er bei der ganzen Sache euretwegen hatte, erreicht, 344 Z. Eorinther 7, 1()——16. nämlichL daß ihr von uns ja keinen Schaden irgend worinnen nehme» [während ihr, hätte eurer Traurigkeit jener Erfolg gefehlt, durch die- selbe freilich in sehr bedenklicher Weise würdet geschädigt worden sein, insofern nur Mißstimmung und Verbitterung gegen mich bei euch sich würde festgesetzt haben]. 10. Denn die göttliche Traurigkeit [wie zu meiner Freude sie bei euch stattgefunden V. 9] wirket zur Seligkeit eine Reue, die niemand gerettet; die Traurigkeit aber der Welt [wie sie möglicher Weise sich ja euer auch hätte bemäch- tigen können, wenn nicht Gottes Gnade das ab- gewendet hätte] wirket den Tod» [Matth. 27, 5 Anm.]. 11. Siehe [damit ihr aus eigener Erfahrung erkennt, daß es wirklich mit der göttlichen Traurig- keit fich also verhält, wie ich eben sagte], dasselbige, daß ihr gbttlirh seid betrübt worden, welchen Fleiß [zur Wahrnehmung der Disciplin an jenem Uebel- thäter in 1, Cor· 5] hat es in euch gewirket, dazu sum diesen euren Fleiß in seinen einzelnen Be- thätigungen und stufenmäßigen Fortschritten näher darzulegen und so ihn in seiner ganzen Größe erscheinen zu lassen] Verantwortung, Zorn, Furcht, Verlangen, Eifer, Rache. Jhr habt [mitdem, was ich hier einzeln aufgeführt habe] euch beweiset in allen Stücken, daß ihr rein seid an der That sdie jener begangen hatte, wenigstens für eure eig ene Person in keinerlei Weise an ihr betheiligt seid, wenn ihr gleich durch eure frühere Duldung und Nachsicht in mittelbarer Weise euch ihrer theil- hastig gemacht hattet I, Cur· 5, Z; l. Tim. 5, 22., was nun aber auch wieder aufgehoben ist 1. Cor. 5, 7]. 12. Darum [so müsset ihr jetzt zugleich ein- sehen] ob ich euch geschrieben habe [in der Sache und nicht dazu schweigen wollte, wobei ich denn freilich euch betrüben mußte], so ift’s doch nicht geschehen um deß willen, der beleidiget hat sjenes Uebelthäters, lediglich um dessen Bestrafung her- beizuführen], auch nicht um deß willen, der beleidiget ist sum mein selbst willen, mir für mein gekränktes Amts- und Ehrgefühl eine Genugthuung zu ver- schaffen], sondern um deß willen, daß euer Fleiß gegen uns [unsern Sinn zur Geltung kommen zu lassen und die Würde unsers Amtes wieder her- zustellen] offenbar würde bei euch vor Gott««- sin dem, was ihr als in Gottes Gegenwart, also mit aufrichtigem und-lauterem Herzen, thun würdet]. 13. Derhalben [weil ja wirklich erreicht worden, was ich bei meinem Schreiben bezweckte] sind wir getrbstet worden, daß ihr getrbstet [in Betreff der Betriibniß, den mein Brief eine Weile bei euch angerichtet hat V. 8., nun beruhigt] seid. Ueberfchwtittglicher aber [in einem uoch weit über die in solchem Trost enthaltene Freude hinaus gehenden Maße] haben wir uns noch mehr gefreuet über der Freude Titi [die er bei seiner Rückkehr zu uns zu erkennen gab V· 7]; denn sein Geist ist erquiclet [1. Tor— IS, 181 an euch allen [da er bei euch war und euch in einem Stande christlichen Wesens vorfand, daß er sich wohl fühlen durste]. 14. lJIl ganz ausnehmend hohem Maße, sagte ich, habe ich über dieser seiner Freude mich gefreuet] Denn was ich vor ihm von euch ge- rühmet habe [als ich ihn von Kreta aus zu euch entsandte, um ihn zu der schwierigen Reise zu ermuntern, s. Anh. II, S. 174., daß ihr nämlich eine hochbegnadigte und reichbegabte Christen- gemeinde seiet I. Cor. 1», 4 ff.], bin ich nicht zu Schanden worden; sondern gleichwie alles wahr ist, das ich mit euch geredet habe [wenn auch die Widersacher das streitig zu machen suchen Kap. 1, 15ff.], also ist auch miser Ruhm bei Tito wahr worden]- sdurch die Art, wie ihr nach V. 11 in dem betreffenden Falle verfahren seid]. 15. Und er ist überaus herzlich wohl an euch [noch mehr als zuvor mit seinem Herzen euch zugewandt] wenn er gedeutet an euer aller [Kap. 2, 3 Anm.] Gehorsam sgegen mein Wort und Gebot, das er euch zu überbringen hatte, sowie daran], wie ihr ihn mit Furcht und Zittern sals Abgeordneten eines Apostels, ja des HErrn Jesu Christi selber Gar. 4, 14] habt anfgenommenqss 16. Jch freue mich« daß ich mich zu euch alles versehen darHH [wo ich etwas Gutes bei euch zu erreichen vorhabe]. V) Wie ungewiß Paulus über den Erfolg seines Schreibens gewesen war, geht aus diesen seinen Aeußerungen hervor; er hatte schon bereut, so stark geschrieben zu haben, aber nun bereut er es nicht mehr, ja er freut sich auch über die Trauer, die er den Co- rinthern durch feinen Brief bereitet hat, aber freilich nicht über die Trauer als solche, sondern über die damit verbundene Buße. Dnrch diese göttliche Traurig- keit, die er in ihnen gewirkt, habe er ihnen nur einen Segen mehr zugewendet; dies führt er dann im fol- genden Verse auf einen allgemeinen Gedanken zurück. (Olshaufen.) Was Paulus in dem ersten Briefe gesagt hat, floß gewiß aus- dem heil. Geist und war gewiß nicht zu hart; er nahm aber auch an der menschlichen Kurzsichtigkeit Theil, und da, was er geschrieben, die Corinther sehr betrüben mußte, so wollte es ihm bei seiner Liebe zu ihnen hie und da Leid thun, daß er so hart gewesen war, wie es ja noch jetzt so oft ge- schieht, wenn einDiener des HErrn in vollfter Glaubens- zuversicht als aus Gott jemand straft, doch theils aus herzlicher Liebe, theils aus Kurzsichtigkeit fiirchtet, er abe zu viel gethan. Der Vorgang des Apostels ehrt uns, wie in solchen Fällen keineswegs der stoische Gleichmuth, im Bewußtsein recht gehandelt zu haben, die einem sündigen, kurzsichtigen Menfchen, der dabei warm und innig liebt, geziemende Stimmung sei. (v. Gerlach.) Was für eine schädliche Traurigkeit Paulus vor Titi Ankunft bei den Corinthern besürch- tet hatte, zeigt der berühmte Spruch von zweierlei Wiederaufnahme der Diseiplinarsache mit dem Blutschänder. 345 Traurigkeit zu zweierlei Wirkung, der in V. 10 folgt: sie hätten sich in weltliche Traurigkeit verloren, wenn sie den Strafbrief des Apostels als eine schreckliche Beschwerniß empfunden und sich traurig von einem Prediger und seinem Evangelio abgewendet hätten, der ein so liebloser Sittenrichter und unduldsamer Störer ihres »freien« und «ftarken« Christenthums wäre. (Besser.) «) Die göttliche Traurigkeit ist, wie in V. 9., die Gott gemäße, seinem Willen, seinen Absichten ent- sprechende; es ist die, welche Buße, Sinnesänderung wirkt (»Reue« übersetzt Luther hier, wie in V. 9, um des Wortspiels willen, welches sogleich folgt), also nicht in unfruchtbarer Betrübniß verläuft, sondern durch den Schmerz der Buße, durch Bekenntniß und Glauben zu Gott zieht. Eine Reue zur Seligkeit wirkt diese göttliche Traurigkeit, denn Seligkeit, Errettung, Heil « von Gott ist ihre Frucht; eine Reue, die niemand gereuet, nennt sie der Apostel, weil sie um eben dieser ihrer edlen Frucht willen niemand leid werden kann. Die Traurigkeit der Welt dagegen ist die Traurigkeit, wie sie die Welt kennt und empfindet; bei ihr estaltet sich auch die Traurigkeit über begangene Sün en todbringend, weil ihr die Kraft der Buße, das Licht des Glaubens fehlt; der Tod aber, den sie wirkt, ist derselbe, welcher in Rönr. 6, 23 der Sünde Sold heißt, in dem anzen Umsange, den der Begriff dort hat, und nicht auf! den leiblichen Tod zu beschränkeir. (Burger.) Die dem Sinne Gottes gemäße, die gött- liche Traurigkeit ist eine solche, in der der Mensch ganz und allein auf Gott gerichtet ist, so daß ihn das schmerzt und bekümmert, daß er die göttliche Ordnung verletzt, der Sache Gottes Eintrag gethan, die Ehre Gottes gekränkt, seiner heiligen Liebe unwürdig sich verhalten hat. Jn dieser lauteren Verneinung der Sünde liegt eine gründliche Sinnesänderung, welche auf Seiten des Menschen das Hinderniß des Eintritt-s in die Gemeinschaft der göttlichen Seligkeit hinweg- räumt; dieser Schmerz ist ein die Seele von Grund aus läuterndes Feuer, und ein so geläuterter Mann ist auf dem sicheren Wege zum ewigen Leben. Was die Gnade Gottes ihm zugedacht, was die Sühnung Christi ihm vermittelt hat, dessen wird er durch solche Sinnesänderung, welche nur als Werk des heil. Geistes gedacht werden kann, fähig und würdig. Es giebt aber auch eine andere Traurigkeit, wie sie bei den ottentfremdeten, von Gott abgewandten Menschen sich findet: solche sind etwa angehalten und ärgerlich darüber, daß ihr -Uebelverhalten offenbar geworden, daß es ihnen Tadel und üblen Ruf zugezogen, daß sie in Strafe und allerleiMißgeschick deshalb verfallen sind, daß sie an ihrer Ehre bei Menschen oder an ihrem zeitlichen Gut, an Genuß und Annehmlichkeit des Lebens Schaden gelitten; die Sünde selbst und deren Beziehung zu Gott und zur öttlichen Ordnung, also auch zur Verletzung der Nächstenliebe und zur Hemmung oder Zerstörung der Gemeinschaft mit Gott, bekümmert sie nicht. Bei solcher Traurigkeit ist und bleibt der Mensch auf dem Wege zum Tode, zum ewigen Verderben, zum Ausgeschlosfensein vom Reiche Gottes. (Kling.) Die göttliche Traurigkeit hat zum Grunde die Erkenntniß des Glaubens von den gött- lichen Wohlthaten und dem tiefen Greuel der Sünde; die Traurigkeit der Welt kennt Gottes Barmher igkeit nicht und stiftet neue Verzweiflung, ärgeren uth- willen, weil man doch verdammt sei, und zuletzt gar Verstockung (Hedinger.) Auch fromme Gemüther sind nicht frei von Versuchungen zur weltlichen Traurig- keit« hinter der unseligen Melancholie, da man in Kleinmüthigkeit beim Schmerz über die Sünde und Verderbniß stehen bleibt, ist der Mörder von Anfang verborgen, welcher keiner gutwilligen Seele eine fröh- liche Stunde in Gott gönnet und ihr daher auch unter dem Scheine des Guten zusetzt Der finstere Geist bringt es oft dahin, daß die Menschen aus unordent- licher Betrübnis; das Gute verlassen, keine Lust und Vermögen mehr dazu behalten, wozu das Gedächtnis; der vor der Bekehrung begangenen Sünden viel bei- tra en kann; daher man sich an die scheinbaren Vor- ste ungen der Schlange nicht kehren sollte, welche unter dem Vorwande der Demüthigung solche Greuel wieder aufrührt, die doch von Gott selbst in die Tiefe des Meeres geworfen sind. Ebensowenig soll das geschehen über den Gebrechen, die aus der sündlichen Unart noch übrig sind. (Berleb. Bib.) »Es) Was Paulus von der Wirkung der göttlichen Traurigkeit gesagt, wird zunächst in V. 11 aus der Erfahrung der Leser bestätigt; denn woher sonst, als eben durch diese Traurigkeit, ist ihnen die Beflis sen- heit ·ekommen, von welcher Titus berichten konnte? Und eflissenheit (Luther: »Fleiß«) ist noch zu wenig gesagt, das eine Wort drückt es nicht genügend aus; daher folgt mit ,,dazu« ein Vielfältiges statt des Einen, nämlich erstens Verantwortung, indem sie vor allem für sich allein zu sprechen, ihre Schuldlosigkeit zu erweisen veranlaßt waren; sodann zweitens Zorn, indem sich demnächst ihre Aufregun gegen den kehrte, dessen Versündigung ihnen so scharse Rüge zugezo en hatte; ferner drittens Furcht, indem sie nicht nur ssür ihn, den der Apostel so schwer bedroht hatte (1. Cor. 5, 3 sf.), sondern auch für sich und ihr Verhältniß zum Apostel fürchteten (1. Cor. 4, 21); viertens Ver- langen, indem sie den Apostel bei perfönlichem Wieder- sehen von ihrer Schuldlosigkeit überzeugen und seiner vollen Liebe sich wieder versichern zu können hofftenz fünftens Eifer, indem sie darauf aus waren, schon jetzt gleich alles anzuwenden, um das gestörte Verhält- niß wieder herzustellen; und sechstens Rache, indem sie zu diesem Zweck dasjenige thaten, was sich sofort thun ließ, nämlich den Schuldigen bestraften. Paulus bezeugt ihnen, daß sie es an keinem Stücke haben fehlen lassen, um ihre Unschuld in Beziehung auf die in Rede stehende Thatsache in’s Licht zu stellen: was dies für eine Thatsache sei, läßt die Verwandt- schaft der Stelle mit Kap· 2, 4ff. nicht weifelhaft; hat der Apostel dort jenen schwersten Fa geschlecht- licher Zuchtlosigkeit im Auge gehabt, so gilt ein Gleiches auch hier, doch nur andeutungsweise benennt er auch hier, wie dort, jene schlitnme Sache, welche ihn genöthigt hat, den für die Gemeinde betrübendsten Theil seines Briefes zu schreiben, und auf welche er denn auch in diesem Zusammenhange, wo es sich eben um die durch seinen Brief angerichtete Trübsal handelt, in der That nur hinzudeuten braucht. (v. HofmannJ Jm 12. Verse stellt hierauf Paulus sein Verfahren in der Sache in das Licht des Erfolgs (um die Corinther auch das fühlen zu lassen: ,, ur Seligkeit eine Reue, die niemand gereuet«). lles Schmerzliche, Empfindliche, Kränkende, was für den Schreibenden und die Leser in dem Briefe des Apostels lag, ist nun vergessen und liegt dahinten; es ist nichts davon übrig als die heil- same Frucht zu beider Freude. Diese Frucht nennt er darum auch den eigentlichen Endzweck seines Briefs; und sie war es nach der Abficht der öttlichen Lenkung, der er dabei gewiß war und die sich am Schluß so herrlich bewährte. Jn Frage steht, wer unter »dem, der beleidiget ist«, zu verstehen sei; nicht wenige Aus- leger beziehen diese Worte auf den Vater des Blut- schänders, dessen Weib der Sohn ehebrecherisch enommen habe, es ist aber schon zu l. Cor. 5, 1 aus die Um- 346 I. Corinther 8, 1——8. stände hingewiesen worden, welche dafür sprechen, daß der Vater nicht mehr lebte, und unsre Stelle dürfte schwerlich genügen, den Gegenbeweis zu liefern. Viel- mehr ist der Beleidigth den Paulus im Sinne hat, er selber: ihn mußte die Gemeinde als beleidigt durch das Geschehene betrachten; vor ihm empfand sie ja nach V. 11 Furcht und Verlangen nach einem Zeichen der Versöhnung, ihm galt auch das in V. 7 von Titus berichtete Verlangen, Weinen und Eifern. Der Ausspruch des Apostels in Kap. 2, S: »so jemand eine Betrübnis; hat angerichtet, der hat nicht mich betrübet, ohne zum Theil« beweist, wie nahe es den Corinthern sowohl als Paulo lag, die angerichtete Be- trübniß als eine ihm zu efügte zu betrachten. (Burger.) Für? Erste war der Bruder, welcher seines Vaters Weib hatte, ein Beleidiger der Gemeinde; diese aber, weil sie zuchtlos und leidlos fortfuhr, denselben als Bruder zu behandeln, machte sich einer Beleidigung ihres Apostels und Christi schuldig. Aber Paulus fühlte sein eigenes Leid weit überwogen von dem Mit- leid mit der beleidigten Gemeinde; und in der Hoffnung seiner großenLiebe zu ihnen, daß ihr kiiidlicher und geharsamer Sinn zwar geschwächt, Iedoch ni .t erstorben wäre, fchrieb er ihnen »Um deß willen, da ihr Fleiß gegen ihn offenbar würde bei ihnen vor Gott-« (Vesser.) Jn seiner versöhnenden Sprache erklärt sich der Apostel dahin: daraus, daß dies alles, was in V. 11 angeführt, der segensreiche Erfolg meines Schreibens gewesen ist, könnt ihr sehen, daß mein eigentlicher Zweck nicht die Rüge des einzelnen Vergehens, noch die Herbeiführung einer Genugthuung für einen Einzelnen war, sondern die Reinigung und Heiligung der ganzen Gemeinde. War dies der Fall, so mußte das Verletzende der Rüge gänzlich verschwinden (v. Gerlach.) Davon muß der Hirt seine Gemeinde zu überzeugen suchen, hgß ber kein anderes Interesse hat als das ihre. eu ner. . f) Es ist wohl zu beachten, daß Paulus gleich- zeitig, während er die Corinther selbst fcharf tadelte, über sie zu Titus das Beste redete und alles, was zu ihren Gunsten sprach, hervorhob: so thut die Liebe; die Welt macht es umgekehrt. (Burger.) H) O wie falsch ist doch die Meinung, daß die christliche Liebe durch den Einblick in des Bruders Sünde und Gebrechen sich erkälten ließe! Jm Gegen- theil, wenn sie rechter Art ist, wird sie desto Würmer, je mehr Arbeit sie bekommt, und an Brüdern, die wie die Corinther sich öttlich betrüben lassen, ersiehet sie ihre Lust. (Besser. «s-H) Das Sätzchen ist als Schluß zugleich Ueber- gang zum Folgenden, welches es ebenso geschickt und geziemend einleitet, als es den bisherigen Abschnitt ab- und zusammenschließt (Qsiander.) Der Vers ist ein Schlußsätzchem mit welchem der Apostel seine aus- nehmende Freude darüber kund giebt, daß er nach Ueberwindung aller Klippen und Flnthen seiner früheren Unruhe und seines Mißtrauens nun gleichsam in einem sicheren Hafen angelangt sei, wo er mit Zuversicht für alle Fälle das Beste von den Corinthern sich zu ver- sprechen wagen darf. (Hunnius.) Das 8. Kapitel. lierinahnuiig zur niicden Steuer für die Armen. b. V. i—24. Sein iviedcrhirgestelltes volles» Ver« trauen zu den Coriutherm von dein er soeben geredet (·tiap. 7, 16), beweist der Apostel ihnen seht damit, das! cr eine Sache, die ihni ganz sondeelich am Herzen lag, nun auch ihiceu an’5 Herz legt, nachdem ei« damit seither tieiuen rechten Fortgang bei ihnen ge· fanden: es» ist das die Steuer für die armen Christen zu Jerusalem, deren er schon in der vorigen Epislel (1. Cur. 16, 1 ff) Erwähnung that und zu deren Betreibiiiig auch seine Abgeordneten, Ciniotheiis und Titus, das Jhrige gethan· die aber noch iunner in einem gar anfertigen Stande sich befand. Zu ihrer Ermunterung hält er ihnen zunächst die im Verhältnis; zu ihrem Vermögen so überaus grosse Mildthätigtieit der uiacedoiiischeii Genieiiideii, unter denen er gerade verweilte, nor (v.1—6), nnd greift selbst aas das Itrmiverdeu Christi, durch dessen Ar- nuith mir· reich geworden, zeitlich, um die Geneigtheit zn dein lvertie zu erwecken, und giebt noch eine ganze Reihe von Gesichtspniiliteu an, die von grober Wich- tigkeit sind, unter denen auch ein Wort über die Gleichheit im christlichen Cournuinisuiiis uns begegnet, das gerade sür diese unsre Zeit seine besondere Be— . dentcing hat (l1. 7—15). Nachdem so Paulus die Grundsätze eutivictielt hat, nach denen er das Colletiteiii geschäst beurtheilt nnd vollzogen wünscht, tioniint er näher ans die Ausführung desselben zu sprechen, be- zeichnet die Männer, die damit betrauet sind, und empfiehlt sie den Corintherii zu einer der Sache, der sie dienen, würdigen Jlnsiiahme (V. 16—2Lt-). 1. Jch thue euch sab er, jetzt zu einer andern Sache übergehend, zu eurer Aufmunterung] kund, lieben Bruder, die Gnade Gottes, die» [in Be- ziehung auf das Werk, das wir hier treiben, mir und meinen Gehilfen] in den Gemeinen in Ma- cedonien [zu Philippi, Thessalonich und Berha Apostg 16,«12—17, 12; 20, 1f.] geben ist [und in einein gar herrlichen Erfolge sich kund gethan hat Röm. 15, 26 f·]. 2. Denn ihre Freude [über den Heilsbesitgi der in Christo ihnen zu Theil geworden] war da überfchwätiglich sunter Umständen] da sie durch viel Trübsal [die sie zu erleiden hatten] bewühret wurden; und wiewohl sie sehr arm waren, haben sie dort) reichtich gegeben in aller Einfältigkeitt seines selbstsuchtlosen Gemüths, welche keinen andern Gedanken hat, als das zu thun, was gerade zu thun vorliegt oder als Pflicht an Einen herantritt Röm. 12, 8; Col. 3, 22]. 3. Denn nach allem Vermögen (das zeuge ich) und [sogar - besser läßt man die Worte: »das zeuge ich« erst hier folgen —] über Vet- tnögen [zu geben] waren sie selbst tvillig [ohne sich erst dazu auffordern oder gar nöthigen zu lassen], 4. Und ftebeten tun? mit vielem Ermabnen [vgl. Apoftg 16, 15], daß wir anfmibmeii die Wohiihat sLiebesgabe l, Cor. 16, Z] und Gemein- schaft der Handreichnnig die da geschiehet den Hei- ligen [Apostg. 11, 29; Röm. 15, 26]. 5. Und nicht, wie wir bofftcn sals wir ihren: Bitten nachgaben, verhielten sie sich mit ihrem Geben, nämlich innerhalb der durch ihre Armuth und Bedrängiiiß ihnen gezogenen Schranken], sondern ergaben sich selbst zuerst dem HErrn ssich Die Collektensache Das erinunteriide Beispiel der niacedonischeii Gemeinden. 347 mit allem, was sie hätten, auch mit dem, was sie zu ihrer eigenen Nothdurft brauchten, zur Verfügung stellend], nnd datnach uns [nuii auch wirklich ihr Alles uns darreichend], durch den Willen Gottes [der also zu thun sie trieb], 6. Daß wir mußten Titum ermahneu » [er möge nun, da es hier in Macedonien keines Feuerschürens weiter bedürfe, sich zurück nach Achaja begeben], auf daß er, wie er zuvor sbei seiner vorigen Anwesenheit bei euch Kap. 7, 7] hatte angefangen [die Collektensache m Angriff zu nehmeu], also auch unter euch solche Wohlthat [V. 4] anstichtetett ssie nunmehr nebst andern zu erledigenden Angelegenheiten zu Stande brächte]. it) Der Apostel beginnt damit, den Corinthern das Beispiel der Christen in Maeedonien vorzuhalten, die unter den ungüi1stigsten Umständen sich doch höchst freigebig gezeigt hatten (vgl. über ihre Drangsale Apostg. 16 u. 17 und dazu IspThess l, 6f.; 2, 14 sf.; s, 3 f·; 2. These 1, 4 ff.; Phik 1, 28 f.). ·Tw·tz der Leiden war eine überschwängliche Freude i1i ihnen, weil sie im Evangelio himmlische Schätze erlangt zu haben sich bewußt waren, und diese Freude trieb sie zu um so reicherer Mittheilung äußerer Güter an. (Olshauseii.) Die Freude im Jnnewerden der von Gott empfangenen Güter wirkt den Trieb in uns, daß wir hinwieder gern all das Unsrige ausschütten über die, welche Gottes sind (1. Joh 4, 20); und das ist das rechte Almosen, welches kommt aus einem Herzen, das eingeladen von Gottes Freigebigkeit hinwiederum sich auszuschiitten begehrt an Gott und die Brüder. (Melanchthon.) Reich genug fanden sich die inacc- donischen Christen zum Almosengeben bei aller ihrer Armuth, weil Einfältigkeit die Rechnung über ihr Scherflein führte, d. h. weil sie mit geradem Blick auf die Noth ihrer Mitarmen in Jerusalem sahen, ohne seitwärts zu schielen auf ihre eigene Benöthigung am morgenden Tage: «sorget nichts!« hieß es bei ihnen, und ihr kindliches Bitten zu Gott in allen Dingen (Phil. 4, S) niochten sie mit Danksagung auch dafnr wiirzen, daß ihnen heute noch etwas übrig war, was sie ihren armen Brüdern mittheilen konnten. (Besser.) Wer in Triibfalen den wenigen Trost, den zeitliche Güter geben, erfahren hat, wer in mancherleiSchickungen die Hilfe Gottes gesehen, wie sie von Orten her- kommt, da man’s nicht vermuthete, der ist gar nicht darauf verfessen, mit Zusammeiihalten seines Vermögens sich einen Schirm zn machen, sondern fließt in Ein- fältigkeit über Andere aus und ruht in Gottes wunder- barem Regieren. Eigene Noth, mißliche Zeiten werden oft zum Vorwand gebraucht, daß man in der Liebes- übung nachläßt; aber das Wort Gottes wandelt es uni und macht einen Veweggrnnddaraus. (Rieger.) Einfältigkeit ist die Einfalt des selbstsuchtlosen Gemüths, welche keinen andern Gedanken hat, als das Rechte zu thun, und darum, wo es sich um Wohlthun irgend welcher Art handelt, eins und dasselbe mit Hingebung (Jak.·1, 5): gerade diese Bezeichnungder Tugend zu wählen, welche die macedonischen Christen bei Gelegenheit der Sammlung bewährten, dürfte den Apostel der Umstand bestimmt haben, daß die achajischen Christen bei eben dieser Sammlung allerlei Neben- gedanlen Raum gaben, welche es zu einer schlichten Aiisrichtung des an sich so einfachen Geschästs nicht kommen ließen und welche ihren eigentlichen Grund in deni Mangel an jener hingebenden, lediglich aus die Sache gerichteten Einfalt hatten. IV) Man wird es dem Apostel wohl glauben dürfen, daß sich die macedonischen Gemeinden mit der Bitte, sich an der Spende für Jerusalem zu betheiligen, an den Apostel gewendet haben, als er ihrer ganzen Ar- muth ivegen Anstand nahm, ihnen das zuzumuthen, was sie sich nach V. 4 erbaten; nur muß man nicht meinen, daß dies jetzt eben erst geschehen sei, sondern damals, als er in Corinth zur Veranstaltung einer Sammlung den ersten Anstoß gegeben hatte, werden auch diese Gemeinden an der Spende Theil zu nehmen bege rt haben, welche, wie vorher aus Galatien (1. or. IS, 1), so jetzt aus Achaja an die Mutter- gemeiiide gelangen sollte. Als nun der Apostel zu den inaeedonischen Gemeinden kam (Kap. 2, is; Apostg. 20, 1), war er erstaunt über die Größe der Gabe, welcge er bei ihnen bereit liegeiid fand (vgl. 1. Cor. 16, ). Und so ist es denn ein Zwiefaches, was er von ihnen zu rühmen hat, wenn er den Eorinthern ihr Beispiel vorhält, nicht nur, daß sie nach Ver- mögen, ja über Vermögen, sondern auch, daß sie aus freien Stücken an dem sich betheiligt haben, was er in Corinth angeordnet hatte. Es war dies Beispiel für die Eoriiither beschämend· Die eorinthischen Christen befanden sich nicht, wie die macedonischen, in der Lage, unter Dra1igsalen sich bewähren zu müssen und bittere Armuth zu leiden, sondern verstanden es und waren darauf bedacht, mit den Ungläubigen gutes Vernehmen zu pflegen und sich in geschäftlichen Be- ziehungen vor Schaden zu hüten; dafür aber fehlte es ihnen nun auch an dem, was der Apostel den Ge- meinden Maeedoniens nachrühmt, und namentlich werden sie sich wohl gesagt haben, daß sie bei soviel günstigerem Vermögensstande der hingebenden Einfalt ihrer macedonischen Glaubens-genossen sich nicht rühmen durften. (v. Hofmann.) Nach Vermögen geben, ist schon selten, weil die Einfalt im Schätzen des Ver- mögens selten ist; über Vermögen geben, ist noch seltener, eben so selten wie die Liebe, welche, nicht das Ihre suchend, sich selber Entbehrung auflegt und am Vermögen etwas abbricht. (Vesser.) Nach besonderen Umständen mag die christliche Liebe erfordern, die Almosen also zu geben, daß wir selbst Noth leiden; hast du gleich wenig oder nichts übrig, siehst aber, daß die Noth des Nächsten noch größer als deine eigene sei, auch dir eher und leichter als ihm wieder geholfen werden könne, so bist du schuldig ihm alsbald zu helfen. (Starke.) » 7. Aber snun täuschet auch nicht meine Er- wartung, die ich bei dieser Entsendung des Titus zu euch liege, sondern] gleichwie ihr in allen Stucken sdie zum rechten Christenstande gehören] reich seid U. Eise. 1, 5], im Glauben [Kap. i, 241 und im Wort soder m der Redetüchtigkeits und in der Erkenntnis [vgl. Kap. 11,6], und in allerlei Fleiß sbei Uebung praktischen ChristenthumsL Und in eurer Liebe zu Zins [Kap. 7, 7]; also schasfeh daß ihr auch in dieser Wohlthat [V. 4 u. S] rcich seid. 8. Nicht sage ich [das, wozu ich soeben auf- forderte, in einer solchen Herzensstellung zu euch], daß ich etwas gebiete salso um nieine apostolische Auctorität geltend zu machen]; sondern dieweil Andere [von denen ich soeben V. 1 ff. euch erzählt habe] so fleißig sind sin der Uebung der Liebe zu dem HErrn u1id seiner Gemeinde], versuche tch auch eure Liebe sveranlasse sie, Probeii davon ab- zulegenL ob sie rechter Art sei. 348 2. Corinther 8, 9——2-2. D. sUnd auf das Vorhandensein solcher Liebe auch bei euch darf ich ja doch wohl rechnen.] Denn ihr wisset die Gnade unsers HErrnJesn Christi [die er in seiner hingebenden Liebe offen- barethat]. daß, ob er wohl snach der Klarheit, die er beim Vater hatte, ehe die Welt war Joh. 17, 5] reich ist, ward er doch sindem er bei seiner Menschwerdung der göttlichen Herrlichkeit sich entäußerte Phil. 2, 6 ff.] arm um euret- willen, auf daß ihr durch seine Armuth svermöge deren er alles vollbracht hat, was zum Heil der Welt nothwendig war] reich wilrdett sim Besitz alle des geistlichen Segens in himm- lischen Gütern, der auch euch zu Theil geworden Ephes 1, Z; 1. Tor. Z, 22]. 10. Und [da nach V. 8 in der in Rede stehenden Sache, in der Collektenangelegenheih es um ein Gebot meinerseits sich nicht handeln kann] mein Wohlmeinen soder Gutachten 1. Cor. 7, 25] hierin gebe ich. Denn solches sdaß ich wenigstens mit meinem Gutachten oder wohlmeinenden Rath euch zur Seite stehe] ist euch ntthlich, die ihr angefangen habt vor dem Jahr her sbereits im vorigen Jahr, als ich im Sommer 56 n. Chr. mit Titus auf meiner von Ephefus aus unter- nommenen Zwischenreise bei euch war 1. Corq 1, 3 Anm.] nicht allein das Thun smit dem Be- ginnen der Spende], sondern auch das Wollen swährend in den macedonischen Gemeinden noch nicht einmal von einem Wollen die Rede fein konnte, da bei diesen die ganze Sache erst in dieser neuesten Zeit von mir in Anregung gebracht worden ist Kap. 9, 2]. 11. Nun aber snachdem die macedonischen Gemeinden inzwischen sogar mit dem Thun euch zuvorgekommen sind V. 2 ff.] vollhringet auch das seurerseits schon vor einem Jahr begonnene] Thnn sdurch eifriges Nachholen dessen, was zur Vollendung der Sammlung noch fehlt], auf daß, gleichwie da ist ein geneigt Gemüth zu wollen, so sei auch da ein geneigt Gemüth zu thun, von dem, das ihr habet [richtiger: auf daß, gleichwie die Geneigtheit des Wollens, so auch das Vollbringen sei nach Maßgabe des Habens, da euer bisheriges Thun V. 10 oder die Summe dessen, was ihr bereits aufgebracht habt, hinter dem Maß eures Vermögens noch zurücksteht Mark. 12, 44]. 12. sEin Hinausgeheii über das Vermögen hingegen, wie es bei den macedonischen Gemeinden allerdings stattgefunden hat V. 3., wird von euch nicht gefordert] Denn so einer willig ist szu geben, wie ja solche Willigkeit unzweifelhaft bei euch vorliegt, nachdem ihr vor Jahresfrist mit dem Wollen alsbald bei der Hand gewesen seid V. 10], so ist er [bei Gott] angenehm swenn er bei dem Thun nun giebt], nach dem er hat, nicht [aber gehört zu solchem Angenehmsein, daß er gebe] nachdem er nicht hat [bei seinem Geben über sein Vermögen hinausgehe Kap. 9, 7]. 13. sDarauf jedoch, wenn es sich jetzt um ein Vollbringen des Thuns bei euch handelt V. 11., muß ich freilich bestehen, daß, wie ich vorhin gesagt habe, euer Geben sich vollziehe nach Maßgabe eures Habens.] Nicht geschiehet das sdaß ich soviel für die Heiligen in Jerusalem fordere] der Meinung, daß die Andern [eben diese Heiligen in Jerusalem, für die ich bei meinen Gemeinden in der Heidenwelt collektireJ Ruhe haben [indem für ihren Unterhalt gesorgt wird und sie nun ein behagliches Leben» ohne eigene Mühe und Arbeit führen können], und ihr [die ihr für sie sorgen sollet] Trübsal [in Folge der aus solcher Fürsorge euch erwachsenden Beschwerung mit bedeutenden Ausgaben]; sondern daß es gleich sei [die Herstellung einer Gleichheit ist das Ziel, auf das ich’s abgesehen habe]. 14. So diene [denn jetzt, wo an zeitlichem Gut ihr Ueberfluß habt, während jene daran Mangel leiden] euer Ueberfluß ihrem Mangel, diese (theure — Zusatz von Luther) Zeit lang [Apostg· 11, 30 u. 19, 20 Anm.], auf daß auch ihr Ueber- schwang hernach [wenn dereinst das umgekehrte Verhältniß stattfinden daß sie, die Judenchristen, in guten äußeren Verhältnissen sich befinden, während die Heidenchristen Noth leiden] diene eurem Mangel, und geschehe [so], das gleich ist [finde eine Ausgleichung statt, die so ganz dem Willen Gottes gemäß ist]; 15. Wie sin 2. Mos. 16, 18 bei dem Be- richt vom Einbringen des Manna] geschrieben steht: Der viel sammelte, hatte nicht Ueberfluß; und der wenig sammelte, hatte nicht Mangel« ssondern einem jeden wurde durch Gottes Fügung gerade soviel gegeben, als er für sich und seine Haus- genossen brauchte]. V) Der tiefste Beweggrund u aufopfernder Mit-« theilung liegt für die Christen in er Selbstentäußerung in dem Armgewordensein des Sohnes Gottes um unsertwillen, auf daß wir durch seine Armuth reich würden. Wir waren bettelarni in Ansehung der geist- lichen Güter und unvermögend, aus dieser Armuth uns heraus zu arbeiten: er lebte im Besitz, der Fülle des Guten als der Selige und Herrliche in Gott- gleichheit; dieser Fülle nun hat er sich ganz und gar begeben, ist in unser Armsein, in den Zustand des Nichthabens der sündigen Creatur eingetreten, also daß er in jedem Moment seiner irdischen Existenz bittend, suchend, anklopfend vom Vater durch den Geist, der ihm gegeben war, alles, was er bedurfte, Licht, Kraft, Muth, Trost, Erquickung u. s. w. empfing, in steter Abhängigkeit. Dies war für uns heilsam, weil er in jedem Augenblick sich willig darein ergab; durch solche Selbstaufopferung hat er den durch unser Nichtabhängig- seinwollen verloren gegangenen Besitz der geistlichen Güter uns wieder erwerben wollen, und indem er auf diesem Wege völliger Verleugnung des ihm ursprüng- lich Zugehörigen den Wiederbesitz als wohlverdienten Der noch unfertige Stand der Sache bei den Gemeinden Achajas 349 gewonnen hat, ist sein Reichthum für uns vorhanden, aß er unser eigen werde. Was uns desselben unwerth und verlustig machte, ist durch das Verhalten Jesu als unsers Hauptes für alle wieder gut gemacht; und wer mit aufrichti er Verwerfung der ganzen, jene Unwürdigkeit vers uldenden Haltung sich diesem Jesus als dem, der ihm das Verlorene wieder erworben hat, vertrauend hingiebt, dem kommt das wirklich zugut. Wer aber dessen gewiß geworden und die Größe der Liebeshuld des Sohnes Gottes, der also für ihn, den verdammlichen Sünder, fich aufgeopfert, und die Größe der Güter, die er ihm zu verdanken hat, bedenkt, der wird zu jeder Selbstaufopferung für den HErrn willigz und die Freude über das große Heil thut ihm das Herz weit auf zum Mittheileiy auf daß er dem HErrn, der also für ihn und für alle sich hingegeben, in denen erquicke, die derselbe als feine Brüder ivill angesehen wissen. Da ist ihm nichts zu viel, ja, er kann nicht genu thun und sieht’s als Gnade an, wenn er’s darf; er lägßt sich nicht lange bitten, sondern bietet fich selbst dazu an, und weit entfernt, ängstlich zu berechnen, ist er, wo’s die Noth erfordert, bereit, auch über Ver- mögen zu geben und sich von dem abzubrechen, was sonst als eigenes Bedürfniß angesehen wird. (Kling.) ur Zeit ist es der im heil. Lande befindliche Theil der neutestamentlichen Gemeinde, welcher Mangel leidet; aber, so deutet Paulus an, es wird eine Zeit kommen, wo umgekehrt der auf völkerweltlichem Ge- biete lebende Theil auf dessen Beistand angewiesen ist. Denn so muß er sein Wort meinen, da er nicht das eine Mal Mangel und Ueberfluß an dem, was zum leiblichen, das andere Mal dagegen an dem, was zum geistlichen Leben erforderlich ist (vgl. Röm. 15, 27), im Sinne haben kann; und da er nicht »diese Zeit lang« schreiben würde, wenn er nicht an eine Zukunft dächte, in welcher das Widerspiel dieser gegenwärtigen Lage der Dinge nicht etwa nur möglicher Weise statt- haben kann, sondern wirklich ftatthaben wird. Wenn das eintritt, wovon er in Kap. Z, 16 geredet hat, wenn Israel sich zum HErrn bekehrt, dann wird sich im heiligen Lande eine Gemeinde des HErrn befinden, die fiel; besseren Wohlergehens erfreut, als die eben dann er fchweren Zeit, von wel er in 2. Thess. 2, 3 (statt auf diese Stelle wäre vieln1e r auf Offenb. 11, l3 zu bei-weisen) die Rede, anheimgegebene heidnische Christenheit; dann wird insofern eine Gleichheit her- gestellt werden, als derjenige Theil der Christenheit, welcher jetzt empfängt, der gehende, und derjenige, welcher je tgiebt, der empfan ende sein wird. (v. Hof- mann.) ie Verleumder, we che Paulo Vervortheilung Llnderer nachredeten (Kap. 7, 2), mochten auch seine treue Bemühung für Jerusalem angeschwärzt und den Corinthern zugeraunt haben: ,,euch bettelt er aus, um Andern die Taschen zu füllen«; dawider schreibt er (V. 13): ,,nicht geschiehet das der Meinung, daß die Andern Ruhe haben, und ihr TrübsalC Nein, das begehrt unser HErr Christus nicht, so bemerkt hierzu Luther, daß ich mit meinem Gut mich zum Bettler und den Bettler zum Herrn machez sondern seiner Nothdurft soll ich mich annehmen und, was ich ver- mag, ihm helfen, daß der Arme mit mir esse und ich mit dem Armen. »Daß es gleich sei«, ist Pauli Mei- nung: hier sind die Wiedertäufer zugefahren mit ihrer Zerrüttuiig unter dem Namen der Gleichheit; und auch heutiges Tages schniiicken die Feinde der göttlichen Ordnung und Fügung, wonach es Reiche und Arme allezeit geben soll auf Erden, ihre wüste Gleichmaeherei mit Spriichen, welche sie der Bibel und der Kirche stehlen. Der communistische und socialistische Staat ist ein Assenbild der Gemeinfchaft der Heiligen: wo er hergestellt würde, da hätte die ausgleichende Arbeit der Liebe ein Ende. (Besser.) Liebe theilt mit, nimmt aber auch nicht zu viel. (Hedinger.) Ohne Revolution schafft die Liebe Freiheit und Gleichheit, eine Güter- gemeinfchaft im Geist. (Olshansen.) Wie gut wäre es, wenn jeder feine irdifchen Güter wie Manna an- sehen uud behandeln wollte: mehr als Gabe Gottes, denn als Frucht seiner Arbeit; mehr zur Nothdurft, als zum Vergnügen; mehr zur Wegzehrung, als zum Schätzesammelni (Rieger.) 16. Gott aber sei Dank, der solchen Fleiß an euch fwie ich ihn in mir trage, auch] gegeben hat in das Herz Tiii [den ich mit dieser meiner Epistel zu euch entsende, die Collektenangelegenheit zum Austrag zu bringen] 17. Denn er nahm zwar kseiner Bescheideck heit gemäß fich so zur Sache stellend, als dürfe er nicht selbständig darin vorgehen, sondern müsse erst eine Aufforderung meinerseits abwarten] die Ermahnung fvon mir, sich dem Werke zu unter- ziehen V. s] an; aber dieweil er so sehr fleißig fund für die Angelegenheit begeistert] war, ist er sim Grunde, dem eigentlichen Sachverhalte nach] von ihm selber zu euch gereisett fwenn er nun in Corinth wird angekommen sein]· 18· Wir haben aber einen Bruder snämlich den Ephesier Trophimus Apostg. 20, 4; 21, 29; Z. Tun. 4, 20; vgl. zu Apoftg. 19, 20] mit ihm gesandt, der das Lob hat am Evangelio durch alle Gemeinen [daß er viel zu dessen Förderung beiträgt]. 19. Nicht allein aber das sempfiehlt ihn, daß er fitr sich selbst ein eifriger Förderer des Reiches Gottes ist], sondern er ist auch verordnet von den Gemeinen sin Asien] zum Gefährten unsrer Fahrt in dieser Wohlthat [1. Cor. 16, 4; Röm. 15, 25 f.], welche durch uns ausgerichtet wird dem HErrn zu Ehren und (zum Preis) eures guten Willensztt 20. Und verhüten [wir, indem wir so mit dem Titus einen Bruder, und zwar zugleich als Abgeordneten der Gemeinden, senden, wozu dann noch ein zweiter kommt V. 22] das, daß Uns nicht jemand übel nachreden möge, solcher reichen Steuer halben, die durch uns ansgerichtet wird [als trieben wir dabei Unterschleife, welche üble Nachrede desto leichter gerade darum entstehen möchte, weil eben die Steuer so reichlich ausfällt]; 21. Und sehen fdem in Röm. 12, 17 aus- gesprochenen Grundsatz gemäß] darauf, daß es redlich zugehe, nicht allein vor dem HErrn [dem wir ja ohnedies schon offenbar sind Kap. 5, 1I], sondern auch vor den Menschenttt sdaß wir ihnen nicht irgend Anlaß geben, unser Amt zu ver- lästern Kap. S, Z] 22. Auch haben wir mit ihnen [dem Titus und Trophimusq gesandt unsern Bruder lTychikus Apostg 20, 4; Tit. »3, 12; 2. Tini. 4, 12; Ephes S, 21 f.; Col. 4, 7 f.], den wir oft ge- 350 Z. Corinther s, 23. 24. 9, 1——5. svüret serprobts haben in vielen Stücken, daß er fleißig spflichteifrigs sei, nun aber sseit er das vorige Mal in Begleitung des Titus bei euch gewesen Kap. 12, 17 f., ist er] viel fleißiger sals vordem, weil er ein gutes Vertrauen zu euch gefaßt hat]. 23. Und wir sind [gleichfalls, was euer Verhalten zu den Ueberbringern meines Schreibens betrifft] großer Znversicht zu euch, es sei Titus halben, welcher mein Geselle sbei dem Berufe, den ich treibes und smeinJ Gehilse unter euch ist [Kap. 1, 2 u. Apoftg. 19, 20 Anm.], oder unserer Brüder sTychikns und Trophimus V. 22 u. 181 halben, welche Apostel [Abgeordnete oder Deput1rte] sind der Gemeinen nnd eine Ehre Christi [Leute, die Christo Ehre machen durch ihren Wandel und ihr Wirken, daß ihr allen Dreien mit derjenigen Achtung begegnen werdet, die ihrer Würde und ihrem Werthe gebührt]. 24. Erzeiget nun die Beweisung eurer Liebe [gegen die Brüder] und unsers Ruhms von euch [da wir ihnen soviel Gutes von euch ausgesprochen haben Katz. 7, 14; O, Z] an diesen auch öffentlich vor den Gemeinen-s· [indem ihr sie eine recht reichliche Beisteuer zur Collekte bei euch zu Stande bringen lasset, wovon ja die Gemeinden, mit denen sie in Berührung kommen, Kunde erhalten werdens. V) Die Meinung des Apostels bei diesen Worten ist die: Titus bot sich zwar nicht an, sondern ließ die Aufforderung ansich kommen und ging darauf ein; in der That aber bedurfte er einer solchen nicht, da es sein eigener freier Wille war, sich dieser Sache an- Zmehmem (Kling.) Das ist fein und lieblich, wenn ufträge der kirchlichen Oberen so ausgerichtet werden, wie Titus diesen Apostelauftrag ausrichtetet mit einem Herzen, welches den Antrieb in sich selber findet, von Gott gegeben, und doch gern in die Ordnung sich schickt, wonach der eine ermahnt oder verfügt und der andere folgt, beide, der Ermahn-er und der Folgsame, in Gottes Gehorsam. (Besser.) Jn dengWorteiu ,,er ist zu euch gereiset« fchreibt der Apostel vom Stand- punkt der Empfänger des Briefes aus (vgl. Apoftg. 15, 27; 23, 30); denselben überbrachte ohne Zweifel Titus selbst nach Corinth (Olshausen.) ») Unter diesem Beigeordneten des Titus verstanden Origenes, ieronymus und andere ältere Ausleger wegen der orte: »der das Lob hat am Evangelio durch alle Gemeinen«, indem sie dieselben auf den Ver- fasser eines schriftlichen Evangeliums bezogen, den Lukas, und hat sich darnach die Unterschrift unter dieser unsrer Epistel dahin gestaltet, daß außer Titus auch Lukas als Ueberbringer genannt wird; es ist aber diese Auffassung eine durchaus irrige, da einer- seits das schriftliche Evangelium des Lukas damals noch gar nicht vorhanden war und andrerseits Lukas selber eine solche Stellung einnahm, daß er keinenfalls ein bloßer Beigeordiieter des Titus sein konnte. Aus letzterem Grunde kann auch nicht mit Chrysostomus an Barnabas gedacht werden, für den Luther sich ebenfalls entfcheidetz nach V. 19 sind wir vielmehr auf den Kreis der in Apoftg. 20, 4 genannten sieben Männer beschränkt, von denen aber aus mancherlei Gründen die fiinf ersten in Wegfall kommen, so daß es sich hier und in V. 22 f. nur um die beiden andern, Tychikus und Trophimus, beide ans Asien, handeln kann, und würden nun sie in der Unterschrift der Epistel an die Stelle des dort enannten Lukas ein- zutreten haben. Da das in s.22 Gesagte ohne Zweifel aus Tychikus sich bezieht, so ist demgemäß in V. 18 Trophimns zu verstehen. —- Der Apostel hat es nicht für seines Amts gehalten, diesen Bruder ohne Mitwirkung der Gemeinden zu bestellen, sondern wie sie die Gebet: der Wohlthat waren, so sollten sie auch an der Verwaltung und Beforgung derselben sich thätig betheiligen, was eben durch die Wahl eines Deputirten geschah. Wie die Wahlhandlung vorgenommen wurde, wissen wir nicht; doch ergiebt sich aus der Natur der Sache, daß, wofern nicht einstimmige Acelamationen erfolgten, die Minderheit sich der Mehrheit gefügt hat: es hat großen geistlichen Schein, dergleichen Dinge als weltlich oder juriftisch zu mißachten und aus der Kirche zu verweisenx aber die Schrift weiß nichts von der stolzen Geistlichkeit, welche über die äußerliche, zum Wohlbestande der Kirche auf Erden nöthige Ord- nung sich erhebt, nieistentheils, um statt der Liebe, worin einer dem andern sich gern unterordnet, eine Tyrannei einzuführen, welche den gegliederten leben- digen Kirchenleib zu einer von einzelnen Personen gehandhabten Maschine herabsetzt (Besser.) i·"·) Ein Diener Christi muß auch in den Augen der Menschen lauter und untadelhast erfunden werden und muß daher allem vorbeugen, was Lästerung bringen kann. (Berleb. Bib.) Der moralisch Reine darf im Gefühl seiner Unschuld nicht gleichgiltig sein ge en den bösen Schein, sondern muß darauf halten, daß fein guter Ruf nicht leide. (Heubner.) Wer in Befriedigung mit dem Zeugniß seines Gewissens sein Gerücht nicht in Acht nimmt, ist grausam gegen den Nächsten. (Augustin.) Das gute Gewissen, das wir aben, berechtigt uns noch nicht ur Gleichgiltigkeit gegen das Urtheil der Menschety sondern die Regel des Apostels (1. Thess 5,2·2) heißt uns auch meiden allen bösen Schein. Die Vernachläfsigung dieser Vor- sicht setzt nicht nur oft die gute Sache ohne Noth einer Verdächtigung aus, die auch redliche Gemüther irre machen kann, sondern sie wird leicht für den allzu- zuversichtlich auf sein gutes Gewissen Bauenden selbst ein Fallstrich der ihn von dem rechten Pfad der christ- lichen Selbstverleugnung weichen läßt. Ein gutes Ge- wissen vor Gott zu bewahren ist Sache des Glaubens (1. Tun. I, 19); aber auch den guten Ruf nicht zu verachten, sondern mit Sorgfalt zu hüten, ist eine Forderung der christlichen Demuth, der selbst ein Paulus sich nicht entzieht. (Burger.) f) Es handelt sich um willigen Vollzug der An- ordnungen, welche die Drei treffen werden, um die Sammlung zum Abschluß zu bringen; da dies nun ein Verhalten gegen sie war, welches allen Gemeinden, die an der Sammlung irgendwie Antheil nahmen, zur Kenntniß kam, so war es ganz am Orte, daß der Apostel die Leser nicht blos darauf hinwies, mit wem sie es zu thun haben werden, sondern auch darauf, daß der übrigen Christenheit ihr Verhalten unver- borgen sein wird. (v. Hofmannh Sichtlich ist es Paulo darum zu thun, die eorinthische Gemeinde recht fest mit einzubinden in die Pfingstopfergabe, welche er im Geleit jener sieben Brüder (Apostg. 20, 4) vom Felde der Heidenernte nach Jerusalem hinaufzutragen sich anschickte (Apostg. 20, 6 Anm.); denn diese Collekte war ihm mehr als eine Armenunterstiitzung, er er- kannte darin ein thatsächliches Bekenntniß des Einen Sinnes und Glaubens der ganzen Christenheit. Deshalb Anregungen und Maßnahmen des Apostels zur Ferligstellung der Sammlung. 351 hatte er seine Luft daran, daß beim Sammeln der Kirchensteuer Brüder aus Asien in Macedonien und Achaja Dienst thaten und auch dadurch die räumlich getrennten Gemeinden in perfönliche Berührung mit einander traten. (Besser.) Das 9. Kapitel. Ursachen, die steuer bald und richtig zu befördern. c. V. 1——15. Rad) der Tllittheiluicg iiber die per— seiten, welche bestimmt waren, das Geld zn liber- brisigen, tiommt der Itpostel ans« die Sammlung selbst zuriicli und äussert aut seine weise, er brauche dariiber nichts weiter zu fchreiben, indem die Corinther ihre Verpflichtung geradezu dieser Steuer, weil siir die Miittergenteinde in Jerusalem bestimmt, längst be- griffen hätten; wohl aber handele es sieh darum, das; sie mit dem, was sie vor Jahresfrist in Aussicht gestellt und was nnn dazu gedient habe, die Ge- meinden in Macedonien anzuseiiern, nicht zu schanden würden, und deshalb sollten sie setzt die Durchführung der Cotlelitz siir welche Titus mit seinen beiden Be« gleitern sich tiei ihnen einstellte, sich höihlictjst angelegekt sein lassen. Indem nun Paulus Gelegenheit nimmt, theils« von dem Sinn zu handeln, in welchen! gegeben werden soll, theils« aus die Macht Gottes hinzuweisen, die nöthigen Mittel zu reichliiheni Wohlthuii allezeit zu gewähren, theils an den Segen zu erinnern, der mit solchem lVohlthuii, besonders im vorliegenden Falle, verknüpft ist, schriebt er mit einem Dantisagaiigswort sitt« Gottes Gabe in Christo, die am gewaltigsten antreibt zum Geben sur neidete. 1. sJch redete soeben von einer Beweisung eurer Liebe und unsers Ruhms von euch Kuh. 1, 24., ohne näher anzugeben, in welcher Hin- sicht ihr diese Beweisung erzeigen follt.] Denn von solcher Steuer, die den Heiligen geschiehet fund in deren Interesse ich nun auch die Drei gesendet habe], ist mir nicht uoth euch zu schreiben sbesonders auch in Beziehung daraus, inwiefern die Christen aus den Heiden sich gedrungen fühlen müssen, denen aus Jsrael in ihrer Noth beizu- stehen Röm. 15, 27]. 2. Denn ich weiß euren guten Willen skenne bereits eure Geneigtheit zur Sache], davon tch [hier, in dem Lande meines gegenwärtigen Auf- enthalts Apostg. 20, I] rühme bei denen aus Macedonien (und sage, wenn ich in den Gemeinde- versammlungen meine Mittheilungen mache): Achaja [Kap. 1, 1 Anm.] ist vor dem Jahr bereit gewesen sKap. 8, 10]. Und euer Exempel hat viele ge- reizeii [daß sie nun auch eine Sammlung be- schlossen haben, während ich eigentlich die mate- donifchen Gemeinden wegen ihrer Armuth und Bedrängniß nicht wollte in Anspruch nehmen Kap. 8, 4 f., daher ihrer auch in I. Cor. 16, 1 neben den Galatern nicht gedacht ists. Z. Ich habe aber diese Brüder darum gesandt, daß nicht unser Ruhm von euch [womit ich den Stand eures christlichen Wesens überhaupt gelobt habe Kap. 7, 4] zu nichte würde in dem Stück swas euern ebenfalls belobten Eifer in der Collektensache betrifft]; und daß ihr [also, um dies zu verhüten, auch wirklich] bereit seid, gleichwie ich von euch gesagt habe [ihr wäret es V. 2]: 4. Auf daß nicht, so die aus Macedonien [genauer blos einfach: Macedonier als Geleite;- mänuer Röni. 15, 24] mit mir kämen swenn ich nach dem in I. Cur. Its, 5 ff. dargelegten Reise- plan für den Winter mich bei euch einstellen werde] und euch uubereitet fänden, wir, will nicht sagen ihr Iobwohl nicht wir, sondern ihr die Schuld davon tragen würdet], zu Schandeu wurden mit solchem Rahmen sdas ich in so zuversichtlicher Weise gethan habe]. » 5. » Jch habe es aber fur nothig angesehen, die Bruder zu ermahnen, daß sie voran zogen zu euch, zn verfertigen svollständig fertig zu machen] diesen zuvor tfals ihr vor Jahresfrist euch so bereitwillig zur Sammlung zeigtet V. 2] ver- heißeneu Segen, daß er seurerseits zur Absendung und unfrerseits zur Mitnahme nach Jerusalem] bereit sei, also, daß es fwas ihr zusammenbringt, wirklich so, wie ich es eben bezeichnetej sei ein Segen [1. Mai. 33, 11; Richt. 1, 15; 1. Sam. 25, 27; so, 26], und nicht ein Geiz« seine Gabe, wie der Geiz sie gewährt, nur ungern und so kärglich als möglich dargereichts V) Es folgt hier eine, vielleicht beim Ueberlefen von Kuh. 8 nöthig befundene Ergänzung des den Co- rinthern dort an’s Herz Gelegtenz diese giebt Paulus in einer feinen, schonenden Weise mit der einleitenden Bemerkung, daß er eigentlich nicht nöthig habe, über die Collektenfache an sie zu fchreiben, da er ihre Bereitwilligkeit kenne. Der Zusammenhang ist dieser: ,,Nehmt die Brüder liebreich auf, das lege ich euch an’s Herz; denn über die Dienstleistung für die Hei- ligen brauche ich euch nicht zu schreiben 2c.« Die Bereitwilligkeit zur Steuer war, wie der Beginn der Eollekte fchon im vorigen Jahr zeigt, bei den Corinthern wirklich vorhanden, und es bedurfte nur einer Er- munterung, zunächst zur Beschleunigung der Sache. (Kling.) Leicht denkbar ist, da die Sammlung der Beiträge während der betrübenden Vorgänge in der Gemeinde in’s Stocken gerathen war; selbst in den Tagen und Wochen, da die göttliche Betrübniß in der Gemeinde die Oberhand gewann und sie zu gutem Eifer aufweckte, mochtc doch die Sorge für die Noth· der Heiligen in Jerusalem in den Gemiithern zurückgetreten sein. Des Paulus Gewinnkunst nun ist die, durch das gute Exempel des Einen den Andern zum Guten zu reizen: den Corinthern schildert er den srifchen und fröhlichen Eifer der Macedonier (Kap. 8, 1ff.), und vor diesen wiederum rühmt er den guten Willen jener (Kap. 8, 19) und sagt: »Achaja ist vor dem Jahr bereit gewesen!« (Besser.) Die Gefahr der Kaltsinnig- keit erfährt jeder im Lauf seines Chrifteuthums; darum iit’s gut, daß Gott uns durch Andere auf- weckt. (Berleb. Bib.) M) Rühmliche Sorgfalt, daß alles, was man sagt und zufagt, gehalten werde; ohne das ists Groß: sprecherei — weg damit! (Starke.) Einen Segen, 352 2. Corinther 9, 6—14. welchen die Corinther der Muttergemeinde zuzuwenden verheißen haben, nennt der Apostel ihre Spende, weil sie doch ihre Verheißung nicht werden unerfüllt lassen ivollen und weil der Begriff der Segnung jeden Ge- danken an selbstsüchtige. Kargheit ausschließt, die nur sich abfindet mit einer ungern anerkannten Verbind- lichkeit: ein Gegensatz, den er am Schluß des Verses noch eigens hervorhebh indem er da von Geiz redet. Wenn die Gemeinde ihre Spende in der Art leistete, daß sie nur mit einer Verbindlichkeit sich abfände, um die sie nicht herumkommen kann, so würde sie sich kein Gewissen daraus machen, die Muttergemeinde möglichst u verkürzen. (v. Hosmannh Das Geschenk nennt aulus einen Segen, eigentlich ,,Dank«, insofern es aus einem Gott preisenden, dankbaren Herzen hervor- gegangen ist; dem entgegen steht Geiz, Habsucht, welche stattsindet, sowohl wenn man Widerrechtlich erwirbt, als wenn man kärglich giebt. (v. Gerlach.) Ein geiziger Geber ist wie eine saure Traube, welcher mühsam ihr karger Saft abgepreßt wird; Segen aber quillt aus der süßen Traube bei leisem Druck der Kelter. (Hedinger.) (Epiliek am Tage St. Lanrentiix V. 6——10.) (Vgl. zu Joh. 12, 24 ss.) s. Jch meine aber swenn ich sage: »ein Segen sei, und nicht ein Geiz«] das sum zunächst zu einem reichlichen Geben euch zu ermuntern]:» Wer da kärglich fiel, der wird auch kärglich ernten; und wer da siiet im Segen smit reichlichem Aus- wersen seines Samens], der wird auch ernten im Segen smit reichlichen: Einheimsen der Frucht Spr. 11,« 25; 22, 9]. 7. sJndessen kommt es nicht auf das reich- liche Geben allein an, sondern es muß auch ein williges sein, mit Lust und Liebe zur Sache.] Ein jeglicher [gebe also] nach seiner Willkür snach herzlicher, freier SelbstbestimmtmgL nicht mit Un- willen sdarüber, daß er das missen soll, was er giebt] oder aus Zwang sindem er lieber, wenn er könnte, sich von den Verhältnissen, die ihn zu geben nöthigen, frei machen würde]; denn einen frbhlichen Geber snicht aber einen solchen, der mit Unwillen und aus Zwang giebt] hat Gott liebt« sagt. s. Mos 15, 10; Sirach 14, is; Röm. 12, 8]. 8. Gott aber sdamit ihr im Stande seid, nicht kärglich zu säen, sondern im Segen] kann machen, daß allerlei Gnade [in zeitlichem Gut] unter euch reichlich sei, daß ihr in allen Dingen sallewege] bollc soder alle] Genüge ssür euch selbst] habet sim Grundtext ist der Ausdruck ,,alle« möglichst gehäuft und hier nach drei Seiten hin in Anwendung gebracht, während er schon vor- hin in ,,allerlei Gnade« uns begegnete und auch nachher in ,,allerlei guten Werken« noch einmal vorkommt] und reich seid san Mitteln] zu allerlei guten Werken san Andern]; 9. Wie [in Ps.112,9] geschrieben stehet svon dem Frommen und Gerechten]: Er hat sWohlthaten] ansgesttenct und [reichlich] gegeben I; 70 Uebersetzer des alten Test den Armen; seine Gerechtigkeit [d. i. sein auf Gerechtigkeit, besonders auch im Wohlthun Spr. l0, 2., beruhendes Gliick] bleibet in Ewigkeit« swas an jener Stelle »auf V. 3 des Psalms zurückweist, worin ausdrücklich gesagt wird, daß Reichthum und die Fülle in der Frommen Hause sein werde]. 10. Der aber Samen reichet dem Siiemann, der wird je sd. i. gewißlich Pred. 4, 8 Anm.] auch das Brod reichen zur Speise [wie das in Jes. 55, 10 bezeugt wird], und wird snnn in gleicher Weise auch mit euch in dem vorliegenden Falle verfahren: er wird eines-theils] vermehren euren Samen sdaß ihr reichlich genug ausstreuen könnet als die Gerechten V. 9], und swird andern- theils] wachsen lassen das Gewächs eurer Gerech- tigkeit szu reichlichem Fruchtertrag V. 6]; 11. Daß ihr sin Folge solchen Wachsthums] reich seid in allen Dingen mit [besser: zu] aller Einsiiltigkeit swie ich sie in Kap. 8, 1 ff. an den Gemeinden in Macedonien rühmen durfte], welche sEinsältigkeit, indem sie auch bei geringen äußeren Mitteln es nicht am Wohlthun fehlen« läßt] wirket dutch uns sdie wir ihre Bethätigung anregen] Danksagung svon Seiten der Empfänger] Gotte*" [geleistet]. 12. Denn sum das am Schluß des vorigen Verses Gesagte näher zu erläutern] die Haud- reichuug dieser Steuer ersüllet nicht allein den Mangel der Heiligen [in Jerusalem, die in so großer pecuniärer Noth unter dem auf dem Lande lastenden Drucke sich befinden Apostg 19, 20 Auen] sondern ist auch iiberschwänglich darinne, daß viele Gott danken sApostg. 21, 20] für diesen unsern treuen Dienst szu dem wir einst uns ver- pslichtet haben Gal. 2, 10]; 13. Und preisen snun diese bei ihrer Dank- sagung zugleich] Gott über eurem unterthänigen Bekenntniß des Evangelii Christi sindem- sie aus der reichen Spende ersehen, wie sehr ihr euch diesem Bekenntniß gehorsam erzeiget], und übel« eurer einfältigen Steuer an sie und an alle sindem dieselbe ihnen eine Gewähr dafür ist, daß ihr in der Lauterkeit der Liebe, wie mit ihnen, so auch mit allen andern Gliedern der Kirche Gemein- schaft haltet], 14. Und über ihrem Gebet fiir euch sdas sie als solche thun] welche verlanget nach euch, um der überschwänglicheii Gnade Gottes« willen sdie da wirket] in euch-s— sindem sie für euch bitten, Gott wolle euch nach seiner sich an euch ver- herrlichenden Gnade auf die Zeit bewahren, wo der HErr Jesus alle Kinder Gottes zusammen- bringen wird Joh. 11, 52]. is) Diesen Spruch haben die Septuaginta oder die aments in’s Griechische il neben die Stelle Sprüchiu 2«2, 8 gesetzt; und Paulus Ermunterung zu reichlichem und fröhlichem Geben. thut ihm die Ehre des Wiederholens an, weil er etwas Schriftgemäßes (·2. Mos. 25, Z; 35, 5; l. Chron. 30, 5) enthält. Bei den Nachwirkungen des Parteiwesens in Eorinth war die Warnung vor Zwang und die Er- mahnung, nur nach Herzenslust zu geben, sonderlich am Orte; denn nichts vergiftet die Wohlthätigkeit mehr und macht sie vor Gott häßlicher, wie eitles Rivalisiren im Wohlthun, zum Zwecke der ,,Ausgzkichnung«, ohne herzliches Wohlwollen. (Besser.) it Lust geben, stiehlt Gott das Herz und reißt ihm Gnade aus seinen Händen, die also Gebenden damit zu überschüttem (Berleb. Bib.) it) Um reichlich zu geben, wozu der Apostel in V. 6 ermahnt hatte, mußten diejenigen, an welche die Ermahnung ergeht, auch in der age sein, es zu können; diese Gegenrede lag zu nahe, als daß ihr Paulus nicht gleich selbst durch eine Hinweisung auf Gott hätte bege nen sollen, welcher sie damit begna- digen könne, dakz er sie zu allem guten Werke in den Stand setzt. Da es sich also darum handelt, daß Gott den Eorinthern zuwende, was ihnen ermöglicht, Gutes aller Art zu thun, so ist bei dem ,,allerlei Gnade« nur an solches zu denken, das äußerlich dazu in Stand seht, nicht aber an solches, was innerlich dazu be- fähigt, wie manche Ausleger wollen· (v. HofmannJ Als A. H. Francke einmal in seiner Bibel diese Stelle las, wurde er darüber ganz betrübt: ,,wie kann Gott machen«, dachte er bei sich selbst, »daß wir reich sind an guten Werken? ich wollte wohl gern manchem Armen Gutes erweisen, aber es fehlen mir die Mittel; ich muß manchen leer und ohne Hilfe von mir gehen lassen-« Mitten unter seinen Betrachtungen über dies apostolische Wort erhielt er von einem Freunde in Ma· deburg einen Brief, worin dieser ihm klagte, er müsse mit en Seinigen in Kummer verderben; borgen könne und wolle er nicht, wer ihm etwas um Gottes willen gäbe, von dem wolle er es dankbar annehmen. ,,Woher nun etwas nehmen?« Francke sann und sann und betete zu Gott, der machen könne, daß er reich würde zu guten Werken; endlich fiel er auf einen Plan, wie er, ohne irgend einen andern Menschen zu beschweren, dem Manne aus seiner Noth helfen könnte. Es kam ihm nämlich der Gedanke ein, ein Buch zu schreiben und den Erlös davon seinem hilfsbedürftigen Freunde zu spenden; er entzog sich nun eine Zeitlang fein Abendessen und schrieb in den Abendstunden seine ,,biblischen Anmerkungen«, ließ die Schrift auf eigene Kosten drucken und widmete den ganzen Ertrag, der sich auf 150 Thlr. belief, seinem leidenden Freunde. »Nun lernte ich verstehen«, sagte er, ,,wie Gott machen könne, daß man reich werde zu guten Werken — durch eigene Thätigkeit und Aufopferung«. (Seelbach.) Gott kann nicht nur durch Zuwendung weiteren Ver- mögens, sondern auch durch andere gnädige Schickun en, Gesundheit, Friede, fromm Gemahl, fromme Kin er, getreues Gesinde, Einem viel Vortheil zuwenden. Ein Anderer ist verdrossen, eine Arbeit der Liebe auf den Nächsten zu wenden, und es geht ihm durch üppige Kinder, untreues Gesinde soviel hinaus, daß er ein Schönes davon aus Arme hätte wenden können. (Rieger.) IN) Jn V. 10 spricht der Apostel als ein zu Er- wartendes aus, was er in V. 8 als ein von Seiten Gottes M ö g lich e s bezeichnet hatte, und da charakterisirt er nun auf Grund der Prophetenstelle Gott so, daß darin der Grund der ausgesprochenen Erwartung liegt: was Gott in der Haushaltung der Natur fort- während thut, läßt Analoges in der Gnadenökonomie, in der Regierung seiner Gemeinde erwarten. Zum Ersten: wie Gott dem Sünder das Mittel zur Aus- DlichsePs Bibelwerc VII. Band. 353 saat reicht, so wird er bei der gegenwärtigen Spende euch darreichen und mehren das, was zu eurer Aus- saat, zum Wohlthun erfordert wird; zum Andern: wie Gott zu dem ausgestreuten Samen das Gedeihen giebt, daß eine Frucht daraus erwächst, daß man Brod zum Essen bekommt und in dessen Genuß den Lohn des Fleißes in der Aus-saat davonträgt, so wird er eure Aus-saat, euer Wohlthun segnen, wird wachsen lassen das Gewächs eurer Gerechtigkeit. Sinnig hat die alte Kirche den Abschnitt V. 6—10 zur Lektion auf den Gedächtnißtag St. Laurentii (10. August) gewählt, des wegen feiner Mildthäti keit und uner- müdlichen Sorge für die Armen hochge eierten Diakons des Papstes Sixtus II. (Kring.) J« V. 11 ist ein Reichwerden in der Richtung auf völlige Einfalt oder Hingabe, also ein innerliches, gemeint, welches dazu hilft, daß man reichlich säen und also auch reiche Frucht sehen kann: wenn es bei den Corinthern durch allseitige Bereicherung ihres inneren Lebens zu jener Einfalt der Hingebung kommt, die der Apostel an den macedonischen Gemeinden hat rühmen können, so werden sie bei geringen Mitteln reichlicher säen und reichere Frucht erzielen können, als sonst bei großen; solche Hingebung bewirke ja, daß es zu dem kommt, was vorhin das Gewächs ihrer Gerechtigkeit genannt wurde, nämlich zur Danksagung gegen Gott. (v. Hof- mann.) Der Apostel verheißt nicht irdischen Segen (in Kap. 8, 2 hat er den Macedoniern bezeugt, daß ihre tiefe Armuth überfloß in den Reichthum ihrer Einfältigkeit), aber das verheißt er, daß sie kraft der Liebe reich sein werden, alle Lauterkeit des Sinnes durch Mildthätigkeit, wie jetzt, so in jedem vorkommen- den Falle an den Tag zu legen; zu dem Erweise ihrer Lauterkeit durch Gutesthun werden sie reich sein in allen Stücken, in jedem gegebenen Falle. Der Schluß des Verses bildet den Uebergang zu dem in den fol- genden Versen ausgedrückten Gedanken, daß ihre Mild- thätigkeit nicht blos leibliche Abhilfe gewähre dem Bedürfniß der Armen, sondern auch die geistliche Frucht der Danksagung trage als ein dem HErrn wohlgesälliger Gottesdienst (Burger.) f) Um das Gewicht, welches Paulus auf diese ganze Sache legt, zu ermessen, müssen wir uns erinnern, daß es die armen, schwer angefochtenen Heiligen zu Jerusalem waren, die durch den Dienst der aus den Heiden gesammelten Gemeinden zum Lobe Gottes erweckt wurden. Jm jüdischen Lande neigte sich der Tag des Evangelii der Nacht zu, und die kleine Schaar der Christen hatte einen harten Kampf, um ihr Ver- trauen nicht wegzuwerfen (Hebr. 10, 35); da ward ihnen die Handreichung dieser Steuer aus den Ländern der Völker in der Ferne zu einem Zeichen, daß dennoch der HErr fürwahr sein heiliges Volk sammelte und seine heilige Stadt baute, während das Volk des fleischlichen Jsrael zum Nichtvolk und die irdische Stadt Jerusalem zur Unfriedens- und Zornstadt ward (vgl. das im II. Anh. zum VI. Bande unter d, Nr. 1 auf S. 157 f. über die Regierungszeit des Landpflegers Felix Mitgetheilte). K rieeleison, aber doch Halleluja sangen sie. (Bes er.) s sollte nicht allein den armen Christen in Paläftina aus der Noth geholfen, sondern Gott durch diese Liebe gepriesen, sodann aber vorzüg- lich die Christen aus den Juden zu dem Anerkenntniß gebracht werden, daß auch die gläubigen Heiden ihre Brüder seien in Christo, und eine innige Liebe zu ihnen in den jüdischen Gemeinden erweckt werden. (v. Gerlach.) Paulus wollte den Judenchristen in Jerusalem, welche immer von großem Mißtrauen gegen die Heidenchristen erfüllt waren, einen augen- scheinlichen Beweis von dem Erfolge» ihrer Bekehrung 23 354 2. Corinther I, 15. 10, 1—6. geben, sie nöthigen, die Wirksamkeit des göttlichen Geistes auch unter den Heidenchristen anzuerkennen; und so wollte er seine Wirksamkeit im Orient auf eine würdige Weise damit beschließen, daß er ein engeres Band christlicher Gemeinschaftzwischen den Gläubigen unter den Juden und unter den Heiden knüpfte»- (Neander.) 15. Gott aber sei Dank fur seine Uttausfprechliche Gabe sin Christo Jesu, unserm HErrn Joh. 4, 10; Röm. Z, 15; Hebr. s, 4]. Mit diesem Ausruf schließt der Apostel den Ring der beiden Collekten-Kapitel: Gottes Gnade der An- fang (Kap. 8, 1), Gottes Gabe das Ende! (Besser.) Paulus, nachdem er von den Gaben der Gläubigem die sie im Dienste Gottes ihm und den Brüdern dar- bringen, so lange geredet hat, erinnert nun noch mit trefsender absichtlicher Kürze, wie Gott mit Geben uns zuvorgekommen sei durch das Geschenk des in Christo uns gewordenen Heils; dies ist die wirklich unaus- sprechliche Gabe, aus welcher all unser Geben als aus der einigen tiefsten Wurzel hervorsprießt An sie sollen wir gedenken, wann und wo wir etwas geben; an sie will der Apostel schließlich seine Leser mahnen und fürchtet nicht, daß diese Erinnerun wegen ihrer Kürze möchte nicht verstanden werden. FBurgerh Die Leser werden hier erinnert, daß die unaussprechliche Gabe, welche sie von Gott empfangen haben, sie zu williger Darreichung der im Vergleich damit so winzig kleinen Gabe verpflichtet, deren er sich jetzt von ihnen versiehet. (v. Hofmannh Das 10. Kapitel. Warnung nor Vorführung der falschen Apostel. III. v. 1—åap. 13, 10, In den bisherigen Abschnitten der Geiste! hat Paulus die Bande, welche die Gemeinde zu Corinlls an ihn, an sein Amt und seine person antreffen, von den Widersakhern aber in niehrfaajer Weise gelorliert worden waren, so straff angezogen, daß er die Gemeinde nunmehr alg vollständig wiedergewonnen belrakhteu darf; da begiebt er sich denn daran, alle diejenigen Fäden zu zerschunden, welche die wider— saiher anzulmüpfen versukht halten, um die Gemeinde auf ihre Seite liinitberzuziehem und derlit ihr unlauteree wesen schonungslog aus, damit er sie für immer un— fchädlich mache. Der Milde, gewinnende Ton, in welchem er bisher zu den Corinthern geredet, schlägt daher um in einen andern, in einen scharfen und einschneidenden, welcher es den skesern fühlbar niacijen soll, wie schwer he sitt) durch die Aufnahme und Duldung der falskhen Apahel und ihrer Anhänger verschuidet haben, und der zugleich darauf berethnel ist, diese falschen Apostel der angemaßten Würde völlig zu entkleiden und sie in ihrer ganzen Bliisze ernennen zu lassen. a. V. 1—18. paaliis wünscht non Herzen, das! er bei seiner bevorstehenden Ilnliuuft nicht genöthigt sein möge, durch Strenge sein Ansehen wieder herzustellen, wo es etwa in Zweifel gezogen worden, sondern das! es vielmehr die Corinther selbst herstellen mögen. Freilich gerade das haben die Gegner in Zweifel ge« zogen, das) er persönlich streng austreten könne; bis« her sei bei seiner persönliche« Ilnniefeiiheit nur Niedrig- läeit nnd Schwäche zur Erliheiniing gelionimesk blos seine Briese wären schwer nnd gewaltig. Den! gegen- iiber nun versichert der Apostel, das! er lieiiiesmegs mit Waffen natürlich« Klugheit, die unter allen Umstiindeic ein wehethiiii zu vermeiden sacht, den Streit Gottes führe, sondern er sei dazu mit einer Waffeuriisiiiiig ausgestattet, wie sie nach Gottes eigenen: Urtheil slarli genug sei, alle Befesiignngen der Men- schen gegen die Erlieiintaisz der Wahrheit zu verstören nnd alle. von ihnen aufgeriajlelen Bollwerlie nieder- znreisleik dass entweder alle Vernunft unter Christi Gehorsam sich gelangen geben müsse, oder aber der siih verhiirteside ungehorsam gewisl seine Strafe sinden werde. Da möchten denn die Corinther lieber im Gehorsam sich darih seinen Dienst auf den rechten Weg znriiclibritissen lassen, als sitt) dem aussetzen, um Uugehorsams willen seinen Racheeifer zu erfahren: sie seien nnn einmal zu dem ihm überwiesenen Arbeits— feld gehörig; dagegen seien diejenigen, deren Ein« fliisierniigeii sie Gehör giibein blosle Eindringlinge, die in fremdes Ilmt greifen, auch lieiiien Empfehlung-s- brief von Gott beizubringen verniögeik sondern nur sich selber loben, wonach denn leicht zu erniessen, ob man etwas auf sie zu geben habe oder nicht. 1. Jch aber, Paulus sum jetzt auf den Kampf- platz gegen die Widersacher und Verleumder in eurer Mitte herniederzusteigen und da besonders an diejenigen in der Gemeinde mich zu wenden, die jenen ihr Ohr leihen und sich von ihnen be- schwatzen lassea], ermahne euch sals der, der ich meinem wirklichen Wesen nach bin] durch die Sanftmüthigkeit und Lindigkeit Christi [1. Cor. 1, 10; Matth. u, 29 f.; Jes 42, 3], der ich swie jene euch im Gegensatz zu meinem wirklichen Wesen einredens gegenwärtig unter euch gering [unterwürsig, servil, kriechend] bin, im Abwesen [nach jetziger Redeweise: in Abwesenheit] aber bitt ich thürstig [muthig, kühn, anmaßend I. Mos. 34, 25 Anm.] gegen euch. c 2. Jch bitte aber lnach dem Vorbild der Sanftmiithigkeit und Lindigkeit Christi das beab- sichtigte Ermahnen V. 1 noch milder gestaltend und es zu einem bloßen Anflehen herunterstimmend, verhaltet euch doch so], daß mir nicht uoth sei, gegenwärtig thürftig zu handeln [wie ich das gar wohl vermag Kap. 13, 2 ff. 10] und der Kühn- heit zu gebrauchen, die man mir [von Seiten der Gegner allein für das Abwesen oder Abwesend- sein] zumisseh gegen etliche [welche bei Namen zu nennen ich lieber unterlasse l. Cor. 15, 12], die [von den Widersachern und Verleumdern in ihrem Urtheil sich bestimmen lassend] uns schätzeth als wandelten wir fteifchlicher Weiser svon menschlicher Berechnung und selbstsüchtiger Klugheit geleitet, so daß wir uns wohl hüteten, im persönlichen Verkehr scharf aufzutreten, weil wir fürchteten, möglichem Widerspruch und Widerstand gegenüber den Kürzeren zu ziehen, brieflich dagegen desto mehr uns herausnähmen, weil bei solchem Auf- treten aus der Ferne nichts dergleichen zu be- fahren sei]. 3. [Nein, so steht es nicht mit uns !] Denn ob wir wohl im Fleische wandeln [insofern wir jetzt in dem irdischen, ohnmächtigen, so vielen Kampf gegen die Widersacher in der Gemeinde. Pauli apostolische Gewalt. 355 Mängeln und Bedürfnissen unterworfenen Leibe leben und da des Fleisches Neigung fühlen und des Fleifches Schwachheit leiden], so streiten wir doch sin dem Kampfe des Glaubens, den wir zu bestehen haben 1. Tim. S, 12; 2. Tini. Z, Z; 4, 7] nicht fleischlicher Weise ldaß wir bald von Leidenschastlichkeit und Rachsucht, bald von Feig- heit und Hinterlist bei der Art, wie wir unsern Kampf führen, bestimmt würden]. 4. lVon solcher Kampfesweise, die denjenigen eignet, toelche Fleisch für ihren Arni halten Ier. 17, 5., können wir uns durchaus fernhalten.] Denn die Waffen unsrer Riiterschaft sioomit der, dessen Streit wir führen, uns ausgerüstet hat] sind nicht fletschlich sweil eben von ihm selber und nicht von unserm Fleisch uns an die Hand gegeben, daher auch nicht ohnmiichtig und wirkungs- los für einen siegreichen Erfolgs, sondern mächtig vor Gott sin seinen weit schauenden Augen und nach seinem untrüglichen Urtheil Apostg 7, 20], zu verstören die Befestigungen swelche die Welt wider das Andringen seines Reiches aufrichteh um es von sich abzuhalteii]; Z. Damit sangethan und dadurch mächtig gemacht] wir sdann unsrer Aufgabe gemäß] ver- stören die Anschläge smenschlichen Dunkels] und alle Hdhe svon Wällen, Thürmen oder Burgen], die sich erhebet wider das Erkenntniß Gottes fes in seinem Siegeslaufe aufzuhalten und nicht zu Kraft und Geltung kommen zu lassen], und nehmen feinestheils —— bei solchen, die sich für die Wahrheit wollen gewinnen lassen] gefangen alle Vernunft sin den Gedanken und Bestrebungen ihrer Herzen] unter den Gehorsam Christi sgegen Christum oder gegen das Evangelium von ihm Rom. i, 5z 15, 18], b. Und sind sanderntheils —- was die- jenigen betrifft, die sich nicht wollen gefangen geben, sondern iii hartnäckigem Widerstreben be- harren] bereit, zu rächen allen ungehorsam« fdurch thürstiges Handeln V. 2., wenn die Zeit dazu gekommen ist, und das wird denn auch bei euch geschehen], wenn euer Gehorsam [insofern] erfüllet [volleiidet] ist«« sals die Gemeinde als solche oder in ihrer Mehrzahl sich zum völligen Gehorsam Christi hat zurückbringen lassen, die Partei der Unge- horsamen dagegen Röm. 10, 16 als von ihr geschieden nun dasteht].· «) Bezeichnend und mit Nachdruck stellt der Apostel in diesem Abschnitt seinen Namen an die Spitze: Jch aber, Paulus; eben diesen geschmäheten und mit Verleumdung überfchütteten Namen will er vor den Corinthern rechtfertigen 1ind in die ihm gebührendc Geltung wieder einsetzeiydcälger läßt er ihn hier nicht zurücktreten, wozu sonst die escheidenheit und Deniuth ihn veranlassen konnte, wie z. B. wenn er in der Aiifschrift feiner Briefe gern mit seinem Namen den eines Gehilfen verbindet, spricht auch nicht, wie er sonst pflegt, mit ,,wir«, wobei die Persönlichkeit hinter dem Amte zuriicktritt oder seine Gefährten als mit- redend gedacht werden, sondern mit ,,Jch, Paulus« hebt er an, den offenen Kampf mit den Gegnern auf- zunehmen, denen dieser Paulus ein so geringfügiger Mann ist, an dem sie soviel auszusetzen haben, der, hätten sie Recht oder känie es auf sie an, mit seinem Namen lieber sich verbergen als vordrängen müßte. (Bnrger.) Paiili natürliche Art war in besonderen: Grade das Gegentheil vonSanftmuth und Lindigkeit; aber Christi Sanftmuth, die langsam zum Zorn, und Christi Lindigkeih die schnell zuin Verzeiheii ist (lenis est; ni non temere irascjtiuz mans1ierus, qiii etieimqiratus facile placatur: 9,)Jielanchthon) spiegelte sich in ihm (Kap. 3, 18), das haben die Corinther bis- her schon an ihm reichlich spüren können, und auch r« les-g« sigisichskhrggså in, ssdsxsischssk gs slgkch erei,one a i ei un ei i ei erim von Christo verliehenen Strafgewalt über alle Un- gehorsanien zu gebrauchen, so hatte er doch dabei nicht an ihm selber Gefallen, sondern er ermahnt und bittet sansftiiiütlsig arg) gelisndhsdaß ihg diF cåemsntkze kegne Ur a zum ewei en einer tra tü tig ei ge en Mög? Die Widersacher nämlich hatten, als der erste Brief ankam und die Gemeinde tief erfchiitterte, dessen Eindruck schwächen wollen mit der häniischen Rede, die Paulus hier aus ihrem Munde wörtlich aufnimmt; die Schwachheih in welcher er vormals (1. Tor. Z, Z) nach Corinth gekommen und mit Furcht und Zittern seines Amtes gewaltet (doch ist wohl besser an seiiie zweite Anwesenheit in Corinth und sein damaliges, noch zurückhaltendes Benehmen Apostg. 19, 20 Anin. zu denken) hatten sie ihm als Feigheit und Kriecherei ausgelegt und ihn nun im Zusammenhalt mit dem nachmaligen Briefe abgemalt wie einen Menschen, der seizen giansgelkan peäsgnckåchemsMuthkBdiissrch)brgef- li e reitig eit un e eit er etze. e er. as Wort Wesen (eigentlich der als Substantiv gebrauchte mittelhochdeutsche Jnfinitiv für unser jetziges ,,sein«) bedeutet a) ursprünglich das beharrende Sein, das Dasein, Bestehen in der Zeit (Osfenb. 4, U; 2. Tini. 1, 10); dann b) der Aufenthalt jemandes sammt feinem Thun und Treiben (Matth.17,22; Apostg. 12, 19); ferner c) das, was das Sein eines Dinges bestimmt, gessen Znoghweiidiåe Eigenschaften undcgliårb male (1. am. , s; 1. or. , 31 ; weiter as Ding oder die Person selbst (,,Gott ist aller Wesen Vater«), doch kommt bei Luther das Wort in dieser Bedeutung noch nicht vor. Der Griindbedeutung von Weseizlentsprsicht das Abgesenzzdgi.ktie Abwgeisiclåeifh uiid nwe en (in . am. « , .v. a. e ät oder Vieh, eigentlich: Angehöriges), d. i. Anwesenheit; bekde Formen sind aber jetzt gänzlich außer Gebrauch e·ommen. g «) Der Diener Christi ist ein geistlicher Streiter, der zu Felde ieht wider alles, was sich der Herrschaft Christi, der Wahrheit, der Erkenntniß Gottes ent- gegenstellfh iäias deregi ausschließliche undstv·o’blkigeZGel- tun· au u alten o er zu verringern re . war inufi ein Zfolcher es vielfach erfahren, daß der natür- liche Träger seiner Thätigkeit ein schwacher, sündiger Organismus ist; aber dieser mit seinen sündigeii Sehwächem Affekten &c. ist nicht das seine Kriegführung Beftimmende, das ist vielmehr der Geist Gottes, für desseii Sache er kämpft. Der reicht ihm die Waffen, göttlich mächtige Waffen, das lebendige Wort Gottes niit seiner Licht- und Lebenskraft, mit seiner alles durchdringenden, allen Widerstand bewältigeiiden, alle noch so festen Bollwerke niederwerfenden Energie. Dies Wort Gottes ist das Schwert, welches alle noch so verwickelten Knoten, die der von satanifchen 234 356 2. Corinther 10, 7—l7. Lügenkräften erfüllte Verstand knüpfen mag, zerhaut, der starke Mauerbrech er, welcher die gewaltigsten Befestigungen widergöttlicher Gedanken- und Schluß- reihen durchbricht und verstört; es ist das Licht, welches die Finsterniß menschlichen Denkens durch- dringt, das Bewußtsein seiner Verkehrtheit und seiner Ohnmacht in göttlichen Dingen erweckt, von der vollen und ausschließlichen Wahrheit der Gottesoffenbarung in Christo überführt und so alle Vernunft Christo unterthan macht, also daß der denkende Mensch die Wahrheit in Christo als das fchlechthin Geltende an- erkennt. Dem Feinde gegenüber, dessen Rüstung ist roß Macht und viel List, hat aber der geistliche Streiter oder Feldherr nicht allein eine göttliche Energie aufzubieten, sondern auch eine seine Schlauheit über- windende Klugheit: er unterscheidet wohl zwischen Verführern und Verführten und ist beflissen, auf s onende Weise diese zu gewinnen und von jenen a zulösen, bevor er mit strenger Zucht die Wider- Renstigkeit bestraft —- ein Verfahren, in welchem, wie lugheit, so Liebe sich erzei«t, indem er dessen ein- gedenk ist, daß der Zweck er von Gott ihm ver- kghenezi Amtsgewalt Erbauung, nicht Zerstörung ist. ing. Hi) Der Apostel zögert noch mit dem Vollzuge der von ihm schon in Bereitfchaft gehaltenen Bestrafung, aber nicht, als fehlten ihm dazu die Mittel oder das Vermögen, sondern in wohlbewußter Absicht; denn vollziehen will er die Strafe, wenn ,,ihr Gehorsam vollendet fein wird«. Er macht also den Zeitpunkt des Eintritts seiner Strafe gewissermaßen abhängig von ihrem Verhalten: von ihnen, d. h. von der Ge- sammtheit der Gemeinde, hofft er die volle Rückkehr in den» geziemenden Stand · der »Unterwerfang unter Christum· Zwar· schemt diese Ruckkehr nach Kp. 7, 6 ff. schon erfolgt; gle1chwohl zeigt unsre Stelle, daß Paulus in den erfreulichen Vorgängen, die er dort mit so gewinnenden Worten aufführt, nur einen, wenn auch weit ediehenen Anfang erkennt, dessen Ausbreitung und ertiefung in der Gemeinde noch Gegenstand seiner hoffenden Erwartung ist. Es können noch manche schwankende und unentschiedene Glieder der bereits umgekehrten Mehrzahl sich anschließen, es soll der hergestellte Gehorsam dieser selbst sich noch mehr befestigen; es soll die Zeit nicht verkürzt werden, welche allen gegönnt ist, sich in der für sie heilbringen- den Weise zu entscheiden. Dann erst, wenn in solcher Weise der Gehorsam der Gemeinde erfüllt ist, soll den unverbesserlichen Rest oder die allein noch übrig gebliebenen Anstifter des Ungehorsams der Strafeifer des Apostels treffen, damit ja niemand in die Strafe mitverflochten werde, der noch zu retten war, und diese lediglich über die ausschließlich schuldigen und hartnäckigen Uebelthäter komme. In welcher Weise er strafen werde, sagt er nicht; an l. Cor. 5, 3 ff. hat er eine Probe gegeben deß, was er Macht hat, womit 1. Tim. l, 20 zu vergleichen. Auch diese Stelle giebt uns einen bedeutsamen Wink für die Handhabung der Kirchenzuchu sie wird ihr Ziel nicht erreichen, solange nicht in der Gemeine selbst eine Scheidung vor sich gegangen ist zwischen dem Theil, der sich der Wahr- heit völlig unterwirft, und dem Widerstrebenden Rest; und die langmüthige Geduld des Apostels, mit der er den ganzen Reichthum der Gnadenmittel und das volle Maß apostolischer Bitte und Vermahnung erst erschöpft, um die entfremdeten Gemüther in Liebe und Ernst auf die rechte Bahn zurückzuführen, ehe er dazu schreitet, das durch den Dienst seines Worts innerlich bereits Geschiedene auch äußerlich zu sondern und von einander auszuscheiden, mag denen ein Vorbild sein, welche so gern geneigt sind, ihre Amtsthätigkeit mit der Zuchtübung anzufan en, mit welcher der Apostel die seinige beschließh r übt in evangelischer Weise die Schonung und Vorsicht, welche auf gesetzlichem Boden Moses (4. Mos. 17, 25 f·) fund Jehu (1. Kön 10, 23) sich zur Pflicht machen, damit seine Strafe ja nicht zu früh komme und dadurch möglicherweise eine Seele beschädige, die durch längeres Zuwarten der Geduld, welche freilich mit kräftigster Handhabung aller Mittel zur Gewinnung der Gefährdeten verbunden sein muß, noch hätte gerettet werden können. (Burger.) 7. Richtet ihr [Eorinther, wenn ihr von denen, die sich wider uns auflehnen, euch die gerade gegentheilige Meinung, als die in V. 3 ff. ausgedrückte, über unser Wirken und Streiten bei- bringen laßt] nach dem Ansehen [dem bloßen Augenschein, indem wir allerdings in anspruchs- loser Art und mit schonender Zurückhaltung auf- treten und mit den Erweifungen der Macht, die uns beiwohnt, keinen Prunk treiben]? Verläßt sich jemand [wie jene meine Neider und After- redner in ihrer Selbftschätzung es thun] daraus, daß er Christo angehöre [als sein Diener Kap. U, 23], der denke solches auch wiederum bei ihm, daß, gleichwie er Christo angehdreh also gehören wir auch Christo an sdenn soweit wird er ja doch seine Selbstschätzung nicht wollen treiben, daß neben ihm nicht auch Andere noch Platz haben, dasselbe zu sein, was er ist]· 8. Und so ich auch [indem ich damit, daß ich hier mit dem bloßen Titel eines Dieners Christi mich begnügen zu wollen erklärte, aller- dings auf das geringste Maß des mir gebührenden Anspruchs auf Anerkennung herunter gegangen bin] etwas weiter mich rühmte [und da redete] von unsrer Gewalt, welche uns der HErr gegeben hat [als solchen, die in seinem Namen die Kirchen- zucht üben sollen 1. Cor. 5, 3 ff., welche Gewalt ausschließlich darauf abzielt], euch zu bessern und nicht zu verderben [um dies im Gegensatz zu denen, die mit ihrer angemaßten Gewalt euch vielmehr verderben, statt zu erbauen, noch aus- drücklich zu bemerken] wollte ich nicht zu Schanden werden [mit solchem Ruhm, sondern der HErr würde sich zu dem, was ich vermöge der von ihm uns verliehenen Gewalt thäte, auch bekennen, wie er sich einst zu Petro dem Ananias und der Sapphira gegenüber bekannt hat Apostg. b, 3 ff.]. 9. (Da6 l«ich wollte nicht zu Schanden werden«] sage ich aber) daß ihr nicht euch dünken lasset, als hätte ich [blos] euch wollen schrecken mit Briesen swährend ich im Herzen mir wohl bewußt wäre, daß ich das, was ich dräuete l, Cor. 5, b; l. Tim. l, 20., doch nicht in Ausführung zu bringen vermöchte]. 10. sAlso euch dünken zu lassen, steht ihr ja in großer Gefahr.] Denn die Briefe [die er schreibt], sprechen« sie [meine Gegner, die mich in Auch anwesend wird der Apostel fchwer und stark sich erweisen können, wenn die Zeit dazu da ist. 357 euren Augen wollen herabsetzen und um alle Achtung bringen] sind schwer und stark fgewichtig und nachdrucksvollhabet die Gegenwärtigkeit des Leibes [die leibliche Gegenwart, fein Auftreten, wenn er perfönlich da ist] ist schwach fenergie- oder kraftlos], und die Rede verächtlich fzu un- bedeutend, als daß sie Respekt einzuflöszen ver- möchte]. 11. Wer ein solcher ist fdaß er dergleichen Gerede über uns thut oder ihm Glauben zu schenken sich verleiten läßt], der denke, daß, wie wir sind mit Worten in den Briefen im Abwesen fnämlich schwer und stark], so dnrfen wir auch wohl sein mit der That fwenn wir find] gegen- wärtig fbei euch, falls wir dazu genöthigt werden sollten V. L; 13, 2 u. 10]. Titus mag dem Apostel nicht verschwiegen haben, wie die Widersacher darauf ausggngeiy die Umkehr der Gemeinde aufzuhalten mit ntkräften des Ein- drucks, welchen der vorige Brief gemacht hatte; und auch dem jetzigen gegenüber hatten sie wohl die Rede fchon in Bereitschaftn »die Briefe sind schwer wie ein Laststein und stark wie ein Donner, aber niemand lasse sich dadurch einschüchternx denn die Gegenwärtig- keit des Leibes ist schwach und die Rede verächtlich.« Möglicherweise stichelten die Verkehrten mit dieser hämischen Rede auch auf den gebrechlichen und schwächs lichen Leib (Nicephorus Callisti, ein morgenländischer Kirchengefchichtsschreiber aus dem 14. Jahrh., nennt Paulum klein und gebeugt von Gestalt) und auf seinen Mangel an dem, was Weltmenschen Rednergabe nennen; vornämlich aber meinten sie die Abwesenheit aller der Eigenschaftem worein sie selber Ansehen und Würde eines Apostels setzten, nämlich diktatorisches Auftreten, herrisches Gebahren, schrosfes Zufahren, rhetorischen Glanz, trotziges Pochen auf Amtsgewalt, Erdrücken der Seelen mit der Wucht der eigenen Persönlichkeit (Kap. 11,20). Von dem allen fand sich das gerade Gegentheil bei Paulo, dem Nachfolger Christi in Sanftmüthigkeit und Lindigkeih dessen niündliches Wort in Beweifung des Geistes und der Kraft ging, während er vernünstig-berechnende Reden menschlicher Weisheit verschmähte und namentlich bei den Corinthern war mit Schwachheit und mit Furcht und mit großem Zittern (1. Cor. 2, 3f.); solch ein Mann imponirte den ungeistlich und weltlich gesinnten, oberflächlichen Leuten nicht, nach deren Meinung der Apostelftempel auf Pauli Stirn in ganz anderem Gepräge hätte zu sehen sein müssen, wenn er ächt gewesen wäre. (Besfer.) O Gott, unter was für ungleichen Urtheilen haben sich deine bewährtesten Werkzeuge müssen herumziehen lassen! Denen du fchon bereitet hattest, mit deinem Sohn zu sitzen auf Stühlen in feinem Reich, diese unter die Füße zu treten haben sich freche Menschen nicht gescheuti Lehre uns doch über dieser uns in Christo angebotenen Ueberwindungskraft halten, daß wir uns zum Schtnählichsten bequemen und mit unsrer Hoffnung doch über dem Herrlichsten halten! (Rieger.) 12. Denn wir dürfen fwagen Rom. 5, 7 sinnt] uns nicht unter die fzu] rechnen oder fzu] zahlen, so sich selbst loben fzu welcher Sorte von Leuten vielmehr die »etlichen« gehören, auf die ich in V. 2 hinwies]; aber fes wäre das auch gar kein Vorzug, zu ihnen zu zählen, denn] dieweil sie sich bei sich selbst messen und halten allein von sich selbst fin arger Selbstverliebtheit gar nichts Höheres, als was sie zu sein glauben, kennend], verstehen sie nichts ferweisen sie sich als so thöricht, daß wir ihnen gern ihren Unverstand allein über- lassen und uns nicht unter sie mengen]. 13. Wir aber fgemäß dem in Rom. 12, 3 ausgesprochenen Grundsatze] rühmen Uns nicht über das Ziel fdas uns abgemessen worden], son- dern uur nach dem Ziel der Regel foder Richt- fchnur], damit uns Gott abgemessen hat das Ziel fund das hat bis hierher sich soweit erstreckt], zu gelangen auch bis an euch [Apostg. 18, 9 f.]. 14. fJa, nicht über die uns abgemessene Grenze oder das Ziel der uns gesteckten Richt- schnur hinaus rühmen wir uns, wenn wir uns euer als eines uns zukommenden Arbeitsfeldes rühmen] Denn wir fahren nicht zu weit [über- recken oder überspannen uns nicht wie Einer, der nach etwas langt, was über sein Längenmaß hinausgeht, indem wir euch für uns in Anspruch nehmen], als hätten wir nicht gelanget bis an euch fgleich als wäret ihr eigentlich nicht für uns be- stimmt gewefen]; denn wir find ja auch bis zu euch kommen mit dem Evangelio Christi fund zwar früher zu euch kommen als Andere, die erst nachträglich sich eingedrängt haben Rönr I5, 20; 1. Petri 4, 15]. 15. Und rühmen fnun wir] uns nicht fwie jene es thun] über das Ziel in fremder Arbeit fals hätten wir mit euch, über das uns ab- gemessene Arbeitsgebiet hinausgreifend, in ein fremdes hineingegriffen, vielmehr geht unser Ge- biet sogar noch weiter], und haben fwir die wohl- begründete] Hoffnung, wenn nun euer Glaube in euch gewachsen ffo daß die Sorge um euch uns nicht mehr beengt und zurückhält], daß wir, unsrer Regel nach fkraft der uns noch ein ferneres Ziel abgemessen ift], wollen weiter kommen, 16. Und das Evangelium auch predigen denen, die jenseii euch wohnen fden Römern und Spaniern Röm. 15, 23 f·], und fwerden wir nun auch da] uns nicht rühmen in dem, das mit fremder Regel bereitet ist«« funs die Früchte der Arbeit Anderer aneignen und damit groß thun, wie das die Manier unsrer Gegner bei euch in Corinth ist]. Das 11. Kapitel. Pauli ausgefiandene Arbeit und xgefnhr in Pflanzung der Arme-tilde. 17. Wer sich aber rühmet ffo lautet unser, fchon früher in 1. Cor. l, 31 auf Grund von Jer. 9, 24 ausgefprochener GrundsatzL der rühme sieh des HErrn fund darnach sollt denn auch ihr ab- 358 L. Corinther 10, 18. 11, 1——5. messen, wer euch mehr zu gelten hat, derjenige, der eure Gemeinde mit seinen Gehilfen gegründet, oder diejenigen, die nachmals zu euch gekommen und mit ihrem ruhmredigen Wesen sich geberden, als wären erst sie die rechten Baumeister und müßten Gottes Gebäude bei euch zu Stand und Wesen bringen]. 18. [Schon das, daß sie eben selber sich rühmen, muß ihren Werth euch gar sehr ver- dächtig machen] Denn darum ist einer nicht tüchtig sanerkannt und ausgenommen zu werdens, daß er sich selbst lebet, sondern daß ihn der HErr lebet« svon einem Lobe des HErrn aber haben sie nichts ausznweisens V) Die erste Hälfte des 12. Verses ist ironisch gemeint (vgl. die Bem. zu 1. Kön. 22, 15); wörtlich: Denn wir wagen nicht, sind nicht kühn genug, uns selbst zuzuzählen oder zu vergleichen etlichen derer, die sich selbstloben. Sie halten so hoch von sich, daß der Apostel mit ihnen sich zu messen gar nicht unternehmen darf (nämlich nach dem, was sie zu sein sich einbilden); weder sich ihnen ein- zureihen, aus gleiche Linie mit ihnen sich zu stellen, wagt er, noch auch nur ihnen sich zu vergleichen, wegen des gar zu hohen Anspruchs, den sie erheben. Sie selbst nennt er ,,etliche aus der Zahl derer, die sich selbst loben«: der letzteren, der sich selbst Lobenden ist eine große Menge, sie sind eine zahlreich vertretene Klasse; aber ewisse Leute, die zu ihnen gehören, treiben dies eschäft in einem Grade, daß dem Apostel, wie er sagt, der Muth vergeht, mit ihnen sich in Ver- gleichung oder Wettstreit einzulassen. Jn der zweiten Hälfte des Verses wird dann die Thorheit jenes ihres Verfahrens offen aufgedecktx sie, indem sie an sich selbst sich selbst·messe»n und sich selbst mit sich selbstvergleichemsindunverständig Jhren Unverstand beweisen sie eben dadurch, daß sie zum Maßstab ihrer Selbstsclsiitzung wieder nur sich selbst, d. h. eben nichts Anderes, als die eigene Meinung von ihren Leistungen und Thaten nehmen, welche in demselben Maße anschwillt, als ihre Eitelkeit groß ist, und durch keine objektive, im tvirklichen Sachverhalt gegebene Schrankesich binden läßt; so wird ihr Rühmen ein in’s Maßlose sich erstreckendes Anders bei dem Apostel! Nach einer bestimmten, in Gottes Rath fest- gesetzten Regel — so führt Paulus in V. 13 aus — theilt Gott Jedem den Umfang, das Maß seiner Wirk- san1keit zu, und an diesem Maße hat er die Schranke, wie seiner Thätigkeih so seines Ruhms; wer nun diese Schranke im Auge behält, wird mit seinem Rühmen nicht in’s Maßlose gerathen, er hat an» ihr das objektive Maß desselben und rühmt sich nicht nach seiner Einbildung, sondern in Uebereinstimmung mit dem vorliegenden Thatbestande Dem Apostel hat Gott einstweilen (bis dahin, wo er jetzt steht, vgl. V. 15 s.) als Maß zugetheilr daß er auch bis Eorinth seine Wirksamkeit erstrecken sollte; und wenn er dessen sich rühmt, bleibt er bei der Wahrheit, greift nicht über die Schranke hinaus, die ihm gesetzt ist, prunkt nicht mit fremder Arbeit (V. 14 u. 15). Seine Gegner machen es anders, sie rühmen sich, wo ihnen Gott nichts zugemessen hat, denn Corinth gehörte zu seinem Arbeitsgebiet, und er hat es auch wirklich ausgefüllt; sie aber geberden sich, als hätten sie erst aus der corinthischen Gemeinde etwas Rechtes gemacht, als hätten siedort einen Beruf und eine ihnen zugeniessene Bestimmung. Jn’s Maßlose, in fremder Arbeit rühmen sie sich da: nicht also Paulus; er bedarf auch dessen nicht, sein eigenes Maß ist schon nach dem, was bis- her ihm zugemessen war, groß genug, er hofft aber, es solle für die Zukunft noch größer sein, er werde, wennder Stand der corinthischen Gemeinde so sein wird, daß er von ihr aus weiter gehen kann, seine Wirksamkeit auch über die darüber hinaus liegenden Länder, nämlich über das Abendland erstrecken. Immer aber wird er in seiner Regel, dem ihm zugewiesenen Wirkungskreise bleiben, nicht es machen wie die Gegner, die in fremder Regel sich rühmen in Be- zng auf das Fertige, wenn sie sich in das dem Apostel als Arbeitsfeld zugetheilte Corinth setzen, und nachdem alles dort von ihm schon in Ordnung gebracht, das Evangelium gepredigt und angenommen, der erste feindselige Widerstand besiegt, die Gemeinde epflanzt, durch Lehre und Ermahnung befestigt, durch Fzucht und Vorbild auferbaut ist, mit hohem Ton sich das Ansehen geben, als hätten sie die Gemeinde erst, wenn auch nicht gegründet, so doch in den erforder- lichen Stand gebrachr Dies Eindringen in fremdes Gebiet und Sichschinücken mit fremden Federn ist dem Charakter und der Weise des Apostels völlig fremd, und soll es auch bleiben. (Burger.g IV) Der rechtschafsene Diener es HErrn unter- scheidet sich von anmaßlichen Eindringlingen theils dadurch, daß er alles Selbstlobes sich enthält und es seinem HErrn anheimstellt, ihn zu rechtfertigem ihn als seinen Knecht zu legitimiren, so daß all sein Rühmen ein Sichrühmen im HErrn ist, ein Ruhm der Gnade, die ihn tüchtig macht, die seine Arbeit segnet, ohne die er nichts ist und vermag; theils dadurch, daß er sich genau in dem ihm vom HErrn ange- wiesenen Berufskreise hält und nur das geltend macht zur Ehre seines HErrn, was er in diesem durch seine rast ausrichtet, auch nicht darüber hinausstrebt, bevor er das ausgerichtet hat, was ihm vom HErrtrbefohlen ist, so daß er, gestärkt durch diesen Erfolg, seinen Fuß weiter setzen kann, wie eben der HErr es ihn heißt. (Kling.) Nicht geprahlt, sondern gedankt heißt, so jemand der Kraft des Menschen nichts zuschreibh aber Gottes Amt und Gabe hoch preist. (Cyprian.) Die loben Gott alleine, welche alles Lob von sich auf ihn tragen und wollen nicht, daß jemand hätte ihre guten Werke gesehen, denn allein darum, daß ihr Vater im Himmel dadurch gepreist und geehret werde (Matth. 5, 16), dessen Namen sie geliebt haben; der- halben lockt und ehrt Gott sie wiederum, wie er sagt (l. Sam. 2, 30): »wer mich ehret, den wilI ich auch ehren.« (Luther.) Gewiß schwer hat es Paulus den Corinthern gemacht, ihren Gehorsam unvollendet zu lassen (V. 6): wer nach diesem Briefe noch von ihn: sich abwandte und den falschen Aposteln anl)ing, der war reif, die apostolische Rachegewalt zu fühlen. (Besser.) b. V. 1—-15. Um sein Ansehen in der Gemeinde wieder ganz sesk zu sketlen und, was davon unzer- treiinlich war, das der Gegner völlig zu vernichten, sieht Paulus darznthiisi sich genöthigt, wie er den ihn vertiteinernden Gegnern niihtniirgaiiz und gar etienhiirtig sei, sondern auch noch weit iitier ihnen stehe; da aber solches Sichset6striihnien, wenn es auch im vorliegenden Falle ein von dec Itnitspslicht ausgenöthigles isk nnd hernach genau innerhalb der Schmiiiieii der Wahrheit sich halten wird, iknnierhin den ersk Kurz vorher (Rap. 10, 12 u. 17 s.) ausgesprochenen( Grundsätzen geinäst etwas Thörishtes an sitt) trägt, so Billet er zuvor die Leser, ihm diese Thorheit einmal zu gestatten, was sie bei ihrer Sympathie siir dergioiiheti Reden in Es ist freilich Thorheih sich selbst zu rühmen; aber der Apostel muß derselben sich jetzt unterziehen. 359 Thorheii und in Anbetracht der beabsichtigten Pflicht« ersiillnng wohl auch thun werden, da er nur die von der Gefahr· der Beslcrtiiing bedrohele Reinheit der Ge- meinde und ihres Glaubens zu wahren bezwecäe (V. 1—5). Indem nun der Ilposkel eine Vergleichung zwischen sich und den Gegner« eröffnet, liann er wohl zugeben« dass er in Betrefs der Redesertiglieiu wie sie dieselbige sich angeeignet haben, im Vergleich mit ihnen siir einen Laien gelten must; aber niiht ist er das in Belress der Etlienntnisy und ausserdem ist er ja, gleiihwie allenthalbeu, so auch bei den Co— rinlheru in Beziehung aus das, was er n1it seinem lllort auszurichten ver-träge, bekannt (V. 6). Bei einein zweiten Punkte, niiiiilich bei deni für die Aus— iibung der Lehrlhiitiglieit in Ilnsprinh genommenen Lohn, Komme es vor allem ans Besnitworteing der Frage an, ob er sitt) daniit oersiindigt habe, wie die Gegner behaupten, dasl er den Corinlhern die heils- botschalt cineiilgeltlixtj gebracht, während jene mit ihre-n Auftreten als uachträglictje Lehrer es anders hielten; es liauii liein Zweifel sein, day, wenn er in allen Stiictien den Corinthern sich unbesihiverlich hielt nnd lieber von andern Genieiiideii Unierstiitziiiig annahm, als in Ilchaia sich seinen cebenstinlerhalt gewähren zu lassen, er dies ans weisen Ilbsichlen gethan, nnd da hat nun sein Aposielthciiii dein vor- geblichen der Gegner gegenüber einen solchen Vorzug, das! letztere nimmer gegen ihn anslioninieii werden, niögen lie noch so sehr wie Apostel sich haben nnd geberden (V. 7—-1 . Kap. 11, V. 1. Wollte Gott, ihr hieltet mir ein wenig Thorheit zu gut sdaß ich mich auch einmal, wie ich’s hernach thun werde, der mir eignenden Vorzüge rühmen darf]; doch ihr haltet mir’s wohl zu gut [da die Gewährung meines Wunsches ja nicht mehr als billig ist, nachdem ihr Andern ihre fortwährende Thorheit des Selbst- rtihmens zu gut gehalten habt, bei mir aber die nur ans kurze Zeit erbetene Erlaubniß dazu ledig- lich darauf abzweckt, mein Amt an euch ausrichten zu können]. 2. Denn ich eifere über euch mit gbttlichem Eifer sdaß ihr nicht an euerm Christenstande zu Schaden kommen möget]. Denn ich habe euch vertrauet Einem Manne, daß ich sin euch auf die Zeit, wo die Hochzeit gehalten wird Offenb. 19, 7 sf.; 21, 21 eine reine Jungfrau [ihin, diesem Einen Manne, nämlich] Christo zubriichtH fund da darf ich nicht zugeben, daß noch andere Männer um euch buhlen]. Z. Ich fürchte aber, daß tiicht swozu ein Anfang leider schon geschehen ist], wie die Schlange Evam verführte mit ihrer Schalkheit snach I. Mos. 3, I ff.], also auch eure Sinne [Kap. 3, 14; Phit. 4, 7., nämlich die Gedanken durch Bethörung des Verstandes mit Scheingründen und die Willens- bewegungen durch Vorspiegelung von Scheingütern] verrücket werden von der Einfältigkeit in Christo« [von der Einen Richtung auf Christum hin, die sie bei eurer Bekehrung zu ihm genommen hatten]. ! 4. sJch habe wohl Grund zu solcher Be- fiirchtung, wenn ich das, was zu thun ihr bereits im Stande seid, ansehe·] Denn so, der da [von ’ auswärts] zu euch kommt swer es auch immer sei — ihr fragt ja nicht erst, ob seine Legitimation auch zu Recht bestehe Gar. 5, 10], einen andern Jesum predigt« den wir nicht geprediget haben, oder ihr einen andern Geist empfingen den ihr [bei eurer Bekehrung durch uns] nicht empfangen habt, oder ein ander Evangelium, das ihr sals ihr gläubig wurdet 1.Cor.15, 1] nicht angenommen habt: so vertriiget ihrs billig-««- sals etwas, von dem sich von selbst verstünde, daß es so recht und wohlgethan sei]. 5. sDa vertraget nun auch von mir, was ich hernach V. 21 ff. zu thun gedenke und wozu ich vorhin mir die Erlaubnis; erbat V. L] Denn tch achte, ich sei nicht weniger, denn die hohen [geuauer: überhohen Kap. 12, 11] Apostel sind-s- [die bei euch so Großes von sich rühmen, als reiche an ihre Höhe schlechterdings niemand heran, sich aber nur zu Christi Aposteln verstellen V. 13]. s) Thorheit nennt der Apostel, was er jetzt thun will, indem er auf eine Streitweise eingeht, die er lieber vermiede, die er deshalb nicht auf den ihn serfüllenden Geist Gottes zurückführen will, sondern auf eigene Rechnung nimmt, wiewohl er im HErrn vollkommen gewiß ist, daß er dies Mal so austreten darf und soll. (Burger.) Thorheit ist ja freilich alles Rühmen von sich selber, wennanders wahr ist, was Paulus soeben (Kap. 10, 17 f.) geschrieben hat; genöthigt nun, in die Form der Thorheit die Weisheit der Liebe zu fassen, schickt der Apostel den Wuusch voraus: »daß ihr mir doch ein wenig Thorheit zu gute hieltet!« Viel himmlische Weisheit verdankten sie der Predigt ihres Vaters in Christo: gesetzt den Fall, er geriethe wirklich ein wenig in ållienschenthorheit beim Rühmen, so durfte er ja zu ihnen sich versehen, daß sie Nachsicht mit ihm trügen; aber in der That verklagte der Schein von Thorheit, den er zu seinem Leidwesen hier nicht vermeiden konnte, nicht ihn, sondern die, welche ihn zwangen, ein Narr zu werden über dem Rühmen (Kap. 12, 11). Hiervon mußten sie ein Gefühl haben, und dies Gefühl rühren die Worte an: ,,doch ihr haltet es mir wohl zu gut«; es wird euch nicht schwer werden, mich zu ertragen mit dieser meiner thörichten Ruhmrede, weil euch leider solches Ertragen geläufig geworden ist. (Besser.) Hier aber haben die Corinther Z: solchem Ertragen einmal guten Grund, da jene horheit nicht aus Selbstsucht und Hochmuth sondern aus göttlichem Eifer für sie und für Christum hervor- geht. Er eifert um die Gemeinde für Christum, dem er als Brautwerber (Joh. s, 29) sie verlobt hat, daß sie ihm nicht untreu werde, von der ungetheilten An- hänglichkeit an ihn, welche er durch sein Evangelium in ihr erweckthat, nicht durch verführerischeunevaiigelische Lehre abgezogen werde. (Kling.) Aus Eifersucht also für Gott, seine Ehre und sein Recht an den Seinigen zu vertheidigen, thut der Apostel, was unter andern Umständen Thorheit wäre; er sieht sich als den Braut- führer an, welcher dafür einzustehen hat, daß die Braut treu und unverletzt ihrem Bräutigam zugeführt werde. Das irdische Leben ist diese Zufiihrung und Verlobung, das himmlische die Hochzeit selbst. (v. Ger- lach.) »Ich habe euch vertrauct Einem Manne-«, 360 2. Corinther U, 6—-l5. schreibt er, wie er in I. Cor. 7, 23 sagt: ,,ihr seid theuer erkauft, werdet ni t der Menschen Knechte«; denn das Streben seiner idersacher ging auf eine Eigenherrschaft über sie, bei der sie nicht blos Christo, sondern daneben auch ihnen unterthan sein sollten. Um die bei ihrer Vertrauung durch ihn, den Brautweber, ihnen gegebene innere Verfassung einfältiger, nur Eine Richtung verfolgender Hingebung, nämlich der unbe- dingten Hingabe an Christum, will man sie bringen; und der Apostel ist besorgt, daß es der Gemeinde gehen möge, wie Eva durch den Betrug der Schlange. (v. Hofmannh » » » «) Jn gewinnender Weise bezeichnet Paulus erst als Gegenstand seiner Furcht, was theilweis schon eingetreten und wovon die Gemeinde wieder zurüc- zuholen war auf den rechten Weg. (Vurger.) Wir dürfen aus dieser Erwähnung der Geschichte vom Sündenfall wohl schließen, daß Paulus diese Geschichte als Thatsache verstanden wissen will. (Olshausen.) Bei der Vergleichung der Gefahr, die der Apostel für die Corinther befürchtet, mit der Verführung der Eva durch die Schlange kommen l) der weibliche Charakter der Gemeinde (Jungfrau), 2) die satanische Einwirkung in beiden Fällen als Vergleichungspunkte in Betracht. Daß in der Schlange der Satan seine verführerische Thätigkeit ausübte, wird als bekannt und anerkannt vorausgesetzt (vgl. Joh. 8, 44; Osfenb 12, 9. 14f.; 20, L; 1. Joh. 3, 8); die Verführer der corinthischen Gemeinde nun werden in V. 15 ausdrücklich als Diener des Teufels hingestellt, die Schalkheit der Schlan e aber, womit sie Evam verführte, weist auf trügeriscge Vorspiegelungen hin, dergleichen auch die eorinthischen Verführer angewendet, indem sie dem lauteren, pau- linischen Evangelium eine gesetzliche Lehre substituirten. (Kling.) Wie die Schlange der Eva vorredete: ,,ihr werdet mit nichten des Todes sterben, sondern werdet sein wie Gott und wissen, was gut und böse is «, so bleibt der Satan auch jetzt bei seiner alten Sprache; er entwerthet uns das Evangelium und zischelt uns in’s Ohr, es wäre eine thörichte Erdichtung, daß wir allein durch den Glauben Vergebung der Sünden empfingen, allein durch das Kreuz geheiligt würden &c. Alsdann thut er eine neue Weise hinzu, wie wir Gottes werden sollen, zeigt stattliche Werke und streicht ihre Verdienstlichkeit heraus: also führt er weg von der Einfältigkeit des Evangelii hin zu vielfältigen Werken, die dem Fleische in die Augen stechen. (Me- lanchthon.) Einfältigkeit in Christo ist der Sinn, wo man nur will und glaubt, was Christus gelehret hat, und nicht über ihn hinaus etwas vermeintlich Besseres sucht. (Heubner.) Mk) Das ,,billig« ist ein bitterer Vorwurf, wie das ,,wohl fein« in Mark. 7, 9. Der Apostel greift den Leichtsinn und die Hoffahrt der Corinther an, die wo- möglich auf ein neues, außerordentliches, tieferes, geistigeres Christenthum gerichtet waren, als was sie bisher empfangen und geglaubt hatten, und nun von den falschen Aposteln sich bethören ließen, diese brächten ihnen wirklich, wonach ihr Gelüsten stand. (v. Gerlach.) An hohen Worten ließen jene Ankömmlinge, in welchen die Schlange kam mit ihrer Schalkheit, es nicht fehlen, um sich ein Anrecht auf Gehör und Aufnahme in der Gemeinde zu verschaffen. Nach ihrer Versicherung führte die neue Weise, wie sie von Jesu predigten, zu höherer Erlenntnißstufe; sie wollten Lehrer sein, die erst den vollständigen Jesus predigten. Aber Paulus schält aus der gleißenden Schale gleich den giftigen Kern und nennt sie zum Schrecken der Corinther Pre- diger eines andern Jesus; denn was sie Neues predigten, war so beschaffen, daß es die Sinne der Hörer von Christo abwandte und einem Andern an- hängig machte, und dieser andere, von dem Christus des Evangelii Pauli verschiedene Christus war das Gegentheil dessen, was sie zu seiner Anpreisung sagten, nicht ein völligerer Heiland, sondern ein Antijesus oder Widerheiland, in dessen Namen Unheil statt Heil zu den Corinthern kam. Desgleichen vermaßen sie sich, durch ihre Predigt, Taufe und Handauflegung den Geist in solchem Maße mitzutheilen, wie es sich ge- bühre, namentlich in einer Stadt wie Corinth; den ächten Pfingstgeist, von welchem der Spätling Paulus leer wäre, verhießen sie ihren Anhängern, denn sie wären die richtigen Geist-Kanäle zwischen Jerusalem und der ganzen Welt. Endlich präsentirten sie sich als Verkündiger des ächten Evangelii, nicht in einer ,,einfältigen« Weise, wie sie den Macedoniern genügen möchte, sondern in einer der Corinther würdigen Methode. Das ging natürlich den aufgeblasenen Griechen sehr niedlich und sanft ein; in ihrer Griechenart waren sie so überklug (V.19), daß sie unter dem Namen ,,Fortschritt« die Verführung von dem einigen Jesu, seinem Geist und Evangelio, zu einem andern gerne vertragen. (Besser.) f) Aus dem Zusammenhange erhellt, daß diejenigen, hinter denen Paulus nicht zurückzustehen vermeint und die er mit Verwendung eines vielleicht von ihm selbst gebildeten Wortes »die überhohen Apostel« nennt, keine Anderen seien, als die er im 4. Verse »emeint hat; der Jrrthum, als verstehe er darunter die Wölfe, hat an Gal. 2, 9 keinen Rückhalt. Jm vorliegenden Zusammen ange würde der Ausdruck, wenn er aus diejenigen ich beziehen sollte, die »für Säulen ange- sehen waren«, den Beigeschmack eines Verdrusses darüber haben, daß es Apostel gab, von deren Apostelthum man soviel höher hielt als von dem seinigen, was sich mit I. Cor. 15, 9 schlecht vertrüge und in einem Briefe, in welchem er sich so angelegentlich um Beisteuer für die Muttergemeinde bemüht hat, übel am Platze wäre. Nein, sie selber, mit denen es der Apostel in diesem ganzen Zusammenhange zu thun hat, wollen als Send- boten Christi geachtet sein, denen gegenüber er in den Schatten zu treten habe. (v. Hofmannh b. Und ob ich svielleicht im Vergleich mit ihnen] albern [besser: ein Laie Apostg. 4, 13; 1. Cor. 14, 161 bin mit Reden, so bin ich doch nicht albern [oder ein Laie] in dem [ersten und vornehmsten Erforderniß eines apostolischen Mannes Matth. 13, l1; Ephes. 3, 3 f., in dem]vEtkennt- niß [Pred. s, 4 Anm.]. Doch [auch die Kunst- losigkeit meiner Rede, hat sie nicht dennoch aus- gerichtet, was ein Apostel auszurichten hat? darauf könnt ihr euch selber die Antwort geben, denn] ich bin bei euch allenthalben wohl bekannt« swceoiel ich mit meiner Rede zu wirken vermag, da ihr allzumal erst auf mein Wort hin an Christum seid gläubig worden] 7. Oder [um auf einen andern Punkt ein- zugehen, um dessentwillen man geringschätzig von mir redet und um dessentwillen ihr nun auch, von den Widersachern in euerm Urtheil irre geleitet, geringschätzig von mir denkt — ich meine den, dessen ich in 1. Cor. 4, 12 schon selber als eines Zeichens apostolischer Niedrigkeit gedachte·:] hab ich [etwa, wie es allerdings der Fall sein Worin Paulus den Gegnern nachzustehen scheint, und worin er ihnen doch stets voraus ist· 361 würde, wenn ihr gerechte Ursach hättet, mir einen Vorwurf daraus zu machen] gesündigeh daß ich mich [in der dort angegebenen Weise] erniedtiget habe, auf daß ihr erhdhet würdet? Denn ich habe swas jene meine Selbsterniedrigung betrifft] euch das Evangelium umsonst verkündiget [mich von meiner Hände Arbeit nährend Apostg. 18, 3]; 8. Und habe andere Gemeinen [die in Pia- cedonien Phil. 4, 15 ff.] bekaubet sihnen damit gewissermaßen Unrecht thuend], und Sold von ihnen genommen sfür etwas, das doch nicht in ihrem, sondern in Anderer Dienst von mir geleistet wurde, dafür nämlich], daß ich euch predigte sworaus ihr euch denn abnehmen möget, welcher Selbstdemüthigung ich euretwegen mich unterzogen habe, indem ich auch dergleichen that außer dem, was man mir bei euch als Sünde anrechnete]. 9. Und da ich bei euch war gegenwärtig sschon einige Zeit in Corinth anwesend Apostg. 18, 4ff.] und Mangel hatte [indem das aus Macedonien Mitgebrachte nun ausging], war ich [da, was ich mit Händearbeit verdiente, ja doch nicht allein hinreichte, mich zu ernähren] niemand sunter euch] beschwerlich, denn meinen Mangel er- statteten die Brüder, die aus Macedonien kamen sSilas und Timotheus indem sie eine neue Liebes- gabe der Gemeinden von dort mitbrachten], und habe sich demnach] mich in allen Stücken euch un- beschwerlich gehalten [Kap. 12, 13], nnd will [nun, gleichwie bisher, so] auch noch [fernerhin] mich also halten» sdaher niemand, was ich soeben äußerte, mir dahin auslegen darf, als wäre es darauf berechnet, daß ihr bei meiner Hinkunft zu euch Kap. II, 1 desto reichlicher für mich sorgen möchtet]. 10. So gewiß die Wahrheit Christi in mir ist fund das, was ich rede, in Ihm, dem Wahr- haftigen, von mir geredet wird Röm. 9, 1], so soll mir dieser Ruhm sdaß ich das Evangelium rein unentgeltlich predige 1. Tor. 9, 15] in den Ländern Achajas nicht gestopfet werden«-« sdaß ich auch künftig ihn nicht mehr in Anspruch nehmen dürfte]. 11. Warum das? sEtwa aus dem Grunde:] Daß ich euch nicht sollte lieb haben [und deshalb von euch nichts annehmen möchte, während ich doch von andern Gemeinden annehme]? Gott weiß es [daß ich gerade zu euch eine sonderliche Liebe hege Kap. 12, 15; 7, 3]. 12. Was ich aber thue nnd [nach der Ver- sicherung in V. 9 auch fernerhin] thun will, das thue ich darum, daß ich die Ursach abhane denen, die Ursach suchen, daß sie rühmen möchten, sie seien [eben so gut Apostel] wie wir fund solche Ursach würden sie alsbald finden, wenn der Unterschied nicht mehr zwischen ihnen und uns bestiinde, daß sie ihre Lehrthätigkeit in einer für euch sehr be- schwerlichen Weise V. 20 sich lohnen lassen, während wir unsrerseits nie etwas wie Lohn oder Entgelt von euch beansprucht haben]. 13. sMit aller Entschiedenheit also werde ich den bisher bestandenen Unterschied aufrecht er- halten] Denn solche falsche Apostel und trügliche [mit Betrug umgehende] Arbeiter verstellen sich zu Christi Aposteln sum die Seelen, die Christi eigen sind, zu berücken: da thut es denn noth, daß schon ein äuszeres Merkmal sie als das zu erkennen gebe, was sie wirklich sind, und sie von dem scheide, was sie nicht sind]. 14. Und das sdaß sie zu Christi Aposteln sich verstellet: dürfen] ist auch kein Wunder; denn er selbst [der ihr Herr und Meister ist], der Satan, verstellet sich zum Engel des Lichts sund der HErr läßt es ihm für eine bestimmte Zeit und für gewisse Fälle zu]. 15. Darum ist es nicht ein Großes, ob sich auch [sie, als] seine [in Wahrheit nur die Unge- rechtigkeit fördernden und zu ihr verführenden] Diener verstellen als Prediger der Gerechtigkeit; welcher Ende [das, was sie zuletzt, wenn Gottes Gericht über sie ergeht, zum Lohn empfangen] sein wird nach ihren Werken-s [Phil. Z, 19]. V) Der Apostel läßt sich auf diejenige Ausstellung ein, die man vor allen Dingen gegen ihn erhob: man fand in Corinth seinen Lehrvortrag nicht gebildet genug (vgl. 1· Cor. I, 17; 2, 1ff.); er giebt nun hier diesen Vorwurf scheinbar zu, jedoch mit einer sogleich beigefügten wichtigen Beschränkung, indem er wenigstens in Hinsicht auf seine Erkenntniß die Laienschast ent- schieden in Abrede stellt und gewiß ist, darin keinen Widerspruch zu erfahren. Ein Laie in der Rede aber ist er, insofern er nicht schulmiißig gebildet, nicht in die von den Schulen überlieferten Regeln der Beredt- samkeit eingeweiht ist — ein Mangel, den Paulus, ohne sich etwas zu vergeben, den Gegnern umso leichter zugestehen konnte, als er die wahre Kraft der Rede in Schrift und Wort sonst zur Genüge bekundet. (Burger.) Den Griechen, besonders den Apollischen in Corinth zu gefallen, scheinen etliche von den jüdischen Emporkömmlingen ihren Witz benutzt und sich mit Hilfe eines griechischen Redekünstlers (vgl. Apostg.24, l) gehörig eingeschult zu haben, ehe sie als ,,hohe Apostel« auftraten; dergleichen Vorbereitung auf seinApostelamt hatte Paulus freilich nicht auszuweisen. Soll es ein Tadel sein, daß er ,,albern in der Rede« sei, so nimmt er den willig auf sich, denn siehe, im Gefäß ungelehrter Rede, ringend mit der Sprache, um sie zum unter- thänigsten Ausdruck des Gedankens zu zwingen, trägt er vor den Schatz der verborgenen Weisheit Gottes, deren vom heil. Geist gelehrter Dolmetscher zu sein sein Apostelruhm war (1· Cor. 2, 13), wie er denn hier bekenntx ,,doch in der Erkenntnis; bin ich nicht albern«. Die Erkenntnis; Gottes in Christo, welche in ihm aufgeleuchtet war, damit er ein Erleuchter aller Menschen würde (Kap. 4, 6), die hat sich in ihm ihre eigene rechte Sprache angebildet, eine Sprache, deren Beredtsamkeit die Engel bewundern nnd die Heiligen loben, während sie weltlichen Ohren (vgl. Apostg. 17, 18) albern klingt. (Besser.) Sollte jemand fragen, warum der HErr, er die Sprache dem Nienschen anerschasfem 362 Z. Corinther 11, 16—18. nicht auch diesen großen Apostel mit Beredtsamkeit ausgerüstet habe, damit ihm nichts fehlte, so antworte ich, daß ihm reichlich verliehen war, was diesen Mangel ersetztz denn wir sehen und empfinden ja, welche Er- habenheit in seinen Schriften herrscht, zu welchem Schwunge der Gedanken sie sich erheben, welch ein Gewicht darin liegt, welche Kraft sich darin offenbart — Blitze sind es, nicht Worte. Leuchtet daher nicht noch heller die Macht des heil. Geistes hervor in der nackten Einfalt der Rede, als unter der Zierlichkeit und Glätte? (Calvin.) Die Schlußworte des Verses lauten genauer so: aber wir sind in allen Dingen offenbar unter allen bis zu euch hin, d. i. die Kraft und Wirkung meiner Worte in allen Gemeinden bis zu euch ist hinlänglich bekannt. (v. Gerlach.) »Es) Die Gegner stellten Pauli unentgeltliches Wirken, wobei er sich mit Arbeit seinen Unterhalt verdiente, wohl als eine Herabwürdigung seines Amtes dar, was nicht blos als ein Fehler, Verletzung des Wohl- anstandes, sondern auch als eine Sünde, als Ver- leugnung der von Gott ihm verliehenen Würde und Stellung anzusehen wäre (und den Eorinthern erschien dergleichen Gerede probabel, da nach hellenischen Be- griffen das Betreiben eines Handwerks einen Bürger herabwürdigte); was aber so als Selbstherabwürdigung dem Apostel ausgelegt wurde, soll man vielmehr als einen Akt liebevoller Selbstentäußerung ansehen, zu welcher er sich bequemte, um zu ihrem Besten wirksam zu fein. Mit den Worten: »auf daß ihr erhöhet würdet« meint er. die geistige Erhebung aus der Tiefe des Sündenverderbens in die Höhe des christlichen Heilsstandes (Kling.) Der Gegensatz; einer Selbst- erniedrigung, die darin bestand, daß sich der Apostel leiblicher Noth und saurer Händearbeit unterzog, und einer Erhöhung, welche darin bestand, daß die von ihm Bekehrten zur geistlichen Herrlichkeit der Kinder Gottes gelangten, erinnert an den ähnlichen Gegensatz, in Kap. s, J; das, was man ihm als eine Versäu- digung anrechnete, wird so zum Gegentheil einer Ver- sündigung An den Eorinthern hat er sich wahrlich damit nicht versündigt, daß er ihnen die Heilsbotschast brachte, ohne dafür ein Entgelt von ihnen zu fordern: eher könnten sich diejenigen Gemeinden beschweren, von denen er eine Unterstützung annahm, welche ihn in den Stand setzte, dies zu thun. Er nennt also, um der Sache diese Wendung zu geben, feine Annahme der Beisteuer eine Plünderung der Gemeinden, von wel- chen sie kam, und die Unterftützung selbst einen Sold, » den er sich zu dem Zwecke geben ließ, um Andern zu dienen. Von den maeedonischen Gemeinden hat er die Mittel erhalten, um nach Achaja zu reisen und dort seinem Berufe zu leben; und als er nach seiner Hinkunft in Mangel gerieth, ist er dort niemandem zur Last gefallen, er wurde dessen überhoben, als die Brüder im engeren Sinne, welche in dem näheren Verhältniß der Berussgenossenfchaft zu ihm standen, Silas und Timotheus, aus Macedonien kamen und seinem Mangel mit dem abhalfen, was sie von dort mitbrachten. Daß er sich auch durch seiner Hände Arbeit ernährt hat, erwähnt er nicht so ausdrücklich, wie in 1. Thess L, 9 u. 2. Thess B, 8., sondern deutet « in V. 7 nur darauf hin, ähnlich wie in 1. Cor. 9, 6f. » Jn den Briefen an die Thessalonicher war es ihm das ’s eine Mal darum zu thun, sich gegen den Vorwurf eigennützigen Treibens zu verwahren, und das andere Mal wies er die zu frommem Müssiggange Geneigten aus das Beispiel hin, das er selbst gegeben; in beiden Fällen lag der Nachdruck darauf, daß er sich selbst erarbeitet hatte, was er brauchte. Anders an der » vorliegenden Stelle, wo es sich nur darum handelt, ; «« Gal. 2, 12 erwähnten Jrrlehrer. daß es die Corinther nichts gekostet hat, die heilsame Botschaft zu empfangen: dies war um so ausfallendey als er von andern Gemeinden Beihilfe annahm, und zwar zu dem Zwecke annahm, um in Achaja Christum zu verkündigen, und in der Zeit annahm, während er in Corinth wirkte. Und wie er es bisher gehalten, so wird er es auch ferner halten. (v. Hofmann.) Von den Eorinthern hatte er guten Grund, durchaus nichts anzunehmen, da ihre Gesinnung nicht einfach und lauter genug dazu war; seine Feinde daselbst würden ihm das Nehmen noch weit übler aus-gelegt haben, als sie schon das Nichtnehmen ihm auslegten (Ols- hausen) Wie unsträflich muß sein Wandel unter den Eorinthern gewesen fein, daß seine nach Sünden gra- benden Kritiker nichts Anderes auffpüren konnten, als diese ,,Sünde« Kap. 1·2, 13. (Besser.) IN) Die Ortsbenennung: »in den Ländern Achaja« hat in der Art den Ton, daßim Unterschied von andern Gegenden, in welchen das Christenthum eine Stätte gefunden hat und noch finden wird, diese eine es fein und bleiben soll, in der man nicht soll sagen können, man habe dem Apostel die geistliche Gabe, die man ihm verdankte, mit einer Leistung für fein leib- liches Leben vergolten. Eine solche Ausnahme war allerdings auffallend genug, um das »Warum« her- vorzurufen, welches der Apostel selbst auszuwerfen nnd zu beantworten sich veranlaßt sieht; er wehrt aber vor allem einer Auffassung seines Verhaltens, als habe es seinen Grund in geringerer Liebe gegen die Christen- heit dieser Lande (denn es ist ein eben so großes, oft größeres Zeichen der Liebe, Gaben anzunehmen, als mitzutheilen, und die Verweigerung des ersteren kann leicht als ein Zeichen mißtrauischer Zurückhaltung an- ·esehen werden, die das Gegentheil der Liebe ift). ine ganz andere Bewandtniß hat es tnit solchem Verhalten: wenn es der Apostel in diesem Stücke auch ferner so halten wird, wie dermale11, so sieht er es auf diejenigen ab, gegen die er die dortige Christenheit verwahren möchtez er will seinen Nebenbuhlern die Möglichkeit benehmen, ihr Apostelthum dem seinigen nach außen gleich erscheinen zu lassen. Jn einer Weise wollen sie Apostel scheinen, welche zwischen Paulo und ihnen keinen Unterschied zu feinem Vortheile und ihrem Nachtheile übrig läßt: ein solcher Unterschied nun war der, daß sie sich ihre Lehrthätigkeit lohnen ließen, während Paulus niemals, weder als er Christum zuerst verkündigte, noch seit dem Bestehen einer achajischen Christenheit, etwas wie Lohn oder Entgelt beansprucht oder angenommen hatte; indem er denn diesen Unterschied aufrecht erhält, benimmt er denen, die gern Mittel und Wege fänden, ihr vorgebliches Apostelthum seinem wahrhaftigen gleich erscheinen zu lassen, die Möglichkeit, es hierzu zu bringen. Im Uebrigen freilich haben sie es verstanden, sich als Boten Christi zu haben und zu geberden. (v. Hof- mann.) f) Hier zieht Paulus jenen Menschen schonungslos die Maske ab und ftellt sie als falsche Apostel dar, die als Diener des Satan, was sie doch eigentlich sind, sich heuchlerisch, wie ihr Meister thut, verstellenx ihrer wartet aber die gerechte Strafe. Offenbar sind dies nun keine Andern als die ,,überhohen Apostel« in V. 5: unmöglich kann also dort (wie auch von Luther geschieht, der daher die »h1)h en Apostel« über- setzt hat) an die ächten Apostel gedacht werden, wohl aber mögen sich diese Heuchler, deren Richtung mit keinem Worte näher bestimmt wird, auf das Ansehen der wahren Apostel berufen haben, gerade wie die in Die Ausdrücke sind übrigens sehr stark und erinnern an das ,,Ottern- Paulus will sich auch einmal nach dem Fleische rühmen, mag er immerhin für thöricht gelten. 363 gezüchte«, womit Christus in Matth. 23, 33 die Pha- risäer bezeichnet Wären sie Glieder der corinthischen Gemeinde gewesen, so hätte sie Paulus gewiß zu excommuniciren befohlen (vgl. 1. Tim. 1, 20); allein wir müssen sie als Eindringlinge betrachten, die sich in Corinth Anhang verschasst hatten, von ihrem Ein- fluß sucht aber Paulus die Verführten wieder loszu- machen· Ob der Apostel mit dem Ausdruck: »der Satan verstellet sich zum Engel des Lichts« auf ein bestimmtes« Faktum deutet, ist allerdings nicht mit völliger Sicherheit zu behaupten; inzwifchen ist das doch sehr wahrscheinlich um des vorangestellten ,,er selbst« willen, welches doch wohl auf ein den Lesern bekanntes Moment hinweist. (Olshausen.) Das bestimmte Ereigniß, wo die Verstellung Satans zum Engel des Lichts im eigentlichen Sinne geschehen, ist wahrschein- lich die Geschichte der Versuchung Christi in Matth 4, 1ff.; im» uneigentlichen, geistlichen Sinne geschieht sie bei jeder Versuchung, wo unter gutem Scheine das Böse uns locken will. (v. Gerlach.) Wenn Satan nicht durch den glänzenden Betrug eines durch allerlei Eigendünkel ausgeschmiickten Gottesdienstes unter der Gestalt der selbsterwählten Andacht seine Bosheit ver- bergen könnte, so würde er das Volk nicht solange in Sicherheit und eingebildeteni Frieden zu erhalten ver- mocht haben. Auch unter dem Scheine der guten Meinung oder einer besseren Erkenntniß führt er hinter das wahre götiliche Licht (Berleb. Bib.) c. V.16——-33. Paulus sieht im Fortschritt seiner Selbsivergleichung mit den Gegnern sich nnn ganz in die Nothtvendiglieit versetzt, in einer Weise sich zu riihniesk die er oben als Thorheit charaliterisict hatte: da niöajte er eigentlich bitten, riiiht von ihm zu hatten, als ob er willentlich nnd gern ans· solche Chorheit sich einlassez aber da man gteichwohl den Eindructi von seine-u Sichselbslriihnieii haben werde, das; er thöriiht damit handle, nun, so will· er sichks gesatleii lassen, dasl er ihnen thöriiht erscheine, weil ihn! nun einmal daran gelegen sein rund. sich setzt auch nach dein Fleisch zu rühmen, wie die ek- thun, die duinit zu so grosler Geltung bei den Corisithern sich aus- geschnnuigeti haben, das! sie gegen dieselben sich alles erlauben diirsen (l1.16——2t). Sein hieraus sotgeiides Sithsettisiriihiiieii nun bezieht sich zunächst ans das, was er ebensogut ist als die Gegner, und darin aus das, was er tuehr ist als diese (V. 2l——29); es wird ans dem Wege, den er hier einschliigk sein Sichriihnien se mehr nnd mehr ein Riihnieii seiner 5chiuachheit, bis er ganz da angelangt ist, wo er den, seiueiu inneren Wesen entsprechendeii Grundsatz amh in Worte kleiden (V.. 30), die Aufrichtigkeit soliher seiner llieiuling vor Gott bethetierik (V.31) und mit einem Vorfall betiriistigest Kann, der der sriihesten Zeit seiner Utirtisaiiilieit im Dienste Christi angehörte m. 32 u. 33). 16. Jch sage abermal [komme hier auf den in V. 1., wenn auch nicht ausgedrückten, doch mittelbar darin enthaltenen Wunsch zurück], daß nicht jemand sbei dem, was ich in diesem ganzen Kapitel rede und schre1be] Wahne, ich sei thötichtz wo aber nicht sman mir diesen Wunsch gewähren will, sondern ihr meinet, mich doch für das halten zu müssen, wofür ich nicht gehalten sein will], so nehmet mich simknerhins an als einen Thörichteti sich will es mir meinetwegen gefallen lassen, wenn ich nur das erreiche], daß ich mich auch ein wenig rühme* swie die Widersacher es thun V. 18., weil ich gerade auf diesem ihrem eigenen Gebiet sie gänzlich aus dem Felde zu schlagen gedenke]. 17. Was ich jetzt fvon V. 2110 an, wo ich meine Ruhmrede werde folgen lassen] rede, das rede ich [also] nicht als im HErrn snicht in der Weise, wie ich reden würde, wenn mir lediglich die Beziehung zum HErrn dafür maßgebend wäre], sondern als in der Thorheit sin der Weise, wie man redet, wenn man im Zustand der Thorheit sich befindet; und in diesem befinden wir uns ja wirklich], dieweil wir in das Rühmen kommen sind« fwas ohne Thorheit gar nicht geschehen kann]. 18. sJch begebe mich aber mit gutem Bedacht einmal in solche Lage.] Sintcmal [nämlich] viele fin Vetrefs des von ihnen in Anspruch genommenen Apaftelthuinss sich ruhmen nach dem Fleisch [Kap. 5, 16], will ich mich auch fnach Maßgabe natür- licher Gesichtspunkte, wie sie, einmal] rühmen*"« sdamit ihr sehet, wer von uns auch hierbei das Meiste für sich geltend zu machen hat]. (Epistel am Sonntag Sexagesimcih Dem Evangelio (Luk. 8, 4 ff.) entfprechend wird in der Epistel des Tages, die von Pauli bei Ausrichtung seines Amts erlittenen Verfolgungen und seiner Entzückung handelt, dieser (als doctor gentium und dux verbi praecipuus ei: vere seminator iserborum gefeierte) Apostel als Muster und Vorbild theils "der Verkün- digung des göttlichen Worts, theils der hundertfältigen Frucht desselben hingestellt. (Alt.) Der Zusammen- hang zwischen Evangelium und Epistel tritt darin her- vor, daß die Arbeit des Menfchensohnes sich in der Arbeit seines Apostels widerspiegelt: im Evangelio tritt die Art des Ackers, in der Epistel die des Säemanns hervor. (Somnier.) Die Epistel zeigt uns den heil. Paulus, den gewaltigen Säernann Christi, wie er auf seinem großen Arbeitsgebiete dahingeht und seine Saat ausstreut. Wahrlich, er geht dahin mit Weinen und säet seinen Samen (Ps. 126, 6): ange- fochten von dem Undank der Corinther und von den frechen Lügen, mit welchen sich falsche Apostel seines dortigen Arbeitsfeldes zu bemächtigen suchten, innerlich genöthigt und getrieben durch die Wahrnehmung, daß es diesen falschen Lehrern in Eorinth keineswe s an allem Glücke fehlte, thut er seinen Mund mit ider- streben von sich selbst auf und giebt uns einen Abriß seines apostolischen Lebenslaufs, welchen uns niemand so summarifch, und doch dabei so vollständig, hätte geben können wie eben er; da erfahren wir auf einmal Dinge, welche uns weder die Apostelgefchichte noch irgend ein anderer Brief des Apostels erzählt. Es erscheint uns im Saatfeld, von welchem das Evangelium redet, der mühevolle, thräneureiche Säe- wann, der im Herbste der Zeit dahingeht und seinen Samenwurf um so mehr in Hoffnung der Ewigkeit thun muß, weil ihm die Menschen, unter denen er lebt und aussaet, eine so geringe Hoffnung auf» Erfolg zu fassen gestatten. (Löhe.) Wie sehr wir’s dem Aposteldankenmüssem daß erseinen wahren Ruhm sich nicht hat rauben lassen; denn damit hat er I) uns gezeigt, wie thöricht und verwerslich aller eitle Selbstruhm ist, Z) uns einen Spiegel vor- » gehalten, darin wir unser Thnn und Leiden im Dienste 364 L. Corinther 11, 19—28· Christi prüfen können, 3) uns erinnert, daß unsre wahre Stärke nur in der Kraft des HCrrn beruht. (Langbein.) Wann darf ein Christ sich rühmen? I) wenn die Sache Christi sein Rühmen fordert; Z) wenn die Gnade Gottes durch sein Rühmen ver- herrlicht wird. (Sommer.) Was wir au dem ExempelSt. Pauli und seiner Gegner lernen können: l) wie schwach Menschen werden, wenn sie stark sein wollen, sehen wir an den Gegnern; 2) wie stark ein Mensch werden kann, wenn er schwach ist, sehen wir an dem Apostel. (Wiesinger.) Rühme dich, Christenherz, l) des Leides, das du trägst, L) des Paradieses, in das du schauen darfst, Z) der Gnade, die dich hält! Der Lebenspfad der H elden Gottes: 1) von Dornen und Wehe umschlungen, L) vom Glanz des Paradieses beleuchtet, Z) vom Fels- ·rund der Gnade getragen. Wie der ewig lebend e hriftus seine Gläubigen führt: 1) durch Ar- beit, Wehe und Todesnoth, Z) bis zum Paradiese hinauf, Z) unter Faustschlägen Satans hindurch, 4) in Gottes Gnade hinein. (Herold.) Paulus unser Vorbild in seinem Festhalten an dem Evan- åelio von Jesu Christo; vorbildlich ist I) sein ifer für das Evangelium, 2) feine Gewißheit von dem Evangelio, Z) sein Leiden um des Evangelii willen. (Eig. Arb.) 19. sNun ihr werdet mir die erbetene Er- laubniß zum Thörichtsein ohne Zweifel gewähren.] Denn ihr vertraget gerne [wie sich an eurem Verhalten den salschen Aposteln und trüglichen Arbeitern V. 13 gegenüber zeigt] die Narren, dieweil ihr klug seid [was ich freilich nur im ironischen Sinne meinen kann; denn wirklich ver- ständige Leute haben an thörichten Prahlern kein Wohlgefallen und bestärken sie nicht in ihrer Thorheit durch die Uebung von Nachsicht gegen sie]. 20. lJhr aber geht mit eurer Nachsichtübung gegen die Thoren so weit, daß man sich billig darüber wundert.] Ihr vertrageh so euch jemand [·in geistlicher HiUsichtJ zu»Knechteii·i1iacht, so euch jemand schindet swörtlichx auffrißt Matth. 23, 14], so euch jemand nimmt snicht blos euer Hab und Gut, sondern euch selbst, eure eigene Person durch allerlei schlaue Uintriebe in seinen Besitz bringt Kap. II, 16], so euch Jemand trotzet ssich stolz und übermüthig gegen euch benimmt], so euch jemand sso schznählich behandelt, daß er euch sogar] in das Angesicht streichet-X« swas denn alles jene Leute in der That mit euch thun]. 21. Das swas ich eben als die von unsern Widersachern euch widerfahrende Behandlung au- führte] sage iih nach der Unehre sdie es»uns, den Grundern der Gemeinde, macht], als waren wir schwach worden-H« sdaß wir nicht auch in dieser Weise mit euch umzuspringen im Stande gewesen sind, wie solche Bravourmänner]. V) Der ganze Abschnitt von hier an bis V. 20 leitet eine weitere Vergleichung mit den Gegnern ein. Der Apostel fordert die Corinther zunächst auf, ihm seina nachherigen Aeußerungen nicht als Thorheit aus- zulegen; für den Fall aber, daß sie ihm das nicht gewähren (und sie werden wohl bald genug fühlen, daß sie ihm das nicht gewähren können, sie sollen es aber auch fiihlen), bittet er sie um Nachsicht für das thörichte Rühmen, welche sie ja in Bezug auf viel stärkere Zumuthungen seiner Gegner zu üben wissen. (Kling.) « IV) Wenn Paulus sagt, er rede dies ,,nicht als im HErrn, sondern als in der Thorheit«, so ist das ein Unterschied, der sich berührt mit dem von ihm in 1. Cor. 7, 6. l0· 12. 25. 40 äemachtem im HErrm oder genauer: gemäß dem H rrn (vgl. Röm. 15, 5) kann er nichts sagen, was er sofort selbst als thöricht bezeichnet, sondern es ziemt sich, daß er das letztere lediglich auf sich nehme; wo er nach dem Sinn Christi redet, der da ist sanftmüthig und von Herzen demüthig, muß aller Selbstruhm ausgeschlossen bleiben — darin liegt ein feiner Wink zur Beherzigung für die Gegner. Indem er aber seine Abweichung von dieser Regel selbst Thorheit nennt (vgl. V. 21 u. 23), richtet er die Regel wieder auf. (Burger.) Von Gott ein egeben und im HErrn geredet ist jedes Wort, welches aulus ohne die ausdrücklich hier angeführte Ausnahme ge- schrieben hat; ja auch diese Stelle selber und die ihr eigenthümliche Ausnahme hat er so, wie es dasteht, niedergefchrieben nach der Regel göttlichen Anstandes, vom HErrn unterwiesen, gleichwie wenn ein gelehrter Mann einem Knaben einen Brief diktirt, wie er für einen Knaben sich schickt, da doch der Knabe von sich selbst nicht so würde schreiben können. (Bengel.) IN) Unter dem »sich rühmen nach dem Fleisch« ist ein Sichrühmen gemeint, welchem die höhere geistliche Besinnung abgeht, welches in der Weise des Fleisches, des natürlichen Menschenwesens sich hält, indem es auf äußere Vorzüge der Abstammung (V. 22), der Stellung (V. 23) sich richtet, wozu bei Paulus noch mancherlei Leistungen und Widerfahrnisse (V. 24 ff.) kommen. (Kling.) Doch ist keineswegs die Meinung des Apostels, daß er nur solcher Dinge sich rühme, welche seinem natürlichen Wesen angehören, sondern daß er alles, dessen er sich riihmt, unter dem Gesichts- puiikte auffaßt und vorstellt, unter welcheni es als Vorzug feines natürlichen Menschen erscheint. (V. Hof- mann.) Luther hielt es zuweilen für nöthig, sein eigener Kukuk zu werden, wie er sich ausdrückt, und rühmte sich den Papisten gegenüber, daß er in den Schriften der Kirchenväter, und den Schwärmern gggenübey daß er in Schriftgelehrsamkeit mit seinen idersachern kiihnlich sich messen könne. (Besser.) f) Der Apostel greift die Corinther in der feinsten und deshalb auch im der schärfsten Weise an: seine Sprache ist voll heiligen Spottes und Hohnes, nicht sowohl verletzend als tief« beschämend; seine Worte sind nicht in eine scharfe, ätzende Flüssigkeit mit kalter Miene getaucht, sondern sie quellen aus einem tief- bewegten Herzen hervor wie eine Salbe, welche zuerst beißt, um desto gründlicher zu lindern, zu heilen. Er hält ihnen nun vor, wie sie es in dem Tragen der Narren zu einer seltenen Vollkommenheit gebracht haben, wie es ihnen ordentlich eine Lust ist, ihre Tragfähigkeit in dieser Beziehung zu erweisen: was sie ertragen, ist nicht einerlei, sondern vielerlei, nicht Eine Unbill, sondern ein ganzes Heer von Unver- fchämtheit und Frechheit. Die Rede des Apostels ist bewegt wie sein Herz; fünf Mal sagt er effektvollt »so euch jemand« — sie, die Corinther, wissen schon, wen er unter diesem jemand meint, es sind die vielen, welche sich nach dem Fleische rühmen V.18., jene salschen Apostel und triiglichen Arbeiter, von welchen in V. 13 die Rede war. Diese warfen sich selbst zu Herren ihres Glaubens und Gewissens auf, betrachteten sie nur als Substrat für ihre Herrschsucht; ihr Hab Was der Apostel ebensogut ist, als die Gegner, und was er mehr ist, als diese. 365 und Gut aber sahen sie als ein willkommenes Be- sriedigungsmittel ihrer Genußsucht an. Jm dritten Satze sagt dann Paulus, auf welchem Wege sie zu ihrem Ziele gelangen: sie fangen damit an, daß sie, die reißenden Wölfe, sich in S afskleider hüllen; sie umstricken, umgarnen mit Lie enswürdigkeiten und Zuvorkommenheiten die nichts ahnenden Seelen, nehmen sie ein mit ihrem einschmeichelnden Wesen und süßen Worten und nehmen sie ganz hin, indem sie sich die- selben durch allerlei Dienste verbinden und verpflichten. Wenn sie so mit List die Unschuldigen gefangen, er- heben sie sich voll Stolz und Trotz über ihre eigenen Leute, und nun kennen sie kein Maß mehr, sie behan- deln sie wie ihre Leibeigenen auf die schmählichste, unverschämteste Weise; denen sie erst wie lieben Kindern als liebe Väter die Wan en strichen, schlagen sie nun zu guter Letzt mit der aust in’s Angesicht Was Paulus hier aussagt, ist stark, aber es ist nicht zu stark von ihm aufgetragen: es ist fast unglaublich, was Leute sich von denen gefallen lassen, welche i nen den Wahn beigebracht haben, daß sie etwas tvü ten und etwas wären; der Hochmuth, welchen ·ene ihnen ein- geimpft haben, thut ihnen so wohl, daß sie die Faust- schläge in’s Angesicht, welche sie von ihren Meistern empfangen, vergessen oder gar nicht empfinden. (Nebe.) on dem allen, was sie von den falschen Aposteln erfuhren, hatten sie an Paulo das Gegentheil gefunden (vgl. 1. Cor. 9, 19; 2.Cor.11, I; 1, 12; s, 6;10,1; 5, 11): wie war es möglich, daß die »klugen« Co- rinther, nicht wenig von sich eingebildete Leute, der- gleichen vertragen? (Besser.) Es sind Gottes Strafen über die, so das Evangelium nicht mit Liebe und Dank annehmen, wie Christus sagt (Joh. 5, 43): ,,ich komme in meines Vaters Namen, und ihr nehmet mich nicht an; ein Andrer wird in seinem Namen kommen, den werdet ihr annehmen«. Gott ist recht in solchem Gerichte, daß man des Teufels Boten tausendmal mehr egrt und alles unter ihnen thun und leiden muß. ( uther.) H) Denen gegenüber, welche so gewaltsam mit den Corinthern umgehen, bekennt der Apostel und zwar nicht von sich allein, sondern von sich und Timotheus oder, richtiger gesagt, von den Gründern der Gemeinde, daß sie schwach gewesen sind; wenn nämlich der rechte Weg, um bei den Lesern Eingang zu finden, eine solche Behandlung derselben ist, wie sie ihnen von seinen Gegnern widerfährt, dann muß er bekennen, die hierzu erforderliche Kraft nicht besessen zu haben. So ein- schneidend führt er ihnen zu Gemüthe, wie unverständig und ihrer christlichen Mannesehre vergessend sie sind, sich solche Behandlung nicht nur gefallen zu lassen, ondern auch denen, welche sie ihnen angedeihen lassen, bei sich Raum zu geben, gleich als machte es ihnen Vergnügen, so behandelt zu werden; sie werden aber so behandelt, wenn diese Eindringlinge den herab- setzen, durch den sie eine Christengemeinde geworden sind, und ihnen Vorhalt thun, als seien sie gar keine rechte, weil von keinem rechten Apostel gegründete Gemeinde. (v. Hofmann.) 21b. Worauf nun jemand svon den hier in Rede stehenden Leuten] kühn Dadurch, daß er dessen mit großer Zuversicht als eines Vor- zugs sich rühmt, stolz] ist, —— ich rede [wenn ich sage, was im Nachsatz steht] in Thvrheit [also nicht im HErrn V. 17., denn von dem Verhält- niß zu ihm aus würde ich dergleichen überhaupt nicht sagen] — daraus bin ich auch kühn. 22. Sie sind Ebriier, ich auch [Apostg. 22, 3; Phil. Z, 5]. Sie sind Jsraelitetz ich auch [Röm- 9, 4 ff.; 11, 1]. Sie sind Abra- hanDiHJ Same, ich auch [Ephes. 2, 12; Gal. Z, 9 . 23. Sie sind [wie sie von sich behaupten, vgl. V. 13 ff] Diener Christi, — ich rede thörlich [rede hier nicht blos einfach in Thor- heit, wie in V. 21., sondern geradezu in Wahn- witz, weil ich gerade dieses Vorzuges als eines ganz außerordentlichen Geschenks göttlicher Gnade 1. Cor. 15, 8 ff. am allerwenigsten mich rühmen sollte] —- ich bin wohl mehr« sals das, wenn die Bezeichnung in dem Sinne verstanden wird, in welchem sie dieselbe sich beilegen Apostg 9, 16]· Ich habe mehr gearbeitet [selbst als die eigent- lichen Apostel I· Cor. 15, 10., vollends aber als diese zu Dienern Christi sich verstellenden Bauch- diener V. 20; Rönk 16, 17 f.], ich habe mehr Schläge erlitten, ich bin öfter sals sie] ge- fangen [Apostg. 16, 23 sf.], oft in Todesnöthen geweslen [1. Cor. 15, 31; 2. Cor. 4, u; Röm. 8, se. 24. Von den Juden [meinen Volksgenossen] habe ich fünfmal [das höchste Maß der Prügel- strase] eins-fangen snämlich nach der rabbinischen Bestimmung zu 5. Mos. 25, 3] vierzig Streiche weniger eins. 25. Jch bin [von römischen Gerichtsver- waltern] dreimal geståupet swie z. B. in dem Falle Apostg 16, 22], einmal gesteiniget [zu Lystra Apostg. 14, 19], dreimal habe ich Schiffbruch erlitten [Apostg.13, 13 AUULL Tag und Nacht sden ganzen vollen Zeitraum von 24 Stunden] habe ich sdas eine Mal, als ich Schiffbruch ge- litten hatte Kap. 1, 10 Anm.] zugebracht in der Tiefe des Meers« sauf hohem Meer, nur von einem Wrack oder Brett getragen, be- ständig von den Wellen überschüttet und in die Tiefe gerissen Pf. 107, 24 ff.]. 26. Jch habe oft gereiset sReisen im Dienste Christi gemacht]; ich bin Ida] in Fähr- lichkeit gewesen zu Wasser [beim Uebersetzen über Flüsse u. dgl.], in Fährlichkeit unter den Mördern sRäubem Luk. 10, 30], in Fährliclk keit unter den Juden, in Fährlichkeit unter den Heiden, in Fåhrlichkeit in den Stiidten, in Fährlichkeit in der Wüste, in Fährlich- keit auf dem Meer, in Fahrlichkeit unter den falschen Brüdern sden judaistischen After- christen Gal. 2, 4; Phil. Z, 2]; 27. In Mühe und Arbeit, in vielWachen, in Hunger und Durst, in viel UreiwiUigemJ Fa en, in Frost und Blöße [vgl. Kap. 6, 5]; 28. Ohne was sich fonst [an Mühsalen und Beschwerden, die mein Amt mi auferlegt] 366 Z. Corinther 11, 29——33. zuträ t, nämlich, daß ich täglich werde an- gelausen [von solchen, die Rath, Trost, Be- lehrung u. s. w. von mir begehren] und trage Sorge für alle Gemeinen-W« sda ich auch zum Dienste derer mich verpflichtet fühle, die ich nicht selber gestiftet habe Röm. 1, 8fs.; 15, 25 ff; Col. 2, 1 s.]. 29. [Zu dieser Sorge für die Gemeinden im Ganzen aber kommt noch die für die einzelnen Seelen in einer Gemeinde; in meinem Herzen fühle und empfinde ich da tief, was jedes ein- zelne Glied am Leibe des HErrn Uebles erfährt :] Wer ist schwach sin seinem Glaubensleben], Und ich werde nicht schwach sdaß ich nicht sollte mich zu folchem herablassen]? wer wird geärgert [durch irgend einen Anstoß, den man ihm in den Weg legt] und ich brenne nicht-1- sfühle mich nicht von brennendem Seelenschmerz ergrissen]? 30. So ich mich je rühmen soll [wie ihr denn durch euer Annehmen derer, die sich rühmen nach dem Fleisch, mich genöthigt habt, im Vorstehenden es auch zu thun V. 18], will ich mich [das ist der Grundsatz, den, wie hier, so in allen Fällen ich streng befolgen werde] meiner Schwachheit rühmen [Kap. 1»2, b]- 31. Gott und der Vater unsers» HErrn JefU Chtistk lKaps l« 3], welcher sei gelobet m Ewigkeit [Röm. i, 25], weiß, daß ich nicht läge swenn ich vor ihm bezeuge, daß das, was ich soeben V. 30 sagte, meines iunersten Herzens Meinung ist]. 32. sAuch habe ich solchen Sinn in mir ge- tragen bald von Anfang meines Dienstes Christi an.] ZU Damaskus [als ich um das J. 39 n. Chr. daselbst wirksam war Apostg. 9, 22., geschah es, daß] der Landpfleger des Königs Areta [von Arabien, welcher letzterer damals seine Herrschast bis nach Syrien hin ausgedehnt hatte] verwahrete sauf Anstisten und unter Mithilfe der dasigen Juden] die Stadt der Damasker sdurch Ausstellung von Wachen an den Thorenj und wollte mich greifen; 33. Und ich ward [von den dasigen Christen, welchen der Anschlag kund geworden war und die nun ein ähnliches Mittel zu meiner Rettung ergriffen, wie das, welches die Rahab in Jericho zur Rettung der israelitischen Kundschafter an- wendete Jvs L, 151 in einem Korbe um Fenster aus durch die Mauer niedergela en, und entrann aus feinen Händen-H· [Apostg. 9, 23——25 . V) Der Satz: ,,worauf nun jemand kühn ist, daraus bin ich auch kühn« leitet den langen, nun folgenden Abschnitt ein, in welchem der Apostel das endlich thut, was er in V. 11 und dann wieder in V. 16 ange- künigsthatz er hat angekiindigh daß er nun auch· in der eise seiner Gegner sich rühmen wolle und versieht sich dessen zu der Gemeinde, daß sie ihn willig ge- währen lassen werde, wie sie seine Gegner gewähren läßt. Zwar das ihr zu bieten, was ihr von jenen geboten wird, die so übel mit ihr umgehen, ohne daß sie es ihnen übel nimmt, dazu ist er mit seinen Berufs- genossen zu schwach gewesen; aber nicht, als hätten die Gegner einen Grund kühn zu sein, der ihm abginge, vielmehr, was sie von sich zu rühmen haben, das hat er auch und hat es besser, ja hat es eben soviel und wohl noch mehr als irgend wer. Indem Paulus dies hierauf ausfiihrt, macht er zuerst geltend, was er ebensogut ist wie sie, die Gegner, und dann, was er mehr ist als sie: wenn sie Juden sind, ist er es auch; wenn sie Diener Christi sind, er ist es mehr. Das Erstere macht er in der Artgeltenddaß er ein dreimaliges »ich auch« einer dreifachen, sich steigernden Bezeich- nung ihrer Zugehörigkeit um jüdischen Volke gegen- über stellt, weil ein Dreissaches in ihr gegeben ist, nämlich l) die Theilhaberschaft an dem Volksthum der Ebräer, dessen Gesittung und Geistesart sich eigen- thümlich von der alles übrigen Volksthums unter- scheidetx Z) die Theilhaberschaft an dem Volksthum der Jsraeliten, dessen Geschichte als heilige Geschichte einen Gegensatz bildet zu der alles übrigen Volks- thums, und Z) die Theilhaberschaft an dem Volksthum des Samens Abrahams, dem seine Herkunst von dem durch göttliche Verheißung zur Ahnherrschaft (besonders auch Christi Matth. I, 1) Berufenen einen Vorzug giebt vor allem übrigen Volksthnm Dies Dreifache theilt er mit ihnen: seine Widersacher können es den Heiden gegenüber, mit denen sie es in Achaja zu thun haben, nicht für sich geltend machen gegen ihn. Wenn sie aber geltend machen, daß sie Diener Christi, des in Jsrael erschienenen Weltheilandes sind, so kann er sagen, wenn er es auch mit Wider- streben thut, weil es Wahnwitz ist, so zu reden: ,,ich bin wohl mehr«. (v. HofrnannJ Wäre noch ungewiß, welcher Art die von Paulus bekämpften Gegner seien, so würde das in V. 22 Gesagte erweisen, daß sie zu den in Phil. Z, 2ff. bezeichneten gehörten: es waren Judenchristem welche sich in Corinth eindrängten und unter Berufung auf ihre Abkunft und ihr Verhältniß zu den Aposteln aus Israel, und dadurch zu dem HErrn selbst, das Ansehen des ihnen verhaßten Heiden- apostels zu untergraben versuchten. (Vurger.) Beachte aber, daß die Gegner in Corinth die Beschneidung müssen aus dem Spiele gelassen haben. (Meher.) Auch sonst (vgl. zu Kap. 5, 12) war ihre Lehre nicht in dem Sinne judenchristlich, wie die der Jrrlehrer in Galatiem (de Wette.) Wenn die Gegner geltend machen, daß sie Diener Christi, Diener des in Jsrael erschienenen Weltheilandes seien, so kann er sagen, wenn er dies auch nur mit Widerstreben und unter Protest feiner Demuth gegen solchen Selbstruhm sagt: ,,ich bin wohl mehr«; denn was jene falschen Apostel einen Diener Christi nennen, das ist er mehr, sein Dienst zeichnet sich vor dem ihrigen aus, und worin er sich auszeichne, das führt er hernach des Näheren aus. (Sonimer.) Wenn Paulus sich so aus- drückt, als gäbe es noch etwas Höheres, als ein Diener Christi sein, so gab es allerdings etwas Höheres als das war, was jene falschen Propheten so nannten, und dies hebt er heraus: es gab eine treue, wagrhast selbftverleugnende, für den HErrn in Mühen und eiden sich ganz aufopfernde Verwaltung seines Dienstes, und in dieser hat er nun schon viele Jahre gelebt. (v. Ger- lach.) Nachdem er denn mit dem »ich rede thörlich« den Damm befcheidenen Schweigens durchbrochen hat, braust im Folgenden ein Redestrom daher, dessen Wellenschlag in lauter Thatsachem und zwar Leidens-Thatsachen besteht und der nun an das Die treue, selbstverleugnende Verwaltung des Dienstes Christi von Seiten des Paulus. 367 morsche Gebäude der überhohen Apostel (V. 5) und angeblichen Diener Christi mit niederreißender und vernichtender Gewalt schlägt. (Besser.) »Es) Arbeit, Mißhandlung, Verlust der Freiheit, oft- malige Todesgefahy das find die vier Stücke, in welchen er mehr als die Andern Christi Diener ist: von den Todesgefahren geht er, das ,,oft« in’s Ein- zelne ausführend, auf die Fälle über, wo er solches erlitten hat, was ihn mehr oder weniger an Leib und Leben gefährdete; denn auch die fünsmalige Geißelung, die· er unter jiidischer, und die dreimalige Ruthen- peitschung, die er unter römischer Gerichtsbarkeit er- litten hat, war eine Strafe, welche bei einem Manne von der körperlichen Schwächlichkeit des Paulus das Leben gefährdete. Wirklich am Tode war er, als ihn die, Lystrenser steini ten, und rettungslos verloren sishien er, wenn er chisfbruch litt, namentlich jenes eine Mal, wo er 24 Stunden lang ein Spiel der Wellen war; die letztgenannte Todesgefahr bringt ihn dann (V. 26) auf feine Reisen zii sprechen. (v. Hof- mann.) Von Schlägen und Gefangenschaften war bei den Gegnern wohl nicht leicht die Rede, wenn nicht etwa ein fanatisches Treiben ihnen einmal solches zu- zogx aber der Comparativ tritt schon hier in seiner eigentlichen Bedeutung zurück, wie dann in dem ,,oft« er ganz aufhört. (Kling.) Wie uns der Redestrom des Apostels hinreißt, so reißt dieser Strom die falschen Lehrer fort: Paulus, welcher bei den ersten Sätzen sie»noch im Auge hatte, verliert sie bald ganz aus dem Blick, nicht als wenn er über sie hinweggesehen hätte, sondern weil sie sich selbst entfernt haben, weil sie verschwunden sind mit ihren Prätensionen und Jncriminationen (Ansprüchen und Beschuldigungenx weil es mit ihnen ganz und gar aus ist. Wir empfangen nun iszn den Aufzählungen des Apostels Ergänzun en zu· seiner Lebensbeschreibung in der Apostelgeschi te, bei welchen wir uns in der mißlichen Lage befinden, daß wir nicht wissen, wo wir sie iii seinem Leben ver- wenden und verwerthen sollen. So z. B. ist uns eine solche Bestrafung von Seiten der Juden, wie das ,,funfmal vierzig Streiche weniger eins« sie namhaft macht, ganz unbekannt; wenn wir aber daran denken, daß er den Staub nicht eher von den Füßen schüttelte, als bis die Juden ihn mit seiner Predigt von Christo aus ihren Shnagogen hinausgetrieben hatten, so werden wir uber die fünsmalige Ausprügelung nicht erstaunen. Aber nicht blos die Juden haben an ihn ihre Hände gelegt, sondern auch die Heiden; er hat das Gleiche erlitten, wie der HErr, und damit hat sich an ihm erfüllt, was der HErr spricht (Luk. 6, 40): »wenn der Junger ist, wie»sein Meister, so ist er vollkommen«. (Nel»),e·) Auch die drei Schisfbrüche werden nur hier ermahnt, denn der in Apostg. 27, 41 berichtete fällt in»spatere Zeit; es lassen sich aber bis dahin fünf fruhere Seereisen des Apostels unterscheiden (Apostg. II, 4—13; 14, 26; 16, 11; 17, 14 f.; 18, 18——-21); dazu kommen dann noch die beiden, zu Apostg 19,10 u. 20 und zu 2. Cor. 1, 10 erwähnten (als eine iechste und siebe·nte), auf welchen ihn recht wohl ein dreimaliger Schiffbruch hat betreffen können. Aus einem· jener Schisfbrüche nun hebt das ,,Tag und Nacht habe tch zugebracht in der Tiefe des Meers« eine be- sonders gewaltige Scene hervor (als das Entsetzlichste was der Apostel bis zu jener Stunde erlebt); er fixirt UIId Fnktkkitt e·s als ihm noch in der Erinnerung gegen- wartig, als eine in sich abgeschlossene Thatsache aus der eben vorhergehenden Reihe, aber ihn in der Gegenwart noch berührend, durch das Perfekt, in das er im Grundtext hier übergeht, während er bisher im Aorist reserirt hat. (Osiaiider.) VII) »Als Diener Christi habe ich mich erwiesen in Tod esnöthen vielmals«, so schloß V. 23: ,,durch Reisen vielinals«, so fährt nun V. 26 fort’; was da- zwischen (V. 24 u. 25), war nur eine Parenthese, in welcher Paulus zu den angeführten Schlägen und Todesnöthen Belege bringt. Wie das Leben des Apostels ein fortdauerndes Reiseleben war, darüber giebt die Apostelgeschichte genügenden Ausschluß; und welchen Gefahren er nun bei einem solchen unsteten Leben in Erfüllung seines Berufes ausgesetzt war, führt er hier selbst an. (Sommer.) Stromesgesahr und Räub er- gefahr nennt er zuerst nebeneinander: Gefahr voni wilden Element, das ihm den Weg versperrt, und Ge- fahr von wilden Menschen, die ihm in den Weg treten. Dann folgt der Gegensatz der eig enen Volksgenosseii- schaft und des fremden Völkerthums: von diesen beiden Seiten her bedrohten ihn Gefahren. (v. Hof- maiin.) Und wie der Apostel nicht von seiiieni Volke zu den Heiden seine Zuflucht nehmen konnte, so ist er auch gleich gefährdet unter den Menschen und in der Einöde: in den Städten ist er seines Lebens nicht sicher, er hat das erst jüngst wieder in Ephesus er- fahren (Apostg. l9, 23 sf.); und wenn er aus-der Ge- meinschaft flieht, so bietet ihm die Wüste wegen reißender Thiere oder wegen Wegelosigkeit und Brod- losigkeit auch keine Sicherheit. Fährt er nun fort: »in Fährlichkeit auf dem Meer, in Fährlichkeit unter den falschen Brüdern«, so liegt wohl der Ver- gleichungspiinkt bei dieser Verbindung in der Treu- losigkeit beider, des Meeres und der falschen Brüder. (Nebe.) Auf die mancherlei Gefahren läßt Paulus die mancherlei Beschwerden folgen, denen er in seinem Amte sich unterzog: »in Mühe und Arbeit«; hierbei hat er wohl seine, die Nacht in Anspriich nehmende Arbeit auf dem Handwerk (1. Thess L, O; 2. Thess. Z, S) im Sinne, woran sich die viel Wachen knüpfen. (Kling.) Aber auch zum Lehren und Er- mahiien nahm er die Nacht zu Hilfe (Apostg. 20, 3l), und wie manche Nacht mag er im Gebet diirchwacht haben! Unter die faulen Wächter, die gerne liegen und schlafen (Jes. 56, 10), konnte der Lästerer Pauluni nicht unterbringen; nnd wenn dort der Prophet die stummen und faulen Hunde weiter schildert: ,,es sind aber starke Hunde vom Leibe, die nimmer satt werden können«, so sicherte den Apostel vor Verleumdung in diesem Betreff das Zeugnis» welches er ohne Wider- rede zu fürchten sich geben mochte, daß er ein Diener Christi sei in Hunger und Durst, weil er Speise- und Tranklabfal entbehren konnte, wo der Dienst Christi solche Entbehrung ihni auslegte (Phil. 4, 11 f.). Jii viel Fasten, weil er zu ringen hatte mit den bösen Geistern, die nicht ausfahren denn durch Beten und Fasten (Matth. 17, 21), und tapfer seinen Leib betäubte und zähmte, damit dessen Begehrlichkeit ihm nicht hinderlich werde iii seinem Beruf; in Frost und Blöße, weil er die warmen Stuben und weichen Kleider, die er geniächlich hätte haben können, um Christi willen und iii Christi Dienste hintansetzte hinter den kalten Kerker oder lustigen Schisfsraum und hinter die dürftige Kleidung eines Zeltniachers. Was Paulus zu erdulden hatte an Ungemach und Verfolgung, an Ungunst der Elemente, an Noth und Mangel, gewiß war das viel; und doch wird es noch überwogen von der täglichen Mühe und Arbeit des Seelsorgers nicht einer, sondern vieler, und des Freundes aller Ge- meinden. Zwischen den außerordentlichen Wehtagen, die ihm kamen, und den Gefahren, die er zu bestehen hatte, traten doch Zeiten der Erholung und des Auf- athmens ein; aber unaufhörlich, Tag für Tag sah er sich belagert von einer raths- und hilssbedürftigen 368 2. Corinther 12, 1—6. Nienge Wie ein Auflaus sah es aus vor seiner Her- berge, wo immer er einkehrte, und er drückt die Last der Seelsorgermühe, die ihn schier niederbeugte und aufrieb, stark und derb aus mit den Worten: ,,täglich werde ich angelaufen«. Wenn uns zuweilen Un- muth und Ungeduld ankommt bei gewiß viel erträg- licherem Angelaufenwerdem so laßt uns an den ge- duldigen Mann gedenken, der auch am Ende in Rom nicht müde geworden ist, zwei Jahre lang bei sich aufzunehmen alle, die zu ihm kamen (Apostg. 28, 80)! Und nicht allein, wo man seinen Beistand suchte, son- dern auch aus innerem freiwilligen Trieb des Geistes stand er täglich im Dienste einer Mutter an vielen Kindern, Sorge tragend für alle Gemeinden. (Besser.) Rechtschaffene Knechte Gottes haben alle Stunden besetzt mit Predigen, Unterweisen, Rathgebem Besuchen, Trösteiy Beten, Studiren &c. (Starke.) s) Der Vers drückt die tiefinnige Theilnahme des Apostels an allen geistigen Anliegen, Nöthen und Ge- fahren jedes Gliedes der Gemeinde aus, ein That- beweis der in 1. Cor. 12, 26 ausgesprocheneii Worte, welchen der Apostel durch die Größe und Reinheit seiner Liebe giebt. Bei den Schwachen, mit denen er schwach ist, ist zu denken an Christen, wie sie in Röm. 14, 1 f.; l. Tor. 8, 7 ff. beschrieben werden (v l. Röm.15, 1; Apostg. 20, 35), also an solche, deren G aube, Erkeiintniß Gewissen noch nicht zu der Reife und Sicherheit des Urtheils und Freiheit der Bezeu- gung gelangt war, wie sie die Vollkommenheit im Christenthuin gewährt: auf deren Standpunkt weiß Paulus liebend einzugehen, ihre Schwäche empfindet er als eine eigene und kann nun mit den Müden reden zu rechter Zeit und der Schwachen warten und pflegen, wie es recht ist. (Burger.) Die Schwachen nimmt Paulus an und thut mit ihnen, wie sie thun, als wäre er auch so schwach, wie er spricht (1. Cor. 9, 22): »den Schwachen bin ich worden als ein Schwacher, auf daß ich die Schwachen gewinne«. Wenn er dann fortfährtx »wer wird geärgert, und ich brenne nicht?« so will er damit sagen, es verdrieße und martere ihn sehr, wo jemand geärgert wird; weil er aber nicht mit den Geärgerten möchte geärgert werden, wie er mit den Schwachen schwach wird, spricht er, er brenne und habe Herzeleid darüber. (Luther.) Gleich als wäre in ihm die ganze auf Erden wohnende Kirche zusam- men, so trug er Leid um jedes ihrer leidenden Glieder· (Chrysostomus.) H) Jn V. 29 ist der Apostel zu Ende mit seinem Rühmen; die Gemeinde hat ihn genöthigt, so von sich zu rühmen, wie seine Gegner thun, und da hat er nun als Angehöriger des heiligen Volkes sich ihnen gleich, als Diener Christi aber sich über sie gestellt (V. 16— 23), letzteres jedoch so, da alles, worin er über ihnen zu stehen sich rühmte, in ebensbeschweruiigen bestand, unter denen er gelitten hat oder noch leidet (V. 23 ——29). Es sind lauter Dinge seiner Schwachheit, die man nicht bei ihm fände, wenn er über das Uebel erhaben und nicht vielmehr ihm unterworfen und dafür empsindlich wäre. In diesem Sinne denn will er von sich gerühmt haben, und so will er überhaupt es halten, wenn gerühmt sein muß (V. 30): nicht als ob er jetzt erst anfangen wollte, so zu thun ——— alles seit jenem ,,ich bin wohl mehr« ist dieser Art gewesen; aber er betheuert, daß er es so und nicht anders halten zu wollen esinnt sei, und betheuert das in der feier- lichsten eise (V. 31). Zu einer thatsächlichen Be- krästi ung dieser Versicherung dient nun die Vorführung des Begebnisses zu Dainaskus (V. 32 u. 33): was an diesem ausfällt, ist dies, daß der Apostel, anstatt muthig der Gefahr Trotz zu bieten oder Wunderbarer Rettung sich zu versehen, von einem nahezu schimpflichen Fluch- inittel Gebrauch gemacht hat, welches die Klugheit seiner Freunde ausgedacht hatte und zu dessen Benutzung sich gewiß mancher Andere, nur natürlich Muthige ehrenhalber nicht verstanden haben würde; doch es ist dieselbe Sinne-Bart, vermöge deren der Apostel, wie er vorhin versichert hat, von keinem andern Rühmen wissen will, als welches ein Bekenntniß seiner Schwach- heit in sich schließt, und vermöge deren er damals ein solches Mittel der Rettung sich gefallen ließ. Um so mehr aber war letzteres ein Beweis, daß er weder den Ruhm selbsteigenen Muthes noch ein Anrecht auf wunderbare Hilfe Gottes für sich beansprucht, als es sich, wie das vorausgeschickte ,,zu Damaskus« betont, an eben dem Ort zutrug, wo er so wunderbar bekehrt und von dem HErrn Jesu selbst zu seinem Sendboten an die Heidenwelt bestellt worden war, wo er also auf wunderbare Bewahrung um so mehr hätte pochen kbnnen, als er doch für das ihm zugewiesene und noch nicht angetretene Berufswerk behalten bleiben mußte; es war eine Fluchh mit der des David vergleichbar, auf welche sich Pf. 59 bezieht. Sein Rühmen also, wenn einmal gerühmt sein muß, ist kein Pochen auf das, was er vermag oder worauf er ein Anrecht hat bei Gott, sondern gleicht seinem Verhalten in jener Bedrängniß zu Damaskus, wo es ihm nicht zu gering war, auf eine fast unehrenhaste Weise von den Brüdern auf die Flucht gebracht zu werden. (v. Hofmannh Uebrigens ist nicht zu verkennen, daß Paiilus in diesem ganzen Gemälde vorzüglich auf die Nöthe und Schmerzen hinblickt, welche ihm der Haß der Juden und Ju enchristen bereitete, aus deren Mitte auch seine corinthischen Gegner abstammen; so kann er nicht umhin, dieses Gemälde mit der Erinnerung an eine besonders tödtliche Feindschaft zu vermehren, welche er schon in der frühesten Zeit seiner Bekehrung von den Juden erfahren hatte. (Kling.) Das 12. Kapitel. IJauli Ruhm iind Offenbarung, seiner Wider- miirtigen Ehrgeiz entgegen gesetzt d· V. 1——10. Paulus hat im vorigen Abschnitt satt· sani gezeigt, wie er durch ceideii5ersahrnngen, iii welchen die Kraft des hErrn sich niiictitig aii ihm erwies, als ein lichter iind rechter Diener Christi bewährt sei, wogegen die Widersacher inir wenig oder gar nichts dergleichen auszuweiseii hatten; in den Augen erleuchteter Christen nnii inuslte dieser sein Vorzug Anerkennung finden, die durch die Jrrlehrer verblendeten Coriiither aber wollten vielmehr wunder- bare Erscheinungen oder auslerordentliche Ossenbarungen uorgezeigt wissen, uni darin den Apostel zu erkennen, und da kann denn Paulus auch hiermit dienen. Er erzählt also nach einer voraus· geschickten 5elbstverwahrung, als thue er’5 seines Ruhmes wegen, in einer Weise, bei der sein Ich ihm zu einein Ei· wird und ihm hinter der göttlichen Gabe der nieiischliche Empfänger so völlig zurücktritt, das) er sich selber wie ein Fremder ist (ugl. Joh. St, 7. 24), non eineni vor 14 Jahren gehabten Begegiiisk da er in des hininiels Allerheiligstes entrückt nnd in das Paradies der Seligen versetzt wurde; alsbald aber bringt er die Rede aus das, als deniiithigeiides Gegen« gewicht gegen diese hohe Ossenbaruiig über ihn ver« hängte, durch den Satan tieusirlite Leiden, gedentit Von den Gesichten und Offenbarungem deren Paulus gewürdigt worden. seines Flehen-«« vor dem HGrrn, Woher« Ilnseihtnttg über-habest zu werden, aber anch der Antwort, die ihm daraus« zu Theil geworden, und gelangt so von Dienen! wieder daraus, dass er sich keiner Sache, ab; nur seiner Sihwachheit zu riihsnen habe. 1. Es ist mir ja [wie ich dies Bewußtsein schon in Kap. 11, I. 17. 30 zum Ausdruck ge- bracht habe] das Nühmen nichts nütze [be- sonders nun« bei dem, dessen ich jetzt mich rühmen will, weil gerade hierin nicht wenig Anlaß und Versuchung zur Selbstüberhebung verborgen liegt V. 7]; doch will [da nun einmal auch dieses Rühmen ich nicht umgehen kann] ich kommen auf die Gesichte und Offenbarungett des HErrnk [nach denen ihr fragt, wenn es sich um jemandes Anerkennung als Apostel handelt]. 2. Ich kenne einen Menschen in Christo sund was ich von ihm im Sinne habe, geschah] vor vierzehn Jahren [also im J. 43 n. Chr» noch zur Zeit, da er zum Antritt seiner aposto- lischen Laufbahn ausgerüstet wurde Apostg. 11, 26 Anm.] —— ist er [dabei] in dem Leibe gewesen [so daß der Leib theilgenommen hat an der Himmelfahrt der Seele zu einem Vorgenuß seiner einstigen Verwandlung Kap. b, 2——4], so weiß ich? nicht, oder ift er außer dem Leibe ge- wesen [so daß die Seele eine Weile außer der dunkeln und beschwerlichen Leibeshütte einen Vor- schsinack ihres Daheimseins beim HErrn gehabt Kap. 5, 8], so weiß ich?- auch nicht sent- sprechend dem, daß ich auch nicht weiß, ob der HErr mich noch einmal die Ueberkleidung oder die Entkleidung wird erfahren lassen 2· Cor. S, 9]: Gott weiß es —; derselbe ward [um die Gesichte V. I zu haben] entzückt [besser: entrückt Apostg. 8, 39; 1· Thess 4, 17; Ossb. 1"2, 51 bis» in den dritten Himmel siiber den Wolken- und Sternenhimmel hinaus bis in die unsichtbare Welt der himmlischen Geister hinein I. Mos. 1, 1 und da wiederum bis in deren Aller- heiligstes Hebr 9, 24; Luk. 11, 4 Anm.]. 3. Und ich kenne denfelbigen Menschen « ob er sbei dem Widerfahrniß] in dem Leibe, oder außer dem Leibe srichtiger: ohne den Leib] gewesen ist, weiß ich nicht: Gott [allein, der alle Dinge weiß Sirach 42, 19] weiß es ——; 4. Er ward szur Empfangnahme der Offen- barungen V. I] entzückt [entrückt] in das Paradies [Luk. 23, 43; Offenlx 2, 7], und hörete Daselbst] unaussprechliche Worte, welche kein Mensch shier auf Erden] sagen kann« sweil Menschensprache dafür nicht ausreicht 1. Eor. I3, 1., und wenn er’s auch könnte, doch nicht sagen darf, weil sie nicht zur Mittheilung an Andere sich eignen, sondern ein Geheimniß bleiben müssen] Dächfelni Bibelwerb VII, Band. 369 5. Davon [was diesem Menschen in Christo, von dem in V. 2 u. 3 s. die Rede war, widerfahren] will ich mich rühmen; von mir selbst aber soder in Betreff meiner eigenen Person] will tch mich sgemäß dem schon» vorhin aufgestellten Grundsatz Kp. 11«, 301 nichts rufhtnem ohne meiner Schwachheitws sdenn diese ist allein mein eigen, gehört wirklich mir zu, alles Andere ist nur Gottes Gnade, deren Preis durch nichts geschmälert werden darf, vgl. Luk. 17, 10]. b. Und so ich mich seinmal auch solcher Eigenschaften oder Werke] ruhmen wollte [in denen das Gegentheil von Schwachheit zur Er- scheinung»ko1nmt], thake tch darum »[1nsosern] mcht thorlich sals Ich nicht genöthigt sein würde, nach Art der eitlen Prahler mit Aufschneidereien und erdichteteii oder übertriebenen Dingen mich zu befassen]z denn ich wollte die Wahrheit sagen smit dem, was ich von mir rühmen würde] Ich enthalte mich aber deß salles Rahmens von Vorzügen und Verdiensten], ans daß nicht jemand mich hoher achte, denn er an mir siehet oder von mir hbret-1· [sondern ein jeder sein Urtheil über mich sich lediglich nach dem- jenigen Eindruck bilde, den mein ösfentlicher Wandel und mein Predigtwort auf ihn macht]. V) Nicht ohne Weiteres geht Paulus auf das über, worauf er noch eingehen muß, wenn er jenen falschen Aposteln in Corinth nicht einen Ruhm lassen will, auf den sie sich das Meiste einbildeten Wie man in Corinth die Sprachengabe über alles schätzte (1. Tor. 12—14), dieses ekstatische Preisen Gottes, so legte man dort auch auf ekstatische Offenbarungen Gottes einen ganz besonderen Aceent: der Apostel sieht sich da, wie schon vorher, in der unangenehmen Lage, daß er rühmen, sich rühmen muß, und was er so thun muß, ist ihm, wie er das lebhaft fühlt, nichts nütze, frommet ihm nicht. (Nebe.) Vergessen wir nicht, welche Absicht der Apostel hat, indem er von sich predigt und fchreibt: es gilt, falsche Lehrer zu überwinden, welche bei den Eorinthern dadurch Eingang suchten, daß sie den Apostel, der sie· Christo gewonnen hatte, durch Ver- leumdungen in den Staub herabzogen; ihnen gegen- über kann er nichts Besseres thun als aus feinem Lebensgang dasjenige hervorheben, was theils bei den falschen Lehrern sich gewiß nicht fand, theils am geeignetsten war, sein Ansehen bei den Corinthern wieder herzustellen. In dieser Absichtschrieb er ihnen von seiner Mühsal und seinen Leiden (Kap. 11, 23 ff.), in derselben schreibt er ihnen nun auch von feinen himmlischen Freuden; konnten seine Feinde keine Leiden aufzeigetn wie er sie hatte, so konnten sie gewiß eben- sowenig oder noch weniger solche Freuden und Zeichen der Gemeinschaft mit Gott rühmen, wie St. Paulus. Der Apostel scheint von der Sache, die er hauptsäch- lich hervorzuheben hatte, selbst nicht oft geredet, sie vielleicht gar bis zu der Zeit, in welcher er unsre Epistel an sdie Corinther schrieb, verschwiegen zu haben; wenigstens trägt die Art und Weise, in welcher er er- zählt, ganz das Gepräge derOffenbarnng eines Geheim- nisses Doch muß die nunmehrige Erwähnung der Sache zum Zwecke des heil. Paulus sehr dienlich ge- wesen sein. So stand es ja doch kiicht zu Corinth, daß . ihm das Wort nicht geglaubt worden wäre, das er 24 370 2. Corinther 12, 6. sagte: als ein wahrhaftiger und treuer Zeuge war er anerkannt, und konnte er von einer Entzückung bis in den dritten Himmel erzählen, so fand er Glauben bei der Gemeinde; eben damit aber mußten die Feinde Pauli überwunden, es mußte die Gemeinde mit ihrem geistlichen Vater auf’s Neue vereinigt und die große Seelengefahr beseitigt werden, in welcher sie schwebte. (Löhe.) Nicht ohne wiederholte Protestation gegen die unter Lorbeergesträuch versteckte Schlange will Paulus im Rühmen fortfahren; denn, schreibt er, ich will kommen, mit aufwärts steigenden Schritten, auf die Gesichte und Offenbarungen des HErrn. Er fühlte, wie beim Kommen hierauf die Gefahr der Ueber- hebung ihm sonderlich nahe trat, und wappnete sich dawider mit einem ,,uicht mir!« Jn Gesichten, worin dem inneren Auge, und Offenbarungem worin dem inneren Ohre die Geheimnisse der äußerlich unsichtbaren und unvernehmbaren Welt zu sehen und zu hören gegeben werden, hat sich der HErr von Anfang an (vgl. Apostg 22, 15; 26, 16) dem Manne gezeigt, welchem er den Mangel an Augen- und Ohren- zeugenschaft auf außerordentliche Weise ersetzte, damit er in gleicher Auetorität neben den zwölf Aposteln dastünde. »Habe ich nicht unsern HErrn Jesum Christum gesehen?« durfte er seine Abgönner fragen (1. Cor. 9, 1), und sich, obschon in tiefster Beugung vor allerfreiester Barmherzigkeit, unter die Zeugen des Gekreuzigten und Auferstandenen stellen (1. Cor. 15, 8 sf.). Jedoch nicht eine Reihe von erlebten Gesichten und Offenbarungem welche der Reihe von ausgestan- denen Leiden und Mühen die Wage hielte, auch nicht ein Gesicht, dessen Bildform er deuten, eine Offen- barung, deren Jnhalt er aussprechen möchte, will er hier aus dem Schatze seiner Erfahrungen hervorholen, sondern von einem einzigen wundervollen Erlebnisse redet er, dessen himmlische Erfreuung er nachspürte im Herzen, dessen Erzählung aber mehr ein Schleier als ein Fenster für alle ist, welche es nicht erlebt haben, wie er. Wir dürfen vielleicht aus der Weise, wie er von dieser zwischen dem HErrn und ihm ver- borgenen Thatfache redet, sch1ießen, daß er nicht häufig, ja, wohl eben nur dies eine Mal einen Vor chmack der Himmelsfreude in Entzückung genossen hat, während er des Leidens täglich viel hatte; jedenfalls ist die keusche Schweigsamkeit, womit sich die —— nach 14Jahren —- abgedrungene Rede von einer nur Gott und ihm bekannten Sache umgiebt, ebenso erbaulich und lehr- reich, als die Rede selbst, und man kann sich vorstellen, wie die von den Schwärmern hundertfältig angefabelten Corinther, wofern sie dem Geiste der Wahrheit Raum gaben, erwachen und sagen mußten: »ja, wahrlich, hier ist Christus und eines Dieners Christi Atti« (Beser.) Gesichte und Offenbarungen unter- scheiden sich darin von einander, daß die ersteren vor- zugsweise etwas der inneren Anschauung des Men- schen vorhalten, ohne daß es dabei durch ein gehörtes oder eingegebenes Wort erklärt würde, Osfenbarungen dagegen, welche freilich auch oft bei den Gesichten vor- kommen, an den Geist durch das Wort sich wenden. (v. Gerlach.) Ei) Es war damals nicht, wie bei den früheren und späteren Entzückungen und Gesichten Pauli, von denen die Schrift erzählt, in welchen sich Christus seinem Apostel nahete (Offenb. 1, 10 ff.); sondern da nahete sich der Apostel ihm, er ward entrückt zu Gott. (Löhe.) Was Paulus hier erzählt, gehört so völlig u seinem eigensten inneren Erleben, daß wir einen Bericht davon in der APostelgescIJichte nach ihrer ganzen Anlage« gar nicht zu erwarten berechtigt sind, um so weniger, je mehr Paulus die Sache als ein Geheimniß behandelt, von dem er ohne dringenden Anlaß keinerlei Gebrauch macht; das aber erhellt allerdings aus seiner Zeitangabe, daß das Ereigniß noch vor den Beginn seiner großartigen apostolischen Thätigkeit, jedenfalls vor seine erste Missionsreise (Apostg.13) fällt und einem göttlichen Pfand und Angeld zu vergleichen ist, mit dem er zum unverzagtem hoffnungsreichen Er»- dulden all des Schweren gestärkt wird, das auf seinem künftigen Wege lag. Ehe noch der HErr ihn erproben läßt, wieviel er leiden müsse um seines Namens willen, läßt er ihn die Herrlichkeit, die sein am Ziel wartet, zum Voraus schauen, damit er habe, woran er zu seiner Stärkung sich allezeit erinnern könne: durften doch auch die drei auserwählten Jünger Jesu ihren Meister auf dem Berge der Verklärnng sehen (Matth. 17, l sf·), ehe sie aus seinem Munde die Verkündigung seines Leidens vernahmen und es bald in nieder- schlagender Weise erfüllt sehen mußten. (Burger.) Der Apostel gedenkt des Vorganges so, als spräche er von dem Erlebnisse eines Andern, so daß nur aus dem Jnhalte desselben und aus dem Zusammenhange, in welchem er seiner gedenkt, ersichtlich ist, daß er selbst es sein müsse, dem dies widerfahren; von einem ,,Menschen in Christo« sagt er, also von einem Wien- schen, dessen Menschenthum ein durch seine Beschlossen- heit in Christo näher bestimmtes und darnach geartetes ist — ein Ausdruck, welcher absichtlich so allgemein wie möglich und mit völligem Absehen von aller per- sönlichen Beschaffenheit dessen, der solche Gnade er- fahren hat, bezeichnet. Sodann folgt die Angabe, wie lange es her ist, daß ihm solches geschah, eine An- gabe, welche den Lesern nicht dazu dienen konnte, sie wissen zu lassen, unter welchen Umständen es geschah, sondern ihnen nur den Eindruck machen mußte, daß er selbst sich dieses Vorgangs als eines sonderlichen bestimmt und genau erinnert; so genau er sich aber der Zeit und der Umstände des Vorgangs bewußt ist, so wenig weiß er von der Art und Weise, wie er ihn erlebt hat, und da er ihn ohne Zeugen erlebt hat, so weiß nur Gott allein, ob er leiblich entrückt oder seinem auf Erden verbliebenen Leibe entnommen und also außerleiblicher Weise dahin versetzt worden ist, wo ewesen zu sein er allein sich erinnert. (v. Hofmann.) Zsaulus erklärt sich außer Stande anzugeben, ob er leiblich an den nachher genannten Ort entrückt worden sei oder ob sein Geist, zeitweilig gelöst aus den Banden des Leibes, sich dorthin versetzt gesehen habe; im ersteren Falle ist eine für die Dauer des Gesichts bewirkte Verwandlung des Leibes in den künftigen Stand der Verklärung (ähnlich wie bei Christo in Matth. 17, 2) anzunehmen, aus welcher Paulus in den natürlichen Zustand der Sterblichkeit und irdischen Beschränktheit zurückversetzt ward, im andern (dem nach Maß abe des nachherigen Ausgangs des Lebens Pauli wahr«s;cheii1licheren) Falle eine Trennung des Leibes und des Geistes, welche nach Erfüllung des Zweckes, zu welchem sie geschah, wieder aufgehoben wurde (ähnlich wie bei denjenigen Todten, welche von Christo und den Aposteln wieder auferweckt worden sind). Paulus selbst läßt die Frage unentschieden; nur das ver- bieten die Worte, die er nachher braucht, an eine Ent- zückung der häufiger vorkommenden Art (Apostg. 22, 17; 10, 10; Offenb. I, 10) zu denken, wobei Leib und Geist ungetrennt auf Erden bleiben, nur die ge- wohnte natürliche Thätigkeit des Geistes und der Sinne aufgehoben und eine Fähigkeit im Menschen ent- bunden oder ihm geschenkt wird, zu sehen und zu hören, was der natürlichen Wahrnehmung entzogen bleibt; Paulus ward vielmehr entrückt, d. i. weg- gerasft, vgl. Hes. 8, 3. (Burger.) Das Ziel der durch eine höhere, seiner sich bemächtigende Gewalt (den Geist Gottes) geschehenen Entrückung nennt der Apostel den dritten Himmel: die Mehrheit der Himmel ist biblische Lehre (5. Mos. 10, 14; i. Kön. 8, 27); auf sie weist insbesondere auch die Darstelluiig der Him- melfahrt Christi in Hebr- 4, 14 (im Grundtext: »der durch die Himmel gegangen ist«) hin, und der Abschluß dieses Hindurchgeljens ist nach Hebn O, 24 das Ein- gehen in den Himmel selbst, d. i. in die Wohnstätte der göttlichen Majestät, wozu sich die Himmel, durch die er hindurchgegangen, verhalten wie das Heilige in der Stiftshütte zum Allerheiligsten· (Kling.) Daß nun in V. 3 f. ganz dasselbe wie in V. 2 gemeint sei, ist dadurch ausgeschlossen, daß Paulus hier mit dem nämlichen feierlichen Ausdruck zu erzählen anhebt, womit er andeutet, daß er jetzt etwas Neues, wenn auch Verwandtes berichten will, und nun auch das Neue in zwiefacher Weise durch einen anders ge- wendeten Ausdruck bezeichnet: a) er weiß nicht, ob er in dem Leibe, oder ohne den Leib gewesen (was aus den Stand der Abgeschiedenen hi11weist), und b) er wurde entrückt in das Paradies; der Vorgang also, der als Entrückuitg in den dritten Himmel die Vor- ftellung einer Versetzung aus der irdischen Welt bis tief in die Ueberweltlichkeit, ja bis in deren Aller- heiligstes gewährt, erscheint nunmehr als eine Ent- rückung dahin, wo Gott bei den in Christo ent- schlafenen Menschen ist und sie mit ihm in überwelt- licher Gemeinschaft stehen. Falsch ist hierbei jedenfalls diejenige Auffassung der Ausleger, welche diese zweite Entriickung für eine noch höhere als die erste nehmen, gleich als sei Paulus durch den dritten Himmel bis hinein in das Paradies aufgefahren; denn offenbar ist hier nicht das Paradies im Gegensatz, zum übrigen Himmel gedacht, vergleichbar dem Garten Eden in seinem Gegensatz zur übrigen Erde (I. Mos 2, 8), sondern der Ausdruck ist eine von dem Garten Edens hergeuomniene Bezeichnung des Orts, wo Gott bei den seligen Menschen ist. Während nun Paulus im dritten Himmel Gesichte schauete, hörete er im Pa- radies Offenbarnngem daher werden wir vielmehr auf den Unterschied geleitet, daß er dort bei Gott und Christo war, hier dagegen bei den in Christo abge- schiedenen und mit Gott in seligem Verkehr sich be- findenden Seelen, um, nachdem er dort die göttlichen Dinge aus eigener Anschauung erfahren (Ief.6,1 ss.), nun hier den Stand derer kennen zu lernen, von denen das Wort in Osfenb. 14, 13 gesagt ist, und ihre Lob- gesänge zu vernehmen. Der Apostel nennt, was er da vernahm, ,,unaussprechliche Worte, die kein Mensch sagen kann«, und beschreibt es damit als etwas, was seiner Natur nach für den Ausdruck in unsrer irdisch- menschlichen Sprache zu hoch, dazu seinem Inhalte nach zur Piittheilung an Andere nicht geeignet, auch dazu nicht bestimmt war, daher es dazu nicht kommen darf. Selbst ein Paulus hätte es in erschöpfender Weise nicht wiedergeben können, wie denn auch in unserm irdischen Stande unserErkenntnißverniögen weiter reicht als das Vermögen zu sprechenx aber wenn er es auch vermocht hätte, so würde er’s doch nicht gethan haben, weil die Veröffentlichutig ein Verrath am Heiligthum gewesen wäre, eine Verletzung des seligen Geheim- nisses, das ihm anvertrauet worden war. Rieger bemerkt hierzu in zutre ender Weise: »Heutigestags meint man oft, durch be ondere Nachrichten aus dem Unsichtbaren bringe man die Menschen zu mehrerer Aufmerksamkeit; wem aber das Wort vom Kreuz nicht zuvor einen gründlichen Gehorsam abgewonnen hat, bei dem würden auch Worte aus dem dritten Himmel und aus dem Paradies eher ein Futter des Seine Eutrückuiig in den dritten Himmel nnd in das Paradies. 371 Unglaubens, als eine Reiznnå zum Glauben abgeben. Ueberhaupt ist in göttlichen ingen rathsam, immer mehr im Schatz haben, als herausgeben« IN) Paulus fährt fort, wie er in V. 2 angefangen hat, sich, sofern ihm jene wunderbare Entrückung widerfahren ist, als eine andere, eine fremde Person zu behandeln, diesen so hoher Gnade gewürdiglen Nienschen von sich, seinem eigenen Jch zu unterscheiden, und dies in richtiger Anerkennung, daß er selbst an jener Erhöhung wirklich nicht den geringsten thätigen Antheil hatte, daß also auch alle Ehre oder Aus- zeichnung, die damit verliehen war, nicht sowohl seinem Jch galt, als eben dem, gewissermaßen belie- bigen Menschen, den Gott so hoher Dinge zu wür- digen für gut befunden; die Beseheidenheit verbietet ihm, in Beziehung auf dieselben zu sagen: ,,sie sind mir gefchehen«. (Burger.) Er will sich dessen laut freuen und gegen Andere davon rühmen, daß ein Mensch solche Gnade erfahren hat, aber ganz davon abgesehen, daß er dieser Mensch ist; was seine eigene Person betrifft, so will er nur derjenigen Dinge und Erlebnisse sich rühmen, welche Zeugåiisse feiner Schwach- Yit sind. (v Hofmann.) Das iihmen aber seiner chwachheiten, der ma11cherlei Lagen und Erscheinungem in welchen seine Schwachheit zu Tage tritt, ist ein treffendes Oxyntoron (rednerischer Scheinwiderspruch) und heiliges Paradoxon (auffallende Behauptung), womit er eben den Selbstrnhm vernichtet, dagegen dem Ruhm der Gnade, die sich in solcher Schwachheit um so kräftiger und herrlicher in ihm und durch ihn er- wiesen, auch um so volleren und ausschließenderen Raum läßt. (Osiander.) s) Der Apostel hat bei diesem Ausspruche seine Gegner im Auge: jedes Rühmen ist thöricht, weil aller Ruhm Gott allein gebührt; es ist aber vollends thöricht, wenn der Ruhm keinen Grund hat, wie es bei den Jrrlehrern der Fall ist, die sich mit nichtigen Dingen rühmen. Paulus nun will sich alles Rühmens enthalten, obwogl er, wenn er wollte, sich rühmen könnte, ohne da er sich auch nur im Geringsten an der Wahrheit verginge; er will sich aber dessen ent- halten, daß nicht jemand ihn höher achte, denn er an ihm siehet oder von ihm hör-et. Er will das Urtheil Anderer über ihn nicht hinaufschrauben durch Mit- theilung von solchem, was man ihm nur auf’s Wort glauben müßte; seine Demuth fordert vielmehr, die etwa mögliche Ueberschätzung seiner Person zu ver- hüten. Was man an ihm sah und von ihm hörte, war Schwachheit und Anfechtung: in dieser demüthigen Gestalt will er auch fernerhin vor den Menschen er- scheinen, damit alles, was er wirkt, nicht ihm, sondern der Kraft Gottes zugeschrieben werde. (Sommer.) Wie ist doch Pauli Liebe zu den Seelen so lauter und sein ganzes Verhalten beherrschend! Mitten in der ihm abgedrungenen Verantwortung seiner Christen- und Amtsperson ge en Neider und Verleumder ver- gißt er nicht die Gefahr: der Menschenvergötterung in welche gerade redliche Seelen gerathen konnten, die sich gegen ihn mitversündigt hätten, wenn sie nun jenes abschätzige Urtheil, wozu sie verleitet waren, durch Ueber-Hochachtung wieder gut machen wollten. Konnte er selbst die einsame Höhe, wohinauf der HErr ihn erhoben, kaum und nicht ohne tiefster Demüthigung bittere Arzenei ertragen (vgl. V. 7), wieviel weniger würden seine schwachen Kinder der Versuchung ent- gangen sein, einen Heiligen widerevangelischen Maßes aus ihm zu machen, wenn er zu so gefährlichem Mach- werk ihnen Stoff geliefert hätte! Deshalb begnügte er sich, seinen täglichen öffentlichen Wandel, die Wege, die man ihn gehen sah, und die Lehre, die man aus U· 372 L. Corinther 12, 7—11. seinemjMunde hörte, sammt den Siegeln der gött- lichen Berufung, welche Gott an sein Amt gehängt (1. Cor. 9, 2), für sich reden zu lassen. (Besser.) 7. Und auf daß ich mich nicht der hohen Offenbarung sdie ja einen so über- schwänglichen Charakter, eine alle Grenzen des Gewöhnlichen maßlos iiberschreitende Beschaffew heit an sich trägt und darum so leicht Veran- lassung zum Dünkel für den, dem sie zu Theil geworden, darbietet] übethebw ist mir sals Gegengewicht von Seiten des HErrn] gegeben ein Pfahl in’s Fleisch sein spitzer Stachel, der sich mit empfindlichen Schmerzen für mich in mein Fleisch eingebohrt hat und allen Hochmuth nieder- hält], nämlich des Satans Engel seiner von den Engeln Satans Matth 25, 41], der mich mit Fausten schlage sMatth 26, 67], auf daß ich mich nicht uberhebeät 8. Dafur sin Beziehung auf welches Schlagen des Satansengelss ich dreimal dem HGrrn [Jesu Christo] geflchet habe, daß er sselbiger Engel mit seinen Faustschlägen] von mir wiche. 9. Und er sder HErr, indem er bei der ersten und zweiten Anrufung noch keinen Bescheid mir gab, bei der dritten aber meine Bitte mir abschlug] hat zu mir gesagt sbei welchem Spruch es denn sein Bewenden haben mußte]: Laß dir an meiner Gnade genügen; dennmeineKraftist in denSchwachen machtig serzeigt sich gerade da, wo nichts als Schwachheit vorliegt, am mächtigsten und wirk- samsten 1. Cor. 2, 4 f.; 2. Cor. 4, 7]. Darum sum dieser mir zu Theil gewordenen Versicherung willen] will ich mich am allerliebsten rühmen meiner Schwachheit sstatt ihrer mich zu schämen oder über sie klagen und wegen jenes besonderen Leidens V. 7 ferner um Wegnahme zu bitten], auf daß die Kraft Christi bei mir wohne« szu bleibendem Wohnen sich aus mich niederlasse]. V) Damit nicht Andere ihn überheben, enthält sich Paulus des Riihmens, wozu er wohl Anlaß und Stoff hat (V. 6); aber damit nun auch er sich nicht über- hebe, ist ihm gegeben der Pfahl in’s Fleisch. Das Fleisch ist die der Sünde und Schwachheit unter- worfene Seite der menschlichen Natur: an dieser schwachen Seite muß er die Züchtigung erfahren, die ihm in1 Gegensatz, gegen die erfahrene Entrückung aus allen ihren Schranken auf’s Empfindlichste zu fühlen giebt, daß er noch im Leibe wallet, noch nicht außer dem Leibe daheim ist bei dem HErrn, daß er noch in der Hütte ist, noch im irdischen Gefäß den überschwänglichen Schatz trägt Kap. 5, 4 ss.; 4, 7 (Burger.) Paulus, indem er das über ihn gekommene Leiden in seiner fürchterlichen Schwere beschreiben will, ringt mit der Sprache und springt von einem Bild zum andern tvon ,,Pfahl« zu »mit Fäusten schlage«) über; der ziemlichen Ungleichartigkeit der Bilder gemäß stellt er sie auch nicht in gramniatischer Shmmetrie zusammen (das dazwischen stehende ,,nämlich« ist erst von Luther eingeschoben, sondern faßt bei dein zweiten Bilde den eigentlichen Ausdruck und geistigen Begriff mit dem bildlichen zusammen (,,des Satans Engel« und ,,mit Fäusten schlage«); in der ungeheuren Schwere seines Leidens stellt sich ihm die entsprechende über- sinnliche Ursach, das geistige Werkzeug des Leidens, vor die Seele, das auf diese Weise in sehr freier und kühner Verbindung mit seiner Wirkung, dem ,,Psahl in’s Fleisch«, auftritt. Wir sehen: einer sehr bestimm- ten hohen Gnadenarsahrung setzt Paulus eine sehr bestimmte und an seiner Person haftende Demüthigung entgegen, nur daß diese nicht so momentan war, wie jene, sondern vielmehr bleibend, wenn auch nicht ununterbrochen fortdauernd. Ihrem Ursprung nach ist diese Demüthigung eine satanische Anfechtung und ebenso gesteigert, ebenso geheimnißvoll, nur daß sie stammte aus der Welt der Finsterniß wie jene Erhebung in die Welt der seligen Engel und in den Bereich des Lichts und des Guten es war; geheimnißvoll, wie sein Ursprung, ist denn auch Manchen dieses Leiden in dem Grade, daß sie nichts darüber zu bestimmen wagen, und wirklich erhellt auch die große Schwierig- keit näherer Bestimmung schon aus der großen Ver- schiedenheit der Ansichten der Aus-legen (Osiander.) Pauli Leiden ist göttliches Verhängniß, zugleich aber auch freies böses Thun des Satan; der Satans-Engel ist dem Apostel kraft göttlicher Fiigung zugesandt, und ist demselben über Paulus innerhalb göttlich gesteckter Grenzen Macht verliehen um des Zweckes willen, der dadurch erreicht werden soll, nämlich, daß der Apostel sich nicht überhebe. Das Verhältniß genau zu be- stimmen, inwieweit der Satansengel Werkzeug in Gottes Hand ist und gleichsam auf Gottes Geheiß dem Apostel den Pfahl in’s Fleisch drückt, und inwieweit das letztere eigene Aeußerung der bösen Willensrich- tung des Satan oder seines Engels ist, ist uns un- möglich. (Sommer.) Von welcher Art dieses Leiden gewesen, steht in Frage, da an eigentliche Faustschläge (gleich als habe Gott dem Satan es zugelassen, da er bisweilen unvermuthet den Apostel iiberfallen und mißhandeln durfte, wie namentlich ältere Ausleger sich die Sache vorstellten) wohl kaum zu denken ist. Der Annahme innerer satanischer Anfechtungen durch gotteslästerliche Gedanken oder Gewissensbisse wegen seiner fruheren Ehristenversolgung (vgl. zu Apostg. 8, 1· 2 u. 28, 28) oder durch Reizungen zur Unzucht (nach katholischer Auffassung, besonders in Folge seiner Verbindung mit der schönen Thekla) steht, abgesehen von dem letztgenanntem was ein rein phantastisches und der Schrift gänzlich widersprechendes (vgl. 1. Tor. 7, 7) Product der mönchischmscetischen Exegese ist, schon das ,,in’s Fleisch« entgegen; noch weniger wahrscheinlich ist die Erklärung von äußeren Anfechtungen durch feind- selige Gegner, die Satansdiener in Kap.1l, 15., unter denen besonders einer sich ausgezeichnet haben soll, der Satansengel hier, oder von Bedrängnissen des apostolischen Amts überhaupt, denn der Zusammen- hang führt auf ein bestimmtes, absonderliches Leiden als Gegensatz der hohen Ossenbarungen und auf etwas, um dessen Aufhören er so ernstlich flehen konnte, wie er nach V. 8 gethan hat, was von solchen Amtsleiden nicht gilt. Das Wahrscheinlichste ist, daß er ein überaus schweres und schmerzhaftes körperliches Leiden im Sinne hat, welches ihn jedoch nicht hinderte, so an- strengenden Arbeiten sich zu unterziehen und so viele Beschwerden aus-zuhalten. (Kling.) Daß der Apostel nicht Satan nennt, sondern einen Engel Satans, ist nicht anders, als wenn dasselbe Thun das eine Mal als ein Thun Gottes bezeichnet wird und das andere Mal als ein Thun seines Engels (vgl. z. B. Apostg. 12, 23 u· 13, 11); dieselbe, auf Verderbung des Gott- geschaffenen zielende Wirkung kann auf den zurück- Der Pfahl in’s Fleisch, der dem Apostel gegeben ist, daß er sich nicht iiberhebe 373 geführt werden, in welchem alle gottwidrige Willens- richtung ihren letzten Grund hat, oder auf ein ein- zelnes der Geiftwefen, welche unter ihm besaßt das von ihm Gewollte im einzelnen Falle vollbringeir Wie nun, so sagt der Apostel, ein Dorn oder Pfahl dem Fleische fchmerzhaft wird, das er ritzt oder in das er sich einbohrt, so thut der Satansengel seiner leiblichen Natur, die nach ihrer Empfindlichkeit für das sinnliche Uebel mit dem Ausdrucke ,,Fleisch« benannt ist. Nehmen wir Gal. 4, 13 f. zu Hilfe (vgl. die Bem. zu Apostg. 16, 8), so ergiebt sich uns die Vorstellung, daß der Apostel von einem sonderlichen Leibesübel gepeinigt wurde, welches ihm sein Berufsleben in einer Weise erschwerte, daß er nicht blos selbst darunter zu leiden hatte, sondern auch diejenigen, welchen er die Heilsbotfchast brachte, Anstoß daran nehmen und sich scheu vor ihm zurückziehen konnten; eine Vorstellun , welche es nahe legt, an Fallsucht zu denken. (v. Ho? mann.) Jch habe mit dem Apostel Paulo darüber disputirt, und ich ergötze mich noch jetzo an derselben Disputatiom was denn wohl sein scolops, sein Pfahl oder Stachel im Fleisch gewesen wäre, damit er ge- kreuzigt worden, und die Faustfchläge, damit ihn der Teufel gefchlagen; und ich bin bisweilen so hochmüthig gewesen, daß ich mir einbildete, ich könnte mit ihm darüber disputiren oder ich hätte eben dergleichen, ebenso schwere und vielfältige Verfuchungen erduldet, als er selbst ausgestanden, doch — ich weiß nicht, was es gewesen ist. (Luther.) Wir sollen es eben mit Gewißheit nicht wissen, auf daß ein jeder, der vom Teufel geplagt wird, leiblich oder geistlich, desto mehr Anrecht habe an den Trost des Exempels St Pauli, dieses Herzogs unter den vom Satan gequälten Hei- ligen. (Besser.) «) Die drei Höhepunkte des Gebetskampfes des Apostels entfprechen wohl eben so vielen Höhepunkten seines Leidens, und erinnert dieser sein Gebetskampf an den Vorgang des· HErrn selbst am Oelbergex darin, daß er dann zuletzt eine Antwort vom HErrn empfing, lag gewissermaßen eine Erhörung seiner Bitte, und wenn nun auch die Antwort in Beziehung auf das Erbetene selbst abschlagend lautet, so geschiehet das Abschlagen doch in Gnaden und wird nach einer andern Seite hin wieder zusagend, es wird dem Bit- tenden die Allgenugsamkeit der Gnade, die ja das Grundelement seiner Lehre und seines Lebens war, die aber durch die satanische Plage so getrübt erfchien, zum Trost gegeben auch für diese Prüfung. (Osiander.) Haltet es nicht für etwas Großes, erhört zu werden nach eurem Begehr, sondern das haltet für groß, erhört zu werden, wie es euch niitze ist. Bisweilen giebt Gott im Zorn, was du verlangst; verweigert er’s aber, so geschiehet es aus Gnaden. (Augustin.) Gott ist oft dem Schein nach hart, in der That aber dann am allergütigsten. Die Hilfe besteht nicht darin, daß wir die Sache vom Hals haben, sondern in der Bewahrung. (Berleb. Bib.) Wer hätte das ohne Offenbarung wissen können, daß man bei Gott in Gnaden, ja in apostolifchem Maße der Gnade stehen und dabei vom Teufel geplagt sein könne? und wem wäre das von selbst gekommen, die Schwachheit, die Hinfälligkeit, die Ermattung als einen Magnet der göttlichen Kraft zu erkennen und Gott den Allmächtigen im Bündniß mit einem welken, hinsinkenden Grase der menschlichen Schwachheit zu schanen? Aber, wohlan, so ist es, und damit ist alle die falsche Gewissensangst dämonifch Angefvchtener wie ein Nebel vernichtet, und Trost genug giebt es für Alle, welche die feurigen Pfeile und ermattenden Angriffe des Teufels erleiden: nicht in Ungnaden müssen sie sein, sie können im Gegentheil in hohen Gnaden stehen; nicht untijchtig werden sie durch die dämonische Plage für ihre Lebens- arbeit, sondern Gott kann sie durch Beilegung seines Vermögens nur um so tüchtiger machen. Auch ist es gar nicht nöthig, daß das Gebet um Befreiung über- haupt oder so schnell erhört werde; denn Gott weiß keine bessere Cur für die Krankheit der muthwilligen Selbsterhebung als dämonifches Feuer. Das sind Lehren, die kann man für’s eigene Herz und in der Seelforge brauchen. (Löhe.») » » 10. Datum sweil ich auch wirklich an der Gnade des HCrrn mir genügen lasse, wie er mir befohlen hat] bin ich gutes Muths in Schwach- betten, in Schmachen sschmählichen Behandlungen], in Reihen, in Verfolgungem m Aengsten, fdie ich] Um Christi willen lzu erleiden habe Kap. 4, 8 f.; S, 4 ff.]. Denn wenn 1ch schwach bin, so bin ich fin Folge der- Krastbeiwohnung des HErrUJ stark [Phil. 4, 13; Joel 3,»15; Sach. 12, 8]. Die ganze Summe seiner Leiden, deren heftigstes er den Corinthern nicht verschwiegen hat, bindet der Apostel hier in ein Bündel der Schwachheiten zu- samtnen und nimmt es auf sich guten Muths, d. h. mit herzlichem Wohlgefallen an Gottes Weg und Weise. Das Murren verstummt, der Widerwille schweigt, die Unruhe wird still, in Wahrheit kann er sagen: ,,wie’s Gott gefällt, so g’fällt mir’s auch-«. Ein Doppelpaar von Schwachheiten nennt er, die er im Fleische mit andauerndem Schmerze empfindet, um im Geiste täg- lich darüber zu triumphirem sowohl in Schmachen und Nöthen, schmählich gemißhandelt und verhöhnt, selbst von dem spöttifchen Satan, und die Noth des bedürftigen Lebens bitterlich schmeckend, als auch in Verfolgungen und in Aengsten, wie ein gejagtes Reh in der Welt, ja wie ein Vogel, den der Strick des Voglers ängstigt, ist er gutes Muths in Gott, weil er in dem allen seiner Seele zusprechen darf: ,,um Christi willen!« Was man um Christi willen trägt, davon wird man getragen; die Tragkraft Christi wohnt dem Kreuze bei, welches er auflegt. (Besser.) Gott führt die Creatur in ihr Nichts ein, damit sie in Christo wieder etwas werde zu Lobe seiner Herrlich- keit. Durch den Abfall hat der Mensch Gott seines Ruhmes beraubt: soll dieser wieder ersetzt werden, so muß der Niensch auch erst als schwach und nichtig vor Gott erscheinen, damit Gott alles in ihm werden könne. Wer in seiner eigenen Willenskraft nach eigenem Gefallen dahin zu leben fucht, der wird Gott nicht unterthänig und bekommt also keine Kraft von ihm. (Berleb. ib.) e. V. 11—t8. Gehörten die seiden niittlereii von den sechs Ilbsrhnittem in welche der den Kampf gegen die Widersastier enthaltende Theil von Rats. 10, 1- 13, 10 zerfällt, aus«:- Eiigfie zusammen (ngl. Rats. 12, 1—10 mit Rap- 11·16—33), so sthlieslt nun dieser fünfte Abschnitt an den zweiten Man. it, 1-—15) gleich mit seinem Eingange sich an nnd gebraucht nicht nnr dort norkionimetide Ilusdriirtic wieder, sondern nimmt auch dort vorgehrachle Sachen wieder ans. Paulus geht aber in diesem Abschnitt ans. der bisherigen Vertheidignng, narhdeni er die Srhkaiht mit seinen Gegnern siegreich geschlagen, zn der enlschiedensten Gektendmachnng seiner aposkosischeii Würde übel« nnd beseitigt seinen Sieg durch sehr ernste Erinnernngen nnd heschämende Mahnungen. 11. Jch bin sindem ich in dem Bisherigeii so Manches zu meinen Gunsten gesagt habe] ein 374 2. Corinther 12, 12—19. Narr worden über dein Rühmenz dazu sein Narr in dieser Hinsicht zu werden] habt ihr mich ge- zwungen. Denn ich sollie fstatt in die Lage ge- bracht worden zu sein, n1ich selber meiner anzu- nehmen und meine apostolifche Ehre ausrecht zu halten, vielmehr] von eiich gelobet werden fjenen Eindringlingen gegenüber, und ihr hättet dazu auch Stoff und Ursach geniig], sinielnal ich nichts weniger bin, denn die sicher·- Kap. 11, s] hohen Apostel sind sdie so gewaltigsich vor euch riihmen]; wiewohl ich swenn es sich nicht um einen Vergleich mit diesen handelt, sondern um etwaigen Werth vor Gott] nichts bint [1. Cor. 1, 28]. 12. [Ja, von euch hätte ich als ein ächter Apostel sollen vertheidigt werdeii.] Denn es sind ja eitles Apostels Zeichen [oder Beglaiibigungein als ich bei euch war Apostg. 18, 4 sf.] unter euch geschehen mit aller Geduld sdes Wirkens und Leidens Kap. 6, 4], mit Zeichen und mit Wundern lAp0ftg- 15. 12; RHUL 15, 191 iind mit Thatenit [göttlicher Machtbezeugung Hebr. 2, 4]. 13. Welches ists, darinnen ihr geringer sweniger mit apostolischen Heilswirkungen und Segensthaten bedacht worden] seid, denn die andern Gemeinen; ohne daß ich selbst fwas meine eigene Person betrifft, für die ich auf das Recht eines Apostels verzichtete 1. Cor. J, 4ff·] euch nicht habe fmit der Fürsorge für meinen Lebensunter- halt Kap. 11, 9] beschweret? Vergebet mir diese Sunde**’« swenn es wirklich eine Sünde und nicht vielmehr eine That besonders freundlicher Rück- sichtnahme auf euch und euer Bedürfniß gewesen] s) Paulus steht hier still und überblickt, wieviel er von Kap.11 an zu seiner Selbstempfehlung gesagt hat; dieser Rückblick drängt ihni das Zugeständniß ab: »ich bin ein Narr worden« — dies steht nun als eine vollendete Thatsache da! lMeyerJ Er hat das Rühmen jetzt hinter sich und ist froh, es überstanden zu haben, er war es aber sich oder eigentlich seiner Apostelehre schuldig gegenüber den Vielen, die sich wider ihn hatten einnehmen lassen; hätten dagegen diese ihre Pflicht gethan, so wäre ihm die ihm so widerwärtige Sache erspart geblieben. Die von ihnen versäumte Pflicht und die Gerech i« keit seines Aiispruchs begründet er dann durch seine ergleichung mit denen, die sie ihm so weit vorgezogen; daß dabei in der negativen Wendung: ,,sinten1al ich nichts weniger bin, denn die hohen Apostel« eine Litotes liegt (eine Redeweise, da man weniger sagt, als man eigentlich sagen will), erhellt aus der tiefen Demuth, mit welcher er sich im Schlußfatz des Verses auf sein Nichts zurückzieht und damit deii Hochniuth seiner Widersacher am empfind- lichstenstraftsp (Osiander.) Fromme Christen sollen nicht stillschweigen, wenn man ihre Seelsorger fälsch- lich in bösen Verdacht zu bringen sich untersteht: solches ist jeder Christ dem andern schuldig, wie viel mehr geistliche Kinder ihren Vätern! (Starke.) M) Geschehen sind die Zeichen eines Apostels unter den Corinthern mit aller Geduld: mit diesem Wort tritt das Bild des Apostels vor sie hin, der unter der Last gehäufter Widerwärtigkeit und in persönlicher Schwachheit standhaft ansharrte bei ihiien und jedwedes Leiden geduldig übernahm, um mit dem Beweise der ihm beiwohnenden Kraft Christi sie zu segnen. Zeich en, Wunder und Thaten (oder Kräfte) drücken dieselbe Sache, nämlich die einen Apostel legitimirenden Kenn- zeichen, in dreifacher Beziehung aus: erstlich nach ihrem Ziele, insofern es bedeut ame Zeichen sind, welche die heilsame Art des Namens Jesu zeigen; zweitens nach ihrem Eindrucke, insofern es Wunder sind, deren außerordentliche Erscheinung die Gemüther zum Auf- merken locktz drittens nach ihrem Ursprunge, i11so- fern es Kräfte sind, in welchen der lebendige Gott seinem Worte gewaltiger Weise Zeugniß giebt. (Besser.) Sind uns aiich keine Wunder des Apostels von seiner Station zu Corinth erzählt, so beweist doch dieses nichts gegen dieses sein Selbstzeugnißx nicht blos ist es eine in sich wahre Voraussetzung daß der so lange Aufenthalt des Apostels zu Corinth mit solchen höheren Documenten werde belaubigt gewesen sein, sondern auch die Fülle von Geisiesgabem die gerade über diese durch ihn ·epflanzte Gemeinde ergossen und durch seinen Diensi an ihr vermittelt waren, zeugt unwider- sprechlich für die Wahrheit seines Selbstzeugnifses (Qsiander.) Daß die Apostel Wunder verrichtetshabem brauchen wir also nicht blos der Ueberlieferung zu glauben: Paulus spricht es hier selbst aus, und damit ist aller mythifchen Auffassung der neutestamentlichen Wundererzählungwidersprochen (Neander.) sit) Es liegt eine beißende Jronie in diesem Verse; sie konnten nichts namhaft machen, worin sie irgend weniger empfangen, als andere Gemeinden (es seien, welche sie wollen, von wem immer gestiftet), oder an Gnade und Gaben verkürzt worden wären, es müßte denn das Eine sein, daß sie es umsonst und ohne irgend eine Gegenleistung, die ihnen wohl obgelegen hätte, erlangt haben. (Burger.) Dieses Unrecht nun, daß er von ihnen nicht, wie von andern Gemeinden, den perfönlichen Unterhalt genommen, sie insofern diesen nachgesetzh daß er mit solcher uneigennutzigen Aufopferung ihnen gedient, wie keiner andern Ge- meinde, bittet er sie ihni zu verzeihen: in dieser Bitte liegt eine scharfe Rüge ihres Undanks und ihrer Ver- kennung feines Verhaltens, indem sie durch ihre herab- setzenden .und verdächtigenden Gegner sich gegen ihn einnehmen ließen. (Kling.) Vgl. Joh. 10, 31 f. 14. Siehe, ich bin snach dem in 1.Cor. IS, 5 ff. angekündigten Plan] bereit, zum dritten Mal zu euch zu kommen, und will [auch da, gleichwie schvn früher Kap. 11, 10 ff.] euch nicht beschweren; denn ich suche nicht das Eure [Phil.«4, 17], son- dern euch sdaß ich euch für das Heil in Christo gewinne I. Cor. I, 19; Matth.18, 15]. Denn sdies der Grundsatz, der mir dabei zur Richt- schnnr dient] es sollen nicht die Kinder den Eltern Schatze sammeln, sondern die Eltern den Kindern« [1. Tini. 5, 8., und nun stehe ich ja zu euch in dem Verhältniß eines geistlichen Vaters zu seinen geistlichen Kindern 1. Cor. 4, 15]. 15. Jch aber fals ein rechter, für seine Kinder sogar sich aufopfernder Vater] will fast gerne darlegen [alles, was ich habe], und fwas meine Person oder mein Leben betrifft Phil. T, 17] dargelegt werden für eure Seelen; wic- wohl ich sgerade bei euch die leidige Erfahrung machen muß, daß zwar meinerseits ich] euch fast sehr liebe nnd doch [dabei eurerseitsf wenig geliebt Die Corinther hätten es dem Apostel ersparen sollen, daß er sich hat rühmen müssen· 375 werde« Un, daß eure Liebe in eben dem Maße abzunehmen scheint, in welchem die meinige sich immer überschwänglicher gegen euch erweist. Eure dankbare Gegenliebe also ist es nicht, die jene Opferfreudigkeit in mir erweckt, sondern eine höhere Gewalt] r) Die Eltern sollen, was ihnen Gott durch seinen Segen befcheert, ohne Abbruch der Liebe Gottes und des Nächsten zu Rathe halten, damit ihre Kinder dessen nach ihrem Tode zu genießen haben; nicht Schätze sammeln in Geiz und Mißtrauen gegen Gott, mit Ungerechtigkeih mit Hinterhaltung dessen, was man zu Gottes Ehren nnd des Nächsten Nothdurft oder auch zu der Kinder besserer Erziehung anwenden sollte, wodurch Manche viel Herzeleid erleben und sich und ihren Kindern ewige Verdammniß zuziehem (Speuer.) »Es) Nicht nur zu dienen, auch zu lieben ohne Lohn ist Paulus entschlossen, weil der HErr sein großer Lohn ist, und glühende Kohlen anf’s Haupt unerkennt- licher Kinder zu sammeln will er nicht sparen. Die Liebe ist stärker im Absteigen, als im Aufsteigen, sagt man richtigx und wie es zwischen Eltern und Kindern sich findet, so will es Paulus sich gern gefallen lassen im Verhältnis; zu seinen mehr geliebten als wieder- liebenden Kindern, wenn er ihn en auch herzlich wünfcht, daß ihre Gegenliebe völliger werde. (Besser.) 16. Aber laß also sein sdenn das giebt man bei euch mir wohl zu], daß ich euch nicht [in eigener Person] habe beschweret sweil es nach dem offen vorliegenden Thatbestande nun einmal nicht in Abrede gestellt werden kann]; sondern sso urtheilt man mit argwöhnisch-verdächtigender Nach- rede, um gleichwohl mich beschuldigen zu können, weiter] dieweil ich tütkisch soder ein Schalk Jer. 23, 11 Anm.] war, hab ich euch mit Htnterlift gefangen sindem ich Agenten zu euch abschickte, durch welche ich dann desto mehr zu meinem Vor- theil euch auszudeuten suchte, je weniger ich vor- hin selber mir hatte von euch geben lassen]. 17. Habe ich aber auch jemand [besser: Doch nicht etwa habe ich euch] übervortheilet durch deren etliche [d. i. durch einen von denen], die ich zu euch gesandt habe? [und welche sollten denn sonst meine Agenten oder Emissäre gewesen sein, als diese?] 18. Jch habe sals ich ihn von Kreta aus zu euch abordnete Kap. 1, 2 Anm.] Titttm ermahnet [sich der Collektenangelegenheit anzunehmen Kap- 8, 6], und mit ihm gesandt einen Bruder sden Tychikus Kap. 8, 22]. Hat euch auch [besser: etwa] Titus itbervortheitct sdaß er Geld oder sonst etwas von euch bezogen hätte]? haben wir sser, Titus, und ich nebst dem mit mir schreibenden Timotheus Kap· 1, l] nicht in Einem Geist [des uneigennützigen Wirkens V. 13 bei euch] gewandelt? sind wir smit uns beiden auch Titus sammt seinem Begleiter] nicht in einerlei Fußtapfen ge- gangen sindem diese ebenfalls, wie zuvor wir beiden, euch gänzlich nicht mit ihrem Lebens- unterhalt beschwert haben]? Paulus behauptet und vertheidigt hier seine Un- eigennützigkeit auch noch nach einer andern Seite hin, nämlich gegen die argdenklichen Vermuthungen und Verleumdungen der Gegner, daß er feine Emissäre zu um so reicherer Erstarkung dessen, worauf er bei seiner persönlichen Anwesenheit verzichtete, benutzt habe. Das ,,aber laß also fein« ist die Sprache der Gegner in ihren Einwendungen, die er in der Ergriffenheit seines Gemüths und in der Lebhaftigkeit seiner Dialektik, ohne Vermittelung durch Anführuugsformelth ziemlich abgerissen in der Form der Mimese sNachahmung der Worte und Geberden des Gegners) einführt. Das dramatifch eintretende ,,laß also fein« ist eine Con- cession ihrerseits, die sie mit Widerwillen machen; der Vorwurf selbst tritt dann mit den Worten ein: ,,sondern dieweil ich tückifch war, hab ich euch mit Hinterlist gefangen«. Man kann es unentschieden lassen, ob Paulus hier einen nur möglichen oder einen wirk- lichen Vorwurf seiner Gegner wiedergiebt; jedenfalls geht er davon aus, daß sie ihn mit dem Maßstab ihrer eigenen Gemeinheit messen, doch deutet die Sicherheih mit welcher er den Vorwurf vorträgt, wohl darauf hin, daß Gedanken dieser Art gegen ihn ver- lautet haben. (Ofiander.) Die rasch auf einander folgenden Boten des Apostels —- wir wissen, was Paulus durch sie bei den Corinthern suchte — kamen den lauernden Gegnern verdächtig vor, und flugs waren sie mit der Erklärung bei der Hand, der Edel- mnth Pauli wäre weniger groß als seine Schlauheih womit er das Netz seines Vortheils durch seine Hand- langer zu ziehen verstünde; aber, Gott Lob, war kein Gehasi (2· Kön. 5,19sf.) unter des Apostels Gehilfen, und wie er selber von keiner hinterlistigen Uebervor- theilung durch einen seiner Sendboten wußte, so durfte er zuversichtlich die Gemeinde zum Zeugen der lauteren Etgdssutzeigenniitzigeii Treue dieser Männer ausrufen. e er. f. V. 19—Kap. is, 10. wie dec vorige Abschnitt unter e. sich zuriictibezog aus den unter b., so ist nun bei dem hier vorliegenden Abschnitt unter f. der Wiederauschlnsz an den unter a. (Rap.10,1—18) gar naht zu verkennen; dieser ganze dritte Uutertheil des zweiten Haupttheile» der Gptslel erscheint also im Verlauf seiner Itbschnitte wie ein wohl gerothener Tiranz, wie eine glücklich attsgesührte Krci5linie. Der Apostel erklärt sich znvörderst näher iiber die Bedeutung, welche seine mit Rad. 10 begounene Selbst- vertheidigisng habe, das! er damit nicht vor den Richterstuhl der Corinther sich stelle, sondern vor Gott seine Sache siihre in Christo, und dasl er damit es abzuwenden bezweckt« das; nicht, wenn er nnn zum dritten Mal nach Corinth kommen werde, das Zu« sammentrefsen ein für beide Theile unlieblames und niederbeugendes sei, wie dasselbe es sein langte, wenn alles« so bliebe, wie es setzt mit der Genieittde noch bestellt ist. »Wir sind bereit, zu rächen allen tin-ze- horsantz wenn euer Gehorsam ersiitlet ist«, hatte der Apostel in Iiap.10,6 geschrieben; aber sein Ver— langen nnd sein Gebet ist, das! et« das·- lchon geziictäte Schwert wieder lieber« in die Scheide stechen dürfe, und so bietet er hier noch alles» aus, dies Ziel zu erreichen durch vollkommene Besserung von Seiten der Genieinde 19. Laßt ihr euch swährend ich das in V. 16 ——18 Gesagte schriebJ abermal dünken [wie es euch wohl schon gleich von Anfang meiner Verthei- digung seit Kap. 10 so vorgekommen ist], wir verantworten uns [gegen euch]? Wir reden 376 [vielniehr, statt daß wir uiis gegen euch veraiit- worten und damit als unsre Richter euch aner- kennen sollten 1. Cur. 4, Z] iii Christo Vor Gott sunserm alleinigen Richter Kap. Z, 17]; aber das alles swas wir euch gegenüber vorbringen, als ob wir uns vor euch verantworteten] geschieheh meine Liebsten, euch zur Besserung-«« [von den mancherlei Schäden und Gebrechen euch zu heilen, daran ihr leidet]. 20. Denn ich fiirchtc,»wciin ich· komme [V. 1«t], daß ich· euch nicht finde, wie ich wi·ll, uiid ihr mich auch nicht findet, wie ihr wolletz sich furchte näm- lich, was zunächst den ersteren Punkt betrifst,·daß »ich euch nicht finde,·wie ich will«] daß nicht sdieses ,,nicht« steht nach griech. Ausdrucks-weise, wie in Kp. 11, Z» nach jetzigem Sprachgebraiich im Deutschen hätte es wegzufallekq Hader, Neid, Zorn, Zank [Gal. 5, 201, Afterreden [»1. Petri 2, 1], Ohrenblasen [Röm. I, 29], Aufblahen [1. Cor. 4, 19], Aufruhr foder Unordnung 1. Cur. 14, 33 unter euch] da sei; 21. sFerner fürchte ich:] Das; ich nicht aber- mal komme und [besser: Daß, wenn ichkomme, abermal, wie schoii früher, bei meiner zweiten Anwesenheit in Corinth Kap. 2, i; Apostg 19, 10 u. 20 Anm.] mich» mein Gott demuthige bei euch, und sdajz ich] miisse Leid tragen ubcr viele, die zuvor gesundiges il— Cvv El? ff.] und nicht Buße gethan haben fur die Unreiuigkeit und Hurerei und Unzuchh die sie getrieben haben« [Hebr. 13,17]. «) Das ,,gegen euch« hat Luther in der Ueber- setzung ausgelasfen, gleichwohl hat gerade dieses Wort den Nachdruck; der Apostel will sagen: ,,ihr sehet doch nicht die Sache so an, daß ich vor euch meine Ver- antwortung führe, gleich als wäret ihr die Richter, denen darnach die Entfcheiduiig znkoinmt?« Den wahren Thatbestand giebt der nächste Satzt »vor Gott reden wir in Christo« (so nach der Stellung der Worte im Grundtext); unsre Rede will also nicht vor euch etwa uns entschuldigen, sondern sie ist vor Gott gethan, der ist der Richter, und vor ihm reden wir, was uns die Pflicht gebeut, und zwar reden wir in Christo, uns der Gemeinschaft mit ihm stets bewußt, aus dieser Gemeinschaft heraus und ihr mit Wort und That entfprechend. Weil aber der Grund, warum der Apostel vor Gott gerade so redet, wie er thut, doch in den Corinthern liegt, so wird auch diese Beziehung ihrer Wahrheit gemäß ausgesprochen und zurecht ge- legt: »aber das alles geschiehet, meine Liebsten, zu eurer Besferung«. (Burger.) Seinethalben brauchte er diese lai1ge Verantwortung nicht zu schreiben: an Gnade und Ehre bei Gott wäre ihm nichts abgegangen, wenn die Corinther sich von ihm hätten abwendig machen lassen. Wohl aber war der Zustand der Ge- meinde so, daß sie der beffernden apostolifchen Hilfe dringend bedurfte; und dieser Hilfe hat Paulus den Weg bereitet mit feiner Verantwortung. (Besfer.) Damit deni Amte keine Hinderung gesetzt werde, muß man den Angriff davon abzulehnen suchen, übrigens sich vorsehen, daß maii nicht ohne Noth etwas vor- bringe zur Vertheidigung, wodurch eine Sache oft nur ärger geinacht wird. (Starke.) VI) Nachdein Paulus in V. 20 zuerst gesagt hat, er fürchte die Corinther nicht so zu finden, wie er sie L. Coriiither 12, 20. 21. 13, 1—6. wünsche, und von ihnen so gefunden zu werden, ioie sie ihn nicht wiinscheteii (nämlich als Strafer und Züchtiger), giebt er nun in der zweiten Hälfte desselben Verfes und im folgenden 21. Verse von jener ersten Beforgniß die nähere Erörterung dadurch, daß er zweierlei Arten von Sünden aufführt, welche er bei ihnen zu finden fürchte, uämlich 1) die durch das Parteiwesen (1. Cur. I, 10 ff.) bedingten Mißstände und L) die Wollustfünden (1. Tor· 5, 1), die ihn beugen und in Trauer versetzen würden; die weitere Erklärung iiber jene zweite Beforgniß folgt dann erst in Kap. 13, 1ff. (Meyer.) Wie der Apostel bei den Corinthern es zu finden fürchtet, legt er in zwei, durch »daß« von dem ,,ich fürchte« ebenfalls abhängigen Sätzcn auseinander: die im ersten Satze benannten sittlichen Uebel sind folche, durch welche das gemeind- liche Leben als solches gestört wird. Jhre Auf- zählung be innt iiiit ,,Hader« oder den Zänkereien der unter sich neinigen, fctzt sich fort mit ,,Neid« oder der Leidenschafh welche keine« andere Meinung verträgt, und mit ,,Zorn«, d. i. den Anfwallungen des Zorns gegen diejenigen, die es anders meinen, geht über zn ,,Zank« oder den Aeußerungeii und Strebungen der gemeinen Selbstsucht, welche folche Mittel, wie ,,After- reden« und ,,Ohrenblasen« nicht verschmähh und zu ,,Aufbliihen«, d. i. den Selbstaufblähungeu der Hoffart, welche mehr sein will, als sie in Wahrheit ist, und schließt endlich mit ,,Aufruhr«, den aus alle dem er- wachfenden Störungen der guten und friedlichen Ord- nung des Gemeinlebens Der andere Satz dagegen hat es mit sittlichen Schäden zu thun, welche den Einzelnen für ihre Person anhaften, mit Sünden der ,,Unreinigkeit«, welche die geschöpfliche Ehre des leiblichsmenfchlicheu Wesens befleckeii, der »Hurerei«, welche wider die göttliche Ordnung des geschlechtlichen Lebens streiten, der ,,Unzucht«, welche die sittlichen Schranken des Brauchs der natürlichen Dinge durch- brechen. Diese Sünden hat der Apostel laut 1. Tor. 5, 9 bei seinem vorigen Aufenthalt in Corinth vorge- funden, während jene Störungen des gemeindlichen Lebens erst später eingetreten waren; daher schreibt er: ,,ich fürchte, daß, wenn ich (zum dritten Mal Kap. 13, I) komme, mich mein Gott abermal demüthige in Be- ziehung auf euch (Luther: bei euch)«, womit er das, was er befürchtet, als eine Wiederholung dessen be- zeichnet, was ihm schon einmal bei feiner Hinkunft begegnet ist, nämlich daß er gesenkten Hauptes der Gemeinde gegenüberstehen müsse. Und zwar befürchtet er für dies Mal insonderheit, viele von denen betraueri1 zu müssen, welche früher gefündigt, aber uin ihre Sünde nicht Buße ethan haben; nicht sagt er von folchen, welche noch fortwährend in denselben Sünden leben, deren sie vordem sich schuldig geniacht, wohl aber ist ihr vordem geschehenes Sündigen ein noch nngesühntes und darum in die Gegenwart hinein- ragendes (v. Hofmann.) Das 13. Kapitel. Vermahnung zur Buße. I. sWas hierauf den andern Punkt be- trifft, daß ,,ihr mich auch nicht findet, wie ihr wollet« Kap. 12, 20., so erkläre ich mich in Be- ziehung auf denselben dahin:] Komme ich zum dritten Mal zu euch [1. Cor. 16, 5f.], so soll sein strenges Diseiplinarverfahren vor verfamnielter Gemeinde über die in Kap. 12, 21 Geuannten Möchten sie dafür sorgen, daß, wenn er zum dritten Mal kommt, er nicht Schärfe brauchen müsse! 377 stattfinden, und da in einer dem göttlichen Gesetz b. Mos. »19, lb genau entsprechenden Weise Joh. 8, 17] m zlveier oder dreier Zeugen Munde bestehen allerlet [Rechts-] Sache»- [vgl. 1. Tini. Es, 19]. 2. Jch hab’s euch zuvor gesagt und sage es eueh zuvor, lzuvor gesagt hab ich’s] als gegen- wartig zum andern Mal [d. i. damals, da ich zum andern Mal bei euch gegenwärtig war und einstweilen euer noch verschonete Apostg. 19, 10 u. 20«Anin.],· und szuvor sage ich’s eben jetzt, denn ich] schreibe es nun im Abwesen denen, die zuvpr sin der Kap. 12, 21 angegebenen Weise] gesnndiget haben, und den Andern allen sdie mit ihrem widerspenstigen und streitsüchtigen Verhalten die Gemeinde verwirren Kap. 12, 20]: wenn ich abermal sbehuss eines dritten Besuchs] komme, so will ich nicht schonen« [vgl. 1. Eor. 4, 18 ff.]. Z. Siutemal [indem ihr mein bisheriges Schonen in solcher Weise ausdeutet, wie in Katz. 10- 9 erwähnt wurde] ihr suchet, daß ihr einmal gewahr werdet des, der in mir redet, niimltch Christi, welcher [wie das, was er mit eurer Be- kehrung und Begabung ausgerichtet hat l. Cor. 1,4 ff., beweist] unter euch nicht schwach ist, son- dern ist machtig unter euch [Kap. 1, 19]. 4. Und ·ob er wohl getrcnziget ist in der Schwachhett findem er freiwillig in den Stand· der» Erniedrigung und Eutäußerung sich begab Phil 2, 5 sf.], so lebet er doch lseit seiner Aus- erstehung und Himmelfahrt] m der Kraft Gottes; nnd ob wir auch seine Zeit lang, solange wir Schonung gegeneuch anwendeten] schwach sind iu ihm, so lebeu wir doch [und werden das in der nunmehr anzuwendenden Strenge an »den Tag gebet! 1.C0r·-4, 21] mit ihm in der Kraft Gottes unter euchAt V) Wie Paulus die Corinther zu finden fürchtet, hat er vorhin gesagt; nun zeigt er ihnen den vollen Ernst seiner Machtvollkoinnienheit ui1d seinen Entschluß sie zu brauchen. Er wird nicht ohne die Gemeinde ei1ischreiten (that er doch dies nicht einmal in 1. Cor- 5, 3 f.), wohl aber die Gemeinde anhalten, unter seiner Leitung zu thun, was Rechtens ist: die Schuldigen werden vorgefordert, überwiesen, und wird denigemäß über sie entschieden werden. (Burger.) Die geistlichen Bestrafungem ob sie gleich nicht wie gerichtliche Pro- zesse geführt werden dürfen, sollen doch nicht unbe- dachtsam geschehen. (Spener.) sit) Mit großer Langmuth hatte der Apostel die Widerspenftigen in Corinth getragen und auf ihre Besinnung gewartet; aus Schonung hatte er seinen Besuch bis Ietzt aufgeschoben und das alberne Geschwätz der Aufgeblasenen, als würde er nicht zu ihnen kommen, über sich ergehen lassen. Nun aber wiederholt er, was er zuvor gesagt, als er zum andern Mal bei ihnen gegenwärtig war, und die Worte des Abwesenden sollen die Warnung des Gegenwärtigen auffrischen im Gedächtnis; derer, die zuvor gesündigt, und der Andern allen, tvelche ein frevelhaftes Spiel mit der Nachsicht des mißkannten Dieners Christi getrieben haben. Das vorige Mal hat er die Sünder zwar unter vier Augen gestraft, aber in Hoffnung, daß sie ihn hören würden, geschont und nicht auf öffentliche Kirchenzucht gegen sie gedrungen; dies Mal aber sollen sowohl die damals bereits Vermahnten als die übrigen in Mitgenossens schaft mit denselben Betroffenen ihn anders finden. Denn eben weil er das vorige Mal Schonung hat walten lassen, darf und will er dies Mal nicht schonen; sondern aus gestrenger Liebe zu den Seelen, welche die vernieintliche Schwäche ihres Seelsorgers für einen Freibrief ansehen, und aus gebührender Ehrfurcht gegen den HErrn und sein Heiligthum will er Recht und Gericht der Kirche ihnen angedeihen lassen. (Besser.) bis) Die Kraft Christi. und zwar gerade die Kraft des in Paulo redenden Christus, hatten die Corinther insofern bereits erfahren, als er durch Pauli Wort sich an ihnen mächtig erwiesen; und diese seine Macht ist noch nicht in der Gemeinde erloschen (vgl. V. 5), gleichwohl stellen sie ihn auf eine solche Probe, als werde die Macht, die sie in andrer Richtung schon erlebt haben, ja fortwährend in sich erfahren und er- leben, zum Strafen zu schwach sein. Indem nun Paulus durch die Erinnerung an Christi Schwachheit, wie sie in seinem Kreuzestod hervortritt, den Corinthern zu Gemüthe führt, wie wenig dieselbe bei ihm an sich natürlich und nothwendig, sondern durch und durch freiwillig war, auch ihnen zu gut angenommen, und darauf sein nunmehriges Leben in der Macht und Kraft Gottes ihnen vorhält, stellt er sich selber in Parallele dazu: wenn wir auch bisher uns schwach gegen euch bewiesen, von unsrer Macht (V. l0) keinen Gebrauch gemacht, sondern Nachsicht und Schonung geübt haben, so ist das in« der Nachfolge Christi nicht wirkliche, aus innerer Nothwendigkeit uns eigene Schwäche, vielmehr liebende, gewinnende Herablassung zu euch; wir können aber auch die Kraft des Lebens, das wir mit ihm theilen und aus der gleichen Quelle n1it ihm schöpfen, euch durch Erfahrung fühlbar machen, wenn wir unsre bisher zurückgehaltene Macht gegen euch gebrauchen durch die angekündigte ernste Zucht- iibung. (Burger.) Gott macht sich erst klein in seinen Knechten; so es aber die Leute mißbraucheiy so macht er sich auch groß. (Berleb. Bib.) 5. Bcrsuchet sstatt das zu suchen, was ich in V. 3 nannte] euch selbst, ob ihr im Glauben seid, prüfet euch selbst swie es mit eurem Christen: thuni bestellet ist, und geht nun selber damit vor, die Schäden und Gebrechen, die ihr bei solcher Prüfung vorfindet, abzuthuns Oder erkeuuet ihr euch selbst nicht, daß Jesus Christus in euch ist sals die ihr ja seine Gemeinde seid, Röm. 8,10; Col. 1, 27]? Es sei denn setwa, wo Gott für sei], daß ihr Uutüchtig seid sbereits zu bloßen Namenchristen herabgesunken, in welchem Falle allerdings das nicht mehr von euch gelten würde, was ich soeben noch voraussetzte, daß Jesus Christus in euch ist]. 6. Jch hoffe aber fwenn ihr es wirklich wolltet auf jene Probe V. 3 ankommen lassen], ihr erkeuuet [besser: werdet erkennen], daß Wir [unsrerseits] nicht uutüchtig sind« fin dem, was unsre apostolische Amtspflicht erfordert, son- dern diese gar nachdrücklich wahrzunehmen ver- stehen]. 378 2. Corinther 13, 7——13. 7. Ich bitte aber sdamit es zu folcher Er- fahrung für euch lieber nicht komme] Gott, daß ihr nichts Uebels thut lwodurch eure Schuld er- halten, 1a noch· gesteigert werden könnte]; nicht salso gehet mein Bitten zu Gott auf die Mög- lichten, mich einmal in meiner Machtfülle zeigen zu köMIeUL auf daß wir tüchtig gesehen werden sdurch Ausführung eines solennen Strafakts vor der ganzen Gemeinde über die Unbußfertigen unter euch], sondern svielmehr auf die Rettung eurer eigenen Ehre], auf sdas also] daß ihr das Gute thut, nnd wir wie die Untuchtigen seien [indem es gar nicht zur Ausführung dessen kommt, was wir gedrohet haben, was denn äußerlich den Schein auf uns laden wird, als wären wir zu folcher Ausführung zu fchwach gewesen]. 8. sThut ihr nämlich das Gute, so macht ihr uns wirklich in der angedeuteten Beziehung untüchtigJ Denn wir können nichts wider die Wahrheit, sondern liegend etwas nur] fur die Wahtheittt [und müssen sofort von euch abstehen, wenn wir euch sehen in der Wahrheit wandeln 3. Joh. 4]». » 9. Wir freuen uns aber, wknn wir fchwach sind seuch gegenüber], undihr machtig seid. Und dajselbige sdaß ihr uns gegenüber mächtig seid] wunschen wir auch [bei dem Gebet, davon in V. 7 die Rede war], nämlich eure Vollkominenheitttt sdaß ihr wieder zurecht gebracht werdet von euren mannigfachen Verirrungen]. V) Dem in V. 3 gerügten Gedanken, Christum in ihm erproben zu wollen, stellt Paulus entgegen die Aufforderung, ihre prüfende Thätigkeit auf sich selbst zu richten; indem er dann mit den Worten: ,,ob ihr im Glauben seid« näher bestimmt, worauf diese Selbst- Untersuchung gerichtet sein soll, will er wohl zu ver- stehen geben, daß jenes Suchen, gewahr zu werden des in ihm redenden Christus, einen Mangel bei ihnen eben hieran verrathe, da es solchen, die wirklich im Glauben sich befinden, als unnöthig und ungehörig erscheinen würde. (Kling·) Keine Sache ist niehrerem Selbstbetrug unterworfen als der Glaube; darum ist keine Prüfung nöthiger als diese. (Berleb. Bib.) Die Ermahnung: ,,verfuchet euch selbst, ob ihr im Glauben seid« wird sehr verstärkt durch die andere: ,,prüset euch selbst«, die zugleich eine Steigerung enthält; denn es ist eine Prüfung gemeint, wie die der Me- talle, mit genauer Unterscheidung des Aechten und Unächten und sorgfältiger Ausscheidung des letzteren. Jn dem hierauf folgenden Sa e: ,,oder erkennet ihr euch selbst nicht, daß Jesus hristus in euch ist?« giebt dann Paulus die einleuchtendste Begründung seiner Ermahnung zur Selbstprüfung durch Berufung auf ihr christliches Bewußtsein. Der .Jnhalt von diesem Bewußtsein ist das Geheimniß Christi, seine Offenbarung und Einwohnung in ihnen; dies· innige Verhältnis; Christi zu ihnen nun verpslichtet sie, » um so genauer zu achten auf ihr Verhältniß zu ihm und ihr Verhalten gegen ihn. Unverkennbar steht die Erwähnung des Christus in ihnen zugleich ·in naher Beziehung auf dasselbe Verhältniß zu Christo, das Paulus in V. 3 von sich als Apostel, in welcheni Christus rede, aussagt: in ihm Christum zu vers1ichen, Christi Offenbarung in ihm noch in Frage zu stellen, wäre um so thörichter, da ja derselbe Christus, und zwar in Folge seines Zeugnisses, in ihnen wohnte. (Osiander.) Des Apostels Glaube war die zeugende und gebärende Mutter, der Corinther Glaube die von jener geborene Tochter, die ihres Ursprungs nicht ver- gessen darf. (Calvin.) Freilich, so setzt Paulus hinzu, wenn ihr Glaube und ganzes Christenthui1i follte un- stichhaltig, untüchtig geworden sein und sich in Nichts aufgelöst haben, dann würden sie allerdings Christum nicht in sich finden, weil er nun i1icht mehr da wäre. Jndem so der 5. Vers mit einem Zweifel hinsichtlich ihrer Tüchtigkeit schließt, fügt der 6. Vers die Hoff- nung an, daß aller etwa vorhandene Zweifel auf Seiten der Corinther hinsichtlich der Tüchtigkeit des Apostels und seiner Gehilfen im Werke des HErrn sich heben werde; sein Auftreten in Corinth werde den Thatbeweis dafür geben, und da würden sie denn reichliche Gelegenheit haben, jenes Gewahrwerden zu erlangen, nach welchem sie so verlangt (V. 3). Was aber hier Paulus mit voller Zuversicht v orau ssag en kann, das liegt darum noch keineswegs in seinen Wünschen. (Burger.) H) Wenn die Gemeinde das Gute thut, so kommt es für den Apostel so zu stehen, daß er mit seiner unerfüllt bleibenden Drohung scheiiibar zu Schanden wird; er kann dann nichts thun, was nach Verwirk- lichung seiner Vorhersagung aussähe, weil, wie er sich ausdrückt, sein Vermögen, etwas zu thun, ein Ver- mögen für die Wahrheit ist und nicht wider die Wahr- heit. So drückt er es aus, weil sein Beruf ist, die Wahrheit kund zu thun (Kap. 4, 2): wenn die Leser das Gute thun, so kommt darin die von ihm ver- kündigte Wahrheit zu ihrem Rechte, während ihr Sündigen eine Verleugnung und Beeinträchtigung der- selben ist; er tritt also für die Wahrheit ein, wenn er die Sünder straft, würde aber wider die Wahrheit angehen, wenn er denen hart begegnete, die der Sünde abfagen —- zu letzterem steht ihm kein Vermögen zu Gebote, sondern nur zu ersterem. (v. Hofmannh Its) Drückt der vorige Vers das Unvermögen des Apostels aus, etwas wider die Wahrheit zu thun, so zeigt dieser, wie fern es ihm liegt, es auch nur zu wollen: seine Schwäche in dem Sinne, daß er von seiner apostolischen Machtbefugniß ihnen gegenüber keinen Gebrauch machen könnte, weit entfernt ihm unangenehni oder beschämend zu sein, ist vielmehr eine Freude für ihn; er wünscht gar nicht, seine Stärke an ihnen zu beweisen, sondern daß im Gegentheil sie möchten mächtig sein ihm gegenüber, d. i. so wohl- gerüstet dastehen, daß er ihnen nicht-s anhaben kann. (Burger.) Der Apostel sieht sich an wie Einen, der in voller Rüstung in den Krieg zieht zum Erobern einer Feindesfestung; aber siehe da, ehe er noch auf dem Kampfplatze erfcheint, hat der Feind um Frieden ge- beten und seine Bollwerke geschleift. Die von ihm für den Zweck, daß es also kommen möge, der Ge- meinde gewünschte Vollkommenheit besteht darin, daß ihre ausgere1ikten Glieder wieder eingerenkt, die Risse und Spaltungen des Leibes geheilt, die offenen Schäden verbunden, das Gift der Parteiung und der Wollust ausgespieen und alle anderen Befleckungen des Fleisches und des Geistes abgewaschen werden. (Besser.) 10. Derhalben [um solche Bollkommenheid wie wir sie euch wünschen, herbeizuführen] ich auch solches swas ich in diesem letzten Abschnitt meiner Epistel von Kap. 12, 19 an gesagt habe] abwesend schreibe, auf daß ich nicht, wenn ich Schluß der Epistel: noch ein kurzes, milderndes Wort. Grußbestellung und Gruß. 379 gegentvartig bin, Scbarfe brauchen mussc svgl Katz. g, Z] nach der Macht, welche mir der HErr zn bessern, und nicht zu verderben, gegeben hat [Kap. 10, 8]. Was des Apostels Freude ist, wenn er es vor sich sieht, das ist auch sein Wunsch, daß es zuwege komme; und daß er es wünscht, ist der Grund, warum er das jetzt schreibt, was er schreibt. Man konnte fragen, warum er diese Rügen und Drohungen noch zum Jn- halt eines Briefs mache, da er doch vorhatte, per- sönlich nach Achaja zu kommen; daher unterläßt er nicht, hier noch ausdrücklich zu erklären, was er durch sein Schreiben aus der Ferne für seine persönliche Gegenwart verhüten möchte. Jst er dort, so muß er mit aller Entschiedenheit (dazu steigert sich jetzt jenes »so will ich nicht schonen« in V. L) die Bestrafung ein- treten lassen, während er jetzt aus der Ferne noch Warnen, mahnen und drohen kann. (v. Hofmann.) Zum Branchen der Schärfe hat der HErr allerdings ihm Macht gegeben; und müßte er wirklich, wenn sein Schreiben fruchtlos bliebe, der Schärfe brauchen, so würde er auch in diesem betrübten Falle beweisen, daß er nichts wider, sondern alles nur für die Wahr- heit könne (V. 8), denn seine Schärfe würde nicht eines Scharfrichters, sondern eines Wundarztes Schärfe sein. (Besser.) Es ist klar, daß der Bann, soviel an ihm ist, niemand verderbt, verdammt oder ärger niacht, sondern er sucht und findet eine verderbte, verdammte Seele, sie wiederzubringen —- bannen ist eine lauter mütterliche Strafe. (Luther.) D« Zum Schluß soll noch ein iiurzes Wort den Eindruck hindern, welmen der herbe Tot: des letzten Ab« sihnitts inaehen niußte, ohne ihn zu verwischen; es ist des— halb ein wildes. aber ernsles Wort, das niittels fiinssacher Ermahnung zur verlieißiing forlschreitet (v. 11). btnd kurz, wie dieses Mahnnngs und Verheißungswort, ist dann auch des Apostels Gruß und Grußbestellung (V.12); nusgefiihrier aber als sonst isl der Segenswunsitk indem er nicht nur die Gnade des hGrrn Iesu Ghristi nennt, sondern auch die Liebe Gottes, welche alle der Gnade Giirisli Gheilhaftigen umfangt, und die Gemeinschaft des heil. Geistes als die Gabe, in deren Butlieilung sich die lkiebe Gottes erzeigt (v. 13). »Es ist, als ob der Apostel nach dei1i raschen Schlaf; des Briess jetzt, da er selbst die Feder siihrt (2. Tisch. Z, 17; l. Cor- 16, 2lsf.), um so lieber bei dem erweiterten Segenswnnsche verweilt. je schwerer ihm die Sorge auf- liegt, wie er es wohl finden werde, wenn er nun nach Gorinth kommst. 11. Zuletzt, lieben Brüder sEphes Cz, 10), freue-i euch sstatt der mannigfachen Mißstimmung und Unlust, die bei euch vorhanden ist 1. Cor. 10, l0., weiter nachzugehen, in Christo, dessen Heil euch zu Theil geworden Phil. 4, 4], seid Vollkommen lV- 91, tröstet euch, habt einerlei Sinn lPhM 2,21- seid frtedsam [Mark. 9, 50]; s» wird Gott der Liebe und des Friedens [Röm. 15, 33; 16, 20; Phil. 4, 9; 1. Thesf 5, 23; Hebr. 13, 201 mit kuch sein«« »12. Grußet euch unter einander mit dem heiligen Kuß sRönx is, 16]. Es grüßen euch alle Heiligen [1. Cor. is, Los. Hi. Die Gnade unsers HErrn Jesu Christi, und» die Liebe Gottes, und die Gemeinschaft des heiligen Geistes sei mit euch allen! Amen» it) Mit dein werthen Bruder nanien sie alle uni- fasseiid, ruft er ihnen zuletzt, da er schließen muß, in fünf Worten zu, was er für sie als Brüder noch auf dem Herzen hat. (Beser.) Die Strenge des letzten Abschnitts, überhaupt der letzten Kapitel, gewisser- maßen des ganzeii Briefs, verhallt in diesen lieblich mildernden Schlußversen noch in den Ton der herz- gewinnenden, versöhnenden Liebe. Den Geist und Ton der Liebe athmet besonders auch das erste unter den fünf Erniahnungsworten: die vorhergehenden Worte und Abschnitte hatten sie durch ernste Rüge betrübt, jetzt erhebt er sie wieder zur Freude über die zu hoffeiide Begnadigung und Besserung, zur Freude eines guten Gewissens und des neuen Gehorsams Bedingung dieser Freude ist die Beseitigung ihrer Mängel und Heilung ihrer Gebrechen, die Selbstförderung zur christlichen Vollkommenheit, welche in V. 9 als Gottes Werk erscheint, hier aber als Werk ihres Fleißes. Das Werk der Besserung und Heiligung ge- deiht jedoch nur unter Kampf und Kreuz; daher die weitere Ermahnung, sich zu trösten oder trösten zu lassen oder auch sich gegenseitig zu trösten — man könnte daher übersehen: ,,nehmet Trost an«, welcher Ausdruck alle diese Bedeutunqen in sich vereinigt. Von Freude und Besserung und Trost geht die Ermahnung auf Einigkeit und Frieden über: damit hat er nicht nur diese (Kap. 1, 2), sondern schon die erste Epistel (1, 10) begonnen, und damit hört er nun auch auf. (Osiander.) Die drei ersten von den fünf Stücken be- ziehen sich auf den Christenstand jedes Einzelnen für sich; auf das chriftliche Leben in der Gemeinschaft be- ziehen sich die beiden andern. Hier gilt es unter der Voraussetzung gleicher Ehristlichkeit der Gesinnung, daß nicht der eine dies, der andere jenes wolle, son- dern alle sich über gleiche Ziele verständigen und zu einträchtigen Bestrebungen sich verbinden; diejenigen Verschiedenheiten aber, die hierbei immerhin bleiben, sollen keinen Zank und Streit verursachen, sondern ihre Ausgleichung in der allgemeinen Richtung auf fried- saines Zusammenleben finden. Jm Hinblick auf diese beiden letzten Stücke nennt der Apostel den Gott, der niit ihnen sein wird, wenn sie thun, wie er zu thun heißt, den Gott der Liebe und des Friedens; nicht nach der Liebe, die er gegen sie hat und dem Frieden, den sie in ihm besitzen, nennt er ihn so, sondern hier, wo es sich darum handelt, daß sie Liebe haben und Frieden halten müssen, wenn sie wollen, daß Gott mit ihnen sei, dient diese Bezeichnung dazu, zu bestätigen, daß es dessen bedarf, wenn er mit ihnen sein soll. Wie sollte er, der da Gott ist, mit denen sein, die sich nicht freuen, ihn zu haben, und nicht gerne geschickt machen lassen, sein eigen zu sein? und wie sollte er, der ein Gott der Liebe und des Friedens ist, mit denen sein, welche selbstsüchtig jeder seinem Eigenwillen nachgehen und einander befehden? (v. Hofmann.) VII) Seinen eigenen Gruß spricht und führt Paulus in seinem apostolischen Schlußsegen aus, dem uni- fassendsten reichsten und herrlichsten, mit dem er je eine Epistel geschlossen hat; er bietet und wünscht ihnen diesen Segen von dem dreieinigen Gott unsers Heils selbst und setzt ihn schön gegliedert nach der Beziehung zu den drei Personen der göttlichen Heils- ökonomie aus einander. Er beginnt, womit auch der Gruß im Anfang beginnt (Kap. 1, 2) und womit allein er in den andern Briefen segnend schließt (Röm. 16,·24; I. Cor. 16, 23; Gal. G, 18; Ephes 6, 24; Phil. 4, 23;« Col. 4, 18; 1. Thess 5, 28; 2. Thess. Z, 18; 1. Tini. S, 21; 2. Tim. Z, 22; Titus 3, 15; Philem. 25), mit der Gnade, der heilsamen, für den Sünder im Geben und Vergeben wohlthätigem ihn frei- 380 Galater l, 1—-5. thiitig erquickenden und erfreuenden Güte, durch die ( Selbstmittheilung und Gottvereinigung über, der Ge- der Zugang geöffnet ist und immer auf’s Neue sich meinschaft des heil. Geistes. Die Gabe und Gemein- öffnet Im Anfang der Briefe schreibt er sie dem schaft des heil. Geistes vermittelt für uns die Inne- Bater und dem Sohne, im Schlußsegen dem Sohne wohnung und Gemeinschaft des Vaters und des allein zu, in welchem er dann die heilige Trias zu- Sohnes (Joh. 14, 23) und wirkt, weil es Ein Geist sammenfaßt Hieraus löst sich das Befremdlicha was ist, die innige und heilige Gemeinfchaft seiner Genossen dieVorausstellung Christi in diesem trinitarischen Spruch unter einander und ihre Heiligung in der Liebe durch etwa hat: als der Mittler führt er zu allem geistlichen die Ausgießung der Liebe Gottes in ihnen. Da der Segen des Vaters, und da es ein Gemeindesegen ist, heil· Geist gerade in der corinthischen Gemeinde sich den er hier anwünscht und austheilt, so wendet er so reichlich und kräftig erwiesen hatte, sein Segen aber sich zuerst an den HErrn der Gemeinde, dessen Namen und seine Gemeinfchaft durch fleischlichen Sinn der so theure und tiefbedeutfame Bürgschaften des von ihm Unzucht und Streitsucht sehr gehemmt und getrübt gestifteten und stets von ihm ausgehenden Heils (Jesus) ward, schließen sich beide Briese an sie um so passender und Geistessegens (Christus) sind. Sonst nun reiht gerade mit diesem im besonderen Sinne geistlichen der Apostel in feinen Segenswiinschen im Anfang der Segenswunsch ab. (Osiander.) Auf die Wirkung, Briese an die Gnade den Frieden: hier geht es in welche dieses Sendschreiben mit seiner ungewöhnlicheu zwei weitere Glieder aus einander, die Liebe und die Schärfe hervorgebracht, kann man gespannt sein: zum Gemeinschaft Die Liebe ist Gottes innerstes Wesen Glück können wir aus Röm. 15, 25—27 u. Apostg und die dieses Wesen durchdringende Neigung, mit 20, 2 schließen, daß es die gewünschte Wirkung hatte; seinen Geschöpsem die ihn wieder lieben können, sich Paulus kam wirklich wieder nach Corinth und konnte zu vereinigenpder Gott der Schöpfung und der Er- dort einige Zeit ruhig verweilen, was unmöglich ge- lösung, der ganzen mnfassenden Heilsoffenbarun in wesen wäre, wenn dieses Sendschreiben nicht wirklich der Gnade Jesu Christi; da aber die Liebe die eis ihm die letzten Schritte dorthin geebnet und ihn im gung in Gott ist,«sich selbst mitzutheilen, so geht Pau- Siege in seine geliebte Gemeinde zurückgeführt hätte. lus abschließend noch zum göttlichen Mittel dieser f (Ewald.) Die andere Epistel an die Clorintljery gesandt von sllhilippen in LPEIacedonien, durch Gitum Und tkucam [richtiger: und Tychikum und Trophimum Kap. 8, 19 An1n.]. Schlnfibemetlkungen zu den beiden Cllpisleln an die Cllorinlhen Wie der Römerbrief das dogmatifche, so sind die Corintherbriefe das praktische Meister- werk des Apostels; wie in jenem die schon entwickelten Grundzüge der christlichen paulinifchen Dog- matik, so hier die ihrer Entwickelung zustrebenden Grundzüge der Apologetik und Polemik, aber auch der ethischen, praktischen Theologie, der Beleuchtung der bürgerlichen, häuslichen und kirch- lichen Verhältnisse der Christen, tiefe Keime und Fragmente des Kirchenrechts und der Liturgik der Urkirche, Fingerzeige über die apostolische Kirchenzucht, Kirchen-Verfassung und Leitung. (Ofiander.) Diese Briese sind eine Pathologie und materia medic-i. für Alle, die für weitere oder engere Kreise zu Aerzten der Gemeine des HErrn verordnet sind; und hier tritt, wie sonst nirgends, Apostelamt und Gemeindeamt in den unmittelbarsten und vorbildlich lehrreichsten Conflikt, alles individuell und darin lebendig wahr, dennoch eine Fülle von Lehren und Anweisungen für alle Zeiten und Gestalten, in denen sich das ursprünglich heidnische ,,corinthifch leben« der Christen wiederholt. (Stier.) Das hohe Interesse, das die in so vielfacher Beziehung ausgezeichneten Briefe des Paulus an die corinthische Gemeinde gewähren, liegt darin, daß sie uns weit mehr, als dies bei irgend einer andern neutestamentlichen Schrift der Fall ist, in die lebendige Mitte einer erst sich gestaltenden christlichen Gemeinde hineinversetzen und die Verhältnisse, aus welchen das neue, vom Christenthum angeregte Leben in seiner Eigenthümlichkeit sich entwickeln sollte, zur Anschauung bringen. (Baur.) Die beiden Briefe sind uns dadurch vorzüglich wichtig, daß der erste in die inneren Kämpfe der neu- gebildeten Gemeind e, der zweite in das Herz des Apostels uns tiefe Blicke thun läßt. (Schmieder.) Wie Marmor im Glauben, wie Wachs in der Liebe, so war Paulus. (Gregor von Nyssa.) Wie Gpisiet St. Mann an die Gatater Die Aehnlichkeit der Leser des Römer- und der des Galaterbriefs ist deutlich genug: ihr entfpricht in der Gegenwart der Bestand der römischen Kirche in den aus den beiden Nationalitäten der Römer und der Celten gemifchten Völkern. Die Aehnlichkeit des Inhalts beider Briefe fällt noch deutlicher in die Augen; was im Römerbriefe als vollendete, nach allen Seiten hin ausgebildete Entwickelung der paulinischen Lehre erscheint, pflegt man zu sagen, sehen wir im Galaterbrief noch in den ersten, aber schon mit aller Bestimmtheit gezogenen Grundlinien vor uns. Doch ist neben der Aehnlichkeit des Jnhalts andrerseits die Vers chiedenheit nicht zu übersehen, eine Verschiedenheit, wie sie der, bei der Aehnlichkeit der Leser dennoch vorhandenen Eigenthümlichkeit entspricht. Behandelt der Apostel im Römerbrief die Eine große Frage von der Gerechtigkeit des Menschen vor Gott und führt dieselbe in allumfassendeiz die ganze Weltgefchichte umspannender Weise durch, so ist die Freiheit eines Kindes Gottes, die Freiheit eines Ehristenmenschem ruhend auf dem Glauben oder der Gebundenheit an Jefum Christum, der wesentliche Inhalt des Galaterbriess; nicht weniger als elf Mal findet sich der Begriff der Freiheit, und etwa eben soviel Mal der ihm ent- gegengesetzte der Knechtschafh darin vor. (Grau.) Das 1. Kapitel. lfon der rgalater Unbeständigkeit und Pause· dpostelamt A— Gteich im Eingang dieses seines, wohl zu Ende des I. 54 n. Chr. von Gphesns aus an die Ge- meinden in Galatien geriehteten Schreibens Apostg. l9,12 Kann) spricht sich die tiefe Gemüthserregung des Apostels aus, und zwar sowohl in der ersten als in der zweiten Hälfte des Eingang» I- b. 1—5. Wie gewöhnlich in den paulinischen Riesen, begegnet uns zunäihst Jusihrift und Gras; desJlpostelsz aber es ist hier insofern andere als sonst, als einestheils auf Seiten des Verfassers sehr narhdriiclilich dessen göttliche Berufung zum Kpostelamt hervorgehotsrm andern- theits für die Leser jegliches Ghrenprädiliat weggelassen, dagegen dem Gruß eine Hinweisung auf die Bedeutung des GrliisungstodesClsrisli und eine tkobpreisung G ottes des Vaters hinzugefügt wird; wir erkennen da schon hier, wie es bei den Galatern stand, das nämlich theils die Anerkennung der völligen Selbständigkeit der Konstel- wiirde des Paulus ersrtsilttern theils durch ijinneigung zum jüdisrtjen Gesetz die Genugsamlieit des Erlösung-z- todes Christi in Frage gestellt war, gegen diese Genug- satnlieit aber Ginwendung erheben zu wollen, weil man fiir das Gesetz eifern zu müssen steh verpflichtet erachte, wäre, so giebt Paulus zu verstehen, nicht blos eine Herab— würdignng Christi, sondern auch eine Beeinträchtigung der Ehre, die Gott dem ittater wegen seines von Ewigkeit gefaßten tljetlsrathschlusses gebiihrt (Gphes. l, 3 sf.). 1. lJchJ Paulus, ein »Apostel, nicht von Men- schen, auch nicht durch seinen Apostg.,18, 23b Anm.] Menschen, sondern [gleichwie die Zwölfe Lin. s, 13 ff.] durch Jesum Christum sats Ver- mittler Röm. l, h] Und Gott, den Vater sals oberste Ursache], der ihn sJesum Christum] auf- erwecket hat von den Todten« [und damit gesetzt zum Erben über alles Hebr. l, 2], 2. Und alle Bruder, die bei mir shier zu Ephesus meine Mitarbeiter Phil. 4, 21; Apostg. 19, 20 Anm.] sind, den Gemeinen in Galatientt [vgl· zu Apostg. 16, 8 u. 18, 23b]: 3. Gnade sei mit ench und Friede von Gott, dem Vater, und unserm ssonst gewöhnlich: von Gott, unserm Vater, und dem Röm. l, 7; 1. Cor. l, Z; 2. Cor. l, 2; Ephes. l, 2; Phil. I, 25 Col· I. T; I· Theil. 1- 1; T· Theil— 1- 25 Philem. 3., vgl. jedoch 2. Tim. l, Z; Tit. l, 4 u. 1·. Tini. I, 2] HErrn Jesu Christo [Röm. I, 7 u. l. Thess. 1, 1 Anm.]; 4. Der sJesus Christus] s ich selbst für unsere Sunden [zu deren Sühnungs gegeben szur Tödtung dargegeben Matth. 20, 28; Ephef b, 253 I. Tim. 2,·6; Tit. 2, 14] hat, daß cr uns errettete von dieser gegenwärtigen argen [vom Gott dieser Welt 2. Cor. 4, 4 be- herrschten] Welt saus ihrem sündig-elenden und ftrafwürdigen Zustande, daraus das Gesetz nicht zu erlösen vermochte Apostg. 2, 40; Col. 2, 14], nach demWillenGottes und unsersVaters [1. Cor. 15, 24; Ephes. 1, Z; Phil. 4, 20z l. Thesf l, Z; s, 11 u. 13], 5. Welchem [Gott und unserm Vater Phil. 4, 201 sei Ehre von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen-«« [1. Tini. l, 17; Röm. 11, 36; 16, 27; Ephef. Z, 21]. V) Paulus nennt sich hier, wie in den Zufchriften mehrerer anderer Briefe Apostel im höchsten Sinne, sich den zwölf eigentlichen, vom HErrn unmittelbar bestellten und von ihm bereits so genannten (Lul·. 6, is) Apofteln ganz gleichftellend (vgl. V. 17 u. Kap. Z, 8); eben deshalb wird in allen jenen Zuschriftem wenn auch Gehilfen des Apostels als Mitbrieffteller erwähnt werden (1. Cor. l, l; 2. Cor. I, l; Col. l, l), das Prädikat »Apostel« doch nur von Paulus ausgesagt Faßt er sich aber mit einem angesehener: Gehilfen, wie dem Timotheus, zusammen, so sagt er 382 Galater 1, 6. 7. nicht: ,,Apostel«, sondern nur: ,,Knechte Jesu Christi« (Phil. 1,·1). »Im Gegensatz; zu andern Zuschriften seiner Briese, »in welchen er sein Apostolat als von Gott und Christo kommend einfach aussagt, beschreibt er m der Znschrift unsers Briefes die Entstehung seines Apostolats sofort mit Bezug auf die Aiigriffe seiner Gegner wider dasselbe (V. 11sf.): zuerst negativ als ,,nicht vonMenschen noch durch einen Menschen«, und dann positiv als ,,durch Jesnm Christ und Gott den VaterC Der Unterschied zwischen von und durch Menschen besteht darin, daß jenes das, wovon eine Sache ausgeht, oder die entferntere oberste Ursache bezeichnet, dieses aber das, was sie vermittelt, oder die nähere, unmittelbare Ursache; es wechselt im Grund- text der Numerus, indem in: zweiten Gliede (,,durch einen Menschen«) der Singular steht, was wohl mit Beziehung darauf geschieht, daß das unmittelbar darauf folgende und entsprechende, stark opponirende Saß- glied: ,,durch Jesum Christ« einen Singular enthält. Paulus sagt also, er sei Apostel weder von Menschen her, denn dann würde ihm die göttliche Sendung fehlen; noch durch menschliche Vermittelung, denn dann würde er, obwohl von Gott gesandt, auf gleicher Linie mit einem Timotheus und allen Ar- beitern des Evangeliiims stehen, die durch Menschen in. ihr Amt eingesetzt werden, nicht auf gleicher Linie mit den durchden HErrn persönlich berufenen zwölf Apostelnz (Wies·eler·) Obwohl nun das ,,durch« zu- iiachst die vermittelnde Ursach ausdrückt, so ist diese Bedeutung doch nicht so ausschließlich, daß Paulus nicht auch »Gott, den Vater« mit durch hätte ver- binden können; wäre er sreilich streng bei dem gram- matischen Parallelismus geblieben, so hätte er sagen niiissen: ,,sondern durch Jesum Christum und von Gott, dem Vater«, aber er sagt ja auch anderwärts (Ephes.· l, I) von dem Urgrunde des Apostolats: ,,durch den Willen Gottes« (Windischmann.) Es ist wichtig, daß hier»(und auch in V. 12) nicht blos Gott, sondern auch Christus im Gegensatz zu jeder menschlichen Ver- niittlung dargestellt wird, da dieser doch sonst so be- stimmt bei Paulus als Mensch erscheint (Röm. 5, 15; I. Cor. 15, 21. 47): in einen solchen Gegensatz zu allen Menschen kann Christus bei dem Apostel nur als der Verklärte treten, weil er nun durch die Auf- erstehung als Sohn Gottes erwiesen (Röm. 1, 4), der HErr geworden ist, durch welchen den Gläubigen schon jetzt alles· vermittelt ist ·(1. Cor. 8, 6). Ueber die gegenwärtige Menschheit ist er als Erstling der Auf- erstehung fur die zukünftige Weltordnung (1. Cor. 15, 23), als der der Erde entrückte HErr der Gemeinde völlig erhoben; darin hat es seinen Grund, daß Pau- lus gerade hier der Auferweckung Christi durch Gott den Vater gedenkt. (Hilgenfeld.) «) Wenn Paulus seinem Namen die Worte bei- fügt: »und alle Brüder, die bei mir sind«, so sollten die Leser alle zur Zeit die Unigebung des Apostels ausniachenden Brüder an dem Jnhalt des Briefs mit- betheiligt wissen, aber freilich nur so daran betheiligt, wie dies bei einem Briefe der Fall sein konnte, in welchem er durchweg als dieser Paulus in der I. Person Singularis den Lesern gegeniibertritk sie sollten wissen, daß er seine ganze Umgebung von dem in Kenntniß gesetzt hat, was der Brief, wie überhaupt, so nament- lich auch über seine eigene Person und die Geschichte seines Apostelthums enthielt, und daß sie es sich an ihrem Theile ausdrücklich angeeignet hat iind ihm somit auch die Wirkung wünscht, welche er damit er- zielen wollte. (v. Hofmannd Vielleicht will Paulus auch durch das »alle«, das er in so ungewöhnlicher Weise ausdrücklich bezeugt, die, wie es scheint, von den Gegnern verbreitete Meinung, als ob jemand aus seiner Umgebung mit der von ihn! im Briefe verkündeten evangelischen Lehre nicht übereinstiminte, gelegentlich widerlegen; hatte man doch nach Kap. 5, 1l die Mei- nung verbreitet, das; sogar Paulus selber noch auf die Beschneidung halte, wahrscheinlich eine Verdrehung der von ihm an Timotheus vollzogenen Beschneidung (Apostg. 16, 3), und nun gehörte ja dieser ebenfalls zur Umgebung des Apostels in Ephes11s (Apstg. 19, 2·2), und von ihm als nachträålich Beschnittenem konnte nian niit eineni gewissen Ocheine der Wahrheit eine Nichtübereinstimmung mit der Lehre des Briefs be- haupten. (Wieseler.) Der Plural: »den Gemeinden in Galatien« zeigt, daß der Brief als ein Riindschreiben zu denken ist, das an die verschiedenen, verinuthlich in den größeren Städten Galatiens entstandenen Ge- meinden dieser Provinz sich richtete. Der Mangel aller ehrenvollen Bezeichnungen ist auf die Unzufriedenheit zurückzuführen, die Paulus gegen die galatischen Ge- meinden hegte. (Olshausen.) Aiich hernach enthält er sich aller sonst ihm gcingbaren vortheilhasten Bezeu- gung über die christliche Verfassung der Leser, hebt vielmehr in V. 6 gleich mit Tadel an; in keineni andern Briese, auch nicht in den beiden frühesten (1. Thess. I, 1; L. Thess 1, 1), hat er die Zuschrift so nackt und ohne eine anerkennende Aeußerung folgen u lasse1i gesetzt, wie hier. (Meyer.) Obwohl nun aulus den galatischen Christen keinen besonderen Ehrentitelgiebt,so würdigt er sie doch, noch G ein eind e n zu heißen; bedeutende dogmatische und ethische Mängel einer Gemeinde berechtigen also noch nicht, ihr dies Prädikat abzusprechen oder nicht mehr beizulegen. (Schnioller.) Es bleibt noch in einem Haufen eine christliche Kirche, obgleich auch schwere Jrrthümer vor- handen sind, die den Grund des Glaubens verlegen, solange als noch Gottes Wort und die heil· Sacramente da sind und erhalten werden. (Spener.) TM) Jn V. 1 berührte Paulus die persönliche, hier berührt er die sachliche Frage, die er nachher behandelt. (Schmoller.) Siehe, wie er alle Worte richtet wider die eigene Gerechtigkeit. (Luther.) Die Wirksamkeit des Erlösers bezeichnet Paulus als eine solche, wie sie den Galatern dringendes Bedürfniß war. Während das ,,sich selbst für unsre Sünden gegeben hat« auf die «V ersöhnung»geht, bezieht sich das ,,errettete von dieser gegenwärtigen argen Welt« auf die Erlösung der Versöhnten; nun mußte deii Galatern ihre neue Sünde des Wankelniuths und Un- glaubens durch Christum vergeben werden, sie mußten aber auch gründlich von der bösen Welt geschieden werden, durch deren Einfluß sie eben verführt waren. (Olshausen.) Den in Kap. 2, 21 ausgedrückten Ge- danken, daß, wenn Gerechtigkeit durch das Gesetz zuwege komme, Christus uni nichts gestorben sei, schlägt Paulus als Grundton des Briefes, soweit es dieser niit Lehre zu thun hat, schon hier an; wir werden, so giebt er gleich jetzt zu verstehen, der argen Gegenwart nicht anders ledig sein, als wenn wir uns Christi Tod, wie die Sühnung unsrer Sünden, so auch unsre Erlösung sein lassen, alles aber, was iiicht Er ist, gehört dieser argen Gegenwart an, auch das Ge- seh, wenn man es sich neben ihm etwas sein lassen will. (v. Hofmann.) Die Erlösung beruht auf eineni unerforschlichen Rathschluß des Vaters, dessen Barm- herzigkeit einerseits wie die Größe des Elends, welchein die Erlösten entronnen, andererseits den Apostel in eine Lobpreisung ausbrechen läßt, wie sie ini Ein- gang eines Briefs sonst nicht mehr vorkommt. (Win- dischmann, ein kathol. Ausleger, von dem gerade bei dieser Epistel Manches benutzen zu können wir uns freuen) Scharfegsliiige des Abfalls vom Evangelim dessen Galater sich schuldigggeniaclstzvWssks II— V. 6—10. Wie der Apostel schon in Zusihrist und Gruß seiner tlnzufriedcnhett init den Galatern Ausdruck geliehen und die rechte tkehre der Irrletsre gegenüber, zu der sie sich verleiten ließen, in ihren Grundzügen link; festgestellt halte, so unlerliißt er nun auch weiter dtc sonst thsii gewiihnliase Ilanlisagung siir die den Lesern zu Theil gewordenen Gnaden— und Heilsgüter und be- ginnt sofort mit einer scharfen ttiige des All-satte der Galater zu den unenangelisehen Satzungen gewisser Irr— lehrer, die nach ihm bei ihnen eingedrungen und sie so bald der rechten christlichen Wahrheit alimendig gemacht finden. Uachdeiu er schon sriiher jeden, wer es auch sei, der ein anderes Evangelium bringe als das, welches er ihnen verliiindigt hat, unter das Knathema gestellt, belegt er damit seht jene verführte der Galater und rechtfertigt dieses sein scharses und entschiedenes Auf— treten mit seinem Berufe als Diener Christi; denn ein solcher ist nur der, der die Gunst der Menschen unbe- dingt der Gunst Gottes nachstellt Nicht den Menschen zu gefallen darf selbiger reden und handeln; und da muß er denn, ob er damit auih die tkeute vor den Kopf sticht, mit aller Schärfe nnd Strenge iiber die urtheilen, welche das Evangelium verkehren und zerstören. 6. Mich wundert [Mark«. 6, 6], daß ihr euch [nachdem ich erst bei meiner zweiten Anwesenheit unter euch vor Jahresfrist Apostg 18, 23b euch so nachdrücklich vor Abfall gewarnt habe] so bald sgleichsamt so frisch weg, ohne daß die Ver- führer viel Mühe bei ihrem Werke hätten auf- wenden müssen] abwenden lasset von dem, der euch berufen hat m die Gnade Christ! snamlich von Gott Kap. 5, 8; Röm. 8, 30, 9, 24; 1. Cur. 1, 9], auf ein ander Evangelium sdas ihr nicht angenommen habt 2. Cor. 11, 4]; 7. So doch kein anderes Evangelium] ist ses in Wahrheit giebt], ohne daß etliche sind, die euch verwirren sApostg 15, 1 u. 241 und wollen das Evangelium Christi verkehren sVerwirrung der Gewissen also und Verkehrung des Evangeliums Christi muß das heißen, was die Jrrlehrer unter dem Aushängeschild eines anderartigen Evangelii euch bringen Kap. b, 4]. · Ohne erst einen gewinnenden, das Rühmliche an den Lesern hervorhebenden Eingang voranzuschickem wie in andern Briefen, selbst in den Corintherbriefen (in 2. Cor. I, 3ff. wird er wenigstens wegen seiner jüngsten persönlichen Errettung und der» sich für die Christenheit daran knüpfenden segensreichen Folgen leich anfangs vom Preise Gottes hingenommen), geht äzaulus sofort mitten in die Sache ein; wahrscheinlich schrieb er unverzüglich nach Empfang der über den Abfall der Galater eingegangenen Nachrichten noch im Zustande der aufgeregten Stimmung, welche ihn zu dem ihm sonst geläufigen danksagenden und gewinnenden Eingange nicht kommen ließ —- eine schmerzliche reiztheit (2. Cor. 11, 29), welche um so gerechter ist, da bei den Galatern gerade die Grundlage und Haupt- sache seines Evangeliums zu zerfallen drohte· (Meyer.) Die Ursache der schmerzlicheii Verwunderung Pauli liegt einerseits in der vorhin erwähnten Herrlichkeit des früher auch von den Galatern tief eingesehenen Heils, das inan nun gegen die Armuth des Gesetzes vertauschen wollte, andrerseits in der großen Schnellig- keit, mit welcher die Sinnesändernng bei dem Volke bewirkt worden war; denn am passendsten bezieht man das »so bald« auf die Kiirze der Frist, innerhalb welcher es den Verführern gelungen war, die Gemeinde zu verwirren. Jn den Worten: ,,euch so bald ab- ivenden lasset von dem, der euch berufen hat in die Gnade Christi«, ist der ganze Abfall der Galater ge- schildert: Gott hatte sie in die Gnade Christi berufen, sie wandten sich von jener Gnade ab zum Gesetze hin! Die Jrrlehrer, welche sie verführten, bezeichneten diese ihre Predigt von der Verbiiidlichkeit des Gesetzes auch mit dem Ehrennamen ,,Evangelium« und urgirten wohl dabei dessen Verschiedenheit von dem paulinischeii; indem nun Paulus bei dem Ausdruck: »auf ein ander Evangelium« sich ihrer Sprachweise bedient, fühlt er sich gedrungen, sogleich hinzuzusetzem worin denn jenes angebliche verschiedene Evangelium bestehe, und charak- terisirt dasselbe in den Worten: »was (welches sogen. verschiedene Evangelium) aber nichts Anderes ist, als daß etliche sind, die euch verwirren und wollen das Evangelium Christi verkehren«. Dies von Pauli Predigt verschiedene Evangelium war also nicht-s An- deres, als eine durch Unruheftifter versuchte Ver- kehrung des Evangeliums Christi selbst, da die pau- linische Lehre eben nur dieses letztere ist. (Windisch- mann.) Mit hoher Freude hatten die Galater die frohe Botschaft des Apostels angenommen, daß auch für sie, die Heiden, Christus gestorben und auferstanden, daß in seinem Kreuzestode eine alte Welt vergangen, in seiner Auferstehung eine neue in’s Dasein getreten sei; daß das Heil nicht mehr an das Gesetz, Mosis und in die Schranken des Volkes Israel gebunden, sondern allein auf dem Glauben an Jesum, den Ge- kreuzigten und Auferstandenen beruhe und nur i1i diesem Glauben und dem in ihm verliehenen Geiste, dem Geiste Jesu Christi, sein Gesetz, und die Normen seiner Bethätigung habe (Kap. Z, l; 4, 14 f.). Aber es waren von Jerusalem Sendlinge der großen pharisäischen Partei in der Gemeinde, wie einst nach Antiochien (Apostg. 15, 1), so auch zu den Galatern gekommen, die hatten ihnen erklärt, ihr Christenthum sei nicht vollkommen, wenn sie nicht die Beschneidung hinzufügten Nur dem Samen Abrahams , dessen Kennzeichen die Beschneidung, gelte die Verheißung des Heils und seiiie Erfülluiig; Gott könne nicht dein Bunde, den er mit Abraham geschlossen, untreu werden, nur wer innerhalb des Gesetzes stehe, dessen erstes Gebot die Beschneidung, nur der habe wahrhaft An- theil am Reiche Gottes und seiner bevorstehenden Herrlichkeit. Nur im Gesetz, der ewigen Offenbarung des heiligen Willens Gottes, sei die Schranke gegeben, daß ihr Christenleben nicht in unheiliges, fleischliches Wesen verfalle: ohne das Gesetz und die Gebunden- heit des Menschen an dasselbe gebe es nur eine un- sittliche Willküy wie ja das Heidenthum in seiner Sittenlosigkeit und seinem Fleischesdienst zeige. Was aber vornehmlich den Ausschlag gegeben haben mochte bei den auctoritätsbedürftigen Galatern, das war die Ausführung der Judaisten, daß sie eine höhere Auctorität für sich hätten, als die Galater in ihrem Bekehrer; das seien die Urapostel, die in Jerusaleni in alleii Schranken des Gesetzes lebten ui1d dasselbe keineswegs aufgehoben hätten. Dieselben müßten als die Begleiter des Messias doch wohl das wahre Evan- Ylium haben, während Paulus, der erst nach dem ode Jesu Bekehrte, sein Evangelium nur von jenen empfangen haben könnte; so sei er denn auch nur als deren Gehilfe betrachten, und sein Werk unterliege der Correktur jener, um solche aber auszuführen seien sie gekommen. Dabei nun, daß die Galater sich so schnell diesem gefälschten Evangelium zugewendet, muß man an den wetterwendischen Charakter der Celten 384 Galater l, 8 -—13. denken, wie er einem Julius Cäsar schon aufgefallen und in gewisser Weise der Nation geblieben ist, welche als die Herrscherin der Mode gelten muß, dieser Macht, deren Wesen die Veränderung ist. (Grau.) 8. Aber [was auch immer jene ,,etliche« V. 7 zu ihren Gunsten sagen mögen, ich sage dagegen:·] so auch wir sich und meine jetzigen Mitarbeiter V.»2], oder [selbst] ein Engel vom Himmel euch» wurde Evangelium predigen anders, denn das wir sich und meine damaligen Begleiter, als wir euch zu Christo bekehrten Apostg.·16, S] euch geprediget haben, der sei verflucht lgriechcscht anathemn oder ui den Bann gethan l. Cor. 16, 22; Apostg. 23, 14]. 9. Wie wir jetzt [richtiger: früher, als wir das vorige Mal Apostg 18, 23b Anm. bei euch waren] gesagt haben, so sagen wir auch [jetzt, und sagen esse] abermal [vgl. Kap. 5, 3]: So jemand fes sei, wer es sei — und da wendet denn mein Wort auf diejenigen an, die wirklich als solche zu euch gekommen, vor denen ich damals warnen wollte] euch Evangelium predigei anders, denn das ihr svon uns] empfangen habt, der sei Verflucht sdaß er sein Urtheil trage Kap. 5, 10; 2. Thess 1, 9]. Mit Abweichungen von der evangelischen Wahrheit ist es ganz und gar nicht leicht zu nehmen —- im Gegentheil, wie die Sprache des Apostels an unsrer Stelle zeigt! Ueber die Jrrlehrer einen Fluch aus- zusprechen und sie damit ewigem Verderben zu über- geben, dazu war Paulus vollkommen berechtigt durch den Frevel, den sie mit ihrer Jrrlehre begingen und der ein doppelter war: an den Personen, deren Gewissen sie verwirrten und die sie in Gefahr brachten, um das Heil ihrer Seele betrogen zu werden; und an der Sache, indem sie darauf ausgingen, das Evan- gelium Christi zu zerstören. Sie vergriffen sich an heiligen Rechten, ihr Thun war darum ein fluchwürdigesx daß aber sein Verfluchen nicht aus persönlicher Krän- kung fließe, weil sie seine Lehre verworfen hatten, zeigt Paulus deutlich dadurch, daß er sich selber für den Fall, daß er anders lehren würde, unter den Fluch stellt. Das Anatheina betrifft übrigens natürlich nur dieses Thun der Jrrlehrer an sich; am wenigsten war durch das scharfe Auftreten des Apostels der Wunsch ausgeschlossem es möchten dieselben das Verkehrte ihres Thuns einsehen und selbst zur Erkenntnis; der evan- gelischen Wahrheit kommen. Dies auszusprechen war aber hier nicht der Ort; Paulus spricht sich nur mit vollem Ernst aus gegenüber den Jrrlehrern, um den Galatern die Augen zu öffnen und sie aus den Schlingen loszumachen, in welchen sie sich hatten fangen lassen. (Schmoller.) Keine Creatur hat Macht, etwas in dem Evangelium zu ändern oder hinzuzusetzem wie vor- nehmen Standes, Amtes, Erleuchtung, Heiligkeit und wunderthütiger Kraft sie auch wäre; die ganze Kirche selbst nicht, noch ihre Lehrer, noch ihre Concilien u. dgl. Geschieht’s, so bedarf es keiner Prüfung, fon- dern ist verwerflich, weil es neu und ein anderes ist. (Spener.) 10. sBesreindet es euch, daß ich mit dem in V. 9 Gesagten so gar kein Bedenken trage, christlichen Brüdern gegenüber, wie ihr sie nennet, welchen eurer Meinung nach es ein heiliger Ernst ist um die Sache, die sie vertreten, und welche für ihre Lehre so getvichtige Gründe geltend zu niachen haben, ein tieseinfchneidendes Urtheil in Anwendung zu bringen, so erwidere ich:] Predigt ich denn jetzt sfeit ich in Christi Dienst eingetreten bin] Menschen oder snicht vielmehr] Gott zu Dienst fsuche ich durch die Art, wie ich mein Predigtamt führe, Menschen für mich zu gewinnen oder Gott]? oder gedcnk ich [niit dem, was ich schreibe und thue] Menschen gefällig zu sein? Wenn ich den. Menschen noch gefällig wäre swie das wohl früher bei mir der Fall war V. 14], so wäre ich Christi Knecht nicht [Matth. 6, 24; Luk. 6, 26; Ioh· 17, 14; und da soll es mir denn auch hier nicht daraus ankommen, daß ich jene ,,etliche« V. 7 keineswegs für mich gewinnen, sondern gar sehr wider mich aufbringen werde]. Daß Paulus mit V. 9 sein schon früher aus e- sprochenes Urtheil V. 8 vor den, für seine Widersa er mehr oder weniger eingenommenen Lesern so rücksichts- los und schneidend wiederholt, mußte diese ja betroffen machenx da erklärt er denn mit V. 10 ihnen dies daraus, daß seines Thuns jetzt nicht ist, Menschen zu gewinnen, sondern Gott. Nicht damit geht er um, Menschen ihm günstig zu stimmen oder zu etwas zu vermögen, in welchem Falle er sreilich so schreiben müßte, wie es den angenehmsten Eindruck auf sie machte, anstatt sie mit so scharfem Urtheil zu verletzen; denn an eben diejenigen denkt er bei ,,Menschen«, welche er nach der Meinung der Leser freundlicher be- handeln sollte, um sich mit ihnen zu verständigen. Er aber schreibt vielmehr als Einer, welchem darum zu thun ist, Gott zu gewinnen; im Ausblick zu Gott schreibt er, von dem er erlangen möchte, daß er den Lesern aus ihrer Versuchung und Gefahr heraushelfe Von diesem Wiinsche läßt er sich regieren und schreibt daher, wie es geeignet ist, Gott zu seinem Beistand zu haben, wie denn überhaupt sein Bestreben nicht sei, Menschen gefällig zu sein; er wäre kein Knecht Christi, wenn die Zeit, Menschen gefällig zu sein, nicht für ihn vorbei wäre. (v. HofrnannJ Die Vergleichung unsrer Stelle mit 1.Cor. 10, 33: ,,ich mache mich jedermann in allerlei gefällig« lehrt, wie behutsam scheinbar ganz allgemein ausgesprochene Sätze des Apostels, wie der eben genannte, aufzufassen sind: nur so lange kann Paulus und, wie er, jeder wahre Knecht Christi jedermann in allerlei sich gefällig machen, als es sich blos um Aufgeben des eigenen Willens und Vortheils handelt und als das Ziel dieses Strebens, den Menschen zu gesallen, ihr ewiges Heil ist (»daß sie selig werden«); wo aber das Gefallen der Menschen nur erlangt werden könnte durch Darangabe ewiger Wahrheiten und des göttlichen Gesetzes, da gilt, was Paulus hier sagt. Zwischen den in beiden, sehr wohl zu vereinigenden Aussprüchen gesetzten Schranken hat sich die wahre Pastoralklugheit zu bewegen. (Windischmann.) B·- Ver erste, apokogetifche Theil' der Epistet hat es mit des Apostels eigener Person zu thun. Hatte Paulus in la. 8 f. einen jeden, der etn anderes Grau— geliuni predigt, als er’H in Genieinschast mit seinen Gr- hitfen den Galatern Verkündigt halte, mit einem Fluche belegt, so mußte er nunmehr nachweisen, daß even dies sein Evangelium einerlei sei mit deni Eoangelio Christi Der Epistel erster oder apologetifcher Theil: Pauli Evangelium ihm unmittelbar offenbart. 385 selber; und hatte er in V. l hch als einen Apostel nicht von Menschen, auch nicht durch mensihem sondern durch Iesum Christ und Gott, den Vater, bezeichnet, so mußt: er die Wahrheit dieses Selbstzcugnisses durch uklitthrilung der- jenigen Vorgänge seines Lebens beleuchten, aus denen sie unwiderlegliih hervorging. Dieser doppelten Verpflichtung entledigt er sich denn hier in einer dreifachen Aue-einander- setzung, die von b. 11 bis Lan. L, 21 reicht. I. v. 1t—24. In diesem Abschnitt handelt es sich um den Ursprung des paulinisitzen Evangelih daß es nicht ein mensihtichrz sondern durch die Offenbarung Iesu Chrisii selber dem Apostel zu Theil geworden sei, weliher Sah darum auch gleiih an die Spitze gestellt wird W. 11 u. l2). hierauf weist Paulus zuriicli auf seinen bekannten vergangenen Wandel im Judaismus, wie wenig er uiensitzlirhe Anleitung und Vorbereitung auf das Evan- gelium, vielmehr der eigensle und ärgste Widerspruch dagegen gewesen, bis es Gott gefallen habe, seinen Sohn in ihm zu offenbaren, um ihn zum Apostel der heiden zu machen; diese göttliihe Offenbarung habe er dann nicht durch Zeredung mit Menschen, selbst nicht mit den tilraposteln irgend vervotlbändigen zu müssen geglaubt, sondern in dreijähriger Einsamkeit auegeuiirtil Ob. 13 —17). darnach erst sei er nach Jerusalem gekommen, um des Petrus persönliche Bekanntschaft zu machen, und fünfzehn Tage bei ihm geblieben, wobei er von den andern Aposteln nur noch Jaliobum, den Bruder des Adern, gesehen habe W. 18—20). dlun sei er in die Gegenden von Syrien und Cilicien gegangen, ohne den ihristlichen Gemeinden auch nur von Angesicht beliannt geworden zu sein; sie wußten nur von seiner, ihres früheren verfolgers, Bekehrung und von seiner jetzigen predigt desselben txt-angeln, das er vordem zu verstören trachtete, und priesen Gott über ihm (b. 2t—24). 11. Jch thue euch aber sum jetzt auf den Hauptgegenstand meines Briefes näher einzugehen] kund [1. Cor. IF, Z; 2.Cor.8,1], lieben Bruder, daß das Evangelium, das von mir geprediget [Röm. 16, 25 und von den Widersachern euch so sehr verdächtig gemacht worden] ist, tiicht menschlich smenschlicher Art und Beschaffenheit] ist«« [so daß man ein Recht hätte, dasselbe zu bestreiten oder sich davon loszusagen, sondern vielmehr ich ein Recht habe zu dem in V. 8 f. ausgesprochenen Anathema wider alle, die ein anderes wollen aufbringen]. 12. Denn ich hab es von keinem Menschen sauf dem Wege der mündlichen Mittheilung, als Hörer von dem Prediger 1. Cor. 11, 23 Anm.] empfangen noch sin fchulmäßiger Weise, als Schüler von dem Lehrer Luk. 2, 46f.] gelernet, sondern durch die Offenbarung Jesu Christi« shab ich es ebensowohl, wie die Zwölfe, wenn auch auf andere Weise, als sie, empfangen]. V) Auf den affektvollen Erguß in V. 6—-10 folgt nunmehr die ruhige Auseinanderfetzung, daher das förmliche: »ich thue euch kund« und die Anrede: ,,lieben Brüder«, die zugleich zeigt, daß Paulus, wenn er den Galaterchristen keinen besonderen Ehrennamen zum Eingang gab (V. 2), sich doch immer noch als im Bruderbunde zu ihnen stehend weiß. Damit knüpft er bei ihnen an, da ja sein Augenmerk darauf geht, mit dem Folgenden sie wieder von ihrem Jrrthum abzu- bringen und zu gewinnen. Zunächst nun begründet er DächsePs Bibelwerh VII. Band. die vorhergehende Rüge durch die bestimmte förmliche Versicherung, daß seine Lehre nicht inenfchlich sei: natürlich war das der Gemeinde im Grunde nichts anz Neues, doch war es wohl immer nur still- fchweigende Vorausfetzung bei der Predigt des Apostels gewesen, ohne daß es ausdrücklich geltend gemacht worden wäre, daher thut erls ihnen jetzt kund; nach- dem es in Zweifel gezogen worden war, mußte es bestimmt ausgesprochen werden. (Schmoller.) Ist) Die Voraussetzung dieser Beweisführung ist, daß die Predigt eines jeden Apostels (V 1), weil unmittelbar auf den HErrn zurückgehend, göttlich und wahr sei, dagegen die Predigt eines nicht vom HErrn selbst, sondern nur von einem Menfchen Unterwiesenen erst durch ihre Uebereinstimmung mit der apostolifchen als göttlich zu beglaubigen sei. Aus unserm Verse sieht man, daß, um die Göttlichkeit des paulinischen Evangeliums zu verdächti en, von den Gegnern die apostolifche Ebenbürtig eit des Paulus mit den Zwölfen bestritten wurde. (Wieseler.) Daß Paulus sein Evangelium nicht von Menschen empfangen oder gelernt, sondern es durch Offenbarung Jesu Christi habe, ist das Thema seiner ganzen folgenden Dar- legung. Es ist nun mit dieser Offenbarung zwar zu- nächst die Erscheinung des Auferstandenen bei Damms- kus (1. Cor. J, I; 15, 8), doch ohne Ausfchließung weiterer Offenbarungen (Kap. 2, Z; 1. Cor. 11, W; 2. Cor. 12, 1f.), ja wohl auch der inneren geistigen Erleuchtung überhaupt· gemeint; sonst müßte ja jene erste singuläre Erscheinung weit bestimmter hervor- gehoben werden, als es geschieht. Es liegt in der Natur der Sache, daß Paulus sich hier besonders an das Negative, die Abhängigkeit von den Urapoftelm denen man ihn unterordnen wollte, sowohl bei seiner Bekehrung und dem Antritt feines apostolifchen Berufs, als auch in dessen Ausübung halten mußte und daß daher in demselben Grade die positive Seite, die Offenbarung Christi, zurücktritt. (Hilgenfeld.) Außer jener Erscheinung bei Damaskus sah Paulus den HErrn noch öfter (Apostg. 22, 17; 23, 11) und blieb gleichsam in fortwährendem Umgang mit ihm, wobei er unmittelbare Belehrung von ihm empfing (1. Cor. 11, 23); er konnte daher mit vollem Recht das Evan- gelium, das er predigte, als ein unmittelbar von Gott, ohne menfchliche Vermittelung ihm vertrautes geltend machen. (Olshausen.) Unter seinem Evangelium (Röm· 16, 25 f. Anm.), welches ihm auf übernatürliche Weise mitgetheilt worden, meint er hauptsächlich das, welches ihm eigenthümlich war und ihn in der Lehre von allen Andern, selbst von den andern Aposteln unterschied; und dies war feine Einsicht in die göttlichen Rath- schlüsse mit Israel und den Heiden, sein tiefes Ver- ftändniß der großen Thatfachen des Lebens Christi, wie Tod und Auferstehung, sein Blick in die verbor eiie Herrlichkeit der Kirche Christi und auf ihre zukünftige Offenbarung. Dies nennt er (Ephes. Z; 4 fs·.) das Ge- heimniß Christi, das er zu verkündigen hatte, daß die Heiden Miterben, mit einverleibt und Theilhaber an der Verheißung Gottes in Christo si11d und daß selbst den himmlifchen Mächten an der Kirche die mannig- faltige Weisheit Gottes offenbar werden soll. (Thiersch.) 13. sWie wahr nun es sei, daß nur durch eine Offenbarung Jesu Christi ich zu meinem Evangelium gekommen bin, vermögt ihr selbst zu ermessen.] Denn ihr habt je wohl gehöret meinen Wandel weiland [d. i. ehemals, in vergangener Zeit V. 23; Tit. Z, Z; Philent 11] im Juden: thilin [im Zustand, in der Denk- und Lebensweise 386 Galater I, 14—24. eines Juden 2. Macc. 2, 22; 14, 38], wie ich über die Maße smit auszeichnendem Eifer] die Gemeine Gottes [1. Cor. 1, Z] verfolgte und ver- stbrete sie [Apostg. 8, Z; I, 1 ff.; 26, 9 f.]; 14. Und nahm sals Pharisäer, deren Zög- ling ich war Apostg. 23, S] zu im Judenthum [mich gleichsam selbst überbietend Phil. 3, 4 ff.; I— Tun— I, 135 Apvstgs 22- 3fii über viele Meinesgleichen[Altersgenossen] in meinem Geschlecht sden Juden, die an ihrem Theile alle ja auch eifern Apostg. 7, 19; 21, 20], und eiferte über die Maße [so daß kein Anderer mir gleich kam in dem, was ich leistete] um das vaterliche Gesetz« [nach der Aeltesten Satzungen Matth 15, L; 23, 2]. 15. Da es aber Gott wohl gefiel, der mich Von Mutter Leibe [d. i. noch im Leibe der Mutter Luk. 1, 15; Matth. 19, 12; Jes. 49, 1. Z] hat ausgesondert szum Apostelamt V. I; Rom. 1, 5; 1. Cor. I, 1; Jer. 1, 5] und [feiner Zeit Apostg. 9, 3 ff. auch] berufen durch seine Gnade [1. Eor. 15, 10], 16. Daß er seinen Sohn [durch Erleuchtung des heil. Geistes] ossenbarete in mir [2. Cor. 4, S; Phil. Z, 8 für den Zweck], daß ich ihn durchs Evangelium verkimdigen sollte unter den Heiden« [wie mir auch gleich bei meiner Berufung und hernach bei einer besonderen Offenbarung im Tempel gesagt wurde Apostg. 9, 15; 22, 21]: alsobald fuhr ich zu [solchen Beruf ergreifend und desselben in meinem Geiste gewißts Und besprach mich nicht darüber mit Fleisch und Blut sum die Meinung Anderer Ephes. 6, 12 zu hören, ob ich unter den Heiden auch wirklich predigen dürfe, und bei ihnen Belehrung und Anweisung mir zu holen, wie ich mein Werk anzugreifen habe]; 17. Kam auch nicht sum dort Rath zu er- fragen] gen Jerusalem zu denen, die vor mir Apostel waren [zu Petrus, Johannes, Jakobus u. s. w.], sondern zog [als ich nach etlichen Tagen Damaskus verließ Apostg. 9, 19—21] hin in Arabien [daselbst eine längere Zeit in der Stille zu verbringen, vgl. zu Kap. 4, 27], und kam [als ich nun im HErrn kräftiger geworden] wiederum gen Damaskusilf sin voller Selbständigkeit des Lehrens dortauftretend Apostg. I, 22]. V) Der Apostel erinnert die Leser an die ihnen bereits bekannte Thatsache, daß er bis zum Augenblick seiner Berufung einer Botschaft, wie er jetzt sie ver- kündigt, so fern als möglich gestanden, und betont da, daß er über die Maße die Gemeinen Gottes verfolgt und über die Maße um das väterliche Gesetz geeifert habe: zeigt jenes, wie fern er dem Glauben an Jesum Christum stand, so zeigt dieses, wie fern er der Lehre stand, daß Heiden wie Juden gleichermaßen durch diesen Glauben und durch ihn allein, ohne des Gesetzes Werke, gerecht werden. (v.Hofmann.) Zugleich giebt Paulus zu verstehen, wie er aus seinem früheren Zu- stande her die Lehren nur zu wohl kenne, welche die Jrrlehrer jetzt den Gemeinden in Galatien aufdringen wollten. (v. Gerlach.) Jn seinen abgelegten Klei- dern wollten diese jetzt Staat machen, ohne je den Ernst, womit er selbst ein jkidischer Gesetzeseiferer ge- wesen, in ihren Sinn kommen zu lassen. (Besser.) «) Paulus will sagen, er sei schon von Mutter- leibe an von Gott aus-gesondert, hernachmals bei Damaskus berufen und sodann mit der Offenbarung des Sohnes Gottes versehen worden, um ihn nach außen zu verkündigety die Berufung durch jene Christus- erfcheinung ergriff ihn noch ohne nähere Belehrung, die Versehung mit der Offenbarung des Sohnes Gottes aber geschah durch apokalyptische Einwirkung Gottes, und wie die Berufung zum Dienste rief, so gab die Versehung den Jnhalt des unter den Heiden zu ver- kündigenden Evangelii V. 12. (Meher.) Der Zweck der Offenbarung Jesu Christi war allerdings für Paulus auch ein subjektiver, nämlich seine Seligkeit, aber dieser verschwindet ihm in dem ungeheuern ob- jektiven Zweck als sich von selbst verstehend: mit ihm ward die Seligkeit der ganzen gläubigen Heidenwelt gegeben. (Olshausen.) Das Evangelium ist ein gött- lich Wort, das vom Himmel herab kommt und durch den heil. Geist offenbaret wird, also doch, daß das äußerliche Wort VorangeheF denn St. Paulus auch selbst hat zuvor das äußerliche Wort vom Himmel herab gehört: ,,Saul, Saul, was verfolgst du mich?« darnach erst hat er heimliche und verborgeneinnerliche Offenbarung gehabt. (Luther.) Es gehört zu einer heilsamen Verwaltung des Predigtamts die Offen- barung Gottes in uns, daß wir dasjenige lebendig erkennen, was wir Andern vortragen sollen; ohne dieselbe behält zwar das gepredigte Wort, wo man’s rein und unverfälscht läßt, feine Kraft, aber solche Leute können’s nicht wohl rein«lassen oder würdig vortragen, wissen es nicht recht anzuwenden und Pårderbesi viel von dessen Kraft bei den Zuhörern pener. sit) Daran hat der Apostel recht gethan, daß er sich nicht mit Fleisch und Blut besprochen; denn es wäre ja eine gottlose Sünde gewesen, wenn er erst die göttliche Offenbarung hätte wollen durch Menschen- wort bekräftigen lassen als Einer, der daran gezweifelt hätte. (Luther.) Doch ist die Meinung nicht, als wenn man andrer Leute Gutachten nicht dürfte hören, sondern man soll ihm nur das Frass, die Oberhand nicht geben, wo Gott das Zeugniß hat gegeben. Jst der Wille Gottes deutlich und steht die Sache klar in Gottes Wort, so ist nicht nöthig, andere Menschen zu Rathe zu ziehen; ist aber der Wille Gottes noch zweifelhaftig, so kann man wohl gute Freunde um Rath fragen, doch müssen es solche sein, die Gottes- furcht und Weisheit besitzen (Starke.) Von einer apostolischen Thätigkeit in Arabien findet sich nirgends eine Spur; wir müssen also annehmen, daß seine Reise dahin lediglich für Privatzwecke höchst wahr- scheinlich zum Behufe geistlicher Einsamkeit als Vor- bereitung zum thätigen Leben unternommen wurde (vgl. zu Apostg. 9, 22), woher sich dann das Still- schweigen des Lukas erklärt, der nur den Apostolat Pauli in kurzen Umrissen schildern wollte. (Windisch- mann.) 18. Darnach [um speziell auch darauf ein- zugehen, daß 1ch, wie oben gesagt V. 12·, mein Evangelium von keinem Menschen empfangen noch gelernt habe] über drei Jahr snach meiner Be- kehrung und Berufung] kam ich [von Damaskus durch die ungläubigen Juden vertrieben Apostg. 9, 23 ff.; 2. Cor. 11, 32 f.] gen Jerusalem, Nachweisnng dieser Ursprünglichkeit seines Evangelii aus des Apostels Lebensgeschichte. 387 Petrum zu schauen spersönlich kennen zu lernen, da er ja damals noch an der Spitze der Ge- meinde stand und also an seiner Bekanntschast mir vor allem gelegen sein mußte, wenn ich mit der Gemeinde selbst in ein freundliches Verhält- niß treten wollte Apostg. 9, 26], und blieb snicht niehr als] funfzehn Tage bei ihm [Apostg. J, 26 —28; 22, 17ff.]. 19. Der andern Apostel aber [außer Petrum] sahe ich [da sie sonst alle von Jerusalem ab- wesend waren] keinen, ohne Jakobum, des HErrn Bruder [s· Nr. 9 der Anm. zu Matth. 10, 4 u. Anm. zu Apostg. 15, 21]. 20. Was ich euch aber [mit dem soeben V. 18 f. Berichtetens schreibe, siehe [in Beziehung daraus kann ich betheuern], Gott weiß, ich lüge nicht« [vgl.2.Cor.11,31; 1,23;Röm.1,9f.]. 21. Darnach sals ich nach jenen 15 Tagen die Stadt wieder verlassen mußte wegen der Nachstellungen der Juden] kam ich in die Länder Shrien und Cilicien [Apoftg. 9, 29 f.]. 22. Jch war aber sals ich nunmehr in Ci- licien weilte, noch] unbekannt von Angesicht den christlichen Gemeinen in sder LaUdfchaftJ Judäa [Joh. Z, 22., zu denen ich nicht ebenfalls hatte kommen können]. 23. Sie hatten aber allein gehbret [ver- nahmen nur aus dem, was ihnen von Jerusalem aus zu Ohren kam], daß, der und weiland [vor- mals V. 131 verfolgte, der prediget jetzt den Glauben, welchen er weiland verstörete [indem ihnen meine Wirksamkeit während der 15 Tage bekannt wurde Apostg. 9, 28 f.]; 24. Und preiseten Gott über mir« sdaß er mich von meinen vorigen Wegen, auf denen ich ihnen so verderblich geworden war, herumgeholt Apostg. 11, 18]. V) Die Wichtigkeit des eben Berichteten sitt« seinen Zweck, seine apostolische Selbständigkeit nachznweisen, bewog den Paulus zu dieser heiligen Versicherung; denn wäre er Apostelschüler gewesen, so müßte er damals es geworden sein, als er zum ersten Male nach seiner Bekehrung in Jerusalem bei den Aposteln war, aber nicht blos für einen andern Zweck und so wenige Tage war er dort gewesen, sondern er hatte nur nochs den Jakobus (1l.) außer Petrus getroffen. Meyer) Wäre es auch an sich möglich gewesen, daß aulus in der Zeit der 15 Tage eine Belehrung er- halten hätte, so war doch ein eigentliches in die Schule Gehen bei den älteren Aposteln nicht möglich; daher die ausdrückliche Erwähnung der Dauer. Und nun vollends zu einer Einführung in das Apostelamt und zu einer Bevollmächtigung dazu von Seiten jener hätte damals in Jerusalem das ganze Apostelcollegium anwesend sein müssen; er traf aber außer dem Petrus nur den Jakobus, den Bruder des HErrn, der un- zweifelhaft hier als einer der Zwölfe bezeichnet ist und darum kein Anderer sein kann, als Jakobus, Lllphäi Sohn (Matth. 10, 3). Die Gegner Panli wußten gar wohl, daß Paulus zu der hier erwähnten Zeit (etwa im J. 39 n· Chr) sich in Jerusalem auf- gehalten und mit Aposteln verkehrt hatte; und nun gaben sie vor, er sei eben damals von den älteren Aposteln im Christenthum ausführlich unterwiesen und zu einem Missionar ausgebildet worden. Da legt denn der Apostel die thatsächlichen äußeren Verhält- nisse unter Betheuerung der Richtigkeit seiner Angaben in ihren beiden entscheidendenPunkten klar vor, um die Leser daraus erkennen zu lassen, wie ungereimt ein solches Vorgeben der Jrrlehrer sei. »Gott hatte alles vorausgesehen, womit man Paulum künftig würde niederdrücken wollen; darum hat er es in seinen Wegen so eingerichteh daß man nicht sagen konnte, er hat seine Berufung bei den hohen Aposteln in Jerusalem geholt, und doch auch nicht auf der andern Seite, er hat sich gar nicht nach Jerusalem getrauet. Gottes guter Geist bringt es überall mit uns in das Ebene; auch die scheinbar kleinen, zufälligen Umstände in unserm Leben stehen unter seiner Leitung: erkennen wir es nicht gleich, so doch nachher« St) Diese Angaben in V. 22 ff. weisen ebenfalls nach, daß Paulus nicht Apostelschüler sei, wie das der Zielpunkt des ganzen Zusammenhanges ist: als Apostel- lehrling würde er in Verbindung mit Jerusalem ge- blieben und von da aus zunächst mit seiner Wirksam- keit in die judäischen Gemeinden gekommen (was er jedoch nach Apostg. 26, 20 später that, nämlich bei der zweiten Reise nach Jerusalem, über der er in Ge- meinschaft mit Barnabas offensichtlieh, wenn man Apostg. 11, 29 f. mit 12, 25 vergleicht, längere Zeit zugebracht hat) und ihnen also bekannt geworden sein. Jn welcher alleinigen Beziehung aber für die nächste Folgezeit sie zu ihm blieben, sagt der Sa , daß sie lediglich in der Lage waren, von seiner ekehrung und Wirksamkeit zu hören. Nicht umsonst, sondern mit dem gerechten Gefühl der Genugthuung fügt der Apostel hinzu: »und preiseten Gott über mir«; denn mit diesem Eindruck, welchen er damals ans die judäischen Gemeinden machte, stand das gehässige Treiben der Judaisten in Galatien gegen ihn in auf- sallendem Contraste (Meyer.) Der über seiner Be- kehrung entstandene Preis Gottes hat wieder vieles von dem zuvor angerichteten Aergerniß getilgt. (Rieger.) Das 2. Kapitel. » JJauli Vergleichung mit den Aposteln, Streit mit Fett-o, Predigt vondergerechtigtieii des glaub-Ins. II· V. 1—10. Hatte Paulus vorhin die ursprüng- tichlieit seines Eoangelii und seines Jlpostolais, als die er beide unmittelbar von dem ihErrn selber empfangen, nicht aber von Menschen, speziell non den früheren Aposteln iilverkotiinien oder gelenkt habe, behauptet, so geht er nun zu einein andern Punkte, zu der Aner- kennung sowohl seines Gvangetii als seines Jtnostolatg von Seiten der durch Jakobus ll., Petrus uud Johannes vertretenen dlrapostel über; dafür war diejenige Reise nach Jerusalem, die er in Gemeinschaft mit Barnalsas zum sog. Jwostelconeil im J. 50 n. Ehr. machte, ent- scheidend, und er erzählt nun diejenigen Vorgänge, welche in Jtooslg.15,1——29 nach den! dortigen Zusammen— hange von keinen: töelange waren und deshalb non Lukas üheegangeii sind, dagegen fiir hier zu besonderer Geltung kommen, in ansfährltcher Darstellung. Erwägt man, daß der Punkt, um den im vorigen Abschnitt die Beweisführung des Apostels sich bewegte, durch das, was er von seiner Reise nach Jerusalem im S. 39 n1ittheitte, 25«4« 388 Galater 2, 1——5. vollständig erledigt, hier aber ein ganz anderer Punkt es ist, der nunmehr zur Erörterung kommt, so wird man sich nicht wundern, daß Paulus seiner Reise nach Jerusalem in Apostg. 11, 29 s. und II, 25 gar nicht gedeutet, sondern ohne weiteres auf diese dritte übergeht, die er nach seiner Bekehrung zu Christo gemacht hat; da er bei der Reise in der Eollelitensache bereits kehre: zu Antiochien war Apostg. 11, TO, so lag ja dieselbe schon über die Grenze derjenigen Zeit hinaus, in weleher von ihm als einem Schüler der Urapoftel allein die dtede sein konnte, darum erwähnt er sie beim vorigen Ab— schnitt gar nicht, in den jetzigen aber gehört sie über· hauot nicht herein, weil damals die Apostel bis auf Jakobus 1I. von Jerusalem abwesend waren (Jipostg. 11, 30 Linn-J, also da eine Anerkennung von Seiten des Jlpostelsulollegiuins gar nicht vor sitt) gehen konnte. I. Darnach über vierzehn Jahre svon meiner Bekehrung ab gerechnet, vgl. Kap. I, 18] zog ich abermal hinauf gen Jerusalem mit Barnaba [gieich- wie ich mit diesem schon 5—6 Jahre früher die Collekte dahin überbracht hatte Apostg. 11, 30; 12, 25]- und nahm laußer andern Gehilfen Apstg. 15, 21 Titutu auch mit mirs« [obwohl dieser noch unbeschnitten war Apostg. 18, 23b Anm.], 2. Jch zog aber [abgesehen von dem Seitens der Gemeinde zu Antiochien mir zu Theil gewordenen Auftrag Apostg. 15, 1 f., was meine eigene Person betrifft] hinauf aus einer Offen- barung sdie ich von Seiten- des HErrn empfangen hatte Apostg. 15, 3 Anm.], und besprach mich mit ihnen sden Vorstehern und Gliedern der dasigen Gemeinde, in einer öffentlichen Versammlung Apostg. 15, 5 Arm] über dem Evangelio, das ich predige unter den Heiden [Röm. s, 21ff.], be- sonders aber [d. i. in einer noch besonders oder privatim angestellten Conferenz besprach ich mich weiter] mit denen, die das Ansehen hatten sdaß sie die Häupter der ganzen Christenheit wären, den Urapofteln, von denen damals nur die drei in V. 9 Genannten noch da waren Apostg. 11, 30 Anm.], auf daß ich nicht [richtiger: auf daß sie erkenneten, ob ich wohl] ver- geblich tiefe oder gelaufen hätte» [Phil. 2, te; i. Cur. g, 24 ff.]. 3. Aber es ward auch [so sehr man in dieser Privatconferenz von Seiten der Urapoftel sich anfangs zu einem solchen Schritte hinneigte] Titus [in Folge meiner Gegenvorstellungen] nicht ge- zwungen, sich zu besehneidem sdieser Titus] der sals künftiger apostolischer Gehilfe] mit mir war, ob er wohl sanders als Timotheus Apostg. 16, 1 ff.] ein Grieche tvar"* [nach beiden Seiten hin, fo- wohl von Seiten seiner Mutter, wie von Seiten seines Vaters]. 4. Denn da [unter den, zu Apostg. 15, 3 näher erörterten Verhältnissen Jerusalems und Iudäas] etliche falsche Brüder [2. Cur. 11, 26; Apostg. 15, 24] sich [in die Christengemeine, der fie. ihrem inneren Wesen nach doch ferne standen] mit eingedrungen [hatten] und sals Lauter oder Spionej neben eingefchlichen waren, zu veriund- schaften unsere Freiheit [vom mosaischen Gesetz Rom. 10, 4], die wir [Ehristen] haben in Christo Jefu [und die nun, weil sie ihnen ein Dorn im Auge war, sie niederzuwerfen suchten, wie Kund- schafter zusehen, auf welchem Wege man einer zu erobernden Stadt beikomnien möge 1. Mos. 42, 9], daß fie uns sin das Joch ihrer Satzungen Apostg. to, 5 u. 10] gefangen nahmensz Z. Wichen wir sich und Barnabas] densel- bigen nicht eitie Stunde [auch da nicht, als die Urapoftel zum Nachgeben riethen Apostg. 15, 5 Anm.], unterthan zu fein sdaß wir ihrem Ver- langen, das auf diese Weise sich Geltung zu ver- schaffen suchte, Genüge geleistet hätten — wichen uichts auf daß die Wahrheit des Evangelii [Röm. 3, 20 u. 28] bei euch sHeidenchristen Röm. 11, 13·, zu denen auch ihr Galater zählt] bestünde [und wie undankbar ist es da von euch, daß ihr jetzt um diese Freiheit euch bringen laßt Katz. 5,1ff.]. V) Man kann diese 14 Jahre mit den meisten Aus- legern von der Bekehrung des Paulus als dem Haupt- zeitpunkte an rechuen, so daß die drei Jahre in Kap. I, 18 und der Aufenthalt in Tarsus mit eingeschlossen sind; man kann sie aber auch, wie z. B. Luther nach des Hieronymus Vorgange gethan, von Katz. I, 18 oder, was im Grunde auf dasselbe hinaus-läuft, von Kap.1,21 an zählen: darüber, welche von beiden Rechnungsweisen die richtige sei, ist nicht aus sprach- lichen, sondern lediglich aus chronologischen Gründen zu entscheiden, und da kommt es darauf an, welche von seinen späteren Reisen nach Jerusalem Paulus an unsrer Stelle im Sinne hat. Seine nächste Reise war die in Apostg. 11, 29 f. u. 12, 25 erwähnte vom J. 44 n. Chr.; hätte er nun diese hier gemeint, so fiele in das J. 30 entweder (nach der ersten Rechnungs- weise) seine Bekehrung oder gar schon (nach der zweiten Rechnungsweisch seine Reise zu Petrus in Kap. 1, 18 f.; es ist aber das eine ebenso un ulässig, wie das andere, der Apostel hat vielmehr diefe Reife ganz außer Betracht gelassen. Nun wird mehrfach von den Auslegern behauptet, einer solchen Ver- schweigung hätte er absolut sich nicht schuldig machen dürfen: er hätte so feinen Gegnern, welchen er nach- weifen wollte, daß er nicht Apostelschüler sei, selbst die Waffen in die Hand gegeben, und es lafte der Ver- dacht absichtlich unvollständiger Aufzählun den Wider- sachern gegenüber auf ihm; darum müsse man an- nehmen, mit dem Bericht des Lukas in Llpostg 11, 29 f. u. 1"2, 25 verhalte es sich gar übel, entweder sei derselbe geradezu falsch oder er sei doch sehr ungenau, Paulus sei damals wohl nur bis Judäa, nicht bis Jerusalem selber gekommen und nur Barnabas habe die Collekte an die Aeltesten abgeliefert. Es ist das jedoch ein gan ungehöriges Räsonnementx wir haben oben in der Einleitung zu unserm Abschnitt schon darauf aufmerksam gemacht, daß es sich hier nicht mehr um des Apostels etwaiges Schiilerthum handelt, welcher Gegenstand vielmehr vorhin vollständig er- ledigt worden, sondern die Sache, die jetzt in Ver- handlung steht, ist die Anerkennung des paulinischen Evangelii und Apostolats von Seiten der hohen Apostel. Paulus überspringt also hier nicht eine Reise, er zieht nur nicht, wie sich bei einem verständigen Anerkennung des Evangeliums und des Apostolats Pauli durch die UraposteL 389 Manne von selbst versteht, eine solche heran, die mit dem, was er erörtern will, in ar keiner Be- ziehung steht. Wenn nun aber Wie eler seinerseits die weiter folgende Reise des Paulus nach Jeru- salem, die uns in Apostg. 15, 1 ff. berichtet wird, über- springt und behauptet, es handle sich an unsrer Stelle um die in Apostg. 18, 22 mittelbar angedeutete, so ist das allerdings ein salto morta1e, den wir ihm schon darum, weil damals Paulus und Barnabas sich bereits von einander getrennt hatten (Apostg. 15, 37 fs.), nicht nachmachen mögen; derselbe kommt denn auch mit seiner Ansicht zu der sonderbaren Annahme, daß Pau- lus als Jüngling von ca. 20 Jahren a. 40 n. Ehr. bekehrt worden sei, ohne zu bedenken, ob das wohl einen Sinn habe, da der Apostel dann schon nach 23——24 Jahren in Philem. 9 sich einen ,,alten« Mann nennen würde, obwohl erst 43——44 Jahre zählend. Auch wäre, nachdem Petrus und Jakobus sich in der Weise ausgesprochen hatten, wie in Apostg. 15, 7 ff. zu lesen, eine vier Jahre später in der Art, wie wir hier sie vor uns haben, mit ihnen angestellte Verhandlung ein rein undenkbares Ding. Nein! eben die Reise in Apostg. 15, 1ss. und die an unsrer Stelle ge1neinte sind ein und dieselbe, das ist gar kein Zweifel und tritt uns um so näher, wenn uns in Kap. 5, 1 u. S, 13 Gedanken und Ausdrücke begegnen werden, die sehr lebhaft an Gedanken und Ausdrücke des Petrus und Jakobus in Apostg. 15, 10 u. 28 erinnern; und so scheint das ,,abermal«, statt blos zu »zvg ich hinauf gen Jerusalem« zu gehören, sich vielmehr auf den ganzen Satz einschließlich des ,,mit Barnaba«, ja auf letzteres mit besonderem Nachdruck zu beziehen, so daß darin mittelbar angedeutet wäre, daß Paulus schon vorher mit Barnabas (nur daß dieser damals die Hauptperson war, wie aus der Voranstellung seines Namens hervorgeht) eine gemeinschastliche Reise nach Jerusalem gemacht hatte, die in Apostg. 11, 29 f. er- wähnte. Ergiebt sich nun aus dem, was wir schon vorhin bemerkten, daß Paulus an unsrer Stelle keines- wegs eine fortlaufende Zählung seiner Reisen nach Jerusalem beabsichtigt, sondern daß die hier gemeinte Reise mit der in Kap. I, 18 in Parallele steht und ebenso dem· zweiten Punkte seiner Erörterungen dient, wie jene dem ersten Punkte, so liegt auf der Hand, daß auch die Zählung »Über vierzehn Jahre« der in Kap. l, 18: ,,über drei Jahre« parallel steht nnd wir also nicht die oben erwähnte zweite Rechnungsweife befolgen dürfen, sondern schlechterdings die erste fest- halten müssen; hiernach, da das Apostelconcil wahr- scheinlich im J. 5O n. Chr. stattfand, fällt die Be- kehrung des Paulus in das J. 36. «) Der Apostel konnte das ihm geosfenbarte und dann verkündigte Gotteswort ihnen nur in der Absicht darlegen, damit sie es als solches erkenneten und in Folge davon seine Predigt billigten, nicht damit er dadurch belehrt und befestigt würde, weil er ja sonst seine Abhängigkeit bewiesen haben würde. (Wieseler.) Bei denen, mit welchen er conserirte, wollte der Apostel die Ueberzeugung begründen, daß sein Evangelium vom HErrn mit Erfolg gekrönt sei; denn er selbst konnte daran und an der Wahrheit desselben nicht zweifeln, wäre es aber feinen Gegnern gelungen, die Verbindlichkeit des mofaischen Gesctzes gegen ihn durch- zufetzem so war seine Mühe unter den Heiden für die Vergangenheit und Zukunft verloren, es wäre dann für immer die Möglichkeit abgeschnitten gewesen, die Heiden in Masse zum christlichen Glauben zu führen. Dies zu verhindern, legte er sein Evangelium mit seinen Erfolgen vor und bewirkte dadurch jene Ent- scheidung des Concils zu Jerusalem, welche der Heidenwelt die Kirche unbedingt öffnete. (Windisch- mann.) Bleibt man bei LuthersFassung des Grund- textes: »auf daß 1ch nicht vergeblich ltese oder gelaufen wäre« stehen (vgl. I. Thess , 5), so wollte Paulus einer Vereitelung seiner bisherigen und »seiner künf- kkäsdi?TIERE?ZIZRTBZELSUZZTYFSF DTFMMFDF etc, ie er a Evangelium Fnter den Heitåen vderkündigth ihre Zu- timmun ä en, wie ie as enn au in A ot. is, 7 ff. xihätem weil ohite diese Zustimmicihng und, Tit?- erkennung die von ihm bekehrten Christen außer der Gemeinschaft mit den übrigen geblieben wären. (de Wette.) So selbständig er seine Laufbahn begonnen hatte, so mußte ihm doch daran liegen, sich mit der Urgemeinde klar auseinander zu setzen: wie sehr »er Ursach zu einer solchen Verstandcgung hatte, zeigt schon der Versuch, die Beschneidung des Titus zu er- zwiYgen, welchem er entgegentreten mußte. (Hilgenfeld.) · W) Das ,,o»b er· wohl ein Gr1eche»war« bezieht sich aus: ,,der mit mir war«; Paulus Ist sich naml1ch der Kühnheit, 1a des Trotzbieteits bewußt, welches darin gelegen hatte, den Griechen mit sich auf das Concil nach Jerusalem, den Sitz des Judaismus, zu nehmen» denn gerade» als apostolischer Lehrgefährte mußte ein solcher m seiner herdmschen Unbeschmttenheit sur die xudarjtisch Gesinnten besonders argerlich »sein (Apostg.·21», 28), er wollte aber i·n ihm der Bruder einen be: sich haben, sur deren Freiheit es etnzustehen galt gegen jene Judaisten, welche in die Gemeinde zu lntiochien hier eingebrochen waren. Gewöhnlich nun meint man, in den Worten: ,,es ward auch Titus nicht Fzwungem sich zu »beschne»iden«, liege, daß man die s eschneidung des Titus nicht gefordert habe; aber dann wurde der Ausdruck; ,,wurde nicht gezwungen« ohne Veranlassung sein» vielmehr ward wirklich feine Beschneidung, ohne Zweifel aus Anstiften jener salschen Bruder V. 4., gefordert, Paulus und Barnabas aber g ab en nicht»1ia»ch, und ihr Widerstand ward respektirtz (Meher.) Willkurlich ist die Unterscheidung, V. 3—o enthielten den Bericht uber die allgemeine Zusammen- kunft mit der ganzen Gemeinde, erst V. 6—10 dann den über die Separateonferenz mit den Aposteln; das Urtheil derer, die er in V. 2 unter dem ,,mit ihnen« meinte, tritt vielmehr ganz zurück, und nur von den zuletztgenanntenx »die das Ansehen hatten« redet er. Daß er deren Zustimmung erhalten habe, halt er den Jrrlehrern entgegen; es ist also auch in dem, was im vorliegenden Verse steht, ein Urtheil der Ur- apostel zu sehen. (Schmoller.) . f) Nach dem Wortlaut des Grundtextes: Und zwar sging der Zwang nicht durch V. 5]» wegen der neben eingeschlichenen falschenBruder, welche sich hereingeschlichen haben, zu verkund- schasten . . .; welchen wir nicht einen Augen- blick nachgegeben haben u. s. w. konnte es sche1- nen, als habe Paulus dem Verlangen der Beschneidung des Titus an sich wohl nachgeben können, also die Annahme der·Beschne1dung in diesem Falle für an s ichunbedenklich gehalten; wie würde aber diese Nach- giebigkeit zu seinem In Kap. 5, f. ausgesprochenen Grundsatz von der Unverembarkeit der Annahme der Beschneidung und der durch sie ubernommenen Ver- pflichtung» zum Gesetz mit der· Gnadengememschast shrkståsqftz«"i’ki"inixsk"is fis« kJZTJTLTkFFFXkFk2FHET rin . . , ., 1 e , wie er berufen sei, sei er beschnitten oder unbeschnitten? Eine solche Nachgiebigkeit würde Ja offenbar die mög- lichste Anbequemung an den Standpunkt der Gesetzk l»·1chen, von der m 1.»Eor. 9, die Rede ist, weit uberschritten haben; hochstens hatte Paulus sich, wenn 390 Galater 2, 6——10. es denkbar wäre, die Beschneidung als äußere Handlung ohne religiöse Bedeutung gefallen lassen können. Aber der Apostel sagt nur, daß er mit Rücksicht auf jene zelotischen Judaisten ernstlich wider- stehen zu müssen geglaubt habe, ohne damit zuzu- gestehen, daß er sich die Beschneidung an und für sich wohl hätte gefallen lassen können, daß er den Andern, welche dasselbe verlangten, gar keinen Widerstand ge- leistet haben würde: sie, jene Judaisten, waren es, die ihn vor allem abhielten, durch ein momentanes Zugeständniß an die Andern einen der christlichen Freiheit so gefährlichen Grundsatz, aufkommen zu lassen; deshalb erwähnt er sie als das besondere Mo- tiv seines Widersiandes wenn er sagt, das Verlangen sei standhaft abgewiesen worden, und zwar wegen der falschen Brüder, woraus noch gar nicht folgt, daß es nur ihrethalben abgeschlagen wurde. (Hilgenfeld.) Daß die seligmachende Wahrheit des Evangelii, wie sie Paulus in Lauterkeit unter den Heiden gepredigt, unverrückt bestehen bliebe als der Felsengrund der Kirche, danach hat er gerungen, und das hat er auch als Siegespreis davon getragen. Sein ,,bei euch«, womit er den Galatern insonderheit zueignet, was die ganze zum Himmelreich berufene Heidenschaft angeht, faßt auch uns mit: auch uns zu gut hat Paulus einen guten Kampf gekämpft gegen die falschen Brüder um das Kleinod der Wahrheit des Evangeliiz und als unter dem Papstthum die von der apostolischen Kirche abgewehrte Gefangenschaft die Christenheit weit und breit umschloß,,da ist Pauli Zeugengeist aufgewacht in M. Luther, um mit neuer glühender Zunge die Wahr- heit des Evangelii zu bekräftigen (Besser.) is. Von denen aber, die das Ansehen hatten sden Aposteln — hier sollte nun der Nachsatz folgen: ,,vernahm ich nichts, was zu dem noch hinzugekommen wäre, das ich nieinerseits bei der Besprechung V. 2 ihnen vorgelegt hatte«; der Apostel schiebt aber erst eine Zwischenbemerkung ein und nimmt dann den abgebrochenen Gedanken am Schlusse des Verses in anderer Form wieder auf ——], welcherlei sie weiland sehemals Kp.1, is] gewesen sind snämlich Jünger des HErrn scho1i m den Tagen seines Fleisches, und zwar seine bevorzugten Jünger], da liegt mir nichis an; denn Gott achtet das Anscheii.der Menschen nicht [daß er mit seinen Offenbarungen und Gnaden- gaben an eine bestimmte Klasse als die ein für alle Mal bevorzugte gebunden wäre und jene nicht auch Andern zuwenden könnte]. Mich aber sum die vorhin angefangene Rede nun weiter zu führen] haben die, so das Ansehen hatten, nichts anders gelehrets [als was ich ihneii durch Mittheilung meines eigenen Evangelii von dem christlichen Heilswege schon vorgetragen hatte]; 7. Sondern wiederum [richtiger: im Gegen- theil], da sie saus dem, was ich ihnen über meine Wirksamkeit berichtete] sahen, daß mir« ver»- trauet war das Evangelium an die Borhaut [die Heiden Röm. 2, 26; 11, 13; 1, 5], gleichwie Petro sdem Repräsentanten der Zwölfe] das Evangelium an die Beschneidung [die Juden Röm. 3, 30; 1. Cur. 9, 2], 8. Denn sso ging ja aus ineinem Bericht offensichtlich hervor] der sGott Kap.»3, 5., der] mit Petro kraftig ist gewesen zum Aposielamt unter die» Beschneidung [es mit Erfolg auszurichten], der ist mit mir auch lraftig gewesen unter die Heiden [Apostg. 15, 3 s. u. 12]; 9. Und erkannten [von da aus rückwärts] die Gnade, die mir gegeben war sdaß ich nämlich eben sowohl ein unmittelbar von dem HErrn be- rufener Apostel sei, wie sie selber, vgl. die Wem. zu Apostg. 15, 3], Jakobus [der seit Apostg. 12, 17 nach der Hinrichtung des älteren Jakobus an der Spitze der jerusalemischen Gemeinde stand Apostg. 15, 13 ff.] nnd [mit ihm] Kephas soder Petrus Joh.1,42; 1. Cor. Z, 22; 9, b; 15, 5 — es scheint, daß Paulus sich überall da dieses hebräischen Namens bedient, wo er auf die Aus- drucksweise der judenchristlichen Parteien eingeht, die aus jüdischem Purismus den Petrus lieber so bezeichueten] und Johannes, die für Säulen sin der Kirche Christi l. Tun. 3, 15; Offenb. Z, 121 angesehen waren: gaben sie mir und Barnaba die tcchie Hand szu einem Bundesschluß] »und wurden mit uns eins, daß wir unter die Heiden, sie aber unter die Beschneidung predigtenz 10. Allein [dieser, sonst kein Vorbehalt weiter wurde gemacht], das; wir der Armen jin den Ge- meinden Judäcks Röm. 15, 25 f., wie wir das schon einmal getha»n»Ap»ostg. 11, 29 f.] gedachten, welches ich auch fleißig bin gewesen zu thun« lwie ich denn demnächst bei euch selber eine dahin zielende Collekte veranstalten werde 1. Cur. 16, 1]. V) Während Paulus in V. 2 diejenigen, die er in Kap. 1, 17 als die bezeichnet, die »vor mir Apostel waren«, einfach als Leute des Ansehens oder als Auctoritäten, wie man kurzweg zu sagen pflegt, inner- halb der Kirche charakterisirt, wofür er auch selber sie gelten lassen kann, wenn man nur mit ihrer Auc- torität nicht die seinige zu erdrücken versucht, gebraucht er an unsrer Stelle im Grundtext eine etwas andere Bezeichnung, die im Deutschen etwa so wiedergegeben werden kann: »die dafür angesehen werden, etwas Großes zu sein«, weil er nun nicht mehr mit ihrem rechtmäßigen Ansehen innerhalb der Kirche, sondern mit demjenigen es zu thun hat, das in übertreibender Werthfchätzung im Gegensatz, zu ihm die Judaisten ihnen liehen; um dann diese iibertreibende Werth- schätzung nach dem, worauf sie sich gründete, näher anzugeben, fügt Paulus zuerst die Beiiierkuiig hinzu: ,,welcl)erlei sie (Jakobus und Kephas und Johannes V. 9)« weiland gewesen sind, da liegt mir nichtsun (das ist mir gleichgiltig)·«. Jn Beziehung »aus diese Drei machten nämlich die Judaisten (und wie damals die in Jerusalem V. 4 u. Apostg. 15, I. 5. 24., so hernachmals die in Galatien Kap. 1, 7; 4, 17; 5, 7 ff; S, 12f.) geltend, daß sie iiicht nur, wie die Urapostel überhaupt, des HErrn unmittelbare Schüler bei seinen Lebzeiten gewesen, sondern noch außerdem seine ver- trautesten Freunde (Kephas nnd-Johannes Mark. 5, 37; 9, Z; 14, 33) und nächstverwandten Brüder (Jakobus Kuh. I, 19); da weist er nun mit jenem Worte diese Momente der Ueberschätzung als uugiltig ab, wenn sie nicht blos Menschem sondern Gott selbst Uebereinkommen der drei Apostel mit Paulus über die zwei Arbeitsgebiete. 391 gegenüber insofern geltend gemacht werden, als habe dieser nicht auch ihn, den Paulus, zu einem Apostel, und zwar zu einem den Dreien völlig ebenbürtigen Apostel berufen können, sondern sei mit der Macht und Tragweite seiner Berufung auf die beiden Momente beschränkt gewesen, indem er die weitere Bemerkung anschließt: »Gott achtet das Ansehen der Menschen nicht«. Diese Bemerkung nun macht er- zugleich im Hinblick auf seine eigene Person, nur im gegentheiligen Sinne: bei den Dreien fände ein Ansehen der Men- schen dann statt, wenn das, was an ihrer Person von den Jrrlehrern hervorgehoben wurde, Gott wirklich, wie sie mit ihrer Ueberschätzung im Grunde behaup- teten, also die Hände bände, daß er nicht noch einen Andern im Apostolat ihnen gleichstellen dürfte; bei ihm dagegen hat der Umstand, daß er vordem ein Lästerer und ein Verfolger und ein Schmäher gewesen (1. Tim. 1, 13), Gott nicht abgehalten, ihn zu einem auserwählten Rüstzeug zu erwählen (Apostg. 9, 15). Jndem denn Paulus nach dieser zwiefachen Bemerkung den Gedanken, den er zu Anfang des Verses bei den Worten: »Von denen aber, die das Ansehen hatten« im Sinne hatte, aber einstweilen fallen ließ, nunmehr nachbringt, ändert er die Form, in welcher nach regel- rechter Construction die Nachbringung eigentlich hätte geschehen müssen, um zuvörderst mit em ,,mich aber«, wodurch er auf seine Person einen Nachdruck legt, als auf eine ebenfalls von Gott hoch bevorzugte und jenen drei Hauptaposteln völlig ,gleichgestellte, bemerklich zu machen, daß die Drei die Bedeutung seines Apostolats erkannt hätten, worauf er dann erst die Auslassung bringt, daß hinsichtlich der andern Sache, um die es gemäß dem zweiten Theil der Einleitung (Kp. 1, 6 ff.) in unsrer Epistel sich handelt, hinsichtlich nämlich seines Evan eliums, von den Dreien weder etwas zur Beri tigung noch zur Vervollständigung ihm gesagt, sein Evangelium also als völlig correkt bestätigt wor- den sei. ,,Ein Zusatz zu Pauli evangelischer Predigt wäre es gewesen, wenn die Forderung der falschen Brüder, wie sie in Apostg. 15, 3 sich verlautbarte, von Seiten der Angesehenen Billigung gefunden hätte; aber davon ist das Gegentheil geschehen«. Es) Hiermit war aus’s Stärkste die Anerkennung der Ebenbürtigkeit des Paulus, speziell die Billigung seiner Lehre ausgesprochen: so wenig verlangten die älteren Apostel eine Aenderung seiner Lehre, daß sie vielmehr sie durch dieses Statut vollkommen billigten und auf’s Unzweideutigste erklärten, daß sie dieselbe für reines, zu predigendes Evangelium erkenneten; denn sonst hätten sie nicht dem Paulus die Heidenwelt so beruhigt als Missionsfeld selbst zuweisen können. Allerdings Einen Wunsch hatten sie, betreffend den Paulus und Barnabas; der bezog sich aber ganz und gar nicht auf Aenderung der Lehre, sondern nur auf ihr praktisches Verhalten gegen die Armen Judäa’s. (Schnioller.) Die Apostel erkannten den zwiefachen apostolischen Beruf, nach welchem mit dem Einen Evangelio zwei volksthünilich verschiedene Kreise zu versehen seien (Joh.10, 16), und vereinbarten nun hierauf die Theilung; die dabei selbstverständlich und nothwendig mit der Praxis verknüpften, zunächst schon durch die jüdische Diaspora bedingten Modificationem nach welchen sich die prinzipielle Scheidung der Wir- kungskreise in der That nur relativ und ohne aus- schließl1che geographische und ethnographische Ab- grenzung durchfuhren ließ, beruhten auf sich und blieben unbesprochen. Wie wenig insbesondere Paulus seinen heideiiapostolischeii Beruf als die Bekehrung der Juden von seiner Wirksamkeit ausschließend be- trachtete, ergeben, auch abgesehen von der Apostel- geschichte, Stellen wie 1. Cur. 9, TO; Röm. 1, 16; J, 1ff.; 11, 14. (Meyer.) Die drei Säulenapostel ihrerseits stützten das Mutterhaus Gottes in ganz Judäa, bis Jakobus in Jerusalem den HErrn mit seinem Zeugentvde pries, Petrus gegürtet und ge- führt· wurde, wohin er nicht wollte (Joh. 21, 18), in Pauli Fußtapfen hin zum Märtyrertode in Rom, Jo- hannes endlich blieb, bis der HErr kam zum Gericht über Jerusalem und, nachdem auch Paulus heimge- rufen war, seinen geliebten Jünger zum Pfeiler in dem unzerstörlichen Tempel des wahrhaftigen Jeru- salem, der geistlichen, Juden und Heiden in Christo einigenden Gottesstadt darstellte. (Besser.) Aus unsrer Stelle kann man übrigens über das Verhältniß des Apostels Jakobus Alphäi (Matth. 10, Z) und des Ja- kobus, des Bruders des HErrn, mit dem Beinamen des Gerechten, über das soviel geschrieben worden ist, ob sie zwei verschiedene (Jakobus II. u.1ll.) oder ein und dieselbe Person (Jakobus II.) seien, zu voller Klarheit elangen. 1) Unmöglich kann der hier (V. 9) gemeinte Jakobus ein Nichtapostel sein; denn wenn es auch an und für sich denkbar wäre, daß ein zum Glauben bekehrter Bruder des HErrn um dieser seiner Ver- wandtschast und andrer persönlicher Eigenschaften willen eine hervorragende Stellung in der jerusalemischen Gemeinde erlangt hätte, so konnte das doch keinenfa1ls eine so hervorragende sein, daß er, wie hier und in Apostg.15, 13sf., sogar den hohen Aposteln Petrus und Johannes hätte vorangestellt werden dürfen, wenn er nicht eben selber Apostel war. Auch hätte gewiß Paulus ,» selbst wenn die jerusalemische Gemeinde mit ihren Leitern einer solchen Ueberschätzung der leiblichen Verwandtschaft mit Jesu sich sollte schuldig gemacht aben, sich seinem Worte in 2. Tor. 5, 16 gemäß der- selben enthalten und den Jakobus nicht unter die »Säulen« gerechnet, dafür er nur wirkliche Apostel erkennen konnte (Ephes. ·2, 20); dagegen hätten die Judaisten, welche auf die unmittelbare Jünerschaft Jesu ein so großes Gewicht legten, daß sie aulum nicht wollten für einen Apostel gelten lassen, weil ihm ihrer Meinung nach diese unmittelbare Berufung des HErrn fehle, eine schon äußerlich ganz haltlose Stel- lung eingenommen bei ihrem Kampfe wider ihn, wenn der eigene Vorsteher der Gemeinde zu Jerusalem, für dessen Emissäre sie sich» ausgaben (V. 12), blos zu jenen Brüdern Jesu, die bei seinen Lebzeiten sich ungläubig verhielten und erst nach seiner Auferstehung sich-zu ihm bekehrten (Joh. 7, 5; 20, 17; 1.Cor.15, 7), nicht aber zum Kreise der Zwölfe selber gehört hätte. Hier- nach steht fest, daß der Jakobus hier kein anderer ist, als Jakobus 1I., der Sohn des Alphäus, wie er in allen 4 Apostelverzeichnissen (Matth. 10, Z; Mark. 3, 18; Luk. S, 15; Avostg 1, II) heißt; an Jakobus I. zu denken wäre bei der im Jahr 44 n. Chr. erfolgten Hinrichtung dieses» Apostels (Apostg. 12, 1 f.) um: dann moglich, wenn die hier erzählte Reise des Paulus nach Jerusalem einerlei wäre mit der in Apoftg. 11, 29 f. berichteten, was wir aber bereits oben als eine unhaltbare Annahme znrückgewiesen haben. 2) Urk- möglich kann der in Kap. 1, 19 von Paulus als ,,Bruder des HErrn« gekennzeichnete Jakobus eine andere Person sei, als der an unsrer Stelle eine Säule genannte und damit als Apostel charakterisirte Jakobus: Paulus hätte seine Leser nicht mehr verwirren und irre führen können, als wenn er hier-plötzlich, ohne alle Andeutung der Verschiedenheit, einen andern Ja- kobus gemeint hätte, als den kurz zuvor erwähnten Bruder des HErrw Es erklärt sich sehr leicht, daß Paulus bei der ersten Erwähnung dieses Jakobus (1, 19) dessen Verwandtfchaftsverhältniß zu dem HErrn 392 Galater 2, 11—14. nicht blos zum Unterschied von Jakobus I., der bei seiner damaligen Reise noch lebte, angab, sondern auch um das zu bezeichnen, was diesem Jakobus II. bei seinen judaistischen Gegnern ein besonderes Ansehen verlieh (vgl. zu Kap. 2, 6); und wiederum erklärt es sich von selbst, daß Paulus zum zweiten Mal (·2, I) die einmal » egebene nähere Bezeichnung, die jeder auf- merksame Leser noch im Sinne haben mußte. nicht wiederholt, ja, er konnte von dem unbefangenen Leser gar kein anderes Verständniß erwarten, da er nicht im Geringsten andeutet, daß er nun einen andern Ja- kobus meine. III. V. 1l——21. Aber nicht nur nicht belehrt ist Vaulus von den Kposteln, nicht nur anerkannt ist er von ihnen und in ihren Bund aufgenommen, wie die beiden vorigen Abschnitte ausgeführt haben, sondern, so fährt der Apostel in diesem dritten Abschnitt fort, er hat sogar seine aposioltsche Kurtoriiät gegen einen der- selben, und zwar gegen Vetrus selber, geltend ge- macht, und dieser hat sich ihr unterworfen; gleichwie nun der hier berichten, in der Jlpoltelgeschichte mit nichts angedeutete Vorfall für die Größe des Paulus zeugt, daß er eine solthe Vorhatlung wagen konnte, so zeugt er nicht minder für die Größe des petru s, daß er unter die scharfe Uüge seines idiitapostels sich beugte. Kus V. 14 ff. geht bestimmt hervor, daß der Vorfall später stattgefunden haben muß, als bald nakh der Zeit des Ilvosteldelirets in Zwang. 15, 23 ff» wie manche Jiusleger daraus haben erschließen wollen, daß Paulus hier ohne ssezeichnung eines Zeilunterschiedes zwischen V. lss. und V. il ff. sogleich weiter erzählt; denn bei dieser Verhandlung vor der Gemeinde ist die geskhtctjtliche Entwickelung der Verhältnisse schon weiter vorgerüoih als bei dem Ztpostelconcik indem es ßch in der Saihe selbst nicht mehr blos darum handelt, ob das Geseh den Hetdenchristen auferlegt werden solle oder nicht, sondern bereits darum, ob die Sudenclfristen in ihrem ilmgange mit den tjeidenclirißen sich nunmehr der Fesseln ihrer nationalen Sseisevrrbote entledigen dürften, durch die sie bisher noeh sich hatten gebunden erachtet. Während also Paulus, als er das erslc illa! nach Galatien lmm (2tpostg. 16, 6), das Kposteleoneil hinter sich hatte, tiam er, als er zum zweiten Aal sich dort einstellte (Jlyostg. is, 23), unmittelbar von dem Jusammenstoß mit Petrus und Zarnabas her, was für seine Stellung Zu den Ga- latern nicht ohne Bedeutung ist. 11. Da aber sum das Jahr 54 n. Chr.] Petrus gen Antiochien [inSyrienApstg.11,20 ff.] kam, Widerstund ich ihm [als auch ich nach der in Apoftg. 18, 22 angedeuteten Reise nach Jerusalem mich wieder in Antiochien einfand] unter Augen [in der V. 14 ff. näher angegebenen Weise ihm sein Unrecht offen vorhaltend]; denn es war [von Seiten der dasigen Christen] Klage übel: ihn kommen IF] er mit feinem Verhalten Aergerniß gegeben a e . 12. Denn zuvor, ehe etliche von Jakobo svon der unter des Jakobus Leitung stehenden Ge- meinde zu Jerusalem] kamen, aß er sganz feinen Grundfätzen in Apoftg. 15, 7 ff. gemäß] mit den Heiden [hielt mit den Christen aus den Heiden Tifchgemeinfchaft, sich freundlich und brüderlich zu ihnen stellend l. Cor. b, 11]; da sic aber [eben diese Leute des Jakobus, die da Vertreter waren der auf Seiten dieses Apostels und seiner Gemeinde herrschenden strengeren Ansicht] kamen, entzog» et sich sjenen Heidenchristen] nnd sonderte sich fvon Ihnenszgleich als ob der Verkehr mit ihnen ihn verunretmge Apostg 10, 28], darum, daß et die von der Beschneidung saus Jerusalem] fürchtete [fie möchten ihn bei der dortigen Gemeinde in ein übles Licht stellen]. 13. Und heuchelten sann] tnil ihm [die bessere Ueberzeugung im Herzen durch ein widerfprechendes Verhalten nach außen verleugnend] die andern Juden [d. i. Judenchriften der antiochenischen Gemeinde], also, daß auch Barnabas fder doch bei der damaligen Verhandlung in Jerusalem V. 1 ff. den falschen Brüdern gegenüber so standhaft mir zur Seite gestanden und den Beruf eines Apostels unter den Heiden ausdrücklich mit angenommen hatte] verfithret ward, mit ihnen zu heucheln fund ebenfalls ganz gegen feine eigentlichen Grundfätze die Tischgemeinfchaft und den Verkehr mit den Heidenchriften aufzuheben] 14. Aber da ich sahe» daß sie nicht richtig wandelten nach der Wahrheit des Evangelii [V. 5 und diese durch ihr praktifches Verhalten in die Gefahr der Verdunkelung, Ia gar der Verkehrung brachten] sprach ich zu Petro vor allcn dsfentlich [vor versammelter Gemeinde, welcher er. Aergerniß gegeben V. 11·; 1;T1m.·5, 20]:« So du, der du svon Geburt] ein Ende» bist, [nat1«onal-] heidnisch lebest sfooft die Umstande es mit sich bringen], und nicht -1udisch, warum zwingest du denn [durch deine fetzige Absonderung] die Heiden[-chkisten, wenn sie noch Gemeinfchaft mit dir haben wollen], 1ud1seh» zu leben [genauer: Juden zu werden, oder xudisches Volksthum anzunehmen Efth. 8, 17., Indem sie sich ganz dem xüdifchen Cerimonialgesetz unterwerfen]·? » · . Zum richtigen Verftandntß dieser anzen Verhand- lung ist es von großer Wichtigkeih das; wir über zwei Punkte, die von den Auslegern vielfach nicht« gründlich genug oder doch nicht sachgemäß erörtert werden, zur Klarheit kommen: 1) wer find die ,,etliche von Jakobo« in»V.1·2? sind sie, wenn auch nicht dieselben Personen mit den ,»,»falschen Brüdern« in V. 4 oder den ,,etlichen von Judaa«»und den ,,etlichen von der Pharisäer Seite, die glaubig waren geworden« in Apostg 15, 1 u. 5., so doch Gesinnungsgenossen mit ihnen, oder find Judenchristen noch anderer Art (vgl. Apostg. 11, 3 u. 18 Anat) darunter zu verstehen? Z) was bedeutet das ,,he1dn1sch leben, und nicht 1itdisch«, das Paulus in V. t4 von Petrus aussagt, und was das »jüdisch leben«,· zu welchem· letzterer nach des ersteren Behaup- tung die Hetdenchriften zwinge? Wir brauchen beide Punkte nicht einen nach dem andern abzuhandelm sondern indem wtr den einen erledigen, wird uns zu- gleich der andere zum Austrag kommen. Da ftebt es nun zunachft außer allem Zweifel, daß· die etlich en v on Jakob o nicht schlechthin Jene pharifäifch gefinnten Gesetzeseiferer wieder sind, die vor 4 Jahren sich so breit machten und die damals Jakobus selber desavouirt hat (Apoftg.15, 24); wenn sie auch nicht, wie Manche Geltendmachung seiner apostolischen Auctorität von Seiten des Paulus gegenüber dem Petrus. 393 in irrthümlicher Bezugnahme auf Matth. 26, 477 Mark. 5,35; LT ess. 3,6 den Ausdruck haben fassen wollen, geradezuA ges andte desJakobus waren, so doch Leute aus der Umgebung oder der Gemeinde, und wohl auch von der Ansicht desselben. Steht denn aber dvies fest,chsoSckk)anfi;e in unsermt Zlbkschnitt sickåiiz»nji)cht, ie man e ri r arer gemein a en, um ie er- aufhebung dessen, was nach Apostg.15, 22 ff. das Apssostsclljoncg sübes Ftellgng dZr Hdeilivengjristen zuån mo ai en e etz e o en atte, an eii; enn gera e von Jakobus war damals der Beschluß ausgegangen (Apostg. 15, 19 f.), daß die, so aus den Heiden zu Gott sich bekehren, nicht mit dem mosaischen Gesetz beschwert werden»sollten, sondern nur, was die Speisen betrifft, vom Gotzenopfer und vom Blut und vom Erstickten sich zu enthalten hätten ,» und nimmermehr wird ein Apostel des HErrn, wofur wir den Jakobus ggki»ssgxxskgkkx«gkkkgi- sug sskgsshkiusäisjgsisiiszs i , e un ) i e - gängig machen wollen, was laut des von ihm ver- faßten Schreibens »dem heil. Geiste gefallen« (Apostg. 15,· 28); aus Apostg.31, 25 ersehen »wir im Gegen- theil, daß er sogar 4 Jahre spater an jenen Satzungen bestimmt festhielt. Wohl aber, so haben wir oben in gerttEinleitiåznglzuf iånserxtmoslllhschifitt gchonAanFedeuteti a en im er au er Ja re eit em po te conei die Verhältnisse geschichtlich sich weiter entwickelt. Wenn nämlich ein Judenchrist Tischgemeinschaft hielt Initt einesmch HeitgenlcthristemGsotz thax er, selkåxtl wem; etz erer i en ie vom ö enop er, vom ut un vom Ersticktem damit noch lange nicht seinem nationalen Gesetz Genüge; denn dieses verbot in 3. Mos. 11 eine Menge von Fleischspeisenals unrein, die einer ganz anderen Kategorie a1igehoren, als der in dem aposto- Its« Bist-instit;srsgstgikgxggjzkxxsiizg sätch . . ei en Judenchristen· darum handeln, ob er von dem Fleisch eines ordentlich geschlachtetem nur fur die Haushaltung verwendeten Schweines, Hausen, Aales u. dgl. mit- essen dürfe oder nicht. Da war nun Jakobus gemäß seine: streng gesetzlichen Richtung der Meinung, daß ein Judenchrit das nicht·durfe. An dem Beschluß in Betreff der Heidenchristen zwar, den er selber im J. 50 herbeigeführt hatte, wollte er durchaus nichts andern; diese, »so dachte er nach wie vor, brauchten sich an die mosaischen Speiseverbote nicht zu kehren. Anders- jedoch verhielt es sich seiner Ansicht nach mit den Judenchristen: für sie bleibe Moses in seiner Geltung bestehen (Apostg. 1.5, 21); und wir haben zu Apostg. 18, 22 gesehen, wie nahe es den Judaisten derjenigen Klasse, die uns schon in Apostg 11, 2 f. entgegentrat und deren dann auch Jakobus in Apostg 21, 20 in allen Ehren gedenkt, durch die Zeitverhalt- nisse gelegt war, die Bande wieder fester zu schnüren, dadß es? fsävenig dwie sitz) diechjekusaldeinicschg und sdie ju äi en emein en, au ni t ür ie u enchri ten in der Diaspora zu einer Preisgebung de? väterlichen Gesetzes käme, wozu« durch die immer weiter gehende Ausbreitung des Christenthums unter den Heiden soviel Veranlassung sich bot. Sie hielten»es also· für noth- wendig, daß ein Judenchrist aller Tischgemeinschaft mit Heidenchristen sich enthielte: mochten diese freierleben, weil Mosis Gesetz sie nichts angehez aber für einen, Mit? dFTsBGTFTZTs"Ti«Z"siikwålii RTkdTTJsFTchTUF g r i e , würde ein gleicher Gebrauch der Freiheit eine Ver- leugnung solcher Verpflichtung sein. Paulus seinerseits gut dick Judenchristsn fdiesikfrchKlflsse f: Jäidäadund eru a em wo ie ür i a ein atan en un mit Heidenchristen in keine solche Berührung kamen, daß sie hätten sich nach ihnen richten müssen, wenn die Gemeinschaft in Christo auch in der äußeren Lebens- form aufrecht werden sollte, als vollkommen berechtigt angesehen und deshalb sowohl bei feiner Reise nach Jerusalem in Apostg. 18, 18 ff., als bei seiner letzten Anwesenheit daselbst (Apostg. 21, 20 ff.) sich ganz nach den näiiilichen Grundsätzen gehalten und ist den Juden geworden ein Jude (1. Cor. 9, 20); er erkannte, welche Stellung die palästinensischen Gemeinden nach des HErrn eigenem Willen(Matth. 24, 20) zu dem mosaischen Gesetz bis zu ihrer Ausführung aus dem dem Gericht verfallenen Lande einzunehmen hätten, damit es mit diesem Gesetz zu einer ehrlichen Bestattung zur rechten Zeit, und nicht u einer eigenmächtigen und gewaltsamen vor der eit käme (Apostg. 21, 30 Anm.), und welchen Beruf dem entsprechend Jakobus, des HErrn Bruder, bis zu dein ihm bestimmten Hingang (Matth. 23, 35) auszurichten habe (Apostg. 12, 17 u. 21, 30 Anm.; vgl. Anh. Il. zum 6. Bande unter b. Nr. 2). Jn heidenchristlichen Gemeinden dagegen, zu denen auch die zu Antiochien zählte, ja für welche diese die Muttergemeinde war, galten dein Paulus die Judenchristen von des Jakobus Richtung für die Schwachem er hat in diesen Gemeinden, soweit er seit Antritt seines Apostelamts selber sie geftistet, nicht einmal das jerusalemische Aposteldekret, das für sie auch gar nicht mitbestimmt war, veröffentlicht, sondern in selbsteigener Weise deren Verhältnisse geordnet (Apostg. 15, 23 Anm.), und will nun, während er dem Prinzip nach sich auf die Seite der Starken stellt, doch in der Praxis jene von diesen geschont wissen (Röm. 14,-1ff.; I. Cor. 8, 1ff.). Seinen Grundsätzen nach konnte also ein unter den Heiden lebender Judenchrist auf dem Markte Fleisch kaufen, ohne sich Bedenken zu machen, ob es etwa Götzem opferfleisch sei, und ebenso an dem Tische eines Heiden- christen essen, ohne erst zu fragen, ob nicht etwa der- gleichen Fleisch mit aufgetragen sei, wenn ihm das nur nicht etwa ausdrücklich angezeigt ward (1. Cor. l0, 25 ff.); wiederum aber sollten Heidenchristen bei Pflege der Tischgemeinschaft mit Jiidenchristen, die sich noch an die mosaischen Speisegefetze gebunden erach- teten, in Betreff der Speisen, die sie auf den Tisch brächten, jener Gewissen respektiretr. Wir dürfen wohl voraussehen, daß in der Gemeinde zu Antiochia diese vier Jahre daher die Heidenchristen ihrerseits sich genau nach den Beschlüssen des Aposteleoneils gehalten, die Judenchristen dagegen ihrerseits sich nicht mehr an die mosaischen Bestimmungen über reine und un- reine Thiere gebunden erachtet und somit beide Theile vollständig Tischgemeinschaft mit einander gepflogen hatten: diese Muttergemeinde der Heidenkirche, An- tiochia, wie sie vor etwa 12 Jahren den Uebergang des Reiches Gottes von den Juden zu den Heiden in Fluß gebracht (Apostg. 11, 19«fs.), darnach 8 Jahr später die Anerkennung der Freiheit der Heidenchristen vom mosaischen Gesetz auf Seiten der Urapostel und der jerusalemischen Gemeinde ausgewirkt hatte (Apstg. 15, I ff.), war nun aber vom HErrn auch dazu ersehen, eine weitere Entwickelung seines Reiches auf Erden, die jetzt in Anbetracht der nach etwa einem Deeenniuni bevorstehenden Zukunft nothwendig geworden, einzu- leiten, jene nänilich, da die Heerde, die nicht aus Jsraels Stalle war, zur eigentlichen Hauptheerde werden sollte, in welcher schließlich die andere, die aus Jsraels Stalle, auszugehen und ganz und gar zu verschwinden hätte (Apostg.15, 3 Anm.); und dazu gehörte ja wesentlich das Ablassen von der Beobachtung der jüdischen Speiseordnung Zu einem solchen Ab- lassen war zu allererst Petrus, der Apostelfürst, um 394 Galater S, 1 5——2 l . uiis einmal dieses Ausdrucks, jedoch nicht iin römisch- katholischen, sondern nur in deuijenigen Sinne, in welcheni St. Matthäus ihn als den »ersten« (Matth. 10, Z; 16, 17 ff. Anm.) bezeichneh zu bedienen, durch das Gesicht in Apostg. 10, 10 ff. vom HErrn autorisirt und angehalten worden; er hat es denn auch ohne Zweifel bereits im Hause des Cornelius, als er etliche Tage bei ihm blieb, schon praktisch verwirklicht (vgl. Apostg. 10, 48 mit 11, 3), und hielt nun jetzt, als er nach Antiochien gekommen, um sich von da aus weiter zu der Diaspora in Niesopotamien zu begeben, sich in der Weise, wie Paulus sie mit dem Ausdruck be- zeichnet: »du, der du ein Jude bist, lebest heidnisch, und nicht jüdisch«. Es ist das selbstverständlich nicht vom sittlichen Wandel gemeint, sondern lediglich die äußere Lebensführung in Nichtbeobachtung der mo- saisch-rituellen Gesetzesbestimmungen damit bezeichnet, welche Lebensordnung die andern Judenchristen zu Antiochien, mit Barnabas und Paulus an der Spitze, schon seit Jahren sich zum Grundsatz gemacht hatten, da die Tischgemeinschaft mit den Heidenchristen und damit der unbeschränkte gemeindliche und private Ver- kehr mit denselben bei ihnen ja herrschende Regel war (vgl. das: ,,es war Klage über Petrus gekonimen«, was auf eine Verletzung der bei der Gemeinde im Schwange gehenden Sitte hindeutet), und das alles nur dann sich folgerichtig durchführen ließ, wenn über- haupt die rituellen Gesetzesbestimmungen in Wegfall kamen. Diese letzte Consequenz zu ziehen, scheuete sich denn auch Paulus keineswegs, ja er hat wohl auch Andeutungen gemacht, daß Judenchristen eigentlich nicht in der Lage wären, die in ihrem Christenstande ge- zeugten Kinder (1. Cor.7, 14) der Beschneidung zu unter- werfen, so daß, was Jakobus in Apostg. 2l, 21 ihm sagt, auf keiner bloßen Nachrede oder eigenen Schluß- folgerung der judaistischen Christen beruht. Letztere nun, die judaistischen Christen, wie wir sie kurz be- zeichnen wollen, ohne sie damit jenen pharisäischen in V. 4 u. Apostg. 15, 5 geradezu gleich zu stellen, sind in einigen ihrer Vertreter jetzt von Jerusalem nach Antiochien gekommen, wie es scheint,,noch bevor Paulus laut der Andeutung in Apostg. 18, 22 den- selben Weg machte, doch etwas später, als Petrus emäß unsrer Annahme zu der eben angeführten åtelle die nämliche Straße gezogen war. Dieser kam von Jerusalem mit dem bestimmten Bewußtsein, daß dieZeit der Gnade für Jsrael schon so gut wie zu Ende sei, und in der Absicht, sich ein Arbeitsfeld unter den Juden der Zerstreuung zu suchen, wo er ja auch mit der Heidenwelt in nähere Berührung kommen mußte; da ergab es sich denn ganz von selbst, daß er in Antiochien anfing, heidnisch zu leben, und nicht jüdifch, indem die in Apostg. 10 ihm von dem HErrn gewissermaßen aufgenöthigte Lebensordnung ihm nun zu einer Sache desfreien Entschlusses wurde, er auch erkannte, daß, nachdem für die Berufung zu Christo der ansängliche Unterschied von Heiden und Juden aufgehoben sei (Apostg. 10, 34 f.), auch der mosaische Unterschied zwischen unreiner und reiner Speise aus- gehört habe (Apostg. 10, 155 1. Cur. 10, 26). Anders dagegen stand es mit jenen ,,etlichen von Jakobo«, die nach ihm daselbst eintrasen; zu Apostg. 10, 16 haben wir näher ausgeführt, wie schwer solchen Juden- christen, die nicht durch eine unmittelbare Offenbarung des HErrn von ihren Gewissensbedenken losgemacht worden waren, die Zuinuthung heidnisch zu leben und nicht jüdifch, auf’s Herz fallen mußte; und diese Zumuthung trat an sie heran, wenn sie solche Lebens- weise nicht nur bei den antiochenischen Christen ihres Geblüts vorfanden, sondern auch einen so hochgehaltenen Apostel, wie den Petrus, selber sie beobachten sahen. Wir können uns da wohl denken, daß sie mit dem Apostel zu zanken anfingen, wie in Apostg. 11, 2 f. die aus der Beschneidung mit ihm zankten; damals nun konnte Petrus sich der auf ihn gemachten An- grisfe damit erwehren, daß er auf einem Amtswege in das Haus des Cornelius gekommen und durch ein Amts geschäft darauf geführt worden sei, mit Männern, die Vorhaut haben, zu essen, das aber konnte er hier nicht sagen, sein Verkehr mit den unbeschnittenen Heidenchristen war höchstens ein gemeindlicher, keineswegs ein amtlicher, ja nicht einmal blos ein gemeindlicher, sondern theilweis sogar ein privater, und so glaubte er den Angriffen weichen zu müssen, entzog sich nunmehr dem Verkehr und sonderte sich ab, vielleicht in der Selbstvorspiegelung daß er, wie er vor- hin den Heiden ein Heide geworden, so nun den Juden ein Jude werden müsse (1. Cor. 9, 19 ff.), ohne zu bedenken, daß er eben denen, weichen er zuvor ein " Heide gewesen, nun auf einmal ein Jude wurde. Wenn Paulus ihm sein Thun für Heuchelei anrechnet, so ist das nicht hart, sondern durchaus zutreffend: er that mit seiner Absonderung das Widerspiel von dem, was er für recht erkannt hatte, in der Absicht, bei denen aus Jerusalem und in Jerusalem (,,denen von der Beschneidung« V. 12, vgl. Apostg. 11, Z) für einen zu gelten, der es für unrecht achtez er wußte, daß inner- halb der christlichen Gemeinschast der Unterschied von Beschnittenen und Unbeschnittenen schlechthin aufge- hoben sei, und geberdete sich doch also, als ob dieser Unterschied noch ebenso in voller Macht bestehe, wie vormals zur Zeit des alten Bandes. Mit ihm heuchel- ten denn auch die andern Juden der antiochenischen Gemeinde sammt dem Barnabas; diese hegten gleich- falls in ihrem Herzen die Ueberzeugung, die Paulus in Kap.»5, 6 u. 6, 15 so nachdrücklich aussprichh und hatten ihr gemäß seither der jüdischen Lebensform entsagt, um als Christen mit Christen ohne irgend welche Einschriinkung Gemeinschaft zu halten, jetzt auf einmal aber nahmen sie eine Stellung nach außen ein, bei der ihre Meinung im Grunde darauf hinaus-lief, zum rech»ten, ächten hristenthum gehöre Beschneidung und jüdisches Leben. Mihsolchem ihrem Verhalten zwangen sie die Heiden, die Christen schon geworden waren oder es noch werden wollten, daneben auch Juden zu sein oder zu werden; denn nur auf diesem Wege konnten letztere, wenn erstere ihre jetzige Weise weiter beobachten würden, zur vollen Brudergemein- schaft mit ihnen gelangen, anders würden sie für die- selben immer nur ,,Fremdlinge« geblieben sein, die nicht ebenbürtig wären. Und das wog am schwersten bei Petrus, dem »ersten« der Apostel: mit ihm in einer durch nichts gehemmten Lebens emeinschaft zu stehen, mußte ja doch ·wohl den Heiden risten gewaltig am Herzen liegen, weil ohne selbige sie sich vorkommen mußten, als stünden sie, wie vormals außer der Bürger- schaft Jsraels, so jetzt auch außer der Bruderschast Christi; stellte aber Er, dem der HErr des Himmel- reichs Schlüssel gegeben, sich so, als ob niemand an seine Höhe hinanreiche, der nicht werde, was er war, ein Jude, so blieb ihnen ja nichts übrig, als zu ju- daisiren, wie es im Grundtext heißt, d. i. jüdifch- nationale Lebensart anzunehmen und sich ganz in die Weise der Juden hineinzubegeben durch Unterwerfung unter ihr Gesetz sammt der Beschneidung. Und das wollte Er thun, der noch kurz zuvor die heidnische Lebensweise beobachtet und die jüdische, welche von Geburt an die ihm nationale gewesen, darum daran gegeben, weil sie für das Himmelreich, das er in Christo Jesu erlangt hatte, von keinem Belang mehr Des Paulus ausführlicher Vorhalt, den er dem Petrus bei dieser Gelegenheit gemacht. 395 war? — indem Paulus mit dieser Gewissensfrage ihm entgegentrat, mußte er derjenigen Frage gedenken, die er in Apostg. 15, 10 selber an das Gewissen derer gerichtet, die damals also zu thun versucht hatten, wie er jetzt es versuchte, und da war sein Gewissen derart geschlagen, daß er nichts zu erwidern wußte, sondern still des Paulus weitere Rede mit anhören mußte. 15. Wielvohl wir ldu und ich und Barnabas und die Andern hier, die demselben Volke mit uns angehören] von Natur Juden und nicht Sünder aus den Heiden [in dem Sinne] sind sdaß auch wir, wie diese, ohne Gott und ohne gött- liches Gesetz hätten müssen dahin leben Luk. 18, 32 u. 24, 7; 1. Cur. S, I; Ephes·2,12;Röm. 2, 14 und nun auch in ausschweifender Weise der Sünde gedient hätten Matth. 9, 13; 15, 10., was immerhin ein großer Vorzug ist Röm. B, I f.- O, 4]· is. Dur, wen wir wisse« kwie ja du, Petrus, ein solches Bewußtsein selber auf dem Concil zu Jerusalem öffentlich ausgesprochen hast Apostg. 15, 10], daß der Mensch durch des Gesetzes Werke nicht gerecht wird, sondern sallein Many. 12,4]. durch den Glauben an Jesum Christum [Röm. Z, 28], so glauben wir auch ssind auch wir gläubig worden Röm.13,11; 1. Cor. 3, b] an Christum Jesnm, auf das; wir suus damit den Heiden, die das Gesetz, nicht haben und also gar nicht daran denken können, durch dessen Werke gerecht zu werden Ephes Z, 9., ganz gleichstellendj gerecht werden durch den Glauben an Christum, und nicht durch des Gesetzes Werke [durch Werke, welche sich auf das Gesetz beziehen und mit denen man dessen Vorschriften zu erfüllen sucht]; denn fwie schon in Pf. 143, 2 klar genug ausgesprochen wird] durch des Gesetzes Werke wird kein Fleisch fkein mit Sünde und Schwachheit behafteter und also zu vollkommener Gesetzeserfüllung unfähiger Mensch Kap. 3, 21; Rönn 8, Z. 7; 1. Mos. 6, Z, 12 f.; Apostg. 2, 171 gerecht« [Röm. 3, 20]. 17. Sollten wir [Christen aus den Juden] aber, die da [wie eben gesagt] suchen durch Christum gerecht zu werden, auch noch selbst Sünder erfunden werden [daß wir nun, nachdem wir um seinet- willen das Gesetz verlassen haben, nicht anders daran wären, als die Heiden, die von Haus aus das Gesetz nicht gehabt V. 15., wie wir damit zu verstehen geben würden, wenn wir von ihm uns dem Gesetz wieder zuwenden wollten], so wcire Christus ein Sündendiener [der, statt gerecht uns zu machen, uns vielmehr um das noch ge- bracht hätte, was wir vor den Heiden voraus hatten]. Das sei ferne! 18. Wenn ich aber lwie du, lieber Petrus, damit thust, das du das vorhin verlassene Gesetz mit deinem nachherigen Verhalten wieder auf- richtest] das, so ich zerbrochen habe, wiederum baue, so mache ich mich selbst zu einem Ueberireter [be- kenne mich mii diesem Wiederbauen für einen solchen, der mit dem Zerbrechen ein Unrecht be- gangen, und mache eben damit Christum, um dessentwillen ich’s gethan, zum Sündendiener]. 19. Jch bin aber [wenn du an mir dir ein Beispiel nehmen willst, welche Stellung zum Ge- setz im Gegensatz zu deiner unklaren und verwor- renen, wo du bald so bald so zu ihm stehst, wir in Wahrheit einzunehmen haben, vgl. Joh. 21, 181 durchs Gesetz dem Gesetz gestorben, auf daß ich Gotte lebe [Röm. 7, 4—6]; ich bin mit Christo gekreuzigt« 20. Ich lebe aber, doch nun nicht ich [besser: Jch lebe aber, seit ich mit Christo gekreuziget bin, nicht mehr ich], sondern Christus lebet in mir ser ist vermöge seines Geistes, der mich erfüllt, der mich Treibende und Bewegende, alles in mir Wirkende, Bestimmende und Beherrschende Röm. 8, 9 f.; L. Cor. 13, b; Ephes 3- 16 f-J; denn was ich jetzt [von der Zeit meiner Bekehrung zu Christo an] lebe im Fleisch sin diesem sterblichen Leibe bis dahin, wo das Daheimsein bei dem HErrn und damit auch eine andere Lebensform beginnt Phil. 1, 22f.; 2. Cor. 5,6f.], das lebeich im Glauben des Sohnes Gottes [V. 16], der mich g;- liebet hat und sich selbst sür mich dar- gegebenspr [Gal. 1, 4; Rom. 8, 37; Ephes 5 2]. 21. Jch werse nicht weg die [in der Offen- barung Jesu Christi sich uns anbietende 1. Petri I, 13] Gnade Gottes [wie diejenigen thun, welche, nachdem sie dieselbe zu ihrer Rechtfertigung empfangen haben, nun doch das Gesetz Mosis als zur Seligkeit nothwendig wieder auszurichten ge- denken]; denn, so durch das Gesetz die Gerechtig- keit kommt swie sie damit behaupten], so ist Christus vergeblich sganz unnöthiger Weise und rein zu bloßem Luxus] gestotbetiss sund das ist ein so lästerlicher Gedanke, daß der Vordersatz, zu dem er die Schlußfolgerung abgiebt, als ein schlechthin verwerflicher erscheint]. V) Daß der Abschnitt: V. 15—21 Fortsetzung der Rede an Petrus ist, versteht sich für jeden unbefangenen Leser so von selbst und die Annahme einzelner Aus- leger, es finde hier plötzlich ein Reden an die Galater statt, verstößt so sehr gegen den Zusammenhang, daß es unnöthig ist, letztere Annahme erst noch zu wider- legen; allerdings aber sind die Worte nicht blos als u Petrus persönlich gesprochen anzusehen, sondern aulus geht über in eine allgemeine Erörterung zur Belehrun der damals anwesenden Heiden- und Juden- christen. FSchmollerJ Er macht aus dem Handel, der damals über dem Essen und Nichtessen mit den Heiden entstand, einen locum communem Wllgemeinen Lehr- satz), welcher viel weiter reicht, als der Handel selbst; er redet von den Werken des Gesetzes überhaupt. (Roos.) Theils hängt diese Rede auf Engste mit dem l Vorhergehenden zusammen, theils ist Paulus noch gar nicht in seine dogmatische Beweisführung gegen die 396 Galater T, 21. Galater eingegan en, sondern es liegt ihm hier daran nachzuweisen, das damals seine Grundsätze dem an- gesehensten der Apostel gegenüber geltend gemacht und anerkannt worden seien; wohl aber leitet Paulus, m- dem er die weitere Erzählung fallen läßt, unvermerkt zu seinem dogmatischen Hauptzwecke über. (Windisch- inann.) Gleich in den ersten Worten (V. 15) knüpft Paulus an die Ansicht der Judaisten an, daß die Juden vor den Heiden etwas voraus hätten; er giebt das zu, will aber natürlich mit dem ,,nicht Sünder aus den Heiden« die Juden nicht sündlos darstellen (auch deren Sündhastigkeit stellt das Folgende hin- länglich iii’s Licht, wonach auch sie nur der Glaube an Christum gerecht machen kann, so daß ein Mißver- ständniß gar nicht möglich ist), sondern nur als durch die göttliche Offenbarung, welche ihnen geworden, be- günstigt vor den Heiden und deshalb allerdings weniger roh und grob (als jene, die auf allen Wegen ihrer Gelüste zuchtlos umherirrten) der Sünde verfallen. (Olshausen.) Ein schlagenderes Argument nun, als das von Paulus in »den hierauf folgenden Worten (V. its) gebrauchte, ließ sich gegen Petrus nicht an- führen; es ist eine Appellation an seine und aller gläubigen Judenchristen gemachte innerlichfte Erfahrung und Ueberzeugung und zugleich ein Nachwe1s der äußeren Jnconsequenz: »Die Einsicht, daß nur der Glaube an Christum rechtfertige, hat uns bewogen, diesen Glauben anzunehmen; wie nun, wenn wir das, was wir selbst als unzureichend zu unserm Heile that- sächlich anerkannt haben, Andern zurBedingung der Rechtfertigung machen wollen«-«« Der Vorwur·· der Tautologie, welchen man unsrer Stelle machen kennte, wenn es am Schluß noch einmal heißt: »denn durch des Gesetzes Werke wird kein Fleisch gerecht«, hebt sich dadurch, daß derselbe Gedanke einmal als Motiv des Glaubens der christlich gewordenen Juden, zuletzt aber bestätigend als objektive Wahrheit der Schrift hinge- stellt ist. (Windischmann.) »Es) Wenn ich mir das wieder wollte streitig machen lassen, daß ich mit Zurücklassung aller Werke durch Christum allein gerecht werden soll, wenn ich an dem verzagen wollte, wie wenn ich mich durch solches Zu- rücksetzen der Werke versündigt hätte, wenn ich wieder auf die Werke zurückfiele, wie es bei Petri Art heraus- gekommen ist, so machte ich Christum zum Sünden- diener. Petrus hat mit den Heiden gegessen und dazu aus dem Evangelio Freiheit gehabt, hat also aus dem Enthalten von gewissen Speisen und vom Umgang keine Gcrechtigkeit gesucht, vielmehr die Herzensreinigung durch den Glauben aller Gesetzesreinigkeit vorgezogen; wenn er aber durch fein nachmaliges Entziehen davon zu verstehen gab, daß er sich diese gebrauchte Freiheit zur Sünde rechnete, so hätte er zu dem leidigen Schluß Anlaß gegeben, als wäre Christus ein Sündendiener und verschaffte Freiheitem die man hintennach nimmer als rechtmäßig behaupten könnte, sondern sich vom Gesetz als sündlich müßte verdammen lassen. Das sei ferne! Paulus aber hat deswegen dem Petro alle diese mißlichen Folgen nicht aufgebürdet. Durch den Glauben an die Gnade Christi war die Verbindlichkeit zur jüdischen Lebensart abgebrochen, durch das Ent- ziehen vom Umgang mit den Gläubigen aus dem Heidenthum ward sie wieder ausgerichtet: das kommt ja heraus, so sagt er, als ob das vorige Abbrechen Unrecht gewesen wäre. Nun sagt er vollends seinen ganzen Grund: ich bin dem Gesetz nicht als ein Schelm entlaufen, es hat einen Tod gekostet; ich habe es vor- her auch mit dem Gesetz versucht und wohl erfahren, wie weit man kommt oder was dem Gesetz unmöglich ist. Nun aber bin ich rechtmäßig, wie bei einer durch den Tod getrennten Ehe, vom Gesetze los (Röm. 7, 1 ff.); es verlangt mich nicht, dieses Band wieder zu knüpfen. Als ein aus dem Wort der Gnade gezengtes Kind lebe ich nun Gott und begehre meinem Vater zu gefallen: unter allen Gesetzeswerken kann man sich und das Seine suchen, beim Gnadenleben heißt es allein Gott gelebt. (Rieger.) Wie Paulus das ,,ich bin durclfs Gesetz, dem Gesetz gestorben« gedacht habe, empfängt aus dem unmittelbaren Zusammenhange, nämlich aus dem gleich folgenden: ,,ich bin mit Christo gekreuziget«, seinen bestimmten Aufschluß Durch die Kreuzigung nämlich wurde der Fluch des Gesetzes an Christo voll- zogen (Kap. Z, l3), und insofern starb Christus durch das Gesetz, welches den Vollzug seines Fluchs forderte und in Christi Tod empfing; wer also mit Christo ge- kreuziget ist, an dem ist ebenfalls der Gesetzesfluch vollzogen, so daß er sich, vermöge seiner Gemeinschast mit Christo, mit dem Tode Jesu auch durch das Gefetz gestorben weiß, somit aber zugleich dem Gesetze ge- storben, weil nun, nachdem das Gesetz sein Recht an ihm vollzogen hat, der Verband, in welchem er zum Gesetze stand, gelöst ist. (Meher.) Das Gesetz selbst brachte es durch seine Fluch und Tod bringende Wir- kung bei mir dahin, daß sich das Band, wodurch ich an dasselbe und seine Ansprüche bisher gebunden war und mich gebunden glaubte in dem Sinne, um durch Erfüllung derselben Heil und Leben zu finden, sich für mich löste; dies geschah aber nur zu dem Zweck, damit ein anderes Band sich knüpfte, näinlich mit Gott, denn bis daher hatte ich nur scheinbar Gott, in Wahrheit aber mir selbst gelebt, in mir selbst den Grund des Heils gesucht. (Schmoller.) Was Jesu widerfuhr, als er um unsrer Sünde willen an’s Kreuz kam, dieser Ausgang seines Lebens unter dem Gesetz, in welchem, weil er der Heilsinittler ist, das durch das Gesetz bestimmte Verhältniß für die Menschheit ein für alle Mal ein Ende genommen hat, wiederholt sich ab- bildlich an dem Personenleben dessen, welcher an ihn gläubig wird, indem derselbe dazu gebracht ist, sich, wie er unter dem Gesetze gewesen, als die Ursache solchen Todes des Heilsmittlers zu erkennen und sich selbst, nämlich seine bisherige Richtung auf gesetzliches Thiin, aufzugeben; damit ist aber dann, weil er an dem in Christi Tode vorhandenen Ende des bisherigen Verhältnisses der Menschheit zu Gott betheiligt ist, der Stand unter dem Gesetz für ihn auch wirklich zu Ende, statt dessen ihin nun sein in Christo vermitteltes Ver- hältniß zu Gott für sein Verhalten maßgebend sein soll. Und so gilt also von dem, welcher be eugt: ,,ich bin mit Christo gekreuzigt«, daß sich vermö e seiner Betheiligung an Christi Kreuzigung an seinem Ssittlichen Personleben abbildlich wiederholt hat, was Christo in einem Vor- gange seines Naturlebeiis geschehen ist: er ist durch das Gesetz dem Gesetze gestorben, um Gotte zu leben. (v. Hofmann.) Hi) Dem Leben, welches Paulus als Gotte Ange- höriger lebt, spricht er ab, daß es ein Leben seines Jch sei, und nennt es ein Leben Christi in ihm. Als er weiland lebte dem Gesetz, da lebte in ihm sein selbstisches, auf sich selbst gestelltes Jch, welches sich und nur sich zu bethätigen siichte im Thun der Gesetzess werte: ach, das war ein unseliges Leben, ein Schein- leben, des Namens Leben unwerthl Denn Gott ist des Lebens einige Quelle, wer aus sich selbst lebt, der schöpst aus löchrichtem Brunnen. Und unter dem Gesetz giebt es kein anderes als das leblose Leben des einsamen Jch, weil Gott sich nnd sein Leben durch kein Gesetzebgoll in den Menschen hineinspricht (Kap. Z, 21). Gelobt sei Gott, der uns von diesem Selbst- leben, welches eitel Tod ist, erlöst und zu dein wahr- Der Epistel zweiter oder didaktischer Theil: Rechtsertigung ohne des Gesetzes Werke. 397 haftigen Leben errettet hat, welches gewiß auch uns er Leben ist, aber nicht ein aus unserm Jch geschöpftes, sondern ein in unser Herz ausgegossenes Leben (Röm. 5, 5), nämlich das Leben des auferstandenen C ristus in uns. (Besser.) Wer nun will es wagen, hrisio das Gesetz auszulegen, der in uns lebt? Denn nie- mand untersteht sich doch zu sagen, daß Christus nicht recht lebe, so daß das Geseg ihm aufzuerlegen sei, ihn zu zügeln. (Augustin.) er in der Wiedergeburt neu auslebende Mensch ist nicht das alte Jch, sondern der Christus in uns; wenn der Wiedergeborene auch noch im Fleische lebt, in inenschlicher Schwach- heit und Unscheinbarkeit, so doch nicht mehr dem Fleische, wie im alten Menschen, sondern Gotte, für Gott und göttliche Zwecke (Olshausen.) Wenn der Glaube, in welchem der Apostel lebt, näher von ihm als ein Glaube des Sohnes Gottes bezeichnet wird und dazu der Beisatz tritt: »der mich geliebet hat und sich selbst für mich dargegeben«, so ist alles darnach angethan, die Freudigkeit und Kräftigkeit eines Glaubens bemerklich zu machen, welcher solchen Gegenstand und Jnhalt hat; schon gleich die Benennung Christi als des Sohnes Gottes dient hierzu, sie deutet an, wessen wir uns von Gott versehen können, die wir den Sohn Gottes für uns haben. (v. Hofmannh Das Motiv des gläubigen Ergreifens Christi, daß er uns zuerst geliebt und sich für uns hinge eben, wird besonders anschaulich durch die persönliche Beziehung auf sich selbst, die ihm Paulus giebt: »der mich geliebet hat«; sein von dankbarer Liebe gegen den Erlöser durch- glühetes Herz blickt hier hervor. (Windischmann.) Diese Worte: »der mich geliebet hat und sich selbst für mich dargegeben« sind ein fein Exempel eines wahr- haftigen und gewissen Glaubens. So gewöhne dich denn, daß du dieses ,,mich« und »für mich« mit ge- wissem Glauben fassen und auf dich selbst deuten mögest und nicht daran zweifeln, du seiest auch aus der Zahl derjenigen, die mit dem Wörtlein ,,mich« genannt werden· «s-) Wer das Gesetz darum hält, daß er dadurch vermeint vor Gott gerecht zu werden, derselbe wirst die Gnade Gottes hinweg, weiset Christum und sein Opfer von sich und will durch diesen unermeßlichen, köstlichen Schatz nicht selig werden; welches ja erschreck- lich ist und reulich genug zu sagen, daß ein Mensch so überaus öse soll sein können, daß er Gottes Barm- herzigkeit und Gnade wegwerfe (Luther.) Gott würde, wenn die Gesetzeseiferer Recht hätten, den Heils- mittler in den Tod gegeben haben, ohne daß in seinem Heilandsberuse ein Bedürfnis; lag, welchem damit ent- sprochen wurde. (v. HosmannJ Mit dieser furchtbaren, jedes Christum liebende Herz tief verwundenden Con- sequenz des geriigten praktischen Verfahrens Petri bricht der Apostel ab: er konnte einem solchen, wie Petrus, gegenüber gewiß sein, daß dieses Wort hin- reichen werde, ihn auf die rechte Bahn zurückzulenkem (Windischmann.) Paulus ist discret genug, von dem Eindruck dieser seiner Rede zu schweigen; die Frei- müthigkeit, Entfchiedenheit und schlagende Beweiskraft derselben aber konnte um so weniger ihren Zweck bei Petrus verfehlen, da dieser selbst von der christlichen Freiheit überzeugt war (Apostg. 15, 7 ff.) und in An- tiochien nur durch Nachgiebi keit aus Menschenfurcht geheuchelt hatte. (Meher.) es Petrus Fehler war ein Fehler im praktischen Verhalten, nicht etwa in der Lehre; so kann nicht davon die Rede sein, daß der Glaube an die Inspiration der heil. Schrift da- durch beeinträchtigt würde, wie denn auch Petrus gerade in der Lehre über diesen Punkt sich als auf dem richtigen Standpunkt stehend zeigt und nur in praxi demselben nicht treu blieb. (Schmoller.) Dagegen ver- feindete sich Paulus die Judaiften, deren Pläne er in dem Mittelpunkt der heidenchristlichen Mission, in Antiochiem vereitelt hatte; wir dürfen uns daher nicht wundern, wenn wir nun in die paulinischen Gemeindestiftungen Emissiire dieser Partei eindringen sehen, die theils, wie in Galatien, unter der angeblichen Auctorität des Petrus oder Jakobus den Judaismus einschwärztem theils, wie in Corinth, direkter die Würde und Per- iönlichkeit des Apostels angriffen, die ihm überall als Gegner entgegentraten (1. Cor. is, 9), als falsche Brüder Gefahren bereiteten (2. Cor. 11, 26), Ent- stellungen und Verleumdungen seiner Lehre verbreiteten, wie in Rom (Röm. Z, s; s, l), wo Paulus noch als Gefan ener durch ihre Umtriebe betrübt wurde (Phil. I, 15 .; s, 2f.). So gewiß diese Emissäre, nament- lich zu Corinth, mit Cmpfehlungsschreiben aus der Urgemeinde auftraten, so gewiß sie auch sonst unter der Auctorität der Urapostel ihre Bearbeitungen an- stellten, so wissen wir doch freilich nicht näher, in welchem Verhältniß diejenigen Glieder der Urgemeinde, die in V. 12 als »die von Jakobo« bezeichnet wurden, zu diesen weitverzweigten Agitationen standen; ist es nun gleich mehr ein passives, als ein aktives gewesen, so ging diese Passivität doch bis zu einem so hohen Grade, wie wir ihn zu Apostg. 25, 5. 8 u. 28, 31 zu beobachten Gelegenheit hatten. Aktiv wirksam dagegen waren dergleichen Judaisten, wie sie in Apostg. 15, 1 u· 5 charatterisirt werden; von ihnen ließen sich dann wohl auch solche bethören, wie sie in Apostg. 11, 2 f.; 21, 20f. uns begegnen, und wie nun auch Barnabas an dieser judaistischen Abgunst gegen den großen Apostel Theil nahm, haben wir schon zu Apostg. 18, 23 a. u. b bemerkt. Das 3. Kapitel. gerechtigkeit des glaubests bestätiget, der rechte geiirauch des gesetzes gezeiget C. de: zweite, dpgmqiische Jacke v« apart, durch den letzten Abschnitt deg ersten Theile schon vor- bereitet, entwiitielt allerdings auch dae Thema von der Rechtfertigung des Menschen vor Gott ohne des Gesetzes Werke, allein durch den Glauben, gleichwie nachher der Römerbrief dies noch eingehende: thut und dabei das Wesen und die Wirkungen der Glaubcnggerechtiglteit im Gegensatz zu dem Sündenoerderben recht klar hervortreten läßt; hier dagegen dient diese kehre mehr zum Beweis— mittel für den hauptsatz der Briefes von dem Uichtvers pflichtetsein der Christen zum halten dee mosaischen Gesetzes, denn dag vornehmlish war die Same, um welche bei den Gatatern ee sich handelte. I« V. 1—14. Indem der Apostel jetzt anhebt, den Eesern zu entwickeln, daß die Gerechtigkeit nicht aus dem Ge- setz, sondern aus dem Glauben komme, soriiht er zuerst seinen ilnwillen und sein Befremden über ihren Abfall von dieser ihnen mit aller Sorgfalt eingeorügten Wahr— heit aus, und beruft sich sodann auf ihre eigene Gr- fahrung: nicht durch des Gesetzes Werke haben sie den heil. Geist empfangen, sondern durch die Predigt vom Glauben, das müssen sie ja selber sich sagen, und nun wollen sie, nachdem sie im Geist ihren Ehristenlauf be- gonnen, im Fleisch ihn zur Vollendung bringen? wollen alles dar, was sie um des Goangelii willen erlitten, umsonst erlitten haben? wollen so gar dessen nicht achten, daß, wag an Geist und geistliktsen Gnadenlmiften bei 398 Galater 3, 1——6. ihnen noch vorhanden, ihnen aus dem Wege des Glaubens zufließt, aus demselben Wege also, aus welchem nach dem Zeugnis der Schrlst aukh Kbrahaln seine Rechtfertigung gefunden? (v. t-—6). Bei diesem Gedanken, den er hiermit angeschlagen, hält Paulus die Galater hieraus sen: die des Glaubens Jtbrahams sind, sind Jtbrahams Kinder und erlangen den in ihm den Heiden lierhelßenen Segen w. 7—9); die Juden dagegen mit ihren blasen Gesetzes-merken stehen unter dem Fluch ihres eigenen Gesetzrs, oon dem Christus scc erst hat erlösen müssen, um sie nun auih auf dem Wege des Glaubens zur Seligkeit durch Glnpsangnahiue des Geistes zu führen (V. «t0—14). 1. O ihr unverständigen Galater [V. Z; Hebr. Z, 11 f.], wer hat euch bezaubcrt sgleichsam mit Zsauberformeln in so arger Weise behext], daß ihr der Wahrheit nicht gehorchet [Kap. s, 7], welchen Christus Jesus [vormals, als wir das Evangelium euch verkündigten Kap. 1, 8 f.] vor die Augen gcmalet war sdaß ihr ihn, wie man zu sagen pflegt, mit Händen greifen konntet], und sder nun] seht snachdem ihr von ihm und seinem Heile abgefallen seid] unter euch gekreuziget istt [Hebr. 6, 6 —- besser aber übersetzt man: als wäre er unter euch gekreuzigt]l 2. Das will ich allein von euch lernen [hören oder erfahren, um von andern Selbstgeständnissen, die ich zu eurer Ueberführung von dem Unrecht, das ihr begeht, von euch fordern könnte, jetzt ab- zusehen]: Habt ihr· den Geist empfangen durch des Gesetzes Werke sdie ihr gethan], oder saber] durch die Predigt vom Glauben» sdie ihr vernommen habt]? 3. Seid ihr so unverständig sstatt des besseren Theils, das ihr schon habt, geradezu das schlechtere zu erwählen, gleich als würdet ihr nun erst wohl daran sein]? Jm Geist habt ihr seuer Christen- thum] angefangen, wollt ihrs denn nun im Fleisch vollendenspt [dadurch es zur Vollkommenheit bringen, daß ihr euch auf einen Standpunkt stellet, wo ihr wieder unter der Herrschaft des Fleisches steht, wie das wirklich auf gesetz-lichem Standpunkte der Fall ist Röm· 7, b; 8, 3 f.]? 4. Habt ihr denn so viel [wie ihr seither um des Bekenntnisses Christi willen habt ausstehen müssen] umsonst erlitten? Jsrs anders tlmsonsts sdenn ich hoffe, daß ihr noch zur Besinnung kommen werdet Kap. 5, 10]. Z. Der euch nun sum meine Frage in V. 2 in noch bestimmterer Weise wieder aufzunehmen, da sie die entscheidende Grundfrage ist] den Geist reichet [nämlich Gott der HErr] und thut solche Thaten [wie sie von Einzelnen, die mit Wunder- krästen ausgestattet sind 1. Cur. 12, 6 u. 10, ver- richtet werden Matth 7, 221 unter euch, thut er’s durch des Gesetzes Werte, oder durch die Predigt vom GlanveiEH s. Gleichwie Abraham hat Gott geglaubet swie es in I. Mos. 15, 6 heißt], und es ist ihm gerechnet zur GerechtigkeitsH [Röm. 4, Z; Jak. 2, PS» so ist euch geschehen, da aueh ihr gerecht- fertigt wurdet und als Gerechtfertigte den heil. Geist und seine Gaben empfinget Apostg. 2, 38]. V) »O ihr unverständigen Galater«: mit dieser schmerzlich tadelndeu Anrede wendet sich Paulus nach dem Berichte seiner Begegnung mit Petrus wieder an seine Leser (mit Namen redet er sie an, vgl. 2- Cor. 6, 11., um eben da, wo er sie schelten muß, der per- sönlichen Beziehung, in welcher er zu ihnen steht, einen Ausdruck zu geben); denn seine Zurechtweisung des- selben· (Kap. 2, 15—21) hatte ja dle Vermischung des Judaismus mit dem Glauben so bündig und schlagend als abfurd dargestellt, daß der erregte Apostel bei der Wiederanrede der Leser, welche sich zu der nämlichen ungereimten Vermengung hatten hinreißen lassen, kein angemefseneres und natürlicher sich darbietendes Prä- dikat hätte ergreifen können (Spr. 27, 6). Um so un- gehöriger fand Hieronymus (und im Anschluß an ihn auch Luther: ,,Paulus hätte sie wohl mögen Brüder nennen, aber er thut es nicht, sondern nennt sie mit ihrem Landesnamem und läßt sich fast ansehen, als seien die Leute jenes Landes gute, grobe, unverständige Leute gewesen; als wollt’ er sagen, ihr seid und bleibt doch eurem Namen nach unverständi e Galater, Art läßt nicht von Art«, vgl. Tit. 1, 12) ier eine natür- liche, volksthümliche Verstandesschlväche (Meher.) »Wer hat euch bezaubert, der Wahrheit nicht zu gehorchen? — wo so deutliche und wunderbare Erweise der Wahr- heit vorhergegangen waren, konnte der Abfall fast kein gewöhnlicher Absall mehr genannt werden; es war ihnen durch den bösen Einfluß der Verführer gleichsam wie angethan (2, Cor. 4, 4; 2. Tim. Z, 13). Das ,,war« steht im Gegensatz zu ,,Christus Jesus«: wer war so mächtig, euch zu bezaubern, nachdem Christus euch so offenbar geworden? (Windischmann.) Nicht mit natürlichen Dingen geht es zu, daß viele der Wahrheit nicht gehorchen, der Lüge aber glauben, son- dern anf Gottes Strafgeheiß hat sie der Satan durch seine Werkzeuge bezaubert, daß sie schwarz für weiß und weiß für schwarz ansehen, ihren Jrrthum für unumstößlich gewisse Wahrheit und die heilsame Lehre für schädliches Gift halten. (Besser.) Der Relativfatz: ,,welchen vor die Augen hin Jesus Christus vorgemalt ward 2c.« enthält das Motiv der Verwunderung des Apostels; obwohl ihnen das Kreuz Christi gepredigt ist, wollen die Galater wie bezaubert von dem Ge- kreuzigten nichts mehr wissen, sondern wenden sich zu den Werken des 1nosaischeliGesetzes, um die Gnade Gottes zu verdienen! Das» »gekreuzigt« hat im Satze den Nachdruck und ist im eigentlichen Sinne zu ver- stehen: gerade den galatischen Jrrlehrern pflegt Paulus den Tod Christi am Kreuz als Mittelpunkt der Er- lösung entgegenzuhalten (2, 20 f.; l, -4; 3,13; b, 11; 6, 12. 14); daher ist jede bildliche Deutung, z. B. die von Luther (,,steht es so mit euch, so habt ihr nicht allein Gottes Gnade hinweggeworfen und ist nicht allein Christi Tod an euch verloren, sondern er wird auch unter euch gekreuzigt, d. i. auf’s Schändlichfte und Schmählichste von euch behandelt«), zu verwerfen. Den Galatern ward unter die Augen hin Jesus Christus vorgemalt als Gekreuzigterx wenn Paulus nicht blos ,,gepredigt« sagt (vgl. I. Cur. 1, 23; 2, 2), sondern »unter die Augen hin vorgemalt«, so will er die Sorg- fältigkeit der Predigt den Lesern in Erinnerung bringen, weil er nun um so mehr ein Recht hat, sich über ihren Abfall zu wundern. (W«eseler.) Das »unter euch« soll die Kreuzigung des H rrn als unter ihnen vor sich gegangen darstellenx daß dabei ein hinzuzudelikendes Jhr unverständigen Galater, wer hat euch bezaubert, daß ihr der Wahrheit nicht gehorcheti 399 wie fehlt, ist aus der Lebhaftigkeit der Rede zu er- klären. (Qlshausen.) Die mächtige geistes- und lebens- volle Predigt des Apostels hatte Christum in seiner Gnade und herablassenden Liebe, die ihn trieb, sich für uns kreuzigen zu lassen, und in seiner mächtig er- lösenden Kraft den Galatern so lebendig vor die Augen gemalt, als sei unter ihnen selbst sein Qpsertod ge- schehen, als verleihe er ihnen sichtbar gegenwärtig die Segnungen seiner Versöhnung. (v. Gerlach.) » ff) Der· Apostel sucht nun dadurch die· galatischen Christen wieder auf den rechten We zu leiten, daß er ihnen ihre ersten Erfahrungen, die eit der Erweckung und der ersten Liebe in’s Gedächtniß zuriickrufh (Ols- hausen.) Jn der ersten Zeit der christlichen Kirche war das Bewußtsein, den übernatärlichem öttlich-mächtig erneuernden Geist zu einer bestimmten eit empfangen zu haben, in den Christen noch stärker, als jetzt bei Vielen es der Fall sein kann, wegen des grellen Gegen- fatzes, der dicken heidnischen Finsterniß, in der sie ge- lebt hatten, und des hellen Lichts des Evangelii; zu- gleich wurde jener Eindruck dadurch noch verstärkt, daß mit der Ausgießung des Geistes den Meisten einzelne außerordentliche Gaben mitgetheilt wurden, welche auch den Andern ein Zeugnis; davon ablegten, daß sie eine Behausung Gottes im Geist geworden. (v. Gerlach.) An die, keiner Antwort bedürftige beschämende Frage in V· 1 reiht sich eine andere, welche die Leser beant- worten sollen und welche sie nicht beantworten können, ohne zu ihrer eigenen Beschämung einsehen und ge- stehen zu müssen, daß ihnen die Erfahrung, welche sie an sich selbst gemacht hatten, allein schon Grundes genug hätte sein sollen, die neue Lehre abzuweisen; weshalb der Apostel sagt, dies allein wolle er von ihnen erfahren, nämlich, ob sie im Gefolge eiiies Thuns, welches als Forderung Jnhalt eines Gesetzes war, oder im Gefole eines Glaubens, welcher eine ver- nommene Kun e seinen Jnhalt sein ließ, den Geist empfangen haben. (v. HofmannJ Sie mußten nun, wenn sie die Wahrheit gestehen wollten, antworten: »durch die Predigt vom Glauben«; hiermit war aber zugleich eingestanden, daß sie Gnade und Rechtfertigung allein durch den Glauben erlangt hatten. Man könnte versucht sein, aus dieser Ar· unientation (Beweis- führung) des Apostels zu schlie en, daß die Galater, wenigstens zum Theil, sich vor ihrer Bekehrung zum Evangelio als Proselyten des Thors zur Shnagoge gehalten hatten; doch war der Beweis des Apostels gerade dann von besonderer Kraft, wenn den Galatern das Gesetz früher ganz unbekannt war, sie konnten ja dann um so weniger seiner Wirkung die Mittheilung des heil. Geistes zuschreiben. (Windischmann.) Auch sonst hebt Paulus hervor, daß das mosaische Gesetz, obwohl an sich göttlich und geistlich (Röm. 7, 14), seinen Dienern den heil. Geist nicht mittheile, und setzt den Unterschied zwischen den Dienern des Gesetzes und den Dienern des Evangelii eben darein, daß diese durch den heil. Geist erneuert werden, jene aber nicht (Röm. 7, G; 8, 2ff·; 2. Cor. s, 2 ff.; Gal. 3,14; 4,6; 5, 18). Aus den Werken des Gesetzes empfängt der Mensch sowenig den heil. Geist, daß er diesen vielmehr bereits zur Gesetzeserfiillung bedarf; dagegen, wie aus der Predigt vom Glauben der Glaube kommt (Röm. 10, 17), so theilt Gott auch mittelst ihrer den heil. Geist ruft. (Wieseler.) IN) Die christliche Lebenserfahrung der Galater war nach V. 2 ein schlagender Beweis dafür, daß das höchste Geistesleben des Christenthums, die höchste Gemeinschast mit Gott, ganz ohne Gesetzeswerke allein von der Glaubensannahme abhing; da mußte es als die höchste Thorheit erscheinen, einen solchen geistlichen Anfang fleischlich zu beschließen. Evangelium und Gesetz verhalten sich also wie Geist und Fleisch; zwar nicht als ob das Gesetz an sich fleischlich wäre (Röni. 7, 14), nur fleischliche Satzungen Gebt. 9, 10) ent- hielte, sondern weil der Standpunkt des Menschen unter dem Gesetz fleischlich ist, weil das Gesetz den Willen Gottes nur in Beziehung zu der nicht aufgehobenen menschlichen, fleischlichen Schwäche ausdrückt. So war die Hinwendung der Galater zum Judaismus recht eigentlich ein Herabsinken von der Geistesreligion zu fleischlicher Aeußerlichkeit und Schwäche. (Hilgenfeld.) Wenn sich die Leser, nachdem sie in einem Christen- leben standen, welches aus der Jnnerlichkeit heraus durch den sie durchwaltenden Geist bestimmt war, hinterher einem Gesetz unterstellten, dessen Forderungen, soweit sich die Erfüllung derselben bei solchem Christen- leben nicht von selbst ergeben hätte, nur die Aeußerlich- keit des menschlichen Wesens in Anspruch nahmen, so traf sie der beschämende Vorwurf des Apostels mit Recht. (v. Hofmann.) Wenn die Römischen behaupten, daß wir aus Glauben und Werken selig werden, wir Evangelischen aber, daß wir allein aus Glauben selig werden, ohne Werke, so ist das nicht völlig derselbe Gegensatz wie in unsrer Epistelx der Römische redet zunächst von Werken, die dem Glauben folgen, wäh- rend die Gesetzeswerke der Juden dem Glauben v dran- gingen; die Werke nun, welche dem Glauben folgen, geschehen in des Glaubens Kraft, sind Aeußerungen des Glaubens und eben deshalb eines Lebens, welches iibernatürlich und von dem Geiste Gottes seblst gewirkt ist, dagegen aber die Gesetzeswerke, die vor dein Glauben hergehen, wie das große Ereigniß auf Sinai vor dem großen Ereigniß auf Golgatha, sind Werke des Fleisches und der Vernunft des alten Menschem Anstrengungen der eigenen Kraft, Gottes Gebot zu erfüllen. Wenn daher der heil. Apostel den Gesetzeswerken alle Kraft abspricht, uns gerecht und selig zu machen, so ist das etwas Anderes, als wenn den Werken, die aus dem Glauben kommen, die seligmachende Kraft abgesprochen wird; es ist etwas Anderes, aber es geschiehet doch beides mit gleichem Recht Weder die Werke, die aus dem Glauben folgen, noch die, welche ihm vorher- gehen, weder die, welche in Gott gethan sind, noch die, welche ohne Gott geschehen, sind untadelhaft und vollkommen: beide Male niischt sich die Sünde des Menschen ein, wenn auch in verschiedener Macht und nach verschiedenem Maße; was aber selbst nicht gerecht ist, kann gewiß auch nicht gerecht machen, der Ursprung unsers Lebens, unsrer Gerechtigkeit und gellizgkfit bleibt immer und ewig allein die Gnade. o e. f) Dies schlägt nun noch mehr als das vorige: um alles das, sagt er, was ihr erduldet habt, wollen jene euch bringen und die Siegerkrone euch rauben. (Chrysostomus.) Wie alle jungen Gemeinden hatten auch die galatischen von Heiden und Juden viel dulden müssen an Hohn und Verfolgung (Kap. S, is; 2. Tun. Z, 1·2); daran mahnt sie Paulus mit der Frage, ob sie das alles ohne Zweck und Erfolg geduldet haben wollen (Hebr. 10, 32). Wenn sie nämlich ganz vom Glauben abfielen und Christum verloren, so war es erfolglos. (Olshausen.) Doch weil Paulus hofft, die Galater werden wieder umkehren, setzt er, sie nicht allzuhart zu erschrecken, hinzu: ,,ist’s anders umsonst«; als wollte er sagen, ich habe noch eine gute Hoffnung u euch — werdet ihr euch wieder zu Christo wenden, fo habt ihr nichts umsonst gelitten. Also gehet er mit den Galatern sanft und säuberlich um; darum wir die Schwachen auch also strafen sollen, daß wir sie auch trösten, damit sie nicht verzweifeln. (Luther.) 400 Galater 3, 7——14. H) Wenn wir den Jnhalt von V. 5 mit V. 2 ver leichen, so ist er trotz der wesentlichen Gleichheit doch nicht eine bloße Wiederholung, sondern in einigen Punkten verschieden, indem nämlich Gott jetzt ausdrück- lich als Verleiher des Geistes bezeichnei und zugleich hervorgehoben wird, daß diese Geistesverleihung an die Galater noch fortdauert. (Wiefeler·) Außerdem weist der Apostel insbesondere auf die Wunderkriifte hin, die Gott auf dem gleichen Wege in ihnen wirke. ZSchmollerJ Was die Galater noch gegenwärtig be- aßen von Geist und Gaben, das verdankten sie nicht dem fleischlichen Treiben, womit sie von ihren Werk- lehrern zugerichtet wurden, sondern der langmiithigen Gnade Gottes, der den Brunnen des Geistes unter ihnen noch nicht versiegen ließ (Kap. s, I) und seine Hand noch nicht abzog von Gemeinden, in welchen ja die Predigt des Evangelii noch nicht gar verstummt und der Christenglaube noch nicht allgemein und völlig erstorben war. (Besser.) HH Dieser Vers steht im unmittelbaren Zusammen- hang mit dem vorhergehenden und enthält die Antwort auf die dort gethane Frage durch Bejahung des zweiten Theils derselben; denn Paulus sieht den Geistes- empfang im Vorhergehenden als Beweis der Recht- fertigung an und kann daher mit unsern Worten auf jene Frage antworten. (Schmoller.) Jn’s Licht des Anfan s der Geschichte des auserwählten Geschlechts stellt aulus den Anfang des Christenlebens der Ga- later: nicht anders hat Gott mit ihnen gehandelt als mit Abraham. (Besser.) Bei euch, so sagt er ihnen, ist durch das Evangelium oder die Predigt vom Glauben geschehen, was bei Abraham geschah durch das Wort der Verheißung. (Rieger.) 7. So erkennet ihr ja nun fwie ich euch fchon früher also bezeugt habe, ihr aber habt euch neuerdings davon abwendig machen lassen], daß, die des Glaubens find [nicht aber, die mit Gesetzes- werken umgehen V. 10], das sind Abrahams Kinder* [indem sie seine geistliche Art an sich tragen und nun auch auf gleiche Weise, wie er, von Gott behandelt werden]. 8. Die Schrift aber [da ja Gott alle seine Werke bewußt sind von der Welt her Apoftg. 15, 18] hat es zuvor ersehen, daß Gott die Heiden durch den Glauben gerecht macht; darum verklin- digte fte fm 1.·Mos. 12, 3; 18, 18; 22, 18] dem Abraham [d1e frohe Votfchaft]: Jn dir sollen alle Heiden salle Geschlechter oder Völker auf Erden] gesegnet werden» [in dem Segen, der dir zu Theil wird, ist auch der Segen aller Völker enthalten]. Si. Also werden nun sum die beiden, in V. 7 u. 8 enthaltenen Gedanken nochmals hervorzu- heben] die des Glaubens sind, gesegnet mit dem glanbigen Abraham sdefsen geiftliche Kinder sie sind, nicht aber die vom Gesetz Röm. 4, 14., wie die Jrrlehrer behaupten]. 10. Denn die mit des Gesetzes Werken um- gehen, die sind fvieln1ehr] unter dem Fluch [dem- selben unterworfen oder verfallen]. Denn es stehet [in h. Mos. 27, 26] geschrieben: Verflucht sei jedermann, der nicht bleibet in alle dem, das geschrieben stehet m dem Buch des Gesetzes, daß er’s thue«·" [und einer solchen Bedingung, von dem Fluche frei zu bleiben, ist keiner von jenen Werkleuten des Gesetzes gewachsen; sie haben sie alle mit einander, wie sehr sie auch mit ihren Werkefki sich brüsten, nicht erfiillt Rom. 3, 9ff.; 7, 7 .]. 11. Daß aber durch’s Gesetz niemand gerecht wird vor Gott fund den von ihm verheißenen Segen davonbringtL ist offenbar swenn man nur auf die Schrift gehörig achten will]; denn [fo lesen wir ja in Habak Z, 4] der Gerechte wird seines Glaubens leben [kraft des Glaubens, den er hat, zu Heil und Wohlfahrt gelangen Röm. 1, 17; Hebr. 10, 38]. 12. Das Gesetz aber ist nicht des Glaubens [hat nicht dessen Art, daß derselbe auch bei ihm die Grundbedingung der Heilserlangung wäre]; sondern [in Beziehung auf das Gesetz heißt es in Z. Prof. 18, 5:] der Mensch, der es thut, wird dadurch leben-s- skraft des Thuns, welches er vollbringt, zu Heil und Wohlfahrt gelangen Röm. 10, 5; Luk. 10, 28; Mattkx 19, 16ff.]. 13. Christus aber swenn ich in V. 10 uns Juden Kap. Z, 15 ff. in unserm Stande unter dem Gesetz als solche bezeichnete, die unter dem Fluch gewesen] hat Uns erlbfet [wörtlich: los- gekanft, niimlich durch ein Lösegeld Kap. 4, 5; Matth. 20, 281 von dem Fluch des Gesetzes, da er ward ein Fluch fiir uns fund den Tod am Kreuze starb Röm. 8, Z; 2. Cor. h, 21]; denn es stehet sin 5.Mof. 21, 231 geschrieben: Verflucht [d. i. für einen von dem Fluche Gottes in seiner ganzen Schwere Getroffenen zu erachten] ist jedermann, der am Holz banget; 14. Auf daß der [in Gerechtigkeit, Heil und Leben bestehende] Segen Abrahams unter die Heiden käme in Christo Jefu [durch den Glauben an seinen Namen Apostg 11, 17; 15, 9], und wir [Juden] also sganz derselben Heilsbedingung uns unterwerfend, welche den Heiden gestellet ist] den verheißenen [das Gesetz in die Herzen schrei- benden Jer. 31, 31 ff.; Hes. 11, 19 f.] Geist empfingen durch den GlaubenH [vgl. Col. 2, 13 f.; Ephes L, 14ff.]. «) Die Erkenntniß, zu welcher Paulus die Galater hier zurückführen will, war bei ihnen durch die Irr- lehrer verdunkelt worden, welche vielmehr die Gesetzes- werke als dasjenige anpriesen, wodurch die Christen als des Abraham Kinder sich ausweisen müßten; ihnen gegenüber will denn der Apostel aus der von den Galatern selbst gemachten Erfahrung und aus der damit in Vergleich gestellten Thatsache, welche die Schrift von Abraham berichtet, den Schluß gemacht wissen, daß man durch den Glauben ein Kind Abrahams werde. Es beruht dieser Schluß einfach auf der Voraussetzuiig der Verwandtschaft des Kindes mit seinem Vater, welche hier natiirlich nur als eine geistige in Betracht kommen kann (Joh. 8, 39); indem aber Paulus die Gläubigen Abrahams Kinder nennt, will er zugleich daran erinnern, daß sie als solche Erkennet doch, daß, die des Glaubens sind, das sind Abrahams Kinder! 401 Erben sind und Theil haben an den Gütern des Vaters (Kap. 3, 29), und da ist nun speziell die Rechtferti ung dasjenige Gut, um das es sich hier handelt. chon Zlier steht dem Apostel der zwiefache Staminbaum »vor ugen, der von Einem Vater her» durch »die Geschichte hinwächst (Kap. 4, 22»ff.): der eine fleischlichey der andere geistlicher Art, jener in Jsmaeh dieser in Jsaak angemeldet; die des Glaubens sind, stehen denen gegen- über, die des Gesetzes und seiner Werke sind, die Gotte angehören vermöge des Glaubens an seine Gnade in Christo denen, welche sich Gottangehörigkeit zu erwirken suchen durch des Gesetzes Werke. · » «) Als Gott durch Mosis Hand schreiben ließ, was er dem Abraham verheißen, da sah er nicht allein rückwärts auf diesen, sondern auch vorwärts auf uns, die wir an diesem Schriftworte eine Urkunde seines Gnadenwillens haben sollten (vgl. Röm. 4,23»f.). Die Schrift hat zuvorgesehem sagt der Apostel, indem er der Schrift dieAu en des Geistes·beilegt, von welchem sie eingegeben ist: so vollkommen ist die Schrift Gottes Wort und hat zum Verfasser derart den» heil. Geist (Hebr. 9, 87 I0, l5 ff.), daß Paulus Personliches von ihr aussagen kann; gewissermaßen den schriftgewordenen heil. Geist sieht er in ihr· (Besser.·) Cigentlich hat nicht die Schrift dem Abraham die frohe Botschaft Verkündigt, denn Abraham empfing Jenes Evangelium nicht vermittels des geschriebenen Worts, sondern Gott hat es gethan gemäß der Schrift (vgl. Röm. 9, 17); weil aber Gott, da er Urheber der Schrift ist, als eigentliches Subjekt gedacht» wird, ist hier der Schrift auch ein Zuvorsehen beigelegt. Worauf nun stützt Paulus seine Behauptung, daß Gott zu Abraham jene Schriftworte geredet habe mit Beziehung darauf, daß er voraussah, daß er einst aus Glauben die Heiden werde rechtfertigen? Theils, so ergiebt sich aus dem Zusammenhang, ruht bei dem Apostel jene seine Behauptun auf dem in V. 6 gegebenen Beweise, daß von der chrift schon zur Zeit und im Leben Abrahams· der Glaube als Bedingung der Recht- fertigung erklärt werde, theils auf der, nach V. 5 aus der Gegenwart nicht wegzuleugnenden Erfahrungs- thatsache von der Rechtfertigung der Heiden aus dem Glauben; vom Lichte dieser Thatsache aus stellt er dann den ursprünglichen Sinn der Weissagung fest. (Wieseler.) Es ist merkwürdig, daß sich das »in dir sollen gesegnet werden« drei Mal wiederholt (vgl. die oben angeführten 3 Stellen), während die Verheißung des zahlreichen Gefchlechts und des gelobten Landes vier Mal wiederkehrt (1. Mos. 12, 7; 13, 14 ff; 15,5; 17, 4ff.), so ergiebtsich die heilSieben ahl, mit der Gott seinen Bund gesiebenet, d· i. bessworen hat (1. Mos 15, 9 ff.; 21, 31 Anm.). Bei seiner Anführung verbindet übrigens der Apostel alle drei Stellen mit einander, wenn er sie in den Ausdruck zusammenfaßt- ,,in d? sollen alle Heiden gesegnet werden«. (Windisch- mann. IN) Jn V. 9 zieht der Apostel das allgemeine Ergebniß aus V. 7 u· S; sind nämlich die Gläubigen des Abraham Kinder (V. 7) und hat die Schrift in ihrer, dem Abraham ertheilten Segensverheißung den Glauben als Quell der göttlichen Rechtsertigung der Heiden im Auge gehabt (V. 8), so sind sonach die Gläubigen diejenigen, welche gesegnet werden mit dem gläubigen Abraham. Nicht wieder »in Abraham« schreibt Paulus, sondern ,,mit ihm«, weil er aus der Gegenwart des Gesegnetwerdens der Heiden in die Vergangenheit blickt, in welcher Abraham als der Gesegnete dasteht, mit dem nun die Gesegnetwerdenden in die Gleichheit des Verhältnisses eintreten. Für die Richtigkeit des in V. 9 aufgezeigteii Ergebnisfes folgt DächfePs Bibelwerh v1l. Band. dann in V· 10 der Beweis aus dem Gegentheilr »denn wie ganz anders verhält es sich mit denen, welche Werkleute des Gesetzes sind; diese stehen nämlich nach der Schrift sämmtlich unter dem Fluch, so daß also an ein Gese netwerden derselben nicht zu denken ist«. (Meyer.) er Apostel setzt hierbei als bekannt voraus, daß eben niemand das Gesetz erfülle und folg- lich jeder, der durch des Gesetzes Werke gerecht werden will, ebenfalls unter dem Fluche sei· (V. Gerlach.) Es gehört zu dem Vertrauen der Liebe, womit Paulus die versührten Galater zurechtzubringen hofft, daß er es für unnöthig hält, den hernach im Römerbriefe ge- führten Beweis eigens anzutreten, daß der Fluchfpruch des Gesetzes über alles Fleisch ergeht und daß es außer den Gläubigen an Christum keine rechtschafsenen Thäter des Gesetzes giebt: was ihnen dazumal offen- bar und gewiß genug war, als sie dem Evangelio von dem gekreuzigten Christus gläubig zufielen, das mußte ihnen, wenn sie nur einmal recht nüchtern werden wollten, aus aller Verdunkelung und Anzweifelung zu neuer Gewißheit hervorleuchten. (Besser.) f) Der Zusammenhang mit dem Vorhergehenden besteht darin, daß das Gesetz ja nicht blos den Fluch ausspricht, sondern auch einen Segen enthält; hatte nun Paulus vorhin gesagt, daß, die mit des Gesetzes Werken umgehen, unter dem Fluch seien, ohne das weiter zu begründen, so muß er nun auch sagen, wie man denn des Segens theilhaftig werde, und er spricht das mit einem prophetischen Schriftwort des alten Testaments aus, ohne gerade äußerlich durch ein ,,es stehet geschrieben« u niarkiren, daß er die Schrift selber hier reden lä t, weil er voraussetzen darf, daß die Galater aus eigener Kenntniß des alten Testa- ments dies von selbst schon wissen, wie er denn über- haupt eine ziemlich genaue Bekanntschaft mit der Schrift ihnen zutraut (Kap.·4, 21) und daher auch bei dem weiter folgenden Schriftwort sich keiner Anführungs- formel bedient. Aufsallend ist es übrigens, daß der Apostel die Ausdrücke: ,,gerecht werden« und ,,gesegnet werden« promjsaue braucht, d. i. sie mit einander vermengend, ohne einen wesentlichen Unterschied zu machen; das that er offenbar schon in V. 6—9., und so darf man an unsrer Stelle in V. 11 statt ,,gerecht vor Gott« nur schreiben: ,,gesegnet wird«, so wird sofort der Zusammenhang mit dem Vorhergehenden klar und hört auch alle Veranlassung auf, das Propheten- wort so zu fassen, wie manche Ausleser es für nöthig gehalten haben: »der durch den lauben Gerechte wird leben«. H) Unter dem »aus« in V. 13 meint Paulus nicht die Juden schlechthin, sondern die nun an Jesum gläubigen Juden: haben sie vordem unter dem Gesetz gestanden, so sind sie auch unter dem Fluche desselben gewesen und würden, da niemand das Gesetz mit geseh- lichem Thun erfüllt, unter diesem Fluche verblieben sein und seinen Vollzug an sich zu erfahren bekommen, wenn sie nicht der erfchienene Heilsmittler daraus los- gekaust hätte. Ein Loskaufen nennt der Apo tel, was Christus gethan hat, weil er es sich etwas koten ließ (1. Petri I, 18 ff.); was er’s sich aber hat koten lassen, besagt der Saß: ,,da er ward ein Flu für uns«. Einen doppelten Absichtssatz schließt in . 14 der Apostel an jene Aussage von Christo an: der erste besagt, daß den Heiden zugute kommen sollte, was Christus den Juden zum Heile gethan, und der zweite, auf welche Weise nun vermöge dessen, was Christus gethan hatte, nämlich daß nun durch den Glauben das Heilsgut denen wirklich zugewendet werden sollte, welchen unter dem Gesetz nur der Voll- zug seines Fluchs in Aussicht gestanden hätte; dort 26 402 Galater Z, 15—-18. hat das im Grundtext vorangestellte »unter die Heiden« den Ton gegenüber dem in V. 13 mit Betonung vor ,,erlöset« stehenden ,,uns«, und hier hat das an letzter Stelle besindliche »durch den Glauben» den Ton gegen- über dem Gese e, aus dessen Fluch Christus die Juden erlöset hat. » er Segen Abrahams« im ersten und der ,,verheißene Geist« im zweiten Satze ist wesentlich eins und dasselbe; denn der Segen Abrahams in seiner Verwirklichung, in welcher er hier verstanden sein will, ist das Leben, der Geist aber, welcher hier als das verheißene Gut bezeichnet wird, wie er anderwärts (Ephes. l, 13) der Geist der Verheißung heißt, ist des Lebens wirksamer Grund. Weder den Juden noch den Heiden hatte das Leben, welches den Inhalt der Ver- heißung und damit den an Abraham geknüpften Segen ausmacht, zu Theil werden können, solange die Ge- meinde Gottes, Abrahams Geschlecht, unter dem Ge- setze stand: den Juden nicht, weil das Gesetz kein Mittel war, gerecht zu werden, Gerechtigkeit aber die Voraussetzung des Lebens ist; und den Heiden nicht, weil sie hätten Juden werden müssen, um dem Ge- schlechte anzugehörem wel es die Gemeinde Gottes war. Nun aber der verhei ene Mittler in der Person Jesu erschienen ist und seine Heilsverwirklichung in der Art vollbracht hat, daß er es sich den Tod am Kreu e hat kosten lassen, um die Juden aus dem Fluche des ese es zu erlösen, wonach nun die Gemeinde Gottes emeinde des zu- solchem Zweck gekreuzigten Jesus ist, gelangt der Segen Abrahams an die Heiden, wenn Christus Jesus zu ihnen kommt, und werden dieJuden durch den Glauben des verheißenen Geistes theilhaftig, in dessen Besitzsie durch gesetzliches Thun nicht hätten gelangen können; aber dann müssen auch Heiden und Juden nichts Anderes sein wollen als an Jesum Gläubige, indem sie aus der Art und Weise, wie die Heilsverwirklichung geschehen ist, entnehmen, daß Geseg kein Mittel ist, gerecht zu werden. (v. Hof- mann.) olange das Gesetz bestand und seine Ueber- tretung mit dem Fluche belegt war, solange bestand die Scheidewand zwischen Heiden und Juden, und erstere konnten nicht Kinder Abrahams werden und an seinem Segen Theil nehmen, weil die Kinder Abrahams dem Fleische nach sich ihnen nur durch Uebertretung des Gesetzes zu einigen vermocht hätten; indem nun der Heiland durch seinen Tod die Scheide- wand niederriß und Heiden wie Juden in seinem mystischen Leib zu dem wahren Samen Abrahams im Glauben verband, wurden in ihm auch die Heiden gesegnet, und war dies erreicht, so konnte auch die weitere Absicht des Erlösun stodes erfüllt werden, daß nämlich beide, Heiden un Juden zusammen, den eigentlichen Kern der Verheißung, den heil. Geist er- langten, der da ist das Siegel der Kindschaft wie das Unterpfand des ewigen Erbes. (Windischmann.) II— v. 15—Kap. 4, 7. Nachdem der Apostel die Galater in dem Bewußtsein gestärkt hat, daß ße durch den Glauben an Christum bereits Jibrahams Kinde: geworden und in den Besitz des Segens gelangt flnd, womit der göttlichen Vorausverliündtguug gemäß in ihm alle Welt gesegnet werden sollte, sie also des mosaischen Gesetzes behufs Theilhaftwerdung solchen Segens nicht bedürfen, von dessen Fluch vielmehr die Juden selbst erst erlöst werden mußten, um gleiihsalls auf dem Wege des Glaubens den oerheißenen Geist zu empfahen; so be- gegnet er nunmehr einem Bedenken, das in Folge der Ginredungen der Srrlehrer in den Herzen der tiefer gegen diese seine Darstellung der evangelischen Heils— ordnung sich insofern geltend« machen konnte, als die Zundgebung des Gesetzes von Seiten Gottes ja auch seiner tjeilslhaten eine war und diese doch ohne Zweifel in Beziehung zur Verwirklichung der dem Kbraham ge— geschenkten ilerheißung und zur Theilhaftwerdnng des in der oerwirklicbten verheißung beschlossenen Heiles siehe. Um solches Bedenken sofort niederzuschlagem be- zeichnet er Gottes verhcißung an Jlbraham als ein Teflament von Seiten Gottes, das sowenig wie ein mensazlictzes Testament, wenn es einmal rechtskräftig geworden, aufgehoben oder abgeändert werden dürfe; war nun bei diesem Testament gleich von Haus aus die freie Gnade das tbestimmende und 2lllbeherrschende, so kann das erst Jahrhunderte später veröffentlichte Gesetz an solcher Grundbestimmung nicht; ändern (v. 14 ——18). Erscheint so das Gesetz fast wie los-getrennt von dem Zusammenhang mit der theils· und Erlösung-- anstalt in Christo, so fühlt Paulus nm so mehr sich ver- pstictzteh näher ans die Frage einzugehen, was es denn mit demselben für eine tiewaudtniß habe; er beantwortet die Frage zunächst im Allgemeinen, daß es nur eine Jwt seh en anstatt sei, wie schon aus der untergeordneten Jirt seiner Veröffentlichung heroorgehe «(d1. 19 u. 20), darnach giebt er den weiteren Ausschluß, daß es päda- gogisch die Glaudensgerechtiglcelt vorbereiten sollte (v. 21 —24). Seitdem nun letztere erschienen ist, hat die Zeit seiner erziehlichen Bestimmung aufgehört; in Christo ist alle tllerheißung erfüllt, das Kindschaftsoerhältuiß zu Gott hergestellt und für alle ohne Unterschied der volle Jlbrahamssegen vorhanden (v. 25—29). ttleber den vormaligen Zustand der tlnmiindiglieit und tinerhtschast ist nunmehr die Menschheit zur geistigen Reife und Freiheit erhoben Man. 4, 1——7). (Epistel am IS· Sonntag nach Trinitcitis.) Wenn man das heutige Evangelium (Luk.10, 23 ff) im Vergleich und Zusammenhang mit der Epistel liest, tritt einem sogleich unverkennbar die Aehnlichkeit beider Texte entgegen: beide handeln ohne Zweifel von Gefetz und Evangelium, ein jedes in seiner Weise. ,,Selig sind die Augen, die da sehen, das i r sehet«3: ruft das Evangelium und giebt damit ohne weifel dem Evan- gelium Preis und Ehre; denn was die Jünger sahen, ist der HErr, der längst verheißene Same Abrahams, von dem der Segen der ganzen Welt kommen sollte. Jhn sehen, seine Zeit erleben, ihn gläubig ergreifen, das ist Freude und Seligkeit. Das Evangelium löst aber auch die große Frage des Schriftgelehrten, der zu Jesu trat und sprach: »was muß ich thun, daß ich selig werde oder das ewige Leben ererbe?« Jn der Antwort Jesu wird des Gesetzes Summa und in der Erzählung vom barmherzigen Samariter das ausge- dehnte Gebiet der Wirksamkeit gehorsamer Liebe gegen das Gesetz des HErrn dargelegt. Ebenso redet auch die Epistel von Gesetz und Evangelium. Stehen im Evangelium das neue und alte Testament, die neue und alte Zeit klaffend nebeneinander, räthselhast und unverbunden, der Deutung harrend, wie beide zu- sammengehen sollen, so wird im epistolischen Texte das Verhältniß beider gezeigt; die Epistel handelt ganz von dem Verhältniß des Gesetzes zum Evangelium und lehrt uns den Sinn Jesu fassen, der scharf hinter- einander die selig preisen kann, die ihn sehen, und eine Frage beantworten, wie man auf dem Wege des Ge- setzes selig werden könnte, wenn nicht eben der Weg des Gesetzes durch den Fall der Menschheit verscherzt wäre. (Löhe.) Aber ich möchte nicht blos diese Epistel mit dem dazu gehörigen Evangelio verknüpfen, fon- dern auch init der sletzten Epistel (2. Cor. 3,4sf.); dort war das Amt des neuen Testaments mit dem Amte des alten verglichen worden, hier wird in diesem Texte fortgefahren: der alte Bund befchließt alles unter Gottes Verheißung an Abrahaniein T e ft a m e n t , welches das später hinzugetretene Gesetz nicht aufhebt. 403 die Sünde, das Gesetz vermag nicht lebendig zu machen, der neue Bund dagegen bekchließt alle, die da glauben, unter die gewissen Verhei ungen Gottes, das Evan- gelium macht gerecht und lebendig. (Nebe.) Allein der Glaubensweg führt zum wahren Heil; denn nur auf dem Glaubenstvege l) nehmen wir die richtige Stellung zum Gesetz, 2) empfangen wir die Kraft zum neuen Leben, Z) gelangen wir schließlich zum himmlischen Erbe. Die ewige Herrlichkeit des Evan eliums gegenüber dem Gesetz; es verhält sich esetz zum Evangelium l) wie Forderung zur Gabe, Z) wie Knechtesstand zum Kindesstande, Z) wie Verdammung zum Trost, 4) wie Aus- treibung zum Kindeserba (Sommer.) Aus Gnaden sollt ihr selig werden: l) die Gnade hat die Ver- heißung ge eben, 2) die Gnade hat zur Verheißung erzogen, «) die Gnade hat dieVerheifßung erfüllt. (Ziethe.) Jn Christo allein ist Heil: das lernen wir l) aus der göttlichen Verheißung, 2) aus dem göttlichen Gesetz. (Münkel.) Worauf die Recht- ferti ung des Sünders in Christo beruhe: 1) aus der Gnadenordnung Gottes, 2) auf dem Glaubenswege des Menschen (Petri.) Die Recht- fertigung allein durch den Glauben: sie ist 1) die Erfüllung des alten Bandes, L) die schönste Frucht des neuen Bandes, s) der Grund aller unsrer Hoffnungen. (Kapff.) Warum predigt man noch immer von den ze n Geboten, obgleich sie keine vollkommenellkredigt zurGerechtigkeit sein können? 1) daß dadurch der Uebertretung ge- wehrt und Z) die Sünde geoffenbaret werde. (Brenz.) 15. Lieben Brüder, ich will [bei dem, was ich weiter als Beweis anzuführen gedenke, um euch völlig von der Wahrheit dessen, was ich vorhin auseinandergesetzt habe, zu überzeugen] nach menschlicher Weise reden [Röm. S, 19; 1- Eos— 9, 812 Verachtet man doch eines Menschen Testament [vgl. zu Jer. 31, 34 u. 2. Cor. Z, S] nicht sdaß man es außer Wirkung zu setzen unternehmen wollte], wenn es be- ståtiget sdurch öffentliche Verkündigung in Rechts- kraft getreten] ist, und thut auch nichts dazu« sum es anders zu gestalten, als es lautet]. 16. Nun ist je [wenn wir recht auf die hier in Betracht kommenden Testamentsworte achten] die Verheißung Abrahain und seinem Samen zugesagt [besser: Abraham zugesagt und seinem Samen, so daß es sich dabei weniger um Abrahams eigene Person handelt, als vielmehr um seinenSamen, wie das besonders an derjenigen Stelle hervortritt, wo auch die Be- stätigung des Testaments durch einen ausdrück- lichen Eidschwur Gottes geschiehet, in 1. Mos. 22, 16 ff.]. Er [Gott, der dort die Verheißung giebt und in testamentarischer Weise mit Rechtskraft versieht] spricht [da, vgl. V. 18 der angeführten Stelle] nicht: durch die Samen sdas Wort in der Mehrheitsform brauchend], als [sollte das Gesegnetwerden der Völker geschehen] durch Viele sdie von Abraham herkommen], sondern sdrückt sich dahin aus, daß es geschehen soll durch keine andern Nachkommeid als durch Einen sauf den alles hinausläuft, indem es heißt]: durch deinen Samen, welcher [wie das ja von jedermann anerkannt wird] ist Christus« [der damals noch zukünftige Heiland V. 17 u. 19]. 17. Ich sage aber davon [will mit dem in den beiden vorigen Versen Gesagten auf diesen Satz»hinaus]: Das Te ament, das [nach V. 16] von Gott· zuvor be atiget soder rechtsgiltig geworden] ist aus Christum [auf ihn, als den- jenigen lautend, durch den es in Vollzug gesetzt werden würde] wird [als ein nach V. 15 nicht aufzuhebendes auch wirklich] nicht aufgehoben, daß [wie die Jrrlehrer euch das einreden wollen] die Verheißung sollte durch?- Gesetz auf- horen lund nun dieses die Bedingung für die Empfangnahme des Erbes bilden], welches ge- geben ift uber vierhundert und dreißig Jahre hernachlM [2. Mos. 12, 40 Anm., also unmög- lich an die Stelle der schon Jahrhunderte lang bestehenden Verheißung treten konnte, ohne sie ausdrücklich aufzuheben] 18. [Beides aber neben einander zu stellen, als ob durch das Gesetz noch etwas Zweites zii dem Ersten, der Verheißung, hinzugekommen wäre, wie das die eigentliche Meinung der Jrrlehrer ist, ergiebt geradezu einen Widersinn] Denn so das Grbe [Ephes.1, u; 5, 5;»Apostg. 20, 321 durch das Gesetz, erworben wurde, so würde es nicht [mehr, wie es·doch ursprünglich fest- gestellt war] durch Berheißunååxegeben [Röm. 4- 1413 Gott aber hat’s rahani durch Berheißung frei geschenkt-s· sund bei diesem Stande der Dinge ist es auch geblieben, das Gesetz hat daran nichts sollen ändern] V) Mit V. 13 u. 14 war der Apostel nach einer durch Kürze und Tiefe bewundernswürdigen Entwickelun zu jenem Gedanken zurückgekehrt, den er in V. vorangestellt hatte, nachdem er aus der eigenen Er- fahrung der Galater und aus der Schrift nachge- wiesen, daß die Gnade des heil. Geistes nurdurch Christum gegeben werde; daher ist nach den beiden Versen ein Jnnehalten der Rede, in dem sich zugleich die schmerzliche Bewegung des Apostels mildert, so daß er die hier folgende neue Gedankenreihe mit sanften und ruhig hinfließenden Worten beginnt. (Windischmann.) Nichts bedarf eines so bedachtsamen Verfahrens, einer so weisen Mischung von Schärfe und Lindigkeih als der Rückfall unter as Gesetz und die damit verbundene Blindheit am Evangelio: die Bezauberung vom Fürsten der Welt, die darunter liegt (V. l), und der davon u besorgende Schaden er- fordern Schärfe; der im ewissen noch rege Hunger und Durst nach Gerechtigkeit und die Liebe zur Wahr- heit will mit möglichster Lindigkeit angefaßt sein. (Rieger.) Jn sreundlichster Weise neigtjich der hohe Apostel zu den thörichten Galatern hernieder; er redet sie in herzgewinnender Weise ,,lieben Brüder« an, und dann richtet er seinen Vortrag nach ihrer geringen Fassungskraft ein, indem er schreibt: ,,ich will nach menschlicher Weise redei1«, womit er bemerken will, daß er das, was er bisher, wie ihm dünkt, zur vollen Genüge ausgeführt hat, unter einen solchen Gesichts- 269 404 Galater Z, 19. 20. kunkt stellen werde, daß der gesunde Menschenverstand er Sache auf den Grund sehen könne· (Nebe.) Paulus macht bemerklich, daß er auch dieses, nicht aus der Heilserkenntniß entnommene Mittel einer Verständigung nicht unbenutzt lassen will. Es handelt sich, sagt er, um eine in Rechtskraft getretene Willensverfügung und in deren Wesen liegt es, daß sie bleibt, wie sie ist, ohne hinterher aufgehoben oder durch Zusatz ab- geändert zu werden. Er macht also das dem ge- meinen Verstande einleuchtende Wesen einer solchen Verfügung geltend, um von der göttlichen auszuschließem was man von jeder menschlichen verneinen würde; offenbar muß man daher bei dem, für das von Luther gebrauchte ,,Testament« im Grundtext stehende Wort diathskä von dem ausgehen, was dieses Wort im gemeinen Verstande bedeutet, und da bedeutet es denn eine Verfügung, die jemand bezüglich dessen trifft, über das er als Eigenthümer zu verfügen Macht hat, und auch der Zusammenhang spricht für die Fest- haltung dieser Bedeutung, da von dem Empfange eines zugedachten und zugesagten Gutes die Rede ist und es um ein Erben sich handelt, wobei außer Betracht bleibt, daß ein Mensch nur im Hinblick auf feinen Tod eine solche Verfügung über das Seine zu treffen pflegt. (v. HofmannJ is) Luther’s Uebersetzung beruht auf der Voraus- setzung der älteren Ausleåzey daß der Apostel sich hier noch eben so, wie in V. ., auf die dort in Betracht genommenen Stellen beziehe oder vielmehr jetzt auf diejenige Form der Verheißung, in welcher diese in Zusammenfassung aller drei Stellen in l. Mos.28,14 dem Jakob wiederholt wird: »in dir und deinem Samen sollen alle Geschlechter auf Erden gesegnet werden«; und da meinte nun Luther, das »und deinem Samen«, auf welches nach dem Grundtext Paulus bei seiner Auseinandersetzung den eigentlichen Nachi druck legt, durch Weglassung des »und« kürzen und das dagegen hervorheben zu dürfen, daß das ,,deinem Samen« soviel sei als »in deinem Samen-«, daher er denn in der Uebersetzung des neuen Testaments bis zum J. 1525schrieb: »Er spricht nicht: in den Samen, als in vielen, sondern als in Einem: in deinem Samen«, bis er später das »in« mit einem ,,durch« vertauschte. So erklärt sich die scheinbare Willkür seiner Uebersetzuns im Vergleich mit dem Grundtexte, der also lautet: » rspricht nicht: und deinen Samen, als [redete er] von vielen, sondern als von Einem [redend, spricht er]: und deinem Samen, welcher ist Ehristus«. Nach diesem Wortlaut haben wir vielmehr, da derselbe das »in« oder ,,durch« nicht enthält, an die Gottesverheißungen in I. Mos. 13, 15 u. 17, 8 zu denken: ,,alle das Land, das du siehest, will ich dir eben und deinem Samen ewiglich«, in Betrefs deren braham selber durch die Form, wie er in I. Mos. 24, 7 sie wiederholt, zu erkennen giebt, daß es sich dabei weniger um seine eigene Person, als um seinen Samen handele; und so verstehen wir nun auch, warum Paulus hernach (V. 18 u. 29) von einem Erbe und von Erben redet, welche Begriffe bei der von Luther in’s Auge gefaßten Verheißung außer Betracht bleiben, und warum er die Zeit unter dem Gesetz als die Zeit einer Erziehung für die Jnbesitznahme des Erbes dar- stellen kann (V. 23 fs.; 4, 1sf.), wogegen bei der von Luther angenommenen Beziehung dieser Gedanke eben- falls ganz unvermittelt sein würde. Aber nun ent- stehen für unsern Vers zwei sehr bedeutende Schwierig- keiten; die erste ist diese: wie kann Paulus in den Stellen, welche dem Samen Abrahams den Besitz des Landes Canaan verheißen, unter diesem Samen den HErrn Christus verstehen wollen? hat sich die Ver- heißung nicht vielmehr an dem von Abraham her- stammenden Volke, den Kindern Israel, erfüllt und ist somit aus dieses gemeint? In ihrem nächsten, buchstäblichen Sinne ist sie das nun allerdings« doch giebt ja Jesaias 8, 8), wenn er das jüdische Land geradezu ,,dein and, o Jmmanuel« nennt, deutlich enug zu erkennen, daß schon damals der zukünftige hristus eigentlich derjenige Same Abrahams war, der das Land in Besitz, bekam, um einst darin zu erscheinen und sein Werk zu vollbrin en. Und so wird besonders von den Propheten des ils der Gedanke in den Kindern Jsrael lebendig erhalten, daß ihr, als »das edle, liebe, werthe« bezeichnetes Land (Jer. Z, 195 Dan- 8, 97 11, 16; Sach. 7, 147 Mal. 3, 12) nicht für immer könne verwüstet und elend sein, sondern noch einmal zur höchsten Blüthe werde erhoben werden, weil es eben des Messias Land sei; dieser erscheint denn auch in dem Gleichniß von den bösen Weingärtnern (Matth. 21, 33 ff.) als der rechtmäßige Erbe, den jene zum Weinberg hinausftoßen und umbringen, um sich selber zu den Erben zu machen, was offenbar in be- stimmter Beziehung zum jüdischen Lande und zum Besitz der Herrschaft in demselbigen steht. In ihm und durch ihn soll es denn auch geschehen, daß von Eanaan aus, diesem Mittelpunkt oder Nabel der Erde, das Heil sich ausbreite über alle Lande und alle Ge- schlechter auf Erden gesegnet werden; denn Gott hat ihn, wie es in Hebt 1, 2 heißt, gesetzt zum Erben über alles, so daß wir nun, wie Paulus in Röm 8, l7 bezeugt, nicht anders Erben Gottes sein können, als indem wir Miterben Christi werden. Erst so verwirk- licht sich die andere, oben besprochene Verheißung, daß in diesem Samen Abrahams sollen gesegnet werden alle Geschlechter auf Erden. Haben wir damit die eine Schwierigkeit erledigt, so tritt uns nun eine zweite, noch weit größere entgegen: wie kann Pau- lus daraus, daß überall, wo Gott eine auf Abraham und seinen Samen lautende Verheißung giebt, für ,,Samen« nicht die Mehrheits-, sondern die Einheits- form gebraucht ist, einen Beweis dafür herleiten wollen, daß man bei dem Worte ni t an eine Mehrheit von Personen, sondern nur an inen, an Christum, zu denken habe, da dasselbe ja ein Collektivum oder Sammelwort ist,· welches überhaupt keine Pluralform hat (besonders im Hebräischen), sondern schon im Singular eine Mehrheit in sich begreift? »Es scheint das eine rabbinische, ja fast rabulistische Argumen- tationsweise zu sein, in Beziehung auf welche Hierony- mus behauptet, der Apostel, der allen alles geworden, auf daß er allenthalben ja etliche selig mache (1. Tor. 9, 19 ff.), werde hier den unverständigen Galatern (V. 1) zu Gefallen ebenfalls ein Unverständigeu Jn- dessen ist es eine falsche Vorstellung, Paulus wolle einen Beweis hier führen und bediene sich dafür eines haltlosen, für Sprachkundige gans nnzulässigen und nur Unverständige täuschenden eweismittelsz die Sache, um die es sich handelt, daß nämlich der Same Abrahams, dem die göttliche Verheißung gilt, seine einheitliche Spitze, seinen Ziel- und Höhepunkt in dem Messias habe, stand dem jüdischen Volke und mit ihm auch den Galatern schon also fest, daß es eines Beweises für diese, von der Heilsgtsschichte selber entwickelte Wahrheit gar ni t erst bedurfte. Somit stellt der Apostel mit den orten: »Nun ist je die Verheißung Abraham und seinem Samen zugesagt, welcher ist Christus« nicht eine Behauptung auf, für deren Richtigkeit er in den zwischenliegenden Worten: ,,er spricht nicht: und deinen Samen, als von vielen, sondern als von Einem: und deinem Samen« den Beweisliefern wollte; er bringt vielmehr ein theokratisches Was soll denn das GesetzP Es ist dazu kommen um der Sünden willen. Bewußtsein zum Ausdruck, welches die Singularform ,,Same« an den betreffenden Stellen der öttlichen Verheißung nicht als ein Collektivum au aßt, wie sie anderwärts allerdings so verstanden sein will (vgl. 1· Mos. 15, 13 ff.), sondern als einen wirklichen Singular, der sie ja auch sein kann (1. Mos. 4, 25., vgl. I. Sam. I, Its, und das kann er, da ihm nicht eine solche grammatifche Redeweise, wie wir uns ihrer hier bedient haben, zu Gebote steht, nur in der Weise s rachlich darstellen, daß er eine Mehrheitsform »die amen« bildet, ihr die Einheitssorm »der Samen«- gegenüberstellt und nun jener wie dieser einen er- läuternden Zusatz giebt. NO) Das, was Paulus vergleichungsweise in V. 15 gesagt hat und welches er nach V. 16 auf die Ver- heißungem die dem Abraham und seinem Samen ge- worden sind, auf Christum beziehen kann, wendet er nun an. Eine Verfügung, ein Testament, welches von Gott giltig gemacht und also rechtskräftig geworden ist, kann das Gesetz nicht aufheben: welches Testament gemeint ist, erhellt unzweideutig aus dem Zusammen- hange, denn es war hier nur von dem Testament die Rede, welches dem Abraham und seinem Samen von Gott gestellt worden ist; dieses Testament war ein be- stätigtes, ein rechtsgiltig gewordenes von dem Augenblick an, da Gott den Abraham für sich und seinen Samen diese Zusage in feierlichster Weise gegeben, das ,,zuvor«, welches Paulus dem »bestätiget« beifügt,» bezieht sich auf das 430 Jahre hernach gegebene Gesetz. Durch, letzteres nun, so führt er aus, konnte, gleichwie eines Menschen Testament nicht umgestoßen werden kann, nachdem es einmal rechtskräftig geworden, auch Gottes Testament mit den Verheißungem die dem Abraham und seinem Samen, welcher Christus ist, gegeben waren, niFt über den Hausen geworfen werden, hatte es doch diese 43 vollen Jahre schon zu Recht und in Kraft be- standen. (Nebe.) Die Zahl der Jahre, wieviel später as Gesetz eingetreten ist, benennt Paulus nicht blos des alb, weil die Auetorität einer Verfügung desto rö er wird, je länger sie in unbestrittener Giltigkeit esteht, sondern auch deshalb, weil der lange Zwischen- raum das Gefetz von der längst zuvor fertigen und in Kraft befindlichen Verfügung Gottes über sein Besitz- thum in der Art trennt, daß es außer Verbindung mit ihr steht, etwas Neues und Anderes ist und nicht für eine noch zu ihr gehörige, einen Vestandtheil der- selben bildende Bestimmung gelten kann. (v. Hofmann.) f) Es ist unmöglich, Gerechtigkeit und Seligkeit haben theils aus den Werken des Gesetzes, theils aus Gnade; denn das sind widrige Dinge, die sich einander aufheben, es muß entweder aus den Werken allein sein oder allein aus Gnade. (Starke.) Solange das menschliche Herz in Falschheit seine Liebe noch zwischen Licht und Finsterniß theilt, so wäre ihm nichts anständiger, als wenn es so zwischen der Ver- heiåung und dem Empfangen aus Verdienst herum- spr ngen könnte, d. i· sich, soweit es reichen mag, des Gesetzes und des Verdienstes rühmen könnte, wo aber das nimmer zureichte, aus der Verheißun die Gnade und das Verdienst Christi vorschützte; da dürste man hernach freilich nirgends tief graben, am Gesetz nur ein wenig anbeißen und über dem Ergreifen der Gnade auch nicht sonderlich gedemüthigt werden. Aber mit einem solchen getheilten Herzen at man weder Zu ang zur Gnade, noch Eingang in as ewige Erbe. ( ieger.) 19. Was soll denn [aber, da es ja doch nicht umsonst gegeben sein kann, sondern eine bestimmte Veranlassung und einen bestimmten Zweck haben muß] das Gesetz? sDarauf ist zu 405 antworten :] Es ist [als das Testament der Ver- heißung längst schon vorhanden war, seiner Zeit] dazu kommen um der Sünden willen sdie nun schon so sehr überhand genommen hatten bei den Kindern Abrahams, daß das ursprüng- liche Verhältniß der frei schaltenden Gnade nicht mehr bestehen konnte; wie es aber so eine blos accessorische Bedeutung hat, so auch nur eine transitorische, denn nur auf so lange ist es hinzugetreten oder neben einkommen Röm. 5, 20], bis der Same käme, dem die Verheißung geschehen ist [Christus V. 16., wo es dann wieder zuriickzutreten hätte Röm. 10, 4], und ist [zum Zeichen deß, daß bei ihm zwischen Gott und dem Volk vielmehr ein Verhältnis; der Ferne und Entzweiung, als das Verhältniß der Freundschaft und Gemeinschaft, stattfindet] ge ellet von den [auf Gottes Seite stehenden] ngeln [Apostg. 7, 53; Hebt· 2, 21 durch die Hand des [auf Seiten des Volkes stehenden und dasselbe ver- tretenden] Mittlers [Mose, der die beiden Tafeln in Empfang zu nehmen und dem Volke zu über- antworten hatte Apostgesch. 7, 38; Ioh. 1, 17; 5. Mos. 5, 5]. 20. Ein Mittler aber [darauf ist bei dem eben erwähnten Umstande, daß zur Aufrich- tung des Gesetzesbundes in Mofe ein Mittler erforderlich gewesen, wohl zu achten] ist nicht eines Einigen Mittler sist nicht da am Platze, wo nur Einer sein Werk treibt, der über das Seine frei verfügt, wie es bei Aufrichtung des Testamentes der Verheißung V. 16 der Fall ge- wesen, sondern nur da, wo zwei Parteien vorhanden, die mit einander zu vergleichen sind]; Gott aber ist einig [wie das Gesetz selber von ihm bezeugt 5. Mos. 6, 4., die auf mittlerischem Wege vollzogene Gesetzesaufrichtung also, bei welcher er eine Parteistellung einnahm, kann nicht die seinem wahren, innersten Wesen, das vielmehr in der Einheit besteht, entsprechende Heilsoffen- barung sein]. Wir stehen hier an einer Stelle, wo der Er- klärungen es so viele giebt, daß man, namentlich was den 20. Vers betrifft, ihre Zahl leicht auf 300 würde berechnen können; wir brauchen aber um diese Masse uns nicht weiter u bekümmern, sondern werden Schritt für Schritt die orte vornehmen und da immer nur die eine und die andere Möglichkeit richtiger Deutung vorfinden, zwischen welchen beiden wir zu wählen haben, und auch da wird die Wahl, wenn wir eine gründliche Erwägung anstellen, zuletzt nicht mehr zweifelhaft bleiben. Erscheint, so haben wir hinsichtlich des Zusammenhangs uns zunächst Z: Vergegenwärtigen, bei dem in den vorangehenden erfen vom Apostel Vor-getragenen das Gesetz fast wie losgetrennt von dem göttlichen Heils- und Erlösungsrathfchluß, als komme es bei diesem auf dasselbe gar nicht weiter an, so kann Paulus eine nähere Erörterung nicht um- gehen, was es denn mit dem Gesetz, das ja doch zu Gottes Heilsanstalten unzweifelhaft mit gehört und 406 Galater Z, 21. 22. darum feine hohe Bedeutung in dem göttlichen Reichs- Haushalt, wenn auch nicht mehr für den der Gegen- wart, so doch für den der Vergangenheit, haben muß, für eine Bewandtniß habe, und wirft daher die Frage auf: ,,was soll denn das Gefetz?« Wenn er darauf den Bescheid giebt: ,,um der Sünden willen ist es da u kommen«, so könnte man die im Grundtext stehenden Ausdrücke presfen und hätte dann genauer zu übersehen: »den Uebertretungen zum Besten ist es dazu kommen«, so daß der Apostel als die göttliche Bestimmung des Gesetzes hier die bezeichnen würde, die Sünden des auserwählten Volks nicht, wie die der Heiden (vgl. Röm. 4, 15; 5, 14), blos natür- licher Art sein zu lassen, d. i. Ausgeburten des un- göttlich-fleischlichen Sinnes und Verletzungen des schon im Gewissen vorhandenen Sittengefetzes, sondern sie zu Uebertretungen eines noch speziell geoffenbarten, die Grundlage des mit dem Volke geschlossenen Bundes bildenden und Fluch oder Segen an das Uebertreten oder Halten knüpfendenGesetzes zu machen und ihnen so eine entwickelten, bewußtere und ftrafwürdigere Form zu geben (Röm. 5, 20); wir bekämen dann als Gedanken; auf welchen Paulus es abgesehen hätte, diesen: das Gesetz, statt zur Erlangung der Verheißung zu verhelfen, bewirkt vielmehr das gerade Gegentheil, es führt nicht zur Gerechtigkeit und Seligkeit, sondern nur zu desto größerer Schuld und Verdammniß Hätte indessen der Apostel diesen Gedanken im Sinne gehabt, so würde er schwerlich so kurz sich ausgedrückt haben und wäre schwerlich so rasch darüber hinweggegangen, ohne sich näher zu erklären, indem ja der damit aus- gefprochene Zweck des Gesetzes nur ein Mittelzweck ist, zu dem man den eigentlichen Endzweck erst noch er- gänzen müßte (Grimm: txt» peccata natur-am transgressjonum induerent eoque modo pec- catorum conscientia acueretur et reciemtjonis desi- derium excitareturx Nun kann aber das» griechische Wort, welches wir vorhin »zum Besten« iibersetzten ansah, auch s. v. a. »aus Anlaß« bedeuten (·Ephes· Z, 1 u. 14· List. 7, 47; 1. Joh 3, 12); dann ist der Sinn des Satzes dieser: aus Anlaß der Sünden und Uebertretun en, die innerhalb der 430 Jahre, seit Gott das Erbe braham durch Verheißung frei geschenkt hatte (V. 17 f.), sich immer mehr bei dessen leiblicher Nachkommenfchafh den Kindern Israel, gesteigert hatten (zu beachten ist, daß das Wort: ,,Uebertretungen« im Grundtext den Artikel bei sich hat), ist das Gesetz hin- zugetreten, um ein Zwifchenverhältniß aufzurichten und eine Zwischenanstalt zu begründen, bis der Same, dem die Verheißung geschehen, d. i. Christus, käme· Um der sich mehrenden Uebertretung willen konnte nämlich Gott ni t mehr in dem freundfchaftlich-väter- lichen erhältniß, in welchem er zu den Erzvätern gestanden, auch zu dem Volke bleiben, das aus ihnen hervorgegangen war, konnte nicht mehr so unbedingt feine frei fchenkende Gnade walten lassen, wie einem Abraham und den andern Erzvätern gegenüber; er mußte vielmehr in ein anderes, in ein zuchtmeister- liches Verhältniß zu diesem Volke treten (V. 24 f.), streng fordernd und verbietend und mit harter Strafe die Uebertretung belegend, ja diese geradezu unter einen Fluch stellend, um ihr möglichst zu fteuern und ihr weiteres Umsichgreifen doch in etwas zu ver- hindern. Man hat vielfach letzteren Sinn, das Gesetz sei gegeben um ein Sündenriegel zu sein (Luther: ,,gleichwie man eine Beftie an eine Kette le t, daß sie nicht zerreiße und umbringe, was sie erhaschen mag, also indet das Gesetz auch den Menschen, der von Natur allerlei Böses und Sünde zu thun geneigt ist, daß er nicht, wie er gern wollte, Sünde noch Schaden thue«), unmittelbar in des Apostels Ausspruch finden wollen: »das ist des Gefetzes weltlicher und äußerlicher Nutzen, daß es uns wie ein Zaum abhält von der Sünde; wäre kein Gesetz- so würden wir uns wie ein voller Strom mit aller Lust in allerlei Sünde ergießen«. gewiesenen Deutung, als solle die Bestimmung des Gesetzes von der Seite dargestellt werden, daß es die Sünden zu Uebertretungen ftempele und so die Strafwürdigkeit derer, die unter dasselbe gestellt wurden, erhöhe, das »zum Besten oder zum Vortheil der Uebertretungen«, was der griechische Ausdruck, dessen Paulus sich bedient, bedeuten kann, zu sehr gepreßt wird, so wird nun hier eine dem geradezu entgegen· gesetzte Bedeutun angenommen, als wäre ,,um der Sünden willen« soviel als: »zur Verhütung oder Unterdrückung der Uebertretungen«, was eine sprach- widrige Auslegung wäre. Wenn wir den Faden weiter spinnen, so führt Pauli Wort allerdings auf diesen Gedanken hin; zunächft jedoch liegt er nicht darin, sondern die Sünden, welche bei Abrahams Nachkommen, die ja in der von den Erzvätern überkommenen Re- ligion eine übernatürliche Offenbarung Gottes schon besaßen, von Haus aus Uebertretungen waren und, namentlich was die Abgötterei, diese Gruudfünde be- trifft, die Sünden der Heiden an Verdammlichkeit weit übertrafen, werden als Urfach eines veränderten Ver- hältnisses zwischen Gott und dem Volke im Vergleich mit dem früheren Verhältniß zwischen Gott und Abraham, feinem Freunde (Jak. 2, 23; Jes. 41, 8), in’s Auge gefaßt, und dieses veränderte Verhältniß gewinnt nun feine Ausgestaltung dadurch, daß an die teIle der Verheißung das zuchtmeisterliche Gesetz tritt, ohne daß jedoch, wie V. 21 dies betont, das Gefetz wider die Verheißung wäre. Von dem hiermit ge- wonnenen festen Standpunkt aus verstehen wir auch, was die Eharakterisirung des Gefetzes besagen will: »und gestellet von den Engeln durch die Hand des Mittlers«. Dann freilich, wenn dem Zusammenhange nach die mosaische Gesetzgebung andern, außerhalb des heilsgefchichtlichen Gebiets vorgekommenen Gesetz- gebungen entgegengestellt wird, wie das besonders in 5. Mos. 33, 2 u. Apostg. 7, 53 der Fall ist, dient die Hervorhebung des Umstandes, daß sie unter Ver- mittelung der Engel geschehen, zu ihrer Verherr- lichung; aber hier schließt sich diese Hervorhebung einem Ausspruche an, welcher die Zeit des Gesetzes als eine ,,um der Uebertretungen willen« nothwendige Zwischenstation zwischen der Zeit der Verheißung und der Zeit der Erfüllung (,,dazu kommen, bis der Same käme, dem die Verheißung geschehen ist«) markirt, und da dient dieselbe offenbar dazu, auf den Charakter der bloßen Mittelbarkeit hinzuweisen, der dem Gesetz im Vergleich mit dem früheren Schenken der Verheißung an Abraham und der künftigen Ueber- antwortung des Erbes an seinen Samen anhaftet. Dieses beides geschiehet unmittelbar durch Gott selber; dagegen vollzieht sich die Gefetzesertheilung von Seiten Gottes durch die Engel (in Apoft . 7, 53 sagt Stephanus geradezu: ,,ihr habt das Gesetz em- pfangen auf Anordnun en von Engeln hin« — Luther: ,,durch der Engel efchäfte«), und die Gesetzes- empfangnahme von Seiten des Volkes geschieht durch die Hand des Mittlers, und das deutet auf eine weite Kluft, die zwischen Gott und dem Volke bestehet und nur dadurch überbrückt werden kann, daß auf beiden Seiten ein mittlerisch er Dienst eintritt. Was nun den Inhalt von V. 20 betrifft, über dessen richtige Erklärung am meisten Widerstreit unter den Auslegern vorliegt, so kann bei dem ersten Sude: »Ein Mittler Allein wie bei der vorhin von uns zurück-· Das Gesetz ist gestellet von den Engeln durch die Hand des Mittlers. 407 aber ist nicht eines Einigen« (die Wiederholung: »Mittler« gehört Luther an, der Grundtext hat sie nicht) nur zweierlei in Frage kommen. Entweder ist der Sinn dieser: ein Mittler darf nicht blos der einen Seite oder Partei angehören, sondern muß die Zuge- hörigkeit zu beiden heilen, für die er vermittelt, an sich tragen; oder aber der Satz will besagen, daß da, wo nur Einer ist, ein Mittler seine Stelle nicht hat, sondern nur da, wo zwei Parteien vorhanden sind, die mit einander in Verhandlung treten, in welchem Falle denn Luther ganz wohlgethan hätte, das ,,Mittler« am Schlusse noch einmal hinzuschreiben. DieStelluiig der Worte im Grundtext nun (es heißt nicht: on» Im» Jede, sondern: åiiög ins« Zeus) läßt jene erstere Auffassung nicht zu, sondern entscheidet zu Gunsten der letzteren; es ergiebt sich dabei der abermals die, bei der Gesetzgebung zwis en Gott und dem Volke vorhandene Kluft hervorhe ende Gedanke, daß beide eben zwei Parteien bilden, die durch einen Mittler mit einander pactiren oder einen Vertrag abschließen, wozu auch die Darstellung des Vorgangs vor der Verkündigung der 10 Worte, wie wir sie in 2. Mos. 19, 3—8 lesen, trefslich stimmt. Was soll nun aber der zweite Satz Beziehung auf welchen schon Manche daran verzweifelt haben, ihm einen passenden Sinn abzugewinnenit Offenbar ist zu den Worten des Apostels etwas zu ergänzen, wovon er glaubte, daß es der Leser von selbst heraus-finden werde, auch ohne daß er’s erst hin- fchriebe; und da muß es etwas sein, was sich aus dem vorher Gesagten im Zusammenhalt mit dem kurzen, andeutenden Spruche bei logisch richti em Denken Von selbst ergiebt und was die in den beiden ersen enthaltene Gedankenreihe zum Abschluß bringt, da ja mit dem fol- genden Verse eine neue Frage zur Verhandlung kommt. Wir haben oben die Ergänzungen dem Satze hinzugefügt, wie wir sie für sachgemäß halten, und setzen nun hier als nähere Erklärung folgende Auslassung von Delitzsch hinzu: ,,Nur da, wo Gott in seiner Einheit und Allein- heit sich offenbart, ist eine Offenbarung radjo directo oder ohne Strahlenbrechung vorhanden; eine solche Offenbarung ist die im Evangelio sich vollführende Verheißung, welche schlechthiu Gottes That an der Menschheit zum Jnhalt, » Gottes Gnade zum Beweg- grund hat, wogegen das Gesetz nach Bedeutung, Charakter und Inhalt eine eben so stark menschliche, als göttliche Seite hat und demgemäß auch seine Offen- barungsweise eine andere war, indem es durch Engel, also nicht unmittelbar von Gott, und erst durch Mose, also— nur mittelbar an Jsrael gelangte, individuelles Gepräge annehmend, dem Charakter Jsraels sich an- passend und in die Bedingnisse des Volkes eingehend, dessen Lebensordnung zu werden es bestimmt war. Es giebt gar keine tiefere Erfassung des Unterschiedes des Gesetzes und Evangeliums, als diese paulinische«. Jn genauer Gegenüberstellung der von dein Apostel beigebrachten einzelnen Momente schreibt dann Rede: »Dort bei der Bundesschließung bei der Gesetzgebung Engel als dienstbare Geister, hier bei der Darbietung der Verheißung Gott in Person; dort ein Mittler, der Gottes Gabe, das Gesetz, dem Volke zuträ t, hier Gott von Angesicht zu Angesicht mit dem rzvater redendx dort ein Mittler, der Zweien an ehört, der zwischen Zweien hin und her geht, der zwischen diesen einen Vertrag au richtet, und hier Gott, der Einer ist, der nicht verschiedenen Personen angehört, nicht zwischen Andern erst Abrede und Abkommen zu treffen hat, sondern der Einer ist, der sich selbst angehört, der selbständig, ungebunden, frei ist.« Dabei dürften wir uns wohl in Betresf der schwierigen Stelle beruhigen. bedeuten: »Gott aber ist einig-«, in« 21. Wie? [so kann man bei dem eben Ge- sagten sich veranlaßt fühlen zu fragen:] ist denn das Gesetz [wenn seine Offenbarungsweise im geraden Gegensatz, stand zu der der Verheißung] wider Gottes Verheißungen sdaß es auch seiner Natur und seinem Inhalte nach zu diesem im Gegensatz stünde, es aufhübe oder der Erfüllung des Verheißenen hinderlich in den Weg träte]? Das fei ferne [im Gegentheil könnte der Weg des Gesetzes an und für sich derjenige sein, auf welchem es zu jener Erfüllung käme Luk. 10, 28]! Wenn aber lmuß heißen: Denn wenn] ein Gesetz [in dem des MoseJ egeben wäre, das da konnte lebendig ma en [denen, welchen es gegeben ist, auch die Kräfte des heil. Geistes verleihen, um es so zu halten, wie es gehalten sein will], so käme die Gerechtigkeit sdiese Grundbedingung zur Erlangung der verheißenen Seligkeit] wahrhaftig [wie die Eiferer über dem Gesetz annehmen, aber nur in Folge einer Ver- kennung der ihm anhaftenden Ohnmacht zur Er- neuerung des Herzens und Heiligung des Lebens Röm. 7, 14; 8, 3; 2. Cor. Z, S] ans dem Gesetz« fund würde dasselbe, wie es ja selber Gottes Verheißungen wiederholt, auch zur Er- langung des Verheißenen verhelsen]. 22. Aber fes verhält sich anders: ein solches Gesetz ist nicht durch Mosen gegeben, sondern] die Schrift [d. i. Gott nach den in der Schrift niedergelegten Zeugnissen, vgl. V. 8] hat es alles [die gesammte Menschheit, die mit dem Gesetz versehenen Juden sowohl, wie die ohne Gesetz gelassenen Heiden Röm. Z, 9 u. 23] beschlossen unter die Sünde sunter die Botmäßigkeit derselben gestellt, so daß ein jedes gleichsam unter Schloß und Riegel von ihr ge- halten wird und sich nicht frei bewegen kann Rom. 11, 32], auf daß die Verheißung [oder das Verheißene, nämlich Gerechtigkeit und ewiges Leben] käme durch den Glauben an Jefum Christum »[wie es von Haus aus der göttliche Rathschluß war], gegeben denen, die da glaub en« [ohne eine andere Bedingung, als diese, für ihre Zuertheilung zu fordern Röm. Z, 22., also keineswegs das Sich- unterstellen unter das Gesetz Kap. 4, 21]. «) Der Satzz »wenn ein Gesetz gegdeben wäre, das da könnte lebendig machen« bezeichnet as, was, wenn aus dem mosaischen Gesetz die Rechtfertigung kommen sollte, der Fall sein müßte, in Wahrheit aber nicht der Fall ist. Um nämlich die Rechtfertigung mitzutheilen, dazu genügt nicht, daß das Gesetz von Gott gegeben und darum an sich selber gerecht, heilig nnd gut ist, sondern wegen des in Sünden todten menschlichen Jch müßte das Gesetz die Kraft haben, dieses erst wieder zu beleben oder den heil. Geist mitzutheilen (V. 2); denn der heil. Geist ist es, der lebendig macht, das mosaische Gesetz, da es diesen nicht mittheilen kann, wirkt trotz seiner Heiligkeit als Buchstabe (2.Cor. 3,6) 408 Galater Z, 23—29. und tödtet. (Wieseler.) Wenn ein Gesetz der Art gegeben wäre, daß es das Vermögen besäße, lebendisgskzu machen, den sleischlichen und in Sünden todten enschen in einen geistlichen und in Gott lebendigen Menschen um- uwandeln, also rechtschaffene Thätersemer selbst zu schaffen, dann würde wirklich, und nicht blos in der Einbildung der Verkehrer des Evangeliums, die Gerech- tigkeit eine Gesetzessache, eine Frucht der Ehe zwischen dem Gesetz und dem Volke Israel sein; nun ist aber das Gesetz Zwar geistlich und lebendig (Röm. J, 14; Apostg·7, 3 ) als das Wort Gottes, der da Geist und Leben ist (Hebr. 4, 12), jedoch Geist·und Leben zu geben, den lebendigmachenden Geist m unsre Herzen zu senden, auf daß die vom Gesetz erforderte Gerech- tigkeit in uns erfüllt werde (Röm. 8, 4), das vermag es nicht, weil es keine geb end e, sondern allein eine fordernde Art hat. Das Gesetz spricht wohl: »der Mensch, der mich thut, wird durch mich leben«; aber es macht den Menschen nicht geistlich-lebendig zu dem Thun der Gerechten, die das Erbtheil des Lebens er- langen. Die Epistel des IS. Sonntags nach Trinit wirft damit ihr helles Licht auf die evangelische Lection desselben Sonntags, wo wir den HErrn jenem Schrift- gelehrten, der die Hauptsumma des Gesetzes wohl an- zugeben wußte, antworten hören: ,,thue das, so wirst du leben«. (Besser.) IV) Bedenken erregen kann in dieser Stelle der Umstand, daß das ,,beschlossen« eine göttliche Thätigs keit in Beziehung auf das Bösesein der Menschen aus- zusagen scheint; allein das Bösegewordensein der Men- schen wird hier vorausgesetzt, nur das wird behauptet, daß es Gott gefiel, dieses nicht sofort (auch nicht durch das Gesetz) wieder aufzuheben, sondern die Menschen eine Zeit in der Sünde zu lassen und erst mit Christo die Erlösung zu senden. (Olshausen.) Das B eschließen unter die Sünde drückt aus, daß alle Menschen nicht blos dann und wann sündigten, sondern daß die Sünde über sie herrschte, sie alle in ihrer Knechtschaft sich befanden Röm.5, 21. (Wieseler.) Das Beschließen unter die Sünde ist aber kein Abschließen der Gnade, sondern im Gegentheil, alles wird unter die Sünde beschlossen, damit niemand seine Hilfe bei dem Gesetz suchen könne, sondern vielmehr jeder getrieben werde, sein Heil einzig bei der Verheißung, d. i. einzig bei der freien Gnade Gottes in Christo, zu suchen. (Löhe.) (Epistel am Reuiahrttageh Es ist wohl anzunehmen, daß die alte Kirche diese Epistel wählte, weil in ihr von der Taufe die Rede, welche das Gegenbild von der Beschneidung ist, von der das Evangelium (Luk. 2, M) handelt; die Taufe nun macht uns zu Gottes Kindern und zu Erben der Verheißung, und das giebt uns Trost und Zuversichh Freude nnd Friede an diesem Tage, an welchem sich von selbst die Fraäe uns aufdrängt: »was will das werden?« (Nebe.) hristus hat am Neu- jahrstage den Namen Jesus empfangen: in diesem Namen, im Glauben an Jesum sollen wir das neue Jahr anfangen; und das können wir, denn wir sind als Christen Gottes Kinder, wie diese Epistel uns nahe legt. (Lisco.) Wie wir die Kindfchaft Gottes am Neujahrstage gebrauchen mögen: 1) als eine genugsame Zusage, 2) als eine heili e Ver- mahnung Gottes, unsers Vaters. (Petri.) ie die GewißheitunsrerGotteskindschaftunsstärket zum Lauf in dem »vor uns liegenden Jahre: 1) sie· gewährt uns die rechte Freiheit; 2) sie setzt uns in die rechte Gebundenheit. -— Jhr eid Gottes Kinder: I) das tröste euch wider die An- klagen aus der Vergangenheit, 2) das ermuntere euch zur Heiligung in der Gegenwart, 3) das er- fülle euch mit freudiger Hoffnung für die Zukunft. (Sommer.) Die Mitgabe des heil. Apostels für das neue Jahr; er legt uns drei Worte an’s Herz: I) ihr seid alle Gottes Kinder durch den Glauben, L) ihr seid allzumal Einer in Christo Jesu, Z) ihr seid nach der Verheißung Erben. (Genzken.) Der seligste Uebergaiig in das neue Jahr: I) wenn wir der Sünde und dem Gesegeszwang entwachsen und durch den Glauben Gottes inder werden; 2) wenn wir ein neues Leben nach Christi Vorbild beginnen und uns in Liebe vereinigen; Z) wenn wir die Hoffnung im Auge behalten, einst das ewige Jubeljahr im Himmel u feiern. (Heubner.) Was wir als Pilgrime hristi sein könnten, und was wir dagegen in unsrer leidigen Eigenheit sind: wir könnten I) frei sein trotz aller Gebundenheit, und sind da- gegen gebunden trotz aller Freiheit; 2) sicher sein trotz aller Gefahr, und sind dagegen gefährdet trotz aller Sicherheitz Z) überall Brüder haben trotz aller Verlassenheih und sind dagegen verlassen trotz aller Verbrüderung; 4) in Hoffnung reich sein trotz aller Armuth, und sind dagegen arm trotz aller Hoffnungs- »fülle. (Seybold.) Der Neujahrsgruß der Kirche an ihre Glieder: ihr seid alle Gottes Kinder durch den Glauben an Christum Jesumz er enthält l) eine fröhliche Botschaft, Z) eine her liche Bitte und 3) eine dringende Mahnung. (Eig. ZIrbJ 23. Ehe denn aber der Glaube [an Jesum Christum V. 22z 1, 23] kam fals die rechte Heilsökonomie an uns herantrat Apostg 16, 31], wurden wir lChristen aus den Juden V. 13] unter dem Gesetz« [als unter den Händen eines Machthabers] verwahret und svon dein- selben wie in einem Kerker Weish 17, 16; Kap- 4, 3] verschlossen auf den Glauben [hin], der da lseiner Zeit Kap. 4, 4] sollte osfenbaret werden«· [und nunmehr uns die Freiheit bringen Kap. 4, b; b, 18; Röm. s, l4., vgl. zu Hef. 20, 37 Anm.]. 24. Also [eben hierdurch, daß es uns ver- wahret und verschlossen hielt auf den Glauben] ist das Gesetz« unser sder aus den Juden ge- wonnenen Glieder der Kirche] Znchtmeister gewesen auf Christum, daß wir [wie denn nunmehr wirklich mit uns geschehen ist Kap. 2, 15 f.] durch den Glauben gerecht würden« [Röm. 10, 4]. 25. Nun aber der Glaube fder vor Christo als eigentliche Heilsökonomie ja noch nicht da war V. 231 kommen ist, sind wir nicht mehr unter dem Zuehtmeister [sondern dieser tritt nun zurück, nachdem er seine Schuldigkeit gethan, und wir befinden uns fortan in einem anderen Stande Matth. 17, 25 ff.]. 26. Denn ihr seid alle faußer uns, den vormaligen Juden, auch ihr Glieder der Kirche, die ihr vordem Heiden gewesen] G o ttc s K in d e r durch den Glauben an Christo Jefu [Joh. 1, 12]. 27. Denn wie viel euer snach dem Grundtext ist hier noch einzufügen: a uf Christum Das Gesetz ist unser, der aus den Juden bekehrten Christen, Zuchtmeister gewesen. 409 Rövd S, Z] getauft sind, die haben Christum ange ogensst [und sind damit in dasselbe Verhältni , in welchem dieser zu Gott steht Matth. 3,17; 17, 5., eingetreten Röm. 8, 29]. · 28. Hie [d· i. in dem Stande der Dinge bei denen, die Christum angezogen haben] ift kein Iude noch Grieche [oder Heide i. Cor. 12, 13; Röm. I, l6; 10, 12], hie ist kein Knecht noch Freier, hie ist kein Mann noch Weib; denn ihr seid allzumal Einer lmacht alle mit einander nur eine einzige moralische Person aus Ephes 2, 14 ff.] in Christo Jesus!- [Col. 3, 11]. » 29.· Seid ihr aber Christi, so seid ihr Ia [da ihr nun demjenigen zugehöreh welcher laut V.16 u. 19 der rechte Abrahams-Same ist Röm. 9- 8] Abrahams Samen, und swas unmittel- bar von selbst folgt] nach der Berheißung sin den oben in Bezug genommenen Stellen 1. Mos. 13- 155 17, 81 Erben-He · «) Zweck dieser Darstellung des Gesetzesstandes ist nicht mehr blos, die große Verschiedenheit des Gefetzes von dem Testament der Verheißung an sich noch weiter in’s Licht zu stellen, wie dies schon in V. 19 f. ge- schehen; sondern jetzt soll nachgewiesen werden, wie der Zweck des Gesetzes doch im tieferen Grunde mit dem des Testamentes der Verheißung zusammenstimmte (also nicht demselben zuwiderlief V. 2l), jenes auf die Erfiillung des letzteren vorbereitete; denn »wir wurden unter dem Gesetz verwahret und verschlossen«, sagt Paulus (von der Menschheit überhaupt V. 22 nunmehr aufJsrael insonderheit übergehendh »auf den Glauben, der da sollte offenbaret werden«, das Gesetz zielte also erade darauf hin, daß der Glaube, durch den die erheißung kommen sollte, könnte offenbaret werden. (Schmoller.) Nicht als menschliches Verhalten, sondern als Gabe» von Gott, der ihn ossenbart, kommt der Glaube hier in Betracht, und- darum nicht als Sache der Einzelnen, welche glauben, sondern in seiner Be- stimmung für die Welt, welcher er kund gethan wird; mit andern Worten, es handelt sich darum, was heils- eschichtlieher Weise das Gemeinschaftbildende gewesen. ies war aber bis auf Christum das Gesetz, und erst seit seiner Erscheinung ist es der Glaube; vorher, sagt Paulus, sich»in die heilsgeschichtliche Gemeinde ein- schließend, wie dieselbe vor Christo gewesen, wurden wir unter dem Gefetz in Hut gehalten oder verwahret usznd verschlossen auf·den Glauben. Israel war also ein Gesetz des Gemeindelebens gegeben, unter welchem es nicht anders konnte, als dem Glauben entgegen- gehen, dessen Offenbarung das Ende seiner Befassung unter das Gesetz sein sollte. (v. Hofmann.) Das jüdische Volk wurde in dem Gewahrsam des Gesetzes einge- schlossen, damit es selbst für das Evangelium reife und auch den Heiden die Möglichkeit des Heils be- wahre: tiefer kann die welthistorische Bedeutung dieses inerkwürdi en Volks nicht gefaßt werden. Wie im einzelnen» enschen inmitten des Gewühls und Wider- streites seiner natürlichen Triebe Ein fester Punkt, Ein un ugängliches Heiligthum bleibt, das Gewissen, dessen Stimme zwar übertäubt werden kann, aber nie ganz verstummt, und wohin fiel) der letzte Strahl des Gottesbewußtseins flüchtet, so bewahrte Gott in der Menschheit unter den wilden Wassern der Nationen, die eben soviel Repräsentanten der Kräfte und Leiden- schaften des Fleisches sind, Ein Volk, verschlossen und umdämmt, das er durch seine eigenthümliche Führung von den Verirrungen des Heidenthiims zurückhieltz wenn es auch manchmal von diesem überfluthet zu werden drohte, und in dem das Bewußtsein des wahren Gottes und die Erkenntniß der Sünde als ein heiliger Funke gehütet wurde, der in Christo zum Licht der Welt werden sollte. Wie das Gewissen des Menschen durch das göttliche Gebot geweckt und geschärft wird, so ward das jiidische Volk durch das mofaische Gese das Herz der Völker, welches den Todesschnierz der ünde empfand, das Gewissen der Menschheit, das sich in seinen Banden nach der Befreiung sehnte. (Windischmann.) «) Der Zuchtmeistey wie Luther das im Grund- text stehende, eigentlich ,,Knabenführer« bedeutende Wort übersetzt hat, war ein Sklave, welcher den Sohn des Hauses in seinem Knabenalter beaufsichtigte und zurechtwies, in die Schulen und Gymnasien und sonst überall hinführte und welchem die freiheitsliebenden Knaben leicht ein hartes, hofmeisterndes Wesen vor- warfen, und häufig nicht ohne Grund; der Begriff eines strengen Hüters oder gar Stockmeisters liegt jedoch, wie an unsrer Stelle, so auch in 1. Cor. 4, 15, wenigstens nicht zum Grunde. (Wieseler.) Den Namen eines Zuchtmeisters verdient das Gesetz aus zwiefachem Grunde: I) der Zuchtmeister tritt gegen seinen Zögling gebietend und verbietend, resp. mit Strafen drohend- überhaupt seine Freiheit einschränkend auf und legt ihm in dieser Beziehung ein zwingendes Joch auf, es findet ein Verwahret- und Verschlosfensein unter ihn statt; 2) diese Freiheitsbeschränkung, über- haupt dieses ganze Unterthänigkeitsverhältniß ist aber nicht Selbstzweck, sondern findet nur statt als Mittel zum Zweck und dient dem höheren Ziel, daß der Zög- ling dadurch erzogen werde zur Mündigkeit, zum Einnehmen derjenigen Stufe, zu der er bestimmt ist, er wird verwahret und verschlossen lediglich für das, was da soll offenbaret werden. Und gerade dies Zwiefache war ja nach V. 23 auch beim Gesetz der Fall. (Schmoller.) Die vom Zuchtmeister hergenommene Bezeichnung des Gesetzes will mit den Worten: »auf Christum« dessen Bestimmung ausdrücken, die ihm Unterstellten in der Richtung auf den zukünftigen Christus zu erhalten, indem er ihnen wehrte, eine andere Richtung einzuschlageiy oder sie davor behütete, vom Wege abzukommenz stand aber das Gesetz in solcher Beziehung zu Christo, so war es ja mit den Verheißungen Gottes nicht im Widerstreit, sondern im Einklang, als welche in Christo ihre Erfüllung finden. so. HofmannJ Jn dem Knaben, der unter einem Zucht- meister steht, sehen wir zwei Stücke: das erste, daß er wird bewahrt durch solche Furcht und Ueberhalten seines Zuchtmeisters vor vielem Bösen, das er sonst thäte und sich in ein frei böses Leben ergäbe und gar wild würde; das andere, daß er im Herzen dein Zuchtmeister desto feinder wird, der ihm seinen Willen wehrt. Es stehet mit ihm also, je härter ihm das Böse äußerlich verboten wird, je unwilliger er im Herzen über den Verbieter wird; und stehet sein Wesen auf solcher Wage, daß die Sünde, soviel sie äußerlich abnimmt, soviel sie innerlich zunimmt, gehet eine Wagschüssel auf, die andere ab. Das sehen wir auch in der Erfahrung, daß die Knaben, so am allerhärtesten gezogen werden, wo sie los werden, so werden sie viel ärger, denn »die nicht so hart·sind gezogen: so gar ist die Natur nicht zu halten mit Geboten und Strafen; man muß niehr dazu thun. —- Nachmals freilich, wenn die Kinder zum Erbe kommen sind und verstehen, wie niitzlich ihnen der Zuchtmeister gewesen ist, alsdann 410 Galater 4, 1-—4. heben sie an, die Zucht, Strafe und Fleiß des Zucht- meisters zu loben, und schelten sich selbst, daß sie ihm nicht willig und gern gehorcht haben; nun thun sie ohne den Zuchtmeister aus freiem Willen gern das- jenige, was sie unter der Gewalt des Zuchtmeisters mit Widerwillen und gezwungen thaten. Also auch wir, wenn wir den Glauben erlangen, welcher unser wahrer Erbfall ist, Abra am und seinem Samen ver- heißen, und verstehen als ann, wie heilig und nützlich das Gesetz ist, wie schändlich aber die öse Lust und Begierde, so lieben wir alsdann das Gesetz und loben es, und wiederum schelten und verdammen wir unsre bösen Begierden, als sehr uns hat angefangen das Gesetz zu gefallen; wir thun auch nun willig und gern, mit fröhlichem Herzen, das vormals das Gesetz mit Gewalt und viel Dräuen äußerlich erzwang und doch innerlich nicht heraus-nöthigen konnte. (Luther.) »Es) Mit V. 25 beginnt eine neue Gedankenreihe: dem in V. 23 u. 24 beschriebenen Zustande des Men- schen unter dem mosaischen Gesetz stellt Paulus von V. 25 an den Zustand des Menschen unter dem christ- lichen Glauben gegenüber, um in V. 29 daran die Folgerun zu knüpfen, daß jeder, der Christo angehöre, in verhei ungsmäßiger Weise erben werde. V. 25 be- schreibt diesen neuen Zustand in seinem Verhältniß zur Vorzeit, V. 26——29a in seiner Gegenwart, V. 29b wirft einen Blick zuguterletzt noch in die Zu- kunft. (Nebe.) Dem Gange der Heilsgeschichte in V. 23 f. folgend, ist der Apostel mit V. 25 bei der Thatsache der Gegenwart angelangt, daß die zuvor dem Gesetz unterstellt Gewesenen nunmehr, nachdem der Glaube ekommen ist, unter keinem Zuchtmeister mehr sich be "nden; um aber diese Thatsache geltend machen zu können, muß er die Richtigkeit derselben erhärten, was er denn auch in V. 26f. thut. (v. Hof- mann.) Die Behauptung, daß die Judenchristen nicht mehr unter einem Zuchtmeister stehen, wird dadurch begründet, daß alle galatischen Christen, mögen sie Juden- oder Heidenchristen sein (sie waren aber der bei Weitem überwiegenden Mehrzahl nach, ja fast sogut wie alle, das letztere, und bei dem »wir« hat Paulus außer sich selbst hauptsächlich die judaistischen Jrrlehrey seine Gegner, im Auge, vgl. das »wir« in Kap. 2, 15 ff.), Kinder Gottes sind durch den Glauben an Christum Jes11m: ein Kind Gottes sein und in seiner Beziehung zu Gott unter einem Hofmeister stehen, sind zwei unvereinbare Dinge (vgl. Kap. 4, 5 u. 7); wer in seinem Verhältnisse zu Gott unter einem Zuchtmeister steht, der fürchtet sich wie ein Knecht vor dem Zorne Gottes (Röm. 8, 15) und wird wie ein Knecht von außen durch Befehle angetrieben, den Willen Gottes zu thun, wen aber Gott gerechtfertigt und als Kind angenommen hat, der sieht in Gott seinen Vater, ist von aller knechtischen Furcht und von der Herrschaft des Gesetzes innerlich befreit und thut aus eigenem, vom heil. Geist gewirkten Antriebe (Kap. 4, S; 5, 18; Röm. 8, 14 f.) den Willen des Vaters. (Wieseler.) Merke auf den Uebergang der Rede von »wir sind« in ,,ihr seid«! Zur Begründung dessen, was er von den Gläubigen aus den Juden behauptet, daß sie nicht mehr unter dem Zuchtmeister seien, führt Paulus den Galatern zu Gemüthe, daß sie selber ohne Zuthun des Zuchtmeisters Kindesrecht im Reiche Gottes erlangt, also keine verständige Ursache haben, sich nachträglich unter einen selbsterwählten Zucht- meister zu Knechten zu begeben. Der Apostel hätte nun sagen mögen: »denn wieviel euer das Evangelium angenommen haben (1. Cor. 15, 1), die sind in Christo und gehören ihm an«; jedoch die Erinnerung an die- jenige Weise der Annahme des Evangelii, welche in derTaufe geschiehet, wo das Wort in sakramentlicher Versichtbarung den Menschen umfängt und in Christum einkleidet, mußte den Galatern auf’s Deutlichste und Gewisseste vor Augen rücken, daß sie ohne Zuihun des Gesetzes, ohne eigenes Wirken oder Mitwirken, aus allerfreiester Gnadenschenkung geworden, was sie waren, Kinder Gottes in C risto (es ist dabei das zu V. 2 über die auch in äu erlichen Zeichen bei der Taufe sich vollziehende Geistesbegabung und das darauf sich gründende Bewußtsein eines neuen Verhältnisses zu Gott in jener ersten Zeit der christlichen Kirche von v. Gerlach Bemerkte zu berücksichtigen), bei denen Beschneidung und Gesetz also nichts zu erstatten fanden, was ihnen i1och mangelte an Würde und Herrlichkeit, Gerechtigkeit und Frieden, Leben und Seligkeit. (Besser.) Ganz offenbar liegen in der Rechtfertigung zwei göttliche Handlungen vereinigt, nämlich Vergebung der Sünden und Zurechnung der Gerechtigkeit des HCrrn Jesu: sind uns die Sünden vergeben, so sind wir wohl straffrei, aber den Ruhm, den wir vor Gott haben sollten, haben wir damit noch nicht; ist uns aber die Gerechti keit Jesu Christi zugerechnet, so haben wir auch diecflen Ruhm, und es fehlt uns dann nichts, um als Gottes Kinder von Gott und all den Seinen be- handelt zu werden. Diese Zurechnung der Gerechtig- keit Jesu Christi erscheint nun aber in den Worten: ,,soviel euer getauft sind, die haben Christum ange- zogen«, im schönsten Glanze. Was heißt das anders, als ihr seid von Christo bedeckt wie von einem Kleide, in ihn eingehüllt und strahlt von seinem Glanze, so daß man« nicht mehr euch siehet, sondern ihn, und ihr nicht mehr behandelt werden könnt nach eurem Werthe, sondern nach dem Werthe dessen, der euch deckt? Wahrlich, lieber als durch dies Gleichniß könnte uns die Taufe durch nichts gemacht werden, und herr- licher als auf diese Weise könnte die Gerechtigkeit Christi, die wir an uns tragen, nicht geschildert werden! (Löhe.) Das Anziehen Jesu Christi ist hier nicht unmittelbar, wie in Röm. is, 14., s. v. a. das An- ziehen des neuen Menschen (Ephes. 4, 245 Col. Z, 10); denn hier handelt es sich nicht um die sittliche Be- schasfenheit, sondern um die Stellung u Gott. Durch die Rechtfertigung und damit gegesene Kindschaft Gottes werden wir von der Zuchtmeisterei des Gesetzes los, und nicht erst durch die Heiligung; die Kindschaft Gottes folgt nicht aus dem Anziehen des neuen Men- schen, sondern umgekehrt. Andrerseits jedoch ist man damit natürlich in eine innige Beziehung u Christo, in die Gemeinschaft mit ihm getreten; es kann daher nicht fehlen, diese innige Beziehung zu Christo, wo man in ihn sich hüllt, muß dazu führen, daß Christus in uns kommt als Prinzip eines neuen Lebens und uns inwendig umgestaltet. (Schmoller.) f) Wenn jeder, der da getauft wird auf Christum, Christum anzieht, so wird die Eigenart, die Eigenthümlich- keit, die Besonderheit und Unterschiedlichkeit eines jeden bedeckt und überkleidet; sie kann nicht hervortreten, alle natürli en Unterschiede der Volksart, des Standes, des Geschle ts verschwinden vor diesem den HErrn Angezogenhaben, den HErrn Haben. Der Apostel reist drei Paare von Unterschieden heraus; es ist keine Frage, daß er noch andre hätte ausstellen können, diese aber genüJgem denn es sind die hauptsächlichftem welche die alte elt kannte. (Nebe.) Dem Apostel ist es nach dem Zusammenhang zunächst darum zu thun, den Gegensatz von Juden und Heiden als in Christo aufgehoben zu bezeichnen, denn eben dieser Gegensatz wurde durch das Geseh ausrecht erhalten, wurde also mit dem Wegfall-en des elben aufgehoben; um aber das ,,allzumal Einer in Christo Jesu« recht anschaulich zu Nun aber sind alle Gottes Kinder durch den Glauben an Christum Jesum. 411 machen oder um die Kraft und Bedeutung des Glaubens an Christum hervorzuheben, fügt er noch andere Gegen- fätze bei und bemerkt, daß auch sie davor nicht mehr in Vetracht kommen können. Auch bei diesen hat er wohl noch das Gesetz im Auge; sprach doch wenigstens das Gesetz theils von Knechten, theils von Freien, Zeils von Männern, theils von Frauen, und gab in etreff der einen Bestimmungen, die den andern nicht galten, während vor dem Glauben an Christum oder dem Getaustsein aus Christum diese Gegensätze ganz wegsielen. (Schmoller.) Der Apostel hebt höchst be- zeichnend gerade die schärfsten Gegensätze hervor, und zwar den von Gott temporär angeordneten gefeh- lichen zwischen Juden und Heiden, wie den zur Strafe der Sünde zugelassenen widernatürlichen zwischen Knechten (Sklaven) und Freien (wer das Alterthum kennt, weiß, welche Kluft sie trennte), und endlich den in der Schöpfung gesetzten natürlich en zwischen Mann und Weib: Gesetz, Gewalt und Natur beugen sich der allmächtigen Gnade in Christo. Ein erhabneres Wort giebtes nicht, als dies von der Einignng der Menschheit in Christo, die vor ihn: und ohne ihn in Zwietracht und Krieg aller gegen alle zerrissen war; die volle Erfüllung desselben tritt aber erst in der Ewigkeit ein. (Windischmann.) H) Es ist dies der eigentliche Schlußsatz des Be- weises, den der Apostel von V. 15 an geführt hat; sonst könnte es ausfallen, wie er aus dem weit größeren Namen: ,,ihr seid Gottes Kinder« das Geringere ab- leitet: ,,ihr seid Abrahams Same«. Die Jrrlehrer behaupteten, nur die seien Abrahams Same, die das Gesetz ganz und gar beobachteten; Paulus hat gezeigt, daß m diesem Falle, weil das Gesetz erst später hin- zugekommen sei, es mehrere Nachkommenschaften geben müsse, es gebe aber nur Eine, nicht zweierlei, nämlich Christum und seine Gemeinde. Christo ist die Ver- heißung gegeben, Erbe oder Herr der Welt. zu werden, und alle, die an ihn— glauben, werden so sehr Eins mit ihm, daß jeder Unterschied aufhört unter ihnen; jeder ist, was Christus ist, folglich sind sie Abrahams Same und nach der Verheißung Erben. (v. Gerlach.) Christus ist der rechte Haupterbe, als dessen mensch- liche Natur die Fülle aller Gottheit und göttlichen Herrlichkeit iiberkommen hat; doch also, daß wir aus solcher seiner Fiillezu unserm Erbtheil nehmen Gnade um Gnade. (Starke.) Das 4. Kapitel. kfernere Erklärung der gerechtigkeit des zljesetzes (C«pistel am Sonntage nach dem Chrisitage.) Jm Evangelium (Luk. 2, 33 ff.) tritt uns bei der Darstellung des Jesuskindes im Tempel in Simeon und Hanna, den Repräsentanten der Gesetzes-Oekonomie, die Freude der Gläubigen des alten Testaments über die Erscheinung des Erlösers entgegen: sie zeugen, daß in diesem Kinde die Hoffnung Jsraels zur Erfüllung gekommen sei, und weissagen, daß Christus zum Fall und Auferstehen, also zum Fels gesetzt ist, an dem sich die Erlösung Jedes Einzelnen entscheidet. Die Epistel redet von dieser Erlösung, die Simeons Worte nur andeuten, des Näherem indem sie von der Loskaufung aus dem Gesetz und von dem Verhältniß der Kindfchast durch Christum spricht. (Sommer.) Für den heutigen letzten Sonntag im Jahre eignet sich diese Epistel ganz vorzüglich ; denn sie enthält einen Rückblick des Apostels auf den früheren Zustand, ehe man zur Gemeinschaft Christi kam (V. 1—3), redet dann von der Gegenwart, in welchen Zustand man durch Christum versetzt worden ist (V. 4—6), und wirft zuletzt einen hosfnungsvollen Blick in die Zukunft hinaus, wo sich ganz und voll- ständig die großen Segnungen entfalten werden, zu deren Besitz die Verbindung mit Christo jeden wahren Gläubigen berechtigt (V. 7). Wie macht der Christ den JahresschIUßP I) mit dankbarem Rückblick auf die gnadenvollen Führungen Gottes, Z) mit ernster Prüfun seines lgegenwärtigen Zustandes, Z) mit einer ho nungsvo en Aussicht auf die Zukunft. (Lisco.) Die Kindschaft bei Gott, die wir der Geburt des HErrn verdanken: 1) welch ein hohes Gut diese Kindschast ist, 2) wie dieses Gut be- wahrt wird. (Thomasius.) Worin besteht die Kindschast Gottes? 1) in der Geistesmündigkeih 2) in der Gebetsfreudi keit, Z) in der Seligkeitsgewiß- Zeit. (Hefse.) Die indschaft Gottes: 1) das indesrecht, L) der Kindessinn, Z) das Kindeserbe (Mau.) Wichtige Fragen beim Rückblick auf das zu Ende gehende Jahr: 1) wie haben wir Gottes Gebote erfüllt? L) hat der Geist Gottes aus unsern Herzen gerufen? Z) sind wir als Erben Gottes allezeit fröhlich gewesen in Hoffnung? (Fuchs.) Wir können unmöglich besser für unser eil sor- gen, als wenn wir schon das alte Jahr be- fchließen im Namen Jesu, in dem wir dann auch das neue anfangen werden: 1) was wir ohne Jesum sind, 2) was wir durch ihn sind und noch werden sollen. (Couard.) 1. Ich sage aber sindem ich zu dem soeben Ausgesprochenen 3, 29 noch eine nöthige Erklä- rung in Beziehung auf uns, die Juden s, 23 hinzufüge, die wir ja an und für sich schon für Abrahams Same und Gottes Kinder gelten durften und die berufenen Erben des Himmelreichs waren 5. Mos. 14, 1; Many. s, g; 8, 12; Rom. 9, 4], so lange der Erbe ein [minderjähriges] Kind ist, so ist unter ihm und einem Knechte sdes Hauses] kein Unterschied sdaß er etwa irgend ein freies Anordnungs- oder Genußrecht hätte], ob er wohl ein Herr ist aller Güter seben dieses Hauses, daß sie niemand anders als ihm einst zusallen]; 2. Sondern er ist unter den Vormündern Und. Pflegern sdie an seiner Stelle anordnen und verfügen und von deren Bestimmung er selber abhängig ist] bis auf die bestimmte Zeit vom Vater sbis auf die vom Vater festgesetzte Zeit, wo er nun mündig und selbständig werden soll]. 3. Also auch wir svom Hause Jsrael], da wir szur Zeit des alten Bundes oder unter dem alten Testament] Kinder snoch minderjährigen Alters] waren, waren wir [obgleich als Gottes erstgeborner Sohn 2. Mos. 4, 22 die berufenen Erben der Verheißung Apostg. 2, 39., doch noch keineswegs im Besitz derselben Heim. 11, 39 f., sondern vorerst] gefangen unter den äußer- lichen Satzungen« swie Knechte ihnen unterstellt]. 4. Da aber die svon ihm im Voraus bestimmte 1. Mos. 49, 10; Mich. b, L] Zeit 412 [wo nun die Volljährigkeit für uns eintreten sollte] erfüllet ward, sandte Gott svon sich aus] feinen Sohn [Col. 1- 15;·Jvh- 1- 1 f. 14], geboren von einem Weibe saus Davids Geschlecht Rönx 1, Z; Luk. l, 351 Und [bald von seiner Geburt an] Unter das Gesetz gethanK lfv dgß et? demvachst ·(1Uch- wie jedes andere jüdische Kind, der Beschneidung und allen sonstigen Gesetzesvorschriften unterworfen ward Luk. 2, 21-—23], · 5. Auf daß er [durch das, was er m solchem Stande thun und leiden würde Kap. Z, is; Phir 2, 8] die, so unter dem Gesetz« fals ihren Vormündern und Pflegern V. 2] waren, erlöfete, daß wir sin naturgemäßer Folge dieser Erlösung und Be- freiung von dem Stande der Unmündigkeit, die uns gleichmäßig, Heiden wie Juden zugute kommen sollte] di e luns zugedachte] Ktndsch aft [oder die Stellung und das Recht nun selbständig gewordener Kinder im Hause Gottes] empftngenkkstk V) Es gehen auch hier wieder über die einzelnen Punkte, die für das richtige Verständniß der Stelle in Betracht kommen, die Ansichten der Ausleger mannig- fach auseinander; wir werden aber auch hier durch alle die vorhandenen Meinungsverschiedenheiten uns nicht weiter beirren lassen, sondern rüstig dem Ziele einer klaren und sicheren Erfassung der Textesworte zuschreitew »Seid ihr aber Christi, so seid ihr ja Abrahams Samen und nach der Verheißung Erben«: so hatte der Apostel am Schluß des vorigen Kapitels den Galatern zugerufen und damit diese, die fast alle ursprüngliche Heiden waren, außer der Bürgerschaft Jsraels und fremd von den «Test·amenten der Ver- heißunZ (Ephef.2,12), ebenso m die auch von Christo dem olke Jsrael Euerkannte Würde, ’ Abrahams Kinder und rben der Verheißung seien (Joh. 8, 37; Matth. 15, 26), eingesetzt, wie hernach- mals Petrus den nämlichen Christen in Galatien und in den umliegenden Ländern zuruft (1. Petri 2, 9): ,,ihr seid das auserwählte Geschlecht, das königliche Priester- thum, das heilige Volk, das Volk des Eigenthums« und damit auf sie die bei der Gesetzgebung den Kin- dern Jsrael zuertheilten Ehrenbezeichnungen (2. Mos. 19, S; 5. Mos. 7, 6) überträgt; da entsteht nun die Frage, was denn jene altteftamentliche Stellung Js- raels als Kinder Abrahams und Erben der Verheißung für eine Bedeutung habe und inwiefern sie vollftändig gewahrt bleibe, wenn nun im neuen Testament alle ohne Unterschied, auch die Heiden, die an Christum läubig werden, in diese Stellung eintreten. Der postel weiß recht wohl den Vortheil der Juden, d. i. was sie vor den eiden in der vorchristlichen Zeit voraus haben, zu würdigen (Röm.1,16; 3,1f.; 9, 4 f.; 15, s; Ephes 2, 12); diesen Vortheil kann er denn durch das Schlußwort des vorigen Kapitels nicht haben preis-geben wollen, er muß daher jetzt näher darauf eingehen, wie die eine Wahrheit mit der andern zufammenstimmt und der neue Zustand allgemein menschlicher Gleichheit in Christo mit dem alten Zu- stande der partikularistischen Bevorzugung der Juden sich verträgt. Da betrachtet er denn die alttestament- liche Gottesgemeinde in ihrer jüdisch-nationalen Ab- sonderung von den Heiden als die Repräsentantin des noch unmündigen Kindesalters, ihre Ausgestaltung Galater 4, 5. aber zur neuteftamentlichen Gottesgemeinde mit uni- versaler, die gesammte Menschenwelt umfassender Ve- stimmung als den Eintritt in die ihrer Güter und Rechte nun mächtig gewordene Kindfchast Es leidet keinen Zweifel, daß wir bei dem Gleichniß des 1· und 2. Verses: ,,Jch sage aber, solange der Erbe ein Kind ist, so ist unter ihm und einem Knechte kein Unter- schied, ob er wohl ein Herr ist aller Güter; sondern er ist unter den Vormündern und Pflegern bis auf die bestimmte Zeit vom Vater«, an einen Knaben zu denken haben, dessen Vater gestorben ist, nicht aber, wie manche Ausleger behaupten, an einen Anerben, dessen Vater noch lebt; letztere Auffassung ist dadurch ausgefchlossem daß es von dem Knaben heißt, I) er sei ein Herr aller Güter, was bei des Vaters Lebzeiten ja nie der Fall ist, 2) es sei unter ihm und einem Knechte kein Unterschied, was sich mit seiner Stellung im Hause des noch lebenden Vaters nicht verträgt, Z) er sei unter den Vormündern und Pflegern bis auf die bestimmte Zeit vom Vater, was so deut- lich wie möglich auf den Stand eines Waisenkindes während der Zeit feiner Unmündigkeit hinweist, wenn auch das für ,,Vormünder« im Grundtext stehende griech. Wort Guts-genug) an sich die allgemeinere Be- deutung ,,Aufseher« zuläßt. Ganz unnöthiger Weise nimmt man daran Anstoß, daß, wenn der Erbe als ein solcher gedacht werden sollte, dessen Vater mit Tode abgegangen, man im Gegenbilde nichts Entfprechendes hätte, weil doch Gott nach keiner Seite hin als ein todter bezeichnet werden könnte; es ist dies dasselbe Bedenken, welches viele Ausleger abhält, oben in Kap. 3, 15 das griech. Wort, welches Luther mit ,,Testament« wiedergiebt, in diesem Sinne zu fassen, so daß sie es mit Bund überfetzen zu müssen glauben, es ver- schwindet aber solches Bedenken sofort, wenn man erwägt, daß, wie Windifchmann so tresfend bemerkt, solange das lebendige Verhältniß der Menschheit zu Gott durch die Erlösung noch nicht hergestellt war, allerdings eine eben so große Scheidewand zwischen Gott und den Menschen bestand, wie die des Todes zwischen dem gestorbenen Vater und den hinterlassenen Kindern. Man hat ferner gemeint, weil nach griechischem und römischem, auch bei uns noch giltigem Recht das Ende der Minderjährigkeit durch öffentliches Gesetz bestimmt war und nicht von der Willkür des Vaters abhing, so nöthige der Ausdruck: ,,bis auf die be- stimmte Zeit vom Vater« geradezu, an einen noch lebenden Vater zu denken, der den Sohn bis auf eine gewisse Zeit, deren Festsetzung ihm als eine Privat- sache allerdings freigeftanden, unter Aufseher und Pfleger gestellt hat, um nach Ablauf derselben ihn zum selbständigen Befitzer des ihm zugedachten Güterantheils zu machenx allein es sind wohl bei den Juden da- maliger Zeit mehr nur die fürftlichen Familien des Herodes es gewesen, die sich nach dem römischen Recht richteten, während das Volk die eigenen Sitten bei- behielt, die mit jenem Recht keineswegs sich deckten, und auch, was die Galater betrifft, um deren Ein- richtungen es für das vom Apostel herangezogene Gleichniß hauptsächlich sich handelt, so wissen wir, daß bei den Galliern, mit denen ja die Galater national zusammenhingem die väterliche Gewalt viel weiter griff, als bei Römern und Griechen. Inwiefern nun der von seinem verstorbenen Vater bis zu der von demselben be- stimmten Mündigkeitszeit den Vormündern und Pflegern unterftellte Sohn, ob er wohl gleich mit des Vaters Tode de jure oder dem Rechte nach der Besitzer der von ihm hinterlassenen Güter ist, dennoch in dieser seiner Unterstellung von einem Knechte des Hauses sich nicht unterscheideh ist leicht ersichtlich: die V o r m ii n d e r Der vormalige Knechtesstand unter den Vormündern und Pflegern. 413 messen ihm zu, wieviel er zu seinem Unterhalt von den vorhandenen Gütern beziehen soll, er selber hat sowenig ein freies Verfügungsrecht darüber, wie der Knechh der nur auf einen bestimmt abgemessenen Lohn angewiesen ist, sonst aber nichts von den Gütern sein eigen nennen kann; und die Pfleger oder Gutsver- walter bewirthschaften das Gut nach ihrem Gutbe- sinden, er selber hat sowenig in Beziehung auf die Verwaltung etwas zu sagen, wie der Knecht, der den Anordnungen der Haus- oder Gutsverwalter sich zu unterwerfen und nur das, was ihm aufgetragen wird, auszuführen hat. Es ist aber auch leicht Z; erkennen, daß, wenn der Apostel hierauf mit den orten des Z. Verses: ,,also auch wir, da wir Kinder waren, waren wir gefangen unter den äußerlichen Satzungen« von seinem Gleichniß die Anwendung auf den Erben- stand der alttestamentlichen Gottesgemeinde macht, er unter den Vormündern und Pflegern, von denen er vorhin geredet, nun hier die äuß erlich enS atzun gen, wie Luther übersetzh verstanden wissen will: unter diese hatte Gott sein Volk für die Zeit der Unmündigkeit gestellt; sie maßen ihm ab, wieviel es von den zu- künftigen Gütern Ietzt schon solle zu genießen haben, und sie sorgten dafür, daß diese Güter bis zu ihrer Ausantwortung an den mündig gewordenen Erben wohl bewahrt und gut verwaltet würden. Zugleich jedoch waren sie als schw ach e und dürftig e Satzungen, wie Paulus sie in V. 9 nennt, nur von folcher Art und Beschasfenheih daß das ihnen unterstellte Gottes- volk des alten Testaments, ob es wohl der Erbe und künftige Besitzer aller Güter war, sich doch nicht wesent- lich von einem Knechte Unterschied, sondern gleichwie abhängig und untergeordnet, so auch im Vergleich mit dem eigentlichen Reichthum des Hauses in Beschränkt- heit und Unvermögen seine Tage verbringen mußte. Was sind denn nun aber diese äußerlichen, diese schwachen und dürftigen Satzungen? Luther hat das Wort »Satzungen« auch noch für andere Ausdrücke des Grundtextes Ostuocccäxrocroc Luk. 1, 6., Eos-Form Col. D, 14 u. 2()., Jrocpocöiiastg L. Thess. Z, 15; 3, B) ver- wandt, hier und in V. 9 aber giebt er damit einen Ausdruck (akotzst"a) wieder, den er in Col. 2, 8 u. 20 allerdings ebenso übersetzt, in Weish. 7, 177 19, 17; 2. Petri Z, 10 u. 12 dagegen mit »Elemente« und in Hebt. 5, 12 mit ,,Buchc"taben«. Derselbe bedeutet unächst eine kleine aufgerchtete Stange oder einen Bist, besonders an der Sonnenuhr, dann in der Mehr- heit die Buchstaben als erste, einfachste Bestandtheile der Rede, hierauf überhaupt die ersten, einfaiksten Bestandtheile einer Sache, was bei der physikali chen Welt die Elemente, bei einer Wissenschaft die An- fang sgründe derselben sind; wir sehen also, während Luther im 2. Petri- und im Hebräerbriefe wirklich übers etzt hat, hat er das im Galater- und Colosser- briefe nicht gethan, sondern vielmehr erklärt, d. h. sogleich die ache genannt, um die es bei dem Aus- drucke sich handelt, nur hat er, während er an beiden Stellen des Eolosserbriefes die Beifügung »der Welt« beibehalten (,,Satzungen d er Welt«), an unsrer Stelle dafür gesetztt ,,äußerliche Satzungen«, was eine weitere Erklärung, nämlich eine Erklärung auch dieser Beifügung ist. ,,Jm griechischen Text«, so bemerkt er in seiner Auslegung des Galaterbriefs, ,,lauten die Worte also: unter den Elementen dieser Welt; das sollst du verstehen für die Buchstaben des ge- schriebenen GeseBeT aus welchen das Gesetz ist zu- sammengesetzt, aulus giebt aber dem Gesetz solchen Namen darum, daß er dadurch will anzeigen, wie es zumal ein ering, schwach Ding sei, denn obwohl das Gesetz den Ieuten wehrt, daß sie nicht Böses äußer- lich thun, und zwingt sie auch, daß sie Gutes thun sollen, so macht es sie darum doch nicht gerecht, erlöst sie auch nicht von Sünden, führt sie auch nicht gen Himmel, sondern läßt sie hienieden auf Erden. Das Gesetz»kann nichts schaffen, das lebendig, heilsam, himmlisch oder göttlich sei, sondern was es schafft, ist eitel weltlich Ding; darum thut Paulus recht, daß er’s dieser Welt Elemente nennt, d. i. wie wir’s hier gegeben haben, äußerliche Satzungen Etliche verstehen aber unter diesen Elementen nicht die Buchstaben oder das Gesetz, sondern (das Wort in der Bedeutung: ,,Anfangsgründe« aufsassend) die Eerimonien und äußerlichen Geberden in Gottesdienst und gutem Leben, daran man anfängt und die Kinder am ersten übt, daß also Elemente soviel sei als die erste, gröbsta kindische Weise im Gottesdienst« er nennt sie aber Elemente dieser Welt darum, aß alle Werkheiligem die des Gesetzes Werke thun, dieselben blos thun als äußerlich angebunden an zeitliche, weltliche Dinge, als da sind Tage, Speise, Kleider, Stätte, Person, Gefäß u. dgl« Jn Uebereinstimmung mit dieser andern Deutung be- zieht auch D elitzsch den Ausdruck auf die cerimoniellen Satzungen (vgl. Col. 2, 16f.), welche zu arm und schwach, den Menschen innerlich zu vollenden, sich damit begniigten, durch kosmische (dem Weltbereich angehörige Hebr 9, l) Mittel eine äußere Heiligkeit des individuellen und volklichen Leibes- und Natur- lebens zur Darstellung Z: bringen; und ebenso erklärt Besser: ,,ob sie, die undeskinder des alten Testa- ments wohl Herren aller Güter waren, waren sie doch damals gefangen unter mancherlei Waschungen und Reinigungen, unter dem Wechsel des Monds und der Jahreszeiten, unter der Scheidung zwischen Reinem und Unreinem in der Thierwelt, und fanden sich auf allen Schritten und Tritten im Thun und Lassen ge- gängelt und eingeengt von einem zwingenden Gesetz, welches ihnen vorschrieb: du sollst das nicht angreifen, du sollst das nicht kosten, du sollst das nicht anrühren« (Eol. 2, 21). Während also in Kap. Z, 23 ff. vor- nehmlich um die ethis ch en Vorschriften des Gesetzes es sich handelte, haben wir hier hauptsächlich den cerimoniellen Theil in’s Auge zu fassen, und da giebt denn das Judenthum in s einem Opferdienst und sonstigen gottesdienstlichen Gebräuchem so sehr es auch von den andern gleichzeitigen Religionen durch seinen ausge- prägten Monotheismus sich unterscheidet, doch andrer- seits als eine Religionsform sich zu erkennen, welche mit den religiösen Jdeen und heiligen Bräuchen der gesamm- ten alten Welt auf’s Nächste verwandt ist, so daß auch nach dieser Seite hin die mosaischen Satzungen als Satzungen der Welt, nämlich der Welt im moralischen Sinne oder der Menschheit, bezeichnet werden konnten und Jsrael in seiner Unterstellung unter dieselben sich kaum von dem Stande der Knechte, welches hier die Heiden sind, unterscheideh nur daß diese, die Gott nicht erkannten, denen dienten, die von Natur nicht Götter sind (V. 8). ,,Dem Menschen, der von Natur ein Speise- und Tagewähler war«, bemerkt V. G crlach, ,,gab Gott ein Gesetz, das in den Speisen und Jahres- Zeiten die höheren göttlichen Wahrheiten abbildete und amit jene Dinge dem Aberglauben entzog und Gott heiligte, bis die Zeit der Mündigkeit gekommen wäre«. «) Man bemerke den genauen Parallelismus der Satzglieder in diesem ganzen Abschnitt: I) ein Kind ist (V. I) — wir Kinder waren (V. 3), Z) kein Unterschied zwischen ihm und einem Knecht (V. 1) — waren wir gefangen (geknechtet V. 3), Z) unter den Vormiindern und Pflegern (V. 2 —- unter den äußerlichen Satzungen (V. Z) 414 Galater 4, 6. 7. 4) bis auf die bestimmte Zeit vom Vater (V. Z) — da aber die Zeit erfiillet ward (V. 4). Das ,,da aber die Zeit ersüllet ward« will besagen: als die Zeit bis zu dem Zielpunkt gekommen, welchen Gott nach seinem weisen Rath vorher feftbestimmt hatte; warum jedoch gerade diese Zeit die Zeit der Erfüllung war, d. i. warum Gott gerade diesen Zeit- punkt von Ewigkeit her für den günstigsten Zeitpunkt der Menschwerdung Jesu Christi erkannt hatte, wird weder hier noch an andern verwandten Stellen (Mark. 1, 15; Ephes l, 10) entwickelt. (Nebe.) Gott ätte seinen Sohn bald nach dem Sündenfall in die elt senden können, er hat aber feine Zeiligen Ursachen ge- habt, solches erst bei 4000 Jahre ernach zu thun; ja, es ist eine besondere Weisheit Gottes, daß die Zukunft Christi in’s Fleisch sich solange verzogen, und ist unter andern aus den Ursachen geschehen, damit die Menschen ihr Elend und die Nothwendigkeit eines Erlösers desto mehr erkenneten, damit das Verlangen der Frommen und ihre Freude über seine Zukunft desto größer werde. (Starke.) Der Ausdruck: »Gott sandte (von sich aus) seinen Sohn« fetzt die Vorstellung der persönlichen Präexistenz Christi (seines vorweltlichen Daseins als Person) voraus, damit aber zugleich das persönliche göttliche Wesen desselben (Röm. 8, 3 u. 32; Phil. 2, 6; 2. Cor. 8, 9), so daß die Jdee des Apostels der Sache nach mit dem johanneischen Ausspruch: »das Wort war bei Gott und Gott war das Wort« zusammen- fällt. (Meyer.) Mit den Worten: ,,geboren von einem Weibe« ist nach üblichem Sprachgebrauch (Hiob 14, I; Matth. 11, II) der Stand eines gebrechlichen Menschen bezeichnet, wobei aber die Empfängniß der Maria durch unmittelbare Gotteswirkung und ohne Zuthun eines Mannes an sich selber weder ausgeschlossen noch eingeschlossen wird; die Hervorhebung des Moments der übernatürlichen Geburt Jesu wäre sogar gegen den Zusammenhang, denn in Verbindung mit dem folgenden »und unter das Gesetz gethan« soll das Eqeboren von einem Weibe« unstreitig eine zwiefache rniedrigung aussagety in welche sich Christus, um sich den zu Er- lösenden gleich zu stellen, in der vom Vater bestimmten Zeit begeben hat, da nämlich er, der in göttlicher Ge- stalt beim Vater besindliche Sohn Gottes, einerseits Weib essohn, schwacher, gebrechlicher Mensch geworden ist «(Phil. 2, 6 ff.), und andrerseits sich unter das G esetz begeben hat, und zwar jenes, damit er über- haupt Menschen erlösen könnte, dieses, weil er zu- nächst das unter dem Gesetz befindliche Jsrael er- lösen sollte. Um nun die Gleichheit Jesu mit den zu Erlösenden nach jenen zwei Seiten hin möglichst her- vorzuheben, läßt Paulus die innerhalb jener Gleich- heit auf dem Grunde seiner Sohneswürde noch immer bestehende Einzigkeit Jesu hier ganz unerwähnt; denn so wenig der Sohn Gottes ganz in derselben Weise ein Weibessohn war, wie die übrigen Menschen, so- wenig war er auch ganz in derselben Weise dem Ge- setz unterthan, wie die übrigen Gesetzesdieney weil in letzterem Fall auch er vom Gesetz zu erlösen gewesen wäre. Jhm war das Gesetz Gottes gegeben, um daran während seines irdischen Wandels seinen sünd- losen Gehorsam zu üben und zu beweisen (Matth. Z, 15; 5, 17; Joh. 4, 34; Phil. L, 8; Hebr.5, 8), nicht wie den übrigen, um sich seiner Sündenknechtschaft daran bewußt zu werden. (Wieseler.) Hi) Menschen-Sohn wird der Heiland, damit alle Menschen Kinder Gottes werden (Augustin: »Gott wollte des Menschen Sohn sein und wollte, daß die Menschen Gottes Söhne wiirden«), dem Gesetz unter- than wird er, um durch die Befreiung der Juden vom Gesetz sie mit den Heiden zu Einem neuen Menschen zu verbinden (Ephes. L, 14 ss.); darum entspricht das erste »auf daß« dem »unter das Gesetz gethan«, das zweite »daß« dem ,,geboren von einem Weibe-«, die Umftellung der Satzglieder aber findet statt, weil der Endzweck: »daß wir die Kindschaft empfingen« nur durch vorher» ehende Erfüllung des Mittelzwecksr »auf daß er die, cio unter dem Gesetz waren, erlösen« er- reicht werden konnte. (Windischmann.) Der erste Satz mit »auf daß« giebt eine zunächst auf die Juden bezügliche negative Frucht, die zweite eine Juden und Heiden betreffende positive Frucht der Mensch- werdung und Erniedrigung des Sohnes Gottes an; das »wir« in »empfingen« ist nämlich augenscheinlich, wie in Kap. Z, 14., von den Christen überhaupt, Juden und Heiden, zu erklären. (Wieseler.) In Kap. 3, 14 war das ,,empfangen« im Grundtext durch das verbum simplex (einfache Zeitwort) ausgedrückt, denn wir empfangen hienieden nur erst des Geistes Erstlinge (Röm. 8, 23); hier dagegen steht ein vexsbum eompo- situm (zusammengesetztes Zeitwort), welches die Voll- ständigkeit der Handlung oder das Empfangen des vollen Maßes (Luk. 16, 25) bezeichnet: »daß wir die volle Kindschaft fest und sicher empfingen«, so daß also keineswegs, wie manche Ausleger gemeint haben, Paulus aus dem Bilde fällt, welches er in V. 1 an- gefangen hatte zu zeichnen. (Nebe.) Starke unter- scheidet ganz richtigs drei Stufen der Kindschafh 1) die minderjährige indsch«aft, die den Gläubi en des alten Testamentes zukommt, Z) die mündige un freie Kindschaft, die ein Vorrecht der Gläubigen neuen Testamentes ist, 3) die herrliche Kindfchaft, welche besteht in einem völligen Besitz, des ewigen Erbes (Luk. 20, Bis; Röm. 8, 23); hier ist die Rede von der zweiten Stufe, doch also, daß die dritte unfehlbar darauf folgt. (Sommer.) Man versteht übrigens die ganze Auseinandersetzung des Apostels erst dann voll- ständig, wenn man Jsraels heilsvermittelnden Beruf für die esammte Menschenwelt in’s Auge faßt: nicht für sich selbst, in Absonderunå von den übrigen Völ- kern der Erde, war es jener rbe, von dem in V. 1 die Rede, sondern es bildete die Elite oder Auswahl aus den Völkern nur aus dem bestimmten Grunde, weil Gott mit der gesammten Masse der Völker zu- gleich nicht das ausführen konnte, was er zur Vor- bereitung auf den Heiland und fein Heil thun mußte, vielmehr eines besonderen eerdes für sein Feuer be- durfte; und nun war auch srael nicht für sich allein während der Zeit der Minderjährigkeit unter die Vor- münder und Pfleger oder unter die äußerlichen Satzungen gestellt, sondern es trug diese Last als der Knecht Gottes und Erwählete des HErrn (Jes. 41, 1 u. 42, 1 Anm.) und als Repräsentant der Welt- völker, für die es zum Heilsvermittler gefetzt war. Auch ihm ist eine Stellvertretung auferlegt, wie dem Knechte Gottes im höchsten Sinne, dem vollkommenen Heilsbringer und eigentlichen Samen Abrahams (V.16); und wie nun da, damit es eine wirkliche Stellver- tretung wäre, nach der Verm. zu V. 3 die äußerlichen Satzungem denen es unterstellt wurde, in Verwandt- schaft stehen mußten mit dem Opserdienst und den sonstigen gottesdienstlichen Gebräuchen der Heidenwely so konnte anch seine Erlösung davon, die durch Christum eschah, der gesammten Welt zu gute kommen und Feine Einführung in die Kindschast eine Einführung für alle Völker der Erde sein. Diese haben ein Recht, sich für mitbeschlossen zu erachten in der alttestamentlichen Gottesgemeinde, dafern sie durch den Glauben an Christum sich derselben einverleiben lassen, und haben nun, wie Rieger schreibt, dem mosaischen Gesetz in Christo Jesu ihren Mann gestellt, der seiner mächtig Der nunmehrige Kindesstand unter dem Einfluß des heil. Geistes. 415 geworden; nicht als aus Ungehorsam und im Trotz entlaufene, sondern als erlöste und vom Vater auf die bestimmte Zeit in Freiheit gesetzte Kinder haben sie nun Zugang zu seiner Gnade. Nun genießen Juden Heiden, sagt v. Gerlach, die doppelte Freiheit: sie stehen als Mündige nicht mehr unter den Satzungen der Welt, sondern beten Gott im Geist und in der Wahrheit an; und das Gesetz tritt nicht drohend und verdammend ihnen mehr entgegen, sondern mit Christi Gerechtigkeit bekleidet, in ihm dem Vater angenehm, bekommen sie die Kraft, seine Gebote in kindlichem Geiste zu erfüllen, indem sie selbst den Sinn derselben erkennen und ihre Seligkeit darin finden. Jnwiesern aber Der, der unter das Gesetz gethan ward, die, so unter dem Gesetz waren, erlösete, hat Luther näher ausgeführt, indem er sich dahin ausltißtx »Aus zweier- lei Weise hat sich Christus unter das Gesetz gethan. Zum Ersten hat er sich gethan unter die Werke des Gesetzes, die er nicht schuldig war zu thun, weil er der HErr des Gesetzes ist, er hat sich lassen beschneiden, in dem Tempel opfern und reinigen, ist auf bestimmte Zeit im Jahr gen Jerusalem gezogen, ist Vater und Mutter unterthan gewesen u. dgl. Zum Andern hat er sich williglich gethan unter die Strafe, welche das Gesetz dräuet, diejenigen verurtheilend, die es nicht halten. Dies mag freilich wohl ein wunderlicher Kampf heißen, da das Gesetz als eine Creatur sich untersteht, seinen Schöpfer anzuklagen, und darf also seine Gewalt und Thrannei an Gottes Sohn üben, daß es ihn will verdammen als einen andern Sünder, dazu es doch gar kein Fug noch Recht hat, wie es wider uns hat, die wir Kinder des Zornes sind. Weil denn das Gesetz wider seinen Gott so greulich und lästerlich gehandelt hat, muß es zu Recht stehen und sich verklagen lassen; nun muß das Gesetz, das zuvor die ganze Welt verdammt und erwiirgt hat, weil es sich mitnichten verantworten noch entschuldigen kann, wiederum herhalten und sich auch verdammen und er- würgen lassen, daß es also weiter kein Recht noch Gewalt behalte, nicht allein wider und über Christum, sondern auch über alle die, so an ihn glanben«. Noch in etwas andererWeise spricht sich Besser aus: »Wie der Apostel uns lehrt (Kap. 3, 13), den Kreuzestod Christi als Fluchtod zu erkennen, so zeigt er uns diesen Tod auch als die vollendende Gehorsamsthat dessen, der es auf sich genommen hat, in allerfreiester Liebe dem auf Erfüllung dringenden Gesetz unterthan zu werden und als der rechte Mittler alle Gerechtig- keit zu erfüllen, auf daß durch Eines Gehorsam Viele gerecht würden, gleichwie durch Eines Menschen Unge- horsam Viele Sünder geworden sind. Das Gesetz fordert Strafe an seinen Uebertretern, und Christus hat die Strafe erduldet an unser Statt; das Gesetz fordertBotmäßigkeitvon feinenKn ech ten , und Christus hat die Botmäßigkeit geleistet an unserer Statt. Nun hat das Gesetz seinen Thäter und Erfüller gefunden, den es haben wollte und mußte, um zufrieden gestellt zu werden; und es ist zufrieden auf immer mit uns, die wir glauben an Christum, der für uns gethan hat, was er für sich zu thun nicht schuldig war, eine vollgiltige Bezahlung unsrer Schuldigkeit ist geleistet, wodurch wir herausgekauft sind aus unserm Schuld- stande« (Col. 2, 14). s. Weil ihr denn [die ihr an Jesum Christum gläubig geworden Kap. Z, 26., nach dem eben Gesagten] Kinder seid, hat Gott [sich nun auch als Vater zu euch als seinen Kindern be- kennend und euch eurer Kindschaft gegen ihn that- sächlich versichernd, von sich aus] gesandt den Geist seben dieses] seines Sohnes m eure [nach andrer Lesart: uns re] Herzen, der schretet [in inbrünstiger Anrufung 2. Mos. 8, 12; 14, 15; 1. Sam. 7, 9; Pf. 22, 6 ebenso, wie einst er, der Sohn, seinen Gott angeredet hat Mark. 14, 36]: Abba, lieber Vaters« [Röm. 8, 15 Anm.]. · · 7. Also ist nun hie kein Knecht mehr, sondern eitel Kinder [im Grundtext heißt es: Also bist du nun kein Knecht mehr, son- dern ein Kind]; sind? aber Kinder, so sind’s auch Erben Gottes durch Christum «« sim Grundtext: bist du aber ein Kind, so bist du auch einErbeGottes durchChristum Röm. 8, 17; Tit. Z, 7]. V) Mit diesen Worten will Paulus den Galatern auf eine ihnen selbst unleugbare Weise es bestätigen, daß sie wirklich Kindesstellung haben, nicht mehr Knechtsstellungt auch sie, so gut wie die Judenchristem so gewiß auch in ihnen der Geist ruft. (Schmoller.) Die zweite Person: ,,ihr seid« ist sehr bezeichnend, weil nur die Kindschaft der Heidenchristen ohne Be- schneidung von den Gegnern in Frage gezogen war; ebenso richtig heißt es aber nachher nach der besseren Lesart wieder: »in unsre Herzen«, da die Ausgießung des heil. Geistes beiden, Heiden und Juden, gemein- schaftlich ist und Paulus sich als einen, der die That- sächlichkeit einer solchen seligen Geisteseinwohnung aus eigener Erfahrung bestätigen kann, mit einfchließen will. (Windischmann.) Je mehr die dortigen Jrrlehrer den Galatern das Gesetz ausreden wollen, desto mehr muß der Apostel sich bemühen, sie in dem Glauben, daß sie Gottes Kinder sind, zu stärken und vollzubereiten; die Jrrlehrer haben alles verloren und er hat alles Ze- wonnen, wenn sie sich als Gottes Kinder wissen. is hieher hat der Apostel nur auf logischem, dialektischem Wege sie zu der Ueberzeugung bringen wollen und können, daß sie nicht mehr Knechte, sondern Kinder Gottes sind: was hilft aber eine logische Ueberführnng? nicht auf der Lo il, sondern auf der Empirie, nicht auf zwingenden Terstandesschlüssem sondern auf der Herzenserfahrung ruht in dem ethischceligiöfen Ge- biet die Sache. Der Apostel weiß das, er bringt daher in unserm Verse noch ein hochwichtiges Moment bei; warum sagt er aber, so fragt Luther hierbei, der heil. Geist sei ihnen ge eben, weil sie Kinder sind, so doch der heil. Geist erst aus Knechten Kinder macht und zuvor da sein muß, ehe sie Kinder werden? Nun, wenn es auch sicher ist, daß wir nicht ohne das Gnaden- werk des heil. Geistes an uns Gottes Kinder werden, so geht doch die Kindschast bei Gott dem Vater, der Eintritt in ein neues Verhältniß zu ihm, der Sendung des heil. Geistes voraus, wie ja die Gabe des Geistes nicht der Taufhandlung vorangeht, sondern sie abschließt und von oben her krönt. (Nebe.) Das »Gott hat gesandt den Geist seines Sohnes in eure Herzen« sagt die vom Vater unterschiedene Person des heil. Geistes aus, welcher dadurch als in der Nähe des Vaters weilend gedacht ist, von wo aus er in die Herzen der Betreffenden gesandt ward, ebenso wie der Sohn Gottes in der Nähe des Vaters weilend gedacht ist, wenn es in V. 4 von ihm heißt, daß der Vater in der Fülle der Zeit ihn gesandt hat; er heißt aber der Geist des Sohnes namentlich mit Beziehung darauf, weil er den Kindesstand der Christen bezeugt, und ist 416 Galater 4, 8——12.« bei dem Schreien: ,,Abba, lieber Vaters« der eigentlich Handelnde, während in Röm. 8, 15 ausgesaqt wird, daß wir in dem heil. Geist also schreien. (Wieseler.) Eben darauf, daß es nicht unser Stufen, sondern ein Rufen des Geistes Christi ist, liegt hier das Ge- wicht: wie der Sohn Gottes zu seinem Vater spricht, so klingt es wieder in uns; hören wir anstatt der Stimme des Gewissens solch Rufen des Geistes Christi in uns, so habt ihr, giebt der Apostel den Galatern zu bedenken, an dieser Thatsache der Sendung selbigen Geistes in unsre Herzen den Beweis, daß ihr »in-dem- jenigen Verhältnisse zu Gott stehet, welches sich m jenem innerlich vernommenen Rufe zu Gott ausprägt. (v. Hof- mann.) Dieser Geist nun lispelt nicht, oder redet oder singet, es ist alles noch größer: er ruft und schreiet aus voller Macht, d. i. mit ganzem, vollem Herzen, daher alles lebt und webt in solcher Zuversichh Der Apostel setzt da ein hebräisches und ein griechisches Wort zusammen: Abbe, Pater, welches ebensoviel ist als: Vater, Vater! Ich lasse mir wohlgefallen die Auslegung Etlicher, so da sagen, daß Paulus hier das Wörtlein ,,Vater« absichtlich in hebräischer u. griechischer Sprache ausgedrückt habe, damit anzuzeigem wie die christliche Gemeinde aus zwei Völkern, aus Juden und Heiden versammelt sei; und obwohl Juden und Heiden in zweierlei Sprachen Gott anrufen und Vater heißen, thun sie doch beide einerlei Seufzen, sintemal sie beide ihn ihren Vater nennen. Warum verdoppelt er aber das Wort und Geschrei des Geistes? Jch will meine Ansicht davon sagen: zum Ersten darum, damit er anzeige die Stärke und Größe des Rufens, denn wer sehr ernstlich schreit, der wiederholt ein Wort und Geschrei viele Mal; zum Andern ist es die Art der Schrish daß sie durchsolche Verdoppelung die G ewiß- heit und Sicherheit andeutet (vgl. 1. Mos. 41, 32); um Dritten soll die Zuversicht, Gott sei und wolle Vater sein, auch beständig also bleiben — das hat vielleicht auch Paulus gewollt, da er das fremde hebräische Wort zuerst sagt und darnach das ein- heimische griechische, damit er angebe, wie der Anfang solcher Zuversicht ungewohnt und dem Menschen fremd ist, aber wenn er es nun wohl getrieben und geübt hat, wird es ihm wohl bekannt und gleich als wäre es seine Natur. (Luther.) VII) Der Uebergang der Rede in die zweite Person Singularis soll die Darstellung mehr individualisiren: du, d. i. jeder einzelne meiner Leser, von dem das Gesagte gilt. (Olshausen.) Es soll jedem Einzelnen recht na e gelegt werden, was er durch Christum habe. Schmo er.) Der Apostel richtet seine Rede an den inzelnen, weil die Verwirklichung der durch Christum erworbenen Gotteskindschaft in und mit dem Geiste Christi jedem einzelnen Gläubigen einwohnt. (v. Hof- mann.) Wie meint aber der Apostel das Wort: ,,nicht mehr«, womit er seine galatischen Brüder von der Knechtschaft unter dem Gesetze (V. 3) losspricht? waren dieselben doch, ehe der Glaube kam, Heiden und nicht mit Jsrael unter dem Gesetz verwahrt gewesen (Kap. Z, 23), wie ging denn auch sie die Erlösung vom Gesetze an, worunter auch sie Knechte gewesen sein müssen, wenn sie nun, nachdem sie an Christum gläubig geworden, nicht mehr Knechte waren? Hier lernen wir eben (vgl. zu V. 5), daß wir Christenleute, die wir in unsern Vätern Heiden gewesen sind, mit vollem Rechte auch auf uns ziehen und anwenden, was die Schrift von der Erlösung Jsraels aus der Knecht- schaft des Gesetzes durch Christum sagt. Zweierlei Aufschluß ergiebt sich in Betrefs der Frage nach dem Verhältnis; der Heiden zum Gesetze Mosis: erstlich hat die Schrift alles unter die Sünde beschlossen (Kap.3, 22), und die Schuldigung, welche aus den zehn Buchstabengeboten hervorsprichh ist darum eine Schul- digung aller Welt (Röm. Z, 19), weil diese Gesetzess schrift eine klare Abschrift des in’s Menschenherz ein- gestisteten Gewifsensgesetzes ist (Röm. 2, 15); zw eitens aber hat Gott durch die Satzungen äußerlicher Heilig- keit (V. Z) den Beweis, daß sie nichts vollkommen machen (Hebr. 7, 19; s, I; 10, l) und die Vergebung der Sünden unmöglich bewirken können (Hebr·-10, 2 ff.), nicht blos dem Volke Jsrael zunutz geführt, sondern für die gesammte Menschheit ist durchChristi voll- endende Opferthat die Zeit der Knechtschaft unter den äußerlichen Satzungen eine vergan ene Zeit geworden, nach Gottes Heilswillen nicht mehr in Währung für die Christenheit, die nicht abermal unter die vori en Vormünder und Pfleger Ythan werden soll. er Zebräerbrief hat sich diesen eweis zurAufgabe gesetzt. resfend erklärtHunnius das »wir« und »uns«, worunter Paulus häufig den ganzen Jsrael Gottes (Kap. S, IS) zusammenfaßh von den gläubigen Juden vornehmlich redend, aber auch von den gläubigen Griechen, aus der Einheit der Kirche des alten und neuen Testaments, wie sie in dem Oelbaum-Bilde in Röm. 11 sich dar- stellt: in ihrer Wurzel waren auch die eingepfropften Zweige weiland unter der Gesetzeshuh und mit ihrer Wurzel sind sie frei geworden vom Gesetz. (Besser.) III· d. 8-—31. Mit dem vorigen Abschnitt hätte der Apostel seine dogmatische Zlbhandlung schließen können; allein sein Eifer fühlt sich noch nicht befriedigt, er wendet sich aufs Ueue (vgl. Rast· Z, Its) an die Ga- later, drückt sein Befremden aus über ihre Selbstbe- gebung in die Gesetzestmectjtschaftz die er als Usiiiifall in ihr voriges Wesen charalkterisirt nnd für welthe er tie- leg·e aus dem, was sie gegenwärtig alles beobachten, beibringt, giebt ihnen seine Befürchtung zu erkennen, daß er wohl vergeblich möchte an ihnen gearbeitet haben, bittet sie, ihm gleich zu werden, wie ja auch er ihnen gleich geworden, und verbindet damit eine weh— miithige Erinnerung an die übersihcvänglikhe Liebe, welche sie ihm bei seiner ersten Anwesenheit erwiesen hätten, und eine scharf tresfende Frage, warum wohl und durch wen es dahin anders geworden, daß er ihnen jetzt als ihr Feind erscheine (v. ii—l7). Uachdem er sie bei dem, was sie noch bei seiner zweiten Anwesen- heit unter ihnen von ihm gehalten, gepaklit und in zärt- lichstem Jtusdrucli sich zu ihnen in das verhältnis: einer ihre Kinder unter Jiengsien zum vollen Leben ausge- bärenden iiiutter gestellt, auch sich wie mitten unter sie versetzt hat, um den rechten Ton, wie er mit Erfolg zu ihnen reden könne, zu gewinnen (v. 18—-20), geht er zuleht noih in einer allegoriskhen tiietraaitung auf die Geschichte von den beiden Söhnen 2lbrahatns, von Ssmael und Raub, ein und erläutert daran sowohl das Wesen der beiden Testamente im Vergleich mit einander, als auch das endliche Geschick. der dem alten Testament in feindlicher Gesinnung wider die Kinder des neuen Tesiaments anhangenden Juden und Iudaisten (V. 2l——3l). 8. Aber swas soll ich doch sagen, wenn ich euer jetziges Verhalten betrachteP muß ich mich nicht höchlichst darüber wundern? Siehe r] zu der Zeit, da ihr snoch Heiden waret und als solche, wie alle Heiden l. Thefs 4, b] Gott nicht er- kiitinleh dienetet ihr [in knechtischer Weise Rönn 8, 15., wie es ja auch nach Maßgabe der da- maligen Zeit V. Iff. noch nicht anders sein konnte] denen, die von Natur [ihrem wirklichen Nun ihr Gott erkannt habt, warum wendet ihr euch wieder zu den dürftigen Satzungenii 417 Wesen nach, im Gegensatz zu dem, was man von ihnen hält] nicht Götter sind [1. Cor. 8, 4; 12, S; 2. Chron. 13, 9]; 9. Nun ihr aber sden wahren, lebendigen] Gott sin Folge der Predigt des Evangelii, die zu euch gelangt ist] erkannt habt, ja vielmehr smittels Begabung mit dem heil. Geist] von Gott [für seine Kinder und Erben seines Reichs V. 6 f.; Z, 291 erkannt seid [1. Cor. 8, s; 13, 12], wie wendet ihr euch denn sgleich als bedürftet ihr zur rechten Vollkommenheit auch einer rückwärtigen Bekehrung Kap. 3, Z] um, wieder zu den schtvachen szum Heile unwirksamen] und durftigen [nichts Reelles, sondern bloßes Schattenwerk Col. 2, 17 in sich schließenden] Satzungen [V. 3 Anm.], wel- chen ihr swenn auch nicht gerade in Form des vorigen Heidenthums so doch in der des ebensalls ungenügenden Judaismus Hebr. 7, 18 f·] von Neuem svon vorn] an dienen wollt [V. 21]? 10. Jht haltet [wie ich höre, mit großer Sorgfalt, um ja nichts dabei zu versäumen, die verschiedenen Siebenzeiten:] Tage [die je siebenten Tage der Woche, die Sabbathe] nnd Monden [die je siebenten Monate im Jahr, den Tisri 3. Mos. 23, 25 Anm.] nnd Feste [besonders die Laubhütten 3. Mos. 23, 4 ff.; Col. T, 16] und Jahrzeitent [die Sabbathsjahre Z. Mos. 25, 1 ff., wie denn gerade dieses jetzige Jahr ein solches ist 1. .Macc. 6, 54 Anm.]· 11.- Jch fürchte euer [d. i. um euch, denn es handelt sich dabei nicht sowohl um meinen, als um euren Schaden], daß ich nicht vielleicht umsonst habe an euch gearbeitet« [1. Cor. 15, L; 2. Cor. 11, s] 12. Seid doch wie ich sallein in dem Gesetz Christi stehend 1. Cor. 9, 21]; denn ich bin [ge- worden] wie ihritt [indem ich heidnisch bei euch gelebt habe, und nicht jüdisch Kap. 2, 14]. s) Jn V. 8 läßt die Rede sich an, als ob die Lehr- entwickelun fortginge, nimmt aber dann gleich im folgenden mehr Knechte«, hatte Paulus vorhin (V. J) gesagt: ,,aber«, so fährt er nun fort, in die frühere Zeit zurückgreifend ,,damals waret ihr Knechte, als ihr Gott nicht erkanntet; so be reiflich nun unter solchen Verhältnissen euer früheres nechtsein gewesen, so uns- begreiflich ist euer jetziges Sichselbstwiederbe eben in die Knechtschaft«. Jndem er dann mit den orten: ,,ihr dientet denen, die von Natur nicht Götter sind«, die Art der Knechtschaft genauer angiebt, in welcher die Galater als Heiden sich vordem befanden, charak- terisirt er diese Knechtschaft als eine wesentlich schlimmere, als die der Judenchristen nach ihrem vorchristlichen Zustande in V. Z; sie waren nicht von Gott selbst für eine Weile, aus pädagogischen Gründen, unter die äußerlichen Satzungen des Gesetzes gestellt, sondern ihr Geknechtetsein war ein aus ihrem Gottnichterkennen sich ergebendes Dienen, und zwar ein Dienen denen, die von Natur nicht Götter, in Wahrheit vielmehr Dämonen (1. Cor. 10, 20) sind. (Schmoller.) Aus diesem Dienste durch Christum frei gekommen zu sein, Dächsel’ s Bibelwerk V1l. Band. erse eine praktische Wendung. »Jetzt nicht . ist eine sie um so mehr verpflichtende Wohlt at, je schlimmer und thörichter sie sich mit i m ver ündigt haben: wie übel thun sie nun, jetzt, na dem sie Gott erkannt haben, ja vielmehr nachdem sie von Gott er- kannt sind, zu ihrer vormaligen Verke rtheit und Sünde diese neue hinzuzufügen, daß sie si wieder zu den schwachen und dürftigen Satzungen wenden, unter denen sie sich zur Zeit ihres Götzendienstes befunden haben, um ihnen von vorn an dienstbar zu werden! Man hat es bei diesem Dienst mit solchem zu thun, was der irdisch-leiblichen Natur des Menschen ange- hört; dergleichen Gegenstände des religiösen Lebens aber sind im Gegensatz u dem Geiste Christi, welchen Gott in unsre Herzen entsendet hat, fchwach und dürftig, weil sie weder im Stande sind, den Menschen in ein anderes Verhältniß zu Gott zu stellen oder zu anderem Verhalten gegen Gott zu bringen, noch seinem Sein einen Jnhalt zu geben, der es erfüllt und befriedigt (indem sie selber nur erst noch einen unvollkotnmenen und eringen Jnhalt haben). Der Apostel sagt nicht: ,,ihr ienet«, sondern: ,,ihr wollet dienen-«, auch nicht: ,,ihr ha bt euch gewendet«, sondern: ,,ihr wendet euch«, denn sie sind nur erst im Begriff rückfällig zu werden; aber den Anfang dazu machen sie bereits, und zwar nicht blos in ihren Gedanken, sondern auch in ihrem Thun und Lassen, wie man daraus siehet, daß der Apostel fortfährt: ,,ihr haltet Tage 2c.« und nicht: ,,ihr wollet halten«· Er spricht das im Tone des schmerzlichen Ausrufs, in welchen die Frage der schmerzlichen Verwunderung! übergeht: so weit seid ihr wieder, daß ihr auf Tage cht habt und auf Monden und Zeiten und Jahre. Bei »Tage« ist an die Sab- bathe, bei ,,Monden« an die siebenten Monate, bei ,,Zeiten« an die Festzeiten, bei ,,Jahre« (Luther: ,·,Jahrzeiten«, vgl» Jes. 1, 14 «— ganz verwirrend ist es, wenn die jetztgen Bibelausgaben dafür schreiben; ,,Jahreszeiten«) an die Sabbathjahre zu denken. (v. Hof- mann.) Wenn von dem Judenthum die Weissagung auf Christum völlig hinweggenommen wird, so steht es auf keiner andern Stufe als das Heidenthumx ent- kleidet man das Ritualgesetz von aller vorbildlichen Bedeutung, so wird es ein heidnischer Naturdienst. Auf diesen efährlichen Weg hatten si die Galater verleiten las en, die im Gesetz ihre echtfertigung suchten und das thaten, nachdem Christus gekommen, der des Gesetzes Ende ist. Solange sie Gott nicht erkannten, konnte es noch einigermaßen entschuldigt werden, daß sie denen dienten, die nicht wirklich Götter sind: wie aber jetzt? (v. Gerlach.) An die Elemente dieser Welt waren die Galater in ihrem vorigen Götzendienst gekettet gewesen, denn Creaturendienst ist ja der heidnische Götterdienst in seinen Festen und Opfern und übrigen Ceremonien; woran sie sich aber nun hingen, indem sie jüdischen Cerimonieu sich er- gaben, das war eben nur das Schwache und Dürftige an dem Gesetz fleischlichen Gebots (Hebr. 7, 16 sf.), nicht auch das vorbildlichsWirksame und Nützliche der in Gottes Gebot gefaßten irdischen Dinge. Nachdem Christus gekommen ist und in den Herzen seiner Gläu- bigen Wohnung gemacht hat, sind jene äußerlichen Satzungen u leeren Fruchthülsen geworden, denen ihr fruchtbarer ’eim entwachsen ist; und wo man auf das Schwache und Dürftige vertrauet, als wäre es etwas an sich Kräftiges und Jnhaltreiches, zur Seligkeit Niitzliches da dient man einem Götzen anstatt des lebendigen Gottes. Riickfall in ihren vorigen Götzen- dienst war es, eine Carikatur chriftlicher Bekehrung, daß die Galater von der evangelischen Glaubenspredigt und von der Abba-Stimme des Geistes Christi in ihren Herzen sich abwandten hin zu sinnenfälligen 27 418 Galater 4, 1 2——20. Dingen, worin sie Gottes habhaft werden, und hin zu Mitteln» äußerer Heiligkeit, worin sie sich eine greifbare Gerechtigkeit zurecht machen wollten. (Besser.) Aus Rom. 14, H erhellt, daß Paulus den schwachen Christen (s eziell den Judenchristen in den heidenchristlichen eme1nden) die Feier solcher Tage nachsah; hier han- delte es sich aber um die prinzipielle Nothwendigkeit der Feier, und da konnte er nicht anders, wie in Col. 2, 16 f. urtheilen und mit banger Besorgniß um sein Werk erfullt werden. Ob die Beachtung der Jahrzeitem d. i. der Jahre be ufs der Feier des je siebenten Jahres» blos der ollständigkeit der Theorie wegen oder mit Rücksicht auf die Wirklichkeit erwähnt sei, konnte man zweifelhaft sein; für die letztere Annahme scheint indes; zu sprechen, daß gerade in die Zeit, in welche auch aus anderen Gründen die Abfassung des Galaterbriefs zu setzen ist, die Feier eines jüdischen Sabbathjahres eingefallen, nämlich in die Zeit vom Herbst 54 bis dahin 55 n. Chr., und daß Paulus, der hier sonst das wirkliche Verhalten seiner Leser zeichnet, doch kaum ihre Veachtung der Jahre behufs der Feier des je siebenten Jahres erwähnen konnte, falls er wußte, daß sie gerade damals das Sabbathjahr nicht feierten. Zur Annahme der Beschneidung dagegen, auf welche die Judaisten so sehr drangen (Kap. 5, 2 f. U; 6, 12 f.), waren die Galater wohl nur aus- nahmsweise bewogen worden, weil dieselbe sonst hier hätte miterwähnt werden müssen, zumal gerade sie die in V. II ausgesprochene Befürchtung am meisten würde begründet haben. (Wieseler.) IV) Nicht umsonst setzt Paulus das ,,euer« hinzu, sondern in dem Bewußtsein, daß nicht sein Jnteresse, sein etwa fruchtloses Gearbeitethaben an und für sich, sondern die Leser sein Besorgtsein treffe: sie selbst waren der Gegenstand seiner Bangigkeit, ihre Ret- tung, ihr Heil, denn sie waren im Abfall vom christ- lichen Glaubensleben, welches durch seine Arbeit bei ihnen hergestellt war, begriffen. (Meyer.) Diese Worte scheinen von Thränen begleitet gewesen zu sein, vgl. 2. Cor. 2, 4. (Luther. IN) Diese Worte o zu fassen, wie Luther und Andere wollen: ,,liebt mich so, wie ich euch liebe-«, ist offenbar unstatthaft; sie stehen vielmehr der Ermahnung in 1.« Cor. 4, 16 parallelx »seid meine Nachfolger« und fordern die Galater auf, sich in die Freiheit vom Gesetz zu stellen, in der Paulus stand. (Olshausen.) Die Iüdich zugerichteten Galater wollten wieder werden, was sie weiland unter ihren falschen und nichtigen Göttern gewesen waren, und dadurch Pauli Arbeit an ihnen zu Schanden machen; dagegen bittet er sie zu bedenken, wie er der Macht, die er ja hatte, jüdisch zu leben in äußerlichem Brauch und volksthümlicher Sitte, aus Liebe zu ihnen und um des Evangelii willen sich begeben und ihrem heidnischen Leben sich anbequemt hatte, denen, die ohne Gesetz sind, geworden als ohne Gesetz (1. Cor. I, 21). Fordert er darauf hin nun von ihnen, daß sie seinem vom Gesetz, befreiten Leben nacharten und jüdische Weise sich nicht aufdringen lassen sollen, wie gründlich verkehrt mußten sie bereits sein, wenn sie solcher Forderung sich weigerten! Er ist geworden wie sie, geflissentlich dazu, um sie der Gefahr zu entziehen, aus Liebe zu ihm in falsches Werthlegen auf jüdisches Leben zu gerathen, und nun wollten sie nicht sein wie er? wollten sie denn lieber mit ihren neuen Lehrern unter dem Gesetz sein, aber ohne Christum, »als mit Paulo frei vom Gesetz, aber im Gesetz Christi? (Besser.) 12l). Lieben Brüder, ich bitte euch [meinet doch ja nicht, daß ich aus irgend welcher persön- lichen Empfindlichkeit euch so-scharf strafe, wie ich’s vorhin V. 8 ff. gethan habe; wo sollte denn solche Empfindlichkeit bei mir herkommen?]; ihr habt mir kein Leid gethan [vielmehr, wenn es sich um euer persönliches Verhalten gegen mich han- delt, so muß ich euch bezeugen, ihr habt euch auf’s Allerbeste zu mir gestellt]. 13. Denn ihr wisset, daß ich euch in [rich- tiger: wegen Apostg. is, 8 Anm.] Schwachheit nach dem Fleisch« [die mich an der Vorbeireise, wie ich sie eigentlich in Absicht hatte, verhinderte] das Evangelium geprediget habe sals ich] zum ersten Mal lzu euch kam Apostg. 16, 6]. 14. Und meine Anfechtungen, die ich leide nach dem Fleisch [2. Cor. 12, 7 Anm. und von denen ich gerade damals wieder in gar schwerer Weise befallen war], habt ihr nicht verachtet, noch verschmähet sdaß ihr mich für einen von Gott Geächteten angesehen und von euch gewiesen hättet], sondern sim GegeUtheilJ als einen Engel [Boten] Gottes nahmet ihr mich auf, ja als Christum Jesum" [2. Cor. s, 20]. 15. Wie waret ihr dazumal [in richtiger Werthschätzung dessen, was euch durch mich ge- bracht wurde] so selig! Jch bin euer Zeuge, daß, wenn es möglich gewesen wäre [die empfangene Gabe mit einer ihrem Werthe entsprechenden Gegenleistung zu vergelten], ihr hättet eure Augen ausgerissen und mir· gegeben-W« [auch ein solches Opfer wäre euch nicht zu schwer gewesen]. 16. Bin ich denn also [wenn ich früher euch soviel galt, wie eben gesagt, ihr jetzt aber von mir und meiner Predigt euch ab- und anderen Lehrern zugewendet habt] euer Feind lals welchen ihr mich mit solcher Abwendung behandelt, dadurch] worden, daß ich ssobald mein Amt dies von mir fordert] euch die Wahrheit vorhaites swie ich das allerdings gethan habe, als ich das zweite Mal bei euch war Apostg. 18, 23b Anm.]? 17. Sie [die falschen Lehrer, die euch be—- zaubert haben, daß ihr der Wahrheit nicht ge- horchet Kap. Z, 1] eifern um euch nicht feiu [nicht auf ehrenhafte Weise und in guter Absicht, vgl. Kap. S, 13]; sondern sie wollen euch sindem sie ihren Eifer darauf richten, euch einzureden, ich sei euer Feind V. 16., weil ich euch dasjenige vor- enthielte, worauf ich doch selbst anderwärts noch großen Werth legte Kap. s, 11] von mir abfällig machen, daß ihr um sie lals eure wahren Freunde und rechten Seelenführer, die euch zum vollen Heil verhälfen] sollt eifern-H- [und gänzlich an sie euch hingeben]. 18. Eifcrn ist gut, wenns immerdar geschiehet um das Gute fin dieser Weise habe ich denn um euch geeifert, als ich euch die Wahrheit sagte V. 16; ihr habt damals das auch erkannt und Wie waret ihr dazumal so selig! Bin ich denn also euer Feind worden? 419 gefühlt, doch sollt ihr’s ebenso, wenn ich abwesend bin, erkennen und fühlen], und nicht allein, wenn ich gegenwartig bei euch binHs swas euch davor würde bewahrt haben, so bald nach meinem Weg- gange einem andern Evangelio euch zuzuwenden Kap. I, 6]. · · · 19. Meine lieben Kinder, welche ich aberznal mit Acugsten [wie eine geistliche Mutter] gebare, bis daß Christus in euch eine Gestalt gewtnne [euer Sein und Leben die Gestalt Christi erlangt haben oder zu seinem leibhaftigen Abbilde ge- worden sein wird]! 20. Ich wollt aber, daß ich jetzt sstatt ab- wesend euch schreiben zu müssen] bei euch ware und [nun, wie es dann mir möglich sein würde] meine Stimme wandeln könnte sum je nach dem Bedürfniß, wie es mir an euch unter die Augen träte, den Ton so oder so einzurichten]; denn ich bin irre an euch H— fund befinde mich in Verlegen- hett, wie ich von hier, der Ferne aus, euch mit dem rechten Erfolg beikommen soll]. V) Die einzig richtige, weil eini sprachgemäße Erklärung ist die: ,,w egen Schwachhkiii des Fleisches«, so daß erhellt, Paulus sei auf seiner ersten Reise durch Galatien leiblicher Schwäche halber genöthigt gewesen, daselbst zu verweilen, was eigentlich nicht in seinem Plane gelegten, und habe während dieses nothges drungenen ufenthalts den Galatern das Evangelium gepredigt; die Liebe der Galater nun, welche ihn so herzlich und freudi · aufnahm, mußte um so größer sein, je weniger ie auf der Pflicht der schuldigen Dankbarkeit für vorher schon den Etnpfängern zuge- dachte Wohlthat und für um ihretwillen eigens ge- machte Bemühungen beruhete. (Meher·) Daß Paulus ohne den Zwischenfall einer unvorhergesehenen per- sönlichen Verhinderung Galatien bei seiner ersten An- wesenheit bald wieder verlassen haben würde, stimmt auch mit der Darstellung dieser seiner Reise in Apstg. 16, 6; unter der ,,Schwachheit des Fleisches« aber ist ohne Zweifel eine Krankheit zu verstehen, von welcher der Apostel damals heimgesucht wurde. An was für eine Krankheit zu denken sei, läßt sich allerdings nicht ermitteln; doch ist recht wohl möglich, daß es ein heftiger Anfall des in 2. Tor. 12, 7., also nicht lange nachher erwähnten und überhaupt andauernden Leidens war. (Wieseler.) «) Sie sahen ihn, wenn anders dasselbe Leiden, wie in 2. Tor. 12 gemeint ist, ehe sie sein Wort zu hören bekamen, in einem Zustande, welcher ihn eher wie einen von Gott Geschlagenen, als wie einen von Gott Gesendeten erscheinen ließ. (v. Hofmannh Das Wort: »verschmähet« lautet im Griechischen noch weit stärker: ,,ausgespieen«; damit erinnert er sie, wie mächti damals in ihnen der Geist über das Fleisch geherrizcht habe, da sie in der Hülle der Knechtsgestalt und Erniedrigung den göttlichen Gesandten nicht ver- kannt, sondern ihn behandelt hätten wie Den, der ihn gesandt hatte. (v. Gerlach.) Hi) »Sel9iJg ist, der sich nicht an mir ärgert«, spricht der HErr ( atth.11, 6): diese Seligkeit kam über die Galater, als sie den Botschafter und Nachfolger dessen aufnahtnen, der in den Ta en seines Fleisches so verachtet war, daß man das ngesicht vor ihm verbarg. (Vesser.) Das ,,ihr hättet eure Augen aus- gerissen und mir gegeben« ist Bezeichnung der über- schwänlichen Liebe, welche zu jedem Opfer bereit war; solche spriichwörtliche Ausdrucksweisem auf den n Werth und die Unentbehrlichkeit der Augen sich ründend, sind allen Sprachen gangbar. Jn jedem Falle nun war die Sache nur eine vorgestellte, in der Wirklichkeit aber praktisch unthunliche; Paulus setzt daher hinzu: »wenn es möglich gewesen wäre«. Hätte er dagegen gesagt: »wenn es nöthig gewesen wäre«, so hätte er sich ungehörig ausgedrückt. (Meyer.) f) Hier ist der Apostel gleichsam verlegen und er- schrocken, und möchte von ihnen gern die Ursach ihrer Veränderung erfahren; wer hat euch denn irre geführt, sagt er, und dahin gebracht, euch anders gegen mich zu stellen? Seid ihr’s denn nicht, die ihr mir an- hinget und mir dientet und mich werther hieltet als eure Augen? was ist denn nun vorgefallen? woher kommt die Feindschaft, woher der Argwohn? Weil ich euch die Wahrheit gesagt habe? deshalb solltet ihr mich ja noch höher halten! Nun bin ich aber, indem ich wahr bin gegen euch, euer Feind worden: ich weiß keine andere Ursach, als diese. (Chrysostomus.) Auf die Beantwortung der von ihm gestellten Frage geht Paulus nicht ein; er sucht den Grund des Uebels nicht sowohl in den Galatern, als vielmehr in ihren Verführern. »Diese sind Schuld daran, daß ich euch jetzt wie verhaßt geworden bin; es liegt nicht in mir, und auch weniger an euch«- Die Mittelglieder des Gedankens läßt aber der Apostel aus, da er von den Galatern, welche die ganze Lage der Dinge kunnten, auch bei bloßen Andeutungen verstanden wurde. (Win- dischmann.) H) Es ist bezeichnend, daß der Apostel die, von denen er hier spricht, gar nicht erst nennt: die Leser verstehen wohl, wen er meint, da sie sich selber sagen mußten, woher die Entfremdung stammte, die er rügtx und nun zeichnet er die unsittliche Weise, wie sich seine Widersacher um die Leser bemühen. (v. Hof- mann.) Dies ist aller falschen Geister Art, daß sie sich freundlich stellen und den Leuten die besten Worte geben, damit sie einen Anhang kriegen. Wenn sie erst- lich kommen geschlichen, schwören sie aufs Theuerste, wie sie nichts anders suchten, denn allein Gottes Ehre und der Menschen Seligkeit zu fördern; irrem, wie sie vom Geiste getrieben würden, die gewisse Wahrheit recht zu lehren, sintemal sie sähen, wie jämmerlich das arme Volk versäumt oder daß zum wenigsten Gottes Wort von Andern nicht recht gepredigt werde, auf daß die Auserwählten durch sie vom Jrrthum also möchten erledi t und zum rechten Licht und zur ewissen Erkenntnis der Wahrheit gebracht werden. it solchem vorgewandten Schein der Gottseligkeit thun die reißenden Wölfe der christlichen Gemeinde überaus großen, grausamen Schaden, wo nicht die Pfarrherrn und Seelsorger wacker und vorsichtig sind und ihnen mit Ernst widerstehen. (Luther.) ji«-s) Das Wort ,,eifern« bezeichnet: jemandem mit eifersüchtiger Liebe nachgehen, ihn bewachen, an sich fesseln. Paulus that dies für Christum, ihm die Gemeine als eine unbefleckte Jungfrau zuzuführen (2. Tor. 11, 2); die Jrrlehrer thaten es nicht auf die rechte Weise, sondern die Galater von Andern abzu- schließen, damit dieselben ihnen eifrig anhingen. (v. Gerlach.) Man sieht, die galatischen Christen hatten des Apostels ihnen die Wahrheit Vorhalten (V. 16) auch bei seiner zweiten Anwesenheit, solange er bei ihnen war, als etwas Gutes betrachteh waren aber nach seiner Abwesenheit durch die Einslüsterungen der Jrrlehrer bedenklich geworden; weshalb er sie daran erinnert, daß das seiner Natur nach Löbliche immer löblich sei, während die eigennützige Handlungsweife 277 420 Galater 4, 21-—25. der Jrrlehrer sich selber richte. Nachdein er deren Verfahren als nicht löblich nachgewiefen, stellt er dann in V. 17 das seinige gegenüber, welches als an sich löblich ihnen nicht blos momentan, wenn er bei ihnen gen-würzig sei, sondern immer dafür gelten müsse. ( ie e er. If) Mit der zärtlichsten, rührendsten Liebe redet Paulus die Galater als seine ,,lieben Kinder« an, die er noch einmal mit Schmerzen gebiert, bis sie wieder zu einer Gestaltung Christi werden; wenn er sich sonst als Vater seiner Gemeinden und Gemeinde lieder (1. Cor. 4, 15; Philem. 10) bezeichnet, so mu te er hier, um den Schmerz auszudrücken, das Bild einer Mutter wählen, und die affeetvolle Anrede ist nun um so ergreifender, da sie als abgebrochen erscheint und das, was sie will, nämlich die Galater zur Um- kehr bewegen, verschweigt. Der Apostel schweigt aber um so mehr, weil er fühlt, daß nicht der stumme Buch- stabe, sondern nur die lebendige Stimme seine Ge- fühle und Empfindungen voll und rein ausdrücken könnte; darum möchte er so gern bei seiner verirrten Gemeinde persönlich gegenwärtig sein können und seine strafende Stimme durch den mündlichen Aus« druck der Liebe verwandeln, weil er irre an ihnen ge- worden ist. (Hilgenfeld.) Seine Geistesarbeit an den Herzen der Leser vergleicht Paulus hier mit dem Ge- bären einer Mutter, wobei der Vergleichungspunkt ist die auf das zur Welt Kommen eines Kindes gerichtete Thätigkeitx es handelt sich um ein reifes, vollständig ausgebildetes Kind, in welchem das Leben zur voll-· kommenen Darstellung gekommen; in einem solchen und erst in ihm hat die Geburtsarbeit einer Mutter ihr Ziel erreicht, solange es aber noch nicht zu einem ausgebildeten, lebendigen Kinde gekommen, muß jene Arbeit von Neuem beginnen. (Schmoller.) Die er schon einmal geboren hat, machen ihm neue Mühe, welcher er sich denn auch unterzieht, ohne abzulassen, bis ihm die schon einmal zuwege gebrachte Ausge- staltung Christi in ihnen wieder gelungen sein wird. Die Leser müssen sich schämen, daß es der Apostel als etwas bei ihnen neu zu Crzielendes vorstellt, daß sie ordentliche Christen werden; er kann es aber mit Fug und Recht so vorstellen, denn gesetzliches Wesen macht die Erscheinung, zu welcher Christus in einem Menschen gekommen ist, wieder verschwinden, indem sie nur da vorhanden ist, wo der Mensch im recht- fertigenden Glauben steht. (v. Hofmann Abermal ebären, mit Reformations-Wehen, will aulus seine inder, bis daß Christus die Gestalt wiedergewinne in ihnen, die er dazumal gewonnen hatte, als sie sich selig priesen über der Predigt des Apostels unter ihnen, den sie aufnahmen als Christum Jesumz denn der Feind hatte sein tückisches Spiel getrieben, die Jrrlehrer haben seinen Kindern ein gefälschtes Christus- bild eingeprägt und haben ihre eigenen Fleischeszüge den Geistlichgeborenen angezauberr Recht ein Re- formations-Predigttext ist dieser Spruchz denn in unserm Luther hat die Kirche reichlich die Mutterwehen St. Pauli empfunden bis zu der Lätare-Erfahrung,» wovon hernach V. 27 redet. (Besser.) (Cpisiel am El. Sonntag in der Fasten: Lätare.) Mit diesem Sonntage tritt eine Wendung ein in den Fastenperikopen (vgl. die Dem. zu Jes. 66, 11); ein Freudenruf: ,,Laetare (freue dich)« wird auf ein- mal laut, und in diesen Jubel stimmt die Epistel von ganzem Herzen ein, heißt es doch iii V. 27 ebenfalls »Im-starke (sei fröhlich)!« Wurde am Sonnta Oculi den Taufcandidaten die Abrenuntiation oder åeufels- entfagung abgenommen, so stellte nun der heutige Sonntag ihnen den herrlichen Stand der christli en Freiheit vor, in welchen sie durch ihre Zusage o er Verlobung an Christum eintraten. (Nebe.) Der Weg zur Seligkeit ist ein Gnadenweg; denn nur die Gnade 1)f edrössfnetzsen Zlgegb zurt Selitgkeitå Z) dfiiPrt weiter au ie em e e, ring an as ie ie es Läegsit DE; Fjreihsizt Zesåjhtrhiftkm l) ihiåGrkind i o es na e, i re e ä igun er reie Liebesgehorsam, Z) i r Ziel das Erbe gder Kinder Gott-Es. (Sdom(äiierz) stus Glciåatdeidi seåd idhr selzg wo en; ie na ei ’s, we e as in esre t esåsxsxkkkgkdizskkxsxsgxskgisisxsijssss Eli«- IU . . le c! Testamente Gottes: I) eins ist Gefetz, das d Evangebumx L) e«ns "eht K echt , ’m iiädgtii werIn gkitjidedr gegoråm dibe Knietchtesiferdxen inausge o en, ie in er ei en im au e. IAhlfeldJ Das obere Jerusalem: 1) sein himm- "s U sprung, 2)s· irdischer B st d, Z) s·n leicPleiBerrKainpf, 4) ewiger SieegfnStähliiiih Die Aussicht von Golgatha: 1) in unsern Ch "stenftand Z) in die Welt 3) ’n den Himmel ri , , i . (Ziethe.) Wie sehr wir Ursach haben uns zu freuen, daß wir zu Gliedern der rechtenKirche des neuen Testaments berufen sind; denn da Benießen wir 1) für die Tage der Gegenwart den esip der seligen Freiheit der·Kinder Gottes und 2) sur die Tage· der Zukunft die Hognung auf das Erbe aller gottlichen Verheißungen ( ig. Arb.) 21. Saget mir sihr in den galatifchen Geuizeinden Kap. 1, 2], die ihr unter dem Ge et; fdemselben unterstellt 3 23] sein wollt habt ihr [denn, was ihr doch«schwerlich werdet behaupten wollen] das Gesetz [in den fünf Büchern Mosis] nicht gehöre» [wenn ihr so wenig begreift, was ihr mit eurem Begehren eigentlich vorhabt]? 22. Denn es stehet [in deiin Berichte, den wir in Mos. 16 u. 21 lesen] ge chriebem daß Abraham zween Söhne hatte: einen [den Jsmael] von der Magd [Hagar, im griechischen Sdxsextålgar geslckriebenh gen gndertEB[Jgaak] von er eien einem re tmä igen ei e Sarah, der Herrin des Hauses]. 23. Aber· der von der Magd war, ist Tisch dgezzm Flegfch kraus dseni ggwghnlichiitg ien egeoer ieeinJo. ei, von dem Geblüt iind dem Willen des FleischesJ geboren [1. Mos. 16, 1—kx]; der aber von der Freien, ist durch die Verheißung [in Kraft der den Cltern ertheilten göttlichen Zusage, die ihren an sich unfruchtbaren oder doch schon erftorbenen Leib auf wunderbare Weise zeugungs- fähig machte I. Mos.17,15 ff.;18, 9ff.;21,1f.; Joh. 1, 13; Röm. 4, 19 ff.] geboren. 24. Die Worte [d. i. die in diesen Wor- ten enthaltenen Umstände] bedeuten etwas« shaben einen allegorischen Sinn, den man wohl beachten muß] Denn das snämlich die beiden Weiber, Hagar und Sarah] sind die zwei Teftamente [besser wäre, um im Deutschen eben- falls ein Wort weiblichen Geschlechts zu gewinnen, Die beiden Söhne Abrahams eine Allegorie der beiden Testamente 42l das geeigneter ist, die Allegorie zu veranschaulichen, als das sächliche ,,Testamente«, die Uebersetzung: Festsetzungen oder Stiftungen Jer. »Bl- 31ff.]: eines [eine] von dem Berge Sinai fherstammend oder dort errichtet], das [die] zur Knechtschaft gebietet, welches [welche]» ist die Agar [das allegorische Gegenstück zu dieser Magd im Hause Abrahams, die ja an Jsmael auch nur einenKnecht aus sich heraus setzen konnte V. 30]. 25. [Dies allegorische Verwandtschaftsver- hältniß zwischen jener Testamentsstiftung und der Abrahams-Magd kommt denn auch zum Aus- druck durch den Namen, den sie beiderseits führen.] Denn Agar heißt in Arabien der Berg Smai sman verstehet dort unter diesem Wort jenen BergJZ und langet [nun, zwar nicht der so genannte Berg selber, wohl aber die auf dem- selben errichtete Agar-Stiftung] bis gen Jeru- salem, das zu dieser Zeit ist, und ist [noch immer, wie zu der Zeit, da solche Stiftung aller- dings zu Recht bestand] dienstbar mit seinen KindernMf [den ungläubig gebliebenen Juden Luk. 13, 34]. V) Ohne weitere Anknüpfung an das Vorige führt Paulus gleich mitten in die Sache hinein; das voraus- geschickte ,,saget mir« soll die nachfolgende Frage in angelegentlicher Weise schärfen, mit dem ,,habt ihr das Gesetz nicht gehört?« aber bezieht sich der Apostel darauf, daß die Vorlesung der altheiligen göttlichen Schristen des Gesetzes und der Propheten nach Syna- Zzogenweise (Luk. 4, 16) auch in den gottesdienstlichen ersammlungen der Ehristengemeinden geschah, denn diese enthielten ja die Ofsenbarungen Gottes, deren Erfüllung das Christenthuin ist, und ihre Kenntniß ward mit Recht als Quelle der christlichen Heils- erkenntniß angesehen, deren Glaubensstärke und Lebens- normen der Schrift gemäß sein müssen. (Meyer.) Der Ausdruck Gefetz wird in unserm Verse doppelsinnig ebraucht: das erste Mal ist Gesetzxdas Gesetzes- nstitut oder das in den 5 Büchern osis enthaltene mosaische Gefetz selbst, das andere Mal der Gesetzes- Eodex oder der Pentateuch, auch die in ihm mitge- theilten Geschichten in sich begreifend (Nebe.) M) Man kann im Allgemeinen drei Grundformen des Sinnbildes unterscheiden: zuerst tritt der Typus auf, welcher den Lebenskeim bezeichnet, aus welchem die Entwickelungen der mit ihm gesetzten gleichen Lebensstufe hervorgehen; sodann das Symbol, das sinnliche Zeichen, welches aus einem niederen Lebens- gebiet entnommen ein höheres Leben vorbildet und abspiegelt; drittens die Allegorie, welche die Aehn- lichkeiten der Erscheinung auf den verfchiedenen Lebens- stufen benutzt, um eins durch das andere zu versinn- lichen. Der Typus beruht also auf dem Gesetz der Entwickelung einer bestimmten Lebensstufe mit ihren Bildungen aus einem bestimmten Lebenskeimes das Symbol beruht auf dem Gesetz, daß die Höhe-e Lebensstufe vorgebildet, geweifsagt wird durch die niedere, daß sich namentlich das Geistige im Sinnlichen abschattet; die Allegorie endl" eruht auf dem Gesetz, daß alles in allem sich abspiegelt nach der außeren Erscheinung, daß der S ein des einen zum Bilde des andern dienen kann. ( ange.) Man muß sich hüten, den Begriff der Allegorie mit dem des Typus (l. Tor. l(), 6 u. 117 Röm. 5, 14., vgl. Hebt· 9, 24; 1· Petri s, 21) zu verwechseln: der Typus ist eine wirkliche göttliche Geschichtspräformation einer neu- testamentlichen Thatsache im alten Testament; alle- gorisch aber bedeutet ein Faktum ein anderes, wenn das ideale Wesen des letzteren als im ersteren sich bildlich darstellend uachgewiesen wird· (Meyer.) Es ist dabei jedoch zu berücksichtigen, daß, wie das an unsrer Stelle der Fall, es gerade der vorausgesetzte typische Charakter von Personen und Gefchichten sein kann, welcher zur allågorischen Deutung der Geschichts- erzählun treibt. ( öller.) Unter jedem Ereigniß des Rei es Gottes, vor allen andern aber unter den Gefchichten, welche der heil. Geist zur Lehre uns hat aufschreiben lassen, liegt noch ein tieferer Sinn als der ist, welchen sie als blos äußerliY Geschichte, als einzelne Thatsache uns darstellen. as Reich Gottes dringt von seinem ersten Keimen an unaufhaltsam in dem von Gott selbst geleiteten Gange zur Vollendung vor, aber so, daß, wie auf dem kleinen Edelsteine das Bild der majestätischen Sonne, auch in jedem kleinen Ereigniß, welches einen wefentlichen Fortfchritt bildet auf dem großen Wege, das Ganze in seiner Herrlich- keit nach allen seinen Hauptzügen sich abspiegeltx daher die Samenkörnchen, die Frucht tragen sollen für die Ewigkeit, unter ihrer harten, rauhen Hülfe die Lebens- keime der Blüthen und Früchte schon wirklich enthalten· (v. Gerlach.) Gott sind alle seine Werke bewußt Von Anfang der Welt her; er weiß, was er thun will bis an’s Ende, und weil er dies weiß, so hat er seinen Heiligen von Anfang der Welt her mitgetheilt und auf mancherlei Weise vorausgesagt, was da kommen soll. Wenn am Ende alle Wege Gottes abgeschlossen sind, werden Gottes weissagende Worte zu glänzenden Ve- weisen, daß Gott die Welt nach Plan regiert und alles auf vorbedachten Wegen zu dem vorbedachten Ziele geführt hat; da wird alsdann der Ruhm und Preis seiner Wahrhaftigkeit und Treue groß sein, und sein Name wird genannt werden ,,Amen«. Der HErr hat aber nicht blos in Worten geweifsagt, sondern auch in Vorbildern: der roße Jmmanuel, der da kommen sollte, dazu sein Flieich Hund dessen Ergehen sind wie Berge gewesen, die aus der Ewigkeit» her, bevor sie selbst efehen wurden, ihre Schattenrisse »in die Welt hereinfallen ließen. So wunderbar das ist,»so wahr ist es doch; iind so nimmt denn der Apostel hier seinen Gegenbeweis gegen die Gesetzesanwendung seiner Gegner nicht aus den jedermann klaren Worten Mosis, sondern aus dem heimlichen Sinn einer Stelle, den ohne besondere Offenbarun Gottes niemand finden konnte, er beweist aus den orbildern des alten Testa- ments gegen einen falsch gesetzlichen Grundsatz der Judaisten. (Löhe.) Wenn Luther behauptet, des Apostels Allegorie an dieser Stelle, weil sie·vom historischen Verständniß der Genesis abweiche, sei zum Stiche zu schwach, d. i. sie gebe keinen rollen dog- matischen Beweis, den er aber auch gar nicht zu geben beabsichtigt habe, sondern er wolle nur noch den zuvor aus’s Beste begründeten Handel sein schmückeii und desto verständlicher und lichter machen, so mussen wir im Ge entheil die Ansicht vertreten, daß Paulus aller- dings feine Erörterun in allem Ernste aufstellt und selber für beweiskräfgtig hält« er würde sie sonst gewiß am wenigsten an das nde einer·langen, so ernstlich gemeinten Auseinandersetzung wider den in Galatien drohenden Judaisinus gestellt und der Er- mahnung in Kap. 5, »1 ff. als nachste Grundlage voraus- eschickt haben. (Wieseler.) Auf den Bericht von dem Anfange, den die Gemeinde Gottes im Hause 422 Galater 4, 26. 27· Abrahams genommen hat, geht der Apostel zurück, also nicht auf irgend einen beliebigen Bestandtheil der biblischen Geschichte, sondern dahin, wo zu lernen war, was es um die Nachkommenschaft Abrahams im heils- geschichtlichen Sinne sei; und dies war es ja, um was es sich in diesem Briefe so wesentlich handelte. (v. Hofmann.) Ist) Paulus wendet hier in geistvoller Allegorie den Gegensatz von Hagar und Jsmael einer-, Sarah und Jsaak andrerseits auf den des alten und neuen Bundes oder des Gesetzes und des Evangeliums an, indem er es charakteristisch findet, daß das Gesetz in Arabien, dem Lande Jsmaels, gegeben wurde, wo er selbst früher (Kap. 1, 17) in stiller Zurückgezogenheit den Kampf zwischen Gesetzes- und Glaubensgerechtig- keit durchgekämpft und wo sich für die innere An- schauung seines lebendigen Geistes dieser große Gegen- satz in den plastischen Gestalten der Urgeschichte ver- körpert hatte (vgl· Röm. s, 6 ff.). Auf der einen Seite, sagt er nun, steht die Sclavin und ihr Sohn, in bloßer Fleischeskraft geboren, auf der andern die Freie und ihr Sohn, in Kraft der Verheißung, der Gnade, des Geistes geboren: so sollte sich schon in Abrahams Familie selbst der Gegenfatz darstellen, der nachher im Leben des Volkes in großen historischen Epochen sich ausprägt. Das Gesetz hat hagar-is- maelischen Charakter an sich, denn es vermag nicht nur das Heil ni t u brin en, sondern verschließt den Menschen vielme r in Kne tssinn und in den Dienst des Fleisches und Weltwesens, wie sich dies darstellt im jetzigen Jerusalem mit seinen Kindern, den am bloßen Gesetz haftenden Juden; die Gnade aber schafft, gleich der in Kraft der Verheißung wunderbar neu- elebten Sarah, in der himmlisch freien und frei- machenden Kraft des Geistes, deren Lebensheerd das obere Jerusalem ist, ein Neues und Freies, geist- lebendi e Kinder und Träger des Heils. (Auberlen.) Jn dieser Auslassung ist zu Anfang des 25. Verses eine andere Lesart zu Grunde gelegt, als die Luther’n bei seiner Bibelübersetzung vorgelegen; nicht wenige Handschtiften nämlich, und zwar recht gewichtige, lassen dort das ,,Agar« weg, wo dann die Worte den Sinn ergeben: Denn der Berg Sinai ist (liegt) in Arabien (dem Lande derer, die Agars Nachkommen sind). Es will das natürlich keine Belehrung der Leser über die Lage des Sinai sein, die sie ja von selber schon kunnten, wohl aber eine Erinnerung an diese Lage, die den Galatern zum Bewußtsein bringen soll, wie die ganz außerhalb des Bereichs des heil. Landes noch auf dem Gebiet der Kinder Hagars 1. Mos. 21, 2l; 25, 12 sf.) geschehene Gesetzesstiftung den Kindern Jsrael keineswegs schon ihr rechtes Erbe gebracht, sondern das auf dem Sinai Arabiens er- lassene Gesetz dem Charakter des Landes gemäß ihnen nur den Stempel der Knechte habe ausdrücken können, während erst an einer andern Stätte das Heil sich einstellen sollte, denn aus Zion würde, so Verkündigt die prophetische Weissagung anbrechen der schöne Glanz Gottes (Ps.14, 7; 52, 2; Jes. 2, Z; 46, 13). Jndessen bereitet es bei dem Gebrauch der deutschen Bibel doch so vielerlei Uebelstände, wenn man ihren Text fort- während abändert, um erst auf solche Abänderungen die Auslegung zu gründen, daß wir soviel als möglich dergleichen zu vermeiden haben; und nun läßt sich auch mit dem, was Luther liest, auskommem Aller- dings finden sich sonst fast gar keine Spuren, daß der Sinai bei den Arabern den Namen Hagar geführt habe; aber es ist doch gar leicht möglich, daß sie der Stammutter ihres Geschlechts zu Ehren dem gewaltigen Berge den Namen derselben beigelegt, und zwar um so leichter möglich, als der Name Hagar, der die Flüchtige bedeutet (1. Mos. 16, 1 u. 6), dem Klange nach nahe verwandt ist mit einem andern Wort der arabischen Sprache (Chagar), welches s. v. a· Fels ist. Aber freilich in der zweiten Hälfte des Verses können wir Luther’s Auffassung uns nicht aneignen, wenn er die Worte »und langet bis gen Jerusalem, das zu dieser« Zeit ist« noch immer auf den Berg Sinai be- zieht; er muß da zu einer sehr unzutreffenden Er- klärung: ,,es ist ein eitel Gebir e von Arabia peträa bis Kades Barnea des jüdischen andes« seine Zuflucht nehmen (vgl. Karte 1l. im I. Bande des Bibelwerks). Jndessen ist es darum nicht durchaus nothwendig, seine Uebersetzung, die sich auf die Vulgata gründet, abzu- ändern; wir dürfen uur, wie oben bei der Auslegung der Worte gefchehen, die Beziehung auf die Gesetzes- stiftung, die auch viel näher liegt, in’s Auge fassen, um den richtigen Sinn zu treffen, welcher denn der ist, daß diese Stiftung noch immer sich geltend macht und das Recht der Legitimität behauptet im jetzigen Jerusalem, d. i. in demjenigen Jerusalem, dessenKinder Christus so oft schon und auf mancherlei Weise hat versammeln wollen, wie eine Henne versammelt ihre Küchlein unter ihre Flügel, aber diese Kinder haben nicht gewollt, sondern verharren lieber in dem Knechts- dienste des Gesetzes. Auf diese Weise langet oder erstreckt sich die Stiftung, deren Gleichniß die A ar ist, weiter, als es nach Gottes Willen sein so te. Allerdings geschah es unter göttlicher Zulassung, daß während der 14—15 Jahre, die zwischen Jsmaels und Jsaaks Geburt einst verlaufen sind, jener dem Abraham einstweilen für seinen Sohn und Erben galt (1. Mos. 17, 18); und so ist für die Zeit von 14—1500 Jahren zwischen Moses und Christus eine leibliche Nach- kommenschast der einstweilige Same Abrahams und der Gesetzesbund einstweilen das gewesen, welchem das Erbe bestimmt zu sein schien (3. Mos 18, 5). Allein wie damals, als nun Jsaak da und bereits entwöhnt war, dem Abraham das Wort geschah (1. Mos. 21, 12): »in Jsaak soll dir der Same ge- nannt werden«, die Magd also und ihr Sohn fortan dem rechtmäßigen Erben sich unterzuordnen hatten, wenn sie im Hause wollten bleiben und dessen Güter mit genießen, so muß jetzt, nachdem Christus er- schienen und sozusagen selbständig geworden ist in einer eigens gestifteten Kirche, welche alle ohne Aus- nahme in sich aufnimmt, die des Glaubens Abrahams und damit seine geistlich en Kinder sind, die Heiden ebensowohl wie die Juden (Röm. 4, 9 sf.), das Gesetz mit seinen Ansprüchen zurücktreten und müssen des Gesetzes Kinder der neuen Festsetzung sich unterwerfen, die in Apostg 15, 11 Petrus dahin formulirt hat: »wir glauben durch die Gnade des HErrn Jesu Christi selig zu werden, gleicherweise wie auch sie«; wenn sie das nicht wollen, vielmehr sich erdreisten, die Sarah mit ihrem Sohn zu verspotten d. i. Christum und seine Kirche zu schmähen, zu bei-rücken, zu verfolgen oder zu zerrütten, so wird das Urtheil über sie er- gehen (1. Mos 21, 8sf.): ,,treibe die Magd aus· mit ihrem Sohne« Auf diesen Punkt nimmt Paulus hernach in V. 29 f. Rücksicht: für jetzt kommt es ihm nur darauf an, in dem Jerusalem der Gegenwart eine Hagar erkennen zu lassen, die über die gefetzte Zeit hinaus sich breit macht im Hause Gottes, statt der chriftlichen K·irche den dieser gebührenden Stand ein- zuräumen, und in Jerusalems Kindern eine Jsmael- esellschaft aufzuzei en, die sich einbildet, sie wäre nie einmal jemandes Fsnechte gewesen, während sie doch noch nie keinmal wahrhaft frei geworden und gerade jetzt, wo man hätte frei werden können durch Den, Die Kirche des neuen Testaments in ihrem Verhältniß zur alttestamentlichen Kirche. 423 der da recht frei macht (Joh. s, 31 fs.), ihn von sich stoßend desto fanatischer indem alten Wesen· des· Ge- setzes sich verschan t, damit jedoch desto auffälliger ihren Knechtessinii und nechtesstand bekundet. So gewinnen wir in Uebereinstimmung mit Auberlen in dem vor- hin von ihm mitgetheilten Aussprucheeine andere Auffassung über das Jerusalem, das zu dieser Zeit ist, als fast alle andern Ausleger sie vortragen, welche sich bei ihrer Erklärung von dem Jerusalem, das drob en ist in V. 26 bestimmen lassen; wir müssen viel- mehr uns gegenwärtig halten, daß Paulus zu Pfingsten des J. 54., gegen dessen Ende er die Epistel an die Galaterschrieb, jene in Apostgesch. 18, 22 angedeutete Reise nach Jerusalem gemacht und dort von Neuem die Verstocktheit Jsraels und seine zunehmende Ver- knöcherung in Erfahrung gebracht·hatte, und weiter, daß von Jerusalem aus die Judaisten in der christ- lichen Gemeinde s on in Antiochien solche Ver- wirrung, wie in up. 2, 11 ff. erzählt worden, angerichtet und nun sogar die galatischen Gemeinden, die doch seine ureigene Stiftung waren und sie gar nichts angingen, in so bedrohlicher Weise irre geführt hatten. Da erklärt es sich denn von selber, wenn er bei Gele enheit seiner allegorischen Ausdeutung der Genesis- telle auch das Jerusalem, das zu dieser Zeit ist, nnd dessen Kinder in das Licht jener Ge- schichte stellt, gleichwie er in Röm. 11, 28 seinem ge- preßten Herzen Luft macht mit dem Worte: »nach dem Evangelio halte ich sie (die Juden) für Feinde um euretwillen«. M. Aber das Jerusalem, das droben ist sdie Gottesstadt, welche da ist, wo Christus ist, sitzend zu der Rechten Gottes Col. Z, 1 ss.; Hebr. 12, 22 ff.], das ist die sdem Stande der Sarah V. 22 entsprechende] Freie [·Joh. ·8- »36], die ist unser aller Mutter ssoviel wir ihrer aus Juden und Heiden durch die Geburt von Oben Joh. Z, 3 u. 5 im Glauben des Abrahain geist- liche Kinder werden Röm. 4, 1«6]. ·. 27. [,,Unser aller« sagte ich, und begreife nun unter diesem Ausdruck nicht blos den gegen- wärtigen, sondern auch den künftigen Bestand der Kirche Christi, dadurch denn diese eine weit umfangreichere sein wird, als die Gesetzeskirche jemals gewesen.] ·De»iin»es ftehetsin Jes. 54, l] geschrieben; Sei frohlikh [lateinifch: Laetakex du Unfruchtbare, die du nicht gebierest·, und brich hervor [in Jubel] und rufe smit freudevollem Jauchzen über dein Wachsthumh die du nicht schwanger bist swie vormals Sarah dies thun durfte 1. Mos. 21, S; Pf. 113, 9]; denn die Ginfame sdie bisher kinder- los dastand Hiob 24, 21; Pf. 68, 7] hat [auf einmal, ohne daß sie selber weiß, wie das zu- gegangen Ps no, Z] viel mehr Kinder, denii die den Mann hat sbisher des Umgangs des Eheherrn genießen durfte und daher in Frucht- barkeit stand]. Jndem Paulus diese Stelle aus dem Propheten vollständig anführt, erkennt er in deren Schlußworten vollkommen an, daß für die Zeit der alttestamentlichen Haushaltung die unter dem Bilde der Hagar sich dar- stellende Gesetzeskirche die Mutterstellung im Hause Gottes inne hatte und da diejenige war, »die den Mann hat«, sowie daß ihre Kinder, die leiblichen Nachsi kommen Abrahams, die Legitimitätsrechte den Heiden gegenüber»besaßen. Hatte doch Gott vormals die Hagar·, als sie im Zustande der Schwangerschaft ihrer Herrin entflohen war, zu ihr zurückkehren heißen und damit es so geordnet, daß sie wirklich, wie Sarah gewollt, dem Abraham den Sohn, den sie unter ihrem Herzen trug, gebar» (1. Mos 16, 4ff.). Er hatte sie ja können das Ziel ihrer Flucht, ihr Hei- mathsland Egypten, erreichen lassen und dort ihren Sohn ebensogut segnen-, wie anderwärts« aber nein! es ollte eben durch sie das Gesetz, das, bis der rechte Same (Kap. Z, 16) käme, zwischenein kommen würde (Kap. Z, 193 Röm. 5, 20), vorbedeutet werden. Wäh- rend dieser ganzen Zeit nun war die neutestamentliche Kirche, die Kirche des Evangeliums, noch die Un- sruchtbare, die nicht gebar; sie war war im Hause Gottes schon da, indem sie die von Ansang in Gottes Rath beschlossene und durch Wort und Vorbild auch schon geweissagte Kirche ist, ja sie war von Anfang die eigentliche Herrin des Hauses, also daß auch Abraham nur gerecht geworden durch den Glauben; aber eine eigentliche Kirche des Heils oder des Evangelii hat es zur Zeit des alten Testaments in wirklicher Zeu angs- kraft noch nicht gegeben, erst mit der durch hristi Hinågxang vollendeten Erlösung ist sozusagen Sarah, die reie, fruchtbar geworden, daher es in Hebr. 11, 40 von den alttestamentlichen Gläubigen heißt, sie konnten nicht ohne uns vollendet werden. Hiernach werden wir auch verstehen, in welchem Sinne Paulus sa t: »das Jerusalem, das droben ist, das ist die Freie, gie ist unser aller Mutter«. Schon Luther lehnt die Auf- fassung etlicher Lehrer oder Ausleger ab, welche den Ausdruck auf »die triumphirende Kirche, so bereits alles überwunden hat, beziehen, und sagt ganz richtig: »das andere (neue) Testament hat sich angefangen zu Jeru- salem, da der heil. Geist gesandt ward vom Himmel aus den Berg Zion«, wobei er die Stellen Jes. 2, 3 u.» Pf. 11»0, 2 citirt, als welche damit erfüllt worden seien; erinnern wir uns nun, daß in deni Wort in Joh. 3,3, welches unsre deutscheBibel mit ,,v o n N euem eboren werden« wiedergiebh eigentlich ein Doppel- sxinn liegt, indem dieses Wort auch bedeuten kann: »von Oben geboren werden«, wie denn Jesus in Joh. 3, 6 den Ausdruck wirklich nach dieser Seite hin wendet, wenn er daselbst von einem Geborenwerden »aus Wasser und Geist« redet, so wird uns vollends klar werden, daß Paulus der unter der Hagar vor- gestellten Gesetzeskirche nicht erst die triumphirende Kirche am Ende der Zeiten, sondern gleich die Geistes- kirche des neuen Tesiaments als allegorische Sarah gegenüberstellt, man also weder von deiii ,,Jerusalem, das zu dieser Zeit ist« in der zweiten Hälfte des 25. Verses einen Schluß vorwärts machen darf, was »das Jerusalem, das droben ist« an unsrer Stelle sei, noch von dem Jerusalem an unsrer Stelle einen Schluß rückwärts, was das Jerusalem an jener Stelle zu bedeuten habe. Hätte Paulus seine Epistel in derjenigen Zeit geschrieben, welche die Apostel- geschichte in Kap. 2, 1—-6, 7 beschreibt, so hätte er hier in V. 24—26 sagen können: »Das sind die zwei Testamente, eins von dem Berge Sinai, das zur Knechtschaft gebietet, welches ist die Agar, denn Agar heißt in Arabien der Berg Sinai. Das andere aber von dem Berge Zion, das zur Freiheit gebietet, welches ist die Sarah; denn von Zion, sagt die Schrift, wird das Gesetz ausgehen und des HErrn Wort von Jerusalem-«. Nun hat er aber in einer Zeit geschrieben, wo er der ersten Hälfte der Allegorie 424 Galater 4, 28—31. Z, 1—6· den Satz hinzufügen mußte: »und langet bis gen Jerusalem, das zu dieser Zeit ist, und ist ienstbar mit seinen Kindern«; darum konnte er die zweite Hälfte nicht in der der ersten entsprechenden Weise fortführem ondern mußte eine Form wählen, bei welcher das ie Mutter, die zur Freieit gebieret, bezeichnende Jerusalem als hinweggerü t erscheint von dem Berge Zion und entrückt zu Gott und seinem Stuhl (Offb. 12, 5). Am ersten Psingsttage allerdings fuhr der Geist unter hörbarem Zeichen herab auf den Berg Zion und erfüllete das ganze Haus, da die Jünger saßen, und die Stimme, die da geschah, brachte die Menge an dieser Stätte zusammen, auch würden nach dem Wortlaut der prophetischen Weissagung (Jes. L, 2f.; Mich. 4, 2) die Völker haben müssen dazu laufen und die Völker unter einander sagen: ,,kommt, laßt uns auf den Berg des HErrn gehen, zum Hause des Gottes Jakobs, daß er uns lehre seine Wege und wir wandeln auf seinen Steigen«; seit aber die Juden mit ihrem halsstarrigen Unglauben und ihrem unver- besserlichen Gesetzeseifer bewirkt haben, daß die Agar- Stiftung langet bis gen Jerusalem, das zu dieser Zeit ist, während nach Gottes Gnadenrath ihre Zeit bereits abgelaufen war, haben die Judaisten in der christlichen Gemeinde kein Recht mehr, daß die, welche aus den Heiden gewonnen werden, nach selbigem Jerusalem laufen, denn sie würden da nur zu dienst- baren Kindern der Hagar werden, sondern das Jeru- salem, das sie für ihre Mutter zu erkennen haben, ist droben. Da allein, wo ihr erhöhetes Haupt ist, hat die neutestamentliche Gemeinde fortan die Stätte ihres Ursprungs und den Quellort ihres Segens; von da unmittelbar kommt ihr nun der Geist, der ihr immer neue Kinder in’s Dasein ruft, und von da un- mittelbar fließen ihr auch die Kräfte der zukünftigen Welt zu, in deren Besitz diese frei sind »von aller Knecht- schaft unter einem Zwangsgesetz Mit Beziehung auf des Apostels Wort sagt Chr. It. Richter von den Christen, wenn er den Glanz ihres inwendigen Lebens in dem bekannten Liede besingt: ,,doch innerlich sind sie aus göttlichem Stamme, die Gott durch sein mäch- tig Wort selber gezeugt, ein Funke und Flämmlein aus göttlicher Flamme, die oben Jerusalem freundlich gesäugt«. » · » 28. Wir aber, lieben Bruder, sind [nicht, wie die Kinder des xetzigen Jerusalem V. 25., nach Jsmaels Art des Fleisches, sondern] Jfaakmach loder in Jsaaks Weise V. 23] der Verheißung Kinder [Pöm. 9, 8]. · · . A er gleichwie zu der Zeit sals die allegorisch bedeutsame Geschichte von den beiden Abrahamssöhnen fich ziitrug], der nach dem Fleisch geboren war [Jsmael], versolgete den, der nach dem Geist geboren war sindem er seiner, gleich als wäre er, der Spätling, ein armseliger Schwächling und unberufener Eindring- ling, spottete I. Mos. 21, 9 und ihn aus dem Erbe des Vaters als unberechtigt zu verdrängen suchte], also gehet es jetzt auch sin dem, was die Kinder Jerusalems mit euch Heidenchristen thun, um euch zu beunruhigen, als wäret ihr nicht vollbürtige Christen Kap. 1, 7; 5, 10]. 30. Aber was spricht die Schrift swenii Gott der HErr das Wort der Sarah an Abraham bestätigt und es zu seinem eigenen Befehle macht 1· Mvs 21- 10 M? Stoß die Magd hinaus saus dem Hause] mit ihrem Sohne [fagt sie]; denn der Magd Sohn soll nicht erben mit dem Sohne der Freien [und wird nun dies Wort sich seiner Zeit auch an denen erfüllen, die Ietzt nach Jsmaels Art sich Verhalten, wie der HErr Jesus das selber bezeugt hat Matth. 21, 43; Luk. 14, 24]. Ohne Zweifel ist in V. 28 die bessere Lesart: he aber, lieben Brüder, seid re. (vgl. Kap.3, 26 .). Die Judaisten, wie wir zu V. 27 ausgeführt haben, wollten die Galater in das A ar-Wesen derer zu Je- rusalem hinüber iehen mit ihrem Einreden, daß sie deni mosaischen esetz, insbesondere der Beschneidung sich zu unterwerfen hätten, wenn sie wollten vollbürtige Christen sein; da zieht sie denn der Apostel aus dem Netze, darein man sie zu verstricken suchte, heraus und bringt ihnen zum Bewußtsein, daß sie als von dem Jerusalem, das droben ist, Geborene in gleicher Weise, wie Jsaak, Kinder der Ver eißung seien, durch Gottes vom Himmel her wirkende raft dem Abraham zu eigen geschenkt (Matth· Z, 9) und darum der äiißerlich geseh- licgen Mittel, wie namentlich der Beschneidun , nicht be ürftig, um zu seinem Samen zu gehören. ugleich erklärt er ihnen mit der Erinnerung in V. 29., was es mit der Verwirrung und Beunruhigung, die von Seiten jener Jrrlehrer ihnen widersährt, im Grunde für»eine Bewandtniß habe: sie sei ebenfalls ein alle- gorisches Nachspiel dessen, was sich einst in Abrahams ause am Tcåge der Entwöhnung Jsaaks begab; und da ist er in . 30 auch sogleich mit einem Trostwort aus derselben Geschichte bei der Hand, daß alle der- gleichen Vexationen ihr Ziel schließlich doch nicht er- reichen, sondern nur das herbeiführen werden, daß, wie das Judenthum feine Stellung im Hause Gottes gänzlich einbüßen, so auch der Judaismus in der christ- lichen Kirche zu Schanden werden wird mit seinen Prätensionen (vgl. Kap. 5,12). Mittelbar lag darin für die Galater die Autorisation des Apostels, ja sogar eine Aufforderung, den Jrrlehrern die Thüre zu weisen. Jn der praktischen Beziehung der Stelle auf uns pflegt man diese Nutzanwendung von derselben zu machen: »Der Jsmael in uns, d. i. der Mensch der Lüste und Begierden, verfol t den Jsaak, d. i. den Menschen, der aus dem Wasser und Geist geboren ward, das Fleisch gelüstet wider den Geist; da ergeht nun an uns Gottes Gebot, alles, was in uns noch vom Fleische übrig ist, schnell und völlig abzuthun, weil, solange als wir diesem Fleische und dem, was aus ihm geboren ist, noch nicht entsagt haben, wir nicht geschickt sind, das Reich Gottes u ererben«. Jndessen werden immer auch in der irche selber die wahren Glieder derselben von den unächten und fleischlich gesinnten verspottet, bedrückt und soviel als möglich verfolgt, bis diese durch Gottes Gericht uletzt ausgeschieden werden; und ebenso besteht ein egen- satz zwischen den verschiedenen Consessionem indem namentlich die eine, die Vertreterin des jüdischen Ge- setzescharakters, der anderen, die Jsaak nach aus dem Geist geboren ist, nach Jsmaels Art das Erbrecht streitig zu machen sucht und sich viel darauf zu gute thut, daß sie die ältere sei; ihre einstige Ausstoßung ist in mancherlei Stellen der prophetischen Weissagung angezeigt (Sach. 5, 5 ff.; Offenb 18, I ff·). Laß dieser Zeit die Papisten immerhin wüthen und toben, heißt es bei Luther, so greulich sie können; laß auch die Rotten das Evangelium Christi verkehren und fälschen, als soviel ihnen möglich ist: gleichwohl wird unser Der Epistel dritter oder paränetischer Theil: l) Bestehet in der Freiheit. 425 lieber Herr Christus König bleiben und des HErrn Wort wird besteäen in Ewigkeit, dagegen werden seine Feinde, soviel i rer sind, zerscheitern, ja zu Pulver und Asche werden müssen. 31. So sind wir nun swas wir als Schlußsatz der ganzen bisherigen Entwickelung wohl zu merken haben], lieben Brüder, nicht der Magd Kinder [wie die, die dem Gesetz vom Sinai noch unterstellt sind und unterstellt bleiben wollen V. 24 f.], sondern der Freien [V. Les. Hiermit beschließt Paulus die Allegorie; er hat aber aus den Wörtlein Magd und Freie eine Ur- sach genommen, die Gerechtigkeit des Gesetzes zu ver- wersen und dage en die Gerechtigkeit des Glaubens ewaltiglich zu befestigen, und mit sonderlichem Fleiß gut er das Wörtlein »die Freie« vorgenommen, das er denn noch weiter sich zu nutze machen wird zu Anfang des niichftfolgenden Kapitels und da Ursache nehmen, ein Mehreres von der christlichen Freiheit zu handeln. (Luther.) Der Apostel stellt in diesem Verse hin, was wir nach Maßgabe der allegorischen Bedeu- tung der bisher in Betracht genommenen Schrift- stellen sind, um darauf dann die Mahnung im Fol- genden zu bauen: es steht fest, sagt er, daß wir durch- aus nichts mit dem Jsmaeh dem Sohne der Magd, gemein haben, sondern daß wir in Jsaak, dem Sohne der Freien, unsern Vorgänger haben; was wir nun durch Gottes Gnade sind, das sollen wir uns .durch böse Menschen nicht nehmen lassen, das sollen wir Eise? ezoch viel weniger leichtsinnig selbst preisgeben. e e. Das 5. Kapitel. Ermahnung zum rechten gebrauch der ohrisisichen Freiheit, und zu guten Werken. D- der dritte, paränetische Theil der Gpistek an das Schlußwort des vorigen Theils auf’s Gngste sich an- sihließend, verläuft streng genommen nur in zwei Ab— samtnen, indem es sich einestheils um das Bestehen in der durch Ghristum erworbenen Freiheit, anderntheils um den rechtmäßigen Gebrauch derselben handelt; da aber Paulus schon bei der ersten, aus jenen Punkt bezüg- lichen Mahnung an die Galater sich nicht enthalten kann, ße wie mit Gewalt von der falschen Anhänglichkeit an ihre Verführer loszureißen und ihnen deren verderblichen Einfluß zum Bewußtsein zu bringen, und er nun auch bei der zweiten, dem andern Punkte geltenden Mahnung auf diese Vers-ihrer zurüailiommk um das Motiv auszudeuten, das sie innerlith bei ihrem Thun bewegt, so empfiehlt es sich, wenigstens diesen zweiten Zlusfall gegen die wider— saci)er in einem besonderen Abschnitt zu betrachten. l. v.1—12. Si: i» Freiheit, welche Christus des: Seinen gebracht und deren er nach der frctheren Aus— einaudersetzung auch die an seinen ttamen gläubig ge— wordenen Galater theilhaftig gemacht hat, ermahnt diese nun der Jlpoflel fesizustehen und sich nicht wieder in ein Joch der Knechtslhaft zu begeben, wie man dazu ße ver- leiten will, indem er ihnen zu bedenken giebt, daß sie um Ghrißi Hei! sich bringen würden, wollten ne der Beschneidung ßch unterziehen; damit würden sie ja zum halten des ganzen mosaischen Gesetzes ßch verpflichten, ihre Gerechtigkeit also in jiidischer weise in des Gesetzes Werken suchen, somit von Christo und der in ihm er- schienenen Gnade sich lot-sagen, während Christen vielmehr im heil. Geiste die Genauigkeit, die man am jüngflen Tage haben muß, um in’s ewige Erben einzugehen, vom Glauben her erwarten. Für diesen Tag giebt weder Beschneidung noch dorhaut irgend welchen Ausschlag, sondern allein der Glaube, der durch die Liebe thätig iß (v.1—6). haben nun die Galater friiher einen so guten Anfang im rechten Ghristenlauf gemacht, so iß es sehr oerwunderlith, daß sie darin ßch haben aufhalten lassen; von dem Gott, von welchen: ihre Berufung zu seinem Reiche ausgegangen, kann nicht auch diese se— redung zum Abfall von der Gnade ausgegangen sein, sondern es hat hier ein wenig Sauerteig den ganzen Teig versciuert lder Apostel erhosft aber noch, daß die Galater ßch wieder eines besseren besinnen werden, und überläßt ihre verführter Gottes Gericht sit. 7——l2). 1. So bestehet nun [da wir Christen, wie eben Kap. 4, 31 gesagt, Kinder der Freien sind] in der Freiheit, damit uns Christus befreiet [d. i. die er uns gebracht oder in deren Besitz er uns gesetzts hat, und lasset euch nicht wiederum in das knechtische Joch sbesserz in ein knechtisches Joch] fangen« szetzt m das der äußerlichen Satzungen Apostg. 15, 10., wie ihr ehemals in dem des Dienstes der falschen Götter gefangen waret Kap. 4, 3. 8 ff.]. 2. Siehe, ich Paulus l2-Cvti 10- I; Ephesä Z, 1; Col. 1, 231 sage euch, wo ihr [auf dem bisherigen Wege, dem Dringen der falschen Apostel nachzugehen Kap. 4, 10., noch weiter fortschreitet und gar noch] euch beschneideu lasset, so ist euch Christus kein nlttze fund für euch vergeblich ge- storben Kuh. 2, 31]. 3. Ich zeuge [um immer stärker auf euch einzudringen, daß ihr das ja nicht thuet, wovor ich soeben euch warnte] abermal [wie ich es schon bei meiner zweiten Anwesenheit bei euch Kap. 1, 9 bezeugt habe] einem jeden, der sich beschneiden läßt, daß er noch [dieses ,,noch« ist von Luther dem Texte beigefügt, gehört aber nicht hinein, sondern muß wegfallen] das ganze Gesetz schuldig ist zu thun sApostg 15, 5 u. 10]. 4 Jhr habt Christum verloren shabt keine Gemeinschaft mehr mit ihm, sondern seid von ihm abgethan], die ihr durch das Gesetz gereiht werden wollt, und seid von der Gnade [Gottes, die in ihm euch geschenket war] gefallenit sdasür aber nun wieder unter den Fluch gestellt Kap. 3, 10; Ephes 2, 3]. Z. Wir aber [die wir in der Gnade be- harren] warten iln Geist [den wir von Gott em- pfangen haben Kuh. 4, b] durch den Glauben [und nicht durch Beschneidung oder des Gesetzes Werke] der Gerechtigkeih der man sfür den Tag des letzten Gerichts] hoffen muß W« [um da das den Gerechten verheißene ewige Erbe zu erlangen 2. Tim. 4, 8]. s. Denn in Christo Jesu gilt weder Be- schneidnng noch Borhaut etwas [daß der eine oder andere Befund seiner äußeren Stellung für einen 426 Galater 5, 7——12. Christen mit in Rechnung käme bei dem über ihn entscheidenden Endurtheil], sondern der Glaube, der durch die Liebe tbatig ist-1- [1. Cor. 7- 195 4, 20]. V) Nicht als solche, an denen er sürchten muß ver- geblich earbeitet u haben, redet der Apostel die Leser an, son ern als so.lche, die im Stande der Freiheit sind, ermahnet er sie, dabei zu bleiben; solange sie nämlich der Beschneidung sich nicht unterziehen und damit Juden werden, so ange ist ihnen der Stand der christlichen Freiheit noch unverloren. Deshalb wendet fich auch Paulus hernach (V. L) von der Beweis- ührung, daß ihnen, nicht zukommt noch ziemt, seinen Gegnern Raum zu ben, zu einem feierlichen Zeug- niß,« für das er diesen Gesetzeslehrern gegenüber seine personliche Geltung einsetzt. (v.·Ho-smann.) ,,Bestehet«, spricht er sanft und hofft damit viel mehr von ihnen, denn er findet; nämlich, als wären sie noch nicht ge- fallen. Damit lehrt er, daß niemand einen Jrrigen oder der gestrauchelt, also strafen soll, daß er ver- zweifeln wollte an ihm, er werde ihn nimmer auf den rechten Weg bringen; sondern mit einer großen An- Neigung einer guten Hoffnung soll er strafen. (Luther.) s uf’s Schärfste spricht das: ,,lasset euch nicht wiederum in ein knechtisches Joch fangen« dem Gesetze Mosis das Vermögen ab, mehr zu sein, als ein knechtisches Joch, und dem Menfchen znm Himmels- wagen zu dienen; vielmehr, wenn die Galater Gesetzes- menschen nach der Regel ihrer falschen Apostel wurden, so fielen sie zurück in ihren unseligen heidnischen Zu- stand, und ihr sogenanntes Christenthum wurde zu einer Larve. Behalte der Zuchtmeister unter sich unser sündliches Fleifch; aber unsre Freiheit, womit wir be- freiet sind zu freiwilligem Gehorsam, soll er nicht stören· (Besser.) ») Die Jrrlehrer wollten die Galater zur An- nahme der Beschneidung unter der Vorspiegelung be- reden, daß diese die unerläßliche Bedinguncg zur Theilnahme am messianischen Heile sei; von hristo selber also wollten sie dieselben nicht abwendig machen, doch betheuert ihnen hier der Apostel, daß sie durch die Annahme der Beschneidung vielmehr des erlangten Heils (Kap. B, 2 u. 5) verlustig gehen werden, in- dem»s1e»sich dadurch· zum ganzen mosa1schen Gefetz verbindlich machen, dieses aber die Gnade ausschließe (de Wette.) Gemäß dem mosaischen Gesetz und der jüdischen Praxis war die Beschneidun der Ritus, durch dessen Annahme man sich der sperrschaft des Gesetzes, und allerdings des gesammten Gesetzes, u1iterwarf, weshalb auch in Apostg. 15, 1 u. 5 die Forderung der Beschneidung und des Haltens am Gesetz von den Judenchristen mit einander verbunden wird; wenn nun Paulus hier den Jrrlehrern gegen- über dies betont, so müssen jene von den galatisch n Christen nicht auch die Beobachtung aller übrigen, sehr lästigen jüdischen Satzungen verlangt haben, in Kap. S, 12 f· läßt sich dann der Apostel über die Motive dieser ihrer, dem gesetzlichen Standpunkt selber widerstreiten- den Jnconsequenz aus. (Wieseler.) Mit einem ,,Siehe« betont der Apostel in V. 2 als wohl zu beachten, weil der Ernst seiner Ermahnung darnach bemessen fein will (vgl. Joh 5, 14), was er, dessen Name und Per- son seinem Ausspruche billig vollwichtige Geltung giebt, von der Folge sagt, welche die Annahme der Be- schneidung für sie hat: von dem an wird Christus ihnen nichts helfen, indem er dann eben für sie das nicht ferner ist, was er ihnen sonst sein würde; um keine geringere Entscheidung als diese handelt es sich für sie. Und ein gleicher Ernst ist es in Bezug auf das Gesetz (V. 3): wer sich der Beschneidung unterwirft ohne Unterschied, ob er Heide oder getaufter Heide ist, der ist damit verpslichtet, das ganze Gesetz zu erfüllen, nicht blos dies und das, sondern alles zu thun, was es gebeut; und wenn sie es hieran in irgend einem Stücke fehlen lassen, so können sie sich nicht Christi getrösten, das; es ihnen um feinetwillen werde verziehen werden, denn er hat aufgehört ihr Ver- söhner zu sein. ,,Jhr habt Christum verloren«, ruft deshalb der Apostel (V. 4) ihnen zu, »und seid von der Gnade gesallen«; damit bezeichnet er das Geschick, welches sie, sobald sie auf dem Gesetzeswege stehen, bereits betroffen hat, einerseits als Aufhebung ihres Zusammenhangs mit Christo, andrerseits, im Geåensatz zum Stehen in der Gnade (Röm. 5, 2), als ntfa aus ihr. (v. Hofmann.) IN) Wir aber, so sagt Paulus, die wir uns der rein christlichen Gnade dahingegeben haben, erwarten durch den Geist, dieses Angeld der künftigen Er- lösung (2. Cur. 5, 5; Röm. 8, 23), aus dem Glauben, als der entsprechenden Bedingung von unsrer Seite (Kap. Z, 26), die Hoffnung der Gerechtigkeit, d. i. die Hoffnung, die in der Gerechtigkeit besteht, oder die gehofste Gerechtigkeit. Es kann befreinden, daß hier im Gegensatz gegen die Gesetzesgerechti leit die wahre Gerechtigkeit nicht als schon mit dem lauben gegeben erscheint, sondern nur als erst noch als Gegen- stand der Hoffnung; allein es kann das doch nicht mehr befremden, als wenn die nach Kap. Z, 26; 4, 5 mit dem Glauben schon eingetretene Kindschaft gleich- wohl in Röm. 8, 23 als etwas erst Zukünftiges und Erwartetes aufgefaßt wird. Die ächt paulinische Selbstgewißheit des Glaubens verträgt sich sehr wohl mit der Erwartung eines zukünftigen Richterspruchs (2. Cor. 5, 10), mit der Hoffnung einer künftigen offenen Anerkennung und vollen Belohnung der Glaubens erechtigkeit. (Hilgenfeld.g Auch jene, die Heidenchristem die zur Beobachtung es Gesetzes zurück- kehren, sind, als sie den Glauben erfaßten, in Christo gerechtfertigt worden; statt aber nach erlangter Gerech- tigkeit nun auf die zukünftige Hoffnung, deren Angeld die Mittheilung des heil. Geistes ist, alle Kräfte der Seele zu richten, wenden sie sich rückwärts und er- warten noch Rechtfertigung aus dem Gesetz, wer jedoch die Rechtfertigung noch sucht, der hat nach eigenem Eingeständniß die besessene verloren, ist von der Gnade gefallen. Wir unsrerfeits dagegen, bemerkt der Apostel von sich und seines Glaubens Genossen, blicken vor- wärts und sehnen uns schon nach der Frucht der Rechtsijrtigung in der ewigen Herrlichkeit (Windisch- mann. T) Damit schleußt der Apostel vom Reiche Christi alle Heuchler aus, beide, zur rechten und zur linken Seite: zur linken alle Juden und Werkheiligem damit, daß er sagt, in Christo Jesu gelte nicht die Beschneidung etwas, d. i. da galten keine Werke, kein Gottes-Dienst, keinerlei Stand noch Orden, sondern allein der Glaube, ohne alles Vertrauen auf die Werke; zur rechten aber schleußt er aus die faulen, müssigen und sicheren Leute, so da sagen: ,,macht der Glaube ohne die Werke erecht, so fordert Gott nichts von uns, denn allein, da wir glauben, darum mö en wir wohl thun, was uns geliistet«. Dazu sagt Er Paulus: ,,nicht, ihr Gottlosen, nicht also! Es ist wohl wahr, daß der Glaube ohne die Werke gerecht macht; ich rede aber von rechtschaffenem Glauben, welcher, nachdem er die Persoiugerecht gemacht hat, nicht müssig ist und schlafen liegt, sondern ist durch die Liebe thäti «. (Luther.) Da V. 5 die chriftliche Hoffnung ums reibt, so haben wir hier die drei Grund- Ihr liefet fein: wer hat euch aufgehalten, der Wahrheit nicht zu gehorchen? 427 eigenschaften des Christen (1. Cor. 13, 13), Glaube, Liebe, Hoffnung bei einander. (Wieseler.) « 7. Ihr liefet [ehedem, als das Evangelium so guten Eingang bei euch gefunden Kap. 4, 13 ff. und ihr nun im frischen, ungefärbten Glauben standet] fein lin der Bahn der christlichen Lebens- entfaltung 1. Cur. 9, 24]: wer hat euch [denn] aufgehalten sin solchem Lauf, indem er euch über- redete], der Wahrheit [daß der Mensch gerecht werde allein durch den Glauben Röm. Z, 28] nicht zu gehorchen* fund dafür lieber dem Gefetz und seinen Werken euch zuzuwenden]? 8. Solch Uebcrreden ist nicht von dem, der euch berufen hat» [von Gott Kap. 1, 6., son- dern vielmehr von dem Feinde, dem Teufel Matth. 13, 28; 2. Cor. 11, 15]. 9. sEs ist, indem eine verhältnißmäßig so kleine Zahl von Männern, wie die Jrrlehrer sie bildeten, den Stand der ganzen Gemeinde ver- derbt haben, euch ergangen nach dem Sprüchwort 1. Tor. 5, 6:] Ein wenig Sauerteig ver- sänert den ganzen Teig [Pred. 9, 1E»3]. 10. Jch lmeinestheils nun, wie schlimm es auch mit euch bereits geworden, gemäß der Liebe, die da alles glaubt undalles hoffet I. Cor. 13, 7] versehe mich zu euch in dem HErrn sder mit der Kraft seiner Wahrheit eure jetzt bethörten Ge- müther wieder zurecht bringen kann], ihr werdet nicht anders gesinnet fein sals ihr von Rechts- wegen es sollet, so daß es zu einem wirklichen Abfall bei euch nicht kommen wird]. Wer euch aber irre macht, der wird sein Urtheil [womit der HErr dahin ihn belegen wird, daß er zu Schanden werden muß Röm. 13, L] tragen [als eine Last, die ihn endlich erdrückt], er sei, wer er wollettt [da ja bei Gott kein Ansehen der Person ist Kap. 2, 6]. 11, Jch aber, lieben Brüder, so ich [wie die Jrrlehrer euch von mir gesagt haben, auf mein Thun in Apostg. 16, 3 sich berUfendJ die Be- schneiduug [ebensalls, wie sie, neben dem Evan- gelio von Christo] noch predigc, warum leide ich denn svon Seiten der Juden, die überall so feind- selig wider mich austreten Apostg. 9, 23 f. 29; 13,45——14,20;17,5ff.13;18,5f.12ff. u. s. w.; 1.Thess. 2, 15; 2. Tim. 3, n] Ver: solgung? So [wenn es sich wirklich so verhielte, wie man von mir behauptet] hätte das Aergerniß des Kreuzes sdas Aergerniß, welches die Juden an der Predigt vom Kreuze Christi als dem alleinigen Wege zur Seligkeit nehmen I. Cor. 1, 23; Phit 3, 181 anfgehöret [vgl. Kp. 6, 12]. 12, Wollte Gott [1. Cur. 4, s; 2. Cor. 11, 1], daß sie auch [um mit Rücksicht auf ihr Eifern für die Beschneidung einen entsprechen- den Ausdruck zu gebrauchen, mit Stumpf und Stiel verschnitten, d. i. ganz und gar] aus- gerottet würden laus der christlichen Gemeinde], die euch verstorenf [Ps. 12, 4]. r) Die Frage ist hier, wie in Kuh. Z, 1., nicht eine wahre Frage, sondern nur Ausdruck des Schmerzes und des Unwillens gegen die Jrrlehrer, auf die Pau- lus hier, wie auch nachher in V. 10 u.·12., einen bloßen Seitenblick wirft und ihnen nicht weiter näher tritt. (de Wette) Aehnlich, wie in Katz. 4, 10 ff., wendet sich Paulus von der Ge enwart zur erfreu- licheren Vergangenheit zurück, ies Ma , um auf Grund derselben die Sache seiner Leser von der Sache derer zu trennen, von welchen sie irre geleitet wurden; denn in diesem Sinne fragt er sie vor allem, wer sie inmitten ihres guten Laufs aufgehalten habe, daß sie der Wahrheit nicht folgten. (v. Hofmann,) IV) Trefflich paßt das ,,Ueberreden« zu der Be- zeichnung Gottes: »der euch berufen hat«, insofern nämlich das Bereden ein von dem göttlichen Be- ruf en charakteristisch verschiedenes Einwirken auf den Menschen ist: jenes nicht gotteswürdig wie dieses; jenes mit menschlicher Absichtlichkeit, Kunst, Zudring- lichkeit verbunden, »in vernünftigen Reden menschlicher Weisheit« (1. Cor. 2, 4) geschehend, der freien Selbst- bestimmung entgegenwirkend u. f. w. (Meyer.) »Einem Fremden aber folgen sie nicht nach, sondern fliehen von ihm; denn sie kennen der Fremden Stimme nicht« (Joh. 10, 5): so hätten die Schafe des guten Hirten in Galatien sich sollen erfinden lassen; aber leider hatten sie den Dieben und Mördern ihr Gehör nicht versagt. Nun, die Diebes- und Mörderstimme un- mißverständlich zu unterscheiden von der irtenstimme, dazu hilft ihnen der Apostel mit diesem riefe, worin die Stimme ihres himinlischen Berufers in heim- rufender Klarheit schallt. (Besser.) Its) Man kann aus diesen Worten wohl abnehmen, daß die falschen Apostel müssen nach dem äußerlichen Ansehen sehr fromme und heilige Leute gewesen sein; und mag vielleicht wohl sein, daß unter— ihnen ein sonderlich großer, namhafter Mann gewesen sei (Bar- nabas ?Kap. 2, 13), der ein Jünger der rechten Apostel gewesen und ein großes herrliches Ansehn gehabt habe; denn Paulus thut es fürwahr nicht ohne Grund, daß er so große, gewaltige Worte führt, wie er auch in Kap. I, 8 thut. Aber wie, wird denn nicht entschul- digen der göttliche Eifer und die, wie man sagt, gute Meinung, oder die Unwissenheit, oder aber, daß er ein Schüler der Apostel und groß gewesen ist? Nein, sagt Paulus, er sei wie groß, heilig und gewaltig er sei, er sei ein Apostel oder ein Jünger der Apostel, so hat er nicht eine geringe Sünde gethan, er wird sein Urtheil darum tragen. (Luther.) is) Hier nimmt Paulus im Vorbeigehen Rücksicht auf eine von den Gegnern verbreitete, vielleicht mit der von ihm vorgenommenen Beschneidung des Ti- motheus beschönigte Beschuldigung, als predige er selbst, nämlich anderswo als in Galatien, die Be- schneidung; das dabei stehende ,,noch« hat eine un- genaue sachliche Beziehung auf die vorchristliche Be- deutung der Beschneidung. (de Wette) Das Aer er- niß des Kreuzes, das, was den Juden an der re- digt von dem gekreuzigten Christus einen so großen Anstoß gab, bestand eben darin, daß durch Christi Genugthuung allen Menschen, sowohl Ju en als Heiden, der Zutritt zu Gott wieder eröffnet worden war durch den Glauben allein; wie Christus das voll- giltige Versöhnungsopfer war, so wollte und konnte er auch nur das alleinige Opfer sein, was den Men- fchen vor Gott angenehm macht und die vor Gott geltende Gerechtigkeit ihm verleiht. Hätte nun Paulus 428 gelehrt, die Heiden müßten außerdem, daß sie an Christum glaubten, noch das ganze mofaifche Gejetz halten, so hätte von den Juden keine» Verfolgung ihn treffen können, sie hätten im Gegentheilahn bewundern müssen als den größten Verbreiter ihrer Religion. (v. Gerlach.) Daß das Aergerniß des Kreuzes noch vorhanden war» fühlte und sah der Apostel; daß es anders sein möge, mußte er herzlich verlangerudaher der Wunsch: ,,wollte Gottltt »Das Kreuz Christi kann sich nicht ändern, kann· nicht hinweggenoininen werden: soll also das Aergerntß aufhören, so müssen die ab- geschnitten werden, die Aergerniß daran nehmen; sie sind das wahre Aergerniß sur euch. Moglicherweife hat das: ,,möchten sie doch a ehauen werden i« noch eine andere Beziehung; wen wir nämlich bedenken, daß Paulus sich manchmal auf die eigenen Worte des Heilandes beruft (Apostg. 20, 35;·1.·Cor. 11, 23) oder deutlich auf die Fassung, wie wir sie in den Evangelien lesen, anspielt (1. Thess »5, ·1 sf.), so werden mir wohl es nicht für unwahrscheinlich halten, daß in unsrer Stelle eine Reminiseenz liegt an Matth. 18, 7 ff. und daß von dorther der Ausdruck ·,,abgehauen werden» entlehnt ist. (Wiri»dischmann.) Ein solcher Fluch szfcheint doch der apostolischeii Sanftmuth wenig gemaß zu sein, da wir Ia vielmehr wunschen sollen, daß alle selig werden, nicht aber, daß jemand verloren gehe; allein wenn wir egen einen oder gegen wenigeMenk schen die ganze emeinde des HErrn halten, wie weit muß diese doch jene wenigen übertoiegenl Das ist eine grausame Barmherzigkeit, die sich .um Einen Menfchen mehr als um die ganze Gemeinde kümmert. Auf der einen Seite sehe ich die Schafe des HErrn in Gefahr, auf der andern sehe ich den Wolf, »der auf des Satans Antrieb auf Raub» umhergeht: wie, sollte da die Liebe zur Gemeinde nicht so ganz ·und gar meine Sorge hinnehmen, daß ich wunfchte, sie möchte erettet werden, auch durch des Wolfes Verderben? amit wünsche ich noch nicht die Verdammniß irgend jemandes, sondern die Liebe und Sorge um die Ge- — meinde setzt mich gleichsam außer mir selbst, daß ich keinen andern Gedanken habe. (Calvin.) II. v. 13—Kap. s, 10. Hatte der Apostel im vorigen Abschnitt mit der Ermahnung begonnen, in der üiht christlichen Freiheit zu bestehen und sich non derselben nicht durch judaistische pratensionen abführen zu lassen, so geht er hier zu der weiteren Ermahnung fort, die shristliitze Freiheit auch in der rechten Weise zu ge- brauchen, um den Gegnern den idorwnnd zu benehmeu, als führe dieselbe zu sittlicher Zügellosigkeit und müsse durch die Zucht des mosaischen Gesetzes in die nöthigen Schranken gebracht werden (ogl. die Arm. zu Lan. l, 7); und allerdings mögen die Galaier an manchen Sünden des sietsetzlichen Sinnes noch gekrantit haben, daher Paulus ihnen zuoörderit zu bedenken giebt, daß sie die Freiheit nicht dazu misibrauiizen dürfen, damit nun desto mehr das Fleisch flih breit machen könne, wie z. B. zu lieblosem danken und aufreibendem parteihadey sondern es hab: vielmehr einer dem andern in Eiebe zu dienen und so das Gesetz, obwohl demselben üuszerlieh nicht unterstellt, doch seinem eigentlichen Wesen nach aus innerem iljerzensdrange zu erfüllen (v. 13—15). Diese Ermahnung zum Wandel in der Eiche führt hierauf der Apostel auf die prinzipielle Ermahnung zum Wandel im Geisi zurüktiz denn nur, wo der heil. Geist im Menschen wirket, da ist auch die rechte Triebkraft der Liebe vor- banden. Da ist aber auih, so hören wir alsbald weiter, die Macht gegeben, die Zegierden des Fleisches zu über- winden; indem Paulus dies-näher nussührh geht er auf den Kann-s zwischen Fleisch und Gein ein, wie er aller- Galater 5, 13-—18.. dings auch in eines Christen Herzen sich finde, aber doch immerhin nur so, daß er nur dem Geiste die Hetrsnzast über sieh einräumt, vor den Werken des Fleisches zurück— schaudert und dagegen Früchte des Geistes hervorbringt, als ein Christo Zlngehöriger sein Fleisch kreuziget sammt den Lüsten und Schweden, und wie er im Geiste lebt, so auch im Geiste wandelt (v. 16 «—25). Hieran knüpft der Apostel noih einige besondere Grmahnungem wie sie der Zustand der Gemeinde veranlaßte (v. 26—Kap. s, 10). 13. Jhr aber, lieben Brüder, lstatt daß jene V. 12 euch wollen·in· ein knechtifches Joch fangen V. 1] seid zur Freiheit dernfen Allein sehet zu, daß ihr durch die Freiheit dem Fleisch nicht Raum gebet ssie nicht dazu mißbrauchey dem Fleische Raum zu geben, daß es mit seinen Lüsten und Begierden sich könne geltend machen 1. Petri 2, 16], sondern durch die Liebe diene einer dem andern« [1. Petri 4, 10]. 14. Denn alle sGebote im] Gesetze sdie es mit den Pflichten gegen Andere zu thun haben] werden in Einem Wort [das in Z. Mos. 19», 18 steht] ersulleh in dem: Liebe deinen Nächsten als dich selbst« sRöim 13, 8 ff., bei Sie. de Iegg. l, 12: nihilo sese plus quam alter-um homo diligai:]. 15. So ihr euch aber fanstatt einer dem andern durch die Liebe zu dienen] unter einander swie wüthige wilde Thiere] betßet Und fresset [wie ihr leider thut, vgl. V. 20], so sehet zu, daß ihr nicht unter [befser: von] einander verzehret wetdesttt [und der ganze Gemeindebestand schließ- lich bei euch zu Grunde gehe Luk. 11, 17]. V) Nur an eine einzige Bedingung geknüpft ist der Christen Freiheitssta1id, und das ist weit eine andere Bedingung, als die von den falschen Aposteln gesehn; unzerstörlich werden wir unsre Freiheit in Christo aben, wenn wir sie nur nicht haben wollen zu einem reibrief für das Fleifch, zu einem Polster für unsern alten Adam oder, wie Petrus sagt, zu einem Deckel der»Bosheit. Unser sündhaftes Fleifch begehrt feine Freiheit, und wenn es hört, daß die Christen nicht mehr unter dem Gesetz sind, so fährt es zu, wie G. Nitsch sagt, und legt der Taube seine Kukukseier in’s Nest; es reißt an fsich, was nicht ihm, sondern dem Menschen in Chri to gehört, und erdichtet sich einen Glauben, wobei es unbestritten seine Lüste voll- bringen kann, einen todten, nicht durch die Liebe thätigen Glauben (Jak. 2, t7). Von folcher Fleisches- freiheit nun heißt es, sie macht die Seele kalt und sicher, frech und stolz, frißt hinweg des Glaubens Oele, läßt exists ais ein» fauies Holz. weiser) Höchst nachdru svoll sagt der Apostel: ,, urch die Liebe diene einer dem andern«. Liebe ist die geheimnißvolle Kraft, welche den scheinbaren Widerspruch wischen Freiheit und Unterthäni keit vermittelt, den goismus bricht und den Menschen fähig macht, ein Glied zu werden, das sich im Organismus des Leibes Christi unter- ordnen und Andern verbinden kann. (Windischmann.) VI) Die Nächstenliebe wird hier nur in Folge des Zusammenhangs genannt; von der Gottesliebe gilt natürlich dasselbe, denn die Liebe ist in allen Formen ihrer Natur nach dieselbe. (Olshausen.) Die falschen Apostel ermahnten die Christen nicht, daß sie sich unter einander lieben sollen, son ern lagen allein auf der 2) Gebrauchet die Freiheit in rechter Weise und gebt nicht durch sie dem Fleische Raum! 429 Geige, man müsse sich beschneiden lassen, Tage, Mon- den, Jahrzeiten halten; sie konnten es auch nicht besser machen, denn wenn der Grund, welcher Ehritus ist, zerstört und die Lehre vom Glauben verdunelt ist, ist es nicht möglich, daß man von guten Werken recht lehren, sich darin recht üben oder ihrer recht« brauchen möge. — So ist nun die rechte vollkommene Lehre und christliche Theologie aus’s Längste und Kürzeste diese: ,,glaube an Christum und liebe deinen Nächsten als dich selbst!« Auf’s Kürzeste ist sie, wenn man die Worte will ansehen; wenn man es aber üben soll, ist sie breiter, länger, höher und tiefer, denn Himmel und Erde. (Luther.) W) Nicht unwahrscheinlich ist, daß gerade der Einfluß der Judaisten Spaltungen unter den Galatern veranlaßte und sie sich über der Frage wegen des Gesetzes stritten (unter den hernach V. 19 ff. aufge- zählten offenbaren Werken des Fleisches· weisen nicht weniger als neun in V· 20 auf das Veißen und Fressen unter einander zurück, und die V. 22 genannten neun Frü te des Geistes sind ebensoviel dem gegen- seitigen Bei en und Fressen zuwider wachsende Christen- tugenden): jedes möchte den andern verdrängen, am Ende aber werden alle den Schaden haben und auf- gerieben sein. (Schmoller.) Haß, Neid und Lästerung sind wie Löwen- und Schlangenzähnet welche Schande, daß es unter Christen solche böse Art Leute giebt! (Starke.) (Epistek am 14. Sonntag nach CrinitatiH.) Von den zehn Aussätzigem deren Heilung und dem Danke des einen geheilten Samariters handelt das Evangelium (Luk· 17, 11sf.)« die Epistel aber redet von dem Widerstreit, der in em Christen ist zwisghen Geist und Fleisch, von der doppelten Möglichkeit, Werke des Fleisches zu üben und Früchte des Geistes zu bringen, und von dem Wege, jene zu vermeiden, diese aber zu bringen. Zwischen beiden Texten ist ein sicherer Vergleichungspunkt, nämlich das Wort Aussatz: redet das Evan elium vom leiblichen Aussatz, so spricht die Epitel wider die Werke des Fleisches, den Aussatz der Seele; sehen wir dort die Heilung der Leiber, so erkennen wir hier die Be- freiung der Seelen von einem Aussatze, der fressen- der und schädlicher ist als jeder leibliche. Erscheint uns in der Er ählung St. Lucä Schönheit und Preis des Dankes sür gefundene Hilfe und Heilung, so eröffnet sich uns im Worte St. Pauli an die Galater nicht minder eine Aussicht, noch größeren Dank zu üben; denn wenn die Seele von der Sünden Aussatz frei geworden, aus dem Streite in die Ruhe undden Triumph des ewigen Sabbaths wird eingetreten sein, so wird sie auch danken, ewig danken, und damit auch ewig erfahren, was für ein köstliches Ding es ist, dem HErrn danken für alle seine Hilfe. ( öheh Die Mahnung, im Geiste zu wandeln: 1) ie führt auf einen heißen Kampfplatz; L) sie stellt vor einen schrecklichen Abgrund; Z) ge leitet in einen lieblichen Garten. (Schmoller.) er Wandel im Geist: 1) der Anfang ist, daß das Fleisch wider den Geist und den Geist wider das Fleisch gelüstetz 2) der Fortgang ist, daß wir die Lüste des Fleisches nicht mehr vollbringen; Z) die Vollendung« ist, daß wir die Früchte des heil. Geistes bringen. (Genzken.) Der Wandel im Geist: I) der Same, aus dem er erwächst; L) der Boden, auf dem er gedeiht; Z) die Früchte, in denen er sich offenbart. (Eig. Arb.) Woran erkennt man den Menschen, der im Gefiste wandelt? 1) an demKampf, den erfährt; 2) an den Werken, die er vollbringt; Z) an der Freiheit, in der er steht. (Sommer.) Drei Glieder einer Kette, diefest in einander greifen: I) lebet ihr im Geist, so wandelt auch im Geist; 2) wandelt ihr im Geist, so wandelt in Demuth, Sanftmuth, Dankbarkeit und Freigebigkeit; Z) wandelt ihr aber darin, so wandelt ihr im Segen. (Reinhard.) Mein Fleisch ist mein größter Feind: 1) mein ältester, 2) mein nächster, 3) mein schlauester, 4) mein mächtigster, 5) mein gefährlichster, ·6) mein unbarm- herzigster Feind. (Schuur.) Von dem Wandeln nach dem Fleisch: I) die Kennzeichem Zå die Werke, Z) die Folgen eines solchen Wandelns. ( extor.) 16. Ich sage aber szur näheren Erläu- terung und weiteren Ausführung dessen, was ich soeben V. 13——15 euch vorgehalten]: Wandelt im Geist [der in eurem Freiheitsstande euch zu eigen geschenket ist Kap. 4, 6. 26; 3, 2. 5 und fortan das Lebenselement sein soll", in dem ihr euch reget und beweget] , so werdet ihr die Lüste des Fleisches nicht vollbringens swie das zur Zeit noch vielfach von euch geschieht V. 15. 19 ss.]. 17. Denn das Fleisch [das allerdings auch in einem wiedergeborenen Christen noch vor- handen ist und sich geltend zu machen versucht] gelüstet wider den [seinem Herzen innewohnen- den Gottes-J Geist [Röm. 8, 9], Und [wiederum, im Gegengewicht dazu] den Geist wider das Fleisch [es mit seinen Gelüsten niederzuhalten und dafür die eigenen Wünsche und Bestrebungen in Vollzug zu setzen] Dieselbigen [Geist und Fleisch mit ihren entgegengesetzten Gelüsten] find [nun aber bei euch, die ihr wollet unter »dem Gesetz sein Kap. 4, 21., noch in solcher Art oder mit solchem Erfolge] wider einander, daß ihr nicht thut, was ihr setwa in dem einen oder andern Falle dem neuen Menschen gemäß] wolletsis [son- dern vielmehr das, was das Fleisch will Röm. 7, 15]. 18. Regieret euch aber der Geist sdaß ihr von ihm euch treiben und bestimmen laßt, wozu euch ja als Kindern Gottes die Freiheit gegeben ist Röm. 8, 14], so seid ihr nicht unter dem Gesetz-·« sdas freilich das Fleisch nicht zu überwinden vermag Röm. 7, b; s, 3. 7., sondern stehet unter der Gnade und seid nun auch im Stande, die Sünde nicht herrschen zuelassen über euch Röm. S, 14]. i) Mit »ich sage aber« beginnt Paulus eine tief gehende und tief einschneidende Erläuterung dessen, was er in den vorigen Versen den Galatern an’s Herz gelegt hat; er sagt nun: ,,wandelt im Geist, so werdet ihr die Lüste des Fleisches nicht vollbringen«. Man Licht auf den ersten Blick, worauf der Ton liegen soll; enn das »Im Geist« und das »die Lüste des Fleisches« steht bedeutungsvoll an der Spitze. Im Geist sollen wir wandeln: was ist für ein Geist hier gemeint? Gottes oder des Menschen Geist? offenbar der erstere, wie V. 18 deutlich zeigt. (Nebe.) Geist ist der heil. Geist, der durch den Glauben in das Herz einzieht und als göttliches Prinzip durch sein Walten geist- 430 Galater 5, 19—24. lichen Sinn und heiliges Leben erzeugt; Fleisch ist die ottentfremdete, sündliche Menschennatur, welche das geben nur in sich selbst sucht und alle Ehre sich selbst zuwendet und welche zu leich die Quelle des bösen Gelüstens im Menschen ist. (Sommer.) Jm Geiste wandeln bedeutet: durch den heil. Geist, wel- cher uns vermöge des Glaubens an Christum und der Versöhnung mit Gott geschenkt ist, sich beseelen, re- gieren und treiben lassen; das Gegentheil davon ist, die bei der Bekehrung und Begnadågung uns geschenkte Fülle des Gnadengeistes in todter erstandeserkenntniß und unfruchtbarer Gefühlswärme verrauchen, nicht zu Leben und That in uns kommen lassen. (v. Gerlach.) Jn dem »die Lüste des Fleisches nicht vollbringen« liegt das Abhalten der Willenshing ab e; die Existenz der Lüste des Fleisches kann der Mensch nicht weg- schaffen, aber er kann si im Willen von ihr ab- wenden, die That nicht vo bringen — erst das Ein- gehen des Willens in die Lust ist die actuelle Sünde, die den Tod gebiert Jak. 1,15. (Olshausen.) Merke auf das Wort: nicht vollbringen; denn unter thun und vollbringen die Lüste des Fleisches ist nach Augustin der Unterschied, das ,,thun« die Lüste des Fleisches ist, gekitzelt und bewegt werden davon, aber ,,vollbringen« heißt, ihnen verwilligen und sie erfüllen, daß aus ihnen Werke des Fleisches (V. 19) werden. Dieselben weder haben noch thun geschieht erst, wenn wir kein sterblich Fleisch mehr haben werden, daher ohne böse Lüste niemand schon hier auf Erden sein kann; aber denselben nicht verwilligen und ge- horchen vermögen wir wohl. (Luther.) «) Der Christ ist in einem inneren Widerstreih der Geist Gottes und die sleischliche Begier liegen in ihm wider einander zu Felde· Vor den Au en der Un- verständigen und Unerfahrenen ist dieser atz eine Art von Widerspruch in sich selbst: daß der natürliche Mensch eine doppelte Stimme in sich habe, sich in ihm die Gedanken entschuldigen und verklagen, das Gewissen wider das anklebende Böse Zeugniß giebt, das giebt jedermann u; dagegen aber glaubt man annehmen zu dürfen, aß durch die Wieder eburt und Erneuerung, welche der Christ erfährt, der iderstreit des inwendigen Lebens aufhören und nur Eine Stimme, Ein Wille, Ein Streben und Trachten herrschend werde. Der Christ scheint vor dem natürlichen Men- schen gar nichts voraus zu haben, wenn auch er voll inneren Widerstreites ist; und doch ist es nicht anders, die heutigde Epistel reicht hin, darüber Gewißheit zu geben un alle Zweifel zu zerstören. Jst nun aber in dem Christen selbst die alte Natur im Widerstreit wider den heil. Geist, so fragt sich, wie sich der Kampf des Christen zu dem des natürlichen Menschen ver- Hatte; wir werden da sagen müssen, der Kampf zwischen leisch und Geist sei eigentlich kein anderer, als der zwischen dem natiirlichen Menschen und seinem Gewissen, es sei der alte Kampf, nur in wiedergeborener und verklärter»Gestalt, wenn man von einem Kampfe das Bild der Wiedergeburt brauchen darf. Der Geist Gottes, wenn er den Menschen in seinen Einfluß nimmt, wendet sich an ihn mit Erleuchtung seiner Einsicht und damit seines Gewissens und macht seinen! Geiste den Gegensatz, der von Geburt an da ist, recht klar, macht ihm recht deutlich alle Feindschafh welche das Fleisch dem Gewissen gegenüber hat. Das Ge- wissen von Natur ist unsicher, blind, eine unbestimmte Unruhe, ein Jammer, der nicht weicht, von dessen Tiefe und Umfang man keinen Begriff hat; durch den Geist Gottes aber lernt des Menschen Gewissen, was wirk- lich böse ist, der Geist regt sich im Gewissen, der Kampf des Gewissens wird ein Kampf des heiligen Geistes. (Löhe.) Das Fleisch gelüstet wider den Geist: ach, wer verstünde das nicht? Treibt dich der liebreiche Geist, deinem Nächsten zu dienen, in Noth ihm zu helfen, seine Wohlfahrt zu fördern, so lehnt sich das lieblose Fleisch dawider auf und sagt: ,,nein! jeder ist sich selber der Nächste, ich kann mich nicht ruiniren und mein Jnteresse nicht vernachlässigen um des Andern willen-« Treibt dich der sanftmüthige Geist zur Versöhnlichkeit und zum Vergehen, so sagt das beiß- und freßsüchtige Fleisch: ,,nein! dieser Mensch hat mich zu arg beleidigt, niemals kann ich ihm das vergessen» Und in was für Entschuldigungen und eschmückte Vorwände versteht das Fleisch sein feind- fieliges Gelüsten einzukleiden, wenn der Geist unsern Wandel lenkt nach des HErren Wort! Aber auch um- gekehrt, der Geist gelüstet wider das Fleisch: wenn des Fleisches Begierden sich regen mit Reizen und Locken, Schrecken und Betrübem so legt sich der Geist dawider mit Verbieten im Herzen, mit Strafen und Warnen im Gewissen, mit Hindern und Niederhalten im Handeln, und widersetzt sich also dem Vollbringen der fleischlichen Lust; wer davon keine Erfahrunå hat, der ist kein Christ, denn er hat den Geist hristi nicht. (Besser.) Eis) Steht der Christ in einem Kampfe zwischen Fleisch und Geist, so steht er eben damit auch in der Möglichkeit eines zweifachen Sieges; denn es kann in diesem Kampfe zwar der Geist sie en, aber auch das Fleisch. Man könnte bei der Verg eichung der Gegner in diesem Kampfe den Sieg des Fleisches für um so unnatürlicher und verwunderlicher finden, weil ja nicht blos der eigene Geist des Ajienschem sondern der Geist Gottes kämpft: gegen das Fleisch: soll denn der all- mächtige Geist, so könnte man fragen, das todte Fleisch nicht überwältigen? Allein hier geht es eben gan so her, wie es sein muß, wenn dem Menschen ein Ziest eigenen freien Willens zugeschrieben und zugeeignet bleiben und er keinen Zwang erleiden soll im sittlichen Leben. Das Fleisch gelüstet wider den Geist, der Geist wider das Fleisch, er Kampf wogt hin und her: wann wird der Geist siegen? Wenn der persön- liche Wille des Menschen, wenn das Gewissen im Menschen, wenn die in Christo Jesu erneuerte Per- sönlichkeit mit dem Geiste Gottes sich irgendwie ver- binden und verbünden läßt; wenn das Widerstreben egen das Gute nicht zu stark wird, nicht boshaft, ondern der Geist des HErrn es iiberwältigen kann nach seinem heiligen Grundsatz, nur die zu überwinden, welche nicht boshaft widerstreben. Der bekehrte Christ ist nicht auf ein pures Sichthunlassen angewiesen; sein zuvor todter Wille ist ja zu einem neuen Leben und Dasein gerufen, in der Erziehung des Wortes und Sacramentes gewinnt er jugendliche Kraft und immer größere Macht, das Gute nicht blos in sich thun zu lassen, sondern mit zu thun und zu ergreifen. Er wird ein Mitarbeiter des heil. Geistes bei jedem Werke; und wo er es nun wird, wo die heilige Treue der an- vertrauten Kräfte waltet, da kommt es zu einem Siege des Geistes, den Gottes Engel feiern. (Löhe.) Mit den Worten: »so seid ihr nicht unter dem Gesetz« kommt Paulus auf den Hauptgegenstand des Briefes, das Gesetz, zurück und giebt das Verhältnis; desselben zum Geiste an. (Usteri.) 19. Offenbar [jedem als solche erkennbar zu Tage liegend] sind aber die Werke des Fleisches fund möget ihr nun, wenn selbige bei euch noch im Schwange gehen, daraus ab- nehmen, wie wenig euch noch der Geist regieretz Wandelt im Geist, so werdet ihr die Lüste des Fleisches nicht vollbringen. 431 ich zähle jedoch nur ihrer etliche auf, die euch besonders nahe angehen], als da sind [vgl. Röm. 1, 29 fs.; 13, II; 2. Cor. 12, 20f.; Col. Z, 5; l. Tim. I, 9 f.; 2. Tim. Z, 2 ff.; I. Petri 4, 3]: Ghebruch [geschlechtlicher Um- gang eines Ehegatteii mit einer dritten, ihm nicht angehörigen Person], Hurerei [außereheliche, unter ledigen Personen stattfindende Geschlechts- vermischungs Unreinigkeit [die wohl auch widernatürliche Befriedigung des Geschlechtstriebes sich erlaubt], Unzncht sschamloses Wesen], 20. Abgötterei [welche die Gott allein gebührende Ehre wegträgt an etwas, das nicht Gott ist], Zauberei swelche Kräfte, die einem widergöttlichen Geisterthum entstammen, zu eigen- willigen und fündlichen Zwecken heranzieht], Feindschaft, Hader sfeindselige Gesinnung und widerwärtiges Verhalten gegen Andere], Neid, Zorn sda man Andern nicht gönnt, was sie sind und haben, und Andere nicht ver- trägt, wenn sie einem zu nahe treten], Zank [die eigensinnige, rechthaberische, nur auf das eigene Jch bedachte Unleidlichkeit],Z wietracht, Notten [das Anstisten von Spaltungen und Parteiungen im Gemeindeleben], Haß, Mord sda man solche, die einen überragen, nicht ersehen mag und wohl gar an ihrem Leben sich zu ver- greifen unternimmt], 21. Sausen, Fressen [Röm. 13, is; 1.-Petri4,3] nnd dergleichen; von wel- chen ich euch [bei meiner letzten Anwesenheit unter euch V. 3; 1, 9] habe zuvor gesagt und sage noch sjetzt mit diesen meinen Worten hier zu eurer Warnung, bevor das entscheidende Gericht da ist und ihr also noch Zeit habt zur Be- kehrung] zuvor, daß, die solches thun, werden das Neich Gottes [wenn es nun zu seiner schließlichen Vollendung gelangt] nicht erben-«· sEphes 5, 5; 1. Cor. S, 9 f.; Hebr- 12, 14]. 22. Die Frucht aber des Geistes [im Gegensatz zu jenen vielen Werken des Fleisches Röm. 6, 22z Ephes 5, 9 u. 11] ist Liebe [diese Grundtugend aller andern V. 14], Freud e l1· Cur. 13, 6], Friede [Ephes. 4, 3], Ge- duld [oder LangmuthL Freundlichkeit l2s Cvv S, Si, Gütigkeit [Röm. 15, 14; Ephef. b, 9], Glaube [d. i. Treue Tit. 2, 10; Matth. 23, 23], Sanftmuth [Ephes. 4, 2; Col. 3, 12], Keuschheit-H« sund Enthaltsam- keit im Gegensatz zu Wollust und Unmäßigkeit Apostg. 24, 25; 2. Petri 1, 6]. 23. Wider solche [die dergleichen Frucht des Geistes bringen] ist das Gesetz nicht«« [daß es etwas gegen sie haben und als solche verklagen sollte, die von ihm abgefallen wären und seine Gebote verleugneten, sondern es läßt sie frei gewähren 1. Am. I, 9]· 24. Welche aber [im Gegensatz zu denen, die unter dem Gesetz sein wollen Kap. 4, 21 und bei denen nun in solchem Stande Fleisch und Geist derart wider einander sind, daß sie nicht thun, was sie wollen, sondern die Lüste des Fleisches vollbringen V. 16 f.] Christo angehören sdurch lebendigen Glauben an seinen Namen wirklich sein eigen geworden sind Kap· 2, 20], die kreuzi en [genauer: haben, als sie mittels der Taufe sein eigen wurden Röm. 6, 3 sf., gekreuz1get] ihr Fleis eh sammt den saus demselben entspringenden] Lusten und [den] Begierdens [in welchen es sein Wesen treibt und durch welche es seine Werke vollbringt] i) Werke des Fleisches sind diejenigen concreten Thaterscheinungem welche zuwege gebracht werden, wenn das Fleisch, die sündliche Menschennatur (nicht aber der heil. Geist) die Macht über den Menschen at und sein Gelüsten durchsetzen kann. (Meyer.) Der postel nennt diese Werke nicht nur offenbar, d. i· deutlich hervortretend und daher natürlich auch unleug- bar, sondern zählt sie mit »als da sind« auch noch ge- flissentlich auf und malt sie den Galatern vor die Augen. (Schmoller.) Alle Werke des Fleisches sollen nicht hergezählt werden, sondern wenn die Aufzählung mit: als da sind, eingeleitet wird, so sollen nur ein- zelne, sonderliche genannt werden und, dürfen wir wohl sagen, gerade wie es den Galatern noth war; Paulus wollte ihnen in dieser Tafel einen Spiegel vorhalten, um sie über Sünden, die bei ihnen besonders im Schwange waren, zur Buße zu rufen. (Nebe.) Die ausgeführten 17 Fleischeswerke bringt Bengel in folgende Gruppen: zuerst werden die Sünden ge- nannt, welche einer mit dem Nächsten begeht, so- dann die, welche wider Gott, hernach die welche gegen die Nächsten, endlich die, welche von einem gegen sich selbst verübt werden; sie lassen sich aber auch unter folgende 4 Abtheilungen bringen: I) Sünden der Wollust oder solche, welche die menschliche Natur entweihen —- Ehebruch, Hurerei, Unreinigkeit, Unzucht, 2) Sünden des Götzendienstes oder solche Ver- sündigungen, welche wider Gottes Ehre streiten — Abgötterei, Zauberei, Z) Sünden der Gehässigkeit oder solche, welche wider des Nächsten ruht» en Bestand streiten —- Feindschafh Hader, Neid, Zorn, sank, Zwie- tracht, Rotten, Haß, Mord, 4) Sünden unmäßiger Lustbarkeit oder solche, welche jwider die eigene Selbstachtung streiten — Sausen, Fressen. (Sommer.) Es findet in dieser langen Reihe keineswegs ein will- kürliches Zusammenwerfen verschiedener Sünden statt, sondern eine absichtliche Ordnung und Steigerung. Die durch den heil. Geist gewirkte Liebe hatte der Apostel in V. 13 empfohlen und sie als das Wesen der wahren Freiheit hervorgehobem bei der Schilderung der Schattenseiten nun stehen zuerst die Sünden, welche aus der unordentlichen Liebe zu sich selbst und den Creaturen entspringen und zuletzt in Haß gegen den Schöpfer übergehen, daher in dem Götzendienst ihren Culminationspunkt haben. Dann folgen jene Laster, die wiederum aus niederer Selbstliebe, nur aber verbunden mit dem Haß gegen Andere, hervor- gehen; und auch hier ist kunstvolle Steigerung von kleineren Erbitterungen und Eifersucht an durch Zorn, Ränkesucht bis zu Spaltungen und gänzlicher Los- 432 Galater 5, 25. 26. S, 1. trennung von der Kirche, ja bis zum Mord hin. Scheinbar unvermittelt kommen ,,Saufen, Fressen« ans Ende; aber der Verlauf der Corruption der menschlichen Natur ist es, daß der in unzüchtiger Liebe und ungezügeltem Hasse umhergeworfene Mensch zu- letzt sich in dem Taumel der Unmäßigkeit betäubt und u Grunde richtet. (Windifchmann.) ,,Und der leichen« fe t der Apostel noch hinzu, dem Geiste Christi über- lafsend, dies Verzeichniß der offenbaren Fleischeswerke jedem Leser zu vervollständigenz jedwedes dir bewußte Werk des Fleisches, so es sich bei dir fände, sollst du hier gestraft lesen, um damit zu brechen und dich da- von zu scheiden. Denn wie es offenbar ist, daß diese Werke Sünde und gottlos sind, so ist auch offenbar, daß die Thäter solcher Werke, die sich nicht davon be- kehren zu Gott, verloren und verdammt sind. Keinen neuen Apostel bedurften die Galater, um das zu lernen, wie auch die Evangelischen nicht von den Tridentinischen zu lernen brauchen, daß der epicurische Wahn der Todtgläubigen wider das Evangelium streitet. Paulus, der Prediger der Sündenvergebung und Gerechti keit durch den Glauben, kann sich darauf berufen, da er den Galatern zuvor gesagt habe, was er ihnen jetzt abermal vorherfagt: die olches thun, werden das Reich Gottes nicht erben. ( essen) Seine Leser können also, da er dies nicht nur jetzt sagt, sondern es ihnen fchon vormals gesagt hat, nicht etwa meinen oder sich einreden lassen, er stelle die Selbstreinigung von Sünden allzusehr zurück hinter der vom Glauben alleinabhängig geinachten Sünden- Vergebung und Rechtfertigung. (v. Hofmannh · IV) Jm Vorhergehenden sprach der Apostel in der Mehrheit von Werken des Fleisches, hier endet er in einfacher Zal von der Frucht des Geistes; je mehr der ensch Gott ähnlich wird, desto mehr nimmt er auch Theil an der Einfachheit Gottes (Kap. Z, 20), desto mehr werden seine Gedanken, Worte und Werke Ein Ganzes, Ein fortgesetzter Akt der Liebe und Anbetung Gottes, Ein Organismus, an wel em die verfchiedenen Tugenden nur Glieder sind. Es ist im geistlichen Gebiet wie in der Natur: das Leben des Organismus, der Frucht u. s. w. besteht in der aus Unterordnung und gegenseitiger Durchdringung der einzelnen Theile hervorgehenden Einheit; sowie diese aufhört, entspringt eine Vielheit, wo jeder ein- zelne Theil eine besondere Existenz behaupten will und ein falsches Leben erhält, welches der Tod des Ganzen ist — die Verwesung. Wie sich der Eine ge- sunde, lebendige Leib verhält zu dem todten, in seine Atome zerfallendem der nur in Würmern und Gährung ein Scheinleben hat, wie regelmäßige organischc Bil- dungen krankhaften Geschwüren und Gewächsen, wie der edlen fruchttragenden Pflanze Schmarotzerschlingen und Unkraut gegenüberstehen, so die in der Liebe be- gründete Einheit aller Tugenden der Verwesungs- vielheit des Lasters, welches trgztg dieser scheinbaren Fülle dennoch unsruchtbar ist· ( indischmann.) Wie vorher nicht alle schlimmen Werke des Fleisches ge- nannt wurden, so nennt der Apostel auch jetzt nicht alle Früchte, zu welchen es im Geisteswandel kommt, sondern er hebt nur diejenigen hervor, welche im Gegensatz zu den vorher berührten Fleischeswerken stehen und welche die Bedingung für ein wahrhaft christliches Gemeinschaftsleben sin . Voran steht die Lieb e als das praktische Princip aller andern Tugenden; sie ist Selbstmittheilung an den Andern, i re ganze Tendenz geht auf das Wohlsein des Näch ten. Wo die Liebe ist, da ist auch Freude: wer den Andern lieb hat, der hat auch seine Freude an ihm und zeigt dieselbe durch Wort und Geberde und That. Wer nun den Nächsten liebt und sich von Herzen mit ihm freuen kann, der steht auch im Frieden mit ihm, lebt mit ihm in vertraulicher Eintracht und gottseliger Stille. Thut der Andere, was den Frieden stört, so bewährt der Christ Geduld, indem er über Fehler des Nächsten und über Kränkungen desselben seinen Zorn zurückhält und lan müthig des Andern Rückkehr um Besseren erwartet. edarf aber der Nächste seiner, so zeigt er jene Freundlichkeih welche in Huld und Wohlwollen dem Nächften Gutes zuwendet und fein Bestes befördert, und jene Gütig eit, der man ab- fühlen kann, wie ihr Streben nur auf das Gute und auf das Beste des Bruders gerichtet ist. Weiter be- währt der vom Geist Geleitete Glauben oder Treue, indem er unter allen Umständen und zu allen Zeiten sich als zuverlässigen Freund beweist; er macht auch nicht ein zornig auffahrendes, herausforderndes Wesen e·ltend, sondern beweist Sanftmuth, indem er alle Enge zu überwinden und dem Nächsten in Milde zu begegnen und zu dienen sucht. (Sommer.) Alle die hier aufgezählten Stücke stehen im Gegensatz gegen die dritte Reihe der Werke des Fleisches, und nur die Keuschheit steht noch schließlich der ersten und letzten jener vier Reihen gegenüber; der zweiten Reihe brauchte ja ohnehin nichts entgegen gestellt zu werden. (v. ofmann.) IN) Wie aulus unter den bösen Katalog in V. 19—21 eine tief einschneidende Sentenz geschrieben hat: »die folches thun, werden das Reich Gottes nicht erben«, so fügt er auch unter den lieblichen Krang von Tu enden· in 22 eine Unterschrift. (Nebe.) . amit wi er diejenigen mit seiner Lehre versöhnen, denen es bei ihrem Eifer für Gottes Gesetz wirklich um dessen Unverletzlichkeit (Matth. 5, 17) und um die Haltung seiner Gebote zu thun war. (Windischmann.) Aber giebt es denn einen Christen, in dessen Leben die Frucht des Geistes gediehe, ohne angestochen zu werden von dem bösen Wurm in seinem Fleisch? trifft das Gesetz, bei irgend einem nur Früchte des Geistes zum Lobeii und keine Werke des Fleisches zum Strafen und Verdammen an? hat einer von uns die apostolische Beschreibung der Geistlichgesinntem wider die das Gesetz nicht ist, lesen können, ohne zu seufzen: ,,ach HErr, so bin ich noch nicht«?« Sag’ aber, mein Lieber, wärest du gern so? gelüstet den willigen Geist in dir wider das feindfelige Fleisch? So höre, wie der· Apostel den Spruch: ,,wider solche ist das Gesetz nicht« im folgenden Verse ergänzt, damit der Christenstand der Freiheit vom Gesetz voll und un- mißverständlich ausgesprochen sei. t) Die dem Gesetz knechtisch angehören, holen sich den Tod unter seinem Joch, wä rend sie mühsam ihr Leben fristen mit vergeblichen, geialosen Werken (V. 17); die aber aus Gnaden Christo angehören, holen ihrem Fleische den Tod unter seinem Kreuz und loben Gott im Geiste dessen, der auferstanden ist von den Todten. (Besser.) Die Christen haben den Geist in sich und das Fleisch insofern nicht mehr an sich, als sie es andasselbe Kreuz geschlagen haben, an wel em Christus im Fleische gehangen hat; was aber jedwe er, der an ihn gläubig geworden, mit der menschlichen Natur gethan, wie sie von Adam her sein ei en ist, darein ind auch die mit ihrer sündigen Bescha enheit Gegebenen leidentlichen Erregtheiten und selbstischen egungen, die Lüste und Begierden des Fleisches, ein- geschlossen. (v. Hofmannh Zu beachten ist, daß es nicht heißt; »getödtet«, sondern «gekreuzigt«: jenes könnte weniger gesagt werden, wird vielmehr als erst immerfort zu lösende Aufgabe des Christen gefaßt (Col. Z, 5); in ,,gekreuziget« aber ist nicht einfach das So wir im Geist leben, so lasset uns auch im Geiste wandeln! 433 Tödten der Hauptbegrifh sondern das Verdammen, Verurtheilem in den Fluchtod Hingeben Durch den Kreuzestod Christi ist nämlich das Fleisch auf un- widerstehlich kräftige Weise als ein dem Tode ver- fallenes in seiner Verdammungswürdigkeit erwiesen und dargestellt, denn Christus hat ja nur erlitten, was die Menschen wegen-ihres sündlichen Fleisches und also dieses selbst verdient; wer nun seinen Kreuzes- tod sich aneignet im Glauben, der sieht auch das Fleisch bei sich nicht anders mehr an, für den ist das- selbe gekreuzigt. Die ,,Lüste« sind die vom Fleisch im Gemüth erregten Leidenschaften, die sich dann in be- stimmten sündlichen ,,Begierden« wirksam erweisen; bei jenen verhält sich der Mensch, wie das in dem da- fiir gebrauchten griechischen Ausdruck Gras-Indien) liegt, passiv, diese Passivität aber wird zur Activität in den Bege rungen oder Begierdem (Schmoller.) Durch das reuzigen starb ein Mensch nicht sofort, er ward erst mit Nägeln an’s Kreuz festgemacht und dann fest- gehalten, daß er durch Verbluten, Hunger und Durst immer schwächer ward und endlich starb: in der Buße wird der Mensch an’s Kreuz festgeschlagen und dann in der Erneuerung daran festgehalten; er wird da gleichsam immer auf’s Neue wieder angebunden, wenn er eine Hand oder einen Fuß losreißt, bis daß die innewohnende Sünde immer mehr entkräftet wird durch allerlei Uebungen der Buße und Gottseligkeit, welches sich durch das ganze Leben erstrecken muß. (Starke.) Das Ei. Kapitel. Sanftninlh und ignithiitigkeit zu üben. (Episiek am «l5. Sonntage nach TrinitatisJ Nicht zweien Herren, nicht Gott und dem Mammon zugleich dienen wollen, ist der allgemeine warnende Zuruf des heutigen Evangeliums (Matth. 6, 24 ff.); und eine Anwendung, welche der HErr auf das Leben des Einzelnen macht, ist die, daß man also auch für Speise und Kleidung nicht ängstlich sorgen solle, weil auch dies Sorgen nichts Anderes ist als Mammonss dienst und allen wahren Gottesdienst tödtet. Gleich- lautend nun dem Worte des hochgelobten Erlösers ist das Wort des Apostel Paulus: nicht zweien Herren dienen wollen! ruft der HErrz der Apostel aber, ein etreues Echo, ruft uns zu, nicht dem Geiste und dem leisch«e zugleich dienen zu wollen. Gott und Mammon, Geist und Fleisch, das sind Gegensätze, welche einan- der nicht blos verwandt, sondern innerlich ganz die- selben sind. So stimmt also Evangelium und Epistel im Allgemeinen; sie stimmen aber auch in der beson- deren Anwendung. Dem Mammon nicht dienen, also auch nicht der Sorge um Speise und Kleidung, so ruft der HErr; der Apostel aber führt die Stimme des HErrn nur weiter aus — nicht sorgen, sondern im Gegentheil, unbesorgt um das eigene Leben, die eigene Kleidung, das Eigenthum, die zeitliche Habe wohl anwenden zum Besten Anderer, das ist es ja, was St. Paulus im zweiten Theil des Textes befiehlt. (Löhe.) Die Epistel handelt im genauen Zusammen- hang mit der vorhergehenden von dem Leben und Wandel im Geist und dem Säen und Ernten, je nach- dem einer auf das Fleisch oder auf den Geist gefäet hat: es liegt da die Vermuthutig nahe, daß sie im Verein mit-dem Evangelio, welches auch vom Säen und Ernten redet, mit Rücksicht auf die Zeit der Ernte, Dächsels Bibel1rerk. VII. Band. welche jetzt stattsindet, gewählt sei. (Alt.) Wie die Aussaat, so die Ernte: I) Fleischesfaat bringt Verderben, L) Geistessaat reift zum Leben. (Sommer.) Wie ist der, der im Geiste wandelt? 1) nach innen voll Demuth, 2) nach außen voll Milde, S) nach oben voll Ehrfurchr (Sehbold.) Wie der Wandel im Geist sich bethätige: 1) in der Demuth, L) in der Sanftmuth, 3) in der Verträglich- keit, 4) in der Gutthätigkeit (Westermeier.) Wie der Wandel im Geist sich in dem Verhalten gegen den Nächsten offenbart: 1) durch verzicht- leistende Demuth, 2) zurechthelfeiide Sanftmuth, Z) un- ermiidliches Wohlthuir. (Eig. Arb.) Die heilige Kunst, des Andern Last zu tragen: 1.)·wie sie geübt wird, Z) wie sie erlernt wird, s) was uns dazu antreiben muß, sie zu erlernen und zu üben. (Rüling.) Der Wandel im Geist ein Wandel in der christlichen Nächstenliebez diese zeigt sich da J) als eine bessernde, Z) als eine wohlthuende. (Seidel.) Der Wandel im Geist; der Apostel lehrt uns, I) wie der Wandel im Geist aus dem Leben im Geiste fließe, 2) wie er eine Aussaat auf die ewige Ernte sein müsse. (Dietz».) · So wir lwie es ja bei uns, die wir Jesu Christo angehören und von ihm den Geist aus Gott empfangen haben Kuh. Z, 2. s; 4, S; l. Cor. 2, 12; 1. Thess. 4, 8., wirklich der Fall ist] im Geist leben sso daß ihm unser ganzes sWesensp unterstellt ist],· so lasset-Uns auch fwie sich gebührt] im Geiste wandeln-T« sauf gerader Straße hinter ihm einherfchreitend und weder zur Rechten noch zur Linken von dem Wege, den er uns führt, abbiegend]. 26. Lasset uns sworauf ich euch besonders aufmerksam machen muß, da ihr euch, wie in V. .15 gesagt, unter einander beißet und fresset, was doch so ganz dem pflichtmäßigen Wandel im Geist zuwiderläuft] nicht eitler Ehre geizig sein, [denn sind wir das, süchtig nach Ehre und Geltung, was immerhin Zeichen eines eitlen Herzens ist, auch wenn es nicht um eine Ehre sich« handelt, die an und für sich schon keinen inneren Werth hat Phil. 2, 3., so treibt uns das, uns] unter einander zu entrüsten [ge- nauer: ·herauszufordern] und zu hassenss [zu neiden]. « Ka . 6,· B. 1. Lieben Brüder, so ein Mens [d. i. jemand in eurer Niitte, vgl. 1. Cor. P, P; Jus; 5, 191 etwa von einem Fehl ikbereilet wurde lindem er ihn begehrt, ehe er sich’srecht bedacht hat, was er eigentlich thut 3.·Mvf- 5- H, so helfet ihm wieder zurecht mit sanftmnthigeni Geist sV. 22z 1.« Eos. 4-·21]- »die ihr geistlich siioch im Besitz des heiLGeistes nnd »seiner Gaben 1. Cor. 2, 15; Z, 1z; 14, 37] seid. Und siehe [du, der du unter die hier mit »die ihrgeistlich :seid« Ange- redeten dich rechnen zu dürfen meinst, weil du noch stehest] auf dich selbst, daß du nicht auch swie der Gefallene] versucht [und zu Fall ge- brachtJ WeVDestVVV [1. Cor. 10, 12., das wird 28 434 Galater 6, 2——5. dich zum Wiederzurechthelfen willig machen und den sanftmüthigen Geist, der dazu erforderlich ist, in dir erwecken I. Thefs 5, 14]· 2. Einer trage des Andern Last falle; auf geistigem und leiblichem Gebiet, was ihn be- drängt und drückt, indem er’s auf seine Schultern nimmt, als wäre es seine eigene Last, und nun ebenso die Beseitigung oder doch die Ertragung sich angelegen sein läßt, wie ihm diese am Herzen liegt in Beziehung auf das, was ihn selber drückt und quält]; so werdet ihr [wenn ihr also wechselseitig euch die Lasten tragen helsetj das Gesetz) Christi [der unsre Schwachheit auf sich genommen und unsre Seuche getragen Matth. 8, 17 und nun von den Seinen verlangt, daß sie sein Kreuz auf sich nehmen und ihm nach- folgen Matth. 10, 38., insofern vollkommen] erfüllen-s« sals ihr damit das Höchste thut, was überhaupt sich thun läßt]. 3. So aber sich jemand sdarum der Pflicht, der Andern Lasten zu tragen, für über- hoben erachten wollte, weil ja Andere an ihm keine Lasten zu tragen hätten, er also sich] likisset dünken, er sei etwas sBesonderes vor Andern, ein über ihre Schwachheiten und Gebrechen Er- habener], so er doch lwenn er nicht vom Dünkel sich beherrschen ließe, sondern nach seinem wirk- lichen Werthe vor Gott sich schätzen wollte, sich vielmehr sagen würde, daß er] nichts ist [2. Cor. 12, U; Röm. Z, 23; Luk.17, 10], der betrüget sich selbst fund die Wahrheit ist nicht in ihm 1. Tor· 8, L; 1. Joh. I, 8;.Jak. 1,26; Offb. s, 17]. 4. Ein jeglicher aber sstatt mit solchem Dünkel, der aus der Vergleichung mit Andern seine Nahrung zieht, sich selbst zu betrügen] priife [vielmehr] sein selbst Werk ssein eigenes gesammtes Thun und Wesen 1. Petri I, 17; Offenb. 22, 12., wie es damit vor dem HErrn bestellt ist I. Cor. 11, 28]; und alsdann swenn er nun da etwas Rühmenswerthes bei sich befindet, was ja wohl der Fall sein kann I. Cor.15,10; Z. Cor.1, 12; 11, 18 ff.] wird er [lediglich] an ihm selber Ruhm haben, und nicht swie z. B. der Pharisäer, der sich mit Räubern, Un- gerechten &c. verglich Luk. 18, 11] an einem Andern swelcher letztere Ruhm in jedem Falle ja doch nur ein eitler und nichtswürdiger ist]. 5. sEs wird aber auch dem, der wirklich sein selbst Werk mit Ernst und Aufrichtigkeit prüft, die Lust, an einem Andern sich zu rühmen, von selber schon vergehen.] Denn ein jeglicher wird seine Last tragen-H- [keiner wird ohne die Gewissensbelastung selbsteigener Fehler und Gebrechen aus solcher Prüfung hervorgehen; und das nun wird ihn willig und bereit machen, «War aber diese der Andern Lasten zu tragen, damit diese wiederum die seinen tragen V. 2]. V) Nachdem der Apostel den Galatern bezeugt hat, daß nicht das Joch des Gesetzes, wohl aber das Regi- ment des Geistes sieghaft macht über die fleischlichen Lüste, ruft er sie wach zum Bethätigen ihres Lebens im Geist durch einen Wandel im Geist, der die Frucht dienender Liebe (V. 13 u. 22) darreicht. Mit »wir« fährt er da zu reden fort, weil die Angehörig- keit Christi (V. 24) sein und seiner Brüder gemein- schaftliches Gut und das Leben im Geist die theure Gnadengabe ist, welche er mit allen An ehörigen Christi empfangen hat. (Besser.) Wie in Heisa. 6, I (,,die ihr geistlich seid«) denkt der Apostel das geistliche Leben unter den Galatern noch als herrschend. (de Wette) Wir leben im Geist, wenn der heil. Geist gleichwie die Luft ist, die wir ath1nen, wie das Licht, das uns erleuchtet, wie die Lebenskraft, die uns durchdringt und erfüllt. (Münkel.) Indem nun Paulus ermahnt, den Wandel im Geist aus dem Leben im Geist folgen zu lassen, ergiebt sich, daß zwar der Wandel im Geist aus dem Leben im Geist folgt und folgen soll, daß aber die Folgerung nicht auf einer natürlichen Nothwendigkeit beruht, sondern auf dem getreuen Fortschritt des Menschen an der Hand des heil. Geistes: es kann jemand im Geiste leben, ohne im Geiste zu wandeln. Jch will damit nicht sagen, daß man immer oder für’s ganze Leben einen solchen Widerspruch ertragen könne, im Geiste zu leben und dabei etwa gar gröblich den Weg des Fleisches zu wandeln; lebt jemand im Geiste, ohne daß sich ein Wandel im Geiste daraus ergiebt, so wird am Ende auch das Leben im Geiste versiegen, aber eine Weile kann der Widerspruch stattfinden, je nach Umständen bei dem einen länger, bei dem andern kürzer, der Apostel will aber, daß der Widerspruch aufhöre, und ermahnt daher mit mächtigem Ernst: »so wir im Geist leben, so laßt uns auch im Geiste wandeln-« Jst also innerlich in dir ein neues Leben, regt und bewegt und treibt dich der Geist, so verharre dabei nicht in Fleischessündem sondern laß das Licht, welches in dir ist, deine Seele und deinen Leib regieren; laß die Flamme auffchlagen, sperre sie nicht ein, gönne ihr Lebensluft, so wird sie wohlthätig wirken! Thust du es nicht, so wird sie ersticken und du mit ihr; oder sie macht sich gewaltsam·B»ahn und zerstört, indem sie die Herrschaft sucht, die ihr gebührt. (Lohe.) «) Mit Verwarnung gerade gegen die Sucht nach eitler Ehre den Anfang zu speciellen Ermahnungen zu machen, würde sich der Apostel schwerlich veran- laßt sehen, wenn er nicht wüßte, daß dies ein Grund- fehler der Galater war, welcher sich denn auch in der galatischen Christengemeinde vorzugsweise bemerklich machte; um ihn bewegt sich deshalb die ganze eine Hälfte seiner Vermahnung bis Kap. 6, 5. (v. Hofmann.) « Sucht nur ein Grundfehler der Galater? ich glaube, daß nur sehr wenige Menschen eine Ausnahme machen von der Regel, daß der Mensch von Haus aus in hohem Grade eitler Ehre geizig ist, und selbst der Wiedergeborene ist es vielfach noch. Sie, die Ehrsucht nun kann gar nicht anders existiren als im gegenseitigen Herausfordern und Neidenx wer eitler Ehre geizig ist, fordert den, welchen er sich nicht für gewachsen hält, zum Wettkampse heraus, um über ihn vor der Welt zu triumphiren, und den, mit welchem er sich nicht zu messen wagt, verfolgt er mit seinem Neide, der sich dann in Worten, wie im Verkleinerm Afterreden u. dgl., und in Werken Luft macht. (Nebe.) Nichts ist gewöhnlicher, als daß der Mensch die eigene Lasset uns nicht eitler Ehre geizig sein! Einer trage des Andern Last! 435 Gabe über-, die fremde unterschätztx von beidem ist nicht blos Mangel an Erkenntniß die Ursach, sondern auch der Unwille, klein zu werden, sein Maß einzu- halten, der Hochinuth Dies angeerbte Uebel gleicht insofern den Bienen, als es allenthalben und aus allen Dingen seine Nahrung sucht; ja, es übertrifft die Bienen und alle Creaturen, indem es alles und jedes zu feiner Nahrung unizuwandeln versteht. Da muß alles der Selbstsiicht dienen, und was widerstrebt, was Mühe macht, was sich dem geliebten eigenen Selbst nicht zu Füßen legen will, das wird gehaßt, entweder doch endlich dem bösen Zwecke unterthäni gemacht oder aber vernichtet. (Löhe.) Es ist kein DorF so klein und gering, darin nicht ein Bauer oder zween sein, die da wollen klüger und besser gehalten werden denn die andern; doch werden von dieser Seuche ge- meiniglich die Leute aiigefochteii, so verständiger sind denn die andern. Da weicht kurzuni keiner dem andern, läßt keiner dem andern etwas gut oder recht sein. St. Hieronymus sagt, er habe viele gesehen, so da haben viel Schadeiis und Unfalls erleiden können an Leib und Gütern, aber keinen, der sich keines Lobs und Ehre hätte angenommen; und Paulus, der doch den heil. Geist hatte, sagt in 2. Cor. l2, 7, ihm sei des Satans Engel gegeben, der ihn mit Fäusten schlage, auf daß er sich der hohen Offenbarung nicht überhebe. (Luther.) Nicht eine höfliche Redewendung ist daher das ,,lasset uns nicht eitler Ehre geizig sein«, sondern tiefster Ernst, indem Paulus seiner selbst mit ein- gedenk ist. (Besser.) Dis) Statt das, was man vor dem Andern voraus- hat oder was man an diesem Mangelhaftes bemerkt, zu benutzen, um sich über ihn zu erheben und ihn da- durch herauszufordern (V. 1), soll der Christ als ein im Geiste Wandelnder einmal dem Nächsten zurecht- helfen, wo er ihn fehlen siehet, sodann aber überhaupt ihm die Lasten tragen helfen, die ihn drücken. (Schiiioller.) Der Apostel führt gelinde, väterliche Worte: zum Ersten nennt er sie ,,Brüder« viel mehr in freundlicher, sanfter Ermahnung als einer, der etwas bittet von den Seinen, denn durch Gewalt als gegen den Niedrigen und unterworfenen; darnach spricht er: »so ein Mensch«, als wollte er sagen: was kann einem Menschen eher und leichter begegnen, denn daß er zu Falle komme, betrogen werde und irre? und zeigt durch dies Wort an, mit was Augen wir anderer Leute Fehler und Sünde ansehen sollen, nämlich mit Augen des Mitleidens und Erbarinens, und sollen alleivege schneller und geschickter sein, etwas unter- drücken und verdecken zu helfen, denn es auszubreiten und offenbar zu mcichen. Ferner spricht er: »von einem Fehl übereilet würde«, d. i. wo ihn der Teufel oder das Fleisch unversehens zu Fall brächte, womit er gleichfalls lehrt, die Sünde des Nächsten zu ringern und schmälern; wo jemand nicht offenbar aus ver- stockter Bosheit und ohne alle Besserung sündigt, so gehört uns zu, daß wir das nicht zuschreiben seiner Bosheit, sondern der Unachtsamkeit oder auch seiner Schwachheit (Luther.) So nun jemand von einem Fehl übereilt worden, so sollen die sich mit ihm be- schäftigen, »die da geistlich sind«. Paulus sagt ab- sichtlich nicht, wer denn diese Geistlichen unter den Giilatern sind; er stellt es jedem anheim, zuzusehen, ob er zu ihnen gehört, er wird dann von dem Geiste, den er hat, auch Sanftmuth empfangen und gelernt haben, und kam! nun das, was er besitzt, auch erweisen, indem er von dem Gefallenen sich nicht stolz und selbst- gerecht zurückziehh sondern ihm mit sanftmüthigem Geist znrechthilft (Nebe.) Den Dienst des Zurecht- helfens thut Ermahnen, Bestrafeiy Ueberzeugen, Trösten u. s. w.; dazu gehört aber Geist, mithin aus der einen Seite nicht blinde Liebe, nicht nachlässige Gering- schätzung des Fehlers, auf der andern Seite aber nicht Strenge, sondern Einsicht in das Evangelium. (Rieger.) Nur iii1 Geiste der Sanftmuth liegt Heilkraft; was mit Bitterkeit geschieht, das bessert nicht. Zu einem sanftmüthigen Zurechthelfen aber wird es kommen, wenn jeder auf sich selbst sieht, seine eigene Schwach- heit und Sünde vor Augen behält und also das Zurechthelfen nicht zum Selbstruhm, sondern zur Selbstbesserung beiiutzt (Sommer.) Wo eine allge- meine Ermahnung jedem Einzelnen gilt und eingeschärft werden soll, wird mit Nachdruck die zweite Person gebraucht, die der Rede mehr Lebendigkeit giebt (vgl. s öm. 14, 4 u. 10); das thut denn Paulus mit den Worten: »und siehe auf dich selbst, daß du nicht auch versucht werdest«, und ist iiuii diese Wendung iim so bezeichnenden als sich das Versuchtwerden gerade an dem Einzelnen äußert und durch dieses persönliche Anredeii desselben die Gefahr seinem Bewußtsein näher gelegt ist. (Windis·chmanii.) Der Apostel spricht denn auch da sehrmaßig und bescheiden; er spricht nicht: ,,damit du nicht auch fallest«, sondern: »daß du nicht auch versucht werdest«, nennt eines Andern Fall eine Versuchiing, als wollte er sprechen: »wenn du fielest, so wollte ich sagen, daß dein Fall mehr eine Versuchung denn ein Laster gewesen sei; eben mit der Sanftmuth entschuldige du auch deines Bruders Straucheln und Fallen·« Es ist aber dies eine sehr ernstliche Ermahnung, die einen jeden billig bewegen sollte,·gegen die Gefallenen nicht allzustrenge und geschwinde zu fahren. St. Augustin sagt: ,,es ist keine Sünde, die einer thut, die ein Anderer nicht auch thun kann. Wir wandeln in diesem Leben auf einein schlüpfrigen und glatten Wege; wollen wir stolz sein und uns zu viel erheben, ist es bald versehen, daß wir straucheln und fallen«- Jener, von deiii in dem ,,Leben der Altväter« geschrieben steht, hat, da vor ihn gebracht ward, wie seiner Brüder einer in Hurerei gefallen sei, fein und wohl geantwortet: ,,er ist gestern gefallen, ich kann heute auch fallen« (Luther.) f) Von welcher Last der Apostel hier spreche, darüber streiten die Ausleger, indem die einen an die Unvollkommenheiten und Schwächen denken, welche uns selbst drücken oder Andern an uns zur Last fallen, andere an die Schulden, die das Gewissen beunruhigen, und wiederum andere an Kreuz und Leiden im Allge- meinen: möchte man doch hier, wie an so vielen andern Stellen anerkennen, daß das vieldeutige Wort der Schrist sich nicht imnier in irgend einen beschränk- ten Begriff einzwängen läßt, sondern oft alles Gleich- artige umfaßt! (Windischmann.) Sieht man blos auf den Zusammenhang mit dem Vorhergehendem so scheint sich die Forderung lediglich auf das Verhalten gegen den Sünder zu beziehen; da aber der Apostel hinzu- fügt: »so» werdet· ihr das Gesetz Christi erfüllen«, so muß er sie in einem so umfassenden Sinne meinen, daß sie mit dem, was er das Gesetz Christi nennt, gleichen Umfanges ist. Er erweitert sie also zu der Ermahnung, an allein, was den Nächsten belasten mag, sich wirksam zu betheiligenx wenn es also sich um Uebel handelt, soll man nicht blos mitfühlend, son- dern hilfreich an seiner Last sich betheiligen, und wenn es sich um Sünden handelt, soll inan des Sünders sich annehmen, uiii ihm zurecht zu helfen. Das nun ist mit dem obigen Gebot (Kap. S, 13): ,,durch die Liebe diene einer dem andern« weseiitlich Eins, wird aber jetzt als Erfüllung, und zwar dem im Grundtext stehenden Ausdruck gemäß als die volle Erfüllung des Gesetzes Christi bezeichnet, um den zur Selbst: 287 436 Galater 6, 6—10. untergebung unter das Gesetz Mosis geneigten Ga- latern ihre wirkliche Pflicht, das zu thun, was Christus fordert (1. Cor. 9, 2«1; Col. L, 11), vorzuhalten. War oben (Kap. 5, 14) die Ermahnung, einander dienstlich äu! seilitikiu von de: niedre wselhl Hagen dtarf, ddaß Leider m ng einr ien arei. uner em ee e gegeiåeiebertrith tzzirleh tdiedThzesaihe b!egå·ündethworlc)ken, a ois im e oe ers ii tenie e ein eitli es Gesetz in den Christen erfüllt Jst; so wird hier die ·leichartige Forderung, daß jeder des andern Last u einer eigenen mache, dur die Erinnerung eingeschär?t, daß, sie erfüllen, das esetz Christi erfüllen heiße. ghlktiifmannhGslldtas mizsaisYe Ghesekrclerfisihes bei ern eine e ung, ie i m ri i er ei an i nicht gebührte: »unter» dem Gesetz« wollten fie zsein (Kap. ·4, 2l)«, und daruber ging das ,,in dem Gesetz Christi sein« (1. Cor. 9, 2·1) verloren. Wenn der Apostelmun sagt, daß damit, daß einer des andern steckt· tragtzlltiictk Geseitz Csthrzfti Cgzaidez tgolä gemlechtddeåt ig eru ere, oi er eane er,onejene gegenseitige Lastentraszgen s»ei·die Erfüllung des Ge- setzes Christi noch nicht vollig; durch» dasselbe trete eins wåssohnef slcisselbejz an izer völligen Erfüllung ie es e etzes e e. ( eher. Augustin vergleicht die Kirche mit einem Rudel Hirsche, die beim weide- suchenden Durchschwimmen eines Flusses ihre geweih- belasteten Häupter je einer·auf des andern Rücken ttvviczläei an der Sdpitze gchwäeiemtzentgechtsiweein er i einem an ern en a e e : o trctegeietsie Zliiijidial eizierlsdes aIiIdernsLast, und keiner er in wei er we e eitige nter tü ungstreb e"ne Fähre ihnen bereitet. Nur zu einemtzein igeii Stlück des christlichen Lebens bekennt sich die zhristenheit 3?’så"iiiZk’ch,,Is?2h?k-lik V2?Tk;;i?-.TT" UTPTNTEEZTZTZLXZST geschieht dies Eine, so geschieht alles, was Gott gefällt, denn in dieseni Einen feiert die Liebe, wodurch der Glaube thätig ist, ihren Haupttriumph über unsern alten Menschen. (Beser.) is) Das ist der eitlen Ehre Eigenschaft und Natur, da? siechßchlalänsdeäien veirgxleiclhckti dåe ihlrgu geriliåg un ni ei in au e er erg ei ung a - bald folgt erachtung des Schlechteren und Niedrigeren und die geschwollene Blase der Hoffarh ihrer Güte halben; denn»die eitle Ehre freut sich nicht so sehr darum, daß sie etwas hat oder nicht, als vielmehr, daß andere Leute nichts sind und ni·chts haben. Daher verbeut der Apostel, daß keiner die Ehre in einem Andern habe, sondern sein selbst Werk prüfex er soll angrer FfeutechThuä eicäidf Lassen åiyngetadelt lassen, sich an rer en en e ä te und erke entschlagen und nicht fragen, wie böse der Nachbar sei, sondern soll sehen, wie fromm Er sei. (Luther.) Wer von dem äußer- lichen, hochmüthigen Gebaren und von dem innerlichen eitlen Dünkel frei werden will, der übe treu und redlich das Selbstgerichy er vergleiche sich nicht mit Andern und suche seinen Ruhm nicht an Andern und im Vergleich mit Andern, sondern er vergleiche sich mit dem, was »er» selbst in seinen Verhältnissen sein soll, mit dem gottlichen Bild vor ihn: selbst, welches iolgmttseiiäes Bterufiän sustsxlgzistsixifvlorfhaätx weöches ern-di oe or un rii ei ie ne. annwir er, wenn je ein Ruhm vorhanden sein sollte, ihn nicht ge) dm slich fiåidefiydaiech nitchtftsto aiåsspreclgenö daE - n ere ierau ge or er , en ru e un zu ei un Faß Jene-flammt werden setze; IV, soåidernVier wird en umnur aniui e en un " niit sich selbst: das wird »dann kcxinem Andgn niß geben. Wahrscheinlich aber wird es mit dem Ruhm uberhaupt nicht viel werden: das Selbstgericht wird zäir hSelbstI d. i. zur Süngenerkeniåtniß führen; eswir imgeen, wieesin .5 ·t," d wird seine Last tragen, er wird seinehLtcist, vollkommenheih seinen bösen Hang, sein Verderben finden, er wird es tragen als Last und in »Buße und Weh beweinen, daß er nicht-ist, wie er konnte, ge- schweige wie er sollte. (Lohe.) 6. Der aber [um hier auf einen andern, jedoch mit der Ermahnung in V. 2 in Verwandt- schuf; stehtengen Påiåikt IiberzUgeheUJFiIterBiJchtet wir mi em or [von der nade ottes in Christo und von dem Wege zur Seligkeit 1. Thess 1, S; Yhil 1, 14; Apostgesch 6, 4·; s« ·14y Jaks l! 2111 der thclle mIt allerlei Gutes [»von dem, das er im Leiblichen besItztJ dem, der ihn unterrichtet lfeinem Lehrer 1. Cor. 9, Hxff.; 2. Cor. 11, 7 ff.; PhiL 4, 10 ff.; l. Tim. P, 17 f.].· »Paulus hatte in V. 2 die Leser ermahnt, »daß Einer die Lasten des Andern trage in christlichcr Liebe; und»die Lasten des Andern, welche von allein, was ihn drüFkt, gesagt sind, waren zunachst namentlich auf die Sundenlast des Andern» bezogen. Jetzt ermahnt er fseine Leser, insonderheit ihren Lehrern Zeiss;sxsspgkstxxsisgxks »Mir-seis- rs e , e e eine ecie der dort erwähnten Lasten sind, abzunehmen. (Wieseler.) Paulus eilt sichtbar zum Schlusse, und »du kann er es nicht unterlassen, den Galatern noch dieses Gebot an das Herz zu legen, da er in Erfahrung·gebracht·hatte, daß die, welche dort am Worte arbeiteten, vielfach Mangel litten. (Neb»e.) Jch halte furwahr, daß die ksjemeiiävesncken Gclillatieik åjoiginthf ilisixs aiåderäiiko uni einer ra e wi en ur ie a en po e ver- führt worden seien, denn daß sie ihre rechten Lehrer sochvteriichtlig glehaltezi habeliln werdunfermdHcjErråGett ni einen e er e en wi , von em er o a er ei Gutes und das ewgige Leben hat, dem geschieht recht, daß er dem Teufel dafür Gulden gebe, von dem er Pschh alzes Unglück und den Tod gewarten muß. u er. · 7. Irr-et euch nicht« Gott läßt sich nicht spottet! llasset euch sznicht von der»Thor- heit und Selbstvermessenheit eures· naturlichen Herzens einreden, als ließe Gott sich gleichsam bcejitiaårümkrzfeikö daß Jan, seines Gebotssigcht a en , ru ig nne un, wa einem e er beliebt, und vor seiner strafenden Vergeltung sich weiter nichtzu fürchten brauche; er hat vielmehr das menschliche Thun unter das Gesetz einer ihm genau entsprechenden Vergeltung gestellt]. Denn was der Mensch saet, das wird er ernten [Spr. 22, 8; Hof. s, 7; Cor. 9-, 6]. » » h· 8.d lNukn handelt fes gch beigegy wofår ich ier en e en au ge ro enen a im inne Leibes zignächist um die eehlknschem zeiglichen Güter; ie er en enn ein immer o er ein gu er Same je nach dem Zweck, für den man sie ver- wendet, oder, um bei dem vorhin gebrauchten Bilde zu bleiben, je nach dem Acker, auf den man den Samen ausstreut, und da legt sich der obige Satz in diese beiden auseinander:] Wer Was der Mensch säet, das wird er ernten. 437 auf fein Fleisch säet, der wird »von dem sselber dem Verderben unterliegenden] Fleisch il· Eos— 15s 501 das Verderben ernten [2. Petri 2, 12; Phil 3, ,19]; wer aber auf den Geist snicht auf seinen eigenen, sondern auf den heil. Geist] säet, der wird von dem Geist swelchem er seine Saat anvertrauet hat] das ewi e Leben ernten [Röm. 8, 13]. as wollen diese Worte: ,,Jrret euch nicht, Gott läßt sich nicht spotten?« Sie stehen unmittelbar nach den Worten, welche zur Mildthätigkeit gegen die Diener des Wortes erwähnen; es ist also, wie wenn der Apostel, der übrigens, wie bekannt, selbst gar keinen Sold nahm, sondern vom Ertrag seiner, oft nächtlichen Händearbeit lebte, auf den Zügen der Galater, denen sein Brief gelesen werden sollte, einen Spott voraus- gesehen hätte, wie wenn er geahnt hätte, als würden die Galater die Ermahnung zur Mildthätigkeit gegen die Diener des Worts übel ausdeuten. Dagegen er- greift ihn denn großer Ernst und seine Feder schreibt die scharfen Worte vom Selbstbetrug derer, welche glauben, die Lehrer, die Glaubens-genossen, die Armen vergessen und doch Christen sein zu können: nein, nein! der HErr verlangt von den Seinen Gehorsam, Ungehorsam aber gegen sein Gebot, speziell gegen das der gebotenen Niildthätigkeit gegen die Diener am Wort und die Glaubensgenossen, ist Gottesspott, Spott gegen Den, der sich nicht läßt spotten. (Löhe.) Der bethörte Mensch will sich gern einbilden, daß es mit Gottes Ernst, seinen Drohungen und Gerichten nicht « Gottes wird direkter« so genau genommen werde. Weise gespottet mit Lästerung, indirekter Weise, wenn man frech seine Gebote nicht beachtet: das letztere kommt oft vor. Da giebt nun der Apostel zu be- denken, daß Zukunft und Gegenwart im strengsten Zusammenhange stehen; der zukünftige Zustand wird nicht blos in chronologischer Ordnung auf das gegen- wärtige Leben folgen, sondern das eigenste Produkt desselben sein, beides wird in so realem Nexus stehen, wie Aussaat und Ernte. (Heubner.) Man spottet Gottes, wenn man auf eine verzweifelte Weise denkt, er werde zuletzt schwarz für weiß halten, er werde den, der Unkraut gesäet hat, Weizen ernten lassen, werde die Sünde, welcher man den Namen einer Tugend gegeben, belohnen. Von solchen Grundsätzem die freilich, wenn man sie auf dem Papiere liest, wider die ersten Gründe der menschlichen Erkenntnis; an- stoßen, wird gleichwohl die ganze Weltregiert. (Roos.) Von der genauen Correspondenz, »in welcher die Ver- geltung von Seiten Gottes beim Gericht mit dem sitt- lichen Thun des Menschen im zeitlichen Leben steht, ist ein auch bei weltlichen Schriftstellern (z. B. bei Die. de Dritt. 2, 65:.ut sementem fee-Iris, its. metes) gangbares Bild die wesentliche, nach einem Naturgesetz sich vollziehende und daher keiner Veränderung unter- worfene Uebereinstimmung zwifchen der zu erntenden Frucht und dem gesäeten Samen. Jst hiernach die Vergeltung, die unser Thun findet, ganz und gar nicht etwas Zufälliges, ist sie vielmehr nur das, was sie durch die Saat werden mußte, so ist uns damit in die Hand gegeben, unsre Ernte zu bestimmen, so gewiß die Saat von uns abhängt; wollen wir also eine Fruchh die uns gefällt, so müssen wir die Saat dar- nach einrichten, nimmermehrwird es gelingen, eine andere Ernte zu erzwingen, als eine solche, wie sie durch die Saat bedingt ist. (Schmoller.) Damit nun die Leser bedenken, welche ernste Sache es um die Verwendung dessen sei, was man besitzt, Verändert der Apostel l den Satz, daß jeder ernten wird, was er jetzt säet, in V. 8 in den» andern, daß jeder von daher ernten wird, wohin er jetzt säet. (v. HofmannJ Wie insgemein des Menschen zukünftiges Ergehen in der Ewigkeit seinem gegenwärtigen Verhalten in der Zeit entsprechen wird, gleichwie der Aussaat die Ernte entspricht (denn von ausgesäetem Weizen erntet man Weizen und von ausgesäeteni Unkraut erntet man Unkraut, so wird insonderheit die ewige Ernte von der usfaat des zeitlichen Guts sich richten nach dem Saatfelde, wohin man es gesäet hat: woraus der Mensch säet, von daher wird er ernten. ,,Säen« heißt hier dem Zu- sammenhange nach hingeben oder verwenden; aller- dings nun kann man auch geistliche Gaben auf sein Fleisch säen, und die Ehrgeizigen sind solche Säeleute, am nächsten aber liegt die Beziehung auf das zeitliche Gut (vgl. L. Cor. I, 9). Auf sein Fleisch säet der, der sein zeitlich Gut auf die Ersättigung seiner sleisch- lichen Begierden verwendet, mit dem Mammon sich keinen Andern zum Freunde macht als sich selbst in seinem erlustigten alten Adam (Luk.12, 19): der wird, heißt es von solchem Besteller des Fleischesackers von dem Fleisch ernten, nämlich Verderben oder Fäulniß — es wird alles verfaulen, wie die Saat unter der Erde, was jemand auf’s Fleisch säet; aber ohne Ertrag an Frucht, die aufginge und hinüber- wüchse zur herrlichen Ernte der Ewigkeit. Wer aber auf den Geist säet (nicht auf seinen eigenen, sondern auf den Geist Christi in ihm), und das thut, wer sein zeitlich Gut auf die Zwecke des heil. Geistes ver- wendet, die Lehrer des Evangelii nährt, den armen Glaubensgenossen und jedem Bedürftigen nach Ver- mögen wohlthut (V. 10), der wird von dem Geist ernten, nämlich ewiges Leben; es wird der Geist, der das Leben ist, den todten Stoff des ihm zu Dienst begebenen zeitlichen Guts ergreifen und zum Ertrage ewigen Lebens fruchtbar machen (I. Tim. 6, 17 sf.). Nicht für sich verdient ewiges Leben, wer den Geistes- acker mit seinen vergänglichen Gütern bestellt; aber er fördert ewiges Leben bei sich und Andern zu unaus- hörlicher Erntefreude, denn aus dem Nähren der Prediger dessEvangelii erwächst ja der evangelischen Predigt Förderung, und wenn diese Predigt sich aus- breitet und erhalten wird auf Erden, so wird das Feld des Geistes weiß zur Ernte von Leben und Seligkeit. " (Besser.) 9. Lasset uns aber sum hier die Er- mahnung in V· 6 wieder auszunehmen, sie jedoch mit Beziehung auf das in V. 7 u. 8 Gesagte theils zu— verallgemeinern, theils noch eindring- licher zu machen] Gutes thun sin Erweisungen der dienenden, helfenden Liebe Kap. 5, 13] und snun darin] nicht mude werden sso vieles auch in dieser jetzigen Zeit dazu mag angethan sein, uns müde zu machen Z. Thess 3, 13]; denn zu feiner szu der von Gott dafür bestimmten] Zeit snämlich am jüngsten Tage und in der dann folgenden Ewigkeit Matth. 13, so; 1. Tim. S, ins] werdenwir auch ernten ohne Auf: hvrenV [e1gentl1ch: ohne Ermüdung] 10. Als wir denn nun Zeit soder Frist dazu] haben sdenn allerdings kommt einmal auch die Nacht, da niemand wirken kann Joh. g, 4], so lasset uns Gutes thun an jeder- Mann« san allen ohne Ausnahme, Juden und 438 Galater S, 11—15. Heiden, Freunden und Feinden, Dankbaren und Undankbaren, Nachbarn und Fremden 2. Petri 1, 7; 1.Thefs.3,12], allermeist aber [1,Tim. s, 8] an des Glaubens Genossen [wörtlich: an den Hausgenossen des Glaubens, d. i. an den christlichen Brüdern, unsern Mtchristens i) Weil er nun am Ende ist und die Epistel be- schließen will, vermahnt Paulus insgemein von allerlei guten Werken, so die Christen thun sollen, als wollte er sagen: Lasset uns nicht allein gegen die Prediger, sondern auch gegen alle Andern milde und wohlthätig sein, und deß nicht müde noch überdrüssig werden; denn es wird nicht der selig werden, der a anhebt, sondern der da verharren wird. Denn das ist eine schlechte Sache, daß einer ein Mal oder zwei sich an- greift und etwas Gutes thut; daß man aber mit Gutthun immer fortfahre und sich die große Undank- barkeit und Bosheit derer, denen man wohlthut, nicht müde machen oder abschrecken lasse, das ist schwer und kommt sauer an. (Luther.) Die beiden Hauptursachem warum sich der Mensch vom Wirken des Guten und vom geistlichen Leben hinweg wendet, sind träges und feiges Erschlaffen in der Arbeit und genußsüchtige Ungeduld, die hier schon befriedigt sein will und die ewigen Güter geringschätzt; Ruhe und Lohn werden aber nur zu der von Gott bestimmten Zeit und nach treuem Ausharren zu Theil. (Wiudischmann.) Das ,,ohne Aufhören« am Schluß des Verses steht zu dem ,,nicht müde werden« im Gegensatze, wie das ,,ernten« zu dem »Gutes thun«; es kommt dem Apostel alles darauf. an, daß er das ,,lasset uns nicht müde werden« im Thun des Guten recht einschärfe, und wie sehr dient dazu dieser Hinweis auf die Ernte in dem Him- nJieelß die wohl einen Anfang nimmt, aber kein Ende! is e e.) is) Die Erwähnung der Zeit der Ernte mahnt an- die Benutzung der Zeit der Aussaat (Schmoller.) Die Thatsache, daß wir in der Gegenwart geeignete Zeit wirklich haben, das zu thun, was wir thun sollen, bildet die Grundlage, auf welcher die Ermahnung er- geht, es zu thun. Dies würde freilich einen wenig verfangenden Gedanken geben, wenn, wie die Aus- leger meist annehmen, die Meinung wäre, daß die jetzige Zeit des Säens mit Eintritt der Ernte ein Ende hat; aber es handelt sich ja nicht um gottge- fälliges Verhalten überhaupt und fchlechthin, durch die Verbindung mit ,,an« bekommt ess vielmehr eine Näherbestimmung die nämlich, daß lediglich an das auf Andere gerichtete Gutesthun zu denken ist. Jst nun aber dies gemeint, von dem dann auch gesagt wird, daß man es zu allermeist den Angehörigen des Glaubens schulde, so begreift sich zugleich, daß dessen Zeit noch vor Eintritt der Ernte ein Ende haben könne: wie für den HErrn die Zeit seines wohlthätigen Wirkens ein Ende hatte, als sein Leiden begann, so wird für die Christen eine Stunde der Anfechtung kommen, in welcher sie nur das Uebel bestehen, nicht aber einer dem andern Gutes zuwenden können; darum gilt es, die jetzt gegebene Zeit wohl zu nützen und nutzbringend zu machen (Co"l. 4, 5; Ephes.5,16). Daß sie aufhören und daß eine Zeit des Erntens kommen wird, b eides dient, jedes in seiner Weise, zur Begründung der Ermahnung, daß einer dem andern, was er befitzt und zur Verfügung hat, zugute kommen lasse. (v. Hofmann.) Der Apostel streckt hier feine Lehre in die Breite, welche nicht weniger schwer als die Länge in V. 9 (,,nicht müde werden«): lasset uns Gutes thun, spricht er, an jedermann ohne alles Ansehen der Person. Da siehest du, wie eine große Weite sei der christlichen Gutwilligkeih denn sie muß rund sein, d. i. vollkommen, wie Christus sagt (Matth. 5, 43 ff.). Doch setzt Paulus vor, die des Glaubens Genossen sind, darunter vornehmlich die Prediger und darnach alle andern Gläubigen gehören. (Luther.) Denen sind wir stärker verbunden, die mit uns denselben Glauben, Einen HErrn, Eine Taufe haben (Ephes. 4, 4 sf.); die Zugehörigkeit zu dem Glauben, den wir bekennen, begründet einen beson- deren Anspruch auf die Erweisung unsrer Liebe. (Sommer.) Da der beschränkte Mensch sich genöthigt sieht, selbst in der thatsächlichen Liebeserweisung sich Schranken zu sehen, weil seine Mittel nicht ausreichen, allen zu helfen, so weist auch der Apostel zunächst auf die Genossen des Glaubens hin (und nimmt vielleicht schon Bezug auf die Eollekte, die er im Sinne hatte 1. Cor. 16, 1): es liegt darin keine Befchränkung der Liebe selbst, sondern nur eine Einschränkung ihrer Ausübung wegen unzureichender Mittel. (Olshausen.) Hat jeder Niensch an uns Rechtsansprüchh weil er mit uns den Odem des Lebens von einem und dem- selben Gott und Schöpfer hat, so hat der noch viel mehr Recht an unsere fürsorgende Liebe, welcher mit uns außer diesem Odem des Lebens auch noch den Geist aus Gott empfangen hat. (Nebe.) III« V. 1l—t6. Der Apostel, dem das Schrelben schwer sie! nnd der deshalb seine Gpisteln durch einen Schreibe- beistand auszeichnen ließ, so daß er nur das ilöthigste selber hinzufirgte (2. Ghess 3, 17 f.; 1. Gar. Its, 2l), hatte in besonderer thingebung an die geistliche Noth der Galater diesen Brief ganz eigenhändig geschrieben; indem er nun hier auf das Opfer an Zeit und Mühe, das er damit ihnen gebracht, sie aufmerksam wann, um ihre tljerzen wieder fiir sich und sein Evangelium zu ge- winnen, stellt er in Gegensatz dazu die fteischliche Ge- schäftigtieih womit die Jrrlehrer sich um ihren Anhang beniiihetu charaliterisirl ihr Treiben als ein ans gar unlautereu Motiven heroorgegangeneky bei dem sie es gar niehl auf das Seelenhcil der Galater, sondern nur auf die Interessen der jüdischen Proselhlenmaeljerei abgesehen haben, heilt dem das Kreuz Christi entgegen, das der Gegenstand seines Ruhmes und die Kraft seines Lebens ist, und spricht nun den Segen über die, welche die Richtschuur des rechten christlichen Glaubens ein- halten werden, nanientlicts da auch über den Israel Gottes, die aus den Juden Gliiubiggewordenen 11. Sehn, mit wie vielen Worten [richtiger: mit wie· großen Buchstaben] hab Ich euch sdiesen Brief] geschrieben mit eigener Hand swährend ich sonst meine Episteln einem Gehilfen in die Feder dictire und nur am Schluß einige wenige Worte eigenhändig hinzufüge, s. Anm. zu Röm. 16, 23 u. 24; aber für euch habe ich mich der Mühe, die das Schreiben mir macht und die nun auch in den großen, unförmlichen Buchstaben zu Tage tritt, für längere Zeit unterzogen]. Das ,,sehet«, womit der Apostel diesen Abschnitt beginnt, weist auf die Betrachtung von etwas Außer- ordentlichem hin (1. Joh. 3, l); es fragt sich nun aber, was das Besondere, Außerordentliche bei der Schreibung dieser Epistel sei, woraus die Galater Pauli besondere Liebe zu ihnen erkennen sollen. Luther spricht sich darüber folgendermaßen aus: »Der Apostel will sagen: ich habe zu keiner Gemeinde je so eine lange Epiftelmitmeiner eigenen Hand geschrieben; denn die andern Epifteln hat er einem Andern in die Lasset uns Gutes thun an jedermann, allermeist aber an des Glaubens Genossen! 439 Feder dictirt, allein den Gruß und Unterschrift mit eigener Hand geschrieben, wie man im Beschluß seiner Episteln sehen mag« Es läßt sich jedoch bezweifeln, ob die Wortbedeutun der von Paulus gebrauchten Ausdrücke diejenige ebersetzung gestatte, die unsere deutsche Bibel darbietet; wählen wir dafür die oben in Parenthese beigefügte, so ist es nicht die Länge der Epistel an und für sich, auf welche der Apostel in Betreff des eigenhändigen Schreibens Gewicht legt, wie ja auch ihr Umfang im Vergleich mit den Episteln an die Römer und Corinther keineswegs sehr bedeu- tend ist und höchstens im Vergleich mit der an Phile- mon (V. II) hervorragt, sondern die Länge für seine Schreibfertigkeih wie sie in der Unförmlichkeit der Buchstaben als eine sehr geringe sich zu erkennen gab, und vielleicht gehört die Mühe, die er in Folge jenes Mangels sich hat machen müssen, um eigenhändig einen längeren Brief zu Stande zu bringen, mit zu dem, was er in V. 17 bei den Worten im Sinne hat: ,,hinfort mache mir niemand weiter Mühe« Jn Kap. 4,20 rief er den Galatern zu: ,,ich wollte, daß ich jetzt bei euch wäre und meine Stimme wandeln könnte«; er hat das, was der Eindringlichkeitseiner Rede damit, daß er nicht konnte, was er so sehr wünschte, abging, durch eigenhändiges Schreiben zu ersetzen gesucht, dadurch aber nicht geringe Beschwerniß sich auferlegt und bei der gerade in Ephesus so schwer auf ihm liegenden Arbeitslast (Apostg. 20,18 sf.; 31,34) ein großes Opfer ihnen gebracht, das sollen sie denn wissen und sollen es würdigen, damit es nicht vergeb- liche Mühe und verlorene Zeit sei. Es ist nicht unrecht, bemerkt hierbei Spener, so Prediger gegen ihre Zu- hörer, wenn derselben Liebe und Vertrauen zu wanken anfängt, ihrer Sorgfalt und Mühe für sie Meldung thun. 12. Die sich sbei jüdischen Gesetzeseifererm deren Feindschaft sie fürchten] wollen angenehm machen nach dem Fleisch sdurch etwas, was dem sleischlichen Sinne derselben entspricht] die zwingen euch zu beschneiden [suchen, wie sie euch die Be- schneidung möchten aufnöthigen], allein [in der selbstsüchtigen Absicht das thuend], daß sie nicht swie ihnen allerdings widerfahren würde, wenn sie bei der rechten christlichen Heilspredigt blieben, die jenen Eiferern ein Aergerniß ist Kap. b, 11; 1. Eor. I, 23] mit dem KreuzChristi versolget werden. 13. [U1n das Gesetz selber und dessen Befolgung ist es ihnen dagegen mit ihrem Dringen auf die Be- schneidung nicht zu thun.] Denn auch sie selbst, die sich beschneiden lassen sder im Grundtext ge- brauchte Ausdruck soll wohl bedeuten: die Be- schneidungsmenschen Kap. 5, 3., d. i. diese Leute, die aus die Beschneidung bei sich und Andern so versessen sind, daß ihr ganzes Sinnen und Denken sich darum drehet], halten das Gesetz nicht [Matth. 23, 3 f.]; sondern sie wollen [den jüdischen Proselytenmachern gleich Matth. 23, 1F)], daß ihr euch beschneiden lasset, auf daß swenn ihr das nun gethan] sie sich von eurem Fleisch san welchem jetzt die Bekehrung drdentlich zu Tage getreten sei Ephes 2, 11] tuhmen mögen sals solche, die etwas Großes zuwege gebracht]. Nicht eine aufrichtige, wenn auch irrige Ueberzeu- gung von der Nothwendigkeit der Gesetzesbeobachtung · leitet jene, die euch zur Beschneidung zwingen wollen, sagt Paulus; denn sie selbst erfüllen das Gesetz nicht und legen dadurch das Unwahre ihres Eifers an den Tag. Das Motiv, das sie treibt, ist vielmehr theils Menfchenfurcht, weil sie den Verstoßungen entgehen wollen, denen die treuen Bekenner des Kreuzes Christi durch die Juden ausgesetzt sind, theils Menschen- ruhm, indem sie sich mit der Gewalt brüsten, die sie über euch haben. (Windischmann.) Das Kreuz Christi brachte denen, welche es dem Judenstoxs unanstößig zu machen wußten durZ ihre Predigt der eschueidung, von den Juden keine erfolgung ein; denn man ver- zieh ihnen gern ihre ,,messianischen Ansichten,« wenn sie nur vor dem goldenen Bilde der jüdischen Natio- nalität niederknieeten und durch ihren Messiaseifer das Judenvolk oder, wie man sagte, das ,,Volk Gottes« durch Zuwachs aus den Heiden verinehrtem Dieser Text eignet sich den Jrdischgesinnten zu, die doch das Wort vom Himmelreich im Munde führen, denen, die Menschentage begehren und doch Christo, dem HErrn, W dienen vorgeben: jedesmal das Stück der göttlichen ahrheit, wogegen der Zeitgeist oder die öffentliche Meinung am heftigsten wüthet, verschweigen und ver- leugnen diese feigen Weichlinge und um den Preis, unverfolgt gelassen zu werden, räuchern sie den moder- nen Götzen, närrisch froh ihres Ruhms vor der Welt, die sie höchst christliche und doch mit der Zeit fortge- schrittene Männer nennt. (Besser.) Es hat zu jeder Zeit seine Punkte, worin die Welt will, daß man ihr nachgeben soll, wofür sie dann hernach das Uebrige unangefochten lassen wolle; wer sich aber nicht in diese unlautere Vermischung einläßt, der muß nicht nur Ver- folgung leiden, sondern auch den Vorwurf tragen, er sei selbst schuld, er leide nur um seines Eigensinnes willen. (Rieger·) Der zweite Tadel bezieht sich auf die Heuchelei dieser Menschen: es liegt ihnen nicht wirklich daran, die Gesetzesbeobachtung aufrecht zu halten; sie wollen nur prunken mit recht vielen Prose- lyten. Jn den Worten: »auf daß sie sich von eurem Fleisch rühmen mögen« liegt eine bittere Ironie; statt die Seelen der Menschen zu suchen, rühmen sich diese Buchstäbler des Fleisch es derer, die sie beredet haben, sich beschneiden zu lassen. (Olshausen.) Es ist eine Eigenschaft falscher Lehrer und Religionseiferey denen es nur um das Aeußerliche zu thun ist, jemand zur Religion zu bringen, er möge sich hernach verhalten, wie er wolle. (Starke.) 14. Es sei aber sim Gegensatz zu solchen, dem Ruhm bei Menschen nachhaschenden Leuten] setne von mir rühmen svon irgend etwas her meinen Ruhm suchen], denn allein von dem Kreuz unsers HErrn Jesu Christi sPhit. Z, 3 ff.; Z. Cor h, 15 f.; 10, 17]; durch welchen mir [kraft dieses seines Kreuzes, an dem er für uns gelitten hat] die Welt gekrenziget ist, und ich der Weils [so daß sie für mich todt ist und ich für sie, daher weder das Böse, das sie mir anthut, mich schreckt, noch der Vortheil, den sie mir bietet, mich lockt, ich weder ihren Haß fiirchte, noch ihren Beifall begehre Kap. 2, 19s.; Col. Z, 20]. 15. [Dazu, daß mir die Welt gekreuziget ist und ich der Welt, gehört nun auch der« Grund- satz, den ich im Gegensatz zu jenen Beschneidungs- leuten V. 13 befolge: 1. Cor. 7, 17 f.] Denn in Christo Jesu gilt weder Beschneidung »bestehe. 440 Galater 6, 16——18. noch Borhaut etwas, sondern eine neue Creatuu les kommt in der neuen Verfassung, die durch ihn hergestellt ist, nicht darauf an, ob einer beschnitten oder unbeschnitten sei, sondern allein darauf, daß er zu dem neuen Leben, wel- ches nun erschienen ist, sich erwecken und immer besser ausgestalten lasse Kap. 5, S; 1. Cor. 7, 19; Col. Z, 10 s.; Z. Cor. 5, 17]. 16. Und wie viel [denn unter euch] nach dieser Regel [nach der Richtschnur dieser so eben ausgesprochenen Wahrheit] einher gehen [so daß sie entweder überhaupt nicht davon abgewichen sind oder doch, wenn sie etwa von den Jrrlehrern auf salsche Wege sich haben verlocken lassen Kap· 4, 21; 5, 2 ff., durch meine Vorhaltungen aus den rechten Heilsweg sich wieder zurückbringen lassen und künftig auf demselben beharren], über die sei skomme von oben hernieder] Friede [in der Gegenwart] und Barmherzigkeit [am Tage des Gerichts, vgl. 1. Tim. 1, 2; 2. Tim. 1, 2z 2. Joh. Z; Judä 2], und [sei beides namentlich auch] uber den Israel Gottes «« sder Israel nicht blos dem Fleische nach ist 1. Cor. 10, 18., son- dern in den Uebergebliebenen nach der Wahl der Gnaden besteht Röm. 9, 6 ff.; 11, H; vgl. Pf. 125, Z; 128, 6]. «) Dem sündhaften Sichrühmen der Jrrlehrer, denen das Kreuz Christi mehr oder weniger ein Aergerniß ist und die um desselben willen keine Ver- folgung leiden mögen, stellt Paulus sein eigenes Sichrühmen entgegen, dessen Gegenstand eben dieses Kreuz ist; da nun hat man die Thatsache des Kreuzestodes Christi, nicht, wie einzelne Ausleger wollen, die Predigt dieser Thatsache (1. Cor. 1, 23; 2, 2), als Gegenstand seines Sichrühmens zu betrachten. Der Apostel will, im Gegensatz zu jenen Judaisten, sich überhaupt nicht rühmen, weder mit dem, was er ist, noch mit dem, was er hat und thut, also auch nicht mit seinem amtlichen Wirken, sondern allein mit dem Kreuze des HErrn Christi; auch für sein amt- liches Wirken empfängt er ja seine Kraft aus dem Kreuze Christi (2. Cor. 5, 14sf.), und was er darin Herrliches leistet, verdankt er der Gnade Christi (1. Cor. 15,1»0). Dasselbe Kreu , so will er hier sagen, welches jene Leute aus illienschenfurcht und jüdischer Werkheiligkeit sich möglichst fern halten, ist umgekehrt für mich der alleinige Gegenstand meines Michrühmens. Und nun fährt er fort, mit dem Satze: »durch welchen mir die Welt gekreuziget ist und ich der Welt« von sich zu bezeugen, daß einerseits die Welt die Macht der Einwirkung auf ihn verloren habe, und andrerseits seine Empfänglichkeit für ihre Einwirkungen vernichtet sei, daß der früher bestandene wechselseitige Lebenszusammenhang zwischen seinem sleischlichen Jch und der sündigen Welt nicht mehr (Wieseler.) · Er) Dem Anathema über die Jrrlehrer am Anfang dieses Vriess (Kap. I, 8f.) steht dieser Segenswunsch über die Rechtgläubigen am Ende gegenüber. Der Friede Gottes ist der Erguß der Barmherzigkeit, des- halb pflegt Paulus sonst in feinen Segenswünschen die Barmherzigkeit, wie die Gnade, vor den Frieden zu sehen, hier aber ruft er erst Frieden herab über die, welche Theil haben an dem Spruche in Röm. 5, 1., um dann zu diesem gegenwärtigen Christen- heil, welches der Friedenswunsch zum Inhalte hat, das zukünftige in dem Barmherzigkeitswunsche hin- zuzufügen, der hier vorwiegend so gemeint ist, wie jener in 2. Tim. 1, 18 dem Onesiphorus und seinem Hause zugesprochene. (Besser.) Die Einschränkung des Wunsches auf die, welche nach der rechten Christen- regel einhergehen, ist natürlich nicht als neidifche Aus- schließung der Andern zu denken, der liebevolle Apostel möchte gern die ganze Welt segnenx wohl aber sind die Andern ihrer inneren Stellung nach unfähig, den Segen aufzunehmen (Matth. 12, 13; Joh. 17, 9), sie werden vielmehr, namentlich was die Jrrlehrer selber betrifft (Kap. 5, 10), ihr Urtheil tragen. (Olshausen.) Mit den Worten: »und über den Jsrael Gottes« er- klärt Paulus ausdrücklich und nachdrücklich, und eben des- halb nachtragsweise, daß er die gläubigen Jsraeliten als das Israel Gottes unter die mitbegreife, über welche er Friede und Barmherzigkeit herabwünscht; er fügt aber diesen Nachtrag, und gerade in dieser Form hinzu, damit man nicht sage, er wolle Israel nicht das Volk Gottes bleiben lassen und sei unnatür- licher Weise seines Volkes Feind, wogegen wir ihn auch sonst sich verwahren sehen (Röm. 9, 1 ff.) und wogegen sich zu verwahren hier ganz besonders An- laß für ihn gegeben war. Ja, die gläubigen Jsraeliten haben in seinen Augen nicht aufgehört, Israel zu fein, sind ihm nicht in die Völkerwelt verschwunden, indem sie Christen wurden, und es liegt ihm ebenso ferne, die Beschnittenheih als die Unbeschnittenheit, mit dem Christenthum unverträglich zu achten: dies zu bezeugen dient jener nachträgliche Zusatz überhaupt, insonderheit aber dadurch, daß er recht im Unterschied gegen den Sah, an den er sich anschließt, nicht blos von einzelnen Jsraeliten, sondern von einem ein- heitlich en Israel sagt. (v. Hofmannh E· In dein, die beiden lehren Verse der Gpistcl um— fassenden Schluß wendet der Apostel sich an die Irrlehrer mit der Aufforderung, ihm, dem mit Christi Signalcncent in den Strienien und starben, die er an feinem fceibe trägt, versehenen Apostel, nicht fernerhin solche Mühe zu bereiten, wie sie mit ihrer Verwirrung der Galater gethan haben, und läßt dann den abschließenden Segengmunsaj nicht ohne ein durch die Ungewiihntikhlieit seiner Stellung doppelt freundliches ,,lieben Brüder«, welches nun an sein letztes Wort antilingen und alle schmerzliehe Enipsindung, die ihnen etwa von den herben Jleußerungen seines Un— willens zurückbleiben könne, vielmehr in herzliche Hin— neigung zu ihn( umwandeln soll. 17. Hinfort mache mir niemand weiter Mühe sBeschwernisse und Plackereien von der Art, wie ihr dort in Galatien, ihr Jrrlehrer, mit euren Umtrieben gegen mein apostolisches Ansehen und apostolisches Wirken sie mir bereitet und euch dabei geberdet habt, als könne von mir das Rechte nicht kommen, sondern das müßtet ihr meinen Gemeinden erst bringen]; denn ich trage [in den Narben und Spuren der erlittenen Miß- handlungen 2. Cor. 4, 10; 11, 24 f.] die Maul: zeichen des HErrn Jesu an meinem Leibes« [die als einen von ihm anerkannten und beglaubigten Diener mich kennzeichnen, und da braucht ihr nicht als vermeintliche Nachhelfer in ein Arbeitsgebiet euch einzudrängen, das er mir befohlen hat und nicht euch 2. Cor. 10, 15 f·]. Schluß der Epistel und Schlußbemerkungen zu derselben. 441 18. Die Gnade unsers HErrn Jesu Christi sei mit eurem Geist [Pil. 4, 23; 2. Tim. 4,23; Philem. 25], lieben Brüder! Amen« - V) Auf den Segenswunsch für die Gläubigen folgt hier noch eine derbe Abfertigung für die frechen Wider- facherzPaulus zieht»sich da auf feine apostolische Auctorität und sein muhevolles Wirken im Dienste des HErrn in gerechtem Stolze zurück und verlangt, daß man seine nicht mit neuen Bürden belaste. (Olshaufen.) aal eichen sind die Maule, welche dem Sklaven als Zei en seines Gebieters, dem Sol- daten als Zeichen seines Kriegsherrm dein Verbrecher als Zeichen seines Vergehens und bei einigen Völkern des Orients, z. B. den Persern und Assyrern, auch dem Verehrer der Götter als Zeichen seines Gottes, meistens auf der Stirn oder Hand (Offenb. 7, Z; 13, 16), aber auch im Nacken oder sonst am Körper, in möglichst unvertilgbarer Weise eingeätzt oder einge- brannt wurden, gewöhnlich iii einigen Buchstaben oder aber in dem Namen des betr. Gebieters bestehend. Die Maalzeichen des HErrn Jesu sind daher die Jesum als Gebieter des Paulus kennzeichnenden Maalzeichem d. i. wie aus dem ,,an meinem Leibe« s er im Dienste des Evangelii davongetragen; sie waren « sein bestes Signalenient, daß er ein wirklicher Knecht Jesu sei. (Wieseler.) Vielleicht, daß der Apostel zu- leich auf eine uns nicht näher bekannte Heimsuchung FvgL Apostg. 20, 19) anspielt, die ihn gerade damals getroffen, als er schrieb. (Windischmann.) It) Daß des HErrn Jesu Gnade, die allvermögende Helferin, sei mit ihrem Geiste oder inwendigen Men- schen, dem Gefäße des heil. Geistes, und sie wiederbilde zu recht geistlichen Menschen durch den Glauben an das einige Evangelium, das wünscht zuletzt der Apostel denen, welchen er hat zurufen müssen (Kap. 3,3): ,,im Geiste habt ihr angefangen, im Fleisch wollt ihr’s vollenden«; und die Zuversicht, daß die Gnade des HErrn ihren geheiligten Geist sieghaft machen werde über ihr widerspenstiges Fleisch (5, 10), legt er hinein in das letzte, unter allen seinen Briefen nur diesen an die Galater beendigende Wort: ,,lieben Brüder!« Er hat gewonnen — doch nicht er, die Gnade unsers HErrn Jefu Christi, welche hier die Galater umfängt, hat gewonnen und den Sieg behalten, wenn sie sagen: ,,Amen, Brüder unsers Paulus im Hause des Jsraels Gottes, sind wir 1ind wollen wir bleiben — ihr falschen Brüder (2. Tor. 11, 26), fahret hin!« (Besser.) hervorgeht, die körperlichen Leiden und Wunden, welche Lin die Galater gesandt von Rom [sollte heißen: von Ephes us Apostg. 19, 12 Anm.]. Schlusibemerliungen zu der Episiel an die Galater. Es war im 16. Jahrhundert die Zeit gekommen, daß die germanischen Nationen mündig und ihres Pädagogen (Zuchtmeisters) ledig würden, der sie mit seiner Schultheologie und hierarchi- schen Disciplin das Mittelalter hindurch erzogen hatte (Kap. 4, 1 ff.): auch für sie war die Fülle der Zeiten erschienen, daß sie in Christo der Knechtschaft des neuen Gesetzes, zu welchem durch die römische Kirche das Christenthum geworden war, ledig würden und die Kindschaft empfingen; in dieser Zeit schrieb Luther die Schriften »von der Freiheit eines Christenmenfchen« und »von der babylonischen Gefangenschaft« — die Galaterbriefe des 16. Jahrhunderts. Der Galaterbrief des Paulus aber war die Fahne, die der Bewegung der Reformation voranzog; daher ihn Luther durch eine zwiefache Erklärung seiner Zeit vor Augen gestellt hat. (Grau.) Die Grundhäresie unsrer Zeit ist die Rechtfertigung durch die Beobachtung des natürlichen Sittengefetzes, welches ja nur der Schatten des Decaloges ist, dabei man denn den Glauben geradezu verleugnet oder doch sich gleich- gi·ltig gegen dessen Inhalt verhält: auch diese ist von der Kirche nur durch Paulus und seine in den Briefen an die Galater und an die Römer entwickelte Lehre zu überwinden. (Windischmann.) Was der Apostel für die Römer auf dem Herzen hat, ist eine Apologie seiner Lehre und seiner Wirk- samkeit; und da sie mündlich über dies alles noch nichts Authentisches vernommen hatten, gewinnt, uns zum Nutzen, die Auseinandersetzung beider Gegenstände eine systematische Vollständigkeit, wie sonst nirgends; den Galatern führt er dieselben Wahrheiten zu Gemüth, aber bei ihnen, da sie von ihm selbst unterrichtet waren, thut er’s mit einer Kürze und Gedrängtheit, welche, wenn nicht der Brief an die Römer zur Erläuterung diente, unauflösliche Schwierigkeiten für unser Verständnis? darbieten würde. (Thiersch.) Wie tlkpistel St. Wauli an die Ephefer Der Römer- und der Epheserbrief find die zwei wichtigsten Briefe des Apostel Paulus, welche auch Luther neben dem an die Galater als die vornehmsten bezeichnet. Jm Römerbrief hat es der Apostel mit dem einzelnen Christen, seiner Rechtfertigung, Heiligung und Erlösung zu thun, im Epheserbrief mit der Gesainmtheit, der Gemeinde oder Kirche Christi: jener zeigt dem Christen den Heilsweg, dieser den hehren Tempel, in welchen er aufgenommen ist. (Eberle.) Das 1. Kapitel. Dantisaguiig siir die geistlichen Wohlthatesi Heiles, gebet um Vermehrung des eglaußens, A— Der Eingang der, wohl schoii iiii Sommer des It. til n. Chr» also bald iin Jlnfang der Gefangenschaft den Apostels zu Rom, von dort ans durch Cychiliug (liao. is, 21f.) an die betreffenden Gemeinden abgesandten Epistel (Jtpostg. 18, 31 und Kuh. Il zum 6. Bande unter a, L) enthält lediglich die Jusairift nnd die apostolische Begrüßung; erstere ist nahe verwandt mit der der Gpistel an die Gelehrt, doch fehlt hier der dort miterwätsnte Ti- iiiolheuz was ein Zeichen dafür ist, daß beide Briefe nicht gleichzeitig mit einander verfaßt sind, so niannigfach sie auch sonst in Gedanken und Zlugdructi sich mit einander berühren, so daß ein förmliche-Z Verzeichnis von fast wört- lich übereinstimmenden Stellen sikh aufstetlcn lässt (iigl. die Schlußbein zum Cotosserbriefs I. » Paulus, ein Apostel Jesu Christi, durch den Willen Gottes-« [2. Cor. I, 1; Col. 1, I; e. Tim. 1, 1], den Heiligen [Röm· 1, 7; 15, 26; 1. Cor. 1, L; Z. Cor. »1, 1] zu Ephesus [vgl. die SchlußbemJ nnd Glaiibigen an Christo Jesitspt [V. 15; Gal. Z, 26]: 2. Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem HErrn Jesii Christo-«« svgl. Gal. l, 3]· V) Es ist dem Apostel ein sehr wichtiges Anliegen, den Briefeinpfängern von vornherein nicht als Einer zu erscheinen, der aus eigener Vollmacht mit ihnen redet, sondern als Einer, dessen Auftrag von Gott selbst kommt. Wo seine apoftolische Auctorität ange- zweifelt wurde, wie in den galatischeii Gemeinden, da versicherte er noch insbesondere, daß er dieselbe nicht von Menschen und nicht durch einen Menschen empfan- gen habe (Gal. I, 1); gewöhnlich fügt er das Prädikat ,,berufen« zu »Apostel« hinzu (Röm. 1 I; 1. Cor. I, 1), und zwar wegen seinerBerusung unmittelbar durch den HErrn selbst aus dem Wege nach Damaskus An unserer Stelle hat er den kiirzesten Ausdruck gewählt, denn in Ephesus gab es keine Verkleinerer seines apostolischen Ansehens; auch hatte sein vorausgegan- gener längerer persönlicher Aufenthalt in dieser Stadt (Apoftg. II) die Gemeinde von der Auctorität seines öttlichen Auftrages thatsächlich überzeugt. (Schenkel.) Ein Diener Christi muß durch den Willen Gottes als Lehrer des Evangeliums eingesetzt sein, und soll daher nicht selbst nach diesem Dienste laufen, vgl. Heide. 5, 4. (Starke.) «) Der Apostel gebraucht die beiden Bezeichnungen nicht etwa in dem Sinne, als ob er die Mitglieder . der Gemeinde zu Ephesus in verschiedene Abtheilungen zerlegen wollte, wovon die Heiligen eine niedere und die Gläubigen eine höhere Abstufung bildeten, vielmehr will er die zwei Hauptseiten hervorheben, welche den Stand des Christen kennzeichnen, dessen Leben-- bestimmung (heilig) und dessen Herzensrichtung (gl·aubig); war einmal derChristenstand nach seiner objektiven Seite als ein heiliger bezeichnet, so bedurfte es zur vollstandigen Kennzeichnung auch noch der Er- wähnung der subjektiven Seite, und da bezeichnet er deiin die Epheser »als· Gläubige, insofern er voraus- setzt, daß sie init ihrer» Innersten Gewisseiis- und Herzensrichtung sich der in Christo angebotenen gött- lichen Heilsguade zugewendet und ihr volles Vertrauen darauf gesetzt haben. (Schenkel.)»An erster Stelle heißt er sie Heilige, an zweiter Glaubige; denn Gottes Sache ist es, uns zu Heiligen und zu seinem Eigen- thum zu machen, unsre Sache, zu glauben, durch Gottes Gabe. (Bengel·) Heilige find wir nach dem, was· wir an Christo haben, Gläubige nach dem, was Christus an uns hat. Gassen) Der Heilige spricht: ich bin Gottes! der Glaubige sagt: Gott ist meint (Braune.) » » sitt) Jn diesem zweifachen und doch einigen Wort haben wir abermals, was von Gott ausgeht und was in uns gewirkt werden soll: aller Heiligung erster Grund ist die Gnade des Ewigen, die ent- gegen- und zuvorkoinmende Gnade; aller Glaubens- treue letztes Ziel ist der volle Friede oder das ganze Heil. (Stier.) Alle Briefe des Apostels tragen diesen Segenswunsch im Munde, der wie mit Handauflegung diese beiden Güter, und in denselbigen aller hinimlischen Güter Inbegriff, den Heiligen und Gläubigeii aus’s Haupt und in’s Herz legt. Wo die Gnade durch den Glauben erfaßt wird, da schasft sie Frieden (Röm. 5, 1); und wie nun die Gnade eine unversiegliche Quelle ist, so ist der Friede ein stetig sich ergießender Vach. (Besser.) B« Go beginnt sofort der erste, dogmatische Theil· der Øvisleh wie niaii gewöhnlich, wenn auch nicht in ganz zutresfender Weise, ihn bezeichnet; Gegenstand desselben ist die Herrlichkeit der Kirche Christi, und zwar der· jenigrn Kirche, wie sie zii der Zeit, in welcher Paulus schreibt, aus ihrem ersteii Anfange im tterlaufe von drei Jahrzehiiteii sich uun ausgestaltet nnd da besondere die Heiden sieh einverleibt hat, während die Juden sich meist ablehnend, ja feindsetig gegeii sie verhalten haben. Lilie: ev wird nicht eine wissenschaftliche Jlugeinaudersetziing oder dialekiischc Entwickelung voui Jloostrl gegeben, sondern die Gedanken, welche er in betriider Seele bewegt hat, spricht er litcr tii naihwirtiendrr Grreguug aus; daruni tritt der Gedaulie nicht in seiner Gliederung, in seinen Theilen erst allmälig hervor, sonderii er tritt gleich in seiner Gauzheit uud Falle auf, uiid die Sprache hat Milbe, denselben zu miispauneig sie ringt in der Fülle und dein Nach kurzem Eingang der erste oder dogniatische Theil: die Herrlichkeit der Kirche. 443 Strome der Worte und in einander fließenden Sätze init der sie iiberrageaden Varnellnng I· V. 1—-L3: der Plan oder die Anlage der Kirehe iind ihr Wesen. Ver ganze Abschuitt hat sozusagen einen titurgischen oder psalmartigen Charakter und ist wie ein begeislerter Lobgesang auf den über— sehwänglichen ineiclitlium der Gnade Gottes in Christo nnd den hohen Würdestand seiner Gemeinde; indem er sich über Gottes Heitsrath nnd Heitswerti im weitesten itmsange erstreckt, breitet er die Fülle seines Inhalts in einem Satzgesiige ans, welches durch immer neu zu den bereits entwickelten Ideen hinzutretende Gedanken eine Ausdehnung erlangt, wie sie so ununterbrochen fort- laufend nnd Glied an Glied reiheiid sonst nirgend, auch bei unsern: Apostel nicht, uns begegnet. Was niin Paulus in diesem Gegusz seines Herzens an die Leser ihnen in Be- ziehung auf den ersten Cheil seines Themas zum Be— wusztseiii bringt, ist dies: Cines ewigen Rathscizlnsses hat uns Gott werth erachtet uni seines geticbten Sohnes willen und hat uns in ihm zu seinen tiiiidern erwählt, welche heilig durch das Blut Christi nnd unstrüflinz vor ihm stehen in der Liebe; in gar überschwängtichcm Maße hat er den iteichthum seiner Gnade uns widerfahren lassen durch stlittheitiing non allerlei Weisheit und klug— heil nnd iins das Geheimnis seines, alle Zeiten umspan- iiendeii Liebeswitteiis wissen lassen, den er dann auch in Christo in der Fülle der Zeit in’s Werte gesetzt hat und der nun ans nichts Geringeres, als auf die Zusammen— sassung der bis dahin so weit von einander gesihiedeneii Theile, niinilieh dessen, das itu Himmel, und"i«—essen, das ans Crden ist, aber hier auch der vorerwühlten Juden und der sich selbst überlassenen Heiden, unter Einem HEern und Heiland hinausteiuft W. 3—14). Auch in Beziehung auf die, an welche er schreibt, hat Paulus gehört von dem Glauben an den HGrrn Jcsum, der bei ihnen vorhanden, und von ihrer Liebe zu alten Heiligen; darum gesellt sich zu der vorigen, zunächst die Kirche im Allgemeinen eingehenden Lobpreisung Gottes nunmehr eine Danksagung für die Leser insonderheit und eine Fürbitle für he, daß der Gott Jesu Christi, der Vater der Herrlichkeit, die Gabe des ihnen nerliehenen heil. Geistes zu immer tiefere: Einsicht in die Hoffnung der ihnen zu Theil gewordenen Berufung und in den Rein)- thum des beschiedenen herrlichen Cebes, sowie in die überschiniingtiitie Größe der tiirast dessen ihnen mehren wolle, der sie mit derselben Cnergie seiner mächtigen Stärke dem Ziele entgegensühren wird, mit welcher er Christum von den Todten auferweckt und aus dem Stuhle seiner jilajestät hoch über alle Cngelmäclzte nnd altes Andere in der jehigen und zukünftigen Welt erhöhet hat. Ihn hat er zugleich, in Verwirklichung des Sdeats der Menschheit, zu dem vollendeten Herrscher über altes hier aus Crden gemacht, und hat ihn nun als solchen der Gemeinde zu ihrem Haupte gegeben; als seinen Leib soll sie denn sich wissen, ja als seine Fülle, d. i. als die Fülle dessen, der alles in allem erfilllet Ob. l5—23). · (Episiel am St. Theaters-Tage: V. 3—6.) (Vgl. zu Joh. TO, 24 sf.) « 3. · Gelobet [oder, mit Wiedergabe des Wort- spiels im Grundtext: Gesegnet] sei Gott und der Vater unsers HErrn Jesu Christi [genauer: der Gott V. 17 und Vater unsers HErrn Jesu Christi L. Cor. 1, 3; 1. Petri I, 3], der uns gesegnet hat [Apvs1g- 3, 26] mit allerlei geist- tichem Segen [Röm. I, 11; 15, 27z 1. Cor. 9, 11; Rom. 14, 17] in himmtischen Gütern siu Gütern, die vom Himmel kommen, dahin führen und dort in ganzer Fiille in Befitz genommen werden] durch Christum-« [Philem. 6]. 4. Wie cr uns denn sim Unterschied von solchen, denen das Gesegnetsein noch nicht zu Theil geworden Röm. 8, 29 f.] erwcihlet hat dnrch den- selbtgeti [besser: in demselbigen Col. l, 17], ehe der Welt Grund gelegt war [Joh. 17, 24; i. Petri l« 205 Z— Tklessi 2- Ist« daß wir solltcn sein heilig skrast seiner uns zugerechneten Gerech- tigkeit] und unslräftich vor ihm sdem Gott und Vaters« in der Liebe szu ihm und gegen den Nächsten 2. Tim. l, 9; Col. 1, 22], Z. Und hat uns sbei dieser seiner Erwählung] verordnet zur Kindschaft gegen ihn selbst [Gal. 4, 5., welche Kindschaft er herbeizuführen vorhatte] durch Jesum Christ, nach dem Wohtgcfallen seines Willens [V. 9 u. 11; Joh. 6, 40], S. Zu Lob seiner herrlichen sunaussprechlich großen 2. Thess l, 9] Gnade, durch welche er uns [dann, als beides, sein Rathschluß nnd sein Vorsatz, zur Ausführung kam] hat [liebenswürdig oder ihm] angenehm gemacht tu dem Geliebten-W« [seinem Sohne Col. 1, 13; Matth. 3, 17], 7. Au welchem wir haben die Erlösung svon unsern Uebertretungen Hebr. 9, 15] durch sein Blut [Apostg. 20, 28; Hebt 9, 12], nämlich [um die fortgehende Wirkung dieses seines ein für alle Mal geschehenen Werkes an uns näher zu bezeichneiq die Vergebung der Sünden [Röm. Z, 25; Col. 1, 14], nach dem Reichthum seiner Gnade, 8. Welche uns teichlich [besser: in über- schwänglichem Maße] widerfahren ist durch· sMittheilung von] allerlei Weisheit und Klugheits [Col. 1, 9]; « 9. Und hat [wie er uns verordnet zur Kind- schaft gegen ihrrselbst V. 5., so ·auch] Uns wtssrn lassen das Geheimnis seines Willens» [oder des Rathschlusses den er gefaßt] nach seinem·Wohl- gefallen, und hat dasfelbige snämlich eben dies Ge- heimniß seines Willens, das er uns seht, nachdem es in Vollzug gesetzt ist, hat tvissen lassen] her- vorgebracht ducch ihn sden Geliebten V. S; Kap. 37 lui · · 10. Daszrs [wie·es sein Wohlgefallen oder seine gnadenrecche Absecht »war]»geptediget wurde s1. Cor. 4, 1], da die Zeit erfullet war swelche er für die Ausführung seines Heilsgedankens im Voraus bestimmt hatte»Gal. 4, 4], »auf daß [von nun an, wie das ja seine» letzte Abstcht war] alle Dinge zusammen (iinter Ein Haupt — dies ist em späterer Zusatz, den man zu Luthers Uebersetzung gemacht hat, der aber nach Römsz 13, 9., wo das griechische Wort ebenfalls mit »verfasset« 444 Epheser 1, 11 — 14. wiedergegeben ist, unzulässig erscheint, zumal hier noch ein ,,ziisaimiien« dabei steht) vetfassei wür- den in Christo, beide, das im Himmel und auch auf Erden ist, durch ihn felbstH [dnrch welchen und zu welchem von Anfang alle Dinge geschaffen sind Col. I, 16 fs.]; 11. Durch welchen wir auch snämlich wir vom Hause Jsrael Röm. 9, 4] zum [verheißenen Gab 3- 17 fiz Röm- 4- 131 Erbtheil kommen sind, die wir sim Vorzug vor den Heiden Röm. 15, 8 ff-] zuvor verordnet sind [zu diesem Erb- theil Apostg. 13, 46; Matth. 22, 3 f.] nach dem Vorsatz ließ, der alle Dinge wirket nach dem Rath seines Willens [Röm. U, 34 f.], 12. Auf daß wir etwas seien zu Lob seiner Herrlichkeit sinsosern wir nun diejenigen sind], die wir zuvor sehe er erschien und als die ganze übrige Welt noch ohne ihn war Kap. L, 12] auf Christum hoffen smuß heißen: gehoffet haben als auf den, der da kommen und uns zum Erb- theil bringen werde Apostg. 28, 10; 26, 6 f.]; 13. Durch welchen auch ihr [die ihr vormals Heiden seid gewesen und von Wahrheit und Selig- keit nicht-s wußte] gehört habt das Wort der Wahr- he« s2- TM!- 2- 15J- nämlich das Evangelium von eurer Seligkeit [Col. l, 5 f.], durch welchen ihr auch sdie ihr bis dahin hingegangen waret zu den stummen Götzen, wie ihr geführt wurdet, und da von dem Geiste aus Gott noch nicht ein- mal eine Ahnung hattet 1. Cor. 12, 21, da ihr glaubetet sgläubig wurdet Röm. 13, 11], versiegen worden seid [als Kinder Gottes und Erben der Verheißung auf den Tag der Erlösung Kap. 4, 30; 2. Cor. I, 22z Gal. 3, 29], mit dem hei- ligen Geist der Verheißung [Apostg. 1, 4 f.; 2, 33; Gar. 3, 14]; 14. Welcher ist das Pfand [2. Cor. 5, 5] unsers sdes zunächst uns, die wir aus dem Hause Jsrael sind, bestimmten] Erheb zu Unserer [einsti- gen völligen Röm. 8, 23; Luk. 21, 28] Erlösung, das; wir sund nun auch ihr Heidenchristen mit uns, als die ihr der gleichen Gnade mit uns theilhaftig geworden] sein Eigenthum würden [Mal. 3,17; L Petri 2, I] zu Lob seiner HerrlichkeitHs [V. 6 u. 12; Col. l, 12]. r) Der Apostel segnet Den, welcher der Gott und Vater unsers HErrn Jesu Christi ist, um deswillem weil er uns gesegnet hat: das preisende Wort des Menschen ist die Erwiederung des beglückenden Thuns Gottes-· Schon in dem Namen, mit dem er Gott nennt, ist das enthalten, um was er ihn dann preist; denn damit, daß Gott der Gott und Vater Jesu Christi u·nd Jesus Christus durch ihn unser HErr ge- worden ist, hat er uns das gethan, was der darauf folgende Satz von ihm aussagt. (v. Hofmann.) Das »der Gott und Vater unsers HErrn Jesu Christi« ist " faktisch an die Stelle der jüdischen Formel: »der Gott Abrahanis, Jsaaks und Jakobs« als ächt christ- liche Formel getreten, wenn die Apostel das auch nicht gerade beabsichtigt haben; es wird damit der ge- priesen, der nicht blos des Menschgewordenen Gott (Matth. 27, 46; Joh. 20, 17; Offenb. Z, 12), sondern auch Vater dieses HErrn, des Eingeborenen ist, den er gegeben hat. (Braune.) Dreifach bezeichnet der Apostel die Segnung, um welche er Gott preist: mit allerlei oder jedwedem geistlichen Segen hat uns Gott, der Vater unsers HErrn Jesu Christi, gesegnet; in himmlischen Gütern besteht der Segen, den wir empfan en haben; in Christo sind wir gesegnet. Was zu dieses Leibes Nahrung und Nothdurft gehört, » damit läßt der allmächtige Schöpser und gütige Er- halter— der Welt auch die Heiden nicht ungesegnet (Apostg. 14, 17); aber mit geistlichem Segen, der in’s ewige Leben reicht, segnet er allein uns, die Heiligen und Glciubigen in Christo Jesu, und alles geistlichen Segens Fülle wird uns zu Theil in— dem heil. Geist selbst, der uns egeben ist, ein Segenssame zu vieler Segensfrucht. (Z5esser.) Mögen wir denn, wie Paulus im Gefängniß Zu Rom, an irdischem Besitz und Genuß arm sein: gelo t sei Gott, der uns im Himmel und in der über aller Zeit hocherhabenen Ewigkeit so reich gemacht hat! (Diedrich.) »Sie sollen gesegnet wer- den«, war die Summe aller Verheißungen im alten Testament: ,,er hat uns gesegnet«, ist der evangelische Ruhm über die Erfüllung dieser Verheißungen im neuen Testament. Mit diesem geistlichen Segen in himmlischen Gütern besiegte das Evangelium die ganze Welt und den irdischen inn, in welchem Juden und Heiden Befangen· lagen. Wiegen) » «) as ,,wie denn« leitet den Gedanken ein, daß die in V. 3 angegebene Ausführung übereinstimmt init der ewigen Vorherbestimmung (Hasper.) Die gött- liche heilsgeschichtliche Segnung ist die zur Erfchei- nung gekommene Heilsthatsache, die jedoch, wenii sie Bestand haben soll, einen tieferen, ewigen Grund haben muß; diesen ewigen Grund des göttlichen Heils- segens giebt Paulus hier näher an, derselbe beruht nämlich auf der vorzeitlichen Auswahl oder Erwäh- lung. (Schenkel.) Diese Erwithlung bezeichnet einen Vorzug und zugleich einen Unterschied von Andern, die nicht sind, was die Erwählten sind, wenn auch keinen Gegensatz gegen solche, welche es nicht wer- den; nur von sich und den Gliedern der Gemeinde konnte Paulus das ,,erwählethat« sagen, weil nur bei diesen bereits diese Thatsache erkennbar war und den Einzelnen fühlbar sein mußte oder doch sein konnte (1. Thess l, 4). Wie nun in Adam die Menschheit geschaffen und in Abraham das Volk Jsrael aus- gesondert ist, so ist die Gemeinde in Christo erwählt, und zwar ist diese Erwählung geschehen noch vor der Schöpfung oder, wie es genauer heißt, noch vor Be- ginn der Ausführung des wohlangelegten Schöpfung?- planes. (Braune.) Nicht, nachdem die sehr gut ge- schaffene Welt sehr arg geworden, hat Gott hinterher den Erlösiingsrathschluß gefaßt, der im Evangelio sich kund giebt; vielmehr, ehe der Welt Grund gelegt war, oder vor den Zeiten der Welt (Tit. 1, L) hat ich die ewige Liebe dazu bestimmt, eine Welt zu scha en, die sie zwar vor der Sünde und ihrem Verderben nicht absperren wollte (denn nicht an erzwuiigenen Heiligen ersieht sie ihre Lust), aus welcher sie aber in dem Sohne ihres Wohlgefallens eine Gemeinde solcher sich erkoren hat, die da heilig und unsträflich sein sollten vor ihm. (Besser.) Der Gedanke: ,,heilig und un- sträflich sein in der Liebe« ist an sich, wenn auch Paulus das ,,heilig und unsträflich« sonst ohne Zusatz gebraucht (Cap. 5, 27; Col. l, 22), nicht unangemessen, indem die Liebe als die innerste Wurzel der Gesinnung die Heiligkeit selbst bestimmt; und auch gegen die Ver- l. Die Anlage der Kirche und ihr Wesen. 445 bindung des ,,in der Liebe« blos mit ,,unsträflich« zur Bezeichnung der reinen Liebe ist nichts einzuwenden (2. Cor. 6, 6; l. Petri l, 22), da wir in 2. Perris, l4 lesen: »,,unsträflich in Frieden« und in Judä V. 24: ,,unstraflich mit Freuden« (Olshausen.) Its) Jesus Christus ist das rechte liebe Kind Got- tes und erstgeborner Sohn, durch welchen alle Andern zu Gnad und Huld des Vaters kommen, also daß er niemand will ansehen denn durch diesen Sohn. Der Vater hat sein Wohlgefallen an Christo allein: wer denselbigen höret und thut, was er ihm heißt, der ist das liebe Kind um des Geliebten willen, von deß Fülle wir alle nehmen Gnade um Gnade (Joh· 1, 17). Wiederum aber, wie wir nicht können zweifeln, sondern sind gewiß, daß Gott der Vater an Christo ein Wohl- gefallen habe, dem, daß er heili sei, so zweifeln wir auch nicht, daß, sofern wir in hristo sind und an demselben hangen durch den Glauben, der Vater auch an uns ein Wohlgefallen hat und wir heilig (V.«4) sind in dem Geliebten; und obwohl noch Sünde in unserm Fleische klebt und wir auch noch täglich strau- cheln und fallen, so ist doch die Gnade reichlichey überschwänglicher und mächtiger denn die Sünde, sie herrscht und waltet über uns in Ewigkeit Pf. 117, Z. (Luther.) Wie wenn einer einen Kranken, Aus ehun- gerten &c. zu einem»schönen»Jüngling macht, so hat Gott unsre Seele schon und liebenswürdig gemacht für In; Engel) und alle Heiligen und für sich selbst. (Chry- o omu . · T) Bisher hat der Apostel, um· auszuführen, was ihn dazu Drange, sein Schreiben mit einer Lobpreisung Gottes zu beginnen, von solchem gesagt, was Gott uns gethan hat, und zwar so, daß er von dem aus- ging, »was, er uns zeitlich gethan hat (V. 3), von da auf die seinem eschichtlichen Thun zu Grunde gele ene vorzeitliche hat überging (V. 4—6) und schlieglich auf ersteres wieder zurückkam (V. 6); von jetzt an da- gegen sagt er von uns, was wir besitzen und was uns geschehen ist, wobei er denn die Mittlerschaft des Geliebten betont, der wir das alles verdanken. (v. HofmannJ Mit den Worten: ,,an welchem wir haben die Erlösung durch sein Blut« wird das Werk des Sohnes näher geschildert; an ihm haben oder besitzen wir die Erlösung, so daß dieselbe nicht blos ein idealer Gegenstand der Hoffnung, sondern «ein reales Gut fiir den Gläubigen ist, sie ist aber ge- schehen durch Christi Blut, wodurch dessen Tod die Bedeutung eines Opfers erhält, und zwar des Opfers aller Opfer, welches die xäöttlichen Wohlthaten nicht nur typisch geweissagt, son ern vielmehr faktisch her- beigeführt hat. Die Wirkung dieses Opfertodes nun ist die Vergebung der Sünden; mit der Annahme der- selben aber ist für den, der aus dem Reichthum der göttlichen Gnade sie empfängt, in allerlei Weisheit und Klugheit auch eine höhere geistliche Erkenntniß verbunden. Die Weisheit erkennt die höchsten Zwecke, die Klugheit die geeignetsten Mittel: erst vermöge des göttlichen Gnadenerweises der Siindenvergebung erkennt der Mensch das oberste Ziel seiner Bestimmung, was zu seinem ewigen Frieden dient; und erst wenn er die Seligkeit als sein höchstes Gut erkannt hat, wird er auch so klug werden, an den zu glauben, welcher der alleinige Weg zur Seligkeit ist. (Schenkel.) Weis- heit faßt Gottes Thau, erkennt und versteht seinen Gnadenrath, Klugheit geht auf das, was wir zu thun haben, sieht unsre Aufgabe und wie sie zu lösen; jener sind die von Gott geordneten Verhältnisse klar, dies errdnet darnach unser Verhalten. (Braune.) H) Indem der Apostel nochnialsden schon in V. 5 vorgebrachten Gedanken nachdrücklichst wiederholt, daß der göttliche Heilsrath zum Zwecke der Erlösung der Menschheit aus der freien Entschließuiig Gottes hervorgegangen und in dem absoluten Willensbewußt- sein Gottes selbst entstanden sei, erwähnt er nun das, worauf die höchste Absicht Gottes beim Erlösungswerke eigentlich gerichtet war. Zwar könnte es scheinen, als ob in V. 5 vom Apostel schon näher dargelegt worden wäre, daß es einen höheren Heilszweck Gottes nicht geben könne, als die Wiedereinse ung des sündigen Menschen in himmlische Kindesre te; allein zur Er- reichung dieses Zweckes bedurfte es denn doch einer besonderen Veranstaltung, einer göttlichen Hausanord- nung, welche allerdings auf noch Höheres geht, näm- lich auf die Zusammenfassung aller Dinge in der Person Christi; und so ist nun diese die schließliche göttliche Heilsabsicht Christus sollte also nach Gottes Rath- schluß nicht nur der Versöhner der Menschheit mit ihm selber sein, sondern auch der Vermittler des Himmels mit der Erde, der Wiederhersteller der ursprünglich gottgewollten Weltharmonie (Schenkel.) Der Aus- druck: ,,alle Dinge, beide, das im Himmel und auf Erden ist«, umfaßt alles Geschöpfliche, auf Erden nicht blos die Menschen, sondern auch alles, was der Welt des Menschen angehört, und im Himmel, jen- seit der Welt des Menschen, das Geisterthum. Soll nun die Geschichte in eine einheitliche Zusammenfassung von alle dem ausgehen, so entbehrt es dermalensder Einheitlichkeit, zu der es Gott schließlich hergestellt sehen will; und so verhält« es sich 1a»auch wirklich, nicht nur von wegen des die Menschheit zerreißenden Gegensatzes von gut und bös, sondern auch von wegen der Widersprüche, an denen das gesammte Weltleben krankt und in welche, auch abgesehen von dem Gegen- satze guter und böser Geister, das Geisterthum vermöge seines Waltens in dieser Welt verflochten ist. Aus dieser Zerspaltung soll denn das All zu einer Einheit- lichkeit hergestellt werden, deren Einigungspunkt Der ist, welchen Gott der sündigen Menschheit zum Heiland verordnet hat: womit natürlich nicht gesagt ist, daß schließlich alles, was der Schöpfungswelt angehört, in ihm und hierdurch unter sich geeinigt sein wird, son- dern nur, daß es keine andere Herstellung des Ge- schaffenen zur Einheitlichkeit und Einträchtigkeit des Daseins giebt als diejeni e, welcher es durch fort- schreitende Einfügung in en Heiland der sündigen Menschheit entgegengeht. Was außer Christo bleibt, wird schließlich kein Bestandtheil des in ihm geeinigten All sein, zu welchem das Geschafsene herzustellen der vorsätzliche Willensgedanke Gottes ist. (v. HofmannJ TTH Von der Darstellung der allerumsassendsten Bedeutung des Erlösungswerkes Christi steigt der Apostel von V. 11 an nunmehr zu der Darstellung der besondersten Wirkungen desselben in der ephesin·i- schen Gemeinde herab; er redet da mit dem »wir« in V. 11 nicht mehr, wie in V. 3 ff. im Namen aller Christen, sondern als Vertreter der Jud en-Christen, an welche der Ruf zur Theilnahme am Erlösungswerk zunächst ergangen war und welchen Paulus auch sonst (Röm. 2, 10; 9, 4 ff.) einen heilsgeschichtlichen Vorzug zugestehh und wendet in V. 12 aus sie, in deren eigen- thümlichem, heilsgeschichtlichmationalem Berufe» es lag, Gott zu verherrlichen, insbesondere an, was in V. 6 von allen gesagt war, welche zur Kindschaftsannahme von Seiten Gottes ewig vorherbestimmt waren. Nach- dem er dann gezeigt hat, daß durch Christum an den Judenchristen die göttliche VorherbcstimmunE sich be- thätigt und die niessianischen Weissagungen in rfüllui1g gegangen sind, wendet er sich in V. 13 noch besonders an die Empfän er seines Briefes, die der Hauptsache nach Heidenchriften waren; von diesen konnte er nicht 446 Ephesek i, 15—23. sagen, daß sie das für sie bestimmte Erbtheil erlangt I hätten, da es sur sie zunächst nicht bestimmt war (Cap. Z, 12), allein sie erhielten an der Gabe des heil. Geistes ein Unterpfand, welcher auch ihnen Theilnahme am Erbe (Col. l, 12) verbürgte. Sie, die Heiden- christen, werden nun zunächst als solche bezeichnet, welche ,,das Wort der Wahrheit gehört haben«, welcher Ausdruck durch den Zusatz: ,,das Evangelium von eurer Seligkeit« näher erläutert wird; die Juden nämlich hatten das Wort der Wahrheit in der messin- nischen Weissagung schon zur Zeit des alten Bundes inne gehabt, den Heiden ward es erst in den Tagen des Apostels in der Predigt des Evangeliums als etwas ganz Neues Verkündigt. Jn dem erläuternden Zusatz ist das Wort als das evangelische und die Wahrheit als eine solche, welche Heil, Seligkeit bewirkt, beschrieben. Das Hdren des Wahrheitswortes genügt denn freilich zur Heilswirkung noch nicht; aber der Apostel kann ja die Heidenchristen noch zweitens als solche bezeichnen, die auch geglaubt haben; der heilige Geist nun, den sie da empfangen haben, ist erade so das inwendige Glaubenssiegel des neuen undes, wie die Beschneidung das auswendige Ge- setzessiegel des alten Bundes war (Röm. 8, l5 f.; Gal. 4,«4 f.; 5, 3 sf.). Der gegen diese Auslegung der drei Verse von Seiten anderer Schrifterklärer, als denen wir gefolgt sind, erhobene Einwurf, daß dabei die Judenchristen als von der Theilnahme am heil. Geist ausgeschlossen erschienen, ist unzntreffend, da der Empfang des heil. Geistes in dem ,,Kommen zum Erbtheil« an sich schon mit eingeschlossen ist, außerdem aber der Apostel in V. 14 unter ausdriicklicher Bezug- nahme aus den heil. Geist die Rede auf die Juden- Christen zuriicklenkt; ist nun aber diesen der heil. Geist das Pfand ihres Erbes zu ihrer Erlösung, so folgt, daß die Heidenchristem welche denselben heil. Geist empfangen haben, ihre Miterben seien und mit eingeleibt und Mitgenossen der Berheißung Gottes in Christo (Cap. Z, S; Apostg. ll, l7). Nach des Chrysostomus und anderer Kirchenväter Vorgange hat Luther die Zerlegung in Juden- und Heidenchristen an unsrer Stelle nicht bemerkt, sondern das »wir« auf alle Christen insgemein und das ,,ihr« auf die Leser, an welche Paulus sich insonderheit wende, bezogen; bei dieser Auffassung setzt man das »zuvor« bis »auf Chri- stum hoffen« am Schluß des l2. Verses in Beziehung auf den Ta der Wiederkunft Christi, versteht die Ver- gangenheitssiorm ,,gehosft haben« von der dann ein- getretenen Vergangenheit des gegenwärtigen Lebens der Christen; und nun konnte Luther, sich statt dessen lieber auf den Standpunkt dieser Gegenwart selber stellend, dafür das Präsenst »hoffen« sehen; es wird aber mit solcher Erklärung das »z11vor« so gut wie nichtssagend, während es bei der unsrigen seine charak- teristische Bedeutung hat, wie denn dabei dem Charak- teristicum der Juden in V. 13 ein solches auf Seiten der Heiden gegenübertritt: sie haben, ohne jene Vor- hoffnung der Juden gehabt· zu haben (Cap. Z, »1·2), das Wort der Wahrheit gehört, an das Evangelium von ihrer Seligkeit geglaubt und sind nun mit dem den Juden verheißenen Geiste zu Miterben mit jenen versiegelt worden. Auch sonst läßt sich in dem ganzen vorliegenden Abschnitt Manches anders und genauer erfassen, als Luther gethan; wir wollten aber seine Uebersetzung nicht über Gebühr zuriickstellem 15. Datum [weil dem so ist, wie vorhin dargelegt worden, nämlich eine ewige Erlösung geschehen, an welcher ihr bereits Theil habt] auch ich szu dem Thun Gottes an euch das meinige hinzugesellends nachdem ich gehöret habe von dem Glauben sder jetzt ebenso, wie bei Andern, auch] bei euch an den HErrn Jesum svorhaitden ist V. l3, was früher nicht der Fall war] und von eurer Liebe zu allen Heiligen [oder Mitchristeii Kap. 6, 18; Col. l, 4; Philem. s; Gal. b, 6], 16. Höre ich nicht auf swegen solcher Wirkung seines Geistes unter euch Gott] zu danken für euch [1. Thess l, Z; Phil. l, 3 ff.; 1. Cor. l, 4], und’gedenke euer in meinem Gebet« [mit der Bitte Col. l, El; Röm. 1, 9 s.], 17. Daß der Gott unsers HErrn Jesu Christi lJvhs 20, 17J- der Vater der Herrlichkeit [Apostg. 7, 2]- gebe euch den Geist der Weisheit und der Offenbarung [1. Cor. 12, s; 2, 10], zu sein» selbst Erkenntnißtt k2. Petri I, 2; Joh 17, 3], 18. Und sgebe euch in Wirkung dieses Geistes] erleuchtete Augen eures Verständnisses fnach anderer Lesart: eures Herzens 2. Cor. 4, 6; Röm. 1, 2l], daß ihr svon einer Klarheit. zu der andern] erkennen möget, welche sank-kurz, d. i. von welcher Größe oder Erhabenheitj da sei die Hoffnung eures Berufs lnach richtiger Lesart: seiner Berufung Röm. 1l, 2E), also die durch seine Berufung be- wirkte HoffnungL und welcher sei der Reich- thum seines herrlichen Erbes an seinen Heiligen sdieses Gegenstandes der christlichen Hoffnung] 19. Und welche da sei die uberschwiingliche Größe seiner Kraft an uns, die wir glauben« [Apostg- 20, 32], nach der Wirkung seiner mäch- tigen Stärke [vgl. Col. l, 29; Phil. 3, 21J, 20. Welche [Wirkung oder Kraftthätigkeit seiner mächtigen Stärke] er geivirkei swirksam er- wiesenj hat in Christo, da er ihn von den Todten auserwecket hat nnd gesetzt zu seiner Rechten im Himmel [Apostg. 3, l5; 7, 55; Offenb. 12, b; Mark. IS, l9], El. Ueber alle Fürstenthümen Gewalt, Macht, Herrschaft [Kap.3, 10; Col. 1, 16; 1. Cor.15, 24; Röm. 8, 38], und alles, was enannt mag werden, nicht allein in dieser Welt, sondern auch in der zukünftigen [1. Petri 3, 21 f.], 22. Und hat sum mit den Worten in Pf. 8, 7 zu reden 1. Cor. 15, 27; Hebn 2, s] glle Dinge unter seine Füße gethan, und hat ihn sden so hoch Erhöheten und alles Beherrschenden] gefetzi [wörtlich: gegeben] zum Haupt der Gemeine über alless [besser so zu -stellen: zum Haupt über alles der Gemeine], 23. Welche da ist sein Leib [Kap. 4, 12.16; 5, 23. so; Röm. 12, s; 1. Cor. 6, 15; 10, 17; 12, is; Col. 1, 18 u. 24; 2, 19; g, 15], nämlich sum noch genauer zu bezeichnen, was Großes es um ihr Verhältniß zu ihm sei] die Fülle deß, der alles in allem [in allen Daseins- formen oder Einzelgestaltungem Erscheinungsweisetq erfülletH [Apostg. 9- 4]- Lobgesang über den Reichthum der Gnade Gottes in Christo und den Würdestand der Gemeine. 447 ·) Darum, weil den Ephesern die herrliche Gnade Gottes in Christo widerfahren war, welche den Apostel vorhin zu feinem Lobpreis entzündet hat, hatten sie auch einen Beter an ihm gewonnen, der mit Danken und Bitten beständig ihrer gedachte. Mit Arbeiten und Wirken at der gesungene Paulus aufhören müssen, aber keine ette mochte sein Gebet hemmen: was schadet es, daß er in Leidensstille feiern muß, wenn nur Christus verherrlicht wird zum Segen der Welt! Getrösten durften sich die Gemeinden, die der Apostel aus betendem Herzen trug, zu ihm als zu einem treuen Seelforger, der das fürbittende Gedenken an die seiner mündlichen Pflege Entzogenen für seine heilige Pflicht achtete und als priesterliches Recht übte. Zwiefältig ist die Segensgewalt der Diener Christi: ösfentlich, wo sie die Seelen bitten an Christi Statt (2. Cor. 5, 20), verborgen, wo sie für die Seelen bitten in Iesu Namen; gesegnet sind die Gemeinden, denen also gedienet wird. (Besser.) Aber es ist nicht eigentlich ein Gebet des Apostels für feine Leser, was folgt; er erwähnt nur, was er in Gedanken an die Gemeinde thut. Sie soll es wissen und soll es aus dieser Fürbitte abnehmen, wie schwach und bedürftig sie an und für sich ist und bleibt, wenn auch eine himmlische Saat für den Himmel, und wie sehr ein ernstes, anhaltendes Beten und Flehen aus ihrer Mitte selbst zu ihrer Bewahrung und ihrem Gedeihen noth thut. (Braune.) Jst der Inhalt unsrer Epistel, wel- cher sich ganz allgemein hält, ohne perfönliche Erinne- rungen und Beziehungen, ohne Grüße und ohne alle Spur der innigen Vertrautheit, in welcher Paulus zu seinen Ephesern wie ein Vater zu seinen Kindern ge- standen hatte, überhaupt von der Art, daß dieselbe sich selbst zuuächst als nicht an die Epheser gerichtet verräth, so weisen Stellen, wie die vorliegende, wo Paulus von dem Glauben der Leser und ihrer Liebe zu allen Heiligen nur gehört hat (vgl. Cap. 3, 1—4; 4, 2l), jedenfalls auf Leser, welche dem Apostel ferner gestanden haben; ja, wenn oben in V. I nicht der Name ,,Ephefus« als Bestimmungsort dastände, würde man am wenigsten gerade auf diese Gemeinde unter den uns bekannten asiatischen Gemeinden als diejenige Eoåråalleinz welcher der Brief bestimmt gewesen sei. m: . ist) Die Charakteristik Gottes als »Gott unsers HErrn Iesu Christi und Vater der Herrlichkeit« steht in treffender Beziehung zum Inhalt der Fürbitte; denn von dem Gott Christi und Vater der Herrlichkeit ist zu erwarten, daß er thun werde, was die Sache Christi fördert und zur Offenbarung seiner eigenen Herrlichkeit dient. (Meyer.) Mit der ersteren Be- nennung hat es eine gleichartige Bewandtniß, wie mit der alttestamentlichen Bezeichnung Iehovcks als des Gottes Abrahams, Isaaks und Jakobs; hier wie dort ist Gott nach seinem heils eschichtlichen Verhältnisse benannt, dort nach seinem erhältnisse zu den Ahn- herren Jsraels, hier nach seinem Verhältnisse zu Iesu, dem Christ. (v. Hosmann.) Er ist der Gott, von dem Je us Christus auf Erden gesandt war, von dem er Zeugniß in Wort und That gegeben und zu dem er wieder heim e ngen ist. Diesen Gott unsers HErrn Iesu Christ! nun nennt der Apostel Vater, weil er zu ihm betet und ihn dann mit dem Namen der Liebe am liebsten nennt; er nennt ihn Vater der Herrlichkeih weil die Herrlichkeit sich ihm aufdrängt, die Gott gerade an seinem Sohne den Menschen ge- osfenbart hat, und er von ihm, unserm Vater, erwartet, er werde feine herrliche Macht (Col. l, 11) auch an den Seinen erweisen. (Harleß.) Wenn der Inhalt des Gebetes für die Leser nun der ist, daß Gott ihnen den Geist der Weisheit und Offenbarung verleihen möge, so kann das, da vorher (V. 14) davon die Rede war, daß die Gläubigen verxiegelt seien mit denc heil. Geist der Verheißung und i n als Pfand des kiinfti- en Erbes besäßen, nicht so verstanden werden, als olle ihnen überhaupt erst der Geist gegeben werden, sondern nur so, daß der Geist in ihnen in eigenthüm- licher, tieferer Weise wirksam werden möge. (Ols- hausen.) Wie Gott selbst öfters benannt wird nach einer oder der andern seiner Eigenschaften oder Wir- langen, die sich in bestimmten Fällen offenbaren (Röm· 15, 13 Anm.), so auch der heil. Geist nach den Gaben, die er durch sein Wohnen in dem Menschen ihm mittheilt (2. Cor. 4, 13; Z. Tim. I, 7), weil jede dieser Gaben so wesentlich diesem Geiste angehört, als hätte er nichts Anderes als sie, und jeder daher, wel- cher dieses Geistes theilhaftig sein will, auch von diesen seinen Gaben die Früchte zeigen soll. Der heilige Geist ist nun nach der hier vorliegenden Stelle ein Geist der Weisheit, aber nicht einer ruhenden, in sich selbst abgefchlossenen,· sondern auch ein Geist» der Offenbarung: er ergießt Immer neues gottliches Leben in die Seele, welches in der wahren Weisheit sie fördert. (v. Gerlach.) Mit ,,Weisheit« ist an einen continuirlicheti Zustand, mit ,,Offenbarung« an einzelne Blicke in Wahrheiten des Christenthums, in Gottes Willen bei besonderen Lebenslagen oder Verhältnissen, in Menschenherzen, in den Lauf der Zeiten, in ewiges Leben, welche gegeben werden, zu denken; jene umfaßt die in V. 8 mit i r verbundene Klugheit, diese ist die durchaus nöthige rivatoffenbarung für jeden Christen. (Braune.) Dieser Geist der Weisheit und Offenbarung aber, den Paulus von Gott den Lesern erbittet, soll ihnen einen immer helleren Einblick in den planmäßi- gen Zusammenhang des göttlichen Erlösungswerks verleihen; daß er so den besonderen und ausdrücklichen Wunsch hegt, daß die Gemeinde in der Erkenntniß wachse, ist wohl zu beachten. (Schenkel.) Unser Gnaden- stand fängt nicht gerade mit der tieferen Einsicht an, aber er geht allein durch dieselbe fort: möchten darum doch alle Prediger von dem Apostel lernen, auch dahin gebührlich bei ihren Gemeinden, in ihren Predigten zu wirken! (Stier.) ist) Waltet der Geist der Weisheit und Offen- barung in uns, so werden uns gegeben erleuchtete Augen unsers Verständnisses oder, nach besser beglau- bigter Lesart, unsers Herzens. (Besser.) Die Er- kenntniß steht wesentlich unter dem Einfluß des Willens, der Mutterschooß des Willens aber ist das Herz Matth 15, 19. (Hasper.) Gleichwie der ,,Geist der Weisheit und Offenbarung« in V. l7 dem ,,erleuchtete Augen eures Herzens« in V. 18 entsprichh so dem ,,zu seiner selbst Erkenntnis« dort das »daß ihr er- kennen möget« hier. (Harle .) Der erste Gegenstand dieser Erkenntnis; oder Einsicht nun ist: ,,welche da sei die Hoffnung seiner Berufung«; der zweite Gegen- stand dann wiederum der Gegenstand dieser Hoffnung: ,,welcher sei der Reichthum seines herrlichen Erbes an seinen Heiligen«; der dritte Gegenstand »die Größe der Kraft Gottes an den Gläubigen«. (Braune.) Nach- dem Paulus in V. 15 für den Glauben und die Liebe, welche in der Gemeinde sich fanden, gedankt hat, fügt er im Weiteren noch den Wunsch bei, daß die Leser der Hoffnung, zu welcher ihre Berufung sie berechtigt, sich immer bewußter werden mögen: denn erst in der Hoffnung vollendet sich Glaube und Liebe (Röm. 5, 5; 8, 247 Col. 1, 23). Der Gläubige soll nun zuerst wissen, wie groß seine Hossnung und wie groß ihr Gegenstand ist, und das ist für ihn die Hauptsache; allein der Glaube bedarf, damit die Hoff- 448 nung nicht Schaden leide, auch noch einer vom heil. Geist erleuchteten Einsicht in die Kraft des Gottes, der zur Hoffnung beruft und das herrliche Erbe ver- eißt. (Schenkel.) Der Christ erkennt nicht blos fein lend, sondern auch seine Seligkeit, wie reich und herrlich das von Gott den Heiligen bestimmte Erbe sei; und aus der Größe seiner Seligkeit erkennt er die Größe göttlicher Gnade. Dies alles aber kann nur ein erleuchtetes Auge erkennen und schätzen, weil es nicht den blendenden Glanz der irdischen Dinge«hat. (Heubner.) Wenn der Mensch die Tiefe seines Falles, die Menge und List seiner Feinde, die mächtigen Hin- dernisse seines Heils bedenkt, so ist ihm freilich eine Einsicht in die Größe der Gottesmachh die an seinen Beruf und Bewährung zur Seligkeit gewendet wird, sehr erwünscht (Rieger.) f) Gott wirkt auf die Gläubigen gemäß derjenigen Macht, die er am wirksamsten undgewaltigsten in der Auferstehung und Erhöhung Christi kund gethan; nach diesem Zusammenhange kann daher nicht wohl zwei- felhaft sein, daß die überschwängliche Größe der gött- lichen Kraft, von der« am Schluß des vorigen Verses die Rede war, im Sinne Pauli speciell bezogen werden soll auf die allgemeine Auferweckung der Gläubigen aus dem Tode, mit der das Reich Gottes, der heilige Gegenstand der christlichen Hoffnung, in seiner Herr- lichkeit sich offenbart. (Qlshaufen.) Nicht in der welt- regierenden, sondern in der welterlösenden Thätigkeit Gottes, wie sie in den durch Christum geoffenbarten Thatsachen des Heils sich kund thut, zeigt sich die gött- liche Allgewalt am herrlichsten; es ist insbesondere die in unmittelbare Verbindung mit der Auferweckung Christi von den Todten gesetzte Erhöhung desselben zur himmlischen Herrlichkeih in welcher der Apostel den erhabensten Ausdruck der göttlichen Allmachts- wirkungen erblickt. Das »gesetzt zu seiner Rechten im Himmel« beschreibt nach Pf. 110, I f· die in dem Stande der Verklärung stattfindende Theilnahme Christi an der göttlichen Herrlichkeit, und denkt der Apostel bei dem Ausdruck: ,,i1n Himmel« wohl an eine be- sondere Centralftätte der göttlichen Herrlichkeit und Offenbarung, an das Höchste und Jnnerste der Himmel. (Schenkel.) Mit lauter Machtnamen benennt Paulus die Angehörigen der Geisterwelt, weil er zu der tröst- lichen Erkenntniß uns führen will, daß hoch über alle vorhandenen und erdeiiklichen Mächte, seien es die guten Engel, die Weltverwalter Gottes (Ps. 103, 20), oder die bösen, die von Gott abgefallenen Gewalten der Finsterniß (Kap. 6, 12), Jesus Christus zum Herrn und Herrscher gesetzt ist, über jene mit erniäch- tigender, über diese mit entmächtigender Gewalt. Fürstenthum oder Hoheit eignet den Geistern, weil sie an die Spitze der Weltfchöpfung geftellt und zu Weltregenten bestellt sind; Gewalt haben sie über das ihnen Untergebene Gebiet; Macht oder Kraft ist ihr Thau, womit sie bestimmend auf diese irdifche Welt einwirkenz Herrschaft üben sie, weil i r Wille über andern Willen verfügt. Nicht eine A stufung oder Rangordnung unter den Engeln wollen die vier Be- nennungen ihres Verhältnisses: zur Menschenwelt be- zeichnen, vielmehr um assen sie in ihrer Gleichartigkeit die gesammte Machtstellung der überirdischen Gewalten über die Welt,,der wir geschöpflich angehören. (Beffer.) Von den himmlischen Mächten, über welche Christus åesetzt sei, erstreckt sich der Blick des Apostels au alles rschaffene überhaupt, was irgendwie genannt werden mag. (Meyer.) Das ,,alles, was genannt mag wer- den, nicht allein in dieser Welt, sondern auch in der zukünstigen«, soll ausschließem daß irgend ein Wesen, sei es im gegenwärtigen Weltlaufe, sei es in dem Epheser 1, 23· g, 1-—7. jenseit desselben zu erwartenden Stande der Dinge, eine so oder anders zu benennende Stellung einnehmen könne, in welcher es Christo nicht untergehen wäre. Um nun hernach sagen zu können: »zum Haupt über alles«, giebt der Apostel mit Worten, die er einem das Verhältniß des Menfchen zu der ihn uingebenden Welt ausfagenden Psalme entnimmt, seiner eigenen Aussage der Erhöhung Christi diesen Ausdruck, daß ihm Gott alle Dinge unter seine Füße gethan. Ihn« dann, dem er alles untergeben hat, hat er der Ge- meinde als ein über alles ohne Ausnahme hinaus- ragendes Haupt gegeben (so daß diese ihr Haupt an Einem hat, an welchem die im 8. Psalm aus Grund von 1. Mos. I, 26 dargele te Jdee des Menschenschon erfüllt ist, und darin die ürgschaft, daß sie auch an ihr sich dereinst noch erfüllen werde): der Begriff des Gebens ist dabei so gewiß betont, so gewiß daran er- innert werden soll, was der Gemeinde zu Theil ge- worden ist; statt nur als ein Theil der Welt ihm untergeben zu sein, steht sie zu ihm, dem alles unter- geben ist, in dem so ganz anderen Verhältnisse des eibes zu seinem Haupte. (v. Hofman·n».) H) Jm Haupt liegt die organifirende·Macht. Schubert in der Geschichte der Seele beschreibt das Verhältniß von Haupt und Leib als Abbild einer von oben nach unten steigenden, das Leibliche erfassenden und bewegenden Liebe und eines» von unten nach oben steigenden Sehnens, dessen Werk es ist, die niedere Natur des Sehnenden allmälig in die höhere des Ersehnten zu verwandeln. (Braune.) Geköpft würde die Kirche sein, ein enthaupteter Leichnam mit erstarreteni Herzen, ohne Christum; Christus aber wäre ohne seine Kirche zwar ein selbständiges Haupt über alles, doch ein vereinsamtes, ja, wir dürfen sagen, ein entleibtes Haupt, weil er den Leib nicht hätte, dessen Heiland er ist: so unscheidbar hat Gott Christum und die Gemeinde zusammengefügt. (Beffer.) So gewiß nun dem Haupte, wenn es des zu ihm gehöri- gen Leibes ermangelte, etwas Wefentliches fehlen würde, umwirklich Haupt zu sein, so gewiß ist der u ,,sein Leib« hinzugefügte Beifatz: »die Fulle deß, er alles in allem erfüllet« dahin zu verstehen, daß die Gemeinde dasjenige ist, was Christum sozusagen völlig macht; sie gehört zu ihm, dem Gott alles untergehen hat, in der Art, daß ihm etwas Wesent- liches fehlen würde, wenn er sie nicht wie das Haupt seinen Leib an sich hätte. Wie nun es in 1. Cor. 15, 28 von dem Vater heißt, er habe dem Sohn alles in der Absicht untergehen, daß Gott schließlich sei alles in allem, so ist hier mit den Worten: »der alles in allem erfüllet« ein Thun ausgefagt, welches dieselbe Absicht zu verwirklichen dient. Das All»der Welt, welches Christo unter seine Füße gethan ist, schließt eine Mannigfaltigkeit von Daseins-formen in sich, welche allesammt der Lebenswahrheit ermangeln, seit Gott um der Sünde des Menschen willen seine Schöpfung der Nichtigkeit untergeben hat (Röm. 8, 20): aus die- sem Knechtsstande eines gehaltlofen, der Lebenswahr- heit entbehrenden Daseins sie zu befreien, ist das Werk dessen, der als Christus die Sünde gefühnt hat und durch den hierfür erlittenen Tod hindurch dahin ge- gangen ist, wo er das All der Welt unter sich hat; in dem Maße denn, als er die Mannigfaltigkeit der Da- seinsformety welche die Welt in sich schließt, von sich aus ersüllt, so daß sie nicht mehr des Wesensgehaltes baar, sondern durch ihn desselben voll sind, wird Gott alles in allem. Und zu ihm nun, dessen Thun dies ist bis in die fernste Zukunft hinein, steht die Gemeinde in solchem Verhältniß, daß er ohne sie dessen leer unszd baar wäre, was ihn zum Christus machtx ohne fte II. Die Entstehung der Kirche und ihr Bestand. 449 wäre er nicht Christus, gleichwie das Haupt, welches keinen Leib hat, auch kein Haupt wäre. (v. Hofmannh So herrlich achtet Christus seine Gemeinde und so zärtlich hat er sie lieb, daß er sich selber ewisser- maßen für unvollkommen und verstümmelt a tet, wo er nicht mit uns zusammengefügt und wir nicht mit ihm, wie mit dem Haupte der Leib, geeint würden als seine Fülle (Calov.) Das 2. Kapitel. Des Menschen Elend außer Christo, und seliger Zustand in Christo. II« d. l——22: die Entstehung und der Bestand der Kirche. Auch hier führt der Apostel die Gedan- ken, welche ihm die Seele bewegen, in eonereler, un- mittelbar auf die Leser Bezug nehinender Weise ein, indem er sich von der Gegenwart in die Vergangenheit wendet und da den Gliedern der Gemeinde ihren frö- heren Godeszusiand und die herrlirhe Neuschöpfung, die mit ihnen vorgegangen, zum Bewußtsein bringt: wan- delten die, welche vormals Heiden gewesen, todt in ihren Sünden fiir Gott nach dem ttauf dieser Welt unter der Herrschaft des Fürsten derselben, der in der almo- sphärischen Luft gleichsam seine Residenz hat, von wo aus er seinen verderblirhen Ginfluß übt und einen herr- sihenden, alles mit sich fortreißenden Zeitgeisi herbeiführt, so waren die ehemaligen Juden, als ihren Fleisches- lüsien folgend, gleirhermaßen Jzorneskinder voniiaturz die also lseschaffenen nun hat Gott im tieiihthuiii seines Erbarniens vom Süudentode erweitet und sammt Christo lebendig gemacht und in das himmlische Wesen versetzt. Was hieraus folgt, das ist einerseits, mit besonderer Be— ziehung auf die Iudcnchristcm aus Gnaden, nicht ans den Werken, ist uns die Seligkeit gekommen; und andrerseits, was sonderlich den tjeidenchristen gilt: zu einem neuen Wandel nnd zu guten Werken ist uns das Heil widerfahren (b.1—-l0). Ganz besonders haben denn die letzteren, die theidenctsrislem dlrsarh, ihres er- langten Gliiclies sich zu freuen; darnni sollen sie der Veränderung gedenken, daß sie, die feriie von allem heilsgesehichtlichen lieben, ohne Hoffnung und ohne Gott in der Welt waren, durch das Blut Christi nun herzu— gebracht sind zur Kirche Gottes, denn Christus ist der Friede, welcher die Scheidewand des Gesetzes mit seinem Tode am Kreuz hinweggenommen und die, wie durch einen Zaun aus einander gehaltenen beiden Theile des Menschengesihlechls zu einen: neuen, nur einzigen Eisen— scheu gemacht hat. In ihm haben die, welche vordem ferne, und die andern, welche schon nahe waren, in Einem Geiste gleich nahen Zugang zum Vater; nnd so sind auch die theiden jetzt Hausgenossen Gottes und mit den Juden eingefügt als die lebendigen Steine in den Gotlesteinnel des neuen Testaments (v. ll—22). I. Und auch euch, da ihr todt waret sund zwar eines-theils ihr, die ihr vormals Juden gewesen] dnrch Uebertretung [Gal. Z, 191 und sanderntheils ihr, die ihr Heiden waret, durch] Sünden* [Col. 2,13 — Uebertretungen begehen die Juden, die vom rechten Wege, der im Gesetz ihnen vor- gezeichnet ist, gefallen sind, in Sünden dagegen leben die Heiden, die von Haus aus auf falschen Wegen gehen], Z. Jn welchen [den Sünden] ihr [Heiden- christens weiland gewandelt habt nach dem Lauf dieser [gegenwärtigen argen Gal. l, 45 Röm. 12, Z; 1.Cor.11, 121 Welt sTit s, Z] und nach dem Fürsten, der in der Luft herrschet sals das Oberhaupt der bösen Geister unter dem Himmel Kap. s, l2], uiimiich nach dem fin diesen unheimlichen Mächten waltenden] Geist lvon ihm geleitet und getrieben l— Cor. 12, T]- der zu dieser Zeit snachdem ihr von ihm frei und dagegen Christi und seines Geistes theilhafiig geworden seid, nun zwar nicht mehr in euch] fein Werk hat fwohl aber noch] in den Kindern des Unglaubeiistt sdie dem Evangelio nicht gehorfam werden tvollen, vielmehr wider dasselbe sich auflehnen Kap. 5, 6; Col. 3, 6], 3. Unter welchen sKindern des Unglaubens oder Ungehorsams — nach anderer Auslegung: Jn welchen, den Uebertretungen V. l] wir auch alle [wir Judenchriften Röm. 2, l7 ff.; Z, 9 ff.] weiland unsern Wandel gehabt haben in den Lüften unsers Fleisches, und thaten den Willen des [genußstichtigen] Fieifches und der [eigensüchtigen] Vernunft, und waren auch Kinder des Zorns sdem Zorne Gottes verfallen Röm. l, l8; 2, 8 f.; 2. Sam. 12, 5] von Natur lunsrer eigenen per- sönlichen Beschaffenheit nach Gal. 4, 8., wenn wir absehen von dem, was Gottes Gnade Beson- deres an uns gethan hatte], gleichwte auch die Auderuspit fdie Sünder aus den Heiden Gal. Z, l5; Röm. Z, 9]; 4. Aber Gott, der da reich ist von soder an Jak. 2, H; l. Tini. G, 18] Barmherzigkeit lgegen so Elende und Verlorene, wie wir waren], durch seine große Liebe, damit er sin seinem Sohne Joh. 17, 23. 261 uns geliebet hat finden: er ihr ein Genüge thun wollte], 5. Da wir sbeiderseits, Juden wie Heiden, nach dem vorhin Gesagten] todt waren in den lllebertretungeii und] Sünden [darin wir unsern Wandel hatten V. 1——3], hat eruns [durch Her- vorbringung eines neuen Lebens in uns Col. 2, is] sammt Christo lebendig gemacht (denn aus Gnaden seid ihr selig wol-days— — sdas erwäget wohl und laßt es nirgend außer Betracht l. Cor. 15, l0], b. Und hat und sammt ihm [durch Verbür- gung unsrer einstigen Auferstehung 2. Cor. 5, Ei; Röm. 8, 11] anfetivecket sso daß es so gut ist, als wäre diese seine Großthat an uns schon ge- schehen 2. Cor. 4, 14] nnd sammt ihm [den er bei der Himmelfahrt gesetzt hat zu seiner Rechten in der Höhe Kap. l, 20] in das himmlische Wesen gesehn fdarin wir jetzt allerdings noch nicht persönlich uns befinden, wohl aber schon] in Christo Jesu [der unser Haupt ist und einmal alle seine Glieder nach sich ziehen wird Col. l, 18; Joh. 12, 32], » » 7. Auf daß er erzeigete in den zuinnfligeii Zeiten [wenn nun die Vollendung aller seiner Rathfchlüsse erscheints den überschivciuglichen Reich- 450 Cpheser 2, 8—10. thum feiner Gnade durch feine Güte über uns sdurch seine Gutthaten, die er alsdann wird an uns hinausgeführt haben] in Christo JesuH [Col. 3, 3 f.; 1. Joh. 3, 2]. 8. fGanz mit Recht redete ich soeben von einem überfchwänglicheri Reichthutn der Gnade Gottes durch seine Güte über uns in Christo Jesus Denn aus Gnaden seid ihr [beider- seits, ihr, die ihr vormals Juden, und ihr, die ihr Heiden gewesen] selig worden [wie ich schon in V. 5 euch das vorhielt, und ihr seid’s im Unterschied von den Kindern des Unglaubens, die es auch werden könnten, wenn sie nur wollten V. 2., geworden] durch den Glauben swomit ihr das euch dargebotene Heil ergriffen habt], und dass elbtge fdaß ihr gläubig und also selig ge- worden, kommt] nicht aus euch, Gottes Gabe [vielmehr] ist es [Ioh. S, 29; Phil. 1, 29; 1. Cor. 4, 7]; 9. Nicht aus den Werken [alfo, weder nach der einen, noch nach der andern Seite hin, kommt das Heil, und das hat Gott also ein- gerichtet], auf daß sich nicht jemand [ihm gegenüber] rühme [Gal. L, 15 f.; 1. Cor. 1, 29; Rom. 3, 27]. 10. sUnd auch, was wir nach unsrer Be- kehrung, im Stande der Wiedergeburh Gutes voll- bringen, gereicht ihm allein, nicht uns zum Ruhm.] Denn wir siud fein Werk, gefchasfen in Christo Jefu zu guten Werken [Tit. 2, 14], zu welchen Gott Uns zuvor [noch bevor es zu unsrer Bekehrung und Wiedergeburt kam, durch seinen Gnadenrath- schluß] bereitet hat, daß wir darinnen sftatt in den Sünden, in welchen die Heiden wandelten und in denen auch dieJuden ihren Wandel gehabt haben V. 2 f.] wandeln follensH [Kap. 45322 »ff.]. «) Nachdem Paulus in Kap.1,19 ff. von der überschwänglichen Macht Gottes an den Gläubiger: geredet, die man erkennen möge zufolge dessen, was Gott an Christo gethan, welchen er auferweckte, er- höhete u. s. w., will er nun, in Anwendung dessen auf die Leser, letzteren zum Bewußtsein bringen, daß Gott auch sie, als sie todt waren in ihren Sünden, mit Christo lebendig gemacht u. f. w., also auch an ihnen jene überschwängliche Macht erwiesen habe. Die Structur wird, ehe noch das Subject und das Verbum ausgefprochen wird, durch den Gedankenzufluß der Relativsätze in V. 2 und 3 abgebrochen, aber in V. 4 durch »aber« wieder aufgenommen, in welchem Verse dann das in V.1 noch nicht genannte Subject genannt und charakterisirt wird, während in V. 5 mit Wieder- holung des Objeets, welches jedoch nach Maßgabe des in den Zwischensätzen Gesagten schon in V. 4 in die erste Person übergegangen und also universell gewor- den war, auch das Verbum hinzutritr (Meyer.) Es muß beide Male ein vorhandener Zustand sein, wel- chem die göttliche Machtthat entnimmt: bei Christo ein Zustand, der das Widerspiel des leiblichen Lebens war, in welchem er von Geburt her gestanden hatte; bei uns ein Zustand, der das Widerspiel der persön- lichen Lebensgemeinschast mit Gott ist, in welcher wir als von Gott Gefchasfene stehen sollten. (v· Hosmann.) Die Schrist kennt einen geistlichen Tod (1. Joh. Z, 14; Matth. 8, 22; Luk. 15, 24) und einen zweiten Tod (Offenb. 2, 11; 20, 6. 14; 21, 8), also eine Art des Todes, welche, ohne Vernichtung zu fein, auch Geist und Seele betreffen kann· Der zweite Tod ist der jenseit des ersten Todes liegende höllische Straf- zustand; der eiftliche Tod aber ist der diesseitige natürliche Strafzuftand in welchem jeder Menfch- ab- gesehen von der Gnade, sich vorfindet, also eine Folge der Urfünde. Sagt man, dieser geistliche Tod sei Ent- - fremdung des inneren Menfchen von Gott, dem Leben- digen, so ist damit weniger angegeben, worin er be- stehe, als woher er entstehe; bestehen muß er in einer dem leiblichen Tode ähnlichen Auflösung und in einem dem leiblichen Tode ähnlichen Entschwinden des bis- herigen Lebens. So ist es auch: das Jnwendige der Menfchen wurde infol e der Urfünde vom Tode er- griffen, indem die bis erige harmonische Einheit der im Geistes- und Seelenleben in einander greifenden mannigfaltigen Kräfte sich auflöste und indem das gottesbildliche Geistesleben und dessen Spiegelung in er Seele entschwanden. Bisher erfüllte Gottes Liebe des Geistes Wollen, Denken und Empfindenx dieses dreifaltige gotterfüllte Geistesleben war das heilige Bild der Gottheit im Menfchen. Als aber fatanische Gedanken von einem lieblofen Gotte im Menfchen Eingang fanden, da trat Feindfchaft (Röm. 8, 7) an die Stelle der Liebe, und Unordnung (1.Cor. 14, 33) an die-Stelle des Friedens: die in Gott gesriedigten Kräfte der Seele geriethen in Verwirrung nnd ent- brannten in widergöttlicher Begierlichkeit; der Geist war der Liebe Gottes entfallen, und die Seele der Herrschaft des Geistes. Unser Leben ist seitdem nur ein Schatten des Lebens, und aus dem Naturgrunde, aus dem es aufgeleuchtet, strecken sich viele Arme, die den flüchtigen Schatten endlich in Finsternis; des Todes hinabziehen (Delitzfch.) Den belebten Men- fchen will es freilich nicht recht ein, sich als todt durch Uebertretungen nnd Sünden anzusehen, fchwach ließen sie noch eher auf sich kommen. Und es ist wahr, das Wort Gottes beschreibt uns auch zuweilen als Schwache, als Kranke, die des Ar tes bedürfen; aber auch damit meint es der Geist ottes nicht so, wie es die Menfchen gern auslegten. Die geben ich fchwach an mit der Beredung, sie könnten xizch wie er erholen und seien stark auf-dem Wege der esserungx das Wort Gottes aber meint eine Schwachheit, wobei keine Selbsthilfe mehr statthat, wo die Hoffnung zur Genesung nur auf der Nähe und dem Vielvermögen des Arztes beruht. So gewiß der Leib ohne Seele todt ist, so gewiß ist die Seele ohne Geist todt. Sie hat zwar ein naturliches Leben und aus demselben Kräfte, Verstand, Willen, Klugheit, kann es auch ver- möge der Sinne und Glieder des Leibes äußern; aber Gott zu erkennen, ihn zu lieben, feiner Wahrheit bei- zupflichten, Zeitliches und Ewiges mit einander zu ver- binden, Hoffnung des ewigen Lebens zu behaupten, das ist alles weg, und was davon an die todten Menfchen dringt, das findet viel Widerstand. Der Wandel und die Geschäftigkeih womit man insgemein diesen Tod bedeckt, macht den Schaden nicht geringer, sondern vielmehr gefährlicher. (Rieger.) H) Der Apostel läßt hier eine nähere Schilderung des geistlichen Todes folgen, welchem die Angeredeten verfallen waren, und befchreibt da zunächst das vor- malige Sündenleben der Heidenchristen Der Aus- druck: »in Sünden wandeln« ist sehr bezeichnend; denn er weist auf einen Zustand hin, in welchem die Sünde die Lebenssphäre der Betreffenden geworden war. Der frühere Todeszustand der Leser und die herrliche Neuschöpfung, die mit ihnen vorgegangen. 451 Durch den Zusatz: ,,nach dem Lauf dieser Welt« wird dann auf die bestimmende Macht hingewiesen, von welcher die Sünder beherrfcht waren; das fündige Weltleben ist nämlich nicht die völlige Zügellosigkeih die bloße Anarchie, vielmehr, wer der Sünde dient, ist bestimmt durch Mächte und Gewalten, die um so furchtbarer und nnwiderstehlicher wirken, je mehr sie organisirt sind und die von ihnen beeinflußten Judi- viduen in ein System von bösen und verderblichen Einflüssen verwickeln, aus dem der individuelle Wider- stand sich nicht mehr herauszuarbeiten vermag. (Schenkel.) Diese Welt, die gegenwärtige arge, welchein der Mitte liegt zwischen der vergangenen sehr guten und der ukünftigen sehr herrlichen, und deren Lauf von Ge- Jchlecht zu Geschlecht, vom Fluthgerichte zur Zeit Noahs bis hin zum Feuergerichte des jüngsten Tages dieselbe Weltart darthut, diese Welt wirkt mit zauberischer Ge- walt auf ihre Kinder. Usus est tyrannus, der Brauch ist ein Tyranm der ärgste Thrann der Weltbrauch, auf dem breiten Wege zu wandeln nach väterlicher Weise (1. Petri I, 18). Wie die Mutter Welt ihren Kindern voranläufh so laufen sie hinten nach; gegängelt am drei- fältigen Wolluststricke (1. Joh. 2, 16) und festgebannt in dies endliche Weltwesen, welches mit feiner ver« gänglichen Lust ihre einzige Heimath ist, lassen sich die Leute dieser Welt, welche ihr Theil haben in ihrem Leben (Ps. 17, 14), betrügen um das Gliick ihrer zur Ewigkeit geschaffenen Seele. Unbegreiflich wäre dieser Betrug, wenn nicht hinter der Welt Einer stünde, der ihren Lauf triebe und inspirirte. Den Gott dieser Welt nennt Paulus anderswo den Satan (2.Cor.4,4), wie ihn der HErr den Fürsten dieser Welt nennt (Joh. 12, Si; 14, 30), weil er kraft eigener Argheit den Lauf dieser verführten Welt beherrscht; hier nun be- kommt der Fürst dieser Welt einen Namen, der mächtig geeignet ist, uns zu feurigem Danke zu erwecken für die Gnade unsers HErrn Jesu Christi, welcher uns von der Gewalt des Teufels erlöst hat. Die nach dem Lauf dieser Welt wandeln, die wandeln ugleich nach dem Fürsten, der »in der Luft herrschet«. s ent- spräche nun der Sünde, dieser Naturgewalt über den Menschen, erschrecklich genau, wenn der Erzfeind Got- tes und der Menschen, dessen Wesen die Sünde ist, solcherweise in der Luft herrschte, daß er sogar mittels der Luft, dieser Lebensbedingung alles natürlich Leben- digen, seine vergiftende, tödtende Gewalt über alles ausübte, was sich nicht von der Obrigkeit der Luft (wie im Grundtext eigentlich steht: ,,nach dem Fürsten der Obrigkeit der Luft«, vgl. Col. I, 13) erretten und in das Gnadenreich versetzen läßt, worin die Luft des lebendigmachenden Geistes Jesu Christi weht; allein wie wir bei diesem Gnadenreiche nicht von der natür- lichen, stofflichen Luft reden, sondern von einer Luft des Geistes, so fügt unser Text auch den Worten: ,«nach dem Fürsten, der in der Luft herrschet« alsbald hinzu: ,,nämlich nach dem Geist, der zu dieser Zeit sein Werk hat in den Kindern des Unglaubens.« Die Lebensluft also, aus welcher die Kinder des Unglaubens ihren Lebensodem schöpfen, ist nicht die vom Winde, sondern eine vom Geist bewegte Luft; nichts aber kenn eichnet den Geist, welcher der vom Teufel erfüll- ten tmosphäre entstammt, so surchtbar trefflich, wie sein Werk in denen, welchen er, der Gott dieser Welt, die Sinne dergestalt verblendet hat, daß sie nicht sehen das helle Licht des Evangelii, ·a geradezu zu Rebellen werden gegen das Wort der ahrheit (2. Tor. 4, 4; Z. Thess. 1, 8). Die gläubig gewordenen Epheser konnten die Argheit und Schändlichkeit ihrer vormali- gen Knechtschaft unter dem Teufel nicht gründlicher erkennen, als indem sie das Werk des teuflischen Zeit- geistes in den Ungläubigen ansahen und sich sagten: diesem Feinde unsrer Seligkeit haben wir weiland auch gehuldigtx von diesem unsauberen Geiste, der jetzt die Weltmenschen zu ihrem Schnauben und Toben gegen das Evangelium begeistert, haben wir uns auch um- treiben lassen! (Besfer.) Erst dann erkennt der Mensch das Böse in seiner ganzen Tiefe und Furchtbarkeih wenn er inne wird, daß sein Verderben nichts Ver- einzeltes ist in ihm und daß auch das gesammte Ber- derben der Menschen auf Erden nicht blos eine Wir- kung der Schwachheit ihres Fleisches, nicht blos ein Mangel des Guten ist. Durch jede böse Regung in seinem Jnnern steht der Sünder in wirklicher, enger Verbindung mit der ganzen Macht, die an- der Zer- störung des Reiches Gottes, der Vernichtung alles Heils und Segens für Gottes Geschöpfe arbeitet; er giebt sich dem Dienste einer Macht hin, die weit ge- waltiger, als ohnmächtige Menschen von Fleisch und Blut, und weit entschiedener »und anhaltender den Kampf führt gegen das heilige Reich des Lichtes und des Lebens. (v. Gerlach.) »Es-V) Während die vorigen Worte an die Heiden- christen gerichtet waren, geht Paulus hier zu den Judenchri ten über und sagt von ihnen aus, daß sie vor ihrer ekehrnng auch unter den Kindern des Un- gehorsams ihren Wandel gehabt haben in den bösen Lüsten des Fleischesx es ist damit ebenso, wie vorher mit dem ,,wandeln nach dem Lauf dieser Welt u.s.w.«, die fortdauernde Lebensrichtung beschrieben im Gegen- satz gegen isolirte sundliche Handlungen. (Qlshau en.) Das »den Wandel haben« weist mehr auf unruhiges, widerspenstiges, streitsüchtiges Sichumhertreiben hin, während das ,,wandeln« mehr ein indolentes, gewohn- heitsinäßiges Sichgehenlassen bezeichnet Auch die nähere Be eichnung: ,,in den Lüsten unsers Fleisches« «. verschärft ie Aussagem dort (V. 2) handelt es sich mehr um die äußern Einflüsse, hier um die eigene innere Lust. (Braune.) Der Wille des Fleisches und der Wille der Vernunft ziehen sich bei denen, die ihren Wandel in den Lüsten ihres Fleisches haben, nur gar zu bald in Ein böses Geschwür zusammen. Anfangs kann zwar Fleisch und Vernunft eine Weile mit ein- ander in Streit liegen: die Vernunft klagt die Lüste des Fleisches als niederträchtig und dem Menschen unanständig an, giebt aber kein Vermögen, selbiger los zu werden; und das Fleifch wirst der Vernunft dies ihr Unvermögen und die daher kommende Falsch- heit ihrer angemaßten Tugenden vor, und daher machen diese beiden lieber Frieden mit einander, die Vernunft vergleicht sich mit dem Fleisch und hilft dessen Lüste rechtfertigen und entschuldigen, streicht ihnen einen besseren Schein an, und das Fleisch kriecht auch dem Ruhm der Vernunft zulieb zuweilen in eine Gestalt, die nicht gar zu plump heraus kommt. Das iebt die Menschen ab, die zusammen den Willen des leisches und der Vernunft thun. (Rieger.) Nur von dem Heidenthum sagt der Apostel, daß es unter den Einwirkungen des Teufels und dämonifcher Gewalten sich befinde; dagegen ist nach seiner bestimmten Erklä- rung auch der Jude unter die Macht des Fleisches mit seinen Lüsten und Begierdem unter die sleischlichen Willensneigungen und Gedankenbewegungen gefan en enommen, auch er steht, was seine natürliche e- sxchaffenheit betrifft, unter dein göttlichen Zorngericht und hat keinen Vorzug vor den, dem Reiche des Teu- fels unterworfenen Heiden. (Schenkel.) Die in dem bloßen ,,Kinder des Zorns« gezogene allgemeine Parallele zwischen Juden und Heiden hätte an sich und auch im Verhältnis; zur weiteren Entwickelung von V. 11 an etwas Unpassendes, ja Unrichtiges; es 452 Epheser L, 11—-18. drängt sich dem Apostel auf, daß der allgemeine Ge- danke in Beziehung auf ihn und sein Volk beschränkt werden müsse, und dies thut er mit dem Zusatzm »von Natur«, indem er sich an etwas den Juden Gegebenes erinnert, wonach sie nicht Kinder des Zornes hätten sein können. Und das ist die Stellung, welche sie hatten als von Gott gegründete Bürgerschaft mit ihren Teftamenten der Verheißung und der daraus für sie erwachsenden Hoffnung des Erlösers, ein Besitzthum, welches sie von den Heiden schied, worin sie einen wesentlichen Vorzug besaßen und wodurch sie etwas Anderes werden sollten und konnten, als Kinder des Zorns, was sie von Natur allerdings waren, gleichwie auch die Andern. (Harleß.) Der ehemalige Pharisäer Paulus, nach der Gerechtigkeit im Gesetz gewesen un- sträflich (Phil. Z, 6), stellt sich willig neben die e3e- maligen Zaubereitreiber von Ephesus (Apostg. 19,1 ): bei aller großen Verschiedenheit seines und ihres vori- gen Wandels, findet er doch zwischen sich und ihnen keinen Unterschied in dem Stück, daß sie beiderseits ihres Fleisches und ihrer Vernunft Willen thaten — er im Füttern seiner Selbstsucht mit dem unverstän- digen Ruhm gesetzlicher Gerechtigkeit, sie im Mästen ihrer Selbstsucht mit der schandbaren Ehre ächten Epheserthums. (Besser.) · » f) Gottes Erbarmen nimmt Elend und Tod hin- weg, seine Liebe tritt selbst für den Zorn ein und macht selig, erlöst und errettet. (Stier.) Die große Liebe Gottes fügt Paulus nach der Aussage vom Reichthum an Erbarmen, das er des Zusammenhangs wegen dem Todeszustande der Völker, Heiden und Juden gegenüber vorangestellt hatte, nur noch bei, weil in den Menschen gar kein Grund für ihr Heil zu finden war. Erbarmen war in Gott Bewegung seiner Liebe, die zu seinem Wesen gehört; es bedurfte aber der ganzen Fülle von Liebe Gottes, daß den Menschen geholfen würde. (Braune.) Die in Sün- den Todten an sich konnte Gott nicht lieben, noch viel weniger mit großer Liebe lieben; aber in dem Reichthum s einer Barmherzigkeit, in der Fiille sei- ner Liebe liebte er die, die von ihm abgefallen waren, in Christo und ließ sie erwachen zu einem neuen, seli- gen Leben. (Harleß.) Das Verständniß des Wortes ,,lebendig gemacht« ergiebt sich aus dem Gegensatze zu dem ,,todt waren in den Sünden«; waren die Christen vor ihrer Bekehrung nicht im phhsischem sondern nur im geistlichen Sinne todt, so kann natürlich auch ihre Wiederbelebun nicht, wie einzelne Ausleger wollen, als eine physische (am jüngsten Tage), sondern nur als eine geistliche zu betrachten sein. Der Apostel unterbricht nun hier seine Rede mit dem parentheti- schen Zwischensatzc »denn aus Gnaden seid ihr selig worden«, weil das Bewußtsein des in der Gemeinschaft mit Christo aufgenommenen neuen Lebens iin Gegen- satz zu dem früheren Todeszustande ihn zu freudigem Dankgefühle gegenüber der göttlichen Gnade bewegt, welcher das segensvolle Ergebniß ausschließlich zu danieikiciih b ch tCh st d «F1 )ott ataerau mi ·ri o, .i.in oge der wunderbaren Verbindung, die zwischen den Er- lösten und dein Erlöser besteht, die Bekehrten auf- erweckt und in das himmlische Wesen gesetz·t (vgl. Röm. S, 6 ff.; Phil. Z, 20): was erst zur Zeit der Vollendung in ungetriibter Herrlichkeit dem Chri- sten zu Theil werden wird, das besitzt er, wenn auch noch unentwickelt und unvollkommen, thatsächlich schon jetztz er lebt in Gemeinschaft mit dem auferftandenen und verklärten Erlöser dessen Leben bereits auf Erden und« obwohl an den Leiden dieser Zeit theilnehmend (Röm. 8, 17 f.), vorempfindet er doch schon hier die Seli keit der künftigen Herrlichkeit, schon hier ist er ein ürger des Himmelreichs Und was nun jetzt schon im Besitze der Christen ist, das soll auch in den zukünftigen Zeiten zur vollen Erscheinung kom- men. (Schenkel.) Wohl ist es wahr, daß die ganze Gnadenzeit des neuen Testaments eine Zeit der Er- zeigung der Güte, Huld und Freundlichkeit Gottes in Christo Jesu ist, und nicht uneben hat ein gottseliger Lehrer der Kirchengeschichte den Gang derselben durch die Jahrhunderte hin als eine Erfüllung des apostoli- schen Texteswortes bezeichnet; aber doch wird erst durch die zukünftige Güte Gottes über uns der gegen- wärtige Gnadenreichthum hell an den Tag kommen. (Besser.) Zu beachten ist die Wiederholung des Namens Christi in«den Schlußwortent »in Christo Jesu«; der Apostel will, daß man keine Gnade noch Liebe von Gott erwarte, als nur allein unter Christi Vermitte- lung. (Ealvin.) HH Nicht allein die durch Christi Blut geschehene Erlösung aus unserm ehemaligen Sünden- und Zorn- zustande ist ein pures Gnadenwerk, sondern auch daß wir nun glauben an Jesum Christum, unsern HErrn, und in ihm leben im Glauben, ja alles, was wir in unserm Christenstande ihm zu Ehren thun und leiden mögen bis zum seligen Sterben und Eingehen in seine Freude — alles, alles ist Gnadengabe. Weder haben wir uns selbst versöhnt niitGoth sondern Gottes Gabe ist Der, welcher uns vom Zorn erlöst hat durch sein Blut; noch haben wir uns selbst gläubig gemacht, als wäre der Glaube menschlichen Beliebens Ding (2. Thess 3, 2), sondern Gottes Gabe ist es, daß wir uns zu Christo ziehen und bei Christo erhalten ließen durch das Wort seiner Gnade und alle gnädige Arbeit seines heil. Geistes an unsern Seelen, da er uns von Natur Widerwillige überwunden hat und noch täglich über- windet, zu verzagen an uns, an unsrer Gerechtigkeit und Selbstfrömmigkeih um zu vertrauen auf Jesunis Christum allein, feind zu werden unsrer fleischlichen Vernunft, um sie gefangen zu nehmen unter den Ge- horsam Christi, kurz, unserm eignen Leben abzusagen, um Christi Leben zu empfangen. Jedes Glaubens- fünklein in unserm Herzen ist Gottes Gabe: ,,wolltest du der Mann sein«, sagt Luther, »daß du deines Herzens mächtig wärest? Ja, lerne erst, daß der Glaube sei eine Gabe Gottes und eine göttliche Kraft!« (Besser.) Mit bewundernswürdiger Klarheit stellt uns hier der Apostel das wahre Verhältniss von Glauben und Wer- ken in’s rechte Licht: so wenig können wir durch Werke uns selbst erlösen, daß wir vielmehr erst selbst in Christo Jesu, d. durch den Glauben in ihn hinein- versetzt, mit ihm innigst verbunden, als ein neu und gut erschassenes Werk »aus Gottes Händen hervorgehen müssen. Dies Werk nun hat Gott erschasfen zu guten Werken; er hat uns zuvor bereitet, so eingerichtet, begabt, damit wir darin wandelten. Weder die vor- hergehenden Werke daher können uns die Seligkeit verdienen, denn sie beruht ganz darauf, daß Gott uns von Neuem in Christo erschafft; noch auch die nach- folgenden, denn die Kraft zu ihnen fließt eben her aus diesem Werke unsrer neuen Schöpfung, die mit unsrer Errettung Eins ist. Aber nur der ist errettet, selig gemacht aus Gnaden durch den Glauben, den die freie Liebe unablässig zu guten Werken treibt, denn dazu. hat uns Gott in Christo neu geschaffen. (v. Gerlach.) 11. Darum sweil in der christlichen Kirche wir einen so hohen Ehrenstand einnehmen, wie ich ihn eben V. 10 beschrieben habe] gedeiiket Welche Ursach besonders die früheren Heidenchristen haben, ihres jetzigen Heilsftandes sich zu freuen. 453 daran, daß ihr, die ihr weiland nach dem Fleisch [des Vundeszeichens an demselben ermangelnd, das Gott einst dem Abraham und seinem Samen gegeben 1. Mos. 17, 10 ff.; Apostg. 7, 8] Heiden gewesen seid [1. Cor. 12, Z; Jer. 9, 26] and [in solchem eurem Stande in verächtlicher Weise 1·Sam.17,26; 31,4; Hef 44, 7; Jes.52,1] die Vorhaut [Gal. 2, 7z Col. Z, 11] genannt wurdet von denen, die genannt sind die Beschnei- dung nach dem Fleisch, die [im Unterschied von einer andern Rönn 2, 28 f.; Col. 2, 11; Phil. 3, 3] mit der Hand geschiehet fnämlich von den auf ihre Vorzüge stolzen Juden Röm. 2, 17 ff.], 12. Daß ihr zu derselbigen Zeit waret ohne Christum ssoweit er schon im alten Testamente da war Röm. 9, 5; 1· Cor. 10, 4; Gal. Z, IS; Joh 1, 11], fremde und außer der Bürgerschaft Israel [des Volkes Gottes 5. Mos. 7, S; 4, 8] und fremde von den Teftamenten der Verheißnng [Röm. 9, 4; Jes. 55, Z; Pf. 89, 4 f.]; daher? ihr keine Hoffnung hattet [vgl. I. Theff 4, 13] und waret ohne Gott in der Welt* [1. Thefs 4, Z; Gal. Z, s; Jer. 10, 25]. II. Nun aber, die ihr [jetzt] in Christo Jesu seid und weiland ferne gewesen [Kap. 2, 39 Anm.], seid nnn [im Gegensatz zu jenem eurem früheren Verhältniß V. 12; Col. 1, 21 f.] nahe worden [1. Petri 2, 101 durch das Blut Christi fals durch welches allein ein solches Versetztwerden auf das heilsgeschichtliche Gebiet für euch möglich geworden Joh. 12, 20 ff.]. 14. Denn er ist unser [der bisher getrenn- ten beiden Theile der Völkerwelt, Juden und Heiden] Friede [d. i. Friedensurheber 1. Cor. l, 30; Col. I, 27], der aus beiden sTheilen V. 18] Eins hat gemacht [sie zur Einheit in der Einen heiligen christlichen Kirche erhoben Col. Z, 11; Gal. 3, 28; Jan. 10, 16]; und hat abgebrochen den Zaun [Jes. 5, 2; Matth. 21, 33], der fals Scheidewand] dazwischen war lund die Juden von aller Gemeinschaft mit den Heiden als Unreinen abhielt Apostg. 10, 28J, in dem, daß er dnkch sein Fleisch sdas er gegeben für das Leben der Welt Joh. S, 51; Heim. 10, 101 wegnahm die szur Zeit des alten Testaments zwischen ihnen bestandene] Feindschaft [Col. 1,21f.; 4.Mos. 23, 9], 15. Nämlich das Gesetz, so in Geboten ge- stellet war [Col. 2, 14; Gal. 3, 13 f., und da- für das Gesetz des Glaubens Röm. Z, 27 auf- richtete], auf daß er ans zweien [dem Juden einer- und dem Heiden andrerseits, in der von ihm be- wirkten neuen Creatur Gal. 6, 15] Einen neuen sweder Jude, noch Grieche, sondern einfach blos Christ seienden Z. Cor. b, U] Menschen in ihm selber sehaffete sals in welchem sie nun Beide sind Gal. 3, 281 und Friede maehete szwischen denen, ge bisher einander seindselig gegenüberstanden . 14], 16. Und daß er beide svon Grund ans Col. I, 20] versbhnete mit Gott in Einem Leibe [den sie fortan ausmachen Kap. 1, 23; 4, 4; Col. s, 15; Rom. 12, s; 1. Cor. 10, 17; 12, 121 durch das Kreuz [welches beiden Theilen behufs dieser Versöhnung mit Gott zugute kommt Col. I, TO; L. Cur. 5, 18 ff.], nnd hat [mittels dieses seines Todes] die Feindschaft [wie die zwischen den Menschen und Gott, so auch die zwischen Heiden und Juden V. 14., in einer und derselben Hand- lung] getödtet dnrch sich selbst« [nach anderer Lesart: an demselbigen, nämlich am Kreuz]; 17. Und ist snachdem er das eben Gesagte ausgerichtet] kommen [da er nach seiner Auferstehung den Seinen erschien Joh. 20, 19. 21. 26 und nach seinem Hingang zum Vater seine Apostel aussendete in alle Welt Apostg. 1, 1 Anm.], hat verkundiget im Evangelio den Frieden euch, die ihr ferne waret [euch ehemaligen Heiden V. 11 ff.; Z— Etw- 5, 19 W, Und lFrieden — dies Wort wird in etlichen guten Handschriften des griechi- schen Grundtextes hier wiederholt Apostg. 10, 36] denen, die nahe waren fden Juden Jef 57, 19; Sach. 9, 9 f.]. 18. Denn durch ihn haben wir [die wir nun in seine Kirche eingegangen sind] den Zugang alle beide in Einem Geist [der uns in gleichmäßiger Weise zu Theil geworden Apostg. 11, 15 u. 17] zum Vater-W [K.ap. 3, 12; Rom. 5, 2; Gal. 4, S; Hebt; 10, 19 ff.]. V) Jndem der Apostel den Heidenchristen das Elend vor ihrer Bekehrung zu schildern beabsichtigt, schickt er in V. 11 eine Einleitung voraus, in welcher er auf die geringe Berechtigung hindeutet, die die Juden hat- ten, sich selbst über die Heiden zu erheben; es ist das im Zusammenhange um so passender und bedeutungs- voller, als es dem Apostel bei der gleich folgenden Auseinandersetzung, in welcher er die Heiden dem Volke Israel unterordnet, daran liegen mußte, dem Mißverständnisse zu wehren, als thue er dies nach der gewöhnlichen irrthümlichen Ansicht des jüdischen Na- tionalstolzes Das sage ich, will er andeuten, nicht in solcher verkehrten Gesinnung, sondern von der Er- kenntniß aus, die ich über die Bedeutung der alttestas mentlichen Offenbarung habe. (Harleß.) Paulus be- trachtet nach seiner großartigen Anschauungsweise seine nächsten Leser als die Repräsentanten des Heidenthums und der heidnischen Weltperiode überhaupt; daher ist die folgende Zeichnung, mit der noch Kuh. 4, 18 f. Col. 1, 21 zu verbinden ist, eine Darstellung des Hei- denthums aller Zeiten und aller feiner Gestaltungem Es ist immer ,,ohne Christum«, also ohne Heil. Hier hatte nicht etwa auFh ,,ohne Jesum« oder ,,ohne Jesum Christum« stehen konnen, denn ohne Jesum waren die Juden auch; Christus bezeichnet den Messias als Jdee, von dessen Erscheinung die Jsraeliten die Weissagungen empfangen hatten, wie denn gleich im Folgenden diese als den Heiden mangelnd beschrieben werden. Be- zeichnend ist aber der Ausdruck ohne Christum in- sofern, als die Weissagungen unter den Jsraeliten jene, zu größerem Edelthume. 454 nicht als bloße abstrakte Versicherungen von etwas Künftigem zu denken sind, sondern als reale Ver- heißungen, in und mit denen der Keim des Verheiße- nen schon gegenwärtig war im Volke. Christus wohnte als ewiges Wort des Vaters schon vermittelst einer Zins-Jalo- poyris (begrifflichen Anwesenheit) im Volke Jsrael vor der sie-ängstet atsärzrh (wahrnehmbaren An- wesenheit), welche mit der Menschwerdung begann: diese Jmmanenz Christi nach seiner Gottheit in Israel fehlte im Heidenthumz daher sein unendlicher Abstand auch in seinen edelsten Bildungen von dem, was das Volk Gottes beschloß. Israel nun als das Volk Gottes hatte eine eigenthümliche, von ihm, dem HErrn, selber angeordnete politisch-religiöse Versassun, welche ein Vorbild des Reiches Gottes war; diefxen geregelten Zustand der Theokratie, der die Entwickelung im Glau- bensleben mächtig befördern mußte, bezeichnet hier der Ausdruck: Bürgerschaft Jsraels, den Heiden aber war die Theilnahme daran versagt. (Olshausen.) Fremde und außer der Bürgerschaft Jsraels waren die Heiden auch geschieden von dem Hauptschatze dieses Reiches, nämlich den Testamenten der Ver- heißung An allerlei ,,Bündnissen« fehlte es den Heiden nicht, aber keins von allen noch irgend eine ihrer staatlichen Ordnungen reichte hinein in’s Him- melreich und in die zukünftige Welt; in Israel allein hat sich die heilsanfängliche Verheißung des Weibes- samens, welcher sich die Heiden entfremdet hatten, ein- gebürgert durch die Testamente oder Bündnisse, worin der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs sich theuer verbunden hat, jene Grundverheißung zu erfüllen und den Fluch über die sündige Menschheit in Segen zu verschlingen durch Abrahams Samen, den Einen. (Besser.) Die von der Verheißung Ausgeschlossenen nun hatten keiiie Hoffnung; sie hatten nichts zu hoffen, eben weil sie das verheißene Heil nicht zu hoffen hatten. Die tiefste Stufe des heidnischen Elends bezeichnet dann: ,,ihr waret ohne Gott« (Meyer.) Das Wort des Grundtextes (at»heos) entspricht dem ,,hat keinen Gott« in 2. Joh. 9. Das Wesen des Hei- denthums ist Atheismus, denn Dämonendienst und Abgötterei (1. Cor. 10, 20; 12, 2) ersetzen Gott nicht. (Braune.) Die Heiden meinten zwar nicht, daß kein Gott sei, im Gegentheil hatten sie viele Götter, und waren besonders die Griechen, wie unsre deutsche Bibel schreibt, in allen Stücken allzu abergläubig (Apostg. 17, 2·2); aber den wahren Gott kannten sie nicht ein- mal, geschweige daß sie ihn gehabt hätten. (Bengel.) Das »in der Welt« gehört zu beidem, zu: ,,ihr hattet keine Hoffnung« sowohl, wie zu: ,,ihr waret ohne Gott«. Die Beschaffenheit der Welt macht es zum kläglichsten Geschick, wenn man in ihr, der elendvollen, ohne Hoff- nung, in ihr, der nichtigen und vergänglichem ohne Gott ist. (v· Hofmann.) «) Paulus nennt Christum nicht blos den Frie- densstifter, sondern den Frieden selbst; er ist selbst das Band, das uns mit Gott und die Heiden mit dem alten Bundesvolke vereinigt. Der Apostel stellt nun die durch Christus gestiftete Versöhnung vorzugsweise von der Seite dar, daß die Heiden dadurch in die Gemeinschaft des Volkes Gottes eingetreten seien, was aber wiederum nur dadur möglich eworden, daß Christus beide, Juden und eiden, in ottes Gemein- schaft zurücksührte, beide erneuerte und also Eine neue Bundesgemeinde gründete. (v. Gerlach.) Doch sagt der Apostel nicht, Christus habe uns Heiden zu dem Adel der Juden erhoben, sondern sowohl uns, als Er hat uns Eins ge- macht, nicht indem er uns Heiden an die Juden an- schloß, sondern indem er uns und sie in Ein Ganzes Epheser L, 19—22. verband: wie wenn Einer zwei Bildsäulen hätte, die eine von Silber, die andre von Blei, und er schmölze sie zusammen, und sie kämen als Eine goldene Bild- säule hervor; oder wie wenn ein angenommener Sohn und ein Sklave wären, aus denen dieser von dem Vater nicht das Geringste gehört hätte, und beide würden durch eine neue Geburt ächte Kinder und Erben. (Chrråsostomus.) Der Apostel redet von einem Banne, der - ie Juden von den Heiden geschieden hielt und die Heiden von den Juden absperrte; umzäunt war namlich die Burgerschast Israel durch Gottes heiliges Gesetz zur Beschirmung vor dem wüsten und ver- wüstenden Weltwesen (Ps. 80, 18), und dieser schirmende Gese eszaun wurde den· gesetzlosen Heiden gegenüber zur wisehen- und Scheidewand, welche die innerhalb der Umzaunung Befindltchen von denen außerhalb der- selben trenntesp Aber hat. denn dieser Umfriediguiigs- Segen in Christo aufgehört? Das sei ferne! Nicht derZaun selber, der das Volk Gottes schirmend um- sehließtz sondern des Zaunes Scheidewand (so der eigentliche Wortlaut des Grundtextes) hat Christus abgebrochen, um durch’s Evangelium des Zaunes uni- friedigende Art recht· aufzurichten und durch den Glau- ben seine Christenheit von der Welt so zu scheiden, wie es das Gesetz nimmer vermochte. (Besser.) Das Gesetz, war die Feindschast zwischen Heiden und Juden, denn dadurch wollten die Juden besser sein (Gal. Z, 15); nun aber ohne Gesetz alle zumal durch Christum den Geist haben, hat solche Feindschaft ein Ende und ist einer wie der andere. Denn er hat das Gesetz nicht aufgehoben, daß man’s nicht halten solle, sondern den Geist gegeben, der alles frei thut, daß er des schriftlichen Gesetzes nicht bedarf und von ihm ungetrieben ist. Nun blähten sich die Juden des schriftlichen Gesetzes und seiner Werke halben wider die eiden; aber nun einerlei Geist beiden gegeben ist, hört das Blähen vom Gesetz auf und werden Freunde in Christo. (Luther.) « IN) Zu beachten ist, daß von denen, welchen Chri- stus im Evangelio den Frieden verkündigt habe, die zuerst genannt werden, die da ferne waren: nicht als ob er ihnen zuerst Frieden verkündigt hätte, was dem geschichtlichen Verlauf widerspräche, sondern als das Verwunderbare wird betont und deshalb zuerst ge- nannt, daß der Heiland Jsraels einen Frieden ver- kündigt hat, welcher für die außerhalb, wie für die innerhalb der heilsgeschichtlichen Gemeinde Befindlichen vorhanden sei. So verschieden ihr Stand von dem der bisherigen Gemeindebürger war, sollte doch für sie wie für letztere Friede zu haben sein; sie sollten nicht nöthig haben, in die bisherige Heilsgemeinde einzutreten, um Frieden zu finden, sondern da, wo sie bisher gewesen waren, Friedens theilhaft werden kön- neu·- (v. Hofmann.) Der Apostel nennt absichtlich die Heiden zuerst, weil zu seiner Zeit die Heidenchristen bereits dasbedeutungsvollere Element in der christ- lichen Gemeinschastgeworden waren. (Schenkel.) Da fließt» das Geheimniß der heil. Dreieinigkeit und das gemeinsehaftliche Geschäst des dreieinigen Gottes im egnadigen und Verherrlichen der armen Sünder er- fahrungsmäßig in· das Herz, wo man im Zugange durch den Sohn im Geiste zum Vater zu stehen kommt. (Rieger.) (Episiel am Tage St. philippi und Jacobh V. I9——22.) (Vgl. Joh. 14, I ff.) 19. So seid ihr nun lgemäß dem, was ich soeben dargeIegthabeJ nicht mehr lwie vor eurer Berufung zu Christo] Gaste und Fremdlinge [besser Jn Christo Jesu ist Frieden gemacht zwischen Heiden und Juden und beiden der Zugang geöffnet. 455 stellt nian die beiden Worte um: Fremdlinge und Gäste 3. Mos. 25, 35., Angehörige eines andern Staatsverbandes, als des theokratischen, und höchstens Solche, die, ohne eigentliches Bür- gerrecht zu besitzen, sich nur gastweise im Bereiche des Volkes Gottes aufhalten dürfen Apostg. 7, 6. 29; 1. Petri 2, 11], sondern sihr seid] Bürger mit den Heiligen lMitbürger der Heiligen, ganz und gar in deren Gemeindeverband aufgenommen] und Gottes Hansgenossensp fGenossen seines Haus- standes oder seiner Familie 1. Tini. 3, 15; 1. Petri 4, 17; Hebr. 3, 6], 20. Etbanet sals die ihr selber die Steine jenes Hauses Gottes ausmacht, das sich als sein Gebäu J. Cur. Z, 9 bezeichnen läßt 1. Petri T, Z] auf den Grund der Apostel und Propheten [Luk. 11, 49; Offenh 21, 14], da sindem oder während] Jesus Christus der Ecksteintt sfür ihn, diesen Grund] ist [Jes. 28, 16; Matth. 21, 42; 1. Petri S, 6]- 21. Auf welchem [Eckstein, dem HErrn Jesu Christo] der ganze sdem Anfange nach zwar schon vorhandene, seiner Vollendung jedoch erst noch zicstrebeUdeJ Bau in einander gefüget [so daß sich die einzelnen Theile zu einem harmonischen Ganzen zusammenfügen Kap· 4, 16] wächset zu einem hei- ligen Tempel in» dem HErrn swie ein solcher ja schließlich zu Stande kommen soll], 22. Auf welchem auch ihr sHeidenchristen V.- 11 ff.] mit [denen, die vornials schon Gottes Volk und seine Wohnung hießen um deß willen, was aus ihnen einst werden sollte 3. Mos. 26, 11 f.; Jes. 37, 27 f.] erbauet werdet zu einer Behausung Gottes im Geist M smittels dessen Gott euch gleichsam bewohnt und mit seiner Herrlichkeit er- füllt 1. Cor. S, 16; 2. Cor. S, 16; Röm. 8, 11; i. Kön. 8, .11]. V) Der Apostel zieht aus seiner von V. 14 bis V. 18 gegebenen Ausführung nunmehr den zusammen- fassenden Schluß, indem er zugleich den in V.13 schon ausgesprochenen Satz wieder aufnimmt; was er als nun erwiesen ansieht, ist ein Doppeltes: I) daß die heideuchristlichen Leser nicht mehr Frenidlinge und Beisassen, 2) daß sie Mitbürger mit den Heiligen und Hausleute Gottes sind. ZU »Fremdlinge« ist V. 12 zu vergleichen (auch in 3. Joh. 5 hat Luther das »Fremdlinge« mit ,,Gäste« übersetzb in l. Petri L, 11 dann das ,,Gäste« mit ,,Fremdlinge«); allein was be- deutet das ,,Gäste« und wie unterscheidet es sich von dem ersteren? Durch die gewöhnliche Bedeutung: ,,Beisassen«, wodurch solche Einwohner einer Stadt oder eines Landes bezeichnet werden, welche kein Bür- gerrecht daselbst besitzen, könnte man an das Verhält- niß der jüdischen Proselhten (3. Mos. 17, 9 Anm.) erinnert werden, allein der Apostel redet hier, wie aus dem Zusammenhange deutlich erhellt, lediglich von ehemaligen Heiden; dabei ist nicht außer Acht zu lassen, daß dem Ausdrucke »Fremdlinge« der Ausdruck »Mitbürger«, dem Ausdrucke ,,Gäste« der Ausdruck ,,Gottes Hausgenossen« im Texte parallel ist. Jn einem gewissen Sinne nun gehörten auch die Heiden zum göttlichen Haushalte, denn in Adam, Noah und Abraham hatte Gott das ganze Menschengeschlecht er- wählt (Röm. 4, 13 f.; l. Mos. 22, 17), allein sie be- saßen gleichwohl kein Hausrechy sie waren nicht Hausgenossen, sondern nur im Hause Geduldete (Röm. Z, 25). Jetzt war vermittelst des, die theokra- tische Gesetzgebung aufhebenden Kreuzestodes Jesu den Heiden Bürgerrecht und Hausrecht gemeinsam mit den Juden eingeräumt; unter den »Heiligen«, deren Mitbürger sie Paulus nennt, sind jedoch nicht die Juden als solche zu verstehen, vielmehr ist das wahre Judenthum nunmehr im Christenthum enthal- ten (Röm. 2, 28 f.), es werden also die Christen als Träger des heil. Geistes und Glieder der wagren Heilsgemeinschaft mit diesem Ausdruck bezeichnet ( up. 1, 1. 18). Von ihnen gilt auch die Bezeichnung ,,Haus- genossen«, welche der alttestamentlichen Vorstellung von dem Hause Gottes (4· Mos. 12, 7) entspricht, die im Tempel zur äußeren Erscheinung gekommen war. (Schenkel.) Zum Bürgerrecht kommt das Haus- recht: ihr seid nicht blos Gesinde, Knechte, sondern Glieder der Familie, Kinder und Erben; nicht blos zu « den Heiligen, sondern auch zu Gott habt ihr ein Ver- hältniß der Gemeinschaft. (Braune.) «) Die in ,,Gottes Hausgenossen« am Schlusse des vorigen Verses enthaltene Vorstellung von einem Hause Gottes veranlaßt den Apostel nach der vielsei- tigen Beweglichkeit seiner Gedankenberiihrungen von dem Bilde einer häuslichen Gemeinschaft zu dem Bilde eines Hausbaues überzugehen und sonach zu dem ,,Gottes Hausgenossen« eine weitere Ausführung zu geben, welche nun nicht mehr jener, sondern nur dieser bildlichen Vorstellung aiigemessen ist. (Meyer.) Nachdem vorhin das Bild des staatlichen Gemein- wesens mit dem des Hauswesens vertauscht war, so forderte hinwieder die Natur der Sache, nicht bei der Vorstellung eines Hauses in diesem Sinne stehen zu bleiben, sondern die Hausgenossenschaft mit dem Hause, welches sie umschließt, zu vereinerleien, um von der Vorstellung des Verhältnisses zwischen Hausherrn und Hausgenossen zu der eines Gotteshauses aufzusteigen, indem die Christen nicht blos. im Hause Gottes, son- dern selber sein Haus, nämlich die lebendigen Steine sind, die es ausmachen. Dann kann aber auch unter dem ,,Grund der Apostel und Propheten« nicht ein von den Aposteln und Propheten. gele ter Grund verstanden sein wollen, sondern wie der ,, ckstein Jesus Christus« persönlich ist, wie die über den Grundbau darauf gebauten Steine die Christen sind, so muß auch der Grundbau in Personen bestehen und also das »der Apostel und Propheten« ein Genitiv der Apposition sein (das in den Aposteln und Propheten bestehende oder von ihnen gebildete Fundamenh wobei natür- lich nicht ihre menschlich e, sondern eben ihre a.po- stolische und prophetischePersönlichkeit in Betracht kommt). Es sind aber die neben den Aposteln ge- nannten Propheten weder die des alten, noch die des neuen Testaments (Kap. s, 5); denn weder will der Apostel in diesem Zusammenhange bemerklich machen, daß die Leser durch ihre Bekehrung nicht blos der apostolischen Gemeinde einverleibt, sondern auch mit der alttestamentlich-prophetischen in Verbindung gebracht worden seien, noch war, wie der Apostel, so auch der neutestanientlichen Propheten eigenthiimlicher Beruf dieser, die grundlegende Thätigkeit beim Bau der Kirche zu vollziehen, viel eher könnten statt ihrer die Evangelisten (Kap. 4, 11; Apostg. 8, Z; 21, 8; II, 20) genannt sein. Vielmehr sind es ein und dieselben Personen, welche Paulus hier zuerst Apostel und dann Propheten nennt; er thut dies, um sie nach den beiden 456 Epheser 3, 1-—12. Seiten hin zu charakterisiren, daß sie sind Gottes Sendlinge an die Welt und seines Rat schlusses Ver- kündiger in der Welt. (v. HofmannJ it »Apostel« ist mehr ihr persönliches Zeugnis; dessen, was sie ge- sehen und gehört (1· Joh. l, 1 sf.), mit ,,Propheten« mehr das ihnen vom Geiste vermittelte Zeugnis; (Kap. 3, 3 ss.; 1. Cor. U, 23) gemeint. Der Zusa : ,,da Jesus Christus der Eckstein ist« weist hin auf ie Be- deutung und Unentbehrlichkeit Christi über die Apostel hinaus; die Grundlage, auf der die Epheser auferbaut worden sind, ist der Apostel Wort oder Predigt, Chri- stus aber ist der Eckstein, der diesem Fundamente selber erst den Halt giebt und damit dem ganzen darauf gefügten Baue. Man soll nicht meinen, die Apostel seien von sich selber eine Grundlage, sie be- dürfen vielmehr, um das zu sein, selbst des Ecksteins, darauf auch sie erbaut sind. (Braune.) Da sowohl der Apostel als Christi Wort die Gemeinde gegründet hat (Joh. 14, 12, 17, 20), so erscheint Christus darin den Aposteln gleich, daß beide das Gebäude tragen; nur darin, daß er der Grund- und Eckstein ist, erscheint sein Vorzug. Wenn übrigens aulus den Aposteln hier auch den Namen der Prop eten beilegt, so will er den Christen aus den Heiden bemerklich machen, daß an sie nicht geringere göttliche Gesandte abgeschickt worden seien, als an das Volk des alten Bandes, dessen Vorrechte sie nach V. 12 bis dahin entbehrt hatten. (v. Gerlach.) IN) Was für ein herrliches und wunderbares Ding ist’s nicht um die Kirche Gottes. Nichts ist majestä- iischer, weil sie sein Tempel ist; nichts ist verehrungs- würdiger, weil er darinnen wohnt; nichts älter, weil die Erzväter und Propheten daran gearbeitet haben; nichts tüchtiger, weil Jesus Christus sein Grund« ist; nichts fester und hattbarer, weil er sein Cckstein ist; nichts erhabener, weil sie bis in den Him- mel und den Schooß Gottes reichetz nichts ordent- licher und wohlabgetheilter, weil der heil. Geist ihr Baumeister ist; nichts schöner und artiger in der Ver- änderung, weil allerlei Steine dazu kommen, Juden und Heiden, von allerhand Alter, Ländern, Geschlecht und Stunden; nichts geraumer, weil alle Auser- wählten und Gerechten von allen Zeiten her darin Platz haben; nichts heiliger, weil es dem HErrn ge- tveihet ist; nichts göttlichen weil es ein lebendiges Gebäude ist und von dem heil. Geiste belebt wird. (Quesnel.) Laßt uns das Wort vom Wachsen des ganzen, in Christo zusammengefügten Baues als Wort der Verheißung fassen! Wenn der Bau der Kirche stille zu stehn, ja gar darniederznlie en scheint, weil die lautere Predigt des göttlichen orts weit und breit verstummt, der Glaube in Vielen erstorben, die Liebe in Vielen erkaltet, die Freude an der Gemein- schaft der Heiligen in Vielen erloschen und die Hoff- nungihres Christenberufs in Vielen ermattet ist; wenn wir traurig sind über sruchtlose Arbeit, traurig über alles Gegentheil von Wachsthum der Kirche daheim und über die kärgliche Ernte ihrer Mission unter den Heiden, traurig über die Vergeblichkeit der gewaltigen Heimsuchungem womit Gott in Ernst und Güte die Völker zur Buße ruft: dann ist es Zeit, daß wir mit des Glaubens ,,dennoch« in das Wort uns flüchten, welches hier steht: ,,es wächst der ganze Bau zu Dem hinan, was er werden soll nach dem Gnadenwillen des allmächtigen Gottes, nämlich ein heiliger Tempel im HErrn«. (Bes er.) Große Ehre der Gläubigen, daß sie eine Behausung Gottes seien; Schande aber der Gottlosen, daß sie eine Behausung der unreinen Geister sind! Vgl. Such. 2, 10. (Starke.) Das Z. Kapitel. Preis des Predigtasnts als eines Ittiiltels der Bekehrung. III. v.1——2l: der Apostel der aus den Heiden gesammelten Kirch: und sein Dienst an ihr auch in den standen, die er um ihretwillen jetzt trägt. durch ihre Ginverteibung in die neuste- lisehe Gemeinde, so hatte Paulus vorhin den beiden— chrisilichen ttefern Zug-trafen, smd sie gleichberechttgte Bürger derselben und Angehörige dei Hauses« Gottes geworden: da erinnert er sich nun, welche besondere Aufgabe bei Verwirklichung des göttlichen Ralhschlusses von der Berufung der Heiden gerade ihm zu Theil ge- worden, und es drängt ihn, seines Amtes anaJ hier, im Gefängniß zu Rom, dahin zu warten, daß die Leser an ihrer iiliterbauung auf dem Grunde der Ktrkhe zu einer iiehausung Gottes im Geist nicht versäumt werden. Sehen die Thaisache seiner Gefangensetsaft an und für sich isi ein Dienst, den er ihnen leistet, denn für sie, die Heiden, liegt er in Landen; und sie lkann ihnen zur Förderung dienen, wenn sie um seiner Trübsal willen, die er für sie leidet, nicht tuüde werden, dieselbe viel- mehr sirh zu einem Ruhme anrechnen (v.! u. 13»). Jlber er ttann auch noch etwas Besonderes für sie thun: er kann für ihre Stärkung am inwendigen Menschen, für ihre Förderung in der ehristliazen Heileerlienntniß und für ihre Øinwurzelung und Gründung iu Christum zu Gott, dem Vater im Htntmeh beten iroh seinen san— den und seinem Gefängniß. Das will er denn hernach auch thun und mit einer Eobpreisung Gottes diesen ersten Theil seiner Cpistel beschließen (v. 14—21); bevor er jedoch dazu schreilen rärtit er ihrem Herzen immer näher und näher mit dein, wag ihm vom Verstand an dem Geheimnis Christi zu Theil geworden, und legt eg in einer augführlielsen Ztuseinandersehang dar (v. 2—12). I. Detbalben [weil, wie in Kap. 2, 22 ausge- sprochen, auch ihr mit erbauet werdet zu einer Behausung Gottes im Geist] ich. Paulus [2. Cor. 10, ·1; Gal. Z, 2; Col. 1, 23; 1.·Thess. 2,18., der ich besonders für solche eure Miterbauung zu sorgen mich verpflichtet weißJz der Gefangene- Christi Jesu [2. Tim. 1, 8] sur euch Heiden« szu dieser jetzigen Zeit, da ich schreibe Apostg. 20, 11. 28f.;22,21s.; 28, 17 ff.; Col. I, 24; Gal. s, 11] — · 2. sJch sage: für euch»He»iden] Nachdem [d- 1. gemäß dem, daß] ihr gehotct habt swie 1ch 1a wohl voraussetzen darf Kap. 4, 21] von dem Amt der Gnade Gottes, die sbei meiner Berufung zum Apostel] mit an euch [die ihr ja auch vormals Heiden gewesen 1. Cor. 12, L] gegeben ist sund die ja ansdriicklich auf die Heidenwelt sich bezog Apostg. 22, 21], » Z. Daß mir ist kund worden dieses Geheim- niß [im Unterschied von Andern, die durch die Predigt des Evangelii zur Kenntniß desselben ge- kommen] durch Offenbarung sGae I, 11 ff.], wie ich [davon besonders in der Beziehung, die ich hernach V. 6 hervorheben werde, vgl. Gal. 1, 161 droben [in den beiden vorigen Kapiteln dieser meiner Epistel, namentlich in Kap. 2, 11——18] aufs Kurzeste geschrieben habe [Col. I, 25 ff.], III. Der-Apostel der Heiden und sein Dienst an der Kirche auch in seinem Gefängniß. 457 4. Daran ihr, so ihrs leset, lals solche, die ihr ja die Gabe der Geisterprüfung besitzet l. Cor. l2, 10; l. Thess. b, 2l; ·1. Joh. 4, l] merken iönnet meinen Verstand an dem Geheimnis Christi «« [an dem in Christo enthaltenen Geheimniß Col. 2, 25 4- S]- 5. Welches nicht sin der Weise oder in dem- selben Umsange] kund gethanist in den vorigen Zeiten den Menschenkindern [Mark. Z, 28], als es nun [jetzt, in der christlichen Zeit l. Petri l, 12] offenbaret ist seinen heiligen [Luk. 1, 70; Apostg. Z, 215 2- Petri l, 21] Aposteln und Propheten [Kap. 2, 20] durch den [in die ganze volle Wahr- heit leitenden Joh. 16, l3] Geist sApostg. 10, 9 ss.], it. Nämlich, daß die Heiden Miterben seien sdes Reiches Gottes] und mit eingeleibet [seinem Heilsvolke Kap. 2, 19] nnd Mitgenossen seiner [Jsrael gegebenen Kap. 2, 13] Vethejßung, sund zwar das alles] in Christo durch das Evangelium [indem auch sie dessen Predigt zu hören bekommen Kap. l, l3 und dasselbe im Glauben annehmen], 7. Deß ich ein Diener worden bin nach der Gabe aus sbesser läßt man dies »aus« weg] der Gnade Gottes, die mir sin dem Apostelamh speciell dem an die Heiden Röm. 1, b; l1,13; 15, l6] nach seiner mächtigen Kraft [welche mich erst wun- derbar aus dem Verderben herausholen und auf ganz außerordentliche Weise mit dem Lichte der Lebendigen erleuchten mußte l. Tim. l, 12 ff.] gegeben ist««- 8.» Mir, dem alletgeringsten snicht blos unter den Aposteln l. Cor. 15, 9., sondern auch] unter allen Heiligen [den bloßen Christen Kap. l, l; Apostg. 9, 41], ist gegeben diese Gnade, unter den Heiden zu verkündigen den unansforschlichen Rcichthum Christi [die ganze göttliche, von mensch- licher Vorstellung nicht zu erreichende Heilsfülle die in Christo beschlossen liegt und über alle ohne Unterschied sich herabläßt Röm. 10, 12], 9. Und smit dem Licht solcher Verkündigung Matth. 5, 14; Apostg. 26, l7 f·; 2. Cor. 4, G] zu erleuchten jedermann [der mit empfänglichem Herzen sie aufnimmt] welche da sei die Gemein- schaft [der die Heiden ebensowohl wie die Juden umschließende Umfang] des Geheimnisses, das von der Welt her in [dem] Gott verborgen gewesen ist [Col. 1, 26; Röm.16, 25»f.], der alle Dinge geschaffen hat durch Jesum Christ sund da gleich von Haus aus das Schöpsungsganze auf ihn an- gelegt hat Joh. l, Z; Col. l, 16 f.]; 10. Auf daß jeßt lwo nun alles sich aus- gestaltet, was von Ewigkeit beschlossen war] kund würde den Fürstenthümerti und Herrschaften in sbesserx unter Kap. e, 12J dem Himmel an der Gemeine [der Christenheit auf Erden] die [bis daher ihnen in ihrer ganzen Tiefe Röm. l1, 33 noch verschlossen gebliebene] mannigfaltige sgenauert viel-mannigfaltige] Weisheit Gottesh · 11. Nach dem Vorsatz von der Welt her sthnen kund würde], welche er beweisei srichtigem welchen er gefaßt— nach anderer Auffassung: v erwirklicht] hat in Christo Sein, unserm HErrn, 12. Durch welchen lals den, an welchem wir haben die Erlösung durch sein Blut, nämlich die Vergebung der Sünden Kap. l, 7] wir haben Freudi keit und Zugang szu Gott Kap. 2, 18] in aller Uversichi lihm gegenüber Hebt 4, l6; 10, 19 fs.; l. Jvkx 3, 21 f.; 4, 17], durch den Glauben an ihn-H— sden HErrn Jesum Christum Röm. Z, 22; 5, l f.]. «) Es wird hier ein Saß begonnen, der nach einer langen Unterbrechung erst in V. l4 wieder aufgenom- men und in kürzerer Weise vollendet wird. (de Wette.) Mit besonderer Feierlichkeih indem er seinen Namen und sein Amt voranstellt, beginnt der Apostel die in V.14 ff. folgende Fürbitte Ueberall sehen wir in seinen Briefen, daß er unermüdlich treu war in der Fürbitte (Röm. I, 9 f.; Phil. l, 4; Col. l, 3), und ebenso dieGemeinden zur Fürbitte für ihn und sein Werk ermahnte (Kap. 6, l8 f.; Col. 4, l8; l. Thess S, 25); ihm war es gewiß, die Christen seien so innig mit einander als Glieder Eines Leibes verbunden, daß kein Seufzer des einen für den andern vergebens sei, daß die Fürbitte eines Gläubigen daher kein bloßer Wunsch sei, sondern wirklich Gnadenkräfte von Gott herabziehe auf die Brüder; darum sollte es auch die- sen Heidengemeinden eine mächtige Stärkung sein, daß er, Paulus, Gottes auserwählter Heidenaposteh diese reiche, vielumfassende Fürbitte für sie thue. (v. Gerlach.) Der Mann, den sich der HErr zum Werkzeug der Sammlung der Heiden zu der einigen, heiligen, katho- lischen, apostolischen Kirche erkoren, spricht sich mit den Worten: ich Paulus durch Nennung seines Namens dem Dienste zu, zu dessen Träger er geweihet worden, und bekennt sich persönlich zu der Schuldigkeit, die aller Heiden Reichthum ist (Röm. l, 14); eben darum, weil er. Paulus ist, weiß er sich allen Heiden theuer verpflichtet Derhalben, schreibt er, weil auch ihr mitberufen seid zu Gottes Hausgenossen und miterbauet werdet zu Gottes Behausung — beuge ich meine Kniee gegen den Vater unsers HErrn Jesu Christi (V. l4), hätte er sogleich fortfahren mögen; doch zuvor sollen die Leser zu Herzen nehmen, «wer es ist, der für sie vor dem Gotte aller Gnade aufdenKnieen liegt: ich, Paulus, der Gefangene Christi Jefu (womit er. ihnen bemerklich machen will, durch welche Opfer seinerseits ihr Eintritt in die Kirche erkauft worden ist). Jm Geiste gebunden hatte Paulus von den Aeltesten der Gemeinde zu Ephesus Abfchied genommen und willig den Banden und Trüb- salen sich dargegeben, die seiner warteten (Apostg. TO, 22 sf.): nun siehe, die Fesseln, welche damals der heil. Geist dem freudigen Prediger des Evangelii innerlich anlegte, sind zu der Kette geworden, die er jetzt am Arme trägt, an einen römischen Soldaten gefesselt. Vor Menschenaugen war er ein Gefangener des römi- schen Kaisers; aber mit großer Freudigkeit nennt er sich den Gefangenen Christi Jesu (Philem. l und 9), weil er seine«Gefangenschaft im Dienste des HErrn Christus litt, welchen er in Jesu gefunden und als der Welt verheißenen Heiland gepredigt hatte. Die Ehre dieser Schmach theilte Paulus mit andern Ge- 458 Epheser Z, 12. fangenen um Christi willen; aber indem Stücke war er ein sonderlicher Gefangener Christi Jesu, daß er schreiben konnte: für euch Heiden. Als er dort m Jerusalem zu dem Sendungsworte des HErrn: ,,ge»he hin, ich will dich ferne unter die Heiden senden« sich bekannte, da brach»die Feindschaft der blinden Juden gegen den Gekreuzigten in grimme Wuth aus (Apos»tg. 22, 21 f.), und die heidnische Obrigkeit »mußte ihn im Gefängniß vor der jüdischen »Mordgi»er verbergen. Jch Paulus —— für euch Heiden: dies» beides ge- hört innig zusammen; aller Heiden Heil ist mit dem Namen Paulus auf immer verknüpst,»denn er, der eidenapostel, istdas auserwählte Zeugnißgefaß worin ott seine die Heiden umfangende Gnade in Christo Jesu gefaßt hat. (Besser.) » » » IV) Diese Aeußerung des Apostels, womit die bis V. 13 reichende Abschweifung »von der »in V. 1 ange- fangenen Rede beginnt, zeigt diellngewißheit desselben über die Bekanntschaft aller» seiner Leser» mit seiner Persönlichkeit; aus ihr erklart sich auch in V. 1»die Nennung seines Namens und di»e Schilderungseiner gegenwärtigen Lage, »und eben diese Ungewißheit wird auch im Folgenden die Veranlassung sur den »Apostel, sich über seine Stellungzum Evangelio und über die Auffassung desselben, wieder mit Beziehung» auf den Hauptpunkt der Berufung »der Heiden. fur’s Reich Gottes, auszulassen, bevor in V. 14»der Hauptfaden wieder aufgenommen wird. Als»das1enige, worub»er Paulus sich ungewiß zeigt riicksichtliclz der Kenntniß seiner Leser davon, nennt er nicht sein apostolisches Amt überhaupt, sondern die Gnadenveranstaltung Got- tes, daß ihm das Geheimniß d»er Erlbsung dur»ch un- mittelbare Offenbarung und mit specieller Beziehung auf die Heiden zur Kunde gebracht ward. (Olshausen.) Es ist das wieder (v l. die Bem. zu Kap.»l, 16) »ein Beweis, daß dieser ri»ef nichtblos an die ephesische Gemeinde, sondern an einen weiten» Kreis» von Heiden- gemeinden muß gerichtet gewesen sein,»weil die Epheser von alle dem nicht erst zu hören nothig gehabt hatten. (v. GerlachJ Wenn der Apostel zu solchen sprache, unter denen er sein Berufswerk au»sgerichtet hatte», so brauchte er sich darüber nicht weiter zu verbreiten; denn wo er seinen Beruf ausgeübt hatte, d»a wußte man von selbst und durch ihn selbst, welches sein Beruf war. Ebenso könnte in jenem Falle ihm nicht zu Sinne kommen, die Leser, wie er in V. 14 thut, nach dem, was er ihnen geschrieben, seinen Verstand der christ- lichen Wahrheit bemessen zu heißen; e»r hat vielmehr, wie er andeutet, den bisherigen Abschnitt seiner Epistel, auf den er die Leser verweist, eben nur deshalb ge- schrieben, weil sie ihn die christlichkWahrheit nicht selbst haben verkündigen hören. Sie»sollten einen Eindruck von seiner christlichen Erkenntniß empfangen, welcher ihnen, soweit »es bei solcher Kurze» geschehen konnte, den Eindruck seiner mündlichen Predigt ersetzte, damit sie nicht blos mit»äu»ßerlichem»Gehorsam, son- dern mit herzlicher Willigkeit auf die Erniahnungen hörten, die er ihiien vermöge seiner Einsicht» in »das Wesen des christlichen, insonderheit des fu»r die Heiden vorhandenen christlichen Heils zukommen ließ. (v. Hof- mann.) Aus dem, was Paulus in V. 4 schreibt, ergiebt sich die Pflicht des einzelnen Christen, ebenso- wenig dem gemeinsamen Gottesdienst sich zu entziehen, um zu hören, als den einsamen zu unterlassen im Kämmerleim um zu lesen. Darauf ruht dann aber auch die Verpflichtung der Kirche zur Verbreitung der heil. Schrist durch Bibelgesellschaften und das Unrecht des römischen Papstes, diese zu verbieten oder zu hemmen. (Braune·) IN) Der Apostel ist ganz erfüllt von dem erhabe- nen Gedanken, daß, was von Anbeginn der Welt an auch den heiligsten Männern Gottes, den Patriarchen und Propheten, verborgen geblieben war, gerade jetzt den Aposteln und Propheten, zu welchen auch er ge- hörte, geoffenbart wurde, und giebt nun den Jnhalt des Geheimnisses Christi, von dem er vorhin ·eredet, bestimmt an, indem er drei Prädikate von den eiden- christen in Betreff ihres Verhältnisses zur Heilsgemeinde aussagt: sie heißen I) Miterben, denn sie haben an dem ursprünglich nur den Juden zugedachten himm- lischen Erbe, der Seligkeit, Mitantheil bekommen« Z) mit eingeleibt, denn sie gehören nunmehr gliedlich zu dem Organismus der Heilsgenossenschaftx s) Mit- genossen der Verheißung, nämlich der alttesta- mentlichen Heilsverheißung, die in der Person Jesu Christi ihre Erfüllung gefunden hat. Durch den Zusatzt »in Christo-«, der sich auf alle drei genannten Prädikate bezieht, ist angedeutet, daß erst die persönliche Lebens- gemeinschaft mit Christo die volle Theilnahme an den christlichen . eilsgütern begründet; die Worte aber: »durch das vangelium« zeigen an, daß die durch den Glauben vermittelte Gemeinschaft niit Christo die s Frucht der evangelischen Predigt ist. Nachdem denn Paulus im Allgemeinen bezeugt hat, daß das Ge- heimniß Christi, welches in der durch seinen Kreuzes- tod bewirkten Ausnahme der Heiden in die Heils- gemeinschaft besteht, den Aposteln und Propheten eben jetzt geoffenbart worden sei, bezeichnet er sich selbst im Besonderen als denjenigen, welchem Gott die Verkün- digung des Evangeliums unter den Heiden anvertraut habe; dieses sein Apostelamt ist aber, wie an und für sich schon eine Gabe der Gnade Gottes, so bei ihin noch speciell ein Ausfluß der mächtigen Kraft Gottes, insofern Gott, indem er den Saulus aus einem Werk- zeug der Verfolgung zu einem Rüstzeuge der Aufer- bauung der Gemeinde umschuf, ein kräftig hervortre- tendes Wunder seiner Allmacht vollzog. (Schenkel.) Das Geheimniß Christi ist wohl schon in andern Zeit- altern als dem jetzigen, dem apostolischen zur Kennt- niß der Menschen gekommen, aber nicht so, wiees jetzt geoffenbart worden ist, nicht mit dem Inhalte, wie er in V. 6 angegeben wird. Der Ausdruck ,,Menschen- kindern« ist hier am rechten Orte, wo von den auf einander folgenden Geschlechtern der Menschheit die Rede ist· Die Menschen, sagt er, sind Geschlecht um Geschlecht vorüber gegangen, ohne daß ihnen das Ge- heimniß Christi mit seinem jetzt den heiligen Aposteln und Propheten geoffenbarteii Inhalt kund gethan wurde; gegenüber von »in den vorigen Zeiten« heißt es jetzt: ,,nun«, gegenüber von ,,nicht kund gethan« heißt es: ,,osfenbaret ist«, und gegenüber von »den Menschenkindern« heißt es: »seiner! heiligen Aposteln und Propheten«, und zwar ist diesen das Geheimniß nicht auf dem Wege eigenen Nachdenkens, sondern ,,durch den Geist« erschlossen worden. Daß nun das, wovon Paulus redet (daß nämlich das Völkerthum, d. i· die Heidenwelh da Miterbe ist, wo sich Jsrael bisher als den eini en Erben gekannt hatte, nämlich Miterbe der zukünftigen Welt Hebr- 2, 5, daß es in der Gegenwart den gemeindlichen Körper mit ausmacht, als welcher ihm bisher Jsrael gegenüber gestanden hatte, und daß es an der aus der Ber- angenheit stammenden Verheißung, von welcher Israel bisher nicht anders gewußt hatte, als daß sie ihm allein geordnet sei, gleichen Antheil hat), in der That erst den neutestamentlichen Aposteln geoffenbart und nicht schon von den alttestamentlichen Propheten vorher erkannt worden ist, wird man unbedenklicg ein- räumen, wenn man sich vergegenwärtigt, da alle Verheißung alten Testaments, auch wo sie sich über Jch Paulus, der« Gefangene Christi Jesu für euch Heiden! 459 das Völkerthum erstreckte, immer doch auf Jsrael lautete und nur von Jsrael aus die übrige Welt unter sich befaßtex das Bild einer aus Jsrael und Nicht- israel gleichermaßen erwachsenen und diesem Unter- schied entwachsenen einheitlichen Gemeinde Gottes findet sich dort nirgends gezeichnet, wir sehen daher auch den Apostel, wenn er anderwärts (vgl. Röm.10, 11ff.) in der christlichen Einheit von Juden und Heiden Erfüllung alttestamentlicher Weissa ung aufzeigte, dies immer in der Weise thun, daß er as alttestamentliche Wort in diese neutestamentliche Zeit einträgt und es hierdurch den Sinn gewinnen läßt, den es für sie und im göttlichen Rathschlusse hatte. (v. Hofmann.) s) Ueber das in V. 7 Gesagte erklärt sich Paulus in V. 8 f. näher, und zwar ganz vom Standpunkte der Demuth aus, mit welcher er im tiefen Gefühl seiner Unwürdigkeit von sich selbst auf die Größe und gerrlichkeit seines Berufes hinsahz der Ausdruck der emuth: ,,mir, dem allergeringsten unter den Heiligen« ist noch weit stärker, als der in I. Cor. 15, 9. (Meyer.) Nicht aus Rückerinnerung dessen, was er früher ge- wesen oder gegen die Gemeinde Gottes gethan, nennt er sich so, sondern im Bewußtsein der überschwäng- lichen Herrlichkeit seines Berufs erscheint ihm seine Unwürdigkeit so groß, daß er deshalb unter alle andern Christen sich herabsetztx je höher Gott erhebt, desto tiefer soll der Mensch sich demüthigeiy was· er in sich Boses findet, ist immer mehr und schlimmer, als was er an einem Andern siehet (weil ein jeder nur in Ein Herz, nämlich in sein eigenes, wirklich sehen kann und ihm nur das eigene Leben in seiner Voll- ständigkeit offen vorliegt), daher kann er mit Wahrheit unter Alle sich herabsetzen (v. Gerlach.) Das Sünden- bewußtsein ist seiner Stärke nach nicht bedingt durch absonderliche Sünde, sondern durch die besonders klare und tiefe Selbsterkenntniß im Lichte des Evangeliums von Jesu Christo; es ist bei den gewaltigsten Zeugen der christlichen Wahrheit nicht mehr als bei Andern die Bekehrung eine Gnadenthat Gottes, sie fühlen aber solche viel lebendiger und überwältigender. Was nun den Apostel bei dieser seiner Selbstbezeichnung bewegt, ist der Gedanke: hat der HErr mir geholfen, dann wüßte ich nicht, wem er nicht auch helfen könnte und wollte. Mit solchen Gedanken faßt er das, was er in V. 6 als Inhalt des Geheimnisses und als Aufgabe der Apostel überhaupt angegeben, jetzt als das gerade ihm Aufgetragene, und zwar soll seine Verkündigung und Offenbarung des Geheimnisses unter den Menschen- kindern das Kundwerden der vielmannigfaltigen Weis- heit Gottes bei den Widerstrebenden Mächten zur Folge haben. (Braune.) Daß unter den Fürstenthümern und Herrschaften des himmlischen Bereichs, welchen an der Gemeinde die mannigfaltige Weisheit Gottes kund werden soll, solche Geistwesen zu verstehen sind, welche in der Welt der Menschen nicht gottesdienstlich, sondern eigenwillig Macht üben (also statt »in dem Himmel«, wie Luther hat, richtiger »unter dem Himmel-«, wie in Katz. 6, 12 steht, zu übersetzen gewesen wäre), setzt der gonstige Gebrauch der Be eichnungen (vgl. in Röm. 8 3 das ,,Engel« im Gegensatz, zu ,,Fürstenthum und Gewalt«) außer Zweifel. Man hat gesagt, von bösen Geistern würde es heißen, daß ihnen die Macht, und nicht daß ihnen die Weisheit Gottes kund werde: aber warum doch? Die eigenwillig in den Lebens- bewegungen der Menschheit waltenden Geister können allerdings zunächst die Weisheit des Gottes, dessen Willen sie sich nicht maßgebend fein lassen, zu erkennen bekommen, wenn sie nämlich sehen, daß es ihnen nicht gelingt, die Verwirklichung seines Willensgedankens zu vereiteln, weil er einen Reichthum von Mitteln und Wegen hat, um an sein Ziel zu kommen, der alle ihre Gedankenbestrebungen hinter sich läßt; beharren sie dann dessenungeachtet bei ihrem Thau, so bekom- men sie schließlich Gottes Macht zu erfahren, wenn mit Christi Wiederosfenbarung die Vernichtung und Außerkraftsetzung aller ungöttlichen Mächte und Ge- walten erfolgt. Das erstere dagegen geschieht jetzt schon mittels der Gemeinde in den Tagen ihrer Herstellung, die ein Werk vielmannigfaltiger Weisheit ist, sofern eben so sehr die Entstehung des Völkerthums, welche Jsraels Besonderheit im Gefolge hatte, als der Un- gehorsam Jsraels, welcher die Berufung der Völker- welt nach sich zog, nach deren Bekehrung auch Jsrael zum Heil gelangen wird, zur Herstellung der einheit- lichen Genieinde aus Heiden und Juden dient. (v. Hof- mann.) Die gottfeindlichen Geister, die in der Finster- niß dieser Welt herrschen, erfahren mit Schrecken, daß alle ihre grimmige Bosheit, womit sie von den Tagen der VölkeFerstreuung an die Weltmächte wider das erwählte olk Gottes in’s Feld geführt, alle ihre ver- führerische Tücke, womit sie Jsrael selbst zu verderben getrachtet haben bis hin zur Kreuzigung des Königs von Jsrael und zur Verblendung Jerusalems gegen die gnädige Heimsuchung durch die Friedenspredigt im Namen des Auferstandenen (vgl. Offenb 12, 3 ff.), auch alles, was sonst noch (Offenb. 12, 13 sf.; 20, 7 ff.) die teuflischen Hoheiten und Gewalten aufbieten, um Gottes Heilsrath zu vereiteln und sein Heilswerk zu hindern, zu Schanden wird, übermeistert wird von der Weisheit Gottes, deren mannigfaltigen Reichthum die Kirche in ihrem Liede bekenntx ,,Weg hast Du aller« wegen, an Mitteln fehlt Dir’s nicht, Dein Thun ist lauter Segen, Dein Gan» ist lauter Licht; Dein Werk kann niemand hindern, ein Arbeit darf nicht ruhn, wenn Du, was Deinen Kindern ersprießlich ist, willst thun. Und ob gleich alle Teufel hie wollten wider- stehn, so wird doch ohne Zweifel Gott nicht zurücke- -gehn; was Er ihm vorgenommen und was Er haben will, das muß doch endlich kommen zu seinem Zweck und Ziel« (Besser.) H) Wieviel anders stehen also diejenigen zu Gott, welche Christum zu ihrem HErrn haben, als jene Geister, welche an der Gemeinde inne werden, daß Gottes Weisheit ihrer eigenwilligen Machtübung gegenüber Mittel und Wege hat, einen in Christo gefaßten Vorsatz zur Verwirklichung zu bringen! Während jene inne werden müssen, daß sie wider Gottes Weisheit nichts vermögen, gilt von denen, die Christum zu ihrem HErrn haben, daß sie Gott gegenüber in einer Stellung sich befinden, die sie beseligt. (v. Hofmann.) (Epiflek am 16· Sonntage nach Ctinitati5.) Diese Epistel, Pauli Gebet und Fürbitte für die Gemeinde und damit zugleich eine Anleitung enthal- tend, was wir für uns und Andere erbitten sollen (Beständigkeit des Glaubens, Wachsthum in der Er- kenntnis; und Kraft und Stärke zu einem gottseligen Leben) ist die erste der für die Trinitatiszeit verord- neten fünf Lectionen aus dem Epheserbrief (17.19—21. n. Trinitatis). Während nämlich die sechs Leetionen aus dem Galaterbrief so vertheilt sind, daß man drei derselben für den 13., 14. u. 15. Sonntag n.Trinitatis, die andern drei aber für den Sonntag nach Weih- nachten, den Neujahrstag und den Sonntag Lätare verordnet hat, ist aus dem Epheserbrief nur eine für den Sonntag Oculi bestimmt, die übrigen dagegen ge- hören der Trinitatiszeit zu. Hinsichtlich des inneren Zusammenhangs mit dem Evangelium bietet sich der Gedanke dar, daß letzteres (Luk. 7, 11ss.) die schmerz- lichsten Ereignisse des irdischen Lebens vergegenwärtigh 460 Epheser Z, 13——19. web? vorzugsweise uns ausforderm im Gebet, worauf die pistel hinweist, Trost und Stärkung zu suchen. (Alt.) Jn den letzten zwei Versen des Evangelii lesen wir die große Ehre Gottes, welche aus der Todten- erweckung des Jünglings von Nain erwuchs; auch die zwei letzten Verse der Epistel verkünden· die Ehre Gottes, und zwar im höchsten Ton. Preist nun das Evangelium Gott wegen Heimsuchung des Volkes Israel, so preist die Epistel Gott wegen des Baues der ganzen Kirche auf Erden. (Löhe.) Die Für- bitte des Apostels für die Gläubigen zu Ephesus: 1) der Eingang, 2) die Fürbitte, 3) der Beschluß Wann wird Gott iiberschwäiig- lich thun über alles, das wir bitten und ver- stehen? wenn wir beten 1) in tiefster Deniuth, 2) um himmlische Güter, 3) in sröhlicher Zuverfichn (Fuchs.) Das rechte Gebet des Christen: I) der Helfer, an den es sich wendet, 2) die Gabe, die es begehrt, Z) der Lobpreis, in den es ausgeht. (Kun«el.) »Die rechte Quelle der Kraft für unser geistliches Leben; wir betrachten I) den Ursprung derselben, 2) das Schöpfen aus derselben, 3) die Stärkung durch dieselbe. (Sommer.) Was sollen wir für uns und Andere vornehmlich von Gott er- bitten: I) Beständigkeit im Glauben, 2) fortschreitende Erkenntnis; in dem Worte des Heils, Z) Kraft und Stärke zu einem gottseligen Leben, 4) sreudige Zuver- sicht zu dem HErrn in jeder Trübsal. (Lisco.) Das Wachsthum des inwendigen Menschen: 1)wie es gepflanzt, Z) wie es gepflegt, Z) wie es gereift wird. (Beck.) erdet nicht müde in Trüb- salen: l) was euch dazu bewegen soll, 2) wie ihr es anzufangen habt. (Souchon.) 13. Darum [weil mir nach dem in V. 8 ff. Gesagten eine so große und heilsvolle Ausgabe in meinem Berufe von Gottes Gnade geworden ist und ich lediglich in Erfüllung dieser Aufgabe jetzt ein Gefangener bin V. 1; Apostg. 9, »16] bitte ich seuch 2. Cor.·5, 20], »daß ihr Zticht müde werdet um »meiner Trubsale willei»i, die ich sur euch leide fund etwa gar Aergerniß daran nehmet, als stehe es bedenklich um eine Sache, durch die man sich in derlei üble Lagen verwickelt, wie sie mich betroffen haben], welche euch svielmehrs eine Ehre sind sderen ihr euch folchen gegenüber, die euch wollen irre macheiy rühmen und darauf trotzen möget]. Je größer das gottverliehene Amt, desto weniger ziernt’s denen, welchen dasselbe gilt, an den Leiden und Verfolgungen seines Trägers sich zu stoßen und kleinmüthig zu werden. (Schmidt.) Paulus will sagen: Jhr seht, daß ich xetzt gesangen»bin und der Teufel und die Welt mich in ihren Hunden hat; das mag euch vielleicht erschrecken und den bösen Argwohn geben: ,,wäre die Lehre recht und er so ein hoher Apostel Christi, so ließe ihm Gott solches nicht wider- fahren« (wie denn solches etliche falsche Apostel unter ihnen aufgemutzt haben Z. Tim. 1, 15). Darum bitte und ermahne ich, ob ich gleich gefangen bin, daß ihr euch darum nicht lasset ärgern und feige machenx lasset uns angefochten werden, Trübsal leiden, in Ehren oder« Schanden sein und gehen, wie es wolle, bleibet ihr nur bei dem, das ich euch gepredigt, welches ihr wisset, daß es das gewisse Gotteswort und Evangelium ist. (Luther.) Zweierlei sagt der Apostel von seinen Trüb- salen aus, dadurch er die Herzen der Leser stärken will: 1) ich leide die Gefangens ast, und was mit ihr zusammen hängt, für euch, un Z) meine Leiden sind euch eine Ehre. Ganz richtigl Die Epheser waren größtentheils Heidenchristem ohne Profelytenthum der Juden durch den freien Zugan der Gnade, wel- cher sich in der Taufe eröffnete, åhristo einverleibt; war nun das ein Unrecht, hatten die Judenchristen Recht mit ihrer Behauptung, daß niemand ein Recht an Christum habe, als wer entweder von Geburt oder doch durch die gemeinsame Beschneidung mit Jsrael verbunden war, so war aller Segen, den sie bisher gehabt, und ihr ganzes Christenthum eine Täuschung, da konnten sie dann Verzweifelnd rückwärts gehen oder sie mußten mit Verachtung und Verdammung aller gemachten Erfahrungen noch einmal in anderer Weise Christen werden. Das wäre in der Wirklichkeit eine schreckliche Sache gewesen, und Viele würden nach einer folchen Enttäuschung gar nicht mehr zu Christo gekommen sein. Daß aber eben die Judenchristen nicht Recht hatten, war Pauli Sah, den er nicht blos mit Worten, sondern auch mit seinem Leiden bestätigte: so wurde sein Leiden ein Leiden für die Heidenchristen zu ihrer Ruhe. Wie hätten sie, die Schüler, stehen kön- nen, wenn er, der Lehrer, gewanlt hätte; mit ihm standen, mit ihm fielen sie, an seiner Treue hing ihre Ruhe, sowie sein Wanken ihnen allen Verwirrung ge- bracht haben würde. Seine Leiden geschahen aber nicht blos für sie, sondern sie geriethen ihnen auch zur Ehre, Zur Verherrlichung Es versteht sich, daß von keiner hre die Rede ist, welche alle anerkannt hätten oder allgemein gewesen wäre; litt doch St. Paulus durch Menschen, im Gegensatz zu den Juden und Judenchristen, wie konnten da alle seine Leiden als der Epheser und aller Heiden Ehre fassen? Vor denen aber, die Augen hatten zu sehen, war es freilich nur zur Verherrlichung der Heiden, was Paulus erlitt. Der Heiden Herrlichkeit ist die freie Gnade Christi, die Theilnahme am Reiche Gottes ohne Annahme einer fremden Nationalität, ihre Freudigkeit und Zu- gang in aller Zuversicht durch den Glauben an Chri- stum (V.12); solange nun die Predigt der freien Gnade erscholl, solange ihr Herold Paulus unbesiegt durch Widerstand und Leid sie verkündigte, solange hatten die Heiden ihre erwünschte Herrlichkeit und Ehre, solange konnten sie jubeln und triumphiren Wäre aber Pauli Eifer erkaltet, hätte ihn das Leiden« gebrochen, so wäre ihre Herrlichkeit dahin gewesen,- weit mehr, als dort (1. Sam. 4, 21 s.) die Herrlich- keit Jsraels, da Pinehas’ Weib ihren Sohn sterbend nannte Jcabod, d· i. wehe, die Herrlichkeit ist dahin. (Löhe.) 14. Derhalben [um die in V. 1 abgebro- chene Rede hier nun fortzuführen] beuge ich meine Kniee gegen den Vater unsers HErrn Jesu Christi [Kap. 1, 3], 15. Der der rechte Vater ist über alles,. was da Kinder sfrüher hatte Luther: was Vater] heißt im Himmel und auf Erden« [nach dem Grundtext: von welchem jede Vater- schaft, d. i. jede Familie mit einem Vater oder Ahnherrn an der Spitze, im Himmel und aus Erden, also alles, was Kinder heißt im Himmel uiid auf Erden, den Namen hat]: 16. Das; er euch Kraft gebe nach dem Neichthum einer Herrlichkeit [Kap.1,7.17] stark zu werden sanderwärts hat Luther: Daß Des Apostels Gebet für die aus den Heiden gesammelten Gemeinden. 461 er euch gebe nach dem Reichthum seiner Herrlichkeit, mit Kraft stark zu werden«, was mit dem Grundtext wörtlich iibereinstimmt] durch seinen Geist an dem inwendigen Men- schen [Kap. s, 10; 1.Cor.16, is; Col.1,11], l7. Und sverleihe euch] Christum zu woh- nen [wohneud zu haben] durch den Glau- ben [mit dem ihr ihn bereits angenommen Col. 2, 6] in euren Herzen lJvhs 14- 235 GEIL Z, 20], Und durch« die« Liebe [zu demselben, dem HErrn Christo] eingewurzelt und gegründet zu werden«« sin ihm Col. 2, 7., als dem Grund und Boden, aus dem ihr eure Lebenskräste ziehet und dem Unterbau, auf dem eure Besserung oder Auferbauung Kap. 4, 16 sich verwirklicht —— besser wäre wohl zu lesen: und ihr in der Liebe eingewurzelt und gegründet seiet]; 18. Auf daß ihr sbei solcheni Stande eures Christenthums] begreifen möget szu be- greifen oder inne zu werden im Stande seiet Ruth 4, 6 Anm.] mit allen Heiligen [den übrigen Christen Kap. 2, 19], welches da sei die Breite und die Länge und die Tiefe und die Höhe [desjenigen Baues, welchem ihr in der Verbindung mit ihnen angehört Kap. 2, 20 f.], 19. Auch erkenuensmögets daß Chri- stum lieb haben, viel besser ist, denn alles Wissen sbis zum J. 1544 hat Luther: erken- nen die Liebe Christi, die doch alle Er- kenntniß übertrifft, versteht also die Liebe Christi von der Liebe, die Christus zu uns hat, bis er zuletzt es vorzog, sie vielmehr von der Liebe zu verstehen, die wir zu Christo haben ——— »Viel ein größer Ding ist’s, Christum lieb haben, denn viel predigen können I. Cor. 8, 1«], auf daß ihr erfüllet werdet mit allerlei GOtteHfüUeVVV sum schließlich, wenn nun er- scheinen wird, was wir sein werden, ihm gleich zu sein 1. Joh Z, 2., vgl. Joh.»17, 22 f.]. V) Mit ,,ich beuge meine Kniee« benennt der Apostel die Sache nach dem äußeren Zeichenx er will nicht sagen, daß er jetzt wirklich sich auf seine Kniee nieder- werse, sondern nur ausdrücken, wie inbrüntig sein Flehen sei. (Calvin.) Wäre er bei den Ephe ern an- wesend gewesen, so würde er in der Jnbrunnst seines Herzens allerdings niedergeknieet sein, wie dort in Apostgz TO, 36. (Bengel.) Es·ist eine recht stolze Armseligkeit von Kant, das Knieen als einen nech- tischen Orientalismus zu verhöhnen; er kann schwerlich je den Drang des betenden Her ens empsundenhabeir. Ganz anders urtheilt Lichten erg, wenn er sagt: »wenn der Leib auf die Kniee fällt, so erhebt sich der Geist zu Gott«. (Heubner.) Je höher des Apostels Bitten zu Dem, der über alles Bitten und Verstehen thun kann, jetzt aufsteigen will, desto tiefer beugt er sich. (Stier.) Daß aber Paulus fortfährtt »gegen den Vater unsers HErrn Jesu Christi«, damit bestätigt er, daß sich niemand vor Gott vermessen soll, etwas Z? reden oder zu bitten, er greife ihn denn bei dem ameii, wie er hier thut, nämlich als einen Vater Jesu Christi, unsers HErrnx denn Christus ist unser einiger Mittler, und soll niemand zuin Vater kommen denn in des Mittlers Namen, also daß er ihn bekenne für seinen HErrn, der uns von Gott dazu gesetzt ist, daß er für uns bitte, dazu auch uns regiere an Leib und Seele. (Luther.) Jn den Worten des 15.Verses gedenkt Paulus aller Vaterschasten, aller Familien, aller Geschlechter aus Erden, und sieht schon in dem Namen »Vaterschast« vorbildlich angedeutet die Eine höchste Vaterschast Gottes in Christo Jesu, die Eine Familie, aus allen— Familien und Geschlechtern her- vorgegangen, nämlich die heilige Kirche, die aus Juden und Heiden entsteht; er denkt an die Familien, welche bereits daheim sind in dem Himmel, ebenso an die auf Erden, und sieht sie alle vorbildlich oder in seliger Erfüllung eingereiht in den Bau der Kirche Gottes. Bei dem Namen nun, der allen Geschlechtern in den: Vaternamen weissagend ausgeprägt ist, ruft er den HErrn an, daß er auch den Ephesern gnädig sei, die göttlich über alle Völker sich erstreckende, die Himmel und die Lande bevölkernde Liebe Gottes in Christo, die Liebe, welche in dem Bau der Kirche ausgeprägt ist, zu verstehen. (Löhe.) Den Gott, zu welchem er Fürbitte sendet für seine heidnischen Leser, benennt der Apostel einerseits als den Vater unsers HErrn Jesu Christi, und sagt andrerseits von ihm, daß er allen Geschlechtern, wie immer sie nach der Unter- schiedlichkeit ihrer Herkunst Namen haben mögen im Himmel find auf Erden, die Herkunst, nach der sie heißen, gegeben habe: was nun Gott als Vater Jesu Christi ist, das wird er allen gleicherweise sein, wie verschiedener Herkunst sie sein mögen; als Schöpser hat er diese Unterschiede gesetzt, als Erlöser hebt er sie auf. (v. Hofniann.) «) Nicht eigentlich die Worte oder den Jnhalt seines Gebets bringt Paulus hier bei, sondern er giebt nur an, in welcher Absicht er seine Kniee beugt; aus der Absicht aber, in welcher er betet, erhellt allerdings der Jnhalt des Gebet-Z. Großes nun schickt der Apostel sich an zu bitten, aber er kennt mich, wie das dem ,,gebe« beigesügte ,,nach dem Reichthum seiner Herr- lichkeit« bezeugt, die Größe des Vaters, den großen Reichthum, den unermeßlichen Besitz und Schatz, der ihm eigenthümlich zugehörtz wie denn diesem Reich- thuni Gottes es gemäß ist, so soll Gott der Vater den Ephesern darreichen, nämlich überschwänglich, die Hülle und Fülle. Nach dem Reichthum seiner Herrlichkeit kann Gott und will Gott geben, was wir von ihm begehren, wenn er eben weiß, daß es uns zu dieser Zeit frommt; den Ephesern aber frommt nach des Paulus Urtheil jetzt eins vor allen Stücken. Er hatte sie gleich anfangs (V.13) gebeten, nicht müde zu wer- den um seiner Trübsale willen; es fehlte ihnen also an dem rechten Muthe in Leiden und Trübsalein an der Kraft (vgl. Anh. II. zum s. Bande unter a, 2), und so ist die erste Bitte des Mannes, der sie aus seinem Herzen trägt, daß die Kraft, welche ihnen ge- bricht ihnen von Gott dargereicht werde. (Nebe.) Das »in (Luther: ,,mit«) Kraft stark werden« schließt aber nicht blos Mnthlosigkeit und Schwäche aus, sondern wünscht dafür Wirksamkeit nach außen an, Einfluß auf die Welt, nächst dem Standhalten auch das Ueber- wältigen und Ueberwinden, vgl. das ,,männlich und stark sein« in 1. Cor. I6, IS. (Braune.) Die Herr- lichkeit Gottes ist sein Wesen in der Zukehr zur Welt: wenn dessen Reichthum das Maß ist für feinGeben und sich darin erzeigt, wie reich wird dann sein Geben sein! Er soll ihnen aber geben, was ihrem inneren Leben zugute kommt; und da entsprechen sich in den ersten beiden Sätzen einerseits ,,an dem inwendigen Menschen« und »in euren Herzen«, andrerseits ,,durch 462 Epheser s, 20. 21. feinen Geis« und ,,durch den Glauben«. Ein Er- starken an Kraftvermögem aber nach der Seite des inneren Menschen, welches zuwege kommt durch den Geist Gottes, soll Gott ihnen geben; ihr inneres Leben, welches ja ein durch den Geist Gottes bereits erneuertes ist, soll dazu erstarken, daß es sich gegen außen zu behaupten und kräftig zu erzeigen vermöge. Dies ist in sachgemäßer Weise das Erste, was ihnen der Apostel erbittetx das Zweite ist, Gott wolle ihnen ein Wohnen Christi in ihren Herzen geben, wofür der Glaube das Mittel ist, indem der Glaube an Christum, den er ja selber wirkt, das ihm gläubig zugewendete Herz geeignet macht, eine Stätte der wirk- samen Gegenwart des lebendigen Heilandes zu sein. (v. Hofmann.) Indem aber Christus durch den Glau- ben wohnt in unsern Herzen, erwacht die Gegen- liebe zu ihm, der uns zuerst geliebt hat; und diese schlägt ihre Wurzeln, legt ihr Fundament in ihn, wird mehr und mehr Eins mit ihm. (v. Gerlach.) Wohnt Christus in unsern Herzen, so versteht es sich von selbst, daß wir seine Liebe fort und fort schmecken und sehen,«und diese Erfahrung und Erkenntniß der Liebe unsers Gottes in Christo Jesu, unserm HErrn, nährt und mehrt die Liebe zu ihm in uns: je länger je tiefer wir feine Liebe empfinden, desto tiefere Wurzeln schlägt die Gesinnung der Liebe zu ihm in unsern Seelen; je fester wir uns von den Heilandsarmen umschlossen fühlen, je länger wir an dem Herzen sei- ner heiligen Liebe ruhen, desto wärmer wird es uns um das Herz. e. «·")»Mit dem »daß« in V. 16 wurde die Angabe des Inhalts der Bitten des Apostels eingeleitet; mit »auf daß« wird nun ihr Zweck dargelegt. (Schenkel.) Das ,,Begreifen« ist nicht blos ein verstandesmäßiges Begreifen, sondern ein Erfahren oder Jnnewerden (Apostg. 10, 34); ihm entspricht das ,,erkennen« in B· 19, von dem es sich aber doch unterscheidet, indem jenes das innere Erfahren, dieses das geistige Erkennen bezeichnet. (Braune.) Jenes innere Er- fahren oder Wahrnehmen nun soll den Lesern zu Theil werden in Gemeinschaft mit allen Heiligen, wie denn einerseits christliche Erkenntnis; und Erfahrung nicht blos Einzelnen, sondern Allen zu Theil wird, in denen Christus wohnt, und andrerseits alle Erbauung im Glauben und in der Liebe das Produkt gemein- samer, gegenseitiger Arbeit ist» Die Christen follen zu begreifen vermögen, welches die Breite und Länge und Tiefe und Höhe sei: den Gegenstand dieser räumlichen Bezeichnungen hat der Apostel nicht genannt. (Sommer.) Doch lag es den Lesern nahe zu verstehen, daß sie mit allen Heiligen, also da, wo sie mit ihnen vereinigt und gesammelt sind, um sich blicken follen in die Breite, wie weit nach beiden Seiten der sie um- faszngende Raum sich ausdehnt, und in die Länge, wie fernhin er sich vor ihnen her erstreckt, und in die Tiefe, wohin er hinab, in die Höhe, wohin er hin- aus reicht. Die Vorstellung eines Gebäudes erwecken diese Ausdehnungen, und zwar eines Gebäudes, wel- ches die Leser sammt allen Christen umschließtx welcher andere Bau könnte aber dies sein, als derjenige, von dem am Schluß des vorigen Kapitels gesagt worden, daß die Leser mit allen Heiligen ihm angehören? Er ist weit ausgestreckt über die Völkerwelt nach Ost und West; er dehnt sich in die Länge durch alle Zeiten hin bis an das Ende der Dinge; er reicht in die Tiefe zu den Gläubigem die im Tode schlafen, und in des Him- mels Höhe, wo Christus wohnt. (v. Hofmann.) Dem Glauben ähnlich ist ja der Spruch, den Luther mit den Worten: ,-,auch erkennen, daß Christum lieb haben viel besser ist, denn alles Wissen« in seine deutsche , Bibel gesetzt hat; Matthias Claudius hat sich ,,einen grünen Halm von Liebe« gegen »ein ganzes Fuder Heu von Wissen« ficherlich in Pauli Sinne gewünscht, denn alles Wissen ohne Liebhaben ist eine taube Nuß. Aber der Apostel meint offenbar die Liebe Christi zu der armen Menschheit, aus welcher ihm seine Kirche erbauet wird: die ist’s, welche alle Erkenntniß übertrifft und welche dennoch allen, die an ihn glau- ben, in dem Maße sich zu erkennen giebt, wie Paulus seinen Lesern es wünscht. Es ist daher wohlgethan, wenn die meisten Bibelansgaben unter die Verse die richtige, von Luther selbst bis zum J. 1545 festgehal- tene Uebersetzung beifügen. (Besser.) Ueber alle neben- einanderliegenden Völker verbreitet sich diese Liebe Christi, durch alle nach einander folgenden Zeiten erstreckt sie sich, in die ganze Tiefe des Elends und Verderbens der Sünde läßt sie sich herab, zu der Herrlichkeit an Gottes Thron und Herz will sie alle erheben: so verbindet sich dieser Satz mit dem vorher- gehenden von dem Begreifen, welches da sei die Breite und die Länge und die Tiefe und die Höhe; nur han- delt es sich dort um eine Größe, die immerhin eine begrenzte ist, deren daher ein Christ wohl inne werden kann, hier dagegen handelt es sich um etwas, das unbegrenzt ist und darum das Erkennen übersteigt. Seiner Fürbitte besten Zweck bezeichnet dann der Apostel: »auf daß ihr erfüllet werdet mit allerlei Gottesfülle«; es ist das keine kühnere Rede, als die in 2. Petri 1, 4: »daß ihr theilhaftig werdet der gött- lichen Natur«. Dies Erfülltwerden ,,bis zur ganzen Fülle Gottes«, wie im Grundtext steht, ist natürlich ein Ziel, welches über die irdische Entwickelung der Gemeinde Christi hinausreichtz aber« dem Christen soll vermöge der Hoffnung schon auf Erden das höchste Ziel stets vor-Augen stehen, wenn es gleich ein Ziel ist, das wirklich über alles Erkennen und Begreifen geht. Erfüllet werden mit allerlei Gottesfülle, schreibt 1uther, ist auf hebräische Weise soviel geredet, daß wir erfüllet werden auf alle Weise, damit er voll macht, und voll Gottes werden, überschüttet mit aller Gnade und Gaben seines Geistes, der uns muthig mache, mit seinem Licht erleuchte und sein Leben in uns lebe, mit seiner Seligkeit uns selig mache, mit seiner Liebe in uns die Liebe ern-ekle; kurzum, daß alles, was er ist und vermag, in uns völlig sei und kräftig wirke, daß wir ganz vergottet werden, nicht allein etliche Stücke Gottes haben, sondern alle Fülle. Es soll aber niemand denken, daß solches in diesem Leben irgend einem Menschen vollkommen widerfahrez wir mögen’s wohl wünschen und bitten, wie Paulus hier gethan hat, man wird aber Keinen finden, der solche Fülle gänzlich habe, wir stehen allein auf dem, daß wir’s be ehren und darnach seufzen; denn weil wir im Fleisch le en, sind wir noch voll allerlei Adams-fülle. 20. Dem aber, der uberschwanglich thun kann über alles, was wir bitten oder verstehen nach der Kraft, die da sin solcher Weise, wie in Kap. 1, 19; Z, 1 ff. ausgeführt] in uns wirket, · » 21. Dem sei Ehre [der ihm gebuhrende Ruhm Offenb. 4, 11; Röm. 11, ?)«6;«Gal.1,.5; PhiL 4, 20] in der Gemeine, die in Christo Iesu ist sals welche ja dazu berufen und auch im Stande ist, ihm die rechte, volle Ehre ·zu geben], zu aller Zeit von Ewigkeit zu Ewig- keit ff. v. a. auf alle Zeiten der ganzen Ewig- keit]! Amen. Nach volltönender Doxologie der zweite, paränetische Theil: der in der Kirche waltende Geist. 463 Das eigentliche Gebet, die Bitte ist zu Ende; aber die Zuversicht zum Allmächtigem welcher noch weit mehr thun kann, treibt noch eine recht volle, feierliche Lobpreisung aus dem betenden Herzen, mit deren Fülle Röm. 16, 25—27 zu vergleichen ist. (Meyer.) Beten und Loben muß eisammen sein: jenes führt die göttlichen Gnctdetibrünnlein herab, dieses leitet sie wieder in die Höhe. (H· Müller.) Gottes Allmacht, sagt der Apostel, ist unendlich erhaben über die Kräfte unsers Gebets und unsrer Vernunft; wir können nie auch nur entfernt soviel erbittert, als Gott für uns thun will, und nie auch nur entfernt das ausdenken, was Gott für uns thun kann. (Schenkel.) Paulus hat sich nicht für den Mann gehalten, der den Sieges- gang des HErrn zur Vollendung seiner Kirche, in jedem einzelnen ihrer Glieder und in ihnen allen zu- sammen, zu erdenken und in Bittworte zu fassen ver- möchte; aber deß hat er sich mit aller Zuversicht ge- tröstet, daß Gott größer sei, denn unser Herz, und hochüberschwänglich über aller Menschen, auch der Gläubigen Bitten und Gedanken den Weg seiner herr- lichen Gnade ehe. (Besser.) Die christlichen Leser, wie auch der postel selbst, kennen aus Erfahrung die göttliche Macht, die sie aus dem Sündentode errettet und des Lebens Jesu Christi theilhaftig, die den Apostel aus einem Versolger der Gemeinde zu einem auser- wählten Rüstzeug für Gottes Reich gemacht hat: nach dem Maße der Kraft, die zu solchen Wirkungen erfor- dert wird, mögen die Leser bemessen, wie unbeschränkt Gottes Vermögen ist. (Sommer.) Alles, was schon geschehen oder geworden ist, vermag Gottes Macht noch zu überbieten; sie hat zu keiner Zeit schon ihr Hochstes gethan. (v. Hofmann.)· Jn den Shnagogem Moscheen, Pagoden giebt es kein wahres Lob Gottes; auch in unsern Kirchen nicht, wenn man Christum nicht erkennt. (Heubner.) Das 4. Kapitel. Ermahnung zur gottseligkeit und Einiglieit Warnung vor Sünden und Laster« C« Jtn die volltönende Dorologin womit der erste Theil seines, der, ohne direkt lehrhast zu sein, doch alles, was der Apostel eigentlich tlelsrhastes seinen liefern an’s her; legen wollte, den darin enthaltenen Eoboreisungeiu Dantisagungen und Xürbitten einfcigte, schließt sikh nun der zweite, paränetisetse Theil der Epistel an; das Thema desselben ist der in der Kirche Christi waltende Geist, welcher im Verhältnis ihrer Glieder unter einander ein Geist der Einigkeit und im Gegensatz zu dem Wesen der Kinder dieser Welt ein Geist der Heiligkeit ist nnd da, wo er unbehindert seine verlilärende Macht behaupten kann, einer Gemeinde zu ihrer rechten Ausgestaltung in allen Eebensbeziehungen verhilftz dem aber freilich auch gar gewaliige Mächte in der unsichtbaren Geisterwelt als geschworene und mit hörhst gefährlichen Waffen streitende Feinde entgegenwirlieiu daher es für Christi Sänger gilt, mit der von Gott dargereichten nach stärkeren Waffen— riisiung sich anzuthun und da, wo sic selber lteine Streiche führen tiönnen oder dürfen, zum Bitten und Flehen im Geist und zum wachsamen Einhalten damit ihre Zuflucht zu nehmen. I. v. 1—16. Die erste Vermahnung des heil. Apostels bezieht sieh auf das verhältnis der Glieder der Kirch: unter einander, hinsichtlias dessen der in ihr waltende Geist sich als einen Geist der Einigkeit beweist. Es liommt hierbei theils die Einheitlichkeit der Gemeinde als Ganzes, theils die iinterfchiedtiajlieit der christlichen Begabung der Einzelnen in Betracht; im ctjinblieti auf jene, die Einheitlichkeit nun ermahnt Paulus zu einem ihr entsprechenden Eiebesverhatten des einen gegen den andern (V.1——6), im hinbltm auf diese, die Ilntersehiedlirtilieit der Begabungen aber zu einem in das einheitliche Wachsthum der Gemeinde för- derlich eingretfenden Streben nach christlicher vollreife (v. 7—16). (Epistel am t7. Sonntag nach Criniiiitish Diese Epistel schließt mit ihren Ermahnungen zur Demuth, Sanftmuth und Geduld, zur Verträglichkeit in Liebe und zum Fleiß in der Erhaltung der Einig- keit im Geist durch das Band des Friedens sich zu- nächst folgerecht an die vom vorhergehenden Sonn- tage an; lehrt nämlich jene, was wir für einander von Gott erbitten sollen, so lehrt diese, wie wir uns unter einander zu erweisen haben. Außerdem aber läßt sich auch ein gewisser Zusammenhang mit dem Evangelio dieses Sonntags (Luk. 14, 1 ff.) leicht dar- thun, insofern die Epistel im Gegensatz zu dem tadelns- werthen Verfahren jener Tischgäste ein Musterbild des Christen geziemenden Verhaltens im Umgang mit Andern aufstellt. (Alt.) Wie sich Vorbild und Gleich- niß zu dem Urbild und der Erfüllung der Gleichnisse verhält, so verhält sich das hohe Evangelium zu dem epistolischen Textez nicht von dem hochzeitlichen Mahle eines Menschem aber wohl von dem Hochzeitmahle des Sohnes Gottes handelt die Epistel, also von der Hoch- zeit, die unser HErr bei dem heutigen Evangelio ohne Zweifel mehr im Sinne hatte, als das Gastmahl des Pharisäers und die Rangordnung hochmüthiger Juden. Ebenso: zwar nicht von dem Verhalten bei Tisch, wohl aber von dem Verhalten der Hochzeitgäste Gottes bei dem himmlischen Hochzeitmahle, das bereits auf Erden beginnt, von dem den Bau der Kirche auf Erden för- dernden Benehmen der Christen handelt die Epistel; und wie im Evangelio in der zeitlichen Rangordnung beim Mahle die bescheidene Demuth den Sieg behält, so wird gleichermaßen in der Epistel Sieg und Krone im Werk der Erbauung der Kirche Gottes der beschei- denen Demiith zugesprochen. Woran der HErr im Evangelio denkt, das predigt in der Epistel der Apostel auf den Dächern; und was der HErr wünscht, das befiehlt der Knecht· (Löhe.) Wandelt, wie sich’s gebühreteurem Beruf, darinnen ihr berufen seid: l) wozu sind wir berufen? Z) wie sollen wir wandeln? Z) was verpflichtet uns zu solchem Wandel? (Fuchs.) Von dem Wandel, der unsers Berufs würdig ist: l) wie er im Allgemeinen geartet sein müsse, 2) wie er sich in der christlichen Gemeinschaft zu erweisen habe, Z) wodurch er sich in diesen Erwei- sungen stärken und beleben kann. (Petri.) Die Frage nach der Einheit der Kirche: l) woraus die Ein- heit der Kirche wesentlich beruht, Z) wodurch die Er- scheinung dieser Einheit verhindert wird, Z) wie sie aber gleichwohl von uns gefördert werden kann. (v. Burger.) Eine Ermahnung an alle wahren Christen zur Einigkeit im Geist: l) die dringende Noth, die dazu treiben soll; L) der einzige Weg, der dahin führen kann; Z) der sichere Grund, darauf sie ruhen muß. (Gerok.) Die Einigkeit der christ- lichen Kirche: l) sie ist unser Werk, L) sie ist Gottes Gabe. (Münkel.) Seid fleißig, zu hal- ten die Einigkeit im Geist; 1) laßt fahren, was sie stört, Z) haltet fest, was sie begründet. (Kapsf·.) Das Band des Friedens: 1) wie es geknüpft ist durch Gottes Gnade, 2) wie es von uns erhalten wer- den soll durch die Liebe. (Sommer.) 464 Epheser 4, 1-—6. 1. So ermahne nun euch [Röm. 12, I] ich Gefangener in dem HErrn [Kap· Z, 1 ; Philem. 9], daß ihr wandelt, wie sielys ge- bühret eurem Beruf, darinnen [besser: da- mit] ihr berufen seid« [1. Cor. 7, 20; 1. Thess 2, m; Col. 1, 10; Phil 1, 27], Z, Mit aller Demuth [Apostg. ro, 191 und Sanftmuth, mit Geduld wandelt, wie von drei guten Geistern auf eurem Lebenswege begleitet Col. Z, 12; Gal. s, 22], und vertra- get snun da] einer den andern in der Liebe «« sCol. Z, is; Gal. 6, 2; I. Cor. 13, 4], » 3. Und seid [der drohenden Gefahr der Trennung gegenüber] fleißig zu halten die Einigkeit im Geist durch das Band des Friedens [dadurch, daß ihr das Band des Frie- dens, welches euch umschlingen soll, nicht zerreißen lasset, sondern es wieder fest anziehet, wo es locker werden will]: 4. Ein Leib und Ein Geist sseiend oder ein so einheitliches Gemeindeleben führend, als ob es das Leben eines Einzigen wäre Phil. l, 27], wie ihr auch sals ihr zu Christo bekehrt und seiner Kirche einverleibt wurdet] berufen seid auf einerlei Hoffnung eures Berufs sdaß ihr alle, einer wie der andere, das nämliche Erbe in Besitz bekommen sollt Kap. 1, 18; 1. Petri 1, 3 ff.]. Z. sJn dieser Kirche ist ja so vieles vor- hundert, was als gemeinsames Gut alle ihre Glieder aufs Engste mit einander zu einer wirk- lichen Gemeine einigt:] Ein HGrr [Christus 1. Cur. 8, 6], Ein Glaube [Apostg. 8, 37; 15, 11], Eine Taufe sdie auf Grund desselben Glaubens geschehen ist Apostg 16, 31 ff. und desselben Geistes uns theilhaftig gemacht hat Apostg. 11, 15; 1. Cor. 12, 13], S. Ein Gott und Vater (unser) aller sdie wir die Kindschaft bei ihm erlangt haben, Heiden wie Juden Kap· 1, S; Röm. 3, 29 ff.; 1. Tor. 8, 6], der da ist über euch alle, und durch euch alle, und in euch allensM [1. Ein. 12, S; Röm. 11, 36]. s) Nachdem der Apostel seinen Lesern vorgehalten hat, was ihnen durch Gottes Gnade geschenkt wor- den, so geht er nun, wie auch in seinen übrigen Briefen, in einem zweiten Theile zu dem über, was sie als die Bekehrten und Wiedergeborenen in dankbarer Gesin- nung an guten Werken Gott darzubringen haben. Ein christlich geheiligter Wandel ist die nothwendige Frucht und das unerläßliche Merkmal eines an Gottes Gnade in Christo Jesu gläubig gewordenen Herzens; deshalb bedient sich Paulus beim Uebergange zu dem paränetischen Theile seines Briefs auch der Folgerungsi partikel ,,nun«. Durch die Worte: ,,ich Gefangener in dem HErrn« verleiht er seiner Ermahnung ein nachdrückliches Gewicht; denn als Einer, der für das Evangelium und zum Besten der Gemeinde leidet (Kap. Z, l3), hat er auch ein besonderes Recht, ein ernstes, warnendes und züchtigendes Wort an die Leser " zu richten. (Schenkel.) Wie Paulus in seinen Banden für die Gemeinde betet (Kap. 3, 14 ff.), so ermahnt er sie nun auch. Auf seine Bande um Christi willen, sagt Theodoreh hat er mehr Recht groß zu thun, als ein König auf sein Diadem. (Braune.) Paulus er- mahnt nun die Epheser, zu wandeln, wie sich’s ge- bühret ihrem Berufe, darinnen sie berufen sind. Zu welchen hohen Ehren sie berufen sind, haben sie aus den vorhergehenden Kapiteln ersehen können: vor Grundlegung der Welt sind sie erwählt und verordnet worden zur Kindschafh sie sind versiegelt mit dem heil. Geiste zu dem Reichthum des herrlichen Erbes im Himmel, aus Gästen und Fremdlingen sind sie nun Bürger mit den Heiligen und Gottes Hausgenossen (Kap. 1, 4 f. l3 f.; 2, 19); jetzt gilt es, diese Ehre sich nicht selbst abzuschneiden durch einen schlechten Lebenswandel, jetzt gilt es, zu wandeln, wie es dieser Beruf fordert. (Nebe.) Das soll sein das Hauptstück und das Vornehmste, darnach ein Christ seinen äußer- lichen Wandel in der Welt richten soll, daß er sich selbst erinnere und betrachte, wozu er von Gott gesetzt sei, d. i. warum er ein Christ heiße, und also dem- selben nachlebe und solches vor aller Welt scheinen lasse, nämlich daß durch sein Leben und Werk Gottes und des HErrn Christi Name und Wort gepreiset werde, wie Christus selbst in Matth.5, 16 die Seinen ermahnt. (Luther.) H) Der Apostel führt das ,,wandelt, wie sich’s ge- bührt eurem Beruf, darinnen ihr berufen seid« vor allem in der Richtung aus, daß sie ,,mitallerDe1nuth und Sanftmuth« wandeln sollen: sie sollen unter ein- ander beweisen, daß sie wohl wissen, wie sie das ge- worden sind, was sie sind, und was sie noch sein würden, wenn sie dies nicht geworden wären: durch Demuth, die sich dem Andern unterordnet, statt sich über ihn zu erheben, und durch Sanftmuth oder Mildigkeih die gern dem Andern giebt und dient, statt Anspriiche zu machen oder geltend zu machen gegen ihn, werden sie dies beweisen. Sie beweisen es ferner durch Geduld oder Langmuth, denn in Langmuth hat Gott sie getragen, als sie an sich selbst Gegen- stände seines Zornes waren (Kap. 2, 3). Wie aber Demuth und Sanftmuth, so sind Geduld und Ver- träglichkeit (iu Röm.2, 4 at Luther für dieses: ,,Ge- bald« und für jenes: ,, angmüthigkeit«) verwandte Begriffe; und so schließt sich denn an das ,,mit Ge- duld«, welches darum hinter dem ,,mit aller Demuth und Sanftmuth« eine eigene Stelle einzunehmen ge- eignet ist, weil die Geduld oder Langmuth mit denen es zu thun hat, die uns durch ihr Verhalten an sich dazu berechtigen würden, wider sie vorzu ehen, das »und vertraget einer den andern in der liebe« an, für welches zu beachten ist, das; nach des Apostels Meinung das Ertragen des Andern nicht an sich schon, sondern erst dann eine Beweisung chrisilichen Sinnes ist, wenn es in Liebe geschiehet. (v. Hofmann.) Die beiden Tugenden Demuth und Sanftmuth sind wie die Jünger des HErrn, von denen geschrieben steht, der HErr sandte sie je ween und zween: eine soll der andern zu ihrem Wesen und Leben helfen; ohne De- muth würde die Sanftmuth nur eine Lüge heißen, die Sanftmuth wiederum ist wie eine Form der Demuth, sofern sich diese gegen die Brüder kehrt. Wenn nun nach innen Demuth, nach außen gegen die Brüder hin Sanftmuth in den Gliedern der Gemeinde herrscht, dann hat der des Berufs zu Einer heiligen Kirche würdige Wandel seinen geziemenden Anfang gefunden und der Grund ist gelegt zum Wohlsein Alter, doch muß dem Anfang der Fortgang und dem Grunde das Gebäude folgen; und dazu gehört denn die heilige Jm Verhältniß der Glieder der Kirche unter einander waltet der Geist der Einigkeit. 465 Langmuth, mit welcher sich die Glieder der Gemeinde gegenseitig tragen follen. Eine Demuth, eine Sanft- inuth ohne Ausdauer, ohne Langmuth, was werden sie ausrichten? was ist überhaupt eine Tugend ohne Beständigkeih wenn nicht eine Leugnung ihrer selbst, ein Kind ohne Lebenskraft, ein Dasein, das sein selbst Spott und Zerstörung wird dadurch, daß es das natur- gemäße Alter nicht erreicht? Es muß daher jedeTugend erstatten, iiach Kraft und Dauer und unausgesetzter Uebung trachten, jede Tugend ihre Langmuth haben, sonderlich aber die deinüthige Sanftmuth, welche ihr Werk zum Heile der Gemeinde und zur Erreichung ihres Berufs gewiß nicht leisten wird, wenn sie das Mannesalter der Langmuth nicht erreicht Siebenmal- siebenzigmal ver eben, nimmer die Hoffnung aufgeben, am Heile des ächsten nicht verzagen, solang sein Odem eins und ausgeht, ihn trotz alle.r Hindernisse und Sünden dennoch auf liebenden Armen tragen, das ist die hohe, heilige Kunst derer, die des Berufes würdig wandeln wollen. Meister in der Kunst ist Jesus, der unermüdlich dieverlorenen Schafe sucht, und alle seine Schafe weidet; Gesellen und Genossen in seiner Liebesarbeit sind alle seine Heiligen. (Löhe.) Die Geduld äußert sich in dem stillen Tragen der Beleidigungen, das Vertragen mehr in dem thätis gen Ausrechthalten des Andern in seinen Nöthen und Gebrechen. (v. Gerlach.) TM) Demuth, Sanftmuth, Langinuth, vertragsame Liebe — wo dies geistliche Viergespann den Kirchen- wagen zieht, da geht es vorwärts auf dem Wege, den die Worte zeigen: »und seid fleißig zu halten die Einigkeit im Geist durch das Band des Friedens«. Ach, der Feind haßt diese Kirche1ikrone, die Einigkeit im Geist, heftiger und eifriger, als wir sie lieben! Der Heiland hat sie seinen Gläubigen erbeten und will, daß darin seine Herrlichkeit auf ihnen ruhe und aus ihnen leuchte zum Segen der Welt (Joh. 17, 21 ff·)·; der Teufel aber, dessen WerkZerstreuen der Schafe heißt (Joh. 10, 12), hat sie von Anfang an zu zer- stören getrachtet und will, daß seinRotten- und Sekten- geist den heil. Geist der Eintracht vertreibe zum Ge- spött der Welt und daß unter weltlicher Einförmigkeit die Liebe zur geistlichen Einigkeit ersterbe. (Besser.) Wie in V. 13 mit der Einheit des Glaubens (Luther: ,,einerlei Glauben«) gemeint ist, daß alle in dem einen und selben Glauben stehen, so hier mit der Einheit des Geistes (Luther: ,,Einigkeit im Geist«), daß der eine und selbe Geist in allen lebt und waltet. Wenn die Einzelnen sich für ihre Besonderheiten Raum schaffen wollen in der Gemeinde, so thun sie dies von wegen ihres Sondergeistes, welcher der ihre und nicht der die Gemeinde durchwaltende und innerlich einigende Geist ist, und machen hierdurch an ihrem Theile, daß nicht mehr alles in und aus dem Einen Geiste ge- schieht; dies soll der Christ nicht blos unterlassen, sondern auch angelegentlichst verhüten, indem er das Band des Friedens bewahrt, welches alle Einzelnen umschließt. Eine Gemeinde lebt in Frieden, wenn die innerhalb derselben bestehenden Verschiedenheiten sich ausgleichen, ohne in feindliche Gegensätze auszuarten; wer sich nun solche Ausgleichung an elegen sein läßt, der hilft an seinem Theile dazu, da das Gemeinde- leben von dem Einen Geist der Gemeinde, welcher der Geist Christi ist, getragen und beherrscht bleibe, wäh- rend sonst daneben die Sondergeister der Einzelnen zu Raum kommen. Daß der Inhalt des 4. Verses als gleichartiges Glied den Sätzen, durch welche das ,,wandelt, wie sich’s gebührt eurem Beruf, darinnen ihr berufen seid« (V. 1), in’s Einzelne ausgeführt ist (V. 2 u. 3), sich anreiht und zwar als Abschluß der- selben, giebt der ihrem Ausgangspunkte entsprechende Begrüiidungssatz: ,,wie ihr auch berufen seid auf einerlei Hoffnung eures Berufs« zu erkennen· So follen die Leser wandeln, daß sie Ein Leib und Ein Geist sind, was sie eben nicht wären, wenn nicht jed- weder sich’s angelegen sein ließe, das zusammenschließende Band des Friedens und hiermit die Einheit des Geistes Zi wahren; nur ein folches Wandeln entspricht ihrer erufung, welche für sie alle in Darbietung einer und derselben Hoffnung, zu deren Besitze sie berufen wur- den, bestanden hat. Erst im Anschlusse an diesen Hin- weis auf die Einheit und Selbigkeit der Hoffnung ihres Berufs folgen dann in V. 5 die Sätze, welche in losester Form Betonen, daß Ein HErr, Ein Glaube, Eine Taufe, Ein Gott und Vater es für Alle, nämlich für alle Glieder der Gemeinde ist: auf die Selbigkeit des HErrn, dessen sie sind, des Glaubens, durch den sie sein sind, der Taufe, durch deren Empfang sie Glieder seiner Gemeinde geworden sind, und des Got- tes; zu welchem sie hierdurch in dem Verhältniß stehen, daß er ihr Gott und Vater ist, weist sie der Apostel hin, nicht als wollte er alles aufzählen, was alle ge- mein haben, sondern auf das sich beschränkend, worauf ihr Christenstand und somit auch die Hoffnung desselben beruht. Nachträglich tritt dann zu dem: »Gott und Vater (unser) aller« noch ein Satz hinzu, welcher in dreifacher Beziehung ausdrückt, wie dieser Eine Gott und Vater es für alle ist, nämlich als der über allen, durch alle hin und in allen Seiende: über allen seiend, ist er ihnen jenseitigz durch sie hin seiend, ist er ihnen diesseitig, aber in der» Bewegung durch sie hin; in ihnen seiend, ist er der jedem Einzelnen stetig G eg en w ärtig e, ihn mit sich Erfüllende Die Meinung, daß dieses Dreifache auf die Dreieinigkeit Gottes ziele, braucht wohl nicht erst widerlegt zu werden, sie ist ja sihon widerlegt durch den Umstand, daß es Aussagen zu »Gott und Vater« sind; betont soll vielmehr wer- den, daß Gott der Gott und Vater, der er für alle Christen gleichermaßen ist (,,unser aller«), es auch ihnen allen gleichermaßen in der dreifachen Beziehung ist, in welcher er zu dem Menschenleben überhaupt steht. (v. Hofmann.) Warum neben der Tauge in V.5 nicht auch das Abendmahl genannt ist, ergie t sich aus dem Zusammenhang, der die Motive für die Ermahnung enthält, die Einigkeit in: Geist bewahren zu wollen: das Abendmahl ist viel mehr Akt der bewahrten Einigkeit, als Trieb zur Bewahrungx das Abendmahl feiern die mitGott Verföhnten und die sich als Brüder zu einander halten. (Branne·) Die Einen HErrn gemein haben in Einem Glauben, die sind die Ge- meinde, deren Name Kirche (kyria.ke) lieblich davon redet, daß sie des HErrn (kyrios) ist, gleichwie das Weib nach dem Namen des Mannes genannt wird. (Besser.) Das Wort Glaube umfaßt alles, was Gott von unserm Einen HErrn Jesu Christo, von seinem Verhältniß zur Gottheit und Menschheit, von seiner Person, von seinen Werken und Leiden geoffeiibaret hat: in der gläubigen und bekennendenAnnahme dieser Osfenbarungen des HErrn findet sich eine weit größere Einigkeit unter den verschiedenen Parteien der Christen, als es scheint; weitaus in den größten und bedeutend- sten Punkten stimmen die Kirchen des Morgen- ·u·nd Abendlandes zusammen, und wenn es auch an Zwistig- keit nicht fehlt, so sollte doch niemals vergessen werden, wieviel Grund zur Einheit in dein annoch vorhande- nen Gemeinsamen des Glaubens an Jesum Christum liegt, und wie die vorhandene Einheit alle bezwin- gen könnte, daß sie sich dem gdttlichen Zeugniß gåaiöbekid auch in den Differenzpunkten unterordneten. ( ö e. 466 Epheser 4, 7—14. 7. Einem jeglichen aber unter uns sdie wir nach dem vorhin V· 5 s. Gesagten zu einer ein- heitlichen Gemeinde verbunden sind und, was den Christenstand an sich betrifft, alle einander gleich stehen] ist gegeben die Gnade sdie er in der für seine Person ihm zu Theil gewordenen Be- gabung Röm.12, 6; 1. Petri 4, 10 und Be- amtung Kap. Z, 2 u. 7 f.; Röm.12, 3 befitztJ nach dem Maß der Gabe Christi« [je nachdem Christus eine größere oder kleinere Gabe ihm zugemeffen]. 8. Darum [weil Gott bei der Ausrichtung seines Reiches in Christo nach dessen Ermessen einem jeden ohne Unterschied seines bisherigen, Standes, ob er Jude oder Heide gewesen, wollte die Gnade einer ihm eigenthümlichen Begabung oder Beamtung innerhalb dieses Reiches wider- fahren lassen] spricht er fin der Schrift, die ja fein Wort ist 1. Cor. 6, 16; Gal· 3, 16.,iund zwar näher in Psalm 68, 19., mit Beziehung auf Christum]: Er ist aufgefahren in die Höhe und hat das Gefängniß frichtigen die Gefan- g ens ch as t ,. d. i. Gefangene] gefangen [im Triumphe mit fich fort-] geführt [als Siegesbeute], und hat den Menfchen sdie er so fich erobert hat] Gaben sdie er für sie empfangen Apostg. 2, 33] gegeben» 9. Daß er aber [von dem in diesem Psalm- worte die Rede] aufgefahren ist, was isrs swas anders ist mit diesem Ausdrucke, der von ihm gebraucht wird, gesagt, wenn man denselben genau nimmt] denn daß er svon der Erde, von der er hernach auffuhr in die Höhe] zuvor ist hinunter- gefahren in die untersten Oerter der Erde sin den Hades oder das Todtenreich Pf. 63, 10; Matth. II, 40; Apostg. 2, 27; Röm. 10, 7; Hiob 7, 9 Anm.]? 10. Der snun dahin] hinuntergefahren ist, das ist dersclbige, der [dann auch] aufgefahren ist über alle Himmel [um in den Himmel selbst ein- zugehen, wo er jetzt thront Hebr. 9, 24; Apostg. 3- 21; 2· Cor- 12, 12i- auf daß er alles sdas ganze weite Gebiet, welches er bei seiner Nieder- und Auffahrt durchmessen, mit feiner Gnade und HerrlichkeitJ erfülletettt [Kap. 1, 23 und es im großen Weltenall, wie in der untersten Tiefe so in der höchsten Höhe, keine Stätte gäbe, wohin er mit seiner Siegesmacht nicht dringen und wo er als der HErr nicht anerkannt und angebetet werden könnte Phil. 2, 10 f.]. 11. Und Er [der aus der tiefsten Tiefe zu der höchsten Höhe aufgestiegen ist, um alles zu erfüllen, eben Er] hat etliche zu Apofteln gefetzt [genauer: hat gegeben Kap. l, 22., nämlich durch selbsteigene Berufung und charismatische Begabung, die einen als Apostel], etliche aber zu Propheten sdie andern als Propheten], etliche zu Evangelifteu sdie andern als Evan- gelisten], etliche zu Hirten und Lehrer-i]- sdie andern als Hirten und Lehrer 1. Cor.12, 28 u. Apostg. 21, 8 Anm., je nach dem, wozu er die einen und andern bestimmte], 12. Daß die Heiligen [oder Christen Kap. l, 1] zugerichtet werden szu dem, was sie sein und werden sollen, oder vollbereitet 1. Petri 5, 10 werden] zum Werke des Amts [hat er sie gegeben], dadurch der Leib Christi fder ja zugleich Gottes Haus oder Tempel ist Kuh. 1, 23; 2, 19 ff.] erbauet werde-H- [vgl. die Bem. zu B. 11]; 13. Bis daß wir alle fein jeder von sei- nem zur Zeit noch niedrigen Standpunkte aus] hinan kommen [zu dem uns vorgesteckten Ziele völliger Gemeinschaft Joh. 17, 20 ff., nämlich] zu einerlei Glauben und Erkenntnis des Sohnes Gottes [Joh.10,16; 17, 3; 1.Joh. 5, 20], nnd [nun, wenn solche Einheit erreicht ist, wo wir dann alle mit einander dastehen wie Ein Mann Kap. 2, 15] ein vollkommener Mann werden, der dasei in der Maße des voll- kommenen Alters ChriftiHs [erfüllt, wie er seiner Bestimmung nach es sein soll Kap. Z, 19., mit allerlei Gottesfülle], 14. Auf daß wir [fortan] nicht mehr fwie es bis dahin der Fall gewesen] Kinder san Einsicht und ermangelnd der Selbständigkeit 1. Cor. Z, 1 u. 14, 20; Hebr. 5, 13] seien und fwie wir in solchem noch unreifen und unmündigen Kindes-alter gethan haben] Uns wägen [hin- und herbewegen oder schaukeln] nnd wiegen lassen [nach Art eines Schiff- leins aus dem Meer oder eines Kindes in der Wiege] von allerlei [d. i. jedem beliebigen] Wind der Lehre, sder bald von dieser, bald von jener Seite her sich erhebt] durch Schalkheit der Menschen und Tänschereh damit sie uns erschleichen [wie auf Schleichwegen nachgehen, uns] zu verführenH [Hebr. 13, 9]. V) Einigkeit und doch nichtEinerleiheit ist der Kirche anerfchaffene Art. Wie wir in 1. Cor. 12, 4 ff. lesen: ,,es find mancherlei Gaben, aber es ist Ein Geist, und es sind mancherlei Aemter, aber es ist Ein HErr, und es sind mancherlei Kräfte, aber es ist Ein Gott, der da wirket alles in allen«, so hören wir hier den Apostel die zur Einigkeit im Geist berufenen Hei- ligen erwähnen, daß sie unter dem Regiment ihres himmlischen Hauptes und Königs die Unterfchiedlichkeit der Gaben und die Mannigfaltigkeit der Aemter, wo- mit er feine Kirche ausgestattet hat, zu ihrer allfeitigen Erbauung und zum Wachsthum bis zur völligen Mannesreife in Christo sich sollen gereichen lassen. Jm vorigen Abschnitt ging die Ermahnung zur Einig- keit dem Zeugnisfe vom göttlichen Einigkeitsgrunde voran (V.1—6); in diesem folgt auf das Zeugnis; von der Begabung und Beamtung der Kirche aus der Höhe die Ermahnung zum emeinschaftlichen Streben in die Höhe (V. 7—-14 u. 15 .). Jn dem ersten Satze: ,,einem jeglichen aber unter uns ist e eben die Gnade nach dem Maß der Gabe Christi« fgte t das Wörtlein aber der Gnade des Chriftenstandes welche nach der vorangegangenen Ausführung alle gemein haben, die Bei aller Einigkeit ist aber doch nicht Einerleiheit die der Kirche anerschassene Art. 467 einem jeglichen insonderheit widerfahrene Begnadung gegenüber. Desselbigen HErrn Eigenthumsleuth des- selbigen Glaubens Genossen, derselbigen Taufe Ge- weihete, desselbigen Gottes und Vaters dreisältig ge- segnete Kinder, das sind wir Christen» alle aus der- selbigen Gnade; aber innerhalb der einen und selben Gnade, die alle in der Gemeinschaft mit Gott gleich 1nacht, sind die Gnadengaben unter die Einzelnen unter- schiedlich vertheilt, die Eine Spende des Christenstan- des gestaltet sich bei einem jeglichen in sonderlicher Weise zur Begabung fiir die gliedliche Gememschaft aller mit einander. (Besser.) Wenn in 1. Cor.12,11 dasselbe vom heil. Geist gesagt wird, was hier von Christo, so ist zu beachten, daß dort von Gaben (Charismen) die Rede ist, die im 4. Verse dem Geiste zugeschrieben werden, während hier nach V.11 der Apostel die Aemter (Dienste) im Sinne hat, deren Zutheilung auch in 1. Cor. 12, 5 dem HErrn oder Christo zugewiesen wird. (v. Gerlach.) «) Statt die verschiedenen Gaben selbst näher an- zugeben und dadurch jeden aufzufordern, in dem großen Ganzen seine Stelle wohl auszufüllen, läßt der Apostel eine Gedankenreihe folgen, welche an sich schonschwierig ist, aber in der Art, wie sie mit dem Vorhergehenden und Folgenden zusammenhängt, zu den dunkelsten Stellen des neuen Testaments gehört, welche daher auch die mannigfaltigsten Deutungen sich hat gefallen lassen müssen. Gehen wir nun von der wohlbegrüm deten Voraussetzung aus, Paulus hat hier keine fern- liegende oder auch nur beiläusige Bemerkung machen wollen, sondern schreitet in seiner Auseinandersetzung genau fort, so fragtsich zunächst: was will er mit der angeführten Psalmstelle beweisen? worauf geht das ,,darum spricht er« zurück? Offenbar will er durch die Citation nicht zunächst Christum blos einfach als den Spender der Gaben darstellen, sondern aus dem alten Testamente selbst die Allgemeinheit der Gaben Christi, also den gleichen Antheil auch der Heiden daran, beweisen: er hat durch seine Erlösung nicht diesen oder jenen, nicht den Juden allein, sondern den Menschen als solchen, d. i. der Menschheit, Gaben verliehen, so daß der Nachdruck auf den Schlußworten des Citates liegt. (Olshausen.) Du hast triumphirh heißt es im Psalm, hast Gesangene Befangen geführt, hast Gaben in Empfang genommen, aben von denen, die anderntheils deine Beute geworden sind; man hat da zu erwägen, zu welchem Zwecke Jehova seinen Sieg gewonnen, die Besiegten gefangen geführt, von den Besiegten Gaben an sich genommen. Die Siege nämlich, welche David durch Jehovcks Hilfe gewonnen, haben ihm die Mittel verschafst, den Bau des Gottes- hauses auf Zion vorzubereiten (2. Sam. 8, 11 s.; 1. Chron. 19, 8 u.11): was Jehova damals gethan hat, das hat sich gegenbildlich wiederholt, als Jesus sich zur Rechten Gottes setzte, das neutestamentliche Gottes- haus herzustellen. Auch Christus hat, wie Jehova, um das Gotteshaus seiner Gemeinde herzustellen, zu- vor einen Sieg erstritten und gewonnen, dessen Beute ihm zur Herstellung desselben dient; die Beute aber seines Sieges sind die Menschen, die er dem Satan abgewonnen, und die nun mit allem, was sie waren, in den Dienst seines Werkes treten und durch seinen Geist dazu ausgerüstet werden, das Gotteshaus seiner Gemeinde herzustellen. Indem denn die Gefangenen Christi selbst die Beute seines Sieges ausmachen, die er zum Baue seiner Gemeinde verwendet, und zwar in der Art verwendet, daß er die dem Satan Ab- gewonnenen durch seinen Geist dazu eschickt macht, ihm zu dienen, konnte Paulus aus dem LsZsalm das »Hast Gaben empfangen oder genommen unter den Men- schen« nicht brauchen, sondern bediente sich mit dem ,,hat den Menschen Gaben ge eben« einer Wendung, die auch in einer hebräischen uslegung jener Stelle sich findet und also wohl schon als jüdische Tradition vorhanden war. (v. Hofmann.) »Es-«) Dem Psalmworte entspricht die Deduction des Apostels: ,,daß er aber aufgefahren ist, was ist’s, denn daß er zuvor ist hinunter gefahren« insofern, als dort Jehova’s sieghaftes Emporfahren über seine Feinde zur Voraussetzung hat und in sich schließt, daß er sich zuvor dazu herabgelassen, als König seines Volks wider dessen Feinde zu streiten. Was nun aber die mit dem alttestamentlichen Aufsteigen Jehovcks pro- phetisch angedeutete Aufsteigung Christi bei diesem zur Voraussetzung habe, hebt Paulus für den Zweck her- vor, um zu zeigen, wie die Gnadenbegabung Christi je an alle Einzelnen, von der in V. 7 die Rede war, im nothwendigen Zusammenhange stehe mit dessen all- gemeiner Stellung, das ganze All zu erfüllen, in welche Function er eben durch seine Herabsteigung in die Tiefen der Erde und Hinaufsteigung über alle Himmel habe eintreten müssen. Wenn denn da der Apostel behauptet, das Aufgestiegensein setze das Her- abgestiegensein voraus, so bezeichnet er nicht mit die- sem Ausdruck die Erde als die niedere Region im Vergleich mit dem Himmel, gleich als ob er hier an die Herabkunft des Sohnes Gottes vom Himmel aus die Erde bei seiner Menfchwerdung dächte, wie nicht wenige Ausleger annehmen, sondern der Ausdruck meint das, was tiefer unten ist, als die Erde, also den Hades. Die Erklärung von der sog. Höllenfahrt ist auch deshalb die einzig richtige, weil es darauf ankam, Christum als den das ganze All Ersüllenden darzustellen, so daß er behufs Antritts dieser seiner alles erfiillenden Wirksamkeit vorher mit seiner sieg- haften Gegenwart die ganze Welt durchzogen habe, vom Himmel vormals herabgestiegen auf die Erde, von dieser aber hinunter in die äußerste Tiefe und darnach wieder in die äußerste Höhe; dabei verschlägt es nichts, daß er nicht vom Hades, sondern von der Erde ab in den Himmel gestiegen, vielmehr aus dem Hades bei seiner Auferstehung erst auf die Erde zurück- gekehrt und nachmals in die Höhe aufgesahren ist, im Gegentheil kam es zugleich darauf an, den tiefsten terminus a quo seiner Aufsteigung mit dem höchsten terminus ad quem oder, mit andern Worten, die beiden äußersten Grenzen des Alls von unten nach oben als Bereich seines Triumphzuges zusammenzu- stellen· Erst mußte Christus sein ganzes Gebiet, d. i. die ganze Welt vom Hades bis zum höchsten Himmel wie ein triumphirender Eroberer in Besitz nehmen, bevor er seine königliche Herrschaft über dieses Gebiet anträte, vermö e deren er mit seiner erhaltenden und regierenden, insgonders auch alle Gnadenbe abung be- schaffenden Wirksamkeit das All erfüllen sollte: das sollte die allumfassende Aufgabe seines königlichen Amtes sein bis zu der in I. Cor. 15, 28 bezeichneten Vollendung. (Meyer.) Daß nun aber der HErr über alle Himmel, also in den Himmel selbst, wie der Hebräerbrief sich ausdrückt, aufgefahren, liegt darin begründet, daß er allem, was räumlich ist, also auch dem überirdisch Räumlichem wie weit es sich erstrecken mag, jenseitig sein muß; nur wenn er in solchem Leben steht, kann er sich selbst zum Inhalt des Alls machen. (v. Hosmann.)» Mit dem »Er« u Anfang des 11. Verses, woraus nach dem im riechischen dafür gebrauchten Ausdruck ein Nachdruck liegt, hebt der Apostel die Person des Gebers, des Erhöhetem hervor: Er und kein Anderer. Jn Luther’s Uebersetzung ist weder das 468 Epheser it, 15. 16. ,,gesetzt« noch das ,,etliche« dem Grundtext recht ent- sprechend; dieser weist vielmehr auf bestimmte Per- sonen hin, welche der HEry durch sein Niederfahren und Aufsteigen zu Gaben befähigt, gegeben hat. (Braune.) Gesagt ist damit, daß er es nicht an sol- chen habe fehlen lassen, die in der einen oder andern Weise zur Zurichtung der Heiligen dienten: nicht an Ap o steln, deren unmittelbar von ihm ertheilter Beruf war, die Kirche zu gründen, nicht an Propheten, welche hie oder da, je und je, kraft unmittelbarer Er- leuchtung ein Gotteswort redeten, nicht an Evange- listen, welche ihre Aufgabe sein ließen, das aposto- lische Wort auszubreiten, nicht an Hirten und Leh- rern, welche die Einzelgemeinden verwalteten oder ihre Befähigung, die heilige Wahrheit nach Maßgabe ihrer Erkenntnis; derselben zu lehren, innerhalb der Einzelgemeindeii verwertheten Der Zweck, zu des en Erzielung sie Christus gegeben hat, ist mit den Worten: »daß die Heiligen zugerichtet werden«, das Thun aber, für welches er sie zu diesem Zweck bestellt hat, mit dem Ausdruck: »zum Werk des Amts, dadurch der Leib Christi erbauet werde«, benannt; jene, die Zurichtung oder Fertigmachung der Heiligen kommt als das unter allen Umständen zu erzielende Ergebnis; in Betracht, auf das es Christus mit Bestellung der Apostel, Propheten u. s. w. ab»esehen, dieses, das Werk des Amts, dadurch der eib Christi erbauet werde, hat zu geschehen, bis jenes Ziel erreicht ist. Die Christenheit ist nach V.18 fertig hergestellt, wenn sich alle ihre Glieder in der Einheit und Selbigkeit des Glaubens und der Erkenntniß des Sohnes Gottes zusammenfindem das Amt nun oder der Dienst, zu welchem Christus die einen als Apostel, die andern als Propheten, wieder andere als Evangelisten und noch andere als Hirten und Lehrer gegeben hat, ist ein Bauen, mit welchem sie an der Gemeinde arbeiten, die nicht ihr Eigenbesitz, sondern der Leib Christi ist, und dieses Amt oder dieser Dienst ist ein zeitweiliges Thau, welches in der schließlichen Gleichheit des Christen- standes aller sein Ziel findet. (v. Hofmannh Es werden vom Apostel die Hauptthätigkeiten in der Ge- meinde genannt, welche zur Zurichtung der Heiligen, zur Erbauung des Leibes Christi zusammenwirken, und zwar I) die grundlegende Thätigkeit der Apostel in Lehre und Zucht, L) die Auslegung und Anwendung der apostolischen Lehre durch die Pro- pheten, 3) die Ausbreitung derselben durch die Evangelisten, 4) die Bewährung derselben durch die Hirten und Lehrer. Das apostolische Fundamenh die Ausbreitung und Entwickelun desselben nach innen und außen, und schließlich die rhaltung desselben, sind Lebensbedingungen der Kirche: fragen wir, welche Aemter und welche rein charismatischen Thätig- keiten Paulus bei Namhaftmachnng der vier Klassen ausgeführt habe, so werden wir für Amtsträger die zuerst genannten Apostel und die zuletzt erwähnten Hirten und Lehrer anzusehen haben, dagegen sind die Propheten und Evangelisten nicht auf Grund eines ständigen Amtes, sondern lediglich in Kraft des ihnen verliehenen Charisma thätig. Was da zunächst die Propheten betrifft, so war ihr ordentliches Werk (die Weissagung des Apostels in Apostg. 11, 28 gehört zu den aufzerordentlichen Werken der neutestament- lichen Propheten) Auslegung und Anwendung des apostolischen Worts behufs der Ermahnung (Röm.12, 8); sie waren gewissermaßen die Schriftgelehrten des neuen Testaments (Matth. 23, 34), doch redeten sie nicht in ständigem Aufträge, die Prophetie war viel- mehr persönliche Gabe. Was dann ferner die Evan- gelisten betrifft, so waren das Christen, die den be- sonderen Beruf in sich fühlten, das Leben des HErrn darzustellen oder, mit andern Worten, Jesum als den Christ den Juden und Heiden durch Erzählung seiner Worte sund Werke vorzuführenx sie richteten nichts Anderes aus, als was jeder lebendige C rist auch ohne besonderen Auftrag auszurichten ermä tigt war, wenn er sonst die Gabe hatte, doch war ihre Wirk- samkeit insofern von großer Bedeutung, als sie nicht nur unter den Heiden die Kenntniß des Evangeliums nach seiner historischen Seite verbreiteten, sondern auch in der Gemeinde die Kenntniß des historischen Christus erhielten und so der speculativen Verfliichtigung der heil. Geschichtq der philosophischen Aufzehrung des geschichtlichen Stoffes entgegenwirkten. (Otto.) So wie der HErr sich selbst einen Hirten nennt (Joh. 10, 2. 11 ff.) und das Volk, an das er sich wendet, mit einer Schafheerde vergleicht (Matth. 9, 36), welche Vergleichung auch in der Parabel vom jüngsten Ge- richt noch festgehalten wird (Matth. 25, 3«2), so trug er diese Benennung auf das Verhältniß seiner Apostel zu der zu stiftenden Gemeinde über (Joh. 20, 16); von den Aposteln wurde dann der Ausdruck auf das Presbhteren- oder Bischofsamt übertragen (Apostg. 20, 28; 1. Petri 5, 2), und so sind denn auch an unsrer Stelle offenbar die Aeltesten oder Bischöfe unter den Hirten gemeint, die daneben stehende Benennung Lehrer aber bezieht sich ohne Zweifel ebenfalls auf sie und bezeichnet nur ihr Amt von einer andern Seite. (Herzog.) So sehr ist Lehrhaftigkeit eines jeglichen Hirten oder Bischofs oder Aeltesten Haupteigenschaft (1. Tim. Z, 2; Tit. I, I; L. Tim. Z, 24), daß der Apostel in I. Cor. 1·2, 28 in den Lehrer-Namen den Hirten-Namen mit einschließt und in l. Tim. 5, 17 diejenigen Aeltesten oder Vorsteher am meisten zu ehren gebietet, welche bei aller Sorgfalt im Regieren (Röm. 12, 8) sich auch der Mühe und Arbeit hingeben, ihre Lehrgabe praktisch zu bewähren. Was endlich die zuerst genannten Apostel betrifft, so ist, weil die ein- mal gegründete Kirche nicht abermal gegründet werden mag, es offenbar, daß die vom HErrn unmittelbar berufenen zwölf Apostel und der dazu kommende Apostel der Heiden (Paulus) der ganzen Kirche für alle Tage ihres Wachsthums bis an’s Ende zu dem Grunde gegeben sind, worauf sie erbaut steht (Kap.2, 20); in ihrem Kirchengründungsamte können also die Apostel keine Nachfolger haben, und wir bedürfen auch keine Ersatzmänner für sie, weil ihr Unsterb- liches Zeugniß unter uns gegenwärtig schallt »in dem Worte, welches geschrieben steht und sich beständig lebendige Bekenner-undPredigerstimmen schafft. (Besser.) Unsre Stelle ist durchaus nicht geeignet, Fol erungen über die Gemeindeeinrichtung in der ältesten irche zu machen; nur die beiden letzten Ausdrücke: »Hirten und Lehrer« beziehen sich auf dieselbe, bei jenen waltet die Administratiom bei diesen der Lehrvortrag vor, und so hat die Träumerei der Jrvingianer, daß immer auch Apostel und Propheten in der Kirche sein müßten, keinen Grund in der Schrift, ebensowenig wie die Be- hauptung der Römischen, daß die späteren Bischöfe den Aposteln entsprächem (Olshausen.) Zu beachten ist die Wichtigkeit der in »hcit gegeben« lie enden Dar- stellung der Sache für die fortwährende estellung der Kirchendiener: Christus giebt die Kirchen- diener, die Kirche nimmt die Gegebenen und setzt sie in der Kirche Dienst; so hat also diese, oder wer ihre Rechte und Pflichten zu vertreten hat, nicht irgendwie will- kürlich die Subjekte zu erwählen, sondern die von Christo Begabten als die ihr dadurch von ihm Ge- gebenen zu erkennen, anzuerkennen und in den Dienst einzusehen. (Meyer.) Einheitlichkeit der Gemeinde als Ganzes, Unterschiedlichkeit in der Begabung der Einzelnen. 469 H) Das Komma hinter dem ersten Verssatze ist von Belang zum richtigen Textverständnissm damit die Heiligen zugerichtet oder vollbereitet werden, hat der HErr unterschiedliche Gaben gegeben; sämmtliche aber, von den hohen Aposteln bis zu den geringsten Lehrern, zu einem Werk des Amtes oder Dienstes, nämlich zur Erbauung des Leibes Christi. (Besser.) Nicht ehren- voller konnte der Apostel den Dienst des Wortes be- zeichnen, als indem er solchen Zweck ihm zuschreibt. (Calvin.) Das Amt ist ein Dienst nach unten hin, aber auch eine Gabe von oben her. (Stier.) Sorge, du Geistlicher, daß dir nicht blos ein Amt und Dienst ugewiesen sei und derselbe von dir verwaltet werde, iondern Du selbst eine Gabe Christi an seine Gemeinde seiest und immer mehr werdest. (Braune.) fis) Bis dahin wird das Geben des HErrn nicht aufhören und das Werk seiner Diener nicht liegen bleiben; gelingen wird die Vollbereitung der Heiligen, denn dem Leibe Christi aus Erden ist sein Wachsthum bis zum Vollmaß seines Wesens verbürgt in seinem vollendeten himmlischen Haupte (V. 15). Der Sohn Gottes ist der Heilsinhalt des einigen Glaubens und der einigen Erkenntnis; der ganzen Christenheit; alle Gaben und Aemter, die der HErr seiner Kirche je und je gegeben hat und noch giebt, treiben das Werk des Geistes, wovon er gesagt hat (Joh. 16, 14): ,,derselbe wird mich verklären«. (Besser.) Allerdings haben alle Christen, insofern sie Christen sind, denselben Glauben (V. 5) dem Grundstosse, aber nicht der Klarheit und Reinheit nach, weil der Gegenstand desselben verschie- den erkannt werden kann und ,die Erkenntnis; über- haupt einen so wichtigen Einfluß auf den Glauben hat; deshalb setzt der Apostel zur Bestimmung der Einheit des Glaubens noch die der Erkenntniß hinzu. Dann findet die wahre und volle Glaubens- einheit statt, wenn alle auf die gleiche Weise den Gegen- stand des Glaubens, Christum, und zwar in seiner höchsten Würde als des Sohnes Gottes, erkennen. (de Wette.) Wenn der Apostel im Weiteren das Ziel so bestimmt, daß ,,alle zu einem vollkommenen Manne« werden sollen, so will er damit sagen, daß diese alle, welche damit noch als eine Vielheit gedacht sind, wie ein vollkommener Mann, d. h. frei »von allen noch zur geistigen Unreife gehörigen Meinungsdifferenzen wer- den müssen; denn mit der Lehrverschiedenheit ist der Lehrirrthum un ertrennlich verbunden. Noch bestimm- ter aber drückt aulus das, was wir uns unter voll- kommener Mannesreife zu denken haben, durch das: »der da sei isn der Maße des vollkommenen Alters Christi« aus; und zwar ist das Altersmaß, welches er als das Ziel der Kirche betrachtet, dasjenige der ,,Fülle Christi«, d. h. eines solchen Zustandes der Gemeinde, wo die Fülle Christi mit ihren Gnadenkräften dieselbe Franz durchdringt Was die Frage betrifft, ob der postel die Erreichung des von ihm in Aussicht ge- stellten Zieles erst im Jenseits oder noch vor der Wiederkunft Christi im Diesseits erwartet habe, so geht aus V. 18 und 14 unzweifelhaft das letztere hervor (vgl. Ofsenb. 14, 1 ff. u.. 20, 1 ss.): es ist die irdische, der himmlischen vorangehende Vollendung der christ- lichen Gemeinde, welche erhier in’s Augesaßt (Schenkel.) Es) Sie werfen die Worte Gottes nach ihrem Muth- willen hin und her, wie die Doppeler (betrügerischen Würfelspieler) die Würfel werfen, und wie die Gaukler den Dingen eine andere Nase und Ansehen geben, da- mit sie der Schrift ihren einigen, einfältigen und be- ständigen Sinn nehmen und uns die Augen verblen- den, daß wir hin und her Wanken, keinen gewissen Sinn behalten und gleich von ihnen bezaubert und begaukelt werden, und sie mit uns spielen wie die Spieler mit ihren Würseln. Diese Art haben alle Rotten an sich, fassen ihnen eine sonderliche Meinung ohne und außer dem Wort; dieselbe Meinung flattert ihnen immerdar vor den Augen um wie ein blau Glas, und was sie darnach sehen, dünkt ihnen alles blau und ihrer Meinung zu sein. Aber es sind Spitzbubem wie sie Paulus hier nennt und überflüssig von. ihnen redet in 2. Thess 2, Z. 11 f.; l. Tun. 4, I; L. Tim. 4, 4. (L1ither.) Beim vollendeten Manne ist Festig- keit und Unerschütterlichkeit der Ueberzeugung; unent- wickelte Kinder sind Schwankungen aller Art ausgesetzh jeder Wind der Lehre bewegt sie. (Olshausen.) Ach, wenn mehr lebendige Erkenntnis; Gottes unter den Christen wäre, so würden sie sich nicht verführen lassen und in soviel Jrrthiimer und Greuel der Sünden ver- fallen! (Starke.) Durch »wir« schließt sich der Apostel hier überall mit ein. Nicht einmal die Apostel also glaubten von sich, daß sie das Ziel fchon erreicht hät- ten, viel weniger denn die Kirche; man mußte immer sortsrhreiten, durfte nicht stehen, geschweige denn rüc- wärts gehen. Daher soll jetzt die Kirche das Jdeal ihrer Vollkommenheit nicht hinter sich erblicken, sondern als ein zukünftiges, erst noch zu erreichendes vor Augen haben: das merket ihr, die ihr dem Alterthum nicht sowohl nachfolgt, als es euchvorspiegeltl (Bengel.) 15. Lasset uns aber sstatt in solchem Stande der unmündigen Kinder zu verharren] rechtschasfen sein in der Liebe lals womit wir dem Ziel der Einheit des Glaubens und der Erkenntniß des Sohnes Gottes immer näher kommen] und [zur Erreichung des vollkouimenen Mannesalters V. 13] wachsen in allen Starken an den shignans der das Haupt ist, Christus-« [Kap. 5, 23; Col. 1, 18]; 16. Aus welchem sals dem, der ja dazu erhöhet ist, daß er alles in allem erfülle Kap. 1, 22 f.] der ganze Leib zusammen gefuget [Kap. s, 211 und sso fest zusammeugehalten wird, daß] em Glied am andern banget durch alle Gelenke soder Bänder, die für diesen Zweck vorhanden sind, als Flechsen und Sehnen], dadurch [deun, eben weil die einzelnen Glieder oder Theile in so enge Ver- biudung mit einander gebracht find] eitles dem andern Handreichung thut svermittels der ihm mit- getheilten Gnadenkräfte], nach dem Werk eines jeg- lichen Gliedes in seiner Maße [V. 7; 1. Cor.12, 18], und machet soder bewirket nun solche feste Zusammenfügung desLeibes und gegenseitigeHand- reichung seiner Glieder], daß der Leib lvachfet zu seiner selbst Besserung [oder Erbauung V. 12; Col. 2, 19], und das alles [geschcehet] m der Liebe« [welche allein eine solche Selbsterbauung in ge- deihlicher Weise ermöglicht 1. Cor. 8, 1]. V) Mit einem »aber« ruft uns der Apostel wider alle Versührung zu den Waffen; dem »sich wegen und wiegen lassen von allerlei Wind der Lehre« stellt er ein streitbares Chriftentugendpaar gegenüber mit den Worten: ,,lasset uns vielmehr rechtschasfen oder wahr- haftig sein in der Liebe!« Wahrhaftig, d. h. hastend an der Wahrheit des Evangelii von unserer Seligkeit, mit der göttlichen Wahrheit umgeheiid als unserer einigen Meisterin und höchsten Freundin find wir mächtig, allen Jrrenden die Wahrheit vorzuhalten, ob es auch scheine, wir wären ihnen zu Feinden geworden 470 Epheser 4, 17——21. (Gal. 4, 16). ,,Nichts können wir wider die Wahrheit, sondern für die Wahrheit« heißt die Loosung der Rechtschaffenen (2. Cor.13, 8), wenn sich der Jrrthum ihnen anschmeichelt. Und die Wahrheit laßt uns reden und bekennen in Liebe! Treiben die boshaftigen Lügenredner Schalkheit und Arglist, weil sie ihr Eigenes suchen und ihres Dünkels leben, so ist es der Christen Beruf, in der Liebe, die der Wahrheit sich freut (l. Cor.13, 6), einer den andern zu erbauen und zu fördern im rechtschasfenen Christenwesen. Wo diese beiden, Wahrheit und Liebe, in Lehrern und Lernen- den zumal regieren, da fällt auf fruchtbaren Boden die weitere Ermahnung: ,,lasset uns Wachsen in allen Stücken hin zu Dem, der das Haupt ist, Christus-l« Nicht sind wir in Christo ein Leib, der mit seinem Haupte wächst; sondern seinem vollendeten Haupte im Himmel, dem HErrn über alles, entgegen streckt sich der auf Erden wachsende Gemeindeleib. Der himmlische Magnet ist Christus, der den ganzen Leib zZ )ziehet, wie er in Joh. 12, 32 verheißen hat. ( e er. IN) Das Verhältniß des Wachsthums zum Haupte, welches vorhin mit ,,an den« in aufsteigender Richtung angegeben war, wird nun mit »aus welchem« in ab- steigender Richtung ausgedrückt. Christus ist Ziel und Quell der Lebensentwickelung der Gemeinde, d. h. auf Christum ist dabei das ganze, diese Entwickelung be- stimmende Absehn gerichtet, und von Christo aus ergeht alle Begabung, durch welche sie möglich ist und geschieht (Meher·) Des Apostels Gedanke in diesem Verse ist der, daß, obwohl nach V. 15 die Gemeinde- glieder ihrerseits an Christum heranwachsen müßten, der Wurzelpunkt ihres Wachsthums doch nicht in ihnen, sondern in Christo selbst liege, so daß das Wachsen eigentlich von ihm aus geschehe. (Schenkel.) Hie spricht der Apostel klar, daß die Besserung und Vermehrung der Christenheit, welche ein Körper Christi ist, allein aus Christo komme, der ihr Haupt ist; und wo mag ein ander Haupt erfunden werden« auf Erden, dem solche Art zugeeignet werden mag? (Luther.) Wunderbar ist das Wachsthum des Leibes Christi: wohl geht es aus der Tiefe in die Höhe, denn es strebt ja nach oben und reicht aus dem Grabe bis zum Stuhle Gottes empor; aber doch stammt es aus der Höhe, denn vom Haupte hernieder strömt der Geist der Kraft in die Glieder des Leibes. Der ganze viel- gegliederte Leib ist’s, der des Leibes Wachsthum voll- bringt; aber aus dem einigen Haupte, Christo, mit dem zusammen oder als dessen Fülle (Kap.1, 23) alle Glieder ein lebendiges Ganze bilden, entspringt dem Leibe alles, was ihm zur Selbsterbauung dient. Aus ihm — der ganze Leib — in der Liebe: in diesen drei Grundtönen klingt der Schlußaceord der aposto- lischen Ermahnung zu erbaulichem Christenwandel zu- sammen. (Besser.) Gerade die Verschiedenheit im Grade und in der Art, sozusagen in der Quantität wie in der Qualität des Einen Geistes, der sich in alle ergießt, ist ein Band mehr, was die Seelen zusammen- schließt; eine gleiche Vertheilung des Geistes würde diese Vielen nicht an einander binden, sondern aus einander treiben. Der, welcher reich im Geiste ist, sieht nach einem Geistesärmeren sich um, damit er von dem Geiste, der in ihm ist, Gebrauch mache, und der des Geistes wenig empfangen hat, sucht Einen, der mehr hat, damit dessen Reichthum seiner Armuth zu gute komme. Wer die Gabe der Prophetie, des Wortes der Weisheit und Erkenntniß erhalten hat, bedarf solcher, die auf sein Wort hören; und die, welche solcher Gaben sich nicht erfreuen, müssen dergleichen Geistbegabte aufsuchen, daß sie zurecht gewiesen werden. (Nebe.) Die Gemeinde des HErrn ist ein großer, kunstvoll gebauter, mannigfach gegliederter Leib, den der Geist des HErrn be eelt; zugleich ist aber der menschgewordene Sohn ottes auch das Hau t dieses Leibes, welches den ganzen Leib beherrscht, zu ammen- hält und wachsen macht, und von welchem aus durch die Gelenke (die göttlichen Gnadenmittel des Worts, der Sacramente, des Gebets, den Zuspruch und alle andern Werke der Liebe) jedem Gliede nach seinem Maße, seiner Eigenthümlichkeit, die nöthige Kraft zum Gedeihen mitgetheilt wird. Dadurch wächst der ganze Leib, und die Liebe ist das Element dieses Wachs- thums: auf solche Weise befestigt und wachsend an dem Leibe muß alles Schwache und Kindische und Schwan- kende der alles durchdringenden» Gotteskraft der heili- gen Liebe immer mehr weichen, und die Gemeinde des HErrn reift heran zu ihrer Vollendung in der Ewigkeit. (v. Gerlachh II. b. l7——siao. S, 9. Die andere Ermahnung des heil. Jlpostelg bezieht sich aus das Wesen der Glie- der der Kirche im Gegensatz zu dem Wesen der Kinder dieser Welt, und da ifl der in der Gemeinde Christi waltende Geist ein Grill der Heiligkeit gegen- über dem ungöttllclsen Weltgeist. In ihrem neuen lkebenostandtz darein sie durch ihren thErrn und Heiland versetzt worden sind, haben denn die Christen einer durchaus göttlichen, Gottes; Geboten entsprechenden Lebens— wandels sich zu lieslelßtgem welcher dccg widerspiel ihres dermaligen heidnischen Thung und Treibens ist, haben aller Betheiligung an dem Sündenleben derer, die jetzt noch Heiden sind, sich streng zu enthalten und solches vielmehr zu strafen, statt durch Mitmachen es gutm- heißen, ja, ihm gegenüber ihrrg Ghrisienstandeg um so mehr eingedenk zu bleiben und diesen in einer ganz neuen Lebengordnung unter einander auszuvrägen w. 17—lliap. H, 2l). Die neue Eebeneordnung besteht aber in einer dem christlichen Wesen geniäßen Ausgestaltung der natürlichen Gen!einsthasteverhältnisse zwischen Weib und Mann, Kindern nnd Eltern, Knechten und Herren; in Beziehung hierauf ertheilt daher der Apostel noih aussiihrliktse lllnterioeisungen Man. s, 22—6, 9). 17. So sage ich nun [um auf die Ermah- nung in l zurückzukommen und sie nach einer andern Seite hin zu wenden] nnd zrnge in dem HErrn sGar Z, Z; Röm. 9, i; I. Thess 4, 11, daß ihr nicht mehr wandelt [wandeln dürft], wie die andern Heiden [die es jetzt noch sind, während ihr es nicht mehr seid, ihrem Stande als Götzen- diener gemäß noch immer] wandeln in der Eitel- keit ihres Sinnes [die in solchem Stande ihnen nun einmal anhaftet Röm. I, 21; 1. Petri 1, 18], 18. Welcher Verstand verfinstert ist sdaß sie nicht Recht von Unrecht, Gutes nnd Böses von einander unterscheiden können], nnd sind [was ihre Herzensverfassung betrifft] entfremdet von dem Leben, das ans Gott ist fund in der Gemeinschaft mit ihm besteht 2. Petri l, 3], durch die Un- wissenhe1t, so m ihnen »Ist, durch die Blindheit [genauer: Berstocktheit Röm. 11, 25] ihres Herzens* fwomit sie nicht getrachtet haben, daß sie Gott erkenneten]; 19. Welche fzum thatsächlichen Beweis, wie Gott nun auch zur Strafe dafür sie dahingegeben in verkehrten Sinn zu thun, das nicht taugt Im Gegensatz zum Wesen der Welt ist der in der Kirche waltende Geist ein Geist der Heiligkeit. 471 Röm. I, 281 ruchlos sind [d. i. des Geruchs baar oder ganz unempfindlich geworden gegen das Elend und die Schmach eines Lebens in Sünden und Schanden], und ergeben sich der Unzucht swollüstik gen Lascivität Röm.13, 131 und treiben allerlei Unreinigkeit swollüstige Unflätherei Röm. 1, 24z e, 19; 2.Cor.12, 21; Gut. 5, 19], sammt dem sdamit verbundenen] Geiz« soder der Habsucht Luk. 12, 15·, diesem andern Hauptlaster der Hei- denwelt 1. Cor. 5, 10; Col. 3, b; 2. Petri 2, 14]. 20. Ihr aber [im Unterschied von den noch unbekehrten Heiden, vgl. 5. Mos. 18, 14] habt Christum nicht also sdaß man ein eben solches Leben bei dem Glauben an feinen Namen führen dürfe] gelernet svielmehr seid ihr da zu einem ganz andern Wandel angewiesen worden] 21. So ihr anders [wie«ich ja voraussetzen darf,«vgl. zu Kap. 3, 4] von ihm [dnrch diejeni- gen, welche euch das Wort der Wahrheit gebracht haben] gehbret habt und in ihm [dnrch die weiter folgenden Lehrer, als ihr schon Christen waret] gelebret seid, wie in Jesu ein rechtschasfen Wesen [im Gegenfatz zu jener heidnischen Eitelkeit des Sinnes V. 17 Wahrheit, d. i. Lauterkeit des Herzzis und Heiligkeit des Wandels] ist W« [Joh. , l . · s) Mit der Bezeugung, daß die-Leser nicht mehr wie die Heiden wandeln durfen, ist zunachst ver- neinungsweise nur dasselbe gesagt, wie in V· I bejahungsweise mit der Ermahnung, daß sie der Berufung, die ihnen zu Theil geworden, entfprechend wandeln sollen; aber da sich diese eben erwähnte Er- mahnuiig vorerst auf das Verhalten in denjenigen Lebensbeziehuiigen beschränkt hatte, in denen sie jetzt als Christen stehen, so bringt die verneinende Fassung derselben von selbst die Wendung mit sich, daß es sich nunmehr uni ihr Verhalten in denjenigen Lebens- beziehungen handelt, in welchen sie auch vordem untkzer ssich gestandeg haben dundchin welclzen ge dnun nicht m r o, wie vor em, un ni t wie ie ei en wan- dein sollen. Der Apostel giebt ihnen da zu verstehen, daß zwischen ihrem Wandel, wenn er noch derselbe wäre, wie ehedem, und zwischen dem der Heiden kein Unterschied fein würde. (v. Hofmann.) Ihrem natür- lichen Volksthum nach blieben die der Kirche einver- kibten Epheser LamZt dihren bLandsflqeutex sHeidenlim ter ch" d von en u en« a er wä reii ie ung äu- bilgensJiieden mit den ungliiubigen Heiden Zorn- und Verderbensgenossen sind (Kap. 2, 3), scheiden sich die gläubigen Heiden von ihren ungläubigen Volks-genossen und werden mit den gläubigen Juden zu einem eini- en heiligen Gottesvolk zusammengefügt, an welchem sich das prophetische Wort in Hes. 36, 27 erfüllt· Eitelkeit ihres Sinnes mißt der Apostel den andern Heiden bei; denn nur im Nachdenkender Ge- danken Gottes hat das menschliche Denken einen Jn- halt, sich selbst überlassen und los von Gott ist es Zöricht und eitel. (Besser.) Jn den Worten des 18. erses entsprechen sich auf der einen Seite: »welcher Verstand verfinstert ist« und: ,,durch die Unwissenheit, so in ihnen ist«, auf der andern Seite: ,,sind entfrems det von dem Leben, das aus Gott ist« und: ,,durch die Blindheit (Verstocktheit) ihres Herzens«. Jm ersten Gliede herrscht die Beziehung auf die Einsicht, im zweiten die Beziehung auf die Empfindung vor; der Ausdruck: »von dem Leben Gottes«, wie es im Grundtext heißt, bezeichnet das Leben, welches Gott selbst ist und hat und das dem Geschöpfe solange zu- kommt, als es in Gemeinschaft mit Gott bleibt, sich nicht durch die Sünde von der Quelle seines Lebens abtrennt. (Olshausen.) Ist) Die Erinnerung an die Herzensverstocktheit (Blindheit) der Heiden veranlaßt den Apostel, das Wesen derselben näher zu schildernz er bezeichnet sie nun zunächst als solche, welche »ruchlos« geworden, d. h. die Empfindung des Schmerzes verloren haben und in Beziehung auf ihr Gesühlsleben abgestumpft sind, womit er die sittliche Stumpfheit meint, die aus der gewohnheitsmäßigen Unterdrückung des Gewissens entspringt. (Es sind Leute, sagt Luther, die gar nichts fühlen, noch sich annehmen, verrucht, daß kein Schmäcklein noch Gerüchlein da ist blieben und alles dahin ist in ihren Herzen.) Jn dieser Stumpfheit haben sie denn der Unzucht oder üppigen Ausgelasfem heit sich hingegeben, und in solcher wiederum treiben sie jegliche Art von wolliistiger Unflätherei. Ein Von den Geschlechtssünden verschiedenes, jedoch damit ver- bundenes heidnisches Laster ist daiin der Geiz oder die Habsuchh die ebenso, wie die Wollust, ein Ausfluß grober sittlicher Abstumpfung ist: beide entspringen aus einer, von der Zucht des Geistes einancipirten Sinnlichkeit und unterscheiden sich nur dadurch von einander, daß in der Habsucht die Sinne den ruhigen Besitz, in der Wollust den augenblicklichen Genuß sinnlicher Güter suchenz erst in der Verbindung beider Laster findet die in der Knechtschaft des Fleisches ver- sunkene Sinnlichkeit ihre volle Befriedigung. (Schenkel.) Die Entstehungsgeschichte alles heidnifchen Wesens und Treibens und alles Götzendienstes in der Welt wieder- holt sich in jedem·Herzen, welches sich läßt durch Lustern- heit und Eitelkeit des Sinnes von dein allein wahren Gott weg zum Unglauben, zum Uiigehorsam und Un- dank verführen: der Wille wird verkehrt und böse, und verführt wieder den Verstand und alle Sinne des Menfchen; und der Verstand, einmal falsch geworden und eitel, verführt wiederum das unlautere Herz, das von der Wahrheit und dem Glauben gewichenx und hier, in dieser Unlauterkeit, ist aller Unwissenheit und Verhkirtung verdammlicher Grund und Anfang. (Pasfa- vant sitt) Wenn Paulus schreibt: ,,ihr habt Christiim , elernet«, so läßt sich so etwas von keiner« andern Zserson sagen; nur Christus ist der Prediger seiner selbst, sein Wort die Offenbarung seines Wesens Joh. 8, 25). Jhn predigen und lehren alle rechtscha eneii Lehrer (2. Cor. 1, 19), und der allein hat die Lehre Christi recht gelernt, wer Christum gelernt oder den HErrn Jefum Christum angenommen hat, vgl-· Col. Z, 6. (Besser.) So nun, wie in V. 21 könnte sich der Apostel nicht ausdrücken, wenn er selbst ihnen Chri- stum Verkündigt hätte. (v·. Hofmann.) Er setzt damit wieder die Verhältnisse seiner Leser als ihm nicht hin- reichend bekannt voraus, ob leich er das Beste anzu- nehmen bereit ist. (Olshausen.) Man beachte dabei den Fortschritt der Rede, welche von der ersten Ver- kündigung des Evangelii (,,v»on ·ihm gehort habt«»') auf die weitere Unterweisung, die sie dann als bereits zu Christo Bekehrte erhalten· haben (,,in ihm gelehret seid«), überführt, welche beide Momente vorher (V. 20: ,,Christum gelernet«) zufammengefaszt waren. (Meyer.) Jn Christo Jesii ist die Wahrheit nicht nur der Lehre, sondern auch eines rechtschaffenen Wesens, und solche Wahrheit bestehet in Ablegung des alten und An- ziehung des neuen Menfchen (V. 22 ff.): wer nach dem 472 alten Menschen lebet, der hat die Wahrheit noch nicht erkannt, dieselbige ist nicht in ihm, vgl. I. Tor. 5, 7 f. (Spener.) (Epistel ain 19. Sonntage nach Crinitciiis.) Jm Evangelio (Matth. 9, l ff.) wird uns die Hei- lung des Gichtbriichigen vorgelegt, welchem der HErr uerst die Sünde, dann aber die schmerzliche Ohnmacht seiner Glieder wegräumtz die Kirche faßt nun bei der Wahl der Epistel den ohnmärlstigen und dabei schmerz- lichen Zustand des Gichtbriichigen als leibliches Bild unsrer geistlichen Ohnmacht. Der alte Mensch, von welchem in der Epistel die Rede ist, umgiebt den neuen, und dieser, eingeengt von jenem, erscheint gehindert, gichtbruchig und gelähmt, so »daß er wie auf Hilfe warten muß, um seine schmerzlich gebundenen Glieder zu strecken und zu bewegen; wie aber der leiblich Gichtbrüchige eine Hilfe bei Dem fand, der ihm die Sünde vergab, so findet auch unser geistlich gebnndener neuer Mensch bei demselben Manne Hilfe und in der- selben Weise. Das Erste und Nöthigste ist die Ruhe der Seele in der Vergebung der Sünden; darnach aber führt und leitet der heil. Geist unverweilt und unaufhaltsam in die Erneuerung ein und verschafft dem seufzenden neuen Menschen, daß seine Füße auf weiten Raum kommen und seine Arme mit Kraft ge- stählt werden, Gottes heilige Werke zu wirken. (Löhe.) Die Epistel dcckt auf, welche Wirkung die Vergebung der Sünden bei uns haben soll: wie die Rechtferti- gung die Heiligung bedingt und fördert, so die Ver- gebung der Sünden, in welcher ja die Rechtfertigung esteht, die Erneuerung im Geiste. (Nebe.) Das Ab- legen des alten und das Anziehen des neuen Menschen: 1) von wem es gefordert wird, Z) wo- durch es geschiehet und Z) worin es sich bethätigt (Eig. Arb.) Wandelt nicht wie die Heiden! Zweierlei haben wir zu thun, um solche Mahnung zu erfüllen: 1) den alten Nienschen abzulegen, 2) den neuen Menschen anzuziehen. Die Beschaffenheit des neuen Menschen; er ist I) wahr mit dem Munde, L) versöhnlich mit dem Herzen, s) arbeitsam mit den Händen. (Fuchs.) Die christliche Rechtschaf- fenheit: 1) nach ihrem allgemeinen Grunde, 2) nach ihrer Bewährung im Einzelnen. (Westermeier.) Vom neuen Menschen: 1) wie es zum neuen Menschen bei uns kommt, L) wie derselbe nach außen sein Leben kund giebt. (Kunel.) Das Bild eines Christen, der den neuen Menschen angezogen hat: 1) das Herz ist geheiligt durch Gottes Geist, 2) der Mund geöffnet zur Wahrheit, Z) das Ohr verschlossen dem Lästerer, 4) die Hand thätig zum Wohlthun. Die stete Arbeit der Gotteskinder: I) was sie an sich selbst thun, 2) was sie den Brüdern gegenüber thun. (Sommer.) . 22. So leget nun lgemäß dem, daß in Jesu ein rechtschaffen Wesen ist, wie ihr gelehret seid V. 211 von euch ab, nach dem vorigen Wandel [mit Rücksicht darauf, daß ihr vordem Heiden gewesen seid, also von Natur in einem Wandel stecket, wie ich ihn in V. 17——19 den Heiden mußte nachsagen Kc·:»p. 2,· 1 f.], den alten Menschen, der durch Luste m Irrthum sich vetderbeH sdaß er der Verwerflichkeit seines bösen Thuns sich gar nicht mehr bewußt ist und über die Tragweite seinevEinwilligung in das, wozu die Begierde des Fleisches ihn treibt, in Epheser 4, 22—24. einer Weise sich täuscht, bei der er geradezu an seinem Verderben arbeitet Gal. 6, 8., während er meint sein Gliick zu machen Spr. 1, 32; Weish. 1, 12]. 23. Erneuert euch aber [besser: Lasset euch aber, nämlich durch den heil. Geist, er- neuern] im Geiste eures Gemüthssl lau der Stätte eures selbstbewußten Wollens, Den- kens und Empfindens oder da, wo sich das per- sönliche Verhältniß des Menschen zu dem darge- botenen Heile entscheidet und gestaltet]; 24. Und ziehet den sin Christo Jesu bereits vorhandenen Röm. 13, 14] neuen Menschen an, der [wie der ursprüngliche Mensch i. Mos 1, 26 f.] nach Gott ge- schaffen ist [und sich da kund giebt oder nach außen hin erscheint] in rechtsch affener Ge- rechtigkeit und Heiligkeit-W« [Col. Z, 9 f.; 1. Petri 1, 15]. V) Zuerst wird die negative Seite der Heiligung geschildert, das Ablegen des alten Nienschem dann die positiv e, das Anziehen des neuen Menschen; im inneren Leben kann natürlich nicht das eine ohne das andere sein, es sind zwei wesentlich zusammen- gehörige Seiten desselben Zustandes Das, was nun aber in der Heiligung abgelegt werden soll, ist nicht blos die Gewohnheit des Sündigens, sondern der ganze alte Mensch, auch die durch die» Geburt selbst ererbte Sündhastigkeih aus der sich die sündliche Gewohnheit erst entwickelt hat«. (Olshausen.) Unter dem alten Menschen ist jener Zustand gemeint, dessen wir auch von Natur nicht loswerden können, jener nicht aner- schaffene, aber uns angeborene, mit all seinem Hang, mit aller seiner Neigung und Abneigung, seiner Luft und Unlust. Mag man sich die äußere Gestalt und Ausprägung des alten Menschen denken, wie man will, dazu auch seine Macht und Gewalt noch so groß, immerhin ist er dazu verurtheilt, auszuhörem und so wie der Mensch in’s Christenthum eintritt, geht es mit der Herrschaft dieses Zustandes zu Ende, der alte Mensch kommt in’s Abwesein so zäh er sei, so schwer er sich entschließe zu sterben, und der ihm gemäße Wandel heißt von dem Eintritt in’s Christenthum an der vorige, denn seine Herrschaft ist vorüber, nun herrscht ein anderer. In diesem Zustande des alten Menschen gehorcht der Mensch den Lüsten, diese locken ihn, ja sie zwingen ignx wie ein Thier in die Falle Ihn so» folgt er den ockungen, und wie ein Ochse zur chlachtbank gezogen wird, ohne seine Kraft gegen den Zug nur zu gebrauchen, so läßt sich unser natürlicher Yjliensch dahin ziehen zur Büßun der schnöden Lust; ja, wie ein Schiff vom scharfen inde dahin gerissen und vom Sturme hin und her geworfen wird, so wird das arme Her im natürlichen Zustande oftmals vom Winde seiner ust beherrscht. Man sagt wohl oft, ein Mensch solle nach Grundsätzen leben, und schon in früher Jugend lernt nian das Spriichworh »ein Thier folgt Trieben der Natur, ein Mensch dem Licht der Seelen-«; aber es wird damit nur gesagt, was der Mensch soll, nicht was er wirklich thut. Jn der Wirklichkeit verhält sich’s ganz anders: der Mensch folgt Trieben der Natur, und nicht dem Licht der Seelen. Von diesen Lüsten, die den alten Menschen beherrscheiy sagt der Apostel, wie es im Grundtext eigeiitlich heißt, sie seien Lüste des Betrags (Hebr. 3, 13): sie ge- Leget von euch ab den alten Menschen und ziehet den neuen Menschen an! 473 währen nicht, was sie versprechen; vor ihnen her geht eine Fahne des Glücks, hinter ihnen aber kommt der heulende Schmerz bitterer Enttäuschung Man braucht nicht lange gelebt zu haben, um die Wahrheit des apostolischen Ausdrucks zu erkennen. Die Lust der Lüste, an der sich die Natur aller andern am kennt- lichsten zeigt, ist die Jugendlust wider das sechste Gebot, die Geschlechtslust: sie verheißt den Menschen goldene Berge und ein Paradies der Freuden, und was giebt sie? selbst in der Ehe meistensnur einen bittersiißen Trank, ein Glück, das keine edlere oder bewußte Seele zufrieden stellt, dazu eine ganze Welt voll Sorge und Mühsal und Schmerz im Leben, das in einem andern Lichte, als in dem natürlichen, angeschaut sein muß, um gepriesen werden zu können. Auf außerehelichen Wegen aber bringt diese Lust entweder schatnlose Ent- artung und Verhärtung bei niederträchtiger Gemein- heit, oder Wehe und Leid, Jammer und Noth, Hilf- losigkeit, Krankheit, auch allzufrühen Tod. So geschieht es denn, daß die Lust den Menschen nicht blos täuscht, sondern auch der åljiensch sich verderb et, untergeht in Noth und Jammer; ergeht dem Verderben ent- gegen, gerade aus seinem eigenen Wege unaufhaltsam entgegen, auf dem Wege jeder Lust entgegen, welcher Art sie sei. (Löhe.) Der der Vater der Sünde ist, ist auch der Vater der Lüge, und er hat durch Betrug, wie ja das Weib nach dem ersten Falle selbst bekennt (1. Mos. Z, 13), den Menschen zu Fall gebracht; wie nun die erste Sünde dem Betruge ihren Ursprung ver- dankt, so klebt jetzt noch jeder Sünde dieser Betrug an. Der listige Versucher kann aber da mit seinem Lug und Trug im Verborgenen bleiben: die Lüste, welche durch seinen ersten Betrug in sdem Herzen der Betrogenen zu Stande gekommen sind, übernehmen jetzt dieses Lügen und Trägen; sie spiegeln dem thörich- ten Menschen wer weiß nicht was für köstliche Ge- nüsse, für hohe Ehren, für goldene Berge vor. Wenn die Lust nicht berückte und betröge, wenn sie dem Menschen mit unerbittlicher Wahrheit das Wesen der Sünde als Abfall vom lebendigen Gott, die Folgen der Sünde, Scham vor Gott und den Menschen, den Unfrieden und die Furcht im Herzen, den Tod, in sicherer Aussicht offenbaren wollte, wie ganz anders würde gegen sie gekämpft werden! (Nebe.) Its) Mit »aber« schließt in V. 23 der Apostel einen Satz an, welcher zwischen den sich« entsprechenden und zusammengehörigen Siitzen in V. 22 u. 24: ,,leget von euch ab den alten Menschen« und: ,,ziehet den neuen Menschen an« dem gegenüber, was dort mit den Worten: »der durch Liiste in Jrrthum sich ver- derbet« von dem Geschick des alten Menschen gesagt war, Gegentheiliges von dem Christen aussagt: ,,er- neuert euch im Geiste eures Gemiiths«. Es ist aber das ,,erneuern« von dem ,,verneuen« wohl zu unter- scheiden: der Mensch wird erneuert, wenn er sein Dasein von vorn wieder beginnt, und er wird ver- neuet, wenn er aus seiner seitherigen Beschaffenheit in eine andere hergestellt wird (2. Cor. 4, 16). Des Apostels Meinung an unserer Stelle ist also die, daß wir in Jesu oder- vermöge der Gemeinschaft mit ihm, in die wir eingetreten sind, uns stetig sollen in das Dasein wiederherstellen lassen, von dem wir abgekom- men waren; er zielt damit auf eine fortdauernde Ver- jiingung, vermöge deren unser, durch das, was da- zwischen gekommen ist, unterbrochenes ursprüngliches Dasein neu anhebt im Gegensatz; gegen die fortschrei- tende Verderbniß des alten Menschen, die ihn seinem Ende entgegenführt. Solche verjüngende Wiederher- stellung aber in das vor der Sünde gewesene Dasein widerfährt uns, wie mit dem Ausdruck: ,,im Geist eures Gemüths« sich andeutet, insofern, als der Geist unsers inneren Lebens einer je und je die sündige Willensrichtung ausschließenden Wirkung von oben her untersteht. (v. Hosmann.) Die in der Seele wirken- den und den Menschen neugebiirenden Kräfte der Gnade machen den Geist des Menschen aus, welcher hernach die ganze Seele durchdringt und, insofern er das Jnnerste derselben bewohnt, der Geist des Ge- miiths genannt wird. Als ein solcher Geist ist er hernach dem heil. Geist und seinen gnadenvollen Wir- klingen, die in den Herzen der Gläubigen immer fort- gesetzt und erhöhet werden, besonders wieder auf eine angenehm leidende Weise unterworfen und verhält sich zu diesen Wirkungen des heil. Geistes, wie sich das Menschengefühl, an sich betrachtet, zu dem allgemeinen Gnadenbeistand oder zu der ersten und allen Menschen gemeinen Gnade verhält. (Clemm.) Daß wir erneuert werden, lehrt uns das Evangelium, und diese Lehre heißt ermahnungsweise ausgedrückt: ,,laßt euch er- neuern oder erneuert euch«. Des Christen Selbst- erneuerung ist Hingabe seiner selbst an den erneuern- den Geist Jesu Christi; solche Erneuerung geschieht im Geist unsers Gemüths. Des alten Menschen Ge- müth oder Sinn ist in Eitelkeit versunken (V. 17), denn fleischlich ist sein Sinn und nicht geistlich (Eol. 2, 18); damit unser Sinn wieder geistlich werde, muß zuerst unser Geist, dessen Schaffner der Sinn ist, er- neuert werden zum göttlichen Leben. (Besser.) Der Apostel unterscheidet Geist und Gemüth, und nennt das, was in unserm Gemüthe regiert, die oberste, von Vielen unter uns kaum je belauschte Kraft, den Geist; dieseoberste innerste Kraft soll täglich erneuert wer- den, damit wir alsdann vermögen, den alten Menschen aus- und den neuen anzuziehen Erstaunliche Verant- wortung, die also der Christ in Betreff seines inneren Lebens hat! Jch soll mich kraft der in der heil. Taufe, bei meiner Wiedergeburt mir beigegebenen göttlichen Macht erneuen; da muß also mein erneuter Wille immer wieder hervortreten, sich gläubig in die Fluth der mir beigelegten Kräfte der Taufe niedertauck)en, und wieder herauskommen ein täglich neuer Mensch, der in Gerechtigkeit und Heiligkeit vor Gott ewiglich lebe. Zu dieser wunderbaren Thätigkeit unsers Willens beruft uns der HErr durch das apostolische Wort; und wenn wir dem Rufe gehorsam wären, so müßten wir namentlich in den Stunden unsrer stillen Andacht das Geschäft der Erneuerung vollziehen, und unser immer erneuter Geist müßte dann beim Ausgang aus dem Kämmerleim wo wir beten, und beim Eintritt in den Beruf des täglichen Lebens-das weitere Geschäft voll- bringen, den alten Menschen aus- und den neuen an- zuziehen Die tägliche Uebung müßte uns Meister machen; und je länger je mehr müßte uns unsere Er- neuerung und eben dadurch auch die tägliche Ergrei- Ring )und Anziehung des neuen Menschen gelingen. öhe. , sitt) Der alte wie der neue Mensch wird vom Apostel von dem unterschieden, welcher den einen ab- thut, den andern anzieht; den alten hat er mit allen gemein, die von Adam stammen, den neuen mit allen, die an Christo Theil haben, und so ist denn bei den Worten: »der nach Gott geschasfen ist« eine außerhalb des— einzelnen Jch erfolgte Schöpfung gemeint. (v.Hos- mann.) Außerhalb unser ist vorhanden der neue Mensch, sonst könnten wir ihn ja nicht anziehen; in Christo, der uns von Gott gemacht ist, wie zur Ge- rechtigkeit, so zur Heiligung (1. Cor. 1, 30), steht er in vollendeter Mannheit da, bereit zum Anzuge für die arme, in Blöße und Schande verlorene Menschheit. (Besser.) Niemand kann sagen, daß der alte Mensch 474 Epheser 4, 25—-—29. eine Creatur Gottes sei; vielmehr ist er die Verderb- niß der göttlichen Creatur, durch des Teufels Neid, List und Kraft in unsre Natur eingedrungen, auf daß der Schöpfer in seinem Geschöpf zu Schanden werden möchte. Der aber überbietet in seiner gottlichen Weis- eit und Allmacht den Satan in seiner Macht und liigheit, und beginnt mitten in der alten Verderbniß eine neue Schöpsung, schasft einen neuen Menschen, von welchem in unserm Text geschrieben steht, er sei nach Gott geschaffen; da ist·denn also Gottes Bild initten iin Wust der Verderbniß wiederhergestellh und wenn gleich diese neue Schöpfung anfangs nur ein sehr schwaches und kleines Kindlein ist, dem mehr als Ein Herodes das Licht des Lebens nehmen will, so weiß es der Schöpfer dennoch zu»erhalten und groß Z? ziehen, zu beschirmen, zu be·huten, zii bewahren. ie in der alten Natur betrügliche Lüste hausen, so beherrscht den neuen Menschen rechtschaffene Ge- re chtigkeit und Heiligkeit, wie Luther übersetzh oder, um genau am Worte u bleiben, Gerechtigkeit und Unschuld der Wahrheit. us der göttlichen Wahr- heit, der Predigt des Evangeliums gezeugt und ge- boren ist der neue Mensch; die Wahrheit ist seine Mutter und Amme, die ihn mit ihrer Milch und ihrem Lebenssafte nährt, und aus dieser Geburt und Nahrung kommt gegenüber den Menschen eine heilige Gerech- tigkeit, ein Wohlverhalten, wie es einem Kinde Gottes ziemt, Gott aber gegenüber ein reines, keusches Wesen des Geistes, eine Unschuld, wie man sie mitten unter den Versuchungen der Welt und der Teufel nicht ver- muthen sollte. (Löhe.) Wer ist aber«der, der diesen neuen Menschen geschaffen hat? Wir werden nicht antworten dürfen: Gott, der HErr; wir gerathen da- mit in Conflict mit dem Eontexte, denn wäre Gott hier als der Schöpfer gedachtY so könnte nicht mehr gesagt werden, die Schöpfung sei geschehen ,,nach Gott«. Er vielmehr, der Erlöser, schasft den neuen Menschen; daher der Apostel, statt der Ermahnung hier, den neuen Menschen anzuziehen, in Röm. 13, 14 die andere hat, Christum anzuzieheni (Nebe.) Gleichwohl ist der neue Mensch nicht s. v. a. Christus selber, von dem ja nicht gesagt werden kann» er sei geschaffen, sondern die neue menschliche Persönlichkeit, die durch ihn dem menschlichen Geschlecht istdargegeben (Braune.) Nach Darlegung der allgemeinen Wandlung und Erneuerung, die im innersten Lebensgrunde des Christen vor sich gehen muß, giebt nun der Apostel im Folgenden ein- zelne Züge an, in welchen sich die veränderte Grund- richtung offenbaren muß: ein gottgefälligen Wandel, ein Leben in Christo Jesu verlangt, daß nicht Lüge, sondern Wahrheit (V. 25), nicht sündlicher Zorn, son- dern Versöhnlichkeit (V.26 f.), nicht Dieberei, sondern Arbeit und Wohlthätigkeit (V. 28) von uns gepflegt werde. (Sommer.) sz · , . 25. Darum [damit ihr wirklich thuet, wozu i·ch in V. 22 ff. ermahnete, und es mit der That erweiset, wiess von euch als Christen geschehen follJ leget die Luge ab und redet» die Wahrheitfi ein jeglicher mit seinem Vachsten [·Sach. 8, 16; Col. s, 9], fintemal wir unter einander Glieder sind [Rom. 12,» 5;· i. Ecke. 12, 12 ff.]. 26. Zurnet und sundiget nicht swemi ihr in die Lage kommt, zürnen zu müssen, so hütet euch, daß sich nicht die Sünde mit ejiiinenge Pf. 4, 5]; lasset die Sonne nicht uber eurem Zorn seurer Zornerregung] untergehen [vgl. b. Mos. 24, 13 u. 15]. 27. Gebet auch nicht Raum [Röm. 12, 191 dem LåstererM sdem Verleumder und Ohren- bläser 1,Tim. Z, 7., der mit seinen Zuträgereien euch noch mehr gegen den, gegen welchen ihr ent- rüstet seid, aufzubringen sncht]. , 28. Wer gestohlen ssich mit dem Diebes- handwerk abgegeben] hat, der stehle nicht mehr, sondern arbeite [vielmehr, was allein der eines Christen würdige Erwerbszweig ist] und schaffe mit den Händen etwas Gutes [1.»(Lor; 4, 12], auf daß er habe zu geben dem DurftigensW [dem aufgeholfen werden muß 1. Joh. 3, 17]. «) Das Ablegen der Lüge und das Reden der Wahrheit verhalten sich zu einander so, wie in V. 22 u. 24 das Ablegen des alten und das Anziehen des neuen Menschen. (Olshausen.) Alle Menschen sind Lügner (Ps. l16, 11), deshalb gilt es beiin Ablegen des alten Nienschen vor allen Dingen, die Lüge abzu- legen; dagegen hat Gott den Menschen aufrichtig ge- macht (Pred. 7, 30), und so besteht das Anziehen des neuen Menschen, der nach Gott geschaffen ist, zu aller- erst im Reden der Wahrheit, womit freilich nicht ge- sagt ist, daß inan allezeit und überall die ganze volle Wahrheit sage, was nicht angeht, wohl aber, daß das, was man sagt, wahr sei. Nothlüge bleibt stets zu Verm-theilen, wenn auch, der sie geredet, durch den Conf1ikt zu entschuldigen ist: man soll nicht aus Colli- sionen das Recht der Lüge griinden; es muß möglich sein, ohne Verletzung der Wahrheit sie zu bestehen, wenn wir tüchtig sind. Mit den Worten: ,,sintemal wir unter einander Glieder sind« charakterisirt der Apostel das Wahrheitreden als gegenseitige Hand- reichung, die ein Glied dem andern schuldig ist (V. l6); die Christen sind nicht blos Glieder am Leibe Christi, sondern auch unter einander, jeder hat für den andern zu thun und ihm zu geben, wie auch« von ihm zu enipsaiigen und sich thun zu lassen. (Braune.) Das greuliche Laster des Lügens, aus dem sich die Heiden am wenigsten machten, zieht billig der Apostel zuerst vor’s Gerichtx denn es ist eine Gelenkkrankheih welche mit giftiger Siiure die Sehnen und Bänder in den Gelenken zerstört, womit die Glieder des Leibes« an einander hängen. Die Glieder des Leibes Christi sind wir unter einander, durch Vertrauen 1ind Liebe hängen wir an einander und haben Gemeinschast mit einander; da eitert nun aber mit einem Male das Lügengift aus etlichen Gliedern hervor, die Unzuverlässigkeit, die. Wortbrüchigkeit, die Aufschneiderek sagt, kann maii zu denen noch Vertrauen haben und kann man sich zu denen brüderlich thun, die uns betrügen und hinter- gehen? habt ihr gern mit solchen Menschen zu thun, derenWorte ihr ekst argwohnisch untersuchen müßt, ob keine salsche Münze darunter sei? Wo das Zu- trauenaufhört und das Mißtrauen anfängt, da hört auch die Gemeinschaft aus nnd die Zertrennung nimmt ihren Anfang; Lugen ist ein geistlicher Mord an der Gemeinschaft und an der Gemeinde, und Lügner und Mörder haben Einen Vater, den Teufel, welchen der HErr in Joh.8, 44 einen Vater der Lüge und Mörder von Anfang nennt. (Münkel.) Wenn das Au e den Fuß belugt, so fällt der ganze Mensch in die ruhe; wenn der Mund den Leib belügt, so geht Gesundheit und» Leben verloren. Also wenn Mann und Weib sich belügen, wenn Eltern und Kinder sich belügen, so wird der Korper des ganzen Hauses errüttet; wenn die Lüge ini össentlichen Verkehr herrschh so könnt ihr die Folgen in jedem Kaufladen und an allen Markttagen Nicht Lüge, nicht sündlicher Zorn, nicht Dieberei, sondern das Gegentheil von dem allen! 475 und bei jedem Contrakt und Uebereinkunft spüren. Aber St. Paulus redet von der Gliedschaft in Christo: sind wir Glieder an dem heiligen Leibe, dessen Haupt Christus ist — die Lüge zerreißt das Band mit dem Wahrhaftigen und zertrennt, was durch das Band des Friedens verbunden sein soll. Wer in Lügen steckt, kann nicht aus der Wahrheit sein; wer nicht mit der Wahrheit ist, gehöret Christo nimmer an und ist ein absterbendes Glied an seinem Leibe. (Petri.) IN) Die Erwähnung des gliedlichen Verhältnisses, in welchem die Christen zu einander stehen, führt en Apostel zu einer Mahnung, welche das rechte Ver- halten im Zorne betrifft, indem durch letzteren das Gemeinschaftsleben so leicht gestört wird. Es giebt einen Zorn, den der Christ haben kann und haben soll, es ist der heilige Zorn über das Böse; aber in diesem Zorn gilt es Borsicht (Jae. 1, 19), daß sich zum Zorn nicht die Sünde schlage. Bengel sagt daher: »Der Zorn ist wie ein Gift zu behandeln, das zuweilen in einer Arzenei wohlthätig wirkt, aber die äußerste Vor- sicht erfordert«; und Spener bemerkt: »das Christen- thum hebt den Zorn nicht auf, aber es reinigt ihn, daß er nicht anders als in heiligem Eifer für Gottes Ehre und des Nächsten Heil åzeschehh nicht aber aus Haß oder Selbstsucht.« Ein hrift hasset die Sünde, aber nicht den Sünder; darum ist er auch gegen den letzteren zur Versöhnlichkeit geneigt; die Sonne soll nicht untergehen über dem Zürnen, sondern der Zorn soll noch an dem nämlichen Tage beseitigt wer- den. Ein Christ hängt der Zorneserregung nicht zu lange nach, damit sich keine Erbitterung einschleiche. Es soll also nicht gesündiget werden durch Verlän- gerung des Zornes; aber auch nicht dadurch, daß wir dem Lästerer Raum geben, der es sich zum Ge- schäfte macht, uns eine üble Meinung von dem Mit- bruder beizubringen. (Sommer.) Daß in einem Men- schen, auch wenn er Christ ist, ein Zorn entbrenne, eine Bitterkeit sich rege, ist leicht möglich und wahr- scheinlich obendrein; aber bleiben soll keine Verbitte- rang. Ehe man sich niederlegt zum Schlaf, soll das Herz wieder in Ruhe und Liebe sein, dem Teufel und seinen Genossen, die sich freuen, wenn der Zorn ein- heimisch wird, mit all den mißgeftaltigen Ungeheuern feines Geschlechts soll keine Zeit noch Raum gelassen werden: ehe sie beikommen und sich der Sache bemäch- tigen können, soll der wankende Friede wieder aufge- richtet, die brüderliche Stimmung gegen die Beleidiger, geschweige gegen den Beleidigten, wieder vorhanden sein. (Löhe.) Entweder wir tödten den Zorn, oder der Zorn tödtet uns; wenn der Mensch mit einem Gift zu Bette geht, kriecht das Gift im Schlaf durch alle Glieder und will hernach nicht weichen. Der Zorn ist ein Mörder: wer schläft gern bei einem Mörder? Zürnen ist menschlich; aber sich mit dem Zorne lange tragen ist teuflisch. (H. Müller.) Ob der Teufel seine Ohrenbläferei durch Lästermäuler oder durch heimliche Eingebungen verübt, ist einerlei; jedesmal leisten dir diejenigen einen Teufelsdienst, welche das böse Zorn- sünklein in dir anblasen mit allerlei verleumderischer Zuträgerei und dich in der Meinung bestärken, daß du volles Recht zum Zorn habest, oder deinen Stolz reizen und sagen: »das wirst du dir doch nicht ruhig von diesem Menschen gefallen lassen?« (Besser.) Der mensch- liche Zorn ist nie an sich gerecht und zulässig, nur Gottes Zorn ist der heilige und gerechte: ihm ist da- her nach Röm. 12, 19 allein der Zorn zu überlassen. (Olshausen.) IN) Die dritte heidnische Sünde, vorwelcher der Apostel warnt, ist die Dieberei; daß er dabei an vorgekommene notorische Diebstähle von Seiten einzelner Christen in der Gemeinde gedacht habe, ist zwar kaum glaublich, und es könnte auch die Milde der Rüge unter diesen Umständen auffallen, immerhin aber be- für tet er, daß solche, welche vor ihrer Bekehrung Die e gewesen waren, als Christen wieder rückfällig werden könnten. (Schenkel.) Auch in l. Petri 4, 15 wird der Fall als möglich gesetzt, daß ein Christ wegen Diebstahls in Strafe falle; und unter denen, von welchen Paulus in l. Cor. S, 10 erinnert, daß sie das Reich Gottes nicht ererben werden, sind nicht nur Geizige, sondern auch Diebe. Die Gewohnheitsfünden der Heiden, welche sich zu Christo bekehrten, waren mit dieser ihrer Bekehrung, die aus dem Verlangen nach der dargebotenen Heilsverheißung hervor-ging, noch keineswegs abgethanx und daß unter den Ge- wohnheitssündem die sie in den Christenstand herüber- brachten, auch die des Stehlens aus Arbeitsscheu war, kann nicht befremden, wenn man bedenkt, daß die Mehrzahl der Heiden, die sich zu Christo bekehrten, den niederen Volksklassen und namentlich auch dem Sklavenstande angehörten. (v. Hofmann.) Gegen jede Sünde, die im alten Menschen wohnt, gilt, um sie auszutreiben, die Uebung der entgegengesetzten Tugend: wer genommen hat, mache sich fähig zu geben! (Stier.) Der Satzx »auf daß er habe zu geben demDürfti- gen« spricht nicht den nächsten Zweck der Arbeit aus, der ist die Selbsternährungz aber den specifisch christ- lichen —- nach dem Drange der Gemeinschaft, welche das Evangelium weckt, kann der Christ nie etwas allein besitzen oder genießen wollen. (Olshausen.) Dem heillosen Thun des Diebes gegenüber steht das Verhalten des bußfertigen Christen; der stiehlt nicht, sondern er müht sich ab in seiner täglichen Arbeit und wirkt mit seinen Händen etwas Gutes. Bemerket, daß die Berufsarbeit hier das Gute heißt. Es ist nicht eine geringe Ehre für denjenigen, der in der täglichen Last körperlicher Arbeit dahingeht, aus dem Munde eines Apostels zu hören, diese Arbeit sei etwas Gutes: da giebt man sich desto williger daran und wird lusti- ger, sie zu treiben, nimmt auch die Mahnung des Apostels, sich abzuarbeiten und abzumühen im täg- lichen Beruf, desto lieber hin. Es ist dem Nienschen oft sein blutsaures Tagewerk so gar beschwerlichz der abgearbeitete, müde Tagelöhner hält die Nothwendig- keit, auszuharren und täglich wieder an’s Werk zu gehen, für eine schwere Noth des Lebens, für ein Un—- glück. Er sehe aber, um den Muth und diemüden Glieder zu stärken, in das Wort Gottes, wirke das Gute seines Berufs und arbeite sich ab, und freue sich, wenn er nur auf diesem Wege dem Diebstahl ent- geht. Es ist besser, arbeiten, als sündigen, und wer durch Arbeit Sünde vermeiden kann, der ist glücklich zu preisen; der HErr legt aber dem rastlosen Arbeiter in unserm Texte auch eine Verheißung bei: er soll haben, mitzutheilen dem Dürftigen. Geben ist seliger als nehmen (Apostg. 20, 35); und wer nicht geben kann, der entbehrt etwas Süßes und Seliges. Es soll doch ja Keiner zufrieden sein, so lange er’s nicht dahin gebracht hat, auch geben zu können. Geben ist nöthiger, als erübrigen; nicht blos kommt dadurch das zeitliche Gut zu seinem rechten Zweck, sondern der Ntensch, der sich darin übt, bewahrt sein Herz vor Härtigkeit Menschen, die alles, was sie erringen, für sich brauchen, bekommen im Allgemeinen harte Formen und entgehen dem Geize schwer. (Lö·he.) 29. Lasset kein faul [mchtsnutz1ges, wohl gar schädliches Matth. 7, 17 f.; 13, 48] Gcfchwatz aus euren! Munde gehen, sondern [nu»r folches Reden komme über eure Lippen], was uutzlich zur 476 Epheser 4, 30—32. 5, 1—2. Besserung ist [nach derjenigen Seite hin], da es noth thut [oder wie es das jedesmalige Bedürf- niß erfordert], daß es [was ihr nun redet] hold- selig sei zu hören* [denen, welche eure Worte hören, einen Segen bringe und nicht etwa dazu diene, sie zu verkehren 2. Tim. 2, 14]; 30. Und betrübet nicht [datnit, daß ihr statt holdseliger Rede, die ich soeben euch empfahl, lieber faules Geschwätz, vor dem ich vorher ge- warnt habe, führen wolltet] den heiligen Geist Gottes [vgl. Jes. es, 10], damit ihr versiegelt seid auf den Tag der Erlösung« [Kap. 1, 13 f.]. 31. Alle Bitterkeit [Col. Z, 19; Jak. 3, 141 und Grimm und Zorn »[Col. Z, 8] und Geschrei [2lpostg. 23, 9] und« Lasierung [1. Tun. S, 41 sei ferne von euch, sammt aller Bosheit [Röm. 1 29]· « 323 Seid akzet kviermehz statt it: sotchet tier- losen und gehässigen Weise euch gegenseitig zu begegnen] unter einander freundlich, herzlich, und vergebet einer· dem »andern, gleichwie Gott euch vergeben hat m Chrtstospt [Col. 3, 12 f.]. V) Mit diesen Worten knüpft Paulus unverkennbar wieder an V. 25 an: es gehört zur Pflicht, die Wahr- heit zu reden, daß überhaupt nichts Jnhaltslofes, Schlechtes, Nichtsnutziges, kein faul Geschwätz aus dem Munde hervorgehe; wo dergleichen Gedanken auf- steigen, da follen sie sofort im Jnneren erstickt werden (,,wenn die faule Rede schon auf der Zunge liegt, so fchluckt sie wieder hinunter«: Bengel). Jedoch genügt es nicht, daß der Christ sich vor den Ausschreitungen der Zungensünden nur hüte, sondern umgekehrt: wenn eine Rede gut, d. h. tüchtig, geschickt ist zur Er- bauung, so soll sie aus dem Munde hervorgehen, so daß dem Christen die Pflicht obliegt, was die Erbauung fördert, niemals aus einem selbstfüchtigen Beweggrunde zu verfchweigen. Der Apostel ist übrigens damit nicht der Meinung, daß die Christen immerfort Erbauliches reden sollen, sondern ,,da es noth thut«, d. h. soweit ein bestimmtes Bedürfniß dazu vorliegt. Wie der- jenige, welcher mit den Händen schafft, bei seiner Arbeit den Zweck im Auge haben soll, dem Bedürftigen mit- zutheilen, so soll derjenige, welcher mit der Zunge Er- bauliches redet, dabei den Zweck im Auge haben, den Hörern etwas Gutes, eine Wohlthat (2. Eor. I, 15), einen Dienst christlicher Huld oder Liebe zu erweisen. (Schenkel.) Faul ist nicht allein das Geschwätz, welches fromme und heilige Ohren beleidigt, oder reine und keusche Ohren ärgert, oder ernste -und verständige Ohren ekelt: faul ist alles Geschwätz, das eine Frucht ist auf dem faulen Baume des alten Menschen, feine nichtsnutzige Art an sich hat, aus seinem eitlen Tone klingt und seinen gemeinen Absichten dient. Und je mehr auf die Rede ankommt nach deinem Amt und Stande, nach Ort und Zeit und Gelegenheit und nach den Personen, die dich hören, desto bedenklicher sei dir die Erinnerung: ,,lasset kein faul Gefchwätz aus eurem Munde gehen!« Ach, bedenklich se«i sie vornehmlich denen, welche gern und viel gesellige Unterredung pflegen; denn da fließet gemeiniglich das faule Ge- schwätz in Strömen. Nicht mehr! heiße es; sondern redet, wovon der neue Mensch irgend einen Gewinn haben, irgend eine Förderung oder Besserung haben kann, wär’s auch nur, daß es ihm zur Fröhlichkeit und Erheiterung diente· (Petri.) Jedes Wort für euren Nächsten sei wie eine werthe Gabe, die ihn an Gottes Gnade reicher macht; ein holdseliges Wort ist mehr als eine klingende Münze. (Münkel.) Der Christ ist kein Schwäher; am wenigsten giebt ersich zum Possenreißer, zum Hofnarren her. (Heubner.) VII) Das Widerfpiel solchen Redens, wie es der Apostel vorhin empfohlen hat, hieße den heil. Geist betrüben; daher fügt er zu dem dort gegebenen Gebot nun das Verbot hinzu: »und betrübet nichtden heil. Geist Gottes« und giebt damit zu verstehen, daß der- jenige, welcher leichtfertig redet, was nicht taugt, nicht meinen soll, er kränke nur etwa den, gegen den er sich so ausläßt und dessen ernsterer Sinn ihm dies ver- verübelt -—- nein, den Geist betrübt er, welcher des chriftlichen Gemeinlebens wirksam einwohnender Grund, der heilige Geist und der Geist Gottes ist! Und was es für den heißen will, der solche Rede sich erlaubt, giebt der Beisatz: ,,damit ihr versiegelt seid auf den Tag der Erlösung« zu bedenken. Jst nämlich unsre Be- theiligung an dem heil. Geist unsere Besiegelung auf einen Tag der Erlösung, so gilt es, des Siegels nicht verlustig zu ehen, welches uns solche Ausficht ver- bürgt; betrü en wir aber den Geist, so laufen wir Gefahr, daß er von uns weicht· (v. Hofmannh So- wohl in den Redendem als in den Hör-enden, fühlt sich der heil. Geist durch faules Gefchwätz gekränkt; in deiner Seele thut ihm weh, was ihr zum Schaden aus deinem Munde geht, und in der Seele deines Bruders, dessen Ohren du beleidigst, beleidigt ihn das Aergerniß deines losen Mundes. Verachtet fühlt er sich, wo Ehristenmenschen sich selbst und Andere durch fleifchliches und weltliches Geschwätz entehren. (Besfer.) Wie die Menschen Gott betrüben können, so können sie auch den Geist Gottes betrüben, denn er wohnt nur in ihnen und ist nicht ihr eigenes Jch oder ihr Ge- mächte; er ist nicht ein menfchlicher Zustand, sondern die innere Wurzel aller chriftlichen Zustände, von Gott selbst den Gläubigen gegeben als der Same des neuen Menschen (1. Thefs 4, 8; 1. Joh. Z, 9). Für den Nichterlösten ist die Sünde eine Uebertretung des Gesetzes, für den Erlösten eine Verletzung des heil. Geistes; es ist die unmittelbare Verletzung dessen, der jetzt in unsern Herzen wohnt, und darum eine so große Gefahr mit sich führend, wie sie in Hebr. 6, 4 ff.; 10, 26 f. näher bezeichnet wird. (Harleß.) Ist) Der Apostel faßt die Ursachen der Zungen- sünden nebst deren heftigsten und verwerflichsten Aeuße- rungen nochmals in Kürze zusammen, und indem er die Leser zur Ueberwindung derselben ermahnt, fordert er sie gleichzeitig zur Erweisung der entlgegengefetzten chriftlichen Tugend der vergebenden Lie e auf. Die Ausdrücke: ,,Bitterkeit, Grimm, Zorn« bezeichnen ver- schiedene Grade der inneren und feindseligen Auf- regung: Bitterkeit ist die verbitterte, scheelsüchtige Stimmung; G rimm die leidenschaftliche, jedoch zurück- gehaltene Wallungz Zorn der zum Ausbruch gelan- gende Zorn. Geschrei und Läfterung find dann be- sondere Aeußerungen des Zorns: Gefchrei ist das im zornerregten Streite hervorbrechende Geschrei, Lästerung die zornentbrannte Lästerrede gegen den Nächsten. Nachdrücklich sagt der Apostel: das alles (in feinen verschiedenen Graden und Formen von der gröbsten Sorte bei gemeinen bis zur feinsten bei ge- bildeten Leuten) solle weggeschafft, weit we entfernt werden, und zwar in Gemeinfchaft mit der » osheit«, weil diese, die Bosheit, d. h. die griindlich böse Ge- sinnung, die verborgene Quelle aller feindseligen Regun- gen der, bezeichneten Art ist. Der Bitterkeit nun ent- fpricht als Gegenfatz die Freundlichkeit, dem Grimm die Herzlichkeit (Mildherzigkeit), dem Zorn Kein faul Geschwätz, keine Bitterkeit! Seid Gottes Nachfolger und Christi Nachbilderl 477 die vergebende Liebe. (Schenkel.) Wenn die Saiten unsers Gemüths gestimmt sind von der Passionsliebe unsers Heil-andes, dann greife unsanft in die Tasten, wer da wolle, das neue Jnstrument wird keinen andern Klang geben, als: ,,das Unrecht will ich dulden, dem klgickzsteij feine Schulden verzeihen gern und williglich.« e er. Das 5. Kapitel. ckernere Ermahnung zu einem heiligen Wandel. ceotion für die Ehemeiber und Etjemännen (Epistek a1n Z. Sonntag in der Fasten: Oculi.) Diese Epiftel wiederholt in ähnlicher Weise wie die vorhergehende (1. Thefs. 4, 1 ff.) und in nahe liegen- dem Zusammenhange mit dem Abrenunciations-Evan- geliiim (Luk. 11, 14 ff.) die Warnungen vor Wollust, Geiz, schandbaren Worten und anderer Unreinigkeit, und ermahnt, als Kinder des Lichts zu wandeln. (Alt.) Zeigt sich in den Evangelien des heutigen und vori- gen Sonntags der Kampf Jefu gegen die Dämonen, so sehen wir die heuti e Epiftel im Zufammenklang mit der vorigen die Kämpfe der Kirche darstellen, welche sie gegen die stärkste Hand des Teufels, gegen die heftigfte und andauerndste, gewohnlichste Anfech- jung, nämlich von Seiten der bösen Lust und Hab- sucht zu bestehen hat. Einerlei Thema haben die bei- den Evangelien, einerlei die beiden Episteln, nur daß von beiderlei Texten immer der zweite der stärkere und mächtigere ist. Jm Evangelio des vorigen Sonn- tags erscheint der Kampf des HErrn gegen die Dä- monen noch so leicht, daß man eher von einem Siege als von einem Kampfe reden könnte; im heutigen Evangelio dagegen erscheint nicht blos ein Kampf und Sieg Christi wider die Dämonen in der Heilung des Stummen, sondern der HErr zeigt in den darauf sol- enden Reden, wie er und sein Reich gegenüber dem eich des Teufels in einem beständigen Gegenfatze und Kampfe seien. (Lbhe.) Hurerei und Geiz, davor die letzte Epiftel uns warnte, werden auch in der heuti- gQen wieder gestraft; aber nicht mehr allein, andere Laster werden mit in’s Gericht genommen. Die Er- mahnung greift also etwas weiter aus, die Sünde wird mehr fpecialifirt; zum Andern aber zeigt sich eine Verfchiedenheit auch hinsichtlich der Motivirung. Hier wie dort wird hingewiesen auf den Zorn Gottes, welcher den Sünder trifft; dort nun ward unsre Hei- ligung einfach als Gottes Wille dahingefetzh es giebt aber noch ein andres, höchft wirksames Motiv, das enthüllt unser Text. Christi unfchuldiges Leiden und bitteres Sterben erwirkt nicht blos als Opfer für unsre Missethat die Vergebung bei Gott dem Vater, sondern bringt auch bei uns eine Bewegung zu Stande, welche darauf ausgeht, die eigene Sünde und Missethat zu- zudecken vor Gottes Angesicht durch einen Wandel in der Heiligkeit und Gerechtigkeih welche Gott gesallen. (Nebe.) Das dreifache Lob- und Dankopfer, das wir unsern! Heilande für» sein heiliges Versöhnungsopfer schuldig find; es·bes·teht l) in einem eifrigen Wandel in der Liebe, Z) in einer ernsten Verleugnung der Welt und der weltlichen Lüste, Z) in einem tä lichen Zunehinen an Früchten des Geistes. (Eig. Ar Seid Gottes Nachfol- ger:· I) als die lieben Kinder, die die Liebe in sich, 2) als die Heili en, die die Seligkeit vor sich, 3) als die Kinder des »ichts, die die Finsterniß hinter sich haben. (Beck.) Der Christ in der Nachfolge seines HErrm l? sein Herz ist eine Wohnstätte der Liebe. Christi, 2) ein Mund ist ein Kirchlein der Ehre Gottes, Z) sein Auge und Ohr sind Wächter gegen die Welt. (Ahlfeld.) Das Verhalten derer, die Gottes geliebte Kinder bleiben wollen: 1) die Liebe, die sie beweisen; L) die Heiligung, in der sie sich üben; Z) die Vorsicht, die sie der Welt gegenüber gebrauchem Das Erbtheil im Reiche Christi und Gottes: 1) es ist verschlossen der Unzucht und Habsucht; L) es ist zugetheilt dem Wandel in der Liebe und im Lichte. Die Gläubi- gen ein Licht in dem HErrm 1) sie sind es; 2) sie sollen es werden. (Sommer.) Wandelt in der Liebe! I) Was soll uns zur Liebe bewegen? a) die Liebe Gottes, b) die Liebe Christi. 2) Wozu soll uns die Liebe bewegen? a) die Sünde zu meiden, b) wie die Kinder des Lichts zu wandeln. (Fuchs.) 1.i So seid nun fwas die vergebende Liebe betrifft] Gottes Nachfolger [a1i dessen Verhalten gegen euch ich soeben Kap. 4, 32 euch erinnert habe], als die lieben Kinderk [die ihrem lieben Vater nachzuarten sich befleißigen], 2. Und wandelt [zugleich] in der ·[sich hingebenden und aufopfernden] Liebe, leichwie [nach Maßgabe dessen, daß auch] Chri- us uns fnach besserer Lesart: euch] »hat ge- liebet und sich selbst dargegeben sur uns lGEL Z. 201 zur Gabe und Opfer [Hebr··1(»), 5 ff.], Gott zu einem fußen Geruch« swelcher Ausdruck, wenn er von den alttestanientlichen Opfern gebraucht wird -3.Mos. I, 9. 13. 17 u. s. w., ja doch nur in vorbildlicher Weise seine Wahrheit hat, hier aber unmittelbar selber gilt]. E) Laß dich’s nicht wundern, daß ein Mensch solle ein Nachahmer Gottes werden können; er kann es, denn Gott will es. (Justin, d. M) Die Heiden haben Gottes unerfchaffene Herrlichkeit herabgezo en in die verderbte Creatur, den Alleinheiligen und lleinseligen verwandelt in das Bild des sündigen und bedürftigen Menschen: den umgekehrten Weg der erlösenden und erneuernden Liebe Gottes offenbart das Evangelium; also hat Gott die Welt geliebt, daß er seinen ein- gebotenen Sohn gab zum heiligen Menschensohna auf daß alle, die an ihn glauben, geliebte Kinder werden in dem Geliebten, Ein neuer Mensch in dem Anfänger der neuen Creatur (Kap. L, 15). Nun ist nicht zu hoch, nicht über das Maß der Menschenkinder, die doch Staub sind, das, wozu der Apostel ermahnt. (Besser.) Selbstverständlich vermag der Christ nur in den Stücken, welche der menschlichen Natur möglich sind, Gott nach« zuahmem um das Vergeben handelt es sich im Zu- sammenhange, und in der Willigkeit zu vergeben kann der Christ allerdings Gottes Nachahmer werden; die Christen sollen sich dazu veranlaßt fühlen als geliebte ·nder, als so1che, die in Christo zu Kindern Gottes angenommen sind und des Vaters vergebende Liebe genießen. (Sommer.) » » «) Das Wort: »Gott zu einem fußen Geruch« hat Paulus aiis dem alten Testament genommen, da die leiblichen Opfer beschrieben werden, daß sie Gott ein süßer Geruch, d. i. angenehm und wohlgefallig sind; aber nicht des Werks und Opfers halben an im selbst, wie die Judeii meinten und von allen Elkropheten darüber gestraft wurden, sondern um des zukünftigen Christi willen, des rechten Opfers, auf welchen alle Opfer gerichtet und darin gefaßt waren. 478 Epheser 5, 3—9. Dieser nun hat nicht Genieß noch Nutz an uns ge- sucht, sondern sich selber für uns gegeben, und also sich gegeben, daß er fiir uns ein Opfer und Gabe würde, Gott zu versöhnen und uns Gott zu eigen zu erwerben, uns zu seinen Kindern zu inachen. Also sollen wir auch unsre Güter geben, leihen und nehmen lassen, und nicht allein den Freunden, sondern auch den Feinden; und sollen es dabei nicht bewenden lassen, sondern auch uns selbst in den Tod geben für Freunde und Feinde, und nichts denken, denn nur wie wir Andern dienen und niitze seien mit Leib und Gut in diesem Leben. (Luther.) Gott zum Opfer des süßen Geruchs zu werden, das giebt unserm Leben in dieser vergänglichen Welt allein Bedeutung, Werth und Preis. (Passavant.) « · · Z. Hurerei aber und alle Unreinigkeit, oder Geiz sdiese zwei heidnischen Hauptlaster Kap. 4, 19] lasset nicht von euch gesagt werden sindem ihr sie gar nicht mehr unter euch vorkommen laßt], wie den Heiligen sdie Gott berufen hat mit einem heiligen Ruf 2. Tim. 1, 9] zusteheti lCvls s» 515 4. Auch ssollen nicht mehr bei euch zu finden sein] schandbare Worte [Col. 3, 8] und Nar- rentheiding [2. Mos. 21, 22 Anm., das Führen fadskxdummer Reden] oder Scherz [Aufbrin- gung von Witzen], welche euch nicht ziemen, sondern swas euch ziemt, ist] vielmehr Dank- fagungYli szu der ihr ja als Christen soviel Ur- sach habt 1. Thess 5, 18]. Z. Denn sum insbesondere die Ermahnung in V. Z» aus der dann die andere in V. 4 von selber sich ergiebt, in ihrer hohen Wichtigkeit euch noch bestimmter zum Bewußtsein zu bringen] das sollt ihr snachdem ihr es allerdings schon einiger- maßen erkannt und deshalb vom Heidenthum euch losgesagt habt, noch völliger als im Anfang und mit immer tieferer Herzensüberzeugunxd wissen, daß kein Hurer oder Unreiner oder Geiziger, welcher [nämlich der Geizige, der den Mammon zu seinem Gott gemacht hat Matth. S, 24z Col. 3, 5] ist ein Götzendieney Erbe hat an dem Reich Christi und Gottes-««- [Gal. 5, 21]. S. Lasset euch niemand svon den Leuten eurer heidnischen Umgebung, welche alle solche Laster, wie ich sie hier als vom Reiche Gottes ausschließend bezeichnet habe, für gleichgiltige Dinge erklären, sie wohl gar mit schönen Namen schmücken und euch wieder in ihren Dienst zu verstricken suchen I. Tor. S, 9 f.] verführen mit vergeblichen salles vernünftigen und wahren Inhalts baaren] Worten [1. Eos; 15, as; 2. Petri 2, 18]; denn sso wenig gleichgiltig oder unschuldig sind dergleichen Laster, daß eben] um dieser willen sweil man sich nicht hat von ihnen bekehren wollen] kommt der Zorn Gottes [beim schließlichen GerichtApoftg· 17, 30 f.; Röm. 1, 18; 2, 8 f.; .Joh. Z, 361 über die Kinder des Unglaubens sdie von dem Evangelio, welches auch ihnen ver- kündigt worden, im Ungehorsam gegen die gött- liche Berufung nichts haben wissen mögen und lieber im Heidenthum verblieben sind Kap. 2, Z; Col. Z, 5 f.]. 7. Darum [damit nicht auch ihr dem Zorn verfallet] eid nicht ihre sjener heidnischen Laster- knechte] itgenossens sdaß ihr euer Leben ebenso führen wolltet, wie sie 2. Petri Z, 17]. 8. Früher seid ihr freilich ihre Mitgenofsen gewesen 1. Petri 4, 3.] Denn ihr waret wei- land lOUch Kapi T« I f» 11 H Finsterniß [wie jene es jetzt noch sind, und hattet da wenigstens einige, wenn auch nur eine unzureichende Ent- schuldigung dafür, daß ihr mit ihnen in dasselbe wüste, unordentliche Wesen liefet]; nun aber seid ihr ein Licht in dem HErrn [1. Petri 2, 9; 2. Cor. 6, 14]. · 9. Wandelt [denn] wie die Kinder des Lichts sdie ihr jetzt seid» 1. Thesf 5, 5; ·Luk. 16- S; Ivh« 12- 36]. Die Frucht des Geistes [der euch dazu umgeschaffen Gal. 5, 22 —- nach andrer Lesart im Grundtext lauten die Worte: Die Frucht des Lichtes, das sich in euch ein- gesenkt und seines Wesens euch theilhaftig gemacht hat] ist allerlei Gutigkeit und Gerechtigkeit und Wahrheit-H- [an diesen Tugenden also lasset es bei euch nicht fehlen]. V) Mit dem Uebergangswörtlein »aber« springt der Apostel von dem Gebot der Liebe ab, um sich mit ganzer Macht auf die beiden damals herrschenden after zu werfen; das neue Lebensprincip des sitt- lichen Wandels, die Liebe, ist proclamirt worden, und da muß nun, um diesem neuen Lebensprincipe Raum zu schaffen, das heidnische Wesen in seinem Grunde entwurzelt werden. (Nebe.) Hurerei verschlin t die» arme Seele ihres Sclaven in schnöden Jch- und turendienst und macht sie überaus ruchlos (Kap. 4,19), ja vernichtet in ihr zuletzt alles höhere geistige Ver- mögen, alles Bewußtsein von Pflicht und Recht, von Beruf und Lebensaufgabe, läßt nichts denn ein faules Holz. Gegen Gott und öttliche Dinge aber bemäch- tigt sich der sleischestrun enen, verwüfteten Seele des Hurers je länger je är er ein tiefer Haß; denn er will nicht, daß Gottes ort ihn störe in seinem Lust- taumel und sein hart schlafendes Gewissen aufrüttele. Und wie könnte die Nächsten- und Bruderliebe wohnen im Herzen der UnzüchtigenP Gutmüthig hört man uweilen diese elenden Menschen nennen, aber unter ihrer fleischlichen Weichlichkeit birgt sich grausame Bosheit; denn Seelenverachtung ist ihr schauderhaftes Gewerbe, und daß es schändlichey trügerischer Miß- brauch des edlen Wortes »Liebe« ist, wenn Huren und Buben es im Munde führen, davon redet zur Warnung die Geschichte Amnons und Thamars in 2. Sam.13, 15. (Besser.) Zu der Hurerei setzt der Apostel die Unreinigkeit, das ist der Schmutz und die Un- flätherei, welche sich bei unzüchtigen Personen findet, wovon er fchreibt (V. 12): »was heimlich von ihnen geschieheh dasnst auch schändlich zu sagen«. (Münkel.) Mit Geiz meint der Apostel nicht zunächst den eigent- lichen Geiz, der karg und hart das Geld festhält, sondern den, welcher des Geldes mehr begehrt; er meint; die Habsuchh die Geldsucht, das Reichwerdens wollen, da es nicht heißt: »wenn ich nur Dich habe, so frage ich nichts nach Himmel und Erde«, sondern rea- Wandelt wie die Kinder des Lichtsl Die Frucht des Geistes ist Güte, Gerechtigkeit, Wahrheit. 479 umgekehrt: »wenn ich nur Geld habe, so frage ich nichts nach Gott«. Es ist das andere Hauptlaster bei den Kindern des Unglaubens; und sie wissen es meister- lich zu rechtfertigen, bald mit den theuren Zeiten, den vermehrten Bedürfnissen, dem gesunkenen Werth des Geldes, bald mit der Fürsorge für die Zukunft, für das Alter, für Krankheit und erwerblose Zeiten u. s. w. Aber es sind vergebliche Worte allzumal, Worte des Unglaubens, Feigenblätter für die Blöße ihrer Sünde, Beschwichtigungen des Gewissens und ein Schlastrunk für die Seele, daß sie nicht nach Gott schreie. (Petri.) . VI) Wie wenn kein Unterschied wäre zwischen Hurerei, Unreinigkeit oder Geiz einerseits und andrer- seits den (als eine zweite Trias oder Dreiheit ihnen gegenübergeftellten und auf dieselbe Weise — ,,und«, ,,oder« -— mit einander verbundenen) Zungenfündent ,,schandbare Worte, Narrentheiding oder Scherz, welche euch nicht ziemen«, führt der Apostel diese mit jenen in Einer Reihe an; wahrlich, er hat dazu auch hohe Ursachl Denn wenn St. Jacobus in seinem Briefe (Kap. 3, 6) die Zunge ein Feuer, eine Welt voll Un- gerechtigkeit nennt, so könnte man dasselbe kleine Glied auch eine Welt voll Schmutz, voll Unzucht und Un- reinigkeit nennen: so unermüdlich dreht und wendet sie sich bei manchem Menschen im Schlamme gemeiner, niederträchtiger Lüste. Der rohe, ungezogene Bauern- burfche, das freche, schamlose Dorfmädchen ergießen sich, wenn sie unter Jhresgleichen verweilen und ihnen recht wohl wird, in Narrentheidinge und Possen, die keinem Menschen gefallen können. Bei den sog. vor- nehmen Ständen nimmt die Sache nicht immer, aber zuweilen einen etwas feineren Anstrich an, Zes ver- bindet sich damit ein wenig mehr Witz und geistreich sein sollende Schalkheit; die Sache aber bleibt sich völlig gleich, der Apostel sagt von allen Arten, un- züchtiges Gewäsche vorzubringen, daß sie dem Christen nicht ziemen. Wie viele Menschen sind, die mit sich und ihren Kindern ganz wohl zufrieden sind, wenn sich ihr unverschämtes Herz nur in weiter nichts als Worten ergießt; und doch könnten sie an sich selbst leicht merken und inne werden, daß kaum etwas die Seele mehr verunreinigt, eitel, leer, unzufrieden und lebens- müde macht, als die Hingabe in unsittliches Geschwätz, so plump oder fein es geformt sei. Es ist etwas Süßes um das Bewußtsein, sich in Worten christlich erzeigt zu haben; die ungeheuchelte Weisheit, nur Göttliches von den eigenen Lippen kommen zu lassen, gehört im menschlichen Verhalten zu demjenigen, was am sichersten ein heiteres Wohlsein erzeugt. Dagegen aber wird das ganze innere Leben krankhafh unrein und unbefriedigend, wenn sich die Zunge nicht immer auf’s Neue in Christi heilsame, fchweigsame Schule ergiebt und das Herz nicht lernt gute Worte führen. (Löhe.) Während bei den heidnischen Griechen snach Plautus besonders auch bei den Ephesern) ein feiner, mit Witz und Anmuth gesalzener Scherz beliebt war, ohne daß auf den unreinen und meinen Sinn ge- achtet wurde, der sich unter dem feinen Gewande ver- barg, bezeichnet der Apostel alles possenhafte, scherzende Reden als etwas, das dem Christen nicht ansteht, weil es sich mit der persönlichen Würde und dem sittlichen Ernst nicht verträgt, der den Christen charakterisiren soll; bei dem Christen soll vielmehr fein statt schänds lichen oder leeren Geredes ein Reden, das einen wah- ren Werth hat, nämlich Danksaguna, denn zu einem dankenden Preis Gottes haben die Christen stets Grund im Andenken an die Liebe, die ihnen Gott in Christo erzeiget hat. (Sommer.) ,,Das ist ein köstlich Ding, dem HErrn danken, und lobsingen Deinem Namen, Du Höchster«, singt man im Psalm (92,2); und wenn ein Mensch erneut ist und der Geist Jesu Christi in ihm wohnt, dann wird es ihm heilige Seelenlust und Wonne, heraus zu brechen in Lob und Preis und Dankfagung des HErrn, seines Gottes. Jhr selbst wißt das, wenigstens zum Theil, ja auch Manche unter euch, die bisher nicht haben den unreinen Brunnen der schandbaren Worte und Narrentheidinge beherr- schen können, haben nichts desto weniger auch ein ge- wisses Maß von Erfahrung, wie selig die Seele ist, wenn der Geist der Danksagung Herzen und Lippen bewegt. Stellet eine Vergleichung an, prüfet euch: wann waret ihr seliger nnd fröhlicher, wenn euer Mund Gott lobsang und danksagte, oder wenn der Schmutz und Schlamm der bösen Lust von ihm troff? Sagt auch ja nicht: es ist wahr, Lobgesang und Dank ist reinere Freude; aber beide gehören nicht überall hin, sondern in’s Haus des HErrnl Beide gehören viel- mehr überall hin, in eure Häuser, auf eure Felder, auf eure Gassen, bei Tag und Nacht; ja, sie gehören auch in eure Schänken! Wo sie nicht hingehören follen, da gehört auch kein Christ hin, und wo der Dank und Preis Gottes und seines Christus nicht ge- hört, nicht angestimmt werden darf, da soll auch kein Christ gesehen werden noch erscheinen, da kann es auch kein rechter Christ aushalten, da kann kein Kind der himmlischen Freude bleiben; denn da darf ja der Dank, des Christen süßeste Freude, nicht zum Worte kommen. L· e. IN) Freilich wußten solches, was der Apostel hier schreibt, die Epheser, weil sie Christum gelernt hatten; aber sie sollten es noch völliger wissen, als im An- fang, wissen mit streitbarer Erkenntniß, worin sie als die Weisen (V. 15) vor jeder, auch der feinsten Be- fleckung mit dem unreinen Wesen, welches sie täglich umgab, sich bewahren möchten. Vor allem nun drängt es sich der Christenerkenntniß auf, daß kein Hurer oder Unkeuscher in’s himmlische Reich der allerreinsten Freude und Wonne eingehen wird; aber auch kein Geiziger oder Habfiichtiger wird Theil haben an der ewigen Seligkeit, denn — ein Götzendiener ist er! Das setzt der Apostel mit großem Nachdruck hinzu, um dem Wahne zu wehren, als wäre Habsucht minder fchänd- lich und minder seelentödtlich als Hurerei. Gewiß machen die Knechte der Unzucht den Moloch der Wvllust zu ihrem Götzen, dem sie abgöttisch fröhnenz jedoch diese Abgötterei ist greifbarer und augenfälliger, ihre verderberische Gewalt abschreckendey als der oft unter anständigem Scheine getriebene Götzendienst der hab- süchtigen Mammonsknechte. Mit einem giftigen Nebel überzieht die Habsucht ganze Schichten der bürger- lichen Gesellschaft: hier die Begüterten und Capitalisten, welche das Amt der Liebe verachten, worin sie den Dürftigen dienen sollen; dort die Arbeiter und Prole- tarier, welche reich werden wollen ohne Mühe und Arbeit. Christen sollen durch diesen Nebel sich nicht verdüstern lassen, sondern ihn zerreißen in der mann- haften Erkenntnis« daß Habsucht Götzendienst ist und ausfchließt vom Reiche Gottes. (Besser.) Kein Laster erstickt das Gottesbewußtsein so im tiefsten Innern und verftrickt die Seele in einen so knechtischen Welt- dienst, wie die Habsucht oder der Geiz (l.Tim.6, l0); die Wollust steigert sich daher in der Habsucht, und wenn der Wollüstige als solcher, trotz seiner Versun- kenheit in den Sinnengenuß, öfters noch eine gewisse Gutmüthigkeit und selbst Empfänglichkeit für bessere Regungen beibehält, so verhärtet sich da egen das Herz im Geize bis zur-gänzlichen sittlichen Abfatumpfun . (Schenkel.) Alle andern Sünden brauchen doch des, damit sie umgehen, und lassen’s seiner Lust dienen; 480 Epheser Z, 10-—14. denn der Hure: und Unreine braucht des Leibes zur Lust, der Hoffärtige braucht des Guts, der Kunst, der Gunst und der Leute zur Ehre; allein der unselige Götzendiener ist Knecht seines Guts, und seine Sünde ist, daß er das Geld und Gut spart, hütet und be- wahrt, und darf’s nicht brauchen, weder für sich noch für Andere, sondern er dient ihm als seinem Gott, und ehe er das Geld angriffe, ehe ließe er Gottes Reich und die Welt untergehen. (Luther.) f) Der Apostel kann die Epheser nicht vor den be- rührten Lastern Warnen, ohne daß er dessen gedenkt, wie· vielfache Verführung hierzu das Leben inmitten der heidnischen Welt darbot; deshalb warnt er noch besonders vor den Verführern, bei denen er wohl vor- ugsweise Nichtchristen im Auge hat, mit welchen die hristen durch den täglichen Verkehr zusammengeführt wurden. Gewiß gab es Leute, welche die heidnischen Laster der Unzucht und Habsucht zu beschönigen und für unbedenklich auszugeben wußten und welche, indem sie die Enthaltsamkeit von den genannten Sünden als unnöthigen Rigorismus darstellten, die Christen zum vorigen heidnischen Leben zurückzulocken suchten. (Som- mer«) Die Argumente der Verführer gelten dem Apostel deshalb als ,,vergebliche Worte«, weil sie selbst trotz derselben dem göttlichen Strafgericht nicht entrinnen werden: wie man jene Laster auch beschönigen mag, es trifft die, welche dieselben treiben, die am Gerichts- tage bei der Wiederkunft Christi sich in Vollzug setzende Strafe; mit um so größerem Nachdruck ermahnt daher der Apostel die Leser seines Briefes, keinen Theil mit ihnen zu haben, denn die Gemeinschaft mit ihren Lastern würde auch die Gemeinschaft mit ihrer Strafe zur Folge haben. (Schenkel.) H) Wie Tag und Nacht hebt sich bei den Ephesern die Gegenwart von der Vergangenheit ab: ehemals Finsterniß und jetzt Licht. Sie wandelten nicht blos in der Finsternis» sondern die Finsterniß war in sie hineingezogen, hatte alles Licht in ihnen überwin- tigt und verschlungen, sie zu ihren Gefäßen und Werk- zeugen gemacht und sich ganz assimilirtz aber sie sind nicht mehr Finsternis» sie sind nun ein Licht in dem HErrn Das wahrhaftige Licht ist über ihnen aufge- gangen und sie haben den hellen Schein des Lichts im Glauben aufgenommen; so ist es licht geworden in ihrem verfinsterten Verstande, licht geworden in dem finsteren Reiche .ihrer Sinne und Lüfte, licht geworden auf ihrem Lebenswege, und sie haben selbst dem Lichte, das in dem HErrn sie besucht hat, so rückhalt- los sich hingegeben, sich so völlig erschlossen, daß dieses Licht eine Bleibestätte in ihnen gefunden hat und aus ihnen hell in diese Welt hineinleuchtet. Sie haben das Licht und sind selbst ein Licht in dem HErrn; als dem Licht Entsproßte, als dem Licht Angehörige, als Lichtkinder sollen sie denn in ihrem Wandel sich darstellen, was aber dazu gehört, besagt der Satz: »die Frucht des Lichtes ist allerlei Güti keit (Güte) und Gerechtigkeit und Wahrheit«.. (Nebe.) eil der Apostel vom Licht hier redet, hätte es besser darauf gelautet: »die Frucht aber des Lichtes 2c.«, wie die lateinischen Bücher haben, denn: »die Frucht des Geistes 2e.«, wie die griechischen Bücher haben; und wer weiß, ob es in den griechischen nicht verändert sei aus Gal. 5, 22., da der .Apostel auch von den Früchten des Geistes redet. Aber da liegt nicht große Macht an; es ist Ein Ding, Licht und Geist, an diesem Ort. (Luther.) Die Frucht, d. h. die Wirkung des Lichtes besteht der Hauptsache nach (denn es ist dem Apostel nicht um Aufzählung aller einzelnen Früchte oder Wirkun- gen zu thun) in Güte (Röm. 15, 14., auch in Gal. 5, 22 hat Luther: ,,Gütigkeit« für: ,,Güte«), Gerechtig- keit und Wahrheit; und zwar »in allerlei«, d. h. in allen möglichen Aeußerungen dieser christlichen Grund- tugenden. Die Güte steht voran, weil sie als be- ziehungsweise Uebereinstimmung mit dem, der allein gut ist (Luk.18, 19), die Quelle aller übrigen Tugenden ist; die Gerechtigkeit drückt das rechte sittliche Ver- halten vorzüglich nach außen, die Wahrheit das- selbe vorzüglich nach innen aus — jene ist insbe- sondere den Sünden der Unzucht und Habsuchh diese den Sünden der Lüge und des Trugs entgegengesetzh (Schenkel.) Wie ein wunderbarer Brunn des Lichtes soll euer ganzes Leben übergehen von allerlei Frucht des Lichtes, von allerlei Gütigkeit, Gerechtigkeit und Wahrheit. Statt jener hurerischen Liebe, welche ihren Gegenstand niederzieht in Verderben und Ver- dammniß, soll euch die reine Güte erfüllen, die selbst gut ist und Andern Gutes mittheilt; statt der Un- reinigkeit soll euch Gerechtigkeit durchdringen, jenes heilige Leben, das Gott gefällt; statt der Hab- sucht soll gleichfalls Güte und Gerechtigkeit der Trieb eures Herzens sein; und anstatt aller schand- baren Worte, Narrentheidinge und Scherz soll eitel Ausfluß der göttlichen Wahrheit. und eines wahrhaftigen Gemüths von euch kommen. Wie ein Wasser des Lebens und wie reine Lüfte sollen euch überallhin, wohin ihr euch begebt, die holdseligen, Liebe, Friede und Gotteswort athmenden Gespräche eurer Lippen begleiten. Das soll sein, und wenn es nicht ist, dann ist es wieder finster geworden in euch; dann legt sich der Schatten des göttlichen Tadels und Mißfallens über euch hin, und alle die in der Mitte des Textes gestrafte Uebertretung zeigt sich dann als wiederkehrende Macht des Heidenthums, des Abfalls von Gott, der Selbstsuchh die alles Gute erstickt, vor welcher Gott und sein Geist zurückweichr (Löhe.) 10. Und Ptufet swie ihr als ein Licht in dem HErrn V. 8 das ja vermöge eures christ- lichen Gewissens in euch und vermöge des Evan- geliums Christi vor euch Röm. 14, 23; Phil. l, 27 ganz wohl im Stande seid], was da sei wohlgefallig dem HErrnr [Röm· 12, L; 1. Thess. 21 . 11. Und habt nicht [so nahe die Kinder des Unglaubens V. 6 euch das auch legen ntögen] Gemeinschaft mit den unfruchibaren Werken der Finstetniß sdie sie treiben], slkafet [Joh. 16, s; 1· Cor. 14, 24] sie aber vielmehr ses nicht da- bei bewenden lassend, daß ihr euch nicht an ihnen betheiligt] ; 12. Denn was heimlich von ihnen sden un- gläubigen Heiden] geschieheh das ist auch schand- lich zu sagensi [ist auch nur zu nennen gegen alle gute Sitte Röm. 1, 26 f., und da dürft ihr mit solcherlei Leuten sowenig euch einlassen, daß ihr vielmehr euch in »offenen Gegensatz zu ihnen stellet Phil. T, 15]. 13. Das alles aber swas unter den Begriff der Werke der Finsterniß fällt, mag es heimlich oder öffentlich geschehen] wird sin dem Sinne, in welchem das Wort in 1. Tor. 14, 25 so gebraucht ist] offenbar, wenn es vom Licht gestraft wird [und tritt aus seinem bisherigen Bereich, dem der Finsterniß, heraus und nimmt eine neue Natur Habt nicht Gemeinschaft mit den unfruchtbaren Werken der Finsterniß, strafet sie vielmehr! 481 an]. Denn alles, was offenbar wird, das ist LichtM [Joh. 3, 20 f.; ihr vollbringet also etwas Großes und Heilfames, wenn ihr thut, wozu ich euch am Schluß des 11. Verses ermahnete]. 14. Datum [weil ein solches Osfenbar- und Lichtwerden von ihm ausdrücklich gewollt ist, um seine Heilandsabsichten an den Menschen verwirk- lichen zu können] spricht er [Gott in der heil. Schrift Kap. 4, 8, nämlich beim Propheten Jes. 60, 1]: Wache auf, der du schlasest nnd stehe auf von den Todten, so wird dich Christus fmit seinem Lichte] erlenchtenJp «) ,,Die Frucht des Geistes ist allerlei Gütigkeit und 2c.« hatte der Apostel vorhin gesagt (V. 9); da be eichnet er nun ein für das Wandeln als Kinder des Lichts erforderliches Thau, welches dazu nöthig ist, um in jedem einzelnen Fallesolchen Wandel zu erzeigen, indem es ilt, 1e und xe zu prüfen, was dem HErrn wohlgeixällig sei, statt das zu thun, womit man sich den Menschen wohlgefällig macht; denn diesen Gegensatz werden wir wohl mit Grund hinzudenken, da es sich im Zusammenhange nicht so- wohl darum handelt, daß die Christen nicht von«sich selbst aus heidnifchen Lasten stöhnen, sondern vielmehr darum, daß sie sich nicht durch die Art und Weise des Verkehrs mit den Heiden in eine Vetheiligung an deren Lastern und Sünden hineinziehen lassen. (v. Hof- mann.) Das Wohlgefallen des HErrn ist allein die Regel, nach welcher sich die Gläubigen halten müssen, und solches zu prüfen sich befleißigenx also ni t unser eigen Wohlgefallen, der WeltGewohnheit, des leisches Gemächlichkeit oder eigene gute Absicht. (Spener.) «) Der Apostel kommt auf sein Verbot in V. 7: ,,seid nicht ihre Mitgenossen« zurück, welches ihn auf die Aussage in V. 8 und das darauf sich griindende Gebot in V. 9 u· 10 geführt hatte, nennt nun aber diesem Gebote gegenüber das vorhin Verbotene ein Gemeinschasthaben mit den unfruchtbaren Werken der Finsterniß; es bestehet solches Gemeinschafthaben in einer Vetheiligung bei der es den Anschein hat, als abe der Christ gegen das heidnische Thun und Trei- en nichts einzuwenden, die Vermeidung solcher Be- theiligung genügt aber dem Apostel nicht, und so geht er sofort u dem Gebote über: ,,strafet sie aber viel- wehrt« er Christ soll dem Heiden unumwunden sagen, wie er das Treiben ansehe, von dem er sich fern hält, und ihn dadurch überführen, wie übel der- selbe thue; und nun führt Paulus den Lesern mit dem, was er in V. 12 sagt, zu Gemüthe, warum sie da, wo sie versticht sein könnten, sich an dem heidni- schen Lasterleben zu betheiligen, vielmehr die Gelegen- heit, es zu strafen, nicht verabfäumen dürfen· Weil im Verborgenen solches geschiehet, was sie gar nicht in den Mund ne men können, so müssen sie um so mehr dasjenige strafen, woran sich zu betheili en die Heiden ihnen zumuthen. (v. Hofmannh Ebenxso ent- schieden, wie zum Thun des erkannten Willens des HCrrn (V. 10), laßt uns ssein zum Meiden aller und jeder Betheiligun andem, was der Apostel im Ge ensatz zur Frucht des Iichts (V. I) unfruchtbare erke der insterniß nennt. Unfrüchte bringt die Fin- sterni , das gottwidrige Wesen, aus sich hervor, todte Werke (Hebr. 6, l; 9, 14), die man nicht mit einem Finger berühren kann, ohne sich zu verunreinigen. Es ist eine arse Täuschung, wenn ein ind des Lichts iZ erlaubt, is zu einem gewissen rade der Welt i gleichzustellen und nach weltgewohntey väterlicher Weise F. Petri I, 18) eine Strecke mitzuwandeln, in der Ab icht, durch solches schwächliche Mitmachen irgend eine Fruchh wohl gar Frucht für das Reich Gottes u gewinnen. Den Ephesern war in ihrem geselli en erkehr mit den Heiden die Warnung vor dieser rt des Fruchtsuchens sehr nöthig; und auch uns verwehr- das apostolifche Gebot die ungesunde und meist schalke hafte Meinung, wir könnten jemand von dem breiten Weltwege abbringen, wenn wir halbwegs mit ingen. Willst du Weinreben in eine Dornenhecke p anzen, damit man unter den Schlehen etliche Trauben lese? Die Dornen werden die Reben ersticken! Aber nicht genug ist hier das Meiden und Scheiden: ,,straf et sie aber vielmehr«, ermahnt der Agostel die Kinder des Lichts, die er abmahnt von je er Vermengung mit den unfruchtbaren Werken der Finsterniß Das ist eben die Frucht des Lichts, die in aller ,,Wahrheit« (V. 9) sich erzeigt; offen und unumwunden sollen wir bekennen, warum wir uns enthalten von dem welt- lustigen, lasterhaften Thun und Treiben der Un läu- bigen. Wenn du darnach gefragt wirft von so chen, die es befremdet (1. Petri 4, 4), sprich dann niemals von Neigung und Ansichten oder dergleichen Privat- beweggründem das sind Schefeh worunter du das in dir angezündete Licht nicht setzen sollst (Matth.5, 15); liebloses, gleichgiltiges Gehenassen unsers Nächsten in feinen Sünden macht uns zu seinen Mitschuldigen (3. Mos. 19, 17). Das Leichentuch des-Stillfchweigens über eines Sünders todte Seele decken, ist das Gegen- theil dessen, was wir nach Jak- 5, 20 zu thun schuldig sind. (Besser.) Its) Alles Thun der Finsterniß, es gefchehe ver- borgen oder offenbarlich, geschieht, weil es Finsterniß ist, in der Abkehr von Gott, in der Verschlossenheit gegen ihn, versteckt sich in sich selbst, wo es sich dem ichte, das Gott ist und das von Gott kommt, entzieht und eben deshalb auch dem selber, der es thut, nicht als das erscheint, was es ist; strafen es aber diejeni- en, welche Licht find, kraft des Lichtes, das sie haben, o wird es hierdurch aus feinem Verftecke hervor und zu Tage gebracht, wo es nun dem selber, der es thut, so, wie es ist, bloß und offen daliegt —- der Mensch lernt sich dadurch kennen, wie er ist. Die Erinnerung, welche hierauf der Apostel mit den Worten giebt: »denn alles, was offenbar wird, das ist Licht,« und damit sagen will: »das heidnische Sündenwesen muß in seiner Verschlossenheit egen die heilige Wahrheit von denen, die aus der ahrheit sind, gestraft und dessen, was es ist, überführt werden; so tritt es dann als erkannte Sünde aus ihr hervor in die Zukehr gegen Gott, wo es sich der sündenvergebenden Gnade des Heiligen entgegenstreckt und hiermit aufhört, Sünde zu sein«, mochte wohl noth thun, wenn es die Heiden- christen bequemer fanden, ihren Volksgenosfen nur von der christlichen Lehre zu erzählen und ihr auf diese Art Eingang zu verschaffen, als sie um ihre Sünden zu strafen. (v. Hofmann.) Gottes Wort hat die Kraft in sichs, in seiner Predigt und Verkündigung und in dem eben nach demselben die bösen Thaten zu offen« bareii in den Her en der Sünder und bei Andern, wodurch Man er ekehrt wird. (Spener. Das Auf- decken der Wer e der Finsterniß ist ein re teigentliches Werk der Kinder des Lichts: das Licht in ihnen greift dadurch siegreich um sich. (v. Gerlach.) s) Den wesentlichen Gedanken dessen, was der Apostel hier schreibt, bietet allerdings die Stelle in Jef· 60, 1., nur daß dort Zion angeredet ist, während hier derselbe Zurus an die Heiden gerichtet sein will; wenn jedoch die Schrift das Volk Gottes seiner be- dürftig achtet, so will sie gewiß auch zu dem Heiden, 482 Epheser 5, 15—-17. der zu Christo bekehrt werden soll, so geredet wissen. Für das »mache dich auf« setzt nun der Apostel mit Rücksicht auf die beiden Weisen, wie man »dem Lichte un ugänglich sein kann, im S lase nämlich und im To e, einerseits: ,,wache auf, er du schläfst«, und andrerseits: ,,stehe auf von den Todten-«; und den weiteren Befehl: ,,werde Licht« übersetzt er, seinem Sinne entsprechend, in einen Zusagesah aber mit neu- testamentlich ausgedrücktem Inhalt: »so wird dich Christus crleuchten«. Nun ist allerdings der Gegen- satz von Licht und Finsterniß in der Jesaiasstelle ein anderer, als in dem Zusammenhan e, dem der Apostel sie einverleibt; dort nämlich ein egensatz von Heil und Elend, hier ein Gegensatz von Heili keit und Sünde. Aber in Wirklichkeit liegen diese egensätze nicht außer einander: das Licht ist Heil und Heiligkeit in Einem, die Finsterniß Sünde und Elend in Einem. (v. Hofmann.) Wozu der Prophet das alttestanient- liche Gottesvolk ausruft, daß es sich aus seinem Straf- elende erheben und bußfertig in das Heilslicht treten soll, welches in Christo, dem HErrn der Herrlichkeitz über ihm ausgeht, dazu erweckt das Licht, dessen Er- scheinun in der Christenheit gegenwärtig ist, die im Sündenfzchlafe und unter Todesgewalt liegenden Heiden (Jef. 60, 2): der prophetische Gedankenkeru ist dort und hier offenbar derselbe; dennoch wäre die Umschrei- bung eines Schristworts, wie sie hier vorläge, wenn der Apostel ohne Weiteres den Propheten Jesaia redend einführen wollte, durchaus beispiellos Nun erwähnt schon der alte griechische Ausleger Th eod o ret die Erklärung, wonacl) hier vielmehr ein Liedeswort der Kirche vom Apostel angeführt werde, ein Vers aus einem jener Psalmen, auf, welche er sich in V.19 bezieht; und desto gewisser urfte Pan us an dies Liedeswort als an ein mündliches Wort propheti- schen Geistes erinnern, je bestimmter darin ein pro- phetisches Schriftwort nachklingt Vielleicht ist der Bach dieses Liedesworts aus dem prophetifchen Schrift- quell bei einer besonderen Gelegenheit entsprungen, wo ein Ungläubiger, von dem in der Kirche wohnhaf- ten Geiste des Lichtes gestraft und gerichtet, bußfertig offenbar wurde und auf sein Angesicht siel zu dem anbetenden Bekenntniß, daß der HErr wahrhaftig mittensunter seinen Gläubigen sei. (Besser.) Vielleicht auch hatte der Vorfall gerade zu Ephesus sich Zige- tragenz von dort aus hat ja Paulus den ersten rief an die Corinther geschrieben, in welchem er auf der- gtlleiclåexnnMöglichkeiten Beziehung nimmt (1. Cor. (Epistik am 20. Sonntag nach Trinitati5.) Jn dem Evangelio (Matth. 22, I ff.) sehen wir den Vorhof des ewi en Hochzeitsaales, die Kirche auf Erden, in ihrer ißgestalt, und wie endlich der ewige Bräutigam erscheint und eine Scheidung macht zwischen den geladenen Gästen, je nachdem er an ihnen sein hochzeitliches Kleid findet oder nichts; neben diesem großartigen, gewaltigen Texte nun geht der episto- lische er, in dem allerdings ni t von dem hochzeit- lichen leide die Rede ist, wohl a er von den herrlichen Folgen desselben, wo es ist, und von den schrecklichen Folgen seiner Abwesenheit. Da sieht man die einen, die das hochzeitliche Kleid an sich tragen, vorsich- ti lich oder genau, streng genau wandeln, dazu auch vo · Psalmen und Hhinnen und Oden der Ankunft des himmlischen Bräutigams ent egenharren, während die andern, welche der Mangel er heiligen Gerechtigkeit Jesu nicht ruhen läßt» einen unordentlichen Wandel führen und sich allen Lüsten ergeben, die wider die Seele streiten. (Löhe.) Es ist nicht unwahrscheinlich, daß die Epistel mit Rücksicht auf die in diese Zeit fallende Weinlese und die dabei herkömmlichen, oft genu ausartenden Ergötzlichkeiten gewählt worden: die ahnungen, vorsichtiglich zu wandeln, nicht als die Unweisen, sondern als die Weisen, sich nicht voll Weins zu sausen, daraus ein unordentliches Leben folgt, sondern voll Geistes zu werden, statt der wüsten bacchantischen Lieder vielmehr Psalmen und Lobgesänge und geistliche Lieder anzustimmen und Gott dem Vater allezeit Dank zu sa en im Namen des HErrn Jesu Christi, waren jeden alls den Heiden gegenüber gerade für diese Zeit ebenso zweckmäßig und nothwendig, als sie es aus ganz ähnlichen Gründen auch jet noch sind. (Alt.) Des Christen vorsichtiger andel in diesem Erdenlande: l) vor dem Auge at er ein bestimmtes, gar herrliches Ziel; 2) mit dem uße Fucht er den schmalen, gewissen Weg, der zum Ziele iihrt; 3) in der einen Hand hält er die Uhr, Gottes Stunde in allen Dingen wahåzzunehniem und mit der andern greift er zu, Gottes erke zu wirken, solange es Tag ist; 4) das Herz läßt er täglich auf’s«Neue sich füllen mit dem Geiste von oben, und den Mund läßt er reichlich übergehen von dem, deß das Herg voll ist; 5) so dient er Vielen zur Erhebung, un erhebt sich doch selber über niemand, sondern ist jeder- mann unterthan in der Furcht Gottes. cgEig Arb.) Die Zeit ist böse: schau, was di erlösel Nämlich I) bei der Welt Sicherheit ·—- Vorsicht, 2) bei der Welt Unverstand — göttliche Weisheit, s) bei der Welt Rausch —- der heil. Geist, 4) bei der Welt bösem Gefchwätz — Palmensingeiy 5) bei der Welt Undan —- Gottes Lob, 6) bei der Welt Hochmuth -— Demuth. (Westermeier.) Die Vor- sicht des Christen bei seiner Wallfahrt hie· nied en; sie zeigt sich l) in der Wahl des Wegs, 2) in der Benutzung der Zeit, Z) in den Mitteln »der Wegzehrung, 4) in dem Dank bei jedem Fortschritn (Sommer.) Schicket euch in die Zeit, denn es ist böse Zeit: l) welche Zeit ist böse Zeit? 2) wie Fchickt sich der Christ in ieselbe. (Ahlfeld.) Wie oll der Christ der bösen Zeit widerstreben? Er soll l) ihre ungöttliche Weisheit verachten, 2) ihre unheiligen Freuden verschmäheiy . J) ihre ruch- lose Freiheit verwerfen. (Ziethe.) Ernte An- forderungen des Evan eliums in einer bösen Zeit. Es ist l) eine Zeit der Unwissenheit in öttlichen Dingen, da ruft es uns zu: V. l7; 2) eine eit der Herrs aft unordentlicher Lüste« und Be· ierden, da gie t es uns die Warnung: V. l8; Z) eine eit kirchlicher Lauheit, da stellt es uns die Anfor- derung: V. l9.20; 4) eine Zeit unruhigerAufre ung, da spricht es zu uns: V. 21. (Brandt.) Die äus- lichen Andachtsübungenx sie "1) heiligen die Häuser, 2) reinigen die Herzen, Z) stärken die Hunde. (Fuchs.) 15. So sehet nun [gemäß dem, was ich vorher euch zu Gemüthe geführt habe] zu, wie ihr vorsichtiglich wörtlich: genau, der vor- geschriebenen Regel entsprechend Gal. S, 16-; PhiL 3, 161 wandelt, nicht als die Unweisen sals welche ihr euch erweisen würdet, wenn ihr denen gegenüber, die da draußen sind, die ge- bührende Vorsicht unterließet Col. 4, 5], sondern als die WeifenV [die ihr durch die Begabung mit dem heil. Geist geworden seid und immer mehr werden sollet Kaki. 1, s; 3, 16; Matth. l0, 16]; Sehet zu, wie ihr vorsichtiglich wandelt, nicht als die Unweisen, sondern als die Weisen! 483 Its. Und fchicket euch in die Zeit sdiese Worte sind hier nicht so gemeint wie in Röm. 12, 11.,» sondern sollen bedeuten: kaufet euch die Zeit, macht sie für eure christlichen Zwecke euch eigen und brauchet sie wohl Col. 4, 5], denn es ift böse Zeit« [und sind wir dem Ende aller Dinge schon so nahe kommen, daß es unskeineswegs vergönnet ist, in Muße und Ge- mächlichkeit unsre Tage hinzubringen 1. Tim. 4, 1 sf.; 2. Tim. 3, 1];· · · · 17; Darum [weil es m so schlimmer Zeit- lage gilt, die gegebene Zeit» unverkürzt auszu- nutzenj werdet nicht uiiverstandig sdurch irgend welches Thun und Treiben, bei dem eine rechte Besinnung und ordentliche Ueberlegung nicht wohl möglich ist], sondern [vielmehr durch stetes Acht- haben nach außen und Prüfen nach innen] ver- ständig, was da [indem jedesmal euch vorliegenden Falle] ei des HGrrn Willesttt [Col. i, 9 f.; Rom. 12, T; Apostg. 16, 6 ff.]. V) Aus dem anzen Abschnitt V. 3—14., welcher den Wandel der hristen gegen den der Heiden schars abgrenzte und in dem Gebote, ihrSündenleben viel- mehr zu strafen, gipfelte, wird die Ermahnung ge- folgert, wohl Acht zu haben, wie ihr Wandel be- schaffen sein müsse, damit er genau die rechte Linie einhalte« unweif e aber würden sie wandeln, wenn sie ihren Wandel nicht so zu führen verstünden, daß er das ist, was er doch sein soll, ein christlicher Wandel. Fu. HosmannJ Einen exakten, genauen, strengen Wandel ollen die Epheser führen; sie sollen sich nicht begnü- en, so im All emeinen, im Gan en, im Groben die Gebote des H rrn zu erfüllen, sie sollen es mit sich enau nehmen und sich streng an die Regel und Richt- ixchnur halten. Es ist ein sehr gefährliches Ding, wenn man es nicht schars nimmt mit sich, wenn man sich kleine Schwächen als Bagatellen selbst nachsiehtc es wird in dem Gericht am Ende genau genommen, die Wage in dem Heiligthum unsers Gottes wiegt nicht mit Centnern und Pfunden, auf die Treue im Kleinen, auf das Genau- und Strengnehmen kommt es an. (Nebe.) Wir pflegen uns bei manchen Dingen, die doch in’s Gebiet der Finfterniß gehören, nichts zu denken; diese Gedankenlosigkeit macht uns der Geist der Heiligung zur Sünde und pflanzt in uns den Sinn, mit zarter cheu vor allem, was Gott mißfällt, mit Zucht und Furcht Gebt. 12, 23 unsern Wandel zu führen. (Besser.) Die wahre eisheit schließt auch die rechte Vorsicht ein; als weise aber stellt sich der Christ dar, wenn er in rechter Lehre und heiligem Leben der Verklärung in Christi Bild immer mehr nachtrachtet. Das ,,nicht als die Unweisen« weist darauf hin, wie man von Christen ein unweises Ver- halten nicht erwartet. lkSommergd Es) Der Apostel wi sagen: enket nicht, daß ihr hier gute Tage werdet haben oder wolltet eure Sachen auf iehen, bis ihr bessere Zeit ersehet, denn es wird doch nicht besser; ihr habt alle eit den Teufel in der Welt, der euch nur an allem uten hindern will und je länger je mehr in den Weg wirft, daß, je länger ihr harret, je weniger ihr könnet dazu kommen, Gutes zu thun, nnd sso ihr die Zeit versäumehqwird es euch hernach nicht o gut. Darum schicket euch also darein, daß ihr euch die Zeit stehlet und rauher, wie ihr könnetx denn es begegnen einem Christen so mancherlei Hinderniß und Ursach, nüylich Geschäft zu versäumen, daß er schier wie ein Ge angener sich losreißen und die Zeit gleich stehlen und etwa auch theuer lösen muß mit UngUnst, wie man spricht (amjoi fures temporjsx ,,Freunde rauben Zeit« (bis um J. 1527 hat Luther hier und in Col. 4, 5 nach aßgabe von Gal. 3, 13; 4, 5., wo das betr. griechische Wort auch gebraucht wird, wirklich übersetzt: löset die Zeit). Lasset euch nichts so lieb sein, als daß ihr Gottes Reich fördert und der Christenheit zu Nutz und Gutem dienen wo ihr nur etwa könnet, es falle oder stoße euch vor, was da wolle. (Luther.) Nein, nein, sie (die Zeit) säumt ich nicht; sie kehret ihr Gesicht niemals zurücke. Jhr uß steht nimmer still; drum, wer ihr brauchen will, sich in sie fchicke. (Freylinghausen.) Was heißt Zeit kaufen anders, als mit Darangabe irdischen Nutzens sich Raum verschaffen zum Su en und Erlangen der ewigen Güter? (Angustin.) ich Christenmenschen soll ich derart schicken in die Zeit, daß daraus eine Christenzeit wird, abgekauft der Eitelkeit und Richtigkeit des Weltwesens, erkauft um den Preis christlicher Selbstverleugnung und verabschiedeter Welt- Inst, ausgekauft für das Reich Gottes ini Wirken und Leiden nach des HErrn Willen, im Ringen nach der Heiligung im Dienste Gottes zur Erbauung seiner Gemeinde. ei der erwerbsüchtigen Welt heißt es: ,,Zeit ist Geld«; bei Christen sollte es heißen: »Zeit ist Gnade« (Besser.) Das Auskaufen der Zeit ist das Gegentheil vom Zeitvertreib. (Heubner.) Der Apostel nimmt die Tage für bös, d. h. er ist der Mei- nung, daß sie im Allgemeinen wenig Gelegen eit bieten, dazu auch wenig Unterstützung nnd Erlei te- rang, Gutes zu thun, daß die Umstände und Verhält- nisse einen heiligen Gang des Menschen durch die Zeit erschweren, daß sie der Heiligung ungünstig sind und das Gute aufhalten; dies allgemeine Urtheil über die Zeit aber hindert ihn gar nicht, sondern im Gegen- theil, es reizt ihn an, den einzelnen günstigen Zeitpunkt von der Zeit ini Allgemeinen zu scheiden, die Epheser, in ihnen aber alle Christen zu der gleichen Unter- scheidung anzuleiten und sie zur möglichsten Benutzung und Ausbeutung jeder sich darbietenden Gelegenheit, Gutes Ha thun und vorwärts zu kommen, zu ermah- neu. ohl wissend, daß der HErr den Seinen mitten in der unwirthbaren und unfruchtbaren Welt doch noch immer den Triumph gönnt und verschasst, gute Thaten auszusäen, sollen sie auf die Stunden achten und mit feinem Sinne eine jede prüfen, was in ihr zum hei- ligen Vorwärts eschehen kann. Und wie sie die Zeit richtig verste en ollen, so sollen sie dann auch in der gelegenen Zeit das Rechte, den Willen Gottes voll- ringen, zu jeder Zeitsdas für sie passende Werk, bei jeder Gelegenheit das Beste, was eschehen kann, un· ermüdlich dem Wink und Willen ottes folgend. Its) Der Apostel unterscheidet die Erkenntniß der rechten Zeit von der Erwählung der rechten That; er weiß wohl, wie oft es geschieht, daß eine Stunde als günstig zu guten Werken erkannt, dabei aber das verbannt wird, was geschehenssolL Ob er aber gleich den Unterschied ma t, der sich in der That auch so oft findet, so ist es och nicht seine Meinung, daß bei den Christen getrennt und unterschieden sein soll, was zwar besondere Gabe ist, doch aber nur zusammen ausgeübt werden soll und nach Gottes heiligem Willen verbunden werden muß. Wer die günstige Zeit erkennt und dann doch versäumt, sie richtig zu benutzen, der lauft den Zeitpunkt nicht aus, ist weder verständig noch weise, sondern im Gegentheil, er fällt in ein schweres Gericht des HErrn, weil er seine Frucht nicht brachte zu seiner Zeit; darum sagt eben der Apostel: 484 Epheser b, 18—25. ,,werdet nicht unverständig, sondern verständig, was da sei des HErrn Wille.« Zur Weisheit gehört der rechte Verstand und das rechte Aufmerken auf jeden Schritt und Tritt, der zu jeder Zeit geschehen soll. Jm Auge das Ziel, unter dem Fuße den rechten Weg zum Ziel, in der einen Hand die Uhr, Zeit und Ge- legenheit zu beachten, während die Rechte bereit liegt, auf dem Wege zur ewigen Heiinath Gottes heiligen Willen in allen einzelnen Dingen zu vollbringen, so sehen wir den Christen St. Pauli in unserm Texte, den Gläubigen von genauem Wandel, gegen welchen die Christen, wie sie jetzt sind, in ihrer selbstzusriedenen Trägheit gewaltig abstechen. So wie der Mensch von gemeinem Schrot und Korn als nächstes Ziel seines irdischen Lebens ein behagliches und glückliches Dasein wählt und spießbürgerlich all sein Thun und Lassen daraus hinrichtet, sich auf Erden anzubauen und in seinen Hütten friedlich und gemächlich zu wohnen, so hofft der Christ der gewöhnlichen Art von seinem Christenthum selbst ruhigen Genuß, und sein geistliches Leben muß sich seinem Hang und Verlangen nach zeit- lichem Guthaben fügen. Ein genauer Wandel ist ihm zu unbequem, alles aufs Ewige hinaus urechnen ist ihm zu anstrengend und zu störend; ein eben, da man immerdar auf seiner Hut ist, immer auf dem Wege, da man nur immer auf günstige Zeitpunkte lauschen und die besten Werke in Obacht nehmen muß, ein solches Leben däucht nicht Lust, sondern Last: wem’s gesallen soll, der bedarf eine Anregung, ein Licht und eine Kraft von oben und obendrein guten Muth, es zu ertragen, wenn sein gerader Gang, sein waches Auge, sein vorsichtiger Fuß, seine behende und starke Hand im Lande der Faulen, der Trägen, der Blinden, der Lahmen nur Unwillen und Anstoß und Mißgunst erweckt. Wohl aber denen, denen es ge- geben wird, daß sie es wagen, genau zu wandeln und damit anzuhalten bis an’s Ende! (Löhe.) 18. Und [damit ihr allezeit in der rechten Verfassung zu solcher Verständigkeit V. 17 seid, so] saufet euch nicht voll Weins, daraus ein Unordentlich sein lüderlich und schwelgerisch] Wesen [1. Petri 4, 4] folgt lja darin selber schon enthalten ist Spr. 20, 1], sondern werdet voll Geistes« sindem ihr euch seinem Einflusse ganz und gar hingebet]; 19. Und redet lnun in solchem Erfülltsein] unter einander von [richtig«er:· in] Psalmen und Lobgesangen nnd geistlichen Liedern swie sie der Geist giebt auszusprechen Apostg. 2, 4; 4, 24 ff.;10, 46; 19, 6;1. Cor.14,15. 26; Col. 3, 16], singet Und fpielet swenn ihr für euch allein seid] dem HErrn in eurem Herzen sstatt unnützef Gedanken darin zu hegen und etwa gar fleischliche Begierden zu pflegen, wie die des heil. Geistes baaren Leute thun Apostg. 2, 47; Jak. b, 13; Ofsenb. 14, 2 f.], 20. Und faget smittels dieses Singens und Spielens in eurem Herzen Pf. 92, 2 f.] Dank allezeit fur alles swas euch zu Theil wird, sei’s Geistliches oder Leibliches, Großes oder Klei- nes, Freude oder Leid] Gott Und dem Vater [1. Con 15), 241 m dem Namen unsers HErru IesunChristitr [vgl. Col. 3, 16 f.; 4, 2; Jes 63, . V) Auffallend ist es, daß Paulus aus das Laster der Trunkenheit hier die Rede lenkt, das Aufsallende dieses raschen Uebergangs schwindet aber zum größten Theil, wenn wir den sittlichen Zustand der damaligen Zeit in’s Auge fassen (Röm. 13, IS; 1. Petri 4, 3); die Spötter an dem Tage der Pfingsten waren so schnell mit ihrem Urtheile, welches das wunderbare Räthsel des Redens in fremden Zun en lösen sollte, bei der Hand (Apostg.2,13: ,,sie ind voll süßen Weines-«, denn sie hatten s on vielfach Gelegenheit gehabt, Andere im trunkenen Zustande in allen mög- lichen Zuii en lallen zu hören. Die damalige Zeit liebte den ein in hohem Maße, das Trunkensein von Wein galt für keine Schande, für kein Unrecht; dieser weit und breit eingerissenen Unsitte, diesem den Men- schen zum Thier und selbst noch unter das Vieh her- abwürdigenden Laster tritt denn Paulus mit dem Ur- theil entgegen: ,,darin ein unordentlich Wesen ist.« (Nebe.) Der Apostel sagt nicht: ,,trinket überhaupt kei- nen Wein« (vgl. dagegen I. Tim. Z, 23), sondern: ,,sauset euch nicht voll Weins, berauschet euch nicht im Wein!« Der Hochzeitswein zu Eana ist Zeugniß genug dafür, daß es unter Christen ein Weintrinken giebt, welches den heil. Geist Gottes, den Geist der Dank- sagung nicht betrübt (Matth. 11, 19); weil aber die Grenze leicht zu mißachten ist, die zwischen Trinken und Vollsausen, Erfreutheit (Ps. 104, 15) und Be- rauschtheit liegt, so enthielten sich im alten Bunde, ihrer Schwachheit vorsichtisgz eingedenk, die gottverlob- ten Nasiräer gänzlich des eingenusses, um zum Aus- richten göttlicher Dinge wohlgeschickt zu bleiben, und dieses-Fasten empfiehlt sich auch allen Christen, die sich verständiger Weise sagen müssen, daß sie sich in Gefahr begeben, wenn sie sich nicht absolute Enthalt- samkeit auferlegen. (Besser.) ,,Unordentlich Wesen« bezeichnet das Wesen und Treiben dessen, der mit sich und dem Seinen lüderlich umgeht: in solches Wesen geräth, wer trunken wird; er giebt sich weg vor seinen Tischgenossen und schont des Besten nicht, das er hat, und wäre es sein Christenthum (v. HofmannJ Den Christen steht ein ganz anderes Vollwerden zu, sie sollen voll werden vom heil. Geiste: der heil. Geist soll das Element sein, in welchem sie leben und in welchem sie alle eistlichen Güter im reichsten Maße finden. (Sommer3;) It) Wenn der Apostel vorhin mit der näheren Be- stimmung: ,,daraus ein unordentlich Wesen folget« die Wirkung sinnlich ausschweifenden Genusses bezeichnet hat, so bezeichnet er nun mit den Worten: »und redet unter einander in Psalmen und Lobgesängen und geist- lichen Liedern« die Wirkung heiliger christlicher Be- eisterung, womit er im Gegensatz zu den verderblichen Fkrüchten des sinnlichen Weltgenusses die edlen Genüsse der christlichen Geistesgemeinschaft schildern will. Daß er, wie gewöhnlich angenommen wird, die gottes- dienstlich en Verrichtungen habe schildern wollen, ist durch den Zusammenhang nicht entschieden angezeigt, obwohl ihm bei der Schilderung der heidnischen Trink- gelage die frommen geistlichen Versammlungen der Christen, die zu gegenseitiger Erbauung in dem HErrn dienten, der Natur der Sa e nach vor Augen schwe- ben mußten. (Schenkel.) ber das gottesdienstliche und das private Leben sind bei Christen nicht getrennte Dinge, sondern das gottesdienstliche Leben findet sei- Jien Widerhall im häuslichen Leben und im privaten Verkehr: unter einander weben sie solches, wie hier genannt wird, in ihre Gespräche ein, und in ihrer freudigen Stimmung greifen sie oft zum gemeinsamen Gesange. (Braune.) Wenn Goethe sagt: ,,wo man singt, da laßt euch nieder, böse Menschen haben keine Werdet voll Geistes! Saget Dank allezeit für alles! 485 Lieder«, so hat das nur eine gewisse, eine sehr relative Wahrheit; es giebt auch Lieder, welche aus dem Ab- grund stammen, die Lieder dagegen, welche die Christen mit einander sin en, sind heilige, fromme Lieder. Aber nicht blos im erkehr mit einander wird von ihnen dem HErrn gesungen und gespielt: sie können nur um deß willen so erbaulich und herzbeweglich unter ein- ander reden in Psalmen und Lobgesängen und geist- lichen Liedern, weil ein jeder daheim, in der Stille des Hauses, bei den Geschäften dieses Lebens dem HErrn ein feines Lied dichtet, ihm singt und spielt in seinem Herzen. Und das wiederum geschiehet, weil, wie der Apostel in den Worten des 20. Verses sagt, die Grund- stimmung ihrer Herzen und darum auch der Grundton ihrer Reden der Dank gegen Gott ist: sie sagen Dank allezeit, was, wie in l. Cor. 1, 4., nicht gerade hyperbolisch, sondern populär geredet ist, und sagen Dank für alles, wozu Hieron mus bemerkt: »Der Christen Tugend ist die, auch in agen, die für wider- wärtig gehalten werden, Gott Dank zu sagen«, Leo der Große aber erklärt: »Wenn nicht für alles ihm Dank darzubringen, was wäre das anders, als von der einen oder andern Seite her ihn tadeln?« (Nebe.) Alles Christengebet nun, sei es Bitte oder Dank- sagung, gsschiehh wie alles christliche Thun, auf Grund und als ethäti ung desjenigen Verhältnisses zu Gott, welches uns in Jesu Christo vermittelt ist. Wenn es uvor hieß: ,,singet und spielet dem HErrn, wo der Ziame »der HErr« zwischen Gott und Christo nicht unterschied (vgl. 1. Thess. 3,·12), so ist nun in dem Satze, welcher aus-führt, wie dieses Singen und Spielen dem HErrn gemeint sei, zwischen dem, welchem (,,Gott und dem Baker«) und dem, in dessen Namen wir danksagen sollen (,,in dem Namen unsers HErrn Jesu Christi«), unterschieden. (v. Hofmann.) Wäre es doch al o, wie der Apostel will, in unsern Gemeinden, daß das anze Leben erfüllt wäre mit Dank und Psalm und ied und Lob, drängen nur diese Grundsätze bei ihnen durch, so wäre es aus mit der niederträchtigen Rohheit und Gemeinheit, die unter ihnen nichts Gutes, nichts Edles, nichts Schönes aufkommen läßt, und zu Ende mit der angeerbten väterIichen Sitte eines blos im Niedrigen sich bewegenden Gewohnheitslebens (Lohe.) 21. Und swie das Danksagen die Grund- stimmung in eurem Verhältniß zu Gott bilden muß, so sei der Grundcharakter eures wechselseiti- gen Verhältnisses zu einander der, daß ihr] seid unter einander unterthan [1. Petri 5, 51 m der Furcht Gottes [nach besserer Lesart: in der Furcht Christi«2. Cor. 5, 1I]. Aus dem dankenden Nehmen der Gnaden Gottes kommt auch das rechte Weitergehen solcher Gnade an den Nächstenx ein Christ, der es Geistes Gottes voll ist (V. 18), dienet in demüthiger Unterordnung seinen Brüdern. (Sommer.) Es ist dies nicht die einzige Folge des sich des Weins voll Saufens, daß das Band der Zunge gelöst wird, leichtfertige Reden » eführt und unanständi e Lieder gesungen werden: au die Bande der gesellschaftlichen Ordnung werden gelockert, allerlei Brüderschasten werden geschlossen, und, da die gegen- seitige Stellung und Unterordnung nicht gewahrt, also das Gefüge erschüttert wird, ist die unausbleibliche Folge von allen solchen Trinkgelagen Hader und Streit (vgl. Röm. 13, 13). An den vorhin erörterten Erweis des Erfülltseins mit dem heil. Geist schließt sich also dieser neue, der in der Erkenntnis; der gegen- seitigen Stellung und in der Beobachtung der dadurch gezogenen Linien und Schranken besteht, ganz gut an. (Nebe.) Es giebt eine Trunkenheit, die noch heilloser ist als die von Wein, das ist die Trunkenheit des stolzen Menschen von sich selbst, worin er seinen Niich- sten verachtet und unter die Füße tritt, ohne Sinn für die» Furcht Christi, welcher er sich nimmer besinnt, weil sein Herz von der Liebe Christi nichts weiß. Wie nun der Weintrunkenheit der rohen Leute das nüchterne Leben der Christen voll geistlicher Freude, voll Lob und Lied, Psalm und Dank entgegensteht, so thut sich wider die Selbsttrunkenheit der stolzen Leute die Lieb- seligkeit der Christen hervor, ihr eifriges Bemühen, mit allseitiger Unterthänigkeit und Opferfreudigkeit den HErrn zu ehren und ihm wohlzugefallen. (Besser.) Indem der Apostel spricht: »unter einander«, faßt er die verschiedensten Menschen und ihre verschiedensten Lebensverhältnisse zusammen, voran ohne Zweifel die Abhängi keitsverhältnisse, aber auch die der Ueberord- nung un der Gleichstellung, und will, daß die Unter- geordneteii, die Uebergeordneten, die Beigeordnetem daß alle sich gegenseitig sich. unterordnen, und das in der Furcht des HErrw (Löhe.) Wer von Herzen eiii Christ ist, er sei gleich mit den höchsten Gaben be- nadet, der demüthigt sich auch gegen den allergering- ten Christen, denn dieser gehört Christo ebensowohl an, als er, Christus hat ihn auch so theuer erkauft, als ihn; ja er trägt nicht allein der Schwachen Ge- brechlichkeit und Last, sondern er deckt’s auch zu und ist mit seinen Gaben, geistlich und leiblich, alle Stund und Augenblick, wenn’s die Noth fordert, bereit zu dienen mit Trost, Rath, Ermahnung, Hilfe, Strafe &c. (Luther.) 22. DieWeiber seien nnterthan ihren Män- nern [1. Petri i, s; Tit. 2, 5], als dem HErrnt [in dem Bewußtsein, daß sie mit solchem Unter- thansein nicht sowohl einem Menschen, dem be- treffenden Manne, sich unterwerfen, als vielmehr dem HErrn selber Kap. 6, 6 f.; Col. Z, 18]. 23. [Dieser, der HErr, steht ja auch wirklich hinter dem Manne, insofern derselbe im Verhält- niß zum Weibe sein Abbild ist.] Denn der Mann ist des Weibes Haupt [1. Cor. 11, 3], gleichwie auch Christus das Haupt ist der Gemeine [Kap. I, 22; 4, »15], und er Christus] ist seines Leibes [der Gemeine Kap. 1, 231 Heiland swelches Verhältniß ihn nun wiederum dem Manne zu einem Vorbilde macht, dem er nachzueifern hat V. 25 sf.]. 24. Aber sum jetzt zu jenem ersteren Ver- hältniß zurückzukehrem um das es sich für die "Weiber hinsichtlich ihrer Stellung zu den Männern ausschließlich handelt] wie nun lals ihrem Haupte] die Gemeine ist Christo nnterthan also Nonen] auch die Weiber ihren Männern seine jede dem ihren als dem ihr gesetzten Haupte, unterthan sein] in allen Dingen« [worin nun einmal die Ehemänner und Hausherren das Anordnung-Z- und Befehlsrecht haben]. 25. Jht Männer seinerseits, an die ich nun- mehr mich wende und da das andere Verhältniß, welches in der zweiten Hälfte des 23. Verses be- rührt wurde, zur Grundlage nehmen werde], liebe! 486 eure Weiber [Col. Z, 19], gleichwie Christus [der in eurem Verhältniß zu ihnen euch Vorbild sein muß] auch geliebet hat die Gemeine und hat [von solcher Liebe- getrieben] sirh selbst silr sie gegeben [V. g; Gar. 2, 20, 26. Auf daß er swas den nächsten Zweck seiner Selbsthingabe betrifft] sie heiligte [zum Volk des Eigenthums Tit. L, l4; I. Petri 2, 9 f.], nnd [da] hat [er denn, um solchen Zweck auch in Vollzug zu setzen] sie sin allen ihren einzelnen Gliedern] gereiniget [von dem Unflath, in welchem er ihrer natürlichen Beschafsenheit nach sie vor- fand] durch das Wasserbad im Wort [die Taufe, welche kraft des Wortes göttlicher Einsetzung und Verheißung eine Abwaschung von Sünden ist Apostg. 2, 38; 22, 16; I. Cor. 6, U; Tit. Z, 5; 1. Petri 3, 21; Hebt. 9, 14; 10, 22]; 27. Auf daß er [dann schließlich, was den le tzten Zweck seiner Selbsthingabe betrifft] sie [am Tage seiner Wiederkunft, wo es nun zur eigentlichen Hochzeit kommen soll Matth. 25, 1 ff.; 2. Corx 11, L; Offenb. 19, 7; 21, 2J ihm selbst [wie auch nur allein er selber das thun kann] darftellete [als] eine Gemeine, die herrlich [iu vollendeter Schönheit befindlich Pf. 45, 141 sei, die nicht [mehr, wie es vordem wohl noch der Fall gewesen] habe einen Flecken oder Runzel oder deß etwas ldas in die Kategorie des Verunehrenden und Entstellenden gehört Hohel 4, -7], sondern daß sie [nunmehr, was sie früher nur annäherungs- weise, war Kap. 1, 4., in vollendetem Maße] heilig sei und unstrciflichtit [1. Joh. Z, 2]. 28. Also [wie nach dem eben Ausgeführten Christus die Gemeine in einer Weise liebt, daß er sie, die er zu seinem Eigenthumsvolke gemacht hat, nun für seinen eigenen Leib erkennt und ihr zu einem Heilande wird mit allem, was er an ihr thut und vornimmt V. 23] sollen auch die Männer ihre Weiber lieben als ihre eigenen Leiber [die sie ja gemäß dem Worte Adams in I. Mos. L, 23 wirklich sind]. Wer [daher] sein Weib liebet, der liebet [in ihr nicht blos seinen Nächsten als sich selbst, wie ihm in Beziehung auf einen jeden Menschen ohne Unterfchied geboten ist Matth. 22, 39., sondern er liebet unmittelbar und eigent- lich] sich selbst [weil seine Liebe nicht einer zwei- ten, von ihm verfchiedenen, sondern derjenigen Person gilt, die mit ihm zu Einem Leib und Leben verbunden ift]. 29. [Dem eigenen Weibe mit Haß begegnen und ihr Uebles anthun, wäre dagegen geradezu Unnatur für den Mann.] Denn niemand [der nicht ganz aus der Art eines vernünftigen und mit gesunden Sinnen begabten Menschen geschlagen ist] hat jemals sein eigen Fleisch gehasfet sdaß er ihm die Nothdurft versagt oder gar es übel zu- gerichtet hätte; so etwas thut nur ein Besessener Epheser Z, 26——33. Mark. 5, b; Luk. 8, 27; Mark. O, 22., oder ein Mensch von zerrütteten Sinnen Col. 2, 23; 1. Tim. 6,.5; 2. Tini. s, 8], sondern er fjeder Vernünftige] nährt es [sein so mannigfach bedürf- tiges, an sich schwaches Fleisch, damit es bei Kräf- ten bleibe] und pfleget sein sdamit es sich wohl befinde und Unfall und Schaden von ihm abge- wendet werde], gleichivie [denn] auch der HErr die Gemeine [nähret, indem er ihr die Lebens- kräste, deren sie zu ihrem Bestehen bedarf, zu- führet, und ihrer pflegt, indem er ihr Wohlsein fördert und alles Verderben von ihr abhält]. 30. Und« auch von ihm gilt, daß er damit sich selbst liebt V. 28 und seinem eigenen Fleisch Gutes thut V. 29.] Denn wir [die wir seine Gemeine ausmachen] sind [in Hinsicht auf die Stellung, die wir als Einzelpersonen zu ihm, unserm gemeinschaftlichenHaupte, einnehmen] Glie- der seiues Leibes [Kap. 4, 12; 1. Tor. 12, 27., in Hinsicht auf das Wesen aber, das wir als neue Ereatur S. Cor. Z, 17., als der Eine neue Mensch Kap. 2, 15 an uns tragen], von seinem Fleisch und von seinen: Gebeinf [sind ebenso von ihm, dem zweiten Adam I. Cor. 15, 45 u. 47., ge- nommen, wie das Weib vom ersten Adam ge- nommen war I. Mos. 2, 23; 1. Cor. 11, 8]. 31. lDa gilt nun aber auch das Wort, das in I. Mos. 2, 24 zunächst von dem ehelichen Verhältnis; geschrieben steht :] Um deß willen [gleich- sam zum Entgelt dafür, daß das Weib vom Manne genommen ist, oder in nothwendiger Con- sequenz dieses durch die Schöpfungsordnung selber begründeten Verhältnisses zwischen Mann und Weib] wird ein Mensch verlassen Vater und Mutter und seinem Weibe anhangeu, und werden [die] zwei Ein Fleisch sein [Matth. II, 5]. 32. Das Geheinlniß [das ich mit Heranziehung auch dieser Worte an vorliegender Stelle aus- spreche] ist großz ich sage aber- [wenn ich da von einem Menschen rede, der Vater und Mutter verlässet, und von seinem Weibe, der er an- hänget und mit der er Ein Fleisch wird] von Christo und der Gemeine [ihn, Christum, nimmt jetzt der Himmel ein, aber er hänget von dorther seinem Weibe in Liebe an V. 29 und hat ge- wissermaßen keine Ruhe, bis er den Himmel noch einmal verlassen und wieder herniederkommen kann, daß er sie, die Gemeine, heimhole und sich zu völliger Einheit mit ihr zusammenschließe Apostg. 3, 21; Matth. 18, 20; 28, 20; Offenh 22, 12 ff.]. 33. Doch auch ihr [um zum Schluß aus euch, ihr Männer V. 25., wieder zurück zu kommen], ja ein jeglicher lunter euch, jeder einzelne für sein Theil] habe [das Verhältniß Christi zu seiner Ge- meine in allen den hier vorgeführten Beziehungen nachbildend] lieb fein Weib als sich selbst; das Weib aber sum auch das in V. 22—24 Gesagte Die Weiber seien unterthan ihren Männern, und die Männer -sollen lieben ihre Weiber. 487 noch einmal in Erinnerung zu bringen] fürchte den Mann-H- [m·it derjenigen heil. Scheu, mit welcher die Gemeine sich scheuet, Christum, ihren HErrm zu verletzen oder sich ihn zu entfremden, ihm zu Verdruß oder zu Unehre zu gereichen]. «) Es folgt hier die besondere Anwendung der allgemeinen Ermahnun zu gegenseitiger Unterordnung in der Furcht Christi FV »21) mit Beziehung auf den Hausstand Der Apostel redet die Weiber Haus- frauen) zuerst an, in voller Anerkennung ohne weifel der hohen Bedeutung des Weibes für das Familien- leben; wenn er nun da die Weiber zur Unterordnung unter die eigenen Männer (wie der Grundtext wört- lich besagt, vgl. I. Cor. 7, 2;· sah. 4, 18) ermahnt, so deutet er damit an, daß, xe mehr das Weib den Mann als ihm angehörig betrachten darf, es um so mehr auch die Pflicht der Unterordnung gegen den Mann zu beobachten hat. Jedoch kann es nicht seine Absicht sein, den Eheweibern blos die allgemeine, aus der Natur des Geschlechtsverhältnisses entfpringende und von Juden und Heiden längst anerkannte Gehor- samspflicht gegenüber dem Manne (l. Mos. 3, 16) an uempfehlenx nicht aus dem »unterthan«, sondern au dem »als dem HErrn« liegt der Nachdruck. (Schenkel.) Eine erhabenere, idealere und doch unmittelbar aus der lebendigen Tiefe des christlichen Bewußtseins geflossene, daher für alle concreten Verhältnisse praktisch anwend- bare Eheftandsordnung ist nicht denkbar, als sie in dem vorliegenden Abschnitt vom Apostel aufgestellt wird. (Schmidt.) Es ist in diesem reichen und schönen Abschnitte dem Apostel eben so sehr darum zu thun, den Ehegatten das erhabene Urbild ihrer Gemeinschaft in der himmlifchen Ehe des HErrn und seiner Ge- meinde ur Nachfolge vorzuhalten, als wiederum an der irdi chen Ehe selbst darzuthun, wie das Verhältniß des HErrn zu seiner Gemeinde ein eheliches sei. (v. Gerlach.) Nicht zufällig findet sich der ,,rechte evan- gelische Ehespiegel«, wie unsre Alten das vor uns auf- geschlagene apoftolische Wort nennen, gerade im Ephes er- riefe hin estellt: wo wäre derselbe mehr am rechten Ort, als ier, in St. Pauli KirchenepiftelTD (Besser.) VI) Die Not wendigkeit der Unterordnung der Ehe- frau unter den ann wird vom Apo tel aus dem von Gott geordneten Verhältniß beider heile abgeleitet: der Mann ist das Haupt, d. h. die leitende, bestim- mende Macht der Frau, wie Christus die der Kirche; wie daher diese Christo unterworfen ist, also in ihrem Willen durch ihn bestimmt und eleitet wird, so die Ehefrau durch den Mann. Nun ist zwar die Gemeinde Christo in allem unterworfen, weil von ihm nur heili eAnforderungen an sie ausgehen; aber der Mann als ünder kann nicht von der Frau Gehorsam for- dern »in allen Dingen«, wenn er unheilige Zumuthuip en an sie stellt. Natürlich ist das auch nicht die einung des Apostels; wie bei dem unbedingten Be- fehl, der Obri keit zu gehorchen (Röm. 13, 1), immer die Einschrän ung sich von selbst versteht, daß die Obrigkeit nichts wider Gottes Gebot befiehlt, in wel- chem letzteren Falle allerdings der Grundsatz Platz reift, daß man Gott mehr gehorchen müsse, denn den Menschen, so auch hier bei dem Wort: »in allen Din- gen.« Eben weil nach V.22 die Weiber den Männern unterthan sein sollen als dem HErrn, können sie nicht dem Manne gehorchen wider den Willen des HErrn; da indeß der Apostel christliche Ehen vor Augen hat, war es unnöthig, diese sich von selbst ver- stehende Einschränkung besonders hervorzuheben. Aber reilich bezieht sich das Gebot nicht blos auf die güti- gen Ehemänner, sondern auch auf die unbilligen und wunderlichenz solange sich also die Anforderungen des Mannes im Gebiet der bloßen Mitteldinge halten, keinen objektiven göttlichen Geboten entgegen sind, hat, die Frau die Verpflichtung ihnen nachzukominem (Ols- hausen) Mit den Worten: »und er ist seines Leibes Heiland« besagt der Apostel, daß bei Christo zusam- menstehet, wie das Haupt, so auch der eiland seines Leibes, der Gemeinde zu sein; das mu denn auch bei einem Regenten und Ehemannsich bei einander finden, daß er seine Herrschaft zum Heil, nicht aber zum Druck und Schaden derer, die er regiert, gebrauche. (Starke.) O, eine gesegnete Ehe, wo Eheleute beiderseits in Christo stehen, auch in Christo leben und also auf Christum sehen, daß der Mann gedeutet: du mußt dich al o gegen dein Eheweib erweisen, wie Christus gegen die Gemeinde, ja gegen deine eigene Seele; und das Weib: du mußt dich also verhalten, wie die gläubige Seele gegen Christum! Gewiß, da wird’s an herz- licher und geheiligter Liebe nicht fehlen und in der- selbigen weder dem Manne an rechtem Gebrauch feiner Frrgchaftz noch dem Weibe an Unterthänigkeit ( . ange. M) Wenn im Ehebunde die Grundpflicht des Wei- bes Gehorsam gegen den Mann, so ist die Grund- pflicht des Mannes Liebe zu dem Weibe. Das erstere Verhältniß schließt natürlich von Seiten des Mannes Unterordnung unter die Einsicht und den Willen des Weibes für ein elne Fälle nicht aus, wie das letztere nicht die Verp ichtung für das Weib, den Mann zu lieben; aber das Weib soll vor allem Andern den: Mann in Gehorsam sich·unterordnen, weil Herrsch- fucht auf Seiten des Weibes den Frieden der Ehe erstört, und der Mann soll· vor allem Andern das eib in Liebe tragen, weil Selbstsucht auf Seiten des Mannes das Gedeihen des Hausstandes unmög- lich macht. « Wie die Gemeinde in ihrem Gehorsam egen Christum ein Vorbild für den Gehorsam des heweibes, so ist Christus in seiner Liebe gegen die Gemeinde ein Vorbild für» die Liebe des Ehemanns. Der Apostel giebt darauf die nähere Beschaffenheit der Liebe an, welche er von den Ehemännern in ihrem Verhältniß zu den Weibern fordert. (·Schenkel.) Es muß ja eine unaussprechliche Gnade, ja eitel Feuer und Brunst der Liebe sein, daß Christus sich so tief herunter läßt und williglich für uns giebt und sich’s soviel kosten läßt, daß er uns zu sich » bringe; scheut sich nicht, sein theures Blut zu vergießen und den schmählichsten Tod darum zu leiden, daß wir mögeii seine Braut heißen und seine Güter besitzen, nämlich ewige Gerechtigkeit, Freiheit, Seligkeit und Leben für Sünde, Tod und Teufels Gewalt, ·worin wir lagen. Da legt er an uns alle seine Reim keit, daß er uns der Sünden los mache, alle seine E re, daß er unsre Schande decke und wegnehme, sein Leib und Leben, daß er uns aus dem Tode helfe, alle seine himmlischen Güter und Gewalt, daß er uns aus diesem dürftigen, elenden Wesen zu seiner Herrlichkeit bringe; also auch, daß die Sünde und Gebrechen, so noch an uns sind, sollen uns nicht schaden, der Teufel soll uns nicht verklagen, das Gewissen nicht verdammen, der Tod nicht würgen. Denn er stehet da vor uns und spricht: ,,Laß mir meine Braut zufrieden! ist etwas gebrechlich an ihr, das will ich erfüllen; ist sie nicht schön und rein genug, so kann ich sie schön und rein machenx gefällt sie dir nicht, da lie t nicht Macht an, ist genug, daß sie mir gefällt« Alfo soll der Mann nun auch thun: findet er etwas an seinem Weibe, das ihm nicht gefällt, so soll er sich selbst verwandeln und«spdargeben, das ist, er soll seine Lust verlassen, daß der nicht genug geschehe wegen des Fehls feines Weibes; das 488 Epheser S, 1——4. mag nun nicht geschehen, es sei denn, daß er das Böse mit Gutem überwinde und lerne auch lieben, was nicht lieblich ist, daß es lieblich werde. lLut er.) Das den Männern aufgegebene: ,,liebet eure Wei er« ist nicht leichter als das von den Weibern geforderte Unterthansein; wer das lieblose, veränderliche, durch Fehler so leicht ermüdete, schnell zornige Wesen kennt, wird merken, wie tief der Grund gelegt sein muß zur Liebe, die sich nicht aufbläht, mcht das Ihre sucht re. Bei Christo muß man lernen, was Liebe ist: der hat sich den befleckten Zustand der Gemeine nicht hindern lassen, sich ihrer anzunehmen; und was er an der inneren Heiligkeit bei ihr aufrichtet, das wird er auch dort in der Herrlichkeit bei der Hochzeit des Lammes darstellen. (Rieger.) Verlerne, in deiner Ehe ein Paradies erhaschen zu wollen, und lerne dagegen eins zu bauen; so wirst du den HErrn ehren, der dich so werth geachtet und zum Bilde seiner Opferliebe er- hoben hat, und dein Friede wird groß sein. (Besser.) f) Mit den Worten: ,,gleichwie auch der HErr seine Gemeine« sagt der Apostel zunächst nichts weiter, als daß es ein und dasselbe ist, was jeder seinem Fleische und was Christus (nicht, wie in V. 25., in seiner ein für alle Mal geschehenen Liebesthat, sondern in seinem gegenwärtigen und stetigen Liebesthun) der Gemeinde thut; aber freilich bliebe die bloße Gleich- setzung des einen und des andern befremdlich, weil ohne ersichtlichen Zweck, wenn sich die Vergleichung darauf beschränkte und nicht vielmehr durch die darauf folgende Grundangabe ihre Bedeutung bekäme. Der Grund nun, weshalb Christus der Gemeinde thut, wie jedweder seinem Fleische, ist von der Art, daß er Christi Liebe gegen die Gemeinde ebenso zu einer Liebe seiner selbst macht, wie der Apostel des Mannes Liebe zu seinem Weibe Selbstliebe genannt hat; er thut es nämlich, weil wir Glieder sind seines Leibes, aus seinem Fleisch und Gebeine. (v. HofmannJ Nicht nur die Gemeinde in ihrer Gesammtheit, sondern auch jedes einzelne Gen1eindeglied nimmt nach diesem Aus- spruch seinen Ursprung aus dem Fleisch und den Ge- beinen Christi; es genügt da nicht, nur an das geistige Ursprungsverhältniß aus dem Personleben Christi zu denken, da die paradoxe Wahl des Ausdrucks damit nicht erklärt ist; vielmehr weist die Stelle ans V. 25 zurück, und haben wir uns hier des Wortes in Joh- 6, 51 f. zu erinnern, wo Christus die Dahingabe sei- nes Fleisches in den Tod als eine Lebensquelle für die Welt, und des Ausfpruches in Joh. 14, 18 sf., wo er seinen Tod als die Grundbedingung der Ge- meindestistung bezeichnet. Wie aus dem Fleisch und Gebein des ersten Adam während seines Schlummers das Weib nach seiner natiirlichsgeschlechtlichen Beschas- fenheit hervorging, so ging aus dem Fleisch und Ge- bein des zweiten Adam am Marterpfahl des Kreuzes die Gemeinde nach ihrer iibernatürlich-geistlichen Be- schasfenheit hervor; insofern kann im vollen geschicht- lichen Sinne des Worts gesagt werden, daß die Ge- meinde Christi aus dem Fleisch und Gebeinen gezeugt und geboren ist, die Jesus Christus im Opfertod der Liebe dahingab und zerbrechen ließ zur Versöhnung und Erlösung des Menschengeschlechts. (Schenkel.) Der andre Adam heut (am Ostertage) erwacht nach seiner harten Todesnachtz aus einer Seiten er erbaut uns, seine theur erlöste Braut. (Triumph, Triumph, es kömmt mit Pracht &c. V. 5.) Als Christus am Kreuze entschlafen war und der Speerstich feine Seite ver- wundete, da floß Wasser und Blut heraus (Joh. 19, 34 f.) zum Zeichen der heiligen Sacramente, durch welche ihm seine Kirche zum Weibe gebauet ist. (Augustin.) Die eigentlich wiedergebärende Kraft des Glaubens an Christum liegt in dem Glauben an sei- nen Tod und Auferstehung; um diese beiden Stücke dre t sich daher die Predigt des Evangelii, und ihre wie ergebärende und erneuernde Kraft wird vermittelt durch die beiden Sacramente. Wie nun das Weib ,,Männin« heißt darum, daß sie vom Manne enom- men ist, so nennen wir darum, weil wir von Christo genommen sind, uns ,,Christen«. (Apostg. 11, 26.) H) Von der Ueberse ung des im Grundtext für ,,Geheimniß« stehenden ortes(aacs1-yj9io1i) mit Sacra- mentum, wie’s die Vulgata auch in Kap. l, 97 3, 3. 97 I. Tim. Z, 16; Offenb. I, 20 ethan hat, ist die Ueberspannung der in diesem Abs nitt mit Recht er- kannten hohen Würde der Ehe bis dahin, daß die katholische Kirche im Widerspruch mit dem Satze von der Ehelosigkeit der Priester und der Virginität der Heiligen dieselbe als Sacrament proclam1rte, unter- stützt worden. (Braune.) Die Ehe erscheint dem Apostel nicht als ein Geheimniß, als solches be- zeichnet er vielmehr die typische Beziehung, welche zwischen der christlichen Ehe und der Verbindung Christi mit seiner Gemeinde besteht; und er thut dies deshalb, weil nur der erleuchteten christlichen Erkennt- niß der tiefere Sinn dieser Beziehung einzuleuchten vermag. Hiernach nimmt der Mann innerhalb der ehelichen Gemeinschaft gewissermaßen die Stelle Christi selbst ein: Christus ist sein Vorbild; seine Liebe zum auserwählten Weibe soll der Liebe Christi zur auser- wählten Gemeinde immer gleichartiger werden. Das Weib dagegen vertritt in der Ehe gewissermaßen die Stelle der Gemeinde: es soll dem Manne sich unter- ordnen, wie die Gemeinde sich Christo als ihrem Haupte unterordnet; es soll den Mann ehren und fürchtem wie die Gemeinde Christum ehrt und fürchter Jn jeder christlichen Familie soll das Abbild des Reiches Gottes wie das Abbild der Sonne in jedem Thau- tropfen sich spiegeln, bis zur Zeit der Vollendung das Verwesliche die Unverweslichkeit anzieht und die Ge- meinde Christi das Bild der himmlischen Herrlichkeit in ewiger Einheit mit ihrem Haupte trägt. (Schenkel.) Ein christliches Gemüth kann durch nichts mehr von der Ehescheidun abgefchreckt werden als durch den Gedanken: es ist, als ob du dich von Jesu scheidest! Der Unglaube, die Kälte gegen Jesum hat unsre Ehen schrecklich verwiistet (Heubner.) Das s. Kapitel. Christliche haustaM geisiliohe Massen. I. Ihr Kinder, seid gehorsam euren Eltern in dem HErrn fgemäß dem Verhältnis; der Angehörig- keit, m welchem auch ihr schon zu Christo stehet Kap. 4, 1. 17; Col. Z, 20]; denn das ist billigt skommt euch als Kindern von Rechts wegen zu Phil. 1, 7; 2. Thess 1, 6]. 2. Ehre [deinen] Vater und Mutter; das [in 2. Mos. 20, 12 u. b. Mos. b, 16 stehend und von daher euch dem Wortlaut nach gar wohl bekannt Mark. 10, 19] ist das etste san den Meu- schen in seinem Leben herantretende] Gebot, das sdarum auch, als ein Grund legendesJ Verheißung hat fvon einer Verheißung begleitet ist, die, auf die allgemein-menschlichen Verhältnisse angewendet, also sich vernehmen läßt]: Jhr Kinder, seid gehorsam euren Eltern, und ihr Väter, reizet eure Kinder nicht zum Zorn! 489 Z. Auf daß dirjs wohl gehe, und du lange lebest ausErdentt fSirach 3, 1 ff.; 1.Tim.4,8]. 4. Und ihr Vater [denen ich für euer Theil auch etwas zu sagen habe], teizet eure Kinder nicht zum Zorn [durch Ungerechtigkeih Le1denschaft- lichkeit, Härte und sonstige Art der Behandlung, die ihr Gemüth gegen euch erbittern würde Col. S, 21]; sondern ziehet sie auf in der Zucht und Vermahnung zum HErrMtt [Jes. 45, 11 — im Grundtext steht: des HErrn, d. i. mit einer solchen Zucht und Vermahnung, wie der HErr sie übt, dessen Erziehungsweise nicht reizt, sondern gewinnt]. «) Dem Verhältnisse von Mann und Weib steht das von Eltern und Kindern am nächstenz wenn nun der Apostel in einem Brtefe, welcher bestimmt war, in versammelter Gemeinde vorgelefen zu werden, auch die Kinder anredet, so setzt er jedenfalls voraus, daß auch Kinder der Vorlesung seines Briefes beiwohnen, sonst würde er nur sagen, was denKindern eing esch ärft werden solle. Diejenigen Kinder aber, deren Gegen- wart er voraussetzh behandelt er als Angehörige der Gemeinde, welche das geoffenbarte Gesetz kennen und welche wissen, was es heißt, daß sie ihren Eltern ge- horchen sollen in dem HErrnz einen christlichen Ge- horsam nun kann der Apostel nur von solchen verlan- gen, von denen er voraussetzh daß sie Christen sein und als Christen leben wollen — aus Grund dessen ihn zu fordern, weil ihre Eltern Christen waren, würde vergeblich gewesen sein. Gab es nun solche Kinder, wodurch unterschieden sie sich von den getauften Er- wachsenen, daß man sie etwa deshalb ungetauft ließ? und worauf konnte man warten wollen, ehe man sie taufte? Es wird also daraus, daß der Apostel auch zu den Kindern und daß er so zu ihnen redet, aller- dings (vgl. zu Apostg. 21, 6 u. 1. Cor. 7, 14) für den Gebrauch der Kind ertaufe etwas folgen. (v. Hof- mann.) Auch das ,,Vermahnung zum HErrn« in V.4 nöthigt dazu, die Kindertaufe als apostolische Ordnung anzusehen; die Voraussetzung für das Verhalten der Kinder zu den Eltern und der Eltern den Kindern gegenüber ist das Verhältniß beider zu Christo. (Braune.) Man fragt oft, mit was man die Kinder ermuntern und zu ihrer Pflicht anhalten soll, und meint insgemein, die Ehrliebe und das Erregen der- selben sei das kräftigste Mittel; aber wer nach Gottes Wort ihr Wahrheitsgesühl mit diesem trifft: »das ist billig«, der geht weit sicherer. Es ist bei Kindern oft ein viel reineres Gefühl, als wir vermuthen; wir ver- derben’s erst durch so viele eitle Beweggründr. (Rieger.) Pf) Gott spricht nicht: »du sollst deinen Vater und deine Mutter lieb haben«, sondern: »du sollst sie ehren«; denn die Ehre streckt sich weiter aus und ist etwas Größeres denn Liebe. Liebe ist gegen die, die uns gleich sind; aber die Ehre eht gegen einen Höheren und hat eine Furcht mit ich, daß man den nicht beleidige, so wir ehren, und thut sich auch unter den als unter einen Herrn nicht um der Strafe willen, sondern daß er ihn lieb hat, den er ehrt. Darum hält Gott viel von Vater und Mutter; denn die Ehre ebührt Gott allein, er theilt sie aber Vater und utter mit. Nach den ersten drei Geboten wird Gott geehrt als in ihm selbst, aber- in diesem Gebot wird er geehrt in Andern, nämlich in seinen Regenten und Statt alter-i; denn Vater und Mutter sind ein Stuhl, We tatt, Altar und Gnadenthron Gottes. Wie spricht denn aber Paulus, daß das vierte Gebot sei das e rste, das eine Zusage habe von Gott? Antwort: Paulus führt gewöhnlich die Gebote der andern und nicht der ersten Tafel ein (Rdm. 13, 9), wie auch Christus (in Matth. 19, 17 fs.); er redet zu Christen, die jetzt genug nnterrichtet sind im Glauben und in dem, was Gott antrisft, und dürfen nun nicht mehr, denn daß sie sich gegen ihren Nächsten halten, wie sich Gott gegen sie gehalten hat, und da ist denn das vierte Gebot aller- dings das erste, und wie nun das erste Gebot der ersten Tafel eine Verheißung hat (5. Mos. Z, 10), also hat dies vierte auch vor den andern Geboten der andern Tafel seine Zusagung denen, die es halten, nämlich daß sie lange leben sollen. (Luther.) Mit dem Vater- Anruf im heil. Vaterunser ergreifen wir den HErrn, unsern Gott, der im ersten Gebot sich selbst zum höch- sten Gut uns vorhält; in der Bitte, daß geheiligt werde sein Name, strecken wir uns zu dem himmlischen Gut des zweiten Gebots; in der Bitte, daß Gottes Reich zu uns komme, schütten wir unser Verlangen nach dem himmlischen Segen des dritten Gebotes aus; mit der Bitte aber, daß bei uns Gottes Wille geschehe, rühren wir vor allem das vierte Gebot an, denn wo dies Gebot dentWandel der Heiligen regiert als im HErrn, da geschieht wahrlich Gottes guter und gnädi- ger Wille und es folgt alles Geschehen desselben im Gehorsam der übrigen Gebote diesem ersten Geschehen in lauter Segen nach. Haus und Familie, in’s vierte Gebot gefaßt, sind »die rechten Brunnenstuben aller göttlichen Wohlthaten, die Pflanzstätten des Himmels auf Erden. Und nun ist ein erstes Gebot das vierte ja auch in dem Sinne, daß es als erstes von allen den Kleinen und Unmündigen bege net: selbst die drei gottesdienstlichen Gebote der ersten afel kommen nach Gottes Ordnung (vgl. V. 4) zuerst eingewickelt in das vierte Gebot an die Kindlein, die von ihren Eltern das Abba lallen lernen, wozu sie in der eil. Taufe Stimme erlangt haben. (Besser.) Jn der iedergabe der Verheißungsworte des Gebots beseitigt der Apostel absichtlich die particularistische Nebenbe iehung auf das Land Canaan und wendet den Verhei un ssegen auch den Heiden zu. (Schenkel.) Auch dann erfüllt sich die Verheißung, wenn das Wo lergehen sehr andrer Art ist, als wie Weltkinder es ich wiinschen würden, und wenn die Lebenslänge da, wo sie kein wirkliches Gut wäre, sich kürzt. (v. Hofmannh VI) Die Mütter redet der Apostel darum nicht mit an, weil der Mann, als das Haupt des Weibes, auch in der Kinderzucht das Regiment hat, und die Weiber, als den Männern unterthan, das Erziehun swerk nur mit betreiben. (Meher.) Die Väter sind ie verant- wortlichen Repräsentanten. (Braune.) Vielleicht redet der Apostel auch deshalb die Väter vornehmlich an, weil er den Eltern ein Verbot zu sa en hat, welches den Vätern gewöhnlich nöthiger als en Müttern ist. (Besser.) Die Ermahnung des Apostels ist eine dop- pelte, eine negative und eine po itivex die nega- tive lautet dahin, daß die Väter in ihren Kindern nicht den Zorn erregen sollen, denn da nach Kap.4, 26 der sündliche Zorn verwerflich ist (und die Aufgebrachtheit der Kinder gegen die Eltern ist immer sündlich), so heißt die Kinder erzürnen soviel, als sie zur Sünde reizen. (Schenkel.) Zum orn reizen geschieht nicht nur durch unbarmherziges reinschlagem sondern auch durch andres unge chicktes Behandelm ob es gleich oft viel Schein des Rechten hat. Das Gesetz richtet Zorn an, weil es fordert, was der Mensch haßt und fliehet, sich es zu thun umsonst bemühet, und es do? mit Zurechnung der· Sünde bei immer me r erregten üsten scharf nimmt; je« mehr nun in der uferziehung alles darauf gesetzt wird, daß man durch das Gesetz, durch 490 Epheser S, 5——9. Gebieten, Verbieten, Drohen, Strafen, alles allein ausrichten will, je mehr geräth man in die Versuchung, seine Kinder um Zorn zu reizen» Zwangsmitteh Strenge und ist richten es gewiß nicht aus:·d»amit macht man die Untergebenen nur auch desto arglistigerz wenn du die gemalten Früchte, die du gezeitigt zu haben glaubst, einmal aufbrechen wirst, so siehe zu, was inwendig sei. (Rieger.) Die positive Ermahnung des Apostels lautet: ,,z1ehet sie auf in Zucht und Ver- mahnung des HErrn«, welcher letztere Genitiv nicht als blos zu ,,Vermahnung« gehör-is und als ein Genitiv des Objekts (Luther: »zum H rrn«), sondern als auf beides, Zucht und Vermahnung zugleich, sich bezie end und als Genitiv des Subjekts zu fassen ist. Die ucht bestehet im Werk, die Vermahnung im Wort; jene ist nicht blos Strafe, sondern auch strenge Ordnung des Hauses, Gewöhnung an Selbstentsagung, Dienstfertigkeit, Eingestehen des Fehlers ohne Winkel- zu , diese umfaßt ernstes Warnen (1. Cor. 10, H) uns) freundliches Ermahnen (Tit. 3, 10; l. Cor.4,14), was offenbar vorherrscht vor scharfem Rügen. (Braune.) Die Zucht hat das Vorwärtsbringen, die Ver- mahnung das Zurechtbringen zur Aufgabe; ersteres nun ist Sache der Maßnahme und Anordnung, dieses Sache des Worts. (v. HofmannJ Verstehen wir unter des Errn Zucht und Vermahnung diejenige, welche als hristi Werkzeuge die Eltern an ihren Kindern üben sollen, so kommt die Sache auf Luther’s Ueber- setzung hinaus; denn durch eine solche werden ja die Kinder zum HErrn erzogen. Ohne Brechen des sleischlichen Eigenwilleiis in den Kindern nun wird die Zucht nicht bestehen können, und zu diesem Vrechen ist das pädagogische, zuchtmeisterliche Gesetz vonnöthen; bei der Vermahnung dagegen ist das Gleichniß von dem still und allmälig wachsenden Samen (Mark. 4, 26 sf·) wohl zu beherzigem Manche gläubige Eltern verderben an ihren Kindern durch ungeduldige Frucht- sucht die zarten Weizenkeime oder überfüttern sie mit Gerede von Christo, ehe sie das in’s Herz Ausgenom- mene verdauet haben können, bis zum Ekel und Wider- willen. (Vesser.) « Z. Jht Knechte [vgl. die Bem. zu 1. Cor. 7, 23], seid gehorsam euren leiblichen Herren [deren Knechte oder Sclaven ihr nach äußerlicher, zeitlicher Lebensstellung nun einmal seid], mit Furcht und Zittern [mit einem Eifer, welcher immer lebhaft besorgt ist, daß nicht genug von euch ge- schehen möchte 2. Cur. 7, 15; I. Petri 2, 18], in Eiufältigieit eures Herzens [2. Eor- s, 25 Rom. 12, 8], als Christo [Kap. 5, 22J; ; C. Nicht mit Dienst allein vor Augen, als den Menschen zu gefallen, sondern als die Knechte Christi [Col. 3, 22 f.], daß ihr solchen Willen Gottes thut von Herzen [ohne alle Unzufriedenheit wegen eurer dienstlichen Stelluttgii mit gutem Willen [in persönlicher Anhänglichkeit an eure Dienstherrens » 7. Lasset euch danken, daß ihr dem HErrn dienet, nnd nicht den Menschenz 8. Und wisset, was ein eglicher sin der ihm eigenen Lebens- und Berufstktellungj Gutes thun wird, das wird er von dem HErrn sin dem ent- sprechenden Lohn Z. Cor. b, 10 am Tage des Gerichts] empfahen, er sei ein Knecht oder ein Freier« salso daß auch ihr, die Knechte, auf solche Vergeltung rechnen dürft Col. Z, 24]. I. Und ihr Herren, thut anch dasselbige swas ich soeben von den Knechten im Verhältniss zu ihren leiblichen Herren gefordert habe] gegen sie [indem ihr euch aus jenen Vorschriften die eurem Herrenstande entsprechenden ja wohl von« selbst werdet herleiten können], nnd lasset das Drånen [wie es thrannische Herren, die ihre Knechte wollen ihre Obmacht fühlen lassen, an der Art haben Z. Mos. 25, 43], nnd wisset, daß auch euer HErr sder nämliche, wie der der Sclaven V. 7 f.; Col. 4, I] im Himmel ist, und ist bei ihm kein Ansehen der Person» [Gal. 2, 6., wenn er nun kommt, sein Gericht zu halten, daß er das von euch als Herren an euren Sclaven begangene Unrecht darum sollte ungestraft lassen, weil eben sie, an denen es« geschehen, Sclaven waren, ihr aber, die ihr es begangen, Herren gewesen seid]. s) Die apostolische Erniahnung an die Knechte oder Sclaven schließt sich unmittelbar an die, die Kinder und Eltern betreffende an, weil die Sclaven im Alterthum einen wesentlichen Beftandtheil der Fa- milie oder der Hausgenossenschaft bildeten. Daraus, daß unsre Stelle keine Mißbilligung der Sclaverei enthält und daß der Apostel auch anderwärts die christliche Freiheit als mit dem Selavenstande nicht unverträglich betrachtet, folgt im Geringsten nicht eine Billigung derselben: da das Christenthum die Bestim- mung ha«t, den Menschen und die Menschheit von innen heraus zu erneuern, so war es auch nicht die Aufgabe des Apostels, auf eine äußere Um estal- tung des Verhältnisses der Sclaven zu ihren erren zu dringen; vielmehr mußten Jahrhunderte noch hin- gehen, die Macht des Heidenthums mußte erst in der innersten Wurzel gebrochen werden, bevor der Geist der christlichen Freiheit die Ueberzeugung von der Un- verträglichkeit der Sclaverei und Leibeigenschaft mit der durch das Christenthum zur vollen Anerkennung gebrachten Idee der Gottbildlichkeit des Menschen in’s allgemeine fittliche Bewußtsein der Völker erheben konnte. Bedeutungsvoll ist es nun hier schon, daß Paulus die Herren der Sclaven als leibliche Herren bezeichnet: damit ist die Gewalt des Herrn auf die Naturseite seines Sclaven beschränkt; die Herren sollen nur über die äußeren Verhältnisse der Sclaven zu ge- bieten haben, ihr Gewissen dagegen ist frei, d· h. ledig- lich dem himmlischen HErrn unterworfen. (Schenkel.) Dem ,,seid gehorsam euren leiblichen Herren« fügt der Apostel drei einander nebengeordnete äherbestiinmuw gen hinzu, von denen jede folgende die fittliche For- erung höher stellt. Die erste: ,,mit Furcht und Zit- tern« verlangt einen Gehorsam, bei welchem der Knecht vor dem Gedanken zittert, seiner Pflicht in irgend einem Stücke zu fehlen; die zweite: »in Einfältigkeit eures Herzens« verlangt einen Gehorsam, bei welchem er schlicht und recht, ohne Nebenabsichh darauf gerichtet ist, seiner Pflicht zu genügen; die dritte: »als hristo« verlangt einen Gehorsam, bei welchem er von dem Be- wußtsein geleitet wird, daß es im Dienste Christi, als Erfüllung seines Willens, zu geschehen hat. Dies »als Christo« wird dann weiter ausgeführt in dem eine weite Reihe bildenden Satze: ,,nicht mit Dienst vor ugen, als den Menschen zu gefallen, sondern als die Knechte Christi den Willen Gottes thuend.« Wenn es Jhr Knechte, seid gehorsam euren leiblichen Herren, und ihr Herren, thut dasselbige gegen sie! 491 dem Knechte nur um den mens lichen Beifall seines Herrn zu thun ist, so wird sein ehorchen nicht weiter reichen, als das Auge desselben; guts» anders, wenn er in der Eigenschaft eines Knechtes hristi dient, der Gottes Willen thut. Daran, daß ihr Gehorchen ein Thun des Willens Gottes sein soll, schließt sich dann in dritter Reihe an, welches ihre innere Stellung zu dem Knechtsverhältnisse sein soll, in welchem sie zu gehorchen haben: was man »von Herzen« thut, das thut man gern, weil aus wirklicher und -selbsteigener Her ensmeinung; dage en, um etwas ,,mit gutem Wi en« zu thun, mu das, was man thut, einer Person geschehen, der man freundlich gesinnt ist. Wäh- rend also jenes die innerliehe Stellung des Dienenden Z: seinem Dienste bezeichnet, charakterisirt dieses seine teltung zu seinem Dienftherrn. Beides aber, das Gehorchen von Herzen und das Gehorchen mit gutem Willen, könnte nicht schlecht in geboten sein, wenn nicht vorausgefetzt wäre, daß si der Dienende im Dienste des himmlischen HErrn weiß; wüßte er sich nur im Dienste von Menschen, so würde die Gemüthsverfas- sung, mit der er dient, von der Beschaffenheit seiner Herren abhängen. Daher fügt der Apostel hinzu: ,,lasset euch dünken, daß ihr dem HErrn dienet, und nicht den Menschen«; denn thun sie diesen ihren Dienst, so werden sie unter allen Umständen ihn von Herzen und mit gutem Willen thun» können. Jhr Dienen ist aber dann auch ein Gutesthun, dessen Lohn sie vom HErrn empfangen werden, wie sie ja wissen, daß, was immer jedweder Gutes gethan hat, vom HErrn ihm als entsprechendes Gut zu Theil werden wird, ohne Unterschied, ob er Knecht ist oder Freier. (v.Hofmann.) Wenn also auch der leibliche Herr ihre wohlgemeinten Dienste nie anerkennen sollte, haben sie doch von dem himmlischen die Anerkennung zu erwarten. (v. Gerlach.) «) So ausführlich, wie in V. 5—8 geschehen, spricht der Apostel u den Sclaven, um sie ihren har- ten und verachteten tand christlich würdigen und ihrem Christenstande gemäß darin leben zu lehren; wenige Worte dagegen genü ten densHerren gegenüber, um so wenigere, als die elehrung der Sclaven auch sie schon belehrte, wie sie ihre Sclaven anzusehenhättem Der Gleichheit entsprechend, die vor Gott zwischen ihnen und jenen besteht, und unter Hinweis auf den immlischen HErrn, dessen unparteiischem Gericht sie eide unterstehen, ruft er ihnen zu: ,,thut dasselbige göegen sie« mit dem Beisiigem ,,lasset das Dräuen«. ie sollen das Bedrohen sein lassen, die herkömmliche Weise, durch Schrecken die Sclaven in Zucht zu halten, aufgeben und statt dessen ihnen solche Herren seien, wie christliche Sclaven ihnen Knechte sein sollen; ohne sich aufCinzelnes der an die Sclaven ergangenen Ermahnung zu beziehen, ist das ,,dasselbige« ähnlich gemeint, wie wenn Jesus (Matth. 7, 12) ermahnt: ,,alles, das ihr wollet, das euch die Leute thun sollen, das thut ihr ihnen«- (v. Hofmannh Den Herren gilt das Wort: wie der HErr euch behandelt hat, so be- handelt nun ihr eure Sclaven (eine andere Erklärung des Satzesx ,,thut auch dasselbige«, als die oben ge- gebene); oder aber, wie ihr die Sclaven behandelt, so wird euch einst der HErr behandeln. (Bengel.) Vor dem irdischen Gericht fanden im Alterthum die Herren auch bei einer ungerechten Behandlung ihrer Sclaven ohne Schwieri keit Schuh: nicht so wird es geschehen vor dem Geri t Jesu Christi, der ja schon während seiner irdischen Erscheinung auf Erden der Vertreter der Bedriickten und ungerecht Behandelten gewesen ist. (Schenkel.) III. v. 10———20. hat der Apostel in den beiden bisheri- gen Abschnitten des xiaräneiisasen Theils seines sriefs zu einem des Chrisienbeeufs würdigen Wandel er- mahnt, so ermahnt er die Leser jetzt, nach dem Skhlusse der Geiste! hin lenkend, zu dem, was fle zu ihrer khristtichen Selbsibehauptung wider die von außen her sie ansechtenden siktächte bedürfen; sie sollen start: werden in dem hlltrrn und mit der Macht seiner Stärke net) ausrüslen lassen. Indem Paulus in dieser unsrer Gpistel die menschlichen Gottes- und Christusfeindg die aus der Kirche selber in dcn nehm: aufheben, so gut wie ganz aus dem Spiel läßt (anders als in dem Uaraltelbriefe an die Colosser), faßt er dagegen die un- sichtbaren Geiste-möchte, welche wider die Christenheit streiten, es auf die vernikhtung der Kirche abgesehen haben und ihr wohl in skilde eine Schtatht bereiten werden, in der es eine große Gntseheidung gilt, desto schärfer: in’s Jluge und dringt nun in die Leser, gieiasi wie sie seht schon den Gurt um die Lenden zu binden, den panzer um die Gruft zu legen und die Feldstiefel unter die Füße zu binden haben, so besonders am Tage der Schlacht selber den Skhild zu ergreifen und den heim aufzusehen und das Skhwert in die Hand zu nehmen, damit diese zum Siege für die Gemeinde des hGrrn aus-schlage. Sind es ohne Zweifel die bald bevorstehen- den Christenverfolgungem aus die sein weissagendes Wort zunäihsl hindeutet, so wird die Bedeutung dessen, was er weiter von dem Einhalten mit Bitten und Flehen im Geist sagt, uns besonders lelar durch das richtige Verständnis des Gesiehles in Osfenu s, 1—4. (Epiliel am 2l. Sonntage nach Trinilatish Das Leben ein Kampf, nicht mit Fleisch und Blut allein, sondern mit Fürsten und Gewalti en, mit den Herren der Welt, den Dämonen: dies iä das große Thema unsrer heutigen Epistel; mit dieser Epistel ver- einigt aber ist das Evangelium von der Heilung, welche unser hochgelobter Err an dem Sohne eines köni - lichen Beamten zu apernaum aus der Ferne bewir te (Joh. 4, 47 ff.). Da soll wohl nach dem Sinne der Kir e dem kämpfenden Heere der Christenheit der gro e Beistand, der Kriegsheer, gezeigt werden, der aus der Ferne hilft, ja der selbst nahe ist; oder, was dasselbe ist, es soll wohl neben dem königlichen HErrm der in der Nähe und Ferne die Krankheiten und alles beherrscht, das von ihm mit Kraft und Sieg begabte Heer seiner Nachfolger erscheinen. Neben dem Gewal- tigen stehen die Gewaltigen, und das Andenken an jenen stärkt diese. (Löhe.) Des Apostels Feldpre- digt; sie zeigt I) den Feind, gegen den wir streiten, Z) die Waffenrüstung, in der wir streiten, 3) das Reich, dafür wir streiten. (Münkel.) Das Leben des Christen ein Kampf: I) wer ist der Feind? Z) wie heißt die Wehr? Z) wann ist denn Ruh? Seh- bold.) Vom Kampf gegen das Reich des eu- fels: 1) wie schwer dieser Kampf sei; 2) mit welchen Waffen er zu führen sei. (Kapsf.) Von dem Kampfe, zu welchem die Gemeinde des HErrn berufen ist: 1) es ist ein fchwerer Kampf, denn er gilt den Mächten der Hölle; Z) es ist ein hofsnungsreicher Kampf, denn der HErr steht feiner Gemeinde zur Seite; Z) es ist ein heiliger Kampf, denn im heil. Sinne und mit heil. Waffen wird er geführt. (Ranke.) Die geistliche Wafsenrüstung des Christen: 1) warum unsre Wassenrüstung eine geistliche sein muß? Z) aus welchen Stücken sie besteht? (Baur.) Seid stark in dem HErrm 1) was ist das? Z) wie geschieht das? (Petri.) Wann ist der Christ star in dem HErrn? I) wenn er in der Gerech- tigkeit des Glaubens einen festen Stand gewonnen hat; L) wenn er das Wort Gottes als sein scharfes 492 Epheser 6, 10—13. Schwert äebrauchtx s) wenn er der Siegesverheißung seines H rrn gewiß bleibt bis an’s Ende. (Sommer.) 10. Zule t, meine Brüder [2. Cor. 13, 11], seid ·star in» dem HGrrn und in der Macht-seiner Starke-«· [Jes. 45, 24; 2. Tim. 2, I; Phil. 4, 13]. 11. Ziehet [denn, um als die mit der Macht der Stärke des HErrn Begabten euch auch zu zeigen und zu erweisen] an den Harnisch Got- tes [die Vollrüstung, mit welcher Gott die Streiter in seinem Reiche ausrüsteh gleichwie er bei seinen eigenen Kämpfen eine solche Rüstung trägt Jes. 59, 17; Weish. 5, 17 ss.], daß»ihr bestehen könnet gegen die listigen Anlaufe des Teufels« [die er auf euch jetzt schon macht und wohl bald noch ärger machen wird]. 12. [Mit gutem Grunde trete ich mit so ernsten, außerordentlichen Ermahnungen an euch heran.] Denn wir haben [in den Zeiten, wie sie nunmehr über uns Christen kommen Kap. 5, 16] nicht mit Fleisch nnd Blut [Mit schwachen und hinfälligen Menschen Gal. 1, 16] zu käm- pfen [wenngleich solche die äußerlich und sichtbar uns gegenüberstehenden Feinde sind], sondern [vielmehr] mit [den unsichtbarer Weise hinter jenen stehenden] Fürsten nnd Gewaltigen [d. i. mit übermenschlichen Mächten Kap. 3, 10], nämlich mit den Herren der Welt, die in der Fin- sternis? dieser Welt herrschen [2. Cor. 4, 45 1.Joh. 5, 19], mit den bösen Geistern unter dem Himmels« [vgl. Kap. Z, 2; Jes 24, 21]. 13. Um deß willen [weil eben nicht mit Menschen, sondern mit dem Teufel und seinen Mächten zu kämpfen ist, und es dazu einer Stärke bedarf, die noch stärker ist als die der Engel- mächte der Finsternißs so ergreifet den Har- nisch Gottes [von dem in V. 11 redete], auf daß ihr an dem bosen Tage [wenn der Finsternis; nun Macht gelassen wird Luk. 22, 53; Offenlx 3, 10] Widerstand thun nnd alles swas zu einem siegreichen Kampfe erforderlich ist] wohl ausrichten und das Feld behalten mögst-l- l1. Joh. 4, 4]- V) Mit ,,zuletzt« faßt der Apostel zusammen, was schließlich noch zu sagen ist; diese Ermahnung liegt ihm noch auf dem Herzen, sie drän t einem gewalti- gen Strome gleich mit Macht und· ülle sich hervor. s ist eine Ansprache, welche ein vielerfahrener Feld- herr an sein Heer richtet, ein Armeebefehl an dem Vorabend einer Entscheidungsschlacht (Nebe.) Un- zweifelhaft hat der Apostel die letzten großen Ent- scheidungen im Auge, die der Vollendung des Reiches Gottes auf Erden vorangehen werden und die nach der durchgängigen Lehre des neuen Testaments von einem furchtbaren Kampfe mit den Mächten der Fin- sterniß begleitet sein müssen; und in der That hat der- selbe nur wenige Jahre nach der Abfassung unsers Briefs (Anh. II. zum 6. Bande: a, 2 n. c, 3) in der blutigen Verfolgung der Christen durch Kaiser Nero den ersten Anfang genommen. (Schenkel.) Der Apostel seht darum die zwei Stücke: ,,stark sein in dem HErrn« und »in der Macht seiner Stärke«, an uzeigen, daß zweierlei Kräfte sind, die wir haben müssen — eine, daß wir fest bleiben bei dem, das wir glauben und thun sollen, und nicht ablassen, und das heißt für sich selbst stark fein; die andere ist, daß man nicht allein sich schütze, sondern auch die Feinde in die Flucht fchlage. Jenes ist eine Schützkrafh aber dies heißt eine Wehr- oder Siegkraft, die nicht allein für sich selbst steht, sondern kann auch um sich hauen unter die Feinde; dazu gehört nun mehr und größere Rüstung, denn zu der ersten, und dies heißt er die Macht der Stärke des HErrn, was gar hebriiisch geredet ist und soviel bedeutet als seine mächtige Stärke oder seine große Kraft. (Luther.) Ueber nichts ist der Mensch so sehr im Unklaren als über seine Stärke: jeder, wenn er auch noch so schwach ist, dünkt sich stark; das zeigen seine Vorsätze, Pläne, die dochvereitelt werden und meist in Scherben gehn. Mit der Stärke ist’s, wie mit der Schönheih die sich Keiner, auch der Häßs lichste nicht, fern dünkt; daß allein in dem HErrn, dem Starken und Gewaltigen, die Stärke zu suchen und zu finden ist, bedenken alle die nicht, welche die wahre Freiheit nicht in der Knechtfchaft Gottes grün- den mögen. (Hraune.) IV) Das Bild vom christlichen Kampf und der geist- lichen Wasfenrüstung findet sich auch in andern Stellen des neuen Testaments (2. Cor. 10, 4; 1. Thess 5, 8; 1. Tim- 6, 12), aber hier am vollständigsten und aus- fiihrlichstem es erklärt sich dies, wenn man erwägt, daß der Apostel das prätorianische Lager zu Rom (Apost . 28, 16 Anat) vor Au en hatte, als er unsern Brief schrieh und täglich die üstung und den pünkt- lichen Lagerdienst dieser Elite des. römischen Heeres anschaute. Auf Grund dessen nun, was er hier und im Fol enden aus-führt, faßten die alten Christen ihr ganzes «eben als militia Christian-a, (christlichen Kriegs- dienst) auf; darnach war ihnen das Glaubensbekennt- niß die tessera oder Parole ihres himmlifchen Heer- führers, die Gebete und Fasten galten ihnen als sta- tiones oder Wachpostendienste (wofür Mittwoch und Freitag besonders bestimmt waren Z. Mos. 16, 31 Anm.), die Sünde und die böxen Geister für die Feinde, das himmlische Vaterland ür das zu erobernde Reich und die Seligkeit für die Siegeskrone. (Olshausen.) Unter Harnisch versteht Luther, wie hier und in V· 13., so auch sonst zumeist nicht das einzelne, so enannte Stück der Waffenrüstung, sondern die ge ammte Waffenrüstung selber, überhaupt alles Kriegsgerätge 5· Mos. l, 41; ich. , .; I. Sam. 8, I; red. 9, 185 Luk. 11, 22); es verräth daher Mangel an Kenntniß seines Sprachgebrauchs (vgl. die Bem- zu Hiob 10, 11), wenn man ihm vorw1rft, .er habe den Grundtext (pan0p1ja) falsch wiedergegeben. Daß er vielmehr ihn ganz richtig aufgefaßt hat, beweist seine Auslegung zur Stelle: ,,Paulus heißt uns erst- lich Harnisch anlegen als Kriegsleute, die zum Kampf gerüstet sein und sich zur Gegenwehr stellen sollen; er wird solchen Harnisch hernach (V. 14 ff.) nennen, was es sei, und nach einander zählen, was dazu ge· hört, hier aber redet er noch insgemein hin, daß es ein Harnisch müsse sein nicht eines Menschen, sondern Gottes selbst. Denn hier steht keine menschliche Stärke, Kraft noch Weisheit und Vernunft wider diesen Feind; er kann es alles zu Pulver und Asche machen, wenn er mit seinem Odem drein bläset. Darum, weil ihr andere Krieger seid, will der Apostel sagen, und andere Feinde wider euch habt, so müßt ihr auch andern Harnisch haben, denn die Welt hat oder machen kann. Er nennt es aber auch darum Gottes Harnisch, anzu- Seid stark in dem HErrn und in der Macht s einer Stärke! 493 zeigen, was für eine Sache ist, darüber wir kämpfen müssen, nämlich daß der Krieg Gottes selbst ist und wir seine Krieger, als die für ihn und seine Sache streiten; darum müssen wir auch seinen Harnisch führen, damit er kriegt. Denn ob er gleich für sich selbst dem Teufel Mannes genug ist und wohl mit einem Finger, ja mit einem Wort wehren und all seinem Toben und Wüthen steuern könnte, noch will er durch solch schwach Gefäß ihn schlagen und durch uns Ehre einlegen an solchem stolzen, mächtigen Feinde, auf daß er seine göttliche Kraft in unsrer Schwachheit beweise; solches verdrießt auch den Teufel, daß Gott ihm solch gebrechlichen losen Zeug (1. San»i. 1»7, 10) vorwirft, und greift uns zorniglich und grimmig an, als wollt er uns in einem Nu zerschmettern wie einen Haufen Töpfe« IN) Der Apostel giebt hier den Grund an, warum er zu dem im vorigen Verse genannten Zwecke und wider den daselbst genannten Feind im HErrn zu er- starken und die Rüstung Gottes anzuthun ermahnt; er thut es nämlich, weil der Kanipf, den wir haben, kein Kampf egen Menschen, sondern gegen die argen Geistwesen it. Einen Ringkampf nennt er ihn im Grundtext weils-V, um auszudrücken, daß es sich darum handelt, wer schließlich obenauf bleibt szugleich aber auch mit Rücksicht darauf, daß in diesem Kampfe ein jeder für sich selbst angegriffen ist, denn der Ringkampf ist feinem·Wesen nach ein»Einzelkampf); und nicht das eigene Fleisch und Blut meint er, wenn er schreibt: »wir haben nicht mit Fleisch und Blut zu kämpfen«, in welchem Falle sich der ganz andere, und zwar ver- kehrte Gegensatz ergäbe, daß unser wirklicher Feind außer uns ist, sondern um den Feind außer uns han- delt es sich, den zu bestehen wir stark und gerüftet genug sein müssen, welcher Art er sei, indem sich nach seiner Wesensbeschaffenheit die Schwere unsers Kampfes bemißt. Unter diesem Gesichtspunkte verneint er, daß wir es mit Wesen, die Fleisch und Blut sind, zu thun haben: nicht als ob wir solche nicht gegen uns hätten, aber sie sind der Feind nicht, über den wir obsiegen müssen, wenn wir das Feld behalten wollen (ihnen vielmehr können wir immerhin äußerlich unterliegen und doch wider den eigentlichen Feind das Feld behalten Offenb. 7, 9 fs); die argen Geist- wesen sind es, die wider uns streiten und über die wir Herr werden müssen. Im Gegensatz gegen die menschlichen Widersacher, deren Bosheit nicht mehr vermöchte, als Fleisch und Blut zu thun im Stande i(Lt(Matth. 10, 28), bezeichnet er sie als »die bösen eister unter dem Himmel«, welches Ausdrucks sich Paulus auch in Kap. 3, 10 bedient hatte (nur idaß Luther dort übersetzt hat: »in dem Himmel«; denn ihre Daseinsweise ist eine der körperlichen elt, in welcher wir ein Leben räumlicher Gebundenheit führen, jenseitige Jm Gegensatz aber zu eben denselben menschlichen Widersacherm die dem Bereich der Fin- sterniß dieser Welt nur als dessen Unterthanen ange- hören (Kap. 4, is; 5, 8), bezeichnet er sie, diese Für- sten und Gewaltigem als »die Herren der Welt, die in der Finsterniß dieser Welt herrschen«; sie sind Welt- beherrschen aber nicht schlechthin oder durchaus, son- dern der Bereich, der ihrer Herrschaft untersteht, das Gebiet, über das sie gebietend verfügen, ist lediglich die Finterniß, das egen Gott verschlosfene Wesen in dieser elt. (v. HoimannJ Wie der eine Theil der gottgeschassenen höheren Geisterwelt in der ursprüng- lichen Gottesgemeinschaft beharrte und dadurch bleibend im Guten befestigt worden ist, so ist der andere Theil durch den Abfall von Gott der beharrlichen Bosheit anheimgefallen, weshalb der Satan und seine Engel auch schlechthin als ,,böse Geister« (Luk. 7, 21; Apostg 19, 12) oder (wie es an unsrer Stelle wörtlich heißt) als» ,,Geisterschaaren der Bosheit» bezeichnet werden; die Lust an der Bosheit ist zu ihrem inner- sten Wesen und ihrer eigensten Natur geworden, und ihr Sinnen und Trachten ist nichts als Untergang und Verderben. Jhre Lust an der Bosheit ist aber nicht nur eine Lust an der bösen geistlichen, sondern auch an der bösen s innlich en Lust, weshalb sie auch ,,un- saubere Geister« genanntwerden(Matth.10,1; Apo tg. 5, 16). Diese ihre unverbesserliche Verstocktheit in er Sünde wird auch dadurch bezeugt, daß sie ohne Hofs- nung auf Erlösung unrettbar und unentrinnbar dem Gericht der ewigen Verdammniß verfallen sind (Matth. 25, 4l; Judä S; 2. Petri Z, 4; Osfenb. 20, 10); wenn sie nun in Folge ihres unaufhebbaren Anheimfallens an die Bosheit aus der Gemeinschaft des seligen Lebens Gottes verstoßen sind, so kann (vgl. die Bem. zu Luk. 10, 18 u. Offenb. 7, 12), wenn in manchen Stellen der heil. Schrift ihnen noch eine Stätte im Himmel zuerkannt wird, dies nur eine uneigentliche, bildliche Redeweise sein. Sie sind aber auch nicht schon in der Hölle im eigentlichen Sinne des Worts, als wäre diese ihr fester und bleibender Aufenthalts- ort, an den sie gebunden; dahin werden sie vielmehr für immer verbannet am Ende der Tage, wenn sich die Erlösungsthaten Gottes an dem Menschengeschlechte werden vollständig ausgewirkt haben: Ofsenb. 20, 10. (Philippi.) Aus dem Himmel ist der Teufel hinaus- geworfen, aber er ist jetzt noch nicht dem Abgrunde auf ewig überantwortet, er darf noch sein Wesen trei- ben in dieser Welt, auf Erden: von wo aus soll er da seine Machinationen vornehmen, wenn nicht, da er doch als endliches Wesen nothwendig einen Standort haben muß, aus den überirdischen, himmlischen Regio- nen? (Nebe.) Vgl. Matth. 12, 43 und dazu die Bem. zu Z· Mos. 16, 22. f) Der Apostel will keineswegs leugnen, daß wir auch mit Fleisch und Blut zu kämpfen haben, mit feind- seligen gottlosen Menschen, mit den Kindern der Welt, die dem Reiche Gottes und Christi widerstreben; hätten wir aber nur mit denen den Kampf zu bestehen, so stünden Menschen gegen Menschen, und es brauchte uns um so weniger bange zu sein, als wir ja wissen, daß wir nicht allein sind, sondern eine starke Hilfe auf Seiten derer steht, welche Gott und seinem Christus dienen. Nun aber lehrt uns der apostolische Mund, daß wir es nicht blos mit Menschen, mit Fleisch und Blut zu thun haben, sondern daß unser Kampf ein viel größerer und fchwererer ist, weil er geradezu die gefallenen Engel zum Gegentheil hat. Es kann uns hiebei völlig gleichgiltig sein, ob der oder jener an gefallene Engel glaubt oder nicht, ihre Wirkung inne wird oder sich dieselbe anders erklärt: wir, die wir im Lichte der göttlichen Osfenbarun wandeln und uns allein durch sie die Wege weisen lassen, können um so weniger uns verhehlen, daß wir ein böses Geisterreich uns gegenüber haben, als gerade derjenige Theil der heil. Schrift, welcher von jedermann als der lichtere und klarere anerkannt wird, oftmals, öfter als das alte Testament, von diesen unsern Feinden redet und vor ihnen warnt. Steht uns nun ein unsichtbares Reich gegenüber, von dessen Kriegshelden und Heeren wir bemerkt und beobachtet sind, so leuchtet ohnehin schon ein, daß unsre Feinde großen Vortheil haben, denn sie erkennen uns ja; wir aber großen Nachtheih denn wir sehen und kennen sie nicht. Denkt man sich nun ferner, daß diese Feinde ein un ezähltes Heer an Menge sind, so braucht man sich diekselbigen gar nicht einmal als sehr mächtig vorzustellen, die Furcht wächft 494 Ephes er s, doch; denn gegründet auf die Unsichtbarkeit des feind- lichen Heeres mehrt sie sich durch Ueberlegung der Men e. Nun finden wir aber in der heil. Schrift, daß er Fall der Engel sich nicht etwa blos auf die untergeordneten Klassen der Geister bezog, sondern seinen Anfang gerade in den obersten Reihen nahm, welche zunächst den Thron des HErrn umgeben, von den hochbegabtesten bis zu den niederst begabten Geistern hinab dieser Fall hindurchriß iwie ein fallender schwerer Stein. Jst nun diese sammte Schaar von mannigfaltigen Engeln einmüthig gegen uns, gegen die Kirche ottes auf Erden gerichtet, steht sie uns als ein mächtiger und wohlgeordneter Organismus, als ein Reich in sich gegenüber, so wird die schon vorhandene Furcht auch dadurch gewehrt. Dieselbigen bösen Geister aber werden uns noch überdies als Weltbeherrscher dargestellt, und wird uns damit geradezu gesagt, daß die Bosheit der Menschen keineswegs un- berathen ist und sich selbst überlassen; sie wird wohl einmal während der tausend Jahre, in welchen der Teufel gebunden sein foll (Offenb. 20, l ff.), von dem bösen Geisterreiche verlassen und unberathen fein, dann aber auch dem Einfluß des Reiches Christi unterliegen und ihre sich mehrenden und stauenden Wasser keinen Abfluß finden, doch gegenwärtig ist sie noch berathen und geleitet, und mehr als Fleisch und Blut es denkt, ist die Welt daher im Zusammenhange und völligen Einklang» mit dem bösen Geisterreich. Diese Fürsten- thümer, diese Mächte, diese Geisteswelt der Bosheit, die selbst unter dem Himmel, in den Lüften ihren Sitz hat und ihr Spiel treibt, hat ihr Werk in dieser Fin- sterniß der Zeit, beherrscht die Welt und macht sich mit aller Macht und List, mit aller Behendi keit und Schnelligkeit gegen das Reich Jesu Christi, ie arme streitende Kirche; und diese, wie eine schüchterne Taube, wie ein gejates Reh muß nun rin sum von oben und zu den eiten umgeben und umszchwirrt sein von einem nächtlichen, schrecklichen Kriegsheer der Teufel und alle Augenblicke auf einen neuen Anlauf, auf einen Schlachttag, auf ein» böses Stündlein warten. Wer kann diese Lage der Kirche also nehmen, ohne einerseits zu erkennen, wie sehr die Teufel die Kirche Gottes fürchten müssen, dies fcheue Reh, andrerseits aber, wie schwer und schrecklikh ihr Kampf sei! Erkennen wir nun auf der einen Seite die große Macht der Feinde und die daher rührende Schwierigkeit des ampfes, so wird· uns andrerseits das Gefühl unsrer Noth um desto mehr durchdringen, wenn wir an die Nothwendigkeit des Sieges denken und an unsre große Schwachheit Es ist schon richtig, daß wir nicht allein diesen Kampf zu führen haben; es sind ja die guten Engel mit uns im Kampfe, die reinen Geister, deren Macht gegenüber den Dämonen gar wohl in Anschlag u bringen ist. Es ist uns auch vielfach in der heil. chrift von Kämpfen der guten Engel gegen die bösen Bericht gegeben, und der Sieg ist immer auf Seiten der guten. Aber können denn die- guten En el den Sieg ür das Ganze gewinnen, wenn wir an? Erden den ieg verlieren? ist nicht im Ganzen der Sieg verloren, wenn ihn die streitende Kirche auf Erden verliert? Ja, ist nicht geradezu der Kampf, von dem die Rede ist, ein Kampf der streitenden Kirche auf Erden? ist es nicht unsre Sache, um deretwillen er geführt wird? Meint denn der Teufel, und kann er meinen, die Engel zu fällen und zu überwinden, die im Guten bestanden sind und ihr Fürstenthum behauptet haben? J nen kann und wird er die Seligkeit gewißlich nicht mehr rauben; aber uns kann er verderben, uns, die wir zugleich so schwach sind. Wenn er uns, den linken schwachen Flügel schlågy schwingt sich der rechte, starke 14—17. unverletzt zum Himmel; aber die Schlacht ist dennoch verloren, und wir sind verloren. Unser ewiges Heil steht also auf dem Spiel; da sieht man, was aus unsern Kampf ankommt und wieviel zu fürchten steht. Den gewaltigen und zahlreichen Feind im Auge, im Gedächtniß und Bewußtsein die hohe Verantwortlich- keit des Kampfes, ernenere man sich denn im Geiste seines Gemüths und ergreife die Waffenrüstung, welche zum Siege führt! (Lohe.) 14. So stehet nun sals solche da, die schon jetzt auf den bevorstehenden Entscheidungskampf gerüstet sind:] umgürtet [d. i. umgürtet habend Jes. 5, 27; Luk. 12, 35; 1. l, 13; Jexz 13, 11 Anm.] eure Lenden mit Wahrheit [vgl. Jes. 11, 5], und ange ogen [um die Brust her] mit dem Krebs [oder Jsanzer Weish. b, 19 Anm.] der Gerechtigkeit [vgl. 1.Thess. 5, 8], 15.. Und an Beinen gestiefelt [Jes.9, H; 5. Mos 20, 9 Anm.], als fertig, u treiben das Evangelium des Friedens [Zlpostg. 10, 36; g. Cor. s, 18·s.], damit ihr· bereitet seid« szugertchtet zu Heilsverkiindigern für die Welt Jes. 52, 7]. . 16. Vor allen Dingen [besser: Zu alle dem hinzu Luk. s, 20] aber swenn nun der Tag des Entscheidungskampfes V. 13 da ist] er- greifet den S»child des Glaubens, mit wel- chem ihr auslosehen konnet alle feurigen Pftzile [P»s. 7, -14; s. Mos. 20, 9 Anm.] des Bose- wtchts [1. Joh. 2, 14; I. Petri 5, 8 f.]; 17. Und nehmet den Helm des Heils [vgl. Jes. 59, 17; Luk. 21, 28; 1. Thess 5,8] und das Schwert des Geistes sdas vom heil. Geist zugerichtete und also geiftesmächtige Skhwert], welches ift das Wort Gottes« [Hebr· 4, m; Matth. 4, 4. 7. 10]. «) Wie der Apostel in Benennung des Feindes, mit welchem gekämpft sein will, über das Gebiet des Menschlichen hinaus und auf das in ihm waltende widergöttliche Geisterthum zurückgegangen ist, um den schweren Ernst des Kampfes, auf en· der Christ gefaßt sein muß, zu— Gemüthe zu führen; ebenso hat er und zu gleichem Zweck über die Gegenwart hinaus aus die schlimme Zeit hingewiesen, wo der fort und fort zu bestehende Kampf zum letzten Entscheidungskampfe wird und der Feind seine volle Macht aufbietet, ihn u gewinnen. Auf diesen schlimmen Tag müssen die hristen gerüstet sein, nicht erst, wenn er anbrichtz sondern schon jetzt; um dann widerstehen und dann sieghaft dastehen zu können, müssen sie jetzt so stehen, daß sie sich zuvor mit der göttlichen Vollrüstung aus- gestattet haben. (v. Hofmannåz Nach römischer Art estand die Bewaffnung aus an er, Schild, Lanze, Beinschienem Helm und Schwert; er Apostel hat die Lanze weggelassen und dafür des Gürtels und der FeldsYIhe Erwähnung gethan. Da die letzteren Stücke keine estandtheile der schweren Bewaffnung sind, so erhellt, daß er nicht. blos schwerbewa nete, sondern mit allen möglichen Wassenstücken ver ehene Streiter im Auge hat. Die Lanze hat er wohl darum weg- gelassen, weil sie eine Angriffswaffe war; der christ- liche Streiter soll nämlich die Angrisfe des Teufels abwarten, einmal angegriffen aber mit allen zu Ge- Ziehet an den Harnisch Gottes, daß ihr bestehen könnt gegen des Teufels Anläufel 495 bote stehenden Waffen sie überwinden. (Schenkel.) Das bauschige, lose herabhängende Kleid würde dem alten Krieger die freie Bewegung, den sichern Tritt und Schritt gehindert haben, wäre es ungegürtet geblieben; und an richtiger Stelle, dicht über den Hüften, schnürte man es in den Gurt, damit es keine Falten schlagen sollte. Was nun der Gürtel cisst für den Soldaten, das ist Wahrheit für den treiter Jefu Christi. (Besser«) Damit ist gemeint die lautere Gesinnung, die alle Gemeinschaft mit der Lü e und Finsterniß in der Erkenntniß und im Leben hafset und fliehet (Kap. 4, 21); sie verhindert das dunkle Umherschweifen der unstäten Gedanken, das Erliegen in ungesammeltem, wüstem Zustande des Herzens, und macht die Seele wach und kampffertig. (v. Gerlach.) Wer nur den Schein der Gottseligkeit hat, ihre Kraft aber verleugnet (2.Tim.3, 5), -gürtet seine Lenden mit Lügen. (Starke.) Indessen, das Gefühl unsrer großen Unwürdigkeih das Bewußtsein unsrer Sünde, das böse Gewissen, welches uns ohne Ende nagt, würde uns vollkommen untüchtig machen zu dem gefaminten Kampfe, der vor uns liegt, a-lle Au enblicke würde unsre Brust der Ge- fahr tödtlicher Pfeile ausgesetzt sein, wenn uns nicht die neue Gerechtigkeit wie ein Krebs, d. i. wie ein Panzer deckte, die Gerechtigkeit des Glaubens mit ihrer in’s Leben übergehenden sprossenden Kraft (1. Joh. Z, 14); ist daher der Mensch mit Wahrheit ge- gürtet, so muß er auch mit der unverwüstlicheii Ge- rechtigkeit Jefu gepanzert werden und seine Seele fest in dem Gedanken ruhen, welchen er Christo zuspricht: ,,kein Fleck ist an mir zu finden; ich- bin gar rein und klar aller meiner Sünden. Ich bin rein um deinet- willen; du giebst gnug Ehr und Schmuck, mich drin einzuhüllen« (Röm. 8, 34 ss.). Jst nun aber das Kleid Regürteh der Panzer angelegt, was ist das Dritte? un macht der, deß Brust geschützt ist, seine Füße . bereit zum Kampf, bindet die Sohlen unter und sorgt damit, daß er auf der rauhen Bahn desSchlachtfeldes unbesorgt und unverletzt dahin laufen könne. Was ist denn aber nach ·der geistlichen Deutung die Beschuhung der Fuße und ihre· Bereitung zum» Gang? · Das ist nach des Apostels eigener Aussage die Bereits ch»aft, u treiben das Evangelium des Friedens: gekraftigt urch Wahrheit, gefchützt durch Gerechtigkeit gegen alle Vorwürfe des Teufels und des ei enen Herzens, läuft der Christ dahin und bekennt das van«geliuii·i, predigt den Gekreuzigten, bietet allen den Seinen im Evan- äelio den Frieden an. (Löhe.) Die Bereitfchafh das vangelium des Friedens zu treiben, muß bei jedem Gläu igen sich finden für den Fall, daß er indie Lage kommt, von Christo zu Zeugen (1. Petri s, 15); sie ist ihm damit gegeben, ·da er den Frieden kennt, von welchem das Evangelium handelt, und wenn er sie in den Kampf mitbringh so ist es das Bewußtsein, daß er der Welt solchen Frieden zu verkündigen und darzubieten hat, was ihn fest austreten und sichere Tritte thun läßt. (v. Hofmann.) Beschuhet und be- waffnet seien unsre Füße durch’s Amt und zum Amt des Evangeliums des Friedens, damit die alte Schlang e, wenn sie fühlt, daß wir sie unter die Füße treten, käme Geiz-alt finde uns zu stechen und umzubringen. ypriair. « «) Zwikchen den in den vorigen beiden Versen ge- nannten un den in diesen beiden be eichneten Bestand- Zeilen der Ausrüstung ist diår länfårschhieh das? cäich der rieger gürtet, panzert un e u t, um i zum Kampfe auszumachen, dagegen nach Schild, Helm und Schwert greift, wenn der Kampf beginnt, und daß der Christ im Gehorsam der Wahr eit stehen, der Gerech- tigkeit vor Gott gewiß und der riedensbotschaft dienst- bereit sein muß, um kampfestüchtig zu werden, den Kampf selbst aber in Kraft des Glaubens (und der Hoffnung) mit Gottes Wort bestehen muß. Zunächst wird genannt der Schild, und zwar der große, die anze Person deckende Schild, den er am Glauben hat; es ist der Glaube, vermöge dessen er sich Gottes in Christo getröstet, und dieser Glaube deckt ihn, daß ihn die Gefchoffe Satans, die Anfechtungen, mit denen der Arge oder Bösewicht ihn u Falle bringen will, gar nicht erreichen, er fängt sie damit auf als mit einem Schild. »Weil es aber iwBrand gesetzte Ge- sclzosse sogefcihrlicher Art sind, wie diexenigenz welche init entzitndetem Brennstoff versehen und h-ierdurch eeignet waren, den Schild selbst, der gegen sie schützen ollte, wenn sie durch den Lederüberzug in’s Holz drangen, in Brand zu fetzen und unbrauchbar zu machen, so betont der Apostel nicht, daß der Christ sie auffangen kann niit seinem Schilde, sondern daß sein Schild darnach geartet ist, ihr Feuer zu löschen. Es ist ja eben der Glaube des Christen, auf den Satan seiiie Geschofse richtetx könnte er ihn unbrauchbar machen, so wäre der Kämpfer verloren; aber der Glaube ist Gottes Werk in ihm und deshalb unver- derblich, ob auch Satan selbst seine Anfechtungen des- selben bis zum Aeußersten stei ert, welches der Kirche in der letzten Stunde ihres die feitigen Lebens (Matth· 24, 21 f.;»Offenb. 13, 3 ss.) bevorsteht. (v. Hofmann.) Jn natürlicher Folge führt darnach Paulus zuerst das Nehmen des Helmes an und dann des Schwertes, weil die Linke bereits den Schild hat, nach dem Neh- men des Schtvertes also keine Hand mehr frei ist. »Nehmet« beißt es, nämlich von Gott, der euch diesen Helm darbietet. (Meyer.) Der Helm des eils ist nichts Anderes denn die Hoffnung und arten eines andern Lebens, das droben im Himmel ist, um welches willen wir an Christum glauben und alles leiden, ohne welchen wir nicht könnten ertragen alle die Streiche, die man uns nach dem Haupt schlägt; das ist aber unser Trutz, daß wir glauben an Jesum Christum, der ein Herr über Welt, Teufel und alles ist, durch welchen wir gewißlich eines andern Lebens zu warten haben, daß er uns aus all diesem Unglück erlösen wird und unter die Füße legen, was uns jetzt drängt und drückt. (Luther.) Das Schwert wird gezogen und geschwungen, wenn die Schlachtreihen einander auf den Leib geriickt sind, wenn Mann und Mann einander gegenüberstehen, wenn es die allerleFte Entscheidung gilt; es ist« nun schon bis auf’s Aeußer te, bis an’s Letzte gekommen (Of,fenb. is, 15 ss.), es han- delt sich um den schließlichen Ausgang, um das Finale in diesem Geisterkampfr. Der treiter Gottes soll nun da es sich gesagt sein lassen, daß er nicht mit dem Worte seiner eigenen Weisheit den Kampf mit dem Bösewicht führt: wie Christus dem Verfucheiz trotzdem daß er doch das wefenhafte Wort ist, mit Gottesworten der Schrift entgegen trat, so sollen auch wir nur Gottes Wort als unsre gute Wehr und Waffe ansehen. Wehe dem Streiter, der wider diesen Feind mit dem scharfen Schwert seiner Dialektik meint etwas auszurichten! Jede Waffe zerbricht an der Rüstung dieser Starkgewappnetem nur das reine, lau- tere Wort verma hier zu treffen und durchzudringem (Nebe.) Die Kraft hat das Wort Gottes: wo man es lauter und rein predigt, mit Fleiß lernt und mit Ernst daran denkt, da kann weder der Satan noch kein Teufel bleiben; denn es offenbart feine Lügen und Schalkheih damit er die Leute betrügen, auf falsch Vertrauen oder in Mißglauben, Trauri keit oder Ver- zweiflung treiben will, und zeigt denH rrn Christum, den er gekreuzigt, aber« an ihm angelaufen ist und 496 Ephefer S. 18—24. sich verbrannt hat, daß er ihm seinen Kopf zertritt; darum fürchtet er sich und fleucht davor. (Liither.) 18. Und betet stets in allem Anliegen sdas durch die jedesmaligen Zeitumstände euch selber nahegelegt wird] mit Bitten und Flehen im Geist [Joh. 4, 23], uiid wachet dazu [den Blick auch für die Noth und das Bedürfniß eurer Kampfgenossen in den andern Theilen der Christenheit euch offen erhaltends mit allem Anhalteu und Flehen sur alle Heiligen* [Kap.»4, ZU- · 19. Und fut mich, auf daß mir loom HErrn gemäß seiner Verheißung in Matth 10, 19 f.; Luk. 21, 14 f.] gegeben werde das [in jedem ein- zelnen Falle zu redende] Wort mit freudigem Auf- thun meines Mundes, daß lch moge kund machen das Geheimniß des Evangelii [das im Evangelio neu geoffenbarte Geheiinnifz Kap. 1, 9], 20. Welches Bote ich bin in der Kette [indem mirs, trotzdem ich ein Gesangener bin, doch das Predigen unverwehrt ist Apostg. 28, 31], auf daß ich darinnen [in Ausrichtung solches meines Berufs] freudig handeln moge und reden, wie sich-s ge- buhrettt [Col. 4, 3 f.]. «) Man könnte das Gebet der Heiligen, wozu der Apostel hier ermahnt, wohl als siebentes Rüstungs- stück zum Harnifch Gottes rechnen; jedoch lesen wir nicht: ,,ergreifet den Bogen des Gebets« oder dem Aehnliches Warum fehlt wohl bei der geistlichen Waffe des Gebets ein kriegerisches Sinnbild? Man darf sagen: erstlich deshalb, weil das Gebet keine besondere Stelle neben den übrigen Stücken der Christenrüstung einnimmt, vielmehr mit jedem Stück aufs Jnnigste sich verbindet; des Wahrheitsgürtels Schnalle, des Gerechtigkeitspanzers Kettlein, der evan- elischen Friedensschuhe Riemen, des Glaubensschildes Beutel, des · eilshelmes Sturmband, des Geistes- schwertes Gri — das ist das Gebet der Streiter Christi. Aber wohl noch aus einem andern Grunde hat der Apostel die Gebetsermahnung nicht direkt unter das kriegerische Rüstungsbild seiner Feldpredigt mit- befassen wollen. Daß es im chriftlichen Gebetsleben zum Kämpfen und Ringen kommen müsse, war ihm aus gründlicher Erfahrung bewußt (Röm. 15, 30); aber obgleich der Teufel und seine bösen Geister mit ihren listigen Anläufen gegen die Beter im Namen Jesu nicht feiern, so besteht doch der Gebetskampf der Gläubigen wesentlich im Ringen mit Gott (1. Mos. 32, 28). Gegen den Teufel und seine höllischen Heer- schaaren rüstet die aposto ische Feldpredigt die Heili en; der aposiolische Abschied dagegen ruft sie zu den Waffen, von welchen der Prophet m Hof. 12, 5 redet. (Besfer.) Der Apostel hat uns eben auf das Schlachtfeld geführt, wo Pfeile fliegen und Schwerter klingen, wo sich großer Lärm erhebt, Seufzer und Stöhnen von Ver- wundeten und Gefangenen; jetzt führt er uns vom offenen Felde an einen andern Ort, wo die Entschei- dung der Schlacht geschieht, xiämlich in das Betkämi merlein, in die betende Gemeinde (2. Mos. 10, 10·ss.)· Ja, die Gemeinde weiß, wo der Kampf einzugreifen ist, nämlich bei dem HErrn: hat sie ihn gewonnen, so hat sie die Schlacht gewonnen, und vor ihm nieder- geworfen, siegt sie über ihre Feinde. (Münkel. «) Der Apostel giebt hier einen neuen eweis von seiner tiefen Demuth, indem er die Christen, an die er schreibt, so ernsrlich um ihre Fürbitte angeht. Es hat ihm· doch bis jetzt an tapferem Muthe nicht gefehlt, er ist niemals in Versuchung ewesen, seinen HErrn und Heiland zu verleugnen; a er dennoch ist er sich dessen bewußt, wie sehr jeder Christ immer des Beistandes der ganzen chriftlichen Gemeinschaft im Widerstreit gegen das Reich der Finfterniß bedarf, er hat es schon oft erfahren, wie die sürbittende Liebe der Brüder den chriftlichen Streiter wie auf Adlers- flügeln trägt und wie das Bewußtsein, Tausende von begeisterten Mitstreitern hinter sich zu haben, das Herz zum Kampfe stählt Aus seinem Zeugnisse lernen wir zugleich, daß nur die sreimüthige und freudige Predigt des Evangeliums einen gese neten Erfolg hat: wer sich nur halb zur evangelifchen Wahrheit bekennt, dem fallen auch ganze Herzen nicht zu. (Schenkel.) Nicht blos mit zuversichtlichem Freimuth das Geheim- niß der Heilsbotschaft überhaupt kund zu thun, statt schüchtern davon zu schweigen, ist des Apostels Wille, sondern er will es auch so verkündigen, wie er davon reden muß, um es recht zu machen. Sein Beruf war, die Heidenwelt zu Christo zu bekehren; nun hat ihn seine Ausrichtung dieses Berufs in Haft gebracht (Kap. 3, 1. 13), wie nahe hätte ihm da die Vorsicht gelegen, solange er der Entscheidung seiner Sache ent- gegensah, dasjenige, wodurch er den Zorn seines Volks wider sich erregt hatte (Apostg. 22, 21 f.), in seiner Verkündigung der Heilsbotschaft zurücktreten u lassen! (v. Hofmanms Darum sollen sie für ihn bitten, daß ihm das Wort gegeben, nicht daß seine Kette gelöst werde; um das Aufthun seines Mundes, nicht seiner Bande; um Freudigkeit zu reden mitten ?en)Banden, nicht um Befreiung von denselben. i! ob. D— Dei! Apostel in mit dem, was er in den beiden vorigen Versen sagte, beim Schluß der Eoinel angelangt. Sich selber hat er da der iiicbitte feiner Bruder ffir einen beniminten Zweit: anliefohlen; da lien er nuu die Frage auf ihrem Herzen: »aber wie sieht re denn um diih und welches in die trage, in der du diih bestndenW In— dessen will er nicht ern net) damit befassen, ihnen Mittheii lungen zu machen, die ne münd lieh durch den, welcher mit tleberbringung des Briefes betrauet und gar wohl geeignet in, etwaige tieliüniinernisse ihrerseits zu heben, bekommen können; und so geht er sofort zu dem abschlieszenden Segenewunsos über, der eigenthiimlikh in nach Form und Inhalt. Gr trägt einen allgemeineren Charakter, als ge— männlich, und giebt tn Verbindung mit dem andern tun« nande, daß Paulus ee gänzlich nnterläßtz Einzelne und von Eiukelnen zu grüßen, deutlich zu erkennen, daß die Eptnel nicht an die Ginzelgemeinde zu Ephesns als solche, sondern an einen Eijclue oon Gemeinden in Kleinanen gerichtet in. 21. Auf daß aber ihr auch sgleichwie Andere, denen Nachrichten über mich schon zugegangen sind] wisset, wie es um mich stehet und was ich schasse [wie ich unter den Verhältnissen, in denen ich stehe, mich befindeL wird es euch alles kund thun Tychicns [Apostg. 19, 20 Anm.], mein lieber Bruder und getreuer Diener in dem HErrn [Tit. s, 12; 2. Cur. 8, 22; Apostg. 20, 4], 22. Welchen ich gesandt habe zu euch [2. Tini. 4, 121 mn desselbigen willen [eigens für den Zweck], daß ihr erfahret, wie es um mich stehet, und daß er eure Herzen tröste»- swenn ihr meinetwegen euch besorgliche Gedanken macht Kap· Z, 13; Phil. I, 12z Philem. 22]. Schluß der Epistel 497 23. Friede sei den Brüdern [Phil. 4, 7] nnd Liebe mit Glauben [Kap. 3, 17], von Gott dem Vater und dem HErrn Jesu Christo [Kap. 1, 2]. 24. [Die] Gnade lGottes in Christo Col. 4, 18; 1. Tim. 6, 21; L. Tim. 4, 22; Tit. 3, 151 sei mit allen, die da lieb haben unsern HErrn Jesum Christum unverrückt-«· [auf unwan- delbare Weise, vgl. dagegen 1. Cor. 16, 22]! Amen. «) Jn gan ähnlich er, und doch in einigen wesentlichen unkten abweichender Weise heißt es iii Col. 4, 7 ff.: »Wie es um mich stehet, wird euch alles kund thun Tychikus, der liebe Bruder und ge- treue Diener und Mitknecht im HErrm welchen ich habe darum (um desselbigen willen) zu euch gesandt, daß er erfahre, wie es sich mit euch hält (nach andrer Lesartt daß ihr erfahret, wie es um uns stehet) und daß er eure Herzen ermahne, sammt Onesimo, dem ge- treuen und lieben Bruder, welcher von den Euren ist; alles, wie es hie zustehet, werden sie euch kund thun« Bei den Ausle ern ist es üblich geworden, auf das an unsrer Ste e stehende: »auf daß aber ihr auch wisset« ein besonderes Gewicht zu legen und aus die- sem »auch« den Schluß zu ziehen, der Apostel habe zuerst den Brief an die Colosser geschrieben und stelle nun, was er diesen dort in Aussicht gestellt hatte, hier auch den Ephefern in Aussicht, daß näiiilich Th- chikus ihnen Nachricht über sein Ergehen bringen werde; dieser Annahme steht indessen schon das ent- egen, daß unmöglich die Epheser, welche von dem nhalt des Briefes an die Colosser ja nichts wußten, das ,,auch« in solcheni Sinne verstehen konnten, Paulus würde also das Wörtlein rein von dem Standpunkte seines eigenen Wissens aus geschrieben haben ohne alle Rücksicht darauf, ob die Leser seine Meinung bei dem Wörtlein zu fassen vermöchten oder nicht. Wenn man nun aber auch über dieses Bedenken sich damit hin- wegsetzen wollte, daß erforderlichen Falls Tychikus hätte Aufschluß geben können, so erhebt sich ein noch viel schwerer wiegendes damit, daß Paulus schreibt, er habe eigeiis für sie, um sie zu benachrichtigen und zu beruhigen, den Thchikus an sie ab esendet, und daß er ganz dasselbe hier auch gegen ie Epheser aus- spricht: sollen wir dem Apostel zutrauen, benierkt dazu Otto, er habe sich beiden Gemeinden insinuiren ivollen, daß er jede glauben machte, er habe eben nur um ihretwillen einen außerordentlichen Botschafter geschicktLI Sicherlich nicht; die Sache muß sich also anders ver- halten. Und daß sie wirklich sich anders verhält, daß die Entsendung des Tychikus an die Colosser eine andere it als die an die Epheser, keine mit ihr leich- zeitige, as geht bestimmt daraus hervor, dagß bei jener Onesimus der Begleiter des Tychikus ist, bei dieser aber nicht; und dieser Umstand sällt um so mehr in’s Gewicht, als im Briefe an die Colosser Timotheus mit dem Apostel zugleich grüßt (Col. 1,1), im Briefe an die Epheser aber Paulus allem. Beide Punkte sprechen ganz entschieden dafür, daß die beiden Briefe der Zeit nach aus einander zu halten sind und der eine früher und unter andern Umständen eschries ben ist, als der andere: im Briefe an die Colofser war Timotheus bei Paulo anwesend, im Briefe an die Epheser aber nicht; damals weilte derselbe vielmehr in Ephesus und empfing in der zweiten an ihn ge- richteten Epiftel (Anh. ll· zum S. Bande: a, 2) von dem Apostel selber Nachricht über dessen Ergehen (2· Tini. 1, 16 ff.; L, 9 s.; 4, 6 ff.). Aber diese Epistel war nicht zur öffentlichen Vorlesung bestimmt; damit Dächseks Bibelwerh V1l. Band. jedoch auch die Gemeinde erführe, wie es um Pau- lum stünde, da u eben sollten des Tychikus mündliche Mittheilungen ienen. Wie es da egen mit des leh- teren Abordnung an die Coloxiser sich verhält, darüber werden wir bei der Erklärung des an sie gerichteten Sendschreibens das Weitere uns klar zu machen haben. Andere Schriftforscher haben die hier besprochenen Verschiedenheiten der beiden Stellen da- mit zu erklären versucht, daß sie annehmen, die beiden in» Rede stehenden Briefe seien von Paulus während seiner Gefangenfchaft in Cäsarea (Apostg. 24, 23 ff.) Reschrieben worden; da habe denn den Thchikus seine eise zuerst nach Colossä geführt, wo er den Onesimus zurückließ, und darnach habe er in Ephesus ebenso die ihm aufgetragenen Mittheilungen über die La e des Apostels gemacht, wie zuvor in Colossä. A ein in Cäsarea befand sich Paulus im Gefängnisse (nicht, wie in Rom, in einer Miethswohnung) und konnte wohl alle, die zu ihm kamen, ihm zu dienen, empfan- gen, aber nicht Briefe nach auswårts senden; und außerdem ist nicht denkbar, wie der Apostel von seiner Haft in Cäsarea, wo er Ia im Bereiche des Apostel- thums der Beschneidung sich befand (Apostg. l0, 5; Gal.2, 9), sagen sollte, daß auch seine Gefangenschaft, wie vordem seine Freiheit, den Zweck habe, ihn das Geheimniß Christi so, wie er es thun müsse, offen- baren zu lassen (V. 20; Kap. Z, 4 ss·) H) Die Form des Grußes ist ganz ungewöhnlich: « die dritte Person (,,den Brüdern« —- ,,mit allen, die da lieb haben 2c.«) ist trotz der unmittelbaren Anrede in V.2l s. gebraucht, und nicht die zweite (,,euch« —- ,,mit euch«); damit ist eine allgemeinere Beziehung dem universalen Briefe entsprechend sehr stark her- vorgehoben. Weiter ist in zwei Grüße gespalten, was sonst in einen gefaßt wird; damit wird nachdrücklich von den realen Wirkun en der Gnade innerhalb des Christen-Herzens und ebens zum Schluß auf den letzten realen Grund derselben gewiesen. Endlich ist mit »Friede«, womitsonst der Gruß schließt, der erste begonnen, und mit Gnade, womit die Grüße durchgängig beginnen, beginnt dann der zweite Gruß. Dieser an den Parallelismus anstreifende Doppelgruß wäre etwa so zu unterscheiden, daß der erste auf das in den Christen innere Leben, der andere auf das dieses Leben begründende Princip hinweist. (Braune.) Der Friede, die ungetrübte Gemeinschaft mit Gott durch Christi Versöhnung, soll stets in innigster Ver- bindung stehen mit dem fortwährenden Wachsthum der Liebe zu ihm und der Erstarkung der Wurzel des ganzen neuen Lebens, des Glaubens. (v. Ger- lach.) Aller Segen kann·als ein Ausfluß der gött- lichen Gnade nur da szwirksam werden, wo der gött- lichen Liebe die menschliche entgegenkommt und wo die letztere nicht nur das Produkt einer flüchtigen frommen Regung, sondern eine unzerstörbare Grundrichtung der wiedergeborenen Persönlichkeit selbst» geworden ist. (Schenkel.) Das ganze lebendige Christenthum stehet in der Liebe zu Jesu; diexenigen nun, welche diesen Jesus lieben mit ihrem anzen Herzen, also daß sie in dieser Liebe nur auf ihtn schauen und nur ihn be- gehren und nur ihm nach olgen und sichs selbst für ihn verleugnen, sein Kreuz und ihr Kreuz willig ihm nach- tragen, so daß sie ihm leben und ihm sterben, diese sind die Christen, sind Gottes Leute, sein besonderes, sein stetes und theures Augenmerlc (Passavant.) Das Hinankommen zur Einheit des Glaubens und der Er- kenntnis; des Sohnes Gottes und zur Bölligkeit der kirchli eii Mannesgröße in Christo Katz. 4, 13) hat feine rufen, und in der Heiligung un Durchleucgtung ihres ganzen Lebens haben die Kinder des ichts 32 498 Schlußbemerkungen zur Epistel an die Epheser unterfchiedliche Klarheit; aber Alle, Kleine und Große, menkommen. (Rieger.) Die Liebe zu Jesu muß blei- Kinder und Väter, Schwa e und Starke, haben den ben, unverrückt sein, was für Schicksale uns auch treffen, Herzschlag der Liebe zum H rrn Jesu gemein. (Besser.) wie auch der Geist der Zeit sich ändern mag, sonst Ist Das kleinste Kind in Christo und der Stärkste durch sie nicht rein: Laus in amqre muri· — zum Lobe Gottes Geist an dem inwendigen Menschen können in gereicht nur das, wenn man in der Liebe auch stirbt. dem köstlichen Herzenspünktlein der Liebe Jesu zusam- (Heubner.) Øesrhrieben von kiom an die Epheser [Kap. 1, ljxdurrlj Tyrhikum [6, 2ls f-]. Schiusihcmcttntngkn zur Episiel an die Ephescn Jm Frühjahr 61 n. Ehr. war Paulus als Gefangener in Rom angekommen und hatte da bald nach seiner Unterkunst bei einem Gastfreunde die Aeltesten und Vorsteher der dortigen Juden- schast behufs einer Besprechung zu sich beschieden, um noch"einmal, wie das bisher immer seine Weise gewesen war, zunächst an seinen Brüdern nach dem Fleisch einen Versuch der Bekehrung zu Christo zu machen; hatte dann auch, als an einem der nächsten Tage ihrer noch weit mehr zu ihm kamen, in gar eindringlicher und überzeugender Weise ihnen an’s Herz geredet, aber doch schließlich die Er- fahrung machen müssen, daß durch Gottes Gericht der Sinn dieses Volkes verstockt und diejenige Zeit herbeigekommen sei, wo Israel nun seine selbstgewählten Wege dahin gehen und das Reich Gottes» von ihm genommen werden solle, um fortan seine Stätte in der Heidenwelt zu haben (Apostg. 28, 17—29). Da begreifen wir es wohl, wie des Apostels Blick sich nunmehr mit ganzer, voller Entschie- denheit der aus der Heidenwelt sich auferbauenden Kirche zuwandte, während sein eigenes Volk, dem er ursprünglich seine Thätigkeit hatte widmen wollen (Apostg. 22, 17 ff.), ihm in der Seele zurücktrat, und wie sein apostolischer Beruf nach dessen Eigenthümlichkeit vor dem Amt der übrigen Apostel, da er dazu verordnet war, unter allen Heiden den Gehorsam des Glaubens aufzurichten (Röm.1,7), ihm jetzt in so hoher Bedeutung, als er in Kap. Z, 8 ff. sie darlegt, erschien, so daß er für Pflicht erkannte, seine Kräfte, soweit ihm die Ausrichtung seines Amtes noch möglich war, ausschließlich für diesen Zweck zu verwenden (Kap. 6, 19 s.). Und wenn es sich wirklich so verhält, wie wir in Anh. II, a. 2 angenommen haben, daß noch in der ersten Hälfte des J. 61 Petrus von Babylon aus seine erste Epistel an die Christen in Pontus, Galatien, Cappadocien, Asien und Bithynien ge- schrieben und damit aus seiner bisherigen, den Juden in Palästina und in der Diaspora ausschließ- lich geltenden Arbeit (abgesehen von dem außerordentlichen Falle in Apostg. 10) heraus- und in die Mitarbeit an den Heiden eingetreten war, so können wir es verstehen, warum Paulus so schrieb, wie wir in Kap. 2, 5 ff. lesen; denn nunmehr war jenes Geheimniß, um welches es dort sich handelt, zu so vollem Durchbruch gekommen, wie bisher noch nie, wenn auch derjenige unter den zwölf Aposteln, auf den Christus noch im besonderen Sinne seine Gemeinde gebauet (Matth. 16, 18), ohne jegliche weitere Zurückhaltung (Gal. 2, 9 u. 11 ff.) seine letzten Lebensjahre den Heiden widmete (vgl. zu Joh. 21, 18). Hiernach steht es uns über allen Zweifel fest, daß unsre Epistel von Rom und nicht, wie Manche haben behaupten wollen, von Cäsarea aus geschrieben und daß sie vor der mit ihr so nahe verwandten Epistel an die Colosser und nicht, wie Einige gemeint haben, nach der- selben verfaßt sei: sie giebt ja ganz diejenigen Gedanken und Anschauungen, Gefühle und Empfin- dungen wieder, welche eben damals, bald zu Anfang der römischen Gefangenschaft, in Folge der beiden erwähnten Ereignisse das Herz des Apostels bewegten und nun gleich in dem ersten Send- schreiben, womit er den Verkehr mit den Gemeinden seines Arbeitsfeldes wieder eröffnete, sich den angemessenen Ausdruck suchten. Sehr zweckmäßig war es denn zugleich, gerade an die Gemeinde zu Ephes us dieses Sendschreiben zu adressiren (Kap. 1, 1): mit Ephesus hatte Paulus seine Wirksam- keit in der Freiheit «abgeschlossen, als er die Aeltesten der Gemeinde nach Milet berief und Ab- schied von ihnen nahm (Apostg. 20, 17 ff.), nnd mit Ephesus nimmt er nun auch seine Wirksamkeit in der Gefangenfchaft auf, sobald ihm die Möglichkeit dazu gegeben ist. Ephesus wird aber auch für die nächsten Jahrhunderte an der Spitze der kirchengeschichtlichen Entwickelung stehen; darum ist es wie eine göttliche Weissagung, daß zu Händen dieser Gemeinde diejenige Epistel adressirt ist, welche von der Einen heiligen, allgemeinen und apostolischen Kirche handelt. Indessen, so haben wir mehr- fach zu beobachten Gelegenheit gehabt, das Sendschreiben wendet sich an Ephesus nicht als an die dort vorhandene Einzel- oder Lokalgemeinde, daß es ihr in gleicher Weise speziell gelte, wie Schlußbemerkungen zur Epistel an die Ephesern 499 andere Sendschreiben denjenigen Gemeinden, für welche sie in der Zuschrift bestimmt sind; vielmehr sieht es Von allen besonderen Beziehungen und Verhältnissen ab und stellt sich zu den Lesern auf einen so universellen Standpunkt, daß man, stünde nicht jene Adresse da, am allerwenigsten gerade diese Gemeinde, bei welcher der Apostel so lange und so erfolgreich gewirkt hatte (Apostg. 19, 9 ff.; 20, 18 ff.), für die Empfängerin erkennen würde. Das erklärt sich nun sehr wohl daraus, daß Ephesus lediglich als Repräsentantin der aus der Heidenwelt gesammelten Kirche hier fungirt und nur zunächst zu ihren Händen der Brief adresfirt ist; sie soll natürlich zunächft selber— ihn lesen und beherzigen, aber dann ihn weiter geben, sie ist gleichsam der Vorstand einer Gesellschaft und wird wissen, was sie den übrigen Gesellfchaftsmitgliedern schuldig ist. Was der Apostel ihr sozusagen für ihre eigene Person zu schreiben hat, das hat er, gleichwie der HErr selber hernach bei den sieben Sendschreiben in Ofsenb 2 u. 3 thut, an den Engel der Gemeinde in der gleichzeitig verfaßten zweiten Epistel an Timotheum geschrieben; bei der vorliegenden Epistel dagegen kommt sie nicht mehr perfönlich in Betracht, im Gegentheil, wo Paulus an das Persönliche heranstreift, sind es vielmehr die andern, hinter Ephesus stehenden Gemeinden, zu denen er Stellung nimmt (vgl. Kap. 1, 15; Z, 2 ff.; 4, 21) und die damit vor Ephesus in den Vordergrund treten· Man hat ver- muthet, daß die Gemeinden, welchen die Epistel in ihrer Eigenschaft als Rundschreiben gilt, dieselben seien, mit welchen auch die Offenb. St. Johannis (1, U) es zu thun hat: Ephesus, Smyrna, Per- gamus, Thyatira, Sardes, Philadelphia und Laodicea; und beachtenswerth ist es jedenfalls, daß einerseits einige der ältesten griechischen Handfchriften in Katz. 1, 1 das »zU Ephesus« nicht haben, sondern dafür eine leere Stelle zeigen, und andrerseits der Gnostiker Marcion (um die Mitte des 2. Jahrh. nach Chr.) in seinem Eodex der paulinischen Briefe statt «zU Ephesus« die Zuschrift: »zu Laodicea« darbot· Wir schließen dieser Ansicht, welche die sieben kleinafiatischen Gemeinden der Offenbarung für denjenigen Gemeinden-Eyclus hält, an welchen unser Brief der eigentlichen Meinung nach von Paulus gerichtet ist, um so unbedenklicher uns an, als unsrer Auffassung« nach jene Gemeinden für die Repräsentantinnen der heidenchristlichen Kirche zu gelten haben: von Ephesus ging der Umlauf des Sendschreibens aus und nach Ephesus kehrte dieses schließlich zurück, um dort aufbewahrt zu werden; es ist also ganz in der Ordnung, wenn nun auch die Gemeinde zu Ephesus als die Adresfatin auftritt. Indessen ist es recht wohl möglich, daß der Originaltext der Zufchrift das ,,Ephesus« wirklich nicht, sondern statt dessen einen leeren Raum enthielt, den der Vorleser mit dem Namen derjenigen Gemeinde, mit welcher er es gerade zu thun hatte, ausfüllen sollte; wenigstens bleibt es eine merkwürdige, kaum erklärbare Erscheinung, daß Basilius, der Große («s 379], gleichwie auch Origines, auf das Fehlen der griech. Worte: H» Ema-a) (zn Ephesus) eine Deutung der voran- ftehenden Worte: wkg oder«- (die da sind) gründet, die schlechterdings unmöglich wäre, wenn die ihm -zu Gebote stehenden Handschriften von jenen Worten auch nur eine Spur enthalten hätten, und wenn ihm gleich die Worte als in andern Handschriften befindlich bekannt sind, so betrachtet er sie doch als erst später eingedrungene Lesart, das Fehlen derselben dagegen als das Richtige. Dem« sei aber, wie ihm wolle: für uns stehen die Worte einmal da; auch haben wir keine Ursach, an ihre Ausscheidung zu denken. Führt nun der Name Ephef us uns auf den nachherigen Schauplcitz des Apostel Johannes, so läßt sich auch nicht verkennen, daß die vorliegende Epistel sich nahe mit dem Johanneischen Evangelium berührt, und dürfte es sich wohl der Mühe verlohnen, diese Berührungs- pnnkte einmal im Einzelnen nachzuweisen; weiter aber dürfte sich dann auch ein paralleles Verhältnis; zwischen dem Epheserbrief und den früheren Briefen des Apostels mit dem zwischen dem Johannes- evangelium und den drei Shnoptikern ergeben. OT- txt) IS Wie tlipisiel St. Ziianli an die 1lihilippcr. Der ganze Brief ruht auf dem Grunde eines innigen persönlichen Verhältnisses und spricht in allen seinen Theilen die innige Liebe des Apostels zu dieser Gemeinde aus, so daß er vor andern als ein rechter Erguß des Herzens erscheint und mehr als andere einen familiären Charakter an sich trägt. Als Grundton, der immer wieder angeschlagen wird und durch das Ganze hindurchklingh läßt sich das Gefühl der Freude bezeichnen, von dem das Herz des Apostels erfüllt ist und zu dem er so gern auch seine lieben Philipper erheben möchte (Kap. 2, 17 s.). Nicht weniger als 15 Mal lesen wir das Wort «Freude« und das ,,Sichfreuen« in dieser Epistelt sie soll und kann alle freude- losen Christen, alle traurigen, betrübten, in geistlich recht freudige und selige umwandeln. Benutze sie oft dazu! Das 1. Kapitel. Des gebundenen pauli Danksagungp Hebel und Ermahnung zum beständig-en glauben8kamps. A· In: vie apum as: di: vyitippetz wie san an— gemein anerkannt wird, gegen das Ende der zwei Jahre geschrieben ist, wo Paulus in diom gefangen saß (gegen Ende des J. 62., dort) noct) vor Einbruch des Winters: Kuh. II. zum is. Sande unier b, i), auf diese Gefangen- schaft aber tieine Befreiung des Apostels, sondern sein Jdlärtyrertod gefolgt und auch die S. Epittei an Timotheuz wie wir angenommen haben Apostg. Es, 31 Anm.), nicht erst nach den zwei Jahren der Gefangenschaft, sondern baid zu Anfang derselben abgefast ist, so liegt uns hier das lehte Scheiftstüeli von dem großen Gottesmanne vor, und sein Wort in Las. l, Si: ,,Ehrinus iti mein Erben und Sterben in mein Gewinn« ttlingt wie eine Weissagung auf seinen bald bevorstehenden ljingang Weil nun das— selbe mehr, als alle andern, an Gemeinden gerichtete Sendschreiben den Eharaitter eines Briefes an ja) trägt und nur ein Jtusdrucii der augenblikitlichen Gedanken und Empstndungem nicht aber ein aposioltscher Lehrvertrag ist, so läßt es sich auct) nicht in gewöhnliche: Weise einiheiien, sondern bildet vom Anfang bis zum Schtuß ein fort- iaufendes Ganze, bei dem sich tediglich die drei par— lieen eines Eingangs, eines ausführlichen tserzensergusses und eines Schiusses unterscheiden lassen. was denn zu— nächst den hier uns beschäftigenden Eingang betrifft. so zerfällt dieser in zwei itntertheiln I— V. l. u. D. Die Inschrift beuennt im Unterschied von der des Epheserbriefs auher dem Paulus aukh den Timothcus als Jtbsendey denn der Apostel will nicht ohne den vor die Gemeinde treten, der sein Gehitfe war, als er fle sammelte; und ne bezeichnet nun beide nici)t, wir die Jtuschrift des Eolosserbeiess, nun) ihrer nnteeschiedlichem sondern nach ihrer elnheitlichen Stellung der Gemeinde gegenüber. Die Gemeinde dagegen, an welche die Evisiel sich adressirt, wird nicht blos wie in jenen beiden tiriefen nnd anderwärts, einheitlich unter einen und denselben Begriff der Heiligen und Gläubigen zusammengefaßk sondern nathdem sie mit dem ersten jener Ehrenoräditiate allerdings zunäkhst in ihrer Ge- samwtheii aufgeführt ist, werden dann ihre Beamten noct1 ausdrücklich heroorgehobem Der Gruß, der hier· auf folgt, ist der gewöhnliche. 1. Paulus nnd Timotheus [Col. 1, I; Philem l; 2.Cor. 1, l; 1. Thess 1, l; 2. Thess. l. 1], (Olshausen und Richter.) Knechte Jefu Christi-« [Röm. 1, I; Tit. 1, 1; 2. Petri l, I; Jak. I, I; Judä 1], allen Hei- ligen in Christo Jesu [1. Cor- 1- 21 zu Philippen [in Macedonien Apostg. 16, 12 Anm.], sammt den Bischöfen und Dienern«- [vgl. zu Col. l, 2; Apostg. 14, 23; 20, 31 u. 1. Tim. l, 10]: 2. Gnade sei mit euch nnd Friede von Gott, unserm Vater, unt) dem HEtrn Jesu Christo [vgl. zu Röm. L, 7; Ephes. l, 2 u. 1. Thess l, 1]. V) Paulus hat diesen Brief, wie auch die Briefe an die Corinthey die Colossey die Thessalonicher und den an Philemom in Gemeinschaft mit einem oder meh- reren Arntsgenossen geschrieben; durch ihre Mitnennung in der Zuschrift wollte er seine treuen Gehilfen un Mitarbeiter auf dem evangelischen Missionsfelde ehren und ihnen einen größeren Einfluß auf die Gemeinden sichern. Daraus, daß der Name des Timotheus (Apostg. 16, l Anm.) weitaus am öftersten vorkommt, eht hervor, wie sehr der Apostel die Verdienste dieses eines besonders veetrauten Gehilfen (Kap. 2, 20) an- erkannte. Aussallend ist, das; Paulus sich in diesem Briefe nicht als Apostel bezeichnet, was außerdem nur noch in feinen frühesten Briefen (an die Thessalonichey der Fall ist: nicht eine Höflichkeitsrücksicht gegen Timo- theus, neben welchem er sich ja in Col. l, l als Apostel hervorhebt, hat ihn hierbei geleitet, sondern die beinahe rein persönliche Veranlagun des Briefs und der darin herrschende vertrauli e Ton, welcher das Zurücktreten der amtlichen Stellung natürlicher Weise herbeiführte; auch war seine apostolische Auerb- rität zu Philippi nicht angetastet und also auch aus diesem Grunde eine Betonung seiner amtlichen Würde nicht nöthig. (Schenkel.) Die Bezeichnung ,,Knechte Jesu .Christ1«, unter welcher der Apostel sich mit dem Timotheus zusammenschließh hebt die gleiche Stellung der Beiden zu dem HErrn der Gemeinde hervor und entspricht dem familiären Charakter als der Tendenz des Schreibens, den Dank für die von Philippi zu- gesandte Unterftützungs auszusprechem die Gemeinde hat damit nicht blos Paulo und Timotheo, sondern dem HErrm dessen Knechte sie find, gedient. (Braune.) VI) Paulus hat die Gemeinde zu Philippi auf seiner zweiten Missionsreise mit Silas, Lukas und Timotheus gegründet, hat sie dann auf der späteren europäischen Reise schon auf der Hinreise nach Corinth auf einige Zeit besucht, wahrscheinlich dort den zweiten Corintherbrief geschrieben und auf der Rückreise da- selbst das Osterfest zugebracht (Apostg. 16, 8 ff; 20, I ff.). I. Der Eingang der Epistel: zunächst Zuschrift und Gruß. Die Gemeinde bestand, wie die zu Thessalonich, wo nicht ausschließlich doch bei Weitem überwiegend aus Heidenchristem die zum Theil Proselyten gewesen waren; es hatte nun zwar auch bei ihr vermuthlich nicht an Bemühungen judaisirender Eiferer gefehlt, welche, zum Theil aus unlauteren Motiven, die dorti- gen Heidenchristen bestimmen wollten, sich beschneiden zu lassen (Kap. s, 2 sf.), doch scheinen sie dort wenig oder gar keinen Erfolg gehabt zu haben. Dagegen hat der Apostel Zwistigkeiten unter den Mitgliedern zu rügen, so namentlich zwischen zweiweiblichen Mitgliedern, vielleicht Diakonissen der Gemeinde, welche wohl persönlicher Art waren, aus Rechthaberei und Mangel an Demuth und Neigung sich unterzuordnen hervor- gegangen (Kap. l, 27; Z, 3 ss.; 4, 2 f.); im Allge- meinen aber hatte Paulus viel Ursache, mit dem Zu- stande und dem Eifer der Gemeinde zufrieden zu sein. Veranlaßt wurde unser Brief dadurch, daß die Phi- lipper nach einer Unterbrechung von län erer Zeit wiederum Gaben zur Unterstützung des Apostels durch Epaphroditus, einen christlichen Bruder aus ihrer Mitte, gesandt hatten; dieser war bei Paulus gefähr- lich krank geworden, so daß die Philipper, die schon davon gehört hatten, sehr besorgt um ihn waren. Auch hatte er selbst große Sehnsucht, wieder heimzu- kehren, und Paulus wollte ihn daher, als er wieder soweit genesen war, nicht länger bei sich zurückhalten (Kap. Z, 25 fs.; 4, l0 ff.). Bei seiner Abreise gab er ihm unsern Brief mit, welcher ganz einen brieflichen Charakter an sich trä t und unter den an ganze Ge- meinden gerichteten riefen des Apostels sich durch eine besondere Herzlichkeit auszeichnet. (Bleek.) Neben den Christen im Allgemeinen hebt der Apostel in der Adresse noch besonders die Beamten der Gemeinde heraus, wahrscheinlich, weil durch die Vermittelung derselben ihm die Gabe übersandt war, welche unsern Brief zunächst veranlaßte; als solche aber erscheinen hier noch die mit den Presbhtern identischen Bis chöfe als Gemeindevorsteher und die Diakonen (Luther: ,,Diener«), welche das Helferamt in der Gemeinde haben. (Weiß.) Die Gemeinde ist das Hauptwerk; Bischöfe und Diakonen, Vorsteher nnd Diener, sind um der Gemeinde willen, gute Ordnung darin zu halten, da. Wenn man davon abkommt, so ist der große Schaden der, daß, soviel man das Volk um seine Ehristenrechte bringt, so viel und leicht läßt es dann auch seine Christenpflicht dahinten und macht sich aus der Religion gar nichts mehr. (Rieger.) II« d. 3—1l. hierauf drückt der Krone! zuerst feinen Danli gegen Gott für den gedeihlichen, den schönsten Fortgang verheißenden Jtustand der Gemeinde aus, die er in feinem Herzen trägt; und in Verbindung damit thut er die kielie zu ihr, welche er ihr aufs Innigtie bezeugt, insbesondere noih dadurch kund, das; er um immer oiilligeres Wachsthum ihrer Diebe in der Erkenntnis; des Guten und Rechten nnd in den Früchten der Gerechtig- lieit bittet. Der All-schnitt läßt fich zwerlimäßig in drei klatertheile sei-legen, die Ein schönes; Ganze bilden: be- ginnend mit Danlc W. 3——5), sich gipfelnd iui gläubi- gen vertrauen W. 6 a. 7), fcnlit und löst er sich in liebenoller Fürbitte w. 8—11). (Epistel am 2"2. Sonntag nach Crinitatiøh Das Evangelium von den zehntausend Pfunden (Matth. 18, 23 sf.) und des Apostels freudiges Ver- trauen, daß der HErr, welcher in den Philippern das ute Werk an efangen hat, es auch vollenden werde Eis auf den Tag Jesu Christi, wie stimmt dieser 501 Doppelinhalt der beiden heutigen Texte zusammen? Wahrlich, man könnte einen Augenblick in Verlegen- heit kommen, die beiden Texte zusammenznreimem wenn nicht in dem Knechte, welchem soviel vergeben wurde, der sich aber alsdann durch ärte um allen Segen brachte, doch ein leuchtendes eispiel gegeben wäre, wie das angefangene Werk des HErrn durch die sündige Verkehrtheit des Menschen aufgehalten und vernichtet werden konnte. Da zeigt also der Knecht, wie man nicht vollendet wird bis zum Tage Jesu Christi; damit wird das Evangelium zum Widerspiel der Epistel, tritt aber auch eben dadurch mit ihr in Zusammenhang. Sowie bei dem hebräischen Parallelis- mus der Poesie ähnliche und ebensowohl auch ent- gegengesetzte Gedanken zu einem Verse zusammen- ge aßt werden, so tritt in den beiden Lectionen des heutigen Sonntags Sah und Gegensatz zusammen; wir lernen auf das Ende schauen und uns zur Ewig- keit bereiten in dem einen Texte wie in dem andern. (Löhe.) Beide Perikopen eignen sich sehr wohl für die Schlußzeit des zu Ende gehenden und darum auch auf das Ende hinweisenden Kirchenjahres Der anze Philipperbrieß dem die Episteln dieses und des olgenden Sonntages entnommen sind, geschrieben im Vorgefühl des nahen Todes, athmet jene innige Sehn- sucht nach demselben, die sich weiterhin ausspricht in den Worten: ·,,Christus ist mein Leben und Sterben ist mein Gewinn; ich habe Lust abzuscheiden und bei Christo zu sein;« und solchen Todesbetrachtungen schließt sich sehr an emessen die durch das Evangelium an uns ergehende ahnung an, die irdische Lebens- und Gnaden eit vornehmlich auch dazu zu benutzen, daß wir wi ig sind, unsern Schuldigern zu vergeben, damit wir selbst Gnade und Vergebung finden. (Alt.) Die beiden letzten Episteln (Ephes. 5, 15 ff. u. S, 10 sf.) redeten von den Feinden, mit welchen wir Izu kämpfen haben: wir müssen Acht haben auf uns sel st und auf die Geister der Bosheit unter dem Himmel, die in der Finsterniß dieser Welt herrschen; schwierig ist unsre Lage, gefährlich sind unsre Feinde, aber darum keine Sorge, keine Furchtl Das Werk des HErrn kommt zum fröhlichen Ende, der HErr unser Gott führt es selbst herrlich hinaus. (Nebe.) Was muß unser Herz erfüllen bei der Sor e um unsre Seele? l) Dank gegen Gott für den nfang des guten Werks, Z) ernster Vorsatz zu beständi ern· Fortschreiten in allem Guten, Z) Vertrauen auf ott, daß er das gute Werk vollführen werde. (Kiibel.) Die betende Liebe nach dem Vorbild des Apostels: l) wen sie im treuen Gedächtniß hat, dessen gedenkt sie vor Gott; 2) worüber sie sich freut, das wird ihr zum Dank gegen Gott; s) was sie hofft, das wird zur festen Zuversicht; El) was sie wünscht, das wird zur herzlichen Fürbittr. (Palmer.) Das Bild, wel- ches der heutige Text uns vormalt: l) einen treuen Apo tel mit aufgehobenen Beterhänden, 2) eine gesegnete Gemeinde im Schmucke ächter Glaubenstreue, ) den HErrn im Himmel, der auf solchen Bund her- niederschaut (Langbein.) Das gute Werk: I) an- Zefan en durch das Evangelium; 2) bewährt in Leiden, ) vo endet in unanstößiger Liebe. (Münkel.) Vom heilsamen Fortschreiten im C ristenthum: l) wie nothwendig es sei, 2) wodur es gåschiehtz Z) woran es sich merken läßt. (Eig. Arb.) ovon unser Fortschritt im Christenthum abhängt? l) vom Glauben an das Evangelium, L) vom Vertrauen auf Gottes Gnadenhilfe, Z) von der Treue im Leiden, 4) vom Reichwerden in der Liebe. Wer darf hof- fen, daß Gottes Gnade seine Liebe reich mache? l) wer des Gebetes pflegt, 2) wer der Hilfe per, für a 502 Philipper I, 3——11. Gottes vertraut, Z) wer für das Evangelium zeuget, 4) wer Früchte der Gerechtigkeit trägt. (Sommer.) Z. Ich danke meinem Gott, so oft ich euer gedenke smeine Gedanken auf euch hinrichte Röm. 1, 9·; I. Eor. l, 4;· Ephes 1, 1·6; Col. 1, 3; 1. Thess l, 2; 2.·Tim. I, 3; Philem. 4], 4. Welches sdaß ich nämlich meinem Gott eurethalben danke]» ich alle eit thue in alle meinem Gebet sur euch a e, und thue [eben darum, weil ja mein Gebet für euch alle ein Danksagungsgebet sein kann] das Gebet mit Freuden-«; · Z. Ueber soder wegen] eurer Gemeinschaft am Evangelio [daß ihr dessen Ausbreitung und Förderung euch so habt angelegen sein lassen] vom ersten Ta e an sda es zu euch gekommen, wo die Lydia o bereit war, die Verkündiger desselben bei sich zu beherbergen Apoftg·. 16, 15] bis her« [indem ihr nun abermal für mich gesorgt habt Kap. 4, lp u. 15 f.]; · · b. Und bin [nun] desselbigen in guter Zuversicht, daß [der Gott V. ·3; Kaki. r, 13j, der in euch sin eurem Herzen, in eurem inwen- digen Menschen] angefangen hat das gute Werk [wie es in dieser eurer Gemeinschaft am Ebangeliozu Tage tritt], der wird? auch Voll- fnhren bis an· den Tag Jesu Cbristi [wenu derselbe vom Himmel erscheint und da sein Reich zur Vollendung bringt V. 10; 2, IS; L. Tor. 1 14]. , «) Zum ersten Mal schlägt der Apostel hier den hellen Ton der Freude an, der so charakteristisch den ganzen Brief durchdringt: er kann für sie alle, welche die Glieder der Gemeinde bilden, in gleich er Weise bitten, weil kein Theil der Gemeinde dem andern nachsteht; und zwar kann er für sie alle allezeit in alle- seinem Gebet mit Freuden beten, weil die Er- innerung an sie ihm eine allseitig befriedigende ist. (Weiß.) Der Apostel sagt: ,,mit Freuden«; denn man kann auch mit Betrübniß für jemand beten, vgl. 2. Cor. 2, 4. (Chrysostomus.) Fur die Philipper zu beten ist dem Apostel dadurch nichts Schweres, sondern eine süße Pflicht, daß er Gott nicht um neue Gnaden- gaben für sie bitten kann, ohne gleichzeitig ihm danken zu müssen für das, was er an inen schon ethan hat. (Nebe.) Abermals ein Zeugni von der ebets- gemeinschaft des Apostels mit feinen Gemeinden, wie wir ein folches erst am 18. Sonntag nach Trinit. (1. Cor. 1, 4 ff.) gelesen haben! abermals ein vor- wurfsvolles Wort wohl für uns alle, die wir kaum von den liebsten Menschen, die wir besitzen, werden sagen können, was St. Paulus in Betreff aller Phi- lipper, also aller ihm bekannt gewordenen einzelnen Christen in der eben angedeuteten Stadt, »versiche·rn kann! Er sagt, er bete niit Freuden für »die Philip- lle und jede, und in einem xeglichen Gebet steigere sich bei ihrer Erwähnung das Gebet zum Dank: also beten mit Freuden, oft beten (denn auch das liegt in der Stelle) jedes Gebet zum Danke werden lassen, das war die große Festigkeit und Tugend des heil. Apostels. Wir aber, beten wir denn mit Freuden für Andere, für ganze Gemeinden, für alle und jede? beten wir oft und löst sich unser Gebet in Dank auf, wo überall es fichdarin auflösen kann? Wer von uns allen hat wohl das gute Gewissen, so etwas von sich selbst zu behaupten? Wir find meistens so arm und lahm, wenn es gilt, die Flügel des Gebets zu schwinsem zumal für Andere, zumal im Dankgebet. (Löhe.) ank und Freude, das ist der Grundton der Gebete des Apostels in einem Augenblick, wo das Todesurtheil über seinem Haupte schwebt, wo die Fessel seinen Leib wund drückt: im Danke äußert sich das Verhalten feiner Seele gegen Gott, in der Freud e die Stimmung seines Gemüths gegen die Gemeinde zu Philippi. (Schenkel.) Er nennt Gott feinen Gott, weil derselbe seinerseits zu ihm in ein Liebes- und Gemeinschaftsverhältniß getreten ist, als dessen Ausfluß er alle ihm speciell widerfahrene Gnade weiß und also auch die Freude, die ihm an der philippis schen Gemeinde zu Theil geworden. Wenn der Menfch Gott nicht als s ein en Gott erkannt hat, hat er noch gar keine Religion; das ist keine lebendige Frömmig- eit, wenn der Mensch Gott noch nicht in seinem inneren und äußeren Leben gefunden. (Heubner.) Ei) Mit den Worten: »Über eurer Gemeinschaft am Evangelio vom ersten Tage an bis her« be eichnet der Apostel nunmehr den Gegenstand seines ankes, zu dem ihm die Erinnerung an sie in feinen Gebeten für sie Anlaß giebt, näher; es ist damit ihre Gemein- schaft mit allen Denen gemeint, denen leich ihnen die Sache des Evangeliums, d. h. feine örderung und Ausbreitung, ani Herzen liegt. Diese thätige Theil- nahme an der Sache des Evangeliums, aus inniger Liebe hervorgehend, ist auch gerade das, was die Ge- meinde in Philippi von Anfang an auszeichnet, und der Apostel hat in der übersandten Unterstützung einen neuen Beweis dessen und somit Veranlassung, dies hervorzuheben; nur darf man die Worte nicht auf diese Veranlassung beschränken und überhaupt nicht blos an ihre Geldunterftützung denken, vielmehr dienen sie mit allem, was an ihnen christlich ist, der Sache des Evangeliums. Noch besonders aber erkennt der Apostel an, daß die Gemeinschaft der Philipper am Evangelio vom ersten Tage an, an dem sie das Evan- gelium angenommen, bis zum gegenwärtigen Augen- licke stattgefunden habe: wie ganz andere Erfahrun- en hatte er an andern Gemeinden gemachtt (Wie- singen) Wir wissen, was für eine seltene Tugend es ist, Gott sogleich folgen, wenn er ruft, und stand- haft bis an’s Ende im Guten fortfahren; denn viele find langsam und schwierijgszu gehorchen, noch mehrere lassen wieder nach aus ankelmuth und Unbeftand. (Calvin.) Der Anfang, obwohl sehr häufig das Schwerste, ist doch auch in vielen Fällen das Leichteste an der Sache und erst nachher treten die Schwierigkeiten her- vor, die überwunden werden müssen, und die früheren Anstrengungen erscheinen gleichsam nur als Spielwerk gegen den eharrlichen Eifer, der fortwährend bewiesen werden muß, wenn das Werk zu Ende geführt werden soll. (Schleiermacher·) Die schöne Ver augenheit der Gemeinde macht nun aber auch dem 8 postel Muth für die Zukunft, er hofft in Be ug auf ihre Treue im Glauben und in der Liebe au weiterhin das Beste; doch sein Vertrauen hat noch einen besseren Grund, als der in einem dauernd guten Verhalten von Men- schen gefunden werden kann, der Grund seiner Hoff« nung nämlich liegt in Gottes Gnade, dessen Kraft das gute Werk in ihnen sicherlich zu rechtem Ende führen wird. (Sommer.) Vermuthet man schon, daß die- jenigen, welche eine Zeitlang der Wahrheit und ihrem Geiste nicht widerstanden haben, auch ferner nicht widerstehen werden, so wird man um so mehr nicht blos vermuthen, sondern gewiß hoffen, daß der treue Auf den Gruß folgt Ausdruck des Dankes und Vertrauens gegen Gott nebst Fürbitte » 503 Gott, der früherhin seine Heiligen wunderbar leitete, sie auch ferner leiten, ja sie vollenden werde bis in’s ewige Leben. Der Tag der Zukunft Christi nun ist der Wendepunkt der Zeiten: wer bis zu diesem Tage aus ehalten hat, der hat gewonnen; von dort an hört Ver uchung und Bewährung auf, der treue Jiinger Jesu tritt von dort an ein in den Frieden eines un- gestörten und ungehemmten Fortschritts, eines unend- lichen Zunehmens und Werdens, welches denen die vollkommenste Befriedigung gewährt, die es erfahren. (Löhe.) Den Tag der Wiederkunt Christi haben die Gläubigen damals noch mehr als ihr Ziel im Auge gehabt, als ihren Todestag (Bengel.) 7. Wie es denn mir billig ist, daß ich dermaßen von euch allen halte sein so gutes Vertrauen, wie ich’s in den eben V. 6 ausge- sprochenen Worten zu erkennen gab, in Beziehung auf euch hege], darum, daß ich euch in mei- neu! Herzen habe, [euch in meinem Herzen habe besonders auch] in diesem meinem Gefängniß fallhier zu Rom Apostg. 28, 30 f.], darin ich das Evangelium seinerseits gegen Verklägers verantworte und [andrerseits dessen Wahrheit und seligmachende Kraft] bekråftige [Apostg.-23, 11; .27, 23 f.], als die ihr alle mit mir der Gnade fwie das Evangelium verantworten und bekräftigen, so auch für dasselbe leiden zu dürfen V. 27 ff.] theilhaftig seid.- 8. [Ja, mit voller Wahrheit kann ich sagen: ,,ich habe euch in meinem Herzen«.] Denn Gott ist mein Zeuge [Röm. 1, 9], wie mich nach euch allen verlanget [ob es mir möchte ver- gönnt sein, wieder zu euch zu kommen Röm. 1, n; 2. Tim. 1, 4] von Herzensgrund in Iefu Christo« [dessen Herz gleichsam in mir schliigt, wenn mein Herz also nach euch verlanget Gar. d, 20; Ephes s, 17]. 9. Und darum svielmehr zu schreiben: dar —— um, Luther hat: ,,daselbst um«] bete ich [das nun ist es, darum ich in alle meinem Gebet, das ich, wie oben gesagt, für euch alle thue V. 4., Gott anrufe], daß eure Liebe je mehr und mehr reich werde in allerlei Er- kenntnis; nnd Erfahrung «« [oder Wahr- nehmung], 10. Daß ihr prüfen möget, was [von Unterschiedenem, das in den jedesmaligen Lebens- verhältnissen zur Wahl euch vorliegt Röm. 2, 18] das Beste sei [Röm. 12, 27]; auf daß ihr [vermöge der erlangten chriftlichen Vollkommenheit Hebr. 5, 14] seid lauter [klar oder durchsichkkg 1. Cor. b, 8] und unanstößig svor dem HErrn, wenn auch anstößig den -Menschen Apostg. 24, is] bis auf den Tag Christi-X— swo er wird an’s Licht bringen, was im Finstern verborgen ist, und den Rath» der Herzen offenbaren 1.Cor. 4, 3 ff-1- 11. Erfiillet mit Früchten der Gerech- tigkeit [Röm. s, 22; Col. 1, l0; Hebr.12, II; Jak. Z, 18], die» durchIesum Christum [mit- tels der Kraft seines Geistes] geschehen (in euch —- dies »in euch« ist ein freier Zusatz von Luther, den er seit 1530 zur Erläuterung des Textes gemacht hat), zu Ehre und Lobe Gottes-H· sder das in euch angefangene gute Werk zu solcher Vollendung gebracht hat V. 6]· «) Das Vertrauen auf Gottes Gnadenkraft läßt den Apostel die Vollendung der Philipper im Glauben zuversi tlich hoffen, die Liebe zu ihnen läßt ihn solche auch se nlich wünschen und» macht ihm das Vertrauen auf ihre Vollendung gewissermaßen zur Pflichtt es kann gar nicht anders fein, sagt er, bei einem, der, wie ich, solche Liebe zu euch hat, als daß er das Beste bezüglich eurer Zukunft erwartet (l. Cor. is, 7). Mit inniger Liebe des Herzens umfaßt er, wie er noch näher angiebt, diejenigen, die alle in seinen Banden und in der Verantwortung und Bekräftigung des Evangeliums seine Genossen der Gnade sind. (Som- iner.) Es sind drei Punkte, aus welchen die Gleich- heit der Theilnahme an der» Gnade auf Seiten des Paulus und der Philipper sich ergiebt: beide haben um des Evangelii willen Bande getragen und tragen sie noch, beide siud in der Lage gewesen und sind es noch, sich um des Bekenntnisses zum Evangelio willen erichtlich verantworten zu müssen, beide endlich Find in der Verantwortung» wohl bestanden, un die Wahrheit des Evangelii, weit entfernt durch die Verfolgung in Frage gestellt zu werden, ist vielmehr dadurch bekräftigt worden.» (Schenkel».) It) Wie schön fchließt sich nicht dieser Vers an den vorigen an! Der Apostel hat sich seine Leidensgenos- sen, die Philippey welkhe, wie er,- »um des Evangelii willen Verfolgung erleiden, vor die Augen gestellt; sein Auge ruht mit innigster Theilnahme auf ihnen, sein Herz trägt sie alle voll besorgter, mitleidigey für- bittendcr Liebe — wie gern thäte er noch mehr für seine Lieben! was hätte er lieber, als daß er die Bande sich abstreifen und zu ihnen auf den Flügeln seiner Sehnsucht eilen könnte, um sie nicht allein strei- ten und leiden zu lassen! Und zwar nach allen Philippern sehnt sich sein Herz, er trägt sie alle» in seinem großen, apostolischen Herzen; keiner ist ihm fremd, keiner gleichgiltig, jedem Einzelnen möchte er seine Hand reichen, jedem Einzelnen in seinem Kampfe, wo und wie er nur kann, zur Seite stehen· Aber weder die Aussage, daß er nach ihnen allen ein herz- liches Verlangen hat,»iioch die Betheuerung bei Gott thut dem Apostel Genüge; er versichert noch fchließ- lich, daß er sich naeh ihnen allen sehne »von Herzens- rund Jesu Christi«, wie es noch genauer heißen sollte statt: »in Jesu Christo«, d. i· in seinem liebe- wallenden Herzen wallt das Her Jesu Christi selbst den Philippern ent egen. Diebes» Sein Verlan en, das will er sagen, it kein menschlich-natürliches, on- dern es entstammt der innersten Lebensgemeinschaft mit Christo, mit dem er sich durch den heil. Geist un- auflöslich geeint weiß: wie nichtEr mehr lebt, sondern Christus in ihm, so schlägt» auch nicht mehr s ein Herz, sondern das Herz Christi in ihm, und in dein Her- zen Christi Jesu sehnt er sich nun» nach seiner Ge- meinde mit einer mehr als menschlichen, mit einer durch und durch heiligen, wahrhaft göttlichen Liebe. Wei . ( IV) Nachdem Paulus gesagt und besprochen hat, weshalb er Gott danksagt in Betreff der Leser, spricht er nun aus, was er von ihm für sie e»rbittet; diesen Punkt hatte er oben (V· 4) nur mit Einem 504 Philipp» 1, 12—1.4. Worte obenhin berührt. Aber nicht eigentlich der Jnhalt der Bitte wird hernach angegeben, sondern nur die Absicht, in welcher sie geschieht; indessen, eben die Absicht giebt uns Aufschluß über den Inhalt, das Warum über das Worum. Ganz ähnlich lag die Sache in Ephe·s. Z, 1·7. (Nebe.) Hatte der Apostel vorhin von seiner Liebe zu den Philippern gespro- chen, so lag es ihm in Verbindung hiermit nahe, auf die Liebe er Philipper überzugehen; es ist aber unter ,,eure Liebe« nicht die Liebe der Philipper zu dem Apostel oder unter einander zu verstehen, dagegen deutet die in V. 5 hervorgehobene ,,Gemeinschaft am Evangeliv« darauf hin, daß Paulus hier die Liebes- thätiåkeit der Philipper für die Sache des Evangeliums im uge at. Diese hat er von der Seite ihres Eifers bereits rühmlich anerkannt; allein es man elt ihr noch in zwei Punkten, in der Erkenntniß und r- fahrung. Der Apostel will also nicht sagen, daß die Liebe der Philipper als solche zunehmen solle, son- dern daß das zur Zeit noch Mangelnde ihr hinzu- gefügt werden müsse; der Liebeseifer derselben scheint also hin und wieder noch ein Eifer mit Unverstand (Röm. 10, L) gewesen zu sein, und außerdem scheint es ihm auch noch an einer umfassenderen Erfahrung efehlt zu haben. Es war die junge, noch nicht ge- hörig durchgeprüfte Liebe für das EvatBelium, welche ihnen, wie es scheint, bisweilen eine ersuchung zu Mißgrisfen wurde. (Schenkel.) Die Liebe, wenn noch an irgend einem Theile es ihr an der Einsicht in ihr eigenes Wesen gebricht oder in die Art und Weise, in die Mittel und Zwecke ihrer Bethätigung wird leicht eine blinde Vegeisterung die ihres Ziels verfehlt, oder ein äußeres, wo nicht unlauteres Thun, das seinen Werth verliert; diese Einsicht aber wird nicht nur ge- wonnen durch eine selbstthätige in den Willen Gottes oder in die rechte Art seiner Verwirklichun eindrin- ende Erkenntniß, sondern auch durch eine syorgfältige eobachtung und Wahrnehmung der verschiedenen Lebens-Verhältnisse, die in den Bereich der Liebesübung fallen und ihre Art bestimmen müssen. (Weiß.) Die Erkenntniß ist vollkommene Erkenntnis; der Wahr- heit im Gegensatz zu nnsicherem, unvollständigem und unklarem Wesen; die Erfahrung ist die sinnliche oder eistige Wahrnehmung des umher Geschehenden oder Bestehenden im Gegensa zu Urtheilslosigkeit, Unerfahrenheit, unbedachtem esen, und betrifft die Einzelheiten des Lebens, die Personen, Thatsachem Zustände. (Braune.) Die Liebe, von welcher die Ge- meinde beseelt ist, soll nach des Apostels Gebet immer reicher werden an einem, den Gegenständen auf den Grund gehenden Erkennen, damit sie das, was er- kannt sein will, nicht verkennen oder mißkennen, und an dem die Wesenheit der Gegenstände« richtig erfassenden Verstande in dem anzen Umfange, in welchem sie desselben bedarf, um ich über nichts und über niemanden zu täuschen. (v· Hofmannh f) Beides, Erkenntniß und Erfahrung, brauchen die Philippetz um zu prüfen das Unterschiedene, wie der Grundtext zunächst besagt. Was im Leben vorliegt, ist Verschiedenes: da gilt es, zu prüfen, was ächt und was unächt ist; da gilt es, das, was zur christlichen Liebe nicht stimmt, und dagegen den guten, wohlgefiilligen und vollkommenen Gotteswillen zu er- kennen; da gilt es, nicht nur das Gute vor dem Bösen, sondern auch vom Guten das Beste zu wäh- len, dessen Werth nur weiter gekommene Seelen wahr- nehmen. (Sommer.) Der letzte Zweck aber dieser Prüfung, deren Ergebniß die Liebe, wo sie einmal, wie bei den Philippern, lebendig ist, selbstverständlich iiberall erwählen wird, ist die steigende Vollendung ihres sittlichen Lebens überhaupt. Es zeigt sich die- selbe in der Lauterkeit des innersten Liebestriebes, d. h. nach dem unnachahmlich schönen Worte, das der Apostel wählt, in derjenigen Reinheit desselben, welche, auch vom hellsten Sonnenstrahl beleuchtet und also mit dem strengsten Maßstabe gemessen, keinen Flecken eigt und jede trübe Beimischung der Selbgsucht aus- fchließt Sie zeigt sich ferner darin, da auch die äußere Bethäti ung der Liebesübung ohne Fehl- tritt und Mi griff bleibt, wie er so leicht eintritt, wo es an der rechten Klarheit über die Mittel und Zwecke derselben fehlt, und in Folge dessen die Liebe, statt Andern wohlzuthun, nur sich selber verderbt oder schadet. Sind die Phili per erst zu dieser Lauterkeit der Motive und dieser ehllosigkeit des äußeren Wan- dels gelangt in dem Hauptpunkte, um den sich ihr christlich-sittliches Leben bewegt, so wird auch dieses selbst die wahre Vollendung erreicht haben, die es be- darf im Blicke auf den Tag Christi, wo nicht nach dem bald befriedigten menschlichen Maßstabe, sondern von dem Gott, der auch das Verborgene an’s Licht bringt, gerichtet wird. (Weiß.) ff) Der Apostel führt zule t den Philippern noch u Gemüthe, daß Jesus Chritus sie nicht blos vor seinen Richtstuhl fordert an seinem großen Tage, son- dern, auf daß sie vor ihm bestehen mögen, in ihnen auch auswirkh was ihm wohlgefällt (Nebe.) Ein Mensch, der jene feinere Erkenntnis; und jenen er- wünschten Takt nicht hat, wovon in den beiden vori- gen Versen die Rede war, wird auch schwerlich jene reiche Menge von allerlei Früchten eines heiligen, edlen und schönen Lebens Gott seinem» Schöpfer und Erlöser bringen, wie sie hier angedeutet wird. Es sei ein Gleichniß gestattet, welches, wenn auch nicht von Bäumen und Früchten hergenommen, vielleicht doch ganz wohl den Unterschied bezeichnen kann, welcher zwischen der hohen Bildung eines Menschen ist, wie sie St. Paulus will, nnd dem Zustand eines Andern, der sich damit begnügt, in irgend einem Maße mit Christo verbunden zu sein. Ein Steinmetz haut mit roher Hand und grobem Meißel ein Ehristusbild aus, ein Meister in der Bildhauerei thut in seiner Weise dasselbe: was für ein gewaltiger Unterschied ist zwi- schen den beiden Arbeiten! Jn beiden erkennst du, daß dir dein Erliiser vor Augen gestellt wird; aber während das rohe Bild vom Steinmetz nur wie ein Zeichen und eine Erinnerung dessen ist, was es soll und will, so vermochte die Hand des Künstlers der Jdee nahe zu kommen, die man von einem Christus- bilde hat; bei jenem erinnert die Arbeit im Ganzen an« den HErrn, bei diesem die Ausführung jedes ein- zelnen Theiles. So ist auch der Mensch, der sich durch Liebe zu einer solchen lichten und heiligen Er- kenntniß treiben läßt: er bildet seinen HErrn Christus nicht blos im Allgemeinen vor, sondern auch in allem Einzelnen; nicht blos sein Leben im Ganzen ist eine Frucht des christlichen Geistes, sondern auch sein Ver- halten nach allen Seiten hin und in allen einzelnen Dingen. Er ist nicht ein Baum, der seinem HErrn eine einzige große, grobe und plumpe Frucht trä t, sondern ein solcher, dessen Aeste und Zweige die reichste schönste Fülle einer heiligen Ernte der Gerechtigkeit seinem Schöpfer zum Opfer bringen. (Löhe.) B. Zins den Eingang, in dessen zmeitem Theile der Apostel bereits sein Her; auazuschütten begann, folgt nun— mehr der weitere Herzens-ergab. Paulus schreibt da, mic’5 treibt, um diesen non Luther in Beziehung auf Most gebrauchten Ausdruck. hier anzuwkndksn uersönllthe Mit— thellungen nnd Ztnsptattsrm ethische und dogmatisctje par— II. Der Herzenserguß Nachrichten über den Stand des Evangeliums in Rom· 505 tieen wechsetn in einer Weise mit einander ab, daß ein strenger Zusammenhang nnd solgerichiiger Fortschrltt der einzelnen Jibsnmitte net) nicht nan)ioeisen läßt, sondern wir die Aufeinanderfolge so hinnehmen müssen, wie sie dem Snneibee iinter die Hände gekommen. Inn. l2—26. Zuerst lgiebtGdefr Kooslek dekitphilåupern anzrichtenaue se ner e nagen iha , un zwar Haetirichlenkdie eindeotseliftg dven kStFind des Gdvakhgif ums in om un e en er im giing an ern e s seine eigene oersönlinie Enge lietresseiiz denn in tie- ziehuiig aus beides inan)len sitt) die philipoer sorgliche Gedantiein wenn sie iiun zunanzsl befürn)ten zu niiissen glaubten, daß die Verkündigung dee Evangeliums unter. der langen Dauer seiner Gefangenschaft inochte zu leiden haben, so liann er iin Gegentheit ihnen versteuern, daß sie darunter vielmehr gewonnen habe; und wenn gleich der bei iellinieln Eehrerni ernåerttted Gifrird fürs idie hält. Sache en un auterer, m riin e w er ene, e- iJipostellX Käietolrpität dgeßrieljnetärhsieiif so fern; et: sind) ddotli niiner n arü er, a a r us geoeesg nn as Rein) Gottes geniehret werde. Und wie iiber die Gegen— wart, so freue er sieh auch beim Kusbtsiieli in die Idee— Kunst· denn während die philioiier n) wegen er FtiißsgleiiiigslseinerlG;sangenLehastKängstigen, lso weise a er ene we er an ere uggang o er wer init dem Leben daoonliomiiieii oder aber«den Tod erlei- den entrissen, zur ioerherrlichung Christi dienen; für seine eigene sllerson--iiiän)te er sogar den letzteren Ausgang sin) wünschein aber seiner Gemeinden wegen glaube er des ersteren sieh getrösten zu dürfen. 12. In) lasse· can) abe»r wissen [Röm. I, is; 2. Cor. i, 8], lieben Bruder, »daß [so], ioiers um mich siehet, das sdiese meine gegenwärtige Lage Ephes. 6, 21;·Col. 4, 7] ist [ftatt, wie ihr befiirchtet, zur Verhinderung] mit mehr zur For- derung, des Evangelii gerathen; 1 . Also, daß meine Bande offenbar worden sind in Christo fes je länger je mehr« offenbar geworden, wie ich nicht um irgend eines Ver- brechens willen meine Bande trage, sondern ich lediglich ein Gefangener Christi Jesu bin Ephes. 3, 1d; f,·1;dPhilem. zwakj ogfeiikxaix ge- wor en in ein ganzen sme in er aerne der kaiserlichen Leibwache Apostg. 28, 16 Anm.] nnd bei den Andern allen sin der Stadt über- harckiyptlz IsJoviJeI ihrer ein aufmerkfames Auge für mi a en « 14. Uiid viele Brüder in dem HErrn [die meisten von den Christen· zu Rom Apostg. 28, 15., nachdem sie] aus meinen Banden Zuversicht gewonnen lauch ihrerseits des Evangelii von Christo Jesu sich nicht zu schämen Rom. l, 16], desto thurstiger [d. i. kuhiiey beherzter 1.· Mos 34, 25 Aiim».] worden sind [im Bergleich mit fruher, ehe ich hierher als Gefangener kam], das Wort [Apostg. 8, 4; 11, 19; 16, S; Gal. 6, 6;1. Thess 1, S] zu reden ohne Scheu. Es war eine, von» der Gemeinde zu Philippi ihm zugekommene Unterstutzung die den Apostel veranlaßt hatte, ihr zii schreibem Nein hat er allerdings seinen Brief nicht damit begonnen, ihr für dieselbe zu danken, sondern sie zuvorderst versichert, daß er Gott um ihre esammte und von Anfang an geleistete Mithilfe zum Zberke der Heilsverkündigung daiiksagez aber nachdem er sie dessen versichert und über sein mit dieser Dank- sagung verbundenes Bittgebet um Wachsthum ihres Christenlebens allfeitig sie verständigt hat, ist er ihnen doch nun schuldig, vor allem auf dasjenige einzugehen, was sie bewogen, ihm ietzt eine Unterftützung ugehen zu lassen. Von dem Stande seiner Sache was; er sie zunächst unterrichtem zumal sie sich ihn ungünstiger vorgestellt haben, als er in Wirtlichkeit war; denn dies erhellt aus dem »nur mehr« des vorerst in Betreff der Heilsverkündigung beruhigenden Satzes, wel- ches sich im Sinne eines ,,vielmehr« auf die wesentlich andere Vorstellung beziehen muß, die sich die Gemeinde von seiner Lage machte. (v. Hofinann.) Der rasche Uebergaiig zu den Nachrichtem die Paulus über sich giebt, läßt vermuthen. daß das, was er schreibt, Ant- wort auf geschehene Anfrage ist: wie könnten wir es uns auch anders denken, als daß die Gemeinde, die dem Apostel Unterstützurig sendet, Nachricht über ihn zu erhalten gewünscht hat! Zunächst nun theilt er mit, welche unerwarteten Folgen seine Gefangenschaft für die Verkündigung des Evangeliums herbeigeführt habe: für’s Erste sei der Grund seiner Gefan- genschaft, und damit Christus im Prätorium und außerhalb desselben bekannt geworden; sodann sei der Muth zur Verkündigung des Evangeliums bei den Brüdern dadurch gewachsen. Wie nun die Bande Pauli in Christo im ganzen Richthause, d. i. in der Prätorianer-Kaferne, offenbar werden konnte, erklärt uns die Stelle: Apoftg. 28, 16 ff· (Wiesinger.) Da Paulus durch einen Soldaten aus der kaiserlichen Leibwache, mit welchem er frei verkehren konnte, un- unterbrochen bewacht war, so erklärt sich leicht, wie die Veranlassung zu seiner Gefangenschaft allniälig in der ganzen aserne bekannt werden konnte; die Wach- posten wechfelten ja mit einander ab und der Apostel setzte in seiner Haft das Predigen ungehindert fort. Aber dies Bekanntwerdeii geschah auch in weiteren Kreisen unter den ukichristlichen Römern; es geschah theils unmittelbar von Paulus selbst, da jeder zu ihm kommen konnte, theils mittelbar durch die Prätorianey Gerichtsdienerz Schüler und Freunde des Apostels. Bestand nun aber der erste Erfolg der Gefangenschaft des Apostels um Christi willen in der Verbreitung des Evangeliums unter den Soldaten der kaiserlichen Leibwache und auch noch andern Personen, so bestand ein zweiter in der furchtloseren Verkündigung des Worts durch die Brüder. Die Bande Pauli wurden diesen nicht etwa blos ein aufmunterndes Beispiel der Geduld, sondern noch mehr eine thatsächliche, Christum und sein Evangelium hoch ehrende Gewähr der ganzen Wahrheit und Gerechtigkeih Kraft und Herrlichkeit des Worts, um defsentwillen der Apostel seine Fesseln trug; dadurch wurden sie, statt den Muth zu verlieren, wie es vielleicht anfangs bei ihnen der Fall gewesen, in Folge des erhebenden Einflusses der sittlichen Sym- pathie init dieser apostolischen Bandeiila e nur um so kühner gemacl)t zu einer unerschrockeiien Verkündigung des Evangeliums. (Schenkel und Meyer) Bei den ,,Brüdern« ist an Christen, Glieder der römischen Ge- meinde zu denken, die dem Apostel als Gehilfen und Mitarbeiter sich zur Seite stellten. Uebrigens erhellt aus dieser Stelle, daß unsre Epistel erst in der späteren Zeit der Gefangenschaft Pauli geschriebeii sein kann; nur allmälig konnte die ganze Leibwache und durch diese, sowie durch deii Apostel selbst und durch Andere, ein größerer Kreis von bisher ihm Fremden mit seiner Sache und deni Grund seiner Bande bekannt werden. (Braune.)- O, wie Manches hat schon einem Hinderiiiß 506 Philipper l, 15——-26. für das Reich Gottes gleich gesehen, und wenn man es mit Glauben und Geduld angefaßt, Gott darunter etraut und die Geburtsstunde wacker durchgeschafft at, so ist eine Förderung für das Evangelium daraus entstanden. (Rieger.) Wenn Gott die, so sein sind, bekannt machen will, müssen auch seine größten Feinde dazu helfen: man lasse Gott walten und folge seinen Wegen! (Starke.) Beides verbreitet sich weiter und hat gleichsam eine ansteckende Kraft unter den Men- schen: der Muth auf der einen Seite und die Feig- heit auf der andern. (Schleiermacher.) 15. Etliche zwar [unter ihnen, den in V. 14 erwähnten Brüdern] predigen Christum auch um Haß und Haders lvillen sNeides und Streites hal- ber, d. i. um ihrer über meinen Einfluß neidi- schen und· gegen mich streitsüchtigen Gesinnung eine Befriedigung zu verschafsen]; etliche aber aus guter Meinung [von wohlwollender Gesinnung gegen mich getrieben]. 16. Jene [von denen ich zuerst redete] ver- kündigen Christum aus Zank [Ränke- und Partei- sucht Röm. 2, 8], und nicht lauter [in unlauterer Gesinnung und Absicht Kap. 2, 21]; denn sie mei- nen, sie wollen eine Trübsal zuwenden meinen Banden ssich einbildend, ich sei von derselben kleinlich-neidischen Sinnesart erfüllt, die kein Ge- lingen Anderer mit ansehen kann, ohne dadurch gekränkt und beeinträchtigt sich zu fühlen] 17. Diese aber aus Liebe; denn sie wissen, daß ich zur Verantwortung des Cvaugelii hie liege [V. 7., und wollen nun solchem meinem Beruf an ihrem Theil förderlich werden]. 18. Was ist ihtn aber denn [was liegt daran Röm. 3, 3., wenn jene V. 16 das, was sie thun, nicht aus gutem Herzen gegen mich thun]? Daß nur Christus verkündiget werde allerlei Weise [daran ist allein alles gelegen], es geschehe zu- sallens [indem man den Eifer für Christi Sache zu einem bloßen Vorwand macht, hinter dem Neid, Streit und Ränkesucht ihr Spiel treiben], oder rechter Weise; [und wenn nun gleich die Un- lauterkeit des Treibens jener Leute an und für sich mich betrübt] so freue ich mich doch darinnen* [daß eben Christus verkündiget wird] und will mich auch freuen. 19. [,,Jch will mich auch freuen«: so sagte ich eben.] Denn ich weiß, daß mir dasselbige sworin meine gegenwärtige Lage besteht V. 12 und was für eure liebenden Gemüther ein Gegen- stand der Beunruhigung ist] gelinget sausschlagen wird] zur Seligkeit [2. Tim. 4, 18] durch euer Gebet [das für mich zum Himmel steigt [2. Cor. 1, 11] nnd durch Handreichung des Geistes Jesu Christi [der mir schon jetzt Licht, Muth und Kraft je nach Bedürfniß vom Himmel her zuführt]; 20. Wie ich [denn] endltch [was die weitere Zukunft betrifft] warte und hoffe, daß ich in keinerlei Stück sdieselbe möge bringen, was sie wolle] zu Schanden werde [Ps. 25, 2], sondern daß mit aller Freudigkeit [das Wort des Grundtextes kann auch übersetzt werden: in aller Oeffentlich- keit Joh. 7, 4; 1l, 54; Col. 2, l5], gleichwie sonst allezeit, also auch jetzt [wo die Entscheidung über den Ausgang meiner Gefangenschaft nicht lange mehr wird auf sich warten lassen], Christus hoch gepriesen werde an meinem Leibe sdurch das, was an demselben vorgeht], es sei [nun, je nach- dem die Entscheidung ausfällt] durch Leben oder durch Tod. 21. Denn Christus ist mein Leben sdas Leben besteht mir darin, Christum zu haben und ihm zu dienen, ich werde also, im Falle ich am Leben bleibe, zu seiner Ehre weiter wirken]; und Sterben [andrerseits] ist mein Gewinn« [weil es mich dahin führt, daß ich Christum nun ganz haben werde, ich würde also, wenn es mit mir zum Tode geht, denselben mit Freuden erlei- den V. 23]. V) Da die apostolische Kirche sowenig wie die Kirche irgend einer andern Zeit von Sünde frei war,»so konnte es nicht fehlen, daß die großartige Wirksamkeit des Apostels und feine hervorragende Stellung .in der Kirche in manchen Gemüthern Neid«erregte, umal in Rom, wo der bisherige Mangel einer die emeinde leitenden apostolischen Auctorität unstreitig manchen kleineren Geistern ein gewisses hervorragendes Ansehn verschafft hatte. Mit undefangener Freude hatten sie sein Kommen begrüßt (Apostg. 28, 15); als aber aus feinem flüchtigen Besuch wider des Apostels Willen ein jahrelanges Verweilen geworden war, sahen sie ihr bisheriges dominirendes Ansehn in der Gemeinde durch ihn gefährdet, und so schlich sich der Neid in ihre Herzen ein. Um dieses nun auch dem Apostel gegenüber zur Geltung zu bringen, mußten sie, ob- wohl in der Lehre mit Paulus übereinstimmend, doch diesen selbst -anfeinden, mußten Anlaß suchen, seine Person und seinen Wandel, die Art feiner Verkündi- gung zu bemängeln und zu bestreiten, und ihr Muth wuchs dadurch, daß derselbe in Ketten und Banden lag; je mehr sie ihn dadurch in seiner Thätigkeit be- hindert sahen, um so eher glaubten sie ihn überflügeln zu können: wäre er frei gewesen, so hätte die impo- nirende Größe und Kraft seiner Wirksamkeit sie nieder- gehalten, und je weniger er jetzt im Stande war, sich zu vertheidigen und ihre Angriffe niederzuschlagety um so eher hofften sie mit ihren Vorwürsen gegen ihn durchzätdringem So wagten sie es, auf seine gebun- dene age vertrauend, immer kühner hervorzutreten mit ihrer Verkündigung des Evangeliums, die aber freilich nicht Christo, sondern ihrem Ehrgeiz und Uebelwollen gegen den Apostel diente· (We1ß.) Die Absicht der Gegner, den Banden des Apostels eine Trübsal zuzuwenden, scheitert an dessen Sinn, der einzig darauf gerichtet ist, daß Christus— verkündiget werde, gleichviel welche Privatabsicht sich damit ver- binde. Solche Freude Pauli über die Verkündigung des Evangeliums an sich selber, wenn dieselbe auch als Mittel der Feindschaft wider ihn gebraucht wird, wäre unerklärlich, wenn das Evangelium nicht un- verfälscht von den Gegynern Verkündigt worden wäre; es können also nicht egner judenchristlicher Art sein, die der Apostel hier im Sinne hat, wie nicht wenige Ausleger angenommen haben (vgl. Kap. Z, 2), Des Apostels persönliche Lage: Freude jetzt und Freude fernerhin, was auch die Zukunft bringe. 507 vielmehr müssen es solche sein, die Christum zwar in Uebereinstimmung mit der paulinischen Lehre predig- ten, aber mit ihrer Wirksamkeit dem Apostel aus per- sönlichem Hasse zu schaden suchten. (Wiesinger.) Man kann das Beste aus unreinen Absichten thun, selbt Christum predigen aus Ehrgeiz. Geistlicher Neid un Stolz schleicht sich auch unter Predigern des Evange- liums ein und reizt zu falschem, nnßgünstigem Wett- eifer. (Heubner.) «) In der Gegenwart ist es nur reine Freude, was den Apostel in seiner Gefangenschaft erfüllt, er darf in seinen Banden sich der Förderung der Sache Christi freuen; so bezeugt er in der ersten Hälfte des Schlußsatzes von V. 18 den Philippern und beruhigt damit diese wegen ihrer Beforgniß, als drohe die län- gere Dauer seiner Gesangenschaft der Sache des Evan- geliums Gefahr· Aber wie war’s, wenn er nun in die Zukunft seinen Blick richtete, in der noch die Endentscheidung über sein Schicksal dunkel und drohend über seinem Haupte hing? Diese Frage war ja die weite, welche die liebenden Gemüther seiner Philipper in besorgt machen mußte. »Und will mich auch freuen«: as ist denn die beruhigende Auskunft, die er bereits in der zweiten Hälfte jenes Schlußsatzes ihnen gegeben; sie zu begründen, folgtnun hier die nähere Dar- stellung dieser feiner hoffnungsvollen Freudigkeit im Blick auf seine Zukunft. (Weiß.) »Aber ich werde mich auch freuen«, wie es genauer nach dem Grund- text heißt, so fährt der Apostel fort, damit, den Blick von seiner Gegenwart hinweg, die er in V. 12 ff. ge- schildert hat, auf seine Aussicht in die Zukunft wen- dend, von der er nunmehr handeln will; er will aber auch in Betresf seiner Zukunft sich freuen, weil er weiß, daß ihm ,,dasfelbige«, nämlich das, was seine Ge enwart ausmacht, zum Heile ausschlagen wird, gleichviel ob es darauf hinausgeht, daß er am Leben bleibt, oder darauf, daß er den Tod erleidet, und Zwar wird es zum Heil für ihn ausschlagen durch der eser Gebet für ihn und durch Handreichnng des Geistes Jesu Christi, der ihm darreicht, was ihm noth thut, besonders auch das rechte Wort bei seiner bevor- stehenden Verantwortun (Luk.12, 11f.). Daß solches geschehen werde, ist sein arten und Hoffen; er schaut mit Spannung darnach als nach einem Künftigen aus, hält sich aber desselbigen schon im Voraus verfichert und etröftet sich dessen, daß, was immer die Zukunft ihm ringen mag, er nicht werde zu Schanden werden, sondern daß gleicherweise das Leben, welches sein leib- liches Dasein fortbestehen, und der Tod, der ihm ein Ende macht, Christo zur Verherrlichung dienen werde vor denen, die ihn leben oder sterben sehen. Wenn die Verherrlichunä Christi mittels Lebens geschieht, so besteht sie darin, aß das leibliche Dasein, in iwelchem der Apostel verbleibt, dem Werke Christi dient; und wenn sie mittels Todes geschieht, so besteht sie darin, daß das Ende seines leiblichen Daseins· der Abfchluß seines Zeugnisses von Christo ist: das erstere ist schon immer so gewesen, und der Apostel weiß, daß es dann auch ferner so sein, nicht minder aber auch, daß das letztere nicht fehlen wird. Während nun für die Ver- herrlichung Christi es sich gleich bleibt, ob der Apostel lebt oder stirbt, weil beides ihn zu verherrlichen dient, könnte dagegen für ihn selber es anders scheinen, es könnte scheinen, als wäre das Sterben nicht dazu für ihn angethan, sich aus alle Fälle auch der Zukunft zu freuen, wie er der Ge enwart sich freuet; da aber das Leben haben sund Ehristum haben für ihn Eins ist, steht er in einem Leben, für welches das Sterben nicht blos leichgiltig, sondern sogar Gewinn ist, weil es ihn feines eigentlichen Lebens nicht blos nicht verlustig, sondern sogar desselben erst recht theilhast macht. (v. Hofmann.) 22. Sintemal [Luk. 1, I] aber im Fleisch leben [falls es mir beschieden wäre, dem gemäß, daß.Christus mein Leben ist V. 21., dazu] dienet, zu dem bisher schon Gewirkten künftig noch] mebt Frucht zu schaffen« [Rbm. 1, 13], so weiß ich nicht, welches [von beidem, ob Leben oder Sterben, als das Wünfchenswertherd ich [mir, soweit es auf ein Wünschen und Hoffen meinerseits ankommt] erwählen soll. 23. Denn es liegt mir beides hart an sdaß die Selbstentscheidung für das eine oder für das andere mir schwer fällt]: Jch habe [wenn ich mein eigenes Jch in’s Auge fasse] Lust abzufcheiden [2. Tim. 4, 6] und bei Christo zu sein [2. Tor. 5, 8], welches auch [für mich selber] viel besser wäre [als wenn ich des Lebens Noth und die Anfech- tung der ungläubigen Welt noch länger zu tragen hätte 2. Tini. 4, 18J. 24. Aber es ist nöthigen im Fleisch bleiben fund alles Ungemach noch ferner zu tragen], ntn euretlvillenk [die ihr mit den andern Gemeinden der Fürsorge und Pflege eures Apostels noch gar sehr bedürfet]. 25. Und in guter Zuversicht [dessen mir ge- wiß, daß eben dies, was ich nannte, das Nöthigere ist] weiß ich [indem ich nicht anders denken kann, als daß das für euch Nöthigere den Ausschlag bei dem HErrn geben wird, und nicht das gerade für mich Besseres daß ich bleiben und bei euch allen [als ein nach so langer Trennung euch wieder Zurückgegebener] fein werde, euch zur För- derung [im christlichen Wesen und Wandel V. 22—]" und zur Freude des Glaubens [der nicht aufgehört hat zu hoffen und zu beten, daß der HErr seinen Diener aus der Hand seiner Feinde erretten werde, und, indem er nun die Erfüllung dessen erfährt, darüber sich freuet und desto zuversichtlicher wird]; 26. Auf daß ibreuch sehr [in noch reicherem Maße, als ihr es bisher schon thun konntet 2. Cor. 1, 14] rühmen mbget in Christo Jesu an mir [der ich ja als der Begründer ·eures christ- lichen Lebens der Gegenstand eures Ruhmes bin] durch meine Zukunft wieder zu euch «· [durch mein Wiederkommen zu euch, womit ich nun auch Ge- legenheit finde, jenes euer christliches Leben weiter auszubauen ——«vgl. dagegen Kap. 2, 17]. V) Fragt Paulus, indem er vor einem Dilemma steht, in dem er nicht sofort erkennt, was er für sich selbst erwählen soll, zunächst sein subjektives Ver- langen, so hat er Lust, abzuscheiden und bei Christo zu sein, aufzubrechen aus diesem irdischen Leben, um zu der vollkommenen Gemeinschaft mit Christo zu ge- langen, um deretwillen ihm das Sterben Gewinn ist; denn soviel steht fest, daß dies für ihn das bessere Theil ist oder, wie er sich gleichsam in der Steigerung des Ausdruckes selbst überbietend sagt, um vieles mehr noch besser ist als das Leben, in welchem die Gemein- 508 fchaft mit Christo ja noch »so vielsach gehemmt, getrübt und gestört ist. Aber freilich, das darf ihm nicht der einzige Gesichtspunkt sein: es hält ihn· auch fest der Blick auf das, was den jungen Christengemeinden umher noth thut und den geliebten Philippern vor allem, an die er soeben schreibend in Liebe gedenkt; und er kann sich’s nicht verbergen, daß um ihretwillen sein Verbleiben im Fleische nothwendiger ist, damit er ihnen wieder sein kann, was er ihnen bisher war, in Lehre und Ermahnung, in Stärkung und Reinigung. Man weiß nicht, was man an dieser Stelle mehr be- wundern soll, die begeisterte Todessreudigkeit des Apostels oder die nüchterne Werthschä ung des irdi- schen Lebens, die Liebe zu Christo, des en vollste Ge- meinschaft zu erlangen um jeden Preis sein höchster Wunsch ist, oder die Liebe zu seinen Gemeinden, für deren Bestes er selbst dieseiihöchsten Wunsch zu opfern bereit ist; uns aber giebt die Stelle ein klares, zwei- selloses Zeugniß dafür, daß gleich nach dem Tode eine selige Gemeinschaft der gläubigen Seelen mit Christo beginnt, die auf der schon hier durch seinen Geist ge- stifteten unauflöslichen Verbindung mit ihm ruht und einst bei seiner Wiederkunft durch die Auferstehung des Leibes nur zur vollen Gemeinschaft der göttlichen Herrlichkeit verklärt und erhöht wird. IN) Die Erwägung, die der Apostel im Vorigen angestellt über die beiden möglichen Eventualitäten seiner Gefangenschast, hat einen Punkt hervortreten lassen, von dem aus ihm ein helles Licht auf seine Zukunft zu fallen scheint: ist wirklich sein Bleiben im Fleisch nothwendiger um der Gemeinden willen, so kann kauni mehr ein Zweifel übrig bleiben, daß Der, welcher die Schicksale seiner Kirche überall zu ihrem Heile lenkt, eben darum auch gerade dieses geben wird; und darauf vertrauend spricht er nun die Gewißheit aus, die ihm diese Erwägung über sein nächst bevor- stehendes Schicksal giebt— natiirlich nicht eine un- trügliche prophetische Gewißheit, da sie·sich nicht auf Gegenstände der göttlichen Heilsökonomie bezieht, sondern auf äußere Verhältnisse, von denen, wie er so eben gezeigt, nicht nur seine persönliche Heilsvollendung sondern auch die Verherrlichung Christi durch ihn in letzter Beziehung unabhängig ist, wohl aber eine Ge- wißheit, die in der selbstlosen Erwägung der vor- liegenden Verhältnisse begründet ist und eben darum freilich auch ihre Bestätigung der höheren Weisheit (Jes. 55, 8 f.) anheimstellen muß-· (Weiß.) Es liegt an unsrer Stelle durchausnicht m der Absicht des Apostels, aus übernatürlichen Eingebung zu weis- sagen; er spricht nur eine subjektive Ueberzeugung aus, nicht ein Wort Gottes, wobei er aber von dem ethisch tief-wahren Grundsa ausgeht, daß er den ihm persönlich angenehnieren usgang seines Processes nicht wünschen dürfe, sondern sich entschlossen zeigen müsse, die schwere, ihn fast erdrückende und init steten neuen Gefahren bedrohende Berussarbeit noch länger u tragen. (Schenkel.) Das ist die wahre Gottselig- Zeit des Christen, nach welcher wir alle zu trachten haben: die Sehnsucht nach der größeren Herrlichkeit des Zustandes, der uns dort aufbehalten ist, soll nie so groß in uns werden, daß sie die Uebung und Thiitigkeit in dem Beruf, den Gott der HErr uns auf dieser Erde angewiesen hat, schwächen oder wohl gar unterdrücken kann. (Schleiermacher.) Whitefield (Methodist, f l770) fragte einst einen ihm befreunde- ten Predi er Tennant, ob ihm der Gedanke Freude mache, da er bald heimgerufen werden möchte; dieser antwortete: ,,Jch habe kein Verlangen darnach, mein Tod geht mich nichts an; mein Beruf ist zu leben, so lange ich kann, so gut ich kann, und meinem Meister Philipper 1, 27——30. T, 1—4. zu dienen, so treu ich kann, bis er mich alzrust Würde ich nicht zu meinem Knechte, den ich pflugeii» geschickt hätte, und ich fände ihn schlafen und er bate mich: ach, die Sonne brennt o, lassen Sie mich nach Hause gehn! — wurde ich zu dem nicht sagen: du Faulenzer!« (Braune.) II- its. 27——üap. 2,1lt. von der Sihitderung feiner persönlichen Wage geht der Apostel über zu einer Er— uiahnung in Zetreff der Zustände der Ge- meinde. von einem wiedersehen zur Freude des Glau- bens hat er vorhin Ob. Es) den phitippern geredet; da er überzeugt ist, daß das wiedersehen von Seiten des hErrn werde verliehen werden, so hängt die damit ver- bundene Freude nur davon noch ab, daß ße durih ihr rechtes verhalten den in Aussicht stehenden Segen auih von ihrer Seite voll und ganz sich sichern. Das rechte verhalten nun, das er nieint, ist znoörderti im Kli- gemeinen ein Wandel, der dein Evangelio von Jesu Ehritlo zur Ehre gereicht; im Zesonderen aber sollen die Philipp« ßehen in Einem Eeiß und in Einem Sinn, fetten zusammenhalten und zusammenstimmen, um so als geschtossene Einheit den ehrißtiajen Glauben den ihn belkümpfenden niehtchrisilinjen Gegnern gegenüber zu vertreten, siih nicht von diesen erschreaien zu lassen, fon- dern, wie ße an Ehrißuiii glauben, so auch um seinet- wilten zii leiden, und sollen so mit ihrem Apostel ßch zusaviiiienschließem dem ein gleicher Kampf beschieden iß, aber auch niit ihm·(vgt. V. 19 f.) sich dessen ver- ßchert halten, daß solcher Kampf zu ihrem Heile aus- schlagen wird, während er den Widersachern das Ver- derben bringt (U. 27—«30). Uoeh eindringlicher macht Paulus die phillpper aufmerksam, wie ße Eines Sinnes unter einander sein und gleiche triebe haben müssen; indem er denn da Demnth und Selbstverleugnung ihnen enipfiehln malt er ihnen das sild Ehrisii als Vorbild vor die Augen nnd führt es in seinen Hauptzügen nach den beiden stünden, der Erniedrigung und der Er- höhung, aus Rad. L, 1—ll). daran linüpfi er dann weitere Ermahnungen in Beziehung auf das Schaffen der Seligkeit überhaupt und anf den hohen Beruf derer, die Gottes Kinder geworden sind ini Glauben an Ehrl- sium, und liomuit nnn auch auf den andern Fall zu sprechen, als von dem er bei seinen bisherigen Ermah- nungen ausgegangen ist, auf den nämlich, daß er feinen Opserdienn an der Gemeinde noch niit einem weiteren Opserwertie vollständig zu inachen haben werde, wie auch für diesen Fall nur von Freude die Rede fein tiönne für beide Theile W. 12—18). 27. Wandelt nur [während der Zeit, bis die Endentscheidung über mich erfolgt] würdiglich dem Evangelio Christi [ihm allezeit durch Wort und Werk, durch Thun und Leiden Ehre machend Ephei 4- I; Col, 1·, 10]- auf daß, ob Ich komme Und sehe euch [wie ich das soeben V· 25 f. in Aussicht stellen durste], oder ssalls die Entschei- dung länger, ·als wir denken, sollte aus sich war- ten lassen] abwesend von euch sin Beziehung auf euren Christenstand] höre, daß ihr stehet in Einem Geist [indem ihr euch alle, einer wie der andre, von dem Geiste Gottes regieren lasset] und Einer Seele smdem ihr euch Einmüthigkeit des Sinnes Kap. Z, 2 laßt angelegen sein] nnd [nun] sammt uns kampset [Kap. 4, Z] sur den Glauben des Evangetii sfür den Glauben an das Evangelium 2. Thess. 2, 13]; Ermahnung in Betresf der Zustände der Gemeinde. Wandelt würdiglich! 509 28. Und euch in keinem Wege erschrecken lasset von den Widersachernt [die denselben zu ver- stören gedenken 2. Eor. 8, 2], welches [einmüthige und unerschrockene Kämpfen eurerfeits, wie ich es erwarte] ist eine Anzeiga ihnen der Verdammniß [sollten sie gleich solche Anzeige nicht verstehen wollen] euch aber der Seligkeit [2. Thess I, 5], und dasselbige sdaß ihr die Seligkeit als Ausgang eures Kämpfens für den Glauben davon bringet, wird euch zu Theil] von Gott. 29. Denn euch ist [die Gnade] gegeben unt Christi willen zu thun lwas sich um seinetwillen zu thun gebührt], daß ihr [nämlich] nicht allein an ihn glaubet, sondern auch um seinetloilleu leidet, 30. Und habet denfelbigen Kampd welchen ihr an mir gesehen habt sals ich in Macedonien das Evangelium predigte Apostg. 16, 16—17, 14; 1. Thess L, T]- Und nun [seit ich hier in Rom bin] von mir hbrettt [V. 7]. Das 2. Kapitel. Die Erniedrigung und Erhöhung Christi soll zur Einigkeit und Demuth bewegen. l. Jst nnu [um auf meine obige Ermahnung Kap. I, 27 zurückzukommen, auf deren Beherzt- gung nach dem weiter dort Gesagten so viel für mich ankommt] bei euch Ermahnung in Christo, ist Trost der Liebe, ist Gemeinschaft des Geistes, ist herzliche Liebe nnd Barmherzigkeit [vorhanden, wie ja das bei eurem verhältnißmäßig guten Christen- stande Kap· 1, 5 f· ich wohl voraussehen kann]; 2. So erfüllet meine Freude-W [die ich schon jetzt an euch habe Kap. I, 4; 4, L, bringet sie auf’s volle Maß, bis wohin sie sich steigern kann Joh. Z, 29; 2. Cor. 10, 6., dadurch], daß ihr Eines Sinnes seid [Röm.12, 16; is, 5; 2. Cor. 13, 11], gleiche Liebe habet [wo einer den andern eben so sehr liebt, als er von ihm geliebt wird], einmüthig nnd einhellig seid [im Streben nach einem und demselben Ziel], 3. Nichts thut durch Zank oder eitle Ehre [Gal. 5, 26]; sondern durch Demuth sstatt aus Sucht nach eitler Ehre einer den andern zu ver- kleinern] achtet euch unter einander einer den andern höher, denn sich selbst sund komme nun ihm mit Ehrerbietung zuvor Röm. 12, 1015 4. Und ein jeglicher lstatt streit- und zank- süchtig immer das eigene Jch und dessen Interesse im Auge zu haben] sehe nicht lsowohls aus das Seine, sondern [vielmehr] ans das, das des Andern ist [1. Cur. 10, 24; 13, 5]. «) Als Frucht des würdiglich dem Evangelio Christi Wandeln hebt der Apostel die Einheit des Geistes in Ueberzeugung und Gesinnung und die daraus entspringende Harmonie der Seelen hervor; denn darauf kam es bei den Philippern ihren Wider- sachern gegenüber an. Dann nur kann der Kampf gelingen, wenn unter den Kampfgenossen Einigkeit ist: a stärkt ein Glied das andere und schützt eins das andere. Das Schwache wird vom Starken getragen, und das Starke gewinnt in der Vereinigung Muth und Zuversicht. Selbst das Zerrbild wahrer Einheit des Geistes und der Seelen, ein selbstgescha ener es rit du corps (Korpsgeist), welclf eine acht! Z iesinger.) Wo man einmal über der Hauptsache des vangjelii einig geworden ist im Geist, da soll man auch as Uebri e, was man sich sonst an einander könnte irren lassen, so ebnen, daß das Stehen in Einer Seele nicht verhindert werde; giebt es mit einander über dem Evangelio zu leiden und zu kämpfen, so wird man oft desto mehr zusammengeschmelzt sRiegerJ «) Der Christen einmüthiges und unerschrockenes Einstehen für den evangelischen Glauben läßt die Widersacher wissen, wenn sie auch sich dagegen ver- blenden, daß sie an ihrer Feindfchaft gegen ihn zu Grunde gehen; ihnen selbst aber verbürgt sich darin ein ihrer Tapferkeit entsprechender Ausgang, der ihnen darum von Gott jgeschenkt wird, wei er zuvor das Leiden selbst, das Deiden um Christi willen, ihnen ge- schenkt hat. Hätten sie es eigenwillig ausgesucht, so hätte ihnen Gott die in ihrer einträchtigen Entschlossen- Zeit und unerschrockenen Tapferkeit bestehende Ver- iirgung guten Ausgangs- nicht zu Theil werden lassen: sie möchten immerhin aus eigener Kraft den gleichen Muth beweisen; aber eine göttliche Anzeigung, daß Heil der endliche Ausgang sein werde, läge nicht darin. Mit dem nun, was sie zu bestehen haben, sagt der Apostel weiter, hat es die gleiche Bewandtniß wie mit dem, was sie ihn, als er das Evangelium nach Philippi brachte, haben erleiden sehen und was er jetzt durchzukämpfen hat; wie er den Leidenskampß den er damals zu bestehen hatte und den er jetzt be- ftehet, nicht selbst szgesucht, ondern als ein Gnaden- geschenk Gottes überkommen hat, so ist es mit dem ihrigen auch. (v. HofmannJ Die Gabe, zu glauben, und die Ehre, darüber zu leiden, bleiben auch jetzt nicht lange von einander getrennt: die ersten Gläubi- gen haben darin etwas vor uns vorausgehabt, gehe man nur Gott in den jetzigen geringeren Proben nicht aus der Hand! (Rieger.) Es ist das größte göttliche Gnadengeschenk, wenn wir um seines iamens willen Schmach, Gefängniß, Mühseligkeiten, Schmerzen, ja den Tod selbst erdulden; da ziert er uns mit feinen Zeichen. Aber es wird allezeit ihrer mehr geben, die Gott bitten, sie mit diesen seinen Geschenken zu ver- schonen, als solcher, die dankbar das Kreuz annehmen, wenn es ihnen dargeboten wird. (Calvin.) IN) Der Apostel hat in Kap. l, 27—30 den Phi- lippern bemerklich gemacht, wie er sie bei seinem be- vorstehenden Besuche zu finden wünsche; nun macht er ihnen aber auch bemerklich, was von ihrer Seite er- forderlich sei, um so erfunden zu werden, und ist da seine Ermahnung um der Wichtigkeit der Sache willen besonders eindringlich gehalten. Es sind vier Veweggründh auf welche er in V. l dieselbe stützt: zuerst die Ermahnung der Philipper unter einander (Col. Z, I6), und zwar »in Christo«, sofern die Ge- meinschaft mit Christo auch zu gemeinsamer sittlicher Anregung und Förderung auffordert, und besonders in ernsten Zeitläuften sind Christen die gegenseitige brüderliche Ermahnung sich schuldig; sodann die von Liebe getragene Tröstung, mit Rücksicht auf die Schwa- chen, denen die Stärkeren Trost zusprechen sollen; drittens die Gemeinschaft des Geistes und viertens die erbarmende Liebe. (Schenkel.) Die vier Punkte 510 Philipper L, 5——11. zerfallen in zwei parallele Hälften, so daß in jeder der erste Punkt auf das objektive Princip des christ- lichen Lebens (,,in Christo« —- ,,des Geistes«) und der zweite auf das subjektive Princity auf die specifische Gesinnung des Christen» (»»der Liebe« —»— ,,h»erzliche»«) hinweist; so ist die Motivirung welche m diesen vier Momenten liegt, gleichmäßig sowohl objektiv verbin- dend als innerlich rührend. Giebt es, will Paulus sagen (das ,,bei»euch«, was Luther hinzugefügt hat, ist insofern richtig, als der Zusammenhang das Vor- handensein der vier Punkte allerdin s auf Seiten der Philipper voraussetzh doch hat der postel im Grund- text den Ausdruck absichtlich all emeiner gehalten, seine Rede wird durch ein, auf die SBhilipper nicht sich be- schränkendes: »wenn es das alles giebt« beweglicher) giebt es Zusprache in Christo, wodurch ein Bru- der« den andern zur rechten Stimmung und Stellung aufniuntert und erweckt, giebt es Liebestrost, wo- mit einer den andern erquickt, giebt es Gemeinschaft ani Geist (2. Cor. 13, 13), welcher die rechten Ge- sinnungen einflößt und die Weihe der Kraft verleiht, iebt es Herz und Erbarmen (Luther: herzliche iebe und Barmherzigkeit), womit man sich mitfühlend und mitleidig der Bedrängten annimmt, so erfüllet meine Freude &c. (Meyer.) Nur das, was er im Folgenden nennt, fehle noch, so giebt der Apostel zu verstehen, damit das Maß seiner Freude voll werde: und die Philipper sollten ihm nicht Gehör eben? kann man dringender erinahnen und bitten, als aulus hier thut? (Wiesinger.) f) Schon oben (Kap. 1, 27) war angedeutet, daß es die Eintracht sei, ohne welche der Glaubenskampf durch die Gemeinde nicht recht vollendet werden kann; denn um fich in diesem Kampfe gegenseitigzu stärken, dazu kommt es darauf an, daß das Sinnen und Streben aller überhaupt ein gleiches sei und daß sol- ches einträchtige Streben von dem Geiste der gleichen Liebe bei allen beseelt sei, wonach keiner in seiner Liebe dem andern nachstehen will, sondern alle die- selbe Liebe haben. nd dazu kann es nur kommen, wenn wirklich alle einmüthsig wie Ein Herz und Eine Seele, trachten nach dem inen Ziel, das der Kampf des Glaubens als höchstes Gemeingut ihnen bot-steckt. Dies einmüthige Streben nach dem Einen Ziele schließt aber jedes andere Streben aus, dessenMotive eigen- nützige Parteisucht (Luther: ,,Zank«) sind oder hoch- müthiger Ehrgeiz, der noch in den. eitlen, »irdischen Din en seinen Ruhm sucht; denn beide zerreißen» das Ban der Liebe, weil keine Befriedigung des Eigen- nutzes oder Ehrgeizes möglich ist»oh·iie« Verletzung Anderer, und beide ftoren, indem ·sie ihre weltlicken Einzelzwecke geltend machen, das einträchtige Stre en nach dem Einen, höheren Ziele. Was an die Stelle des eitlen Ehrgeizes treten muß, ist die Demuth, die fich herablassende Gesinnung, die den Andern stets als höher stehend achtet als fich selbst unt-»in ihin ein Objekt der Ehrerbietung und pflichttnaßigen Dienst- leistung sieht, während der Ehrgeiz uberall sur fich Ehre und Dienstleistung von den Andern heischt. Was dagegen an die Stelle der eigennützigen Parteisucht treten soll, die alle Andern für fich und ihre Interessen in Anspruch nehmen will, das ist die selbstlose Liebe, die nie das J re ausschließlich fucht, sondern, wo sie einmal ihre nteressen wahrzunehmen schemt oder wirklich es zu thun genöthit ist, immer auch das Beste der Anderen iin Bli e behält. (Weiß.) Die Störungen der Einigkeit in Philippi, welche dieser Abschnitt verräth, sind nach den darin enthaltenen Er- mahnungen weder doctrineller Art, noch betreffen sie die Stärke und Schwäche der Erkenntniß und Ueber- zeugung, wie solche in Rom und Corinth stattfanden; sondern sie beruhten aus der Eifersucht sittlicher Selbstschätzung (V. 12; 3, 12 fs.), wobei man sich wechselseitig die christliche Vollkommenheit zu- und ab- sprach. (Meyer·) Die Nebenbuhlerei und der Wett- streit unter den Philippern, in denen die einen fich hochmüthig über die andern erhoben und sie nieder- drückten, inag fich vorzugsweise auf dasjenige bezogen haben, was die Einzelnen für die Sache Christi ge- than oder gelitten hatten, auf jene Gemeinschaft am Evangelio, deren der Apostel in Kaki. 1, 5 gedenkt; dahin gehörte wohl auch der Streit zwischen den beiden Frauen in Kap. 4, T. (de Wette) Epistel am Palmsonntagi.) Sowie der letzte Adventsonntag, der Sonntag vor Weihnachten, eine überaus liebliche, dem kommenden Feste entsprechende Epistel hat (Kap. 4, 4 fs.), jene gepriesene vom Frieden, der höher ist als alle Ver- nunft; so geht auch der heutige epistolische Text dem Ostertage sehr entsprechend voran, majestätisch groß, wie nur irgend eine Epistel sein kann. (Löhe.) Eine Perspective wird uns jetzt eröffnet, das Festprogramm der fol enden Tage wird in kurzen, kräftigen Zügen entworflem in die unergründlichsten Tiefen hinab und zu den wunderbarsten Höhen hinauf führt uns das Passa des Kreuzes und der Auferstehung Jesu Christi; unsere Epistel nun richtet unsre Füße aus diesen Weg des Heils, sie läßt uns hinabsteigen bis zum Tode, ja zum Tode am Kreuz, und dann mit Flügeln auf- sahren wie die Adler, um dem über alles, was im Himmel und auf Erden ist, Erhöheten die Opfer unseres Dankes und Preises darzubringen. (Nebe·) Als Ergänzung zu der im Evangelio (Matth.21, 1sf.) angedeuteten königlichen Hoheit des HErrn erinnert die Epistel an seine göttliche Herrlichkeih um ihr gegenüber aus seine Selbsterniedrigung hinzu- weisen und den demiit igen Gehorsam bis zum Tode am Kreuz als den eg ur glorreichen Erhöhung darzustellen. (Alt.) Die ahnuiig, welche uns bei unserm Eintritte in die stille Woche empfängt: ein jeglicher sei gesiiinet, wie Jesus Christus auch war! Wir richten unsre Be—- trachtung l) aus das Vorbild des HErrn; Z) auf die Nachfolge, die wir ihm schuldig sind. (Baur.) Dem HErrn Jesu nach: I) in Demuth, Z) in Ge- horsam! (Kunel.) Die Selbsterniedrigung des Sohnes Gottes, die zu seiner Erhöhung ge- führt hat: I) die Selbsterniedrigung, wie tief sie gegangen und wem zu gute sie geschehen; 2) die Erhöhung, wie weit sie fich erstreckt und wozu sie uns verpslichtet. (Eig. Arb.) Was siehst du, mein Auge, durch die Pforte des Palmsonn- tags? l) Knechtsgestalt bis zur Kreuzespeim L) K ö ni g s g ew alt bis zumThron desHimmels. (Herold.) Was ein Christenmensch mit dem HErrn Jesu theile? I) das Kreuz, die Herrlichkeit (Vollert.) Durch die Tiefe in die Höhe! l) Wirst du mit deinem Heiland hier auf Erden klein, 2) nimmt er dich mit in seine Herrlichkeit hinein. (Ahlfeld.) Die tiefe Erniedrigung des Sohnes Gottes: 1) worin sie bestand, Z) welchen Lohn sie fand. (Sommer.) Z. [Wenn ich, wie ich soeben V. 3 f. gethan habe, Demuth von euch fordere und Selbstver- leugnung, so muthe ich euch nicht mehr zu, als dies :] Ein jeglicher sei gesinnet, wie Jesus Christus auch war« fund das ist ja etwas, wozu ihr als seine Bekeiiner unbedingt verpflichtet seid]. Ein jeglicher sei gesinnet, wie Jesus Christus auch war! 511 b. Welcher [um f eine Gesinnung in ihren thatsächlichen Erweisungen euch jetzt näher dar- zulegen] ob er wohl [in seinem vorweltlichen Dasein Joh. I, 1 ff·] in göttlicher Gestalt war [in einem seiner Gottgleichheit entsprechen- den Herrlichkeitsstande sich befand Joh. 17, 5 und nun, da er Mensch ward, eine seinem gott- menschlichen Wesen entsprechende Gestalt oder Daseinsweise hätte in Anspruch nehmen können Hebr. 12, L; L. Petri 1, 16 ff.], hielt er’s nicht für einen Naub [für eine Sache, die er durch ein rasches, eigenmächtiges Zugreifen sich verschaffen müsse], Gott gleich fein« swie Adam im Paradiese es dafür hielt, da er sein wollte, wie Gott, und deshalb nach der verbotenen Frucht griff l. Mos. 3, 5 f., und wie der Teufel auch ihn dort in der Wüste Matth. 4, 1 ff. zu solchem Begehen eines Raubes auf dreierlei Weise ver- sucht-e]- 7. Sondern äußerte sich selbst [begab sich aller seiner rechtmäßigen Ansprüche und ent- leerte sich alles seines Vermögens, das ihm zur Verwirklichung derselben zu Gebote gestanden hätte] Und nahm [statt der Gestalt eines Menschen, der Gott der HErr ist l. Chron. 18, 17; L. Sam- 7, 19., vielmehr] Kiiechts-Gestalt an [die Ge- stalt oder Daseinsweise eines ganz Gott und sei- nem Willen unterworfenen Knechts Joh. b, 303 Luk. 22, 42; Jes. 52, 13 ff., gleich als wäre er nicht der Sohn des Vaters Hebr. 5, s; 2. Cor. 8, 9], ward [daher] gleich wie ein anderer Mensch san Wesen und Eigenschaften der mensch- lichen Natur mit allen, die Mensch heißen, Theil nehmend Hebr. 2, 14 und in nichts von ihrer Abhängigkeit, Bedürftigkeit und Versuchbarkeit sich unterscheidend Hebr. 4, 15] und sward nun in Folge dieses seines Werdens] an Geberden [was die ganze äußere Erscheinung und Gebarung betrifft in der Erfahrung aller, die mit ihm in Berührung kamen, auch wirklich] als ein Mensch erfnndensspk sgleich als wäre er nichts weiter als irgend wer aus der Zahl der übrigen Menschen Rom. 15, 3]; « 8. Er« [der so allseitig sich selbst entäußert hatte] niedrigte [d. i. erniedrigte Jes. Z, 24 Anm. 1., darnach noch] sich selbst und ward sgemäß dem, daß er Knechtsgestalt angenommen, dem Vater] gehorsam bis zum Tode swas er darum konnte, weil er gleich wie ein anderer Mensch geworden Röm. 8, 3], ja [um durch die nähere Bestimmung, was für ein Tod für ihn in Betracht kam, noch Größeres zu sagen, bis] zum Tode am Kreuz-s· swoer denn am meisten an Geberden als ein Mensch erfunden ward, indem er sich den niedrigsten und schlimmsten Ver- brechern gleich behandeln ließ] 9. Darum lzum Lohn für diese seine Selbst- entäußerung und Selbsterniedrigung] hat ihn auch Gott [dem Gesetz gemäß, das er selber in Matth. 23, 12 ausspricht] erhöhet szu dem Gott- gleichsein auch seiner menschlichen Natur nach V. 63 Hebr- 2, I; 12, 2], und hat ihm [in dem überaus hohen Herrlichkeitsstandz dahin er ihn versetzt hat] einen Namen gegeben, der über alle Namen ist-H« [Apostg. 2, 36; Offenlk 19, 16], 10. Daß swie in der Weissagung Jes. 45, 23 f. zum Voraus bestimmt war Röm. 14, 11] in dem Namen Jesn lzum Ausdruck göttlicher Anbetung Apostg. 10, 25 f.; Offenb 19, 10; Röm.i11, 4; Ephes ·3, ·14] sich beugen sollen alle derer Kniee, die im Himmel [der Engel Ephes I, 20 f.; Hebr. I, S; I. Petri Z, 2·2] und auf Erden [der Menschen Joh. 20, 28; Matth. 28, 17; Luk. 24, 521 und» unter der Erde sind [der Verstorbenen in der Unter- weltEphes.4, 9; Röm.14, g; 1.Petri3, 19f.; Offenb 5, 13], 11. Und alle Zungen [der vernünftigen Geschöpfe nach den eben angegebenen drei Klassen Ephef 1, 10 u. 22] bekennen sollen, daß Jesus Christus der HGrr sei [dem alles unterthan zu sein hat Matth. 28, 18; Röm. 10, 9; Z. Cor. 4, 5], zur Ehre Gottes des Vaters-Hi· [die mit solcher Anbetung des Sohnes und Unter- würfigkeit unter seine Herrfchaft keineswegs beein- trächtigt, sondern vielmehr gefördert wird] ’«·) Paulus will sagen: Jhr Christen, die ihr nun Christum habt und alle Fülle und Genüge an ihm und in ihm, beide, zeitlich und ewig, sollet nun nichts Anderes denken noch gut achten noch euch gesallen lassen, denn wie ihr sehet, daß Christus gegen euch gedacht und für das Beste geachtet hat, nämlich, daß er nichts für sich gesucht, sondern alles für euch und um euretwillen gethan hat. Also ein jeglicher auch demselbigen Bilde nach alles thue, was dem Andern gut und nüke ist. (Luther.) Sofort führt Paulus nun in schar en Umrissen das Bild des sich selbst ver- leu nenden HErrn, das Vorbild seiner Demuth ans; er skizzirt hier so·ganz beiläufig, so ganz in prakti- schem Interesse seine christologische Grundanschauunkk Wir stehen hier vor einer wahrhaft klassischen Stelle: sie ist nicht blos die Grund-Lehrstelle über die beiden Stände des HErrm sie liefert auch in wenig Worten eine vollständige Biographie desselben. (Nebe.) Aus dem, was der Apostel in dieser Stelle aus-führt, wird sich ergeben, was es heiße: gesinnet sein, wie Jesus Christus auch war. Wer also gesinnet ist, der wird, was er ist, nicht in der Art zur Geltung bringen wollen, daß er diese Geltung als ein Recht in An- spruch nimmt, auf das er nicht verzichten mag; und der wird nicht in der Art sich selbst zur Geltung bringen, daß er eine Stellung für sich fordert, welche dem, was er ist, oder zu sein meint, ebenmäßig ent- spreche. (v. Hofmann.) . «) An sich wäre es keineswegs zu tadeln gewesen, wenn Christus-das Herrsein als etwas gehalten hätte, das er sich zueignen müßte, denn als dem Sohne Gottes gebührte ihm das Herrsein von Rechtswegem er aber 512 hielt es nicht als etwas, das er an sich reißen dürfte vgl. Matth. U, 12) auf dem Wege selbsteigenen Er- reifens, sondern für etwas, das er auf dem Wege reiwilliger Selbsterniedrigung als Gabe vom Vater erlangen sollte Matth. 28, l8. (Sommer·) An sich wäre es kein Raub ewesen, wenn er als den Sohn Gottes in einer Weise sich erwiesen hätte, daß alle ihn dafür hätten er ennen und ihm dienen müssen; denn er hätte sich damit nicht einer fremden Sache ungebührlich angemaßtz sondern nur das Seine ge- braucht und offenbart. Aber eben dessen enthielt er sich, weil er nicht das Seine suchte, sondern uns zu suchen und selig zu machen gekommen war; und er enthielt sich dessen mit einem so abgeschiedenen Sinne, als ob es ein Raub gewesen wäre, wenn er in der Würde und Ehre, Gottsgleich zu sein, nur geschwind sich und feine Herrlichkeit gesucht hätte, ohne auf uns und unsre Erlösung von der Ungerechtigkeit zu sehen. Denn so sind wir in die Ungerechtigkeit gerathen, daß unsre ersten Eltern Gott gleich sein und das als einen Raub wider ihres Schöpfers Gebot an sich reißen wollten; in dieser ihrer Ungerechtigkeit werden wir alle geboren, daß wir nur das Unsere suchen und uns in wahren oder falschen, wirklichen oder eingebildeten Vorzügen so räuberisch verhalten, als ob uns kein Bedacht auf den Willen Gottes, keine Liebe unsers Nächsten darin Einhalt thun dürfte. Das Kind schon reißt mit Wuth an fich, was es verlangt, und beraubt ein anderes neben sich so be ierig, als der größte Weltbezwinger, an keine Billig eit sich kehrend. Davon nun uns zu erlösen und uns auf die Spur zu brin- gen, wie unter Verschmähung unser selbst das Bild und die Herrlichkeit Gottes erst wieder nach und nach in uns aufgerichtet werden müsse, ist dieser ganze Lauf unsers lieben Heilandes verordnet worden. (R1eger.) Mk) Jndem Jesus bei feiner Menschwerdung der Gottesherrlichkeit sich begab, stellte er dagegen sich in der niedrigen Gestalt eines Knechtes dar, der in Ge- horsam und Leiden sich bewähren sollte. Wenn es dann weiter heißt: ,,er ward gleich wie ein anderer Mensch«, so macht dies ,,gleich wie« auf den Unter- schied aufmerksam, der zwischen Christo in Knechts- gestalt und einem bloßen, gewöhnlichen Menschen gleichwohl stattsand. Chrysostomus sagt hierüber: »vieles hatte Christus von dem Unfrigen an sich, vieles aber auch nicht; dahin gehört, daß er nicht auf natür- liche Weise empfangen war, daß er keine Sünde gethan und daß, während wir sind Seele und Leib, er Gott ist und Seele und Leib. Bleibend, was er war, nahm er an, was er nicht war; Fleisch werdend, blieb er doch Gott, der Logos (das Wort) denn Gott, der Logos, schlug nicht in einen Mensrhen um, noch wurde sein Wesen verwandelt, sondern er erschien als Mensch, nicht durch leeren Schein uns täuschend, sondern ein Gott und ein Mittler, der Mensch (1. Tim. 2, 5) Christus Jesus-« Was hierauf den Ausdruck ,,Ge- berden« in dem Satze: ,,an Geberden als ein Mensch erfunden« betrifft, so bezeichnet derselbe die ganze äußerlich wahrnehmbare Art und Form, den ganzen Habitus der sinnfälligen Erscheinung; Christus hat wie andere Menschen ausgesehem gegessen, getrunken, geschlafen, geredet, geweint, ja er hat sterben können, wie der Apostel hernach ausdrücklich erwähnt. (Som- mer.) Er hat alles gebraucht wie ein andrer Mensch, als Essen, Trinken, Schlafen, Wachen, Gehen, Stehen, Hungerm Dürsten, Frieren, Schwitzeiy Ntüdewerdem Arbeiten, Kleiden, Wohnen, Beten und alles, wie sonst ein Mensch lebet gegen Gott und die Welt, wel- ches er alles hätte mögen lassen und als ein Gott anders fahren und gebahren; aber weil er ward wie Philipper 2, 12. ein Mensch, ließ er es ihm auch gehen wie einem Menfchen und nahm es wie ein Mensch, der defselbii gen bedurfte. (Lnther.) f) Er, der HErr unendlichen Lebens, hätte an"dem, was im vorigen Verse von ihm gesagt ist, einen voll- kommenen Beweis seiner wunderbaren Demuth und Lust am Kleinen und Geringen gegeben, auch wenn er nun nicht weiter gegangen wäre: sah man doch für gewöhnlich seine Herrlichkeit gar nicht, die Herr- lichkeit als des eingebornen Sohnes vom Vater; war doch die Entleerung und Entäußerung bereits so voll- ständig, daß nicht blos das Auge der Menschen, son- dern auch der listige Blick der alten Schlange ar nicht im Stande war herauszusinden, daß dieser Jesus von Nazareth Gottes Sohn und Gott, der Erbe der ewigen Herrlichkeit war (Matth. 4, 3 ff.). Aber diese Entäußerung bis zur Knechtsgestalt ist ja weiter nichts, als die Vorstufe zur Erniedrigung; die Entäußerung ist noch keine Erniedrigung, sondern sie bereitet den HErrn zur Erniedrigung vor, die Erniedrigung aber besteht im Gehorsam bis zum Tode, bis um Kreuzes- tode. Nicht die Menschwerdung nicht die ntäußerung, aber der Tod ist eine Erniedrigung; und der Tod am Kreuze eine doppelte. Der Tod ist eine Erniedrigung für denjenigen, der nie eine Sünde begangen hat, denn er ist der Sünden Sold; und der Tod am Kreuz ist eine doppelte Erniedrigung, denn er ist der Tod des Verbrechers, des bösen Sklaven, der, wenn auch sündig von Natur, doch nicht nöthig gehabt hätte sich in Verbrechen hineinzubegebem die des Kreuzestodes würdig find. Wenn nun unser HErr, der Reine, der Heilige, daran nicht genug hat, daß er sich aller seiner Gottesherrlichkeit entäußert, Knechtsgestalh aller Men- schen Aehnlichkeit und Verhalten an sich nimmt, son- dern auch die Strafen der Sünder und der Verbrecher auf sich nimmt und statt aller Lobgesänge der himm- lischen Geister auf seine fleckenlose Reinheit und Hei- ligkeit das Blut- und Todesurtheil Pilati erwählt, so ist das in Wahrheit eine Erniedrigung, auch wenn sie aus dem Gehorsam gegen den himmlischen Vater und aus der treuesten Meinung hervorgeht, den allerhöch- sten Willen zu erfüllen; denn wenn gleich der HErr den Tod und das Kreuz durch sein Sterben adelt und ehrt, so wird Er doch nicht durch Tod und Kreuz ge- ehrt, sondern eine Schmach wird ihm angethan, die Keinem angethan werden kann, weil kein Andrer ist, wer Er ist und wie Er ist. Da stehen wir nun am Ende des Stufenganges Jesux er geht immer weiter abwärts, vom Entschluß des S. Verfes zur Entäuße- rung und von der Entäußerung zur Erniedrigung, zur schmachvollen Erduldung unsrer Pein, zur stell- vertretenden Büßung unsrer Strafe· (Löhe.) Der menschg·ewordene Gottessohn hätte einen ganz anderen Weg an und für sich einschlagen können, als er gethan Irrt: er hätte seine Menschwerdung als das äußerste Taf; seiner Selbftentäußerung ansehen und sich wäh- rend seines irdischen Lebens unaufhaltsam in aufstei- gender Linie bewegen können; aber er hielt die Rich- tung ein, welcher er bei seiner Menschwerdung gefolgt war, er blieb, daß ich so sage, in seiner fallenden Bewegung, und wie die Bewegung eines fallenden Körpers von Sekunde zu Sekunde an Geschwindigkeit unimmt, an Vehemenz wächst, so war es auch bei hristo der Fall. Je länger, desto rascher, desto ge- waltiger ging sein We in die tiefsten Abgründe; er mußte so tief fallen, soitief sich herunterlassen, daß er selbst den Kreuzestod auf fich nahm, diesen Tod, auf dem die Schmach der Menschen und der Fluch Gottes ruhte, wenn er den gefallenen Menschen nahe kommen und seine rettende Hand reichen wollte. Paulus Christi Selbstentäußerung und Selbsterniedrigung und seine Erhöhung durch Gott. 513 hätte nun hger eigenilich abbrechen können, denn er hat seinen hilippern das Vorbild des HErrn, der nicht auf das Seine sah, sondern sich selbst entäußerte und erniedrigte, in kräftigen Zügen vor die Augen gemalt; er zieht aber die Hand noch nicht zurück, und wir sind ihm dankbar dafür, denn wir besitzen in der heil. Schrift keine einzige Stelle, in welche dem Stande der Niedrigkeit in dieser eingehenden Weise der Stand der Herrlichkeit entgegengesetzts würde. Der Apostel fährt denn in der angefangenen Rede fort und führt den HErrn auch nach der Seite hin den Philippern als Vorbild in der Demuth vor die Seele, daß er ihnen an dem HErrn als in einem Spiegel den Lohn zeigt, mit welchem Gott den Demüthigen begnadigt. Liebe) Daß auch diejenigen, welche sich nach Christi orbild erniedrigen, der Erhöhung entgegen gehen werden (1. Petri 5, 6), läßt der Apostel, ohne es aus- Eärziicklickk zu sagen, mit vieler Feinheit doch ahnen. enge . H) Es hat durchaus kein Bedenken, wenn der Apostel die Erhöhung Christi als Lohn, welcher ihm seines Gehorsams wegen gereicht wurde, darstellt; der HErr, nachdem er seiner göttlichen Gestalt sich ent- äußert hatte, verdankt die Rückkehr zur Herrlichkeit seinem Wohlverhalten in dem Stande der Erniedri- gung (Joh. 17, 4 f.). Wie nun der erste Satzx »Gott hat ihn erhöhen« eine Aussage über die Stellung des HErrn zu seinem Gott und Vater enthält, so der andere: »und hat ihm einen Namen gegeben, der über alle Namen ist«, an welchen sich erläuternde Neben- sätze anschließen, eine Aussage über das Verhältniß des Erhöheten zu den Creaturen, zu der gesammten Welt. (Nebe.) Das »Gott hat ihn erhöhet« entspricht dem ,,erniedrigte sich selbst« in der Art gegensiitzliclx daß nicht sowohl das, was Gott gethan hat, als vielmehr, daß Gott es ist, der ihm so gethan hat, betont wird: nachdem Christus Jesus mit seinem bis in den Kreuzestod bewährten Gehorsam sich selbst er- niedrigt hatte, so ist ihm nun dafür von·Gott «ge- fchehen, d·aß er so hoch· zu stehen kam, wie er jetzt stehet. Hinwieder entspricht das »Gott hat ihm einen Namen gegeben, der über alle Namen ist« dem ,,er äußerte sich selbst« gegensätzlich, wobei der Begriff des ,,gegeben« betont sein will: indem Christus Jesus, anstatt das, was er hätte können zu eigen hohem-mit Gewalt an sich zu nehmen, sich dessen entäußerte, was er besaß, empfing er dasjeni e als ein Geschenk göttlicher Huld, was ihn allen Wesen zum Gegenstande einer ihm sonderlich zukommenden ehrfürchtigen Verehrung macht. (v. Hofmannh Es ist der Name Christi Jesu (V. 5. 11), von welchem der Apostel behauptet, daß er höher als jeder andere Name, d. i. der herr- lichste unter allen Nanien geworden sei; er will damit sagen, in Folge eines göttlichen Gnadengeschenks sei der Name Jesus, welcher auf Erden der niedrigste unter allen gewesen, nachher im Himmel höher als alle andern Namen geworden. (Schenkel.) Dieser Name ist fortan Gegenstand der Anbetung, was er vorher nicht war und was auch mit keinem andern Namen der Menschen oder Engel sonst der Fall ist. (Sommer.) Als der HErr im Grabe lag und die Juden mit Pilato wegen der Wache verhandelten, da schien er bereits keinen Namen mehr zu haben, sondern die Hohenpriester sagten zu Pilato (Matth.27, 63): »Herr, wir haben bedacht, daß dieser Verführer sprach, da er noch lebte: ich will in drei Tagen auferstehen«, da ist er schon halb verschollen, da wird der HErr gar nicht niit Namen genannt, sondern man sagt blos ,,jener Versührer« (Jer. 17, 13). Aber wartet nur ein wenig, es wird sich ändern: er steht auf von den Diichsebs Bibelwert VII. Band. Todten und fährt auf über alle Himmel, und sein Name wird der bekannteste in allen Reichen der Welt, vom Himmel bis zur Unterwelt, und ist in allen Rei- chen der Welt, bei dem HErrn Zebaoth und seinen Heerschaaren, bei den Menschen auf der Erde und unter der Erde, kein Name wie der Name »Jesus, Jesus« (Löhe.) Tit) Auch das, worauf es Gott mit Jesu Christi Erhohung und mit dem Namen, den er ihm gegeben, abgesehen hat, fügt der Apostel hinzu, und zwar so, daß die »erste Hälfte des Absichtssatzes dem ,,er hat Zu erhohet«, die zweite dem ,,er hat ihm einen amen gegeben, der über alle Namen ist« entsprichtz in der einen ruht der Ton auf: »in dem Namen Jesu«, in der andern auf: »der HErr sei Jesus Christus«. Das »zur Ehre Gottes des Vaters« gehört zu beiden Sätzen. Jst nun bei beiden das die Meinung: nicht anders sollen die Kniee sich beugen als im Namen Jesu, und keinanderes Bekenntniß soll geschehen, als daß Jesus Christus-der HErr sei, so versteht sich von selbst, daß nur derjenigen Kiiiebeugen und Bekennen gemeint ist, die Gott die Ehre geben wollen (vgl. 1. Cor. 15, 22)»; der Apostel unterscheidet da dreierlei Wesen, welche jetzt oder hernach die Kniee beugen und Bekenntniß thun, und sagt von ihnen allen, so ver- schieden der Stand ihres Daseins· ist, daß sie eben nicht anders als im Namen Jesu die Kniee zu beugen undnicht anders zubekennen haben, als daß Jesus Christus der HErr sei. (v. Hofmann.) Mit »die Kniee beugen« wird die Anbetung versinnbildlichy wenn dann die Anbetenden in drei Klassen ein etheilt werden, welche die Gesammtheit aller vernünFtigen Geschöpfe in sich fassen sollen, so sind »die ini Himmel« ohne Zweifel die Engel, »die auf Erden« die Menschen und »die unter der Erde« die Bewohner des Hades oder die Verstorbenen. (Schenkel.) Das Anbeten seitens der letzteren setzt die Niederfahrt Christi zur Hölle« voraus, bei welcher er sich den Geistern im Hades als der HErr dargestellt hat. (Meyer.) Der Beugung des Kniees entspricht das Bekenntniß des Mundes; was ihnen die Kniee beugt, das spricht die Zunge aus, ihr Vekenntniß aber ist, daß Jesus Christus derHErr sei. (Wiesinger.) ,,Zur Ehre Gottes des Vaters-«: dieses letzte Ziel, auf das ja alle Heilsthaten Gottes hinausgehen, fühlt sich der Apostel gedrungen hier noch einmal auszusprechen, wo es scheinen könnte, als ob die vor allem betonte Verehrung und Anbetung Christi von demselben abführe. (Weiß.) 12. Also, meine Liebsten ldamit ich das, wozu ich von Kap. 1, 27 an euch ermahnt habe, nun zum Abschluß bringe nnd da, was ich sonst noch für Aiiliegen auf dem Herzen habe, in einige Hauptpunkte zusammenfasse], wie ihr allezeit soom ersten Tage an bis her Kap· 1, d] seid gehorsam gewesen smeinem Wort 2· Cor. 7, 15; Philem. 21., so seid es auch dem, was ich jetzt sage]: nicht allein in meiner Gegenwärtigkeit [Apostg. 20, 1 f., wo ihr so eifrig in eurem Christenthum euch gezeigt habt 2. Cor. 8, l ff.], sondern auch nun viel mehr in meinem Abwesen [2. Cor. 10,1 Anm.] schaffet fund zwar jeder für seine eigene Person, ohne dabei eines Sehens auf das, was des Andern ist, in falschem Sinne sich schuldig zu machen], daß ihr selig werdet, mit Furcht Und Zittern« [mit so angelegentlicher Sorgfalt, 33 514 Philipper 2, 13—18. daß ihr dabei nicht genug zu thun euch befiirchtet Ephes 6, b; 2. Cor. 7, 15]. 13. [Jhr könnt ja, auch wenn ihr jetzt mei- ner Aussicht und meines Beistandes entbehren müsset, recht wohl nun selbständig euer-Seelenheil beschasfen.] Denn Gott [von dem überhaupt alle Tüchtigkeit kommt 2. Cor. 3, b] ist’s, der in euch wirket, beide, das Wollen und das Vollbtingem nach seinem Wohlgefal- len" fund da braucht ihr ja nur diesem seinem Wirken in stetem Kampfe gegen die widerstreben- den Mächte Gal. b, 17; 1. Joh. 5, 4 f.; Ephes 6, 10 ff. Folge zu geben, so wird’s euch ge- lingen]. 14. Thut alles swas in eurem Christenthum euch zu thun vorkommt I. Cor. 10, 31] ohne Murmeln sAeußerung von UnzufriedenheitApostg. 6, 1., als würde euch zu viel zugemuthet 1. Petri 4, 9; '1. Cor. 10, 10] und ohne zweifelt« [Ve- denkensfragem ob das, was ihr thun sollet, auch wirklich Pflicht für euch sei und also gethan wer- den müsse], 15. Auf daß ihr seid ohne Tadel fAndern gegenüber] und lauter sder inneren Herzensbeschaf- fenheit nach Matthi 10- 161 und Gottes Kinder [als solche euch erweisend], Unsttåflich [euren Wandel führend —- besser verbindet man diese Worte so: und Gottes unsträfliche Kinder] mitten unter dem unschlachtigen sschlecht gearteten« oder unartigen Apostg 2, 40] und verkehrten Geschlecht [5. Mos. 32, z; Matth. 17, 17; Luk. n, 29], unter welchem ihr fcheinet als Lichter in der Welt [Ephes. 5, 8; Matth. 5, 14]; Its. Damit [als solche, als die Lichtträger in dieser finsteren Welt, scheinend], daß ihr haltet ob dem Wort des Lebens ldem Evangelio von Jesu Christo Röm. 1, 16; 1. Joh. I, 1., welches euch vertrauet ist Röm. s, 2], mir zu einem Ruhm an dem Tage Christi [Kap. 1, 10; 1. Thess 2, 19 f-; Z— Crit— 1- W, als der ich nicht vergeblich gelaufen [bin bei Ausrichtung meines Berufs Gal. 2, L; Apostg. 20, 24], noch Vergeblich [in demselben, da ich euch dem Reiche Gottes zuführte] gearbeitet habe-s [Gal. 4, 11; i. Thess. Z, 5]. 17. Und ob ich [als nun noch hinzukommen- des Trankopfer 4.Mos. 28, 7 fs.; Sirach 50, 17; s. Mos. 2, 16 Anm.] geopfert werde über dem Opfer und Gottesdienft eures [durch mein Wirken hervorgebrachten Röm. 15, 16] Glaubens, so freue ich mich [zu so heiliger Bestimmung verwendet zu werdens, und freue mich mit euch allen [denen es zum Ruhme gereicht, wenn zu dem Opfer »und Gottesdienst eures Glaubens, um allseitige Voll- ständigkeit zu erlangen, noch eine solche Spende hinzutritt Ephes. Z, 13]. 18. Desselbigen lGeschehnisses wenn ich als ein Trankopser in der angegebenen Beziehung ge- opfert werde] sollt ihr euch auch freuen [da ihr nach dem eben Bemerkten ja Ursach habt darin etwas zu erblicken, das euch zum Besten» gesehieht], nnd sollt euch mit mir freiienH fder ich m sol- chem Lichte es betrachte, und den Gewinn, den Eh vom Sterben habe Kap. I, 21., mir von erzen gönnen]. V) Der Apostel hat seine Philipper zur Standhaf- tigkeit im Glaubenskampfe nach außen und zur Be- wahrung der Eintracht nach innen durch Zdeniuth und Selbstverleu nuiig ermahnt; ·er at»gezeigt, wie »sich aus jener tandhaftigkeit die ewißheit der Heils- Vollendung» ergiebt, sund darauf hingewiesen, wie an dem Beispiele Christi sich zeigt, aß auf die Selbst- erniedrigung die Erhöhung zur Herrlichkeit folgen muß; dieser Weg der Standhaftigkeit im Glauben und der selbstverleugnenden Demuth ist es also, auf dem allein und sicher das Heil zu finden ist. Was bleibt ihm a»lso übrig, als ,,seine Liebsten« zum Schlusse no? eänmal aief ufffordeenz ailzf diesemcätiegte ihrestseilkf vo enun zu aen a inenin rio e en e Heil sich is zum Ende immer mehr und mexhr anzu- e»i»gneii, auf daß sie einst errettet und selig werdenam 1u»ngst»en» Tage. Wohl kann er sie darauf hinweisen, wie sie 1a bisher allezeit ihm gehorsam gewesen sind, und so auch seine xetzigenlsrmahnungen wohl befolgen werden; aber er mu sie zugleich· ausforderii, nicht allein» in demselben Maße un mit derselben Streb- samkeit, wie damals in seiner Gegenwärtigkeitz sondern Ietzt in seiner Abwesenheit noch vielmehr und mit viel Zeiss-e: ists-in: ssgxixssisiischasgsss seist« s« s u enun erni mer mahnend und zurechtweisend ihnen ur Seite steht. glseißs Bezieht »madn das ckynicht a ein in meiner egenwar ig ei, on ern au nun v· « m «- nem Abtoesen« auf das vorhergehendlee tztekhottlsaiieilss sein, wie Luther» mit seinerUebersetzung eigentlich so gewållthaetzso hagte mxm bei iäer dGegenwezrtizkeik im egen a zu em orange en en ,wie i r a e ei gewesen se3»)« aisi däetin Kgpe 25 »f»f.,iiidAuZLicht»zge- nommene nwe en ei zu e en« « t t des Grundtextes läßt eine sdllchey åexlitxhukirgf nikht Stil, sondern erfordert die auf das folgende Seligkeit- schasf»en. »Diese Forderun : ,,schasfet, daß ihr selig werdet , widerspricht dem atze nicht, daß das Heil Gnadengabe Gottes und dem Glaubenden bereitet, vorherbestimmt und gewiß it, nimmt aber mit Recht die verliehene neue sittliche raft des Wiedergcborenen in Anspruch, ohne deren Anstrengung er dem im Glauben erlangten Gnadenstande wieder entfallen und des ihm durch den Glauben·zugeeignetemHeils nicht wirklich· theilhastig werden wurde, so» daß· insofern» der gkliegliche Heilseinpfang das Ergebniß »seiner sittlichen 2 Ei engthetigkeit im» neuen Leben (Rom. S, kt.12fs.; · VI» , Ist· Die Ermahnung richtet sich also ERST Piiä22I"h-IZ32"2E«LEMHMFZ Tsisihsie Mikücks i e e u a seiner Heiligimg arbeitet« und um so an ele enttllichejt ·t d d « « « « g g if uech»ckas»»mitFurcht und Zittern die»Forderuiig gusge ru t, je mehr Kampf und Leiden die Leser zu kskltsbdåkåsxchsIII?Jziigiäirkhispsimschmll di? · »» » » un ezei nen un 1neint xene angstlikhq aus Demuth «stammende Ge- giscßeiirlzafkigeeitæssief das» Gegentheil hochfahrender i e ei i . mager. «) Den Inhalt des Seligkeitschasfens zerlegt der Apostel in das Wollen und i»»ii»da»s Vollbr»ingen; Jenes ist die anhebende Thatigkeit und bringt als Schaffet, daß ihr selig werdet, mit Furcht und Zittern. 515 solche das Heil noch nicht zu Stande, dieses ist die durchgreifende Thätigkeih welche, was in der erste- ren als innere Absicht vorhanden ist, in die äußere That umsehn Beide Thiitigkeiten kommen auf dem Heilswege dem Menschen zu, jedoch nicht in der Art, daß sie aus ihm selbst entspringen, sondern sie nehmen ihren Ursprung in einem ihm vorangehenden und sie bedin enden göttlichen Wirken; demnach wirkt Gott inner alb der Heilsordnung das menschliche Wirken. Doch steht im Grundtext für dieses Wirken das Schaf- jen der Seligkeit, ein Wort, welches ein Zustande- bringen bezeichnet, während für jenes der einfachere Ausdruck gebraucht ist, der nur ein Zuthun notirt.) Durch das »in euch« wird angezeigt, daß die göttliche Einwirkung nicht eine der menschlichen Thätigkeit fremde, blos corrective, sondern eine dieser immanente und deshalb ethische ist. Die nähere Bestimmung: ,,nach seinem Wohlgefallen« weist noch insbesondere darauf in, daß der Mensch auf seinem Heilswege keinerlei erdienft in Anspruch zu nehmen hat, sondern schlechthin von der Gnade, der wohlwollenden Güte Gottes abhängig ist. (Schenkel.) sitt) Es ist dies eine Ermahnung, die sich eng an das vorige a1ischließt: der gläubige Christ wird von Gottes Kraft erweckt und getrieben, sie ist mächtig in ihm; nun soll er aber auch ihr ohne Vorbehalt sich hingeben, weder durch Murren, durch geradezu widrige Gesinnung siclf gegen Gottes Willen auflehnen, noch auch hinter Zweifel und Vernünfteleien feinen Ungehorsam verbergen. Gegen Gottes Gesetz murren und seine Verpflichtungen in Zweifel einhüllen, das ist die Art eines Knechts, der aus Zwang gehorcht, nicht eines Kindes, das aus Liebe folgsam ist. (v. Ger- lach.) Jm Murren gegen Gott zeigt sich das falsche Selbstvertrauenz denn wer gegen Gott murrt, ist mit sich selbst, dagegen nicht mit Gott zufrieden. Jm Zweifeln zeigt sich das falsche Mißtrauen in Be- ziehung auf sich selbst, welchem der innere religiöse und sittliche Halt fehlt. Wo das ächte Gottesvertrauen, da hört das Murren, wo die ächte Sicherheit der chriftlichen, religiös-sittlichen Ueberzeugung, da hört das Zweifeln aus. (Schenkel.) · f) Das Ziel, zu dem der Apostel seine Leser durch die Ermahnungen zu führen beabsichtigt, bezeichnet er als die sittliche Tadellosigkeih welche jeden Fehl- tritt, und als die innere Lauterkeit, welche jede leise Trübung auch des Herzensgrundes selbst aus- schließt. Sollen sie freilich so ohne Tadel und lauter werden vor Gottes Augen, so kann dies Ziel hier auf Erden immer nur angestrebt, vollkommen erreicht kann es aber erst werden am Tage Christi. Um nun diese sittliche Vollkommenheit inihrer ganzen Herrlich- keit darzustellen, hebt der Apostel »in einem alttestament- lichen Ausdrucke (5. Mos. 32, 5) den grellen Contrast hervor zwis en ihr und dem sündhasten Wesen der ungläubigen elt rings umher: Kinder Gottes sollen ie werden von untadeligem Gehorsam gegen ihren ater im Himmel mitten unter einem verkehrten und verdrehten Geschlecht, das, weil es seine naturgemäße Stellung gegen seinen Gott verleugnet hat, nur noch eine sittliche Mißgestalt zeigt, neben deren widerlichem Anblick nur um so schöner die Gestalt der ächten Gotteskinder erscheint. Zu solchem Glanze können und sollen aber die Christen gelangen; denn ihrem Wesen nach erscheinen sie ja, den Sternen gleich, die in dunkler Nacht am Himmel ausgehen, in der unter der Finsternis; der Sünde begrabenen Welt als die einzigen Lichtträger, weil sie in dem Worte des Evangeliums, das von dem neuen Leben in Christo Jesu zeugt, die Quelle der Heilserkenntniß besigem die allein die Nacht der Sünde und des Todes aus ellen kann. Was der Apostel von ihnen fordert, ist also fchließlich wieder nichts Anderes, als das, wo- mit er begann (Kap. I, 27), daß sie sich des ihnen verkündigten Evangeliums von dem wahren Leben in Christo würdig zeigen sollen. Dieses Evangelium aber zu verkündigen ist ja seine Lebensaufgabe gewesen, und je mehr sie jenes Ziel erreichen, um so mehr ge- reicht ihm dies zu einer triumphirenden Freude im Blicke auf den Tag Christi hin, wo einst der HErr seinem treuen Arbeiter für das bewährte Werk den Lohn geben wird; denn in diesem von Gott geschenkten Erfolge sieht er ja eben, daß seine Arbeit bewährt erfunden ist, daß er nicht in’s Leere hinein und eben darum nicht vergeblich den Laus seines Amtslebens vollbracht und alle Mühe und Arbeit desselben getra- gen hat. (Weiß.) H) Die ganze Ermahnung von Kap.1, 27 an hat die in V. 25 f. ausgesprochene Hoffnung, daß der Apostel am Leben bleiben und die Gemeinde wieder- sehen werde, zur Voraussetzung; namentlich aber liegt diese Hoffnung den Worten des 16. Verses zu Grunde. Mit den Worten nun: »und ob ich geopfert werde« hebt der Apostel diese Vorftellung auf, um zu sagen, daß er auch in dem andern Falle, im Falle des Todes nämlich, sich freue und mit ihnen sich freue; und das- selbe sollen auch sie thun. Die Freude, die ihm wie ihnen aus der Erfüllung seiner Ermahnung erwachse, sei nicht an die Bedingung seines Lebens geknüpft. (Wiesinger.) Es ist ein ungemein schönes Bild, dessen der Apostel bei den Worten: »aber ob ich auch als Trankop er ausge offen werde über dem Opfer und priesterlichen Dienst eures Glaubens«, wie der Grund- text eigentlich lautet (vgl. 2. Tim. 4, 6), sich bedient. Zu den Schlachtopfern kam im alten Testament mei- stens noch ein Trankopfer von (rothem) Wein hinzu, das um den Altar her ausgegossen wurde; wie in Röm.15, 16 nun sieht sich der Apostel als einen Priester,an, der die gläubig gewordene Heidenwelt Gott opfert, und die Erweckung, Förderun und Voll- endung ihres Glaubens als ein priefterli es gottes- dienstliches Werk, die Vergießung seines Bluts um dies Opfer her aber als ein die ganze Handlung voll- endendes Trankopfer. Sollte dies Trankopfer dazu noch nothwendig sein, so sagt er nun hier, so will ich darüber mich freuen, und auch ihr sollt euch mit mir freuen. (v. Gerlach.) Vgl. zu dem, was der Apostel hier sagt, daß auch in dem andern, als dem oben angegebenen Falle, das für jenen Fall Behauptete stattfinden werde, die Bem. uApoftg. 20, 27.— Pau- lus lebte auch nach diesem etracht im Glauben des Sohnes Gottes, daß er all sein Künstiges in dessen Hand stellte und in das Weitere hinaus nicht gerade Gewißheit zu haben verlangte, sich es auch vor Andern gern anspüren ließ, daß ihn Gott durch Verborgen- halten des Zukünftigen so gut im Glauben übe als jeden andern Pilgrim: es zeigt eine gründliche Be- scheidenheit und Niichternheit des Gemüths an, von nichts mit mehr angemaßter Gewißheit sprechen, als einem von Oben verliehen ist. (Rieger.) III. v.19—30. Hatte der Jiooslet im vorigen Ab— schnitt die philipper ermahnt, wie fle während der Jeit seiner Abwesenheit oon ihnen bis zu seiner demnächst zu erwarteiiden Wiederkehr sich verhalten sollten, so giebt er nunmehr an, was er in seiner liebenden Für— sorge für sie zu thun gedenke. Er will ihnen den so treu bewährten und seinem Herzen so nahe stehenden Timotheutk sobald er nur irgend in der Lage sich befinde, auf die Anwesenheit des-Eben bei ihm Verzikht 338 516 Philipper 2, 19 —30. Z, 1. zu leihen, zusenden, der ihm nähere Uachriihten über sie bringen soll. Doch soll damit seine früher in Aus— ficht gestellte eigene Wiederkunft nicht ausgeschlossen sein, vielmehr wird diese ebenfalls in sälde erfolgen w. 19 —24). Schon jetzt aber schiebt er ihnen den Eva· phroditug, der ihre Geldspende ihm überbracht hat und von der todesgefährlichen Krankheit, in welche er zu Rom gerathen war, wieder genesen ist, zurück, daucit sie seines Wiederbesihes sich freuen können; möchten sie denn nun auch ihn mit rechter Freude aufnehmen und in ihm einen Mann ehren, der um des Werkes Christi willen sein Erben in die Schanze geschlagen (b. 25—30). 19. Jch hoffe aber in dem HErrn Jefn sfo bedrohlich auch meine Lage an und für sich ist V. 17 f.], daß ich Timothenm [den ich seit etwa Jahresfrist bei mir habe, vgl. 2. Tim. 4, 9 ff. mit Col. 1, I] bald werde zu euch senden, daß ich auch [gleichwie ihr eurerseits durch die über mich mit diesem Brief zu empfangenden Nach- richten Kap. 1, 12 ff.] erqnicket snach dem Grund- text: guten Muthes] werde, wenn ich "erfahre, wie es um euch stehet [und da ohne Zweifel sol- ches über euch hören werde, wie nach Kap. l, 27 ich mir wünsche]. 20. Denn ich habe keinen, der so gar meines Sinnes fund daher mir wie mein Herz Z. Mos. 13, 6] sei, der so herzlich smit einer Gewissen- haftigkeit, die ohne allen Falsch und Rückhalt ist] für euch sorget [2. Cor. 11, 28 und darum auch so geeignet wäre für diese Sendung, bei der es zugleich gilt, alles, was bei euch etwa nicht in der richtigen Verfassung ist, zurecht zu bringen] 21. Denn sie [aus deren Reihe einen Send- boten zu entnehmen an sich wohl nahe läge, um so es mir zu ersparen, daß ich des Timotheus mich beraube] suchen alle das Ihre, nicht das fwasf Christi Jesu ist [Kap, J, 15 f.]. » 22. Jhr aberwisset [in Betreff des Demo- theus von der Zeit her, da ich durch ihn die Collektenangelegenheit in Macedonien und Corinth betrieb, vgl. die Wem. zu § 160 der Beil. zur Geschichte des apostolischen Zeitalters im H. Anh. zum S. Bande, S. 174], daß er rechtschaffen fals ein bewährter Mann durchaus zuverlässig] ist; denn wie ein Kind dem Vater, hat er [seither] mit mir gedienet am Evangelio [1. Cor. 4, 17; 16, 10]. 23. Denselbigem hoffe ich, werde ich senden von Stand an, wenn ich erfahren habe, wie es Un! mich stehet ssobald ich nur einigermaßen ab- zusehen vermag, was für einen Verlauf mein Prozeß nehmen wird, und so im Stande bin zu beurtheilen, ob ich seiner Anwesenheit bei mir für die weitere Zukunft entbehren kann]. 24. Jch vertraue aber in dem HErrn sauf ihn und seine Hilfe mich verlassend, nicht aber auf die äußeren Umstände und Verhältnisse blickend, die ja so leicht dem Wechsel unterworfen und da- her zu triigerisch sind, um auf sie zu bauen], daß auch ich selbst schier fbald Jer. 20, 9 Anm.] kommen werde [Kap. 1, 25]. Aus dem, was der Apostel in V. 20 f. sagt, geht mit Bestimmtheit hervor, daß zwischen feiner gegen- wärtigen Lage und derjenigen, in welcher er sich bei Abfassung des Colosserbriefs befand, eine geraume Zeit dazwifchen liegt; damals konnte er eine Anzahl von Gehilfen am Reiche Gottes namhaft machen, die ihm ein Trost geworden, und namentlich auch von Lukas grüßen (Col. 4, 10 ff.), jetzt aber kommt von letzterem kein Gruß, sondern der Gruß in Kap.4,21 f. ist nur von den christlichen Brüdern überhaupt aus- gerichtet, und doch würde gerade Lukas, der so lange bei den Philippern gewesen (während der ganzen Zeit von Apostg. 16, 40—20, 5), am wenigsten versäumt haben, persönlich und unter Nennung seines Namens sie grüßen zu lassen. Jn den Schlußbem zum Evan- gelio Lucä und zur Apostelgefchichte haben wir nun in Betreff des Lukas uns klar zu machen gesucht, wie er damals nicht mehr bei Paulus in Rom, sondern anderwärts in Jtalien sich aushielt; wäre er noch bei dem Apostel anwesend gewesen, so hätte dieser ohne Verletzung der Wahrheit und Liebe nicht so schreiben können, wie er in jenen beiden Versen thut. Aber auch Aristarchus und die andern treuen Gehilfen waren zweifelsohne nicht mehr bei Paulus anwesend, oder kamen doch, wie z. B. Markus, hier nicht in Betrachtz der Apostel hat bei feinem Llusspruch über- haupt nur solche im Sinn, die er zu seinem Dienst an den Philippern hätte verwenden können, und da haben unsre Blicke sich vornehmlich auf die Reihen derer zu richten, von denen er bereits in Kap.1,15f. geredet, denn es« ist dasselbe Urtheil, das er hier fällt, wie das, welches er dort ausgesprochen Gewiß manche unter den einheimischen Lehrern der Gemeinde zu Rom hätten dem in Gefangenschaft befindlichen Heidenapostel bei der Sorge, die er für seine Ge- meinden trägt (2. Cor. 11, 28), zu Gehilfen sich stellen können, ohne damit ihrem Amte zu nahe zu treten; aber abgesehen von ihrer Eifersucht gegen ihn hielt auch die Furcht, etwa in seinen Proeeß verwickelt zu werden, sie ab, ihm zu dienen. Da hatte er wohl das Recht da u, eine Klage und Anklage über sie laut werden zu lassen. Was nun aber die hier in Aussicht gestellte Sendung des Timotheus betrifft, so ist es nach den Anschauungen, die wir von dem Verlau der weiteren Ereignisse im Leben Pauli im II. Anh. zum 6. Bande unter c, 2 vorgetragen haben, nicht dazu gekom- men; dieser wurde vielmehr zu Anfang des J. 63 selbst gefänglich eingezogen, hernach sreilich wieder frei gegeben (Hebr. is, 23). 25. Jch hab’s aber [statt ihn noch länger hier zurückzuhalten, bis er in Gemeinschaft mit Timotheus oder mit mir V. 23 f. die Reise machen könnte] für nöthig angesehen, den Bruder Epaphroditnm sschon jetzt mit diesem Briefe] zn euch swieder heim] zu senden, der mein Gehilfe [Col. 4, 1l] und Mitstreiter [Philem. 2; 2.Tim. 2, 3], und euer Apostel [Abgeordneter, Deputir- ter 2. Cur. 8, 23] Und [als Ueberbringer eurer Collekte Kap. 4, 10] meiner Nothdnrft Diener ist; 26. Sintemal er nach euch allen Verlangen hatte, und war [euretwegen] hoch bekümmert [ordent- lich geängstigtJ darum, daß ihr gehbret hattet, daß er krank war gewesen fund er seinerseits wieder Künstige Zusendung des Timotheus und jetzige Rücksendung des Epaphroditus. 517 in Erfahrung gebracht hatte, daß ihr um ihn in Sorgen wäret]. 27. Und er war zwar [d. i. fürwahr oder in der That 1. Kön. 8, 13 Anm., wie ihr ver- nommen hattet, krank, ja sogar] todtkranh aber Gott hat sich iiber ihn erbarmet sdaß er ihn von seiner Krankheit wieder aufgerichtet]; nicht allein aber über ihn, sondern auch über mich [hat Gott sich durch diese seine Wiederaufrichtung erbarmet], auf daß ich nicht [wenn’s zum Tode gekommen wäre, durch den Verlust eines solchen Gehilfen und Mitstreiters] eine Traurigkeit über die andere sdie mir ohnedies schon das Treiben der Wider- wärtigen V. 20 f.; 1, 15 f. verUrsachtJ hätte. 28. Ich habe ihn aber sso gern ich an sich ihn noch länger bei mir behalten hätte, nach sei- ner Wiedergenesung] desto eilender gesandt, auf daß ihr ihn sehet und wieder fröhlich werdet svon der Bekümmerniß, die ihr um ihn gehabt], und ich auch swenn ich euch wieder fröhlich von eurer Traurigkeit weiß] der Traurigkeit weniger habe. 29. So nehmet ihn nun auf in dem HErrn lRöM« 16, 21 mit allen Freuden sohne irgend welchen Rückhalt], und habt solche [Männer, wie er einer ist] in Ehren [Röm. 13, 7]. 30. Denn um des Werks Christi willen [ihm an dem Evangelio zu dienen Apostg. 15, 38] ist er [durch die Krankheit, die er sich dabei zuge- zogen] dem Tode so nahe kommen, da er sein Leben geringe bedachte ses geradezu aufs Spiel sehend] auf daß er mir dienete an eurer Statt [die ihr ja nicht selber bei mir sein konntet 1. Eor. 16, 17; Philem. 13 f·]. Dem Senden, welches der Apostel in V. 19 ff. in Aussicht stellt, tritt hier ein anderes gegenüber: dort handelt es sich um ein Senden desjenigen, welcher bei der Gemeinde die Stelle des Apostels vertreten und ihr etwas leisten sollte; hier dagegen ist die Rede von einem Senden desjenigen, tvelcher bei dem Apostel die Stelle der Gemeinde hätte vertreten und ihm etwas leisten sollen. (v. Hofmannh Mit dem Satze: ,,ich hab’s aber für nöthig angesehen« giebt Paulus an, daß er die Sendung des Timotheus und seine eigene Reise nach Philippi nicht erst habe abwarten, sondern vorher schon zur Stärkung und Ausmunterung der Philipper etwas thun wollen; die Nötbigung lag sowohl in den Umständen, da ja überhaupt jene Sen- dung und diese Reise des Apostels noch ungewiß war, als in dem Wunsche des Epaphroditus Von diesem wissen wir nichts Näheresu ihn für denselben Mann mit Epaphras in Col. 1, 7; 4, 12; Philem. 23 zu halten, ist nicht zulässig; der Name selbst findet sich in jener Zeit häufig, er bedeutet s. v. a. der Lieb- reizende (Schenkel.) Die Zusammenfassung von fünf Prädikatent ,,Bruder, mein Gehilfe und Mitstreiter, euer Apostel und meiner Nothdurft Diener« ist aus liebevoller und dankbarer Achtung des Epaphroditus in dessen Verhältniß zum Apostel sowohl wie zur Ge- meinde als anerkennendes Zeugnis) hervorgegangen; aus den beiden Bezeichnungem ,,Gehilfe und Mit- streiter« ist zu entnehmen, daß Epaphroditus im Dienst des Werkes Christi (V. 30) erkrankte, indem er nämlich mit Hingabe und Aufopferung seine Thätigkeit für das Evangelium und sein Kämpfen gegen die wider- sacherischen Treibereien (Kap. 1, 15 f.) mit der gleichen Thätigkeit des Apostels vereinigte. (Meyer·) Die Ermahnung des Apostels in V. 29 f. an die Philipper hängt vielleicht mit den, auch in der Zuschrift Kap. 1, I: ,,allen Heiligen in Christo Jesu zu Philippi sammt den Bischöfen und Dienern« zum Ausdruck kommenden Zuständen der Gemeinde zusammen; es lag ihr bei aller Treue des Glaubens die Versuchung zur Uneinigkeit in Folge eitler Selbstüberhebung nahe (Vgl. zu V. 1·fs.). Die Neigung, sich selbst zu über- schätzem hat ja zur Kehrseite die, Andere gering zu schätzen; darum hält der Apostel der Gemeinde das Verdienst des Epaphroditus um die Sache Christi vor, für» das sie ihm zu besonderem Danke verpflichtet sei. (W1esinger.) Das Z. Kapitel. Von der gerechtigkeit des glaube-us wider die falschen Apostel. IV« to. l—16. Was Paulus sonsi two) den phi- liooern zu sagen hat, das kann er in den Jiuruf Zusammenfassen: ,,freuet euch in dein tjCrriWz aber er kann diesen Hokus, mit welchem er seine schon bisher zum odefteren ausgesprochene Aufforderung zur Freud: durch den augdröcliliclsen Zusatz ergänzt, auf welchem Grunde ihre Freude zu beruhen hat, vorerst nicht weiter verfolgen, er muß zuvor in sie dringen, daß sie vor denen sitt) in Zieht nehmen, die mit ihrem Judaismiis sie von diesem Grunde abdriingen und dazu verleiten könnten, auf Heisa) ihr vertrauen zu setzen und damit die rechte Ghrisienfreiide fiel) unmöglich zu inachrn (v. 1——3). Da zeigt er ihnen denn, wie er, der suh seines Judenthums mehr als irgend jemand sanft hätte getröslen mögen, um Christi willen sich desselben- eniscl)lagen habe und nun seine Gerechtigkeit da allein suche, wo sie allein zu finden sei, und deckt ihnen das ganze Geheim- niß seines Glaubenslebeng in einer Weise auf, die eben- sowohl seine demüthige Selbslsihcilzung als sein raslloses hinslreben zu dem Ziele der Vollkommenheit erkennen hist, woraus denn die sdhiliooer siih entnehmen mögen, wovor sie noch weiter, außer vor jndaisiischcm Wesen, sich in Licht zu nehmen haben, nämlich vor geistlichem Dunkel, der gerade solche Seelen so leicl)t beskhleicht und in solchen Gemeinden so gern sich ,einnislet, die mehr als andere chrisilirh gefördert find und mehr als andere för die Förderung des lkeiihes Gottes thun (v. 4—14). Wie er, so sollen nun auch« sie, die Zbhiliuoey gesmnet sein; sie können dann, da ihnen wohl dies und das auf dem Herzen lag, wofür sie seine persönliche Anwesenheit bei ihnen behufs uninittelbarer Aesprechung gewünscht haben, sich dessen versehen, daß Gott durch den Geist der Offenbarung ihnen kund thun werde, was das Rechte sei (v. 15 u. 16). 1. Weiter, lieben Brüder srufe ich im Fort- schritt dieses meines Briess euch zu], sreuet euch in dem HErrnl —- Daß ich sbevor ich diese Er- mahnung weiter ausführe, wie in Kap. 4, 4 ff. geschieht] euch [mit dem, was von V. 2 an bis dahin folgt] immer einerlei schreibe [nachdem ich dieselbe Sache schon in früheren Schreiben an euch abgehandelt habe], verdreußt mich nicht fals läge darin etwas mir Lästiges], nnd macht eneh 518 Philipper Z, 2—-1l. desto gewisser fin der Einsichh daß es sich dabei um etwas Hochwichtiges für euer Seelenheil handelt]. 2. Sehet [um nicht, wenn ihr etwa sie un- beachtet ließet, unversehens Schaden durch sie zu erleiden Röm. 16, 17] auf die Hunde [die fich überall zudrängen Luk. 16, 21], sehet auf die büsen Arbeiter [die, statt das Evangelium von Christo Jesu mit ihrer Arbeit zu fördern, dem- selben vielmehr durch Beseitigung seiner Grund- lehre von der Gerechtigkeit allein durch den Glauben entgegenarbeiten 2. Cor. 11, 13], schet auf die Zerschneidung [wie ich ihre Genossenschaft bezeich- nen muß, da ich ihnen nicht den Ehrennamem »Beschneidung« zugestehen kann]. Z. Denn wir fvielmehr, wir ächten Glieder der christlichen Gemeine] sind die Beschneidung fim wahren Sinne des Worts 5. Mos. 30, 6; Jer. 4, 4; Röm. 2, 28 f.; 4, 12; Col. L, 11], die wir Gott im Geist fund nicht blos mit äußer- lich-gesetzlichem Dienst Hebr. 9, 9 f.] dienen [Röm. 12, 1; Joh. 4, 24] und rühmen uns von Chriio Jesu fdaß er unser Heil und unsre Ge- rechtgkeit sei V. g; Gal. s, 14], nnd verlassen uns nicht fwie jene es thun und eben darum die »Zerschneidung heißen müssen] auf Fleisch* fGal. e, 13 4. Wiewohl fwenn wirklich etwas darauf ankäme, dergleichen Ruhm geltend zu machen] ich auch fStoff und Urfach dazu] habe, daß ich mich Fleisches rühmen mbchte So ein Anderer ffei er ein zu Christo sich bekennender Jude oder ein dergleichen Iudengenosse Apostg.»2, 11] sich dün- ken läßt, er mbge sich Fleisches ruhmen, ich fkann mich’s dann noch] viel mehr flassen dünkens 2. Eor. 11, 21 ff·]: 5. Der ich fanders als die erst in späteren Lebensjahren zur Aufnahme in den alttestament- lichen Bund gelangten Proselyten, ganz dem Wortlaut des Gesetzes gemäß 1. Mos. 17, 10 ff.; Z. Mos. 12, s] am achten Tage beschnitten bin, einer aus dem Volk von Israel, des Geschlechts Benjamin [Röm. 11, 11, ein Ebräer aus den Ebraeru [2. Tim. 1, 3], und fwas meine selbst- eigene Stellung zum Judenthum anlangt] nach dem Gesetz fin Beziehung auf Auslegung und Beobachtung des Gesetzes Apostg 22, 12] ein Pharisäer falso der strengsten Sekte des jüdischen Gottesdienstes zugethan Apostg. 26, 5], is. Nach dem Eifer fin Beziehung auf den um das väterliche Gesetz Gal. I, 14 bewiesenen Eifer] ein Verfolger der Gemeine fChrifti Gal. I, 13], nach der Gerechtigkeit im Gesetz [in Beziehung auf die durch die Beobachtung des Gesetzes zu erreichende Gerechtigkeit] gewesen unstrtiflich »· [Luk. 1, 6]. 7. Aber fall dergleichenf was mir fnach jenem Standpunkt, da man sich Fleisches riihmt und auf Fleisch sich verläßt] Gewinn war [so lange ich noch selber auf solchem Standpunkte mich be- fand], das habe ich um Christi willen fals nun dieser mein höchstes Lebensinteresse ward] für Schaden gerichtet fweil es bis daher mir ein Hin- derniß gewesen, zu ihm zu kommen und an ihn zu glauben] . · 8. fDas ist denn auch jetzt noch der Stand- Punkt, den ich einnehme.] Denn ich achte es alles für Schaden gegen fgegenüber oder verglichen mit] der überschwänglichen fallen andern Besitz an Werth weit überbietenden] Erkenntnis Christi Jesu, mei- nes HErrn fder mir nunmehr zu eigen geworden], um welchcs willen fdamit er eben mein HGrr würde] ich Damals, als es um die Entscheidung für ihn sich handelte] alles habe für Schaden ge- rechnet fund desselben mich darum entledigt, wie ein Schiffahrer, der alles über Bord wirft, um sein Leben zu retten Apostg 37, 19. 38], und achte es [seitdem ich mir immer mehr dessen bewußt ge- worden, daß ich mit solcher Wegwerfung ganz recht gethan habe, geradezu] für Drecliti ffür Unrath oder Kehrichh den man von sich hinweg- schafst, nicht bei sich im Hause behält], auf das; ich Christum gewinn, 9. Und in ihm erfunden werde fals ein fo eng und so ungetheilt mit ihm Verbundener], daß ich fwie es nach Gottes Heilsordnung mit mir bestellt sein soll Röm. 3, 22. 28; 9, 30; 10, Z] nicht habe meine Gerechtigkeih fnämlich eine solche] die aus dem Gesetz, sondern fvielmehr eine solche] die durch »den Glauben an Christum kommt, nämlich die Gerechtigieih die von Gott dem Glauben zu- gerechnet wird-s, 10. Zu erkennen ihn fnach der Herrlichkeit seiner Person, was ja allein beim Besitze der Glaubensgerechtigkeit möglich ist] und [wie ihn nach seiner Person, so] die Kraft seiner Auf- erstehung und die Gemeinschaft seiner LeidenHz fin ihm erfunden werde als ein auch in der Be- ziehung unzertrennlich mit ihm Verbundener] daß ich seinem Tode fwozu ja der Anfang schon ge- macht ist] ähnlich werde, 11. Damit ich fdereinst, wenn nun der Tag seiner Herrlichkeit erscheint] entgegen komme fge- lange oder hmankomme Ephef 4, 13] zur Auf- erstehung der TodtenfH fund zwar zu derjenigen, die eine Auferstehung des Lebens ist Joh. 5, 29z Luk. 20, 35 f.; 2. Tor. 4, 10]. V) Das ,,weiter« pfle t bei Paulus immer einen neuen Abschnitt, in der egel zum Schlusse hin, zu bezeichnen (von Luther einigemal daher mit »zuletzt« übersetzt Ephes 6, 10; 2. Tor. 13, 11); bei bewegtem Gemüthe steht dann immer auch die Anrede: ,,lieben Brüder« dabei (vgl. Kap. 4, 8; I. Thess 4, l· 2. Thess. Z, »1). Nun ist das ,,freuet euch« eine Auffor- derung, die der Apostel schon in Kap. Z, 18 laut wer- den ließ, es kommt aber hier ihm noch besonders auf das beigefügte »in dem HErrn« an; denn obgleich Sehet auf die Hunde, sehet auf die bösen Arbeiter, sehet auf die Zerschneidung! 519 es für ihn keine andere Freude giebt, zu der er er- muntern könnte, als die Freude in dem HErrn, so ist doch jener Beifatz gar wohl geeignet, den Stoff zu weiteren Auslassungen abzuge en. Indessen, indem er diese Auslassungen will folgen lassen, muß er vor allen Dingen etwas abthun, was die Freude in dem HErrn auf Seiten der Philipper geradezu unmöglich machen würde, und das wäre, wenn diese von den judaistischen Beschneidungspredigerm wie wir sie aus dem Brief an die Galater haben fattsam kennen ge- lernt, sich von dem rechten Glauben ließen abwendig wagen; daher treibt es ihn, sofort zu der Ermahnung in . 2 überzugehen, und das ist eine Ermahnung, die er schon früher, und zwar ebenfalls brieflich, zu wiederholten Malen, wie aus-V.18 sich ergiebt (,,von welchen ich euch oft gesagt habe«), ihnen an’s Herz gelegt hat. Darauf bezieht sich denn sein Wort: ,,daß ich euch immer einerlei schreibe, verdreußt mich nicht, und macht euch desto gewissen« Unmoglich läßt sich diese Auslassung auf das vorangehende: ,,freuet euch in dem HErrn« beziehen; denn wegen einer Wieder- holung dieses Aufrufs sich erst noch zuentschuldigem lag für den Apostel kein Grund vor, da ihr nichts Ermüdendes oder Lästiges anhaftet, auch wäre das ,,immer einerlei fchreibe« von dem, was Paulus bis- her in Beziehung auf das Sichfreuen der Philipper im Vergleich mit dem, was sonst noch vorgekommen, geschrieben hat, unbedint zuviel gesagt. Dagegen weist das: ,,macht euch desto gewisser« so bestimmt als möglich darauf hin, daß der Apostel eine den Philip- pern drohende Seelengefahr im Auge hat; und um eine solche handelt es sich ja wirklich bei der in V. 2 folgenden Ermahnung. Wenn diese Auffassung mit Nothwendigkeit zu der vorhin von uns geltend ge- machten Annahme hindrängt, es beziehe sich das ,,immer einerlei schreibe« aus noch andere Briefe, die Paulus schon früher an die Philipper geschrieben, die aber für uns verloren gegangen sind, so hat solche Annahme nichts Ungeheuerliches; schon in 1.Cor.9,5 wurden wir auf eine gleiche Voraussetzung in Betresf der Corinther hingedrängt, und so findet sich denn im Briefe des P olykarpus, eines Schülers des Apostels Johannes, den er an die Gemeinde zu Philippi ver- faßt hat, in der That eine Stelle, in welcher diese auf die Briefe hingewiesen wird, die Paulus an sie ge- schrieben. Es liegt ja nur zu nahe, daß der Apostel, der mehr als einmal von den Philippern Unterstützum gen empfing und annahm (Kap. 4, I5 f.; 2. Cor. 11, f.), ihnen dafür auch ein Schreiben wird haben zu- kommen lassen; ja, wenn er in Kap. 4, 15 sagt, die Gemeinde Habe mit ihm getheilet nach der Rechnung der Ausga e und Einnahme, so wird dadurch solche Vermuthung geradezu zur Gewißheit erhoben. Und nun war auch jene Zeit, wo zwischen Paulo und den Philippern ein solcher gegenseitiger Verkehr und Aus- tausch stattfand, ganz dazu angethan, daß der Apostel sich bewogen fühlen mußte, feine liebe Gemeinde vor den Umtrieben der judaistischen Jrrlehrer zu warnen, daß sie dieselben sich nicht beikommen und durch sie auf falsche Wege verleiten ließe; denn damals, beson- ders während des anderthalbjährigen Aufenthalts Pauli zu Corinth (Apostg.·18, 18), hat allem Anschein nach die Partei der Judaisten sich u einer förmlichen Gegenpartei gegen ihn und sein irken ausgebildet (Apostg. 18, 22 u· 23 Anm.), wie es denn auch bald daraus in Antiochien zu dem Zusammenstoß zwischen ihm einer- und dem Petrus und Barnabas andrerseits kam (Gal. 2, 11 ff.). Nun hat der Apostel wohl nicht damals schon in seinem Schreiben an die Philipper sich derselben fcharsen Ausdrücke bedient, die er hier in V. 2 gebraucht; sie sind ihm an unsrer Stelle durch die inzwischen mit jenen Leuten weiter gemachten Er- fahrungen, in denen er fattsam ihre unverschämte Zu- dringlichkeit, womit sie sich in sein Arbeitsfeld ein- drän ten (2. Cor. 10, 15 f.), und ihr verderbliches, die emeinden seiner Stiftung zerrüttendes Treiben kennen gelernt hatte, an die Hand gegeben und kann er, nach em er nun schon fast ein Jahrzehnt lang sich damit abgemühet hat, den Werth und Unwerth der Beschneidung in das rechte Licht zu stellen, sie, die weder für das eine noch das andere ein Verständniß eigten, sondern die Beschneiduns zu einer bloßen ratze herabwürdigtem in ihrem ifern für dieselbige und in ihrem Stolz auf deren Besitz die Zerschneii dung nennen, denn bei ihnen war aller religiöse und sittliche Jnhalt dieser Ceremonie verloren gegangen; und so waren sie, indem sie auf das äußere Zeichen am Fleische so großes Gewicht leg-den, im Grunde nur körperlich Verftümmelte (vgl. Z. of. 21, 5; I. Kön. 18, 28), nicht wahrhaft Gottgeheiligte. Das sind jetzt, nachdem Christus erschienen ist und auch die Heiden in sein Reich ausgenommen hat, allein die wahrhaft Christgläubigem die nun Gott im Geist und in der Wahrheit dienen und ihr Vertrauen nicht aus das Zeichen am Fleisch, sondern auf die Gnade sehen, die in Christo Jesu ihnen angeboten und von ihnen an- enommen worden. Ohne Zweifel bezieht sich der usspruch des Apostels nicht sowohl auf judaisirende Häretiketz die in Philippi selbst unmittelbar einen Ein- fluß gewonnen hätten (da nach unsrer Annahme Lukas dort während der Jahre 52—58 stationirt war, wag- ten sie vielleicht überhaupt nicht in diese paulinische Gemeinde einzudringen), sondern es macht sich darin mehr dasjenige Gefühl Lust, welches durch ihr Thun und Treiben anderwärts in ihm erweckt worden ist (vgl. Gal. 5, 12); und er will jetzt durch eine recht scharfe Zeichnung ihres Charakters vorbauen, daß sie nicht etwa, wenn es mit ihm zu dem in Kap. 2, 17 angedeuteten Opfertode kommt, nach seinem Hingange auch die bisher vor ihnen bewahrt gebliebenen Phi- lipper verwirren (vgl. Apoftg. 20, 29). If) Mit dem in Vers 3 Gesagten sieht sich Paulus aus seine eigene persönliche Stellung geführt, denn er gerade war ja der eigentliche Träger der dort ausgedrückten antijudaistischen Richtung und der eigentliche Zeitpunkt, auf welchen der ganze Kampf gegen dieselbe hinauslief; er will daher durch das ,,verlassen uns nicht auf Fleisch« keineswegs einge- räumt haben, daß es ihm an der Grund- und Unter- lage zu solchem Sichverlassen gebreche, im Gegentheil, mehr als Andere hat er auch in dieser Beziehung auf- zuweisen. So durfte niemand sagen, er verachte nur, was er selbst nicht habe. (Meyer.) Mit den Worten: »so ein Anderer sich dünken lässet« geht der Apostel auf den Standpunkt der Gegner ein, um sich auf-ihrem eigenen Gebiete mit ihnen zu messen und ihnen zu zeigen, wie gar kein Grund für ihn vorhanden wäre, ihnen auf demselben zu weichen; er zählt dann die theokratischen Vorzüge, die ihn vor den Gegnern zum Theil noch auszeichnen, der Reihe nach auf. Der erste und unerläßlichste ist die Beschneidung, die nach dem Gesetz am achten Ta e nach der Geburt vollzogen werden mußte, weshalb ie später beschnittenen Pro- selyten, von welchen sich unter den judaistischen Irr- lehrern leicht einige finden mochten, dem Apostel in diesem theokratisch wichtigen Punkte nachstanden. Der zweite ist die Zugehörigkeit ur israelitischen Natio- nalität, das theokratische Vo blut im Gegensatz zum bloßen (idumäischen) Halbblut (Apostg. 26, 26 f.); der dritte ist die Zugehörigkeit zum Stamm Benjaniim 520 Philipper 3, 12—16. die Abstammung aus einem theokratisch treu-gebliebenen Stamm, im Gegensatz zu der ephraimitischen Abstam- mung; der vierte ist der Ursprung von lediglich hebräischen Eltern in der Art, daß nicht etwa die Mutter eine Fremdländerin war. (Schenkel.) Doch in allen diesen Punkten mochte es noch gar viele unter seinem Volke geben, die ihm wenigstens gleich standen; aber außer der Beschneidung, die auf die Abstam- mung von den Vätern hinwies, war ja der andere Vorzug des jüdischen Volks das Gesetz, das ihnen Gott gegeben hatte, und in diesem Punkte konnte sich Paulus nicht nur des Besitzes rühmen, den alle mit ihms theilten, sondern auch eines persönlichen Ver- haltens zu demselben, wie sich dessen kein Anderer rühmen konnte. Er war in Ansehung des Gesetzes ein Pharisäer gewesen, Mitglied der Sekte, die es mit der Ueberlieferung und Auslegung des Gesetzes wie mit der Pflege des Gesetzesstudiums am strengsten nahm; und er hatte seinen Eifer um das Gesetz wie kein Anderer dadurch bewährt, daß er ein Verfolger der Gemeinde geworden war, die in den Augen des ungläubigen Judenthums als die Gemeinschaft der Gesetzesfeinde galt. Er hatte es endlich auch am strengsten genommen mit der eigenen Erfüllung dieses Gesetzes; in Hinsicht auf die Gerechtigkeit, die im Gesetz vorgeschrieben und in seiner Erfüllung begründet ist, war er untadelig gewesen in den Augen aller derer, unter denen er gelebt und mit denen er sich hier ver- leicht, im Sinne seiner Sekte hatte er wie kein Anderer gas Jdeal der Gesetzesgerechtigkeit erfüllt. (Weiß.) Ist) Nachdem der Apostel gezeigt hat, wie er, nach dem Maßstab seiner Gegner gemessen, sie alle überrage, fährt er fort: »aber was irgend mir Gewinn war, das habe ich um Christi willen für Schaden geachtet;« damit bezeichnet er an seiner Person den Stand- punkt der Gegner als einen solchen, bei dem als Ge- wiun gilt, was für Schaden zu achten ist, insofern nämlich, als es von Christo abhält. Und wie damals, so hält er es auch heute noch für Schaden, was auch jene Gegner sagen mögen, welche den bereits Christen gewordenen Heiden eine Ergänzung ihres Christen- thums durch das Judenthum zumuthew (Wiesinger.) Nicht nur damals, bei seiner Bekehrung, etwa in Folge eines übermächtigen und doch vielleicht vorüber- gehenden Eindrucks, die jene Erscheinung Christi auf ihn machte, hat« der Apostel also eurtheilt, sondern auch jetzt noch achtet er alles für chaden, was ihm von seinen früheren Gütern und Vorzügen daran hinderlich sein kann, zu erkennen, daß in Christo allein das höchste Gut sei und darum der Grund aller wahren Freude; denn ihn, den erhöheten HErrn, der ihm da- mals erschien auf dem Wege nach Damaskus und um dessentwillen er alles preisge eben, was ihm früher Gewinn war, ihn immer vo kommener zu erkennen, das ist doch unendlich mehr Werts, als alle diese Güter, und es ist darum billig, da er sie alle für Schaden achtet um des überschwänglichen Werthes willen, den die Erkenntniß Christi Jesu, seines HErrm hat. (Weiß.) Wie wenig er nun in der Lage ist, den gemachten Verlust zu beklagen, drückt er mit den Worten aus: ,,ich achte es für Koth-«; er erklärt das Verlorene für bloßen Wegwurf (Sirach 27, 5), es war des Ausbewahrens gar nicht würdig. Mit der Ueberzeugung aber, daß die theokratischen und über- haupt alle zeitlichen Vor üge bloßer Wegtvurf im Ver- gleich mit der Erkenntnis Christi seien, ist in Paulv zugleich die Absicht verbunden, Christum immer mehr- zu gewinnen, woraus ersichtlich ist, daß er den Besitz, hristi für ein Gut hält, das immer vollkommenerer Aneignung vermittelst des Glaubens fähig ist. (Schenkel.) Das »ich acht es fiir Koth« bezeichnet stärker als das ,,ich achte es für Schaden«, das einen relativen Werth zu- läßt, den absoluten Unwerth. (Braun.) Beim Preis- geben dessen, was man für Schaden rechnet, geschieht der Verlust mit Gleichmuth, Unrath dagegen wirft man eilends weg und achtet ihn nachher weder der Be- rührung noch des Anblicks werth. (Bengel.) i) Entspricht der Absichtssatz: »auf daß ich Christum gewinne« offenbar dem ,,ich habe alles für Schaden gerechnet«, so korrespondirt das: »und in ihm erfunden werde« dem ,,ich achte es für Dreck«; in Christo aber will Paulus erfunden werden als ein solcher, der nicht habe seine Gerechtigkeit, die aus dem Gesetz, sondern die durch den Glauben an Christum kommt, nämlich die Gerechtigkeih die von Gott dem Glauben zu- gerechnet wird. Mit »meine Gerechtigkeit« bezeichnet er eine eigene, selbsterworbene Gerechtigkeit; zu ihr ist der Gegensatz, die Gerechtigkeit, die »von Gott« kommt, während der Gerechtigkeit »aus dem Gesetz« die Gerechtigkeit ,,durch den Glauben an Christum« entgegengestellt wird, von Gott aber kommt die Ge- rechtigkeit als eine dem Glauben zugerechnete, vgl. Röm. 4, 5· (Wiesinger.) Die Glaubensgerechtigkeit hat ihren Vorzug vor der Gesetzesgerechtigkeit in dem Schöpfer, dem sie ihre Entstehung verdankt, in der Vermittelung,-durch die sie zu Stande kommt, das ist der Glaube, der den Mittler erfaßt und fest- hält; aber auch in den Erfahrungen, die sie macht und die bis in die ewige Herrlichkeit reichen. Davon handeln dann die folgenden beiden Verse; (Braun.) H) Paulus wendet sich mit den Worten: ,,zu erkennen ihn und die Kraft seiner Auferstehung und die Gemeinschaft seiner Leiden« zu einer näheren Er- örterung der ,,überschwänglichen Erkenntniß Christi Jesu«, von tvelcher er in V· 8 geredet hatte, zurück, indem er zunächst wieder überhaupt den großen per- sönlichen Jnhalt der aus der Glaubensgerechtigkeit sich entwickelnden Erkenntniß, darnach aber ihre wich- tigsten, zumal dem Apostel in seiner Lage wichtigen sächlichen Objekte aus eigener reichster Erfahrung, die ihm so die Ueberschwänglichkeit der Erkenntnis; Christi zum tiefsten Bewußtsein gebracht hatte, aus- spricht. Das ,,erkennen«, welches den Glauben sowohl bedingt, als auch in vollerer Entwickelung ihm nach- folgt, ist nicht das theoretische, verstandesmäßige Er- kennen, sondern das-innerlich heilskräftige, erfahrungs- mäßige Keunenlernen (Meher.) Die Kraft seiner Auferstehung ist nicht blos die erweckende und er- neuernde Kraft, die von dem auferstandenen und er- höheten Heiland ausgeht, indem er, nachdem er sich zur Rechten Gottes gesetzt hat, nun göttlich mächtig die Früchte seiner Erlösung den Gläubigen schenkt; sondern es ist näher die Kraft, vermöge deren er als der Auferstandene, nachdem er uns von der Sünden- strafe erlöst und den alten Menschen in uns gekreuzigt hat, in uns aufersteht und ewig siegreich lebt, bis er zu seiner Herrlichkeit uns erhoben hat. Sollen wir diese Kraft seiner Auferstehung nicht blos in ihren ersten Anfängen, sondern völlh an uns erfahren, so ist der Eintritt in die Gemeinschaft seiner Leiden uns nothwendig; der alte sgsienstkh mit Christo ge- kreuzigt, soll auch mit ihm hier auf Erden eines all- mäligen, schmer haften und sicheren Todes sterben. Das innere und äu ere Leben des Christen ist auf Erden ein Leben des Leidens, in dem Schmerze über alle eigene und fremde Sünde, über die ei ene und fremde Noth, die Bedrängnisfe, Kämpfe, ja s einbare Nieder- lagen der Kinder Gottes. Diese Leiden sind die Leiden Christi selbst, nicht blos den seinigen ähnlich: er trägt sie mit seinen Gliedern, sein und ihr Kampf ist der- Jch achte alles für Schaden 2c., auf daß ich Christum gewinne, und jage nach dem vorgesteckten Ziel. 521 selbe; es ist Eine Sache, für die, Eine Kraft, in der sie kämpfen, es ist Ein Sieg und Eine Krone, den er errungen hat und die er ihnen schenkt. (v. Gerlach.) Hi) Mit den Worten: »daß ich seinem Tode ähnlich werde«, welche Worte auf das oben in V. 9 Gesagte: ,,in ihm erfunden werde« zuriickzubeziehcn find, wird der Stand ausgedriickh in welchen der Apostel durch die Erfahrung der Leiden Christi fchließlich versetzt wird; es handelt sich da nicht um etwas, das er selber an sieh zu vollziehen hat, wie es bei dem Ausspruche in Gal. 2, 19; 5, 24 in der einen und bei dem Worte in Matth. 10, 38 in der andern Beziehung der Fall ist, sondern um etwas, das ihm angethan wird. Während nun nach der Andeutung in Joh. 21, 19 Petrus der Todesart nach gleichgestellt werden wird dem Tode Christi, kann Paulus eine solche Gleichgestaltung in der Hinsicht für sich in Aussicht nehmen, daß in Folge seiner durch die Juden bewirkten Ueberantw ortung an die Heiden ein gewaltsamer Tod ihm bevorsteht (vgl. Kap. L, 17); es hing das mit seiner Predigt von der Gerechtigkeit ohne des Gesetzes Werke, allein durch den Glauben (Römer Z, 28), aufs Engste zusammen (vgl. Gal. 5, 11). Wenn aber schon unter den Kirchen- Vätern einige das, was der Apostel in B.11 von seinem Hingelangen zur Auferstehung der Todten schreibt, nicht auf die allgemeine Auferstehung der Todten am jüngsten Tage, sondern auf die in Offenb. 20, 5 erwähnte erste Auferstehung (vgl. I. Cor. 15, 23) bezogen haben, so haben sie wohl richtiger gesehen, als die meisten neueren Ausleger, welche jene andere Be- ziehung annehmen: nicht nur gebrauchtPaulus für »Auf- erstehung« ein zusammengesetztes Hauptworh welches auf eine solche vorgängige Auferstehung hinweist, auf eine Auswahl unter den Todten, wie sie in Osfenb. 20, 5 wirklich vorliegt, sondern er stellt auch seine Erwartung gewissermaßen problematisch hin, in- dem der Grundtext ei entlich besagt: ,,ob ich etwa ge- langen möchte zur (augerordentlichen) Auferstehung von den Todten-« Bei der ersten Auferstehung wird sich Christi Wort an die Zwölfe (Matth. 19, 28; Luk. 22, 30) erfüllen: ,,ihr werdet sitzen auf Stühlen und richten die zwölf Geschlechter Jsraels«; aber auch der Apostel der Heiden wird nicht fehlen, denn die nicht angebetet hatten das Thier, noch sein Bild, und nicht genommen hatten sein Maalzeichen an ihre Stirn und an ihre Hand, gehören ja der Heidenwelt an und unterstehen ebenso seinem Urtheil, wie die Enthaup- tung um des Zeugnisses Jesu und um des Wortes Gottes willen dem Urtheil der Zwölfe (Osfb. 20, 4). 12. Nicht [will ich mit dem, was ich in V. 7 ff. mir wie zum Lohn nachgesagt habe, von mir behaupten], daß ich es [das vorgesteckte Ziel mit dem alsdann mir zufallenden Kleinod V. 14; 1. Cor. 9, 24] schon ergriffen habe oder schon [insoweit] vollkommen sei sdaß ich nun nicht mehr zu laufen und zu kämpfen Ursach hätte 1. Cor. 4, 8]; ich jage ihm aber smit der letzten und da noch besonders gesteigerten Anstrengung aller meiner Kräfte] nach, ob ich’s [das mit seiner Krone schon ganz von Nahem mir winkende Ziel 2. Tim. 4, 7 f.] auch ergreifen mochte, nachdem [oder auf Grund dessen, daß] ich von Christo Jesu [als er auf dem Wege nach Damaskus sich meiner für sein Reich und seinen Dienst bemächtigte Joh. 8, 11] ergriffen bint [und nun solchem seinem Thun auch ein Thun meinerseits entsprechen muß] 13. Meine Brüder [so muß ich euch hier eigens anreden, weil mir daran liegt, für das, was ich sage, bei euch Glauben zu finden], ich schätze mich selbst noch nicht, daß ich es ergriffen habe. Eines aber sage ich sbezeichne es als das, was mein Denken und Sinnen, mein Thun und Lassen ausmacht]: Ich vergesse, was dahinten ist [die bereits zurückgelegte Vahnftrecke], und strecke mich swie mit vorgebeugtem Oberkörpey als ließe das Ziel sich noch rascher ergreifen, als die eilen- den Füße es zu erreichen vermögen] zu dem, das da vorne ist sum es ganz zu durchlaufen]. 14. Und jage [nun so] nach sohne durch irgend etwas mich aufhalten zu lassen] dem vorgesteckten Ziel, nach dem Kleinod [eilend], welches vorhält die himmlische svom Himmel kommende Hebrn 12, 25] Berufung Gottes [die] in Christo Jesu" sauch an mich ergangen ist 1. Tim. S, 12]. 15. Wieviel nun unser vollkommen süber die Anfängerschaft im Christenstande hinaus bis zur Reife des Mannesalters vorgedrungen I. Cor· T, S; Z, 1ff.; Hebt b, 12 ff.] sind, die laßt uns also gesinnet sein [wie ich es eben als die rechte Christengesinnung an meiner Person euch dar- gelegt habe, bei demüthiger Selbstschätzung näm- lich ein rastloses Vorwärtsstreben]; und sollt ihr sonst [d. i. anders Apostg. 19, 32; 1. Cor. 7, 7; Z— Chwm 18. 191 etwas halten ssolltet ihr in dem einen oder andern untergeordneten Punkte noch ungewisser Meinung sein, indem dies oder das bei euch noch nicht zu voller Klarheit ge- diehen wäre], das lasset euch Gott offenbaren sdurch seinen Geist, der eiii Geist der Offenbarung ist Ephes 1, 17], 16. Doch so fern snur unter der Bedingung wird solche Offenbarung euch zu fortschreitender Erkenntniß zu Theil werden können], daß wir nach Einer Regel, darein wir kommen sind, wandeln snach der Regel der in Gal. 6, 15 f. ausge- sprochenen Wahrheit] Und [wie ich euch dazu schon in Kap· 2, 2 erinahnt habe] gleich gesinnet seien «« [1. Joh. 2, 20. M; Spr. Z, 6 f.]. V) Die Worte des Apostels in den vorhergehenden fünf Versen hätten, seiner demüthi en Ausdrucksweise ungeachtet, möglicherweise dahin misszverstanden werden können, daß er sich einen ganz besonders hohen Grad von christlicher Vollkommenheit zufchreiben wolle; das veranlaßt ihn nun, ein solches Mißverständniß durch eine bestimmte Erklärung abzuwehren. (Schenkel.) Von sich spricht der Apostel, von sich sonderlich und eigens, und wie er das von V. 4 an gethan hat im Gegensatze zu denen, die er die bösen Arbeiter ge- nannt, so auch im Folgenden in einem bestimmten Gegensatze Wenn er nun einer Mißdeutung seiner vorher-gegangenen Selbstaussage begegnet, der Miß- deutung nämlich, als sei dort gesagt, er habe es schon ergriffen oder er sei schon vollkommen, so ist das, was er noch nicht ergriffen, selbstverständlich eins und dasselbe mit dem einst zu Erlangendem und ebenso selbstverständlich, worin letzteres für den Christen be- 522 Philipp» s, 17——21. steht: es lie t am Ziele seines Wegs, der in das selige Leben der wigkeit mündet; Paulus nennt es nur nicht, weil er nicht sagen wollte, was er noch nicht erlan t habe, sondern, daß das Erlangen noch nicht als Ehatsache der Vergangenheit hinter im liege. Das ,,vollkommen sei« dagegen benennt eine eschaffens heit des Seins: was das ,,ergriffen« für das Haben, ist das ,,vollkommen« für das Sein, Gegensatz zu beidem aber ist das ,,ich jage ihm nach«; denn wenn ich schon erlangt habe, brauche ich nicht mehr hinter- her zu sein, und wenn ich am Ziele bin, so habe ich nichts mehr vor mir. Der Apostel betont indessen den Gegensatz nur nach der ersteren Seite: ,,ich jage ihm aber nach, ob ich’s auch ergreifen möchte, nachdem ich von Christo Jesu ergriffen bin«; nachdem er von Christo ergriffen worden ist, der gleichsam hinter ihm her war, sich seiner zu bemächtigen, so steht ihm nun auch ein Ergreifen in Aussicht, und in dieser Aussicht eilt er dahin. Als Einer also, der sich Hoffnung auf das Ergreifen machen darf, eilt er vorwärts; dagegen liegt es ihm fern, dafür gelten zu wollen, daß er schon ergriffen habe oder schon fertig und am Ziele ei. (v. Hofmannh VI) Nicht im Interesse seiner Polemik gegen die Jrrlehrer hat Paulus in V. 12 ein seiner vorangehen- den Selbstaussage etwa begegnendes Mißverständniß abgewehrh sondern um der Philipper willen, die ihr Eigendünkel christlicher Vollkommenheit, aus den schon in Kap. 2, 2 ff. Bezug genommen wurde, leicht zu folchem Mißverständniß verleiten konnte; daher folgt nun hier nicht blos eine nachdrückliche Wiederholung des Gedankens, sondern auch die Anrede an sie: ,,liebe Brüder« und ein nachdrücklich vorangestelltes ,,ich«, dessen Gegensatz nicht Andere sind, die von dem Apostel diese Ansicht haben möchten, sondern Andere, welche von sich selbst eine derartige Ansicht haben. Wie denn V. 13 der ersten Hälfte von V. 12 entspricht, so wird in V. 14 die andere Hälfte, das ,,ich jage ihm aber nach«, weiter ausgeführt; als Mittelglied zwischen beiden Stücken steht das: ,,ich vergesse, was dahinten ist, und strecke mich zu dem, das vorne ist«, welches die rechte Weise des Jagens nach dem Ziele angiebt. Diese be- steht nämlich darin, daß man das rückwärts Liegende vergißt und nach dem vorwärts Liegenden sich aus- streckt; mit beiden Ausdrücken find die Strecken der Bahn bezeichnet, von denen die eine bereits durch- laufen, die andere noch zu durchlaufen ist, so daß man also unter dem, das vorne ist, nicht etwa das Ziel selbst zu verstehen hat. Der bereits gemachte Fort- schritt in der christlichen Vollkommenheit soll nicht Gegenstand unserer Selbstbeschauung und selbstgesälliger Betrachtung sein, sondern der Sinn ganz auf das noch u Erreichende sich hinrichten, wie bei einem Wettläufer, gen nicht der zurückgelegte Weg mehr kümmert, sondern der vor ihm liegende. (Wiesinger.) Dabei jagt der Apostel nicht in’s ungewisse, sondern auf das fest- bestimmte Ziel der vollen Aneignung Christi los, dem Siegespreise nach, der droben den siegenden Kämpfer erwartet; denn es gilt nicht einen Preis, wie man ihn wohl auf Erden dem Sie er aufsteckt, sondern den Preis, welchen eine höhere erufung uns vorhält und welcher, da diese Berufung von dem Gott, der droben im Himmel thront, ausgeht, nur ein ewiger und un- vergänglicher sein kann. (Weiß.) VII) Indem der Apostel sagt: ,,wieviel nun unser vollkommen sind«, überläßt er es dem Urtheil der Leser, ob sie zur Klasse der Vollkommenen gehören; oder vielmehr, es ist eine Aufforderun an sie alle, daß sie sich als vollkommen zeigen. (Wie inger.) Voll- kommen bezeichnet hier nicht die schon erreichte Voll- endung, wie in V. 12, sondern die sittliche Reife, welche, unter Gradverschiedenheit der Einzelnen, dem wahren, über die Anfängerschaft hinausgeschrittenen Christen- stande eignet, diejenige christliche Völligkeit, in der man nicht mehr ein Kind in Christo ist (Matth. 5, 485 1. Cor. 14, 207 Col. 4, 12). Der Apostel überläßt es nun dem Gewissensurtheil jedes Ein elnen unter seinen Lesern, ob er seinerseits zur Zug! der Voll- kommenen gehöre; indem er aber sich selbst in dieses Prädikat mit einschließt, während er doch oben »f on vollkommen« von sich verneint hat, entfernt er a en eitlen Mißverstand oder Mißbrauch zum sittlichen Stolze und läßt sodann durch das: »die lasset uns also efinnet fein« nur dem Bewußtsein Platz, daß es zum erkmal eines Vollkommenen gehöre, nicht dafür Zu halten, daß er schon vollkommen sei. (Meyer.) Jn er demüthigen Selbstschätzung also und dem rastlosen Vorwärtsstreben, das der Apostel an feinem Beispiel gezeigt hat, nicht aber in der hochmüthigen Trägheit, die sich schon vollkommen wähnt und daher nicht mehr strebt, beruht die einzige Vollkommenheit der christ- lichen Gesinnung, wie sie hier auf Erden überhaupt erreicht« werden kann; Paulus steht nicht an, sich selber mit zum FestPalten an diesem rechten christlichen Stand- punkte aufzu ordern, und hofft mit fröhlicher Zuver- sicht, daß, wo die Philipper »sonst etwas halten«, Gott ihnen das rechte Licht anzünden werde, wie er ihnen schon soviel offenbart hat· (Weiß.) Er hätte wohl nicht nöthig gefunden, diese Zusicherung anzuschließen, wenn er nicht veranlaßt gewesen wäre, die Philipper über ein ihm geäußertes Bedenken zu beruhigen; ihr, wie sie meinten, hoffnungsloses Verlangen, ihn wieder bei sich Ei: sehen, wird auch darin seinen Grund ge- habt ha en, daß sie über Manche-s, worüber sie un- gewisser Meinung waren und vielleicht im Jrrthum zu sein besorgten, von ihm belehrt sein wollten. Da ermahnt er sie denn, nur in der Hauptsache des Ehristenthums rechten Sinnes zu sein, und beruhigt sie über Unklarheit in einzelnen Punkten, welche aller- dings Irrungen voraussehen läßt, mit der Versicherung, daß es ihnen Gott auch an der hin und wieder nöthigen Erkenntniß nicht werde fehlen lassen, wie er denn in Kap. 1, 9 für sie gebetet hat, daß ihre Liebe möge je mehr und mehr reich werden in allerlei Erkenntniß und Erfahrung. (v. Hofmann.) Alles, was der Apostel vorhin von der Glaubensgerechtigkeit und dem Laufe nach dem vorgesteckten Ziel ausgeführt hat, ist die Grundregel des christlichen Lebens für alle reifen und mündigen Christen: hält man sie fest, so steht man unter göttlicher Leitung und Zucht, und alle kleineren Verschiedenheiten der Denkart werden von dem HErrn selbst ausgeglichem der durch die Offenbarung seines Geistes uns immer mehr und mehr in feine ganze Wahrheit einführt; nur von dem Grunde, auf dem man mit dem ganzen Leben bereits erbaut steht, darf man nicht weichen. (v. Gerlach.) Dem Wahrheits- sinne wird nie die zurechthelfende Leitung und Offen- barung des Wahrheitsgeistes fehlen, so« wenig auch Schwankungen fehlen können. (Braune.) V. v. 17—Kap. l, Z. Aber noch in einer andern se— ziehung hat er sie zu seiner und feiner Mitarbeiter Ilathfolge aufzurufem ihm treten die Vielen in den verschiedenen Elsrisiengemeinden vor die Seele, die er geradezu als Feind: des Kreuzes Christi bezeichnen muß, weil sir ihr Fleifch sammt den Lüsten und Begier— den nilht lireuzigen mögen, sondern vielmehr dem Dienst des Bauch» sikh ergeben und in irdischen! Sinn ihr kelten führen. Jlukh vor ihrem oerführerifkhen Exempel hat er früher schon öfter gewarntz doch jetjt hat ihr roten— Sehet auf die, die also wandeln, wie ihr uns habt zum Vorbildel 523 räisctzeg Unwesen noch viel weiter um sich gegriffen uud es steht mit ihnen bereite so, daß sie der verdauimniß sihnurslraais entgegengehem Da müssen denn die phi- liooer ihr Jlugenmerti niit ganzer Fesiigliett auf die ge- richtet hatten, deren Wunde! iui Himmel ist, und beher- zigen, wag denen für eine Zukunft in Jlugsiiht steht, um den gleichen Weg zu betreten W. t7—21). Indem der Jtposiel unter recht inniger und zärtlicher Jlnnähes rung an seine lieben phitipper alte diese Erinahnungem die es auf ihr Zestehen in dem tjtlirrn abgesehen haben, zum Abschluß bringt, fügt er noch eine sonderliche Er— uiahnung an zwei, mit ilamen bezeichnete Frauen in der Genieinde hinzu, auf deren Eintracht an Stelle ihrer jetzigen Uneiniglieit ihin viel ankommt, und ruft Einen, den er allem Anschein nach ebenfalls bei tilamen nennt und vermöge der Bedeutung dieser Uameng als Mittrsigir gleichen Joches mit ihm zu seinem Betstunde heranzieht, dazu auf, den Friedengvermittler abzugeben Man. 4, 1—3). (Episiel am W. Sonntag nach Crinitatis.) Wenn man in dem heutigen Evangelio (Matth. 22, 15 Es) das Angesicht Christi ansiehet, was siehet »Man da —- das Angesicht des Niannesvon unstraflichem und unna barem Wandel, dessen Beispiel hehr und hell vor allen ugen sich erhebtpund nicht wenigerals das Wort Gottes, das za von ihm strahlt, ein Licht auf unsern Wegen und eine Leuchte unsrer Fuße genannt werden kann; der Sonne· des Beispiels Ehriti nun wandelt nach das heil, Beispiel der Apostel, auf welches unsre Epistel uns hinweist, wie ein lichter Mond, wahrend die von St. Paulo verworfenen Aergernisse und. bosen Beispiele, die das Gegenstuek bilden zu der tuekischem lauerndem auf Verderben sennenden Klug- heit der»Pharif·iier und Herodiaiieizsz sich an» solchem Lichte wie Schliiigen ausnehmen, die» aus nachtlichen Wegen ausgebreitet liegen, die Heili en zu sallen. (Löhe·) ·Von »dem Ende er» Feinde des »reuzes Christi, derer, die irdisch gesinnet sind, redetdie Epistehaber auch von» dein Ende derer, die einen himmlischen Wandel fuhren und der Wiederkunft des HErrn warten; das Ende also follen wir Jetzt, da wir am Ende des Kirchenzahres stehen, bedenken, und zwar das Ende, das der Gottlose,· wie das Ende,·welches der Gerechte nimmt! Man konnte diese Epistel eine apostolische Paraphrafe jenes Wortes Christi in, Matthz 7, 13 f. nennen, uns dazu gegeben, damit wir angesichts des so verschiedenen En es Beideiz der Gottlosen und der Gerechten, und angesichts dieser letzten Zeit und Stunde uns noch besinnen und den rechten Weg einschlagen. Nebe.)· Die Feindschaft gegen das Kreuz hristu 1) ihr Ursprung, L) ihr Wesen, 3)·ihre Folgen. (Floreh.)· Die Freunde und die Feinde des Kreuzes Christi: I) ihr Sinn,2) ihrWandel, 3) ihr Ende. Der Weg zum Himmel; wir sehen I) auf die Vorgangey die auf· diesem Wege zu·be- achten, Z) auf die Gefahren, die zu vermeiden sind, Z) auf die-H errlichkeit , die zu erreichen ist. (S»ommer.) Wer kann sagenzMein Wandel ist im Himmel? Wer I) sich censchließt an die himmlisch Gesinnten, Z) sich abschließt gegen die Welt und ihre Luft, Z) sich einschließt in desHErrn Verheißungen (Sehbold.) Eszsnsxxkgikaiskzkssekiixksxsdss Dei« Ehsssisss , a i en grun , em ie Zrdisehgesinnten entggezgengehem 2)» hinbliekt auf die Vorbilder gei tlichen aiidels, Z) hinaiisfblickt zu dem himmlischen iel, das ihm vorgehalten wird. (Wie- singen) Unser Wandel ist im Himmel: 1») ein Ruf seliger Mahnung, Z) eine Stimme himmlischen Trostes. «(Ziethe.) er Himmel, des Christen wahre Heimath: I) dort hat er sein Heil, Z) von dort erwartet er seinen Heiland, s) dort wird ihm einstHeilung von allen seinen Gebrechem (Schenkel.) 17. Folget [mit Andern in meinen Gemein- den, die das thun] mir, lieben Brüder, und sehet auf die sunter den Christen] die also wandeln, wie ihr Uns seure Lehrer, außer mir den Silas, Timotheus und Lukas Apostg. 16, 10 ff.] habt zum Vorbilder 18. [Nicht umsonst rufe ich euch zu solcher Nachfolge auf; ich möchte euch gern vor einer andern bewahren, zu der ihr so leicht könntet verführt werden.] Denn viele [wenn auch nicht gerade bei euch, so doch in den christlichen Ge- meinden ringsher] wandeln, vou welchen ich euch oft [wenn ich bei euch war oder brieflich mit euch verkehrte V. i] gesagt habe, uuu aber [nachdem ihre eigene Verderbtheit wie ihr verderb- licher Einfluß auf Andere immer größer geworden find] sage ich auch [als Verlorene sie beklagend Muth. 2, 18; Luk. 19, 41 ff] mit Weinen [und bezeichne es da näher, als was für Leute sie mit ihrem Wandel sich bekunden]: die Feinde des Kreu es Christizstt 19. , elcher Ende sum das Abschreckendste an ihnen gleich vorweg zu nennen] ist die Ver- dammniß [Gal. S, 8], welchen sum hierauf die sittliche Grundrichtung derselben in ihren Haupt- zügen zu charakterisiren] der Bauch ihr Gott ist, und ihre Ehre [der sie nachtrachten und die sie wohl auch erlangen] zu Schanden wird, [denn diese ihre Ehre ist ja die Ehre] derer, die irdisch gesiuuet siud V« [und unterliegt noth- wendig solchem Gericht Pf. 17, 14 —- besser über- setzt man aber: welchen der Bauch ihr Gott und die Ehre in ihrer Schande ist, die da irdisch gesinnet sind] 20. Unser [der wahren Christen V. 17] Wandel aber [im Gegensatz zu der ganzen Lebensweise jener Jrdischgesinnten, die eben da- mit als Nichtchristen sich zu erkennen geben] ists im Himmel [Ephes. 2, 6; Col. 3, 1ff.; Hebr- 13, 14], von dannen wir auch sda wir dabei allerdings jetzt viel Ungemach müssen er- leiden] w arteu d es fzuletzt von alle solchem Ungemach uns erlösenden 2. Tim. 4, t8] Hei- landes Jesu Christi, des HErrn[Apstg. Z, 21; 1. Cor. 1, 7; Tit. Z, 13]; 21. Welch er [wenn er nun am Tage seiner Herrlichkeit von daher erscheint] unsern uichtigen shienieden im Stande der Niedrigkeit, der Entbehrung und des Elends befindlichen] Leib [entweder auf dem Wege der Ueberkleidung oder aus dem der Auferweckung von den Todten 2. Cor. 5,1ff.;1.Thess.4,13 ff.] verklären wird, dafz er ähnlich werde seinem ver- klårteu sim Stande der Herrlichkeit befind- licheii] Leibe [1. Cor.15,42 ff.; Röm. 8, 17. 524 Philipp» 4, 1. -2. 29], nach der Wirkung soder vermöge der wirkungsmächtigen Kraft wird er das thun], da- mit er kann auch alle Dingeihm unter- thantg machen-1-[Matth.28,18;Joh.17,2; 1. Cor. 15, 25 f.]. V) Mit der vorhin auf estellten Regel ist der Apostel nun auf den christlichen Wunde! selbst gekommen; er braucht sich über das Wesen desselben nicht ausführ- licher zu verbreiten, er braucht ja auch hier nur auf sich selbst und sein Beispiel hinzuweisen. Ja, da die Phi- lipper nicht die Ersten sind, die als gehorsame Kinder ihrem geistlichen Vater folgen, so braucht er sie nur aufzufordern, seine ,,Mitnachahmer«, wie der Grund- text eigentlich lautet, zu werden, Mitnachahmer nämlich mit Andern in den verschiedenen Christengemeinden. (Weiß.) Ein eifriges Nachahmen des Apostels in Ge- meinschaft mit Andern und ein rechtes Aufmerken auf die, welche seinem Vorbild nachtrachten, thut den Phi- lippern noth; denn es sind nicht Viele, welche also wandeln, die Mehrzahl geht auf einem ganz andern Wege einher. Paulus, welcher die Macht des guten Beispiels kennt, kennt auch die des bösen, und diese ist allemal um so größer und bedenklichey je mehr ihrer sind, die auf den fchlechten Weg verlocken. Da gilt es, Acht haben auf sich selbst; da gilt es, mit ver- doppeltem Eifer den Gerechten nachahmen und unver- rückt auf die sehen, welche recht vor Gott wandeln. (Nebe.) Der Apostel will mit dem: ,,sehet auf die« diejenigen, von welchen er redet, keineswegs ebenfalls um Vorbilde hinstellenx denn einem nachahmen und sein Augenmerk auf einen richten ist Zweierlei. Man ahmt nach, indem man das nachthut, was der Andere vorthut, und man richtet das Augenmerk auf einen, dessen Richtung man einhalten will; um aber zu wissen, ob einer in der rechten Richtung wandelt, muß man ein Vorbild haben, nach welchem man urtheilt. Ein solches Vorbild nun haben die Philipper an dem Apostel und seinen Mitarbeitern: wo sie denn sehen, daß man so wandelt, wie es nach diesem, dem apostolischen Vorbilde, das Rechte ist, da- hin sollen sie ihr Augenmerk gerichtet haben, um gleichen Weges zu wandeln. (v. HofmannJ Jst gleich nur Einer der Meister für alle und Christus das einzige vollkommene Vorbild, so war es doch nöthig, daß seine Apostel den Verführern gegenüber sich in ihrer ganzen Grundrichtung des Glaubens und Lebens den Gemeinden zum Vorbild aufstellenr Christum sahen und hörten sie nicht, und in tausend schwierigen Fällen hätten die Schwächeren keinen Rath ·sich ewußt. Anders sind im Ganzen unsere Verhältnisse, die wir das durch die Apostel ausgezeichnete gefchriebene Wort haben; indessen auch für uns ist es wichtig, nächst Christo an die erleuchteten Männer uns zu halten, die der HErr von Anfang an und noch feiner Ge- meinde vorgesetzt und durch die er einen so reichen Schatz der Lehr- und Lebensweisheit uns geschenkt hat. (v. Gerlach.) is) Der Apostel begründet die Aufforderung, seinem Vorbilde nachzuleben, näher durch Erwähnun einer auf’s Tiefste betrübenden Thatfache, das ist der andel so vieler in den Christengemeindenx er hat schon früher, während seiner Anwesenheit in Philippi, zu wieder- holten Malen die Philipper auf diefe Klasse von Leuten aufmerksam gemacht, wohl auch hernachmals schrift- liche Warnungen vor ihnen ergehen lassen, wenn er aber jetzt unter Thränen ihrer gedenkt, so ist das ein Zeichem daß ihre Frechheit in neuerer Zeit sich be- deutend gesteigert hatte. Ihre Bezeichnung als ,,Feinde des Kreuzes Christi« weist keineswegs auf theoretifche Jrrthüniey sondern unverkennbar auf praktisch-siitliche Verirrun en hin. (Schenkel.) Sie sind nicht außer- halb der hristenheit zu suchen, da sonst der Gegensatz, in den sie gestellt würden, ein ganz anderer sein müßte, sondern in ihr, und sind nicht Eins mit denen, vor welchen der Apostel in V. 2 gewarnt hat, was durch eine Rückweisung ausdrücklich angezeigt fein müßte; sie wollen lediglich für das gehalten sein, als was er sie hier und in V. 19 kennzeichnet Daß ihrer viele sind, wäre nicht zu sagen, wenn er Nichtchristen meinte; und es ist gesagt, weil um so mehr der Blick auf die- jenigen geheftet sein muß, welche richtig wandeln· Sie sind dem Apostel nicht Feinde Christi oder Christi des Gekreuzigten, sondern die Feinde des Kreuzes Christi, also diejenigen, die sich zwar für Christen geben, aber eines Chriftenthums sich weigern, welches die Gestalt des Kreuzes Christi trägt, indem sie weder sich noch die Welt verleugnen wollen. (v. Hofmann.) Feinde des Kreuzes Christi sind die, welche das Welt- leben dem Leben Christi vorziehen und ihr Fleisch sammt den Lüsten und Begierden nicht kreuzigen wollen, welche vielmehr mit ihrem frechen Sündenleben ihnen selbst den Sohn Gottes auf’s Neue kreuzjgen, sein Blut mit Füßen treten und seine Marter für Spott halten: Hebt 6, S; 10, 29. (H. MüllerJ ist) Paulus bezeichnet die, vor deren Nachfolge er warnt, nicht blos als Feinde des Kreuzes Christi, sondern, so könnte man nach diesem l9. Verse sagen, indem man den vollen Gegensatz hinstellt, er be- schreibt sie als Freunde und Knechte des Fleisches. (Löhe.) Zur Abschreckung nennt der Apostel vor allem das schreckliche Ende, das die Feinde des Kreuzes Christi zu erwarten haben; ihr Ende ist die Ver- dammniß Schon hier auf Erden zeigt sich diese in der Qual der fleifchlichen Lüste, die nimmer Befriedi- gung finden (wie Faust bei Goethe sagt: ,,ich taumle von Begierde zu Genuß, und im Genuß verfchmacht ich nach Begierde«); hat aber dies Leben ein Ende, so folgt Ausschluß von Gott, von Christo und allen Seligen nach Leib und Seele für ewig (2. Thefs. 1, 9 f.). Heißt es sonst: Ende gut, alles gut; so mag es hier auch heißen: Ende böse, alles böse. Zur Kenn- zeichnung des Wesens der Feinde Christi sagt Paulus: »der Vauch ist ihr Gott« Was einer für das Höchste hält, woran seine Liebe und Freude hängt und dessen Herrschaft er sich untergiebt, das ist sein Gott; die Feinde des Kreu es Christi haben sich den Bauch, Essen und Trinken, ollust und Wohlleben zu ihrem Gott erwählt, in der Befriedigung der sinnlichen Seite ihres Lebens geht ihr Dienst und ihre Freude auf (Jes. 5, 11 f.; Weish· L, 1 ff.). Jhnen ist »die Ehre in ihrer Schande«, d. h. sie finden ihre Ehre in dem, was ihnen zur Schande gereicht (vgl. Röm. S, 20f.); in Schwelgerei und Befriedigung der Fleischeslust glauben sie eine Ehre und Herrlichkeit zu finden, was doch in Wahrheit ihnen nur zur Schande gereicht. Ueberhaupt aber geht die ganze Grundrichtung derselben nur auf das Jrdische; jede Erhebung über das, was über das Materielle ihres Daseins hinaus- geht, man elt ihnen, sie ver essen des Ewigen, und alle ihre edanken und Wünsche wenden sich nur den vergänglichen Dingen dieser Welt zu. (Sommer.) Daß es im reife der getauften Glieder der Kirche zu allen Zeiten, und auch schon in der apostolifchen Gemeinde epikuräisch gesinnte (Apostg. 17, 18 Anm.) Feinde des Kreuzes Christi gegeben hat, ist eine tief betrübende Thatsache; es wird hieraus deutlich, daß das Ver- hältniß zu Christo durch das Verhältniß zu seinem Kreuze bedingt ist (1. Cor. 2, Z; Gal. 2, II; 5,. 24; G, 14). Das Wesen des Christenthums ist Entsagung Bestehet den Judaisten sowohl wie den Epicuräern gegenüber in dem HErrni und Opferwilligkeit um Gottes willen: Bauchdienst und Kreuzesdienst sind unvereinbare Gegensätze (Schenkel.) f) Ganz anders, als bei den Feinden des Kreuzes Christi, steht es bei denen, die Christum lieb haben; deren Art ist eine andere, darum ist auch ihre Zukunft eine andere, eine Zukunft, welche herrlich genu ist, um der Mahnung des Apostels zur Mitnachxfolge Christi den stärksten Nachdruck zu verleihen. »Unser Wandel ist im Himmel«, sagt Paulus: zwar wandelt der Christ auf der Erde und sucht sich als guter Haus- halter über die mancherlei Gnaden Gottes, die ihm für diese Erde anvertraut sind, zu erweisen; die eigent- liche Heimath aber ist droben, fein Denken und Sinnen geht nach dem Himmel, und weil die Seele nicht da ist, wo sie lebt, sondern wo sie liebt (ani1na verius est, ubi singt, quam ubi animat Matth. 6,2l), so ist der Christ, obwohl mit seinem leiblichen Leben auf Erden, doch mit seinem eistlichen Leben im Himmel. (Sommer.) Wie sich eine Sgiene unter den Blumen aufhält, so halten sich des Christen Gedanken im· Himmel auf. (H. Müller) Nicht die irdische Befchäftigung, sondern der irdische Sinn richtet den Menschen so übel zu, daß alles an ihm für den himmlifchen Beruf ver- schlossen und feine ganze Kraft in das Jrdische ge- zogen wird. (Rieger.) Zu dem »Unser Wandel ist im Himmel« tritt ein Zweites hinzu: »von dannen wir auch warten des Heilandes Jesu Christi, des HErrn;« auch damit steht die auf das Jrdische ge- richtete Sinnesweise der Feinde des Kreuzes Christi im Widerspruch, denn wer feinen Wandel in dem hat, das auf Erden ist, wie sollte der einem Heiland ent- gegenharren, der ihn dem entnehme, worin er lebt und webt? Er wird nimmer, wie er doch als Christ es müßte (2. Tim. 4, 8), die Erscheinung des HErrn lieb haben. (v. Hofmann.) Jn Folge der herrlichen Zukunft Christi aber wird, darauf macht nun weiter der Apostel aufmerksam, das seitherige Verhältnis; der Kreuzesfreunde zu den Kreuzesfeinden mit einem Male ein vollständig umgekehrtes werden: jetzt leben diese in irdischer Freude und leiblichem Genuß, jene dagegen in irdischer Trauer und leiblicher Entbehrungz dann werden diese die Verdammniß dahinnehmen, jenen dagegen wird Christus den Leib ihrer Erniedri- gung, wie es für ,,nichtigen Leib« genauer im Grund- texte heißt, in der Art umwandeln, daß aus demselben ein dem Leibe seiner Herrlichkeit gleichgestaltiger werde. Ein Leib der Erniedrigung heißt der diesseitige ir- dische Leib der Christen, insofern es zu seiner Wesens- beschaffenheit gehört, Organ unsrer Erniedrigung, d. h. der Trübsale, Entbehrungen und Verfolgungen zu sein, welche damals insbesondere die Christen betrafen; der jenseitige himmlische Leib Christi dagegen ist ein Leib der Herrlichkeit, insofern es zu seiner Wesensbeschaffen- heit gehört, die aus Erden verhüllte Herrlichkeit des Gottessohnes in der demselben angemessenen Erschei- nungsform zu offenbaren, und zur Gleichgestaltigkeit mit diesem Leibe soll denn nun der Christen Leib bei der Auferstehung oder, falls sie noch im Leben da sind, durch Verwandelung (1. Cor.15, 5l) gelangen. (Schenkel.) Der Apostel kommt auf diese Leibesverklärun dadurch zu reden, daß jene Feinde des Kreuzes Cqhristi in ihrem epicuräischen Wesen den jetzi en, diesseitigen Leib hegen und pflegen, ja den Bauch, en schlechtesten, ge- rin sten Theil dieses Leibes, welcher durchaus keine Zu unft hat (1. Cor. 6, 13), geradezu als Gott verehren und anbeten; er nennt denn diesen Leib einen Leib unsrer Niedrigkeit auch wegen der Unehre, die ihm anhaftet, insofern er nach den niederen, fleisch- lichen Genüssen verlangt. (Nebe.) Das 4. Kapitel. Von der standhaftigtieit und geistlicheii kfreude der Christen. Mem, der Ikhilipper tgnithätigkieih Pause erwiesen. 1. Also [um hier die Warnungen, Beleh- rungen und Ermahnungem die ich von V. 2 an euch ertheilte, in ein letztes kurzes Wort zusammen- zufassen], meine lieben und gewünschten Brüder, sdie ihr Gegenstände meiner Liebe und meiner Sehnsucht seid Kap. 1, s; 2, 24], meine Freude sdie mich erquickt] nnd meine Krone [die mich fchmückt I. Thess 2, 19 f.], bestebet also swie ich’s euch vorgehalten habe, indem ihr einerseits an der Glaubensgerechtigkeit den Judaisten gegenüber gleich mir festhaltet und andrerseits mit allen ächten Christen den Epicuräern gegenüber auf das Himmlische gerichtet seid] in dem HEtrn seure Stellung, wie ihr zu ihm sie bisher eingenommen habt, behauptend, und lasset euch durch niemand daraus verdrängen 1. Thess. 3, 8], ihr Lieben [Kap. 2, 12; Röm. 12, II; 1. Cor. 10, 14; 2. Cor. 7, i; 12, 19; Heer. e, 9]. Der Apostel steht am Schlusse seiner, wenn auch nicht immer der Form, so doch überall der Tendenz nach durchaus paränetischen Auseinanderfetzung über das wahre Leben in Christo: in ihm alle seine Freude und feinen Ruhm finden, immer vorwärts streben zu einer höheren Vereinigung mit ihm, wandeln « so, daß das letzte Ziel unsers Christenlebens die Theil- nahme an der Herrlichkeit des wiederkommenden Christus ist, das war der Inhalt derselben. Darum nun wendet er sich noch einmal an sie, die er so herzlich liebt und die er so herrlich lobt, um sie zu bitten, daß sie auch ferner feiner Liebe und seines Lobes sich würdig zeigen. Er nennt sie ,,seine Brüder«, weil er ja in Christo mit ihnen zu einem Bruderbunde vereinigt ist; aber er nennt. sie zugleich mit besonderem Nachdruck seine ,,lieben und gewiinschten« Brüder, insofern sie noch ferne von ihm sind und er doch so sehr nach einer Wiedervereinigung mit ihnen verlangt. Er kann sie seine ,,Freude« nennen, weil er allezeit ihrer aller und mit Freuden in seinem Gebete gedenkt, wie er im Ein- gange sagte, aber auch seine ,,Krone«, weil der blühende Zustand der Gemeinde ihm, ihrem Stifter, iiberall der schönste Schmuck ist und die hdchfte Ehre bringt. Jn- dem er darum noch einmal alles zusammenfaßh er- ermahnt er sie, also, wie er es eben dargestellt, zu be- stehen in der Gemeinschaft mit dem HErrn, in der allein sie ihn als festen Grund ihrer Freude, als stetes Objekt ihres Strebens und als herrliches Ziel ihrer Hoffnung haben können; und schließt mit einer nochmaligen Versichernng seiner Liebe an sie, seine Geliebten. (Weiß.) Jn keinem andern Briefe hat Paulus so, wie hier, die Ausdrücke der Liebe und des Lobes der Leser gehäuft: gewiß für den löblichen Zu- stand der Gemeinde ein vollgiltiges Zeugnißl (Meyer.) 2. Die Evodian ermahne ich lals wäre ich gegenwärtig bei euch und nähme sie einzeln vor], nnd die Syntychen ermahne ich sin gleicher Weise mit ihr handelnd, um auch· an sie speziell heran- zukommen], daß sie sbeide mit einander bei dem, f was sie für das Reich Gottes thun] Eines Sinnes 526 Philipper 4, 3-—7. seien in dem HErrn fund so aufhören zu ein- ander in Zwiespalt zu ftehen]. 3. Ja, ich bitte auch dich, mein treuer Ge- selle [der du ja an Ort und Stelle dich befindest und so ganz in der Lage bist, die Vermittelung zu übernehmen] siehe ihnen [zu gegenseitiger Ver- ständigung und Wiedervereinigung für« gemein- sames Wirken] bei [da hierauf um so mehr an- kommt, als es sich in Evodia und Syntyche um Personen handelt], die [einst] sammt mir über dem Evangelio [Kap. I, 271 gekampft haben, ssammt mir gekämpft haben] mit Clemens nnd den andern meinen Gehilfen, welcher Namen sich hier nicht nenne, wie ich es in Beziehung auf Clemens ge- than habe; denn es sind das Namen solcher, die nicht mehr auf Erden da find, und Namen, von denen man wohl sagen kann, sie] sind in dem Vnkh des Lebens [eingetragen Lukas 10, 20z Offenkn 13, 8, insofern die, welche sie einst trugen, zum Leben bereits eingegangen sind]. Der Apostel geht von der letzten allgemeinen Er- mahnung in V. 1 ohne Uebergang weiter zu einer speziellen an zwei einzelne Personen; das wiederholte ,,ermahne ich« wgist auf das Bedürfniß jeder einzelnen, eine jede von beiden hatte ihre Schuld. Die Namen gehören wei Frauen an (vgl. Röm.16, l2), die Per- sonen sin aber sonst unbekannt; ermahnt werden sie, gleiches Sinnes zu sein in dem HErrn, woran dem Apostel sehr viel liegt, sie müssen also irgendwie in Differenz gerathen sein. (Braune.) Nahe liegt es, da die Sache, dazu sie ermahnt werden, an Kap. Z, 2 erinnert, den Grund der Uneinigkeit in den dort an- gegebenen Motiven zu finden; und bestärkt wird man in dieser Ansicht dadurch, daß der Apostel nicht blos ihr gleiches Verdienst, sondern auch das gleiche aller Uebrigen anerkennt, was nur dann einen Zweck hat, wenn das Geltendmachen dieser Verdienste zu Streit Veranlassung gegeben. (Wiesinger.) Der Apostel will aber wohl mit dieser Erinnerung an ihre Leistungen zugleich bemerkbar machen, wie werth diese Frauen es seien, daß man sich ihrer annehme und jetzt, wo sie damit, daß sie bei ihren christlichen Bestrebungen ver- schiedene Wege gehen, fehlen, sie auf den rechten Weg urückzufiihren suche; denn sie haben ja einst, wie den hilippern ebenso bekannt sein muß, als es uns leider völlig unbekannt ist, in der Fürsorge für die» evange- lische Verkündigung einen guten Kampf gekämpft in Gemeinschaft mit dem Apostel, sich dieselbe unter Ge- fahren und Leiden angelegen sein lassen sammt den andern Mitarbeitern in Philipph unter denen Paulus einen gewissen Clemens namentlich hervorhebt (Weiß.) Die Andern, von« denen der Apostel sagt, daß ihre Namen im Buche des Lebens geschrieben seien, und damit die ewige Seligkeit als gewissen Besitz ihnen zuspricht Gebt. 12, 23), sind als inzwischen verstorben vorauszusetzen. (Bengel.) Nach Luther meint Paulus mit dem, den er unter der Anrede: ,,mein treuer (ge- nauer: ächter und rechter l. Tim. 1, Z; Tit. I, 4) Gesellett zur Mitwirkung auffordert, den vornehmsten Bischof zu Philippi; aber wie sonderbar bliebe solch eine namenlose Bezeichnung an sich! wie leicht könnte die vorzugsweise Bezeichnung durch: ,,a’chter, recht- schafsenertt für andere Mitarbeiter in Philippi sogar zurücksetzend ewesen sein! Auch gebraucht Paulus niemals von einen Amtsgenossen das Wort syzygos (Geselle, eigentlich Mitjoch oder Jochgenosse), welches überhaupt sonst nicht im neuen Testamente vorkommt und die Voraussetzung mit sich führen würde, daß der Unbekannte in einem anz besonderen, eben diesem ewählten Prädikat entprechenden Verhältniß zum postel gestanden. Ohne Willkür, da diese Anrede von lauter Eigennamen umgeben ist, kann man daher in dem Worte syzygos ebenfalls nur einen Eigen- namen finden, wobei das Beiwort ,,ächter« dem Ap- pellativsSinne des Namens (Jochgenosse) in seiner und gewinnender Weise entspricht (vgl. Philem. V. 11: Onefimus — nützliclyx ,,ich bitte auch dich, ächter Syzygus, d. i. der du in der That und dem Wesen nach bist, was dein Name besagt, ein Jochgenosse oder Mitarbeiter.« (Meher.) VI. v. 4—9. Jetzt, nachdem er die Philipp« vor alle dem, was ihnen das Slihfreuen in dem tjErrn un- möglich machen würde, mit seinen warnungen und ver— Mahnungen zu verwahren gesucht hat, nimmt Paulus jenes sein ,,feeuet euch in dem heitern« in Lan. Z, t wieder auf, läßt aber sofort mit ,,allewege« ein with— tiges Moment hinzutreten, und wiederholt dann nach— drünetich seine Aufforderung zur Freude. wenn ne solche Freude im Herzen tragen, wie "er’s ihnen an- wünscht, so wird ihr verhalten den Menschen gegenüber das sein, daß ne jedermann mit ltlndtgieeit begegnen; und wenn ne dabei so manches non ihren Gerechtsamen onfern und so mancher Selbstoerteugnung nch unter- werfen niüssen, so wissen nein, danihr ljErr nahe tsi und sein lheit und seine Vergeltung mit ihm, in Wirklichkeit also kommen ne um nichts, sondern machen nur einen Gewinn für die Zukunft. was aber die Gegenwart niit ihren Jlengnen und Kedrohungen betrifft, so können sie mit danttsagendem Gebet vor Gott aller Sorgen net) entschlagenz ja, es wird ein Gottesfriede über ne kommen, der ne heller sehen und besser handeln läßt, als mensehltche Vernunft mit ihren eigenen Ge- danken und Entschtüssen es vermag, und dieser Friede wird ihre Herzen und Sinne in Ehrino Iesu bewahren, worauf ja altes zur Erlangung des ewigen Heils an- kommt. Und noch Ein Wort hat der Krone! den phi- tippern zur Ermahnung zu sagen; er nennt ihnen in einer snmmarisehen Zusammenfassung alles das, dem ne nachdenken, und erinnert ne dessen, dein ne noth- leben sollen. Darnarh leann er dann im Folgenden zu einer speziellen Angelegenheit übergehen. (Eptstel am El. Sonntag des Advent) Es ist die letzte Zukunft Christi, in deren Lichte man wandelt, wenn man diese Epistel liest; »der HErr ist nahe«, ruft sie und giebt damit allen ihren übrigen Worten Kraft und Nachdruek Es ist aber ein fröh- liches Licht, welches aus derselbigen kommt; ja, so freundlich redet sie, daß man mehr geneigt wird, ihr »der HErr ist nahe« von dem Kommen Jesu zu seiner Geburtsfeier zu verstehen, als von dem Kommen zum Gericht. Jedes ein elne Wort hat Bedeutung vom Kommen zum Geri tz aber so süß ist jedes, daß es fast lautet, wie wenn es von den Lippen der gebenedeiten, wonnevollen Mutter käme, wie wenn es die Engel über Bethlehem sängen. Kaum kann man sich des Ge- dankens erwehren, es sei bei der Wahl der Epistel für den Sonnta vor Weihnachten eine heilige Absicht- lichkeit gewe en; die fromme Zweideutigkeih die Worte von der Geburt Christi und von seiner Wiederkunft Ton und Kraft bekommen zu lassen, sieht fast aus, wie wenn die alten Väter entweder die Krippe in’s Licht des letzten Tages hätten stellen oder etwas von dem prachtvollen Lichte des letzten Tages um die Krippe Freuet euch in dem HErrn allewege! 527 hätten ießen wollen. (Löhe.) Die Cpistel giebt mit ihrem use: »freuet euch in dem HErrn allewege, und abermal sage ich, freuet euch!« das langersehnte Signal zu der kaum noch zurückzuhaltenden Festfreude, erinnert aber zugleich auch an die Lindigkeit im Um- ang mit Andern und an das gläubige Gebet als ficherstes Mittel, der irdischen Sorgen los und ledig und des seligen Friedens in Gott theilhaftig zu wer- den, wodurch aller Segen und alle Festfreude einer christlichen Weihnachtsfeier bedingt ist. (Alt.) Die christliche Gemüthsstimmung in der heil.Ad- ventszeit: 1) heilige Freude, 2) sanfte Menschenliebq Z) inniges Gottvertrauem 4) göttlicher Friede. (Pröhle.) Der HErr ist nahe: dieser Gedanke 1) heilige unsre Freuden, 2) erstreue unsre Sorgen, Z) weihe un re Gebete, 4) erfülle uns mit Liebe und Milde gegen den Nächstem (Braune.) Was findet der Glaube bei Christo? I) eine Freude, die nie vergeht; 2) eine Menschenliebe, die keine Grenzen kennt; Z) ein Vertrauen zu Gott, das sich über alle Sorgen er- hebt; 4) einen Frieden des Herzens, der uns in der seligsten Gemeinschast erhält. (Ranke.) Der Ad- ventsrus: Freuet euch in dem HErrn alle- weg e! Er l) fordert Lindigkeit gegen die Brüder, 2) mahnt ab von aller Sorge, Z) ermuntert zum Suchen des HErrn im Gebet, 4) verheißt den Sezen des Frie- dens Gottes. Die seligeNähe des H rrn: 1) die Freude, mit der sie erfüllt, Z) die Sorge, von der sie befreit, Z) der Friede, den sie gewährt. (Sommer.) Was predigt der Adventsruf: Der HErr ist nahe? I) freuet euch im HErrn und stellt das Trauern ein; Z) die Härte wandle sich in Lindigkeit; Z) das Beten hebe weg den Sorgenstein; 4) der Gottessriede tilge allen Streit. (Seybold.) Der Festschmuck, den wir für Weihnachten anlegen sollen: 1) heilige Freude, L) brünstige Liebe, Z) gläubiges Ver- trauen, 4) seligen Gottessriedew (Stählin.) 4. Freuet euch in dem HErrn [d. i. in Christo Kap. Z, l] allewege [auch da, wo Leiden und Trübsal aller Freude ein Ende zu machen scheinen], und abermal sage ich sals einer, der seiner Sache recht gewiß ist, daß das, wozu er ermuntert, sich auch verwirklichen läßt, weil er’s ja selber. also hält, wie ihr es halten sollt]: Freuet euch« [2·. C·ok. is, U; Pf. 32, 11]. Z. Eure Lindi keit [1· Tim. 3, Z; Tit. 3, L; Jak.3, »17] la et· kund sein allen Men- fchen [indem ihr einem jeden mit derselbigen be- gegnet]. Der HGrr ist nahe« [und sein Lohn ist bei ihm und seine Vergeltung vor ihm, Röm- 13,.11; Jes. 40, 10., daß ihr gerne auf Rechte und Ansprüche in dieser Welt verzichten könnt und dasjenige fahren lasset, was aufgeopfert werden muß, um solche Lindigkeit zu üben) b. Sorget nichts swas euch die Zukunft etwa bringen oder versagen möge Matth. 6, 25 ff.]·, sondern» m allen Dingen lasset eure Bitte [euer Bittanliegen 1.Joh. 5, 15; Pf. 20, H] im Gebet und Flehen [Ephes. S, 18] mit Danksagung vor Gott kund werden-«« [mit Danksagung für die bereits empfangenen und fortwährend erfahrenen Beweise seiner göttlichen Liebe, deren ihr euch ja bewußt sein müßt Pf. 55, 23; 1. Petri 5, 7; 1. Tim. L, 1]. Verfahrens 7. Und der Friede Gottes [der von Gott durch seinen Geist gewirkte Friede Röm. 14, 17]. welcher höher ist denn alle Vernunft ssie an heilsamer Kraft und Wirkung zur Erhebung, Stärkung und Tröstung des Ge- müths weit hinter sich läßt], bewahre eure Herzen Und Sinne leure Herzen mit alle ihrem Denken und Wollen, eure gesammte innere LebenstHätigkeitJ in Christo Jesus!- [daß ihr allewege euch in ihm freuet! 1· Thess. 1, 1 Anm.] V) Freuen sollen sich· die· Philippeaallewegez kann denn aber ein Christ sich uber die Leiden in dieser Zeit hinwegsetzen? ja, soll er nicht, wenn auch die Leiden dieser Zeit ihn verschonen, allezeit Leid tragen? hat er nicht Leid zu tragen über die Sünden, welche er began en hat, wie über die Sünde, welche ihm immer no anhaftet? spricht nicht unser HErr selbst (Matth. 5, 4): ,,selig sind die Leidtragenden, denn sie sollen getröstet werden«? Aber mit dieser von dem HErrn selig gepriesenen und stillschweigend eforderten Traurigkeit steht diese Aufforderung zur reude nicht im mindesten Widerspruch; vielmehr ist jene Traurigkeit in diese Freude hinein verschlungen, um ihr ihren rechten Gehalt zu geben. Freilich, wenn der Apostel ohne alle nähere Bestimmungd zur Freude aufforderte, so thäte er sehr thöricht, un wir wären außer Stande seinem Gebote nachäukommem er fügt aberbedeutsam hinzu: in dem H rrn. Jn Christo soll ihre Freude wurzeln, aus ihni soll sie hervor- quellen; er soll ihre Freude selbst sein. Nebe.) Alles an dem HErrn ist ja erfreulich: seine ingabe durch Menschwerdung und Geburt, sein Wandel in der Welt, sein Leiden, Kreuz und Tod, sein Leben und Herrlich- keit, seine jetzige Verborgenheit in Gott, seine immer näher kommende Offenbarung vom Himmel. Den inneren Grund zur Freude nun behält man, wenn man auch die Empfindlichkeit das eine Mal nicht hat, wie das andere Mal; das Ausstrecken darnach bleibt, wenn man schon unter den Abwechselungen- seine Un- vollkommenheit und den Mangel eines völligen Stan- des im Evangelio spüren muß. (Rieger.) Das Wieder- holen des Apostels: und abermal sage ich: freuet euch! stärkt seine Vermahnung; das ist auch wohl noth, denn fintemal wir mitten unter den Sünden und Uebeln leben, die uns beide zur Traurigkeit trei- ben, will der Apostel, daß wir uns dagegen ausrichten, und ob wir gleich zuweilen in Sünde fielen, daß wir doch die Freude in Gott lassen stärker sein, denn die Trau- rigkeit in der Sünde. Es ist ja wahr, daß Sünde natürlich mit sich bringt Traurigkeit und Zagen des Gewissens und wir nicht mögen alle eit ohne Sünde sein; so sollen wir doch die Freude lafsen regieren und Christum größer lassen sein denn unsre Sünde: 1. Joh. 2, 1 f.; Z, 20. (Luther.)· » » . «« Je mehr die Christen zu Philippi in Folge des iderstandes von Seiten der Nichtchristen stets in Versuchung waren, gereizt und erbittert zu werden, um so nachdrücklicher empfiehlt ihnen der Apostel, die Tugend der Lindigkeit, des milden iind schonenden egen Andere, allen Menschen, also auch den nichtchri tlichen Widersachern gegenüber auszuüben. (Schenkel.) Ein freudiger Genosse unsers HErrn Jefu Christi bekommt es mit unterschiedenen Menschen zu thun, die auf mancherlei Weise seiner Liiidigkeit nöthig haben: der eine zum Geben, der andere zum Ver- eben, der dritte zum Nach eben; dazu macht die Freude: im HErrn willig und stark. Je weniger aber die Seele durch Freude am HCrrn getragen ist, je weni- 528 ger kann man auch Andern begegnen, wie es fein ist. (Rieger.) Wenn eine Hochzeit ist und die Brautleute vom Altar gehen, wenn nun das Ziel erreicht ist, Gott die Brautleute verbunden hat, also daß kein Mensch mehr lösen kann, da werfet ihr mit vollen Händen Gaben aus und seid lind und mild uiid gütig, auch wenn ihr es sonst nicht seid: wer schließt euch das Herz auf, wer füllt euch die Hände? Die Freude ist’s; denn die Freude ist mittheilsam, lind und gütig, und zwingt auch die Herzen, die sonst die Güte für eitel Schaden halten. Wenn eine Taufe gehalten wird, wenn ein Vater sein Kind zum Gotteshause bringt, damit es durch das gnadenreiche Wasser des Lebens ein gnadenvolles Gotteskind werde, da lädt er seine Nachbarn und Freunde, daß sie mit ihm zur Kirche gehen, und bewirthet sie freundlich. Die Freude macht ihn nachbarlicher, freundlicher, liebenswürdiger und liebreicher, und sliebt ihm Macht, das Seine also an- zuwenden, daß ndere einen fröhlichen Tag haben, auch wenn er sonst diese Macht nicht hat, sondern sein Hab und Gut über ihn Herr ist und ihn knechtet. Ja, man hat bemerkt, daß viele Nienfchem wenn ihnen eine große Freude zu Theil wird, ihr Herz also ver- wandeln, daß sie sich versöhnen können und vergeben und vergessen. Wenn man nun von der gewöhnlichen Freude der Weltmenschen und Alltagschristen oftmal die Erfahrung macht, daß sie das Herz erweitert und den Menschen lind macht, so kann es keine Frage sein, daß die Freude in Christo lind und mild und gütig machen müsse. Ein in Gott erfreutes Herz gleicht einem vollen Bach; das Wort aber, welches der Apostel zu den in Gott Erfreuten sagt: ,,eure Lindigkeit lasset kund werden«, ist wie eine starke Hand, welche die Schleußen auszieht und die Hähne öffnet, so braust die Freude in Lindigkeit hinaus in die Gräben und macht alles Land reich und fruchtbar. Allen Men- schen macht sich die Lindigkeit kund; die Freude im HErrn kennt außer dem Teufel und feinen Verlorenen Keinen, dem nicht in irgend einer Weise unsre Lindig- keit gehört und, wo es immer sein mag, auch offenbar werden soll. Und keine Art von Lindi keit ist aus- geschlossen, jede ist in der Freude eingeschlossen, jede vom Apostel befohlen: die Lindigkeit des Herzens, des Auges, der Geberde, der Rede, der That; Geben und Vergehen, Rathen und Helfen, Dienen und Gehorchen, Entschuldigem Gutes reden, alles zum Besten kehren, alles, alles ist eingeschlossen. (Löhe.) Die Niihedes HErrn hat die Niachh solche Freude zu wirken, die zu jeder Lindigkeit bereit macht. Wenn die heil. Mär- tyrer, weil sie wußten, daß sie zum HErrn sofort kommen würden, die Foltern nicht empfunden, wenn ihnen die Feuerflammen Rosen zu sein dünkten, wie sollte uns die nahe Zukunft Jesu Christi nicht über jeden Unwillen, über jede bittere Empfindung hinweg- helfen? was find die größten Leiden dieser Zeit gegen die Herrlichkeit, welche, wenn der HErr kommt, an uns soll offenbar werden?» (Nebe.) IN) Ein Herz, das sich im HErrn freiiet, hat volles Genuge in Gott; darum laßt es sich seine Freude nicht stören durch der Menschen Bosheit, son- dern überwindet sie durch Beweisung der Lindigkeit. Es läßt sich aber seine Freude auch nicht beeinträchti- gen durch die Sorgen dieses Lebens, quält sich nicht unnöthiger Weise damit ab. Sorgfalt im Leiblichen und Geistlichen allerdings geziemt dem Christen, allein Sorge aus Unglauben, aus Mißtrauen an Gottes Hilfe und Fürsorge, ist unchristlichz der Apostel ver-- bietet diejenige Sorge, da der Mensch es auf seine eigene Sorge ankommen lassen will, sich zu helfen und alle Schwierigkeiten zu überwinden. (Sommer.) Das Phiiippek 4, 8. o. Kundmachen der Anliegen in allen Lagen und Ver- hältnissen des Lebens wird dreifach bestimmt: I) durch den Weg — ,,im Gebet und Flehen«; Z) durch die Begleitung —- ,,mit Danksagung«; Z) durch die Richtung —- ,,vor Gott«, es soll nicht vor Menfchen geklagt und gejammert werden. (Braune.) Die ver- kegrte Menfchenseele will vor Gott gelind und milde si geberden, den Menschen aber theilt sie geschwätzig ihre Sorgen mit: gerade umgekehrt, deine Lindigkeit erweise gegen jedermann, dein reiches, weites, wohl« wollendes Herz laß deine Brüder und Nächsten ge- nießen; aber was dich quält und was du fürchtest, damit verschone die Menschen, sag’s vielmehr dem in Gebet und Flehen, der dich höret und der alles wen- den kann. (Löhe.) Das Gebet, ohne rathlos um- herzublicken, wendet sich gläubi und getrost direkt an den rechten Helfer, an Gott selgsh und das Flehen, auf alle Selbsthilfe verzichtend, erbittet alles allein von Gott; es muß aber stets begleitet sein von D ank- f agung für alle empfangenen» Wohlthateiy auch für das, was auf den ersten Blick nicht wie Wohlthat erscheint, denn so allein zeigt man zugleich die wahre Ergebung in den göttlichen Willen, welche jedes Gebet erhörlich macht und alle Sorge überwindet. CYZeißJ Beim Sorgen ist die Vernunft, beim Beten der Glaube eschäftig: ,,verlaß dich auf den Herrn vonganzem setzen, und verlaß dich nicht auf deinen Verstand; gedenke an ihn in allen deinen Wegen, so wird er dich recht führen« (Spr. 3, 5 f.). Jn solchem Vertrauen sein Herz ausschüttem dient sehr zur Erleichterung. (Rieger.) . T) Ueberfetzt man: »Und der Friede Gottes, wel- cher höher ist denn alle Vernunft, wird eure Herzen und Sinne in Christo Jesu bewahren«, so beschreibt der Apostel hier die Wirkung desjenigen Thuns, zu dem er in«V. 6 ermahnt hat; aus dem ununterbro- chenen Gebetsumgange mit Gott von Seiten des Menschen und den damit verbundenen Gebetserhörum gen von Seiten Gottes geht der Friede hervor, jene innere Seelenruhe, welche über den Wechsel der irdi- fchen Schickfale erhaben ist und die stete Freude in dem HErrn uiis sichert. Luther dagegen hat mit seiner Uebersetzung aus der im Grundtext stehenden Zukunfts- form des Zeitivorts die Wunschform gemacht, indem er sich an die Vulgata anschloß,- die der Auffafsun des Chrysostomus gefolgt ist; den Zusammenhang ste t er folgendermaßen her: ,,Siehe, wie ordentlich und· fein St. Paulus einen Christen lehrt: zum ersten soll er durch den Glauben in Gott fröhlich sein (V. 4),— darnach den Nkenschen gelinde und gütig (V. 5). So er aber fpräche: wie kann ich? antwortet er: der HErr ist nahe! (V. 5). Wie aber, wenn ich verfolgt würde und jedermann mich beraubt? spricht er: sorge nicht, bitte Gott und laß ihn sorgen (V. 6). Ja, sprichst du weiter, ich werde dieweil müde und wüste! Nicht doch; der Friede Gottes wird« dich verwahren-« (V. 7). Die Aussage nun, daß der Friede Gottes höher sei denn alle Vernunft, versteht man vielfach dahin, daß derselbe von dem Verstande nicht gefaßt wörden könne, daß er ganz unbegreiflich, suprarational sei; aber der Apostel hatte gar keine Veranlassung, sich über Begreiflichkeit resp. Unbegreiflichkeit dieses Frie- dens auszusprecheiy und außerdem will auch nach dem Wortlaut des Grundtextes das ,,höher denn alle Ver- nunft« keineswegs besagen, daß derselbe die Vernunft übersteigt, sondern daß er sie übertrifft, mehr und besser sei, als sie (vgl. das »höher« in Katz. 2, 3), dem Menschen für seine innere Beziehung mehr leiste. »Mit dein Verstande macht der Mensch die Dinge zum Gegenstand seiner Sorge, aber was er damit Der Gott des Friedens wird mit euch sein. 529 erzielt, bleibt weit zurück hinter dem, was ihm der Friede Gottes gewährt; denn der· Verstand ·kann ihn ge; sen« bessere« esse-eesssskssssseschxsssssaess e un ie i ng in eanen i m ter- streit gerathe mit seinem Christenstande, während ihn der Friede Gottes unter einer Obhut hält, welche da- mit, daß sie alles ausschließt, was sich mit ihm nicht vertragt, zugleich au den ungestörten Fortbestand seiner Gemeinschaft mit Christo sichert. So ist denn sein Leben ein Leben derFreude in dem HErrn. (v. Hofmannh Daß der Friede Gottes hoher sei denn alle Vernunft, »das mußt du nicht so, verstehen, daß ihn niemcciåidttfzhleg nschb eingsindeiksmogeYåennfsiohlken wir mit o rie e a en, o mü en wir ja · en im Herzen und Gewissen, wie könnte sonst unser Herz skIiPsk Ihm«sbäwkskshåweikkeddkkkåh sihäiss III? sitt? e e : i e n i ei e Frieden denn von dem, wenn das Uebel aufhört; dieser Friede schwebt nicht über Vernunfnsondern ist ihr gemaß. Darum toben und streben sie auch der Ver- nunft nach, bis daß sie denselbigen Frieden durch Ab- gzkitn del? Uebels erlangen, esssei smitdGikttvalt oderhmbit i; a» wenn einer armi, o en er, er a e großen Unfrieden mit der Armuth, und trachtet, wie er die Armuth hinweglege, und meint, wenn die hin- weg ist, so habe er Frieden und sei reich. Wer eine Wunde·hat, der verstehet und suchet die»Gesu»iidheit; wenn einer» sterben soll und derTod auf ihm liegt» so denkt er, konnte ich den Tod hinwegnehmen, so hatte ich bFrxldesund blciksbeGlebheniåigåAAbFr golcheki Friesen giet ritusnit o. , , onern äet as Uebel stille liecgemh daß; es lden klhJienscäfen drücke, Sind nimmt es ni t inwegs rau t a er eine an ere Kunst und macht die Pedson anders und reißt die erson vom Uebel, nicht das Uebel von der Person. as geht also zu: wenn du im Leiden» steckest, so wendet er dich also davon und giebt dir einen solchen Muth, daß· du meinst, du sitzest im Rosengarten. Also ist mitten im Sterben das Leben und mitten im Un- frieden Friede und Freude; und darum ist’s ein solcher Fried? ubikixh alletsinns sVctåwxlelhhftdsnnffedäesknchGrifx ann ei en mi eine r n re o mi Sinnen erdenken. (Luther.) 8. Weiter, lieben Brüder, was wahrhaftig sdem rechtschaffenen Wesen, das in Christo ist Ephes 4, 21., entsprechend] ist, was ehrbar [1. Tim. L, 2; Tit. 2, 2], was gerecht [Ephes. 4, 24], was keusch [2. Cor. 6, s; 11, Z; I. Petri I, 22], was lieblich sSirach 20, 13J, was wohl lautet swohl lautend, von gutem Klange bei den Leuten ist], ist etwa eine Tugend [2. Petri 1- H]- ist etwa ein Lob [Ephes. 4, 29], dem denket nach suiid sucht es in eurem Leben zur Verwirklichung zu bringen]. 9. Welches ihr anch swas immerhin es sein möge] gelernet Und empfangen [aus meinem als eures Lehrers Munde 1. Thess 2, 13; 4, 1; Gar. 1, 9], und gehöret und gesehen habt an mir sals eurem Vorbild Kaki. Z, 17., und zwar von mir oder in Beziehung auf mich gehört, wenn ich abwesend, und an mir gesehen, wenn ich gegenwärtig war Kap. 1, 30], das thut; so wird der HErr des Friedens [genauer: der Gott des Friedens 1. Thess 5, 231 mit euch sein. Dachs el’s Bibelwerb VII. Band. Ein nochmaliges ,,weiter« bringt hinter dem Kap. s, 1-—4, 7 umfassenden Abschnitte noch wieder ein Le tes, das der Apostel nach allem Vorhergegangenen t xingeckskgt sfein lasseåi undkalsfalåschließeåden Ab- nit no eiügen wi ; er nüpt a die usichess rung, daß Gott den Philippern sich als Gott des Friedens erzeigen und dadurch die Freudigkeit ihres Ehristenlebens ermöglichen werde, an eine in zwei Hälften zerfallende Ermahnung: »dem denket nach« heißt. es das eine, und »das thut« das andere Mal. Jenes bezieht sich auf ein vorausgehendes »was immer«, dieses auf das vorhergehende »welches«; dort soll, damit sie sich nicht auf dieses und jenes beschrän- ken, der volle Umfang dessen benannt· werden, was sie in Gedanken· nehmen Massen, um es sich angelegen sein zu lassen, hier dagegen soll gesagt sein, daß sienicht ZEIT«zsakfskfgRdeiiidsiåiässiåhsshåkakpssskxk Zkäskkånåk Jm åxsten Satzed verhaltenh Lich Ywcåhrhafstxkgst uns ,,gere « zu einan er, wie ,,e r at« un » eu «; un das Verhältnis; zwischen ,,lieblich« und wohllautend« ist dasselbe? wiestdas zkvisgsen ,jTugknd" iänd »L?)b«. Hm zwei en i einer ei »ge erne « un ,,em an- gen«, andrerseits ,,gehöret« und ,,gesehen« mit einxnder verbunden; was sie gelernt haben, ist ihnen nicht un- bekannt, was sie empfangen haben, nicht fremd geblie- gen, zas san mirs« kiberk wie Lzuther übersetzh schließt em run text zu o ge Zi- åiro) ein »von m·r« und ,,an mir« zugleich in sich, indem es sich sowdhl auf Zgehörert als aulf ,,gesgheif»« Bezieht. sie haben ge- or, wenn er a we en ie a en ge e en, wenn er Pei ihuäu Tag was» ihuöki Vsokbirikz chkistiicheu Lebens« ein o . i ts, was gut it au er Acht lassen und so thun, wie sie gelehret sind! das ist die keiner« wei- teren Ausführung bediirfende Bedingung, damit der Gott des Friedens als solcher mit ihnen sei und ihnen dadurch die Freudigkeit des Christenlebens ermögliche: mit diesem Zurufe schließt der Apostel noch einmal ab. (v. Hofmannh Das ,,thut« in V. 9 »verhält sich kzuß,,ifd·em ddegikiåt iitacl(ä«fintVbl8snidcht aäkisäzlsdlietzend, s§ a iir a or eage o as a enen un für das hier Vezeichnete das Thun gefordert würde, Ynkdekgi bbezde Zhästigkeistem welch-e» sachlspicg fiicrh gen Jn a ei er er e zu ammenge oren, in na er Ausdrucksweise des Parallelismus (vgl. Röm. 10, 10) formell geschieden. Das »so wird der HErr des Friedens mit euch sein« ist der Sache nach die näm- liche Zusage, welche in V. 7 gegeben war. (Meyer.) Es wird der« Friede, von dem in V. 7 gesagt war, daß er bewahrt, seinerseits nur durch ein Verhalten, wie es hier beschrieben worden, bewahrt und ge- sichert. (Wiesinger.) VII. v. 10—20. Uunmehr endlich, am Schlusse feines Brief-z, lässt Paulus eben so würdig wie fein verbind- liche Kcufierungen folgen über die von den Philippern empfangene Geldunterfiützunm die ihm ja, wenn auch uirht die ausschließliche Veranlassung, doih die uninitteli bare Gelegenheit zu seinem Schreiben an die Hand ge- geben hatte. Es ist ihnen, fo sagt er den philipoerm zu seiner großen Freude wieder mögliih geworden, fsir ihn zu sorgen; nicht um feinetwillen freuet er sikh darüber, denn die rieth, die auf ihm gelegen, hat ihn nicht ge— bräunt, er vermag sie zu tragen, doch auf ihrer Seite zeugt es von einem Wiedererblühen ihrer Wohlstandes, und da haben sie nun wenige-hatt, daß sie seiner Trüb- fal sieh angenommen und das verhältnis, in welcher; je bald von Anfang des Eoangelii eingetreten sind, fort- geführt haben, ein verhältnis, nach welchen: sie in gegenseitige: Rechnung von Ausgabe und Einnahme zu 34 530 Philipper 4, 10—20. ihm stehen. Er hat vollaus von ihnen empfangen, daß er mehr als hinreichend uersorgt ist: so wolle Gott aukh ihre tlothdurft rcichlich erfüllen nach allen Seiten hin; ihm sei Ehre in Ewigkeit! 10. Jch bin aber sum von dem, was ich euch zu gute wünsche und hoffe, jetzt zu dem über- zugehen, was ihrmir zu gute gethan habt] höch- lich erfreuet in dem HErrn [Kap. Z, I; 4, 4], daß ihr wieder wacker [wörtlich: grün, nämlich durch Wiederaufblühen eures Wohlstandes] worden seid, für mich zu sorgen, wiewohl ihr swährend der längeren Zeit, wo ich nichts empfangen habe] allewege gesorget habt, aber die Zeit hats nicht wollen leiden* [das auch thatsächlich zu bekunden, bis es nunmehr endlich euch wieder möglich ge- worden]. 1l. Nicht sage ich das snämlich daß ich höch- lich erfreut worden durch eure Gabe] des Man- gels halben [von dessen Druck ich gern hätte wollen befreit sein und nun auch wirklich befreit mich fiihlte]; denn [solchen Druck, wenn auch der Mangel selber vorhanden war V. 14., habe ich gar nicht empfunden:] ich habe gelernet [Hebr. 5, 8], bei welchen ich bin sin was für Verhältnissen ich immerhin mich befinden mag] mir genügen zu lassen [1. Tim. S, 6 ff.; Hebr. 13, b; Sirach 40, 18]. 12. Ich kann [darum, in Folge solchen Ler- neu-Z] niedrig sein und kann hoch sein sje nachdem ich in die eine oder andere Lage gerathe 2.Cor. 4, 8; 6, 9 f·]; ich bin in allen Dingen und bei allen [Lagen und Umständen, in denen ich gerade mich befinde] geschickt sdas rechte Verhalten ein- zuhalten, und verstehe mich darauf, das eine ebensogut wie das andere zu vertragen], beide [Jes. 27, 1 Anm. 2], satt sein und hungern, beide, übrig haben nnd Mangel leiden» [1. Cor. 4, 11 ff.; 2. Cor. 11, 27]. 13. Jch vermag alles durch den, der mich mächtig macht, Christus-« [2. Cor. 12, 9; Ephes S, 10; 1. Tim. i, 12; Jes. 40, 29 ff.]. 14. sSo bedarf ich allerdings Mangels hal- ber der Unterstützung durch Andere nicht V. l1.] Doch ihr habt swas den inneren, sittlichen Werth eures Handelns anbetrifft] wohl gethan, daß ihr euch meiner Trübsal [wenn ich jetzt gefangen und mancherlei Trübsalen unterworfen bin], angenom- men habtsk [Röm. 12, 13; Hebt. 13, 3]. V) Der Apostel hat in Kap. 1, 12—-2, 30 das ge- fchrieben, was durch die Veranlassun seines Briefs geboten war, und in Kap Z, 1—4, 9 solches, was er, nachdem er einmal zu schreiben veranlaßt war, nicht ungesagt lassen wollte; aber wo bleibt sein Dank für die ihm zugegangene Unterstiitzung, deren er doch gleich in den ersten Worten des Briefs (Kap. .1, Z) und dann wieder, als er die Heimkehr ihres Ueber- bringers besprach (Kap. Z, 25), gedacht hatte? Bis hierher, bis er mit allem zu Ende war, was er der Gemeinde von wegen seines Berussverhältnisses zu sagen hatte, hat er ihn anstehen lassen: um so herz- licher dankt er ihr jetzt, um so mehr verbreitet er fich jetzt, am Schlusse des Briefs, über den Liebesdienst, den sie ihm erzeigt hatten. Doch auch jetzt spricht er nicht so davon, als habe er für sich darnach verlangt oder als sähe er darin eine ihm erwiesene Wohlthat; gleich im Beginne läßt er den Dank für das, was ihm geschehen ist, hinter der Freude darüber zurücktreten, daß es der Gemeinde ermöglicht worden war, es zu thun. (v. Hofmann.) Des Apostels edle Uneigen- nützi keit und Unabhängigkeit von den äußeren Gütern des Eebens sichert ihm eine würdevolle Freiheit denen gegenüber, die sie ihm spenden, und verbindet fich doch mit einer so zarten, die Liebesbeweise seiner Ge- meinde verstehenden, ihr Andenken bewahrenden und ihren hohen Werth für die Gemeinde selbst würdigen- den Freude und Dankbarkeit. (Weiß.) Wenn Paulus schreibt: »daß ihr wieder grün worden seid«, so sind die Philipper wie ein Baum oder Acker gedacht, die in günstiger Zeit wieder Blatt und Blüthe treiben. (Braune.) Sinnig, wenn auch nicht näher zu begrün- den, ist Bengels Vermuthung (vgl. 1. Cor. 5, 7 f.), daß die Unterstützung im Frühling an den Apostel gesandt worden sei. (Wiesinger.) it) Das rechte Verhalten des Christen zu den äußeren Umständen, in welchen fich derselbe befindet, hat der Apostel auf’s Treffendste an feinem persön- lichen Beispiel geschildert; mit dieser Schilderung ist er einem doppelten Vorurtheile entgegengetreten, so- wohl demjenigen, welches die Armuth für die noth- wendige Bedingung einer wahrhaft christlichen Lebens- entwickelung hält, als demjenigen, welches die Armuth als eine unerträgliche Last betrachtet Er tritt mit seinen Aeußerungen insbesondere sowohl der selbst- erwählten Armuth des Mönchthums, als den auf Vernichtung aller Armuth gerichteten trügcrischen Jllu- sionen des Socialismus entgegen. Der Christ soll beide ertragen lernen, Armuth und Reichthum, denn beide sind Gefahren, beide erzeugen unter Umständen Laster: die Armuth, weil sie leicht unzufrieden, der Reichthum, weil er leicht übermüthig macht. (Schenkel.) Eis) Da sein vorhin ausgesprochenes Selbstzeugniß wie Ruhmsucht klingen könnte, siehe, wie er schnell zu- greift und sprichtz »Meine Tugend ist es nicht, sondern dessen, der mir die Kraft dazu gegeben hat·»« (Chry- sostomus.) Wie kommt es, daß mich oft ein Klemes zu Boden wirft und niederschIägtP und oftmals etwas Ungemeines den Muth mir dennoch nicht erlegt? So- bald ich mich von Christo wende, so kann mich alles niederwehn; sobald ich mich zu Christo finde, so kann ich wider alles stehn. (Rieger.) f) Wenn es scheinen könnte, als gebe er mit dem hisher»Gesagten der Gemeinde zu verstehen, sie hätte Ihre Fürsorge für ihn ebensogut unterlassen mögen, so begegnet nun Paulus dieser Mißdeutung seines Selbst- zeugnisses damit, daß er mit einem ,,doch« zu der Anerkenntniß übergeht, es sei immerhin von ihr wohl- gethan gewesen, daß sie fich an seiner Bedrängniß hilfreich betheil1gte. (v. Hofmannh Der himml1sche Sinn und die daraus fließende Geringschätzung des Zeitlichen hinderte den Apostel nicht, daß nicht über die ihm zugekommene leibliche Erquickung eine pilgrims- mäßige Freude in ihm rege geworden wäre; doch war auch diese Freude eine Freude in dem HErrty mithin nichts Eigennütziges, sondern hatte soviel geistliches Licht, die Gabe der Philipper als eine Frucht ihres Glaubens anzusehen und fich darüber zu freuen, daß sie i re Gemeinschaft am Evangelio (Kap. 1, 5) auch dur solche thätige Liebe bewährten. (Rieger.) Zum Schluß noch die Angelegenheit der dem Apostel zugesandten Geldunterstützung 531 15. Jhr aber von Philippen sum bei dieser Gelegenheit auch der früheren Gaben zu gedenken] wisset [so gut wie ichL daß von Anfang des Evan- gelii sseit seiner Ausbreitung auch im Erdtheil Europa Apostg. 16, 8 ff.], da tch [vor 10-—11 Jahren] auszog aus Macedonien [Apost·g. 17, 13 ff.], keine Gemeine [auch von denen, VII Es svxlft noch in Macedonien giebt, wie die zu Thessalonich und Beroe] mit mir getheilet sGemeinschaft ge- pflogen] hat nach der Rechnung der Ausgabe und Einnahme sSirach 42, 7z Gal. S, S; 1. Cor. 9, 11], denn ihr alleine [2. Cor. 11, 9]. 16. sJa sogar, noch ehe ich aus Macedonien ausgezogen, habt ihr’s schon also gehalten] Denn gen Thessalonich fandtet ihr [eine Hand- reichung Apostg 11, 29] zu meiner Vothdurft einmal, und datnach sgar bald] aber [d. i. wieder 1. Sam. 3, 8] einmal* [als ich von dort nach Beroe weiter zog Apostg. 17- 1——12J- 17. Nicht [erwähne ich dies alles darum] daß ich das Geschenk suche; sondern ich suche die [in der göttlichen Segensvergeltung bestehende] "Frucht, daß sie überflüssig in eurer Rechnung sei [da nach deren Ausweis eure Aussaat in den mir zu Theil gewordenen Geschenken so reichlich ge- wesen L. Cor. 9, G; Gal. S, 9]. » 18. sGeschenk zu suchen liegt ja für mich gar keine Veranlassung Von] Denn ich habe alles [was ich etwa begehren könnte, nun schon hin- genommen], und habe überslussig [mehr, als zur Zeit ich brauche]· Jch bin erfüllet shabe die Hülle und Fülle] da ich empfing durch Epaphroditun das von euch kam [Kap- 2, 25], ein sußer Geruch sist das Ephes H, 2], ein angenehm Opfer, Gott gefiillig [Hebr. 13, 16]. 19. Mein Gott [Kap. 1, 3 Anm.] aber er- fülle sbessert wird erfüllen, vgl. V. 7] alle eure Nothburft [wie ihr der meinigen euch habt ange- nommen V. 16; 2, 25] nach seinem Reichthum [Röm. 2, 4; 9, 23; 11, 331 in der Herrlichkeit sbesserx in Herrlichkeit, d. i. auf herrliche, überschwängliche Weise], in Christo Jesus* sdem Mittler aller seiner Heilsgüters 20. Dem Gott aber [der eben sowohl euer wie mein Gott ist] nnd unserm Vater sei Ehre von Ewigkeit zu Ewigkeit [vgl. Rom. 11, se; 16, 27z Ephes 3, 20 f.; l. Tim. 1, 17; Hebr. is, 21]. Ainendspt ») Mit dem »aber« zu Anfang des 15. Verses führt der Apostel die Rede weiter: Was ihr aber ge- than habt, schließt sich an ein Verhältniß an, in wel- ches, wie auch ihr wisset, gleich anfangs keine andere Gemeinde als nur die eurige sich zu mir gestellt hat. Jn eupheinistischer, auf das Zartgefühl der Leser be- rechneter Weise beschreibt er dieses Verhältniß also: Die Philipper führen eine Rechnung über Ausgabe an Paulus und Einnahme von ihm; und ebenso fuhrt der Apostel Rechnung über Ausgabe an die Philipper und Einnahme von denselben. Freilich kommt dabei auf der Rechnung der Philipper in die Rubrik der Einnahme kein Geldbetrag, so wenig wie auf der Rechnung des Apostels in die Rubrik der Ausgabe; statt dessen aber tritt etwas Anderes ein. (Meher.) Es war doch eine so billige und natürliche Rechnung gleichsam, daß die Gemeinden dem, von dem sie die geistlichen Güter empfingen, ihrerseits die leiblichen gaben; allein in dem Rechnungsbuche der andern Ge- meinden schien es nur ein Conto für die Einnahme von ihm zu geben, und nicht für die Ausgabe an ihn. Die Philipper aber haben damals vor allen andern Gemeinden den Schritt gethan, ihm auch über die Grenzen ihres Vaterlandes hinaus Unterstützung zu senden und ihm so seine geistlichen Gaben zu ver- gelten. (Weiß.) Daß Paulus mit keiner Gemeinde Gebens und Nehmens halber etwas zu thun gehabt, als mit den Philipperm muß seine gute Ursach gehabt · haben; z. B. zu Thessalonich waren Leute, gegen die es stark behauptet werden mußte (2. Thess 3, 11), daß man arbeiten und sein eigen Brod essen müsse. (Rieger.) Jn ein solches Verhältniß hat sich damals, zur An- fangszeit des Evangelii, als es nun in alle Welt aus- ging, keine andere Gemeinde zu Paulo gestellt, als die philippische, deren Unterstützung es hiernach wohl gewesen ist, von welcher er in Z. Tor. 11, 9 sagt, daß er sie in Corinth erhalten habe; aber nicht erst nach seinem Weggange aus Macedonien haben sie sich so zu ihm gestellt, sondern schon, als er noch in Thessa- lonich war, haben sie es und wiederholt gethan, wie in V. 16 nachträglich bemerkt wird. Hernach freilich unterblieb in Folge ihrer ungünstigen Vermögenslage, hinsichtlich deren 2. Eor. s, 2 zu vergleichen sein dürfte, solches ihr Thun, aber ohne daß deshalb das Lob, welches der Apostel ihnen in Kap. I, 5 gegeben hat, hinfällig würde; es unterblieb, bis sie endlich, wie uns V. 10 berichtet, wieder in die Lage kamen, es von Neuem zu thun. (o. Hofmanng sit) Der Apostel hat auch hier wie er eine Miß- deutung seiner Worte abzuwehren, wie oben in V. 11 (wo es sich um die Mißdeutung handelte, als ob der Druck der bisherigen Noth ihin die Freudeuäußerung über die empfangene Gabe abnöthige); und zwar jetzt diese, als komme es ihm auf die Gabe als solche an (uiid wolle er daher auch für die Zukunft ihre Unter- stützung sich sichern, um immer aufs-Neue wieder zu empfangen); vielmehr, was er sucht, ist die Frucht oder der Gewinn, der von solcher Gabe den Gebern zugute kommt, sofern nämlich, was dem Apostel geschenkt wird, eine reiche Vergeltung nach sich zieht (Matth. 10, 40 fs.). Diese künftige Vergeltung ist die Fruchh die für ihre Rechnung (Nachklang des Vildes in V. 15) mit jedem neuen Liebesbeweise zunimmt; so ist es also nicht so- wohl sein Interesse, als das der Gebet, das er im Auge hat. (Wiefinger.) Er hat aber auch in der That jetzt am wenigsten Grund, irgend nach weiterer Gabe zu verlangen; denn er hat alles dahin, was er irgend erwarten konnte, und er hat mehr als das, er hat sogar Ueberfluß. (Weiß.) Die Steigerung: ,,ich habe alles, und habe überflüssig, ich bin erfüllen« ist subjectiv zu fassen; eine wirkliche Fülle ist nicht vor- handeii, aber der Apostel empfindet das übersandte Geschenk von feinem Standpunkte aus als solche. "Welche höhere Bedeutung er ihm beilegt, das zeigt er mit der Bezeichnung: »ein süßer Geruch, ein ange- nehm Opfer, Gott gefällig« (Schenkel.) Er nimmt das Empfangene nicht als etwas nur ihm persönlich Gespendetes hin, sondern ehrt es als ein Opfer, das- Gott als ihm gebrachhangesehen und wohlgefällig aufgenommen hat; und so wird es auch Gott, den er 344 532 Philipper 4, 21--23. Colosser 1, -1. Z. seinen Gott nennt, damit erwidern, daß er es ihnen an nichts fehlen läßt, dessen sie bedürfen, gleichwie sie dem Apostel alles haben zukommen lassen, wessen er bedurfte. Ob es Leibliches, ob es Geistliches ist, dessen sie bedürfen mögen, bleibt ununterfchieden: alles, was gie bedürfen, wird Gott ihnen geben, wenn sie es be- ürfen. (v. Hofmann.) » » Mk) Jm Blick auf die herrliche Verheißung die er so eben ausgesprochen, erhebt sich nun der Apostel, gleichsam schon die Erfüllung derselben schauend, zu dem Lobpreise der Herrlichkeit Gottes, von dem doch uletzt jede gute Gabe herkommt, wenn er sie auch in hristo uns darreicht, und versiegelt Fu, wie auch sonst, mit dem bekräftigenden Amen. ( eiß.) Dieser Lobpreis ist nicht durch den Schluß des Briefes, wie einzelne Ausleger meinen, sondern durch das dem Apostel gerade bei V. 19 sich aufdrängende inbrünstige Gefühl von der in ihren gnadenreichen Kundgebungen sich offenbarenden Allmacht und Herrlichkeit Gottes veranlaßt. (Schenkel.) C« Juni Schluß läßt Paulus, indem er die in Lan. 1, 1 uns begcgnende llnterskheidung zwiskhen den heiligen in Christo Sesu und den Bisrhöfen und Dialionen wieder aufnimmt, durch letzteee die Gemeinde in allen ihren einzelnen Gliedern grüßen, und bestellt dann die ihm aufgetragenen Größe, um in gewöhnlicher Weise unter einein Segenswunsch von den kesern Abschied zu nehmen. 21. Gtüßet [ihr, die nächsten Empfänger des Briefs, ihr Bischöfe und» Diener 1. Thess 5, 25 ff.] alle Heiligen in Christo Fest: suud zwar so,» daß ihr keinen unter ihnen ubergehets Es grußen euch [und die Gemeinde] die Bruder, die bei mir sind [zu meiner näheren Umgebung ge- hören Gal. 1, 2]. » » 22. Es grüßen eiich alle Heiligen sder hiesi- gen römischen Gemeinde 2. Cor. 13, 12J, son- detlieb aber die von des Kaisers Haufe »[die zur Gemeinde hinzugetreten find und, erfüllt von ihrem Christenglück, ein ganz besonderes Interesse an euch nehmen]. » » 23. Die Gnade unsers HErrn Jesn Christi sei mit euch allen [Röm.16, 24; 1.Cor.16,23; Gal.6, 18; Ephes.6, 24; Col. 4, 18; 1.Thess. 5, 28; 2. Thess 3, 18]! Amen. Bei der Bezeichnuiäs »die von des Kaisers Hause« fragt es sich, ob das ort Haus im eigentlichen Sinne zu verstehen und also an das Palatium, den kaiserlichen Palast auf dem palatinischen Hügel (Apostg. 28, 16 und 1. Macc- 8, 16 Anm.) zu denken sei, oder ob wir das Wort im figürlichen Sinne, und da nun wieder von des Kaisers Hausstand oder von sei- ner Familie, seiner Verwandtschafh zu fassen haben. Letztere Möglichkeit scheidet sich sofort selber aus, in- dem des Nerv Verwandtschaft damals überhaupt gar sehr zusammengeschmolzen war »und an sich schon es höchft unwahrscheinlich ist, daß jemand aus derselben zu Christo sich bekehrt haben sollte, auch hier nicht ein einzelner Ausnahmefall genügt, um den mehrere Personen umfassenden Ausdruck zu erklären. Was aber die beiden andern Möglichkeiten betrifft, so bleibt es sich im Grunde gleich, ob wir das Wort ,,Haus« in dem einen oder andern Sinne fassen; jedenfalls sind ausftandspersonen des Kaisers, niedere kaiser- liche i ·iener gemeint, welche, wenn auch nicht alle im kaiserlichen Palast ihre Wohnung, doch daselbst ihren Dienst hatten. Sie sind nicht einerlei mit den Prä- torianern oder Soldaten der kaiserlichenLeibwache in Kap. 1,13., vermuthlich aber durch diese aus den Apostel aufmerksam gemacht und nun von letzterem Christo Jesu zugeführt worden, indem auch sie in sei- ner Miethswohnung ihn auffuchten und da die Pre- digt des Evangelii aus seinem Munde vernahmen (Apostg. 28, 30 f.); es ist das ein besonderes Zeichen der Barmheizi keit Gottes, daß selbst in jenen Ab- grund aller astey in des Kaisers Haus, ein Strahl des himmlischen Lichts gedrungen, und war es dem Apostel wohl lieb, »daß er von diesen Heiligen noch besonders grüßen sollte. Bei den Kirchenvätern findet sich die Sage, daß des Kaisers Mundschenk und eine seiner Beischläferinnen durch Paulus bekehrt worden seien; dadurch sei er denn im höchsten Maße wider diesen Prediger der Gerechtigkeit aufgebracht worden, und hätten nun die Widersacher desselben leichtes Spiel ge- habt, daß der lange hingezogene Prozeß endlich ausgenommen wurde und mit Pauli Verurtheilung en ig e. Geschrieben von Rom durch Gpaphroditnm [Kap. 2, 25]. Schlnhbenietlinngen zur llkpisiel an die Wilh-per. Der Brief hat feine eigenthümliche Wichtigkeit dadurch, daß uns der heil. Apostel darin von den verschiedensten Seiten in sein Herz hineinsehen läßt und uns seine persönliche Herzensstellung zeigt zu seinen Freunden und seinen Feinden, zur Welt und zu Gott, zur Gegenwart und zur Zukunft; er deckt uns darin sein ganzes Innerstes auf und hält es uns als einen klaren Spiegel vor. Christum zu erkennen und zu lieben, ihm nachzufolgen und zu vertrauen, dies soll den Philippern wie dem Apostel selbst die Quelle alles Lebens, aller Kraft und aller Tugend, dies eine unversiegbare Quelle unter allen Leiden sein· Wie man, sagt Starke, an dem Apostel sieht das Muster eines treuen Lehrers und an den Philippern das Muster frommer Znhörey so lernt man auch aus dieser Epistel, wie Bande und Gefängniß zur Förderung des Evangelii dienen müssen, wie Gott aus dem Bösen wisse was Gutes und Andrer Bekehrung entstehen zu lassen und wie er der Feinde Anschlag könne umkehren und zum Besten seiner Kirche wenden. Wie Episiel St. Miiuli an die Col-ihre. Dem Univers alismus im Epheserbrief gegenüber beherrscht unsern Brief vielmehr ein Monisniusu Christi Person, und immer wieder Christi Person, und diese ausschließlichl Der Brief ist also durch und durch christologisch; Christi Person ist der, Himmel und Erde, das Sicht- bare und Unsichtbare durchwaltende HErr von Ewigkeit, der, indem er iii unser Geschlecht und die Menschheitsgeschichte eingegangen ist, alles und alle Gott versöhnt hat, ·alle Jahrhunderte der Ent- wickeluiig umspannt, so daß außer und vor ihm auch die höchste Geistesbildung und edelste Gesetzlich- keit nur Anfänge, Elemente der Welt sind, welche vorübergehem in ihm Friede, Leben, Heil und Freude, sowie alle Tugend innerhalb aller sittlichen Lebensordnungen gegeben ist, und zwar auf dem ethischen Wege des Glaubens, im Gehorsam gegen sein Wort und in lebendiger Gemeinschaft mit ihm und im Gebet, so daß der Christus für uns zum Christus in uns wird. Das l. Kapitel. Die Seligkeit, durch Christum erworben, wird durchs Wort den Menschen angeboten- A. Gleiih der Eingang dieser, nach unserer Kn- nahme etwa ein Vierteljahr später als die an die ilipheser geschriebenen Geiste! (Jinh. Il. zum S. Bande unter a, dir. Z) unterscheidet sie von der letzteren, mit der sie sonst so nahe verwandt in, dadurch, daß Paulus hier wieder, wie er es auch in seinen nbrigeii Friesen thut, zu den Eeserii siih in ein iiersonlichexntllerhaltniß stellt und nicht so, wie im Euheserbriefe geschieht, eine mehr allgemeine, der speziellen Beziehungen entbehrende Stellung zu ihnen einnimmt, weil cg daselbst nicht blos die Eoheser waren, an die er schrieb, sondern in ihnen zugleich die zu ihrem Eytilus gehörigen übrigen Gemeinden in Kleinasien I. n. i nnd g. die dumm» und de: Gruß dabei: bis auf einige lileine verschiedenheiten des Kusdruais dieselbe Form wie im tzriefe an die Gpheserz doch ge— sellet dem Apostel, welcher dort allein siih als seies- skhreiber nannte, hier Bruder Timotheus sieh als Theil— nehmer hinzu, denn er ist nunmehr bei Paulus in Rom angelangt, dahin dieser in L. Tini. 4, 9«ss. 21 ihn· ent- bot, während zu der Zeit, wo iene Epistel geschrieben wurde, er nach in Gphesus selbe! sich bkspndz » I. Paulus, ein Apostel Jesu Christi durch den Willen Gottes, Und [mit ihm ·zugleich] Bruder Timotheiis [2. Cor. l, 1; Phllsms l; Phie 1, I; I. Theil· 1. 1; 2« Theil— 1, l]- 2. DenHeiligeti zu Colossen und den ·[da- selbst befindlichen] glaubt en» Brudern in Christo: Gnade sei mit euch nnd riede von Gott, unserm Vater, und dein HErrn Jesu Christo [Röm.1,7; Ephes 1, Z; 1. Thess 1, 1 Aiim.]. Colossä war eine bedeutende und wohlhabende Stadt im südwestlichen Theil der kleinasiatischen Land- schafk Phkygieez in fruchtbarer Gegend am Flusse Lhkus, nicht weit von Hierapolis und Laodicea (Kap. 2 1- 4, 13. 15 s.) gelegen. Als Paulus auf seiner dttittyen Missionsreise das galatische Land und Phrygien nach einander durchwandelt hatte, um die Jünger da- selbst zu stärken, durchwandelte er auch die ,,oberen Länder«, wie es in Apoftg 19, 1 heißt, um von da aus seinen Weg nach Ephesus zu nehmen; itach den z» Appstgsz 18, 23b gemachten Bemerkungen deutet das auf einen Durchzug durch die oben genannten (Braune.) Städte, wobei es jedoch von Seiten des Apostels noch nicht zu einer Gemeindestiftung sondern nur erst zur Anknüpfung von einigen Bekanntschaften und nach- maliger Bekehrung einzelner Personen zum Christen- thum kam, dagegen gelang es diesen, unter denen der von Colossä gebürtige Epaphras sich besonders durch Eifer und Geschick auszeichnete im Laufe der Zeit förmliche Gemeinden zu organisiren. Wenn Paulus an Gemeinden seiner eigenen, unmittelbaren Stif- tung schreibt, so bezeichnet er diese auch (abgesehen vom Brief an die Philipper, wo er den Begriff der Gemeinde in den der Heiligen in Christo Jesu und der Bischöfe und Diener zerlegt Phil. 1, l) als Gemeinden (1. Cor. I, Z; Z. Cor.» 1, l; Gal. 1, Z; 1. Thefs 1, I; 2. Thess 1, 1); wie er nun in Rom. 1, 7., weil er es nicht mit einer Gemeinde s ei- ner Stiftung zu thun hat, sich des Ausdrucks bedient: ,,allen, die zu Rom sind, den Liebsten Gottes» und be- rufenen Heiligen«, und in Ephes I, 1., weil die Epistel nicht an die Epheser als Localgemeinde, sondern als Repräsentantin einer Reihe vonineist durch Andere ge- gründeten Gemeinden gerichtet ist, des Ausdrucks: »den Heiligen zu Ephesus und Gläubigen an Christum Jesum«, so giebt er hier mit der verwandten Adresse: ,,den Heiligen zu Coloffen und den gläubi en Brüdern in Christo« (in den beiden Prädikaten it das neue religiös-sittliche Verhältniß der Leser sowohl von der objectiven als der subjectiveii Seite ekennzeichnet, sie sind durch die Aufnahme des heil. eistes der Macht der Welt und ihres Geistes entnommen und durch die persönliche Gemeinschaft mit Christo im Glauben zu einer neuen Lebensrichtung gebracht) Izu erkennen, daß er zu den Colossern nicht in dem erhältniß eines unmittelbaren Gründers ihres Gemeindeverbandes stand, sondern räuint in V. 7 ausdrücklich diesen Ehren- platz dem Epaphras ein. Ueber le teren, den Manche irriger Weise für ein und dieselbe erson mit dem in Phil. 2, 25 ff.; 4, 18 erwähnten Epaphroditus halten, ersehen wir aus Philem. 23., daß ers zur Zeit der Abfassung unsers Briefes sich bei dem Apostel in sei- ner Gefangenschaft befand; man hat da in neuerer Zeit vielfach an die Gefangenschaft zu Cäsarea denken wollen, es sprechen indessen so entscheidende Gründe gegen diese Ansicht (vgl. zu Apostg 24, 23), daß wir nicht gegen- die ältere sie einzutauschen vermö en, wo- nach die römische Gefangenschaft (Apostg. 2 , 30 f.) gemeint ist. Ohne Zweifel hat ihn die Sorge um die ihm so sehr am Herzen liegende Gemeinde (Kap. 4, 12 f.), die in Gefahr stand, durch Jrrlehrer von dem rechten, fruchtbaren Christenglauben abgefiihrt und auf 534 Colosser 1, 3—10. sehr bedenkliche Wege hinübergezogen zu werden, wo ihr ganzer Lehr- und Lebensgrund auf dem Spiele stand, zu der-Reise nach Rom bewogen, um Paulum anzugehen, daß er derselben mit Ermahnung und Zu- rechtweisung sich annehme; der Apostel that das auch mit dem uns vorliegenden Briefe, den er denn, da Epaphras noch länger bei ihm blieb, in seinem Ge- fängniß ihm Dienste zu leisten (Philem. 23 vgl. mit Col. 4, l0), dem Onesimus mit auf den Weg gab, damit dieser ihn zunächft an Tychikus in Ephesus ab- gebe, letzterer » aber dann die Uebermittelung an die Gemeinde besorge (s. zu Kap. 4, 7 ff.). Was für eine Klasse von Jrrlehrern es gewesen, von welchen die Colosser so schwer bedroht wurden, werden wir her- nach uns klar zu machen haben, wenn wir nach dem Eingang der Epistel nun deren eigentlichen, in zwei Theile sich auseinander legenden Jnhalt betrachten. IIi v. 3—14. Uarh Inschrift und Gruß ergeht sich der Apostel zuncichst in eine Danksagting gegen Gott wegen des verhältnismäßig gedeihlithen Zustandes der Gemeinde, von welchem er durch Gvaphraz der auch ihr Ghrislenthum begründet und es in der rerhten Weise begründet hat, Nachricht empfangen (V. 3—7). that nun dieser ihm zugleich eröffnet, welthe Liebe sie, die Colosser, die ihn, den Apostel, persönlich nicht kennen Man. L, 1), im Geiste zu ihm hegen (V. 8), so erweist er sofort seine Gegenliebe durch die Xürliitte für sie, die er auf jene Danksagung folgen läßt. Er bezeichnet da schon diejenigen Punkte, in welchen ihr tllhristenstand durkh die aus falsche Bahnen, sowohl von Seiten der Sitten· als der Glaubenslehre, sie verlorkenden Srrlehrer gefährdet erscheint, indem er den Inhalt seiner äkürbitte näher auseinanderlegt, rechte Erkenntnis und gottgefälli- gen Wandel besonders betont und seine Rede in Sätze auslaufen läßt, welche Christi Wesen und Werk gleich von Haus aus gegen alle verkehrte nienschliclie Speculas tion sicher stellen (V. 9—14). 3. Wir sich, Paulus, und der mit mir grüßende Bruder Timotheus V. 1] danken Gott und dem Vater unsers HErrn Jesu Christi [Ephes. l, 3 für das in dem, was ihr nun schon erlangt habt V. 4 ff., euch bereits« widerfahrene Heil Ephes. 1, 15 f.] und beten allezeit für euch sum die hernach V. 9 ff. näher bezeichneten weiteren Gnadenerweisungen, vgl. Phil. 1, 3 f.], 4. Nachdem wir sdurch Epaphras V. 8] ge- höret haben von eurem Glauben an Christum Jesum sim Grundtext: in Christo Jesu] und von der Liebe zu allen Heiligen sdiesich bei euch findet], 5. Um der Hoffnung szukünftiger Herrlichkeit Kap. Z, 3 f.; Röm. 5, 2; 8, 18 ff.] willen, die swas diesen ihren Gegenstand betrifft Ephes 1, 18; Tit. 2, 131 euch beigelegt ist im Himmel sum dereinst an euch auch erfüllt zu werden 2. Tim· 4, 8], von welcher ihr zuvor sehe folcheErfüllung eintritt Ephef 1, 12., um ihrer schon im Voraus euch zu freuen und also in Hoffnung selig zu sein Röm. 8, 24; l· Petri 1, 3 ff.] gehdret habt durch das Wort der Wahrheit im Evangeliot lEphes l, 131, 6. Das zu euch kommen ist, wie auch in alle Welt sV· 23; Rom. 10, 18], und ist sruchtbar sallüberall, wohin es dringt, in den Herzen, die es· im Glauben aufnehmen], wie auch in euch ses seine fruchtbrmgende Kraft erweist] von dem Tage an, da ihr-s gehorethabt nnd erkannt die Gnade Gottes sdie sich darin euch darbot LPetri l, 13] in der Wahrheit« [Joh. 17, 8]; 7. Wie ihr denn Dasselbe, das Evangelium, ganz der Wahrheit entsprechend] gelernet habt von Epaphrm unserm lieben Mitdiener sam Evangelios welcher ist ein treuer Diener Christi für euch, 8. Der uns auch sgemäß dem Jnteresfe, das er ·an euch· nimmt] erosfnet hat eure Liebe im Feistttt sdie ihr zu uns, den von euch Fernen, abt]. «) Nachdem und also seitdem sie Von der Leser christlichem Glauben und Lieben Kunde erhalten haben, sagen sie, Paulus und Timotheus, Gott Dank um sie, um ihren Glauben und ihre Liebe, der Hoffnung hal- ber, die ihnen im Himmel aufbehalten ist; mit letz- terem Ausdruck ist nicht das Verhalten des Hoffens, sondern das Hoffnungsgut bezeichnet, das Hoff- nungsgut der Christen ist aber, so merkt der Apostel weiter an, darum, daß es ihnen im Himmel, wo Christus ist, auf die Zeit feiner Wiederoffenbarung aufbehalten bleibt, nicht etwa ungekannt noch ungewiß, sondern sie haben im Voraus Kunde von ihm erhal- ten, als sie das Wahrheitswort der Heilsbotfchaft ver- nahmen. (v. Hofmann.) Glaube und Liebe sind in der christlichen Gemeinde die Hauptpunkte für Beur- theilung ihres Standes: der Glaube muß nicht blos die Richtung auf Christum haben, sondern ein Leben in Christo sein, er ist das Fundament und der Quell der Liebe, in der er wirksam ist. Diese muß der Art nach eine Liebe ,,im Geist« (V. 8) sein, da- mit sie rein sei, und dem Umfange nach auf ,,alte Heiligen« gehen (V. 4), damit sie weitherzig sei, ohne Beschränkung auf sinnliche, willkürliche, eigen- nützige Sympathieen (Braune.) Die Liebe zu allen Heiligen, d. h. zu den mitihnen von der Welt Ausgefonderten und Christo Geweiheten, hebt der Apostel darum an den Colossern hervor, weil sie als die von aller natürlichen, selbstischen Beimischung freieste Liebe das sicherste Kennzeichen wahrer Christen ist. (V. Gerlach.) Vor der Welt macht uns freilich der Charakter eines ausgebreiteten und Alle in seiner Liebe umfassenden Menschenfreundes mehr Ruhm und Ehre, als die Liebe zu den Heiligen, denn das führt auf einen Unterschied hinaus, den die Welt nicht gern will aufkommen lassen; die Welt hat eine Liebe, daß ihr ein Jude und Tiirke lieber ist, als ein Heiliger, weil sie aller Andern Art eher mit ihrem Wesen rei- men kann, als die Art dieser Heiligen. Wenn man nun freilich die noch schwachen Anfänge des Glaubens und der Liebe und die noch darüber gehenden Ver- fuchungen bedenkt, so könnte es einem zweifelhaft wer- den, ob man fich schon zu freuen und zu danken Ursach habe; aber beim Hinaussehen auf das Ziel der Hoffnung, die uns beigelegt ist, wird uns die Gnade sehr groß. (Rieger.) IV) Der Apostel hebt hier die Natur des Evange- liums als eines der ganzen Menfchheit angehörigen Schatzes hervor, der eben deshalb auch ihnen, den Colossern, nicht vorenthalten werden durfte, so daß Epaphras mit seinem Evangelisiren (V. 7) ganz Recht gethan hat; es darf da das ,,wie in alle Welt« nicht als Uebertreibung gefaßt werden, denn wenn auch, als Paulus diese Worte schrieb, das Evangelium thatsäch- lich noch nicht allgemein verbreitet war, so hat es Der Eingang: Zuschrift und Gruß, Danksagung und Fürbittr. 535 doch in seinen ersten Anfängen schon die Tendenz und die Energie, die Welt zu erfüllen und zu beherrschen (vgl. Phil. 4, l5), und von diesem Bewußtsein aus stellt er prophetisch das Künftige als bereits verwirk- licht dar. Jn dem ,,das zu euch kommen (wörtlich: unter euch schon da) ist« hat man übrigens einen Gegensatz gegen »die Hoffnung, die beigelegt ist im Himmel«: während die Herrlichkeit und Seligkeit im Reiche Gottes noch fern ist, ist den Gläubigen im Worte der Wahrheit ihr beseli ender Jnhalt schon geistig nahe. (Olshausen.) Øewi ist es unaussprech- lich, was die jetzt so ungläubige und undankbare Welt doch für gute Friichte vom Evangelio zu genießen hat und wie vieles auch von Künsten und Wissen- schaftem milderen Sitten und Ordnungen nicht wäre, wenn das Evangelium nicht Vorschub dazu gethan hätte; die eigentliche Frucht des Evangelii aber ist die Erkenntniß der Gnade Gottes, und dazu konnte auch Epaphras die Colosser fördern, daß ihnen Paulus nichts Anderes hätte sagen können. Mit diesem Zeug- niß ehrt der Apostel die Gnade Gottes in Epaphras, dessen er im Folgenden noch speziell edenkt. (Rieger.) sit) Darauf liegt für den Apoäel das Haupt- gewicht, daß die Colosser das Evangelium in der Form der Wahrheit, also nicht vermittelst häretischen Jrr- thums, vernommen und erkannt haben (V. 6); der von Epaphras, ihrem Lehrer, enipfangene Unterricht nun hatte diese Form, was durch ,,wie ihr denn« zu Anfang des 7. Verses angezeigt wird. Die lobenden Prädikate, welche Paulus diesem ertheilt, beziehen sich theils aus dessen Verhältniß zu ihm: »Unser lieber Mitdiener«, theils betreffen sie dessen Verhältnis; zu den Colosserm »ein treuer Diener Christi für euch«; gemäß dieser seiner Treue hat er denn auch dem Apostel die in V. 4 erwähnte Kunde von ihrem reli- giösen und sittlichen Stande hinterbracht und zu leich die in V. 8 gerü mte »Liebe im Geis « ihm eröffnet. (Schenkel.) Die iebe, von der Paulus mit diesem Ausdruck redet, kann nicht wieder die in V. 4 ge- rühinte Liebe gegen die Mitchristen sein, in welchem Falle der Beisatz ,,im Geist« ebenso überflüssig, als die Nennung ihres Gegenstandes nothwendig wäre, überhaupt aber wäre die Hervorhebung gerade dieser christlichen Tugend an dieser Stelle befremdlich; es muß eine Liebe gemeint sein, deren Gegenstand sich aus dem Satze selbst ergiebt, also Liebe zu Paulus und Timotheus, welche deshalb, weil sie der Gemeinde perfönlich unbekannt geblieben waren, eine Liebe im Geist genannt ist. Daß Epaphras dem Apostel von ihr gesagt hat, war zugleich ein Dienst, den er seiner Heiinathsgemeinde erzeigte, und eine Freude, die er ihm machte. (V. Hofmannh Ganz unverkennbar ist Paulus hier angelegentlich bemüht, des Epaphras Ansehen nach allen Seiten hin sicher zu stellen; seine Lehre ist richtig, sein Verhältnis; zum Apostel herzlich und innig, sein Jnteresfe für die Colosser lebhaft und lauter, ungetrübt wie vom Anfang an. Er fcheint von den Jrrlehrern verdächtigt worden zu sein; daherhebt Paulus alle diese Thatsachen hervor, nm die Jrrlehrer zu beschämen und die Gemeinde vor ihnen zu warnen und zu behüten. (Braune.) (Epiliel am M. Sonntage nach Crinitati5.) Jm Evangelio (Matth. 9, l8 ff) sehen wir Chri- stum, wie er bemüht ist, sein Reich aufzurichten, in der Epistel jauchzen wir darüber, daß dies Reich vor- handen ist und wir hineinversetzt sind; das Evangelium zeigt den König, die Epistel das Reich desselben; dort erscheinen einzelne Züge seiner Herrlichkeih hier ist all sein Reich und Reichthum angezeigt als da, und wir erkennen uns als Bürger und ansässige Kinder des Reichs und großen Königs. (Löhe.) Das Evangelium stellt uns das irdische Leben des Menschen in seinen düstersten und schmerzlichsten Formen dar, in der blut- flüssigen Frau die Leiden langwieriger Krankheit, in Jairi Töchterlein den Tod mit seiner alles dahin raffenden, auch das lieblichste Jugendalter nicht ver- schonenden Machtx dem gegenüber aber auch den HErrn als den mächtigen Helfer, der durch Ein Wort dort das Elend der Krankheit entfernt, hier die Todte in’s Leben zurückruft. Die Epistel fordert zu ähnlichen Betrachtungen auf, indem sie der vorangehenden Für- bitte die Ermahnung hinzufiigt, Dank zu sagen dem Vater, der uns tüchtig gemacht hat zum Erbtheil der Heiligen im Licht, mit Hinweisung auf die Errettung von der Obrigkeit der Finsterniß und die Versetzung in das Reich des Sohnes, an welchem wir haben die Erlösung durch sein Blut, nämlich die Vergebung der Sünden. (Alt.) Um was hat ein Christ allezeit und hauptsächlich sürsich und Andre zu beten und wofür zu danken? l) III: beten hat er um Erfüllung mit geistlicher Weisheit, geistlichem Wandel und geistlichem Wachsthum; 2) zu danken hat er für den Antheil am Erbe der Heiligen, für die Errettung von der Obrigkeit der Finsternis; und für die Ver- setzung in das Reich des Sohnes Gottes. (Kluge.) Das hohe Glück, in das Reich des Sohnes Gottes zu gehören: l) worin dieses Glück be- stehe, 2) wozu es ausfordere. (Brandt.) Das Licht, der Gläubigen Erbtheil: l) sie haben das Licht der Wahrheit, 2) sie wandeln im Lichte der Tugend, 3) sie kommen zum Licht der Seligkeit. (Florey.) Der des HErrn würdige Wandel des Christen: l) das Gebet darum, 2) die Frucht darin, Z) das Erbe darnach. Die Frucht der Erlösung durch Christum: l) geistliche Weisheit, Z) gott- gefällige Werke, Z) köstliches Erbtheil· (Sommer.) Von der christlichen Fürbitte; durch dieselbe l) erfiillen wir eine heilige Pflicht, Z) befriedigen ein tiefes Bedürfnis; unsers Herzens, Z) bereiten uns selbst und Andern reichen Segen. (Eouard.) Drei Fragen zur Selbstprüfung am Schluß des Kirchenjahres: l) bin ich gewachsen in der Er- kenntniß Gottes und seines heiligen und guten Willens? 2) bin ich fester geworden im christlichen Wandel und fruchtbarer an guten Werken? 3) bin ich fortgeschritten in Ergreifung der sündenvergebenden und in Lobprei- sung der seligmachenden Gnade des HErrn? (Eig. Arb.) 9. Der-halben lweil es also mit euch steht, wie vorhin gesagt, daß ein guter Grund nun schon gelegt ist für euer Christenthum Ephes. l, 15 ff.] auch wir [in Erwiderung jener eurer Liebe im Geist V. 8], von dem Tage an, da wir’s ldUVch Epsphras P. 4 ff.] gehoret haben lwelches euer bereits errei ter Christenstand sei], hören wir nicht auf fu· euch zu beten und zu bitten IV. 3«], daß ihr [behufs eurer Be- wahrung vor falschem und Förderung auf dem rechten Wege] erfullet werdet mit Erkenntnis; feines Willens [d. i. des Willens Gottes, zu dem wir beten], in allerlei geistlicher Weis- heit und Verstand« [sie, die Erkenntniß, zu besitzen Phil. l,·9 sf.]; » » l0. Daß ihr [darni;i»ch, was das praktische Leben betrifft] wandelt wurdiglich dem HErrn zu allem Gesallenss [Ephes. 4,1; PhiL 1, 27; 536 1. Thess 2, 12J, nnd sdas wird der Fall fein, wenn ihr zuvörderst] fruchtbar seid in allen guten Werken sstatt einer falschen Heiligkeit, wie die Jrrlehrer sie euch anpreisen, euch hin- zugeben], · · « · 11. Und [dabe1, wie denn die innere Er- fahrung göttlichen Lebens die beste Lehrmeisterin ist für das Eindringen in die Geheimnisse der göttlichen Wahrheit] wachset in der Erkennt- niß Gottes, und lwenn ihr ferner] gestarket werdet mit aller Kraft, [in immer reichlicherem Maße von Gott euch dargereichtj nach seiner herrlichen Macht [Ephes.»1,»19;· 6, 10], in aller Geduld und Langmuthigkeit [und zwar in solcher Geduld und Langniüthigkeit Röm. 15, 4 f.; 2. Tim. Z, 10; Jak. 5,, 10., die nicht mit Unlust und heimlichem Murren geübt wird, son- dern] mit Freuden, 12. Und lwenn ihr drittens] danksaget dem Vater [Ephes. I, 17], der uns tüchtig gemacht hat [durch die bei unsrer Berufung uns widerfahrene Mittheilung seines Geistes] zu dem Erbtheil der Heiligen im Lichts« sTheil zu haben an dem Erbe der Heiligen, das seinen Bereich in den Regionen des Lichtes hat Apostg « 20, 32; 26, 18; 1- Joh. l, 5 u. 7; Ephes.1, 1l U. 18]; « 13. Welcher sdurch die Berufung, die er an uns ergehen ließ 1. Thess 2, 12; 2. Thess 2, 14; 1. Petri 2, I] uns errettet hat von der Obrigkeit der Finsternis; sunter der wir bis daher gestanden Ephes 2, 2], Und hat Uns versetzet in das Neich seines lieben Sohnes [Matth. 12,18;17,5;Ephes.5,5;2.Petri1,11J, 14. An welchem wir haben die Erlösung durch sein Blut, namlich die Vergebung der Sünden-1- [Ephes. 1, 7., so daß wir nun auch den heil. Geist empfangen und so tüchtig werden konnten zu dem Erbtheil der Heiligen im Licht Apostg. 2, 38]. «) Es ist einigermaßen überraschend, daß die Für- bitte des Apostels für die Eolofser den Fortschritt in der Erkenntnis; derselben zum Gegenstande gewählt hat. Mit dem christlichen Leben nach der Seite des Glaubens, der Liebe und der Hoffnung steht es nach V. 3 ff. im Allgemeinen zu Eolossä gut; dagegen ist durch die Jrrlehrer die Lauterkeit der evangelischen Erkenntniß bedroht und dadurch mittelbar auch Glaube, Liebe und Hoffnung, d. h. das christliche Gesammt- leben der Gemeinde. (Schenkel.) Der Ausdruck: ,,Wille Gottes« kann entweder den gesetzgebenden (Röm. 12,2; Ephes 5, 177 1. Thess 4, Z) oder den beschließenden Willen Gottes (Matth.18, 14; Joh.6, 40; ·Ephes.1,»9) bezeichnen; der Zusammenhang spricht hier deutlich enug für die zweite Bedeutun, da das christliche eben, wie der Apostel es im Zfol enden beschreibt, nicht aus der Erkenntniß des göttli en Gesetzes, son- aus der des göttlichen Rathschlus es hervorge en kann. So ist denn unter dem Willen ottes hier er gött- liche Rathschluß zur Erlösung der Menschen zu ver- Colosser l, 11-—14. stgzemWDuhrcht die dfoägeikdendWobrtse: »in gßllerkei geist- i er eis ei un er tan « etimmt au us, wie das Erfülltwerden mit der Erkenntniß des göttlichen Willens beschaffen· sein möge; einerseits nämlich so, daß Jene Erkenntnis; das Leben in seinen verschiedenen Richtungen durchaus»bestimme, andrerseits so, daß der Inhalt der Erkenntnis; im Ganzen und Einzelnen er- faßt und begriffen werde. (Huther.) Weisheit ist das Wissen um den inneren Zusammenhang des gött- « lichen Heilsplanes und Heilswerkes, der einsichtige Ueberblick über die göttliche Wahrheit; Verstand ist eine Specialität der Weisheit, er ist die christliche Lebensklugheitz in welcher der Mensch die richtige An- wendung von der Einsicht in die göttliche Wahrheit auf die einzelnen menschlichen Verhältnisse macht. Die Weisheit ist die Voraussetzung für den Verstand; die Beifiågung ,,allerlei« besagt, daß der Apostel Weisheit und erstand in jedem Umsange, so daß sie für alle Verhältnisse ausreichen, den Eolofsern wünscht, er nennt sie aber beide ,,geistlich«, weil beide des heil. Geistes Werk und Gabe sind und nur auf geistliche Sachen sich richten. (Sommer.) Es ist diese Näher- bestimmung hier ganz am rechten Orte, wo der Apostel vor einer nicht aus dem Geiste stammenden Weisheit (2. Tor. l, 12) zu warnen hat, die sich den Colossern Zurf Regel)ung ihres Wandels ausdrängen möchte. (von o mann. M) Jn den Worten zu Anfang des 10. Verses: »daß ihr wandelt würdiglich 2c.« ist nicht, wie wenn es dem »daß ihr ersüllet werdet mit Erkenntniß seines Willens 2c.« in V. 9 beigeordnet wäre, eine zweite Bitte zu sehen, sondern es ist dies Wandeln abhängig zu denken von der Erkenntniß des göttlichen Willens, so daß »der Sinn ist: ,,um (vermittelst dieser Erkennt- niß) würdiglich wandeln zu können-«, worin der Ge- danke liegt, daß dies ohne dieselbe unmöglich ist. Olshausen.) An dem Wandeln fehlte es bei den ossern, sie grübelten über allerlei himmlische Ge- heimnisse; von diesen verkehrten Speculationen sollen · ablassen und auf das Eine, was noth ist, ihren ganzen Fleiß richten. Und zwar sollen sie erstens ,,würdig dem HErrntt wandeln, den sie haben, d. h. sie sollen einen Wandel, wie er den Knechten eines solchen HErrn geziemt, führen. Welcher Wandel steht aber den Knechten Jesu wohl und allein an? Jesus wandelte seinem Vater zu Wohlgefallen, wie ja sein Vater während seines Wandels in dieser Welt mehr denn ein Mal bezeugt hat; der Wandel würdig dem HErrn ist ein Wandel zu Gottes Wohlgefallen, daher sollen sie zweitens wandeln »zu allem Gefallen«, Gottes Wohlgefallen sollen sie erstreben, das soll ihres Wandels höchstes Ziel sein. (Nebe.) Es gilt (Gal. 1, 10), dem HErrn zu gefallen, und nicht den Men- schen. (v. Hofmann.) Das hier so oft wiederholte Wort, ,,allem« deutet darauf hin, welch ein guter An- fang bei den Colosfern gemacht war, wieviel aber noch an der Vollendung fehlte. (v. Gerlach.) Ist) Die Grundzüge eines des HErrn würdigen Wandels legt der Apotel nun noch des Nåheren dar; des HErrn würdig so en die Eolosser wandeln, indem sie I) fruchtbar sind in allen guten Werken und bei diesem Fruchttragen wachsen in der Erkenntniß, 2) ge- stärket werden mit aller Kraft, nach seiner herrlichen Macht, in aller Geduld und Langmüthigkeirmit Freu- den, Z) danksagen dem Vater, der uns tüchtig gemacht hat zu dem Erbtheil der Heiligen im Licht. Jhr Wandel soll also bestehen im Fruchtbarsein in guten Werken, in Erstarkung zur Ertragung der Uebel und in Danksagung egen Gott für den empfangenen An- theil an seinem eiche. (Sommer.) Das erste Haupt- Bei bisher gedeihlichem Zustand thut gleichwohl der colossischen Gemeinde noch Manches noth. 537 moment des christlichen Lebens, welches der Apostel hervorhebt, ist die Fruchtbarkeit in allen guten Werken und die Zunahme in der Erkenntniß Gottes. Nicht in irgend welcher einzelnen Art also, sondern in jedem guten Werke sollen die Colosser Früchte bringen; es begegnet uns hier schon wieder das ,,alle«, dessen der Apostel in dieser Einleitung sich se r fleißig bedient: »in allerlei geistlicher Weisheit und erstand, dem HErrn zu allem Gefallen, fruchtbar in allen guten Werken, gestärketmit aller Kraft« Es hat das eben seinen Grund darin, daß die Colosser sich nicht mit dem gemachten Anfang begnügen, sondern nach Voll- kommenheit streben sollen. Mit dem Fruchtbarsein an guten Werken ist nun aber auch ein Wachsen in die Erkeniitniß Gottes hinein, wie es nach dem Grundtext eigentlich heißt, verbunden; denn die Gotteserkenntniß ist auf der einen Seite der Same, der Mutterschooß des guten Werkes, wie V. 9 in Verbindung mit V. 10 besagt, aus einer rechten Erkenntniß Gottes kommt ein rechtes Leben vor und in Gott naturnothwendi in uns auf, auf der andern Seite aber übt au jedes gute Werk, welches wir Gott erkennend gethan haben, aus unsre Gotteserkenntniß selbst eine Wirkung aus, es befruchtet, es nährt, es fördert, es entwickelt dieselbe. Nicht durch unser Denken, sondern durch unsern Wandel gelangen wir in Gottes Nähe; nicht mit der Logik des Verstandes, sondern mit dem Ge- horsam des Glaubens, mit dem Herzen wird Gott erkannt. Wer nur klüger wird, aber nicht besser, kommt in der Gotteserkenntniß keinen Schritt vor- wärts. (Nebe.) Fruchtbringen und Wachsen sind die beiden Lebensthätigkeiten, in denen sich die Triebkräf- tigkeit eines Gewächses erzeigt; mit dem Fruchtbrim gen und Wachsen des Baumes muß aber auch sein Erstarken sich verbinden, damit er Stand hält und aushält unter allem, was ihn anficht, und so gesellt sich im Christenleben zu dem Fruchtbarsein und Wach- sen als zweites Moment das Erstarken zu aller Ge- duld und Langmiithigkeit oder das Erstarken zu der zwiesachen Geduld, einerseits der des Standhaltens unter erschwerenden Umständen, dem nichts zu schwer fällt, und andrerseits der des elassenen Zuwartens beim feindlichen Treiben der Böksen oder beim Aus- bleiben des gehofften Guten, dem es nie zu lange wird. Daran kann sich (vgl. Ephes. 6, 23; I. Tim· 2, 15) das ,,mit Freuden« anschließen; es besagt dann, daß jene zwiefache Geduld Freude bei sich haben, also eine freudige sein soll. (v. Hofmannh Der Christ ist bei seiner Geduld und Langmuth des Sieges seiner Sache, seines Gewinnes bei Gott in seinem Her en und im Himmel froh und gewiß. (Braune.) ie Geduld oder Gelassenheit des natürlichen Menschen, die stoische oder sog. philosophische, rührt aus Stolz, Ehrgeiz oder· Trotz, heruind ist deshalb auch mit innerer heimlicher Unzufriedenheit verbunden, so sehr sie« auch nach außen glanzen mag; die Geduld des Christen dagegen kommt aus dem festen Vertrauen zu der göttlichen Vaterliebe in Christo, aus der Zuver- sicht, daß uns alle Dinge zum Besten dienen müssen, aus der festen Hoffnung, daß dieser Zeit Leiden nicht werth sind der Herrlichkeit, die an uns soll offenbar werden, darum ist sie mit innerer Freude verbunden. Das: »als die Traurigen, aber allezeit fröhlich« (2. Cor. 6, 10) kann kein unåläubiger Philosoph deni großen Apostel nachsagen. ( ähr.) DerDank egen Gott ist das Dritte, wodurch das christliche eben sich auszeichnen soll, und der Grund solchen Dankes wird in den Worten ausgesprochem »der uns tüchtig emacht hat zum Erbtheil der Heili en im Licht«; der Zlusdruck ist aus dem alttestamentliclsen Sprachgebrauch zu erklären. Wie im alten Testament jeder Jsraelit bei der Vertheilung des elobten Landes seinen be- stimmten Antheil erhielt, o ist auch jedem gläubigen Christen fein Antheil an dem Himmelreich bestimmt. (Huther.) Die Heiligen, d. i. alle Wiedergeborenen als Einheit gedacht, haben ein gemeinsames Erbe, wovon jeder Einzelne seinen Antheil empfängt; wie nun in V. 13 von einem Bereiche der Finsterniß die Rede ist, so hier von einem Bereiche des Lichts, in welchem das Erbtheil der Heiligen sich befindet, sie sind Kinder des Lichts und Erben des Lichtreiches. (Olshausen.) Jn dem Reiche des Lichts, hier geistlich und unsicht- bar, dort auch leiblich und sichtbar, liegt das Erbtheil der Heiligen, das Loos, das dem geistlichen Jsrael in dem ewigen Canaan zufällt. (v. Gerlach.) f) Als Betheiligung an der in und mit Christo vorhandenen Sündenvergebung ist unsere Errettung aus dem Herrschaftsgebiete der Finsterniß und Ver- setzung in das Reich Christi die That Gottes, durch die er uns für das Erbtheil der Heiligen im Licht geschickt gemacht hat, und als solche will sie mit Dank- sagung gepriesen sein: ein Satz, welcher dem Jrrthum entgegentritt, als ob der Mensch noch eines Anderen daneben bedürfen könnte, um für dasselbe geschickt zu sein. Gesellt sich solche Danksagung zu dem Fruchti bringen nach außen und Wachsen im Innern, welches der gewonnenen Erkenntniß Gottes gerecht wird, und zu der Erstarkun gegen außen, deren wir bedürfen, um unter der iderwärtigkeit Stand zu halten und in Gelassenheit das Ende derselben abzuwarten, so befinden sich die Leser in der rechten Verfassung, um sich von denen nicht verführen zu lassen, vor welchen zu warnen der Zweck dieses Briefes ist. (v.Hofmann.) Jn dem Satzex ,,welcher uns errettet hat von der Obrigkeit der Finsternis-« bezeichnet der Ausdruck: errettet, eigentlich: ,,herausgerissen«, mehr, als das bloße ,,befreiet« besagen würde. Befreiet werden auch die, die befreit sein wollen, es wünschen und es ver- dienen; aber herausgerissen werden oft solche, die gar nicht errettet werden wollen, wie Loth aus Sodom (1. Mos. 19, 16), das Wort verherrlicht also Gottes Macht und Gnade. (Zanchius·) Jn dem Ausdruck: Obrigkeit der Finsterniß kennzeichnet das eine Wort die Macht, in deren Gewalt die Christen vor der Erlösung waren, als eine geordnete Macht, das andere kennzeichnet deren Charakter, vgl. Ephes 2, 2; 6,·12. ·(Braune.) Man könnte unter ,,Obrigkeit der Finsterniß« die Gewalt, welche die Sünde als Fin- sternis; über den nicht wiedergeborenen Menschen aus- übt, verstehen; allein die Vergleichung mit andern Aussprüchen desApostels (besonders in Apostg.26, 18) fuhrt dahin, bei diesem Ausdruck an die Herrschast des Fursten der Welt zu denken, was auch durch den Gegensatz: ,,Reich seines lieben Sohnes« bestätigt wird. (Huther.) Wenn Paulus dann weiter sagt: ,,er hat· uns vversetzt in das Reich seines lieben Sohnes«, o ist es uberhaupt eine deodeutlichsten und bestimm- testen »Lehren der heil. Schrift, daß der Mensch nicht selbst sich versetzt habe oder versehen könne aus dem Reiche oder der Macht der Finsterniß in das Reich des Lichts, sondern daß dies ein Werk oder Geschenk der freien Gnade Gottes durch Christum sei. Durch die Erwähnung des Reiches des Sohnes, in das der Vater versetzh bahnt sich dann der Apostel den Weg zur Beschreibung dieses Sohnes und seines Werkes, weil uber beides fJrrthümer in der colossischen Ge- meinde durch jiidische Theosophen verbreitet wurden· Die Jdee einer Befreiung und Erlösung von allem Bösen und Endlichem einer Wiedervereinigung mit Gott und der Riickkehr zu ihm war, als das Christen- 538 Colosser.1, 15—20. thum in die Welt eintrat, das beseelende PrineW be- sonders der orientalischen Speculationz und da das Evangelium leichfalls eine Erlösung und Wiederver- einigung ver ündigte und dies als seinen Kern und Mittelpunkt ansah, so fand es bei Allen, die über diese Dinge dachten oder speeulirten, um so leichter Eingang. Nicht aber nahmen sie nun das einfache Wort vom Kreuze auf, sondern verwebten das Evangelium mit ihren früheren Emanationssystemen und anderweitigen Speeulationem dies war auch höchst wahrscheinlich bei den jüdischen Theosophen zu Colossä der Fall. Sie lehrten, wie sich im Folgenden· besser zeigen wird (vgl. zu V. 17 u. 2, W) eine allmälige Befreiung und Er- lösung durch das Aufsteigen von einer Emanation in die andere bis zur Gottheitsfiillm in Verbindung mit diesen höheren Geistern sollte man durch eine strengere Abkehr, durch die Abtödtung des Leibes kommen. Dieser Lehre stellt der Apostel sein Evangelium von der Erlösung durch den Sohn Gottes, mit dem man allein durch den lebendigen Glauben in Verbindung kommt und der allein zu Gott führt, entgegen. (Bähr.) B. Wir können bei dieser Cpistel wieder, wie lsri der an die Gpheser, zwei Haupttheile unterscheiden. In Frau. i, 15—2, 23 liegt uns der erste, dogmatisehe Theil vor, der ßch uiii die Lehre von Christi Person und Wert: bewegt und nicht mehr blos, wie der vorher— gehende Abschnitt es that, indirekt, sondern uninittelbar und ausdriirlilich auf die Jrrlehrer mit ihren falschen An- schauungen und Grundsätzen Beziehung nimmt, so daß wir diese nun näher werden lienncn lernen. I. v.15—29. Im Anschluß an die Angabe dessen, wofür Christen Gott dein Vater zu danken haben, wie wir sie in den Sehlußworten des vorigen Abschnitte ge— lesen halten, führt der Apostel aus, in welchem verhält— niß Christus zu Gott stehe, daß er nämlich dessen wesenggleiches Ebenbild sei, und welihe Stellung er allen Greaiuren gegenüber einnehnie, daß sie nüiiiliktj in ihm und durch ihn und zu ihm, der vor ihnen allen srhon da, ja, als der Gingeborene vom Vater von Ewig— tieit gewesen, insgesammh auch die Ghronen und Herr— schaften uiid Fiirstenthiiiner und Gbriglieilen oder die höchsten aller Gngel nicht ausgenommen, geschaffen seien und in ihn! ihren Bestand haben; iind nun ist er, der seiner Zeit Jiiiensih worden und den diathsitiluß Gottes zur Erlösung des niensailichen Geschlechts besonders durch seinen Kreuzestod hinausgeffihrt hat, wie das Haupt der Gemeine hienieden und mittels seiner Auferstehung der Anfang eines neuen Geschlechts und der Grslgcliorene von den Todten, so auch der ibersöhner und Ver— einiger alles bis dahin Getrenntea auf Erden und ini ijiminel W. l8—20). Indem Paulus sich hierauf wieder au die Colosser wendet und ihnen zum Bewußtsein bringt, wag sie von diesem Christus jetzt sihon Großes und Gnadenreiches erfahren haben und aiii Ende der Zeiten noch weiter erfahren sollen, wenn anders he an ihm bleiben und sieh von der itjosfnung des Cvangelii nicht durch trfigeriskhe Lehre abwendig iiiathen lassen W. 21—23), entwickelt er ihnen die Bedeutung der Weiden, die er zu erdulden hat, und Aufgabe iind Ziel seines apostolischen Amtes (V. 24—29). 15. Welcher sGottes lieber Sohn V. 13, dieser seiner göttlichen Natur nach] ist das [wesent- liche, vollkommene] Ebenbild des unsichtbaren Gottes [2.Cor. 4- 4; Hebr. l, 3], der Erstgeborne vor allen Cteaturent sals welcher schon da war, noch ehe irgend eine Creatur entstanden Joh 1, I ff.; 8, 58]. 16. Denn durch ihn [genauer: in ihm als der göttlichen Idee der Dinge oder ihrem Muster- bilde] ist alles geschaffen swas geschaffen ist, beide], das im Himmel und aus Erden ist [Offenb. 10, S; 1. Chron. sc, 113 Ephes. I, 10, und um auf den H i m m el im Besonderen einzugehen, wiederum beide], das Siehtbare und Unsichtbare sdenn es giebt ja einen materiellen, sichtbaren und einen immaterielleiy unsichtbaren Himmel, und um nun weiter bei letzterem, dem unsichtbaren Himmel, stehen zu bleiben], beide [d. i. sie alle mit ein- ander, die himmlischen Geister, «man nenne sie, wie man wolle], die Thronen und Herrschaften und Fueslenthumer und Obrigkeiten [Ephes. I, 21; Rom. 8, 38; i. Petri Z, 22]; es ist alles sdas ganze Weltall oder die Gesammtheit aller· Dinge] durch ihn [als Vermittler 1. Cor. 8, 6] und zu ihm [als Zielpunkt, in welchem es zu seiner Vollendung kommt] geschaffen« [Joh. 1, Z; Hebr. 1, 2]. 17. Und er ist vor allen [Spr. 8, 22 ff.], und es bestehet alles in ihm-s» sals in dem, welcher alle Dinge trägt mit seinem kräftigen Wort Hebr. I, 3]. 18. Und er [um von der Hoheit seines Ur- standes nun überzugehen zu der seines Heilands- standes, von seiner kosmischen Herrlichkeit zu seiner soteriologischen] ist das Haupt des Leibes, iiciinlich der Gemeine [Ephes. 1, 22 f.; 4, 12; 5, 23. 30, sintemal er derjenige ist], welcher ist der Anfang sderselben Hebr. 12, 2] und der Erstgeborne von den Todten [Apostg. 26, 23; 1. Eor. 15, 20. 23; Offenb. 1, 5], auf daß er in allen Dingen swie im Bereich der Schöpfung und Erhaltung der Welt, so auch auf dem Ge- biete der Erlösung des menschlichen GeschIechtsJ den Veraaiighabes sdie erste, vorderste Stelle einnehme]. 19.. lSolchen Vorgang in allen Dingen muß er ja haben um seiner erhabenen Bestimmung willen.] Denn es ist lbei Gott, seinem himm- lischetl Vater Ephel l, 9] das Wohlgesallen ge- wesen, dasl in ihm sals er nun Mensch wurde und sein Werk hienieden zur Ausführung brachte] alle Fülle [die ganze Fülle dessen, womit die Welt durch ihn gesegnet werden sollte Ephes. Z, II; Joh. 3, 34 f.] wohnen sollte [damit man daraus Gnade um Gnade nehmen könne [Joh. J, 16], 20. Und [daß] alles durch ihn svon Grund aus Ephsfs 2- 161 vetfdbnet würde zu ihm selbst [wie auch alles durch ihn und zu ihm geschaffen V· 16], es sei aus Erden [wo es galt, aus zweien Einen neuen Menschen zu schassen Ephes 2, 15]- oder im Himmel [wo es galt, den Gegensatz zwischen heiligen Engeln und den in Sünden verlorenen Menschen aufzuheben durch die Zurückführung der letzteren zur Gleiche mit Der erste, dogmatische Theil. Christus in seinem Verhältniß zu Gott und zu den Creaturen. 539 den ersteren Matth. S, 10; 22, 30; Ephes. 1, 10], damit snämlich durch ihn zu ihm selbst ver- söhnet würde], daß er Friede machte durch das Blutfdas er] an seinem Kreuz shernachmals auch wirklich vergossen Hebt. I, 14; . 10, 19 ff.; 1. Petri l, 19; L, 24 und also die Versöhnung äu StaFfifdJe gebracht hat] durch sich selbst-H- lEphes 14 . . « V) Grammatifch angesehen tritt in V. 15 nur ein weiterer Relativsatz gleicher Beziehung (»·ivelcher«) dem des 14. Verses (,,an welchem«) zur Seite; aber es zeigt sich sofort, daß hier eine Aussage von dem Sohne Gottes anhebt, welche der in V. 12—14 ent- haltene Gedanke keineswegs mit derselben Nothwendig- keit erforderte, wie,jene des 14. Verse«s, wenn sie auch schließlich in V. 21 f. auf einen Satz hinauskomintz welcher den inneren Zusammenhang des Abfchnitts mit V. 14 erkennen läßt. Der Relativsatz des 15.Verses ist einer von denen, statt deren wir nach unserer Aus- drucksweise demonstrativisch (n1it ,,dieser«)· fortfahren würden. Der ganze nachfolgende Abschnitt nun, in .welchem der« Apostel der falschen Christologie der colossischen Jrrlehrer gegenüber die wahre Würde und Hoheit der Person Christi darlegt, ist in folgender Weise abzutheilem 1) V. 15 mit dem dazu gehörenden, be- weisenden und erklärenden 16. Verse, 2) V. 17 und Z) V. 18 mit dem dazu Zehörendem beweisenden und erklärenden 19. und 20. ersex diese Abtheilungsweise ergiebt sich deutlich einerseits aus dem »denn« zu An- fang des 16. und zu Anfang des 19. Verses, andrer- seits aus dem »und er« zu Anfang des 17. nnd 18. Verfes. Demnach darf man hier im 15· Verse nicht mit Einigen gleich nach ,,Ebenbild des» unsicht- baren Gottes« einen Abschnitt machen und·mit ,,Erst- gebotener vor allen Creaturen« die Beschreibung eines neuen Verhältnisses beginnen lassen, sondern muß beide Bestimmungen zusammennehmen: Paulus spricht 1) in V. 15 f. von der göttlichen Natur Christi, nach welcher alles, was ist, durch ihn geworden oder ge- schaffen ist, d. h. von ihm, als Urheber der ersten physischen Schöpfung, Z) in V. 17 von Christo als dem Erhalter alles Erschaffenem als in welchem alles seinen Bestand hat, J) V· 18 ff. von dem aus Nr. 1 und 2 hervorgehenden Verhältnis; des Sohnes Gottes zu der zweiten neuen, sittlichen Schöpfung, deren Urheber und Haupt er gleichfalls ist. (Bähr.) Ebenbild des unsichtbaren Gottes nun heißt« Christus nicht als ein Gott nachgebildetes Wesen, sondern als der, welcher die Fülle des Wesens und der göttlichen Eigenschaften, die im Vater verschlossen sind, offenbar macht, so daß sie in igm geschaut werden können. Wie es also in ,Joh. I, il heißt: ,,niemand hat Gott je gesehen«, daneben hinzugefügt wird: »der eingeborene Sohn, der in des Vaters Schoße ist, der at es uns Verkündigt-«, so bezeichnet Paulus den ater als unanschaubar (1. Ti1n. 1, l7), aber als sich offenbarend in dem Abglanz seines Wesens, dem Sohne (Joh. 14, 9). So gefaßt, liegt denn in dem Namen ,,Ebenbild Gottes« die Wesensgleichheit ausgedrückt; wie aber in dein Namen ,,Sohn« das Gezeugtsein liegt, fo im Begriff ,,Ebenbild« die Jdee der Aus- strahlun . Der Ausdruck nun: Erstgeborener vor allen reaturen, graminatisch angesehen (zumal nach dem Wortlaut des Grundtextes), könnte aller- dings so verstanden werden, daß Christus selbst zu den Creaturen gerechnet und nur obenan unter den- selben gestellt würde, wie die Arianer, Socinianer und andere Gegner der Gottheit Christi ihn wirklich so ·Verse: er hat selbst alles geschafsen haben verstehen wollen; die Möglichkeit einer solchen Auffassung geht aus V. 18 hervor, wo Christus der Erstgeborene von den Todten genannt wird und diese Bezeichnung nur so verstanden werden kann, daß er selbst auch ein Todter war. Allein nach dem ganzen Zusammengang der Stelle kann gar kein Zweifel ob- walten, da der Apostel die Worte anders gefaßt wissen will; denn in V. 16 f. wird alles Geschaffene als in absoluter Abhängigkeit von ihin, dem Sohne Gottes dargestellt, er kann daher unmöglich selbst als der Stufenleiterder Geschöpfe angehörig bezeichnet sein. Vielmehr liegt in dem Namen, wie das Luther auch schon durch feine Uebersetzungx »vor allen Creaturen« hat andeuten wollen, das im Anfang vor aller Creatur aus Gott Geborensein des Sohnes Gottes, so daß das ,,Erstgeborener« dem johanneischen ,,Eingeborener« nahe verwandt ist. (Olshausen.) Die Bezeichnung: »Ein- geborener« hebt nur den absoluten Unterschied des Sohnes von uns hervor, die Bezeichnung: ,,Erst- gebotener« hingegen die Analogie, welche zwischen ihm und uns im Verhältniß zum Vater stattfindet, ohne doch den Unterschied von Geburt und Schöpfung aufzuheben; bei uns ist es eine fchaffende, bei ihm eine zeugende, darum auch dort eine zeitliche, hier eine ewigeHervorbringung, durch welche der Erst- geborene imVerhältniß zu den Creaturen entsteht. und steht. (Philippi.) Der Erstgeborene heißt Christus, weil er nicht erschaffen, sondern aus Gott geboren (aus dem Wesen Gottes gleichartig herborgegangen), also selbst Gott und eine Person in dem Einen gött- lichen We en ist; daß er aber also geboren ist vor aller Schöpfung, vor jedem Geschöpß begründet der Apostel hierauf durch den Ausspruch im folgenden (v. Gerlach.) Vgl. die Bem. zu Offenb. Z, 14. ") Die Jdee, daß alles in Christo erschaffen ist, wird vom Apostel durch »denn« mit dem Vorher- gehenden verknüpft und dadurch die Aussax »der Erstgeborene vor aller Creatur« bestätigt: r (der Sohn Gottes) muß vor aller Schöpfung aus dem Wesen des Vaters geboren fein, denn alles ist in ihm erschaffen. (Olshausen.) Das »in ihm ist alles geschaffen«, wie der Grundtext eigentlich besagt, be- deutet noch mehr als das ,,durch ihn«, wie Luther übersetzt hat; das letztere könnte man an sich auch von einem Werkmeister verstehen, der in Gottes Auftrage die Welt erschaffen hat, das »in« aber bezeichnet, daß die schöpferische Kraft in ihm selbst ruhte. Wie Paulus nun ani Anfang des Verses sagt, es sei alles in ihm geschaffen, so dann am Schlusse desselben, es sei alles durch ihn und zu ihm geschaffen: wie das »in« die in ihm ruhende Schöpferkra·ft, so bezeichnet das ,,durch« die schopferische Thätigkeit nach außen in Bezug auf das, was er ervorgebracht hat, das »zu« aber, daß er auch das iel von allem sei, daß alle Dinge für ihn allein da sind. Entschiedener und zugleich inhalts- voller, als in diesen Worten, läßt sich nicht aus- sprechen, daßChristus der allerhöchsteGott selbst, daß er von Ewigkeit her persönlich unterschieden vom Vater und doch ihni gleich ist. (v. Gerlach.) Der Apostel zerlegt das All der Dinge, von welchem er sagt, daß es in Christo erschaffen sei, in die beiden Gegensätze dessen, was hienieden, und dessen, was droben (,,das im Himmel und auf Erden ist«), und dessen, was sicht- barer, und dessen, was unsichtbarer Natur ist (,,das Sichtbare und Unsichtbare«), und reiht an das letztere mit »beide« (wie Luther das esse-site des Grund- textes übersetzt: Jes. 27, 1 Anin. L) mannigfaltige Benennungen des Geisterthums, um ausdrücklich auch das gesammte Geisterthuni, weß Namens es sein mag, 540 Colosser I, 21—23. darunter zu begreifen. (v. Hofmann.) Die Zwei- theilung: ,,das Sichtbare und Unsichtbaxe« fällt mit der ersten: ,,das im Himmel und auf Erden is « nicht usammen. Das ,,Sichtbare« umfaßt die gesammte sichtbare Welt, auch die hiinmlischen Gestirne, inso- fern sie sinnlich wahrnehmbar sind, das ,,Unsichtbare« dagegen die Unsichtbare Welt, daher vorzugsweise die Engel, die an sich Geister sind und daher alssolche nicht sinnlich wahrgenommen werden können. Daß der Apostel wirklich unter diesem Ausdruck vorzugs- weise die Engel verstehe, geht aus dem Zusatzex ,,beide, die Thronen und Herrschaften und Fürstenthümer und Obrigkeiten« hervor. Vergleicht man diese vier Bezeichnungen mit denen in Ephes 1, 21, so sind dort die Throne, hier die Mächte weggelassen (Luther hat die ,,Gewalten« dort an unsrer Stelle mit »Obrigkeiten« übersetzt); aus der Verschiedenheit der Namensbezeichnungen sowohl als der Aufeinander- folge der Namen selber ergiebt sich, daß er keine be- stimmten Engelordnungen damit auszustellen be- absichtigt, wenn auch vielleicht das vorangestellte ,,Throne« auf die oberste Rangordnung hindeuten soll. (Schenkel.) EineRangordnung unter den Engeln an und für sich wird in der heil. Schrift schon damit elehrt, daß. zwischen Erzengeln und Engeln unter- chieden wird und auf Seiten der bösen Engel Von einem Fürsten derselben und den bösen Geistern, von dem Teufel und seinen Engeln die Rede ist; nähere Bestimmungen über diese Rangordnun lassen sich aber aus Mangel an ausreichenden Schristaussagen nicht geben. Wir werden zwar durch die Menge von Ve- Michnungen für sie hingewiesen auf die große annigsaltigkeit ihres Wesens, um uns die Herrlich- keit Gottes anschaulich zu machen, welche allenthalben die größte Mannigfaltigkeit der Erscheinungen und Kräfte, nirgends nur eintönige Einerleiheit zu Stande bringe; gleichwohl bleibt eine genauere Einsicht in das Wesen der bestehenden Unterschiede uns verschlofsen, weil die Engel für uns, in ihrem Verhältniß zum Menschen, alle insgesammt nur eine generelle Ge- sammtheit bilden und der Gegensatz, der zwischen ihnen und uns stattfindet, ein allgemeiner, durchgreiseiider und bei allen gleicher ist, wie denn auch in ihrem Verhältniß zu Gott für alle ein gemeinsamer Beruf, eine generelle Ausgabe besteht. (Philippi.) IN) Was das Verhältniß dieses Verses zu den beiden vorhergehenden betrifft, so nimmt der Apostel, nachdem er in V.16 den Sinn des Ausdrucks in V.15: »der Erstgeborene vor allen Creatiiren« näher bestimmt und er lärt hat, den in demselben liegenden Begriff der vorweltlichen Existenz Christi mit den Worten: »und er ist vor allen« zunächst noch einmal auf, um dann an dieses Verhiiltniß des Sohnes ein zweites mit den Worten: »und es besteht alles in ihm« anzuknüpfen; erst damit wird der dort be- onnene Gedanke zu Ende geführt, da der Begriff der chöpfung erst dann vollkommen gefaßt ist, wenn der Begriff der Erhaltung in denselben aufgenommen wird· (Huther.f) Der kleinasiatischen Kirche drohte damals eine Ge ahr der Versälschung des Evangeliums, vor welcher der Apostel schon früher in feiner Abfchieds- rede die ephesischen Aeltesten gewarnt hatte (Apostg. 20, 29s.). Der grobe pharisäische Judaismus war einstweilen durch die gewaltige und entschiedene Po- lemik des Galaterbriefes zurückgedrängt worden; nun nahm .aber die judaistische Jrrlehre eine feinere, spiritualistische Gestalt an und fing an durch Ver- bindung mit Elementen hellenifcher Philosophie sich zum Gtiosticismus zu gestalten· Viele gebildete Juden, besonders zu Alexandria, schämten sich der derben Realität ihrer Religion und bekleideten die einfältige Nacktheit derselben mit griechischen Feigenblätierm sie erklärten die »Thatsa»chen der heil; Geschichte blos sur symbolische Hullen hoherer plcitonischer Ideen und suchten diese vermittelst der allegorischen Interpretation in das alte Testament selbst hineinzutragen So ent- stand ieiszie merkwürdige Verschiiielzung von Judenthum i11nk;1H3denthiikm, welchelwir sråihber an Llssdtiilo (l. Macc. um«) ennen ge ernt a en. ie colossischen Jrrlehrer nun· scheinen keineswegs in direktem Zu- sammenhang mit diesem Eklecticisinus zu stehen, sondern ihre Theorie erklartsich einfacher aus dem Essenismus (Schl·ußbem. zum 1. Maccabaerb Nr. 4, »c·· Zus.) in Verbindung mit der phrygischen Nationalität, welche zur Schwiirnierei und Ueberspannung geneigt war. Sie erscheinen in unserm Briefe als ascetische Theo- fophen, welche sich in die wolkenhasten Regionen der Geisterwelt verstiegen, auf Kosten der höheren Würde Christi·die» Engel verehrten, sich Finer verborgenen Weisheit ruhmten und in der Ertodtung der Sinn- lichkeit das Mittel zur Entsündigung suchten. Diesem iudaisirendfen Gnzsticiskmus nun tritt der Apostel mit einer poitiven olemi entgegen, indem er in inhaltsreichevKürze die Lehre von der Person Jesu Christi undszseinem Erlosiingswerke entwickelt. Christus wird namlich von ihm dargestellt als das über alle Creatur erhabene Centrum der ganzen Geisterwelt, als der Vermittler der Weltschöpfung und Welterhaltung, als der leibhastige Inbegriff der ganzen Fülle der Gott- heit, als· das Haupt- der Gemeinde und· die Quelle aller Weisheit und Erkenntnißx die durch ihn gestistete Erlösun umfaßt Himmel und Erde, entbindet von den äugerlichen Satzungen, von dem vergänglichen Wesen dieser Welt, und führt die Gläubigen stufen- weise zur wahren Vollkommenheit. (Schaff.) Für die Essener lag ebenso die Gefahr nahe, die esfenische Grundanschauung festzuhalten und nach ihr das Christen- thum umzubilden, wie für den pharisäischen Juden, das Christenthum zum neuen Gesetz zu machen· Eine Spur des Essenismus auf christlichem Gebiet tritt »uns zuerst in Rom. 14,»1ff. entgegen; hier ist von Christen die Rede, welche sich weigerten Fleisch zu essen und Wein zu trinken, auch in den Tagen einen Unterschied machten, was alles eigentlich essenische Züge sind. Da aber der Apostel uberaus milde gegen diese Leute ver- sährt»und sie nur als schwach im·Glauben· bezeichnet, so mussen wir annehmen, »daß« bei ihnen die essenische Gnosis und Philosophie ganzlich zurucktrat (Grau.) Das »und er«, womit dieser Vers ebenso wie der vorhergehende beginnt, dient nicht dazu, ihn an denselben enger anzuschließen, sondern vielmehr ihn desto »best·imn·iter von demselben zu« sondern; von dem Verhaltniß, in welchem Christus seiner gottlichen Natur nach zu der Welt überhaupt steht, geht Paulus auf sein Verhaltnisz zu der um ihrer» Sunden willen er- losungsbedurftigen»Menschenwelt uber. (Huther.) Der Gemeinde zugehörig, wie das Haupt dem Leibe, steht Christus, da das Haupt ebensowenig ohne den Leib sein kann, als umgekehrt. der Leib ohne das Haupt, in einem wesentlich andern und näheren Verhältniß zu ihr, als in seiner Schöpsereigenschaft zur Schöpfung; da es aber die Gemeinde ist, in welcher die Schopfung zur Erfüllung der Bestimmung gelangt, für welche sie geschaffen worden, dem Sohne das zu sein, was »er sie ich sein» lassen will, so vollendet sich sein Verhaltniß zur Schopfung dahin, daß erdas Haupt der Gemeinde ist«» Was es nun »Um Den sei, der das Haupt der Ge- meinde ist, wird in einer, durch Gleiceheit der Satz- form (,,welcher ist·der·Anfan und Er tgeborene von den Todten«) absichtlich an . 15 (,,welcher ist das Christus ist Haupt der Gemeinde, Anfänger eines neuen Geschlechts, Versöhner alles Getrennten. 541 Ebenbild des unsichtbaren Gottes, der Erstgeborene vor allen Creaturen«) erinnernden Aussage angegeben. (v. HofmannJ Wie Christus im Verhältniß zu Gott dessen Ebenbild heißt, so heißt er im Verhältniß zur Gemeinde deren Anfang oder Stifter; durch ihn ist die Gemeinde ursprünglich und ausschließlich bedingt. Dem ,,Erstgeborenen vor aller Creatur« entspricht nun im Weiteren der Erstgeborene von den Todten; wie er in V. 15 als der vor jeglichem Geschöpf Gezeugte dargestellt ist, so hier als der vor jeglichem Todten Auserstandene Den Zweck aber der, der Zeit nach allen andern Todtenerweckungen in der Gemeinde (denn sonst waren auch schon im alten Testament und von Christo selbst Todte auferweckt worden) voran- gegan enen Auferstehung Christi giebt der Apostel mit den orten an: »aus daß er in allen Dingen den Vorgang habe.« (Schenkel.) Seiner unverklärten Mensch- heit nach war Christus durch die Maria aus dem Samen Davids, also eingereiht in die Menschheit als folche; aber als Verklärter war er ein absoluter neuer Mensch, der Anfang (Hebr. ·2, 10). Was sodann den Ausdruck: ,,Erstgeborener von den Todten« betrifft, so kann die Auferweckung Mancher vom Tode nicht dagegen angeführt werden, daß Christus der Erst- eborene sei; denn jene waren mit ihrem fterblichen eibe auferweckt und starben später wieder, Henoch und Elias aber kosteten den Tod gar nicht, auch ist ihre Leibesverklärung wohl nur eine vorläufige ge- wesen, die mit der Christi nicht verglichen werden kann. Zu den Schlußworten des Verses bemerkt Chrysostomusc ,,Christus ist allerorten der Erste —- im Himmel der Erste, in der Gemeinde der Erste, in der Auferstehung der Erste.« (Olshausen.) f) Die Geister des Himmels bedurften zwar keiner Versöhnung und Erlösung, wie die gefallenen Menschen, sie befanden sich fortwährend als der gesund gebliebene Theil des ganzen Leibes unter der Leitung ihres Hauptes, des ewigen Sohnes Gottes; aber da die chöpfung Ein großes Ganze ist, in welchem, wenn ein Glied leidet, alle Glieder mit leiden, so daß also die Heilung der ausgerenkten und kranken Glieder auch denen zugute kommt, die gesund geblieben, so um- faßt die Erlösung durch Christum allerdings Himmel und Erde. Nicht blos unter einander verbunden wer- den die Menschen und Engel durch die Erlösung, sondern beide zusammen bilden von da an eine neue, verklärte Gemeinde Gottes, die nun auch in ein neues und herrliches Verhältniß zu Gott durch Christum eintritt, wie ein König, wenn er die Empörung in Einem Kreise seines Reiches dämpft, das ganze Reich dadurch beruhigt, zu neuer Treue mit sich verbindet und zu weit herrlicherer Blüthe emporhebt. (v. Gerlach.) Auch die himmlische Geisterwelt hat ihre Harmonie mit Gott, wie sie ursprünglich gewesen, verloren, da ein Theil der Engel, die gefallenen, das widergöttliche Reich des Teufels bildete und dem Zorne Gottes zur- ewigen Strafe verfiel. Durch den Versöhnungstod Christi nun sind die dämonischen Mächte schon jetzt überwunden und Gegenstand des göttlichen Triumphs eworden (Kap. 2, 15); ist nun damit gleich das aus er Engelwelt hervorgegangene teufelische Reich noch nicht aufgehoben und muß sie dasselbe noch in gefähr- licher Wirksamkeit gegen die Christenheit sehen, so wird doch durch die Wiederkunft Christi die in ihm bewirkte Versöhnung des Weltalls zum Abschluß kom- men und, leichwie der ungläubige Theil der Mensch- eit ausge chieden, so auch der dämonische Theil der ngelwelt aus dem Bereiche der neuen Welt entfernt und in die Hölle verstoßen werden. (Meyer.) 21. Und sauch Ephes 2, 1] euch, die ihr sals ehemalige Heiden] weiland Fremde [von der Gemeinschaft Gottes Ausgeschlosfene Ephes 2, 12; 4, 18] und Feinde sGottes Röm. s, 7] waret durch die Vernunft in bösen Werken svermöge der in bösen Werken sich ergehenden und darin sich äufzernden Sinnesart, die euch eignete Röm. 1, 21ff.]; 22." Nun aber hat er [Christus, von dem vorhin V. 15 ff. die Rede war] euch versbhnet mit [genauer: in] dem Leibe feines Fleisches [wie er in den Tagen seines Fleisches Hebr. 5, 7 ihn besaß Hebt. 2, 14; I. Petri 2, 24] durch den Tod«« sden er am Kreuze erlitten V. 20],» auf daß et euch sfür den Tag, an welchem er das Gericht halten und das Reich der Herrlichkeit aufrichten wird V. 28] darstellete heilig und un- strclflich nnd ohne Tadel sEphes 1, 4; 1. Cur. 1, 81 vvr1hmielbs«lEphes- s, 27; S· Cor- 5- 1015 23. So ihr anders sworan ich nicht zweifele] bleibet im Glauben gegründet 1Ephes. 3, 17; 1. Petri 5, 10] und fest [1. Cor. 15, 581 und unbeweglich sdurch nichts euch abtreiben lassend Gal. 1, 6] von der Hossnung des Evangelii [von der Hoffnung des ewigen Lebens Tit. 1, 2; 3, 7. 14, die mittels seiner Verheißungen euch vorhält das Evangelium V. b; Ephes. 1, 18], welches ihr [von Epaphras] gehbret habt, welches gepredigei ist unter aller Creatuy die unter dem Himmel ist [V. S; Marc. 16, 15; Röm. 10, 18], welches [was insbesondere seine Verbreitung in der Heiden- wert betrifft] ich Paulus Diener worden bin [Ephes. Z, 7; Gal. 1, 15 f.]. ««) Der Apostel wendet sich hier an seine Leser, um ihnen bemerklich zu machen, daß sie selbst die ver- söhnende Wirksamkeit Christi jetzt, in dem Stande ihrer Bekehrung, erfahren haben, während sie früher Gott entfremdet waren. Jn der Parallelstelle Ephes. 2, 11 ff. findet sich derselbe Gegensatz zwischen ,,weiland« und ,,nun« und eine ähnliche Schilderung des Zustandes der Belehrung; dort hat es der Apostel mit vormaligen Heiden zu thun, und so ohne Zweifel auch hier, denn nach Kap. 2, 11 ff. machten solche die größere Mehr- zahl der colossifchen Gemeinde aus· (Olshausen.) Während nun der erstere Ausdruck: ,,Fremde« mehr nur das Nichttheilhaben an der Gemeinschaft mit Gott, das Sichnichtbekümtnern um ihn bezeichnet, tritt in dem zweiten: ,,Feinde« das wirkliche, bestimmte Wider- streben gegen Gott, die eigenwillige, thätliche Wider- setzlichkeit gegen ihn hervor. Als nähere Bestimmung fügt Paulus dann noch die Worte hinzu, die Luther mit: »durch die Vernunft in bösen Werken« wieder- gegeben hat; es stünde aber statt ,,Vernunft« besser ,,Gefinnung«, und ist nun der Sinn dieser: ihr e- wieset euch in euren bösen Werken als von Gott ent- fremdet und ihm feindselig widerstrebend, und zwar als solche, die das ihrer ganzen Gesinnung nach waren. Während dann nach dem »Und auch euch, die ihr wei- land Fremde und Feinde waret 2c.« Paulus eigent- lich hätte fortfahren sollen: ,,hat er nun versöhnet«, beginnt er vielmehr, um den Gegensatz desto stärker hervorzuheben, einen neuen Saß: ,,nun aber hat er euch versöhnet«, gleich als ob er vorhin geschrieben 542 Colosser 1, 24——29. hätte: »Und auch ihr waret weiland Fremde und Feinde 2c·« Noch giebt der Apostel die Art und Weise, wie die Versöhnung geschehen, mit den Worten an: ,,mit dem Leibe seines Fleisches durch den Tod» Nachdem er unmittelbar vorher den Tod Christi schon als das Mittel der Versöhnung im Allgemeinen be- zeichnet hat, könnte diese nochmalige ausdriickliche Hervorhebung beider besonderen Anwendung auf die Colosser auffällig erscheinen; Paulus hat jedoch die Veranlassung dazu durch die Riicksicht auf die dortigen Jrrlehrer, welche dem Tode Christi nicht diejenige Bedeutung zuschrieben, die« er im Zusammenhange der christlichen Lehre wirklich hat. (Huther.) Gemäß ihrem Engelglauben schrieben sie die versöhnende Vermitte- lung mit Gott zum Theil den höheren geistigen Wesen zu, welche ohne einen Leib des Fleisches sind. (Meyer.) IN) Die Worte: »auf daß er euch darstellete heilig und unsträflich und ohne Tadel vor ihm« drücken das Ziel der versöhnenden Thätigkeit Christi, welche sich auf die Verähnlichung der Gläubigen mit dem HErrn bezieht, aus; die Erreichung dieses Ziels wird in die Zeit des Gerichts verlegt, bei dem die Gläubigen vor seinem Richterstuhl offenbar werden. Als Bedingung zur Erreichung desselben nennt der Apostel das Ge- ründetbleiben im Glauben und in der Hoffnung; enn nur durch die gläubige Seelenstellung nimmt der Menfch die Kräfte der unsichtbaren Welt in sich auf, welche den neuen fleckenlosen Menschen, den Christus an uns, erzeugen. Die Ausdrücket »gegründet undfest«erklären sich aus dem Bilde vom Tempel, der Be- hausung Gottes (Ephes. Z, 22), in dem jeder Einzelne einen lebendigen Stein, der fest in den ganzen Bau durch den Glauben eingefügt ist (Kap. 2, 7), bildet (1. Petri 2, 5). Ohne Zweifel dachte Paulus bei dem ,,bleibet« und dem ,,unbeweglich« vorzugsweise an die Jrrlehrer und ihre Verführung obgleich auch persönliche sittliche Untreue den Glaubensgrund umstürzen kann. Unter der Hoffnung des Evangelii ist die Theilnahme« am Reiche Gottes, welche das Evan elium verheißt, zu verstehen. (Olshausen.) Mit den: orte: ,,welches ihr gehört habt«, wozu »von Epaphras« zu ergänzen ist, legt der Apostel ein Zeugniß für die Aechtheit der Lehre dieses seines Schiilers ab. (Bähr.) Wenn er dann weiter mit den Worten: ,,welches geprediget ist unter aller Creatur, die unter dem Himmel ist«, den unbegrenzten Bereich der evangelischen Verkündigung betont, so thut er das, um diese weltumfafsende Oeffent- lichkeit dem schleichenden Wesen aller nur immer da oder dort auftauchenden Sonderlehre entgegenzuse en. (v. Hofmann.) Daß er der Bote sei, der die anger- ordentliche Kunde überall verbreiten soll, führt er zum Schluß eben so sehr an als die größte Ehre, die einem siindigen Menschen widerfahren kann, als, um damit den Colossern nachdrücklich einzuschärfem daß Gott sie an ihn als seinen Gesandten gewiesen habe. (v. Gerlach.) 24. Nun [da es durch diesen meinen Dienst soweit gekommen, daß, wie ich eben sagte, das Evangelium gepredigt ist unter alle Creatur] freue ich mich in meinem Leiden, das ich für euch [euch, den Colossern sowohl, wie allen Heiden- christen zugute (Ephes. Z, I u. l3] leide, und er- statte [mit solchem Leiden, zumal wenn es noch zu meiner Hinrichtung kommt] an meinem Fleisch, was noch mangelt an Trübsalen in Christo [ge- nauer: an den Trübsalen Christi] für feinen Leib, welcher ist die Gemeinet [V. 18]; 25. Welcher [Gemeine] ich [Paulus, im Unterfchied von den andern Aposteln] ein Diener worden bin nach dem göttlichen Predigtamt snach Maßgabe des Verwalter-Amtes im Hause Gottes 4. Mos. 12, 7; 1.Tim. 3, 15; l. Cor. 9, 17], das mir gegeben ist [und das ist das Verwalter- Amt oder das Apostolat] unter euch sden Heiden V. 24; Rom. I, 5j, daß ich das Wort Gottes reichlich predigen [wörtlich: erfüllen, d. i. über- all, ohne zwischen Heiden und Juden einen Unter- schied zu machen, ausbreiten Apostg 5, 28; Röm. 15, 191 soll, 26. Nämlich das Geheimnis? [vgl.Kap.4, Z; Ephef 3, 2 ff.], das verborgen gewesen ist von der Welt her und von den Zeiten her ssolange es Menschengeschlechter giebt Apostg 15, 21], nun aber [durch die, in Folge einer den Aposteln zu Theil gewordenen Erösfnung von diesen geschehene Verkündigung] osfendaret ist seinen Heiligen sden Christen Kap. 1, 2], 27. Welchen -[Heiligen, die im Glauben die Botschast angenommen haben] Gott [als denen, die er dazu versehen und verordnet hatte und die er demgemäß nun auch zu seinem Reiche berief] gewollt hat kund thun [zur erfahrungsmäßigen Kenntniß bringen (Ephes. 3, 10], welcher d« sei der herrliche Reichthum dieses Geheimnisses unter den Heiden [Röm. 9, 23 f.], welcher ist [welcher Reichthum denn darin besteht oder in das wunder- herrliche Wort sich läßt fassen :] Christus in euch [den ehemaligen Heiden, die ihr» waret weiland ohne ihn und keine Hoffnung hattet (Ephes. 2, 12., wohnend und unter euch als feinem nunmehr-i- gen Volke wandelnd 2. Mos. 29, 45 f.; 3. Mos. 26, 12; Ephes Z, 17; 2. Cor. G, is; 1. Petri 2, 9 f. —- ChriftusL der da ist die Hoff- nung der Herrlichkeit [Kap. s, 4; 1. Tim. I, 1]; 28. Den wir verkimdigen Ueichter wird das Verständniß, wenn wir hier einen neuen Satz beginnen: Ihn, Christum, und nicht, wie die Jrrlehrer, Mosen und die Engel, verkündigen denn wir, wir Apostel und unsre Gehilfen], und vermahnen alle Menschen und lehren alle Men- schen mit aller Weisheit [Kap. Z, 16], auf daß wir lder Heilsabsicht des HErrn gemäß V. 22] darstellen einen jeglichen Menschen vollkommen in Christo Jefu [in dessen Gemeinschaft allein die Vollkommenheit zu erreichen ist, nicht aber im Dienst des Gesetzes oder der Engel Kap. L, 10 ff.], 29. Daran [d. i. auf welches Ziel hin, näm- lich einen jeglichen Menschen darzustellen vollkom- men in Christo Jesu] ich auch [mit dem bloßen Verkündigen, Vermahnen und Lehren mich nicht begnügend] arbeite und ringe [indem ich, da ich nunmehr ein Gefangener bin und nicht mehr öffentlich wirken kann, jetzt mich innerlich abmühe mit wachsamer Sorge für alle Gemeinden, mit Auch euch hat er versöhnet, und nun freue ich mich in meinem Leiden, das ich für euch leide. 543 Beten, Schreiben und Streiten gegen die Ver- kehrer und Verstörer Kap. 2, 1; 4, 12; 2. Cor. 11, 28; 1. Thess. 2, L; L. Tim 4, 7] nach der Wirkung des, der in mir kräftiglich wirket-«« [mich dazu treibt und dazu tüchtig macht, Christus 2. Cor. 5, 14; 3, 5]. V) Hatte Paulus zuvor ausgesprochen, daß er überhaupt bei seiner Bekehrung und Berufung ein Diener des Evangelii geworden, so will er jetzt, indem er den neuen Vers mit »Nun« beginnt, von seinem gegenwärtigen Zustande in diesem seinem Dienste reden. Der Gedanke nun, den er hierauf folgen läßt: »ich freue mich in meinem Leiden«, wird kräftiger und ausdrucksvoller, wenn man übersetztt ,,über mein Lei- den«; es ist dem christlichen Sinne eigen, nicht- nur sich in den Leiden die Freude zu bewahren, sondern die Leiden »selbst als Gegenstand der Freude und des Rühmens u betrachten (Apostg· 5, 41; Röm. 5, 3). Wenn der postel dann fortfährt: »das ich für euch leide«, so ist das ,,euch« in weiterer Beziehung, als nur auf die Leser des Briefs, aufzufassen; allerdings redet er diese zunächst an, doch gewiß nur, sofern er sie als einen Theil der Heidenchristen ansiehet und in das ,,euch« alle übrigen Gemeinden, die auf sein Princip gegründet waren, mit einschließh so daß das ,,Heiden«, welches in Ephes. 3, 1 dabei steht, auch hier hinzugedacht werden muß. Ein Leiden um der Heiden- christen willen aber nennt er sein Leiden nicht blos deshalb, weil die Christen überhaupt durch die Stand- haftigkeit und Freudigkeit, mit der er es ertrug, in ihrem Glauben an Christum gefördert wurden, sondern vornehmlich, weil durch dasselbige das Princip, nach welchem er als Apostel des Herrn wirkte und den Heiden das Evangelium verkündigte, bekrästigt ward und die heidenchristlichen Gemeinden also in ihrem eigenthünilichen Wesen, in ihrer evangelischen Freiheit befestigt wurden. (Huther.) Paulus war in der That ein Gefangener Christi Jesu für die Heiden oder zu ihrem Besten; denn die meisten Verfolgungen, die er erfuhr, vornehmlich seine Gefangenschaft insJerusalem und Rom, trafen ihn nicht darum, weil er überhaupt ein Christ war, sondern weil er das Christenthum zu den Heiden trug und diese von den Fesseln des Juden-« thums frei erhielt. (Rückert.) Von hier aus wird uns auch verständlich, was der Apostel damit meint, daß er von sich sagt, daß mit dem, was er gegen- wärtig erleide, er erstatte an seinem Fleisch, was noch mangelt an Trübsalen Christi für seinen Leib, die Ge- meine. Selbstverständlich kann er nicht meinen, daß die Leiden Christi nicht hinreichend gewesen seien zur vollständigen Erlösung nnd Versöhnung der Menschen, und also behaupten wollen, daß der an ihnen haftende Mangel durch seine, des Apostels, Leiden ausgefüllt werde; ein solcher Gedanke widerspricht auf’s Aller- entschiedenste der ganzen apostolischen Anschaunngs- weise, wie sie auch vorhin in V. 20 u. 22 sich kund egeben, wonach versöhnende, genugthuende eiden, solche, welche Andern die Strafe abnehmen, die sie treffen sollte, allein Christi Leiden sind und sein Verdienst ein durchaus vollständiges, allseitig ge- nugsames ist. Er kann aber auch nicht meinen, daß er mit seinen Leiden einen Theil derjenigen Leiden voll mache, welche die Gemeinde Christi während ihrer Drangsalszeit hienieden zu erdulden hat (2. Cor. I, 5; Phil. Z, 10) und die in ähnlicher Weise als Trübsale Christi bezeichnet seien, wie der HErr in Apostg. 9, 4 zu dem, seine Gemeine verfolgenden Saulus sagt: »was verfolgest du mich«; denn er redet eben nicht von einem Theil, den er voll mache, son- dern vielmehr von dem ganzen noch übrigen Reste, so daß mit seiner Trübsal diejenige Drangsal Christi, die er im Sinne hat, nun abgeschlossen und der be- treffende Kelch ganz ausgeleert sein wird. Wohl aber denkt Paulus daran, daß Christus darum seinen ge- waltsamen Tod von den Obersten des jüdischen Volks hat erleiden müssen, weil man ihn nicht wollte Jsraels Heiland sein lassen (Matth. 23, 13; Joh. 11, 50); er hat da sein Leben gelassen für die Schafe, die aus diesem Stalle waren (Joh. 10, 12 fs.), hat es ge- lassen als Diener der Beschneidung (Röm. 15, 8). Nun hatte er aber noch andere Schafe, die nicht aus diesem Stalle waren (Joh. 10, 16); als die Zeit kam, da dieselben jetzt auch hergeführt werden sollten, da- mit Eine Heerde und Ein Hirte werde, da war es Paulus, der Lehrer der Heiden (1. Tim. Z, 7; 2.Tim. I, 11), der da erstatten mußte an seinem Fleisch, was noch mangelte an den Trübsalen Christi von der näm- lichen Art, indem das ungläubige Judenvolk, welches Christum nicht wollte der Heiden Heiland sein lassen (Apostg. 22, 21 f.; 1. Thess 2, 16), nun ihn den Heiden überantwortete und nicht ruhete, bis sie ihn vom Leben zum Tode gebracht haben würden. An solcher Vervollständigung der Trübsale Christi für die aus Juden und Heiden bestehenden Gemeinden, welche des Paulus Aufgabe wegen des ihm eigenthümlichen Apostelthums an die Heiden war und welche er her- nachmals mit seinem Märtyrertode auch wirklich löste, fehlte nun allerdings diese Gleiche, daß er mittels des Schwertes hingerichtet wurde und nicht ebenfalls am Kreuze starb; indessen, in Beziehung auf diesen äußeren Punkt trat dann Petrus ergänzend ein, der mit seinem Kommen nach Rom in des Paulus Fuß- tapfen trat (Johz 2·1, 18 Anm.). Will man diese Auf- fassung der schwierigen Stelle nicht gelten lassen, so muß man unter den ,,Trübsalen Christi« diejenigen Trübsale verstehen, die der Apostel in der Gemeinschaft und im Dienste Christi zu erdulden hatte (Luther: ,,Trübsale in Christo« Apostg. 9, 16); ein gut Theil davon hatte er bisher bereits überstanden, aber noch war auch ein gut Theil als Rest vorhanden, und solchen Mangel nun erfüllte er mit dem, was er gegen- wärtig zu erdulden hatte. Gegen diese Erklärung spricht nun freilich das, daß dabei die beiden Ausdrücke, welche der Apostel im griechischen Texte sowohl für ,,erstatte«, als für »was noch mangelt« braucht, nicht zu ihrem vollen Rechte kommen, indem der letztere nicht einen Mangel im Sinne von Rest, sondern im Sinne von etwas, das zur Vollständigkeit des Ganzen noch fehlt, bezeichnet, und der erstere nicht auf eine Leistung hinweist, dadurch man sein eigenes bisheri- ges Thun vervollständigh sondern auf eine solche, da- durch man das, was ein Anderer nicht hat thun können, und was gleichwohl noch geschehen muß, wenn die betreffende Sache lzum Ziele kommen soll, ergänzt; sehen wir indessen hiervon ab, so würde auch diese rklärung ebensowohl, wie die vorher vorgetra- gene, zu dem Ergebniß führen, daß der Apostel seine Gefangenschaft für den Abschluß seiner Leiden betrach- tete und also mit Bestimmtheit den Märthrertod als Ausgang derselben erwartete, und hätte er nun in solcher Erwartung sich getäuscht, wäre er aus der römischen Gefangenschaft wieder frei geworden und zu abermaliger öffentlicher Wirksamkeit gelangt, um erst später nochmals gefangen und alsdann hingerichtet zu werden, wie meistentheils angenommen wird, so hätte er an unsrer Stelle jedenfalls »etwas sehr Unzutref- fendes und Phantastisches von sich ausgesagt (vgl. die Bem. zu Apostg. 20, 27). 544 Colosser 2, 1 —3. -!·««·).Am Schluß des 23. Verses hatte Paulus ge- sagt, ein Diener des Evangelii sei er geworden; nun wiederholt er am Anfang des 25. Verses diese Aussage, nennt aber mit Beziehung auf das, was er im 24. Verse gesagt hat, daß er an seinem Fleische erstatte, was noch mangelt an den Trübsalen Christi für dessen Leib, die Gemeine, sich« nunmehr einen Diener eben dieser, der Gemeine; so wird nun auch, wenn er näher angiebt, welcher specielle Sonder- berus im Dienst der Gemeine ihm zu Theil gewor- den, und da seiner göttlichen Bestallung zum Heiden- apostel gedenkt, ohne Zweifel dies sein Heidenaposteb amt es -sein, was seine Drangfal zu einer solchen Leistung macht, wie er vorhin sie beschrieben, so daß wir also hier eine Bestätigung erhalten für die Richtigkeit der oben von uns vertretenen Auffassung jenes seines Ausspruchs Als den Zweck, für welchen dieses Amt ihm übertragen sei, bezeichnet er den, daß er durch Ausrichtung desselben erfülle oder voll mache das Wort Gottes; nicht- als ob zu seinem Jnhalte dem Worte Gottes noch etwas fehle, wohl aber war es seiner universellen Bestimmung nach noch nicht zu seiner-Völligkeit gelangt, solange die Heils- botschaft oder das Evangelium (denn dieses ist hier unter dem Worte Gottes gemeint l. Cor- 14, 36; 2. Cor. Z, 17; 4, Z) nur den Juden, und nicht auch den Heiden Verkündigt war. Dagegen nimmt der Apostel auf den Jnhalt des Wortes Gottes oder des Evangelii Beziehung, wenn er es in V. 26 »das Ge- heimniß« nennt; der Ausdruck ist ihm geläufig zur Bezeichnung des von Ewigkeit her in Gott verborge- nen, durch Christum zu vollziehenden und dann durch die Predigt des Evangelii an die Menschenwelt bekannt « zu gehenden Erlösungsrathschlusses (Röm. 16, 25; 1. or. Z, 7 ff.; Ephes. I, 9), vornehmlich aber bedient er sich desselben alsdann, wenn er an dielsem Rath- schluß besonders die Seite hervorheben wi , wonach auch die Heiden zur Theilnahme an der durch Chri- stum bewirkten Erlösung Theil haben sollen, ohne erst durch das Judenthum irgendwie hindurchgehen zu müssen. Als ein »von der Welt her und von den Zeiten her verborgenes« charakterisirt er hier das Ge- heimniß, das er meint, um anzudeuten, daß jener Rathschluß weder ein erst in späterer Zeit, sondern ein fchon von Ewigkeit gefasster, noch auch in seinem ganzen Umfange ein früher schon offenbar gewesener, sondern nach seiner unbeschränkten Beziehung auch auf die Heiden erst durch ihn, den Paulus, kund gewor- dener sei; denn wenn auch die Propheten helle Blicke in denselben gethan und bestimmt Hering davon ge- redet haben, daß die Heiden ebenfa s zu dem Heile in Christo gelangen sollten (Röm. 15, 9 ff.), so war ihnen doch das besonders unbekannt, auf welchem Wege letzteres geschehen würde, und auch die übrigen Apostel haben lange sich nicht darein zu finden gewußt, daß so ganz frank und frei den Heiden der Ein- gang in das Reich Gottes in Christo Jesu offen stünde» daß hier sei kein Jude noch Grieche (Gal. Z, 28; Apostg. 10, 9 ff.; 21, 18 ff.), bis Paulus der Er- kenntniß dieser Wahrheit zum Durchbruch verhalf und schließlich Petrus und Johannes ebenfalls, um uns einmal dieses Ausdruckes zu« bedienen, paulinisch wurden (vgl. zu Ephes. 3, 7)· Er sagt aber an unsrer Stelle absichtlich, daß den Heiligen, und nicht, wie in»Ephes. Z, 5., daß den heiligen Aposteln und Propheten das in Rede stehende Geheimniß offen- baret worden»se·i, weil der Ausdruck ,,offenbaret«, dessen er im Grundtext sich hier bedient Gcpocrsgaisvys nicht sowohl auf die Erschließung für die Erkennt- niß durch die Erleuchtung des heil. Geistes Beziehung nimmt, tvelche er dort im Auge hat Oberste-Läuse» Z» »weil-wr- Röm. 16, 25), als vielmehr auf die Kund- machung für die Erfahrung derer, denen es durch die vernommene Predigt und durch die Annahme sol- cher Predigt im Glauben offenbar wird (Kap. 4, 47 Tit. l, 3;— Röm. 16, 26); und auf diese Kundmachung, nicht aber auf jene Erschließung nimmt er Beziehung, »weil er den colossifchen Jrrlehrern entgegentritt, die gemeiner geheimen Weisheit sich riihtnten, in deren esitz allein sie seien, nicht aber auch die gemeinen Christen. Weil nun aber »Heilige« nicht alle die sind, zu deren Ohren die evangelische Heilspredigt überhaupt einmal gedrungen ist, sondern allein die, die sie im Glauben angenommen und so den Se en des jetzt an den Tag gegebenen Geheimnisses an si selbst erfahren haben, so hebt Paulus dies Moment in V. 27 noch besonders hervor und redet da von einer noch weiter gehenden Kundthuung von derjenigen nämlich, die nicht blos für die Ohren (V. 23), sondern auch für die Herzen geschehen ist (Röm. 9, 23 f.). Der Kreis derer, welchen die erstere zu Theil geworden, ist ja weit größer als der Kreis derer, die auch die andere empfangen haben; daß aber dieser Kreis mit jenem sich nicht deckt, sondern an Umfang weit hinter dem- selben zurückbleibt, beruht auf demselben göttlichen Vorsatz, von dem der Apostel in Röm. 8, 28 ff. aus- führlicher gehandelt, auf derselben Gnadenwahl, deren er auch in Ephes. I, 4 ff. gedacht hat, und so schreibt er hier: ,,welchen Gott gewollt hat kund thun« (vgl. Ephes. l, 9). Was nun Gott seinen zuvor versehenen, verordneten und berufenen Heiligen (Röm. l, 7) hat wollen kund thun, wird in den Worten ausgesprochem ,,welcher da sei der herrliche Reichthu1n dieses Geheim- nisses unter den Heiden«, eine Uebersetzung des Grund- textes, die sich allerdings läßt beibehalten, ohne an dem Sinne, den Paulus mit den Worten, die er ge- schrieben und die sich besser noch anders wiedergeben ließen, etwas einzubüßem aber man muß dann im folgenden Satze, der über diesen Sinn näheren Auf- schluß giebt, nicht, wie Luther eigentlich geschrieben, lesen: ,,welches« (nämlich Geheimnisz), sondern, wie die Cansteinfchen Bibelausgaben dafür sehen: ,,welcher (Reichthum)«. Christus unter den Heiden als Heiland und König, welcher sie zu der dem Volke Gottes verheißenen Herrlichkeit erhebt, das war das neueste, wunderbarste, für jüdifche Ohren anstößigste Wort, welches man damals aussprechen konnte. Soweit war es nunmehr gekommen, daß Christi Wort in Matth. 21, 43 sich vollständig erfüllt hatte, das Reich Gottes war von den Juden genommen und den Heiden egeben, und machten also diejenigen jetzt Gottes Volk, hristi Eigenthum und die Erben der Verheißung aus, die vordem gewesen waren ohne Gott in der Welt, ohne Christum und ohne Hoffnung des ewigen Lebens. Von diesem Standpunkte aus hatte Paulus fchon die Epistel an die Epheser geschrieben und darin das Wesen und die Herrlichkeit der Kirche Christi an den fast ausschließlich aus Heiden gesammelten Gemeinden, den Repräsentanten der heidenchristlichen Kirche auch in den nachfolgenden Zeiten, dargelegt. Und was ihn gerade in seiner Gefangenschaft zu Rom auf diesen Standpunkt erhoben, das haben wir in den Schlußs bemerkungen zu jener Epistel ausfühtlicher nachgewiesen· Von demselben Standpunkte geht denn auch die nur wenige Jahre später ges riebene Offenbarung St. Jo- hannis aus, wie das Geicht in Offenb. l, 9 ff. deut- lich genug merken läßt, wenn man nur dem ,,wandeln mitten unter den geben güldenen Leuchtern« seinen richtigen Sinn belä t, schaut von da aus Christi Ge- richt über das ursprüngliche Volk seines Eigenthums, Wie ich überhaupt arbeite und ringe in meinem Amt, so habe ich noch besonders Kampf um euch. 545 das ihn verworfen (Joh. I, 1l), ein Gericht, das jedoch nicht ohne Hoffnung für die schließliche Zukunft dieses Volkes ist; sie überschaut dann weiter die Zeit der Heiden, bis mit Kap. 10 die Entwickelung der Dinge in diejenige Bahn einlenkt, wo das in Röm. 11, 12. 15 u. 23 von Paulus Geweissagte zur Er- füllung kommen wird, und von da an erst handelt es sich um die letzten Dinge. Es wird immer ein ver- gebliches Unternehmen bleiben, das Buch der Offen- barung zu erklären, wenn man nicht dieser Einsicht in seinen Organismus bei sich Raum giebt. V« Jn aller Weisheit, denn die Weisheit wählt und findet das rechte, zweckentsprechende Wort, in aller Weisheit, sagt der Apostel, reden wir jedwedem Menschen zu Gemüthe und lehren wir jed- weden Menschen zu dem Zwecke, jedweden Menschen so hinzustellen, daß er in Christo vollkommen sei; daß der Mensch so zu stehen komme, ist der Zweck der Verkündigung Christi. Es soll jedermann zu christ- li er, nämlich in Christo begründeter und hiernach be chaffener Vollkommenheit gelangen: um dies, und nicht blos eine oberflächliche Wirkung zu erzielen, muß die Verkündigung Christi ein Vermahnen und ein Lehren mit sich führen; ersteres, indem jedwedem zu Gemüthe geführt» wird, was er ist und was er sein sollte, und letzteres, indem er belehrt wird, wie er es in Christo werden möge. Eine solche Verkündigung Christi kann der Apostel von sich und seinen Mit- arbeitern bezeugen, und kann bezeugen, daß sie so an jedwedem Menschen thun, um an jedwedem solches zu erzielen. Siicht den Gegensatz von Juden und Heiden hat er hierbei im Auge, sondern das betont er, daß sie es bei Keinem an solchem Vermahnen und Lehren fehlen lassen, indem sie nicht etwa nur in’s Allgemeine hin Christum predigen, sondern jedweden einzeln und onderlich zu christlich-sittlicher Vollkommenheit herzu- stellen sich angelegen sein lassen, vgl. l. Thesf 2, U; Apostg. 20, 31. (v. HofmannJ Mit dem, was der Apostel dann zuletzt noch von sich selber sagt, will er ebensosehr die Liebe und Theilnahme der den Gefah- ren der Verführung ausgesetzten Gemeinde sich ge- winnen, als ihr Vertrauen auf die in ihm, einem Abgesandten Gottes selbst, mächtige Gotteskraft er- wecken. Jn weni en, inhaltsreichen Worten stellt uns Paulus hier die Zhätigkeit eines ächten Predigers des Evangeliums vor die Augen: er predigt das Geheim- niß von der Gnade Gottes in Christo; er ermahnt alle Sünder zur Buße, ohne laß oder menschengefiillig zu werden; er lehrt auch die einfältigsten, ärmsten, unwissendsten Menschem er führt alle zur Vollkommen- heit, will niemand das höhere Licht und Leben vor- enthalten, niemand aus einer niederen Stufe zurück- halten; entigt sich selbst nie und läßt sich nie an Andrer ustand genügen; ist sich stets bewußt, daß ein Leben der Arbeit und namentlich auch des Kam- pfes ihm verordnet ist; vertraut in demselben allein der in ihm mächtig wirkenden, ihm verheißenen Gottes- kraft, und giebt daher auch Gott die Ehre für alles. (v. Gerlach.) Das 2. Kapitel. Von Mensohensotzungeih Christo, der heiligen Taufe, und Kraft seines Todes. II. V.1—23. Ver Apostel will nun noch näher und bestimmter, als er es im vorigen Abschnitt gethan, auf die Jrrlehrer eingehen und dic eolosstsclze Gemeinde vor deren Betrage warum; weil sie denn mit noch andern Dächsebs Bibelwerlä V1l. Band. Gemeinden jener Gegend ihn von Person nicht trennt und daher desto mehr der Gefahr der Verjährung zu fremder kehre ausgesetzt ist, so sucht er znoiirdersi sie dadurch an fiih heranzuziehen, daß er in herzgewinnew der weise in seine Sorge um ihr Seelenheil und in seinen Gebeteleampf für ihre Zewahrung im rekhten Glauben sie hineinblictien läßt (v. 1—3). Er sagt ihr dann auch offen, welche Gefahr es sei, um deretwilten er sich uni sie sorge; doch habe er besorgliche Gedanken für sie nur erst wegen des, das da geschehen nenne, für ietzt dagegen stünde es noch wohl um ihr Gemein- wesen nnd um ihren Glauben, wie er, zwardem Fleische nach von ihr entfernt, aber im Geiste bei ihr gegen- wärtig, gar wohl zu ermessen vermöge (v. 4 und 5). Indem er nun darauf hin die Colosser erniahnh bei Christo Dem, den sie im Glauben auf- und angenom- men haben, mit beharrlictzem, immer tiefer wurzelndem nnd immer höher emporsleigendem Glauben voll Dank— barlieil für die in ihm ihnen zu Gheil gewordene Gnade auch zu bleiben (v. 6 u. 7), leitet er die hierauf fol- gende Warnung vor der Philosophie und tosen Verfüh- rung der Jrrlehrer ein; diese wollen mit xillensihenlehre und Satzungen der Welt sie dessen berauben, was sie in Christo haben, darum führt er ihnen zuvöederst zu Ge- niiithe, was alles sie in dem tljGrrn haben, in welchen! die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig wohnet, und wie in ihm ihr volles Hei! nach allen Seiten hin bewirlit sei sitt. 8—15), um darnach diejenigen Punkte einzeln namhaft zu machen, in welchen sie vor Vorführung zum Abfall von diesem ihrem hatten sieh vorzusehen haben (v. 16«—23). 1. Jch lasse euch aber [damit ihr an euch selber wahrnehmen was ich vorhin Kap. l, 29 sagte: ,,daran ich auch arbeite und ringe«] wissen, welch einen sschweren] Kampf sder Sorge und des Gebets Rom. is, So] ich· habe um euch und um die zu Laodicea swelchen diese meine Epistel eben- salls gilt Kap. 4, 16] und [überhaupt·um] alle [in noch andern Gemeinden, wie z. B. m der·zu Hierapolis Kap.-i, 13], die meine Person im Fleisch smein leibliches Angesicht Gal. »1, 221 nicht gesehen [soudern durch Schüler von mir die Predigt des Evangelii empfangen] haben« fund UUU UM sp mehr in Gefahr stehen, durch Jrrlehrer vom rech- ten Wege abgeführt zu werden], 2. Auf daßsdies der Zielpunkt meiner Ge- bete, zu denen die Sorge mich treibt] ihre Herzen ermahnet szur Treue gegen das Evangelium er- muntert 1. Thess. IF, D; 2. Theil· Z« »17] Und [sie selber als zu einander gehorige Glieder an demselben Leibe den, Trennung und Zwiespalt herbeiführenden Versuchungen zu fremder Lehre gegenüber] zusammen gefasset werden m der Liebe fund dadurch gelangen] zu allem Reichlhum des gewissen Verstandes swasv ja bei Spaltung und Uneinigkeit nimmermehr sie erreichen wurden] zu erkennen das Geheimnis? Gottes und sdas ist em Geheimniß Gottes] des Vaters Und [zugle1ch auch ein Geheimmß] Christi [Kap· 4- Z; Epheli 3s 4Js 3. J n welchem [als in demjenigen ’Schachte, in dem man sie aufsuchen und m den man eindringen muß, wenn man ihrer habhaft werden will Matth. 35 546 13, 44] verborgen liegen alle Schatze der Weisheit und der Erkenntnis« [Jes. 11, 2; I. Cor. I, 24]. V) Die Erinnerung an seine Arbeit und sein Rin- gen, davon er vorhin geredet, bietet dem Apostel eine natürliche Veranlassung dar, aus die besonderen Beforgnisse überzuleitem welche ihm der durch die ver- derbliche judaistisckktheosophische Jrrlehre bedrohte Zustand der Gemeinde zu Colofsä»verursachte. Mit den Worten: ,,welc·h einen Kampf ich habe um euchf verweist er auf die Größe feiner Besorgnisse, d. i. mittelbar aus die Größe der den Colossern von der Jrrlehre her drohenden Gefahr; aus dem folgenden Zusatza »und uni die zu Laodicea und alle, die meine Person im Fleisch nicht gesehen haben« geht zweierlei hervor, erstens, daß die laodieeischen Christen eben- falls durch die Jrrlehre bedroht waren, und zwei- tens, daß Paulus den Mitgliedern beider Gemeinden persönlich unbekannt war. Seine Sorge nun fiir beide Gemeinden, sowie für alle ihm· persönlich unbekannten anderen, war um so größer, ·i·e weniger er sie durch persönliche årundlegende Thätigkeit gesichert wußte. (Schenkel.) s lag dem Apostel vor allem am Herzen, daß das Christenthum in seiner unverkürzten Selbst- ständigkeit, in seiner Unabhängigkeit von allen» mensch- lichen Satzungen aufgefaßt ward, so daß Christus als der alleinige HErr »und Heiland und der Glaube an ihn als das alleinige und vollkommen ausreichende Mittel zur Erlangung des Heils anerkannt wurde; Er war es, von dem das Chriftenthuni zuerst auf diese Weise mit völlig klarem Bewußtsein verkündigt ward. Je stärker nun die Opposition gegen das Princip, welches ihn beseelte, hervortrat, desto mehr mußte es ihm zur Beruhigung gereichen, wenn er selbst an einem Orte, wo dieselbe sich hervorthat, »das Evangelium in dem ihm eigenthiimlichen freien Sinne verkündigt hatte, da er dann um· so zuversiehtlicher hoffen konnte, das Andenken an seine Predigt, Ia auch die Liebe, welige die Gemeinde zu ihm·gewonn»en, werde sie dem vangelio, wie sie es von ihm gehört hatte, treu erhalten; lehrte ihn da egen die Erfahrung, daß selbst in solchen Gemeinden Jrrlehrer Raum ge- winnen konnten, wie dies z. B. bei»den galatifchen Christen der Fall war, so mußte es· ihn um so mehr beunruhigen, wenn in Gemeinden, in denen wohl in seinem Geiste, aber nicht von ihm selbst das Evange- lium Verkündigt worden war, Jrrlehrer auftraten, durch welche die Gläubigen in ihrem Glauben wankend gernacht werden konnten, so daß also gerade die Un- bekanntschaft ein natürlicher Grund zu besonderer Sorge sein mußte. (Huther.) » «) Der Zweck des Kampfes Pauly von welchem er vorhin geredet hat, ist die Förderung der Glau- bigen; dieser wird zunächst in den Worten aus- gesprochen: »auf daß ihre Herzen ermahnet werden«, da aber die Ermahnung, wo sie fruchtet, eine starkende, das Herz befestigende Wirkung hat, so ist der Aus- druck hier mit Beziehung aus diesen Erfolg zuber- stehen. Wie aber der Zweck des Kampfes Pauli der ist, daß seine Leser fest emacht werden gegen alle Verführung durch falfche ehre, so ist er weiter der, daß sie ,,zusamniengefaßt werden in der Liebe« zur Ueberwindung aller Streitigkeiten und Parteiungenz als das Ziel dieser Verbundenheit in der Liebe wird dann die erhöhete Einsicht in das Geheimniß Gottes hervorgehoben, niit welcher die Sicherung vor Ver- sührung von Christo, als dem alleinigen Inhaber aller wahren Weisheit, gegeben ist. (Olshausen.) Das gött- liche Geheimniß, in defsen volles 1ind selbstgewisses Colosser 2, 4—11. Verständniß der Apostel diejenigen, um die er sich ab- fort und abringt, eingeführt wissen will, ist nicht dasselbe, von dem er in Kap. 1, 26 f. gespro en hat, nicht das dort näher bestimmte, sondern ver ält sich zu ihm, wie in Ephes 3 das in V. 4 genannte zu dem in V. 9 näher bestimmten; es ist das Geheimniß Gottes, welches schlechthin Christus ist. Dieser ist persönlich die in Gott beschlossene und aus Gott e- offenbarte Wahrheit, und wird eben deshalb von i m gesagt, daß in ihm alle Schätze der Weisheit und der Erkenntnis; verborgener Weise innen sind. Wer ihn hat, der hat sie; wer Verftändniß hat von ihm, wer ihn erkannt hat, wie er ist, dem fehlt nichts, um sich auf alles zu verstehen (Weisheit), und es giebt iiichts, was seiner Einsicht sich verschlöfse (Erkenntniß 1. Cor. 12, 8; Röm. 11, 33). Wenn der Apostel sagt, daß alle Schätze der Weisheit und Erkenntniß in Christo verborgen liegen, so will er damit ausdrücken, daß man sie in ihm aufsuchen muß, weil sie nicht für die gemeinen Sinne offen da liegen, und daß man ihrer nicht anders mächtig wird, als indem man in ihn eindringt. (v. Hofinann.) Daß der Apostel bei diesem Ausspruch den Gegenfatz gegen die Jrrlehrer im Auge hat, geht aus deni Zusammenhange deutlich hervor; insofern nämlich diese Lehren verkiindigtem die sich aus dem göttlichen Myfterium von der Erlösung durch Christum nicht entwickeln ließen, sondern in einer, diesein fremden Weisheit ihreii Grund hatten. (Huther.) Die Gemeinde bedarf anderer Lehrsyfteme nicht, on- dern nur tieferer Auslegung des in Christo fchon Vor- handenen. (Braune.) 4. Jch sage aber davon [will mit dem eben V. 1 ff. Gesagten darauf hinaus Gal. Z, 17], daß euch niemand svon denen, die sich mit allerlei Trugschliissen an euch machen] betrüge mit ver- nunftigen sauf Ueberredung berechnetens Reden [vgl. Rom. is, i8]. Z. Denn ob ich wohl nach dem Fleisch nicht da svon euch abwesend] bin, so bin ich aber im Geist bei euch [1. Cor. 5, 3], freue mich und sehe lfreue mich, indem ich da, bei diesem meinem bei euch Sein im Geiste, sehe] eure Ordnung [euren wohlgeordneten Zustand 1. Cor. 14, 40] nnd euren festen Glauben an Christum [Kap. 1, 4]. Paulus hat den Colosserii die Beforgnisse, die er um sie hat, und fein hohes Anliegen, daß sie möchten oermahnt und vor Spaltungen bewahrt werden, nicht verschwiegen, weil er es darauf abgesehen hat, daß niemand sie betrüge mit vernünftigen Reden; der letzs tere Ausdruck, der im Grundtext die Kunst der Ueber- redung bezeichnet, eine Fertigkeit und Gewandtheih Tru schlüffe zu bilden, deutet darauf hin, daß die colofsischen Jrrlehrer gewiegte Dialektiker, geübte Sophisten waren, welche die Glaubensfundamente der dortigen Gemeinde durch logifche Fechterkiinste zu er- schütterii suchten und die Principien des paulinischen Christenthumsselbstin Fragestellten. Daß die Täuschung gelinge, ward um so eher von ihnen erwartet, als der poftel den Verführern nicht in eigener Person mit der Auctorität seines apostolischen Amts und dem Ge- wicht seiner geistigen Ueberlegenheit entgegenzutreten vermochte, und dieselben somit keinen geistig ebenbür- tigen Widerstand in Colossä fanden; aber dieser seiner leiblichen Abwesenheit ungeachtet vermag er doch an Ort und Stelle sich zu versetzen, nämlich im Geiste, und indem er es thut, freut er sich, der besorglichen Jn Christo liegen verborgen alle Schätze der Weisheit und der Erkenntniß 547 Zustände ungeachtet, mit ächt apostolischem Glaubens- muth, denn noch haben die Jrrlehrer eine eigentliche Störung und Verwirrung in der Gemeinde mcht her- vorbringen können, noch hatte Ordnung bei ihr, die äußere Eintracht und der Gehorsam gegen die Vor- gesetzten, nicht aufgehört und noch war die Gemeinde durch die Festigkeit ihrer Glaubensüberzeugung gegen die Angrifse wie durch ein Festungswerk eschützt (Schenkel.) Wie der Apostel vorhin den Colo fern be- zeugt hatte, daß er beständig für sie bitte, um sie da- durch dem HErrn treu zu erhalten, so bezeugt er ihnen jetzt in derselben Absicht sein beständiges Verweilen bei ihnen im Geist und seine Freude über das, was er bei ihnen wahrnimmt (Huther.) Nach V. 20 ff. scheint es, als ob Paulus nicht wohl Glaubensfestig- keit von den Colossern habe aussagen können; allein er riihmt diese vornehmlich in der Absicht, ihnen zu sagen, was er von ihnen erwartet. Dazu ist die Frage dort mehr oratorischer Natur und braucht nicht so verstanden zu werden, als wenn die Colosser den Jrrlehrern sich schon hingegeben gehabt hätten. (Olshausen.) b. Wie ihr nun sals das Wort der Wahr- heit mit der durch Epaphras geschehenen Heils- verkündigung zu euch gelangte Kap. 1, 5 ff.] an- genommen habt den HErrn Christum Jesum [Joh. 1, 12; 1.Cor.15, 1], so wandelt in ihm sindem ihr euch bei eurer ganzen inneren und äußeren Lebensführung von ihm als eurem nunmehrigen HErrn beherrschen laßt]; 7. Und seid fals Bäume der Gerechtigkeit und Pflanzen des HErrn, die ihr durch ihn ge- worden Jes. 61, Z] gewurzelt [Ephes. Z, 17] Und fals dem durch ihn gegründeten Tempel Gottes eingefügte Steine Ephes 2, 19 ff.; 1. Petri 2, 5] erbanet in ihm, und seid fest im Glauben [I. Eor. 15, 58], wie ihr [das zu sein von jenem eurem Lehrer ja] gelehret seid, und seid in demselbigen [im Glauben, indem ihr dessen beseligende Kraft immer mehr zu erfahren bekommt] teichlich dank- bar [für die reiche Gnade, die euch zu Theil ge- worden Kap. 1, 12 f.]. Dem vorhin ausgesprochenen Lobe in Betress des bisherigen guten Christenstandes der Colosser fügt der Apostel eine Ermahnung hinzu, in welcher er lehrt, daß ihnen es nichts nützen würde, daß sie Christum (den in Jesu von Nazareth erschienenen Christus als ihren HErrn) einmal angenommen, wenn sie nicht in ihm auch blieben. (Calvin. Wie in Gal. Z, 1 ff. die Galater, so weist hier die olosser der Apostel auf die Erfahrungen hin, welche sie zu Anfang ihrer Bekeh- rung gemacht haben; er bestärkt sie darin und ermun- tert sie, durch Dankbarkeit immer reicher zu werden. (v. Gerlach.) Des Apostels Aufniunterungswort: ,,wandelt in ihm« sagt noch mehr als die Nachfolge in seinen Fußtapfen; es deutet nämlich an, daß man u solchem Wandel, wie Er ihn gefigzrt hat, auch alle Kraft aus ihm nimmt, daß der andel eine aus Christo, dem Weinstock, gebrachte Frucht ist. (Rieger.) Jn dem: ,,seid gewurzelt und erbaiiet in ihm« sind zwei bildliche Bezeichuungen aus verschiedenen Ge- bieten hergenommen, um ein- und denselben Gedanken nach zwei verschiedenen Beziehungen auszudrücken; das ,,gewurzelt« stellt die Leser als Gewächse dar, die, einmal in hristo eingewurzelt, diesem Grund und Boden unablösbar angehören, das »erbauet« aber stellt sie als Steine dar, »die als Vestandtheile eines emporwachsenden Baues m und mit demselben fort und fort werden, was er selber wird, ein Tempel Gottes. (v. Hofmann.) Nachdem der Apostel den Colossern mit den eben erläuterten Worten gesagt hat, daß Christus der Grund ihres ganzen Lebens sein soll, sagt er ihnen nun mit den weiter folgenden Worten: ,,und·seid feste im Glauben, wie ihr gelehrt seid«, daß sie auf diesem Grunde sich immer mehr im Glau- ben befestigen sollen; die Zunahme im Glauben aber soll mit dem dankbaren Bewußtsein der seligmachenden Kraft desselben verbunden fein. (de Wette.) Die neue Ermahnung, daß die Colosser in ihrem Glauben reich- lich dankbar sein sollen gegen Gott, der sie dazu ge- bracht hat, knüpft sich der vorhergehenden um so pas- sender an, als die Danksagung für die empfangene Gnade nicht nur den Glauben selbst lebendig erhält, sondern durch jene Ermahnung der Glaube noch mehr als ein köstliches Kleinod hervorgehoben wird, so daß dariii für die Leser eine neue Aufforderung lag, treu in demselben zu beharren· (Huther.) Nur unter einer dreifachen Bedingung vermag das Glaubensleben zu gedeihen; wenn es nämlich ein festes, ein stets fort- schreitendes und ein dankbares ist. (Schenkel.) s. Sehet zu Wehr. 8,12], daß euch niemand betaube [dessen, was ihr jetzt habt, nämlich alle Schätze der Weisheit und Erkenntniß in Christo V. 3] durch· die Philosophie sdie man für eure ächte Weisheit euch bietet] und lose Verführnng [womit man euch eine Erkenntniß beibringen will] nach der Menschen Lehre [Mark. 7, 8] nnd nach der Welt Satzungen [Gal. 4, 3 Anm.], und nicht nach Christ« 9. sAber eben dadurch, daß jene Philosophie 1iicht nach Christo gerichtet ist, sondern über ihn hinaus oder um ihn herum gehen zu können ver- meint, offenbart sie sich von vornherein als lose oder nichtige Verführung.] Denn in ihm [den ich oben das Ebenbild des unsichtbaren Gottes nannte Kap. 1, is] wohnet die ganze Fülle der Gottheit [die ganze Fülle dessen, was Gott zu Gotte macht, oder des göttlichen Wesens] leib- hastig« sauf leibliche Weise, indem sie in ihm ja wirklich einen Leib angenommen und sich uns Leibesmenschen anschaubar und erfaßbar gemacht hat, vgl. Luk. Z, 22; ein über ihn Hinausgehen ist also ein unmögliches Ding, ein ihn Umgehen aber nichts als ein sich und Andere Berauben V. 8]. 10. Und ihr seid vollkommen [so voll- ständig mit allen göttlichen Heils-gaben ausgestattet Joh. 1, IS] in ihm, welcher ist das Haupt aller Furstenthnmer und Obrigkeit [der himmlischen Geister oder Engel Ephes. I, 21., daß diese nimmermehr» euch noch Größeres zu geben vermögen, als ihr in der Gemeinschaft mit Christo schon befitzet V. 18 f.]; 11. Jn welchem ihr auch lso daß ihr der ? jüdischen Beschneidung, zu der man euch über- ] reden will, schlechterdings nicht bedürfet] beschmi- 35V 548 Colosser 2, 12—15. ten seid mit der Beschneidung »ohne»Hiinde »[Eph·es. 2, 21], durch Ablegung des sundlichen Leibes im Fleisch [dadurch, daß euch das ganze sündliche Fleischeswesen des Leibes statt nur eines kleinen Theils von demjenigen Leibesglied, durch welches sich jenes von Geschlecht zu Geschlecht fortpflanztz jacihis- dund äzgeszogjen wxrdeå txincislåchfmtt dber Vg- nei Ung rii mit er ur ritum ewir- ten Beschneidung, auf die schon die des Mose Joh. 7, 22 als auf die höher stehende und einzig nothwendige hingewiesen hat 5. Mos. 30, 6· Ist. 4, 4«;» Rein. 2,»28· f.z Phil 3, 3], · « »in dem fnamlich ist solche Beschneidung Christi zur Ablegung des ganzen sündlichen Flei- scheswesens des Leibes Rbm. 7, b. 18 ff, an euch geschehens daß» ihr mit ihm begraben seid durch däechsaufcs [Ri;;i. eng» f.d 11]l;s in welgeisixh ihr a no gro erer na e, a jener e nei- dung ohne Hände, gewürdigt] seid auferstanden fzu einem neuen, von dem früheren ganz verfchie- denen Leben, das zum ewigen, himmlischen Leben sich verklärt Kap. Z, I] durch den Glauben, den Gott wirket [Ephes. 2, 8], welcher ihn auferwecket hat von den Todten [Ephes. I, 19 ff·], · · 13. Und hist euch [die Heiden] auch [gleich- wie uns, die Faden, vgl. Ephes 2, 1 u. b] mit ihm lebendig gemacht, da ihr todt waret in den Sünden [die ihr ohne alles Maß beginget Gal. 2, 15] und in der· Vorhaut eures Fleisches Egas ekuch gsanz uisevglligö Zhnesciärgendwelche Ein- rän ung einer a t, e err te, wie das euer Unbeschnittensein sinnbildlich zu erkennen gab Ephes 2, 11 f.]· und hat [was dagegen uns Juden-Zu gettrtiffh dieswirfizaskCjesetfil Måsis dvor VMU ct en UU gc cttc üc UU cll le wir wider dies Gesetz begangen], 14. Und ausgetilget [durch Löschung der in ihr enthaltenen Schuld] die [von uns niittels des Verpflichtungswortes in 2. Mos. 24, Z. 7 gegen ihn ausgestellte] Handschrift so [eben darum, weil wir dieses unser Wort so gar nicht gehalten, son- dern das Gesetz allüberall übertreten hatten Gal. T, IS] wider uns war sindem sie uns als schwere Schuldner am Gesetz verklagte], welche sHandschrift aber zugleich auch] durch Satzungen entstund und uns entgegen war lLuther hat hier nicht blos über- seht, sondern auch erklären·wolle·ii, jedoch mit sei- tiäer lcsfrklaråiltig diäs szichggetz nicht getrofgen —t— ir een o: ur a ungen un en - gegen war, die wir überhaupt nicht zu halten vermochten], nnd hat sie [darum, damit wir von ihr als von einen! unerträglichen Joch Apostg. 15, 10 befreit wurden] aus »dem Mittelgethan Hals sietltlvas ldagongkrsfhind nEcht mekhrd dieh Rede ein o , vg. . . un zwar aur aus dem Mittel gethan, daß er sie hat] an das Kreuz geheftet [wo sie denn nun nicht mehr lautet: ,,thue das, so wirst du leben«, sondern: »glaube an den HErrn Jesum Christum, so wirst du selig«J; 15. Und hat ausgezogen [ihres Harnisches entkleidet Luk. 11, 211 die Fiirstenthiimec und die Gewaliigen [die bis dahin die Uebermacht über das menschliche Geschlecht hatten verinöge der Sündenherrschafh der es sich nicht zu entwinden vermochte Luk. n, 20], und sie Schau getragen fzu ihrer Schande] össentlich [daß jedermann sie nun für gänzlich überwunden und machtlos er- kennen kam! Joh- 16- 11], und einen Triumph aus ihnen gemacht fihm selbst zur Ehre] durch sich selbst*" fnach besserer Lesart: durch das- selbige, 1iämlich durch das Kreuz, von welchem am Schlusse des vorigen Verses die Rede war]. «) Der Apostel spricht nunmehr eine offene War- nung vor der falschen Philosophie aus, wie die colos- sischen Jrrlehrer sie verbreiteten, eine Warnung, die aber erst in V.16 wieder aufgenommen unds ecieller durchgefiihrt wird, während in V. 9—15 der edanke ausgeführt ist, wie man von Christo nicht weichen dürfe, da in ihm alles zum Heil Nothwendige gegeben sei. (Olshausen.) Philosophie ist die methodifche Bemühung um eine Erkenntniß, welche das Ergebnis; derselben sein soll; sie bildet hier den Gegensatz zu derjenigen Weisheit, welche nach V. 3 dem Christen damit eignet, daß er Christum im Glauben erkannt hat (1. Cor. l, 30). Die Leser. sollen also sich nicht um ihre Weisheit bringen, ihren Glauben, in welchem sie diejenige Weisheit, um die es sich hier handelt, nämlich die Erkenntnis; des Verhältnisses Gottes und der Menschheit, schon besitzen, nicht irren lassen durch die vom Glauben unabhängige Bemühung um eine erst zu findende Weisheit; denn auf dem Gebiete, innerhalb dessen sich der Apostel seinen Lesern gegen- über bewegt, hat eine Denkthätigkeih die mit mensch- lichen Mitteln nach Erkenntniß strebt, keinen Raum, weil dieses Gebiet dem Glauben angehört, der die alleinige und volle Erkenntnis; besitzt, und wer gleich- wohl ihr Raum giebt, vertauscht die heilsgeschichtlich- geoffenbarte gewisse Wahrheit gegen das Ergebniß eines in dieser Richtung nur irrthumsfähigen Denkens. Daher ist das Verauben dur Philosophie zugleich ein Verauben durch lose Verfü rung oder leeren Be- trug: für Wahrheit giebt sich die Frucht jener auf fremdes Gebiet verirrten Denkthätigkeih aber betrügt den, der sie dafür nimmt, indem sie alles wahrhaften Inhaltes entbehrt. An ,,lose Verführung« schließt sich dann das ,,nach der Menschen Lehre und nach der Welt Satzungeiy und nicht nach Christo« näher be- stimmend an; dieser Beisatz besagt nämlich, was für jene Philosophie das Maßgebende ist und daß nun en dadurch, d dies, und nicht Christus, für sie maßgebend ist, während sie doch auf dem Gebiete des Glaubens Platz greifen will, sie den Namen einer losen Verführung verdient. (v. HofmannJ Wenn-der Apostel von »der Menschen Lehre« redet, nach welcher das, was die Jrrlehrer den Colossern mit ihrer Philo- sophie und losen Verführung an Stelle ihres einfälti- gen Christenglaubens bieten, sich richte, worauf es sich gründe, so wird diese Lehre als eine folche, die von Menschen herrührt, der«enigen, die von Gott stammt (1. Cor. U, L; 2. Thess 2, 15; Z, 6), entgegeiigesetztz es liegt in dem Ausdrucke das Unzuverlässige, Un- gewisse, das daher auch nichts zum wahren Heil bei- Jn Christo wohnet die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig. 549 tragen kann, im Ge ensatz gegen das Wverlässigg von Gott geosfenbarte ort. (Huther.) enn schon der Ausdruck: »der Menschen Lehre«, der im Grundtext verwandt ist mit den in Matth. 15, 2 vorkommenden, von den Pharisäern so hoch gehaltenen, in Mark. 7, 7 f. ebenfalls als Menschengebote bezeichneten »Auf- sähen der Aelteften« darauf führt, daß es sich in Colossä um eine von Juden ausgehende Jrrlehre handelte, so wird dies bestätigt durch den weiter fol- genden Ausdruck: »der Welt Satzungen«, der hernach m V. 20 wiederkehrt und bereits in Gal. 4, 3 u. 9 uns begegnete; er bezieht sich auf das jüdische Ceri- monialgesetz, an welches jene Jrrlehrer sich anschlossen, ja zum Theil über dessen Bestimmungen noch hinaus- gingen. Das jüdische Ritualgesetz hatte es als solches zunächst mit Dingen der Welt, mit sichtbaren, äußer- lichen, vergänglichen Dingen zu thun, als mit Speise, Trank, Waschungety Opfern u. . w.; als nun die Wahrheit selbst gekommen war, war es verkehrt, auf diese äußerlichen Dinge zurückzugehen, welche jene nur abbildeten oder auf sie hinweisen sollten, und führte solches Beginnen geradeswegs in den Dienst der Welt zurück, die Jrrlehrer aber erklärten die Enthaltung von gewissen Speisen und Getränken, überhaupt eine strenge Askese für nothwendig zum Sicherheben in die Geisterwelt, mit welcher man sich in Verbindung bringen müsse, um zur wahren Erlösung zu gelangen. Christum dagegen erkannten sie nicht an als den HErrn und als das Haupt über alles, überhaupt nicht als das A und O, wie ihn der Apostel in Kap. 1, 15 ff. beschrieben hat; darauf beziehen sich die Schluß- worte des Verses: »und nicht nach Christo.« (Bähr.) sit) Die Art und Weise, wie die Gesammtheit dessen, was das göttliche Wesen ausmacht, in Christo wohnt, wird um deswillen als eine leibliche bezeichnet, weil der, welchem sie einwohnt, ein leiblich Lebender ist; wäre er das nicht, so könnte auch nicht von einem leibhaftigen Einwohnen der ganzen Fülle des göttlichen Wesens in ihm die Rede sein. So wenig man von Gott sagen kann, daß ihm die ganze Fülle dessen ein- wohne, was das Wesen Gottes ausmachh ebensowenig kann man es von Christo sagen, wenn man von dem- jenigen Sein spricht, in welchem er ura11sänglich Gott gewesen ist bei Gott (Joh. 1, I ff.): nur von dem Menschgewordenen, durch die Leiblichkeit seines Lebens von Gott Unterschiedenen läßt es sich sagen; und da ist nun das Große und Wunderbare dies, daß ein leiblich Lebender alles in sich schließt, was Gott, der da Geist ist, zu Gotte macht· (v. Hofmann.) Christus ist hiernach das anschaubare gott-menschliche Eben- bild des unsichtbaren Gottes; in dieser Glorie, als Jnhaber der in ihm leiblich wohnenden Gottheit, wird er auch bei seiner Wiederkunft erscheinen, welche Er- fcheinung daher als wirkliche Erfcheinung der Herrlich- keit des großen Gottes sichtbar sich darstellen wird (Tit. 2, 137 l. Joh. Z, 2). Das unterfcheidende Mo- ment dessen, was hier und was in Kap. 1, 19 von Christo ausgesagt wird, beruht darin, daß hier die Fülle metaphysisch, d. i· von dem göttlichen Wesen, dort aber charismatisch, d. i. von der göttlichen Gnade enteint und das Wohnen hier in gegenwärtiger Fzermanenz dort aber historisch (von Christi geschicht- licher, irdischer Erfcheinung) gedacht ist. (Meher.) Die Gottheit selbst vereinigte sich auf’s Jnnigste mit einem leibhaftigen Menschen und wohnet noch jetzt in ihm, wo er nun in verklärtem Leibe zur Rechten Gottes erhöhet ist: nicht in sinnbildlicher Erfcheinung, wie im Tempel über der Bundeslade, sondern in Wahrheit; nicht durch Einwirkung auf ihn, wie in Mose und den Propheten, sondern durch persönliche Vereinigung mit ihm; nicht um vorübergehend bei ihm einzukehrem sondern immerdar in ihm zu wohnen; nicht in einem Leibe und einer Seele, die einer andern Person ge- hören, sondern in einer Seele, einem« Leibe, die ihr ansschlieszlich eigen sind. (v. Gerlach.) IN) Was von Christo gilt, sagte der Apostel in V. 9: was von den Lesern vermöge dessen gilt, daß sie Christum haben und Christi eigen sind, sagt er von V. 10 an. Sie sind in ihm vollkommen oder, wie es wörtlich heißt, erfüllt; womit erfüllt, das verstand sich dem Bewußtsein der Leser von selbst, es ist die charismatische Erfülltheih welche Christen aus der in Christo wohnenden metaphysischen Fülle, der Fülle der Gottheit (vgl. zu V. 9), vermöge ihrer Lebensverbin- dung mit ihm, in welchem nach Kap. l, 19 auch alle charismatische Fülle wohnt, empfangen haben und fortdauernd besitzen. Beruht aber in Ihm, sonst in nichts und in Keinem weiter, das Erfülltseim so ist alles jenes Andere, was man die Colosser lehren und womit man sie ,,nicht nach Christo« gängeln will, nur eine Beraubung und lose Verführung. Zunächst nun haben sie nichts zu erwarten von Engelmächtem denn diese sind ja Christo als ihrem Haupte unter- geordnet, sie selbst dagegen stehen mit dem Höherm, mit Christo, in unmittelbarem Verbande: was soll ihnen also jener Engeldienst helfen, auf welchen die Jrrlehrer sie hinweisen? Sie haben aber auch nichts u suchen in der durch Menschenhände bewirkten Be- schneidun , da sie diejenige Vefchneidung, die in der That und ahrheit alles das zuwege gebracht at, worauf jene nur hinweisen sollte, bei ihrer Taufe s on empfangen haben: in der Todes- und Begräbniß- gemeinschaft mit Christo, in die man da eintritt, wird nicht ein Stück blos des sündlichen Verderbens ab- gelegt, sondern der ganze alte Mensch getödtet und begraben, auf daß der sündliche Leib aufhöre, daß man hinfort der Sünde nicht diene (Röm. 6, 67 Gal. 5, 24). Jn den Worten: »in welchem ihr auch seid auferstanden durch den Glauben«« will der Apostel offenbar ein neues Moment dafür beibringen, daß die Colosser in Christo vollkommen oder mit allem aus- gestattet seien, was sie zu ihrer Seligkeit bedürfen; denn die Worte entsprechen ihrem Anfange nach genau den Anfangsworten des 11. Verfes. Und zwar han- delt es sich nunmehr um das neutestamentliche Gegen- stück zu dem alttestamentlichen Gesetz, auf welches die colossifchen Jrrlehrer sich ebenfalls steiften, wenn auch nicht in demselben Maße und nach derselben Theorie, wie die galatischen (V. 16 f. u. 20 ff.); es ist aber der Glaube, durch welchen der Eintritt in den neuen Bund geschieht, der Glaube an den auferstandenen Christus von Seiten derer, die zuvor durch die Taufe mit ihm begraben sind in den Tod, der Glaube, von demselben Gott bewirkt, der Christum auferweckt hat von den Todten, und vermöge der in ihm liegenden Gotteskraft ebenso ein neues Leben in den Gläubigen wirkend, wie für Christum auf seine Auferstehung ein neues Leben folgte, in welchem er mit Sünde und Tod hinfort nichts mehr zu schaffen hatte, sondern allein Gotte lebte (Röm. 6, 4 fs). Wenn Luther zu Anfang des 13. Verses übersetztt »und hat euch auch mit ihm lebendig gemacht«, so enthält allerdings der Grundtext dieses ,,auch« nichtunmittelbar, sondern die Worte lauten eigentlich: »und hat euch, da ihr todt waret in den Sünden und in der Vorhaut eures Flei- sches, euch lebendig gemacht mit ihm«; es läßt sich aber gar nicht verkennen, daß der Apostel mit dieser Wiederholung des ,,euch« darauf Bezug nimmt, daß die Colosser der überwiegenden Mehrzahl nach Hei- den gewesen, und sie den Juden gegenüberstellen will, 550 Colosser 2, 16—-23. die sich des Gesetzes rühmen durften, daher Luther’s »auch« sich in der Weise, wie wir es oben erläutert haben, recht wohl beibehalten läßt. Sünder aus den Heiden sind sie gewesen in dem Sinne, in welchem uns der Ausdruck in Gal. 2, 15 begegnete; aus diesem Tod der Sünden, wie er ja in derselben Art bei den Juden nicht vorlag, hat sie Gott lebendig gemacht, daß sie nun in einem neuen Leben wandeln und in solchem Leben einer Auferstehung auch in leiblicher Beziehung entgegengehen. Er konnte aber das erst da thun, als er zuvor den Andern, nämlich den Juden, geschenkt hatte alle Sünden und zugleich die Verp ich- tung zum mosaischen Gesetz, welche der alte und ihnen auferlegte, für sie aufgehoben; denn ohne Zweifel redet der Apostel mit dem ,,uns« nun von demjenigen Volke, dem er selber angehörte, und schließt in dies Wörtlein auch diejenigen ein, die mit ihrer Jrrlehre allerlei Satzungen des Gesetzes wieder aufrichten woll- ten, um sie zu besserer Einsicht in das Wesen des neuen Bundes und dessen Verhältniß zum alten Bunde anzuleiten. Nicht das Gesetz selber meint Paulus, wenn er von einer Handschrift«redet, denn es ist von einer Schuldverschreibung die Rede, welche die Juden an Gott ausgestellt hatten, nicht aber von einer solchen, durch welche Gott sich zu einer Zahlun an Jsraelverpflichtethatte Auch ist nicht das Gesetz elber ausgelöscht und aus dem Mittel gethan und an’s Kreuz geheftetworden (Matth. 5, 17 f.); wohl aber ist das mit derjenigen Handschrift gesche en, welche bei der Bundesschließung am Sinai das olk für Gott damit ausstellte, daß es sich in feierlicher Weise, unter Vollziehung eines Bundesopfers, zur Haltung des Gesetzes verpflichtete Diese Verpflichtung war denn einerseits wider die al-ttestamentlichen Bundes- glieder, denn sie machte alle Sünden, die sie begingen, zu straf- und verdamniungswürdigen Uebertretungen des Gesetzes, zu einem Bundesbruch, zu einer schweren, unbezahlbaren Schuld; und so ward nun auch die Vergebung der Sünden nicht blos zu einem einfachen Gnadenerlaß für sie, sondern zu einer Auslöschung ihres Schuldbriefs, zu einer Vernichtung desselben. Sie war aber auch andrerseits, diese Verpflichtung, gegen sie, stand als eine Macht ihnen gegenüber, welche ihnen den Weg des Heils versperrte; denn sie hatten mit ihr Satzungen (Ephes. Z, IS) auf sich genommen, welche, wie sie bisher dieselbigen nicht ge- halten und damit schwere Schuld auf sich geladen, in ihrer bisherigen Befchassenheit auch ferner sie nicht würden halten können (Röm. 8, 7). Darum genügte das bloße Auslöschen der Handschrift durch Austilgung der bisher ausgelaufenen Schuld für Jsrael noch lange nicht; es mußte dieselbe als eine Verpflichtung zu Satzungem welche zwar für sich selber heilig, recht und gut sind (Röm. 7, 12), gleichwohl denjenigen, der sich zu ihnen verpflichtet, nicht dahin lebendig machen können, daß er seine Verpflichtung auch zu halten im Stande sei (Gal. Z, 21; Röm. 8, 3), gänzlich aus dem Mittel gethan und also der alttestamentliche Bund durch einen neutestamentlichen erfetzt werden (Hebr. 8, 6 sf.). Diese Ersetzung des alten Bandes durch einen neuen oder die Umwandlung des einen in den andern drückt der Apostel kurz und be eichnend mit den Worten aus: »und hat sie (die Hand chrift) an das Kreuz geheftet«. Gewöhnlich denkt man dabei an ein Durchlöchern, als wäre hier wieder eine Außerkrastsetzung oder Ungiltig- machung gemeint (Luther: ,,er macht ein Loch dadurch und zerreißt’s, daß sie, die Handschrifh nicht mehr elten und uns beschuldigen soll«), aber für diesen Zweck chlä t man ja doch eine Handschrift nicht an einer für alle sichtbaren Stelle an, sondern löscht sie aus oder zerreißt sie; sondern ein solches Anschlagen oder An- heften geschieht vielmehr für den Zweck, daß jeder- mann nach dem Angehesteten blicken, es lesen und sich darnach richten kann. Wir müssen daher der Auffassung v. Hofmann’s Recht geben: »Bei dieser Anheftung an’s Kreuz handelt es sich nicht sowohl um die Ver- gebung der Sünden, als um die Umwandlung der sinaitischen Verpflichtung Jsraels in den mit dem Kreuzestode Christi gegebenen Thatbestandx der Ge- kreuzigte will für den Heiland, sein schmachvoller Tod für die Sühnung der Sünden seines Volks erkannt sein, diese Forderung, die Forderung des Glaubens an ihn, ist am Kreuze zu lesen, in sie hat sich dort die gesetzliche Forderung verwandelt« Die Richtigkeit dieser Erklärung wird um so mehr einleuchten, wenn wir an das Wort Christi in Joh. Z, 14 s. erinnern, womit er den GeseFesmann Nieodemus auf sein Kreuz, das ihm am Schlu se seiner Laufbahn bevorsteht, hin- weist, daß derselbe beizeiten dahin seine Blicke ri ten lerne, um hinter das Geheimniß der Wiederge urt und der Freiheit eines Wiedergeborenen von geseh- lichen Verpflichtungen zu kommen. Auch für die Er- klärung des schwierigen 15· Verses geben uns Worte aus Christi eigenem Munde, auf die wir oben in den Citaten verwiesen haben, die nöthigen Fingerzeigr. Der Apostel hat vorhin in Beziehung auf die Gläu- bigen aus Israel einen ganz ähnlichen Gedanken ausgesprochem wie den in Röm. 6, 14: »die Sünde wird nicht herrschen können über euch, sintemal ihr nicht unter dem Gesetz seid, sondern unter der Gnade«; da hat er nun in Beziehung auf die Gläubigen aus den Heiden die Para ele zu ziehen, wie denn auch der 15. Vers seiner Construction nach im Grundtext gan dem 14. Verse parallel läuft. Wenn aber nach Ephesk 2, 2 die Heiden unter der Macht der bösen Geister unter demHimmel standen, von dersie sich nicht selberlos- machen konnten, so ist für sie das Heil gekommen durch die ebenfalls mittels des Kreuzes Christi ge- schehene Ueberwindung dieser Macht (vgl. Joh. 12, 31 sf.), so daß nun, wie der Apostel in Ephes 2, 17 gesagt hat, im Evangelio Friede Verkündigt wird denen, die ferne waren, den Heiden, und denen, die nahe waren, den Juden. Es ist möglich, daßdie eolossischen Jrrlehrer, gleichwie sie zeigen wollten, wie man durch selbsterwählte Geistlichkeit und Demuth mit den gutenEngeln sich in Verbindung bringen könne, so auch ihre Kasteiungen für den Zweck anpriesen, da- mit man sich dem Einfluß der bösen Geister entziehe (V. 23); darin hätte es dann seinen Grund, warum Paulus hier in so gehäuften Ausdrücken die von Gott selbst in Christo schon bewirkte Ueberwindung und änzliche Unschädlichmachung dieser Mächte betont und amit die Philosophie jener Jrrlehrer als ebenso über- flüssiges Gerede, wie als lose Verführung brandmarkh 16. So lasset nun [weil, wie vorhin gesagt V. 14., die Handschrift aus dem Mittel gethan und an das Kreuz geheftet ist, ihr also nicht mehr an das alttestanientliche Ritualgesetz gebunden seid, sondern einzig an Christum den Gekreuzigten zu glauben habt] niemand euch Gewissen machen über Speise oder uber Trank sals müßtet ihr des einen oder andern, was zur Nahrung dient, euch ent- halten V. 21; Röm. 14, 2. 17], oder über he- stimmte Feiertage oder Neumonde oder Sabbathe sals hättet ihr die im Gesetz verordneten Zeiten 1· Ehron. 24, 31; 2. Ehron. Z, it; 31, 3 noch in pflichtmäßiger Weise zu halten Gal. 4, 10]; Sehet zu, daß euch niemand beraube durch die Philosophie und lose Versührung 55l 17. Welches [alles, was der alttestamentliche Bund in dergleichen Dingen angeordnet hat] ist der [vorlaufende] Schatten von dem, das znkunstig war sder künftig eintretenden neuen Heilsanstalts aber der Körper selbst sder den Schatten vor sich her warf] ist in Christo« [Hebr. 8, b; 10, 1]. 18. Lasset euch niemand das Ziel [nach wel- cheni ihr der himmlischen Berufung Gottes in Christo Jesu gemäß zu laufen habt Phil. Z, 14; 1. Cor. 9, 24] verrücken [daß ihr etwa die Weise eines solchen annehmen wolltet], der nach eigener Wahl einhergehet in Demuth und Geistlichkeit der Engel [auf das, was der Sinnenwelt angehört, verzichtend und dagegen in Dinge sich versteigend], deß er nie keins gesehen hat ffondern die bloße Phantafiegebilde sind 1. Tim. 1, 4; Tit. 3, 9], und ist ohne Sache sohne Grund und Ursache] ausgeblasen inseinem fleischlichen Sinn [indem er bei sich denkt, er werde auf dem von ihm ein- geschlagenen Wege ein Ausbund von Heiligkeit werden, während er doch in Wahrheit ein vom Fleische beherrschter, eigensüchtiger Mensch bleibt]; 19. Und hält sich [bei seinem Haschen nach Demuth und Geistlichkeit der Engel] nicht an dem Haupt, aus welchem der ganze Leib durch Gelenke und Fugen Handreichung empfiiht [fo daß kein Glied anders woher als von ihm, und auf anderem, als dem für Alle geordneten Wege, etwas zu er- langen hoffen darf] nnd an einander sich enthält [an- oder festhält 2. Chron· 32, 22., so daß, wer dagegen sich separirt und etwas für sich fein will, damit aufhört ein Glied an diesem Leibe zu sein], und also wcichst sder Leib, die Gemeinde] zur göttlichen Größe« saußerdein aber giebt es kein Wachsthum zu dieser Größe, sondern nur ein Verkümmern und Verkommen Ephes 4, 15 f.]. 20. So ihr denn nun fals ihr bei eurer Taufe in Christi Gemeinschaft eintratet V. 12] abgestorben seid mit Christo den Satzungen der Welt [von denen in V. 8 die Rede war Gal. 2, 19], was lasset ihr euch denn fangen [beffer: was sucht man denn euch zu fangen] mit Satzun- gen, als lebtet ihr noch in der Welt [gehörtet noch mit eurem religiösen Leben dem Kreise der Welt an, für welche allerdings dergleichen Satzun- gen sich schicken]? 21. Die [nämlich suchen mit solchen Satzungen euch zu sahen, die] da sagen: Du sollst das [als z. B. Fleisch oder Wein V. 16; 1. Tim. 4, Z] nicht angreifen, du follft das nicht kosten, du follft das nicht anrührewW sum dich nichtdaran zu verunreinigen] ; « 22. Welches swas sie mit solcher ihrer Satzung eurem Genusfe entziehen wollen] sich doch alles unter Händen verzehret [Matth. 15, 17., also in Wahrheit für das innere christliche Leben durch- aus nicht schädlich sein kann, wie sie euch ein- reden wollen], und ist siiberhaupt ihr ganzes Ge- rede V. 21 nichts als] Menschengebot und [felbft- ersonnene]»Lehre lso daß ihr gut thut, wenn ihr m keinerlei Hinsicht an solche Leute euch kehret, sondern sie euch vom Halse haltet Matth. 15, 7 ff.], 23. Welche haben einen Schein lzwar den Ruf, aber nicht den wirklichen Besitz] der Weis- heit, shaben solchen Schein bei solchen, die der Sache nicht auf den Grund sehen, sondern durch Aeußerlichkeiten sich täuschen lassen] durch selbst- erwählte Geistlichkeit und Demuth [V. 18] und dadurch, daß sie des Leibes nicht verschonen fwas denn in den Augen der großen Menge sie als starke Tugendhelden erscheinen läßt] nnd sdaß sie, welcher Umstand sie vielmehr für ausgeblasen in fleischlichem Sinn V. 18 erkennen läßt] dem Fleisch nicht seine Ehre thun zu seiner Nothdurfts [Röm. 13, 14; I. Tini. 4, 1]. V) Die tiefergreifende Schilderung, welche der Apostel von der Würde der Person und der Bedeutung des Werkes Christi vorhin entworfen hat, giebt ihm nun Veranlassung, um so viel mehr die Colosser zum Wider- stande gegen das neue Satzungsjoch der Jrrlehrer auf- zufordern; diese hatten, wie unsre Stelle bekundet, eine theosophischmscetische Richtung, in welcher sie die älteren mosaischen Satzungen durch die Strenge ihrer Anforderungen noch überboten Jn Betreff der Sp eis e scheinen sie insbesondere auf strenge Beobachtung der jüdischen Speisegesetze gedrungen zu haben; ob sie allen Fleischgenuß, wie die Aseeten in Rom, ver- worfen haben, läßt sich aus dem Zusammenhange nicht ermitteln. Das im alten Testament lediglich für die Nasiräer und die dienstthuenden Priester ertheilte Ver- bot des Weingenusses (4. Mos. 6, Z; s. Mos. 10, 9) kann bei Erwähnung des Trankes nicht gemeint sein; vielmehr galt jenen Jrrlehrern wohl jeder Weingenuß für sündlich. (Schenkel.) Wenn der Apostel diejenigen römischen Christen, welche sich solchen Ge- nusses, wie Fleisch und Wein, enthalten zu sollen meinten, geschont wissen wollte, und auch dagegen nichts einwendet, daß Einer verschiedene Tage verschieden halten zu sollen meinte (Röm. 14, 5 sf.), so hat er es dagegen jetzt mit solchen zu thun, die aus beidem ein Gesetz für die Chrigtenheit machten, dessen Be- obachtung einen unerlä lichen Bestandtheil christlicher Heiligkeit bilde, und dem mußte er wehren; -es han- delte sich bei den colossischen Jrrlehrern um eine Hei- ligkeit des Lebens, welche für alle Glieder der Ge- meinde die gleiche sein müsse, daher erinnert er, daß alle dergleichen Dinge, insbesondere die alttestamenti lich heiligen Zeiten, zu dem, was in und mit Christo vorhanden ist, sich wie der Schatten zum Leibe verhalten. (v. Hofmann.) Christus und seine Wirkung in der Menschheit ist das Zukünftige, dessen Schatten das alte Testament mit seinem symbolisch-typischen Charakter bildet; in dem Gegensatz von «Schatten« und ,,Körper« liegt zunächst die Idee der Nichtigkeih Unwesenhastigs keit des Schattens, verglichen mit dem Körper, der ihn bildet, aber weiter auch die Analogie zwischen Schatten und Körper. Dieser, der Körper, bildet sich in dem Schatten ab, der ein Bild von ihm darstellt; so ist auch das alte Testament ein Schattenriß des neuen, ein Symbol und Typus Christi, seines Werkes und seiner Kirche. (Olshausen.) Seit Christus erschienen ist, steht die Sonne der göttlichen Offenbarung nicht 552 Colosser 2, 23. mehr hinter uns, wie es bei den Gliedern des alten Bundes der Fall war, fiir die der Schatten ein vor- laufender war, daraus sie merken konnten, was da zukünftig sei; sondern sie steht vor uns, und wirft nun der Körper seinen Schatten rückwärts, daß wir aus dem, was Christus uns gebracht hat, verstehen, was die Weissagungen und Bestimmungen des alten Testaments bedeuten sollten. DE) Während sich die erste Abmahnung des Apostels auf die falsche Ascetik der Jrrlehrer bezieht, so be- zieht sich die zweite auf ihre verkehrte theosophische Speculatiom Gegenstand dieser Speculation waren nach unsrer Stelle die Verhältnisse der unsichtbaren Welt, insbesondere die Beschassenheit und Bedeutung der Engel· (Schenkel.) ,,Lasset euch niemand das Ziel verrücken« oder Nebenlauft zurichten nach dem Kleinod: was ist das anders, denn vom Glauben, der da ist allein der einige rechte We zum Kleinod der Selig- keit zu laufen, aus selbst erksonnene Werke führen und durch andere Wege gen immel streben, und vorgeben, das sei die Bahn zum leinod? (Luther.) Dadurch, daß die Engel Geister sind, ist das, was der körper- lichen Welt angehört, als ein ihrem Wesen Fremd- artiges ihrer genießenden Aneignung entnommen; da besteht denn ihre Demuth darin, aß sie sich willig innerhalb der ihnen hierdurch gezogenen Schranke halten und nicht nach dem begehren, was der Mensch in dieser Beziehung vor ihnen voraus hat. Wenn nun Menschen solche ihre Demuth zu ihrer Tugend machen, so begeben sie sich in irgend einem Maße dessen, worauf sie vom Schöpfer angewiesen sind, und leisten theilweisen Verzicht auf das, was den Menschen im Unterschiede von den En eln zusteht; damit hängt dann die Geistlichkeit zusammen, in der sie nach Art der Engel Gott dienen wollen. Der Engel Gottes- dienst ist, ihrem Wesen entsprechend, eine Selbstbe- gebung an Gott, bei welcher zwischen ihnen, den Geistern, und ihm, der da Geist ist, keine andere Schranke besteht, als die zwischen dem Schöpfer und seinen Geschöpfen. Solchen Gottesdienst sucht dann derjenige nachzuthun, freilich nur in dem Maße, wie es einem Menschen eben möglich ist, der sich, soviel er kann, seiner Leiblichkeit entäußert und insoweit in Geistlichkeit sich Gott anbetend darstellt, als er dessen sich entäußerh was ihm zu leiblichem Genusse gegeben wäre. Es ist aber, wie der Apostel bemerkt, Thorheih wenn jemand der Engel Demuth und Geistlichkeit sich erwählt und damit etwas zu seinem Verhalten niacht, davon er doch nichts gesehen hat, indem man das, was man nicht gesehen, auch nicht nachmachen kann; ein solcher läßt sich nur, was er sich selber vorstellt, Gegenstand des Wohlgefallens und der Nachahmung sein. Wie nun die Erwählung der Demuth und Geist- lichkeit der Engel zusammenhängt mit einem Forschen in’s Blaue hinein, so bringt sie auch, wie Paulus weiter sagt, eine Ausgeblasenheit hervor, welche in die Kate orie der fleischlichen Sinnesart gehört; denn der Menxsch will da etwas vorstellen, was er nicht ist, und unterfängt sich dessen, das er nicht vermag. Es wird dann schließlich von den Leuten dieser Art auch das verneint, ohne was es kein chrisiliches, weil kein ge- meindliches Wachsthum giebt: sie halten sich nicht an dem Haupt. Was Einer außer Zusammenhang mit Christo an Frömmigkeit oder heiliger Erkenntniß zu- Wnehmen scheint, ist dem von Christo ausgehenden achsthum fremd, an welchem der Einzelne als Glied der Gemeinde Theil hat; denn das ist das Eigenthüm- liche dieses Leibes, daß jedes Glied desselben mittelbar je an seiner Stelle und doch zugleich unmittelbar mit dem Haupte zusammenhängt (v. HosmannJ IN) Der Apostel hilft den Lesern, sich derer zu erwehren, die ihnen ihre Gebote aufdrängem indem er sie erinnert, wodurch sie darüber hinaus seien: sie sind mit Christo gestorben, und diese ihre Selbstbetheiligung an seinem Sterben, welche selbst ein Sterben war, hat der BeziehunH ein Ende gemacht, in welcher sie vor- dem für ihr erhältniß zu Gott zu den Satzungen der Welt (Gal. 4, 3 Anm.) gestanden hatten; denn Christus ist allerdings, solange er in seinem Fleisches- leibe lebte, wie unter das Gesetz Jsraels, so auch unter die Satzungen der Welt, mit denen das Gesetz zu schaffen hat, gethan gewesen. Wie nun Er damit, daß er starb, dessen ledig geworden ist, so wird der Christ es auch durch den inneren Vorgang, welcher ihn de sen, was in Christi Sterben ein für alle Mal als Abschluß des bisherigen Standes der Menschheit geschehen ist, mittheil aft macht. (v. HofmannJ Lebt man noch in dieser elt, dann dient man ihren Elementen, deren Gott sich in seinem Gesetz bediente, um in der Zeit der Kindheit die höheren, ewigen Wahrheiten darunter abzubilden, deren Dienst aber, wenn das volle Licht der Wahrheit aufgegangen ist, Zu einer Knechtschaft der Welt wird. (v. Gerlach.) ei der ewöhnlichen Fassung des im Grundtext stehenden Wortes (als Medium) die auch Luther befolgt at: »was lasset ihr euch denn fangen mit Satzungen « würde ein Tadel der Leser herauskommen, und das »als lebtet ihr noch der Welt«, d. i. noch nicht ihrem Lebenskreise ent- hoben, würde die Unangemessenheit ihres Verhaltens zu ihrem Christenstande ausdrücken, welcher Vorwurf dem sonstigen Inhalt des Briefes nicht entspräche; vielmehr bezeichnet das: »als lebtet ihr noch in der Welt« die falsche Betrachtungsweise des Christenstandes der Leser von Seiten der Jrrlehreiz welche eine solche Stellung gegen sie einnahmen, als wären sie noch iiicht der Welt entstorben, was sie doch durch ihre Gemein- schaft mit Christo sind. Die Worte: »du sollst das nicht angreifen, du sollst das nicht kosten, du sollst das nicht anrühren« sind eine lebendig concrete Darstellung der betreffenden Satzungen in einer in’s Kurze gefaß- ten Nachahmungde sen, was die Jrrlehrer zu sagen pflegten; die dreifache Bezeichnung drückt das Ange- legentliche der hastigen Enthaltungsforderung aus. Was als Gegenstand dieser gebotenen Enthaltung ge- meint sec, wußte der Leser, die Weglassun macht die Darstellung nur desto lebendiger und straffgerz aus den Worten selbst aber erhellt, daß die Verbote gewisse Speisen und Getränke betrafen, den Geschlechtsumgang dagegen, an den Manche ebensalls haben denken wollen, hat man nicht mit einzumischen (Meyer.) f) Gott will den Leib geehret haben, d. i. er soll sein Futter, Kleider &c. zur Nothdurft haben und nicht mit unträglichem Fasten, Arbeit oder unmöglicher Keuschheit verderbt werden, wie der Menschen Lehren thun· Christus kommt nicht so, daß er äußerliche Dinge ändern und sein Geschöpf verstören und anders machen wolle; darum soll man den Leib nach der Nothdurft und, wie es· gewöhnlich, kleiden, füttern oder speisen und zur Arbeit brauchen. Das ist Gottes Ge- schöpf und Ordnung: dabei läßt er’s bleiben; er ist nicht kommen, daßer etwas daran ändern wolle. Die Sünde läßt sich» mit grauem Rock, nicht Fleisch essen, fasten u. dgl. nicht ablegen und tilgen, der Tod läßt sich nicht damit überwinden; sondern beide, Sünde und Tod, stecken ebensowohl unter einer grauen oder schwarzen Kappe, als unter einem rothen Rock. Daran aber liegt’s, daß das Herz ein neu Licht und ein neu Siegel habe, welches ist der Glaube, durch den heil· Geist angezündet; daß es könne sagen: ,,ich weiß, daß sich Gott meiner annimmt und mich mit Treuen Wesen und Charakter der colossischen Jrrlehre. 553 meint; denn er hat seinen Sohn gesandt, ihn lassen Mensch werden, daß ich durch denselben Ueberwindung des Todes und das ewige Leben soll haben« Da- durch wird das Herz ganz und gar anders gesinnt, denn zuvor; das ist die rechte Aenderung. (Luther.) Es ist viel leichter und bequemer, sich zu sinnlichen Entbehrungen zu entschließen, als das Herz zu demüthi- gen und den Geist« in beständige Selbstzucht zu neh- men. Der Ascetismus ist zu allen Zeiten eine Pflanz- stätte des geistlichen Hochmuths gewesen: gerade das Absonderliche wirkt auf die menschliche Phantasie; des Selbstersonnenen rühmt man sich am meisten, auf die erkünstelte Demuth thut man sich am meisten zu gute. Zeigt! qkuililk den Körper und sättigt dabei das Fleischl en e . Eine der schwierigsten Fragen in der theologischen Auslegungswissenschaft ist die, worin die colossische Jrrlehre bestanden und welchen Charakter im Einzel- nen sie an sich getragen habe; denn an sich zwar ist das, was Paulus im vorliegenden Abschnitt darüber andeutet, so wenig umfangreich und so einfach, daß wir bald ein Bild derselben uns würden entwerfen können, es scheinen denn doch aber auch viele von denjenigen Sätzen, in welchen er die wahre evangelische Christus- und Heilslehre vorträgt, mit Beziehung auf die gegentheiligen häretischen Grundsätze ihre spezielle Fassung erhalten zu haben, so daß wir ein Recht hät- ten, auch von daher aus das Ganze des crrlehrerischen Systems Schlüsse zu machen. Da nun gerathen wir nahe heran an das Gebiet des nachmaligen Gnosticis- mus, soweit dieser sich an die alttestamentliche Religion anschloß, nnd fragt es sich also, inwieweit wir diesen als schon zur Zeit des Apostels vorhanden voraus- zusetzen haben, wobei aber nicht blos unsre Epistel im Verein mit der an die Epheser, sondern daneben auch die Briefe an Timotheus und der an.den Titus nebst den Episteln St. Johannis in Betracht kommen. Für jetzt, solange wir es mit letzteren Briefen noch nicht selber zu thun haben, müssen wir uns dessen enthal- ten, selber ein Urtheil nach der einen oder andern Seite hin zu fällen; wir begnügen uns daher, den zu Kap.1, 16 angeführten Aeußerungen von Schaff und G rau hier noch die von einigen andern Schriftforschern hinzuzufügen. Darauf, daß wir einzig aus dem, was PaulusinV.8u.16ff.unseresKapitelsschreibt, zu entneh- menhätten, welcherleiArtdie den Colossern drohendeJrr- lehre gewesen sei, besteht v. H of mann und charakterisirt nun die Jrrlehrer dahin: ,,Jn den Dingen des Heils, deren Erkenntniß in der apostolischen Lehre allein und voll gegeben vorlag, wollten sie eine vermeintliche Weisheit zur Geltung bringen, welche dem Gebiete der nach rkenntniß suchenden Wifsenschaft angehört und für welche Menschenlehre, und zwar von den Dingen der Schöpfungswelt handelnde Menschenlehre, maßgebend ist; es handelte sich nämlich um Essen und Trinken, überhaupt um Dinge der sinnlichen Welt, die man nicht anrühren, nicht genießen solle. Die Ein- haltung solcher Verbote machten diese Jrrlehrer zu einer Bedingung des Heils, hierin grundverschieden von jenen römischen Christen, die sich nur selbst ein Gewissen daraus machten, alles ohne Unterschied zu genießen, ohne dasjenige, dessen sie sich selbst enthal- ten zu müssen meinten, in der Art für unrein zu achten, daß der es Genießende dadurch des Heils ver- lustig ginge. Einen Unterschied zwischen den Dingen machten auch sie, aber nur für sich; dagegen diejeni- gen, denen der Apostel hier entgegentritt, gründeten auf eine, sei es von ihnen selbst erdachte oder über- kommene Menschenlehre vom Unterschied der geschöpf- lichen Dinge ein Gesetz der Enthaltung, ohne dessen Beobachtung der Glaube des auf Christum Jesum Ge- tauften nicht zureichen sollte, ihm das Heil zu sichern. An sich könnte jene Lehre heidnische Schulweisheit sein, neupythagoräische oder neuplatonischq nun ge- sellt sich aber zu ihr und den auf sie gegründeten Verboten die nur im Munde jüdischer Christen be- reisliche Forderung, Sabbath und Neumond und Zahresfeste zu begehen, also einen auf das sinaitische Gesetz sich zurückführenden Unterschied der Tage und Zeiten einzuhalten: eine Forderung, die sich zu dem in Röm. 14 gesetzten Falle, daß einer gewisse Ta e anders als die übrigen halten zu sollen meint, ebenkfo verhält, wie das Verbot, dies und das anzurühren oder zu genießen, zu der Gewissensbedenklichkeit jener römischen Christen. Auch von der Forderung, gegen welche der Apostel die galatischen Gemeinden zu be- festigen hatte, unterscheidet sich die in Colossä bestrit- tene, jedoch nur insofern, als letztere nicht darauf zielte, die heidnischen Bekenner Jesu durch die Be- schneidung dem jüdischen Volksthum einzuverleibem sondern unter Anerkennung eines selbständigen Heiden- christenthums den dabei aufrecht erhaltenen Unterschied zwischen ihm und dem Jndenchristenthum durch eine vermeintliche Heiligung des äußerlichen Lebens der Unbeschnittenen auszugleichen: ihre Lebenszeit sollte geheiligt sein durch Einhaltung gewisser regelmäßig wiederkehrender Zeitabschnittq welche dem sinaitischen Gesetz entnommen wurden, und ihre Lebensweise durch Enthaltung von gewissen Dingen des Verbrauchs, deren Benennung aber nicht durch das sinaitische Speisegesetz, sondern durch eine selbsteigene Lehre vom Wesen der sinnlichen Dinge bestimmt war; denn es war eben nicht um Geltendmachung des geofsenbarten Gesetzes als solchen und seiner selbst wegen zu thun, sondern um Bindung des Heils an die Bedingung einer äußerlichen Heiligkeit, deren Gesetz dann aber, anders als das inaitische, den Menschen deshalb auf ein geringstes aß sinnlichen Verbrauchs einschränken mußte, weil die jener Lehre vom Wesen der sinnlichen Dinge entsprechende Heiligkeit in der Enthaltung von ihnen bestand. Ohne Zweifel waren die colossischen Jrrlehrer jüdische Bekenner Jesu, welche, von der Vorausse ung ausgehend, daß die heidnischen Christen in ihrer igenschaft als Angehörige des Völkerthums den darin waltenden widergöttlichen Geistern unter- stehen, zur Vervollständigung ihres in dieser Beziehung angeblich ergänzungsbedürftigen Heilsstandes eben diese, theils auf das sinaitische Gesetz, theils auf naturphilo- sophische Lehrmeinungen gegründete Heiligung des äußerlichen Lebens anzuempfehlen sich verbunden er- achteten; dieselbe sollte ihnen ein Ersatz dessen sein, was ilänen als Nichtisraelitem deren Leben nicht in die Or nungen des geofsenbarten Gesetzes gefaßt sei, angeblich abginge. Das ganze System war also nichts weiter als ein Versuch, dem Heidenchristenthnm auf eine den heidnischen Christen leichter annehmbar zu machende Weise das Anstößige zu benehmen, das es für den Juden als solchen, also auch für den gesetzlich- gesinnten Judenchristen haben mußte; vollends an- nehmbar sollte den heidnischen Christen die empfohlene Enthaltung dadurch werden, daß sie mit philosophi- schen Lehrsätzen über das Wesen der sinnlichen Dinge begründet und als eine den Menschen über die Sinn- lichkeit seiner Natur hinaus hebende Frömmigkeit an- gepriesen wurde, welche den Heiden dem Walten der in der Völkerwelt ihr Wesen habenden Geister ent- nehme und den Menschen den Geistern Gottes ver- ähnliche.« Diese v. Hofmannsche Auffassung wird nun aber von Andern als nicht geniigend zur Erklärung der charakteristischen Einzeltheile verworfen und da- 554 Colosser Z, 1—4. egen daran festgehalten, daß es sich in den cvlossi- Felsen Jrrlehrern um 1udenchristliche, der essäisithen Richtung zugethane Gnostiker handele, welche Bezeich- nung jedoch nicht im Sinne eines späterhin ausgebil- deten Systems, sondern so zu nehmen sei, daß in den Lehren unserer Theosophen die weit verbreiteten, be- sonders im Essäismus sich geltend machenden Ele- mente des Gnosticismus hervortreten, aus denen sich dann später die förmlichen gnostischen Systeme eines Cerinth, der Valentinianer u. s. w. entwickelten. Jn dieser Richtung bemerkt Meyer: »Die Jrrlehrer in Eolossä waren Judench»risten, jedoch nicht solche, tvelche wie m Galatien und in der Umgegend von Philipp» auf das Gebiet der Gesetzforderung und besonders der Nothtvendigkeit der Beschneidung sich beschränkend, die christliche Freiheit, deren Fundainent die Glaubens- gerechtigkeit ist, aufhoben, sondern solche, welche den christlichen Judaismus mit theosophischer Speculation versekt hatten, so daß sie zwar ebenfalls Beschneidung, Spei e- und Fest-Satzungen, dem Versöhnungswerk Christi zum Nachtheile, festhielten, zugleich aber auch, und das ist ihr unterscheidendes Merkmal, eine Philo- sophie über die höhere Geisterwelt geltend machten, mit deren Phantasieen und Grübeleien sich (nach ande- rer Erklärung des 18. Verses, als die wir oben im Anschluß an Luther’s Uebersetzung gegeben haben) eine dünkelhafte Demuth, Engeldienst und schonungslose leibliche Askese als praktische Verirrungen verbanden — Ausschreitungen einer ungesunden Gnosis, ivelche im phrygischen»mystisch-fanatischen Polkscharaktey der einst dem schwarmertschen Eybele-Dienste, spater dem Montanismus zur geeigneten Stätte diente, keinen unfruchtbaren Boden finden konnten. Jene Theosopheii aber berührten empfindlichst die Hoheit und das Er- lösungswerk Christi, welchem sie nicht seine volle gött- liche Würde beließen, sondern nur einen Rang in der öheren Geisterordnung zugewiesen haben mögen, den ngeln aber eine vermittelnde Thätigkeih wobei sie wahrscheinlich von der Weltschöpfung demiurgische Vor- stellungen hegten und in dualistischer Weise die Materie für böse hielten« Jn ähnlicher Weise spricht sich Olshausen folgendermaßen aus: »Das Schwärme- rische, was im phrygischen Volkscharakter lag und sich im Heidenthum in fanatischem Cybele-Cultus Raum gemacht hatte, erzeugte bei Annahme des Christenthums ähnliche Bildungem wie im 2.Jahrh. der in Phrygien entstehende Montanismus zeigt. Die Phrygier hatten das mit gewaltigen geistigen Kräften ausgerüstete Ehristenthum angenommen, aber ohne in wahrer Selbstverleugnun ihren früheren Richtungen ganz zu entsagen; dadur entstanden dann Mischungen von Jrrthum und Wahrheit, wie sie uns in der Schildei rung des Apostels von den dortigen Verirrungen ent- gegentreten. Ueberdies mischte sich in Vorderasien Orientalisches und ·Oceidentalisches, Juden in ihren verschiedenen Parteien waren zahlreich dort ansässig, Neigung zu Speeulationen über das Geisterreich war allgemein verbreitet, und zwar nicht blos in hellenisch- philosophischer Form, sondern auch in orientalisch- theosophischer»Gestalt; nichts war daher natürlicher, als daß das in diese gährungsvolle Masse eintretende Christenthum von der erregbaren Bevölkerung begierig aufgenommen, aber auch willkürlich entstellt wurde. Jndessen zeigten sich, als Paulus die Epistel schrieb, nur erst die ersten Spuren häretischer Lehre in Colossä; er eilt daher, diese im Keime zu unterdrücken und die Jrrenden auf den rechten Weg zurückzuführen. Er hatte keinen Grund, diese Jrrthümer aus böser Absicht abzuleiten, er sah ihren Ursprung in Unersahrenheit und Schwachheitz deshalb wendet er nicht sogleich strenge Maßregeln an, Ausschließung aus der kirch- lichen Gemeinschaft und dergleichen, sondern er ver- fährt schonend, betrachtet und behandelt die Jrrenden noch als Glieder der Gemeinde und sucht sie durch sanftmüthige Aufzeigung ihrer Verirrungen zur Wahr- heit zurückzuführen« Das 3. Kapitel. Von Uebung der egotlsecigkeit sondertich ai1 Personen häuslichen Standes. C— Der zweite, peråneiisäje Theil, welcher nicht schon, wie man etwa genieinet hat, mit Lan. L, 6 ff. an- hebt, aucts nicht erst, wie von Andern behauptet worden ist, mit it. 5 beginnt, sondern eben seinem Anfange nach mit dem Anfange dieses neuen napitels zusammenfälttz hängt gleichwohl mit dem vorigen Abschnitt auf’s Engsie zusammen und stellt sich äußerlich als eine Fortsetzung des— selben dar. Nachdem nämlich der Apostel das Wesen des Christenstandez welches einerseits ein Gestorbens und Be— grabensein mit Einige, andrerseits ein Auferstandensein mit ihm und in einem neuen Leben Wandeln ist, vorhin dazu verwendet hat, seine Warnung vor den Irrtehrern zu begründen, und für solchen Zweck vornehmlich jene erste Seite hervorliehrte (vgl. Kur. L, 20), so verwendet er die- ses selbe Wesen, jedoch hauptsächlich dessen andere Seite her- vortkehrend, nunmehr dazu, seine Ermahnung zu einem wahrhaft asristlichen Wandel an die Leser zu brin- gen, indem er sie erfl begründet, um sie dann des Weite— reu auszuführen. I— V. 1—17. Im Zusammenhang mit dem vorhin Vor— getragenen charakterisirt Paulus, indem er jetzt von der Lehre zur Ermahnung übergehen will, vor allen Dingen die Grundriehtung des asristlichen Sinnes und christ- lichen Strebens: die Gläubigen Sesu Christi wissen sich mit ihm, ihrem tljGrrn und·Grlöser, zu einem neuen Leben auferstanden und mit ihrem Diihten und Trachten dahin ruscht, wohin Er eingegangen ist, in die über— irdische und himmlische Welt; das, was auf Erden ist, hat für sie die macht des Reises, den es vormals auch auf sie, gleichwie jetzt noch auf die Kinde: dieser Welt übt, verloren, sie führen nun ein mit Chrtsto verborge- nes Leben in Gott und erwarten ihre Herrlichkeit und volle Befriedigung erst von der Zeit, da Chrtsus aus seiner Verborgenheit im lljimmel hervortreten, seine here· lichtieit offenbaren und in dieselbe sie mit hinübernehmen wird W. 1-—4). Aus dieser Grundlage nun, die er bei ihnen als setzen vorhanden Votum-setzt, ermahnt der Apostel die Colosseig alle sündhafte Lust in ihnen todt zu machen und alles, womit man sich an Andern ver- siindigh von sich abzuthun, überhaupt den alten men- schen mit seinen werben mehr und mehr auszuziehen wie ein Kleid, das sie nicht mehr tragen dürfen, und dagegen den neuen Menscher: anzugehen, dadurch sie zu Gottes Bilde in fortschreitender Erkenntnis seines gnu- denreiihen Willens erneuert werden, mögen sie ihrem vollisstande nach sein, wer immer sie sind w. 5—11); ihrem Christenstande nach sind sie Gottes heilige und Geliebte, und da gilt es nun auch für he, in den Schmucli der Kinder Gottes, wie derselbe ihnen vor dir Augen geinatt wird, sich zu kleiden, von dem ztirieden Gottes sich erfüllen und regieren zu lassen, und Christum, ihren HGrrm unter einander und nach außen zu verherrtichen in Wort und Werli sit. 12——17). I. Seid ihr nun swie es ja nach dem in Kuh. 2, 12 Gesagten unzweifelhaste Thatsache ist] Der zweite, paränetische Theil. Christen, mit Christo auferstanden, suchen, was droben ist· 555 mit Christo auferstanden szu einem neuen Leben, das, wenn es auch noch in dieser Welt von euch geführt wird, doch nicht mehr, wie euer voriges Leben, der gegenwärtigen Welt angehört, sondern der zukünftigen], so suchet, was droben ist, da Christus ist, sitzend zu der Rechten Gottes« [Matth. S, 20 f·; Phil. Z, 14. 20; Ephes. 1, 20]. Z. Trachtet smit eurem ganzen Sinnen und Denken, Hoffen und Wünschen] nach dem, das droben ist, nicht swie ihr selber vormals gethan und wie die Andern, die nicht mit Christo auf- erstanden find durch den Glauben, noch jetzt thun] nach dem, das auf Erden ist» [Matth. S, 31 ff.; Phil. Z, 18 f.]. Z. sFür letzteres Trachten, nämlich nach dem, das aus Erden ist, wird es, wenn anders euer Herz in der rechten christlichen Verfassung steht, gar keinen Grund und Boden, auf dem es wach- sen und gedeihen könnte, bei»euch mehr geben.] Denn ihr seid [als ihr mit Christo begraben wurdet durch die Taufe in den Tod Rönn 6, 4] gestorben sdaß das, was auf Erden ist, euch nichts mehr angeht], und euer Leben Ist bet- borgen mit Christo in Gott» « · 4. Wenn aber sder vom Himmel xetzt ein- genommene Apostg. Z, 211 » Christus, euer Leben ssintemal er derjenige ist, der in euch lebt und in dem wiederum ihr lebet Philsz 1, 21; Gal. 2, 20], sich offenbaren wird smdem er nunmehr in seiner Herrlichkeit vom Himmel her erscheint 1. Cor». 1, 7; Z. Thessz 1·, 7; T, Z]- dann werdet- ihr auch [als die ihr· nundas Ziel eurer himmlischen Berufung erreicht Röm- 8, 17j offenbar werden mit ihm in der Herrlichkeit [1. Petri I, 7 ff-; 4- 135 1· Joh. Z, 2]. , V) Wenn der Apostel in Kap. 2, 20 von der that- sächlichen Voraussetzung ausgeht, daß die Colosser mit Christo gestorben, so eht er, hieran anknüpfend, nun- mehr von der thatsächlichen Voraussetzun aus, daß sie mit Christo auferstanden seien, fordert sie auf» das, was droben ist, zu suchen, d. i· nach den himmlischen Dingen, dem ewigen Leben zu trachten, und begründet solche Aufforderung durch die Thatsache, daß Christus vom Himmel bereits Besitz ergriffen hat. (Schenkel.) Sollte man aber das nicht vielmehr für eine Fplge von seiner Himmelfahrt, als für eine Fol e seiner Auferstehung ansehen? Darauf dient zur ntwort: Chrixtdi Auferstehung enthält auch schon die Macht, sich ur echten Gottes zu fegen; mit derselben ging er schon in ein Leben der errlichkeit ein, wie er in Joh. 20, 17 sagt: »ich fahre auf zu meinem Gott.« Und so werden in Ephef 2, 5 f. zu unsrer Gemein- schaft mit Christi Auferstehung die drei Stufen ge- rechnet: sammt Christo lebendig gemacht, sammt ihm auferwecket, sammt ihm in das himmlische Wesen ge- seht. Oben (Kap. L, 18) Izsat der Apostel die Colosser vor der ungebührlichen eschäftigung mit Tun« en, deren man keines gesehen hat, verwarnt; jetzt ö net er ihnen einen freien Zutritt zu dem, das droben ist, aber dabei man sich nur an Christum und an sein Sitzen zur rechten Hand Gottes halten soll. (Rieger.) Zwiefach lautet des Apostels Ermahnung: sie sollen suchen, was droben ist, und sie sollen trachten nach dem, das droben ist; ersteres erhält die Beifügung: ,,da Christus ist, sitzend zur Rechten Gottes« zu leh- terem aber tritt der Gegensatz: »und nicht nach dem, das auf Erden ist.« Etwas suchen heißt, sich um etwas bemühen, das man haben möchte, trachten nach etwas ist innerlich auf etwas gerichtet sein; find wir in ein Leben der Gemeinschaft mit dem Auferstan- denen eingetreten, so ist das Nächstliegende, daß wir darauf aus sind, das Ueberweltliche zu eigen zu haben, da Christus, als der zur Rechten Gottes sitzt, in der Ueberweltlichkeit ist, verlangt uns aber, es zu eigen zu haben, so muß die Richtung unseres Inneren dort- hin gehen, und nicht auf das Diesseitige, Jrdische, worin wir unser Leben gehabt haben, ehe wir den Tod starben, aus welchem wir zu dem Leben der Ge- meinschaft Christi erstanden sind. (v. HofmannJ Das Jrdische soll nicht Gegenstand des inneren Sorgens und Sinn ens sein; das ist die Signatur derer, die von der Welt sind (Joh. 17, 14. 16; Offenb. 11, 10). Darum aber ist nicht verboten, das Jrdische zu brau- chen, sondern gerade geboten, im rechten Gebrauch des Jrdischen das Himmlische zu denken und zu suchen· (Braune.) it) Bei den Worten am Schluß des 2. Verses: ,,nicht nach dem, das auf Erden ist,« meinte der Apostel unter dem, das auf Erden ist, die irdi- schen Dinge, welche die Güter des natürlichen Men- schen ausmachen. Nun steht ein Menschenleben, wel- ches sich im Besitze dieser Dinge befindet, in einer vor der Welt offenbaren Herrlichkeitx der Christ dage en muß sich, solange Christus vor der Welt und in ott verborgen ist, damit zufrieden geben, daß er in einem Leben steht, welches zwar Leben im vollen Sinne des Wortes ist, aber ohne vor der Welt als das zu er- scheinen, was es ist (vgl. Röni. 8, 19). Dies sagt der Apostel, und zwar nach zwei verschiedenen Seiten, wenn er einerseits ihr Leben ein mit Christo verbor- genes nennt und andrerseits die Offenbarung Christi als den Zeitpunkt ihrer Offenbarung in Herrlichkeit bezeichnet. (v. Hofmann.) Da das neue Leben der Christen in iniiigstem Zusammenhange mit dem Leben des erhöhten und Verklärten Erlösers steht, so ist selbst- verständlich, daß auch ihr Leben so lange verhüllt bleibt, d. i. nicht zur herrlichen Selbstoffenbarung auf Erden gelangt, als die Wiederkunft Christi noch nicht erfolgt ist. Durch »in Gott« wird ausgesagt, daß Christus selbst bis zur Wiederkunft in Gott bleibt; zweierlei wird damit behauptet, sowohl die Verborgen- heit des Lebens Christi in dem Leben Gottes, als auch die Einheit desselben mit Gott, und ebenso wird von den Christen ein Zwiefaches ausgesagt, daß ihr wahres Leben einerseits als ein lediglich inneres und geistliches in dem Leben Gottes verhüllt und daß« es andrerseits mit Gott auf’s Jnnigste verbunden ist. Gar schön sagt Chr. It. Richter von dem verborgenen Leben der Christen niit Christo in Gott: »Es glänzet der Christen inwendiges Leben, obgleich sie von außen die Sonne verbrannt; was ihnen der König des Him- mels ge eben, ist Keinem, als ihnen nur selber, be- kannt. as niemand verspüren was niemand berühret, hat ihre erleuchteten Sinne gezieret und sie zu der göttlichen Würde geführet.« Dieses verborgene Leben kann denn erst dann hervortreten, wenn Christus selbst auf Erden in der Maxestät des HErrn und des Hauptes aller Creaturen und besonders des Verklärten Königs seiner Gemeinde hervortreten wird; es ist aber bis dahin gleichwohl vorhanden, und die Christen sind sich 556 Colosser Z, 5——1 1 . dessen vollkommen bewußt. (Schenkel.) Das Leben in Gott: 1) ein Leben in tiefer Verborgenheit, aber nicht ohne offenbar zu werden; 2) ein Leben in seliger Ruhe, aber nicht ohne iägliche Mühe und Arbeit; s) ein Leben im Himmel, aber nicht ohne reichen Segen für die Erde. iPalmerJ Z. So tödtet nun [als solche, die das, was auf Erden ist, nichts mehr angeht V. Z] eure Glieder, die auf Erden sind sum, wie ihr des Jrdischen außer euch durch Nichttrachten darnach euch zu entledigen habt, so auch das Jrdische an euch zu vernichten, indem ihr durch den Geist des Fleisches Geschäfte tödtet Röm. 8, 13], Hnrered Unreinigkeit, schiindliche Brunsh böse Lust und den Geiz, welcher ist Abgöttereit [Ephes. 5, 3, 5]; Ei. Um tvelcher [Sünden und Laster] willen kommt lbeim Endgericht Matth. 3, 7; Röm. 2, 5] der Zorn Gottes über die Kinder des Unglaubens lEphes b, Si, · · 7. Jn welchen sKindern des Unglaubens, d. i. in deren Gemeinschaft als Genossen ihres sittlichen Verhaltens Ephes 2, Z] auch ihr weiland gewan- delt habt, da ihr drinnen [in dergleichen Lastern, wie sie vorhin genannt wurden] lebetet seuer Lebenselement hattet Kap. 2, 20; 1. Petri 1, 14., vgl. Gab b, 25]; 8. Nun aber [mit eurem Eintritt in einen andern Lebenskreis ihr alle dem abgestorben seid V. 3., so] leget fauch ihr, wie Andere es thun, die dem neuen Lebenskreise angehören] alles ab von euch [und füge ich da zu dem bereits Ange- führten V. 5 noch einiges Andere hinzu, das ihr gleicherweise abzulegen habt], den Zorn, Grimm, Bosheit, Lasterung, schandbare Worte aus eurem Munde« [Ephes. 4, 31. 29; 5, 4]. 9. Lüget nicht unter einander [Ephes.4, 25]; ziehet sin unablässiger Fortführung dessen, was ihr schon bei eurer Bekehrung aus dem vorigen Heidenstande zu dem HErrn Jesu Christo gethan Kap. T, 11 ff] den alten Menschen mit seinen Werken aus [Ephes. 4, 22]- 10. Und ziehet den neuen an, der da fauf dem Wege der Heiligung Röm. 1"2, S] verneuert wird zu der Erkenntnis fvon der in Kap. I, 9; 2, 2 die Rede war], nach dem Ebenbilde deß sverneuert wird] der ihn geschaffen hat snämlich Gottes Ephes 4, 23 H; 11. Da [d. i. in welchem neuen Lebensstande, der sich nach dem eben Gesagten bei euch finden soll] nicht ist snicht ein Trennungsunterschied der Art gilt:] Grieche, Sude, Beschneidung, Vorhaut Un- grieche faußerhalb der gebildeten und gesitteten Welt stehender Barbar], Schthe sBarbar der schlimmsten Art oder Wilder 1. Sam. 31, 10 Anm. —— in 2. Macc. 4, 47 hat Luther dafür die »Tartern« oder Tartaren nach der Anschau- ungsweise seiner Zeit gesetzt], Knecht, Freier, son- dern alles und in allen list und gilt allein der Eine HErr Ephei 4, 5:] Christus« kGqr s, 28; 1. Cur. 12, 13;Röm. 10, 12]. V) Das »so ertödtet nun« schließt an V. 1—4 an und folgert aus dem ,,ihr seid auferstanden« und dem ,,ihr seid gestorben-«: das Gestorbensein hat ein Leben zur Fol e, in welchem nun ein Ertödten möglich und nöthig ist; nachdem der Christ gestorben ist, hat er als Auferweckter nun mit der gewonnenen Lebenskraft selbst zu tödten, nämlich »die Glieder, die auf Erden sind.« (Braune.) Mit diesem letzteren Ausdruck soll der Leser offenbar an das vorher egangene ,,nicht nach dem, das auf Erden ist« (V. ) sich zurückerinnert finden. Dort sollte, was aus Erden ist, nur nicht das sein, worauf des Christen Sinn und Wille steht; hier dagegen soll er in Anbetracht der vorhin ausgesagten Beschaffenheit seines Christenlebens (P. s.) gegen sich selbst, sofern er »auf Erden ist, feindlich angehen, gegen die Glieder, die seine irdische Leiblichkeit aus- machen und der das sündige Leben eignet, welches sich mit ihr forterbt, also gegen den sündlichen Leib im Fleische, von welchem in Kap. 2, 11 die Rede war. (v. HofmannJ Die Glieder werden ertödtet, sobald das in ihnen wohnende, sie durchdringende Leben ver- nichtet wird (Matth. 5, 29 f.; Gal. 5, 24); indem nun der Apostel von Gliedern redet, die auf Erden sind, stellt er sie als von der irdischen sleischlichen Lust be- lebt und durchdrungen, als dem Dienst der Unreinig- keit hingegeben (Röm. S, 19) und von der Sünde Gesetz beherrscht (Röm.7,23) dar, und eben dies Leben in den Gliedern ist, was ertödtet und vernichtet werden soll, wie das auch in den folgenden Ausdrückem ,,Hurerei, Unreinigkeit, schändliche Brunst, böse Lus « zu Tage tritt. Diese sind nicht als eine bloße Häufung anzusehen, sondern ein jeder derselben fügt ein neues Moment hinzu, das durch den vorhergehenden noch nicht mit erfaßt war. (Huther.) Während ,,Hurerei« die außereheliche, aber natürliche Ausübung der Ge- schlechtslust bezeichnet, geht ,,Unreinigkeit« aus die unnatürlichen und geheimen Geschlechtssündem ,,schänd- liche Brunst« dagegen bezieht sich auf die Gesinnung der Wollust, auf die innerliche Geilheit der Begierde (1. Thess 4, 5: »Lustseuche«); wenn nun» davon noch die ,,böse Lust« unterschieden wird, so soll damit ver- muthlich die fpezielle Aeußerung jener Brunst in einem båftimmten Falle und für einen bestimmten Gegenstand ( atth. 5, 28) bezeichnet sein. (Olshai·1sen.), Nach dem Wollustlaster folgt nun noch das zweite heidnische Hauptlastey der ,,Geiz« oder besser: »die Habsucht«; der Beisatzx ,,welcher (welche) ist Abgötterei« unter- stützt das vorhin geforderte Ertödten noch besonders in Beziehung auf dieses Laster, welches als Götzen- dienst des Geldes und Gutes in erster Linie heidni- schen Wesens sei. (Meyer.) is) Der Apostel warnt die Leser, nicht in den Sünden hinzulebem um deretwillen der Zorn Gottes über die dem Evangelio Ungehorsamen kommt, indem, wenn er um ihretwillen über diese kommt, auch sie ihm nicht entgehen würden, obgleich sie dem Evan- gelio Raum gegeben haben, wenn sie dennoch in den- selben leben wollten. Es hat allerdings eine Zeit ge- geben, wo auch sie gleich denen, welche der Heilsboti schaft den Gehorsam weigern, in jenen Sünden und Lastern ihren Wandel führten; jetzt aber ist ihr Leben ein anderes geworden, und da ist es an der Zeit, daß auch sie gleich denen, zu welchen sie jetzt zählen, das alles von sich abthun. Es giebt aber auch noch man- ches Andere, was abgelegt sein willx der Apostel nennt, ähnlich wie in Ephes. 4, 31., Zorn, Grimm, Bosheit und Lästerung, womit er die Willensrichtung die Ge- Ziehet den alten Menschen mit seinen Werken aus und ziehet den neuen an! 557 niüthsbewegung die Sinnesart der Feindseligkeit gegen Andere und die Aeußerung derselben im Worte be- eichnet, bleibt aber nicht bei diesen Versündi ungen er Feindseligkeit stehen, sondern fügt auch die Fchands baren Worte oder die unfläthigen, zotenhaften Reden dazu. Die Näherbestimmung, die hierzu init den Worten: ,,aus eurem Munde« hinzutritt, will zu be- denken geben- wie übel es sich schicke, daß ein Christ aus seinem Munde, mit dem er Gott preisen sollte, unfläthige Reden ausgehen lasse (Ephes. 4, 29). Alles zumal aber, was hier aufgeführt wird, steht zu dem in V. 5 Aufgezählten in dem Verhältniß daß während dort lauter solches genannt war, was unter den Begriff der den Sünder selbst beherrfchenden sündigen Dust fällt, jetzt dagegen lauter solches genannt ist, wodurch man sich im Verkehr mit Andern versündigt; daher, während dort es hieß: ,,ertödtet eure Glieder, die auf Erden sind«, hier von einem Ablegen deß allen die Rede ist. (v. HofmannJ sitt) Den bisherigen Aufforderungen fügt Paulus noch diese hinzu: ,,lüget nicht einer gegen den andern«; die Unangemessenheit der Lüge für den Christen be- gründet Theophylact mit den Worten: ,,ihr habt ja Christum angezogen, der Von sich sagt, ich bin die Wahrheit« Durchaus zweckmäßig ist es dann, daß, nachdem der Apostel die Colosser zur Vermeidung einzelner Sünden ermahnt hat, er noch aus das All- gemeine hinweist, ohne welches auch jenes niemals, wenigstens nicht im christlichen Sinne, vollendet wer- den kann, indem er schreibt: »z1«ehet den alten Men- schen mit seinen Werken aus und ziehet den neuen an, der da verneuert wird zu der Erkenntniß, nach dem Ebenbild deß, der ihn geschaffen hat«; mit dem Worte: »zur Erkenntniß« wird das Ziel der Erneue- rung angegeben, und zwar handelt es sich uni die- jenige Erkenntniß, von welcher in Kap. 2, 2 die Rede war, um aber zugleich die Norm, gemäß welcher die Erneuerung geschehen soll, anzugeben, heißt es weiter: ,,nach dem Ebenbild deß, der ihn erschaffen hat.« Daß Paulus bei diesen Ausdrücken an die Schöpfungs- geschichte anspielt, ist unverkennbar. (Huther.) Jst aber Gottes Ebenbild in der Seele hergestellt, so fallen die trennenden Scheidewände unter den Menschen hin; Gott stehen alle gleich nahe, und unter einander ver- bindet sie derselbe Heiland, der in allen alles ist. (v. Gerlach.) Die Begriffe: ,,Grieche, Jude« beziehen sich auf die beiden großen völkergeschichtlichen Grund- typen der Menschheih ·die Begriffe: ,,B»eschneidung, Porhaut« auf «die religiöse Grundverschiedeiiheit in ihr, das·,,Ungrieche, Scythe« geht auf die culturhisto- rische Differenz im Völkerlebem das ,,Knecht, Freier« endlich auf die socialen Grundunterschiede der vor- christlichen Gesellschaftsordnung. Alle diese Gegensatze und Unterschiede existiren im christlichen Bewußtsein oder für die Erkenntniß des Geheimtiisses Gottes principiell nicht mehr; dagegen ist an ihre Stelle Chri- stus getreten als das ,,alles und in allem« Alles, was für den Christen noch eine wahre Bedeutung hat, was sein Jnteresse in einer höheren Richtung noch in Anspruch nimmt, ist zusammengesaßt in der Person Christi; und er, Christus, ist in allen, d. h. alle Jn- dividuen sind in ihm erfüllt und von ihm durchdrun- gen (Kap. 2, 10 u. 19), er ist in der neuen, wieder- geborenen Individualität der menschliche Einheitspunkt, Mittelpunkt, Zielpunkt. (Schenkel.) Als absolut muß die Forderung für jeden Menschen gelten, Christ zii werden, Christ zu sein; absolutes Recht hat die Union mit Christus, aber nur sie, und die Unterschiede nach Nationalität, Confession, Bildung und Stand haben dem gegenüber nur relatives Recht, dieses jedoch ge- wiß, soweit jenes absolute Recht ungekränkt bleibt. (Braune.) (Epistel am Z. Sonntag nach Epiphanicih Das heutige Evangelium (Matth. 13, 24 ff.) han- delt vom Unkraut im Acker, von der Vermengung der Gotteskinder und Belialskinder in der Welt; wenn denn die Welt eine Mischung von Gotteskindern und Belialskindern ist und der Feind der Seligkeit am allerliebsten unter die Saat des HErrn unsers Gottes seine Kinder einsät, so besteht für die Kinder Gottes eine große Gefahr. Das Böse steckt an, weil es in allen Menschen Raum hat, weil auch in den Kindern Gottes Empfänglichkeit dafür vorhanden ist: der Sauer- teig versiiuert den süßen Teig, nicht versüßt der gute Teig den Sauerteig. Da haben also zu allen Zeiten die Kinder Gottes zu fürchten, daß sie vom Bösen verschlungen werden; und was wird nun aus dieser Gefahr für Rath und Klugheit für sie hervorgehen? Ohne Zweifel kein anderer Rath, keine andere Klug- heit, als sich selbst desto enger zusammenzudrängen und sich desto emsiger und eisriger zu halten und zu tragen und zu erbauen aus dem gemeinsamen Grund ihres allerheiligften Glaubens. Und gerade das ist es ja, wozu der Apostel im epistolischen Texte ermahnt, so daß man wohl den Zusammenhang und Sinn der beiden heutigen Texte in den Satz zusammenfassen dürfte: Weil die Kirche Gottes mitten unter dem Haufen der Belialskinder durch diese Welt zu gehen hat, so sollen sich ihre Glieder init allein Ernste zu- sammenhalten und in treuer gegenseitiger Seelsorge dahin"streben, daß sie unverletzt uiid ungetrennt bis zu den Pforten des ewigen Lebens gelangen. (Löhe.) Die Duldung der Bösen inmitten der Guten, aus welche das Evangelium hinweist, hat ihren Grund in der geduldigen und langniüthigen Liebe des Erlösers, der Raum zur Buße giebt und auf Besserung wartet; in solcher geduldigen und schonenden Liebe offenbart sich die Herrlichkeit des HErrn. Jn der Epistel wird diese geduldige und langmüthige Liebe gegen die Näch- sten den Christen an’s Herz gelegt, und die Herrlichkeit des HErrn, wie sie in der gegenfeitigen Liebesgemeinschafh welche die Seinen unter einander pflegen, und in der got- tesdienftlichen Gemeinschafh durch welchesie sich unter ein- ander erbauen, ihren Wiederhall findet, istdervortretende Epiphaniaston -— Was ziert die Kinder Got- tes? 1) herzliche Liebe, Z) köftlicher Friede, Z) heilige Uebung. nsre Gotteskindschastz wir betrachten 1) den Grund, aus dem sie erwächst, L) die Art, wie sie sich erzeigt, Z) die Mittel, durch sie sich krästigt. (Sommer.) Was ist ein Christ l) nach seinem göttlichen Stande, 2) nach seinem heiligen Wesen, Z) nach seinem segensreichen Einfluß? (Eig. Arb.) Des Christen Leben Ein heiliger Gottesdienst: 1) warum er dies sein müsse; 2) was dazu gehöre. (Langbein.) Wie deine Würde, sei dein Wandel: I) bist du vom Vater erwählt, so schmücke dich für ihn; L) bist du vom Geiste geheiligt, so versenkedich in’s Wort; s) bistdu in Christo geliebt, so thue alles in seinem Namen! (Seybold.) Wann wohnt das Wort Christi reichlich in einer Gemeinde? wenn in derselben l) der öffent- liche Gottesdienst im guten Schwange geht, L) der häusliche Gottesdienst iii guter Uebung sich befindet, Z) der Gebrauch von beidem gute Früchte bringt. (Schultze.) Wie können alle unsre Tage zu rechten Sonntagen werden? wenn wir alle Tage 1) das rechte Sonntagsgewand anlegen, Z) voni rechten Sonntagssrieden uns regieren lassen, Z) den rechten Sonntagsgast bei uns beherbergen, 4) 558 Colosser Z, 12—17. die rechte Sonntagsunterhaltung pflegen, 5) auf alle Tage die rechte Sonntagsweihe überzutragen verstehen. (W. Hofacker.) 12. So ziehet nun sum den neuen Men- schen, von dem ich vorhin V. 10 f. redete, noch näher in dem Schmuck seiner vornehmsten Tugen- den zum Anziehen euch anzuempsehlens an als die Auserwählten Gottes, Heiligen und Geliebten [die ihr ja seid Röm. 1, 7; 8, 33; 1. Thess 1, 4; 2.Thess. 2, 13; I. Cor. 6, 12; Ephes. 4, 12; 5, Z; 6, 18 und gemäß solcher Eigenschast in jenem Schmuck einhergehen müßt], herzlich es Grb armen,Freundlichkeit,Demuth, Sanftmutlx Geduld [vgl.Röm. 13, 14; Muth. 9, 36; 11, 29; Tit. Z, 4; 2. Petri 3, 9. 15]; 13. Und vertrage einer den andern swenn er es mit dessen Schwächen und Gebrechen zu thun hats, und vergebet euch unter einander, so jemand Klage hat wider den andern ssei sie nun leichterer Art oder von schwererem Ge- wicht]; gleichwie Christus euch vergeben hat, also auch ihr« sEphes 4, 1 f. 32]. 14. Ueber alles aber swas ich euch hier genannt habe, zu ihm hinzu Luk. le, 26] ziehet un swie ein jene andern Kleidungsstücke zusam- menfassendes und zum Abschluß bringendes Ober- kleid] die Liebe [unter einander Kap. 1, 4; Ephes. 4, 2], die da ist das Band swelches alle die mancherlei einzelnen Tugenden verbindet zur Einheit] der Vollkommenheit« [vgl.Röm. is, 10]. 15. Und der Friede Gottes snach besserer Lesart im Grundtext: der Friede Christi Joh. 14, 27] regiere in euren Herzen sindem ihr euch schlechthin von ihm bei all eurem Reden und Handeln bestimmen lasset], zu welchem lFriedeUJ ihr auch lso daß diese meine Mahnung, ihn in euren Herzen regieren zu lassen, ganz dem ent- spricht, was nach Gottes Heilswillen bei euch der Fall sein soll] berufen seid [als solche, die durch den Einen Geist, dessen sie theilhaftig worden J. Cor. 12, 13., gemacht sind zu Gliedern unter einander] in Einem Leibe [Ephes. 4, 3 f.], und seid DaUkbarIW lfiir solche euch widerfahrene Gnade Kap. Z, 7]. V) Der Apostel entnimmt diese Ermahnungen als Schlußsolgerungen unmittelbar aus der in V. 9 . aufgestellten Voraussetzung, daß die Colosser den alten Menschen ausgezogen, den neuen angezogen hätten; es ergiebt fich nämlich hieraus von selbst, daß sie nun auch diejenigen Tugenden anziehen sollen, welche dem Wesen des neuen Menschen gemäß sind. (Schenkel.) Es ist diese positive Ermahnung durch das »der da verneuert wird« in V. 10 als fortgehend gilti e For- derung motivirt: obwohl sie den neuen Mens en an- gezogen haben, haben sie ihn doch immer wieder neu aufzunehmen. Das »als die Auserwählten Gottes, Heiligen und Geliebten« bedingt die Gerechtigkeit der Forderung nnd die Unerläßlichkeih derselben nachzu- kommen. Der erste Begriff: ,,Auserwählte Gottes«, der auf eine Erwählung ohne alles Verdienst aus freier Gnade hinweist, wird auseinandergelegt in den beiden andern: ,,Heilige und Geliebte«; diese besagen, dem Stande nach seien sie heilig, dem Verhältniß nach fort und fort Gegenstände der Liebe Gottes. (Braune.) Wie es in Ephes.5, 1 f. hieß: »als die lieben Kinder wandelt in der Liebe«, so dient hier die Erinnerung der Leser an ihre Erwiihlung und an das, was sie als Erwählte sind, die Tugenden, zu deren Aneignung sie ermahnt werden, als etwas zu bezeichnen, was fich für sie von selbst versteht. Erbarmung war es, daß Gott sie erkor; und so ist ein von Erbarmung erfülltes Herz (,,herzliches Erbarmen«) auch das Nächste, was von ihnen zu fordern ist. Wo aber Er- barmen ist, da ist Gütigkeit(,,Freundlichkeit« 2.Cor. 6, S; Gal. 5, 225 Tit. Z, 4), und diese Gütigkeit hat Demuth bei fich; denn wer selbst aus Erbarmen Güte erfahren hat (Ephes. Z, 7), wird fich nicht hoch dünken dem Andern gegenüber, und in Mildigkeit (,,Sanftmuth« Ephef. 4, Z) wird er ihm gerne geben und dienen, statt Ansprüche zu machen an ihn oder geltend zu machen gegen ihn, und wird in Lang- muth (,,Geduld« Röm. 9, 22) zuwarten, wenn es bei dem Andern nicht so steht, wie es. sollte, statt mit Strenge dreinzufahren oder ihn aufzugeben. Wie in Ephes 4, 2 hinter dem ,,mit Geduld«, so folgt hier hinter ,,Geduld«: und vertraget einer den andern, um ein Verhalten zu benennen, welches im Gefolge der Langmuth statt hat; einer Näherbestimmung wie sie dort beigefügt ist: »in der Liebe«, bedarf es hier nicht, wo fich das »und ver ebet euch unter einander« sammt der Hinweisung qui« Christi Verhalten gegen uns unmittelbar damit verbindet (vielmehr will der Apostel von der Liebe hernach V. 14 noch im Beson- deren reden, gleichwie- er in V. 15 von dem Frieden redet, dessen Band nach Ephes 4, 3 f. die Gemeinde zusammenhalten soll zur Einigkeit im Geist). Wie es nun in Ephes. 4, 32 hieß: ,,seid aber unter einander freundlich, herzlich« und dann unter Hinweisung auf Gottes Verhalten gegen uns, der uns vergeben hat in Christo, die Ermahnung folgte: »und vergebet einer dem andern«, so folgt hier, wo vorhin zum Anziehen herzlichen Erbarmens und der Freundlichkeit die Rede gewesen, die gleiche Ermahnun , jedoch unter Hinwei- sunår auf die Vergebung, die hristus selber uns hat zu heil werden lassen — eine Verschiedenheit, welche für unsern Brief bezeichnend ist und mit der durch den Anlaß desselben gebotenen vorwiegenden Betonung Christi und seines Verhältnisses zu uns (Kap. 1,19 f.) zusammenhängt. (v. HofmannJ IN) Es könnte ausfallen, daß die Liebe, welche doch das Princip und die Voraussetzung der vorher ge- nannten Tugenden ist, zuletzt genannt und als hin- zukommend bezeichnet wird; allein dies war durch die bildliche Darstellung nothwendig, weil der Natur der Liebe, sofern sie die sämmtlichen Tu enden prin- cipiell einschließt und in fich zusammenfa t, im Bilde vom Ankleiden die Stelle des Oberkleides ukom- men mußte, so daß Paulus in richtiger Ans auung von Unterkleidstücken (bei denen einer ja immer noch für nackt alt: 1. Sam. 19, 24; Hieb 24, 10; Jes. 20, Z; 2. of. 12, 34 Anm.) zum alles zusammen- haltenden (und die Vollkleidung erst bewirkenden) Obergewande, dessen Function der Liebe eigen, fort- geht; sie, die Liebe, ist das Band oder Binde-mittel der christlichen Vollkommenheit, denn ohne sie würden alle einzelnen Tugenden, welche an fich zu dieser Voll- kommenheit gehören, fich nicht zu der nothwendigen harmonischen Ganzheit zusammenschließen, in welcher is eben die Vollkommenheit besteht. (Meher.) Alle ein- Alles, was ihr thut mit Worten oder mit Werken, das thut alles im Namen des HErrn Jesul 559 zelnen Tugenden, welche der heil. Geist im Menscheii wirkt, sind wie kostbare Perlen, die aber unverbunden und lose da liegen vor den Augen des Beschauers und durch die Vereinzelung nicht blos leichter verloren gehen, sondern auch den schönen harmonischen Glanz nicht bekommen, welchen sie haben würden, wenn man sie verbände Sie müssen zu einander in Beziehung und mit einander in Verbindung gebracht werden, da- mit aus ihnen allen die heilige, von Gott gewollte Vollkommenheit werde, welche wir in Christo Jesu schauen und von ihm aus Gnaden erben follen; diese Vereinigung aber liegt in der Liebe, sie ist das Band, die Vereinigung aller Tugenden zu einer heiligen Vollkommenheit. Man nehme alle Tugenden, die in V. 12 f. genannt sind, und versuche die Liebe von ihnen wegzulassen, so bekommt man die Befchreibung des feinsten, aber auch des höchsten Maßes der Selbst- sucht, einer Selbstsucht, welche eine Weile der Tugend sehr ähnlich sehen kann, dennoch aber dem Abgrund und der Hölle geweiht, wie aus ihr entstiegen ist; da- gegen aber reihe man alle die genannten Tugenden an die Bruderliebe wie an ein Band, so bekommt man die Beschreibung der edelsten Vollkommenheit. Erbarmen aus Bruderliebe, Freundlichkeit in brüder- licher Liebe, Demuth, Sanftmuth, Langmuth in Bru- derliebe, sich vertragen und erbauen, gegenseitig ver- ben und zugute halten aus Bruderliebe, das giebt m der That eine Verbindung, ein Band, ein Diadem, eine Krone von Kleinodien und Perlen, über welche man schreiben kann: ,,Vollkommenheit«, christliche Vollendung, schönstes Maß der Tugend; und man könnte nur traurig werden, weil die Liebe, das Band aller Tugenden zur Vollkommenheit, oft so sehr fehlt und dann eine heilige Tugend um die andere in so große Noth kommt, ja, wohl Schiffbruch leidet. (Löhe.) Eis) Der Apostel sagt hier, was die Christen be- dürfen, damit daraus die Liebe und alle Tu enden hervorsprießetn der Frieden Christi soll ihre Herzen erfüllen und regieren; es ist damit gemeint die volle Befriedigung der Seele, welche auf der Gewißheit ruht, in Christo einen versöhnten Gott und Vater zu haben, diese nun soll ordnend und leitend in den Her- zen der Leser walten. Wenn also z. B. die brüder- liche Liebe mahnt zur Versöhnlichkeit, der alte natür- liche Mensch aber will nicht nachgeben und verlangt die Selbstrache, so soll der Friede Christi in uns den Widerstreit in uns zu Ende führen und der Liebe zum Siege verhelfen. . Der Besitz dieses Seelenfriedens ist ja auch der nåchste Zweck, zu welchem Gott die Chri- sten von der Welt her zu seinem Reiche berufen hat (Matth. 11, 29), und zwar sie berufen hat in Einem Leibe, so daß sie in Einem Leibe als dessen Glieder sind; der Friede Christi ist also nicht allein etwas Jndividuelles und Persönliches, sondern zugleich etwas, was der ganzen Gemeinde zu eigen geworden ist und woran die einzelnen Glieder Theil haben kraft ihrer Zugehörigkeit zu dem Leibe, an welchem Christus das Haupt ist, daher auch dieGlieder sich unter einander verbunden halten und einmüthig gesinnt fein sollen nach Jesu Christo (Röm. 15, 5). Es ist nun aber sowohl die Berufung an sich, als die Verpslanzun in die Gemeinde Christi und die damit verbundene Em- pfangnahme des Friedens eine Wohlthat, welche nicht blos zur Freundlichkeit gegen die Brüder, sondern auch zu lebendiger Erweisung aufrichtigen Dankes ver- pflichtet; daher der Apostel hinzufügn »und seid dank- bar.« (Sommer.) 16. Lasset das Wort Christi sdieses Gna- denmittel zur Erweckung und Förderung des christ- lichen Glaubens- und Gemeindelebens, von dem ich bisher geredet habe] unter euch reichlich wohnen [indem ihr es zu wechselseitiger Beleh- rung, Ermahnung und Erbauung Phil. 2, 1 im Schwange gehen laßt] in aller Weisheit [wie wir, die Diener und Verkündiger dieses Worts, es also handhaben Kap. l, 28]; lehret nnd vermahnet euch selbst [s. v. a. unter einander V. 13., nicht blos bei euren gottesdienstlichen Versammlungen, sondern auch im alltäglichen Ver- kehr] mit Psalmen und Lobgesängen und geistlichen lieblichen [,,d. i. tröstlichen, holdseli- gen, gnadenreichen« —- Luther] Liedern, nnd singet [wenn ihr für euch allein seid, um da euch selber zu fördern und aus Christi Fiille zu nehmen Gnade um Gnade Joh. I, IS; 2. Petri S« 181 dem HErrn m eurem Herzen-«« [Ephes. 5, 19; 1. Cor. 14, 28]. 17. Und alles, was ihr thut mit Wor- ten oder mit Werken, das thut alles in dem Namen des HGrrn Iesu [vgl. Joh.14, 13 f.; 16, 23 ff.], und danket Gott und dem Vater [Röm. 15, 6; I. Cor. 15, 241 durch ihn« [Ephes. 5, 20; 1.Cor. 10, 31; I. Petri 4, 11]. is) Der Apostel will nun nicht weiter einzelne Tugenden auszahlen, sondern die Colosser in Ansehung alles Weiteren auf das Wort Christi hinweisen. (Bähr.) Dies Wort Christi sollen die Christen als die Quelle ihres Glaubens, als die Nahrung ihrer Liebe, als den Bewahrer ihres Friedens, als den Ermunterer u rechter Dankbarkeit unter ihnen, in ihrer Gemein e wohnen, sollen es wie einen täglichen Hausgenossen in ihrer Mitte heimisch werden und Hausrecht gewin- nen lassen. (Sommer.) Das Wort Christi ist das Wort, welches Christus geredet hat, sei es mittelbar durch seine heiligen Propheten im alten Testamente, sei es unmittelbar bei seinem Wandel auf Erden (und da dieses Wort seinem wesentlichen Inhalte nach ein Zeugnis; ist von ihm selbst, so ist es zugleich das Wort, das von ihm redet, ihn Verkündigt 1. Cor. 1, 6). Die apostolischen Gemeinden lasen in ihren Versammlungen ohne Zweifel das mittelbare Wort Christi im alten Testament; sein unmittelbares Wort wurde ihnen ent- weder von Aposteln (und Evangelistem vgl. zu Kap. 4, 17) erzählt oder in den allmälig heranwachsenden Evangelien und Episteln gelesen. Das sollte auch sein; darum sagt Paulus: »das Wort Christi wohne unter euch reichlich« öhe.) Weil der Apostel bald im Folgenden auch von geistlichen lieblichen Liedern redet, so kann man auch das, was aus der Quelle der Worte Christi unter des Geistes Leiten in alle Wahrheit Nützliches ausgeflossen, zu dem Worte Christi rechnen. (Rieger.) Reichlich oder mit vielem Uebersluß follen sie es unter sich wohnen lassen; also nicht spärlich oder dann und wann einmal, wie es der Zufall fügt, son- dern mit großem Eifer. (Chrysostomus.) Jn aller Weisheit, setzt Paulus hinzu; denn viele niißbraus chen das Wort Christi oder gehen verkehrt damit um. (Calvin.) Passend schließtsich an die Erwähnung des Wor- tes Christi die der Psalmen und Lobgesänge und geistlichen Lieder an, denn diese wachsen aus Gottes und Christi Wort heraus, lassen es in besonderer Weise lebendig und wirksam werden; das christliche Lied ist selbst eine Predigt göttlichen Worts und hat seinen 560 Colosser Z, 18——-4, l. Werth gerade darin, daß es solche ist. (Braune.) Bei den Heiden war das Leben unter einander eine Schule aller Ungerechtigkeiten, ihre Gespräche auf dem Markt und den Straßen, in den Häusern und bei Gastmählern legten Zeugnis; davon ab, welch» eine erschreckliche Fäulniß im sittlichen Leben eingerissen war; bei den Christen nun soll das Leben unter einander eine Schule aller Tugenden sein, und es kann eine solche werden, wenn sie dergestalt sich unter einander mit Psalmen, Lobgefängen und geistlichen Liedern lehren und ver- wähnen, daß sie zur Stärkung im Glauben wie zur Erweckung der Liebe diesen und jenen Vers aus ihrem Liederschatze einander zusprechen, den Inhalt dieses und jenes geistlichen Lieds einander entwickeln und auslegen und ähnlich, wie es bei den Herrnhutern in den sog. Singestunden stattfinden bei gemeinschaftlichen Zusammenkünften durch abwechselnden Chorgesang sich erbauen auf dem Grund der heilsamen Lehre zu einem rechten, fröhlichen, eifrigen Wandel in der Gottselig- keit. (Nebe.) Nachdem der heilige Geist gewußt hat, wie so gar schwerlich das menschliche Geschlecht sich ur Tugend führen lasse, und wie wir dagegen zu solchen Dingen geneigt sind, die von Natur anmuthig sind: was sollte er thun? Die Lieblichkeit des Gesan- ges hat er vermehrt mit heilsamen Lehren! Recht nach der Art der klugen Aerzte, welche, damit sie dem unwilligen Menschen eine bittre Arznei trinken lehren, vielmal des Bechers Rand mit Honig bestreichen, ebenso kommt die Melodie der Psalmen in unser Gemüth, daß dadurch junge Leute ihrem Bedünken nach zwar nur allein singen, in Wahrheit aber eine recht feine Unterrichtung schöpfen für ihre Seele. (Ambrosius.) Ach HErr, wie habe ich geweint über deine Psalmen und Lobgesijngz da ich so inniglich bewegt ward von der angenehmen Stimme deiner heiligen Gemeinde! Diese Stimmen sind mir gedrungen in meine Ohren, und deine Wahrheit ist mir in’s Herz geträufelt, und durch dieselbe deine Wahrheit ist mir erwärmet und angezündet eine gottselige Andacht, daß mir mildiglich die Thränen berabflossen, und war mir in denselben Thränen so wohl! (Augustin.l Nach dem münd- lichen Lehr- und Ermahnungssingem welches wechsel- seitig geschehen soll, stellt der Apostel als ferneres Moment der frommen Lebensbewegung vermöge des reichlichen Einwohaens des Wortes Christi das stille Herzens-singen hin, welches jeder für sich in seinem Jnneren Gott widmen müsse, d. i. das lautlose Gott- preisen der Selbfterbauung im inwendigen Menschen. (Meher.) Der im Herzen wohnende Friede Christi (V. 15) wirkt auch im Herzen das Singen dem HErrn, und dieses wiederum erhält und mehrt jenen. (Huther.) «· Jn einer Schlußermahnung kommt Paulus hier noch auf das Gesammtwerk des christlichen Lebens zu reden; alles, was der Christ zu leisten hat, faßt sich zusammen in das Wort: ,,alles in Christi Namen!« (Nebe.) Nach ihm schmecke, nach ihm dufte, nach ihm klinge euer ganzes Leben! (Erasmus.) Der Christen Werke haben keinen Namen, Zeit noch Stätte; darum nennt St. Paulus hier kein einzelnes Werk, sondern faßt sie alle in Einen Haufen und macht sie alle gut. Es sei essen, trinken, schlafen, wachen, gehen, stehen, reden, schweigen, arbeiten, müssigsein, es ist alles eitel köstlich Ding, darum daß es alles gehet im Namen Jesuz dann abergehen sie in seinem Namen, wenn wir mit festem Glauben halten, daß Christus in uns sei und wir in ihm, also daß wir feiern und er in uns lebe und wirke. (Luther.) Solches Thun im Namen Jesu soll stets von der Danksagung begleitet sein, weshalb der Apostel fortfährt: ,·,und danket Gott und dem Vater durch ihn.« Jn Christo hat uns Gott unerschöpflichen Reichthum von Gnade zufließen lassen; denn Gnade haben wir ja unter allen Verhältnissen empfangen, wie Augustin sagt: ,,sei es unter seinen Wohlthatem sei es unter seinen Schlägemlobe Den, der Dich liebkoset durch Gaben, daß du nicht abfallest, oder der dich, den Entlaufenem ergreift, daß du nicht zu Grunde gehest!« Den Reichthum dieser Gnade sollen wir erkennen und uns durch solche Erkenntniß bestimmen lassen, unsrerseits unser anzes Thun in Wort und That als ein Opfer des ankes zu Gott dem Vater aufsteigen zu lassen; und zwar soll unser Dank durch ihn, durch unsern Mittler Jesum Chri- stum, zu Gott dringen, da ja nur durch das Verdienst Jesu Christi die Opfer unsers Dankes Gott angenehm sein können. (Sornmer.) II· v. 18-eqp. 4, e. In essen. s, 21 schloß act; km diejenige Aufforderung, welche wir am Schluß des vori- gen Jtbsehnitts gelesen haben, die weitere: ,,seid unter einander untertban in der Liurkht Gotles«, und hierauf ließ dann der Apostel seine dlnierweisungen in tiletresf einer, dem chrisllichen wesen gemäken Ausgestaltung der natürlichen Gemeinschaftsverhättntsse zwischen den Wei- bern und ihren Männern, den Kindern und ihren Vätern, den iineehten und ihren Herren folgen; hier dagegen folgt die lljaustafel oder die aus das verhältnis der zusammengehiirigen Glieder des lljauses zu einander be- zügliche Ermahnung ohne diesen Zwisehenoerz dagegen isl dessen Gedanlieninhalt der Fassung selber, in welcher die Ermahnung lmrz und prägnant ertheilt wird, ein- gedriulkt und dafiir die ausfiihrlirhe Belehrung nament- lich über das Verhältniß zwischen Mann und Weib ver- mieden, während dagegen den Rnelhten die eingehendere Weisung, wiesieihrenStand chrisilich führen sollen, ebenfalls wie dort zu Theil wird W· ist-May. 4, l). Es folgen hieraus noch Ørinahnungen zu Gebet und wachsalnleeiy wie auch zur Färbitie fiir ihn, den Apostel, bei wrlkhen schon die Rücksicht auf die noch ungläubign einerseits zum Bösen verfitlsrendq andrerseits dem Guten wider· sterbende Welt das jllaßgebende isi W. 2«—4); auf die- sem Gebiet hält sich dann auch die das Ganze abschlie- ßende Ermahnung zu einem weisen Wandel gegen die, die draußen sind, und zu lieblicher, mit Salz gewärzter Rede, nur daß es sieh hierbei darum handelt, die noch ungliiubige Welt zu gewinnen oder wenigstens mit ihrem Widerspruch sie oerstuntmen zu maehen W. 5 u. 6). 18. Ihr Weiber, seid unterthan euren Männern in dem HErrm wie siclys gebühret sEphes b, 22——24; 1. Petri Z, 1—6]. 19. Ihr Männer, liebet eure Weiber, und seid nicht bitter gegen sie« [Ephes. b, 25—33; 1. Petri Z, 7]. 20. Ihr Kinder, seid gehorsam den Eltern in allen Dingen; denn das ist dem HErrn gefällig [Ephes. e, 1—31. 21. Jhr Väter, erbittert eure Kinder nicht, [durch unbillige Forderungen, spöttischen Tadel oder überhaupt herabwijrdigende Behandlungs auf das; sie nicht scheu [verstimmt, verdrossen oder verzagt] werden» [Ephes. S, 4]. 22. Ihr Kuechte, seid gehvrsam in allen Dingen euren leiblichen Herren, nicht mit Dienst vor Augen, als [solche, die es sich zum Zweck ge- setzt haben] den Menschen zu gefallen, sondern sstatt mit Dienst vor Augen, vielmehr] mit Ein- Die christliche Haustaseb Weiber und Männer, Kinder und Väter, Knechte und Herren. 561 fiiltigkeit des Herzens sbei der man sich giebt, wie man ist, und nicht die unlautere, schlechte Gesin- nung hinter erkünftelten guten Schein zu verbergen sucht l. Chron. 30, 17], und fstatt mit dem Be- streben, den Menschen zu gefallen, vielmehr] mit Gottesfurcht smit dem alles Thun und Vorneh- men begleitenden Gedanken, daßder HErr zu fürchten ist 2. Eor. 5, 1l]. 23. Alles, was ihr sin eurem Dienstverhält- niß] thut szu thun habt], das thut [daher] Von Herzen snicht aus Zwang und mit innerer Unlust, sondern aus gutem Willen und -mit Freudigkeit] als dem HErrn ses thuend, vor dessen Angesicht ihr wandelt], und nicht den Menschen [die viel- mehr vor eurem Auge ganz und gar in den Hinter- grund treten sollen], 24. Und wisset [genauer: Juden: ihr wis- set, d. i. darum sollen die Menschen vor eurem Bewußtsein ganz und gar als eure Herren zurück- treten und allein der himmlische HErr euch vor Augen stehen, weil ihr ja wisset], daß ihr von dem HErrn empfahen werdet die Vergeltung des Erbes [die Vergeltung für eure treuen Dienste in dem himmlischen Erbe, das er euch zutheilen will 1. Petri 1, 4 ff; Matth. 25, 31., während von den Menschen euch-ja doch kein Erbe zu Theil wird 1. Mos. 21, 16. Und so thut denn, wie ich vorhin sagte, alles, was ihr thut, als dem HErrnD denn ihr dienet dem HErrn Christo [steh«et, wenn ihr nun einmal Sklaven seid, wirtlich zu ihm, und nicht zu Nienfchem in diesem Verhältniß]. 25. Wer aber [und das ist die Kehrseite der eben ausgesprochenen Wahrheit] Unrecht thut [durch geflissentlichen Schaden, den er seinem leiblichen Herrn zufügt Philenn 18], der wird [vom HErrn bei seinem Gericht] empfahen [die strafende Ver- geltung für das], was er Unrecht gethan hat [2. Petri 2, 13], und gilt sbei ihm, was ihr ver- kennen würdet, wenn ihr etwa meinen wolltet, er werde euch, die Auserwählten Gottes, Heiligen und Geliebten V. l2., ein euren heidnischen Her- ren angethanesllnrecht nicht sonderlich anrechnen] kein Ansehen der Person sEphes 6, 5—8]. Kam. 4 V. 1. Jhr Herren, was recht nnd gleich ist [alles, worauf sie gegründeten Anspruch haben Matth. 20, 4 und was ihr als rechtlich gesinnte Männer ihnen nicht vorenthalten dürst], das beweiset sreichet dar von dem Euren oder ge- wahrer] den Knechtem nnd wisset, daß ihr auch [ebensogut wie jene, eure Knechte] einen sHerrn über euch, dem ihr verantwortlich seid, an dem] HErrn im Himmel habt« sEphes S, 9]. «) Daß die Weiber sich ihren Männern Unterord- nen, ist, wie das zwischensätzliche ,,wie sich’s·gebühret« besagt ibesser sind die Worte des 18. Verses so zu stellen: ,,seid unterthan euren Männern, wie sich’s ge- bühret, in dem HErrn«), im ehelichen Verhältnisse Dächsebs Bibeliverlå V1l.V.1nd. selbst begründet; christliche Frauen aber sollen es »in dem HErrn« thun, als Bethätigung ihrer Zugehörig- keit zum HErrn, welche mit sich bringt, daß sie das thun, was nach dem sittlichen Wesen dieses natürlichen Gemeinschaftsverhältnisses Rechtens ist. Sollen nun die Frauen ihren Männern sich unterordnen, so sollen andrerseits die Männer liebevoll sein gegen ihre Frauen, und nicht ergrimmt und aufgebracht. (v. Hofmannh Daß Paulus hiervor besonders warnt, hat nicht so- wohl seinen Grund in besonderen Zuständen der colos- sischen Gemeinde, als vielmehr darin, daß der Mann als das Haupt der Frau, dem diese sich unterzuordnen hat, namentlich bei dem niedrigen Standpunkte, den die Frau in alter Zeit einnahm, sich überhaupt leicht zur Härte und Bitterkeit gegen dieselbe gereizt fühlen onnte, wenn sie sich nicht in allen Stücken feinem Willen unterwarf. (Huther.) Bitterkeit überschleicht uns gerade am ersten in den engsten Verbindungen, wo wir die Schwächen des Andern entdecken oder wo manche Uebereilungen vorfallenx der Mann kann dazu verleitet werden, wenn das Weib nicht seine Wünsche befriedigt. (Heubner.) s ist) Daß der Apostel in Betreff des von den Kin- dern den Eltern zu leistenden Gehorsams nicht weiter auf solche Fälle eingeht, in denen ein Nichtfolgen von Seiten der Kinder durch eine höhere Pflicht geboten ist, hat seinen Grund darin, daß er nur die Funda- mentalartikel hinsichtlich des. rechten Verhaltens in den verschiedenen häuslichen Verhältnissen mit wenigen kräftigen Zügen angeben will; als solcher muß aber immer der unbedingte Gehorsam der Kinder gegen die Eltern gelten, wie das auch die Worte besagen: »denn das ist dem HErrn gefällig«, und solches Bewußtsein des Gehorsams Christi soll nun für die Kinder der Antrieb zur Erweisung jenes Gehorsams sein. (Huther.) Wenn Paulus darnach die Väter anredet: ,,erbittert eure Kinder nicht, auf daß sie nicht scheu werden«, so ist das wider die geredet, welche ihre Kinder mit Un- gestüm ziehen; daraus kömmt, daß der Kinder Gemüth, weil es noch zart ist, ganz in Furcht und Vlödigkeit geräth, und erwächst in ihnen Haß gegen die Eltern, , daß sie entlaufen und thun, was sie sonst nimmer ge- than hätten. (Luther.) Durch nngerechte oder über- strenge Behandlung, die das Kind ertragen muß, ohne dem beleidigten Rechtsgefühl genug thun können, ver- fällt es einer muthlosen und verdrossenen, mithin un- sittlichen Resignatiom einer alle moralische Willens- kraft lähmenden Verzweiflung. Tresfend Bengel: »ein ggesrochen Gemüth ist der Jugend Vernichtung.« ( eher.) ist) Es kann ausfallen, daß Paulus die Verhält- nisse der Knechte mit größerer Ausführlichkeit behan- delt, als die vorhin besprochenen, doch gewiß nicht minder wichtigen; möglich, daß das in der Flucht und Bekehrung des aus Colossä gebürtigen Sklaven Que- simus (vgl. dcn gleichzeitig geschrcebenen Brief an Philemon) seine Veranlassung hat, denn die sittlichen Gegensätze sind hier vom Apostel noch schärfer ge- zeichnet als im Epheserbriefe (Schenkel.) Wie bei den Kindern ihren Eltern gegenüber (V. 20), ebenso heißt es bei den Knechten ihren Herren gegenüber: ,,seid gehorsain in allen Dingen«; aber was dort zur nachdrücklichen Anempsehlung dieses Gehorsams mit den kur en Worten: »denn das ist dem HErrn gefäl- lig« gesagt ist, das legt sich hier in mehrere Sätze auseinander, welche inhaltlich und großentheils auch im Ausdruck dem entsprechenden Abschnitte des Briefs an die Epheser gleichen. Der erste Satz (V.22) ver- langt, daß das gebotene Gehorsamen nicht in solchen Dienstleistungen bestehe, mit denen man nur der Herr- 36 562 Colosser 4, 2—9. schaft, soweit deren Auge reicht, ein Genüge thun und ihr sich gefällig machen will; christliche S laven sollen in Her enseinfalt, also ohne etwas Anderes zu wollen, als daß sie ihrer Pflicht genügen, soweit diese reicht, gehorsamen, indem sie es in der Furcht des himm- lischen HErrn thun, welchem gegenüber die irdischen Herren die Herren nach dem Fleisch (,,leibliche Her- ren«, vgl. Röm. 9, Z) genannt sind. Jm zweiten Satze (V. 23 f.) verlangt der Apostel, daß sie alle ihre Arbeit williglich, von Herzen gerne thun, wozu aber erforderlich ist, daß sie nicht Menschen damit zu Willen leben, deren Art und Benehmen sie eher verdrossen und unwirrsch machen würde, sondern dem himmlischen ZErrm von dem sie sich ja auch der Vergeltung ihres huns versehen, welche sie, die auf Erden Besitzlosen, zu Jnhabern des schlechthinigen Erbes machen wird. Hinsichtlich der Worte: »denn ihr dienet dem HErrn Christo« fragt es sich, ob damit der unmittelbar vor- hergehende Satz: ,,wisset, daß ihr in dem HErrn empfahen werdet die Vergeltung des Erbes« begrün- det werden soll, oder aber, was wohl das Richtigere sein wird, die diesem Satz vorausgegangene Ermah- nung: ,,alles, was ihr thut, das thut von Herzen, als dem HErrn, und nicht den Menschen«, in welchem letz- teren Falle aber das ,,dienet« in dem Sinne genom- men werden muß, in welchem die Angeredeten wörtlich ,,Diener« (Knechte V. 22) heißen, so daß die Worte besagen würden: ihr seid ja das, was ihr seid, näm- lich Sklaven, dem HErrn, welcher ist Christus. Wenn ihr Sklavenleben ein diesem HErrn zugewendetes eine Bethätigung ihres Verhältnisses zu ihm ist, wie sollten sie nicht, was sie als Sklaven arbeiten, so thun, als die es Jhm thun, von dem sie sich ja eben deshalb der Vergeltung ihres Thuns versehen? Der Apostel geht aber darnach auch zu einer Warnung über, welche im Gegensatz zu der zuvor in Aussicht genommenen Vergeltung des Rechtoerhaltens demjenigen Sklaven Hist, der sich Unrecht zu Schulden kommen läßt; solche arnung vor dem Gerichte, welches über den ergehen wird, der sich durch geflissentliches Schadenthun an seinem irdischen Herrn versündigt, war wohl geeignet, den Schluß dieser Ansprache zu bilden, damit ein christlicher Sklave bei derartigen Vergehungen sich nicht etwa dessen getröste, Gott werde gegen ihn um so nachsichtiger sein, je härter er es im Leben gehabt, oder, wenn sein Herr kein Christ war, Gott werde ihm, weil dagegen er ein Christ sei, das an jenem begangene Unrecht nicht so hoch anrechnen. Für die Herren genügen wenige Worte; der Apostel erinnert sie, daß sie auch einen Herrn haben, nur nicht auf Erden, sondern im Himmel, und ermahnt sie, aus solchem Bewußtsein heraus ihren Knechten zu gewäh- ren, was recht ist und die Eigenschaft solcher, die gleich oder gerecht und billig denken, von ihnen fordert. (v. Hofmann.) Waren nun die Sklaven ebenfalls Christen, so erstreckte sich für ihre Herren die Be- weisun dessen, was »gleich« ist (2. Cor. 8, 13 f.), sogar soweit, wie in Philem. 16 näher angegeben wird. Das 4. Kapitel. Von der Christen gebet und vorsichtigem Mundes. 2. Haltet an am Gebet [Röm.12, 12], und wachet in demselben [wider alle Gefahren, die eurem Christenstande drohen Matth. 26, 41; 1. Thess 5, 6., und thut euer Gebet allezeit, wie es recht kst Pf- 50- 231 mit Danksagungt ffür alle bereits von Gott empfangenen Wohlthaten Kap.1,12f.; 2,7; 3,17; Phil.4, e; 1.Thess. 5, 17 f.]; 3. Und betet [wenn ihr flehet für alle Hei- ligen, wie ich das ja von eurer Liebe zu ihnen Kap. 1, 4 erwarten darf] zugleich auch für uns sfür mich und Bruder Timotheus Kap. l, 1 u. Z; Phil 1, 19], auf daß Gott uns die Thür des Worts [dahin, wo sie zur Zeit noch verschlossen ist PhiL 4, 221 aufthue, zu reden das Geheimniß Christi [1. Cor. 16, 9; 2. Cor. L, 12; 2.Thess. Z, 1 f.; Ephef. Z, 4; Gal· 2, 2], darum [wel- ches Geheimnisses wegen Kap. 1, 24 fs.] ich auch swas speziell mich, den Paulus, betrifsts gebunden bin lohne daß deshalb meine Bande ein Hinder- niß seiner Verkündigung sein dürften 2. Tim. 2, 9], 4. Aus daß ich dasselbige offenbare fin der Weise], wie ich fes meiner apostolischen Bestim- mung gemäß, so freimüthig und ohne Rückhalt, so ungehemmt und selbst bis in die höchsten Kreise hinein, wie es ihr entspricht] soll reden« sEphes 6, 18-—-20 . i) Offenbar hat der Apostel bei der Ermahnung: ,,haltet an am Gebet und wachet in demselben« die Welt vor Augen, wie sie, sei es innerlich oder äußer- lich, den Christen versucht; ihre versuchende Macht nun sollen die Colosser durch Wachen und Beten über- winden; es soll aber dies ihr Wachen und Beten allezeit mit Dank verbunden sein, denn bei seinen Rüstungen wider die Anfechtungen der Welt hat ein Christ allezeit sowohl dafür zu danken, daß Gott bis daher ihn bewahrt hat, als auch dafür, daß ihm in Christo der vollkommene Sieg gewiß ist. (Huther.) Jch kenne einen heiligen Mann, der, ehe er ein Wort im Gebete sprach, zu sagen pflegte: »Ich danke Dir für alle Deine Wohlthaten, die Du vom ersten Tage an bis zum heutigen mir Unwürdigen erwiesen hast; für alle, die ich weiß und die ich nicht weiß, für die offenbaren und die verborgenen, für die durch Thaten und die durch’s Wort; für alle, die ich mit meinem Willen und die ich wider Ineinen Willen empfan en habe; für alle, die ich Unwürdiger erfahren habe, für Trübsal und Trost, für die Strafen der Hölle, die Du mir zeigtest, und für das Himmelreich, in das Du mich aufnahmst.« (Chrhsostomus.) IN) Nicht nur an sich selbst soll der Christ zur Förderung des Reiches Gottes thätig sein, sondern er hat seinen Blick auch auf die Welt, wie sie äußerlich als die Gesammtheit der Ungläubigen sich darstellt, zu richten und Sorge darum zu tragen, daß dieselbe durch Ausbreitung des Evangeliums immer mehr zu Gottes Reiche umgewandelt werde; so knüpft sich an die vorige Ermahnung zu Wachsamkeit und Gebet mit Dank- sagung die hier folgende, durch welche Paulus die Colosser aussordert, für ihn Fürbitte zu thun, damit er das Geheimniß Gottes so offenbare, wie er soll. (Huther.) Er ermahnt aber zur Fürbitte für ihn nicht für den Zweck, wie Viel-e meinen, daß er frei werde von seinen Banden, sondern daß ihm im Gefängniß Freudigkeit geschenkt werde, das Evangelium zu ver- kündigen. (v. Gerlach.) Die ihm zukommende Weise, die Heilsbotschaft zu verkündigen, war vor allem die, daß er sie als Apostel der Heiden verkündigte; hätte Haltet an am Gebet! Wandelt weislich gegen die, die draußen sind! 563 er nun sich durch die Haft, in der er auf Anklage seines Volkes lag, hierin irre machen lassen, so hätte er dem Zwecke, zu dem auch sie ihm dienen, den er auch als Gefangener erfüllen sollte, zuwider gehandelt. (v. HofmannJ Z. Wandelt weislich gegen die, die draußen sind sim Verhältniß zu den euch umgebenden Nichtchristen l. Thess 4, 12; 1. Cor. 5, 12 f.], und schicket euch in die Zeit sdaß ihr sie wohl zu brauchen verstehet für die Zwecke des Reiches Gottes Ephes 5, 15 u. 16]. b. Eure Rede [ihnen, den Nichtchristen gegen- über] sei allezeit lieblich [und dadurch geeignet, einen guten, getvinnenden Eindruck zu machen] und mit Salz gewükzet [daß man immer den Eindruck davon habe, daß es eben eines Christen Rede sei und nicht die eines faden alltäglichen Menschen Mark. 9, 50; "Matth. 5, 13; Z. Mos. 2, 13 Anm.], daß ihr tvisset swie das ja euer Stand in der Welt von euch fordert], wie ihr einem jeg- lichen sje nach seiner Beschaffenheit oder je nach Lage der Dinge auf seine Fragen in religiösen oder sittlichen Dingen I. Petri 3, 15 f.] antwor- ten sollt [1. Tor. 9, 20 ff.]. Nach dem, was die Colosser in der Fürbitte für den Apostel zu thun haben, folgt, was sie zu thun haben mit Werken und Worten, um der Sache Christi zu dienen; und da wird zunächst im Wandel ohne Wort (l. Petri Z, 1) von ihnen Weisheit ge- fordert, die soll gleichsain das Element sein, in welchem ihr ganzes Verhalten gegen die, die draußen sind, sich bewegt. Was aber ihre Rede im Verhältniß zu den- selben betrifft, so wird Anmuth von derselben gefor- dert und daß sie alle eit, sowohl den wohlmeinenden als den böswilligen Ieuten gegenüber, mit Salz ge- würzet sei: nach der ersten Eigenschaft soll die Rede nichts Abstoßendes sondern nur Anziehendes, nach der andern aber nichts Weichliches, Abgeschmacktes sondern nur Tresfendes, Schlagendes, Jnteressantes enthalten« jene hat am Trotzigem Rauhen, diese am Faden, Kraftlosen ihren« Gegensatz. (Braune.) Wer nichts hat von dem Salze des christlichen Ernstes, der Furcht vor Gottes Zorn und Strafen und der Sorge um die Seligkeit, der verstummt, wenn er reden und sich verantworten sollte,»oder sagt einem jeden diesel- ben nüchternen, leeren Worte. (v. Gerlachs D· waren die drei, den isaränetlschen Theil des Briess abschlicßenden Grniahnungen in V.2—6 von solcher Art, daß sie im Grunde auf den Dienst am Evangelto sich bezogen, den jedes Gemeindeglied zu leisten hat, und um solchen Dienstes willen die Theilnahme der Eolosser für den gefangenen Apostel mit besonderem Uachdrueli in Anspruch nahmen, so ist damit hinlänglich der nun folgende Schluß der ganzen Epistel vorbereitet, in welchem Paulus zunächst, statt unmittelbar selbst den Eesern initzulheilen, wie es um ihn siehe und messen sie sith seinelhalben zu versehen haben, sie an diejenigen Uaafrictjten verweist, welche Tischt- lius im Verein mit Onesitnus ihnen überbringen werde (v. 7—9); darauf richtet er Grüße aus non den Männern seiner Uiugebung und knüpft an ihre tianien einige Lie- merliungen in Zetress ihrer Stellung entweder zu ihm oder zu den Colossern (v. 10—14), bestellt aber auch seinerseits Grüße und verbindet damit einige Ztuftriige (v. 15—17), und seht nun die Grußunterschrift mit eigener Hand unter einer herzandringenden Ermahnung und dem gewöhnlichen Segenswunsche hin (v. 18). 7. Wie es um mich stehet, wird euch alles kund thun Tychicus, der liebe Bruder und getreue Diener [Tit. 3, 12; 2. Cor. 8, 22; 12, 18; Apvstg- 20- 45 Ephei S. 21] und Mitknecht in dem HErru sEphes· e, 22; 2. Tim. 4, 12]; 8. Welchen ich habe darum seigens für die- sen Zweck] zu euch gesandt, daß er erfahre sonder- wärts hat Luther nach andrer Schreibweise des griech. Worts: »daß ich erfahre«], wie es sich mit euch hält snach richtiger Lesart im Grund- text: daß ihr erfahret, wie es sich mit uns hält], und daß er eure Herzen ermahne sin Ephes 6, 22 hat Luther das griech. Wort mit ,,trösten« übersetzt, was auch hier hätte geschehen sollen], 9. Sammt Onefimv [habe ich ihn zu euch gesandt], dem getreuen nnd lieben Bruder sauf dessen Aus-sagen ihr euch werdet verlassen können und den ihr als nunmehrigen Bruder in Christo anerkennen wollet], welcher von den Euren saus eurer Stadt gebürtig V. 12 und daher euch nahe angehörigs ist. Wes, wie es hie zustehet [wel- cherlei Art die hiesigen Verhältnisse seien], werden sie sbeides euch kund thun. Schon im Alterthum scheint man gefühlt zu haben, daß der Apostel nicht, wie »in V. 8 vgl. mit Ephes s, 22 geschiehet, ganz mit denselben Worten sowohl den Colossern als den Ephesern schreiben konnte, er habe den Tychikus eigens für diesen Zweck zu ihnen gesandt, damit sie erführen, wie es um ihn stünde, und er ihre Herzen ermahne oder tröste, ohne den Schein auf sich zu laden, daß er das nur sage, um sowohl jener als dieser Gunst für sich zu gewinnen, und es da mit der Wahrheit nicht recht genau nehme, wie das ja oft genug so vorkommt, wenn man den Leuten ein Complinient machen will; deshalb änderte man die Worte in Ephes 6, 2«2: ,,daß ihr erfahret, wie es um mich (genauer nach dem Grundtext: um uns) stehet« an vorliegender Stelle dahin ab: ,,daß er (oder besser: ich) erfahre, wie es um euch stehet« (Luther: ,,es sich mit euch hält«), welche Abänderung im Grundtexte wegen der großen Aehnlichkeit der Wortformen sich viel leichter bewerkstelligen ließ, als das bei uns im Deutschen möglich wäre. Es ergiebt sich nun aber sofort, daß Paulus nicht so geschrieben haben kann, wie dieser als Abänderung von uns be- zeichnete Text besagt; denn 1) muß man nun auch, wie Luther gethan, statt: »daß er eure Herzen tröste« in Ephef 6, 22 an der vorliegenden Stelle übersehen: ,,daß er eure Herzen ermahne«, also mit einem und demselben Wort im Grundtexte einen verschiedenen Sinn verbinden, und Z) konnte doch unmöglich der Apostel zwischen den Satz in V. 7: ,,wie es um mich steht, wird euch alles kund thun Thchikus« und dem andern in V. 8 f.: ,,welchen ich habe zu euch gesandt sammt Onesimo; alles, wie es hier zustehet, werden sie euch kund thun«, welche beide Sätze von ihm und feinem Ergehen handeln (vgl. das ,,wie es um mich stehet und was ich schaffe« in Ephes 6, 21), die- sen einschieben: ,,daru1n (habe ich den Tychikus zu euch gesandt), daß ich (er) erfahre, wie es sich mit euch hält«, was ja einen ganz andern Zweck, als 367 564 Colosser 4, 10——14. den vorher und nachher genannten, angeben und also eine geradezu eonfuse Rede ergeben würde, wäh- rend es im Schluß von V. 9 vielmehr heißen müßte: ,,alles, wie es hie zustehet, werden sie euch kund thun, und alles, wie es mit euch stehet, werden sie wiederum mir erösfnen«, wenn jene Lesart die ur- sprüngliche wäre. Uebrigens hatte bereits Epaphras dem Apostel Nachricht ge eben, wie es sich mit den Eolossern hielt (V. 12 un Kap. 1, 4—8); es würde daher wie eine Controle aussehen, ob« derselbe ihm auch recht berichtet habe, hätte Paulus xetzt den Tychi- kus zu einer Untersuchung des Standes der Dinge nach Colossä abgeordnet. Wir haben nun aber die oben berü rte Schwierigkeit, welche zu einer Abände- rung der Lesart Veranlassung gegeben hat, in Anh. II zum 6. Bande unter a, 3 bereits dahin behoben, daß die Abordnung des Tychikus in Ephes 6, 22 nicht, wie die Ausle er ohne Weiteres, durch den äußeren Schein getäus t, annehmen, ein und dieselbe ist mit der an unsrer Stelle: dort sandte Paulus von Rom aus den Tychikus, der vermuthlich durch Aristarchus (V. 10) ihm zugeführt worden war, nach Ephesus nicht nur mit dem an diese Gemeinde adressirten Um- laufsschreiben, sondern auch mit der zweiten Epistel an Timotheus, berief letzteren von Ephesus zu sich nach Rom (2.,Tim. 4, 9 sf.) und stationirte an dessen Stelle den Tychikus selber als seinen Delegaten oder Geschäftsträger in Ephesus (2. Tim. 4, 12); hier da- gegen, wie sich aus diesem Zusammenhange der Be- gebenheiten von selbst versteht, sendet er ihn von Ephesus aus weiter östlich nach Eolossä, um den durch Onesimus von Rom mitgebrachten Brief des Apostels an die dasige Gemeinde dieser auszuhändigen und ihr über den Stand der Dinge in Rom aus sei- ner eigenen früheren Anschauung Bericht zu geben, zugleich aber auch den von Colossä gebürtigen, seinem Herrn entlaufenen Sklaven Onesimus als einen nun u dem HErrn bekehrten Mitchristen (Philem. 10 sf.) Bei der Gemeinde einzuführen und durch denselben noch neuere Nachrichten überbringen zu lassen. Auf ein solches Sachverhältniß weist denn auch der Um- stand hin, daß in Ephes 6, 21 Tychikus blos bezeich- net ist als ,,lieber Bruder und getreuer Diener im HErrn«, hier dagegen zu diesen Bezeiehnungen noch die eines Mitknechtes hinzutritt, welcher in Katz. 1, 7 von Epaphras gebrauchte Ausdruck ihn deutlich als nunmehrigen apostolischen Mann charakterifirt, der den Colossern mit derselben Auctorität gegenübersteht, welche Epaphras für sie hatte, und daher wohl im Stande sein dürfte, nicht nur die Unterschrift des Apostels (V. 18), die sie so wenig kannten als seine Person (Kap. 2, 1), vor ihnen zu recognosciren, son- dern auch den Eindruck dessen, was Paulus ihnen ge- schrieben, zu verschärfen. Mit Beziehung hierauf konnte der Apostel sehr wohl den Colossern schreiben, daß er eigens zu ihnen den Tychikus sende, wie er das früher den Ephesern geschriebem es war eben eine neue, b esondere Sendung, eine zu einer andern Zeit und von einem andern Orte aus gemachte, dazu auch von anderer Bedeutung als jene, denn den Ephesern sollte Thchikus die Stelle des Timotheus, den Colossern aber die des Epaphras iersetzen, der ver- muthlich bei Paulus in Rom zurückgeblieben war. Was den Onesimus betrifft, so werden wir auf diesen zu V. 16 näher eingehen; in Beziehung darauf aber, daß der Apostel doch sehr umständlich sich ausgedrückt habe, wenn man ihn in V. 7—9 Inimer nur auf sich und die Verhältnisse in Rom hinweisen lasse, und da- her die gewöhnliche Lesart in V. 8., nach welcher auch Luther übersetzt hat, wohl vorzuziehen sein dürfte, sei noch bemerkt, daß keineswegs eine bloße Wiederholung in diesen drei Versen liegt. In V. 7 nämlich kündigt Paulus an, daß Tychikus den Lesern über seine Lage Mittheilung machen werde; in V. 8 fügt er hinzu, daß er ausdrücklich für den Zweck sol- Zer Mittheilungen und zugleich für den, ihre etwaige eforgniß um ihn zu beheben, diesen seinen Mit- arbeiter an sie abgeschickt habe, in V. 9 empfiehlt er ihnen den Onesimus, den er zu seinem ursprünglichen Briefträger gemacht, zu einer vertrauens- und liebe- vollen Aufnahme und stellt nun durch diesen noch neuere Nachrichten über die kirchlichen Verhältnisse in Rom, als Tychikus sie geben könne, die aber mit denen, welche letzterer aus früherer eigener Anschauung zu machen habe, in Uebereinstimmung stehen und so als glaubwürdig sich erweisen würden, in Aussicht. 10. Es grüßet euch Aristarchus saus Mare- donien Apostg 19, 34 Anm.], mein Mitgefange- nett. Und [der durch Timotheus mir zugeführte 2- Tim- 4, 111 Marcuih der Neffe [Apostg· 12, 25] Barnabiy von welchem [d· i. in Beziehung auf welchen, nämlich den Barnabas Apostg. 18, 23a u. b Anm.] ihr [früher] etliche Befehle [von mir] empfangen habt [ihn nicht bei euch einzu- lassen; nun aber sage ich]: so er zu euch kommt, nehmet ihn auf« fdenn er hat sich dem Dienst am Werke der Heidenbekehrung zu dem er ur- sprünglich mit mir berufen war I. Cor. I, 6., nun wieder zugewendet]; 11. Und Jesus, der da heißt Just, die [beide, Jesus Justus ebensowohl wie Markus] aus der Beschneidung find fund von denen euch, eine heidenchristliche Gemeinde, grüßen zu dürfen mir eine besondere Genugthuung gewährt]. Diefe sind fsreilich von denen aus der Beschneidung, unter welchen doch so Mancher sich mir hätte zu Dienst stellen können, zumal in der Zeit meiner Verlassenheit 2. Tim. 4, 10 f.] allein meine Ge- hilfen am Reich Gottes, die mir faber eben darum, daß doch wenigstens sie sich mir angefchlossen haben und ich nicht so ganz wie ein Geächteter und« Gemiedener unter meinen Gefreundten nach dem Fleisch dastehe] ein Trost worden sinds-it. 12. Es grüßet euch Epaphras [Kap. 1, 7], der von den Euren leurer Stadt angehörig V. 9] ist, ein Knecht Christi, und lzwar ein solcher, der] allezeit ringet für euch mit Gebeten [Röm. 15, 30], auf daß ihr beftehet fstandhaft dastehet Ephef S, 14 als solche, die da sind] vollkommen sin Christo Jesu Kap. J, 281 nnd erfüllet mit allem Willen Gottes [so daß nichts als dieser eure Herzen durch- walte Kap. J, 9]. · 13. Jch gebe ihm Zeugniß daß er [mitSor-, gen und Fürsorgen] großen Fleiß hat um euch sin ColossäJ und um die zu Laodicea und zu Hierapolisss [euren beiden Nachbarstädtem s. Karte VI11]. 14. Es grüßet euch Lukas [2. Tim. 4, 11], der Arzt, der Geliebte, und [der von seiner Reise nach Thessalonich 2. Tim. 4, 10 wieder zuriick- Schluß der Epistel. Die Besteller derselben. Ausrichtung von Griißeir 565 gekehrte Anh II. zu1n 6. Bande: a, 1] Demas H· [vgl. Philem. 23 f.]. «) Hier, wo der Apostel an eine einzelne Gemeinde schreibt, bestellt er nun auch Grüße von Einzelnen seiner Umgebung: uerst von Aristarchus, den er, wie in Philem. 23 en Epaphras, seinen Mitgefange- nen nennt; wenn die colossische Gemeinde von ihm wußte, wie er seit Jahren in des Apostels Geleite gewesen und seine Haft von Anbeginn mit ihm ge- theilt hatte (Apostg. 27, 2), was doch wohl für sicher gelten darf, so verstand es sich für sie von selbst, daß sich der Zusatz hinter dem Namen des Markus und Jesus Justus in V. 11: »die aus der Beschneidung sind 2e.« nicht mit auf ihn, sondern nur auf jene sich beziehe, welche sie sonst nicht als Genossen des Apostels kannte, und nur ihnen zur Empfehlung dienen sollte. (v. HofmannJ Das »Mitgesangener« haben Manche nicht von eigentlicher, gezwnngener Mitgefangenschaft efaßt (an eine solche ist auch zu der Zeit, in welcher Zsaulus die Epistel schrieb und da noch in der Apostg. 28, 30 f. angegebenen Lage sich befand, nicht zu den- ken), sondern von freiwilliger, davon nämlich, daß sich Freunde des Apostels zeitweilig nicht blos als Be- suchende, sondern anhaltend, zu Tag und Nacht, bei ihm aufhielten, um fortwährend um ihn zu sein und ihm zu dienen; sie wechfelten damit unter einander ab, so daß, als Paulus unsern Brief schrieb, Aristar- chus, als er aber den an Philemon fchrieb, Epaphras seine Gefangenschaft theilte. (Meyer.) Es ist sehr viel werth zu wissen, daß liebe Menschen unser freundlich gedenken, ein Gruß hat etwas sehr Wohlthätiges; vergiß also nicht ihn zu bestellen, achte solche Saum- seligkeit nicht gering, sondern sei auch im Grußaus- richten sorgfältig wie der Apostel· (Vraune.) IV) Ohne Zweifel beziehen sich die ,,etlichen Be- fehle«, von denen Paulus hier redet, auf eine an die Gemeinden paulinischer Stiftung ergangene Mahnung, einen von den beiden, den Markus oder den Barnabas (wir lassen die nähere Bestimmung, welchen von ihnen, einstweilen noch außer Betracht), als Lehrer nicht zu- zulassen; das ergiebt sich aus dem nunmehrigen Gegen- befehl: »so er zu euch kommt, nehmet ihn auf-« Wenn es sich nun aber um die FraHe handelt, auf wen von beiden sich jene früheren efehle bezogen haben, so giebt die Bezeichnung des Markus als eines Ver- wandten des Barnabas hier den Ausschlag. Eine mögliche Verwechselung des Markus mit einem andern Apostelgchilfen dieses Namens zu verhüten kann nicht die Absicht dieser Bezeichnung sein, denn im ganzen neuen Testament kommt nur der eine Niarkus vor; auch kann die Bezeichnung nicht den Zweck haben, den Markus zu ehren und ihm eine gute Aufnahme bei den Eolossern zu sichern, wie man in der Regel meint, denn in den paulinischen Gemeinden gereichte ihm die Verwandtschaft mit Barnabas schwerlich zur Empfeh- lung (vgl. die Bem. zu Gal. 5,10). Somit muß Paulus die Absicht gehabt haben, an diese Bezeichnung nicht sowohl auf Markus, als auf Barnabas Be- zügliches anzuschließen; und gewiß hat er mit der innigsten Befriedigung den Eolossern geschrieben, daß der nämliche Mann, um deßwi1len Barnabas ihn einst verließ (Apostg. 15, 39 und mit demselbigen hernach noch viel entschiedener sich von ihm abwendete Gal. Z, 11 fs.), jetzt wiederum in seinem Dienste stehe, ja, noch mehr, daß Barnabas selbst zu kommen im Be- griff stehe und sich der Heidenmission anzuschließen gedenke (vgl. Anh. 11 zum 6. Bande: a, 5), daß er also keinen Grund habe, die Weisungeiy welche sie in Betresf des Barnabas früher von ihm empfangen, noch länger aufrecht zu erhalten, vielmehr fie ersuche, ihn aufzunehmen, d. h. als Freund und Mitarbeiter des Apostels zu ulassen, wenn er käme. (Otto.) IN) Ni t ohne schmerzliche Empfindungen macht der Apostel die Bemerkung, daß von den Lehrern aus dem Judenthum, also aus der Mitte seiner Volks- genossen, des auserwählten alttestamentlichen Gottes- Volks, nur die eben Genannten ihm treu zur Seite standen, während alle Andern entweder sich von ihm zurückgezogen oder in der Reihe seiner Gegner ge- standen hatten (vgl. die Bem. zu Apostg. 25, 5 über die Theilnahmlosigkeit der jerusalemischen Gemeinde an Pauli Schicksalen). So schwer wird es dem Ge- setzeseifeiz zur evangelischen Freiheit hindurchzudringen und den hohen, weltumfassenden Charakter eines im Geiste des Paulus freien Christenthums zu begreifen; der gesetzliche Fanatismus hat zu allen Zeiten einen lähmenden Einfluß auf die freie innere Entwickelung des christlichen Lebens aus eübt. (Schenkel.) f) Gegenüber von Ari tarchus, dem Macedonier, und Markus und Jesus Justus, den Juden, wird Epaphras, welcher an sich und nach dem, was in Kap. I, 7 von ihm gesagt war, keiner näheren Be- zeichnung bedurft hätte, der aus der Gemeinde selbst herstammende Knecht Chrigi genannt und der Werth seines Grußes durch das eugniß erhöhet, daß er sich allezeit im Gebete abringt um die, welche er grüßt, womit aber diesen nun auch nahegelegt wird, daß sie ihrerseits auf das bedacht sein sollen, was er für sie erfleht. (v. Hofmann.) Je inbrünstiger das Gebet für jemanden, destomehr ist es ein Kämpfen für ihn, nämlich gegen die Gefahren, welche denselben bedrohen und die der lebendigen Vorftellun des im Gebete Ringenden gegenwärtig sind. Des paphras Gebet-J- kampf galt nun aber nicht blos den häretischen Ver- suchungen, denen die Eolosser, deren Gemeindeglied er war, ausgesetzt waren, sondern wie sich aus den Wor- ten: »auf daß ihr bestehet vollkommen und erfüllet mit allem Gotteswillen« ergiebt, überhaupt allem, was die rechte christliche Verfassung bei ihnen gefähr- dete. (Meher.) Festigkeit und Ausdauer ist ein natür- licher Grundzug im Charakter des Christen und der Christengemeinde; aber Fundament und Element der- selben muß der Gotteswille nach den verschiedenen Lebensbeziehungen sein. Der Christ soll keiner Men- schenmeinung, nicht Zeitgedanken noch Weltweisheit oder eigenem Fleischesgelüste und selbstischem Wesen weichen: in Gottes Wollen liegt unser Sollen, und darauf muß unser Können gehen. (Braune.) Zur Begründung dessen, was der Apostel bisher von Epaphras gesagt hat, fügt er ein neues ehrendes Zeugniß hinzu, indem er auf den großen Fleiß oder die viele Mühe aufmerksam macht, welche derselbe nicht nur zum Besten der Gemeinde zu Colofsä, son- dern auch der benachbarten Gemeinden zu Laodicea und Hierapolis aus sich enommenz daß er der haupt- sächlichste Gründer und ehrer auch dieser beiden Ge- meinden war, ist demzufolge nicht unwahrscheinlich. (Schenkel.) Laodicea, am Lykus gelegen, war eine sehr ansehnliche Stadt, an deren Gemeinde einer der sieben apokalyptischen Briefe gerichtet ist (Offenb. Z, 14 s«f.); Hierapolis war nur ein kleiner Ort, ist aber in der alten Kirchengeschichte berühmt eworden durch die bekannten Bischöfe der dortigen emeinde, Papias und Claudius Apollinaris. (Olshausen.) H) Der Apostel grüßt nun noch von einem Lukas, den er wohl nicht deshalb den ,,Arzt« nennt, um ihn von einem andern desselben Namens zu unterscheiden, sondern um zu sagen, was er ihm sei, in welcher Eigenschaft er seiner Umgebung angehöre; denn wenn 566 Colosser 4, 15——18. er hinzufügtx »der Geliebte«, so macht dies doch ganz den Eindruck, als wolle er damit seine Dankbarkeit für die Dienste, die er ihm in seiner Eigenschaft als Arzt leistet, zu erkennen geben. Daß er ihn in Philem. 24 mit Markus, Aristarchus und Demas unter die gemeinsame Bezeichnung: »meine Gehilfen« mit be- greifen kann, ist hierdurch nicht ausgeschlossen (so hatte wohl Aristarchus V. 10 den äußeren Unterhalt des Apostels zu besorgen, der sich als Gefangener nicht mehr mit seiner Hände Arbeit ernähren konnte, In Rom aber, wo die Lebensbedürfnisse ohnedies kost- spielig waren, auch eine Miethswohnung Äd bezahlen hatte Apostg. 28, 30). Man hat gemeint, dieser Lukas müsse ein Nichtisraelite gewesen sein, weil er sonst in V. 11 in Einer Reihe mit Markus und Jesus Justus genannt wäre; aber wenn er den Apostel als Arzt begleitete, so war er ja keiner von denen, welche die christliche Lehrthätigkeit zu ihrem Lebensberufe gemacht hatten (wenigstens damals nicht, als er bei dem Apostel in Rom war, weil er da es mit Abfas- sung seines Evangeliums und der Apostelgeschichte zu thun hatte 2. Tim. 4,13). Und sollte sich heraus- stellen, daß er zu denen zählte, deren Eintracht mit dem Apostel sich von selbst verstand, weil sie von lange her seine Umgebung bildeten, so würde hierdurch Jene Folgerung vollends zunichte (vgl. die Schlußbem zum Evangelio St. Lucä). Der letzte, von dem er grüßt, ist Demas. Es ist aufgefallen, daß dieser Eine ohne alle nähere Bezeichnung genannt ist, und man wollte sich dies im Hinblick aus Z. Tim. 4, 10 daraus erklä- ren, daß ihm damals schon der Apostel nicht recht getraut, ihn keiner ehrenden Bezeichnung würdig er- achtet habe: eine wunderliche Meinung, auf die man angesichts von Philem. 24 gar nicht hätte kommen sollen! Das Richtige wird sein, daß Demas den Brief schrieb (vgl. Röm. 16, 22) und da seinen Namen an die Namen derer, von welchen Grüße bestellt wurden, nur einfach anreihete. (v. Hofmann.) 15. Grüßet die Brüder zu Laodicea, und [da besonders] den Nymphas und die Gemeine in seinem Hause swährend die andere Gemeine im Hause des Philemon im Briefe an den Letzteren schon ihren eigenen Gruß empfangen hat Philem. 2]. 16. Und wenn die Epistel [die ich euch hier geschrieben habe] bei cuch gelesen ist, so schaffen daß sie auch in der Gemeine zu Laodicea gelesen werde sdamit auch diese den Inhalt derselben sich zu Herzen nehme 1. Thess 5, 27], und [ebenso schafsetJ daß [wiederum] ihr die von Laodjcea [zu euch gelangende Epistel — so hat Luther, dem Grundtext gemäß, in den Ausgaben des neuen Destaments vom J. 1522 bis 1527 gefchrieben, bis er später, im Anschluß an die Vulgata, dafür setzte: die an die von Laodieea gerichtete Epistelj leset sindem ihr sie euch einfordert]. 17. Und saget dem Archippus sdes Philemon Sohn in Laodieea]: Siehe auf das Amt, das du empfangen srichtigert auf den Dienst, den du ubernommen] hast in dem HErrn, daß du das- felb1ge»[denselben] ausrichtest fund nicht uner- füllt liegen lassest]. Daß Archippus des Philemon Sohn (nach andrer Annahme sein Bruder) gewesen sei, geht aus Philem.2 mit ziemlicher Bestimmtheit hervor; für diese Auf- fassung der Sachverhältnisse haben sich schon mehrere bedeutende Schriftausleger entschieden, aber doch nun nicht die weitere Folgerung gezogen, daß, weil Paulus ja keinenfalls den Colossern würde aufgetragen haben, dem Archippus das zu sagen, was er hier schreibt, ihm also eine Admonition zu ertheilen, wenn derselbe zu eben dieser Gemeinde selber gehört hätte, sondern in solchem Falle viel einfacher die Admonition in eigener Person vornehmen würde, wie er das z. B. in Phil. 4, 2 f. mit den beiden streitenden Frauen thut, Archippus vielmehr ein Glied der Gemeinde zu Laodieea gewesen sein muß, und gleichwie er, so dann auch sein Vater Philemon. Fast durchweg steift man sich darauf, daß Onesimus in V. 9 ein An- gehöriger der Colosser genannt wird und schließt von ihm, dem Sklaven, aus seinen Herrn, den Philemon, und von diesem wieder auf dessen Sohn, den Archip- pus: auch diese beiden seien Angehörige der Colosser gewesen; mit dieser Annahme aber geräth man in ziemlich große Verlegenheit, wie des Apostels Aus- lassungen in den vorliegenden drei Versen in befrie- digender Weise zu erklären seien. Wieseler (vgl. zu Philem. Z) hat da ohne Zweifel das Richtige erfaßt, wenn er nach einigen älteren und neueren Vorgän ern sich die Sache so zurecht legt: allerdings war ne- simus von Colossä gebürtig; aber daß sein Herr, Philemon, in Laodicea wohnte, ergiebt sich daraus, daß dessen Sohn oder Bruder Archippus hier im Zu- sammenhange von lauter Austrägen erwähnt wird, die sich auf Laodicea beziehen (vgl. das »und« sowohl zu Anfang des 16. als des 17. Verses). Zunächst nun, so erklären wir unsrerseits, dieser Ansicht bei- psli tend, den Inhalt des 15. Verses, läßt der Apostel die rüder in Laodieea im Allgemeinen grüßen; sie bestanden aber aus zwei Hausgemeinden, von denen die eine im Hause des sonst nicht weiter be- kannten Nymphas sich versammelte, die andere im Hause des Philemon (Philem. 2), denn aus Röm. 16, 5; 1. Cor. 16, 19 geht hervor, daß die Gemeinden der apostolischen Zeit aus einzelne Hausgemeinden sich vertheilten, indem sie ihre gottesdienstlichen Versamm- lungen im Hause angesehener Mitglieder oder doch solcher, die ein geräumiges Lokal besaßen, hielten, da man eigentliche Kirchgebäude damals noch nicht hatte. Jndem denn Paulus bei dem Gruße, den er den Co- lossern an die Brüder zu Laodicea aufträgt, sich be- sinnt, daß er den einen Theil dieser Brüder, die Haus- gemeinde des Philemon, in dem kurz vorher gefchrie- benen Briefe an den letzteren im Besonderen ge- grüßt gut, vermag er’s nicht über sich zu bringen, dem an ern Theil nicht das Gleiche, noch einen speziell an sie gerichteten Gruß, zukommen zu lassen; so er- klärt sich, warum er nach den Worten: ,,grüßet die Brüder zu Laodieea« alsbald fortfährt: »und (speziell) den Nhmphas und die Gemeine in seinem Hause-« Wenn er darnach aber in V. 16 weiter anordnet, daß, wenn die Colosser die an sie adressirte Epistel gelesen haben, sie dafür sorgen möchtem daß dieselbe auch in der Gemeinde zu Laodicea gelesen werde, und daß sie umgekehrt darauf Bedacht nehmen mö ten, auch ihrer- seits die Epistel von Laodicea zum esen U bekom- men, was kann, da unmittelbar« darauf in . 17 des Archippus, des Sohnes des Philemon, gedacht wird, anders für eine Epistel gemeint sein, als eben die an den Philemon gerichtete? Für das Lesen der Epistel an die Colosser auch von Seiten der Laodieeer er- giebt sich der Zweck aus Katz. 2, I f. u. 14, 13 von selber: auch sie standen in der gleichen Gefahr, wie die Colosser; auch ihnen that es daher Noth, das zu Die Männer der Umgebung des Apostels. Bestellung von Grüßen und eigener Gruß. 567 hören und zu Herzen zu fassen, was Paulus den Colossern geschrieben. Aber auch für das Lesen der Epistel an Philemon von Seiten der Eolos s er liegt der Zweck nicht soweit ab, daß er sich nicht ausfindig machen ließe: hatte Paulus diesen Brief darum nicht blos an Philemon, sondern auch an seine Familien- glieder und seine Hausgemeinde gerichtet, damit diese ei dem, was Philemon an Onefimus thun sollte, mit betheiligt wären und enau wüßten, in welcher Weise der Apostel an ihn gekschrieben habe, um nicht falsche Voraussetzungen zu machen, so sollten nun auch die Colosser Gelegenheit haben, in der zwischen ihrem Landsmann Onesimus und dessen Herrn Philemon schwebenden Sache fich dahin informiren zu können, daß die Aussöhnung zwischen ihnen vollständig bewirkt sei und daß, wenn geschah, was der Apostel mittelbar als seinen Wunsch zu erkennen gegeben (Philem. 20f.), wenn Philemon den Onesimus nicht blos zu Gnaden annahm, sondern vielmehr völlig freigab und dieser in den Dienst der colossischen Gemeinde übertrat, keinerlei Hinderniß zu seiner Verwendung im kirch- lichen Interesse bestehe. Es ist wol hauptsächlich diese letztere Aussicht, des Onesimus reilassung von Seiten des Philemon und sein Eintritt in den Kirchen- dienst bei der Gemeinde seiner Vaterstadt, welche den Paulus bestimmte, die Colosser zu veranlassen, daß sie gegen ihre, den Laodiceern zum Lesen zu überbrin- ende Epistel sich die des Philemon für den gleichen gweck sollten behändigen lassen; sie diente nun, wenn sie, um nach unsern Verhältnissen zu reden, in Ab- schrift zu den Personalakten genommen wurde, der colossischen Gemeinde hinfort als authentisches Dorn- ment für ihre Berechtigung den Qnesimus in ihrem Dienste zu verwenden, diesem aber als apostolisches Diplom für seine Erhebung aus dem Stande eines seinem irdischen Herrn entlaufenen Sclaven in den Stand eines nun dem himmlischen HErrn dienenden Knechtes, verhalf also dazu, daß in der Gemeinde Christi alles ehrlich und ordentlich ugehe (1. Tor. 14, 40). Gegen die Zulässigkeit der ier vorgetrage- nen Ansicht läßt fich nicht einwenden: es sei doch, wenn der Apostel dergleichen Tendenzen gehabt hätte, viel natürlicher gewesen, er hätte den Philemon be- austrash den Colossern den an ihn gerichteten Brief zu1n esen und zum Anfertigen einer Abschrift zu überlassen, gleichwie er den Colossern auftrug, die ihnen geltende Epistel den Laodiceern für solchen Zweck zu übermitteln. Auf solche Einwendung haben wir u erwidern: der Apostel wollte einerseits den Ent- schließungen des Philemon nicht vorgreifen, darum gab er ihm keinen Auftrag, was mit dem ihm zu- gefertigten Briefe weiterhin geschehen sollte; er wollte aber auch andrerseits ihn in eine Lage bringen, daß er die ihm zu erkennen gegebenen Wünsche in Betreff des Onesimus nicht einfach ignoriren könne, darum ordnete er eine Nachfrage nach dem Briefe von Seiten der Colosser an. Mit dem, was Paulus in der zwei- ten Hälfte des 19. Verses und im 20. Verse in der Epistel an Philemon schreibt, ertheilt er, wenn wir die Worte so verstehen, wie sie ohne Zweifel gemeint sind, den Colossern gewissermaßen ein Recht zu der Nach- frage, ob Philemon geneigt sei, statt den Onesimus ferner im eigenen Dienste zu behalten, ihn dem Dienste bei ihrer Gemeinde zu überlassen; und nach dem, was Paulus ihm im 18. Verse und in der ersten Hälfte des 19. Verses sagt, bedurfte Philemon allerdings einer Controle über fein Verhalten, um gegen die Versuchung, fich vom Ei ennutz bestimmen zu lassen, durch die Rücksicht aus An ere und den ihnen benöthig- ten Dienst geschützt zu sein. Für gewöhnlich nimmt man entweder an, die ,,Epistel von Laodicea«, welche die Colosser fich sollen geben lassen, sei eine eigens an die Laodiceer gerichtete Epistel, die aber für uns ver- loren gegangen sei (vgl. zu 1. Tor. 5, 9 u. Phil.3, 1), oder aber man denkt an die Epistel an die Epheser, welche als Umlaufschreiben zuletzt auch nach Laodicea gelan- gen und nun, wie hier stehe, auch den Colossern zu Gebote stehen solle; sowohl jene wie diese Ansicht er- scheint uns als unhaltbar; wir müssen es uns aber versagen näher darauf einzugehen, wie ja auch beide Ansichten von selber fallen würden, wenn die hier von uns vertretene künftig noch mehr, als es bisher der Fall ist, als die richtige anerkannt werden sollte. Es fragt fich nun aber weiter, wie es fich mit dem, was die Colosser nach V. 17 dem Archippus sagen sollen, verhalte. Der Apostel ehrt ihn in Philem. 2 durch die Bezeichnung eines »Streitgenossen«, er muß also für das Evangelium schon Kampf und Ungemach be- standen haben; daß er aber bereits in einem Ge- meindeamte, etwa in dem eines Diakonen oder gar eines Aeltesten gestanden habe, wie die Ausleger in der Regel annehmen und wie auch Luther von dieser Annahme aus übersetzt hat: »siehe auf das Amt, das du empfangen hast in dem HErrn, daß du dasselbige aus- richtest«, hat gar gewichtige Bedenken gegen fich, indem doch schwerlich Paulus den Colossern eine solche disciplinare Admonitionsbefugniß über den Beamten einer frem- den, aber auch nicht der ei enen Gemeinde, wenn Archippus zu Colossä selber tationirt gewesen wäre, zuerkannt haben wird, sondern jedenfalls entweder durch Tychikus, seinen Delegaten, oder unmittelbar selber im Briefe, ohne erst des ,,saget dem Archippus« fich zu bedienen, die Admonition ertheilt hätte. Viel- mehr handelt es fich ohne Zweifel um einen Dienst, den Archippus selber in christlichem Eifer übernom- men hatte, wie von andern Auslegern der betreffende riechische Ausdruck richtiger übersetzt wird; wahr- szcheinlich war es, wie v. Hosmann vermuthet, die Thätigkeit eines Evangelisten (Apostg. 21, 8 u. Ephes. 4, 11 Anm.), für welche er seine Dienste ugesagt hatte, und nun liegt dem Apostel daran, da er es damit nicht anstehen lasse. Denn indem die Evange- listen zu ihrer Aufgabe hatten, das Leben und Wirken des HErrn, seine Aussprüche und Reden, also den historischen Christus, bei den Gemeinden in leben- diger Kenntniß zu erhalten, wirkten sie so am besten der speculativen Verflüchtigung der heil. Geschichte, der philosophischen Aufzehrung des geschichtlichen Stoffes entgegen; und eine solche Wirksamkeit war es ja erade, die den von den colossischen Jrrlehrern eben- Falls bedrohten Laodiceern so sehr noth that. Jndem aber Paulus die Colosser beauftragt, den Archippus zum Beginnen und Ausrichten seiner evangelischen Thätigkeit dort in Laodicea anzuregen, ieht er sie in ein Jnteresse hinein, das sie auch für sich selber zu erfassen und zu verwirklichen haben; mindestens eben so sehr, wenn nicht noch mehr, thut ihnen· selbst »ein solcher Evangelist noth, und nun irren wir vielleicht nicht, wenn wir der Vermuthung Raum geben, ihren Landsmann Onefimus sollen sie für diesen Dienst bei ihrer Gemeinde anstellen, denn dort in Rom ist er bei dem in des Apostels Um ebung befindlichen und mit der Abfassung eines schristlichen Evangeliums beschäs- tigten Lukas (V. 14) in einer guten Schule gewesen. 18. Mein Gruß mit meiner Paulus-Hand [2. Thess Z, 17; 1. Tor. is, 21]. Gedenket meiner Bande sdie ich für euch leide, welche euch eine Ehre sind Ephes. 3, 13]. Die Gnade [des 568 Schlußbemerkungen zur HErrn Jesu Christi] sei mit euch [1. Cor. 16, 23; Gar. e, 18]! Amen. Wenigstens eini ermaßen knüpft Paulus, nachdem er bis hierher die pistel dem Demas (V. 14) diktirt hat, mit den Colossern, denen er von Person unbe- kannt war (Kap. 2, 1), eine persönliche Beziehung an, indem er die Grußunterfchrift nun noch eigenhändig hinzufügen zu wollen erklärt; ehe er aber den ange- kündigten Gruß mit den Worten: »die Gnade sei mit euch« wirklich folgen läßt, schickt er erst noch die Elltahnung voraus: »gedenket meiner Bande«, der Ge- Geschrieben von iRom durch Gyrhikum Epistel an die Colosfer. meinde selbst anheim ebend, was alles damit gesagt sei. Jedenfalls nun oll die Mahnung eine Aufforde- rung für sie enthalten, dem Evangelio treu zu blei- ben, in dessen Dienste er die Bande trägt; daraus führt der Umstand, daß im Grundtext das »meine« des Nachdrucks wegen vorangestellt ist. Die Gemeinde kann aber auch die Mahnung sich zu einem Antrieb dienen lassen, des gefangenen Apostels der Heiden in ihren Gebeten zu gedenken; darauf werden sie hin- esührt, wenn sie in der Epistel von Laodicea nun die orte lesen (Philem. 22): ,,.ich hoffe, daß ich durch euer Gebet euch geschenkt werde« und Qnestmum [vgl. zu Kap. 4, 7 ff.]. Schlusibemetlkungrn zur ilkpiflcl an die Colossen Zunächst liegt uns ob, die in der Einleitung zu Ephes 1, I f. in Aussicht gestellte Zu- sammenstellung der verwandten Stellen des Epheser- und des Colosserbriefs zu geben; der leichteren Vergleichung wegen bringen wir sie gleich im vollständigen Text nach Luther: Ephes.1, 7. An welchem wir haben die Erlösung durch sein Blut, nämlich die Vergebung der Sünden, nach dem Reichthum seiner Gnade. - 1, 15. Darum auch ich, nachdem ich gehöret habe von dem Glauben bei euch an den HCkrn Jesum und von eurer Liebe zu allen ei « igen. - 4, 16. Aus welchem der ganze Leib zusam- men gesüget, und ein Glied am andern hanget durch alle Gelenke, dadurch eins dem andern Handreichung thut, nach dem Werk eines jeglichen Gliedes in seiner Maße, und machet, daß der Leib wächset zu seiner selbst Besserung; und das alles in der Liebe. - 4, 31. Alle Bitterkeit und Grimm und Zorn und Geschrei und Lästerung sei ferne von euch, sammt aller Bosheit. 32. Seid aber unter einander freundlich, herzlich, und vergebet einer dem andern, gleichwie Gott euch vergeben hat in Christo. - Z, Z. Hurerei aber und alle Unreinigkeit, oder Geiz, lasset nicht von euch gesagt werden, wie den Heiligen zustehet; 4. Auch schandbare Worte und Narrenthek dinge, oder Scherz, welche euch nicht ziemen; sondern vielmehr Danksagung 5. Denn das sollt ihr wissen, daß kein Hurer oder Unreiner oder Geiziger (welcher ist ein Götzendieney Erbe hat an dem Reich Christi und Gottes. 6. Lasset euch niemand verführen mit ver- geblichen Worten; denn um dieser willen kommt der Zorn Gottes über die Kinder des Unglaubens. - 5, 15. So sehet nun zu, wie ihr vorsichtiglich wandelt, nicht als die Unweisen, sondern als die Weisen; 16. Und schicket euch in die Zeit, denn es ist böse Zeit. Col. 1, 14. An welchem wir haben die Erlösung durch sein Blut, nämlich die Vergebung der Sünden. - 1, 4. Nachdem wir gehöret haben von euren: Glauben an Christum Jesum und von der Liebe zu allen Heiligen. - 2, 19. Und hält sich nicht an dem Haupt, aus welchem der ganze Leib durch Gelenke und Fugen Handreichuiig empfähet und an einander sicl) enthält, und also wächst zur göttlichen Größe. - Z, 8. Nun aber leget alles ab von euch, den Zorn, Grimm, Bosheit, Lästerung, schand- bare Worte aus eurem Munde. 13. Und vertrage einer den andern, und vergebet euch unter einander, so jemand Klage hat wider den Andern; gleichwie Christus euch vergeben hat, also auch ihr. - 3, 5. So tödtet nun eure Glieder, die auf Erden sind, Hurerei, Unreinigkeit, schändliche Brunst, böse Lust, und den Geiz, welcher ist Abgötterei; 6. Um welcher willen kommt der Zorn Gottes über die Kinder des Unglaubens. - 4, 5. Wandeltweislich gegen die, die draußen sind, und schicket euch in die Zeit. Schlußbemerkungen zur Epistel an die Colosser. 569 Ephes 5, l9. Und redet unter einander von Psal- Col. 3, 16. Lasset das Wort Christi unter euch men und Lobgesängen und geistlichen Liedern, reichlich wohnen, in aller Weisheit; lehret singet und spielet dem HErrn in eurem und vermahnet euch selbst mit Psalmen und Herzen; Lobgesängen und geistlichen lieblichen Liedern, 20. Und saget Dank allezeit für alles und singe: dem HErrn in eurem Herzen. Gott und dem Vater, in dem Namen unsers 17. Und alles, was ihr thut mit Worten HErrn Jesu Christi. oder mit Werken, das thut alles in dem Namen des HErrn Jesu, und danket Gott und dem Vater durch ihn. - 5, 22. Die Weiber seien unterthan ihren - Z, 18. Jhr Weiber, seid unterthan euren Männern als dem HErm Männern in dem HErrn, wie sich’s gebühret. - 5, 25. Jhr Männer, liebet eureWeiber,gleich- - 3, II. Jhr Männer, liebet eure Weiber, und wie Christus auch geliebet hat die Gemeine, seid nicht bitter gegen sie. und hat sich selbst für sie gegeben. - 6, 1. Jhr Kinder, seid gehorsam euren Eltern - Z, 20. Jhr Kinder, seid gehorsam den Eltern in dem HErrn; denn das ist billig. infagen Dingen; denn das ist dem HErrn e a i . - 6, 4. Und ihr Väter, reizet eure Kinder nicht - 3,g21. Ihr Väter, erbittert, eure Kinder nicht, um Zorn; sondern ziehet sie auf in der auf daß sie nicht scheu werden. Zzucht und Vermahnung zum HCrm - 6, 5. Jhr Knechte, seid gehorsam euren leib- - Z, 22. Jhr Knechte, seid gehorsam in allen lichen Herren mit Furcht und Zittern, in Dingen euren leiblichen Herren, nicht mit Cinfältigkeit eures Herzens, als Christo; Dienst vor Augen, als den Menschen zu ge- 6. Nicht mit Dienst allein Vor Augen, als fallen, sondern mit Einfältigkeit des Herzens den Menschen zu esallen, sondern als die und mit Gottesfurcht. Knechte Christi, da ihr solchen Willen Got- 23. Alles, was ihr thut, das thut von tes thut von Herzen, mit gutem Willen. Herzen, als dem HErrn, und nicht den 7. Lasset euch dünken, daß ihr dem HErrn Pkenschem dienet, und nicht den Menschen; 24. Und wisset, daß ihr von dem HErrn 8. Und wisset, was ein jeglicher Gutes empfahen werdet die Vergeltung des Erbesz thun wird, das wird er von dem HCrrn denn ihr dienet dem HErrn Christo. empfahen, er sei ein Knecht oder ein Freier. 25. Wer aber Unrecht thut, der wird empfahen, was er Unrecht gethan hat, und gilt kein Ansehen der Person. - 6, 9. Und ihr Herren, thut auch dasselbige - 4, 1. Jhr Herren, was recht und gleich ist, ge en sie, nnd lasset das Dräuen, und wisset, das beweiset den Knechten, und wisset, daß das auch euer HErr im Himmel ist und ist ihr auch einen HErrn im Himmel habt. bei ihm kein Ansehen der Person. - 6, 18. Und betet stets in allem Anliegen, mit - 4, 2. Haltet an am Gebet, und wachet in Bitten und Flehen im Geist, und wachet demselben mit Danksagung dazu mit allem Anhalten und Flehen für Z. Und betet zugleich auch für uns, auf alle Heiligen, daß Gott uns die Thür des Worts aufthue, 19. Und für mich, auf daß mir ge eben zu reden das Geheimniß Christi, darum ich werde das Wort mit freudigem Austhun auch gebunden bin; meines Mundes, daß ich möge kund machen 4. Auf daß ich dasselbige offenbare, wie das Geheimniß des Evangelii; ich soll reden. 20. Welches Bote ich bin in der Kette, auf daß ich darinnen freudig handeln möge und reden, wie fich’s gebühret. - 6, 21. Auf daß aber ihr auch wisset, wie es - 4, 7. Wie es um mich stehet, wird euch alles um mich stehe und was ich schaffe, wird es kund thun Tychikus, der liebe Bruder und euch alles kund thun Tychjkus, mein lieber getreue Diener und Mitknecht in dem HErrnz Bruder nnd getreuer Diener in dem HErrn, 8. Welchen ich habe darum zu euch ge- 22. Welchen ich efandt habe zu euch um sandt, daß er erfahre, wie es sich mit euch desselben willen, das ihr erfahret, wie es um hält, und daß er eure Herzen ermahne, mich stehe, und daß er eure Herzen tröste. 9. Sammt Onesimo, dem getreuen und lieben Bruder, welcher von den Euren ist. Alles, wie es hie zustehet, werden sie euch kund thun. Wir haben hier nur diejenigen Stellen neben einander gestellt, in welchen die Verwandt- schaft am auffälligsten hervortritt; daneben giebt es nun aber auch andere, in denen sich der eine Brief mit dem andern, sei es in ganzen Gedanken oder nur in einzelnen Worten, so nahe berührt, daß man sofort den Eindruck bekommt, beide Episteln gehören einer Zeit an, wo der Apostel mit seinen Anschauungem Hoffnungen und Wünschen sich in einem bestimmten Jdeenkreise bewegte, woraus es sich von selbst ergab, daß er die in dem zuerst geschriebenen Briefe vorgebrachten Gedanken, Wendungen und Ausdrücke, die ihm noch in der Seele hafteten, in freier Weise und je nach Be- dürfniß auch in dem nicht lange darnach geschriebenen andern Briefe verwerthete Begegnet uns jedoch bei aller dieser Verwandtschaft auch andrerseits eine große Verschiedenheit, welche selbst in den 570 Schlußbemerkungen zu der Epistel an die Colossen fast gleichlautenden Stellen insoweit hervortritt, daß gleiche Ausdrücke in ganz anderem Sinne oder doch Umfange, ähnliche Sätze in wesentlich anderem Zusammenhange und anderer Abzweckung vor- kommen, so erklärt sich das nur dann, wenn wir annehmen, daß beide Briefe nicht uno aotu, gleich- sam in Einem Zuge verfaßt sind, sondern daß trotz der Zeitgleiche ihrer Abfassung im Allgemeinen dennoch zwischen der Schreibung des einen und der des andern Briefes ein bestimmter Zeitraum verflossen sei, innerhalb dessen der Verfasser der ganzen Fülle und der reichen Beziehungen seiner Ideen, je mehr er fortwährend sie bei sich bewegte, auch mehr und mehr bewußt wurde. Wie der oben als Motto über unsre Epistel gestellte Ausspruch schon hervorgehoben hat, beherrscht dem Uni- vers alismus im Epheserbrief gegenüber den Colosserbrief vielmehr ein Monismusx nicht sowohl der Ursprung und die Herrlichkeit der Kirche, als vielmehr Christi selber ist’s, was hier zur Aus- führung kommt. Daher ist auch in der Einleitung und in dem je ersten Theile die Verwandtschaft der beiden Episteln eine mehr zurücktretende; desto entschiedener dagegen tritt sie hervor in dem je zweiten Theile und dann auch in dem Schluß Wir haben es nicht für glaublich halten können, daß die in Kap. 4, 16 erwähnte ,,Epistel von Laodicea«, welche die Colosser ebenfalls lesen sollen, die Epistel an die Epheser sei, so sehr auch die von uns vertretene Ansicht von dem Charakter der letz- teren Epistel als eines Umlaufschreibens an die sieben kleinasiatischen Gemeinden der Offenbarung St. Johannis, welches zuletzt bis Laodicea gelangte, es uns nahe legen könnte, jener Meinung eben- falls beizutreten; dagegen halten wir es allerdings für wahrscheinlich, daß sder Apostel dem Tychiku·s, welchem er ursprünglich nur die Weisung gegeben, die zunächst an die Epheser adressirte Epistel unter den Gemeinden des sephesischen Sprengels (Ephesus, Smyrna, Pergamus, Thyatira, Sardes und Philadelphia) circuliren zu lassen, nunmehr, als Epaphras zu« ihm kam und ihm seine Sorge um die von ihm gestifteten Gemeinden (Eolossä, Laodicea und Hierapolis) klagte, bei Zusendung des Eolosserbriefs eine weitere Jnstruction dahin ertheilte, die Circulation auch auf diese Gemeinden aus- zudehnen, daher er auch an die Colosser vielfach kürzer sich gefaßt hat und Manches darin sich aus- nimmt, als rechne der Verfasser auf weitere Ausführungen, die ihnen schon noch würden zu Theil werden. Auffallend erscheint, daß in Kap. 4, 15—17 der Gemeinde zu Hierapolis so gar nicht gedacht wird; vermuthlich aber stand diese, an sich noch kleine Gemeinde mit der zu Laodicea in so naher Verbindung, daß sie in deren Namen gewissermaßen ausging und einer eigenen Erwähnung nicht bedurfte, weshalb sie auch in Kap. 2, 1 nur auf mittelbare Weise Verücksichtigung findet. Späterhin erscheint auch Eolossä mit Laodicea wie zu Einer Gemeinde verschmolzenz wenigstens läßt sich ein solches Sachverhältniß für Offenb. 1, 11 annehmen, indem Colossä, ursprünglich als Heimaths- ort des Epaphras im Vordergrunde stehend, nach dessen Hintritt der durch Philemon und Nymphas vertretenen Laodicea-Gemeinde den Vorrang lassen mußte, wie auch der Ort selber damals gegen Laodicea bedeutend zurückstand Wie 1. tltpisiel St. Zllanli an die tllhessalonicheic Es ist zunächst nicht ein Lehrzwech der den Apostel diesen Brief schreiben heißt, sondern der Wunsch, die Leser der vollen Geistesgemeinschaft zu versichern, welche zwischen ihm, dem Apostel, und der Gemeinde besteht, und die Verdächtigungen abzuweisen, mit denen die ungläubigen Juden Thessa- lonichs ihn, den ihren Händen Entronnenem verfolgten; wenn aber dann doch der Zustand der Ge- meinde ihn auf die Besprerhung eines bestimmten Lehrstiicks führt, so kann er sich da unmittelbar an seine miindliche Missionspredigt anlehnen, und bildet so der Brief recht eigentlich den Uebergang von der ersten Stufe der apostolischen Thätigkeit zur zweiten, von Paulus, dem Prediger, zu Paulus, dem Briefsteller. s Das l. Kapitel. Vermahnung an die Thessaloiiioheis zur Eze- ständigläeit im Chrisienthum A— Gleich in diesem seineni ersten, zu Ende des I. 52 oder doih bald zu Anfang des J. 53 n. Chr. von Corinth ans (Kposig.18, 5 Keim) an eine seiner Gemein- den erlassenen Sendschreiben beobachtet der Apostel in der den Eingang bildenden Kufsthrift und dem daran ge· fügten Gruß die Weise des alten iBriefsihls (Jlvollg.15, 23; 23, 26); ein solcher Eingang vereinigt denn alles in has, was bei uns in die Kunde, Begriißiing, Unterschrift und Adresse auseinanderfällt Aber nicht blos in seinem, san« dern auch in der bei ihm anwesenden Gehilfen, des Sil- vanns und Timolheuz dlanten schreibt Paulus den Brief: wie ne mündlich gemeinsam den ljilirrn verliündigt haben, so soll auch due schriftliche Wort von den Dreien gemeinsam ausgehen; die der Gemeinde so theuer gewor- denen Mcinner sollen ihr gleich zu Anfang wieder vereint vor das innere Auge treten, sie soll die schöne, dauernde Einigkeit derselben unter einander erkennen und wissen, daß sie nicht nur aus Einem, sondern aus zweier oder dreier Zeugen Munde dasselbe Evangelium vernimmt und von iiiehreren auf dem Herzen getragen wird. 1. Paulus und Silvanns und Timotheust [Apostg. Its, 3 Anm., die jetzt in Corinth wieder beisammen sind, senden mit einander diese EPistelJ der Gemeine zu Thessalonichtt [die da ist oder Bestand und Wesen hat] in Gott, dem Vater, und dem HErrn Jesu Christus« [2. Thess 1, 1]: Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater, nnd dem HErrn Jesu Christus legt. Gal. 1, 3 und die Bem. zu Röm. 1, 7 u. Ephes l, 2]. V) Durch Briefe, die an Gehilfen der Apostel oder Vorsteher der Gemeinden oder an letztere unmittelbar gerichtet waren, wirkten die Apostel auch aus der Ferne auf die Gläubigen ein» und hinterließen in sol- chen Sendschreiben der christlichen Nachwelt die theuer- sten Zeugnisse von ihrem eigenen Leben im Glauben, von dem Zustand einzelner Gemeinden und von dem Geiste und der Weisheit, womit sie die Kirche leiteten, die Lehre entwickelten, Einigkeit und heiligen Wandel erhielten. (Schmieder.) Die Namen Silvanus und Timotheus sind nicht zuin leeren. Gepränge bei- gesetzt, sondern beweisen,»wie im Reiche Christi auch der Begabteste es doch nicht allein, noch alles allein (Grau.) aasrichten will, sondern gern die Gelegenheit ergreift, sein Zeugnis; der Wahrheit und seine Handlungsart dabei mit Anderer Beistimmung zu unterstützem Man kann sich auch wirklich dadurch an Anderer Gewissen wohl beweisen, wenn sie Einem anspüreiy daß man gern auch Andere als Seinesgleichen neben sich auf- oinmen läßt. (Rieger.) Daß Paulus sich nicht Apostel nennt, darin liegt ein Merkmal sehr früher Abfassung des Briefs; denn es ist ganz natürlich, daß es Paulo der ersten christlichen Gemeinde gegenüber, an die er schrieb, die er erst kurz zuvor verlassen und die mit begeisterter Liebe ihin und seiner Predigt sich hin- gegeben hatte, gar nicht darauf ankam, sich näher durch ein anitliches Prädikat zu bezeichneku da die einfache Namensnennung vollkommen genügen mußte. Anders ward es im späteren Leben des Apostels. Schon den Galatern und Corinthern gegenüber war er durch den faktisch in diesen Gemeinden gegen seine aposto- lische Auetorität erhobenen Widerspruch genöthigt, sich bei seinen Briesanfängen die volle amtliche Dignität rechtlich zuzueignen; so wurde der Beisatzt »ein Apostel Jesu Ehristi«, den erst die gebieterifchen Umstände ge- schafsen hatten, später leicht zum stehenden Prädikat, besonders bei Gemeinden, denen der Apostel persönlich unbekannt war (Röin. l, l; Ephes l, l; Col. l, l), bei welchen derselbe, auch ohne entstandenen Wider- spruch, schon im Hinblick auf die Zukunft nothwendig war. Eine Ausnahme war nur da natürlich, wo, wie bei den Philippern und Philemon, die innigste und erprobteste Liebe und Anhänglichkeit den Apostel mit den Briefempfängern verband. (Lünemann.) «) Der Apostel Paulus war auf seiner zweiten Missionsreise (Apostg. 15, 36—l8, 22), der ersten europäischeiy nach Thessalonich gekommen (im J. 52 n. Chr.), hatte sich da drei Wochen (wenn man nach Apostg. l7, 2 rechnet, wahrscheinlich jedoch einige Zeit länger, vgl. die Bein· zu Apostg. l7, 5) aufgehalten, während dieser Zeit in der Shnagoge die Lehre vom auferstandenen Christus als dem Messias verkündigt und dadurch nicht nur viele Juden, sondern auch grie- chische Proselyteiy nanientlich vornehme Frauen, über- haupt meist Heiden, gewonnen. So entstand eine wohl eingerichtete Gemeinde, welche vom Apostel auch Vorsteher erhielt und durch die ausgedehnten Handels- verbindungen der Stadt bald weithin vortheilhaft be- kannt wurde. Wie nachher in Eorinth, hatte der Apostel auch in dieser reichen Handelsstadt von dem Recht auf leibliche Unterstiitzung keinen Gebrauch ge- macht, sondern zum Theil in der Nacht durch sein Handwerk selbst seinen Unterhalt verdient (1. Tor. 9, 14; Apostg. 20, 34); nur von Philippi aus erhielt er 572 l. Theffalonicher l, 2——8. zweimal freiwillige Gaben (Phil. 4, 16). Auch diese seine persönliche Haltun trug zum Erfolg seines Wer- kes bei, der die Juden fyo sehr erbitterte, daß sie durch einen Pöbelausruhr ihn aus der Stadt zu vertreiben suchten. Auch vor die Obrigkeit traten sie mit einer Verdrehung seiner Lehre vom Königreich Christi, in derselben Weise, wie einst die Hohenpriester wider Jesum; zwar war diese gerechter, als dort Pilatus, und begnügte sich mit der Bürgschaft eines gewissen Jason, aber die Christen fanden doch für gut, Paulus und Silas dem ausgeregten Haß zu entziehen und noch in der Nacht nach Beröa weiter zu schicken. Von dort hätte der Apostel gerne die junge Gemeinde wieder besucht, war aber, wie es scheint, hauptsächlich durch die noch fortdauernde Feindschast, welche auch über die Christen Verfolgungen herbeiführte, daran verhindert worden: statt seiner wurde von ihm, nachdem er auch von Beröa hatte flüchten müssen, Timotheus, der seinem Verlangen gemäß ihm nach- gekommen war, von Athen aus hin eschickt, um die Gemeinde in ihren Trübsalen zu stär en. Jn Corinth, wohin der Apostel von Athen sich weiter begab, kam dann Timotheus im Verein mit Silas wieder zu ihm und brachte gute Nachrichten mit von dem Zustand der Gemeinde, von dem ausdauernden Glauben der- selben und ihrer Bemühung, ihn auch auswärts zu verbreiten, von der thätigen Bruderliebe, der Ge- duld in Leiden und der auf die Zukunft des HErrn erichteten Hoffnung; daneben drohten aber doch die Bersuchungen der üppigen Handelsstadt zur Wollust und Gewinnsucht, und selbst die unter den Trübsalen lebhafte Erwartung des HErrn war ausgeartet in unnöthige Grübeleien darüber, ob denn die vorher Verstorbenen nicht zu kurz kommen würden, sowie über Tag und Stunde. Dadurch waren Einige in frommen Osliüssiggang verfallen; Andere, welche die Uebertreibungen mit Recht verwarfen, waren gegen alle Weissagung mißtrauisch geworden. Darauf schrieb denn Paulus, etwa zu Anfang des J. 53 n. Chr., nach Thessalonich diesen ersten Brief. (Zeller.) Die Unter- schrift in alten Handschriftent »geschrieben von Athen« ist nicht nur, wie alle diefe Unterfchriften (vgl. die Schlußbem zum Römerbrief), unächt, sondern auch unrichtig und wahrscheinlich als eine flüchtige Folge- rung aus Kap. 3, 1 entstanden, als müßte der Ort, wo Paulus schrieb, derselbe sein mitdem, von welchem aus er den Timotheus sandte; vielmehr ist unser Brief in Corinth geschrieben, und zwar in der Zeit, da Paulus im Anfang seines dortigen Wirkens stand, nicht sehr lange nach der Thessalonicher Bekehrung, gleich nach des Timotheus Rückkehr zu Paulus. (Riggenbach.) »Es) Eigenthümlich ist in den Grüßen der beiden Briefe an die Thessalonicher der Zusatzx »in Gott dem (oder unserm) Vater und dem HErrn Jesu Christo«; es fragt sich da, ob sich der Zusatz aus den Gruß selbst bezieht (so daß er besagte, daß es in Gott dem Vater und dem HErrn Jesu Christo geschieht, wenn sich die Schreibenden brieflich an die Gemeinden wen- den und sie grüßen) oder ob er an die Worte: »der Gemeine (zu Thessalonich)« sich -anschließt. Für letz- teres nun spricht der apostolische Gebrauch, die Formel »in Christo« in den Grüßen stets mit den Personen zu« verbinden (vgl. »den Geheiligten in Christo Jesu« l. Cor. 1, l oder: ,,allen Heiligen in Christo Jesu« Phil. l, l und: »den gläubigen Brüdern in Christo« Col. 1, 1), nie mit dem Gruße selbst; auch erscheint es als ganz undenkbar, daß der Apostel seiner gelieb- ten Gemeinde in Thessalonich, deren Glauben er gleich so hoch preist, sollte (gleich denGemeinden in Galatien, wo die Sachen so ganz anders standen Gal. l,2) keine Ehrenbezeichnung haben zukommen lassen. (Olshausen.) Während Thessalonich zuvor mit der ganzen Welt im rgen lag, während es daselbst nur Juden gab, die an Christo, und Heiden, die selbst an Gott keinen Antheil hatten, giebt es nunmehr dort eine Gemeinde, die in Gott dem Vater und in Christo Jesu ist; das ist ein Wunder Gottes, worüber ihm der Apostel Preis und Dank sagt. (Auberlen.) Von den Abgöttern zu dem lebendigen Gott und von dem hoffnungslosen Zustand ohne Christum in die Gemeinschaft mit Christo Jesu und in die frohe Anwartschaft auf sein und sei- nes Reiches Offenbarung gebracht zu sein (V. 9 f.), möchte ja wohl eine erwünschte Veränderung heißen: o selige Umkehr, vorher ohne Gott, ohne Christum, jetzt in Gottdem Vater und dem HErrn Jesu Christo zu sein! (Eliieger.) » f) Das im Grundtext sur ,,Gnade« stehende Wort: xoigxg erinnert an den griechischen Gruß zufam- (Apostg. 23, 26), der auch noch in apostolischen Send- schreiben vorkommt (Apostg. 15, 237 Jak. l, 1), das ,,Friede« dagegen an die hebräische Gruß- und Segensformel (Richt. 19, 20; l. Sam. 25,«6). Wie Jacobus geistvoll an das zoelpsw das Zug« (Freude) anknüpft (Jac, 1,2), so hat es Paulus noch tiefer christlich in sorgt; umgebogen, während das ,,Friede sei mit euch« schon durch denszaus dem Tode wieder- kehrenden Heiland christlich gereift und vertieft war (Joh. 20, 19. 2l. 26., vgl. auch schon Luk. 10, 5 f.), zumal im Zusammenhang mit seinen Abschiedsredem wo er seinen Frieden als die Frucht seines Sieges über die Welt und so als auszeichnendes Familien- vermächtniß im Gegensatz zur Welt den Seinen zu hiuterlassen verheißen hatte (Joh. 14, 27; 16, 33). Durch ire Zusammenstellung vollendet werden die beiden orte aus heidnischer und jüdischer Aeußer- lichkeit, wonach sie sich fast nur auf das natürliche Leben und Wohlbefinden beziehen, in die Fülle des eigenthümlichen Heils und Se ens der Christen er- oben: ein merkwürdiges Beispiel neutestamentlicher prachbildungi Gnade ist die neutestamentliche Heils- gnade, die in Jesu Christo den Sündern erschienen ist (Tit. 2,11; Joh. 1,l7); sie ist nicht nur das Princip der ein für alle Mal geschehenen Erlösung, sondern ist auch fortwährend der tragende Grund, die nährende Kraft des neuen Geisteslebens mit seinen mannigfaltigen Gaben in den Christen (Apostg. 23, 11; 6, 8; Ephes. 4, 7), und wird ihnen so von Gott aus in Christo durch den heil. Geist immer wieder innerlich versiegelt und mitgetheilt (Röm. 5, 5; Joh. l, 16). Jn diesem Sinne, wonach also Gnade nicht blos Gesinnung, sondern zugleich Selbstmittheilung Gottes ist, wünscht Paulus seinen Lefern imnier wieder Gnade von Gott und Christo aus. Friede ist die nächste Wirkung der Gnade im Herzen des Menschen, die nach der Zerrissenheit und dem Zwiespalt des Sündenlebens hergestellte innere Lebensharmonie und deren lauteres Wohlgefühl, darauf beruhend, daß der Druck und Bann der Sünde voni Gewissen hinweg- genommen ist und der Mensch sich in Christo zu Gott wieder in’s rechte Verhältniß, in’s Kindes-verhältnis; gebracht (Röm. 5, l) und eben daher den Anfechtun- gen und Aengsten der Welt gegenüber innerlich getrost und stark weiß (Joh. 16, 33). Die Steigerung dieses Friedens, wenn er belebend und erhebend in die Empfindung sich ergießt, ist die Freude (Röm·14,17; Phil. 4, 4; Joh. 15, 11; 16, 22. 24z 17, 13; 1. Joh. 1, 4; l. Petri l, 8), ein bei uns in Leben und Lehre zu sehr zurückgestellter Grundbegriff des neuen Testa- ments. Weil der Friede das Genesungs- und Gesund- Nach dem Eingang enthält der erste Theil Persönliches und Geschichtliches. 573 heitsgefiihl des neuen Lebens, das Heimathsgefühl des zuriickgekehrten verlorenen Sohnes ist, so treibt er den Menschen von selbst zum Bleiben im gesunden, heimi- schen Lebenselement; er hat eine Herz und Gedanken, das ganze Triebwerk des inneren Lebens in Christo Jesu bewahrende Kraft (Phil.»4, 7s und eignet sieh daher in Jeder Beziehung als Hauptfegenswunsch sur Christen. (Auberlen.) B· Bis zum Schluß des Z. tiapitels folgt nun der erste, Yersönkiches und Gesctjikhtkictjes enthaktende Theil des Briefes; wir lesen da lauter herzensergießiiugen des Apostels über die Gemeinde zu Thessalonieh und sein Verhältnis zu ihr, über ihren christlichen Stand und ihr seitheriges Verhalten, seinen Eingang zur Gemeinde und seine Lebensweise bei ihr, seine Sorge uni sie und die Beruhigung, die er ihretwegen erhalten, so daß, wie her- nach die letzte der an Genieinden von ihm geschriebenen Geißeln, die an die philiopey so auch schon die hier vor- liegende erste einen mehr faniiliären, persönlichen Charakter an sich trägt. l. o. 2——10. also zuuachst no» den chkisiiicheu Stand und das seitherige verhalten der Ge- meinde spricht der Aposiel sich aus. Gr bezeugt da den Thessalonicherm wie er bei seinen Gebeten beständig Gott danlte ihrer aller wegen, indem erunablåssig ihres Glaubens, ihrer triebe und ihrer Hoffnung gedenke nnd ihrer giittliitien Grwiihlung siih versichert halten dürfe; und zwar hege er diese llelierzengung einerseits wegen der besonderen Freudigkeit und Kraft, womit er in Genieinsctsaft mit seinen apostolischen Gehilfen das Evangelium bei ihnen habe predigen können, und a nd r er· seits wegen der hingebenden Williglieitz womit sie das Wort aufgenommen. Ver ganz ungewöhnliche Erfolg, der bei ihnen erzielt worden, ist ja ein sichttiches Gottes— werte, das weit und breit Aufsehen erregt hat» nnd mit dem, uzas sie schon für Trfibsale uni ihres Glaubens willen erdutdet haben, nnd sie ein Vorbild geworden allen Gliiubigen in Macedonien und Aihajm So steht es denn so mit ihnen, wie man allerwiirts von ihnen erzählt: von den Abgiittern, denen sie vormals dienten, sind sie bekehrt zu dem lebendigen Gott, und warten auf dte Zukunft seines Sohnes vom ihiiniiiek den sie als den Gelöset von dem zukünftigen Gericht erfaßt haben. 2. Wir sdie in V. 1 Genannten, die wir, gleichwie wir mit einander an euch gearbeitet haben, so nun auch mit einander für euch beten] danken Gott allezeit sur euch alle sohne einen Unterschied zwischen mehr oder weniger Geförder- ten zu machen] und gedenken euer in unserm Gebet ohne Unterlaß [Röm. 1, s» f.; Ephes.«1, te; Phil. l, 3 f.; Col. 1, Z; 2· T1m. 1, Z; Philem. 4]; 3. Und gedenken snun da, wenn wir so, in unserm Gebet euer gedenkend, für euch alle danken] an euerWerk Im Glauben und an eure Arbeit in der Liebe und an eure Geduld in der Hoffnung, welche sderen Gegenstand Col. 1, 27z 1. T1m. 1, I] ist unser HErr Jesus Christus, sgedenken daran] vor Gott und unserm Vater* [Col. Z, 17]. 4. Denn, lieben Bruder, von Gott geliebet, wir wissen, wie 1hr·[von· ihm zu seiner Gemein- schast und zum Besitz seiner Gnaden- und Heils- güter Z. Thess 2, 13 f.; Col. Z, 121 auser- wahlet seid [Apostg. 13, 48 u. Ephes 1, 4Anm·, und zwar hat sich solche eure Erwählung darin kund gegeben], 5. Daß unser Evangelium sals wir es auf unsrer Missionsreise auch gen Thessalonich brach- ten] ist bei ench gewesen nicht allein im Wort fso daß ihr blos die den Jnhalt euch kundthuen- den Worte vernommen hättet, welche nur eure Neugier befriedigt hätten und bald wieder verhallt wären, wie es hernach in Athen geschah Apostg. 17, 33], sondern, beide [Jes. 27, 1 Arm. 2], in der Kraft und in dem heiligen Geist und in großer Gewißheit [ihr nahmet auch eine dem ver- nommeneu Wort einwohnende Kraft wahr, welche dasselbe wirkungsvoll und überwältigend für euch machte, ·merktet denen, die es verkündigtem den sie in seinen Dienst nehmenden Geist Gottes ab und sahet ihnen an, wie fest sie von der Wahr- heit dessen, was sie predigten, für ihre eigene Person überzeugt seien, wie hernach es auch bei denen in Corinth der Fall war I. Cor. 2, 4], wie ihr sdenn aus eigener Erinnerung] wisset, welcherlei sin welcher Kraft und Geistesfülle] wir gewesen sind unter euch um euretwillen seuer Heil zu ichaffen Krus- 2, 1 fis; 6. Und ihr seid unsere Nachfolger worden und Nachfolger] des HErrn sJesu l. Tim- 6- IS]- Und sdas insofern, als ihr] habt das Wort aus- genommen unter vielen Trübsalen [Apostg. 17, 5 ff.] mit Freuden im heiligen Geist« [Apostg. 5, 41], 7. Also, daß ihr swie ihr zuvor unserm und des HErrn Vorbilde gefolgt Apostg. 17, 10; 1. Petri 2, 21., nun auch eurerfeitsj worden seid ein Vorbild allen Gläubigen in Macedonien szu Beröa Apostg. 17, 10 ff. und Philippi 2. Cor. 8, 2] und [in] Achafa «« lzu Corinth Apostg. 18, 12 ff. bei den Trübsalen und Verfolgungen, die auch sie als Christi Bekenner zu erleiden hatten]. 8. sNicht nur ich, der Apostel, gebe demnach euch Zeugniß von dem guten Erfolge der evan- gelifchen Heilspredigt bei euch, sondern es thun das, wie ich es täglich hier in Corinth wahr- nehmen kann, auch Andere] Denn von euch ist auscrichvllen lRönd 10- 181 das Wort des HErrn [Col. Z, 16 als ein um der Wirkungen willen, die es bei euch ausgerichtet, auch Andern zur Annahme sich empfehlendes] nicht allein in Macc- donien und Achaja swo man überall, wenn wir irgendwo anfangen das Evangelium zu verkün- digen, dasselbe von euch her als ein heilskräfti- ges schon kennt] sondern an allen Orten [wo es bereits christliche Gemeinden giebt Röm. 1, s; Col. 1- S· 231 ist auch euer Glaube seuer Gläubig- gewordenseinJ an Gott ausgebrochen sdurclys Ge- rücht kund geworden Röm. 16, 19], also, daß [unsrerseits] nicht noih ist euch [d. i. euch zum Besten oder zu eurem Lebe] etwas [denen, die 574 l. Thessalonicher 1, 9. 10. aus andern Gemeinden brieflich oder besuchsweise mit uns verkehren] zu sagen. 9. Denn sie selbst vcrkündigen von euch, was für einen Eingang [welche freie, offene Thür für die Verkündigung des Evangelii 1. Cor. 16, 9; Offenb. Z, 8] wir zu euch gehabt haben sein ge- neigtes Gehör dafür zu finden], und wie [mit welchem entscheidenden Erfolge] ihr bekehret seid zu Gott von den Abgötterm zn dienen dem leben- digen und wahren Gott [Apostg. 14, 15; 26, 18; Gal. 4, s; 1. Petri 1, 21], 10. Und zu warten seines Sohnes vom Him- mel [Tit. 2, is; Apostg Z, 20 f-l- welchen er auferwecket hat von den Todten, Jesum, der uns smittels seines Kreuzestodes, von dem er wieder erstanden] von dem zukünftigen Zorn sdurch wel- chen dem gegenwärtigen Weltlauf wird ein Ende gemacht und alles ungöttliche Wesen verdammt werden Col. 3, S] erlbsct hat [Kap. 5,9; Ioh. 5,24]. V) Die Eingänge der paulinischen Briefe eröffnen uns merkwürdige Blicke in. das Gebetsleben des Apostels; er trug Gemeinden und Einzelne so treu und anhaltend in Fürbitte und Danksagung auf dem Herzen, daß er zu seinen Lesern davon in Ausdrücken sprechen kann, welche dem gewöhnlichen Sinne hyper- bolisch (übertrieben) erscheinen. Das Apostolische ist freilich als solches ein Hyperbolisches sofern die Apostel über das gewöhnliche Maß hinausgehen und alle Andern überragen, wie als Prediger und Kirchengründer, so auch als Beter. Als die Zwölfe zu Jerusalem die äußeren Dienstleistungen den Diakonen abgaben, spra- chen sie: »wir aber wollen anhalten am Gebet und am Dienst des Wortes« (Apostg. S, 4); das Gebet ist ihnen die ganze, und zwar die erste Hälfte ihres Amts. So beginnt auch Paulus seine Briefe, in denen er den Gemeinden das« Wort sagt, in der Regel mit der Hindeutung darauf, daß er stets für sie bete. Mit dem Gebet wirkt man auf Gott, mit dem Wort auf die Welt, die Menschen. Zu jeder Arbeit an der Welt muß der Segen von Gott kommen, das Sittliche kann nur auf religiösem Grunde gedeihen; daher für jedermann die goldene, in ihrer Schlichtheit unaus- denklich weise und vielsagende Regel: ,,bete und arbeite·« die Arbeiter am Wort aber, durch welches die Welt zu Gott geführt werden und der Geist Gottes in die Menschenseelen kommen soll, gilt diese Regel · doppelt. Und zwar merken wir aus den Aus-sagen des Apostels, daß er regelmäßige Gebetsübungen hatte; als Frucht davon zeigen uns seine Briefe eine stetige Gebetsstimmung (Auberlen·) Sein Amt mit Freuden oder so thun können, daß man Gott dabei dankt, erquickt nicht nur das Herz des Arbeiters selbst, sondern gewinnt auch den Andern, die bearbeitet werden sollen, ihre Liebe und Gehorsam um so mehr ab; aber Anlaß und Grund zum Danken muß in der Wahrheit da sein, auch nicht nur in Einbildung und Anmaßung bestehen. Doch darf man sich auch nicht jedes Gebrechen oder das, was noch am Glauben zu erstatten übrig ist, vom Danken abhalten lassen; denn Danken für die wirklich aufkeimende Frucht ist ja auch mit Beten um weiteres Wachsthum, Bewahren und Vermehren derselben verbunden. O erleichterte Amts- last, wo der HErr immer noch die Augen öffnet und zeigt, wofür man zu danken und wofür man zu beten hat! (Rieger.) Der Apostel ist stets vor Gott im Gebete der mächtigen, gesegneten Wirkungen dankbar eingedenk, welche durch das Evangelium unter den Thessalonichern hervorgerufen worden sind; diese Wir- kungen beschreibt er dann als Werk im Glauben, Ar- beit in der Liebe und Geduld in der Hoffnung auf Jesum Christum. Das Werk im Glauben ist s. v. a. der sich wirksam, thätig erweisende Glaube; der Glaube der Thessalonicher stand nicht in Worten, son- dern in der Kraft, erhob sie zu einem neuen, gött- lichen, thatkräftigen Leben. Die Arbeit in der Liebe ist s. v. a. die sich mühende, arbeitende Liebe, die sich allen Mühen und Beschwerden um der Brüder willen unter-zieht. Die Geduld in der Hoffnung ist die unter allen Anfechtungen standhaft ausharrende, unerschütterliche Hoffnung auf die Wieder- kunft Christi zur Vollendung seines Reiches Der Apostel hat die drei Worte: ,,Werk, Arbeit, Geduld« als Hauptwörter vorangestellt, um das recht stark hervorzuheben, worin ihr Glaube, ihre Liebe und ihre Hoffnung sichtbar hervortritt; er nennt die drei Grund- bestandtheile des christlichen Lebens (Kap.5,8; 1.Cor. 13,13; Col. 1, 4 f.): ,,Glaube, Liebe, Hoffnung«, von denen der Glaube als die das geoffenbarte Unsicht- bare ergreifende und sich aneignende Kraft (Hebr. 11, I) im Werke, dem wirkenden Leben überhaupt, die Liebe als das Band unter den erlösten Menschen in der dienenden Mühe, die Hoffnung, die auf das Ziel ge- richtet ist, in der ausharrenden Geduld sich kund giebt. (v. Gerlachh · » » . VI) Es ist nicht zufallig, daß der Apostel am Schluß des Z. Verses Gott als ,,unsern Vater« bezeichnete; er hatte dabei schon die Anrede zu Anfang des 4. Verses im Sinne: ,,lieben Brüder, von Gott geliebet«. Nach- dem er vorher benannt hat, um welche Beschaffenheit der Leser er und seine Berufsgenossen Gott danken, giebt er jetzt den Grund an, warum sie dafür Gott danken: ist es doch seine ihnen zugewendete Liebe, welche sie zu dem gemacht hat, was sie.sind. Schon in dem Beisatz zu ,,liebe Brüder« liegt dies aus- gedrückt, indem sie der Apostel nicht, wie er sonst etwan pflegt, mit dem «geliebet« als von ihm selbst geliebte, als Brüder, die er lieb hat, anredet (1. Cor- 10, 14; Phil. Z, 12; 4, 1), sondern als von Gott Geliebte bezeichnet, d. i. als solche, welchen Gott seine Liebe zugewendet hat, um sie von dem an lieb zu haben (Mark. 10, 2l); wesentlich das Gleiche meint Paulus, wenn er schreibt: »wir wissen, wie ihr aus- erwählt seid«. Das Auserwählen geschieht entweder so, daß die Erlesung durch die Beschassenheit des Gegen- standes bestimmt ist, also im Gegensatz zu Anderem, das durch seine Andersartigkeit ausgeschlossen bleibt (1. Mos. 13, 11; Luk.10, 42; 14, 7), oder so, daß der Ton darauf ruht, wozu erlesen wird, in welchem Falle ein Gegensatz zu den nicht Erlesenen nicht in- sofern obwaltet, als diese unerkoren bleiben, sondern vielmehr insofern, als die Erlesenen das vor ihnen voraus haben, wozu sie erkoren sind (Apostg. 1, 2; 13, 17; Joh. S, 707 15, 16); wenn nun das Wort im letzteren Falle eine Näherbestimmung bei sich hat, welche den Bereich angiebt, aus welchem die Erkore- nen erlesen sind (z. B. Luk. G, 13: ,,erwählte ihrer«, d. i. aus der Zahl der Jünger im weiteren Sinne, und Joh. 15, 19: ,,ich habe euch von der Welt er- wählet«), so geschieht dies nur, um zu sagen, daß sie ohne die Erwählung diesem Bereiche angehören wür- den, und nicht, als wenn damit betont sein sollte, daß ihre Erwählung eine Ausschließung der Uebri en die- ses Bereichs sei sim Sinne der calvinischen Ssgrädestd nationslehre). Werden also die Gläubigen Gottes Auserwählte genannt (Röm. 8,33; Col. B, l2; Tit. 1, 1) Der christliche Stand und das seitherige Verhalten der Gemeinde. 575 oder ist von ihrerErwählung die Rede (2. Petri 1, 10), so ist damit keinensalls eine Handlung Gottes bezeich- net, vermöge deren er von Ewigkeit her Ein elne zum Gläubigwerden vorher-bestimmt hat; denn ie ewige Vorherbestimmung Gottes geht nicht blos auf ein Gläubigwerden, sondern auf die schließliche Heiligkeit und Seligkeit, und wie könnte Paulus von allen ein- zelnen Gliedern einer Gemeinde wissen und sagen, daß sie Gegenstand solcher Vorherbeftimmung Gottes seien? Allerdings geht die geschichtliche Erwählung der Ein- zelnen zur Gemeinschaft Christi auf eine ewige Er- wählung, aber nicht dieser Einzelnen, sondern der Christenheit zurück, so daß der Einzelne, welchem erstere zu Theil geworden ist, an letzterer Theil hat, wenn er in dem bleibt, wozu er geschichtlich erkoren worden ist. Daß es sich auch im vorliegenden Falle so verhält, daß also mit den Worten: ,,wie ihr aus- erwählt seid« gemeint ist, wie Gott sie geschichtlich sich erlesen und in dasjenige Verhältniß zu ihm gesetzt habe, welches der Christenheit eignet, erhellt aus dem, was der Apostel von V. 4 an sagt; denn wäre ihre Erwählung als ewi e Erwählung gemeint, so könnte doch weder die Weise, wie ihnen gepredigt, noch wie die Predigt von ihnen ausgenommen ist, eine Bürg- schaft dafür sein, daß sie nicht wieder abfallen werden (vgl. Gal. 4, 9 ff.), eine Sorge, welche ja dem Apostel laut Kap. 3, 5 wirklich gekommen ist· (v. Hofmann.) Die Erwählung ist nicht so zu verstehen, als ob Gott die einen Menschen mit Ausschluß der andern zur Seligkeit bestimmt hätte; die letzteren sind nicht ver- worfen, sondern nur zurückgestellh die Erwählung be- ieht sich aus die organische Stellung im Gottesreich, iür welches alle Menschen bestimmt sind, und damit zusammenhängend auf den zeitlichen Eintritt in das- selbe. Ebensowenig ist die Erwählung so zu verstehen, als ob in den Erwählten die Gnade unwiderstehlich wirkte, so daß diese nicht anders könnten als gläubig werden und bleiben; sondern es ergeht, wenn die Stunde Gottes für einen Menschen geschlagen hat, die Berufung an ihn durch’s Evangelium, welche er annehmen kann oder nicht, und wenn er angenommen hat, so handelt sich’s für ihnnmmer noch darum, daß er auch besteht und fest bleibt in der Gnade. Der Apostel führt zwei- Thatsachen an, aus denen er die Erwählung der Thessalonicher erkannt hat: I) die Be- rufung ist in kräftiger Weise an sie ergangen, 2) sie haben dieselbige angenommen; das Erste geschieht von Seiten Gottes durch die apostolische Predigt, das Zweite von Seiten der Menschen. Wie nun Paulus in Thessalonich nicht nur überhaupt gepredigt hat, sondern mit Kraft, im heil. Geist und in großer Ge- wißheit, so haben auch die Thessalonicher das Wort nicht nur überhaupt angenommen, sondern unter vieler Trübsal mit Freude des heil. Geistes: durch diese Verstärkung auf beiden Seiten wird der Schluß aus die Erwählung desto sicherer. (Auberlen.) Gottes Wort hören und annehmen hat der Heiland selbst für das entscheidende Kennzeichen derer, die aus Gott und aus der Wahrheit sind, angegeben, sonderlich wenn man auch die darauf liegende Decke der Schmach und Trübsalen sich nicht abschrecken läßt: da scheidet sich insgemein der menschliche und göttliche Sinn. Ein menschlich gutes Herz kann sein, das die Wahrheit annimmt, Freude daran hat, solange es nichts darüber zu leiden giebt, bald aber daran künstelt, schmälert, davon abweicht, wenn sich Anfechtung darüber erhebt und Hoffnung ist, durch eine solche künstliche Wendung mit dem Kreuz Christi verschont zu bleiben: grund- weich, grundredlich aus Gott ist ein Herz, das die Wahrheit Gottes aus seinem lieben Wort annimmt, es ergehe ihm auch darüber, wie es wolle; eine solche Freude am Worte Gottes heißt eine Freude im heil. Geist, die sich von der Freude unterscheidet, womit Manche das Wort aufnehmen, die nur eine Zeitlang glauben. Der heil. Geist führt tiefer in das hinein, was im Herzen der eigentliche Same zur Wieder- geburt wird und eine dauerhafte Freude gewährt. (Rieger.) Hier sieht man, wie sehr uns der Beistand des heil. Geistes noththut bei der Aufnahme des Evangeliums; denn man kann es nicht auf die rechte Weise und von Herzen aufnehmen, wenn man es nicht mit Freuden aufnimmt, nichts widerstrebt aber unserm Sinn mehr, als in der Trübsal sich zu freuen. (Calvin·) its) Durch ihren kräftigen, siegreichen Glauben, bezeugt der Apostel, seien die Thessalonicher ein Vor- bild für alle Gläubigen geworden in ganz Griechen- land, daß sie durch die zu erleidenden Versolgungen sich nicht zum Abfall bringen ließen; Macedonien und Achaja waren nämlich die beiden Provinzen, in die Griechenland seit seiner Unterwerfung unter die Herr- schaft der Römer zerlegt war, zu Achaja gehörten auch Athen und Corinth. Ein Vorbild für andre Ge- meinden konnte aber die zu Thessalonich nur geworden Lein, wenn man von ihrem Glauben gehört hatte; ies aber, so fährt Paulus fort, sei auch so sehr der Fall, daß das Gerücht von demselben sich sogar iiberall hin verbreitet habe, weshalb er, der Apostel, gar nicht nöthig habe, Andern etwas davon, (über den Glauben der Thessalonicher) zu sagen. Als eine Steigerung ergiebt sich in der zweiten Hälfte des 8. Verses, daß dem Einen Lande (Griechenland) alle andern Welt- gegenden, wo Gläubige vorhanden, entgegengestellt werden; diese Steigerung schließt nun aber auch aus, daß man den in der ersten Hälfte Zgbrauchten Aus- druck: »von euch ist auserschollen das ort des HErrn« nicht dahin verstehe, als seien die Thessalonicher wirk- sam gewesen zu weiterer Verbreitung des Evangelii im übrigen Griechenland, denn dies wäre etwas Grö- ßeres als die bloße Verbreitung der Thatsache, daß die Christen in Thessalonich so lebendig im Glauben standen, jener Ausdruck ist vielmehr im Wesentlichen gleichbedeutend mit dein andern: ,,euer Glaube ist ausgebrochen«. (Olshausen.) Wahrscheinlich hatte das Gerücht besonders durch christliche Kaufleute sich weit- hin verbreitet, und in Corinth, der großen Handels- stadt, wo ein beständiges Zuströmen von Fremden stattfand, konnte der Apostel leicht wieder davon hören; möglich auch, daß Aquila und Priscilla, die vor Kur- zem aus Rom gekommen (Apostg. 18, 2), eine solche Kunde mitgebracht. Jedenfalls folgt aus unsrer Stelle weder ein schon langer Bestand der thessalonichschen Gemeinde, noch auch, daß Paulus selbst inzwischen an fern liegenden Orten gewesen sei. (Lünemann·.) Jn- dem der Apostel die Bekehrung der Thessalonicher als ein Gläubiggewordensein an Gott charakterisirt, sieht er diese Gemeinde als eine aus den Heiden entsprun- gene an, mochten auch der einzelnen Juden noch so viele (nach Apostg. 17, 4 waren es jedoch nur etliche) ihr angehören; der Jude kannte ja Gott schon und bedurfte zu seiner Bekehrung nur, daß er auch den, welchen er gesandt hatte, Jesum, für den Christ er- kannte (Joh. 17, Z; 2. Cor. Z, 16). Dem entspricht der Jnhalt des Satzes, in welchem der Apostel aus- führt, warum er und seine Berufsgenossen gar nicht nöthig haben, etwas auf die Bekehrung der Thessa- lonicher Beziigliches zu sagen, indem nämlich, was sie zu sagen hätten, sie bereits in derer Munde finden, denen es zu sagen wäre; er sagt da: ,,ihr seid be- kehret zu Gott von den Abgöttern«. Aber nicht blos, daß sie sich von den Götzen hinweg Gott zugewendet 576 1. Thessalonicher 2, 1——12. haben, wiederholt er hier, sondern fügt auch hinzu, welches sie hinfort ihr Leben und Verhalten wollten sein lassen: ,,zu dienen dem lebendigen wahren Gott und zu warten seines Sohnes vom Himmel«; das erstere steht im Ge ensa zu ihrem bisherigen Heiden- thum, in wel em sie to ten und nichtigen Götzen ge- dient hatten («Fer. 16, 19; l. Cor. 12, 2), das andere unterscheidet sie auch von den Juden, welche zwar auf einen Erlöser warten, aber nicht auf den erschienenen und aus dem Himmel wiederkommenden· Beides zu- sammen macht die Gestalt ihres Lebens aus, welche damit begonnen hat, daß sie sich zu Gott wandten, indem sich ihr Glaube an Gott darin erweist, daß sie ihr Leben ihm gewidmet und die Zukunft seines Soh- nes ihre goffnung sein lassen; denn diese Hoffnung ist es, wel e sie stark macht, dem Dienste Gottes treu zu bleiben, wie hinwieder, daß sie Gott zu Dienst leben, die Bedingung ist, unter welcher sie sich der Zukunft seines Sohnes getrösten dürfen. Wie das eine mit dem andern zusaminenhängh ist dadurch ausgedriickh daß der, auf welchen sie warten, der Sohn Gottes heißt, indem dieser Name den Menschen Jesus nach der Einzigkeit seines Verhältnisses zu Gott be- Iichneh vermöge deren die Bekehrung zu Gott auch ekehrung zu ihm ist. ·(v. HofmannJ Paulus hat den Heiden zu Thessalonrch nicht blos den wahrhafti- gen Gott verkündigh sondern auch, was ihnen noch unbekannter war, daß dieser Gott einen Sohn habe, der unser Erlöser geworden sei. Die Auferweckung Jesu von den Todten nun, der er hier zugleich ge- denkt, ist die große Thatsache, durch welche dieser Jesus als der Sohn Gottes erwiesen und durch welche seine Wiederkunft ermöglicht und verbürgt ist (Röm. I, 4; 1. Petri 1, 3 fs.); daß diese hier so nachdrücklich her- vorgehoben wird, stimmt und hängt mit der ganzen eschatologischen Haltung unsrer Briefe wie des münd- lichen Lehrvortrags Pauli zu Thessalonich (vgl. seinen Vortrag zu Athen: Apostg 17, 30 f.) zusammen und enthält für die Kirche der Gegenwart die wichtige Mah- nung, das Element der Hoffnung in Wissenschaft und Praxis wieder zu beleben, da die Bedeutung der Zu- kunft Christi iin Unterschied von der Seligkeit nach dem Tode, wo wir ja auch schon daheim sind bei dem HErrn, im apoftolischen Vollsinn dem Bewußtsein viel- fach entschwunden ist. (Auberlen.) Darin, daß er uns von dem zukünftigen Zorn erlöset hat, faßt der Apostel das Gute, das wir in Christo Jesu haben, fein zu- sammen; denn Zorn Gottes, Offenbarung desselben über alles gottlofe Wesen der Menschen, Gericht über das Verborgene, ist schon tief in aller Menschen Ge- wissen geschrieben. Darunter bleiben und werden auch schon von der Furcht davor in dieser und in der zu- künftigen Welt schmerzlich genaget alle diejenigen, die nicht aus dem Evangelio zur Hosfnun der Herrlich- keit wiedergeboren und dadurch in die ereitfchaft auf Jesu Kommen gesetzt worden find; Erkenntniß der Liebe Gottes in Christo, nach welcher wir nicht gefetzt sind zumZorn, sondern die Seligkeit zu besitzen, treibt dagegen die peinliche Furcht aus, vgl. Kap. Z, 4 ff. (Rieger.) Das 2. Kapitel. Eisrige Zuhörer sind getreuen Lehren! eine grosze Freude. II- V. l-—16. weiter spricht der Apostel sirh aus über seinen Eingang Zur Gemeinde und seine Lebensweise bei ihr. Hatte er schon oben davon geredet, wie man allerorten den Eingang bewundert, den er mit seinen Gehilfen zu den Thessalonikhern ge— habt habe, so nimmt er dieses Thema noch im Beson- deren auf und vergegenwiirtigt den Eesern die ihnen selber bekannten Erlebnisse im Einzelnen. Zuerst han- delt es sich da wieder um das, was auf Seiten des Apostels und seiner Mitarbeiter liegt: obwohl von schuiiihliclser Mißhandliing aus sllhilippi herliomniend, waren sie dennoch freudig in ihrem Gott, auch zu Thessw lonirh das Evangelium Gottes zu verständigen und sich damit neuen Kämpfen auszusetzenz alles nun, was die böswilligen Widersacher in Zelress des Ursprungs, des motivs und der Jlrt ihres Wirkens ihnen Uebles nach— sagen, ist so wenig wahr, daß vielmehr das gerade Gegentheil davon stattgefunden, ja, wie eine säugende Mutter ihrem Rinde von ihrem Leben mitlheilt, so haben sie glrichrrweise gethan, da sie mit ihrer Hände Arbeit sieh selbst ernährten während der Zeit ihres Predigens tlnd wie sie nun dabei einen durchaus hei- ligen. gereihten, unslriisiiajen Wandel führten, so haben sie auch ohne Unterlaß die Thessalontcljey wie ein Vater seine Kinder, zu gleichem Wandel ermahnt. Aber auth das, was auf Seiten der Leser liegt, kommt noch ein- mal Zur Erinnerung: sie haben Gottes Wort als das, was es is, aufgenommen und es seine Kraft an ihren Herzen bewähren lassen; mit ihren( Leiden durch ihre Eandsleute haben sie dann dasselbe erduldet, was die christlichen Gemeinden in Iudäa von den ihren, und wie nun eben von ihnen die Rede war als von solchen, die der Sohn Gottes von dem zutiiinfligen Zorne erlöset hat, so treten ihnen hier die Christus· und Propheten- iuörderischen Juden entgegen, die das iklaß ihrer Sän- drn erfüllen und über die der Zorn schon genommen ist, sich endlich an ihnen auszulassen 1. [Ja, mit Recht habe ich euch oben Kap. 1, 4 als von Gott Geliebte und Auserwählte bezeichnets Denn auch ihr wisset, lieben Brüder sso gut wie die, die von euch reden Kap.1, 8 f.], von unserm Ein: soder Zu-] gange [2.Petri1,11] zu euch sden uns Gott gemäß eurer Erwählung geöffnet hatte], daß er nicht vergeblich gewesen ist sals hätten wir ihn nicht mit Aufbietung aller Kräfte und aller Mittel zu einer erfolgreichen Predigt ausgenützt]; 2. Sondern, als wir zuvor gelitten hatten und geschmcihet gewesen waren zu Philippen sdaselbft eine ebenso schmähliche als ungerechte Behandlung erfahren hatten Apostg. 16, 16 fs.], wie ihr wisset, waren wir dennoch [nach unserm Abzug von dort Apostg 17, I ff.] freudig in unserm Gott lPhiL l, Z; 4, 19], bei euch zu sagen das Evan- gelium Gottes swas denn abermals nach außen hin geschahs mit großem Kämpfe« [Phil. I, so» und zwar bei euch wider die halsstarrigem neidischen Juden V. 15 f.; Apostg. 17, 5 ff.]. 3. sDaß wir aber so freudig in unserm Gott waren und so willig neuen Kampf auf uns nahmen, hat seinen Grund in unsrer ganzen Gei- stesrichtung und HerzensstellungJ Denn Unsere Ermahnung soder Predigt] ist nicht gewesen sdies ,,gewesen« ist wegzulassen und blos einfach zu lesen: ist nicht oder: geschieht nicht] zum Irr- thum, noch zur Unreiuigleit smuß heißen: aus Des Apostels Eingang zur Gemeinde und seine Lebensweise bei ihr. 577 Jrrthum oder Irrwahn, noch aus Unreinigkeit], noch mit List; 4. Sondern wie wir von Gott bewiihret sals Z solche, in denen kein Falsch ist Joh. 1, 47, für würdig dazu erkannt 1. Tim. 1, 12] sind, daß ’ uns das Evangelium vertrauet ist zu predigen [Gal. 2, 7], also reden wir [denn auch, wenn wir predigen, reden ganz diesem unserm von Gott uns zu Theil gewordenen Berufe gemäß und thun es solcher Art], nicht als wollten wir den Menschen gefallen [wie es der Fall sein würde, »wenn wir aus Irrwahn und Unreinigkeit redeten, wo wir es dann auch nicht verschmähen würden, List zu s. gebrauchen], sondern Gott ssuchen wir zu gefallen], der unser Herz [besser: unsre Herzen] priisettt [2. Cor. 2, 17; 4,1f.;Gal. l, 10]. Z. [Den Beweis der Wahrheit dessen, was ich hier von uns bezeugt habe, habt ihr an dem Verhalten, das wir bei euch beobachtet.] Denn Wir nie sbei unsern öffentlichen Vorträgen oder in besonderen Unterredungen mit Einzelnen] mit Schmeichelworten sind umgegangen, wie ihr wisset, noch [haben wir jemals] dem Geiz gestellet [nach- gestellet Jerem. 5, 26; Sir. 27, 30., d. i. unter irgend einem beschönigenden Vorwand habsüchti- gen Interessen nachgetrachtet], Gott ist deß Zeuge [Röm. l, 9; Phil. I, 8];· is. Haben auch nicht Ehre gesucht von den Leuten [Joh. 5, 41], weder von euch ldenen unser Predigen galt], noch von Andernpsps sbei denen es uns zum Ruhme gereichen mußte, wenn wir damit eure Bekehrung herbeiführten Kap. l, 8 f.]. 7. Håtten ench auch lohne etwas Widerrecht- liches zu begehen, wie es allerdings bei dem, was in V. 5 f. genannt worden, der Fall ge- wesen wäre] mdgen schwer sein sdurch Forderung unsers Lebensunterhaltes von euch 2. Cor. 12, 16], als Christi Apostel swenn wir unsre Gebühr hät- ten in Anspruch nehmen wollen 1. Cor. 9, 1 fs.; das aber haben wir nicht gethan V. 9], sondern wir sind miitterlich gewesen bei euch shaben uns unter euch liebreich verhalten Apostg. 20, 33]. Gleichwie eine Amme shier s. v. a. eine säugende Mutter Jes. 49, 231 ihrer Kinder pflegt, 8. Also hatten wir Herzenslust an euch [fühl- ten von gleicher mütterlicher Liebe, als die wir ja mit Aengsten euch geboren hatten Gal- 4, 19., uns zu euch hingezogen], nnd waren willig euch mitzutheilen nicht allein das Evangelium Gottes sdas wir pflichtmäßig zu predigen hatten], sondern auch unser Leben [in Erschöpfung unsrer Lebens- kraft, womit wir selber uns den Unterhalt ver- dienten V. 9], darum, daß wir euch lieb haben gewonnen sdenn auch dies zu thun, dazu hatten wir »keine Verpflichtung]. 9. Jhr seid wohl sum zu verstehen, was ich damit meine, wenn ich eben sagte: »wir waren Dächseks Bibelwert VIL Band. willig, nicht allein das Evangelium Gottes, son- dern auch unser eigen Leben euch mitzutheilen«] eingedenk sLuther schreibt: eindächtig, eine ähn- liche Form, wie das noch jetzt übliche ,,andächtig«], lieben Bruder, unserer Arbeit und unserer Mühe sdie wir’s uns haben kosten lassen, uns selbst zu erhalten l. Cor. 4, 12]; denn Tag Und Nacht arbeiteten wir sim Handwerk Apostg. 18, 3], daß wir niemand unter euch beschwerlich wären lApvftgs 20, 34 f-; 2s Theil« 3- 8], und predig- ten salso geradezu mit Verzehrung unsrer Lebens- kraft] unter euch das Evangelium Gottess [vgl. die Bem. zu Apostg. 17, 5 unter V] · 10. Deß seid ihr Zeugen, und sgleicherweise gIEPt Zkugtttß dafür auch] Gott [V. 5], wie heilig smit spurbarer innerer Scheu vor Gott] und ge- recht [mit schuldiger Achtung gegen die Menschen, jedem das Seine lassend und jedem das Seine gebend Tit. 2, 121 und unstraflich svorwurfsfrei in unserm ganzen Benehmen Apostg. 20, 18] wir bei euch, die ihr gläubig waret, gewesen [wäh- rend allerdings in den Augen der Ungläubigen wir in ganz anderem Lichte erschienen] sind [1. Cor. .2, 14 f.]; 1·1. Wie ihr denn szum thatsächlichen Beweis, daß ich mit dem eben Gesagten nicht zu viel von uns behaupte] wisset, daß wir, als ein Vater seine Kinder [der ja auch jedem einzelnen -von ihnen eine spezielle Sorgfalt in der erziehenden Behand- lung widinet und es nicht blos bei einer allge- meinen Unterweisung und Zusprache bewenden IäßtL einen jeglichen unter euch [Apostg. 20, 311 ermahnet Und getrdstet [besser: ermuntert Kap- 5, 14 —— die Verstheilung ist hier sehr unpas- send, es müssen wenigstens noch die Anfangsworte des folgenden Verses hierher gezogen werden, vgl. die Bem. zu l. Köm 4, 20] 12. Und bezeuget [bittend beschworen Ephes 4, 17; 1. Tim. s, 21; 2. Tim· 2, 14; 4, i] haben, daß ihr wandeln solltet würdiglich vor Gott [Ephes. 4, l; Phil. l, 27; Col. l, l0], der euch berufen hat zu seinem Reich sschon in dieser Zeit] und zu seiner Herrlichkeit-H sbei der Vollendung dieses Reichs am jüngsten Tage l. Joh. 3, 2 f.]. «) Ganz ähnlich, wie Paulus in l. Cor. 15, l() von der Gnade sagt, die ihm zu Theil geworden, als ihn Gott zum Apostel bestellte: «seine Gnade an mir ist nicht vei:geblich gewesen, sondern ich habe viel mehr gearbeitet, denn sie alle«, sagt er hier von dein Zu- gange, welcher ihm und seinen Gefährten in Thessa- lonich eröffnet worden, daß er sich ihnen nicht um- sonst aufgethan habe, indem sie sich ihn mit aller Gottessreudigkeit zunutze machten; und zwar besaßen sie die rückhaitlose Entschiedenheit und zuversichtliche Freudigkeit, mit welcher sie daselbst ihr Predigtamt übten, trotz, dem, was ihnen vorher in Philippi wider- fahren war, wo sie nicht blos überhaupt zu leiden, sondern entehrende ålliißhaiidlitng zu erleiden gehabt hatten. Wären sie in Folge dessen mit gebrochenem 37 578 1. Thessalonicher 2, 13. 14. Muthe nach Thessalonich gekommen und hätten sie mit der ihnen befohlenen Predigt zurückgehaltem statt offen und rückhaltlos mit ihr hervor utreten, so würde der Eingang, welchen sie dort fan en, ohne Frucht geblieben fein. · · daß der Apostel und feine Gefährten solche Entschw- denheit und Freudigkeit befassen, mit ihrer· Predigt geradezu hervorzutreten, nun auch jener Widerstreih auf welchen das ,,mit großen Kämpfen« Beziehung nimmt. VI) Daß sie den frischen und fröhlichen Muth ge- habt haben, welcher die Zugänglichkeit der Thessalo- nicher so reichlich nützte, erklärt der Apostel aus dem Wesen ihres Thuns überhaupt, welches er hier als ein Ermahnen bezeichnetz d. h. als· ein Zusprecheiy mit dem es auf eine bestiinmende Einwirkung abge- sehen ist. (v. Hofmann».) Was Luther mit ,,Ermah- nuiig« übersetzt hat, heißt eigentlich: ,,Zuruf, Zurede« (vgl. zu Joh. 14, 18); je nach den verschiedenen Ver- hältnissen nun, bei denen dieses Zureden angewendet wird, modisicirt sich die Bedeutung des Worts. Wird die Zusprache einem Leidendem einem Trauernden er- theilt, so ist sie ihrem Wesen nach Tröstung, und das Wort bedeutet dann Trost, Beruhigung; wird dagegen die Zusprache gegen sittliche oder intellektuelle Mangel erichtet, so bezeichnet das Wort Ermahnung und Ermunterung. Nun aber besteht»auch die erste evan- gelische Verkündigung ihrem Wesen nach in Ermah- nung und Ermunterung, nämlich in der Aufforderung, von der Sünde sich loszusagen und das von Gott in der Sendung seines Sohnes dargebotene Heil zu er- greifen (2. Eor. 5, 20); so kommt es, daß ,,Ermah- nung« auch von der Predigt des Evangeliums über- haupt gebraucht werden konnte, wie das an unsrer Stelle der Fall ist, und zwar steht das Wort in dieser Bedeutung hier in subjektivem Sinne, wo es das Pre- digen selbst, nicht den Jnhalt oder Gegenstand der Predigt, bezeichneh Die Ermahnung· des Apostels und seiner Gehilfen hat, so bezeugt er, ihren Ursprung nicht im Irrwahn; sie beruht nicht auf einer Fiction, einem Hirngespinnsh einer Träumerei, sondern gründet sich auf Realität, hat die göttliche Wahrheit zu ihrer Quelle. Von subjektiver Seite ist dann iiicht Un- reinheit oder Unlauterkeit der Gesinnung das Motiv, welches ihr zu Grunde liegt, wie es der Fall sein würde, wenn etwa der Apostel aus Habsuchh Eitelkeit und ähnlichen Ursachen das Evangelium verkündigte; er würde dann auch zur Erreichung seiner Absichten List in allerlei verwerslichen Mitteln anwenden, was I er ebensalls von sich und seinen Gehilfen verneint, sondern er hat es lediglich auf Gottes Wohlgefallen abgesehen und ist sich stets der Verantwortung vor ihni bewußt. (Lünemann.) Its) Jn den beiden Versen-Z f. begründete Paulus das, was er in V. 1 u. 2 von seinem Eingange zu den Thessalonichern gesagt hatte, durch eine-Aussage über den Charakter seiner apostolischen Wirksamkeit überhaupt und überall; weil aber dieses allgemeine Selbstzeugiiiß auch wieder in Frage gestellt werden konnte, weil man in Thessalonich seine übrige Wirk- sanikeit nicht aus eigener Anschauung kannte, so muß er es selbst wieder dadurch beweisen, daß er von V.5 an auf Geist und Art seines Wirkens iii Thessalonich näher eingeht. Aehnlicg sagt Jesus in Joh. 10, 37»f. zu den Juden: »wenn i r mir, meinem Selbstzeugniß nicht glaubet, so glaubet doch meinen Werken, die unter euch geschehen find« Des Apostels Ausführung nun ist nur dann concret verständlich, wenn· derselbe Verdächtigungen seiner Person und seines Wirkens zu widerlegen hat; er kommt in’s Rühmen hinein aus Freilich erhob sich in Folge dessen,- demselben Grunde, wie in 2. Eor.10—13., weil er sich vertheidigen muß. Nur ist es hier in Thessalonich noch kein Parteitreiben, das er zu bekämpfen hat, sondern es sind einfach die Einflüfterungen (vgl. V. 3 u. 5 f.), durch welche die ungläubigen Thessalonicher ihre gläubig gewordenen Verwandten und Landsleute wieder vom Evangelio abzubringen suchten; schon daß sich fast unser ganzer Abschnitt in Sätzen mit nicht und sondern bewegt, zeigt, daß Paulus durch Timo- theus von falschen Behauptungen über sein Wirken Kunde erhalten hat (2. Cor. G, 8), denen er die Wahr- heit gegenüberstellen muß. (Auberlen.) Der Welt ist es noch immer ein Leichtes, das Eine mit dem Scheine des Jrrthums, Aberglaubens, eigener Meinungen zu belegen, beim Uebrigen aber, was maii jemanden noch gelten lassen muß, ihn doch unlauterer Absichten und eigenen Gefuchs zu beschuldigem Denkt man aber: was ist es denn? könnte man nicht die arge und daher argwöhnische Welt richten lassen, was sie will, und nur still seinen Weg fortgehen und sein Werk fort- treiben und an dem Troste Gottes hängen; haben es doch ihre Väter den Zeugen der Wahrheit auch schon so gemacht? Ja, das ist der sicherste und auch gewöhn- lichste Weg; doch sieht man aus dergleichen Vertheidi- gungen, die der Apostel hier und anderwärts vor- nimmt, daß es auch Zeiten und Fälle geben kann, wo man sagen muß: es ist nicht so! Nicht als ob man damit der Welt den Mund stopfen könnte und wollte, sondern daß man Herzen, die schon auf dem Wege sind, nach der Wahrheit Gottes zu fragen, Luft macht, daß sie nicht von solchem Blendwerk abgehalten wer- den. (Rieger.) Für das allgemeine Zeugniß, welches er vorhin feiner und seiner Gefährten Verkündigung der Heilsbotschaft giebt, beruft Paulus sich auf ihr bisheriges Verhalten insofern, als davon dreierlei nicht gelte, von dem eins oder das andre der Fall sein würde, wenn es ihnen um Gewinnung menschlicher Gunst zu thun wäre: womit wir umgehen, sagt er, ist nicht ein Wort, das darnach eingerichtet ist, denen zu schmeicheln, an die es ergeht; es ist aber auch kein bloßes Scheinwerk, hinter dem als die wirkliche Trieb- feder Gewinnsucht steckt, welche es dann freilich, um selbst Befriedigung zu finden, darauf anlegen müßte, diejenigen zu befriedigen, von denen sie Gewinn ziehen will. Für das erstere beruft er sich auf die Leser, da der Zusammenhang diese Aussage auf seinen Aufent- ; halt in Thessalonich einschränkt; für das andere, was nicht, wie jenes, Gegenstand der unmittelbaren Wahr- nehmung ist, beruft er sich auf Gott, so aber, daß wohl dieses: »Gott ist deß Zeuge« seine Wirkung auch auf den folgenden Satz erstrecken will, darin er in Abrede stellt, daß sie es darauf abgesehen hätten, von Menschen Ehre zu empfangen, indem ja hiervon ein Gleiches gilt, wie von der Leugnung eines gewinn- süchtigcn Hinterhaltes ihrer Bemühungen für das Evangelium. Weder von euch selbst, sagt er, wollten wir gerühint und geehrt sein, noch um deß willen, was uns b»ei euch gelungen, von Anderen; in beiden Fällen hätten sie es darauf abgesehen, eine Ehre von den Leuten, also eine solche, die menschlicher Herkunft wäre, zu gewinnen. (v. Hofmann.) f) Als Christi Apostel oder Sendboten, was ja auch Silas und Timotheus verniöge ihres Antheils an dem Berufswerke Pauli waren, konnten sie denen, welchen sie feine Botschast brachten, kraft ihres Berufs zur Last fallen, anstatt sich ihren Unterhalt mit ihrer eigenen Hände Arbeit zu erwerben; daran erinnert Paulus in B. 7 ff. als an etwas, womit er kein Un- recht begangen haben würde, nachdem er vorher sol- ches von sich verneint hat, was seinem Berufe gröblich Zuriickweisung von Verdächtigungen, die wider den Apostel und sein Wirken aufgebracht worden. 579 widerstritte. Mit den Worten: ,,sondern wir sind mütterlich gewesen bei euch« bringt er vorerst einen nur vorläufigen Gegensatz zu dem «hätten euch mögen schwer sein«, welcher für’s Erste nur besagt, daß ihr Verhalten überhaupt gar anders gewesen sei, als daß sie von einem Rechte, das ihnen zustand, einen schrosfen und rücksichtslosen Gebrauch hätten machen rnögen. Darauf folgt dann der Vordersatz, mit ,,gleichwie«, zu welchem der mit ,,also« beginnende 8. Vers den Nachsatz bildet (auch Luther schreibt das ,,Gleichwie« mit großem Anfangsbuchstaben und setzt am Schluß des 7. Verses ein bloßes Komma, was spätere Bibelausgaben ungeschickter Weise abgeändert haben, bis die revidirte Cansteimsche Ausgabe des neuen Testaments zur richtigen Satzverbindung zurüc- gekehrt ist)- Der Begriff: »wir hatten Herzenslust zu euch« geht nun über den: »wir sind mütterlich (wört- lich: mild, gütig ’2. Tim. 2, 24) gewesen bei euch« ebensoweit hinaus, als das Verlangen einer Mutter nach ihrem Säugling, den sie mit der Milch ihrer Brust nähren will, über die Gütigkeit eines Vaters gegen seinen Sohn; diesem Liebesverlangen einer näh- renden Mutter vergleicht der Apostel sein und seiner Gefährten Verlangen nach den Thessalonichern, ver- möge dessen ihr Wille war, nicht blos die Heilsbot- schaft, sondern das eigene Leben ihnen mitzutheilen, wie ja die Mutter in der Ernährung ihres Säuglings ihr eigenes Leben dem Kinde, das sie hegt, zu Theil werden läßt. Inwiefern aber Paulus von sich und seinen Gefährten die Willigkeit, ein Gleiches den Thessalonichern zu thun, aussagen kann, liegt in dem folgenden 9. Verse, welcher die Leser daran erinnert, daß sie ihnen, um Keinen zu beschweren, unter steter Handarbeit bei Tag und Nacht, mit der sie sich selbst erhielten, die Heilsbotschaft verlündigtent ist ja doch auf diese Weise in dem Worte ihrer Predigt, welches sie mit solcher Erschbpfung ihrer Lebenskraft den Thessalonichern spendeten, diese selbst, die sich darin verzehrte, gleichsam auf sie übergegangen, wie die Lebenskraft der Mutter auf das Kind, das sie nicht blos irgendwie ernähren, sondern aus Liebesver- langen nach ihm säugend ernähren will. (v. Hof- mann.) Nehmen wir hinzu, daß der Apostel — und von sich selbst spricht er doch in erster Linie — wahr- scheinlich von schwacher und kränklicher Constitution war (·2. Cor. 10, 10; 12, 5 ff.), so verstehen wir um so besser, wie darin, daß er neben seiner Predigt Tag und Nacht anstrengende Handarbeit verrichtete, um niemand beschwerlich zu fallen, eine Mittheilung eige- nen Lebens lag, gleichwie eine Mutter ihr Kind mit einem Ausfluß ihres eigenen Lebens ernährt. Unser Abschnitt ist ein wahrer Pastoralspiegel: es giebt ge- wisse Theile des Einkommens, die mehr accidentiellen, welche noch immer direkt unter die apostolische Regel (vgl. 1. Erst. 9, 12) fallen, solche, die dadurch beschweret würden, nicht zu beschweren und lieber Entbehrungen zu übernehmen, daß wir nicht dem Evangelio Christi ein Hinderniß machen. (Auberlen.) H) Nachdem der Apostel in drei Sätzen mit nicht —- sondern (V. 1 u. 2. 3 u. 4. 5 ff. u. 7 f.) die ihm gemachten, am bündigsten in V. 3 zusammen- efaßten Vorwürfe widerlegt und gezeigt hat, seine Lehre sei nicht ein eitler Wahnglaube, sondern das Evangelium Gottes, und er selbst habe weder aus eigennützigen Motiven der Habsucht und des Ehrgeizes noch mit unreinen Mitteln der List und Schmeichelei, sondern vor Gottes Angesicht und mit der aufopfernd- sten Liebe gewirkt, so stellt er dem schließlich in kurzen Zügen noch ein positives Bild seiner Wirksamkeit gegenüber, wofür er wieder die Thessalonicher und » Gott als Zeugen anruft, um seiner Behauptung desto mehr eindringlichen Wahrheitsernst zu verleihen; da er nämlich hierbei nicht blos das äußerlich Wahrnehm- bare, das in die Erscheinungswelt tretende Handeln, worüber den Menschen ein Urtheil zusteht, sondern zugleich die innere Gesinnung, welche die Quelle von jenem ist, betont, so ruft er naturgemäß für die Wahr- heit feiner Betheuerung nicht blos die Leser, sondern zugleich Gott als Zeugen an. (Lünemann.) Vergeb- lich ist es, sich auf Gott berufen und doch vieler Menschen Gewissen zu Zeugen wider sich haben; ver- messen ist es aber auch, jemand, der sich am Ge- wissen wohl beweiset, nur mit dem Verdacht heim- licher Tücke belegen und ihn und seine Sache für so zweideutig ansehen, daß die Entscheidung erst auf Gottes Gericht muß ausgesetzt bleiben. (Rieger.) Mit besonderem Nachdruck betont der Apostel, wie jedem sonderlich er mit seinen Gehilfen sich gewidmet und nicht blos im Allgemeinen geredet habe; eben hier- auf bezieht sich auch die Vergleichung: »als ein Vater seine Kinder«, indem auch ein Vater mit seinen Kin- dern so handelt, daß er jedes einzeln ermahnt und ermuntert zu rechtem Verhalten. Nicht unbemerkt will « dabei bleiben, daß der Apostel jetzt, wo er an die An- gelegentlichkeit erinnert, mit der sie den Glänbigen nachgingen, diese Vergleichung gebraucht, nachdem er vorher das brünstige Verlangen, sie durch die Ver- kündigung des Evangeliums zum Glauben zu bringen, mit dem einer Mutter, welche ihren Säugling zu nähren begehrt, verglichen hat. (v. Hofmann.) Wir sind den Verdächtigern des Apostels noch heute Dank schuldig, daß sie der Anlaß zu einer so eingehenden Selbstschilderung für ihn geworden sind: die Feinde der Wahrheit wissen gar nicht, wie gute Dienste sie ihr oft leisten. (Diedrich.) · 13. Datum lwie schon oben angedeutet Kap. I, 21 auch wir fgleich denen, die von eurem Gläubiggewordensein Kunde erhalten haben und davon nun selber die Kunde weiter tragen Kap. 1, 8 ff.] ohn Unterlaß Gott danken, daß ihr, da ihr empsinget [zu hören bekamtJ von uns das Wort gbttlicher Predigt, nahmct ihr-s Uolches Wort] auf, nicht als Menfchen Wort swas es «ja auch nicht war, wenngleich es durch menschlichen Mund euch verkündigt ward Hebr. 4, 2], sondern, wie es denn wahrhaftig ist [vgl. V. 4. 8 u. 9], als Gottes Wort; welcher sbesser liest man: welches, näm- lich das von euch Vernommene Wort] auch wirket in euch, die ihr glaubet-« fwie sich darin zeigt, daß selbst die stärksten menschlichen Bande nicht vermocht haben, euch in eurem vorigen Heiden- thum zurückzuhalten Kap. 1, 9., ihr vielmehr viele Trübsale auf euch genommen habt um Christi willen mit Freuden im heil. Geist Kap. 1, 6]. 14. Denn ihr seid [wenn auch nicht der Absicht, so doch dem Thatbestande nach Kap. 1, G] Nachsolger worden, lieben Bruder, der Gemeinen Gottes in Judcia, [die] in Christo JefU lsMd Kap- 1, 1; Gal. I, 22], daß ihr eben dasselbige erlit- ten habt von euren Blutsfreunden fhecdmschen Volksgenossen [Kap. 3, 3 f.], das jene von den Juden» sdie ihnen die Gefreundten nach dem 37’«« 580 I. Thessalonicher 2, 15-20. Fleische sind Röm. 9, Z; Apostg. 6, 11 ff.; 8, 1 ff.; 9, 1f.; 12, I ff.]; 15, Welche auch den HErrn Jesum getödtet haben nnd ihre eigenen Propheten [Apostg. 2- 22 f.; 7, 52; 13, 27 f.; Matth. 23, 31 f·j, Und habet! uns verfolget [Apostg. 9, 23 ff— 29 f-; 13, 505 14, 5 f. 19 f.; 17, 5 ff. 13 f.], und gefallen Gott [dem sie in ihrer Verblendung einen Dienst zu leisten glauben Joh. 16, 2] nicht fund sind in solcher ihrer Art nichts weniger als sein hei- liges Volk] Und find [in ihrem aus Selbstüber- hebung hervorgegangenen Neide Apostg. 13, 45; 17, b; 22, 221 allen Menschen zuwider sdaß fie niemand die Seligkeit gönnen mögen Matth. 23, 13], 16. Wehren uns ssoviel sie das mit ihrem Widerspruch, ihrer Verleumdung und ihren Nach- stellungen glauben bewerkstelligen zu können], zu sagen den Heiden, damit sie selig würden sihnen das seligmachende Evangelium von Christo Röm. 1, 16 zu bringen], auf daß sie [mitsolchem Thau, wie schon der HCJrr gesagt hat Matth. 23, 32 ff] ihre Sünden erfnllen allewege swie zu früheren, so auch zu diesen unsern Zeiten Apostg. 7, 51f., und tritt denn nun das Ueberlaufens des erfülltem Maßes dahin ein, daß Gottes Strafgericht nicht lange mehr wird auf sich warten lassen]; denn der Zorn [Luk. 21, 23] ist schon endlich über sie kommenkkk fhat auch seinerseits sich bereits soweit über sie gehäuft Röm. 2, 5., daß dessen Maß an der äußersten Grenze steht, wo das Ueber- laufen nicht mehr ausbleiben kann]. s) Paulus geht nun von der begeisterten und auf- opferungsvollen Verkündigung des Evangeliums von seiner und seiner Gehilfen Seite über zu der be- geifterten und aufopferungsvollen Aufnahme des- selben von Seiten der Thessalonichey obwohl nun solche Aufnahme ein freithätiges Verhalten der Leser war, so gebührt doch Gott als dem, welcher es also geordnet hat, daß es dazu kam, der Dank. (Lüne- mann.) Paulus betrachtet also die Annahme des Wortes Gottes nicht als einen selbständigen Akt der Thessalonichey sondern als eine Gnadenwirkung Gottes in ihnen, vgl. Kap. l, 4. (Olshausen.) Die Thessa- lonicher haben das wahre Wesen, den göttlichen Charakter und Ursprung der apostolifchen Predigt er- kannt und anerkannt; sie spürten eine iiberirdische, wesentliche Kraft in dem Worte, wie sie von keinem hinfterbenden und selbst in das Gewirre der Welt- sünde verflochtenen Menschen ausgehen kann. Die Gottheit fühlten sie in dem Lebensworte sich nahen, denn der heil. Geist war dabei in ihren Seelen ge- schäftigx und indem der innere Sinn und Trieb des göttlichen Lichtes im Gewissen sich dem entgegenkom- menden, ihre bisherige Finfterniß machtvoll richtenden und durchstrahlenden Licht im Worte aufschloß und es innerlich bei sich durchwirken ließ, so nahmen sie das Zgpredigte Wort auf als das, was es ist, als Gottes ort. Wenn der Apostel hin ufetztx wahrhaftig («wie es denn wahrhaftigjistM so ist das eine ebenso einfache als gewaltige ezeugung der Jnspiration. (Auberlen.) Denkt man etwa: ja, aus dem Munde eines so begabten Apostels haben die Thessalonicher das Wort göttlicher Predigt schon annehmen können; aber wer will uns zumuthen, jetzt alles, was von den Kanzeln erschallt, für Gottes Wort anzunehmen? so dient zur Antwort: es hat damals auch seine Schwierigkeiten gehabt. Paulus stand zu Thessalonich noch nicht in der Achtung, die wir jetzt gegen ihn tragen können; äußerlich war er wie ein Handwerks- mann anzusehen, innerlich machte der Wider-much, den er zu leiden hatte, vieles zu schassen. Da; man also sein Wort als Gottes Wort annehmen "onnte, dazu halfen die Mittel, die auch noch bei unserm heu- tigen Vortrage anschlügen: Forschen in der Schrift, ob es sich also verhalte (Apostg. 17, 11). Nimm wenigstens das als Gottes Wort an, was du mit Beistimmung deines Gewissens dafür annehmen kannst! (Rieger.) Weil die Hauptausfage im ganzen Zusammenhang auf das Wort Gottes geht, so ist es vorzuziehen, den Schlußsatz: ,,wirket in euch, die ihr glaubet« ebenfalls auf dieses Wort (,,welches«), nicht aber aus Gott un- mittelbar (»welcher«) zu beziehen; sachlich. ist der Unter- schied natiirlich nur gering, doch würde nach jener Beziehung von dem Worte Gottes nun Aehnliches ausgesagt, wie in Hebr· 4, 12. (Ri genbach.) Jst es nicht die Folge einer göttlichen irkung, so meint Paulus nach dem, was er von V· 14 an sagt, daß ihr euch könnet von Leuten eurer Nation plagen lassen, ohne dabei verzagt oder grimmig zu werden? wer hat diese Frucht des Geistes jemals bei einem ungläubigeuHeiden oder Juden gesehen? Also: Geduld und Glaube der Heiligen (Offenb. -13, 10; 14, 12), diese beiden Hauptftücke der leidenden und streitenden Kirche, sind auch die Hauptbeweise für die Göttlichkeit ihres im apostolischen Wort gelegten Grundes; die Kirche in diesem Sinne ist der Beweis für die Gött- lichkeit der Schrift· (Roos.) ist) Jn Kap. I, 6 sind die thessalonichischen Gläu- bigen als Nachfolger des Apostels und des HErrn selbst, hier kaum weniger ehrenvoll und ermunternd als Nachfolger der christlichen Urgemeinden in Judäa bezei net. Paulus nun weist damit ein Grund esetz des eiches Gottes, das sich jetzt an den TheFalw nichern erfüllt, geschichtlich nach: die Träger des Gött- lichen werden immer von der natürlichen Gemeinschaft, der sie angehören, ausgeftoßen (Matth. 10, 35 ff.); so die thessalonichischen Christen von ihren eigenen Volks- genossen, die judäischen Christen von den Juden, welche ebenso in früheren Perioden den HErrn Jefum und die Propheten getödtet und nun auch den Apostel ver- jagt haben. So wenig dürfen sich also die Thessa- lonicher durch die ihnen von ihren Stammesgenossen widerfahrene Unbill irre.machen lassen, daß hierin vielmehr der Beweis für die Realität und Kraft der in ihnen vorhandenen Gotteswirkung liegt; denn nur das wirklich Göttliche wird von der Welt gehaßt (Joh. 7, 7; 15, 18 f.), sowie die Kraft zur Ertragung dieser Feindschast ebenfalls auf der Wirkung Gottes in den Gläubigen beruht. (Auberlen.) Wenngleich die Verhältnisse in unsrer christlichen Welt zum Theil andre geworden sind als damals, so hat doch auch jetzt noch, wer sich bekehrt, von Blutsfreunden oder sonstigen Genossen oft und viel zu leiden; lassen wir aber die Kraft des göttlichen Wortes bei uns durch- wirken, so werden wir fähig, Gott mehr zu gehorchen als den liebsten Menfchen. Da ist auch die meiste Hoffnung vorhanden, daß wir die Unsern nachziehen, wenn sie sehen, wie die Wahrheit uns über alles heilig und theuer ist; das flößt ihnen zuerst Achtung vor Pseirselbsn und dann vielleicht auch Liebe dazu ein. obs. Pauli Sorge um die Gemeinde und die Beruhigung, die er ihretwegen erhalten. 581 VII) Die Ausleger beschäftigen sich mehrfach mit der Frage, was den Apostel veranlaßt habe, die Parallele seiner Leser mit den Christen in Judäa zu einer Erinnerung an die alte Schuld der Juden und ihren ihm und seiner Wirksamkeit unter den Heiden feindlichen Sinn zu erinnern. Dafür nun ergiebt sich die Erklärung aus dem folgenden Abschnittx denn die Feindschaft der Juden war es ja, die ihn aus Thessa- lonich vertrieben und die bisher ihn auch verhindert - hatte, seinem Verlangen gemäß dahin wieder zurück- zukehren. Dem Vorwurfe oder der Verdächtigung als ob er vor dieser Feindschaft sich zu sehr fürchte, konnte er nur dadurch entgehen, daß er in ihrer gan- zen Schwere die Leser sie erkennen ließ; und das wiederum konnte er nur dadurch erreichen, daß er ein Wort von dem Gerichte Gottes, welches bereits anfange an den ungläubigen Juden sich auszuwirken, fallen ließ. Ohne daß ein besonderer Schutz von Seiten des HErrn auch für Thessalonich ihm zugesagt würde, wie eine solche Zusage ihm für Eorinth zu Theil ward (Apostg. 18, 9 f.), mußte er den jüdischen Nachstellum gen sofort erliegen, das war bei deren Schlauheit und Unermüdlichkeih welche kein Mittel scheute, ihr Ziel zu erreichen, zweifellos; aber ebenso zweifellos war ihm, daß jetzt feine Zeit und Stunde noch nicht gekommen sei, den Feinden zum Opfer zu fallen, und so blieb ihm nur dasjenige Rettungsmitteh zu welchem der HErr Jesus selber in ähnlicher Lage seine Zuflucht genommen (Luk. 4, 30 f.; Matty. 15, 21; Joh.8, 597 10, 39 f.; 11, 54). III. di. 17—Eap. Z, 13. Hierauf geht Paulus ein auf seine Sorge um die Gemeinde nnd die Be— ruhigung, die er ihretwegen erhalten. Zwei Mal bereits, seit er von Thessalonith nach Beröa und von da nach Athen vor den tlachslellungen der feind- seltgen Juden hatentweikhen langen, hat er den ther- sueh gewann, bei der dortigen Gemeinde sieh wieder einzustellen, denn er sbetrachtet sie als seine Hoffnung und Freude und Krone des Ruhms am Tage Iesu Christi und kann sie denc Widersacher, der sie dem Gvangelio wieder abfällig zu machen sueht, nieht preis— geben; aber Satan hat bisher sein Vorhaben unans- führbar zu machen gewußt (V. 17—20). Um so mehr hat es ihn denn gedrängt, als Timothens gen Jithen ihm naaskam und da ihm meldete, in welchem Stande der Anfechtung sie sirh befunden, auf die Gegenwart dieses seines Gehilfen, so swichtig sie ihm and) gerade in jener Stadt gewesen wäre, zu verzichten und ihn zu den Thessalonichern zu entsenden, um sie zur Jlusdauer . unter den verfolgungen und tiedrängnissem die ne aus- zustehen hatten, zu ermahnen und ihm nähere kluch- richten über ihr Verhalten, da er so sehr sich ihretwegen sorgte, zu überbringen Man. Z, 1-—5). Da kam dann dieser zu ihm hierher nach Corinth, wohin er inzwischen sich weiter gewendet, und konnte mit dem, wag er er- kundet hatte, ihn also trösten in seiner Trübsal und Noth, die er überhaupt zu tragen hatte, daß er gerade- zu von dleuem auflebte (i1.6——8). nicht genugsam« kann er Gott für die Gnade, die er ihn an den Thessaloi nichern hat erleben lassen, danken; desto brünstiger und unablössiger betet er nun aber array, daß es ihm möge vergönnt werden, ihr Jtngesikht zu sehen und zu erstat- ten, so etwas mangelt an ihrem Glauben, inzwischen wolle der ljGrr sie zunehmen lassen an christlicher Tüch- tigkeit nnd besonders in der Diebe sie völlig werden lassen aus den Tag seiner Zukunft, wo es ja gilt. un- strästtch liärsr Gott in der Heiligkeit erfunden zu werden (V. 9— ). 17. Wir aber, lieben Brüder sum jetzt wieder auf uns und unsre Herzensstellung zu euch V. 13 zurück zu kommen], nachdem wir fseit unserm Weg- gang von Thessalonich Apostg 17, 10] euer eine Weile fwie ein Vater seiner Kinder V. 11] be- raubet gewesen find, nach dem Angesichh nicht uach dem Herzen fdenn mit unserm Herzenszuge V. 8 sind wir ohne Unterbrechung bei euch geblieben Col. 2, 5], haben wir desto mehr [um wieder ein- zubringen, was wir während der zeitweiligen Be- raubung an euch eingebüßt] geeileh euer Angeslchl zu sehen sund zwar geeilet] mit großem Verlangen [nach dem Augenblick, wo nun das Ziel sich würde erreichen lafsen]. 18. Darum [weil solches Verlangen uns be- seelteJ haben wir wollen zu euch kommen — ich, Paulus, zwei Mal fgenauer: einmal und dar- nach aber einmal Phil.4,16., das ersteMal von Beröa aus, wo Silas noch bei mir war und mein Vorhaben theilte, das andre Mal von Athen aus, wo ich allein mich befand und auf Silas und Timotheus wartete Apostg 17, 10 u. 16], nnd Satanas hat uns verhindertt [daß wir den Vorsatz nicht auch zur Ausführung gebracht haben]. 19. [Ja, es war unser großes Verlangen, wieder zu euch zu kommen und euch in eurem Christenlauf zu fördern Kap. 3, 10.] Denn wer ist unsere Hoffnung oder Freude sGegenstand unserer Hoffnung oder Freude] oder Krone des Ruhms? Seid nicht auch ihr es [neben andern Gemeinden, denen dasselbe Lob gebührt 2. Cor. I, 14; Phil. 4, I] vor unserm HErrn Jesu Christo, zu feiner Zukunft fwenn er wiederkommt, das Gericht zu halten und fein Reich der Herr- lichkeit aufzurichten Kap. Z, is; Z, 23]? 20. Ihr seid ja [wie ich euch hiermit be- zeuge] unsere Ehre und Freude-«. V) Der Apostel kommt wieder ans sich selbst zurück, um eine zweite Anschuldigung oder Anzweifelung zurückzuweisen, als habe er sich, seitdem er von den rasch überredeten und ansgebeuteten Thessalonichern (V. 3 ff.) wieder weg sei, nicht mehr um sie beküm- mert. Wie uns also die beiden ersten Abschnitte (Kap. I, 2-—2, 16) ein lebendiges Bild von dem Wirken des Paulus in Thessalonich und der Gründung der dortigen Gemeinde entwerfen, so thut’s nun dieser dritte Abschnitt in Beziehung auf die Art, wie der Gründer der Gemeinde in dem seither verflossenen Zeitraum für dieselbe besorgt und thätig gewesen ist. Der Apostel deutet nun den Lesern gleich von vorn- herein an, daß er sie nicht nur nicht vergessen, sondern die Trennung von ihnen schmerzlich empfunden habe; wenn er dann das Verlangen, sie wiederzusehen, in so starker Weise zum Ausdruck bringt, wie er am Schluß des 17. Berses thut, so zeigt sich seine Liebe zur Gemeinde gleichsam als eine bräutliche Aus der- selben ging der zweimalige Entschluß hervor, naeh Thessalonich zurückzukehren, aber der Satan hat die Ausführung verhindert. Dieser erscheint in der Schrift in dreifacher Wirksamkeit: 1) als Versucher und Ver- führer, Z) als Verklägey Z) als Verderber; in ersterer 582 I. Thesfalonicher Z, 1—10. Beziehung ist er der erste und fortwährende Urheber der Sünde in der Nienschenwelh als Berkläger sucht er die geschehene Sünde mit lügnerischer Uebertreibung vor dem göttlichen Richter geltend zu machen und auch vor unserem inneren Richter, dem Gewissen, möglichst schwer darzustellen, um so den Sünder innerlich zu binden und muth- und widerstandslos gegenüber der Sünde zu machen, als Verderber aber wirkt er, sofern er als Fürst der gefallenen Welt alle Mächte des phhsisch und moralisch Bösen wider das Heil, das Reich Gottes, und für das Unheil, welches in letzter Jnstanz die ewige Verdammniß ist, in Be- wegung seht. Jn den beiden ersten Beziehungen ist er Lügner, in der letzteren, und sofern diese als Zweck auch den beiden ersten zu Grunde liegt, in allen dreien Mörder (Joh. 8, 44); bei Judas ist ihm zu- erst sein Verführer-, dann sein Verklägergefchäft ge- lungen; daher dessen Ende Verzweiflung und Selbst- mord, womit er dem Verderben anheimfiel. Worin nun an unsrer Stelle die Abhaltung bestand, welche der Satan dem Apostel bei seiner Absicht auf Thefsa- lonich in den Weg legte, wissen wir nicht; jedenfalls hat sie nicht in Geschäftsüberhäufung u. dgl., sondern in etwas Bösem bestanden, sei es auf thessalonichischer oder auf paulinifcher Seite. Jm ersteren Falle hätte man an die Feinde des Evangeliums zu Thessalonich zu denken, deren Haß dem Apostel, wenn er dorthin ekommen wäre, Gefahr bereitet hätte; im andern alle entweder an Anfechtungen in den Gemeinden, in denen Paulus sich seither befand, welche ihm eine Entfernung von dort unmöglich machten, oder wohl besser an Krankheit des Apostels (vgl. Kap. Z, 7), be- sonders an den Satansengel in Z. Cor. 12, 7., der ihn mit Fäusten schlug. Sehr leicht möglich wirkten beiderlei Gründe zusammen, wo Paulus das erste Mal, als er schon von Beröa aus wieder nach Thessa- lonich zurückkehren wollte, durch die thessalonichischen Juden daran verhindert wurde. (Auberlen.) Das muß ein Streiter Jesu Christi nie vergessen, daß er mit dem Evangelio Christi gegen den Fürsten der Welt zu Felde liegt; auch wenn es irgendwo ein gutes Aussehen hat, so darf man rechnen, Satanas wird nicht feiern. Als zur Zeit der Uebergabe der angs- burgischen Confession der Kaiser und man? Große in der Welt soviel bessere Meinung vom vangelio bekamen und äußerten, so wollten manche der An- wesenden in Augsburg zuviel darauf bauen; der liebe Luther aber schrieb ihnen zurück: ,,Jch glaub ja alles Gute vom Kaiser; aber ob er soviel tausend Reizungen des Teufels wider das Evangelium wird widerstehen können, das ist eine andere Frage-« (Rieger.) IV) Paulus hat sich in V. 7 mit einer Mutter ver- glichen, und Mütter pflegen ja ihre jungen Kinder ihre Hoffnung, Freude u. dgl. zu nennen; so thut er’s nun auch in Beziehung auf die Thesfalonichen (Theodoret.) Auf die Wiederoffenbarung Jesu ist der Blick des Apostels gerichtet, daß dann die Gemeinde Thesfalonichs einen Theil seiner Hoffnung, nämlich seines ihm Lohn bringenden Werks (vgl. 1. Eor. Z, 14), seiner Freude, nämlich der durch ihn zur Selig- keit gelangten Welt, seiner Ruhmeskrone, nämlich des ihm zur Ehre gereichenden Erfolgs seiner Arbeit, ausmachen werde; die Zuversicht aber, daß dem so sein werde, begründet sich ihm durch das, was ihm diese Gemeinde in der Gegenwart ist, durch die That- sache, daß er jetzt seine Verherrlichung und Freude an ihr hat. (v. Hofmann.) Paulus hofft von den durch ihn Bekehrten ain Tage des HErrn wie von einer Glorie umgeben zu sein; dieser Ruhmeskranz ist der rechte Heiligenfcheim wie man, vor den himmlischen Richter tretend, sagen kann: ,,siehe da, ich und die Kinder, welche mir Gott gegeben hat!« (Auberlen.) Die Diener Christi werden in dem Maße, als sie sein Reich ausgebreitet haben, am jüngsten Tage Ruhm und Triumph erlangen; darum sollen sie sich schon Jetzt über nichts freuen und rühmen lernen, als über den gesegneten Erfolg ihrer Arbeit, wenn sie durch ihren Dienst Christi Ruhm gefördert sehen. So wer- den sie auch die rechte Liebe zur Gemeinde gewinnen. (Calvin.) Das 3. Kapitel. Nauli Sorgfalt und gebet für die Thessalonichen 1. Darum sweil nach dem in V. 18 f. Ge- sagten uns soviel daran gelegen ist, daß ihr er- halten bleibet in der Wahrheit Joh. 17, 11 sf.] haben wir-s nicht weiter wollen vertragen sohne nähere Nachricht über den Stand der Dinge bei euch zu sein], und haben uns lassen wohlgefallem daß wir zu Athen lwohin wir allerdings Kunde von dem, was euch Schweres widerfahren Kap. L, 14., erhalten hatten, aber ohne daß sich schon erkennen ließ, wie ihr der Anfechtung begegnen würdet] allein gelassen würden [Apostg. 16, 3 u. 17, 10a Anm.]; 2. Und haben Timotheum gesandt, unsern Bruder [2. Cur. 1, 1] und Diener Gottes [2. Cor. 6, 4] nnd unsern Gehilfen am Evangelio Christi [Röm. 16, 21; Phil. 2, 22], euch zu stärken [Apostg. 15, 32; Rom. 1, 11] und zu ermahnen in eurem Glauben streu an demselben festzuhalten], 3. Daß nicht jemand weich fnachgiebig gegen die verführerische Macht des Versuchers V. b] würde in diesen Ttüdfalctt [die ihr in Gemeinschaft mit uns zu erdulden habt Kap. 1, 6], denn ihr [selbst, seit ihr Christi Wort Matth. s, 10 ff.; 10, 21f. 34 ff.; 16, 24 ff.; Joh. 15, 18 ff. kennet] wisset, daß wir [Chriften] dazu gefetzi sind sum des Reiches Gottes willen Schmach und Ver- folgung zu erleiden 2. Tim. Z, 12]. 4. Und da wir bei euch waren, sagten wiss fals solche, die nie mit Schmeichelworten um- gegangen sind Kap. 2, 53 Joh. 13, 19; 14, 29; is, 1 ff.] euch zuvor, wir würden Trübsal haben muffen [Apostg. 14, 22]; wie denn auch geschehen ist fda wir, eure Lehrer, von euch vertrieben wur- den Apostg 17, 5 sf.] und ihr funsere Schüler, nun aus eigener Erfahrung] wisset fseit auch euch allerlei Trübsale V· 3 betroffen haben Apostg. 17, 10a Anm.]. Z. Darum fweil ich in Folge des ersten, in Athen mir zugekommenen Berichts des Timotheus euch in Anfechtung wußte] icifs auch fwas speziell mich, den Paulus Kap. 2, 18., betrifft] nicht länger vertragen [in Ungewißheit in Betreff eures Verhaltens mich zu befinden, sondern indem es Des Apostels Dank gegen Gott und sein Wünschen und Beten für die Gemeinde. 583 mich drängte, um jeden Preis mir Gewißheit zu verschaffen], hab tch sdenselben noch einmal zu euch] ausgesandh daß ich erführe euren Glauben [inwiefern ihr noch in demselben stehet l. Cor. 16, is; 2. Cor. 1, 24], auf daß nicht euch viel- leicht versucht hätte der Versucher szum Abfall 1. Petri b, 8; 1. Cor. 7, Es] Und swenn solcher wirk- lich eingetreten wäre] unsere Arbeit vergeblich würde [Phil. 2, 16]. Mit dem, was der Apostel hier schreibt, scheint der Bericht des Lukas in Apostg. 17, 14 ff. u. 18, 5 nicht zustimmen; nach letzterem Bericht nämlich ließ der Apostel, als er in Beröa den Nachstellungen der Juden sich entzog und von einigen dasigen Christen nach Athen geführt wurde, dort den Silas und Timotheus zurück und ertheilte hier durch die rückkehrenden Ge- leitsmänner ihnen die Weisung, ihm auf’s Schleunigste nachzukommem und wenn nun auch nicht schon in Athen, so trafen sie doch in Corinth wirklich wieder mit ihm zusammen. Daß indessen dieser Bericht eine Liicke enthält, indem er blos den Anfang und das Ende der Vorgänge zur Darstellung bringt, die da- zwischen liegenden besonderen Umstände dagegen außer Betracht läßt, geht von selber schon daraus hervor, daß Silas und Timotheus eben nicht, wie ihnen geheißen war, in Athen, sondern erst in Corinth mit dem Apostel sich wieder vereinigten, während doch von diesem ausdrücklich bemerkt wird, daß er ihrer zu Athen gewartet habe, ohne daß zugleich erklärt würde, worin diese Abweichung ihren Grund gehabt habe. Ergänzen wir denn die Lücke dahin, daß jenem Be- fehle in Apostg. 17, 15., den die rückkehrenden Geleits- männer des Paulus dem Silas und Timotheus nach Beröa überbrachten, nur der letztere gefolgt und zu dem Apostel nach Athen gekommen ist, während der erstere durch wichtige Gründe in Beröa zurückgehalten wurde, daß ferner Paulus, als er von Timotheus hörete, welche Anfechtungen über die jungen Christen in Thessalonich hereingebrochen seien, und sich ihret- wegen ängstigte, anstatt den Timotheus bei sich zu behalten, ihn vielmehr über Beröa der Gemeinde zu ihrer Stärkung und Ermahnung zusandte, und daß nun Timotheus, nachdem er seinen Austrag für Thessa- lonich ausgerichtet hatte, bei seiner Rückkehr zum Apostel aus Beröa den Silas mitbrachte, in dessen Gesellschaft aber den Paulus nicht mehr in Athen, wo derselbe so wenig Anklang gefunden, daß er früher, als er ursprünglich geplant hatte, seine Straße weiter zu ziehen sich veranlaßt sah, vorfand, sondern bis Corinth ihm nachreifen mußte, so hört aller Wider- spruch zwischen des Lukas Bericht und der vorliegen- den Stelle sofort auf; wir begreifen aber nun auch, warum Paulus an unsrer Stelle zuerst (V. 1 und ·2) in der ersten Person Pluralis redet (,,wir — uns — unsern«), hernach aber (in V. 5) von sich allein (,,ich«). Allerdings ist auch dort (V· 1 f.) eigentlich Er es allein, der in Athen auf die Hilfe des Timotheus verzichtet und ihn lieber nach Thessalonich entsendet, um Nachrichten über die dortige Gemeinde einzuziehen, wie sie in der Anfechtung sich verhalte, und sie in Geduld und Glauben stärken zu lassen; aber doch ist bei diesem ganzen Verfahren der in Beröa zurück- gebliebeiie Silas insofern mitbetheiligt, als dieser wohl durch Timotheus bei dessen Reise von Beröa nach Athen dem Apostel Nachricht zukommen ließ von dem bedrohlichen Stande der Dinge in Thessalonich und wie zweckmäßig es sein würde, wenn Paulus einstweilen noch auf seine Gehilfen Verzicht leiste und den Timotheus der bedroheten Gemeinde zusende, und um nun solche Mitbetheiligung des Silas, dem sogar die Ehre der Initiative bei diesen Maßnahmen ge- bührte, zu vollem Ausdruck zu bringen, schreibt Pau- lus zuerst im Plural, bis er dann auf seine Person im Besonderen zu reden kommt, da in der That Er speziell es war, der das Opfer des Alleingelassenseins in Athen, wo der Beistand treuer Gehilfen ihm doch so noth gethan hätte, zu bringen hatte. — Die Sen- dung nach Thessalonich war keine kleine Aufgabe für den jugendlichen Timotheus (1. Cor. 16, 10 f.; I. Tini. 4, 12); aber auch Paulus wußte weislich gerade diesen Leisetreter zu wählen, der doch kein Verleugner war, sondern mit hingebendem Sinn wie Wenige suchte, was Christi war (Phil. 2, 20 ff.). Die Ver- schiedenheit der Gaben dient den verschiedenen Aus- gaben: es können nicht Alle Klötze und Steine aus- reuten, paßt auch nicht immer; säuberlich fahren, sorg- fältig begießen, hat auch seine Zeit und Diener, die dafür begabt sind. (Riggenbach.) b. Nun aber lwie es gegenwärtig mit uns stehet], so [man könnte dafür auch lesen: wo] Timotheus zu uns von euch kommen ist [Apostg. 18, 5] und uns verkündiget hat euren Glauben und Liebe, und daß ihr unser gedeutet allezeit zum Besten lwas ja nicht blos ein Zeichen eurer Liebe zu uns, sondern auch eures guten Gewissens uns gegenüber ist] nnd verlanget nach uns san-s. wieder] zu sehen, wie denn auch uns nach euchr [also ver- langet Kap. 2, 17]; 7. Da sind wir, lieben Brüder, gctrbstet worden an euch [2. Cor. 7, 7] in aller unserer Trübsal und Noth sdie hier in Corinth uns be- schwert 2. Cor. 2, 4], durch euren Glauben sden ihr so treu bewahret und so herrlich bewähret habt]. 8. Denn nun sind wir lebendig sda wir vor- hin geistlich wie Gestorbene waren Apostg. 18, 5 Anm.], dieweil ihr stehet in dem HErruisp fund ohne Zweifel auch ferner also stehen werdet I. Cor. 16, 13]. Z. lJch sage nicht zuviel, wenn ich soeben unsern jetzigen Herzenszustand dahin beschrieb, daß ein neues, frisches Leben uns durchziehe.] Denn was für einen Dank [der entsprechend wäre der Größe seiner· Gnadenwohlthat] können wtr Gott vergelten [Ps. Ue, 12] um euch, fnr alle diese Freude, die wir haben von euch soder euret- halben] vor unserm Gott svor dem allewege wir stehen mit Danksagung, Gebet, Herzensergießung und Ueberlegung 1. Kön. 17, l]? 10. Wir bitten sGott in dem überströmen- den Gefühl unsrer Dankbarkeit] Tag und Nacht fast sehr [Jos. 13, 1 Anm.], daß wir sehen mögen eucr Angesicht [Kap· 2, U] und sdurch weitere persönliche Wirksamkeit in Lehre und Vermahnung] erstatten lzur Vollständigkeit nachbringen Col· 1, 24], so etwas mangelt an eurem Glauben« swas denn allerdings wohl der Fall ist, vgl. Kap. 4, l ff. 13 ff; 5, 1 584 I. Thessalonicher 3, 11-—13. V) Gleich nach des Timotheus Rückkehr ist der Brief efchriebenz daher die frische Freude und überquelleiide jede. (Riggenbach.) »Daß der Apostel außer dem, was Timotheus von ihreni Glauben und ihrer Liebe berichtet hat, als welche ja beide, der Glaube im stand- haften Aushalten, die Liebe im treuen Zusammenhab ten, bewährt werden konnten, ausdriicklicli auch dessen Erwähnung thut, was er von ihrer»Gesi·nnung gegen ihn und Silvanus erzählt hat, erklart sich aus einer sonderlichen Bejorgniß,· die er wohl» gehegt haben mochte; aber die Gemeinde hat sich in· der Trübsal, von welcher sie betroffen worden, ·an ihren Lehrern ebensowenig als in ihrem Glauben irre machen lassen. (v. Hofmann.) Treue zuni Evangelio verbindet sich natürlicherweise mit dankbarer Liebe zu den Verkün- digern desselben. Wenn es zwischen Lehre-en und ihren ehemaligen Zuhörern, deren geistliche Vater »sie»sind, nach einiger Zeit so stehet, »so stehet es gut: ruckfallige Leute können ihrer ehemaligen geistlichen Vater nicht zum Besten gedenken »und haben kein Verlangen, sie wieder zu sehenJveibScham und Furcht oder gar eine feindselige Bitterkeit· es nicht zulassen. (Roos».) IV) Um das, was Einen beschwert und bedruckt, kann man getröstet werden, ohne daß es aufhört, wenn man nämlich eine Freude findet, welche das Leid über- wiegt (2. Cor». 7, 4); dies war hier der Fall. . Wie dem Apostel in der Angst·und Drangsah darin er lebte, die Sorge, ob nicht die Frucht seiner Arbeit in Thessalonich verloren gehe, unerträglich gewordenwar und den Entschluß in ihm erzeugt hatte, den Time)- theus hinzusenden, daß er ihm Naehricht bringe, so ist jetzt dessen Ankunft von dort vermoge der erfreulichen Nachrichh die er brachte, dem Paulus und Silvanus zur Tröstung »Um alle Bedrängniß»gediehen: der Apostel hebt dies hervor, weil er nicht sowohl um die Gemeinde beruhigt erscheinen, als vielmehr seine Tröstung um die eigene Drangsal ihr verdanken will. (v. Hofmann.) Wohl dem, dem Gottes Ehre und Anderer Heil so am Herzen liegt, daß ihm Anderer Glaube ein wahrer Trost ist und er der etwa daruber oder auch sonst zu erduldenden Trübsal vergessen kann! O, was muß in Pauli Herzen sur eine Liebe zu den Schafen gewesen sein, daß ihn gute Botschaft von ihnen so lebendig niachen konnte! Wie Manchem muß Jesus, der Lebendige,· auch in diesem Betracht das Urtheil (Offenb. s, 1) in das Gewissenschreibent ,,Du hast den Namen, daß du lebest, und bist todt« — un- empfindlich gegen a·lles, was dich in Freude oder Be- kümmerniß setzen konntedder sollte! (Rieger.) » Its) Der Apostel weiß die Trostung um all seine Drangsal, die ihm dadurch zu« Theil geworden, daß Gott solchen Glauben der Thessalonicher wirkt, nicht mit genügendem Danke und überhaupt nicht anders zu erwidern, als mit der so stetigen und so inbrünsti- gen Bitte, seinerseits dazu wirken zu dürfen, daß ihr Glaube noch volliger werde, und sur diesen Zweck ihr Angesicht zu sehen. (v. Hofmann.) Es» ist aber des Paulus Wunsch und Gebet erst nach einigen Jahren (im Herbst 56 n. Chr. 1. Tim. 1, s) erhort worden: so sind denn Gottes Gedanken auch höher als die eines Apostels; sein Zweck, die Thessalonicher zu star- ken, wurde inzwischen durch andere Mittel, auch durch seine Briefe erreicht. (Roos.) II. Er aber, Gott kund] unser Vater [Gal. 1, 4] und unser HErr Jesus Christus sder den Satan kann unter unsre Füße zertreten in Kurzem Röm· 16, 201 schicle smache gerade, eben, damit er auch zur Ausführung gelangen kann] unsern Weg zu euch-«« sden wir uns haben vorgenommen, während bisher Satanas noch hinderlich vor uns gestanden Kap. 2, 18]. 12. Euch aber [gleichviel, ob wir werden kommen können oder nicht] vermehre der HErr sfördere euch in eurem Wachsthum nach außen und innen], und lasse die Liebe vdlltg werden unter einander [Kap. 4, 9 f.] und gegen jedermann sauch gegen die zur Zeit noch ungläubigen Volks- genossen 2. Petri l, 7; Tit. Z, 2 f.], wie dem: auch wir sind gegen euch [nämlich reich an Liebe, und das schon gewesen sind zu der Zeit, da ihr ebenfalls noch Heiden waret]; 13. Daß eure Herzen [in Folge des Völlig- werdens der Liebe] gestärket szum Wollen und Vollbringen alles Guten 2. Thesf 2, 17] auffriss- lich seien in der Heiligkeit [1. Cur. 1, 8] vor Gott und unserm Vater, aus die Zukunft unsers HErtu Jesu Christi [wenn er nun vom Himmel her sich einstellt] sammt allen seinen Heiligen« [von ihnen begleitet Sach. 14, b; Matth. 16, 27 ; 25, 31; 2· Thess. 1, 7 u. 10]. »sz·) Der Apostel kann seinerseits nichts thun, als beten; davon hat er in V. 10 geredet. Was nun aber Gott seinerseits zu thun hat, ist zweierlei: I) er muß ,,unsern Weg zu euch« richten, d. i. ebenen, gerade lenken, so allein bleibt es nicht bei bloßen Plänen von unsrer Seite, die der Satan vereitelt; und er muß 2) euch, wir kommen oder kommen nicht, stär- ken, denn wir sind ja doch nur die bloßen Werkzeuge bei dein Erstatten dessen, das etwa noch mangelt an eurem Glauben. Indem Paulus dies schreibt, fließt sein brünstiger Geist nicht nur in der Kammer, son- dern im Briefe selbst von Gebet über. (Riggenbach.) Doch nicht blos Gott benennt der Apostel als den, der den Weg zu den Thessalonichern ihm und seinen Gehilfen ebenen muß, ihn als Den bezeichnend, der uns beides ist, Gott und Vater; sondern er nennt daneben auch den HErrn der Christenheit, Jesum — Christum, und Gott der Vater und unser HErr Jesus Christus sind ihm nun nicht in dem Sinne zwei, daß für das Zeitwort ,,schicke«, die Mehrheitsforin erfor- derlich wäre, die Zwei sind ihm doch nicht Zwei, son- dern nur Ein göttliches Wesen. Daß er so Jefuin Christum nicht ungenannt läßt, dürfte einen ähnlichen Grund haben, wie wenn er hernach in V. 13 um- ekehrt neben dem »auf die Zukunft unsers HErrn esu« doch auch das »vor Gott und« unserm Vater« nicht unausgedrückt läßt: heidnischen Christen gegen- über war es am Orte, so geflissentlich hervorzuheben, daß alles Thun Gottes an denen, welchen er Vater ist in Christo Jefu, auch Jesu Thun ist, und daß um- gekehrt in der Erscheinung Jesu Christi Gott offenbar wird und also die, zu welchen Jesus kommt, damit vor Gott zu stehen kommen. (v. Hofmann.) Die äußeren Verhältnisse werden in der Schrift gemeinig- lich auf den Vater zurückgeführt; unsre Stelle zeigt aber die Statthaftigkeih auch diese Christo vorzutra- gen. (Olshaufen.) is) Von dem auf s eine Wiederkunft nach Thessa- lonich bezüglichen Wunsche steigt Paulus auf zur An- wünschung dessen, was noththut für Christi Wieder- kunft zum Gericht, indem er diesen neuen Wunsch dadurch von dem vorigen abtrennt, daß er ihm sein Der zweite Theil der Epistel, Ermahnendes und Belehrendes enthaltend. 585 eigenes Subjekt: »der HErr« giebt. Was nun den Lesern vor Gott dem Vater noth thun wird, wenn der HErr Jesus Christus kommt, das erbittet ihnen der Apostel mit den Worten: »der HErr vermehre euch und lasse die Liebe völlig werden unter einander und gegen jedermann«; was an ihrem Glauben mangelte, zu ergänzen und ihn völliger zu machen, war ja das Geschäft, für welches er sich vorhin die Lenkung seines Wegs nach Thessalonich erbot, und hierzu, da sie im Glauben stehen, wird nur reichlichere Belehrung erforderlich sein, aber die Liebe, diese Frucht des Glaubens, muß der HErr, dem sie dienen, in ihnen wirken, darum betont er das Wachsthum in der Liebe hier sonderlich. Und zwar meint er die Liebe nicht nur zu den christlichen Brüdern, sondern auch gegen die Menschen überhaupt, und erinnert durch den Beisatz: ,,wie denn auch wir sind gegen euch« an seine und seiner Berufsgenossen Liebe gegen sie mit Beziehung auf die Näherbestimmung der Liebe als einer die Menschen überhaupt, und nicht blos die christlichen Brüder umfassenden, wofür seine Liebe gegen sie ihnen ja in der That Beispiel sein kann; denn er liebt sie nicht erst jetzt, nachdem sie seine Brüder in Christo geworden sind, sondern sie würden dies nicht geworden sein, wenn er sie nicht zuvor als Menschen geliebt hätte· Wenn so der HErr die Thessa- loni er an der Liebe gegen einander und gegen alle Men chen reich macht, so gewinnen ihre Herzen dadurch einen festen Stand, nichts zu wollen, was gegen Gottes Willen ist, so daß sie nicht blos hinsichtlich ihres äuße- ren Thuns, sondern ihre Herzen selbst bei Christi Wiederkunft nntadelig sein werden. ,,Jn der Heiligkeit« fügt der· Apostel zu ,,unstraflich« hinzu, umnhren Stand nicht blos verneinend, sondern auch bexahend zu benennen, und zu dem Ganzen: ,,unsträslich in der Herrlichkeit« fügt er darnach das »vor Gott und unserm Vater« hinzu, um auszudrücken, welch eine, nämlich eine vor Gottes Augen bestehende Untadeligkeit er for- dert. Der Zeitpunkt aber, wo es gilt, daß sie also unfträflich erfunden werden, ist der Tag der Wieder- erscheinung des HErrn, auf welche sie nach Kap.1, 10 warten nnd hoffen. (v. HofmannJ Das 4. Kapitel. Ermahnung zum heiligen Mundes, Trost wider Traurigkeit aus der Auferstehung non den Todten. C. Hatte der Apostel schon in Frau. Z, 13 und 10 darauf hingedeutet, wie sehr der Gemeinde zu Thessalonich nach dem, was Timotheus ihm außer dem Guten, das ihn trösten konnte, sonst noch über den Stand der Dinge bei ihr berichtet, eine Stärkung zum tlnsiräslichsein in der Heiligkeit vor Gott und eine Gestaltung dessen, was ihr noch mangelt an ihrem Glauben, noththue, so geht er nun in dem jetzt folgenden zweiten, Ermahnendeg und Zisc- kehrendeei enthaltendm The-it der Eoistel dazu über, solchem ihrem Bedürfnis gerecht zu werden, zumal wohl neben der irrigeu Zeliümuieruih mit welcher sie Einzelne aus ihrer Mitte vor der Offenbarung Christi hinwegsierben sahen, wie Timotheus ihm mitgetheilt hatte, sie noch aus— drüctetich gewünscht, äber das Wann des Tages Christi, auf welchen sie so erwartungsvoll gerichtet waren, von ihm belehrt zu werden. I- v. t—12. Was der Jlpouel in den drei vorigen Kapiteln geschrieben, war ganz geeignet, die Gemeinde frohlich zu stimmen und ihm ihre Herzen geneigt zu machen; um so bereite-eiliger, das durfte er hoffen, würde sie nun auch die Erinnerungen aufnehmen, die er gemäs- den von ihm in Erfahrung gebrachten, bei ihr herr- schenden und die gesunde Entwittietung ihres Glaubens- lebens bedrohenden Verhältnissen zu machen hatte. Einerseitz so hatte er vernommen, kamen ja noih die dem heidnischen wesen sonderlich eignenden Grundfehler der geschlekhtlichen Zukhtlosiglieit und des er- werbsächtigen Eigennutzes unter ihr vor, andrer- seits ging eine falsche Gesehäftigtieit in geist- lich en Dingen, welche von der bürgerliihen Arbeits— psiikht abzog, unter ihr im Schwaugez mus- er nun in Beziehung auf jene ersteren Zustände ernsilichsi mit ihr reden, daß sie es mit den heidnischen Sünden nikht etwa leicht nehme, so freut es ihn um so mehr, ihr hinsicht- lich der eigeuthämlich thristlichen Tugend brüderlicher liiebe das Zeugnis geben zu können, daß er ihr hier- iiber nicht erst zu srtzreiben brauche, doch muß er immer- hin auf Junahme in derslusiibung solcher Brei· derliebe dringen, und sihärft denn da der Gemeinde ein, sieh falscher Gesthäftiglzeit zu enthalten und bei ihrer Hände Jlrbeit zu bleiben, weil sonst an Stelle der an— empfohlenen Uebung brüderlicher Diebe gar bald viel— mehr die Zedärftiglteit fremder Hilfe treten würde. (Epistel am Z. Sonntag in der Fasten: Reininiscereh Dieser epistolische Text paßt, beide, zum Evangelio und zu der Zeit, in der wir leben. Das Evangelium (Matth. IF, 21 ff.) erzählt »die Geschichte vom cananäi- schen Weibe und ihrer» damonischen Tochten da er- scheint uns eine heidnische Mutter und Tochter, wie sie vom Satan hart angefochten und geplagt s1nd;» in unsrer Epistel aber erscheint uns eine herdenchristliche Gemeinde, nämlich die von Thessalonich, und zwar geplagt und angefochten von wahrhaft heidnischen und griechischen Sünden, von Fleischeslüsten und dem Be- åehr nach fremdem Besitz. nenne diese. beiden undengebiete heidnische und insonderheit griechische, obschon ich weiß, daß auch der Jude von beiden an- gefochten war und von den Aposteln ihretwegen oft gestraft wird; der Heide, insonderheit der Grieche hatte nämlich sur beide Sünden Sinn und Gewissen ver- loren, Fleischeslush Habsucht und Betrügerei erkannte er kaum mehr für Unrecht, sie erschienen ihm fast wie Tugenden. Da führt nun der Apostel in unserm Texte die Uebertretung der beiden Gebote, des sechsten und siebenten, unter einem und demselben Namen, dem· der Unreinigkeit an und verwirft sie damit beide; dieser Jnhalt aber eignet unsern Text sehr wohl, u1n in Be- gleitung des heutigen Evangeliums zu gehen. Das letztere zeigt uns die Heidenwelt unter dem verunrei- nigenden Einfluß der Dämonen, der Teufel, ersterer dagegen in der Unreinigkeit des Herzens und der Be- gier; dämonische und sittliche Unreinigkeit erscheinen neben einander, für beide aber auch Ein Helfer, Jesus Christus, und Ein Weg der Hilfe, nämlich das »Khrie eleison« der Cananäerin. Die Epistel paßt. aber auch sehr wohl in die Passionszeitt sehen wir den leidenden Jesus insder großen Arbeit be rissen, durch welche er die Welt von Sünden reinigt, flo fühlen wir uns ihm gegenüber ·um so mehr in unsretYSündhaftigkeit und Unreinigkeit; vor allen andern Sunden aber erscheint uns die böse Lust des Fleisches und die elende »Hab- sucht in den Leiden Jefu Christi ganz offenbar gerichtet. Da hangt er am Kreuze, und sein unaussprechlicher Schmerz des Leibes ist die Bezahlung unsrer Wollust- sitnden; seine völlige Verarmung aber, da »er auch mchts mehr hat, den Leib zu decken, und keinen Ort mehr, sein Haupt hinzulegem büßt unsre Begier nach Habe und Besitz. (Lohe.) Die Macht des Kreuzes 586 I. Thessalonicher 4, 1—8. Christi wider die Macht der Fleischeslust und des Weltsinns: l) es entzündet in uns das heilige Feuer einer dankbaren Gegenliebe, 2) erfüllt uns mit dem Bewußtsein unserer erhabenen Bestimmung und Z) erhält uns im beständigen Gedenken an Gottes Ge- richt über alle Unreinigkeit und Ungerechtigkeit (Eig. Arb.) Aufruf zum Fortschritt im Christen- thum; von diesem Fortschritt hören wir im Textet l) welches Ziel er hat, 2) welche Zeit er braucht, Z) welchen Gang er nimmt, 4) welchen: Gesetz er folgt, 5) welche Proben er giebt. (Schultze.) Der gottgefällige Wandel: l) was unsern Wandel gottgefällig macht, Z) wie ein gottgefälliger Wandel anzustellen ist. (Petri.) Der Beruf des Christen zur Heiligung: l) die Beweggründe zur Heiligung, Z) die Erfordernisse derselben, 3) die Folgen ihrer Vernachlässigung. (Becker.) Zwei Stücke aus dem rechten evangelischen Fasten: l) meide die Un- keuschheit und Hurerei, 2) strecke deine Hand nicht aus nach fremdem Gut. (Ahlfeld.) Die Sünde der Unzucht, wie sie streitet l) mit Gottes Gebot, L) mit der Ehre des Christen, s) mit dem Frieden der Seele, 4) mit dem Ziel unsrer Berufung. (Herold.) Von der Reinheit, dazu wir berufen sind: l) rein der Leib und feine Glieder, 2) rein das Herz und feine Gedanken, Z) rein die Hand und ihr Gut! (Luthardt.) 1. Weiter, lieben Brüder [um von dem bisher Gesagten nun zu dem, was uns ferner am Herzen liegt, überzugehen] bitten wir euch [als Freunde und Brüder Kap. b, l2; 2.Thefs. 2, I; Phkks 4. Z] und ermahnen in dem HGrrn Jesu [als seine Apostel und verordneten Diener 1. Cor. l, 10; Ephes. 4, l u. 17]: nachdem ihr von uns [als wiv bei euch waren] empfan- gen habt, wie ihr follet wandeln und Gott gefallen [einen eurem Christenstande entsprechen- den, Gott wohlgefälligen Wandel führen] daß ihr snun auch] immer völliger werdet [in sol- chem Wandel, womit ihr allerdings einen Anfang schon gemacht habt; aber der bloße Anfang ge- nügt nicht, es muß zu immer weiteren Fortschrit- ten kommen]. Z. lDas könnt ihr ja auch: immer völliger werden, immer mehr dem vorgesteckten Ziele zu- streben, wenn ihr nur ernstlich wollet.] Denn ihr wisset, welche Gebote wir euch gegeben haben durch den HErrn Jefnmt kund die haben gleich die ganze volle Aufgabe eines Christen- lebens euch vor die Seele geführt; unbekannt mit dieser seid ihr also nicht, daß wir erst noch ein- mal zu euch kommen und euch noch weiter lehren müßten, ehe ihr an ein Fortschreiten im Christen- thum denken könntet]. 3. [Nun, so schreitet denn fort nach Maß- gabe des empfangenen Unterrichts, und nehmet da besonders derjenigen Punkte wahr, auf welche wir gleich damals eure Aufmerksamkeit speziell hingelenkt haben, vgl. die Bem. zu Ephes. b, 3—7.] Denn das ist der Wille Gottes, eure Hei- ligung [bestehend in Reinigung von den Haupt- lastern eures vorigen heidnischen Lebens und in Absonderung von dem Thun und Treiben, wie es jetzt noch bei eurer heidnischen Umgebung im Schwange geht], daß ihr snämlich zum Ersten] meidet die Hurerei, 4. Und ein jeglicher unter euch wisse sein Faß sden ihm zu eigen gegebenen Leib 1. Cor. 6, 8., dies Gefäß oder die Wohnung seiner Seele l. Cor. 6, 13; Z. Cor. 4, 7] zu behalten in Heiligung und Ehren« [da er ja zugleich geheiligt ist zu einem Tempel des heil. Geistes und zu der Ehre, ein Glied Christi zu sein, erhoben 1. Cor. B, lb u. 19], 5. Nicht saber dahin lebet oder euer Sein habet] in der Luftseuche [in der Brunst der Ve- gierde Col. Z, 5], wie die Heiden, die von Gott nichts wissen-«« [Gal. 4, 8; EpheL 2, 12 und bei denen man darum sich nicht wundern kann, wenn sie, von der schändlichen Brunst, in die sie dahingegeben sind, getrieben, alle Schande und Laster treiben Röm. l, 26 ff.; Ephes 4, l7 ss.]; 6. Und daß szum Andern] niemand zu weit greife sbei Sachen, wo es auf das Mein und Dein ankommt] noch vervortheile seinen Bruder im Handel [die brüderliche Liebe in schnöder Weise verletzend, die er auch gegen solche, die nicht gerade zur Christengemeinde, aber doch zu demselben Bolksverbande mit ihm gehören, zu beweisen hat Matth. b, 22; 7, 3]; denn der HErr ist der Rächer über das alles [über alle in das Gebiet von Hurerei und Habsucht gehörenden HandlungsweisenL wie wir· euch [als wir bei euch waren Gal. b, 2l] zuvor gesagt und bezenget haben-1- [so daß ihr gleich an- fangs vorauswissen konntet, was am Ende euer wartet, wenn ihr nach der einen oder andern Seite hin den heidnischen Lastern dienen wolltet]. 7. [Und solche seine Rache wird uns Christen noch schwerer treffen, als die, welche von ihm nichts wissen, die Heiden.] Denn Gott hat uns nicht berufen zur Unreinigkeit [Kap. Z, 3; Rom. 6, 19], sondern zur Heiligung [von jener, der Unreinigkeit, hat er vielmehr durch seine Berufung uns hinweggerufen, indem er zu- gleich zu dieser, zur Heiligung, uns allerlei seiner göttlichen Kraft, was zum Leben und göttlichen Wandel dient, in Christo Jesu uns geschenket hat]. 8. Wer nun verachtet sdie hierauf bezüglichen Mahnungen derer, durch deren Dienst am Wort die Berufung geschieht, in den Wind schlägt, als brauche er nicht auf sie zu achten Jes. 24, 16], der verachtet nicht Menschen, sondern Gott [Luk. 10, 16], der seinen heiligen Geist gegeben hat in euch -H- [und damit das durch unsern Mund er- gangene Berufungswort an euch thatsächlich als sein eigenes bestätigt hat Apostg. 1l, l7 f.; Gal. Z, 2]. Warnung vor gefchlechtlicher Zuchtlosigkeit und erwerbsiichtigem Eigennutz. V) Nach der Bitte, daß Gott die Thessalonicher durch seinen Geist mit Liebe erfüllen wolle zu ihrer Stärkung und Heiligung (Kap. Z, 12 f.), wendet sich der Apostel nun auch an sie selbst und fordert sie auf, das Jhre zu thun im Werke der Heiligung, so daß auch hier die menschliche Thätigkeit nicht durch die göttliche vernichtet, sondern angeregt erfcheint. Als Regel für ihren gott efälligen Wandel beruft sich nun aber Paulus aus; die von ihm bei seiner persönlichen An- wesenheit ihnen gegebenen Vorschriftenz denn wir dürfen voraussehen, daß die folgenden Ermahnungen nur eine Wiederholung derselben enthalten. (Olshau- sen.) Øoviel der Apostel im ersten Theil seiner Epistel an der thessalonichifchen Gemeinde zu rühmen gefun- den hat, so war ihr Zustand doch nicht, wie er hätte sein sollen und wie er hätte sein müssen, wenn er den apostolischen Vorschriften hätte entsprechen wollen; das Wie eines gottwohlgefälligen Wandels war ihnen bekannt geworden, allen standen die Unterweisungen und Gebote, welche ihnen der Apostel gegeben, in utem Andenken, dem Wissen aber entsprach das Teben nicht. Es ging der Gemeinde zu Thessalonich wie auch unsern gegenwärtigen Gemeinden: wie man wandeln soll, ist ebenso schnell gelernt als gesagt; der Cgehorsam aber folgte langsam und unvollständig nach. jähe. ( It) Wir hören hier, worin die sittlichen Belehrun- gen bestanden haben, die der Apostel den Lefern durch den HErrn Jesum ertheilt hat, indem er sie in der Art wiederholt, daß er, ihre Ertheilung durch Jesum « damit rechtfertigend, das Verhalten, welches er nennen wird, als einen Willen Gottes (vgl. Kap. 5, 18) be- zeichnet und als das, worauf dieser hinausgehe, ihre Heiligung namhaft macht. (v.Hofmann·) Der Apostel ermahnt: »Ihr sollt immer völliger werden; denn das, nämlich eure Heiligung, ist der Wille Gottes«. Die von Gott gewollte Heiligung nun hat sich zum Ersten darin zu erzeigen, daß sie sich enthalten von der Hurerei, daß sie alle Zuchtlosigkeit des geschlecht- lichen Lebens vermeiden. Nachdem aber Paulus nega- tiv bezeichnet hat, wovon sich die Christen zu enthal- ten haben, sagt er auch positiv, was sie zu thun haben: »ein jeglicher unter euch wisse sein Faß zu behalten in Heiligung und Ehren«. Unter Faß verstehen wir mit Luther den Leib, der das Gefäß und Werkzeug der Seele ist; da heißt es nun eigentlich im Grund- text: »ein jeglicher wisse sein Faß zu gewinn en«, wir gewinnen aber, wie Chrysostomus sagt, unsern Leib, wenn er rein und keufch bleibt, dagegen gewinnt ihn die Sünde, wenn er unrein wird. Wir gewinnen oder behalten ihn in Heiligung durch ein Thun, welches darauf ausgeht, den Leib zu einem Tempel des heil. Geistes, dazu er geheiligt ist, immer geschickter zu machen, und wir behalten ihn in Ehren durch ein Thau, welches von Hochschätzung des nach dem Bilde Gottes geschaffenen Leibes zeugt. (Sommer.) So niedrig, schwach und gebrechlich unser Leib gegenwärtig auch ist, so hat er doch auch seinen großen Werth und seine ehrenvolle Bestimmung für diese und für jene Welt, und der HErr Jesus nähret und stärket ihn deshalb im heil. Abendmahl mit seinem eigenen unvergäng- lichen Leibe, damit er lebe, gleichwie Christus lebt. Siehe nur deinen Leib an: da ist das Auge, der Spiegel deines unsterblichen Geistes; da ist das An- gesicht, das Bild deines Verstandes; da ist der auf- rechte Gang, der dich nach oben weiset! Sind das nicht alles Fingerzeige, daß der Leib soll deinem ewi- gen Berufe dienen und in Ehren gehalten werden? Das verstehest du wohl, deine Staatskleider und Putz,- sachen und deine Prunkgeräthe sorgsam zu verwahren 587 in schönen Schränken und Kästchen: warum verstehst du denn nicht auch, das edle Gefäß so großer Güter und Schätze, das am Tage der Auferstehung leuchten soll in Gottes Klarheit, rein von dem Unflath zu er- halten, der vor Gott ein Greuel ist? (Münkel.) Sehr angesehene Ausleger haben das Wort ,,Faß« von der Frau verstehen wollen, so daß des Apostels Meinung auf denselben Sinn hinausliefe, wie der in 1. Cor- 7, 2 gegebene Rath: ,,um der Hurerei willen habe ein jeglicher sein eigen Weib«; wenn nun allerdings nach orientalifcher Betrachtungsweise bei den Juden das Weib als ein Werkzeug zur Befriedigung der Ge- schlechtslust für den Mann angesehen wurde, so ist doch diese Betrachtungsweise zu gemein, als daß wir auch dem Apostel zutrauen dürften, er habe ihr gemäß das Wort ,,Gefäß« svas cui semen immittitur — vas meum, quo ego utors gebraucht, des Petrus Aus- druck in 1. Petri Z, 7 aber kann man nicht hierher ziehen, da dort eine ganz andere Beziehung obwaltet. Außerdem kommt man auch bei dieser Fassung des Wortes nicht über die Schwierigkeit hinweg, den für ,,behalten« im Griechischen gebrauchten Ausdruck wissend-W, der eigentlich ,,erwerben« bedeutet (Apostg. J, 18; 8, 20), im weiteren Sinne dafür zu nehmen: das, was man erworben hat, in Besitz haben oder behalten (Luk.18, 12;21, 19); denn wäre des Apostels Meinung, die Männer in Thessalonich sollten sich, statt, wie sie es in ihrem früheren Heidenthum gewohnt waren, behufs Befriedigung des Geschlechtstriebes mit den Dirnen auf der Straße sich einzulassen, durch Ver- heirathung an eine bestimmte Person als an das ein für allemal zu diesem Zweck erworbene Gefäß oder Werkzeug binden, so würde er mit folcher Bezei nung selber das »in Heiligung und Ehren« in grö licher Weise verletzen, da ja von einem solchen Standpunkte aus ein Weib zu nehmen geradezu eine Verleugnung der Ehre und Würde des Weibes ist. Paulus könnte also doch nur das meinen, die Thesfalonichey nachdem sie allerdings nicht mehr, wie ehemals, der sog. venus vulgivaga dienten, sondern, wie er ihnen wohl bei ihrer Bekehrung gerathen hatte, ein jeglicher sein eigen Weib hatte, sollten nun dies ordnungsmäßige Gefäß zur Befriedigung der Geschlechtslust nicht etwa im Dienst der Lustseuche mißbrauchen und das heidnische Wollustleben in den christlichen Ehestand selber hinein- tragen, vielmehr in Heiligung und Ehren das bei- gelegte Weib bei sich haben, womit er denn von dem niederen, geschlechtlichen Zweck der Ehe zu dem höheren, christlichen überginge, gleichwie Petrus in 1.Petri3,7 den Männern gebietet, den Weibern als auch Mit- erben der Gnade des Lebens ihre Ehre zu geben. IN) Die erste Forderung des Apostels verlangte Enthaltung vom leiblich Bösen, der Hurerei, die zweite Heiligkeit und Ehre des Leibes; diese zweite ist aber nicht möglich ohne die dritte, welche in den Worten liegt: ,,nicht in der Lustseuche wie die Heiden, die von Gott nichts wissen«. Wie kannst du denn deinen Leib rein halten, wenn deine Seele ein unreiner Stall böser Begierden ist, und wie willst du ein gutes und frohes Gewissen vor Gott haben, wenn du der allen Menschen einwohnenden bösen geschlechtlichen Lust so wenig Herr geworden bist, daß sie inwendig zur Leidenschast und zur Seuche geworden? erst mußt du inwendig auf- räumen und deine Seele heiligen und ehren, ehe du den Leib heiligen und ehren kannst. Es giebt gar keine Sünde, bei welcher sich Leib und Seele so ganz verbunden und als Eins zeigen, wie die Sünde der Fleischeslusk dein Blut und alle deine Leibes-Kräfte und Säfte verderben in dir, wenn deine Seele inner- lich in bösen Lüsten schwelgtx dein Blick, dein Gang, 588 I. Thessalonicher 4, 9—12. deine Geberde, dein ganzes Gefäß der Seele verliert den reinen Glanz und die liebliche Anmuth der Jugend und des guten Gewissens, und tausend Zeichen sagen es dem Kundigen, wenn inwendig deine Seele über dem Koth der bösen Lüste brütet. Keine Sünde ist leiblicher, aber auch keine mehr ·qiiillt aus der Seele hervor, als die böse geschlechtliche Lustz daher muß innen die Wandelung vor sich gehen, die Waschung und Reinigung geschehen, dein Herz muß vor allem rein werden, wenn es der Leib sein und bleiben soll, wenn du nicht verloren gehen willst mitLeib und Seele iii dem abscheulichen tiefen Schlamm der bösen Lüste. (Löhe.) Unter den Heiden, die vonfGott nichts wissen, gehet es nach der Lustseuche, d. iszman wehrt nicht, man läßt der Lust den Zaum, daß sie thut nach ihrer Art und Bosheit, gerade als wäre es natürlich, so es doch eine Seuche und Fehl ist, die man heilen und ihr helfen sollte; aber da heilet und hilft niemand, sondern sie verfaulen und verderben in der bösen Luft. (Luther.) Versäumnis, nach Gott zu fragen und ihn aus feinen Werken und dem in das Herz gefchriebenen Gesetz kennen zu lernen, hat bei den Heiden der Un- xeinigkeit Thür und Thor ·aufgethan; wennnun die abgestandene Christenwelt in Opern, Comod1en,· Ge- dichten, Romanein schändlichen Gemälden und Bildern alle heidnisihen Eitelkeiten immer wieder aufwärmt, so fällt sie bei heidnifchem Unglauben auch wieder in heidnische Hurerei. (Rieger.) · · f) Zwei Laster treibt der Apostel hier am meisten: die Unkeuschheit, damit an»sich selbst und wider die Frucht des Glaubens gesundigt wird, und die Trügerei im Handel, darin wider den Nächsten gesündigt wird. Das ist auch wider den Glauben, doch besonders wider die Liebe. (Luther.) Wollust und Habsuchh das find die beiden Angelpunkte, um welche sich das Leben der alten Welt damals bewegte; das sind die beiden Quellen, aus welchen alles Unheil sich ergoß. Wollust und Habsucht werden von Hora- tius an vielen Stellen als die Todtengräber dargestellt, welche dem Geschlechte seiner Zeit erbarmungslos ein tiefes Grab bereiten; sie sind in der·That auch die Würgengel gewesen, welche diese Erstgeburt in der Heidenwelh die beiden klassischen Völker des Alter·- thums, erschlagen. (Nebe.) So allgemein und zähe, wie die Hurerei, ist auch dieses Laster wider das siebente Gebot noch jetzt verbreitet unter den Christen, und ist nur der Unterschied, daß jenes besonders an der Ju end haftet, dieses aber in vorgerückten Jahren »ost an des en Stelle tritt; daß jenes mit der Ueppigkeitiind Verschwendung Hand in Hand geht, während dieses sucht zusammenzuraffem zu scharren, zu» schinden, zu schaben, was nicht niet- und nagelfest ist. Mit dem rechten Nainen nennt man dies eigentlich stehlen,«doch weil niemand gern ein Dieb heißen will, so greift» er es feiner an: er briRt des Nächsten Gut an sich, wenn er dein nur ein äntelchen umhängen kann, als hätte er ein Recht dazu oder doch gerade kein Un- recht, und iibervortheilt ihn, indem er schlechte Waare für gute verkauft und schlechtes Geld für gutes aus- iebt. Das bringt nach seiner Meinung das Geschäft o mit sich und gehört zu den erlaubten Kuiistgrisfem Handelt es sich dabei nur um etliche Groschen, so macht der Betrug noch keinen unehrlichen Mann; handelt es sich aber um etliche Thaler, nun, so ist der Gewinn dochgar zu ichön, als daß man sich nicht einmal deii Titel eiiies Betrügers sollte gefallen lassen. Jst man doch niemand bei Nachtzeit in’s Haus ge- brochen; also kann man sich mit dem mottenfressigen Troste trösten, daß man übrigens ein ganz ordent- licher Mensch ist. Ach, diese ordentlichen Menschen, Hurer und Betrüger, wollte Gott, daß wir nicht einen solch strömenden Ueberfluß daran hätten; ja, wollte Gott, daß ihnen die Augen ausgingen über ihre arge Verblendung, ehe es zu spät ist! Nun aber rühmen sie sich in ihrer Schande und Büberei: »ich bin der erste nicht gewesen, und werde auch der letzte nicht sein!« Lieber Mensch, wisse aber auch das, wenn du nicht Buße thust und umkehrst, so wirst du das andere Wort dazusetzen und sagen müssen: »ich bin der erste nicht, der verloren geht, und werde auch der letzte nicht sein!« Denn —- ,,der HErr ist der Rächer über das alles«, spricht der Apostel. (Miinkel.) Die Heiden lebten dahin ohne Scheu vor einem zukünftigen Ge- richt, an das sie nicht glaubten: die Christen wissen, daß ihr HErr ein Richter ist der Lebendigen und der Todten; der Gedanke an sein Gericht soll sie abschreckeii von den Lastern der Hurerei und der Habsucht (1. Cor. 6, 9 f.). Wie sich die Habsucht auch schon zeitlich strafe, indem sie eine Wurzel vieler andern Laster ist (1. Tim. S, 9 f.), darauf weist das Wort Bernhard’s von Clairvaux hin: »Der Geiz fährt auf vier Rädern, welche sind Feigheit, Unmenschlichkeit, Ver- achtung Gottes, Vergessen des Todes; die Zugthiere am Wagen sind Verhärtung und Raub, und der Fuhr- man1i, der sie beide lenkt, ist die Habsucht«. Als der Heilige und Gerechte muß Gott an sich schon Hurerei und Habsucht strafen; bei Christen aber kommt die Gnade seiner Berufung hinzu, die ihre Verantwortung noch weit schwerer macht, wie der Apostel im Folgen- den aus-führt. (Sommer.) . H) Die göttliche Berufung und dazu die Mitthei- lung des heil. Geistes steigert die Verantwortlichkeit (Luk. 12, 48); und zwar wird alle Sünde zuletzt nicht daran gemessen, wie sie die Nächsten schädige, sondern wie sie eine Verachtung Gottes sei (2. Mos. 16, 7; 1. Sam. 8, 7). Man schiebt gern den Unwillen wider die Menschen vor, arger hierarchischer Mißbrauch ist ja allerdings möglich und tritt da ein, wo das Privi- legium des Lehrstandes in Bausch und Bogen, ohne Prüfung, als unfehlbar behauptet wird; gleichwohl bleibt Luk. 10, 16 in Kraft, soweit die Diener Christi sich vor allen Dingen selbst der in dieser Verheißung liegenden Verpflichtung unterziehen. (Riggenbach.) »Den Pfaffen will ich nicht hören, den falschen Lehrer, den Ketzer«: so sagen, die nicht wagen offen heraus. Gott zu verwerfen· (Zwingli.) I. Von der brüderlichen Liebe [Röm.12,10; Hebt: 13, 1; I. Petri l, 22.; S. Petri l, 7] aber [zu der ich nunmehr, im Gegenfatz zu jenen heidnischen Sünden und Lastern, die so sehr, wie gegen Gottes Genieinschafh so auch gegen die Liebe des Nächsten sind, überzugehen mich ver- anlaßt fühlen könnte] ist nicht noth euch zu schrei- ben [vgl. Kap. 5, 1]; denn ihr feid selbst von Gott gelehtet [durch seinen Geist, der euch zur Erkenntniß der Wahrheit gebracht und ein Be- wußtsein um das, was Christen gebührt, eurem Herzen eingedrückt hat Joh. 6, 45; 1. Ioh. 2, 20 ff.], euch unter einander zu lieben [1- Ich. 13, 34 f.; 1. Joh 5, 1]. 10. Und das thut« ihr [denn] auch fes nicht an der praktischen Ausführung fehlen lassend] an allen Brüdern, die in ganz Macedonien sind [Kap. 1, 7]. Wir ermahnen euch aber, lieben Brüder, daß ihr noch bblliger werdet« [da es ja neben Hinsichtlich der brüderlichen Liebe kommt es auf eine durchgreisende Ausübung derselben an. 589 dem, was ihr bereits thut, immer noch so manche Beziehungen und Verhältnisse giebt, wo es an der rechten Ausübung euch gebricht V. l; 3, 12]. 11. Und ringet darnach [laßt es euch eine Ehrensache sein oder befleißigt euch dessen in ganz besonderer, angelegentlicher Weise Röm. 15, 20; 2. Tor. b, 9], daß ihr stille seid sstatt Vorwitz zu treiben 2. Thess 3, 11] und das Eure schasfet [statt in Sachen euch zu mischen, die außerhalb eures Berufskreises liegen] und arbeitet mit euren eigenen Händen [Ephes. 4, 28., statt einer from- men Müssiggängerei euch zu überlassen L. Thefs Z, 10 f.], wie wir [euer Leben also anzustellen] euch geboten haben« [als wir bei euch waren]; 12. Auf daß ihr ehrbarlich [ohne irgend- welchen Anstoß oder Aergerniß zu erregen Röm. 13, 131 wandelt gegen die, die draußen sind lden Nichtchristen 1. Cor. b, 12 f. gegenüber Col. 4, 5], und ihrer [dies ,,ihrer« ist von Luther nach Maßgabe seines Verständnisses des Textes hinzugesetzh besser aber bleibt es weg] keines sweder eines Mitchristen noch eines Nichtchristen] bedürfet [um den Lebensunterhalt zu haben, son- dern ihn euch selber in ordentlicher Weise ver- schafset, wie wir euch dazu das Beispiel gegeben haben Kap. 2, J; Z. Thess Z, 6 ff.]. «) Man könnte es befremdlich finden, daß die Leser einer Abmahnung von geschäftlichem Uebervortheilen des Bruders bedürften, einer Ermahnung zu thätiger Liebe unter einander dagegen nicht bedürfen; aber so billig jene Sünde durch diese Tugend ausgeschlossen sein sollte, so leicht vertragen sie sich doch in der Wirk- lichkeit. Eben derselbe, welcher der Neigung zu ge- schäftlichem Gewinn nicht zu widerstehen vermochte, konnte gar wohl in aufrichtiger Liebe, wo es noth that, also namentlich in Fällen der Armuth, seinen Glaubensgenossen hilfreich heizufpringen willig sein, und das umso mehr, je neuer das Band war, welches ihn mit ihnen verknüpfte, und je größer die Freude, Genossen des neuen Glaubens zu haben und zu be- kommen; Gelegenheit aber zu Liebesbeweisen bot sich gerade bei neu entstandenen Gemeinden am meisten, wo Erwerb und Vermögensstand die nachtheiligen Folgen des Ausscheidens aus der bisherigen gottes- dienftlichen Gemeinschaft erfuhren, mit welcher ja auch die Volksgenossenschaft aufgegeben zu sein schien, wäh- rend zugleich für Ordnung und Pflege der neuen ein, wenn auch noch so geringer Aufwand erwuchs (v. Hof- mann.) Als den inneren Grund, warum er einer weiteren Belehrung über die Vruderliebe sich für über- hoben erachte, giebt Paulus an, daß sie selber von Gott Gelehrte seien, d· h. daß ihnen der heil. Geist gegeben sei; denn wo dieser ist, da lehrt er auch, und wo er lehrt, da schasft er auch die Ausübung, und so kann sich der Apostel hier auf das beziehen, was die Thefsalonicher allen Brüdern in Maeedonien gethan haben. (Olshaufen.) Die göttliche Erleuchtung ist keine unvermittelte, zauberhafte, sondern eine Ein- führung in das geschichtliche Heil« aber bei aller Ver- mittelung durch Unterweisung und Erziehung tritt ein Punkt ein, wo die menschliche Handreichung stille stehen muß, wo als rechte Schüler nur diejenigen offenbar werden, denen das Licht des Geistes, der im Worte weht, innerlich aufgeht, denen die aus dem"Wort empfangene Belehrung inwendig ausgelegt, einleuchtend gemacht, in’s Herz geschrieben wird. Nur eine schlimm hierarchische Denkweise sieht dieses Entstehen selbstän- digen Ehristenthums mißtrauisch an: einem göttlich gesinnten Erzieher ist es die größte Freude, wo er seinen Psleglingen solches abspürt (vgl. Joh. 4, 42). Es ist der Geist, der ihnen Zeugnis; giebt, daß sie ein Leben aus Gott empfangen haben, der die Liebe Gottes in ihr Herz ergießt; es ist ein Lehren, das zugleich Szbickrkfn ist, wie es das Gesetz nicht vermag. (Riggen- a . Es) Um so nöthiger war den Thessalonichern die Mahnung, in der brüderlichen Liebe immer völliger zu werden, als einer Verirrung begegnet werden mußte, welche sie außer Stand gesetzt haben würde, ihre bis- herige Liebesthätigkeit fortzusetzen; diese Verirrung erkennen wir aus den Ge ensätzen zu dem, wozu der Apostel ausfordert. Der egensatz zu: ,,ftille seid« ist ein nach außen gewendetes Treiben, der Gegensatz u: »das Eure schaffen« ein sich mit Dingen zu schafffen machen, die außerhalb des eigenen Berufskreises lie-. gen, und der Gegensatz zu: ,,arbeitet mit euren eige- nen änden« eine Beschäftigun , die keine Arbeit und kein rwerb ist. Es liegt zu age, daß der Mensch geneigt ist, seine Ehre gerade darein zu sehen, daß er das vom Apostel Ausgeschlossene thue; wenn nun Paulus sich veranlaßt sieht, seine Leser zu ermahnen, daß sie ihre Ehre vielmehr in ein Verhalten sehen, bei welchem sie in dem gemeinen Geleise des gewöhn- lichen Lebens bleiben, so müssen sie geneigt gewesen sein, dies Geleise zu verlassen und über einer dem Christen vermeintlich besser anstehenden Beschäftigung, . in welcher sie sich bei Andern umtrieben, das jedem Menschen Nächftliegende, die Sorge für den eigenen Unterhalt, für Haus und Familie hintenanzusetzem Hierin sahen aber dann die außer der Gemeinde Be- findlichen nichts Anderes, als eine miissiggän erische Versäumung der gemeinsten Pflicht, und die es so trie- ben, fielen auch wohl Andern zur Last, von denen sie sich ernähren ließen, statt ihren Unterhalt selbst zu erwerben. Die Worte: ,,wie wir euch geboten haben« lassen uns erkennen, daß jene Neigung, das Geleise der gemeinen Berufsarbeit u verlassen, schon gleich anfangs unter den Christen hessalonichs hervorgetre- ten war; da dies sonst nirgend begegnet, so wird es seinen Grund in einer eigenthümlichen Richtung gehabt haben, in welcher sich dort das christliche Leben gleich anfangs bewegt hat. Einem überirdisch unsichtbaren und zukünftig zu offenbarenden Könige zugewendet, um dessen Bekenntniß sie ja auch bei der Obrigkeit des weltlichen Gemeinwesens verklagt wurden (Apostg. 17, 7), konnten die Thessalonicher leicht dazu kommen, über einer Geschäftigkeih zu welcher sie sich durch ihren neuen Lebensstand verpslichtet glaubten, die Beschäftis gungen ihrer bisherigen Lebensweise gering zu achten; auf eine, mit ruhiger Fortführung des gemeinen Be- rufslebens schwer verträgliche Weise fühlten sie sich von dem neuen Verhältnis; zu einem himmlisczen und vom Himmel her wieder zu erwartenden H rrn in Anspruch genommen. Neben dieser falschen Verlafsung des bisherigen Lebenswegs war ja doch, wie wir vorhin (V. 1—8) gesehen haben, ein Verbleiben in den Sünden desselben zu rügen; in beiden Fällen nun betrifft die Rüge Einzelne, weil Verschiedene, aber beide Male richtet sie der Apostel an die Gemeinde überhaupt, damit es sich jeder gesagt sein lasse. (von HofmannJ Fälschlich mochten Manche sich berufen fühlen, sich durch religiöse Thätigkeitz Sorge um Anderer Seelenheil, Proselytenmacherei u. dgl. auszuzeichneiy 590 1. Thessalonicher 4, 13——17. indem sie zugleich die Freigebigkeit ihrer Elliitbrüder mißbrauchterr. (de Wette.) Der Christ soll mehr nach innen als nach außen leben, nicht unter dem Vorwande der Bruderliebe in ein unstetes äußerliches Treiben sich verlieren, darüber sein eigenes Heil vergessen und also auch unfähig werden, für des Andern Seligkeit zu sorgen. Diese innere Stille wird sich dann auch in einem stillen, arbeitfamen Leben kundgeben, wo jeder zunächst für sich und die Seinen sorgt, ehe er Andern helfen will. (v. Gerlach.) II« V. 13—Kap. s, 11. hierauf geht Paulus zu einer zwiefachen Belehrung in Belress der Wiederkunft des heitre: über; denn einestheils halte er non Timotheus gehiirt, wie die Thessaloninser wegen ihrer in! Tode ent- schlafenen Brüder darum in Kummer standen, weil diese nun nicht mehr die Freude der Begriiszung des Mikro, wenn er von! ijiinmel her sich einstellen würde, genießen könnten, andernthcils aber hatten auch die Leser selber einen Aufschluß begehrt, wann nämlich des tscrrn Wiederkunft zu erwarten stünde. Hinsichtlich des ersie- ren Punktes nnn ertheilt der Jlvosiel die Weisung, daß, wenn der hErr käme, er in seinem Geleit die vom Tode wieder erweckten Gläubtgen schon mit sieh führen würde, während die Lebenden und lleberbleibenden erst bei seiner Erscheinung selber ihnc mittels ihrer Ver· Wandlung entgegengeräciit werden würden in den Wol- ken, um zunärhst in der Luft mit ihm zusammenzutresfcm dann aber auf immer bei ihm zu sein (V. 13—18); hinsichtlich des andern Punktes giebt er hierauf den Bescheid, das; die Gemeinde über das Wann des Tages Thrisit das ilöthige ja schon wisse, daß nämlich dieser Tag die seiner nicht gewiirtige Welt in ihrer Sicherheit plötzlich überfallen werde wie ein Dieb in der ilacht und das verderben sie ereilen wie der Schmerz ein schwanger Weib, während dagegen He, die Christo an- gehären, nicht in Finsternis sich befändem sondern im Lichte des Tages stünden, und verwendet alsbald solche Wahrheit zu der beherzigenswerthen Erinnerung, daß Christen als Kinder des Tages auch als solche durch einen entsprechenden, warhsamen und niishternen Lebens— wandel sich kund zu geben haben, und das wird der Fall sein, wenn sie in der geistlichen Wasfenrsisiung des Glaubens, der Liebe und der Hoffnung dem großen Ent- scheidungsiage entgegengehew Wie die erste Belehrung in eine Aufforderung dahin ausging, die apostolischen Worte zu gegeuseitiger Tröstung zu vermuthen, so schließt die zweite mit der ähnlichen Aufforderung, sich gegenseitig, einer den andern, im christlichen Leben zu fördern Rats. 5, 1—l1). (Epiltel am 25. Sonntag nach Trinilati5.) Evangelium und Epistel dieses Sonntags handeln von der Wiederkunft des HErrn, sie fallen aber durchaus nicht zusammen; denn das Evangelium (Matth. 24, 15 ff.) spricht von den Schrecken, welche mit der Wiederkunft des HErrn verbunden sind, die Epistel aber von dem Troste, von der Seligkeit, wo- mit diese die Seinen segnet. Das Evangelium zeigt uns somit das Angesicht des wiederkommendenHErrn, das seinen Feinden zugewandt ist, während die Epistel uns das Angesicht des HErrn darstellt, welches er seinen Freunden zukehrt: majeftätifch kommt er wieder, die Todten stehen auf und werden mit den lebenden Gläubigen ihm entgegengeriickt in die Wolken, um alle Zeit bei ihm zu sein. (Nebe.) War am An- fang des Kirchenjahres die christliche Hoffnung das große Thema der gewählten Lectionen so wird am Ende desselben der nämliche Gedanke der königliche und herrschende; und halten nun alle Texte der letzten drei Sonntage diesen Gedanken so klar und deutlich fest, daß es jedermann erkennen kann, so besteht die Besonderheit des heutigen epistolischen Textes darin, daß die christliche Hoffnung als Todestrost an den Gräbern der Christen aufgefaßt ist. (Löhe.) Der HErr vergißt am Tage seiner Wieder- kunft keinen seiner Gläubigenx l) die Todten weckt er auf, 2) die Leb end en überkleidet er mit einem neuen Leibe, B) sie alle nimmt er mit in das Reich seiner Herrlichkeit. (Ahlfeld.) Das selige Loos derer, die im HErru sterben: l) sterben sie, so schlafen sie nur; 2) schlafen sie, so folgt ein Er- wachen; Z) erwachen sie, so bedeuteks ihnen den Eingang zu ewiger Herrlichkeit (Sommer.) Ein Wort von denen, die da schlafen: I) welchen Aufschluß dies Wort giebt über den Zustand, darin sie sich befinden, und über die Zukunft, welche ihnen bevorsteht; 2) welchen Grund dasselbige hat in der Auferweckung, die an dem HErrn geschehen ist, und in der Zusage, die er gemacht hat; Z) welche Wirkung es thut, daß wir nicht trauern, wie die Andern, die keine Hoffnung haben, sondern über das Abscheiden uns trösten. (Schultze.) Der Trost am Grabe: I) die Entschlafenen sind nicht gestorben, 2) die Leben- den werden den Entschlafenen nicht zuvorkommen (Münkel.) Die Auferstehung der Todten: I) ihre Gewißheit, Z) ihre Veschaffenheit; 3) ihre Nutz- barkeit. (Herberger.) Die Auferstehung der Todten: 1) der Grund, auf dem sie steht, 2) die Aussicht, die sie bietet, 3) der Trost und die Mah- nung, dazu sie uns ermuntert. (Ziethe.) Die christ- liche Offenbarung über das zukünftige Leben: 1) sie giebt uns eine beruhigende Hoffnung, die uns weit über die Hoffnungslosigkeit des Nichtchriften erhebt, weil sie auf dem gewissen Grunde des Sterbens und Auferftehens Christi beruht und darum die An- gehörigen Christi durch alle Zeiten umfaßt; 2) sie giebt uns aber noch besondere Aufschlüsse über die sichtbare Zukunft und Offenbarung der Herrlichkeit Christi und über die Art unsrer Theilnahme daran, und eröffnet uns damit die reichste Trostquelle (Heub- neu) Das Andenken an unsre selig Entschla- fenen; es ist 1) ein liebendes Andenken an das, was die Unsern uns waren, und darum ein wehmüthi- ges; 2) ein gläubiges Andenken an das, was sie jetzt sind, und darum ein tröstliches, Z) ein hoffnungs- reiches Andenken an das, was wir einst mit ihnen sein sollen, und darum ein heiligendes. (Bachmann.) 13. Wir wollen euch aber, lieben Brü- der sum wenigstens in demjenigen Punkte, dessen Klarstellung nach dem, was Timotheus uns mit- getheilt hat, schon jetzt uns nothwendig erscheint, zu erstatten, was zur Zeit noch mangelt an eurem Glauben Kap. 3, 10], nicht verhalten von denen, dic da schlafen [in Beziehung auf die- jenigen aus eurer Gemeinde, die bereits im Tode entschlafen sind oder noch entschlafen werden, ehe der HErr kommt 1, Cor. 11, 30; 15, 20., euch nicht in Ungewißheit lassen, wie es sich mit ihnen bei Christi Wiederkunft, auf die ihr euch freuet Kap. 1, 10., verhälts auf daß ihr nicht saus irriger Meinung, als ob sie etwas damit eingebüßt hätten, daß sie eben nicht mehr im Leben da sind, über ihren Hingangs traurig seid, wie die z Andern [Ephes. 2, Z; 4, 17], die süberhaupts Tröstung der Gemeinde wider ihre Traurigkeit wegen derer, die da schlafen. 591 keine Hoffnung sdes ewigen Lebens] haben« [traurig sind über ihre Verstorbenen, weil sie denken, mit dem Leben hätten diese nun alles eingebüßt Ephef. 2, 12]. 14. sCs ist nämlich — das ist’s, was wir euch nicht verhalten wollen — gar kein Grund vorhanden, der Entschlafenen wegen traurig zu fein] Denn so wir glauben, daß Jesus ge- ftorben und auferstanden ist lwelches ja die beiden Hauptthatsachen sind, auf welche der christ- liche Glaube sich gründet 1. Cor. 15, 3 f., und an diesen Grundthatsachen unsers Heils haltet ihr ja, wie mir bekannt, unerschütterlich fest]; also wird Gott auch snach derselben Macht, womit er ihn, unsern HErrm vom Tode wieder erweckt hat 2. Cor. 4, 14., diejenigen], die da entschlafen sind durch Iesum [und damit nach der einen Seite hin, was das Sterben betrifft, ihm gleich geworden Apoftg. 7, 58 u. 59], mit ihm faus der unsichtbaren Welt, in die sie der Seele nach zu ihm eingegangen sind Phil.1, 23., in die sichtbare Welt durch ihre Wiedererweckung vom Tode, womit er auch nach der andern Seite hin, was die Auferstehung betrifft, sie als seine nächstverwandten Brüder ihm gleich macht, herein-J führen [Hebr. 1, 6., wenn der Tag seiner Wiederkunft nun da ist, so daß er dann nicht ohne sie erscheint, sondern sie so gut wie die himmlischen Heerschaaren zu seinem persönlichen Gefolge gehören 2. Thesf I, 10]. 15. lSie sind also im Vergleich mit den Lebenden so wenig in irgend welchem Nachtheile, daß sie vielmehr im Vortheile sind.] Denn das sagen wir euch [damit ihr das eben Behauptete nicht für eine blos von uns gemachte Schlußfolge- rung haltet, der man doch nicht mit unbedingter Zuversicht trauen dürfe, sondern euch ganz darauf verIassetJ als ein Wort des HErrn sdas er bei dieser Gelegenheit durch seinen Geist uns ein- giebt 1. Kön. 20, 35; Matth. 10, 19 f.; Joh. 16, 13 f.], daß wir, die wir leben und über- bleiben sdazu bestimmt sind, noch auf Erden da zu sein] in der Zukunft des HErrn [wenn er kommt, seine Gemeinde heimzuholens werden [durchaus] denen nicht vorkommen, die da schlafen-H« [im Gegentheil ihnen gewissermaßen erst nachkommem vgl. die Ordnung in 1. Cor. 15, 52., in der zweiten Hälfte des Verfes]. 16. Denn er selbst, der HErr sda es sich an jenem seinem Tage nun nicht mehr blos um von ihm, dem im Himmel Befindlichen,-aus- gehende Machtwirkungem wie in Matth. 26, 64; Offenb. 6, 2. 16 f., sondern um sein persön- liches Erscheinen handelt], wird mit einem Feldgeschrei fwomit er denen, die in den Grä- bern sind, ihre Auferweckungsftunde ankündigt Joh. Z, 28] und Stimme des Erzengels swelche sein Wort zu ihnen hinabträgt, daß sie es vernehmen] nnd mit der Posaune Gottes sdie ihnen die Kraft zuführt, dem an sie ergehen- den Rufe auch zu folgen Hes. 37, 6 ff.] her- niederkommen vom Himmel, und die Tod- ten in Christo [1. Cor. 15, 18] werden auf- erstehen zuerst [Dan. 12, 2]; 17. Darnach wir, die wir leben nnd iiberbleiben [V. 15], werden finden: sich an uns jene Wandelung vollzieht, dadurch das Sterb- liche verschlungen wird vom Leben 1. Cor. 15, 51 f.; 2. Eor. 5, 4] zugleich mit denselbigen hingeriickt werden in den Wolken [die uns der gegenwärtigen, dem Untergange preiszugeben- den Welt entrücken Offenb. 11, 12], dem HErrn entgegen in der [genauer: in die] Luft svon wo aus er den Weltuntergang vollzieht, das Ge- richt hält über die Verworfenen und einen neuen Himmel und eine neue Erde an die Stelle der vorigen setzt Offenb. 20, 11; 21, I; 2.Petri3,12 f.], und werden also fnachdem wir einmal mit ihm zusammengetroffen sind und jetzt alles durch ihn her- wiedergebracht wird, was Gott geredet hat durch den Mund seiner heil. Propheten von der Welt an Apostg. Z, 211 bei dem HGrrn sein alle- zeitkkk sum seine Herrlichkeit zu theilen] V) Ueber viele Dinge betrüben wir uns nur aus Unwissenheit; lernen wir sie erst genau kennen, so hört die Betrübniß auf. Das deutet auch Paulus hier an mit dem Wort: »ich will euch nicht verhalten-«, d. i. euch nicht in Unwissenheit lassen, s. I. Cor. 10, I. (Chrysostomus.) Man hat keinen Grund aus unsrer Stelle zu schließen, daß zur Zeit der Abfassung des Briefs schon mehrere der Gläubigen in Thessalonich gestorben waren, mithin schon eine geraume Zeit seit ihrer Bekehrung verstrichen sein mußte; einige aller- dings können unter ihnen gestorben sein, da bis zur Abfassung des Briefs etwa ein halbes Jahr vergangen war, aber schon die Todesnähe geliebter Gläubigen konnte bei der schiefen Vorstellung, die man von der Wiederkunft Christi und dem dann eintretenden Unter- schiede der Gestorbenen und Ueberlebenden (auch in dem apokryphischen 4. Buche Esra, s. die Schlußbem zu den Büchern Chronika, Esra und Nehemia, werden bei der Zukunft des Messias die Verstorbenen als im Nachtheil befindlich im Vergleich mit den derelictis oder Ueberbleibenden geschildert) hegte, jene Trauer und Unruhe hervorrufen, welcher der Apostel durch eine richtige Darstellung des Sachverhalts entgegen- tritt, wozu nachkommt, daß die Besorgniß, die Wiederkunft des HErrn nicht zu erleben, durch die Trübsale und Verfolgungem von welchen die Christen Thessalonichs damals zu leiden hatten, noch erheblich gesteigert werden mußte. (Wieseler.) Davon nun kann nicht die Rede sein, daß die Thessalonicher an einer Auferstehung der Todten überhaupt gezweifelt und befürchtet hätten, die vor der Wiederkunft des HErrn Entschlafenen würden an dem Segen derselben durch- aus keinen Antheil haben; Paulus würde ganz anders zu ihnen gesprochen haben, hätte die Sache so gestan- den, auch weist er gar nicht weiter nach, daß die Todten auferstehen, sondern spricht sich nur darüber aus, daß die, welche bei der Wiederkunft Christi sich 592 1. Thessalonicher 4, 17. noch im Leben befinden, vor denen, welche vor ihr entschlafen sind, keinen Vorzug haben. Hiernach hat man·anzunehmen, daß die Thessalonichey deren Au en und Herzen nach der Wiederkunft Christi (und er Versammlung seiner Gläubigen zu ihm 2. Thess. 2, 1) gerichtet und gespannt waren, darüber hinsichtlich ihrer ntschlafenen sich traurige Gedanken machten, daß die- selben an der sreudenreichen Ein olung, an dem seli- gen Empfang des kommenden räutigams (Matth. 5, l ff.) keinen Antheil haben würden, sie meinten, nur die Lebenden würden den Wiederkommenden mit Jauchzen und Frohlocken willkommen heißen, und der von den Lebenden so begrüßte HErr werde erst, nach- dem dieser erste herrliche Akt seiner herrlichen Erschei- nung geschlossen sei, die Todten erwecken, und beklag- ten daher ihre Todten, daß sie um diese Freude und Ehre des Empfanges kämen. (Nebe.) Die Wieder- kunft Christi zu erleben, war der Gegenstand der Hoffnung der Thessalonichey der Gegenstand ihrer Freude; sie zu erleben war ihre Sehnsucht, sie nicht zu erleben schien ihnen der Trauer werth zu sein trotz des ewigen Lebens, dessen auch die Gestorbenen nicht verlustig gehen. Es ist die Lebendigkeit des persön- lichen Verhältnisses zum HErrn, welche auf dessen Begrüßung bei seiner Wiederkunft so großes Gewicht legt und die Seele voll Verlangen vorausschickt ihm entgegen; und in der That besteht ja die Lebendigkeit des Glaubens darin, daß es diesem nicht um die Güter, sondern um die Person zu thun ist, daß seine Gedanken sich nicht um das Christenthum, sondern um Christum bewegen, vgl. Offenb 22, 17 u. 20. (Luthardt.) Je mehr der Apostel bei feinem mündlichen Unterricht von der Wiederkunft des HErrn als einer Wiederkunft zur Erlösung seiner be- drängten Gemeinde handelte (2. Thess l, 7 ff.), um so leichter konnte es geschehen, daß die Gleich- zeitigkeit der Auferweckung feiner entschlafenen Gläubigen unausgefprochen blieb. Den Satz nun: »auf daß ihr nicht traurig seid, wie die Andern, die keine Hoffnung haben«, dürfen wir nicht dahin ver- stehen, als wolle der Apostel die Christen um den Tod ihrer Brüder überhaupt nicht trauern lassen; nur solche Betriibniß, eine Betrübniß von der Art, wie sie bei den Andern, bei denen, die keine Hoffnung haben, also bei den Heiden um sie her stattfindet, soll bei ihnen nicht vorkommen. Solcher Art ist aber ihre Betrübniß, wenn sie meinen, daß der Tod ihre Brü- der eines Gutes verlustig mache, welches Gegenstand ihrer Hoffnung ist, indem sie dann der Betrübniß derer gleicht, welche keine Hoffnung haben und deshalb ihre Todten darum betrauern, daß sie das Gut des einzigen Lebens, von dem sie wissen, verloren haben. (v. Hofmann.) Die Schrift überspannt nirgends in unnatürlicher Weise die Forderung, als sollte der Ab- schied nicht wehe thun. Nur die Fassungslosigkeit rügt sie, als wäre Gott nicht Gott und die Heimath nicht die Heimath; aber die Stärke des Glaubens läßt sich nicht befehlen und das Triumphiren nicht erzwingen. Auch Christus hatte Thränen (Joh. ll, 33 fs.) und Paulus wußte, was Trauer auch um Sterbende sei (Phil. 2, 27). Die Entschlafenen nennt der Apostel mit freundlichem Euphemismus die Todten; es ist aber mehr als nur eine die schreckliche Wirklich- keit verhüllende Redensart, bezeichnet auch nicht nur die erquickende Ruhe, das Entnommensein aus der Erdennoth (Sir. 22, 11), sondern verheißt ein Er- wachen (Joh. 11, 11), besonders seit der Erwecker da ist. (Riggenbach.) «) Zuerst also macht der Apostel die Thessalonicher darauf aufmerksam, daß, wie die Entschlafenen jetzt, während des Zwifchenzustandes bei Jesu sind, so dereinst, bei seiner Wiedererscheinung vom Himmel, sie mit ihm fein werden; und wenn nun dazu ihre vor- herige Wiedererweckung vom Tode erforderlich sei, weil nur so den sichtbar kommenden HErrn sie sicht- bar in diese Welt geleiten können, so sei ja ihr Ster- ben, das sie bereits erfahren haben, und das Aus- erstehen, das sie noch erfahren müssen, genau dem entsprechend, was nach den Grundthatsachen der neu- testamentlichen Heilsgeschichte an Christo Jesu geschehen, in dem einen liege darum auch die Bürgschaft für das andere. Wenn denn Paulus mit dem, was er hier sagt, die logische Consequenz, die einfache Schlußfolge- rung zieht aus den beiden Hauptthatsachen, die das Evangelium von Jesu Christo verkündigt und die der christliche Glaube zu seinem Fundamente hat, und da- mit auf den Satz kommt, daß die Entschlafenen bei des HErrn Wiederkunft sogar den Lebenden und Ueber- bleibenden vorangehen werden, indem von den bei- den, in l. Cor. 15, 47 ff. besprochenen Weisen der Verklärung des Leibes der Gläubigen in das Bild des verklärten Leibes Christi die seinem eigenen Vorgange am nächsten stehende Auferweckung unzweifelhaft das erste, die aber plötzlich in einem Augenblick, zu der Zeit der letzten Posaune, sich vollziehende Verwande- lung nur erst das zweite sei, so kann er diesen Satz sogar als ein Wort des HErrn geltend machen; einen unmittelbaren Ausspruch aus Christi Munde, wie der Apostel bei dem Falle in 1. Cor. 7, 10 einen solchen vor sich hat, giebt es nun für das, was hier in Rede steht, allerdings nicht, soweit die evangelischen Berichte reichen, und wenn ein ungeschriebener Ausspruch, wie in Apostg. 20, 35, gemeint wäre, so würde er ohne Zweifel noch anders eingeführt und anders sormulirt sein, wir können also den Apostel nur so verstehen, daß, was er schreibt, er als vom Geiste des HErrn unmittelbar und ausdrücklich ihm eingegeben behaup- ten und darum für des HErrn eigenes Wort angesehen wissen will. Man hat nun, wenn er da sagt: »wir, die wir leben und iiberbleiben in der Zukunft des HErrn«, dies als ein Zeugniß, und zwar als eins der schlagendsten von allen etwa sonst noch vorhandenen, dafür betrachtet, daß er bestimmt erwartet habe, den Tag der Wiederkunft Christi selber noch zu Frieden, eine Erwartung freilich, in der er sich getäuscht habe; es ist jedoch das eine irrthümliche Betrachtungsweise, das »wir« an unsrer Stelle ist vielmehr ebenso zu fassen, wie das »wir« in I. Cor. 15, 51 n. 52. Pau- lus bewegt sich lediglich in dem Gegensatze von leben- den und entschlafenen Christen, wie er zur Zeit wirk- lich schon bestand, und will darstellen, was bei der Wiederkunft Christi die einen und was die andern erfahren werden, jene nämlich die Verwandlung und diese die Auferstehung; zu den lebenden nun gehört er mitsammt seinen Lesern und kann daher, mit ihnen sich zusammenschließend, schreiben: »wir, die wir leben«. Er thut das um so mehr, weil die Thessalonicher die- jenigen ihrer Brüder, die nicht mit in diese Kategorie gehörten, sondern bereits entschlafen waren, im Ver- gleich mit ihnen, die noch am Leben wären und also noch Hoffnung hätten, Christi Wiederkunft zu erleben, für benachtheiligt hielten; hätte er aber gemeint, das »die wir leben« sei schon genug, um wirklich auch Christi Wiederkunft selber zu erleben, so hätte er sich den Zusatzt »und iiberbleiben auf die Zukunft des HErrn« ersparen können, er hat ihn jedoch sich nicht blos nicht erspart, sondern im Wortlaut des Grund- textes sogar mit dem »die wir leben« dergestalt zu einem einzigen Begriff verbunden, daß er ausdrückt, wie es sich hier gar nicht um die zur Zeit faktisch Auferstehu ng derer, die da entschlafen sind, Verwandlung derer, dienochleben am Tage Christi. 593 am Leben noch Befindlichem vielmehr lediglich um diejenigen handelt, welche die von dem HErrn auf den Tag seiner Zukunft Aufbehaltenen und des- halb die dann noch am Leben Befindlichen sind, und da begiebt er sich des Wissens darum, ob er selber mit seinen Lesern zu dieser Kategorie zähle oder nicht. Solange sie mit einander thatsächlich noch am Leben sind, ist es möglich, daß sie auch zu den Aufbehal- tenen gehören; ob es indessen wirklich oder selber nur wahrscheinlich der Fall fein werde, das läßt er ebenso unentschieden, wie er in 2. Cor. 12, 2 f. es unentschieden läßt, ob er bei der dort berichteten Ent- . rückung bis in den dritten Himmel und in das Para- dies in dem Leibe oder außer dem Leibe gewesen sei. Und so kann er in I. Cor. S, 147 2. Cor. 4, 14 sich ebenso mit denen, die zur Auferstehung gelan- gen, nachdem sie zuvor estorben sind (vgl. Apostg. 24, 15 f.), zusammenschließem wie er hier mit denen sich zusammenschließh die da leben und überbleiben und also zur Verwandelung gelangen. sitt) Es ist ganz entschieden verfehlt, wenn manche Ausleger behaupten, die Zukunft des HErrn, welche Paulus hier im Auge habe, falle zusammen mit der, welche in Offenb. is, 11 ff. beschrieben werde, und so sei nun das Wort: »die Todten in Christo werden auferstehen zuerst« ein Fingerzeig, wie wir das Wort von der ersten Auferstehung in Offenb. 20, 4 ff· zu verstehen hätten. Allerdings findet sich bei Paulus in l. Cor. 15, 23 eine Hindeutung auf die erste Auf- erstehung, dieselbe geht aber nur einen Theil der Gläubigen an und ist eine Auszeichnung derer, welche ehedem um des Bekenntnisses Christi willen ihr Leben daran gegeben haben, und derer, welche in den schwe- ren Versuchungen der letzten, antichristischen Zeit treu eblieben sind; hier dagegen ist von den Todten in hrifto überhaupt die Rede, wir haben darum an »das Ende« zu denken, auf welches auch Paulus dort sofort übergeht, also an Offenb. 20, 7 ff. Richtiger ist es, wenn man andrerseits darauf aufmerksam macht, daß der Apostel hier für den jüngsten Tag, den Tag der sichtbaren Wiederkunft Christi, eine Auf- erstehung der Gerechten zum Leben (Luk. 14, 14) lehre, die der Auferstehung der Ungerechten zum Gericht (Apost .24, 15; Joh. 5, 29) vorausgehe; sagt doch der H rr selber (Joh. 5, 24): »wer mein Wort höret und glaubet dem, der mich gesandt hat, der hat das ewige Leben undikommt nicht in das Gericht, son- dern er ist vom Tode zum Leben hindurchgedrungen«, und in l. Cor. 6, 2 ff. redet Paulus davon, daß die Heiligen die Welt, ja auch über die Engel richten werden, es muß also ihre Auferstehung und Erhebung zur Mitherrschaft Christi schon geschehen fein, ehe die- Jenigen Todten, welche die Auferstehung des Gerichts erfahren sollen, aus ihren Gräbern hervorgerufen werden, wie auf die gleicheVorstellung auch die Schil- derung in Offenb. 20, 11 ff. hinausläust, insofern dort von einem Gericht über die Gerechten kein Wort verlautet. Dem scheint nun freilich eine Darstellung der Vorgänge, wie sie Christus in Matth. 25, 31 ff. giebt, auf den ersten Blick zu widersprechenx indessen ist ja auch dort beim Versammeltwerden der Völker vor dem Richterstuhl die Scheidung in Schafe und Böcke schon geschehen, es erfcheint überhaupt die ganze Darstellung mehr als eine conerete Veranschaulichung dessen, was dem HErrn bei seiner Erscheinung den Maßstab für sein Urtheil zur Scheidung, und zwar speziell der Heuchler in der Gemeinde von den wahr- haft gläubigen Gliedern derselben (Matth. 7, 21 ff) abgiebt, denn als eine Beschreibung des eigentlichen Weltgerichts, wofür man sie gewöhnlich nimmt. Däässeks Bibel-nett. VII. Band. ,,Auferstehung des Gerichts«: dieser Ausdruck soll offenbar eine Auferstehung bedeuten, welche Gericht, d. i· völlige Ausscheiduxig aus dem Bereich des Heils« und der Heilsgewiicnung mit sich führt; der arge Niederschlag der untergegangenen alten Welt wird zwar nicht, wie Kling meint, den Stoff abgeben für die Leiblichkeit derer, welche diese Auferstehung erfah- ren, wohl aber gehört er mit zu dem Tod und der Hölle, die sammt ihnen in den feurigen Pfuhl geworfen werden (Ofsenb. 20, 14), und so ergiebt sich von allen Seiten die Nothwendigkeit, daß einerseits die Auf- erstehung des Lebens schon vollzogen sei, ehe die des Gerichts vor sich geht, und daß andrerseits die zum Leben Auferstandenen zugleich mit den Ueberbleiben- den oder ,,Ueberlingen«, wie Luther sie einmal nennt, zu dem HErrn in die Lust versammelt werden» Es ist dies »in die Luft« eine mit dem Ausdruck in Ephes 2, 2 Verwandte, aber doch nicht auf derselben Linie stehende Bezeichnung für ihr Hinweggerücktwer- den über den Gesammtbereich der untergehenden alten Welt; sie haben an ihr nun keinerlei Theil mehr, und auch sie ihrerseits hat nichts mehr von ihnen. Denn selbst was die alte Erde von denen, die im Tode ent- schlafen waren, in ihrem verwefeten Gebein, in dem Staube, dazu sie geworden, bis daher noch besessen hatte, ist in der Auferstehung ihrer Leiber aus ihr herausgezogen: es soll in dem allgemeinen Weltunter- gange eben nichts mit untergehen, was irgendwie für das Reich Gottes geheiligt gewesen und geheiligt ge- blieben ist. Auf einen Punkt müssen wir aber noch näher eingehen, der von den Auslegern in der Regel gar nicht erst erörtert, sondern als eine selbstverständ- liche Sache behandelt wird, gleich als gäbe es dabei nichts Sonderliches zu bedenken; das ist die Ver- wandelung der Ueberbleibenden, welche da- durch, daß sie sollen dem HErrn entgegen hingeriickt werden in den Wolken, ihm ebenso nach der Seite seiner Himmelfahrt hin gleichgemacht werden (Apostg. I, 9), wie die Entschlafenen und zur Auferstehung Ge- langenden ihm als Gestorbenen und Wiedererstandenen gleichen (V. 14). Jn Betresf ihrer erhebt sich nämlich die fchwierige Frage: wie ist eine folche Verwandlung, die ja die nämliche Verklärung des Leibes zur Folge hat, welche bei den Entschlafenen durch die Auferweckung vom Tode bewirkt wird, plötzlich und in einem Augenblick (1. Cor. 15, 52) möglich, wenn die am Tage Christi oder zu der Zeit der letzten Posaune noch im Leben Vesindlichen annoch in einem solchen Leben stehen, wie wir Christen es jetzt führen, wo wir zwar glauben an Christum und im Glauben an feinen Namen reichlich und täglich Vergebung suchen für unsre reichliche und tägliche Sünde, aber doch eben jeden Augenblick noch in Gefahr stehen, der Sünde unsre Glieder zu Waffen der Ungerechtigkeit zu be- geben, wie wir denn bei dem vorliegenden Abschnitt von einem Abschnitte herkommen, wo Paulus so ernst- lich hat abmahnen iniissen von Dieberei, Hurerei u. dgl. (V. 1 ff.)? Wo in der ganzen weiten Christen- heit ist auch nur Einer, der von sich sagen dürfte, der HErr könne vom Himmel wiederkommen, es sei, in welchem Augenblicke es auch sei, ihn werde er gewiß nicht bei irgend etwas betreffen, womit er irgend ein Glied seines Leibes, sei es die Zunge oder die Hand oder ein anderes, durch sündliches Wesen be- fleckeP müssen wir nicht im Gegentheil uns eingesteheih bräche der HErr auf einmal, plötzlich und in einem Augenblick, in unser Christenleben, wie es zur Zeit noch ist, herein mit dem Tage seiner Zukunft, wir müßten wohl allzumal vor Scham im Gefühl unsrer Schande vielmehr vor ihm fliehen, als daß wir be- 38 594 l. Thessalonicher 4, 18. 5, 1—10. gehren sollten, zu ihm hingerückt zu werden in die Wolken? Wenn Paulus in l. Cor. 6, l5 fragt: ,,sollte ich die Glieder Christi nehmen und Hurenglieder daraus machen?« so läßt sich dazu die Gegenfrage stellen: sollte Christus diese meine Glieder, die in jedem Augenblick noch zu schandbaren Worten und Narrentheidingen oder zu Scherzen, die uns nicht ziemen, zu Ausbrüchen des Hasses, der Feindschafh der Bitterkeit und zu unzählig andern Sünden von mir gemißbraucht werden können, wenn mich seine Gnade nicht mit besonderer Macht vor meinem Fleisch und Blut, vor der verführerischen Welt und vor den feurigen Pfeilen des Bösewichts bewahrt, nehmen und so ohne Weiteres Verklärungsglieder daraus machen? Er thut das nun allerdings bei uns nicht, die er uns nicht aufbehält auf den Tag seiner Zu- kunft, sondern er läßt uns sterben und im Tode ablegen den befleckten Rock des Fleischesx und man kann wohl sagen, dieser Weg des Todes ist für unsern gegenwärtigen Stand der Schwachheit und Versuch- barkeit der einzig mögliche, um zu jener Verherr- lichung zu gelangen, da unser nichtiger Leib verklärt werden soll, daß er ähnlich werde dem Verklärten Leibe Christi. Aber eben daraus folgt, daß der Stand derer, die da leben und überbleiben in der Zu- kunft des HErrn, ein anderer sein muß, als unser äegenwärtigey diese »»Ueberlinge« müssen solche hristen sein, wie sie in Osfenb.14, 3 f. gezeichnet werden, die ,,mit Weibern nicht befleckt sind, denn sie sind Jungfrauen und folgen dem Lamme nach, wo es hingehet, und in ihrem Munde ist kein Falsches ge- funden, denn sie sind unsträflich vor dem Stuhl Got- tes«, müssen solche Christen sein, wie sie nach Offenb. 20, l ff. zur Zeit des tausendjährigen Reiches sein werden, für welche Zeit der Teufel und der Satan gebunden liegt und dagegen diejenigen, welche der ersten Auferstehung theilhaftig geworden, mit ihreii Brüdern auf Erden verkehren, wie einst der Auf- erstandene während der 40 Tage bis zur Himmelfahrt mit seinen Jüngern verkehrte, also solche Christen, für welche Teufel, Welt und Fleisch ihre Macht ver- loren haben und auf welche die Kräfte der z1ikünfti- gen Welt (Hebr. 6, 5) in vollen Strömen sich ergießen, was sie denn denen gleichstellt, die im Tode entfchlafen sind und nun außerhalb des Bereichs von Teufel, Welt und Fleisch im Paradiese ihrer Auferstehung ent- gegenreifen. Für solche ist es freilich möglich, daß sie, wenn der HErr kommt zu der Stunde, wo der Satan wieder los geworden aus seinem Gefängniß und die Welt wieder mächtig werden will in Gog und Magog, plötzlich in einem Augenblick verwandelt und nun hingerücket werden in den Wolken, dem HErrn entgegen in die Luft (vgl. die Bem. zu l. Cor. l5,52). Dagegen wird diese Ordnung im Verlauf der letzten Dinge gänzlich übersehen von den Jrvingianern und den auf ihrer Seite stehenden Schriftauslegerin welche eine Entrückung der Gläubigen sogar noch vor dem Auftreten des Antichrist lehren, von einer Entriickung in irgend welches Zufluchtsland als in eine Arche Noalys mit Beziehung auf Offenb. Z, 10 fabeln und vermit- tels der weichlichen Leidensscheu der Leute nun freilich nicht wenige Anhänger, die ihren Rathschlägen folgen, zu gewinnen wissen, wie es leider am Tage ist. 18. So tröstet euch nun mit diesen Worten lwelche euch lehren, wie grundlos die Traurigkeit sei, der ihr eurer E1itschlafenen wegen euch hingegeben habt] unter einander findem ihr einen jeden, der etwa wieder in solche Trau- rigkeit verfallen will, auf das hinweist, was wir hier als ein Wort des HCrrn euch gesagt haben]. Das ist ein gar anderer Trost als der, der in der unerneuerten Kirche» gegeben wird: sorge für soviel Seelenmesseu als mo lieh, rufe soviel Priester herbei als du vermagst! ( wingli.) Aber es ist auch ein falfcherTrost zu meinen, es sei eine ausgemachte Sache, jeder komme durch den Tod in den Himmel. (Berleb. Bib.) Das Z. Kapitel. Ifon der Zeit des jüngsten Tages, und wie man sich dazu recht vorbereiten solle. (Epistel am 27. Sonntage nach Trinitatis) Wie selten ist es, daß die Kirche einen 27. Sonn- tag nach Trinitatis feiert; die meisten Jahre schließen mit einem Sonntag der minderen Zahl ab. Bei der Seltenheit der Jahre nun, die einen 26. und 27. Tri- nitatissonntag bringen, hat es die Kirche nicht zur vollen Sicherheit der Wahl bei ihren Lectionen ge- bracht: es findet sich für beide Sonntage 2. Thess. 1, 3 ff. sowohl als Z. Petri s, 8 ff., dazu aber für den heutigen Sonntag insbesondere noch der vorliegende Text. (Löhe.) Die Symphonie zwischen dem Evan- gelio (Matth. 25, l ff.) und der vorliegenden Epistel ist handgreiflichz das Evangelium schließt mit der Mahnung: ,,Darum wachet, denn ihr wisset weder Tag noch Stunde, in welcher des Menschen Sohn kommen wird«, die Epistel aber legt dieselbe Mahnung uns an’s Her . Wachen sollen wir, denn wir wissen, daß unser H rr kommt wie ein Dieb in der Nacht; und wachen können wir, denn wir sind nicht blos Kinder des Tages, sondern empfangen auch von dem HErrn die rechte Rüstung zum Wachehalten. Wer nun nicht wachen will, verliert, was er hat; wer aber getreu- lich wacht, wird die Seligkeit besitzen in Ewigkeit. (Nebe.) Wie ihres Heilands Kommen erwar- ten seine Frommen: 1) über den Tag seines Kommens behaupten sie nichts; 2) sie wachen und kämpfen als Kinder des Lichts; 3) und fürchten sich nicht vor dem Zorn des Gerichts (Schultze.) Wer wird stehen vor des Menschen Sohn? l) wer angethan ist mit dem Krebs des Glaubens, Z) wer da wandelt als ein Kind des Tages, Z) wer stündlich der Ankunft des HErrn gewärtig ist. (Ahlfeld.) Warum sollen wir uns auf die Ankunft des HErrn ernstlich und treulich vorbereiten? l) das er- fordert der Ernst des großen Tags; Z) das verlangt die Würde unsers christlichen Berufs; Z) dazu nöthigt die Hoffnung auf die ewige Seligkeit. (Ziethe.) Wie soll ein Christ den Tag des HErrn erwarten? l) als einen Tag, der unverhofft und plötzlich kommen wird, L) als einen Tag des Verderbens über die Gott- losen, und also als ein Kind des Lichts und nicht der Finsternis» Z) als einen Tag der beginnenden Selig- keit, also mit freudiger Hoffnung. (Textor.) Das christliche Verhalten in Absicht auf den jüng- sten Tag: l) Beschaffenheit desselben, Z) Verpflich- tungsgründe, Z) selige Folgen-· (Heubner.) Der den Gläubigen so erfreulichejüngste Tag: l) dieses Tages Gewißheit, Z) die Vorbereitung dazu, Z) der Trost der Gläubigen bei seinem Anbruch. (Stark.) Das Gedächtniß der Todten als eine Mah- nung zur Wachsamkeih l) inwiefern es eine solche Von den Zeiten und Stunden, da der Tag des HErrn eintritt. 595 Mahnung ist, Z) auf welche Weise unsre Wachsamkeit sich bewähren soll. (Westermeier.) 1. Von den Zeiten aber und Stunden swieviel Zeiten bis zur Wiederkunft Christi noch verfließen werden und an welchem Zeitpunkte sie eintritt], lieben Brüder, ist nicht noth euch zu schreiben [sintemal, was in Beziehung darauf zu wissen ihr brauchet, euch fchon bekannt ift]. 2. Denn ihr selbst wisset gewiß swisset genau oder sehr wohl, weil bei dem Unterricht, den wir euch ertheilt haben, Christi eigene Aus- sprüche darüber von uns euch mitgetheilt worden sind], daß der Tag des HGrrn wird kom- men, wie ein Dieb in der Nacht [Matth. 24, 43 f.; Luk.12, 39 f.; 21, 34 f.; .2. Petri 3, 10; Osfenb Z, Z; 16, 15.; es kann also nie eine Weltlage geben, die irgend welche Sicherheit den Kindern der Welt böte, jetzt seien sie für den HErrn unerreichbar und unangreisbar, im Gegen- theil, gerade da, wo ihrer Meinung nach eine solche Weltlage nun vorhanden ist, wird dasjenige eintreten, was sie von sich abgewendet zu haben glauben]. 3. Denn, wenn sie [mit einer gewissen Selbstbesriedigung, mit Wohlbehagen über das, wodurch sie gegen alle Gerichtsmacht des HErrn sich befestigt zu haben glauben] werden sagen: Es ist Friede, es hat keine Fahr [Jes. Z, 24 Anm. I; Jer. G, 14; Hes. 13, 10; Matth. 24, 38 f.; Luk. 17, 26 ff.]; so wird sie das Ver- derben [2. Thess. 1, 9; 1. Tim. S, J] fchnell überfallen, gleichwie der Schmerz ein schwan- ger Weib [Jes. 13, 8; Ja. 4, 31; c, 24; 22, 23; Mich. 4- 10], und werden nicht ent- fliehenök 4. Ihr aber, lieben Brüder, seid swas euren Stand als Christen betrifft] nicht swie die Kinder der Welt] in der Finsterniß, daß euch sebenso wie jene] der Tag sdes HErrn Röm.13, 12; 1. Cor. 3, 13; Heim 10, 251 wie ein Dieb ergreife swas ja nur in Beziehung auf folche geschehen kann, die eben in der Finster- niß sind]. 5. Ihr seid svielmehr kraft eurer Berufung zur Gemeinschaft Jefu Christi 1. Cor. 1, 9] allzumal Kinder des Lichts und Kinder des Tages lJ0h-12- Es; Luk· 16- 85 Ephei 5- 815 wir sdie wir Iesu Christo im Glauben angehören] sind nicht von der Nacht, noch von der Finsternißkk [auf uns also ist jenes Wort des HErrn V. 2 gar nicht gemünzt Joh. 11, 9 f.]. 6. So lasset uns nun nicht schlafen sim geistlichen Verstande des Worts Ephes· 5, 14], wie die Andern sdie Ungläubigen Kap. 4, 13; Ephes 2, 3]; sondern lasset uns wachen und nüchtern sein U. Petri 5, 8]. 7. Denn sschon im leiblichen Sinne verhält es sich so :] die da schlafen, die schlafen des Nachts, und die da trunken sind, die sind des Nachts trunken [indem sie da am liebsten ihre Saufgelage veranstalten]; 8. Wir aber sum das Gesagte von dem leiblichen Gebiet sofort hinüberzuschieben auf das geistliche], die wir smit nächtlichem Unwesen als folche, die nicht von der Nacht noch von der Finsterniß sind V. 5., nichts zu schaffen haben, vielmehr] des Tages sind sAngehörige des Tages, wo das Licht herrscht, am Tage wandelnd auf den großen Tag hin], sollen swie nicht schlafen, so auch nicht trunken, sondern] nüchtern sein, angethan mit dem Krebs soder Panzer Jes. 59, 17; Wen-h. H, 19 Anna] des Glaubens und der Liebe, und mit dem Helm der Hoff- nung zur [d. i. auf die] Seligkeit-VI« [Kap. l, Z; 1. Cor. 13, 13; Ephes. 6, 11 ff.]. I. Denn Gott hat uns nicht gesetzt zum Zorn sum demselben anheimzufallen Kap. l, 10], sondern die Seli keit u besitzen durch unsern HErrn Iesum hri um, 10. Der für uns suns zugut Röm. 5, S; 2. Cor. 5, 151 gestorben ist, auf daß, wir wachen oder schlafen sbesinden uns am Tage feiner Wiederkunft noch am Leben oder seien fchon im Tode entschlafen Kap. 4, 13 fs.; Röm. 14, 8 f.], zugleich lohne durch das eine oder das andere in etwas an der Seligkeit verkürzt zu werden] mit ihm leben sollen-1- [2. Tim. 2, 11]. V) Auf die Belehrung über die Entschlafenem zu welcher sich der Apostel durch die Nachricht von der unter der Gemeinde vorkommenden irrigen Bekümmer- niß veranlaßt gesehen, folgt hier eine andere, mit der vorigen allerdings insofern zusammenhängende, als es sich um dieselbe Thatsache der Zukunft handelt, auf die sich die Bekümmerniß um die Todten bezogen hatte, zu welcher aber der Apostel jetzt doch wohl schwerlich überginge, wenn ihm nicht ein Begehren der Gemeinde zur Kenntniß gekommen wäre, dem er hiermit entsprechen will. Von den Zeiten und Stunden müßte er handeln, so lautet seine Rede, wenn er dem in der Gemeinde laut gewordenen Be- gehren willfahren sollte; aber, so erklärt er sofort weiter, die Christen Thessalonichs bedürfen darüber keiner brieflichen Aeußerung, nicht etwa, wie Manche seine Meinung haben verstehen wollen, weil sich kein Aufschluß darüber geben lasse, womit ja vielmehr be- wiesen wäre, daß ihr Verlangen ein ungeschicktes sei, sondern aus dem von ihm selbst beigefügten Grunde, weil sie von seinem mündlichen Unterrichte her das- jenige fchon wissen, was ihnen in dieser Beziehung, wenn es ihnen noch nicht bekannt wäre, kund gethan werden müßte, nämlich, daß der Tag des HErrn kommt, wie ein Dieb in der Nacht. Sollte dieser Vergleich nur das Ueberraschende und Unerwartete der Erscheinung Christi oder des Eintritts seines Tages ausdrücken, so möchte man etwa zugeben, was Einige behaupten, daß sich edlere Bilder hätten finden lassen; aber er enthält zugleich, daß der HErr oder sein Tag diejenigen, für welche er so kommt, um alles Ist· 596 1. Thessalonicher Z, 11—14. bringen wird, was bis dahin ihr Besitzthuni aus- gemacht hat. Denn daß die Meinung nicht ist, als komme er auch denen so, welche ihm entgegenwarten, versteht sich erftlich von selbst, und wird dann auch durch das unmittelbar Folgende bestätigt, wo nur von solchen die Rede ist, für welche der unerwartete und urplötzliche Eintritt dieses Tags der Eintritt eines alle Möglichkeit des Entrinnens ausschließenden Verder- bens sein wird. Was die Vergleichung der mitten in ihrer Sicherheit plötzlich und zu ihrem Verderben von dem Tage überfallei1en Welt mit einem von den Geburtswehen, denen sie nun nicht entrinnen kann, plötzlich überfallenen schwangeren Weibe betrifft, so will dieselbe darauf hinweisen, wie die Kinder der Welt gar nicht an das ihnen bevorstehende Verderben denken, obgleich es sich in ihnen selbst schon vorbereitet und ihnen so gewiß ist, wie einer Schwangeren, daß sie gebären muß. (v. HofmannJ Wie treffend ist nicht das gewählte Bild! Jene sicheren Menschen denken: ,,es ist Friede, es hat keine Gefahr«; und doch tragen sie in sich den Grund schwerer Leiden und Heimsuchungem plötzlich kommt die entscheidende Stunde, in welcher es sich bei ihnen um Leben und Tod han- delt, wie bei einer Schwangeren die Wehen meisten- theils urplötzlich, vielleicht mitten im Essen oder im Schlaf, unter Scherz und Lachen, sich einstellen und sie nun stille halten muß der Entscheidung, die über sie kommt, sie kann die Bürde ihres Leibes nicht von sich werfen, sondern muß ausgebären, was sie in sich trägt, und das ist bei jenen sicheren Leuten das Ver- derben. (Nebe.) VI) Jn der Finsterniß sein heißt: in der Un- wissenheit, Sicherheit, irdischem Sinn, Lieblosigkeit gegen den HErrn Jesum, Feindfchaft wider das Licht, Unlittigkeit, sein Verborgenes an das Licht kommen zu lassen (Joh. Z, 19 f.), stecken und so liegen bleiben wollen; Gott aber ist Licht und ein Vater des Lichts, und zeugt uns durch das Wort der Wahrheit zu Kindern des Lichts (Jak. 1, 17 f.), erweckt Lust zur Wahrheit im Verborgenen, die läßt das Böse an sich durch das Licht strafen, auch das, was in Gott gethan ist, offenbaren, also sich vom Bösen abziehen, auf das Gute befestigen, und so kommt man zu einem reinen Herzen und einfältigen Auge, dem das Licht wie sein Element angenehm ist, und so wird einem Gläubigen als einem Kinde des Lichtes auch der Tag, der alles klar macht, leidentlich und erwünscht. (Rie er.) Wenn die Andern der Tag des HErrn wie ein ieb in der Nacht überfällt, so liegt darin, daß sie sich in Nacht und Dunkel befinden; und um ebenso von ihm über- fallen zu werden, müßten die Leser in gleicher Lage sein, der Apostel verneint also das erstere, indem er das letztere verneint. Steht es aber nicht so mit ihnen, daß der Tag des HErrn, welcher ja dem Tage verwandt ist, in dessen Lichte sie leben, wie ein Dieb sie überfiele, so bedürfen sie auch in dieser Hinsicht einer solchen Belehrung über das Wann desselben nicht, daß sie erführen, wie lange Zeit bis dahin noch verstreichen werde: was sie sind einerseits und was sie wissen andrerseits, überhebt sie solchen Bedürf- nisses. (v. Hofmann.) Für die Christen ist der Tag schon innerlich angebrochen, wenn er auch noch nicht äußerlich herrscht: sie, als die Kinder des Lichts, thun jetzt schon, was ihr ewiges Geschäft sein wird, auf den Tag hin, der alles wird offenbar machen; es setzt aber eine ernstliche Erneuerung voraus, wenn ein Mensch sich auf das Offenbarwerden freuen soll, ohne zu erschrecken. Es ist übrigens ganz begreiflich, daß der Verlauf der Kirchengeschichte die Form der Glau- benserwartung ein wenig umgestaltet und Viele gewöhnt hat, bei dem Tage des HErrn mehr an den Todestag der Einzelnen, als an den Tag des Gerichts über Alle zu denken; auch jener tritt wie dieser zwar unaus- weichlich, aber unangekündigt ein. Doch liegt eine Verengerung des Horizonts allerdings darin, wenn der Blick auf die Vollendiing der Gesammtheit allzusehr verloren geht. (Riggenbach.)» » · Eis) Dies, daß die Christen Kinder des Lichtes und des Tages sind, legt ihnen aber auch ganz be- stimmte Pflichten auf: wir dürfen nicht schlafen, sagt der Apostel, indem er sich selber mit unter die Ver- pflichteten begreift, nachdem er sich vorhin mit unter die Kinder des Lichtes und des Tags in den Worten: »wir sind nicht von der Nacht noch von der Finster- niß« gerechnet hat, wir dürfen nicht schlafen, sondern wir müssen wachen und dem Tage die Ehre geben, die ihm nach Gottes Ordnung gebührt. Das Schlafen ist hier natürlich im bildlichen, geiftlichen Sinne zu nehmen. Die Andern, die Heiden, schlafen, sie sind in Beziehung auf Gott und seinen Willen lässig und faul, sie hören nicht, was sie hören könnten, wenn sie nur wachen wollten, sie thun nicht, was sie recht gut thun könnten, wenn sie den Schlaf von sich abschütteln wollten; aber es gefällt ihnen, so unthätig, so ge- dankenlos hinzugehen und ihre Tage wie ein Geschwätz, wie einen Traum zuzubringen Statt zu schlafen, sollen wir wachen, mit hellen Au en, mit wackeren Sinnen, mit rührigen Händen den ag, der uns be—- scheert ist, auslaufen; aber auch, wie der Apostel, über den Jnhalt des Vordersatzes, der zu »schlafen« nur das ,·,wachen« als Gegensatz erfordert hätte, im Nach- satz hinausgehend, hinzugefügt hat, nüchtern sein. Jst schon im leiblichen Leben nicht möglich zu wachen, wenn der Mensch sich der Unmäßigkeit hingiebt, denn diese mcicht den Kopf bald schwer und müde und reizt zum Schlafe, so erfordert auch für’s geistliche Leben das Wachen, daß wir stets im Zustande geiftlicher Nüchternheit uns befinden; der aber ist nicht darin, der an dem Becher der Welt und ihrer Lust sich be- rauscht, sich ihrem eitlen, nichtigen Wesen dahingiebt. (Nebe.) Die angeborene Schwachheit und Trägheit des Fleisches neigt von selber schon zur Schläfrigkeit (Matth. 26, 41); darum sollen wir alles meiden, dadurch wir diesen Hang noch steigern würden, alle BerausrPung, dadurch wir die Schuld der Selbstbetäubung au uns laden würden. Solche Berauschung entsteht durch die Zingebuäg as? di? ålieltherråchkeih an Ehren und üter enü e un orgen, ehren und Strebungen derer,«die nach Gott nicht fragen; in 1. Eor. 15, 34 wird die Leugnung der Auferstehung als ein Rausch bezeichnet, eine apostolische Beschreibung der Nüchtern- hOeits dagiixgtlesenswir iln ßlfcgoräb lff. Iitiggönbadchh a ,n ern ein« ä er o e ni o ne en Beisaizn ,,angethan mit dem Krebs des Glaubens und der Liebe und mit dem Helm der Hoffnung zur Selig- keit«, welcher Beisaåsich daraus erklärt, daß in dem Nightlietrnseifii dasb gegen alschdgssefn Foraussetzung en a en it« es ot i nämli ie er ebergang in- ssfern Zur, atls der idmt Cäegezisgtzd gegenbden zu eie iegen en au e eie i · a annaeras kinsretBekleigung Xanzår ifmd Heim Tgzeiäannt wetzen, omm von em e en rnt un ers a ens, we er die Ermahnung zur Nüchternheit mit sich bringt und welcher sich- je t von dem Gegensatze gegen den Leicht- sinn des Trin ers zu der Vorstellung der Nothwendig- keit steigert, wider feindliche Gefährdung auf der Hut szeiiidzu mgsslem Olåne sit) geklZidetGzfii»hseedin, wief es ei er un on au en ro en en ea r ung er or- derlich ist, würde es zur sicheren Erreichung unsrer Bestimmung nicht genug sein, daß wir uns nüchtern Wir sind nicht Kinder der Finsterniß, sondern des Tags; darum nicht schlafen, sondern wachen! 597 halten. Die Nüchternheit läßt uns unsrer Bestimmung und des Weges dahin mit immer gleicher Klarheit eingedenk und wider alles, was uns um sie bringen möchte, gefaßt sein; aber wenn wir nicht Glauben und Liebe hätten und Hoffnung, würden wir uns dessen nicht erwehren können, was uns an unsrer Bestim- munä irre machen oder zu einem uns ihr entfremden- den hnn und Wesen verleiten will. (v. HofmannJ Glaube und Liebe sind der Brustpanzen der durch die Liebe thätige Glaube wehrt jeden Angriff ab, der Glaube, indem er die Vergebung der Sünden ergreift und also Gottes schützende Gemeinschaft genießt, die Liebe, indem sie alles Böse mit Gutem überwindet. Die Hoffnung der Seligkeit, der endlichen Erlösung von aller Sünde und allem Uebel, ist der Heim, mit welchem angethan das Haupt sich froh, sicher und kühn erhebt und des Sieges gewiß dem Feinde in’s Auge sieht. (v. Gerlach.) s) Die Hoffnung der Seligkeit, die auf Jesu Tod und Auferstehung sich gründet, soll das Aengstliche, Scheue, Furchtsame aus der Erwartung des jüngsten Tags verbannen; denn, so fährt der Apostel fort, mit nichts in feinem ganzen Rath, und so auch nicht mit Christi Tag und dessen schneller Ueberkunft, hat uns Gott gesetzt zum Zorn; sondern, wir mögen von des HErrn Tag lebendig ergriffen oder an demselben aus unserm Schlaf geweckt werden, so sollen wir zugleich mit ihm leben. (Rieger.) Der Gegensatz, zwischen ,,wachen« und ,,schlaseii« kehrt hier innerhalb des Be- reiches eben derselben wieder, welche vorher (V. 6 ff.) als die Wachen den Schlafenden entgegengesetzt worden waren; damit ist es deutlich genug an die Hand ge- geben, daß dieser Gegensatz nunmehr vom Gegensatz des leiblichen Lebens und Todtseins verstanden sein will. So, sagt der Apostel, wie dieser Gegensatz bei uns vorkommt, ist er gleichgiltig für den» jüngsten Tag; wir werden in Beziehung auf das, was wir da zu unsrer Seligkeit empfangen sollen, nicht von ihm berührt. (v. Hofmann.) Paulus kommt hier auf die obige Unterweisung zurück, in der er dargethan hatte, daß die in Christo Entschlafenen nichts an ihrem Heil einbüßen; mit Beziehung darauf sagt er, wir Glau- bigen werden mit Christo leben, wir mögen noch im Leibe sein, wenn er kommt, oder schon entschlafen sein. (Olshausen.) 11. Darum fweil uns angesichts des Tages des HErrn nichts Anderes noth thut, als wach und nüchtern zu sein und angethan mit der Rüstung des Glaubens und der Liebe und der Hoffnung, dies aber gar ernstlich noththut, so] ermahnet euch Unter einander sdurch gegenseitige Ermun- terung zum Wach- und Nüchternsein] und bauet einer den andern ·fin jenen drei christlichen Haupttugendens wie ihr denn thut [mit solcher gegenseitiger Ermahnung und Erbauung bereits einen guten Anfang gemacht habt und nur be- dürft, daß ihr damit anhaltet und immer völliger darin werdet Kap. 4, 1. 10]. Während man durch das Ermahnen die in dem Andern schlummernde Kraft wach ruft und ihn zu rechtem, pflichtmäßigem, eifrigem Arbeiten auffordert, besteht das Erbauen noch in etwas Anderein. (Nebe.) Der biblische Begriff des Bauens ist etwas Anderes, als das süßliche, weichliche Erregen von Gefühlen, die man hier und da erbaulich nennt: Gottes Tempel gilt es zu bauen, ihn auf das rechte Fundament zu gründen, Stein auf Stein zu behauen und einzufügen; eshandelt sich um ein Wohnen Gottes in der Mensch- heit, deswegen um ein Jneinanderfügen lebendiger Steine zu einer Behausung des Geistes. Das ist von der einen Seite ein Werk Gottes, das immer inner- licher wird, von der andern eine Arbeit des Men- schen, immer mehr mit vollem Ernst, durchaus mit geistlichen Mitteln, beides auf das Ziel hin, daß es einst heiße (Offenb. 21, 3): «siehe da, eine Hütte Got- tes bei den Menfchen!« Mit Wort und Wandel soll einer den andern darin fördern; es ist aber gewiß, daß wir viel Gelegenheit, wo wir unsre Niichsten ohne Zudringlichkeit ermahnen, trösten, erbauen könnten, durch Scheu und Trägheit, aus Mangel an Glauben und Liebe versäumen. (Riggenbach.) III« b. 12——24. dlach den zwei Richtungen, die der Apostel im vorigen Abschnitt den Thessaloiiichern zu Theil werden ließ, die eine in lBetresf der Auferstehung der im Glauben Christi Gntchlasenem die andere in Betresf der Frage nach dem eitpunlit der Wiederkunft Christi, die er aber beide ebenfalls mit einer Mahnung abgeschlossen, nämlich mit der, den Trost, welchen die erstere bietet, und die Ermunterung, welche der anderen zu entnehmen, nun auch selbst einander zuzuwenden, liehrt er jetzt ganz wieder zu dem Grmahnungsstiapiteh das er mit dein zweiten Theil der Gpislel eröffnet hat, zurück; was unser Jlbsctjiiitt enthält, das sind lauter gelegentlirhe Grmahnuugen zum Zweit: der Zins— gesialiung des christlichen Lebens sowohl der Einzelnen als der Gemeinde, mit welchen dann ein darauf bezüg- licher Gebetswnnsch des Apostels sich verbindet. Mit diesem Gebeiswunsche schließt der zweite cisaupttheil der Geiste! in ganz ähnlicher Weise ab, wie der erste; wäh- rend es dort Maus, 12 f.) hieß: »Ganz aber verinehre der Beitr, und lasse die Liebe völlig werden unter ein- ander und gegen jedermann, wie denn aulh wir sind gegen euch; daß eure Herzen gest-friert, uusträflich seien in der Heiligkeit vor Gott und unserm bitter, auf die Zukunft unsers hErrn Jesu Christi, sammt allen Heili- gen«, lesen wir hier Alt. 23 f.): »Er aber, der Gott des Friedens, heilige euch durch nnd durch, und euer Geist ganz, sammt Seele und Leib, müsse behalten wer· den unsträsiich auf die Zukunft unsers Mkrrn Jesu Christi. Getreu ist Er, der euch rufet, welcher wird’s auch thun« 12. Wirbitteii euch aber, lieben Brüder [um von der eben ausgesprochenen allgemeinen Ermah- nung V. 12 zu einer speziellenüberzugehens daß ihr erkennet [was es um diejenigen sei und welche Bedeutung sie für die Entwickelung eures ganzen christlichen Glaubenslebens haben 1. Cor. 16, 18], die an euch arbeiten und euch vorsteben in dem HErrn und euch vermabnen 13. Habt sie desto lieber [achtet sie in be- sonderem Maße der Liebe ·werth] um ihres Werks tvillen sdas ja ein Werk im Dienste Christi und wie mit großer Verantwortung, so auch mit vieler Mühe verbunden ist Hebr.·13, 17], und seid friedsam mit ihnen-«· firidem ihr euch hütet, ihnen ohne Noth Schwierigkeiten zu bereiten, sondern vielmehr durch bereitwilliges Entgegenkommen ihnen ihr Amt erleichtert]. 14. Wir ermabnen euch aber, lieben Bruder, vermahuet die Ungezogenen sdie sich nicht in die 598 1. Thessalonicher b, 15—22. rechte Ordnung fügen wollen 1. Eor. 14, 40], tröstet die. Kleittmüthigen sdie davor zurückschrecken, das Kreuz auf sich zu nehmen und Jesu nachzu- folgen Kap. 1, 6], trage! die Schlvachen sbessert haltet ob den Schwachen Tit. 1, 9., laßt sie nicht im Stich], seid geduldig gegen jedermann [nach der gemeinen Liebe, die uns Christen gebührt 2.Petri 1, 7; PhiL 4, Z; 1. Cor. 13, 4]. 15. Sehet zu, daß niemand sin der Gemeinde Hebn Z, 12; 12, 151 Böses mit Bösen: jemand svon denen, die draußen sind Kap. 4, 12 und allerdings mit ihrem Verhalten vielfach zur Rache reizen] Vetgelte [Röm. II, 17; 1. Petri Z, 9]; sondern allezeit jaget dem Guten nach [Röm. 12, 9 u. 21], beide, unter einander und gegen jeder- Mann« [daß ihr allen Menschen ohne Unterschied nur solches gönnet und anthut, was ihnen zum Besten gereicht Gal. 6, 10]. V) Von dem, was nach V. 11 alle thun sollen, geht Paulus zu dem über, was insonderheit die Vor- steher betrifft, denen vorzüglich das Amt des Ermah- nens und Erbauens obliegt; hatte er dort die Thessa- lonicher aufgefordert, allesnmmt einzeln auf einander einzuwirken, so hat ja die Gemeinde auch ihre Vorsteher, denen, was der Einzelne an Einzelnen thun mag, von wegen ihres gemeindlichen Amtes Allen gegenüber obliegt, und so findet der Apostel nöthig, die Leser zu bitten, daß sie über ihrer eigenen Einzelthätigkeit nicht vergessen, was sie den Trägern des gemeindlichen Amtes schuldig sind, damit sie nicht etwa meinen, wie Chrysostomus andeutet, er wolle Alle zur Würde der Lehrer erheben. Hier nun, wo sich’s um die Vor- steher handelt, bittet er, während er dagegen in V. 14 ermahnt; denn wozu er aufzufordern hat, das ist neben der Achtung, die man dem Amte schuldig ist, noch Liebe in besonderem Maße um des Werkes willen, das die Vorsteher an der Gemeinde treiben. (Riggen- bach.) Es scheint daraus, daß Paulus diese Ermah- nung in Bezug auf die Gemeindevorsteher für nöthig hielt, hervorzugehen, daß man es in Thessalonich irgendwie an dem denselben schuldiglen Respect fehlen ließ. Der Apostel benennt sie, die eltesten, welche in der apostolischen Zeit noch nicht verschieden waren von den Bischösen (Tit. I, 5 u. 7; Apostg 20, 17 u. 28), in dreifacher Bezeichnung: zuerst im Allgemeinen »die an euch arbeiten«, um schon von vornherein das Werthhalten als eine entsprechende Pflicht, welche ihnen wegen ihrer Mühwaltung um die Gemeinde ebührt, erscheinen zu lassen; darnach näher nach der Verschiw denheit ihrer Amtsfunction einestheils als solche, denen es obliegt, die allgemeinen äußeren Gemeindeangelegen- heiten zu leiten (,,die euch vorstehen in dem HErrn«), anderntheils als solche, denen das Lehr- und Ermah- nungsamt übertragen ist (,,die euch vermahnen«). Letz- tere Thätåzgzkeit bezieht sich dem im Grundtext ge- brauchten orte gemäß besonders auf die Handhabung christlicher Zucht; doch ist die christliche Belehrung überhaupt nicht davon aus eschlossen. (Lünemann.) Bei der Uebersetzung: ,,seid friedsam mit ihnen« be- folgt Luther eine Lesart im Grundtext, von der es allerdings einigermaßen zweifelhaft bleibt, ob sie die richtige sei Sinn-Hist» I» tm, Friede mit jemand hal- ten, kommt nicht vor, sondern nur nxroi ers-o; Röm. 12,18); indessen haben schon Chrhsostomus, Theo- phylact und Theodoret sie befolgt und kein Bedenken von Seiten des Sprachgebrauchs dahin geltend ge- macht, daß man lesen niiisse: ,,seid friedsam unter ein- ander« G» Zorn-of; = F» okxiøjlotg Mark. 9, 50). Und nun giebt ja theils die Aufforderung in V. 14: ,,ver- mahnet die Ungezogenen«, theils die Beschwörung in V. 27 zu erkennen, daß in der Gemeinde zu Thessa- lonich es solche gab, die sich, wie nicht in die bürger- liche, so auch nicht in die emeindliche Ordnung fügen wollten, und daß ein gewiFes Mißverhältnis; zwischen den Gemeindegliedern und ihren Vorstehern bestand, (anders als in Eolossä: Col. 2, 5); daher eine An- mahnung: ,,seid friedsam mit ihnen« gar sehr an der Stelle war, wie denn auch die Wiederholung des ,,lieben Brüder« in V. 14 bestimmt darauf hinweist, daß erst mit diesem Verse die neue Ermahnungsreihe beginnt, welche sich auf das Verhalten der Gemeinde- glieder unter einander bezieht. Handelt es sich also hier noch um das Verhalten der Gemeindeglieder gegen ihre Vorsteher, so wäre immerhin, auch wenn man lesen wollte: ,,seid friedsam unter einander« dies doch nicht auf das Verhältniß der Gemeindeglieder zu einander, sondern eben auf das zu ihren Beamte- ten zu beziehen und der Sinn der Worte gleich- bedeutend mit dem, welchen jene andere Lesart ent- hält. Beleidigt sie nicht —- schreibt Luther als Rand- glosfe zu dem ,,seid friedsam mit ihnen« —, urtheilet und murret nicht wider sie, meistert noch überklügelt sie nicht! VI) Der Apostel ermahnt wieder alle Brüder: die wahrhaft geistlich esinnten Gemeindeglieder werden sich wohl von den orstehern (V.12 s.) lenken lassen, aber auch selbst aus dem gleichen Geist heraus sie unterstützenl (Riggenbach.) Vorstellungen nun sollen sie denen machen, welche sich nicht in den Schranken der gemeinen Ordnung halten; der Ausdruck: »die Un g e z o g en en « (wörtlich: ,,dieUnordentlichen«) deutet auf die Ordnung des gemeinsamen Lebens, welche ebenso verließ, wer in der kirchlichen Gemeinschaft Wege ging, die ihm nicht gewiesen waren, als wer sich über die gemeine Ordnun des bürgerlichen Lebens hinwegsetzte (2. Thess 3, 10 Eh; beiderlei Unordnung wird wohl Hand in Hand gegangen sein. Diese durch Vorstellungen von ihrem unordentlichen Wesen zurück- zubringen, ist ebenso Aller Sache, wie die, dieKlein- müthigen zu trösten und um die Schwachen sich zu bemühen. Wie der Apostel um die Gemeinde über- haupt in Sorge gewesen, ob ihr Glaubensmuth auch aushalten werde unter der fortdauernden Verfolgung (Kap. Z, 3), so hat er bei den ,,Kleinmiithigen« jetzt solche Einzelne im Auge, denen es an diesem Muthe gebricht, und heißt ihnen Muth zusprechen, sie nicht ihrer Muthlosigkeit überlassen; unter den ,,Schwachen« aber versteht er diejenigen, denen zwar nicht der Wille, wohl aber die Kraft fehlt, die christliche Wahrheit in ihrem Leben voll und rein auszuprägen, weil sie in ihrem Gewissen durch solches, das nicht aus der christ- lichen Wahrheit stammt, gebunden sind (Röm. 15, I; 1. Eor. 8,« 9; 9, 22). Jhnen gegenüber lag den Stär- keren nahe, sich gleichgiltig o er geringschätzig abzu- kehren, weil es bei ihnen doch zu keiner rechten Ent- schiedenheit komme; daher die Ermahnung des Apostels, sich um sie zu bemühen als um werthe Glieder der Gemeinde, welche sie sich sowenig als andere soll ver- loren gehen lassen. Von andrer Art ist die Ermah- nung: «seid geduldig gLezgen jedermann«, bei der es sich nicht mehr um ein irken aus Andere handelt, daher hier schon die Ueberleitung geschieht zu der Ermahnung des folgenden Verses; der Apostel geht damit über zum rechten Verhalten gegen diejenigen Personen, welche uns zum Unmuthe oder zu Zorn Gelegentliche Ermahnungen, des christlichen Lebens Ausgestaltung betreffend. 599 und Rache reizen möchten, und fordert von den Thessa- lonichern zunächst, gegen jedermann ohne Unter- schied, also nicht blos gegen die Mitchristen, wie man sein Wort irriger Weise hat beschränken wollen, langmiithig zu sein, demnächst aber verlangt er, daß man niemand Böses mit Bösem vergelte, sondern aller Menschen Bestes suche, wobei er nicht blos ein- schärft, selbst nicht dergleichen zu thun, sondern mit dem Ausdruck: ,,sehet zu, daß nicht jemand Böses mit Bösem jemand vergelte« die Gemeinde auffordert, nichts der Art in ihrer Mitte vorkommen zu lassen. (v. Hofmannh Jeder hat sreilich aus sich selbst zu sehen; doch kann man oft auch bei Andern verhüten und der vorgehabten Selbstrache oder Selbsthilfe, wie Abigail bei David (1. Sam. 25), durch eine geschickte Rede begegnen. (Rieger.) Dem Guten nachzukommen, bedarf unter den Anseindungen der Menschen geradezu ein Nachjag en; überhaupt aber muß man dem Guten nachjagen (vgl. 1. Cor. 14, I; Hebr. 12, 14), es wird uns nicht von Natur zu Theil, das Böse dagegen kommt von selbst. (Riggenbach.) Wer vermag Böses mit Gutem zu vergelten, durch welches Uebel kann der gekränkt werden? dagegen verliert die Biene das Leben mit dem Stachel (Chrysostomus.) »16. Seid allezeit fröhlich [Phil. 3, 1; 4, 4; 2. Cor. 13, 11; Röm. 14, 17]. 17. Betet ohne Unterlaß [Röm. 12, 12; Ephes. S, 18; Col. 4, 2]. « . 18. Seid dankbar in allen Dingen sEphes 5., 20; PhiL 4, s; Col. 2, 7; 3,15]; denn das ist der Wille Gottes seine von den mancherlei Anforderungen Gottes Kap. 4, 3] in Christo Jesu an euchs 19. Den Geist dcimpset nicht [wenn er in den außerordentlichen Gaben des Zungenredens, des Weissagens u. s. w. I. Cor. 12, 7 ff. sich unter euch wirksam erweisen will]. 20. Die Weifsagniig [besonders, wo sie sich geltend machen will] verachtet nicht sdenn sie ist eine besonders werthvolle Geistesgabe I. Cor. 14, 1 ff.]. 21. Prüfet aber alles swas in euren Ge- meindeversammlungen in begeisterter Rede vor- getragen wird, ob es auch wirklich von Gottes Geist herkommt und mit dem christlichen Glaubens- grunde, der einmal gelegt ist und außer welchem kein anderer gelegt werden kann, zusammenstimmt I. Joh. 4, I ff., vermöge der Gabe der Geister- prüfung 1. Cor. 12, 10., die auch unter euch nicht fehlen wird, wenn ihr den Geist nicht däm- pfet 1. Cor. 14, 29], nnd das Gute [nun, was ihr da herausfindet] heimlich« 22. Meidet allen bösen Scheinttt fallen Schein des Bösen, soviel an euch ist, auf daß niemand Arges von euch zu denken durch eure Unvorsicht und Unbedachtsamkeit veranlaßt werde]- V) Auf das Verhalten gegen Personen bezogen sich die Ermahnungen in V. l2——15., aus Sachliches beziehen sich die hierauf folgenden; und zwar reihen sich die nächsten in V. 16—18 in der Art an die unmittelbar vorausgegangenen an, daß der Apostel von dem rechten Verhalten gegen diejenigen Personen, welche uns zum Unmuthe oder zu Zorn und Rache reizen möchten, zu dem rechten Verhalten in Lebens- lagen oder bei Vorkommnissen fortschreitet, welche uns Gott gegenüber um die für Christen geziemende Ge- mitthsversassung bringen könnten. Den Uebergang bildet die Ermahnung: ,,seid allezeit fröhlich«, welche sich insofern an das »allezeit jaget dem Guten nach« in V. 15 anschließt, als Aller, auch der Widerwärti- gen Bestes zu suchen nur bei immer gleicher Freudig- keit des Gemüths möglich ist; diese aber sich zu erhal- ten, bedarf man der Stetigkeit im Gebet, sie kommt nur aus der Gebetsgemeinschaft mit Gott, daher die Ermahnung: ,,betet ohne Unterlaß« Es wäre indessen solche Gebetsgemeinschaft mit Gott nicht rechter Art, wenn wir in irgend einer Sache nur zu bitten und nicht auch zu danken wüßten; deshalb fügt der Apostel zu jener Mahnung gleich die andere hinzu: ,,seid dankbar in allen Dingen«, und begründet dies mit der Erinnerung: »das ist der Wille Gottes in Christo Jesu an euch.« Von dem Christen nämlich fordert Gott dies Dankbarsein in allen Dingen «um deswillen, weil er eben Christ ist, sich in Christo Jesu im Besitze eines Heiles weiß, für welches ihm alles, was es auch sei, also insonderheit auch solche Bedrängniß wie sie damals den Christen Thessalonichs widerfuhr, förder- lich werden muß. (v. Hofmann.) Das Evangelium stiftet kein freudloses Sauersehen, sondern die rechte Freude für alles Volk, in Hoffnung, im heil. Geist, im HErrn Wenn Anfechtung uns wehe thut, können wir es zwar nicht als Freude fühlen, sollen es aber dafür achten (Jak. l, 2); soviel Anlaß zur Traurig- keit in der Drangsal enthalten ist, sie fördert dennoch das Heil, und wer den HErrn nicht nur sucht, sondern hat, in dem ist vollkommene Freude (Joh. 15, 11; 16, 24; 17,13). Das Beten ist der Weg dazu! Aus Furcht vor dem Mechanismus im Beten wollen Manche nur die freie Gebetsstimmung abwarten; aber das heißt leicht soviel als den Hindernifsen gewonnen geben, wir sind nicht so unverderbt, daß wir es könnten auf unsre Geneigtheit ankommen lassen. Uebung, wenn sie nicht gesetzlich peinlich, aber in herzlicher Treue gepflegt wird, weckt die rechte Stimmung; nur so kann ein günstiger Zeitpunkt dem andern die Hand geben, daß die zwischen liegende Zeit mit Gebetsgeist ausgefüllt, das Gebet Grundton der Seele werde. Kannst du nicht in Einem fort mit der Zunge, so doch mit dem Herzen, schreibt Pelagiusx un Luther sagt: »eines rechten Christen ganzes Leben geht immer- dar im Gebet; denn ob er gleich nicht stets den Mund regt oder Worte macht, dennoch geht nnd schlägt das Herz, gleichwie die Pulsader und das Herz im Leibe, ohne Unterlaß mit Seufzen, und darnach die Püffe, Anfechtung und Noth härter drücken oder treiben, darnach gehet solch Seufzen und Bitten desto stärker, auch mündlich, daß man keinen Christen finden kann ohne Beten, sowenig als einen lebendigen Menschen ohne Puls, welcher steht nimmer still, obgleich der Mensch schläft oder Anderes thut, daß er sein nicht gewahr wird« Räth der Apostel zur Auffrischung des Gebets das ,,seid dankbar in allen Dingen« an, so ist es nur die andere Seite der Wahrheit, wenn ein er- fahrener Christ den Rath gab: »in die Buße hinein!« Denn nur das ist der rechte Dank, der bekennt: ,,ich bin deiner Güte nicht werth«; und nur das ist die rechte Buße, die in den Dank ausmündet, daß Gott dennoch unser Gott ist. (Riggenbach.) Du littest etwas Uebles? aber wenn du willst, so ist es nichts Ueblesx danke Gott, so ist’s in Gutes verwandelt! (Chrysostomus.) Wohl dem Dankbarem er wird immer mehr Gutes vom HErrn empfahen! (Ps. 50, 23.) 600 1. Thessalonicher 5, 23. 24. «) Das Gebet des Christen ist ein Ausfluß des ihm einwohnenden, in ihm wirksamen heil. Geistes (Röm. 8, 16. 26); so schließt sich den Mahnungen in V. 17 f. ungezwungen die neue Ermahnung in V. 19 an: »den Geist dämpfet nicht« (Lünemann.) Die- selbe setzt die Vergleichung des Geistes mit einem Feuer voraus (Apostg. 18, 25; Röm.12, 11); insofern nur an den Charismen oder Geistesgaben die Wirk- samkeit des Geistes äußerlich erkennbar ward (Apostg. 8, 15 ss.; 10, 44 ss.), also auch allein an diesen eine Dämpfung möglich war, insofern ist hier unter ,,Geist« zunächst an dessen Gaben zu denken, wozu auch die folgende Ermahnung paßt, indem hier ein Charisma, » die Weisfagungsgabe, besonders herausgehoben wird. (Olshausen.) Gegen die mannigfaltigen Anregungen der begeisterten Zungenredner und Propheten in der thessalonichischen Gemeinde hatte sich allem Anschein nach Verdacht und Widerspruch von Seiten derer er- hoben, welche ängstlich am überlieferten Wort des Evangeliums hafteten, vielleicht besonders von Seiten ängstlicher, en herziger Vorsteher, die etwa vom Geiste Gottes Ergri ene in der Gemeinde verhinderien aus- zutreten und sich auszusprechem indem sie ihnen den Beruf dazu absprachen (de Wette.) Die Gemeinde dämpfte den Geist, wenn sie in falscher Selbstbe- schränkiing auf das Lesen der heil. Schrift und die Forterbung des vom Apostel Geredeteii den selbstän- digen Aeußerungen des in ihr waltenden Geistes wehrte oder sie niederhielt. (v. HofmannJ Auch heutzutage, wo die wunderbaren Geistesgaben in der göttlichen Leitung der Gemeinden selten vorkommen, findet des Apostels Warnung ihre Anwendung in Beziehung auf das freie Aussprechen aller innerlich empfangenen Geistesworte von Seiten der Laien in den Gemein- den: es können und sollen Gelegenheiten vorhanden sein, wo dergleichen auf schickliche Weise möglich ist; es ist eine Hauptursach des Verfalls unsrer Kirche, daß die Thätigkeit der Laien, die Aeußerung der ihnen geschenkten Gaben zum gemeinen Nutzen keinen ordent- lichen Wirkungskreis hat. (v. Gerlach.) Wenn der Apostel mit den Worten: »Die Weissagung verachtet nicht« ein besonderes Beispiel der Geistesäußerungen heranzieht, so ging die Abneigung gegen diese Gabe in Thessalonich nicht, wie in Corinth, aus Ueberschiitzuiig des Zungenredens hervor, sondern wohl eher in über- treibender Opposition aus Verständigkeit und Ordnungs- liebe; denn es giebt ein ängstliches oder vornehm kaltes Mißtrauen gegen alles Außergewöhnliche Stär- kere Erregungen haben ja etwas Unbequemes, Stören- des, Angreifendes; eine Zumnthung liegt darin, aus dem geioöhnlichen Geleise herauszugehen, aber freilich liegt auch eine Gefahr nahe, daß bei unklaren oder auch unlauteren Geniüthern jedes Geleise der Ord- nung verachtet werde und, was im Geiste begann, im Fleisch fein trauriges Ende finde. Da lehrt nun der Apostel zunächst, daß man nicht mißtrauisch alles ver- schinähen solle. Zu dem wiirttembergischen Spezial Weber sagte der Bauer Michael Hahn: ,,wie kommt’s, daß unsere Pfarrer immer predi en, man solle sich bekehren, und wenn’s Einer thut, so können sie’s nicht leiden?« worauf er nach einigem Schweigen erwiderte: ,,bei Gott, der Mann hat Recht!« Aber Paulus will auch nicht, daß man blindlings allem bei- falle; darum fährt er fort: ,,prüfet aber alles und das Gute behaltet.« Die sterbende Frau v. Krüdener bekannte: ,,ost habe ich für die Stimme Gottes ge- halten, was nur die Frucht meiner Einbildung und meines Stolzes gewesen» (Riggenbach.) Es gilt, die ungöttlichen Geister zu erkennen, aber auch die mensch- lichen Beimischungen zur Wahrheit. (Berleb. Bib.) Was sich zum Erbauen aus den allerheiligften Glau- ben, zur Gebetskraft und zum fröhlichen Leben im Fiillen Gottes anlegt, das behält man als das Gute. reger. · IN) Nach dieser Uebersetzung Luther’s, die sich aus die» Auffassung» der Vulgata und der älteren Ausleger gründet, enthielte der Vers einen selbständigen, mit dem Borhergehenden in keinem erkennbaren Zusam- menhang stehenden Satz, der etwas Neues brächtez der Gedanke,.der dabei herauskommt, würde zusam- mentreffen mit der Erinnerung in Kap. 4, 12 und eine so beherzigenswerthe Mahnung enthalten, daß man sie »nur· ungern vermißt, wie denn auch englische, hollandische und franzosische Uebersetzungen darauf hinauskommeiu auch von dem, was nur einen Schein des Bosen hatte, sollen wir uns zurückhalten, um kein Aergerniß zu geben (1. Eor 10, 32 f.; 2. Tor. 6, 3). »Wah·re»Eh·risten geben sich nicht blos damit zufrieden, daß si·e in »ihreii eigenen Augen recht thuen und un- schuldig seien, esondern sind auch vorsichtig, daß sie nicht jemand in diesemwder jenem Stück einen An- stoß geben-« Indessen laßt sich einerseits für das Wort des Grundtextes »Welches hier mit ,,Schein« übersetzt worden ·(sz«5og), diese Bedeutung nicht nachweisem und andrerseits steht fiir »meidet« im Griechischen ein Wort, welches zu dem ,,be altet« in V. 21 offenfichtlich in Gegensatz treten so , woraus hervorgeht, daß hier nicht»ein ganz neuer Gedanke vom Apostel hat aus- gedruckt werden sollen, sondern daß er den vorigen noch festhalt. Uebersetzen wir denn V. 21 u. 22 so, wie sie eigentlich mit einander zusammenhängem Prüset aber alles; das Gute behaltet, von jeglicher Art des Bösen enthaltet·euch, so be- ziehen sich die Worte noch aus die vorhin geforderte Prufungz wie man nun, was man da für gut befindet, annehmen soll, so soll man umgekehrt, was sich als böse herausstellt, auch wenn es unter heiligen Vor- wänden sich will geltend machen, von sich abwehren, vgl. 2. Thess 2·, 1 ff. Zu bemerken ist noch, daß bei den alten Kirchenlehrern den beiden Versen mehr- fach noch ein Wort vorangestellt wird, das man bald als einen Ausfpruch Christi, bald als einen solchen des Apostel Paulus» bald als einen Spruch der heil. Schrift uberhaupt bezeichnet; es lautet: ,,werdet (seid) gute GeldwechsleW syliisnss Jan-nor rpoiirsgiroiix Es ist dies ohne Zweifel eben so ein ungeschriebener Aus- spruch des HErrn, wie der von Paulus in Apostg 20, 35.·, aber nicht so· unmittelbar vom HErrn selber formulirt, sondern wie dort der Apostel unsrer Mei- nung nach die Gleichnißrede Christi in Luk. 14, 7»ff. in eine» kurze· Summe zufammenfaßh so hie: die Gleichnißrede in Matth. 25, 14 ff. u. Luk. 19, 11 sf., so daß es allerdings, genau genommen, nicht ein Aus- spruch Christi, sondern Pauli ist, nur daß das Motiv dazu der HErr an die Hand gegeben hat; die münd- liche Tradition hat den Ausspruch bewahrt, gleichwie sie es mit der Geschichteron der Ehebrecherin in Joh. 8, 1ff. gethan hat, und indem· man ihn nun der Ver- gessenheit entreißen wollte,» schien die vorliegende Stelle geeignet, ihn mit einzufuhren, indem das dein-no- («gUtE«) M« dem HOWOOSZEIE (»prüfet«) in Verwandt- schaft zu stehen schien. 23. Er aber lohne den wir ja nichts ver- mögen, weder das Wollen noch das Vollbringen Phil 2, 13], der Gott des Friedens [Röm. 15, 33; 16, 20; PhiL 4, 9; Hebt· 13, TO; -2. Cor.13, 11; 2.Thess. Z, 16], heilige euch durch und durch [nach dem ganzen Umfang Des Apostels auf der Thessalonicher christliche Vollendung bezüglicher Gebetswunsch. 601 eures WesensL und euer Geist ganz sso daß nichts an ihm zurückbleibt], sammt der Seele und Leib [Hebr.4,12], müsse Damit, daß ihr, wie ich eben sagte, durch und durch geheiligt werdet] behaltenwerdenunstråflichaufdieZukunft unsers HErrnJesu Christi [Kap. Z, 13]. 24. Getreu ist er [1.Cor.10,13; Hebt. 10, 23; 2. Thesf 3, 3], der euch tuset [euer Berufer zur Gemeinschaft seines Sohnes, zu sei- nem Reich und seiner Herrlichkeit Kap. 2, 12; Gal. 5, 8; 1. Gar. 1, 9], welcher wird’s auch ssolcher seiner Treue gemäß] thun [was ich hiermit als apostolischen Gebetswunsch aus- gesprochen habe, nämlich euch unsträflich behalten auf die Zukunft Jesu Christi Pf. 22, 32]. Bisher hatte Paulus das Seinige gethan durch Wort und Fürbitte, durch Nachfragen und Zuschicken solcher Gehilfen der Wahrheit, die ihnen förderlich sein könnten; so hat er auch sie angewiesen, das Jhrige zu thun durch Ermahnem Trösten, Aufsehen über ein- ander. Je t wendet er fich zu dem, von welchem alles Gedeihen ommen muß: ,,Er aber, er wird es thun und ausführen« Der Menfch kann freilich nichts ohne Gott; aber Gott will auch nichts ohne den Menschen und dessen von Schritt zu Schritt bewiesenen Gehor- sam. (Rieger.) An der Spitze feines Segenswunsches nennt Paulus Gott den Gott des Friedens, weil die Sünde Wesensbestand und Gemeinfchaft des Men- schen in Disharmonie gebracht hat und der Friede, welcher diese Disharmonie aufhebt, Gottes Wille und Gabe ist. »,,Er aber, der Gott des Friedens«, schreibt der Apostel, ,,heilige euch durch und durch«, so daß nichts in euch von der Heiligung unergriffen bleibt, »und euer Geist ganz sammt der Seele und Leib müsse behalten werden unsträflich auf die Zukunft unsers HErrn Jesu Ehristi«, d. i. unversehrten Stan- des werde euer Geist und eure Seele und euer Leib bei der Wiederkunft Christi oder auf diese hin (Jak. 5, 5) bewahret. Der Wunsch des Apostels geht also dahin, daß sie in der Totalität ihres menschlichen Wesensbestandes so bewahrt bleiben, daß sie, wenn der HErr in richterlicher Herrlichkeit sich darstellen wird, kein Tadel treffe; und offenbar legt er in Geist, Seele und Leib den menschlichen Wesensbestand auseinander, ja er denkt auch jeden einzelnen der drei Bestandtheile in fich selbst wieder mehrtheilig oder mehrseitig, indem das «g011z« fich doch wohl nicht blos auf Geist, sondern auch auf Seele und Leib bezieht. (Delitzsch.) Die Schrift theilet hier den Dlienschen in drei Theile: das erste Stück, der Geist, ist das höchste, tiefste, edelste Theil des Menschen, damit er geschickt ist, unbcgreifliche, unsichtige, ewige Dinge zu fassen, und ist kürzlich das Haus, da der Glaube und Gottes Wort innen wohnt; das andere, die Seele, ist eben derselbe Geist nach der Natur, aber doch in einem andern Werk, nämlich in dem, als er den Leib lebendig macht und durch ihn wirkt, und wird oft in der Schrift für das Leben genommen, denn der Geist mag wohl ohne den Leib leben, aber der Leib lebet nicht ohne den Geist. Dies Stück sehen wir, wie es auch im Schlaf und ohne Unterlaß lebt und wirkt, und ist seine Art, nicht die unbegreiflichen Dinge zu fassen, sondern was die Vernunft erkennen und ermessen kann; und ist nämlich die Vernunft hie das Licht in diesem Hause, und wo der Geist nicht mit dem Glauben als mit einem höheren Licht erleuchtet dies Licht der Vernunft regiert, so mag sie nimmer ohne Jrrthum sein, denn sie ist zu geringe, in göttlichen Dingen zu handeln. Das dritte Stück ist der Leib mit seinen Gliedern; dessen Werke sind nur Uebungen und Brauch, nach dem die Seele erkennt und der Geist glaubt. Und daß wir deß ein Gleichniß anzeigen aus der Schrift: Moses machte ein Tabernakel mit drei unterschiedlichen Gebäuen; das erste hieß das Allerheiligste, da wohnete Gott innen und war kein Licht drinnen, das andere das Heilige, darinnen stund ein Leuchter mit sieben Röhren und Lampen, das dritte hieß der Hof, das war unter dem Himmel öffentlich, vor der Sonne Licht. In dieser Figur ist ein Christenmensch abge- malt: sein Geist ist das Allerheiligste, Gottes Wohnung, im finstern Glauben, ohne Licht, denn er glaubt, das er nicht sieht noch fühlt und begreift; seine Seele ist das Heilige, da sind sieben Lichter, d. i. allerlei Verstand, Unterschied, Wissen und Er- kenntniß der leiblichen, sichtlichen Dinge; sein Körper ist der Hof, der ist jedermann offenbar, daß man sehen kann, was er thut und wie er lebt. (Luther.) An vielen Stellen unterscheidet die Schrift nur Seele und Leib oder Geist und Leib, das Geistige im Men- schen überhaupt von dem Sinnlichen an ihm; da, wo aber Geist und Seele noch bestimmt unterschieden wer- den, bezeichnet der Geist das höhere Vermögen, wo- durch der Menfch Gott erkennt und mit ihm in Ge- rneinschaft tritt, dasjenige, was ihn über das ver- einzelte Begehren und Wollen und über die Natur an ihm und außer ihm erhebt und zu ihrem Herrn macht; Seele dagegen das sinnlich wahrnehmende, empsindende, strebende und begehrende Vermögen, welches die Vermittelung im Menschen bildet zwischen Geist und Leib. Die Seele allein erhebt den Menschen noch nicht über die Thiere, durch sie ist er vielmehr selbst ein belebtes Glied der Natur; ja, wenn der Geist des Menschen nicht erfüllt ist von Gottes Geist, son- dern vom Fleisch unterdrückt ist, dann ist der Menfch ein seelischer oder natürlicher Menfch (l. Cor. 2, 14). Der Geist des Menschen wird geheiligt und unsträf- lich behalten, wenn Gottes Geist ihn bewohnt und regiert, wenn er als ein reiner Spiegel Gottes Eben- bild darstelltx die Seele wird geheiligt, wenn der ottgeheiligte Geist sie beherrscht, wenn alle ihre mpfindungen, all ihr. Verlangen und Streben, so nothwendig sie auchsind, das eigenthümliche Leben im Menschen zu erhalten und dadurch auch auf die Welt umher einzuwirken, doch Gott und dem Geiste völlig untergeordnet werden. Der Leib wird geheiligt, wenn seine Triebe und Bedürfnisse von dem Geiste durch die Seele regiert und geordnet und seine Glieder ganz und gar zu Werkzeugen der Heiligkeit gemacht werden. (v. Gerlach.) Mit Dank gegen Gott und seine Auserwählung begann der Apostel seinen ersten Brief an die Thessalonicher (Kap. 1, 2 ff.); mit Ver- tröstung auf seine Treue bis an’s Ende schließt er ihn- (R1ggenbach.) D. Zum Schluß ersucht der Apostel nolh um die Fürbittc der Gemeinde für sich und seine, in Rad. 1, 1 genannten Mitarbeiter (v. 25), verlangt, daß die Vor— sicher der Gemeinde, durch deren Vermittelung die Gpisicl an diese gelangte, seinen und der Seinigen Gruß in der hertiötnmlichen Weise an jeden Einzelnen in ihr augrirhten (v. 26), ja, dringt sehr nachdrüclilich darauf, daß alle Einzelnen der öffentlichen Vorlesung seines; Briefes auch nun-ahnen, wobei er unverkennbar eine heilige, auf das Hei! der Gemeinde und ihrer Vorsteher gerichtete Jlbsicht hat, weiter sie bei denc HGrrn besehwört (v. 27), und fügt dann den üblichen Segenswunsch hinzu (v. M)- 602 1. Thessalonicher 5, 25—28. 2. Thessalonicher 1, 1. Z. 25. Lieben Brüder, betet für uns [daß unser apostolisches Wirken hier von des HErrn Segen begleitet sei [2. Thess 3, l; Ephes. 6, 19; Col. 4, 3 . 26. Grüßet sihr Bischöfe und Diener der Gemeine Phil. 4, 211 alle Brüder [in unserm Namen] mit dem heiligen Kuß [Röm. 16, 16; 1.Cor.16, 20; 2.Cor. 13, 12; 1. Petri 5, 14]. 27. Jch beschwöre euch bei dem HErrnz daß ihr diese Epistel lesen lasset allen heiligen Brudern finden! ihr dafür sorgt, daß bei der öfsentlichen Vorlesung in der Gemeindeversammlung jeder ohne Ausnahme zugegen sei]. » 28. Die Gnade unsers HGrrn Jesu Christi sei mit euch [Röm· 16, 20. 24; 1. Cor.16, 23; Phil. 4, 23; 2. Thess 3, 18]. Amen. Während es sonst überall heißt: »grüßet euch untereinander mit dem heil. Kuß«, wird hier Einigen von dem Apostel aufgetragen, alle andern Brüder zu grüßen; dies erklärt sich nur so, daß zu- nächst die Gemeindevorsteher die Empfänger des Briefs waren, wie ja auch in der Epistel an die Phi- lipper zwischen ,,allen Heiligen in Christo Jesu« und »den Bischöfen und Dienern« gleich Eingangs (Phil. 1-, I) unterschieden wird. Und wenn nun der Apostel diese Vorsteher, die den Brief zunächst zu lesen be- kommen, weiter so feierlich beschwört, dafür Sorge zu tragen, daß derselbe ,,allen heiligen Brüdern« (Hebr. Z, l) vorgelesen werde, was natürlich nicht bei jedem Ein- zelnen speziell, sondern nur dadurch geschehen konnte, daß alle ohne Ausnahme bei der Gemeindeversamw lung, in welcher die Epistel zur Vorlesung kommen sollte, sich betheiligten und keiner unter irgend einem Vorwande davon zurückbleiben durfte, so bestärkt uns das in der schon bei V. 12 s. aufgestiegenen Ver- muthung, daß bei den Thessalonichern eine gewisse Kluft zwischen den Gemeindegliedern und den Vor- stehern der Gemeinde sich aufgethan hatte, die viel- leicht in dem Dämpfen des Geistes (V. 19) von Seiten der letzteren ihren ersten Anlaß, dann aber auch in noch andern Verhältnissen, etwa in der Widersetzlich- keit der Ungezogenen (V.14), ihren Grund hatte. Da will denn Paulus allen Zwiespalt gründlich be- seitigen damit, daß ihrerseits die Vorsteher seinen Gruß an alle Gemeindeglieder unter dem Kuß der Gemeinschaft und Liebe in Christo auszurichten haben, was nur die Folge haben konnte, daß sie für sich selber alle Mißstimmung fahren ließen und sich wieder freundlich den von ihnen Gekiißten zuwendeten; andrer- seits aber soll auch von den Gemeindegliedern keins in irgend welcher Unversöhnlichkeit sich sowohl der Em- pfangnahme des Kusses als der Anhörung der apostoi lischen Ermahnung im Briefe entziehen dürfen und damit gewissermaßen genöthigt sein, die Hand der Versöhnung anzunehmen und nach Pauli Willen zu thun, wenn einer überhaupt noch ferner zur Gemeinde gehören will. Zln die Ghessalonirtjer die erste, gesrhrieben von Zither: srichtiger von Coeinth, s. Anm. 2 zu Ktsps X« U— Lilie L. Clkpistel St. Ilauli an die Thessalonichen Wichtig sind uns die beiden Thessalonicherbriefe, diese ersten apostolischen Sendschreiben Punkt, insbesondere durch das darin behandelte Lehrstück von der Wiederkunft Christi und dem ihr vorangehenden großen Widersacher, dem Antichrift, über den sonst nirgend so deutliche Beleh- rung komint, als im Z. Kap. der hier vorliegenden zweiten EpisteL da die der Offenbarung mehr bildlich und dadurch verhüllter ist. Ohne Zweifel hatte diese Lehre, über welche auch in der Ge- meinde viel geredet und gegrübelt wurde, unter der drohenden Feindschaft einen Hanpttheil der apostolischen Predigt gebildet. Wenn man nun heutzutage oft auf jene ersten Christen, ja selbst die Apostel halb mitleidig niederblickt, daß sie die Wiederkunft Christi viel näher erwartet haben, als sich nun in 18 Jahrhunderten gezeigt hat, so wollen wir vielmehr umgekehrt uns merken, wie die Apostel zwar allem Mißbrauch dieser Lehre entgegentreten, selbst aber durch den heil. Geist stets darauf hin- gerichtet waren und uns damit zeigen, wie wesentlich dem Christen der stete Blick auf die Zukunft seines HErrn ist. tZellerJ - s no an dem etben Orte, wie dort und non den etben Ge- Das l« Kapktels hiltsyen nmgebsten sich befand, wie er« aukh in weschtlich dem- Vermahnung zur Jzesiiiridigkeit in Iiersocguiixs j seiden Gedankens-reife san) bewegt; die unterschrifk »ge- A. Die mit der in der nor-i en E isiet bis au eine schxicdbktn von PMB« im: dach g« d» clrtlmmmt tznsicht kleine Jlbweictsuvg Wöttlich gltkätlautezinde Ztusskhrtfts igikilbtelreektstiksttelkelldetsiiktj ecrtslllen cszdgilleefrehadatssslrkrjilikgsütbgk dieses zweiten, wohl noch während des I. 53 geschriebenen l haunt nur lmrze Zeit in Athen sich aufgehalten hat (vgl. Aeieseg (Kpostg. is, l1 Kund) bekundet, daß der Apostel die Scytußbenn zum Riimeebeiefx Der ersten Epistel S chlu ß. Der zweiten Epistel Ein g a n g. 603 1. Paulus und Silvauns nnd Timotheuih der Gemeine zu Thessalonich in Gott, unserm Vater sin 1. Thess I, I: in Gott, dem Vater], und dem HErrii Jesn Christo: · 2. Gnade sei mit euch, und Friede von Gott, unserm Vater, und dem HErrn Jesu Christo [vgl. die Bem. zu l. Thess. l, 1]. Durch wen Paulus den vorigen Brief nach Thessa- tonich gesandt hat und durch wen er wieder von dort- her Nachricht erhalten, ist uns nicht bekannt; diese Nachrichten selbst aber veranlaßten ihn, den zweiten Brief zu schreiben, der nicht erst m die Zeit nach seiner Abreise vonCorinth (Apostg. l8,’l·8 ff.)»fallt, denn Silas und Timothens sind noch bei ihm, jedoch mehrere Monate später, als der erste, von ihm ver- faßt worden ist. (Bleek.) Sowohl in» der Lage des Apostels als in dem Stand der» Gemeinde zu Thessa- lonich läßt uns der weite Brief eine Weitere«- wickelung merken: aulus hat hemmende Feindschaft auszuhalten (Kap. Z, l f.), und «in Achaja giebt es schon Filivalgemeinden neben Corinth (»Kap. 1,»4); in Thessalonich dagegen zeigt sich die Weiterentwickelung in drei Punkten: l) ein Ausdruck) neuer Verfolgung brachte das Bedürfniß neuer Glaubensstärkung mit sich (Kap. l, 4); 2) die Aufregung bezüglich der Er- wartung der Wiederkunft Christi hatte fich gesteigert, jedoch in modificirter Weise« Wegen der Gestorbenen hegten die Thessalonicher keine Besorgnisse mehr, darüber hatte ihnen» 1. Thessz 4, l3 ff. genügendes Licht ge- bracht; da» sie aber die Belehrung in 1.»Thess. 5, lff. nicht so nüchtern aufnahmen, wie es hatte der Fall fein sollen, so waren die Gemüther theils durch be- hauptete Geisteseingebungen Einzelner, theils durch einen in der Gemeinde unilaufenden Brief, der »auf den Apostel zurückgeführt wurde, dahin auf’s Heftigste erregt worden, die Wiederkunft Christi sei unmittelbar im inbrechen begriffen (Kap. 2, l ff.). Damit steht wahrscheinlich im Zusammenhang, daß 3)-auch die Auswüchse der unordentlichen berufslosen Vielgeschaf- tigkeit nicht abgenommen hatten, sondern in bedauer- licher Weise gewachsen waren; denn wenn sie dachten, jetzt löst sich ja nächstens alles Bestehende auf, so mochten Manche um so mehr aus den Schranken kommen. Diese Verirrungen zurechtzuweisem dringt der Apostel auf den furchtbar ernsten Charakter der Katastrophe, die mit Christi Wiederkunft eintritt: wohl werde der Ausgang für die Gläubigen ein seliger sein, zuvor aber werde es durch die harte Anfechtung des herrschenden Abfalls, der antichristischen Zeit hindurch- gehen; bevor dieser Durchgang gekommen, der jetzt noch durch etwas aufgehalten werde, sei der Anbruch der beseligenden Zukunft Christi nicht zu erwarten. (Riggenbach.) B. Tier erste, einen Zuspruih zur Fröstung der Fhessakonicher unter den neu über sie ausgebroche- nen Yerfokgungen enthattende Theil schließt sich eng an den ersten Theil des vorigen Sendschreibens an, indem, gleichwie dieser unter Dank: gegen Gott den guten Stand der tkeser und ihr seitherigeg wohtuerhalten anerkannte und des Apostels wünsche und Fürbitten für dieselben dartegte, so nun hier zuerst Ibantisagung und Anerkennung uns entgegentritt, die den Weg dazu bahnt, den schwer Bedrängten Trost zu- und Muth einzusprechen, darauf aber auch eine Fiirbilte folgt im Hinblick auf das, wag der Tag des thErrn ihnen bringen will; und dabei isl die vor- aufgehende lllunhsagung uiid Anerkennung so gehalten, daß man dein Apostel abfühlt, er findet in dein, was er oon den Thessaloniiljern rühmen kann, die Erfüllung der in der früheren Epistel ausgesprochenen wünsche und Für— bitten. ltni so frischer und fröhtiiher tiann er denn aus den berfolgungen und Triibsaten, die üe neuerdings wieder zu erleiden haben von denen, die Gott nicht erkennen und nicht gehorsam sind deni Toangelim ihr Auge emporrichten zu Dem, der an seinein Tage ihnen Befreiung verschaffen wird von allen ihren Drängern und Ruhe von alten ihren Weiden, während dann ihre Drängt: und Aeleidiger es werden büßen müssen, wag sie ihnen jetzt Böses angethan haben; aber freilich gilt’s nun auch, daß die Leser würdig gemacht werden dessen, wozu sie berufen nnd, und da muss denn auf’s dleue Fürbitte für sie eintreten, doniil sie voll- bereitct werden in der Liebe zu allein Guten und in dem Werke. des Glaubens, und an solcher xtsürliitte läßt es der Apostel niit den Seinen nicht fehlen. Epistel aiii 26. Sonntage nach Criiiiiatis.) Gleichwie das Evangelium des Tages (Matth. 25, 31 ff.) auf das jüngste Gericht hinweist, das ein ebenso erhabenes und allgemeines wie für immer ent- scheidendes Gericht der Vergeltung sein wird, je nachdem die vor dem Richterstuhl Versammelten hier auf Erden ihren Glauben durch Werke christlicher Liebe bewährt haben oder nicht, so thut das auch die Epistel; während aber das Evangelium das Auge mehr auf diejenigen hinrirhteh die nicht gethan haben, was sie sollten, und zur Ver· eltung für ihre Unterlassung des Guten in »die ewiges-Bein gehen müssen, weist dieEpistel hauptsächlich auf die Ruhe hin, zu welcher diejenigen eingehen werden, bei denen der Glaube wächft und die Liebe zunimmt und die Geduld aushält unter den Triibsalem die sie von den Ungerechien zu erleiden haben. Eine andere Epistel (2. Petri Z, 3 ff.) deutet nach der Warnung vor den Spöttern über die ver- meintlich eitle Verheißung der Zukunft Christi auf den, im Gegensatz zur Sündfluth, der Welt bevor- stehenden Untergang durch Feuer hin und erinnert zum Schluß an die Entstehung eines neuen Himmels und einer neuen Erde, darin Gerechtigkeit wohnet. (Alt.) Vom Gericht des großen Tages: l) wie der HErr Christus es halten wird, 2) wozu der Ge- meinde das gepredigt wird. (Petri.) Die Zukunft des Menfchensohnesx sie heißt uns l) hinein- sehen in unser Herz, ob Glaube, Liebe und Geduld sich findet, L) hinanssehen von den Leiden um Christi willen auf das gerechte Gericht Gottes, Z) hin- aussehen auf den wiederkommenden HErrn, der Pein den Gottlosen, Ruhe aber den Gläubigen zutheilt. Vom Ende der Trübsal dieser Zeit; wir be- trachten l) die Bereitung auf dieses Ende durch Glaube, Liebe und Geduld, 2) den Eintritt desselben mit der Offenbarung der Herrlichkeit Christi, Z) die Strafe bei demselben in dem Verderben der Gott- tosen, 4) die Herrlichkeit niit ihm iii der Seligkeit der Gläubigen (Sommer.) O Menschen, diese kurze Zeit führt in die lange Ewigkeit: 1) das Gute wächft ihr entgegen, 2) das Böse reift ihr ent- gegen, Z) das Unglück seufzt ihr entgegen, 4) die Weltlust bebt ihr entgegen, 5) der HErr führt ihr entgegen. (Gerok.) Es ist noch eine Ruhe vor- handen dem Volke Gottes (Hebr. 4, 9): l) in dieser Zeit hat das Volk Gottes Unruhe vollauf; Z) doch eben dies ist ein Beweis, daß die verheißene Ruhe noch vorbehalten ist; Z) an dem Tage der Ver- geltung; wird sie gegeben denen, welche ausharren bis an’s nde (Genzken.) Die Gerechtigkeit der göttlichen Vergeltung: l) als Trost für die be- drängten Christen, die im Glauben und in der Liebe 604 2. Thefsalonicher 1, 3—10. wachsen; 2) als Warnung für die Widerfacher, die von einer Stufe der Feindschaft Gottes zur andern fortschreiten (Riggenbach·) Der jüngste Tag, »ein Ehrentag des HErrn Jesu und seiner Glau- bigen: 1) was für Ehre der jüngste Tag demHErrn Jesu bringen werde; L) was für Ruhe und Ehre alsdann mit dem HErrn Jesu auch die Gläubiger: haben werden; Z) wie sich diejenigen, die an dieser Ruhe und Ehre gern Theil hätten, würdiglich dazu anschicken sollen. (Brandt.) Z. Wir sdie in V. I Genannten] sollen Gott danken allezeit um euch, lieben Brü- der, wie es billig [dem Thatbestande, der da vorliegt, gemäß oder den herrlichen Gnadengabeiy mit denen ihr geschmückt seid, entsprechend] ist. Denn euer Glaube sden wir schon in der vori- gen Epistel rühmend anerkennen konnten 1.Thess. 1, Z] wåchset sehr [über alle Erwartung hin- aus] und die Liebe eines jeglichen unter euch allen nimmt sganz so, wie wir es damals euch angewünscht haben 1. Thess Z, 12; 4, 10] zu gegen einander [indem nicht nur alle ein- zelnen Glieder eurer Gemeine der brüderlichen Liebe sich befleißigen, sondern diese Liebe auch aus alle Einzelnen ohne Unterschied sich erstreckt], 4. Also, daß wir uns· euer sals eines der fruchtbarsten unter unsern Ackerwerken I. Cor. Z, g] rühmen unter den Gemeinen Gottes smit denen wir es hier in Corinth und an andern Orten Achaja’s zu thun haben 2. Cor. 1, 1], von eurer Geduld und [euerm] Glauben [be- soiiders] in allen enern Verfolgnngen und Triibsalety die ihr duldet« sihnen erzählend, um sie, denen ihr Christenstand bisher noch nicht so schwer gemacht worden, wie euch, zu eurer Nachfolge 1. Thess 1, 7 zu ermuntern, wenn auch über sie einmal größere Glaubensbedrängniß hereinbrechen sollte]; · » Z. Welches ldaß ihr so in keinem Wege euch erschrecken lasset von den Widersacheriy son- dern in Geduld und Glauben alle über euch von ihnen gebrachten Verfolgnngen und Trübsale dul- det Phil. l, 281 anzeigt,» daß Gott recht richten wird, und ihr wurdig werdet zum Reich Gottes sin Herrlichkeit Luk. 21, Z6], über welchem ihr auch [aus eben dem Grunde, seiner Herrlichkeit und Seligkeit theilhaftig zu werden] leidetxki 6. Nachdem [genauer: Wenn anders, woran wir gar nicht zweifeln können Röm. 8, 9. 17] es recht ist bei Gott, zu vergelten Trübsal denen, die euch Darum, weil sie ihn, Gott, nicht erkennen und selbst nicht wollen ge- horsam werden dem Evangelio Joh. IS, Z; Matth. 23, 13] Trübsal anlegen, 7. Guch aber, die ihr Trübsal leidet, [·zu vergelten] Ruhe fund Erquickung Apostg. Z, 20] mit uns [euren Aposteln, die wir mit der Predigt, die wir zu euch gebracht, euch allerdings in die Lage versetzt haben, daß ihr diese Trüb- sal jetzt erleiden müsset gleich uns 1.Thess.1, 6., aber auch wußten, daß dasselbe Heil, dessen wir uns in aller unsrer Trübsal trösten dürfen Kap. 3,»2; Tim. 4, 18., euch gleicherweife beschieden sein wird] wenn nun der HGrr Jesus wird offenbaret werden vom Himmel [1. Thess 4,»16; I- Petri 4,· 13] sammt den Engeln seiner Kraft [von ihnen, den Vollftreckern seiner gewaltigen Thaten, die er dann vorhat, begleitet Matth. 24, so; 25, 31], s. Und soffenbaret werden wird] mit Feuer- flammen [2. Mos. 19, 18; Dan. 7, 9 f.; I. For. Z, 13; 2. Petri Z, 7. 10], Nqche zu gebet; uber die,»so Gott nicht erkennen, und über die, so nicht gehorsam sind dem Gvangelio unsers sGrrn Jesu Christizkks 9. elche werden Pein srichtigen Strafe] leiden, das ewi e Verderben [1. Thess 5,« Z] von dem» Angeicht des HGrrn sdas voll Zorn sich ihnen zuwendet 2. Mos. 14, 24; Jes. 2,· 10 u. 197 vgl. Apostg. Z, TO] und von seiner herrlichen Macht [die nun in ihrer ganzen zerschmetternden Wucht sich auf sie herab- läßt Jer. 4, 26; Offenb. 19, 15], · 10. Wenn er kommen wird, daß er herr- lich erscheine mit seinen Heiligen sden Engeln, in deren Geleit er kommt V. 7; 1. Thess Z, 13] und wunderbar mit allen Gläubigeu [von denen er die einen, die da entschlafen sind, wie- der erweckt, die andern, die noch leben, sich ent- gegenrückt 1. Thess. 4, 1Z ff.; und zu diesen Gläubigen zu gehören, darauf dürft denn auch ihr euch Rechnung machen Col. Z, 4].» Denn Unser Zeugniß an euch von demselbigen Tage habt ihr geglaubetf [als wir euch Christum predig- ten und ihn besonders auch als den zukünftigen Richter euch darstellten Apostg. 17, 31., so daß ihr also nicht zu denen zählt, von welchen in V. 8 die Rede war]. V) Nicht eine Versicherung des Apostels, daß er und seine Gefährten um die Gemeinde allezeit dank- sagen, bildet dies Mal den Eingang (vgl. 1. Thess 1, 2 ff.), sondern eine Bezeugung und Anerkennung ihrer Schuldigkeit dies zu thun: der Anfang des ersten Briefes entstammte dem Wunfche, die eigene Freudig- keit den Lesern mitzutheilem der jetzige dagegen deutet auf eine ruhigere Stimmung des Schreibenden, in welcher die Abficht vorwaltet, der Gemeinde keine An- erkennung zu versagen, die ihr zur Ermuthigung die- nen kanii. Jn dem »Wie es billig ist« verknüpft sich dann mit der Anerkennung der persönlichen Schuldig- keit die Anerkennung des Thatbeftandes, welcher das überhaupt fordert, was der Apostel für seine Person zu thun sich verpflichtet weiß. (v. Hofmann.) Daß Paulus hier so stark vom Wachsthum des Glaubens und der Liebe der Thessalonicher redet, hat insofern etwas Auffallendes, als Kap. 2 zeigt, daß er keines- wegs Ursach hatte, mit dein damaligen Zustande der Der erste Theil der Epistel, Zuspruch zur Tröstung der Thessalonicher enthaltend. 605 Gemeinde so zufrieden zu sein, wie er es bei Ab- fassung des ersten Briefes sein konnte; in der kurzen Zeit, welche zwischen die Abfassung beider Briefe fallen mochte, hatten sich doch schon die Verhältnisse sehr geändert und die anfangs vorhandenen schwachen Regun en der Schwärmerei waren nun zur vollen Ausbil ung gekommen. Indessen konnte der Apostel dieser Verirrungen ungeachtet, gegen die er in Kap. 3 mit so nachdrücklichen Rügen auftritt, den Glauben und die Liebe der Thessalonicher mit gutem Gewissen dankbar anerkennen, da diese Verirrungen nicht aus Unglauben, sondern eher aus zu großem Glaubens- eifer, demnur die klare Einsicht fehlte, hervorgingen Ebenso läßt sich aus dem Ausdruck: »die Liebe eines jeglichen unter euch allen« nicht folgern, daß gar keine Differenzen unter den Thessalonichern statt hatten, Kap. 3 zeigt das Gegentheil; aber der Apostel erkennt auch in diesen Differenzen den Grund der Liebe an, die sich darin nur in verkehrter Form der Anwendung offenbarte. (Olshausen.) Die Thessalonicher hatten in der kurzen Zwischenzeit von der dreifachen hohen Gabe, die Paulus schon in der ersten Epistel an ihnen rühmte, ein soviel reicheres Maß empfangen, daß der Dank dafür geradezu zur Pflicht wird; und wenn er nun in so hohem Tone davon redet, daß er schreibt: »wir rühmen uns euer unter den Gemeinden Gottes«, so hebt er besonders die Geduld in der Hoffnung, die aber hier in etwas andrer Form auftritt, hervor. Die Thessalonicher wuchsen an allen Tugenden unter großen Hindernissem trugen Christo das Kreuz nach, litten hinter ihm, dem Herzog der heiligen Bekenner, her, wurden sein und seines Kreuzesweges nicht müde; ihre Geduld und ihr Glaube streckten sich einem ernsten, männlichen Wesen entgegen und erstarkten in dem Maße, in welchem ihnen eine gestrenge Uebung nach der andern auferlegt und zugemuthet wurde. Wenn die Leidenshitze vom Himmel fällt, verdorrt manches Kraut, weil es nicht Saft hat, nicht tiefe Wurzeln schlagen konnte; aber die Thessalonicher waren glück- licher gepslanzt, an Wasserbächen, und je brennender die Hitze herunterfiel, desto tiefer griffen sie nach dem Zuflusse des guten Landes, in dem sie standen, und zogen aus den offenen Brunnen der Wunden Jesu neue Kraft —- ein seltenes Beispiel, welches in ihnen uns vorleuchtet, die wir bei wenigen und kleinen Leiden dennoch oftmals so ungeduldig werden und ein Leben für bedauernswerth und unglücklich zu halten pflegen, welches mit Kreuz und Leiden gesegnet ist. e. Ist) Euer Aushalten der Drangsale, sagt der Apostel, ist uns ein Thatbeweis des gerechten Richtens Gottes, nur daß es zur Zeit in der Art geschieht, daß es erst in seinem schließlichen Vollzuge, in dem kommenden Gericht (Röm. 2, 5), offenbar wird. Der Gedanke ist wesentlich derselbe, wie an der auch hinsichtlich des Ausdrucks so nahe verwandten Stelle Phil. 1, 28: wenn die Gläubigen in die Lage kommen, um ihres Glaubens willen Verfolgungen der Ungläubigen aus- uhalten, so sieht man, daß Gott als ein gerechter ichter den Gegensatz des Glaubens und des Unglau- bens nicht unentschieden lassen will; denn er läßt u, daß die Ungläubigen Trübsal verhängen über die Gläubigen, und giebt dadurch den Glänbigen Gelegen- heit, ihre Liebe seines Reiches und Wortes im stand- Kasten Ertragen der Triibsale zu beweisen, beides aber rin t eine Entscheidung herbei, welche dem Glauben wie em Unglauben seinen Lohn giebt. (v. Hosmann.) Die Verfolgungen von Gottes Kindern durch die Gott- losen zeigen uns wie klar vor unsere Augen gemalt, daß Gott einst als Richter der Welt erscheinen wird —- ein Satz, der gerade das Gegentheil ist von der leichtfertigeiy ungläubigen Meinung, die in uns ent- steht, sobald es en Guten übel und den Bösen gut geht. Nicht nur die Heiden wurden dadurch oft ver- sucht zu glauben, es ebe keinen Gott, sondern auch Assaph (Ps. 73, 2) gesteht, sein Fuß ssei beinahe ge- strauchelt, als ihm in der Welt alles in solcher Ver- wirrung erschienen sei; Paulus dagegen sieht gerade darin ein Vorzeichen des zukünftigen Gerichts, denn das nimmt er als zugestanden an, Gott müsse als gerechter Richter den Kindern Gottes, die jetzt gequält werden, einmal Ruhe, ihren Drängern aber den Lohn bezahlen, den sie verdient haben. Eben darum ist jede gegenwärtige Störung der Weltordnung Gottes ein Vorzeichen des noch nicht erschienenen Gerichts, in welchem alle Verwirrung und Zerstörung zu vollko1n- mener Ordnung hergestellt werden wird. (Calvin.) Das furchtbarste Kennzeichen der hereinbrechenden gött- lichen Strafgerichte über die Gottlosen ist, wenn Gott sie so verstockt, daß sie seine Kinder verfolgen. (von Gerlach.) Wie die von Gott gesendete leibliche Trüb- sal ein Beweis ist, daß der hsimmlische Vater unsre Seele zu sich ziehen will, eine heilsame Gnade von ihm, so ist auch die Trübsal, welche uns Nienschen anlegen um der Gottseligkeit willen, das gewisse Zei- chen und Siegel für uns, daß wir auf dem schmalen Wege sind, der zu herrlichem Ziele führt, daß wir dem Gott dienen, der die Feinde mit Geduld trägt, ehe er sie richtet, und sie noch dazu zum Besten seiner Kinder gebraucht, indem er bei dem in den Leiden der Christen hervortretenden Thatbeweis seines gerechten Gerichts darauf abzielt, daß sie gewürdigt werden des Reiches Gottes, nach dem sie nicht blos gläubig ver- langen, sondern für welches sie sich auch Leiden an- thun lassen. (Sommer.) Zum Reiche Gottes wird man würdig unter dem Leiden, nicht als ob man dasselbe durch Leiden verdienen könnte; denn da ist freilich unsre Trübsal nicht werth der Herrlichkeih die an uns soll offenbaret werden (Röm. 8, 18), Gottes Erbarmen in Christo macht uns allein tüchtR zu die- em Erbtheil (Col. 1, ). Aber Gottes ath und rdnung ist es, der Menschen inneren Gehalt und Werth daran zu prüfen, wie sie im Feuer der Trüb- sal bestehen und ob eine überwiegende Lust zum Un- sichtbaren und Ewigen oder ein 11nauslöschlicher Hang zur Eitelkeit in ihnen ist; auch erfordert es das Recht Gottes so, daß die Erben seines Reichs die Anklage ihres Feindes, der sie gern als Liebhaber ihres eigenen Lebens belangen möchte (Hiob 1, 9 ff.; 2, 4 f.), damit zurücktreiben und sich ein Zeugniß (Osfenb.12, 11) erwerben müssen, daß sie ihr Leben nicht lieb haben bis in den Tod. (Rieger.) sit) Der Apostel ist von dem Ruhme, zu welchem den Thessalonichern in seinem Munde und bei den Gemeinden Gottes ihr Verhalten in der Drangsal edeiht (V. 4), zu dem Lohne übergegangen, welchen sie von Gott dafür zu erwarten haben (V. 5); und er verbürgt ihnen jetzt (V. 6 ff.) diesen Lohn, indem er auf die Unmöglichkeit hinweist, daß er ihnen entgehen könne, und auf die Thatfache der Zu- kunft, welche ihn bringen wird. Es ist unmöglich, so sagt er, daß der gerechte Gott nicht Recht schassen sollte zwischen den Drängern und den Bedrängten, daß er nicht einen Umschlag eintreten lassen sollte, durch welchen jene zu Bedrän ten werden und diese zur Ruhe kommen« das aber, fzo fährt er weiter fort, wird Gott thun ei der Offenbarung des jetzt vor der Welt noch verborgenen Jesus, der im Himmel ist, wenn er vom Himmel kommt, und ein Engelheer mit ihm, und nun mit flammendem Feuer Rache vollzieht 606 2. Theffalonicher l, 11. 12. 2, 1—4. an den Ungläubigen. Mit dieser Offenbarung Jesu zum Gericht den Umschlag eintreten, also den Drän- glern der Thessalonicher Drangfal und ihnen selbst s usspannung zu Theil werden zu lassen, wird Gott für recht erkennen. (v. HosmannJ Derer, welchen Jesus bei seiner Offenbarung Rache angedeihen läßt, sind Zweierlei genannt: »die, so Gott nicht erkennen, und die, so nicht gehorsam sind dem Evangelio unsers HErrn Jesu Ehristi«; die Annahme vieler Ausleger aber, daß unter jenen die Heiden (1. Thess 4, 5) und unter diesen die Juden (Röm. 10, 16 u. 21) zu ver- stehen seien, ist schon deshalb unan emessen, weil ja auch viele Heiden das angebotene vangelium nicht annahmen und wiederum die ungläubigen Juden Gott nicht erkannten (Joh. 8, 54 ff.; 15, 21 ff.). Die bei- den Ausdrücke bezeichnen also nicht Völkerklassem sondern sittliche Zustände: diejenigen unter Juden und Heiden, welche Gott überhaupt nicht oder doch nicht in Wahrheit erkannten und dem Evangelio, das ihnen gepredigt ward und dessen Gottes-kraft ihr Herz berührte, nicht gehorsam waren, diese finden am Tage des HErrn ihren Lohn. (Olshausen.) Jedenfalls sehen wir hier, daß die, die da Trübsal anlegen den Gläu- bigen (V. 6), nicht als blos menschliche Dränger der Menschen, sondern als Feinde Gottes dem Gericht an- heimfallen. (Riggenbach.) Wenn diejenigen gerichtet werden, die dem Evangelio nicht gehorchen, wie viel mehr dann diejenigen, die noch Andere am Gehorsam hindern! (Theophylaet.) f) Daß Jesus es ist, der die Rache übt, vermöge deren über die Dränger der Gliiubigen Drangsal kommt und die Bedrängten zur Ruhe gelangen, dieser Satz läßt sich auch so wenden, daß denen, welche Gott nicht erkennen und dem Evangelio nicht gehorsam sind, dieselbe Zukunft Jesu, welche zum Zwecke seiner Selbst- verherrlichung an den Seinen erfolgt, zu ewigem Ver- derben gedeihe; und so wendet es der Apostel, das innere Verhältniß beider Sätze zu einander durch das verknüpfende »welche«, womit V.9 beginnt, andeutend, indem er das Objekt des vorigen Satzes (V. 8: »Über die, so 2c.«) nun zum Subjekt des vorliegenden macht, um zu Betonen, daß die Beschaffenheit des Verhaltens es ist, welche denen, die der HErr Jesus strafen wird, seine Zukunft zu solchem Widerfpiele dessen gedeihen läßt, worauf es bei den Seinen mit ihr abgesehen ist. (v. Hofmann.) Als die Strafe, welche die bei der Wiederkunft Christi Verworfenen zu dulden haben, wird das ewige Verderben genannt; es ist dies eine von den Stellen der heil. Schrift, in denen die Ewigkeit der Verdammniß offen ausgesprochen wird. (Olshausen.) Zwar auch zwischen den Verdammten wird der HErr Jesus noch einen Unterschied machen, je nachdem ihre Ungerechtigkeit wird unterschieden sein; und je größer das Maß ihrer Sünde ist, desto mehr Strafe wird ihnen zugemesfen werden. Aber darin werden sie alle gleich sein, daß sie von dem An- gesichte des HErrn werden Pein leiden oder daß der Anblick des HErrn, welcher einst das Herz des Petrus in Thränen auflöste, in ihr Herz einen feuri- gen Brand werfen wird, ähnlich den folternden Qualen der Missethätey wenn ihnen das Gewis en aufwacht, aber schrecklicher noch; auch darin werden sie alle gleich sein, daß sie das ewige Verderben leiden von sei- ner herrlichen Macht oder daß sie durch das Wort seiner Macht in den Abgrund geschleudert werden, dessen Schrecken mit einem feurigen Pfuhle verglichen werden, welcher mit Schwesel brennt; und« endlich werden sie auch darin gleich fein, daß eine Errettung aus der Verdammniß unmöglich ist, denn das Ver- derben ist ein ewiges, nnd so wenig das ewige Leben der Seligen ein Ende nehmen kann, so wenig auch die ewige Pein, von welcher der HErr Jesus mit klaren Worten sagt (Mark. 9, 44): »du ihr Wurm nicht stirbt und ihr Feuer nicht verlöscht« Das Weltgericht heißt eben darum ein ewiges, um es zu unterscheiden von den zeitlichen Gerichten Gottes auf Erden, welche mehr ur Züchtigung und Erziehung der Sünder, als zur ergeltung der Sünden gedient haben; das ewige Ge- richt aber soll nicht schrecken, warnen und zur Buße leiten, sondern mit gerechtem Maße vergelten und die Unbußfertigen strafen. Es sind daher ganz ungehörige Fragen, ob nicht Gott die Verdammten wieder an- nehmen würde, wenn sie zur Erkenntnis; der Sünden und zur Buße kämen; denn eben darum sind sie ver- dammt, weil die letzte Hoffnung auf Buße verloren ist, weil sie so erstorben sind in ihren Sünden und in ihres Herzens Härtigkeih daß sie wohl unter der Pein heulen und wegen der Pein ihre Sünden bejammern, aber mit alle dem nur zu einer Traurigkeit der Welt kommen können, die den Tod wirket, nicht zu der gött- lichen Traurigkeit, die zur Buße führt. Ein» Buße ist nach dem Gerichte unmöglichz denn wo noch ein gesunder Keim von geistlichem Leben gewesen ist, hat ihn Gott nicht dem andern Tode zur Vernichtung übergeben. (Münkel.) 11. Und derhalben [eben darum, weil ein Anfang des Glaubens bei euch schon vorhanden Ist und es nun noch dessen bedarf, daß er zur Vollendung komme und ihr das Ende desselben davon bringet 1. Petri 1, J] betet: wjk auch sneben dem, daß wir allezeit für euch zu danken uns für verpflichtet erkennen V. 3] qllezejt fük euch, daß unser Gott euch würdig mache des Be- rufs szu jenem feinem Reich der Herrlichkeit zu gelangen V. b] Und erfülle lfür diesen Zweck] alles Wohlgefallen der Güte [bringe zur Völligkeit in euch jegliche Geneigtheit zum Guten, die ihr bereits besitzetJ und das Werk des Glaubens sdessen wir schon in l. Thess 1, 3 rühmend gedachten] in der Kraft fwomit er, was er in uns angefan- gen, auch auswirken und zu seinem Ziele führen muß Phil. 1, 6]; l 12. Auf daß an euch gepreiset werde der Name unsers HErrn Jesu Christi sam Tage seiner Zukunft, wo er wunderbar erscheint mit allen Gläubigen], und ihr an ihm sindem ihr alsdann die Ruhe mit uns erlanget, welche er den Seini- gen vergilt V. 7], nach der Gnade unsers Gottes und des HErrn Jesu Christi lgeschehe mit euch solche doppelseitige Verherrlichungs Jesu Christi Name wird an uns gepreiset oder verherrlicht, wenn er als unser Heiland und Erretter, der uns gerechtfertigt und geheiligt hat, vor aller Welt erscheint; und wir werden an ihm verherrlicht, wenn alle Eigenschaften seiner geheiligten und erhöheten Menschennatur auf uns übergegangen sind. (v. Ger- lach.) Nach der Gnade Gottes ist es uns zugedacht und ungetragen, wovon Paulus soeben geredet hat, und nach der Gnade unsers HErrn Jesu Christi bleibt das auf die Verwirklichung desselben abzielende Werk bei seiner spät und frühe an uns verwandten Mühe nicht liegen, sondern gedeiht zu seiner herr- f lichen Vollendung. (Rieger.) Der zw eite Theil der Epistel: die der Wiederkunft Christi vorausgehende Erscheinung des Antichrist 607 Das 2. Kapitel. Meisfagung vom dniichcist vor der letzten Zukunft des HEtriL C— Der zweite, eine Bekehrung und Vermah- nung in Zsetress des, der Zsiederliunft Christi vor— ausgehenden Cffenbarwerdens des Menschen der Hunde oder des Ytntictjrist enthacteude Theil? schreitet von dem, was der Apostel mit feinen Gehilfen für die Thessaloiiicher ersteht Gan. 1,11f.), zu dem fort, was er von ihnen erbitten muss, weil sie’s trotz ihres sonstigen Wohlverhattenz für welches er vorhin hat Gott danken binnen, daran haben fehlen lassen. lind das ist das treue, durch nitlfts sich irre itiachen lassende Festhalten an den Sahungem die sie von ihm miindlich und schriftlich gelehrt worden sind (tl. 15); wo etwas diesen Satzungen Zuwider- laufendes ihnen eingeredet wird, da sollen sie das sofort für Betrug erkennen, wiirde es auch aus die bestechliclssle Weise an sie gebracht. Gegenwärtig haben sie sich durch eine Verkündigung bethören lassen, der Tag des thGrrm aus den sie hoffen, sei bereits tin Eintreten begriffen, und da sind sie nun in großeJtufregung versetzt worden; aber er, der Apostel, hat ihnen ja gleich anfangs gesagt, daß der Tag Christi nicht kommen werde, es sei denn zuvor der Widermärtige gekommen und habe sich in seiner gan- zen lberführungsmactft offenbart, und ebenso ist ihnen be- liannt gegeben worden, was zur Zeit die Erscheinung des Jlnticlsrist noch aufhält, und das ist ja für jetzt noch von Bestand. Wenn also auch das Geheimnis: der Bosheit sich allbereits regt, so wird es doch erst später geschehen, daß der Boshaftige offenbare! werde. Indem Paulus näher darauf eingeht, welche liigenhaftigen Kräfte zur Zeit dieser Offenbarung werden ioirlisam sein, uin diejenigen, welche die Liebe zur Wahrheit nicht haben angenommen, zu ihrer Strafe ganz in die ioerführungsinacht des Satan dahin- zugeben, fühlt er auch hier zum Dante gegen Gott der Thessalonicher wegen sith verpflichtet, daß er sie zur Selig— tieit erwählet hat, ermahnt sie zum Festhalten an seiner Lehre und bittet den tjoirrn uiii ihre Stärkung und Be— wahrung. 1. Aber [um jetzt zu derjenigen Angelegen- heit überzugehen, welche uns hauptsächlich veran- laßt hat, auch diese zweite Epistel an euch zu richtens der Zukunft halben unsers HErrn Jesu Christi [die eure Gedanken so sehr beschäftigt 1. Thefs b, 1 ff.] und unserer Versammlung zu ihm svon der wir in der vorigen Epistel gehandelt haben 1. Th. 4, 13 ff.], bitten wir euch, lieben Bruder, 2. Daß ihr euch nicht bald [sowie von irgend einer Seite her euch jemand etwas einredet] br- ivegen lasset von eurem Sinn saus der ruhigen Gemüthsverfassung welche bei Besonnenheit und Ueberlegung ihr euch würdet bewahren können, bringen lasset] noch erschrerleu [in eine Gemüths- erschütterung versetzen, bei der ihr allen Halt ver- liert. Das sollt ihr durchaus nicht geschehen lassen], weder durch Geist, noch durch Wort sweder durch einen in prophetischer Begeisterung, noch in nüch- ternem Lehrvortrag von jemand gethanen Aus- spruch Apostg. 13, 1 u. 1. Cor. 12, 11 Anni.], noch durch Wiese, als von uiis gesandt snoch durch eine brieflich gefchehene, auf uns als Schreiber des Vriefs zuriickgeführte Auslassung, dahin gehend], daß der Tag Christi vorhanden [unmittelbar vor der Thür stehend oder bereits im Anbruch be- griffen] sei.i 3. Lasset euch niemaiid verführen in keinerlei [Psalm 140, 11 Anm.] Weise sgleichwie nicht von denen, die da sagen: »der HErr kommt noch lange nicht« Matth. 24, 48; 1. Theff 5, Z; 2. Petri Z, 4., so auch nicht von denen, die das eben Gesagte behaupten, was ebenfalls eine falsche und gefährliche Rede ists. Denn et kommt nicht sdieser Tags, es sei denn, daß zuvor der Abfall svom Glauben oder von der christlichen Religion Dan. 8, 23; n, so; 1. Tim. 4, 1] komme sin jener Entschiedenheit und Allgemeinheit, welche das Maß der göttlichen Langmuth 2·Petri 2, 9 so völlig erschöpft, das; sein Gericht nun nicht länger ausbleiben kann], und offenbaret werde svgl V. 6 u. s] der Mensch der Sünde [in wel- chem das Sündenwesen sich gleichsam verleiblicht und den höchsten Gipfel feiner Ausbildung erreicht] und das Kind des Verderbens sals wetcher dem Verderben unausbleiblich anheimfällt Joh. l7, 12; Offenb. 17, 11]: 4. Der da ist ein Widerwiirtiger sChristi oder der Antichrish d. i. Widerchrist 1. Joh 2, 18; Dan. 8, 251 und fich sin frivoler Selbstüberhebung und über das, was Antiochus Epiphanes einst gethan, weit hinausgehend Dan. U, 36 ff.] über- hebt über alles, das Gott oder Gottesdienst heißet süber jegliche Religion in der Christenheit nach ihren verschiedenen Confefsionen und Sekten, in die sie zerfällt], also, daß er sich sin eigener Per- son und nicht etwa blos in eiiier von ihm ge- machten Bildsäule Daii. Z, 1 ff.] setzet in den Tempel Gottes [Offenb. 11, 1] als ein Gott fnach den bedeutendsten Handschriften des Grundtextes ist dies »als ein Gott« blos ein erklärender Zu- ifatz, der aber auf richtigem Verständniß beruht], nnd giebet sich vor, er sei Gott« [indem er, daß er das sei, auch durch allerlei lügenhaftige Kräfte mit Zeichen und Wundern zu beweisen sucht V. 9]. it) Es liegt im Wesen der christlichen Hoffnung selbst, in der Zukünftigkeit ihres Inhalts wie in den Grenzen, welche sie den Fragen des Wissens steckt, daß sie wie kein anderes christliches Lehrstück der Gefahr der Verderbung durch die eigenmächtigen Gedanken- gebilde, zu welchen sie den Nienschen versucht, aus-- gesetzt ist: wenn durchweg, so doppelt hier sollen wir uns aufgefordert fühlen, unser Denken in völligen, ehrfurchtsvollen Gehorsam gegen das Wort heiliger Schrift zu begeben und uns zu bescheiden, nicht niehr wissen zu wollen, als was uns geoffenbart und zu wissen heilsam ist, aber auch nicht in falsche: Beschei- dung die Erkenntnisse aus der Schrift nicht zu er- heben, welche für uns in derselben niedergelegt sind und welche ungehoben liegen zu lassen ebenso den ehr- furchtsvollen Gehorsam verletzt, den wir ihr schulden, 608 Z. Thessalonicher 2, 5. als den Segen der, sei es ermunternden, sei es war- nenden Zusprache verkümmert, den uns das Wort von der Ho nung bringen will. Eine Verkehrung der ge- sunden hre von schwärmerischer Art in der Gemeinde Theskalonichs war es denn, wodurch der Apostel ver- anla t wurde, hier einen Unterricht über den Anti- christ zu geben. (Luthardt.) Jn eine der ruhigen Besinnung sie beraubende Erregung hatte sich die Ge- meinde dadurch bringen lassen, daß man ihr vor- gespiegelt, der Tag des HErrn sei fchon vorhanden und stehe nicht erst in einer noch unbestimmten Zu- kunft zu erwarten; das aber konnte insofern von ihr geglaubt werden, als ja der Tag des HErrn mit einer Verfolgung seiner Gemeinde anheben sollte, um mit seiner Offenbarung zu ihrer Errettung zu schließen. Der Jrrthum bestand dann wesentlich darin, daß die Verfolgung, welche die Gemeinde eben zu erleiden hatte, für diejenige angesehen wurde, welche des HErrn Wiederkunft sofort herbeiführe. Erschrecken konnte dies die Thessalonicher freilich nicht, aber der Apostel redet auch von keinem Schrecken in dem Sinne, wie wir das Wort für gewöhnlich brauchen; denn während in dem einen Ausdruck, den Luther nach der Lesart, die er vor sich hatte, mit den Worten übersetztz ,,euch nicht bewegen lasset von eurem Sinn«, nur eine Ge- müthsbewegung angezeigt ist, welche um die klare und ruhige Besinnung bringt, ist auch der andere, mit ,,er- schrecken lassen« wiedergegebene griechische Ausdruck weiteren Begriffs und bezeichnet die Geniüthserschük terung eines haltlos Gewordenen, wie jener den Ge- müthsaufruhr des außer Fassung Gerathenen. Wenn der Apostel drei Stücke bezeichnet, durch die etwa eine solche grundlose Aufregung hervorgerufen werden möchte, so ist wenigstens das letztere nicht von der Art, um ihm von selbst zu Sinne zu kommen; und daraus darf man schließen, daß er auch in Betreff der beiden andern Nachricht erhalten haben muß, daß sie wirklich bei der Gemeinde vorgekommen. Von Weis- sagungen und Vorträgen des nachher näher bezeich- neten Inhalts redet er und von einem eben dahin lautenden Briefe, welcher vermeintlich oder angeblich von ihm und seinen Gehilfen herrühre: im Unterschiede von der Weissagung, welche Rede des außer sich, des im Geiste Seienden ist und deshalb hier ohne Weiteres selber ,,Geist« genannt wird, bezeichnet W o r t die eigene Aeußerung des Selbstgedachten (eine Lehre 1. Cor. 14, 26., die aber hier nur eine ,,vernünftige Rede« in dem Sinne ist, in welchem das Wort in Col. Z, 4 gebraucht wird); der Brief aber, um den es sich handelt, muß nicht nur dafür gegolten haben, vom Apostel herzurührem sondern auch dafür, von ihm selbst an die Gemeinde gerichtet oder für sie be- stimmt zu sein. Ob derselbe unter seinem Namen ver- faßt oder namenlos, jedoch so, daß er für einen Brief des Apostels ausgegeben oder auch nur fälschlich da- für gehalten wurde, in Umlauf gekommen war, läßt sich aus den Worten: ,,oder durch Briefe, als von uns gesandt« nicht unmittelbar entnehmen, sondern nur, daß er an die Gemeinde gerichtet war; wenn Paulus nur davor warnt, sich durch irgend eins der drei ge- nannten Berückungsmittel in unbegründete Aufregung bringen und in Betreff des Tages Christi beirren zu lassen, ohne daß er den Brief selbst und an sich als einen Betrug bezeichnet und ohne daß er eine Ent- rüstung über solch böses Spiel, das man mit seinem Namen trieb, ausspricht, so wird nicht schlimmer da- von zu denken sein, als wenn die Gemeinde durch ,,Geist« und ,,Wort« betrogen wurde. (v. Hofmann IN) Jn I. Thess 5, 3 hatte der Apostel den Be- trug der sorglosen Schläfrigkeit gezeichnet; jetzt weist er, wenn er schreibt: ,,lasset euch niemand verführen in keinerlei Weise«, auf den entgegengesetzten hin, wo das gewissenhafte Wachen sich in ungesunde Aufregung verkehrt, die dann leicht durch nachfolgende Täuschung leichfalls den Glauben mit Schissbruch bedroht: wie iele, die sich durch phantastische Erregung zum Ver- kauf ihrer Habe und Verlassen der Heimath reizen ließen, versanken nachher in stampfen Weltsinnl Vor dieser, wie vor aller Bethörung, sollen die Thessalonicher sich hüten. (Riggenbach.) Der Apostel stellt die Gewißheit an die Spitze, daß der Offenbarung Christi ein Zwiefaches, der Abfall und der Antichrist vorhergehen müsse. Es ist ein bewundernswiirdiger Blick in den zukünftigen Gang der Dinge, welchen Paulus hier thut; vor Kur- zem erst hat er den Boden Europa? betreten und kleine Gemeinden zu sammeln begonnen, und fchon steht ihm der gesammte Verlauf der künftigen Geschichte klar vor Augen —— die allgemeine Verbreitung und die darauf folgende Verleugnung des Christenthumsz von einem Abfall redet er, nicht blos von einer Gleichgiltigkeit, also von einer bewußten und ausdrück- lichen Verleugnung des christlichen Glaubens, mit welcher man auch die christliche Gemeinschaft verläßt. Dies kann nicht geschehen, ohne daß innerhalb der Christenheit selbst falsche Lehre aufkommt und ein sol- ches Ansehen erlangt, daß sie die Massen nach sich zieht. Das also ist die Zukunft, die auch uns noch bevorsteht und deren Anfänge uns bereits rings um- geben! Man würde einer eitlen Hoffnung sich hin- geben, wollte man nieinen, daß das Christenthum immer mehr zur Macht des Denkens und Lebens der Menschen werden und schließlich sich der Zusammen- schluß dieser zwei Gebiete, des christlichen und des natürlichen Lebens, vollziehen werde: es mag das Christenthum noch so sehr zur Weltreligion werden und auch die entferntesten Barbaren in die Grenzen der Kirche sammeln, die Zukunft, der wir entgegen- gehen, ist dennoch die völlige innere Entfremdung der Massen vom chriftlichen Glauben und schließlich ihr offener Abfall; nicht Einheit, sondern Entzweiung des religiösen und des natürlichen Bewußtseins, nicht die Ehe, sondern die Scheidung der Kirche und der »bür- gerlichen Gesellschaft ist der Ausgang der Geschichte Das widerchristliche Bewußtsein fordert nun aber sei- nen Träger, in dem es sich zusammenfaßt und persön- lich darstellt; in diesem Sinne verbindet der Apostel mit dem Abfall den Menschen der Sünde, daß wir ihn als die Spitze jenes Abfalls verstehen sollen. Von einer einzelnen Person spricht er; denn alle Namen, die er wählt, machen es unfraglich, daß er damit nicht blos eine Geistesrichtung oder etwas Aehn- liches bezeichnen wolle. Den Llltenschen der Sünde, das Kind des Verderbens, den Widerwärti en und der sich überhebt über alles, was Gott und ottesdienst heißt, der sich in den Tempel Gottes setzt und sich selbst göttlich verehren läßt, den Boshaftigem der zu seiner Zeit offenbar werden soll (V. 8), so nennt er ihn: es ist unmöglich, unmißverständlicher zu sagen, daß man eine bestimmte Person und nicht blos eine sachliche Größe meine; Von einem Menschen der Zukunft redet er. Dieser Mensch der Zukunft nun bildet das Widerspiel Christi; so bezeichnet denn Paulus sein Erscheinen mit denselben Worten, welche die Schrift von der Wiederkunft Christi gebraucht: eine Offen- barung oder Enthiillung die jetzt nur noch von einer aufhaltenden Macht verzögert werde, eine Zukunft oder Parusie, wie Christi Wiederkunft eine Parusie ist, nennt er fein Auftreten; das sieht allerdings so aus, als wäre dieser Feind Christi bereits vorhanden, nur eben nicht auf der Erde, sondern in der Tiefe, wie Der Antichrift als Mensch der Sünde und Kind des Verderbens 609 Christus im Himmel ist, und müßte nur eben er- scheinen. Was die Bezeichnungen betrifft, die Paulus von diesem Menschen wählt, so lassen sie uns sein Wesen vollständig erkennen. Er heißt »der Mensch der Sünde«, also der, in welchem die Sünde zu ihrer vollen Erscheinun kommt; wie Jesus der Mensch des Gehorsams war, so wird dieser der Mensch der Sünde, mit derselben ganz Eins sein. Die Sünde existirt nicht blos in den einzelnen sündigen Jndividuen; sie ist eine objektive Macht, eine Macht der Geschichte der « Menschheit. Damit hat sie selbst auch eine Geschichte und schafft sich Träger ihrer selbst; der Fortschritt der Geschichte wird dann auch ein Fortschritt der Sünde sein, und jeder folgende Träger der Sünde wird »in der Kunst und Energie des Sündigens einen Schritt über den früheren hinaus thun, bis in einem letzten diese Geschichte der Steigerung ihre Spitze erreicht. Die Sünde wird einst ihren Menschen sinden,·in wel- chem sie, nachdem sie lange gleichsam nach ihm ge- sucht, dann ihr ganzes Wesen zur Verwirklichung und Offenbarung bringen kann. Damit ist dieser dann aber auch das vollentsprechende Organ Satans, und theilt nun sein Geschick; deshalb nennt ihn sofort der Apostel das ,,Kind des Verderbens.« So hatte der HErr Jesus den Judas genannt, der sich auch zum Organ Satans begeben hatte: in noch höherem Maße wird beides von jenem Menschen der Zukunft gelten; das rechte Kind des Verderbens wird er sein, d. h. dem ewigen Verderben ist er verfallen, eben weil er der Mensch der Sünde ist· Wie diese beiden Bezeich- nungen zusammengehören, so auch die nächsten beiden: »der Widerwärtige und der sich überhebt über alles, das Gott oder Gottesdienst heißt-« Den Widersacher schlechthin nennt ihn der Apostel, nämlich Christi; denn in seinem Gegensatze zu Christo, wodurch der siegreiche Widerstreit Christi wider jenen hervorgerufen wird, wird er dargestellt. Durch die ganze Geschichte geht die satanische Bestreitung des Heilswerkes Gottes hin- durch; aus dem Widerstreit dieser beiden Mächte bildet sich die Geschichte. Dem Fortschritt der Heilsoffem barung entspricht auch der Fortschritt der satanischen egenwirkung: als die Heilsoffenbaruiig sich concen- trirte in Jesu Christo, da wurde die Geschichte zum Kampfe Satans mit Christo. Der Sieg, den Christus erkämpft, soll sich geschichtlich vollziehen in der Ge- meinde; seitdem ist die Seele der Geschichte der Kampf Satans wider die Gemeinde Jesu. Dieser Widerstreit soll gipfeln in einem bestimmten Feind der Gemeinde, dieser wird dann der Widersacher schlechthin sein: darin liegt schon, wessen sich die Gemeinde zu ihm zu versehen hat; alle Macht des Widerstreits Satans wider das Werk Gottes wird ihm zu Gebote stehn. An Christi Stelle, dessen Anerkennung er verwehrt, wird er sich selbst setzen nnd sich verehren lassen; in ihm soll die Welt ihren Gott und Heiland sehen und außer ihm nichts haben, dem sie göttliche Verehrung erweise. Wenn einst Antiochus Epiphanes versuchte, Jehova zu entthronen, und dessen Tempel zu einem Tempel des Zeus machte, die Juden aber nöthgtch diesem Verehrung zu erweisen (vgl. zu Dan. 8, ’7), so. wird der künftige Feind Gottes über jenen noch hinausgehen; er wird nicht blos den Gott des neu- testamentlichen Gottesvolks zu entthronen suchen und dafür einen heidnischen Gott zur Verehrung aufstellen, sondern sich selbst wird er an seine Stelle setzen und für sich göttliche Verehrung fordern. Dieser Zug war dem Apostel nahe gelegt durch seine Zeit: neben den bisherigen Göttern ließen die römischen Kaiser auch sich göttlich verehren, darin sah Paulus einen Fort- schritt in der Geschichte der Widergöttlichkeiy es war D ä chsel’s Bibelwerk V1l. Band. ja auch diese Verehrung der römischen Kaiser nicht etwas Zufälliges, sondern im Wesen und in der Ge- schichte der Weltmacht selbst begründet. Derselbe un- göttliche Sinn, welcher in seinem Denken das natür- liche Weltleben in sich abschließt und als ein harmonisch in sich zusammenstimmendes und sich selbst genügen- des Ganze ansieht, ist es auch, das von Anfang an den Weltbestand äußerlich zusammenzufassen und in sich ab uschließen strebte; es ist derselbe Geist, welcher jene Philosophie und welcher diese Politik erzeugt. Durch die ganze Geschichte geht diese Tendenz der politischen Zusammenfassung des äußeren Weltbestan- des indurch; das ist das treben der Weltmacht und der rund der Bildung der Weltreiche, wie sie in immer neuen Verfuchen und Gestalten auf einander folgen und abschließen werden mit einem letzten, in welchem es dem Weltgeist gelingen wird, den gesamm- ten Weltbestand in die Grenzen des Einen Reiches aufzunehmen. Mit diesem Streben ist mit innerer Nothwendigkeit das andere gegeben, sich als das Ge- niigende zu etzen; vor diesem kühnsten Werke mensch- licher Kraft ollen die Menschen sich beugen und darin ihr Alles sehen. Jedes Weltreich hat die Tendenz der Apotheose: in diesem Sinne richtete Nebucadnezar jenes Bild zur allgemeinen Anbetung auf, welches ein Sym- bol der Einheit seines Reichs sein sollte; in diesem Sinne war es, daß Alexander sich für des Zeus Sohn erklären ließ und Napoleon I. es beklagte, daß etwas Aehnliches jetzt nicht mehr möglich sei. Aus demsel- ben Streben ging es hervor, daß die römischen Cäsare göttliche Verehrung forderten, nicht sowohl ihrer Person an sich, als sofern dieselbe Symbol der Reichseinheit war; es war eine nothwendige Consequenz des Welt- reichs. Und so wird es denn auch ein nothwendiges Stück des Cultus sein, welchen der letzte Träger der Weltmacht für diese und sein Weltreich fordert, daß er sich selbst zum Gott der Erde machen wird. Er wird sich in den Tempel Gottes setzen und sich als Gott darstellen, öffentliche Verehrung fordernd: nicht genug, daß er sein Bild aufrichtet, seine Person wird er ösfentlich darstellen als Gegenstand göttlicher Verehrung, und zwar im Tempel Gottes; denn wie Antiochus den Tempel Jehovcks zum Götzentempel machte, so wird ihn dieser andere Antiochus zur Stätte seiner eigenen Anbetung machen. Die That- sache selbst hat nichts so Unglaubliches, wenn wir uns z· B. erinnern, wie man in der französischen Revolu- tion die Göttinnen der Vernunft an den heiligen Stätten in wahnsinnigem Taumel der Gottlosigkeit verehrte oder wie der erste Napoleon sich blasphemisch verherrlichen ließ. Nach solchen Vorgängen muß man auch Aergeres, ja das Aergste nicht für unglaublich halten. (Luthardt.) Daß der Mensch der Sünde in den Tempel Gottes als Gott sich setzen wird, kann auf den damals noch stehenden Tempel zu Jerusalem, andrer Gründe zu geschweigeiy schon deshalb nicht bezogen werden, weil es eine Gemeinde aus Heiden war, an welche der Apostel schreibt, die also mit dem jüdischen Tempel in keiner Verbindung stand; vielmehr ist dieser Tempel der geistliche Tempel des HErrn, seine Gemeinde (1. Cor· Z, 16; 2. Cor. 6, 16; Ephes Z, 21). Mitten aus der Christenheit also (vgl·Offenb. 12, 17) wird ein Mensch dereinst hervorgehen, der alle bis dahin wirksam gewesenen Kräfte der Bosheit in sich vereinigen und sich selbst erheben wird über alles, was Gott und Gottesdienst heißt, und innerhalb der Christen- heit an Gottes Stattsich verehren lassen wird. (v. Gerlach.) 5. Gedenket ihr nicht daran, daß ich ench solches swie ich es hier V. 3 f. nochmals aus- 39 610 2. Thessalonicher L, 6—12. gesprochen habe] sagte, da ich noch bei euch wars« [vgl. 1. Thess. 3, 4]? 6. [Jhr hättet also gar wohl vor aller Auf- regung durch salsche Beunruhigungen V. 2 f. euch bewahren können.] Und was es [das da geschehen wird, zu dieser gegenwärtigen Zeit] noch aufhält, wisset ihr faus eben dieser meiner mündlichen Belehrung; nämlich das noch aufhält], daß er [der Mensch der Sünde] osfenbaret werde sei: wird indessen nicht für immer in der jetzigen Ver- borgenheit bleiben, sondern gewißlich einmal in die Erscheinung treten, und zwar] zu seiner Zeit [die in Gottes Rath für ihn bestimmt ist Luk. 22, 53]. 7. lEine Vorbotin seiner Erscheinung ist denn auch jetzt schon vorhanden.] Denn es reget sich schon bereits die Bosheit [deren höchste Spitze der Abfall V. 3 ist, in dem Antichristenthnm der Gegenwart] heimlich II— J0h. 4, 3], ohne daß [sie jedoch schon jetzt zu ihrer ganzen Entfaltung im persönlichen Antichrist sortschreiten könnte, weil zuvor derjenige], der es ldas volle Offenbarwer- den des Abfalls und des Menschen der Sünde] jetzt aufhält, muß hinweg faus dem Mittel oder Wege] gethan werden«· [Dan. 11, 2 Anm]. 8. Und alsdann fwenn solche Hinwegsehaffung geschehen und also nicht mehr da ist, was ihn für jetzt noch aushält] wird der Boshaftige [oder Ruchlose, jener Mensch der Sünde V. 3] offen- baret werden, welchen der HErr sJesus gemäß dem in Jes. 11, 4 von ihm Geweissagten] umbringen wird mit dem Geist [besser: Hauch oder Odem Pf. 33, 6] seines Mundes [ohne daß es eines stärkeren Mittels zur Vernichtung dieses Verder- bens-Kindes V. 3 von seiner Seite bedürfte] Und wird sein ein Ende machen durch die [bloße, fiir sich allein schon ausreichende] Erscheinung seiner Zukunft [Osfenb. 19, 11 sf., wozu die Bem. zu Offenb. 14, 16 und Jes. 63, 6 zu vergleichen ist], 9. [Sein ein Ende machen, sage ich, d. i. ein Ende] Deß, welches [der seinigen vorangehende V. s] Zukunft geschiehet nach der Wirkung des Satan [hier s. v. a. durch des Satan Wirkung Tit. 3, b; l. Petri 1, Z; Col. l, 29; Apostg. Z, 17] mit allerlei lügenhastigen Kräften und Zeichen und Wundern svon denen sie begleitet ist Ofsenb. 13, L. 12 ff. im Gegensatz zu den wahr- haftigen Zeichen und Wundern und mancherlei Kräften, womit Gott der evangelischen Heils-predigt im Anfang Zeugniß gegeben hat Hebt. 2, 4; Apostg. 2, 22], 10. Und mit allerlci Verführung zur Ungerech- ligkeit unter denen, die verloren werden [1. Cor. l, 18; Z. CVL Z, I5; 4, 3], dqfåk lzur ge- rechten Vergeltung], daß sie die Liebe zur Wahr- heil nicht haben angenommen swelches Annehmen den gegentheiligen Erfolg gehabt haben würde, näm- lich], daß sie selig wurdens» fwie es mit den Auserwählten der Fall ist]. 11. Darum [eben um eine solche Vergeltung eintreten zu lassen] wird ihnen Gott [in der Zu- kunft des Boshaftigen oder während der ihm zu- gemessenen Zeit seiner Erscheinung] kräftige Irr: thümer senden [die so einnehmend und berückend sind Matth. 24, 24], daß sie [gar nicht anders können, als] glauben der Lüge [da sie ja gegen deren über- wältigende Macht so ohne alle Gegenwehr sind durch eigene Verschuldung]; 12. Auf daß [nun wiederum, wegen solchen ihres Glaubens der Lüge Osfenb. 14, 9 ss.; 19, 20 f.] gerichtet werden alle, die der Wahrheit [die in Christo Jesu ihnen angeboten wurde] nicht glauben [besser: nicht geglaubt haben], sondern haben Lust [oder Gefallen gehabt] an der Un- gerechtigkeit-s [Hes. So, 24 f.; Sprüchw.1,29 ff.; Röm. I, 18 ff.]. V) Freundlich rügend erinnert Paulus an die Lehre, die er den Thessalonichern mündlich mitgeteilt: so sehr ging er während der Zeit der dortigen irksam- keit in’s Einzelne der Eschatologie; aber es war eben dem Apostel dieses Lehrstück wichtiger, als unsern Modernen, vgl. Apostg. 17, 31. (Ri genbach.) Es hat für uns etwas Aussallendes, da Paulus diese jungen Christen so eingehend über scheinbar so fern liegende und unnöthige Themata, wie Entrückung und Antichrist, und obendrein im Anschluß an ein angeblich so bedenkliches Buch, wie das des Propheten Daniel, unterrichtete; hat sich das mit der Pastoralweisheit des Apostels vertragen, so wird es auch für uns nicht wider die rechte Weisheit in der Führung der Seelen sein, von solchen Sachen zu reden und zu lehren. Freilich nicht, als sollten sie nun auf einmal die Hauptsache im Unterricht werden oder gar an die Stelle der heilsamen Lehre von der Rechtfertigung tre- ten: das sei ferne! Aber auch diese soll man nicht ausschließlich treiben, als ob es sonst keine andere gäbe; ist sie auch das Herz im Leibe der christlichen Lehre, so ist sie doch nicht der Leib selbst. Dieser hat viele Glieder, deren jedes seine ihm zukommende Stelle einnimmt und seinen nöthigen Dienst leistet. So sind denn auch diese Lehrstücke vom Antichrist u. dgl. nöthige Theile im Ganzen der christlichen Heils- wahrheit und sollen uns dieselben Dienste leisten, wie den Christen Thessalonichs uns vorzubereiten auf die Gefahren und Bedrängnisse, welche bevorstehen, uns zu warnen vor den Versuchungen der Gegenwart, in denen sie sich vorbereiten, und uns zu stärken durch den Ausblick auf den schließlichen Sieg Christi über seinen Widersacher. Jn der Lehre vom Antichristen- thum als dem Ausgang der Weltmacht läge nun aber für die Christen eine Gefahr, sich zum öffentlichen Leben und zu den Machthabern im staatlichen Gemein- wesen in Gedanken und etwa auch im äußerlichen Verhalten unrichtig zu stellen, wenn nicht daneben die andere Lehre stünde, daß in der staatlichen Ordnung der Wille Gottes sich vollzieht und eine segensreiche Macht waltet: darauf kommt der Apostel im Nächsten zu sprechen, wenn er von der aufhaltenden Macht redet, welche der Offenbarung des Antichrist jetzt noch im Wege steht. (Luthardt.) «) Die Frage: ,,Gedenket ihr nicht daran?« hat den Sinn: ,,habt ihr ganz vergessen, daß ich euch dies Was das Qffenbarwerden des Antichrist zur Zeit noch aufhält. 611 Vortrag, daß ihr solchen betrüglichen Reden, wie der, der Tag des HErrn sei schon vorhanden (V. 2), habt Gehör geben können?« Aber auch das Wissen um das, was das Offenbarwerden des Antichrist (ein Name, der allein in den Briefen des Johannes vorkommt I. Joh. Z, 18. 22; 4, Z; 2. Joh. 7) zur Zeit noch aufhält, setzt Paulus bei seinen Lesern voraus. Er schreibt diesem Offenbarwerden eine bestimmte Zeit zu, da es nach Gottes Ordnung eintreten soll und muß, und auch hierin spricht sich eine Analogie mit der Er- scheinung Christi aus (Joh. 7, 6. 30); damit denn der Antichrist sich erst zu der ihm angewiesenen Zeit, und nicht früher, offenbaren könne, dazu dient nach gött- licher Absicht das Aufhalten. Die ihn producirende Macht ist nämlich fort und fort bereits wirksam; aber der, der ihn aufhält, läßt ihn nicht zur Erscheinung kommen — sowie derselbe entfernt sein wird, wird auch der Antichrist sich offenbaren. Es liegt auf der Hand, daß das seine O enbarung jetzt noch Aufhal- tende eine wohlthätige rast sein muß, welche erst durch die zu ihrer Zeit übermächtig werdende Gewalt des Bösen unter Gottes endlicher Zulassung über- wältigt wird; es ist aber darunter der ganze rechtlich geordnete politische Zustand zu verstehen, mit dem auf der einen Seite die stete Zurückdrängung alles Abfalls und aller Gesetzlosigkeih auf der andern Seite die fortgehende ruhige Entwickelung des Christenthums giegeben ist. Von diesem Zustande ist das römische eich als der festeste, geregeltste Staatsorganismus, den die Geschichte kennt, das natürliche Vorbild. (Ols- hausen.) Jn Einem Stücke hat das rö1nische Reich einen göttlichen Beruf und eine bleibende Bedeutung gehabt, nämlich in der Ausbildung des Rechts und des Rechtssinnes: darin ist der römische Geist vor allem groß und das ist das Erbe, welches die folgen- den Zeiten von ihm überkommen haben. Den Schutz des römischeu Rechts hat auch Paulus erfahren, vor der Wuth der Juden schützte ihn die römische Be- hörde; und so feindselig auch je länger je mehr nicht blos das Volk, sondern auch die Obrigkeit des römi- schen Reichs sich zum Christenthum stellte, so haben die Christen doch auch den Segen des Rechtsschutzes er- fahren. Um deßwillen heißt auch der Apostel der Obrigkeit als der von Gott bestellten Hüterin des Rechts unterthan sein (Röm. 13, 1 ff.) und für sie « beten, damit durch sie die Gemeinde Ruhe und Sicher- heit ihres Bestandes genieße (1. Tim. 2, 2); und Petrus unterläßt nicht, die Christen Kleinasiens in Zeiten der Vedrängniß ähnlich zu vermahnen und zu belehren (1. Petri 2, 13 ff.), wie Paulus die römischen. Im» gegenwärtigen Bewußtsein der Christen aber ist kaum etwas Anderes fester als dies, daß die sittliche Rechtsordnung ein göttlicher Damm sei, welcher die Fluthen einer unheimlichen Tiefe jetzt noch zurückhältz in der That hat ja die Geschichte Frankreichs in den Jahren 1789 ff. sattsam ezegh daß die Empörung gegen die bestehende politische rdnung ein Haupthebel der antichristifchen Macht ist, um den Menschen der Sünde in’s Dasein zu setzen, wie auch in Matth 24,7 die Empörungen unter den die letzte Zeit vorbereiten- den Momenten ausdriicklich genannt werden. Dazu stimmt die Bezeichnung des Antichrist in V. 8 als des Gefetzlosen (Luther: »der Voshuftige«), d. h. als eines Menschen, der nicht blos menfchliches Recht, sondern auch die göttliche Ordnung des sittlichen Lebens nicht achtet. Es ist gewiß, gute Mächte walten im natür- lichen Leben der Völker und halten die umheimlichen Mächte der Tiefe, die hervorZubrechen drohen, zurück (vgl. die Bem. zu Dan. 11, ): solange jene bestehen und wirksam sind, hat auch die Gemeinde Jesu und ihr Wort Raum- zu leben und sich zu bewegen auf Erden, wenn ihr auch die Grenzen vielleicht enge ge- steckt sind; sind jene aber beseitigt, so wird fiir die Gemeinde bald kein Raum mehr hienieden sein. (Lut- hardt.) Das hiermit Gesagte erscheint- als eine völlig genügende Erklärung dessen, was wir unter dem »was es noch aufhält« in V. 6 zu verstehen haben; aber wie verhält es sich mit »dem, der es jetzt auf- hält« in V. 7?· wie läßt sich jene Macht in ein ein- ziges masculinisches Subjekt zusammenfassen? Nun, wenn Paulus sich auf seinen mündlichen Unterricht beruft und dieser, was den Antichrist betrifft, unwider- sprechlich auf Daniel faßte, so steht zu erwarten, daß wir am besten in der gleichen Quelle auch über Den, der da aufhält, Aufschluß finden; und so ist es auch in der That. Jn Dan. 10, 4 ff. ist von einem Manne in Leinwand mit einem güldenen Gürtel um seine Lenden die Rede, welcher dem Propheten offenbart, wie er den Fürsten des Königreichs in Persien, der ihm widerstanden, mit Hilfe des Fürsten Michael über- wunden und so den Sieg behalten habe bei den Köni- gen in Persien, und darauf auch von seinem Verhält- niß zu dem Fürsten aus Griechenland handelt; dieser ist denn der Aufhaltende, welcher stärkt, was irgend noch als Aufhaltendes vorhanden ist, worauf er aber freilich das Feld räumen muß, so daß nun der Boshaftige offenbaret wird. (Riggenbach.) Nicht so stellt es der Apostel dar, daß mit der Erscheinung jenes Menschen der Sünde die Zeit, welche dem Aufhalten- den gegeben sei, ein Ende habe, sondern umgekehrtist es mit dem Thun des Letzteren darauf abgesehen, daß ersterer zu der Zeit erscheine, welche dann die seine ist; sein Hinweggethanwerden ist aber seinerseits oder in persönlich er Hinsicht ein Wegziehen (Dan.10, 20), das Aufgeben feines Widerstande-s gegen die im Völker- thum wirksamen schlimmen Gewalten, die nun aller- dings in sachlicher Hinsicht ihn aus dem Wege zu räumen vermögen. sit) Es drängt sich bei V. 8 die Frage auf, warum es von dem alsdann, wenn der Aufhaltende hinweg- gethan sein wird, .Erfcheinenden, welcher ebenso »der Boshaftige« schlechthin im Unterschied von den sonsti- gen Boshaftigen genannt ist, wie oben »der Mensch der Sünde« im Unterschied von den sonstigen sünd- haften Menschen, nun schon zum dritten Mal (vgl. V. 3 u. 6) heißt, er werde geoffenbaret werden. Es reicht nicht aus, daß man anmerkt, der Apostel gebrauche diese Bezeichnung und nachher ebenso auch den Ausdruck: ,,Zukunft« (V. 9) deshalb, weil er den Antichrist in Parallele mit Christus denke, indem sich ja aus der gegensätzlichen Gleichstellung seiner Person mit der Person Christi der Gebrauch einer Beze1ch- nung seines Erscheineus welche nur das Hervor- treten Christi aus seiner Verborgenheit in Gott (Col. Z, Z) zu bezeichnen geeignet wäre» weder begreifen noch rechtfertigen ließe. Ebensowenig läßt sich der Ausdruck daraus erklären, daß das Hervor- treten des Boshaftigen Eins sei mit dem Hervortreten der jetzt noch als Geheimniß verschleierten oder, wie Luther übersetzt (V. 7), sich nur erst heimlich regenden Bosheit, indem hiernach das Erscheinen des Boshafti- gen doch immer nur eine Offenbarung der Bosheit, nicht aber Offenbarung s einer selbst heißen könnte. Endlich auch damit ist nichts geholfen, daß man sagt, der Antichrist sei der Antiochus Epiphanes derWeis- sagung, und deshalb heiße es von ihm, er werde geoffenbaret werden; aber daraus, daß der Boshaf- tige geweissagt oder daß die paulinische Vorausankün- digung desselben eine Wiederaufnahme der Weissagung Daniels von Antiochus Epiphanes ist, begreift man 398 612 2. Thessalonicher 2, 13-—17. noch nicht, warum die Erscheinung eines, diesem Für- sten der Vergangenheit gegenbildlich entsprechenden Menschen der Zukunft eine Offenbarung des Gewes- sagten heißen soll. Viel thunlicher wäre es, die frag- liche Ausdrucksweise daraus uerklären, daß der Apostel den in Aussicht stehenden eind aller sittlichen Ord- nung in einem Menschen der Gegenwart schon vor- handen und nur noch nicht als solchen geoffenbart denke; er hat indessen in V. 7 nur das Geheimniß der Bosheit als bereits wirksam bezeichnet, man müßte also jene Erklärung etwa so wenden, daß man sagte, der Apostel gebrauche den in Rede stehenden Ausdruck deshalb, weil er sich den Augenblick denke, wo der alsdann vorhandene Mensch der Sünde als der, welcher er ist, enthüllt wird und zu Tage tritt (vgl. Röm. 8, 19: »die Offenbarung der Kinder Got- tes«). Allein, was drei Mal als seine Offenbarung bezeichnet wird, heißt gleich hernach seine Zukunft, und so gewiß letzteres in keinem anderen Sinne ge- meint ist, als in welchem es unmittelbar vorher von dem Kommen Christi gebraucht war, so gilt ein Glei- ches gegenüber vonKap.1, 7 auch von ,,Ofsenbarung«, wonach also seine Offenbarung ein Erscheinen in der Welt, und hinwieder sein Erscheinen in der Welt eine Offenbarung und nicht etwa das eine von dem andern so unterschieden ist, daß das eine (Zukunft) sein Kom- men in die Welt bedeute, das andere dagegen (Offen- barung) seine erst im Verlauf seines Daseins erfol- gende Selbstenthüllung. Vielmehr, wie Christus aus der Ueberweltlichkeit seines jetzigen Lebens bei Gott in die Welt eintritt, ähnlich muß sich der Apostel den Eintritt des Boshaftigen in die Welt denken, mag man dies nun begreiflich finden oder nicht. Mir selbst ist es nicht nur nicht begreiflich, sondern auch sehr unbequem; und diejenigen, welche sich anstellen, als ob ich es aus bloßer Liebhaberei behaupte, mögen versichert sein, daß ich ihnen sehr dankbar wäre, wenn sie mir ermöglichten, mit gutem Gewissen davon loszukommen Je auffallender aber die in den Aus- drücken: ,,Offenbarwerden« und ,,Zukunft« gegebene Vorstellung von der Erscheinung des Boshaftigen ist, desto wahrscheinlicher haben auch sie den Lesern nur in das Gedächtniß gerufen, was sie den Apostel münd- lich hatten von ihm sagen hören; und so geht in der That aus des Propheten Daniel Weissagung, an welche sich des Paulus mündliche Belehrung angeschlossen hatte, hervor, daß, nachdem der Widersacher des alt- testamentlichen Volkes Gottes hinweggestoßen ist, ohne daß jenes Ende eingetreten wäre, dessen Vorhersagung sich an seine Person anknüpfte, der Widersacher des neutestamentlichen Gottesvolks ein aus dem Todes- zustande hervorgehender sein und, weil ein vor seinem Wkünftigen Erscheinen schon Vorhand en er, in der elt geoffenbart werden wird, damit das Ende eintrete, welches in der nunmehrigen Offenbarung Jesu besteht. Jn V. 9 sagt denn auch der Apostel von der Zukunft des Antichrist zweierlei aus: erstlich ist sein Erscheinen selbst ein solches, welches durch Satans Wirkung zuwege kommt, und zweitens ist es nun auch ein von Wunderdingen begleitetes. Ob ersteres über Satans Wirksamkeit hinausgehe, wenn die Offenbarung und Zukunft des Menschen der Sünde in Wiedererscheinung eines im Todeszustande Befind- lichen besteht, haben wir hier nicht zu untersuchen und können uns damit begnügen, diejenigen, welche ver- sichern, nur Gott könne, was todt ist, lebendig machen, aufOffenb.13, 15 u verweisen; was aber die Wunder- dinge betrifft, die Feine Erscheinun in ihrem Gefolge hat, so bezeichnet Paulus diese räfte und Zeichen und Wunder nicht darum als lügenhaftige, weil die Lüge die hervorbringende Macht derselben wäre, sondern weil sie die Art der Lüge haben, weil sich in ihnen das dem Wesenhasten Widerstreitende den An- schein einer selbständigen Macht giebt. Erscheint nun hier das Auftreten des Boshaftigen von Machtwirkun- gen aller Art begleitet, welche geeignet sind, den Ein- druck hervorzubringen, als ob darin eine selbständige Macht wirksam sei, während es doch nur das Wider- spiel des Wesenhasten, die Lüge ist, was sich in ihnen auswirkt, so erscheint es in V. 10: ,,mit allerlei Ver- führung zur Ungerechtigkeit« von jeder Art dessen be- gleitet, was geeignet ist, ungerechtem Wesen betrüglich Vorschub zu thun. Auf wen es mit solchem Betruge abgesehen ist und wer ihm verfallen wird, besagt das beigesügte: »unter denen, die verloren werden«; es widerfährt ihnen dasselbe nämlich zum Lohne dafür, daß sie der Liebe zur Wahrheit zu der Zeit, als sie ihnen zu ihrem Heile eingepflanzt werden sollte, nicht Raum gegeben haben. Es heißt nicht: ,,sie haben die Wahrheit nicht angenommen-«, sondern: ,,sie haben die Liebe zur Wahrheit nicht an enommen«, indem ausgedrückt sein will, was für eine innesart in ihnen gewirkt worden wäre anstatt des ungerechten Wesens, welches nun mittelst des ihnen widerfahrenden Betrugs in ihnen Raum gewinnt. (v. HofmannJ Dämonische Wunder werden das Auftreten des Antichrist beglei- ten; nicht Täuschuiigen des Betrugs werden sie sein, sondern wirkliche Wunder, nur eben sinstere1i Ursprungs. Satan vermag wohl Wunder zu wirken, denn er ist eine überirdische Macht, ja eine Majestät; zwar muß ihm Gott Raum geben, wenn er soll wirken können, aber es ist dann doch sein ihm von Gott anerschaffe- nes Machtvermögen, das er bethätigt und das er, so lange seine Zeit währt, nach Gottes Willen in allerlei Weise bethätigeu nicht blos darf, sondern auch soll, am Ende aber in ungewöhnlicher Weise bethätigen wird. Denn gleichwie, da Christus auf Erden erschien, die Hölle sich mächtiger regte, denn vordem, so wird es in verstärktem Grade am Ende geschehen; denn Satan wird merken, daß es sich um die Entscheidung handelt, ob die Welt sein bleiben oder Gottes werden soll. So wird er denn das Höchste aufbieten, was ihm inöglich ist, und von ihm ausgerüstet wird der Antichrist Wunder und Zeichen thun, um sich zu legi- timiren als Den, der kommen sollte, wie der HErr Jesus Wunder und Zeichen that, sich zu erweisen als den Heiland; da werden dann wohl geübte-Sinne zur Unterscheidnng von Lüge und Wahrheit dazu gehören, um sich dadurch nicht imponiren und verführen zu las en. (Luthardt.) f) Nicht aus der eigenen Entwickelung der mensch- lichen Sünde geht die Erscheinung des Boshaftigen hervor, sondern sie wird vom Satan gewirkt (V. 9); und nun ist es Gott, der dasjenige sendet, was mit ihr in die Welt tritt, nämlich die Wirkungsmacht des Jrrthums Jrrsal ist schon immer vorhanden; aber alsdann wird es in eine Wirkungskräftigkeit treten, mit der es darauf abgesehen ist, daß diejenigen, welche der Liebe zur Wahrheit nicht Raum gegeben haben, der Lüge Glauben schenken. Eine Beschaffenheit des sündigen Jrrsals also sendet Gott, in welcher es ge- eignet ist, die der Wahrheit gegenüber Ungläubigen dein Widerspiele derselben gläubig zu machen; hier- unter will aber nicht irgend etwas irgendwie der Wahrheit Entgegen esetztes verstanden sein, sondern das schlechthinige iderspiel derselben, gleichwie sie selbst die Wahrheit schlechthin ist. Dazu, daß der Lüge, die es schlechthin ist, derjenige Glaube geschenkt wird, welcher dem verküudigten Christus gebührte, muß es zuletzt kommen; und Gott selbst veranstaltet Des Apostels Dank gegen Gott wegen der Erwählung der Thessalonicher zur Seligkeit. 613 dies, damit diejenigen, welche der Wahrheit nicht ge- glaubt, sondern das ungerechte Wesen, von welchem sie sich, wenn sie hätten glauben wollen, hätten-los- sagen und der Gerechtkgkeit zuwenden müssen, lieber gehabt haben, zuletzt a zumal dem Gerichte verfallen. (v. HofmannJ Die Wahrheit hat etwas Liebenswür- diges, Erfreuliches, Beruhigendes, wie das Licht in der Natur; es ist dem Menschen bei nichts so wohl, als bei der Wahrheit. Sie kommt aber freilich bei uns mit andern heftigen NeiWngen in Streit: das heißt die Schrift mit Einem ort ,,Ungerechtigkeit«, wodurch die Wahrheit aufgehalten wird. Wahrheit und der Glaube daran wird also durch des Menschen böse Begierde, durch seinen von der Ungerechtigkeit habenden Genuß, durch seine Unlittigkeih sich vom Lichte strafen zu lassen, verhindert; und wo die Wahr- heit nicht in die Liebe des Herzens aufgenommen wird, da wirkt sie auch nicht zur Seligkeit, in der Liebe des Herzens allein kann die Wahrheit wurzeln und Frucht bringen. Die Wahrheit aber drängt sich ihren Verächtern gegen allen ihren Willen nicht auf. Gott weiß bei der Wahrheit auch seinen Respekt zu beobachten und sich zurück uziehen. Anfangs nimmt es der Mensch mit der ahrheit und mit der Ver- führung in Jrrthum leicht, spielt mit beiden, giebt der Wahrheit die Liebe feines Herzens nicht hin, meint aber, der Jrrthum und die Versührung werde ihn auch nicht bemeistern; aber es steckt hinter dem Irr- thum eine Macht, die jedem gefährlich ist, der mit keiner Liebe zur Wahrheit bewaffnet ist. (Rieger.) Glauben müssen die Menschen etwas, sie können nicht leben ohne Glauben: wollen sie der heil. Wahrheit Gottes nicht glauben, so sollen sie der versührerischen Lüge des Teufels glauben. (Luthardt.) »Unendlich sprechend und gerecht ist die Art des Gerichts, daß die der Wahrheit nicht glauben wollten, der Lüge glauben müssen. Wie Viele, die gegen den Auctori- tätsglauben schreien, wo es die Bibel betrifft, sind schmählich vom Auetoritätsglauben geknechtet gegen- über von anonhmen Journalistenz wie Viele, die wider Gottes Wort nichts als Unglauben haben, verfallen dem schimpflichen Aberglauben an Somnambulen, Kartenschlägen Zeichendeuten klopfende Tische, dem Geistercitiren und Todtenfragenl Schon Chrhsostomus bemerkt: »die da sagten, weil nur Ein Gott ist, konn- ten wir nicht an die Gottheit Christi glauben, denen nimmt der Antichrist allen Vorwand hinweg« Und in unsern Tagen: die nicht glauben, daß ein allmäch- tiger, weiser Gott das Weltall geschaffen, die glauben, daß der Zufall die Atome zusammengewürfely die nicht glauben, daß Jesus das Wasser in Wein ver- wandelt, die glauben, daß die bewußtlose Naturkraft den Affen in einen Menschen umgebildet habe. Dieser Köhlerglaube des Unglaubens ist ein Gericht: vor aller Welt muß es offenbar werden, daß der Beweggrund ihres Unglaubens nicht der edle Protest gegen eine des Geistes unwürdige Abhängigkeit war, sondern die Freude an der Ungerechtigkeit. Sie Jgslauben ja auch, nur wollten sie nicht an die heil. ahrheit Gottes glauben; darum ist ihre Strafe die, daß ihre Glau- bensbedürftigkeit sich auf die elendesten Nichtigkeiten wirft. (Riggenbach.) 13. Wir aber [wenn soeben von solchen die Rede war, welche der Wahrheit nicht glauben und zur Strafe dafür an die Macht der Lüge dahingegeben werden, um darnach das Gericht zu erfahren, und wenn wir nun von da aus euer gedenken] sollen Gott danken allezeit um euch [Kap. 1, 3], geliebte Brüder von dem HErru [vgl. 1. Thess. 1, 4], daß euch Gott erwahlet hat von Anfang snoch ehe der Welt Grund gelegt war Ephed l, 4; 2. Tim. 1, 9] zur Seligkeit, [die sich vollzieht oder zu Stande kommt] in der Hei- ligung des Geistes [im Gegensatz zur Lust an der Ungerechtigkeit auf Seiten derer, die verloren werden I. Petri 1, 2] und im Glauben der Wahr- heit [im Gegensatz zum Glauben« der Lüge, zu welchem jene verurtheilt sind V. 11 f.], 14. Darein snämlich zum Seligwerden in der Heiligung des Geistes und im Glauben der Wahrheit] er euch berufen hat durch unser Evan- gelium, fund hat mit solcher Berufung euch ge- macht] zum herrlichen Eigenthum unsers HErru Jesu Christi« sauf daß ihr seiner Herrlichkeit theilhaf- tig werdet I. Thess 1, 5; 5, 9]. 15. So stehet nun, lieben Brüder [da ein solches Ziel euer wartet, fest aus dem rechten Glaubensgrund,e, ohne durch irgend etwas euch davon· wegdrängen zu lassen V. 2; 1. Thess. Z, 8], und haltet an den Satzungen [wörtlich: Ueber- lieferungen 1. Cor. H, 2], die ihr gelehret seid, es sei durch unser Wort sals wir noch bei euch waren V. 5] oder Epistelik swie wir schon Fing] eine solche euch geschrieben haben 1.Thess. 16. Er aber, unser HErr Jesus Christus, und Gott und unser Vater [1. Thess. Z, 11], der uns hat geliebet und gegeben einen ewigen Trost sfür die Gegenwart Röm. 8, 28. 31 sf.] und eine gute Hoffnung sfür die Zukunft Tit. 2, 133 Col— I, b] durch Gnade, l7. Der ermahne [besser: tröste, vgl. Col. 4- 8 Mit Ephes S, 221 eure Herzen und stiirke euch [fest zu stehen] in allerlei Lehre und gutem Werk-«« [nach andrer Lesart im Grundtext und mit genauerer Uebersetzung des einen Wortes, als die Luther befolgt hat: in allem guten Werk und Wort]. V) Nach Beendigung seiner prophetischen Mitthei- lung wendet sich nun der Apostel zu den Lesern zurück und spricht noch einmal, wie schon früher, seine Ver- pflichtung zum Dank gegen Gott aus, daß er sie, die Leser, zum Heil in Christo erwählt, also vor dem Ver- lorengehen derer, die sich von dein Jrrsal des Anti- christ betrügen lassen, bewahrt habe. (Olshausen.) Dort (Kap. 1, Z) dankte er für ihren standhaften Glau- ben unter den Verfolgungen, die sie zu erleiden hat- ten, jetzt ist sein Danken no bereichert; denn es gilt auch der Errettung im Bli auf die Drangfale der letzten·Zeit, und er dankt, ungeachtet er an den Abfall innerhalb der Christenheit erinnern mußte. (Riggenbach.) Wie der liebe Heiland die, ihm aus seinen Zeitgenossen heraus geschenkten Jünger als eine Gabe des himmlischen Vaters erkannt und von den- selben auch weiter auf die gerechnet hat, die durch ihr Wort an ihn glauben würden (Joh. 17, 6 u. 20), so haben die Apostel diejenigen, die ihr Wort gern an- nahmen, auch als ihr liebliches Loos mit Dank an- 614 2. Thessaloiiicher Z, 1——5. gesehen. (Rieger.) Das-Heil, zu welchem Gott erwählen bezeichnet der Apostel als ein solches, das »sich» m einem sittlichen Vorgange ·und »Verha·lten verwir»klicht, wenn er zu ,,Seligkeit« hinzufugt: ,,in»der Heiligung des Geistes und im Glauben der Wahrheit«; das Erste ist, daß der heil· Geist in dem Menschen, welcher Fleisch ist, wirksam gegenwärtig wird, um ihn der sündigen Welt zu entnehmen, und das Zweite ist, daß der so und in diesem Sinne von Gottes wegen Geheiligte der ihm dargebotenen Wahrheit gewiß wird. Diesen Gang nimmt das Errettet- oder Seligwerden von Seiten Gottes, während das Verhalten des Men- schen zuerst Glaube ist und darnach Selbstheiligung. Mit den Ausdrücken: »Heiligung des Geistes und Glauben der Wahrheit« ist einerseits benannt, was auf Seiten des Menschen vorgeht, er wird nämlich heilig und wird gläubig; andrerseits, was auf Seiten Got- tes hierfür ge eben ist, nämlich der Geist, der» da heiligt, und die ahrheit,» die· ihrer selbst vergewissert (v. Hofmann.) Die geschichtliche Ausführung der Er- wählung ist die Berufung, und diese nun geschieht durch die evangelische Verkündigung; letztere ist ge- schehen durch den Apostel und seine Gehilfen, weshalb Paulus schreibt: ,,durch unser Evangelium-«. Um aber die Herrlichkeit des Looses, welches den Thessalonichern mit ihrer Berufung beschieden ist, noch bestimmter hervorzuheben und die in V. 15 folgende Ermahnung recht eindringlich zu machen, setzt er« die Worte hinzu: »zum herrlichen Eigenthum unsers HErrn Jesu Chr1sti«, welche nach andrer Auffassung des Grundtextes lauten: »zur Erlangung der Herrlichkeit unsers HErrii Jesu Christi« (Röin. 5, 2; 8, 17. 29; Joh. 17, 24). Its) Mit dem Ausdruck: ,,oder Epistel« ist nicht ein einzelner bestimmter Brief bezeichnet, sondern die eine Art von Lehrmitteln gegenüber der andern, also nicht nur der erste Brief, obwohl es natürlich zuerst· auf diesen paßt; sie sollen aber auch behalten, was sie in diesem zweiten Brief gelehrt werden, und wenn er einen dritten folgen ließe, sollten sie auch diesen be- herzigen, überhaupt auch die briefliche Belehrung be- achten, alles festhalten, was wirklich in Wort oder Schrift von ihm kommt. Es ist dieser Vers eins der Worte, womit man von Altersher die Gleichberechti- gung der mündlichen Tradition neben der Schrift beweisen wollte: ja, wenn uns ihr apostolischer Ur- sprung und Charakter erwiesen wird, so wollen wir auch der mündlichen Tradition glauben; aber that- sächlich giebt es keine beglaubigte Tradition neben der Bibel, und gerade unser Kapitel zeigt, wie schnell die mündliche Lehre vergessen ward und Mißdeutum gen oder selbst Verfälschungen erlitt, so daß sie eorri- girt und durch Schrifbgesichert zu werden bedurfte. Nach einer andern Seite ist aber zu beachten, wie nachdriicklich hier der Apostel die Auctorität seines schriftlichen Worts behauptet: es ist kein todter Buch- stabe, sondern ein Samenkorn, das in jedem empfäng- lichen Herzen lebendig wird; wir wissen auch, daß all- gemein das geschriebene Wort noch sorgfältiger ge- wogen wird, als das gesprochetie (Riggenbach.) · IN) Die Vermahnung in V. 15 geht in diesen beiden Versen über in einen Gebetswunsch, mit wel- chem dieser Haupttheil des Briefes ähnlich fchließt, wie es mit dem ersten Theil im ersten Briefe (1. Thess. Z, 11 ss.) der Fall gewesen. Der· Apostel nennt dies Mal den HErrn Jesum zuerst, weil er da- mit an die letztvorhergegangene Nennung Jesu (am Schluß von V. 14) anknüpft und weil er Den, welcher . unser Gott und Vater ist, wie Jesus unser HErr, als Den bezeichnen will, der uns geliebt und, was als die Erzeigung seiner Liebe verstanden sein will, uns einen Trost, der nie entschwindet, und eine gute Hofs- nung gegeben hat; diese beiden Gaben nennt Paulus insi Anschluß an den wesentlichen Jnhalt seines Briefs, als welcher sich aus die Bedrängniß einer Ge- meinde bezieht, die der Offenbarung Christi entgegen- wartet. Das den Lesern Zutgzewünschte selbst entspricht dann einerseits dem ewigen roste, nämlichx ,,er tröste eure Herzen«, andrerseits der guten Hoffnung, sofern es eines Festbleibens in dem guten Werk und Wort bedarf, darin sie stehen, damit sie der ihnen gegebenen Hoffnung nicht verlustig gehen; sie stehen aber in gutem Werk kraft der Heiligung des Geistes (V. 13) und in gutem Wort vermöge des Glaubens der Wahrheit, denn ihr Gutes-thun besteht darin, daß sie den Geist, der sie geheiligt hat, sich treiben lassen, und das gute Wort, das sie haben, ist das Wort der Wahrheit, welche sie gläubig aufgenommen haben· (v. Hofmannh Durch Erm ahnen werden wir in aller guten Lehre, durch Starken unsrer Herzen in allem guten Werk erhalten. (Rieger.) Das 3. Kapitel. ckiic den Lauf des Eiiangelii soll man beten, den Iliiissiggang und Rot-wiss, meiden. D. Der dritte, des Apostels Anordnung in Zdetreff derjenigen m der Gemeinde, die nnordents lich wandeln, enthaltende Theil folgt erst nach bor- aueselzicliuiig einer kurzen Einleitung, worin Paulus einer- seits die Fsirbiite der Thesfalonicher nachsucht fiir die Brief— schreiben daß durch ihren Dienst auch auf ihrein jehigen Arbeitsfelde in Jlihaja das Evangelium einen guten Fort— gang haben niZge und sie von den unartigen iind argen Menschen, die ihrem Wirken so große dloth bereiten, er- rettet werden, andrerseits in Beziehung auf diejenige Rath, die sie selber in gleicher weise erleiden, der Treue des HGrrn sich getriisiet, der he werde stärken und bewahren vor deni Argen (v. 1—3l; nachdem er aber damit ans- gesprochen hat, wessen er sich hinsichtlich der Leser ihren Uolhständen gegenüber von dem tjGrrn verstehn, sagt er auch, wessen er sich in dem ihGrrn von ihnen oersiehet be- züglich dessen, was er nunmehr gebieten will, nämlich das; sie das auch thun nnd thun werden, und begleitet sein bertraueiiswort mit einein an eben denselben hGrrn ge- richteten Gebetswunsoh (v. 4 u. 5). Darauf schreibt er denn einläßlictz vor, wie diejenigen behandelt werden sollen, die von iiorwitzigein illüssiggang nicht ablassen wollen, wo— bei er gelegentlich sich auch einmal gebietend und ermah- nend an sie selber wendet, in der iljaiiptsache aber die Gemeinde, als in ihrem Kerne noch gesund geblieben, zur Wächterin und Zuchtmeiflertn til-er sie seht, uni sich der Jiussihreitungen derselben zu erwehren (v. 6-—15); zum Schlusse eilend, reihet er hierauf an seine Anordnungen noch einen Segenswnnsch für die Gemeinde an, deren Friedensstand so sehr gestört worden, daß der lhGrr des Friedens ihr diesen nicht nur wieder herstellen, sondern für den ganzen lllmfang ihres Lebens sie mit seinen( Frieden begnadigen und mit seinen! Geiste bei ihr sein wolle (v. 16). 1. Weiter, lieben Brüder, betet für uns [1. Thess b, 25], daß das Wort des HErrnlaufe sohne Hemmniß und Stillstand sich immer weiter verbreite] und gepreifet fthatsächlich durch die Frucht, die es bringt, verherrlicht] werde [auch in unserm jetzigen Wirkungskreise, hier zu Corinth und in Der dritte Theil der Epistel: Anordnung in Betresf derer, die unordentlich wandeln. 615 ganz Achaja], wie bei euch [1.-Thesi- I« 5 ss-; 2, 13 ff.], · · 2. Und das; wir sdie wir gegenwärtig keine geringen Bedrängnifse zu erleiden haben Apostg. 18, 12 ff.] erlöset werden von den unartigen saller göttlichen und menschlichen Ordnungsich »wider- setzenden] und argen [geradezu bösartig gesinnten] Menschen [Röm. 15, 30 f.]; denn der Glaube ist nicht jedermanns Ding-«- ssondern so Manche wollen durchaus zu demselben sich nicht bringen lassen 2. Tini. s, 8]. 3. [Auch ihr habt ja von Leuten ganz der- selbigen Art viel Böses zu erdulden Kap. I, 4 ff.; und da könnte es an sich wohl» gSschehFU- daß jemand unter euch weich würde in diesen Trüb- salen l. Thess B, 3»] Aber [das ist mein Trost, wenn sorgliche Gedanken euretwegen mich be- schleichen wollen] der HErr ist treu, der wird euch stärken und bewahren vor dem Argen-«« »[dein argen bösen Feind, der umhergeht wie ein brullen- der Löwe und suchet, welchen er verschlinge 1. Thess L, 18; Z, h; I. Petri H, 8, daß ihr ihm nicht zur Beute fallet]. V) Wenn der Apostel mit ,,Weiter,· lieben Brüder« sortfährh so scheint es, als ob er »Mit dem zu Ende wäre, was er dies Mal zu schreiben hat«; denn er kgmmt dbesreits Zu DE; AufxerdiiicvurligcsglkäkksFålkkälkkzke in un eine ern» geno·en g. - - , «· - 4, 3). Und zwar ist es ein Zwiefaches das sie iihnen erbitten sollen: 1) daß des HErrn Wort guten Fort- sgsss s) dss i« Nssigsxxes schen inen ma en, en nommen » »- nicht Menschen gäbe, von denen sich»nicht erwarten läßt, daß sie glaubig werden, »so hatte der Apostel «« Im« Bist? s« II« WIHEJRITZTZETI Fdkåibikis nur inen Jiia ; oaerni · , » Gemeinde auch das Andere ihm erbitte, damit er sein Berufswerk ungehindert aiisrichtesz (v. HofmannJ Mit den Worten: »denn der Glaube ist nicht Jedermann?- Ding« be ründet der Apostel, warum er von solchen i« es Dr« W? sieisksikxxkk«isiiskikx; dun üriemanoni »» köeitilne (Joh.17, 9): ,,bekehre sie!«·« Der Satz ist nicht geeignet, wie man häufig ihn mißbrauchh » zur leicht- fertigen Aus-rede; ebensowenig enthalt er die Behaup- tung eines absoluten göttlichen Decrets, als wolle Gott nicht Auen dea Ziauoekktgekery York-ers; erfssg ' were Anklage. s gie e en eu e, ie»in killlzsusknartig und argf iidmsgir »gitenPGlc;ugen emisdosaäik l' u sein· und pa en· rei auu gera e en åhiessaionichirn soigsen diechzuknchksgaikbendso rcitgchngkg w w ten: ,,la t’s eu ni erem en, , S nikhinbeiaAllen so geht!« (Riggenbach.) Wer die Kraft des göttlichen Worts any sich) erfahren! Ins, VZIVUVTZ u Glauben und beim lau en zu vie er reu e un Zåunni Frieden gebracht ist, meint oft, es sollte nicht mdgiich sein, daß sich gucht auch exists-ex lfetichtuckezuxzil Gl ben bequemtens a er man mu i o a« .i diesYn Bedacht steile« lassen, daß de: Glaube nicht jelåermanss Ding sei» danisicä niajivsejtclggilsthixziltzeraldelzx fa rung iervon weniger eu , oft scheinbaren Versuchung entgehe, am Glauben- M dessen Lehren und Lauf solangezu lsUUstEIU UIIV ZU beschneiden, bis jedermann es sich konnte anständig sein lassen. (Rieger.) Ein Prediger des Evangeliums versucht die Zurechtbringiing solcher Leute mit aller Treue; hat er aber eine klare Einsicht in ihren Seelen- Ristand so wird er über den Mangel der Frucht seiner rbeit beruhigt (Matth.13, 14 f.): er weiß, daß Gott ihr Blut nicht von seiner Hand fordern werde. (Roos.) IV) Paulus verweilt nicht bei seiner Bedrängniß, sondern die Erwägung, daß die Thessaloiiicher an ihrem Ort die menschliche Bosheit erfahren, wie er in Corinth, führt ihn sofort wieder auf seine angefochtenen geist- lichen Kinder zurück, die ja noch minder geübt sind, als er. (Riggenbach.) Die Thessalonicher als schwache Anfänger im Christenthum hätten durch das, was der Apostel in V. 2 geschrieben, können blöde ge- macht werden, da sie höreten, sie sollten ihm mit ihrem Gebet beistehen, damit er erlöset würde von den unartigen und ar en Menschen; sie hätten können sagen: ,,ist der liebe postel so für sich besorgt, wie werden wir im Glauben beständig sein können bis an’s Ende!« Dieser Blödigkeit will Paulus hier zu- vorkommen, indem er sie auf des HErrn Treue ver- weiser. (Starke.) Von den ar en Menschen, die ihn an der Ausrichtung seines erufswerks hindern wollen, kommt er auf den Argen (1. Joh. Z, 18), welcher ihn um die schon gewonnene Frucht feiner Arbeit bringen möchte, und spricht seine Zuversicht zu dem HErrn aus, daß er, der da Glauben hält, die Gemeinde festigen und wider ihn bewahren werde. (v. HofmannJ 4. Wir versehen uns aber [wenn wir nach- gehends noch etwas zur Sprache bringen müssen, das euch gar nicht angenehm sein wird und euch eine allerdings schwere Pflicht auferlegt] zu euch in dem HErrn [dem wir beiderseits, ihr wie wir, angehören Gal. 5, 10], daß ihr [theilweis wohl jetzt schon von selber] thut Und [fortan noch viel nachdrücklicher, als bisher] thun werdet, was wir euch [von V. 6 an] gebieten sdenii es ist zu einem guten Stande eures christlichen Gemeinde- lebens durchaus erforderlich] Z. Der HErr aber sin dessen Namen wir’s euch gebieten] richte eure Herzen zu der Liebe Gottes sdaß ihr allezeit vor Augen und Herzen behaltet, wie Großes er euch durch eure Erlösung von allem ungerechten Wesen erzeiget hat] und [richte sie] zu der Geduld Christi swomit er selber, der HErr, das Erlösungswerk auch euch zugute vollbracht hat; das wird euch vor dem Undank bewahren, diesem Gott der Liebe irgend etwas zu Leide zu thun mit unordentlichem Wandel, und wird alle eschatologische Ungeduld, woraus solcher Wandel hervorgeht, bei euch dämpfens Dem Apostel liegt etwas auf dem Herzen, das er, nachdem er einmal den Thessalonichern zu schreiben veranlaßt ist, doch noch aussprechen muß, ehe er wirk- lich schließt: aus der Zögerung, mit der ei: daran geht, können die Leser schließeiy daß es ihn hart an- kommt. (v. Hofmannh Es läßt uns das erkennen, welche sittlichen Nachtheile die Jrrthümer der Thessa- lonicleer der Gemeinde gebracht hatten. Was in 1. Thes . 4, 11 f. und 5, 14 nur kurz angedeutet wurde, fordertnun eine offene, sehr strenge Rüge: wegen der vermeintlichen Nähe des Reiches Gottes war die Arbeit 616 2. Thessalonicher Z, 6—16. von Vielen aufgegeben, die nun in schwärmerischem Müssiggange sich umhertrieben. (Olshausen.) Der Apostel spricht aus zarte und gewinnende Weise seine Ermahnung an die Thessalonicher in der Form des Zutrauens aus; denn er zwingt nicht, sondern sucht freie Ueberzeugung: ,,Haltet euch würdig der guten Meinung, die wir von euch haben in dem HErrm in Jhm hat unser Vertrauen zu euch seinen Grund, wir hoffen nicht auf euch als Menschen, sondern als Angehörige Christi, als solche, die in ihm stehen, wie wir. So werdet ihr die Ermahnung im Namen des HErrn annehmen; und der HEry in dem ihr stehet, wird eure Herzen leiten und euch willig und tüchtig machen. Er wolle denn sie hinrichten auf die Liebe, die Gott zu uns hat und besonders im Erlösungswerk geofsenbaret hat, und auf die Geduld Christi, mit der er sich in sein Leiden hingab und uns allezeit trägt; das wird euch nicht blos ein Vorbild sein, sondern auch Quelle der Kraft« (Riggenbach.) Es ist ein viel in sich fassender Wunsch, daß unsre Herzen zur Liebe Gottes und zur Geduld Christi möchten gerichtet wer- den. Christus hat Gehorsam und Geduld gelernt und damit auch allen haltbaren Samen dazu in unser Herz gebracht; darum ist all unser Gehorsam und Geduld wie eine aus diesem Weinstock herausgewachsene Rebe zu achten. (Rieger.) b. Wir gebieten euch aber, lieben Brüder sum nun dasjenige näher zu bezeichnen, was wir bei der in V. 4 ausgesprochenen Erwartung im Sinn hatten], in dem Namen unsers HErrn Jesu Christi svgl. 1. Cor. 5, 4], daß ihr euch sdurch Meidung allen Umgangs Gal. 2, 12] entziehet von allem Bruder, der da unordentlich wandelt [1. Thess 5, 14] undmicht nach der· Saxzang die er sin dem, was wir eurer Gemeinde über- haupt bei unsrer persönlichen Anwesenheit sowohl, wie in unserm vorigen Vriefe, vorgeschrieben V. 103 1. Thess. 4, 11 f. und dazumal auch mit unserm eigenen Beispiel praktisch bethätigt haben] von uns empfangen hat. 7. sJnsonderheit um dieses unsers eigenen Beispiels willen kann niemand unter euch mit irgend welcher Unwissenheit wegen dessen, was ihm in der hier in Rede stehenden Beziehung zu einem Gott wohlgesälligen Wandel I. Thess 4, 1 f· gebühre, sich entschuldigen.] Denn ihr wisset, wie ihr Uns sollt nachfolgen sund könnet also schon von daher selber das Richtige treffen, auch wenn wir es nicht noch ausdrücklich auf unterrichtlichem Wege euch angegeben hätten]. Denn wir sind nicht unordentlich unter euch gewesen [als wir bei euch waren, daß wir in irgend welcher Hinsicht außer der gemeinen Lebens-ordnung uns bewegt hätten]; · 8. Haben auch nicht [was speziell denjenigen Punkt betrifft, um den es hier sich handelt] um- sonst das Brod genommen von jemand [als solche, die selber für ihren Lebensunterhalt zu sorgen nicht Lust gehabt hätten, von Andern uns ernäh- ren lassen], sondern mit Arbeit und Mühe Tag nnd Nacht sindem wir am Tage unserm Predigt- amte oblagen, des Nachts aber mit unserm Hand- werk uns zu schasfen machten Apostg. 18, Z; 20, 34 f.; 1. Cor. 4, 12] haben wir gewitket [unsre Thätigkeit für den Zweck angeftrengt], daß wir nicht jemand unter euch beschwerlich wären [1. Thess 2, s; I. Cor. 9, 12]. 9. Nicht darum shaben wir es vermieden, von euch uns ernähren zu lassen], daß wir deß nicht Macht haben sim Gegentheil wäre es eigent- lich in der Ordnung gewesen, daß ihr uns hättet darreichen müssen, was wir zum Leben bedursten 1. Cor. 9, 4. 7 ff.]; sondern [darum haben wir uns den Lebensunterhalt selber verschasftJ daß wir uns selbst zum Borbilde euch geben, uns nach- zufolgen sin gleicher rühriger Thätigkeit]. 10. Und da wir bei euch waren, geboten: wir euch solches [unser Vorbild auch noch mit einem bestimmten Sprichwort, wie es bei jüdischen Schrist- gelehrten sich findet, zum festen Behalten beglei- tend], daß, so jemand nicht will arbeiten, der soll auch nicht essen« [1. Mos. 3, 19]. II. sWir haben aber unsern guten Grund, daß wir das alles euch nochmals vorhalten] Denn wir hören, daß etliche unter euch wandeln unordentlich und arbeiten nichts, sondern treiben Vorwitz sin allerhand Geschäften, die ihnen nicht zukommen 1. Tim. 5, 13; Jak. 3, 1]. 12. Solchen aber gebieten wir shiermit auss- Neue und in nachdrücklichster Weise], nnd ermah- nen sie [als solche, die wir jetzt noch für Brüder achten V. 15] durch unsern HErrn Iesum Christum sdessen Gnade und Gemeinschaft ihnen ja doch wohl noch etwas werth ist], daß sie mit stillem Wesen [mit geräuschloser Sittsamkeit ihren Berufs- geschästen obliegend 1,Thess. 4, 11 ; Sirach 3, 23] arbeiten und ihr eigen Brod essen« sstatt mit Wohlthätigkeitsfpenden Anderer ihr Leben zu stiften] 13. Jhr aber, lieben Brüder sdie ihr den von der Schwärmerei noch nicht angesteckten Theil der Gemeinde bildet], werdet nicht verdrossen, Gutes zu thun [daß ihr von dem rechten Wege, den ihr bisher eingeschlagen habt, durch irgend tvelche niederschlagende oder irreleitende Erfah- rungen euch wolltet abbringen lassen, sondern gehet denselben beharrlich und nach allen Seiten hin das, was Gottes Wille ist, vollbringend weiter Gal. 6, 9; 1. Petri 2, 15]· 14. So aber jemand svon denen, die zu eurer Gemeinde gehören, im Unterschiede von euch] nicht gehorsam ist unserm Wort swelches wir vor- hin in gebietender und ermahnender Weise aus- gesprocheu haben V. 12], den zeichnet an durch einen Brief sdies ,,durch einen Brief« ist von Luther und Andern fälschlich hierher gezogen, es gehört vielmehr zu dem voraufgehenden Satze: nicht gehorsam ist unserm nun auch brieflich noch eingeschärften Wort], und habt nichts mit So jemand nicht will arbeiten, der soll auch nicht essen. 617 ihm zu schassen [nach besserer Lesart: den zeichnet euch an für den Zweck, nichts mit ihm zu schaffen zu haben 1.Cor. Z, 9. 11], auf daß et schumroth werde [wenn er so dasteht als ein von der Gemeinde Gemiedener]. 15. Doch haltet ihn nicht als einen Feind smit dem ihr völlig und auf immer gebrochen habt], sondern vermahnet ihn als einen Bruders» [den ihr versuchet wieder zu gewinnen]· 16. Er aber, der HErr des Friedens [Phil. 4, 9; Col. 3, 15], ebe euch Frieden allenthalben und auf allerlei Weise [Phil. 1, 18]. Der HErr sei mit euch allen-s- [auch mit den Jrrendenjl V) Nun, nachdem er hinreichend Grund gelegt hat, kommt der Apostel auf das besondere Anliegen zu sprechen, das ihm das Herz bedrückt; sein Gebot richtet sich da zunächst an alle diejenigen in der Gemeinde, die nicht selber unordentlich wandeln (mit diesen hat er es erst in V. 12 zu thun), an diejenigen, denen er nach V. 4 zutrauen kann, daß sie thun und thun wer- den, was er ihnen gebietet; es gilt jetzt, gegenüber den zarten, schonenden Worten des ersten Briefes, gegen die Ungebesserten durchzugreifen, um die An- steckung abzuschneiden, die Gemeinde zu bewahren und wo möglich auf die Eigensinnigen selbst durch das stärkere Mittel heilsam zu wirken. (Riggenbach.) Jene Leute gingen nicht müssig, thaten aber das Jhrige nicht, sondern mischten sich in fremde Dinge, und blieben daher nicht in der nöthigen Stille; ihre Arbeit war also keine Arbeit, sondern eine unruhige und Andern beschwerliche Beschäftigung (Roos.) Wie damals, so pflegt auch jetzt noch bei eintretender Erweckung leicht eine Verachtung äußerlicher Thätigkeit sich einzustellen: eine Richtung, welcher der Seelsorger nicht kräftig genug entgegenwirken kann. (Qlshausen.) Unter dem Vorwande einer Thätigkeit für das Reich Gottes ließen diese gefchäftigen Müssiggänger sich von der Gemeinde erhalten; umso mehr aber mußte das Beispiel des Apostels sie besgämem der auf jeden Fall ein wichti- geres Amt im eiche Gottes hatte, als sie, und doch von seiner Hände Arbeit lebte. Was Paulus am Schlusse bemerkt, das gilt überhaupt einem jeden, der ein Christ sein will: er darf sein Brod, auch wenn es von seinem Eigenen wäre, nicht essen, wenn er nicht arbeiten will· (v.Gerlack).) Was Paulus in Beziehung auf sein eigenes Verhalten bei ihr in I. Thess Z, 9 der Gemeinde in’s Gedächtniß gerufen hat, um einer Verdächtigung seines Wirkens, als suche er damit nur schnöden Vortheil, zu begegnen, das bringt er ihr jetzt für einen andern Zweck mit einem aus der Natur der Sache begreiflichen Gleichlaute des Ausdrucks in Er- innerung; und wie er schon in 1. Thess 4, 11 f. auf seine mündliche Ermahnung zurückverwiefen hat, so betont er auch hier, daß er schon damals, als er bei der Gemeinde anwesend war, ihr seine Weisung ge- geben, denn es liegt ihm daran, daß sie nicht meinen, er habe ihnen, als er sie zu Christo bekehrte, eine andere Gestalt des Christenlebens vorgezeichnet und wolle sie nun erst hinterdrein, etwa gar im Zusammen- hange mit einer andern Belehrung über Christi Wieder- kunft, durch welche diese Hoffnung in weitere Ferne gerückt werde, wieder in die gemeine Ordnung des bürgerlichen Lebens einschränkem (v.Hofmann.) Neben allem Erstarken am himmlischen Sinn steht doch die pilgrimsmäßige Treue im Geringen gar wohl: wer sich für so himmlisch gesinnt und in die Beschauung und Aufwartung vor Gott hingerückt ausgeben wollte, daß ihm die Arbeit unanständig vorkommt, der sehe nur zu, ob er auch über das Essen erhaben sei; und solange er noch unter der Nothwendi keit zu essen steht, so nehme er daraus ab, daß er au noch arbeiten soll. (Rieger.) IV) Nachdem der Apostel in V.6—10 der Gemeinde gesagt hat, wie sie sich gegen diejenigen zu verhalten habe, welche seiner damaligen Weisung zuwider leben, so erklärt er. nun, was ihn darauf bringt, ihr solches zu sagen, und wendet sich dann an diejenigen selbst, von denen er hört, daß sie sich, anstatt ihren Lebens- unterhalt mit der gemeinen Berufsarbeit zu erwerben, als Vorwitzige mit solchem zu thun machen, was außerhalb ihres eigentlichen Berufs liegt. (v.Hofmann.) Gewöhnlich denken solche schwärmerische, arbeitsscheue Leute gar noch die allereifrigstem frömmsten und hei- ligsten zu sein, und Schwache pflegen solche Schwärs merei leicht anzustaunen; doch läßt Christus auf die Art seiner nicht warten: so hat man ihn schon ver- paßt. (Diedrich.) Die Arbeit iibt eine heilsame Zucht aus am menschlichen Gemüthe, führt es aus der Zer- streuung in die Sammlung, aus der Willkür in die Ordnung, aus dem Geräusch in die Stille, so daß es zwischen der Arbeit wohl Zeit findet, in sich einzu- kehren und im Ausblick zu Gott sich zu heiligen und zu stärken; der Müssiggan dagegen hat gerade die entgegengesetzte Wirkun . b auch der Leib träger Ruhe genießt, der Geit fährt desto unstäter hin und her und wird die Beute der ungeordnetsten Gedanken und Begierdem (Riggenbach.) sit) Zur einheitlichen Gemeinde sich wieder zurück- wendend, ermahnt der Apostel diese zunächst, im Gutes- thun nicht laß zu werden; im Gegensatze zu dem übel geschäftigen Müssiggange der vorhin Getadelten ist damit ein Thun von solchem gemeint, das den Men- schen auf eine ihm wohlanständige und der sittlichen Gemeinschaft ersprießliche Weise beschäftigt, ihn im Stande guter Werke (Tit. Z, 8. 14) sich befinden läßt. Von dieser Ermahnung biegt Paulus hierauf zu der Weisung zurück (vgl. V. 6), wie sich die Gemeinde Zlegen diejenigen verhalten solle, welche den gemeinen rbeitsberuf hintenan setzen und sich für eine eigen- beliebige Geschäftigkeit von Andern ernähren lassen oder, wie er jetzt nach der vorausgegangenen Abmah- nung von solchem Treiben sich ausdrückh welche seinem brieflichen Wort nicht gehorsamenx die nunmehrige Weisung unterscheidet sich aber von der in V. 6 ge- gebenen dadurch, daß dort geboten wird, sich von denen zurückzuziehem welche unordentlich wandeln, was Sache der Einzelnen war, jetzt dagegen eine Maßregel geboten ist, welche Sache der Gemeinde, indem sie sich diejenigen anmerkt, welche sie aus ihrem Zusammen- leben ausschließt, eine Maßregel, bei welcher dieselben nicht aufhören, für christliche Brüder geachtet und als solche ermahnt zu werden, damit sie in sich gehen und in den Genuß der brüderlichen Gemeinschaft wieder eingesetzt werden mögen. Sagen sie ja doch nicht demjenigen apostolischen Worte den Gehorsam auf, durch welches sie zu Christo bekehrt worden sind, son- dern weigern ihn nur demjenigen, welches jetzt brief- lich an die Gemeinde ergeht, sind nicht Feinde des Evangeliums geworden, sondern sträuben sich nur in einem einzelnen Stücke gegen die Ordnung des christ- lichen Lebens, welche sie sich von dem Apostel des Evangeliums sollten lehren lassen. (v. HosmannJ Es ist dies das erste Beispiel der regelmäßigen Kirchen- zucht in den christlichen Gemeinden. (v. Gerlach.) Man hat gefragt, ob im Abbrechen des brüderlichen Um- gangs, das nach l. Cor. 5, 11 ein Versagen des 618 Z. Thessalonicher Z, 17. 18. I. Timotheum 1, 1. 2. gemeinsamen Essens war, ein Ausschluß vom heil. Abendmahl sei enthalten gewesen; die Frage erledigt sich aber dadurch, daß das Abendmahl damals nicht als gesonderte Cultushandlung vollzogen wurde, son- dern den Schluß der Liebesmahle bildete, und nun beides zusammen des HErren Mahl hieß. Ward dessen erste Hälfte versagt, dann natürlich auch die andere. (Riggenbach.) · » » · s) Es ist eine Storung des inneren Frkedensstandes der Gemeinde, wenn sie gegen Einzelne in ihrer Mitte eine Maßnahme der Strenge verkehren muß; daraus erklärt sich, daß der Apostel zu dem Wunsche über- geht, der HErr des Friedens wolle ihr den Frieden geben, nach welchem er ihn benennt. Doch beschränkt er seinen Wunsch nicht auf Frieden in dieser einzelnen Beziehung, indem er vielmehr das ,,allenthalben und auf allerlei Weise« hinzufügt. Wie aber der Apostel der Gemeinde Frieden zuwünscht für den ganzen Um- fang ihres Lebens, so grüßt er sie schließlich mit dem Zuruf: »der HErr sei mit euch allen!« in allen ihren Gliedern und hebt darin den Gegensatz wieder auf, in den er sie zu Einzelnen in ihrer Mitte hat stellen müssen. (v. Heft-traun) E. Indem zum Schluß der Apostel noehseineu Gruß will folgen lassen, ganz gleich mit dem in l. Thess 5, W» nur daß er hier zu dem ,,euth« noch ein ,,allen« hinzusisgy macht er zuvor daraus ausmerlisamdaß er diese absshließenden Grußworte eigenhändig schreibe, sägt hinzu, daß dies Zeichen am Schlusse jedes Briefes sitt) finde, der von ihm herrührt, und fordert die Leser noch ausdrilililicts auf, solche seine Handschrift sich zu merken; die veran- lassung hierzu liegt indem Umstande, daß in der Genieinde zu Thessalonich ein Brief in Umlauf gekommen war, met« eher entweder dafür ausgegeben oder doch dafür gehalten wurde, daß er von paulo herrührt. 17. Der Gruß [welchen zum Abschiede in V. 18 ich folgen lasse, ist geschrieben] mit meiner Hand [d. i. mit der Hand] Pauli [1. Cur. 16, 21; Col. 4, 18]. Das ist das Zeichen in allen Briefen [die ich aussende, wenn diese nicht schon selber vollständig von mir niedergeschrieben Gal. 6, 11., sondern einem Gehilfen dictirt sind, um sie als von mir herrührend zu kennzeichnen Röm. 16, 23 Anm.]; also swie diese Schriftzüge es euch vor Augen stellens schreibe ich fund könnt ihr künftig nun jeden mir untergeschobenen Brief Kap. 2, 2 sofort als unächt erkennen]: 18. Die Gnade unsers HErrn Jesu Christi sei mit euch allenl Amen [Röm. 16, 24; Phil. 4, 23]. Der Apostel hatte im Brauche, seine nicht eigen- händig geschriebenen Briefe mit« einem kurzen Ab- schiedsgruße eigenhändigzu schließen, ohne darauf, daß er dies selber schreibe, immer aufmerksam zu machen. Was ihn nun, wenn er ausdrücklich darauf aufmerk- sam machte, dazu veranlaßte, konnte verschiedener Art sein; wir haben da die Veranlassung sowohl bei 1. Cor. 16, 21., als bei Col. 4, 18 angegeben, und was ihn hier zu jener Bemerkung bewogen, geht deut- lich genug aus Kap. 2, 2 hervor. Geschrieben non Åthen [richtiger: von Corinth, s. Einl. zu Kap. 1, 1 f.]. Srhlnsibemetlningen zn den beiden Episieln ati die Cilhcsfaloniclzen Diese Briefe, welche die ersten apostolischen Sendschreiben ausmachen, lassen uns, wie in das Wirken, so auch in das Herz des großen Apostels manchen Blick thun, der uns zu besserem Ver- ständnis; dessen, was die Apostelgeschichte von ihm erzählt, verhilft und nicht wenig zu einer klaren Einsicht in Wesen und Verhalten eines Mannes Gottes beiträgt, in dem Christus wirklich eine Ge- stalt gewonnen hat. Außerdem aber erfahren wir über den Zustand der christlichen Gemeinde, die zuerst unter denen in den Heidenländern uns hier näher bekannt wird, in welch blühendem Stande sie einerseits mitten unter ihren Trübsalen sich befand; jedoch auch, welche Verirrungen andrerseits aus dem alten Leben, und selbst aus dem neuen, aus der einseitigen Richtung auf Eine Hauptlehre, ihr droheten, und mit welcher Weisheit nun, mit welcher schonenden Anerkennung des vorhandenen Guten, mit welch’ hofsenderzLiebe und zugleich strafendem Ernst der Apostel ihnen entgegentritt. Er ist darin ein wahres Musterbild für die Behandlung schwärmerischer Richtungen auch in dieser unsrer Zeit. Verhältnißmäßig haben die gelehrten Ausleger sich nur wenig mit den Thessalonicherbriefen zu schaffen gemacht; der Grund davon ist wohl darin zu suchen, daß die letzten Dinge, die denselben allein ihren specifischen Charakter ertheilen, nur wenig Anziehungskraft auf sie ausiibten, im Gegen- theil das, was der Apostel darüber vorträgt, sie in ihren eigenen Anschanungen unangenehm berührte. Yllie 1. Epistel St. Wanli an Eimathenm Die beiden Episteln an den Timotheus und die Epistel an den Titus werden gewöhnlich mit dem gemeinschaftlichen Namen der Pastoral- oder Hirtenbriefe bezeichnet, denn sie ent- halten Vorschriften für das Hirtenamt des Timotheus und Titus, Vorschriften aus dem Herzen eines ächten Hirten geflossen, und sind so ganz geeignet, diese Jünger nach dem Bilde des Erzhirten Christus heranzubilden; sie tragen also weniger einen offiziellen als vielmehr einen vertraulichen Charakter, schlagen mehr einen Ton natürlicher Freundlichkeit und Zärtlichkeit an und verrathen die — innigste Sorgfalt nicht nur für die Gemeinden, an deren Spitze Timotheus und Titus gestellt waren, sondern auch für das eigene geistige und leibliche Wohl der letzteren Obwohl es auch hier nicht an höchft belangreichen Auseinandersetzungen über das christliche Dogma fehlt, so tragen doch diese drei Briefe eine mehr praktische als dogmatische Farbe und sind ganz nach den Erfordernissen und Be- dürfnissen des Augenblicks eingerichtet. Das 1. Kapitel. Lehre des gesetzes und Eoangelih durch Faust Exempel erkilärei. A— Gleich in dem, die Ztusschrist und den apastoli- schen Segrngwunskh enthaltenden Eingang dieser, nach unsrer Knsiiht im Sommer deg I. 56 n. Ehr. von Eorinth aus an den in Ephesns zursirtigelassenen Timotheug ge· richteten Epistel Apostg. 19, St) Zum) treten uns man- cherlei Eigenthümtirlilieiten der pasloralbriefe überhaupt und der beiden Timotheuobriefe insonderheit entgegen; ihre Erklärung finden dieselben aber nicht in der Abfassung dieser Zriese zu einer Zeit, die jenseit der Grenze der Entstehung der übrigen Episteln des Apostels läge, wie man häufig angenommen hat, sondern in dem oasloralen Eharalkter der Briefe und in ihrer Bestimmung für die- jenigen Männer, mit denen ca Paulus als besonders von ihm bestellten Jlmtoträgern zu thun hat. 1. Paulus, ein Apostel Jesn Christi-« [nach besserer Lesart: Christi Jesu] nach dem Befehl Gottes-unsers Heilandes [Luk. 1, 47; Judä 25], und des HErrn Jesu Christi, der unsere Hoffnung sGrund, Mittelpunkt und Ziel unsrer Hoffnung Eos. i, 271 ist-es » 2. Timotheo, meinem rechtschaffenen [d. i. ächten, wohl gerathenen] Sohn im»G-latiben [1. Cor. 4, 17; Tit. 1, 4]: Gnade ssei mit dirs, Barmherzigkeitttr [Gal. 6, 16], Friede von Gott, unserm snach besserer Lesart: dem ·Gal. l, Z] Vater, und unserm HErrn Jesn Christo [besser: und Christo Jesu, unserm HErrn, vgl. 2. Joh. 3]. V) Der Apostel beginnt auch hier sein Schreiben in der Art, wie er sonst den Jrrlehrern gegenüber seine apoftolifche Auctorität geltend macht (1. Thess. 1, 1 Anm. 1); die Epistel ist Ja, wie wir zu Apostg. 19, 20 auseinander gesetzt haben, unter dem nieder- beugenden Druck der in Corinth gemachten Wahrneh- mungen nach Ephefus gesandt. Hier, in Ephesus, drohten allerdings von Seiten der Jrrlehrer auch fchon Gefahren, hatten jedoch daselbst noch nicht soviel (v. Oosterzee.) Terrain gewonnen, wie in Corinth, und das Ansehn des Apostels stand noch fest; indessen, eben darum, damit es hier nicht auch soweit komme, wie dort, wo- hin es zu bringen die vom Apostel excommunicirten Agitatoren Hymenäus und Alexander (V. 20) gewiß große Lust verspürten, hatte Paulus den Timotheus als seinen Delegaten oder Geschäftsträger in Ephesus zurückgelassen (V. Z; Apostg. IS, 3 Anm.), und er versieht nun diesen in der vorliegenden Epistel mit den nöthigen Jnstructionen für seine Wirksamkeit, da er selber auf unbestimmte Zeit jener Stadt fern blei- ben muß. Da liegt es denn in der Natur der Sache, daß er seine eigene Amtsbefugniß in nachdrücklicher Weise geltend macht, um in dem Ti1notheus, der von Natur schüchtern und ein Leisetreter war (1. Thess. Z, 5 Anm.), das Bewußtsein um die Würde und Aucto- rität des von einem Apostel des HErrn ihm übertra- genen Amts zu wecken. IV) Zu den Eigenthümlichkeiten der Pastoralbriefe gehört es, daß Paulus die Bezeichnung: ,-,unser Hei- land«, die er in den übrigen Briefen von Christo ge- braucht, auf Gott den Vater überträgt (Kap· 2, Z; 4, 10; Tit. I, Z; 2, 10; Z, 4), was offenbar mit Hin- blick darauf geschieht, daß das durch Jesum Christum gewirkte Heil in dem Vater seinen rathschlußmäßigen Urheber« hat. Eine besondere Eigenthümlichkeit der beiden Briefe an Timotheus ist es dann ferner, daß der Amtsname ,,Christus« dem der historischer; Person ,,Jesus«, in welchem die» messian1fch»en·Verheißungen des alten Testaments erfullt find, häufig, wenn auch nicht immer, vorangestellt wird; es hängt dies ohne Zweifel damit zusammen, daß Timotheus seiner müt- terlichen Herkunft nach dem jüdischen Volke angehörte (vgl. zu Apostg. 16, 3), während Titus ein Grieche war (Gal. Z, Z) und für diesen der Doppelname »Je»sus Ehristustj sich zu dem Gesammtbegriff des Erlosers und Seligmachers verband. Noch enger zieht sich der Kreis der Eigenthümlichkeitem wenn an unsrer Stelle Christus Jesus als ,,unsre Hoffnung« bezeichnet wird. Man hat gemeint, diese Bezeichnung deute auf eine Zeit der Abfassung des Briefes hin, wo der Apostel, am Ziel seiner Laufbahn stehend und müde von den schweren Kämpfen, sehnsuchtsvoll nach der Erlösung von allem Uebel hinaussahx man begreift aber nicht, warum, wenn das der Grund der Bezeich- nung wäre, sie nicht vielmehr im zweiten Briefe an Timotheus uns begegnet (vgl. Z. Tim. 4, 18), wir 620 1. Timotheum I, 3—11. können also nur soviel aus ihr entnehmen, daß, als Paulus diesen 1· Brief schrieb, er am tiefsten in sei- nem Herzen gebeugt war. Der beste Aufschluß findet sich bei v. Hofmanm »Die Bezeichnung Gottes als unsers Heilandes erinnert an den Dank, den wir ihm schulden, und die des HErrn Jesu als dessen, der unsre Hoffnung ist, indem seine Wiederkunft unsre Verklärung sein wird, ermuntert zur Geduld und Ausdauer in seinem Dienst; des einen und des andern ist der Apostel eingedenk in der Ausrichtung seines Auftrags, aber auch Timotheus wird dessen in der Erfüllung seines Berufs» eingedenk sein sollenss » sitt) Auch diese Einfügung: ,,»Barmherzigkeit»j« zwi- schen »,,Gnade« und ,,Friede« steht man gewohnlich als ein Zeichen der späten Abfassung der Pastoral- briefe an, indem man sagt: ,,je mehr das Leben des Apostels dem Ende sich zuneigte und je mehr er seine Schwachheih sein Elend fühlte, ward Gottes Barm- herzigkeit ihm zum Grundpfeiler seiner Hoffnung und fühlte er sich gedrungen, seine Schüler und Gehilfen dieser Barmherzigkeit zu befehlen« (Apostg. 20, 32). Die Einfügung ist aber vielmehr mit Beziehung auf die amtliche Stellung der Briefempsänger geschehen, wie Otto das weiter also ausführt: »Gott beweifet seine Gnade damit, daß er den Sünder ohne Ver- dienst der Werke rechtfertigt; fügt er aber zu der Recht- fertigung noch eine Ehrenstellung ein Amt in feinem Reiche hinzu, so ist das nur als Barmherzigkeit zu begreifen-« Dem Apostel, der von den in Corinth gemachten Erfahrungen so schmerzlich berührt war, daß ihm wohl seine ganze Stellung hätte verleidet werden können, kommt dennoch alsbald der Gedanke, daß es noch mehr als Gnade, daß es Barmherzigkeit ist, wenn Gott ihn zu einem Apostel Jesu Christi be- rufen hat, und er läßt sich hernach (V. 12 fs.) aus- führlich darüber aus, gleichwie er es den Corinthern gegenüber betont (1.Cor.7,25; 2.Eor.4,1); da möchte er nun seinen apostolischen Gehilfen dasselbe Bewußtsein tief einprägen, denn auch sie werden in ihrem Amte manchmal verfucht sein, dasselbe um der Menfchen Bosheit und Hartnäckigkeit willen als eine Last zu empfinden, die einen Diener am Wort leicht als den geplagtesten unter allen Menschenkindern (4. Mos. 12, S) erscheinen läßt, und werden also nöthig haben, sich vielmehr zu einer andern Ansicht als zu der, die Fleisch und Blut an die Hand giebt, zu erheben. B. Gs folgt der eigentliche haupttheit des Zriefs, der sich in mehrere tlntertheite zerlegt; in der Aufein- anderfolge derselben läßt sich tceine bestimmte logisase Ord- nung unterscheiden, der Apostel schüttet vielmehr auch hier lediglich seinherz aus und ,,schreibt, wie’s treibi«, gleichwie mir das in Beziehung auf den ijaupttheit des philiupcrtsriefs bemerkten (vgl. Eint. zu phiL l, 12 fs.). I« h. 3—20. Paulus erinnert den Timotheum daß er ihn zur-Bekämpfung non grundstürzenden Irrlehrern in Guhesus zurückgelassen, charakterisiert diese nach ihrer Jtbweitisung von der rechten Lehre und stellt ihrer ver· tiennung des Wesens sowohl des Gesetzes als des Evan- geliums das herrliche Evangelium entgegen, welches ihm vertrauet ist; wobei er denn auf die ihm mit seiner Bekehrung zu Chriflo und seiner Berufung zum Apostel widerfahrene Gnade und Barmherzigkeit wie nach ihrer Grösse so nach ihrer Kbzwektcung eingeht, und nun zu einer Eolspreisung Gottes sich bewogen fühlt All· 3—17). Indem er hierauf den Timotheus auch an die bei sei- ner Grdination zum apostolisctsen Tcmtsgehilfen über ihn er- gangenen Weissagungcn erinnert, ermahnt erihn, in densel- bigen eine gute Rittersctsaft zu üben, und hätt ihm das Warnungsereiicpet zweier namhaft gemachten Männer vor, die am Glauben Schiffbruch gelitten (itI. 1t3—20). Z. Wie ich dich sschon früher] ermahnet habe, daß du [lieber] zu Ephefus bliebeft [statt die Reise mit mir zu machen], da ich in Macedonien zog [um für längere Zeit abwesend zu sein, vgl. zu Apostg. 19, 20], und [nun, als mein Stellver- treter, dort in EphesUsJ gebbteft etlichen [die der Gemeinde gefährlich zu werden drohen], daß sie [die christliche Wahrheit] nicht anders lehreten [als sie zu lehren ist V. 5 sf.], 4. Auch nicht Acht hätten auf die Fabeln und der Geschlechte Register [wie jüdische Philo- fophen sie vortragen Tit. I, 14; Z, 9], die kein Ende haben [fondern ein zielloses Herumirren sind in allerlei träumerischen Einsällen] und brin- gen funnütze und vorwitzige, nur dem Streiten unter einander dienende] Fragen auf mehr, denn Vesscrung zu Gott sdurch Auferbauung] im Glau- ben«« [was ja das Ziel aller wahren Religion ist ——— wie also früher schou persönlich zu einer fol- chen Abwehr von Jrrlehren ich dich ermahnet habe, so ermahne ich dich jetzt noch einmal schrist- lich dazu, vgl. Kap. 4, 1 ff.]. 5. Denn die Hauptsumme des Gebots sauf die man dagegen, statt auf jene Fabeln und Ge- schlechtsregister Acht zu haben hat und auf die es bei der christlichen Lehre ausschließlich ankommt, weil darin allein die Besserung zu Gott im Glau- ben sich vollzieht] ist [wie darauf schou das alte Testament hinweist] Liebe [des Nächsten Gal. b, 14] von reinem Herzen [1. Petri I, 221 und von gutem Gewissen [Kap. 3, o; 1. Petri 3, is] und von ungefcirbtem Glauben [2. Cor. 6, S; I. Petri I, 22; Rom. 12, 9 f.]; 6. Welchcr Erfordernisse, nämlich eines rei- nen Herzens, eines guten Gewissens und eines ungefärbten Glaubenss haben etliche gefehlct und sind umgewandt zu unnufzem Geschwäsz [Tit. 1, 10], 7. Wollen [in thörichtem Unterfangen] der Schrift [des alten Testaments 2. Tim. 3, 15 f.] Meister fein, und verstehen [bei ihrer Unklarheit im Denken und ihrer Unbekanntschast mit dem Wesen des GesetzeSJ ntcht, was sie sagen oder was sie setzen« [Kap. S, 4]. 8. Wir wissen aber [im Gegensatz. zu solchen eigenmächtigen Gesetzeslehrerm die nicht verstehen, was sie sagen oder sehen] daß das Gesetz gut ist, fo sein jemand recht [in einer dem Wesen und der Bedeutung desselben entsprechenden Weise] braucht [bei dem kirchlichen Unterricht, den er zu erthei- len hats, 9. Und weiß solches [bei seinen Auslassungen über die Giltigkeit des Gesetzes innerhalb der christlichen Gemeinde von dem Bewußtsein und der Erwägung sich leiten läßt], daß dem Gerechten Demjenigen, der durch den Glauben an Jesum Nach dem Eingang folgt der Haupttheil des Briefes in Unterweisung und Vermahnung. 621 Christum gerecht worden] kein Gesetz gegeben ist sdas er noch ferner nach seinen Bestimmungen in engerem oder weiterem Umfange zu beobachten hätte Rom. e, 143 Gar. 5, 18], sondern sdas Gesetz, wie Moses es gegeben, behält seine Giltig- keit nur allein noch gegenüber] den Ungerechten nnd Ungehorsamem den Gottlosen und Sündern U. Petri 4, 18], den Unheiligen und Ungeistlichen [Hebr. 12, is; 2· Tim. 3, 2], den Vatermördern und Muttermbrdern [die sich an Vater und Mutter thätlich vergreifen, auch schon durch Schläge oder sonstige Mißhandlungen 2. Mos. 21, 15 u. 17], den Todtschlägern [2. Mos. 21, 12], 10. Den Hurern, den Knabenschändern [Röm. 1, 27; l. Cor. 6, 9], den Menschendieben [2. Mos. 21, is; Z. Mos. 24, 7], den Lügnern, den Meineidigem und so etwas mehr der heilsamen Lehre [Tit. 2, I] zuwider ist; 11. Nach dem herrlichen Evangelio des seligen [Kap.6, 151 Gottes, welches mir [Ephes. Z, 8ff.; Col. l, 25 fs.] vertranet ist-«« skann ja aber einer das gar wohl wissen, um des Gesetzes recht zu brauchen bei seinem Unterricht, er muß nur eben an diesem Evangelio festhalten]. V) Der Brief beginnt mit einem Vordersatze ohne ersichtlichen Nachsatz (vgl. Röm. 5, 12 ff.); besagt nun der Vordersatz, daß der Apostel den Timotheus zu einem bestimmten Zwecke in Ephesus hat bleiben heißen, so wissen wir auch, welchen Nachsatz er, als er jenes »Wir« schrieb, womit er anhebt, im Sinne hatte, er will nämlich nun nochmals, und zwar schrift- lich, den Timotheus ermahnen, das zu thun, wozu er ihn hat dort bleiben heißen. Ein Nachsatz dieses Jn- halts konnte, wenn er durch die Ausdehnung des Vordersatzes in zu weite Ferne gerückt wurde, ohne Nachtheil ausbleiben, da schon die Erinnerung an das empfangene Geheiß den gleichen Dienst Tit. (v. Hof- mann.) Paulus konnte wegen der in .5 ff. sich anschließenden längeren Charakteristik und Kritik der Jrrlehre, welche er im Sinn hatte, und der dadurch bedingten Gegenüberstellung des von ihm gepredigten Evangeliums, seiner Herrlichkeit und Gewißheit, den Nachsatz in regelrechter Weise nicht folgen lassen; nur muß sich später wenigstens der Sinn eines solchen Nachsatzes aufweisen lassen, was in der That gleich nach der Lobpreisung in V. 17., womit jene, den regel- mäßigen Satzbau störende Gedankenreihe schließt, der Fall ist. (Wieseler.) Von den Fabeln und der Ge- schlechte Registern, auf die man nicht Acht haben soll, sagt der Apostel, sie beschäftigen den Verstand auf eine unfruchtbare Weise, aber dem heilsbedürftigen Herzen geben sie nichts; damit macht er bemerklich, daß alle geistige Beschäftigung mit religiösen Dingen nur dann einen Werth hat, wenn sie dem Herzen, dem inwendigen Menschen etwas austrägt und das Glaubensleben fördert, dagegen gänzlich werthlos ist, wenn sie auf einseitige Weise nur den Verstand in Anspruch nimmt. (Plitt.) IN) Erst jetzt wissen wir, was für ein ,,anders Lehren« in V. 3 gemeint war: es ist ein Unterricht im geschriebenen Gesetz; neben der apostolischen Lehre also, um welche die Gemeinde gesammelt war, brachten diese Leute eine Beschäftigung mit der Thora tdem Jnosaischen Gesetze) auf, für welche sie Etliche gewannen, die nun ihren Sonderanhang bildeten. Wenn es in V. 4 hieß: ,,auch nicht Acht hätten auf die Fabeln und der Geschlechte Register«, so war damit nur sol- ches benannt, was diesen Unterricht für so Manchen anziehend machte, man bekam nämlich bei dieser Be- schäftigung mit der Thora allerlei jüdische Ueberliefe- rungen, allerlei Erörterungen der biblischen Alter- thumsgeschichten zu hören, welche angenehm beschäfti- gen; aber das eigentliche Wesen dieses ,,anders Lehren« bestand darin, daß anstatt der Thatsachen und Ord- nungen des christlichen Heils das Buch des Gesetzes Jsraels in einer Weise zum Lehrgegenstande gemacht wurde, wie wenn es auch für Christen ein Gesetzbuch wäre und nicht vielmehr ein Zeugniß für die Glau- bensgerechtigkeit (Röm. Z, 21), was nothwendig dazu führte, daß man sich die aus ihm herausgelesenen oder herausgedeuteten einzelnen Gesetzesbestimmungen eine Regel und Richtschnur sein ließ, wenn auch ohne deshalb die Unterstellung unter Jsraels Gesetz zur Heilsbedingung zu machen. Daher verweilt denn auch der Apostel von V. 8 an bei der Bedeutung, welche das Gesetz für die Christen hat; mit dem aber, was er in V. 5 f. sagt, giebt er an, wie diejenigen, welche dergleichen Dinge lehren, dazu gekommen sind, sich hieraus ein Geschäft zu machen —- es ist bei ihnen das, worauf die rechte Lehre abzielt, nicht zuwege ge- kommen. Wie »das Evangelium« die Botschaft schlecht· hin ist, nämlich die Botschaft von dem, was Gott die Menschen will wissen lassen, so ist »das Gebot« das Geheiß schlechthin, nämlich das Geheiß, nach welchem die Menschen sich zu achten haben: beides umfaßt, nur jedes nach anderer Seite, den ganzen Inhalt der christlichen Lehre. Wenn nun in der einen Beziehung Glaube das ist, womit es der Haushalter Gottes zu thun hat, ihn zu verkündigen und ihn zu wirken, so ist in der anderen Beziehung Liebe das, was durch das göttliche Geheiß erzielt sein will, und zwar Liebe aus reinem Herzen, indem das Herz der Eigen- sucht und Weltlust ledig sein muß, damit die zur Liebe erforderliche Gesinnung vorhanden sei, und aus gutem Gewissen, indem ohne das Bewußtsein des Friedens mit Gott, welches beides in sich schließt, die Freiheit vom Schuldbewußtsein und das Bewußtsein, das Gute zu wollen, die rechte Gemüthsverfassung für die Liebe fehlt, und aus ungeheucheltem Glau- ben, indem nur ein Glaube, dem es voller Ernst mit dem ist, was er glaubt, zu dem Willensantriebe wird, dessen es zur Liebe bedarf. Die drei Stücke sind so aufgezählt, daß immer das folgende das frühere ist; denn die christliche Lehre wirkt erstlich Glauben, der seinen Namen nur verdient, wenn er ernst gemeint ist, sodann ein Gewissen, das aus dem Schuldbewußtsein ein Bewußtsein des Friedens mit Gott geworden ist, endlich ein Herz, welches nichts Anderes mehr will, als den Willen Gottes thun. Wo diese drei Stücke sind, da fehlt auch die aus ihnen hervorgehende, sie zur Voraussetzung habende Liebe nicht, die Nächsten- liebe, welche des Gesetzes Erfüllung ist (Röm. 13, 8); aber eben dieser Stücke haben Etliche gefehlt und sich in Folge dessen von der Wahrheit abgekehrt und eitlem Geschwätz zugewendet. Es war ihnen nicht um sol- chen Glauben, solch ein Gewissen, solch ein Herz zu thun, wie sie sein müssen, wenn die christliche Liebe aus ihnen hervorgehen soll« damit haben sie aber den ihnen von der christlichen Lehre vorgezeichneten Weg verlassen, auf dem man ja nur bleibt, wenn man den Blick auf das geheftet hält, was die Voraussetzung der von ihr bezweckten Liebe ist, und sind, statt an das Ziel jenes Weges zu kommen, an eine andere Lehre gerathen, welche auf einen andern Weg weist· 622 1. Timotheum 1, 12———17. Welcher Art diese Lehre ist, die der Apostel ein un- nützes, alles Wahrheitsgehaltes entbehrendes Geschwätz nennt, und auf welchen Weg sie führt, sa en die Worte zu Anfang des 7. Ver-fes: ,,wollen der chrift Meister (oder, wie es wörtlich heißt, Gefetzeslehrey sein.« Gesetzeslehrey die das Gesetz Jsraels zu1n Gegen- stande ihres Unterrichts machen, haben in der Ge- meinde des Evangeliums nichts zu schaffen; es ist also ein unberechtigtes Vornehmen, sie mit solchem Unter- richte zu behelligen, der neben dem »Gebot« (V. 5) etwas sein will. Ihr Vornehmen ist aber, gleichwie ein unberechtigtes, so auch ein thörichtes; denn, wie der Apostel im 7. Verse weiter sagt: »sie verstehen nicht, was sie sagen oder was sie setzen«, stellen Sätze auf, die sie selbst nicht verstehen, und kennen das Wesen der Gesetzesbestimmungen nicht, über welche sie mit solcher Zuversicht reden. (v. Hofmann.) Jn dem Aussprache: »die Hauptsumme des Gebotes ist Liebe 2c.« liegt für Timotheus, wie für jeden Andern, eine maßgebende Richtschnur. (Matthies.) Wenn du die Liebe pflanzesh so wird alle verkehrte Lehre verschwin- den; denn wenn die Liebe mangelt, ist Neid vorhan- den, aus diesem entspringt Herrschsuchh aus ihr »die Sucht zu lehren, und daher kommen dann die Jrr- lehren. (Theophhlact.) Das Sichdrängen zu den Lehr- stühlen hat oft genug nicht in innerem Beruf, sondern in Ehrgeiz seinen Grund; dieser treibt dann, auf neue Lehren zu sinnen, von denen der, welcher sie vorträgt, manchmal selber gar nicht recht überzeugt ist. (Plitt.) ils-f) Jn B. 8 stellt der Apostel den Ausspruch sei- ner Wissenschafh die er in der Schule des heil. Geistes gelernt hat, den falfchen Behauptungen jener anmaßew den Gesetzeslehrer gegenüber; sein Lehrbegriff nun, auf dessen Annahme auch seitens des Timotheus er ohne Bedenken rechnet, ist der, daß das Gesetz gut und an sich selber in keiner Weise zu tadeln sei, doch nur insofern oder unter der Bedingung, daß jemand dasselbe recht oder gefetzmäßig wie es wörtlich heißt, gebraucht, was die bestrittenen Jrrlehrer keineswegs thaten. Der Ausdruck »gesetzinäßig« bildet mit »Ge- setz« ein Wortspiel, welches andeuten soll, daß das Gesetz feinem eigenen Wesen gemäß angewandt werden soll; dabei fällt es von selbst in die Augen, daß Paulus an dieser Stelle von dem Gebrauche des Ge- setzes nicht in Bezug auf den Hörer oder Leser, son- dern ausschließlich von dessen Anwendung seitens des Lehrers redet, der wohl zu bedenken hat, daß, wie es in V. 9 heißt, dem Gerechten kein Gesetz gegeben ist. Unter diesem kann nur ein Menfch gemeint sein, der rechtschasfen und sittlich nach den Forderungen des Gesetzes lebt; da aber nach der allgemeinen Lehre des Apostels alle die, welche unter dem Gesetze sind, zu- gleich unter dem Fluche sich befinden, so daß aus des Gesetzes Werken kein Fleisch gerecht werden kann (Gal. Z, 10; Röm. Z, 20), so folgt hieraus, daß unter dem Gerechten nur ein solcher zu verstehen sei, der in Christo durch den Glauben gerechtfertigt und durch den heil. Geist anfangsweise erneuert ist. Als Gegen- satz zu dem ausgesprochenen Gedanken zählt dann der Apostel eine lange Reihe von Uebelthätern auf, für welche das Gesetz allerdings in Geltung bleibt; es ist das eine Auf ählung, welcher ohne Zweifel der Neben- gedanke zu runde liegt, daß häufig die, welche am meisten für das Gesetz eifern, es nicht selten am gröb- sten übertreten, vgl. Röm. 2, 20 . (v. Oofterzee.) Die Aufzählung beginnt mit den Ungerechten und Ungehorsamen, mit solchen, welche thun, was dem im Gesetz ausgesprochenen Willen Gottes zuwider ist, und diesem Willen, der ihren Gehorsam fordert, den Gehorsam weigern; sie fährt fort mit den Gottlos en und Sündern, mit solchen, die nach Gott nicht fra- gen, sie würden sonst seinen Willen achten, und die thun, was vom Uebel ist, weil sie ihm nicht gehor- samen. Weiter folgen die Unheiligen und Un- geistlichen, jene den Gottlosen, diese den Sündern entsprechend, indem ein Unheiliger derjenige ist, der nichts heilig achtet, ein Ungeistlicher aber, wer alles gemein, weihelos behandelt. Den Unheiligen entspre- chen dann wiederum die Vater- und Muttermör- der und Todtschläger, den Ungeistlichen aber die Hurer und Knabenschänder und Menschendiebe, indem Vater und Mutter mißhandeln und Menschen- leben morden ein Thun des Unheiligen, und das Weib oder vollends den Mann im Dienste geiler Luft miß- brauchen oder den Mitmenschen im Dienste der Er- werbsucht als Waare behandeln ein Thun des Ungeist- lichen ist. Noch folgen die Lügner und Meineidi- gen, um auch der Sünden der Zunge zu gedenken, die der Mensch gegen den Mitmenschen begeht, wenn er ihn mit Unwahrheit bedient, und gegen Gott, wenn er befchwört, was Lüge ist, oder nicht hält, was er beschworen hat. Dann schließt die Aufzählung, als ob sie mit Aufzählung von Eigenschaften und Hand- langen, statt von Personen, gewesen wäre, mit: ,,oder so etwas mehr der heilsamen Lehre zuwider ist«; wenn nun, was ihr entgegen ist, unter das Gesetz fällt, welches dem Gerechten nicht gilt, so ist der rich- tige Gebrauch des heilsgeschichtlich geoffenbarten Ge- setzes nicht der, es zum Unterrichtsgegenstande für diejenigen zu machen, die der auf Liebe aus reinem » Herzen und gutem Gewissen und ungeheucheltem Glau- ben abzielenden apostolischen Lehre (V. 5) gläubig e- horsamen, sondern diejenigen zu strafen, deren Wesen und Thun mit ihr im Widerspruch ist. (v. Hofmann.) Jene Gesetzeslehrey die der Schrift-Meister sein woll- ten, thaten, als ob das Gesetz für den Gerechten bestimmt sei; sie glaubten das Evangelium mit dem Gesetz noch aufbessern zu können, sie stellten Forde- rungen, die auf das Gesetz zurückgingeih um durch deren Erfüllung zu einer höheren Stufe sittlicher Voll- endung zu führen. Auf eine solche Richtung deutet die ,,leibliche Uebung« in Kap. 4, 8., von der dort im Zusammenhange mit den ,,Fabeln« die Rede ist, wie die Vergleichung der Stelle: Tit. I, 14; und irren wir nicht, wenn wir das Fabeln und Genealogisiren (A·ufstellen· von Geschlechtsregisterw mit der gesetzlichen Richtung in Zusammenhang bringen, so möchte wohl nicht an ein einfaches Geltendmachen des mosaischen Gesetzes zu denken sein, sondern an eine solche An- wendnng desselben, bei der man sich einer tieferen Erkenntniß rühmte, durch die man zu einer höheren sittlichen Vollendung gelangen sollte, als bei dem ein- fachen Festhalten an dem Evangelio. Bei dieser Auf- fassung erklärt sich denn auch, warum der Apostel hier eine Reihe der gröbsten Laster aufzählt, die das Gesetz zu strafen bestimmt sei: es widersährt jenen Gesetzeslehrerm daß, während sie weise sein wollen, sie u Narren werden, und während sie zu einer höheren rkenntniß und höheren sittlichen Vollendung ihre Anhänger zu führen versprechen, sie dieselben herab- setzen auf die Stufe der Ungerechten; eben darum hieß es von ihnen in 7: »fie verstehen nicht, was sie sagen oder was sie setzen.« (Wiesinger.) Mit« den Worten des 11. Verfes will Paulus ausdrücken, daß seine Lehre von dem Gesetz nicht in subjektiver Will- kür, sondern in dem ihm anvertrauten Evangelio be- ründet sei; und um die normative Auctorität des- selben desto heller hervorleuchten zu lassen, bezeichnet er dasselbe als das ,,herrliche Evangelium des seligen Gottes«, denn in ihm offenbart sich Gottes Herrlichkeit Bekämpfung der Jrrlehrer, die das Wesen sowohl des Gesetzes als des Evangelii verkennen. 623 und theilt seine Seligkeit sich den Gläubigen mit. (Huther.) Bei dem, dem Paulus vertraueten Evangelio sieht man durch, wie Gott gerecht ist und gerecht macht, selig ist und selig -macht, und alles so richtig leitet, daß er für seine herrliche Gnade das Lob und wir die ewige Errettung oder das Heil haben. (Rieger.) 12. Und ich danke unserm HErrn Christo Sein, der mich stark gemacht swährend meines bisherigen Berufslebens, dasselbe so zu führen, wie ich es thue, mit richtigem Verständniß meiner Aufgabe und mit rastlosem Eifer zu deren Er- füllung Z. Cor. Z, G; I. Cor. 15, 10] und [der mich damals, als er mich zu seinem Apostel be- rief] treu geachtet hat ldas Vertrauen zu mir ge- hegt hat, ich würde ihm ein treuer Diener sein 1. Cur. 4, 2; 7, 25], und snun auch wirklich] gesetzet in das Amt szu bezeugen das Evangelium von der Gnade Gottes Apostg. 20, 34], 13. Der ich kdochs zuvor war ein Lasterer [seines Namens 1. Cor. 12, Z] und ein Verfol- ger Iseiner Gemeinde Apostg. 9, 4] und ein Schmäher sder die an ihn gläubig Gewordenen mißhandelte, um sie zum Lästern zu zwingen Apostg. 26, 11]; aber mir ist Barmherzigkeit widerfahren sdaß der HErr sogar zu einem aus- erwählten Rüstzeug mich erkoren hat, seinen Namen zu tragen vor den Heiden und vor den Königen und vor den Kindern von Israel Apoftg. 9, 15]; denn ich habe es lwas ich zuvor Uebles gethan] unwissend gethan sindem mir völlig unbewußt war, wie schwer ich mich damit versündigte Apostg. S, 17; Jvh. 16, 2], im UnglaubenK 14. Es ist aber sje schlimmer die Früchte waren, welche diese Unwissenheit bei mir erzeugt hatte] desto relcher gewesen die Gnade unsers HErrn [welche die Unwissenheit von mir nahm und mich erleuchtete mit dem Lichte der Lebendi- gen Hiob 33, 30], sammt dem Glauben [den sie an die Stelle des Unglaubens bei mir setzte], nnd der Liebe, die in Christo Jesu ist« sund die von da an mein Herz durchdrungen hat 2. Eor. b, 14., also, daß ich fortan das gerade Gegen- theil von meinem früheren Thun vollbringe l. Cor. 9, 19 ff.]. 15. Denn das ist je [Pred. 4, 8 Anm.] gewißlich wahr [Kap. Z, 1;4, I; 2. Tim.2, n; Tit. Z, 8] und ein thener werthes sohne irgend welchen Vorbehalt gläubig aufgenommen zu werden würdiges] Wort, daß Christus Jesus kommen ist in die Welt [Joh. is, 28], die Sünder selig zu machen, unter welchen ich der vornehmste bin [als der gleichsam an ihrer Spitze steht, darum daß ich die Gemeine Gottes verfolgt habe 1. Eor. 15, 9]. 16. Aber darum szn dem Ende] ist mir Barmherzigkeit widerfahren, auf daß an mir vornehmlich Jesus Christus erzeigctel alle Geduld [in langmüthigem Ertragen seiner Feinde, die er noch zur Buße und Bekehrung führen will], zum Exempel denen [d. i. zum Vorbild oder Vorspiel derer], die [in künftigen Tagen Apostg. 9, 2 Anm.] an ihn glauben sollten zum ewigen Lebens« [Je"s. 28, 16; Röm. 9, 33; I. Petri 2, 6]. 17. Aber Gott, dem ewigen Könige [Ps. 145, IS; Tab. 13, 5], dem Unvergänglichen und Un- sichtbaren [Röm. l, 23; Col. 1, 15] nnd allejn Weisen [Röm. 16, 27; Judij 25J, sei Ehre nnd Preis in Ewigkeit! Amens [vgl. Kap. 6, 15 f.]. V) Nachdem der Apostel mit den letzten Worten des 11. Verses auf sein persönliches Verhältniß zu dem Evangelio hingewiesen, schildert er nunmehr die ihm widerfahrene Gnade, um an seinem Beispiele das Evangelium als ein ,,herrliches Evangelium des seli- gen Gottes« nachzuweisen. Der Abschnitt steht mit dem Vorhergehenden in engster Verbindung, indem er den Gegensatz zwischen der Jrrlehre und dem Evan- gelio in seiner ganzen Tiefe aufzeigt: die Jrrlehre hat es einerseits mit unsruchtbaren Speculationen zu thun, wo sie aber andrerseits praktisch werden will, da knechtet sie den Christen unter das Gesetz; das Eine, worauf es vor allem ankommt, die Vergebung der Sünden, gewährt sie nicht, und darum kennt sie auch nicht das Erbarmen des HErrn. Das Wesen des Evan- geliums dagegen ist es, gerade dieses zu offenbaren; als Zeugnis; dafür beruft sich Paulus auf das, was er an sich selbst erfahren hat. (Huther.) Anstatt blos zu sagen, wie es geschehen sei, daß er mit dem Evan- gelio betrauet wurde, rühmt es Paulus als etwas, wofür er dem HErrn Jesu Dank wisse, und zwar so, daß er ihn zugleich dankbar als Den rühmt, der ihm das Vermögen gegeben hat, das verliehene Amt so auszurichtem wie er gethan hat; nachdem er denn diesen Rückblick auf sein Berufs-leben gethan, rühmt er . weiter, wie er dazu bestellt worden ist. Jesus hat ihn damit, daß er ihn ins Amt einsetzte, für verlagsig ge- achtet, nachdem er doch die Zeit zuvor ein ästerer gewesen war, ein Versolger und ein Schmähen Mit dieser Erinnerung an das, was er bis dahin gewesen, ist er bereits über das Erste, was er sagen wollte, wie er dazu gekommen sei, das Evangelium zu Verkündi- gen, hinausgegangen; sie bildet den Uebergang zum Zweitem indem sie seine Einsetzung in’s Amt als Er- fahrung barmherziger Güte erschetnen läßt. (v. Hof- mann.) Mit den Worten: »denn ich hab’s unwissend gethan, im Unglauben« soll sein früheres Thun nicht beschönigt werden, sondern es soll damit nur die Möglichkeit der Begnadigung ausgesprochen werden; wenn er es nicht unwissend gethan hätte, sondern wider besser Wissen und Gewissen, so wäre die Be- gnadigung nicht möglich gewesen. Diese Unwissenheit hat aber ihren Grund im Unglauben; inwiefern dieser Unglaube selbst wieder ein verschuldeter war, das kommt hier nicht in Betracht, derselbe wird nur er- wähnt als Erklärungsgrund der Unwissenheit. (Plitt·) Es bleibt ein großer Unterschied zwischen dem Ver- halten, das hier der Apostel beschreibt, wobei es ihm ein redlicher Ernst um das Gesetz war, und dem, wo- von wir in Luk. 11, 52; Matth. 12, 32 lesen, wobei die unvertilgbare Feindschaft des Herzens gegen das, was aus Gott ist, das geflissentliche Widerstreben gegen den Geist Gottes der Grund des Verhaltens ist: hier müßte die Gnade zu einer zwingenden Macht werden, 624 l. Timotheum I, 18-—20. um retten zu können. (Wiesinger.) Hätte Paulus durchaus keine Unwissenheit gehabt, so wäre seine Be- gnadigung völlig unmöglich geworden, weil er in die- sem Falle eine Sünde zum Tode begangen haben würde (1. Joh. 5, 16 f·), bei welcher der subxektive Anknüpfun spunkt für die göttliche Barmherzigkeit, Reue und uße, gänzlich fehlt. (v. Oosterzee.) Nag der Gerechtigkeit im Gesetz war Paulus unsträfli (Phil. 3, 6), vor Christo ist er ein Sünder: sowie der Mond und eine Laterne uns in der Nacht leuchtet, wie es aber thöricht ist, eine Laterne zu gebrauchen, wenn die Sonne scheint, so hatte diese Gerechtigkeit ihre Zeit und war zu dieser Zeit auch wirklich Ge- rechtigkeit; als aber Christus erschien, da ward sie verdunkelt und ist jetzt nur noch Sünde. (Theophhlact.) «) Dem in V. 13 beschriebenen Zustande stellt Paulus den neuen gegenüber, den Stand der Gnade, die sich in seinem Leben und Wirken verherrlicht und es mit Glaube und Liebe in Christo Jesu geschmückt hat. Glaube und Liebe sind als das Gefolge der Gnade bezeichnet: wo diese sich an einem Menschen verherrlicht, bringt sie Glaube und Liebe mit. (Wie- singer.) Je größer des Apostels Elend vorhin war, desto reicher die ihm widerfahrene Gnade, die an die Stelle des Unglaubens den Glauben und an die Stelle seines Hasses die Liebe pflanzte. (v. Gerlach.) Jndem Paulus seinem vorigen Unglauben den nun- mehrigen Glauben und·die Liebe in Christo Jesu ent- -gegensetzt, thut er es nicht ohne Rücksicht auf die Jrr- lehre, welche weder die Besserung zu Gott im Glauben (V. 4) noch auch die Liebe (V. 5) zu ihrem Ziele hatte. (Huther.) Es hat bei mir nichts Anderes werden können, sagt er, als ein gläubiges Hinlehnen auf Den, der gekommen ist, die Sünder selig zu machen; und damit wurde auch eine Liebe in das Herz aus- gegossen, wobei ich Gott und seine Heiligen, und mich und alle Menschen, zu deren Seligkeit Jesus Christus »in die Welt gekommen, ganz anders ansehen und be- handeln lernte. (Rieger.) v TM) Dem ,,unnützen Geschwätz« (V. S) der Irr- lehrer, die sich Unterricht im Gesetz zur Aufgabe ge- macht haben, sehen wir den Apostel auf Grund des- selben Erlebnisses, durch das er mit dem herrlichen sEvangelio des seligen Gottes betraut worden ist, die Lehre, die sich in das Eine Wort faßt, daß Sünder zu erretten der Zweck war, zu welchem Jesus Christus in die Welt gekommen, als verlässig und unbedingter Hinnahme werth entgegensetzem wenn er dann mit den Worten: »unter welchen ich der vornehmste bin« wieder aus sich zu sprechen kommt, so ist es nicht das Bewußtsein seiner Schuld, das ihn dazu drängt, son- dern auf den, mit dem »aber« des 16. Verses gegen- über gestellten Gedanken hat er es abgesehen, den vornehmsten unter den Sündern aber nennt er sich deshalb, weil er so sehr Feind des Namens Jesu war, daß ihn nicht das Wort des Zeugnisses seiner Jünger u bekehren vermochte, sondern es der wunderbaren Eelbstossenbarung Jesu bedurfte, um ihn zu über- winden. Wenn ihm dennoch Erbarmung widerfahren ist, so ist es mit der Absicht geschehen, daß Christus Jesus, um ein Bild derjenigen zu zeichnen, die nach- mals an ihn glauben würden (vgl. Hohel 8, G; Z. Cor. Z, 14 fs.; Offenb. 11, 11 f.), an ihm zuerst das ganze Vollmaß seiner Langmuth beweise; man sollte wissen, daß man sich folcher Bekehrungen zu versehen habe, wie die seinige war, der Bekehrung von Lästerern und Verfolgern (1. Cor. 12, 8), die der HErr lang- müthig gewähren läßt, bis sie doch zur Erkenntniß kommen· (v. Hofmann.) Wie hier in Paulus, so wurde später in Vielen offenbar, daß gerade die hef- tigsten Gegner der Wahrheit nach ihrer Bekehrung zu deren kräftigsten Zeugen umgeschafsen werden: so früher Augustinus, später John Newtonx aus der Missions- efchichte van der Kemp und viele Andere. (v. OosterzeeJ arum nennt sich Paulus den vornehmsten Sünder? Denkt an Saulus, und ihr werdet es finden; ihr habt über dem Hirten den Wolf vergessen. Solch ein Ge- rücht war diesem Wolf vorausgegangen, daß nicht ein- mal in des Hirten Händen das Schaf sich ficher glaubte (Apoftg. 9, 13): ,,HErr, ich habe von diesem Menschen gehört, wieviel Böses er deinen Heiligen zu Jerusalem gethan hat — und du schickst das Schaf zum Wols?« och er hörte darauf nicht, Er, der fchon früher ge- sagt hatte: ,,fiehe, ich schicke euch wie die Schafe mitten unter die Wölfe« Der HErr antwortet: »aus dem Wolfe habe ich ein Schaf gemachtz aus dem Schafe werde ich einen Hirten machen« Und das ist deshalb geschehen, damit alle sich sagten: »Wie? ist Paulus geheilt worden, warum sollte ich verzagen?« Wo immer ein Arzt hinkommh da sucht er sich einen recht ver- zweifelten Kranken aus und heilt ihn; und wäre dieser der ärmste, so sucht er nicht den Lohn, sondern die Verherrlichung seiner Kunst. (Augustin.) Nehmen wir an, in einer volkreichen Stadt wohnen lauter schlechte Bürger, einige mehr, andere weniger, aber alle ver- dammungswiirdig Einer unter jenen Bürgern aber ist mehr als alle der Strafe und der Rache werth, da er jede Art von Schlechtigkeit verübt hat; wenn nun jemand sagt, daß der König allen verzeihen will, so werden sie vielleicht dem Wort nicht glauben, bis sie sehen, daß der, welcherschlechter ist als alle, der Gnade theilhaftig gewordenish dann ist kein Zweifel mehr übrig. Das sagt nun auch Paulus, daß Gott, indem er die Menschen seiner Vergebung gewiß machen wollte, den größten aller Sünder auswählte. (Chrysostomus.) f) Kein Wunder, daß nun, da der Apostel seiner Begnadigung eine so hohe Bedeutung für alle folgen- den Jahrhunderte zuschreibt, sein Herz zu einer dank- baren Doxologie sich erhebt; aber kein Wunder auch, daß er sein höchstes Vorrecht gerade an dieser Stelle so ausführlich mittheilt, denn nicht durch das Gefetz, sondern durch das Evangelium allein konnte sich xa die Barmherzigkeit des HErrn an ihm und so Vielen nach ihm verherrlichen, und insofern dient diese ganze Mittheilung zugleich auch zur Widerlegung der Irr- lehrer, die das erste (das Gesetz) über das zweite (das Evangelium) gestellt hatten. (v. Oofterzee.) 18. Dies Gebot [wie ich’s vorhin näher aus- einandergesetzt habe, daß nämlich statt alles Andern den Menschen gelehrt werden muß, daß sie, um zum ewigen Leben zu gelangen, aus Den ihre Zu- versicht zu setzen haben, der in die Welt kommen ist, die Sünder selig zu machen] befehl ich dir szu sorgfältiger Beachtung und Bewährung Kap. S, 20; Z. Tim. 1, 14], mein Sohn Timotbeus, nach den vorigen Weissagungen über dir [die bei deiner Ordination zum Apostelgehilfen ergangen sind Kap. 4, 14; Apostg· 16, 3 Anm·], daß du in den- selbigen sin diesen Weifsagungen, ihnen entsprechend und von ihnen als einer Ausrüstung für dein Amt getragen] eine gute Rittetschaft übestt sdurch treue und sieghaste Ausrichtung deiner Amtspflich- ten, besonders auch den Jrrlehrern V. 3 f. gegen- über Kap. S, 12; Judä 3], 19. Und habest den Glauben nnd gut Gewissen, Des Apostels Betrauung mit dem Evangelio und des Timotheus Berufsaufgabe. 625 welches [das gute Gewissen V. 5] etliche bot: fich gestoßen und sin Folge dessen] am Glauben [den sie vordem befassen] Schisfbruch erlitten haben« iK0p- s, 91; M. Unter welchen ist Hymeutius [2. Tim. 2, 17] nnd Alexander sder Schmied 2. Tim. 4, 14; Apostg 19, 34 Anm·], welche ich habe dem Satan übergeben [1. Cor. 5, 5 Anm.], daß sie gezüchtiget werden, nicht mehr [wie sie bereits angefangen haben zu thun, den Namen des HErrns zu lästernsfts V) Mit den Worten: ,,dies Gebot befehle ich dir« kehrt der Apostel nach der näheren Mittheilung in V. 5 ff. zu seiner urspriinglichen Ermahnung in V. 3f. zurück und richtet feine Rede wieder direkt an den Timotheus, den er für einige Augenblicke aus den Augen verloren hatte. Von einem Gebot in dem eigentlichen legalen Sinne des Worts ist nun natür- lich hier nicht die Rede, sondern Paulus bewegt fich fchon bei diesem Ausdruck in militärischen Bildern; das im Grundtext dafür stehende Wort wird vom Commando gebraucht, und zwar ist es gewissermaßen das Comniando ge en die Jrrlehrer, welches der Apostel dem Timot eus anbefiehlt oder anvertraut. (v. Oosterzee.) Dieselbe apoftolische Lehre, von wel- cher er in V. 5 f. erklärt hat, wie jene Jrrlehrer von ihr ab und auf unnützes Geschwätz gerathen sind, hat er in V. 11 als das herrliche Evangelium des seligen Gottes ihrem Unterricht im Gesetz entgegengestellt und als die Lehre von Jesu dem Sünderheilande gepriesen, von welcher seine Beftellung zum Prediger derselben Zeugnis; giebt; er kann also, nachdem jenem Gegen- satze gegen das Thun und Treiben der anders Lehren- den (V. Z) genug gethan ist, auf das Gebot (V. 5) zurückkommen, um es dem Timotheus, abgesehen von dem, was seine nächste Aufgabe sein soll, überhaupt anzubefehlen. Daß er das Evangelium auch hier mit dem Ausdruck »Gebot« benennt, hat denselben Grund, wie oben: es handelt fich darum, was den Menschen statt alles Andern zur Nachachtung gesagt sein will, nämlich daß sie, um ewiges Leben zu gewinnen, auf Den ihre Zuversicht setzen sollen, der in die Welt ge- kommen ist, Sünder zu erretten; und wenn er nun sagt, er befehle dies Gebot dem Timotheus nach den über diesen zuvor ergangenen Weissagungen, so meint er diejenigen Weissagungen, die ihm verheißen hatten, Timotheus werde ein treuer Diener des Evan- geliums sein, und ihn dadurch feiner Wahl versichert hatten, als- er ihn zum Gehilfen feiner Berufsarbeit annahm. Wie jene Weissagungen vormals den Apostel dessen versichert haben, daß er wohl daran thue, fich den Timotheus als dienenden Gehilfen beizugesellem so folgt er ihnen auch jetzt, «wenn er ihm die Lehre, die er Verkündigt hat, zu fernerer Verwaltung anbe- fiehlt, damit er so, wie dieselben von ihm verhoffen lassen, die gute Ritterschaft übe, die Ritterschaft näm- lich oder den Dienst in dem Kriege, den Christus führt, die Seelen durch sein Wort zu gewinnen. Was er hierzu haben muß, ist nicht weit herzuholem und der folgende Vers bezeichnet es näher: Glauben muß er haben und ein gutes Gewissen; aber jenen nicht ohne dieses, damit es ihm nicht ergehe wie etlichen, die in Folge dessen, daß sie das letztere von fich.stießen, hinsichtlich des ersteren Schisfbruch litten. (v. Hofmann.) Pl) Der Lehrer muß zuerst fich selbst lehren; denn wie ein Heerführer nicht Heerführer sein kann, wenn er nicht vorher der beste Soldat war, so auch der Lehrer. Dächseks Bibelwerb V1l. Band. Mit Glauben und gutem Gewissen sollst du den Andern vorftehen. (Chrysostomus.) Mit dem Glauben wird in den Pastoralbriefen nicht selten das gute Gewissen verbunden und der zu Grunde liegende Gedanke ist offenbar der, daß nur da der Glaube in rechter Weise edeihen kann, wo ein gutes Gewissen ist. (Plitt.) as das Auge im Haupte und das Herz im Leibe, das ist das Gewissen dem Glauben und ganzen Christenthum; es ist sehr zart und muß daher wohl bewahret werden. (J. Lange.) Von Haus hat niemand das gute, d. i. ein schuld- freies und alles Heils gewärtiges Gewissen; wie es in Betreff Gottes gewonnen wird, lehrt 1. Petri 3, 21., die Wurzel desselben ist hiernach der Glaube. Jedoch kann mit gutem Rechte gesagt werden, daß das gute Gewissen nicht blos das praktifche Resultat, die Frucht des Glaubens in unserm sittlichen Selbstbewußtsein ist, sondern daß ebensosehr die stetige Erhaltung und Bethätigung des Glaubens von dem guten Gewissen, d. i. von dem durch die tägliche Ertödtung des alten Wesens fich erhaltenden Bewußtsein der Gottesgnade abhängig ist. Beide stehen in dem täglich fich er- neuerndeti und weiter entwickelnden Prozesse des christ- lichen Lebens in lebendiger Wechselwirkung: der Glaube setzt das gute Gewissen und das gute Ge- wissen ist die Basis für den in steigernder Kraft fich fortsetzenden Glauben; daher steht das Gewissen vor dem Glauben und an unsrer Stelle nach dem Glauben. Versucht nun der Mensch den Glauben von dem praktischen Lebensgebiete fern zu halten, um auf demselben anderen Interessen zu folgen, so treten Glaube und Gewissen in Confliktt der Mensch bildet fich seine eigene Sittlichkeit, sein eigenes Gewissen; das gute Gewissen, welches der Glaube wirkt, stößt er zurück. Damit verwirft er den Compaß, nach welchem allein der rechte Curs zu bemessen ist. Der Lootse wird abgewiesen, der allein das Lebensschifflei1i auf dem sehr schmalen Fahrwasser durch die Klippen der Zeit hindurchzuretten im Stande ist. Der Glaube, der verhindert wird, fich auf dem praktischen Lebens- gebiet lebendig zu erweisen, zieht fich zurück, er siecht und stirbt. Jeder Glaube, der das Gewissen nicht mehr bestimmt, ist todtes Schiffsguh todte Ortho- doxie, rein formeller Glaube; das Schiff ums; an den Klippen stranden, aus dem zerborstenen Lebens- schiff wird der Ballast des todten Glaubens von den Wogen des Sündenlebens herausgespült und geht im Meeresabgrunde verloren. (Otto.) THE) Was Paulus von Hymenäus und Alexander sagt, zeigt uns, wie theuer und werth ihm die Kirchen- zucht war und wie daher die Erschlaffung und Zügel- losigkeit vieler Gemeinden in dieser Hinsicht mit feinem Geiste und Vorbilde im direktesten Widerspruch steht; dagegen darf auch nicht unbeachtet bleiben, wie er nur in den äußersten Nothfällen zu dieser Maßregel überging und dann noch lediglich in der Absicht, um durch die Strafe zur Besserung zu leiten und ewigen Schaden an der Seele zu verhüten. Die Jnquisition in der römisch-katholifchen Kirche wird mithin eben so sehr hier verurtheilt, als der Jtidifferentismus vieler Mitglieder der evangelischen Kirche auf diesem Gebiete. (v. Oosterzee.) Was Paulus· an Hymenäus und Alexander durch die m apostolischer Vollmacht vorgenommene Kirchenzucht auszurichten suchte, das gewährt Gott seinen Knechten in der heutigen Zeit, wo er sieht, daß ihre Macht dahin ist, oft durch andere verborgene Schickungen, worunter er be- wirkt, daß manches Lügenmaul gestopft, mancher Lästerer durch uns unbekannte Umstände angegriffen wird, daß er nachlassen muß. (Rieger.) 40 626 1. Timotheuin 2, 1——7. Das 2. Kapitel. Wie und wann das gebet non Atem-Is- und Meibspersonen in der gemeine soll verrichtet werden. II- v. 1—15. Außer der Aufgabe, denen entgegenzu- wirlten, welche durch ihr unfruchtbar» Treiben die Ge- meinde verwirren, hat Timotheus bei seinem Zurück— bleiben als Stellvertreter des Apostels zu Gphesus zu— gleikh die andere iibernommen, fiir die Ordnung und Leitung der Gemeinde Sorge zu tragen; indem Paulus jetzt diesen Theil seiner Jlufgabe vornimmt und da zu— nächst Vorsthriften in Betress der gotteodiensilicheu Versammlungen ihm ertheilen will, wie die Zustände der Gemeinde sie an die Hand geben, ordnet er zunächst an, daß das allgemeine Kirrhengebet für alle Menschen und namentlich auch für die Könige und obrigleeitlichen Personen zu geschehen habe, wie das in der nniversalen Bestimmung des Christenthttms für die ganze Welt, die so lilar und bestimmt in seiner Berufung zum Apostel der Heiden stch aussprerlsg liege (t1.1—7). Darnach äußert er sich weiter darüber, welches die reihte, sowohl innerlirhe wie äußerliche Verfassung sei, die cinestheits dem Manne und anderntheils dem Weibe beim Gebete gezieme (v. 8—-10). Im Anschluß hieran schreibt er ferner vor, daß die Frauen sich des Eehreng nicht an- nehmen, sondern in der ihnen zubomlnenden Unterordnung mit dem bloßen Eernen sieh begniigen sollen, wie ihnen denn überhaupt keinerlei jljerrskhen iibee den uiann zustehe, sie vielmehr in der Erfüllung der hüuglikheu und mütterlirhen Pflichten ihren Beruf zu erkennen haben (v. 11——l5). 1. So ermahne ich nun sum von dem im vorigen Kapitel Gesagten die Anwendung zu machen auf das kirchliche Leben, zu dessen Be- wahrung und Ausgestaltung ich dich in Ephesus zurückgelassen habe Kap. 1, 3 ff.], daß man sim Gottesdienst der Gemeine] vor allen Dingen zuerst thue [die Worte des Grundtextes lassen sich auch so verbinden: So ermahne ich nun vor allen Dingen zuerst, das; man thue] Bitte, Gebet, Fürbitte und Danksagung [Eph. g, 18; 2. Tor. I, 11; Phil. 4, S] für alle Menschen* [wie für die Mitchristen, so auch für Heiden und Juden], » 2. Fur die Könige sden römischen Kaiser sowie die Einzelherrscher im römischen Reich, die es hier oder da giebt], nnd für alle Obrigkeit [alle in irgend einem obrigkeitlichen Amte befind- lichen Personen Röm. 13, 1 sf.; 1. Petri 2, 13 f.], auf daß wir [indem Gott sie ferner den auf- rührerischen Mächten gegenüber in ihrem Bestande erhält und immer mehr in ihrem Stande sie segnet 2. Thess 2, 6 f.; Röm. 13, 4] ein ruhig und stilles Leben führen mögen in aller Gottselig- teil [nach innen] Und Ehrbarkeit« snach außen] 3. Denn solches [nämlich Bitte, Gebet, Für- bitte und Danksagung in demjenigen Umfange zu thun, wie ich ihn soeben angegeben habe] ist gut [schon den Menschen gegenüber 2· Cor. 8, 21; Tit. Z, 8., die daraus erkennen, wie sehr wir es mit ihnen allen wohl meinen Röm. 12, 17], dazu auch angenehm vor Gott, unserm Heilande [Kap. 1, 1 Anm.]; 4. Welcher will, daß allen Menschen geholfen werde [Tit. 2, 11], Und [zwar dadurch geholfen werde, daß sie alle] zur Erkenntnis der Wahrheit [die allein in Christo Jesu vorhanden ist Joh. I, 17; 14, 16; 18, 37] kommen [2. Tim. Z, 7]. Z. Denn es istEtn Gott sdem alle Men- schen ohne Ausnahme zugehören Jes. 45, 21 f.; Mal. 2, to; 1. Cor 8, S] und Ein Mittler ztvischen Gott [dem Einen] und deuMenschen [in ihrer Gesammtheit Hebt. 12, 24], nämlich der Mensch Christus Jesus [Röm. 5, 15], b. Der [als solcher, als ein Jhresgleichen seiender Mensch Hebr. 2, 14] sich selbst ge- geben hat für alle [ohne Unterschied, die ebenfalls den Namen ,,Mensch« führen] zur Erlösung [Gal·1,4; 2, 20; Tit. 2, 14], daß s olches sdas in ihm für alle bereite Heil] zn seiner Zeit geprediget wüedetti [Tit. 1, 3]; 7. Dazu [nämlich um aller Orten zu be- zeugen, daß Gottes Heilswerk in Christo allen Menschen gilt, wie eben gesagt worden] ich gesetzt bin ein Prediger [der diese Botschaft zu verkün- digen] und Apostel [der sie in die Welt hinaus- zutragen hat] -— ich sage [wenn ich das von mir behaupte] die Wahrheit in Christo, und lüge nicht [Röm. 9, 11 -, ein Lehrer der Heiden [2. Tim. I, 11., der sie unterweisen soll] im Glauben [damit sie zu demselbigen gelangen Röm. 1, s; 15, 18; 16, 261 nnd in der Wahrheits sdamit sie zu deren Erkenntniß kommen und ihnen so geholfen werde V. 4]. s) Was der Apostel hinsichtlich des gemeind- lichen Gebets verlangt, steht zu dem vorhin geltend gemachten Wesen der apostolischen Lehre in solchem Verhältniß, daß er es auf Grund desselben vor allem verlangen konnte; denn faßt sich die apostolische Lehre in das Eine Wort (Kap.1, 14 f.), daß Christus Jesus gekommen ist in die Welt, die Sünder selig zu machen, und sollte die Langmuth des HErrn gegen den, wel- chen er aus einem Lästerer und Verfolger zu seinem Apostel gemacht hat, eine Weissagung sein auf die Bekehrung derer, die forthin an ihn gläubig würden, so ziemt es sich für die Christen, ihr Gebet der Bitte und Danksagung nicht sektenartig auf ihren dermali en Bereich einzuschränken, sondern iiber alle Mens en und insonderheit über alle Obrigkeit zu erstrecken. (v. HofmannJ ,,Jch ermahne vor allen Dingen zuers «: so sagt der Apostel nicht in dem Sinne, als ob die darauf folgende Ermahnung an sich diese erste Stelle verdiente, sondern es sind besondere Rücksichtem die ihn veranlassen, vor allen Dingen hiervon zu reden; seine Ermahnung, für alle Menschen zu beten, hat ohne Zweifel dieselbe Beziehung, wie die in Tit. Z, 1f., alle Sanftmüthigkeit zu beweisen gegen alle Menschen und den Fürsten und der Obrigkeit unter« than und gehorsam zu sein, zu allem guten Werk bereit. Sie gilt solchen, welche in dem Vorzug, Christen Vorschriften für die gottesdienstlichen Versammlungen. Fürbitte für alle Menschen. 627 zu sein, ein Recht zu haben vermeinten, auf die, welche es nicht waren, als auf eine naassa perditionis (dem Verderben geweihete Masse) herab zu blicken. (Wiesinger.)»» Paulus sieht sich veranlaßt, den Gegen- satz gegen judtsch-giiostische Beschrankthect sogar knur- gisch zu fixiren (Otto.) Die» Christen sollen die Ntchtchrcsten nicht ansehen wie eme Verderbens-Masse, mit der nichts mehr zu machen sei, vielmehr sollen sie auch den Nichtchristen ihre Liebe zuwenden und das zu ihrem Heil thun, was sie eben für sie thun können, selbst wenn sie von ihnen gehaßt und verfolgt werden. (Plitt.) Keiner ist ein so großer Sünder, daß man nicht für ihn beten sollte; auch Saulus ist durch das Gebet des Stephanus (Apostg. 7, 59) bekehrt worden. (Anselmus.) Die drei Worte: »Bitte, Gebet, Für- bitte« enthalten eine Steigerung. Bitte ist das ganz allgemeine Wort für jede Art des Aussprechens eines Anliegens, Gebet ist die Bezeichnung des feierlichen Vortrags einer Bitte vor Gott, und Fürbitte ist die völlige Aneignung der fremden Noth, wodurch wir für des Andern Bedürfnisse bitten, als wären es die unsrigen; eine Bitte, eine feierlich ernste, heilige Bitte der ganzen Gemeinde, eine die fremde Noth wie die eigene fühlende Fürbitte sollen die Christen in den Versammlungen thun für alle Menschen, und ebenso Dank darbringen für alles Gute, was ihnen wider- fährt. (v. Gerlach.) Nicht blos durch die Fürbitte, auch durch die Danksagung vereinigt und schmilzt er uns zusammen: denn wer Gott danken soll für das Gute, was der Nächste empfängt, der muß diesen auch lieben und ihn als einen Freund ansehen. (Ehry- sostomusJ »Es) Schon im alten Testament (Jer. 29, 7; Esra S, 10) war verordnet, daß die Juden auch für ihre heidnischen Regenten beten sollten; diese Sitte behielten die Juden bei, bis der Geist des Ausruhrs mehr und mehr bei ihnen überhand nahm und zu Anfang des letzten jüdischen Kriegs das Gebet und Opfer für den Kaiser auf Andringen der Zeloten gänzlich abgeschafft wurde. (Olshaufen.) Dagegen sind die alten Christen dem apostolischen Befehle fleißi nachgekommen und haben selbst mitten unter den scgwersten Verfolgungen nicht unterlassen, für Könige und Obri keiten zu beten, wie genügend aus alten Liturgieen sowie aus den Zeugnissen der Apologeten und Kirchenväter hervor- geht. Bei der Uebung der christlichen Fürbitte nun eröffnet der Apostel den Gläubigen die Aussicht, daß sie dann ein ruhiges und stilles Leben in aller Gott- seligkeit und Ehrbarkeit würden führen können, und spricht damit die Erwartung aus, daß ihre Fürbitte bei Gott auch wirklich etwas auswirken werde, vgl. Spr. 21, 1. (v. Oosterzee.) Eine der besten und nutzbarsten Arten der Steuern, welche man der Obrig- keit schuldig ist und abzutragen hat, ist diese, daß man für sie betet, auch für das durch sie empfangene Gute Gott herzlich danket. (J. Lange.) Stille und Ruhe sind für die Frömmigkeit und Heiligkeit förderlicher als Unruhe und Aufregung; namentlich haben es politifche Aufregungen an sich, das Interesse so ge- waltig zu absorbiren, daß die Pflege der Frömmigkeit darunter Noth leidet. Darum soll sich der Christ hüten, daß er nicht zu tief in solch ein unruhiges politisches Treiben hinein gerathe; und besonders der Geistliche hat alle Ursach, diese Regel zu beobachten. Wenn irgend jemand, so bedarf gerade Er eines stillen und geruhigen Lebens; damit ihm nun ein solches zu Theil werde, brin e er seine Gebete dar für die Obrig- keit und mische sicg so wenig als möglich in politische Händel, als wozu er nicht berufen ist. (Plitt·) IN) Wenn Gott will, daß alle Menschen ge- rettet werden, so mußt auch du es wollen; wenn du es aber willst, so bete, denn die etwas wollen, die beten. sChrysostomusJ Daß es Einen Gott aller Menschen gebe, der allen dasselbe Heil zugedacht und alle mit gleicher Liebe umfaßt, daß Eine Noth und Eine Errettung aus dieser Noth das ganze mensch- liche Geschlecht vereinigt, war eine vor der Erschei- nung Christi nirgends verkündete, höchstens hie und da dunkel geahnte Wahrheit; auch die Juden hatten sich von diesem Lichte fast alle abgewandt, und das falsche Judenthum, das die Jrrlehrer in Kleinasien mit christlicher Färbung unter den Gemeinden zu ver- breiten fuchten, verdunkelte auf’s Neue diese theure Wahrheit. (v. Gerlach.) Sonderbar sticht gegen die soteriologische Lehre des Apostels die Keckheit der Vielen unserer Zeitgenossen ab, welche behaupten, daß sie keines Mittlers bedürften, daß man auch sehr wohl direkt, auch ohne den Sohn, zu dem Vater gehen könne; was diesen Menschen vor allem fehlt, ist die lebendige Erkenntniß von der Verdammungswürdigkeit der Sünde und von der Heiligkeit Gottes. Der Gott, dem sie nahen, ist nicht der Gott der biblischen Offen- barung, sondern vielmehr der Götze ihres eigenen verfinsterten Verstandes. Haben wir aber nach der Lehre des Apostels nur Einen Mittler zwischen Gott und den Menschen, dann ist die Anrufung der Hei- ligen und die Mariolatrie, besonders wie diese in der neuesten Zeit in der römisch -katholischen Kirche be- trieben wird, schon hiermit in ihrem Grunde ver- urtheilt. (v. Oosterzee.) T) So bekannt es dem Timotheus, ja auch der Gemeinde in Ephesus war, daß Paulus der Apostel der Heiden sei, so nothwendig war es zugleich wegen feiner Gegner, daß er diesen seinen Beruf, Lehrer aller Völker zu sein, immerfort seinen Feinden gegenüber hervorhob. Auch hier führt er seine Einsetzung zum Heidenapostel als den thatsächlichen Beweis der roßen Wahrheit an, daß Gott die Seligkeit aller wo e, wie in Kap. 1, 12 ff. seine Bekehrung als thatsächlichen Beweis der Gnade Gottes auch gegen den ärgsten Sünder. (v. Gerlach.) Die Zeit während des drei- jährigen ephesinischen Aufenthalts des Apostels, in welche auch die Abfassung des Galaterbriefs fällt, ist dadurch ausgezeichnet und sowohl von der früheren als von der nachfolgenden Periode der paulinischen Mission unterschiedem daß Paulus während derselben den Kampf um seine apostolische Dignität auszu- kämpfen hatte. Nach der Erledigung der corinthischen Wirren, welche bei seiner Anwesenheit in Griechen- land im Winter 57J58 vollständig erfolgte, war dieser Fe«uerbrand, den die Jrrlehrer in die paulinischen Gemeinden geworfen hatten, erloschen, und man konnte ihn später nicht wieder an dem vermeintlichen Gegensatze zwischen Paulus und Petrus entzünden, weil Petrus seit des Paulus Gesangenschaft in ein notorisch freundliches und förderndes Verhältniß zu der paulinischen Mission getreten war. Schon der Römerbries ist frei von dem Kampfe für die apostolische Dignität; die Briese aus der römischen Gesangenschaft enthalten keine Spur von Zurückweisung irgend welcher Verdächtigungen nach dieser Seite hin, der Apostel war in allen christlichen Gemeinden, nicht blos in denen seiner eigenen Gründung, als solcher allgemein anerkannt: was von Böswilligkeit und Erbitterung gegen den Bekämpfer des pharisäischen Judenthums noch vorhanden war, hatte außerhalb der Gemeinde seinen Verlauf zu nehmen. Es erhellt, wie wichtig diese Bemerkung für die Abfassungszeit der hier vor- liegenden Epistel ist: zu keiner andern Zeit, als in jener ephesinischen Periode, hatte Paulus Veranlassung, 407 628 1. Timotheum 2, 8——15. die starken Worte niederzuschreibent »ein Prediger und Apostel — ich sage die Wahrheit (in Christo» und lüge nicht«. (O»tto.) » . So will 1ch nun sals ein solcher, der kraft apostolischer Auctorität Verordnungen zu erlassen berechtigt ist], das; die Manner beten [die gemeinschaftlichen Gebete vors prechen Apstg 4, 24 sf.] an allen Orten [wo man zum Gottesdienst zusammenkommt],.und snun da] aufheben heilige Hände [die geweihet sind durch ein wirklich betendes, zu Gott erhobenes Herz Amos 5·, 2.3; Jef. 29, 13], ohne Zorn swelcher die demuthige Richtung auf Gott mit feindlicher Richtung wider den Nächsten durchkreuzt] und Zweifel« [der die Ernstlichkeit des Betens aufhebt und es zu keiner ungetheilten Hingabe an Gott kommen läßt Jac· l, 6 ff.]. 9. Desselbigen gleicheii sverordne ich in» Be- ziehung aus] die Weiber, daß sie in zierlicheiii soder sittigem Kap. Z, 2., der Wohlanstandigkeit entsprechendem] Kleide [das sie ja allerdings an- legen mögen, um auch ihrerseits eine Weihe an sich zu tragensmit Scham und Zncht sich schmucken [wenn sie beim gemeinschaftlichen Gebet und Gottesdienst erscheinen], nicht [aber] mit Zdpsen oder Gold oder Perlen oder kbstlichem Gewand [1. Petri 3, 3]; · · 10. Sondern [auf solche Weise sollen sie vor Gott treten] wie sich’s ziemet den Weibern, die da Gottseligkeit beweisen ssich zur Gottselig- keit als ihrer Lebensaufgabe bekennen] durch gute Werke« [Kap. 5, 10]. · V) Jndem der Apostel zu der in V· 1ff. ausge- sprochenen Ermahnung zuriickkehrt, nachdem er in V. 4 ff. es näher begründet hat, warum er darin auf Bitte, Gebet, Fürbitte und Danksagung für alle Men- schen und insonderheit für die Könige und alle Obrig- keit gedrungen habe, giebt er jetzt an, wo, wie und durch wen solches Beten verrichtet werden solle, und dabei hat er sowohl den Frauen als den Männern etwas Besonderes zu sagen. Die letzteren sollen, in- dem sie bestimmt von den Weibern unterschieden werden, ausschließlich die öffentlichen Gebete verrichten; es scheint nämlich, daß in den Versammlungen der Gläubigen diese Sache nicht ausschließlich dem Vor- steher aufgetragen war, sondern daß sie ohne weitere Einschränkung durch die Gemeindeglieder selbst ver- richtet wurde. Der Apostel mißbilligt dies keineswegs; er verordnet nur, daß die Weiber dessen sich gänzlich enthalten, was sie vielleicht in der letzten Zeit nicht immer gethan haben (vgl. zu I. Cor. l1,3 u. 14, 34). Das »an allen Orten«, welches nicht blos auf ,,betei1«, sondern auf den ganzen Satz zu beziehen ist, erklärt sich daraus, daß die ephesinische Gemeinde, gleichwie manche andere (vgl. zu Röm. 16, 5), aus unterschied- lichen Hausgemeinden bestand und in Fol e dessen mehrere Versammlungsplätze hatte; im Bli hierauf giebt der Apostel eine Vorschrift, welche von den Männern, wo immer sie sind, zu Herzen genommen werden soll. Das Aufheben der Hände war der xüdische Gebrauch beim Beten (Jes. 1, 15 Anm.), und wurde, wie aus dieser Stelle erhellt, auch von der christlichen Gemeinde angenommen. (v. OosterzeeJ Das ,,heilige Hände« meint nicht, wie man den Aus- druck gewöhnlich auffaßt, daß die Hände, welche sie betend aufheben, von Lafteru und Verbrechen frei sein sollen (Jes. l, ·15); es würde, wäre das der Gedanke des Apostels, sich das ,,ohne Zorn und Zweifel« selt- sam dahinter ausnehmen. Es kann, was mit jenem, von dem, was mit letzterem gefordert ist, nicht so weit abliegen, und es kann nicht eine Beschaffenheit der Hände an sich, sondern nur eine Beschassenheit der Hände als zum Gebet erhobener bezeichnen. Die Hände des Betenden nun sind heilig, wenn er innerlich von der Weihe durchdrungen ist, ohne welche sein Beten diesen Namen nicht verdient. (v. Hofmannh ,,Zorn und Zweifel« deutet auf die Vorschrift der Fiirbitte für alle Menschen (V. I) hin: keine widrige Gesinnung, kein falsches Bedenken störe in derselben; der Zweifel kann indessen noch mehr umfassen und aus das Verhältniß zu Gott, dem Erhörer der Gebete, gehen. Wer in der Gemeinde beten will, soll vor allem Glauben und Zuversicht haben. (v. Gerlach.) IV) Wir haben in diesen Versen wieder eine pastorale Vorschrift, welche von dem richtigst.en Urtheil und von einem bewunderungswiirdigen Scharfblick zeugt. Wie wichtig ist doch für as weibliche Geschlecht das Aeußere in Beziehung auf Kleidung und ganze Erfcheinung! Auch der Mann soll »sich nicht vernachlässigen, aber die Frau noch viel weniger; ein gewisses Sichschinücken ist Pflicht für das Weib, doch muß es ·eschehen mit feinem Gefühl für das, was sich schickt. s giebt eine Art, sich zu schmiickem welche das ,,mit Scham« nicht beachtet und darumsofort den Eindruck der Frechheit macht: es lassen sich darüber keine gesetzlichem in’s Einzelne gehende Regeln geben, die »Zucht« muß das Richtige sagen» Wenn nun der Apostel sagt, die Frauen follen sichmicht ,,mit Zöpfen oder Gold oder Perlen« oder köstlicheni Gewaiid««,schmücken, so meint er gewiß nicht, daß sie sich gar nicht frisiren, niemals Gold oder Perlen &c. tragen sollen, sondern er meint, daß sie alles Auffalleiide vermeiden sollenz es ist nicht passend, wenn eine Frau sich so kleidet, daß die Leute auf der Straße stehen» bleiben, um ihr nachzusehen Namentlich steht es nicht gut, wenn eine Frau von so auffallender Erscheinung sich dann an allerlei christ- lichen Vereinen, innerer und äußerer Mission &c. be- theiligt: welche die Frömmigkeit durch gute Werke be- kennen will, deren Aeußeres ·soll auch nichts haben, was zu einem frommen ·Sinn einmal nicht paßt. (Plitt.) Die Zierlichkeit des Kleides findet der Apostel bei den Weibern, wenn sie öffentlich erscheinen, loblich, schneidet aber Jeden Vorwanddes Luxus oder der Putzsucht ab. (v. Gerlach.) Heilige Weihe des Betenswird ·auch von den Frauen» gefordert; aber wenn diese bei den Mannern durch Zorn und Zweifel verhindert und gestört werden möchte, so lag den Frauen solches naher, was ihre äußere Haltung und Erscheinung unangemessen machte, daher bestimmt sich hier die Forderung weihevollen Betens dahin, daß es geschehen solle »in zierlichem Kleide mit Scham und Zucht«. Jn ehrbarer Kleidung also sollen die Frauen an den Gebeten theilnehmen, mit sittiger Scheu vor·Unziemlichem»und einer alles llngehöri e aus- schlief-enden Ve»rstiindigkeit; Sittsamkeit und erstün- digkeit wird die Frauen so sich fchmücken lassen, wie es sich geziemt. Sie werden es nicht darauf anlegen, aufzu allen durch die Kunstlichkeitz mit der sie ihr Haar flechten, noch durch» Gold» oder Perlen oder kost- bare Gewaiiduiig, »womit sie sichunthunz sondern so werden sie sich schmuckem wie es sich für. Frauen ziemt, die sur gottesfurchtig gelten wollen, mit den Worten aber: ,,durch gute Werke« weist der Apostel auf das- Das Thun der Männer beim Gottesdienst undsdasfVerhalten der Weiber-»in deniselbensz jenige Gebiet hin, welches das ihnen zustehende Ar- beitsfeld im christlichen Gemeindeleben ausmacht. v. Hofmann.) Wie bei den Männern Zorn und weifel dem Gebet zusetzt, so ist bei den Weibern dem Geist des Gebets nichts gefährlicher und denselben zu dämpfen versuchlicher, als die Eitelkeit, die Liebe der Welt und ihres hoffärtigen Wesens: der Fleiß für den äußeren Menschen, die Begierde, mit dem in die Augen zu fallen, verrückt den verborgenen Herzens- menschen von der allein giltigen Ehrbegierde, Gott zu gefallen. Ach, die leidige Art, alles in eine Parade zu verwandeln, und so auch Kirchen-Parade zu machen, schadet mehr, als man denkt! (Rieger.) 11. Ein Weib lerne in der Stille sindem sie, ohne selbst darein reden zu wollen, aufmerk- sam dem zuhört, was beim gemeinschaftlichen Gottesdienst zur Lehre und Unterweisung im christlichen Glaubensleben von den Männern vor- getragen wird], mit aller Unterihanigkeit [wie sie dem weiblichen Geschlecht zukommt, fich rein passiv und reeeptiv verhaltend]. 12. Einem Weibe aber gestatte ich nicht, daß sie [statt zu lernen, vielmehr ösfentlich in der Gemeindeversammlung] lehre [1. Cur. 14, 34 f.], auch nicht, daß sie des Mannes Herr sei ssich sonstwie über denselben in einer Weise erhebe, die ihr nicht zukommt], sondern [verlange von ihr, daß sie] siille sei* [mit ihrem ganzen Walten und Wirken in dem Kreise der Zurückgezogenheit und Stille fich bewege]. 13. [Solche Unterordnung des weiblichen Geschlechts unter das männliche und solche be- scheidene Zurückhaltung im Bewußtsein seiner Schwäche 1. Petri Z, 7 liegt schon in der Ge- schichte von den Anfängen der Menschheit be- gründet] Denn Adam ist am ersten gemacht, darnach Eva [1. Mos. 2, 7 u. 21 f.»; 1. Cur. 11, 8 f.; hiernach gebührt also wohl dem Manne, aber nicht dem Weibe, eine selbständigeStellung]. 14. Und Adam Ward nicht lvon der Schlange im Paradiese, welche recht gut wußte, welches von beiden Geschlechtern das schwächere, am leichteften zu berückende sei] verfiihretz das Weib aber ward verfirhret 11. Mos. Z, 1 ff; 2. Cur. 11, s] und hat die Uebertretung eingesirhrettt [in die Menschenwelt, indem sie nicht nur zuerst sündigte, sondern auch ihren Mann zur Sünde verleitete; das soll denn eine beständige Warnung sein für das weibliche Geschlecht, sich nicht durch ein selbstherrliches, über den Mann hinausgehendes Auftreten in die Gefahr, dem Versucher anheim- zufallen, zu begeben]. 15. Sie wird aber selig [wörtlich: gerettet] werden durch Kinderzeugcn [nach I. Cur. 3, is: durch’s Kinderzeugem das für ihre Ueber- tretung ihr in schmerzlicher und gefahrvoller Weise auferlegt worden 1. Mos. 3, 16., hin- durch], so sie [die einzelnen Frauen] bleiben im Glauben und in der Liebe und in der Heiligung [Ephes. 6, 23; I· Thess 4, 3 u. 7] sammt de: Zncht*"· sdie von aller anmaßlichen Vordring- lichkeit V. 12 fich fern hält Kap. b, 10 u. 14; Tit. 4f.]. V) Es scheint, daß die Ehristinneti zu Ephesus mehr, als es ihnen ziemete, geneigt waren, fich selbst in den Vordergrund zu stellen; aus diesem Grunde legt ihnen der Apostel das Stillschweigen auf, gleichwie auch in den jüdischen Shnagogen den Weibern nur das Hören, nicht aber das Reden gestattet war. Selbst das Fragen nach dem, was sie nicht versteht, wird in 1. Cur. 14, 35 der Frau nicht an öffentlichen Orten, sondern nur innerhalb der Grenzen ihrer eigenen Wohnung erlaubt. Ein Beispiel des Lehrens von Seiten- einer Frau, das der Apostel gewiß nicht verboten haben würde, sehen wir in Apostg.18,26. (v. Oosterzee.) So stehet auch Pauli Verbot dem nicht entgegen, daß eine Weibs- person Bücher schreibe; denn obgleich ein solches Buch öffentlich zum Verkauf da ist, so tritt doch damit nicht die Urheberin öffentlich vor einer Gemeinde auf, son- dern es wird nur von seinen Liebhabern daheim ge- lesen und als einhäuslicher Unterrichtgebraucht. (Starke.) H) Es ist nur der Anfang der.Siinde, den der Apostel hier in’s Auge faßt, und dieser liegt aller- dings in dem Weibe, das von der Schlange fich hat zur Sünde verleiten lassen, während das vom Manne geradezu in Abrede gestellt werden kann; man ver- gleiche nur, was uns in 1. Mos. 3, 12 ff. über den Gang der Sünde und den umgekehrt-In Weg der Strafe erzählt wird, so hat man darin vollkommen dasselbe, was hier der Apostel sagt. (Wiesinger.) Wenn der Betrug, welcher zur Uebertretung des göttlichen Verbots bestimmte, nicht dem Adam widerfahren ist, sondern dem Weibe, so ist hieraus zu entnehmen, daß der Betrüger beim Weibe einen Eingang zu finden verhoffte, dessen er fich beim Manne nicht versehen hätte; dann erhellt aber, daß das Weib von Natur einer Täuschung zugänglicher ist, die zur Sünde führt, als der Mann, und fich also nicht in die La e bringen soll, einer Täuschung anheimzufallen. (v.Ho«f1makin.) IN) Die Worte: ,,sie (das Weib, als Collektivbegriff das ganze Geschlecht umfassend) wird aber selig werden« stehen im Gegensatz zu den voraufgehenden: ,,hat die Uebertretung eingeführt« (wörtlich: ,,ist in Ueber- tretung versallen«); nachdem nämlich der Apostel dem Weibe die Activität in den Gemeindeversammlungen als ihr nicht geziemend untersagt hat, weist er nun auf die ihr von Gott verordnete Bestimmung hin, deren Erfüllung ihr heilbringend ist, wohl mit besonderer Rücksicht auf künftige Jrrlehrey die da verbieten ehelich zu werden (Kap. 4, 3), und weist dem Weibe, das in den Versammlungen fich reeeptiv zu verhalten hat, das häusliche Leben als diejenige Sphäre an, in welcher es, namentlich in Beziehung auf die Kinder, eine active Thätigkeit zu üben hat, vgl. Kap. 5, 14. (Huther.) Jn dem Kindcrzeugen liegt die Erziehung der Kinder mit einbegriffen: nicht zu lehren, sondern Mutter zu kein, das ist des Weibes eigentliche Bestimmung; auf iesem Wege, wo es durch viele Leiden und Demü- thigungen geht, soll sie aus der Sünde errettet werden, in die ihre schwächere Natur leichter noch, als die männliche, geräth. So wird der Fluch, mit dem Gott sie belegt hat, ihr in Segen verwandelt. (v. Gerlach.) Die Sorge für ein Kind füllt das Gemüth der Mutter in solcher Weise aus, daß eine Menge Leichtfertigkeiteiy die sonst begangen werden, gar keine Stelle mehr finden und alles Interesse verlieren; viele Ver- suchungen sind dann wie gar nicht mehr vorhanden. (Pl1tt.) 630 1. Timotheum Z, 1——7. Das 3. Kapitel. Von Zzeschasseisheit der Rirohendiener und ihrer Angehörigen. Sigm, non der Kirche, nnd dem tgeheimnisz der igottseligkeit III- V. 1—13. handelte es sieh im vorigen Kbskhniti bereits um eine Thätiglieit im liirchlirhen Gemeindelebem so lag der sllebergang zu der aintliihen Ordnung desselben nahe; und so liomnit denn Paulus jetzt wirlilich auf diese zu sprechen, indem er von den beiden Kranken, die wir in phil.1,1liennen lernten, den tiisehäsen (d).1—7) und Dienern oder Nationen, und in ver— bindung mit den letzterrn nach von den Dialionissen W. 8—13) handelt. Er giebt da dem Timotheus näher an, auf welche Eigenschaften er bei denen, die zu dem einen oder zu dem andern Jlmte etwa von ihm bestellt werden müßten, vor allem schen soll; soweit diese negaliver Krt nnd, benennen sie lediglirh solches, was sich an Christen überhaupt nicht sinden darf, und soweit sie vositiver Jtrt sind, stellen sie an die lieamteten keine höheren fittliujen Anforderungen, als die sich iin Grunde von selbst verstehen, aber es war doch von großer Wich- tigkeit, sie einzeln benierlklich zu nimm, weil dieselben über andern Eigenschaften, namenlliitj denen der Begabung, so leicht trennten übersehen werden, während sie gleiihivohl an vorstehern und Dienern der Gemeinde am aller- wenigsten fehlen durften. 1. Das ist je gewißlich wahr [Kap. 1, 15], so jemand ein Bischofsamt sdas Amt eines Bifchofs oder Gemeindeältesten Apostg.« 14, 23 u. 20, 31 Anm.] begehret, der begehret sin der That, wie er selber mit diesem seinem Begehren zu erkennen giebt] ein kösnich Werk- k1.Thefs-5-13; 2. Tini. 4, s; es kommt denn darauf an, daß ein solcher auch die dem köstlichen Werke» entsprechenden edlen Eigenschaften besitze, vgl. Tit. 1, 5 ff·]. 2. Es soll aber [um diese Eigenschaften jetzt näher anzugeben] ein Bischof Unslråflich fein [als einer, dem man nichts Uebles nachsagen kann Kap. 5, 7], Eines Weibes Mann« [Tit. i, 6], nüchtern [enthaltsam in sinnlichen Genüssen V. 11; Tit. Z, 2; 1. Thess 5, 6 u. 8], mäßig sdaß er stets sich zu beherrschen wisse und sich in keinerlei Weise vergesse — in Tit. 1, 8: ,,züchtig«], fittig sdaß er in Haltung und Gebahren sich beständig innerhalb der Grenzen des Schicklichen halte] gastfret sum der fremdher kommenden Christen sich willig anzunehmen Tit. 1, 8; Röm.12, 13], lehthaftig sum die Glieder seiner Gemeinde, wo sie der Belehrung bedürfen, anch wirklich unter- weisen zu können 2. Tim. 2, 24]; Z. Nicht ein Weinsäufeiz nicht pochen [besser: nicht ein Pocher, der gleich darauf losschlägt — anderwärts hat Luther: »nicht beißig«], nicht unehrliche Handthierting treiben [besser: treibend, um seinen Unterhalt sich zu verschaffen, wenn er etwa aus eigenen Mitteln leben muß Kap. 5, 17 f.; Tit. I, 7]- sondern gelinde [Jak. Z, 17; Phil. 4, 5], icicht haderhaftig sfrei von Streit- sucht Tit. Z, 2; P. Tim. 2, 24], nicht geizig [frei von Geldliebe Hebt 13, 5], 4. sEin solcher] Der seinem eigenen Hause wohl verstehe, der gehorsame Kinder habe sdie sich verhalten] mit aller Ehrbarkeit [Tit. 1, 6]; 5. So aber jemand [wie es z. B. mit dem Priester Eli der Fall war 1. Sam. L, 12 ff.] feinem eigenen Haufe sdiesem kleineren und so viel leichter zu regierenden Gebiet] nicht weiß vorzustehem wie wird ·er die Gemeine Gottes [mit guter Leitung und heilsamer Pflege] versorgensss [Luk. 16, 10]? 6. Nicht ein Neuling [der kürzlich erst zur christlichen Gemeinde übergetreten, darf er sein], auf daß er sich nicht aufblase [im Dünkel darüber, daß er foschnell zur Ehrenstellung eines Bischofs gelangt se1], und dem Lasterevr [einem solchen, der gleich mit ubler Nachrede bei der Hand ist Ephes 4, 27]» in’s Urtheil fallejs swenn nun der Hoch- muth ihn auf verkehrte Wege gerathen läßt]. 7. Er muß aber auch ein gutes Zeugnis haben lwie bei den Brüdern Apostg. 16, 2., so] von denen, die draußen sind sden Nichtchristem I: Cor. 5, 12 f.; 1.Thess. 4, 12], auf daß ek nicht [dadurch, daß man das Gedächtniß seiner früheren Sunden szimmer wieder auffrischt] falle dem Lasten-r m die Schmach und [dadurch, daß er selber sich genöthigt sieht, gewissen Leuten nicht zu nahe zu treten, um sie nicht zu übler Nach- rede zu reizen, in des Lästerers] Strick-H- [der ihn einengt und beschränkt und von der vollen Ausübung seiner Amtspflichten nur gar zu leicht zurückhält]. · V) Schon der Eingang: »das ist je gewißlich wage« giebt zu erkennen, daß der Apostel nicht nach er leichtsinnigen Weltart ein Urtheil fällen und im fleischs lichen Sinne sagen will, es habe es niemand besser als »die Pfaffen«; denn da u brauchte es den Eingang nicht, der nur in wichtigen aterien und bei Urtheilen vorkommt, die weit von dem Ermessen der fleischlich gesinnten Vernunft abgehen. Aber ernsthaften Ge- müthern, die von der Schwierigkeit des Amtes beinahe zurückgeschreckt werden, wird hiermit ein Halt ange- boten. (Rieger.) Nach unsrer Stelle scheint man sich um das Aufseheramt bewarben zu haben, was nicht auffallend ist in einer Zeit, in welcher der Bischof oder Aufseher unter äußerer Schmach und Verfolgung und häufig ohne Lohn diente (vgl. Kap. 5, 17 f.); so hatten sich auch nach I. Cor- 16, 15 in Corinth Stephanas und seine Angehörigen freiwillig zum Dienst erboten. (Wieseler.) Die sonst iui neuen Testament gewöhnlich Presbyter oder Aelteste heißen, werden vier Mal (Apostg. 20, 28; 1. Tim. s, Z; Tit. 1, 7; Phil. I, 1) Bischöfe genannt, und wird als ihr Ge- schäft ausdrücklich das Weiden der Heerde hervor- gehoben (Apostg. 20, 28; I. Petri 5, 1 f.; vgl· 2, 25 u. Ephes 4, 11; I. Cur. 12, 28). Jener Name ist ohne ZweifeljudenchristlichenursprungsxAelteste, so wurden die Vorsteher der Synagogen bezeichnet, welchen die Leitung der religiösen Angelegenheiten ob- lag (Luk. 7, 3; Jak. 5, 14); der Name drückt zunächst den Begriff des Alters und der eng damit verbun- Vorschriften in Betreff der amtlichen Personen. Die Bischöfe oder Aeltesten. 631 denen persönlichen Ehrwürdigkeih sodann den Begriff der amtlichen Würde und Obrigkeit aus, da diese gewöhnlich aus bejahrten und erfahrenen Männern bestand. Dieser Name dagegen ist höchst wahrscheinlich von den politischen Verhältnissen der Griechen entlehnt, wurde also erst später, und zwar in heidenchrist- lichen Gemeinden, in den kirchlichen Sprachgebrauch ausgenommen und bezeichnet dem Wortsinne nach die amtliche Pflicht und Thätigkeit der Gemeindevorsteher. Nachdem Vorbild der Synagogen nun, sowie auch der politischen Städteverwaltung, gab es an jeder Ge- meinde mehrere Presbhter; ob da unter den Gliedern dieser PresbytevCollegien völlige Gleichheit herrschte, oder ob einer, etwa der älteste, beständig präsidirte, oder endlich ob einer nach dem andern in einem ge- wissen Turnus als primus inter pares die oberste Leitung in Händen hatte, darüber finden sich keine entscheidenden Spuren im neuen Testament, indem auch »die Engel der 7 Gemeinden« in Osfenb. 1, 20 eben- sowohl das ganze Presbyterium oder Kirchenregiment dieser Gemeinden, als einzelne concrete Individuen, die nachmals sog. Bischöfe bezeichnen können; doch ist irgend eine Art von Präsidium in einem wohlorgani- sirten Regiment und geregelten Geschäftsgange unent- behrlich und insofern auch bei diesen urchristlichen Presbhterien von vorn herein wahrscheinlich, was aber jene Engel der Offenbarung betrifft, so deutet dieser Ausdruck allem Anschein nach schon auf die Jdee des Episkopats hin, nämlich auf eine monarchische Zu- spitzung des Gemeinderegiments in Einer Person, welche zur Gemeinde in einem patriarchalischen Ver- hältniß steht und für ihren geistigen Gesammtzustand in emphatischem Sinne verantwortlich ist. (Schasf.) Wer ein Bischofsamt begehrt, begehrt ein Werk, also die Arbeit, nicht die Würde; Mühe, nicht Vergnügen; eine Arbeit, durch die er in der Demuth wachse, damit er nicht ausgeblasen werde. (Anselm.) Du bist aus vornehmem Stande, deshalbst schämst du dich ein Prediger zu werden; aber glaube, das Predigtamt ist vortresflich und wichtig, gehet mit den größten Dingen um und siehet auf das Heil der Seelen und die selige Ewigkeit. (Starke.) «) Einzelne katholische Ausleger haben die Ansicht vertreten, daß hier unter dem Einem Weibe, dessen Mann ein Bischof sein solle, die Kirche zu verstehen sei; aber so wohlfeilen Kaufes wird man des kräftigen Argumentes nicht los, welches diese Stelle gegen das Cölibatsgesetz Gregons VII. enthält. (v. Oosterzee.) Allerdings ist es eine falsche Auffassung, wenn die riechische Kirche die Stelle so versteht, als wolle der postel, daß jeder Geistliche verheirathet sei; eine Hin- deutung liegt aber doch in den Worten, sowie in der Erwähnung der Kinder und des eigenen Hauswesens (V. 4f.), daß der Apostel es besser fand, wenn ein Bischof verheirathet war, damit die geistliche Leitung der Seinigen ihm eine Vorschule für sein Amt gewesen wäre und ferner bleiben möchte und er aus eigener Erfahrung die wichtigsten Lebensverhältnisse kennen lernte. Was nun das ,,Eines Weibes Mann« betrifft, so ist es gewiß unrichtig, diese Worte so zu erklären, als habe der Apostel keinen Wittwer, der zum zweiten Male geheirathet hatte, zum Bischofsamte zulassen wollen; denn daß ein Wittwer noch als Ehemann seiner verstorbenen Frau betrachtet würde, wie ja in dem Ausdruck: ,,Eines Weibes Mann« läge, wenn er diesen Sinn hätte, davon findet sich in der heiligen Schrift kein Beispiel, eine solche Ansicht stritte vielmehr gegen die Lehre Christi (Matth.22, 30) und St. Pauli selber (Röm.7, 2 s.). Die älteste christliche Kirche ver- warf entfchieden die ketzerifche Lehre, daß die zweite Ehe C risten nicht erlaubt sei; und daß unsre Stelle denno früher schon, und noch bis jetzt in der griech. Kirche, als ein Verbot der zweiten Ehe für Geistliche ausgelegt wurde, das hing mit den später ausge- kommenen irrigen Ansichten von der Enthaltsamkeit und höheren Heiligkeit des ehelosen Standes zusammen, die den Aposteln fremd sind. Wir haben den Ausdruck vielmehr auf die Vielweiberei zu beziehen. Bei den Juden kam diese damals zuweilen noch vor, auch bei den Griechenz noch häufiger aber war die anz leichtsinnige Ehescheidung, wie wir z. B. von em jüdtschen Geschichtsschreiber Josephus, einem Priester, wissen, daß er seine Frau entließ, weil ihr Charakter ihm nicht gefiel. Scheidung und Wiederverheirathung nun sieht Christus eben auch als eine Vielweiberei an, wenn er zeigt, daß Gott ursprünglich Einen Mann und Ein Weib unauflöslich mit einander verbundeu sahe, das von Gott Verbundene aber kein Mensch auflö en dürfe (Matth. 19, 3ff.); der von ihm aufgestellte Grund trifft die Vielweiberei wie die Ehescheidung und Wiederverheirathung auf gleiche Weise. Aus diese Lehre sich gründend verlangt denn der Apostel, daß keiner, der m irgend einer Art der Vielweiberei lebe, ein Bischofsamt haben solle, wenn er auch als Christ wohl nicht genöthigt wurde, falls er mehr als Eine Frau hatte, eine derselben zu entlassen, und noch weniger, die schon aufgelöste Ehe wieder herzu- stellen. (v.· Gerlach.) Vgl. zu Kap. 5, 9. IN) Die vorhergegangenen Forderungen zu be- gründen war der Apostel nicht veranlaßt: sie waren so selbstverständlich, daß sie blos in Erinnerung ge- bracht zu werden brauchten, damit Timotheus, wo es sich um Bestellung zum Vorsteheramte handelte, diese sittlichen Eigenschaften nicht etwa weniger berücksichtigte, als Eigenschaften der Begabung. Dagegen die For- derung, daß der zu Bestellende darnach geartet sein müsse, sein Haus wohl zu regieren, glaubt Paulus begründen zu sollen; und in der That ließ sich ja entgegnen, die Verwaltung des Hauses habe auf die der Gemeinde keinen Einfluß. Aber der Apostel giebt zu bedenken, daß sich von Einem, der sein eigen Haus nicht zu regieren verstehe, auch keine Tüchtigkeit zur Verwaltung einer Gemeinde Gottes erwarten lasse. (v. HofmannJ Aus der Leitung des Hauswesens kann man allerdings schließen, wie Einer sein Amt verwalten wird; eine ungeregelte Haushaltung im Pfarrhaus erweckt mit Grund ein ungünstiges Vor- urtheil auf die Amtsführung des Pfarrers. Jst im Pfarrhaus bei aller Einsachheit keine Ordnung und Reinlichkeit, so wird es in der Gemeinde auch nicht musterhaft stehen; ja, noch mehr, aus dem Aeußeren des Pfarrers selbst, ganz abgesehen von seiner Haus- haltung, kannnnan auf seine Amtsführung schließen. Jst der Geistliche gar zu wenig ,,sittig« (V. 2., vgl. Katz. 2, 9: ,,1n zierlichem Kleide«), so erweckt das eben- salls ein ungünstiges Vorurtheil gegen seine Amts- führung. Der Geistliche darf sich im Aeußeren nicht ausfallend vernachlässigenx er muß zeigen, daß er in allen Stücken auf Ordnung, auf Sauberkeit hält. (Plitt.) Der Apostel setzt hier überall sehr bestimmt voraus, daß ein Bischos verheirathet sei; in der That hat ja der eheliche Stand wegen der damit verbundenen Demüthigungen nicht geringen Einfluß aus die Uebung der angeführten Tugenden, auch-if? das Beispiel, das man durch eine nach dem Sinn hristi geführte Ehe und Haushaltung giebt, allemal von ausgebreiteterem Nutzen, als man durch einen noch so rein geführten ledigen Stand abgiebt. (Rieger.) f) Jn Gemeinden freilich, die ganz neu gegründet waren, mußten nothwendigkeitshalber auch Neulinge 632 mit dem Aufseheramte bekleidet werden (Apstg.14,23., daher im Briefe an Titus, wo es sich um die neuge- stiftete Gemeinde in Creta handelt, keine derartige Vorschrish wie hier sich findet); zu Ephesus aber, wo die Gemeinde schon einige Jahre bestand, hatte Ti- motheus eine größere Auswahl unter solchen, die schou früher, und solchen, die erst unlängst dem Bekenntnisse des Evangelii beigetreten waren. Nicht das jugend- liche Alter an sich, sondern der Mangel an der nöthigen Kenntniß und Erfahrung kennzeichnet den hier ange- deuteten Neuling, der außerdem noch Gefahr laufen würde, durch Hochmuth verblendet zu werden, wenn er über früher Bekehrte zu einem solchen Ehrenamt erhoben wurde. Keine Sünde, in welche Neubekehrte leichter fallen können, als Selbsterhebung, vor allem, wenn ihnen irgend eine besondere Auszeichnung zu Theil wird! Es ist daher eine Gnade von Gott, wenn sie auf einem Wege der Erniedri ung, des Streites und des Leides gehalten werden. (v. osterzee.) Auch in dem eigenen Herzen ist es der nothwendige, stufenmäßige Fortschritt, daß die Trübsal Geduld und die Geduld Erfahrung oder Bewährung bringe(Röm. 5, 4); um wieviel mehr soll auch der beste Augen- schein erst die Probe aushalten, ehe er als zureichend für das Bischofsamt angesehen werden darf! (v. Ger- lach.) Nicht nur sind Neulinge hitzig, alles zu wagen, sondern auch in thörichtem Selbstvertrauen ausgeblasen, als könnten sie über die Wolken fliegen. (Calvin.) Ein Geistlicher aber, der hochmüthig und ausgeblasen wird, leidet dadurch Schaden an der Gemeinschaft mit Gott und Christus (1. Petri 5, 5), und kann nun ein solcher leicht dahin kommen, daß er einen großen sitt- lichen Fall thut; dadurch, daß man nicht gehörig ge- priifte nnd bewährte Leute zu wichtigen Kirchenämtern berief, 1st der Kirche schon viel Nachtheil zugefügt worden. « · H) Es ist ein arger Zustand, wenn einen Geist- lichen Leute, die draußen sind, durch Geheimnisse, die sie von ihm wissen, in ihrer Gewalt haben, wenn er auf·sie Rücksicht nehmen und sich ihnen aufmancherlei Weise gesällig erzeigen muß, damit sie schweigen; er gerath dadurch» in ·Uiiwahrhaftigkeit und Heuchelei hinein und ist in seiner ganzen Wirksamkeit gelähmt. Es»1st, als hätte ihn der Teufel an seinem Strick. (Plitt.) Wer auch nur früher, vor seiner Bekehrung, einen «vor der Welt anstößigen Wandel geführt hat, soll nicht leicht das geistliche Amt übernehmen; denn die Erinnerungen an die alten Sünden leben in ihm und in den Andern noch fort, und auch der beste Lebenswandel späterer Zeit tilgt sie für dieses Leben nicht gänzlich. Jeder Christ, der von einem anerkannt ruchlosen Wandel sich zu einem neuen Leben gewandt hat, soll die Stille suchen und da durch die That be- währen, was er bekennt, nicht aber ösfentlich hervor- treten. (v. Gerlach.) · 8. Desselbigen gleichen die Diener-«· [griechisch: Dlakvlletl PhlL I, 1., zu Röm· 12, 8 U· 1. Cor. is, 311 sollen ehrbar sein [Tit. 2, 2], nicht zweizungig sgegen diesen so und gegen einen Andern anders redend], nicht Weinsåufeh nicht nnehrliche Handthieruiig treiben [treibend Tit. 1, 7J; 9. fNicht ketzerisch gesinnt Tit. Z, 10., sou- dern solche Leute] Die das Geheimniß des Glaubens [die der Welt und natürlichen Vernunft verborgene Erkenntmß des Rathschlusses Gottes, uns in Christo selig zu machen Röm. 16, 25; l. Cur. 1. Timothenm Z, 8—13. 2, 7 ff.] in reinem Gewissen [Kap. 1, 5. 19] haben« [so daß sich erwarten läßt, sie werden dem Betrug der Jrrlehrer sich unzugänglich er- weisen]. 10. Und dieselbigen sdie man nach Maß- gabe dieser Vorschriften ausgewählt hat] lasse man zuvor versuchen [eine Probezeit bestehen]; darnach lasse man sie dienen [in dem Amt, um das es sich hier handelt 1. Petri 4, 11; Röm. 12, 7], wenn sie Unsträflich sind V« [keine Veran- lassung zu einem Tadel gegeben haben]. 11. Desselbigen gleichen ihre Weiber sim Grundtext heißt es blos: die Weiber] sollen ehr- bar sein, nicht Liisterinnem kund] nüchtern [sein, vgl. Tit. I, 3], treu in allen Dingen-s sdaß man unbedingt sich auf sie verlassen kann]. 12. Die Diener sum auf diese V. 8 wieder zurückzukommeiq laß einen jeglichen sein Eines Weibes Mann [V. 2 Anm., und nun dabei solche FamilienväterL die ihren Kindern wohl vorstehen, und ihren eigenen HciusernHs [V· 4]. 13. Welche aber sim Diakonenamt V. 10., das äußerlich geringer zu- sein scheint, als das Bischossamt V. 1., und darum weniger begehrungs- würdig, als dieses] wohl dienen, die erwerben ihnen selbst sum hier von dem Nutzen abzusehen, den sie in der Gemeinde stiften] eine gute Stufe [der Achtu11g und Werthschätzuiig von Seiten der Gemeindeglieded und eine große Freudigkeit [Gott. dem HErrn gegenüber 1. Joh. Z, 21; 4, 17] im Glauben in Christo JesuH [d. i· im Glauben an Christum Jesum 2. Tim. Z, 15]. s) Diakonen, d. i. Diener, heißen die Träger des zweiten geordneten Amtes, welches die apostolische Kirche neben dem höheren der Aeltesten oder Bischöfe sich schuf. Gewöhnlich nun findet man die ersten Diakonen in den 7 Armenpflegern, welche die erste Gemeinde aus den Rath der Apostel erwählte (Apostg. 6, 1 ff.); allein diese sieben Männer werden nirgends Diakonen genannt (in Apostg. 21, 8 heißen sie schlecht- weg »die Sieben«), und wenn auch ihr Almosenver- walten an das spätere Diakonat erinnert und das Predigen einiger unter ihnen, wie des Stephanus und Philippus, nicht zu ihrem Amte gehört, sondern ledig- lich Sache des allgemeinen Priesterthuins ist, so nehmen sie doch eine selbständigere Stellung ein als die späteren Diakonen, deren Vorläuser vielmehr in den freiwillig dienstthuenden Jünglingen (Apstg. 5, 6., vgl. I. Petri Z, l u. 5) u erkennen sind. Das Amt der Sieben war ohne Zweifel ein erster Ansatz zum geordneten Gemeindeamt überhaupt, wie das vor- liegende Bedürfniß ihn an die Hand gab; als nachher die Zersprengung der Gemeinde beim Tod des Stephanus diesen ersten Ansatz zerstört hatte, stellte die unter andern Verhältnissen sich wieder samnielnde Gemeinde ihn vermuthlich in ausgebildeterer und darum nun wiefacher Gestalt her, als Presbyteriat und Dia- onat. Die Diakonen, deren Name ebenso an den jüdischen Shnagogendiener (Luk. 4, 20) erinnert, wie der Name der Aeltesten an den der jüdischen Gemeinde- vorsteher, hatten im 2. Jahrh., wo wir Näheres von ihnen hören, die äußere Ordnung im Gottesdienst Die Diakonen nebst den Diakonifsen. 633 wahrzunehmen, bei der Austheilung des heil. Abend- mahls hilfreich zu sein und unter der Aufsicht der Aeltesten oder Bischöse die Armen- Und Krankenpflege zu üben. (Beyschlag.) Was den B erus der Diakonen betrifft, so bestand er zunächst und hauptsächlich in der Armen- und Krankenpflegez mit diesem äußeren Ge- schäft verband sich nun aber von selbst auch eine Art von Seelforge, da ja die Armuth und das Kranken- bett die reichste Gelegenheit zur Belehrung, Ermahnung und Tröstung darbietet und da nach dem Geiste des Christenthums die leibliche Unterstützung nur eine Brücke und ein Beförderungsmittel für die Darreichung der viel köstlicheren Güter des Evangeliums sein foll (,,die Seele der Armenpflege ist die Pflege der Seele«: Amalie Sieveking.) Die Hilfleistungem welche der Apostel in l. Cor. 12, 28 unter den Geistesgaben auszahlt, beziehen sich wohl aus das Gesammtgebiet der praktischen Liebespflichten der Diakonen; Paulus verlangt von einem rechten Diakonus einen ehrbaren Wandel, Aufrichtigkeih Mäßigkeit, Freiheit von Ge- winnsucht und lautere Erkenntnis; der göttlichen Heils- wahrheiten, welche letztere Eigenschaft ja auf eine Theilnahme an der Seelsorge hindeutet, außerdem aber geht aus diesen Anforderungen hervor, daß die Diakonen in der apostolifchen Kirche einen weit höheren und geisti. eren Beruf hatten, als die Aufwärter der jüdischen ynagogen, welche diese öffneten und zu- schloffen, für ihre Reinheit forgten und die Bücher zum Vorlefen darreichtem (Schaff.) ff) Man hat sich darüber gewundert, daß hier nicht blos für die Bestellung von Aeltesten, sondern auch, was im Briefe an Titus nicht der Fall ist, für die Bestellung von Diakonen Weisung gegeben wird, und noch dazu eine so ähnliche, wie für jene. Aber Titus hatte ja die kretensischen Christen noch über- haupt erst in geiiieindliche Ordnung zu versoffen, was eben durch die Bestellung von Aeltesten geschah, denen dann die untergeordnete Sorge, für die gemeindlichen Dienstleistungen die rechten Leute zu finden, überlassen bleiben mochte. Timotheus dagegen hat in einer gemeindlich bereits geordneten Christenheit darüber zu wachen, daß die kirchlichen Aemter in die rechten Hände kommen. Daß nun, was dem Timotheus in Bezug auf die Bestellung zum Diakonenamt gesagt wird, dem, was ihm der Apostel in Bezug auf die Bestellung von Aeltesten gesagt hat, so ähnlich ist, kann ebenfalls nicht Befremden, da es sich beide Male um solche Eigenschaften der zu Beftellenden.handelt, auf welche er abgesehen von der für das Amt erfor- derlichen Geschicklichkeit Acht haben sollte: die sittliche Beschafsenheit durfte in beiden Fällen nicht außer Acht gelassen werden. Jst dies mit dem Ausdruck: ,,des- felbigen gleichen« im Allgemeinen gesagt, so werden dann Eigenschaften aufgezählt, auf welche bei den Diakonen in Rücksicht auf das, was ihres Amtes ist, so1iderlich geachtetsein will. Der gemessene Ernst, auf welchen man bei denen, die mit der Würde der Vor- fteherschaft bekleidet werden sollten, selbstverftäiidlich fah, darf auch den Dienenden iiicht fehlen, bei denen man leichter davon absah; denn die untergeordneten Geschäfte, die ihnen obliegen, wollen mit den: Ernst gethan sein, der sich für alles ziemt, was von der Gemeinde wegen geschieht, sie müssen also ehrbar sein. Sie dürfen ferner nicht zweizüngig sein: eine schlimme Eigenfchaft für einen Diakonns, wenn er andere Rede bei den Vorstehern führte, von denen er seinen Austrag bekam, und andere bei den Gemeinde- Liedern, wo er ihn ausrichtete! Er darf ferner nicht einsäufer, nicht reichlichem Genuß berauschenden Getränks ergeben sein; denn was er in gemeindlichen Versammlungen, namentlich bei den gemeindlichen Mahlzeiten (1.Eor.11,18ff.), oder von der Ge- meinde wegen bei Armen und Kranken zu thun hat, will nicht trunkeiien Muths gethan sein. Und weil die Besorgungem die ihm oblagen, Gele enheit genug gaben, sie zu schnödem Gewinn zu mi brauchen, so darf er nicht ein solcher sein, der unehrliche Hand- thierung treibt; wie er dadurch sein Gewissen be- flecken würde, so bietet sich von da der Uebergang zu dem allgemeinen Erfordernisse: das Geheimniß des Glaubens in reinem— Gewissen habend, der Zustand seines Gewissens foll mit der heiligen Wahrheit, welche er besitzt, nicht in Widerspruch stehen. (v. Hofmann.) Der Apostel setzt voraus, daß das Geheimniß des Glaubens oderder Go»ttseligkeit»(V. 16) wie ein Schatz fchon wirklich »Im Besitz der Diakonen ist; das reine Gewissen nun ist gleichfam das Gefäß, worin dieser Schatz bei ihnen bewahrt und nieder- gelegt fein muß. (v. Oosterzee.) Es steht diese For- derung im Gegenfatz zu der Unlauterkeit der Jrrl·ehrer, die ihr Gewissen durch Vermischung der Wahrheit mit Jrrthümern befleckt haben, vgl. Katz. 4, 2.· (Huther.) Hist) Es ist nicht genug, daß man ihre sittliche Beschaffenheit nicht außer Acht läßt, sondern, wie kein erst jüngst in die Gemeinde Aufgenommener sofort zum Vorsteher gewählt werden foll (V. 6), so niü sen auch diejenigen, die man zu Diakonen macht, zuerst erprobt werden; dann mögen sie, nachdem sie klage- frei sind, das Amt iiberkommem (v. Hofmann.) Die Meinung des Apostels ist nicht, wie die Ausleger seine Worte meist erklären wollen, es sollte mit denen, die sich zum Diakonenamt gemeldet haben, von Seiten der Aeltesten eine Prüfung angestellt und die Stimmen der Gemeinde über sie eingefammelt werden, sondern sie sollen von Seiten des Timotheus und der Aeltesten zuerst hier und da in der Armenpflege und Seelsorge gebraucht, und wenn sie dabei sich bewährt haben, erst dann niit dem Amte betrauet werden. (v. GerlachJ f) Von was für Frauen hier die Rede sei, wird nicht weiter angedeutet; da die Vorfchrift aber mitten in die Verordnungen in Betreff der Diakonen einge- schoben ist, so kann nicht an die christlichen Frauen überhaupt gedacht werden, sondern nur an solche, die in nahem Verhältnis; zu den Diakonen stehen, also entweder an die Ehefrauen derselben oder an ihre weiblichen Amtsgenosfen, die Diakonisfen Das erstere ist denn diejenige Auffassung, welchenLuther m feiner Uebersetzung folgt; die Frauen der Diakonen, sonieint man da, standen ihren Männern in ihrer Thatigkeit zur Seite, besonders beim weiblichen Geschlecht, das im Morgenlande und bei den Griechen zurückgezogener lebte, als bei uns, daher viel darauf ankam, welcher- lei Art sie waren. Indessen, warum hat der Apostel, wenn er wirklich die Frauen der Diakonen gemeint hätte, nicht gefchrieben: ,,ihre Frauen«, sondern: ,,d i»e Frauen-«? Das Wort: ,,desselbigengleichen«, womit er diesen Vers zurückbezieht auf V. 8., deutet eben darauf hin, daß er nicht die durch das Ehebund, son- dern die durch die gleiche Dienstleistung mit den Diakonen verbundenen Frauen meint; man »hat also im Grundtext zu dem »so-Essai;- dakk ZODEXOWPS zu ergänzen und bekommt so den Begriff der Diako- nissen (Röm. 16, 1 Anm.), welcher Ausdruckga nur eine felbstgemachte, keine im Griechischeii wirklich vor- kommende Wortbildung ist. Von den Diakonissen nun wird ebenso, wie von den Diakonen, gefordert, daß ihnen eine ernste, würdige Haltung eigne, indem das ,,ehrbar« hier gleicherweise wie dort (V. 8)»an die Spitze tritt; während es aber von 1enen·heißt, »fie sollen ,,nicht zweizüngig« sein, dürfen diese ,,nicht 634 1. Timotheum B, 14——1 S. 4, 1——5. Lästerinnen« sein. Liegt niimlich den Männern näher, sich nach beiden Seiten hin in Gunst zu sehen, so den Frauen, üble Nachrede von Haus zu Haus zu tragen und bei den Gemeindevorstehern anzubringen; das Medisiren ist ja dem weiblichen Geschlecht so ar ei en, es hat nicht Arme, Waffen, Thattraft, wie er ann, es gebraucht nur gar zu gerne die Zunge, um u verwunden, und die natürliche Bedürftiåkeit und bhängi keit macht es für Mißgunst und isersucht empfäng icher. Trunksucht nun stand bei Frauen weniger zu besürchten; doch aber fühlt sich der Apostel veranlaßt, mit dem ,,nicht Weinsäufer« (V. 8) das ,,niichtern« in Parallele zu stellen, und ebenso ent- spricht dem ,,nicht unehriiche Handthierung treiben« in positiver Form das ,,treu in allen Dingen«. Macht man Zu dieser letztgenannten Eigenschast den Zusatz: ,,des ebens und des Glaubens«, so würde. dieselbe auch die Parallele zu dem in V. 9 Gesagten: »die das Geheimnis; des Glaubens in reinem Gewissen haben« in sich schließen s« Jn V. 8——10 war solches genannt, was den Diakonen eignen muß, weil es für ihre amtliche Thä- tigkeit erforderlich, oder was ihnen nicht anhaften darf, weil es für dieselbe nachtheilig ist; daher gilt es für sie alle ohne Unterschied, und Gleiches dann für die in V. 11 erwähnten Diakonissen Jetzt dagegen folgen Forderungen, welche den verehelichten und einen eigenen Hausstand besitzenden Diakonen gelten, während es sich bei den Diakonissen von selbst verstand, daß sie durch keine ehelichen und miitterlichen Pflichten ge- bunden waren. (v. Hofmann.) Hier zeigt sich noch mehr, als bei V. 2., wie unrichtig es wäre, den Aus- druck: ,,Eines Weibes Mann« von der Vermeidung einer zweiten Ehe zu verstehen; ein ungewöhnlicher Grad von Heiligkeit und Enthaltsamkeit konnte bei der Wahl der Diakonen nicht wohl entscheidend sein, wohl aber eine ordentliche, ehrbare, christliche Ehe, keine Verpslichtung irgend einer Art von einer leichtsinnigen Scheidung her. War es an sich sehr wünschenswerth, daß die Diakonen verheirathet waren, so war gewiß kein Grund vorhanden, die Wiederverheirathung ihnen zu erschweren, wenn sie nicht blos für ihr Haus, son- dern auch für ihren Beruf sie nöthig fanden. (v. Ger- lach.) Auch in anderer Seite soll die äusliche Tugend der Diakonen auf keiner niedrigeren tufe stehen, als die der Presbyteu Die Sor e für die eigenen Kinder war ohne Zweifel die beste orschule für die christliche Armen- und Krankenpflege (v. Oosterzee.) Hi) Diese Verheißung muß man nicht wie einen sog. Kanzleitrost auf eine gute Beförderung behandeln, und wenn es ausbleibt, verdrossen werden; sondern man muß es als ein Wort von Dem, der in der Mitte der sämmtlichen Gemeinden wandelt, annehmen und bewahren, mithin darauf merken, wie er es auch ohne eigentliche Amtsveränderung erfüllen kann. (Rieger.) 1V. V. l4—üap. 4,16. eliit den bisherigen Vor— schriften über einige, in den Gemeindeoerhältnissen von Ephesus zu beachtende Hauptpunkte ist der Apostel zu einein vorläufigen Abschluß gekommen; er könnte es dabei bewenden lassen, wenn seine ursprüngliche Absicht, bald wieder nach Eiihesus zu iiommen und selbst von Ueuem das dortige Arbeitsfeld zu übernehmen, sich er- füllen sollte, fiir diesen Fall hätte er vielleicht sogar schon mehr geschrieben, als unmittelbar nöthig war. Er hat aber gegenwärtig ein weih vor, das ihn aller Wahrscheinlichkeit naclz länger wird fern bleiben lassen; und da erweitert sich ihm der Gesiihtsiireis in Beziehung auf das, was er seinem Schüler und Stellvertreter zu schreiben hat, ja er faßt nicht blos dessen jetziges Juni als seines einsiweiligen Sleiloerirelers in’s Auge, son- dern auch seine dereinstige Stellung überhaupt, wenn er nun nicht mehr blos ein aposiolisitier Gehilfe, viel- mehr ein ffir sich allein dastehender, selbfländiger haus- verwaller im hause Gottes sein wird. Indem er denn zunächst dem Tiniolheus vorhält, was es mit diesem Hause Gottes, der Kirche, für eine Bewandtnis habe, welche erhabene würde in ihrem verhältnis zu Gott und welche hohe Bedeutung in ihrer Beziehung zur Welt ihr zuliomme, giebt er zugleich die Hauptsache der christlichen Wahrheit, deren safeiler und Grundfesie für die Welt die Kirche ist, mit den Worten eines ver— muthlich zu Gphesus gebräukhlichen üirchenliedes wieder, um aus diese weise es recht anschautich zu machen, daß in der That die Kirche jetzt so dasteht, wie er eben von ihr gesagt hat (v. l4—l6). Alsbald aber richtet sich sein still: in die nachfolgenden Zeiten, der Geist der Weissagung kommt über ihn und zeigt ihm die Gestalten der Gnoslilier und ollaniihiier des L. u. Z. Saht-h. von ferne; zwar beschreibt er dieselben nicht bis in’s Einzelne, sondern charaliterisirt sie nur nach ihrem inneren Wesen nnd ihrem äußeren Gebahren than. 4, l—5), aber, was er sagt, reicht schon bin, dem Gimotheus zu Geiniithe zu führen, welche Pflicht ihm angesiihls solcher Gefahr obliegt, wenn er als einen guten Diener Jesu Christi sich erweisen wolle (v. S— 1l), und wie er solcher sllsiicht schon in seinen der- maligen Verhältnissen nachzukommen habe (v. l2—t6). 14. Solches swie ich es in den bisherigen drei Abschnitten vorgetragen habe] schreibe ich dir, und hoffe auf-s Schierste zu dir zu kommen [so daß vielleicht eine Ausführung der im dritten Abschnitt gegebenen Verordnungen deinerseits nicht nöthig sein wirdsz 15. So ich aber Verzilge [welcher andere Fall gar leicht eintreten kann, schreibe ich dir’s zugleich mit dem, was weiter folgt, in der Ab- ficht], daß du wissest, wie du [als jetzt einstweilen an meiner Statt stehender, künftig einmal aber selbständig auftretender Hausverwalter Luk. 12, 42 f-; Hebt— Z, 51 wandeln [dein Amt ausrichten Hebr.13,18] sollst in dein Hause Gottes [4. Mos 12, 7; Hebr. Z, 2; 10, 21], welches [Haus, aus lebendigen Steinen erbauetL Petri 2, b] ist die Gemeine des lebendigen Gottes [Hebr. Z, S; 1. Petri 4- 17], ein Pfeiler und Grundfeste der Wahrheit« [für die Welt, damit jene, die Wahrheit, in dieser, der Welt, einen festen Halt und bleibenden Be- stand habe]. 16. Und [um diese Wahrheit, deren Pfeiler und Grundfeste die christliche Gemeinde ist, in ihren Cardinalpunkten dir hier oorznführen :] kü u d- lich groß sgroß und über alles Denken erhaben an sich zwar Ephes 5, 32., doch darum nicht mehr verborgen, sondern jetzt also kund und offenbar geworden, daß es mit dem Munde be- kannt und von menschlichen Lippen gepriesen werden kann] ist das gottselige siiberall da, wo es gläubige Ausnahme findet, Gottseligkeit erzeugende] Geheimniß swie es in einem der ephesinischen geistlichen Lieder Ephes 5, 14 Arius. Was die Kirche Christi sei und was der Kernpunkt der christlichen Wahrheit? 635 folgendermaßen ausgesprochen wird]: Gott ist offenbaretim Fleisch [Joh.1, 14; 1.Joh.4,2; Röm. 8, 3], gerechtsertiget sals der erwiesen, der im Gegensatz zur Verkennung der Leute er wirklich war Matth.,,11, 19] im Geist [Röm. 1, 4], erschienen den Engeln [da er gen Himmel fuhr Apostg. 1, 9 f.; Ephes 1, 20 f.], geprediget den Heiden sals seine Boten nun hinausgingen in alle Lande Mark. 16, 20], ge- glaubet von der Welt sobwohl man fortan ihn nicht mehr sahe auf Erden I. Petri 1, 8], aufgenommen in die Herrlichkeitsr [um in derselben zu verharren, bis er von dannen wieder- kommen wird, die Seinen ihrer theilhaftig zu machen Apostg. Z, 21]. Das 4. Kapitel. Warnung vor lierfiiijrusig der setzten Zeit. Ermahnung zur Uebung der gottseligkeit El. Der Geist sder Weissagung 2. Thessal 2, 2; Röm. 12, 7] aber [welchen zu besitzen ich mir wohl bewußt bin Apostg. TO, 25] sagt deut- lich sso daß sich gar nicht mißverstehen läßt, was er mir innerlich bezeugt], das; in den letzten [rich- tiger: späteren, nachfolgenden] Zeiten [die von den gegenwärtigen nicht weit ab liegen] werden etliche von dem Glauben abtreten und anhangen den verführerischen Geistern nnd Lehren der Teufel [die es darauf abgesehen haben, das kündlich große Geheimniß der Gottseligkeit Kap. Z, 16 durch eine der göttlichen Schöpfungsordnung wider- streitende Scheinheiligkeit V. 3 aus der Gemeine des lebendigen Gottes Kap. Z, 15 zu verdrängen, vgl. 1. Cor. 10, 20]; 2. Durch die snämlich werden sie zu diesem Abtreten vom Glauben und Anhängen den Irr- geistern sich verleiten lassen], so in Gleißnerei sindem sie sich den Anschein hoher Geistlichkeit und besonderer Heiligkeit geben] Lügenredner sind [denn ihr inwendiger Sinn ist vielmehr fle i s ch l i ch , als geistlich, und worein sie die Heiligkeit seyen, das ist vielmehr gegen, als nach Gottes Willen gerichtet] und [indem das eigene Bewußtsein ihnen sagt, daß ihre Sache nicht gut und heilsam, son- dern der christlichen Wahrheit zuwider und für die christliche Gemeinde verderblich ist] Vrandmaal in ihrem Gewissen haben [und die nun in solcher Beschasfenheit sich zu Werkzeugen für dämonische Lehren Jak. Z, 15 hergeben], s. Und verbieten [denn da, von den ver- sührerischen Geistern inspirirt 1.Kön. 22, 19 ff.], ehelich zu werden und [gebieten 1. Cur. 14, 341 zu meiden die Speisen [Col. 2, 21], die Gott geschaffen hat, [sie] zu nehmen [zum Genuß i. Cor. 10, 30; Apstg. 2,·47»; 27, 33 sf.] mit Danksqgungg [gegen Gott, der sie hierzu geschasfen hat] den Glau- higen nnd denen, die dieWahrheit erkennen« swelche Ja allein im Stande sind, seine Absicht zu ver- stehen, und auch allein ihr wirklich entsprechen im Gegensatz zu den Andern, welche entweder die Danksagung unterlassen, obgleich sie nehmen, oder aber aus Mißachtung und Verkennung der gött- lichen Schöpfungsordnung desNehmens sich weigern]. 4. [Die letzteren, die des Nehmens sich weigern und in solchem ihrem Thun eine besondere Heiligkeit erblicken, verstehen in der That nicht, was sie sagen, oder was sie setzen Kap. 1, 7.] Denn alle Creatur Gottes ist gut [1.Mos.1,31; Weiskx I, 141 und nichts verwerflich [gleich als verunreinige man sich durch den Genuß in Gottes Augen], das mit Danksagung empfangen wird [vgl. 1. Cur. 10, 25s.; Röm. 14, 14 u. 20; Tit. 1, 15]; « z. Denn es wird geheiliget [1. Cor. 7, 14] durch das Wort Gottes und Gebets [durch un- mittelbar dem Worte Gottes entlehntes oder doch von demselben getragenes Gebet, vgl. das Bene- dieite und Gratias in Luther’s Katechismuss V) Bei baldiger Hoffnung, zu kommen, hat der Apostel doch nichts versäumen und inzwischen schreiben wollen. Das Schreiben ist in menschlichen Angelegen- heiten ein Ersatz für das, was man in der Abwesen- heit von einander entbehren oder versäumen muß; so wird auch im Reiche Gottes durch Schreiben oder jetzt in Druck gegebene Schriften Manches ersetzt, was an der lebendigen Stimme abgeht. Es ist daher für eine Gabe und Wirkung des auf so mancherlei Frucht arbeitenden Geistes anzusehen, wenn Knechte Gottes auch zu Ablegung ihres Zeugnisses in Schriften geneigt werden. (Rieger.) Die Worte: »so ich aber verzöge« weisen auf die Abfassung des Briefes in Achaxa zu einer Zeit hin, wo der Apostel sich veranlaßt fühlte, von» daaus noch einen Abstecher, der in seinem ur- sprunglichen Plane »nicht gelegen hatte, zu machen; und zwar Ist es die Excursion nach Kreta (Apostg. 19, 20 Anm.), die er im Sinne hat. (Wieseler.) Mit der Hoffnung schreibt Paulus, bälder zu Timotheus zu kommen, als es deshalb den Anschein haben könnte, weil er schreibt. Timotheus soll daraus, daß ihm der Apostel schreibt, nicht schließem als gedenke er ihn lange in Ephesus sich selbst zu überlassen. Aber mög- lich ist immerhin doch, daß er verzieht; und für diesen Fall soll der Brief ihn wissen lassen, wie man sich im Hause Gottes zu verhalten, wie er darin zu wandeln habe. Es kann mit diesem wandeln nicht der christ- liche Wandel überhaupt gemeint sein, als sollte Ti- motheus jetzt erst lernen, worin derselbe besteht; wohl aber soll er wissen, wie sich Einer im Hause Gottes, das er u verwalten hat, haben und halten müsse. Jn dem isherigen war davon noch wenig zu finden; zwar haben wir von Kap· 2 an den Apostel von solchem handeln sehen, worauf Timotheus zu achten haben wird, daß es so und nicht anders damit gehalten werde, aber unmittelbare Weisungen für ihn, was und wie er selbst zu thun habe, lasen wir nicht, sie folgen erst von jetzt an. Die nähere Bestimmung nun, was für ein Haus Gottes emeint sei, bringt die Bei- fügung: ,,welches ist ie Gemeine des lebendigen 636 I. Timotheum 4, 6—7. Gottes-«; also nicht ein solches, wie das alttestament- liche war, worin ein äußerlicher Dienst an äußerlichen Dingen mit äußerlichen Mitteln geschah, sondern eine Gemeinde ist sie, deren Wesen dem Wesen dessen, dessen Gemeinde sie ist, entspricht (Joh. 4, 23f.). Dies das Eine, wonach sich bemißt, wie der in diesem Gottes- hause handeln und wandeln muß, der es zu verwalten und Dienst darin zu thun hat; zum Andern aber ist es ,,Pfeiler und Grundseste der Wahrheit«, und da muß denn um die Wahrheit, welche hier ihre Stätte hat, es ihm zu thun sein. (v. Hofmann.) Die con- crete Vorstellung der ephesinischen Gemeinde wird hier vom Apostel zu dem allgemeinen Begriff der Kirche überhaupt erweitert; die auf eine bestimmte Gemeinde hingerichtete Thätigkeit ist Dienst an dem Einen großen Hause Gottes, zu dem jede einzelne Gemeinde als Theil, jeder einzelne Christ als ein Baustein gehört. (de Wette.) Es ist eine schöne Idee: die Kirche ist das Haus Gottes; in diesem Hause ist Christus der HErr, sind die Christen Hausgenossen, ist der Geistliche Haushalten Der Geistliche soll also über die Hausgenossen die Aufsicht führen, über sie wachen, weil er ihr Haushalter ist; er soll sie aber mit Ach- tung und Liebe behandeln, weil sie seine Mithaus- «enossen sind. Das ist eine wichtige Wahrheit: der Seelsorger Gottes Haushalter und Mithausgenoß; als Haushalter soll er die Treue und Wachsamkeit selbst, als Mithausgenosse die Liebe und Sanftmuth selbst sein. (Sailer.) Jn Bezug auf Gott wird die Gemeinde sein Haus, in Bezug auf die Wahrheit ihr Pfeiler und ihre Grundseste genannt; nicht aber ist sie die Quelle der Wahrheit, diese ist allein Gottes Wort. Unter den Menschen ist die Gemeinde des HErrn der Pfeiler, welcher die göttliche Wahrheit trägt, das Fundament, auf dem sie immer auf’s Neue erbaut wird; die Gemeinde Gottes ist nicht blos die Bewahrerin des Schatzes der göttlichen Heils- wahrheit, auch die fortdauernde Kraft und Wirkung des Wortes unter den Menschen beruht auf dem fort- gehenden Bekenntniß und Zeu niß der Gemeinde. (v. Gerlach.) Die Größe und ichtigkeit seines Be- rufs soll dem Timotheus vor Augen gestellt werden in der Herrlichkeit des Hauses, an dem er dient; und diese Herrlichkeit der Kirche wird nun im Gegensatz gegen die drohende Jrrlehre, welchen der Apostel bereits im Auge hat (Kap. 4, 1ff·), darein gesetzt, daß die Kirche auf Erden den Beruf hat, die in sich Fe- wisse Wahrheit für die Welt zu bewahren, ihren e- stand auf Erden zu sichern. Diesen Beruf hat die Kirche von Anfang an gehabt und geübt, und wird ihn haben und üben, so gewiß sie die Gemeinde des lebendigen Gottes ist und die Verheißung hat, daß auch die Pforten der Hölle sie nicht überwältigen sollen. Sie hat und übt ihn aber nicht blos, so fern und so weit, sondern weil und in Kraft dessen, daß sie selbst ruht auf dem ewigen Grunde, welcher ist Jesus Christus; Trägerin der Wahrheit für die Welt ist sie eben darum, weil sie selbst von der Wahrheit, der in sich ruhenden und gewissen, getragen wird. (Wiesinger.) VI) Zu der Aussage in V. 15., was es um das Haus Gottes ist, um das es sich handelt, gesellt sich nun hier eine Aussage, was es um die Wahrheit ist, als deren Pfeiler und Grundseste der Apostel jenes Haus bezeichnet hat; er nennt aber diese Wahrheit jetzt »das gottselige Geheimniß«, um einerseits zu betonen, daß die Wahrheit, deren Stätte das neu- testamentliche Gotteshaus ist, nicht aus Menschen- gedanken stammt, sondern aus göttlicher Offenbarung, ohne die man nicht von ihr wüßte, und andrerseits, daß sie darnach geartet ist, da, wo sie Aufnahme findet, Frömmigkeit zu wirken, und also nur für die- jeni en und bei denen ist, in denen sie Gottesfurcht wir t. Die Thatsachem welche er hernach anführt, sollen jedoch nicht den Hauptinhalt der christlichen Lehre ausmachen, wie denn das ,,geprediget den Heiden, eglaubet von der Welt« keine Glaubenssätze sind; sondern von der wunderbaren Größe und hohen Be- deutsamkeit dessen, um was es sich hier handelt, sollen sie einen Eindruck eben. Wer unter diesem Eindruck steht, wie kann der sich und die Gemeinde, statt mit dem ottseligen Geheimniß, mit folchem beschäftigen, was in EIN. 4, 7 ,,ungeistliche und altvettelische Fabeln« ge- nannt wird? (v. Hofmann.) ,,Kündlich-groß«, das will sagen: ein jetzt geosfenbartes Geheimniß ist es, über dessen Wichtigkeit und Würde bei keinem Christen ein Zweifel bestehen kann. Jn den Worten nun, die hierauf folgen und die stets zunehmende errlichkeit der Gottesoffenbarung in Christo in einer eihe von Thatsachen anschaulich machen, ist der Anfangspunkt die Erde («vffenbaret im Fleisch«), der Aus angs- punkt der Himmel (,,aufgenommen in die Herrli keit«); das Ganze besteht aus zwei Haupttheilem deren jeder drei Glieder hat, von denen die beiden ersten (,,geoffen- baret im Fleisch, gerechtfertigt im Geist« — ,,gepredigt den Heiden, geglaubet von der Welt«) das, was sich auf der Erde, das dritte (,,erschienen den Engeln« — ,,aufgenommen in die Herrlichkeit«) das, was sich im Himmel zugetragen, hervorheben, leichwie auch die erste und vierte (,,offenbaret im Fleiizch« —- ,,gepredigt den Heiden«), die zweite und fünfte Strophe (,,gerecht- fertigt im Geist« — ,,geglaubet von der Welt«) ein- ander entsprechen. Wahrscheinlich haben wir in der ganzen Stelle das Fragment eines alten Kirchenliedes oder auch einer (im Gegensatz zu der ephesinischen Loosung in Apostg. 19, 34: ,,groß ist die Diana der Epheser!« aufgekommenen) Bekenntnißformel, die, nachdem etwa in einer vorhergehenden, uns nicht weiter bekannten Strophe das Lob des lebendigen Gottes gesungen worden war, wohl also gelautet haben mag: ,,welcher — groß ist das Geheimniß —-geoffenbaret ist im Fleisch, gerechtfertigt im Geist 2e.« Dies alles ist in den Augen des großen Apostels das große Ge- heimniß der Gottseligkeit, dies der Pfeiler und die Grundseste der Wahrheit, worauf der Gottestempel unerschütterlich ruhet, während der Abfall hiervon im Schooße derselben Gemeinde zu erwarten war, vgl. Kap. 4, 1ff.; Apostg. 20, 29 f. (v. Oosterzee.) IN) Im Gegensatz gegen· die Behauptung der Jrrlehrer, daß sur die Gläubtgen und die Wahrheit Erkennenden Gott jene Dinge nicht erschaffen habe, sagt der Apostel, gerade für sie, zu ihrem Gebrauche seien sie erschaffen, nicht für die Ungläubigen, die ihn nicht dafür preisen. Die eigentliche Bestimmung jeder äußerlichen Gabe Gottes ist, daß sie zur Erkenntniß und zum Preise des Gebers, überhaupt, daß sie von dem Jrdischen und Zeitlichen auf das Himmlische und Ewige hinleitet; da diese Absicht Gottes bei den Un- gläubigen aber, wenn sie im Unglauben beharren, nicht erreicht wird, so hat er insofern jene Dinge nicht für sie, sondern für seine Kinder, welche die Wahrheit erkennen, erschaffen. (v. Gerlach.) Zwar sagt uns der gesunde Menschenverstand, daß alles in der Welt zu unserm Gebrauche von Natur bestimmt sei; aber da durch Adams Fall die Herrschaft über die Welt uns verloren gegangen ist, wird durch unsern Schmutz alles befleckt, was wir von Gottes Geschenken anrühren, und es verunreinigt auch uns wiederum, bis Gott nädig uns zu Hilfe kommt, uns zu Gliedern am eibe seines Sohnes macht und also von Neuem uns Die Jrrlehrer der Zukunft (Marcion und die Manichäer). 637 zu Herren der Welt einsetzt, so daß wir nun aller ihrer Güter uns bedienen dürfen, als wären es unsre. Gott muß man zu seinem Vater haben, um sein Erbe g: sein, Christus muß unser Haupt sein, daß alles einige unser werde; darum ist es ein unreiner Raub der göttlichen Gaben, wenn wir bei ihrem Genusse Gott nicht erkennen und anrufen, es ist eine thierische Weise zu essen, wenn man ohne Gebet sich zu Tische setzdt und gesättigt aufsteht, ohne Gottes dabei zu ge enken. (Calvin. f) Was es heißen wolle, das Ehelichwerden zu verwehren, brauchte der Apostel dem Timotheus nicht erst bemerklich zu machen: solches Verbot trat ja mit der göttlichen Schöpfungsordnung in offenbaren Wider- spruch. Ein ander Ding war es mit dem Verbot ge- wisser Speisen: es konnte insofern minder bedenklich scheinen, als ja auch das mosaische Gesetz Speisever- bote enthielt; daher fügt der Apostel hinzu, die Speisen, welche jene Lügenredner verbieten werden, habe Gott dazu geschaffen, daß sie der Mensch mit Danksagung sich zugute kommen lasse, und man habe keine Ursache, irgend etwas für verwerslich zu achten, im Gegentheil, wenn man es mit Danksagung ht1inimmt, so wird es mit Gottes Wort und Gebet, das ja mit Gottes Wort geschieht, geheiligt und der Weihe des Christenstandes mit theilhast. (v. Hofmann.) Es ergiebt sich aus den Worten des Apostels eine nicht unwichtige sittliche Regel: Alles das, was ich mit Gebet und Danksagung thun kann, alles das, wobei ich an Gött denken, an- dächtig sein kann, ist keine Sünde; das, wobei du beten kannst, das thue, das, wobei du nicht beten kannst, das lasse. (Plitt.) Auch bei seinem Abschied von den Aeltesten zu Ephesus bewegt den Apostel eine schwere Ahnung (Apstg. 20, 29 f.); er erkannte, daß von dieser Stätte eine Häresie neuer und gefährlicher Art aus- gehen würde, eine heidnische Verderbniß des Christen- thums, wie von Jerusalem die pharisäische Mißge- staltung ausgegangen war. Er sah, daß aus dem Lebensheerde des Heidenchristenthuins, ja aus der Mitte derer, die das heilige Amt der Hirten in der Kirche empfangen hatten, Männer ausstehen würden, die Verkehrtes reden, eine Verzerrung der Wahrheit an die Stelle der Wahrheit setzen, die Seelen der Jungen die Christo angehören, an sich reißen und an sich fesseln und wie greuliche Wölfe unter der Heerde Gottes hausen würden; er sah mit Einem Worte mit prophetischem Geiste das Auskommen der falschen heid- nischen Gnosis (vgl. zu Apostg. 20, 31). Deutlicher nun spricht er sich in dem Sendschreiben an den in Ephesus stationirten Timotheus aus, sowohl über das, was schon geschehen, als über das, was durch den prophetischen Geist vorausverkündigt wurde. Hynienäus und Philetus waren Genossen des Apostels im christ- lichen Lehramt; sie litten Schisfbruch am Glauben, denn sie hatten die Reinheit des Gewissens nicht be- wahrt, und zu allen Zeiten war es Verstrickung der Christen in heimlichen oder offenbaren Siindendiensh die der Entstehung des Jrrglaubens und des Un- glaubens voranging. Ihren Jrrwahn, die Auf- erstehung sei schon geschehen, d. h. eine Auserweckung des Leibes sei nicht zu erwarten, behaupteten sie mit einer Hartnäckigkeit gegen den Apostel, daß sie es bis zur Lästerung trieben und dem Satan übergeben werden mußten. Jn Korah und seiner Rotte (4. Mos. 16) sieht Paulus das Vorbild dieser Widerspenstigen: wie jene gegen Mose und Aaron austraten und das Priesterthum ohne göttlichen Auftrag an sich rissen, so wollten diese im Gegensatz gegen den Apostel und die rechtmäßige Auctorität ein anderes, ihr eigenes hiiretisches Lehramt aufrichten, und Paulus sah im Geiste, daß das Wort dieser empörerischen Lehrer in der Kirche um sich fressen würde, wie der kalte Brand im menschlichen Leibe, bis sie ein Ende, ähnlich dem ihrer Vorläuser Korah, Dathan und Abiram, finden würden. Auch unheimliche Zauberer waren schon da, mit Jannes und Jambres, den Widersachern Mosis in Egypten, vergleichbar, Gestalten wie Simon der Magier oder der spätere Gnostiker Marcion, Versührer zu Schändlichkeiten, welche den Dienern Christi aus dem Fuße nachfolgten und sich in die Gemeinden und in die Familien einschlichen (Kap. ·1, 20; 2. Tim.··2, 1»7 fs.; 3, 6 ss.). »Ja solchen Erscheinungen aus christ- lichem Boden zeigte sich bereits der im Entstehen be- riffene Abfall, von dem Paulus zuerst in Z. Thess Z, 2 u. 7 eredet: seine erste Gestalt war die heuch- lerische AsFese eines gebrandmarkten Gewissens, erst seine spätere Entfaltung war die Gesetzlosigkeit und die Zerstörung aller sittlichen Bande, deren Allgemeinheit in den letzten Zeiten der Apostel in 2. Tim. 3, 1 ff. prophezeit. Allen diesen Veranstaltungen gegenüber weist er den Timotheus auf das Geheimniß der Gott- seligkeit: »Gott ist geofsenbaret im Fleisch 2e.« Gottes Menschwerdung zur Erlösung und Heiligung der mensch- lichen Natur ist die Quelle aller wahren Heiligung; ebensosehr die Verpslichtung zur Heiligkeit, als die Kraft und die Möglichkeit dazu, ist darin gegeben, daß Gottes Sohn im menschlichen Fleische heilig wandelte, starb und auferstand. Der Unheilige will und kann dies nicht glauben, ein gebrandmarktes Gewissen nagt immer an dieser Wahrheit, von der es sich verdammt fühlt (1. Joh. 4, 3); sie— zu verneinen war der Grund- gedanke der ganzen häretischen Gnosis. (Thiersch.) S. Wenn du den Brüdern sin Ephesus, die du zu leiten und zu überwachen hast Kap. I, 3., namentlich aber den dortigen Lehrern und Vor- stehern, die schon anfangen, Acht zu haben auf die Fabeln und der Geschlechte Register der Jrr- lehrer Kap. 1, 4] solches swas ich vorhin V. 3 ff. dir zu Gemüthe geführt habe] vorhåltsh so wirst du sin dem Hause Gottes, der Gemeinde des HErrn Kap. 4, 15] ein guter Diener Jesu Christi [1. Cor. 4, I; 2. Tim. 4, 5] sein, [der] aufer- zogen swird oder seine geistliche Nahrung em- pfängt, wie bei seinem Studiren, so auch bei seinem Lehren ——— doeendo disoimus, im Lehren lernen wir selber] in den Worten des Glaubens und der guten sheilsamen Kap I, 10] Lehre, bei welcher du [ja von Jugend auf] immerdar gewesen bist« sihr treulich folgend Z. Tim. 1, 5·, und da läßt sich doch erwarten, daß du auch ferner- hin ihr wirst zugethan bleiben 2. Tim. Z, 14 ff.]. 7. Der ungeistlicher! [heillosen, nur dem Ge- schmack ungeistlicher Leute Kap. 1, 7 zusagenden Kap. S, 20; 2. Tim. 2, 161 aber und altvettelischen sdem Altweibergeschwätz gleichenden oder läppischen —- »Vettel« ist das latein. vetula, altes Frauen- zimmer] Fabeln swie die anders Lehrenden Kap- 1, 3 f. jetzt schon ihren Hörern sie vortragen und sich Anhang damit verschaffen] entschlage dich [so unbedenklich sie für jetzt auch erscheinen mögen 2. Tim. 2, 15 f.; Tit. Z, 9]. Uebe dich selbst aber an der [auf das Geheimniß Kap. Z, 16 sich 638 I. Timotheum 4, 8—14. gründenden] Gottfeligleit [indem du zum Wachs- thum in derselbigen dich in eine Selbstzucht nimmst, die noch in andern Uebungen besteht, als in denen, auf welche die anders Lehrenden Kap. 1, 3 mit ihren Menschengeboten Tit. 1, 14 dringen Kap. 6, 11 f.; 2. Tim. 2, 22]. 8. Denn die leibliche Uebung swie diese sie zur Geltung bringen wollen und zu welcher auch du dich einigermaßen hinneigest Kap. b, 23] ist wenig nüHe [und hat nur unter gewissen Um- ständen ihren Werth für das innere Leben 1. Cor. 7, 5]; aber die Gottseligkeit szu welcher der ins Fleisch gekommene Gottessohn uns anleitet und tüchtig macht Kap. 1, 15; 3, 16] ist zu allen Dingen nütze [so daß man sie zu allen Zeiten und unter allen Umständen zu üben hat], und hat die Berheißung dieses sgegenwärtigeii I. Cor. 15, 191 und des zukünftigen Lebens» [daher, wer an ihr sich übt, nichts versäumt, das zu seinem zeitlichen und ewigen Heile dient]. 9. Das swas ich soeben sagte: »die auf Christum und fein Heil sich gründende Gottselig- keit hat die Verheißung dieses und des zukünf- tigen Lebens«] ist je gewißlich wahr und ein thener [unbedingter Hinnahme] tverthed Wort [Kp. I, 15]. 10. Denn dahin sdaß dies gewißlich wahre Wort überall auch auf- und angenommen werde, wie dasselbe es verdient] arbeiten wir auch [mit allem, was wir thun und vornehmen] und werden [nun freilich dabei von unverständigen Leuten, die folche unsre Mühe und Arbeit nicht zu wür- digen wissen, sondern sie in falschem Lichte be- trachten], geschmiiheh daß wir aus den lebendigen Gott gehofft haben [statt, wie sie es für besser halten, nach Gunst und Beifall der Menschen zu trachten; wir lassen uns aber dadurch nicht irre machen in unsern Bestrebungen, sondern setzen eben unsere Hoffnung auf den Gott], welcher ist der Heiland aller Menschen [Kap. 2, 4 und darum haben will, daß sein Wort mehr und mehr Ein- gang finde in der Welt], sonderlich aber [der Hei- land] der Gläubigen*" [Tit. 2, 10 und als solcher die ihnen gegebene Verheißung sicher er- füllen und ihre Hoffnung nicht täuschen wird]. 11. Solches [wie ich dir mit den Worten: ,,übe dich selbst an der Gottseligkeit« V. 7 ge- boten habe] gebeut [nun weiter den Brüdern V· 6] und lehre-f— [sie, was ich dich darauf ge- lehret habe V. 8: »die leibliche Uebung ist wenig nütze, aber die Gottseligkeit ist zu allen Dingen nütze«]· It) Die Darstellung dessen, was in der Zukunft droht, soll den Timotheus erkennen lassen, was in der Gegenwart noththut; und weil das Zukünftige in seinen Anfängen schon vorhanden und nur der Stei- gerung nach ein Zukünftige-s ist, begreift sich von selbst, warum das, was dem in seiner vollen Ausbildung zu- künftigen Jrrthum als Wahrheit entgegengestellt wird (V. 3—5), schon in der Gegenwart eingeschärft werden soll. Die drohende Gefahr stellt an Timotheus, wenn er ein guter Diener Jesu Christi sein will, die An- forderung eines kräftigen Ent egenwirkens gegen den, wenigstens dem Keime nach xschon vorhandenen Irr- thumx dieses aber kann nicht blos in der Mittheilung, daß Abfall drohe, sondern nur in der Vorhaltung der Wahr eit, die diesem Jrrthum entgegenzusetzen ist: ,,alle reatur Gottes ist gut . . · . durch das Wort Gottes und Gebet«, bestehen. (Wiesin er.) Der Cha- rakter eines guten Dieners Jesu Christi, welchen Ti- motheus offenbaren würde, wenn er thut, was der Apostel ihm aufträgt, wird näher durch die Aussage angegeben: ,,auferzogen in den Worten des Glaubens und der guten Lehre, welcher du bisher gefolgt bist-« Die Worte des Glaubens werden hier als das fort- währende Bildungs- und Nahrungsmittel fiir den inneren Menschen des Timotheus dargestellt (vgl. I. Petri 2, Z; 2. Tim. Z, 15); als noch unvollendet wird damit die christliche Bildung desselben nicht gerade bezeichuet, wohl aber als noch der Entwickelung fähig. Der Christ und der christliche Le rer kann auf seinem gegenwärtigen Standpunkte vo endet sein, zugleich aber ist er berufen, nach einem höheren zu streben. Die Predigt würde einem tönenden Erz und einer klingenden Schelle gleich sein, wenn sie nicht die Offen- barung und der Erguß des inneren geistlichen Lebens ist, das mit der äußersten Sorgfalt gehegt und e- pflegt werden muß. (v. OosterzeeJ Cs ist das gro e, weit verbreitete Elend der Kirche, daß sie unwieder- geborene, erfahrungslose Geistliche hat, daß so Viele eher Prediger werden, als sie Christen geworden sind, und dem Altare Gottes als feine Priester geweihet werden, ehe sie Christo geheiligt worden sind durch Uebergabe des Herzens an ihn, und dann also einen unbekannten Gott anbeten und einen unbekannten Christus predigen und durch einen unbekannten Geist beten, und einen Stand der Heiligung und der Ge- meinschaft mit Christo und eine Herrlichkeit und Selig- keit verkündigen, die ihnen völlig unbekannt sind und vielleicht unbekannt bleiben werden in alle Ewigkeit. (Baxter.) » » · IV) Will Timotheus etwas ausrichten gegenüber den Verkehrtheiten der Gegenwart, so muß er selbst vor aller Ansteckung davon bewahrt bleiben; es folgt daher eine deutliche Hinweisung auf jene Verkehrt- heiten in der doppelten Gestalt einer falschen theo- retischen Richtung einerseits und einer falschen prak- tischen Richtung andrerfeits. Den Worten des Glaubens und der guten Lehre, welche das bleibende Nahrungs- mittel des Timotheus sein soll, stellt der Apostel zu- nächst »die ungeistlichen und altvettelischen Fabeln« entgegen, mit denen er, um nicht der falschen theo- retischen Richtung der anders Lehrenden und ihrer Anhänger anheimzufallen, sich nichts zu schaffen machen soll; in der Gegenwart haben dieselben noch ein un- fchuldiges Ansehen, in der Zukunft dagegen werden sie bis zum eigentlichen Gegensatz gegen die Wahrheit sich steigern, darum kann Timotheus der Gefahr der Zu- kunft nicht entgegenarbeitem wenn er nicht vor den Erscheinungen der Gegenwart sich in Acht nimmt. Ungeistlich sind diese Fabeln, insofern sie mit dem eigentlichen Jnhalt des Glaubens nichts zu schaffen haben und wahre Frömmigkeit nicht fördern; alt- vettelisch und abgeschmackt aber sind sie, weil sie den Mährchen leichen, wie Ammen und alte Weiber sie erzählen. ie »Geschlechts-Register« (Kap. 1, 4) erwähnt Paulus nicht besonders: es hingen alle diese Dinge unter sich zusammen, daher auch sonst, selbst wo es auf eine Zusammenfassung ankam (vgl. Tit. Warnung vor den theoretischen und praktischen Verkehrtheiten der jetzigen Jrrlehrer. 639 1, 14 mit 3, 9), bald das eine, bald das andere in der Aufzählung übergangen wird. (Wie3nger.) Jn ihrer ganzen Abgeschmacktheit sind die abeln, mit denen die jüdischen Lehrer sich damals herumtrugen, in den Talmud (Matth,. 6, 22 Anm.) übergegangen: spitzsindige Deutungen biblischer Geschichtem Mährchen, die erfunden wurden, gewisse Geheimnisse dadurch zu überliefern, gewisse chwierigkeiten aufzulösen &c. (v. Gerlach.) Aber noch vor einer andern Gefahr wird Timotheus gewarnt: wie jene Fabeln der anders Lehrenden von den wahren Gegenständen des Er- kennens abfiihren, so die leiblichen Uebungen, wie die- selben sie betreiben, von der wahren Gottseligkeitz er soll also auch vor den Verkehrtheiten der Gegenwart in praktischer Hinsicht sich in Acht nehmen. Mit den Worten: ,,übe dich selbst an der Gottseligkeit« sagt ihm der Apostel, daß Gottseligkeit dasjenige sein so , worauf seine Selbstübung abzielt, und ermahnt ihn zu einem Thau, wodurch er sich» für dieselbige geschickt macht Die Jrrlehrer setzten die Gottseligkeit in die Enthaltung von solchem, was für erlaubt gelte, aber es nicht sei; und auch Timotheus, wenn er der hier ihm gegebenen Ermahnung bedurfte, muß geneigt ge- wesen sein, derlei Enthaltung als etwas um sein selbst willen zu Uebendes sich aufzuerlegen. Er wird daher ermahnt, diejenige Selbstzucht zu üben, bei der es aus G ottseligkeit abgesehen ist und die also vor allem in einem innerlichen Zwange besteht, den man sich anthut, um sich nicht gehen zu lassen, sondern sich so zu gewöhnen, daß man in allem Thun und Lassen Gott in Ehrfiircht zu gefallen und zu dienen bedacht ist. Die leibliche Selbstzucht als solche und an sich nun, sofern sie den Menschen zum Entbehren geschickt macht, ist nicht schlechthin unnützx auch der Apostel hat sie geübt (1. Eor. I, 27), aber nur zu dem Zwecke und in em Maße, um nicht durch seines Leibes Be- dürfnisse oder Begierden an der Erreichung seines Ziels verhindert zu werden, und nicht, als wenn sie an sich selbst etwas wäre. Sie ist also nur wenig nütze, nur in sehr untergeordneter Weise; die Gott- seligkeit dagegen ist unbedingt und zu allem nütze, indemsie die Verheißung des Lebens hat siir die gegenwärtige und die zukünftige Welt. lv. Hofmannh Daß die Gottseligkeit zu allen Dingen nütze, also die am meisten praktische Sache von der Welt ist, kann dem abstrakten Jdealismus der Einen und dem irreli- giösen Materialismus der Andern gegenüber nicht genug eingeschärft werden. Wie Viele giebt es, die zwar anerkennen wollen, daß die Gottseligkeit gut sei, um in Frieden zu sterben, aber sie für gar nicht nöthig halten, um gliicklich zu leben; wie viele Andere, die den Glauben eine ganz schöne Sache nennen für Arme, Schwache, Leidende, Sterbende, aber nicht ge- eignet, um ächte, tüchtige, praktische Menschen zu bilden! Diesen gegenüber muß beständig daran erinnert werden, aß das Evangelium eine Kraft ist, die alles durchdringt, und daß der wahre Christ nicht nur der gliicklichste Mensch, sondern auch der bravste Bürger, der beste Unterthan, der gehorsamste Knecht, der sanftmüthigste Herr, mit Einem Worte, Hin allen Ver- hältnissen ein Mitarbeiter Gottes und eine Ehre Christi ist. (v. OosterzeeJ Eis) Mit den nachdenklichen Worten: »das ist je gewißlich wahr und ein theuer werthes Wort« ver- siegelt der Apostel das vorhin Gesagte und macht sich ugleich Bahn zu dem weiter Folgenden. Nach der enschen schnellem Urtheil sieht es oft anders aus, als ob die Gottseligkeit Einem an der Beförderung, an einer guten Heirath u. dergl. hinderlich gewesen wäre; aber: ,,laß dir dies Wort gewisser sein!« Davon geleitet und unterstützt arbeite, leide dich (2· Tim. 4, 5) mit dem Sinn, dein Leben zu hassen und zu verlieren auf dieser Welt. Den an ichtbarem kleben- den Weltmenschen kommt es freilich verächtlich vor, auf niemand als den lebendigen Gott zu hoffen. Rieger.) Neben dem Bilde seiner Arbeit erscheint dem postel das Bild der unzertrennlich damit verbun- denen Schmähungen: er hatte wohl bei dem Schreiben des Briefs in seiner damaligen Erfahrung und Um- gebung eine besondere Veranlassung, daß er dieses Umstandes so ausdrücklich erwähnt (vgl. die Bem. zu Kap. 5, 25). Er will nicht sagen, daß seine Feinde ihn mit vollem Bewußtsein gerade darum schmähen, weil er auf den lebendigen Gott gehosst hat, er giebt Vielmehr hier den tiefsten Grund aller dieser Feind- seligkeiten an; aber der Grund dieser Schmähungen ist zugleich das Gegengewicht für dieselben und der Trost unter denselben, denn Paulus trägt ja diese wegen seiner Hoffnung auf den lebendigen Gott —- kein todtes Gedankenbild, wie so manches Hirngespinnst der ephesinischen Jrrlehrey sondern einen Gott, der selbst lebt und das gehoffte Leben verleihen wird. (v. Oosterzee.) Aller Menschen Heiland ist dieser lebendige Gott, nicht sofern er es für alle ist, sie mögen das Heil erlangen oder nicht, sondern sofern man für alle hoffen kann, daß sie es erlangen, und hiernach handeln soll, wie denn der Apostel darauf hin sich abarbeitet und Schmach leidet; sonderlich aber der Gläubig en Heiland ist« er, sofern die Gläubigen das Heil schon erlangt haben, so daß sie lsich nur nach der Vollendung desselben zu getrösten ha en und sich ihrer tsiesto zuversichtlicher getrösten können. (v. Hof- mann. f) Es giebt Dinge, welche gelehrt, und andere, welche befohlen werden müssen: wenn Einer das be- fiehlt, was gelehrt werden muß, so macht er sich lächerlich, und ebenso wenn Einer das lehrt, was be- fohlen werden muß. Wenn Einer weiß, daß etwas böse ist, und thut es doch, so bedarf es nur des Be- fehls; wenn er es nicht weiß, bedarf es der Be- lehrung. Darum soll Timotheus beides thun, befehlen und lehren. (Augustin.) 12. Niemand verachie deine Jugend [1. Cor. 16,11 Anm.]; sondern sei ein Vorbild den Glau- bigen [T1f. 2, 7 ff. 151 im Wort lwenn du zu lehren, zu ermahnen, zu warnen oder zu trösten hast], iin Wandel [Phil. 3, 17], in der Liebe, im Geist [1n Erweisung des Geistes I. Cor. 2, 4 — in nicht wenigen Handschriften des Grund- textes fehlt das ,,im Geis«, welches wohl nur Zusatz eines Abschreibers ist], im Glauben l2. Tim- 3, 10], in der Keuschheitt [2. Cur. s, 6]. 13. Halte lwährend der Zeit meiner Ab- wesenheit, wo du auch den Gemeindegottesdienst zu versorgen hast] an mit Lesen [Luk. 4, 16; Apsig. 15- 215 D— Eos— Z« 14J- mit Ermahnen [Apoftg. 13,15 ff.], mit Lehren [Apoftg. 13, i; Röm.·12, 7u. 8], bis ich komme [und dann selbst wieder das Amt überiiehme]. 14. Laß nicht ans der Acht [daß du sie wolltest ungebraucht liegen lassen, sondern erwecke vielmehr] die Gabe, die dir sbei deiner Ordination zum Apostelgehilfen Apostg. 16, 3 Anm.] gegeben ist dnrch die Weissagung Lin Folge der über dich 640 1. Timotheuin 4, 15. 16. 5, 1—i3. ergangenen Weissagung Kap. 1, 18 oder dadurch veranlaßt als durch eine vorlaufende göttliche Zusage] mit Handauslegung der Aeltestentt fund meiner selbst Z. Tun. 1, 6]. 15. Solches [was ich in V. 12——14 als deine Aufgabe dir bezeichnet habe] warte, damit gehe um [darin, daß du einerseits dich des Lehr- amts treulich annimmst nach der dir dazu ver- liehenen Gabe V. 13 f. und andrerseits dich den Gläubigen als ein Vorbild erzeigest im Wort und im Wandel V. 1·2·, gehe gleichsam ganz auf], auf daß dein Zunehmen fzur Vollkommenheit 2. Tim. Z, 171 in allen Dingen fvor denen, zu deren Leitung und Ueberwachung du verordnet bist] offenbar seist* fund also niemand wegen deiner Jugend dich verachte, sondern jedermann dich in Ehren halten müsse]. 16. Hab Acht auf dich selbst swie auf dein Verhalten, so auf deine eigene Ueberzeugung Apvftgi TO, 281 und auf die Lehre sdie du vor- tragen sollst, daß dein Vortrag in der rechten Weise gefchehe 2. Tim. 2, 15], beharre in diesen Stucken fund laß dich auf davon abliegende Dinge nicht em V. 7 f.]; denn, wo du solches thust, wirst du [einestheils durch das Achthaben auf dich selbst] dich selbst selig machen, und sanderntheils durch das Achthaben auf die Lehre diejenigen selig machen] » die· dich boten-s— [andernfalls, gleichwie die, die dir in deine Seelsorge befohlen sind, so auch deine eigene Seele um das Heil bringen]. s) Wenn hier von des Timotheus Jugend die Rede ist, so beweist dies eine frühere Abfassungszeit unsers Briefs, als diejenigen sie annehmen, welche ihn in der Zeit zwischen der sog. ersten und zweiten Ge- fangenschaftPauli geschrieben sein lassen; für diese Zeit paßt die Hinweisung auf des Timotheus Jugend schwerlich, da derselbe damals schon 12—14 Jahre in des Apostels Umgebung zugebracht hatte, und gesetzt, es hatte auch damals noch von seiner Jugend geredet werden können (2. Tim. 2, 22), welcher Christ hätte ihn, den erfahrenen und während eines so langen Zeitraumes bewährten Diener des hohen Apostels um seiner Jugend willen, die dann unmöglich noch auffallend gewesen sein könnte, geringschätzen mögen! (W1eseler.) Wenn des Timotheus Befehls- und Lehrwort (V. 11) achtsame Hörer finden und Wirkung thun soll, so muß er selbst in solcher Achtung stehen, daß man an seiner Jugend keinen Anstoß nimmt und nicht um ihretwillen darüber hinaus zu sein meint, von ihm sich sagen und belehren zu lassen. Daher schreibt der Apostel: ,,nie- mand verachte deine Jugend!« Er soll nämlich sich so halten, daß ihm dies nicht begegnet; und das thut er, wenn er sich so hält, daß er ein Vorbild den Gläu- bigen ist, Vorbild in dem, was er spricht, und in dem, was er thut (im Wort und im Wandel), Vorbild in der Liebe gegen Andere, im Glauben zu Gott, in der Reinheit seiner sittlichen Haltung fLutherx ,,Keuschheit«). Hierzu ermahnt ihn der Apostel im Gegensatz gegen ein Verhalten, durch welches er verschuldensz würde, daß man auf ihn seiner Jugend wegen geringschätzig herabsähe, als sei er nicht der Mann, eine Gemeinde, die soviel Aeltere zähle, zu lehren und zu leiten. (v. Hosmann.) Ein jugendlicher Aufseher der Gemeinde muß sorgen, daß er seinem Alter voraus sei; Samuel, der junge, war ein treuer Prophet vor Eli, dem alten l· Sam. Z, 10. (Starke.) VII» Bis derfApostel kommt (vgl. Kapz 3, 14 f.), soll Tiniotheus sich dessen, was er selbst in versa1n- melter Gemeinde thun würde, annehmen und be- fleißigen, näinlich 1) der Vorlesung der heiligen Schrist mit Einschluß ihrer Auslegung, L) der An- sprache, welche unabhängig von der Schriftvorlesung auf das Gemiith wirkt, und 3) des Unterrichts, der die Erkenntniß der Heilswahrheit erweitert und vertieft. So soll er die ihm einwohnende Begabung nicht ungeniitzt lassen, dessen eingedenk, wie er sie em- pfangen hat; und zwar handelt es sich da um die Lehrgabe, welche dem Timotheus erbeten worden war, als er durch Weissagung dem Apostel als der bezeichnet wurde, der ihm und dem Silas sein könne, was vordem Johannes Markus dem Barnabas und ihm gewesen war. Daß Gott es ist, der den Geist und die mancherlei Gaben des Geistes giebt und also von ihm Tiinotheus auch die in Rede stehende Gabe empfangen hat, versteht sich von selbst; darüber geht denn Paulus mit dem Worte: »die dir gegeben is « einfach hinweg, ohne weiter Gewicht darauf zu legen, wohl aber erinnert er ihn mit den hinzugefügten Worten: »in Folge von Weissagung mit Handauslegung der Aeltestenschaft« an die beiden Unistäiide, einmal, daß Weissagungen vorangegangen waren, und dann, daß sich die Aeltestenschaft seiner Heimathgemeinde an seiner Begabung mit Handauslegung betheiligt hat. Er darf also weder durch Verabsäumung dessen, wofür er auf jene Weissagungen hin begabt worden ist, die- selben Lügen strafen, noch wird er das Vertrauen dieser Aeltestenschaft täuschen, ihre Hoffnungen zu Schanden machen wollen. Jn 2. Tim. 1, 6 dagegen führt Paulus dem Timotheus zu Gemüthe, welche Verpflichtung er gegen ihn selber habe, wenn er ihn erinnert, daß durch s eine Handauflegung er die Gabe empfangen. (v. Hofmann.) Gottes Gnade und unser Fleiß müssen immer beisammen sein; denn ohne Gnade hilft kein eigener Fleiß und ohne eigenen Fleiß wird keine Gnade recht gebraucht und benü t, viel weniger vermehrt, vgl. l. Cor. 15, 10. (J. ange.) Es ist ein schreckliches Elend, gute Gaben gehabt und nicht gebraucht zu haben. (Heubner.) IN) Alle Studien, alle Uebungeu, alle Fortschritte eines ächten Hirten dürfen nicht unsruchtbar noch die Frucht derselben verborgen sein: seine Arbeit und sein Vorbild gehören seiner Gemeinde, weil er der allge- meine Mann für Alle ist. (v. Gerlach·) f) Der ganze vorliegende Abschnitt enthält Worte, die ein jeder Diener der Kirche stets vor Augen und im Herzen haben sollte; und jeder, der in den Dienst der Kirche eintreten will, der sollte sich »diese Worte wahrhaft in’s Herz hineinschreiben Seid ·nicht auf falsche Weise bescheiden, weil ihr noch so jung seid: ihr seid einmal in das Amt gesetzt, also müßt ihr Vorbilder sein in allem, äußerlich und innerlich; ihr könnt es, wenn ihr nur ernstlich wollt, denn ihr habt zum Amt die Gabe empfangen. Verachtet sie nur nicht, diese Gabe, sinnet stets über euern Beruf, lebet ganz in demselben, treibt ihn nur iiicht handwerks- mäßig oder nebenbei, während das Herz an andern Liebhabereien hängt — seid ganze Geistliche! Seid wachsam auf euch selbst; nehmt es auch nicht leicht, verlaßt euch am allerwenigsten auf eure Naturgabem seien dieselben auch noch so bedeutend! Und fangt nicht nur mit großem Eifer an, sondern dauert aus: Verhalten gegen die Gemeindeglieder nach dem Unterschied von Alter und Geschlecht 64I es handelt sich ja um eure ewige Seligkeit, und nicht nur um die eurige, sondern auch um die der euch anvertrauten Seelen! (Plitt.) Das 5. Kapitel. Wie sioh ein Iirediger gegen Personen unter- schiedlichen Standes und Alters, und gegen sieh selbst verhalten soll. v« V.1——25. hatte der Apostel im vorigen Abschnitt dem Gimotheus die Gefährlichkeit des Ghuns und Treibens derer, die da anders lehren, und die Unbe- dachtsamtirit der Andern, welche auf ihr Unnützes Ge- sthwätz Acht haben und sich davon in ihrer christlichen Lebensweise bestimmen lassen, durch die Hinweisung auf diejenige Irrlel)re, welche nach den Aussagen des pro— phetisctjen Geistes in Zukunft aus den gegenwärtigen Anfängen sich entwickeln werde, zum Bewußtsein gebracht, so kann er nunmehr in den beiden weiter folgenden Abschnitten seine weisungen und Anordnungen so ge— stalten, daß non der Zukunft her immer ein Srhlagltiht fällt auf die jetzigen Zustände und Verhältnisse und diese in solcher Weise zu beuriheilen und zu behandeln nnd, daß jener nom Kräften vorgebeugk wenigstens keine ilititschiild an dem Verderben, das sie bringt, verwirkt werde· So geschiehts denn vor allem bei den Weisungen und Anordnungen des vorliegenden Abschnitts, welche zunächst besagen, wie Gimotheus sich gegen die Ge- meindegtieder nach dem Unterschied von Alter und Geschlecht zu verhalten habe (v. 1u.2), dann, wie er die hersorgung der Wit tweu und die Aufnahme in die Klasse der Ehren-Witwen handhaben solle, um Mißbräuctie von den Einrichtungen der Gemeinde abzuwenden (v. 3—16); liegt nun gleich hier noch keine Beziehung auf die Gefahren der Zukunft und die Be· denliliclfkeiten der Gegenwart vor, so doch bei dem, was dem Gimotheus hinsichtlich der Gemeindeältesten gesagt wird, zu deneu ja sltaulus auch hernach in seiner Abschiedsrede (Apollg. 20, 30) sagt: »aus euch selbst werden ausstehen Männer, die da verkehrte Echte reden, die Sänger an sich zu ziehen« (v. l7—25). 1. Einen Alten sin der Gemeinde, wenn er sich etwas hat zu Schulden kommen lassen] schilt nicht smit harten, anfahrenden Worten] sondern ermahne ihn als einen Vater [3. Mos. 19, 32], die Jungen [ermahne, auch bei ihnen alles Schel- ten unterlassend] als die Brüder; 2. Die alten Weiber [entsprechend dem Ver- fahren gegen die alten Männer, ermahne] als die Müller, die jungen [Weiber, entsprechend dem Verhalten gegen die jungen Männer] als die Schwestern, [wobei jedoch noch zu beachten ist, daß hier das Ermahnen geschehen muß] mit aller Kenschheit [ohne alle verdächtige Vertraulichkeih wie es ihnen gegenüber aus mehr als einem Grunde nöthig ist]. Es beginnt hier ein neuer Abschnitt, in welchem Paulus dem Timotheus Weisung giebt für sein Ver- halten den Einzelnen gegenübey zu einer Weisung, was er ihnen je nach erschiedenheit des Alters und Geschlechts einschärfen solle, wie sie im Briefe an Titus (Kap. L, 2 ff.) durch die Beschaffenheit der Dächseks Bibelwerh V1l. Band. kretensischen Christen veranlaßt war, bestand hier kein Anlaß, der Apostel begnügt sich, den Timotheus mit kürzesten Worten zu erinnern, wie ersieh, wenn er den Einzelnen etwas sonderlich zu sagen hat, was immer mehr oder weniger eine Zurechtweisung sein wird, je nach Verschiedenheit des Alters und Geschlechts zu ihnen stellen solle. Wenn er sich, der noch in jüngeren Jahren steht (Kap. 4, 12), einem Manne vorgerückten Alters gegenüber befindet, so ziemt es sich für ihn am allerweuigstem ihn mit harten Worten anzufahren: er soll zu ihm reden, wie ein Sohn zum Vater; und ebenso zu einer Frau vorgerückten Alters, wie ein Sohn zur Mutter. Und wenn es dann weiter heißt, zu Männern und Frauen, die gleich ihm in jüngeren Jahren stehen, solle er reden, wie ein Bruder zu Brüdern und Schwesterm so ist auch ihnen gegen- über ein Schelten der Heftigkeit, wie es ihm den Alten gegenüber am wenigsten ziemt, von selbst aus- geschlosseir. Dagegen ,,mit aller Keuschheit« hinzuzu- fügen konnte sich der Apostel nur in Bezug auf den persönlichen Verkehr mit den Jüngeren weiblichen Ge- schlechts veranlaßt finden: hier galt es, jeden unreinen Hauch fern zu halten. (v. Hofmannh Der junge Seelsorger muß den Jüngeren weiblichen Geschlechts gegenüber die größte Zurückhaltung beobachten, ein- mal um der öffentlichen Meinung willen, sodann um seiner eigenen Schwachheit willen, und drittens und hauptfächlich um der großen Schwachheit der jungen Weiber willen. Der junge Seelsorger erobert die Herzen der jungen Weiber, er weiß nicht wie; er soll aber in diesem Sinne keine Herzen erobern. (Plitt.) 3. Ehre [mit Versorgung durch die Ge- meinde Apostg. e, i; 28, 10] die Witwen, welche rechte Wittwen [d. i. wcrklich Beraubte, wie das griech. Wort besagt, also verlassene und allein dastehende Frauen] sind [vgl. V. 5 f. u. 16]. 4. So aber eine Wittwe Kinder oder Neffen [nach Luther’s Sprachgebrauch s. v. a. Enkel 1.Mos. 21, 23; Nicht. 12, 14 Anm.] hat, solche [diese Kinder und Neffen] laß zuvor [ehe sie von der Gemeinde Uebeingen der Gottseligkeit in Ver- sorgung der hier in Rede stehenden Wittwe ver- langen] lernen saus Christi Wort Matth. 15, 4 ff.] ihre eigenen Häuser gbttlich regieren [richtiger: gottseligen Sinn gegen das eigene Haus beweisen] nnd den Eltern sEltern und Groß- einen] Gleiches vergelten; denn das ist wohlgethan und angenehm vor Gott* [Kap. 2, 3 laut des 4. Gebots Ephes 6, I f.]. Z. Das ist aber eine rechte swirkliches Wittwe, die einsam ist [indem sie weder Kinder noch Kin- deskinder hat, die sie zu versorgen verpflichtet wären], die [in Folge dessen, weil unter Menschen sie keine natürlichen Helfer mehr hat] ihre Hoffnung aus Gott stellet [als ihren einzigen Versorger Jer. 49, 11] und bleibet [nun, auch im geistlichen Sinne sich als rechte Wittwe bewährend Luk. 2, 37] am Gebet und Flehen Tag und Nacht sihr gebührt denn diejenige Ehre, von der ich in V. 3 redete] s. Welche aber [im Gegensatz zu solcher Voraussetzung, die man bei einer wirklichen Wittwe 41 642 l. Timotheum Z, 7—16. wohl machen darf] in Wollüsten lebet [Jak. b, 5], die ist lebendig todt« [Matth. 8, 22]. 7. Solches [wie zuerst in V. 4 und dann iii V. 5 f. gesagt] gebeut [halte den betreffenden Personen in der Gemeinde vor], auf daß sie [beider- feitsJ untadelig seien [die Kinder und Neffen, von denen in V. 4 die Rede war, damit, daß sie gottseligen Sinn an ihrem eigenen Hause beweisen und der Mutter oder Großmutter Gleiches ver- gelten, die vereinsamten Wittwen V. 5 aber damit, daß sie nicht in Wollüsten zu leben trachten, son- dern als rechte Wittwen ihr Leben führen]. 8. sEin andrer Fall, als der in V. 4 er- wähnte, wäre der, daß eine Wittwe Kinder hat, die selber noch der Versorgung bedürfen» statt sie versorgen zu können; da darf es denn in der Gemeinde nicht wohl vorkommen, daß sie in gänz- licher Mittellosigkeit dasteht, sondern es laßt sich erwarten, daß christliche Ehemänner noch bei Lebzeiten die Zukunft der Ihrigen für den Fall ihres frühzeitigen Abscheidens sicher stellen.] »So aber sgleichwohh ganz dieser Erwartung zuwider] jemand [von den, dem Christenstande aiigehorigen Hausväterii] die Seinen [ihm Angehorige aber»- haupt, die durch das Band des Glaubens mit ihm verbunden sind Gal. 6, 10], sondetlich funter diesen aber] seine Hausgenossen [die ihm am aller- nächsten stehen, nämlich Weib und Kind], nicht vetsorget [mit dem, wovon sie nach feinem Tode leben können], der hat den Glauben verleugnet sdieses heiligste Band, das ihn· mit· denselben verbindet] und ist arger, denn ein HeideM [in- dem er zugleich die Bande der Natur verleugnen die doch schon ein Heide zu ehren weiß Matth. 5,v46]. s) Nqch Apostg S, I waren Wittwen schier die ersten Gegenstände der christlichen Wohlthätigkeit ge- wesen, und auch aus verschiedenen Zeugnissen bei Justin, Jgnatius, Eusebius u. geht hervor, daß sie schon sehr früh mit besonderer Liebe behandelt wurden; schon bald jedoch fcheiiit diese Wohlthätigkeit von.der Trägheit derjenigen mißbraucht worden zu sein, welche unter ihren nächsten Verwandten Wittwen hatten, aber sich deren Versorgung nur zu entziehen trachteten, indem sie ihre Wittwen der Gemeindekasse überwiesen. So geschah es, daß die Gemeinde über ihre Kräfte beschwert und die christliche Liebe auf Kosten der natürlichen Verwandtschaft geübt wurde; ge en diesen Uebelstand richtet denn der Apostel feine» orschrift, durch welche die Gemeinde von der Verpslichtung ent- bunden wird, auch für die Bedürfnisse derjenigen Wittwen zu sorgen, welche noch Anverwandte besaßen. Diejenigen, so sagt er, welche noch Kinder oder sonst nahe Anverwandte haben, die sich deren Verforgung unterziehen können und sollen, sind noch keine Wittwen in der ganzen Kraft und Bedeutung des Worts. Es ist für die christliche Armenversorgung fortwährend von Belang, daß die Beschränkung, welche Paulus für die Gemeinde-Wohlthätigkeit aufstellt, nicht weniger als ihre geziemende Ausbreitung im Auge behalten werde: das Christenthum kehrt die ursprüngliche Ord- nung der Dinge nicht um und befreit niemand von den Verpflichtungem welche die natürlichen Verhält- nisse ihm auferlegt haben. (v. Oosterzee.) «) Nachdem der Apostel in V. 5 davon geredet, was eine Wittwe, die vereinsamt ist, ihr Thun sein läßt, wenn ihr Sinn und Wesen ihrem Stande der Vereinfamung entspricht, bemerkt er, daß eine Wittwe aber auch wirklich Wittwe und also ganz vereinsamt sein kann und dabei doch sich ganz anders haben und halten, indem sie es sich, statt ein Gebetsleben zu führen, mit Essen und Trinken wohl sein läßt; eine solche, so sagt er, ist lebendig todt, nicht blos verlassen und vereinsamt. Nur sich selbst lebend, ist sie zu nichts mehr gut, hat keinen Beruf inehr in der Welt und erfüllt keinen: eine solche hat auf die Ehre des Wittwen- standes keinen Anspruch. Wenn also V. 4 von den Wittwen, hinsichtlich deren dem Titnotheus die Er- mahnung des 3. Verses gilt, diejenigen, welche Kinder oder Enkel haben, nicht insofern ausnahm, als ob sie keiner Ehre werth seien, sondern nur sofern ihr Wittwenftand noch kein völliger ist, so nimmt V. 6 diejenigen aus, die der Wittwenehre nicht werth sind, weil sie nicht darnach leben, sondern ihren Wittwen- stand dahin sich zugute kommen lassen, daß sie nur noch leben, um gut zu essen und zu trinken. (v. Hof- mann.) Daß eine derartige Wittwe keine Ansprüche auf Unterstützung zu machen habe, liegt weder un- mittelbar noch mittelbar in den Worten, sondern sie sind nur zur sittlichen Abschreckung gesagt und dem Timotheus zum Gebrauche im vorkommenden Falle (vor allem bei der in V. 7 ihm zur Pflicht gemachten Vorhaltung) an die Hand gegeben. (de Wette.) Mk) Wenn es von Einem heißt, er lasse es an der Fürsorge für die Seinen und feine allernächsten Verwandten, seine Hausgenossen fehlen, so kann auf keinen Fall das gemeint sein, woran die Ausleger vielfach hier denken, was Kinder ihrer Mutter oder Enkel ihrer Großmutter schuldig sind (V. 4); sondern man hat sich einenHausvater zu denken, welcher nicht für Weib und Kinder vorsorgt, daß sie nach seinem Tode zu leben haben. Von einem solchen heißt es, daß er den Glauben verleugnet habe, weil ja schon die Glaubensgemeinschaft ihn drängen müßte, für seine, durch das Band des Glaubens mit ihni verbundenen Angehörigen zu sorgen; und weiter heißt es von ihm, daß er schlechter sei als ein Ungläubiger, weil ein Nichtchrish den kein solches Band wie das des Christen- glaubens mit den Seinigen verbindet, schon um ihrer natürlichen Angehörigkeit willen für sie sorgt. Hier ist also auf den Fall Bezug genommen, daß Einer Frau und Kinder unversorgt zurückläßt, während er wohl für sie hätte sorgen können; der Apostel will dein vorgebeugt wissen, daß eine Wittwe durch Schuld dessen, der für sie hätte sorgen sollen, hilflos näch- bleibe und ohne Noth der Gemeinde zur Last falle. (v. HosmannJ Gott hat darum auch die Einheit durch Verwandtschaft geordnet, damit wir vielerlei Ver- anlassung hätten, einander wohl zu thun. (Ehry- sostomus.) 9. Laßt keine Wittwe erwiihlet [in die Klasse der Presbyterisfen oder Ehrenwittwen aufge- nommen] werden unter sechszig Jahren, und limmer nur eine solche] die da gewesen sei Eines Mannes Weib [Kap. Z, 2 Anm.], 10. Und die ein Zeugniß habe guter Werte [Tit. Z, 14], so sie [nämlich, um die guten Werke, die ich meine, an einigen Beispielen auf- Verhalten in Betreff der Versorgung der Wittwen und der Annahme von Ehrenwittwen 643 zuführen] Kinder aufgezogen sund damit die Ehre einer Mutter neben der der Hausfrau sich er- worben V· 14; 2, 15; Z, 4. 12] hat, so sie gastfrei gewesen ist [Röm. 12, is; Hebr. 13, Z; 1. Petri 4, 9], sp sie der Heiligen Füße gewaschen hat [Joh. 13, 15 Anm.], so sie den Triibseligen Handreichung gethan [solchen, die in Bedrängniß waren, hilfreich beigestanden] hat, so sie [über- Haupt] alleni guten Werk swas immer so heißen mag] nachkommen ist«· ssich die Uebung von Liebesdiensten in ihrem bisherigen Leben zum Geschäft gemacht und dieselben nicht blos so neben- her und dann und wann einmal betrieben hat, wenn sie gerade Lust dazu hatte]. 11. Der jungen Wittwen aber entschlage dich sund laß solche nicht zur Aufnahme V· 9 ge- langen]; denn, wenn sie geil worden sind wider Christum sdaß ihnen das Leben in seinem aus- schließlichen Dienst nicht mehr gefällt, sondern sie nach sinnlichem Genuß zurückverlangen], so wollen sie freien, 12. Und haben swenn sie nun, die erste beste Gelegenheit dazu auch benutzend, aus dem Ehren- stande der Wittwen austreten] ihr Urtheil sso daß mit Recht sie der Vorwurf trifft], daß sie den ersten Glauben sda sie bei ihrem Eintritt in jenen Ehrenstand fortan Christo allein zu leben und zu dienen gelobten] verbrochen haben. 13. Daneben sind sie faul [unlustig, das zu thun, was ihnen obliegt] und lernen sin Folge solchen Müssiggangs, um sich doch mit irgend etwas die Zeit zu vertreiben] iimlanfen durch die Häuser szu sehen und zu hören, was etwa Neues vorgefallen ist]; nicht allein aber sind sie faul, sondern auch sdem Charakter ihres Geschlechts gemäß] schwcitzig und vorwitzig, und reden sdenn in solcher Schwätzigkeit und Vorwitzigkeit so Manches], das nicht sein solltr sindem sie, was hier sich zugetragen, dort ausplaudern, und um- gekehrt, aber auch sonst viel eitles Geschwätz führens » 14. So will ich nun [Kap. 2, 8], daß die jungen Wittwen sdie nun einmal die Gabe der Enthaltung nicht haben] freien [sich, wenn sie dazu passende Gelegenheit finden, wieder ver- heirathen 1. Cur. 7, 19], Kinder zengen sKap. 2, 15], haushalteiy dein Widersacher sdes chriftlichen Glaubens PhiL 1, 281 keine Ursach geben zu schelten [indem sie einen Beruf ausrichten, der besser für ihre Jahre taugt, als das mit mancher- lei Gefahren für sie verbundene Wittwenthum]. 15. Denn es sind schon etliche sdie äußerlich an dem Wittwenthum festhalten wollten, ohne innerlich die Gabe dazu zu «besitzen] umgewandt svon dem rechten Wege Kap. I, 6], dem Satan uach*"· sder mit seinen Lockungen durch sinnliche Lust sie dazu gebracht hat, ihren Stand durch zuchtlosen Wandel zu schänden]. 16. So aber ein Gläubiger oder Gliiubigin sein männliches oder weibliches Glied der Ge- meine in seinem Hause] Wittwen hat, der vetsorge dleselbigen und lasse die Gemeine nicht [mit dem Anspruch auf ihre Versorgung] beschweret werden, ans daß die, so rechte Wittwen sind [wie sie in V. 5 näher bezeichnet wurden], mögen geistig haben-s— [von der Gemeine in ausreichendem Maße können versorgt werden]. «) ,,Laß keine Wittwe erwählt oder in das Ver- zeichniß eingetragen werden« — in welches? Nicht in das der aus dem Gemeindesäckel zu Unter- stützenden, wie manche Ausleger annehmen! Denn von solchen ist schon in V. 3—8 die Rede gewesen, und u der an sich gengjgenden Bedingung V. Z: ,,wel e rechte (wirkliche) ittwen sind«, würden hier neue, sehr erschwerende hinzutreten, ja, genau betrach- let, unbillige, mit der christlichen Barmherzigkeit strei- tende, da z. B. eine Wittwe unter 60 Jahren der Unterstützung ebenso bedürftig als würdig sein konnte; auch konnten die in V. 10 namhaft gemachten Ver- dienste, welche übrigens zum Theil eine gewisse Wohl- habenheit voraussehen, nicht von allen zu unter- stiitzenden Wittwen gefordert werden; endlich kann das: »der jungen Wittwen aber entschlage dich« in V. 11 unmöglich in Beziehung auf Unterstützung ge- sagt sein. Aber auch nicht in das der Diakonissen (Kap. Z, 11), wie Andere wollen! Denn zu diesem Dienste ist das 60jtihrige Alter unpassend; auch nahm man dazu nicht blos Wittwen, sondern auch Jungfrauen; endlich wird in V. 12 vorausgesetzh daß die Wittwen der in Rede stehenden Klasse gelobten, nicht wieder zu heirathen, was von den Diakonissen nicht galt. Daher müssen wir mit Chrysostomus u. A. das ,,erivählt werden« erklären von der Aufnahme in den Chor oder die Ordnun der Ehrenivittweih in die ausgezeichnete Klasse der Hkresbyterissen (Aeltestinnen, nach Tit. 2, 3 auch Presbytiden genannt), d. i. solcher Wittwen, welche gewissermaßen das für ihr Geschlecht, was die Presbyter oder Aeltesten waren, die in der Gemeinde- versammlung an einem besonderen Platze neben diesen, und zwar unbedeckt (vgl. l. Cur. 11, 10), saßen und eine Art von Aufsicht über den weiblichen Theil der Gemeinde, besonders über Wittwen und Waisen führ- ten; die bei der Ausnahme das Versprechen einer ewigen Wittwenschast ablegten, mit der vestjs vidualis idem Wittwenkleide) bekleidet und durch Handauflegung eingeweihet wurden. Dieses Institut ist hinlängli bezeugt durch Chrysostomus, Epiphanius, und am frühesten durch Tertullian am Ende des Z· Jahrh (de Wette) Das erste Erforderniß, das eine Wittwe haben soll, um unter die geehrten Gemeindewittwen aufgenommen zu werden, ist das, daß sie mindestens 60 Jahre alt sei: warum dies? Einmal wohl, weil man jene ehrenvolle Stellung keiner Wittwe einräumen wollte, die nicht schon durch ihr Alter ehrwürdig war; und sodann, weil man nicht wünschte, daß eine solche Genieindewittwe noch einmal heirathe. (Plitt.) Weiter lesen wir, daß die Cinzureiheiide aus einem Ehestande herkommen soll, in welchem sie Eines Mannes Weib gewesen und daß sie das Zeugniß eines im Gutesthun verbrachten Lebens haben soll. Da der Apostel in V. 14 ganz allgemein für seinen Willen erklärt, daß jüngere Wittwen sich wieder verehelichen, so kann er mit dem ,,Eines Mannes Weib« nicht gemeint haben, daß die 41’«« « 644 l. Timotheum 5, 17-—21. Aufzunehmende nur einmal verheirathet gewesen, son- dern er kann es nur in deiiiselben Sinne gemeint haben, in welchem wir das ,,Eines Weibes Mann« in Kap. 3, 2 u. 12 verstanden; er macht etwas zur Bedingung, was der andern Forderung, daß sie das Zeugniß eines iin Gutesthun verbrachten Lebens habe, gleichartig ist, und zwar auch insofern gleichartig, als e·r nicht über dasjenige hinausgeht, was von einer rechtschasfenen Christin überhaupt zu verlangen ist. (v. HofmannJ Auch hier ist der Ausdruck ganz be- sonders (denn Vielmännerei kam allerdings- weder bei den Juden noch bei den Griechen und Römern vor) von den damals so gewöhnlichen leichtsinnigen Ehe- scheidungen zu verstehen: eine Frau, die gegen mehr als Einen Mann zu gleicher Zeit eheliche Verpflich- tungen auf sich hat, die also nach dem Tode des letzten Mannes noch an den früheren mit gebunden ist, darf aus keinen Fall unter die Zahl der hier in Vetracht kommenden Wittwen der Gemeinde aufgenommen werden -— eine Anordnung, deren Nothwendigkeit auf den ersten Blick einleuchtet, da. ein solches Verhältnis; gröblich gegen die Ehrbarkeit verstößt. (v. Gerlach·) IV) Man sieht, der Apostel urtheilt streng über die jungen Wittwen; und der Stand einer solchen ist allerdings ein ganz besonders gefährlicher und versuchungsvoller. Die Schilderung ist so aus dem Leben gegriffen, daß man kaum glauben kann, der Verfasser sage alles nur hypothetisch, sondern er hat hier ohne Zweifel bestimmte, concrete Erfahrungen im Auge. Es mag damit in folgender Weise gegangen sein: Eine junge Wittwe glaubt im ersten heftigen Schmerz über den Tod ihres Mannes der Welt gänz- lich abgestorben zu sein, verpflichtet sich zum ascetischen Leben der geehrten Gemeindewittwen (V. 5) und ver- spricht damit, nicht mehr zu heirathen, da ihr ja eine Wiederverheirathung ganz unmöglich scheint. Nun mildert sich aber nach und nach der Schmerz, die Freude am Leben erwacht wieder; sie findet sich in dem Stande der Gemeindewittwen eingeengt, wird unzu- frieden und mißmuthigx endlich bricht sie die Fesseln und heirathet wieder, vielleicht in unpafsender Weise. So ist sie in der Gemeinde verachtet und selber nicht glücklich. (Plitt.) sitt) Nothhalben und wohlmeinend thut der Apostel über jüngere Wittwen den Ausspriich: ich will, daß sie freien 2c.; man sieht aber genugsam, daß es ihm dabei mehr um ein für sie zur Brechungz der Lust und ihrer Gewalt nöthiges Joch, als um üßung der Lust zu thun ist. (Rieger.) Der scheinbare Widerspruch, wel- cher darin liegt, daß der Apostel an dieser Stelle den jun en Wittwen den Rath ertheilt, eine zweite Heirath zu schließem während er in 1. Eor. 7, 32 ff. in ganz anderer Weise redet, hat (nach V. 16) in thatsächlichen Verhältnissen seinen Grund, für welche Ordnungs- und Zuchtmaßregeln nöthiger waren, als das Verhalten eines hohen christlichen Jdeals, das für Viele in der Gemeinde ganz unerreichbar war. (v. Oosterzee.) f) Dieser Vers steht in einem ähnlichen Verhält- niß zu V. 9—-15., wie V. 8 zu V. 3—7. (v. Hof- mann.) Wahrscheinlich hat der Apostel hier jüngere Wittwen im Auge und wird zu der Mahnung, daß ihre Angehörigen für ihren Unterhalt soLrFen sollen, dadurch veranlaßt, daß manche solcher ittwen die Zulassung in den kirchlichen Wittwenstand aus ökono- mischem Grunde nachsuchtem das Verhältniß bei »ein Gläubiger oder Gläubigin« ist daher wohl ein anderes, als das bei V. 4., nämlich das von Vater oder Mutter, von Oheim oder Tante zu einer verwittweteii Tochter oder Nichte, nicht das von Kindern oder Enkeln zu Mutter oder Großmutter. (de Wette.) Man sieht aus dem ganzen Abschnitt, wie in jener Zeit das Be- dürfniß nach Organisation der Gemeinden schon sehr lebhaft empfunden wurde; es mußten Einrichtungen getroffen werden, welche verhüteten, daß eine ver- lassene Wittwe Mangel litte, und bewirkten, daß einer jeden rechten Wittwe die ihr gebührende Ehre gezollt würde. Jn der Briidergemeinde ist eine solche Or- ganisation mustergiltig durchgeführt; die Ehoreinrich- tung und die Armenversorgung gehen da mit einander Hand in Hand. Diese Einrichtiingen sind der beste praktische Eommentar zu unsrer Stelle. (Plitt.) 17. Die Aeltesten, die wohl vorstehen, die halte man zwiefacher Ehre werth sindem zu der Ehre, die ihrem Amte an und für sich schon ge- bührt, nun auch die wegen guter Amtsführung hinzukonimtk sondetlich sgeschehe das an solchen Aeltesten], die da arbeiten im Wort und in der Lehre sdurch Predigt des göttlichen Worts und Unterweisung in der christlichen Heilswahrheit Apostg. 13, l; 2. Tim. 2, 2 ff. 8 ff.sich noch ein besonderes Verdienst um die Gemeinde erwerben]. 18. sBei diesen vergesse man denn nicht, für ihren Lebensunterhalt zu sorgen, was ja eben- falls zu der ihnen gebührenden Ehre gehört V. Z; Gal. 6, 6.] Denn es spricht die Schrift [5. Mos. 25, 4]: Du sollst nicht dem Ochsen das Maul verbinden, der da drischt; und sin jenem Sprüchwort, dessen der HErr selber in Luk. 10, 7 sich bedient, heißt es]: Ein· Arbeiter ist seines Lohnes wertht [vgl· 1. Cor. 9, 9 u. 14]. 19- Wider einen Aelteften nimm keine Klage auf, außer svors zweien oder dreien Zeugen [5.Mos. 19, 153 Matth. 18, 16; 2· Eor. 13, 1]. 20. Die da sündigen sauf schlimmen Wegen gehen, so daß es sich bei ihnen« nicht mehr blos um eine einmalige Verfehlung, sondern um lüder- lichen Lebenswandel überhaupt handelt], die slkafe vor allen [in Gegenwart der übrigen Aeltesten], auf daß sich auch die andern sürchtentr [von denen die einen oder die andern vielleicht schon zu ver- kehrten Wegen sich hinneigen 5. Mos. 17, l3]. 21. Ich bezeuge lbeschwöre dich 2. Tim. 4, I; 2, 141 vor G»ott und dem HErrn Jesu Christo und den auserwahlten Engeln sdie da sind vor seinem Stuhl Offenb. 5, 11; Dan. 7, 10], daß du solches»[wie in V. 20 gesagt] haltest ohne eigen Guldunkeh und nichts thust nach GunstW [sondern alles genau der dir ertheilten Vorschrift gemäß]. » V) Der· Apostel geht zu einer neuen Anweisung über, die jedoch mit der vori en auf’s Jnnigste ver- bunden ist: sollen die Bedürkftigen in der Gemeinde auf die rechte Weise unterstützt werden, dann ist es von Wichtigkeih daß die Gemeinde auf die rechte Weise geleitet werde; und wiederum kann letzteres unmöglich ges»chehen, solange nicht die würdigen Aufseher in ihrer Mitte geehrt, die unwürdigen aber aus ihrer Mitte entfernt werden. Demnach sieht Paulus sich von selbst die Gelegenheit dargeboten, dem Timotheus auch hierüber belangreiche Winke zu eben, wobei es in der Natur der Sache liegt, daß orschriften wie die- Verhalten gegen Aelteste, sowohl was ihre Verdienste als was ihre Verfehlungen betrifft. 645 jenigen, welche hier folgen, wiewohl sie direkt an den Timotheus selbst gerichtet sind, dennoch, theilweise wenigstens, bei vorkommenden Gelegenheiten von ihm der Gemeinde müssen eingeschärft wer en. (v. Oosterzee«.) Was der Apostel mit den Worten sagen will: »die Aeltesten, die wohl vorstehen, die halte man zwiefacher Ehre werth«, ist dies: wenn schon das Amt eines Presbyters an sich ein ehrwürdiges·ist, so ist ein Mann, dem es heiliger Ernst ist mit seinem Amte, nicht nur um seines Amtes, sondern auch umseines persönlichen Verhaltens willen zu ehren. Und ist dies nicht ein ganz ungemein richtiger Ausspruch? Der Geistliche hat Aiispruch auf Achtung um seines Amtes willen; er soll sein Amt nicht verachten lassen, also am allerwenigsten in einer salsch verstandenen Frei- sinnigkeit, die so leicht in Frivolität ausartet, der Verachtung Preisgeben. Aber er soll mit allem Fleiß darnach streben, so zu sein, daß ihm auch persön- liche Achtung gezollt werden könne: das erreicht er am besten durch gewissenhafte Pflichttreue (Plitt.) Was die Aufgabe der Aeltesten gewesen, deuten die Namen: ,,Vorsteher, Hirte, Aufseher« an; sie bestand im Achthaben auf die Gemeinde, im Weiden der Heerde Christi, d. h. vor allem in der allgemeinen und besonderen Seelsorge, und im Zusammenhang damit in der Leitung der Gemeindeangelegenheiten überhaupt. Das öffentliche Lehramt war in der apostolischen Zeit ihre besondere Sache nicht, indem dasselbe damals überhaupt noch nicht die Form eines geordneten Amtes angenommen hatte, sondern noch jedem Gemeindegliede, das die Gabe dazu hatte, offen stand und daher vorzugsweise von denen wahrge- nommen wurde, welche man um ihrer vorzüglichen Gaben willen Propheten und Lehrer nannte. Doch mußte theils das Seltnerwerden der außerordentlichen Gaben, theils das durch das allgemeine Predigtrecht erleichterte Eindringen von Jrrlehrern frühe den Wunfch erwecken, auch das Predigtamt in der Regel von den Aeltesten wahrgenommen zu sehen. Die vor- liegende Stelle bezeugt, ebensosehr, daß der Dienst am Wort ursprünglich und wesentlich nicht Sache der Aeltesten war, als daß er es je länger jemehr wurde, weil das Bedürfniß einer festen Ordnung auch hierfür empfunden ward. (Beyschlag.) Die Begründung der Forderung, die ehrende Anerkennung der Amtsthätig- keit der Aeltesten, besonders derer, die da arbeiten im Wort und in der Lehre, unter Umständen in Dar- reichung von Gaben bestehen zu lassen, besteht in einem Schriftwort und in einem Sprüchwortz als ein Sprüch- wort nämlich ist der Satz hinter »und« an den früheren. mit den Worten: ,,es spricht die Schrift« eingeführten angeschlossen, und nicht als ein zweites Schriftworh wie Manche gemeint haben, dieser Anführungssormel unterstellt, da die alttestamentliche Schrift keine Stelle solchen Wortlauts bietet und der Spruch in Matth. 10, 10; Luk. 10, 7 nicht als Wort der Schrift, sondern als Ausspruch des HErrn (Apostg. 20, 35; 1. Cor. 9, 14) bezeichnet sein würde. (v. Hofmann.) Als ein Sprüchwort scheint Christus selber den Ausfpruch in den angeführten Stellen zu gebrauchen, als eine fchon bestehende und allgemein anerkannte Sentenz. (Huther.) VI) Nachdem Paulus dem Timotheus angegeben hat, wie derselbe sich würdigen Presbytern gegenüber zu verhalten habe, geht er jetzt dazu über, dessen Ver- halten in Bezug auf unwürdige näher zu bestimmen. (v. Oosterzee.) Gegen einen Gemeindevorsteher soll Timotheus, der ja zur Zeit an des Apostels Stelle das esammte gemeindliche Leben zu überwachen hat, eine nklage nicht anders, als in Gegenwart zweier oder dreier Zeugen annehmen; diese sollen zugegen sein bei Annahme der Anklage, nicht das zu bezeug en, worauf sie lautet, sondern zu hören, was der An- kläger sagt, ein solcher also soll wissen, er habe es bei dem, was er dem Timotheus hinterbringe, mit demselben nicht allein unter vier Augen zu thun. Damit soll daraus hingewirkt werden, daß böswillige Anklagen, mit denen es nur darauf abgesehen ist, einen Aeltesten bei Timotheus zu verdächtigem unterbleiben; und andrerseits sollen die Aeltesten nicht zu besorgen haben, ihn durch Anklagen unter vier, Augen, die er ja für sich behalten könnte, gegen sich eingenommen zu sehen. Jn V. 20 handelt es sich dann auch um solches, das Timotheus nicht unter vier Augen abmachen soll; er soll nämlich diejenigen Aeltesten, die auf schli1nmen Wegen gehen, was etwas Anderes ist als eine einmalige Verfehlung, nicht unter vier Augen, sondern vor der ganzen Aeltestenschast strafen. (v. Hof- mann.) Da um der ganzen Gemeinde willen, wie mit Rücksicht auf persönliche Verdienste, der Presbyter in seinem Ansehen und Einfluß besonders zu schützen war, so war es zweckmäßig, jeglicher Beeinträchtigung wo möglich vorzubeugen. Jn einer so zahlreichem gemischten Gemeinde nun, wie die ephesinische war, konnte leicht der Fall vorkommen, daß der Eine oder Andere, sei es aus verletztem Ehrgesiihl oder aus reger Parteisucht oder ans sonstigen eigennützigen Jn- teressen, dem Presbyter übel wollte und ihn aus seiner einflußreichen Stellun zu verdrängen trachtete: da- gegen enthielt des postels Vorschrist, wider einen Aeltesten eine Klage nur vor zwei oder drei Zeugen anzunehmen, das beste Sicherungsmittel (Matthies.) Jn Betreff der gehörigen Zucht, welche nach Gottes Wort auch über die Aufseher der Gemeinde geübt werden muß, sind zwei Klippen gleich sehr zu ver- meiden. Die Maxime des Spionirens, der Jntimi- dation, die Verdächtigung und Verurtheilung auch wegen der geringfiigigsten Kleinigkeiten hat zu allen Zeiten herbe Früchte getragen; aber ebenso wenig kann ein Segen ruhen auf jenem moralischen Latitu- dinarismus und jener falschen Nachgiebigkeih welche andrerseits auf diesem Gebiete nicht selten vorkommen. (v. Oosterzee.) So vorsichtig Timotheus bei der An- nahme von Klagen egen Aelteste sein sollte, so scharf bei der Rüge ihrer Zdergehungem nicht das also er- hält das Ansehen des geistlichen Amtes, wenn Ver- gehungen der Geistlichen zugedeckt und beschönigt, son- dern gerade wenn sie vorzugsweise bestraft werden. Dann bekommen auch die andern Christen, die Laien, einen desto tieferen Eindruck von dem Ernst der gött- lichen Wahrheit und der Heiligkeit der Kirchenzucht (v. Gerlach.) Man hat gefragt, ob Tiinotheus nicht auch verpflichtet gewesen sei, die in Vetresf der Aeltesten ihm gegebenen Regeln in Beziehung aus die andern Gemeindeglieder zu beobachten; darauf ist zu ant- worten, daß Anklagen gegen andere Gemeindeglieder wohl nicht gerade vor Timotheus gebracht, sondern von den Aeltesten erledigt wurden: feines Amtes war es, sich um die Amtsführung der Presbhter zu kümmern. (Plitt.) IN) Seinem Charakter nach war Timotheus, wie aus mehrfachen Anzeichen sich schließen läßt, ängstlich und schüchtern, wenn er Andern gegenüber austreten sollte (l. Cor. 16, 10); dazu kam sein jugendliches Alter (Kap.4,12), und so wurde er in der zu 1.Thess. Z, 5 angeführten Bemerkung von Riggenbach ein Leisetreter genannt. Da mußte ihm denn besonders schwer ankommen, eine solche Vorschrift durchzuführen, wie der Apostel in V. 20 sie ihm giebt; ihm lag es näher, zu entschuldigen und zu mildern, als zu strafen, zumal vor Allen, und daher läßt Paulus hier eine 646 1. Tiniotheum b, 22—25. e, i. r. Beschwörung folgen, von der Vorschrist ja nicht abzu- weichen und seinem ,,eigeiien Gutdünkel« zu folgen. Timotheus war eben des Paulus Stellvertretey und da mußte er wirklich dessen Stelle vertreten und so handeln, wie dieser handeln würde, wenn er selber gegenwärtig wäre. Daß der Apostel nu1i auch mit der Art, wie Timotheus fein Werk ausgerichtet hat, der Hauptsache nach zufrieden gewesen, geht daraus hervor, daß er später die Aufsicht über die ephesinische Gemeinde demselben noch einmal anvertraut hat (vgl. die nähere Ausführung in der Bem. zu 2. Tini. 1, 2); aber auch daraus, daß er in Apostg.20, 31 von drei Jahren seiner Wirksamkeit in Ephesus redet, sich also das, was Timotheus als sein Stellvertreter während der fünfmonatlichen Abwesenheit (Apostg. 19, 10 u. 20 Anm.) gethan hat, als eigene Amtssührung in An- rechnung bringt, und zwar als eine Anitsführung in solcher, besonders auch den Aeltesten erwiesenen Treue, daß er Tag und Nacht nicht abgelassen einen jeglichen mit Thränen u ermahnein So bekommt unsere An- sicht iiber die eit, in welcher die vorliegende I. Epistel an Timotheus verfaßt ist, ein Zeugniß für ihre Rich- tigkeit, wenn auch nur indirekter Weise, durch des Apostels eigenen Ausspruch. 22. Die Hände lege niemand bald auf sdaß du Einen zum Aeltesten bei nur oberflächlicher Kenntniß und lediglich aus guter Meinung, es werde sich mit ihm schon machen, ohne dafür auch irgend welche Gewähr zu haben, ordinirstjz mache dich auch nicht [indem du dein Verhalten von dem, was die Andern thun, wolltest bestimmen lassen] theilhaftig fremder Sünden [die die Andern mit ihrem Verhalten begehen, wenn das auch zur Zeit noch nicht offen zu Tage liegt V· 24]. Halte dich selber keusch [oder rein von Schuld 2. Cor. 7, 11., wenn du gleich nicht bewirken kannst, daß Andere sich ebensalls rein bewahren]. 23. Ttinke nicht mehr swie du seither ge- than] Wasser [auf den alleinigen Genuß dieses Getränks in übel angebrachter Strenge gegen dich selbst dich beschränkends sondern brauche ein wenig Weins sbei deiner täglichen Mahlzeit] Um deines Magens willen fder solcher Stärkung bedarf], Und saus dem Grunde] daß du oft krank sunpaß] bist swelchen Mißstand durch eine geeignete Lebens- weise zu beseitigen du um deines Amtes willen verpflichtet bist, da er dich nicht selten an that- kräftiger Ausrichtung deiner Berufsgeschäfte hindert]. 24. Etlicher Menschen Sünden sind [jeder- mann Hebr. 7, 14] offenbar, daß man sie vorhin sehe Gottes Gericht an’s Licht bringt, was im Finstern verborgen gewesen] richten kann; etlicher [Sünden] aber [wenn es nämlich um solche sich handelt, zu deren Erkennung ein scharfes Geistes- auge gehört, was ja dergroßen Menge abgeht] werden hernach [erst dann, wenn nun der HErr sein Gericht hält oder aus denselben die schlimmen Folgen sich entwickeln, vor der Welt] offenbar. 25. Desselbigen gleicheii auch etlicher sMenschens gute Werke— sind zuvor offenbar sdaß sie schon jetzt von jedermann müssen anerkannt werden], und die andern fmit denen es sich nicht so ver- hält, sondern die durch Verkennung und Ver- kleinerung verdunkelt oder gar durch Verlästerung und Verleumdung in ihr Gegentheil verkehrt werden] bleiben auch nicht verborgen [sondern werden doch einmal in ihrem wahren Werthe erkannt]. » Da der Apostel hier ohne irgend eine nähere Be- stimmung von dem Handauflegeii (A»postg. S, s; 8, 17; is, 3., vgl. die Anm. zu l. Mof 48, 14 u. Z· M s. 1, 4) redet, liegt es nahe, im Zusammenhang mit dem Vorhergehenden an die Presbyter-Ein- weihung zu denken. Die Handauflegung war nicht allein das Mittel zur Mittheilung der geistlichen Gaben, sondern zugleich auch eine Anerkennung und von Seiten des Auflegenden gleichsam eine Erklärung, für den Ordinirten verantwortlich sein zu wollen; war nun dieser ein Unwürdigey so trat jener in Gemein- schaft der Schuld, welche sich der Ordinirte durch Nachlässigkeit, Aergernißgeben u. s. w. zuzog. So würde schon hieraus die auf die eine Warnung: »die Hände lege niemand bald auf« alsbald folgende weitere: ,,mache dich nicht theilhaftig fremder Sünden« erklären; gäbe nämlich Tiinotheus jemandem durch Handauflegung ein Zeugniß der Würdigkeit und Acht- barkeit, und würde es sich später herausstellen, daß er sich durch Uebereilung in der Person getäuscht habe, dann hätte er sich selbst vorzuwerfen, daß er einiger- maßen für die Folgen ihrer Sünden verantwortlich «. Indessen können wir uns doch bei dieser Auf- fassung, die wir hier mit v. O o sterze e’s Worten wieder- gegeben haben, nicht beruhigenz nicht ohne guten Grund hat Luther nicht, wie der eben genannte Ausleger, über- setzt: »und mache dich nicht theilhaftig fremder Sünde«, sondern: ,,mache dich auch nicht theilhaftig fremder Sunden«, denn das im Grundtext stehende Wort gehör) deutet an, daß der Apostel zu etwas Anderen» wenn auch Verwandtem, überleitet. Und so dürfte der Satz vielmehr das besagen wollen, daß Timotheus nicht in falscher Collegialität sich ohne Unterschied als einen Mitältesten der durch Handauflegung ordinirten Aeltesten betrachten (1. Petri 5, I) und ohne eigene scharfe Prufung ihr Verhalten darum für unanstößig und als von ihm ebenfalls inne zu halten ansehen soll, weil ja nichts Unrechtes daran in die Augen falle und der Corpsgeist verlange, sich Amtsgenossen in allen erlaubten Dingen gleich zu stellen; es kann ja doch in einem vermeintlich unanstößigen und scheinbar ohne Bedenken mitzumachenden Verhalten gar wohl recht sündliches Wesen verborgen liegen, so daß, wenn man das gleiche Verhalten beobachtet, man fremder Sünden sich theilhaftig ma·cht. Darauf zielt der Apostel hin mit dem, was er in V. 24 dem Tiinotheus zu bedenken giebt: ,,etlicher Menschen Sünden sind offenbar, daß man sie vorhin richten kann; etlicher aber werden hernach offenbar«. Inwiefern er das mit Beziehung auf das Verhalten der ephesinischen Aeltestengesagt haben kann, ergiebt sich aus dem, was er in V. 23 dem Timotheus vorschreibt: ,,trinke nicht mehr Wasser, sondern brauche ein wenig Weins um deines Magens willen, und daß du oft krank bist«. Wie wir das schon aus Kap. 4, 7 f. schließen konnten, war dem- selben die Hinneigung dazu nicht fremd, auf leibliche Kasteiung einen falschen Werth zu legen; bei dein Apostel hatte er das nicht gelernt, sondern dieser meinte es anders, wenn er seinen Leib betäubte und ihn zähmte (1. Tor. 9, 27), wohl aber haben diejenigen unter den ephesinischen Aeltesten mit ihrem Verhalten Verhalten in Betreff der Handauflegung und der collegialen Stellung. 647 ihn angesteckt, welche im Achthaben auf die Fabeln und der Geschlechte Register der anders Lehrenden (Kap. l, 3 f.) der leiblichen Uebung (Kap. 4, 8) sich befleißigten. Hinter ihnen wollte Timotheus nicht zurückbleiben, was die Keuschheit oder Enthaltsamkeit von unheiligen Dingen dieser Welt anbetrifft, vielleicht sogar es ihnen zuvorthun, wenn er grundsätzlich nur Wasser trank und des Weingenusses sich völlig enthielt; er arbeitete aber damit in Gemeinschast mit den as- eetisch gesinnten Aeltesten denjenigen vor, die nach Katz. 4, 1ff. künftig ihr Wesen treiben würden. Daß nun jene Aeltesten solcher Vorarbeit sich schuldig machen, wird er nicht verhindern können, ja er wird nicht ein- mal sie überzeugen können, daß ihre leibliche Uebung schon ein Anfang von dem ist, was Schlimmes später kommen wird; etlicher Menschen Sünden werden eben erst hernach offenbar oder, wie es wörtlich heißt, etlichen folgen ihre Sünden nach und bringen ihre Frucht zu einer Zeit zur Reife, wo sie selber nicht mehr im Leben sind. Wohl aber soll er dieser ihrer, für die Zukunft reisenden Sünden sich nicht theilhaftig machen, sondern sich selber rein halten von der Mit- schuld; und darum räth ihm der Apostel eine andere Lebensweise, als die bisher beobachtete, die in Betreff seiner selbst nur dazu dient, über der leiblichen Uebung ein Mittel zu versäumen, das Gott gegeben hat, seine Kräfte für die ihm aufgetragene Berufsthätigkeit zu stärken, in Betreff der Gemeinde aber den Boden vor- bereiten hilft, auf den dann die künftigen Jrrlehrer, welche den Wein für Teufelsblut erklären und in der völligen Enthaltung von demselben eine nothwendige Bedingung für die Erlangung der Seligkeit erblicken werden, ihren Unkrautssamen ausstreuen können. Jst das, was wir hier als den Sinn von V. 22——24 ent- wickelt haben, richtig und zutresfend, so hätte freilich V. 24 passender seine Stelle hinter V. 22 gehabt und V. 23 hätte dafür an die letzte Stelle treten sollen; aber Paulus will dem in V. 24 Gesagten eine Parallele in Betreff der guten Werke hinzufügen, die keinen näheren Bezug hat auf das, was er eben dem Ti- motheus vorgehalten, sondern womit er in derjenigen Lage sich tröstet, in welcher erfelber zu d erZeit, in welcher er den Brief schreibt, sich befindet. Er schreibt unter dem Eindrucke der trüben Verhältnisse, die er in Corinth hat vorgefunden und die er doch für jetzt nicht ändern kann (Apostg. 19, 20 Anm.); und was er schreibt, stimmt zu sehr überein mit dem, was wir in I. Cor. 4, 1ff. lesen, als daß wir eine ungefähre Gleich- zeitigkeit des 1. Timotheusbriefes mit dem 1.Corinther- briefe verkennen könnten. Während wir die von den neueren Auslegern aufgestellten Erklärungen der schwierigen Stelle für unbesriedigend gefunden haben, hat dagegen bei dieser Auffassung derselben Luther’s Randglosse uns gute Dienste geleistet: ,,Etlicher Ketzer und böser Leute Wesen ist so offenbar, daß sie niemand mit Heucheln betrügen können; etliche betrügen eine Weile, aber zuletzt kommt’s doch an den Tag. Also wiederum, etliche lehren und leben göttlich, daß les) offenbar ist und bessert jedermann; etlicher aber Reden und Thun läßt man nicht gut sein, bis die Zeit her- nach offenbar macht, daß es gut gewesen sei.« Das is. Kapitel. Von Knecht-In, Iiersährerir reichen Leuten und Kampf des tglauliens VI. V. 1—19. Nachdem der Apostel dem Timotheus i1n vorigen Kapitel Weisung für sein verhalten gegen die Einzelnen nach Maßgabe der verschiedenen Stellung, die sie in der Gemeinde einnehmen, ertheilt hat, so giebt er ihm nun in diesem Kapitel Weisung fiir die Zins— gut-e, die ihm ans der Verschiedenheit der Stufen er— wächst, welche die einzelnen Ciemelndeglieder hinsichtlich ihrer Stellung im bürgerlichen Leben einnehmen. Er beginnt da mit den Kncchlen und sagt, wie einer· tritt. diejenigen gegen ihre tljerren sich zu verhalten haben, die unter dem Joch ungläubiger Herren stehen, und audrerscits diejenigen, deren tjerrku an Christian gläubig sind. Sie beiderseits, deren Unterricht bei ihrer Armuth nichts einträgt, solt er zu dem angegebenen richtigen verhalten anleiten und nicht etwa statt dessen sich aus den Standpunkt der Irrleheer begeben, welche eine thörichttz ja srhcidliclse tkehrthiitiglceit zu ihrer Gewerbe-quelle machen (ill. l—5). Indem sich hier-an eine Jlnpreisung der Geniigsatnlieit schließt Ob. 6—8), in auch für diejenigen das Grsorderliche gesagt, die soviel licht-en, als zu des Weibes Uothdurft gehört; ihr steht gegenüber das Reichwerdenwolleik dessen schwere Seelengcsalsren der Apostel aus tseispielen nachweifl und nor dem er nun den Timotheus in der eindringlichsten Weise warnt und dagegen auf das Uaclsdrüciilichste zur Erfüllung seines Berufes als eines Dieners Jesu Christi anhält All. 9—16), alsdann alter ihm norh sagt, wozu er diejenigen zu ermahuen habe, die reich schon sind w. 17——19). I. Die Knechte, so unter dem Joch sind sinsosern sie ungläubigen Herren unterstehen, die mit heidnischer Willkür lediglich als Leibeigene sie behandeln, gegen die sie keine Pflichten, son- dern an die sie nur Rechte haben] sollen ihre Herren [gleichwohl, so sehr sie auch zu dem Gegentheil sich versucht fühlen mögen] aller Ehren [die nun einmal den Herren zukommt Ephes 6, b; 1. Petri 2, is] werth halten, auf daß nicht swenn sie etwa sich wider dieselben auflehnen wollten Tit. Z, 9] der Name Gottes [den sie bekennen] und die Lehre swelche sie angenommen haben Tit. 2, 10] verlcistert werde« sals ob das Christen- thum die Sclaven verderbe und zu nichtsnutzigem gefährlichen Menschen mache]. 2. Welche [Knechte] aber gläubige Herren [die selber Christen sind] haben, sollen dieselbigen svou Seiten ihrer herrschastlichen Stellung] nicht verachten mit dem Schein smit dem, allerdings einen Schein der Wahrheit an sich tragenden Vorgehen] daß sie [diese Herren, ihre] Brüder [in Christo und also auf christlichem Standpunkt ihnen gleich] sind [weshalb sie denn kein Herren- Recht mehr an ihnen geltend zu machen hätten]; sondern sollen vielmehr smit um so größerer Lust und Freudigkeit] dienstbar sein, dieweil sie leben diese ihre Herren] gläubig [an Christum] und geltebel [von Gott 1.Thess. 1,4; Röm. 1,7 und darum zwiefacher Ehre werth sind Kap. b, 171 Und sals solche, die] der Wohlthat sdie von Gott durch Christum uns widerfahren ist Ephes 1, Z] theilhaftig sind« [Phil. 1, 7., zu der Erwartung berechtigen, das; sie wiederum an ihren Knechten Wohlthat be- weisen werden, vgl. 1. Petri Z, 7]. Solches lehre 648 1. Timotheum 6, 3—12. Und ermahne-W· [Kap. 3, 11; 5, 7; Tit. 2, 15; Ehre und ein Förderungsinittel unseres Heiles. Z, V· (v. Gerlach.) V) Der erste Satz in diesem Verse laiitet wörtlich: ,,Wieviele unter dem Joche Sclaven oder Knechte sind«, d. h. welche als Leibeigene sich im drückenden Dienste harter Herren befinden; es werden hierdurch, wie auch aus dem Anfange des 2. Verses deutlich zu ersehen ist, die chr1stlichen Sclaven nichtchristlicher Herren bezeichnet· Von letzteren stand es nach nischer Vorstellung und Sitte nicht zu erwarten» daß sie den persönlichen Werth und scttlichen Gehalt ihrer Sclaven anerkannten; hingegen anders mußte es mit christlichen Herren fein, welche ihre Sclaven, unge- achtet des untergeordneten Dienstverhältnisses und der unfreien Stellung derselben, dennoch nicht schonungslos im Joche der Knechtschaft halten, sondern dieselben als vor Gott und Christo gleichgestellte Mitbriider und mit Liebe behandeln sollten (Gal. Z, »28;, Col· 3, 1t). Jene, noch unter heidnischem Druck befindlichen Sclaven nun sollen ihre Herren aller Ehre werth halten (Ephes. 6, 5ss.; Col. Z, 22 ss.), und zwar aus dem Grunde, auf daß nicht der Name Gottes und die Lehre verlästert werde; die christliche Gottesidee und Heils- lehre soll also nicht durch ein pflichtwidriges Benehmen der Sclaven zum Gegenstande der Verunglimpfung werden. Denn im Fall die christlichen Sclaven, sei es, weil sie sich als Christen vor ihren Herren von Gott bevorzugt wähnten, oder aus anderweitigen ver- kehrten Einbildungen und Tendenzen sich in Eigen- sinnigkeit und Widerspenstigkeit ihrer Verpflichtung zu entziehen suchten, so mußte ein solches Benehmen auch auf das Urtheil überhaupt über das Christenthum von sehr nachtheiligem Einflusse sein, und es wurde somit nicht blos der eigenen individuellen Lage jener Sclaven, sondern gleich sehr der Sache des Evangeliums Schaden zugefügt. (Matthies.) H) Christliche Sclaven, welche das Vorrecht haben, einem gläubigen Herrn zu dienen, konnten dagegen leicht vergessen, daß die Herren, welche als Gläubige ihre Brüder waren, dennoch in einem andern Ver- hältniß ihre Vorgesetzten blieben, und in Folge dessen dazu kommen, ihnen den gehörigen Respect zu ver- weigern; denn der Mensch ist nur gar zu geneigt, über seinen Stand zu springen, wie Anton bemerkt. Auch dieser Uebertreibung des christlichen Freiheits- und Gleichheitsprinzips wirkt der Apostel mit Nach- druck entgegen, indem er zeigt, wie gerade als Gläu- bige in Christo und Geliebte bei Gott die christlichen Herren Anspruch darauf haben, daß Christensclavem die da verstehen müssen, diese ihre Eigenschaft an ihnen zu würdigen, erst recht mit Ehrerbietung ihnen ent- gegenkommen. (v. Oosterzeeh Herren, die des Glaubens und also auch der Liebe Gottes Kraft an ihrem Herzen erfahren haben, werden dadurch auch zur Lindigkeit geneigt; daher soll alles der Wohlthätigkeit die Hand bieten oder zu dem Liebesregimenh das Gott gern durch das Evangelium aufrichten möchte, behilflich sein und ja kein Theil den andern durch Mißbrauch wieder auf härtere Gesinnungen und Behandlungen treiben. (Rieger.) sitt) Die Vernachlässigung der von dem Apostel aufgestellten Grundsätze ist noch jetzt in den verschieden- artigsten, auch nicht so-schroffen und driickenden Dienst- Verhältnissen die Veranlassung unzähliger Aergernisse und Verlästerungen des Evangeliums. Nirgends er- probt es sich mehr, als in solchen Zagen, ob nian Dem angehört, der gekommen ist, nicht, daß er sich dienen lasse, sondern daß Er diene: seit Christus erschienen, ist das Dienen in den Augen des Glaubens eine heid- , 3. So jemand anders lehret [Kap. 1, Z] und bleibet nicht bei den heilsamen Worten unsers HErrn Jesu Christi [2. Tim. I, 13; Matth. 28, 201 und bei der Lehre von der Gottseligkeit [wie ich in Kap. 1, 5 sie kurz angegeben habe, um diese beiden Stücke allein den Gegenstand seines Un- terrichts sein zu lassen], 4. Der ist verdüstert [umnebelt oder ver- dummt] und weiß nichts [während er sich doch einbildet, etwas Rechts zu wissen und Andern die höhere Weisheit beibringen zu können], sondern ist seuchtig in Fragen und Wortkriegen [voll krampf- hafter Begierde, Streitfragen zu verhandeln, bei denen es nicht auf sichere Belehrung, viel- mehr nur auf Rede und Gegenrede abgesehen ist, und Wortgefechte zu führen, bei denen es nur darauf ankommt, wer wortfertiger ist], aus welchen sFragen und Wortkriegen] entspringet Neid [weil keiner dem andern den Sieg gönnt], Hader sin- dem man sich nun mit einander verfeindet], Lästerung [da fortan einer vom andern möglichst übel redet], böser Argwohn [da einer vom andern des Schlimmsten sich versiehet]; 5. Schulgezänkc solcher Menschen [muß ich dies ganze Thun und Treiben nennen], die zer- riittete Sinne haben [2. Tim. Z, 8; Tit. 1, 15 f.] und der Wahrheit sdie sie ursprünglich besessen] beraubt sind [durch ein aus schlechtem Eigennutz her- vorgegangenes Sichabwenden von derselben Kap. 1, S; Tit. i, 14J, die da meinen, Gottseligkeit sei ein Gewerbe fund also aus keinem andern Grunde ihre ganze Profession treiben, als um schändlichen Gewinnes willen Tit. I, 11]. Thue dich von solchen« [2. Tim. 3, 5]. 6. Es ist aber ein großer Gewinn [den von selber fchon macht], wer sin der That und Wahrheit] gottselig ist und lasset snun in Folge solcher Gottseligkeit] ihm san dem, das da ist] genügen fso daß ein Mehreres zu be- gehren er keine Veranlassung findet Kap. 4, s; Phil. 4, 11 ff.]· 7. sJm Gegentheil erscheint es ihm als Thorheit, ein Mehreres zu begehren, weil das Mehr zu gar nichts nützt für die zukünftige Welt, nach der allein er den Werth der Dinge bemißt] Denn wir haben nichts in die sgegenwärtige irdifcheJ Welt gebracht; darum offenbar ist, wir werden auch [wenn es nun mit uns in die andere, jenseitige hinübergeht] nichts hinaus bringen sHiob 1, 21; Pf. 49, i7f.; Pred. 5, 1-4; Luk. 12, 15 ff.]. 8. Wenn wir aber [für die jetzige Welt] Nahrung und Kleider haben [was ja fast immer der Fall sein wird, und nur in besonderen Nothständen einmal nicht], so lasset Uns be- Pflichtmäßige Unterweisung der Knechte, die freilich wenig oder nichts einbringt. 649 gnügentt swie wir denn auch wirklich daran genug haben l. Mos. 28, 20; Spr. 30, s; Hebt. 13, 5]. I. [Dagegen ist es geradezu seelengefährlich, ein Mehreres zu begehren] Denn die da reich werden wollen, die fallen in Versuchung »und Stricke und viel thörichter und schädlicher Luste, welche versenken die Menschen ins Verderben nnd Ver- dammniß. 10. Denn Geiz sGeldliebeLur 16,14 und daraus entspringende Hab- oder Gewinnsucht Luk. 12, 15; Ephes 4, 19; Sirach 19,4] ist eine Wurzel alles UebelsJvelches [nämlich des immer mehr Habens von Geld und Gut] hat etliche geliistet und sind vom Glauben irre gegangen sindem sie denselben ver- leugneten, weil er ihnen am Gelderwerbe hinder- lich ward], und machen ihnen selbst viel Schiiierzenkik smit den Gewissensbissen, die sie um ihres Ab- falls willen erleiden müssen Pf. is, 4]. » 11. Aber du [ini Gegenfatz zu denen, die da meinen, Gottseligkeit sei ein Gewerbe V. 5»], Gpttesmeusch s2. Tim. Z, 17], fleUch splchessdie Geldsucht mit ihren Versuchungen und schädlichen Lüsten V. 9 f.]; jage aber nach der Gerechtigkeit, der Gottseligkeit [Tit. 2, 12],·dem Glauben sder Christi Namen bekennt], der Liebe fdie jedermann uneigennützig dient, wo und wie sie kann], der Geduld fdie sich durch kein Leiden beirren läßt Tit. 2, 2], der Sanftmuth [die sich Schlimmes gefallen läßt, ohne erbittert zu werden Tit. Z, 2., vgl. 2. Tim. 2, 22]. 12. Kämpfe sin Ueberwindung der von Natur dir aiihängenden Schüchternheit und Aengstlichkeit 2. Tini. 1, 6 f.; 2, I sf·] den guten Kampf des· Giguhkiis [2. Tini. 4, H; ergreife sals die bei diesem Kampfe in Aussicht stehende Siegespalme 1. Cor. 9, 251 das ewige Leben, dazu du auch [wie schon bei deiner Taufe, so hernachmals noch besonders bei deiner Ordination zum aposto- lischen Gehilfen Z. Tim. I, 4] berufen bist, und fdu in Erwiderung des an dich ergangenen Rufes] bekannt hast ein gut Bekeniitniß vor vielen Zeugenf [Kap. 4, 14; Apostg 16, 3 Arm]- ’««) Der Apostel hat vorhin ·(V. Z) gesagt:» ,,solches lehre und ermahne«; aber hieraus folgt nicht, daß man die nun folgenden Worte: »so Jemand anders lehret« durch den Zusatz ergänzen darf: »in diesem Stücke, von dem eben (V.1 u.2) die Rede war«; der weitere Saß: »und bleibet nicht·bei den heilsamen Worten unsers HErrn Jesu Christiszund bei der Lehre von der Gottseligkeit« beweist vielmehr, daß das anders Lehren eben so·allgemein verstanden sein will, wie in Kap. 1, Z. Die Frage, wie der Apostel gerade hier, hinter V. 1 u.2., auf das anders Lehren zu sprechen kommt, beantwortet sich aus der Stellung dieses ganzen, von V. 3 bis V. 12 reichenden Ab- schnitts zwischen V. 1 s. und V.17 ff. Von den Knechten, die nichts eigen besitzen, hat der Apostebin V. 1 f. gehandelt; sie, deren Unterricht nichts »ein- bringt, foll Timotheus nicht versäumen, das sagt ihm die Aufforderung am Schluß: ,,solches lehre und er- mahne«. Ehe er nun hierauf auf die seelforgerliche Behandlung derer, die da reich sind, in V. l7 ff. übergeht, nimmt er diejenigen vor, die da reich w erd en wollen (V. 9 f.), und das sind eben die, die da anders lehren und meinen, Gottseligkeit sei ein Ge- werbe; mit ihnen soll Timotheus sich nichts zu schaffen machen, wie die Worte besagen: ,,thue dich von solchen!« Nach Kap. I, 3 hat Paulus ihn zu dem Zwecke in Ephesus zurückbleiben lassen, um den anders Lehren- den zu wehren; wie er nun aber in Kap. 4, 7 schon die Ermahnung: »der ungeistlichen und altvettelischen Fabeln entschlage dich, übe dich selbst aber an der Gottseligkeit« ihm zuzurusen nicht für überflüssig erachtet hat, weil gewisse Neigungen, die wir früher besprachen, bei ihm vorhanden waren, so konnte Ti- motheus auch meinen, sich insofern init jenen Sonder- lehrern einlassen zu sollen, daß er zeigte, er verstehe sich auch auf die Dinge, mit denen sie sich geltend machten, und konnte um so leichter auf solche Meinung gerathen, als es ihm nach unverkennbaren Anzeichen nicht gleich- giltig war, von Wißbegierigem die ihm seinen Unter- richt dankten, belohnt zu werden. So stand er also in der Versuchunxp mit einer derartigen Lehrthätigkeitz wie jene anders Lehrenden sie trieben, sich etwas er- werben zu wollen; daraus erklärt sich denn, warum der Apostel sich veranlaßt sieht, hernach so ausführlich von der einem Christen gebührenden Genügfamkeit und von den Gefahren, in welche derjenige sich be- giebt, der das Geld lieb gewinnt, zu handeln. (v. Hof- mann.) Wenn Paulus in Phil. Z, 20 ff. dem Tiinotheus das Zeugnis; ausftellt: ,,ich habe Keinen, der so gar meines Sinnes sei, der so herzlich für euch sorget; denn sie suchen alle das Jhre, nicht das Christi Jesu ist, ihr aber wisset, daß er rechtschaffen ist, denn wie ein Kind dem Vater hat er mit mir gedient am Evangelio«, so Ihr daraus hervor, daß des Apostels Mahnung und arnung dahin bei ihm wirksam ge- wesen ist, ihn von aller Hinneigung zu dem ascetischen und egoistischen Wesen der Jrrlehrer zu heilen und ganz in das Wesen seines wahrhaft gottselig gesinnten und ausschließlich dem Dienst Christi und seiner Ge- meinde sich hingebenden geistlichen Vaters hinein- zuziehen. Aus diesem Zeugnis; geht aber auch hervor, daß es nicht früher geschrieben sein kann, als unsre Epistel; denn solange Paulus noch nöthig fand, den Tiniotheus von falscher Uebung der Gottseligkeit zu- riickzuhalten (Kap. 5, 23) und ihn so dringend, wie an unsrer Stelle, zu ersuchen, sich nichts mit jener unfruchtbaren Schriftgelehrsamkeit zu schafsen zu machen, bei der es nicht auf das Heil der Seelen, sondern auf Erwerb und Gewinn für die eigene Person abgesehen ist, konnte er unmöglich von ihm sagen: »der so gar meines Sinnes ist und suchet nicht, wie die Andern alle, das Seine, sondern das Christi Jesu ist«. Es ist überhaupt der ganze Inhalt des ersten Timotheusbriefes durchweg von der Art und Be— schasfenheit, daß schlechterdings von einer Abfassung nach der römischen Gefangenschaft des Apostels die Rede nicht sein kann. Wenn man als Gegenbeweis gegen die Richtigkeit dieser Ansicht die vorauszusetzenden kirchlichen Zustände der ephesinischen Gemeinde, deren ·anze Einrichtung und Verwaltung, da sie nicht blos glsresbyter und Diakonem sondern auch das Institut kirchlicher Wittwen hat, viel geregelter und entwickelter erscheine, als sie es nach einer etwa anderthalbjährigen Wirksamkeit des Apostels schon hätte sein können, geltend machen zu müssen meint, so darf man nur auf Corinth hinweisen, wo Paulus auch nur andert- halb Jahre gewesen war und doch bei seiner Abreise 650 1. Timotheum 6, 13—16. von dort den Ephesern versprechen kann, künftig ihn en seine Thätigkeit zu widmen (Apostg. 18, 20f·), weil er weiß, daß die corinthische Gemeinde nun schon soweit organisirt ist, um sich ohne seine unmittelbare Ueber- wachung und Leitung weiter zu entwickeln, wie denn auch drei Jahre nachher, als die beiden Eorintherbriefe geschrieben wurden, in diesen nicht blos schon sehr entwickelte, sondern sogar schon sehr verderbte Zustände bei derselben hervortreten; und nun schwebt dem Apostel bei den Weisungen, die er dem Timoiheus ertheilt, nicht schlechterdings ein Stand der Dinge vor, der in Ephesus sich schon gebildet hat, sondern theilweis ein solcher, wie er nach dem Exempel von Corinth werden könnte, wenn nicht bei Zeiten in der rechten Weise vorgebeugt wird. Wenn man dann als weiteren Gegenbeweis den Umstand angeführt hat, daß Paulus in Apostg 20, 29 f. auf Jrrlehrer hin- weise, die erst nach seinem Abschiede in Ephesus ein- dringen wiirden, während er in unserm Vriefe sie als bereits vorhanden betrachte, so hat man übersehen, daß der Apostel die in seiner Rede an die ephesinischen Aeltesten gemeinten Jrrlehrer, die er als dereinst kommende darstellt, auch hier in Katz. 4, l ff. als eben solche behandelt, die jetzt vorhandenen aber nur erst als solche, in welchen schon ein Ansatz zu jenen vor- liege, so daß die Zukunft die ausgereifte Frucht von dem bringt, wofür die Gegenwart bereits die Keime aufweist. Dagegen, bemerkt Wieseler in zutreffender Weise, setzt aus Seiten des Timotheus die ganze Ab- fassung des Vriefs eine noch geringe Uebung und Erfahrung in Leitung und Regelung der Angelegen- heiten einer christlichen Gemeinde voraus (vgl. Kap. 3, 14f.: ,,solches fchreibe ich dir, daß du wissest, wie du wandeln sollst in dem Hause Gottes«); Paulus ist dann auch wirklich, wie er vorhatte (vgl. Kap- 4, 13), nicht allzulange nach seinem Weggange von Ephesus für eine längere Zeit wieder dahin zurück- gekehrt (Apostg. 19, 20 Antn.), um das Provisorische der Leitung des Timotheus zu dem rechten, gedeih- lichen Ende zu bringen, und aus dieser abermaligen Wirksamkeit des Apostels erklärt es sich denn, daß die Jrrlehrer, welche zur Zeit unseres Briefs der Ge- meinde gefährlich zu werden drohten, in Apostg. 20, 29 f. als nunmehr zurückgedrängt erscheinen, dafür aber desto schärfer die in Zukunft drohenden Gefahren in’s Auge gefaßt werden müssen. Wenn Paulus feine Reise nach Corinth, von wo aus er den Brief an Timotheusschrieb, überMacedonien nahm und dies Land in Kap. 1, 3 betont, während er nur mittelbar an- deutet (Kap. 4, 20 u. 5, 25), an welchem Orte und unter welchen Erfahrungen er fchreibt, so liegt das darin, daß er bei seiner Reise zunächst Macedonien in’s Auge gefaßt, um dort einerseits die Collekte für die Gemeinde in Jerusalem in Anregung zu bringen und andrerseits den Thessalonichern das Versprechen feines möglichst baldigen Wiederkommens zu erfüllen (1. Thess Z, 10 Anm.); in beiderlei Hinsicht stand Macedonien für Timotheus im Vordergrund des Interesses, da- gegen in Vetreff Eorinths sich näher und bestimmter zu äußern, fühlte Paulus dem jungen und theilweis noch unerfahrenen Freunde gegenüber sich ni tver- anlaßt, sein Schweigen von dieser Stadt ist ein eichen des tiefen Schmerzes, den die bei der dortigen Ge- meinde gemachten Erfahrungen ihm bereitet haben. "·) Den Worten in V. 5: »die da meinen, Gott- seligkeit sei ein Gewerbe« tritt zu Anfang des 6. Verses gegenüber das: ,,es ist aber (nämlich in Wirklichkeit oder Wahrheit) ein großer Erwerb die Gottfeligkeit mit Geniigsamkeit«, d. i. im Gegensatz zum Vorigen (zu derjenigen Gottfeligkeit, dabei man wohl den Schein eines gottseligen Wesens hat, aber seine» Kraft verleugnet 2. Tim. 3, 5) diejenige Gottfeligkeit, welche das Herz zufrieden macht und den Durst nach ver- gänglichen Schätzen aus dem Herzen tilgt, indem sie höhere Schätze bietet; (Wiesinger.) Jn einem kurzen, gedrangten Satze spricht der Apostel zwei Hauptbegrisfe aus: daß die wahre Gottfeligkeit von selbst genügsam macht und daß sie, indem sie dies thut, einen großen Gewinn bringt. Darauf deutet er an, welche Gründe zu einer solchen christlichen Geuiigsamkeit bewegen. Der erste Grund in V. 7 ist aus der Natur der weltlichen Dinge selbst entnommen, nach deren Befitz und Genuß der Ungenügsame so rastlos sich sehnt und abmüht: sie sind keineswegs unser rechtmäßiges Ei en- thum, sondern ein Gut, das wir für eine kurze eit nur bei unsrer Geburt als Darlehn empfangen, um es bald wieder auf den ersten Wink abzugeben. Ein zweiter Grund folgt in V. 8: der Mensch kann mit Wenigem zufrieden sein, denn er hat viel weniger Bedürfnisse, als er gewöhnlich meint. (v. Qosterzee.) Darum ist die Gottfeligkeit ein so großer Gewinn, wenn Einer ihr um ihrer selbst willen, und nicht als einen: Erwerbsmittel, nachtrachtet, weil sie ganz auf die Reichthümer der jenseitigen Welt uns hinweist, weil sie diese Welt als einen Durchzugsort uns an- sehen lehrt, dessen Güter uns weder gehören noch bleiben; die wahre Gottfeligkeit läßt sich also an dem Nothwendigen genügen. (v. Gerlach.) Die Erde macht keine Seele reich. (Hamann.) IN) Jn Versuchung, die von außen kommt, ge- rathen die, welche reich werden wollen; in ein Fang- netz (Luther: ,,Stricke«) gerathen sie, das sich ihnen in den Weg legt, daß sie sich darein verstricken; in viel Lüste, die in ihnen aufsteigen und sie gefangen nehmen, gerathen sie, in Begierden nach dem und jenem, in thörichte Lüste, indem sie nach solchem begehren, das nicht begehrenswerth ist, in schädliche Lüste, welche da hinab versenken, wo man zu Grunde oder ganz verloren geht, wie mit dem hinzugefügten: ,,in’s Verderben und Verdammniß« gesagt ist. Wenn dann der Apostel fortfährt: »denn Geiz ist eine Wurzel alles Uebels«, so soll nicht gesagt sein, woher alle Uebel kommen, sondern daß es kein Uebel giebt, das nicht aus der Geldliebe erwüchse, was dann tnöglicher Weise auch von andern Leidenschasten gelten kann. (v. Hofmann.) Geiz ist das Trachten nach vielen Gütern dieser Welt in dem Wahn, darin liege Sät- tigung und Leben; er entspringt also bereits aus einer unseligen Verkehrtheit und Verblendung. So- lange ein Herz zu den Zeugnissen Gottes geneigt ist, wird die natürliche Neigung zum Geiz, die in jedem Herzen wohnt, niedergehalten und überwunden (Pf. 119, 36); aber von der Stunde an, da die Augen nach dem Eitlen sehen, ist er da, und wahrlich, er weiß die Gelegenheit zu benutzen und sich sein Feld zu erobern. Unter den verschiedensten Gestalten breitet er sich in dem Menschenleben aus (in Mark. 7, 22 steht das Wort »Geiz« im Grundtext in der Mehrheit): Geschenke nehmen, Geld auf Wucher leihen, Schinden der Wittwen und Waisen, kärgliches Geben, wo ein fröhlicher Geber sein sollte, die Gottfeligkeit und die Predigt benutzen, um sich ein Vermögen zu sammeln — als wollüstcg-felbstsüchtige Freude an Besitz und Genuß, hauptsächlich aber als Liebe zum Geld; und wo er einmal Wurzel gefaßt hat, da nimmt er nicht blos das Herz in Befchlag, sondern bannt auch die Glieder in den Dienst der Erde, des vergänglichen Wesens. Darum wird er geradezu eine Wurzel alles Uebels genannt, eine Leidenschaft, die des Gröbsten und Schlimmsten fähig ist, jedenfalls vom Glauben Warnung vor der Sucht der Sonderlehrer, reich zu werden, und Empfehlung der Genügsamkeit 651 hinweg in eine Mannigfaltigkeit von Verfuchungen hineinführt und immer mehrere andere Sünden in ihrem Gefolge hat. (Klett.) Der Apostel erinnert zum Belege für den Sah, daß Geiz eine Wurzel alles Uebels sei, an die Beispiele solcher, welche ihre Geld- liebe vom Glauben ganz abwendig gemacht hat; unter den »Schmerzen«, die sie damit sich selbst gemacht, sind Gewissensbifse zu verstehen, die Vorboten der künftigen Verdammniß (Wiesinger.) Wie das Feuer, welches einen Wald ergreift, alles verzehrt und öde macht, so hat die Habsucht die ganze Welt verwüstet; Könige und Fürsten, Ungebildete und Arme, Männer, Weiber und Kinder, alle werden von diesem Uebel beherrfcht Was soll geschehen? wie können wir das Feuer löschen? Wir können es, wenn es auch bis zum Himmel emporloderte; es gilt nur zu wollen, so werden wir sicher des Feuers Herr werden — so- wie es durch den Willen groß geworden ist, so kann es auch durch den Willen unterdrückt werden, es kommt nur darauf an, daß wir wollen. Wie aber gelangen wir zum Wollen? wenn wir erkennen, wie eitel und unnöthig irdischer Reichthum ist, erkennen, daß er nicht mit uns in das andere Leben gehen kann, uns schon hier manchmal verläßt. Der Reich- thum bleibt hier; aber die Wunden, die er uns ge- schlagen hat, gehen mit uns. Wenn wir sehen, was jenseits für ein Reichthum ist, und damit den dies- seitigen vergleichen, so wird er uns als Koth er- scheinenz wenn wir sehen, daß er tausenderlei Ge- fahren mit sich bringt, daß er zeitliche Luft gewährt, Lust, die mit Schmerzen gemischt ist, wenn wir damit den Reichthum des ewigen Lebens vergleichen, so werden wir jenen verachten lernen. Die Schönheit irdifcher Schätze ist ja nur eine eingebildete: dir gefällt eine goldene Münze, solange du sie für ächt hältst; sie ge- fällt dir nicht mehr, sobald du erfährst, daß sie unächt ist. Wenn der Kaiser ein Gefetz gäbe, nach welchem das Silber theurer sein sollte, als das Gold, würde sich deine Bewunderun und deine Liebe nicht sogleich dem Silber zuwenden. Wir fchätzen die Dir-ge nicht nach ihrem Wesen, sondern nach ihrer Seltenheit: ernüchtern wir uns doch aus solchem Rauschl blicken wir doch auf das wahrhaft Schöne, das seinem Wesen nach Schöne, auf die Frömmigkeit und die Gerechtig- keit, damit fwir der Güter theilhaftig werden, die uns verheißen sind! (Chrhsostomus.») s· Kann es mit einem Christenmenschem der das Geld lieb gewinnt, auf Gelderwerb aus ist, so weit kommen, wie in V. 10 gesagt, so war auch schon die Neigung hierzu, die der Apostel bei Timotheus be- fürchten muß, da er für nöthig findet, so ausführlich davon zu handeln, gefährlich genug, um die feierliche Ermahnung begreiflich zu machen, mit welcher er fort- fährt: »Aber, du Gottesmensch, fleuch solchesl« Wie sehr ihm anliegt, dem Timotheus seine Warnung vor der Habsucht und ihren bösen Folgen recht eindring- lich zu machen, zeigt die Anrede, welche denselben erinnert, was er ist, damit er hiernach erwäge, wie übel es sich für ihn schicken würde, nach Geld zu geizen. (v. HofmannJ Jm Gegensatz zu dem, was er fliehen soll, nennt der Apostel darnach das, dem er nachjagen soll, und nennt da sechs christliche Tugen- den, von denen immer je zwei sich enger an einander anschließen; die beiden allgemeinsten Begriffe, Ge- rechtigkeit und Gottseligkeit, stehen voran, dann folgen Glaube und Liebe als die Grundprinzipien des christlichen Lebens, und endlich Geduld und Sanftmuth, welche das christliche Verhalten bei der Feindschaft der dem Evangelio widerstreitenden Welt bezeichnen, jene entgegengesetzt dem Erliegen, diese i dem Sicherbitternlassen. (Huther.) Während nun bei dieser ersten Ermahnung von dem christlichen Streben überhaupt dieRede, geschieht bei der folgenden andern: ,,kämpfe den guten Kampf des Glaubens 2c.« der Uebergang zu dem, was einem Diener der Kirche insonderheit gebührt. (Leo.) »Den Kampf des Glau- bens kämpfen« — das ist ja das Liebliugsbild, unter welchem der Apostel das christliche Leben im Allge- meinen und das des Dieners des HErrn im Beson- deren darzustellen pflegt. Wenn er nun den Timo- theus an das von ihm vor vielen Zeugen abgelegte gute Bekeuntniß erinnert, so denken Einige an das Bekenntniß, das er bei der Taufe, Andere an das, welches er bei seiner Einweihung zum christlichen Lehr- amte abgelegt; da aber viele Zeugen gewiß mehr noch bei seiner Anitseinweihung als bei seiner Taufe gegenwärtig gewesen sind, so läßt uns das vermuthen, daß Paulus hier auf dieselbe Begebenheit anspielt, welche auch in Kap. 4, 14; 2. Tim. I, 6 angedeutet ist. (v. Oosterzee.) Wortkriege, Schulgezänke, andrer Streit um das Zeitliche, sind elende Kämpfe: kämpfe du den guten Kampf des Glaubens! Das Kleinod rückt immer näher herbei: strecke dich nach dem, das da vornen ist! Gottes ernstlicher Auftrag, der darunter liegende kräftige Zug, die allem Aufhältigen gewachsene Macht ist dir ja nicht fremd; dein dazu gegebener Glaube, bezeugte Lust, gemachter Anfang ist vielen Zeugen bekannt, die deshalb gute Hoffnung von dir geschöpft haben, und Gott selbst nimmt dich bei der einmal ihm gethanen Zufage. (Rieger.) 13. Jch gebiete dir vor Gott, der alle Dinge lebendig macht [Nehem. 9, 6 — nach besserer Lesart im Grundtert: lebendig erhält], und vor Christo Jesu, der unter Pontio Pilato bezeuget hat ein gut Bekenntniß smit feinem eigenen Leben für die Wahrheit dessen, was wir Christen als ein gutes Bekenntniß bekennen V. 12., einge- treten ist], 14. Daß du hattest [behaltest und bewahrest] das Gebot [die Lehre darüber, was jetzt in der neutestamentlichen Zeit Gottes Wille sei, dem die Menschen nachleben sollen Kap. 1, 5] ohne Flecken, untadelig [in solcher Beschaffenheit, daß es mit keinem Makel befleckt werde, der es entstelle, und frei von allem bleibe, was man ihm zum Vor- wurf machen könnte] bis auf sden Endtermim bis zu welchem es also zu halten ist, nämlich bis auf] die Erscheinung unsers HErrn Jesu Christi« [bei seiner Wiederkunft 2. Thesf. 2, s; Phil. l« Si, 15. Welche Erscheinung] wird zeigen lschauen lassen Joh. 2, IS] zu seiner Zeit fdie er in seinem Rath dafür bestimmt hat Tit. I, Z] der Sclige sKap.1, 111 und allein Gewaltige [2. Macc. 12, 15], der König aller Könige und HErr aller Herren [Offenb· 17, 14; 5. Mos. 10, 17z Pf. 136, 3]; 16. Der allein Unsterblichkcit hat [von ihm selbst, ohne von einem Andern durch Mittheilung sie empfangen zu haben Joh. 5, 2613 der da wohnet in einem Licht, da szu welchem Lichte, wegen seiner zu großen Klarheit] niemand zukommen 652 1. Timotheum S, 17—-21. kann [Ps.104,1 f.; Hes.1,27f.; 1.Joh.1,5]; welchen kein Menfch gesehen hat, noch sehen kann [Joh.-l, 18; 1.Joh. 4, 12; 2. M»of. 33, ’20]: dem sei Ehre [Kap. 1, 17] und ewiges Reich«- sdaß er, wie er ewig gepriesen zu werden würdig ist, so auch in alle Ewigkeit die Herrfchaft und das Regiment habe I. Petri 4, U; b, 11; Judä 25; Offenb. 1, S; 5, 13]! Amen. V) Die Ermahnung erhebt sich, wie in Kap· 5, 21 u. 2. Tun. 4, I zur feierlichen Betheuerung (de Wette.) Wenn der Apostel öfter in diesem Briefe die Er- mahnung wiederholt, Timotheus solle sich nach seiner Vorschrift richten, und es hier, wie anderwärts, mit so besonderem Nachdruck thut, so gefchieht es nicht aus Mißtrauen gegen Timotheus, sondern zur Be- weifung seines großen Ernstes und aus dringender Liebe zur chriftlichen Gemeinde. Möchten doch da- durch die schläfrigen Lehrer in der Kirche von aller Nachläffigkeit in ihrem Amte sich erwecken lassen; ja, ein jeder mag diese Worte zu seiner Prüfung an- wenden, wie er nach seinem Gewissen vor Gott und Christo stehe und am jüngsten Tage einmal zu be- stehen gedenke! (Starke.) » it) Die Vermuthuiig mankher Schristsorfchetz daß diese Doxologie Citat aus einem Hymnus sei (vgl. zu Kap. Z, 16) oder wenigstens Anklänge an einen solchen enthalten möchte, hat viel Wahrscheinlichkeitz wenigstens läßt sich nicht nachweisen, daß alle diese Ausfagen von Gott durch das vorher Gesagte bedingt wären. (Plitt.) Sie lassen allerdings theilweis sich als Gegenfätze zu den gnostifchen Jrrlehren fassen, auf die Paulus in Knie. 4, I ff. Bezug genommen; sie sind aber dann nicht Gegenfätze zu dem, was schon da, sondern zu dem, was noch zukünftig ist, und ent- sprungen aus dem prophetifchen Geiste entweder des Apostels selber oder der Gemeine, deren Lied er anführt. 17. Den Reichen von [genauer: in] dieser Welt gebeut, daß sie nicht stolz seien swegen dieses ihres zeitlichen Reichthums sich nicht über Andere, die keinen besitzen, erheben, als wären sie besser daran und darum auch höher zu schätzen], auch nicht hoffen auf den ungewissen· Reichthum [auf die Ungewißheit des Reichthums, wie es wörtlich heißt, d. i. auf den Reichthum, dem das Merkmal der Ungewißheit anhaftet, so daß er von selber schon demjenigen, bei dem er zeitweilig sich befindet, verbietet, auf ihn zu hoffen] sondern [ihre Hoffnung allein setzen] aus den lebendigen Gott [Kap. 4, 10], der uns sdem einen wie dem andern, wenn auch dem einen mehr als dem andern] dargiebt reichlich [in einem Maße, das allemal unsre höchste Nothdnrft bedeutend über- steigt Apostg. 14, 171 allerlei swas irgend wir besitzem für den Zweck, es] zu genießen« saber nicht unser Herz daran zu hängen Pf. 62, 11]; 18. Daß sie sdie Reichen, so gebeut ihnen ferner, um so mehr, je mehr sie vor Andern an des Lebens Gütern voraushaben] Gutes thun [wie und wo sie können] reich werden an guten Werten sum das Reichsein in dieser Welt V. 17 in der erforderlichen Weise zu ergänzen Luk. 12, 21], gerne geben [als solche, denen ihr Reichthum nicht an’s Herz gewachsen ist L. Cor. 9, 7], behilflich [wörtlich: mittheils am gegen BediirftIgeJ seien [Hebr. 13, 16., besonders auch gegen ihre Lehrer Gal. 6, 6], 19. Schcifze sammeln [oder zurücklegen in solchen guten Wexkens ihnen selbst einen guten Grund auf’s Zuknnftige [wenn ihnen nun die gegenwärtige Welt entgeht und sie da allen zeit- lichen Reichthum zurücklafsen müssen Luk. 16, 9], daß sie [alsdann an Stelle des hienieden zurück- gelassenen Reichthums als das für jetzt ihnen aufbehaltene Erbe 1. Petri I, 4 f.] ergreifen das ewige snach anderer Lesart: wahrhaftige] Leben« [V. 12]. V) ,,Den Reichen in dieser Welt« heißt es, weil der Hinweis auf die Erscheinung Christi, mit welcher ja eine andere und andersartige Weltzeit anhebt, un- mittelbar vorhergegangen ist (V. 14 ff.); an dies selbst werden die Reichen zu erinnern sein, daß ihr Reich- thum überhaupt nur auf die gegenwärtige Weltzeit eingeschränkt ist. Wenn sie dies bedenken, wird ihnen der Hochmuth, der sich über die Andern hinaushebh fern bleiben: er ist das Erste, wovon sie abgemahnt werden sollen. (v. Hofmann.) Reiche mögen zu Ephesus (anders als in Eorinth 1. Cor. 1, 26 ff.) manche dem Glauben gehorfam geworden sein (Apftg. 19, 18 f.; 1. Joh. Z, 17): was bei den Menschen un- möglich ist, das ist ja möglich bei Gott (Luk. 18, 27). Darum nimmt sich auch Gottes Wort Aller an, ihnen eine Gotteskraft zuin Ueberwinden der ihnen, einem jeden nach feinem Stande, eigenthümlichen Seelen- gefahren. Reiche nun» lassen sich sonst· nicht gerne befehlen, hier aber heißt es: ,,gebeut ihnen«; denn Gottes Wort hat, wie eine unparteiische Liebe, so auch eine Wahrheit ohne Ansehn der Person. Die eigen- thümliche Gefahr aber, die der Reichthum mit sich bringt, ist die, daß er leicht etwas Uebermüthiges ein- stößt; eine weitere schädliche Kraft desselben am menfch- lichen Herzen ist dann die, wenn er Einem nach Sprüchw. 18,11 zu einer festen Stadt und hohen Mauer wird, daß man sich auch des morgenden Tages rühmt und sich gegen alle künftigen Zufälle gefichert hält, oder, wie der Apostel sagt, auf ihn hofft. (Rieger.) Um das Ungewisfe, Wechselnde des Reichthums, der, wie Theodoret sagt, jetzt bei diesem einkehrt, jetzt zu jenem übersiedelt und, weil er viele Herren hat, niemandes Besitz ist, besonders hervorzuheben, hat der Apostel geschrieben: ,,nicht hoffen auf des Reichthums Ungewißheit« statt: »auf den ungewifsen Reichthum« (Wiesinger.) Der ewig unwandelbare Grund und Gegenstand unsers Vertrauens muß dagegen Gott fein, der ja auch in feiner überfchwänglichen Wohlthäti - keit uns darreicht alles, was nöthig und heilsam ist, reichlich zum Genusse, zur vollen Befriedigung unserer Bedürfnisse. (Matthies.) Wer das festhält, wird leicht feine Hoffnung vom Reichthum abziehen; denn wenn Gott allein es ist, der uns zum nothwendigen Lebens- gebrauch alles darreicht, so hieße es, den ihm fchuldigen Dienst auf den Reichthum übertragen, wollte man auf den feine Hoffnung sehen. (Ealvin.) Pf) Auf die Abmahnung, wie der Reiche feines Reichthums nicht froh fein soll, nicht so, daß er stolz darauf ist und über die Andern hinwegfieht, und nicht so, daß er sich deshalb ficher dünkt, folgt die Er- mahnung zum rechten Gebrauch desselben. Sie steigt auf vom Gutesthun (und zwar nicht blos im Was denen zu sagen, die reich schon sind. engeren Sinne der Wohlthätigkeit), wozu der Reich- thum die Mittel giebt, zum Reichwerd en an guten Werken, dem rechten Reichsein, und vom gerne Geben, daß man gern an Andere mittheilt, die dessen bedürfen, zum Behilflichsein, was auch solche Be- theiligung des Andern am eigenen Besitz, wie in Gal. 6, 6., in sich begreift. Der folgende Satz» sagt dann, was die Reichen damit thun, daß sie ihren Reichthum so verwenden: sie legen sich eine treffliche Grundlage zuriick für die Zukunft, das Leben, welches im vollen und wahren Sinne Leben ist, zu erlangen. Das ,,Schätze sammeln« hat nämlich die Bedeutung des Zurücklegens und Aufspeicherns von solchem, das man nicht sofort verzehrt, sondern für künftige Verwendung aufbehält; was nun der Reiche in der Art zurüekle t, daß er Gutes damit thut, wird ihm für eine Zukun?t, die jenfeit des irdifchen Daseins liegt, Grundstock des Gewinnreichsten sein, was er thun kann, indem es ihm dazu dienen wird, das wahre Leben, von welchem das gegenwärtige mit allen seinen Gütern nur ein Schatten ist, zu erlangen. (v. Hof- 1nann.) Es ist ein großer Gewinn, daß Reiche die vergänglichen Dinge, welche ihnen anvertraut worden, benutzen können, ehe sie unter ihren Händen zerfließen, um unvergängliche dafür sich einzukaufen. (v. Gerlach.) Reiche Geizhälse sind subtile Diebe, welche dasjenige, was Gott Vielen gegeben hat, allein zu sich nehmen und das gemeine Wesen darum bestehlen; wer dagegen den Dürftigen Gutes thut, der giebt Gott sein Geld auf Zinsen und bekommt mehr wieder, als er aus- gethan hat: Spr. 19, 17. (Starke.) C« Bis hierher hat wohl der Apostel, wie es ja sonst seine Gewohnheit ist, die Epistel durch fremde Hand geschrieben sit-Im. its, 22 Knm.), und zwar aller Wahr— sptieinlichiieit uaih des Titus (Jlvostg. 19, 20 Anm.) als Schreibers sich bedienend; zum Schluß fügt er nun noch eigenhändig (vgl. l. Tor. t6, 21 sf.; Col. 4,18; L. Tisch. Z, 17 f.) ein Wort an, welches Jlusdruch einer Sorge ist, die ihn den ganzen Brief hindurch begleitet hat und die er, nachdem er sie schon wiederholt hat laut werden lassen, hier noch recht nachdrucksvoll in die allekdringlictfsie Er— mahnung ausgehen läßt: es ist die Sorge, Timolheus mdehie sieh auf ein vernieintliches Wissen um höhere Dinge, als die im gemeinæhristlichen Glauben enthalten wären, wie es in Cphesus durch die anders tbelirenden in Ray. l, 3 anfing in Schwang zu lkoinmen, einlassen. Da hält er ihm denn an den Grempeln Gtlicher vor, daß man sich nicht damit bemengen kann, ohne Gefahr zu laufen, das anver- traute Gut der heilsamen Wahrheit darüber zu verlieren, und schließt mit dem übliozen Segrnswunsclze (v. 20 u. 2l). 20. O Timothenu bewahre [2.Tim.1, 14], das dir [mit den heilsamen Worten unsers HErrn Jesu Christi und der Lehre von der Gottseligkeit V. 3., zu deren Haushalter Kap. 3, 15 du be- stellt worden 2. Tim. 2, 21 vertrauet ist, und meide die ungeistlichen losen Geschwcitze [Kp. 4, 7] und das Gezanke [V. 4 f.] der falsch berühmten Kunst [d. i· Wissenschaft Hiob 32, 6 Anm. —- nach dem Grundtext: der fälschlich sich so nennenden Gnos is oder Erkenntniß, wie sie jetzt schon in Ephesus sich geltend zu machen versucht, später aber in noch viel gefährlicherer Weise hervortreten wird Kap. 4, 1 ff.]; 2l. Welche etliche [Kap. 1, 19 f.; 2. Tim. 2, 16 ff.] vorgeben sals sei sie ihre Sache oder Schluß der Epistel 653 Profession, als verstünden sie sich darauf und könnten sie ihren Schülern beibringens und fehlen snun darüber] des Glaubens svon demselben und dem Wege, den er führt Apostg. 9, Z; 19, 9. 23., ganz und gar abkommend und auch Andere ab- leitend Kap. 1, 5f.]. Die Gnade sei mit dir [Col. 4, 18]! Amen. »O Timotheus«, redet Paulus den Timotheus an, ihn bei Namen nennend, daß es dem Angeredeten sein muß, als höre er des Apostels Stimme. Im Gegen- satze zu dem ,,ungeistlichen losen Geschwätze und dem Gezänke der falsch berühmten Kunst« steht dann das, was ihm vertrauet ist, mit Nachdruck voran, indem es nach der Wortstellung im Grundtext heißt: »das dir vertrauet ist, bewahre«; damit ist die heilsame Wahrheit (V. 3 u. 14) gemeint, deren Bewahrung ja einem zur Lehrthätigkeit wie Timotheus sonderlich Berufenen auch sonderlich Pflicht war. Das Gegen- theil der Erfüllung dieser Pflicht wäre es, wenn er sich auf das einließe, von dem es ähnlich, wie in Kap. 4, 7 heißt, daß er ihm aus dem Wege gehen soll. Eine Erkenntnisz, die nur so hieß, ohne es zu sein, gab es selbstverständlich nicht erst, als der Ausdruck ,,Gnosis« zur Bezeichnung einer besonderen Art von vermeintlicher Erkenntnis; gebraucht wurde, sondern sie war vorhanden, wo immer sich neben der apostolischen Lehre oder im Widerspruch mit ihr ein religiöses Wissen geltend machte, sei es wie das jener Philosophie, vor welcher der Apostel in Col. 2, 8 warnt, sei es wie das der von Timotheus zu dämpfenden Sonder- lehrer; daß nicht hier schon jene Gnosis der nach- apostolischen Zeit gemeint sei, ergiebt sich daraus, daß von solchem widerchristlichen Irrwahn Paulus nicht sagen würde, Timotheus solle ihm aus dem We e gehen, sich nicht mit ihm zu schaffen machen, da diesger ja vielmehr den Beruf hätte, ihn zu bestreiten, auch würde der Apostel denselben nicht blos ungeistliches loses Geschwätze und Schulgezänke nennen. (v. Hof- mann.) Ohne das leuchtende Angesicht der Gnade Gottes wollte Moses keinen Schritt thun (2. Mos. 33, 18 f.): so ist auch dem Timotheus zum Anfang (Kap. l, Z) und nun hier zum Beschluß Gnade ge- wünscht, wie uns auch in Jes. 52, 12 der HErr unser Gott zum vor uns her Ziehen und zum Sammeln ver- heißen ist. (Rieger.) Schon etliche Handschriften sammt der syrischen und äthiopischen Uebersetzung des neuen Testaments geben unsrer Epistel die Unterschrifn »geschrieben von Lav- dicea«, auch wohl mit dem Zusatzex »die da ist die Hauptstadt des Landes Phrhgia«, wozu dann theil- weis noch die Bezeichnung: «Pacatiana« hinzukommt; die Entstehung derselben ist vielleicht daraus zu er- klären, daß man »die Epistel von Laodicea« in Col. 4, l6 von einer von Laodieea aus vom Apostel geschriebenen Evistel verstand und nun da an den ersten Timotheusbrief dachte, wie denn diese Meinung in Theophylakt (im l1. Jahrh.) einen sehr entschiedenen Vertreter findet. Man verlegte also schon im christ- lichen Alterthum die macedonische Reise des Apostels in Kap. l, 3 und also auch die Abfassungszeit unsres Briefes in eine der Apostelgeschichte fremde Zeit, in die Zeit zwifchen der vermeintlichen Befreiung Pauli aus der ersten römischen Gefangenschaft und seiner nachmaligen zweiten Gefangenschaft; man nahm an, Paulus, vom Kaiser freigesprochen und dadurch seinem apostolischen Berufe zurückgegeben, sei auf den Missions- reisen, die er nun ausführte, wieder nach Ephesus gekommen, habe dort den Timotheus zur Anssicht der 654 2. Timotheum 1, 1· Z. Gemeinde zurückgelassen, um selber nach Maeedonien zu reisen, bis er dann auch nach Laodicea kam und hier diese erste Epistel an ihn schrieb. Wir haben aber zu Kap. 4, 12 u. 6, 5 schon bemerkt, daß eine Ver- legung der Abfassung in so späte Zeit schleehterdiugs unthunlich ist, und müssen daran festhalten, daß im Sommer des J. 56 von Corinth aus der Apostel die t Epistel geschrieben habe. Was die Bezeichnung ( ,,Phrygia Pacatiana« betrifft, so beruht sie auf einer im 4. Jahrh. entstandenen geographischen Eintheilung des Landes; von Pliisygja salutaris im Osten mit der Hauptstadt Synuada unterschied man da Phrzsgja permis-ins, das sich westlich von Bithynien nach Carien « hinunterzog (vfgl. Karte V1ll. und die Bem. zu Apoftg. H is, 8 u. is, 2.2b) « t Gesthrieben von tlkaodieem die da ist eine [besser: die] shanptstadt des tkattdes sllhrygia sttaratiana [vgl. die Bem. zu Kap. 6, 21]. Lilie 2. ittpistet St. illanli an Timothenm Dem weseutlichen Inhalte nach ist dieser Brief dem ersten ähnlich, nur daß der Ton noch herzlicher und feierlicher ist; mit inniger Zärtlichkeih aber auch mit tiefem prophetischem Ernst spricht der Apostel seine persönliche Anhäuglichkeit und väterliche Fürsorge für seinen theuren Timotheus aus und zugleich seine Bekümmerniß für die Sache der Kirche in den bevorstehenden heftigen Kämpfen von außen und von innen, doch dabei auch eine feste Zuversicht zu der Göttlichkeit ihrer Sache und auf ihren unzweiselhaften Sieg. Das 1. Kapitel. Ermahnung zur Jzesiiindigßeit in der reinen Lehre bei Verfolgung. A· stinken wie zueükn aus die Aussprache, is: wet- chen Paulus sowohl im Anfang seiner Gefangenschaft dem lijotsenrath als im weiteren Verlauf derselben dem Eandpsteger Felix und dem König Jtgrippa gegenüber und zuletzt auch vor den römischen Juden über die eigentlime llrsach der wider ihn gerichteten Zlntttage Ko) erklärt hat (Ztpostg. 23, b; U, til ff; Es, 6 f. 22 f.; W, 20), und begegnet uns nun hier, in dem Eingang der zweiten Geiste! an Timotheunu die so eigenthiitiitiche Bezeichnung seines Koostrlthuu1s: ,,nach der Verheiszung des Lebens in Christo Jesuts so läßt sich nicht verkennen, daß diese Epistel jedenfalls die erste unter denen ist, die er als Gefangener in Rom ge— schrieben hat (im Sommer des S. 61., s. Anhang 11. zum 6. Bande: a, 2); der Apostel schreibt die festen Petitionen, mit welchen er oor Gott, vor sitt) selbst und vor dem ttichterstuhte alle gegnerischen Jtnttlagen enttkräftet hatte, nun auch dem Tintotheus nieder, weil es an sich schon jeden! Kngettlngten ein sonderlicher Trost ist, seine Freunde in das eigene Rechtsbewußtsein einzuführen, hier aber es galt, denjenigen, an welchen der Brief sich wendet, auf dieselben festen Posttionen zu sieh emporzuhelietr. Und wie es nun mit Tiniothrus gegenwärtig in Ephesus bestellt war, darauf deutet das Prädikat, das Paulus an Stelle des früheren (l. Tun. I, 2): ,,nteinenc rcchtsthasfenen Sohne im Glauben« ihm giebt: ,,nieinenc lieben Sohntts hin; denn während früher es galt, daß er dem in Gptsesus sitt) breit maehenden Wesen der Sonderlehrcr gegenüber als einen rechtschaffencn Sohn im Glauben dem Apostel sieh aus- weise, muß er jetzt dessen Liebe steh bewahren durch Be— lebung seines Muthes und seiner Entschlossenheit 1. Paulus, ein Apostel Jesu Christi durch den Willen Gottes [1. Cor. l, l; 2. Cur. 1, l; EpheL I, I; CDL 1, U, nach [d. i. in Gemäß- (Wunderlich.) heit oder zufolge] der Berheißung des Lebens sdas da vorhanden Ist] in Christo Jefui sum welcher Verhetßnng willen ich sowohl in Rücksicht auf die Auserwählten, als auf mich selber alles dulde, was ich jetzt als ein Gefangener zu erleiden habe Kap. 2, 9 ff; Apostg. 24, 15 f.], 2. Meinem lieben Sohne [1. Cor. 4, 17] Ttmotheustt svgr i. T1m. i, 2 u. Tit. 1, 4]: Gnade, Barmherzigkeit, Friede von Gott, dem Vater, und Christo Feste, unserm HErrn s1,Tim. l, 2 Anm.]. V) Das »ein Apostel Jesu Christi durch den Willen Gottes«, womit Paulus auch sonst seine Person nach der von Gott ihm übertragenen Stellung be- zeichnet, spricht hier das Bewußtsein ans, in welchem er das Folgende schreibt, nicht die Jntention, seine apostolische Würde sicher zu stellen (vgl. die Bein. zu 1. Thess 1, 1 u. 1. Tim. 2, 7); wenn nun der nach- folgende Inhalt· des Briefs daraus hinausläuft, daß Timotheus nach des Apostels Vorbild, der um des Evangeliums willen in Banden liegt, auf alle Güter des zeitlichen Lebens verzichten und Gefahren und Leiden bereitwillig um des Evangeliums willen über- nehmen soll, welche nähere Bezeichnung des Amtes des» Apostels, dessen Mithelfer Timotheus ist, hätte da passender sein können, als die, welche nun folgt: ,,nach der Verheißung des Lebens in Christo Jesu« und welche offenbar dazu bestimmt ist, den Blick des Ti- motheus auf jenes Leben hinzurichten, um dessent- willen er die Güter dieses Lebens daran geben soll? (Wtestnger.) Einer Lebensverheißuug auf welchersein Apostelthum beruht (und» durch welche es bestimmt ist), getrojtet sich der auf Leib und Leben·Angeklagte, und der Hinweis auf sie soll den von seiner gleichartigen Berufsthätigkeit zurückgetretenen Timotheus neu er- muthigern so. Hofmannh Hi) Seit Timotheus den Apostel auf seiner Reise nach Jerusalem zum Pftngstfest des J. 58 n. Chr. Des Briefes Eingang: Zuschrift und Segensgruß. begleitet hatte (Apostg. 20, 4), verschwindet er aus unserm Gesichtskreise gänzlich, bis er zum ersten Mal wieder in dem, nach unsrer Annahme im Herbst des J. 61 geschriebenen Eolosserbriefe (Kap. l, 1) und der gleichzeitigen Epistel an Philemon (V. l) in der Um- gebung des Paulus zu Rom erscheint, der ihn dann auch in der, etwa ein Jahr später verfaßten Epistel an die Philipper (Kap. 1, l) noch bei sich hat und ihn zu letzterer Gemeinde baldmöglichst zu entsenden gedenkt Kap. 2, 19 ff.); es liegt uns also abermals ob, eine Iücke in seiner Lebensgeschichte auszufüllen, wie früher zwischen der Abreise des Apostels von Eorinth um die Oster- zeit des J. 54 und dem letzten Theil seines Aufent- halts zu Ephesus zu Ende des J. 56 »(vglsz. zu Apostg. 16, 3 u. 19, 20). Aller Wahrscheinlichkeit nach, so läßt sich da mit gutem Grunde sagen, ordnete Paulus bald im Anfang seiner Gefangenschaft zu Cäsarea (Ende Mai des J. 58), als der Landpfleger Felix den Seinen gestattete, ihm zu dienen oder zu ihm zu kommen (Apostg. 24, 23), den Timotheus nach Ephesus ab, diese jetzt im Vordergrund der von ihm gepflanzten heidenchristlichen Kirche stehende Gemeinde zu leiten und zu versorgen; er konnte das ohne Bedenken thun, da die im J. 56 an Timotheus gerichtete Epistel ihm ja fattsam Anleitung zur rechten Amtsführung gegeben und derselbe ganz besonders in dem, das Reichwerdew wollen betreffenden Punkte (1. Tun. 6, 6 ff.) allen etwaigen früheren Speeulationen entsagt und dem ge- nügsamen Sinn der Gottseligen sich wieder zugewendet hatte, wie daraus hervorgeht, daß der Apostel im J. 57 ihn zur Betreibung der Collekte in Maeedonien und Achaja verwendete (Apostg. 19, 21 f.) und den Corinthern gegenüber (1. Cor. 16, 10) seiner Zuver- lässigkeit ein so günstiges Zeugniß ausstellt. Nicht in gleichem Maße freilich scheint er die Kunst sich ange- eignet zu haben, den Jrrlehrern in der rechten, von Paulus ihm angegebenen Weise zu begegnen; es war das allerdings für ihn bei seiner eigenthümlichen Gemüthsarh wie wir sie zu 1. Tim. Z, 21 kennen lernten, die schwierigste Aufgabe. Doch nicht das Zurücktreten von ihrer Lösung, sondern vielmehr das abermalige Eintreten in dieselbe, die Gelegenheit zur praktischen Uebung der Willenskraft und Widerstands- fähigkeit konnte hier helfen; darum eben wurde er zum zweiten Male mit dem ephesinischen Arbeitsfelde betraut, und nach V. 4 zu urtheilen, schied Timotheus mit heißen Thränen vom Apostel, ein Zeichen, wie lieb er denselben hatte und wie bereitwillig er an und für sich war, seinen Posten auszufüllen. Ein schwerer Schlag nun traf ihn, als es mit seinem Meister zu der in Kap. 4, 16 erwähnten ersten Verantwortung gekommen war, wobei wir an den Vorgang unter dem Landpfleger Festus in Apostg. 25, 6 zu denken haben; das Schlußergebniß davon war Ja, daß es mit Paulo zur weiteren Verantwortung vor dem Kaiser in Rom kommen sollte (Apostg. 25, 12), und da der Gefangene sogar noch im Herbst des J. 60 dahin abgeführt wurde (Apostg. 27, 1 sf.), so ward Timotheus dergestalt vom Geiste der Furcht und Verzagtheit (V. 7) eingenommen, daß ihm alle Lust und Freudig- keit zum Dienste des HErrn in ösfentlichem Amte ver- ging, er alle Widerstandskraft den dreisten Sonder- und Streitlehrern gegenüber verlor und mehr und mehr darauf sich beschränkte, für seine Person gläubig zu sein, ohne die christliche Wahrheit auch nach außen hin zu vertreten und das Einreißen von allerlei Un- ordnung im Gemeindeleben abzuwehren. Von diesem Stande der Dinge bekam der Apostel Nachricht durch Onesiphorus, einen ephesinischen Christen, der zu ihm nach Rom nicht gar lange nach seinem eigenen Ein- 655 treffen daselbst (Apostg. 28, 16) gekommen war (V. 16): der Gemeinde zu Ephesus und der zu ihr gehörigen Tochtergemeinden zu Smyrna, Pergamus u. f. w. (Offenb. l, 11) nahm er selber sich an durch das an sie gerichtete Umlausschreiben, das im Brief an die Epheser vorliegt und über das Wesen und die Aus- gabe der Kirche sich verbreitet, dem Timotheus dagegen glaubte er am besten beikotninen zu können, wenn er zwar einerseits die ihm obliegenden Pflichten und das ihm gebührende Verhalten gerade unter denjenigen Verhältnissen, in welchen er zur Zeit sich befand, ihm vollständig auseinandersetzte, gleich als ob er noch ferner in Ephesus zu verbleiben hätte, andrerseits aber doch ihn für jetzt zu sich nach Rom kommen ließe, um ihn dort in seinem eigenen Dienste zu verwenden, bis er an den Ort seiner Bestimmung würde zurückkehren können. Hier, in der Umgebung des Apostels und unter dessen persönlichem Einfluß sollte Timotheus vor allen Dingen dazu gelangen, die Gabe Gottes, die in ihm war, zu erwecken und anstatt des Geistes der Furchh der ihn jetzt beherrschte, sich von dem Geiste der Kraft und der Liebe und der Zucht erfüllen und bestimmen zu lassen; hernach, wenn er die rechte Hal- tung würde wieder gewonnen und sich erneuert haben im Geiste feines Gemüths, würden dann auch die für seine Amtsführung ihm ertheilten Weisungen ihm zu- ute kommen, und bis dahin, bis zu der geeigneten eit für die Wiederaufnahme des bisherigen Amtes, sollte inzwischen Tychikus, der den Brief iiberbrachte (Kap. 4, 12), seine Stelle versehen. So erklärt sich sehr einfach, was den Auslegern vielfach als ein un- lösbares Räthsel, ja geradezu als ein Anstoß erschienen ist, daß nämlich, während Paulus doch gleich von vornherein das Verlangen ausdrückt, den Timotheus in seiner Gefangenschaft bei sich zu haben, und dann zuletzt für dessen Reise nach Rom ihm bestimmte Auf- träge ertheilt, so daß ihm dieselbe ganz außer Frage steht, er nichtsdestoweniger durch den ganzen Haupt- bestandtheil der Epistel in einer Weise den Timotheus unterweist, als dächte er gar nicht an eine solche Ab- berufung desselben von seiner Station, sondern wolle vielmehr, daß er auch unter den schwierigsten Verhält- nissen dort aushalte und nur darauf Bedacht nehme, wie er sich würdig halten und seine Pflichten treu er- füllen möge: das Sendschreiben ist eben in der Ab- sicht, den Ttmotheus auf einige Zeit unbeschadet seiner später Jvieder aufzunehmenden Wirksamkeit an der ephesinischen Gemeinde bei sich zu sehen, von dein Apostel abgefaßt, und diese Absicht tritt dann gleich in den nächstfolgenden fünf Versen 11ach beiden Seiten hin klar zu Tage. B· Wie im ersten Ti1uotheusbriefe, folgt auch in diesem zweiten auf den, die Jlussrhrift und den apostoliselsen Segrnggruß enthaltenden Eingang der eigentliche Haupt— thesi; derselbe wird aus zwei Peirtieen bestehen, welch: aber das sein werden, erfahren wir aus den fünf ersten, den tjjauotinhalt der Gpistel einleitenden Versen. illit Dankbarkeit gegen Gott bezeugt Paulus dem Tinte-them, wie rnohne Unterlaß desselben gedenke in seinen Gebeten und wie her·zlich»ihn, der seine Thränen beim Abschied in treuen: Gedaehtncß bewahrt habe, darnach verlange, ihn wieder be! snh zu sehen, um von solchem Beisammensein einen Gewinn zu haben, der ihn mit Freuden erfülle und ibm Anlaß werde, suh deg ungefcirlsten Glaubens des» Tiinotheug zu erinnern, der vorhin in seiner Großmutter: und Mutter gewohnt und wohl auch bei ihm als bleibender und nicht blos als voriibergehender Gast steh häuslieh niedergelassen habe W. 3—-5). Jlber dazu, daß Paulus solchen Gewinn von dem Wiederzusamtnensein habe, gehört 656 2. Timotheum 1, 3——7. freilich, daß Timothetis die bei seiner Bestellung zum apostotischen Gehilfen unter ttjandautiegung seines:- Meisters empfangene Gnadengabe, die er hat einschlafen lassen, erwerbe und statt dem natürlichen Geiste der Verzagiheiu der ihn ergriffen hat, sich dem christlichen Geiste der Kraft und der Liebe und der Zucht non dienen! hingebe, wag zu thun ihn denn der Apostel unter Bezugnahme auf das Vertrauen, das er zu seinem Glauben hegt, mit seinem Briefe Zuniirtjst erinnern will W. s. 7). 3. Jch danke Gott, dem ich diene von meinen Voreltern sEltern und Großeltern 1. Tim. 5, 4] her in reinem Gewissen [Apstg. 23, 1; 24, 14ff.; PhiL Z, 6 — Vgl· Apvstgi 9- 2 AUMD daß ich [so, wie du es nach deinem dermaligen Herzens- zustande so sehr bedarfst, nämlich] ohne Unterlaß dein gedenke in meinem Gebet sdas ich thue] Tag und Nacht sfür alle Heiligen, und also Hoffnung haben kann, daß der HErr, der Gebete erhört, in deiner jetzigen Glaubensschwachheit dir werde zu Hilfe kommen]; 4. Und mich verlanget, dich shier bei mir] zu sehen [Kap. 4, 9 ff.], wenn ich denke an deine Thrttnen swomit du in Cäsarea von mir Abschied nahmst V. 2 Anm. und damit so treue Anhäng- lichkeit an mich, deinen Vater in Christo, zu er- kennen gabst Apostg. TO, 37 f.; 21, 13], auf das; ich swenn solches Veisammensein nun dazu dient, dir wieder zurecht zu helfen Gal. 6, 1] mit Fretdtden süber deine geistliche Herstellung] erfüllet wer e, 5. Und erinnere mich [da, dich ganz für Einen, der so gar Meinesgleichen V. 3 ist, er- kennend] des ungefärbten Glaubens in dir, welcher zuvor sehe er auf dich durch Erziehung und Un- terricht übergegangen Kap. Z, 15] gewohuet hat in deiner Großmutter Lois soder Lais] und in deiner Mutter Eunike [s. v. a. Victoria], bin aber gewiß, daß sfelbigee Glaube] auch in dir« [heimisch ist und nicht blos als vorübergehender Gast einmal bei dir gewohnt hat]. 6. Um welcher Sache sUrsach Col. 2, 181 willen sweil ich, wie gesagt, die Ueberzeugung von dir habe, daß in deinem persönlichen Leben du den ungefärbten Glauben dir noch be- wahrt hast] ich sin Hinsicht auf dein amtliches Leben, wo du ihn nicht mehr zu Tage treten lässest] dich erinnere, daß du snach Maßgabe dessen, was ich uachgehends dir schreiben werde] erweckest die Gabe Gottes lzur Ausrichtung des dir ver- liehenen Amtes], die in dir ist durch die Auf- legung meiner Hände [vgl. die Bem. zu 1. Tim. 4, 14]. 7. sDas aber steht allerdings in deinem Vermögen, solche Gabe zu erwecken und das er- loschene Feuer wieder anzufachen, wenn du nur nicht von deiner natürlichen Verzagtheit, wie du es jetzt thust, dich beherrschen lässest.] Denn Gott hat uns sChristen überhaupt] nicht gegeben den Geist der Furcht soder Verzagtheit Matth 8, 26; Ofsenb 21, 8., so daß du ein Recht hättest zu sagen, es wäre nun einmal nicht anders mit dir, du könntest der Verzagtheit nicht Herr werden], sondern der Kraft und der Liebe und der Zuchttr fund so mußt du denn diesem Geiste wieder Raum geben in deinem Herzen] s) Unter den drei Pastoralbriefen hat nur dieser den gewöhnlichen danksagenden Eingang (Röm. l, 8ff.; l· Eor. 1, 4ff.; 2. Eor.1, 3ff.; Ephes 1, 3 ff.; Phil- 1, 3 ff.; Col. 1, 3ff.; 1. Thess 1, 2 ff.; 2». Thess 1, 3 Ph1lem. 4ff.), der außerdem (vgl. I. T1m. 1, 3ff.; Tit. 1, 5 ff.) nur im Galaterbrtef (1, 6ff.) noch fehlt; bemerkenswerth ist die Aehnlichkeit mit dem Eingang in Röm. l, 8 ff., die darin ihren Grund hat, daß dort wie hier der Apostel von seinem Danke gegen Gott wie von seiner Bitte zu ihm redet, die Empfänger des Briefs einmal zu sehen, und auch dort die unab- lässige Erinnerung an sie, wie hier an Timotheus, den Dank und die Bitte verknüpft. (Wiesinger.) An das ,,ich danke Gott« knüpft der Apostel den Zusatz: »dem ich diene von meinen Voreltern her in reinem Ge- wissen«, weil er im Sinne hat, auch den Timotheus auf seine Voreltern, nämlich seine Großmutter und Mutter hinzuweisen; es steht aber dieser sein Aus- spruch Über sich selbst nicht im Widerspruch mit I. Tim- 1,13 und ähnlichen Stellen, da er auch während seines Gesetzeseifers dem Gott seiner Väter in reinem Gewissen dienen wollte. (Huther.) Sicherlich war Paulus sich dessen auch als Verfolger bewußt, daß er damit Gott dienete, nur war sein Bewußtsein ein sub- jektivesz als ihm die Wahrheit einleuchtete, sah er ein, daß er unwissend, im Unglauben gehandelthatte, dennoch war er »in reinem Gewisfen«, d. i. in der Meinung, Gott einen Dienst zu thun (Joh. 16, 2), seinen furchtbaren Weg gegangen und sein Glaube war ein ungefärbter gewesen. Bei den Worten nun: »daß ich ohne Unter- laß dein gedenke« liegt der Nachdruck auf ,,ohne Unter- laß«; sie lauten nach dem Grundtext genauer: »daß ich so (wie ich es thue) ohne Unterlaß dein gedenke«- Für das unablässige Angedenken an den Timotheus also dankt Paulus Gott, und nun bestimmt er in V. 4 die Art und Weise dieses Angedenkens näher: es ist mit dem Verlangen verbunden, den Timotheus zu sehen; dies Verlangen aber wird veranlaßt durch die Erinnerung an seine Thräneth welche sein tiefes Bedürfnis; nach persönlicher Gemeinschaft mit dem Apostel und seinen großen Schmerz, von ihm getrennt zu leben, bekundeten, und hat zum Zweck, daß Pau- lus möchte mit Freuden erfüllt werden. Jn diesen letzteren Worten deutet der Apostel mit großer Zart- heit auf seinen Schmerz, den er jetzt empfindet; er will an Stelle desselben Freude haben und will, wenn sich erfüllt, was er verhosft, eine frische und lebendige Erinnerung empfangen, wie V. 5 besagt, nämlich einen neuen Eindruck von dem ungeheuchelten Glauben, der, wie in des Timotheus Voreltern von mütterlicher Seite, so auch in ihm selber wohnt. Dafür, daß Ti- motheus, welcher der kräftigen Leitung des Apostels für längere Zeit hatte entbehren müssen, in Unsicher- heit und Muthlosigkeit versank, haben wir im Refor- mationszeitalter ein Analogon an dem Verhältniß zwischen Luther und Melanchthotu nach Luther’s Tode war der weiche, gemüthvolle Mann haltungslos ge- worden; er zagte, er verrnittelte, um die Gegensätze zu versöhnen, statt offen und entschieden das gute Bekenntniß zu bezeugen und zu vertheidigen. Seinen rechtschaffenen Sohn im Glauben, wie in 1.Tim.1,2, Des Briefes Haupttheib Pauli Verlangen nach Timotheus und des letzteren Verpflichtung 657 konnte daher in V. 2 Paulus den Timotheus nicht nennen, denn er hat ihn aufzufordern, daß er die Glaubensächtheit aiif’s Neue bewähre, und konnte ja die Forderung nicht gleich in der Adresse quittiren; wohl aber bezeichnet er ihn als seinen lieben Sohn, denn die Liebe, mit welcher er ihn umfaßt, glaubet alles und hoffet alles· (Otto.) H) Timotheus soll sich die Erinnerung, die der Apostel ihm zugehen läßt, daraus erklären, daß er von der Lauterkeit seines Glaubens überzeugt ist; wäre er ihrer nicht gewiß, so würde er eine solche Auf- forderung iiicht an ihn richten. In diesem Sinne soll Timotheus sie aufnehmen, kann sich aber dann auch nicht weigern, ihr Folge zu leisten, ohne die Ueber- zeugung des Apostels zu erschüttern. Andererseits ergeht die Aufforderung in Gestalt einer Erinnerung, und wer erinnert wird, etwas zu thun, sollte, wie ihm damit zu verstehen gegeben wird, von Rechtswegen dessen selbst eingedenk sein; im vorliegenden Falle gilt dies um so mehr, als es sich um Wiederbelebung einer vordem empfangenen Begabung handelt, welche Ti- motheus nicht hätte matt werden lassen sollen. Es ist die Begabung gemeint, von der wir in 1. Tim. 4, l4 gelesen haben, sie sei ihm unter Handauflegung der Geineindevorsteherschaft gegeben worden: dort wurde er ermahnt, sie nicht ungenützt zu lassen, wodurch er das Vertrauen, mit welchem sich die Vorsteher seiner Heimathsgemeinde an seiner Bestellung betheiligten, und ihre Hoffnungen täufchen würde, daher ist dort ihrer Handauflegung gedachtx wenn dagegen hier der Apostel seiner eigenen gedenkt, so führt er ihm zu Gemüthe, daß er ihm, dessen Handauflegung ihm die Zutheilung solcher Gnadengaben vermittelt hat (Apstg. 8, 17), schuldig sei, sie zu gebrauchen und also, wenn er sie durch Mangel an Verwendung hat matt werden lassen, sie zu neuer Lebendigkeit wieder zu erwecken. Die Begabung, die er empfangen hatte, und von welcher der Apostel sagt, daß sie ihm einwohne, war seine Befähigung für den empfangenen Lebensberuf, das Evangelium zu verkündigenz die Fähigkeit selbst aber wird matt und schwach, wenn der Eifer nachläßt sie zu gebrauchen. (v. Hofmannh Hier gilt das Wort des HErrn (Matth. is, 12): »wer da hat, dem wird gegeben, daß er die Fülle habe; wer aber nicht hat, von dem wird auch genommen, das er hat.« Der Mittel, durch welche das Erwecken der anver- trauten Gabe geschieht, sind hauptsächlich dreierlei: das Gebet, dessen Odem das glimmende Feuer immer heller brennen macht; das Lesen des Wortes, durch welches der Geist zu uns redet und in uns geweckt wird, und die Gemeinschaft der Heiligen, durch welche das individuelle Leben vor krankhaften Zu- ständen und vor Absterben bewahrt wird. (v. Oosterzee.) Mit dem Ausspruch des 7. Verses weist Paulus nach, wie es die Natur des wahren Glaubens verlange, daß Timotheus den Amtseifer erneue und die erhaltene Gnade der Weihe wieder anfache; aus dem Charakter des Christen überhaupt weist er dem Diener des Evangeliums seine Pflicht nach —— er würde in dem Timotheus nicht mehr den wahren Christen erkennen, hörte er auf, ein berufstreuer Diener des Evangeliums zu sein. (Mack.) Der dem Christen verliehene Gottes- geist ist nicht ein Geist der Furcht, d. i. der Zag- haftigkeit in dem Kampfe für das Reich Gottes, son- dern der Kraft, nicht nur den Angriffen der Welt gegenüber Stand zu halten, sondern auch die Welt immer mehr zu überwinden; sodann der Liebe, die ihn bei dem Kampf nie das Ziel desselben, nämlich das Heil der Brüder, aus den Augen verlieren läßt, sondern ihn antreibt, mit aller Selbstverleugnung für Dächfeps Bibeliverk VII. Band. sie thätig zu sein, ohne ein Opfer zu scheuen; und endlich der Zucht, als welcher ihn antreibt, bei den Verfehlungen Anderer nicht unthätig zu bleiben, son- dern sie zu züchtigen, damit sie davon ablassen. (Huther.) Man kann aber das Wort ,,Zucht« auch in Beziehung auf die eigene Person verstehen, wie Luther schreibt: »das Wörtlein Zucht, was Paulus oft braucht, heißet, was wir zu deutsch sagen, mäßig, fein säuberlich, ver- nünftig fahren mit Geberden.« — Die Kraft macht männlich und stark, die Liebe zärtlich und sorgfältig, die Zucht demüthig und bescheiden. Der Geist der Kraft hvat im Dienste Gottes zum Bekenntniß der Wahrheit sein meistes Geschäft, die Liebe bemüht sich redlich um den Nächsten, und die Zucht bewahrt vor dem eigenen Geist und vor allem, was zu viel ist, obenhin führt und das Seine sucht. Wer über der empfangenen Kraft nachgehends der Liebe, der Demuth, der Zucht vergessen wollte, der könnte ein Schwärmer werden; wer nur immer von Liebe, Mäßigung, Klugheit spräche und darunter den Geist der Kraft dämpfte, könnte zu einem in Jesu Munde ekelhaften Lauen werden. Gott giebt und will keine Tollkühnheih son- dern eine unter der Zucht stehende Kraft; keine läppische Liebe, sondern eine mit Beweisung des Geistes sich dem Nächsten zur Besserung gefällig niachende Art, einen bei der Zucht sich nicht selbst ausschüttenden Geist. (Rieger.) « I— v. its-Linn. 4, Z» die eine von den beiden vorhin ange- deuteten Zllartieen enihaltend, schließt sich uuniittelbar an die Worte in V. 7 an: »Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der siraft und der Liebe und der ZuchtG und hat es daraus-abgesehen, den Giniothcus zu vermögen, das? er erweckte die Gabe, die in ihm ist (v. 6); was also in den obigen Ginleitunggoersen erst an zweiter Stelle als des Apostels Jlbzwertkung beim Schreiben der Epistel sich dar-stellte, tritt hier an die vordere Stelle, denn es bildet die Hanpttendenz hinter welcher die andere, den Tiniotheus zu einer schleuniger: Reise nach Rom zu veranlassen, als persönliches Jlnlicgen von Rechtswegen zurürlisteht (vgl. die Eint. zu Mit. 4, 10 sf.). a. V. 8——18: Gott hat unS nicht gegeben den Geist der Furcht. Aus Grund dieses Wortes, das er vorhin ausgesprochen, ermahnt Paulus den Ci- motheits zunächst, sich nicht des Zeugnisses Jesu Christi noch auch des Gebundenen des hErrm des gelungenen Apostels, zu schämen, sondern den Geist der Furcht oder Feigheit, der über ihn gelioninken nnd der einem Christen schlecht anslehe, von sich zu vertreiben und nun mit dem Evangelio nalh deni Exempel eben dieses Gebundeuen sich zu leiden (V. 8); in der Kraft Gottes vermag er das zu thun, aber er ist es auch zu ihm: schuldig aus Dankbarkeit gegen diesen Gott, der ja anch ihn selig gemacht und mit einem heiligen Ruf zu seinem Reiase berufen hat— ohne alle sein Verdienst und Würdigkeit, lediglich nach seinem eigenen Vorsatz und nach der Gnade, womit er ihn erivählet hat vor Grundlegung der Welt nnd hat dann in der Fülle der Zeit diese Gnade offenbar werden lassen in dein durch Christum gewirliteii Heil (v. 9 u. 10). Geslhieht nun die Offenbarung der seligmachenden Gnade durch das Evangelium, dessen doch nieniaud sich wird sihänien wollen, der die Gnade an sich selber erfahren hat, und isk Paulus, zum sIrediger desselben beliebet, in solihem seinem» besonders ans die heidenmelt bezüglichen Berufe ein Gefangenen so wird Timolheus doch wohl auch des gebundenen Apostels W) fernerhin sticht schäumt, sondern besser an sein Vorbild sich anschliesleik der sichs sticht 42 658 2. Timotheum J, 8——14. schlimm, wenn er um des Cunngelii leiden must (V.11 u.12). Aber ce- gilt für« ihn nicht tilos überhaupt sich zu est-murren, sondern speziell festzu- halten an der Lehre, die er von ihm, dem AxwskkeL titierkionitnett hat, nnd sie mit aller Eitischiedeliheit zn vertreten in einem Bereiche, wo so viele Andere dem Apostel den Riiclien getiehrt haben, wie er selber· weis) (1;l.13—15). Diesein Beispiele der· Unireue sieht gegenüber ein Exempel besonderer Treue in einem andern Ephesiey dem Onesiphorns: Timotheus wird gut thun, diesem Exempel nnchznsolgen (V.16——18). 8. Darum [weil Gott uns nicht den Geist der Fnrcht gegeben hat, die da bewirkt, daß wir gar leicht dessen uns schämen, was wir doch zur höchsten Ehre uns anrechnen sollten] so schäme dich nicht des Zeugnisses unsers HErrn sdes Zeug- nisses von ihm oder des Evangelii Röm. 1, 16; l« Cor· 1- S; Apvstgi 4, 33J- noch lschäms dich] meiner, der ich sein Gebundener bin [Philem. 1 u. J; Ephes Z, 13], sondern leide dich sSirach 2, 2; Mark. 9, 191 mit dem Cvaugelio [Phil. , 1, 27], wie ich smit demselbigen mich leide V. 12; « L, 9], nach der Kraft Gottes* sdie in den Schwachen mächtig ist 2. Cur. 12, 9; Ephes. Z, 16 f. Anm.]; 9. Der uns hat selig gemacht sdurch das Werk der Erlösung, das an sich freilich alle Menschen ohne Ausnahme umfaßt 1. Tini. 2, 5 ff., aber doch zunächst nur uns Christen zugute kommt, die er zum ewigen Leben verordnet hat Apoftg. 13, 48; Rom. 8, 28 ff.] und berufen mit einem heiligen svon der Welt absondernden und zur Gemeinschaft mit ihm hinführenden] Ruf, nicht nach unseren Werken, sondern nach seinem Vorsatz und Gnade [Tit. Z, 4f.; Ephef 2, 4 ff.], die fals eine allerdings in seinem Rathschluß noch verborgene] uns gegeben ist in Christo Jefu vor der Zeit der Welt [Tit. l, Z; Ephes Z, U; 1. Cor. 2, 7], 10. Jetzi aber sin der Fülle der Zeit Gal- 4, 4; Ephes 1, 10] offenbart durch die Erschei- nung unseres Heilandes Jefu Christi fim Fleisch in ihrem ganzen Umfange], der sdenn da mit seinem Sterben und Auferstehen] dem Tod die Macht hat genommen [ihn um die bis daher be- standene Macht und Herrschaft gebracht und sogar der schließlichen völligen Aufhebung anheim ge- geben Hebr. 2, 14; 1. Cor.15,26; Offb. 21, 4; Ies 25, 8; Hof. is, 14] und shat dagegen mit seiner Auferstehung und Himmelfahrt] das Leben [im vollen Sinne, das keinen Tod kennt] Und ein unvergänglich Wesen sdas den Tod hinter sich hat] an’s Licht gebracht szum Gegenstand hellen Erkennens und glijubigen Ergreifens ge- macht] durch das Evangelium «« sdarin es verktindigt wird I. Tim. 2, S; Tit. 1, 3]; 11. Zu welchem [Evangelio, daß ich an dem felbigen diene mit Verkündigung und Hinaus- tragung in die Welt, insonderheit zu denen, die noch sitzen in Finfterniß und Schatten des Todes Jess 9- Z; LUk- 1- 791 ich gesetzt bin ein Pre- diger und Apostel und Lehrer der Heiden [1. Tini. 12. Um welcher Sache soder um welches meines so eben beschriebenen und in aller Treue ausgerichteten Berufe-E] willen ich solches swie ich jetzt hier zu Rom mit meinen Banden zu erdulden habe] leide sda ich ja nicht blos ein Gefangener Christi Jesu überhaupt, sondern speziell für die Heiden es bin Ephes Z, 1 U. 13]. Aber ich schäme michs nicht sdaß ich also leide, sondern rühme mich vielmehr dessen und freue mich darin Röm. S, s; Col. 1, 24]; denn ich weiß, an welchen [Gott] ich glaube fund mein Vertrauen auf ihn setze 1. Tini. 4, 10; Apoftg 27, 25], und bin gewiß, daß er fallen seindlichen Mächten gegen- über, die sie mir entreißen wollen] kann mir meine Beilage [das, was er als zukünftigen Besitz mir beigelegt oder zugedacht hat, nämlich die Krone der Gerechtigkeit Kap. 4, 8] bewahren bis an sjenen Tags« [den Tag Christi Phit 1, 10; «« 2. Thess l, 10., wo sie mir dann wird aus- geantwortet werden]. i) Jndem vorhin (V. 7) der· Apostel von dem uns Christen gegebenen Geiste verneinte, daß er ein Geist der Furcht oder Feigheit sei, gab er damit zu erkennen, daß er die Ursache, warum Timotheus der Erinnerung bedarf, die ihm einwohnende sonderliche Gnadengabe Gottes zu neuer Lebendigkeit wieder zu erwecken ; (V. 6), in einer Muthlosigkeit findet, die ihn befallen habe; und dem entsprechend lautet denn auch die»Er- Mahnung, die er auf Grund jenes Satzes sich soll ge- sagt sein lassen. Er soll sich des Zeugnifses des HErrn Jefu und Pauli, seines Gefangenen, nicht schämen, d. i. sich nicht so zu beiden stellen, daß er nichts mit ihnen zu thun haben will, weil er Unehre von ihrer Gemeinschaft sürchtet, sondern soll sich leiden mit dem Evangelio, wie Paulus, soll willig sein, wegen der Heilsbotfchaft mit dem Apostel Schlimmes zu ertragen; und er soll das thun nach Maßgabe göttlicher Kraft, die ihm nicht fehlen wird. (v. Hofmannh Sich der Sache des HErrn fchämen ist leicht möglich, insonder- heit in sanfteren Melanchthons-Naturen, wie auch Timotheus eine gewesen zu fein scheint, Naturen, die mehr zu geduldigem Leiden, als zu muthigem Streiten- für die Wahrheit geneigt sind. (v. Oofterzeeh Der Apostel sagt nicht: ,,fürchte dich nicht, erschrick nicht«, sondern: ,,schäme dich nicht«, weil keine Gefahr mehr ist, wenn man sich einer Sache nicht mehr schämt; denn wenn man sich schämd wird man niedergedrückt. (Chrysostomus.) Bemerkenswerth ist, daß Luther die Jntranfitive öfters reciprok brauchtx »lauf dich« in Jer· 2, 25 und: ,,leide dich« hier und anderwärts, f. v. a. trage Trübsal in Geduld. (Jütting.) Paulus will sagen: »wenn es an dich kommt, daß auch du etwas leiden mußt, um des Evangelii willen, so leide es geduldiglich, mit fröhlichen: und tapferem Gemüthe, nach meinem Exempel« (Tüb. Bib.) Wer die Hände auf sich legen läßt zum Predigtamt, lasse sie auch an sIJh legen zur Gefangenschaft, wenn es Gott so ver- hangt. (J. Lange) · it) Damit Timotheus noch nachdrücklicher zu muthigem Ausharren in feinem Berufe angeregt werde, Des Haupttheils erster Abschnitt: erwecke die Gabe Gottes, die in dir ist! 659 erinnert ihn Paulus an den unendlichen Reichthum der Heilswohlthatem zu deren persönlichem Genuß er durch das nämliche Evangelium gekommen sei, dessen er sich nicht schämen, sondern sich mit ihm leiden soll. (v. Oosterzee.) Daß Timotheus sich völlig von aller Amtswirksamleit zurückgezogen hätte, geht keineswegs aus dem Briefe hervor, vielmehr muß er irgend welche amtliche Stellung in Ephesus noch eingenommen und ausgerichtet haben; allein es fehlte viel daran, daß er mit der Auctorität und Hingebung eines apostolischen Stellvertreters arbeitete· Er beschränkte sich vorzugs- weise auf die Bezeugung seiner subjektiven Fröm- migkeit, setzte dagegen das amtliche Bezeugen hinten an» machte sich mit zeitlichen Nahrungssorgen ·zu schaffen (,Kap. 2, 3 ff.), ließ sich in avissenschastliche Verständigungen und Erörterungen mit den Sonder- lehrern ein (Kap. 2, 8. 16. 23), hatte nicht den Mut , die Gemeinde von Jrrlehrern zu reinigen (K-p. 2, 17 ff. , und predigte die Kernlehre des apostolischen Christen- thums nicht mit voller Entschiedenheit (Kap. Z, 8), um nicht einen scharfen Gegensatz hervorzurufem (Otto.) Unter solchen Umständen erinnert ihn der Apostel, was er der Heilsbotschaft verdankt und darum ihr schuldet; und wie» sollte» er seine Pflicht gegen sie aus Scheu vor irdisch zeitlichem Leiden verabsaumen, wenn ihm durch sie Leben und unvergängliches Wesen in das helle Licht gestellt ist, in welchem er es als unverkennbare Wirklichkeit vor sich sieht? Was ihm schon die Ueberschr1ft(V. l) zu Gemüthe fiihrenszmochte wenn sich Paulus einen Apostel Jesu Christi ,,nach der Verheißung des Lebens in Christo Jesu« nannte, dessen wird er hier erinnert, damit er sich des Zeug- nisses Jesu nicht schäme, noch muthlos vor den Leiden zuriickschrecke, die sein Zeugenberuf mit sich bringt. (v. Hosmann.) Gott hat uns selig gemacht und mit einem heiligen Ruf berufen in ganz unverdienter Weise; je weniger nun auf unsrer Seite ein Verdienst ist, um so mehr Anlaß ist da zu derjenigen dankbaren Gegenliebe, die sich dann auch im Leiden bewährt. Der Grund unsrer Berufung ist lediglich Gottes Vorsatz; derselbe erscheint, wird sichtbar in der Gnade, diese aber ist uns gegeben in Christo Jesu, d. i. in oder mit seiner ganzen Person, und sie ist uns gegeben vor der Zeit der Welt. Mit sol- chem Geben ist noch nicht das concrete, reale Geben gemeint, sondern nur erst das abstrakte, ideale, so daß es eigentlich ein Bestimmen, ein Zubilligen bezeichnet: durch den Rathschluß Gottes, der ja allerdings ein ewiger, d. h. außerzeitlicher ist, ist uns die Gnade von Ewigkeit her, außer der Zeit gegeben, bestimmt, beigelegt (Ephes. I, 4 ff.); darum aber, weil sie uns außer der Zeit gegeben war, mußte sie in der Zeit geoffenbaret werden, und wie dies geschehen, führt der Apostel weiter aus im 10. Verse. Die Erscheinung Jesu Christi ist da nicht, wie in l. Tini. 6, 14., seine Wiederkunft am Ende der Zeiten, sondern seine ganze irdische Erscheinung in der Fülle der Zeit; was er da gethan, ist einerseits das, daß er den Tod ver- nichtet, und andrerseits, daß er Leben und Unver- gänglichkeit an’s Licht gebracht hat. Wenn Paulus nun noch den Zusatz» macht: ,,durch das Evangelium«, so hat er schon den Gedanken im Sinne, den er in V. 11 dann auch ausspricht. (Plitt.) Der Grund unsers Heils lag schon vor der Zeit der Welt, wie er auch unbeweglich steht, wenn Erd’ und Himmel unter- geht; in Richtigkeit vor Gott kam dann das Heil durch Christi Erscheinung und durch alles, was er in selbigem ganzen Lauf durchmachte. Aber zu unsrer Kundschaft und Genuß kommt es erst durch das Evan- gelium; und diesem Wort der Versöhnung ein Amt aufzurichten oder Prediger zu sehen, ist auch ein wich- tiger Theil von Gottes Vorsatz und Gnade. (Rieger.) IN) Nicht nur des Zeugnisses Jesu, sondern auch des Apostels in seiner Haft sollte Timotheus nach V. 8 sich nicht schämen; nachdem nun die Begründung jener ersten Ermahnung in V. 9 u. 10 auf das ,,durch das Evangelium« l)inausgekommen ist, setzt die Rede mit einem schon in der ersten Epistel vorgekommenen Satze sich fort, um auch die andere Ermahnung zu begrün- den. Paulus ist dazu verordnet worden, die Heils- botschaft zu verkündigen, in die Welt auszugehen, um sie dahin zu bringen, und sonderlich um die Heiden- welt sie zu lehren: wie sollte Timotheus sich dessen schämen, den Gott hierzu verordnet hat? er müßte sich denn des Evangeliums schämen. Oder wie sollte er sich seiner um dessentwillen schämen, was er dermalen zu erleiden hat? schämt sich doch der Apostel selbst dessen nicht! (v.. Hofmann.) Daß Einem die Ursach seines Leidens recht in’s Licht gesetzt werde und im Gewissen unverdunkelt bleibe, daran ist sehr viel zur ausharrenden Geduld gelegen; man sehe, wie in Ioh. 15, 21 u. 16, 3 der Heiland seinen Jüngern hierin zu Hilfe gekommen ist. Die Welt, oft auch unsere Freunde, wie die des Hiob, möchten Einem ganz andere Ueber- schriften auf das Kreuz besten; selbst das eigene Herz will Einem abstehen und Einen bereden, man habe sich’s selbst zugezogen, so und so hätte man ausweichen können. Aber der Geist Christi hilft Einem wieder auf das rechte Darum. Unter der Andichtung anderer unlauterer Ursachen möchte man Einen dahin treiben, daß man sich der Leiden· Christi schämte, sich in die fleischlichenWege der irdisch gesinnten Menschen zurück- zöge, die alles so einzurichten wissen, daß sie mit dem Kreuz Christi verschont bleiben, und da sitzt es oft tief und wirkt schnell, was Einen in eine solche er- müdende Scham vor den Leiden Christi stürzen will; deswegen muß auch das, was selbige auszutreiben vermögend ist, von so durchdringender Kraft sein, als die Versicherung ist, die Paulus thut: ,,ich weiß, an wen ich glaube« (Rieger.) Jn Folge dessen, sagt er weiter, bin ich, nachdem ich schon manchen Beweis seiner mächtigen Durchhilfe erfahren habe (Kap. 4, 16 f.), gewiß, »daß er kann mir meine Beilage be- wahren bis an jenen Tag«; unter dieser Beilage kann man nur das Leben und unvergängliche Wesen, davon in B. 10 die Rede war, verstehen, und so sagt denn der Apostel auch in Kuh. 4, 8., daß die Krone der Gerechtigkeit für ihn bereit liege, und hat damit deutlich ausgesprochen, was er hier meine. (Plitt.) Brand, Raub und Krieg nimmt alles mit —- was ist’s? das Beste ist gesichertl Droben liegt’s im Himmel, und da ist’s wohl verwahret. (Hedinger.) 13. Halt sin deinen Lehrvorträgen, da ich doch wohl erwarten kann, daß du sie wirst wieder aufnehmen] an dem Vorbilde der heilsamen Worte swelches Vorbild mit denjenigen Worten dir ge- geben ist], die du von mir gehöret hast, vom krichtigerx im] Glauben und von [in] der Liebe in Christo Jesu sin derjenigen Liebe, welche Be- thätigung der Gemeinschaft mit Christo Jesu ist 1. Tini. 1, 14]. 14. Diese gute sin dem, was dir vertrauet it 1. Tini. S, 20., dir zu Theil gewordene] Beilage bewahre svor Entstellung oder Vernim- merung] durch den heiligen Geist, der in uns wohne» sund also allewege uns zu Gebote steht, 42’«· 660 2. Timotheum l, 15-—18. um das, was wir nach Gottes Willen ausrichten sollen, auch zu vollbringen]. 15. Das weißest du, das; sich gewendet Inder, wie Luther anderwärts schreibt: gekehrt] haben von mir fals solche, die nichts weiter mit mir wollen zu thun haben, mir den Rücken kehrend] alle, die in Asien sind, unter welchen ist Phygellus und Hermogenes [d. i. alle die in Asien, zu deren Klasse Phygellus und Hermogenes gehören]. 16. Der HErr gebe Barmherzigkeit dem Hause Onefiphori swelches ich nachher noch be- sonders durch dich werde grüßen lassen Kap. 4, 19]; denn er hat mich oft erquickt sdurch die Liebesweise, die er hat mir zu Theil werden lassen] und hat sich meiner Ketten nicht swie so viele Andere es gethan] geschämeh 17. Sondern da er shier 1. Cor.16, 8] zu Rom war sdahin kam Matth. 26, S; Apostg. 13, 5], suchte er mich sgerade darum, daß er von meinen Banden gehört hatte] aufs Fleißigste Und fand mich« [nach längerem Suchen in der volkreichen Stadt, wo er nicht sogleich sichere Nachrichten über meinen Verbleib Apstg. 28, 16 erlangen konnte] 18. Der HErr sChristus gemäß dem, was er in Matth. 10, 42 gesagt] gebe ihm [verleihe zur Vergeltung dafür ihm dies], daß er snun auch droben, wie er hienieden seinen Gefangenen aufgesucht und nicht eher geruhet hat, bis er ihn gefunden] finde Barmherzigkeit bei dem HErrn an jenem Tage [des allgemeinen Weltgerichts Matth. 25, 31 ff.]. Und wie viel er sOnesiphorusj mir sdies »Mir« ist von Luther hinzugefügt, im Grundtext fehlt es, so daß überhaupt vom Dia- konendienst an der Gemeinde die Rede ist] zu Ephefns gedient hat, weißest du am beftenW [so daß ich dir es nicht erst aufzuzählen brauche]. f) Ohne Anknüpfung an das Vorige, jedoch in gutem Zusammenhang damit, geht der Apostel zu einer neuen Ermahnung über; dieselbe tritt der vorigen insofern ergänzend zur Seite, als es nicht genu ist, daß Timotheus neuen Muth faßt, seine frühere ehr- thätigkeit wieder aufzunehmen, sondern sie muß auch rechter Art und die Lehre, die er Verkündigt, muß die des Apostels sein. (v. Hofmann.) »Halte an dem Vorbild der heilsamen Worte, die du von mir gehöret hast«, d. i. ahme die Maler nach, welche ihr Original auf das Treueste copirent was ich dir gegeben habe, sei dein Original, die gesunden Worte, die gesunde Lehre» (1. Tim. 6, 3; Tit. l, 9; 2, 1), im Gegensatz» gegen die Jrrlehren. (Theodoret.) Wenn Luther das, was weiter folgt, so übersetztx ,,vom Glauben und von der Liebe in Christo Jesu«, so hat er die Aus- drücke des Grundtextes für eine Andeutung dessen, was der Inhalt der heilsamen Worte gewesen, ge- nommenz sie sind aber vielmehr eine Bezeichnung der Art und Weise, in welcher Timotheus des Apostels Worte bewahren soll — nicht in äußerlich- mechanischer Weise soll es geschehen, sondern also, daß Glaube und Liebe gleichsam das Gefäß sind, in wel- chem das bezeichnete Vorbild aufbewahret wird, so daß es zugleich das persönliche und geistliche Eigenthum des Timotheus ist. Wenn dies stattfindet, dann wird er ohne die geringste Verletzung der Wahrheit die heilsamen Worte des Apostels selbständig reproduciren und diese keineswegs nur wie ein Echo in geistloser Weise wiederholen. (v. Oosterzeeh Den dem Timo- theus von ihm anvertraueten Besitz der rechten Lehre bezeichnet der Apostel als eine gute Beilage; und als Mittel der Bewahrung ist der heil. Geist genannt, der in ihm, wie in dem Apostel, wohnt und ihm so jederzeit bereit ist. Er steht im Gegensatze gegen eine nur den natürlichen Menschen in Anspruch nehmende weltliche Gelehrsamkeit. (Wiesinger.) Kurz vorher (V. 12) nannte der Apostel die ihm aufbewahrte Seligkeit seine Beilage, und hier nennt er den schönen, dem Timotheiis anvertrauten Schatz der gesunden Lehre eine Beilage, die derselbe bewahren soll: wie Gott treulich uns aufhebt, was er dort für uns niedergelegt hat, so will er, daß wir hier treulich das uns Anvertraute bewahren. (v. Gerlach.) Weil wir das Wahre, das Gute, das Schöne, so daß es uns für das Leben etwas Wesentliches und Bleibendes austrägh nicht nur als Begriff fassen können, son- dern es in conereter Ausgestaltung vor uns sehen müssen, darum war es vollkommen correkt, wenn der Apostel sich selbst als Vorbild für seine Schüler hinstellte. Ein Parteimann war ersja nicht; denn, wie das Resultat der geschichtlichen Entwickelung be- wiesen hat, in dem Streit zwischen Heiden- und Juden- christenthum handelte es sich nicht um die Gleichsetzung zweier gleichberechtigten Parteien, sondern um das Festhalten der Wahrheit gegenüber einer von der Wahrheit abirrenden Partei. Die Geschichte belehrt uns darüber, wie es sich im Streit der Kirche mit den verschiedenen häretischen Parteien verhielt; wenn also Paulus sich in seinem Festhalten an der gesunden Lehre als Vorbild für die Jüngeren aufstellt, so etablirt er damit keine Parteiorganisation und Partei- diseiplin, sondern er stellt den Jüngeren das Wahre in concreter Ausgestaltung vor. Wir verkennen zu oft, wie wichtig dies ist, und gerathen dadurch in einen zu weit gehenden Subjectivismus hinein: wenn wir von den großen Vorbildern, die uns die Geschichte zeigt, nicht lernen wollen, so verräth das eine sehr große Selbftgenugsamkeit, und die Folge wird sein, daß wir eine große Anzahl von Fehlern begehen, die für uns und für die Sache, der wir dienen, nur schmerzliche Folgen haben können. Die Wolke der Zeugen, die ja jetzt noch um ein Bedeutendes größer ist als zu den Zeiten des Verfassers des Hebräerbriefs (Hebr. l2, 1), sollen wir immer vor Augen haben; festhalten sollen wir das Vorbild, das sie uns gegeben haben. (Plitt. H) Dem Apostel haben als solche, die nicht auf ihn hören, ihm nicht zu Willen sein, überhaupt nichts mit ihm zu thun haben wollen, den Rücken gekehrt alle diejenigen in Asien, welche dem Timotheus damit be- zeichnet sind, wenn ihm die Namen Phygellus und Hermogenes genannt werden, so daß also diese vor- nämlich ihrer Zahl angehören (vgl. Kap. L, 17; I. Tun. 1, 20). Es hatte sich also in Asien eine Partei ge- bildet, die mit Paulo nichts mehr zu schassen haben wollte; sie werden das Gegentheil dessen gethan haben, wozu der Apostel den Timotheus so eben ermahnt hat— das Verhältniss, in welchem sie zu ihm als ihrem Lehrer des Evangeliums gestanden, haben sie abgebrochen. Was einst seine Widersacher in Corinth und Achaja erstrebt hatten, das ist hier geschehen, wenn auch nicht von ganzen Gemeinden, so doch von einer zahlreichen Partei, und ist gerade jetzt und Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht. 661 vielleicht in Folge dessen geschehen, weil er um des Evangeliums willen in Haft liegt. Wenn aber Timo- theus weiß, daß jene ganze Partei, und zwar nicht etwa nur innerlich, sondern erklärtermaßen dem Apostel den Rücken gekehrt hat, so muß ihm dies eine Mahnung sein, um so mehr seine Gemeinschaft mit ihm zu be- thätigen und ihn für die Bitterkeit jener Erfahrung durch solche Erquickung schadlos zu halten, wie er sie von einem Andern aus Affen, dem Onesiphorus, er- fahren hat;» und wenn er liest, wiewerth dem Apostel solche Erquickung gewesen ist, so wird er sie ihm doch seines Theils nicht vorenthalten wollen, ihm seine Liebe nicht weniger beweisen wolleii, als dieser One- siphorus. (v. Hofmanuh Als derselbe nämlich, wahr- scheinlich in Geschäftsangelegenheitem gegen Ende des Frühjahrs oder zu Anfang des Sommers a. 61 nach Rom kam, rastete er nicht, bis er den Apostel gefunden hatte; denn wenn Paulus es als etwas Sonderliches rühmt, daß er sich seiner Ketten nicht geschämt habe, so schließen wir daraus mit Recht, daß Onesiphorus ihn im Anfange seiner Gefangenschaft, d. i. zu einer Zeit besucht habe, wo es noch etwas Neues und Be- fremdliches war, den Apostel in Ketten zu sehen, und wo dieser selbst seine Verlassenheit dadurch erklären zu müssen glaubte, daß die ehemaligen Freunde und Ge- hilfen sich seiner Bande schämten. Von Onesiphorus nun rühren ohne Zweifel die Nachrichten über die ephe- sinischen Gemeindeverhältnisse her, die Paulus in Rom empfing; derselbe erftattete ihm Bericht, daß seine Ge- hilfen an den asiatischen Gemeinden sich in großer Zahl von ihm gewendet und daß Tiinotheus, theils durch die andauernde Gefangenfchaft des Apostels er- schreckt, theils von der Sorge für seinen Lebensunter- halt bedrängt, kleinmüthig geworden sei und sich weder der zerrütteten Gemeindeverhältnisse mit Energie an- nehme, noch die Arbeit am Worte mit rechtem Ernst fortfetze (Otto.) —- Hih Jn Vsp16 wünscht der Apostel zuerst nur dem H aus e des Onesiphorus Barmherzigkeit, in V. 18 thut er’s dann auch in Beziehung auf den Onesiphorus selbst; aufsallend ist dabei die zweimalige Setzung von »HErr«: der HErr gebe ihm, daß er finde Barmherzigkeit bei dem HErrn an jenem Tage! Der Apostel hätte allerdings die nochmalige Nennung am Schluß weglassen können; indem er aber in dem sich seinem Geiste darstellenden Gerichte Christum als den Richter sieht, drängt sich ihm das ,,bei dem HErrn« auf, das er niederfchreibh ohne ängstlich darauf Rücksicht zu nehmen, daß er mit »der HErr gebe« angefangen hat. (Huther.) Aus diesemGebets- wunfche in Verbindung mit dem Umstande, daß Pau- lus hernach nur das Haus des Onefiphorus grüßen läßt, schließt man gewöhnlich, daß derselbe bereits verstorben war, als Paulus die Epistel schrieb; dann aber würde aus der Stelle folgen, daß die höchste Entscheidiing über einen Menschen nicht sofort nach seinem Tode, sondern erst am jüngsten Tage geschieht und man daher auch einem Verstorbenen noch Gnade und Erbarmen bei dem HErrn erflehen könne für das letzte entscheidende Gericht. Aus diesem Grunde er- scheint jener Schluß denn doch sehr bedenklich; viel- mehr war Onesiphorus wohl noch bei Paulo zurüc- geblieben und von ihm zur Zeit der Abfassung des Briefs abwesend, etwa zu einem Dienste verwendet, was denn den Apostel veranlaßt, nachträglich noch seiner in Ephefus geleisteten Dienste zu gedenken. Diese sind nicht grade, wie Luther die Sache aufgefaßt und darum dasf,,mir« eingeschoben hat, ihn, dem Paulus, speziell geleistet, obwohl dasnicht ausgeschlossen ist (vgl. Rom. 16,2); sondern Onefiphorus war vielleicht der Diakonen (1. Tim. Z, 8 ff.) der ephesinischenGemeinde einer. Das 2. Kapitel. Treue dmtsnerriehtung Timothei. Trost im Leiden. Meiduiig etlichen: Laster. b. V. 1—21: sondern der Kraft. Wie der Apostel nach Maslgabe des Spruches in Kuv. 1, 7 den vorigen Abschnitt mit der Mahnung eröffnete: ,,Darum, so schäme dich nicht«, so beginnt er den hier vor— liegenden mit der Aufforderung: »so sei nun starb« und verlangt von Tiinotheus ein Starbwerden oder Sichanthun mit Kraft vermöge der Gnade Gottes in Christo, um Gott einen rechtschassenen und unsträs lichen Arbeiter darzustelleii sowohl in der Arbeit ini Wort als in der in der Lehre (1. Tini. 5,17). Was zunächst die letztere, die Arbeit in der Lehre be« trifft, so hat er die von seinem Lehrer empsangene christliche Wahrheit in derselben Weise, wie ei« sie empfangen, treuen Menschen, die zum Lehramte sich eignen, weiter zu überliefert» ohne sich zu sorgen, das! es ihm vielleicht darüber unter den als-vollenden Uinstiindeti schlimm ergehen hönne(l1.1—3); nnd zwar ist das Leiden, um das es in nächster Linie sich handelt, dies, dass er Mangel nnd Entbehrung hin« sichtlich seines Unterhalis auf sich nehmen muss. Da lcöniien drei Gleichuisse, das von einem Kriegsmann, der sich nicht in Händel der Nahrung flicht, das von einem Weltliämpfer in den Spielen und das non einem Achermanii auf dem Lande ihm solche Gesichts- puntite eröffnen, dass er sich dessen enthalte, was ihm nicht zusteht, sich dem unterziehe, was nun einmal ihm auferlegt wird, und sich beruhige iiuhiiiausblich auf die Zukunft (v. Lt—7). Was aber demnächst die Ilrbeit im Worte betrifft, fo weiss er ja, was der Iierupuiität der predigt des Apostels gewesen, nämlich das Zengnisz von Jesu Christo, dem Iluferstandeiietn der als der aus Davids Geschlecht hervorgegangene aller· dings vorerst der Messias Israel-s, aber mehr noch als dies, niinilich der tjeiland der Welt überhaupt, nnd also besonders auch der Heiden ist; und an diesem Kernpunkite hat er auch festzuhalten. Und wenn pau- lus jetzt uber diesem Evaugelio leiden ums! bis. an die Bande eines Verbrechers so hat er die Gemeinde« glieder über die Bedeutung solches Leidens. zu ver· ständigen, daiuit sie nicht müde werden um seiner Triibsale willen, die ja den Heiden eine Ehre sind, aber auch auf die Gefahr der Verleugnuiig Christi hinzuweisen, damit sie nicht durch Jrrlehrer von dem rechten Evaugelio sich abweudig machen lassen (v. 8 ———t4). Um Gott einen rechtschassenen und nnstrijss lichen Arbeiter in seiner Person zu erzeigen, ivird fijr Tiniotheus dem Stande der Dinge in Ephescis gemiist besonders das gehören, dass er recht lheile das Wort der Wahrheit, also des nngeistlicheu losen Gcschivätzes sich entschlage, wie er schon in der früheren Episkek hierzu ermahnt worden ist, nnd in keinerlei Weise dazu helfe, das; das ungöttliche Wesen immer weiter um sich greife (V. 15 u. 16). Bereits ist es mit Etlichen zu eigentlicher Goltlosiglieit gekommen; es giebt AuferstehungssLeugner in Ephesus, deren Wort am Leibe der Gemeinde um sich srisst wie der Krebs (v. 17 u. 18). Aber ob da gleich so Manche ihren Glauben verkehren lassen, der von Gott gelegte Grund einer ijchten wahren Kirche bleibt dennoch uner- schutterlich fest stehen; dask ineineui so graste-n Hause, zu welchem dieser Grund bereits herangemachseig siih auch zerbrechliche Getöse, ja solche finden, die wie zu Uuehren gemacht erscheinen, kann nicht befremdein es gilt aber, sich durch Absonderung von solchen Leuten, 662 2. Timotheum 2, 1——8.. welche diese Gefässe zu Unehren bilden, zu reinigen, um selber ein geheirigt Fuss zu sein zu Ehren, dem Hausherrn Bränchliuj O. 19—2i). I. So sei fdus nun fstatt daß du dich der Muthlosigkeit überlässest und so in die Gefahr gerathen möchtest, dich auch von mir zu wenden, wie jene in Asien Kap 1, 15] stark sEphes S, 10], mein Sohn [der du ja noch mehr als Onesiphorus Kap. l, 16 ff. dich gedrungen fühlen mußt, mir in Treue anzuhangen], dnrch die Gnade sdie uns gegeben ist Kap. I, 9 f.] in Christo Jesu sindem du aus ihr die zur Ausrichtung deines Berufs erforderlichen Kräfte, die sie ganz nach Bedürfniß dir darreicht, entnimmst Joh. I, 16; Phil. 4,12f.]; 2. Und was du von mir gehöret hast [gleich- sum] durch viel Zeugen [hindurch, d. i. von ihnen umgeben, in ihrer Gegenwart und Genossen- schaft], das befiehl sübergieb als ein thenres, wohl zu bewahrendes Gut Apostg. 14, 23; 20, 32 der von dir beim Abschied von mir Kap. I, 2 Atem. übernommenen Aufgabe gemäß] treuen fund zu- verläfsigen] Menschen, die da tüchtig sind, auch Andere zu lehren fund also geeignet, als Evan- gelisten zu dienen Ephes. 4, 11 oder einmal das Amt der Aeltesten zu bekleiden l. Tim. 5, 17]. Z. Leide dich fwenn du da mit Leuten es zu thun bekommst, die nicht im Stande sind, dir deinen Unterricht reichlich zu lohnen, und nun um deine Kasse es schlecht bestellt ist] als ein guter Streiter Jesu Christi« sder darauf gefaßt ist, daß er bei Ausrichtung seines Dienstes allerlei Noth und Gefahr auf sich nehmen muß, und bereit und willig ist, auch, wenn es gilt, das Leben darüber zu lassen]. 4. Kein Kriegsmann fder für Sold zum Kriegsdienst sich hat anwerben lassen l. Eor. 9, 7] slicht sich in Händel der Nahrung [als müßte er noch auf Nebenwegen seinem Uuterhalt zu Hilfe kommen, sondern sein einziges Trachten ist, seinen Dienst gut und mit Aufbietung aller Kräfte zu ver- richten, für welchen er den Sold empfängt], auf daß er gefalle dem, der ihn [zum Kriegsmannq angenommen hat fund von ihm dereinst, wenn der Sieg gewonnen ist, werth geachtet werde, an dem Siegesgewinn Antheil zu haben] 5. Und [um ein anderes Bild zur Veran- schaulichung eines weiteren hierher gehörigen Ge- dankens dir vorzuführen] so jemand auch kämpfet lin den Wettspielen, wie sie beim Griechenvolk in Brauch sind 1. Eor. 9, 24 Anm., als Kämpfer aufzutreten gedenkt], wird er doch nicht sschon um deswillen allein, daß er über- haupt kämpfet] gekrönet fer erlangt vielmehr den Siegeskranz sicherlich ni.cht], er kämpfe denn recht fin solcher Weise, wie es nach den, Regeln der Kunst zur Erlangung des Sieges erforderlich ist]. 6. Es soll aber fum noch ein drittes Gleich- niß beizubringen, das die Wahrheit, um die es sich hier handelt, von einer neuen Seite beleuchtet] der Ackermanm der funter Mühe und Arbeit 1- Tun· 4, 103 den Acker bauet, der Früchte fdie derselbe seiner Zeit einträgt] am ersten fvor allen Andern, die erst mittelbar durch ihn sie beziehen] genießen [1· Cur. 9, 7. 10]. Merke, was ich sage [damit es auch den Zweck erreiche, auf wel- chen ich damit hinauswill Niatth 24, 15]. 7. Der HErr aber wird dir fwenn du nur erst darauf merkst] in allen Dingen sdie hierbei in Betracht kommen] Verstand [Ephes. s, 4] geben«« fund dir dazu helfen, daß du der Sorgen, die dich drücken, Herr werdest]. If) Wenn der Apostel mit »du nun« zur Ermahnung zurückkehrh so soll fiel) Timothens das, wozu er ermahnt wird, in Betracht der Thatsachen gesagt fein lassen, deren in Kap. 1, 15 ff. gedacht ist. Er weiß, wie Viele in seiner Nähe, in Asien, das Band an ihrem Theile zerrissen haben, das die dortigen Gemeinden an den Apostel knüpfte, und hat dessen dankbares Rühmen der Liebe vernommen, die er von einem gleich ihm der ephesinischen Gemeinde Angehörigen, dem Onesiphorus erfahren hat: wie sollte er nicht, Er, der zu dem Apostel in dem sonderlich nahen Ver- hältnisse steht, welches ihm die Anredex »Mein Sohn« in Erinnerung bringt, das Unrecht der Einen und das Beispiel des Andern sich einen zwiefachen Antrieb sein lassen, der Ermahnung des Apostels nachzukomnien? Sie geht dahin, daß er stark werden soll; es ist aber nicht ein solches Starkwerden gemeint, wie wenn Einer seinen natürlichen Muth zusammennimmh son- dern ein Starkwerden ,,durch die Gnade in Christo Jesu«, d. i. kraft der in Christo Jesu uns vermittelten Gnade. Aus ihr soll er die Stärke gewinnen, deren er bedarf, nachdem ihm der ålliuth gesunken ist, die Berufsthiitigkeit zu üben, für die er Begabung em- pfangen hatte; und zwar soll er das, was er aus des Apostels Munde vernommen, solchen verlässigen Men- schen, die im Stande sein werden, auch Andere zu lehren, anbefehlein Dies ist seine Aufgabe, durch deren Erfüllung er gemäß seiner Stellung zum Apostel solche Liebe gegen ihn erzeigen kann, wie Onesiphorus an seinem Theile gethan, und ihn um das trösten kann, was er von jenen »in Asien« hat erleben müssen; er soll mit solchem Anbefehlen dafür sorgen, daß des Apostels Lehre, um die es ihm ja mehr zu thun ist als um seine Person, auch ferner gelehrt werde, also nicht blos, wie er in Kap. 1, 13f. ermahnt wurde, selbst an ihr bleiben. Dort hieß es: »die du von mir gehört hast«, jetzt heißt es: »was du von mir ehört hast durch viel Zeugen-«; damit wird dem imo- theus zu Gemüthe geführt, daß es sich nicht um eine Lehre handle, die nur in der Stille von Einem zum Andern mitgetheilt sein wolle, denn so hat er sie nicht überkommeu Nicht unter vier Augen hat ihn der Apostel darin unterrichtet, sondern wenn er ihn lehren hörte, so war es in Vieler Gegenwart; dann ist es aber auch keine Lehre, die er für sich behalten oder nur diesem und jenem gelegentlich mittheilen mag, sondern Lehrer wollen bestellt sein, die sie weiter ver- breiten, und dies soll er seine Aufgabe sein lassen. Er muß, wenn ihm an des Apostels Lehre gelegen ist, den Muth haben, für ihre weitere Ausbreitung Sorge zu tragen; denn des Muthes bedarf es hierzu, Der Geist, den Gott uns gegeben, ist vielmehr ein Geist der Kraft. 663 er wird die Folgen, die eine solche Thätigkeit für ihn haben kann, auf sich nehmen müssen. (v. Hofmann.) Aus der Kirchengeschichte ist bekannt, wie sich zu Alexandrien in Afrika seit der Mitte des 2. Jahrh aus der ursprünglichen Katechuinenenanstalh worin diejenigen, welche zur Taufe vorbereitet wurden, den Unterricht im Christenthum empfingen, eine Art von theologifchem Seminar entwickelte; die Verhält- nisse jener Stadt erforderten es, daß die an der An- stalt arbeitenden Katecheten oder Lehrer, weil sie häufig vor gebildeten Griechen die christlichen Lehren vorzu- tragen und zu vertheidigen hatten, wissenschaftlich ge- bildete Männer waren, und diese nun beschränkten sich nicht blos auf ihren eigentlichen Beruf, den auf die Taufe vorbereitenden Unterricht den Katechumenen zu ertheilen, sondern suchten auch junge, an sie sich an- schließende Männer hauptsächlich zu künftigen Lehrern des Christenthums diirch Umgang und Vorträge aus- ubilden. Die kirchliche Tradition bezeichnet den vangelisten Johannes Markus wie als Stifter der alexandrinischen Gemeinde, so auch als Urheber der alexandriiiischenKatechetenschule; das beruht schwerlich auf geschichtlicher Wahrheit, wohl aber müssen die Keime zu derartigen Einrichtungem wie sie ein Jahr- hundert später in voller Ausgestaltung erscheinen, schon zu des Apostels Zeit in Ephesus und anderwärts vor- handei1 gewesen sein, weil erst unter dieser Annahme der Inhalt der Pastoralbriese uns zu ordentlichem Verständnis; kommt. So z. B. wurden auf dem alexandriiiischen Seininar Besoldungen nicht ertheilt, aber bemittelte Katechumenen gaben Geschenkex ebenso bestand die Lehrart nicht selten in einem Wechsel von Frage und Antwort, und wer es wünschte, erhielt auch Unterweisung in den philosophischen Diseiplinen und Unterweisung zu tieferer Einsicht in geheimen Unterredungen. Pf) Jn 1. Tim. S, 6 ff. hat der Apostel Gelegen- heit genommen, den Tiinotheus vor Geldsucht zu Warnen, die ihn verleiten könnte, sich von dem rich- tigen Lehrerberufe auf die einträgliche Verwerthung unnützer Schriftgelehrsamkeit zurückzuziehen; der Ge- warnte hat nun auch dem ihm ertheilten Winke dahin Folge geleistet, daß er ferner nicht mehr auf derartigen Erwerb ausgegangen ist, daher, wie wir früher bemerkt haben, Paulus ohne Bedenken ihn zum Dienst an der Collektensache in Macedonien und Achaja heranziehen und den Corintherii als einen zuverlässigen Arbeiter am Werke des HErrn empfehlen konnte (1. Cor. 16, 10). Als derselbe nun aber später zum zweiten Mal nach Ephesus vom Apostel entsendet wurde (vgl. zu Kap. I, 2), trat er dort in Verhältnisse ein, die ihn bei demjenigen Verhalten, das ihm zur Pflicht gemacht worden war, in eine gar dürftige, entbehrungsvolle Lage versetztenz denn in Folge des Abfalls vom Apostel und der Bildung einer großen Gegenpartei, von der wir in Kap. 1, 15 gehört haben, begehrte man eines Lehrers nicht, der an dem Vorbild der heilsamen Worte hielt, die er von jenem gehört, sondern honorirte, auch in der herkömmlich gewordenen Bedeutung dieses Ausdrucks, nur solche, die es mit Phygellus und Her: mogenes hielten, der Unterricht von dergleichen Männern dagegen, wie sie in V. 2 genannt werden, brachte nur wenig ein. Da galt es denn für Timotheus, zunächst in dieser Hinsicht als ein guter Streiter Jesu Christi sich zu leiden, daß er in solche Lage sich finde und sich nicht etwa um ihretwillen es leid sein ließe, ein Schüler und Gehilfe Pauli zu sein, während er es als Jünger und Diener des zur Herrschaft gekommenen Zeitgeistes ohne Zweifel viel besser gehabt haben würde und mit der Gabe, die er besaß (Kap. 1, 6), ein Geschäft hätte machen können. Alle derartige Ge- danken aus dem Sinne sich zu schlagen, dazu soll ihm das erste Gleichniß in V. 4 verhelfen; dasselbe bringt ihm zum Bewußtsein, wie schlecht es sich für ihn schicken würde, wenn er, statt unbedin t seinem Berufe zu leben, nebenher auf irdischen rwerb Bedacht nehmen wollte. Und wie nun dieses Gleichniß ihm ein Starkwerden dahin zumuthet, daß er allem eigenen, materiellen Jnteresse als Kriegsmann Jesu Christi entsage, so bringt das zweite Gleichniß in V. 5 zu dem abstine (,,enthalte dich«) auch das sustine (,,nimm aufdiih«): willig soll er auf sich nehmen, was sein Beruf ihm Hartes und Schweres auferlegt, und sich nicht von den Wettkämpfern im Cirkus beschämen lassen, die gern und ohne alles Widerstreben sich demjenigen unterziehen, was die für ihren Stand bestehenden Vorschriften ihnen zur Pflicht machen sowohl bei der Vorbereitung auf die Wettkämpfe, als bei der Aus- führung derselben. Sie thun das im Hinblick auf den Ehrenkranz, den sie im Falle des Sieges davontragen, und in dem Bewußtsein, daß ohne Beobachtung jener Vorschriften der Sieg nicht zu erlangen ist; aber Pau- lus weist hier nicht abermals, wie in I. Cur. 9, 24 f., auf die dem vergänglichen Siegeskranz als Gegenbild gegeniiberstehende uiivergängliche Siegeskrone (Kap. 4, 8) hin, weil Tiniotheus ja von selber schon ,,merken wird, was er sage«, er führt vielmehr noch eiii drittes Gleichniß ein, dessen Sinn auf dasjenige hinauskommt, was in Dan. 12, 3 geschrieben steht: »die Lehrer werden leuchten wie des Himmels Glanz, und die, so Viele zur Gerechtigkeit weisen, wie die Sterne immer und ewiglich.« Aber damit Timotheus nicht in seinem Herzen sage, was helfe ihin der zukünftige besondere Lohn, der den treuen Lehrern zugesagt sei, wenn er hienieden in seinem Amte müsse darben und am Durch- kommen durch’s Leben verzagen, so deutet Paulus mit dem Worte: »der HErr wird dir in allen Dingen Verstand geben« an, es liege in diesem Gleichniß auch ein tröstlicher Sinn für fein irdisches Fortkommen. Dem Ackernianm der das Feld draußen unter älliühe und Anstrengung bauet, hat Gott den Vorzug gegeben, daß er auch den Ertrag der Felder vor allen Andern zuerst zu genießen bekommt; und so wird der- 1enige, der im geistlichen Verstande ein Ackerwerk (1. Tor. Z, 9) bauet, schon auch das Nöthige zu seinem Unterhalt empfangen, der HErr wird ihn nicht ver- lassen noch versäumen. 8. Halt sbei deinen Vorträgen vor der Ge- meinde 1. Tim. 4, 13., damit du sie also ein- richtest, wie die Aufgabe der christlichen Heils- predigt oder des Amtes des Wortes erfordert Apostg. 6, 4z 1. Tun. 5, 17·, wo es vor allem darauf ankommt, daß die Gläubigen erkennen Jhn und dieKraft seiner Auferstehung Phil Z, 10] im Gedachtmsz Jesum Christum lals Devi- dek auf- erstanden [genauer: auferwecket Apostg 4, 10] ist von den Todten [und dadurch zu einem HErrn und Christ gemacht für alle Welt Apostg 2,736], aus dem Samen Davids [hervorgegangev, wie es die Weissagung zuvor Verkündigt hatte Z· Sam. 7, 12 f.; Jes. 49, S; Pf. 72, 1 ff.], nach meinem Evangelio [das besonders darauf sein Absehen gerichtet hat, den Gehorsam des Glaubens auf- zurichten unter allen Heiden Rom. 1, 1 ff; 16, 25 H; 664 2. Timotheum 2, 9——21. 9. Ueber welchem [Evangelio, es zu verant- l worten und zu bekräftigen Phil. 1, 7. 17] jch mich leide [Kap. 1, 8 Anm.] bis an die Bande als ein Uebelthater sbis zu dem Grade, daß ich willig auch der Haft eines Verbrechers mich unterziehe Col. 4, 18]; aber Gottes Wort ist [da1nit, daß ich selber nun ein Gebundener bin Kap. 1, 8] nicht gebunden sdaß es fortan seinen Weg durch die Welt nicht weiter ziehen könnte 2. Thess. 3, 1., im Gegentheih wie es um mich stehet, das wird nur mehr zur Förderung des Evangelii gerathen Phil. l, 12 f.]. 10. Darum sweil ich das weiß und also um des Evangelii selber willen vor diesem meinem Leiden nicht zurückzuweichen brauche] dulde ich fmit um so größerer Freudigkeit] alles [und wenn es auch noch Schlimmeres sein sollte als Gefängniß und Bande Phil. 2, 17] um der Auserwählten willen ldie Gott besonders aus der Heidenwelt zu seinem Reich erkoren hat Tit. 1, 11; Röm. 8, 29 f.], auf daß auch sie sdadurch, daß ich er- statte an meinem Fleisch, was noch mangelt an Triibsalen in Christo Col. I, 24] die Seligkeit erlangen in Christo Jesu mit ewiger Herrlichkeit* swie selbiger ich für meine Person mich tröste in meinem Gefängniß, mit welchem wohl die Zeit meines Abscheidens vorhanden ist Kap. 4, 6 sf.]. 11. Das ist je gewißlich wahr sso halte ich mir vor]: Sterben wir mit [indem wir gleich Christo es auch das Leben uns kosten lassen, wenn es um Gottes Sache sich handelt], so werden wir mit leben sindem wir gleich Dem, der von den Todten auferwecket worden, vom Tode wieder- erstehen und zu seiner Herrlichkeit eingehen 1. Thess s, 9 f.; Rom. 8, 17]; 12. Dulden wir swas immer im Dienste Christi uns Hartes und Schweres auferlegt wird], so werden wir mit herrschen swenn nun Er, unser HErr, erscheint, sein Reich auf Erden anzurichten Matth. 19, 28; Offeulx 5, 10; 20, ej. Ver: leugnen wir lso steht auf der andern Seite aber auch fest], so wird Er svon welchem einst die Entscheidung über unser ewiges Geschick abhängt, je nachdem er sich zu uns als den Seinen be- kennet oder nicht] uns auch verleugnen sam Tage des jüngsten Gerichts Matth. 7, 23; 10, 33; Luk. 9, 26]. 13. Glauben wir nicht findem wir ein Ver- halten an den Tag legen, welches das Gegentheil von demjenigen ist, mit welchem die Gläubigen sich als solche ausweisen Hebr. 10, 39], so bleibet Er sim Gegensatz, zu unserm Wortbruch, da wir ihm doch Glauben zugesagt, seinem Worte] treu; er kann sich selbst nicht leugnen« sdaß er zu dem, der nicht Glauben hält, so sich stellen sollte, als wäre derselbe ihm eben so lieb und Werth, als wenn er Glauben gehalten hätte Röm. Z, 3 f.]. 14. Solches [wie ich hier in V. 9——13 es dir vorgehalten habe] erinnere sie fdie Ephesey wenn du ihnen deine Vorträge beim öffentlichen Gottesdienste hältst V. 8., damit sie meine Bande, die ich leide, im rechten Lichte betrachten lernen und sich um ihretwillen nicht mir und meinem Evangelio von Seiten der Verführer Kap. 1, 15 abwendigmachen lassen Ephes 3, 13], und be- zeuge smtt besonderer Beziehung auf das zuletzt Gesagte V. 12f. in nachdrücklicher Betheuerung 1. T1m. o, 21; 6, 13; Ephes 4, 17] vor dem HErru fbet dem soviel darauf ankommt, daß wir ihn nicht verleugnen und ihm nicht die Treue brechen], daß sie nicht fdurch Duldung, ja Be- günstigung der Streitlehrer in ihrer Mitte I. Tim. 6, 4; Tit. ,3, 9] um Worte zanken, welches sWortfechterekTreiben zu] nichts swas die Besserung zu Gott im Glauben 1. Tim. 1,4 fördert] niitze ist fund zu nichts sonst d1ent], denn s·d1ejenigen] zu verkehren, die da zuhören-s« sweil ihnen die Hauptsache, auf die es im Christenthum ankommt, aus den Augen gerückt wird, vgl. V. 8]. is) Eigenthümlich ist unserm Briefe die wiederholte Erwähnung und Besprechung seiner Gefangenschaft von Seiten des Apostels, sowie die Art und Weise, wie er sie bespricht(vgl. Kap. 1, 8. 12; 4, 6—8. 16—18); dieselbe hat es überall darauf abgesehen, dem Timo- theus den rechten Standpunkt anzuweisen, von welchem aus er diese Gefangenschaft anzusehen habe, und hat da mit unserm Briefe die relativ meiste Aehnlichkeit die Epistel an die Epheser (vgl. Ephes Z, 1 ff.; S, 19 f.). Man überzeugt sich wohl, daß Paulus nicht am Ende, wohl aber im Anfange seiner Gefangenschaft Ver- anlassung hatte, seine Bande in das rechte Licht zu stellen und den Timotheus zu erwähnen, sich seiner, des Gefangenen, nicht zu schämen: jede spätere Er- mahnung dieses Jnhalts wäre gegenüber der That- sache, daß Timotheus dem Apostel in seinen Banden mit wahrhaft kindlicher Treue gedient hatte (Phil. 2, 22), völlig unbegreiflich. (Otto.) H) Von einer ewigen Herrlichkeit hat der Apostel vorhin V. 10 geredet, die mit der in Christo Jesu ge- gebenen Seligkeit oder Errettung verbunden ist; zu ihr will er Andern verhelfen, nachdem er selbst ihrer in Hoffnung theilhaft ist, und er würde seinem Berufe fehlen, wenn er nicht zu diesem Zwecke alles erduldete, was ihn betreffen mag. Welch hohes Ziel, diese ewige Herrlichkeitl Jm Blicke auf sie bricht er in den Aus- ruf aus: »das ist je gewißlich wahr (1. Tim. 1, 15): sterben wir mit, so werden wir mit leben; dulden wir, so werden wir mit herrschen«. Der Ton liegt auf den Na ch sätz en, die Verheißung wird zugesicherh nicht, wie manche Ausleger meinen, die Bedingung eingeschärfh sonst müßte mit dem ,,sterben wir mit«, was offenbar im leiblichen Sinne zu verstehen ist (nicht aber in dem Sinne von Röm. 6, 8), eine Bedingung benannt sein, die jeder erfüllen kann, was aber nicht der Fall ist, da es sich auch nicht um die blos ideelle Dahingabe des Lebens in den Tod (1. Cor. 15, 31; 2. Tor. 4,10) handeln kann. Wie sollten wir ein Sterben fürchten, will der Apostel sagen, welches Gemeinschaft des Sterbens Christi ist, wenn uns darnach ein Leben in Aussicht steht, welches Gemeinschaft seines Lebens ist? und wie sollten wir anstehen, in der Gegenwart zu dulden, wenn wir Gewißheit haben, dafür das So sei nun stark durch die Gnade in Christo Jesu! 665 königliche Herrschen Christi zu theilen? Es gehört das, was unter dem ,,mit herrschen« gemeint ist, jener Zukunft an, wo Christus aus seiner Ueberweltlichkeit in die Welt wiederkehrt, sein Reich auf Erden aufzu- richten; die hiermit anhebende Herrschafr der Gläu- bigen über die Welt ist das Gegenspiel ihrer jetzigen Bedrängniß durch die Welt. Solchen Verheißungen gegenüber ergeht nun aber auch die Warnung vor dem Gegentheile dessen, was solche Verheißung hat; und da liegt denn der Ton auf den Bord ersätzenx ,,verleugnen wir«, — ,,glauben wir nicht«, bei letzterem aber auch auf dem Nachsatze: »so bleibet Er treu«, wie sich aus der weiteren Ausführung des Gedankens ergiebt. Er, der sich selbst nicht leugnen, nicht ver- neinen kann, wird nicht, wie der ihm Untreue, mit sich selbst in Widerspruch treten, sich nicht zu dem, der nicht Glauben hält, so stellen, als ob er ein Gläubiger sei, womit er sich eben verleugnen, sich so geben würde, als sei ihm Treue und Untreue Eins. (v. Hosmann.) Es ist ein grobes Mißverständniß, wenn man den Ausspruch des Apostels als ein Trostwort auffaßt, etwa in dem Sinne: wenn wir auch aus Schwachheit untreu sind, wir dürfen uns mit dem Gedanken be- ruhigen, daß er sein Wort nicht brechen, sondern dessen ungeachtet seine Treue an uns erweisen werde; im gesunden Sinn ist dieser Gedanke gewißlich wahr, aber der Zusammenhang der Rede zeigt deutlich, daß der Apostel hier mit Nachdruck warnen und mit andern Worten sagen will: bilde dir nicht ein, daß, wenn du untreu wirst, die Strafe des HErrn aus- bleiben würde; er ist ebenso treu in feinen An- drohungen, als er es in seinen Verheißungen ist. (v. OosterzeeJ TM) Streiten um Worte ist zu allen Zeiten in der s Kirche vorgekommen; manche Verwirrung, manche Spaltung ist durch solches Streiten erzeugt worden. Man meint, um die höchsten und wichtigsten Güter zu streiten, und am Ende ist der Grund des ganzen Streites doch nur der, daß wir die Worte der Gegner und sie unsere Worte nicht recht verstehen: wie gut wäre es da, wenn wir, ehe wir uns in einen Streit einlassen, erst recht ruhig prüften, ob es wirklich nöthig sei zu streiten! (Plitt.) 15. Besleißige dich, Gott zu erzeigen einen rechtschasfenen sbewährten, wie Luther ander- wärts schreibt Röm. 16, 10, und] unstriiflichen svor seinem Urtheil wohl bestehenden Phil. 1, 201 Arbeiter, der da recht theile das Wort der Wahrheitzt 16. Des ungeistlichen [nur dem Geschmack ungeistlicher Leute zufagenden 1. Tim. 4, 7] losen sunnützen und eitlen] Geschwiitzes [aber, wie bei den Sonderlehrern zu Ephesus es im Schwange geht 1. Tim. 6, 201 entschlage dich [Tit. Z, 9]; denn es hilft viel zum nngbttlichen Wesen sdem- selben dahin Vorschub zu leisten, daß es einen zubereiteten Boden in den Herzen findet, wenn nun Jrrlehrer austreten, die geradezu der Gottlosig- keit huldigen]. 17. Und ihr Wort sdas Wort derer, bei denen es wirklich schon hierzu gekommen ist] frißt Um sich wie der Krebs sdiese entsetzliche Krankheit, die einen Theil des Leibes nach dem andern an- steckt], Unter welchen sbis zur Gottlosigkeit schon sortgeschrittenen Jrrlehrern] ist Hymenaus Und Philetttä » 18. Welche Weide] der Wahrheit sin einem Maße] gefehlet haben sdaß sie schon ganz von ihr abgekommen sind] und sagen, die Auferstehung sei sfür die Gläubigen damit, daß sie die Er- weckung oder Wiedergeburt erfahren Ephes b, 14; Röm. S, 4] schon geschehen fund sei also eine Auferstehung des Fleisches nicht mehr zu erwarten 1. Cor. 15, 12 ff. Anm.], und haben [nun] etlicher Glauben berichtet« sso daß dieselben, sich zu ihnen schlagend, ebenfalls den christlichen Glauben preisgegeben haben]. 19. Aber swas bei alle dergleichen betrüben- den Erfahrungen dem Herzen der Gläubigen zur Beruhigung gereicht, ist dies, daß] der feste Grund Gottes bestehet sunerschüttert steht] und hat dieses Siegel [vgl. 4. Mos. 16, 5]: Der HErr kennet die Seinen; Und sdazu den andern Satz 4. Mos. 16, 26; Jes. 5"2, 11]: Es trete ab von Un- gerechtigkeit, wer den Namen Christi nennetkstt 20. In einem großen Hause [1. Tini· 3, 151 aber sind swas ihren, aus dem Stoff, daraus sie bereitet sind, sich ergebenden Bestand oder Unbestand betrifft I· Cor. Z, 12] nicht allein güldene und silberne Gefäße, sondern auch hölzerne Und irdenez und sandrerseits, was ihren, aus dem Gebrauch, dazu sie bestimmt sind, sich ergebenden Werth oder« Unwerth betrifft] etliche zu Ehren, etliche aber zu Unehren sRöm. 9, 21 ff.]. 21. So nun jemand sich reiniget von solchen Leuten swie ich sie bei den Gefäßen zu Unehren im Sinne habe, ans ihrer verunreinigenden Ge- meinschaft heraustritt, wozu ich dich schon in I. Tim. 6, 5 ermahnete], der wird ein geheiligt Faß sein, zu den Ehren svon denen vorhin V. 20 die Rede war, dienend], dem Hausherrn bråuchlich [zur Förderung der Wohlfahrt seines Hauses] und zu allem guten Werk bereitets fund ein solch Gefäß zu sein ist ja doch wohl auch deines Herzens angelegentlicher Wunsch V. 15]. ») Luther in der Randglosse erklärt diesen Ausdruck also: »daß er nicht das Gesetz und Evangelium in einander Menge, sondern treibe das Gesetz wider die Rohen, Harten, Bösen, und werfe sie unter das welt- liche Regiment oder in den Bann, aber die Blödem Betrübten und Frommen tröste er mit dem Evangelio.« Andere sehen ihn an als ein Gleichniß, von einem Haushalter hergenommen, der einem jeden zutheilet, Großen und Kleinen, was ihm noth ist und gebühret: also muß mit Timotheo ein Lehrer und Haushalter Gottes (1. Cor. 4, 1) seine Zuhörer unterrichten, leiten, warnen, trösten, wie sie es bedürfen, einem jeden soviel sagen und von dem Wort zueignen, was und soviel er nützlich gebrauchen und ertragen kann; insonderheit daß er den Schwachen Milch, den Starken Speise vorlege, die Sicheren nicht tröste, die göttlich Betriibten nicht ohne Noth mehr ängstige und schrecke. Es soll aber der Ausdruck an unsrer Stelle wohl nur soviel bedeuten, als: recht mit dem Evangelio verfahren, 666 2. Tiinotheum Z, 21. nicht von dem Hauptzweck auf Neben- und· unnütze Dinge oder Umwege gerathen, vgl. das ,,nicht richtig wandeln nach der Wahrheit des Evangelii« in Gal. 2,14. (Starke.) H) Wenn der Apostel schreibt: ,,ihr Wort frißt um sich wie der Krebs«, so glaubt man insgemein die- jenigen gemeint, welche sich mit solchem umtreiben, womit sich Timotheus nicht zu schaffen machen soll; aber zu diesen würden dann auch Hymenäus Und Philetus zählen, von denen es heißt, daß sie lehren, die Auferstehung sei schon geschehen, und es ist« doch unglaublich, daß solche grundstürzende Jrrlehre nur als ungeistliches, des Wahrheitsgehalts entbehrendes Geschwätz bezeichnet und Timotheus nur, sich nicht damit zu befassen, ermahnt sein sollte. Man wird also das Subjekt für das ,,ihr Wort« aus dem Re- lativsatze: »unter welchen ist Hymenäus und Philetus« zu entnehmen haben; diese werden hier ebensowenig, als in Kap. 1, 15 Phhgellus und Hermogenes und in 1. Tini. l, 20 Hhmenäus und Alexander, nur beispiels- weise mit Namen angeführt, sondern man hat sie für die Häupter eines Anhangs zu halten, welcher in des Timotheus Nähe, verschieden von den Anhängern jener Sonderlehrer in V. 16., die nur an den müssigen , Erörterungen und Streithändeln einer ungeistlichen s Schristgelehrsamkeit Gefallen« hatten, so grundstürzende Jrrlehre hegte, wie· daß» die Auferstehung schon» ge- schehen sei. Daß sich diese Jrrlehre bei Gnoftikern späterer Zeit findet und daß sie schon zur Zeit des Apostels aufgekommen war, ist um so verträgliclieu je leichter sich ihre Entstehung begreifen läßt. Wir wissen aus 1. Eor.15., wie gern sich heidnische Christen der Lehre von einer zukünftigen leiblichen Auferstehung der Todten entschlugem und Auslassungen des Apostels selber, wie die in Ephes. Z, 5 s. u. Col. Z, 1·2., ge- währten denjenigen einen Anknüpfungspunkh die von keiner andern Auferstehung als der innerlichen der Wiedergeburt wissen wollten —— eine Jrrleh·re, mit welcher dann auch die andere gegeben war, daß die in diesem Sinne Auferstandenen hiermit schon an’s Ziel gelangt und vollendet seien, statt der leiblichen Auferstehung noch erst stetig entgegentrachten zu müssen (Phil. Z, 10 ff.). Ueberhebt sie so den åljienfchen der Pflicht ernster Selbstheiligung so war vorauszusehen, daß die, welche so lehrten, einen rasch und unaufhalt- sam wachsenden Anhang bekommen würden; dahin wollen denn die Worte ver-standen sein: ,,ihr Wort frißt um sich wie der Krebs«, dahin nämlich, daß das Wort, das von ihnen ausgeht, in dem Leibe der Ge- meinde ein Glied nach dein andern ergreift und zer- stört. (v. Hofmann.) Hinsichtlich des Hymenäus nehmen fast sämnitliche Ausleger an, daß es derselbe Mann sei, von welchem Paulus in l. Tim.1,20 schrieb, daß er ihn sammt seinem Genossen, dem Alexander, dem Satan übergeben habe, daß sie ge- züchtigt würden, nicht mehr zu lüstern; und nach der Ansicht, die wir zu Apostg 19, 34 entwickelt haben, wird auch Alexander in Kap. 4,14f. uns als ein solcher begegnen, den gleich dem Hhinenäus des Apostels Vannwort nicht unschädlich zu machen vermocht hat, vielmehr trotz der Uebergebung an den Satan zur Ziichtigung m1·issen beide von den Schlägen, davon sie etwa betroffen worden, sich bald wieder erholt haben, und haben sie nun sowenig aufgehört zu lüstern, daß es mit ihnen hernach ärger geworden, denn es vorhin war. Das ist denn eine ganz andere Erfahrung, die Paulus in Betreff der ihm verliehenen Excommunk cationsgewalt gemacht hat, als die des Petrus in Apostg 5, 3 ff. u. 8 ff.: worin liegt die Urfach? Die Antwort auf diese schwierige Frage, mit der, soviel uns bekannt, noch kein Ausleger sich befchäftigt hat, ergiebt sich aus dem, was der Llpostel hernach in V. 19—21 sagt. Damals, als Petrus an Ananias und Sapphira Gottes Strafgericht übte, war die Kirche nur erst noch jener feste Grund, der das Siegel in den beiden Jnschriften hatte: »der HErr kennet die Seinen« und: ,,es trete ab von der Ungerechtigkeih wer den Namen Christi nennt«, und dieser Grund mußte die Zuverlässigkeit seines Jnsiegels in angen- fälliger Weise an den Tag legen; als dagegen Paulus « das Evangelium hinaustrug in alle Welt, war bereits jene erste Zeit der Kirche vorüber, der feste Grund gestaltete sich bereits zum großen Haufe, und da zeigte es sich auch bald von Anfang, daß in einem großen Hause nicht allein güldene und silberne Gefäße sind, sondern auch hölzerne und irdene, und etliche zu Ehren, etliche aber zu Unehren Keine von den nachmaligen Gemeinden ist wieder eine solche gewesen, wie die ur- sprüngliche in Jerusalem, deren Lob uns so oft ver- kündigt wird (Apostg. 2, 42 ff.; 4, 32 sf.; 5, 13), im Gegentheil haben gerade diejenigen Gemeinden, die den allerbesten Anfang gemacht, wie die in Galatien und Eorinth, desto schneller auch das Verderben über sich kommen lassen. Da galt es denn, sich in eine andre Ordnung Gottes zu schicken, als die anfängliche gewesen war (vgl. Offenb 11, 1 f.), bis« zu seiner Zeit die anfängliche Ordnung wieder eintritt bei derjenigen Gemeinde, welche Art und Charakter der urapostolifchen wieder aufnimmt, um den Uebergang zu bilden zur Vollendung der ganzen Kirche (Offenb. 14, I ss.; 19, 7 f.; Hes 43», 7 ff.). « · sit-f) Es ist, als fühle der Apostel das Bedürfniß, sich selbst sammt dem Timotheus zu ermuthigen mit einem ,,dennoch« gleich dem des Assaph in Pf. 73, l: »der feste Grund Gottes jedoch steht unerschüttert«. Unter diesem festen Grund Gottes ist die durch Gott gegründete Gemeinde zu verstehen, welche nachher (V. 20) allerdings als ein Haus— oder Gebäude be- zeichnet wird, hier aber erst als Grund oder Fundamenh sofern die Gemeinde, wie sie ursprünglich von Gott in die Welt hineingesetzt ist, nur den Unterbau des erst allmälig sich vollendenden Gebäudes bildet (vgl. Apostg. 4, 82—5, 13); selbiger Grund Gottes steht unerschütterlich, ungeachtet und trotz aller menschlichen Anstrengungen, das Gottesgebäude zum Wanken, zum Falle zu bringen, und wie nun von alten Zeiten her es Gewohnheit war, an den Thiirpfoften sowie auch auf den Grundfteinen Ueberschriften anzubringen (5. Mos S, I; Osfenb 21, 14), so trägt auch dieser Gottesbau asn seinem Grundstein ein Siegel oder eine Jnfchrift, wodurch das Eigenthümliche des darauf er- richteten Baues ausgedrückt und zugleich eine Bürg- schaft für dessen unvergängliche Dauer gegeben wird. Die eine Seite der Inschrift weist auf den höchsten Trost der Gläubigen, die andere auf ihren heiligen Beruf hin, während die Vereinigung der beiden Kernspriiche andeutet, daß auf diesem Wege die uner- schütterliche Festigkeit des Gottesgebäudes sowohl von der Seite Gottes als auch von der Seite der Menschen vollkommen verbürgt ist. (v. Oosterzee.) Etlicher Glaube kann wohl umgeworfen werden (V. 18), aber die eigentliche Grundlage oder das festgegriindete Hauptgebäude der Gemeinde des HErrn kann nie zer- stört werden; wie durch ein Siegel, in welches ein Denkspruch eingegraben ist, jemand eine Sache als die seinige beglaubigt, so hat der HErr auf seine Ge- meinde diese beiden Sprüche eingegraben. Der erste deutet darauf hin, daß aller menschlichen Kurzsichtig- keit ungeachtet die Vermischung der Gerechten und Gottlosen in der Gemeinde doch für den HErrn Befleißige dich Gott zu erzeigen einen rechtschaffenen und unsträflicheii Arbeiter! 667 eigentlich nicht da ist, daß als feste Steine in seinen Bau nur die eingefügt sind, die er als die Seinen erkennt; der zweite Spruch bezieht sich auf die un- trügliche Wahrheit, welche das menschliche Urtheil in der Unterscheidung der Gerechten und Gottlosen leiten soll: niemand, der Christi Namen nennt, d. h. ihn anruft, sich zu ihm als seinem Heiland bekennt, darf in der Sünde fortleben; jede wissentliche Duldung der Sünde zeigt ihn als ein Scheinglied an dem Leibe des HErrn. (v. Gerlach.) Zwei Wahrheiten müssen dem unzerstörbaren Gottestempel der Kirche gleichsam zum Wahrzeichen dienen und bezeichnen den Trostund die Hoffnung, aber auch die Pflicht und Schuldigkeit der ächten Bekenner Jesu. (Heidenreich.) ,,Der HErr kennet die, welche sein sind«: so lautet der Spruch 4.Mos.16,5 in der Septuaginta; die also, welche nicht sein sind, scheidet der HErr aus, und dadurch bleibt der Bau fest. Was dann die, welche dem HErrn angehören wollen, zu thun haben, sagt der zweite Theil der Jnschrifh (Plitt.) Wenn jemand in Ungerechtigkeit gefangen ist, so steht er nicht auf dem festen Grunde Gottes. Jch wollte, ich könnte die Seele des Unge- rechten aus seinem Leibe herausziehen: du würdest sehen, wie bleich sie ist, wie sie zittert, wie sie sich schämh wie sie in Angst ist und sich selber verurtheilt. Das Urtheil des Gewissens bleibt immer unverändert; freilich sagt Keiner offen, das Böse sei gut, aber man ersinnt Ausreden und thut alles 9Jtögliche, um sich durch Worte schuldlos darzustelleih aber das Gewissen kann man nicht beschtoichtigem (Chryfostomus.) f) Der Gründung Gottes, hat der Apostel in V. 19 gesagt, gehören nur die an, welche dem HErrn wahr- haft zugehörenx er wendet nun in V. 20 f. sich sofort zur saktischen Ersch einung der Kirche, welche in ihrer, aus verschiedenen und selbst entgegengesetzten Elementen gebildeten Gestaltung dieser Behauptung zu wider- sprechen scheint, um solchen Umstand einerseits als einen mit einein großen Hause, wie sich die Kirche faktisch darstellt, natürlich gegebenen, relativ noth- wendigen darzuthun, andrerseits die Mahnung daran zu knüpfen, sich zu reinigen von allein, was im Hause Gottes zu einem Gefäße der Unehren macht. Bei den Worten: »in einem großen Hause« ist das ,,groß« wohl zu beachten; es drückt denselben Gedanken aus, wie etwa das Gleichniß vom Netz in Matth 18, 47 ff. Jst dieses einmal in’s Meer ausgeworfen, so kann es nicht anders sein, als daß es Fische Von allerlei Art aufnimmt; und sowie die, zunächst als »der feste Grund Gottes« (V. 19) in die Erscheinung getretene Kirche zu einem großen Hause wird, kann auch bei ihr nicht ausbleiben, was bei jeder großen Wohnung stattfindet, daß sie Gefäße verschieden an Werth und Gebrauch in sich faßt. So lehrt unsre Stelle eine doppelte Be- trachtung der Kirche: einmal als des von Gott in die Welt eingegründeten Baues, zu dem nnr die gehören, welche DeMHErrU wahrhaft zugehören; und dann als eines großen Hauses, in welchem Verschieden- artiges, ja Entgegengesetztes sich beisammen findet. Das Recht der Unterscheidung zwischen einer sicht- baren und unsichtbaren Kirche, welche letztere innerhalb jener ersteren den unerschütterlichen Grund bildet (Rö1n. U, l ff.), ist daraus ebenso klar, als das Unrecht, die faktische Erscheinung der Kirche (das ,,große Haus«) auf die Gestalt des ,,festen Grundes Gottes-«, wenn auch nur annähernd, reduciren und darum die Gefäße zu Unehren ausscheiden zu wollen; nicht äußerliche Scheidung, sondern das Sichselbst- reinigen von solchen Leuten, benennt der Apostel als das Mittel, das hier dient. (Wiesinger.) Auch unter den güldenen und silbernen Gefäßen sind die würdigen, ächten, unter den hölzernen und irdenen Gefäßen die unächten Glieder der Gemeinde zu verstehen; jede Klasse aber enthält innerhalb ihrer selbst Abstufungen, vgl. 9Jiatth. 13, 23. (Huther.) Vor allem aber darf nicht über- sehen werden, daß die ersteren aus unvergänglicheny edlem Metall, die anderen hingegen nur aus zerbrech- lichem Holz oder irdenem Stoff verfertigt und also nicht zu einen: bleibenden, sondern blos zu einem zeit- lichen Gebrauch bestimmt sind, wonach sie weggeschafft werden. (v. Oosterzee.) Freilich sollen alle Glieder der Kirche giildene und silberne Gefäße sein, denn sie ist der Leib Christi, die keusche Jungfrau, die keinen Flecken hat; aber es ist nicht durch die Natur oder durch die Organisation des Stoffes bedingt, ob Einer ein güldenes oder ein irdenes Gefäß sei, sondern durch unsern Willen. Ju der materiellen Welt kann aus einem irdenen Gefäß nie ein güldenes, und aus einem güldenen nie ein irdenes Gefäß werden; in der geistigen Welt aber giebt es solche Veränderung nnd Verwand- lung. Paulus war ein irdenes Gefäß, er wurde ein güldenes; Judas war ein güldenes Gefäß, er wurde ein irdenes. (Chrysoftoniiks.) c. V. 22——Kap. Z, 12: und der Liebe. Gleich die erste Gruiahiitiiig mit weliher der Ilposiel zn einem neuen Ilbfchtiitt übergeht: ,,sliehe die Liiske der Jugend«, deutet darauf hin, dasZ er es jetzt wirklich, wie das von nns vor-angestellte lliotto zu erkennen geben will, damit zu thun hat, den Ciniothecis zu unterweifein zu welcherlei Amtssiihrciiig der Geist Gottes als ein Geist der Liebe ihn antreibez denn die Liifie oder Neigungen der Jugend legen es dem Tiniotheus nahe, die christliche Liebespslicht fo aufzufassen, als diirlte er den Verlcehr mit denen, welche die Gefässe zu Un« ehren im Haufe. Gottes ausniaiheii (v. 20), nicht gänzlich aufgeben (l1.21), sondern iuiisfe vielmehr« durch Verhandlungen: mit ihnen und Erörterungen iiber die Wahrheit sie zu iiberiviiiden nnd zu überzeugen suchen. Derlei idealisiifctje Gedanken aber hat er aus dem Sinne sich zu schlagen nnd dagegen einer Liebe nachzutrachtetn wie sie mit dem Trachten nach der Gerechtigkeit nnd dem Glauben harmonirt und da:- Trachten nach inniger Gemeinschaft mit allen haften, aufrichtiger! Christen in ihrem Gefolge hats, mit solcher Liebe nun verträgt sich nicht das Sicheiiilasfeii auf Streitfragen, die nur Zank gebären, fouderu Iie er- fordert ein anderes Verhalten, dieses nämlich, dass ein Rneiht des hErrii freundlich« sich erweise gegen jedermann, bereit, zu belehren und auf den rechten Uleg zu bringen, wo und wie irgend Gelegenheit sich dazu bietet, und das; er da in Sanftmuth trage die, welche ihu t3efshweren, und auch an der Bekehrung solcher nicht uerzage, die setzt noch ihm widersprechen (v. 22—26). Indem der Apostel hierauf die Men- schen nach ihrer sittlichen Beschaffenheit näher charatiterifirh wie sie in den letzteu Tagen, ehe Christus vom Himmel erscheint nnd den: bisherigen Weltlaufe ein Ende niakhh die grosse Masse in der äuszeren Christenheit bilden werden, und feine Be· frhreibniig bis zu dem Schlnslfatze hinführt, das) sie wohl werden den Schein eines gottseligen Wesens haben, aber dessen Kraft verleugnen, lenlit er des Tintothens Jlugenmerli auf diejenigen, in der Ge- meiude der Gegenwart schon vorhandenen Leute hin, von welchen jener Schlnslfatz ebenfalls gilt und deren Thun und Treiben ja nnr dazu dient, solche Menschen heranzuziehen, wie sie zur letzten Zeit fein werden: sie soll er zenn nieiden, wenn sie sich an ihn heran- drängein sie ohne weiteres non sich abweiseii und nicht etwa durch den Schein eines gottfeligen Ulefens 668 2. Timotheum 2, 22—26. 3, 1—8. an ihnen sich dahin bethören lassen, das! er sie fiir lNiihelser an seinem Werke achten wollte; es wäre das eine Verirrung der Liebe, die er zu tiben hat, ein iibel angebraihtes Friedehalien mit allen, die den HGrrn anrnsen von reinem Herzen, wozu er vorhin (Rap. Z, 22) erniahnt worden ist. Amt) darf er nicht fürchten, durch Jlbweisnng dieser Menschen von zerriitteteii Sinnen und nnprobehaltigem Glauben sich gefährliche Feinde an ihnen auf den Hals» zu laden; denn sie merdenki die Länge nicht treiben, sondern bald mit ihrer Thorheit zu Schandeti werden (Kap. Z, 1 -—9). Jst Paulus so einmal auf das Kapitel vom Sgnipathisireii getäoninien, so erinnert er den Cima- theus nun noch an sein tirspriiiigliches 5gnipathisireii, da er ein Apostelgehilte ward, und hält ihn an, diese seine ursprüngliche Sympathie auch fernerhin festzu- halten; es ist eine Sympathie mit allen, die gottselig leben wollen in Christo Jesu, dafür sie denn freilich Verfolgung leiden niiisseii O. 10——12). 22. Fleuch die Lüste der Jugend-« sdaß du dich in deiner amtlichen Wirksamkeit nicht von den- jenigen üblen Neigungen bestimmen lässest, die dem jugendlichen Alter eigen sind und demgemäß auch dir 1. Tim. 4, 12 sich nahe legen]; jage aber nach der Gerechtigkeit, dem Glauben, der Liebe [1. Tim. S, 11], dem Frieden [d. i. der einträchtigen Verbuiidenheit] mit allen, vdle den HErrn anrufen von reinem Herzen smit allen lauteren, aufrichtig gesinnten Gliedern der Ge- meinde V. 19; J. Cor. l, 2]. » 23. Aber der thbrichten nnd unnutzen Fragen [wie die Andern, die nicht lauteren Herzens sind Tit. 1, 15 f., sie liebenund treiben] entschlagedichz denn du weißt saus eigener Erfahrung, wie du sie in Ephesus nun schon mehrfach gemacht hast], das; sie sstatt für die Besserung zu Gott im Glauben 1. Tim. 1, 4 irgend etwas auszutrageiy im Gegentheil] nur Zank gebären U. Ti1n. S, 45 Tit· Z, 9]. · 24. Ein Knecht aber des HErrii [der im Segen an seinem Werke arbeiten will 1. Cor. 16, 10] soll nicht zankiseh fein« sdaß ersieh wollte auf Streithändel mit solchen«ein·lassen, die nur ihr Wissen und ihre Wortfertigkeit glänzen lassen wollen] sondern freundlich ff. V. a. mütter- lich in ’1. Thesf P, 7] gegen jedermann, lehr- haftig shiert geneigt, zu belehren — in ·1. Dim 3, 2 bedeutete es geschickt dazu], der die Bosen sdie ihm sein Amt schwer machen] tragen kann mit Sanftmuth sstatt sich durchnhr Verhalten zur Ungeduld und zu Mißmuth reizen zu lassensz 25. Und sder da] strafe die Widerspenstigen [ermahne oder zurechtweise Tit. 3, 10 diejenigen, welche dem christlichen Glauben, zu dem er sie bringen will, allerlei Widerspruch entgegensetzens ob ihnen Gott dermaleins sdurch Brechiing ihres Widerstandes] Buße gabe, die Wahrheit zu er- kennen [1. Tim. 2, 4], « » » 26. Und ffie nun] wieder nuchtern wurden sum gerettet zu werden oder-sich herausholen zu lassen] aus des Teufels Strick, von dem sie sin ihrer dermaligen Herzensverfassung, solange sie noch wie berauscht sind von verkehrten Gedanken und Anschauungen und für dieselben mit ihrem Widerspruch eifern] gefangen sind zu seinem Willen"* [womit er darauf ausgeht, gegen die Verbreitung des christlichen Glaubens Bollwerke aufzurichten 2. Cor. 10, 4f.]. V) Bei ,,Lüsten der Jugend« hat man nicht nur an die Versuchungen zur Wollust und Unreinigkeit zu denken, sondern auch an andere Heftigkeiten z. B. an die Einbildungem wer weiß nicht was geschwind aus- richten zu können; aber der HErr hat nicht Lust an der Stärke des Rosses noch Gefallen an jemandes Beinen, der HErr hat Gefallen an denen, die ihn fürchten, die auf seine Güte hoffen (Ps. 147, 10 f.). Den Gnadeuweg muß man in allem gehen lernen mit Mißtrauen und Flucht gegen dem, was Einem das jugendliche Herz eingehen könnte. (Rieger.) Dei: junge Geistliche hat an seiner Jugend eine Gehilfin, aber auch eine Feindin in seinem Amte. Er hat die Frische, die Unbefangenheit, die Begeisterung, die ganze Liebenswürdigkeit der Jugend, und dies bewirkt, daß ihm in der Regel alle Herzen entgegenfchlagent man hört ihn lieber predigen als den alten Geistlichen, darum ist die Kirche bei ihm voller; die Kinder gehen lieber bei ihm in den Religionsunterricht als bei dem alten Geistlichem denn der jüngere Mann erscheint ihnen wie ein Bruder; namentlich das weibliche Ge- schlecht schließt sich seiner Mehrheit nach viel eher an den jungen Geistlichen an als an den bejahrteia Der junge Geistliche weiß sich in alle Verhältnisse rascher zu finden, es ist ihm leichter, sich denselben zu accom- modiren; der bejahrte Mann hat leicht etwas Starres, er wünscht, daß alles beim Alten bleibe, alles im alten Geleis ruhig fortgehe. Dies find lauter Vor- theile, die der junge Geistliche eben durch seine Jugend hat; diesen Vortheilen aber stehen entsprechende Ge- fahren gegenüber. Die erste Gefahr ist die Eitel- keit; dieselbe schleicht sich oft, ohne daß man sich dessen bewußt ist, in das Herz ein. Der junge Geistliche inüßte kein Mensch fein, wenn der Beifall, den er erntet, ihn nicht eitel machen sollte: o, da gilt es, sich stets die apoftolische Mahnung, daß man die Lüste der Jugend fliehe, vorzuhalten! Eine zweite Gefahr ift dieUnbeständ igkeit: man will alles in einen besseren Gang bringen, man fängt dieses und fängt jenes an; man läßt es wieder liegen und kommt in ein rastloses Treiben, in eine eifrige Vielgeschäftigkeit hinein, die nicht gut ist, denn nichts ist für die Wirksamkeit des Geistlichen nöthiger, als ruhige Stetigkeit. Eine dritte Gefahr ift die Muthlosigkeitz man geht mit jugend- licher Begeisterung an sein Werk, man zweifelt nicht an einem gesegneten Erfolg, aber man sieht sich ge- täuscht; entweder bleibt alles beim Alten, oder das Feuer, welches man angezündet hatte, erweist sich als ein Strohfeuer, da erlischt mit dem Feuer auch die Be- geisterung, man erlahmt, man resignirt sich, man wendet sein Interesse, seine Kraft, seine Thätigkeit andern Dingen zu. (Plitt.) «) Wie es in V. 21 hieß: »so sich jemand reiniget von solchen Leuten, der wird ein geheiligt Faß sein zu den Ehren 2c.«, so ermahnt der Apostel jetzt den Timotheus, dem nachzutrachtem daß er mit allen, die den HErrn anrufen von reinem Herzen, Frieden halte; Herzensreinheit soll ihm diejenigen Mitchriftem bei denen er sie findet, iverth machen, so daß ihm daran liegt, mit ihnen in Freundschaft und Gemein- Der Von Gott uns gegebene Geist ist aber auch weiter ein Geist der Liebe. 669 schaft zu stehen, die ganze Ermahnung aber gehet dahin, daß er, anstatt dem nachzugehen, wonach es Jüngere gelüstet, dem nachtrachten soll, um was es einem rechten Christen zu thun sein muß, daß er es selber sei und mit denen in Frieden lebe, die es sind. Da er dagegen weiß, daß jene thörichten und unnützen Streiterörterungen oder Verhandlungen, wie ihrer auch in Tit. 3, 9 Erwähnung geschieht, allezeit in Händel ausarten, so kann er sich nicht auf sie einlassen wollen; denn ein Knecht des HErrn würde dem, in dessen Dienste er steht, sehr übel dienen, wenn er, statt einzig auf Frieden mit denen bedacht zu sein, die den HErrn aus reinem Herzen anrufen, Streithändel mit denen, die nur ihr Wissen glänzen lassen wollen, sein Geschäft sein ließe. (v. Hofmann.) Der unnutzen Fragen sich zu entschlagen, hat der Apostel schon in der ersten Epistel (4, 7; S, 4 f.) dein Tiinotheus mehrmals auf- gegeben, und jetzt wieder: warum so oft? wie es sich treibt, wie die Versuchung dazu auch immer wieder unter neuen Vorwänden aufkommt! Wer das allererst ausgegebene Nachjagen nach der Gerechtigkeit, dem Glauben, der Liebe &c. versäumt, der will sich doch auch in etwas hervorthun, und darüber fällt man oft auf solche thörichte und unniitze Fragen. (Rieger.) Allerdings giebt es auch sehr wichtige Streitfragen, denen man nicht ausweichen darf; hier aber redet der Apostel von solchen, die er thörichte und unnütze nennt und von denen Timotheus weiß, daß sie nur Zank gebären. (Plitt.) v v » IN) Bei den Widerspenstigen, welche Timotheus strafen oder in berichtender Weise zurechtbringen soll, ist weder an Jrrlehrer noch an solche zu denken, deren Glaube krankt, denn diese waren schon zur Er- kenntniß der Wahrheit gelangt, ehe sie den Jrrweg einschlagen, den sie verfolgen, oder an der erkannten Wahrheit irre wurden; sondern es sind nichtchristliche Gegner gemeint, welche der christlichen Lehre, wenn sie dieselbe vortragen hören, Widerspruch entgegen- sehen, wie denn auch das griech. Wort, welches· Luther mit ,,wieder nüchtern werden« »übersetzt, vielmehr ein Auskommen aus der Betäubung, welche nieder- hält, zu bedeuten scheint (vgl. das ,,wied er lebendig« in Röm. 7, 9). Der Knecht des HErrn nun soll bei der Art, wie er solche Widerspenstigen straft, die Mög- lichkeit im Auge behalten,· ob Gott ihnen etwa geben möge, anderen Sinnes zu werden und zur Erkenntnis; der Wahrheit zu gelangen. (v. Hofmann.) Jst unsre Liebe eine wahre, d. i. eine heilige Liebe, so ist es ihr allerdings unmöglich, dem Jrrthum und der Sünde gegenüber eine gleichgiltige Haltung anzunehmen; von der andern Seite aber muß zwischen Sachen und Personen scharf unterschieden und gerade durch den Blick auf den unglückseligen Zustand der Jrrenden unser Mitleiden angeregt werden. Wer daher keinen Wider- spruch ruhig ertragen und beantworten kann, ist ebenso wenig für den Dienst am Evangelio geeignet, als der Arzt zu seinem Berufe im Stande sein würde, der sich durch die Schimpfreden eines im Fieber Phantasirenden bewegen ließe, entweder das Krankenbett zu verlassen oder die Scheltworte zu erwidern. (v. OosterzeeJ Das 3. Kapitel. Von den greulichen letzten Zeiten, nnd herrliohein Nutzen der heiligen Schrift. 1. Das sollst du aber wissen, das; in den letzten Tagen [die der Wiederkunft Christi un- mittelbar vorhergehen 2. Petri Z, s; Judä 18] werden greuliche Zeiten sEphes 5, 16] kommen swas die Beschaffenheit des alsdann lebenden Geschlechts betrifft]. 2. Denn es werden sda die] Menschen sihrer großen Masse nach solche] sein, die von sich selbst halten sindem ein jeder nur sucht, was sein ist 1. Eor.10, 24], geizig sgetdsiichtig 1. Tini. Z, Z; Luk. 16, 14], ruhmredig, hoffärtig [Rö1n. I, 30], Lästerer s1. Tini. I, 13; Tit· Z, 2], den Eltern ungehorsam [Röm· i, 30], undankbar [Luk. e, 35], ungetsilich [1. Tim· 1, 9]- 3. Störrig, unversöhnlich [Röm. 1, 31], Schiinder sdes Nächsten durch Afterreden und bösen Leumund Machen Pf. 52, 4 ff.], unkeusch, wild, ungiitig svgl Tit. 1, 8], 4. Verräther [Luk. 6, 16; Apostg. 7, 52], Frevler [die leichtsinnig und unbedachtsam drauf los» handeln Apostg. 19, 36], ausgeblasen sum- nebelt von Hochmuths- und andern Gedanken der Verblendung 1, Tim. Z, S; S, 4], die mehr lieben Wollust, denn Gott cwörtlich etwa: ,,mehr nach Lust jagend, denn nach Gott fragend« oder ,,lust- ergeben mehr denn gottergeben« Röm.16, 18; 18; Phil. Z, 18 f.; Jak. 4, 1], 5. Die da sin pharisäischer Weise Matth. Z, 7; 23, 2 ff.; Tit. 1, is] haben den Schein eines gottseligen Wesens, aber seine Kraft [Tit. 22 121 verleugnen sie* Und solche sLeute ihrer Art, soweit sie schon jetzt in der Gemeinde vor- handen sind 1. Joh. 2, 18., besonders was das »den Schei1i eines gottseligen Wesens haben, aber seine Kraft verleugnen« betrifft] meide sdaß du dich von ihnen nicht in Beschlag nehmen lassest]. 6. Aus denselbigen sum dir noch näher an- zugeben, welcherlei Leute ich meine] sind [die frommen Seelenjäger], die hin und her in die Häuser schleichen [Matth. 7, 15] und führen smit ihren Bethörungskitnsten] die Weiblein [vgl. 1.Tim. 2,14] gefangen ssür sich als eine Beute sie davonbringend Matth. 23, 15], die seinerseits] mit Sünden beladen sind [deretwegen sie Ge- wissensbeschwichtigung suchen] und sdoch andrerseits] mit mancherlei Lüsten svon denen sie nicht ablassen mögen] fahren [sich umtreiben lassen Hebr. 13, 9], 7. Lernen snämlich dieseWeiblein] immerdar sdarauf aus seiend, wie sie zu Gott in ein gutes Verhältnis; und dereinst in den Himmel kommen mögen] und können [doch] nimmer zur Erkenntniß der Wahrheit kommen« [weil ihre Lernbegier im Grunde ja nur dahin gerichtet ist, wie sie mögen an dem, worauf es ankommt, vorbei- schlüpfen Apostg. 20, 21; 24, 24 f.]. 8. Gleicher Weise aber wie Jannes und Jambres sjene eghptischen Zauberei« wie »die Tradition sie nennt, mit ihrer Nachahmung etlicher Zeichen und Wunder] Most widerstanden [2. Mos. 670 2. Timotheum Z, 9—12. 7, 10 ff. 22 f.; 8, 7], also widerstehen auch diese der Wahrheit sdie du zu verkündigen hast, indem sie deren Wirkungsmacht mit ihrem scheinbaren Gleichthun aufhalten]; es sind Menschen von zer- riitteten Sinnen [1. Tini. S, 5], nntüchtig znm Glauben [genauer: unprobehaltig in An- sehung des Glaubens Tit. 1, 16]. S. Aber sie werdens die Länge nicht treiben sdaß ihr Anhang immer größer und ihr Einfluß immer gefährlicher werden sollte], denn ihre Thor- heit wird sin gar kurzer Zeit] offenbar werden jedermann, gleichwie auch sdie Thorheit] jener sdes Jannes und Jambres, gar bald offenbar] warst« sbesser: ward, als sie weder der Plage der Frösche Einhalt thun konnten, noch bei der Läuse- Plage dasselbe zu thun vermochten, wie Mose und Aaron L. Mos. 8, 8 u. 18 s.]. 10. Du aber sempfänglichen Herzens, wie du warst, für aufrichtiges und wahrhaftes Christen- thum Kap. 2, 22 in seinem Unterschied von jenem Scheinwesen der Menschen von zerrütteten Sinnen und unprobehaltigem Glauben V. 8] hast smit einer Sympathie, die dich bestimmte, in meine Schule und Nachfolge einzutreten] erfahren meine Lehre s1.Tim. 4, 6], meine Weise sLebensführungL meine Pteinung sWillensrichtungL meinen Glauben swomit ich das auch wirklich ansführte, worauf ich meinen Willen gerichtet hatte], meine Langmuth swenn der Erfolg auf sich warten ließL meine Liebe sdie mich trieb, den Leuten auf die ihrer Eigenthümlichkeit entsprechende Art zu dienen 1s Col— 9- 19 ff—1- uteine Geduld sda ich unter allem, was die Gegner mir anthaten, standhaft aushielt 1. Tor. 13, 7], 11. Meine Verfolgung sdie je und je mich betroffen hat], nieine Leiden, welche mir wider- fahren sind zu Antiochien sin Pifidien], zu Jconien, zu Lhstra swo du ja Gelegenheit hattest, sogar aus eigener Anschauung zu erfahren], welche Ver- folgung ich da sin aller Standhaftigkeit und Ge- duld 1. Tor. 10, is; 1. Petri 2, 19] ertrug [Apostg.13, Ist-14, 20]; und aus allen sdieseu Leiden und Verfolgungen sammt den andern, die weiter in großer Menge gefolgt sind 2. Cor. 11, 23 ff.] hat mich der HErr erlöset [2. Cor. 1, l0; 34, 20]. « 12. Und [so steht es ja überhaupt mit dem ächten, wahren Christenthum:] alle, die gott- selig leben wollen in Christo Jesu fund nicht blos äußerlich mit dem Munde sich zu ihm bekennen V. 5], müssen Verfolgung leiden]- [Matth. 5, 10ff.; 16, 24 ff.; Apoftg 14, 22]. i) Paulus läßt nun eine Hinweisung auf die letzte Zeit folgen, um durch diese den Timotheus über eine gewisse Erscheinung der Gegenwart zu orientiren; eine Parallelstelle für die unsrige ist l. Tim. 4, 1 ff. Die Absicht der Erwähnung der Zukunft ist beide Male, den Timotheus aus ihr die Gegenwart beurtheilen und ihn erkennen zu lassen, was unter solchen Um- ständen seine Pflicht sei: wie dort, so ruht auch hier, was der Apostel über die künftige Gestalt des christ- lichen Lebens sagt, auf einer Weissagung des göttlichen Geistes; an unsrer Stelle ist es aber nicht der dein- nächst bevorstehende Abfall vom Glauben, auf den der Apostel hinweist, sondern die Unsittlichkeit unter christ- lichem Schein und Namen, wie sie sich in den letzten Tagen offenbaren wird. (Wiesinger.) Was diese Zeit- läufte schlimm macht, ist die Beschaffenheit der Men- schen, wie sie dann sein werden. Der Apostel schildert sie, indem er eine Menge schlimmer Eigenschaften auf- zählt, mit denen sie behaftet sein werden, so aber, daß das: »die da haben den Schein eines gottseligen Wesens, aber seine Kraft verleugnen sie« den Schluß dieser Aufzählung bildet; bei allen ihren schlimmen Eigenschaften haben sie Frömmigkeitsgestalt an sich, aber dies ist gerade das Schlimmste von allem, denn während sie nach Frömmigkeit aussehen, sind sie Leute, welche die Wirkungskrafi derselben verleugnen oder als etwas, von dem sie nichts wissen wollen, von sich abgelehnt haben. Sie haben also die Außenseite der Frömmigkeit angenommen, aber ihrer heiligenden Kraft sich verschlossen, und sind daher aller Untugend voll. Die Aufzählung der schlimmen Eigenschaften beginnt mit der Selbstliebe, welche das Jhre sucht und Liebe des Nächsten ausschließt; ihr zunächst folgt die Geldlieb e, welche nur daraus aus ist, für sich zu erwerben, und das Trachten nach Besserem, als Geld und Gut ist, ausschließt. Ruhmredig ist, wer sich eine Ehre beimißt, die ihm so nicht eignet; hoffärtig, wer auf den Andern herabsiehh als der an Ehre unter ihm stehe; und ein Lästerer, wer dem Andern die Ehre nimmt, die er bei Gott hat. Alle fünf Eigen- schaften haben d a s gemein, daß der Mensch nur sich selbst gelten läßt nnd den Mitmenschen nicht; es folgen dann Eigenschaften, die auf Unterdrückung sittlichen Gefühls beruhen und deshalb unnatürlich sind. Dem, welcher dem Andern die Ehre nimmt, die er bei Gott hat, steht hier am nächsten, wer den Eltern den Ge- horsam weigert, mit dem er sie kindlich ehren sollte; und diesem wieder, wer dem Wohlthäter den Dank weigerh den er ihm schuldet. Wer die göttliche Ord- nung der menschlichen Verhältnisse nicht achtet, ist ungeistlich (vgl. die Bem. zn l. Tim. 1, 11); wer die Stimme des Bluts in sich erstickt, störrig; wer sittlichen Rechtsgefühls baar ist (daß er weder einen Versöhnungsbund machen, noch einen Vertrags-bund halten mcIg)- unversöhnlich; und das Gefühl für Wahrheit muß in sich ertödtet haben, wer ein Schän- der ist. Da dieser, der Verleumder, seiner bösen Zunge freien Lauf läßt, ierin dem Lästerer (V. Z) verwandt, so daß die En pnnkte der beiden ersten Reihen sich berühren, so steht ihm unter denen, welche die dritte Reihe bilden, der Unkeusche am nächsten, der seinen Leidenschaften den Zügel schießen läßt; diesem aber der Wilde, der einem ungezähmten Thiere gleich keinem sittigenden Einflusse Raum giebt; und diesem wieder der Ungütige, der ein für das Gute Unempfindliches Herz hat, während vollends der Ver- räther sich kein Gewissen daraus macht, es dem Feinde preiszugeben. Verschieden von diesen vier Eigenschaftcn sind die drei folgenden: der Frevler oder Leichtsinnige, der Aufgeblasene oder Ver- dummte, und der die Wollust oder Lust dieser Welt lieber hat als Gott, wenn er anders Gott kennt; und diese Menschen kennen ihn allerdings, denn sie wollen für fromm gelten. Mit der Selbstliebe, welche die Liebe zum Niichsten ausschließt, hat die Aufzählung Liebe lehrt die rechte Sympathie und die rechte Antipathie beobachten. 671 begonnen: mit der Lustliebe, welche sich mit der Liebe Gottes nicht verträgt, endigt sie; und drei Reihen von Eigenschaften unterschieden wir, eine fünf- gliedrige, eine sechsgliedrige und eine aus vier und drei Stücken bestehende siebengliedrige Den Beschluß des traurigen Bildes macht die schlimmste von allen, die ihm erst das Gepräge eines heillos entarteten Nienschenthums giebt, indem die so geschilderten Men- schen bei aller dieser sittlichen Verderbniß den äußeren Anschein der Frömmigkeit haben. (v. Hofmann.) Die ganze Stelle erinnert stark an Rönsn l, 29—3l., mit welcher die unsrige mehrere Ausdrücke gemein hat, die sonst nicht vorkommen: es ist ein neues Heiden- thum unter christlichem Namen, was der Apostel hier beschreibt (Wiesinger.) «) Mit dem Worte: »und solche meide« ertheilt der Apostel dem Timotheus eine, an die vorhergegangene Schilderung sich rasch und überraschend anschließende Weisung, die ihre Erklärung erst durch das weiter Folgende erhält, wo Paulus Menschen, welche Timo- theus bereits um sich hat, als jenem Menschenthum der Endzeit angehörig bezeichnet; diejenigen nämlich, die sich in die Häuser einschleichen und mit Sünden iibersäete, wie es wörtlich heißt, von mannigfaltigen Begierden beherrschte, immerdar« lernende und niemals zur Wahrheitserkenntniß gelangen könnende Weiblein gefangen nehmen. Sie soll er abweisen als Leute, mit denen er nichts zu thun haben will; denn das griechische Wort, das für »meide« im Grundtext steht, ist nicht mit dem in 1. Tim. 6, 20 stehenden sinnver- wandt, welches bedeutet: Einem aus dem Wege gehen, mit dem man sich nicht einlassen will, sondern mit demjenigen Worte, welches in Kap. 1, 15 für: ,,es haben sich von mir gewandt« gebraucht wurde. Die Menschen also, die der Apostel meint, sind solche, die dafür gelten wollten und sich so anstelltety als wären sie mit Timotheus in bestem Einvernehmen; sie drängen sich an ihn, er aber soll jede Gemeinschaft mit ihnen ablehnen, denn ihr Thun und Treiben hat mit seiner Berufsthätigkeit nicht-s gemein. Neben und außer dem gemeindlichen Leben machen sie sich in den Häusern zu schaffen, zumeist bei Frauen, die für Sünden, welche sie auf sich gehäuft haben, Buße thun sollten, aber nicht wollen, sondern von allerlei Gelüsten um- getrieben werden; ihnen find solche Menschen dazu behilflich, über Bußgedanken hinwegzukommen, indem sie religiöse Gespräche mit ihnen führen, welche sie angenehm unterhalten und zugleich fromm beschäftigeiy ihnen gern gehörten Aufschluß geben über dies und jenes, ohne sie mit der Strenge der heiligen Wahr- heit zu behelligen. (v. Hofmann.) Es ist eine ebenso beweisbare als demüthigende Bemerkung, daß, gleich- wie die Wahrheit, also auch der Jrrthum und die Sünde jederzeit eine mächtige Stütze in dem schwächeren Geschlecht gefunden hat; in dem weiblichen Charakter liegt die Anlage, wie zu der höchsten Entwickelung der Glaubenskraft, also auch zu der höchsten Offen- barung der Macht der Sünde. Auch Josephus er- zählt, daß die Pharisäer besonders viel Anhang unter den Frauen gefunden hätten. (v. OosterzeeJ Treffend ist an unsrer Stelle die Charakteristik frommer Seelen- jäger, deren es besonders auch unter den Katholiken gegeben hat und noch giebt, und ihrer Beute. (de Wette.) O meine lieben jungen Amtsbrüder, seien Sie recht vorsichtigx lassen Sie die Herumtreiber nicht in Jhre Gemeinde, und die Weiblein nicht in Jhr Herz hinein! Diese sind eine Gefahr namentlich für den jungen Geistlichen. Gerade die Herzen solcher Weibleinischlagen ihm entgegen: religiöses Bediirfniß ist bei ihnen vorhanden; sie wissen, daß sie mit Sünden beladen sind und sind darum bußfertig, wollen Trost aus dem Evangelio haben. (Plitt·) Gegenwärtig giebt es allenthalben wieder erweckte Leute, und wo es diese giebt, giebt es auch deren Afterbilderx das find jene verzweifelten Menschen, welche sich ein Geschäft daraus machen, das Land zu durchstreichem alle ,,christlichen Freunde« und namentlich alle als christlich renonimirten Pfarrer aufzusuchen. Sie verwechseln die Gemeinschaft der Heiligen mit Kameradschaft und setzen ein Ge- waltiges darein, alle entschiedenen Ehristenleute zu kennen, d. i. einmal oder öfter gesehen zu haben. Jhre Themata, welche sie mit allen Christen ab u- handeln pflegen, sind die sog. Adiaphora und die gu- kunft, der Welt Ende, die Offenbarung Johannis, allenfalls auch die Mission und insonderheit ,,Basel oder Leipzig« u. dgl. Sie lieben gefühliges Erregen neben scharfem Absprechen, Erweckungspredigten in methodistischer Gewalt, ThränemSeufzer und Griinassen — kurz, alle Lüste religiöser Thoren findet man aus ihnen sprechend und wirkend. Allenfalls erwählen sie sich, um desto leichter das Gewissen zu stillen, das Geschäft des Hausirers und bekommen so völlige Berechtigung, ihre geistlichen Gaben mit hausiren zu tragen. Sie haben zuweilen in ihrer Heimath einen ziemlichen Anhang, herrschen oft über die Erweckten daselbst, und ihre Stimme gilt wohl auch in weiteren Kreisen bei Jhresgleichen Sie sprechen über Pfarrer und deren Wirken, über ihre Predigten, Katechesen und Gebete meifterlich ab, sprechen selig trotz dem Bischof von Rom und verdammen nicht minder fertig. Sie bringen die guten und bösen Gerüchte in Umlauf, durch welche St. Paulus und dessen Nachfolger alle- zeit gehen mußten· Mit der Zubersicht erwünschter Freunde treten sie zu jeder Tageszeit in die Pfarr- häuser ein; und wer sie niedersitzen heißt, ja auch nur stehend sie zu Worte kommen läßt, der sehe wohl zu, wie er ihrer wieder los wird. Sie hören sich gar zu gerne selber reden, zumal wenn sie außer den ihrigen noch andere willige Ohren finden· Jm Tone und mit den Aus-drücken ihres Lieblingspfarrers tragen sie ihre Urtheile, Lobsprüche, Warnungen, ihre apokalyptischen Schlüsse und apodiktifchen Befehle in Sachen christ- licher Freiheit vor: finden sie Anklang, so werden sie wunders zuthulich, voll Freundschaft und persönlicher Erbietung zu Hilfleistungen aller Art; werden sie gütig behandelt, so vertragen sie auch ein wenig Widerspruch und Zurechtweisung — die Freundschaft und Bekannt- schaft wieder eines berühmten Pfarrers mehr ist nicht zu theuer erkauft, wenn man auch von dem geistlichen Herrn ein wenig zu leiden bekommt. Sie kommen immer wieder, und wenn sie können, so suchen sie sich irgendwie angenehm, wohl gar unentbehrlich zu machen. Zuweilen haben sie ganz aparte Sachen, z. B. die Wiederbringung aller Dinge, die erste Auferstehung 2c.: schont man sie darin, um sie nicht zu erzürnen, oder in Hoffnung, ihnen nach und nach auf eine sanfte Weise den Jrrthiini zu nehmen, so hangen sie Einem an, auch wenn sie in Predigten ge. die gegentheilige Lehre hören —-- der gute Pfarrer wird dann mildiglich beurtheilt, er weiß es nur noch nicht besser oder ,,»kommt schon herbei 2c.« Gegen dieses leicht kennt- liche Ungeziefer des Weinbergs Gottes, sowie gegen andere dergleichen Schwätzer innerhalb und außerhalb der Gemeinde ist nichts besser, als die schon bekannten Besucher dieser Art einfach abzuweisen, für andere aber ein für alle Mal eine Stunde festzusetzen, in welcher man jedermann zu sprechen sich bereit erklärt, während man zur Uebung der Seelsorge bei Tag und Nacht, in Ruhe und Arbeit sich Zeit zu nehmen ver- spricht. Die Kommenden lasse man getrost nach Wunsch 672 2. Timotheum s, 1.3——17. und Begehr fragen und diejenigen, welche nicht in Sachen des Amts und der Seelsorge kommen, mit der offen gestandenen Ursache des Zeitmangels ab- weisen. Schon das verdrießt oft die Läufer; kommen sie aber in der Sprechstunde, so wissen sie zum Voraus, daß der Pfarrer nach deren Ablauf abbrechen wird, sie können also nicht allzuweit ausholen, und zuweilen treffen sie mit andern Leuten zusammen, die inner- halb derselben Stunde auch abgefertigt sein wollen und sollen. (Löhe.) » · · sit) Jene egyptischen Zauberpr1ester, die der Apostel der Kürze wegen mit den Namen nennt, unter denen sie bekannt waren, ohne damit die geschichtliche Richtigkeit derselben verbürgen zu wollen, thaten das Gleiche, wie Mose, aber sie thaten es, um das, was Mose that, unwirksam zu machen: sie widerstanden ihm damit. Ebenso sieht das, was die scheinfrommen Schleicher thun, dem Thun eines Timotheus insofern gleich, als auch sie von dem reden, was er lehrt; aber sie thun es, um das apostolische Zeugnis; unwirksam und diejenigen, welche sie an sich ketten, für die evan- gelische Wahrheit unzugänglich zu machen. So treten sie unter dem Anscheine christlicher Frömmigkeit der christlichen Wahrheit feindlich entgegen, deren Verkün- dung Buße und Glauben fordert, und gleichen also andrerseits den Menschen der letzten Tage, welche unter dem äußeren Schein der Frömmigkeit ein gott- entfremdetes Leben führen werden; darum eben soll Timotheus die Meinung nicht aufkommen lassen, als sei zwischen ihm und ihnen kein Unterschied, sondern soll sie als Leute, mit denen er keine Gemeinschaft hat noch haben will, von sich abweisen und ihnen den Rücken kehren. Er konnte versucht sein, sich ihre Ge- nossenschaft gefallen zu lassen, weil sie doch immerhin Christenthum lehrten (vgl. Phil. l, 18); aber so soll er ihr Thun und Treiben nicht ansehen, sondern als Feindschaft gegen die heilige Wahrheit und sie selbst als Pienschen von zerrütteten, erkenntnißunfähig ge- wordenen Sinnen und bei denen von wirklichem Glauben keine Rede ist: zerrütteten Sinnes sind sie, so daß es vergeblich wäre, sie zu besserer Erkennt- nißbringenzuwollemund ohne wirklichenGlauben, so daß von einer Glaubensgemeinschaft mit ihnen keine Rede sein kann;und der Wahrheit entgegen wirken sie, nicht sind sie ihr, nur auf ihre Weise, doch auch förderlich. Hiernach soll sich Timotheus zu ihnen stellen. Wenn dann der Apostel hinzufügt: »aber sie werdens die Länge nicht treiben«, so ist dies eine Beruhigung über die Fo l - gen, die es haben möchte, wenn Timotheus mit ihnen bricht. Er konnte befürchten, siemöchten dann feine ge- meindliche Wirksamkeit durch den Einfluß, den sie in den Häusern üben, untergraben; aber dazu werden sie es nicht bringen, es wird ihnen gehen, wie es Jannes und Jambres ergangen ist, indem ihre Thorheit oder Unsinnigkeit Allen handgreiflich offenbar sein wird. Diese ihre Thorheit besteht darin, daß sie sich als fromme Leute geberden und zu christlicher Erkenntniß anleiten wollen, während sie aller Frucht der Frömmig- keit baar sind und die von ihnen Berathenen bei ihren Sünden belassen; die HaUdgreifIiclJkeit solchen Wider- sinnes aber wird sie keinen weiteren Erfolg gewinnen lassen, als daß sie solche Leute, wie jene Weiblein sind, an sich ketten. Jnsofern geht es ihnen, wie es den egyptischen Zauberpriestern ergangen ist, deren ver- meintliche Wundermachh 1nit der sie es dem Mose gleich thun wollten, nicht über die Grenze hinaus- reichte, bis zu welcher ihnen zugelassen war, es ihm anscheinend gleich zu thun. So beruhigt der Apostel den Timotheus, ohne damit seinen Vorhersagungen in V. 1——5 oder Katz. 2, 17 zu widersprechen; denn in Kap. 2, 17 handelt er von einer Jrrlehre, welche der aposto·lischen Lehre offen widersprach, so daß, was er dort vorhersagt, auf das Scheinchristenthum, von welchem er jetzt handelt, keine Anwendung erleidet, und in V. l ff. schildert er die Menschen der letzten Tage nicht so, als ob ihre Verderbnis; eine Wirkung des Treibens derer wäre, mit denen Timotheus brechen soll, sondern sagt nur von diesen, daß sie in der Gegenwart, wo es mit der Gemeinde noch nicht so steht, daß ihr solche Menschen für gute Christen gelten könnten, gleicher Beschasfenheit seien, wie die Menschen der letzten Zeit allgemein sein werden — eine Aus- sicht, die er ihm zu dem Zwecke eröffnet, um ihm die scheinsrommen Schleicher im rechten Lichte erscheinen zu lassen. (v. HofmannJ Das alte Testament nennt weder Zahl noch Namen der egyptischen Zauberer; der Apostel hält sich hier an die mündliche Ueber- lieferung der späteren Juden, die Zweizahl erklärt sich aus der Rücksicht auf das ihnen gegenüberstehende Brüderpaar Mose und Aaron, die Namen aber hat die Sage frei gebildet, und soll da Jannes wohl soviel bedeuten als ,,UeberVortheiler oder Betriiger«, während Jambres ohne Zweifel »der Widersetzliche« heißen soll. (Riehn1.) s) Wie könnte Timotheus solchen Menschen, wie sie vorhin charakterisirt wurden, neben sich Raum geben und Ihr Ehristenthum für Ehristenthum gelten lassen —— er, der sich der Nachfolge des Apostels an- geschlossen, nachdem er an ihm kennen gelernt hatte, was wahrhaftes Christenthum sei! An seinen Eintritt in diese Nachfolge erinnert ihn Paulus; und da be- greift es sich, warum er in Betreff der von ihm er- duldeten Leiden und Verfolgungen gerade dessen ge- denkt, was ihm im pisidischen Antiochien, in Jconium und in Lystra widerfahren ist. Jene Vorgänge ge- hörten der Zeit an, als er das Evangelium in die Heimath des Timotheus brachte: sie standen demselben noch lebendig vor der Seele, als er des Apostels Berufsgefährte ward (Apostg. 16, 1 ff.); er ist dem Apostel- gefolgt, wie er ihn damals kannte, als er es ward, dem so lehrende11, so lebenden, so leidenden und immer vom HErrn erretteten. Neben seiner Lehre und seinem Verhalten im Lehrer-berufe benennt Pau- lus mit guter Absicht auch die Verfolgungen, die ihm derselbe zugezogen hat; sie gehören auch in das Bild seines Christenthums. Und nicht blos in das des seinen; er fährt fort: »und alle, die gottselig leben wollen In Christo Jesu, müssen Verfolgung leiden«. Auch dies soll Timotheus beherzigen, um nicht blos unfrommes Ehristenthum nicht für Ehristenthum gelten zu lassen, sondern auch die Feindseligkeih die man sich durch frommes Christenleben zuzieht, sich nicht befrem- den zu lassen. (v. Hofmann.) Gleich als wolle der Apostel selbst den Schein vermeiden, daß er seine Ver- folgungen wegen der Sache des HErrn als etwas ganz Besonderes betrachte, worauf er sich nicht wenig würde zugute thun können, fügt er dem darüber Ge- sagten die Bemerkung hinzu, daß es im Reiche Gottes im Gegentheil die für Alle giltige Regel sei, durch Leiden zur Herrlichkeit einzugehen, und daß daher auch Timotheus, selbst wenn er es wollte, sich diesem Leiden nicht würde entziehen können, wollte er nicht gänzlich seinen Beruf verleugnen. Paulus beweist auch In diesem Theile seines Schreibens diejenige Kunst, welche Gregor der Große in seiner cum pastoralis (pastorale Seelsorge) als die höchste aller Künste bezeichnet, nämlich die richtige Leitung der Seelen: ars artium est regimen anjmarnm (Van Oosterzee.) Der von Gott uns gegebene Geist ist endlich auch ein Geist der Zucht 673 d. V. 13--Kap.1l, 8: und der Zucht. hatte Paulus dem Timothens in Kap. Z, 16 ff. zum Bewusltsein gebracht, dass der Gang der christlichen Gemeinde keineswegs ein cingestörter Fortschritt ist von einer Klarheit zu der andern, sondern dass schon seht das in ihr neben dem Guten vorhandene Böse einen so energischen Fortschritt macht, das! das Wort der Irr· lehret um sich frislt wie ein Krebs, und hatte er dann in Karl. Z, 1 ff. von einem Christengescljlectst der letzten Tage geredet, das trotz des christlicher: Scheins, den es vor sich hertriigh dennoth zu einem heidenvoltie der saslimmsteii Sorte wird ausgeartet sein, so giebt der Apostel seinem Amlsvertreter nun« mehr zu bedeuten, wie er den Geist Gottes, der in ihm waltet, nicht blos als einen Geist der Krast und der Liebe, sondern auch als einen Geist der Zucht sich must beweisen lassen; und zwar ist es da zunächst die Selbstzcithh unter der er sich zu halten hat, in- dem er im Gegensatz zu dem Fortschreiten der bösen und versührerischeii Menschen, mit denen es je länger je ärger wird, sowohl was ihr in die Irre Führen als was ihr eigenes in der Irre Gehen betrifft, bleibet bei der apostotischeki Lehre, die er mit innerer herzensiiberzeugcilig angenommen, und bei der heil. Schrift, die er von Kind aus gelernt hat und die ihn zur Seliglieit zu unterweise» vermag, solange er im Glauben an Christum Jesnm steht. Denn ist sie in allen ihren einzelnen Theilen von Gott eingegebem so ist sie auch nütze zu alle dem, dadurch ein Mensch Gottes zur Volltiocnmeccheit zubereitet und zu allem guten Werli geschickt wird (V. 13—17). Aus diese Weise wird er nun aber auch im Stande sein, die Gemeindezucht zu üben; der Apostel ermahnt ihn also unter feierlicher Betheueriiltg, sein predigtamt in aller Treue und mit Zlustiausung der Zeit dergestalt wahrzunehmen, dap ihn keine Schuld trifft, wenn eine Zeit kommt, wie die der gnostiscljen Jrrlehrem wo man sich Lehrer ausladen wird, nachdem den Leuten die Ohren fliehen; sorge er nur seht, wo man allenfalls die heilsame Lehre noch leidet, das! er anhalte mit predigen des Worts, das! er strase und dräne und ermahne mit aller Geduld nnd Lehre, dast er nüchtern sich halte, sich leide, das Wert? eines Evangelisten thue und sein Ilmt voll ansrichte— an dem Apostel, dessen Stelle er vertreten soll, hat er ein gutes Vorbild, wie man den guten Kampf zu Klinke-sen, den Lanszu vollenden und Glauben zu halten hat, um darnach, wenn die Zeit des Ilbscheidens vor- handen, von dem gerechten Richter die Krone der Ge- rechtigkeit zu empfangen (Kav. El, 1——8). 13. Mit den bösen Menschen aber [von denen nach dem in Kap. Z, 16 ff. Gesagten du dich reinigen sollst] und verfuhrerischen [Gauklern, die Andere mit dem, was sie ihnen vormachen, blenden und zu sich herüberz1ehen] wird »es je langer, je arger, verfuhren und werden verfuhret [wie sie die von ihnen Betrogenen in die Jrre führen, ge- rathen sie selber auf dem Wege des Betrags, den sie betreten haben, immer tiefer in die Irre und das Verderben hinein] 14. Du aber sstatt dich irgendwie auch ver- führen zu lassen] bleibe in dem, das du gelernet hast und dir vertrauet swörtlich: glauben ge- macht, zur festen Ueberzeugung gebracht worden] ist, stniemal du tveißest, von wem [Kap. 2, 2] du gelernet hast. Dächsekd Bibelwort. VI. Band. 15. Und weil du [in Folge deiner Erziehung durch die Großmutter Lois und die Mutter Eunike Kap. 1, S] von Kind auf die heilige« Schrift [alten Testaments Joh. 7, 15] weißest, kann dich dteselbige unterweisen zur Seligkeit [in immer besserem Aufschluß, den sie dir über die göttliche Heilswahrheit und die göttlichen Heilswege giebt], durch den Glauben an Christo Jesnt [ohne den freilich niemand sie ordentlich versteht I. Tim. 1, 7]. 16. Denn alle Schrift [auch schon des alten Testaments 2. Petri 1,-20], vou Gott eingegebenli swie sie ja es Ist 2. Petri 1,·21; b. Mos. 18, 22 Anm.], ist svermöge dieses ihres Ursprungs von Oben] nütze zur Lehre sindem sie immer weiter gehende Aufschlüsse zur Er- kenntniß der Wahrheit darbietet Röm. 15, 4], zur Strafe sindem sie dessen, was Einem von Sünde und Jrrthum noch anhaftet, überführt Joh. 16, 8], zur Besserung [indem sie» von Sünde und Jrrthum auch heilt], zur Zuchtigung in der Gerechtigkeit [indem sie vorwärts treibt auf dem Wege der göttlichen Gebote Tit. 2, 12], 17. Daß ein Mensch Gottes sein durch den heil. Geist aus Gott· gebotener und so in ver- wandtschaftlicher Beziehung» zu Ihm stehender Mensch 1. Tim.2 6, 111 set vollkommen swie es folchem feinem Stande entspricht Matth. 5, 48], zu allem guten Werk fund da besonders auch zu einenji fojlseåifkxielsa e? aiszjurichten hast Kap. 4, 5 ge i up. «, . V) Was in Beziehung auf jene. Menschen, von dienen get: zlpostäelditg Vch5—9(g)adndeltg, z3tsage1ätgar, itin .1— aur zu negera,·a em Titfiztheussvcksrzellåkitltseiå wurde,d in welchen Tsizeäsvåuch er i mit i e e en wür e, wenn eri r r1 en- thum für Chriskenthum gelten ließe, statt sie als- Leute, tdnit denen årb gemkxåt hafdlvtonhftctlj asbzutlixexflejn erneue m we er og aenni Oklieligschisn z? thztndJsdie cgrgaskind imds ltserenh Gescvhäft it, n ere ur a zu er« en, wa te· r neu »or- gaukelnsz Mit ihnen, sagt der Apostel, bleibt es nicht, wie es ist, sondern schlimmer und schlimmer wird, beide, ihr Jrrführen und ihr eigenes Jrrsal: sie» kom- men vorwärts,»abet abwärts sdagkgenhieß es von den Menschen m V. 5 ff.: »sie werden s die Lange seist dtreibexs tzFmsGkexzlenslgitz zu· soläljem Forgschreiten o enn imo eu ei en m em, wa er ge- lernet hat und dessen er »· ewiß geworden, vergewisfert wogden list, indemKerdweifdvoiå nloetäcgr fgelårnßet gut, un wei er von in au ie ei. ri ei . er erste Satz: ,,sintemal »du weißest, von wem du ge- lernet hast«, benennt etwas, das»- es dem Temotheus leicht mdackzen muss, in detnlzåi bleibetH tgas efr tgelegniit hat, un er an ere: »wer u von m au ie ei. Schrift weißest« benennt einen Grund, warum er sich dazu verpflichtet achteåilsoll Nachifem d? hApostets in V· 10 f. ihm vorge a ten, wie er einer e re un feinem Wandel gefolgt sei, brauchte er ihm nicht zu sagen, daß er mit dem »von wem« sichs selbst· meine; wenn er aber das Glück gehabt hat, von Kind auf die heil. Schrift zu kennen, in welche ihn also seme 43 674 s Z. Timotheuni 3, 17. Mutter, noch ehe sie Jesum kannte, eingeführt haben wird, wie sollte er da von dem Standpunkte weichen, den er, seit er des Apostels Schüler und Nachfolger geworden, einnimmt, da er vermöge seiner Schrift- kenntniß wissen muß, wie wohl begründet derselbe ist! (v. Hofmannh Die bösen verführerischen Menschen sind betrogene Betrüger: wer betrügt sie? sie betrügen sich selbst! Das ist das Gewöhnliche, wenngleich es nicht immer der Fall ist, daß solche, die Jrrthümer in der Religion verbreiten, sich zuerst selbst betrügen und dann, wenigstens theilweise, an das glauben, was sie sagen. (Plitt.) Beides, verführen und verführt werden, geht immer Hand in Hand: es giebt keinen Heuchler und Verführer, der nicht wiederum an feinem Theil die Beute des Jrrthums würde; und keinen Verführten, der im Eifer für die Lüge nicht durch Heuchelei und Verführung Anderer auf die Dauer seine Stärke suchen müßte· (v. Gerlach.) Jm Gegen- satze zu den bösen und verführerischen Menschen und ihrem Fortschreiten zu immer Schlimmerem soll Ti- motheus bleiben bei dem, was er gelernet hat; hat er doch einst freudig dem Apostel sich angeschlossen, indem er im Hinblick auf dessen persönlich ihm bürgen- des Beispiel und getragen von dem Zeugniß der Schrift, mit der er von Kind auf vertrauet ist, von der Wahrheit des Gelernten vergewissert worden. Eine bleibende Eigenschaft der Schrift nun, die den mit ihr vertrauten Timotheus bestimmen muß, bei dem, was er gelernt hat, zu bleiben, ist die, daß sie vermag ihn weise zu machen zum Heil, ihn immer tiefer in dessen Erkenntniß einzuführen durch den Glauben an Christum Jesuny dieser Zusatz: ,,durch den Glauben an Christum Jesum« enthält die zum rechten Gebrauch des alten Testaments hinzugefügte nöthige Bedingung, denn nur wer diesen Glauben hat, wird darin die Heilswahrheit finden, nicht aber z. B. ein ungläubiger Jude, vgl. 2. Cor. Z, 14 ff. (Wiesinger.) Wie Christus der Geist des alten Bundes ist (2. Cor. Z, 17), so ist der Glaube an Christum Jesum der Schlüssel zu der geil· Schrift des alten Bandes; diesem Glauben erschlie en sich alle Tiefen der Weisheit, durch ihn wird die Schrift in den Stand gesetzt, weise zu machen in Betresf des Heils, d. i. dem Gläubigen die volle Erkenntniß von dem systematischen Zusammenhange aller Heilswege Gottes darzureichen und ihm damit die Biirgschaft zu geben, daß die evangelische Predigt wahrhaftig Gottes Wort sei. (Otto.) »Es) Wenn schon Stellen, wie diese: Matth. l, 227 L, 15; Luk. I, 705 Apostg. 1, 16; 3, 18. 21; 4, 25; 28,25; Röm.3, 2; Z. Petri 1, ’2l; Hebr. 1,1; 10, 15., zur Genüge beweisen, daß das neue Testament nicht nur die prophetischem sondern sämmtliche alttestamentl.Bun- desschriftem und zwar ebensowohl im Ganzen und Allge- meinen (Luk. 24, 44) als auch in jedem einzelnen, jedesmal gerade angeführten Spruche (Luk. 20, 37; s Gal. Z, 16), als inspirirtes Gotteswort betrachtet (ja, wenn Paulus die Schrift so durchaus Eins mit Gott weiß, daß er sie geradezu als eine Person darstellt Gal. Z, 8. 22), so wird an unsrer Stelle, wo die Vulgata den apoftolischen Ausdruck (i·)si5m-sweog) mit inspjrata wiedergiebt und daher die Bezeichnung »Ju- spiratioii« in den dogmatischen Sprachgebrauch über- gegangen ist, die Inspiration des ganzen alten Testa- ments noch ausdrücklich bezeugt; und wie sehr, was vom Ganzen gilt, auch von allen einzelnen Theilen gilt, zeigt Joh. 10, 35., wo in Bezug auf einen be- timmten einzelnen Ausspruch des alten Testaments der HErr sagt, die Schrift könne nicht gebrochen werden, und ebenso Matth. 5, 18 u. Luk. 16, 17., wo er be- zeugt, nicht der kleinste Buchstabe noch Ein Tüttel vom Gesetz solle zergehen. Die Inspiration des alten Testanientes nun beweist fiir die des neuen Testaments um so mehr, je höherdie Offenbarung des letzteren über der des ersteren steht. Der HErr sagt denn auch selbst von seinen Worten, wie von den Worten des alten Testaments, daß sie nicht vergehen (Luk. 21, 33), seinen Jüngern aber verheißt er den Geist als seinen Stellvertreter, der sie an alles erinnern, sie alles lehren, in alle Wahrheit sie leiten, aus ihnen reden und zeugen und also seine Worte in ihren Mund legen werde (Joh. 14, 26; 15,·26 f.; is, 13f.; Muth. 10, n) f.); diese, vor der Himmelsahrt wiederholte Perheißung (Apostg. I, -8) erfüllte sich am Tage der Pfingsten, wo die vom Geist erfullten Apostel predigen und zeugen, nachdem ihnen der Geist gab auszusprechen (Apos»tg. 2, 4). Seitdem begleitet sie auch das sichere und stetige Bewußtsein, daß ihr Wort nicht weniger als das alt- testamentliche Prophetenwort wahrhaftig Gottes Wort sei (1. Thesssz 2, II; ,2. Cor. 5, 20; 13, s; Ephes. Z, 4 f.; 1. Petri l, 12. 25). Es versteht sich aber von selbst, daß alles, was von dem mündlichen, mindestens in demselben Grade auch von dem schriftlichen Wort der Apostel gilt; auch haben sie nichts Anderes e- schrieben, als was sie Verkündigt haben (1. Joh. l, 3Fi.), und Paulus stellt in 2. Thess 2, 15 ausdrücklich seine Briefe seiner mündlichen Verkündigung ganz gleich und verflucht Engel und Menschen, die fein Evan- gelium, das er nicht von Menschen, sondern vom HErrn empfangen hat, welches er mündlich ihnen gepredigt und schriftlich ihnen -wiederholt, verändern (Gal. l, 8 u. 12).i Es ist aber die Jnspiration derjenige Akt des Geistes Gottes auf den Menschen- geist, durch welchen letzterer ganz in das Offenbarungs- objekt hineinversetzt und befähigt wird, dasselbe rein und· , ungetrübt aufzunehmen und wiederzugeben. (Philippi.)· Der Geist, welcher den Inhalt der Schrift, die Offenbarung gegeben hat, hat» auch das Schriftzeugniß von diesem Jnhalt inspirirtz Jn- spiration ist der Beistand, welchen der heil. Geist den Zeugen alten und neuen Bundes bei der schriftlichen Darstellung desselben leistete. (Kahnis.) Was bei vor- züglichen menschlichen Büchern ein Erzeugniß theils des nngeborenen Talents, theils der gründlicheiy fleiszigen Forsrhung und Sammlung, theils »der je- weiligen glücklichen Gemüthserhebung und Stimmung ist —— der gediegene Jn alt und das entsprechende Gewand, in das dieser Jnhalt nach der Anlage des Ganzen und im Einzelnen gekleidet ist: das ist in An- sehung der heil. Schrift die Wirkung eines Zusammen- schlusses des Menschengeiftes mit Gottes Geist, durch welchen die Offenbarung des letzteren lauter und un- entstellt zum Jiihalt des ersteren wird; und eben dies, daß die einzelnen Theile der Schrift so entweder geradezu ein Diktat des Geistes Gottes sind oder doch unter der heiligenden und bewahrenden Leitung dieses Geistes abgefaßt, macht die Schrift zu dem, was sie ist, nicht Nienschenworh sonderii Gotteswort. Damit ist nun allerdings ein wunderbares Eingreifen Gottes ausgesprochen, ein Herabsteigen des HErrn in die menschliche Thätigkeit des Schreibens hinein; aber ist denn nicht alle wahrhaftige Offenbarung auch ein wunderbares Herabsteigen Gottes in unser mensch- liches Leben? und die Schrift gehört eben mit zur Offenbarung, ist ein so nothwendiger Bestandtheil der- selben, daß man wohl sagen darf, ohne eine Schrift, die Gottes Wort ist, gäbe es für uns gar kein sicheres Wissen von den Offenbarungen des HErrn (Klett.) Es ist unzulässig, inspiratio realis und verbalis (Sach- und Wort-Eingebun ) zu unterscheiden; Inhalt und Form sind beide die irkungen des Einen gött- Die Selbstzucht, unter der sich Timotheus zu halten hat. 675 lichen Aktes. Wie die Seele entstand, als Gott dem Ntenschen den Geist einhauchte (1. Mos. 2, 7), so ent- stehenWorte göttlichen Wesens und menschlicher Ge- stal·t, indemGott dem Menschen Gedanken e-inhaucht: es ist» »das eine Erfahrungsthatsache, die gar nicht so jenseitig ist, daß sie nicht dann und wann jeder Christ an sich selbst erleben könnte. Auch ist» Theopneustie (Jnspiration) ein »Gattungsbegriff, der gar mannig- fach abgestufte Geisteswirkungen unter sich begreift, je nach dem besonderen Charisma, der besonderen Be- rufsftellung und besonderen schriftstellerischen Aufgabe, d. h; je nachdem der Schrifsteller sich productiv und continuativ oder reproductiv und applieativ zur Heils- offenbarung und Heilsgeschichte verhält» (Delitzsch.) Wie nun Wirkung des heil. Geistes die biblischen Bitcher hervorgebracht, so hat Wirkung des heil. Geistes-sie auch zusammengebrachtx jene allein reicht nicht aus, das Eigenthiimliche der Schrift zu erklären; die eine geschah auf die einzelnen Verfasser, die andere auf die Genieinde, welcher sie angehörten (v.»Hofni»ann.) Wenn Gott das Größere gethan hat, daß er sich den Menscheii offenbarte, so wird er auch das Kleinere gethan haben, daß er für die treue Fort- pflanzung seiner Offenbarungen Sorge trug; denn sonst wurden dieselben ihres Zweckes zum größten Theil verfehlt haben. Dies ist ein vollkommen berechtigter Schluß a« majori ad minus; es ist derselbe Grund- gedanke xn Bezug auf das höchste Geistesleben der Menschheih wie ihn Jesus in der Bergpredigt hin- sichtlich des» natürlichen Lebens ausspricht (Matth. 6, 25). Wir sollen, sagt er, um dessen Erhaltung unbesorgt sein; das Leben sei ja mehr, als die Speise, und der Gott, der uns jenes gegeben, werde auch für diese sorgen. (Auberlen.) IN) Es braucht wohl nicht erst daran erinnert z1i werden, daß der Apostel hier Wesen, Nutzen und Zweck der Schrift des alteii Testaments vom evan- gelisch en Gesichtspunkte aus beleuchtet und daß er demzufolge an eine Vollkommenheit ohne Christum nicht denkt, als auf welchen die Schrift ja hinzielt, so daß demgemäß vorher (V. 15) der Glaube an Christum Jesum ausdrücklich hervorgehoben wurde. (M·citthi·es·) Lieset ein Christ das alte Testament, wie er ja nicht anders kann, im Lichte der neutestamenti lichen Erfüllung und sncht es im Sinne seines HErrn und Meisters und seiner Jünger zu verstehen, so wird er bald inne, daß dies kein triigerisches Jrrlicht, son- dern eine wahrhaftige Lenchte ist, welche je länger je mehr alle Dunkelheiten der Schriften des alten Bun- des ihm erhellt, so daß er an ihnen keine geringere Herrlichkeit schaut, als die ist, welche sich ihm an den Schriften des neuen Bundes erschlossen hat; er ver- steht die Geschichte der Schöpfung und des Falles, der Auserwählniig und Führung Abrahanis nnd seines Volkes, das Gesetz uiid die Verlnißiinkh die Gerichts- uiid Gnadenwunder des HErrn; es erschließt sich ihm das ganze alte Testament zu einer großen, zusammenhängendeii Weissagungsschrift auf Christum. Seine Geschichte uiid seine Institute, seine heils- mittlerischen Personen in ihren Charakteren nnd Aem- tern, ihrer Erniedrigung und Erhöhung, sein Gesetz und seine Weissagung enthüllt sich ihm als ein System gdttlicher Pädagogie, sowie wunderbarer Vorausdar- stellungnnd Vorausverkündigung des wahren Israel im· individuellen und collectiven Siniie des Worts, d. i. Jesu und seiner Gemeinde, als eine Anbahnung, Vorausnahme und Zuvorbezeugung (1. Petri 1, 11) der Leiden, die in Christo sind, und der Herrlichkeit darnach. Zumeist jedoch sieht er sich auf die Schrift des neuen Testaments angewiesen (die damals, als er, der Apostel, obige Worte an Timotheus schrieb, nur erst noch im Entstehen begriffen war): da schaut er in den Evangelien des Menschen Sohn als den Sohn Gottes voller Gnade und Wahrheit; er schaut ihn in seiner, durch seine Niedrigkeit hindurchstrahlenden Herrlichkeit, schaut ihn in feiner Geburt, seinem Tode und seiner Auferstehung als das Wunder Gottes schlechthin, der darum auch als der Wunderthäter auf Erden gewandelt hat. Er vernimmt ihn aber auch in seinen Worten als das Wort Gottes schlechthin, zu dessen Worten ihm das Ja und Amen in seinem Herzen wiederklingt. Dieser Glaube an den wunderbaren, wunderthätigen und wunderredenden Gottes- und Marien-Sohn ist selber ein Wunder Gottes, das vom Geiste Gottes geschaffene Auge seiner Seele, in welche das Licht der hiinmlischeii Welt, der Aufgang aus der Höhe einstrahlt: so kann er nicht zweifeln und mäkeln, sondern nur kiiiebeiigeiy aiibeten und jubeln. Und wie die Geschichte des HErrn, so wird ihm auch die Geschichte der ersten Gründung und Ausbreitung seiner Kirche mit ihrer wunderbaren Ausgießung des heil. Geistes und den wunderbaren Wirkungen und Zeug- nissen, welche der erhöhete HErr mittels seines Geistes durch seine Apostel vollzieht, zu einer wunderbaren, unumstößlich gewissen, vom Geiste versiegelten Geschichte. Tritt er dann an die Lehrschriften der Apostel heran, so findet er hier erst die vollkommene Deutung dieses Wunderbaues der evangelifchen und apostolischen Ge- schichte, den rechten Schlüssel zu allen ihren, ihm theilweis noch unerschlossenen Geheimnissen; es wird ihm nun kund gethan, was freilich schon Evangelium und Apostelgeschichte in bestimmtester Andeutung be- zeugt, daß diese Geschichte der Menschwerduiig des Sohnes Gottes, seiiies Todes nnd seiner Auferstehung, seiner Himmelfahrt und seines Sitzens zur Rechten Gottes, sowie seiner verheißenen zweiten Zukunft für ihn, zu seiner Rechtfertigung und Heiligung, zu seiner Beseligung und Verherrlichung geschehen ist, und daß und warum sie also geschehen mußte, wenn er vom ewigen Tode errettet und des ewigen Lebens theil- haftig werden sollte. So wird ihm auch die Apostel- schrift zum Worte Gottes, welches ihm den ewigen Gottesrathschliiß zu seinem Heile offenbart und das Geistessiegel seiner Wahrheit in sich selber trägt und wirksam mit sich führt. So ganz und gar von der absoluten Auctorität des HErrn und seiner heiligen Apostel umfangen und in ihr gefangen, ist ihm auch von vorne hereiii ihr Zeugniß von der Göttlichkeit und unbedingten Verbindlichkeit der alttestamentlicheii Schrift, welches alle ihre Reden durchzieht und von ihnen als Beweis uiid Bestätigung ihrer eigenen Worte angeführt wird, zum Glaubensgehorsani ver- pflichtende Auctoritlit (Philippi.) Die Bibel ist das Buch der Bücher, klar genug deni Einfältigen und unergriiiidlich auch dem Weisesten. Aus ihr, sagen wir mit Jesus Sirach (2—t, 234 sf.), ist die Weisheit geflossen wie das Wasser Pison, wenn es groß ist, und wie das Wasser Tigris, wenn es iibergehet im Lenzenz aus ihr ist der Verstand geflossen, wie der Euphrates wenn er groß ist, und wie der Jordan in der Ernte. Aus ihr ist hervor ebrochen die Zucht ioie das Licht, und wie das Wassger Nilus im Herbst. Er ist nie gewesen, der sie ausgelernt hätte, und wird nimmer- mehr werden, der sie ausgründen möchte; denn ihr Sinn ist reicher, denn kein Meer, und ihr Wort tiefer, denn kein Abgrund. Darum laß doch dein allzuvieles Lesen andrer Biicher und lies vor allem täglich in der heil. Schrift: es ist das nicht blos ein menschlicher Rath, es ist der göttliche Wille; denn was Gott zu Josua (1, Z) sagt, das sagt er auch dir. (Delitzsch.) »Mit 676 2. Timotheum 4, 1——8. Das 4. Kapitel. gute Aufsicht im Jiredigtamt nonnätheru Faust Kampf und Krone. 1. So bezeuge ich nun [ermahne dich unter Betheuerung Kap. 2, 14; 1. Tini. 5,« 21] vor est singen.Hessrsgssgsskstksgsase nnigi og.,-«. e., «.er1 4, 5], zu richten die Lebendigen und die Todten [und also auch dir dein Urtheil fällen wird, du seiest, wenn er kommt, noch am Leben oder schon entschlafen], mit seiner Erscheinung [1. Tier. 6- 14] dund mitltseinsrtettä Reicheik szukiinftig is; so Tag es ann gi , e en zu önnen vor I m, e Menschen Sohn Luk. 21, 36., und ein Urtheil von ihm zu empfahen, das uns für Genossen seine; HJrlBchkeiZ grålåjrttågiasttg. 25, ls4·]:s « . re ige a or e vange n m einem ganzen Umfange, ohne irgend einen Theil des- selben auszunehmen oder in den Hintergrund zu stellen Apostg. 17, 11], halt an» [mit solchem Esårefingely dghßt dusdcks Fsort allåze1t.tl)cc[n?h«ccilhestE, c cl ZU kc ck cl b ck zUk Uzcl ge! vie, ob dir die Zeit geeignet scheint oder nicht]; strase [mit Nachdruch die der Ueberführung von ihrem Unrecht bedürfen], dräue smit Gottes Strafe Judä 9 denen, die sich dem Wort der Wahrheit widersetzen], ercznahne mit aller Geduld und Lehre« [so daß du ni tungeduldig wirst, wenn du das- selbe oft sagen mußt, und nicht in dictatorischer Weise forderst, sondern Über den Grund deiner Forderung jedesmal belehrst]. 3. [So kaufe die Zeit aus, die jetzt noch vorhanden ist Ephes 5, 16 Anm.] Denn des wird eine Zeit sein [1. Tim. 4, 1 ff.], da sie ie heil- same Lehre [Kap. I, 13; 1.·Tim. e, 3»; Tit.1,9; 2, l] nicht leiden sunerträglich, weil mit Ihren Be- gierden unverträglich, finden]s werden, sondern nach ihren eigenen Lüsten [denen ie ungenirt und un- gestört sröhnen wollen] werden sie ihnen selbst Lehrer ausladen [zu ihrem eigenen Schaden sich haufenweise anschaffen], nachdem ihnen die Ohren jücken sum immer etwas Neues, Angenehmes, dem Fleische Behaglichkeit Gewährendes von ihnen zu hören]« 4. Uild werden die Ohren [die nicht mehr unangenehm berührt sein wollen] von der Wahr- heit wenden und sich san deren Stell»e] zu den Fabeän Plktric 1, d16] likehfrgttiff sTgr bplts . Uaer um em mi greien er aen, wie sie schon jetzt in Schwang kommen 1. Tim. l, 4; 4, 7; Tit. 1, 14., nach Kräften vorzu- beugen Col. 4, 17 Anm.] sei nüchtern allent- halben sdafz du nicht selber von irgend einer Seite her in diese Schlingen gerathest], leide dich [Kap. 2, s; I, 8 Anm., wenn es etwas um des recht- mäßigen Evangelii willen zu leiden giebt], thue das Werk eines evangelischen Predigers seines Cvangelisten oder Predigers der evangelischen Geschichte Apostg. 21, Z; Ephes 4, 11 Anm.], richte dein Amt sden dir übertragenen Dienst eines apostolischen Delegaten für die Gemeinde zu Ephesus Kap. J, 2 Anm.] redlich [in seinem ganzen Umfange V. 2; 1, 8; Z, 2. 8. 14 ff. 22ff.; 3,14 ff.;1.Tim.1, 3 ff. 18 ff.; 2, 1 ff.; Z, 1 ff.;4,6f.13 ff.; 5, 1fs.; 6, 1 ff.] aus-s- 6. sDies Mal kann ich ja nicht, wie das vorige Mal 1. Tim. 4, 13 hinzusehen: ,,bis ich komme«.] Denn ich werde [mit dem, was ich jetzt zu erleiden habe Kap. I, 8. 121 schon geopfert [Phil. 2, 17], und die Zeit meines Abscheidens [Phil. 1, 23] ist vorhanden ssteht bevor] 7. Jkh habe einen [genauer: den] guten Kampf swie er dem Nachfolger Christi verordnet ist 1. Tini. e, 12; Herr. 12, 1]. gekämvfer ich habe den Lauf snach dem vorgesteckten Ziel, nach dem Kleinod Phil. s, 14; 1. Cor. 9, 24] vollendet, ich habe fallen Reizungen zurUntreue gegenüber] Glauben gehalten [Apostg. 20, 24 f.; l. Cor. 9, 26 f.]: s. Hinfort [vgl. Hebr 10, 131 ist mir bei- gelegt [Col. 1, 5] die Krone der Gerechtigkeit sKap. 2, 22; s, 16], welche mir der HErr an jenem Tage [Kap. 1, 12], der gerechte Richter snachdem er durch den ungerechten irdischen Richter in dieser gegenwärtigen Zeit meine Opferung hat vollziehen lassen] geben wird; nicht mir aber Mein, sondern auch allen, die seine Erscheinung [1. Tini. 6, 141 lieb habenH [2.Thess.1,7sf.]. V) Vor Gott und Christo etwas sagen ist soviel, als Gott und Christum zum Zeugen nehmen: im vor- liegenden Falle soll sich der, welcher ermahnt wird, die Ermahnung vor diesen Zeugen gesagt sein lassen, sie als eine vor ihnen vernommene aufnehmen; hier- durch bekommt das »ich bezeuge vor Gott 2c.« den Sinn einer Beschwörung Der Apostel beschwört den Timotheus aber noch speziell bei der Erscheinung Jesu Christi, indem es dann gilt, vor ihm, dem Richter, bestehen zu können; und bei seiner mit ihr beginnenden königlichenHerrschaft beschwört er ihn, weil es dann gilt, seiner Herrlichkeit mittheilhaft zu sein. (v. Hofmannh Auch die Gutwilligften bedürfen gegen die Schwachheitdes Fleifches und die Versuchungen ihrer Zeit so ange- trieben zu werden, wie der Apostel es hier mit Ti- motheus thut: wer das nicht nöthig zu haben meint, der ist schon auf schlüpfrigem Wege; mit den Folgen unsers Amts ans die Ewigkeit, sonderlich auf den Tag Jesu Christi, muß man seine läfsigen Hände oft auf- richten und seine müden Kniee stärken. Dem HErrn Jesu zu gefallen und auf seinen Tag zu bestehen, soll der Grund sein, auf den wir uns täglich erneuern: das verhütet, daß aus der Geschäftigkeit kein zer- streutes Wesen, aus der Geduld keine Faulheit, aus der Begierde, weiter zu kommen, kein Fürwitz wird; das Licht jenes Tages hält alles in Zucht und Ord- nung. (Rieger.) it) Jn diesem Vers ist ein großer Reichthum von Pastoralweisheit niedergelegt; mit demselben ist aber Die Gemeindezucht, die er in treuer Ausrichtung seines Predigtamts zu üben hat. 677 Kap. Z, 16 zu vergleichen. Vor allen Dingen nämlich muß sich der Geistliche, der das göttliche Wort zu verkündigen hat, selbst unter die Zucht dieses Wortes stellen; er muß sich von demselben in seiner Erkennt- niß belehren, in seinem Wandel strafend überführem in seinem Herzen trösten und stärken « lassen, damit er so in der Gerechtigkeit erzogen werde. Durch das ganze Amtsleben des Geistlichen muß dieses Schöpfen aus dem Quell des göttlichen Worts fortgehen: nur wenn er dies thut, wird er fähig sein, sein Amt recht auszurichten. Dann aber soll er sich stets gegen- wärtig halten, daß der HErr, dem er dient, vonseinen Knechten Rechenschaft fordert. Dies Bewußtsein seiner Verantworlichkeit soll ihn treiben, wie ein Herold das Wort, das Eine ewige Wort zu verkündigen und nicht zu warten, bis nach seinem Dafürhalten alles ganz günstig für diese Verkündigung steht. Der HErr hat ihm befohlen zu predigen: so predige er, es sei zu rechter Zeit oder zur Unzeit. Aber ohne Weisheit freilich muß dies Predigen nicht geschehn; man muß nicht, wie dies gar manchmal geschieht. unterschiedslos allen dasselbe sagen. Wie nun das Predigen sich im einzelnen Falle nach der Verschiedenheit des Objekts verschieden zu gestalten hat, besagen die Worte: ,,strafe, dräue, ermahne«; bald ist die Verkündigung ein Ueber- führen und Widerlegen, bald ein Rügen und Dräuen, bald ein aufrichtendes und tröstendes Ermahnen (Plitt.) Es hat aber das Ermahnen zu geschehen nicht im Zorn, nicht in Selbsterhebung, sondern voll Mitleid; auch hat es nicht blos eine augenblickliche Gefühlsaufregung hervorzurufen, sondern durch den festen Grund der Lehre eine bleibende Aenderung zu bewirken. (v. Gerlach.) THE) Was Timotheus unter allen Umständen für seine Pflicht achten mußte, das wird ihm hier sonder- lich zur Pflicht gemacht durch die Vorhersagung einer Zeit, wo sie die gesunde Lehre nicht ertragen, sondern sich nach eigenem Gelüsten Lehrer aufhäufen werden. Man will etwas Anderes hören, als die von den seit- herigen Lehrern vertretene apostolische Lehre; und da gelüstet denn die Einen so, die Anderen anders, und nehmen die Einen den, die Anderen jenen zum Lehrer, der ihnen etwas Neues sage. (V. Hofxnannh Unter der ,,heilsamen Lehre« ist die ursprüngliche, apostolische, auf die Heilsthatsachen gegründete und zur Gottselig- keit leitende Lehre zu verstehen: alle, welche diese nicht leiden mögen, bekunden damit eine innere Abneigung, die aus dem heimlichen Streit ihrer eigenen Gesinnung mit dem Jnhalt und den Forderungen der gesunden Lehre erzeugt wird; die natürliche Folge dieser An- tipathie ist die, daß sie sich aufhäufen, reichlich ver- schaffen solche Lehrer, wie sie ihnen behagen. Obwohl der Gedanke an eine Last, die sie sich ausladen, im Wort des Grundtextes, das Luther mit ,,ihnen selbst ausladen« übersetzt hat, nicht gerade ausgedrückt ist, so wird doch mit demselben das Verächtliche und Ver- werfliche ihres ganzen Strebens und Treibens deut- lich genug angedeutet: die eigenen Lüste, die sie dabei leiten, stehen in direktem Widerspruch mit den For- derungen des Wortes Gottes, dem sie sich zu unter- werfen schuldig wären; und nun ist es weniger die große Anzahl der auf diese Weise selbsterwählten Lehrer an sich, als vielmehr die unaufhörliche Ab- wechselung, die diesen Menschen Freude macht, wonach sie verlangen. (v. Oosterzee.) Die Folge davon ist, daß sie sich gänzlich von der Wahrheit, welche der Inhalt der gesunden Lehre ist, abwenden und sich zu den Fabeln kehren; das sind überhaupt ideal ver- schönerte Geschichtew oder geschichtlich aufgeputzte Jdeen, also unhistorische Sagen, sie sind aus jeden Fall immer ein menschliches Machwerk im Gegensatz gegen die rechte Lehre, die Gott gegeben hat. (Plitt.) Eines der größten Gerichte über die Welt ist, daß sie soviel Zungen und Federn findet, die ihr und ihren eigenen Lüsten zu Gefallen leben, und die sie dann entweder in den Lehrstand ziehen oder doch an der- selben Schriften sich hängen kann. (Rieger.) f) Offenbar irren diejenigen Ausleger, welche aus den Worten: ,,thue das Werk eines Evangelisten« den Schluß ziehen, das dem Timotheus anvertraute Amt sei das eines Evangelisten gewesen. Evangelist mußte jeder Apostel, jeder Apostelgehilfe sein oder, genauer, kein Apostel oder Apostelgehilfe kann ohne das Eharisma, welches zum Werke eines Evangelisten gehörte, gedacht werden, wie denn auch die Gabe der Weissagung, der Lehre u. s. w. (Röm. 12, 6 ff.; 1. Cor- 12, 7 ff.) ihnen beiwohnen mußte. Wenn nun aber Paulus den Timotheus ermahnt, gerade die Thätig- keit eines Evangelisten eifrig zu betreiben, so begreifen wir das der Vefiirchtung des Apostels gegenüber (V. 4): ,,sie werden sich zu den Fabeln kehren« voll- kommen, denn gegen Fabeln hilft nichts besser als helle Geschichtszeugnisse, werden aber nicht einen singulären Dienst mit dem ihm aufgetragenen Amte verwechseln, welches, wie der erste Pastoralbrief deut- lich genug anzeigt, kein geringeres war, als den Apostel in der Gesammtheit seiner apostolifchen Verrichtungen zu vertreten. (Otto.) Timotheus war Apostel- gehilfe, also nicht nur ein solcher Evangelist wie Philippus (Apostg· 21, 8); er hatte an allem Theil zu nehmen, was der Apostel that, also 1) hatte er herumreisend das Evangelium zu predigen, und inso- fern war er als Apostelgehilfe auch Evangelist, Z) hatte er an der Kirchenleitung Theil zu nehmen. Das erste Wort: ,,thue das Werk eines evangelischen Pre- digers« bezieht sich also auf die erst· enannte Seite seiner Berufsthätigkeih welche hier im usammenhang mit V.4 besonders hervorgehoben wird; die folgenden Worte aber: ,,richte dein Amt redlich aus« beziehen sich auf seinen Beruf im» Allgemeinen. (Plitt.) Die Verpflichtung, das geistliche Amt in allen seinen Theilen zu erfüllen, ist insonderheit in ausgedehnten und zahlreichen Gemeinden so unübersehlich, daß gewiß Vielen die Frage (2. Tor. 2,16) aufsteigt: ,,wer ist hierzu tüchtig?« und das Recht des non omnia possumus omnes (es kann nicht jeder Einzelne alles) auch auf diesem Gebiet anerkannt werden muß. Wie die Sachen jetzt stehen, wo in der That von einem jeden eigentlich alles gefordert wird, ist es am besten, durch gewissenhafte Selbstuntersucbung zu er- fahren, welche unsere stärkere und welche un ereschwache Seite sei, und uns dann, während wir leinen Theil des Dienstes ganz versäumen, am meisten demjenigen Theil zu widmen, zu welchem wir uns äußerlich und innerlich am stärksten berufen fühlen. (v. Oosterzee.) H) Timotheus muß es für seine Aufgabe achten, das, was Paulus als Apostel unter seiner Mithilfe gethan hat, wenn derselbe nun aus der Welt geht, als dessen Nachfolger zu thun: so sieht es der Apostel an, wenn er seine Ermahnung in V. 5 damit begründet, daß er bereits geopfert oder verspendet werde und die Zeit seines Abscheidens bevorstehe. Wenn er dann sortfährt: ,,ich habe einen guten Kampf gekämpfet, ich habe den Lauf vollendet, ich habe Glauben gehalten«, so ist das nicht ein mit christlicher Demuth unverträg- licher Selbstruhm; es ist aber auch nicht blos ein froher Rückblick auf sein zurückgelegtes Leben, sondern ist um des Timotheus willen geschrieben, um in ihm den Wunsch zu erregen, daß er am Ende seines Lebens auch so möge sprechen können. Der dem Christen 678 Z. Timotheum 4, 9—17. verordnete Kampf liegt hinter ihm; er ist an’s Ziel der Bahn gelangt, die er zu durchlaufen hatte; er hat den Glauben bewahrt, in dessen Bewährung der Kampf und Lauf besteht, wobei der apostolische Beruf seinem Christenleben nur die besondere Gestalt gab, in der er seinen Glauben bis an’s Ende zu bewahren hatte. Ueber das hinaus nun, was hinter ihm liegt, und von dem Endpunkte aus, bei dem er angelangt ist, steht ihm die Krone der Gerechtigkeit bevor; er nennt sie so, weil derjenige, der sie zuerkannt be- kommt, damit als ein Gerechter anerkannt wird. Als ein «gerechter Richter« wird der HErr den Apostel dafür, daß er den Glauben bewahrt hat, als einen Gerechten anerkennen, diesen Siegespreis seines Recht- verhaltens ihm zuerkennen. Aber nicht mit dem Aus- drucke der Hoffnung, deren er für sich selbst gewiß ist, will Paulus den hier zu Ende gehenden Theil seines Briefes, die an Timotheus gerichtete Ermahnung beschließen; er fügt hinzu: »nicht mir aber allein, sondern auch allen, die seine Erscheinung lieb haben«, dieselbe Hoffnung über alle Christen, die es in Wahr- heit sind, erstreckend. Er bezeichnet sie als solche, die in dieser Zeitlichkeit nach des HErrn Erscheinung ver- langt hat; der Grund für diese Bezeichnung liegt in der Bedeutung, welche dies für Timotheus hat -— es mahnt ihn, nicht die zeitliche Gegenwart (Kap. 4, 10) und zeitliches Gut(l.Tim.6,11) lieb zu haben, womit sich Verlangen nach der Erscheinung des HErrn nicht vertrüge. Der Apostel schreibt aber alle diese Verse, wenn auch als ein an das Ende seiner Laufbahn Gelangter, so doch nicht als ein Sterbendeu sondern mit der Aussicht auf eine längere Haftzeit, die ihn nicht mässig bleiben läßt, und auf eine Gerichts-ver- handlung, die ihm, mag sie immerhin mit seinem Todesurtheil enden, die große Ausgabe stellt, das Evangelium von Christo gegen schwere Anklage zu vertheidigen, vgl. Phil.1,17. (v. HofmannJ An einem herrlichen Kennzeichen lehrt der Apostel hier die Glänbigen erkennen: es sind diejenigen, die Christi Erscheinung lieb haben; denn wo immer lebendiger Glaube sich findet, da läßt er nie die Herzen in der Welt erkalten, sondern erwärmt sie zur Hoffnung der künftigen Auferstehung. (Ealvin.) II« v. 9—21. Es folgt jetzt die andere von den beiden, in der Eint. zu Kot) I, 3-—7 angegebenen stlartieen des Hauotthcils der Gpisieh sie hat es damit zu thun, daß Finiotheus zu dem xtpostek nach Rom Kamme, und zwar bald komme, bevor der Winter ein- bricht und ihn an der Reise verhindert. Dabei wird denn theils angegeben, was eine so baldige Ankunft seines Gehilfen ihm zum Bediirfniß makht, nämlich seine jehige Gntblößung von anderweitigen sichern, deren er so dringend beniithigt ist; theils wird demselben gesagt, wen er bei der Ab- und was er auf der ijerreise mit- bringen solt Indessen, auch über Alexander, den Schmied, der ihm soviel Böses beweiset und mit seinen suathinationen nicht nur die Juden in Jerusalem zu seiner tuassacrirnng aufgestachelh sondern auch dem Prozeß in Ccisarea eine solche Wendung gegeben hat, daß ihm nichts übrig blieb, als an den Kaiser in Rom zu appellirem hat der Apostel noch Entscheidung dahin zu treffen, daß die frühere lllebergebung an den Satan nun zu einer Uebergebnng an Gottes Gericht wird nnd dem Timotheus verwehrt sein soll, sich fernerhin irgendwie mit ihm zu befassen; es haben bei den machinationen dieses Menschen zwar anch diejenigen gegen stlanlum sich verssindigeh die ihm hätten beistehen sollen, statt dessen aber ihn sehmählich im Stich gelassen haben, doch es soll ihnen das nicht zugerechnet sein, hat doch der tljairr ihm beigestanden und alles so gelenkt, wie es seinem heiligen Rath und Willen gemäß war und in alten Stürtten zum Besten gereicht. 9. Fleißige dich, daß du bald zu mir kommen« [da mich sehr nach dir verlangt Kap. 1, 4 und ich deiner Hilfe dringend bedarf]. 10. Denn Demas [abgekürzte Namensform für Demetrius oder für Demarchus] hat mich verlassen [d. i. im Stich gelassen] und swie es wenigstens für jetzt mit ihm steht Mark. 10, 211 diese Welt lieb gewonnen, und ist [im Jn- teresfe seiner zeitlichen Angelegenheiten Anh. II. zum 6. Bande a, I] gen Tbessalonich gezogen, Ctescens [befindet sich behufs des Missionirens] in Galatien snach anderer Lesart: Gallien], Titus in Dalmatien" [dem füdlichen Theil von Jllhricum Karte VIII» so daß ich auf deren Hilfe für längere Zeit verzichten muß] 11. Lucas sder von Cäfarea aus in Gemein- schaft mit Aristarchus mich begleitet hat Apostg. 27, 1 f.] ist allein bei mir sindem Aristarchus sich auf eine Reise nach Macedonien begeben hat Apostg. 19, 34 u. Col. 4, 14 Anm.]. Marcum [der sich mir zum Gehilfen wieder angeboten hat] nimm zu dir swenn du von Ephesus abreisest], und bringe ihn mit dir; denn er ist mir niitzlich zum Dienst [vgl. Anh. II. zum 6. Bande: a, 5]. 12. Tychicum [aber, der mir noch ferner das leisten könnte, wofür ich jetzt des Mareus Dienst begehre] habe ich gen Ephesus gesandt sum nicht nur in der vorliegenden Epistel das für dich bestimmte Sendschreiben an den Ort seiner Be- stimmung zu überbringen, sondern ein solches auch den Ephesern zu übermitteln Ephes 6, 21 f. und dann bei diesen fiir die Zeit deiner Abwesen- heit deine Stelle zu vertreten Col· 4, 9]. 1.3. Den Mantel, den ich zu Troas ließ bei Carpo sals ich vor drei Jahren auf meiner Reise gen Jerusalem die Tour von Troas bis Assos zu Fuß zurücklegte Apostg. 20, 13 Anm.], bringe mit, wenn du kommst [auf deiner Reise hierher jene Stadt berührst], und die Bücher, sonderlich aber das Pergamenspt sdie Pergamentrollen, die noch kostbarer sind, als die gewöhnlichen, auf Papyrus geschriebenen Bücher]. V) Es ist keine Einladung, wenn Paulus schreibt: ,,fleißige dich, daß du bald zu mir kommest«; nicht zu kommen fordert der Apostel mit diesen Worten den Timotheus auf, sondern Fleiß zu thun, daß er bald komme. Da er ihn nun vorher noch nicht aufge- fordert hatte, zu kommen, so kann sich die Er- mahnung, daß er sich’s angelegen sein lasse, bald zu kommen, nur auf dessen eigene Erklärung beziehen (die er vielleicht durch den Onesiphorus Kap. 1, 16ff. hatte machen lassen), daß er bereit sei nach Rom zu gehen, wenn es der Apostel wiinfche (oder ihm erlaube). Der Apostel nun hat ihm in Kap. 1, 4 nicht ver- schwiegen, wie sehr er sich nach ihm sehne, aber seine Anfrage, ob er kommen solle, nicht beantwortet, son- dern seinem Briefe gleich von vornherein eine Wendung Des Haupttheils zweiter Abschnittz komm zu mir nach Rom, und komme bald! 679 gegeben, die ihn zu einer Ermahnung machte, daß er den ihm gewordenen Beruf wieder aufnehme; denn nur wenn Timotheus feiner Berufspflicht eingedenk, nicht wenn er blos aus persönlicher AnhänZichkeit (oder gar aus Flucht vor dem übernommenen erufe) kommt, ist fein Kommen dem Apostel genehm und nach Wuvsch (Kap. I, 5). Indem aber Paulus ihm schreibt, daß er ohne Leidensfcheu und wie er seinem Berufe leben solle, giebt er ihm zu hören, was ihm auch für den Fall, daß er den Apostel nicht mehr unter den Lebenden findet (vgl. V. 6 ff.), gesagt sein soll: er mag zur rechten Zeit kommen oder nicht, jedenfalls- hat er an dem Briefe ein Vermächtniß, das er werth achten wird ihm nachzuleben. (v. Hofmann.) Es) Von Rücksichten auf sein irdisches Wohl, von der Sorge für zeitliche Angelegenheiten hatteJDemas sich leiten und zu der Trennung von dem Apostel bewegen lassen; damit ist aber kein Abfall vom Christenthum gemeint, welches schärfer und vor allem deutlicher würde ausgedrückt sein. (Matthies.) Demas hat nicht die apostolische Lehre verlassen, sondern die Person des Apostels; auch haben wir nicht die mindeste Nöthigung daran zu denken, daß Demas angefangen habe, sich der Bande des Apostels zu schämen. Hatte der Mann sich, nachdem Paulus zwei Jahre in Cäsarea gesessen, dennoch sofort nach Rom aufgemacht, um ihm dort seine Dienste anzu- bieten, so würden ihn die Bande auch ferner nicht eschreckt haben, bei ihm zu bleiben, zumal keinerlei eränderung in der Haft des Apostels sich zugetragen hatte, diese vielmehr von einer Freiheit begleitet war, welche die günstigsten Hoffnungen für seine Zukunft erweckte. Der einzige Grund war, daß Demas das Zeitliche lieb hatte, d. i. über dem Missionsdienste seine zeitlichen Nahrungsverhältnisse nicht aus der Acht lassen wollte; er hatte Liegenschaften oder doch sonst irdisches Gut in Thessalonich, welches seine Gegenwart erforderte, während der Apostel bei den geringen Arbeitskräften, die ihm zu Gebote standen, seiner nicht entbehren zu können meinte. Jn Col. 4, 14; Philem 24 ist er indessen wieder bei dem Apostel; wahrscheinlich hat er seine irdischen Geschäfte Zsordnet und ist dann wieder nach Rom zurückgezogem as den Erescens in Galatien und den Titus in Dalmatien anbetrifft, so wird die Ansicht, daß sie vom Apostel dahin geschickt worden seien, vom Wort- laut des- Grundtextes nicht unterstütztz das Richtige dürfte sein, daß sie aus eigener Entschließung, viel- leicht während der paulinischen Haft zu Cäsarea, in diese Arbeitsfelder gegangen sind, der Apostel davon auf irgend eine Weise Nachricht erhalten hat und die Notiz dem Timotheus mittheilt, damit er daraus er- sehe, daß er auch über Titus und Creseens nicht dis- poniren könne. (Otto.) Es ist fast traditionell ge- worden, unter Galatien hier nicht die bekannte Pro- vinz, in Kleinasien (Apostg. 16, 8 Anm.) zu verstehen, son ern Gallien: Eufebius, Hieronymus, Epiphanius und Theodoret zeugen entschieden für Gallien Nun sind es zwei Städte, welche vornehmlich auf die Pre- digt des Crescens Anspruch machen, nämlich Vienne und Mainzz eine Gewißheit ist natürlich hier nicht zu erlan en. (Plitt.) «« enn der Apostel schreibt: »den Tychikus aber habe ich nach Ephesus gesandt-«, was mit dem vor- hergehenden Satze zusammenhängt, so sieht man, für welcherlei Dienstleistung er den Markus bei sich zu haben wünscht; man sieht aber auch, da unter allen Umständen eine längere Zeit verfloß, ehe Markus mit Timotheus nach Rom kommen konnte, daß der Apostel den Tychikus nicht sobald von Ephefus zurückerwartete und er ihm also zu einem, eine längere Abwesenheit mit sich bringenden Zweck dahin entsendet hatte. Ge- hört denn der Satz: »den Tychikiis habe ich nach Ephesus gesandt« mit dem, was ihm unmittelbar vorangeht, als Erklärung allernächst zusammen, so unterbricht er den Zusammenhang der beiden Wei- sungen nicht, deren eine dem Timotheus aufträgt, wen er, die andere dagegen, was er mitbringen foll. Sein Weg wird ihn über Troas führen: von dort soll er mitbringen , was der Apostel bei einem ge- wissen Carpus zurückgelassen, seinen gut wärmenden Mantel aus dichtem Zeuge und seine Bücher, vor allem, wenn er sie nicht alle sollte mitnehmen können, die Pergamentrollen Den Mantel (Andere über- setzenx Mantelsack, Bücherbehälter) konnte er, wenn nun die rauhere Jahreszeit kam, gut brauchen; und Bücher, die er auf der Reise mit sich geführt hatte, mußten ihm sicherlich auch in einer Haft, die ihm nicht einmal den Verkehr nach außen abschnith für die Wirksamkeit,welchesieihmließ,dienlichsein.(v.Hofmann.) 14. Alexander, der Schmied [Apostg. 19, 34 Anm.], hat mjr viel Böses erwiesen: der HErr bezahle ihm [nunmehr, nachdem die frühere Dis- ziplin 1. Tim. 1, 20 seine Buße nicht bewirkt, sondern nur desto verstockter und bösartiger ihn gemacht hat] nach seinen Werken« [Apstg. 19, 40 u. 25, 8 Anm.]! 15. Vor welchem hüte du dich auch sdaß du nicht etwa meinest, dich ferner mit ihm einlassen zu müssen, um womöglich ihn noch auf bessere Wege zurückzuführen]; denn er hat unsern Worten [womit wir seine Bekehrung schon hinlänglich versucht haben] sehr widerstanden sund bereits die Sünde zum Tode begangen, dafür man nicht bitten soll 1. Joh. 5, 16]. 16. Jn meiner ersten Verantwortung [die ich im vorigen Jahre vor dem Landpfleger Festus in Cäsarea zu thun hatte] stund niemand svon den christlichen Brüdern, die da füglich sich hätten als Entlastungszeugen einstellen sollen] bei mir, sondern sie verließen mich alle smeinem Schicksal mich überlassend]: es sei ihnen nicht zugerechnetti [Apostg. 25, 8 Anm.]! 17. Der HErr Christus] aber stund mir bei smit seinem Geiste Matth. 10, 19 f.] nnd stärkte mich fdaß ich die volle Geistesgegenwart in dem entscheidenden Augenblick behielt und die Appellation an den Kaiser einlegte], auf daß durch mich sin- dem es nun zu meiner Ueberführung nach Rom kam] die Predigt bestätiget [auf das ihr be- stimmte Vollmaß Apostg. 19, 21; 23,11 ge- brachtJ würde, und alle Heiden Nie] höreten [damit, daß dieselbe jetzt in dem Centrum ihres Welt- reichs erschallete]. Und ich bin sin Folge jenes Beistandes und für diesen, eben bezeichneten Zweck] erlöset von des Löwen Rachen [daß der Fanatismus der Juden mich nicht, wie er mit aller Macht es anstrebt Pf. 22, 22., zu ver- nichten vermochte, bevor es soweit gekommen Apostg. 25, 11 Anm.]. 680 2. Timotheum 4, 18——21. 18. Der HErr aber sauch wenn es mit mir doch noch zum Sterben kommt V. 6., macht es mit mir nun nicht ein Ende den Tag vor Abend Jes. 38, 12., sondern] wird mich smit solcher Abberufung von der Welt] erlesen von allem Uebel [das hienieden menfchliche Bosheit mir anthut] und mir aushelfen zu seinen: himmlischen Reich [dort hinüber mich retten, wo keine Qual mehr mich anrührt Weish. s, 1., dagegen eine ewige Krone meiner wartet V. 7; Apostg. 25, 11 Anm.], welchem sei Ehre von Ewigkeit zu Ewigkeit«- [1« Petri 4, 11; 2. Petri 3,18; Hebr.13, 21; Offentx .1, 6]! Amen. «) Nur unter der Voraussetzung, daß der hier genannte Alexander ein und dieselbe Person ist mit dein, von dem Paulus in 1. Tim. 1, 20 sagt, daß er ihn übergeben habe dem Satan zur Züchtigung, erklärt es sich, wenn der Apostel, nachdem derselbe sich nicht hat züchtigen lassen, sondern inzwischen des Bösen nur desto mehr gethan, ihn nunmehr Gott übergiebt zum Gericht: »der HErr ezahle ihm nach seinen Werken!« Alle anderen Versuche der Aus- leger, ihn vor dem Vorwurf zu bewahren, daß er nicht sein eigenes Wort in Röm. 12, 19 übertreten habe, verfehlen ihr Ziel, wenn nicht unsere Stelle hier mit jener früheren in Zusammenhang gebracht und die Sachlage dahin aufgefaßt wird, daß Paulus dem Verhalten des Alexander gegenüber, der über die Disciplim inwelche er genommen worden, in frecher Weise si hinwekgsetztg in Pharao’s Weise, da er sahe, daß er ust ge riegt hatte (vgl. die Beni. zu Kap. Z, 18), sein Herz verhärtete (2. Mos. 8, 15) und nun mit fanatischem Haß seinen Seelsorger auf den Tod verfolgte, die Auetorität seines apostolischen Amtes noch wahrnimmt, ehe er den Timotheus von Ephesus für einige Zeit abberuft, und wenn wir uns des, zu Joh. 9, 23 angegebenen Spraehgebrauchs beim jü- dischen Bann bedienen dürfen, jetzt den höchsten Grad, die schammata über ihn verhängt (1. Cor. 16, 22; Gal. 1, 8 s.). Damit sagt sich der Apostel völlig von ihm los, wie der HErr von dem Judas, als er zu ihm sprach (Joh. 13, 27): »was du thust, das thue bald«, und will, daß auch Timothens sich vor ihm als einem mit dem Anathema Belegten hüte und keinerlei Bekehrun sversuche mit ihm mache: er ist eben Einer, dem die ünde wider den heil. Geist zur Last fällt (Matth. 12, 31 s.). Auch v. Hofmann sieht sich ge- nöthigt, den hier gemeinten Alexander für ein und dieselbe Person mit dem in Apostg. 19, 33 zu halten; mit welchem Rechte aber er es für »die thörichtste Er- findung« erklärt, daß derselbe den Demetrius in Ephesus aufgehetzt und den Tumult wider Paulum in Seene gesetzt habe, und diese Erfindung für ,,vollends lticherlich« ausgiebt, wenn dieser selbe Alexander ein vom Glauben abgefallener und ein und dieselbe Person mit dem in 1. Tim. 1, 20 genannten sein soll, bleibt uns unerfindlich. Wir haben in der Apostelgeschichte eine Darlegung der ganzen Sach- verhältnisfe gegeben, bei der wohl niemandden Ein- druck von Thorheit und Lächerlichkeit empfangen wird. IV) »Es sei ihnen nicht zugerechnet!« fügt der Apostel hinzu in dem Bewußtsein einerseits, daß hier eine thatsächliche Sünde begangen war, die aller- dings der Ver ebung bedurfte; andrerseits, daß hier keine muthwi ige Bosheit, wie bei Alexander, im Spiel gewesen war. Auch in diesem feinem sanft- müthigen Urtheil offenbart Paulus das Bild des Meisters (Matth. 26, 41), dem er ebenfalls hierin ähnlich wird, daß er am Eingang seines Todesweges (Col. 1, 24; Joh. 16, 32) sich von seinen Freunden verlassen und doch nicht allein findet. (v. Oosterzee.) sitt) Das »der HErr wird mich erlösen von allem Uebel« will von einer Errettung verstanden sein, von der es weiter heißen kann: »und aushelfen zu seinem himmlischen Reich«, indem der erstere Satz besagt, wovon hinweg, und der zweite, wohin er gerettet zu werden gewiß ist. Mit jenem kann er also nicht sagen wollen, es werde ihn fürderhin kein Uebel betreffen, auch nicht, daß er durch den Tod aller Uebel ledig gehen werde, aber noch weniger, er werde davor bewahrt werden, Uebles zu thun; sondern wider alles, was ihm Schlimmes angethan werden möge, werde ihm der HErr aushelfen, daß er ihm nicht unterliegt. Er wird es bestehen und so überstehen, daß er durch den Tod aus der Welt, in welcher feindliche Gewalten die Herrfchaft haben, in das himmlische Reich des HErrn übergeht. (v. Hofmann.) Wie die Stelle: Phil 1, 23., so zeigt auch die hier vorliegende, daß der Apostel für den Gläubigen gleich nach dem Tode eine vollere Lebensgemeinschaft mit Christo, ein Sein bei ihm, wonach das Leben im Fleische als ein rela- tives Getrenntsein von ihm sich darstellt, erwartet; trotzdem aber bleibt der Tag der Zukunft des HErrn der Tag der eigentlichen Entfcheidung (Kap. 1, 12; 4,8; Phil l, S. 10; Z, l6; Z, 20 f.), und soll der Christ dieses Tags stets gewärtig sein. (Wiesinger.) 19. Grüße Priseam und Aquilan sdie ja wieder in Ephesus sich aufhalten Apostg. 18, 2 Anm.], und das Haus Onesiphori [von dem ich in Kap. l, 16 ff. redete]. 20. Erastus [Apostg. 19, 22; Rom. 16, 23] blieb zu Corinth sstatt nach Rom zu kommen, wie er mir in Aussicht gestellt hatte], Tropbimum aber [den du sonst noch als meinen Gehilfen kennst Z. Cur. 8, 18] lief; ich [auf der Fahrt hierher Apostg. 27, 3 Arm] zu Mileto krank« [zurück]. 21. Thne Fleiß, daß du vor dem Winter kommessit sdamit nicht die mit dessen Anbruch beginnende Einstellung der Schifsfahrt dir die Reise für lange Zeit unausführbar mache Apostg. 27, 8 Anm.]. V) Nachdem der Apostel in V. 19 seine Grüße an die ihm Liebsten in Ephesus (vgl. Kap. l, 15) bestellt hat, folgt in V. 20 der Sache nach ein Nachtrag zu V. 10—12., sowie V. 21 offenbar eine dringliche Wiederholung von V. 9 ist. unzweifelhaft ist wohl der hier genannte Erastus einerlei mit dein in Apftg. 19, 22 genannten, der ehemals in Gemeinschaft mit Timotheus dem Apostel gedienet hatte. (Wiesinger.) ,,Erastus« sagt Paulus, ,,ist in Corinth geblieben«; er sagt nicht: »z11rückgeblieben«, sondern blos ge- blieben sei er dort, habe Corinth nicht verlassen. Sonach war diese Stadt sein Aufenthaltsort, nicht ist er im Gefolge des Apostels dahin gekommen und hat ihn dann nicht weiter begleitet; da nun Paulus, als er in Corinth an die römische Gemeinde fchrieb, von einem Stadtkämmerer Eraftus gegrüßt hat, so liegt die Annahme nahe, daß er hier denselben meint. (v. HofmannJ Amtliche Verpflichtungen konnten einen Stadtkämmerer eben so leicht nach Rom als nach Ephesus führen, wie letzteres ja früher der Fall Weisung in Beziehung auf Alexander. Die erste Verantwortung. Grüße und Schluß. 681 gewesen war; und vielleicht hatte Eraftus dem Apostel sein Kommen in Aussicht gestellt, er hat sich indessen in Rom nicht blicken lassen. (Otto.) Vielleicht aber hatte er sein Amt bereits niedergelegt oder war um seines christlichen Bekenntnisses willen abgesetzt worden, so daß es ihm um so leichter werden konnte, sich dem Apostel in Rom zu Diensten zu stellen. (v. Oosterzee.) is) Jn V. 9 hat der Apostel den Timothens über- haupt zu schleunigem Kommen veranlaßt; jetzt liegt der Nachdruck darauf, daß er dem Einbruche des Win- ters, der also nicht fern sein wird, wenn er den Brief erhält, zuvorzukommen bedacht sein solle, damit seine Reise nicht durch Einstellung der Schisffahrt vereitelt werde. (v.Hofmann.) Nehmen wir an, daß Timotheus hernach bei seiner Reise den kürzesten Weg über Troas, Thessalonich, die große Heerstraße (via Egnatiey bis Dyrrhachium (s. Karte VIII.) und von dort über Sipontum und Corfinium nach Rom wählte, so brauchteser nicht gerade schnell zu reisen, um spätestens nach einem Monate in Rom zu sein; hat nun Paulus ebensoviel Zeit auf die Beförderung seines Briefes gerechnet, und setzen wir den Anfang des Winters ZEIeichzeitig mit dem Anfange des Meeresschlusses (11. ovember), so muß der Apostel Mitte oder Ende August die Epistel geschrieben haben. (Otto.) C— Nachdem Paulus schon vorhin (Il1.19) Größe dem Timotheus aufgetragen, die er bestellen soll, und damit den Schluß der Gpistel eingeleitet hat, läßt er diesen nun wirklich mit solkhen Grüßen folgen, die er von der römischen Gemeinde an ihn zu bestellen hat, theils von Gtlichem die er mit tlamen nennt, weil sie ihn wohl eigens darum gebeten hatten, theils von der Gesaiumtheit der Brüder, die ihn noch nicht von person trennen; darauf in eigeuthümliclser Fassung der Schluß-Segenswunsch. Rom]. 21b. Es grüßet dich Eubulus und Pudens und Linus und Claudia und alle Brüder« [hier zu 22. Der HEtr Jesus Christus sei mit deinem Geiste [Phil. 25; Gut. G, 18]. Die Gnade sei mit euch» [Phil. 4,, 23; Tit. 3, 15]! Amen. i) Die drei letzten Namen: Pudens, Linus und Claudia sind lateinische und deuten auf Rom. (Wiesinger.) Linus ist wahrscheinlich derselbe, der von den Kirchen- vätern als der erste Bischof von Rom bezeichnet wird. (Huther.) Aus dieser Stelle hat ihn dann die spätere Sage in die eines ersten Nachfolgers des Petrus auf dem römischen Stuhl zurückgedrängt. Nach Eusebius hätte er der römischen Gemeinde zwölf Jahre, bis in’s zweite Regierungsjahr des Titus (80 n. Chr.), vorgestanden. (»Behfchlag.) · W) Dieser Segenswunsch ist in seiner Art eigen- thümlich; nur am Schluß des ersten Briefes an die Corinther steht ähnlich wie hier ein gedoppelter Segenswunfch, der dort jedoch anders lautet. (Huther.) Aus dem ersten Gliede des Segenswunsches sehen wir, wie alt das »und mit deinem Geiste« .in der kirch- lichen Liturgie ist. (Plitt.) Jn seiner zweiten Hälfte geht der Gruß nicht blos den Timotheus an, sondern auch die, bei denen er ist; an eine Mitbeftimmung an die Gemeinde ist nicht zu denken, es sind vielmehr die, welche nach V. 19 zu grüßen sind, gemeint. (Wie- singer.) Wessen der Apostel als Schreiber der Epistel sich bedient hat, ist mit nichts angedeutet; vielleicht war es Tychikus, der Ueberbringer des Brief-s, für den ja der Inhalt desselben so wichtig war, weil er in des Timotheus Stelle eintreten sollte, wenn dieser nun nach Rom kam (V. 12). Geschrieben von Rom, die andere Gpistel an Mmotheunn da Paulus zum andern Mal vor dem Kaiser Uero ward dargestellet [diese, auf falscher Auffassung von Kap. 4, 16 ff. beruhende Zeitbestimmung ist irrthiimlich und bleibt besser ganz weg]. jliie Episiel St. illauli an Nimm. Der Brief hat der Absicht und dem Inhalte nach viel Aehnlichkeit mit der ersten Epistel an Timotheum, nur tritt neben dem Gegensatz gegen die jüdischen Jrrlehrer, die sich auch in Kreta wie in Ephesus eingeschlichen, besonders die Rücksicht auf das liigenhafte und irdische Wesen und die ausschweifenden Sitten der Kretenser überall stark hervor, und der Ton ist mehr amtlich gehalten, so daß dieser Brief zugleich für eine schriftliche Amtsvollmacht angesehen werden kann. (Wunderlich.) Das 1. Kapitel. Mit was siir Personen das Jfredigtamt zu be- stellen, und was der predigen: Amt sei. A. Der Eingang der vorliegenden, nach der Mitte— liehr pauli von der zu streng. 19, 20 beschriebenen dieise bald nach Obern des I. 57 von Gphesus aus an den auf Kreta zurättigelasseuen Titus gesandten Gpistel ist zwar mit dem des l. Tincotheusbriefes nicht blos in dem segens- wunsche, sondern auch schon in der Jlnfschrist verwandt, aber doch hier in einer weise erweitert, daß die Selbst— bezeishnung des Apostels eine Ausdehnung gewinnt, die nur in der Grußiibersctirift des Briefes an die Römer (iliöm. I, 1—6) Ihresgleicljen hat; unzweifelhaft hat diese Erweiterung in der herzensstitnmunm in welcher Paulus das Schreiben verfaßte, und in den Gesichtspunkten, welche er dem Titus eröffnen wollte, um ihm die rikhtige Stellung zu dem ihm ausgetragenen Werke anzuweisen, ihren 682 Titum l, 1——«1 i· Grund, und ist nun darin mancher beaehtenswerthe Wink zur Gewinnung eines sicheren ttlrtheilg über die Zeit ent- halten, welcher die Entstehung des Briefes angehört, wäh- rend unmittelbare und gewisse blaclsrichten darüber sonst nirgendwo uns vorliegen. 1. Paulus, ein Knecht Gottes, aber snicht blos in dem allgemeinen Sinne, in welchem jeder Christ sich als einen solchen wissen soll und darf 1. Petri 2, 16., sondern in dem besonderen, da ich auch bin] ein Apostel Jesu Christi sOffenb J, 1f.], nach [oder in Uebereinstimmung mit] dem Glauben der Auserwählten Gottes swie diese ihn in sich tragen] Und snach oder in Ueberein- stimmung mit] der Erkenntnis der Wahrheit sdereu Art und Beschaffenheit es ist, zu führen] zur Gottseligkeit [1. Tini. S, 3], 2. Aus Hoffnung des ewigen Lebens, welches sLebenj verbeißen hat [Der], der nicht lüget, Gott, vor den Zeiten der Welt [genauer: vor ewigen oder unvordenklichen Zeiten 2. Tim. I, 9], Z. Hat aber offenbaret zu seiner Zeit sals die von ihm bestimmte Zeit nun da war, wo das verheißene ewige Leben nicht mehr ein erst zu- künftiges, sondern ein thatsächlich vorhandenes sein sollte] sein Wort [das die in Christo Jesu bewerkstelligte Erfüllung selbiger Verheißung aller- wärts erschallen läßt] durch die Predigt, die sals eine insonderheit auch in der Heidenwelt auszu- richtende Rom. 16, 25f.] mir vertrauet ist [1. Tim. I, 11] nach [oder zufolge] dem [mehr als einmal ausdrücklich an mich ergangenen] Befehl Gottes, unsers Heilandest [1. Tim. 1, 1 Arm. T]- 4. Tito, meinem rechtschaffenen [wohl ge- rathenen 1. Tim. 1, Z] Sohn [vgl. Anm. zu Apostg. 18, 2319 u. II, 201 nach unser beider Glauben«: Gnade ssei mit dirs, Barmherzigkeit [1. Tim. 1, 2 Anm., doch fehlt in bedeutenden Handschriften des griechischen Grundtextes an unsrer Stelle dies Wort: ,,Barmherzigkeit«], Friede von Gott, dem Vater, und dem HErrn Jesu Christo, unserm Heiland! V) Es kann Knechte Gottes geben, die nicht Apostel find; aber es kann keinen Apostel geben, der nicht ein Knecht Gottes ist, sonst wäre er ein falscher Apostel. Jeder Mensch, der seine fittliche Aufgabe erfüllen will, muß zuerst ein Knecht Gottes werden, d. h. er muß seinen Willen an Gott hingeben und in der Willens- einheit mit Gott verharren: dies ist die wahre Freiheit. Sind wir innerlich Knechte Gottes geworden, so kann uns Gott zu etwas brauchen, dann kommt ein äußerer Beruf; dies war bei Paulus der Apostelberuf. (Plitt.) Wenn Paulus, indem er sich einen Knecht Gottes und einen Apostel Jesu Christi nennt, beide Bezeichnungen durch ein »aber« verbindet (vgl. Judä 1), so will er die erstere durch die zweite, ihr untergeordnete, näher bestimmen; hierdurch find sie denn in eine Beziehung zu einander gesetzt, vermöge deren die präpositionalen Anfügungen: ,,nach dem Glauben der Auserwählten Gottes und der Erkenntniß der Wahrheit zur Gott- seligkeit, auf Hoffnung des ewigen Lebens 2c.« nicht zur zweiten allein, sondern zur ersten in ihrer Näher- beftimmung durch die zweite gehören. Sie kennzeichnen seine Stellung zu Gott als der in der Eigenschaft eines Apostels Jesu Christi im Dienste Gottes steht, nach dem Grunde, darauf sie ruhet; er ist nämlich als Apostel Jesu Christi Gottes Knecht einerseits nach dem Glauben der Auserwählten Gottes und der Er- kenntniß der Wahrheit zur Gottfeligkeit, denn darinnen stehet er, und andrerseits auf Hoffnung des ewigen Lebens, denn von ihr getragen richtet er sein Amt aus. ,,Glaube der Auserwählten« ist Glaube, wie von Gott Erkorene ihn haben (im Gegensatz gegen den unächten Glauben, dessen sich die Jrrlehrer rühmten); wo solcher Glaube ist, da ist auch Wahrheitserkenntniß, und zwar eine Erkenntniß der Wahrheit, deren eigen- thümliches Wesen darin besteht, daß es sich bei ihr um Gottseligkeit handelt. (v. Hofmannh Es ist der Gegensatz, zu einem Erkennen angedeutet, das es nicht mit der Wahrheit zu thun hat, die zur Frömmigkeit führt, sondern von dieser abführt (Kap. 1,11 u. 16); überhaupt läßt die Art, wie der Apostel sein Amt näher bezeichnet, sich nur begreifen aus dem Gegensatz zu denen, deren Lehren und Treiben er bekämpft. (Wiefinger.) Weiter sagt Paulus, welche Kraft ihn in » den Stand setze, seine Aufgabe zu erfüllen, nämlich «, die Hoffnung des ewigen Lebens, und giebt nun Zeug- i niß von der Untrüglichkeit dieser Hoffnung: Gott, der « nicht lüget, hat ihren Gegenstand, das ewige Leben, verheiß en durch seine Propheten in der heil. Schrift (Röm.1,2) vor ewigen Zeiten, d. i. in dem alt- testamentlichen Zeitraum (Hebr. I, 1), der mit dem Protevangelium (1. Mos. s, 5) seinen Anfang nimmt; und er hat zu seiner Zeit fein Wort geoffenbaret durch die Predigt, die mir anvertrauet ist nach dem Befehle Gottes. Bei letzterem Ausdrucke denke man an jenen Auftrag, welchen der Apostel alsbald nach seiner Be- kehrung und später öfter auf verschiedene Weise em- pfangen hatte (Apostg. 9, 15; 22, 21; 13, 2); er stellt mit diesem Zusatz entschieden in Abrede, daß er in seiner Predigt irgendwie nach Willkür handele. (van Oosterzee.) VI) Der Apostel nennt den Titus, weil derselbe durch ihn bekehrt ist, seinen Sohn, und zum Zeugnisse, daß er sich in ihm wiedererkennh seinen rechtschaffenen Sohn, fügt aber hinzu: nach unser beiderGlauben, um zusagen, ß das Sohnesverhälttiiß des Titus zu ihm auf dem Glauben beruht, welcher in ihnen. Beiden der eine und selbe ist, so daß sich in dieser Selbigkeit des Glaubens der Unterschied von Vater und Sohn ausgleicht, ist also bedacht, den Titus von vornherein so zu stimmen, daß er die Abhängigkeit, in die er sich begeben hat, nicht unangenehm empfinde. (v. HofmannJ Vielleicht legt der Apostel auf diese Gemeinschaftlichkeit des Glaubens besonderen Nachdruck im Blick auf die heidnische Abkunft des Titus, wäh- rend er selbst von jüdischem Ursprunge war; hier muß also das Prinzip: Col. Z, 11; Gal. 5, 6 gelten. (v. Ooster- zee.) Ueberdie individuellen Lebensverhältnissedes Titu s fehlt’s an ausführlichen Aufschlüssen; die Apostel- geschichte theilt über ihn nichts mit. Dagegen aus Gal. Z, 1 ff. erhellt, daß derselbe heidnischer Abkunft war, von griechischen Eltern, und daß er auch als Christ auf Betrieb des Paulus, welchen er nebst Bar- nabas von Antiochien aus nach Jerusalem zum Apostelconvent begleitete, sich nicht hatte beschneiden lassen. Späterhin wurde er, als der Apostel auf seiner dritten Bekehrungsreise Ephesus nach wei- bis drittehalbjährigem Aufenthalte verlassen wo te, nach Corinth geschickt, um über den dortigen bedenklichen Gemeindezustand für den Apostel, welcher ebenfalls dorthin zu reisen gedachte und inzwischen bereits den Nach dem Eingang folgt der Haupttheil der Epistel, bestehend iu einer Anitsinstruetioin 683 l. Brief an die Corinther abgesandt hatte, genaue Nachrichten einzuholen. Paulus hoffte ihn schon in Troas wiederzufinden, traf aber erst in Macedonien mit ihm wieder zusammen und schickte ihn nun von hier aus abermals nach Corinth voraus zur Ueber- bringung des 2. Briefs an die Corinther und zur weiteren, bereits bei seinem ersten Aufenthalte ein- geleiteten Bewerkstelligung einer Beisteuer für die armen Christen in Jerusalem (2. Cor. 2, 12 f.; 7, S. 13 f.; 8, G. 16 ff.; 12, 18). Noch eine kurze Notiz findet sich über ihn in 2.Tim.4,10., daß er nämlich, während der Apostel in Rom gefangen saß, in Dul- matien sich befand. Wann er auf Kreta mit Paulo zusammen war und unter welchen Umständen dieser die Epistel an ihn schrieb, muß aus Mangel an näheren Nachrichten durch Eombinationen (vgl. die Bem. zu Kap. Z, 13 u. Anh.II. zum S. Bande: Beilage § 160) an’s Licht gestellt werden. (Matthies.) B— Iln den! nun folgenden tjaupttheil der Gdisiel weist der Jipostel den Titus, seinen auf der Insel Kreta znrsicligelassenen Stellvertreter und Bevollmächtigten, an, in welcher Weise derselbe feine Ztmtsaufgabe gemäß der schon früher ihm ertheilten Anleitung zu erfüllen habe. I· b. 5—16. Vor allem erinnert Paulus den Titus an den zunächst ihm ertheilten Auftrag, in alle den Stadien auf Kreta, wo bereits Christen vorhanden, aber noch nicht gemeindlich organisirt sind, Aelteste zu lieslellen, bezeichnet ihm die in sittlicher Beziehung erforderlichen Eigenschaften derer, die er zu diesem Amte, das ja ein Jiufseheramt über die Andern ist, berufen soll, fiigt aber dem mit Uactjdructg noch dies hinzu, daß sie an dem Worte Gottes, wie es in der ijchten christlichen ttehre enthalten ist, entschieden festhalten; denn solches Fest— halten thut, wie anderwärts auch, so doch besonders auf Kreta rieth. wo das in den tkleinastatisclsen Ge- meinden neuerdings siih breit machende, schon im 1. Timotheusbriefe besprochene Unwesen der jfidtsclsen Sdnderlehrer mit seinen Fabeln und idienschengebolen eine so günstige Aufnahme findet, daß es gilt, durch die heilsame Lehre die Gemeindeglieder ermahnen und mit Macht die widerfprecher strafen zu können (i1). 5—11). Indem der Apostel hieran eine Charakteristik der s chllinmen illoltkseigenthünilictsleeiten der iliretenser mit den eigenen Worten eines ihrer Dichter, der siir einen Propheten bei ihnen gilt, anschließt, fiihrt er dein Titus zu Gemiithe, welche Aufgabe ihm selber in seiner Eigenschaft als Lehrer der Gemeinde durch das Treiben jener Sonder- lehrer erwächst, und spricht sias da um so schärfer wie ftbet ihr Sittlichlieils so iiber ihr Glaubens-Julien: aus, damit Titus etwas von der Schärfe merke, mit welcher er die Gemeinde zu strafen hat, um ihr von ihrem geistigen Kranlesein zum Gesundscin im Glauben zu verhelfen (tll. 12——16). 5. Derhalben ließ ich dich [mein lieber Ti- tus] in Kreta sals ich von dort hierher, nach Ephesus zurückkehrtes daß du solltest vollends an- richten, da ich’s gelassen habe [alles, was ich noch unerledigt hatte müssen liegen lassen, in Ordnung bringen] Und [da vor allen Dingen] besehen die Städte hin und her swo Christen schon vorhanden] mit Aeltesten [in der Weise], wie ich dir [bei meinem Abschied] befohlen habet: 6. Wo suämlichs einer ist untadelig [oder unsträflich l· Tim Z, 10], Eines Weibes Mann, der gläubige [nicht mehr dem Heiden- oder Juden- thum angehörige] Kinder habe, [die außerdem] nicht berüchtiget ssein dürfen] das; sie seine lüder- liche Lebensweise führende 1. Petri 4, 4] Schwelger und ungehorsam sind» snach Art der Söhne Eli’s J. Sam. L, 12 ff.]. 7. Denn ein Bischof [oder Aeltester Apostg 20, 17 u. 28] soll untadelig sein sfür seine Person sowohl wie von Seiten seiner Familie] als ein Haushalier Gottes-«« [1. Tim. 3, is; Hebr. Z, S; Luk. 12, 42 f.], nicht eigeusiunig s2. Petri Z, 10], nicht zornig [d. i. zornwüthig, leicht zum Zorne gereizt] ntcht ein Weiltsäufer [1. Tim. Z, 3 u. 8], nicht pochen snicht ein Pocher, der gleich drauf losschlägtL nicht unehrliche Hand: thierung treiben streib end, daß er aus dem ,,vom Evangelio sich nähren« 1. Cur. 9, 14 eine Sache des Gewinns wollte machen I. Petri b, 2]; 8. Sondern gastfrei [1- Petri 4, 9], gütig sdes Guten Freund] züchtig [Kap. 2, Z; 2. Tim. 1, 7], gerecht, heilig [Ephes. 4, 24z l· Theil— 2, 10], teufchs fragt. 1. Tun. 3, 2——7]; 9. Und sdann besonders noch ein solcher, der da] halte ob dem Wort [Phil- Z, Ist« das sfür den selber, der es in sich ausnimmt] gewiß ist seine Wahrheit, darauf er sich verlassen kann] und lehren kann szugleich zur Richtschnur geeignet, um auch Andern das Richtige zu lehren — nach anderer Uebersetzung: d as der apostolischenLehre gemäß und nun in solcher Eigenschaft gewiß ist 2. Thess 2, 15], auf daß er mächtig sei, zu ermahnen [die Gläubigen und auf dem einge- schlagenen Wege zu fördern] durch die hcilsame Lehre [1. Tim. I, 10] und zu strafen die Wider- lprechertt lApostg« s, 10]- 10. Denn es sind ses giebt, gleichwie hier zu Ephesus l. Tim. 1, 3ff., so auch dort aus Kreta V.14; Z, 9] viel freche und unniitze Schwäher und· Verführer, sonderlirh shandelt es sich da um] die aus der Beschneidung [Apostg. 11,2;Gat.2,12]; 11. Welchen man muß das Maul stopfen sMatth. 22, 34., sintemal sie Verführer sind], die da smit ihrem unnützen Geschwätz] ganze Häuser [hin- sichtlich des Glaubens 2. Tim. 2, 18] verkehren sdaß diese immer mehr von der Wahrheit zur Gottseligkeit V. I sich abwenden und an Dingen ihr Gefallen finden, die nur ungöttliches Wesen befördern 2. Tim. L, is] und lehren, das tticht taugt [nicht gelehrt werden sollte 1.,Tim. 5, 13], um schcindlichen Gewinns willcnsH sden sie mit solcher ihrer Lehre zu machen sich unterstehen, indem sie sich gut dafür honoriren lassen 1. Tini. 6, 5 u. 10]. V) Der Brief beginnt wie um zu verhüten, daß Titus den Zweck, zu welchem ihn der Apostel auf Kreta zurückgelassen hat, über Anderem versäume, das ihm könnte nöthiger und zweckmäßiger zu sein 684 Titum i,11. scheinen; diesen Eindruck macht es, wenn er mit dem nachdrucksvoll betonten ,,derhalben« anhebt. Die Be- nennung des Zweckes nun, zu welchem der Apostel den Titus— auf Kreta zurückgelassen, lautet zuerst allgemeiner: ,,daß du solltest vollends anrichten, da ich’s gelassen habe«; aus diesen Worten geht her- vor, daß sich die dortige Christenheit m einer noch mangelhaften Verfassung befand. Jnsonderheit, wie die demnächstige bestimmtere Benennung zu erkennen giebt: »und besetzen die Städte hin und her mit Ael- testen«, fehlte es ihr an einer Gemeinschaftsordnung weil sie ohne Vorsteher war, so daß die Einzelnen, die sich zu Jesu bekannten, eben nur als Einzelne zusammenhielten, ohne in eine rechtliche Ordnung ihres Gemeindelebens verfaßt zu sein; diesem Mangel abzu- helfen war vornämlich die Aufgabe des Titus, wobei die mit den Worten: ,,wie ich dir befohlen habe« in Erinnerung gebrachte Weisung des Apostels nicht blos auf die Bestellung, sondern auch auf die richtige Aus- wahl von Aeltesten sich bezieht. Es erhellt aber auch ferner, daß Titus die Vorsteher nach eigener Wahl bestellen (vgl. Apostg. 1.4, W) und nicht von den»erst noch in gemeindliche Ordnung zu bringenden Christen wählen lassen sollte. (v. HofmannJ Aus der vor- liegenden Stelle geht keineswegshervoy daß vor» der Ankunft des Paulus noch gar keine Christen auf Kreta waren, vielmehr dürfte aus andern Spuren das Gegen- theil wahrscheinlicher sein; aus Josephus und Philo sowohl, wie aus Apostg. L, 11., wissen wir, daß zur Zeit der Apostel die Juden in ihrer Zerstreuung auch dort sich niedergelassen hatten, und so mag die erste Kunde vom Evangelio, gleichwie das auch in Beziehung auf Rom der Fall gewesen zu sein scheint, durch die vom ersten christlichen Pfingstfest heinikehrenden Juden nach Kreta gekommen sein (oder, was noch zutreffender sein dürfte, sie wurde auf gleichem Wege, wie in Phöuiziem Cypern, Antiochien ·Apostg. 11., VI, daselbst verbreitet, so daß die apostolische Thätigkeit nur er- weiternd, reinigend, kräftigend und fzusammenfassend nachfolgte). Aber nicht ohne Schwierigkeit ist es, nach Anleitung der Apostelgeschichte und der übrigen pau- linischen Briefe zufbestimmeu, wann denn Paulus auf Kreta gewesen ist,· uni dort das· Evangelium zu verkünden. Wollten wir nun auch die Befreiung des Apostels aus der rdmischen Gefangeuschafh hinter welche man vielfach diese Anwesenheit verlegt, als ein unbezweifeltes Factum zugeben, während wir im Gegentheil aus guten Gründen dieselbe entschieden in Abrede stellen müssen, so· dürfte die» Beschaffenheit unsres Briefs doch schwerlich in so spate Zeit herab- führen: »wer sollte wohl, wenn er ohne fkxe Vorur- theile ihn im Zusammenhange durchliest, darauf koni- men können, daß derselbe nach einer so gefahrvollen, leidensreichen, für Evangelium und Kirche so bedeut- samen Gefangenschafh wie die zu Ccisareafund Rom war, geschrieben sei, da» sich auch nicht die leiseste Spur hiervon im Briefe vorsindet?« Vielmehr scheint aus den Worten des Apostels in Röm. 15, 19 u. 23., daß er von Jerusalem an und im Umkreis bis an Jllyrien alles mit dem Evangelio Christi erfiillet und in diesen Strichen bereits keinen Raum mehr habe, bestimmt hervorzugehen, daß er schon bei Abfassung des Römer- briefs auf der zwischen den angegebenen Grenzpunkten in der Mitte gelegenen Jnsel Kreta das Evangelium verkündet hatte; wir schließen uns daher der ältesten Annahme eines Theodoret und Chrysostomus an, daß unser Brief vor der in der Apostelgeschichte beschrie- benen römischen Gefangenschaft verfaßt wurde. Der Aufenthalt Pauli auf Kreta nun fällt allem Vermuthen nach in die von Lukas übergangene Reise nach Macedonien und Corinth während des Somniers a. 56 n. Chr. (Apostg. 19, 20 Anm.), die Abfassung der Epiftel an den Titus aber bald nach Ostern des J. 57., d. i. nach Absendung der ersten Epistel an die Co- rinther, da 11ach Tit. 3, 12 jene Epistel von Apollo in Gemeinschaft mit dem Schriftgelehrten Zenas aii den Ort ihrer Bestimmung zu überbringen war, in I. Cur. 16, 12 dagegen Apollo noch bei dem Apostel in Ephesus ist. (Wieseler.) «) Der Apostel benennt nun die Erfordernisse eines Aeltesten zunächst in sittlicher Beziehung; und zwar werden Erfordernisse sowohl hinsichtlich der eigenen Person des Aeltesten, als hinsichtlich der Sei- nigen namhaft gemacht. Untadelig ist der, den kein Vorwurf trifft; das Wort wird hernach in V. 7 wieder aufgenommen und durch »als ein Haushalter Gottes« begründet, wie nach seinem Inhalte erläutert. Gleich dies erste Wort läßt uns erkennen, worauf es dem Apostel ankommt: es ist das sittliche Urtheil, der Ruf, in welchem der zu Wählende steht, worauf derselbe vor allem Gewicht legt; denn eine gedeihliche Führung des Amts läßt sich überhaupt nur unter Voraussetzung des guten Rufes denken, in Kreta war aber das noch von besonderer Bedeutung. Jii doppelter Hinsicht krankte hier das christliche Leben, sowohl iii sittlicher Beziehung als hinsichtlich der Lehre: was war da nöthiger, als daß diejenigen, die als Aelteste den Beruf hatten, diesen Uebeln entgegenzuwirkem erstlich iu sittlicher Beziehung rein und tadellos dastanden, um Andere strafen zu können (V. 13), und daß sie weitens, wie hernach in V.9ff. ausgeführt wird, treu festhielten an der gewissen Lehre und von der Au- steckung des müssigen Grübelns und Disputirens frei waren! (Wiesinger.) Das Eines Weibes Mann hat man so verstanden, als dürfe kein zum zweiten Mal Verehelichter oder wiederholt verehelicht Gewesener Aeltester sein; aber gesetzt auch, daß es für an sich besser und rühmlicher gegolten hätte, sich mit einmaliger Ehe zu begnügen, was sich aus den neutestamentlichen Schriften nur in Beziehung auf Frauen nachweisen läßt (vgl. Luk. 2, 36 f.), so verträgt sich die Aus- schließung wiederholt verheiratheter Männer vom Aeltestenamte nicht mit der vom Apostel selbst ander- wärts (1. Cor. 7, 8 f. 39; I. Tim. 5, 14) anerkannten sittlichen Zulässigkeit wiederholter Ehe selbst der Frauen. Daß er aber an diejenigen, welche das Aeltestenamt bekleiden sollten, eine höhere sittliche Anforderung dieser Art gestellt haben sollte, stimmt nicht zu den Eigenschaften, die er im Uebrigen verlangt; nur solches, was sich an Christen überhaupt nicht finden soll, macht zum Gemeindevorsteher ungeeignet. Wir bleiben also bei der zu l. Tim. 3, Z. 12 u. 5, 9 gegebenen Auf- fassung: nur ein Vorwurf der Art, wie er aus den dort besprochenen Verhältnissen sich ergiebt, nicht aber, daß er schon ein früheres Mal verheirathet gewesen, steht auf gleicher Linie mit dem andern, daß er Kinder habe, die seinen Christenglauben iiicht theilen, oder die der Anklage eines lüderlichen Lebens unterliegen, oder deren Unbotmäßigkeit seiner Erziehung ein schlechtes Zeugniß giebt, woraus man erkennt, daß der Apostel an Männer höheren Alters denkt. (v. HofmannJ Es ist nicht fein, wenn in der evangelischen Kirche die Pfarrerssöhne, wie es hin und wieder wohl vorkommt, die frivolsten und ausgelassensten und die Pfarrers- jtökter )kokettesten und putzsüchtigsten Mädchen iii . ( itt. IN) Mit »denn« zu Anfang des 7. Verses folgt eine Motivirung des alles das, was in V. 6 ausge- sprochen wurde, in sich fassenden ,,untadelig«; auf dem ,,soll« (s. v. a. muß) liegt der Nachdruch der Apostel Bestellung von Aeltesten in den kretensischen Städten und deren Eigenschasten 685 weist auf die in den Verhältnissen liegende Nothwen- digkeit hin, der gemäß diese Forderung gestellt wird. Auf diese Verhältnisse aber wird mit dem Ausdruck: ,,Bischof« hingedeutetx der Aelteste, sofern er Auf- seher, Hirte der Gemeinde ist, darf keinem Vorwurf ausgesetzt sein, wenn er die Gemeinde leiten soll, damit ist der Wechsel der Bezeichnung erklärt. Der Apostel hebt aber den in ,,Bischos« liegenden Grund auch noch ausdriicklich hervor mit: ,,als ein Haushalter Gottes«- Unrichtig ist es, hier mit Beziehung auf l. Tor. 4, 1 an den ,,Haushalter über Gottes Geheimnisse« zu denken; vielmehr kann das »als« in seiner Beziehung auf ,,·Bischos« nur den, m dem Worte ,,Bischof« schon liegenden Gedanken ausdrücken, daß er sei Verwalter des Hauses, welches nach 1. Tim. Z, 15 ist die Ge- meinde des lebendigen Gottes. (Wiesinger.) Aelteste und Bis chöfe sind im neuen Testament nur Namen für dasselbe Amt, nämlich das Vorsteheramt der Einzelgemeinde Nach dem Vorbild der jüdischen Synagogengemeinda deren Vorsteher ,,Aelteste« hießen, gab sich zuerst die christliche Urgemeinde unter dem- selben Namen einen collegialen, mit den Aposteln zusammenwirkenden Vorstand (Apoftg. 11, 30; 15, 6. 22z 16,4; 21, 18). Die Einführung dieser, in Apstg. 11, 30 wie selbstverständlich auftretenden Aeltesten wird nicht berichtet; vermuthlich erfolgte sie bei der Her- stellung der durch die Verfolgung beim Tode des Stephanus zersprengten Gemeinde an Stelle des in derselben Verfolgung untergegangenen Amtes der 7 Almosenpflegen Bald kommt das Aeltestenamt auch außerhalb Jerusalems auf und zwar ebenso bei pau- linischen, wie bei judenchristlichen Gemeinden (Apoftg. Ist, 2Z; 20, 17; Jak. 5, 14; 1. Petri 5, 1), sobald sie über die ersten formlosen Zeiten ihres Bestandes zu einer festeren Ordnung sortschreiten; in den vorwiegend heidenchristlichen, griechisch gebildeten Gemeinden aber scheint man» dem jüdischen Namen ,,Aeltester« (Pres- bhter)» griechische Bezeichnungem wie ,,Vorsteher« (Luther: ,,Regierer« Rom. 12, s; I. Thess 5, 12; 1. Tim. 5, 17) oder »Hitte« (Ephes. 4, 1I; 1. Petri 5, 2 ff.) oder »Auffeher« (griech. episcopos — Bischof) vor- gezogen zu haben. Diese Einerleiheit von Aeltesten und Bischöfen ist vom christlichen Alterthum bis in’s Mittelalter hinein vielfach bezeugt und zugestanden, nachmals aber vom Katholicismus und Anglicanismus im Interesse angeblich apostolischer Einsetzung des späteren, vom Aeltestenamt verschiedenen monarchischen Episcopats geleugnet worden. Sie geht mit völliger Gewißheit daraus hervor, daß das neue Testament beide Namen (wie an unsrer Stelle, so an der oben angeführten aus der Apostelgeschichte) wechselsweise für denselben Begriff gebraucht, oder (vgl. Phil.1,1; 1. Tim. Z, 1 ff.) von Bischöfen einer Einzelgemeinde in der Mehrzahl und daneben nur von »Dienern« (Diakonen), nicht auch von »Aeltesten« redet· Aller- dings kam schon im Laufe des 2- Iahrh. das Amt des Bischofs als eines den Aeltesten übergeordneten Einzelvorstehers der Gemeinde auf; aber im neuen Testament ist davon noch keine Spur. (Beyschlag.) Aus den Worten: »als ein aushalter Gottes« geht klar und bestimmt hervor, da die Bischöfe oder Geist- liche nicht Beauftragte und Bevollmächtigte der Ge- meinde sind; selbst wenn sie von dieser gewählt werden, tragen sie doch ihr Amt als ein göttliches, das sie nicht nach dem wandelbaren Willen derer, von denen sie gewählt sind, sondern nach dem Willen Gottes zu verwalten haben. (Huther.) f) Paulus benennt hier solche Eigenfchaftem die sich sonderlich mit der Berufsstellung eines Bischofs als eines Haushalters Gottes nicht vertragen würden: er darf nicht eigensinnig, nicht so von sich ein- genommen ("2. Timotheum Z, Z) sein, daß er nur seinem eigenen Kopfe folgt, nicht zornig, daß er außer sich geräth, wenn es nicht nach seinem Sinne geht, nicht toll oder ungeberdig gegen die, mit denen er zu thun hat (Luther hat mit ,,Weinsäufer« das Wort hier ebenso, wie in 1. Tim. Z, Z, in seiner ur- sprünglichen Bedeutung genommen, in der abgeleiteten bezeichnet es das freche, herausforderndeä schmähsüch- tige Verhalten eines Trunkenen), nicht pochend oder zum Dreinschlagen geneigt, nicht auf Gewinn aus, wo es schimpslich ist Gewinn zu suchen (Luther in der Meinung, es sei von unehrlichem Gewerbe neben dem Amte die Rede: ,,unehrliche Handthierung treibend«). Diesen Eigenschaften, die sich an einem Gemeindevorsteher nicht finden dürfen, werden solche gegenübergestellh die er haben soll, ohne daß die ein- zelnen den einzelnen gegensätzlich entsprechen müssen; nur die Sinnesart, welche sich in ihnen ausprägt, muß die entgegengesetzte sein. So ist denn gleich die Gastfreun lichkeit, die sich fremdher kommender Brüder gerne annimmt, Kennzeichen einer Sinnesart, welche das Gegentheil der Sinnesart eines solchen ist, der auf schändlichen Gewinn ausgeht. Bezeichnetgütig den, der das Gute lieb hat, so ist der so Geartete das Widerspiel eines Eigensinnigem sofern er sich des Guten»freut, wo immer es ihm begegnet; ebenso bildet züch tig einen Gegensa zu ·»zornig, frech und pochend« — der Vernünftige ( tichtige) läßt sich nicht zu so leidenschaftlicher Erregung hinreißen. Mit »züchtig« ist gerecht und auch heilig verwandt, indem der Züchtige, soviel an ihm liegt, jeden zu seinem Rechte kommen läßt und die göttlichen Ordnungen, in welche das Leben gefaßt ist, heilig hält, nicht minder ist ,-züchtig« aber auch mit keusch (enthaltsam) verwandt, indem sich der Züchtige so in der Gewalt hat, daß er sich alles dessen entschlagen wird, was ihm in seinem Christen- oder Berufsleben unzuträglich wäre (v.Hos- mann.) Sehe ein jeder zu, statt nur an die Presbyter auf Kreta zu denken, ob nicht auch ihm, dem Geistlichen der Jetztzeih in diesen Worten Pauli etwas gesagt sei. Da ist in Betreff der Habsucht zu allen Zeiten über das Vorhandensein dieses Lasters unter den Geistlichen geklagt worden; die Welt betrachtet uns fast alle von diesem Aussatz, angesteckt, sagt M as s illon, ein Priester und ein Geizhals ist ihr ein und dasselbe. Und auch Ehrysostomus hat wohl Recht, wenn er behauptet, der Ehrgeiz sei für uns wohl noch schwerer zu über- winden, als der Geldgeiz; und für ein unbekehrtes Herz bringt kaum ein anderer Stand so viel Versuchung zur vHerrschsucht mit sich als der geistliche Stand. Es ist das Ia begreislich: der Geistliche sieht sich als einen Haushalter Gottes an, und mit Recht; er sieht sein Amt an als ein von dem HErrn angeordnetes, und mit Recht. Da denkt er zu leicht mehr an die ihm verliehene Macht, als an die ihm aufgelegte Ber- antwortung. Es folgen dann die positiven Eigen- schaften, die für einen Bischof erforderlich sind; alles, was da genannt wird, ist wesentlich, es ist aber auch nichts Wesentliches ungenannt geblieben. Wenn wir all diese Eigenschaften zusammenfassen, so müssen wir sagen: wer sie besitzt, der ist ein vollkommener Geist- licher. Eine besondere Bemerkung wäre noch in Be- treff der Gastfreundlichkeit am Ort. Ein beson- derer Grund zur Empfehlung der Gastsreundschast lag allerdings in den Verhältnissen des Alterthums über- haupt und m den Verhältnissen der Christen insbe- sondere: wie hätte da der Bischof, das Vorbild der Heerde, zurückbleiben dürfen? Anders gestaltet sich die ache in civilisirten Ländern: da giebt es Wirths- 686 Titum l, 12—16. häufer, und die meisten Leute, die reifen, versehen sich mit Geld; für die, welche ohne Geld reifen, ist es ge- wöhnlich passender, ihnen die Schlafstätte in der Her- berge zu bezahlen, als sie in sein Haus aufzunehmen. Vieles dagegen von dem, was man unter uns Gast- freundschaft nennt, ist weitaus keine christliche Tugend, sondern sociale Liebenswürdigkeit; aber sie raubt uns, wenn sie übertrieben wird, zu viel Zeit (vgl. die Bem. zu Ephes. Z, l6) und bringt zu viel Zerstreuung in das Heiligthum des Hauses. (Plitt.) H) Zu den sittlichen Eigenschaftem welche der Apostel von den Bischöfen verlangt, fügt er jetzt noch die For- derung einer gesunden Orthodoxie (Rechtgläubigkeit), welche im unerschütierlichen Festhalten an dem aposto- lischen Lehrthpus besteht, sowohl im Blick auf die Gläubigem die er ermahiien und erniuntern, als im Blick auf die Jrrenden, die er zurechtweisen und wider- legen soll (v. Oosterzee). Jm Stande soll ein Bischof sein, sowohl zu ermahnen mit der gesunden Lehre, als die Widersprechenden zu widerlegen; befähigt zu beidem ist er aber nur dann, wenn er selbst nicht ein subjectives Meinen, sondern ein überliefertes und in feiner Ueber- lieferung glaubhaftes Wort (das wollen die Ausdrücke des Grundtextes, die Luther mit »das gewiß ist und lehren kann« übersetzt hat. eigentlich besagen) geltend zu machen hat. (Wiefinger.) »Festhaltend an dem e- niäß der Lehre zuverlässigen Wort«, so lauten ie Worte im Grundtext; das will sagen: das Wort ist gewiß, wenn es der von dem HErrn und den Aposteln überlieferten Lehre gemäß ist; daran nun soll der Bischof festhalten, darin soll er conservativ sein, damit er p ositiv ermahnen, neg ativ widerlegen könne, denn für jenes Werk hat er dann eine gesunde Lehre, die wirklich ermahnt und auferbaut, für dieses aber eine Weisheit, welcher nicht widersprechen mögen noch wider- stehen seine Widerwärtigen Luk. 2l, 15. (Plitt.) Hi) Der Apostel führt nun aus, welcher Widerrede die Vorsteher kretischer Gemeinden gewärtig sein müssen. Unnütze Schwätzer, die solches reden, was keinen Gehalt hat und sich für etwas giebt, das es nicht ist, und Verführer, oder, genauer gesagt, Leute, welche Andere um ihren Verstand betrügen, daß sie ihres Urtheilsvermögens verlustig gehen, nennt er die, von denen Widerrede zu erwarten steht, und bezeichnet sie als freche oder unbotmäßige Omgehorsame V. 67 l. Tim. I, 9)Menschen. Denen muß man das Maul stopfen, sie zum Schweigen bringen; das thut noth, weil sie damit, daß sie schändlichen Gewinnes halber lehren, was nicht gelehrt sein will oder ungelehrt bleiben sollte, ganze Familien zu Grunde richten. (v. Hofniann.) Die Jrrlehrer werden als unbotmäßig bezeichnet, sofern sie sich dem evangelischen Wort widersetzem den Gehorsam gegen dasselbe verleugnen; das ,,fonderlich die aus der Beschneidung« aber zeigt, daß es vor- nehmlich die Judenchristen in Kreta waren, welche die Jrrlehre verkündigten. (Huther.) Es handelt sich in- dessen nicht um einen entschiedenen Gegensatz gegen die Wahrheit, um eigentliche Jrrlehre, sondern nur· um eine Beschäftigung mit Dingen, die nicht auf die Seligkeit abzwecken und keine sittliche Kraft in sich tragen; es wäre sonst unbegreiflich, wie der Apostel »den Titus nur ermahnen könnte, sich nicht in diese Dinge einzu- lassen (Kap. 3, 9). Begreiflich ist das nur, wenn diese Dinge ein unschuldiges Ansehen hatten, dabei aber leichwohl vom rechten Grunde des Glaubens und ebens absührten. Nicht denselben Gegensatz des Judaismus haben wir vor uns, den wir aus» dem Galaterbriefe und aus den Briefen an die Corinther und Philipper kennen: dort sind es Judenchristem deren Eifer um das Gesetz sie zu Feinden des Apo tels macht; hier Leute, die auf Gewinn ausgehen und ihre als Weisheit ausgegebenen Zuthaten, mit denen sie die christliche Wahrheit verunstalten, an den Mann zu bringen suchen. (Wiefinger.) 12. Es hat einer aus ihnen lden Bewohnern von Kreta, ihre1i Nationalcharakter eigens be- schreibend] gesagt [der Dichter Epimenides aus Gnossns nämlichs ihr eigener Propbet swie si ihn. nennen]: Die Krkter sind immer Lugner, böse Thiere und faule Bauche siin Grundtext bilden diese Worte einen Vers, vgl. Apostg 17, 28; 1. Cor. 15, 33; Jak. 1, 17]. 13. Dies Zengniß ist wahr [wie ich aus selbstgemachter Erfahrung weiß]. Um der Sache willen sweil sie eben nach ihrem Volkscharakter solche Leute sind] strafe sie [die kretensischen Christen, an denen du noch in anderer Beziehung als in der V. 5——11 angegebenen, mein Werk fortzusetzen hast] scharf, auf daß sie gesund seien im Glauben [während sie xetzt noch gar sehr daran kranken V. 11], 14. Und nicht smit innerer Herzenszuneigung Apostg. 8, s] achten auf die indischen Fabeln und Menschengebote [besser: Gebote von Menschen], welche snamlich Menschen] sich von der Wahrheit abwenden [1. Tim. 1, 4; 4, 7; 2. Tini. 4, 4]. Um zu zeigen, wie sehr zu befürchten stehe, daß das Unwesen der Jrrlehrer bei den Kretensern Eingang finden, ja, daß es hier auf Kreta vielleicht eher als an irgend einem anderen Ort tiefe Wurzeln schlagen werde, führt der Apostel das bedeiitsame Urtheil eines Dichters über den kretensischen Nationalcharakter an. (Matthies.) Kreta, jetzt Candia, ist die große griechische Insel, welche das ägäische Meer auf seiner Südseite gewisser- maßen abschließt; etwa 190 Quadratmeilen Areal haltend, durch seine Lage wie durch die reiche Aus- stattung seiner Natur außerordentlich bevorzugt, hat dieses Eiland in ältester Zeit eine Basis gebildet für die Vorherrschaft der Phönizier im ägäischen Meer, seine Bedeutung als griechische Insel aber beginnt seit der dorifchen Wanderung und seit der Besetzung der Jnsel durch massenhafte dorische Einwanderen welche eine Reihe wichtiger ftädtischer Gemeinwesen ins Leben riefen, die nun für lange Jahrhunderte der Jnsel eine eigenthümliche Geschichte nach Art des übrigen Griechen- land in’s Leben riefen, nur daß im Alterthum der Zu- sammenhang derselben mit den übrigen Hellenen inimer nur ein sehr dünner gewesen ist. Unter den kreten- sischen Städten haben Kydonia, Gnossus, Gortyna und Lyttos die bedeiitendste Rolle gespielt; in der Bibel sind außerdem Lasea und Phönice(Apostg. 27,8 u. 12) genannt, und das Vorgebirge Salmone (Apostg.27,7). Die Kreter hatten sich bei den Alten einen bedeutenden Ruf als ausgezeichnete Bogenschützen und Schleuderer erworben, sonst freilich standen sie iii schlimmem Rufe: kretische Unsittlichkeit (namentlich Päderaftie), kretische Lügenhaftigkeit und Unzuverläfsigkeit waren sprich- wörtlich geworden. Als Zeugnis; dafür führt Paulus einen Aiisspruch des in Phästus geborenen und in Gnossus wohnhaften sagenberühmten kretischen Dichter Epimenides an, eines Zeitgenossen der sieben Weisen und manchmal zu ihnen gezählt, der im Dienst des enthusiastifchen Cultus des Zeus und der Kureten, aber auch in dem des Apollo stand und als Greis Schlimmer Volkscharakter der Kreter, die deshalb von Titus schars zu strafen sind. 687 im Jahre 596 v. Chr. nach Athen berufen wurde und dort, wie auch in Delos, durch neue Gottesdienstord- nun en den Zorn der Götter sühnte. Von ihm waren Ora elsprüche und Sühnlieder überliefert, und in jenen will noch Hieronymus den von Paulus angeführten Ausspruch gefunden haben. Seine Bezeichnung als ,,Prophet« rechtfertigt fich schon durch den Ruf, welchen er als solcher beiden Grie chen hatte, weshalb ihn auch Cicero zu den enthufiaftischen Weissagern rechnet; und Paulus läßt den Titel an ihm gelten, weil er den Charakter der Kreter so treffend von ihm bezeichnet fand. In schlimmerer Weise machte die Thatkraft der Kreter sich den Griechen und Römern gegenüber fühlbar, als im letzten Jahrhundert vor Christo im Anschluß an die Kriege des Mithridates d. Gr. gegen die Römer die Piraterie oder Seeräuberei im östlichen Mittelmeer entfesselt wurde und nunmehr die Jnsel Kreta, deren Einwohner mit stark entwickeltem Handelsgeist seit Alters zroße seemännische Gewandtheit »und Neigung zur vrsarenwirthschaft gezeigt hatten, fich zu einem Haupt- sitz der Piraten geftaltete; das veranlaßte die Romer zu mehrfachen Feldziigen gegen die Jnsel, aber erst dem Quintus Cäcilius Metellus gelang es in den Jahren 68—66 v. Chr., unter fiirchtbarem Blutver- gießen die Jnsel vollstäiidi zu unterwerfen. Seitdem war Kreta eine römische rovinz, die nachmals mit Cyrene combinirt worden ist. Die alte Volkszahl und Blüthe hat jedoch Kreta seit jener grauenvollen Heim- suchung durch Metellus nicht wieder Zu erlangen ver- mocht. (Hertzberg.) Einer, der mit achen, mit einer Tinctur von Weltgeist die Wahrheit sagen will, der darf es der Welt noch so scharf sagen, als den Kretern einer ihrer Poeten; wenn aber ein Paulus mit Weinen von Feinden des Kreuzes Christi und ihrem Wandel sagt, da nimmt man jeden Ausdruck übel. (Rieger.) Ein Dreifaches sagt der Spruch des Epimenides von den Kretern: daß sie Lügner seien, wie denn der Ausdruck: ,,wie ein Kreter reden oder handeln« gang und gäbe Bezeichnung für ,,lügen und trügen« war; daß sie böse Thiere seien, wie bei Josephus Anti- pater wegen seiner gegen alles sittliche Gefühl abge- stampften Bösartigkeit genannt wird, und daß sie faule Bäuche seien, also zu Müßiggang und be- quemem Erwerbe geneigt, der sie gut nährt, ohne An- strengung zu kosten. Der Apostel erklärt dieses Urtheil für wahr; er hat die Kreter selbst so kennen gelernt, hat fich also lange genug unter ihnen aufgehalten, uin eigene Erfahrungen zu machen. Haben sie denn so schlimme Volkseigenschasten in ihren Christenstand her- übergebracht, so war sreilich Ursache, sie mit strengen Worten zu strafen, wenn sie im Glauben gesund sein sollten. Sie stehen im Glauben, aber ihr Glaubens- stand ermangelt der Gesundheit: inwiefern, das lehren die Worte: »und nicht achten auf die jiidischen Fabeln und Menschen-Gebote, welche fich von der Wahrheit abwenden«, indem das, was diese Worte ciusgeschlossen wissen wollen, die durch des Titus strenge Rüge zu heilende Ungesundheit ihres Glaubensstaiides ausmacht. Sie achteten auf solches und wandten fich ihm zu, was von Menschen, die der Wahrheit den Riicken kehrten, zuMarkte gebracht wurde: auf deren jiidische Fabeleien und Gebote ließen sie fich ein. Lehrgegenstand ist diesen Menschen ein Zwiefaches, Geschichtliches und Gesetzliches, und beides ist jüdisch; die Bezeichnung ,,jüdisch« benennt die jiidische Herkunft dessen, was sie lehren, uiii deret- willen denn Christen nichts damit zu schasfen haben sollen, und das ,,Menschen, welche fich von der Wahrheit wenden,« benennt die Beschaffenheit derer, die es lehren, um deretwillen ich Christen von ihnen nicht belehren lassen sollen. as für Fabeleien und Gebote man zu verstehen habe, kann nun nicht fraglich bleiben: Fabeln im Gegensatz zu verbürgten geschichtlichen Thatsachen, wie der Christ sie an seiner heiligen Ge- schichte hat, geben sich für Geschichte, entbehren aber der Verbürgung ihrer geschichtlichen Wirklichkeit (2. Petri 1, 16), und jüdische Fabeln insonderheit haben das Eigenthiimliche, daß sie fich an die heilige Schrift und Geschichte anschließen oder auf Auslegung und An- wendung des geoffenbarten Gesetzes Bezug haben, wie man ihrer im Talmud und in den rabbinischen Schriften reichlich findet; demselben außerchristlichen Judenthum entstammen denn auch-die Gebote, welche den kretensischen Christen zur Lebensregel dienen sollten, Gebote des geoffenbarten Gesetzes, aber nicht wie sie Inhalt der heiligen Schrift, sondern wie sie Gegenstand der rabbinischen Schriftgelehrsamkeit waren. Geschicht- liches und Gesetzliches dieser Art konnte unter Christen nur von solchen zum Gegenstand des Unterrichts ge- macht werden, die fich von dem, was christliche Wahrheit ist, abkehrten, während sie doch fiir Christen gelten wollten, sei es, daß sie von Haus aus Juden, »oder daß sie von Juden in diese unniitze Religionswissew schaft eingeführte Heiden waren. (v. Hofmannh Der Apostel läßt in V. 13 die Beziehung auf die anzu- stellenden Bischöfe fallen und macht es dem Titus selbst zur Pflicht, das rechte Heilmittel wider den kranken Glauben der Kretenser an uwenden: ,,strase sie scharf»«, denn so verlangt es die emiithsart des Volkes— ein in praktischer Beziehung wohl zu beachtender Wink! (Wiesinger.) Es giebt viele Charakters bei denen eine strenge Zurechtweisung nöthig ist. (Plitt.) Man muß nicht allein einzelne Personen strafen, sondern auch ein ganzes Volk seiner Sünden halber, die unter ihm gemein sind. (Starke.) 15. Den Reinen [die es an Sinn und Ge- wissen sind Apostg. 15, 9; Hebt 9, 14] ist alles rein swcis Gott geschasfen und gegeben hat, daß sie es ohne Sünde genießen und gebrauchen können, mögen jene Lehrer von Menschengeboten auch noch soviel verbieten Col. 2, 21f.; 1.Tim. 4, 4 s; Röm. 14, 20]; den Unreinen aber und Ungliiubigen svon der Art, wie diese Lehrer selber sind, sammt denen, die auf sie hören] ist nichts rein sauch das nicht, was ihre Menschen- gebote V. 14 unbedenklich zum Genuß verstatten]; sondern unrein ist, beide, ihr Sinn und Gewissen svon welcher Unreinheit denn nun auch alles an- gesteckt wird, was sie in die Hand oder in den Mund nehmen]. Its. Sie sagen, sie erkennen Gott [Röm. 2, 17]; aber mit den Werken verleugnen sie es sdas angeblich ihnen beiwohnende Gotterkennen], stufe- mal sie sihrem ganzen Verhalten nach solche] sind, an welchen Gott Greuel hat [Sprüchw. 17, 15; Luk. 16, 15], und gehorchen nicht sdaß sie Luft hätten, das zu thun, was Gottes Wille ist], und sind zu allem guten Werk uutuchtig sso daß sie nichts wahrhaft Gutes auszurichten vermögen]. Was es um sie, von denen vorhin mitden Worten: ,,Menschen, welche fich von der Wahrheit abwenden« die Rede war, und um ihr Lehren sei, sagen diese beiden Verse, in denen fich der Unwille des Apostels über ihr Wesen und Treiben ausxprichtx sofern sie lehren, wie der Mensch sich zu halten ha e, gilt V. 15, sofern sie 688 Titum 2, 1—10. lehren, wie man sich Gott zu denken habe, gilt V. 16 von ihnen. Da sich in der ersteren Hinsichh wie der Mensch sich zu halten habe, all ihr Lehren nach jiidischer Weise um den Gegensatz von Rein und Unrein be- wegte, so stellt der Apostel ihrem Treiben den Satz entgegen: daß denen, die innerlich, in ihrer Sinnesart rein sind, Alles, was unter jenen Gegensatz gestellt werden mag, also alles dem Menscheii Aeußerliche, rein sei, indem sie es nicht in Gottes Augen unrein macht, wenn sie damit in Berührung kommen; aber dieser Satz soll nur sein Urtheil darüber einleiten, wo- her es kommt, daß sich diese Religionslehrmeister so viel mit jenem Gegensatz, zu schafsen machen. Sie ge- hören zu den Unreinen und Ungläubigem von denen er sagt, daß ihnen schlechterdings gar nichts rein sei; statt daß ihnen irgend etwas außer ihnen rein wäre, so daß sie damit zu thun haben könnten, ohne vor Gott unrein zu werden, sind sie selbst innerlich, in ihrem Sinn und in ihrem Gewissen befleckt. Dort sind sie befleckt, indem sie so gesinnt sind, daß all ihr inner- liches Verhalten zu den Dingen mit dem Makel der Sünde behaftet ist; und hier sind sie es, indem sie bei allem, womit sie zu thun bekommen, das Bewußt- sein begleitet, daß sie eine solche Sinnesart dazu mit- bringen. Jn beiderlei Hinsicht also ist es nichts mit ihrer Belehrung über Rein und Unrein: weder für den Reinen, dem alles rein, noch für sie, denen nichts rein ist, hat diese Unterscheidung eine Wahrheit. Und nicht besser steht es in der anderen Hinsichh mit ihrem Unterricht von Gott und göttlichen Dingen. Mit Rück- sicht darauf, daß sie Andere lehren wollen, ist es ohne Zweifel gemeint, wenn der Apostel schreibt: ,,sie sagen oder erklären, sie erkennen Gott«; doch, so fährt er nun fort, mit ihrem Thun verneinen sie das, was sie mit Worten bejahen, nehmen gleichsam ihre Erklärung wieder zurück. Denn in ihrem Verhalten sind sie so beschasfen, wie es Gott ein Greuel ist; sie sind unge- willt, das zu thun, was Gottes Wille ist, und sind nir end zu brauchen, wo es etwas Gutes zu thun gie t — wie könnten sie besser beweisen, daß sie Gott nicht kennen! (v. HofmannJ » Das 2. Kapitel. Lebensregeln untersohiedlicher Stände, um der ignade sgoiies willen zu beobachten. II. b. 1——15. welche Aufgabe dem Titus als Lehrer der ltretensisclsen Gemeinden obliegt, darauf war sllaiilus schon in der zweiten tsätfte des vorigen Abschnitts, der zunächst von seiner Aufgabe als Grdner ihrer zur Zeit noli) formlosen Verhältnisse handelte, gelegentlich zu sorekhen gekommen: nun geht er aber ausdrücklich auf dieses Thema ein und handelt es sowohl in diesem als im folgenden Abschnitte ab. Im Gegensatz zu dem leeren, unfruchtbar-en Geschwäh der Sonderlehren deren Fabeln und Menschengebote ja nichts weniger als einen sittlirh erneuernden Einfluß üben, sondern viel zum ungdttlilhen Wesen helfen (2. Tini. L, l6), soll Titus reden, wie sich’s ziemt narh der heilsamen kehre w. 1); was der Apostel unter diesem Ausdruck versteht, erläutert er nun näher, indem er dem Titus vor— schriften giebt, wozu er die Alten in der Gemeinde zu ermahnen habe (d1.2), wozu ferner die alten Frauen, damit durch sie die jüngeren ihres Geschlechts zum Guten geleitet werden Ob. 3—5), weiter, was er den jüngeren Männern vorzuhalten und wie er als einer, der selber zu ihnen zählt, sich nach Maßgabe seines Berufs zum Vorbild guter Werke zu stellen habe (b. 6—8), endlich, was den Knechten zustehe, damit sie die Lehre Gottes zieren in allen Stücken (b. 9 u. 10). Von diesen vorschriften in tzetrcss der Unterweisung der Einzelnen je nach Alter, Geschlecht und Stand wendet sich der Apostel zu der, für das vorangehende begründet-den Betrachtung, wie das Ziel der göttlichen Gnadenerscheinung in Christo Jesu ja das sei, daß wir ein neues, gottseliges Erben hienieden beginnen und es führen in der Erwartung der herrlichen Wiederkunft Messen, der sich durrh seinen Tod ein Voll: zum Eigen- thum erwerben wollte, das fleißig wäre zu guten Werten (b. 11—14). Das soll denn Titus den seiner Hirtenfiirsorge anvertrauten Seelen in jeder Weise nahe legen, in seinem Strafamt nachdriicltlichen Gras! brauchen und sikh von niemand verachten lassen W. t5). 1. Du aber sim Gegensatz zu jenen, welche mit ihren jüdischen Fabeln und Satzungeu von der rechten Lehre ableiten und sie um ihre Frucht bringen Kap. I, 14 fs.] rede ssolches in der Ge- meinde, womit du ihren Gliedern je nach Alter, Geschlecht und Stand den Weg weisest, einen Wandel zu führen], wie sich-s ziemet nach der heilsamen Lehrer [Kap. I, 9]: 2. Den Alten salso halte vor], daß sie nüchtern [1. Tim. 3, L] seien, ehrbar [1. Tim. 2, 2; Phil. 4- 8]- züchtig lKap- 1- 8]- gesund im Glai3ben, in der Liebe, in der Geduld [1. Thess l, 3 ; 3. Den alten Weibern dessclbigen gleichen, daß sie sin Haltung und Benehmen] sich stelleth wie den Heiligen ziemet [1. Tim. 2, 10], nicht Lästerinnen seien [1. Tun. 3, 11], nicht Wein- säuferinnen [1. Tim. s, 8], gute Lehrerinnen snach Maßgabe der ihnen in der Gemeinde eingeräumten Stellung, vgl. 1. Tun. 5, 10 Anm.], 4. Daß sie die jungen Weiber lehren swas ihnen bei den Versuchungen ihres Alters und ihrer Verhältnisse oft schwer fällt, nämlich] züchtig [vernünftig oder verständig] sein, ihre Männer lieben, Kinder lieben, 5. Sittig sfranzösisch sage, von aller un- ziemlichen Leidenschaft und Ausschweifung sich frei haltend l. Tim- Z, Z] sein, keusch, häuslich sim Hause thätig], gütig sgegen das Hausgesinde], ihren Männern untcrtham auf das; nicht [nament- lich in dem Falle, daß diese den christlichen Glauben nicht auch theilen] das Wort Gottes Vetlästert werde« sals besördere es mit seinen Lehren und Verheißungen die Unbotmäßigkeit und Widersetzlichkeit 1. Tim. 6, 1]. is. Desselbigen gleichen die jungen Männer ermahne, daß sie züchtig [vgl. Luthers Randglosse in der Bem. zu V. 5] seien. 7. Allenthalben aber stelle dich selbst [wie mit mir ich es thue 1. Cor. 4, 16; II, I; Phil. 3, 17; 1. Thefs 2, 10] zum Vorbild guter Werke [1. Tim. 4, 12; 5, 10., besonders in der Art und Weise, wie du deinem Lehrerberufe nach- kommsts mit nnverscilschier Lehre snämlich, indem Jn seinem Lehramte foll Titus reden, wie sich’s ziemt nach der heisamen Lehre. 689 du deinem Unterrichte nichts einmischest was mit dem Wesen des Evangelii sich nicht verträgt], mit Ehrbarkeit [indem du durchweg eine Haltung dabei annimmst, wie der Ernst der christlichen Wahrheit sie erheischt], 8. Mit heilsamem und untadeligem Wort [indem du, was du auch immer redeft, frei er- hältst von allem ungesunden Wesen, wie es bei den Sonderlehrern sich findet, und auch in Aus- druck und Form keinerlei Blöße dir giebst], anf daß der Widertvårlige [ein Gegner des Christen- thums, der als Laurer, um irgend etwas Nach- theiliges aufzufangen, bei den christlichen Ver- sammlungen sich einfindets sich schäme swenn er nun es ganz anders befindet, als er’s in Betreff dessen, was da vorgetragen wird, vorausgesetzt hat] und nichts habe, daß er von uns sChristenj möge Böses sagenktt [keinen Stoff und Anhalts- Punkt dafür ausfindig zu machen wisse, vgl. I. Cor. 14, 24 f.; I. Petri 2, 12 u. 15]. 9. Den Knechten [gebiete], daß sie ihren Herren unterthcinig seien [1. Tim. S, 1f.; Col. Z, 22; Ephes. 6, H; 1. Petri 2, 18], in allen Dingen [die nicht wider das christliche Gewissen sind Apostg 5, 291 zu Gefallen thun sdas thun, was denselben angenehm und lieb ists, nicht widerbellen [daß sie unaufhörlich gegen das, was ihnen gesagt wird, etwas einzuwenden haben Röm. 10, 21], 10. Nicht veruntreuen smit heimlicher Ent- wendung Apostg. 5, 2 f.], sondern alle gute Treue [die nicht blos den äußeren Schein wahrt, son- dern das wirklich ist, als was sie sich giebt Ephed S. Sfsx Col— s, 22 f.] erzeigen, aus daß sie die Lehre Gottes, unsers Heilandes [1. Tim. 1, 1 Anm.], zieren in allen Stitckenf sindem diese in ihrem ganzen Verhalten als eine Gottes- kraft zur Heiligung sich erweist]. V) Titus, im Gegensatz zu den vorher geschilderten Verführern und ihrem Treiben, soll reden, was der gefunden Lehre ziemt(so genauer nach dem Grund- text): damit kann nicht die richti e Lehre selbst gegen- über der Jrrlehre gemeint fein, ondern nur das, was dergesunden Lehre zur Gottfeligkeit angemessen ist; es ist, wie das Folgende zeigt, das rechte fittliche, in den Thatsachen des Heils begründete Verhalten damit bezeichnet Es läßt dieser Gegensatz erkennen, daß es nicht dogmatisch irrige Lehren sind, welche der Apostel bestrei·tet, denn alles, was er Derartiges im Folgenden vorbringt (V. 11 ff. u. 3,3ff.) hat hierzu nur ein unter- geordnetes, die gegebenen sittlichen Vorfchriften be- gründendes Verhältniß Soll Titus gegenüber der herrschenden Berkehrtheit mit aller Macht auf die fitt- liche Seite des Christenthums dringen, zu einem der gesunden Lehre entsprechenden sittlichen Verhalten er- mahnen, so kann jene Verkehrtheit im Wefentlichen nur darinbestanden haben, daß sie sittlich unfruchtbar war und über der Beschäftigung mit nutzlosen Fragen vom Streben nach der Heiligung ablenkte (Wiesinger.) Daraus, daß der Apostel dem Titus das Dringen auf ein, die christliche Gesinnung beweisendes Leben zur Dächfetsps Bibelwerc VIL Band. Pflicht macht, können wir die wichtige und oft nicht genug beachtete Lehre ziehen, daß nichts mehr geeignet ist, folche Leute, die sich besonders gern mit allerlei religiösen Grübeleien beschäftigew zu einem nüchternen und gesunden Christenthum zurückzuführen, als wenn man ihnen fchlicht und einfach ihre nächstliegenden Pflichten vorhält; dies ist viel besser, als wenn man sich mit ihnen in Disputationen über ihre besonderen Meinungen einläßt. (Plitt.) IN) Nicht im Allgemeinen foll Timotheus bei seinem Reden dessen, was sich ziemet nach der heilsamen Lehre, sich halten, sondern im Gegensatz u denen, die nur von Rein und Unrein zu sagen wi sen, darauf halten, daß jedes Alter und Gefchlecht in seiner Weise der christlichen Wahrheit durch sein Verhalten Ehre mache. Die Männer vorgerückteren Alters sollen nüchtern sein, d. i. geistig nüchtern im Gegensatz zur Unbedacht- samkeit und Leichtfertigkeih die solchem Alter am übelsten ansteht. Ehrbar und züchtig sollensiesein: die ge- messene Haltung des Ernstes im Gegenfatz zu läppischem, die ehrbare Haltung der Befonnenheit im Gegensa zu leidenfchaftlichem Wesen soll sich bei ihnen fin en. Und hinfichtlich der drei Hauptstücke des eigenthümlich christlichen Verhaltens, des Glaubens, der Liebe, der ausharrenden Geduld, soll es so bei ihnen stehen, daß die Ausgeschlossenheit alles Ungesunden der Reise ihres Alters entspricht. Dasselbe, wie für die Män n er, gilt auch für die Frauen vorgerückteren Alters; das »desselbigengleicheii« überträgt die an jene gestellte Forderung auf diese, und da steht dem nun am nächsten das nächstfolgende: daß sie sich stellen, wie den Heiligen ziemet. Sie sollen in ihrer Haltung, wie sie sich haben und bezeigen, so beschassen sein, wie es sich für diejenigen schickt, die in heiligem Dienste stehen. Damit verträgt sich die Neigung zu übler Nachrede nicht, die eine gewöhnliche Untugend älterer Frauen ist, daher: nicht Läfterinnenz noch die ihnen eben- falls häufig eignende Unmäßigkeit im Genuß starker Getränke, daher: nicht Weinsäuferinnein Jhren Verkehr mit den Jüngeren ihres Geschlechts sollen sie dazu nützen, wie das »gute Lehrerinnen« besagt, um eine heilsame, zu verständigem Wesen (allent- halben, sagt Luth er in der Randglosse, wo hier ,,Zucht« und ,,züchtig« steht, da vernimm, daß sie sollen ver- nünftig, mäßig und fein sich halten, denn ich darf des Wortes ,,vernünftig« nichtbrauchen) erzie ende Ein- wirkung zu üben, statt, wie es sonst wo l eschieht, faules Geschwätz zu führen. Die nächste Päicht der jüngeren Frauen nach der Besonderheit ihres Standes ist die gegen Mann und Kind er; daher die Ermahnung vor allem dahin gehen foll, daß sie den Mann, die Kinder lieb haben. Daran reihet sich die Forderung der Sittigkeit und Keuschheit; ferner aber will der Apostel gute Hausfrauen haben, die in der Er- füllung der häuslichen Pflichten thätig sind und sie in wohlwollender Weise gegen ihre Hausgenossen üben. Dabei sollen sie ihr Hauswesen nicht nach ihrem eigenen Sinn und Willen, sondern in Untergebung unter den Willen ihrer Männer verwalten. Wenn die christlichen Ehefrauen ihr Hauswesen vernachlässigtem oder in der Verwaltung desselben ihren Männern, in- sonderheit etwa Männern, die nicht ihren Glauben theilen, unbotmäßig wären, so würde dies auf Rechnung des W orte s G ottes geschrieben werden: das Christen- thum, würde man sagen, macht sie durch seine Ver- weisung auf das, was sie das Reich Gottes nennen, von ihren nächsten Pflichten abwendig, und durch die Stellung, die es ihnen zuerkennt, selbstherrlich und ihren Männern sich unterzuordnen ungeneigt. (v. Hof- mann.) Daß der Apostel die jüngeren Frauen durch 44 690 Titum 2, 11—-—14. die älteren, und nicht unmittelbar durch Titus, zum Guten ungeleitet haben will, ist wohl nicht zufällig. (Wiefinger.) i Eis) Bei der Weisung, worauf Titus bei den jüngeren Frauen halten solle, ging Paulus sehr in’s Einzelne ein, weil es sich hier darum handelte, das Ehriftenthiim wider eine, ihrer Wirkung wegen be- sonders bedenkliche Verdächtigung zu verwahren; desto kürzer faßt er sich nun in Bezug auf die Männer jüngeren Alters. Hier heißt es nur, Titus solle sie ebenfalls zu verftändigem Wesen (Luther: ,,züchtig sein«) anhalten, was denn auch wirklich alles in sich schließt, worin sich die sittliche Wirkung des Christenthums erzeigen kann, voraus« esetzt, daß sich die damit benannte Tugend über alle inge und Ver- hältnisse des Lebens erstreckt; es kann aber deshalb in Bezug aus die den jüngern Männern zuzuwendende Ermahnung der Apostel so kurz sich fassen, weil ihnen gegenüber Titus, der selbst zu den Jüngeren und nicht zu den Männern vorgerückteren Alters gehört, das Beste damit thun kann, daß er sich selbst als Vorbild in dem, was gut und löblich ist, darstellt. (v. Hofniann.) Es ist schon oft gesagt worden, daß im Ehristenthum die Lehre Leben sei; wenn dem so ist, so muß auch das Leben Lehre sein — Leben und Lehre müssen mit einander harmouiren (Plitt.) Nach- dem der Apostel mit ,,allenthalben« ganz allgemein alles benannt hat, worin Titus sich selbst zum Vor- bild guter Werke stellen soll, geht er mit den Worten: ,,mit unverfiilfchter Lehre, mit Ehrbarkeit, mit heil- famem und untadeligem Wort« auf den besonderen Beruf ein, den derselbe hat und in welchem er der ihm geltenden allgemeinen Ermahnung auch sonderlich nachkommen. muß. Er verlangt von ihm, daß die Lernenden bei seinem Unterricht jene Lauterkeit oder Unversälschtheit, der es um nichts, als um die Ver- kündigung der reinen Wahrheit zu thun ist, und den tiefen, würdevollen Ernst des Lehrenden durchfühleiu So stellt sich der Lehrende bei seinem Unterricht als Vorbild dar: an feiner eigenen Person erkennt man die Wahrheit und Kraft dessen, was er Verkündigt. (Wiesinger.) Beides, die Lauterkeit sowohl wie die Ehrbarkeit, wurde von den Sonderlehrern bei ihren Wortkriegen (1. Tim. 6, 4) verletzt. (Huther.) Das ,,mit heilsamem und untadeligem Wort« dient augen- scheinlich zum erklärenden Jnbegriff der Hauptsache; es umfaßt den gehaltvollen evangelifchen Kern der mit Lauterkeit und Würde vorgetragenen Lehre. Als be- sonderer Beweggrund, warum Titus in der eben be- zeichneten Weise sich als Muster erzeigen soll, wird noch hervorgehobem »auf daß der Widerwärtige sich schänie«, wobei man vornehmlich an die Gegner unter den Nichtchristen zu denken hat; beschämt wird aber der Gegner, wenn er ,,nichts hat, daß er von uns möge Böses sagen«, von uns Bekennern des Evangelii nämlich. (Matthies.) Gleichwie der HErr alle seine Jünger ermahnt, durch ihr Vorbild im Wandel den Nächften zu erbauen (Matth. 5, 13 ff.), so ist insonder- heit der Diener des Evangeliums dazu jederzeit um so mehr berufen, soll seine Predigt nicht ganzlich fruchtlos sein. (van Oofterzeeh Habt Acht auf euch selbst, ihr Diener des Evangelii, denn Vieler Augen find auf euch gerichtet und Viele können euern Fall sehen; ihr könnt keinen Fehltritt begehen, daß die Welt nicht davon widerhallte. Sonnensinsterniffe bei heiterem Himmel gehen selten unbemerkt vorüber: da ihr euch selbst für die Lichter der Gemeinde ausgeht, so müssen nothwendig Vieler Augen auf euch gerichtet sein; ob daher auch Andere unbemerkt sündi en können, ihr könnt es nicht, das Licht eurer eigenen Lehre wird . Gnade Gottes« und in Kap. Z, 4: euren schlechten Wandel offenbaren. Thut daher euer Werk als solche, die wissen, daß die Welt darauf siehet, und zwar mit dem scharfen Auge der Feind- schaft darauf siehet, die aus allem immer das Schlimmfte herausziehet, die kleinsten Schwächen aufzufinden, aus- zubreiten und zu benutzen weiß, und auch da noch Böses findet, wo nichts ist! (Baxter.) · » · f) Bis hierher· hat der Apostel den Titus erinnert, seine Lehrthatigkeitfauf Ermahnung der Einzelnen Je nach Verschiedenheit des Alters und Geschlechts zu richten; er macht ihm jetzt eine ähnliche Belehrung von Christen eines besonderen Standes zur Pflicht — die Knechte soll er zu richtigem Verhalten in ihrem Stande ermahnen, was um so leichter unter- blieb, je weiter eine solche Belehrung von der Ver- kündigung der großen Heilsthaten Gottes»ablag, wäh- rend doch gerade das Verhalten der christlichen Sclaven für das Urtheil über das Christenthum ganz besonders maßgebend und feiner Verbreitung förderlich oder hinderlich war. Denn so erklärt es sich, daß Paulus gerade die Ermahnung noch herausgreift, welche Titus den Knechten zuwenden soll: sie bedurften ihrer mehr als Andere, weil ihr Stand soviel schwerey sie entbehrten ihrer inehr als Andere, weil ihr Stand ein so geringer, ihre Pflicht eine so uiifcheinbare war, und man sollte doch gerade von ihnen nicht sagen können, das Christen- thum verführe oder verderbe sie. (v. HosmannJ Ueber das Verderben unter deni Gesinde und den Dienst- boten klagt man häufig; aber wie wenig Gelegenheit man ihnen zur Erkenntniß des Wortes und der WahrheitGottes macht, das bedenkt man nicht genug- sam. (Rieger.) » » » » (Episte·k am heil. Christ-disk) Da man schon in der fruhesten Zeit und noch» ehe das Geburtsfest Jefu nach abendländischer Tradition am 25. December gefeiert wurde, dies Fest ein Fest der Theophanie, d. i. der Gotteserfcheinung, oder der Epiphanie, d. i· schlechtweg der Erscheinung, zu nennen pflegte, so ist es leicht erklärlich, daß der doppelte Ausdruck in V. II: ,,es ist erschienen diesckheilsake ,,es er ien ie Freundlichkeit und Leutseligkeit Gottes, unsers Hei- landes« wie unmittelbar aus der son1ienhellen Nacht, die wir heute feiern, genommen aufgefaßt wurde. Und wenn nun der erste und größte Prediger der Geburt des HErrn, der Engel über den Feldern von Bethlehem, die Geburt Christi eine Freude nennt, die allem Volk widerfahren wird, d. i. dem ganzen jüdischen Volke, so greift der Ausdruck der Epistel: ,,es ist erschienen die heilsame Gnade Gottes allen M ens ch en« über dieWeihnachtsgeschichte hinaus; schon zu des Apostels Zeiten war die Predigt von dieser heilsamen Gnade uberall hin gedrungen, so daß es sich also zeigte, wie es in jenem Liede heißt: »der Glanz in dieser kleinen Höhle, streckt sich in alle Welt hinein«. (Löhe.) Die Erscheinung der heilsamen Gnade Gottes: 1) das Heil, das sie allen Menscheu an- bietet; 2) die Forderung, die an alle, denen sie er- scheint, ergeht; Z) die Kraft, die zur Erfüll1ing solcher Forderung sie darreicht. (Eig. Arb.) Wozu soll es uns dienen, daß Christus ist erschienen? Es dient 1) zu unsrer Begnadigung, 2) zu unsrer Heiligung, 3) zu unsrer Beseligung — Welche heilsameFruchtträgtGottes heilfameGnade? Sie wirket, daß wir l) fromm leben in dieser Welt, 2) fröhlich warten auf jene Welt. (Schultze.) Die geiftliche Ehristbescheerung: 1) was uns der HErr befcheeret hat, Z) was wir dem» HErrn be- scheeren sollen. (Appuhn.) Von drei herrlichen Christtagein 1) der erste ist gekommen, seit die Auf ein neues, gottseliges Leben unsrerseits hat Gottes Gnade in Christo es abgesehen. 691 heilsame Gnade Gottes allen Menschen erschienen ist; Z) der zweite kommt, wenn die Gnade uns innerlich umzuwandeln beginnt; Z) der dritte wird kommen, wenn die Gnade ihr Werk an den Menschen vollendet hat. (Wiesinger.) Was ist das schwache Jesus- kind in der Krippe doch für ein mächtiger König der Ehren! Er 1) entbietet allen Menschen Gnade und Heil, 2) erwirbt durch seine Hingabe ein heil. Volk zum Eigenthum, Z) richtet in der ungött- lichen Welt ein Reich der Gerechtigkeit auf, 4) vollendet sein Volk und sein Reich mit ewiger Herrlichkeit (Naumann.) Daß unsere Weihnachtsfreude nur dann rechter Art ist, wenn ihr etwas von dem ,,freuet euch mit Zittern« (Ps. 2, 11) beigemifcht ist: 1) bedenket, mit welchem Opfer euch die Weihnachtsfreude erkauft ist; 2) vergesset nicht, welche heilige Verpflichtungen sie deshalb euch auferlegt; 3) lasset euch durch die Erscheinung Christi in der Knechtsgestalt auf seine Offenbarung in der Herrlichkeit hinweisen. (Langbein.) 11. lWenn du solches redest, wie in V. 2 —10 gesagt, so redest du, wie sich’s ziemet nach der heilsamen Lehre V. L] Dem: es ist slaut dieser Lehre] erschienen die heilsame sauber- wärts schreibt Luther: heilwärtige, heil- bringende oder seligmachende] Gnade Gottes allen Menschen-1- [1. Tini. 2, 4], 12. Und züchtiget [erzieht in strafender Zurechtweisung] uns sdie wir ihrer bereits theil- hastig genzordens daß wir sollen verleugnen das ungbttliche Wesen [da man lebt, als ob kein Gott im Himmel sei] und die weltlichen Luste [an und bei uns selbst], und züchtig [da man des Fleisches Lust und der Augen Lust und dem hoffärtigen Leben nachjagt], gerecht snach außen·hin, andern Menschen gegenüber] und gottfelr fnach oben, Gott gegenüber] leben in dieser elf« [so lange wir auf Erden da- sind, indem nach unserm zeitlichen Verhalten hier sich unser dortiges ewiges Loos entscheidet], 13. Und warten auf die f elige Hoffnung [Apostg. 24, 15; Gal. 5, 5; Col. 1, 5; Röm. 15, 41 und Erscheinung der Herrlichkeit des großen Gottes [Offenb. 19, 17] und unsers Heilandes Iesu Christi-Ess- [1. Tim. G, 14; 1. Petri 4« 13; L. Petri»3, 12]; 14. Der sich selbst sur uns ge- geben hat, auf daß er uns erlofete von aller Ungerechtigkeit sderen Knechte wir waren Röm. 6, 17; Gal. 1, 4; Ephes. b, 25»f.;· 1. Tun. 2, 6; 1. Petri I, 18 f.] und reinigte ihm selbst ein Volk zum Eigenthum U« Petri 2, I; 2.Mos. 19, 5], das fleißig ware zu guten Werken-1- [Hes· 36, 25 ff.; Hebt. 13, 20 f.]. V) Das Wörtlein »denn« giebt den Grund des Vorhergehenden an, nämlich warum er dem Timotheus vorgeschriebem was er die Greise, die Matronen, die Jungen, die Knechte lehren solle; der Grund aber ist der,»daß für sie alle, ja auch für die ärmsten Sclaveiy Christus geboren sei, damit er einen jeden erziehe, nach seinem Stand fromm und heilig zu leben. (C0rn. a LapideJ Die gefammte Anweisung, die der Apostel dem Titus gegeben hat, ein christenwürdiges Verhalten einzuschärfem erhält hier eine Begründung, die sich Titus selbst aneignen soll, seine Ermahnung damit zu begründen. Jn der Art, sagt der Apostel, ist die Gnade Gottes.erschieiien, wie eine Sonne der Welt aufgegangen, daß sie uns dazu erzieht, ein züch- tiges, gerechtes und gottesfürchtiges Leben zu führen. (v. Hofmannh Der Apostel, welcher auch anderwärts (Röm. 13, 12; 1. Thess 5, 8) die Offenbarung des neuen Bundes mit einem hellen Tage vergleicht, wählt hier den Ausdruck: ,,es ist erschienen«, der an andern Stellen von der Sonne gebraucht wird (Apstg. 27, TO; Luk. 1, 79), um die göttliche Heilsoffenbarung von ihrer hellen und glanzreichen Seite vorzuführem insofern nun die Menfchwerdung des Sohnes den Anfangspunkt dieser Heilsoffenbarung ausmachh ist dieser Abschnitt mit Recht von der alten Kirche zur festen Perikope für das Weihnachtsfest erwählt worden, obwohl andrerseits die hier erwähnte Erscheinung der Gnade Gottes sich nicht ausschließlich auf die Geburts- geschichte bezieht. (v. Oosterzee.) Die Gnade Gottes wird eine heilsame oder heilvolle genannt, denn sie befreit nicht blos vom Fluche des Gesetzes, verkündigt nicht allein Erlaß von Strafe und Verdammniß, sondern reißt auch aus der Knechtschaft der Sünde und des Teufels, heiligt uns zu neuem Leben und inacht uns zu Kindern und Erben des ewigen Lebens. Jn dieser Weise ist sie heilsam allen Men- schen ohne Unterschied, ist aber auch erschienen für alle Menschen; denn alle brauchen sie, weil sie von Natur Kinder des Zornes sind, weil Keiner da ist, der Gutes thue, auch nicht Einer. (Sommer.) Niemand ist ausgeschlossen von der Freude, welche die heil. Weihnacht Verkündigt, weil unser HErr, der Ueberwinder der Sünde und des Todes, wie er keinen von der Sünde freien Menschen gefunden hat, so zur Befreiung aller gekommen ist. Es jubele der Gläu- bige, weil er der Palme sich nähert; es freue sich der Sünder, weil er eingeladen wird zur Vergebung; es fasse Muth der Heide, weil auch er gerufen wird zum Leben! (Leo d. Gr.) »Es) Die Meinung des Apostels ist: Christus hat solche Offenbarung und Verkündigung der heilsamen Gnade Gottes nicht thun lassen, daß es allein dabei bleibe und sie nur eine Rede oder Gehör sei, sondern daß sie Frucht bringe in uns; denn es ist eine solche Offenbarung und Verkündigung, die uns wie Kinder unterweiset, daß wir sollen absagen allem, was un- göttlich ist, und ablegen alle irdischen, weltlichen Lüste und Begierdery und also hinfort ein nüchtern, recht- fertig, göttlich Leben führen. Was folgt hieraus anders, denn daß ohne die Gnade Gottes all unser Ding ungöttlich Wesen, weltliche Lüfte sei? Denn wäre in jemand etwas göttlichen Wesens und geistliche Lust, so dürften nicht alle Menschen absagen dem un- göttlichen Wesen und weltlichen Lüsten, wäre auch nicht noth der Gnade noch ihres Heils Erscheinung Das griech. asebeia, litt. impietakn kann ich mit keinem deutschen Worte erlangen, darum hab ich’s genennet ein ungöttlich Wesen, da man Gott nicht ehrt, wie man soll, ihm nicht glaubt, trauet, fürchtet, sich ihm nicht ergiebt, ihn nicht läßt walten und einen Gott sein; in welcher Sünde wohl tief stecken die groben äußeren Sünder, aber viel tiefer die Weisen, Heiligen, Gelehrten, Geistlichen, die vor der Welt und ihnen selbst fromm sind und auf ihre Werke bauen. Das andere böse Stück im Menschen nennt Paulus die w eltlich en Lüste, begreift darin all das unordentliche 448 692 Titum L, 15. 3,1 u. L. Wesen, das ein Mensch gegen sich selbst und seinen Nächsten führt, gleichwie das erste, das ungöttliche Wesen, begreift alle Unordnung gegen Gott. Weiter zeigt er, wie wir leben sollen nach abgesagtem ungött- lichen Wesen und weltlichen Begierden und spricht: »daß wir züchtig, gerecht und gottfelig leben«, fasset in diese drei Stücke das christliche Leben und begreift alles, was der Mensch thun-und wie er sich halten soll gegen ihn·selber, gegen seinen Nächften und gegen Gott. Er spricht aber: »in dieser Welt« zum Ersten darum, daß es nicht mit einzelnen Werken sei ausge- richtet, sondern es soll das ganze Leben also sein, die- weil wir hier sind; zum Andern, daß niemand sein gut Leben spare bis nach diesem Leben oder in den Tod, denn hier auf dieses Leben muß geschehem was wir in jenem Leben sollen gewarten. Aber mehr noch sagt er darum: »in dieser Welt«, anzuzeigen die Kraft der heilwärtigen Gnade Gottes, daß die Welt so böse ist und nun ein göttlicher Mensch gleich allein, ohne Exempel, wie eine Rose unter den Dornen leben muß; siehe» mitten im Schankhause muß er nüchtern, mitten im bosen Hause ziichtig, mitten im Tanzhause göttlich, mitten in der Mordgrube gerecht leben. Solche Welt machet denn dies Leben enge und verdrießlich, daß der Mensch wünschet, schreiet und rufet nach dem Tode und jüngsten Tage und wartet desselben mit großem Sehnen. (Luther.) Wie wir Gott gegenüber in das normale Verhältnis; zurückkehren, wenn wir dem un- göttlichen Wesen absagen, so gewinnen wir zur W elt erst dann wieder den richtigen Standpunkt, wenn wir die weltlichen Lüste verleugnen. Auf den Entschluß nun, dem ungöttlichen Wesen und den weltlichen Lüsten ab- zusa en, zielt die erziehende Thätigkeit der heilsamen Gna e zu allererst ab: wenn der Mensch sich nicht zu diesem Entschluß ermannen kann und will, so ist jede weitere Wirksamkeit der Gnade an dem verlorenen Menschen ohne alle Aussicht; sie will aber dann auch ein neues Leben in uns erzeugen, welches durch die drei Umstandswörter: ,, üchtig, gerecht und gottselig« näher bezeichnet wird. ieselben bestimmen das christ- liche Leben nach drei Grundrichtungen hin; von ihnen ist die G ottseligkeit der Lebensquell und der Lebens- grund der Gerechtigkeit und der Züchtigkeiy es enthebt uns aber die heilsame Gnade, welche uns durch Verleugnung des uiigöttlichen Wesens und der weltlichen Lüste zu diesem aus Gott geborenen Leben führen will, nicht aus dieser Welt, entrückt uns nicht von der Erde in den Himmel, sondern sie kommt zu der Erde nieder in der Zeit, weil diese Zeit unsere Vorbereitungszeit und diese Erde der Schauplatz, das Arbeitsfeld er göttlichen Erziehung sein soll. Hierauf weist der Zusatz: »in dieser Welt« noch besonders hin. (Nebe.) Das Werk der erziehenden Gnade ist ein dreifaches, in Anbetracht der Vergangenheit, der Ge- genwart und der Zukunft: für die Vergangenheit wirkt die erziehende Gnade eine Verleugnun , in der Gegenwart ein neues, heiliges Leben, in nbetracht der Zukunft eine starke, rege Hoffnung; sie entwöhnt, sie gewöhnt und bereitet für den Tag der Ewigkeit. Von dieser Erziehung für die Zukunft handelt dann der folgende Vers, der sich auf das Allerengste an den vorliegenden 12. Vers anschließt. (Löhe.) IN) Die Verleugnung des ungöttlichen Wesens und die Beweisung der Gottseligkeit wird nicht ·e- lingen, wo nicht das innere Auge des Christen ich aus die Ewigkeit richtet, wo nicht das Gefühl des Elends dieser Welt erwacht und zum Blick auf die Zukunft des HErrn leitet; die ewisse Hoffnung der mit der Wiederkunft des H rrn eintretenden Vollendung giebt den Gläubigen Kraft und Muth zu l einem solchen Leben der Selbstverleugnung und der Gott eligkeit, wie dies bisher beschrieben war. Es ist ein ennzeichen dafür, daß die Zucht der Gnade an einem Menschen zur Kraft und Wirksamkeit gekommen ist, wenn er mit Sehnen auf die Ewigkeit wartet. (Sommer.) Wenige sind, die dies zeitliche Leben nur durch ein gemaltes Glas und gleichsam blinzlich, aber jenes ewige Leben mit klaren, aufgethanen Augen ansehen; der seligen Hoffnung und des hiinmlischen Erbes wird leider allzuoft vergessen, aber des zeit- lichen Lebens und des Vergänglichen Reichs auf Erden wird allzuviel gedacht — diesem jagt man nach Tag und Nacht, jenes schlägt man in den Wind. Auch schlägt mit zu die Müdigkeit, daß wir uns immerdar vor dem Tode fürchten, trauern und zagen, wenn es uns übel geht: das ist ein Zeichen, daß wir auf die selige Hoffnung nicht warten, wie wir thun sollten. Ein Christ sollte dies zeitliche Leben nur mit zugethanen Augen und blinzlich anschauen, aber das zukünftige ewige Leben sollte er ganz mit aufgethanen Augen und mit klarem, hellem Lichte ansehen, und sollte nur « mit der linken Hand in diesem Leben auf Erden sein; aber mit der rechten Hand und mit der Seele und ganzem Herzen sollte er in jenem Leben sein im Himmel und desselben in gewisser Hoffnung allezeit sröhlich warten. (Luther.) Das Befremdende, welches beim ersten Blick in dem Ausdrucke: ,,warten auf die selige Hoffnun « liegen mag, fällt weg, wenn man bedenkt, daß offnung hier nicht sowohlsubjectiv die Handlung des Hoffens, als vielmehr objectiv den Jnhalt und Gegenstand desselben bezeichnet, das Ge- hoffte als Zielpunkt der vertrauensvollen Erwartung bezeichnet, vgl. Röm 8, 24 f. (v. Oosterzee.) Dies Gehoffte ist die Erlangung der Siegeskrone, das Da- heimsein bei dem HErrn in ewiger Gerechtigkeit, Un- schuld und Seligkeit, daher auch diese Hoffnung eine selig e genannt wird im Gegensatz gegen dies unselige, arme Leben hienieden. Fragen wir aber, wie lange wir auf diese befeligende Hoffnung warten sollen, ob sie denn allezeit blos Hoffnung bleiben und nicht in Erfüllung ausgehen werde, so liegt die Antwort in dem, was weiter folgt: »und Erscheinung der Herrlich- keit des großen Gottes und unsers Heilandes Jesu Christi«; beide Bezeichnungen gehen auf die Person Christi (vgl. Col. 2, 9 Anm.), gleichwie in 2. Petri 1, 11 von dem ewigen Reich unsers HErrn und Heilandes Jesu Christi die Rede ist, so daß also hier Christus vom Apostel »der große Gott« genannt wird. (Sommer.) Wenn man aber auch zwei Subjecte unter- scheidet, so daß von einer Erscheinung der Herrlichkeit des roßen Gottes einerseits und einer Erscheinung der errlichkeit unsers Heilandes Jesu Christi andrer- seits die Rede wäre (vgl. Matth. IS, 27 u. 25, 31·), so zeugt die Stelle doch jedenfalls schon durch die Verbindung des einen mit dem andern mittelbar für die )Wahrheit der Lehre von der Gottheit Christi. ut er. G f? Wie im alten Testament Jehova ein Volk her- stellen wollte, welches ihm eigen gehöre, seinem Gesetz unterthan, im Unterschied von der übrigen, völkerweise lebenden Menschheih die ihr Volksgemeinleben anders- woher als von ihm bestimmt sein ließ, so wollte Jesus Christus ein Volk sich rein herstellen, welches ihm angehörig des Gutesthuns sich befleißigzy wahrend die sich selbst überlassene Menschheit in ihren Sunden dahinlebt; dann ist er aber auch dieses seines Volkes Gott, wie Israel das Volk Jehovas oder Jehova der Gott Jsraels war, nnd wird sich ihm als solcher in seiner Herrlichkeit offenbaren, wie Israel der Ossen- barnng der Herrlichkeit seines Gottes entgegenwartete. Jii feinem Strasainte soll Titus Ernst brauchen und sich von niemand verachten lassen. 693 Wer nun seiner sich als unsers Heilandes getröstet, der sich für uns gegeben hat, der soll auch des Guten sich besleißigen, weil dies der Zweck war, zu dem er sich für uns gegeben hat; und wer der Hoffnung lebt, daß er als unser Gott sich in Herrlichkeit offenbaren werde, der soll in dieser Jetztzeit mit seinem Wandel beweisen, daß er solcher Offenbarung dessen entgegen- wartet, der sich zu solchem Zwecke für unsgegeben hat. So erfüllt sich denn an uns der erzieherische Zweck, mit welchem die Erscheinung der Gnade Gottes gemeint war. (v. Hofmannh Auf den Fleiß oder den Eifer für die guten Werke zielen Gottes Rathschlüsse bei der Menschwerdung und dem Opfertode Jesu Christi hin; das ist das Theil der Kinder Gottes, das unter- scheidende Merkmal des auserwählten Volks, das Siegel unsrer Begnadigung, die Gewißheit unsrer Er- wählung, das sicherste Kennzeichem daß wir durch Christum erlöset und von der alten Knechtschaft frei geworden sind. (v. Gerlach.) 15. Solches rede [mitdem, was duden Einzelnen nach Alter und Geschlecht und Stand zu sagen hast V. 2——10., auch den Beweggrund und die Trieb- kraft zu dem ihnen anzubefehlenden christenwür- digen Verhalten V. 11—14 verbindend], under- mahne sdie Willigens und strafe [die Wider- strebendenj mit ganzem Ernst* [wie es sich bei einer Sache gebührt, wo es sich nicht um etwaiges Beliebiges, dem man sich auch entziehen kann, sondern um einen vollen, schlechthinigen Befehl handelt, dem man sich unbedingt fügen muß, vgl. Kap.·1, 13]. Laß dich niemand verachten« [vgl. 1. Tim. 4, 12]. V) In dem ,,rede, ermahne, strafe« liegt eine Steigerung: reden ist das einfache Lehren, der den Christen über ihre Pflichten zu ertheilende Unterricht; ermahnen ist das dringende Auffordern zur Beob- achtung dieser Pflichten, strafen das ernste Zurecht- weisen und Bestrasen derer, die diese Pflichten ver- nachlässigen und ihnen zuwider handeln. Auf alle drei Zeitwörtey nicht blos auf das letzte, bezieht sich das ,,mit ganzem Ernst«. Geydenreichs Mit ganzem Ernst, d. i. daß sie wissen, es sei Gottes Gebot und kein Scherz; er wolle es ernstlich haben. (Luther.) Es) Der Sinn ist dieser: Wenn Einer ermahnt und straft, und läßt dann doch alles gehen, wie es geht, indem er nicht darauf hält, daß das, was er sagt, auch gethan wird, so giebt er sich der Verachtung preis; rede du also so, mit solchem Ernst, solchem An- befehlen, daß du dir Achtung verschaffst Dies ist nun freilich eine unbestreitbar richtige Regel, aber sie zu befolgen ist nicht immer möglich: wenn die Kirche keine Disciplinargewalt hat, unwürdige Glieder nicht be- strafen oder ausschließen darf, so ist es nicht möglich, seinen Worten immer den gehörigen Nachdruck zu geben; man muß dann eben thun, was möglich ist. Mitte) Das Z. Kapitel. Obrigkeit ist zu ehren, tgottes Hüte zu preisen, unniilze kfrageti und Kegel« zu meiden. III. v. 1—1l. Hatte der Apostel im vorigen Abschnitt dargelegt, wie Titus die Einzelnen je nach Alter, Geschlecht und Stand zu einem, der heilsamen Eehre entsprechenden verhalten anleiteu solt, so iustruirt er ihn nunmehr, wie sich Jllle zumal in das richtige Verhältnis? zur Obrigkeit und zu den nichtehristlichen Mitbürgern zu sehen, der ersteren sich unterthan und gehorsam und zu allem guten wert: bereit zu erweisen, aus die lehteren in keinerlei weise geringschähig oder gar verächtlich herabzublictien haben, daß sie etwa sie lästern oder mit ihnen hadern wollten, vielmehr sollen sie allen Menscher: tkindigkeil und Sanftmuth angedeihen lassen, eingedenli ihres eigenen vorihristlithen Zustandegz nicht ihr eigenes Verdienst ist es, sondern lediglich Gottes Erbarmen, daß sie nicht mehr sind, wie vordem und wie die dlicljtehristen nach jeht Indem Paulus diesen Punkt augsührlich behandelt, giebt er dem Titus damit die Hauptsumma der Lehre an, die er mit allem dlachs dcucli zu treiben, von dem thöriclztcn und unnützen Ge- schivätz der Sonderlehrer dagegen sich srei zu halten hat (v. t»—9); ist ihm aber damit gewiesen, wie er zu den tllerliehrtheiten der Sonderlehrer sich stellen muß, so wird ihm auch schließlich noch gesagt, welches sein verhalten denjenigen gegenüber sein müsse, die da Svaliungen zu erregen sich unterstehen und durch ein- oder zweimalige Ermahnung sieh von ihrem Unterfangen nitht abbringen lassen (v. 10 u. 11). 1. Ertnnere sie [die Glieder der dortigen Gemeinde ohne Unterschied des Alters und Standes], daß» sie den Fursten nnd der Obrigkeit [Luk. 12, 11; Röm. 13, 1 ff.; Petri 2, 13 ff.] unter- than und gehorsam seien, [denselben] zu allem guten Werk bereit seien [auch da, wo kein be- stimmter Befehl ihrerseits vorliegt Ephes. Z, 10; 2. Tim. 3, 17], 2. Niemand [von den NichtchristeUJ lüstern, nicht [1m Verkehr mit ihnen] hadern, ssondern vielmehr] geluide»lPhIl-»4, b] seien, alle Sanft- inuthtgleit swie sie Christen nach dem Vorbilde ihres HErrn eigen sein soll Z. Cor. 10, 11; Gab 5, 22; Ephes 4, 2] beweisen gegen alle Menschen [1. Tun. 2, 1 ff.]. Der Apostel gebraucht hier das Wort: ,,erinnere sie« (2. Tim. 2, 14), um auszudrücken, daß Titus es ihnen als etwaseinschärfen soll, das ihnen, weil sie zum Gegentheil geneigt sind, gesagt werden muß, obgleich sie nicht anders gelehrt sind; in Kap. 1, 12 f. wurde auf die sittlichen Schäden des kretischen Volksthums hin- ewiesen, und dazu gehörte denn auch die unter den "retern heimische Neigung zu Störungen des bürger- lichen Friedens, daher Paulus vor allem zum Gehor- sam gegen die Obrigkeit ermahnt wissen will. Ein gegentheiliges Verhalten lag denn um so näher, als die Christen meinen konnten, sie seien als solche über die Unterordnung unter nichtchristliches Regiment hinaus. Wer immer Obrigkeit ist und von Amts- wegen zu gebieten hat, dem sollen sie unterthan sein, Gehorsam leisten, zu allem Guten bereit stehen; mit letzterem ist die Willigkeit auch in solchen Fällen gemeint, in denen die Obri keit eines Dienstes bedarf, den sie nicht geradehin beFehlen kann. Daß nun solches Verhalten gegen die Obrigkeit diesen Christen um deswillen eingeschärft werden mußte, weil sie ge- neigt waren, sich gegen alles Nichtchristliche fremd und feindlich zu stellen, geht aus dem hervor, was der Apostel weiter in V. 2 verlangt. Wie die Christen von den Nichtchristen gelästert wurden, die ihnen ihr Gutes in Böses umdeuteten (1. Petri 4, 4), so konnten sie hinwieder die Nichtchristen lüstern, indem sie ihnen, 694 statt das Gute an ihnen anerkennen, die Ehre ab- sprachen, die ihnen von Gotteswegen gebührte; das sollten sie nicht, auch unter sich nicht. Jm Verkehr aber mit den Nichtchristen sollten sie friedlich, gefiillig und eitel Lindigkeit sein, der alle Menschen umfassen- den Bestimmung der göttlichen Heilsgnade (Kap. Z, 11) eingedenk. (v. HofmannJ Z. Denn wir waren auch weiland sni unserm v orchristlichen Zustande Röm. 11, 30; Ephes. g, 2 f. 11. 13; Gar. J, is] unweise sunwissend in Beziehung auf das, was recht »ist], ungehorsam [ungew1llt zu thun, was uns Pflicht war], irtig sauf anderem, als dem rechten Wege einhergehend], dienend den Lusten und mancherlei Wolluften sim Dienste eines bunten Getriebes von Begierdem die befriedigt, von Lüsten, die gebüßt sein wollten], und wandelten m Bosheit und Neid [gegen den Nächsten, daher für ihn Gegenstand eines aus Furcht und Widerwillen entspringenden Hasses], und hasseten uns unter einander smdem auch der Nächste zu uns so stand, wie wir zu ihm]. Als Begründung des in V. l f. geforderten Verhaltens gegenüber den Nichtchristen folgt eine Hin- Weisung darauf, daß auch der Christ vordem in dem- selben Zustand ungöttlichen Wesens, wie dermalen noch die Nichtchrifteih gewesen ist und seine Rettung aus demselben nicht seinem eigenen Verdienste zuzuschreiben habe. Diese Beåriindung läßt deutlich erkennen, daß die kretensiichen hristen in ihrem Christenthum einen Grund zu finden glaubten, auf Nichtchristen gering- schätzig herabzusehen, und gegen sie keine Schuld der Liebe zu haben meinten; mit der Veräußerlichung des Ehristenthums zu einer Sache des bloßen Wissens geht ganz natürlich der falsche Dünkel Hand in Hand, als ob man, weil im Besitze der Wahrheit, sofort persön- lich über dem Andern stehe. Der Apostel hält ihnen darum ihren ehemaligen Zustand vor Augen: in ihrer lieblosen Verachtung des Nächsten scheinen sie das ganz vergessen zu haben, daß es ihre eigene frühere Gestalt ist, die sie an den Nichtchristen finden und um deretwillen sie diese verachten (Wiesinger.) Der Vers enthält ein außerordentlich praktisches Motiv: dürfen wir den glimmenden Docht auslöschen und das zer- stoßene Rohr zerbrechen, da Gott es nicht thut, son- dern mit großer Geduld uns getragen hat und noch täglich trägt? Wenn in dem »wir« der Apostel sich selbst mit einschließt, so giebt er damit dem Prediger usxd S)eelsorger einen Wink, wie derselbe zu reden hat. ( litt. (Epistcl am Z. Christ-Tage) Wenn uns die gestrige Epistel das Eigenthumsvolk unsers HErrn Jesu Christi in der Arbeit der er- ziehenden Gnade Gottes zeigt, so setzt sie voraus, daß solches Eigenthumsvolk schon vorhanden, geboren und ·über die erste Strecke der unniündi en Kindheit hinaus sei; denn wer erzogen werden sog, der muß schon leben, geboren sein und eine Arbeit der Erziehung annehmen und anwenden können. sWir sehen also nach dem gestrigen Texte um die Krippe her das Volk versammelt, das Jesu würdig ist, schon geboren und für die Erziehung des HErrn gereist. Jst es nun ein schöner Weihnachtsgedanke, die Krippe des HErrn inmitten eines heiligen, mündigen Volkes zu sehen, so ist es offenbar ein nicht minders öner Weihnachts- gedanke, welcher in der heutigen pistel am meisten Titum 3, 3 —-—-7. hervortritt, nämlich der Gedanke von der Geburt des Eigenthumsvolkes durch die heil. Taufe. Der Menschwerdung des ewigen Gottes entspricht so schön die Neugeburt seines Volkes, durch welche wir seiner eigenen heiligen Geburt theilhaftig werden; wir sehen also heute die Krippe des Neugeborenen mitten unter einem Volke, welches selbst neugeboren wird. (Löhe.) Worauf die Erscheinung der Freund- lichkeit und Leutseligkeit Gottes unsers Hei- landes es bei uns abgesehen hat: 1) von dem alten Leben uns zu erretten, 2) ein neues Leben bei uns zu schaffen, 3) zu dem ewigen Leben uns zu erheben. (Eig.Arb.) Unsers Gottes Freund- lichkeit gegen seine Christenheit; wir bedenken beim Empfange der himmlischen Weihnachtsgabe: 1) wie freundlich sich Gott uns dadurch erweise, 2) wie man gebührend ihn dafür preise. (Schultze.) Die Weihnachtsbotschaft: Gott hat uns selig ge- macht! Jm Lichte dieser Botschaft 1) prüfe die Vergangenheit, 2) freue dich der Gegenwart, Z) harre getrost der Zukunft. (Couard.) Was hat der Christ Gottes der Welt gebracht? 1) Den freundlichen und leutseligen Gott, L) ein neues Leben, Z) das ewige Erbe. (Herold.) Wie hoch zu preisen ist die Freundlichkeit und Leutseligkeit Got- tes, die uns in Christo erschienen ist! Sie ist l) so unverdient, wenn wir uns ansehen, zu denen sie gekommen ist; 2) so herablassend, wenn wir die Gnadenmittel ansehen, durch die sie jedem Einzelnen erscheinetx Z) so überschwänglich reich, wenn wir die geistlichen Gaben ansehen, mit denen sie uns be- schenkt. (Naumann.) Die reiche Liebe Gottes: I) wie werth sie den Menschen achtet; 2) welche Gnade sie in der heil. Taufe uns mittheilt; 3) wie sie uns Biirgschaft giebt für das Erbe des ewigen Lebens. Unsere Wiedergeburt: 1) sie hat ihren Grund in Gottes Barmherzigkeit, 2) wird bewirkt in der heil. Taufe, 3) wird erhalten durch den heil. Geist, 4) findet ihr Ziel im ewigen Leben. (Sommer.) 4. Da [s. v. a. Als] aber [in einer so beschaffenen Menschenwelt, wie sie vorhin V. 3 beschrieben wurde] erschien die Freundlichkeit [oder Güte Luk. 6, 35; Röm. 2, 4; 11, 22; Ephefs 2- 7] Und Leutseligkeit [Menschenfreund- Ikchksit Z· Mvs 33- 31 Gottes, unsers Hei- landesi [Kap. 1, Z; 2, 10; 1. Tini. 1, i; 2, 3; 4, 10], 5. Nicht um der Werke willen der Ge- rechtigkeit, die [etwa] wir gethan hatten [denu von denen fand sich ja bei uns nur das gerade Gegentheil V. 3], sondern nach feiner Barmherzigkeit Iwomit er von ihm selber unsers Elends sich annehmen wollte Luk. 10, 37] machte er [da —- es bildet dieser Vers den Nachsatz zu dem vorigen] uns sdie wir im Unter- schied von denen, » die noch nicht Christen sind, diese seine Freundlichkeit nnd Leutseligkeit auch persönlich erfahren haben] Jelig lEphes. 2, 8 f.] durch das Bad der Wiedergeburt und Gr- neuerung des heiligen Geistes« smittels des die Wiedergeburt und die Erneuerung durch den heil. Geist herbeiführenden Bades der Taufe Ephes. 5, 26; Joh. B, b; 2. Cor. 5, 17; Gal. 3, 2 U. 27; Apostg. II, 5f.], Ju welches Verhältniß die Christen sich zur Obrigkeit und zu den Nichtchristen zu setzen haben. 695 6. Welchen sdie Wiedergeburt und Er- neuerung bewirkenden heil. Geist] er [in Erfüllung seiner Verheißung Joel 3, 11; Sach. 12, 10] aus-gegossen hat über uns reichlich durch Jesum Christum, unsern Heiland-ist«, 7. Auf daß wir durch desselbigen sdes HErm Jesu Christi] Gnade [Röm. 5, 15j ge- recht sRöm. 3, 24f·; 5- 191 und snachdem wir das geworden, nun auch, was wir sonst nicht sein könnten] Erben seien des ewigen Lebens [Röm. 8, 17; Gar· 4, 7], nach der Hoffnung-1- [Kap. 1, Z; 2, 13; Röm. 8, 24 f.]. V) Der 4. Vers bildet den Vordersatz und be- zeichnet die nothwendige Voraussetzung zu dem ,,machte uns selig« im 5. Verse, welcher den Nachsatz enthält: erst mußte das Heil da sein, ehe die Einzelnen in den Besitz desselben eintreten konnten. (Wiesinger.) Der Vordersatz ist allgemein gehalten und noch nicht esagt, uns sei Gottes Güte und Menfchenfreundlich- seit erschienen, sondern erst im Nachfatze ist von uns als solchen, die keines Verdienstes den Nichtchristen gegen- über sich rühmen können, die Rede. Die beiden von Gott gebrauchten Ausdrücke besagen, daß Gott denen, die gegen einander in Uebelwollen waren (V. 3), Gutes zu erzeigen gesinnt, und gegen die, die einander haßten, er, der da Gott ist, gegen sie, die Menschen, von Lieb e beseelt war. (v. Hofmann.) Bei dem ,,erschien« hier braucht der Apostel nicht das Wort ,,Gnade«, wie bei dem »erschienen« in Kap. 2, 11., sondern zwei liebliche andere Worte: Freundlichke it und Leutfeligkeit. Jch darf sagen, daß ich in der ganzen heil. Schrift nicht lieblichere Worte habe gelesen, von Gottes Gnade geredet, denn diese zwei: chrestotes und philanthropixn darinnen die Gnade also abgemalt ist, daß sie nicht allein Sünde vergebe, sondern auch bei uns wohne, freundlich mit uns umgehe, willig ist zu helfen und erbietig zu thun alles, was wir begehren mögen als von einem guten, willigen Freunde, zu dem sich ein Mensch alles Guten verfiehet und sich ganz wohlver- mag. Erdenke dir also einen guten Freund, so hast du ein Bild, wie sich Gott gegen dich in Christo erbeut; und ist dennoch folches Bild noch gar gering, solche überreiche Gnade vorzubilden (Luther.) Von einem Erscheinen der göttlichen Sünderliebe redet der Apostel mit Beziehung auf»die Erlösung, so durch JesumChristum geschehen ist; obschon nämlich auch die Glaub1gen unter dem alten Bunde Gottes Liebe und Freundlichkeit genossen (Ps. 34, 9), so sahen sie doch nur die erste Dämmerung des später angebrochenen Heilstages und besaßen nur die Verheißung desjenigen, was der Christ in der wirklichen Erfüllung genießt. Die ganze hier vorliegende Stelle hat große Aehn- lichkeit mit Kap. 2, 11—14., und doch auch wiederum einen ganz eigenthümlichen Charakter: dort weist der Apostel, um zu christlicher Gottseligkeit zu ermuntern, auf das heilige Ziel der Erlösung hin, welchein Christo der Welt zu Theil geworden; hier hingegen, der gänz- lichen Unwürdigkeit der Gläubigen gegenüber, auf die ihnen erwiesene Barmherzigkeit, um sie zu einer Dankbarkeit anzureizen, die sich vor allem in Liebe gegen solche erweist, die den unfchätzbaren Vorzug der Gläubigen noch für den Augenblick missen. (v. Oosterzee.) Its) Das ,,nicht um der Werke willen der Gerech- tigkeit, die wir gethan hatten (auf diesem wir liegt ein Nachdruck wir, die wir nun Christen und als solche selig sind), machte er uns selig« verstand sich aus dem Vorhergehenden eigentlich von selbst; wenn es aber der Apostel gleichwohl noch ausdrücklich sagt, so liegt der Grund darin, daß er die rettende Gnade als eine ganz freie und unverdiente auch negativ durch den Gegensatz recht deutlich will erkennen lassen, ruht ja doch ganz darauf das Gewicht des Gedankens unsrer Stelle, insofern gezeigt werden soll, wie wenig der gläubig gewordene Christ dem Nichtchristen gegenüber Ursach hat auf fein besser Gewordensein stolz zu thun. Den, auf diese Weise negativ vorbereiteten und so mit allem Nachdruck geltend gemachten wirklichen Grund unsrer Errettung oder Seligmachung giebt dann der Satz an: ,,sondern nach seiner Barmherzigkeit« (vgl. 1. Petri 1,3); auf den Grund läßt aber Paulus dann das Mittel der Rettung für den Einzelnen, nachdem die Güte und Menschenfreundlichkeit Gottes in den objectiven Thatsachen des Heils bereits er- schienen war, folgen, und da versteht es sich von selbst, daß nun nicht von diesen Heilsthatsachem welche die Möglichkeit der Rettung für den Einzelnen bedingen, die Rede ist, sondern nur davon, auf welchem Wege Gott den Einzelnen in den Heilsftand versetzt Und hier kann nun wiederum dem ganzen Zusammenhange » nach, der lediglich Gottes Thun vor Augen stellen will, nicht das genannt fein, was auf menschlicher Seite als subjective Vermittelung oder als Bedingung des Heils gefordert wird (Ephes. 2, 8: »aus Gnaden seid ihr selig worden durch den Glauben«), sondern nur d as, wodurch der neue Zustand von Seiten Gottes gewirkt wird, nämlich die Taufe; sie ist es, die den Menschen aus dem in V. 3 beschriebenen Zustande in das neue Leben des Geistes verfetzt, sie ist die sichere Grundlage im Einzelnen, auf der alles weitere Wachs- thum im Leben des Geistes beruht. (Wiesinger.) Es kommt aber dem Apostel nicht sowohl darauf an zu sagen, das; die Taufe das Mittel zu unsrer Seligkeit sei, er will vielmehr gleich hervortreten lassen, warum sie solch ein Heilswerh unsre Errettung, ausrichten kann; er stellt deshalb nicht die einfache Taufhandlung vor uns hin, sondern benennt sie so, daß fogleich die Wirkungen derselben bestimmt hervortreten, indem er sie »das Bad der Wiedergeburt und Erneuerung des heil. Geistes« nennt. Für? Erste also nennt er sie ein Bad und weist damit auf das Element hin, welches bei diesem Sacrament in den Dienst des Hei- ligen tritt(Ephef.5,26), und läßt uns die nächsteWirkung erkennen (Apostg. 22, 16); er verweilt aber dabei nicht länger, sondern nach seinem besonderen Zwecke fährt er ohne Weiteres fort, sie bestimmter als ein B ad der Wiedergeburt zu bezeichnen, denn in ihr voll- zieht sich jenes »von Neuen: geboren werden«, davon der HErr in Joh. 3 redet· Sie hebt das Menschen: kind aus dem Boden heraus, auf welchem es aufge- gangen war als Fleisch vom Fleische geboren, und verpflanzt es in einen neuen Lebensgrund, in ein neues Reichz aus dem Reiche der Welt, in welchem die Sünde ihr Wesen und ihre Macht hat, tritt der Getaufte in das Reich Gottes, in welchem Gottes heilsame Gnade ihre Kräfte entwickelt, in welchem die Kräfte der zukünftigen Welt wirken. Ja, noch mehr, der Täufling wird nicht an irgend einem Punkte dieses Reiches eingepflanzh er wird in den Lebensbaum, der in der Mitte dieses Reiches Gottes steht, als ein Reis eingefügt; er wird durch die Taufe mit dem HErrn verbunden, in den HErrn einverleibt und eingepflanzt, so daß er in die Gemeinschaft feines Todes und seines Lebens eintritt, und darin liegen ja die Kräfte der Wiedergeburt, darin fließt der Quell des neuen Lebens. Der Apostel bezeichnet die Taufe aber auch als Bad der Erneuerung des heil. Geistes; wie er sie 696 Titum Z, 8—11. vorhin in ihrer abgeschlosfenen Bedeutung darstellte, so nun in ihrer fortwirkenden Bedeutung, wie vorhin als den Grund eines neuen Zustandes, so nun als das Prinzip einer neuen Bewegung. (Nebe.) Man darf wohl die beiden Bezeichnungen in der Weise unterscheiden, daß durch die erste ausschließlich der Anfang, durch die andere zugleich der weitere Fort- gang und die Entwickelung des neuen Lebens ange- deutet wird. (v. Oosterzee.) Aller Segen der Geburt des HErrn, ja alles Verdienst seines Leidens und Sterbens sammt aller Kraft seiner Auferstehung ist niedergelegt in die Taufe; Christus liegt für uns nicht mehr in der Krippe, sondern im Wasser der Taufe, die Krippe ist leer, aber die Taufe ist seiner voll, und so muß man mehr zur Taufe, als zur Krippe ein- kehren, wenn man Den umfangen will, der für uns ge- boren, für uns gestorben ist und für uns ewig lebt. (Löhe.) EIN) Die Worte des Apostels bilden eine mächtig aufsteigende Linie; die Gnade, welche uns widerfahren ist, erscheint in immer größerer Fülle. Dies geschieht nicht ohne Absicht: wir sollen überwältigt werden, Gottes Freundlichkeit und Leutseligkeit soll uns ganz dahinnehmen und alle Unfreundlichkeit und Gehäsfigkeit gegen unsere Nächsten aus unsern Her en heraus- nehmen. (Nebe.) Siehe, der heil. Geist it nicht allein gegeben, sondern ausgegossen; nicht allein ausge- gossen, sondern reichlich ausgegossen. Der Apostel kann die Gnade und ihre Werke nicht groß genug machen, und wir leider machen sie so geringe gegen unsre guten Werke. (Luther.) Gottes freie Gnade ist uns zuvorgekommen; so sollen auch wir Andern mit erbarmender Liebe zuvorkommen. (v. Gerlach.) Der Apostel hat vorhin dem Wasser der Taufe eine außer- ordentliche Wirkung zugeschrieben, da er sie ein Bad der-Wiedergeburt und Erneuerung des heil. Geistes nannte; sonst nun pflegt die Ursache der Wirkung ähnlich zu sein, die Wirkung aber die Natur der Ur- sache an sich zu tragen, hier jedoch ist eine Ursache, welche eine ganz unglaubliche Wirkung hervorbringt, und eine Wirkung, welche der Ursache durchaus Unähn- lich ist. Wie kommt das Wasser dazu, eine Wieder- geburt und Erneuerung des Menschen zu bewirken, und was hat die selige Veränderung, welche Gott in uns zu unserm ewigen Heile wirkt, für eine Aehnlich- keit mit Wasser? Ohne Zweifel keine, du mußtest denn von der Aehnlichkeit des Sinnbildes reden, während ich von Aehnlichkeit des Wesens spreche, und die bedeutungsvolle Wahl des Elements beim Sacrament der Wiedergeburt preisen wollen. Da muß sich denn mit dem Wasser etwas Anderes vereinen, das Wasser muß Träger einer höheren Ursache werden, und mit dem irdischen Elemente vereinigt muß ein ganz anderes Element des Lebens den Menschen über- fluthen, welcher durch’s Wasserbad neugeboren werden soll; und so ist es auch, Paulus nennt hier ganz be- stimmt die allmächtige Ursache, die sich mit der Creatur des Wassers zu der großen Wirkung verbindet. Wenn das Wasser bereit ist und der Täufer den Täufling in dasselbe senkt, eingedenk des Wortes und Befehles Gottes, unter gläubiger und gehorsamer Wiederholung desselben, dann vereinigt sich durch’s Wort mit dem Wasser der Geist, und die ewigen Kräfte des Geistes iiberfluthen mit dem Wasser den Täufling. Offenbar ist des Apostels Meinung, daß die Ausgießung desgGeistes mit den1Wasser unter der Taufe erfolge, sonst würde er die Ausgießung des Geistes nichtin so engen Zusammenhang mit der Taufe setzenz sonst würde er auch nicht im engen Anschluß an das Symbol der Wassertaufe sagen, der Geist werde reichlich über uns ausgegossen, wie man Wasser reichlich gießen Gießt aber Gott den heil. Geist über uns im Wasserbade der Taufe reichlich aus durch Jesum Christum, unsern Heiland, so ist der Vater der Anfänger, der Sohn der Vermitt- ler und der Geist der Vollender des großen Werkes unsrer Taufe; der Dreieinige ist der Täufer und die Taufe selber, unsre Wiedergeburt, ein Werk desselben großen Gottes, der uns auch erschaffen hat. (Löhe.) f) Mit diesem Verse sagt der Apostel, was Gott damit bezweckt habe, daß er den heil. Geist durch Jesum Christum reichlich über uns ausgoß; es heißt aber da nicht nur, wir sollten der Hoffnung nach Erben des ewigen Lebens werden, wozu uns der Besitz des heil. Geistes macht, sondern es heißt zu- gleich, wir sollten es werden, nachdem wir durch unsers Heilandes Gnade gerecht geworden, indem der Vers genauer so lautet: auf daß wir, durch des- selbigen Gnade gerecht geworden, Erben seien des ewigen Lebens nach der Hoffnung. Mit diesem ,,gerecht geworden« ist die Wandlung unsers Verhältnisses zu Gott gemeint, den wir von unser selbst wegen gegen uns, nun aber durch Christi Ge- rechtigkeit für uns haben; es geht diese Wandlung der Ausgießung des heil. Geistes über uns voraus (und war oben mittelbar angedeutet mit dem Worte ,,Bad«, dessen der Apostel sich bediente, als er von der Wiedergeburt und Erneuerung des heil. Geistes redete), sie ist aber auch die Voraussetzung unsers Eintritts in das Erbe des ewigen Lebens. Der Gnade Christi ver- danken wir es, daß wir so vor Gott zu stehen ge- kommen sind, um das ewige Leben zu ererben, statt daß unsre Sündenschuld uns ewigem Tode überliefert hätte, gleichwie wir den in uns heiliges Leben neu herftellenden heil. Geist nicht würden empfangen haben, wenn die Gnade Christi nicht wäre, durch welche wir zu der Gerechtigkeit vor Gott gelangt sind. Und so haben wir es also nach allen Beziehungen Gott, unserm Heilande, und Jesu Christo, unserm Heilande, zu danken, und nicht uns selbst, daß wir nicht mehr in unserm vorigen Sündenleben gefangen sind, welches von dem der Nichtchristen nicht verschieden war V. Z. (v. HofmannJ Wir sind jedoch Erben des ewigen Lebens nur erst nach der Hoffnung, d. i. noch nicht dem realen Besitze nach, sondern erst in der Ge- wißheit des zukünftigen Empfangs des Erbes; ist der Christ Fleich hienieden schon gerecht und genießt als Gottes ’ind reichlich und täglich der Güter Gottes, der völlige Genuß des Reichthums Gottes wird doch erst nachkommen (Son1mer.) Unsre Stelle, welche die Taufe als rettende That Gottes, also ganz von der objectiven Seite darstellt, ist ganz geeignet, zur Einsicht in die Berechtigung der Kindertaufe zu führen. Nicht Von einem Thun des Menschen, sondern von einem Thun Gottes an ihm bei der Taufe redet sie; da nun nach der Schrift es gar nicht zweifelhaft sein kann, daß auch ein Kind solcher rettenden That bedarf, so kann es sich nur darum handeln, ob das- selbe auch dafür empsänglich sei. Man wird da die Wirkung des Geistes auf die Person des Menschen, sein Bewußtsein und Wollen, zu unterscheiden haben von der Wirkung auf den Leb ensgrund des Men- schen, die Region des Unbewußten in ihm, auf der sein persönliches Leben ruht. Nur als eine durch das Bewußtsein nicht vermittelte Einwirkung auf diesen Lebensgrund, auf die Natur des Menschen im Unter- schied von seiner Person, läßt sich die Erbsünde, läßt sich die oft so unverkennbare geistige Verwandtschaft zwischen Eltern und Kindern begreifen; so gut nun vor dem persönlichen Wollen des Einzelnen ein sün- diger Zustand vorausgehen kann, der ihn der rettenden That bedürftig macht, ebenso gut muß auch der ent- Gottes Erbarmen ist es, was uns selig gemacht und so große Vorzüge uns verliehen hat. 697 gegengesetzte Stand, in welchem die Herrschaft der Sünde aufgehoben ist, als ein dem Erwachen des persönlichen Bewußtseins vorangehender gedacht werden können. Ueberhaupt läßt sich ja die Erlösung des Menschen von der Herrschaft der Sünde, die in ihm, in seinem Fleische wohnt und sein persönliches Wollen gefangen hält (Röm. 7, 23), nicht anders denken als durch eine Einwirkung auf diesen Naturgrund in der Art, daß dem ,,Gesetz in den Gliedern« eine neue Lebensmacht, die Macht des Geistes der Wiedergeburt entgegentritt und die Herrschaft der Sünde aufhebt. Das geschieht denn vermittels des Gnadenmittels des Taufsacramentsx die Wirkung des Gnadenmittels des Wortes ist es dann, daß der Mensch diese Macht des Geistes der Wiedergeburt mit erwachendem Bewußtsein an sich gewähren läßt und daß sein persönliches Wollen das an ihm Geschehene sich aneignet. (Wiesinger.) 8. Das swas ich hier V. 4-—7 in Erinnerung gebracht habe] ist je gewtßlich wahr [1. Tim. 4, 9]. Solches will ich, daß du fest lebrest ses als un- zweifelhafte Wahrheit bei deinem Lehren Kap. 2, I in der Gemeinde zu Kreta geltend machest], auf daß die, so an Gott gläubig sind worden [Apostg. 16, 34; Gal. 4, 9; I. Thess 1, 9; I. Petri l, 21]- in einem Stande guter Werke [von der Art, wie sie in Kap. 2, 2— Z, 2 an- gegeben wurden] fnnden werden. Solches [deiner- seits zu lehren] ist gut lin Gottes Augen l· Tim. 2, Z] und uutze »den Menschen [Kap. 1, 9]. 9. Der thorichten Fragen aber, der Geschlechts: register, des Zanks und Streits uber dem Gesetz [Kap. 1, 14; l. Tim. l, 4. 7; G, 4; 2. Tim. Z, 23., wie die aus der Beschneidung der- gleichen aufbringen Kap. 1, 10., weil sie einmal von dem Sauerteig ihres vormaligen Judenthums Matth. 16, 6 nicht lassen mögen] entschlage dich [1. Tun. 4,· 7; 2. Tcm. 2, 16]; denn sie sind [dem, was tch soeben gut und den Menschen nütze KLEMM- SESCUÜVETJ Unnutz nnd eitel lohne Werth, wie ohne Wahrheitsgehalt]. Fragen sind Erörterungen, bei denen man über solches verhandelt, was in der Thora (dem Gesetz»- buche Jsraels) fraglich ist; sie sind thöricht, wenn sie so behandelt werden, als ob die Beschäftigung mit ihnen für das religiöse Leben eine Bedeutung hätte, und daher die Zeit und Kraft in Anspruch nehmen, welche der sicheren und unfraglichen christlichen Wahr- heit gewidmet sein sollte. Die Geschlechtsregister beziehen sich auf den geschichtlichen Jnhalt der Thora; der Ausdruck schreibt sich aus den Ueberschriften her, mit denen sich die Erzählung zwischen der Schöpfungs- geschichte und der Gesetzgebung fortspinnt (1. Mos. L, ;5, : »; 10,1;11,10 u. 27; 25, 12 u. 19; 36, 1;37, 2), Untersuchungen über diesen geschicht- lichen Jnhalt aber waren dann thöricht, wenn sie es nur mit dem Aeußerlichen desselben zu thun hatten und dabei doch den Anspruch machten, für das religiöse Leben eine Bedeutung zu haben, wie sie unter Christen nur das geistliche Verständnis; der heil. Geschichten, nur die eigentliche Heilsgeschichte haben konnte. Was in Bezug auf Gesetzesfragen die Fragen, das waren in Bezug auf den geschichtlichen Jnhalt der Thora die G esch lech tsregisterx beiderlei Beschäftigungen hatten Zank und Streit über dem Gesetz zur Folge, Zank, indem man sich über entgegengesetzte Meinungen stritt, Streit, indem keiner dem Andern Recht lassen, ondern jeder des Andern Meister werden wollte Jmmer handelte es sich hierbei um die Schrift des alten Testaments, aber nicht zu dem Zwecke, zu dem sie gegeben ist (2. Tim.3,16 f.), und mit Hintanfetzung dessen, was den Jnhalt der apostolischen Verkündigung bildete; daher nennt es der Apostel unnütz und eitel und ermahnt den Titus, sich nicht darauf einzulassen, nicht aber, wie er bei widerchristlichen Lehren thun würde, dawider anzukämpfem außer daß er, wie wir in Kap. I, 13 lesen, diejenigen mit strengen Worten strafen soll, welche die Gemeinden mit solchen Dingen behelligen und hierdurch die gesunde Lehre hintan- drängen. Es ist immer (abgesehen von solchen Stellen, wie I. Tim. 4, 1fs., wo er von der Zukunft redet) die verkehrte jüdische Schrift elehrsamkeit, der er in der christlichen Gemeinde keinen aum gegeben wissen will. (v· Hofmann.) 10. Einen keßerischen Menschen [der eine Sonderstellung in der Gemeinde einnimmt und für diese sich Anhänger zu verschaffen sucht 2. Petri 2, I] meide, wenn er einmal nnd abermal [von dir] ermahnet ist sohne daß solche Ermahnung etwas bei ihm ausgerichtet hätte] 11. Und wisse, daß ein solcher verkehrt ist [so daß ein ferneres Ermahnen ihn doch nicht zur Besinnung bringen würde] und sündiget lnicht blos aus Schwachheit und Unverstand, sondern mit der bestimmten Absicht, eben das zu sein, was er ist, und darum auch einer Hinweisung auf sein Un- recht und auf das Gericht, das er damit sich zu- zieht, nicht weiter bedarf] als der sich selbst ver- urtheilet hat [sein Verwerfungsurtheil im eigenen Gewissen bei sich trägt]. Paulus sagt nicht, daß man einen ketzerischen Men- schen tödten soll, sondern sagt, man soll ihn ein Mal oder zwei ermahnenx wenn er aber sich nicht will er- mahnen lassen, so soll man ihn meiden als einen, der aus Vorsatz und Muthwillen nicht hören noch sehen will und den heil. Geist, der eitel Gnade ist, ausschlägt, ja schmähet und fchändet (Hebr. 10, 29). Es ist nie erfahren, soviel ich Exempel gehört oder gelesen habe, daß ein Rottenmeifter und Haupt einer Ketzerei be- kehrt sei. (Luther·) Unter einem »ketzerischen Men- schen« ist hier einer zu verstehen, der darauf ausgeht, sich neben der geordneten Gemeinschaft, in welche Titus die Christen auf Kreta zu sammeln beauftragt war, einen Anhang zu erwerben und eine Sonderstellung einzunehmen, zu welchem Ende er freilich irgend etwas Absonderliches zu Markte bringen wird, um sich Gel- tung zu verschaffen, aber ohne daß dies etwas die apostolische Lehre Verneinendes, eine Jrrlehrein diesem Sinne zu sein brauchte: wie könnte sonst Titus an- gewiesen werden, einem solchen, nachdem er ihm ein- mal oder zweimal zu Gemüthe geführt hat, daß er mit seinem Treiben Unrecht thue, lediglich die Thür zu weisen und sich nicht länger mit ihm abzugeben? Und nicht, weil es doch nichts hülfe, sich länger um ihn zu bemühen, soll es Titus so halten, sondern weil es dessen nicht bedarf. Wenn nämlich ein solcher einmal und noch einmal verwarnt und vermahnt worden ist, ohne daß es etwas fruchtete, so fehlt es bei ihm nicht daran, daß er nicht weiß, was er thut; sondern mit vollem Bewußtsein seines Unrechts, dessen er vor sich selbst geständig ist, daß er also keiner Verständigung 698 bedarf, hat er seinen, aus der einträchtigen Gemein- schaft hinaus in eine Parteistellung führenden Weg eingeschlagen und verfolgti n. Das soll Titus wissen, soll es aus der Vergeblich 'eit seiner Ermahnung ab- nehmen und sich’s keine weitere Mühe kosten lassen, ihn von seinem Treiben abzubringem wie es Ver- schwendung der auf die rechte Lehre zu wendenden Zeit wäre, wenn er sich auf die Thorheiten einer nichtsnutzigen Schriftgelehrsamkeit einließe, so würde er aüch übel daran thun, wenn er Störungen des christlichen Gemeindelebens dadurch verhüten wollte, daß er den auf eine Sonderftellung Erpichten durch immer neue Vorstellungen zurecht zu bringen versuchte, statt ihm durch richtige Pflege der Gerneinschaft den Weg zu verlegen. (v. Hofmannh Wer sich oft unter Anderer Urtheil am wenigsten beugen will, der trägt das Urtheil und Zeugniß seines Gewissens wider sich, daß er sich selbst und seine Ehre suche, Gehorsam ver- sage u. dergl. Dieser unter seinem Selbsturtheil noch geschäftigen Wahrheit kann man ihn überlassen. (Rieger.) C. Zum Schluß geht der Zlpostel noih auf persön- liche Angelegenheiten über. Er theilt dem Titus zunächst mit, daß er seiner Zeit durch den einen oder den andern von den in seiner Umgebung befindlichen Gehilfen ihn von Kreta abberufen werde, um mit ihm in dlieopolis zu über— winlernz dann fordert er ihn auf, den Schriftgelehrleu Jena; und den Apollo, melihe ihm diese Gpislel über— bringen, für die dtiiclireise mit allein Bedarf angznstatten und bei dieser Kugriistung die liretensischen Christen sich betheiligeu zu lassen, weil ihnen Gelegenheit geboten werden müsse, in Ausübung guter Werke von dem ihnen ange- borenen bolligcharaliter loszulioniinen und christlicher Wesen sich anzueigneii (v. 12—14). Hierauf werden Grüße aus— gerichtet und Grüße aufgetragen, beides aber mit einer gewissen Beschränkung; dagegen gilt die Jlnmiinseliung der Gnade zum Schlaf; nicht blos mehr dem Titus für seine Person, sondern der ganzen Gemeinde auf Kreta (v. l5). 12. Wenn ich sgemäß der Abänderung, die ich in Betreff meines bisherigen Reiseplans nach Achaja 2. Cor. 1, 15 f. getroffen habe I· Cor. 16, 5ff.; 2. Cor. I, 2 Anm.] zu dir senden werde Arteman [s. v. a. Artemidorums oder Thchicum [was aber nicht so bald, sondern erst von einer der Stationen in Macedonien Apostg. 20, 1 f. aus geschehen wird], so komm eilend zu mir gen Nieopolis sin Epirus Karte VII1 u. Apstg II, 20 Anm.]; denn daselbst habe ich beschlossen den Winter [von 57 auf .«'·)8 n. Chr.] zu bleiben« 13. Bienen, den Schriftgel»ehrten, und Apollen sdie ich mit Ueberbringung dieser meiner Epistel an dich beauftragt habe Kapsz l, »5 AnmJ pffettige ab mit Fleiß sindem du sie fur die Ruckreise hierher nach Ephesus mit allem Bedarf versorgst 3. Joh. 6], auf daß ihnen nichts gebreihetr swas sie nöthig haben]. » 14. Laß aber auch sindem du folche Ver- sorgung nicht lediglich aus eigenen Mitteln be- streitest, sondern dazu die Gemeindeglieder heran- ziehefts die unsern lernen, daß sie im Stande guter Werke sich finden lassen [V. 8], wo man ihrer be- darf, auf daß sie· nicht unfruchtbar s2. PetrI»1, 81 seien M· sdenn die Kretenser nach ihrem National- Titum Z, 12——1 Z. charakter als ,,faule Bäuche« Kap. l, 12 lieben zwar eigene Bequemlichkeit, sorgen aber desto unlieber für die Bedürfnisse Anderer, und müssen daher die Christen dort darin geübt werden, solche Volkseigenthümlichkeit abzulegen und sich der gegentheiligen Tugenden Phil. 2, 43 Hebr. 13, 16; Röm. 12, 13 zu befleißigens 15. Es grüßen dich alle, die mit mir smeine Mitarbeiter hierselbstJ sind [wie Artemas, Tychikus V. 12., Trophimus 2. Cor. 8, 18 f. und Sosthe- nes 1. Col: I, 1]. Grüße alle, die uns lieben im Glaubens— swälsrend die Andern, die bei ihrem, dem Glauben abholden Wesen uns abgeneigt sind Kap. 1, 9 ff.; Z, 9 f., aus unserm Gruß sich ja doch nichts machen würden, ihn aber auch gar nicht verdienen 2. Joh. 10 f.; Gal. S, 16]. Die Gnade swelche ich in Kap. 1,4 dir insonderheit an- wünschte] sei- mit euch allen sdie ihr auf Kreta die Gemeinde des HErrn bildet 2· Ti1n. 4, 22]! Amen. V) Nach dein in 1. Tor. 16, 5s. vorliegenden, gegen den früheren, in Z. Gott. I, 15 f. angegebenen, abgeänderten Reiseplan des Apostels hatte dieser allerdings vor, in Corinth zu überwintern; aber er stellt es mit einem ,,vielleicht« noch als problematisch hin, es wird erst darauf ankommen, ob die Corinther mit ihrem Verhalten den längeren Aufenthalt bei ihnen für ihn einladend machen. An unsrer Stelle nun siehet sich Paulus für den gegentheiligen Fall vor, daß ihm nämlich ein Ueberwintern in Corinth nicht würde möglich gemacht werden; er war ja da- mals, als er an Titus schrieb, wegen der eorinthischen Wirren gar sehr niedergeschlagen und wagte kaum zu hoffen, daß seine, für uns als die erste zählende Epistel an die Eorinther die beabsichtigte Wirkung thun würde. Unter allen Umständen war es das Sicherste, dem Titus gegenüber, dem er eben darum, weil er ihn für längere Zeit auf seiner jetzigen Station wollte thätig sein lassen, dies Jnstruetionsschreiben zusandte, eine Ueberwinterung in Nieopolis in Aussichtzu nehmen: die Stadt war, wie wir es zu Apostg. 19, 20 ausge- drückt haben, für ihn eine Warte, wo, wenn die Corinther sich halsstarrig erwiesen, er bleiben konnte, bis der Winter vorüber wäre; von wo aber auch er jederzeit aufbrechen und nach Corinth übersiedeln konnte, wenn daselbst die Verhältnisse sich günstig ge- stalteten. Aus Apostg 20, 2 erfahren wir denn, daß in der That diese zweite Alternative eintrat und also das vielleicht in 1· Cor. 16, 6 zu einem wirklich wurde. Aber auch das Andere, was Paulus hier schreibt: »wenn ich zu dir senden werde Arteman oder Tychikuiiy so komm eilend zu mir«, änderte sich, und zwar schon gleich bei der Rückkehr des Apollo zum Apostel, von der in V. 13 die Rede ist, weil da ein ganz neues Moment eintrat, welches die Disposition des Paulus, den Titus bis zur Zeit des Winters auf Kreta zu belassen, völlig umgestaltete. Jndessen ließe sich auch die Annahme begründen, daß unsre Epistel noch vor dem 1. Corintherbrief gefchrieben und die Disposition in unserm Verse nach Maßgabe des ur- sprünglichen Reiseplans getroffen sei: es läßt sich eben in solchen Dingen, wo wir lediglich auf Con- jecturen angewiesen sind, keine absolute Gewißheit feststellen. Zu bemerken ist übrigens noch, daß in alter Zeit man die Worte: »so komm eilend zu mir gen Nicopolis« dahin verstand, als befinde sich der Schluß der Epistel: persönliche Angelegenheiten, Grüße nnd Segenswiiiisch 699 Apostel, indem er den Brief schreibt, bereits in dieser Stadt, man auch nicht an das Nicopolis in Epirus, sondern an das am Flusse Nestus dachtex darauf beruht denn die Unterschrift: ,,Geschrieben von Nicopolis in Maeedonien«. Wenn indessen Paulus alsbald fort- fährt: »denn daselbst (oder dort) habe ich beschlossen den Winter zu bleiben«, so geht daraus deutlich genug hervor, daß er eben noch nicht in der genannten Stadt angelangt ist, sondern erst für den Winter dahin kommen wird; wir haben also einen andern Ort, und zwar Fphesus, für den der Abfassung des Schreibens a ten. IV) Zenas kommt sonst nicht weiter vor, außer daß es unter seinem Namen eine apokrhphische Schrift giebt, die das Leben und die Thaten des Titus be- handelt; der Titel: ,,Schriftgelehrter« bezeichnet ihn vielleicht als einen früheren jiidischen Schriftgelehrten, das Wort des Grundtextes hat aber auch die Bedeu- tung: ,,Rechtsgelehrter«, so daß wir ihn vielmehr für einen Heidenchristen anzusehen hätten. Den Apollo finden wir in 1. Eor. 16, 12 noch in der Umgebung des Paulus zu Ephesus; der Apostel seinerseits würde auf das Begehren der Corinther eingegangen sein und ihn bei Absendung des l. Corintherbriefs zu ihnen entlassen haben, aber er selber wollte es vermeiden, in den Streit der dortigen Parteien, deren eine sich nach ihm nannte (1. Eor. Z, 4), noch mehr hineinge- zogen zu werden, als es leider schon ohne seinen Willen eschehen war, und so wurde er in Gemeinschaft mit Zenas zur Ueberbringung unsrer Epistel nach Kreta verwendet. Ja, wie es scheint, sollte das Wort in I. Cor.16, 12: ,,er wird aber kommen, wenn es ihm gelegen sein wird«, das jedenfalls seine eigene Antwort auf jenes Begehren der Corinther, ihn wieder in ihrer Mitte zu haben, enthält, soviel bedeuten, daß, wie es nun einmal in Corinth stehe, er noch lange nicht wieder dahin zu kommen gedenke; um nun den Apostel, der allerdin s für Corinth noch anderer Gehilfen, als der bereits gahin abgesandten (Timotheus und Erastus Apo tg. 19, 22), bedurfte, zu entschädigen, bewog er bei einer Anwesenheit auf Kreta den Titus, sich für diesen Gehilfendienst dem Paulus zur Verfügung zu stellen, indem er selbst des Titus Amt bei den Kre- tensern zu übernehmen bereit war. Darauf ging den Paulus, als Apollo nach Ephesus zurückkam, ein, entsandte ihn in Gemeinschaft mit Tychikus abermals nach Kreta, wo ei« blieb, während Tychikus und Titus nach Corinth sich ausmachtem und so wirkten nun diese in der aus ·2. Eon 2, 12 f.; 7, 6. 13 f.; 8, G· 16 ff.; l2, 18 sich ergebenden Weise, bis sie den Apostel auf seiner Reise durch Macedonien und Jllyrien be- gleiteten, mit ihm nach Nicopolis und von da gen Griechenland kamen (Apostg. 20, 1 f.). Auch auf der Pfingstreise des Paulus nach Jerusalem im J. 58 ist Tychikus m dessen Geleit (Apostg. 20, 4), während wir von Titus nichts hören; möglich wäre da immer- hin, daß derselbe schon nicht mit nach Nicopolis und Griechenland kam, sondern vom Apostel im südlichen Theil von Jllyrien, d. i. Dalmatiem stationirt wurde, wo wir ihn während der römischen Gefangenschaft des Apostels antreffen (2. Tim. 4, 10. »Es) Die hier gegebene Ermahnung zielt nicht blos aus den gegenwärtigen Fall der Ausrüstung des Zenas und Apollo hin, durch den sie allerdings veranlaßt ist; sondern sie ist, wie sie allgemein ausgedrückt ist, auch allgemein, auf alle Fälle, wo es gilt, nothwendige gediårfnxsse Anderer zu befriedigen, zu beziehen. ut er. f) Grüßen und gegrüßt werden ist nicht eine nnnütze Gewohnheit, sondern ein recht schön gutes Werk, das die Engel und Gott selbst gethan: Nicht. S, 12; Luk. 1, 28; Matth. 28, 9. (Starke.) Wir sollen wohl jedermann Gutes gönnen und erzeigen, doch vornehm- lich denen, die mit uns der recht-en Religion sind und Glaubensgenossen heißen: Gal. G, 10. (Osiander.) Die sittliche Geltung des Segens bekundet sich auch darin, daß seine Wirksamkeit nicht blos durch die fromme Gesinnung des Segnenden, sondern auch durch die des Gesegneten bedingt ist (Matth. 10, 13). Die allgemeinste, die christliche Liebe zu den Brüdern in dem Wunsche ihres Lebens in und mit Gott aus- drückende Weise des Segens ist das Grü ßen, welches wo es nicht zur leeren Form herabgesunken ist, beim Kommen und beim Scheiden das mit dem Gottessrieden durchflochtene sittlich-sromme Band zwischen den Seelen knüpft. Wuttke.) Geschrieben von iilirnpolis in Maredonien ltichtkgsrs VDU Epheslls kU Kk8k11t1siEII- s. Kap. Z, 12 Anm.]. Schlnsilicmerliungen zu den drei Wasiarallvriefen Wie lehrreich sind doch diese Briefe auch noch in unsern Tagen für alle Christen, insonder- heit für die Seelsorger! Es ist der Geist der Wahrheit, aus dem sie geschrieben sind, und dieser Geist ist ja für alle Zeiten derselbe. Wer das geistliche Amt führt, wie Timotheus und Titus es zu führen angewiesen werden, der führt es gut. (Plitt.) Alle, die des Priesterthums gewürdigt sind, sollen die hier gegebene Lehre immer beobachten, dieselbe sich immer als Regel vor Augen stellen und nach ihr einrichten, was sie reden und thun; dann werden sie mit dem seligen Timotheus und Titus, ja mit dein heiligen Paulus ihr Theil haben. (Theodoret.) zllie llipisiel St. illaiili an Islhilemon Der kleine Brief ist ein Muster von zarter und doch eindringlicher Bitte, er zeigt, wie der gesungene, von den wichtigsten Angelegenheiten des Reiches Gottes in Anspruch genommene Apostel auch der persönlichen Angelegenheiten Einzelnen selbst der Geringsten, sich liebreich anzunehmen und über äußerliche Verhältnisse so zu schreiben wußte, daß das innere Leben dabei gewinnen konnte. Jnsbesondere wird in demselben das ächtchristliche Verhältniß zwischen Herren und Knechten in wenigen, bezeichnenden Zügen geschildert. Obgleich daher Onesimus wegen seiner Flucht getadelt und Philemon’s gesetzlicher Anspruch auf dessen Person anerkannt wird, so darf doch mit Recht dieser Brief als die erste Stimme betrachtet werden, welche sich aus der christlichen Kirche gegen die Sklaverei erhoben hat. von selbst auf. Faust Für-bitte für Dnesiinum, den bekehrten Knecht. A— Seiner Gewohnheit gemäß beginnt der Apostel auch diese, gleichzeitig mit der an die Golosser im Herbst des J. 61 n. Chr. geschrieben: Gpistel (2lpstg. W, 312tn1n. und Kuh. 1I zum 6. Rande: a, Z) nach Inschrift und Gruß, worin er nicht nur in seinem, sondern auch in deg Gi- motheug Namen gräßt und nicht nur an den Ztdressateig sondern nun) an die ihm zunächst stehenden Personen sieh wendet (ill. 1——3), mit einer für-bittenden Dante— sagung gegen Gott; Gegenstand derselben ist des Brief— empfängers Glaube und die triebe, welche er gegen alte Heiligen bekundet All. 4—7). 1. Paulus, der Gebundene Christi Jesu sEphes Z, 1], und Timotheus, der Bruder [Col. 1, 1], Philemon dem Lieben nnd unserm Gehilfen [Röm. 16, Z; Phil. 2, 25], Z. Und Appiih der Lieben sunsrer christlichen Elliitfchwester Röm. 16, 1; 1. Cor.7,15; 9, 5], nnd Archippo [Col. 4, 17], unserm Streitgenossen sPhil. 2, 25; 2. Tim. 2, 3], und der Gemeine in deinem Hause [Röm. 16, b; 1. Cor. 16, 19; Col. 4, 15]: 3. Gnade sei mit euch svgl. V. 25], und Friede von Gott, unserm Vater, und dem HErrn Jesu Christo [vgl. zu Rom. 1, 7; Ephes 1, 2 u. 1. Thess 1, 1]. Es ist eine nur zwischen Paulus und Philemon persönlich zu verhandelnde Angelegenheit, deretwegen der Apostel an diesen ihm befreundeten Christen schrieb, wie er denn auch durchweg in der ersten Person Singularis spricht und mit Ausnahme der Schlußworte (B. 25) durchweg nur ihn anredet; dessen ungeachtet nennt er in der Ueberschrift neben seinem ei enen Namen auch den des Timotheus und richtet einen Gruß nicht blos an Phileinoiy den er, wohl aus ähn- lichem Grunde, wie in Röm.16,3 Aquila und Priseillch seine und des Timotheus Mitarbeiter nennt, sondern auch an sein Weib Appia und seinen Sohn, wofür wir zu Col. 4, 17 den Archippus erkannten, ja auch an seine Hausgemeinde Durch diese Ueberschrift inacht er es dem Philemon zur Pflicht, den Brief nicht l I Und in der That, wo wahrhaft christliche Gesinnung ist, da hört die Sklaverei (Wunderlich.) für sich zu behalten, sondern ihn seinen Angehörigen und seiner Hausgemeinde mitzutheilem nur aber nicht so, als hoffte er von ihnen eine Unterstützung seiner Bitte, sondern in der Absicht, daß sie mitwissen sollten, was den Philemon bestimmt habe, das Erbetene zu thun; und ebenso sollte Philemon erfahren, daß Pau- lus nicht ohne Mitwissen des Timotheus den Brief geschrieben habe, nur aber nicht so, als hoffte er um so sicherer seine Bitte erfüllt zu sehen, sondern damit sein Begehren nicht etwa blos als Ausfluß persön- licher Gunst gegen Onesimus erschiene. Es solltesein, als ob er die Bitte in Gegenwart feines Berufs- genossen einerseits und der Angehörigen und der Hausgemeinde Philemon’s andrerseits Vorträge, wäh- rend seine Selbstbezeichnung als ,,Gebundener Christi Jesu«, die sein hier außer Betracht bleibendes Apostel- thum hinter dem Leiden zurücktreten ließ, das er um Christi willen erduldete, Philemon willfährig zu stimmen geeignet war. (von HofmannJ Da der Wohnort des Philemon nicht genannt ist, so hat man ihn anderweitig zu erschließen gesucht; man fand nun in Col. 4, 9., daß sein Sklave Onesimus aus Colossä stammte, und folgerte denn hieraus, daß auch Philemon in Colossä zu suchen sei, man vergaß aber, daß der Geburtsort des Sklaven noch nichts für den Wohnort des Herrn beweist. Richtiger ist wohl fol- gender Schluß: der Brief an Philemon ist nicht blos an diesen, sondern unter-Anderen auch an Archippus gerichtet; der letztere nun wohnte nach Col. 4, 17 nicht in Colossä, sondern in Laodieea, denn hätte er das Amt oder den Dienst, von welchemdort die Rede ist, in Colossä geführt, so läßt sich nicht begreifen, warum der Apostel ihn nur durch Andere ermahnen läßt, den übernommenen Dienst auch auszurichteiy und nicht unmittelbar« selber im Briefe ihn dazu er- muntert. Wie also Archippus in Laodicea wohnte, also muß auch Philemon (zumal wenn er dessen Vater war) daselbst feinen Wohnort gehabt haben. (Wieseler.) 4. Jch danke meinem Gott [vgl. die Er- klärung zu 1. Cor. 1-4] Und gedenke dein allezeit in meinem Gebet [Col. 1, 3f.; Ephes I, 15 f.; Rom. l, s; Phtl. 1,«-3 » Z. Nachdem [d. i. gemäß dem, daß] ichsvon mehr als einer Seite, wie durch Epaphras Col. 1, 7 f., so auch durch den von mir bekehrten Onesimus V. 10 f.] höre von der Liebe [vgl. zu Zuschrifh Gruß und fürbittende Danksagung gegen Gott. 701 V. 7] und dem Glauben, welche lnämlich Glauben einerseits und Liebe aUdrerseitsJ du hast an den HErrn Jesum und gegen alle Heiligen fund wie nun das zum Danke gegen Gott mich veranlaßt, so zielt meine Bitte zu ihm, sooft ich deiner ge- denke in meinem Gebet, dahin], b. Daß dein Glaube, den wir [du von deiner Seite und wir andern Christen von unsrer Seite] mit einander haben, in dir kräftig werde durch Erkenntnis alle des Guten, das ihr sdie ihr die dortige Ortsgemeinde bildet, mit alle denen, die vormals Heiden gewesen] habt in Christo Jesu [und die dankbare Erkenntnis; desselben dich dann treibe, deine Liebe auf einen jeden zu erstrecken, der gleicher Gnade mit dir theilhaftig geworden und dein Bruder in Christo ist V. 16; Col. 3, 10 f.]. 7. Wir haben aber große Freude und Trost [2. Cor. 7, 13] an deiner Liebe [die du in einer bestimmten Beziehung so offenkundig an den Tag gelegt]; denn die Herzen der Heiligen [in Jeru- salem l. Cor. 16, 1; Röm. 12, IS; 15, 26] sind [in ihrer Bedrängniß, darunter sie zu leiden haben] erquickt [V. Do] durch dich, lieber Bruder [wie ich in dankbarer Anerkennung solcher deiner brüderlichen Gesinnung mit Genugthuung dich bezeichnen darf] Ehe der Apostel im folgenden Abschnitte zum Vor- trag seiner Bitte für Onesimus übergeht, giebt er im 7. Verse noch den Grund an (im Grundtext steht nicht: ,,aber«, wie Luther übersetzt hat, sondern: ,,denn«) für die in V. 4 ausgesprochene Danksagung und redet da von etwas, was sowohl ihm, wie dem Timotheus, zur Freude und im Blick auf seine Bande zum Troste gereicht hat. Welche Heiligen, deren Herzen (wörtlich: ,,Eingeweide« als Sitz der Empfindung Phil 1, 8; 2. Cor.6, 12) durch Philemon erquickt worden, und welche Erquickungen hier ge- meint seien, wird nicht näher bestimmt; der Ausdruck leitet zunächst daraus, an arme Gläubige und an zeitliche Erquickungen zu denken. (v. Oosterzee.) Man wird sich daran zu erinnern haben, daß mit ,,Heilige«, auch ohne alle Näherbestimmung die Mutter- gemeinde der Christenheit bezeichnet zu werden pflegte; findet nun dieser Gebrauch des Ausdrucks hier statt, so hat Philemon durch eine Gabe an die Mutter- gemeinde zu Jerusalem ihrem Bedürfniß eines Liebes- beweises von Seiten der heidnischen Christenheit ein Genüge gethan, dem Apostel zur Freude und zum Trost, von dem wir wissen, wieviel ihm daran lag, daß die heidnische Christenheit der Muttergemeinde solche Beweise ihrer Liebesgemeinschaft gebe (vgl. Z. Cor- 9, 12 ff; Röm. 15, 27). Hat denn Philemon dorthin seine Glaubensgeineinschaft wirkiingskräftig werden lassen, so möge er’s nicht minder in seiner nächsten Umgebung an jedem des Christennamens Würdigen thun und ihrer keinen verkennen: das er- bittet ihm der Apostel (V. 6) auf Grund dessen, was er von einer all emeinen Christenliebe hört (V. 5), und verbindet diese itte mit der Danksagung gegen Gott (V. 4), in welcher fort und fort Freude und röstung ihren Ausdruck findet, mit der ihn sein an der Mutter- gemeinde gethanes Liebeswerk erfüllt hat (V. 7). Phi- lemon aber soll dies wissen, ehe er die Bitte zu hören bekommt, mit der ihn der Apostel im Folgenden an- geht. (v. Hofmannh B. Uach solcher Einleitung kommt der Apostel nun- mehr auf die Jlng elegenheit zu sprechen, die den eigent- lichen Kernpunltt seines Schreibens ausmacht: ausgehend von der triebe, deren er vorhin als aus Seiten des saht- lemon rühmead gedacht hat, ermahnt ihn jetzt Paulus, den Qnesimuiy welchen er unter dleberbringung dieser Gpistel ihm zurüctisendet, obgleich er denselben gern selbst in seiueni Dienst behalten hätte, der mit ihm vorgegangenen dlmwandeliing gemäß nicht mehr blos als Knecht, sondern als nuiimchrigen Bruder in Christo aufzunehmen, und zwar in gleicher weise auszunehmen, wie wenn er mit ihm selber, dem Apostel, es zu thun hätte, wie denn letzteres: auch für allen Schaden, der aus des Gntslohenen hergehen seinem Herrn erwachsen ist, aufzukommen sich verpflichtet, obgleich es einer solchen Bfirgscliaft bei Philemon aus Grund dessen, was er seinem ttehrer und Beliehrer ver— dankt, gar nicht erst bedürfen sollte. Indem Paulus noch einmal dem Briefempfänger recht eindringlich an’s her; greift, so daß dieser gar nicht anders kann, als das Er— betene gewähren, lciilit er ihn durch eine feine Weuduug dahin, daß er doch mehr thun möge, als zunächst von ihm verlangt worden, wobei nur gemeint sein kann, daß er dem Oiiesimus die Freiheit schenlte und überhaupt nicht erst das Herren-Recht an ihm geltend mache. 8. Darum [weil ich nach dem soeben Ge- sagten Ursach habe, meinem Gott deinetwegen zu danken wegen dessen, was du bereits gethan V. 4 fs.], wiewohl ich [in anderer Hinsicht, als die ich oben V. 1 geltend gemacht habe, nämlich als ein Apostel des HErrns habe große Freudig- keit in Christo, dir zu gebieten, was dir [in der Sache, um die es sich handelt] ziemet, 9. So will ich doch um der Liebe willen sdaß sie Gelegenheit habe, in einer Angelegenheit, bei der es so sehr auf sie ankommt, wenn die- selbe soll ganz und voll und recht und wohl er- ledigt werden, ihr Vorhandensein auf deiner Seite zu beweisen] nur vermahnen, der ich ein solcher bin swie ich bin], nämlich ein alter Paulus, nun aber auch ein Gebundener Jesu Christik 10. So ermahne ich dich [um jetzt näher auf die Sache, in welcher ich diese Epistel an dich richte, einzugehen] um meines Sohns willen, Onesimi, den ich [geistlich, durch seine Bekehrung zu Christo 1. Cor· 4, 15; Gal. 4, 19] gezeuget habe in meinen Banden sein Umstand, der mir seine Gewinnung für das Reich Gottes doppelt erfreulich macht, da ich ja jetzt mit meiner Thä- tigkeit auf einen so engen Wirkungskreis einge- schränkt bin], 11. Welcher weiland [im Widerspiel dessen, was sein Name: Onesimus, d. i. ein Niitzlichey besagt] dir unnittze [gewesen, vgl. V. 18], miu aber [in Bewahrheitung selbigen Namens] dir und mir wohl niihe ist; den habe ich wieder [zu dir, nachdem er von dir entflohen war] gesandt. 12. Du aber sdies mein Liebes-merk gegen 702 Philemon V. 1 3-—21. dich mit einem solchen an Qnesimus erwidernd] wollest ihn, das ist mein eigen Herz seinen, den ich so sehr in’s Herz geschlossen habe, daß es mir war, als ob ich mein eigenes Herz weggäbe, als ich ihn von mir sandte], annehmen» svgl V. 17]· 13. Denn ich wollte ihn bei mir behalten, daß er mir an deiner Statt [vgl. 1. Eor· 16, 17; Phil 2, 30] dieneie in den Banden des Evangeln [Ephes. 3, 1 ff.]; 14. Aber ohne deinen Willen wollte ich nichts sin einer Sache, bei der es so sehr auf deine eigene Entschließung ankommt] thun, auf daß dein Gutes [was ich mittels der V. 13 angedeuteten Stellvertretung von dir empfinge] nicht wäre ge- nbthiget [abgedrungen], sondern freIWilIigHV [wie es denn nur in solchem Falle von wirklichem Werthe ist 2. Cor. J, 7; 1. Petri 5, 2]. 15. Vielleicht aber sso denke nun da bei dir, wenn du ihn auf»Grund dieser meiner Erwägung jetzt zurückempfängst, nachdem er vorhin von dir geflohen war] ist er darum eine Zeitlang von dir kommen, daß du ihn ewig lnicht blos für die gegenwärtige, sondern auch für die zukünftige Welt] wieder hättest, 16. Nun nicht mehr als einen Knecht, son- dern [als] mehr denn einen Knecht, [als] einen lieben Bruder; [ist er das] sonderlieh mir sder ich ihn oben V. 12 für mein eigen Herz erklärte], wie viel mehr aber fmuß er] dir sals ein solcher erscheinen, dem er’s ja in zwiesacher Beziehung is»t], beide, nach dem Fleisch [Röm. I, Z] und in dem HErrnJk [1. Tim. 6, 2]. 17. So du nun mich hältst für deinen Ge- sellen sdem du dich innerlich aufs Engste verbunden fühlst und dem du mit allen Freuden und Ehren Aufnahme in deinem Hause gewähren würdest, wenn er zu dir käme Phil. S, 29], so tvollest du ihn sden Onesimus] als mich selbst smit derselben Freude und denselben Ehren, als wäre ich’s selber, der zu dir kommt] annehmen. » 18. So er aber dir [mit seinem Vergehen im Dienst, das die Veranlassung zu seinem Ent- weichen geworden ist] etwas Schaden gethan hat oder lsonst dir etwas] schuldig ist, das rechue mir zu ssetze es auf meine Rechnung, daß fortan ich dein Schuldner sei]. , 19. Ich, Paulus, hab es geschrieben mit meiner Hand swas jetzt folgt 2. Thess Z, 17 u. Rom. 16, 24 Anm. 1]: ich will-s bezahlen [und stelle dir damit ausdrücklich eine Schuldver- schreibung aus]. Ich schweige swenn ich so rede, wie ich in V. 18 gethan] daß du [insofern deine Bekehrung zu Christo durch mich geschehen Apstg. 18, 2310 Anm. und also das, was du deinem geistlichen Leben nach bist, durch mich geworden bist] dich selbst [vgl. Lin. 9, 251 mit schuldig bist fund also, um von dieser deiner Dankes- schuld doch etwas abzutragen, den geringfügigen Schuldbetrag des Onesimus lieber dir selbst auf Rechnung schreiben solltest]. 20. Ja, lieber Bruder, gbnne mir sin dem, wie du dich zu ihm stellst], daß ich mich an dir ergbtze sGenieß oder Freude an dir habe] in dem HErrnz erauicke mein Herz in dem HErrnH [mit einem Verhalten gegen meinen Schützling, das mich aller Sorge in Betreff seiner überhebt]. 21. Ich hab aus Zuversicht deines Gehor- sains sdeiner Folgewilligkeit, die gewiß meiner Bitte Gehör schenken wird] dir geschrieben [und überlasse dir nun ruhig das Weitere]; denn ich weiß, du wirst mehr thun, denn ich sageHJk [Col. 4, 17 Anm.]. V) Paulus verschweigt nicht, daß er sich der Be- rechtigung, dem Phileinon das zu gebieten, was ihm zukommt, als einer von Christi wegen ihm eignenden sehr wohl bewußt ist; wenn er nun aber sagt, um der Liebe willen ziehe er vor zu bitten, so ist damit ge- meint, daß Rücksicht auf die Liebe überhaupt es ist, die ihn bestimmt: diese soll Gelegenheit haben, in einer Sache, die ihres Thuns ist, ihr Dasein zu offen- baren. Dem entspricht nun auch das ,,Darum«, wo- mit der 8. Vers an das Vvrhergegangene angeschlossen ist: der Apostel würde sich, wenn er befehlsweise vor- ginge, mit seinem Danksagen in Widerspruch sehen, welches ja seiner auf Erfahrung beruhenden Gewißheit entstammt, daß sich von Philemon erwarten läßt, er werde nicht wei ern, was Namens der Liebe von ihm begehrt wird. ie Erklärung, warum er bitter, statt zu gebieten, ist das Erste, womit der Apostel seine Bitte auf eine Weise bevoripvrteh welche geeignet ist, auf Philemoms Gemiith eine die Gewährung der Bitte sichernde Wirkung zu üben: das Zweite ist, daß er ihm zu Gemüthe führt, wer es ist, der ihn bitter; und da weist das«,,der ich ein solcher bin« aus die Beschasfenheit hin, in welcher der Sprechende dem Angeredeten gegenübersteht. (v. Hofmannh Es sind drei persönliche Merkmale, welche der Apostel mit: ,,nämlich ein alter Paulus, nun aber auch ein Gebun- dener Jesu Christi« geltend machen will. Paulus, der wohlbekannte, dessen Name schon einen guten Klang in dem Ohr des Philemon gewonnen hat; außerdem« ein alter Mann, dessen Wort mit Sanft- muth und Willigkeit angehört und nicht sofort ab- gewiesen werden darf (der Ausdruck des Grundtextes bezeichnet nicht einen Greis, sondern nur einen in’s höhere« Lebensalter getretenen Mann Apostg. 9, 2 Anm.); endlich ein Gebundener Jesu Christi, zu dessen Erquickung und Erleichterung Philemon gewiß sehr gern das Seinige beizutragen geneigt sein wird. So stellt der Apostel seine eigene Persönlichkeit so concret und anschaulich wie nur möglich dem Philemon vor Augen, als wolle er damit gleichsam die Figur des Onesimus, der nun erst wie hinter ihm zum Vor- schein kommt, vor dem Zorne seines Herrn decken· (v. Oosterzee.)» » » « » Er) Onesimus heißt auf deutsch: ,,nutz·e«; darauf spielt St. Paulus an, wenn er spricht: ,,er ist mir und dir nütze«. (Luther.) Seine Bekehrung hat ihn dem Apostel sowohl als dem Philenion wirklich brauchbar gemacht: dem Apostel ohnehin, in dessen Geschäften er ia vorher zu nichts zu gebrauchen gewesen wäre, aber auch dem Philemon, dein er bei solcher Sinnesartz Darlegung der Angelegenheit, um die es sich handelt. 703 wie er sie durch sein Entlaufen bewies, ein unzuver- lässiger Knecht gewesen war, fortan dagegen ein zuverlässiger sein wird. (v. HofmanuJ Ist) Der Apostel läßt mit: ,,an deiner Statt dienete« die vertrauensvolle Voraussetzung durchblicken, daß Philemon selbst, wenn er es gewünscht hätte, ihn im Gefängniß bedient haben würde, und mit: »in den Banden des Evangelii« bezeichnet er seine Lage als eine solche, die eines derartigen Liebesdienstes ihn so bedürftig wie werth machte; dessen würde denn Phi- lemon durch des Sklaven Dienst überhobeu worden sein. So sinnig weiß Paulus das, was er anfangs zu thun Willens war, da er ja sonst an eines Andern leibeigenen Knecht gar kein Recht gehabt hätte, zu rechtfertigen. Indessen, so fährt er fort, da er des Philemon eigene Meinung nicht kannte und also ohne sie hätte handeln müssen, so ward er Willens, die anfangs beabsichtigte Zurückbehaltung von dessen Sklaven zu unterlassen, um nicht auf zwangsmäßige Weise, da ja von Seiten des Philemon keine eigene Willenserklärung vorlag, sich etwas Gutes erzeigen zu lassen, das nur dann einen sittlichen Werth hat, wenn es aus freiem Entschluß hervorgegangen. (Meyer.) T) Nach den Wegen Gottes, auf welchen er den Fall zu lauter Kuren macht, konnte man wohl schließen, daß das Böse zugelassen worden sei um des daraus kommenden Guten willen (1. Mos. 45, 5); doch weil man dergleichen Deutungen mißbrauchen könnte, so setzt es er Apostel durch das ,,vielleicht« nicht ganz bestimmt. Es war auf Seiten des Onesimus ein muthwilliges, ungehorsames und dem Philemon nach- theiliges Weglaufen; doch weil die Gnadenkur schon dazwischen gekommen war, so redet der Apostel nun so gelind davon: ,,eine Zeitlang von dir kommen«. Ohne Mißtrauem einer neuen Verschuldung sich von ihm zu befahren, sollte ihn Philemon aufnehmen; mit Versicherung seiner beständigen Treue und einer, von ihrer neuen Verbindung zu hoffenden ewigen Frucht fertigt ihn Paulus ab. (Rieger.) H) Philemon soll den Onesimus nicht anders auf- nehmen, als wenn der Apostel selbst zu ihm käme: so volle und rückhaltlose Liebe fordert er von ihm; und damit er sich nicht etwa durch den Gedanken an irgend welchen Verlust stören lasse, den er durch Onesimus erlitten, sei es, daß er ihn irgendwie ge- schädigt oder ihm irgend etwas veruntreut hatte, so heißt er ihn, dies ihm selbst in Rechnung sehen, er wolle es ihm erstatten und verbürge sich ihm mit dieser seiner eigenhändigen Schrift (der übrige Jnhalt der Epistel war vermuthlich dem Epaphras V. 23 in die Feder dictirt Röm. 16, 23 Anm.). Das wird er nun zwar allerdings nicht in dem Sinne ernstlich gemeint haben, daß er sich der Möglichkeit versah, von Phi- lemon zur Bezahlung angehalten zu werden; aber fcherzhaft, wie manche Ausleger sie bezeichnet haben, ist darum die Rede doch nicht, denn zu einem Scherze würde nicht passen, daß er fortfährt: »ich schweige, daß du dich selbst mir schuldig bist«. ,,ich schweige« drückt aus, daß man statt dessen, was man sagt, eigentlich etwas Anderes sagen möchte oder könnte, aber es nicht sagen will, ohne doch zu ver- fchweigen, daß man es könnte (2. Eor.9, 4); was nun der Apostel sagen könnte, ist dies, daß sich selber, und nicht dem Paulus, Philemon von Rechtswegen das in Rechnung setzen sollte, was ihm etwa Onesimus schuldet, er sollte es als eine Abzahlung der Dankes- schuld ansehen, welche der Apostel gegen ihn geltend machen könnte· Ja, über diesen ärmlichen Betrag von Geld oder Gut hinaus schuldet er ihm auch sich selbst; verdankt er doch das, was er ist, den wahren Diese Redensart :" Werth seines Lebens, dem, durch welchen er zum ewigen Heil gelangt ist. Jn diese tief ernste Wendung ausgehend ist das ,,rechne mir es zu« und das »ich will’s bezahlen« wahrlich nicht scherzhaft gemeint; es hatte vielmehr etwas Beschämendes für Phileniom und sollte es haben. Der Apostel hätte nicht nöthig haben sollen, über dem kleinen Schaden an Geld oder Gut, den Philemon durch Onesimus erlitten zu haben meinte oder auch wirklich erlitten hatte, ein Wort zu verlieren: wenn er desselben gedenkt, so muß er Phi- lemon darnach gekannt haben, daß es diesem schwer ankam, ihn zu verwinden; ja, es dürfte berechtigt sein zu vermuthen, daß es Furcht vor einer deshalb drohenden Strafe gewesen ist, was den Onesimus be- wog zu entlaufen. Aber nicht Furcht vor der Strafe begangenen Diebstahls oder absichtlicher Veruntreuung, wie man meist annimmt. Hätte Onesimus dem Apostel ein derartiges Vergehen bekannt, so würde er der Versündigung, die ihm Philemon zu vergeben hatte, ganz anders gedenken als mit den Worten: »so er aber dir etwas Schaden gethan hat oder schuldig ist«; und in V. 11 würde er, was Onesimus vordem ge- wesen, ganz anders bezeichnet haben, als mit den Worten: s,,welcher weiland dir unnütze war«. Ein Fehler im Dienste also, durch den Philemon zu Schaden gekommen war, wird seine Verschuldung ge- wesen sein; so erklärt sich, warum der Apostel nur des verursachten Schadens oder Verlustes gedenkt, eines Schadens, von dem er sagen kann, daß er ihn auf seine Rechnung übernehme, und er würde dies nicht sagen, wenn er nicht bei Philemon einen Un- muth voraussetzte, wegen dessen er wohl ein so be- schämendes Wort verdiente. Aber wenn den Philemon das Beschämende, was für ihn in dem »das rechne mir zu« und ,,ich will’s bezahlen«, und der ein- schneidende Ernst der Mahnung, die für ihn in dem ,,ich schweige, daß du dich selbst mir schuldig bist« lag, empsindlich traf, so verwischt der Apostel diese Em- pfindung gleich wieder, indem er fortfährt: »Ja, lieber Bruder, gönne mir, daß ich mich an dir ergötze in dem HErrn.« Er hat ihn soeben daran erinnert, daß er seinen Christenstand ihm verdanke; aber gerade hier redet er ihn nun mit,,lieber Bruder« an. Mit »du bist dich selbst mir schuldig« hat er ihn an eine Schuld erinnert, die ihn zu einer Forderung berechtigt; aber nun wird die Forderung zum Wunsche: ,,möge ich von dir Genieß haben!« Nicht als Vater vom Sohne, sondern als Bruder vom Bruder, will er Genieß von ihm haben; nnd diesen Wunsch, durch welchen er die Gewährung seiner Bitte für Onesimus als eine Wohl- that vorstellt, die ihm selbst von Philemon zu Theil wird, läßt er dadurch, daß er ihn mit »Ja« anfchließt, ausdrücklich an die Stelle der Forderung treten, die im vorhergehenden Satze gelegen hatte, und erklärt ihn für Eins mit ihr. ,,Jn dem HErrn« sagt er; denn es handelt sich um eine Sache des HErrm um eine von des HErrn wegen gestellte und von des HErru wegen zu erfüllende Bitte. Ebenso ist es, wie der den Wunsch bittweise wiederholende Satz: ,,erquicke mein Herz in dem HErrn« besagt, des Apostels von sorglicher Liebe bewegtes Gemiith, welches P ilemon seiner Sorge entledigen und mit Freude erqui en soll; und was er damit thut, ist ein christliches Thun, weil die Liebe, deren Wunsch er erfüllt, Christenliebe ist. (v. HofmannJ ist) Die Frage, was er mit dem ,,mehr thun, denn ich sage« meine, überläßt er zur Beantwortung dem Verstande und dem Herzen seines Freundes; und der Gedanke an eine Freilassung des Onesimus, wiewohl diese durchaus nicht verlangt wird, muß hier 704 Philemon V. 22——25. doch wohl von selbst in dem Herzen des gerührten Philemon aufsteigen. (v. Oosterzee.) C« Indem das, was der Apostel dem Philemon in izetresf des Gnestmus zu sagen hatte, mit dem Ausdruck zuoersichtlichen dierirauens zu dessen Xolgewiltigkeih welche noch mehr werde zu thun wissen, als ihm ucit bestimmten Worten gesagt worden, nunmehr zum Abschluß gekommen, folgt nunmehr der Schluß der Gpisiei. itjalte nun Paulus in V. 17 in Beziehung auf Gnesimus gebeten: »du wollesi ihn als mich selbst annehmen«, so spricht er zunächst aus, daß die Gebete seiner heidenchrisilichen Gemeinden aller- dings es leicht dahin bei dem ttjGrrn bringen könnten, daß er ihnen wieder geschenkt werde und er also auch selber binnen Kurzem bei Philemon steh einstellt, und bestellt denn im tjinblirtk auf solche Möglichkeit sich im voraus die Herberge W. 22). daran schließen sich Grüße von Seiten derjenigen Gehilfen, die gerade in der Umgebung des Apostels flch befindet: (d1.23 u. 24), und an diese reihet sich der das Ganze abschließende Segensgruß Ab. 25). 22. Daneben shabe ich noch die Bitte :] bereite mir die Herberge [Apostg. 28, 2H)]; denn ich hoffe, baß ich durch euer Gebet sihr He1denchr1sten, denen zugut ich leide Col. 1, 241 euch szu fernerer Ar- beit am Bau des Reiches Gottes in der Heiden- welt Phcl 1, 22 ff.] geschenket werde [vgl. Apstg. 12, 5 ff. u. dazu Apostg. 20, 27 Anm.]. 23. Es’grnßet dich [den Ph1lemon]Epaphras, mein Mitgefangener m Christo Jesu [Col. 1, 2 u. 4, 10 Anm.], 24. Marias, Aristarchus, Demas, Lunis, meine Gehilfen sCot 4, 10. 12. 14]. 25. Die Gnade unsers HErrn Jesu Christi sei mit eurem sder in V. 1 f. GegrüßteUJ Geist [Gal. 6, is; 2. Tim. 4, 22]. Amen. Mit dem ,,daneben« setzt der Apostel die Erfüllung seiner vorangegangenen Bitte als unzweifelhaft voraus. Wohl nicht mit Unrecht vermuthet man, daß er mit der anderweiten Bitte, die er so rasch anschließt, oder vielmehr mit dem Versprechem das darin liegt, als einer Bethätigung der Liebe von seiner Seite jene Bitte habe unterstützen wollen. Wenn er nun seine Hoffnung aus Befreiung aus der jetzigen Gesangenschaft auf die Gebete seiner Gemeinden dafür gründet, so sehen wir, wie innig verbunden er mit diesen durch das Gebet war, das er für sie und das sie für ihn darbrachtem wie weit stehen wir ab von diesem Bor- bild der apostolischen Zeit! wie schwach ist bei uns das Band, das Lehrer und Gemeinden verbindet! (Wie- singer.) Die Wahl des Ausdruckst ,,euch werde åeschenkt werden« ist eine Frucht des apostolischen elbstbewnßtseins; in aller Demuth fühlt des en- ungeachtet der Apostel, was seine Person und Nähe für die Gemeinden ist und sein kann. (v. Oosterzee.) Uebrigens ging die Hoffnung des Apostels nicht in Erfüllung; und es hat auch wirklich, wie Calvin sagt, nichts Bedenkliches, wenn die Hoffnung, die ja doch nur auf eine zeitliche Wohlthat Gottes sich bezog, ihn getäuscht hat. (Meyer.) Geschrieben von Rom durch Onestmum sals Ueberbringey und Tychikum, als dessen Begleiter und Protector, vgl. Col. 4, 9 Anm. und Anhang II· zum S. Bande: a, 3]. Schlusibemeiltnngen zur ilkpisiel an Philemon. Der kleine Brief ist im fchönsten Sinne eine ,,Rede mit Salz gewürzet« (Col. 4, S) und gehört als höchst schätzbare Reliquie eines großen Charakters den brieflichen Meisterstücken des Alters- thums in Betreff der attifchen Feinheit und Liebenswürdigkeit zu. (Meyer.) Die Epistel zeigt ein meifterlich lieblich Exempel christlicher Liebe; denn da sehen wir, wie Paulus sich des armen Onesimus annimmt und ihn gegen seinen Herrn vertritt mit allem, das er vermag, und stellt sich nicht anders, denn als sei er selbst Onesimus, der sich versündigt habe. Doch thut er das nicht mit Gewalt oder Zwang, als er wohl Recht hätte, sondern äußert sich seines Rechtes, damit er zwingt, daß Philemon sich seines Rechtes auch verzeihen muß. Eben wie uns Christus-gethan hat gegen Gott, den Vater, also thut auch St. Paulus für Onesimum gegen Philemon; denn Christus hat sich auch seines Rechts geäußert und mit Liebe und Demuth den Vater überwunden, daß er seinen Zorn und Rache hat müssen legen und uns zu Gnaden an- und ausnehmen um Christi willen, der also uns ernstlich vertritt und sich unser so herzlich annimmt, denn wir sind alle seine Onesimi, so wir’s glauben. (Luther.) Wie 1. Epistel St. sticht. Den· Apostel der christlichen Hoffnung hat man Petrum wohl genannt: ja, auf den Tag des HErrn ist sein Gemüth nnt ganzer Wendung hingerichtet, das läßt sich spüren von seiner Pfingstpredigt an bis zum Schlusse seines zweiten Briefes. Den Einen ewig zu schauen, den er lieb hatte, das war seine immer grünende Hoffnung, und zu dieser Hoffnung stärkt er seine Brüder, welche ihn nicht gesehen und doch lieb haben, weil sie an ihn glauben. Dieser Heimwehzug , der all sein Reden und Schreiben durchweht, stimmt so schön zu seiner schönen, leidsamen Ergebung in den Willen des HErrn, mit welchem in Einer Hütte der Herrlichkeit hienieden zu wohnen ihn vormals gelüstet hatte; nun war er zufrieden mit einer Pilgerherberge in dieser argen, trübsalvollen Welt, sehnte sich aber darnach, seine Hütte abzulegen und bald bei Christo ewig zu wohnen, sammt allen seinen Brüdern, in unaussprechlicher und ganz herrlicher Freude. Das 1. Kapitel. lion gottes geistlichen Mohcthatem und der Christen Pflichten. Ä· Jln ihrer Stirn trägt diese, noch etwas früher als der L. Brief sllauti an Timotheum und der tltrief an die Epheser geschriebene 1. Epistel St. Petri (Jlnh.1l.zum b. Bande a, 4) eine 2tufschrift, welche den Briefschreiber nennt und die tzriefempfcinger bezeichnet und tetzteren des ersteren Gruß entbietet (vgl. Eint. zu 1. This. 1, 1); wie aber der Schreiber sich selbst nicht blos einfach bei seinem Uauien nennt, sondern zugleich seiner apostolischen Würde gedenkt, so hat er auch für die Øtnpfänger außer dem, was zur äußeren Bezeichnung dient, Angaben, die ihren inneren heilgstand näher charahterisiren und gleich anfangs die Absicht des ganzen Sendschretbeng merken lassen, auf ävelche Kbsicht zugleich die Fassung der Grußsormet hin- eutet. I. Petrus. ein Apostel Jesu Christ» [vgl. die erweiterte Namens- und Berufsbezeichnung in 2. Petri 1, 1], den erwählten Fremdlingen hin und her [Joh. 7, 35] in Boote, Galatien Cappel- dvciety Asien [im speziellen Sinne, d. i. in Mysien &c. Apostg L, J; 16,6] und Bithhnien swörtlichx den erwählten Fremdlingen der Zerstreuung von Pontus, Galatien 2e., s. Karte VIII], 2. Nach der Versehung [oder Vorersehung Apostg. 2, 23; Rom. 8, 291 Gottes des Vaters snämlich aus der sie umgebenden Heidenwelt er- wählt], durch die Heiligung des Geistes sden sie empfangen haben, zum Eigenthumsvolk Kap. 2, 9 geweihets zum Gehorsam und zur Vesprengung des Blutes Jesu Christi« smit einander ver- pflichtet und so, trotz, der äußeren Zerstreuung, gleichwohl zu einer Einheit oder zu einer Ge- meinde verbunden]: Gott gebe euch sdenen so großes Heil schon jetzt widerfahren, dieses Heils immer mehr, daß ihrs viel Gnade und Friedens» shaben möget 2. Petri 1, 2; Judä 2; Dan. 3, 31]! D ächsePs Bibelwerä V1I. Band. (BsfsEV-) V) Diese Ueb erschrift entspricht in ihrem Grund- schema den Ueberschristen der paulinischen Briefe, hat aber doch schon insofern ihren eigenthümlichen Charakter, als gleich anfangs zu dem »Apostel Jesu Christi« eine Beifügung von der Art fehlt, wie Paulus sich deren öfters bedient, um seine apostolische Würde den Gegnern gegenüber zu behaupten, so namentlich auch in Gal- 1, I; indessen bedurfte es dessen für Petrum nicht, da seine apostolische Würde und seine unmittel- bare Berufung durch Christum von niemand ange- zweifelt wurde, ja gerade er in jenen Gegenden, wohin seine Epistel gerichtet ist, für eine der Säulen der christlichen Kirche galt (Gal. ·2, 6 ff.). Der Ort, wo Petrus damals sich aushielt, als er die Epistel schrieb, war Babylon (Kap. Z, 12f.), worunter in mystischer Deutung des Ausdrucks die Stadt Rom zu verstehen man gar keine Berechtigung hat, sondern es ist die bekannte Stadt am Euphrat (Dan. 4, 2 Anm.) damit gemeint; es befanden sich bei ihm Johannes Markus, der nachmalige Verfasser des zweiten Evangeliums, und Silvanus oder Silas, der vormalige Mitarbeiter des Paulus (Apostg. 15, 40; 16, 3 Anm.), ersterer sendet denn Grüße, letzterer aber ist zum Ueberbringer des Briefs bestimmt. Der Zeit nach versetzt uns das in das erste Jahr der Gefangenschaft des Paulus in Rom oder in das J. 61 n. Chr., in welchem der ebengenannte Apostel den namentlich hier in Betracht kommenden Brief an die Epheser schrieb. Es ist nämlich auffällig, wie nahe mit diesem Briefe sich St. Petri erste Epistel berührt. An Ephes 1, 3 ff. erinnert uns gleich, was wir hier in V. 3sf. lesen, und zwar nicht nur durch die Anfangsworte, son- dern durch die gleiche Ausdehnung des Lobpreises Gottes, durch die gleichartige Fortspinnung der Periode, zu welcher derselbe anwächst, durch den innerhalb der- selben sich vollziehenden Uebergang von dem, was Gott an den Christen überhaupt, zu dem, was er an den Lesern als heidnisch en Christen sonderlich gethan hat; es fehlt denn auch im weiteren Verlauf nicht an Einzelnheiten in Gedanken und Ausdruck, durch welche wir an jenen panlitiischeit Brief erinnert werden (vgl. V. 14 ff. mit Ephes 4, 17 ff.; Kap. 2, 4 ff. mit Ephes. 2, 20 ff.; Kap. 2, 18 ff.— mit Ephes. e, 5 ff.; Kap. 1 ff. mit Ephes 5, 22 ff.; Kap. 5, 5 mit Ephes. 5, 2), und am Schluß begegnet uns in beiden Briefen der Aufruf zum Widerstand gegen den Teufel (vgl. Kaki. 5, 8 ff. mit Ephes 6, 10 ff.). Diese Verwandtschaft erklärt sich uns nach Maßgabe 45 706 l. Petri 1, 2. unsrer Combinationem wie wir sie in der oben be- zeichneten Stelle des 1l. Anh. zum S. Bande über die gefchichtlichen Verhältnisse vorgetragen haben, daraus, daß Silas, der Ueberbringer des vorliegenden Briefs, sich veranlaßt fühlte oder vielleicht von Petrus selber veranlaßt worden war, denselben zur Kenntniß des Paulus zu bringen, und dieser nun in dankbarer An- erkennung (Ephes. Z, 5) des durch des HErrn Gnaden- führung nunmehr bewirkten Zusammenschlusses des Apostels der Beschneidung mit dem Apostel der Heiden (Gal. 2, 7 sf.) und der auch äußerlichen Realisirun dessen, daß aus beiden Eins gemacht worden ( phes. 2, 14 sf.), an diejenigen Gemeinden Kleinasiens sich wendete, welche außerhalb des von Petrus mit seiner Epistel bedachten Kreises lagen, ihnen ein eben solches Rundschreiben, wie jener jenen zufertigte, welches die persönlichen Beziehungen ganz zurücktreten läßt und ausschließlich den objectiven Stand der Leser in’s Auge faßt, und da bei seiner Darlegung der Herrlichkeit der Kirche Christi und der Pflichten, welche die vormaligen Heiden mit ihrem Uebertritt zum Christenthum auf sich genommen, sowie der Kämpfe mit dem Fürsten der Finsterniß und der bösen Geisterwelt, denen sie in nächster Zeit entgegen- gingen, absichtlich an seines Mitapostels Gedanken sich anschloß, gleichwie dieser nicht weniger an seine, als an des Jakobus Gedanken sich angeschlossen hatte. Denn das fällt weiter auf, wie nahe Petri Epistelsich einerseits mit dem Römerbriefe (vgl. Kap. L, 13 ff. mit Röm. 13, 1ff.; Kap. 4, 1 mit Röm. 6,7; Kap. 2, 6 u. 8 mit Rönn 9, 33) und andrerseits mit dem Jakobusbriefe (vgl.Kap. I, 6f. mit Jak.1, 2 sf.; Kap. 2, 1ff. mit Jak. l, 21; Kap. 4, 8 mit Jak. 5, 20; Kap. 5, 5 ff. mit Jak. 4, 6 f. 10) berührt; ohne Zweifel hat solche Bezugnahme auf zwei Briefe, die sich ein- ander schnurstracks zu widersprechen schienen (vgl. Röm. Z, 24 sf.; 4, 1ff. mit Jak. L, 20 sf.), ihren Grund in der Absicht des Petrus, die Einigkeit im Geist zwischen Paulus und Jakobus zu constatiren und jene Gemeinden, von denen die zu Galatien man vor 6 Jahren in so schlimmer Weise versucht hatte dem ersteren abwendig zu machen und auf die Seite des angeblich besser als Apostel Christi beglaubigten, ja mit dem Prädikat, daß er des HErrn Bruder sei, gezierten Jakobus (Gal. l, 19; Judä V. 1) herüber- zuziehen (Gal. 2, 12), dahin zu verständigen, daß nicht das apostolische Christenthum selber, sondern nur der Mißverstand und dieSelbstsucht von einzelnen Parteigängern den Anlaß zu den nunmehr über- wundenen Zerklüftungen gegeben habe, so daß er im Grunde ihnen eben das bezeugen will, was dort Pau- lus den Corinthern zuruft: ,,es ist alles euer, es sei Paulus oder Apollo, es sei Kephas oder die Welt« (1. Cor. 3, 21 f.). Der Brief, so bemerkt Geß, ist durch etwa 3 Jahrzehnte von den Reden des Apostels vor Jerusalems Volk und Rath (Apostg. 2,14 sf.; Z, 12 sf.; 4, 8 sf.; 5, 30 sf.) getrennt: die Reden wollen Juden, die Jesum gesehen, aber getödtet haben, über- führen, daß Gott ihn gemacht habe zum HErrn und Christ, der Brief will solchen, die ihn nicht gesehen und doch lieb haben (V. 8), stärken in der um seinet- willen zu duldenden Ansechtung; jenes sind die Erst- lingsversuche der Verkündigung Christi, dieser hat eine reiche Erfahrung des persönlichen und amtlichen Lebens hinter sich. Als Petrus jene sprach, war er kaum über Jsraels Grenzen hinaus-gekommen; als er diesen schrieb, hatte er die Länder der Heiden bis Babylon durchreist. Damals machte ihm die Hoffnung, ganz Jsrael für den HErrn zu gewinnen, das Herz schwellenz jetzt hatte er erlebt, daß Jsraels Masse kalt geblieben war, dagegen unter den Heiden aller Orten Feuer des Glaubens flammten. IV) Von Paulus waren, wie wir aus Apostg. 16, 6; 18, 23 u. II, l ersehen, die Gemeinden in Galatien und Cappadocien unmittelbar selber gestiftet; die in Pontus, -Bithhnien und Asien, worunter wir hier wohl speziell Mhsien zu verstehen haben, hatte dagegen nach den Bemerkungen zu Apostg 16, 3 der von Corinth dahin entsendete Silas in’s Leben gerufen. Letzterer nun ist zu Petrus, zu dem er einst in Je- rusalem in naher Beziehung gestanden (Apostg. l5, 32), nach Babylon gekommen (Kap. 5, 12 f.) und hat demselben mitgetheilt, wie sehr alle diese Gemeinden einer Stärkung bedürften, da sie theils unter den Nachwirkungen des früheren Gegensatzes zwischen Petrinismus und Paulinismus litten und noch immer sich nicht recht getraueten, das ihnen mitgetheilte pau- linische Christenthum für völlig ebenbürtig dem petrinischen und für allseitig zuverlässig und ächt zu halten, dabei man zu verbleiben habe, theils von ge- hässigen Verleumdungen und üblen Nachreden ihrer heidnischenMitbürger schwer bedrückt wurden, wodurch sie sich versucht fühlten, entweder zum Hetdenthum sich zurückzuwenden oder doch wenigstens eine mehr jüdische Lebensweise anzunehmen, statt ferner als eine von den Juden verschiedene Religionsgesellschaft den Augen der Heiden sich darzustellen Es war nämlich nunmehr bereits diejenige Zeit herbeigekommem wo man in der Heidenwelt die Christenheit nicht mehr blos für eine von den mancherlei jüdischen Sekten hielt (Apostg. 18, 14 f.; 24, 5. 14; 25, 19), sondern für eine besondere, neue religiöse Genosenschaft erkannte (Kap. 4, 16); das Heidenthum hatte ihr gegenüber Stellung genommen, und hatten denn schon die Juden bisher nicht selten eine geringschätzige Behandlung sich von ihm niiissen gefallen lassen (Apostg. 19, 34), so war es geradezu Haß und Verachtung, Verdächtigung und Anfeindung, was man den Christen entgegenbrachte, wie das ja in der Natur der Sache lag (vgl. Kap. 4, 4; 5,9). Man afterredete von ihnen als von Uebelthätern (Kap. 2, l2), verdächtigte sie als solche, die in ihren gottes- dienstlichen Versammlungen allerlei schlimme Dinge trieben, und sagte ihnen viel Böses nach, sei es aus Unwissenheit und Thorheih sei es aus bewußter und böswilliger Feindschast gegen den Glauben, dem man selber nicht gehorsam werden wollte (Kap. 2, 15; 4, 17); und theilweis mochten ja allerdings diese und jene unter den Christen mit ihrem Lebenswandel an und für sich oder mit ihrem herausfordernden und selbsträcherischen Verhalten den Heiden gegenüber insonderheit deren Vorurtheil oder Unwillen reizen (Kap. 2, 13 sf.; Z, 9 f.), und da ließ man nun das, was persönliche Verschuldung einzelner Mitglieder war, die ganze Genossenschaft entgelten. Christi Ge- meinde stand so am Vorabend der ersten großen Christenverfolgung die drei Jahre nachher in Rom durch Kaiser Nero in’s Werk gesetzt wurde; dieser wußte wohl, als er die mit der Anzündung der Stadt von ihm erre te Volkswuth von sich auf die Christen ablenkte, daß er in diesen dem Volke einen Gegenstand zur Auslassung der Wuth preisgebe, nach dem es schon seit länger ein nur mühsam zurück- gehaltenes Gelüsten trug. Wir können unter solchen Umständen es uns wohl erklären, daß in den oben genannten Gemeinden, wo noch besondere Verhältnisse mitwirkten, den Christenhaß der Heiden zu allererst zu entfesseln lman erinnere sich, in welcher Weise Plinius der Jüngere, Statthalter von Pontus und Bithyniem etwa 54 Jahre später gegen die Christen in der Mei- nung vorging, er habe es mit einer verworfenen und Der Eingang der Epistel: Aufschrift und Begriißuiig der Leser. 707 den größten Schändlichkeiten huldigenden Menschen- klasse zu thun), die Gemüther von der Zweifelsfrage beunruhigt wurden, ob denn wirklich ihr Heil und ihre Seligkeit davon abhinge, an einem von dem Juden: thum so fcharf sich scheidenden Ehristenthum, wie das von Paulus und seinem Nachfolger ihnen gepredigte wäre, festzuhalten, und ob es nicht gerathen erscheine, sich in ein mehr jüdisches Gewand zu bergen, wo man jedenfalls unangefochtener sein würde (Gal. 5, 11): wären ja doch erst vor 6 Jahren Gläubige aus Jeru- salem in Galatien eigens für den Zweck thätig ge- wesen, die dortigen Gläubigen von der Weise des Paulus und seiner Genossen zu der des Petrus und Jakobus zu bekehren, und hätten gesagt, daß letztere die eigentlichen Säulen der Kirche seien, der erstere aber kaum werth, daß er ein Apostel heiße. Als dieser Stand der Dinge dem Petrus von Silas ge- meldet wurde, begriff er sehr wohl, daß, wenn irgend Einer, so Er den Beruf habe, hier einzugreifen; war doch Paulus durch seine Gefangenschaft, in der er nun fchon seit 2 Jahren in Cäsarea lag, und durch seine darauf folgende Abführung nach Rom zur Verant- wortung vor dem Kaiser verhindert, sich seiner Gemeinden selber anzunehmen, und auch wenn das nicht der Fall gewesen wäre, so mußte gerade von Petrus ein Wort der Ermahnung und Zurechtweisung hier viel nachdrücklicher wirken, als ein Wort von » dem, gegen dessen Predigt das Mißtrauen von Neuem rege geworden war. Der Apostel unterzog denn nicht blos sich solcher Aufgabe mit der Episteh die wir hier vor uns haben, sondern es trat zugleich eine andere Aufgabe seinem Bewußtsein nahe: das ist die, von welcher wir ini Anh.1l. zum S. Bande unter a, 5 gesprochen haben, nämlich den Markus und Barnabas wieder mit Paulus zu versöhnen und als Mithelfer an seinem Werke ihm zuzuführen. Die Früchte von dem, was er in dieser Beziehung that, haben wir in 2. Tim. 4, 11 u. Col. 4, 10 bereits vor uns gesehen und bei Erklärung beider Stellen in Erwägung gezogen; hier dagegen giebt er gleich an- fangs zu erkennen, daß er ganz auf demselben Stand- punkte wie Paulus steht. Nicht das Jsrael nach dem Fleisch, das seinen Messias verworfen, gilt ihm ferner für Gottes Bundesvolk, sondern das Jsrael nach dem Geist (Gal. 4, 29) oder die Gemeinschaft derer, die an Christum gläubig geworden sind, auch wenn darunter die Mehrzahl ursprünglich zu den Heiden gehört (Kap. 2, 10; 4, Z) und nicht erst das mofaische Gesetz auf sich genommen hat (Apostg. 15, 10 f.). Wie er auf diese in Kap. 2, 9 den Ehrentitel Jsraels, der in Z. Moss 19, 6 dem alttestamentlichen Bundesvolk ge- geben wird, überträgt, so wendet er an unsrer Stelle eine andere übliche Bezeichnung auf die Empfänger seines Briefes an. " » der babylonischen Gefangenschaft außerhalb des heil. Landes unter den Heiden hin und her wohnenden Glieder des alttestamentlichen Bundesvolks die Diaspora oder Zerstreuung (1. Mart. I, 11Anm.); dieser Ausdruck deutete an, daß der Jsraelit Heimath und Biirgerthum eigentlich nur auf dem heil. Boden seines Vaterlandes hat, entfernt von demselben aber sich nur als Fremdling und Pilgrim zu betrachten vermag. Jetzt nun hat Judäa und Jerusalem seine Bedeutung für das Reich Gottes verloren; es ist die Zeit nahe herbeigekommen, wo Stadt und Land dem Gericht und dem Fluche Gottes anheimfällh an die Stelle des irdischen Jerusalems aber ist bereits das- jenige getreten, auf« das Paulus fchon in Gal. 4, 26 f. hingewiesen hat, und so sind denn diejenigen, deren Mutter dieses Jerusalem ist, nunmehr die rechte Wie bekannt, hießen ja die seit— Diafpora. Wo immer auf Erden sie wohnen mögen, überall sind sie nur Fremdlinge, eine eigentliche Heimath haben sie nirgends; denn noch wird ihr Erbe im Himmel behalten, erst zur letzten Zeit wird es ihnen zu Theil werden (V. 4f.; Col. 1, 5). Dazu, dies Erbe zu überkommen, sind sie erwählt, wie einst Abrahams Same für den Besitz des Landes Canaan erwählt war; und zwar sind sie erwählt nach jener Verfehung Gottes des Vaters, vermöge deren er, ehe er eine bestimmte Zahl zum ewigen Leben ver- ordnet (Apostg. 13, 48), weiß, welche er dazu ver- ordnen will (1. Thess l, 4). Jndem nun der gött- liche Rathschluß ihrer Erwählung sich an ihnen voll- zog, wurden sie, um als Ausgesonderte in der sün- digen Menschheit in dieser Welt dazusteheiy durch den geil. Geist geheiligt (2. Thess 2, l3); und diese eiligung wiederum brachte sie zunächst zum Gehor- s am des Blutes Jesu Christi, daß sie willig wurden, den Glauben an Jesum Christum, den Gekreuzigtem der sein Blut für sie vergossen (Kap. 2, 24), anzu- nehmen und in die Nachfolge seiner Fußtapfen als seine Jünger sich zu begeben (Kap. 2, 21), gleichwie einst Jsrael bei seiner Berufung zu Gottes Bundes- volk am Sinai, als Mose alle Worte und Rechte des HErrn ihm erzählen, mit Einer Stimme antwortete (2. Mos. 24, 3): ,,alle Worte, die der HErr gesagt hat, wollen wir thun«. Gleichwie nun dort das Volk nach solcher Erklärung mit dem Blut des Bundes- opfers besprenget und damit in den Bund Gottes aufgenommen wurde (2. Was. 24, 8; Hebr. B, 19 f.), so sind auch hier die nach Gottes Verfehung Er- wählten, durch dieHeiligung des Geistes aus der Welt Aiisgesonderten und zum Gehorsam des Blutes Christi Gebrachten mit diesem Blut Christi Jesu besprenget und so in das dadurch gestiftete neue Bundesverhält- niß mit Gott ohne Unterschied, ob sie vordem Heiden oder Juden gewesen, aufgenommen worden (Hebr. 12, 24; Jes. 52, 15). Geschehen ist dieser Bollzug der Erwählung an den Lesern bei ihrer Taufe (Tit. Z, 5), von welcher in Kap. Z, 21 die Rede ist. IN) Da hält St. Peter des Apostels Pauli Weise mit den Grüßeth wiewohl nicht ganz und gar. Jhr seid nun, will er sagen, Christo gehorsam und glaubet an ihn; um deswillen seid ihr gerecht und heilig und bei Gott, dem himmlischen Vater, in Gnaden, und weil ihr solches wisset und glaubet, habt ihr ein fröh- lich, friedsam Gewissen. Der Teufel aber sammt der Welt werden euch um solches Erkenntnisses und Glaubens willen alles Leid anthun, dieser mitSchrecken, jene mit Verfolgen; darum wünsche ich von Herzen, daß euch Gott, der barmherzige Vater, viel Gnade und Friede gebe, daß ihr solches euch nicht lasset an- fechten, sondern wider solchen greulichen Anblick und Aergerniß euch immerdar deß tröstet, daß euch Gott im Himmel gnädig sei um Christi willen, in welchem ihr ein ruhig Gewissen und beständigen Frieden habt. Will Der euch wohl, so laßt den Teufel und die Welt immerhin schrecken, zürnen, verfolgen. Gnade ist Gottes Huld, die fähet jetzt in uns an, muß aber für und für wirken und sich mehren bis in den Tod. Wer nun das erkennt und glaubt, daß er einen gnädigen Gott hat, der hat ihn: so gewinnt sein Herz auch Friede und fürchtet sich weder vor der Welt noch vor dem Teufel; denn er weiß, daß Gott, der aller Dinge gewaltig ist, sein Freund ist und will ihm aus Tod, Hölle und allem Unglück helfen, darum hat sein Gewissen Friede und Freude. (Luther.) B« Für den Inhalt des nun folgenden Haupt— theils des srkefs ist maßgebend das Wort des Apostels 457 708 I. Petri i, 3—9. in Rast. b, 12., woinit er selber die Zlbsicht seines Schreibens dahin bestimmt: »Hu ermahnen und zu bezeugen, daß das die rechte Gnade Gottes ist, darin ihr stehet«; die Gpistel ist also itirht sowohl eine Wehr» als vielmehr eine Gruiahnungs- und Trostsctzrisn und wenn nun gleich an einigen Stellen sehr wiehtige dogniatische Ge- danben eingeflochten sind, so treten diese doch nicht in eigentlich lehrhafter Weise auf, sondern dienen nur den Grmahuungs und Groslworteu zur Unterlage oder zur Bekräftigung. I- v. 3——l2: der grundlegende Eingang. In inner- liiher Verlinüvsung mit dein, in der obigen Jiufscheift bereits dargelegten Heilsstande der Leser beginnt der Apostel mit einer Eoboreisiing fiir das den Christen in Itesu Ghristo ividerfahrene heil, das er, anders als Paulus in Gphes 1, 3 is, nicht rürliwärts von Seiten des ewigen hiathschlusses Gottes, dessen herwirbtichung es ist, sondern vorwärts von Seiten des schließlichen hindert, in das es ausläufk in’s Ztuge faßt; denn darauf hin will er Gedanken nnd Sinne der Leser, die in ihren zeitlichen Tsriibsalen zu trösten und zu rechter Bereitung auf die ihnen in Aussicht stehende Herrlichkeit zu er- mahnen er sich vorgenommen, hinrichten. Aber gleich— wie Paulus wendet sieh auch Petrus an seine Leser gleich von vornherein als an solihe, die von heidi nischer therliunft sind; hatte denn jener es damit zu thun, daß auch sie, an welche er schreibt, das Wort der Wahrheit eben sowohl haben hören dürfen, wie die aus der Beschneidung, und eben sowohl mit dem Geiste der Verheißung versiegelt sind auf den Gag der Zukunft, so inaeht dieser die Christen, die er vor hu) hat, darauf aufmerksam, daß eben sowohl die ihnen widerfahrene Gnade, als die dem halbe der ttterheihung zu Theil gewordene, ein Gegenstand prophetischer weissagung, außerdem aber hinsichtlim der Zeit und der llinstiinde, da sie eintreten würde, ein Gegenstand besonderer Forschung gewesen und zugleich ein Mittel zur Befriedigung ihres Grlienntnißtriebes für die heiligen Engel. (Epistel am Tage Simonits und Iudak V. 3—-9.) (Vgl. die Vordem. zu Joh. 14, 1ff.) 3. Gelobet sei Gott und der Vater unsers HErrn Jesu Christi sEphes. 1, Z; 2. Cor. 1, 3], der uns nach seiner großen Barmherzigkeit sEphes 2, 4; Tit· s, b] wiedergeboreil hat zu einer lebendigen Hoffnung durch die Auferstehung Jesu Christi von den Todten [Kap. I, 21; 1. Cor· is, 12 ff.], 4. Zu einem sden Gegenstand dieser Hoff- nung bildenden] uuvergänglichen [1. Cor. 9, 251 und unbefleclteu [oder unbefleckbarett Hebt: 7, 26; Jak. 1, 271 und unverwelklichen [Kap. s, 41 Erbe [Rönc. 8, 17; Hebt. 9, 1b; Ephes b, b], das behalten wird tm Himmel sCot 1, 51 5. Euch, die ihr lauter den Kämpfen und Verfuchungen der Gegenwart V. S] aus Gottes Macht [Ephes.1-19; Z, 7. 201 durch den Glauben sder da ist eine gewisse Zuversicht deß, das man hoffet &c. Hebt. 11, 1] bclvahlrt Wctdct sPh1l. 4, 7; Judä i] zur Seligkeit [Kap. 5, 10; Joh.10, 28;17,11; 1. Thess b, 23 s.; 2.Tim. 4, 18], wclchc lals fchon vollkommen fertig und beschafft Matth. 22, 4] zubereitet ist, daß sie offenbar werde zu der lehten Zeit« [Kap. 4, 7; b, l; Rönh 8,18]; 6. Ju welcher sletzten Zeit, wenn sie nun wird erschienen sein Col. s, 4; 1. Joh. 3, L] ihr euch freuen werdet smit Jauchzen Offenb. 19, 7], die ihr jetzt eine kleine Zeit sund in ver- hältnißmäßig geringem Maße Kap. b, 10; Z. Cor. 4, 17], wo es [nach Gottes Rath Kap. Z, 17] sein foll, traurig seid in mancherlei Anfechtungen [Hebr. 12, 11; Joh. 16, 20 ff.; Jak. 1, 2., und zwar deshalb in solchen Anfechtungen seid, um dadurch auf die Probe gestellt zu werden], 7. Auf daß [nach göttlicher Absicht 1. Mos. 22, 1 Arm. 2] euer Glaube rechischasfeu [Jak. 1, B] und viel köstlicher erfunden werde, denn das vcrgånglichc Gold, das strotz folcher Vergäng- tichkeit] durch-s Feuer bewähret wird sfür werth genug gehalten wird, um es dein verzehrenden Feuer zu übergeben und dadurch von den ihm anhangenden Schlaeken zu läutern Osfenb. Z, 18], zu Lob, Preis und Ehre [die euch dann wider- fahren werdens wenn nun osfenbaret wird Jesus Christus H« sals Richter der Welt Z. Theff 1, bff.;1. Cor. 4, b; Röm. 2, 7 u.10]; 8. Welchen fChristum Jefum] ihr [die ihr aus den Heidenländern V. 1 zu ihm bekehrt seid, im Unterschied von uns, den aus den Kindern Jsrael an ihn gläubig Gewordenen 2. Petri I, 16 f.; Apostg.10,36 ff; 2. Cor. b, 16; 1. Joh. 1, 1] nicht smit den Augen des Leibes] gesehen und doch lieb habt [Joh. 20, 291, und nun sin dieser gegenwärtigen Heilszeih wo wir alle mit- einander nur erst im Glauben wandeln, noch nicht im Schauen 2. Eor. 5, 7] an ihn glaubet, wie- wohl ihr ihn nicht fehet, stvird er aber dereinst offenbaret, daß wir dann ihn schauen Offenb. 1- 7] so werdet ihr euch freuen mit unaussprech- licher sin der, für— die gegenwärtige Welt be- stimmten Menschenfprache unausdrückbarer L. Eor. 9, 15] und herrlicher ldas Hochgefühl von lauter Herrlichkeit, zu der ihr nunmehr bei ihm gelangt T. Z, 2., in sich tragender] Freude [Kap. l l 9. Und das Ende eures Glaubens [das, worauf derselbe als seinen Zielpunkt hingerichtet war] davon bringen, nämlich der Seelen Selig- teilt« [im Befitz der unverwelklichen Krone der Ehren Kap. b, 4; Röm. 6, 22]. V) Mit der Formel: »der Gott und Vater unsers HErrn Jefu Christi«, wie es dem Grundtext entsprechender heißen muß, ist der persönliche Gegenstand des Lob- preifes doppelt benannt, so aber, daß die beiden Bezeichnungen unter Einem Artikel stehen. Es ist der Gott gemeint, der für uns nur so Gott ist, daß er zugleich Vater Jefu Christi ist; und so wird er be- zeichnet, weil die im Folgenden erwähnten Gnaden- güter von ihm eben nur als dem Vater Iesu Christi ausgegangen sind. (Schott.) Jst in Ephes 1,3 Gott darum gesegnet oder gelobt, daß er uns mit dem Des Haupttheils der Epistel erste Abtheilnng: der grundlegende Eingang. 709 gesegnet hat, was wir durch ihn besitzen, so hier darum, daß er uns in ein Leben neu gezeugt hat, das ein Leben der Hoffnung ist. Das Wort: ,,wieder- geboren« bezeichnet das, was Gott an uns gethan hat, als eine Wiederholung des Actes, der uns in’s Leben gesetzt hat: inmitten dieses Lebens hat er uns eines neuen Lebens Anfang nehmen machen, welches nun innerhalb des von Geburt her überkommenen natürlichen Lebensstandes unser rechtes und eigent- liches Leben ist; und zwar ist dieses neue Leben, dessen Anfang uns Gott mittels der von ihm bewirkten Wiedergeburt hat nehmen machen, ein Leben der Hoff- nung. Wenn der Apostel sie eine ,,lebendige« nennt, so steht das im Gegensatz« zu einer Hoffnung, die eitel ist; sie hat Leben, kraft dessen sie sich verwirklichen wird, und also die Gewißheit ihrer Verwirklichung in sich selbst, während anderer Hoffnung, die der Mensch sich selber macht, höchstens die Möglichkeit ihrer Verwirklichung beiwohnt Woher aber der Hoff- nung, in deren Besitz wir mit unsrer Wiedergeburt eingetreten sind, solche Lebendigkeit eignet, sagt der Beisatz: ,,durch die Auferstehung Jesu Christi von den Todten«; das Leben des Auferstandenen, welches wir in Folge unsrer Wiedergeburt in uns tragen, niacht die uns einwohnende, von Gott bewirkte Hoffnung zu dem wesenhaften Gute, als welches sie sich von aller, die Kraft und Gewißheit ihrer Verwirklichung nicht in sich tragenden, nur möglicher Weise zur Erfüllung gelangenden Hoffnung unterscheidet. Da nun ,,Hosf- nung« nichtdas Verhalten unsers Hoffens ist, sondern das Gut, welches wir daran haben, daß uns der zu- künftige Besitz in Gestalt seiner Gewißheit schon gegen- wärtig eignet, so kann sich dem ,,zu einer lebendigen Hoffnung« noch das Weitere, ebenfalls von dem Zeit- wort: ,,wiedergeboren hat« abhängig, zur Seite stellen: ,,zu einem unvergänglichen und unbefleckten und un- Verwelklichen Erbe« Für ein Besitzthum, das wir als unser Theil zu eigen bekommen sollen, hat Gott uns wiedergeborenx wir haben es als Wiedergeborene bereits in Gestalt der Hoffnung, und bekommen es zu eigen, wenn sich die Hoffnung in ihre Verwirklichung umsetzt (,,solange wir hienieden wallen, haben wir eine lebendige Hoffnung; ist unsre Pilgrimschaft zu Ende, so wird solche Hoffnung zum verheißenen Erbe«: Steinmeyer). Wer in das irdische Leben eintritt, der tritt damit in Hoffnungen ein, von denen sich fragt, ob sie sich verwirklichen werden; wer durch Wiedergeburt in das neue Leben eintritt, der lebt einer Hoffnung, welche die Kraft und Gewißheit ihrer Verwirklichung in sich selbst trägt. Und wiederum, wer in das irdische Leben eintritt, der tritt hiermit in einen Anspruch auf das ein, was dessen ist, der ihn gezeugt hat, aber es ist ein zweifelhafter und ver- giinglicher Besitz; wer dagegen durch Wiedergeburt in das neue Leben eintritt, dem ist damit Anwartschaft gegeben auf das, was Gottes ist, der ihn in dasselbe gezeugt hat (Rö1n. 8, 17), und dies ist ein Besitz, wel- cher nicht vergänglich ist, wie die Dinge der Schöpfungswelh keiner Befleckung unterworfen, daß er durch Sünde um seine lichte Reinheit, und keinem Verm elken, daß er durch Uebel um seine lebensvolle Frische käme (,,das unvergänglich bezeichnet, daß das himmlifche Vesitzthum von dem Keime der Zer- ftörbarkeit und Vergänglichkeit frei sei, den alles Jr- dische in sich trägt; das unbefleckt verneint die Be- fleckbarkeit durch die von außen herankommende Sünde, nnd das unverwelklich sogar den vorüber- gehenden Wechsel, der die Schönheit der irdischen Natur wenigstens zeitweise vergehen läßt«: Weiß) Und er geht ihm auch nicht verloren, ehe er ihn an- s treten kann, wie demSohne eines irdischen Vaters derBesitz [ zuvorverlorengehenkann,aufden erhofft: ,,eristitnHim- mel fürihn aufb ehalten nnd bewahrt«; das Leben der Verklärtheit, welches den Besitz ausmacht, steht von da an, daß Christus zu Gott hingegangen ist, dort, wo Er ist, für die Seinen bereit, daß es ihnen bei seiner Wiederosfenbarung zu Theil werde. Mit ,,euch« geht der Apostel in die Anrede an die Leser über, weil er das, um was er Gott preist, ihnen sonderlich zueignen will, damit sie es sich zum Troste gesagt sein lassen. Jhnen also sagt er, das; solch Erbgut für sie behalten sei; und von ihnen sagt er nun weiter, daß sie kraft göttlicher Macht für ein zur Offenbarung bereites Heil der Errettung mittels Glaubens verwahrt gehalten werden — eine Verwahrung, welche die andere Seite zur Aufbehaltung des Erbguts ist. (v. HosmannJ Wenn die Aufbewahrung oder Behaltung des Erbes für den Christen im Himmel nicht fruchtlos sein soll, so muß ihr bei der Schwachheit des Glaubens- standes eine Verwahrung des Christen auf Erden für das Erbe zur Seite gehen, besonders bei solchen, welche, wie die Leser, im Stande der Anfechtung Gefahr laufen, der Versuchung zum Abfall vom Glaubens- und Heilsftande zu unterliegen; das Mittel nun zu solcher Verwahrung des Christen für das Erbe ist Glaube, Glaube, welcher seiner innersten Art nach nicht zu sehen braucht, der also auch von der Trüb- salsgestalt der Gegenwart nicht entmuthigt oder abge- schreckt wird, festzuhalten an dem gegenwärtigen Heils- bestand als dem sicheren Angeld und Unterpfand der einstigen vollen Heilsverwirklichung. Freilich aber würde der Glaube ein sicheres Verwahrungsmittel nicht sein, wenn diese Verwahrung nicht geschähe aus Gottes Macht: so sicher den Christen verwahren für das schließliche Heil kann der Glaube darum, weil er nicht ein selbfterzeugtes Verhalten des Menschen ist, sondern, wie in seinem ersten Entstehen, so auch in seinem bleibenden Vorhandensein, Wirkung der Guadenmacht Gottes. Als Ziel der Verwahrung be- zeichnet der Apostel die Seligkeit; das Wort des Grundtextes bedeutet eigentlich Errettung und Petrus wählt dieses Wort, weil er dem Leidensstand der Leser gegenüber die Erlangung jenes Zieles absichtlich be- zeichnen wollte als vollkommene Erledigung des Heilsbesitzes von allem, was in Folge der gegen- wärtigeti Zugehörigkeit zu dieser Welt und Welt- ordnung demselben an Sünde anhaftet und an Uebel über ihn kommen kann, sachlich aber ist mit »Er- rettung« nichts Anderes gemeint, als eben jenes Erbe, von welchem vorhin die Rede war, und also Luther’s Uebersetzung: ,,Seligkeit« ganz zutrefsend. Sie steht jetzt schon bereit in der Person des Verklärten Christus; sie braucht nicht erst zu werden, ja nicht einmal erst ganz ausgestaltet zu werden, sondern ist schon vorhanden, und zwar so vorhanden, wie sie einst offenbar werden soll — nur dides letzteren Ereig- nisses bedarf es noch. (Schott.) H) Das heißt recht getröstet, wie die Apostel zu trösten pflegen, sagen nicht von zeitlicheni Frieden, Ruhe, Gunst der Welt, sondern das Widerspiel, näm- lich daß sich die Christen des frei erwägen sollen, daß sie es nicht besser werden haben denn alle Heiligen, die je gewesen, und der HErr und das Haupt aller Heiligen selbst gehabt hat: Trübsal, Unfried, Traurig- keit, Angst, Noth 2e. Jch gebe nicht leiblichen Trost, spricht er, es schadet n1cht,·daß »1hr äußerlich müßt Unglück haben: gehet nur frisch hinan und haltet fest; denket nicht, wie ihr des Unglücks los werdet, sondern denket also: ,,mein Erbe ist schon bereitet und vor- handen, es ist um eine kurze Zeit zu thun, das Leiden 710 1. Petri 1, 10——12. muß bald aufhören. Also soll man den zeitlichen Trost aufheben und den ewigen dagegen sehen, den wir in Gott haben. Auch ist zu merken, daß der Apostel nicht vergebens hinzusetzn ,,wo es fein foll«; denn es sind viel Leute, die den Himmel wollen stiirnien und ja bald hineinkommen, darum legen sie ihnen selbst ein Kreuz auf aus eigenem Gutdünken Das will Gott nicht haben, daß du dir selbst ein Leiden aus eigener Andacht erwähleftx sondern wir sollen warten, was uns Gott auflegt und zuschickt, daß wir gehen und folgen, wie Er uns führt. Soll es sein, .i. wenn’s Gott so schickt, daß du mußt herholten um deines Glaubens Bekenntniß willen, so nimm’s an und tröste dich deß, das St. Peter hie sagt, daß nämlich die Traurigkeit soll eine kleine Zeit währen, die Seligkeit aber, darin du dich freuen sollst, ewig. (Luther.) Die Leiden, welche die von der Welt verfolgte und von der Schwachheit des Fleisches ge- drückte Kirche zu erdulden hat, nennt der Apostel Anfechtungen, weil der Teufel dadurch die Christen zum Abfall bringen und das himmlische Erbe ihnen entwenden will; und zwar sind es mancherlei An- sechtungen, nicht einerlei, sondern vielfältiger Art, die den Himmelserben in der Welt bereitet werden, wie denn Paulus in 2. Cor.11 ein langes Register seiner Anfechtungen zu entwerfen hat, und die schwerste ist erst die in 2. Eor. 12, 7 beschriebene. Warum es so fein soll, wozu nach Gottes Willen das Leiden, welches er schickt, uns gereichen soll, sagen die Worte des 7. Verfes. Es ist des Glaubens Eigenschafh das ewige, wahre Gut, das himmlische Erbe zu ergreifen und festzuhalten gegen allen Widerstreit unsers natür- lichen, am Sichtbaren und Zeitlichen klebenden Men- fchen:dieseGlaubenseigenfchastbedarsderBewährang; in den mancherlei Anfechtun en nun, welche ver- dunkeln, was im Himmel, un blendend hell machen, was in der Welt ist, soll der Glaube als recht- sch affen, als rechter, ächter Glaube erfunden werden. Abfallen soll in der Anfechtung vonden Gläubi en, was noch von der Welt an ihnen ist, bleiben un fchöner hervorgehen, was sie haben an himmlischem Besitz- thumx schon im alten Testament (Hiob 23, 10; Spr. 17, Z; Pf. 66, 10; Jer. 9, 7; Sach.13,9; Mal. Z, 2) wird diese Glaubensprobe öfters mit dem Schmelzen und Prüfen des Goldes im Feuer verglichen. Die Schlacken fallen in der Schmelze vom Golde ab, und es erglänzt dann in reinem, ächten Glanze; achtet man aber das vergängliche Gold der mühsamen Bewährung durch’s euer werth, um an seiner Köst- lichkeit sich zu ergötzen, wie viel köstlicher wird der im Feuer der Anfechtung bewährte Glaube erfunden werden, dessen Jnhalt das unvergängliche Erbe, dessen Grund das ewig bleibende, selber erprobte und durch- läuterte (Ps. 12, 7; 19, 11) Wort Gottes ist! Schon hier auf Erden nun fängt das köstlich Erfundenwerden des in der Anfechtung erprobten Glaubens an; doch erst zu der letzten Zeit, erst wenn unser Glaube im Feuer auch der letzten Anfechtung probehaltig sich er- wiesen, wird seine Köstlichkeit völlig an’s Licht kommen. Während jetzt noch in den Augen der Welt der Glaube etwas Verachtetes und Unwerthes ist, die Herrlichkeit, die ihm eignet, eine gar verborgene, und das Leiden, worin er geübt wird, eine Schande (1. Tor. 4, 9. 13), wird zur Zeit der Offenbarung Jesu Christi den bewährten Gläubigen öffentlich Lob, Preis und Ehre widerfahren: Lob aus dem Munde des gerechten Richters, Preis vor dem Angesichte Gottes des himmlischen Vaters, Ehre oder Herrlichkeit in Gemein- fchaft mit Jefu Christo, dem nun offenbarten HErrn der Herrlichkeit. (Besfer.) »Es) »Ihr habt Ihn nicht gefehen«, schreibt Einer, der ihn gesehen hat und dessen Liebe zu ihm (Joh. 21, 15 ff. aus jener Zeit stammt, daher es ihm ein Großes Ist, daß sie ihn lieb haben, ohne ihn gesehen zu haben; nun ist aber auch für ihn ebenfowohl als für die Leser die Gegenwart eine Zeit nicht des Schauens Jesu Christi, sondern vielmehr des Glaubens an ihn. Dieser Gegenwart steht jedoch eine Zukunft gegenüber, wo das Glauben im Schauen endigt: da geschieht die Heilsvollendung und wer nun diese davonbringt, der sreuet sich mit einer Freude, welche zu groß ist, um in die für Gegenwärtiges geschaffene Menfchensprache gefaßt zu werden, und eine herrliche insofern, als sie aus einer der Trübuug durch An- fechtungen unterworfenen jetzt eine schlechthin selige eworden. Sie, die das Ende ihres Glaubens, den iegespreis nach wohl bestandenem Kampfe davon- bringen, sehen dann ihre Seelen gerettet und kommen in ewiges Leben zu stehen; das ist es, was der Apostel mit ,,Seelen-Seligkeit« meint; (v. Hofmann.) Die Weltfreude bleibt immer hinter den Ausdrücken zurück, in welchen davon geredet und gesungen wird; das Gegentheil ist es mit der Christenfreude (Fron- müller.) 10. Nach welcher Seligkeit [in welche nach dem eben Gesagten euer Glaube zuletzt ausläuft] haben gesuchet und geforschet swann und wie es dazu kommen werde] die Propheten, die von der zukünftigen Gnade auf euch svon der auf euch, die Heiden, kommenden Gnade Kap. 5, I2] geweissagt haben [vgl.Kap. 2- 10; Rom. 9, 24 f.; Hof. 2, 23], 11. Und haben gesorscheh aus welche und welcherlei Zeit swas die Erfüllung dieser von ihnen geweiffagten Gnade, die der Heidenwelt zu Theil werden folle, betrifft] deuietc [hinwiefe Hebr. o, Z] der Geist Christi, der in ihnen war [Offenb. 22, 6 Anna] und [nun durch sie] zuvor bezeuget hat [Apostg- 3- 185 Luk- 24, 25 ff] die Leiden, die in Christo sind [die von Christo in fortfchreitendem Stufengange Hebt Z, 10 zu er- dulden wären], und die Herrlichieit darnach* [in die er mit seiner Auferstehung, Himmelfahrt und feinem Sitzen zur Rechten Gottes eintreten würde] 12. Welchen es sEhrifti Leiden und feine Herrlichkeit darnach sammt dem darin beschlossenen Heil auch für die Heiden] offenbaret ist sum es auch fchriftlich auf die Nachwelt zu bringen]; denn sie habens nicht ihnen selbst sfür welche ja ein Aufschreiben nicht nöthig gewesen wäre], son- dern Uns fauf welche das Ende der Welt kommen ist 1. Eor. 10, 11., in Schriften Röm. 16, 26] dargeihan sdamit, wenn es nun zur Erfüllung käme, wir sehen könnten, wie alles längst schon zuvor bezeugt sei, eben dasfelbige nämlich zuvor bezeugt sei], welches euch nun verkiindiget ist durch die, so euch das Evangelium verkimdiget haben dnrch den heiligen Geist, [der am Tage der Pfingsten] vom Himmel gesandt [und da aus feiner über- weltlichen Höhe nun hereingegeben ist in die .Menfchenherzen — »was für den Sohn die Lobpreisuiig Gottes für das den Christen in Christo widerfahrene Heil und dessen schließliches Ende. 711 Empfängniß, das ist für den Geist die Aus- gießung]«, welches svon ihnen Verkündigte und von den Propheten vormals GeWeissagteJ auch dieEngel gelustet zu schauen-»· seinen Einbtiik darein zu thun, um sich an der darin verborgen liegenden viel-mannigfaltigen Weisheit Gottes, die selbst den bösen Geistern daraus entgegentritt Ephes Z, 8 ff·, zu ergötzen Luk. 2, 14]. V) Um zu einem richtigen Verständniß dieser zieni- lich schwierigen Stelle zu gelangen, haben wir darauf zu achten, daß gemäß der relativischen Anknüpfung des l0. Verses an das Vorhergehendez ,,nach welcher Seligkeit« die hier gemeinte Seligkeit ganz dieselbe sein muß, wie die in V. 9 erwähnte, und wenn nun gleich das ganz richtig ist, was von den Auslegern bemerkt wird, daß die zunächst gemeinte schließliche Heilsvollendung hier zusammengedacht werden müsse mit dem gegenwärtigen Heilsbesitz, so ist doch darauf z1i achten, daß der Apostel im Zusammenhange mit allem, was er von V. 5 an gesagt hat, nicht von allen Christen ohne Unterschied, ob vormalige Juden oder vormalige Heiden, redet, sondern nur von solchen, die, wie seine Leser ihrer bei Weitem überwiegenden Mehrzahl nach, aus dem Heidenthum herüber zum Heil in Christo Jesu gelangt sind. Hatte schon das ,,ench« in V. 5 die nämliche Bezugnahme auf dieses Herübergekommensein der Leser aus dem Heidenthum, wie das »ihr« in Ephes 1, 13; Z, 11 ff. im Unter- schied von dem vormaligen Religionsstande des Apostels und seiner Brüder aus der Beschneidung, so nun vollends hier, wo er unter den Propheten, die von der zukünftigen Gnade geweissagt haben, nicht die Propheten schlechthin und nicht das Heil in Christo Jesu überhaupt meint, sondern lediglich die Pro- pheten, insoweit sie von der auch den Heiden zu Theil werdenden Gnade (Jes. 42, l. 6 f.; 49, S; 52, 15; Sach. 9, 10; Röm. 15, 9ff.) weissagteih wie das hinzugefügte »auf euch« deutlich erkennen läßt. Hiernach haben wir bei unsrer Stelle nicht zur Er- klärung heranzuziehen das Wort Christi in Luk. 10, 24: ,,viele Propheten und Könige wollten sehen, das ihr sehet, und haben es nicht gesehen, und hören, das ihr höret, und haben es nicht gehöret«; auch nicht, wie in den Bibelausgaben gewöhnlich geschiehet, auf Dan. 9, 1ss. zu verweisen als auf ein Beispiel, wie die Propheten geforscht hätten, auf welche und welcherlei Zeit deutete der Geist Christi, der in ihnen war, denn in beiden Fällen handelt es sich um die dem Volke-Israel zukünftige Gnade. Vielmehr, gleichwie Paulus in Ephes. 3, 4»sf. von einem Ge- heimniß Christi redet, welches nicht kund gethan ist in den vorigen Zeiten den Menschenkindern, als es nun offenbaret ist seinen heiligen Aposteln und Pro- pheten durch den Geist, so bezeugt auch Petrus hier, daß die alttestamentlichen Propheten, wenn sie von der Heiden Miterbschaft und Mitgenossenschaft an der Verheißung zu weissagen hatten, vor einem ihnen allerdings noch verschlossenen Geheimniß standen, in das aber einzudringen der Geist Christi, der in ihnen war, sie trieb. Er spricht da im Grunde aus seinem eigenen Bewußtsein heraus in Rückerinnerung daran, daß er einst in Cäsarea durch eine besondere Offen- barung dazu gebracht werden mußte, zu einer un- mittelbar aus der Heidenwelt berufenen Gemeinde den ersten Grundstein in der Bekehrung des Cornelius und seiner Angehörigen zu legen (Apostg. 10, 9 ff.): sein Hungrigwerden unter dem Beten und sein Sich- bekümmern über die Bedeutung des empfangenen Gesichts erscheint ihm jetzt als ein Nachspiel jenes Suchens und Forschens der Propheten, und haben wir zu Apostg. 10, 16 uns aussührlicher darüber ausge- sprochen, inwiefern es ihm ein schwieriges Problem sein mußte, daß auch die Heiden zu Christo gebracht würden, um zum Erbe des ewigen Lebens zu gelangen. So war gleicherweise nicht die den Heiden ebenfalls bestimmte Gnade (Apostg. 11, 18; Röni. 15, 9 fs.) an sich selbe r der Gegenstand des Suchens und Forschens für die Propheten, wenn sie Gottes Offenbarung darüber empfingen und davon weissagten, denn darüber konnte gar kein Zweifel und also auch keineVeranlassung zum Suchen und Forschen für sie sein; sondern nur die Frage hattesie zu beschäftigen, wie sie diese Gnade in den Zusammenhang mit den sonstigen Ofsenbarungen über das ihrem Volke in Christo beschiedene Heil, die sie zu verkündigen hatten, einfügen nnd also dieselbe sich zurechtlegen sollten. Sie forschten da, welche, wenn auch nicht in Jahreszahlen auszudrückende, so doch sonstwie chronologisch bestimmte, und welcherlei oder wie geartete Zeit es sein werde, auf welche der Geist Christi in ihnen deute; denn das steht dem Apostel fest, daß derselbe Christus, der hernach in der Person Jesu erschienen ist, vor seinem Erscheinen schon in der Person des Sohnes Gottes von Ewigkeit beim Vater gewesen und nun als der zum Christ oder Heilsbringer zuvor Versehene sein Erscheinen allbereits vorbereitet und durch seinen in den Propheten wal- tenden Geist die Weissagung dessen gewirkt habe, was dem seinen Beruf in der Erfüllung der Zeit ausrich- tenden Christus sowohl an fortgehenden Leiden als an nachfolgenden Verherrlichungen bevorstünde (vgl. 1. Cor. 10, 4 u. 9). Da gab es nun in dem, was sie in Beziehung hieraus zu verkündigen hatten und wirklich in Worten, die ihnen der Geist eingab aus- zusprechen, verkündigten, so Manches, was der Ueber- legung und dem Bedenken Stoff genug an die Hand gab; so z. V. hat ja Jesaias, an welchen vor allen andern Petrus wohl hier bei den Propheten gedacht hat, bestimmt genug geweissa t, daß der Knecht Gottes nicht nur leiden, sondern dass; er speziell von seinem eigenen Volke leiden und verworfen werden würde, und doch solle gerade dies Volk der Heilsvermittler für die Heidenwelt sein. Wie reime sich beides zu- sammen? und wenn nun ohne Zweifel das eine so- wohl wie das andere sich erfüllen werde, in welchem Maße werde das eine und in welchem das andere geschehen, und welcher Zeitraum, wie kurz oder wie lang, liege dazwischen, bis das eine mit dem andern zusammenkommt? Jm Interesse ihres eigenen Volkes mußten solche Fragen von brennender Natur für sie sein; aber auch im Interesse der Heidenwelt, die ja ebenfalls zum Reiche des Königs Jsraels gehören solle, mußten sie in lebhastester Theilnahme mit sol- chen Fragen sich beschäftigen. ,,Christus in euch (den ehemaligen Heiden), der da ist die Hoffnung der Herrlichkeit«, das ist das nunmehr erschlossene Ge- heimniß, vor welchem Paulus in Col. 1, 27 anbetend und verwunderungsvoll steht, und in Ofsenb. l, 12 ff. wird diese nunmehr Vollbrachte Thatsache dem Seher in einem versinnlichenden Gesichte gezeigt; damit hat es denn auch Petrus an unsrer Stelle zu thun und möchte seinen Lesern, denen er bezeugen will, daß das die rechte Gnade Gottes sei, darinnen sie stehen, zum Bewußtsein bringen, welcher Reichthnm göttlicher Herrlichkeit sich darin offenbare, indem er ihnen sagt, daß schon alttestamentliche Propheten diese Zeit, die nun erschienen sei, zu erforschen begehrten. «) Bei den Worten: ,,welchen ossenbaret ist« fragt es sich, was der Apostel als Gegenstand der den 712 1. Petri l, 13——21. Propheten zu Theil gewordenen Offenbarung denke, und da findet man denn meist diesen Gegenstand in dem folgenden Satze ausgesprochen, indem man, anders als Luther, ihn also übersetzk »daß sie nicht ihnen selbst, sondern uns dasselbige darthäten, was nun euch oerkündiget ist« 2c.; damit würde erklärt, warum die Propheten sich auf das in V. 1l erwähnte Forschen legen mußten, weil sie nämlich aus göttlicher Offen- barung wußten, daß der Inhalt ihrer Verkündigung nicht ihre Zeit, sondern erst zukünftige Geschlechter angehe. Das steht indessen nur dann im Zusammen- hang mit dem Vorhergehenden, wenn es sich dort um ein Forschen nach dem Eintritt der christlichen Zeit überhaupt handelte; wir haben uns jedoch über- zeugt, daß der Apostel vielmehr von dem Eintritt speziell der heidenchristlichen Zeit redete. Gegenstand der den Propheten zu Theil gewordenen Offenbarung war also vielmehr das, was der Geist Christi durch sie zuvor bezeugt hat, Christi Leiden und Verherrlichung, und solche Offenbarung haben sie dann auch in Schriften niedergelegt (das von Luther mit »dargethan« iibersetzte Wort schließt den Begriff in sich, daß sie es schriftlich, gleichsam als Schreiber dessen, von dem sie Offenbarungen empfingen, gethan haben 2. Cur. 3, 3): das nun, will der Apostel sagen, haben sie nicht um ihret-, sondern um unsertwillen gethan; denn für sie selber wäre es genug gewesen, die Offenbarung überhaupt empfangen zu haben, daß es aber dabei nicht geblieben, sondern eine schristliche Abfassung hinzugekommen ist, konnte nur den späteren Geschlechtern gelten, welche die Erfüllung des zuvor Bezeugten erleben oder die Verkündigung derselben vernehmen sollten, damit sie sich überzeugen könnten, daß das von ihnen Erlebte oder von den Evangeliums- verkündigern Vernommene eben dasselbige sei, was den Propheten offenbart worden, oder mit andern Worten, daß die geschichtliche Erfüllung und die prophetische Vorhersagung genau mit einander übereinstimmten Auch damit will Petrus den Lesern bezeugen, daß das die rechte Gnade sei, in der sie stehen: sie sind in solchen Stand gekommen durch die evangelische Ver- kündigung von Männern, die mit dem vom Himmel gesandten heil. Geiste erfüllt waren, und deren Ver- kündigung nun hat den gleichen Jnhalt mit der den alttestamentlichen Propheten zu Theil gewordenen Offenbarung, nur daß bei diesen noch schristliche Mit- theilung empfangener Offenbarung ist, was bei jenen Evangeliumsverkündigern die frohe Botschaft von allbereits vollbrachten Thatsachen ist. So lassen wir also mit Luther die Worte: »denn sie haben’s nicht ihnen selbst, sondern uns dargethan« für einen bloßen Zwischensatz gelten, der den Grund angiebt, warum die Propheten die von ihnen empfangene Offenbarung auch in Schriften verfassen mußten, und verbinden über diesen Zwischensatz hinweg das »welchen es offen- baret ist« mit dem ,,welches euch nun verkündiget ist«; offenbaret aber, so sagt der Grundtext noch bestimmter, ist ihnen eben dasselbige, was nun euch verkün- diget ist durch die, so euch das Evangelium verkün- diget haben durch den vom Himmel gesandte11 heil. Geist, wobei Petrus ohne Zweifel den Apostel Paulus und dessen apoftolische Gehilfen im Sinne hat und dem Evangelio, das derselbe so häufig als sein Evangelium bezeichnet (Röm. 16, 25; Gal. 1, 6 ff.), das Zeugniß vollkommener Uebereinstimmung mit der prophetischen Weissagung geben will. Indem er aber noch hinzufügtr ,,welches auch die Engel gelüstet zu schauen«, steigert er das Bewußtsein der Leser um Werth und Wahrheit des ihnen verkündigten Evangelii noch mehr: selbst den heiligen Engeln ist es eine Sache, deren ganze Tiefe zu erfassen und deren Entfaltung und schließliche Ausgestaltung bewundernd zu be- trachten ihr angelegentliches Verlangen ist. Zwar stehen sie insofern neben dem Evangelio und den in demselben enthaltenen Thatsachen, als es persönlich sie nicht mitbetrifft, sie einer Erlösung durch Christum nicht bedürfen (Luk. 15, 7; Hebr Z, 16); aber weil in ihrem Bereich, was einmal böse ist (die bösen Engel), auch unwiderbringlich böse bleibt, lernen sie nur an dem, was auf Erden an den Mensch en geschiehh wie Gott es möglich macht, aus Sünde zur Gerech- tigkeit zu bekehren und aus dem Tode zum Leben zu erwecken, und lernen es am allerhellften gerade an der, am allermeisten unter der Obrigkeit der Finsterniß befindlichen Heidenwelh und gelingbs Gott da, das Heil zu schaffen, so ist nicht nur die Macht des Teufels und seines Reiches vernichtet, sondern auch der Gegen- satz zwischen ihnen und den durch des Teufels Ver- führung in Sünde verlorenen Menschen aufgehoben (Col. I, 20), und das ist ja der Gegenstand ihres hoffenden Verlangens als das Einzige, was zur vollen Seligkeit ihnen zur Zeit noch gebricht. II. v. 13—uav.5, 11: der tröstende und ermahnende Inhalt. Nachdem der Jlpostel den einen Theil der Aufgabe, die er mit seiner Epistel sich gestellt Rast. Z, l2), erfüllt und in dem soeben betrachteten Eingang den panlinisascn hcidenchristety an welche er schreibt, bezeugt hat, daß das die rechte Gnade Gottes sei, darin sie stehen, es also keinerlei Uniwandlung ihres Glaubens— standes bewirkt, wie sie in Folge der Leiden, die sie zu erdulden haben, sitt) einzureden geneigt sind, schreitet er nun dazu, auch dem andern Theile gerecht zu werden, nämlich sie zu ermahnen und zu trösten, und thut das in sehr ausführlicher weise, alte hierbei in Betracht kommenden Verhältnisse scharf in’s Ztuge fassend nnd nicht ohne gelegentlich jenes Zeugniß zu wiederholen. a. V. 13—25. Jst der Gegenstand der christlichen Hoffnung ein so herrlicher und wohlverbiirgtettz wie der grundlegende Eingang nachgewiesen hat, so ist es nun auch in der Ordnung, dast die Leser Ernst machen mit ihrer Hoffnung, ihre Hoffnung ganz setzen auf die siir Christi Wiederoffenburung vom Himmel ihnen zugedachte Gnade (V.13); dazu gehört denn ooe allen Dingen, dast sie ihren vorigen Wandel, wie sie als Heiden in Unwissenheit Gottes nach den Lüsten des Fleisches- ihn geführt, völlig verlassen und sich einerseits als gehorsame Kinder des Gottes, der sie zu seiner, des heiligen, Gemeinschaft berufen hat, den sie zum Vater unrnsen in ihrem vornehmsten Gebet nnd der ohne Jlnfeheii der person dereinst richtet nach eines jeglichen Werk, beweisen durch ein in Heiligkeit und Gereihtiglieit und mit Furcht ge« fuhr-les Leben, andrerseits aber auch das Bewusttseiik wie hoch zu Dank ihrem heitande sie verpflich- tet sind, der von dem heidnischeti Wandel mit seinem thenren Blut sie erlöset und zu einen: Glauben an Gott gebracht hat, der zugleich Hoffnung zu Gott-ist, mit ihrem ganzen Verhalten bekunden (V. 14—21). Während sie so keine Genieiitschatt mehr haben diirlen mit den unfruchtbaren Werken der Finsternisk sollen sie. dagegen sich sesk unter einander znsammenschliesteii in aushaltender nnd herzlich« Brut-etliche; im Ge- horsam der Wahrheit müssen sie ja ihre. Seelen keusch oder rein geniacht haben von der natürliche« Selbstsucht und allem sleischlichen Wesen, so dass eine ungesärbte Bruderliebe darin wohl Raum hat, und als die nun ans unvergänglichem Samen, aus dem ihnen vertiiiiidigten lebendigen Wort Gottes, das da ewiglich Bleibet, Wiedeegeborenen müssen sie Des Haupttheils zweite Abtheilung: der tröstende und ermahnende Inhalt. 713 wissen, was« fiir ein neues, zu nnoergängticher Blüthe nnd Herrlichkeit liestimnites Geschlecht sie an ihren Brüdern, die einen an den andern haben, nnd diirsen sichs nicht gereuen lassen, wenn dasjenige Volks-ihnen, welchem der sleischlichen Geburt nach sie angehörlem sie von sich ausstösll (V. 22—25). 13. Darum fweil ihr nach dem vorhin Ge- sagten zu einer lebendigen Hoffnung wiedergeboren seid und trotz der trüben Gegenwart ein so herr- liches Ende eures Glaubens zu erwarten habt] so begirrtet die Lenden eures Gemirths [Luk. 12, Es] seid nnchtern [Kap. 4, 8; s, 8; i. Thesf o, 6 u. 8], und setzet eure Hoffnung ganz sohne durch die einen oder andern Zweifel und Be- denklichkeiten euch kleinmüthig und verzagt machen zu lassen und ohne durch die Welt und ihre Lust um das in Aussicht stehende Erbe euch bringen zu lassen] auf die Gnade fvollkommener Seligkeit V. 5 f. 8. 9], die euch ungeboren wird durch die Offenbarung Jesu Christi* frichtigerx entgegen- gebracht wird bei der Offenbarung Jesu Christi, wenn er vom Himmel erscheint zur letzten Zeit V. 5 u. 7; 4, 13], 14. Als gehorsame Kinder sdie dem Rufe ihres Vaters V. 15 u. 17 willig folgen und seinen Weisungen gemäß sich verhalten V. 2 u. 22], und stellet euch nicht gleich wie vorhin sdaß ihr wieder also wandeln wolltet, wie ehedem], da ihr in Unwissenheit fum jenes himmlische Erbe V. 4] nach den Lüsten lebtettt sihren Reizungen und Lockungen Folge leistend Kap. 4, 3; Ephes. 4, 17 fs.; Col. I, 21; Apostg. 17, 30]; 15. Sondern nach Dem, der euch saus sol- chem eurem heidnischen Unwesen heraus zu seinem Eigenthumsvolke Kap. 2, 9 f. und zu Erben seines Reichs der Herrlichkeit l. Thess 2, II] berufen hat und [seinem göttlichen Wesen nach] heilig ist [1. Joh. 1, H; 2, 29], seid auch ihr heilig in allem eurem Wandel [Luk.1,75; Phit 2, 15]. 16. Denn es stehet sin 3. Mos. 11, 44; 19, Z; 20, 26] geschrieben: Ihr sollt heilig sein, denn ich bin heilig [und das im alten Testament zu den Kindern Israel Gesagte gilt nun euch, dem neutestamentlichen Vundesvolke, in soviel höherem Maße, soviel eure Berufung eine noch höhere Bethätigung der göttlichen Heiligkeit ist, als die Berufung Jsraels einst war]; 17. Und sintemal [Luk. 1, 1] ihr [wie ihr ja im heil. Vaterunser täglich thut] Den zum Vater anrufet sin der Erwartung, daß er euch als seinen Kindern seine väterliche Liebe erzeigen und dereinst das bestimmte Erbe werde zu Theil werden lafsen], der ohne Ansehen der Person richtet nach eines jeglichen Werk [Röm. 2, 6 u. 11., und also nur denen ihre Erwartung befrie- digen kann, die sich wirklich als seine Kinder ausgewiesen hccbeIIL so führet euren Wandel, so lange ihr hier sauf Erden als in der Fremde 2. Eor. 5, 6 ff.] walleh mit Furcht**’« [2. Cor. s, 10 f., daß ihr euch ja nichts zu Schulden kommen lasset, um dessentwillen er euch dereinst vom Erbe ausschließen niüßte Ephes. s, H; Matth. 7, 23]. 18. Und [um nächst eurem Verhältnis; zu Gott als eurem Vater V. 14—17 nun auch euer Verhältniß zu Christo als eurem Heiland zur Unterstützung meiner Ermahnung zu einem andersartigen Wandel, als der frühere gewesen V. 14., geltend zu macheu] wisset slasset zu ernster Beherziguug euch daran erinnern Kap. h, 9], daß ihr nicht mit vergänglichem Silber oder Gold swie man sonst damit aus Gefangenschaft oder Knechtschast losgekaufet wird] erlbset seid von eurem eiteln Wandel nach vciterlicher Weise, 19. Sondern mit dem thenren [kost- huren, einen wirklichen Werth im Vergleich mit dem nur eingebildeten oder doch sehr unter- geordneten auch des edelsten Metalls Apostg. 3, 6 befitzenden] Blut Christi, als eines un- schuldigen nnd unbefleclten Lammesjh 20. Der zwar lzum Heilsmittler für die ganze Welt schon] zuvor versehen ist [Apostg. 2, 23], ehe der Welt Grund gelegt ward sEphes 1, 4], aber sdoch erst] osfenbaret zu den letzten Zeiten [Hebr. I, L; Apostg. 2, 17] um euret- willen sder zu diesen letzten Zeiten Daseienden 1. Cor. 10, 11], 21. Die ihr [als vormalige Heiden ohne Gott waret in der Welt Ephes 2, 12., nun aber] durch ihn [vermöge dessen, daß er das mit seinem Offenbarwerden nun in alle Welt ausgehende Evan- gelium auch euch hat verkiindigen lassen V. 12] glaubet an Gott [Tit. s, 8., und zwar glaubet an Gott als an Den], der ihn auserweclet hat von den Todten und ihm die Herrlichkeit gegeben, aus daß [besser: so daß] ihr Glauben und Hoff: nung zu Gott [gleichwie nach dem vorhin Ge- sagten Glauben an Gott, so auch um dieser beiden speziellen Heilsthatsachen willen H o ffnun g zu Gott] haben mbchtetH [besser: habet, während ihr vordem, wie ihr ohne Gott waret, so auch keine Hoffnung hattet Ephes. 2, 12]. V) Jst der Gegenstand der Hoffnung ein so herr- licher und wohl verbürgter, wie in V. 3—12 ausge- führt war, so ist es wohl billig und natürlich, daß die Christen, an welche Petrus schreibt, auch Ernst machen mit ihrer Hoffnung und ein Verhalten üben, welches derselben ihren Erfolg verbürgt; und andrerseits ist es denn auch dieses Zieles Werth, daß dies Verhalten, welches die Hoffnung zur erfolgreichen macht, eine Arbeit und Anstrengung, das Kämpfen und Ringen der Heiligung sei. Wie sie hoffen sollen, darauf ist jetzt des Apostels Absehen gerichtet, nach- dem die Einleitung es als selbstverständlich aufgezeigt 714 1. Petri l, 22. hat, daß sie hoffen können und sollen. (Schott.) Mit ,,darum« faßt der Apostel auf dem im Vorhergehenden gelegten Grunde festen Fuß; er hat hervorgehoben, daß das ihnen geschenkte Heil Wiedergeburt zu einer lebendigen Hoffnung, zu einem unvergänglichen Erbe ist, und dem entspricht nun auch die Ermahnung: ,,setzet eure Hoffnung ganz auf die Gnade, die euch angeboten wird 2e.« (Wiesinger.) Hat der Apostel seine Leser in dem ganzen vorhergegangenen Abschnitte auf das hingewiesen, was ihnen am Ende die Wiederossenbarung Jesu Christi bringen wird, wie könnte er hieran eine andere Ermahnung mit ,,darum« anschließem als daß sie dem in Hoffnung zugewandt sein sollen, was ihnen mit Christi Wiederoffenbarung kommt? (Luther dachte bei»Offenbarung« an die durch das Evangelium und bei ,,Gnade« an die jetzt schon den Gläubigen zu Theil werdende Gnade der Erlösung. Allerdings nun haben wir eine Seligkeit schon empfangen, und eine zweite wird am Ende geofsenbart werden; eine Kindschaft ist uns bereits zu Theil geworden, und einer zweiten sehen wir ent- gegen, und da kann Gnade die eine wie die andere bedeuten, denn eine wie die andere ist Gnade. Hier jedoch kann bei der stehenden Bedeutung, die das Wort: ,,Offenbarung« hat l. Cor. I, 7; 2. Thess 1, 7., und nach dem ganzen Zusammenhange nur die andere gemeint sein.) Ein Leben aber in solcher Hoffnung hat zur Voraussetzung ein Thun und eine Beschassen- heit, nämlich das Thun, daß sie je und je die Lenden ihrer Gesinntheit hochgürten, und die Beschaffenheih daß sie allezeit nüchtern sind. Wie der, welcher ar- beiten oder laufen will, den Gürtel nicht schlasf hängen läßt, daß ihm das Gewand lose um die Füße schlägt, sondern es emporzieht und den Gürtel, der es nach oben zusammenhält, straff um die Lenden spannt (Jerem. 13, 11 Anm.), so müssen sie innerlich thun, müssen ihr sittliches Gedenken oder sich selbst in ihrer sittlichen Denkbewegung fest zusammennehmen, statt sich gehen und ihre Gedanken dahin und dorthin schweifen zu lassen. Wenn sie so thun, so werden sie sich in dem mit ,,niichtern« benannten Zustande be- finden, werden sich, fern von Schlaftrunkenheih in jedem Augenblicke dessen, was sie sollen und was sie thun, wie dessen, was um sie her ist oder ihnen be- gegnet, klar bewußt sein; dies thut aber noth, wenn sie der Hoffnung auf das leben sollen, was ihnen Christi Wiederoffenbarung bringt, indem sie sonst un- versehens von den Lüsten des natürlichen Menschen gefangen genommen werden, dem die zeitlichen Dinge der Gegenwart besser dünken, als die geistlichen Güter der Heilszukunft· (v. Hofmann.) Its) Wie vorhin das ,,setzet eure Hoffnung ganz« durch die beiden Näherbestimmungeru ,,begürtet die Lenden eures Gemüths« und: ,,seid nüchtern« erläutert war, so werden ihm hier wiederum zwei solche ange- fügt, die wie jene einander parallel laufen. Soll ihr Hoffen ein wirkliches, völliges sein, so muß ihr Ver- halten bei diesem Hoffen ein solches sein, wie es ,,ge- horsame Kinder« leisten; in und mit dem Glauben, der sie zu Kindern Gottes gemacht hat, ist ihnen auch die neue Pflicht eines Verhaltens des Gottesgehorsams erwachsen, und eben wie solche Kinder, die in ihrem Kindesstand dieser Pflicht gerecht werden, sollen sie sich bei und in ihrem Hoffen verhalten· Daran schließt sich dann passend die Abmahnung von der Rückkehr zu dem Verhalten des früheren Gehorsams in der zweiten Näherbestimmungx »und stellet euch nicht gleich wie vorhin, da ihr in Unwissenheit nach den Lüsten lebtet.« (Schott.) Wie sollten sich die Leser, wenn sie aus die mit Christi Offenbarung ihnen zukünftige Gnade hoffen, den Lüsten gemäß haben und gehaben, von denen sie sich vordem in ihrer Unwissenheit, als sie von keiner Offenbarung Christi und keiner mit ihr zu:- künftigen Gnade wußten, haben regieren lassen? Nein, in dem Verhalten derer, welche auf die zukünftige Gnade hoffen, muß naturgemäß dies ihr nunmehriges Hoffen seinen entsprechenden Ausdruck finden, und nicht die Begierde nach Jrdischem nnd Sündlicheny welche ihrer Vergangenheit angehört, wo sie nur von solchem wußten! Wenn der Apostel diese ihre Ver- gangenheit eine Zeit der Unwissenheit nennt, so sieht man, daß er zu ehemaligen Heiden redet. (v. Hof- Mann) its) Dem Negativen in V.14 folgt nun V. 15 ff. das Positive; beide Ermahnungen aber, die der Apostel ausspricht, werden von ihm auch näher begründet. (Wiesinger.) Auf die göttliche Berufung, mit welcher der jetzige Stand der Leser begonnen hat, weist die eine der beiden, durch »und« mit einander verbun- denen Ermahnungen zurück; die andere weist vor- wärts auf das göttliche Gericht, welches am Ende ihres bis dahin in der Fremde geführten Lebens ihrer wartet. (v. Hofmann.) Jn der Art, wie Petrus die erste der beiden Ermahnungen begründet, sehen wir auch hier wieder seinen Lieblingsgedanken, die Ge- meinde Christi als gegenbildliches Israel anzuschauen, durchschi1n1nern; in der Begründung der andern da- gegen entspricht der Berufung, wovon vorhin die Rede war, ein Anrufen von Seiten der berufenen Gläubigen: Gott hat sie gerufen, durch seinen Ruf zu sich gezogen und in das Kindschaftsverhältnifz zu sich gestellt, so rufen nun hinwieder sie ihn an, ziehen ihn zu sich im Gebet als dem Ausdruck dankender Freude und fehnender Bedürftigkeit nach dem durch seinen Ruf Gewirkten. Aber dieser Gott, den sie als Vater kennen und ehren, zugleich jedoch als ihren Richter, richtet einst nicht nach dem, als was Einer dem äußeren Ansehen nach sich darstellt, also auch nicht darnach, ob Einer kraft äußerer Zugehörigkeit zur Gemeinde der Gotteskinder äußerlich als Träger der Gotteskindschaft erscheint, sondern einen jeden nach seinem Werke, welches Wort absichtlich in den Sin- gular gestellt ist, um das ganze sittliche Verhalten als eine Einheit zu bezeichnen Wissen sie nun sich in Gecneinschafts- und Kindesverhältniß zu dem, der also richtet, so müssen sie sich auch bewußt sein, daß ihnen die einstige herrliche Vollendung ihres Heils- standes von diesem Gott nicht so ohne Weiteres, son- dern nur dann verliehen werden wird, wenn ihr Stehen in demselben vor ihm die richterliche Probe besteht; und daraus ergiebt sich von selbst die Noth- wendigkeit, ihre Pilgerfahrt auf Erden nach diesem Ziele hin mit allem Fleiß so anzuftellen, daß sie vor diesen Gott zuversichtlich hintreten können. (Schott.) Das dem Gedanken an den unparteiischen Richter ent- sprechende Gefühl ist die Furchtz diese ist hier zwar nicht die knechtische Furcht, die mit der Liebe nicht zusammen sein kann (1. Joh. 4, 18), aber auch nicht blos die Ehrfurcht, welche der Niedere vor dem Höheren empfindet, sondern die heilige Scheu vor dem Ernste des das Böse verdammenden Richters, das Gegentheil der leichtsinnigen Sicherheit. (Huther.) Man kann in den Worten: ,,sintemal ihr Den zum Vater an- ruset 2e.« eine Beziehung auf das Vaterunser finden, wie denn namentlich Bengel in seinem Gnomon die Verwandtschaft unsers Briefs mit dem Gebet des HErrn zu Kap. 1, 3 hervorgehoben hat. Sie hat auch in der That einen tieferen Grund; unser Brief, der den Blick auf die himmlische Herrlichkeit hinrichtet und im Lichte derselben die irdische Pilgrimschaft betrachtet, Setzet eure Hoffnung ganz auf die Gnade, die Christi Offenbarung euch bringt! 715 ist als Brief, was das Vaterunser als Gebet ist, mit dessen Eingang der Blick der betenden Gemeinde sich gleichfalls auf die himmlische Herrlichkeit richtet, nach welcher sie betend ringt, indem sie in den drei ersten Bitten solche Offenbarung der Herrlichkeit, wie sie im Himmel ist, auf die Erde herabfleht und damit für sich in den vier folgenden Erledigung aus aller Noth hienieden und Aushilse zu dem himmlischen Reiche erfleht. (Wiesinger.) Jn den Worten: ,,solange ihr hie wallet« sa t der Apostel, das christliche Leben sei nur ein Nacht« ager; denn wir haben hie keine bleibende Statt, sondern müssen dahin, da der Vater ist, nämlich in den Himmel. (Luther.) f) Das Streben nach der Heiligung des Sinnes und Wandels wird hier durch ein neues Motiv unter- stützt, durch die Erinnerung an die hohe Wohlthat der Erlösung: je größer der Preis ist, um welchen ihr losgekauft seid von dem Verderbniß des fleischlicheti Lebens, um so mehr habt ihr euch zu hüten, daß ihr nicht durch Rückfall das Herz eures Erlösers kränket, der euch losgekauft hat. (Fronmiiller.) Jhr wißt, sagt der Apostel, daß ihr aus eurem vormaligen Wandel, welcher, wie er euch von euren Vätern her überliefert war, ein eitler war, alles sittlichen Gehalts ermangelnd, nicht mit Vergänglichem, nicht mit Silber oder Gold, erlöst worden seid: es hat Dem, der euch daraus erlöste, einen ganz andern Preis gekostet, als wenn man Einen aus menschlicher Knechtschaft oder Gefangenschaft loskauft, nämlich sein theures Blut, sein kostbares Leben, welches er in den Tod, und zwar in gewaltsamen Tod, dahingeben mußte. Wenn er ihren Wandel einen eitlen, von ihren Vätern her überkommenen nennt, so sieht man wieder, daß er zu ehemaligen Heiden spricht. (v. Hofmann.) Christus, hier als geistliches Opferlamm (1. Cor. 5, 7; Joh. 1, 29. 36; 19, 36) bezeichnet, blieb in sich selbst voll- kommen rein und wurde auch von außen mit keiner Sünde befleckt; das wollen die Worte: ,,unfchuldig und unbefleckt« hier besagen. (Bengel.) Die Kost- barkeit dieses Blutes der Erlösung liegt darin, daß es das Blut Christi, seine Erlösungskraft aber darin, daß er es als ein unschuldiges und unbe- flecktes Opferlamm Vergossen hat. (Huther.) Ein armer Neger wurde einst von einem reichen und gütigen Engländer auf dem Selavenmarkt um 20 Gold- stücke losgekauft, und sein Wohlthäter schenkte ihm noch eine Summe Geldes, wofür er ein Stück Land sich kaufen und einrichten könnte. »Bin ich wirklich frei? kann ich gehen, wohin ich will?« rief der Neger voller Freude: ,,wohlan, so will ich dein Sclav werden, Massa; du hast mich losgekauft, dir bin ich alles schuldig, bitte, mache mich zu deinem Sclaven.« Das rührte den Herrn, und er nahm den Neger in seinen Dienst; einen treueren Diener hat er nimmer gehabt. Jch sollte aber, so erzählt er, von meinem dankbaren Neger etwas lernen, was ich bis dahin leider wenig bedacht hatte, nämlich was es sei um das Wort: ,,wisset, daß ihr nicht mit vergän lichem Gold oder Silber, sondern mit dem theuren lute Christi los- gekauft seid« (Besser.) ff) Der Apostel führt seinen Lesern hier zu Ge- müthe, für wie Großes, das um ihretwillen, und für wie Großes, das an ihnen geschehen ist, sie zu danken haben; hat er ihnen vorhin gesagt, woraus und womit sie erlöst worden sind, so sagt er ihnen jetzt, was sie nunmehr durch Christum find, und wie dort, so ist auch hier ersichtlich, daß er zu ehemaligen Heiden spricht, denn nur von solchen, nicht von ehe- maligen Juden, konnte er sagen, daß sie durch Christum dazu gelangt seien, an Gott zu glauben (vgl. l. Thess I, I; Gal. 4, 8 f.). Wie sie nun das, daß sie über- haupt an Gott glauben, Christo verdanken, weil ohne dessen Offenbarung in der Welt sie Gott nicht würden kennen gelernt haben, so haben sie in und mit ihm Gott zugleich als den kennen gelernt, der ihn von den Todten auferweckt und ihm die Herrlichkeit gegeben hat, und das macht nun auch ihren Glauben an Gott zu dem hoffnungsreichem der er ist; denn die letzten Worte des 21. Ver-fes, die Luther übersetzt hat: »auf daß ihr Glauben und Hoffnung zu Gott haben möchtet««, sind vielmehr, wie man jetzt fast allgemein anerkennt, so zu fassen: »so daß eurer Glaube (an Gott) auch Hoffnung zu Gott ist« Zu dem Einen, wofür sie zu danken haben, daß sie nämlich, die vor- her ohne Gott in der Welt gewesen sind, durch Christum im Glauben an Gott stehen, tritt also als Zweites, wofür sie zu danken haben, das Andere hinzu, daß vermöge der Auferwerkung und Verherrlichung Christi dieser ihr Glaube auch Hoffnung zu Gott ist. (v. Hof- inann.) Die Persönlichkeit und das Werk Christi war nicht ein natürliches Ergebnis; der Weltentwickelnng, ebensowenig ein in der Zeit plötzlich gefaßter Rath- schluß Gottes, als ob es ihm nach Ablauf von 4000 Jahren plötzlich in den Sinn gekommen wäre, diesen Rettungsweg einzuschlagen; sondern Christus ist, wie Petrus in V. 20 ausdrücklich zu dem vorhin Gesagten hinzufiigh als der, welcher uns durch sein Blut er- lösen sollte, schon vor Grundlegung der Welt dazu ersehen und bestimmt gewesen. (Fronmüller.) Der, welchen Gottes Liebeswille vor allem Schasfen zum Heilsmittler ersehen hat, der ist eben damit der Mög- lichkeitsgrund der Weltschöpfung geworden, ohne den Gott die Welt gar nicht gemacht hätte; Gott wollte eben keine andere Welt nnd Menschheit, als eine, die er auch auf dem Wege der Erlösung zu seiner seligen Liebesgemeinschaft führen könnte. Wenn es dann aber heißt: ,,offenbaret zu der letzten Zeit«, so ist Christi Erscheinung nicht etwa als in einer schon an sich den Charakter des Endes tragenden Zeit geschehen zu denken, sondern als ein Vorgang, der so geschehen ist, daß sein Eintreten die Zeit, da er geschah, zum Ende gemacht hat; denn die Erfüllung des göttlichen Liebeswillens ist das Ziel aller Menschheitsgeschichtq in Christo aber, dem Menschgewordenen, dem grund- leglichen Anfänger einer neuen MenschheitF ist diese Erfüllung persönlich vorhanden, und all sein weiteres Thun ist nur Bethätigung und Entfaltung des in seiner Person gegebenen Endes Immerhin mag dieses Ende dann wieder in einen ganzen geschichtlichen Verlauf, in eine Endzeit sich ausdehnen, jedenfalls bleibt die letzte Offenbarung Christi in seiner Wieder- kunft nur der definitive Abschluß des mit seiner ersten Erscheinung begonnenen und ununterbrochen, ohne neue Heils-thaten und Offenbarungen, bis zur Wieder- kunft sich fortsetzenden Endesz er also ist persönlich der bewirkende Grund des Weltanfangs und des Weltendes. (Schott.) »Um euretwillen ist Christus offenbaret«: dies schreibt Petrus in der Absicht, die Leser den Heilsvorzug der ihnen vor Andern zu Theil geworden, und damit ihre heilige Verpflichtung, den- selben durch unwürdigen Wandel nicht wieder zu ver- scherzen, erkennen zu lassen. (Wiesinger.) 22. Und machet fsoweit ihr es noch nicht schon gethan haben folltets keusch eure Seelen sdurch Reinigung von allem selbstsiichtigem fleisch- lichen Wesen Jak. 4, 8·] ·1m Gehorsam der Wahr- hell fwelche solche Reinigung von euch fordert] durch den Geist fdiese Worte: ,,durch den Geis « 716 1. Petri 1, 23—— 25. 2, 1-3. fehlen in den besten griech. Handfchriften unds sind wohl ein Zusatz von fremder Hand] zu un- gefärbter [heucheleisreier, aufrichtiger 1. Joh. 3, 18] Bruderliebe [2. Cor. G, 6], und habt euch unter einander brünstig lieb [Kap. 4, 8] aus reinem Herzens« [1. Tim. 1, 5], 23. Als fsolche] die da fwie es ja niit euch der Fall ist] wiederum geboren sind, nicht aus s« vergänglichem [demselben, der in Pf. 51, 7 als ein siindlicher bezeichnet ist und allerdings eurer vorigen Natur das Dasein gegeben hat], sondern aus unvergänglichezii Samen lJoh I, is; 3, s; 1- Joh· Z, 9], namlich aus dem fsolchen Samen mit sich fiihrenden nnd denen, die es aufnehmen, ihn auch einpflanzenden Jak. 1, 18. 21; 1. Eor. 4. IS] lebendigen Wort Gottes, das da ewiglich bleibet. 24. Denn fso heißt es in Jes. 40, 6 ff. in Beziehung auf dieses Wort in seinem Unterschied von dem natürlichen Wesen des Menschen] alles Fleisch ist wie Gras, und alle Herrlichkeit der Menschen wie des Grases Blume: das Gras ist fwie die tägliche Erfahrung zeigt, nach kurzem Bestande, wenn es auch noch so frisch griinete] verdorreh und die Blume [nach kurzer Blüthe, wenn sie auch noch so schön in die Augen leuch- tete, matt und welk] abgesallen fdaß sie nun als das gerade Gegentheil von Schönheit am Stengel hängt Pf. 103, 15]; 25. Aber des HErrn Wort bleibet in Ewig- keit fvgl. Jak· 1, 10 f.]. Das fwas hier mit ,,Wort des HErrn« gemeints ist aber [nicht so- wohl das Wort des alttestanientlichen Gesetzes Röm. 7, 7 ff·, sondern vielmehr] das »Wort, welches unter euch f1. Theff. 2, 91 verkundiget ist» [V. 12., und indem ihr dasselbe im Glauben habt angenommen, seid ihr eben, wie vorhin ge- sagt, wiederum geboren aus unvergänglichent Samen, und da ist ja solche Liebe, wie oben V. 22 gefordert, ganz diesem eurem Wesen ent- sprechend 1. Joh. 4, 7; 5, 1]. V) Heiliger Wandel im Gegensatz zu dem früheren Wandel in Lüsten war das Erste, was der Apostel von feinen Lesern als Bewährung ihrer Heils- hoffnungforderte(V.l4—21):lautereBruderliebe ist nun das Andere; beide Ermahnungen find· als die Ausführung des ,,setzet eure Hoffnung ganz-J m P.13 zu fassen, beide haben den Gehorsam (und die Wieder- eburt aus Gott) zur Voraussetzun. (Wiesinger.) Sei: Welt seid ihr fremd geworden ( ap.» 4,· 4), euch aber unter einander verbindet durch die innige, herz- licheBruderliebel (Steiger.) Es läßt sich leicht denken, wie in Zeiten der Verfolgung diese Liebe bei Manchem in Gefahr kam zu erkalten oder sich zu verleugnen um der Gefahr willen, die aus ihrer unbeirrten Be- thätigung erwachsen konnte. (Schott.) Die Gesinnung einer Bruderliebe, von welcher alles ausgeschlosfen ist, was nur ein Schein derselben wäre, ist der Stand, zu welchem ihre innerliche Selbstreinigung, die damit geschehen, daß sie der Wahrheit gehorsam wurden, sie hergestellt· haben soll: sie· kann nicht fehlen, wenn sie sich wirklich gereinigt (ihre Seelen keusch gemacht) haben, und hinwieder kann diese Selbstreinigung nicht unterblieben fein, wenn sie der Wahrheit gehorsam geworden find; und wenn sie unterblieben wäre, müßte sie jetzt geschehen. Das ist’s, was der Apostel feinen Leserii in der ersten Hälfte des Berses vorhält, in welcher Luther die Worte zu einer eigenen Er- mahnung macht und dann die zweite Hälfte mit »und« als eine zweite Ermahnung anknüpst; es heißt aber genauer: ,,nachdetn ihr eure Seelen keusch gemacht habt, so habt euch unter einander brünstig lieb 2c.« Sind sie der Wahrheit gehorsam geworden, als sie ihnen Verkündigt wurde, so müssen sie sich damit, daß sie ihr gehorsamten, innerlich von allem init ihrer heiligen Bestimmung Unverträglichen so gereinigt haben, daß ihnen die Gesinnung ungeheuchelter Bruder- liebe einwohnt, und diese sollen sie dann auch je und je mit der That beweisen; das Eine also sollen sie gethan haben, das Andere je und je thun. Sie sollen aber je und je sich unter einander brünstig lieb haben aus reinem Herzen: mit jenem Ausdruck ist ein Lieben gefordert, das nicht fchwächlich nachläßt, sondern ganzen Ernst macht und aushält, mit diesem ein Lieben, das nicht selbftfüchtig im Grunde doch das Eigene sucht, sondern das wirklich ist, wofür es sich giebt. (v. Hofmann.) Ehe der Menfch auf diese Weise, wie hier gemeint ist, lieb haben kann, muß sein Herz von alle deni gereinigt sein, wodurch die Liebe, die die Welt so hoch rühnit, beschmutzt wird, und das sind vor allem zwei Dinge: der Eigennutz und die sinnliche Begierde· Wenn die Welt liebt, so liebt sie immer mit Eigennutz, damit es ihr von der Welt vergolten werde (Matth. 5, 46 f.; Luk. 14, 12); sie mischt immerdar in ihre Liebe einen Bortheil; daher auch ihre Liebe so leicht ein Ende nimmt und abge- brochen wird, wenn sie sich beleidigt und verletzt fühlt oder die Rechnung nicht dabei findet, die sie sich ge- macht hatte. Eine ganz uneigennützige Liebe aber, die in ihrer Liebe nur Gott dient, der deshalb in Beziehung auf den Menschen geben seliger ist als nehmen, das ist die christliche Liebe, die ihren höchsten Triumph in der Feindesliebe findet, wie auch Gott uns liebte zu der Zeit, da wir noch Feinde waren. Das Andere, wodurch die Liebe der Menschen befleckt zu werden pflegt, sind die sinnlichen Begierd en, ein Wohlgefallen, das die Luft des Fleisches erzeugt, wenn sich die Liebe an die Wohlgeftalt des Leibes, an die Anmuth des Gesichts, die Frische der Jugend an- schließt; eine Liebe, die ebenso fchnell vergeht als alle diese Dinge, und das um so fchneller, je enger sie sich gerade an diese Dinge vorzugsweise gehalten hat. Auch diese Liebe ist vielmehr eine Begierde, die nur genießen will; und das Herz muß ganz davon gereinigt fein, wenn wir lieb haben sollen, wie Christus die Gemeinde geliebt Ephes 5, 25 ff. (Schlichthorst.) H) Die nicht mit vergänglichem Silber oder Gold, sondern mit dem theuren Blute Christi Erlöfeten (V.18f.) sind auch wiedergeborcn, nicht aus vergäng- lichem, sondern aus unvergänglicheni Samen; der Geiftessame der neuen Geburt bringt zu Stande, was der Fleischessame der alten Geburt nicht vermag, eine Liebe, wie sie vorhin gefordert wurde. Wie im Gleichniß vom Säemann (Luk. 8, 4 ff.) das Wort Gottes der Wundersame ist, der in das Herz fällt und dasselbe, wenn es ihm stille hält, fein und gut macht, um dann darin zu wurzeln und zu wachsen in Fruchtbarkeit, so schreibt hier der Apostel dem unver- gänglichen Samen, welcher durch die Predigt des Worts in’s Herz kommt, eine allen vergänglichen Machet keusch eure Seelen im Gehorsam der Wahrheit! 717 Samen weit übertreffende Kraft bei. Fleischessame erzeugt Fleisch zum Tode; der Same des Lebens aber, worin der Geist Gottes webt, verwandelt uns in seine- Art: wir werden wiedergeboren zu Kindern Gottes durch das Wort Gottes, zu einem lebendigen und unvergänglichen Wesen durch das lebendige Wort, das da ewiglich bleibet. (Besser.) Es könnte be- fremden, daß der Apostel nicht geschrieben hat: »als die da wiederum geboren sind zum ewigen Leben durch das lebendige Wort Gottes, das da ewiglich bleibet«, sondern statt »zum ewigen Leben« sagt: ,,nicht aus vergänglichetm sondern aus unvergänglichem Samen«; allein es ist ihm, der es mit der Mahnung zu thun hat: »habt euch unter einander brünstig lieb aus reinem Herzen«, um einen scharfen Gegenfatz gegen eine ganz eigentliche Geburt aus wirklichem vergänglichem Samen zu thun, und dies wieder hat seinen Grund in den geschichtlichen Verhältnissen und der dadnrch bestimmten Absicht seines Briefs Es giebt eben auch ein Band der Zusammengehörigkeih welches sich auf gemeinsame Geburt aus eigentlicheim vergänglichem Samen gründet, nämlich die Nationalität, welche aus Gleichheit der irdischen, durch natürliche Zeugung vermittelten Abstammung beruht; und es mag wohl so gewesen sein, daß in den Lesergemeinden gar manche in den Verfolgungen durch ihre eigenen Volksgenossen dies Ausgestoßensein aus den Banden der Volksgemeinschaft schwer empfunden (vgl.1.Thess. 2, 14) und dem natürlichen Nationalgesühl Con- cessionen machten auf Kosten des brüderlichen, freu- digen Zusammenhaltens mit der bedrängten Christen- Zlemeinde Da paßt es nun auch trefflich, wenn der postel seine Leser auch noch durch Schriftwort daran gewohnt, daß ja die natürlichen Nationalitäten mit all’ ihrer Herrlichkeit doch nur ein Band für die irdischen Zeitläuste bilden und dem Vergehen bestimmt sind, während dagegen das Wort Gottes, welches sie in ihre christliche Gemeinschaft hineingeboren hat, und folglich auch diese Gemeinschaft selbst, ewig und un- vergänglich ist. Das »denn« zu Anfang des 24. Berses erklärt sich nun auch leichtx es begründet, inwiefern das Geborenwerden in das natürliche Leben nnd Volksthum hinein eine Geburt aus vergänglichem, das Wiedergeborenwerden aber durch Gottes Wort eine Geburt aus unvergänglichem Samen mit Recht genannt werden kann. Die alttestamentliche Stelle verwendet Petrus so, daß er sie in seine eigene Rede verflicht, und was er selbst meint, mit Schriftworten aussagt, um ihm die zur begründenden Geltung nothwendi e Auctorität zu geben. (Schott.) In den Schlu - warten: »das ist das Wort, welches unter euch ver- kündigt it« blickt auch hier wieder, wie oben in V. 12., die Absicht des Apostels, den Lesern zu be- zeugen, daß das die rechte Gnade Gottes sei, darinnen sie stehen (Kap. 5, 12), hindurch; gemeint ist aller- dings das Evangelium, doch gilt auch schon vom Gesetz des alten Bandes als einem wahrhaftigen Wort Gottes, als einer Offenbarung seines Wesens, daß es dem inneren Gehalte nach lebendig ist und ewiglich bleibet (Apostg. 7, 38), nur kann es nicht lebendig machen (Gal.8, 21) und insofern nicht eben- falls wiedergebären. (Wiesinger.) Glaubet nicht, daß Menschen, die blos das natürliche Dasein aus ver- gänglichem Samen haben, daß die schon unsterblich sind im biblischen Sinne des Worts —- nein, sie sind nur ans dem Tode zum Tode geboren! Allein die, die aus dem lebendigen, ewig bleibenden Wort Gottes geboren ein neues Dasein empfangen haben, die sind aus dem ewigen Leben und zum ewigen Leben ge- boren. (Schl1chthorst.) Das 2. Kapitel. Iion der Pflicht der Miedergeboreneih wie auch der Unterthanen und Iiiiechle b. U. 1—10. hatte der Apostel in Rad. l, 22 ff. seine Leser aus ihre, durch das unter ihnen vertiiindigte und im Glauben von ihnen angenommene Wort des hGrrn bewirkte Wiedergeburt hingewiesen und sie zur briiderlichen Liebe unter einander naihdriictilich er- niahith so lährt er nun sort, sie zur Rblegnng alles dessen, was dieser Liebe Widersireitendes vom alten Menschen her ihnen uoch anhastetz aufzufordern und ihnen als begierig auszunehmendes Nahrungsmittel siir das Wachsthum des neuen Menschen dasselbe Wort, aus welche-n sie wiedergeboreu sind und in welchem sie bereits die Freundlichkeit des hGrrn ge« schmectiet haben, zu empfehlen (V.1——3). Diesen selben hErrm zu welchem sie im Glauben gekommen sind, stellt er· ihnen aber dann auch als den lebendigen Stein vor, aus welchem sie als der Grundlage ihres Heils sich erbauen müssen, um ihrer Berufung gemiiss mehr und mehr zu einen: geistlichen hause und hei- ligen sjrieskerthuny das Gott geisilichg ihm angenehme Opfer darbringt, sich auszugestalten, und legt ihnen dabei vor, in welch anderm Verhältnis! sie zu diesem Steine, der der prophetischen Weissagung gemäsz von den Mensihen verworfen, aber— bei Gott auserwählt nnd liösttiklj in, stehen, als die Ungliiubigen unter heideu nnd Juden, welchen seligen Stand sie durch ihre Gründung aul ihn erlangt haben, und wie sehr sie nun verpflichtet sind, die Tugenden dessen zu ver- läiindigeik der sie berufen hat von der Finsternis! zu seinem wunderbaren Licht (V. 4—10). 1. So leget nun [wie es sich für euch in eurem jetzigen Stande gebührt, da ihr ja sollt keusch gemacht haben eure Seelen im Gehorsam der Wahrheit Kap. I, 22]»? ab alle Bosheit [Iak. 1, 21; 1. Ein. 14, 20; Col. 3, 8] und allen Betrug [Kap. 2, 22z a, 10] und Heuchelei [Luk. 12, i; Many. 23, 281 und Neid und alles Afterreden [2. Cor. 12, 2oz Weish.1, 11., wie dergleichen von eurem vorigen heidnischen Stande her Röm. l, 29 f. sich theilweis noch bei euch vorfindet], 2. Und seid gierig [Jes. 3, 24«Aum. ·1] nach der veknunfligen [eurem nunmehrigen geist- lichen Wesen entsprechenden Röm. 12, l] lautern [nichts von schädlicher Beimischung enthaltenden] Milch [des Evangelii Ka·p. 1, 23], als »die setzt gebotnen Kindlein sdie ihr gemäß der in Kap. 1, 23 erwähnten Wiedergeburt seit eurer Be: kehrung zu Christo seid — lateinisch: quasi- modogenith wovon der erste Sonntag nach Ostern seinen Namen hat, s: Einl zu Joh. 20, 19 ss.], auf daß ihr durch dieselbige zunehmet sund dem schließlichen Heil entgegenre1ft»Ep»hes. 4, 15 s.], Z. So ihr anders swie 1ch ja von euch an- nehmen darf Röm. 8, 9., in euerm bisherigen Christenlebens geschmecket habt, daß der HErr freundlich ist* [Ps. 34, 9; Hebr. S, 4 f» und ihr nun diese feine Freundlichkeit noch weiter 718 1. Petri 2, 4—10. und bis zum vollen Maße am inwendigen Men- schen zu erfahren von selber schon Verlangen tragt]; 4. Zu welchem [vermittelsdes, eine persön- liche Lebensgemeinschaft mit ihm auf immer be- wirkenden Glaubens Gal. 2, 20] ihr kommen seid [bei eurer Bekehrung zu ihm] als zu dem lebendigen Stein [Joh«. 4, 10; 6, 48 ff.], der von den Menschen verworfen [istLlpostg. 4,11 s; 1. Cor. 1, 23], aber bei Gott sseinem Urtheile nach RöUL 2- 135 Jak 1- 271 ist er auserwählt und köstlich [Matth. 12, 18]. Z. Und auch ihr sdiesem seinem Stande und seinem Wesen entsprechend Kap. 1, 15], als die lebendigen Steine sdazu ihr durch jenes euer Kommen zu ihm geworden seid Ioh. 6, 51 ff; 10, 283 14, 19], bauet euch sauf diesem Grund- und Eckstein Ephes 2, 20 ff; Col. 2, 6 f; Apostg. 9, 311 zum geistlichen Hause [Kap. 4, 17; 1. Cur. 3, 16 f.; 1. Tim. Z, 15] Und [in demselben weiter] zum heiligen Priesterthum szur heiligen Priesterschaft oder Genossenschaft von Priestern V. 9; Offenb 1, 6], zu opsern geistliche Opfer [Röm. 12, 1; Hebt· 13, 15f.; Jak. 1,27], die Gott angenehm sind durch Jesum Christum» [Röm. 15, 16; Ephes I, 6]. 6. Darum [weil es also Gottes Rath und Wille ist, wie ich vorhin sagte, daß Christus follte der lebendige Stein sein, zu welchem kommend die Glieder der neutestamentlichen Gemeinde sich erbauen zum geistlichen Hause und zum heiligen Priesterthum] stehet in der Schrift [Jes. 28, 16]: Siehe da, ich lege einen auserwählten kbstlirhen Ectstein in Zion; und wer an ihn glaubet, der soll nicht zu Schanden werden «« ssondern zur Seelen Seligkeit, dem Ende des Glaubens Kap. 1, 9., hindurchdringens 7. Euch nun, die ihr glaubet, ist er ldieser Stein, von dem der Prophet redet, eben das, was er bei Gott ist, nämlich] köstlich [indem er euch dazu verhilft, was die Verheißung besagt —- ihr werdet nicht zu Schanden werden]; den ungläu- bigeu aber sunter den Heiden sowohl wie unter den Juden] ist der Stein, den [nach der Weis- sagung in Pf. 118, 22., vgl. Matth. 21, 42; Röte:- 9, 331 die Bauleute verworfen haben und sder nach derselben Weiffagung] zum Eckstein worden ist [das, als was er in Jes. 8, 14 be- zeichnet wird Röm. 9, 33], 8. Ein Stein des Anstoßens und ein Fels der Aergernißz sund zwar ist er das nicht von ihm selber, als läge in ihm neben jener seiner Bestimmung, Eekstein zu sein, noch diese andere, sondern er wird ein Stein des Anstoßens und ein Fels der Aergerniß lediglich durch das Sich- verhalten derer zu ihm] die sich stoßen an dem Wort [das, wie in der alttestamentlichen Schrift, so in der neutestamentlichen Heilspredigt von ihm gesagt wird] und glauben nicht daran [an eben dieses Wort von Christus darauf sie gesetzt sals alleinigen Grund des Heils Apostg. 4, 12 ange- wiesen] sinds [so gut wie alle andern Menschen, nur daß sie der Weisung nicht folgen mögen Joh. 5, 39 f.]. 9. Ihr aber sdie ihr im Gegensatz zu den ungläubigen Heiden und Juden die Gemeinde Jesu Christi bildet] feid snun das, was in Jes. 43, 20; 2. Mos. 19, 6 u. 5. Mos. 7, 6 vor- mals von dem alttestamentlichen Bundesvolk ge- sagt worden, in viel höherem Grade und voll- kommenerem Maße, nämlich] das auserwählte Geschlechh das kdnigliche Priesterthnm, das heilige Volk, dasVolk des Eigen- thums [Tit.2,14; Mal. 3, 17], daß ihr sgemäß dem, was in Jes. 43, 21 als Jsraels Aufgabe bezeichnet wird] Verkåndigen sollt die Tugenden [die herrlichen, ruhmwürdigen Eigenschaften Jes. 63, 7] des; [Gottes Kap. 1, 15], der euch berufen hatvon der Finster- niß seures vortnaligen Heidenthums Col·1, 13; Ephes. 4, 17 ff.] zu seinem wunderbaren san Herrlichkeit und Seligkeit über alles Denken und Begreifen hinausgehenden] Licht [Apoftg. 26, 18 durch die ganze Lebensführung, in die ihr als Kinder des Lichts Ephes 5, J; l. Thess. H, 5 nun eingetreten seid Matth. 5, 14]; 10, Die ihr sum bezüglich solcher eurer Umwandlung noch eine andere, auf Israel gehende Weissagnng, nämlich die in Hof. Z, 23 auf euch anzuwenden] weiland nicht ein Volk sein Nichtvolk b. Mos. 32, U] waret, um: aber Gottes Volk seid, und weiland nicht in Gnaden waret sals die keine göttliche Berufung zum Heil empfangen Röm. 11, 30], nun aber in Gnaden seid-H- [Röm. 9, 25]. V) Unverkennbar nimmt der Apostel mit den Wor- ten: »so leget nun ab« jene, mit den Worten: ,,machet keusch eure Seelen« beginnende Ermahnung in Kap. 1, 22 wieder auf, und zwar wiederum als Vorbe- dingung eines Verhaltens, von dem wir von vorn- herein erwarten können, daß es war nicht mit dem Verhalten der dort geforderten ruderliebe einerlei, aber doch ein innerlich und wesentlich mit ihm zu- sammengehöriges sein werde. Was denn da zunächst das Ablegen gewisser unsittlicher Verhaltungsweisen betrifft, welches Petrus vorerst fordert, so kann das natürlich nur von dem gefordert werden, in dessen Personenleben bereits irgend welche Befreiung von der fündigen, zu solchem Verhalten treibenden fleisch- lichen Natur, irgend welche Selbständigkeit des Jch ihr gegenüber vorausgesetzt werden kann, also eigentlich nur vom Christen, bei dem jene Scheidung wirklich vollzogen ist. Die Objecte solchen Ablegens werden dann in drei Gruppen vorgeführh welche durch den dreimaligen Gebrauch des ,,alle« kenntlich gemacht sind. Voran steht das Allgemeinste, die Bosheit: es ist diejenige Gesinnung oder dasjenige äußere Ver- Seid begierig nach der vernünftigen lauteren Milch! Bauet euch ziim geistliche1i Hause 2c.! 719 halten, welches zum Ziel und Erfolg ganz überhaupt irgend welche Beschädigiiiig des Nächsten hat, seiner Person oder seines Besitzes, des geistigen wie des leiblichen. Mit dem zweiten ,,alle« ist eine aus drei zusammengehörigen Erscheinungen bestehende besondere Gattung dieser Bosheit eingeführt: der Betrug oder die Hinterlist und Tücke, die den Andern durch trügerisch gelegte Schlingen z1i Schaden oder zu Fall bringen will; die Heuchelei, welche zur Verübung des Betrugs nothwendig ist, und der Neid oder die mannigfaltigen Regungen der Mißgunst, aus denen der Betrug zu entstehen pflegt. Die zweite besondere Gruppe, welche als dritte Gruppe wieder mit einem ,,alles« eingeleitet ist, ist das Asterreden, worunter die Verleunidungen gemeint sind als Aeußeriingen der Gesinnung, welche ihre Freude daran hat, dem Näch- sten das wenigstens zu verderben, was man ihm nicht durch iieidische Hinterlist abjagen und sich aneignen kann, seinen guten Namen. (,,Die Bosheit hat Freude am Schaden des Nächsten, der Neid hat Pein an den Gütern des Nächsten, der Betrug doppelt das Herz, die Heuchelei die Zunge; das Asterreden ver- wundet den guten Namen«: Augustin.) Entspricht nun die geforderte Ablegung aller dieser Unlauter- keiten genau der oben gestellten Forderung einer un- gefärbten Bruderliebe, so nimmt der Apostel darnach auch den Inhalt Von Kap. 1, 23 wieder aiif und spezialisirt den dort enthaltenen allgemeinen Begriff des Wiederumgeborenseins durch die neuen Moniente: ,,jetzt« und ,,Kindlein« zu dem des Neugeborenseins; auf diesen beiden Momenten einerseits und auf dem Absichtssatzx »auf daß ihr durch dieselbige zunehmet« ruht dann der Nachdruck. Denn nicht darum handelt sich’s, was sie begehren sollen, so daß das Wort: Milch, etwa im Gegensatz zu »starker Speise« (Hebr. 5, 12; I. Cor. Z, 2), den Ton hätte; sondern auf Grund wessen, und demnach z1i welchen: Ende sie nach dem Worte Gottes begierig sein sollen, darauf kommt hier alles an. Was wachsen soll, muß Nahrung haben, und für das Kind, welches eben als solches vor allen Andern wachsen muß, kann die dazu er- forderliche Nahrung nur Milch sein, die ihm aus der Mutter kommt, die es in’s Leben gerufen hat. Die Leser sollen denn nicht allein, wie in Kap. 1, 22 ge- fa t worden, sich gegenseitig in aufrichtiger Liebe um- fassen, sondern ferner darauf bedacht sein, diesem durch jene Bruderliebe zusammengehaltenen Gemeindeleben auch zu seiner Ausgestaltung und Vollendung zu ver- helfen durch das treue Festhalten am Wort, welches, wie es durch die Wiedergeburt die Gemeinde hergestellt hat, so nun auch im Stande ist, die Einzelnen zu immer tiichtigeren Gliedern des Ganzen, und so das Ganze immer völliger zu ma en. (Schott.) Jn dem Lebensstande, in welchen die eser diirch Wiedergeburt eingetreten, sind sie jüngstgeboreue Kinder und sollen nun als solche nach dem verlangen, was für solches Kindesleben dasselbe ist, wie Muttermilch für das natürliche Kindesleben Da sie nicht im Gegen- satz gegen solche, die schon länger her im neuen Leben stehen, jüngst geborene Kindlein heißen, sondern im Gegensatz gegen das Leben, in welchem sie zuvor von Geburt her gestanden hatten, so ist auch die Milch, die ihr Verlangen sein soll, nicht im Gegensatz gegen die starke Speise gereifter Christen gemeint, sondern im Gegensatz gegen das, wonach sie vordem begehrt hatten; eine ,,vernünftige« Milch heißt sie, weil sie das geistig ist, was die Milch aus der Mutterbrust körperlich ist (,,vernünftig, d. i. geistlich, die man mit der Seele schöpset, die das Herz muß saugen«: Luther), und ,,lauter« heißt sie, weil sie der reinen "« Milch sich vergleicht, welche das Kind an der Mutter- brust gedeihen macht. Was der Apostel damit meinte, verstand sich für seine Leser von selbst: dasselbe Wort, durch welches (Kap. 1, 23 u. 25), kannten sie auch als die Nahrung des Lebens, in welches sie wieder- geboren waren; und sie müßten nicht geschmeckt haben, daß der HErr freundlich ist, wenn sie 1iicht nach ihr verlangen sollten, um an ihr dem künftigen Heil ent- gegenzuwachsen (v. HofmannJ Dies Verlangen ist das rechte Symptom der Gesundheit unsrer Seele. Solange das Kind begierig ist nach der Muttermilch, darf man unbesor tsein um sein junges, artes Leben; aber wenn diese oft ihm nicht niehrs weckt, dann ist es gesährlich krank —— dariiach prüfe dich, du Gotteskindl (Besser.) Habt ihr’s nicht gesihnieckh daß der HErr freundlich ist, meint Petrus, dann predige ich freilich umsonst. (Luther.) O wie manches Neiden und Asterreden kommt daher, weil man nichts Besseres weiß, den Frieden in Gott nicht geschmeckt hat! Wer einmal geschmeckt hat, wieviel Seligkeit und Süßigkeit im Umgang mit dem HErrn Jesu, in der Betrachtung seiner Worte, Verheißungen und Wege sei, der macht sich nicht gern mehr so verdorbene Stunden, wie man bei der alten Fäulniß hat. (Rieger.) H) Die vorher durch den Zusammenhang mit Kap. 1, 23 ff. gegebene Vorstellung von der Nahrung und dem Wachsthum des neuen Lebens wird vom Apostel verlassen, wenn er fortfährtt »zu welchem ihr kommen seid als zu dem lebendigen Stein«; hiermit wird der HErr als der Stein dargestellt, an den wir uns als Steine anschließen, so daß daraus ein Bau erwächst. Es ist aber im Grundtext dieser An- schluß an ihn nicht, wie unsre deutsche Bibel schreibt: ,,kommen seid«, als ei1i für allemal geschehen, sondern mit ,,koinmet« als ein stetiger bezeichnet, um zu erinnern, daß es sich um eine Gemeinschaft handelt, die nur durch eiiie stetig andauernde Hingabe von unsrer Seite unterhalten bleibt: in solchem Anschlusse an ihn, den lebendigen Stein, werden wir auch selbst als lebendige Steine Vestandtheile eines Baues, des- selben nänilich, für den er von Gott erkoren ist, und erwachsen in der Verbindung mit einander zu einem ,,geistlichen Hause« -—»— zu einem H arise, weil durch Zusammenfügung vieler Bestandtheile zur Einheit eines Wohnungsbaues hergestellt, zu einem geist- lichen Hause aber, weil die Steine, aus denen es erwächst, lebendige Steine sind, was im Gegensatze steht zu einem stofflichen Bau. Und weil nun diese lebendigen Bausteine Dem priesterlich dienen, dessen Haus, darin er wohnt (2. Cor- 6, 16), sie bilden, so erwachsen sie zugleich zu einem ,,heiligen Priesterthum«: sie sind das in anderem Sinne, als die aaronitische Priesterschast es war, die zwar auch, als von Gott aus- gesondert, eine heilige war, aber doch nur in stoff- lichem Hause mit Darbringung von stofflichen Opfern ihren Dienst that; ihr Thun ist vielmehr das Dar- bringen solcher Opfer, welche des Geistes Art haben gleich dem Hause, das sie bilden, und welche nicht kraft gesetzlicher Bestimmungen, sondern durch Jesum Christum, als dessen Angehörige sie Opfern, Gott an- genehm sind. (v. HosmannJ Dies ist die auszeich- nende Herrlichkeit der neutestamentlichen Heilsgemeinde, daß sie nicht nur selbst Haus Gottes, sondern zu- gleich auch die zur Bestellung desselben nothwendige Priesterschaft ist. Wenn nun diese Priestergemeinde heilig genannt wird, so soll sie damit nicht als eine sonderlich geartete andern Priestern entgegengestellt werden, die nicht heilig wären; sondern die Heiligkeit, die das selbstverständliche Attribut jedes Priesters ist, wird hier nur ausdrücklich ausgesprochem weil die 720 1. Petri 2, 10. Priesterschaft, der sie als solcher zukommt, hier die- jenigen sind, welche sonst gerade we en des Mangels dieser Heiligkeit einer sonderlich ge eiligten Priester- schaft bedurften, die siimmtlichen Glieder der Heils- gemeinde. Dasselbe, was den Christen fähig macht, selbst als lebendiger Stein zum Hause Gottes zu ge- hören, nämlich das heilige göttliche Leben, das ihm in der Wiedergeburt von Christo her zu Theil ge- worden, eben das befähigt ihn auch, unmittelbar, ohne Dazwischenkunft eines hiefür besonders geweihten Priesters, vor Gott zu stehen und ihm in Bethätigung dieses seines Lebens zu dienen; denn dies Leben ist ja eben der Thatbestand einer bereits verwirklichten wesenhaften Gottes-gemeinschaft, und alles nun, was wirklich Erzeugniß und Bethätigung dieses neuen gottgewirkten Lebensstandes ist, gehört zu den geist- lichen Opfern, die er Gott darbringt. (Schott.) Bei dieser ganzen Beschreibung des Berufs der Christen ist es dem Apostel nicht sowohl darum zu thun, den Unterschied zwischen der Gemeinde des alten Bandes und der des neuen Bandes anzugeben, sondern viel- mehr hervorzuheben, daß sich in jener das erfüllt und erfüllen soll, was dieser bereits zugesprochen, bei ihr aber nur in vorbildlicher und ungenügender Weise er- schienen war. Dabei treten denn auch die Unterschiede deutlich hervor: Jsrael hatte ein Haus Gottes, die christliche Gemeinde aber ist berufen, selbst das Haus Gottes zu sein; jenes Haus waraus todten Steinen erbaut, dieses, aus lebendigen Steinen erbauet, ist ein geistliches Haus; Jsrael sollte eine heilige Priesterschaft sein, allein es war das nur in dem, in die Gemeinde hineingesetzten besonderen Priester- thum, die Christengemeinde aber ist berufen, ein hei- liges Priesterthum in dem Sinne zu sein, daß jeder Einzelne in ihr des Priesteramts zu pflegen hat; die Opfer, welche die Priester in Jsrael zu bringen hatten, waren Thiere u. dgl., die Opfer der Christen dagegen sind g eistlich e Opfer, die Gott durch Christum wohlgefällig sind. (Huther.) IN) Die Stelle des Jesaia hat schon oben V. 4 den Ausdruck des Apostels bestimmt; aber erst jetzt wird ganz ausdrücklich das Verhältniß der neutesta- mentlichen Gottesgemeinde zu Christo, ihrem Grunde, als Erfüllung dieses Schristwortes dargestellt. Abge- sehen von einigen andern Abweichungen vom Wort- laut beim Propheten nun fügt Petrus dem »glaubet« das ,,an ihn« hinzu; denn er hat oben gesagt: »zu welchem ihr kommen seid«, und da das ,,kommen seid« dort gleich stehet dem ,,glaubet« hier, so mußte nun auch dem »z11 welchem« dort etwas hier entsprechen, was eben durch ,,an ihn« beigebracht wird. Die erste Hälfte des Citates hier nimmt die letzte Stelle im Ausspruche dort ein, während dessen mittlerer Theil auf eine Schriftstelle hinweist, die vom Apostel nicht eigens citirt, aber vom Neuen in V. 7 in Bezug ge- nommen wird. Blicken wir aus die Worte in V. 4: »der von den Menschen verworfen, aber bei Gott ist er auserwählt und köstlich« zurück, so sind hier die Meuschen überhaupt in Gegensatz zu Gott gestellt und ist das, was die jüdischen Oberen, in der betr. Psalmstelle als »die Bauleute« bezeichneh in der Ver- wersung Christi als des Grundes einer neuen Mensch- heit gethan haben, als der einmal für immer voll- zogene menschliche Urtheilsspruch in seinem Widerstreit mit dem göttlichen Urtheil betrachtet; das ist denn auch eine ganz richtige Anschauungsweise, denn indem das aus allen Völkern zum Träger und Bringer des Heils erwählte Volk Jsrael in seinen, an der Spitze der Theokratie stehenden Häuptern ihn verworfen, ist wirklich eine Entscheidung von Seiten der Menschheit erfolgt, alles weitere Verhalten der Einzelnen zu Christo ist fortan entweder Zustimmung zu diesem bereits vorliegenden Verwerfun surtheil oder aber zu dem in der Auferstehung desH rrn sich offenbarenden Anerkennungsurtheil Gottes (Apostg. 2, 36; 13, 27 ff.). Das menschliche Urtheil als solches fällt immer auf jene, und nur dasjenige Urtheil, was Gott durch seinen Geist in dem einen oder andern Jndividuum wirkt, auf diese Seite; es muß Einer erst in bußfertiger Abkehr von seinem natürlich-menschlichen Wesen das Verwerfungsurtheil der Menschheit seinerseits aus- driicklich verwerfen und in gläubiger Aneignung der evangelischen Heilspredigt das göttliche Urtheil eigens zu seinem persönlichen machen, sonst bleibt er im Banne des »von Meuschen verworfen« Darum hat auch Petrus oben gesagt: ,,zu welchem ihr kommen seid als zu dem lebendigen Stein«, was allerdings in einem erstmaligen Akt in entscheidender Weise geschehen ist, aber doch auch täglich, ja unaufhörlich immer auf’s Neue geschehen muß; denn fortwährend neigt sich unser alter Mensch der menschlichen Verwerfung Christi und seines Heiles zu, das Anziehen des neuen Meuschen dagegen ist der Sache nach eins und das- Elbe mit dem Kommen zu Christo als dem lebendigen tein. f) Die Schlußworte dieses Verses lassen sich kaum so übersetzem wie Luther nach dem Vorgange der älteren Schriftausleger gethan hat (,,sie waren auch gesetzt zum Glauben an Christum, aber sie verweigern den Glauben, weil sie eben nicht glauben wollen«: com. a Lapjde); mit kaum merklicher Aenderung hat die revidirte Ausgabe des neuen Testaments, welche die Canstein’sche Bibel-Anstalt in Halle im J. 1867 auf Grund der Eisenacher Beschlüsse herausgegeben, dafür geschrieben: dazu sAnstoß zu nehmen und in Folge dessen zufallen] sie auch sum ihres Unglaubens willen] gesetzt sind [Luk. 2, 34 f.]. Der Sinn der Worte ist also dieser: nachdem sie, die Ungläubigen, sich einmal mit freiem Willen dem Unglauben hinge- geben haben, ist das Anstoßen nichts Zufälliges und Beliebi es für sie, sondern es liegt neben dem natür- lichen Zusammenhange auch eine göttliche Ordnung darin, gleichwie es unvermeidlich ist, daß, wer auf das Fleisch säet, vom Fleische das Verderben erntet (Gal. G, 8). Daß sie nicht glauben, bemerkt Besser, ist ihre Schuld, daß sie sich stoßen, istihre Strafe; und dieser Strafe mögen sie nicht entrinnen, sie sind dazu auch gesetzt Wer an Christum glaubt, soll nicht zu Schanden werden; wer aber nicht glaubt, der soll zu Schanden werden und kann den Stein nicht aufhalten, der zermalmend auf ihn fällt (Luk.20, 17). Was bewegt doch den heil. Apostel zu diesem Aus- spruch: ,,dazu sie auch gesetzet sind«? Nichts Anderes, als der Eifer um die Ehre Jesu Christi, des köstlichen Ecksteins, und um die Kraft des Wortes, welches unter uns verkiindiget ist (Kap· l, 25). Es hat ja den Schein, als benähme der Unglaube der Meuschen diesem Steine seine Ehre; denn sie verwerfen ihn, der zum Heile Alter gesetzt ist, und er läßt sich von ihnen verwerfen, und das Wort scheint ohnmächtig zu sein an seinen Verächtern. Aber es ist nicht so: die Un- gläubigen können den Stein alles Heils nicht um- stoßen, sondern sind von dem Rächer ihres Un- glaubens dazu gesetzt, daß sie an diesem Steine sich zerstoßem sie können das Wort, welches ihnen zur Seligkeit verkiindigt wird, nicht entkräften durch ihren Unglaubem sondern müssen es bekräftigen im Erleiden des Gerichts, mit welchem dasselbige Wort sie richtet nach Gottes Verordnung (Joh. Z, 19; 12, 48). Vgl. die Bem. zu Sam. 24, 1. Verkündiget die Tugenden deß, der euch berufen hat von der Finsterniß zu seinem Licht. 721 H) Die Christen sind ein von Gott zu seinem Eigenthum auserwähltes Volk, nicht um als solches für fich abgeschlossen zu bleiben, sondern die herrlichen Eigenschaften Gottes, die aus ihrer Errettung und Heiligung hervorleuchten, Andern zu verkündigem Gott hat sie berufen aus der Fiusterniß der Sünde, der Unwissenheit, der Hoffnungslosigkeit zu seinem wunderbaren Lichtx jeder Gedanke an ihren früheren Zustand und an die Fiille von Licht und Leben, die über sie seit ihrer Bekehrung fich ergossen hat, erfüllt sie mit Erstaunen; aber es soll dies keine niüssige Bewunderung bleiben. (V. Gerlach.) Das Verkün- digen der Tugenden Gottes, die fich in dem Wunder- werk der erfahrenen Bekehrung kund geben, nicht blos feiner Macht, sondern nicht minder seiner Gnade nnd Weisheit und der Heiligkeit seiner Liebe, muß geschehen durch Wort und Wandel, nicht allein von den berufenen Lehrern, sondern von der ganzen gläubigen Gemeinde. (Fronmiiller.) Gott der Allmächtige hatte das Volk Jsrael sonderlich erwählt, ihm großmächtige Ehre er- zeigt, viel Propheten gegeben und auch viel Wunder- werte an ihm ethan, darum, daß er aus diesem Volke wollte Chri tum, seinen eingebornen Sohn, lassen Mensch werden; um des Sohnes willen ist es alles »eschehen, darum heißen sie Gottes Volk in der chrift. Aber das haben die Propheten weiter aus- gestrichen und gesagt, daß diese Verheißung sollte aus- brechen und auch die Heiden belangen; darum sagt hier St. Peter zu seinen Lesern: ,,ihr seid Gottes Volk, die ihr weiland nicht Gottes Volk waret«; woraus klar ist, daß er diese Epistel an die Heiden, nicht an die Juden geschrieben habe. (Luther.) c. V. st——Kai-. s, löst« Wie der Christ, der auf die künftige Herrlichkeit hofft, um solcher Hoffnung mitten sein verhaften nach innen, gegen Gott, seinen Vater, gegen Christum, seinen Heiland, gegen die Mitchristem seine Brüder, und gegen sich selbst als einen durch Gottes Wort Wiedergeborenen und auf den Cctistein des Hauses» Gottes Gegriindeten einzu- richten habe, das war der Inhalt der Beiden vorigen Ermahnung5-Abscijiiitte; da geht denn jetzt der Apostel zu dem Verhalten nach aus-sen über, zu dem Ver- halten gegenüber der heidnischen Umgebung, und zeigt feinen Leser-i, in welcher Weise sie da nach dem vorhin Gesagten verständigen sollen die Tugenden des3, der sie berufen hat von der Finsternis! zu seinem wunder- baren Licht. Wie in einer thematischeii Ueberschrift saslt er zunächst die ganze folgende Ermahnung ihren Grundgedanken nach in der Itufsorderuiig zusammen, alk- Frcmdlinge und Pilgrime in dieser Welt sollten die Christen von den sleischlicijen Liisteii sich enthalten, die wider die Seele streiten, und unter den Heiden, in deren Mitte sie hineingestellt seien, zur Ueber- windung der Vorurtheile derselben gegen da5»Chrisieii- thnm einen guten Wandel führen Werk: 11 u. 12). Als das erste und vornehmste Stiicli eines solchen Mundes, wie e5 ins diesem Zusammenhange sich um denselbigen handelt, bezeichnet er demnächst das Unterthaufein aller menschlichen Ordnung, die freie sittliche Unterordnung sowohl in dem Ver- hiiltuisl der christlichen Unterthanen zu ihrer heid- nischen Obrigkeit (1J.13—17), als in dem der christ- lichen Knechte zu ihren, wenn auch heidnischen Herren (V. t8——25). Da aber zu den Grundformen inensajlictien Gemeinfchastslebens hauptsächlich auch der Ehestand gehört, so zieht Petrus bei seiner apostos lischen Unterweisung ferner diesen in Betracht (Kap. s, 1—7), um zuletzt noch eine abschliesiende Gr- mahnung an alle ohne Untersihied deg- Stan- des» zu richten, wie man sieh des rechten, gottgefälligen D tich selki Bitselwetk VII. Band. Verhaltens- unter einander und gegen die feindselige heidnische Umgebung zu besleisligeti habe (V. 8——15a). (Cpisiel am Z. Sonntag nach Ostern, Jnbilate.) Das Evangelium des heutigen Tags ist, wie fast alle Evangelien zwischen Ostern und Pfingsten, aus dem Co. Johannis, und zwar aus jenen wunder- schönen letzten Reden Jesu Christi genommen, welche er an seine Jünger vor seinem Scheiden gerichtet hat. Jn der Wirklichkeit fielen diese Reden in die Nacht, da der HErr verrathen ward; dagegen werden sie im Kirchenjahr nicht in der Passionszeit, sondern in den freudenvollen Tagen der Pfingsten, d. i. in jenen 50 Tagen gelesen, da man der Verklärung Christi und seines Heimgangs zu dem ewigen Vater gedenkt: der HErr war in der Nacht vor seinem Leiden so sehr des Gedankens voll, daß er jetzt in der tiefsten Tiefe seiner Erniedrigung Verweile, von nun an aber sein Weg fich aufwärts lenke, daß seine Reden gar nicht passionsmäßiH klangen, sondern vielmehr ganz die Natur der 50 age nach Ostern, der Verklärung und des Heimgangs zur ewigen Glorie an fich trugen. Wie denn der Jsraelite beim ersten Passafeste in Eghpten das Passalamm als ein Weggehender genoß, so erscheint uns auch im heutigen Evangelio der HErr als ein«Weggehender, als ein Auswanderey als ein Gast und Fremdling auf Erden, der fich herrlich und mit Freuden zum ewigen Vaterlande schwingt Das ganze Evangelium macht nach Ton und Inhalt diesen Eindruck; demselben würdig zur Seite steht die Epistel. Neben dem Wandel Christi erzeigt fich der Wandel seiner Braut, der Kirche: erscheint nun der HErr als ein Gast und Fremdling, so erscheint neben ihm in der Epistel die mit ihm wegeilende Braut, die Kirche, die auf Erden keine Heimath hat, sondern ihrem Herzog und Bräutigam nach von dannen in eine bessere Heimath eilt. Die Christen haben hier keine bleibende Statt, zur zukünftigen eilen sie, sie feiern auf Erden immerfort die österliche Zeit ihres Auszugs, Wegzugs und Heimzugs; und der Apostel giebt ihnen in unserm ganzen Texte Belehrung und Anweisung, wie sie der ewigen Heimath würdig als Fremdlinge und Pilgrime in der Welt wandeln sollen. (Löhe.) Diese Epistel, wie die vorhergehende (V. 21 sf.) zu- nächst mit Rücksicht auf die an Ostern Getauften ge- wählt, um sie an ihre Christenpflichten im Verkehr mit der Welt zu erinnern, enthält theils Warnungen vor den fleischlichen Lüsten, theils Ermahnungen zum Ge- horsam ge en alle Obrigkeit auch in dem Falle, daß man um ohlthat willen leiden müßte. (Alt.) Wie ein Christ, als Pilgrim in dieser Welt, fich zu der Welt und ihren Kindern stellt: 1) er nimmt herzlichen Antheil an Freud und Leid der Welt, aber von der schnöden Lust der Welt sagt er mit Entschiedenheit fich los; 2) er unterwirft fich willig allen Ordnungen undGesetzen der Welt, aber der eigentliche König, dem er dient, ist doch nur sein himmlischer HErr; 3) er trägt in Gelassenheit den Unverstand und die Bosheit der Welt, aber hilft auch an seinem Theil, daß Gottes Reich komme und die Welt überwinde. Wie der Christ, obwohl er in der Welt lebt, doch stets als einen solchen fich hält, der nicht von der Welt ist: gegenüber i) den Freuden, Z) den Ordnungen, Z) den Un- bilden der Welt. (Eig. Arb.) Der Christ ein Fremdlin und Pilgrim auf Erden: 1) erkennet, daß ihr es eid; 2) wenn ihr es erkannt habt, so willigt darein; Z) wenn ihr darein gewilligt habt, so ordnet demgemäß euer Leben. (Souchon.) Wozu ermahnt uns unser Stand, die wir Fremd- 46 722 I. Petri 2, 11——17. linge und Pilgrime auf Erden sind: I) ent- haltet euch von fleischlichen Lüsten; Z) führet einen guten Wandel; Z) seid unterthan aller menschlichen Ordnung. (Genzken.) Heimath und Fremde, wie genügt der Christ beidem? 1) Was die Hei- math fordert, versäumt er nicht um der Fremde willen; 2) was die Fremde fordert, versäumt er nicht um der Heimath willen. (Set)bold.) Der Christ in der Welt: 1) seine Stellung zur Welt, 2) sein Wandel in der Welt, Z) seine freie Unter- ·ebung unter die Ordnungen der Welt, 4) sein eiden von der Welt. (Thomasius.) Das Ver- halten des Christen gägenüber der Welt: l) der Welt in ihm, 2) der elt außer ihm, Z) der Welt üb er ihm. (K1·ibel.) 11. Lieben Brüder, ich ermahne euch als die Fremdlinge und Pilgrime [Kap. 1, 1 u. 17; ·Ephes. Z, 19» Anm.]: Enthaltet euchvowfleischlichen Lüsten [Gal. 5, 19 ff.], welche wider die Seele streiten [um sie, die in der Wiedergeburt ihrer beherrschenden Macht überhoben worden ist Röm. S, 17 f., sich wieder dienstbar zu machen, dadurch sie denn, wenn ihnen das gelänge und sie so ihre Heiligung hintertreiben könnten, um ihre Seligkeit sie bringen würden Kap. I, 9 u. 22 f.]; 12. Und fiihret sals die, welche verkündigen sollen die Tugenden deß, der sie berufen hat von der Finsterniß zu seinem wunderbaren Licht V. 9] einen guten Wandel sgenauerx euren Wandel als einen guten] unter den Heiden [in deren Umgebung ihr hineingestellt seid], auf daß die, so von euch lChristen als solchen Kap. 4, 14] afterreden als von Uebelthütern lgleich als wäre Christsein und Uebelthätersein ein und dasselbe Kap. 3- 16], eure guten Werke sehen und [dadurch zu einer besseren Ansicht von der christlichen Religion gebracht] Gott preisen lMattkx Es, 16]- wenn es nun an den Tag kommen wird« swie sehr sie mit ihrem bis- herigen Urtheil über das Christenthum fehlgegrifsen haben, und damit auch für sie eine Zeit gnädiger Heimsuchung Luk. 19, 44 kommt, sich zu Christo zu bekehren]. 13. Seid [demnach, da es gilt, üble Nachrede durch die That zu widerlegen] unter- than aller menschlichen Ordnung sder zwar aus menschlichen Wegen zu Stande gekommenen, aber doch immerhin von Gott verordneten Obrig- keit Röm. 12, l] um des HErrn willen [der es also von den Seinen verlangt Matth. 22, 21 und mit seinem Beispiel selbst darin vorangegangen ist Mcctth- 26, 50 ff] es sei dem Könige sKaiser in Rom], als dem Obersten [eigent- lichen Souverän Joh. 19, 15], 14. Oder den Hauptleuten sStatthaltern der Provinzen Luk. 2, Z; Apostg. 19, 38., den Landvögten und Landpflegern Apostg. 13, 7; -18, 12; Luk. s, 1], als den Gesandten von ihm ur Rache über die Uebelthäter und zu obe Anerkennung, Schirmung, Förderung] den Frommen« [Röm. 13, 3f.; I. Tini. 2, l ff.]. 15». Denn das ist der Wille Gottes, daß ihr mit Wohlthun verstopset kdurch Gutesthun zum Schweigen bringet] die Unwissen- heit der lvon euch übel redenden V. 12] thö- riehten Menschenzttt 16. Als die Freien seuch unterthan er- weisend aller menschlichen Ordnung V. 13], und nicht [irgendwie euch so verhaltend] als hättet ihr die Freiheit [damit uns Christus besreiet hat Gal. 5, 1; 2. Cor. 3, 17] zum Decke! der Bosheit swie ihr dann thun würdet, wenn ihr unter Berufung aus dieselbige der Obrigkeit wider- streben wolltet Röm. 13, 2], sondern als die Knechte Gottes-s· sdie in allen Lagen und Verhältnissen von seinem Wort und Willen sich bestimmen lassen, euer Leben führend Röm. 6, 22]. 17. Thut Ehre jedermann [Röm. 12, 10; Jak. Z, I; Gal. G, 10]. Habt die Brüder lieb [Kap. I, 22z 1. Joh. Z, 14 ff.; 4, 20 f.]. Fürchtet Gott [Kap. 1,17]. Ehret den Könåg -H· s im römischen Kaiser V. 13; Sprüchw. 24, 1 V) Mit der liebevollen Anrede: »lieben Brüder« bahnt sich Petrus zuvörderst den Weg zum Herzen der Leser; weder durch persönliche Bekanntschafy noch durch ein engeres Verhältniß ihnen nahe stehend, hatte er bei dieser Vermahnung, welche ja bis in die innersten und kleinsten Lebensverhältnisse hineingreifen soll, doppelt Anlaß, im Voraus darauf hinzuweisen, daß er nicht aus vorwitzigem Eifer oder unbefugtem Mißtrauen, sondern lediglich aus ächt apostolischer Liebe rede. (Schott.) Er nennt sie Beisassen (Luther: ,,Fremdlinge«), die in eineni Lande oder in einer Stadt wohnen, wo sie kein Bürgerrecht haben; und nennt sie Fremde (Luther: ,,Pilgrime«) die nur wie aus einer Reise, nur kurze Zeit sich an einem Orte aufhalten. Hat er in V. 9 f. den Christen ihre hohe Würde gezeigt, so will er sie jetzt auch an die Niedrigkeitsgestalt erinnern, die auf Erden ihr Theil ist. (Sommer.) Fremdling, Pilgrim, heimathlos auf Erden, voll Heimwehs und Verlangens nach dem himmlischen Vaterlande ist der Christ: das scheint keinem Apostel lebendiger und eigener eworden zu sein, als dem heil. Petrus, der schon in up. 1, 1 die Christen in Pontus, Galatien &c. als auserwählte Fremdlinga als eine Diaspora, eine in der Zerstreuung lebende Schaar des HErrn Jesu anredet und nun alle seine apostolischen Ermahnungen den Christen als Pil- grimen und Fremdlingen gegeben haben will. Da straft sich denn wie von selbst jener behagliche, lebens- freudige Sinn der meisten Christen, nach welchem ihnen die Welt keine lästige Nachbarschaft, das Leben in ihr als keine Last, im Gegentheil als ein Vorschmack der ewigen Freude und als ein Genuß erscheint, für welchen man allensalls die Religion des HErrn Jesu wie eine Krone ansieht und wie das Beste unter all dem Guten. (Löhe.) Wenn nun der Apostel ermahnt: ,,enthaltet euch von fleischlichen Lüsten«, so kommen die fleischlichen Lüste nicht als etwas außer den Christen Vorhandenes, der Umgebung, in der sie leben, Eigen- thümliches sondern lediglich als ihnen selbst innerliche Enthaltet euch von fleischlichen Lüften! Führet einen guten Wandel unter den Heiden! 723 in Betracht; das ergiebt sich aus dem diese Ermahnung begründenden Satzet »die wider die Seele streiten«. Der Christ kann sich von den fleischlichen Lüsten und Begierden fern halten, indem er nicht auf sie eingeht, wenn sie sich in seiner angeborenen Natur regen; und er soll dies in Anbetracht dessen thun, daß sie wider die Seele streiten, gegen dieselbe Krieg führen, also sie feindlich bezwingen wollen, so daß der, welcher sich ihnen preisgiebt, sein Leben, das er als Christ errettet hatte, an sie verliert. Und wie seiner Seele zu Liebe, also um sein selbst willen, so soll er es auch im Hin- blick auf die Nichtchriften seiner Umgebung, welche als ,,Heiden« bezeichnet sind, woraus abermals hervorgeht, daß der Brief für heidenchristliche Leser bestimmt ist, thun: in deren Mitte sollen die Leser ihren Wandel so führen, daß er gut ist; ihr Wandel wäre aber kein , guter und löblicher, wenn sie sich den fleischlichen Lüsten Z ergeben wollten, indem sie dann thun würden, was , unlöblich ist. Jst dagegen ihr Wandel inmitten ihrer Volksgenossen ein guter, so gereicht dies dazu, daß die Heiden, wenn Gott sie heimsucht, um eben das ihn preisen, um was sie jetzt von den Lesern übel reden als von Uebelthätern; der Apostel nimmt da Bezug auf den Christenstand selber, der ja allerdings schon an sich, Von allem abgesehen, was den Christen sonst nachgesagt werden mochte, für Abfall vom Volksthum und Verbrechen gegen die bestehende Ordnung galt (Apostg. 16, 20s.; 17, 7). Werden die Heiden, so will er sagen, das, um was sie jetzt euch Verbrecher schelten, euren Christenstand, einmal von euren guten Werken aus ansehen, ihn nach demselbigen beurtheilen, so werden sie Gott darum preisen; dazu, daß sie für einen solchen Eindruck des guten Wandels der Christen empfänglich werden, um das ihnen für verbrecherisch geltende Christenthum nach ihm zu beurtheilen, kommt es nun aber freilich nicht von selbst, sondern es bedarf dazu einer göttlichen Heimsuchun , die ihren von Vor- urtheilen gefangen gehaltenen inn frei macht, das Gute, auch wenn es von Christen gefchieht, als solches anzuerkennen. (von HofmannJ Noch erschien dem oberflächlichen Auge die Bruderliebe der Christen als ein geheimer, staatsgefährlicher Bund, ihre Entschiedens heit als Halsstarrigkeih ihr himmlischer Sinn als Haß des Menschengeschlechtsz ihr Brechen mit den väter- lichen sündlichen Gewohnheiten wurde als Verachtung und Verwerfung aller menschlichen Ordnungen ange- sehen. Aber diese Anschauung wird sich einmal ändern; es wird eine Zeit kommen, wo die Heiden durch ge- nauere Prüfung des Wandels der Christen eines Besseren belehrt werden, wo sie Gott, dessen Kinder die Gläubigen sind, die Ehre geben müssen. (Fron- mittler) Man darf bei dem »Gott preisen« nicht immer ein eigentliches Lob Gottes erwarten: wenn die Leute nur die guten Werke loben, so preisen sie den himmlischen Vater als den Urheber derselben, gleichwie derjenige, der die guten Sitten eines Kindes lobt, den Erzieher desselben lobt. (Roos.) Dieses Gottpreisem obgleich erst Brücke zum Glauben, ist doch schon Gnadenerweis dessen, ohne den kein Lichtstrahl in die Nacht der Herzen dringt; darauf weist Petrus hin mit den Worten (die Luther mit: »wenn es nun an den Tag kommen wird« übersetzt hat): am Tage der Heimsuchung (Wiesinger.) Wir lesen, da die Kaiser regierten und die Christen verfolgten, daß man ihnen nichts Schuld geben konnte, denn daß sie Christum anbeteten und für einen Gott hielten; wie Plinius zum Kaiser Trajan schreibt, daß er nichts Böses wüßte, das die Christen thäten, denn daß sie alle Morgens frühe usammenkämen und sängen etliche Lobgesänge, damit sie Christum ehrten und das Sacrament nähmen, sonst könnte ihnen niemand nichts Schuld geben. (Luther.) Justin der Märtyrer, ein Kirchenlehrer des 2. Jahrhunderts, gehört zu den durch den guten Wandel der Christen Gewonnenem er erzählt selber, daß er beim Anschaun des geduldigen Heldenthums geinarterter Zeugen sich habe sagen müssen: so sterben keine Uebelthäteri (Besser.) Nicht um unsertwillen sollen wir danach trachten, ein gutes Geriicht bei den Menschen zu haben, sondern zur Verherrlichung Gottes, der des heiligen Wandels der Seinigen als einer Vor- bereitung sich bedient, u1n die Jrrenden aus den rech- ten Weg zurückzuführen. (Calvin·) VHDurch ihren guten Wandel sollen sie die Lästerung der Ungläubigen in Lobpreis ihres Gottes umwandeln, hat der Apostel vorhin seinen Lesern geschrieben; als das Hauptstück solchen Wandels bezeichnet er nun das Unterthansein aller menschlichen Ordnung. Der Glaube, der seiner innersten Wurzel nach Gehorsam, demüthige Unterwersung unter Gott ist, kann nicht in selbstischer Ungebundenheit und hochmüthiger Ueber- hebung nach außen sich gefallen, sondern führt mit innerer Nothwendigkeit zum Unterthansein, und das nicht blos in Dingen schlechthin göttlicher Art und Abkunft, sondern auch in den Dingen, welche zunächst als menschliche erscheinem aber darum g-leichwohl einen göttlichen Kern in si haben, indem sie ihrem Grunde nach auf göttlich ge etzter Naturordnung ruhen, ihrem Bestände nach Produkt göttlicher Fügung sind, ihrem Zwecke nach göttlichen Absichten dienen, in der Art ihrer Betrachtung und Behandlung göttlicher Norm unterliegen, und demnach das Gewissen des Christen in solcher Weise binden, daß der Gehorsam in Ansehung ihrer, der eben die thatsächliche An- erkennung des Göttlichen in ihnen ist, zu einem integrirenden Beftandtheile des Gehorsams gegen Gott selbst wird. Warum der Apostel seine Leser vor allem zur Erweisung eines guten Wandels durch ihr Unter- thansein den bestehenden Ordnungen des natürlichen Lebens ermahne, erklärt sich von selbst; so nahe es nämlich dem Christen jener Zeit lag, seinen Eintritt in die höhere Lebensordnung des Reiches Gottes als Austritt nicht blos aus heidnischer Denk- und Lebens- weise, sondern zugleich als ein Recht zur Lossagung von jenen natürlichen Lebensordnungen zu betrachteiy sie wenigstens als profan zu achten und seine christ- liche Freiheit gegen sie zu kehren, so nahe mußte es andrerseits dem Heiden liegen, das göttliche Recht dieser Ordnungen, um das auch der Heide wußte, da- gegen geltend zu machen und sein Urtheil über das Christenthum nach dem Verhalten des Christen in Ansehung ihrer zu bilden. (Wiesinger.) Die Obrig- keit heißt eine menschliche Ordnung deswegen, weil die weltlichen Staatsverfassungen nicht in einem speziellen Worte Gottes ihren Grund haben, wie die wahre Religion, sondern mehr von Menschen und ihrer Thätigkeit geordnet sind, wie es wenigstens uns erscheint, die wir das verborgene Walten Gottes nicht sehen. (Flacius.) Die eschichtlichen Verhältnisse seiner Zeit im Auge habend ührt der Apostel zwei Bestand- theile der staatlichen Gewalt an, in welchen diese sich darstellt: es sei dem Könige, sagt er, damit den römischen Kaiser weinend, den Juden und Griechen ,,König« nannten, und ihn als denjenigen bezeichnend, der die Obermachh die höchste souveräne Gewalt hat; oder den Haup tleuten, fährt er dann fort, worunter die Statthalter in den Provinzen zu verstehen sind. Von den letzteren sagt er, sie seien von dem Kaiser gesandt zu dem Zweck, die Uebelthäter zu bestrafen und denen mit Wort und That Anerkennung zu ertheilen, die Gutes thun; denn nur dadurch wird ein staatliches 467 724 1. Petri L, 18—20. Gemeinleben ermöglicht, daß die sittlichen Normen desselben durch Strafe gegen die Uebertreter und durch Belobung der Guten aufrecht erhalten werden. (Sommer.) Kaiser Ferdinand I. (1556—1564) hat den Evangelischen dies Zeugniß gegeben: »Die Lutheraner haben zwei schöne und herrliche Stücke in ihrer Lehre, die soll ihnen niemand absprechenx für’s Erste, daß sie so freudig Christum Jesum bekennen nnd auf dessen Verdienst allein ihre Seligkeit bauen; zum Andern, daß sie den Stand der Obrigkeit nicht so schlecht und gering halten, als der Papst, sondern Gottes Ordnung daran aufweisen. (Besser.) sit) Jn dem Satzet ,,das ist der Wille Gottes, daß ihr mit Wohlthun verstopfet die Unwissenheit der thö- richten Menschen«, geht das »das« nicht sowohl auf das ,,verstopfet« an sich, als vielmehr auf die Art desselben: ,,mit Wohlthun« (mit Thun von solchem, das ut ist, will Gott die Unwissenheit der thörichten Men chen zum Schweigen gebracht wissen, nicht aber sollt ihr mit vergeblichen Versuchen euch abmühen, durch Gegenrede dem ein Ende zu machen, daß man das Christenthum für staatsfeindlich, mit der öffent- lichen Ordnung uiiverträglich erklärt); dies ,,Wohlthun« bezeichnet, wie in V. 12 der gute Wandel, das All- gemeine, unter welches das Unterthansein als Gattung um so natürlicher subsumirt ist, als vorher die Obrig- keit nach ihrem sittlichen Zwecke charakterisirt worden. Aus dieser Rückbezielsung ist auch klar, daß die Un- wissenheit hier nicht auf Gott, sondern aus das Ver- halten der Christen geht: das ist eben die Unwissen- heit eurer Widersacher, daß sie, was gut ist, aus Un- kenntniß böse nennen (v l. Kap. Z, 16). Es ist also Unwissenheit und Unkun e dem Thatbestande gegen- über, gepaart mit der widerwärtigen Unart, statt der Augen immer den Mund offen zu halten und die Dinge zu nehmen, nicht wie sie sind, sondern wie die eigene Verkehrtheit sie sich zurechtzulegen beliebt; in dieser Unwissenheit aber kommt die Thorheit des natürlichmenschlichen Herzens zum Vorschein (Wie- singer.) Bei dem ,,verstopset« bleibt ganz dahin- gestellt, ob dies Schweigen nur ein äußerlich unfrei- williges bei innerlich sortbestehender Neigung zu ver- leumderischen Reden oder das Schweigen eines ge- troffeiien Gewissens und einer umgewandelten Einsichh also der Anfang der Bekehrung ist (vgl. V. 12); diese zwiefache Möglichkeit der Art des Erfolges geltend zu machen, liegt dem Apostel hier ferne, es handelt sich für ihn nur darum, wodurch ein gewisser Erfolg zu erreichen ist, den er darum auch natürlich nur ganz allgemein benennt. (Schott.) T) Mit diesem Satze will Petrus das in V. 15 als ,,Wohlthun« bezeichnete Unterthansein näher be- stimmen und dem Einwande gegen die Unterwürfigkeit unter die Obrigkeit begegnen, als vertrüge sich diese nicht mit der christlichen Freiheit. Es ist aber die Freiheit, welche dem Mißverstande zum Vorwand egen das Unterthansein dienen muß, nicht speziell die Freiheit vom Gesetz, wie in Gal. 5, 13., oder von der Sünde, wie in Röm. 6, 22., sondern die Freiheit, welche dem Christen vermöge seiner Stellung zu Gott (vgl. V.·9 u.10) überhaupt eignet, Freiheit im Gegen- satz zu 1edweder·Knechtschaft. Aber die Pseudofreien, die »sich fälschlich der Freiheit rühmen, vergessen Zweierlei, was hier der Apostel hervorhebt: nämlich erstens, daß diese Freiheit negativ eine Befreiung von aller ungöttlichen Macht, somit auch von der selbstischen Ungebundenheit des eigenen Jchs ist, und zweitens, daß sie positiv Gottes Knechtschaft ist, eine Knechtschafh die allrrdiiigs Jede andere ausschließt, aber zugleich den freien Gehorsam der Liebe gegen alles dasjenige in sich schließt, worin der Christ seines HErrn Willen und Ordnung zu erkennen hat. (Wie- singer.) Auch macht das Evangelium nicht die Güter gemein, ohne allein, welche solches williglich von ihnen selbst thun wollen, wie die Apostel und Jünger in Apostg. 4, 32 thaten, welche nicht die fremden Güter Pilati und Herodis gemein zu sein forderten, wie unsre unsinnigen Bauern (und die Communisten der jetzigen Zeit) toben, sondern ihre eigenen Güter; aber unsre Bauern wollen der Anderen fremde Güter gemein haben und ihre eigenen für sich behalten — das sind mir feine Christen! (Luth»er.) H) Ungezwungen schließen sich diese Ermahnungen an V. 16 an: die Freien beweisen sich als wahrhafte Knechte Gottes, wenn sie Alle ehren, denn Alle sind Gottes Creaturen; wenn sie die Brüder lieben, denn diese sind Gottes Kinder; wenn sie Gott fürchten, denn Er allein ist der HErrz und wenn sie schließlich den König ehren, denn Gott der HErr ist es, welcher den König zu seinem Stellvertreter hier auf Erden macht. (Nebe.) Alle ohne Unterschied soll der Christ ehren, indem er Allen schuldig, sie mit der That als von Gott ihm gleich geschaffen anzuerkennen; daneben gilt aber dann das Andere, daß der Christ die liebe, die nicht blos seine Mitnienschem sondern seine Brüder in Christo sind. Daß er nur die Mitchristen zu lieben, die Mitmenschen aber blos zu ehren habe, liegt indessen nicht in dieser Gegenüberstellung (vgl. L. Petri l, 7), indem im ersten Satze zunächst der Ton auf dem Jeder- Mann« ruht, nicht auf dem ,,thut Ehre«, im zweiten Satze dagegen mehr aus dem »Habt lieb«, als auf »die Brüder-z der Christ soll Keinem die Ehre vorent- halten, die der Mensch dem Menschen schuldet, woneben das Andere, daß er den Brüdern in Christo mit der Liebe zugethan ist, welche dieses engere Gemeinschafts- verhältniß mit sich bringt, gar wohl besteht. Aehnlich verhalten sich dann die beiden andern Siitze zu ein- ander: wie dort, daß man alle Menschen ehre, neben der Liebe zu den Brüdern zu Recht besteht, so gilt hier beides neben einander, daß man Gott fürchte und deii König ehre; wie dort das Verhältniß zu allen Menschen nicht minder verpflichtet, als das zu den Brüdern, so hier das zum Könige nicht minder, als das zu Gott. Der Pflicht also, Alle zu ehren neben Liebe der Brüder, entspricht die andere, den König zu ehren in der FurchtGottes; so ist V. 17 Abschluß der Er- mahnung: ,,seid Unterthan aller menschlichen Ordnung« in ihrer Beziehung auf die staatliche Ordnung. (von Hofmann.) Dem christlichen Unterthan entsteht die Pflicht, den König zu ehren, ganz aus demselben Geiste. in dem der Apostel ihn ausfordert, gegen Jeder- mann ehrerbietig zu sein, die Brüder zu lieben und Gott zu füightem (Nitzsch . hr Knechte [vgl. Ephes S, 5 ff.; Col. 3, 22 ff.; 1. Tini. S, 1f.; Tit. 2, 9 ff.], seid Unterthan mit aller Furcht [immer und allerwärts eurer Verantwortlichkeit für das, was ihr thut, »eingedenk»Ephes. 6, 5] den Herren, nicht alleni den gutigen und gelinden [gegen die der Gehorsam leicht ist Matth 8, 9], son- dern auch den wunderlichensk fund verkehrten Phil. 2, 15., bei denen es Selbstverleugnung kostet, ihren Befehlen nachzukommen, und lasset es euch nicht anfechten, wenn sie überdies roh und grausam gegen euch verfahren]. 19. Denn das ist Gnade lfetzt in Gunst und Ehre bei Dem, an dessen Gnade für uns Seid unterthan aller nienschlichen Ordnung! Jhr Knechte, seid unterthan euren Herren! 725 alles gelegen ift], so jemand um des Gewissens willen zu Gott sweil er weiß, daß es Gott also von ihm haben will, und er nun auch diesem ihm bewußten Gotteswillen nachzuleben sich angelegen sein läßt Röm. 13, 5] das Uebel verträgt [ohne sich dawider in Trotz aufzulehnen oder dadurch zumZorn reizen zu lassen] und leidet das Unrecht swomit er behandelt wird]. 20. Denn was ist das fur ein Ruhm fwie könntet ihr in dem Falle auf den Ruhm, gute Christen zu sein, Anspruch machen Matth. 5, 47 f.], so ihr um Missethat willen swegen Verfehlungen, die ihr euch in eurem Dienste habt zu Schulden kommen lassen] Streiche [in ge- duldiger Ertragung derselben] leidet? sihr em- pfanget da ja nur, was eure Thaten werth sind Luk. 23, 4l., und steht auf gleicher Stufe mit den heidnischen Knechten, die sich das auch müssen gefallen lassen.] Aber wem! ihi Um Wohl- that willen leidet seuren Herren in aller Treue dienet, dafür aber Undank statt Dank, Scheltworte statt Lob, Schläge ftatt Händedruck empfanget] und [nun das in aller Geduld und Sanftmuth, ohne euch zu befchweren oder· gar aufzulehnen] erduldet, das ist Gnade bei Gott-«« sbringt bei ihm zu Ehren]- ’k) Den Hauptpunkt, um welchen die Erörterung sich bewegt, bilden die Schlußworter ,,sondern auch den wunderlich en« (wofür Luther anderwärts hat: »den unschlachtigen«); nicht was Pflicht christlicher Knechte überhaupt sei, soll erörtert werden, sondern welches das rechte Verhalten gegenüber der Unbill sei, die sie von ihren Herren zu erdulden haben. Dies ist der Punkt, wo die falschen Freiheitsgelüste am liebsten hervorbrechen; dies aber auch der Punkt, wo die christ- liche Denk- und Sinnesweise am schärfsten sich von der menschlichmatürlichen scheidet und sich die Eigen- thiimlichkeit christlichen Berufes als Stärke im Dulden in ihrer wunderbaren Herrlichkeit offenbart. (Wie- singer.) Dieser Tenor der ganzen Stelle erlaubte nicht, eine besondere Mahnung an die Herren zu richten; es wird ja zum Unterthansein aller mensch- lichen Ordnung aufgefordert. Mochten nun Christen heidnischen oder christlichen Herren als Sklaven ange- hören, so konnte sehr leicht bei denselben der Gedanke erwachen, weil Christus sie nicht mit vergänglichetn Silber oder Gold, sondern mit seinem theueren Blute sich zum Eigenthum erkauft habe (Kap. 1, 18f.), so könnten sie nicht mehr erkauftes Eigenthum von Menschen sein; und weil Christus sie nach Leib, Seele und Geist aus der Knechtschaft der Sünde erlöst habe, so dürften sie hinfort keines Menschen Knechte mehr sein. (Nebe.) Zwiefach nahe lag aber die Gefahr solchen Gedankens, wenn sie es nicht mit gütigen und gelinden Herren zu thun hatten, die es mit ihnen gut meinten, den Umständen Rechnung trugen und ihre Anforderungen darnach bemaßen, sondern mit wunder- lichen oder verdrehten, so daß sie sich zu ihnen immer eines Andern, als des Rechten, sowohl in den An- forderungen, als in der Behandlung von ihnen zu ver- sehen hatten. (von Hofmann.) Die tragende und treibende Grundkraft solcher Unterordnung soll ,,alle Furcht« sein, alles, was Furcht ist, zur Furcht gehört, die Furcht sowohl nach ihrer intensiven Völligkeitz als auch nach ihrer extensiven Ausdehnung über alle Zeiten, Lagen und Beziehungen; und zwar Fur t, wie sie durch das hier in Rede stehende Verhältni bestimmt ist, diejenige Haltung des Bewußtseins, kraft deren man das Knechtsverhältniß als eine übergewaltig über dem Leben stehende Gottesordnung und demgemäß um Gottes und des Gewissens willen sich für unbefähigt und unberechtigt ansieht, es zu verletzen Solche Ge- sinnung läßt den christlichen Knecht nicht die subjectioe Empfindung des Angenehmen und nicht die objeetiven Zufälligkeiten persönlicher Härte oder Milde der Herren zum Entscheidungsgrund machen, ob er sich unter- ordnen solle oder nicht; sondern indem er immer nur die in der Person seines Herrn, sei er wie er wolle, ihm verkörperte Gottesordnung als das Entscheidende im Auge behält, ist er gleichmäßig den gütigen, wie den wunderlichen oder verkehrten Herren Unterthan- Auf diese ist hier ganz besonders auch im Folgenden Rücksicht genommen; es läßt sich ja bei der allgemeinen Erbitterung gegen die Christen in damaliger Zeit kaum anders erwarten, als daß gar viele heidnische Herren ihre fast unbeschränkte Gewalt über ihre Sklaven den darunter befindlichen Christen gegenüber zu besonders rücksichtsloser und grausamer Befriedigung ihres Christenhasses mißbrauchtein (Schott.) «) St. Peter redet hie von Knechten, wie es zur selben Zeit mit ihnen stund, da sie leibeigene Leute waren, die man verkaufte wie das Vieh, wurden übel gehandelt und geschlagen von ihren Herren, welche hatten auch solche Freiheit, daß ihnen ohne Fahr war, wenn sie gleich ihre Knechte todt schlugen. Darum ist’s noth gewesen, daß die Apostel solche Knechte mit viel schönen, trefflichen Worten ermahneten und tröfteten, daß sie auch den zornigen, wunderlichen Herren, denen man nichts zu Danke thun kann, unterthan sein und treulich dienen sollten und alles leiden, wenn sie ihnen gleich Leid und Unrecht thäten. Denn der ist lobens- werth, spricht Petrus, der ein gut, fröhlich Gewissen zu Gott durch den Glauben an Christum bekommen hat und also gedenkt: Wenn denn mein Herr noch einmal so zornig und wunderlich wäre, will ich mich dennoch dadurch in Ungeduld und Ungehorsam nicht bewegen lassen, viel weniger Böses mit Bösem be- zahlen, sondern mit allem Willen das Uebel vertragen und das Unrecht leiden; denn wenn mir gleich groß Unrecht und Leid widerfährt, was ist’s gegen dem, daß Christus, mein HErr und Erlöser, der nie keine Sünde gethan, vielmehr die größten, ja unaussprech- liche Wohlthaten der Welt erzeigt hat, und ist ihm doch so schändlich dafür gelohnt worden, daß er als ein Gotteslästerer und Aufrührer am Kreuz zwischen zweien Uebelthätern hat sterben müssen? Der hat um Wohlthat willen gelitten und das höchste Leiden, des- gleichen kein Mensch auf Erden erfahren, erduldet: dem will ich nachfolgem denn das Joch und die Last, die er aufladet, ist sanft und leicht. (Luther.) Kreuz ist allein da, wo Christen sich wappnen mit demselbi en Sinn, worin Christus bis zum Tode am Kreuz Für uns gelitten hat (Kap. 4, 1), und um Wohlthat willen leiden und erdulden. Leider ist der Ruhm eines ,,Kreuzes« in demselben Grade häufig, wie der wahr- haftig e Ruhm begnadigter Kreuzträger selten ist; das gilt besonders auch in Beziehung auf die Dienstboten zu dieser unsrer Zeit. Wo heute noch einigermaßen treuer und gutwilliger Dienst des Gefindes gefunden wird, da steht er meistens auf dem hinfälligen Grunde der Anhänglichkeit an gütige und gelinde Herrschaftem Dienstboten aber, die um Gotteswillen in Einfältigkeit des Herzens mit aller Furcht ihren Herren unterthan sind, wie selten sind die! Welches ist dein Kreuz? 726 1. Petri 2, 21-—-25· Drei Kreuze standen auf Golgatha; aber nur der Eine Gekreuzigte litt und erduldete um Wohlthat willen, die beiden andern empfingen, was ihre Thaten werth waren, und von diesen der eine unter Lästern und Freveln, während der andere zwar geduldig litt, doch gehörte das u seiner Buße, aber ein »Ruhm« war es nicht. (Befser.) Machen die Christen Anspruch, in einem Stande zu sein, in dem die Anderen nicht seien, nämlich in dem sonderlichen Gnadenstand einer Gottesgemeinschaft, aus der ihnen auch sozusagen sonderliche Standesrechte erwachsen, so muß auch von der Bethätigung dieses ihres Standes in allen Lebens- verhältnisfen, also auch vom Verhalten des Sklaven, etwas Sonderliches, über das Gemeinmenfchliche rühm- lich Hinausgehendes geltend gemacht werden können; verdiente Strafe aber geduldig zu leiden, ist nichts Sonderliches, sondern gilt auch in der natürlichen Sittenlehre als Forderung und findet sich in der natürlichen Menschheit als Thatbestanly das ist’s, was der Apostel mit den Worten sagen will: »was ist das für ein Ruhm, so ihr um Missethat willen Streiche leidet?« (Schott.) (Epittel am T. Sonntag nach Ostern, lliiseticordias Domini.) Der Sonntag verdient durch seine evangelische Lection den auszeichnenden Namen: «,,Sonntag des guten Hirten«; er verdient ihn aber auch durch die epistolifche Lection, denn auch diese handelt vom guten Hirten und seiner Nachsolge Evangelium und Epistel stehen in einem seltenen Einklange mit einander, in einem Einklange, den man nicht suchen muß, der auch keines Nachweises bedarf, sondern im Gegentheil so augenfällig ist, daß vielleicht ein jeder, dem man die Aufgabe machen würde, zum Evangelio eine ent- sprechendeEpistel zu suchen, nach derselben Stelle der heil. Schr1ft, nach unserm Texte greifen würde. (Löhe.) Diese Epistel (vgl. die Bem. von Alt in der Einl- zu V. 11sf.) erinnert und mahnt an die einige große Hauptsache des Lebens, die Bekehrung zu dem Hirten und Bifchofder Seelen. (Petri.) Für diejenigen, welche vom Neuen geboren sind, wie wir vorigen Sonntag gehört haben, folgt in der heutigen Epistel eine Ermahnung zu Trost und Lehre; wie in dem Evangelio auf diesen Sonntag ihnen der gute Hirt vorgehalten wird, der sie vor den Wölfen schützt und sein Leben für sie läßt, so stellt die Epistel ihnen den- selben Hirten und Bischof ihrer Seelen vor, der sich selbst· für fie geopfert hat, soll ihnen aber zeigen, daß sie fich unter der Hirtenpflege desselben nicht eitel Himmel auf Erden träumen, sondern bedenken sollen, wieviel sie unter den Wölfen leiden müssen. (Münkel.) Der Christ ist zum Leiden und Dulden be- rufen: Christus hat ihm l) darin ein Vorbild ge- lassen, Z) dazu die Kraft erworben. Wer leidet unter uns nach dem Vorbild Jesu Christi? Derjenige, welcher ist 1) an seinem Leiden unschul- dig, Z) in seinem Leiden geduldig. (Fuchs.) Der leidende Christus als Vorbild: er litt l) in vollkommener Unschuld, 2) in vollkommener Sanft- muth, 3) in vollkommener Liebe. (Ranke.) In unsern Leiden können wir nichts Besseres thun, als Jesum stets vor Augen haben; der Hinblick auf ihn l) macht uns willig zu den Leiden, die wir tragen müssen, 2) lehrt uns in diesen Leiden vor Sünden uns hüten, 3 giebt zum Sieg über die Sünde uns Kraft, 4) macht uns fröhlich mitten im Leiden. (Souchon.) Wie der Christ sich zum Leiden stellt: l) er sieht es an als mit seinem Beruf verbunden, 2) er strebt es zu tragen nach Christi Vorbild, Z) er fucht die Kraft zum Tragen in der Versöhnung mit Gott. (Sommer.) Was hast du an dem leidenden Christus? I) ein Vorbild, dem du sollst nachgehen; 2)einenBürgen, der für dich will einstehen; Z) einen Hirten, der will auf dein Heil sehen. (Zapff.) Das heilige Vorbild Jesu Christi, desHirten und Bischofs unsrer Seelen; es ist ein Vorbild l) göttlichen Lebens, 2) stillen Duldens, 3) aufopfernden Wirkens. (Etg. Arb.) 21. Denn dazu fum Wohlthat willen zu leiden und zu erdulden V. 20 b] seid ihr Knechte, die ihr Christen geworden V. 18., und mit euch natürlich auch alle andern Christen, wenn sie in ähnlicher Lage, wie ihr, sich befinden Kap. B, 9 ff.] berufen, sintemal auch Christus ge- litten hat fur Uns fund also nicht um eigener Misfethat willen V. 20a], und Uns [bei seinem Tode als Vermächtniß — nach anderer Lesart: euch] ein Vorbild gelassen, daß ihr sollt nachfolgen seinen Fußstapfent [Röm. 4, 12; 2. Cor. 12, 18]. 22. Welcher fwie schon die Weissagung Jes. 53, 9 von ihm zuvor bezeugt hatte] keine Sünde ethan hat, ist auch kein Betrug in seinem unde erfunden swie sehr man auch darauf lauerte und es darauf anlegte, etwas zu erhaschen, das man ihm zum Vorwurf machen könnte]; 23. Welcher [nach Jes. 53, 7] nicht wieder schalt, da er gescholten ward, nicht dräuete fmit Gottes Strafe und Gericht], da. er littez er stellete es aber Das, worauf er nicht mit Wiederschelten oder Dräuen antwortete] Dem heim, der da recht richtet« [in welcher Weise, so oder so, dieser ihm zu feinem Rechte dawider verhelfen wolle]; 24. Welcher «[auch das erfüllend, was in Jes. 53, 4f. U. 11 f. von ihm gesagt wird] Unsere Sünden felbst [in freiwilliger Liebe sie auf sich nehmend] geopfert hat an seinem Leibe [Col. 1, 22z Ephes. L, IS] auf dem Holz fwörtlichr hinausgetragen hat auf das Holz Apostg. b, so; 10, 39 als auf den Altar, wo er das Sühnopfer für dieselben mit seinem Tode darbringen wollte Hebr. 9, 28], auf daß wir, der Sünde abgestorben [wört- lich: abgeschieden, wie die eele vom Leibe beim Sterben, Röm. 6, 2 u. 11], der Gerech- tigkeit lebenzwt durch welches Wunden [wörtlich: Striemen Jes. 1, 6; Apostg.16,33; Sie. 23, 10; 28, 211 ihr knach Jes. 53, z] seid« heil worden. 25. Denn ihr waret fum nun auch Jes. 53, 6 auf euch anzuwenden] wie die irren- den Schafe fdie ein jedes für fich seinen be- sonderen, von der rechten Weide und vom Schutz des Hirten immer weiter abführenden Weg gehen]; Um Wohlthat willen zu leiden und zu erdulden, dazu seid ihr berufen. 727 aber ihr seid nun sdurch die Predigt des Evangelii, die ihr im Glauben habt angenommen] bekehret zu dem Hirten und Bischof eurer Seelen-X· sdaß ihr doch diesem Theile eures Wesens nach einem HCrrn angehört, der euch wohl versorgt und treulich schirmet, wenn ihr auch dem andern Theile nach noch immer Leibeigene harter Herren seid]. V) ,,Denn dazu seid ihr berufen« — ihr, wer soll das sein? wer anders, als diejenigen, die in den drei vorausgehenden Versen angeredet sind? wer anders, als die Knechte? Und wozu sind sie berufen? zu welcher Absicht sind sie zu Gott und seinem Christus und seiner Kirche gerufen? Dazu ganz offenbar, daß sie ausharrem beide, im heiligen Benehmen, in ehr- fiirchtiger und herzlicher Unterthänigkeit gegen ihre Herren, wer und wie die auch seien, und zugleich im Leiden, in Vertragung des Uebels und Erduldung des Unrechts· Welch ein Beruf des Sklaven! wer hat einen höheren und schöneren? Schön ist der Beruf der Arbeit und der guten Werke, schön der Beruf des Leidens; schöner aber der Doppelberuf der guten Werke und des Leidens, der Beruf, ohne Dank Wohl- that zn üben, ohne Lohn zu arbeiten, ohne Ernte zu säen, ja, der Herren Undank, der Herren ungerechten Haß und die Peitsche des Tyrannen hinzunehmen, seinen Rücken aber geduldig denen darzuhalten, die da schlagen, das Angesicht nicht zu verbergen vor SPeIYel und Geifer der Ungerechten, und wenn die Thrane strömt und das Herz blutet, dabei das An esicht in den Staub zu legen und dankbar anbetend zu Fprechem ,,dazu bin ich berufen«. Denk dir einen Sklaven, der das kann und der das thut, denk dich in seine Nähe und in die tägliche Erfahrung, in das tiigliche Anschaun einer folchen Tugend, und sag mir, ob du etwas Schöneres und Größeres weißt, einen größeren Triumph des Christenthums, als diesen! (Löhe.) Te rtullian bezeugt, daß zu seiner Zeit aller Orten Herren gefunden wurden, die durch den predigenden Wandel ihrer treuen Knechte zu Christo geführt waren. (Besser.) Das Wort: ,,sintetnal«, mit welchem »der Apostel den Hinweis auf Christi Leiden anfügt (orr, Vgl. Luk. 1, 1 Anm.), soll nicht ein Beweisgruud sein für die Behauptung: ,,dazu seid ihr berufen«, sondern benennt das, worin diese Thatsache ihren Grund hat; daß eure Berufung, will er sagen, eine Berufung zu geduldigem Tragen unverdienten Leidens gewesen ist, hat seinen Grund darin, daß Christus für uns gelitten und euch hiermit ein Vorbild zur Nachfolge hinter- lassen hat. Wer zu denen gehören will, für die er ge- litten hat, muß auch der Weisung nachkommem die er hiermit gegeben hat; wenn es nämlich mit seinem Leiden die Bewandtniß hatte, daß er es um anfert- willen über sich ergehen ließ, so hat er gelitten, ohne selbst das verfchuldet zu haben, was er litt, daher das ,,auch«, welches seinem Namen vor dem ,,gelitten hat« beigefügt ist, sein Leiden als demjenigen gleichartig bezeichnet, mit welchem seinem Vorbild nachzukommen ist. Wir folgen ihm nach, wenn wir in Geduld hin- nehmen, was wir von denen zu erleiden haben, an welchen nicht wir uns versündigt haben, sondern die sich durch das, was sie uns anthun, an uns versün- digen. (v. Hosmannh Für ,,Borbild«- steht im Grund- text ein Wort, welches eigentlich eine Vorlage zum Nachschreiben bedeutet; in dem Satze: »daß ihr sollet nachfolgen seinen Fußstapfen« tritt denn an die Stelle des Bildes von einer Vorschrift das von einem Führer, m dessen Fußftapfen man auf steilen, schlüpfrigeiu überhaupt gefahrvollen Wegen genau ein- treten muß, wenn man nicht zu Fall kommen will. (Sommer.) Welche Fülle der Mahnung und des Trostes liegt für den Christen darin, auf dem dunkeln Wege seines Leidens die Fußstapfen seines Heils- mittlers leuchten zu sehen, der ihm als Durchbrecher vorangegangen ist und so zur Herrlichkeit eingegangen die Seinen zur Nachfolge ruft. (Wiesinger.) It) Vier einander nebengeordnete Relativfätze (,,welcher« in V. 22, 23, 24 und ,,durch welches« am Schluß von V. 24) schließen sich an das Subjekt ,,Christus« in V. 11 an: der erste (V. 2«2) sagt die Schuldlosigkeit Christi aus, der weite (V.23) besagt, daß er das Unrecht, das ihm geschah so ertragen, wie es in V. 19 als Gott wohlgefällig bezeichnet war; gleich diesen beiden sagt dann auch der dritte (V.24) von Christo etwas aus, worin er den Angeredeten (V. 18) ein Vorbild geworden ist, wogegen der vierte (V. 24b) von diesen selbst etwas aus-sagt, das diesen geschehen ist. Daß es Gnade sei, war (V. 19 ff.) der eine Grund, warum sie thun sollen, was der Apostel fordert; der andere nun ist, daß Christi Vorbild ihre dankbare Nachahmung heischt, die Ver- knüpfung des einen Grundes mit dem andern aber bilden die Worte: »denn dazu seid ihr berufen, sinte- mal auch Christus gelitten hat für aus«. (v. Hof- mann.) Jn V. 22 u. 23 kommt die Vorbildlichkeit des Leidens Christi in zwiefacher Weise zur Sprache, sofern es nämlich einerseits ein unschuldiges und so- fern es andrerseits ein geduldig ertragenes war; in V. 24 u. 25 ist dann von der Verpflichtung und von der Befähigung zum Wandeln nach diesem Vorbild die Rede. (Schott.) Die Darstellung, wie- wohl durchweg in einer über die Weifsagung hinaus- gehenden Bestimmtheit der neutestamentlichen Erfüllun gehalten, läßt überall die Beziehung auf Jesaia S« nicht verkennen; als jener Knecht Gottes also soll hier Christus dargestellt werden, welcher das Heil nicht blos unter Leiden verkündigt, sondern als der, welcher durch sein Berufsleiden das Heil selbst vermittelt und herbeigeführt hat. (Wiesinger.) ,,Welcher keine Sünde gethan hat, ist auch kein Betrug in seinem Munde erfunden«: hier rechne du selbst, wie groß dieser Mensch sein muß; denn es ist ja sonst keiner auf Erden erfunden, der nicht etwa gesündigt in Worten oder Thaten, wer aber auch in keinem Worte fehlet, das ist ein vollkommener Mann, sagt Jakobus (3, 2). Aber wo ist er? und wie heißt er? Es ist dieser einige Christus! (Luther.) ,,Welcher nicht wieder schalt, da er gescholten ward, nicht dräuete, da er litt«: Petrus selber war nicht so stille und ergeben gewesen, als er den HErrn Schmach und Schmerzen erleiden sah (Joh. 18, 10); desto tiefer war das Bild des stillen Marterlammes seiner Seele eingeprägt. (Besser.) »Er stellete es aber Dem heim, der da recht richtet«: sehr passend gerade für Sklaven bemerkt, die so leicht zu Trug, Schmähungen und Drohungen versucht waren; die Gerechti keit Gottes ist der Grund, warum Mißhandelte ruhig sein können. (Bengel.) Man be- kommt überall den Eindruck, hier einen Augenzeugen der Gefangennehmnng, des richterlichen Verhörs, der rohen Mißhandlung, der Kreuzigung selbst vor sich zu haben. (Lechler.) IN) Wenn Petrus schreibtz ,,Christus hat unsere Sünden selbst hinaufgetragen in oder mit seinem Leibe auf das Holz«, so vergleicht sich dieser Ausdruck mit dem opferdienstlichem der in Jak Z, 21 u. 1. Macc- 4, 53 gebraucht ist; der Apostel hat ihn ge- braucht, um das, was Christus gethan hat, als ein Thun zu bezeichnen, welches sich dem des Opfernden 728 i. Petri ver leicht, nur darf man darum nicht den Begriss des Opixerbringens in das Zeitwort selber eintragen, was sich mit dem Objekte: ,,unsre Sünden« nicht reimt (vgl. Hebr. 7, 27). Wie es geschehen sei, daß Christus unsre Sünden auf den Kreuzespfahl hinauftrug, besagt das ,,in seinem Leibe«: an das Kreuz hinaufgekommen ist sein Leib, was er aber damit, daß sein Leib an das Marterholz gehängt wurde, da hinaufgetragen hat, das sind unsere Sünden. Um sie also war es ihm zu thun, als er sich in diese Marter begab, und zwar um die Sühnung derselben; hieran angeschlossen benennt dann der Absichtssatz das Andere, daß wir, »der Sünde abgestorben, der Gerechtigkeit leben«. Es ist das Ganze eine Erinnerung, welche die Angeredeten bestimmen soll, was sie ungerechter Weise leiden, so hinzunehmen und so zu ertragen, wie sie vorhin er- mahnt worden sind; denn unter fremder Sünde müssen sie leiden, wenn sich ihre Herren durch unge- rechte Mißhandlung an ihnen versündigen, und die Weise, wie sie dies über sich ergehen lassen, kann dazu dienen, ihre Herren zur Besinnung zu bringen, daß sie in sich gehen und von ihrer Ungerechtigkeit ablassen. Jnsosern und nach diesen beiden Beziehungen vergleicht sich, was sie erleiden, dem Leiden, in welches Christus sich ergeben hat; wenn aber Er unter unsern Sünden in der Art gelitten hat, daß er, um sie zu sühnen, den Kreuzestod erduldete, und wenn er dies gethan hat, damit sich unser Sündenleben in einen der Ge- rechtigkeit geweiheten Lebensstand wandelte, wie sollten sich ihn diejenigen, welche die Frucht seines Leidens genießen, nicht ein Vorbild sein lassen, ihr Unrecht- leiden hiernach anzusehen und hiernach sich gegen die- jenigen zu verhalten, unter welchen sie zu leiden haben? (v. Hofmannh Es ist in diesem dritten Satze im Vergleich mit den beiden vorigen eine Steigerung nicht zu verkennen: Christus litt unschuldig, geduldig, stellvertretend für uns. (Huther.) Dreierlei wird da hervorgehoben: l) daß unsre Sünden es waren, um deretwillen Christus gelitten hat, Z) zu welchem schmählichen Todesleiden er selbst sich diese unsre Sünden, um sie von uns zu nehmen, an seinem Leibe hat gereichen lassen, und Z) wie seine Absicht hierbei die Wandelung unsers bisherigen sündlichen Verhaltens in ein Leben der Gerechtigkeit sei; haben sie aber solchen Gewinn von seinem Leiden, wie dürften sie sich der Nachfolge weigern! So reicht nun aber auch dieser dritte Zug an dem Leidensbilde des Heils- mittlers über die vorbildliche Bedeutung seines Leidens hinaus und spricht vielmehr die zur Nachfolge ver- pflichtende und sie ermöglichende Kraft seines Leidens aus. (Wiesinger.) Die Art ihres Heilsstandes, der in der Erledigung, wie von der Schuld, so auch von der Macht der Sünde besteht, verpflichtet und befähigt die Christen, ihres Heilsmittlers Nachfolger zu werden mit einem Verhalten, welches einerseits durch getreue Erfüllung der sittlichen Berufspflicht keinerlei Leiden selbst verschuldet, und andrerseits auch bei unverschul- detem Leiden durch geduldi es Tragen, statt wilder Selbsthilfe, ebensalls der flicht sittlichen Wohlver- haltens Genüge thut. (Schott.) Petrus verbindet beide Wohlthaten des Todes Christi, daß durch den- selben unsre Sünden gesühnt seien und daß durch die Kraft desselben die Sünde in uns getödtet sei. (Calov.) Christi Leib ward abgenommen von dem Holze, wohinauf er unsre Sünden getragen, und ist auferwecket zum Leben in Herrlichkein so werden wir entnommen der Sünde und zugeführt der Gerech- tigkeit. (Besser.) Unter dem Fluche des Gefetzes, in der Furcht vor Gott, mit einem Gegen ihn feindlich gesinnten Herzen, waren wir auch nechte der Sünde; 3,1—6. nun aber, losgesprochen von dem Verdammungsurtheih versöhnt und vereinigt mit Gott, ist auch innerlich das Band gelöst, das uns an der Sünde festhielt, und wir können nun frei der Gerechtigkeit leben. (v. Gerlach.) f) An die Sklaven richtet Petrus wieder sein Wort; sie insonderheit sollen bedenken, daß sie durch Christi Wunden heil geworden sind —- sie, die ja oft in ähn- licher Weise, wie der HErr, von grausamen Herren Streiche leiden mußten. Genau genommen bezieht sich der für ,,Wunden« im Grundtext stehende Ausdruckx ,,Striemen« auf die Geißelung Christi; dem Sinne nach aber steht hier der Theil für das Ganze. (Nebe.) Jn engster Beziehung zu diesem Satze steht der ihn begründende Satz des 25. Verses, was schon daraus hervorgeht, daß in beiden Sätzen der Apostel ab- weichend von der Prophetenstelle aus der ersten Per- son Pluralis in die Anrede übergeht; er erinnert die Angeredeten an das, was sie gewesen sind, nämlich in der Jrre, statt auf richtigem Wege, Gehende, wie wenn Schafe sich verlaufen haben, und wozu sie ge- langt sind, nämlich einen Hirten zu haben, der ihre Seelen unter seiner Hut hält. (v. Hofmann.) Auch das Bild von den irrenden Schafen mochte auf die Leibeigenen in der Zerstreuung, die ihren Herrn und Ort öfters wechselten, ganz besonders passen; ebenso ist es sehr bezeichnend, daß Petrus Christum den Hirten und Bischof ihrer Seelen nennt, denn die Leibeigenen wurden oft genug so behandelt, als hätten sie keine unsterbliche Seele, vgLMatth.10, 28. (Fron- müller.) Diese vormals elenden, unglücklichem irrenden Schafe sind nunmehr heil geworden durch Jesu Wun- den und, der Sünde abgestorben, leben sie nun der Gerechtigkeit und ihrem schweren Berufe, dem Gottes- lamm und Bischof der Seelen nachzufolgen, mit Fröh- lichkeit, mit ausharrender Geduld, und dienen nun ihren Herren, auch den wunderlichen, in großem Frieden wie Christo; sie sehen und finden ihre Würde und Hoheit darinnen, dem Lamme Gottes nicht blos in seinem Leiden, sondern auch in den Tugenden seines Leidens nachzufolgen, wie die Heerde dem Hirten nach- folgt. Sie sehen die strahlende Gerechtigkeit Jesu Christi im Werk und Wort und es verlangt sie, ihrem Hirten in Werken und Worten ähnlich zu werden — ja, ähnlich im Reden, im Schweigem in der Liebe, in der Hingebung, in der Aufopferung. Sie werden ge- scholten und schelten nicht wieder, sie segnenx sie leiden und dräuen nicht, sie beten; sie übergeben ihre Sache Dem, der da recht richtet, und werden inbrünstige Fürbitter, wie Jesus und mit Jesu, und ringen und kämpfen und arbeiten nach einem Einzigem nämlich, daß ihre Beleidiger und Verfolger, ihre Herren und Tyrannen heil werden durch Jesu Wunden, der Sünde absterben, der Gerechtigkeit leben und als fromme Schafe dem guten Hirten nachgehen, wie und wohin er vorangeht. Hier sehen wir am Sonntag des guten Hirten den Triumph des guten Hirten: er geht voran, und aus den verlassensten und geplagtesten Menschen- kindern, den Sklaven, folgt ihm eine getreue Heerde, deren Gang und Licht immer leuchtender wird und die aller Welt den Beweis geben, daß die heilige Religion Jesu alle Noth in Seligkeit und Freuden, ja selbst die Sklaverei in einen Stand der seligsten Nachfolge Jesu verwandeln kann. (Löhe.) Es fällt bei diesem Kapitel ganz besonders auf, wie frei und un- befangen der Apostel die Worte des Propheten auf solche, die vormals Heiden gewesen, überträgt, als wären sie ihnen gesagt und nicht ursprünglich denen vom Volke Israel; so sehr ist für ihn nun aus Zweien Eins gemacht und der Zaun, der dazwischen war, ab- gebrochen (Ephes. L, 14; Apostg. 18, 28). Die Weiber seien unterthan ihren Männern! 729 Das 3. Kapitel. Pflichten der ich-stellte. igeduld und Jzesiändigkeii im Leiden. Taufbunir I. Desselbigen gleichen swie die Knechte ihren Herren, auch den wunderlichen Kap. 2, 18] sollen die Weiber ihren Männern sdie es nun einmal sind, also auch den ungläubigen] unterihan sein [vgl. Ephes 5, 22 ff; Col. 3,18; 1. Tim. 2, 11], auf daß auch die [unter den Männern der christ- lichen Eheweibers so nicht glauben an das Wort sdes Evangelii Kap. 2, 8], durch der Weiber Wandel ohne Wort [des Belehrens, Ermahnens, Ueberredens für das Christenthum 1. Cor. 9, 19 ff.] gewonnen werden, Z. Wenn sie stäglich nnd aus nächster Nähe] ansehen euren sder christlichen Weiber] keuschen Wandel in der Furcht»- sden ihr so führe, daß ihr euch vor jeder Uebertretung eurer Pflichten gegen sie auf’s Strengste in Acht nehmet Katz. Z, 18; Ephes H, 33]. Z. Welcher sder christlichen Weiber V. I] Schmuck [Luther schreibt: Geschmnck Jes. 3 24 Anm. 1] soll nicht auswendig sein sdaß sie sich zu schafsen machen dürften] mit Haarslechten und ]Goldumhängen oder Kleideranlegen s1. Tim. L, 9 ; 4. Sondern sihr Schmuck ist] der verborgene Mensch des Herzens unverrückt sin der Eigenthüm- lichkeit seines göttlich erzeugten Wesens Kap. I, 23 sich behauptend], mit sanftem und stillem Geist [sich bethätigend], das ist kbstlich Vor Gott» [auch, wenn es in Betreff der Männer vorerst noch ohne wirksamen Einfluß V. 1 bleiben sollte]. Z. Denn also [mit sanftem und stillem Geist] haben sich auch vor Zeiten sin der Geschichte des alten Testaments] die heiligen Weiber [deren Leben in Gottes Ordnung sich hielt gegenüber den andern, die an die Weise der ihre eigenen Wege gehenden Weltkinder sich anschlossen Jes· Z; 16 ff.] geschmuckh die ihre Hoffnung auf Gott setzten Deshalb, nichts von dieser Welt begehrend, sich auch nicht um sie bemühten, sondern anspruchs- losen und friedlichen Sinnes] und [so] ihren Männern unterthan waren; 6. Wie die Sarah sihre Stammmutter Jes. 51, 2] Abralzam gehorsam war und hieß ihn [z. B. in dem Ausspruche 1.Mos. 18, 12] Herr, welcher Töchter ihr [nachdem ihr von Natur ganz andern Müttern angehört habt, durch eure Einpflanzung in den Oelbaum des auserwählten Geschlechts NHUL U, 17 Hi] worden seid sund ihr werdet nun auch, wie jene heiligen Weiber, ihr nacharten], so ihr wohl thut [das thut, was in der hier in Rede stehenden Beziehung gut ist Kap. T, 20., d. h. euren Männern ebenfalls euch unterordnet V. 5 u. 1] und nicht so schuchtern seid« sdaß ihr nicht auch wolltet Schweres und scheinbar Unerträgliches in der Art der Behandlung, die von ihnen euch widersährt, in solcher Unterord- nung auf euch nehmen V. 14]. «) Daß das Christenthum unbotmäßig mache, vor allem gegen die staatliche Ordnung und die Obrigkeit, dann aber auch die Sklaven gegen ihre Herrschaft (vgl. zu Tit. 2, 9) und nicht minder die Frauen gegen ihre Männer (vgl. zu Tit. Z, 5), war der nächst- liegende und scheinbarste Vorwurf, den man ihm machte und der also durch ein entgegengesetztes Verhalten widerlegt werden mußte; daher hat der Apostel in Kap. 2, 12 ff. die Ausführung seiner Ermahnung zu einem guten Wandel unter den Heiden mit den Wor- ten: ,,seid unterthan aller menfchlichen Ordnung« be- gonnen und erstlich der Obrigkeit gegenüber hierzu ermahnt, sodann die Sklaven ihrer Herrschaft gegen- über, und kommt jetzt aus das Verhalten der Frauen gegen ihre Männer, mit »desselbigengleichen« die hierauf bezügliche Ermahnung an die den Sklaven gegebene anschließend (v. Hosmann.) Unter einer ähnlichen Voraussetzung wie in Kap. 2, 18; »auch den wunderlichen« hinsichtlich der Sklaven, bespricht der Apostel das eheliche Verhältnis; der christlichen Frauen, welche ungläubige Männer haben (1. Eor. 7, 13 f.), und handelt es sich auch hier um das rechte, gott- gefällige Verhalten gegenüber der Welt; das Zeugnis; ihres Wandels, das überhaupt für das Evangelium gewinnen soll (Kap. 2, 12), hat in diesem Fall eine besondere Aufgabe. Versperren nämlich ihre Männer, wie sie ja thun, dem Wort, das Glaubensgehorsam fordert und mit solcher Forderung auch an sie heran- tritt, den Zugang zu ihrem Herzen, so bleibt noch Ein Weg, auf dem sie mögen gewonnen werden, das ist der Wandel der Weiber ohne Wort; diesen Weg eröffnet ihr ihnen, sagt der Apostel, durch euer Unter- thansein, dieses Hauptstück christlichen Wandel-s, um welches es sich in dem ganzen Zusammenhang der hier vorliegenden Ermahnung handelt, und deutet darauf auch der Ausdrucks ,,euer keuscher Wandel in der Furcht« hin, indem der Wandel der Frauen eben als ein Wandel in der Furcht, in der gottgewollten und um Gottes willen geleisteten Unterordnung unter den Mann ein keuscher, d. i. ein reiner, heiliger ist. (Wiesinger.) Natürlicher Weise gerieth den gläubigen Weibern der Unglaube ihrer Männer zu nicht geringer Versuchungx noch das Geringste war, daß sie, die schwachsten Werkzeuge, in der Ehe mit gottlosen Männern der Trübsale viel hatten, die Hauptna- suchung lag vielmehr in dem ihnen aufsteigenden Zweifel, ob sie überhaupt in der Ehe mit folchen Männern nach Gottes Willen leben könnten (vgl. zu 1·»Eor. 7,14). Sollten sie, Fremdlinge und Pil- grime, Ein Fleisch sein mit folchen, die irdifch gesinnet waren? sollten sie, Glieder des heiligen Eigenthum-s- volks und der königlichen Priesterschaft im Hause Gottes, mit ehelicher Treue und weiblicher Furcht folchen Männern begegnen, die noch zu der Welt ge- hörten, vonwelcher sie errettet waren? sollten sie mit Ihnen an Einem Tische sitzen und essen von dem, was durch das» heidnische T1schopfer, die Libanon, verun- reinigt sch1en? sollten sie· an Familiensestem woran Theil zunehmen auch die natürliche Liebe sie zog, gerade bei dem fehlen, was den heidnifchen Familien- gliedern das öchste daran war, nämlich bei dem OsZferJP Ja, onnte das gläubige Weib in dem un- glaubigen Manne ihr Haupt erkennen, dem sie unter- than sein soll, wie die Gemeinde Christo unterthan ist? 730 1. Petri s, 7. Schwere Fragen, auf welche unsre klügsten Gedanken gar anders antworten als Gottes Wort! Die dem Worte aus dem Wege gehen, die will Gottes herzliche Liebe mit lautlosen Zeugnissen von der Kraft des Wortes umgeben: der Weiber Wandel soll die Män- ner locken und rufen, daß sie ohne Wort gewonnen werden möchten. Ohne das Wort (Kap. l, 25) kann freilich niemand gewonnen werden; aber das Wort Gottes, welches den Glauben wirkt, kann den Seelen nahe gebracht werden wohl ohne Worte, ohne Reden über das Wort, und so werden die Weiber hier zu einem Wandel voll des Wortes und doch ohne Wort, zum Schweigen mit dem Munde und zum Reden mit den Werken ermahnt -— nicht sowohl das Ohr, als das Auge der Niänner soll Christum gewahr werden an den Weibern. Augustin sagt von seiner Mutter Monika, sie habe durch ihre weiblichen Tugenden von Christo geredet zu ihrem Manne; und nachdem sie dessen Heftigkeit, ohne je darüber gegen Andere zu klagen, bis zuletzt ohne Widerstreben er- tragen, habe sie ihn am Ende seines Lebens Christo gewonnen und an dem nun Gläubigen das nicht be- klagt, was sie an dem noch Ungläubigen erduldet hatte. (Besser.) Jn dem Ausdruck: ,,Wandel ohne Wort« liegt eine sogen. Antanaklasis vor, d. i. eine Redewendung, bei der dasselbe Wort absichtlich in einem etwas anderen Sinne gebraucht wird: die nicht glauben an das Wort des Evangelii, sollen von den Weibern ohne Wort, ohne daß sie predigen und ermahnen (vgl.1. Tim. 2, 12), gewonnen werden durch den bloßen Wandel. (de Wette.) Wenn dieser Wandel als ein ,,keuscher« bezeichnet wird, so ist das nicht blos von der leiblichen Kenschheit zu nehmen, sondern von der einfältigen Lauterkeit, mit der das Weib nach Leib und Seele sich nur dem Einen, der ihr einmal zum Manne gegeben ist, zugehörig und zu eigen weiß und giebt, ohne unreine und unlautere Nebengedanken innerlich oder mit äußerer That aufkommen zu lassen (vgl. Kap.1, 22). Dadurch also sollen sie die Männer gewinnen, zunächst zu Glaubensgenossen, damit aber auch für sich als treue liebende Männer; nicht abersollen sie dieses ohne jenes zu erreichen suchen etwa dadurch, daß sie, wie das Folgende besagt, sich mit äußerlichem Schmuck liebenswürdig zu machen bestreben· (Schott.) VI) Jm Gegensatz, zu der Weise, wie weltlich ge- sinnte Frauen die Männer zu fesseln gedenken, hebt der Apostel das hervor, wodurch ein christliches Weib hoffen kann, auch den widerstrebenden Mann zu ge- winnen. (Harleß.) Mit den Worten nun: ,,mit Haar- slechten und Goldumhängen oder Kleideranlegen« ist die eitle Geschäftigkeitweltlicher Frauen gekennzeichnet, an welcher ein christliches Weib, das einen besseren Schmuck kennt, keinen Gefallen finden kann. (Wie- singer.) Nicht will Petrus allen und jeden Schmuck verbieten, sondern ein bescheidener und ehrbarerSchmuck des Leibes ist, nach Verhältniß des Standes eines jeden, nach 1. Cor. l2, 23 u. 1. Tim. Z, 9 wohl an- zuwenden. (Calov.) Es gehört die Einfalt dazu, die ebenso köstlich als selten ist, um ohne Augenlust, Fleischeslust und hosfärtiges Wesen in den Schmuck sich zu schicken, welchen Standessitte und Manneswille den Weibern auferlegen· Die heiligen Weiber, welche in V. 5 zum Vorbild hingestellt werden, haben Ja auch köstliche Kleider und güldnen Sch1nuck angelegt; da Abraham der Rebekka Stirnspangen und Arm- ringe, silberne und güldene Kleinodien und Kleider entgegensendet (1. Mos. 24, 47. 53), so wird ohne Zweifel auch seine Sarah ihr Geschmeide gehabt haben. Aber es gilt, sich zu schmücken, als schmücke man sich nicht (1. Cor. 7, 29 ff.), und unter den Füßen zu haben, was man auf dem Haupte trägt. (Vesser.) Der christ- lichen Weiber Schmuck ist der verborgene Menfch des Herzens, der von allerlei Jrrthum und Befleckung des Geistes rein ist: welch Weib so geschmückt ist, d. i. einen rechtschaffenen Glauben und einen stillen, sanften Geist hat, daß sie ihrem Manne gehorchen kann und sich freundlich gegen ihn mit Worten und Geberden stellen, das ist ein großer, theurer Schatz und solcher Schmuck, den niemand kann genug preisen; wenn die Weiber den haben, so können sie dann des äußerlichen auch recht und wohl brauchen, denn den Reinen ist alles rein. (Luther.) Der zverborgene Menfch des Herzens« ist das, was in der geheimen Werkstätte des Herzens durch den Geist Gottes gebildet und ausge- staltet wird, die neue Weise, zu denken, zu fühlen und zu wollen, das aus dem Geist Gottes geborene Person- leben, die neue Natur, der innerste Kern des Menschen, sofern er etwas aus dem Leben Jesu in sich hat. (Fronmüller.) Aber dieser inwendige Menfch als ein verborgener, nicht wahrnehmbarey kann auch nicht an sich schon ein Schmuck sein, sondern muß sich, um das zu werden, erst durch Selbstbethätigung wahrnehmbar machen; darauf weist denn zunächst das ,,unverrückt« hin, wie Luther iibersetzt hat, dann das ,,mit sanftem und stillem Geist« (anderwärts hat Luther, dem Grundtext entsprechender, beides mit einander ver- bunden: »in der Unverrücklichkeit eines sanften und stillen Geiftes«). Mit ,,sanft« ist diejenige Milde und Sanftmuth gemeint, welche bescheideu und demüthig sich Andern unterordnet, in ihr Verhalten, in ihre Weise sich bereitwillig und geduldig fügt, sich auch Unangenehmes oder Unbilliges gefallen läßt; im Ve- sonderen aber ist es auch, im Gegensatz zu eigen- willigem, gewaltsamem Bekehrungseifer, die Milde, die nicht leidenschaftlich drein fährt und mit Heftigkeit zwingen will, sondern die mit Freundlichkeit das Herz gewinnt. Jst damit die richtige Art und Weise für die Einwirkung der Frau auf den ungläubigen Gatten angegeben, so werden nun auch die richtigen Schranken derselben angedeutet mit »still«; es ist das Verhalten dessen gemeint, welcher nicht in aufgeregter Vielge- schäftigkeit sich da und dort zu schaffen macht, wohin fein Beruf ihn nicht führt, sondern still und ebenmäßig in den geregelten Bahnen des Bernfslebens dahingeht, wir kommen also wieder auf den ,,Wandel ohne Wort« in V. 1. (Schott.) «"·’k) Auch hier, wie in Kap. 1, 1f.; 2, 9 f., tritt uns die Anfchauung entgegen, der zufolge die Gemeinde der Gläubigen als das Gegenbild und die Vollendung der alttestamentlichen Volksgemeinde betrachtet wird; und daß es Heidenchristen sind, welche auch hier der Apostel im Auge hat, beweist das ,,geworden seid« unwiderleglich. (Wiesinger.) Die Schlußwortex »so ihr wohl thut und nicht so schüchtern seid« bezeichnen nicht das Mittel, wodurch sie Sarah’s Töchter ge- worden, sondern das Zeichen, an welchem man die Wahrheit des Gewordenseins erkennen kann. (Harleß.) Die Worte: »und nicht so schüchtern seid« wollen be- sagen: wenn ihr, ohne euch irre machen, durch irgend etwas einschüchtern zu lassen, muthig und getrost euern stillen Gang der Liebe und des Gehorsams weiter fortgeht. (v. Gerlach.) »O was haben die Christen für Frauen!« ruft der heidnische Redner Libanius, ein Günftling des Kaisers Julianus Apostata, aber auch Lehrer des heil. Basilius und des Joh. Chry- fostomus, aus, indem er zu seinem Leidwesen den Fall des Heidenthums und den Sieg des Christen- thums mehr und mehr vor Augen fah. Jhr Männer, wohnet bei euern Weibern mit Vernunft! 731 7. Desselbigen gleichen [euch unterthan er- weisend aller menschlichen Ordnung um des HErrn willen Katz. 2, 13], ihr Männer, wohuet bei ihnen seuern Weibern V. 1 ff.] mit Vernunft sin allen Beziehungen und Verhältnissen des ehelichen Zu- sammenlebens, und da natürlich auch in dem allerengsten Verkehr, dem gefFhlechtlichenL und gebet dem weiblichem als dem schwachsten fschwächeren im Vergleich mit dem männlichen] Werkzeuge [wörtlich: Gefäß, in» Apostg. 9, 15 hat Luther ,,Riistzeug« übersetzt], feine Ehre, swie sie den Weibern gebührt] als auch Miterben der Gnade des Lebens fdie sie ebensowohl sind, als ihr Männer es seid, und wenn sie auch etwa als noch heidnische Weiber ihrer Berufung bisher nicht Folge gegeben haben, so kann ja das immer noch geschehen, auf daß eure Gebete sdie ihr für euch thut, aber auch in der Gemeindeverfammlung I. Tini. 2, 8] nicht verhindert werden swenn das Seufzen der Weiber über euch sich zwischen euch und Gott stellet Hebr. 13, 17]. Das ,,desselbigen gleichen« womit der Vers anhebt, weist, wie das zu Anfang des l. Verses, auf das, unsern Abfchnitt eröffnende: ,,seid unterthan aller menschlichen Ordnung« zurück; zwar folgt hier kein ,,seid unterthan«, wie in V. I u. Kuh. Z, 18., allein etwas dem Entsprechendes liegt doch darin, daß auch das Weib eine von dem Manne anzuerkennende Ehre besitzt. (Huther.) Auch den Männern ihre Pflicht vorzuhalten, war für den Apostel um so nothwendiger, damit die in V. l ff. den Weibern gebotene Unter- werfung unter sie nicht von ihnen mißverstanden und mißbraucht werde. (Fronmüller.) Das Weib, sagt er, ist ebensowohl Gottes Werkzeu als der Mann, denn Gott braucht ihrer dazu, das sie Kinder trage, gebäre, ernähre, warte und das Haus regiere (Tit. 2, 4 f.; l. Tim. Z, 15); darum ist sie Gottes Werkzeug und Gefäß, der sie dazu geschaffen und ihr solches eingepflanzt hat. Das soll der Mann wissen und sein Weib dafür ansehen; darum spricht St. Peter: ,,ihr Männer, wohnet bei euern Weibern mit Vernunft« Ein Weib soll zwar leben, wie sie der Mann regiert, was er sie heißt und schafft (auordnet), das soll ge- than sein; aber er soll sie gleichwohl nach seinem tollen Kopfe nicht regieren noch verachten, sondern nicht allein säuberlich mit ihr umgehen und ihrer schonen als eines schwachen Gefäßes und Werkzeuges Gottes, sondern auch sie ehren, als die auch der Gnade des ewigen Lebens theilhaftig ist: daß also der Mann, der ein stärker Werkzeug Gottes ist, mit seinem Weibe, das schwächer von Leib und am Muth blöder und verzagter ist, also handle und umgehe, daß sie es ertragen könne. Er soll eben mit ihr handeln wie sonst mit einem Werkzeug, damit er arbeitet; als wenn er ein gut Messer will haben, muß er nicht damitin Stein hacken. Darauf kann tnan nun keine Regel geben: Gott stellt es jedermann selbst heim, daß er handle mit seinem Weibe mit Vernunft, darnach ein jegliches Weib ge- fchickt ist; denn du sollst der Gewalt nicht brauchen, die du hast, wie du selbst willst, ja, du bist darum ihr Mann, daß du ihr helfest, enthaltest (Ps. 51, 14) und schützest sie, nicht daß du sie verderbest. Mit Schlagen wirst du nichts ausrichtem daß du ein Weib fromm und bändig machest: fchlägst du einen Teufel heraus, so fchlägst du ihrer zwei hinein. Jch bin denen sehr feind, die gegen die armen Weiber sehr beherzt und, wie man zu sagen pflegt, zu Hause Löwen, draußen Hasen sind· (Luther.) Die dem Weibe von Gottes wegen gebührende Ehre ist zwiefacher Art: das Weib ist erstlich Gottes Werkzeug, und zwar das schwächere, als solches soll der Mann sie erkennen und säuberlich mit ihr umgehen; und sie ist zweitens auch berufen zum ewigen Leben, und wenn sie gläubig ist, mit ihrem gläubigen Manne Miterbin derselbigen Gnade des Lebens, als solche soll der Mann sie achten. (Besser.) Jst sie hinfichtlich ihres geschöpflichen Seins ein schwächeres Gefäß, so ist sie doch hinsichtlich ihres geistig-sittlichen Lebens ein Personwesen, welches mit ihm in demselben Gnade11verhältniß der Gottesgemeinschaft steht; Petrus weist aber ausdrück- lich auf die Vollendung dieses Gnadenstandes im ewigen Leben hin, weil in dein Leben herrlicher Verklärung (Matth. 22, 30) die infolge der Sünde dem Weibe jetzt anhaftende sonderliche ereatürliche Schwäche wird aufgehoben fein. (Schott.) So ist dem Apostel zu- folge das richtige Verhältnis; des Mannes zum Weibe durch ein Doppeltes bedingt, durch die Anerkennung der geschöpfllichen Unterordnung einerseits, und die Anerkennung seiner christlichen Gleichstellung andrer- seits: wo die Gleichstellung, statt auf dieser, auf jener Seite gesucht wird, entstehen die Carrieaturen jener Emancipatiom die vergeblich sich bemüht, die welt- ökonomischen Schranken Gottes zu durchbrechen. (Wiesinger.) Das Christenthum, das die Gnade zu Grunde legt, ohne das Weib seiner niedrigeren Natur- sphäre zu entreißen, bleibt gleich weit entfernt von der sittlichen Herabwürdigung des andern Geschlechts, wie von der falschen Erhöhung und Vergötterung, bei welcher das Weib selbst nichts weniger als glücklich ist. (Steiger.) Jn den Worten: »auf daß eure Gebete nicht verhindert werden« ist ein Verhindern nicht in dem» Sinne gemeint, daß etwas überhaupt nicht ge- schieht, sondern in dem Sinne, daß dem, der etwas vorhat oder auf dem Wege dazu ist, etwas störend in den Weg tritt, was ihn nicht dazu kommen oder nicht weiter darin kommen läßt. Man hat sich also Gebete zu denken, die auf dem Wege sind vom Betenden zu Gott, und denen etwas in den Weg tritt, das sie nicht dahin kommen läßt, wohin sie kommen wollen: wenn das Weib unter dem Manne zu seufzen hat, so wird ihr Seufzen feinem Gebete den Weg verlegen, indem es ihn bei Gott verklagt, ehe sein dadurch unwerth gemachtes Gebet zu ihm kommt. (v. HofmaunJ (Epistel am b. Sonntage nach Crinitatis.) Neben das Evangelium von Petri wunderbarem Fischzuge tritt als Epistel dieser Abfchnitt aus den Briefen desselbigen Apostels; denn es verstand sich wohl ganz von selbst, daß an dem Sonntage, welcher vor allem dem Gedächtniß des Petrus gewidmet war, auch dieser, den die alte Kirche so gern den Mund der Apostel nennt, zum Worte kam. Allgemeine Mahnungen nun sind es, welche Petrus an die Christen richtet: das Christenleben, welches in den beiden ersten Episteln der Sonntage nach Trinitatis als ein Leben in der Liebe und in den beiden folgenden als ein Leben im Kampfe mit den Leiden diefer Zeit dargestellt war, hält uns in diesem Texte gleichsam seine Gesetzess tafeln vor; die Pflichten, welche wir als Christen zu erfüllen haben, werden uns hier in kurzer Summa vorgehaltew (Nebe.) Wie wir Christen das ohnedies so schwere Leben uns selber und einer dem andern nicht noch schwerer machen, sondern vielmehr erleichtern sollen; der Apostel ermahnt da I) zu herzlichem Wohlwollen, 732 l. Petri 3, 8—15. Z) zu vorsichtigem Reden, Z) zu willigem Dulden, 4) zu sleißigein Beten. (Eig. Arb.) Wie können Christen Menfchen fangen? 1) durch ihr Be- tragen gegen einander, 2) durch ihr Verhalten gegen Feinde. (Fuchs.) Von der rechten Nachfolge Christi: l) was dazu gehöre, wenngman Christo nach- folgen will, Z) was für Urfach wir haben, es gern und willig zu thun. (V. Herbergerh Wie verhält sich ein Christ, der gute Tage sehen will? 1) er liebet die Brüder, Z) er segnet die Feinde, 3) er fürchtet den HErrn (Sommer.) Was die gabe unsers ganzen Lebens fein soll: I) die rechte Friedensgefinnung zu bewahren, 2) den Kampf wider das Böse nie zu vergessen, 3)»den rechten Trtkst in allen Leiden festzuhalten. (Stiihlin.) Gliickfelig auch in diesem Leben ist nur der wahre Christ: l) er hat Frieden und hält Frieden; Z) was er thut, steht in der Obhut Gottes; 3) was er leidet, kann ihm keinen Schaden bringen. (v. Burgen) Drei Erinnerungen an euren Beruf in der feind- seligen Welt: l) seid allefammtgleiih gesinnet, mit- leidig, briiderlich, barmherzig, freundlich; L) vergeltet nicht Böses mit Böfem, sondern segnet; Z) fürchtet euch vor ihrem Trotzen nicht, heiliget aber Gott den HErrn in euren Herzen. (Petri.) s. Endlich aber fum nun hier die in Kap. 2, 11 s. begonnene Ermahnung zum Ab- schluß zu bringen] seid allesammt gleich ge- sinnet [Röm. 12, is; PhiL 2, 2; 2. Con is, 11], mitleidig [Hebr. 4, 15; 10, 34; Röm. i2, is; 2. Eor 11, 29], briiderlich [Kap. 1, 22; 1.Theff.4,9], barmherzig [bei den Schwächen der Brüder], freundlich« fim Vergeben der gegenfeitigen Verfehlungen Ephef Hi, 32; Col. Z, 12]. s. Vergeltet [denen, die noch außerhalb der chriftlichen Gemeinde stehen, den NichtchrifteUJ nicht Böses mit Bosem [Röm. 12, 1·7; 1. Thess 5, 15], oder Scheltwort mit Siheltwort [Kap. L, 235 Matths 5- 44]; sondern dagegen segnet [Böses und Schelt- wort vielmehr mit Segensgruß und Heilswiinfch vergeltend], Und wisset [thut folches in dem Bewußtseins daß ihr dazu berufen seid, daß ihr den Segen beerbetstf sin seiner ganzen Fülle der zukünftigen Herrlichkeit und Seligkeit Kap. l, 3 ff., nachdem die Erftlinge desselben ihr bereits in eurem jetzigen Christen- ftande empfangen habt Ephef 1, 3 ; Matth. 25, 34]. 10. lEs ist das aber auch der Weg, um schon jetzt sich unnöthige Leiden zu ersparen und in schwerem Lebensftande sich gleichwohl das Leben um Vieles leichter zu machen.] Denn lfo heißt es in Pf. 34, 13——17] wer leben tvill sdas Leben derart haben will, daß es ihm nicht zur unerträglichen Last werde Pred. L, 17] nnd gute Tage sehen, der· schweige seine Zunge lJak-1, 26], daß sie nichts Boses rede, und seine Lippen, daß sie nicht trn en. 11. Er wende sich vom Bo en, und thue »Gutes [Jes. 1, 16 f.]; er suche Frieden, und jage ihm nach [Hebr. 12, 14; Röm. 12, 8]. 12. Denn die Augen des HGrrn [Ze- buvth Jak 5- 41 sehen auf die Gerechten sdie des Guten sich befleißigen Jak. 5, 16], undzseine Ohren [richten sich oder merken Pf. 5, L; 130, 21 auf ihr Gebet; das Angesicht aber des Errn siehet fauch anderntheils mit zornigeni lick] auf die, so Böses thun-ist«« [und läßt sie nicht ftraflos bleiben, auch wenn das Böse, das sie jemand anthun, die Wiedervergeltung eines erst von ihm empfangenen Bösen ist]. 13. Und [um mit Jes. 50, 9 zu reden] wer ist, der euch schaden setwas wirklich Böses anthun]könnte,soihrdemGntennachkommetH fmuß dann nicht auch das f cheiub ar Böse euch zum Besten dienen? Röm. 8, 28; 1. Mos. 50, 20.] 14. Und ob ihr auch leidet um der Gerechtigkeit tvillen [wie das ja allerdings zum Theil eure Lage wohl jetzt schon fein mag Kap. Z, 12; 5, 6 ff., künftig aber noch in viel größerem Maße es fein wird, vgl. die Eint zu Ephes 6, ·10 ff.], fo seid ihr [nach des HErrn Ausfpruch in Matth. h, 10., vgl. Kap. 4, 14] doch seli fin der Tiefe eures Herzens-J. Fiirthtet eu aber sum noch an ein anderes Wort bei dem vorhin in Vetracht gezogenen Propheten zu er- innern] vor ihrem sder euch anfeindenden Heiden] Trotzen nicht fwomit sie wider euch anftürmen, daß ihr mit folcher Angst und Furcht eure innere Glückseligkeit euch wolltet stören laffen], und er- fchrecket nicht fals könnten sie euch in Wahr- heit verderben Matth. 10, 28]; 15. Heiliget aber [durch die Furcht, irgend etwas ihm Mißfälliges zu thun, und mit dem Vertrauen, daß er durch alle Drangfal hindurch euch aushelfen werde zu seinem himmlifchen Reich] Gott fnach anderer Lesart: Christum Apostg. 20, 28], den HErrm in euren Herzen-H- [Jef. 8, 12 f.]. V) Ganz allgemein von gutem Verhalten überhaupt war der Apostel in Kap. 2, 11-f. ausgegangen, iind zu folchen umfassenden Ermahnungen an alle Christen kehrt er nun zurück, nachdem er sich durch die Aus- dehnung der letzten, zuuächft nur an die Frauen ge- richteten Mahnung W. 1——6) auch auf die Männer (V. 7) dazu den Uebergang gebahnt hat. Auch diese allgemeine Paränefe Ermahnung) nun steht wieder ganz unter dem Gesichtspnnkt thatsächlicher Ueber- führung der Ungliiubigen von dein fittlich reinen Charakter des Chrifteiithums und von der Grund- lofigkeit ihrer Anfeindungen desselben, welche letztere denn von jetzt an, zum Unterschied von Kap. Z, 11- 3, 7., unmittelbar in’s Auge gefaßt werden. Zu- niichft wird in V. 8 das rechte Verhalten der Christen unter einander in feinen Hauptzügen kurz zufammengefaßt; aber dies Moment vor der Hand für spätere Vefprechung (Kap. 4, 8 sf.) zurückftellend, wendet sich Petrus V. 9 ff. gleich zum zweiten, zu dem rechten Verhalten gegen die feindfelige heidnifche Umgebung, indeni er die Bewahrung der Schuldlofigkeit, welche im Allgemeinen das rechte Verhalten im Leiden ist, zuvörderfh der nächftliegenden Ermahnungen an alle Glieder der Gemeinde ohne Unterschied des Standes und Geschlechts. 733 Gefahr ge·eniiber, in die geduldige Ergebung setzL (Schott.) as, worauf das Augenmerk der seindlichen Umgebung sich richtete, war vor allem das Verhalten der Angehörigen Jesu gegen die Obrigkeit, das nächste das der christlichen Sklaven gegen ihre Herren, dann das der Frauen gegen ihre Männer, oder auch umge- kehrt, sodann aber as Verhalten der Christen über- haupt unter einander und gegen Andere; nachdem denn der Apostel bisher seine Ermahnung an die Leser, inmitten der heidnischen Umgebung einen guten Wandel zu führen, in der Art ausgeführt hat, daß er das rechte Verhalten in den verschiedenen Ordnungen des natürlich-menschlichen Gemeinlebens beschrieb, so be- nennt er jetzt das, worin sich alle ohne llnterschied, abgesehen von den durch jene Ordnungen gesetzten Be- ziehungen, also im Verkehr unter sich und mit An- dern, so erzeigen sollen, daß die Nichtchristen sehen, welche sittliche Wirkung das Christenthum übt. (von Hofmann.) Die vom Apostel ausgeführten sunf Tu- genden nennt Joh. Gerhard mit Beziehung auf das Wort in Kap. L, 9 die Verkündigungs -Tugenden. Wieder ist es die Bruderlieb e, in die Petrus alles Gute zumal setzt, dem Christen nachkommen sollen (vgl. Katz. 1,22 u. 4, 8), gleichwie der HErr alle Frucht, die seine Jünger als Reben am Weinstock bringen, zusammenfaßt in dies Eine (Joh. 15, 17): »das gebiete ich euch, daß ihr euch unter einander liebet«. Je zwei Tugenden umschließen auf beiden Seiten die Bruderliebe: »gleichgesinnet, mitleidig« auf der einen, und ,,barmherzig, freundlich« auf der andern Seite; jene beiden sind wie die beiden Füße, worauf die Bruderliebe steht, diese beiden wie die beiden Hände, womit sie ihre Geschäfte ausrichtet (Besser.) Gleichgesin net, einerlei wollend, einerlei fliehend, alle Dinge im Lichte desselben Evangeliums gleich beurtheilend, gleicher Gedanken voll sind die Glieder der Gemeinde Jesu. Wenn nun aber eine Schaar von Menschen völlig Eines Sinnes ist, es fehlt aber die zweitgenannte Tugend, welche Luther mitdem Worte mitleidig übersetzt hat, so giebt es dennoch kein schönes Leben; das Wort ist jedoch hier keineswegs in dem Sinne gebraucht, in welchem wir es gewöhnlich gebrauchen, denn wir verstehen unter dem Mitleid nichts Anderes als das Mitgefühl mit den Elenden und Unglücklichem dies aber ist im vorletzten Worte: ,,barmherzig« mehr vertreten als in dem, von welchem wir hier zu reden haben. Dies Wort bedeutet ohngefähr s. v. a. theilnehmend, mitfühlend, sich allezeit in den Zustand des Bruders versetzend, in ihm lebend: zu der gleichen Gesinnung gehört eine feinfühlende, die Regungen und Bewegungen des briiderlichen Her ens theilende Seele, und eine folche soll die des Christen- menschen sein; nicht blos derselbe Sinn, sondern aus dieser gleichen Ursache die gleichen Regungen und innerlichen Bewegungen sollen sich bei Christen finden. (Löhe.) Zwei rechte Christenherzen sind wie zwei Yeich gestimmte Instrumente; die Saiten des einen Jnstruments klingen mit, wenn die des andern berührt werden. (Heubner.) Brüderlich, das ist die Tugend, so insgemein bei den Christen unter einander gehen soll. daß sie alle einander folche Liebe und Treue er- zeigen, wie ein lieber Bruder deni andern; denn solches ist auch in die Natur gepflanzet und gebildet, daß Brüder gegen einander mehr Zuversicht haben, denn Andere, sonderlich in der Noth, als die Ein Blut und Fleisch sind und in gemeinem Erbe, und ob sie auch doch sonst nicht Eines sind, gleich so sie von Fremden angefochten werden und es zur Noth kommt, so nimmt sich ein Blut und Fleisch des andern an, setzen zu- sammen Leib, Gut und Ehre. Barmherzig, dies Wort kann ich nicht anders deuten, denn daß ich ein Gleichniß gebe: siehe, wie eine »Mutter gegen ihrem Kinde thut, wenn es Noth leidet, das bewegt sich ihr mütterlich Herz im Leibe; davon ist genommen die Weise zu reden an viel Orten in der Schrift. Freund- lich ist, daß man äußerlich einen feinen, süßen, lieb- licheu Wandel führe; nicht allein, daß sich eines des andern annehme, wie Vater und Mutter ihres Kindes, sondern auch daß eins mit dem andern umgehe mit Liebe und Sanftmuth. Es sind etliche störrige und knörrige Menschen, wie ein Baum mit viel Aesten, so unfreundlich, daß niemand gerne mit ihnen zu schaffen hat: das kommt davon, daß dieselben gemeinigich voll Argwohns stecken und bald zornig werden. as sind aber seine Leute, die alle Dinge zum Besten auslegen und nicht argwohnig sind, lassen sich nicht bald er- zürnen, können wohl etwas zugut halten; das Evan- gelium malt den HErrn Christum also ab, daß man diese Tugend sonderlich an ihm spürt. (Lut er.) It) Jn derselben Richtung, welche das erhalten der Christen unter einander einhält, soll es sich auch gegenüber der heidnischen Umgebung, der dem Christen- thum seindlichen Welt bewegen; die Christen sollen nicht Böses mit Bösem oder S eltwort mit Scheltwort vergelten; denn durch elbstrache und Zurückgabe der Schmähungen würden sie selbst aus den Standpunkt der feindseligen Welt herabsinken. Jm Gegentheil sollen die Christen vielmehr Gutes reden, Gutes im Worte zuwenden, segnen; denn aller- dings muß das Segnen der Menschen es beim Worte bewenden lassen, während Gottes Segnen seine that- sächliche Verwirklichung schon in sich trägt. (Sommer.) Aber es ist dies Segnen eines Christen, dies Wün- schen, Gönnen und Erbitten des Guten für die Feinde mehr, als alles äußere Wohlthun, welches auch ohne Herz geschehen, zum Triumph über die Feinde und zur Ueberhebung vor sich selbst und vor Andern miß- braucht werden kann. (Heubner.) Jhr habt vielmehr Ursache, meint Petrus, für eure Feinde zu bitten und Mitleiden zu haben, denn mit ihnen zu zürnen: sie sind Kinder des Zornes und Fluches, größer könnten sie nicht geplagt sein; thun sie nun Unrecht, es wird sich zu seiner Zeit wohl finden, daß sie es bitterlich genug beweinen und ihre Strafe darum leiden müssen, wo nicht hie zeitlich, doch dort ewiglich im Abgrund der Hölle. (Luther.) Wie schwer dieses Gebot dem natürlichen Menschen fällt, der auch in dem Christen- menschen sich immer und immer wieder re t, weiß Petrus recht gut; darum verstärkt er seine ahnung durch einen Hinweis auf unsere göttliche Berufung, auf unsere Berufung nämlich dazu, den Segen zu be- erben. (Nebe.) Wer esegnet werden will an jenem großen Tage, der mu sich selbst im Segnen üben, und wer dort will eintreten unter die Gesegneten des HErrm der muß hier selbst ein segnender Priester sein und die Kinder der Welt, die ihn mit Bosheit und Schimpf bedienen, mit treuem, beständigem Wohl- wollen, mit freundlichen Seensworten und Segens- thaten heinisuchen können. ( öhe.) Euch, unsre Ver- folger, hassen, das können wir nicht, sondern bieten alles euch an, was Liebe zu den Seelen zu schenken ver- mag; wir vergelten euern Haß mit aufrichtigem Wohl- wollen, für die Martern und Peinigungen, die ihr uns anthut, zeigen wir euch den Weg des Heils. So laubet denn und lebet! Ihr, die ihr eine kleine eit uns verfolgt, sreuet euch ewiglich mit uns! (Cyprian.) . » · ist) Offenbar beziehen sich die angeführten Worte des Psalmisten nicht auf das zukünftige, sondern auf das gegenwärtige Leben, der Apostel will seinen Lesern 734 1. Petri Z, 15h—20. damit zeigen, wie sie es anzufangen haben, um un- nöthige Leiden sich zu ersparen und der Hilfe Gottes sich getrösten zu dürfen; da kann denn auch das »denn« nicht die Schlußworte des 9. Verses begründen sollen, indem ja der Ausdruckx »den Segen beerben« auf das zukünftige Leben weifet, sondern es führt die Begründung zu der Mahnung ein: ,,vergeltet nicht Böses mit Böfem oder Scheltwort mit Scheltwort, sondern dagegen segnet«, und wie diese Mahnung drei Glieder enthält, so bewegt sich auch das Citat durch soviel Glieder. (Wiesinger.) Der heil. Petrus, dieser Mann des Krieges und der Unruhe, dem die Feind- schaft der Welt nachfolgte und ihn zu hafchen suchte, wohin er ging, der von guten Tagen so wenig sah, der allezeit voll Sehnsucht nach den ewigen Tagen und ihrem Frieden war, läßt dennoch es allenthalben durchblicken, wie auch er das zeitliche Leben und gute Tage schätze, und findet es nicht weniger als der heil. Psalmensänger aller Anstrengung für werth und alle Miihsal reichlich belohnend, den Frieden zu halten; denn von guten Tagen ist der Friede, man darf wohl sagen, mehr als zur Hälfte die Ursache. (Löhe.) T) Wer dem Guten nacheifert, will der Apostel sagen, der hat den Vortheil, daß die Angriffe der un- gläubigen Welt gegen ihn ohne allen Erfolg bleiben. (Sommer.) Was uns von den Widersachen durch schändliche Lästerungen, durch Verletzung an leiblichen Gütern, durch Schmerzen und Qual, die dem Leibe zugefügt werden, widerfährt, das schadet den Gläubigen keineswegs, sondern bringt denen, die geduldig sind, den Sie zuwege; hingegen schadet es am meisten den Ver-folgern selbst, die dadurch ihre Verdammniß und Strafe desto größer machen. sHieronymush Niemand wird beschädigt ohne von sich selbst. (Chry- sostomus.) Hat dich Gott von deinem eigenen bösen (Iglienschen)erlöst, so kann dir kein böser Mensch schaden. ugu tin. H) Das Herz des Apostels ist überall voll von göttlichen Worten, göttlichen Tröstungem göttlichen Verheißungem göttlichen Ermahnungem wie es bei einem jeden Christen sein soll; die Aussprüche des ge- schriebenen, einst geredeten Gottssworts das im alten und neuen Testament ausbehalten ist, sollen uns gerade im Gedächtnis; so lebendig gegenwärtig sein, und wo die eigene Lust uns nicht hinreichend treibt, sollen wir durch Auswendiglernen und Einiiben nachhelsen, damit der heil. Geist uns u jeder Zeit an sie erinnern kann, wo wir ihrer bedürfen. Wem nun so die obige Stelle aus Jesaia gegenwärtig ist; der erkennt auch sogleich die rechte Bedeutung jener Worte: ,,heiligt Gott den HErrn in euern Herzen; den laßt eure Furcht und Schrecken sein«. Wenn ihr in solche Bedrängnisse von Seiten der Heiden hineinkommt, so sehet euch nicht ängstlich nach auswärtiger Hilfe um, oder denket ja nicht feig, mit den Heiden einen Bund zu machen, sondern verlaßt euch auf das Wort eures Gottes, heiligt seinen Namen, lasset ihm die Ehre, daß er euer Helfer sein werde; er wird euch sicher erretten. (Schlicht- horst.) Der HErr wird geheiligt, wenn er in der Furcht, Liebe und Vertrauen unsers Herzens das gilt, was ihm nach seiner Allmacht, Weisheit, Güte &c. ge- bührt. (Rieger.) d. V.15b-—Kap.4,11. Allerdings hängt die Er« mahnnng, zu welcher der Ilposiel jetzt sortfrhreiteh auf’s Engsie mit dem, was er zu Ende des vorigen Abfchnitts gesagt hat, zusammen und, wie wir bereits uns überzeugt haben, führt er hernach (Kap.4,8 ff) weiter aus, was er oben (V. 8) nur wie im Vorüber- gehen behandeln; aber gleichwohl haben wir hier einen neuen, lelbsiändigeii Abschnitt vor uns, sowohl was den Inhalt der Ermahnung, als die Art der Begründung betrifft. Hinsichtlich des Inhalts tiommt es dem Apostel daraus an, das ,,fiirchtet euch vor ihrem Trotzeti nicht und crschrecliet nicht« und das ,,heiliget aber Gott den hGrrn in euren Herzen« am Schlaf! des vorigen Abschnitte; seinen Leser-n noch in besonderer Weise zu Gemüthe zu führen; er thut es so, das! man ihm wohl anmerlih wie das Wort Christi in Luti.12,32: ,,sürchte dich nicht, du lileine Heerde, denn es ist eures Vaters Wohlgefallen, euch das Reith zu geben« ihm dabei die Feder regiert. Und hinsichtlich der Begründung möchte man fast glauben, es sei damals schon das aposkolisiheGlaubensbekennt- nis3, wie wir’s jetzt noch haben, vorhanden nnd sowohl als Grundlage des Unterrichts- fiir die Ratechumenen wie auch als Anlfagesorikkel der Tänslinge bei Empfang der Taufe in Gebrauch gewesen; es ist sa wirklich die Taufe, deren Verpflichtung Petrus den Lesern vor- hält, und seine Rede davon nmgiebt er vorn und hinten mit Stücken, die in der zweiten Hälfte des zweiten Artiliels christlirhen Glaubens sich finden, davon sogar eins, das »nieder«gefahren zur höllets sonst weiter Keine unmittelbariapostolisctse Aussage für· sich hat, als eben diese unsre Stelle. Und wäre denn wirlilich das aposkolifctje Glaubensbekenntnis! damals noch nicht vorhanden gewesen, das; Petrus dessen sich hier als Unterlage für seine Grmahnungeii hätte bedienen Können, so wird man wenigstens umgekehrt sagen dürfen, dasselbe gründet sich in der vorhin erwähnten partie aufden hier vorliegenden, aus alles, was nach Christi Tode mit ihm geschehen ist, und auf die Kraft der Taufe Bezug nehmenden Abschnitt, gleichwie der Eingang eines alten Taufgebetsx ,,?lllm;ict’)tiger, ewiger Gott, der du hast dureh die Siindsluth nach deinem strengen Gericht die ungläubige Welt verdammt nnd den glänbigen Noah selbacht nach deiner grossen Barm- herzigkeit erhalten« und die später folgende Stelle: ,,aul das) er (der Täusling), aus der Ungliiubigen Zahl gesondert, in der heil. Arche der Christenheit troctien nnd sicher behalten m« den Gedanken unsers Ilposiels in V. 20 u. L. Petri T, 5 entnommen ist. 15l). Seid aber allezeit bereit zur Verant- wortung jedermann, der Grund fordert der Hoff- nung, die in euch ist sRechenschaft oder Aufschluß über die in euch lebende Hoffnung verlangt, wie es sich damit verhalte Apostg 24, 10 ff.; 26, S ff-J- 16. Und das [thut nun, wenn ihr wirklich in die Lage kommt, Rechenschaft von dieser eurer Hoffnung geben zu müssen] mit Sanftmåthigkeit sohne allen Anflug leidenschaftlicher Erregtheitj und [mit] Furcht« [vor allem ungeziemenden Wesen euch sorgfältig hütend], nnd habt swie ihr vermöge eurer Taufe V. 21 es ja haben könnt und in einem, dem Taufbunde entsprechenden Wandel es allezeit euch auch bewahren sollt] ein gut Gewissen [Hebr. 13, 18], ans daß die, so von euch afterreden als von Uebelthåtern [Kap. 2, 12], zu Schanden werden san diesem, ihres Unrechts sie überführenden ThatbeweisL daß sie. geschmiibet haben euren guten Wandel swie ihr] in Fhtiftospsp [ihn führt 1. Cur. 4, 17; Col. 2, S. Seid allezeit bereit zur Auskunft und Rechenschaft über eure Hoffnung gegen jedermann! 735 17. Denn es ist besser, so es fein Leiden eurerfeits, das man euch anthut, als wäret ihr UebeltHäterJ Gottes Wille ffür euch] ist, daß ihr von Woblthat wegen leidet, denn von Uebelthat wegen"«« [leidet als folche, die Gutes, denn als folche, die Uebles thun Kap. L, 20]; 18. Sintemal auch Christus einmal fHebu J, 26. 28; Rom. S, 101 für unsere Sünden sum sie zu opfern an seinem Leibe auf dem Holz Kap. 2, 241 gelitten hat [Hebr. 13, 12], der Gerechte für die Ungerechten [Röm. 5, 6], auf daß er uns Gott opferte fgenauerx zuführete uns den Zugang zu ihm verfchaffte Ephes 2, 18; 3, 12; Joh. 12, 32], und ist fda zwar] getödtet nach dem Fleisch, aber lebendig gemacht fEphes Z, b] nach dem Geist-f [vgl. die Bem. zu Matth. 27, 53]. 19. Jn demselbigen fnämlich im Geist, nach welchem er alsbald der Todesmacht entnommen und mit neuer Lebenskraft zu weiterer Thätigkeit ausgerüstet ward] ist et« auch fdie erfahrene Lebendigmachung thatkräftig bekundend] hingegangen [nach der Hölle Apoftg. 2, 27 u. 31] und hat geprediget [Hes. 16, 54 Arm] den Geistern im Gefängniß [den abgefchiedenen Seelen Kap. 4, S; Hebr. 12, 23 der als des Gerichts schuldig Befundenen und nun in dem für ihre einstweilige Aufbewahrung Z. Petri 2, 9; Juda 6 bestimmten Kerker der Unterwelt Jes 24, 22 fich Befindenden], 20. Die etwa ff. v. a. vielleicht, vgl. Hiob 2—2, 6; Luk. 12, 58] nicht glaubten fder mit der Ankündigung der Sündfluth gegebenen gött- lichen Warnung aus Unglauben kein Gehör fchenkten], da Gott einsmals harrete und Geduld hatte [1. Mos. S, 3. 6 f-] zu den Zeiten Nod, da man die Arche zurüstete [1. Mos. S, 13 ff.; Matth. 24, 38 f.; Heim 11, 7], in welcher wenige, das ist acht Seelen fNoah mit feinem Weibe und seinen drei Söhnen und deren Weibern 1. Mos. S, is; 7, 1.7; 8, 16 u. 18] behalten wurden [zur Rettung] durchV Wasser-fi- s) Der Apostel verwahrt seine Leser auch gegen eine andere Verfehlung, in die sie gerathen können, wenn sie, sei es der Obrigkeit oder wem immer, darüber, daß sie ihrem König Christus entgegenwartem über diese, ihren Volksgenossen anstößige Hoffnung (vgl. Apostg 17, 7) Rede stehen sollen und auch, wie fie vorhin (V. 14 f.) ermahnt worden find, furchtlos Rede stehen: fie könnten es mit leidenfchaftlicher Erregtheit thun, als ob es fchon eine Kränkung wäre, daß man nur meinen kann, sie thäten damit, daß fie folcher Hoffnung Raum geben, ein Unrecht, und könnten es mit trotziger Unbedachtfamkeit thun, der es nicht darauf ankommt, wie sie ihre Worte wählt und welchen Eindruck diese machen; das Gegentheil des ersteren ist ,,mit Sanftmiithigkeit«, das Gegentheil des letzteren ,,mit Furcht«. (v. Hofmann.) Die zuversichtliche Ge- wißheit einer herrlichen, alle Weltmacht siegreich nieder- schlagenden und feine Gemeinde glorreich erhöhenden Erscheinutig Jefu Christi, diese Hoffnung, in der die Christen fich jetzt fchon der gegenwärtigen Welt ent- nommen und also selig fühlten, sie konnte den Heiden vor allem als der gefährliche Wahn gelten, der bei den Christen ein verächtliches Jgnoriren, ein stolzes Ab- werfen der Ordnungen des natürlichenGemeinlebens hervorrufen müsse. Da sollen fie nun zunächst fich bewußt fein, daß diejenige Gebundenheit an die natür- lich-gefelligen Verhältnisse für fie fortbesteht, kraft deren sie jederzeit auf die ordnungsmäßigen Anfprüche ihrer Staats- und Volksgenossen eingehen müssen, daß sie von Wesen und Bedeutung ihrer Sache Rechenfchaft zu geben haben; sie sollen aber auch festhalten, daß ihre Verantwortung gefchehen muß mit Sanft- müthigkeit, mit jener fanftmüthigen Ruhe, die durch unverftändige und ungerechte Verdächtigung fich nicht leidenfchaftlich erbittern läßt, und mit Furcht, d. i. mit der heil. Scheu, den gottgewollten Ordnungen und Verhältnissen des natürlichen Gemeinlebens nicht durch Worte hoffärtiger Mißachtung zu nahe zu treten· (Schott.) Wenn ihr gefragt werdet von eurem Glauben, sollt ihr nicht mit stolzen Worten antworten und die Sache mit einem Trotz und Gewalt wollen hinaus- führen, als wolltet ihr Bäume ausreißem sondern mit folcher Furcht und Demuth, als wenn ihr vor Gottes Gericht ftündet und da antworten solltet. (Luther.) IV) Mit den Worten: »und habt ein gut Gewissen« bezeichnet der Apostel treffend den Punkt, auf den es ankommt, um in rechter Weise immer zur Verant- wortung geriistet zu fein. (Wiefinger.) Ueber die christliche Hoffnung kann nur der fich verantworten aus gewisser Zuversicht, der die gefchenkte Gnade in einem guten Gewissen als einem guten Gefäße bewahrt hat. (Harleß.) Eine auf ein sittlich gutes Verhalten gegründete Bereitfchaft zur Verantwortung soll vor- handen sein, damit die Widersacher mit ihren Ver- leumdungen zu Schanden werden. Das Rechenfchaft- fordern der Ungläubigen ist nämlich nach der ganzen Darstellung des Briefes nicht gedacht im Sinne eines wahrheitsuchenden fittlichen Dranges, sondern als aus- gehend von der Voraussetzung, daß die Christen der fittlichen Lebensordnungen fich entfchlagenx haben fie also ein gutes Gewissen, d. h. haben fie einen sittlich guten Wandel aufzuweisem so sind ja die Schmähungen der Widersacher nichts Anderes als ein thatsä liches Zufchandenwerdem indem sie der vollgiltige etveis sind, daß die Ungläubigen eben nichts weiter als diese, den Thatfachen gegenüber in fich selbst nichtigen Ver- leumdungen gegen das Christenthum und feine Be- kenner einzusehen haben. (Schott.) Das ist der Trost eines guten Gewissens, das; wir denen, die von uns afterreden als von Uebelthätern, sagen dürfen: »Was euch an uns verhaßt ist, sind nicht unsre Sünden, die uns selber verhaßt sind und für welche wir Vergebung von Gott erbitten; euch ist Christus verhaßt, den wir bekennen als unsre einige Hoffnung, um deß willen wir nicht mit euch laufen in euer wüftes und und unordentliches Wesen, dem wir allein dienen wollen euern Götzen zum Trotz«. (Besser.) IN) Der Apostel benennt zweierlei Umstände, unter welchen das Leiden statt haben kann, in dem einen Falle, während man thut, was gut ist, in dem andern, während man thut, was von Uebel ist; bei letzterem ist an ein Thun von folchem zu denken, was den Christen un! dasjenige gute Gewissen bringt, und bei ersterem an ein solches Verhalten, welches ihm das- jenige gute Gewissen bewahrt, welches er haben muß, wenn er die christliche Hoffnung gegen den Argwohn der Nichtchristen vertritt. Hat er fich in dieser Hinsicht nichts vorzuwerfem und bekommt doch, so es Gottes Wille also ist (denn ohne daß Gottes Wille es wollte, 736 1· Petri 3, 20. könnte Menschenwille es nicht in’s Werk setzen), wie ein in dieser Hinsicht Schuldiger zu leiden, so ist er besser daran, als wenn es ihm über einem Verhalten wider- fährt, mit dem er sich wirklich an der bürgerlichen und staatlichen Ordnung versündigt. Jn beiden Fällen ist es sein Christenstand, um dessentwillen ihm Leides geschieht, und nicht sein Thau; aber es betrifft ihn entweder über einem Verhalten, bei welchem er sich sagen kann, daß ihn; Unrecht, oder bei welchem er sich sagen muß, daß ihm Rechtfgeschieht Daß er nun im er teren Falle besser daran ist, als im letzteren, hebt der postel darum hervor, weil es dem natür- lichen Menschen bitterer scheint, unschuldig leiden zu müssen als schuldig; der Christ aber soll es anders ansehen, weil er Christum kennt, der durch das, was er erlitt, in das Leben übergegan en ist, in welchem er jetzt steht. (v. HofmannJ Bger Gutes thut, für den haben die Leiden, die ihn etwa treffen, ihren Grund nicht, wie für den Uebelthäter, in seinem eigenen sündigen Willen, der ihn Sünde thun und damit Unheil über sich bringen läßt, sondern nur in dem Willen Gottes, der ihm, dem Frommen gegenüber nur ein gnädiger, guter, auf die Beseligung gerichteter Wille sein kann: wie sehr muß da jenes Leiden besser sein als dieses! (Schott.) f) Das ,,sintemal« zu Anfang des Verses giebt den Grund an, warum es sich so verhält, wie in V. 17 esagt worden ist; die ganze Stelle ist ähnlich der in Bari. Z, 21 ff., denn wie wir dort lesen: ,,fintemal auch Christus gelitten hat für uns«, so nun hier: ,,sinten1al auch Christus einmal für unsre Sünden gelitten hat«. Das »auch« ftellt selbstverständlich Christum nicht blos in Bezug auf ,,gelitten hat« mit uns in Vergleich, sondern in Bezug aus den ganzen Satz bis zu den Worten: »auf daß er uns Gott zuführen-·. Die erste Stelle nimmt da das ,,einmal« ein, dessen Ge- wicht für den Gedanken sich hiernach bemißt, dessen Bedeutung aber für denselben auch nur aus dem Zwecke, zu welchem Christus mit den Christen in Ver- gleich gestellt wird, zu erholen ist: einmal ist dies geschehen, daß er den Tod starb, den er gestorben, und was darnach gefolgt ist, bildet als das Bleibende und Dauernde einen Gegensatz zu dem mit dem einen Male Vorübergegangenem welcher lehrt, wie gut es ist, wenn man leidet über dem Thun von solchem, das gut ist (vgl. das ,,eine kleine Zeit leiden« in Kap. l, 6; 5, 10). Die zweite Aussage ist die, daß fein Leiden und Sterben ein Leiden Sünden halber war, die er damit sühnte, und ein Leiden für« uns, so daß er, der gerecht war, für uns, die wir ungerecht waren, storben ist; damit will angedeutet sein, daß wir uns die Sünden, welche diejeni en an uns begehen, die uns Unrecht thun, Leidens Ursache werden lassen sollen. Wir leiden dann zwar nicht als Gerechte für Un- gerechte, wohl aber als Gerechte durch Ungerechte, deren Sünden uns mit diesem Unterschiede, sonst aber ähnlich, Leidens Ursache werden, wie unsere Sünden Christo seines Todes Ursache geworden find. Und gleicherweise erleidet zum Dritten auch der Zweck, zu welchem Christus so gestorben ist, Anwendung auf uns: wenn er gestorben ist, um uns, deren Sünden ihm seines Todes Ursache geworden sind, zu Gott zu führen, in die Gemeinschaft mit ihm herzustellen, so soll es auch unser Absehen sein, diejenigen, von denen wir Unrecht leiden, durch die Art und Weise unsers schuldlosen Leidens zur Besinnung über sich und zur Erkenntniß Christi zu bringen. (v. ofmann.) Waren Sünden die Veranlassung des Leidens Christi, so waren es doch nicht seine eigenen, sondern er litt als Gerechter für Ungerechte: so angesehen ist nun sein Leiden allerdings vorbildlich für die Leser, denn auch ihr Leiden ist ja ein Leiden für die Sünden, und gerade wie bei Christo sollen es eben auch nicht ihre Sünden sein, die als Widerfahrniß über sie kommen, sondern vielmehr die Sünden der ungläubigen Um- gebung, die an ihnen sich vollziehen, während sie selbst als Gerechte oder von Wohlthat wegen leiden. (Schott.) Doch kommt Ein Gedanke noch hinzu: es war. ein siegreiches Leiden, ein Ueberwinden im Erliegem gerade durch sein Leiden hat er uns zu Gott geführt, mit ihm vereinigt. Wenn es nun heißt: ,,er ist ge- tödtet nach dem Fleisch, aber lebendig gemacht nach dem Geist«, so ist Fleisch hier das leibliche Leben, was ertödtet wurde; ungeachtet seines leiblichen Todes wurde er doch nach dem Geiste lebendig gemacht (Matth.-10, 28"). Nachdem er der Sünde estorben war zu Einem Mal und also die Bande des leisches, das er um unsertwillen trug, gelöst waren, drang das neue göttliche Leben in seinen Geist, in dessen Kraft er nach dem Tode noch im Geisterreiche als siegreicher Erlöser wirken konnte. (v. Gerlach.) Der HErr rief sterbend aus: ,,Vater, in deine Hände befehle ich meinen Geist«, das Wort Davids in Pf. 31, 6 sich aneignend, und thut damit kund, wie er auch darin uns gleich geworden ist, daß er im Tode das Bewußtsein verlor und, seiner nicht mehr mächtig, seinen Geist zur Be- wahrung und zum Schutze Dem übergab, an dem er bis zum letzten Athemzug als an seinem Vater hing. Aber sofort ward er wieder lebendig gemacht; sein Geist ist das Leben und beweist sich nach dem Tode erst recht als solches. Von der Auferstehung des HErrn kann der Ausdruck: ,,lebendig gemacht nach dem Geist«, wie derselbe von den Auslegern meist so gefaßt wird, (wegen des ausdrücklich dabei stehenden ,,nach dem Geist«, welches im Gegensatz steht zum Lebendigmachen des Leibes Röm. 8, 11) nicht ver- standen werden. (Rinck.) Die genaue Verbindung und übrige Gleichheit, ins die der» Apostel das Ertödtetwerden am Fleisch und Lebendiggemachtwerden am Geist mit einander seht, giebt zu erkennen, daß beides mit einander und nicht das eine nach dem andern vor- gegangen sei. ·(Rieger-—.-) H) Jn seiner früheren Auslegung (vom J. 1523 u. 1539) schreibt Luther: ,,Aus’s rste lauten »die Worte also, als hab’ Christus den Geistern, d. i. den Seelen, die etwa nicht glaubten, da Noah die Arche baute, gepredigt; das kann ich aber nicht wohl glauben, daß Christus hinabgefahren sei zu den Seelen und hab ihnen da gepredigt, so ist die Schrift auch dawider und sagt: wer nicht glaubt, ist schon gerichtet, irrem, daß ein jeglicher werde empfahen, wie er geglaubt nnd gelebt hat. Dazu, weil es nicht gewiß ist, wie sich’s mit den Todten hält, so kann man den Spruch nicht wohl dahin deuten; will es jedoch jemand dafür halten, daß Christus, nachdem er am Kreuz verschieden, sei niedergeftiegen zu den Seelen und habe ihnen da ge- predigt, will ich nicht wehren, es möcht also einen Verstand leiden«. Im Jahre vor seinem Tode schreibt er dann zu Hof. 6, 2 über unsre Stelle: »Hier sagt Petrus klärlich, daß Christus (nach seinem Tode) nicht allein erschienen sei den verstorbenen Altvätern und Patriarchem welcher er ohne Zweifel etliche, da ei: auferstanden ist, mit zum ewigen Leben auferweckt hat (Matth. 27, 52 f.), sondern auch etlichen gepredigt habe, die zur Zeit Noä nicht glaubten und auf die Geduld Gottes warteten, d. i. die da hofften, Gott würde nicht so grausam wüthen gegen das menschliche Geschlecht, auf daß sie erkenneten, ihre Sünden wären ihnen durch das Opfer Christi vergeben« Allerdings scheint hier der Zusatz zu den Texteswortein »die zur Zeit Christi Hingang zu den Geistern im Gefängniß. 737 Noä nicht glaubten«, den Luther mit den Worten macht: »und auf die Geduld Gottes warteten, d. i. die da hofften u. s. w.«, eine Viißdeutung der Worte zu sein: ,,du Gott einsmals harrete und Geduld hatte«; allein derselbe soll nicht sowohl diese, als vielmehr das ,,etwa«, das Luther dem ,,nicht glaubeten« hin- hinzugefügt hat, erklären und will die Aussage des Textes auf solche beschränken, die durch das erlittene Strafgericht der Sünde ihres Unglaubens sich haben iiberführen lassen. Nicht allen im Gefängniß be- hultenen Geistern aus den Tagen der Sündfluth galt Christi Heilspredigh namentlich waren jene Tyrannen und Gewaltigen in der Welt (l. Mos. 6, 4) unwieder- bringlich gleich den Engeln, die gesündigt haben (2. Petri 2, 4; Judä 6), zum Gericht des großen Tages behalten; aber es waren doch unter den von ihnen einst Verfiihrten und Beherrschten und jetzt mit ihnen im Gefängniß Behaltenen gewiß so manche Seelen, die für eine stärkere und überzeugungsvollere Predigt, als die des Noah war (2. Petri Z, 5), wohl empfänglich gewesen wären (vgl. Mutth. 11, 23; Luk. 10, 13). Des Noah Predigt nicht zu glauben, war in in Anbetracht der furchtbaren Verführungsmächte, die zu ihrer Zeit in der Welt walteten, noch nicht die Sünde zum Tode, denn immerhin konnte das, was er sagte und was er that, als ein Erzeugniß seiner eigenen überreizten Phantasie erfcheinen; daher denn Christus, der gekommen, zu suchen und selig zu machen, das verloren ist, nun, da er getödtet war dem Fleische nach und also an denen, die auf Erden sind, sein Heilandswerk nicht mehr ausrichten konnte, gleichwohl aber lebendig gemacht war nach dem Geist und damit von Gott selbst zur Fortsetzung seiner Thätigkeit be- fähigt und berufen, sie, die unter der Erde (Phil. Z, 10) waren, zum Gegenstande seines Suchens und Seligmachens sich erwählete, wie er ja auch auf sie, die ,,Geister«, als jetzt selber ,,im Geist« seiend (·2. Cor. 12,2 sf.), ausdrücklich angewiesen war. So wenig sich die von einigen Schriftauslegern versuchte Deutung unsrer Stelle von Christi, des noch nicht Mensch gewordenen Heilspredigers (Joh. l, 4. 10), Be- zeugung an das Geschlecht der Sündfluth während der 120 Gnadenfristjahre (l. Mos. 6. s) durch die Be- rufung auf Kap. 1, 11 u. 1. Cor. 10, 4. 9 begründen läßt, da einestheils das »in demselbigen« deutlich auf ,,lebendig gemacht nach dem Geist« und das »auch« auf ,,uns Gott zuführete« in V. l8 zurückweish und anderntheils ausdrücklich von einem Hingehen zu Geistern im Gefängniß die Rede ist, denen er da gepredigt habe, nicht aber von einem Hingehen zu solchen, die noch im Leben befindlich waren, während sie jetzt allerdings zur Strafe für ihr Nichtglauben im Gefängniß behalten werden: so wenig läßt sich auch die, durch die Coneordienformel zur orthodoxen in der lutherischen Kirche erhobene Auffassung billigen, nach welcher wir hier an eine Selbstdarstellung des schon auferstandenen Christus zu denken hätten, der, bevor er sich auf Erden lebendig erzeigte, den Geistern im Gefängniß als Sieger über den Tod sich gezeigt habe, um sie zu überführen, welches Heils sie durch ihren vormaligen Ungehorsam sich verlustig ge- macht und wie gerecht ihre Verdammniß sei. Offen- bar steht der Ausdruck: ,,hingehen und predigen« in Parallele zu den Worten des HErrn in Mark. 16, 15., und leidet es kaum einen Zweifel, daß Petrus dieses Wort, das ihm wohl tief sich eingeprägt hatte, da er es in das unter seiner Leitung entstandene Markus- Evangelium hat aufnehmen lassen, bei Fassung des Ausdrucks an unsrer Stelle vor Augen gehabt hat; dieser soll denn zu verstehen geben, daß die hier D ächs el’s Bibelwerlxl VIL Band. gemeinte Predigt die nämliche sei gewesen, die hernach den Jüngern für die Welt der Lebendigen befohlen wurde, nämlich die Predigt vom Reiche Gottes, in welches einkomme, wer Buße thue und an Christum glaube. Sie muß denn auch gleichen Zweck gehabt haben, nämlich daß die, welche sie hörten, sich ent- scheiden sollten, ob sie dieselbe annehmen wollten oder nicht: thaten sie wirklich Buße und ergriffen im Glauben das ihnen dargebotene Heil, so gingen sie aus ihrem Gefängniß in das Reich Gottes über, und welche Ver- änderung in Betrefs ihres Todeszustandes, der ju freilich vor der allgemeinen Auferstehung nicht aufge- hoben werden konnte, dies mit sich bringen würde, das wird hernach in Kap. 4, 6 gesagt; blieben sie da- gegen auch jetzt noch ungläubig, so blieben sie auf ewig vom Reiche Gottes ausgeschlossen, und ihr Gefängniß wurde ihnen zum Gewahrsam aus den Tag des letzten Gerichts zu ewiger Verdammniß (vgl. Hebt 2, 3 f.; 10, 26 ff.)· Es ist ein großer, umfassender Blick in die Fülle des Werkes Christi, den der Apostel uns hier darbietet, bemerkt Schlichthorst; dieses Werk umfaßt die ganze Vergangenheit wie die Zukunft, es dehnt sich über alle Länder und ihre Völker aus, rüc- wärts und vorwärts, das Wort ,,Welt« ist in solchen Sprüchem wie Z. Cor. 5, 19; I. Joh. 2, 2., im aller- eigentlichsten Sinne zu nehmen. Christus, obwohl erst in der Mitte der Zeitläufte erschienen und auf einem kleinen Raum der weitbewohnten Erde, schlingt dennoch mit dem Opfer, das esr dargebracht, Anfang und Ende in einander und bringt Morgen und Abend, Mittag und Mitternacht zusammen; sein Kreuz ist das Centrum des Universums. Wenn nun Petrus oben zu der Wortpredigh die Noah ausznrichten hatte an das Geschlecht seiner Zeit und deren Jnhalt in dem Satze angedeutet liegt: ,,du Gott einsmals harrete und Ge- duld hatte«, noch eine Thatpredigt hinzufügt, indem er schreibt: ,,da man die Arche zurüstete«, so liegt die Annahme nahe, daß ihm als Gegenbild derselben die christliche Kirche erschien; denn in Kap. 4, 7 sagt er: ,,es ist nahe kommen das Ende aller Dinge«, nach 2. Petri Z, 5 ff. hat der Untergang der Welt am Ende der Zeiten sein Vorbild an dem Untergang der früheren Welt durch die Wasser der Siindfluth, und in Z. Petri 1, 11 ist die Rede von dem Eingang in das ewige Reich Jesu Christi, was an den Eingang in die Arche (Matth. 24, 38) erinnert. Bis dieser Eingang in Christi ewiges Reich geschehen kann, wird jetzt, in diesen Tagen der Heilspredigh die Arche der Kirche, in welcher derselbe allein erfolgt, zugerüstetx es sind da auch nur wenige Seelen, welche ihres Heils wahr- nehmen und zu ihrer Rettung durch den Untergang der Welt hindurch in solche Arche sich bergen, allein das darf die Leser der großen Masse der ungläubig Gebliebenen gegenüber nicht irren und zu der Meinung verleiten, sie hätten wohl unbedacht gehandelt, daß sie mittels Annahme der Taufe sich von ihren heidnischen Volksgenossen getrennt (Kap. l, 25 Anm.) und zu einer eigenen christlichen Gemeinde zusammengeschlossem die nun so manchen Spott und vielerlei Lästerung sich müsse gefallen lassen. Das ist denn der Gedanken- zusammenhang in welchem der Apostel darauf kommt, im folgenden Verse der Taufe und ihrer Bedeutung zu gedenken; es spricht sich aber wohl in den Worten: »in welcher wenig, das ist, acht Seelen behalten wurden durch’s Wasser« ein Gefühl seines eigenen Herzens aus, für welches er Beruhigung in jenem Vorbild der Sündfluthsgeschichte sucht. Zu der Zeit, in welcher er die Epistel geschrieben, war die Ausbreitung des Christenthums auf dem Wege der Mission fast ganz zum Stillstand gekommen; wie schon seit fast einem 47 738 I. Petri Z, 21. 22. 4, 1—6. Jahrzehent unter den Juden, so machte sie auch seit der Gefangenschaft des Paulus unter den Heiden keine - merklichen Fortschritte mehr, mit der Wirksamkeit der Predi t durch’s Wort schien es aus zu sein, nur von dem Lgandel der Weiber ohne Wort ließ sich noch eine Einwirkung auf ihre ungläubigen Männer, von dem geduldigen Unrechtleiden von Seiten der Sklaven gegen ihre Herren eine solche auf diese, und von der ganzen Lebensführung der christlichen Gemeindeglieder über- haupt eine desgleichen auf die heidnische Umgebung erwarten, und darum hat Petrus den Betheiligten dies vorhin so eingehend ans Herz gelegtzk (Kap. ·2, 11——3, 15). Und wenn er nun da aus das geduldige, sanftmüthige, dem Vorbild Christi nachartende Unrecht- leiden von Seiten der Christen ein so großes Gewicht legt und dasselbe gewissermaßen als die Parallele be- trachtet zu der Predigt des dem Fleische nach ge- tödteten, dem Geiste nach aber lebendig gemachten Christus an die Geister im Gefängniß, die einsmals nicht glaubten, so hat er die nächste Zukunft der Kirche in der Welt ganz richtig vorausgeschaut; denn es standen nun die Christenverfolgungen nahe bevor, in Beziehung auf welche uns dieGeschichte lehrt, wie sehr das Blut der Märtyrer, die Ja auch dem Fleische nach zwar getödtet, aber vom HErrn gewissermaßen lebendig erhalten wurden nach dem Geist (vgl. Hebn U, 4), den Acker der Kirche bedüngt hat. 21. Welches snämlich Wasser, wie ja von solchem so eben als einer rettenden Macht die Rede war] nun auch uns selig machtin der Taufe, die durch jenes swelches bei der Siindfluth sich als rettend erwies, indem es die Arche emporhub und auf seiner Oberfläche trug 1. Mos. 7, 17 f.] bedeutet ist, lund zwar macht sie uns selig] nicht [weil sie wäre] das Abthun des Unflaths [Schmutzes] am Fleisch sfür welchen Zweck man wohl sonst mit Wasser sich überströmen läßt oder Tausen im Sinne von Waschungen Mark. 7, 4; Hebt. 9, 10 vornimmt] sondern sweil sie ist] der Bund eines guten Gewissens mit Gott [in den wir durch sie eintreten, und er schenkt uns, wie wir wissen, das, was wir mit unserm Taufbegehren bei ihm gesucht haben, nämlich das gute Gewissen] durch die Auferstehung Jesu Christi« [der, wie um unsrer Sünde willen dahin gegeben V. 18., so um unsrer Gerechtigkeit willen wieder auferwecket ist Röm. 4, 25; l. Cor. 15, 17]; 22. Welcher [um den Gang der Verherrlichung, den er mit seiner Auferstehung genommen, noch weiter zu verfolgen] ist [im Widerspiel der vor- maligen Niederfahrt zur Hölle V. 19 f.; Ephes 4, 9 f.] zur Rechten Gottes in den Himmel ge- fahren, und sind ihm [nun da, als dem über alles Erhöheten Apostg. 10, 36] »imterth»an die Enge! und die Gewalngen und die Kraftett [Ephes. 1, 20 ff.]. V) Wie fiel) an das Wort: ,,nach dem Geist« am Schlusse des 18. Verses ein »in demselbigen« zu Ein- gang des 19. Verses anschloß, so schließt sich an die nähere Bestimmung: ,,durch’s Wasser« am Schluß des 20. Verses ein ,,welches« zu Anfang des hier uns vorliegenden Verses an. Nun bedeutete ohne Zweifel jenes ,,durch’s Wasser« zunächst s. v. a. durch’s Wasser hindurch (vgl. l. Cor. Z, 15), es sollten die acht Seelen nicht mit im Wasser, durch welches alles Fleisch unter dem Himmel von der Erde vertilgt werden sollte, untergehen, darum eben wurden sie in die Arche hinein geborgen und so gerettet; es kommt aber dabei noch ein Zweites in Betracht, dies nämlich, daß die Arche doch nicht würde an sich selber die Rettung durch’s Wasser hindurch haben bewirken können, wenn nicht das Wasser dadurch, daß es die- selbe emporhub und auf seiner Oberfläche schwimmend erhielt, ihr zu Hilfe gekommen wäre, die Rettung war al o zugleich eine Rettung vermittels des Wassers, das, wie es nach der einen Seite hin ein gefahr- drohendes war, so nun nach der andern Seite hin auch ein helfendes, rettendes wurde. An diesen zweiten Sinn, den der Ausdruck: ,,durch’s Wasser« enthält, schließt sich denn die Aussage unsers Verses an: ,,wel- ches nun auch uns selig macht in der Taufe, die durch jenes bedeutet ist«, womit der Apostel in die Er- mahnungen zu Anfang unsers Abschnitts (V. l5 ff.) wieder einlenkt Lag nämlich bei dem, was im 20. Verse gesagt wurde, der Gedanke nahe, daß die christ- liche Kirche für die Zeit des letzten Gerichts gegen- bildlicher Weise die rettende Arche sei, welche beim Untergang der übrigen Welt durch das Gericht hin- durch in die neue Welt (2. Petri l, 11) sicher hinüber- bringe, so ist das allerdings wahr, aber nur ein- seitig wahr: die Arche würde die in ihr befindlichen Jnsassen nicht gerettet haben, wenn das Wasser sie nicht getragen hätte, sondern sie würde ohne dessen Kraft ebenso von den Wogen überdecket worden sein, wie alle hohen Berge unter dem Himmel. Darum lenkt Petrus die Gedanken der Leser von ihrer äußeren Zu ehörigkeit zur Kirche, dieser rettenden Arche, damit ie nicht einen falschen Trost sich daraus erholen, alsbald hinweg und auf dasjenige hin, welchem eigentlich die rettende Macht beiwohnt, aus die Taufe: diese müssen sie als das, was sie ist, erfassen und dem Bunde, in den sie dadurch mit Gott eingetreten sind, treu bleiben; dann allein kann die Arche der Kirche sie wirklich retten. Wenn er da von der Taufe zunächst sagt, sie sei ,,nicht das Abthun des Unflaths am Fleisch«, so soll diese negative Aussage schwerlich blos Zu einer Folie dienen, um die nachher folgende positive lussage desto stärker hervorzuheben, wie man vielfach behauptet hat; sondern es ist wohl Be- ziehung genommen auf die Neigung der Leser (Kap. 1, 2 Anm.), wider die Bedrängnisse, die sie als Christen erleiden mußten, ihre Zuflucht zu nehmen zu den dürftigen Satzungen des jüdifchen Ceremonien- wesens mit seinen mancherlei Reinigungen und Waschungen (Gal. 4, 9) und also ihre Taufe- auf Christum in den Hintergrund zu stellen. Letztere hebt denn der Apostel in ihrem hohen Werthe gegenüber jenen äußerlichen Reinigungen hervor: diese können ja sowenig, als die Gaben und Opfer des mosaischen Gesetzes Vollkommen machen konnten nach dem Gewissen den, der solchen Gottesdienst vollzog (Hebr. S, 9), das Ge- wissen reinigen von den todten Werken, sondern das vermag allein das Blut Christi, der sich selbst ohne allen Wandel durch den heil. Geist Gott geopfert hat (Hebr. 9, 10), und mit diesem Blut werden wir eben besprenget in unsern Herzen mittels des Saeraments der Taufe, daß wir nun los sind von dem bösen Ge- wissen (Hebr. 10, 22). Auf diesen Sinn läuft wesent- lich diejenige Bezeichnung hinaus, mit welcher Petrus die Taufe an unsrer Stelle charakterisirt als Nach- suchung um ein gutes Gewissen bei Gott, wie der Wortlaut des Grundtextes wohl eigentlich zu über- setzen sein dürfte; der Hauptsache nach hat so auch Luther Die seligmachende Kraft der durch das Wasser der Sündfluth vorbedeuteten Taufe· 739 seine Verdeutschung: ,,Bund eines guten Gewissens mit Gott« gemeint, nur daß er mehr die Gewähr von Seiten Gottes, als die Nachsnchung von Seiten des Täuflings in’s Auge faßt, indem er erklärt: »daß du in dir fühlest ein gut, fröhlich Gewissen, das mit Gott im Bunde stehe und sprechen könne: Er hat mir zu- gesagt Gnade und Vergebung der Sünden durch Christum; das nehme ich mit Freuden an und zweifle nicht, er werde mir’s halten, denn er kann nicht liigen«. Es hat aber der Apostel diese Bezeichnung gewählt im Zusammenhange mit dem, wozu er im Eingang un ers Abschnittes (V. 15 ff.) die Leser er- mahnt: die hristen, statt ihr Christenthum den Wider- fachern und Lästerern gegenüber zu verhüllen und zu verleugnen, um sich das Leiden unter ihrer Feindschaft zu ersparen, sollen dasselbe vielmehr frei und offen be- kennen und jedermann zur Verantwortung in sanft- müthiger und furchtloser Weise sich bereit zeigen; sie können das, wenn sie ein gutes Gewissen haben, und werden dann nicht zu Schanden werden, sondern das zu Schanden Werden wird seiner Zeit das Loos der Widersacher sein, und nun können sie ja ein gutes Gewissen haben, denn mittels ihrer Taufe haben sie es bei Gott gesucht und kraft der Auferstehung Jefu Christi haben sie es auch daselbst gefunden, sie dürfen also nur in ihrem Taufbunde treu beharren und in solcher Treue es auf sich nehmen, von Wohlthat willen zu leiden, so es Gottes Wille ist. Beda Venerabilis (ein englischer Theolog des 8. Jahrh n. Chr.) macht zu unserm Vers noch folgende Bemerkung: »Die Arche ward mit Noah und den Seinigen durch’s Wasser in die Höhe gehoben; so werden nun wir durch die Taufe (aus der Ungläubigen Zahl gesondert) aufwärts ge- tragen und zu Bürgern des Himmelreichs gemacht«. IV) Mit demselben Wort im Grundtext proper-seiest, mit welchem Petrus Christi Hingang zu den Geistern im Gefängniß in V.19 benannt hat, bezeichnet er nun auch dessen Hingang in den Himmel, wo er zur Rechten Gottes thront, und betont die Macht des Lebens, in welchem er sich da befindet, indem er der Untergebung der Geistmächte unter ihn gedenkt: so groß und gewaltig ist Der, auf den der Christ sich hat taufen lassen, und getröstet nun sich seiner rettenden Niachh wenn nur Wenige die Bedeutung des Wassers, mit dem wir getauft werden, und der Arche, die jetzt her- gestellt wird, sich lehren lassen; er sieht nicht auf die Klein- heit der Zahl derer, die sich taufen und der Gemeinbe Christi einverleiben lassen, sondern auf die göttliche Hoheit und Allgewalt dessen, der durch die Taufe er- rettet, und bemißt nach ihr, was ihm damit geschehen ist, daß er die Taufe empfangen hat. (v. Hofmannh Engel heißen die Geister als Ausrichter göttlichen Willens an der Welt; Gewaltige als solche, denen zur Ausrichtung göttlichen Willens über die Welt gleich als über ein Herrschaftsgebiet Macht gegeben ist; Kräfte als solche, welche auf den Weltlauf, um ihn dem göttlichen Willen gemäß zu gestalten, in über- gewaltiger Weise einzuwirken fähig sind. Die drei Ausdrücke sollen die Mannigfaltigkeit und Allseitigkeit hervorheben, welche der Machtübung Gottes auf die Erde eignet und in der sie nun Christus ausübt. (Schott.) Das 4. Kapitel. Vom Nutzen des Kreuzes und geduld darinnen, sammt andern Tugenden. I. Weil nun swie in Kap. 3, 18 gesagt] Christus im Fleisch [s. v. a. am Fleisch, dem Fleische nach] für uns gelitten hat, so wappnet euch [den Versuchungen der christusfeindlichen Welt gegenüber] auch mit demselbigen Sinn sin- dem ihr euch darauf gefaßt macht und dazu willig seid, ebenfalls am Fleisch zu leiden, davon ihr denn großen Gewinn haben werdet in Hinsicht auf eure Heiligung]; denn wer am Fleisch leidet, der höret auf von Sünden, 2. Daß er hinfort, was noch hinterstelliger Zeit im Fleisch ist [Gal. L, 20; Phil. 1, 22 u. 24], nicht der Menschen Lüsten [wie sie in dem Thun und Treiben der noch ungläubigen Heiden sich geltend machen], sondern dem Willen Gottes [Röm. 12, Z] lebe« [um diesen allein seines Wandels Richtschnur sein zu lassen Ephes.1, 4; 1. Thess 4, 3 sf.]. 3. [Und daran, alles sündlichen Wesens immer mehr ledig zu werden, muß uns Christen, die wir zur Erkenntniß der Wahrheit gekommen sind, doch vor allen Dingen gelegen sein.] Denn es ist genug [vgl. Hes 45, 9], daß wir die ver- gangene Zeit des Lebens zugebracht haben nach heidnischem Willen, da wir wandelten in Unzucht sin geschlechtlicher Ausschweifung von allerlei Art 2. Cor. 12, 21], Lüsten [der Unkeuschheit 2. Petri 2, 18], Trunkenheit [der Einzelnen für sich], Fressereh Sanferei [bei gemeinschaftlichen Schmausen und ZechgelagenL und greulichen Abgbttereientt sdes heidnischen Gottesdienstes Röm. 13, II; Ephes. 4, 17 fs.; 1. Cor. 6, 9 ff; Gal.5,19 ff.; Tit. 3, 3]. 4. Das befremdet sie [als eine ihnen ebenso widerwärtige wie unerklärliche Erscheinungis daß ihr nicht [mehr, wie sonst, ehe ihr zu Christo be- kehret wardst] mit ihnen laufet in dasselbige wüste unordentliche Wesen [dem ja doch die ganze übrige Welt huldige Ephef b, 18; Apostg. 19, 27], und lästern suun euch, als wäret gerade ihr die aller- gottlosesten und ausschweisendsten Menschen Kap. Z, 16; 2, 12]; 5. Welche werden Rechenschaft geben smüssenf dem, der bereit ist [genauer: sich bereit hält 2· Cor. 12, 14], zu richten die Lebendigen und die Todten-« [2. Tim. 4, I; Apostg. 10, 42; 17, 31., je nachdem sie das Evangelium im Glauben haben angenommen oder nicht, wohl gar dasselbe verlästert und ver- folgt haben Joh. 5, 22 f.; Phil. 2, 9ff.]. S. Denn dazu sdamit die einen wie die andern je nach Maßgabe ihrer Stellung zu diesem gerichtet werden könnten] ist [gemäß dem, was in Kap. Z, 19 f. erwähnt wurde] anch den Todten [in der Hölle oder Unterwelt Hiob 7, 9 Anm.] das Evangelium verkündigeh ans daß sie gerichtet werden nach dem Menschen am Fletsch sdas all- gemein-menschliche Gericht des dem leiblichen Tode Verfallenseins noch ferner aushalten], aber im 477 740 J. Petri 4, 7. Geist [durch gläubige Annahme der auch ihnen noch gebrachten Heilsbotschaft Röm. 8, 10] Gotte leben-s- [bis zur Erscheinung Christi in einem Lebensstande sich befinden, der dem seinen gleich ist, da er nach seiner Tödtung nach dem Fleisch alsbald lebendig gemacht ward nach dem Geist Kap. Z, 18]. 7. Es ist aber swas die Zeit der Wieder- kunft Christi und des von ihm zu haltenden Ge- richts» V. 5 betrifft] nahe kommen das Ende aller Dinge-H- [so daß diese Zeit Jede Stunde da sein kann I. Joh. 2, 18; Röm. is, 11; Jak- 5, s; 2. Petri Z, 10]. V) Petrus fängt also an, als ob er beim 18· Vers des vorigen Kapitels wieder fortsührex ,,sintemal auch Christus einmal für unsre Sünden gelitten hat«, hatte er dort gesagt, und fährt denn hier mit Beziehung auf dies schon erwähnte Leiden fort: »weil nun Christus im Fleisch für uns gelitten hat«. Aber während er bis daher seine Leser ermahnte, das Unrecht zu leiden, im Hinblick darauf, daß solches Leiden um der Ge- rechtigkeit willen am allerstärksten die Feinde über- windet, die rechte Stärke des Sie es über sie ist, so ermahnt er sie nun umgekehrt, da? sie nicht von den Heiden sich sollen besiegen lassen; es ist genug, so sagt er, daß wir die vergangene Zeit des Lebens den Willen der Heiden gethan haben, ihren Versührungen nachgegangen sind, jetzt soll das nicht mehr geschehen. Jhr sollt sie zu euch herüber iehen, aber nicht euch zu ihnen herüberziehen lassen. Mit demselbigen Sinn, den Christus hatte, am Fleische für uns leiden W wollen, ohne welche Bereitwilligkeit er sein großes erk der Versöhnung und Erlösung der Menschen gar nicht hätte ausführen können, sollen auch die Leser sich wafsnenx es ist das kein leerer Schmuck der Rede, es will ganz eigentlich verstanden sein, sie sollen diesen Sinn wirklich als Waffe und Wehr gebrauchen gegen alle Versuche ihrer heidnischen Umgebung, sie zum Sündigen zu bringen. Wer nämlich seinen Sinn nicht darauf gesetzt hat, das Leiden am Fleisch sich gefallen zu lassen, der hat sogleich seine christliche Freiheit ver- loren, ist in die Gewalt der Nienschen gegeben, so daß er nicht mehr nach Gottes Willen leben kann, sondern nach den Lüsten der Menschen leben muß: wenn ein Mensch ihm drohet, daß er ihm Böses zu- fügen wolle, und er will nicht leiden, so muß er, um die Trübsal zu vermeiden, des Menschen Lust thun; wenn ein Mensch ihm statt der Entsagungen und Ver- leugnungen, die der HErr fordert, angenehmere Dinge bietet, so reizt ihn wiederum seine Leidensscheu, den Willen Gottes zu verlassen und der Menschen Lüsten zu dienen. Aber dieser Sinn, der Entschluß, leiden zu wollen, ist Schutzwehr und Waffe gegen alle Drohungen und Lockungen der Welt. (Schlichthorst.) Wer am Fleisch leidet, sagt Petrus, der höret auf von Sünden; dazu ist also das heilige Kreuz gut, daß man damit die Sünde dämpfe — wenn es ir zuspricht, so ver- geht dir der KitzeL (Luther.) Freilich hat nicht alles eiden am Fleisch die Wirkung, daß man aufhört zu sündigen: bei Manchem macht es kaum einen kleinen Stillstand im Sündigen, oder nur einen Wechsel, daß man von der Lust des Fleisches mehr in den Grimm des Fleisches fällt. Aber wer mit Christi Leidenssinn gewappnet am Fleisch leidet, den zieht es allerdings in eine solche kräftige Gemeinfchaft, wodurch nach Röm. S, 6 ff. der Sündendienst in der Wurzel ange- griffen und so geschwächt wird, daß es ein Aufhören von Sünden zu heißen verdient. (Rieger·) Gegen die Lüste, welche wider die Seele streiten (Kap. 2, 11), rüstet uns der HErr, indem er die einmal zwischen uns und der Sünde aufgerichtete Scheidewand durch’s heil. Kreuz aufrecht erhält. (Besser.) ,,Der Menschen Lüsten« ist aber hier nicht soviel als fleischliche, welt- liche Lüste überhaupt, sondern der Ausdruck ist mit Beziehung. auf V. 4 im engeren Sinne zu verstehen von dem Begehren weltlich gesinnter Menschen, daß die Gläubigen auch so, wie sie, leben und keine Aus- nahme machen sollen. Dem gegenüber soll der Wille Gottes allein unser Leitstern sein. (Fronmüller.) IN) »Willst du der Sünde länger dienen, da, dich zu retten, Er erschienen?« Dem Christen erscheint der Sündendienst nunmehr als ein schweres Joch, dessen er sich nicht früh genug entledigen kann; alle Zeit im Dienste der Sünde erscheint ihm als verloren. Zu bemerken ist aber, daß nach dem Grundtext es eigent- lich nicht heißt, was auch sonderbar klingt: »daß wir die vergangene Zeit des Lebens zugebracht haben nach heidnischem Willen, da wir wandelten in Unzucht 2c.«; offenbar ist von ehemaligen Heiden die Rede, und wie auch Petrus vor seiner Bekehrung gelebt haben mag, in ,,greulichen Abgöttereien«, in grobem Götzendiensh hatte er nicht gelebt. Vielmehr heißt es wörtlich: ,,Denn es ist genug, die vergangene Zeit den Willen der Heiden vollbracht zu haben, da ihr wandeltet 2c.«, wozu dann auch das ,,ihr« in V. 4 paßt. (v. Gerlach.) Es liegt eine Ironie in den Worten des Apostels: wenn ihr je glauben wolltet, Schuldner des Fleisches zu sein (Röm. 8, 12), der Sünde einen Dienst leisten zu müssen, ihr habt wahrlich genug und übergenug darin gethan, ihr habt das Eurige im Sündendienst schon hinlänglich geleistet. (Fronmüller.) IN) Der Ausdruck: »das befremdet sie« ist nicht von einem bloßen Befremden, sondern von einem Unmuth erregenden Betrosfenwerden durch eine dem eigenen Wunsch und Interesse völlig zuwiderlaufende Erscheinung gemeint, von dieser nämlich,daß die Christen die Theilnahme am heidnisch-sündigen Treiben für immer zu Ende sein lassen; er bezeichnet den Aerger und Grimm der heidnischen Umgebung darüber, daß in den Christen eine festgeschlossene Gemeinde dasteht, welche mit ihrem heiligen Wandel dem heidnischen Gemeinleben und seinem unsittlichen Treiben immer schärfer, und also auch als eine immer kräftigere that- sächliche Verurtheilung gegenübertritt Aber nicht dies Betroffensein an sich, sondern diejenige Bestimmtheit desselben, welche mit dem an’s Ende gestellten »und lüstern« angegeben wird, ist das eigentlich Bedeutsame; der Apostel hebt es als etwas Besonderes hervor, daß die Heiden, anstatt, wie es sittlich möglich und natür- lich wäre, ihr Befremden sich zu einer Ueberführung von der Wahrheit des Christenthiims werden zu lassen, vielmehr ge issentlich Lich dieselbe dadurch vom Halse zu schaffen uchen, da sie wider besseres Wissen und Gewissen dem Christenthum und seinen Bekennern eine grundsätzliche und also die allergottwidrigste Pflege unsittlichen Thuns andichten (Schott.) Sie werden, fügt der Apostel hinzu, deß Rechenschaft geben müssen Dem, der bereit steht, Lebende und Todte zu richten; er fügt das hinzu, damit die Leser solche böswillige Lästerungen um so ruhiger über sich ergehen lassen, ohne dadurch gereizt zu werden (Kap. ·, J; Z, 23). Den Liisterern wird es nicht erspart werden, Rechen- schaft dafür zu geben: der sie zur Rechenschast ziehen wird, steht schon bereit; denn nachdem er zu Gott erhöhet ist (Kap. s, 22), wartet er nur seiner Wieder- offenbarung, und sie werden ihm, ob sie lebend oder todt sein werden zur Zeit dieser seiner Wiederkunft, Wappnet euch mit Christi Sinne, das Leiden aber, das euch darob befällt, lasset euch nicht irren! 741 Rechenschaft geben müssen, denn er wird Lebende und Todte richten. (v. Hofmann.) Den am Schluß des vorigen Kapitels angeführten Momenten der Herrlich- keit des verklärten Heilandes wird hiermit noch das letzte hinzugefügt, das Richteramt, das er am Ende der Tage üben wird. (Huther.) f) Das ist ein seltsamer, wunderlicher Text, schreibt Luther: die Worte sagen klärlich, daß nicht allein den Lebendigen das Evangelium gepredigt sei, sondern auch den Todten, und doch setzt Petrus dazu, daß sie gerichtet werden nach dem Menschen am Fleischz nun haben sie ja nicht Fleisch, darum kann es nicht anders verstanden werden, denn von Lebendigen — es ist eine wunderliche Rede, was es auch ist, ob der Text ganz zu uns kommen oder ob etwas ausgefallen sei, weiß ich nicht. Es hat aber Luther diese Schwierigkeit sich selber damit bereitet, daß er die Worte des Grund- textes, welche er übersetztx »auf daß sie gerichtet werden nach dem Menschen am Fleisch«, als Aussa e von etwas, das erst nach der an sie gelangten redigt des Evangelii an ihnen vollzogen werden soll, auf- gefaßt hat, während dieselben auf denjenigen Zustand sich beziehen, in welchem sie bereits sich befinden zu der Zeit und an dem Orte, wo das Evangelium ihnen gepredigt wird; sie sind da, wie vorher angegeben, eben Todte, haben also nach Menschen Weise, wie es wörtlich heißt, d. i. in der Art, wie alle Menschen, zu denen der Tod durchgedrungen ist, die- weil sie alle gesündigt haben, bereits ein Gericht Gottes an sich erfahren, und dies Gericht wird an ihnen nicht aufgehoben, auch wenn sie das Evangelium im Glauben annehmen, daß mit ihnen etwa ein Gleiches geschähe, wie mit den Heiligen in Matth. 27, 52., sondern sie bleiben die am Fleisch Gerichteten Wo: zip-Oeso- Håw non-o«- oiiidgaivrovgs over-»O, nur das ändert in dieser Beziehung an ihnen, daß sie aus der Klasse der, im Unterschied von dem gewöhnlichen Sterben der Menschen (4. Mos 16, 29 f.) durch ein außer- ordentliches Strafgericht von der Erde vertilgten Böfewichter (Matth. 24, 39) und der für das Gericht schließli er Verdammniß im Gefängniß behaltenen Geister( ap. 3, 19) nun in diejenige der Christgläubigem die ja ebenfalls den Sold der Sünde nach Menschen- weise empfangen, aber damit nur entfchlafen (1. Cor. 15, 6. 18), übergehen und mit diesen fortan solche sind, die, wie Luther übersetzt hat, im Geiste Gott leben. Es erinnert dieses »Gott leben« an des HErrn Wort in Luk. 20, 38: »Gott ist nicht der Todten, sondern der Lebendigen Gott; denn sie leben ihm alle«; und was nun Christus damit meint, ist der Sache nach ein und dasselbe, was der Apostel an unserer Stelle mit dem, wörtlich so wiederzugebendeu Ausdruck: ,,nach Gottes-Weise leben« bezeichnet, daher wir unbedenklich den Wortlaut unserer dentschen Bibel beibehalten können. Es bilden diese Worte, wie von Gerlach ganz richtig bemerkt, zu denen von Christi Höllenfahrt in Kap. Z, 19 ff. eine Ergänzung, und zwar thun sie das in dreifacher Beziehung: 1) stellen sie außer Zweifel, daß das ,,predigen den Geistern im Gefängniß« dort eine Heilsverkündigung zum Zwecke der Errettung aus dem Gericht bezeichnet; Z) geben sie zu ·verstehen, daß solche Predigt nicht ohne Erfolg geblieben, und welche Veranderung im Zustande derjenigen Todten, bei denen sie von Erfolg begleitet war, eingetreten sei; 3) weisen sie im Zu- sammenhange mit V. 5 nach, warum eine solche Heils- verkündigung auch an die Todten und vorläufig schon Gerichteten nothwendig war, darum nämlich, weil Christus bei seiner Wiederkunft einst alle Menschen ohne Ausnahme, die Lebendigen und die Todten, und unter diesen auch diejenigen, die längst vor ihm aus Erden gelebt oder sonst in ihrem Teben hienieden nichts von ihm gehört haben, richten wird je nach ihrer Stellung zu ihm, der des Menschen Sohn ist, ein solches Gericht aber nicht möglich wäre, wenn nicht zuvor jedermann, also auch den Todten, der Glaube vorgehalten worden (Apostg. 17, 31). Jn der alten Kirche hat man nun auch die hier gegebene Auffassung der Stelle allseitig getheilt; so z. B. fchreibt Johannes Damaseenus »(im 8. Jahrh n. Chr.): ,,Es steigt in den Hades Christi verklärte Seele, damit, wie denen auf Erden die Sonne der Gerechtigkeit auf- gegangen war, so auch den unter der Erde in Finsterniß und Schatten des Todes Sitzenden das Licht leuchte; damit er, wie er denen auf Erden den Frieden ver- kündigte, den Gefangenen die Erlösung und den Blinden das Gesicht, und wie er den Glaubenden eine Ursach der ewigen Seligkeit wurde, die Ungehorsamen aber des Unglaubens übersiihrte, so auch denen im Hades thiitez auf daß sich ihm alle Kniee — derer, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind — beugeteu, und er so, nach der Lösung der so lange schon Gefesselten, wieder aus den Todten hervorginge und uns die Bahn bräche zur Auferstehung«. Es hatte sich aber schon in der alten Kirche, besonders aber dann in der römisch-katholischen, ein zwiefacher arger Mißbrauch der aus solcher Auffassung sich er- gebenden Glaubenswahrheiten entwickelt: er eine war die Lehre von einem Reinigungsfeuer, das alle Seelen nach dem Tode durchgehen müßten, das man aber durch Verrichtung guter Werke im Leben sich selbst und auch Andern durch Schenkungen an die Kirche und fürbittende Seelenmessen abkiirzen oder doch lindern könne; und der andere war die Lehre von der Wieder- bringung aller Dinge, der endlichen Errettung und Beseligung auch der Gottlosen und Ungläubigem ja des Teufels und seiner Engel selber. Dadurch haben denn viele erleuchtete Lehrer der Kirche gegen jene Glaubenswahrheiten sich als höchst bedenkliche und gefährliche einnehmen lassen, und um ihnen den Schriftgrund abzuschneiden, hat man, gleichwie die Stelle Kap. Z, 18 ff., so auch unsern Vers in solcher Weise aus elegt, daß ein Sinn herauskommt, der mit einer unbefangenen Auffassung der Worte, wie sie auch dem Wahrheitsgefühle Luthers nach dem oben mit- getheilten Aussprache desselben sich aufdrängte, nicht harmonirt. Eine Folge davon ist, daß in den älteren Katechismuserklärungen und in solchen der neueren Zeit, die sich jene zum Muster genommen haben, der Satz im 2. Glaubensartikel: ,,niedergefahren zur Hölle« dahin ausgelegt wird, daß Christus vor seiner Auferstehung den bösen Geistern und Verdammten als ein triumphirender Siegesfürst sich lebendig erzeigt habe, womit man aber in das Wort ,,Hölle« einen Sinn hineinlegt, den es in diesem Satze nicht hat Oesoendjt ad inferos, vgl. Ephes. 4, 9), also eigentlich nicht auslegt, sondern einen andern Gedanken an die Stelle seEtzt H) s gehört dieser Vers noch Zu dem Vorher- ge enden: der Trost, welcher für die eser darin liegt, da die Lästerer, mögen sie die Zukunft des Richters erleben oder nicht, von ihm wegen ihres Verhaltens seinem Evangelio gegenüber zur Rechenschaft gezogen werden, vervollständigt sich durch die Gewißheit, »daß das mit seiner Zukunft eintretende Ende aller Dinge nicht in weiter Ferne, sondern, nachdem Christus in der Welt erschienen und zu Gott erhöhet ist, in naher Aussicht steht. (v. Hofmann.) Daß dem Apostel das Ende so nahe erscheint, beruht wieder auf der Zu Kap. 1, 21 besprochenen Anschauung, daß Christi Ers einung 742 1. Petri 4, 8—11. im Fleisch mit seiner herrlichen zweiten Zukunft zu- sammen Ziel und Ende der Geschichte des Weltlaufs ist; es liegt nicht nur nichts mehr zwischen der christ- lichen Heilsgegenwart und dem Ende, sondern jene ist selbst schon das Ende, d. i. der Anfang des Endes, dessen letzter Abschluß sich nach der göttlichen Lang- Ætäith welche auf die Bekehrung Aller wartet, bestimmt. chott. (Episiel am Sonntag nach hitnknelfahth ExaudiJ Wenn man diese Epistel liest, so ist Einem, als sollten die Seelen der Jünger geschildert werden, die von der Himmelfahrt Christi nach Jerusalem zurück- gehen auf den Söller, auf welchem sie in seliger Ge- meinschaft, voll heiliger Erinnerungem voll Sehnsucht und Gebets dem großen Tase entgegengehen, der ihnen neue Kräfte und eine rhebung ihres Lebens bringen sollte, von der sie zuvor keinen Gedanken hatten. Es sind Gaben und Tugenden darin ange- zeigt, welche die Jünger am Tage der Himmelsahrt bereits hatten, mit denen erfüllt sie vom Oelberg nach Jerusalem zurückkehrtem und die sie doch auch wieder in neuen Maßen an Pfingsten bekommen sollten: was sie haben, wird ihnen da auf’s Neue gegeben, nicht blos Anderes und völlig Neues, sondern das Alte in neuem Maße — Tugenden, die für Pfingsten be- fähigen, Tugenden, die an Pfingsten neu gegeben, ge- läutert und gereinigt, gemehrt und gestärktwerden So gleicht auch unser gesammtes geistliches Leben den Pflanzen, die, ehe der Frühling kommt, in der Erde stecken und verborgen sind, als wären sie todt, da sie doch nicht todt sind, die aber, wenn die Frühlingslüste kommen und die Erneuerung der Erde erfolgt, empor- gehen, blühen und Früchte tragen, die man von den armen winterlichen Wurzeln nicht gehofft hätte. Auch wir haben in uns ein Leben, und dies Leben hat seine Gaben und Tugenden; aber wir harren auf einen Frühling und auf ein Pfingsten, durch welches, was da ist, gewehrt, zur Kraft, zu Trieb und Blüthe und Frucht gefördert werden soll — es muß auch uns gegeben werden, was wir haben. (Löhe.) Der Stel- lu11g des Sonntags unmittelbar vor Pfingsten ent- sprechend, redet das Evangelium vom Zeugniß des heil. Geistes, und die Epistel von den Tugenden einer Seele, die sich auf Pfingsten bereitet und stets neue Kräfte erwartet von der Gabe des heil. Geistes. Der Hauptinhalt dieser Epistel aber gipfelt in der thätigen Liebe, in welcher die Wirkung des heil. Geistes her- vortritt. Die thätige Liebe, durch welche die Christen Zeugniß geben von dem Geiste, der in ihnen wohnt; wir sehen l) die Bereitung, die zu solcher Liebe nöthig ist, 2) die Erweisung, darin sie offenbar wird, Z) den Zweck, den sie ver- folgt. Wie warten wir auf den Pfingstsegen? l) durch beständige Mäßigkeit und Nüchternheih Z) durch brünstigesGebet um Gottes Geist, 3) durch dienende Liebe gegen die Brüder, 4) durch gottgefällige Ausrichtung unsers Berufs, 5) durch steten Preis der Kraft Gottes. (Sommer.) Womit rüsten wir uns, wenn das Fest des Geistes nahe tritt? l) mit Nüchternheit zum Gebet, 2) mit Liebe zu mannigsaltigem Dienst, 3) mit Demuth zum Lobpreis Gottes. (Herold.) Von dem Reichthum einer Christengemeindet l) wie sie denselben sucht und findet im Gebet; Z) wie sie ihn offenbart in der Liebe. (Kunel.) Seid gastfrei ohne« Murmeln: lasset uns dies Wort zu unsrer Zubereitung auf das Fest der Pfingsten benutzen, daß wir l) den G ast ansehen, auf welchen es be ogen werden mag, 2) die Art, wie es in Betracht deiselben zur Ausführung zu bringen ist. (Westermeier.) Ein guter Haushalter über die mancherlei Gaben Gottes: l) er nimmt ein im Gebet, 2) giebt aus in Liebe, 3) stellt Rechnung vor Gott. (Beck.) Von dem Geist der Gnade und des Gebets, den der HErr durch die Sendung seines heil. Geistes über uns aus- gießen will (Sach. 12, 10): l) der Geist der Gnade bringt unser Herz in das rechte Verhältnis; zu Gott und dem Nächsten; 2) der Geist des Gebets macht uns tüchtig, mit all unserm Thun und Vornehmen Kost) zu loben und dem Nächsten zu dienen. (E1g. V . 8. So seid nun sbei solcher Nähe des Endes aller Dinge V. 7·, statt noch irgendwie der früheren heidnischen Lebensweise V. 3 anzu- hangen] mäßig und nüchtern zum Gebet-«· [Luk. 2l, 34 ff.; 2.Petri3,1l; l. Thess 5, 6ff.1. Vor allen Dingen aber habt unter einander eine brünftige Liebe sdaß ihr euch nicht mit einer solchen begnügt, die nur von schwächlicher Art ist und der nachhaltigen Spannkraft entbehrt]; denn die Liebe swie es in Sprüchm 10, 12 heißt] decket [wenn sie eine kräftige, standseste ist, die ernstere Proben zu bestehen vermag] auch der Sünden Menge «« [am Nächsten, daß man sich nicht dadurch reizen, verstimmen und um das Wohlwollen gegen ihn und das Wohlthun an ihm bringen läßt Jak. 5, 20; 1. Cor. 13, 4; Matth. 18, 2l f.]. I. Seid gastfrei unter einander [Röm. 12, l3; Hebt. 13, Z; Tit. 1, 8-Anm.] ohne Murmeln sdaß ihr euch nicht etwa über den Aufwand und die Unbequemlichkeih die aus eurer Verpflichtung gegen reisende Brüder euch er- wachsen, beschwert PhiL 2, 14]; 10. Und dienet einander, ein jeglicher mit der Gabe, die er empfangen hat, als die guten Haushalter [die ihr nach dem Willen des HErrn sein sollt Luk. 12, 42; 1. Cur. 4, 7] der mancherlei sbald in diesen, bald in jenen Gaben, die sie mittheilt, sich erweisenden, aber doch in allen ihren verschiedenen Erweisungen für alle ein und dieselbe bleibenden] Gnade Gotteslll [Röm. I2, 6; l. Tor. 2, 4]. 11. sUnd da befleißigt euch denn der den Christen gebührenden Demuth.] So jemand [dem die Gabe der Weissagnng, der Lehre oder der Ermahnung Röm. 12, 7 f. verliehen ist] redet, daß er’s rede swas er vorträgt] als Gottes Wort; so jemand ein Amt sden Beruf zu irgend einer Diakonie, sei. es Armen« Kranken- oder Fremdenpflege Röm. 12, 8 Anm.] hat, daß er’s thue swas er leistet] als aus dem Vermögen, das Gott darreikhet, auf daß in allen Dingen Gott gepriesen ·werde ]Joh.13,31; 17,10] durch Jesum Christumz welchem snänilich Gott, von dem· alle gute und alle vollkommene Gabe kommt Jak. 1, 17] sei Ehre nnd Gewalt von Ewigkeit zu Ewig- Seid mäßig und niichtern zum Gebet, habt unter einander eine brünstige Liebe! 743 keit! Amen-s· [Röm. 16, 27; Hebr 13, 21; Offenb. 1, 6]. V) Wir leben, so hat der Apostel vorhin mit den Worten: ,,es ist aber nahe gekommen das Ende aller Dinge« zu bedenken gegeben, in der letzten Hälfte der Weltzeit, und diese wird»hurtig dahinfließen; wer’s auch nicht erlebt, wird nach dem Tode des Leibes empfinden, daß er nahe dabei sei. (Roos.) Weil nun das Ende aller Dinge nahe ist, so fährt Petrus fort, und die Leser sicherlich wünschen werden, in dem hier- bei stattfindenden Gericht vor des Menschen Sohn zu bestehen, so sollen sie zunächst mäßig sein; das be- zieht sich sowohl auf die leibliche Mäßigkeit als auf die geistliche Wachsamkeit und Besonnenheit Das ganze Personleben eines Christen soll seiner selbst sicher und mächtig sein, sich nicht in allerlei äußerliches Treiben, in zwecklose Beschäftigung mit Nebendiiigen zuchtlos verlaufen und verlieren, sondern soll in sich selbst zusammengenommen, von einem wahrhaft christ- lichen Geiste gesammelt und beherrscht sein. Weiter sollen die Leser nüchtern sein, durch leibliche und geistliche Selbstbeherrschung überall das— rechte Maß beobachten, sollen in einem Zustande sich erhalten, wo nicht fleischliche Lüste ,und Begierden über sie Herr werden und sie zu ungezügeltem Thun verleiten, son- dern wo die volle Ruhe und Klarheit des Gemüths alle Uebertreibung und Leidenschaft fern hält. Solcher Mäßigkeit und Nüchternheit bedarf es zum Gebet; im Grundtext steht das Wort in der Mehrheitsforuy es ist also das wiederholte Beten, ein förmliches Ge- betsleben (1. Thess 5, 17) gefordert. Ein von Leiden- schaften und Begierden aufgeregtes Gemüth ist nicht in der Verfassung, die zum Gebete nothwendig ist, während Mäßigkeit und Nüchternheit sich zum Gebete verhalten, wie die reine Luft zur Flamme, die darin lodert. (Somn1er.) Der beständige Verkehr mit Gott in Christo ist die Hauptquelle des geistlichen Lebens und alles unsichtbaren Segens von Gott: so wenig die Blume aufhören kann, Lebenssaft aus der Erde zu ziehen, ohne zu verwelken, eben so wenig darf dieser inwendige Verkehr mit Gott aufhören, wenn nicht der geistliche Tod nachsolgen soll. Wenn nun solche Menschen, die dem genußsüchtigen Müssiggange oder aber der hastigen, stürmischen Vielthuerei ergeben sind, noch beten, so ist es wie das Flattern eines ein- gefangenen Vogels im Bauer, den recht bald wieder in’s Weite verlangt; die aber nichts weiter kennen, als ein lustiges Weltleben, Vergnügen, Putz, Kurzweil u. dgl., die sagen auf’s Höchste noch je zuweilen Gott ihre auswendig gelernten Gebetsworte vor, meistens jedoch stehen sie auf und gehen sie zu Bett, als wenn sie dem lieben Gott den Abschied gegeben hätten, und warten zum Theil auf denjenigen Geist, der bei vollen Gläsern über die fünf Sinne ausgegossen wird. (Münkel.) H) Das Ende der Dinge steht vor der Thür, ein jeder soll sich durch Fasten und Beten daraus vor- bereiten; der Einzelne kann aber den Dingen, die da kommen sollen, nicht den rechten Widerstand leisten, nicht entrinnen, einer muß an dem andern seinen Rückhalt haben, einer von dem andern in dieser letzten Noth getragen und beschirmt werden. Der Einzelne unterliegt, nur in der christlichen Gemeinschaft ist er stark genug, um alles zu überwinden; so sollen sie mäßig und nüchtern sein zum Gebet, dabei aber muß die Bruderlieba die bei ihnen ja wohlschon vorhanden (Kap. l, 22; Z» 17), eine brünstige sein-· (Nebe.) Im vorigen Stück hat der Apostel die Christen ermahnt, wie sie für ihre Person leben sollen; hier sagt er nun, wie sie einer gegen den andern sich halten sollen. Es soll aber unter den Christen nicht eine falsche, trügliche Liebe sein, die da gleißt und leuchtet wie ein Jrrwisch und doch im Grunde Heuchelei ist (Röm. 12, J; 1. Joh. Z, 18), sondern die eine Brunst und Feuer bei sich habe; nicht allein ein Rauch oder Schein der Liebe, sondern ein rechterErnst und Feuer, das sich nicht leichtlich löschen lasse, sondern währe und anhalte, gleichwie unter Mann und Weib und Eltern gegen ihre Kinder. Wo rechte eheliche Liebe, Vater- oder Mutterliebe ist, da höret sie nicht sobald auf, ob eins schwach, gebrechlich, voller Schwären und tödtlich krank sei; sondern je größer des Andern Noth und Gefahr ist, je mehr das Herz bewegt wird und je heftiger die Liebe gegen den Andern brennet. Zu einem Christen gehört nicht eine faule, kalte Bleich- röthe, sondern solche hitzige Braunröthe, die die Schrift Rosinroth nennt (2. Mos· 26, 1); die könne Feuer halten und wahrhaftig sein, daß sie sich nicht bald entrüsten noch überwinden lasse mit Zorn, Ungeduld, Rachgiey sondern etwas vertragen könne, ob ihr gleich etwas zu nahe und zu Verdruß geschieht, also daß sie mehr und stärker sich erzeige im Leiden und Tragen, denn im Thau. St. Peter preiset solche Tugend als so stark und gewaltig, daß sie könne nicht allein vertragen, sondern auch decken nicht eine, zwo, zehn, zwanzig, hundert 2c., sondern die Menge der Sünden, d. i. große Haufen und gleich als einen Wald oder ganzes Meer voll Sünden; und führet da aus den Sprüchen Salomonis ein Sprüchwort an: ein Mensch, der voll Liebe ist, den kann man nicht erzürnen, wieviel man ihm auch Leid’s thut; er decket alles zu und thut, als sähe er’s nicht. Vor Gott soll und kann dir niemand die Sünde decken denn der Glaube, der Christum faßt, welcher dich geliebet hat und sich selbst für dich dargegeben; aber meines Nächsten Sünde decket meine Liebe. Liebe kann ni t hassen noch jemand feind sein: so böse kann mans nicht machen, sie kann es alles tragen; soviel mag nicht wider sie gesündigt werden, sie kann es alles decken; so hoch wird sie nicht erzürnt, sie kann es ver- geben. (Luther.) Die meisten Christen können ihre eigenen Sünden und Fehler gar wohl vertragen und sich mit ihnen hinschleppen durch die Welt, ohne an ihrer Seligkeit zweifelhaftig zu werden; dagegen aber vertragen sie die Fehler und Sünden ihrer Brüder sehr schwer. Es ist eine gemeine Rede geworden: »der und der kann kein Christ sein, denn er hat das oder das gesagt oder gethan«; während sie also für sich stündlich und täglich die Gnade Gottes in Anspruch nehmen und von ihr leben wollen, wird die Aufrich- tigkeit des Christenthums Anderer rein nach dem Grade der Heiligung beurtheilt, welcher in das menschliche Auge und Gericht fällt. Der HErr, der barmherzig ist und gnädig, mache uns in Liebe barmherzig und verleihe uns allen die ausgedehnte, ausgestreckte, un- ermüdliche Liebe, welche siebenzig mal siebenmal ver- zeiht und die Hoffnung an denen nicht aufgiebt, die sich der Sünde langsam entwöhnen! (Löhe.) Ist) An die Ermahnung zu rechter Liebe gegen die Mitchristen reiht sich die zu williger Bethätigung derselben gegen solche Mitchristen, welche ihrer als auf der Reise befindliche Angehörige fremder Gemeinden sonderlich bedürfen; und hieran wiederum reiht sich die Ermahnung zu dienstwilliger Verwerthung der Gaben, welche die Einzelnen sonderlich, nicht um sie für sich zu besitzen, sondern um sie den Mitchristen zugute kommen zu lassen, von Gott empfangen haben. (v. HofmannJ Jn jenen Zeiten der Verfol- gung wird es oft vorgekommen sein (und kam nament- 744 1. Petri 4, 12—18. lich später es noch viel öfter vor), daß geflüchtete Brüder in bitterer Noth mußten Obdach und Zuflucht bei entfernteren Glaubensgenossen suchen; aber nicht blos daß, sondern mehr noch wie diese beherbergt werden sollen, ist dem Apostel im Anschluß an die eben ausgefprochene Mahnung zur Liebe die Haupt- sache, auf der Näherbestimmung: ,,ohne Murmeln« liegt der Ton. Es ist das heimliche Murren der Un- zufriedenheit gemeint; die Christen sollen bei Aus- übung jener Liebespflicht nicht murren als über eine Last oder hinter dem Rücken der Beherbergten über sie und über die Umstände, die sie zum Ansprechen brüderlicher Hilfe nöthigten, sich in mißgünstigem Gerede auslassen. (Schott.) Wie die Liebe brünstig sein soll, um nicht zu erlöschen unter den häufigen Wassergüssen gegenseitiger Versündigungem so soll sie auch freudig sein im Ueben der Gastfreundschaft. Den christlichen Hausfrauen gehe die Ermahnung: ,,ohne Murmeln« sonderlich zu Herzen! (Besser.) Derselbe Gemeinsinn der Liebe, der in der Gaftfreundschaft die leiblichen Güter zu einem Gemeingute für alle macht, soll auch in dem Gebrauche der verliehenen geistlichen Gaben sich erweisen, indem jeder mit der ihm ver- liehenen Gabe den Anderen dient und sie als Gemein- gut für Alle verwendet; denn nicht Eigenthümer der Gaben sind die Einzelnen, daß sie nach ihrem Belieben damit schalten könnten, sondern Haushalter, Verwalter der eben darum in solcher Mannigfaltigkeit von Gott verliehenen Gnade, damit die Gabe des Einen die des Andern ergänze. Als gute Haushalter können sie also gar nicht anders, als alle Gabe in den Dienst der Liebe zum gemeinen Besten stellen. (Wiesinger.) Der Apostel setzt voraus, daß jeder Christ bestimmte Gaben vom HErrn empfangen hat, seien es nun Gaben des Geistes oder des Leibes, natürliche Befähigung oder durch Fleiß erworbene Uebung. Starke sagt: ,,hast du nichts, womit du deinem Nächsten dienen kannst, so kannst du doch für ihn beten; trage diesen Liebes- dienst herzlich ab, er ist, wo nicht besser, doch so gut, als wenn du ihm Stücke Goldes gäbest«. Wir setzen hinzu: wer für den Nächsten herzlich beten kann, der findet auch sicher etwas, womit er dem Nächsten dienen kann. (Sommer.) Vier Geschwister gingen am Ufer eines Sees entlang; das jüngste wollte eine hart am Wasser stehende Blume abpflückem glitt aus und fiel in den See, beherzt sprang der älteste Bruder ihm nach und holte es glücklich wieder empor an’s Land. Als das der Vater· der Kinder hörte, lobte er den Retter seines Schwesterleins und fragte dann den andern Bruder, einen zehnjährigen Knaben: ,,hast du denn nichts zur Rettung deiner Schwester gethan?« O ja, antwortete der Knabe, ich griff nach Martins Rocke, als er wieder nahe an’s Ufer kam, und half mit ziehen. »Und du«, fragte der Vater den dritten Bruder, der erst sechs Jahr alt war, ,,was hast denn du für deine Schwester gethan?« Ach, Vater, sagte das Kind, dem noch die hellen Thränen über die Backen liefen, ich schrie! (Besser.) f) Darin, daß die Christen die Gaben, die ihnen eignen, empfangen haben und nur Verwalter der mancherlei Gnade Gottes sind, liegt das an die vorige Ermahnung sich weiter Anschließende begründet, daß als Gottes Wort reden soll, wer redet, und als ver- möge gottgegebener Kraft Dienst thun soll, wer Dienste thut; der eine soll das, was er redet, nicht so reden, als habe er Eigenerdachtes zu bieten, und der andere seine Dienste nicht so thun, als leiste er sie aus eigener Kraft. Zur Demuth also ermahnt der Apostel, und da hebt er aus den mancherlei Gaben, in denen die mannigfaltige Gnade Gottes durch den Dienst Einzelner an den Andern wirksam wird, die beiden wesentlichsten heraus, die Befähigung zur Handhabung des Wortes Gottes und die Geschicklichkeit zu den Handhabungem welche den äußeren Bedürfnissen genügen. Handhabung des Wortes oder äußerer Dienst ist eben alles, was im christlichen Gemeindeleben der eine dem andern leistet; und wer nun das, was er redet, als Offen- barung Gottes redet, giebt Gott die Ehre, wer, wenn er Dienst thut, das, was er leistet, als aus dem Ver- mögen leistet, welches Gott darreicht, giebt ihm die Macht oder Gewalt, beides, wie das Geschöpf geben kann, nämlich ihn als den preisend, der er ist (Ps. 29, 1). Die Lobpreisung am Schluß des Verses hängt also mit dem, was darin gesagt ist, auf’s Engste zu- sammen. (v. Hofmannh Die Verherrlichung Gottes geschieht ,,durch Jesum Christum«, als das zum Him- mel erhöhete Haupt seiner Gemeinde, durch den allein alles Thun der Einzelnen wie der Gemeinde Gott wohlgefällig ist; in solcher Verherrlichung aber kehren Gottes Gaben als Opfer wieder zu ihm, dem Geber, zurück und beweist so die Gemeinde sich als ein hei- liges Priesterthum (Kap. 2, 5), von Gott mit seinen aben zu seinem priesterlichen Dienste zugerichter (Wiesinger.) Das ,,Amen« am Schluß der Lobpreisung ist nicht Bezeichnung eines Schlusses, sondern einer besonderen Erhebung des Herzens. (Harleß.) e. V. 12—19. Wie aber nach dem eben Gesagten in der diensklictsen und der demuthigen Verwerthuiig dessen, was Gott den Einzelnen als sonderliche Gnaden- gabe schenkt, so sollen die Leser auch in der Freudig- tieit, mit der sie über sich ergehen lassen, was den Einzelnen um ihres Christeustandes willen von Men- schen widersährtz als Christen sich erweisen. Indem der Apostel zu dieser Ermahnung übergeht, beginnt er mit einer zärtlichem herzlichen Auredez er hat ja Brüder zu starken, die im Leiden schon standen und siir die Zukunft noch heisteren Leiden entgegengingen (tJuli. W, 32), das bewegt ihn mächtig, und in apostolischer Liebe-sorge, die gleich in das» erste Wort einen Tropfen etquictilicher Kühlung wider die Leidens- hitze hineinzulegen beniliht ist, dient er selber den Angelochtetien mit der Gabe, die er empfangen hat, als ein guter haushalter der mancherlei Gnade Gottes. Es ist aber, wenn er abermals aus die Leiden zu sprechen kommt, von denen er bisher schon soviel geredet hat, der Gesichtspunkt, unter welchen er dies Thema stellt, nunmehr der innerigemeiudi liche; es handelt sich jetzt um die innere, gottge- ordnete Bedeutung dek- Leidens der Christen, um dessen Beziehung zu Christo, ihrem Haupte, und der einstigen Herrlichkeit, deren sie theilhastig werden sollen, um das Zeugnist von dem aus ihnen ruhenden Geiste Gottes und um den Anfang des Gerichts, das. allerdings au dem hause Gottes beginnt, doch auch den Genossen desselbigen die Verschonutig nerbiirgt and vermittelt von dem Verderben, welshes das Gericht über die dem Evangelio ungehorsamen Kinder der Welt bringen wird. (Epistel am Sonntag nach dem Neujahrh Erst seit dem 17. Jahrhundert hat man diesen, im Ganzen nur selten vorkommenden Sonntag mit Schrift- texten versorgt. Das Evangelium (Matth. Z, 13 ff.) wurde herübergenommen vom 4. Weihnachtstage, der ja in der evangelischen Kirche nie gefeiert worden ist; mit demselben stimmt nun dieser epiftolische Text auf’s Beste zusammen, denn beide Texte handeln von den Leiden, dort des HErrn und der bethlehemitischen Kinder für ihn, hier der Christen um des HErrn Christus willen. Solcher Gegenstand eignet sich nun Ihr Lieben, lasset euch die Hitze, so euch begegnet, nicht Befremden! 745 aber auch trefflich für diesen Sonntag nach Neuj«ahr: jedes neue Jahr bringt »den Christen neue Leiden, aber auch neuen Trost; eine kräftige Herzensstarkung wird da uns dargereicht, daß wir getrost und fröhlich unsere Straße ziehen können in das unbekannte Land hinein, ob auch Leiden und Trübsale unser warten. (Nebe.) Von den Leiden des Christen: I) was für Leiden das seien, 2) wie man sie anzusehen habe, Z) wie man sie zu tragen habe. (Löhe.) Wie wir zum Leiden uns schicken sollen; wir sollen näm- lich 1) auf das Leiden gefaßt, Z) zum Leiden willig, Z) im Leiden getrost, 4) für das Leiden dankbar sein. (Caspari.) Wie der Christ durch sein Leiden Gott ehren kann: wenn er I) dem Leiden willig entgegensieht, 2) beim Leiden in’s Herz hineinsiehh 3) durch’s Leiden zu Gott aussieht. (Sommer.) Der Kreuzträger, wie er sein soll: 1) Seltfames nie, nur Heil erkennt im Kreuz sein Glaube; L) stets aufrecht vor der Welt, doch vor dem HErrn im Staube; Z) dem Richterernste läßt er gern sein äußres Leben, 4) doch in des Schöpsers Hand hat er die Seel egeben. (Seybold.) Das rechte Verhalten der hristen inihren Leiden: 1)sie verwundern sich nicht über das Leiden, sondern achten es für etwas unvermeidliches; 2) sie beklagen sich nicht darüber, sondern freuen sich desselben; Z) sie schämen sich desselben nicht, sondern danken Gott dafür. (Westermeyer.) Die Kreuzesschule eine Vorschule des Himmels: 1) zum Himmel giebt’s keinen andern Weg als durch’s Kreuz; Z) im Kreuz ist der Himmel uns schon nahe mit seinem Trost und mit seiner Kraft; 3) wenn der Himmel einst uns auf- nimmt, so ist das, was er uns bietet, nichts Anderes, als die Krone n·ach dem Kreuz. (Eig. YrbJ . 12. Ihr Lieben, lasset euch die Hitze fdes Trübsalsseuerss so euch begegnet [wört- lich: die Hitze unter euch, die inmitten der christlichen Gemeinden vorhandene Hitze Kaki. 5, 9], nicht befremden, die euch fwie ihr «1a schon wisset Ist— 48, 10] widerfahrt, daß ihr ver- suchet fund in der Versuchung bewährt erfunden Kap. 1, 7; Jak. 1, 2 fs.] werdet, »f1a, nicht befremden laßt sie euch] als widerfUhre eurh etwas Seltsames fUngehöriges, das nicht sein sollte Matth. 10, 24 f.]; 13. Sondern fvielmehrj sreuet euch fszllpstg 5, 41; 16, 25], daß fjetzt, wo die Welt dieselbe Feindschaft an euch beweisen wie vorhin an dem HErrn Christus, ja in euch ihn selber hasset Apostg 9, 4; 2. Cor. 1, s. 7] ihr mit Christo leidet [Offenb.1, 9; Röm. 8,17]», auf daß ihr auch [hernachmals], zuder ·Zeit der Offen- barung s einer Herrlichkeit, Freude und Wonne feine Freude, die nicht mehr, wie gegen- wärtig, blos innerlich stattfinden während von außen nichts als Noth und Anfechtung euch um- giebt, sondern auch nach außen in lautem Jubel und Frohlocken sich geltend macht, weil nun ein ungetrübten völliger Herrlichkeitsstand vorhanden] haben möge» [Kap. 1, 6 ff.]. 14. Selig seid ihr fwie der HErr selber das kzezeugt hat Matth. 5, 111, wenn ihr ge·- schmahet werdet über dem Namen Christi fdarum, daß ihr ihm, dem HErrn Christo, an- gehöret Mark. 9, 41]; denn der Geist, der ein Geist der Herrlichkeit und [der Geist] Gottes ist, ruhet auf euch fhat eben deshalb, weil ihr Christi Angehörige seid, auf euch sich niedergelassen und euch zu dem in Wirklichkeit gemacht, was das alttestamentliche Heiligthum im Vorbilde war, als die Herrlichkeit des HErrn sich auf dasselbe niederließ 2. Mos. 40, 34; 1.Kön. 8, 10., daß ihr nun das geistliche Haus Gottes Kap. Z, 5., eine Behausung Gottes im Geist nnd sein Tempel seid Ephes Z, 223 1. Cor. Z, 16]. Bei ihnen fdie über dem Namen Christi euch schmähen] ist er fChristi Name] verlåsterh aber bei euch ist er gepreisettt fdenn er hat an euch Bekenner, welche die Schmach dieses Be- kenntnisses nicht scheuen und damit vor aller Welt bekunden, was für ein hoher und selig- machender Name der Name Christi ist Phil. 2, 9 sf.; Apostg. 4, 12]. 15. Niemand aber unter euch fsoll anders» das eben Gesagte in Wahrheit von euch gelten] leide als ein Mörder oder Dieb oder Uebel- thäter, oder fals soIcherJ der in ein fremd Amt greift findem er Dinge unternimmt, zu denen er keinen Beruf hat]. Its. Leidet er aber als ein Christ fdes- wegen, weil er ein Christ oder Jünger Christi V. 14; Apostg. 11, IS; 26, 28 ist], so schäme er sich nicht fhalte das nicht für eine Schmach Röm. l, 16; 2. Tim. l, 12]; er ehre aber Gott in solchem Fallssk fdurch dankbare An- erkennung der Gnade, die ihn des Leidens um der heiligsten Sache willen würdigt Phil 1, 29z Apostg. 5, 41]. 17. fEs hat denn auch das jetzt in allerlei Schmähungen und Verfolgungen über die Christen hereinbrechende Leiden nichts Verwunderliches V. 12·] Denn es ist Zeit [der Zeitpunkt dafür schon vorhanden], daß anfahe das Ge- richt fdas da kommen soll] an dem Hause Gottes [an uns Christen V. 14; Kap. 2, b; 1- Tim- 3- 15J- So aber zuerst an uns fes sich vollzieht, wie das die Weissagung längst zuvor verkündigt hat Jer. 25, 29z 49, IT; Hes. 9, 6], was will’s fnach dem Ausspruch der- felbigen WeissagmigJ für ein Ende werden mit denen, die dem Gvangelio Gottes nicht glauben fund damit das einzige Mittel, der ewigen Verdammniß zu entfliehen, verwerfen]? 18. Und so der Gerechte [wie es schon in Spr 11, 31 heißt] kaum erhalten wird fda nun das Feuer ist angegangen durch Gottes Zorn und brennen wird bis in die unterste Hölle 5- Mvs 32- M, wo will der Gottlose und Sünder [Ps- I, s] erscheinen-1- [Luk. 23, 3117 746 1. Petri 4, 19. 19. Darum [weil es zu dieser Zeit des beginnenden Gerichtes so schwer ist, erhalten zu werden nnd nicht mit den Gottlosen und Sündern zu Grunde zu gehen], welche da leiden nach Gottes Willen [wie das mit euch der Fall ist Kap. 1, 6; 3, 17], die sollen ihm ihre Seelen befehlen [in seinen Schutz vor dem Verderben und in seine Bewährung zum ewigen Leben Apostg. 14, 23; 20, 32], als dem treuen Schöpfer sbei dem seine Geschöpfe gut aufge- hoben sind Pf. so, 6; 31, 6], in guten Werken-H« [indem sie allen Schmähungen und Verfolgungen gegenüber, von denen sie betroffen werden, eines ihm wohlgesälligen Wandels sich befleißigen Kap. 2, 15; Z, 16]. V) Nachdem vorhin seine Rede in eine Lobpreisung Gottes ausgeathmet hatte, wendet der Apostel mit der zärtlichen Anrede: ,,J r Lieben« sich» an seine Leser, weil er jetzt von sol em handeln wird, das ihnen schwer fällt. (v. HofmannJ Indem Petrus seine Mahnung mit dieser Anrede beginnt, deutet er an, wie sehr dieselbe aus herzlich-liebreichem Mitleid mit den Leiden der Leser hervoiZehy und daß er diese nicht unterfchätzh zeigt die enennung derselben als ,,Hitze«, während das »so euch begegnet« das schwere Leiden als ein nicht blos über die Leser ergangenes, sondern als ein in ihrer Mitte bleibend vorhandenes charakterisirt wird. Jndem er aber nach der Ermahnung: ,,lasset euch die in eurer Mitte vorhandene, unter euch einheimische Hitze nicht befremden« mit der Näher- bestimmung: »die euch widerfahrt, daß ihr versucht werdet« die Trübsalshitze als ein Versuchungs- und Läuterungsfeuer darstellt, macht er gleich von vorn- Yrein einen Gesichtspunkt geltend, von dem aus das ichnichtbefremdenlassen möglich erscheintx indessen ist damit immer nur der eine Gesichtspunkt angegeben, den er geltend machen will, es treibt ihn sofort weiter zu dem andern, den er im Auge hat, und so kommt zu dem: »als widerführe euch »etwas Seltsames«, was unmittelbar zu ,,lasset euch nicht bestanden« gehört, im folgenden Verse das, was an die Stelle des Sich- befremdenlassens treten soll, sammt der Grundangabe dafür· (Schott.) Wie zum Golde die Hitze des Schmelz- ofens, so gehört zum Christen die Hitze der Trübsal. Darum soll diese Hitze uns nicht befremden, als wider- fiihre uns etwas Seltsanies, etwas, was denen nicht begegnen dürfte, welche mit dem Ehrennamen des auserwählten Geschlechts Je. (Kap. Z, 9)» geschmückt sind. Es fcheint ja freilich sehr befremdlich» daß die Glieder dessen, dem die Engel und die Gewaltigen und die Kräfte unterthan sind» leiden müssen, und die Spötter unsrer Hoffnung feiern nicht, uns »das ,,t«vo ist nun euer Gott?« zuznrufem wenn es ihnen ein- geräumt wird, uns den Ofen des Elends z1i heizenx aber es ist nichts Befremdliches, und je schwerer uns der für alle Vernunft so harte Widerspruch zu über- winden ist, der Petro einst die Worte eingab (Matth.. 16,2·2): »Herr, schone dein selbst 2e.«, desto herzdring- licher ermahnt derselbige Apostel, daß wir nicht der Menschen Gedanken, sondern Gottes Wort ansehen sollen im Leiden. Die menschlichen szVerursacher der Verfolgungshitze haben Böses im Sinne, angestiftet vom Teufel, der die Seelen der Verfogten zu ver- schlingen begehrt, zum Abfall und zur » erzweifelung versuchtx Gott aber übermeistert den Widersacher und zwingtihiy wie der Goldschmied das Feuer, das verzehren will und läutern muß, zu dem Frohndienste der Er- probung der Gläubigen. Gottes Gnade waltet über der Trübsalshitze und sie widerfährt uns, nicht damit wir verworfen, sondern damit wir versucht werden, daniit unser Glaube in Kraft sich hervorthue und sich bewähre als das, was er ist, als der Sieg, der die Welt überwunden hat. (Vesser.) Nachdem aber der Apostel gelehrt hat, warum das Sichbesremdenlassen nicht am Orte sei, sagt er, daß an dessen Stelle das Sich- freuen zu treten habe, und zeigt auch den Grund, warum: l) indem er die Hitze als Theilnahme an Christi Leiden bezeichnet, die als solche Gegenstand der Freude, und zwar einer mit der Hitze stetig wachfenden Freude sein muß, und 2) indem er als das gewisse Ziel dieser Freude den Antheil an der vollkommenen Freiide bei der Offenbarung der Herrlichkeit Christi hinstellt. In den Worten des 13. Verses sind beide Gedanken zu Einem Ganzen verschlungenx die aus dem Theil- haben an Christi Leiden erwachsen sollende Freude wird als Bedingung der künftig zu hoffenden dargestellt. Jhr würdet, wenn ihr euch des Theilhabens an den Leiden Christi nicht zu freuen vermöchtet, so meint der Apostel, euch auch bei der Offenbarung seiner Herrlichkeit nicht freuen können. Und das ist ganz richtig; denn der Mangel an jener Freude ist ein Zeichen des Mangels an Gemeinschaft mit dem HErrn — nur für die, welchen Christus ihr Leben ist, wird auch seine Offenbarung die Offenbarung ihrer Herrlich- keit sein. (Wiesinger.) Da muß eine Verleugnung Christi sein, wo man —- ich will nicht sagen, auf eine kurze Zeit, sondern auf die Dauer, auf längere Zeit der Welt Freund sein, ihren Haß und das Kreuz ver- meiden kann. Was Christus nicht konnte, sollst du auch nicht können; und wenn Er, das helle Licht Gottes, nicht ohne Schatten leuchten kann, so mußt du’s auch nicht können, oder du bist sein Nachfolger nicht. Hoch besremdlich und großes Mißtrauen erregend muß immer das Gegentheil sein, während ein flammender Haß der Welt und ihrer Kinder ein Zeichen sein kann, daß ein frommes Kind Gottes zugegen ist. (Löhe.) Der Christ freuet sich, dem HErrn durch eigene Leiden um seinet- willen in etwas danken zu können für seine Todes- schmerzeiy und er weiß, daß der HErr seine Nähe denen am fühlbarsten bezeugt, welche ihin leiden und sterbenkx da soll denn auch unsre Freude mit dem Leiden gleichen Schritt halten, sie soll auf keinen Fall ab- nehmen, wenn das Leiden zunimmt, und andrerseits zunehmen, wenn das Leiden abnimmt. (Nebe.) Jst dann die Zeit gekommen, wo die Herrlichkeit des HErrn in die Erscheinung tritt, da wird die Freude, welche die Christen bis daher innerlich erfahren haben, auch ihren Ausdruck in dem Jubel finden, in welchen ihr Preis der Gnade ausströmt. (Sommer.) IV) Was der HErr in Matth. 5, 11 sagt: »selig seid ihr, wenn euch die Menschen um meinetwillen schmähen und verfolgen, und reden allerlei Uebels wider euch«, das wiederholt hier der Apostel, wie in Kap. Z, 14 die vorhergehende Seligpreisung; die Worte aber: »so sie daran lügen« klingen hernach in V. 15 nach. (Besser.) Nach Kasx 2, 12; Z, 16; 4, 4f.swar es hauptsächlich nur erst das Schmähen über dem Namen Christi, worin sich damals noch die Feindschaft derUngläubigen gegen die Christen äußerte. (Wiesinger.) Sie hatten viel Spott und Schimpf, Schmach und Schande zu erleiden; der Apostel greift ihnen da mit dieser Aiisprache ganz besonders unter die Arme, denn er weiß (Matth. 26, 69 ff.), daß Schmähung Mancheii zuui Strauchelu bringt, der gegen offene Angrisfe vielleicht unbeweglich stehen würde. (Nebe.) ,,Ueber dein Namen Christi«, gleichsam auf denselben Es ist Zeit, daß anfahe das Gericht an dem Hause Gottes. 747 hin, geschiehet das Schmähen der Ungläubigen gegen die Christen; es ist also eigentlich der Christenstand selbst (Kap. 2, 12 Anm.), was die Heiden als Anlaß und Grund ihrer sittlichen Vorwürfe wider die Leser verwenden. (Schott.å Indem denn aber die Verfolger die Christen um de willen schmähen, daß sie An- hänger Jefu Christi geworden, behandeln sie die beste Wendung ihres Lebens als ein Verbrechen, für welches ihnen Schmach und Schande gebühre; dawider tröstet sie der Apostel mit dem Zeugnißx »der Geist, der ein Geist der Herrlichkeit und Gottes ist, ruhet aus euch«, und weil dem so ist, sollen sie vielmehr sich gliicklich preisen, als daß sie die ihnen angethane Schmach sich sollten bekümmern lassen. Schon vor Alters hat man sich in diese Worte nicht recht zu finden gewußt und den Ausdruck: »der Geist, der ein Geist der Herrlich- keit ist« noch durch den Zusatz erweitert: »und der Kraft«; das v. Gerlaciysche Bibelwerk nimmt denselben ohne Weiteres in den Text auf und erklärt nun: Gott selbst wohnt durch diesen seinen Geist in euch und damit innerlich seine Herrlichkeit und Kraft mitten in eurer Schmach und Ohnmacht Wir haben aber viel- mehr darauf zu sehen, daß Petrus hernach (V. I7) die Christenheit als »das Haus Gottes« bezeichnet; da die Rückbeziehung solcher Bezeichnung auf Kap. Z, 5 nicht wohl angeht, müssen wir in unserm Verse die Grund- lage dafür suchen und darum die in Rede stehenden Worte so erklären, wie oben geschehen ist. Auf das alttestamentliche Heiligthum ließ die Herrlichkeit des HErrn in einer Wolke sich herab, damit aber wohnte der HErr nur erst im Dunkeln (1. Kön 8, .1».2) oder in einem bloßen sinnbildlichen Zeichen seiner Gegen- wart in jenem Heiligthum; dagegen hat er auf die Christenheit, die Christi Namen bekennt und diesen Namen an sich trägt (vgl. das ,,Christ« in V. 16), mit demjenigen Geiste, der sein eigener Geist ist, sich herabgelassen, sie dadurch zu einem geistlichen Hause statt des stofflichen im alten Testamente gemacht, und wohnt nun in ihr nicht mehr blos im Sinnbild, son- dern in der That und Wahrheit, sie ist ihm ein rechter, wahrhaftiger Tempel, ein wirkliches Gotteshaus. Daß nun aber im Schlußsatzt ,,bei ihnen ist er Verlästern aber bei euch ist er gepreiset« das ,,er« nicht auf den Geist, sondern auf den Namen Christi zurückgehh würden die Ausleger nicht verkannt haben, wenn sie die beiden vorhergehenden Sätze in ihrer Beziehung zu einander richtig aufgefaßt hätten-· « Hist) Selig hat der Apostel diejenigen gepriesen, welche über dem Namen Christi geschmähet werden: dies Wort konnte von solchen aufgegrifsen und auf sich angewendet werden, welche gar kein Recht auf dasselbe hatten. Der Christ ist nur zu gerne bereit, auch von solchen Trübsalen, welche ihn als Strafen und Folgen seiner Verschuldung treffen, zu sagen, daß er sie um des HErrn willen erleide; aber nicht, daß wir überhaupt leiden, macht uns Gott angenehm, sondern lediglich, daß wir unschuldig, um Christi willen leiden, wie Augustin kurz und gut bemerkt: ,,nicht die Kreuzigung an und für sich macht den Märtyrer, sondern deren Ursache, und nicht aus dem Leiden wird die Gerechtigkeit erkannt, sondern aus der Gerechtigkeit das rühmliche Leiden«. Der Apostel nennt nun, wenn er schreibt: ,,niemand aber unter euch leide als ein Mörder oder Dieb« solche Ver- brechen, welche bei Christen gar nicht vorkommen sollen; mit den Worten: ,,oder Uebelthäter« verbindet er damit einen Allgemeinbegrifß unter welchen eralle andern nicht namhaft gemachten Verbrechen subsunnren will. Er fügt dann noch eine besondere Sünde hinzu, welche mit jenen nicht auf gleicher Linie steht: ,,oder der in ein fremd Amt FzeifetC (Nebe.) Das dafür im Grundtext gebrauchte ort, welches sonst nicht weiter vorkommt, bezeichnet einen solchen, der als unkluger Eiferer heidnische Sitten und Gebräuche tadelt und abstellen will, sowie es erweislich in späterer Zeit solche gab, die Götzenbilder zerschlugen &c. (de Wette.) Es handelt sich hierbei nicht um eine schlechte That, sondern um ein schlechtes Sichbekümmern um die Thaten Anderen (Harleß.) Dem Leiden nun, das Folge persönlicher Verschuldung ist, stellt Petrus das- jenige gegenüber, das seinen Grund lediglich darin hat, sz jemand der von der Welt angefeindeten Sekte der Christen angehört, was auf dasselbe hinausläuft mit dem »geschmähet werden über dem Namen Christi« in V. 14: es darf den Christen die Schmach nicht beugen, die ihm sein Bekenntniß bei der Welt einbringt, das wäre ein Zeichen, daß ihm die Ehre bei der Welt mehr gilt, als die Ehre bei Gott; im Gegentheil ist solche Schmach des Christen höchste Ehre, der Apostel sagt aber nicht, daß der also Leidende sein Leiden sich soll zur Ehre schätzen, sondern es soll auch hier Dem die Ehre gegeben werden, dem alle Ehre gebührt. (Wie- singer.) Nicht Scham gehört auf die Wangen, son- dern Gottes Preis, Lobgesang und Dankpsalm auf die Zunge der leidenden Christen. (Löhe.) Nicht erst im Himmel erwartet die Tugend ihren Lohn, in dem Leiden selbst findet sie ihn schon; denn das ist der größte Lohn, für die Wahrheit zu leiden. (Chry- sostomus.) T) Nicht von einem Gerichte Gottes überhaupt redet der Apostel, sondern von dem Endgerichte (Kap.4,7); in der schweren Leidensanfechtung, welche vom Unglauben der Welt aus über die Christen er- gehet sieht er den Anfang desselben, weil ihm diese der Welt gegenüber unverschuldete Trübsal gleichwohl eine Erweisung der die Sünde heimsuchenden Gerech- tigkeit Gottes ist, welche mit dem eigenen Hause den Anfang macht, um sich dann in ihrer vollen Schärfe gegen die Verächter der Gnade zu kehren. So ist es auch Ein Gericht hier und dort, aber das Eine Gericht ist ein dort und hier nach Absicht und Erfolg weit verschiedenes: für die Gläubigen ein Gericht züchtigender Läuterung zur Rettung, für die Ungläubigen ein Ge- richt der Zornesftrafe zum Verderben; jene bewahrt es vor dem Verderben, über diese bringt es das Verderben. (Wiesinger.) Die Leiden der Gliiubigen sind der Anfang, die Leiden der Ungläubigen werden das Ende sein: die Leidenshitze, welcher die Gläubigen unterstehen, läßt auf die Höllengluth schließen, welcher die Ungläubigen verfallen; da hat denn der Ungläubige auch nicht den geringsten Grund, sich über die Leiden zu freuen, welche der Gerechte zu ertragen hat, welche er nach Gottes Rath dem Gläubigen mit auflegen darf — je schwerer der Gerechte leidet, desto schwerer wird er, der Gottlose, zu seiner Zeit zu leiden haben. (Nebe.) Es ist einer der Grundgedanken alttestament- licher Weissagung, daß das letzte Gericht am Hause Gottes seinen Anfang nehmen müsse; ist nun da zu- nächst der Tempel gemeint, dessen verschiedene Zer- störungen in der That Vorbilder jenes Gerichtes sind, so setzt sich dies Wort alttestamentlicher Weissagung im neuen Testament um in ein Weissagungswort über das gegenbildliche Haus Gottes, über die Gemeinde Christi. (Schott.) Der Apostel eröffnet seinen Lesern noch einen andern Blick in die Leiden der Christen, einen Blick, der zwar genau genommen auch Freuden- pforten öffnet, der aber doch auch Mühe hat, durch die Macht der Leiden sich zu dem Licht der freudi en Pforten hindurch zu ringen; denn er sagt: »die eit ist da, daß das Gericht vom Hause Gottes den Anfang 748 1. Petri 5, 1——5. und Ausgangspunkt nehme«. Also hebt die Gnade, in welcher die Kinder Gottes wandeln, das Gericht über ihre Sünden nicht auf; und es geht im neuen Testament, wie im alten, die Sünde wird vergeben und doch geahndet. David wird von der Barmherzig- keit Gottes mit Gnaden und Frieden überschüttet, er ist nach großen Sünden wieder der Mann nach dem Herzen Gottes; aber das Schwert bleibt doch über ihm und über seinem Hause, Absaloms Aufruhr und seiner Frauen Schande kommt nichts desto weniger doch. So mit allen Heiligen Gottes: der HErr ist mit ihnen, er prüft sie durch Leiden, giebt ihnen mitten in den Leiden selige Freuden hier und die An- wartschaft auf ewige Himmelsfreudenx der Geist der Herrlichkeit und Gottes ruht auf ihnen und wirkt in ihnen, ihr Leidensloos ist selig und herrlich, und doch werden sie durch einen apostolischen Lehrer angewiesen, in ihren Leiden auch ein Gericht zu sehen. Das ist ein wunderbarer Gott, der so das Süße mit dem Bitteren und die Strafe mit der Barmherzigkeit mengen und den Seinen wohl und wehe thun kann zugleich, der die Folgen der Sünde walten läßt und nur Haß und Fluch von ihnen nimmt, seinen Geist uns trösten läßt und zugleich uns strafen. Welcher Heilige Gottes hätte das nicht schon an sich selber zu hundert Malen erfahren? Wie oft kommen über uns Leiden, kleine und große; sie triefen von Gnade und Barmherzigkeit, sie scheinen vielleicht völlig unverschuldet, etwa gar rein um des Namens Jesu willen auferlegt: da weckt in stiller Stunde der Geist Gottes die Erinnerung an längst vergessene Sünden, und ein rother Faden des Zusammenhangs streckt sich von ihnen herunter bis zu unsern Jammerstunden! Da kann einem Paulus in den letzten Augenblickem während der Henker das Schwert über seinem Haupte schwingt, der HErr selbst aber ihm die Märthrerkrone darreicht, einfallen, daß er das an Stephano und den Heiligen, welche er verfolgt hat, verdient habe, was ihm nun der Henker als ein langsamer Bote der göttlichen Gerechtigkeit bringt. (Löhe.) H) Mit den Worten: »als dem treuen Schöpfer« ist Gott als Der benannt, der den Menschen aus freiem Gnadenwillen also, daß er Gottes Bild und für Gottes Gemeinschaft bestimmt und geartet war, zur lebendigen Seele geschaffen und solches sein Werk in Christo durch die schöpferische That der Wieder- geburt an und in dem Personleben der Gläubigen hat neu werden lassen, und welcher demnach dies herrliche Ziel, wofür er die Menfchheit urspriinglich werden und wiederherstellend neu werden ließ, nicht unlustig und ungeduldig oder unmächtig aufgiebt, sondern in un- wandelbarer Liebes-treue und Gnadenmacht hinaus- führt; er wird es also auch trotz allem, was da kom- men möge, an ihnen, den zur einigen heiligen Mensch- heit Gottes Gehörigem sicherlich hinausführen m Zerrlichkeih um so gewisser, als es ja eben dieser sein iebeswille ist, der die Leiden über die Seinen»ver- hängt als das nothwendige und sichere Mittel ihrer herrlichen Selbstvollendung. Das ihm Befehlen die Seele aber, das heilverbürgende Hinterlegen derselben bei ihm als treuem Heils-vollendet, muß »eschehen »in gutem Verhalten«, wie es wörtlich he: i, d. i. nicht in einem einzelnen, dann für immer abgemachten Art, sondern stetig in und mit demjenigen guten Ver- halten, welches, wie der nothwendige Thatbeweis, so auch die unerläßliche Bedingung für die Bewahrung und Vollendung des Heilsstandes ist. (Schott.) Das ist uns ein großer Trost: Gott hat deine Seele ge- schassen ohne alle dein Sorgen und Zuthun, da du noch nichts warest; der wird sie dir auch wohl erhalten! Darum vertraue sie ihm doch also, daß es geschehe ,,mit guten Werken«, daß du nicht ungeduldig, traurig und zornig werdest und dich zu rächen begehrest an denen, so dir Leid thun, auch nicht wider Gott murrest, ihn Lügen strafest und in Verzweiflung fallest; son- dern halt fest auf beiden Seiten, vergieb deinen Fein- den und bitte für sie, und gieb Gott die Ehre, daß er barmherzig, wahrhaftig und treu sei und dich in aller Noth nicht verlasse, sondern dir gnädiglich heraushelfen werde, ob fich’s gleich mit dir anders fühlet. (Luther.) Das 5. Kapitel. Vom Amt der ihr-ließest, Pflicht der Jugend, und aller Christen in8gemein. f. V. 1 s 5. hatte Petrus vorhin seine Leser iiberhaupt ermahnt, unter den Leiden, die sie zu erdulden hatten, Gott ihre. Seelen zu Befehlen als dem treuen Schöpfer in guten Werken, so ermahnt er nun zunächst die Restchen, die ja die Leiden, um die es sich han- delte, am ersten und heislesien trafen, zu derjenigen Art pon guten Werken, die ihre Amispflicht ihnen auferlegte; darnach aber wendet er sich an die Jungen, ihrer Verpflichtung gegen die Aeltesten sie zu erinnern, nnd geht von hier aus» über zu der demitthigen herzen5siellung, womit a tle insg e sammt sich einer dem andern unterordneii sollen. I. Die Aeltesten, so unter euch sind sdas Vorfteheramt in euern Localgemeinden verwalten Apostg 14, 23 Anm.], ermahne ich, der Mitcilteste lvgks 2- Jvhs 1 U— 3 Jvlx 11 und Zeuge der Leiden, die in Christo sind [genauer: Zeuge der Leiden Christi Kap. I, 11; Apostg. 22, 20; Offevkx Z, 133 17, 6], und theilhaftig der Herr- lichkeit, die offenbaret werden soll« [Kap. 1, 5. 7; 4, 13 f.; Röm. 8, 17 f.; Col. 3, 4]: 2. Weidet seuerm Hirtenberufe gemäß Joh. 21, 15 ff.; Apostg 20, 38; Ephes 4, U] die Heerde Christi, so euch snach Maßgabe des euch zugewiesenen Sprengelss befohlen ist, Und sehet wohl zu sübet euer Bischofs- oder Aufseheramt Kap. 2, 25 in gebührender Weise aus], nicht gezwungen, sondern williglich svgt 1. Cor. 9, 17], nicht um schcindlichen Gewinns wtllen [Tit. 1, 7. 11; 1— TM!- 6, ös- sondern von Herzensgrund [mit einer, jede Nebenrücksicht ausschließenden freudigen Hingebung an das Werk, das zu thun ist 2. Cor. 12, 1.4]; Z. Nicht als die über das Volk sihres Auf- sichtskreisess herrschen [Matth. 20, 25 ff.; Luk. 22, 25 ff.; 1. Cor. 3, 5; 2. Cur. 1, 24], son- dern werdet Vorbilder der Heerde« sJoh 10, 4z Ph1l. Z, 17; 2. Thess s, 9; 1. T1m. 4, 12; Tit. 2, 7]. it. So werdet ihr, wenn erscheinen wird der Etzhitte Christus, dem ihr selbst gleich der euch besohlenen Heerde untergeben seid Joh. 10, 12ff.; 21- 15 ff.; Hebr. 13, 20], die unverwelkliche Krone der Ehren empfahen «« [Dan. 12, s; Matth. 24, 45 ff.; 25, 21; L. TiUL 4, 8]. Ihr Aelteften, nehmt eurer Amtspflicht wahr; ihr Jungen, seid den Aelteften unterthan! 749 5. Desselbigen gleichen swie die Aelteften ihrerseits den Pflichten ihres Amtes in Verzicht- leistung auf alles eigene Gesuch sich zu unter- stellen haben V. 2 f.], ihr Jungen [1.Tim. 5, 1], seid uutertban den Aelteften sHebr is, 17; 1.Tim· 5, 17]. Allesammt seid unter einander nnterthan [Ephes. 5, 21], und haltet fest an der Demuth sdaß sie euch nicht unter den mancherlei Störungen und Hindernissem die allerdings ihre Uebung er- schweren, abhanden komme und ihr euch damit um den Vollbesitz der göttlichen Gnade bringet]. Denn [dieser Sinn läßt sich nach der griechischen Uebersetzung des alten Testaments mit dem Worte in Sprüchm 3, 34 verbinden: Jak. 4, 6] Gott ividerstehet den Hosfartigen aber den Demuthigen giebt er Gnades [Luk. i, 51 f.; Matth 23, 12]. V) Die Aelteften zu erwähnen, veranlaßte hier den Apostel ein besonderes Interesse; gerade in Zeiten der Verfolgung und des Druckes kam es ja vor allem darauf an, daß die Gemeinden durch eine weise und kräftige Leitung zusammengehalten und auf diese Weise ebenso vor muthloser Zersplitterung und unklugeny schadenbringendem Benehmen gegen die Außenstehendem als auch in einem allewege heiligen Wandel und brüderlichen Einvernehmen bewahrt wurden. Der Apostel hat aber, wie von den Gemeinden überhaupt, so auch von ihrem äußeren, verfassungsmäßigen Be- stande, keine genauere Kenntniß, daher schreibt er: »die Aelteften, so unter euch sind«, und indem er nur von Aelteften, nicht auch von Bischöfen redet, so zeigt sich, daß der in der nachapostolischen Zeit aufsallend schnell und scharf ausgebildete Unterschied zwischen diesen beiden Aemtern zur Zeit der Abfassung unsers Briefs noch nicht existirte (Apostg. 20, 31 u. 1. Tim. 3, 1 Anm.). Einen Mitältesten kann sich Petrus nennen, weil die Apostel nur nach ihrer persönlichen Beziehung zu der geschichtlichen Person des HErrn eine einzigartige Sonderstellung genossen und eben darum bezüglich ihrer Berufsfunction nur dasselbe für die Gesammtgemeinde waren, was die Aelteften für die einzelnen Gemeinden; er nennt sich aber so, erst- lich um die Aelteften zu erinnern, daß er als Einer rede, der wohl weiß, was es um dies Amt ist, so- dann aber um ihnen anzudeuten, wie ein herrliches Amt es ist, indem auch er, der berusene Apostel des HErrn, der Vorgänger der Zwölfe, doch keine andere, höhere Ehre für sich beanspruche, als ein Aeltester gleich Andern zu sein. Beides soll und kann der fol- genden Mahnung kräftigen Nachdruck geben. Neben der gleichstellenden Selbstbezeichnung: ,,Mitältester« will dann die andere: ,,Zeuge der Leiden Christi« nicht die Besonderheit der apostolischen Stellung aus- sagen, als ob damit das charakteristisch-apostolische Merkmal der Augenzeugenschaft (Apostg. 1, 21 f.; 10, 39 ff.) geltend gemacht würde, sondern jener entsprechend ist sie nur eine zweite Bezeichnung der berufsmäßigen Aufgabe und Thätigkeitz daß das Amt der Gemeinde- leitung in der Predigt des Evangeliums gipfeln müsse, das giebt Petrus so zu verstehen, daß er seine eigene apostolische Aufgabe darin als in ihrem Wesentlichen usammenfaßt. Wie nun aber auch wieder seine redigt ihrem wesentlichen Inhalte nach als Zeugniß gerade von Christi Leiden sich zusammenfassend be- zeichnen läßt, so soll auch die Predigt der Aelteften im Grunde nur Zeugnis; von diesen Leiden sein, den- selben, deren vorbildliche und heilsnrsachliche Bedeutung dem ganzen Briefe zu Grunde liegt: durch diese Predigt können sie die Gemeinden leidensfähig leidens- fröhlich machen. Aber nicht nur die Predigt des Worts von Christi Leiden, sondern auch die um seiner treuen Berufsthätigkeit willen über den Apostel ge- kommenen Leiden (welche Luther’s Uebersetzung: »der Leiden, die in Christo sind« ausschließlich in’s Auge faßt) gehören mit zu seinem berufsmäßigen Zeugen von Christi Leiden — eine absichtlich indirekte An- deutung, durch welche er erinnert, wie er wohl befugt sei zu solchen Ermahnungen an die Aelteften, und wie auch sie dazu verpflichtet sind und deß mit Freuden sich bewußt sein sollen, daß sie ihr berufsmäßiges Zeugniß von Christi Leiden auch durch thatsächliche eigene Nachfolge in demselben besiegeln müssen, mag es bereits geschehen sein oder nicht. (Schott.) Wie nun Petrus die Gewißheit der gegenwärtigen Leiden hat (Joh.21,18f.), so hat er auch die Gewißheit der zukünftigen Herrlichkeit, indem er schreibt: »theil- hastig der Herrlichkeih die offenbart werden soll«; diese Stellung soll auch die Uebrigen stärken und trösten. (Harleß.) Wie er in V. 2 u. 3 von ihnen, entsprechend den beiden Selbstbezeichnungem »der Mit- älteste und Zeuge der Leiden Christi«, treue Ausrich- tung ihres Berufes verlangt, so stellt er in V. 4 ihnen auch, entsprechend dieser dritten Selbstbezeich- nung,» die unverwelkliche Krone der Ehren in Aussicht. (W1esinger.) » IV) Alles zusammenfassend, was überhaupt zur inneren und äußeren gedeihlichen Leitung einer Ge- meinde gehört, und in einem auch sonst in der Schrift, besonders im neuen Testament häufigen Bild, worin ebenso die persönliche Liebe zu den Gemeinden, wie die berufsmäßige Treue und Sorgfalt, alles nur zu ihrem Besten einzurichtem hervortritt, ruft Petrus den Aelteften zunächst ein ,,weidet« zu; dies ist also weder gleich dem Lehren, noch auch darauf zu beschränken, dennoch aber ist die Thatsache, daß es auch nicht lehr- hafte Aelteften gab (1· Tim. 5, l7), nicht ausschlag- gebend für die Bedeutung des Presbyterats oder AeltestewAmts überhaupt. Das Presbyterat war die vollständigste Verbindung dessen, was wir jetzt ge- wohnt sind Kirchenregiment zu nennen, der regierenden Thätigkeit in Handhabung der Kirchenordnung und dessen, was z. B. Luther unter Kirchenregiment ver- steht, nämlich der geistlichen Thätigkeit der Verwaltung des Worts und der Sacramente und der Handhabung der Schlüsselgewalt Daß bei diesem Umfang der Aufgabe nicht überall Männer sich fanden, welche ihr in allen Beziehungen Genüge leisten konnten, ist nur natürlich; und gerade der Mangel der Lehr- und Rednergabe war um so weniger bedenklich oder hin- derlich, da die Gemeinden in ihrer Mitte Träger dieser Gaben hatten, so daß der Presbyter nur die richtige Be- thätigung derselben zu veranlassen und zu überwachen hatte. Diesem Umstande, der in den Gemeinden vorhan- denen charismatischen Begabung (1· Cor. 12—14) zufolge mußte allerdings vorwiegend die praktische Tüchtigkeit zum Regieren beim Presbyterat in Betracht kommen, und demnach dies Amt eine mehr kirchenregimentliche, als nach unserm Sinne kirchenamtliche Bedeutung gewinnen; allein wenn auch die faktischen Verhältnisse jene erstere Bedeutung vor der zweiten mehr oder weniger hervortreten ließen, so eignete doch grundsätz- lich dem Presbyterat diese nicht weniger als jene. Da nun aber das »weidet«, womit der Apostel seine Ermahnung anhebt, eine besondere günstige Näher- bestimmung zur Beschreibung der rechten Hirtenthätig- keit nicht unmittelbar zu sich nehmen kann, so bezeichnet er mit den Worten, die Luther übersetzn ,,sehet wohl 750 1. Petri 5, 6—11. zu« (wofür anderwärts steht: ,,sehet auf sie«, die Heerde, oder: ,,versehet sie«), die Ausübung des Pres- byterats mit einem ihre Vollzugsweise nur allgemein bezeichnenden Ausdruck und giebt dann in drei Doppel- gliedern an, von welcher Sinnesweise die Amtsaus- übung frei und von welcher sie getragen sein muß, nm eine richtige, d. i. ein wirkliches Weiden zu sein. Aufsehen, Achthaben (Apostg. 20, 28) ist Beruf der Aeltesten; und zwar muß es geschehen nicht zwangsweise, d. h. wie eine unsern übernommene und nur als nicht zu umgehende aft fortgeschleppte, fauere Pflicht, sondern aus freiem, freudigem Herzenstrieb; ferner nicht aus schnöder, unedler Gewinnsucht, d. h. um der Aussicht willen, Von der Gemeinde wenigstens theilweise unterhalten zu werden oder gar durch betrügerische Verwaltung der ver- schiedenen Gemeindebeiträge oder Gemeindegüter wirk- lichen Gewinn zu machen, sondern mit der Gesinnung, da man aus reiner Liebe zur Sache vielmehr bereit- willig und opferfreudig das Seine und sich selbst ganz zu Gebote stellt; endlich auch nicht so, daß sie sich als Herren der Gemeinden geriren, sondern eine wirk- liche Gewalt über dieselben sollen sie vielmehr dadurch erlangen, daß sie mit ihrem leuchtenden Beispiel ihnen vorangehen, besonders auch in geduldiger Ertragung unschuldigen Leidens. (Schott.) Das Leben soll be- fehlen, die Zunge überreden. (Athanasius.) Ein rechter Prediger darf nicht sein wie eine Uhr, die anders schlägt und anders weist; er muß nicht fein wie jenes Weib, das bei Tage ihr Kind säugte, aber im Schlas es erdrückte; er muß nicht die, welche er zuerst gesäugt hat mit der vernünftigen Milch der reinen ehre, darnach mit gottlosem Wandel ärgern, erwürgen und erdrücken. Ein Prediger muß sein wie Nicolaus Hausmanm von dem Luther bezeugt: »was wir lehren, lebt er«. (Nagel.) Vom ,,weiden« haben unsere Pastoren den Namen; und da weide denn du, der du einer bist, mit dem Herzen, mit dem Munde, mit dem Werke — weide mit des Herzens Gebet, mit des Mundes Wort, mit des Werkes V o rbild. (Bernhard.) Mk) Es ist das eine Verheißung, die sich an die anze vorausgegangene Ermahnung anschließt, aber o, daß ihre Fassung sonderlich durch die letzte Wen- dung derselben veranlaßt erscheint, da die verheißene Herrlichkeih die Petrus in V. l seine eigene Hoffnung genannt hat, das Gegentheil der ihnen nicht ge- ziemenden Selbstherrlichkeit ist. (v. HofmannJ Die Aeltesten, welche diese Trostworte ihres Mitältesten Petrus zuerst hörten, waren berufen zu Vorbildern der Heerde, sonderlich im Leiden um Christi willen, auf sie fiel die Schrnach und alle Verfolgung zuerst und zuweist: wohlan, so sollten sie durch Schande und Tod hindurch auf die- Ehrenkrone blicken, die sie schon binden sahen! Und diesen Trostblick gönnt und giebt der HErr allen seinen Knechtem die hier durch? Jammerthal gehen. (Besser.) Der Ausdruck: »Erghirte« will Christum nicht blos als Den bezeichnen, er an Würde die Hirten neben ihm überragt, sondern als Den, der Gewalt über sie hat, in dessen Namen und an dessen Stelle die andern ihr Hirtenamt führen, als Den, deß die Schafe sammt den Hirten eigen sind, weil er für sie sein Leben gelassen, dem daher auch die Hirten Rechenschaft geben müssen, von dem sie Lohn und Strafe ihrer Amtssührung zu erwarten haben. (Wiesinger.) « Die Gemeindevorsteher wurden der gemein- giltigen Wahrheit gemäß, daß die Aelteren regieren, die Jüngeren regiert werden sollen, aus den Männern vorgerückteren Alters genommen; und so kann der Apostel von einer Ermahnung, welche er an solche soiiderlich gerichtet hat, die der Gemeinde als Aelteste im amtlichen Sinne vorstehen, eine andere fol en lassen, mit welcher er sich an solche Gemeindeglie er wendet, die in jüngeren Jahren stehen. (v.Hofmann.) Zwar nicht Träger eines Amtes sind diese Jüngeren, sondern es sind die jüngeren Gemeindeglieder, die jungen Leute in der Gemeinde gemeint; aber diese hatten doch, wie die Stelle: Apostg. 5, 6 u. 10 zeigt, auf Grund ihrer natiirlichen Altersftellung den Vor- stehern in ihren amtlichen Functionen äußerlich an die Hand zu gehen, und da sollen sie denn durch bereitwillige, gehorsame Uebernahme aller derartigen Geschäfte und Aufträge den Aeltesten ihr Amt er- leichtern. Daran schließt sich nun die allgemeine Ver- mahnung: ,,allesammt seid unter einander unterthan« passend an. Wie die jungen Leute ohne förmlich amtliche Vcrpflichtung den Aeltesten sich willig zu Dienst stellen sollen, so auch sollen alle Gemeinde- glieder, ohne von Rechts- und Amtswegen gezwungen zu sein, für ihr gegenseitiges Verhalten die Gesinnung anlegen, nach der Einer gering von sich selbst denkt gegenüber den Andern nnd also, statt zu verlangen, daß sie sich nach ihm richten, vielmehr selbst ihrer Art, ihren Wünschen und Interessen sich fügt. Diese Mahnung begründet Petrus mit einer nach der Sep- tuaginta angeführten Stelle aus den Sprüchen Salo- monis, wie das auch Jakobus in seiner Epistel thut. (Schott.) Hoffärtige Leute greifen gleichfam die Ehre Gottes an, indem sie an sich reißen, was Gott gehört. Andere Sünden fliehen vor Gott, nur die Hoffart stellt sich Gott entgegen; andere Sünden drücken den Menschen nieder, aber der Stolz erhebt sich wider Gott. Da werden denn die Stolzen, welche fortfahren, die Waffen gegen ihn zu erheben, durch seine starke Hand niedergeschlagensp (Gerhard.) » ein Strom, der thalwarts fließt und alle Thaler voll werden läßt (Jes. 40, 4); die Demuth ist nicht blos eine Ehristentugend neben andern, sondern das bergende Gefäß aller Ehristentugenden zumal. (Besser.) g. V. 6——11. Von dem Leidensstaiide der Leser (Kap. It, 12 ff) isk der Jlposkel übergegangen aus das rich- tige Verhalten derselben nach ihrer genieindlichen Stellung zu einander Man. H, 1—5); zu ihrem ceidensskande siehet er nun, nachdem er dieDeniuth als die rechte Grundlage ihres gegenseitigen Ver· haltens hingestellt hat, zuriich und lässt das Licht des vorhin angeführten Schriftwortes auch in dies ihr ceidensdunhel hineinsallenx auch Gott gegenüber isi die Demuth, die sich ihm mit Daraugabe alles. eigenen lviinschens und Wollens freudig nnterordneh der Weg, um zur rechten Zeit zu der von ihm bereit ge- haltenen Erhöhung zu gelangen (v. 6); für die trübe Gegenwart nnd duntile Zukunft aber wird das ihre Hilfe sein, das! sie ihm ihre Sorgen Befehlen, wie er sa auch wirklich für sie sorgt (v. 7). Während sie so ohne sorgen sein können, sollen sie dagegen nüchtern und wachsani sein, denn ein entsetzlicher und gefährlicher Feind isk es, der sie zu seiner Beute zu machen begehrt (v. 8). Doch haben sie ihm gegen« über nur das Eine zu thun, fesk im Glauben ihm zu widerstehen und im Geiste mit ihren Brüdern, über welche eben dieselbigen Leiden in der Welt er— gehen, sich innig zusammenzuschliesletiz alles sonst, was fie bedürfen zu ihrer Erhaltung und Bewahrung wird der Gott aller Gnade, der he berufen hat zu seiner ewigen Herrlichkeit in Christo Jesu, ihnen schon un— weigetlich und in vollem Masse darreiihesi und Ehre für alle Ewigkeit an ihnen einlegen (v. 9—11). Die Gnade ist » Alles ammt seid unter einander unterthanl De1nüthiget euch unter Gottes gewaltige Hand! 751 (Epiltek am Z. Sonntage nach Triniiatis.) Das Evangelium dieses Sonntags handelt von dem verlorenen Schaf und Groschen: da sieht man den guten Hirten dahingehen über die Erde und trotz der Welt und ihrem Fürsten in deren eigenen Gebieten das verlorene Eigenthum suchen. Diesem wunder- schönen Evangelium zur Seite steht die Epistel, nach welcher man nicht den guten Hirten, wohl aber den Fürsten der Welt, den Teufel, brüllend herumgehen sieht auf dem Gebiete des guten Hirten und suchen, welchen er verschlinge Der gute Hirte und der Wolf, der die Heerde verdirbt —- in zwei Texten zwei Pa- rallelen, die nie zusammenkommen, wohl aber sich miichtig widerstreiten! Jm Gegensatz zusammengeordnet finden wir also in den beiden Texten des Tags zwei Personen und ihr Werk, welche der Gemeinde Christi, wenn auch aus ganz verschiedenen Gründen, niemals aus dem Gedächtniß entschwinden dürfen: der beste Freund und der größte Feind der Seelen sollen beide allezeit Vor Augen und Herzen der Glieder Jesu stehen; es ist ein Unglück und großer Schade, wenn einer von beiden übersehen wird, welcher es auch sei. (Löhe.) Der Christ unter dem Kreuz: l) er de- inüthigt sich unter Gottes gewaltige Hand, die das Kreuz ihm auflegt: ·2) er wirft auf den Vater im Himmel alle seine Sorge, die um des Kreuzes willen ihn beschwert; 3) er wasfnet sich gegen den Wider- sacher, der ihm das Kreuz zum Verderben machen will; 4) er freuet sich der ewigen Herrlichkeit, die nach wohl gsetragenem Kreuz ihm aufbehalten ist. (Eig. Arb.) in Lob der Demuth: sie macht uns 1) gegen Gott zu frommen Kindern, Z) wider den Teufel zu starken Helden, Z) in der Welt zu genügsamen Pilgern, 4) für den Himmel zu tüchtigen Bürgern. (Gerok.) Die gewaltige Hand Gottes: l) sie macht uns zunichte, Z) damit wir den Widersacher zunichte machen. (Miinkel.) Die gewaltige Hand Gottes: l) sie erhöhet die Demüthigen, Z) sie hebt den Sorgenstein vom Herzen, B) sie verstopft des Löwen Rachen, 4) sie führt alles herrlich hinaus. (Haag.) D en Demüth ig en giebt Gott Gnade; denn l) ihre Last wird leicht, 2) ihr Geist wird hell, 3) ihre Kraft wird stark, 4) ihr Sieg wird völlig. (Sommer.) Zwei der allergefährlichsten Versuchungen unsers Widersach ers: I) welches sie seien? Hoffart und Mißtrauen gegen Gott; Z) wie man ihnen Widerstand thun müsse? dadurch, daß man das gerade Gegentheil thut, festhält an der Demuth und anhält am Ver- trauen. (Brandt.) Die menschlichen Anfech- tungen im Lichte des göttlichen Worts: l) die Anfechtungen von oben —— Leiden; L) die Anfechtungen von innen — Sorgen; 3) die Anfechtungenron unten —- unfer Widersacher, der Teufel. (Thomasius.) b. So demüthiget euch nun sim Hinblick auf das, was am Schluß des vorigen Verses gesagt war, auch in Betresf der Leiden, die euch treffen] unter die gewaltige Hand Gottes sdie sie euch auferlegt und dadurch in einen ge- drückten, bedrängten Zustand versetzt], daß er euch erhohe zu seiner Zeit« sdie er für solche eure Erhöhung bestimmt hat Jak. 4, 7 u. 10; Hiob 22, 29; 2. Thess. l, 10]. 7. Alle eure Sorge swelche die Nöthe und Gefahren, von denen ihr umringt seid, in euch hervorrufen] werfet auf ihn [damit ihre Last euch nicht erdrücke, und ihr könnt und sollt das thun]; denn er forget für euch« swie er selbst in Pf. 55, 23 es also zugesagt hat Matth. 6, 25 f.; Phib 4, 6]. s. Seid [dagegen, statt mit Sorgen euch das Herz zu beschwereUJ nüchtern uud wachet [Kap. l, 13; 4, Z; 1. Thess b, 6., das thut allerdings sehr noth]; denn euer Widersacher, der Teufel [Ephes. S, 12ff.], gehet sin dem, was euch widerfährtJ umher wie ein brüllender Löwe [der auf Raub aus-gehet Pf. 104, 21], und suchet [auch wirklich als ein solcher], wel- chen er verfchliuge sbei wem es ihm gelingen möchte, ihn Christo abwendig zu machen und für sich und sein Reich zurückzugewinnen]. 9. Dem widerstehet fest im Glauben [Jak. 4, 7 f.; Col. 2, 7], und wisset [denket daran Kap. 1, is; Z, 9], daß eben dieselbigen Leiden sLeiden von derselben Art und demselben Umfange] über eure Brüder in der sun- gläubigen, feindseligen] Welt [die, weil sie im Argen liegt, nun einmal nicht anders kann, als Christi Jünger hassen und verfolgen l. Joh. 3, lZ sf.; b, 19] gehenlM sals Gottes Rathschluß sich an ihnen vollziehen]. 10. Der Gott aber aller Gnade [vgl. l. Thess. 5, 23f·], der uns berufen hat u seiner ewigen Herrlichkeit in Christo Je u [1. Thess. 2, 12; 2. Tim. 2, 10 und der so treu ist, daß er das gute Werk, das er in uns ange- fangen, auch zu vollsühren gedenkt bis an den Tag Christi 1.»Cor. l, I; Phil. l, 6], derfelbige wird euch, die ihr eine kleine Zeit leidet [Kap.1, 6], vollbereiten [1. Thess. Z, 10; Hebrx 13, 21], stårken [1."Thess. 3,13; 2.Thess. Z, 3], kräftigen [dem Teufel standhasten Widerstand zu leisten V. 9], grüudenf sCol. l, 23; Ephes. 3, 17]. 11. Demselbigen sei Ehre und Macht von Ewigkeit zu Ewigkeit [Kap. 4, 11]! Amen-H— i) Von der Ermahnung, dem Nächsten gegenüber, geht der Apostel zu der über, Gott gegenüber demüthig zu sein; Gott gegenüber aber erzeigt sich detnüthiger Sinn darin, daß man sich willig dem untergiebt, was er verhängt. Man beugt sich unter seine Hand, und wie thöricht es wäre, dies nicht zu thun, giebt der Apostel damit zu bedenken, daß er durch das Beiwort ,,gewaltig« an die Wucht der Hand Gottes erinnert, gegen welche kein Widerstreben aufkommt. Wer sich dagegen unter sie beugt, den wird er, wenn es Zeit ist, aus der Niedrigkeit, in der sie ihn hält, empor- richten und hoch heben, nicht eher freilich, als bis die Herrlichkeit geosfenbart wird, deren sich der Apostel für sich selbst getröstet V. 1u. 10. (v. Hosmann.) Namentlich an das in Kur. 4, 17 über das Gericht Gottes an seinem Hause Gesagte erinnert der Aus- druck: .,Gottes gewaltige Hund«. (Wiesinger.) ,,Zu seiner Zeit«, zur Zeit, wenn er es nach seiner Weis- heit am besten findet, wird Gott die Demüthigen er- höhen, indem er sie zur Verherrlichung führt, sei es 752 I. Petri 5, 12——14. schon auf dieser Erde oder erst am Ende; und seine Zeit ist immer die rechte, wenn auch seine Uhr nicht nach der der Menschen sich richtet. (Sommer.) Gleich- wie ein Goldschmied wohl weiß, wann er das Gold soll aus dem Feuer nehmen, also weiß Gott auch feine Zeit und Stunde, wann er uns helfen soll; darum harre des HErrn (Ps. 27, 14), sei getrost und unver- zagt, und harre des HErrn. (V. Herberger.) IV) Sorge ist hier wohl nicht die Sorge um etwas, sondern das, was Sorge macht; denn die Mei- nung ist nicht die, daß der Mensch sein Sorgen, son- dern das, was ihm Sorge macht, Gott zu tragen geben soll. Weil Gott schon selbst und von selbst, also ohne unser Zuthun, auf uns bedacht ist, darum sollen wir alles, was uns Sorge macht, statt es unser Gemüth beschweren zu lassen, auf ihn werfen, daß er es trage; sonst kommt es auch zu keiner rechten Beugung unter seine Hand, weil uns die Sorge da unruhig macht, wo wir stille halten sollten. Er wird Sorge tragen, daß wir unter dem, was er über uns verhängt, keinen Schaden nehmen. (V. Hofmann.) Die .Sorgen, welche die Christen, an die der Apostel schreibt, damals hatten, betrafen andere Dinge, als die um den Lebensunterhalt, die wohl jetzt die gewöhn- lichsten und verbreitetsten unter allen sind; sie betrafen den Haß der Welt, die großen Schwierigkeiten, in der Welt auszuhalten und unter immerwährenden schweren Versuchungen dem HErrn treu zu sein, die zunehmende Hitze der Verfolgung, den heißen Streit der Pilgrime Jesu und dessen seliges Gelingen. Gar sehr geneigt sind wir nun, uns den Sorgen zu ergeben, hinzu- brüten, zu seufzen und zu weinen und unter der Last zu zagen, ja unter dem ehernen Kreuz zu verzweifelm welches uns Gottes segnende Hand auferlegt; dem allen gegenüber soll man das Kreuz auf sich nehmen und die Sorge dem HErrn übergeben, fein Leid- und Seelenwehe aufgeben und Freudigkeit zu Gott haben auch unter schweren Umständen. (Löhe.) Drei Dinge mit einem S hat Gott sich vorbehalten: for» en, segnen, seligmachenz darum laßt uns Gott die hre geben und sagen: ,,weicht ihr finstern Sorgen, denn auf heut und morgen sorgt ein andrer Mann; laßt mich nur mit Frieden, Dem hab ich’s beschieden, der es besser kann«. (Besser.) Die Gläubigen steigen mit Abrahamtäglich auf den Berg Morijah, indem sie das Wort Abrahams zu ihrer Loofung nehmen (1. Mos. 22, 8): »der HErr wird’s versehen«; auf dem Berge wird’s der HErr versehen, nämlich auf jenem Berge der göttlichen Vorsehung, von wo die Hilfe herab- kommt Pf. 121, 1f. (Gerhard.) IN) Das Eine, wozu der Apostel ermahnt, war dies, daß die Christen sich demuths-, aber auch ver- trauensvoll unter die Hand Gottes beugen, um willig und getrost über sich ergehen zu lassen, was sie ver- hängt; das Andere nun ist, daß sie gegen den Satan auf der Hut sein und ihm Widerstand leisten, durch die Leiden, die er ihnen erweckt, sich nicht irre machen lassen sollen. Nüchtern, wach zu sein thut ihm gegenüber in der einen, glaubensfest zu sein in der andern Beziehung noth. Der Ausdruck ,,Widersacher« stellt den Teufel als den auf Erden bedrohenden Feind der Gläubigen vor; und nun vergleicht der Apostel diesen Widersacher der Christen mit einem vor Hunger und Beutegier brüllenden Löwen: wie dessen Brüllen die Thiere zittern macht, die seine Beute zu werden fürchten müssen, so bedräut der Teufel die Christen mit dem vor ihm hergehenden Schreckenx War es doch offene Feindschaft im Dienste Satans, welche sie mit Gewalt Christo abtriinnig machen wollte. Doch ist dies nur ein nebensächlicher Vergleichungspunkh den hauptsächlichsten bieten die Worte dar: »und suchet, welchen er verschlinge«, womit gesagt wird, worauf der Teufel ausgeht — er ist darauf bedacht, wen er aus der Heerde Gottes herausholen und sich zu eigen machen könne. Da gilt es denn, seinem Angrisfe, welcher diejenigen betrifft, die um ihres Christenstandes willen leiden müssen, und welcher furcht- bar ist, wie eines Löwen Angrisf auf ein Thier der Heerde, Widerstand zu leisten; und um ihn mit Erfolg leisten zu können, sollen sie glaubensfest sein — Glaube macht stark zu siegreichem Widerstand, aber nur den, der glaubensfest ist. (V. HofmannJ Was der Ver- sucher angreift, ist im Grunde immer der Glaube; aber im Glauben liegt auch der Sieg über den Satan, weil der Glaube uns mit Christo, dem Löwen aus dem Stamme Juda, der da überwunden hat, einigt. Durch den Glauben wird der Teufel verjagt, wie den Löwen das Feuer verjagt. (Gerhard.) Die Christen, an welche unser Brief gerichtet ist, befanden sich in großen Leiden, schweren Trübsalen und standen in dem Glauben, daß ihnen da etwas ganz Besonderes widersahre (Kap. 4, 12), daß sie die Einzigen wären, welche um Christi willen die Verfolgungen der Welt erfahren müßten; dieser Glaube war ein höchst gefähr- licher Wahn, der Widersacher hatte ihnen das weiß gemacht, er hat diesen Strick über sie geworfen, um sie in schwermiithige Gedanken hineinzuziehen und sie durch diese Schwermuth um ihren Glauben zu bringen. Darum schreibt der Apostel: »und wisset, daß eben dieselbigen Leiden über eure Brüder in der Welt gehen«. (Nebe.) Lerne diesen Spruch St. Petri wohl fassen, daß du nicht denkest, du leidest allein solche schwere greuliche Anfechtung und Stöße des Satan, sondern daß deine Brüder, nicht allein die todt sind, welche dir auch ein schön Exempel vorgetragen haben, sondern auch die da mit dir leben in der Welt, solch Schrecken gelitten haben und leiden; denn sie haben eben denselbigen Feind Christi und der ganzen Christen- heit, daß du magst fröhlich rühmen und sagen: »Gott sei gelobt, ich bin’s nicht allein, der da leidet, sondern mit mir ein schöner Hauf der ganzen lieben Christenheit auf Erden, meine lieben Brüder und Schwestern bis an den jüngsten Tag· (Luther.) Die Gemeinschaft der Leiden, die wir mit allen unsern Brüdern haben, und des Kampfes, in welchem sie nicht minder als wir stehen, zeigt uns zwar die Größe und Macht des greulichen Feindes, mit welchem wir es zu thun haben, aber auch die Größe des Heeres, welches der HErr ihm gegenüber in den Streit stellt, mit welchem er ja auch selbst ist, welches er nimmermehr verlassen kann, an dessen Spitze er vielmehr selbst steht. Unsere beiden Verse bildeten in der alten Kirche den täglichen Zuruf, mit welchem man beim letzten Abendgebet auseinander zu gehen pflegte. (Löhe.) f) Hat der Apostel bisher die Leser zu dem Ver- halten ermahnt, welches zur Bewahrung und Voll- endung ihres Heilsstandes von ihnen erfordert werden muß, so schließt er nun mit der tröstlichen Versicherung des Verhaltens Gottes, wodurch ihnen jenes er- möglicht werden wird; darum steht auch gleich, den bisher Angeredeten gegenüber, das »der Gott aller Gnade« mit einem »aber« betont an der Spitze des Satzest ihr eurerseits habt das zu thun, Gott aber wird seinerseits euch dazu kräftigen. Weil es sich also hier nicht mehr um einen fördernden, sondern ledig- lich um einen gnädigen und zu seiner Verwirklichu11g selbst in herablassender Liebe helfenden Willen Gottes handelt, so wird er als der Gott aller Gnade benannt, als der Gott, dem es wesentlich ist, alles, was irgend Gnade ist, zu erzeigen, indem auch nach Schluß der EpifteL Noch ein Wort in Beziehung auf Silvanus, und dann Grußbestellung 753 der einmaligen, grundlegenden Gnadenthat der Recht- fertigung und Wiedergeburt in all den mannigfaltigen Beziehungen, Verhältnissen und Widerfahrnissen, in welche dies gnädig neugeschaffene Leben forthin ein- tritt, überall und immer nur die Gnade Gottes an ihm fich vollzieht und ihm das geschehen läßt und das thun hilft, was zur Vollendung seines Heils erforderlich ist. Mit diesem ,,aller Gnade« weist also Petrus wieder auf den Gedanken zurück, daß auch die Leiden nicht als Zeichen göttlichen Mißfallens, sondern nur seiner Gnade anzusehen sind, die uns eben durch sie der Heilsvollendungzuführt (Schott.) Berufen hatsieGott durch das Evangelium nicht zu dem Kreuz, sondern zu derKrone, nicht zu den Leiden in dieser Zeit, sondern zu seiner ewigen Herrlichkeiy wenn nun gleich das ,,eine kleine Zeit leiden« allerdings seinen Grund indem hat, daß er sie berufen, so ist das doch nur darum der Fall, weil die, welche er beruft, er aus der Welt aussondert und nun diese sie als Abtrünnige haßt und verfolgt, aber wenn die Berufung auch nothwendig in solche Leiden hineinführen muß, so sind diese doch nur der Durchgangs-, nicht der Zielpunkt der Berufung. (Nebe.) Dieser Gott aller Gnade, so tröstet Petrus seine Leser, wird sie vollbereiten, d. i. alle ihre Mängel er- gänzen und sie vollständig fertig machen in Erkennt- niß, Liebe, Geduld und Hoffnung, so daß sie durch die Anfechtungen der Gegenwart zum Ziele hindurch- zudringen vermögen; er wird sie stärken, d. h. stützen, sie nicht in widerwärtigen Umständen oder im Gefühl der eigenen großen Schwachheit und Verlassenheit zusammensinken lassen, sondern wird ihnen einen derart festen Stand und Halt geben, daß sie nichts wankend zu machen vermag; er wird sie kräftigen, d. i. innerlich und äußerlich mit der Kraft versehen, die sie brauchen, um auf dem Wege zu i rem Ziel alle ihre Feinde uiederzukämpfen und zu ü erwindenx und er wird sie gründ en, d. h. durch Wort und Sacrament immer mehr hineinsenken in den rechten Grund, der nicht wankt und weicht, immer mehr einfügen in den Eckstein Jesus Christus, also daß durch sie in Gemein- schaft mit den Brüdern im Glauben der ganze Bau wachse zu einem heiligen Tempel in dem HErrn, zu einer Behausung Gottes im Geist. (Sommer.) ff) Das ist das Lobopfer, das wir Gott opfern sollen; denn weil er’s alles thut, unsre Seligkeit an- fähet und hinausführt, giebt uns seinen lieben Sohn ohn unser Verdienst, läßt ihn für unsre Sünde sterben, sendet uns den heil. Geist, der uns stärkt und tröstet durch unser ganzes Leben hinaus, erhält uns bei der reinen Lehre 2c., so ist billig Ehre und Preis deß, deß die That und Macht ist. (Luther.) Wie wir das Vaterunser beschließen mit Loben und der Erhörung unsrer Bitten uns kindlich versehen zu Dem, dem da ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit, ebenso preist auch Petrus den Gott aller Gnade, von dem er seinen Brüdern so Tröstliches verheißen kann. Solches Lob ist der Anfang eines Lobes, das in Ewi keit erschallen wird aus dem Munde der Seligen zum reife der Gottesmacht, die sie glück- lich durchgebracht. (Besser.) - Obwohl, wenn er dem Drange seines Herzens folgen dürfte, der Apostel noch viel unisänglictiey als hier geschehen, schreiben würde, so schließt er dorh seinen Brief hier ab; er sendet ja ihren treuen Bruder Siloanus mit demselben zu ihnen zurück, und dieser liann das Amt des Grmahnens weiter an ihnen ausrtchtem wenn sie nur vertrauen zu ihm haben, und daß sie unbedingtes ver— trauen zu ihm und überhaupt zu dem heilssiandy in welchem sie durch ihre Eehrer versetzt worden Und, haben hinnen, das bezeugt St. Petrus noch ausdriictilictx giebt es Dächs el’s Bibelwort VII. Band. aber auch durch die Größe, die er von seiner Umgebung bestellt, mittelbar zu verstehen. darnach fordert er sie zu wechselseitiger Selbstbegriißung in seinem Uainen durch den Eiebesliuß aus, und schließt daran seinen Segengwunsch an. 12. Durch euren treuen Bruder Silvanum [als Boten oder Ueberbringer Apostg. 15, 23., der als einen ächten Diener Christi und zuver- lässigen Haushalter über Gottes Geheimnisse fich an euch erwiesen hat 1. Cor. 4, 1 ff.], als ich achte, hab ich euch [mit dieser vorliegenden Epistel Philemon 21] ein wenig [im Vergleich mit dem, was ich wohl hätte schreiben können, wenn ich mich nicht hätte beschränken müssen Hebr.13, 22] geschrieben, seuchs zu ermahneu und sgleichzeitigs zu bezeugen, daß das die rechte Gnade Gottes ist, darinnen ihr stehet« ff. die Bem. zu Kap.1, 1 f. 12 u. 25]. 13. Es grüßen euch, »die sanimt euch [Kap. l, 1] auserwahlt sind sdie Christen hier] zu Vabhloiiien swo ich mich setzt befindes und mein Sohn [im geiftlichen Sinne 1. Tim. I, Z; Tit. l, 4] MaXkUZH [vgl. zu Mark. 16, 1 und die Schlußbem zum Evangelio St. Marci]. 14. Grußet euch unter einander mit dem Kuß der Liebe [Röm. 16, is; 1. Cor 16, 20; 2.» Eor. 13, 1»2; 1. Thess 5, 26]. Friede sei mit allen, die in Christo Jesu sindiit [Ephes. 6, 23 f.; 3. Joh. 15]! Amen. i) Mit den Worten: »als ich achte« will der Apostel das über Silvanus ausgefprochene Urtheil: ,,euer treuer Bruder« nicht etwa als eine bloße Meinung seinerseits hinstellen, die möglicher Weise mit dem Sachverhalt nicht übereinstimmte (vgl. das ,,dafür halten« oder ,,denten« in Röm. 3, 28; s, 18; Hei-r. 11,19), sondern vielmehr ausdrücken, daß er für dieses sein Urtheil uten Grund habe (und, insofern Sil- vanus nächst Sgaulus der vornehmste Lehrer derjenigen Gemeinden, an welche er schreibt, gewesen, auch damit bezeugen, daß, wie er sogleich weiter sagt, das die rechte Gnade Gottes sei, darinnen sie stehen). Die Absicht seines Briefs bezeichnet er. als eine zwiefache: er will sie erwähnen, und er will ihnen ihren Heils- stand als den richtigen bezeugen; beides hängt eng mit einander zusammen, denn kann er ihnen bezgugen, daß das die rechte Gnade Gottes sei, darinnen sie stehen, so folgt nun auch, daß er sie ermahneu darf, diese Gnade fich zu bewahren, folche Ermahnung war aber darum nöthig, weil sie unsicher geworden, ob die durch die paulinische Heils-predigt ihnen dargebotene Gnade die rechte sei. »Ein wenig«, sagt Petrus, habe er geschrieben: dem Drange feiner apostolischen Liebe und Fürsorge kommt das Gesagte nicht gleich; die Aufgabe, die er fich gestellt hat, scheint ihm noch ein Mehreres zu verlangen, aber er muß fich beschränken, und da sollen denn die Leser das Wenige um so gewissenhafter beachten, aber auch von Silvanus, den er als ihren treuen Bruder charakterisirt hat und der darum ihr volles Vertrauen verdient, das geschriebene Wort durch ein mündliches fich ergänzen lassen, vgl. 1. Gar. 4, 17. (Wiesinger.) IN) »Die sammt euch auserwählt sind zu Ba- bhlonien« —- das ist ein Gruß aus der Mitte der Brüderschaft in der Welt, über welche nach V. 9 eben dieselbigen Leiden ergehen. Den Markus nennt Petrus 48 754 2. Petri l, I. T. seinen ,,Sohn«, erstlich wohl, weil er ihn gezeugt hatte durch das Evangelium (1. Cor. 4, 15), denn Markus war ja ein Kind jenes gesegneten Hauses, das der jerufalemischen Gemeinde zur Herberge diente (Apostg. 12, 12); dann auch, weil er an ihm einen so treuen Gehilfen hatte, wie ein Vater an seinem Sohne, vgl. Phil 2, 22. .(Besser.) War nun die Gemeinde in Babylonien vornehmlich eine judenchristliche und stand Markus als Gehilfe des Petrus diese ganze Zeit daher seit dem Vorfall in Apostg 15, 37 ff. im Dienste der Mission unter den Juden, so sind auch diese Grüße ein Zeugniß, daß die judenchristlichen Gemeinden sammt ihren Aposteln und Dienern sich in Christo völlig Eins wissen mit den heidenchristlichen Gemeinden und deren älpostglnäänd Dienern« (vgl. den Schluß der Bem. zu up. , . . »Ist) Der Apostel fordert die Leser auf, wie zum Zeichen der von ihm gewiinschten Aufnahme des Briefs einander zu grüßen mit dem Kuß, in welchem sie einerseits die Liebe, deren Ausdruck der Brief ist, die Liebe des Apostels, in dankbarer Freude mit und für einander anerkennen, und andrerseits die Liebe, deren Stärkung und Belebung der Brief so angelegentlich anstrebt, nämlich die brüderlich - gemeindliche Liebe unter einander, sich gegenseitig auf’s Neue besiegeln und versprechen. So kann ihm dann dieser Liebeskuß auch die Bürgfchaftfein für die Erfüllung des Wunsches, mit dem er in Kap. 1, 2 seinen Brief begonnen, der demselben zu Grunde liegt und den er nun am Schluß mit den wenigen Worten ausspricht: ,,Friede sei mit allen, die in Christo Jesu sind«, des Wunsches näm- lich, daß sie alle an und in ihrer Gemeinschaft mit Christo jene selige, fröhliche Befriedigung und Be- ruhigung haben mögen, die weder Mangel noch Gefühl des Mangels, weder Anfechtung noch Furcht vor ihr kennt, sondern mit stillem, aber fiegesgewissem Herzen aus der Fremde der Heimath zueilr (Schott.) Wie 2. Epistel St. Petri. Wie der Schwanengesang Mosis, wie des Paulus Abschiedsrede an die Aeltesten von Ephesus, so ist auch dies letzte Wort des Petrus eine Prophezeiung künftiger Kämpfe, die er eben erst im Keime sich entwickeln sah. Wie es schon Paulus im Geiste gesehen hatte, so wurde es Petrus gewahr, daß das Geheimnis; der Bosheit in Wirksamkeit stehe; an einzelnen Erscheinungen mag es sich schon gezeigt haben, und aus diesen Anfängen erkannte der Apostel den künftigen Fortgang des Uebels und das endliche Gericht. So hatte Christus selbst gesagt, daß nach geschehener Aussaat des guten Samens auf dem Acker der weiten Welt der Feind kommen und heimlich das Unkraut aus- streuen werde, nämlich die Kinder der Bosheit —- Menschen, in denen das Böse eine Stufe erreicht, wie vorher noch nie; denn wirklich steht der Christ, wenn er ungläubig und lasterhaft wird, auf einer Stufe, zu der es kein Gottloser im Heidenthum oder Judenthum jemals gebracht hat. Das 1. Kapitel. Ifon des Glaubens Fruchtbarkeit in guten Werken, und Lob heiliger Schrift. A. sc: dreifache: weis: weicht gleich dieeuschkist dieses zweiten Briefes St. Petri (2lnh. II zum S. Bande: b, 4) oon der des ersten als: zunächst hinsichtlich der Selbsibenennung des Verfassers, denn der ßlh früher blos Petrus nannte, nennt sitt) nun vollständiger Simon Petrus; sodann hinsichllich der amtlichen Selbstbezeictjnung denn an Stelle des bloßen »ein Apostel Slesu Christi« begegnet uns hier das erweiterte »ein Knecht und Apostel Jlesu tllhristi«; endlich hinsichtlich der Bezeichnung der Leser fehlt die ört- liche Angabe, die Ausdrücke aber sind so gefaßt, daß man hier schon merkt, die Geiste! richtet sich an die, welchen die erste bereits nachgewiesen hat, daß das die rechte Gnade Gottes sei, darin ße stehen. Und nun erfährt auch der ans der ersten Gpistel wiederholte Gruß mit Rsieiisccijt auf das, worauf es dem Apostel für dies Mal bei den Eeseru hauptsäozlicix ankommt, darauf nämlich, daß ihre Erkennt— niß Gottes und Christi durch naehtheilige ketzerische Ein— ersiiexschq tiässe nicht atterirt werde, sondern he vielmehr in der rechten, heilsamen Erkenntnis. wachsen, eine Erweiterung durch den angefügten Zusatz. 1. Simon Petrus [Matth. 16,16 ff.; Luk. s, 8], ein Knecht und Apostel Jefu Christi [Röm. 1, i; Tit. I, 1; Jak.1,1; Judä 1], denen, die mit uns [den Gläubigen aus der Beschneidung V. 16; Apostg. 10, 36 ff.; Ephes l, 12; 2, 3.17] eben denselbigen theuren Glauben über- kommen sApostg 1, 171 haben sals der von gleichem Werthe und gleicher Geltung mit dem unsrigen ist] in der Gerechtigkeit, die unser Gott giebt, und der Heiland Jesus Christ* sindem ja diese Gerechtigkeit ihnen eben so gut, wie uns, vermöge der seligmachenden Kraft beiderseitigen Glaubens verliehen worden ist Apostg 11, l7; 15, 9 ff.]: 2. Gott gebe euch viel Gnade und Frieden [1. Petri I, L] durch die Erkenntnis Gottes Der andern Epistel Eingang: erweiterte Selbstbezeichnung und erweiterter Gruß. 755 [V. Z; Col. 2, 2] und Jesu Christi, unsers HErrn «· [V. 8; g, 20; 3, 18;Joh. 17, 3]. «) Für die Bestimmung der Zeit, in welcher Petrus diese seine zweite Epistel geschrieben, ist von Wichtigkeit die Stelle Kap.3,15 f., wo er des Paulus, seines lieben Bruders, in einer Weise gedenkt, daß man deutlich merkt: I) derselbe ist noch am Leben, kann aber nicht selber mehr, wie vordem, an die von ihm gestifteten Gemeinden schreiben, um gegen den Mißbrauch, der mit seinen früheren brieflichen Auslassungen getrieben wird, sich zu verwahren; 2) Petrus ist bei ihm und hat von ihm, für den das Ende seiner apostolischen Laufbahn herbeigekommen ist, das apostolische Amt auch an seinen Gemeinden über- nommen und schreibt nun in apoftolischer Aucto- rität an die Briefempfänger, während er in der früheren Epistel sich zwar auch als Apostel Jesu Christi bezeichnete, aber doch den Lesern nicht als ihr Apostel älegenüberstand sondern nur als Mitältester ihrer eltesten und als Gewährsmann für die Zuverlässigkeit des Gnadenstandes, in welchen sie durch ihre Lehrer Paulus und Silvanus versetzt worden waren. Haben wir nun im Laufe unsrer bisherigen Untersuchungen die Ueberzeugung gewonnen, daß die Epistel Pauli an die Philipper das letzte S riftstück dieses Apostels und von ihm gegen Ende des . 62, doch noch vor Ein- bruch des Winters, oder, wenn’s hoch kommt, im Frühjahr 63 n. Chr. verfaßt ist, sein Märtyrertod aber etwa im Sommer des J. 63 erfolgte, so er«iebt sich als Abfassungszeit für die 2. Epistel St. etri die Zeit zwischen diesen beiden Terminen, also das zweite Quartal des letztgenannten Jahres; daraus erklärt sich, daß einerseits des Petrus im Philipperbriefe noch ebensowenig wie in einem der früheren paulinischen Briefe aus der römischen Gefangenschaft Erwähnung geschieht, denn derselbe war eben bei dessen Abfassung noch nicht in Rom angelangt, und daß andrerseits unser Apostel in der vorliegenden Epistel einer andern persönlichen Selbstbenennung und amtlichen Selbst- bezeichnung sich bedient, als in der ersten. Was die erstere betrifft, so bemerkt v. Hofmann, indem der Apostel sich Simon Petrus nennt, stellt er sich, zumal er bei ,,Simon« nach besserer Lesung im Grund- text die der hebräischen Form am nächsten kommende Schreibung: ,,Symeon« (Luk. 2, 25; 3, 30; Offenb. 7, 7) beobachteh seinen Lesern recht geflissentlich als den Juden dar, den der HErr dazu verordnet hatte, der Fels zu sein, auf welchem er seine Gemeinde auf- bauen wollte; er ist also sich guten Rechtes bewußt, wenn er seines lieben Bruders Paulus Erbe in den diesem bisher zugehörigen Gemeinden übernimmt und in die apostolische Stellung u ihnen eintritt. Nun ist er aber ein Apostel der Beschneidung mit den Andern, die zur Zwölfzahl gehörten, seither gewesen (Gal. 2, 7 ff.); aber das hindert nicht, die in der Vorhaut Berufenen aus der Pflege des Apostels der Heiden in die seinige zu übernehmen und sie ganz so zu behandeln, als wären sie seine eigenen geist- lichen Kinder (vgl. V. l2 ff.), denn sie sind solche, die, so sagt er ohne nähere Nachweisung hier, da er diese schon in der früheren Epistel gegeben hat (1. Petri 5, 12), mit uns, den Gläubigen aus der Beschneidung, eben denselbigen theuern Glauben über-kommen haben. Und zwar erweist sich der gleiche Werth des Glaubens der einen mit dem der andern »in der Gerechtigkeit, die unser Gott giebt und der Heiland Jesus Christus« —-—— es haben die einen so gut wie die andern in dem Glaubensstaude, in den sie versetzt worden sind, die Gerechtigkeit erlangt, die Gott als eine vor ihm giltige (Röm. Z, 21 u. 25) und der Heiland Jesus Christus mittelst der von ihm bewirkten Versöhnung (1. Petri Z, 24; Z, 18) verleiht; und wegen dieses gleichen seligen Erfolgs muß der Glaubensstand der einen auch gleichen Werth, gleiche Geltung haben mit dem der andern. Durch Namhaftmachung der Gerechtigkeit führt Petrus hier schon einen Begriff ein, auf den er dann besonders im 2. Kapitel (V. 5. 7f. 21) so großes Gewicht legt, um als das gerade Gegentheil davon die gottlosen Verführer, vor deren Zukunft er warnt, erscheinen zu lassen (V. 9 u. 13 ff.); und wenn er nun schließlich in Kap. Z, 13 den neuen Himmel und die neue Erde, deren wir warten, ebenfalls als solche be- zeichnet, in welchen Gerechtigkeit wohnt, so wird sich nicht behaupten lassen, der Abschnitt von Kap. 1, 20 bis Kap. Z, 3 enthalte eine Einschaltung von späterer Hand, wie aus dem gleichen Anfang: »das sollt ihr für das Erste wissen« deutlich hervorgehe, es trete die Grundgestalt und fest geschlossene Einheit des Briefes erst dann wieder klar hervor, wenn man diese Ein- schaltung, womit jemand die Gnostiker seiner Zeit in Worten aus der Epistel Judä habe bestreiten wollen, wieder ausscheide und nach Kap. 1,19 beim Lesen sogleich zu Kap. Z, 3 übergehe. Es verhält sich viel- mehr so, daß, während im 1. Briefe auf dem Grunde des Glaubens die Hoffnung als Kern des inner- lichen Christenlebens erscheint, im 2. Briefe statt der- selben die aus demselben Grunde ruhende Gerechtig- keit hervortritt; aber beide Briefe laufen doch inso- fern wieder auf Eins hinaus, als der zweite nach- weist, wie nur beim Befitz der Gerechtigkeit ein Christ zum Ziele der im ersten Briefe so eingehend be- sprochenen chriftlichen Hoffnung gelangt, und für diesen Nachweis ist das Kapitel so unent ehrlich, daß dem Briefe man das Herz aus dem Leibe nähme, wollte man dieses Kapitel ausscheiden. Daß er in demselbigen fast die gleiche Sprache mit einem andern judenchrist- lichen Apostel redet, will Petrus, so scheint uns, gleich von vornherein selber damit andeuten, wenn er seine Leser» hier als solche bezeichnet, die ,,mit un s«, den durch die Apostel der Beschneidung repräsentirten Juden- christen, eben denselbigen theuern Glauben überkommen haben; und welchen Apostel er dabei als den allein hier in Betracht kommenden speziell im Sinne hat, sagt er damit, daß er der amtlichen Selbstbezeichnun des 1. Briefes: »Apostel Jesu Christi« im Anschluß an Judä V. 1 (vgl. Jak. 1, 1) noch das ,,Knecht« voranstellt. Hieraus ergiebt sich, daß nicht, wie man in irrthümlicher Auffassung der Worte in Judä V. 17 f. vielfach annimmt (und wie auch wir demzufolge früher gemeint haben), die Epistel St. Judä an die nämlichen Gemeinden gerichtet ist, an welche Petrus hier schreibt, sondern an judenchristliche, und nicht einer späteren, sondern einer etwas früheren Zeit angehört, als die vorliegende Epistel. Es) Der Gruß ist seinem eigentlichen Grundstock nach in diesem Briefe ganz gleichlautend mit dem des ersten Briefes; aber während in dem »letzteren, wo der Apostel angefochtene und dadurch wegen der Zu—- verlässigkeit ihres Gnadenstandes ängstlich gewordene Gemüther zu beruhigen hatte, er es mit der Anwiinschung einer Mehrung des Besitzes von Gnade und Frieden konnte bewenden lassen, weil eben darauf die Absicht seines Schreibens hinauslief (1. Petri 5, 12), liegt ihm hier ein ganz andrer Stand der Dinge vor. Jn den zwei Jahren, die seit jener Epistel verflossen, sind die Leser Zgzestärket worden in der gegenwärtigen Wahrheit ( .12) und befinden sich der heidnischen Umgebung gegenüber in einem festeren Stande des Glaubens und der Hoffnung (Kap. Z, 17); vielleicht 488 756 2. Petri 1, 3—9. hatte sich auch durch irgend welche Umstände ihre Lage von außen her dahin geändert, daß jetzt mehr die Juden, als die Christen, es waren, gegen welche die Mißstinimung der Heiden sich wendete, daher es ganz erklärlich ist, daß Petrus jetzt des früheren Leidens- standes nicht mehr gedenkt. Dagegen drohte denselben Gemeinden statt der äußeren Anfechtung nun eine innere Seelengefahr. Der Widersacher der Christen, der Teufel, schreibt Besser, ist ein Mörder und ein Lügner (Joh. 8, 44), Mord und Lügen sind seine Waffen: durch’s Morden greift er den Leib an. um auch die Seele zu verschlingen; mit Lügen greift er die Seele an, um Leib und Seele zu Verderben. Zu Werkzeugen seines Mordgeschäfts, als des gröberen, bedient er sich derer, die draußen find; zu seinem Lügengeschäft dagegen, dem feineren und fchwierigeren, braucht er Knechte innerhalb der Kirche, besonders unter den Lehrern. Als Mörder und Lügner ging er auch umher unter den Gemeinden, an welche der Apostel Petrus seine beiden Briefe geschrieben hat; hat er daher im ersten seine Brüder zum Wachen und Widerstehen ermahnt gegen das Heer des Teufels, welches draußen die Festung der Kirche bestürmte, so ermahnt er sie jetzt in dem zweiten zum Wachen und Widerstehen gegen die Spione des Teufels, welche drinnen in der Festung Verrath und Abfall anzustiften anfingen. Liegt nun schon darin, in diesem ver- schiedenen Stande der Dinge, mit welchem der Ver- fasger es zu thun hat, ein wichtiger Grund, warum die äu ere Gesammtgestalt unsrer Epiftel ein andres Ge- präge zeigt, als die der früheren, so kommt als zweiter hinzu die verschiedene Stellung, welche Petrus jetzt im Vergleich mit ehedem zu den betreffenden Gemeinden einnimmt: das vorige Mal stand er ihnen nur erst als Anwalt ihres eigentlichen Apostels, des Paulus, gegenüber und suchte die demselben sich entfreindenden Gemüther ihm und seiner Sache wieder zuzuführen, dies Mal aber steht er an Pauli Statt, in dessen Rechts- nachfolge er eingetreten; während er denn das vorige Mal seine eigene Individualität geflissentlich zurück- drängte und mit möglichster Treue so zu schreiben suchte, wie paulinische Gemeinden von ihrem Apostel es gewohnt waren, konnte er dies Mal freier und selbst- thätiger zu Werke gehen und diejenige Weise walten lassen, die er auf dem judenchristlichen Arbeitsfelde, von wel- chem er herkam, gewohnt war. Und so wird es uns nicht mehr so völlig räthselhaft erscheinen, wenn namentlich der mittlere Theil der vorliegenden Epistel eine so große Verwandtschaft mit der Epistel St.Judä, dieses judenchristlichen Apostels, mit welchem er die letzten Jahre daher in engerer Verbindung gestanden und der zu Babylon das Werk weiter fortsührt, das er selber vordem betrieben hat (1. Petri 5, 13), an den Tag legt, wobei außerdem in Betracht kommt, daß die Irrungen und Verwirrungem welche in die Eeidenchriftlichen Gemeinden von Cappadociem Galatien, ontus, Bithynien und Asien einzudringen schon an- gefangen haben und künftig noch viel ärger ihr Un- wesen daselbst treiben werden, ihre Geburtsstätte in jenen judenchriftlichen Gemeinden von Mesopotaniien und Syrien haben, an welche der Brief Judä gerichtet ist. Es drohen diese Irrungen und Verwirrungen, wie wir sie nachher werden näher kennen lernen, die Gemeinden um die Gerechtigkeit ihres Gottes und des Heilandes Jesu Christi, die durch den vermittels des lauteren Evangelii in ihnen gegründeten Glauben ihnen zu Theil geworden, und damit um die Hoffnung ihres Berufs zu bringen; da gilt es denn, um derselben sich u erwehren, die rechte Erkenntniß Gottes und Jesu hristi festzuhalten, sie nicht irgendwie durch die von den Jrrlehrern ausgebrachten Meinun en und Grund- sätze sich rauben zu lassen (Col. 2, 1ff.), dagegen aber zu wachsen in der Gnade und Erkenntnis; unsers HErrn und Heilandes Jesu Christi (Kap. Z, 18 ff.); deshalb fügt Petrus dem aus der ersten Epiftel herübergenommeneii Gruß, womit er auch diesmal an seine Leser sich wendet, noch den obigen Beisatz hinzu: ,,durch die Erkenntniß Gottes und Jesu Christi, unsers HErrnC Der ungläubi en Verkennung Gottes und Christi, die da einzurei en droht, ist naturgemäß gleich hier die gläubige Erkenntniß ge»eniibergestellt, und zwar nicht eine logische, abstrakte rkenntniß, die in einem bloßen Wissen des Kopfes besteht, sondern jene Erkenntniß, welche wesentlich eine Anerkenntniß und Aneignung des Erkannten ist (Amos Z, 2 Anm.). Wie also im ersten Briefe die Hoffnung und die immer entschiedenere Ergreifung dessen, was sie vorhält, das Gegengewicht gegen den Andrang der äußeren Leiden bildete (1. Petri l, 13), so bildet nun hier im zweiten Briese den Versuchungen gegenüber, die das Umsich- greifen falscher, den Inhalt des Glaubens verachtender und verkehrender Lehrmeinungen und Lebensgrundsätze bereitet, die rechte,- das Herz erfüllende, den Wandel beherrschende und immer mehr in die Gerechtigkeit einführende Erkenntniß dasjenige Gegengewicht, wel- ches die Schwere der drohenden Gefahr auswiegt. Man hat freilich vieles vorgebrachh um die Aechtheit der 2. Epistel St. Petri zweifelhaft zu machen, und allerdings wird sich diese niemals mit so haarscharfen Gründen erweisen lassen, daß keine Angriffe mehr möglich wären; daß aber, so sagen wir da mit S chaff, die öttliche Vorsehung, welche so augenscheinlich über der bfassung und Sammlung der apostolischen Schrif- ten gewacht hat, das Einschleichen des Produkts eines Fälschers in die heil. Urkunden des Christenthums ge- stattet habe, das mögen digenigen glauben, welchen ihre sog. Wissenfchaft und ritik über dem Glauben steht, wir dagegen bekennen offen, uns dazu ohne absolut zwingende Gründe nicht verstehen zu können, und halten, solange solche nicht vorliegen, unsern Brief für eine apostolische Schrifh welche mit vollem Recht ihren Platz im Kanon behauptet und auch für unsre Zeit die ernstesten und wichtigsten Mahnungen enthält. B— idem nun folgenden, bis Kur. Z, 16 reichenden lhaupttheil des tsriefg geht zwar nicht wieder in so unmittelbare: weise, wie beim früheren tlzriefe (1.lj1etrl l, 3 sf.), ein grundlegender Eingang voraus, wohl aber gesihiehi hier etwas Kehnlichm wenn jeder der beiden Jibschnittg in welche dieser haupttheil zerfällt, in zwei Unter— lheile sich zerlegt und da von dem einen llntertheil zum andern jedes mal ein eigener Uebergang mit einigen Versen gebildet wird, in denen der Apostel sich darüber aussnrichn wag ihn zum Schreiben bestimmt und wag er daniit beabsichtigt; und ferner ist der hauptiheil dieser Geiste! zwar auf der einen Seite auch wieder erniahnenden, aber auf der andern Seite nicht abermals iröslendcw sondern dafür nun weissagenden und in Folge dessen warnenden Inhalts, wag mit der veränderten Sachlage, von der wir zu b. 2 geredet haben, zusatnmenhängh I. v. 3——21: der erste, ermahnende Yöschnitt für die Gegenwart. Derselbe enthält eine zwiefache Mahnung, zuerst zum Fleiß in der nothwendiger: Hei— 1ignng, und sodann zur Treue in der mohlverbiirgteli Hoffnung; zwischen beiden Mahnungen liegen einige Verse, welche den Ellebergang von der einen zur andern bilden, die wir in unsrer Jnhaltesiberticht beide Male zum zweiten Jlbsehnitt hinzunehmen werden. Haupttheil der Epistel Der erste, ermahnende Abschnitt für die Gegenwart. 757 a. V. 3—l1. Der Apostel hält seinen Lesern die em- pfangene Begabung durch Christum, welche sie mit gdttlictjer tfraft in der Erkenntnis) dessen, der sie durch seine herrliihlieit und Tugend berufen, versagt, ncit allem, »was zum Leben und göttlichen Wandel dient, ausgerastet and·mit den· allergröslten Verheisliiugen heslzchenflitllhahhwirä life dereinst der göglicheiilljerrlichlieit eleroenleiati eden, adm d «- däiiglicheii Lust der llsellv find dxm dearaiclehaefleiiviieeb Bei-derben entflohen siiid, in feierlicher Rede vor, und niipst nun daran die eindringliche Ermahnung, d"e lllncht ihresGlaiihens in der allsseitigeii Enisatiunkg eines chrisklnheii Lebens zu bewahren und so die empsungene Gnade mit Dnrreichcing dessen zu ver- gåltzixis Strom) sie Jilhnen nach Gottezlvillen gegeben i . —7. n einer solche areichni aller den iikjrisitichlen Glauben heihätigenndeii Tbgendelä wie der iioskel ie einzeln bezeichnet hat, diirsen e d"e Leser nich! fehlen lassen, sonst wären sie in ihrers Et- liennlnisl des yErru Jesu Christ: sanl nnd unfrucht- bar, nnd wurden mct denen, die er- wirkilirh daran sehlendlakslstemschsich Eile» diilinxdke niid mit der Hand la en e en "en, i «· « « Sibfdeii vergessen, ernieieseiizerthnbtlfilsJtczibklgbtf den: angezeigten lpege ihre Berufung nnd Grioiihlnng tdeskfzii »iziacheuB, so, werdet] sie anchdsicher znstiii Ziele ie er irer eruiin ean en d ei i weiten, freien Eingaikg ghabeei zuundem Seinigen Pf? unsers lJGrru nnd heikandes Jesu Christi (V. 8—11). Z. Nachdem [in Christo Jesu V. 2., wie FuchDwohlCIJIiewUßTJtJ allslrleifegiesr göttliLchkn M clklkcl UUg VII cl cM a zum c cU a des Todes, dem wir von Natur verfallen sind Jvhi S, 53;·Cvl·»2, 13] und göttlichen Wandel szurG otts eli gteit statt der Gottesvergessenheih in der der naturliche Mensch dahm geht]«d1enel, uns [die wir denselben Glauben mit einander überkomnien haben V, l] geschenket ist [vgl. I. 11, 7115 duörchllxe Hirgeniktxißsießdsisottesz - er! - « « JV - ck Uns berufen hat durch seine Hdrrlichkeit sherrliche Gnade Eljhefz I; S; Gal- l, 151 undTngeiidt [s. v. a. Zrcxiftigksitl oger Krgft 41]. Petri 2, 9; Ephes l, .« g . ihm. « « 4.’ Durch weiche ksexkiichkeit und Tugend unsers BerUfersJ uns szugleich für die Zukunft] die theureu und allergroßesteu Verheißungen ge- schenkt-t sind [V. 11; 3, 13;»1. Petri H, los, namlich, daß ihr durch dasselbige stvas ihr xetzt sCclzfnstemfjolsaxgen halähballerlecddertgkgicheåisKrgfk U l, a zllm c cll UU gO lctl clkce dient V. Z] theilhaftig werdet der göttlichen Natur El. This] 2l]; so ilg slisikhet dhie svergänxzskiche Lust er e eren ient eu tatt de en viel- mehr in’s Verderben stürzen würde l. Petri T, 1.l; 1. Joh. 2 16f.]: Z, So wendet allcit euren Fleiß daran [Dem, der o Herrliches und Großes euch geschenket hat, als Gegengabe zu bringen, was ihr ihm schuldig se1d], und reichet dar in euerin Glauben sdenuhr überkommen habt V. l] Tugend [Tüch- tigkeit, Thatkraft V. 3 — das Wort »Tugend« hat in den wenigen Schriftstellen, wo es vor- kommt, einen etwas andern Sinn, als den der jetzige Sprachgebrauch damit verbindet], Und in der Tugend Beseheidenheit sbei Luther nicht s. v. a. Mäßigung in Wunsch und Anspruch, sondern das Vermögen, Bescheid zu wissen, also Einsicht, Verstand —— die revidirte Ausgabe des neuen Testaments hat: Besonnenheit], b. Und in der Bescheideuheit Miißigkeit [die alles dessen sich enthält, was unzuträglich oder gar seelengefährlich ist l. Cor. 9, 25; 10, 23], und in der Miißigkeit Geduld swenu ihr müsset Schlimmes über euch ergehen lassen Röm. l5, 4], und in der Geduld Gottseligkeit [die alles aus Gottes Hand hinnimint und in der Gemeinschast mit ihm, wie sie selber nichts Störendes hineinträgh so auch durch nichts sich stören läßt] 7. Und in der Gottseligkeit brudcrliche Liebe [gegen die, die auch schon Gottes Kinder ge- worden durch den Glauben an Christum Jesum l. Petri l, 22 f.; 2, 17; 4, 8], und in der briiderlicheu Liebe [1. Thess 3, 12; Gut. 6, 10] gemeine Liebes« sLiebe gegen die Menschen über- haupt, selbst gegen Feindes. 8. Denn wo solches swas alles ich hier ge- nannt habe: Glaube, Tugend 2c.] reichlich bei euch ist sindem ihr immer mehr in diesen Stücken christlicher Lebensverfassung wachset und zunehmet], wird-s euch nicht faul noch unfruchtbar sein lassen [sondern vielmehr euch gar rührig und fruchtbar machen, wie ihr das ja sein sollt] in der Er- kenutniß unsers HErrn Jesu Christi sCol 1,10f.; Tit. 3, 14; Ephes 4, 13]. 9. Welcher aber solches sdas in V. 5—7 Aufgeführte] nicht hat, der ist blind ffür das, worin das Wesen des Christenthums besteht 1.Joh. 3, S] und taphet mit der Hand sals einer, der den rechten Weg nicht finden kann Apostg. l3, 1l; l. Joh. 2, 11], und vergißt swörtlicht erg reift als etwas, das der fleischlichen Lust bequem ist, das Vergessen] der Reinigung seiner vorigen Sünden-s [die ihm zu Theil ge- worden, als er sich mit der Bitte zu Gott um ein gutes Gewissen I. Petri 3, 21 auf den Namen Jesu taufen und mit dem Wasser der Taufe seine Sünden sich abwaschen ließ Apostg. 22, l6]. s) Hinter dem Segensgruße V. 2 beginnt der Brief gleich dem ersten (1. Petri I, 3 ff.) mit einer umfäuglichen Periode, die aber dies Mal aus einem Vordersatze und einem Nachsatze besteht. Der Vorder- satz besteht zunächst in einem mit ,,nachdem« einge- führten Satze, der an etwas erinnert, dessen Erwägung die Leser bestimmen soll, das zu thun, wozu der Nach- satz ermahnen will. Das unbenannt gelassene Subjekt desselben ist der zu Gott erhöhete Heiland Jesus Christus, und was nun dieser aus der Fülle der gött- lichen Kraft, die ihm zu Gebote steht, uns geschenket hat, bezeichnet der Apostel mit den Worten: ,,alles, was zum Leben und göttlichem Wandel dient«. Das 758 2. Petri 1, 9. Leben nennt er zuerst als das Gut, in dessen Besitz wir durch das uns Geschenkte gelangen sollten, und dann den göttlichen Wandel als das Rechtver- halten, ohne welches wir dieses Gut nicht besitzen könnten; der Ton liegt aber auf dem vorangestellten ,,alles« einerseits und dem an’s Ende gestellten ,,ge- schenket ist« andrerseits· Alles, was zum Leben und göttlichen Wandel dient, ist aus der göttlichen Kraft Jesu Christi uns geschenket, die wir von Natur un- fähig sind, es zu besitzen; wir haben also keine Ent- schuldigung, wenn es bei uns zu dem nicht kommt, wozu es dient, wir haben dann das, was uns geschenket ist, ungenützt gelassen. Der Apostel sagt aber auch, wodurch es uns Christus geschenket hat, nämlich durch die Erkenntniß dessen, der uns berufen hat; und sagt ferner, was Gott damit, daß er uns berief, bethätigt hat. Es entspricht aber das, wozu das uns Geschenkte dient, dem, was Gott mit seiner Berufung bethätigt hat; denn »Herrlichkeit und Tugend« verhalten sich zu einander ähnlich, wie ,,Leben und göttlicher Wandel«. (v. Hofmann.) Der durch seine Gotteskraft uns alles geschenket hat, ist Christus, dagegen der uns berufen hat, ist Gott der Vater; unsere Erlösung beruhte auf seinem ewigen Rathschluß, er berief uns in der Zeit dazu durch seine Herrlichkeih d. i. seine herr- lichen göttlichen Eigenschaften, nnd seine Tugend, d. i. seine Gotteskraft. Und wie wir verfinstert waren durch die Sünde und die Entfremdung von ihm, so schenkte uns Christi göttliche Kraft alles zum Leben und zur Gottseligkeit in seiner lebendigen, aneignenden Erkenntniß (v. Gerlach.) Siehe, nicht erst durch Frömmigkeit erlangen wir das Leben, sondern die göttliche Herrlichkeit bringt das Leben, die göttliche Kraft die Gottseligkeit; dem einen ist das Verderben, dem andern die Lust entgegengesetzh davon in V. 4 die Rede, indem es dort für ,,vergängliche Lust der Welt« wörtlich heißt: «Verderben in der Lust, das in der Welt ist«. (Bengel.) VI) Eine fünfgliederige Reihe stellte sich in V. 3 dar: Gottes Herrlichkeit und Tugend bildete den Aus- gangspunkt, unser Leben und göttlicher Wandel den Endpunkt; dazwischen lag unsere Berufung, welche Gottes Werk kraft seiner Herrlichkeit und Tugend ist, dann die von Christo in uns gewirkte Erkenntniß dessen, der uns berufen hat, und hierauf unsre durch sie vermittelte Begabung mit dein, was uns zum Leben und gött- lichen Wandel dient. Aber außer dem, was uns Christus sofort und für die Gegenwart zu Leben und göttlichem Wandel Dienendes geschenkt hat, sind uns auch Verheißungen geschenkt, die sich einst an uns verwirklichen werden: damit fügt ein sechstes Glied der Reihe sich an. Der Apostel nennt sie theure Ver- heißungem als deren Erfüllung in den Besitz werth- vollen Gutes setzt, im Unterschied von denen, die nur auf Zeitliches und Jrdisches lauten, wie solche für die alttestamentliche Zeit gegeben waren (Hebr. 8, 6); und er nennt sie die allergrößesten oder sehr großen, weil es hohe Dinge sind, in denen sie sich verwirk- lichen· (v. Hofmann.) Diese Verheißungen hat er aber nicht etwa blos mit seiner Berufung verbunden, sondern nach seiner Herrlichkeit und Tugend hat er sie uns geschenket, den Erfolg dadurch möglich gemacht, daß wir durch dasselbige, nämlich durch die aus Christi Fülle empfangenen göttlichen Kräfte, nun auch der göttlichen Natur theilhaftig werden sollen, wenn wir fliehen die vergängliche Lust der Welt, oder genauer, das Verderben, was in der Welt ist, d. i. in ihrer Lust. Große Aussicht! Hier wird es nun deutlich gesagt, wie es eigentlich mit dem Leben und dem göttlichen. Wandel gemeint ist, dazu wir gelangen sollen: nicht etwa so, daß wir, bildlich geredet, zu einer gewissen Aehnlichkeit Gottes gelangen, wobei Gott und sein Erlöster immer getrennt und aus- einanderbleiben, sondern es soll zu der allerinnigsten Vereinigung zwifchen ihm und uns kommen, so daß er in uns und wir in ihm sind, nicht gleichnißtveiie sondern dem Wesen nach. Wir, von der Erde ge- nommen und selbst Erde, sollen dessen theilhaftig werden, was wir jetzt nicht besitzen, der göttlichen Natur und des göttlichen Wesens, so daß das ewige und unvergängliche Sein dessen, dessen Jahre für und für währen, in dem kein Wechsel ist von Licht und Finsterniß und dessen Treue ist heute, wie gestern, und in alle Ewigkeit, daß dies Sein nun auch unser Sein ist; kurz, er selbst will unser sehr großer Lohn sein, wie er im Anfang seiner Wege zu Abraham sprach. (Schlichthorst.) ,,Theilhaftig werdet der göttlichen Natur«: dies ist ein solcher Spruch, dergleichen nicht steht im alten und neuen Testament, wiewohl es bei den Ungläubigen ein gering Ding ist. Was ist aber Gottes Natur? es ist ewige Wahrheit, Gerechtigkeit, Weisheit, ewig Leben, Friede, Freude und Lust, und was man gut nennen kann. Wer nun Gottes Natur theilhaftig wird, der überkommh daß er ewig lebt und ewigen Frieden, Lust und Freude hat und lauter, rein, gerecht und allmächtig ist wider Teufel, Sünde und Tod. (Luther·) TM) Weil alles zum Leben und göttlichen Wandel Dienende von Christo uns geschenket ist, deshalb sind wir allen unsern Fleiß schuldig, aus dem geschenk- ten Schatze göttlicher Gabe und Gnade hervorzuholen und darzureichen, was dazu dient, daß in allen Dingen Gott gepriesen werde durch Jesum Christum (1. Petri 4, 11). Als ich eines Frühlings mit einem frommen Bauer zwischen üppigen Saatfeldern hinfuhr und im Gespräch äußerte: »so müßten wir auch stehen«, gab er zur Antwort: »ja, der Boden ist darnach«- (Besser.) Jhr habt ein gut Erbe und guten Ackerz so sehet zu, daß ihr nicht lasset Disteln und Unkraut darauf wachsen. (Luther.) Eine volle Ausgestaltung heiligen Christenlebens ist’s, was der Christ soll Gott als Gegenleistung darbieten, damit dieser darin, als in dem Thatbeweis von der Verwirklichung seiner Liebes- absicht bei dem, was er in Christo Jesu uns geschenket hat, am Christen Wohlgefallen und Befriedigung finde. Gleich zuerst nennt Petrus als die Basis, auf welcher, als den Rahmen, in welchem solche Ausgestaltung heiligen Christenlebens dar ereicht werden soll, den Glauben; in ihm hat der hrist das göttliche Leben einmal sich angeeignet zum fortwährenden Besitz. Der Glaube nun, den die Leser haben, ist ihr vorhandener Glaubensstand, ersoll die ganze folgende Mannigfaltigkeit sittlichen Verhaltens als sittliche Qualität in sich schließen und aufweisen; die Beschreibung kann also nicht gemeint sein als Beschreibung der organischen Reihenfolge, in welcher nach und nach, gewissermaßen gradweise, die einzelnen Stücke eines ganzen christ- lichen Lebens werden, sondern als sittliche Bestimmt- heiten sollen alle diese Verhaltungsweisen zumal im Glauben schon besaßt sein, so daß nur, je nach der inneren oder äußeren Lage, die eine oder die andere heraustritt, und das Prinzip der Aufzählung ist dies, daß immer gesagt wird, welche weitere sittliche Be- stimmtheit einer jeden von ihnen einwohnen müsse, damit sie selbst, nahe liegende Verirrung vermeidend, rechter Art sei. Es ist kein zeitliches Nacheinander, sondern ein sittliches Jneinander. Jn ihrem Glaubens- stande sollen denn die Leser Tugend beweisen, d. i. Mannhaftigkeit oder männliche Thatkraft, die der Glaube in sich haben und erzeugen muß, wenn er Mahnung zum Fleiß in der für den Christenstand nothwendiger: Heiligung. nicht ein bloßes werthloses Wissen und Fürwahrhaltem sondern ein wirkliches sittliches Verhalten, eine das Leben bestimmende Macht sein soll; in dieser Thatkraft aber muß Einsicht (Luther: ,,Bescheidenheit«; er erklärt sich darüber also: ,,Bescheidenheit oder Er- kenntniß ist, daß man das äußerliche Leben und des Glaubens Tugend führe mit Vernunft«) walten, damit dieselbe nicht blindlings und planlos in ihrer Kraft- fülle dahin schieße, sondern überall das Rechte treffe, die rechten Objekte, die rechte Zeit und die rechte Weise ihrer Bethätigung Damit aber diese einsichtsvolle Erkenntniß nicht zu jener fpiritualistischen Aufgeblasen- heit ausarte, welche die Erkenntnis; von der innerlichen Weltentuommenheit des Christen in den Jrrthum einer sittlichen Gleichgiltigkeit des Gebrauchs der welt- lichen Dinge, das richtige Bewußtsein von der geist- lichen Freiheit des Christen in den Wahn einer Eman- cipation des Fleisches verkehrt, so muß in dieser Be- scheidenheit auch die Mäßigkeit sein und bethätigt werden, d· i. diejenige Sinnesweife, da man an sich hält, nicht seinen Neigungen den Zügel schießen läßt, sondern selbst sich das versagt, dessen Genuß auf Kosten der sittlichen Reinheit geschähe, und sogar auf das an sich Erlaubte selbstverleugnend verzichtet, wenn eine sittliche Gefahr für die eigene oder eine andere Seele damit verbunden wäre. Die selbstverleugnende Enthaltung aber, die sich ja nur auf das eigene frei- gewählte Thun bezieht, muß solcher Art sein, daß sie den Christen in den Stand setzt, auch auf die durch åöttliche Fügung unsreier Weise ihm widerfahrende ntziehung oder Versagung des Günstigen und Schickung des Widerwärtigen selbstverleugnend einzu- gehen und sich das alles kein Hindernis; seines christ- lichen Glaubens und Lebens werden zu lassen — mit andern Worten: die selbstverleugnende Enthaltung muß den unfreiwillig erfahrenen Ansechtungen gegenüber die unter Hindernissen und Schwierigkeiten aushaltende, ausdauernde Geduld aus sich heraussetzen Diese Ausdauer aber wieder, wenn sie nicht zu eigensinnigem Trotz, zu sleischlich selbstzuversichtlicher Hartnäckigkeit oder zu gottvergessener Resignation und Desperation ausarten soll, muß in sich die rechte Gottesfurcht oder die Gottfeligkeit enthalten, die in alle Widerwärtig- keiten demüthig sich fügt, weil sie Gottes guten und gnädigen Willen darin erkennt, und in denselben nie verzagt, indem sie von eben diesem göttlichen Liebes- willen einer seligen Frucht und eines seligen Aus- gangs der Trübsal sich versieht. Christ, fortwährend zu for en und zu arbeiten hat, daß er für seine Person mit einem Christenstand durch- komme, der vergißt leicht der liebenden Rücksicht und Sorge für Andere, daß es ihnen, die ja wohl eben z solche Noth haben, auch gelinge; darum werden die Leser weiter erinnert, daß ein Christ nicht blos ein- seitig durch ein selbsteigenes persönliches Zugehörig- keitsverhältniß zu Gott sich bestimmen lassen soll, in- « dem er sich angelegen sein läßt, nur selbst in keine , « « gerathen, nicht gerade durch einen plötzlicheii Sturz und falsche Stellung zu Gott zu gerathen, sondern auch darauf soll er Bedacht nehmen, daß er nicht das Ge- s s« und Versäumniß (Rieger.) Ein solcher sieht nur das meinfchaftsverhältniß zu denen mißachte und durch egoistische Lieblosigkeit im Unterlassen und Begehen, in Wort und That sich an denen versündige, welche seinen Gott auch zu ihrem Gott haben und gleich ihm dieses Gottes Eigenthum und Gegenstand seines ewigen Liebeswillens find. Jst die rechte Gottseligkeit wesentlich doch Liebe zu Gott, so muß sie sich in der brüderlichenLiebe zu denen bewähren, die gleich- salls aus Gott geboren sind. Diese christliche Bruder- liebe kann aber leicht herabsinken zu einer hoffärtig exclusiven und äußerlich werkgerechten Uebung von Aber wer, wie ein I l 759 Liebeswerken im Kreise der christlichen Gemeinschaft; soll sie nun von dieser schlechten Aeußerlichkeit frei und rechter sittlicher Art sein, so muß ihr das Ver- halten der Liebe überhaupt zu Grunde liegen, d. h. sie muß die Brüder an’s Herz schließen als die, an denen Gottes Liebeswillen zur Verwirklichung ge·- kommen und noch kommt, denn das allein, weil Abbild der Liebe Gottes, ist wirkliche Liebe. Daß aber in ihrer Bruderliebe solche wesentliche wahre Liebe sei, wird sich daran bewähren müssen, daß sie auch die lieben, welche Gegenstand desselben göttlichen Liebeswillens nur als eines erst noch an ihnen zu verwirklichenden find, nämlich alle Menfchen, eingedenk dessen, daß alle jenes Liebeswillens schon Theilhafs tigen, die Christen und sonderlich die Heidenchristem zu denen eben die Leser gehören, nur vermöge dieser allumfassenden Weitfchaft der Liebe Gottes aus der Masse der natürlichen Menschheit in das Reich feiner Liebe versetzt worden sind: in und mit der christlichen Bruderliebe muß gemeine Liebe, der Art und dem Umfang nach allgemeine Liebe bethätigt werden. Mit dem Glauben hat diese ganze Darlegung christlichen Lebens begonnen, mit der Liebe schließt sie; nehmen wir oben hinzu, daß dieser Abschnitt in V. 11 der Sache nach mit der Hoffnung schließt, wie auch sein Anfang unmittelbar an eine Aussage von der Hoff- nung (V. 4) sich anfchloß, so finden wir in diesen Versen die paulinischen Drei (l. Cur. is, 13) wieder: Glaube, Liebe, Hoffnung. (Schott.) T) Wir meinten etwa, es sollte umgekehrt heißen: »die Erkenntniß unsers HErrn Jesu Christi wird euch in euern Christenpflichten nicht unfruchtbar sein lassen«; der Apostel aber sagt in umgewandter Ordnung: »ein redlich angewendeter Fleiß, eure Christenkraft zu be- nützem wird euch in der Erkenntniß unsers HErrn Jesu Christi nicht faul noch unfruchtbar werden lassen« Es ist beides wahr: durch Erkenntniß unsers HErrn Jesu Christi wird uns alle Gotteskraft zum Leben und göttlichen Wandel gefchenktx aber auch der von uns angewandte Fleiß treibt uns immer mehr hinter die Erkenntniß unsers HErrn Jesu Christi, alle die darin liegenden Schätze bei allen vorkommenden Ge- legenheiten wohl anzuwenden und widerwärtige Hinder- nisse damit zu überwinden· Man wird daher auch auf die Erkenntnis; unsers HErrn Jesu Christi immer ge- troster, zweifelt nicht, daß überall Sieg darin liege, und spricht seinem Geiste zu: ,,drum auf, mein Geist, ermiide nicht, dich durch die Macht der Finsterniß zu reißen —- was forgeft du, daß dir’s an Kraft gebricht?« Wer aber nicht in solchen aneinander hängenden Fleiß und Gehorsam durchdringt, der ist auf das Zukünftige hinaus blind, im Gegenwärtigen tappt er mit der Hand und thut viel Mißgriffe, und des Vergangenem mit dem und der darunter erfahrenen Kraft er sich « sonst eine Weile behilst, vergißt er, und so auch des besten Dienstes, den es ihm thun sollte und könnte. Es ist das eine Beschreibung solcher, die in Rückfall schweren Fall, sondern durch allmäliges Nachlafsen ihm unmittelbar Gegenwärtige, daß er ein Glied der christlichen Genieinde ist; aber wie er es geworden, liegt außerhalb seines Gesichtskreises, indem ihm in Vergessenheit gerathen ist, daß feines Chrtstenstandes Anfang Vergebung seiner vordem begangenen Sünden war. Bliebe er dessen eingedenk, so würde er wissen, daß der Christenstand einen Wandel fordert, welcher das Widerspiel desjenigen ist, von dessen Sünden rein zu werden das Begehren war, das ihn in die Ge- meinde Christi geführt hat. (v. HofmannJ 760 L. Petri l, 10—15. 10. Darum [weil es sich so verhält, wie in V. 8 f. gesagt wird], lieben Bruder, thut sdaß ich die schon in V. 5 ausgesprochene Mahnung nun noch dringlicher mache] desto mehr Fleiß, sdurch Darreichung dessen, was ich in V. 5—7 genannt habe] euren Beruf und Erwahlung [1. Petri 2, 9] fest zu machen. Denn wo ihr solches thut fin eurem Glauben darreichet Tugend, und in der Tugend Bescheidenheitu. s. w.], werdet Ihr nicht Dahin] straucheln sdaß ihr je des euch zugedachten Heiles solltet verlustig gehen Röm- l1, 11]; 11. Und also sauf eben diesem Wege, der euch vor dem Straucheln bewahrt] wird [im Gegentheils euch reichlich dargereicht werden sals Gottes Gegeugabe für das, was ihr dargereicht habt V. 5 ff., gleichwie dieses euer Darreichen die Gegengabe war für des HErrn Gabe, womit er euch beschenkt hat V. 3 f.] der Eingang zu dem ewigen Rejchunsers HErrn und Heilandes Jesu Christi s2. T1m. 4, 1]. Der Apostel giebt mit den Worten: ,,desto mehr Fleiß« zu erkennen, daß es sich hier um eine Er- mahnung handelt, die schou vorhin ausgesprochen war, die er aber jetzt als eine um des aus V. 9 zu ent- nehmenden Motivs willen desto dringlicher wiederholt; in diesem Sinne bringt er auch die Anrede: ,,lieben Brüder« an, indem er dadurch die Leser mit sich zu- sammenfaßt als solche, die gegenüber den vorhin be- schriebenen Namenchristen in der Gemeinschaft des rechtenHeilsstandes-stehen. Das »fest machen«, davon er dann redet, kann nun der Sache nach in nichts Anderem bestehen, als in jener V. 5——7 geforderten thätigen Entfaltung heiligen Ehristenlebens: wenn diese schon um der an ihnen geschehenen göttlichen Heils- thaten willen, auf Grund ihres durch göttliche Be- rufung gewirkten Ehristenstandes ihnen obliegt, so noch mehr um des in V. 9 besprochenen warnenden Sachverhalts willen. (Schott.) Fest machen sollen sie ihre ,,Berufung und Erwählung«: diese ist die gleich jener geschichtliche Erkiirung (1. Thess 1, 4), kraft deren ein Mensch der Gemeinde Gottes einverleibt wird, durch die Berufung zum Eintritt in sie einge- laden; sie verhält sich zu jener wie die Aufnahme zur " adung. Die eine und die andere ist den Lesern zu Theil geworden; aber sie würde hinfällig werden, wenn sie sich mit dem, was ihnen damit zu Theil ge- worden, in Widerspruch setzten, und das thäten sie, wenn sie sich nicht um die Tugenden bemühten, welche der Glaube in sich schließt, sondern, wie der ihrer Er- mangelnde, der empfangenen Sündenvergebung ver- gäßen, zu der sie berufen und mit der sie erkoren worden sind. Der, welcher blind ist und tappet mit der Hand, sieht nur das Allernächstliegende, daß er ein Glied der Gemeinde Gottes ist, und begnügt sich damit, daß er es sei: so sollen sie nicht thun, sondern sich darum bemühen, daß es bei ihrer Berufung und Erwählung bleibe; und sie werden mit ihrer Be- mühung wirklich erreichen, daß ihre Berufung und Erwählung festbeständig bleibt, indem sie auf dem Wege, auf den sie durch sie gestellt sind, niemals straucheln oder verunglückem vielmehr wird ihr Thun dessen, wozu er vorhin ermahnt hat, darzureichen in ihrem Glauben Tugend u. s. w., damit erwidert werden, daß ihnen der Eingang dahin, wo unser HErr und Heiland Jesus Christus ewig König ist, reichlich dargereicht wird. (v. Hofmannh Wie man beide Flügel einer Hausthür öffnet, wenn ein willkommener Gast mit zahlreichem Gefolge ankommt, so werden reichlichen Eingang in den Himmelssaal erlangen, die mit dem Gefolge rechtfchaffener Glaubenswerke (Offb. 14, 13) da ankommen; und der HErr, der das ver- heißene Reich den gesegneten Erben darreicht (Matth. 25, 34 f.), wird sie als rechte Erben, nämlich seine Miterbem erkennen an den Werken, die sie im Glauben an ihn dargereicht haben. (Besser.) b. V. 12——21. Nachdem der Apostel im vorigen Ab· schnitt als in einem grundlegenden Eingang über den hauptinhalt dieser seiner zweiten Cpistel sich erklärt hat, geht er nun zu diesem zweiten mit der Mo· tivirung über, warum er es für angezeigt halte, gerade mit diesen Dingen an seine Leser zu kommen, obwohl sie solche sind, die von der Nothweudigkeit jener Befestigung des heilsstaiides durch heilige Selbst: bethätigung zum Behuf der Theilnahme an der Heils· vollendung ein Bewusltsein haben, ja in der bei ihnen vorhandenen Wahrheit bereits befestigt worden sind: er weist, das! er einmal schnell und ohne viele Vor— Zeichen seine ceibeshiille wird ablegen müssen, und darum must er noch bei Zeiten es thun, wenn er sie durch Erinnerung erwecken will; und es ist ihm daran gelegen, dasl sie auch nach seinem Abscheiden von ihm etwas in Händen haben, daran sie nun selbst ihre Erinnerung bewirken können (v. 12—15). Voraussetzung dieser ermahnendeii Fürsorge des Ilpostels tat seine Leser ist die feste Gewislhem die er mit seinen Amte-genossen in sich trägt von der Kraft und Zukunft Jesu Christi, die sie den durch ihren Dienst zu Christo Bekehrte» kund gethan haben: selbst haben sie seine Herrlichkeit gesehen und selbst Gottes» Stimme über ihn vernommen dort aus dem Berge der Derklärungz dadurch ist ihnen das prophetische Wort des alten Cestaments noch viel fester geworden, als es an silh schon war, und das nun müssen die Christen ihr Licht sein lassen an dem dunkeln Ort, an welchem sie in diesem Weltleben bis zur Zeit der Wiederkunft Christi sich noch befinden, aber nach einer Auslegung, die nicht der eigene Menschengeist, sondern Gottes Geist, der amh die Weissagung selber hervorgebralhi hat, ihnen an die Hand giebt (v. 16——21). 12. Darum fweil mir daran gelegen, daß ihr nicht strauchelt, sondern daß euch möge reich- lich dargereicht werden der Eingang zu dem ewigen Reich unsers HErrn und Heilandes Jesu Chtlstl V- 10 f.] will ichs nicht lassen, euch alle- zett fwenn immer tch mit euch verhandele] solches swovon ich vorhin gefprochen, daß nämlich ihr müsset eurerseits darreichen in euerm Glauben Tugend 2c. V. 5 ff.] zu erinnern; wiewohl ihr-s Wtsset [1. Joh. 2, U; Röm. 15, 14 ff.] und ge- starkt seid in der gegenwärtigen [nicht erst euch zu verkündigendeu, sondern bereits verkündigten und also unter euch schon vorhandenen Kuh. 3, 17] Wahrheit« 13. Denn ich achte es billig [der Sache an- gemessen und für mich pflichtgemäß Phil. 1, 7] zu sein, so lange ich in dieser Hutte [2. Cor. 5, l] bin, euch zu erwecken und zn erinnern [genauer: durch Erinnerung zu erwecken oder aufzu- muntern Kap. Z, 1]. Warum der Apostel es für angezeigt hält, mit seinen Erinnerungeii an die Leser zu kommen. 761 14. Denn ich weiß, daß ich meine Hütte bald [richtiger: schnell, in einem rasch über mich hereinbrechenden, gewaltsamen Tod] ablegen muß, wie mir denn auch unser HErr Jesus Christus sin der Verhandlung Joh· 21, 18 f.] eröffnet hat» sund da muß ich denn, solange das Ereigniß, worauf diese Eröffnung hinzielt, noch nicht ein- getreten ist, die Zeit zu solcher erinnerungsweise geschehenden Erweckung auskaufen]. sE15. Jch will aber swenn ich jetzt meinem ersten Vriese so bald schon einen zweiten folgen lasse Kap. 3, 1] Fleiß thun, daß ihr alleuthalbcn sso oft 1hr’s nöthighabt, Mittel und Wege] habet [auch] nach meinem Abschied [von dieser Welt], solches [V. 12] un Gedachtmß zu halten«« sdurch eigene Erinnerung daran, und so vor jenem übeln Vergessen, dessen so Manche sich schuldig machen V. 9, euch zu bewahren]. V) Es gilt für den Apostel, seine Leser zu wahren vor jener Vergessenheit V. 9, die blind und unfrucht- bar macht. (Wiesinger.) Es ist ihm nicht um dog- matische Belehrungeiy um Widerlegung der Jrrlehrer, sondern um Stärkung und Ermunterung seiner Leser zu thun. (Fronmüller.) Es sind zweierlei Aemter in der Christenheit, wie St. Paulus sagt (Röm. 12, 7 s.): ,,lehret jemand, so warte er der Lehre; ermahnet jemand, so warte er des Ermahnens«. Lehren ist, wenn man den Grund des Glaubens legt und denen Verkündigt, die nicht davon wissen; ermahnen aber oder, wie hier Petrus sagt, erinnern ist, denen predigen, die es vorhin wissen und gehört haben, daß man anhalte und sie aufwecke, daß sie es nicht aus der Acht lassen, sondern fortfahren und zunehmen· Wir sind alle mit dem alten, faulen Sack beladen, mit unserm Fleisch und Blut, das will immerdar den Holz- weg, zeucht uns immer zu sich herunter, daß die Seele leichtlich entschläft; darum muß man immer treiben und anhalten, wie ein Hausvater das Hausgesinde treibt, daß es nicht faul werde, ob sie gleich wohl wissen, was sie thun sollen. (Luther.) Die Worte: ,,wiewohl ihr’s wisset und gestärkt seid in der gegen- wärtigen Wahrheit« dürfen wir wohl als eine feine Bezugnahme auf den ersten Brief ansehen; diese Be- ziehung auf jenen Brief wird uns sogar dadurch zur Gewißheit, daß in solcher Bezeichnung der Leser das- selbe geflissentliche und anerkennende Zeugnis; für die Völligkeit ihres Heilsstandes ausgesprochen wird, wie in 1. Petri 5, 12., ja daß selbst die Gestalt dieser Aussage hier und dort sich auffallend gleicht. (Schott,) «) Zu dem inneren Motiv in V. 12 tritt für den Apostel noch eine Verpflichtung von außen, welche rechtfertigt, daß er trotzdem, daß er wissende und befestigte Leser vor sich hat, seine Erinnerung an sie ergehen läßt. Diese Verpflichtung liegt für ihn in der Kürze der ihm noch für fein apostolisches Wirken gegönnten Frist; denn mit dem ,,billig fein« meint er etwas, das der Anforderung der Umstände an sein apostolisches Amt entspricht und so dem Willen Gottes gemäß ist. Er weiß, wie er in Betreff des ,,solange«, als er noch in dieser Hütte ist, sich sogleich näher er- klärt, daß das für ihn nur noch eine kurz gemessene Frist ist, die es gilt auszukaufen; er leitet aber sein Wissen nicht unmittelbar aus einer ihm vom HErrn gewordenen Offenbarung, daß die Ablegung seiner Hütte jetzt bald geschehen werde, ab, sondern weist nur bestätigend auf eine solche Offenbarung in, wenn er schreibt: ,,wie mir denn auch unser H rr Jesus Christus eröffnet hat«, womit er auf den Vorgang in Joh. 2l, 18 f. sich bezieht. Sein Wissen, soweit es un- abhängig von dieser Offenbarung ist und eines »bald« sich gewärtigt, ist also derselben Art, wie das des Apostel Paulus in 2. Tim. 4, 6., nämlich ein durch die Erwägung der Umstände vermitteltes. (Wiesinger.) Erwägt man aber, daß Petrus nach dem Wortlaut des Grundtextes den Ausgang seines Lebens nicht sowohl als einen baldigen, sondern vielmehr als einen schnellen, raschen (Kap. Z, I) bezeichnet, der plötzlich eintritt und einen äußerst kurzen Verlauf hat, so daß keine Zeit mehr bleibt, noch vor dem letzten Augen- blick des Todes selbst solche Sorge für die Leser- gemeinden Ei: üben, so kommt hier gar nicht der Zeit- punkt des intritts des Endes in Betracht, sondern ganz abgesehen hiervon nur die Art des Hergangs, wie sie jetzt schon in der Vorstellung des darüber ge- wissen Apostels vorhanden ist: die Art seines Aus- gangs weiß er bereits; seine eigene christliche Einsicht in seine Zeit und seine Umgebungen (Rom) nun und die (so unmittelbar und unzweifelhaft, daß es so gut ist, als wäre sie bereits geschehen, bevorstehende) Hm- richtung seines apostolischen Bruders Paulus sagen ihm, daß dies sein gegenwärtiges Leben und Wirken nur eine geschenkte Frist ist, die denselben plötzlichen und gewaltsamen Ausgang nehmen muß und jeden Augenblick nehmen kann. (Schott.) Jm folgenden Vers bezeichnet er den Tod als einen bloßen Ausgang aus der Welt (Luther: ,,Abschied«), wie Jesus von dem seinen als von einem Hingang zum Vater ge- sprochen hatte (Joh. 14, 2 ff.) —- ein Beweis, mit welcher Gelassenheit der Meister und der Jünger dem gewaltsamen, schmerzlichen Tod am Kreuze entgegensah. (Fronmüller.) Eis) Das Andenken schon bei seinen Lebzeiten zu Werken, war das Eine, das Andenken für die Zeit nach seinem Tode zu sichern, ist das Andere, was Petrus für nöthig hält; auch für letzteres will er mit seiner Epistel sorgen. (Dietlein.) Der Apostel legt hier seinem Schreiben die Bedeutung eines testamentarischen Vermächtnisses für seine Leser bei, das ihre Pietät in Anspruch nimmt; er weiß ja, was bevorsteht, und hat nun da besonders Kap. 2 u. 3 mit den darin ent- haltenen Warnungen in Betreff der Zukunft im Sinn. (Wiesinger.) Des Märtyrertods gewärtig will Petrus die Hand, die er — wer weiß, ob nicht morgen schon — am Kreuz ausstrecken sollte, heute noch ge- brauchen zum Dienste der Brüder, damit sie nach seinem Abschied jederzeit haben möchten, was sie er- wecke und erinnere, die von apostolischer Predigt be- zeugte Wahrheit im Gedächtniß zu halten· Wohl hat auch die Sorge den Aposteln am Herzen gelegen, daß, was sie predigten mit lebendiger Stimme, treuen Menschen befohlen werde, die da tüchtig seien, auch Andere zu lehren (2. Tim. 2, 2); jedoch den heiligen Kanon der kirchlichen Glaubenswahrheit haben sie in keines· auch noch so treuen Menschen Mund gelegt, son- dern m Schrift verfaßt, auf daß die Christenheit allezeit und allenthalben zu dem Hort apostolischer Lehre sich sammele und darin beständig bleibe bis an’s Ende. (Besser.) Petrus hielt nicht dafür, daß durch münd- liche Ueberlieferung, auf welche die römische Kirche so großes Gewicht legt, das Gedächtniß der apostolischen ehre bewahrt werden könne; eben deshalb schrieb er, ja, er sagt·zuvor, daß durch erdichtete Worte (Kap. 2, Z) die Wahrheit würde verkehrt werden. Denen setzt er die Schrift entgegen, nämlich das feste prophetische Wort des alten Testaments und das 762 2. Petri ·1, 16s-—21. apostolische Augen- und Ohrenzeugiiiß von Jesu Christo, welches geschrieben steht in den Schriften des neuen Testaments (Chemnitz.) 16. Denn wir lApostel 1. Joh. 1, 1 ff.; Apofta I, 21 f—; Luk. l, L] haben nicht den klugen Fabeln fwie Menschenwitz sie ersinnt und Andere mit der fcheinbar darin verborgenen Weisheit täuscht] gesolget [gleich als wären dergleichen der Grund gewesen, darauf wir stunden], da wir euch kund gethan haben die Kraft und Zukunft unsers HErrn Jesu Christi, sondern wir haben fschou während der Tage seines Fleifches] seine Herr- lichkeit fin ihrem Vorspiel] selbst gesehen fbei jener Verklärung Matth. 17, 1 ff.; Mark. I, 2 ff.; Luk. g, 28 ff.], 7. Da er empfing von Gott dem Vater Ehre nnd Preis [Röm. 2, 7 u. 10] durch eine Stimme, die zu ihm geschah faus der Wolke Matth. 17, 5 ausgehendj von der großen Herr- lichkeit fvon dem Gott, deß Herrlichkeit in Wolken ist 5. Mof. 33, 26 — vgl. Matth. 26, 64: ,,"zur Rechten der Kraft«], dermaßen [lautend]: Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen c. 18. Und die ff. v. a. diese] Stimme haben wir gehbret vom Himmel bracht [Jes. 3, 24 Anm. 1 mittels der auf ihn fiel) herabsenkenden, Gottes Gegenwart bekundenden Wolke], da wir mit ihm waren auf dem heiligen fzur Stätte heils- geschichtlicher Gottesoffenbarung geweiheten I. Mos. 28, 17; 2. Mos. Z, 5; Jos. 5, 151 Berges« l9. Wir [Apoftel V. 16; Kap. Z, Z] haben fdenn nun, seit wir so Christi Herrlichkeit selbst gesehen und die Stimme vom Himmel gehört haben, an der Weissaguiig des alten Testaments von der Kraft und Zukunft des Sohnes Gottes] ein festes prophetifches Wort fdas uns zwar vor- her schon ein gewisses und zuverläsfiges war, aber jetzt zu einem umso gewisferen geworden ist] und ihr thut wohl, daß ihr drauf fauf dies prophetische Wort der heil. Schrift] achtet, als auf ein Licht, das da scheinet in einem dunkeln Ort fwie das ja diese gegenwärtige Welt auch für uns Christen immerhin noch ist Joh. 1, 5], bis der Tag anbrekhe und der fseinen Anbruch an- meldende] Morgenstern [Offenb. 2, 28] anfgehe in euren Herzen» [Luk. 21, 28]. 20. Und das sollt ihr fdabei, bei diesem eurem Achten auf das feste prophetische Wort] für das Erste wissen fals etwas, das von ent- scheidendem Belang dafür ist, daß es auch wirk- lich ein wohl gethanes Achthaben sei, euerm Be- wußtsein gegenwärtig halten Jak. l, 3], daß keine Weissagung in der Schrift gefchiehet ans eigener Auslegung [ihr also, damit die Weissagung euch das sei, als was ich vorhin sie bezeichnete, ein Licht in einem dunkeln Ort, von dem, Geiste Gottes sie euch müsset deuten lassen]. 21. Denn es ist noch nie keine [Ps. 140, 11 Anm.] Weissagung fdie in der That eine solche gewesen nnd nun in der Schrift aufbewahret ist] aus menschlichem Willen hervorbracht fwie das allerdings mit den Trügereien der falschen Pro- pheten der Fall Ist Irr. 23, 26], sondern die heiligen Menschen Gottes fvon denen die heil. Schrift herrührt] haben geredet, getrieben von dem heiligen Getst*" [Apostg. 28, 25; 2. Tim..«3, 16; Hebr. 1, 1., und so muß nach dem Grundfatz, daß ein jeder für seine Worte der am meisten be- rechtigte und zuverläffigfte Ausleger sei, auch die Auslegung der Schrift von demjenigen ausgehen, der ihr eigentlicher Urheber ist, nicht aber darf sie aus eigener menfchlicher Deutung geschehen]- "k) Mit dieser Hinweifung auf die Gewißheit des apostolifchen Zeugnisfes von der Kraft und Zukunft hristi begründet Petrus die Angelegentlichkeit seines Ermahnens zu der in V. 3—11 vorgehaltenen Glaubens- bethätigung und insbesondere das ,,ich will aber Fleiß thun«, von dem er in V. 15 geredet hat; diese Er- mahnung ruht ja eben auf der Kraft Jefu Christi als ihrem Grunde und hat die Zukunft desselben zu ihrem Ziele, und andrerseits ist es gerade diese Kraft und Zukunft, welche die drohende Verführung leugnet. Jn Kap. 2 legt dann der Apostel sein Zeugnis; wider diejenigen ein, welche in fleischlicher Ungebundenheit die Herrscherstellung Christi leugnen; und in Kap. 3 wider die, welche der Verheißung seiner Zukunft spotten. So wenig er nun fein ei enes Zeugnis; und das der andern beiden Zeugen an dem heiligen Berge (Matth. 17, I) im Unterschiede von dem apostolischen überhaupt meint, wenn er fchreibt: »wir haben nicht den klugen Fabeln gefolgt, sondern Christi Herrlichkeit selbst ge- sehen«, so wenig meint er die Leser des Briefes ins- besondere mit dem ,,euch«, wenn er sagt: ,,da wir euch kund gethan haben die Kraft und Zukunft unsers HErrn Jefu Christi«; indem er sein Zeugniß mit dem apostolischen überhaupt zusammenfaßh kann er auch ,,euch« schreiben, sofern die Leser dieses Zeugniffes theilhaftig geworden sind, ohne daß darum an eine persönliche Heilspredigt des Petrus unter den Lefern zu denken ist. Es handelt sich hier nicht um die Per- son, sondern um die Sache. (Wiesinger.) Es ist die Thatfache der Verklärung Jefu, in welcher Petrus besonders auch (neben dem Zeugniß von seiner Kraft und Herrlichkeiy eine Verbürgung seiner dereinstigen sichtbaren Wiederkunft in herrlicher Leiblichkeit erkennt; um dieses letzte Moment handelt es sich ganz be- sonders den Jrrlehrern gegenüber, darum nämlich, daß der HErr als eben die individuelIe, menschlich- leibhaftige Person, als welche er Jesus heißt, herrlich wiederkommen wird, und daher kommt es, daß Petrus nicht die scheinbar weit beweiskräftigeren Thatfachen der Auferstehung, der Erscheinunsen des Auferstandenen und seiner Himmelfahrt als ürgfchaften der Wieder- kunft vorführt Denn diese Thatsachen liegen ja schon jenseit des Todes Jefu, mit welchem sein menschliches Leibesleben doch jedenfalls zu Ende gegangen ist, konnten also möglicher Weise wohl auf ein mit der Auferstehung begonnenes bloßes Geistesleben gedeutet werden, in welchem Jesus nur um bestimmter Zwecke willen da und dort vorübergehend menschliche Leibes- gestalt angenommen hätte, wie das ja von alten und neuen Mißgläubigen wirklich behauptet worden ist; gegen die Leugnung einer leiblichen Wiederkunft Jesu, des Menschensohnes, wären also diese Thatsachen keine oder doch keine so zwingenden Thatbeweife für dieselbe gewesen, wie Jesu Verklärung, welche noch innerhalb seines irdisch-menschlichen Lebens ihn in solcher über- weltlichen leiblichen Herrlichkeit darstellte und ihn so als Den erwies, der schon in und unter seiner gegen- wärtigen Seinsweise im Fleisch die lebenskräftigen Keime verklärter Leiblichkeit in seiner göttlichen Person trug. (Schott.) IN) Der Apostel will hier nicht sowohl ein zweites Zeugniß für Christi Wiederkunft in Herrlichkeit dem vorhin erwähnten ersten hinzufügen, als vielmehr eine Aussage darüber thun, welche Bewandtniß es nun mit diesem zweiten, eigentlichen und unmittel- baren Zeugniß auf Grund jener ersteren, mittelbaren und thatsächlichen Verbürgung hat; darauf hin, so ist seine Meinung, haben wir als ein festeres (so lautet der Grundtext, während Luther, der überhaupt die Stelle eigenthümlich aufgefaßt hat, hier ziemlich ungenau übersetzt»), als ein nvch mehr, als an und in sich selbst schon, fur uns verbürgtes das prophetische Wort, d. h. natürlich das alttestamentl1che, welches von der einstigen leiblichen Verklärung der Heils- gemeinde durch ihren in leibhaftiger Herrlichkeit er- scheinenden göttlichen Heilsmittler als der nothwendigen Heilsvollendung weissagt, und zwar in allen Büchern des alten Testaments und so wesentlich einheitlich, daß es in solchen singularischen Begriff: »das pro- phetische Wort« zusammengenommen werden kann. (Schott.) Das prophetische Wort in seiner Einheit- lichkeit weissagt zwar nicht, wie Schott in dem hier an eführten Satze sich ausdrückt, auf einen in leib- haftiger Herrlichkeit erscheinenden Heils-mittler, wenn unter leibhaftiger Herrlichkeit verklärte Leiblichkeit ge- meint ist, wohl aber auf eine, den Gegensatz zwischen der Gemeinde Gottes und der widergöttlichen Welt zur Entscheidung dringende und hiermit die gegen- wärtige Gestalt der Dinge in ein ewiges Gottesreich wandelnde sichtbare Offenbarung Jehova’s, von welcher nun die Apostel wissen und lehren, daß sie in der Wiederoffenbarung Jesu Christi bestehen wird. Wie nun aber die Apostel ihrerseits es für einen Gewinn achten, daß ihnen durch das, was sie als Augen- und Ohrenzeugen erlebt haben, das prophetische Wort ein festeres geworden, als es an sich schon war, so sollen auch ihrerseits die Leser, nachdem sie durch der Apostel Wort von Jesu Kraft und Zukunft unterrichtet sind, auf das prophetische Wort merken. ,,Jhr thut wohl daran, sagt Petrus, daß ihr darauf achtet«; er ermahnt sie nicht dazu, als thäten sie es nicht, aber er belobt sie auch nicht darum, daß sie es thun, sondern sagt, es sei wohlgethan von ihnen, es zu thun, damit sie wissen, er wolle es gethan sehen und setze voraus, daß sie es thun. Mit den Worten: »als auf ein Licht, das da scheinet 2c.« fügt er dann eine Aussage hinzu, was es um das prophetische Wort sei und was sie also es sich sollen sein lassen· (v. Hofmann.) Es ist aber, nach des Apostels Bezeichnung, das prophetische Wort ein Licht, das da scheinet in einem dunkeln Ort: das ist die Welt in ihrer dermaligen Beschaffen- heit, in welcher die vergängliche Lust herrscht, in der die Lüge sich zu immer neuem Kampfe wider die Wahrheit erhebt, in der die Gerechten von der Un- gerechtigkeit der— Gottlosen leiden, in welcher darum der Christ sich sehnt nach der Ankunft des Tages, der einen neuen Himmel und eine neue Erde bringt, in welcher Gerechtigkeit wohnet (Kap. l, 4; 2, 1. 9; 3, Z. 12 ff.). Ihr gehört der Christ nicht mehr innerlich Mahnung zur Treue in der wohlverbürgten Hoffnung einstiger Vollendung. 763 Ä an um seines Glaufens willen; aber er lebt in ihr und achtet darum au das Licht des prophetischen Worts, das ihm, zumal es nun fest geworden durch die neu- testamentliche Erfüllung, die Dunkelheit erhellt (Phil. 2, 15 f.). Das ,,bis der Tag anbreche und der Mor- genstern aufgehe« gehört nicht zu ,,scheinet«, sondern zu den Worten: ,,ihr thut wohl, daß ihr darauf achtet«; nicht sofern es leuchtet bis zu einer bestimmten Zeit, thun sie wohl, darauf zu achten, sondern sie thun wohl, darauf zu achten als auf eine Leuchte am dunkeln Ort so lange, bis der Tag anbricht. Es ist nun aber der Ausdruck: ,,Tag« nicht Bezeichnung des Tages der Wiederkunft Christi selber, und der Ausdruck: ,,Morgenstern« nicht Bezeichnung Christi (Offenb. 22, 16); dem steht das ,,in euern Herzen« entgegen, welches vielmehr anzeigh daß der Apostel eine Wirkung an den Herzen der Leser im Sinne hat, doch ist es allerdin s eine solche Wirkung, die nur von dem Tage der Wiederkunft Christi herrühren kann. Der Tag, der in ihren Herzen anbricht, ist der Reflex des Tages seiner Wiederkunft unter ihnen, und der Morgenstern, der in ihren Herzen aufgeht, der Reflex dessen, der als heller Morgenstern sichtbar in der Welt erscheintx dann haben sie nicht mehr nöthig, auf jene Leuchte außer ihnen zu achten — in ihren eigenen Herzen ist der volle Tag angebrochen. (Wiesinger.) Was wären wir in der Nacht dieser Welt ohne die Leuchte des prophetischen Worts! Aber werden wir immer der Leuchte bedürfen? Nein: ,,bis der Tag anbreche«, sagt der Apostel. Die nächtliche Leuchte gehört der Zeit an, da wir wohl Gottes Kinder sind, doch noch nicht erschienen ist, was wir sein werden (1.Joh. 3, 2); im Vergleich mit den Ungläubigen sind wir des Tages, nicht der Nacht, und sind ein Licht in dem HErrm wie Paulus sagt (1. The s. 5, 4 f.; Ephes 5, 8), aber im Bergleich mit jenem eben, in welchem wir sein werden, sind wir nvch in der Nacht und bedürfen der Leuchte. (Beda.) VII) Als erste, oberste Regel im Achten auf das prophetische Wort stellt der Apostel die Erkenntnis; hin, daß ,,keine Weissagung in der Schrift gefchiehet aus eigener Auslegung«, d. i. als eine, die von der Men- schen eigenen Auslegung abhängig und deutbar wäre; hervorgebracht nicht aus menschlichem Willen, sondern aus Eingebung des Geistes Gottes, will die Weissagung auch ausgelegt sein nicht durch der Menschen eigenen, sondern durch den heil. Geist. Dies zu wissen ist die rechte Wissenschaft; und der Apostel erinnert seine Leser, dieselbe festzuhalten und nicht zu vertauschen gegen eine Afterwissenschaft, welche die stolzen Geister vorgeben, um ihre klugen Fabeln (V. 16) in das pro- phetische Wort hineinzulesen unter dem Namen einer ,,tiefen Auslegung«, womit sie die Schrift verwirren (Kap. 3, 16). Wo wir vergessen, was wir vor allen Dingen wissen sollen nach des Apostels Worten, da werden wir, wie Flacius sagt, die Schrift lesen, als wäre sie ein Menschenfündlein, und werden nicht ehr- fürchtig zittern zu den Sprüchen des lebendigen Gottes; daher auch der Geist Gottes nicht auf uns kommen und ruhen wird. Mit leichtfertigem Wagniß werden wir mancherlei Schriftsinn uns erträumen, dagegen Gottes Beistand zu ihrem Verständnis; nimmer erstehen; und so werden wir anlaufen an den Stein des An- stoßes mit den Papisten und andern Schriftverächtern, indem wir aus der Schrift unsere Jrrthümer stärken, anstatt von ihr uns belehren und erleuchten zu lassen. (Besser.) Petrus hat verboten, du sollst nicht aus- legen, der heil. Geist soll es selbst auslegen, oder es soll unausgelegt bleiben. (Luther.) Mit der hier von dem Apostel verworfenen eigenen Auslegung ist 764 2. Petri 1——4. aber nicht åemeint der eigene und sonderliche Fleiß eines jeden hristenmenfchen im Erforscheii des Schrift- sinns aus der Schrift selber, sondern der eigene und sonderliche Sinn, den jemand nach feiner Willkür erdichtet und in die Schrift hineinträgt (J. Gerhard.) Das Z. Kapitel. Von falschen Zehe-ern, ihrer Strafe nnd ver- siihrerisohem Mundes. U· b. 1—k»ap. 3,16: der zweite, warnende Ab— schnitt im Hinblick auf die Zukunft. nachdem der Apostel in den beiden xhälften des vorigen Abschnitte die beiden Grundgedanken dieser seiner zweiten Geiste« heiliger Wandel und eine dadurch bedingte feste hossnung auf dereinstige heilevoliendung, mehr in ihrer gemein- chriblicijen dlothwendiglieit nnd nur indirekt anf die drohende häretisclse Eeugnung derselben hindentend dar- gelegt hat, verhandelt er in dem nunmehr folgenden zweiten Abschnitt diese zukünftige Eeugnnng eigene und unmittelbar; nnd da legt sich denn, der Zweitheiliglteit der beiden, der ibeugnung und Uerliehrung ausgesehten Wahrheiten gemäß, auch der neue Abschnitt in zwei ihälften auseinander, die abermals durch einige lieber— gangsverse mit einander verbunden sind. a. V.1—22. Die erste Hälfte, entsprechend der des ersten Theils in Kap- 1, 3—11., welthe von dem Fseisl in der nothwendigen Heiligung handelte, hat es mit der bevorstehenden Verlengnung christlich- sittlieher Heiligung zu thun. Es ist immerdar also gewesen beiru Volke Gottes, das! neben den recht— sthassenen Verliündigern des Wortes Gottes falsche Lehrer hergegangen sind, die verderbliche Seiiten eingeführt und viele zu ihrer Lüge verfährt haben, darum wird es auch bei euch, dem tieutestamentlicheii Gottes-rollt, also ergehen: so beginnt Petrus seine Leser vor der ihnen drohenden Gefahr der Zerriitttitig nnd llersiihrung zu ivarnenz indem er aber zagleish ihnen vergegenwiirtigh das! nach eben dem, was die Schrift von den vorigen Zeiten vermelden das Urtheil über solche Gottsose von Illiers her schon feststeht nnd dieselbe Verdammnish welche über die früheren Versiihrer und ihren Anhang hereingebrochen ist, nicht säumt, amh die jetzt Kommenden zn erfassen, versliiht er in seiner Rede beides in einander, das Verderben aus der einen Seite, dem die anttretenden Jrrtehrer anheimsallen und in das sie ihre Anhänger vermitteln, und die Charaiiteristik ihres Thuns und Treibens aus der andern Seite. l. Es waren aber [zur Zeit des alten Testa- ments neben jenen Gottes-Männern Kap. 1, 21] auch falsche Propheten unter dem Volk [die sich lügenhafter Weise dafür aus-gaben, Propheten Gottes zu sein, während sie doch nur von ihrem eigenen bösen Geiste getrieben wurden 2. Cur. 11, 13; Osfenb 2, 2], wie auch unter euch sein werden falsche Lehrer, die flügenhafter Weise vergehend, sie hätten einen göttlichen Beruf empfangen, die Gemeinde zu lehren, während sie doch nur auf- bringen, was ganz unberechtigt ist] neben [der heilsamen Lehre, um sie zu verdrängenss einführen werden verderbliche Sekten sJudä V. 4 u. 19], Und verleugnen snun mit solchem ihrem Thau] den Hirt-ern, der sie ertauft hat sdaß sie sollten sein eigen sein und in seinem Reiche unter ihm leben und ihm dienen 1. Petri l, 18f.], und werden sdenn für den Tag, da er wiederkommt, zu richten die Lebendigen und die Todten l. Petri 4, 5] über sich selbst führen eine schnelle Ver- dammnißt [1. Thess Z, 2 f-]- 2. Und Viele sin der Gemeinde] werden sverlockt durch die der Fleischeslust schmeichelnde Einrede, daß man ein Christ sein könne ohne sich irgend etwas versagen zu müssen, darnach Einen gelüftet] nachfolgen ihrem Verderben; durch welche [Ver- führte wie Verführer] wird der Weg der Wahrheit [Kap. 2, 21; Apostg. 18, 251 verlästert werden sdaß die Nichtchristen das Christenthum für eine Lehre grundsätzlicher Unsittlichkeit und Aus- schweifung erklären werdens. 3. Und durch Geiz svon dem sie wie besessen find, diese falschen Lehrer V. 14, und dem sie nun fröhnen] mit erdichteten Worten [Röm. 16, 18] werden sie an euch handthieren lehre lose Waare an den Mann zu bringen und Gewinn damit zu machen Judä IS; I. Trm 6, 5]; von welchen sbesfer blos: welchen, nämlich zu ihrem Ver- derben] das Urtheil von lange her sdas über solche Frevler schon von Alters her ergangen V. 4 fs.] nicht säumig ist [daß es erst m Bewegung gesetzt werden müßte, sich an ihnen zu vollziehen], und ihre Verdammmß schlaft nicht» sdaß sie erst aufgeweckt werden müßte, um als ihr Theil ihnen zuzufallens V) An seine nachdrucksvolle Geltendmachung des alttestamentlichen Weifsagungswortes und seines gött- lichen Ansehens schließt der Apostel seine eigene Weifsagung unmittelbar an: wie neben dem einigen rechten Licht des als Gemeingut in Israel vorhan- denen göttlichen Weissagungswvrtes die Jrrlichter salfcher Propheten ausstiegen, so beginnt er seine Weissagung, also werden auch in der, auf eben jenes Wort immer noch angewiesenen christlichen Gemeinde Jrrlehrer austreten. Auch hier macht sich die Neigung des Verfassers, die sich fo stark im I. Briefe Petri a»usprägte, geltend, die christliche Gemeinde als voll- endende Fortsetzung der alttestamentlichdsraelitischen zu betrachtem dazu stimmt es, daß er, nach der Pa- rallelisirung der neutestamentlichen mit den alt- testamentlichen Jrrlehrern zu schließen, sich selbst mit seiner Weissagung der vorher befprochenen einheitlichen Reihe der alttestamentlichen ächten Propheten anschließen will, wie er ja anch in Kap.1, 15 in zurückhaltendey aber doch sehr bestimmter Weise das Bewußtsein ans- gesprochen hat, an diesem seinem Briefe den Gemeinden für alle Zeiten und Lagen einen sicheren Halt und Hort wider alle Jrrungen zu geben. So sehr ist er von dieser Anschauung der Gemeinde als des neu- teftamentlichen Israel durchdrnngen, daß er nicht blos ohne Weiteres »das Volk« als selbstverständliche Be- zeichnung Jsraels ebraucht, sondern auch dem Theil der vergleichenden ussage, der von Jsrael handelt, den Hauptsatz einräumt (ftatt daß er, wie wir erwarten sollten, schriebe: »Wie aber auch falsche Propheten unter dem Volke waren, also werden auch unter euch Der zweite, warnende Abschnitt im Hinblick auf die Zukunft. 765 falsche Lehrer sein«). Mit feiner Absichtlichkeit nennt er aber das neutestamentliche Gegenbild der alt- testamentlichen Jrrlehrer nicht wieder falsche Pro- pheten, sondern mit einer darnach von ihm selbst gebildeten Bezeichnung (im Grundtext) falsche Lehrer; denn während im alttestamentlichen Heilsgemeinwesem feiner thpischen Bedeutung entsprechend, auch alles Gottesworh wahres oder falsches, doch wesentlich nur Weissagung ein konnte und wollte, so handelt es sich bei den Jrrlehrern der neutestamentlich en erfüllungs- Inäßigen Gemeinde, und zwar gerade auch bei den hier zu besprechenden, um Verkehrung der bereits er- fchienenen Wahrheit, um falsche Lehren und Theorieen über die vorhandene christliche Heilswahrheit (Schott.) Wenn der Apostel schreibt: ,,es werden auch unter euch fals e Lehrer sein«, so ist diese Erscheinung nur für die Eeser eine zukünftige, anderwärts aber, wie aus dem Briefe Judä hervorgeht, ist sie bereits vorhanden und wirksam und dort auch bereits in einer Weise be- stritten, welche Petrus zur Grundlage seiner eigenen Bestreitung machen kann. So erklärt sich, warum nur dasjenige, was der Verfasser von dem Auftreten und der Wirksamkeit dieser Versührer innerhalb des Leser- kreises in V. 1——3 sagt, in der Zeitwortssorm der Zu- kunft dargestellt ist, während die Beschreibung ihres Wesens und überall sich gleichen Treibens in der Form der Gegenwart gehalten ist (V. 9 ff.); so erklärt sich aber auch, warum er sagt: ,,sie werden neben ein- führen verderbliche Sekten«, während man statt des letzteren Worts vielmehr den Ausdruck: »Lehren« erwarten sollte — es fanden eben die Sekten bereits anderwärts sich vor, und brauchten also nicht erst ge- stiftet zu werden, sondern konnten als fertig da- stehend gleich eingeführt werden. (Y3iesinger.) Die Aussage über ihre Versündigung ist eine zwiefache: sie führen Sekten ein, welche die Einheit der Gemeinde zerreißen und ins Verderben führen, und sie kündigen dem HErrn, dem sie angehören, weil er sie erkauft hat, deu Gehorsam auf, verleugnen ihn. indem sie ihn that- sächlich nicht Den sein lassen, der über sie zu gebieten hat. Damit verbindet sich dann die Aussage ihres Geschickes: sie bringen eine Verdammniß über sich, die sie rasch überfallen wird, ohne daß sie sich ihrer versehen und ohne daß sie dieselbe noch abwenden können; der Apostel bezeugt das im Hinblick aus die Wiederkunft des HErrn, der selber sooft von ihr gesagt hat, daß sie die Unbereiteten plötzlich überfallen werde. (V. Hofmann.·) · · » IV) Womit die falschen Lehrer sich versündigen und das Verderben uber sich bringen werden, haben wir in V. 1 gelesen; nun sagt der Apostel auch, welches Unheil sie mit ihrer Zuchtlosigkeit (nach anderer Lesart hat Luther dafür: ,,Verderben«) und mit ihrer Erwerb- sucht anrichten werden, denn diese beiden heidnischen GrundlasteryZUchtlvsigkeitUndGeiz Uuxuria et avaritjax welche Hand in Hand zu gehen pflegten, finden wir auch hier beisammen. Jhre Zügellofigkeih die Ausschweifungen, denen sie sich ungescheut hingeben, werden ihrer Viele nach sich ziehen, daß sie denselben Weg gehen; und wenn nun die Nichtchristen so Viele ein solches Leben führen sehen, werden sie den Weg der Wahrheit lüstern· Dies ist das eine Unheil, das die falfchen Lehrer anrichten; das Andere, Schlimmere thun sie vermöge riicksichtsloserBegier nach irdisch em Gewinn, nach Hab und Gut. Wie sie dem Wege der Wahrheit dadurch schaden, daß ihm die ihren Aus- schweifungen Nachwandelnden bei den Nichtchristen einen bösen Namen machen, so suchen sie ihren Vortheil damit, daß sie in der Gemeinde selbstersonnene Lehren feil bieten, für die man ihnen erkenntlich sein soll; und wie nun in V. 1 das, womit sie sichsversündigem nicht benannt war, ohne daß auch gleich gesagt wurde, welches Geschick sie sich damit zuziehen, so folgt auf die Benennung des Unheils, das sie anrichten, sofort auch die Versicherung der Gewißheit und Unausbleilk lichkeit ihres Gerichts (V. Hosmann.) Jrrlehren, be- sonders solche, welche dem Fleische freien Raum lassen, haben eine ansteckende Kraft; und eine falsche Freiheits- lehre war denn nach V. 18 s. auch wirklich das Evan- gelium der hier in Rede stehenden Jrrlehrer, sie- ver- wechselten christliche Freiheit mit zügellofer Willkür. Die frech antinomistische Richtung, die wir im Z. Jahr-h. bei den Karpokratianern und andern Gnostikern an- treffen, reicht mit ihren Wurzeln in die Mitte des 1. Jahrh hinein. (Fronmüller.) Diese Menschen nun, sagt der Apostel, sammt denen, die ihrem Wege nachwandeln, werden bewirken, daß man dem Christen- thum zur Last legt, was nur ihre frevelhafte Ver- kehrung desselben ist, daß man das Christenthum für eine Lehre und ein Gemeinwesen shstematischer Unsitt: lichkeit erklärt; das ist handgreiflich derselbe Gedanke, der auch im ersten Briefe (Kap. 2, 12.15; Z, 13. 16; 4, 4. 14 ff.) einen grundleglichen Gesichtspunkt bildet. Jn schnöder und materieller Gewinnsucht, sagt der Apostel dann weiter, werden sie an euch handthieren, d. i· euch zum Mittel trügerischen Erwerbs nehmen, mit erdichteten Reden oder mit solchen Geschichten und Lehren, die eben dazu ersonnen und eingerichtet sind, daß sich die Leute dafür gern das Geld abnehmen oder zu sonstigen materiellen Leistungen beschwatzen lassen. Es ist die Mittheilung einer bombastischen, durch selbstfabrizirte mystische Urkunden u. dgl. auf- geputzten Geheimlehre, für welche sich in jenem Zeit- alter der religiösen Auflösung des Juden- und Heiden- thums gern opferwillige Abnehmer, besonders unter den besseren, wohlhabenderen Ständen fanden und aus welche daher gar bald viele geschickte Menschen als auf ein einträgliches Gewerbe sich verlegten, besonders Juden, denen die Vortheilhaftigkeit der Sache ein- leuchtete, während Betrügerei und Fälschung ihrer schlechten Natürlichkeitnur zu verwandtund apokryphischs gnostische Geheimnißkrämerei damals auch unter ihnen stark eingerissen»war. »(Schott.) Jndem unser Apostel schon hier anfangt, sich die ·Epistel St. Juda zum Muster zu nehmen und mit seinen Worten und Schil- derungen sich an sie anzuschließen, hatte er wohl die Absicht, diese Epistel, die insonderheit den Judenchristen zugeeignet war, für die heidenchristliche Kirche giltig zu machen (gleichwie er in seinem ersten Briefe in so durchgreifender Weise das alte Testament auf die nun im Vordergrund des Reiches Gottes stehenden Heiden- christen überträgt); daraus erklärt sich, daß er die in dem Judasbriefe vorkommenden speziellen Beziehungden auf jüdische Tradition beiseite läßt· Wenn aber ie Kritik unsrer Zeit in diesem Abhängigkeitsverhältniß des Petrus zu Judas einen Hauptgrund gefunden zu haben meint, die hier uns vorliegende Epistel des erst- genannten Apostels für unächt zu erklären, so geht sie von modernen Anschauungen aus, während wir schon in den Büchern des alten Testaments die Wahrnehmung machen, daß» spätere Propheten, obwohl in mancher Beziehung bedeutender als die früheren, dennoch Weissagungen der früheren in »die ihrigen aufnahmen (vgl. z. B. Jes. 2, 2 ff. mit Mich. 4, I ff.) und so neu verwertheten. (Grau.) 4. Denn so Gott der Engel [dieser hohen Geister und edlen Creaturen], die [d. i. soviel ihrer] gesimdiget haben finden: sie, mit ihrem Fürstenthum noch nicht zufrieden, darüber hinaus 766 2. Petri 2, 5—11. selber sein wollten, wie Gott ist, und ihr eigenes Reich haben 1. Joh. S, 8], nicht berschonet hat, sondern hat sie mit Ketten der Finsterniß zur Hölle snach dem Grundtext: zum Tartarus als vorläufigem Haftort Offenb 9, 1 ff.; 20, 1 ff.] verstoßen und sdamit als bereits verurtheilte und niemals zu begnadigende Verbrecher dem Kerker zur Verwahrung] übergeben, daß sie zum Gericht sdes großen Tages Judä 6] behalten werden* swo es dann zur Verstoßung in den feurigen Pfuhl, der mit Schwefel brennt, als dem schließ- lichen, ewigen Verdammungsort mit ihnen kommt Offenb. 20, 10]; 5. Und hat nicht berschonet der vorigen sur- anfänglichen, vorsiindfluthlichen] Welt, sondern bewahrete [einzig und allein] Noah, den Prediger der Gerechtigkeit [vgl. Hebr 11, 7], ftlb achte sd.i.mit den Seinen zusammen acht Seelen aus- machend 1. Petri B, 20], nnd sbefserx als er] führete die Simdfluth über die Welt der Gott- tosen« [Kap. 3, 5 f.; 1. Mos. 6 u. 7; Matth. 24, 37 ff.]; b. Und hat die Städte Sodoma und Gomorrha smit den beiden andern Adama und Zeboim] zu Asche gemacht [oder eingeäschertL umgeiehret und verdamlnet [zur Umkehrung verdammet I. Mos. II, 24 f.], damit ein Exempel lihrer fchließlichen Verdammung in einem Feuergericht Kap. 3, 7 u. 101 gesetzt [besser: setzend] den Gottlosen, die hernach kommen würden [Judä 7]; J. Und hat erlöset den gerechten Lot [1. Mos. 19, 29], lvelchem die fchiindlithen [rnchlosen Kap. Z, 17; Ephes 4, 19] Leute alles Leid thaten mit ihrem nnzuchiigen Wandel [1. Mos. 19, 4 ff.]; 8. Denn dieweil er UeiUerfeitsJ gerecht war und unter ihnen [den ihrerseits ruchlosen Leuten] wohnen, daß ers sehen und hören mußte [wie schändlich sie ihr Leben führten 1. Mos. 18, 20; 13, 13], quälten sie die gerechte Seele [die ihr Thun und Treiben sich zu Herzen nahm] von Tag zu Tag mit ihren Ungerechten Werken-«« [nach dem Grundtext: quälte er die, d. i. seine gerechte Seele von Tag zu Tag an ihren un- gerechten Werken Pf. 119, 53. 158]. 9. Der HErr [Jehova oder Gott V. 4] weiß swie diese letztere Geschichte in Verbindung mit den beiden andern offen und klar an den Tag legt] die Gottseligen aus der Versuchung sin die sie durch ihr Wohnen unter einem unfchlachtigen und verkehrten Gefchlecht Phil. 2, 15 gebracht sind 1. Petri 1, S] zu erlösen, die Ungerechten aber zu behalten zum Tage des Gerichts fund zwar letztere in einem solchen Zwischenzustande, der schon vor- läufig dazu gereicht], zu peinigen [ihre Seelen Luk. IS, 23 f·; Matth. 18, 34]; 10. Allermeist aber die sweiß er so zu be- haltenL so da wandeln nach dem Fleisch in der unreinen Lust [genauer: dem Fleisch nach- gehen in Begierde der Befleckung, d. i. nach unreinem, befleckendem Genuß Judä 8] und die Herrschaft [Gott und den HErrn Christus Judä s] verachten, [und zugleich, nach einer andern Seite hin, sind] thitrstig [1. Mos. 34, 25 Anm.], eigensinnig sselbstherrlich dem eigenen Kopfe folgend Tit. 1, 7], nicht erzittern, die Majestäten swas ja immerhin auch die bösen Geister noch find, vgl. 2. Cor. 4, 4; Ephef 2, L; 6, 121 zu läfternf sgleich als hätten diese keine Macht an ihnen, auch wenn sie die schlimmsten Dinge trieben Judä 8, vgl. die Bem. zu V. 17], 11. So doch die Engel, die sihre anerschaffene Güte und Herrlichkeit sich bewahrt und vermöge ihrer Gemeinschaft mit Gott] größere Starke Und Macht haben sals eben die Majeftäten, welche jene Frevler so dreist zu lästern wagen], nicht et- tragen das lasterliche Gericht wider sich vom HErrnH snach der revidirten Ausgabe des neuen Teftaments muß es vielmehr heißen: kein lästerlich Urtheil wider sie fällen vor dem HErrn, wie der heil. Geist auf Grund der Schrift uns das bezeugt Judä 9]. s) Jn V.4——9 folgt nun die Begründung des Ge- dankens von V. 3: ,,über welche das Urtheil von lange her nicht säumig ist, und ihre Verdammniß schläft nicht«; an dem Strafgericht über die gefallenen Engel, über die erste Welt und die Städte Sodom und Gomorrha erweist Petrus die Gewißheit des über diese Verführer annahenden Gerichts Indem er . aber von dem zweiten Beispiel an auch die dem Gericht zur Seite gehende Erweisung rettenden Erbarmens gegen die Frommen, Noah und Lot, mit in Betracht zieht (V. 5 und 7 f.), erleidet der ursprüngliche Gedanke, wie wenig diese Verführer eine Verschonung zu gewärtigen haben, eine Aenderung; der Nachsatz geht über V. 8 der Form nach ganz verloren, V. 9 aber, der dem Inhalt nach den Nachsatz enthält, bringt nur in Form einer allgemeinen Sentenz ein zweifaches Er- ebniß als Schlußfolgerung nämlich daß Gott die Frommen zu retten, die Ungerechten aber zu treffen weiß, welch letzterer Gedanke durch das ,,allermeist« in V. 10 auf die in Rede stehenden Gottlosen bezogen ist. So kommt der urspriingliche Gedanke wieder zur Geltung und die weitere Charakteristik dieser Verführer ist damit eingeleitet. (Wiesinger.) Mit den Worten des 4. Verfes schreckt Petrus die, so frech und ficher einher leben; ist es nicht eine große Vermessenheit von ihnen, daß sie so thiirstig einherfahren (V. 10) und alles mit dem Kopf hinaus wollen führen, gleich als sollte Gott weichen und ihrer verschonen, der doch der Engel, dieser hohen Geister und edlen Creaturen, die viel klüger und weiser sind, denn wir, nicht verschont hat, da sie sündigten, sondern hat sie gestoßen in die Ketten der Finfterniß, in welchen sie also gefangen sind, daß sie nicht aus seinen Händen entrinnen könnten! (Luther.) Die Strafe ihrer Versündigung war die, daß sie in einen Zustand, welcher das Gegentheil ihres bisherigen war, aus der Bewegungsfreiheit, mit welcher sie Gottes Schöpfung durchwaltetem in den Bann der unterirdischen Finsterniß versetzt wurden, die ihnen Gottes An esicht verbirgt (Matth. 18, 10). Den Haft- ort, in we chen sie gebracht sind, bezeichnet der Apostel Die bevorstehende Verleugnung christliclysittlicher Heiligung. 767 im Grundtext mit einem Ausdruck, der das Tiefste des unterirdischen Abgrundes bezeichnet; dort nun, so sagt er weiter, werden sie für das Gericht aufgehoben, wie er in l. Petri 3, 19 die dem Gericht entgegensehenden Todten »die Geister im Gefängniß« genannt hat. (v. Hofmann.) Der Apostel vergleicht die gefallenen Engel mit Verbrecherm die in ein Gefängniß vorläufig eingeschlossen sind, bis sie am Tage des Gerichts ihrer eigentlichen Strafe übergeben werden. Alle gefallenen bösen Geister, auch die jetzt noch eine Zeitlang Macht haben auf Erden, sind verstoßen aus dem Himmel, ihrem ursprünglichen Wohnsitz, und leben insder Unter- welt in dem Gefühl aufregender Verdammniß, von wo aus sie aber noch auf Erden mittelst der Sünde der Menschen herrschem somit ist es kein Wider- spruch, wenn Paulus in Ephes. L, 2 sagt, sie herrschten in der Lust oder nach Ephes.6, 12 unter dem Himmel, denn auch da sind sie unrettbar und unentrinnbar mit Ketten der Finsterniß gebunden. (v. Gerlach.) Vom Abgrund der Hölle her, wo ihre Behausung ist (Luk. 8, 21 , dnrchschweifen die bösen Geister die Luft und gehen verderbenthürstig umher unter denen, so auf Erden wohnen; aber überallhin schleppen sie die Ketten der Finsterniß mit, die an die Hölle sie gebunden halten. Wohl sind sie schon gerichtet und mögen nicht entfliehen aus der gewaltigen Hand des Richters; doch gleichwie die Pein der auch schon gerichteten Geister der verstorbenen Gottlosen erst dann voll werden wird, wenn sie ihre Leiber wieder empfangen werden am jüngsten Tage, so wird die Pein der Engeldes Ab- grundes erst dann voll werden, wenn die alte Erde, das Gebiet ihres Mordens und Lügens, nicht mehr sein, wenn niemand mehr zu« verschlingen sein wird nnd sie in der verschlossenen Hölle auf ewigen Selbst- Mord, auf den kein Sterben folgt, beschränkt sein werden. (Besser.) Der Ausdruck: »die Engel, die ge- sündigt haben« in unsrer Stelle wäre wohl nie anders, als auf den ersten Sündenfall in der Geisterwelt ge- deutet worden, wenn man nicht in der entsprechenden Stelle Judä 6 geglaubt hätte, die Beziehung auf eine Hurerei der Engel finden zu müssen; wir werden uns aber dort überzeugen, daß auch Judä Wort nicht aus dem Buche Henoch erklärt werden darf. (Fron- Müller) Pf) Engel hat Gott, Geister seines Dienstes und, im Gegensatz zur körperlichen Welt, ihm wesensverwandte Geschöpfe hat er nicht verschont; und ebenso eine Welt der Vorzeit nicht, eine ganze Welt, der gegenüber das »selbacht« die so kleine Zahl derer betont, die mit Noah erhalten blieben. Der Apostel sagt nicht: nnr den Noah habe Gott selbacht, sondern nur selbacht, mit nur sieben Andern, habe er den Noah bewahrt, als er eine Ueberfluthung über die Welt von Gott- losen herausführte. Der biblische Pericht nennt Noah nur den Gerechten, der Apostel Jedoch bezeichnet ihn den Gottlosen gegenüber als einen Predfiger der Gerechtigkeit; er will mit dem »selbacht« nicht sagen, daß auch die sieben Andern Prediger der Gerechtigkeit gewesen seien, sondern der Ausdruck bezieht sich ledig- lich auf die Bewährung. Die Leser sollen aus dem Satze lernen, daß Gottes Gericht nicht verschonen wird, und wenn die ganze Welt der Gottlosigkeit anheim- fiele und nur Ein Prediger der Gerechtigkeit mit Wenigen, die zu ihm halten, übrig blieben. (v. Hof- mann.) Die alte, von Adam bis Noah reichende Welt ward reif zum Verderben, als die Kinder Gottes, die Glieder der Gottesgemeinde, in welcher die Predigt vom Namen des HErrn erschallte (1. Mos. 4, »26), den Zaun durchbrachem der von den Gottlosen sie schied, und mit den Töchtern der Menschen, mit den! Ge- schlechte der Kainiten, deren siindige Menschenart die Zucht des Geistes hinter sich geworfen hatte, sich ver- mischten und so ein Geschlechtheranwuchs, in welchem die iiberlieferte Kunde vom wahrhaftigen Worte Gottes und vom Leben der Heiligen verkehrt ward in gottes- lästerlichen Jrrthum; die Gewaltigen in der Welt und die berühmten Leute waren Helden der Gottlosigkeih freche Spötter und trotzige Verächter der Predigt der Buße und Gerechtigkeit Der Apostel erblickt nun in den falschen Lehrern und ihren verderblichen Sekten die Nachfolger jener falschberühmten Leute in den Tagen Noä: dort wie hier Entartung und Verderbniß durch Vermischung der göttlichen Offenbarung mit dem Willen des Fleisches und der Vernunft. Wie in der vorigen Welt die entarteten Sethiten, so nehmen jetzt die entarteten Christen Stücke der Wahrheit mit auf den Weg ihres Verderbensz und in der Verkehrung der Wahrheit, z. B. der Lehre vom Theilhaftigwerden der göttlichen Natur in die Jrrlehre von pantheistischer Vergottung des Menschen, oder der Lehre von der christlichen Freiheit in die Jrrlehre von der antino- mistischen Freiheit, einer Freiheit nicht von, sondern zu der Sünde, liegt eben die Kräftigkeit des Jrrthums (Besser.) Die Wahl der Beispiele und ihre Anordnung bei Petrus weicht darin von dem Judasbriese (V. 5——7) ab, daß in dem letzteren das Gericht der Sündfluth fehlt, dafür aber das Gericht über Jsrael in der Wüste gewählt nnd den andern beiden Beispielen vorangestellt ist, während Petrus die leuchtendsten Beispiele gött- licher Strafgerechtigkeit in chronologischer Folge vor- sührtz endlich übergeht Judas seinem Gedankengange gemäß die Beispiele der Errettung, deren Heranziehung in dem petrinischen Briefe sich daraus erklärt, daß eine aussührliche Ermahnung an gläubige Christen voraus- gegangen und dann erst zu den Jrrlehrern über- gegangen ist. sWiesingerh Eis) Ueber das Beispiel eines durch Wasser ge- schehenen Gerichts, als welches der Apostel das über eine ganze Welt der Vorzeit ergangene mit den Worten: ,,fi"ihrete die Sündfluth über die Welt der Gottlosen« noch eigens bezeichnet hat, stellt er das Beispiel des durch Feuer an Sodom und Gomorrha vollzogenem dieses Gegensatzes wegen das ,,zn Asche gemacht« dem ,,umgekehret und verdammt« voraus- schickend, so daß nachdrücklich Einäscherun als das benannt wird, womit Gott dieseStädte zur erstörung verurtheilte -— ein auffallender Ausdruck, der aber gewählt ist, um zu sagen, daß Gott diese Städte nicht so zur Zerstörung verurtheilte wie andere, an denen sein Urtheilsspruch durch Menschenhand voll- zogen wird, sondern seine Verurtheilung derselben zur Zerstörung in den Feuerflammen aussprach, die er selbst niedersandte, sie einzuäschern. Eben hiermit hat er sie zu einem bleibenden Vorbilde solcher gemacht, die nachmals gottlos leben würden, sofern nämlich auch deren Verurtheilung darin bestehen wird, daß das weltverzehrende Feuer, wie der Apostel in Katz. 3, 7 ff. ausführen wird, sie ergreift und dem ewigen Tode überliefert. Um dieser Vorbildlichkeit willen gedenkt er neben dem Gericht, welches als ein Gericht über eine ganze Welt Vorspiel des zukünftigen ist, aber ein Gericht durch Wasser war, das sie nur überflnthete (V. 5), auch des über Sodom und Gemorrha er- gangenen. Hierzu kommt aber noch das Andere, daß, wie dort Noah bewahrt, so hier Lot errettet wurde: so werden die Gerechten gerettet werden, wenn das Feuer des zukünftigen Gerichts die Gottlosen ergreift, von deren sittenlosem Wandel sie in jener letzten Zeit und bis zu diesem Augenblick gleichwie Lot zu leiden haben werden. Auch in dieser Hinsicht besteht eine 768 Z. Petri 2, 12——16. Vorbildlichkeit zwischen dem, was damals geschehen ist, und dem, was einst geschehen wird; und um ihret- willen führt der Apostel aus, welches bis dahin er- duldeten Leidens Lot durch seine Errettung zugleich ledig geworden ist. Durch Gesicht und Gehör, sagt er, quälte der Gerechte, inmitten der Frevler lebend, Tag für Tag die gerechte Seele mit verbrecherischem Thau: in diesem Sinne also war die Beschwerniß gemeint, die ihm das unsittliche Treiben seiner Umgebung machte. Nicht daß ihm äußerliche Schädigung daraus erwuchs, war seine Noth, sondern daß er sehen und hören mußte, was um ihn her vorging; und nicht als etwas, das ihn, den Gerechten, nicht anging, sah und hörte er es, sondern er machte es sich zu einer Seelen- qual, indem er es zu Herzen nahm. So ziemt es den Gerechten, und solche Pein werden sie aus-zustehen haben, wenn sie in der letzten Zeit unter einem zücht- losen Geschlecht leben. (v. Hofmann.) Für denjenigen, den Gott seinen Weg der Wahrheit und Gerechtigkeit hat kennen gelehrt, ist es kein geringes Leiden, unter einem bösen Volke zu wohnen; man leidet darunter aus Eifer fiir Gottes Ehre, man leidet aber auch aus Erfahrungen, daß man selbst noch im Fleische wohne, tu welchem durch böse Exempel Manches kann au ge- rührt werden; man leidet Vieles um seiner Ehegatten, Kinder, Hausgenossen halber, die man nicht genug zu bewahren weiß, wie denn wirklich an Lots Weib und Töchtern Manches ausgebrochen, davon schon früher der Same diesem Hausvater nicht ganz wird verborgen geblieben sein; auch geht es oft nicht ohne verklagende und quälende Gedanken ab, wenn ein Lot nacl denkt, wie er nach Sodom gekommen, wie er sich von feinem redlichen Vetter Abraham etrennt hat, und man denkt oft zu seiner Qual hin ung her, ob und wie sich etwa eine Aenderung treffen ließe. Bei der heutigen Welt heißt das freilich Kopfhängereh Schwermuth,unnöthiges Richten, womit man sich bei Andern aufhält; aber das Aufsehen Gottes auf der Menschen Kinder, das Auf- zeichnen derer, die da seufzen über alle Greuel, so um sie geschehen, ist damit nicht weggestritten. (Rieger.) s) Ueber der, durch das: »welchem die schändlichen Leute alles Leid thaten mit ihrem unzüchtigen Wandel« veranlaßten Ausführung eines Nebengedankens in 8: »denn dieweil er gerecht war und unter ihnen wohnete, daß er’s sehen und hören mußte, quälten sie die gerechte Seele von Tag zu Tage mit ihren un- gerechten Werken«, ist dem Apostel der Abschluß der mit V. 4 begonnenen Periode: ,,Denn so Gott der Engel, die gesündigt haben, nicht verschonet hat 2e.« außer Acht gekommen; er konnte desselben auch ent- rathen, weil er sich aus dem, woran sich diese Periode mit einem »denn« der Bekräftigung anschloß: ,,über welche das Urtheil von lange her nicht säumig ist und ihre Verdammniß schläft nicht«, von selbst verstand. Wenn Gott Geister seines Dienstes und eine ganze Welt der Verzeih die er durch Ueberfluthung hinweg- tilgte, nicht verschont und Sodom und Gomorrha durch Feuer, das diese Städte verzehrte, dem Untergange geweihet hat, so wird auch derer Gericht nicht aus- bleiben, welche seine Gemeinde durch ihr Beispiel der Unsittlichkeit verderben und mit Lügen verwirren. Aber der Vollzug dieses Gerichts wird dem der beiden über Menschen ergangenen in V. 5—8 auch darin gleichen, daß Gott die Zeugen rechtschaffenen Wesens mit denen, die zu ihnen halten, davor bewahren wird, wie den Noah und die Seinen, und die Gerechten, denen der Anblick des gottlosen Treibens um sie her Seelenpein macht, erretten wird, wie den Lot; daher kann der Apostel, wenn er jetzt u der, durch die un- vollendete Periode bekrästigten Azussage zurückkehrh in der Weise sie wieder ausnehmen, daß erden aus« den vorgeführten Beispielen sich ergebenden allgemeinen Gedanken zunächst mit Bezug auf das Beispiel Lot’s nach der Seite ausspricht, der HErr verstehe sich darauf, Fromme aus Versuchung zu erretten, nämlich aus solcher Versuchung, wie jener sie bestand, wenn er die ihn umgebende Sittenlosigkeit mit ansehen mußte, die ungestraft ihr seine Seele quälendes Unwesen trieb. Und nach dieser Seite mußte jener allgemeine Gedanke zunächst ausgesagt werden, weil die Rede dann bei denen zu verweilen hatte, deren unausbleibliches Ge- richt in Aussicht gestellt worden war· Jm Hinblicke auf sie heißt es andrerseits, Gott verstehe sich darauf, Ungerechte u n t e r Z ü ch ti g u n g (Luther: ,,zu peinigen«, wofür besser stünde: »die Ungerechten aber zum Tage des Gerichts in Pein zu behalten«) auf den Tag des Gerichts zu behalten; die Pein ihres Todes ustand es meint der Apostel darunter, den er in l. etri 3, 19 in Betreff der in der Sündfluth Umgekommenen als einen Zustand der Haft bezeichnet hat. Vornämlich aber, so besagt das ,,allermeist« (Gal. 6, 10; Phil. 4, 22), wird der HErr diejenigen unter Züchtigung für den Tag des Gerichts aufbehalten, die in Begierde der Besudelungdem Fleische nachgehen und das, was Herrschaft Ist, nicht achten; es heißt nicht, sie werde er am meisten strafen, sondern von ihnen gelte vornäm- lich, weil sie am schuldigsten sind, daß sie unter Qualen dem Gerichtstage aufbehalten bleiben· Ihre sie vor Andern schuldig machende Versündigung besteht in einem Zwiefachem aber in der Einheit von beidem: das eine ist, daß sie mit einer Begierde, welche Be- sudelung mit sich führt, indem sie sowohl den verun- reinigt, der ihr fröhnt, als auch den, an welchem ihr gefröhnt wird, dem Fleische nachgehen; damit ver- bindet sich aber Nichtachtung von solchem, das Herrschaft ist, womit diese Wolliistlinge zugleich als Leute be- zeichnet sind, die sich Keinen, der für sie Herr ist, hierfür gelten lassen. Sie achten keinen Willen dafür, daß er ihnen maßgebend sei, kein Gebot dafür, daß es ihren Gehorsam fordere, wollen von keinem Herrn wissen, der über sie zu sagen habe: solche Freiheit nimmt ihre böse Lust in Anspruch, um ungezügelt ihren Lauf zu haben; da nun selbstverständlich Freiheit von göttlichetz nicht von menschlicher Herrschaft gemeint ist, so trifft die von ihnen ausgesagte Herrschaftsg Nichtachtung wesentlich in Eins mit dem, was in V. 1 von den falschen Lehrern gesagt war, daß sie den HErrn verleugnen, der sie erkauft hat. (v.Hofmann.) Beides, das Wandeln nach dem Fleisch in der unreinen Lust und das Verachten der Herrschaft, steht in Wechselwirkung: weil sie in ihren Lüsten wandeln, wollen sie von keinem HErrn wissen, der sie erkauft hat; und weil sie von ihm nicht wissen wollen, hält sie nichts ab, der Lust sich hinzugeben. Damit steht im Geåensatz daß sie die Gewalten, denen sie durch ihren ündendienst verfallen, nicht fürchten, sondern dieselben lästern; statt sich des HErrn zu freuen, der sie erkauft hat, verachten und lästern sie in thörichter Vermessenheit die Niajestätem d. i. die gesallenem bösen Geiter, aus deren Gewalt sie losgekauft sind, und wie nun aus der Verachtung der Herrschaft Christi, so resultirt auch aus der Kehrseite dieser Verachtung, aus der Verachtung der Majestätem die ungescheute Dahingabe in die Lüste des Fleisches ,,Majestäten« sind die bösen Geister genannt ihrer anerschaffenen Potenz nach, und der Ausdruck ist gewählt, um die Vermessenheit ihrer Lästerer durch diese Bezeichnung des Objekts erkennen zu lassen. (Wiefinger.) Der Apostel will, daß nach dem 4. Gebot jeder auch in dem gefallenen und verderbten Geschöpfe die vom Charakteristik des Thuns und Treibens der Jrrlehrer. 769 Schöpfer ihm verliehene Ntajestät und Herrlichkeit ehren soll; gilt dies von den gefaltenen Engeln, die den Menfchen nichts als Böses zufügen, so gilt es noch mehr von den Obrigkeiten unter den Menschen, die doch selten ganz ihrer Bestimmung vergessen. (v. Gerlach.) Zur Beleuchtung der Vermessenheit der in Rede stehenden Leute stellt Petrus ihrem Verhalten gegen die ,,Majestäten« das Verhalten der Engel gegen eben diese Gewalten gegenüber; und hier nun ergiebt sich klar, daß er böse Geister unter ihnen meinen muß, da nur wider solche denkbar ist ein ,,lästerliches Gericht« zu fällen, bestätigt aber wird diese Auffassung durch Judä 9., dessen spezielle Darstellung hier verallgemeinert ist. (Wiesinger.) Die Engel, sagt der Apostel, die doch an Kraft und Gewalt größer sind, fällen wider die Majestäten vor dem HErrn kein läfterlich Urtheil: sie kennen und verkünden wohl das Urtheil, aber sie überlassen es in Demuth dem einigen HErrn, als vor dessen Angesicht sie mit den bösen Mächten gegenüber sich wissen; jedes andere Wort eigenwilliger Schmähung dünkt ihnen ein Lästern der noch für das urtheil- vollziehende Gericht Gespartem überlassen’s der Macht und Geduld Gottes, darum enthalten sie sich dessen. (Stier.) Wenn der Verfasser hier und im Folgenden durchweg in der Zeitwortsform der Gegenwart redet, so bezeichnet er damit keineswegs die Jrrlehrer als in den Gemeinden, an welche er schreibt, schon vor- handene, sondern er schildert ein Bild, das er wie in. prophettscher Viston vor sich sieht» wie auch m der alt- testamentltchen Prophetie häufig m solchem Falle mit schildernden Präsentibus geweissagt wird; dies schil- dernde Präsens mußte sich aber dem Verfasser um so natürlicher darbieten, als allerdings diese Jrrlehrer theilweis (wenn auch anderwärts, vgl. den Judasbries) schon vorhanden waren. (Schott.) 12. Aber sie smit Nachdruck zu sprechen: s te, deren Art und Charakter ich euch hier schildere V. 10] sind sstatt den Engeln gleich zu werden, mit denen sie ja ihrer höheren Bestimmung nach iibereinkommety vielmehr] wie die nnbernirnstigen snur von ihrer sinnltchen Begierde geleiteten, ohne Verständniß für das Uebersinnliche, Himmlische dahinter-enden] Thiere, die von Natur dazu ge- boren sind, daß sie gefangen und geschlachtet werden sbei denen es also auch nichts weiter schadet, wenn eben diese ihre sinnliche Begierde den Men- schen die Handhabe bietet, sie zu fangen, um sie dann zu ihrer Speise zu verwenden], liistern, da sie nichts von wissen sdie überirdischem himm- lischen Mächte Judä 10., womit sie eben zu ver- stehen geben, das; sie auf Einer Stufe mit den unvernünftigen Thieren stehen], und werden snun auch] in ihrem verderblichen Wesen sin dernselbeu Verderben, welches die Thiere ereilt, wenn sie, » nach fleischlichem Genuß begierig, sich durch die Lockspeise zu der Menschen Fangnetz hinziehen lassen, um dann dem Schlachtungstode zu ver- fallen] umkommen [Jerem.12, Z; Pf. 49, 21], 13. Und ssind nun damit solche, die] den Lohn der Ungerechtigkeit davon bringen« slediglich das empfangen, was ihre Thaten werth sind Luk. 33, 41]. Sie achten ftir Wolluft sfür Freude oder Vergnügen Luk. 8, 14] das zeitliche Wohl: D ä chfefs Bibelwerä V11. Band. leben sohne je daran zu denken, was ihrer hernach- mals wartet Phil. Z, 19; Luk. 16, 19 ff.]; sie find Schande und Laster [Sch1nutz- und Schand- flecken für die christliche Gemeinde, der sie sich an- gehängt haben 5. Mos. 32, 5], prangen von zum: Almosen [wenn sie bei euern Liebesmahlen Apostg 2, 43 u. 1. Eor. 11, 21 Anm. sich einfinden] prasseu mit dem Euren sJuda 12], 14. Haben Augen voll Ehebruchs sin denen sich das eigene böse Gelüsten malt und die das Feuer der schändlichen Brunst auch in den andern Herzen anzuzünden versuchen], lassen ihnen die Sünde nicht wehren sdaß sie irgendwo derselben Einhalt thun wollten, nicht einmal bei gottes- dienstlichen, mit der Abendmahlsfeier verbundenen VersammlungenL locken smit verführerischen Reden und betrügerischen Vorspiegelungen] an sich die leichtfertigen Seelen fdie in der christlich-sittlichen Wahrheit noch keinen festen Stand haben], haben swenn sie das auch Andern gegenüber thun, bei denen es sich nicht um Befriedigung der Fleisches- lust, sondern um Befriedigung der Habsucht handelt] ein Herz durchtriebect mit Geiz, verfluchte sdem Fluche Gottes verfallene] Leute» ssind sie, statt solche zu sein, die dazu berufen, daß sie den Segen beerben l. Petri Z, I; 1. Thess 5, 9]; 15. Verlassen shaben sie] den richtigen Weg sApostg. 13, 10., der von ihnen bei ihrer Be- kehrung zu Christo eingeschlagen worden war], nnd gehen snun auf falschem Wege Judä 11] irre und folgen nach dem Wege Balaams sBileams Offenlr 2, 14], des Sohnes Bosor swie der Name in babhlonischer Aussprache 1. Petri 5, 13 statt ,,Beor« lautet], welchem geliebte der Lohn der Un- gerechtigkeit sden ihm Ba«lak, der Moabiter König, in Aussicht gestellt hatte, wenn er käme und ihm Israel verfluchte 4. Mos. 22, 2——21], 16. Hatte aber sunterwegs 4.Mos. 22, 22ff.] eine Strafe seiner Uebertretung sein Erlebniß, das von dem Unrecht, welches zu thun er vorhatte, ihn hätte überzeugen und zur Besinnung bringen sollen Joh 16, 11 Anm.], nämlich das stumme lastbare Thier swelches von sich selber ja nimmer reden konnte, auch kein Vermögen zu vernünftiger Rede würde gehabt haben, selbst wenn es das Sprachvermögen besessen hätte] redete mitMenfcheu- stimme und wehrete [verhinderte, lief; nicht als richtig gelten] des Propheten Thorheititi sseinen Wahnwitz, nach welchem er sich einredete, er könne sein Reden und Weissagen einrichten, wie es ihm selber Beliebe, er wäre von einer zwingen- den Macht Gottes dabei nicht abhängig, indem es durch eben dies Reden mit Nienschenstimme zu einem handgreiflichen Beweis von dem Gegen- theil seiner Einbildung wurde 4. Pios 22, 33 Anm.]. 49 770 i) Mit diesen Liifterern der bösen Geistwesen, will Petrus sagen, im Gegensatz zu den guten Engeln, welche auf Grund richtiger Würdigung jener ersteren sich auch mit richtiger Scheu gegen sie verhalten, ist es be llt wie mit unvernünftigen Thieren, sowohl hinsichtlich ihrer subjectiven Stellung, als auch in Folge dessen hinsichtlich ihres objeetiven Geschicks (Schott.) Der Sinn des Vergleichs mit den unver- nünftigen, zum Verderben geborenen Thieren» ist offenbar ein doppelter: diese thürstigen, eigensinnigen Menschen (V.10) stellen sich selbst damit, daß sie lästern, was sie nicht verstehen, den unvernünftigen Thieren gleich, und werden eben deshalb in dem Ver- derben, zu dem die Thiere geboren sind, ihnen gleich- gestellt. (Wiesinger.) Statt theilhaftig zu fein der göttlichen Natur und entflohen der vergänglichen Lust der Welt (Kap. 1, 4), bringen es die Verleugner Jesu Christi zu der Stufe der Entgeistung und Gottent- fremdung, daß sie gleich den unvernünftigem von Natur (d. i. als Wesen, deren Leben in unfreiem Dar- leben des ihnen angeborenen Seins aufgeht: Haus«-or) für Fang und Verderben vorhandenen Thieren ohne Besinnung dem Verderben des von ihrer unreinen Lust gemißbrauchten Weltwesens verfallen. (Bes er.) Die Thiere sehen in ihrer Unvernunft das, was zur Lockspeise dient, für einen Gegenstand des Genusses an, und indem sie gierig darnach greifen, werden sie dem zur Beute, der sie fängt; so sehen auch jene Ver- messenen in ihrer Unvernunft das, was sinnlicher Natur ist, für nichts Besseres an, als daß es ihnen gegeben sei, ihrer Lust daran zu fröhnen, sie greifen darnach als nach einem Gegenstande wollüstigen Ge- nusses und fallen damit ebenfalls dem Verderben in demselben anheim, wie die unvernünftigen Thiere. Aber wenn diese solchem Geschick verfallen, weil sie der Vernunft entbehren, und einem Geschick verfallen, das ihre Bestimmung ist, so geschieht jenen Vermessenen ein Gleiches mit dein, was sie dafür erkennen sollten, daß es ihnen zum Verderben gereiche, und sie ver- schulden ein Geschick, welches das Widerspiel mensch- licher Bestimmung ist: es geschieht ihnen Schlimmes für Schlimmes, das sie thun, und bringen so den Lohn der Ungerechtigkeit davon. (v. HofmannJ H) Hatte der Apostel in V. 2f. das Verderben geschi1dert, das die falschen Lehrer verbreiten würden, dann in V. 4—9 das ihnen gewisse Gericht erwiesen, so beschreibt er nun in V.10—16 ihre Ungerechtigkeit näher, deren Lohn sie in jenem Gericht davon bringen sollen; und zwar ist es sowohl die Ungerechtigkeit ihres als Verführer sie kennzeichnenden Treibens, wie ihre persönliche Verworfenheit und Lasterhaftigkeit, die er nach ihren Hauptmomenten charakterifirt. Wie ihre Lehrthätigkeit ein Widerspiel der christlichen ist, so ihr Leben ein baares Widerspiel des christlichen Wandels, ein frecher Mißbranch der natürlichen Dinge mit über- müthigem Trotz gegen die Mächte, welche darin walten, und noch frecherer Mißbrauch der heili en Gemein- schaft, in der sie vermöge ihrer äußeren Zugehörigkeit zur christlichen Kirche stehen, sie treiben die Laster der Schwelgerei, des Ehebruchs und der Habsucht. ,,Sie achten für Wollust das zeitliche Wohlleben«: so heißt es zunächst in Betreff ihrer Schwelgerei; ihr Ergötzen ist fleischliche Ueppigkeih wie die unvernünftigen Thiere, unbekümmert um das ihnen drohende Verderben, nur an den augenblicklichen Genuß denkend (V. 12; Jak. 5, 5), bringen sie ihre Tage hin, als ob kein Tag der Ewigkeit ihrer wartete, da die vergängliche Lust zu unvergänglicher Pein werden wird. Mit solchem schwelgerischen Leben aber sind sie für die Gemeinde ,,Schande uud Laster«, Schmutzsleckem welche ihre 2. Petri 2, 17—20. Reinheit (Ephes. 5, 27) verderben, und Schandflecken, welche zu ihrer Schmach sich ihr anhängenz das Wort ,,Laster« nämlich, welches Luther für die letztere Be- zeichnung gebraucht hat, steht bei ihm noch nicht in der jetzt üblichen Bedeutung, wo es die zur Gewohn- heit gewordene Sünde, die der Mensch nun als eine furchtbare Last mit sich herumschleppt, welche ihn in der Gewalt hat, bezeichnet, sondern hat, wie das davon abgeleitete ,,lästern« zu erkennen giebt, den Sinn einer Schandthat, Unthah und der daraus hervorgehenden Schande selber (3. Mos. 18, 17; 19, 29; Hes. 16, 43 u. Hiob 31, 11 Anm.). Sie wissen nicht anders, schreibt er in seiner Erklärung der Stelle, denn daß sie die Christenheit zieren, wie Sonne und Mond den Hirnmel, und die edelsten und besten Kleinode sind, als Gold und edle Gestein; so nennt sie St. Petrus Schandflecken und Unflath, Flecken und Makel, deren die Christenheit Schande und Spott haben muß. Wenn es dann weiter heißt: ,,sie prangen von euren Almosen, prassen mit dem Euren«, so liegt dem vorderen Satze diejenige Lesart des Grundtextes zu Grunde, welche sich in Judä l2 bei den Worten findet: ,,prasfen von euren Almosen«, während die neuere Auslegung einer ganz anderen Lesart wie-citat; statt cis-Diskurs) den Vorzug giebt, nun aber wieder in zwei Richtungen auseinander geht, je nachdem man das dabei stehende Wort so (o:o’ra3») oder so Geists-Je) nimmt; bei dem an zweiter Stelle stehenden Satze hat dann Luther noch freier, als vorher übersetzh indem er nicht sowohl die Verhältnisse der apostolischen Kirche in’s Auge faßte, um die Worte zu verstehen, als die Verhältnisse der katholischen Kirche seiner Zeit, gleich als habe der »Apostel von diesen geweiffagt. Er legt nun die Stelle also aus: »was man zum ersten aus christlicher Liebe gegeben hat, einen gemeinen Kasten zu erhalten für Wittwen und Waisen und sonst arme Leute, aus daß niemand unter den Christen Mangel leiden oder betteln dürfe, folch Gut ist nun alles zu Stiften und Klöstern gerathen, davon unsere Geistlichen leben auf’s Aller- zärtlichste und bringen? alles durch mit guten Tagen, und sagen dazu, es gebühre ihnen und solle niemand sie drum strafen-«. Nach den Verhältnissen der aposto- lifchen Zeit wäre dagegen bei dem vorderen Satze (Luther: Almosen) an die gemeindlichei1Liebesmahle zu denken, bei denen jene Schwelger es sich auf ge- meine Kosten mit Essen und Trinken wohl sein lassen (vgl. 1. Cor. 11, 21), bei dem an zweiter Stelle stehenden Satze aber an Gastmähler in den Häufern und Familien, zu denen sie sich laden lassen und da auch ihrer Ueppigkeit fröhnenx bei beiden Gelegenheiten suchen sie denn mit begehrlichen Augen (Matth. 5, 28) nach Personen des anderen Geschlechts, mit denen sie etwa in ehebrecherischen Verkehr zur Befriedigung ihrer Fleischeslust treten könnten, und kennen nun für ihre unersättliche Begierde keine Schranke, die sie zu respectiren hätten, wie das die Worte besagen: ,,haben Augen voll Ehebruchs, lassen ihnen die Sünde nicht wehren« Haben sie dann gefunden, was die Augen suchten, so weiß der Mund die betreffende Person, wenn sie nicht schon fest in Christo gegründet ist, mit falscher Lehre und betrügerischer Einrede für das un- züchtige Vorhaben zu gewinnen (V. 18); es bekommen aber die Worte: ,,locken an sich die leichtsertigen Seelen« alsbald noch eine andere Wendung und leiten so über zu dem dritten Hauptzug des Bildes, das der Apostel von diesen Leuten des Fluchs entwirst: ,,haben ein Herz durchtrieben mit Geiz«, d. i. wie Luther selber erklärt, ein Herz, das sonderlich darauf geübt ist, bewundert in allerlei Künsten schcindlichen Ge- winnes. Sie geben vor, geübte Sinne zu vollkommener Das Verderben, dem die Verführer und die von ihnen Verführten anheirnfallem 771 Erkenntniß zu haben (Hebr. 5, 14), und bieten solchen, von denen sie sich ein gutes Honorar -versprechen dürfen, ihre angebliche Weisheit zur Mittheilung an; aber Petrus reißt ihnen die Larve ab: geübte Sinne, ja, die haben sie, aber im Geiz oder in der Habsucht geübte Sinne sind’s; sie verstehen besser, als Andere, bei denen die natürliche Anlage noch nicht zu solcher Virtuosität ausgebildet ist, mit ihrer angepriesenen Waare (V. Z) den Leuten das Geld aus der Tasche zu locken. Nachdem der Apostel so die Jrrlehrer nach ihrem Thun und Treiben geschildert hat, übermannt ihn das Gefühl des tiefsten Unwillens, daß er aus- ruft: ,,es sind verfluchte Leute« s— nach Luther: unter- worfen der Maledeiung Gottes, daß sie vor Gott kein Glück noch Seligkeit haben. Jn diesen Ausruf faßt er, gegenüber der weit ausgedehnten Schilderung des Bösen, das sie thun, mit einem kurzen, aber desto wuchtigeren Wort das Böse, dem sie damit verfallen sind, zusammen; er nennt sie aber ,,Kinder des Fluchs«, wie der Grundtext wörtlich lautet, im Gegensatz gegen den Segen, welchen sie ererben würden, wenn sie den Weg wandelten, auf den sie als Glieder der Gemeinde Christi gestellt waren, statt daß sie nun diesen Weg verlassen haben, und wird nun im Folgenden das so schwerwiegende Urtheil durch den biblischen Nachweis seiner Berechtigung erhärten. its) Es ist verfehlt, wenn manche Ausleger (zu seiner Zeit auch Luther) bei den Worten: ,,folgen nach dem Wege Balaams, welchem geliebte der Lohn der Ungerechtigkeit« an den Rath denken, den Bileam nach 4. Mos. 31, 16 dem Balak gab nnd dessen Wir- kung dann die Geschichte in 4. Mof 25 war; man trägt da im Hinblick auf Offenb. 2, 14 etwas in diese Stelle ein, was Petrus ja ausdrücklich außer Betracht gelassen, der sich einfach auf die Geschichte in 4. Mos. 22 beschränkt, und wenn es gleich richtig ist, daß ebenso, wie Bileam durch seinen, dem Balak gegebenen Rath die Kinder Jsrael zu Unzucht und Götzendienst verleitete, auch die hier in Rede stehenden falschen Propheten, die Nieolaiten oder Bileamitem nach der ersten Hälfte des 14. Berses das heidnische Wesen der Unzucht im allerschlimnisten Maße in die christlichen Gemeinden einschwärzeth so hat das doch bei ihnen nichts mit dem Lohne der Ungerechtigkeit zu thun, nach welchem sie gelüstet, und gerade das bildet hier den Vergleichungspunkt Wir haben also mit unsern Gedanken erst an die Worte in V. 14: «haben ein Herz durchtrieben mit Geiz« anzuknüpfem da fällt uns sofort das ,,Verfluchte Leute« in die Augen, und das ist’s denn ohne Zweifel, was der Apostel unter dem ,,Wege Balaams, des Sohnes Bofor, welchem geliebete der Lohn der Ungerechtigkeit« meint — den Weg des Fluches und Verderbens, von dem sie durch nichts mehr sich zurückbringen lassen, auch durch die gewaltigste Ueberführung von ihrem Unrecht und den überzeugendsten Beweis von ihrer wahnsinnigen Thorheit nicht, sondern auf dem sie unaufhaltsam vor- wärts treiben, wie Bileam, bis sie ein Ende mit Schrecken nehmen, wie dieser. Nach dieser Auffassung spalten sich V. 12—16 in zwei einander parallel laufende Gedankenreihen; die erste: »Sie sind wie die unvernünftigen Thiere, die von Natur dazu geboren sind, daß sie gefangen und gefchlachtet werden . . . und werden . . . den Lohn der Ungerechtigkeit davon bringen«, die andere: »Sie achten für Wollust . . . wehrete des Propheten Thorheit«, und würden aus Vergleichung beider Reihen mit einander sich viel Fein- heiten der Rede und gar tiefe Gedanken, in wenige un- scheinbare Worte gefaßt, ergeben, wenn der Raum uns gestatten, die Sache im Einzelnen darzulegen. i 17. Das fdiese Leute, von denen ich seit V. 10 rede] sind Brunnen ohne Wasser [Jer. 2,13] und [Nebel-] Wolken vom Windwirbel Mark· 4- 375 LUE 8- 231 umgetrieben [Sprüchw. 25, 14; Judä 12., die beide dem Schmachtenden Labung und Stärkung in Aussicht stellen, aber doch nicht halten, was sie verfprechen; den Engeln, die gesiindigt haben, gleich V. 4 sind sie sotche], welchen behalten ist eine dunkle Finsternis; [Pred. 6, 4 Anm.] in Ewigkeit« fJudä 13]. 18. Denn fwas einerseits ihre Charak- terisirung als Brunnen ohne Wasser betrifft] sie reden stolze [schwtilstige, hochtönende Judä 16] Worte, da nichts hinter ist, und swas andrer- seits ihr Umgetriebenwerden wie Wolken vom Wmdwirbel besagen will, so] reizen [si] durch Unzucht sdie sie für sich selber zu treiben begehren und dazu immer neue Werkzeuge der Befriedigung bedürfen, mit jenem ihrem nichtigen, aber durch den Anschein hoher, tiefer Weisheit berückenden Gerede] zur fleischlichen Lust ssie mit Fleiß in ihnen wach rufend] diejenigen, die recht snach besserer Lesart: ein wenig, was soviel ist als: ,,kaum erst« oder aber: »nur erst eine kleine Strecke weit«] entronnen waren nnd nnn im Jrr- thum wandeln [besser: entronnen sind denen, die im Jrrthum wandeln, den noch unbe- kehrten Heiden Ephef 4, 17 ff» zu denen sie selber bis dahin zählten], 19. Und verbeißen ihnen swenn sie ihrer Leitung sich anvertrauen würden] Freiheit sdie keinem Zwange des Gesetzes unterliege], so sie [doch] selbst fsolche gar nicht besitzen, sondern im Gegentheil] Knechte snämlich Knechte] des Ver: derbens sind sdarin sie rettungslos umkommen werden V· 12 f.]. Denn von welchem jemand überwunden ist, des; Knecht ist er worden» [Joh. 8, 34; Röm. G, 16., und hier ist es eben das Verderben, ein Dienen der Fleischeslust, welches das Verderben unausweichlich nach sich zieht, davon diese Leute überwunden find] 20. sKnechte des Verderbens nannte ich sie mit vollem Recht.] Denn so sie fwie es bei ihrer Bekehrung der Fall mit ihnen war] entflohen sind dem Unflath der Welt sdarein sie vorher ver- wickelt waren Kap. 1, I; 1. Petri 1, 18] durch die Erkenntnis des HErrn nnd Heilandes Jesn Christi sdie ihnen damals zu Theil geworden und ihre Heilskraft an ihnen bewies Phil. Z, 8], werden aber [wie es seit ihrem Abfall zu der Jrrlehre, deren Vertreter und Verbreiter sie jetzt sind, mit ihnen steht] wiederum in denselbigen geflochten nnd falso von dem sittlichen Verderben] überwunden, ist mit ihnen snach dem Worte Christi in Matth.12, 45; Luk.11, ge] das Letzte ärger worden denn das Erste finden: für sie nun gar 49V 772 I. Petri 2, 21. 22. 3, 1. L. keine Aussicht auf Rettung mehr vorhanden ist, ’ Ruhe für sich selbst« geschweige dem! fÜV AUdete kom- spndern ein schreckliche; Warten des, Gericht; men läßt. So haben sie, um den eigentlichen Ver- nnd des Feuereifers, der die Widerwärtigen ver- zehren wird V. 17 u. Hebt. 10, 26 f.]. 21. iYlZehe ihnen! so muß man über sie ausrufen Judä 11., wie der HErr in Beziehung auf Judas, den Verräther sagte: »Wehe dem- selbigen Menschen!«] Denn es ware ihnen [ebenso, wie dem Judas es besser gewesen wäre, daß er nie geboren wäre Matth. 26, 24; Mark. 14, 21] besser, daß sie den Weg der sWahrheit V. 2 und] Gerechtigkeit sder in Christo Jesu ist] nicht erkannt hatten [weil sie in ihrem natürlichen Zustande doch nur erst einmal gestorbene Bäume waren, die ja noch lebendig gemacht werden konnten Judä V. 12], denn daß sie ihn sanfäng- lich] erkennen, nnd [hernachtnals, statt weiter auf demselbigen zu wandeln] sich kehren Von dem hei- ligen Gebot, das ihnen sals Christen, die sie ge- worden waren] gegeben istktt snämlich zu bleiben in der Erkenntniß unsers HErrn Jesn Christi und in derselbigen nicht faul und unfruchtbar zu sein, sondern im Glauben darzureichen Tugend u. s. w. Kap. Z, Z; 1, 5 ff.; 1. Tini. S, 14]. Z2. Es ist ihnen widerfahren das wahre Spruchwort [dessen erste Vergleichung uns schon m» Spr. 26, 11 begegnet]: Der Hund frisset wieder, was er gespeiet hat; und die Sau walzet sich nach der Schwemme wieder im Koth-s Hi) Nachdem bisher alles das ausgeführt worden, ivas der Apostel in V. 1—3 von den falschen Lehrern gesagt hatte, kommt er auf diese ihre Bezeichnung als ,,falsche Lehrer« zurück und führt aus, wie sie das rechte Widerspiel dessen sind, wofür sie sich damit geben, daß sie sich als Lehrer christlicher Wahrheit geberdem Während nämlich ein rechter Lehrer einem Borne gleicht, der den Dürstenden tränkt, oder der Wolke, die das Land befeuchtet, so gleichen sie was er- losen Quellen, von denen derjenige getäuscht wird, der seinen Durst an ihnen löschen will, und aufgestiegenen Nebeln, die, wenn sie unbeunruhigt blieben, dochsinken und auch die Erde feuchten würden, bei denen aber der Windwirbel, der von unten nach oben streicht und sie dorthin entführt, es dazu nicht kommen läßt; und wenn es von den rechten Lehrern heißt (Dan. 12, 3), sie werden leuchten wie des Himmels Glanz, so gilt von ihnen, eine dunkle Finsterniß ist ihnen behalten. (v. HofmannJ Die Jrrlehrer versprechen den Durst nach einer, Herz und Geist befriedigenden vollen Er- kenntniß zu stillen, leisten aber das nicht; sie gleichen Brunnen, die von Weitem dem durstigen Wanderer labenden Trunk versprechen, aber wenn’s drauf an- kommt, in der Nähe, als wasserleer sich ausweisen, und gleichen durstigem, nebligem Gewölk, das den frohen Anschein giebt, als wolle es das trockene Land mit wohlthuendem Regen erfrischem das aber so leer und nichtig ist, daß der Windwirbel es vor sich herjagt und spurlos davon treibt. Durch diesen letzten Zug im zweiten Gleichniß wird dein eigentlichen Ver- gleichungspunkt der Leerheit und Unfruchtbarkeit noch ein neues, höchst charakteristisches Moment beigefügt: die wilde Leidenschaft der Begierden, welche diese Menschen unstät hin und her treibt und zu keiner gleichungspunkt wieder aufzunehmen, nicht das Segnende und Befruchtende, sondern nur das finstre, unheimliche Dunkel von Wolken an sich; an dies Moment schließt der Apostel, der ja fortwährend vom Gedanken an das dereinstige Verderben der Jrrlehrer erfüllt ist, die Aussage über ihr dereinstiges Geschick Wie sinsteres Dunkel schon jetzt ihr eigentlichstes Wesen ist, so ist auch das finstere Gebiet der Finsternis; das- jenige, welches für sie ein- für allemal bereit gestellt ist und nun immerzu und unabänderlich bereit steht. (Schott.) Es findet hier eine Rückbeziehung auf die in V. 4 erwähnte Strafart statt. (Brückner.) Hi) Zur Begründung des ganzen, in V. 17 über die falschen Lehrer ausgesprochenen Urtheils legt Petrus nun die Art und Weise ihrer Verführung in ihrer Hohlheih Schändlichkeit und Lügenhaftigkeit vor Augen: mit ihrer Theorie betäuben sie das Gewissen der Verführten, während sie mit dem Köder der Fleischeslust ihren alten Nienschen gewinnen; in der Befriedigung derselben, so sagen sie, bethätige der Christ seine Freiheit und bekunde sich als Herren der Sünde, die ihm nichts anhaben könne. (Wir Wissen, sagten sie, durch den Genuß der Lust die Lust be- kämpfen; denn es ist nichts Großes, sich der Lust zu enthalten, wenn man sie nicht versucht hat, sondern das Große ist, wenn man in der Lust sich befindet, nicht von ihr besiegt zu werden. Und indem sie sich für starke Geister hielten, erklärten sie: nur ein kleines, stehendes Gewässer kann, wenn etwas Schmutzjges hineingegossen wird, verunreinigt werden, nicht aber der Oeean, der alles aufnimmt, ohne sich der Ver- unreinigung zu befürchten, weil er seine Größe kennt) Aber sie lügen damit, bezeugt der Apostel; vielmehr, wer von der bösen Lust überwunden wird, ist so wenig ein Herr der Sünde, daß er im Gegentheil ein Knecht derselben ist und fortan ihr zu Willen sein muß. Ob die Gegner dem Apostel das einräumen oder nicht, ist ihm völlig gleich; er schreibt ja nicht zur Widerlegung derselben, sondern zur Warnung seiner Leser. (Wie- singer.) Fragst du, wie sie Brunnen ohne Wasser und Wolken ohne Regen mögensgenannt werden, so sie doch alle Welt voll predigen, so antwortet Petrus: sie regnen und predigen leider allzuviel, es sind aber nichts denn vergebliche, schwulstige und aufgeblasene Worte, damit sie dem armen Haufen die Ohren voll bläuen, daß man meint, es sei köstlich Ding, und ist doch nichts dahinter. (Luther.) Jn ein Leben, in welchem sie selber sich bewegen» in ein Leben grund- sätzlicher sleischlnher Ausschweifung ziehen sie dre- jenigen hinein, die kaum, der Zeit wie der Ent- schiedenheit nach, darin begriffen sind, loszukocnmen von denen, welche im Jrrthum wandeln, einen sittlich verkehrten Wandel führen, d. i. von den Heiden und ihrem sündigen Gemeinleben; diese, sozusagen noch mit Einem Fuß im Heidenthum stehenden Gemeinde- glieder (V.14) sind ja natürlich am leichtesten in dies Leben grundsätzlicher Fleischeslust hineinzuziehem da ihnen darin nur eben das entgegengebracht wird, was sie noch an’s Heidenthum fesselt, die ungebundene Frei- heit sinnlichen Lebensgenusses, während zugleich die Gewissensbedenken gegen dies heidnische Treiben als solches ihnen hier genommen werden durch den Schein tiefer Weisheit, wodurch die Theorie der Jrrlehrer diese sittliche Zuchtlosigkeit sittlich plausibel zu machen weiß. (Schott.) Die Grundlüge des vielgestaltigen Gnostieismus, der im 2. und Z. Jahrhundert die Kirche zerwühlte, war die Leugnung des einigen HErrn und Herrschers, des Schöpfers und Erlösers der Welt Des Apostels Absicht bei diesem feinem nun abermaligen Schreiben an die Gemeinden. sJudä 4). Die Verachtung aller sinnlichen Dinge, die man der Schöpsung Gottes entzog und darin den Sitz des Bösen suchte, machte sich anfänglich in jener falschen Llskese geltend, der Paulus den Spruch ent- gegensetzt (1. Tim. 4, 4): ,,alle Creatur Gottes ist gut und nichts verwerflich, das mit Danksagung empfangen wird«; bald aber schlug dieselbe Verachtung in scheuß- liche Zuchtlosigkeit des Fleisches um, das man miß- brauchen müsse (Offenb. 2, 6 Anm.), um darüber erhaben zu sein. (Befser.) THE) Wenn jene, welche den Befleckungen der Welt wahrhaft entflohen find, wieder darein verwickelt werden können, so giebt es also nach der Lehre der Schrift einen Rückfall aus dem Gnadenstand, was die Schule Calvins mit unstichhaltigen Gründen leugnet. (Fronmiiller.) Sündige nicht nach der Vergebung, laß dich nicht verwunden nach der Heilung, laß dich nicht befleckeii nach der Gnade! Denke, o Mensch, die Schuld sei größer nach der Vergebung, die ernenerte Wunde schmerze mehr nach der Heilung, die Befleckung sei liistiger nach der Gnade! Der ist daher undankbar gegen die Verzeihung, der wieder sündigtx der ist der Gesundheit unwürdig, der sich selber wieder verwundet, nachdem er geheilt ist; der verdient nicht, gereinigt zu werden, der sich selbst nach der Gnade beschmutzt. (Chrysostomus.) · · » f) Der Vergleich Ist ebenso einfach, als scharf·zu- treffendt wie diese Thiere dasselbe, dessen sie als einer Entstellnng und Störung ihres gedeihlichen Lebens eben erst sich selbst erledigt haben, gleich wieder als die rechte Befriedigung dieses ihres Lebens aufsuchen, so auch suchen diese Menschen eben das sündige Wesen, von dem sie als von dem tiefsten Schaden ihres Lebens durch ihre gläubige Ergreifung Christi und des Christenthums sich haben befreien lassen, nun selbst wieder als die wahre Vollendung und Befriedigung ihres Lebens auf. Das Bild ist aber umso passender und überfiihrendey als die fchon mehrfach angedeutete bestialische Seite der Jrrlehrer gerade durch solche unedle, im Morgenland besonders verachtete Thiere und ihr sonderlich ekelhaftes Treiben aufs Stärkste und Treffendste gezeichnet wird, wie denn offenbar eben deshalb dieser Abschnitt von den Jrrlehrern gerade in dies Wort wie in seine schärfste Spitze abschließend ausliiuft (Schott.) Zwar sind, wie die meisten Aus- leger richtig erkennen und das ,,überwunden werden« bestimmt andeutet, dieselben, von welchen der Apostel im ganzen Kapitel redet, die Jrrlehrer, auch diejenigen auf welche zunächft auch das in V. 20 sfzGesagte sich bezieht; aber doch gelten namentlich die Worte in V. 21 s. zugleich denen mit, die nach V. 18 sich von ihnen zur Unzucht verführen lassen, nachdem sie kaum ihrem vorigen heidnischen Verderben entronnen. Das 3. Kapitel. Von den letzten Zeiten, Christi Zukunft nnd würdiger Jzereiischaft dazu. b. U. 1—16. Die zweite Hälfte, nun ihrerseits der des ersten Theils in Kost. "1,«12—21 eutspreihend, welche die Mahnung zur Treue in der wohlverbiirgteii Hoffnung einsliger Vollendung enthielt, Beginnt ebenso, wie jene, in einigen Gingaugsversen mit einer Aus— lassuug des Apostels iiber die Jlbsichi seines Scl")reibeiis, wobei er sich zugleiih zu seiner ersten Episiel an die- selben ceser belienut und auch deren Tendenz in’s 773 wariitiiig vor den am Ende der Zeiten zu erwartenden 5pötieru, welche, gestützt auf den bisherige» Bestand der Welt, die Wiederkunft des hErrii uud ein Ende der Dinge leugnen, daniit aber an ihreni Theile das ganze Gebäude der christlichen Hoffnung nnd aller damit zusammenhängenden Ermahnung unillosten Juden: er sie aon Seiten ihres Lebenswandels clsaratiterisirt nnd niit eigenen Worten ihre Meinung vorbringen lädt, um alsbald deren Veriiehrlheit ge« schichtlich nachzuweisen: und niit dem betreffenden geschichtliiheii Vorgang den sshliestlicheii itutergaiig der Welt in Parallele zu stellen (v. 3—7), wendet er sich von ihnen ab zu seinen Lesen« um diesen zu sagen, was es mit dem scheinbaren Verzug des siingskeii Tags siir eiae Bewandtiiisz habe, in ioeliher Art er schliesslich einmal sich vollziehen werde und wie sie nun sich siir denselben bereit zu halten hoben, un: des grossen Heils, das er neben der ewigen Ver— dannnuiss liir die Goltlosen den recht« Bereileleii bringen wird, theilhaltig zu werden (i1. 8—13). Im Fortschritt seiner cbrniahniiiig gedenkt er seines lieben Bruders» Paulus, der auch sihoa die Leser angewiesen habe, die Geduld des hErrlt für ihre Seligkeit zu achten, erlilärt sich wider die Verdrehnng, woniit Ungelehrigc und Leichtsertige dessen Gpislelii falsch deuten, und lioninit so wieder ans den Inhalt des T. Kapitels zurück? (V. 1Ll——16). l. Dies ist [schon, nach kurzer Zwischenzeit seit der vorigen] die andere Esustel, die ich euch schreibe, ihr Lieben, in welcher ich sgleichwie in der ersten] erwecke und erinnere sdurch Er- innerung erwecke oder ausmuntere Kap.1,13] euren lautern Sinn swie ich einen solchen ja doch wohl bei euch voraussetzen darf], 2. Daß ibr gedeutet an die Worte, die. euch sin Beziehung auf Christi Kraft und Zukunft Kap. 1, 16] zuvor gesagt sind von den heiligen Propheten fund die ihr immer auf’s Neue zu hören bekommt, so oft die Schriften des alten Testaments Kap. l, 19 in euren Gottesdiensten gelesen werden 1. Tim. 4, 13], nnd [gedenket] an unser Gebot, die wir sind Apostel des HErrn Und Heilandes snach besserer Lesart im Grund- text und besserer Verbindung der Worte mit einander: an das von euern Aposteln em- pfangene Gebot des HErrn und Hei- landes]. Mit den Worten: ,,Dies ist bereits (dies Wort steht zmit im Grundtext) die andere Epistel, die ich euch schreibe« betont der Apostel die Kürze der seit Abfassung des ersten Briefs verflossenen Zeit, um den Lesern beinerklich zu machen, wie sehr ihm der Zweck am Herzen liegt, zu welchem er ihnen nun fchon zum zweiten Male schreibt; und als gemeinsamen Zweck seiner beiden Briefe (denn statt: »in welcher« heißt es— im Grundtext genauer: »in welchen«) bezeichnet er mit ähnlichem Ausdruck wie in Kap. 1, 13 und über- einstimmig mit Kap. 1, 12—21 diesen: erinnerungs- weise, also nicht, wie wenn sie erst dazu angelehrt werden müßten, ihre lautere Sinnesweise, die er also voraussetzh dazu zu erwecken, daß sie dessen, was die heiligen Propheten zuvor geredet haben, und der durch ihre Apostel ihnen kund gethanen Weisung des HErrn und Heilandes wohl eingedenk seien. Wenn er schreibt: Klage saslt (V. 1 u. 2); daran liaiipst er denn die s ,,Gedenket an die Worte, die zuvor gesagt sind von 774 L. Petri Z, 3——7. den heil. Propheten«, so stellt er mit diesem ,,zuvor« das von den Propheten Gesagte gegenüber dem, was die Leser aus dem Munde ihrer Apostel als die jetzt sergangene Weisung Jesu Christi vernommen haben Gebt. 1, 1 f.); unter ihren, der Leser Aposteln aber versteht er eben dieselben, von denen er in I. Petri 1, 12 gesagt hatte, daß sie den Lesern durch den heil. Geist das Evangelium verkündigt haben, an Paulus und Silas sie erinnernd. (v. Hofmannh Das Gebot dieser ihrer Apostel ist nicht ihr, der Apostel, Gebot, sondern des HErrn und Heilandes Gebot, darauf vor allem ruht die Pflicht des daran Gedenkens: durch die heiligen Propheten weissagt der Geist Christi (1. Petri 1, 11), durch die Apostel befiehlt der HErr und Heiland· (Wiesinger.) Lauter ist der Sinn des Christen, wie Petrus bei seinen Lesern ihn voraussetzh wenn er sozusagen es verträgt, prüfend gegen das helle Sonnenlicht gehalten zu werden, wenn er, ohne irgend mit etwas ihm Fremden versetzt zu sein, ganz und ausschließlich das zum Inhalt und zur bestim- menden Macht hat, was seiner eigensten Natur, seiner Jdee nach seinen Wesensbestand ausmachen muß, hier nun handelt es sich insofern um Bekundung eines lauteren Christensinns, als die Leser, ohne von der verführerischen Weisheit der Jrrlehrer sich irgendwie einnehmen zu lassen, in einfältigem Glaubensgehorsam an die Eine Wahrheit sich zu halten haben, die es für den Christen giebt, an das göttliche Wort, das Petrus dann nach seinen zwei geschichtlichen Gestal- tUngen zwiefach benennt. Wie er oben (Kap. 1,16 sf.) in Zusammenhang mit der gleichen Erklärung über den Zweck seines Briefs hinsichtlich der Wiederkunft des HErrn die Leser auf die durch heilsgeschichtliche Thatsachen verbiirgte apoftolische Lehre und auf das durch dieselbenThatsachen neu bekräftigte alttestamentliche Weissagungswort verwiesen hat, so bezeichnet er auch hier als Zweck seiner Briese die Ermunterung der Leser, treulich festzuhalten an der alttestainentlichen Weissagung von dieser Heilszukunft und an der von ihren Heilsboten ihnen mitgetheilten Weisung des HErrn selbst; unter dieser Weisung aber kann nach dem Zusammenhang nicht wohl etwas Anderes ver- standen sein, als die mancherlei Reden des HErrn, da er, in wesentlich einheitlicher Weise, in unmittelbarem Anschluß an die alttestamentliche Weissagung, eine schließliche Erfüllung des dort Angekiindigten vorher- sagt, welche nur der nothwendige endgiltige Abschluß des mit seiner Person und Geschichte bereits anfangs- weise eingetretenen erfiillungstnäßigen Endes ist, kurz die in den Evangelien so ausführlich verzeichneten nachdrücklichen Weisungen des HErrn, seiner der- einstigen Zukunft entgegenzuwarten sowohl im uner- schiitterlichen Glauben an dieselbe und an die damit sich vollziehende Heilsvollendung, als auch in dem Fleiß der Heiligung, der allein jenen Tag seiner Zu- kunft zum Tag solcher seligen Heilsvollendung machen kann. (Schott.) (Epistel am 26. Sonntage nach Criuitatis.) (Vgl. die Vorbem. zu 1. Thefs. 5, 1 ff. u. 2.Thess.1, 3ff.) Das Ende der Welt: der Apostel ertheilt uns in Beziehung darauf 1) Warnungem 2) Belehrungem Z) Ermahnungen. (Couard.) Die Bereitfchaft auf den Tag des HErrn; sie besteht darin, daß wir 1) uns nichtirre machen lassen von den Spötterm die den Eintritt dieses Tages leugnen, Z) die gnaden- reichen Absichten erkennen, die der HErr bei dem Verzug dieses Tages hat, Z) der Herrlichkeit dieses Tages entgegenharren und eilen, 4) mit heiliger Ge- sinnung geschmückh unsträflich im Frieden vor ihm erfunden werden. (Thomasius.) Petri Wort vom jüngsten Tage, wie er 1) dessen Gewißheit be- hauptet und z) zur Bereitung darauf ermahnt. (Westermeier.) Der Untergang der Welt: l) die Welt wird gewißlich untergehen; L) warum ist dieser Untergang noch nicht eingetreten? Z) in welcher Weise wird er geschehen? 4) wer wird dabei erhalten bleiben? (Palmi(5.) Warum verzieht der HErr mit seiner Wiederkunft? damit 1) unser Glaube be- währt werde, 2) seine Liebe sich in ihrer ganzen Herrlichkeit offenbare, Z) sein Gericht über alle Völker gerecht sei. (Ahlseld.) Vom Weltgericht: I) es kommt gewiß; 2) daß es noch nicht gekommen, ist Gottes Gnade; Z) es kommt aber als ein Dieb in der Nacht; 4) darum seid bereit, daß ihr eure Seelen er- rettet. (Mau.) Das jüngste Gericht: 1) wenn es aufsich warten läßt, so kommt’s doch sicher; Z) wenn du seiner mit Ernst wartest, so gehest du sichetx (Beck.) Z. Und wisset das aus’s Erste [haltet bei solchem eurem Hinblick auf die Zukunft das als ein wesentliches Moment Kap. 1, 20 sest], daß in den letzten Tagen fwenn es mit der Welt und ihrer Zeit zu Ende geht] kommen werden Spötter, die nach ihren eigenen Lusten wandeln sdaher sie von einem Ende der Dinge, das auch ihren Lüsten ein Ende machh nichts wissen mögen Judä 18], 4. Und sin ihrem Spotte nun also] sagen: Wo ist szeigt sich in ihrer Bewährung Luk. s, 25]· die Perheißung seiner Zukunft fdaß wir je einmal ihre wirkliche Erfüllung erleben wurden] ? Denn nachdem die Väter entschlafen smd szu deren Zeit schon das Eintreten dieser Zukunft erwartet werden sollte, ohne daß es dazu ge- kommen wäre Matth. 24, 84], bleibt es sbis herein in diese unsre Tage] alles, wie es von Anfang der Creatur gewesen istr lin unver- ändertem Bestande, und wird darum auch in alle Ewigkeit also bleiben] 5. Aber muthwillens wollen sie fwenn sie so reden: ,,es bleibt alles, wie es von An- fang der Creatur gewesen ist«, dem biblischen Bericht in 1. Mos. 1 u. 7 zum Trotz das] nicht wissen, daß der [Luft- und Sternen-] Himmel vorzeiten fals seit Schöpfung der Welt etwa 1655 Jahre vergangen 1· Mos. 7, 6] auch war, dazu die Erde, aus Wasser fin dem sie beide anfangs wie begraben lagen I. Mos. I, 2., her- vorgebracht I. Mos. 1, 6 fs.] und im Wasser fbis daher] bestanden [Ps. 104, 5ff.] durch Gottes Wort [Ps. 33, S; Hebt 1- 3]; S. Dennoch szum Zeichen, daß es nicht darauf ankommt, wie alles von Anfang der Ereatur gewesen, gleich als könne darin nie eine Veränderung eintreten] ward zn der Zeit sals Gottes Wort den seitherigen Bestand nun aufhob und ein Anderes wollte eintreten lassen] die sganze auf der Oberfläche der Erde befindliche Kap- 2, b] Welt durch dieselbigen fdurch Warnung vor den am Ende der Zeiten zu erwartenden Spöttern. 775 Himmel und Erde, welche zusammen ihre Wasser herausgaben 1. Mos. 7, 11 f.] mit der Sünd- fluth sdie über sie kam] verderbet sdaß sie völlig unterging 1. Mos. 7, 21 ff.]. 7. Also auch der Himmel jetznnd und die Erde swie jener dermalen sich über uns Wölbt und diese dermalen uns trägt] werden durch sein Wort sauf das es in Betreff ihrer Dauer allein ankommt, zu einer ähnlichen Ver- wendung, wie damals, wo sie mit ihren Wassern dazu dienten, die Menschenwelt zu vertilgen] gesparet swenn sie allerdings in gewissem Sinne einen ewigen Bestand haben sollen Pf. 105, 5; Pred. 1, 4; dies Gespartwerdem wie es in 1. Mos. 8, 22; 9, 11 zum Ausdruck kommt, gehet denn da"hin], daß sie zum Feuer behalten werden swelches nun sie selber ergreifen und ihren seit- herigen Bestand völlig vernichten soll l. Cor. s, 13; 2.Thess.1,8 f.] am Ta edes Gerichts und Verdammniß der gottlo en Menschenitk sum fortan einem neuen Himmel und einer neuen Erde Platz zu machen V. 10 ff.]. V) Ganz ebenso, wie in Kap. 1, 20 die Worte: ,,das sollt ihr für das Erste wissen« den Lesern hin- sichtlich der Beachtung des prophetischen Worts noch ein Besonderes zu bedenken gaben, so auch hier die- selben Worte in Ansehung des »gedenket un« in V.2; und auch hier ist es der Verfasser, der von sich aus diese ermahnende Bemerkung hinzuthuh nicht aber soll damit etwas von dem, dessen sie gedenken sollen, namentlich angeführt werden, gleich als wäre das »in den letzten Tagen werden Spötter kommen 2e.« als ein Bestandtbeil des apostolischen Gebots behandelt, wie es allerdings in Judä V. 17 f. als Inhalt einer apostolischen Vorherverkündigung auftritt, sondern Petrus (wie er wohl schon in seinem früheren Wir- kungskreise in Syrien und Piesopotamien 1. Petri "1, 13 das Auftreten von Spöttern über die Zukunft Christi für die letzten Tage geweissagt hatte, so daß sich Judas in seiner Epistel mit darauf beziehen konnte) giebt diese Vorherverkündigung hier als fein eigenes Wort. Voraus wissen aber sollen die Leser das Auftreten der Spötter, damit deren Anlauf wider das Wort der Propheten und Apostel sie nicht über- rasche und befre1nde, vielmehr sie vorbereitet und ge- gründet finde. (Wiesinger.) Es giebt Zweifler, die selbst noch nicht alle Hoffnung verloren haben, und Spötter, welche innerlich von der Wahrheit erfaßt und von Gott unter diejenige Schaar von Seelen einge- zeichnet sind, die ihm noch reuig, bekennend und gläubig zu Füßen fallen und zu seiner Ruhe eingehen sollen. Manchem Zweisler und Spötter ist es innerlich um Wahrheit und den Frieden der Wahrheit zu thun; es ist daher manchmal gut, einen Spötter oder Zweifler kräftig und hoffnungsvoll anzureden und anzugreifen, von seinen grellen Spott- und »Zweifelsreden sich nicht allzusehr irre machen zu lassen. Von dieser hoffnungs- vollen Art der Zweisler ist aber die Schaar derjenigen sehr verschieden, welche Petrus hier schildert; sie lästern und spotten nicht blos, sondern sie wandeln nach ihren eigenen Lüsten, ihr Zweifel und Spott kommt also nicht aus Anfechtung, da das Herz voll Kummer und Sehnsucht nach Wahrheit ist, sondern er ist eine Aus- geburt des Abfalls und der sittlichen Verlorenheit (Löhe.) Petrus warnt vor Spöttern, welche die Zeichen der Zeit nicht erkennen, welche nicht bedenken, warum der HErr mit seiner Erscheinung verzieht, welche sich um die alles klar legenden Weissagungen der Pro- pheten und Aufschlüsse der Apostel nicht kümmern, weil sie ihren eigenen Lüsten nachwandeln, weil sie also ihre Rechnung dabei finden, ein Interesse daran haben. Sehr wahr bemerkt Bengel: ,,dies (daß sie nach i ren eigenen Lüsten wandeln) ist der Ursprung ihres Jrrthums, die Wurzel ihres Libertinismus«; das böse Herz, das seinen Sünden leben will, heißt sie nicht glauben, heißt sie die Weifsagungen der Schrift verachten, heißt sie das Heiligste zum Gespött machen. Wer nicht glaubt, der will allermeist nicht glauben, wer da spottet, will durch seinen Spott seinen Lüsten eine freie Bahn machen. (Nebe.) Aus den Worten, die der Apostel den Spöttern in den Mund legt, redet der verhöhnende Unglaube; es ist nichts, sagen· sie, mit der Verhetßung seiner Zukunft, sie ist da nicht zu finden, wo sie sich bewähren sollte, indem ihr die Erfüllung abgeht. Er schreibt: »seiner Zu- kunft«, um die Unehrbietigkeit der Sprechenden aus- zudrückem die dessen, der da kommen soll, ebensowenig achten, als der Verheißung, die da kommen werde; und daß es nichts mit ihr sei, weil sie sich sonst erfüllt haben müßte, begründen sie mit der Thatsache, das; alles in seiner seit Beginn der Welt bestehenden Ver- fassung verbleibt, ohne daß in der langen Zeit eine Veränderung eingetreten, seit die Väter, in deren Tagen die Verheißung ergangen und von denen her sie überliefert ist, entschlafen sind. Seitdem, so rechnen sie, ist ja schon eine so lange Zeit verflossen, daß es in- zwischeii bereits hätte anders werden müssen, falls es mit der Verheißung etwas wäre. (v. Hofmannsf W) Auf dem ,,muthwillens« in B. 5 liegt der Ton: sie wollen nicht das Richtige sehen, sie wollen muthwillens vergessen, übersehen nnd nicht wissen, was sich alsbald, sowie fie nur den Mund zu ihrer Rede aufthun, ihrem Bewußtsein von selbst aufdrängt; und sie wollen so, weil sie nicht der Wahrheit nach- gehen, sondern ihren eigenen bösen Lüsten nachwandeln wollen. Petrus führt nun den Spöttern die sogen. Sündfluth (vgl. die Berti. zu 1- Mos. 6, 17) zu Ge- müthe, um ihnen nachzuweisem daß nicht alles bleibt, wie es von Anfang der Welt her gewesen, das; Ver- änderungen, entsetzliche Katastrophen eintreten, welche den Spötter von dem Angesicht der Erde hinwegfegen. (Nebe.) Wenn diese Spötter sagen, es bleibt alles in seinem Bestände, in welchem es ist von der Welt Be- ginn an, so ist es ihnen nicht sowohl um die Schöpfung überhaupt, als um die Menschenwelt zu thun, daß sie, einmal geschaffen, fort und fort so bestehen bleibt; da weist nun der Apostel auf das hin, wogegen fie die Augen verschließen, daß nämlich inmitten einer bereits von lange her bestehenden Schöpfung für das Menschenthum schon einmal ein Ende eingetreten ist, und zwar ein Ende, welches die von lange her be- stehende Schöpfung selbst herbeizuführen diente. (von Hofmann.) Damals war der Himmel auch so wohl geordnet und die Erde hatte auch den Wechsel der Jahreszeiten so richtig als jetzt; aber das hat Gottes Gericht nicht aufgehalten. Durch Himmel und Erde und die aus beiden zusammenbrechenden Wasser ist alles, was einen lebendigen Odem hatte, vertilgt worden. Auch jetzt, so sagt der Apostel weiter, hat der Himmel und die Erde, für deren ewige Dauer die Spötter streiten, den Grund ihrer bestehenden Ordnung nicht in sich selbst, wie man es so gern von der so- genannten Natur annimmt, sondern Gott trägt alles durch sein Wort, durch seinen Willen; in diesem Wort und Willen aber hat das Sparen und Aufbehalten 776 2. Petri Z, 8—13. schon sein Ziel. Es bedarf also nicht, daß sich an Himmel und Erde allmälig eine Abnahme der Kräfte äußere, wie sich unser Leben insgemein so zum Ende neigt, sondern sie werden durch Gottes Wort getragen und erhalten bis aus das hin, wozu sie gespart sind. (Rieger.) An der Beobachtung (V. 4): ,,es bleibt alles, wie es von Anfang der Creatur gewesen«, ist allerdings etwas Richtiges, wenn man von der Ka- tastrophe in V. 6 absieht, Himmel und Erde selber befinden sich im Stadium der Bewährung; aber es ist das eine Bewährung für das Feuer des Endgerichts (Wiesinger.) Die Sündfluth konnte nur äußerlich die Oberfläche der Erde zerstören und die Plienschen darauf vertilgen, das Feuer am Tage des Gerichts dagegen wird sie selber un1schmelzen und verklären. (von Gerlach.) 8. Eines aber sei sin Beziehung daraus, daß die Spötter sich auf das Entschlasen der Väter berufen V. 4., denen die Zukunft des HErrn schon als eine baldige verheißen war, während nun doch eine so lange Zeit seitdem vergangen sei, ohne daß sich die Erfüllung solcher Verheißung auch nur von ferne anbahne] euch unt-erhalten, ihr Lieben, daß Ein Tag vor dem HErrn kvor Gott Kap 2, g] ist wie tausend Jahr snach unserm Maßstab gemessen] Und [umgekehrt] tausend Jahr ssind vor ihm] wie Ein Tag« sin einen so kurzen Zeitraum ziehen sie für seine Anschauung sich zusammen Pf. 90, 4]. 9. Der HErr [V. 8] verzeucht nicht die Verheißuug ldaß er sie später erfüllete, als er ursprünglich beschlossen und bestimmt hätte Hab. Z, 3], wie es etliche [die sich von dem Gerede der Spötter bethören lassen] für einen Verzug achten swenn sie, sein Thun an ihrem mensch- lichen Zeitmaße n1essend, behaupten, er hätte sie schon längst in Erfüllung bringen müssen, falls sie überhaupt sich jemals erfüllen sollte]; sondern er hat swenn er statt der Jahrzehnte, die etwa wir als Zeitraum ihm vorschreiben, vielmehr soviel Jahrtausende sich Zeit nimmt] Geduld mit uns snach anderer Lesart: mit euch, für die es ja um die Entscheidung über ewige Verdamm- niß oder ewige Seligkeit sich handelt], und will nicht, daß jemand lvon denen, welche der ewigen Verdammniß verfallen müßten, wenn er nach unserm Zeitmaß sich richten sollte] verloren werde, sondern [will, wenn er eine uns so un- gebührlich lang erscheinende Frist gewährt 1. Mos. G, 3], daß steh jedermann lwährend derselben] zur Buße kehre« fund so Mancher doch noch die Seligkeit davon bringe, die, wie es jetzt mit ihm steht, ihm versagt bleiben müßte Hes. 18, 23; 33, 11; Apostg. 17, 30 f.; 1. Tim. 2, 4]. 10. Es wird aber des HErrn [V. 9 u. 12] Tag swenn er dereinst sich nun wirklich einftellt] kommen als ein Dieb in der Nacht swie Christus selber von seinem Kommen das bezeugt Matth 24, 43 f.; Offenb Z, Z; 16, 15]; in welchem [d. i. an welchem Tage dann nach dem, was ich schon in V. 7 andeutete] die Himmel [V. 5 u. 7] zergehen werden mit großem Krachen swie ein in Flammen ein- stürzendes Haus Matth. 24, 3.3], die Elemente aber sdie Grundbestandtheile, aus denen die Welt stofflich zusammengesetzt ist Weish. 7, 17] werden vor Hitze schmelzem und die Erde und die Werke, die drinnen sinnerhalb der Erdenwelt] find [seien sie nun von Gott selber Qffenb. 10, 6 oder aber von Menschen hervorgebracht 1. Cor. Z, 13], werden verbrennen-W« [Mal. 4, J; Jes. 51, 6; Hab. 2, 13; Z. Thess. 1, 8]. . So nun das alles [Himmel und Erde und was drinnen ist] soll zergehen fund damit das Verderbensgericht für alle gottlosen Menschen bevorsteht V. 7; Ofsenb 20, 11 ff.], wie sollt ihr denn sdas bedenket wohl, daniit ihr nicht in das Verderben derselben euch ver- wickeln lasset] geschickt sein mit heiligem Wandel [nach allen Seiten hin] und gott- seligem Wesen ldem nichts von dem abgeht, was zu seinem vollkommenen Stande gehört], 12. Daß ihr [solchergestalt] wartet und eilet [mit sehnsüchtigem Verlangen 2. Tini. 4, 8; Offevkx 22- 17 U— 201 zu der Zukunft des Tages des HErru snach anderer Lesart: des Tages Gottes Joel 1, 15; Zeph 1, 7; Jak. 5, 7; Tit. 2, 13], in welchem [d. i. mit dessen Eintreten] die Himmel vom Feuer zergehen und die Eletuente vor Hitze zerschmelzeii werden-1- [Jes. 34, 4]! 13. Wir warten aber san Stelle dieser gegenwärtigen Welt, in welcher der Gottlosigkeit der Menschen ein so weiter Spielraum gelassen Kap 2, b; I. Petri 4, 17ff., weil sie nun ein- mal zum schließlichen Untergang bestimmt ist] eines neuen Himmels und einer neuen Erde, nach seiner Verheißung swie sie bestimmt ausgesprochen in Jes. 65, 17 u. 66, 22 vorliegt] in welchen Gerechtig- keit sin jeglicher Hinsicht Jes. 11, 5sf.; 25, 7 f.; 35, 8ff.] wohnetsHs [so daß niemand in diese neue Welt eingehet, der eben nicht mit heiligem Wandel und gottseligem Wesen dazu geschickt ist Kap 1, U; Offenb. 21, 1sf.]. ») Hat der Apostel in V. 5 auf den Punkt hin- gewiesen, den jene Spötter bei ihrer Behauptung übersehen, so weist er nun in V. 8 auf den Haupt- punkt hin, den seine Leser in dieser Sache nicht zu übersehen haben; und wenn V.5—7 zur Widerlegung der Behauptung: ,,es bleibt alles, wie es von Anfang der Creatur gewesen ist« dient, so dient V. 8 u. 9 zur Widerleguug des ,,nachdem die Väter entschlafeii sind 2c.«, davon jene Frage des Spottes: ,,wo ist die Verheißung seiner Zukunft?« zunächst ihren Ausgang nimmt. Der Apostel giebt offenbar zu, daß nach menschlicher Erwartung eine Zögerung stattfinde, und Widerlegung des Geredes der Spötter, Ursache des Verzugs des Tages des HErrn. 777 diese zu erklären ist vor allem seine Absicht; auf eine Widerlegung der Spötter kommt es ihm hier nicht mehr an, sondern auf Befestigung seiner Leser, daher schreibt er: ,,Eines aber sei euch unverhalten, ihr Lieben-«, indem er ihnen dasjenige bezeichnen will, in dessen richtiger Erkenntniß der Schliissel des Ganzen liegt. (Wiesinger.) Jene Spötter vergessen Eines, was sie nicht vergessen sollten, muthwillensz die, welche Petrus mit ,,ihr Lieben« anredet, womit er die Gläu- bigen meint, welche diese Spottreden der Spötter anhören · und nicht recht wissen, was sie dagegen sagen, wie sie dagegen die Wahrheit und Zuverlässig- keit der Hoffnung, die sie haben, aufrecht erhalten sollen, dürfen Eines nicht gleicherweise übersehen, Eines müssen sie wohl bedenken. Wenn sie dieses Eine nur festhalten, so können alle Spottreden ihnen nichts anhaben; und dieses Eine ist dieses, daß Ein Tag vor dem HErrm in den Augen Gottes oder nach göttlicher Anschauung, wiege gleich tausend Jahren und, un1gewandt, tausend Jahre gleich Einem Tage sind. Auf keinen Fall soll hierinit gesagt werden, daß der Begriff der Zeit für Gott gar nicht existirt, eine blos menschliche Form der Vorstellung sei: wie kann von einer göttlichen Weltregierung die Rede sei, wenn für Gott die Zeitepochen nicht da sind? wie kann von einer heiligen Geschichte, von einem heilsökonomischen Prozesse gesprochen werden, wenn Gott die Zeit nicht kennt, nicht duldet vor seinem Angesicht? Gott selbst steht für seine Person über aller Zeit, aber in seinem auf die Welt bezogenen Wirken erkennt er die Zeit an, kümmert er sich um die Zeit, bindet er sich an dieselbe; unser Satz, der an den Spruch Mosis in Pf. 90, 4 sich anlehnt, will daher, wie Gerhard es aus- drückt, nichts« Anderes sagen, als daß bei uns ein großer Unterschied und sehr langer Zeitraum sei zwisrlseti Einem Tage und tausend Jahren, weil wir der Zeit unterworfen sind und nach ihr messen, aber bei Gott, welcher der Aufeinanderfolge und dem Wechsel der Zeit nicht unterworfen ist, dem alle Ver- gangenheit und alle Zukunft gleich steht der Gegen- wart, sich ein Tag und tausend Jahre, an dem Maß- stabe der unbegrenzten Ewigkeit gemessen, in gar nichts von einander unterscheiden Gott sieht die Zeit anders als wir an, das Maß, mit welchem wir sie beniessen, ist nicht das göttliche: was uns lange scheint, ist Gott wohl oft kurz; und was uns kurz erscheint, nennt Gott wohl häufig lange· (Nebe.) Tausend Jahre sind vor dem HErrn wie Ein Tag, ähnlich wie bei einem reichen Manne tausend Gulden sind wie Ein Heller (Bengel.) Gott siehet die Zeit nicht nach der Länge, sondern nach der Quere; als wenn du einen langen Baum, der vor dirs liegt, über quer an- siehst, so kannst du beide Enden zugleich in’s Gesichte fassen. (Luther.) Die Kirchenväter haben bekanntlich aus unsrer Stelleeine sechstausendjährige Weltzeit ge- folgert, auf welche dann die in Hebt. 4, 9 geweissagte Sabbathszeit des Volkes Gottes folge; aber auch die « alten Hetrusker lehrten schon aus der Tradition, daß , die Welt 6000 Jahre stehe, nach dem 6. Jahrtausend komme dann das große Jahr. (Fronmüller.) Ei) Das ,,verzeucht« in dem Satze: »der HErr verzeucht nicht die Verheißung« ist nicht, wie in 1· Tini. Z, 15 (,,so ich aber verzöge«), im Verhältniß zu einem bestimmten Zeitpunkte der menschlichen Erwartung, sondern in Beziehung aus den Zweck und Rathschluß gefaßt; denn in der ersteren Beziehung gab Petrus wohl eine Verspätung zu, aber er leugnete nach V. 8 die Berechtigung zu dieser Erwartung, weil Gott eine andere Zeitanschauung (sowie andere Gedanken und f Jene ,,etliche«, welche wir nicht aus den Spötterbänken sondern in der Gemeinde der Frommen als Schwache zu suchen haben, mögen von einem Verzuge Gottes, gleich als schiebe er das Eintreten des jüngsten Tags über die rechtmäßige Zeit hinaus, reden; Petrus spricht von der Langmuth Gottes als dem letzten Grunde, warum es so lange ansieht. »Gott hat Geduld mit euch«: so, wie nach den meisten Handschriften des Grundtextes zu lesen, schreibt er den Lesern; sie, von denen etliche klagen, daß Gott es so lange mache, sollen bedenken, daß ihretwegen es alles so lange dauert, denn Gott weiß, daß unter ihnen etliche sind, die verloren gehen müßten, wenn jetzt schon das Ende käme. (Nebe.) Zwar gilt das Gesagte nicht von den Lesern ausschließlich, aber es wird speziell von ihnen gesagt (vgl. das »Um euretwillen« in 1. Petri 1, 20), weil ihnen damit eine Verpflichtung an’s Herz gelegt werden soll, die Verpflichtung nämlich, nicht einen Liebesbeweis Gottes gegen sie als Sanmsal zu deuten, sondern ihn zu nützen, wozu er dienen soll V. 15. (Wiesinger.) Doch hat auch die Lesart: ,,mit aus«, die unzweifelhaft zarter ist, als die andere: ,,mit euch«, und vielleicht nur darum mit dieser vertauscht, weil man sich nicht darein zu finden vermochte, daß der Apostel sich selber solle mit eingeschlossen haben, ihre gute Berechtigung; Petrus nämlich kann es nicht ver- gessen, welche Geduld der HErr einst mit ihm gehabt. Wäre Tod und Gericht über ihn gekommen in dem Augenblich da er seinen HErrn zum dritten Mal ver- leugnete, so wäre er ewig verloren gewesen; aus dieser Erfahrung heraus schreibt er die theuerwerthen Worte: »Gott will nicht, daß jemand verloren werde, sondern daß sich jedermann zur Buße kehre« (Besser.) Gott säumt und versäumt sich nicht wie ein Mensch, der zögernd daran geht, etwas n thun; sondern seine Güte, die gern alle ohne Unterschied zur Buße gelangen sähe, verwaltet die für ihn selbst, den Ueberzeitlichety ausdehnungslose Zeit so, daß niemand um deswillen verloren geht, weil es ihm an Raum fehlte, Buße zu thun. (v. Hofmannh Um unsrer Stelle die Beweis- kraft gegen seine Prädestinationslehre zu nehmen, er- klärt Calvin sie von dem im Evangelio geosfen- barten Willen Gottes, vermöge dessen er allerdings allen ohne Unterschied die Hand zur Rettung reicht; nach seinem verborgenen Rathschluß aber ergreift er in Wirklichkeit blos die, sie zu sich zu ziehen, die er von Ewigkeit dazu erwählt hat. (Huther.) TM) Enden aber wird das Warten der Langmuth Gottes (V. 9), und es wird damit enden, daß sein Tag für diejenigen, die seiner nicht gewärtig sind, so unangemeldet kommt, so unvermuthet sie überfällt, wie ein Dieb (die Näherbestimmung: »in der Nacht« ist wohl aus l. Thess 5, 2 hier eingetragen worden). Der Tag ,,des HErrn« ist dasselbe, was alttestamentlich ,,Tag Jehovas« ist. Wenn der Christ sich seines Hec- landes getröstet, so hofft er allerdings vor allem daraus, daß der jetzt in Gott verborgene Christus innerweltlich werde offenbar werden (Col. 3, 3f.); s« wenn dagegen der Spötter die Ehristenhoffnung ver- höhnt, so ist es ihm darum zu thun, daß es kein Ende der Dinge gebe, welches den gegenwärtigen Weltzustand auflöst, und ihm gegenüber ist nun aufrecht zu erhalten, daß Gott dieser Welt ein Ende machen wird, um eine andere herzustellen, die alles Widergöttliche aus- schließt. So spricht denn auch Petrus jenen Spöttern gegenüber nicht von der Offenbarung Jesu, sondern von dem Tage, den die alttestamentliche Schrift den Tag Jehovas nennt, und beschreibt ihn als den Tag, welcher dieser, nach der Meinung der Spötter immer Wege Jes. 55, 8) als der Niensch hat. (de Wette.) so, wie sie ist, bleibenden Welt ein Ende macht, um 778 L. Petri Z, 14—18. eine neue zu schaffen, in welcher Gerechtigkeit wohnt. (v. Hofmann.) Bei den Geschehnissen nun, die der Apostel für den Tag des HErrn aussagt, ist es ihm offenbar darum zu thun, die auf alles, was der körperlicher: Welt angehört, sich erstreckende vernichtende Gewalt des Tages vor die Augen zu stellen —— vgl. in V. 1l: »so nun das alles soll zergehen«. (Wie- singer.) Mit dem Himmel beginnend steigt er durch die Elemente als zwischenliegende zur Erde herab. (Gerhard.) Wie die Wassertaufe des Johannes zu der Feuertaufe des Gerichts (Matth. Z, 11), so verhält sich die Siindfluth zu der letzten Zerstörung der Welt durch Feuer: bei dieser bleibt nichts bestehen, was nicht die Feuerprobe aushält. Dennoch geht auch aus diesen Worten nicht hervor, daß es eine Vernichtung, sondern nur, daß es eine Verklärung der Welt sein wird (Röm. 8, 19 ff.), wie die Läuterung des edlen Nietalls im Ofen. (v. Gerlach.) f) Was der Apostel hier von der Bereitschaft auf den Tag der Zukunft sagt, ist das Gegentheil jener Spötter, die in ihren Lüsten wandelnd ihre Hoffnung auf das Ausbleiben der Zukunft des HErrn setzen V. 3 f.); und da wird er nicht müde, den erschüttern- den Ernst jenes Tages zu Betonen, indem er davon, wie zu Anfang des 11. Verses, so auch zum Schluß des 12. Verses redet — der Gedanke an die ver- zehrenden Flammen des Gerichts soll zur inneren Flamme werden, die alles Unheilige verzehrt. (Wie- singen) Der Christen heiliger Wandel und gottseliges Wesen hat aber zum schlagenden Herzen die lebendige Hoffnung, wozu uns Gott wiedergeboren hat nach seiner großen Barmherzigkeit (1. Petri 1, 3); darum warten und eilen wir zu der Zukunft des Tages des HErrn. (Besser.) Das Warten geschieht durch Hoff- nung, Geduld, das Eilen durch sehnliches Wünschen nnd Flehen; beim Warten ist man der Sache gewiß und auch dafür eingenommen, weil man aber zugleich von der Zeit ungewiß und doch von Wort und Werk öfters geweckt wird, so schlägt es in ein Eilen aus, das aber auch in kein ungeduldiges Herbeiziehen des Richters durch Seufzen über einander ausartet, son- dern mehr mit Aufräumen und Einrichten bei sich selbst beschäftigt ist, damit man im Frieden erfunden werde. Sobald man bedenkt, daß man Gott zu dem großen Werk, um des willen er Himmel und Erde geschaffen, auch Zeit lassen soll, ehe er wieder ein Neues macht, hat man hinlänglichen Grund zum geduldigen Warten; so oft man aber auch hinaussieht, wie man bei dieser großen Veränderung nichts zu verlieren, sondern unendlich viel zu gewinnen hat, so ist man dadurch in ein schriftmäßiges Eilen gesetzt. (Rieger.) H) Der Apostel fügt der zu heiligem Wandel ver- pflichteuden Erwartung der Zukunft des HErrn ein neues Moment hinzu: die Herstellung des verheißenen neuen Himmels Und der neuen Erde; denn nur der hat es zrichtig gefaßt, wie er soll zu dieser Zukunft geschickt sein mit heiligem Wandel und gottseligem Wesen, dem der letzte Tag beides ist, Ende der alten und Anfang der neuen Welt, in welcher Gerechtigkeit wohnt. (Wiesinger.) Diese neue Welt verlangt neue Menschent wie viel mehr haben wir da Grund, uns zu erneuern im Geiste unsers Gemüthsl (Nebe.) Die ganze Erde, welche in ihrem Schooße den Leib des HErrn trug, wird ein Paradies sein· "«(Anselm.) Hie mag man sich bekümmern, ob die Seligen im Himmel oder aus Erden schweben werden: der Text klingt hie, daß man auf Erden wohnen werde, also daß ganz Himmel und Erde ein neu Paradies sein wird, darin Gott wohne. (Luther.) Wir warten eines neuen Leibes, den der allmiichtige HErr schaffen wird durch f l Verklärung unsers nichtigen Leibes, und warten einer Wohnstätte, die würdig sein wird zur Behausung der von Sünde. und Tod erlösten Gotteskinder; da wird der Himmel nimmermehr roth noch trübe sein und nimmer in Dunkel und härenes Gewand sich hüllen, da wird die Erde nimmermehr ihr Gewächs weigern; wie zur Zeit ihres Fluchs, der Grimm der Thierwelt wird ausgerottet und alle Todesgewaltem worunter die gesammte Creatur zuckt, werden vertrieben sein. Wo kein Kain mehr haßt und mordet, da wird auch kein Löwe mehr briillen und rauben; was die Creatur verloren hat durch Adams Fall, das ist ihr wieder- gewonnen durch Christum, und sie wird wieder »sehr gut« erfunden werden in den Augen ihres Schöpfers und Erneuerers (Besser.) 14. Darum, meine Lieben, dieweil ihr darauf [aus das Untergehen der alten Welt einer- und die Entstehung einer neuen Welt, in der Gerech- tigkeit wohnet, andrerseits V. 11ff.] warten follet, so thut Fleiß sgleichwie ich Fleiß thue, euch dazu zu ermahnen V. l; l, 15], daß ihr sim Gegen; satz zu denen, die da Schande und Laster sind Kap. L, 13] Vor ihm sunserm HErrn Iefu Christo Kap· I, 16., von Seiten eures Wandels nach außen] unbefleckt und unsträflich [1. Eoru 1, 8; l. Theff. 3,13 und von Seiten eures inneren Herzensstandes Röm. 14,17] im Frieden er- funden werdett san dem Tage, wo nun beides sich erfüllen wird V. 12]; 15. Und die Geduld unsers HErrn lvermöge deren er das letzte Gericht noch hinausschiebt V. 9] achtet sstatt für einen Verzug seiner Ver- heißung, wie etliche sie dafür achten, vielmehr] für eure Seligkeit« ssintemal sie euch hinlängliche Frist gewährt, um einen solchen äußeren und inneren Stand vor dem HErrn, wie ich ihn eben beschrieb, euch zu bemiihen], als auch Unser lieber Bruder Paulus [vgl. die Vem. zu Kap. 1, 1] nach der Weisheit, die ihm gegeben ist, sso klar und bestimmt in der Stelle: Gal. 6, 7—10 vgl· mit Gal. 5, 16 ff] euch geschrieben hat, 16. Wie er auch in allen Briefen davon [von der Nothwendigkeit eines heiligen Christen- wandels angesichts des Endes aller Dinge und der Zukunft des-HErrn] redet; in welchen sBriefeu des Paulus] sind etliche Dinge snamentlich seine Aussprüche über das Gerechtwerden ohne des Ge- setzes Werke allein durch den Glauben und über die Freiheit eines Christenmenfchen Röm. 3, 28; Gar. 2,16; 4, 22 ff.; 5, 1; 2, 4] schwer zu ver- stehen, welche sAusspriiche denn, durch Verdrehung des Sinnes, in dem sie gemeint sind Gal. 5, IS; 1. Petri Z, 16] verwirren die Ungelehrigen und Leichtferttgen svon denen ich in Kap. 2, 14 redete], wie [sie in derselben Weise verwirren] auch die andern Schriften sder heiligen Gottesmänner, die in den Büchern des alten Testaments vorliegen, vgl. Kp. 2, 1], zu ihrer eigenen Verdammniß sindem sie sich geberden, als hätten sie die Freiheit zum Deckel Die Art des Vollzugs des jüngsten Tages und die Bereitschaft darauf. Schiuß der Episier 779 der Bosheit 1. Petri L, 16., und nun also in der Lust des Fleisches dahinleben, daß auch sie über sich selbst führen eine schnelle Verdammniß, wie ihre Verführer dies thun Kap. 2, 1 f.]. V) »Darum, dieweil ihr darauf warten sollet«, d. i. nicht blos auf die neue Welt der Gerechtigkeih sondern auf den Tag des HErrn nach seiner zwiefachen Seite, der verderbenbringenden, der zu entrinnen, und der verklärendem welcher theilhaft zu werden nur unter der Bedingung einer ·wesenhaften, gerichts- beständigen Heiligkeit möglich ist, darum sollen sie jetzt bereits Fleiß thun, unbefleckt und unsträflich im Frieden vor dem HErrn erfunden zu werden. (Schott.) »Und die Geduld unsers HErrn achtet für eure-Selig- keit«: daß er sie übt, soll in ihren Augen Heil sein, das er bietet, und hiernach soll sich also auch ihr Ver- halten in dieser Wartezeit richten; statt über dem Warten auf den HErrn ungeduldig zu werden, sollen sie für die damit gegebene Heilszeit dankbar sein, vor allem auch ihrer selbst wegen und so, daß sie sich die- selbe zum Heil gedeihen lassen. (v. HofmannJ Wenn- gleich der tiefste Beweggrund zur Heiligung die Dankesliebe gegen Jesum, der sein Leben für uns zum Schuldopfer gegeben hat, bleibt, so soll doch nach der Lehre der Schrift auch der Gedanke an Tod, Ge- richt, Ewigkeit, Weltende starke Antriebe zum Aufwachen, zum Ernst, zur Niichternheit, zur Verwahrung gegen die sichere Welt für uns abgeben. (Fronrnüller.) W) Mit »Unser lieber Bruder« wird Paulus nicht blos als Freund oder als Mitchrist bezeichnet, sondern als ein solcher, mit dem sich Petrus in amtlicher Be- ziehung (Ephes. S, 21; Col. 4, 7) auf’s Jnnigste ver- bunden weiß. (Huther.) Juden: er aber »Unser« sagt, schließt er gerade so, wie in Kap. 1, l durch das -,,mit uns« diejenigen mit sich zusammen, welche den heiden- christlichen Lesern gegenüber seine christliche Genossen- schaft bildeten, die jüdischen Christen, und giebt also zu erkennen, daß der Heidenaposteh wie ihm selbst, so auch ihnen ein lieber Bruder ist, womit er» folche, denen er es etwa nicht wäre, voii sich»ausschließt. (v. Hofmann.) Wie aber als seinen Mitapostel, so bezeichnet ihn Petrus in den Worten: ,,nach der Weisheit, die ihm gegeben ist«, auch als den mit Weis- heit fonderlich Begabten, und nimmt ihn so im Voraus in Schutz, wenn er hernach sagt, daß in seinen Briefen etliche Dinge schwer zu verstehen sind, als treffe ihn dafür irge1id welche Schuld; allerdings sind diese Briefe, weil sie tiefer apostolischer Weisheit entstammen, auch ihrem Inhalte nach tief und darum schwerver- ständlich, aber deshalb dürfen sie doch nicht verdreht werden, wie von den Ungelehrigen und Leichtfertigen geschieht. Es ergeht indessen nicht blos seinen Briefen also, so bemerkt Petrus ferner, sondern auch den andern heiligen Schriften —- ein Beweis, daß nicht in ihnen selbst der Anlaß des ålsiißverständnisses liege, vgl. Pf. 18, 27. (Wiesinger.) Wie schön ist es, daß Petrus hier zeigt, wie er gegen den, von dem er ein- mal hart getadelt worden war (Gal. L, 11ff.) und der ihn in den Leistungen für das Reich Gottes (besonders aber auch in der Erkenntniß des in Ephef 2 11——3, 12 erörterten Geheimnisses) übertraf (sgl. l die Bem. zu Joh. 21, 18), nicht das Geringste ini Herzen habe, und mit Freuden seinen apostolischen Beruf und seine Weisheit anerkennt. (Fronmüller.) Wenn die Ausleger bei den Worten: »als auch unser lieber Bruder Paulus euch geschrieben hat« zumeift eine Bezugnahme auf die Epistel an die Epheser voraussetzem weil dieselbe ein Rundschreiben an die kleinasiatischen Gemeinden sei, so übersehen sie, daß i l diese Epistel ja lediglich an die Gemeinde1i im v ord eren (proconsularischeu) Kleinasien gerichtet ist; des Petrus Epistel aber gilt den in 1. Petri 1, 1 genannten Ge- meinden, und da läßt sich füglich nur an die Epistel an die Galater denken, in welcher denn auch die Worte: »als wir denn nun Zeit haben 2c.« sich nahe genug mit dem, wovon hier die Rede ist: »die Ge- duld unsers HErrn achtet für eure Seligkeit« berühren. Mit den ,,schwerverständlichen Dingen« in den übrigen Briefen des Paulus kann nun aber von Petrus kaum etwas Anderes, als was wir oben in Parenthese bei- gefchrieben haben und wofür auch besonders der Brief an die Römer in Betracht kommt, gemeint sein; gerade diese Punkte machten die eigenthümlichen Hauptpunkte der paulinifchen Heils-predigt aus, und an sie nun konnte sich am leichtesten eine frivole Schriftverdrehung anschließen, uni einen der Ermahnung in V. 14 wider- sprechenden Wandel in den Lüsten des Fleisches als erlaubt, ja berechtigt darzuftellem trotz der ausdrück- lichen Verwahrung des Apostels gegen solchen Miß- brauch seiner Lehre in Gal. 5, is. C« Uachdeiu der Apostel schon in V. 16 iiber dag iii diesem Kapitel verhandelte auf den Inhalt deg voran- gehenden Kapitels zuriirtigegrisfen und von den Zuständen der letzten Zeit seinen Blut: zuriirtigewandt hat auf die, eine schliniuie nächste Zukunft anbahnende Gegenwart, so nimmt ei: jeht zum Schluß der Geiste! mit noch be— stimiiitereii Worten ans diese tiäihste Zukunft Beziehung und warnt die Leser oor der Verführung der deinnächsi auftretenden falsche« Lehrer, von deren Auftreten und Wirken sie ja nun zum Voraus insoweit wissen, daß sie sich verwahren und ihren Glauben-Island aufrecht halten können, ermahnt sie aber zugleictkzu wachsen in der Gnade und Erkenntnis des Hierin und Heilandeg Jesu Christi, in dessen Dolipreisung seine Worte ausklingen; mit dieser Ermahnung und dieser Lolppreisnng aber srhließt er das Ende des Briefg mit dessen Ztiifangsmahnuiig in keep. l, 3 ff. und deinokingangswunsch in find. 1, 2 zu einem Ringe zusammen, den die ganze Gpistel bildet. 17. Jhr aber, meine Lieben sdie ihr nicht zu jenen Ungelehrigen und Leichtfertigen V. 16 zählet Judä 17 U« 201, weit ihr das zuvor wisset sdaß nach Kap. 2, 1 ff. falsche Lehrer unter euch sein werden und Viele nachfolgen werden ihrem Verderbens so verwahret euch, das; ihr nicht durch Jrrthuin der ruchlosen Leute svon dem Jrrwahne derselben, wenn sie nun kommen, euch bestricken lassend] sammt ihnen versiihret werdet szu gleichem sittlichen Verderben, als in welchem sie selber wandeln] nnd Ho] entfallet sheraussallet Gal. b, 4] ans« eurer eigenen Feftnngt saus dem festen Glaubensstande, den ihr für eure Person, im Unterschied von den Leichtfertigeiy jetzt noch ein- nehmet Kap. I, 12]; 18. Wachset aber sum den künftig noch viel schwerer, als sie jetzt schon sind, sich einstellenden Gefahren der Verführung gewachsen zu sein] in der Gnade und Erkenntnis? unsers HErrn und Heilandes Jesu Christi. Demselben sei Ehre nun und zu ewigen Zeiten sJudä 25]! Amen» V) Die, welche der Apostel mit ,,ihr Lieben« als die einheitliche Gesammtheit der Gemeinden anredet, sind zur Zeit noch folche, welche gegenüber den ein- zelnen Ungelehrigen und Leichtfertigen die ehristliche 780 Wahrheit im Glauben erkennen und fest in ihr stehen; sie nun sollen aus jenem gegenwärtig schon geschehenden Mißbrauch des schriftlichen Gottesworts für fpiritua- listische Jrrlehre, indemsie die heilloseWeiterentwickelung dieses Jrrthums nunmehr vorauswissen, die Noth- wendigkeit entnehmen, sich sorgfältig in Acht zu nehmen, damit sie nicht durch den Jrrweg der Zuchtlosem durch die als Wort nnd That auftretende, grundsätzlich- fleischliche Zuchtlofigkeih wenn diese jetzt schon voraus- gewußte Steigerung des Jrrthums eingetreten sein wird, sich mit fortreißen lassen und so aus ihrem festen Stand christlichen Glaubens und Lebens ent- fallen. Mit dem Ausdruck ,,eigene Festung« bezeichnet der Apostel den Stand christlichen Glaubens und Lebens als ein Gut, das sie jetzt ihrerseits wirklich be- sitzen. (Schott.) · · · H) Nachdem der Apostel vor den versührerischen Jrrlehrern gewarnt und die ihnen gegenüberstehenden göttlichen Wahrheiten festgestellt hat, kommt er auf Schlußbemerkungen zu den beiden Episteln St. Petri. Uebung des Glaubens, ftetes Wachsthum in der Gnade und Erkenntnis« dann sind wir allen Anfechtungen unzugänglich (v· Gerlach.) Die falsche Erkenntnis; lehrt die Gnade Gottes in Christo, die Vergebung Gottes vergessen und den HErrn verleugnen, der uns erkauft hat; die rechte Erkenntnis; ist gepaart mit der Gnade, wer in der Erkenntnis; Iesu Christi wächst, der wächst auch in der Gnade Jesu Christi, und im Wachsen behält er seinen Schatz und seine Krone. Was zum Wachsen in Gnade und Erkenntnis; gehört, hat Petrus uns gelehrt; wir können es in dies Beides zusammenfassenx Fleiß im Achten auf das göttliche Wort, auf das helle Wort am dunkeln Ort, und Fleiß Im Darreichen rechtschaffener Glaubensfrüchte. (Besser.) Wenn der Apostel zum Schluß unserm HErrn und Heiland Jesu Christo dieselbe Ehre giebt, die in 1. Petri 4, 11; b, 11 und besonders in Judä 25 Gott gegeben wird, so liegt darin ein Beweis für die Gottheit Christi. (Fronmüller.) den Anfang zurück: die beste Bewahriing ist stete «!- Srhlusibemetltungen zu den beiden Clkpisteln St. ritt. Als um die Mitte des apoftolischen Zeitalters die Wege des Apostels der Vorhaut und die der Apostel der Befchneidung aus einander zu gehen in Gefahr standen, da war es Petrus, der sie zufammenhielt, derselbe Petrus, der, wie den Grund zu der judenchristlichen, so auch zu der heidenchristlichen Gemeinde gelegt hatte (Apostg. 2, 14 sf·; 10, 1 sf·; 15, 7 ff.). Nun sind allerdings diese beiden Wege über ein volles Jahrzehent nur neben einander hergegangen (Gal. 2, 7 ff.), und die judenchristlichen Apostel, auch Petrus unter ihnen, haben nicht immer die gleiche Macht des Geistes bekundet, selbst dies Nebeneinander streng festzuhalten (Gal. 2, 11 ff.; Apostg. 21, 18 ff.); aber jetzt, wo das apostolische Zeitalter feinem Ende entgegengeht, da nun offenbar geworden, daß nach Gottes Rath für die weitere Zukunft der Kirche die erste Linie in die andere übergehen und schließlich die judenchristliche Gemeinde in der heidenchristlichen ausgehen soll, während doch der Stifter der letzteren, Paulus, schon fast seinen Lauf vollendet hat, ist es wiederum ihr Begründer Petrus, der das Jneinander der beiden Linien mit seinen beiden Briefen an heidenchristliche Ge- meinden in Kleinasien, von wo einst viele Juden und Judengenossen seine Psingstpredigt mit angehört haben (Apostg. 2, 9 f.), vermittelt. Wie seine erste Epistel mit der des Paulus an die Epheser einer- und der des Jakobus andrerfeits verwandt ist, so steht seine zweite Epistel in gewisser Be- ziehung zu der des Paulus an die Eolosfer einer- und bestimmter zu der des Judas andrerfeits; wie aber vormals der Apostel Johannes der treue Beistand des Petrus gewesen und auf feinen Wegen ihm geholfen hat (Apostg. 3, 1 ff.), so schließen nun an des Petrus Episteln sich die des. Johannes an und helfen vollends ausrichteiy was jene angefangen, indem in ihnen zu den Gemeinden in Pontus, Galatien u. s. w. auch die in Ephesus u. f. w. hinzukommen und so die kleinafiatifch- morgenländische Kirche als Trägerin des Heils für die nächsten Jahrhunderte vollständig an die Stelle des vormaligen, für das Gericht der Verwerfung bereits ausgereisten Bundesvolks tritt. Jn diesen Episteln handelt es sich aber nicht mehr um jenes Ueb ergehen der einen Linie in die andree, viel- mehr ist das Aufgehen der judenchristlichen Kirche in die heidenchristliche eine bereits vollzogene That- sache; dagegen steht im Vordergrund der Betrachtung das aus der heidenchristlichen Kirche hervor- gehende Widerchristenthum, welches in seinen Anfängen schon in die Erscheinung getreten ist. Wie 1. ltipistet St. Johanna-i. Von jeher hat man die Liebesinnigkeit und Zärtlichkeit als einen Charakterzug des Jüngers erkannt, den der HErr lieb hatte; aber es ist keine fleifchliche Weichlichkeit, was seine Bruderliebe so herzlich macht, sondern die ganze Hingabe seines Herzens an Gott, und so geht seine Liebe Hand in Hand mit einer fcharfen Entschiedenheit und heiligen Schroffheit im Abftoßelc alles dessen, was nicht das Siegel Christi an der Stirn trägt und was wider Christum sich fetzt. Gleich- wie im Evangelio die Geschichte der Selbstoffenbarung des HErrn ganz in dem Gegensatze von Wahrheit und Lüge, Leben und Tod, Licht und Finfterniß sich bewegt, so erscheint in den Vriefen die Gemeinschaft der Gläubigen mit Gott überall im schärfsten Gegenfatze zur Welt, welche gottlos ist, weil sie nicht glaubt an Jesum Christum. Die ganze Gedankenreihe besonders der ersten Epistel, sagt Huther trefsend, ruht auf dem einen Grundbewußtfein des Gegensatzes zwischen der Welt und den Gläubigen: während jene sich unter der Gewalt und Herrschaft des Teufels befindet, stehen diese in der Gemeinschaft Gottes; die der Welt Angehörendeti sind die Kinder des Teufels, die Gläubigen sind die Kinder Gottes. Entweder Licht oder Finsterniß, entweder Leben oder Tod, ent- weder Wahrheit oder Lüge, entweder Gerechtigkeit oder Sünde, entweder Liebe oder Haß, entweder Christ oder Antichrifh entweder Gott oder Abgott — Johannes weiß von keiner Vermittlung. Das I. Kapitel. Von Cheisiipersoin seinem geosseiibaeten Wort, und uon wahrer Buße. A« Während die paulitiisctjen Briefe den Uamen ihres Verfasser; und ihrer nächsten Leser, ebenso die Episteln St. Petri, St. Famil, St. Juba und die zweite und dritte Johannigckljpistel eine, wenn auch nicht immer vollständige Jlufsihrift an der Spitze tragen, entbehrt unser, etwa um das I. 67 n. Chr. von Patlnos aus geschriebener Brief Utah. 11 zum s. Bande: f, 3) gteilh dem Brief an die Hebräer aller äußeren Zttifsctzrift und Inschrift, hat aber doch, wag dem eben genannten Briefe abgeht, eine sohhe Einleitung, die den Verfasser als Zeugen der evangelischen Geschichte und die Leser alg Hörer auch seiner evangelischen Verkündigung bezeichnet. Es ist ihn: alles daran gelegen, daß sie den geschiastliehen Glauben an Armut, den im Fteiseh erschienenen Sohn Gottes, fest- halten, sieh nicht durch falsche Lehrer, die sie darin irre knachen wollen, um ihre Genieinscljaft mit deg HErrn Jlpoftetn und dadurch auxh um die Genieinsetiaft mit dem Vater und seinem Sohne Iesu Christo bringen lassen, sondern vielmehr zu einer solchen Festigkeit gelangen, die zur Folge haben wird, daß ihre Freude voltlioniilien sei; und so be- ginnt er sein Schreiben mit Worten, welche mit ihrer Um— stiindlichtieit und Wiederholung deg schon Gesagten darauf abzuweisen, das Zeugnis? der Apostel von Christo alg ein auf handgreiflicher Erfahrung beruhendeg nnd durchaus zuoerläshgeg darzustellen 1. Das da sbevor es erschien V. L] von Anfang ff. v. a. von Ewigkeit Kap. L, 13 u. 14; Joh. 1, l; 2. Thess 2,13] war, das wir sApoftel Apostg 10, 39 ff. dann, als es nun er- schienen war — Johannes bezeichnet hier Christum, den Sohn Gottes, zunächft ebenso im sächlichen -Geschlecht, wie Paulus in 2. Thefsal 2, 6 f. den, der das Kommen des Antichrist noch aufhält, zuerst mit »was es noch aufhält« einführt, in- (Besser.) s dem er die Person, die er meint, als ein Prinzip anschaut] gehbret haben, das wir gesehen haben mit unsern Augen [Luk. 10, 23 f.; Apostg. 4, 20], das wir beschauet haben und unsere Hände belastet haben [Joh. 1, 14; 20, 27; Luk. 24, 39] vom Wort des Lebens swir gehört, gesehen, beschauet und betastet haben von und an Dem, der da ist das Wort, das im Anfange bei Gott und in dem das Leben war Joh. 1, 2 u. 4] —- 2. Und das Leben leben Der, in dem das Leben war Joh. 1, 4] ist sindem er Fleisch ge- worden Kap. 4, Z; Joh. 1, 141 erfchtetten fals die Zeit erfüllet war, und hat da sein eigenthüm- liches Wesen allseitig an den Tag gelegt], und wir sim Unterschied von denen, die es nicht auf- nahmen Joh. I, U] haben gesehen swas es um dasselbe ist Joh. 1, 12 f.] und zeugen svon ihm, wie wir dazu berufen sind Joh 15,27; 19, 35] nnd verkiindtgen sann] euch sdie ihr durch unser Wort zum Glauben gelangen sollt Joh. 17, TO] das Leben, das ewig fund Grund und Quelle alles Lebens in der Welt] ist [Joh. b, 26], wel- ches war bei dem Vater und ist uns sin seiner Herrlichkeit Joh. 1, 14] erschienen sum an Stelle des in die Welt eingedrungenen Todes ein neues Leben bei uns zu setzen]; 3. Was) wir fum den in V. 1 angefangenen, aber nicht zu Ende geführten Satz nun wieder aufzunehmen und ihn nach Maßgabe des in V. 2 Gesagten zum Abschluß zu bringen] gesehen und gehöret haben, das verkiindigen wir e1ich sdie ihr es nicht selbst gesehen und gehöret habt 1. Petri 1, 8], auf daß auch ihr sso gut wie jeder Einzelne aus dem Apostelkreise] mit uns fden die Grundlage 782 1. Johannis 1, 4—9. der Kirche bildenden Apofteln Ephes 2, 20j Ge- meinschaft habet, nnd unsere sdie zwischen euch und uns auf diese Weise bewirkte] Gemeinschaft sei mit dem Vater nnd mit feinem Sohne Jesu Christo sin der wir Apostel durch unser Sehen und Hören bereits stehen, in die nun aber auch ihr durch unser Zeugnis; und unsere Verkündigung hinein gezogen werdet) 4. Und solches swas den Inhalt der hier vorliegenden Schrtst bildet] schreiben wir [Apostel, denn in mir, dem Einzelnen, lebt und handelt noch die Gefammtheit des Apostelkreifes] euch szu unsrer mündlichen Verkündigung auch diese fchrift- liche hinzufügend], auf daß eure sdurch die münd- liche Verkündigung, die ihr im Glauben habt angenommen, bereits angerichtetes Freude völlig sei swenn ihr nun durch die schriftliche Verkün- digung im Glauben euch werdet stärken und be- festigen lassen Joh. 15, U; 16,24; 17, 13]. Jn 2. Tim. 4, 9 u. 21 lasen wir, wie Paulus von seinem Gefängniß zu Rom aus den Timotheus von Ephefus zu sich entbot, und behaupteten, daß er an dessen Stelle nun den Tychikus als apostolischen De- legaten in Ephesus stationirt habe, der dann auch im Herbst des J. 61 die von Rom durch Onesimus ihm überbrachten Briefe an die Colosfer und an Philemon in Gemeinschaft mit diesem Ueberbringer an ihre Adresfen weiter zu befördern hatte. Zwei Jahre darauf, so haben wir im U. Anh. zum G. Bande unter c, 4 die Verhältnisse jener Zeit uns weiter zurecht gelegt, wurde durch eine letzte Willensbestimmung des im Sommer des J. 63 hingerichteten Paulus der Apostel Johannes veranlaßt, seinen Sitz von Antiochien in Syrien nach Ephesus in Kleinasien zu verlegen; hier verfaßte er fein Evangelium, zu Ende des J. 65 oder zu Anfang des J. 66 aber erfolgte die Verbannung nach Patmos, und da wurden ihm denn nicht nur die Gesichte zu Theil, welche das Buch der Offenbarung beschreibt, sondern er fühlte sich auch in Folge der in den Gemeinden Kleinasiens, deren Pflege er über- nommen hatte, herrschenden Zustände gedrungen, die uns hier vorliegende erste Epistel zu fchreiben. Welcher- lei Art diese Zustände gewesen, das wird uns im Verlauf unsrer Betrachtung der Epistel selber klar werden; daß diese aber wirklich in der Verbannung geschrieben, nicht, wie man meist voraus-seht, ohne näher anzugeben, wie und wohin die Sendung zu denken sei, in Ephesus, dürfte aus der Eigenthiinilichkeit des zunächst uns beschäftigenden Vorworts, dem die Brief- form so sehr abgeht, daß man das ganze Schreiben eher für eine Abhandlung, als für einen wirklichen Brief halten möchte, wenn man dem ersten, oberfläch- lichen Eindruck folgt, mit ziemlicher Sicherheit sich er- geben. Damit, daß man sagt, diese Eigenthümlichkeit erkläre sich daraus, daß der Apostel einerseits voraus- setzte, die Leser würden ihn, auch ohne daß er sich in einer eigenen Aufschrift nenne, von selber schon als den Verfasser des Briefs erkennen, und daß er ihn andrerseits nicht blos für eine einzelne Gemeinde oder einen abgegrenzten Kreis von Gemeinden bestimmte, ist im Grunde sehr wenig für eine wirkliche Aufhellung des dunkeln Punktes gewonnen; und damit, daß man auf den Hebräerbrief verweist, hat man wohl eine Parallele zur Vergleichung, aber keinen Anhalt dar- geboten, um mit der Einsicht in die Ursache auch die Sache selber für zweckgemäß zu befinden. Dagegen vermögen wir wohl zu verstehen, wie Johannes, wenn er einmal von der römischen Landesbehörde von seinen Gemeinden hinweggetrieben und nach einem Ver- bannungsort verwiesen war, um ihn von denselben fern zu halten, es als durch die Pflicht des Unter- thanseins unter die weltliche Gewalt (1.Petri2,13ff.; Röm. 13, 1 sf.) ihm verwehrt ansehen konnte, mit einein förmlichen Briefe an jene Gemeinden hervor- zutreten, in welchem er gleich Eingangs sich bei Namen nannte, die Leser ebenfalls nach dem ihren bezeichnete und am Schluß mit Aufträgen, Grüßen u. dgl. sie ganz so behandelte, wie wenn er blos zufällig und zeitweilig von ihnen abwesend, nicht aber von seinem Amte removirt wäre; darum wählte er diese Form eines Büchleins, wie man seine Epistel charakterisirt hat, bei welcher er zwar die Haltung und Bewegung eines Briefschreibers der Hauptsache nach beibehalten, aber doch zugleich die spezielbamtlichen und individuell- persönlichen Beziehungen zu den Briefempfängerm die während der Zeit seiner Amtssuspension keine öffent- liche Rechtsgiltigkeit mehr hatten, zurücktreten lassen konnte. Wir müssen nun aber auch hier auf’s Neue dafür eintreten, das; des Johannes Verbannung nach Patmos nicht, wie von den meisten Schriftforschern behauptet wird, unter Kaiser Domitian (81—96 n. Chr.), sondern noch unter Nero (54—68) vorgefallen ist. Hat man ganz richtig bemerkt, daß das Wort des Auferstandenen in Beziehung auf den Jünger, den er lieb hatte (Joh. 21, 22): ,,ich will, daß er bleibe, bis ich komme« eine Bezugnahme auf das Kommen des HErrn in den Gesichten der Offenbarung, die dieser Jünger empfangen sollte, enthalte, so würde das doch nur eine spiritualisirende Verflüchtigung jenes Wortes sein, wollte man bei dieser Deutung stehen bleiben; es müssen vielmehr diese Gesichte selber schon einen thatsächlichen Anfang des Kommens Christi in sich schließem und das thun sie,nur, wenn das erste Geficht in Osfenb. 6 fein Kommen zum Gericht über Jeru- salem und das jüdische Volk versinnbildlicht (Matth. 10, 23; 16, 28; 24, sit; 26, 64), es würde aber die Offenbarung Johannis gleich in ihrem Anfange nicht mehr eine Weissagung dessen sein, was in der Kürze geschehen soll, wenn sie erst über 20 Jahre nach jener Katastrophe von Johannes empfangen wäre. Jst uns hiernach die Abfafsungszeit unserer Epistel etwa das J. 67 n. Chr» so werden uns freilich die in derselben vorkommenden Bezugnahmen auf die Zustände und Verhältnisse der kleinasiatischen Gemeinden, an welche sie gerichtet ist, noch in einem andern Lichte erfcheinen, als denjenigen Auslegern, die ihre Entstehung um 20—30 Jahre später anbcraumen; aber nach einer so langen Zeit wäre das Wirken des Paulus in jenen Gemeinden diesen schon so sehr in die Ferne gerückt gewesen, daß Johannes, der nun allein aus dem Apostelkreise da gestanden hätte, nicht so unbefangen, wie er es in dem obigen Abschnitt thut, hätte sich mit den andern Aposteln durch ein »wir verkündigen nnd fchreiben« zusammenfchließen können, gleich als ver- kündigteu und schrieben diese in ihm mit. Unzweifel- haft, so ergiebt sich aus ihrem Vorwort, ist unsre Epistel etwas späterer Abfassung, als das Evangelium desselben Apostels; daß aber dessen Abfassung gleich- wohl der der Epistel ziemlich nahe steht, geht aus der nahen Verwandtschaft der Worte in Joh. 20, 31: »diese aber sind geschrieben, daß ihr glaubet, Jesus sei Christ, der Sohn Gottes, und daß ihr durch den Glauben das Leben habt in seinem Namen« mit denen in 1. Joh. 5, is: ,,solches hab ich euch geschrieben, die ihr glaubet an den Namen des Sohnes Gottes, Der Eingang der Epiftel. Erster Haupttheib Gott ist Licht und keine Finsterniß in ihm. 783 auf daß ihr wisset, daß ihr das ewige Leben habet, und daß ihr glaubet an den Namen des Sohnes Gottes« mit großer Bestimmtheit hervor. Man hat um dieser, auch sonst uns mehrfach entgegentretenden nahen Verwandtschaft beider Schriftstücke mit einander willen auf Seiten einiger Gelehrten sogar angenom- men, die Epistel sei das Begleitschreibem womit der Apostel sein Evangelium den kleinasiatischen Gemeinden, deren Versorger er geworden war, übermachte und widmete; indessen nimmt jene diesem gegenüber doch auch wieder eine so selbständige Stellung ein, daß eine solche Auffassung des gegenseitigen Verhältnisses um so weniger haltbar erfcheint, als die Epistel gar keine bestimmt ausgefprochene Beziehung aus das Evangelium enthält, wenn sie auch oft genug an das- selbe anklingt und dort ausführlicher entwickelte Ge- danken heranzieht· Während das Evangelium, so müssen wir vielmehr sagen, den Glauben an Jesum, den Sohn Gottes und Christ des HErrn, stärken und mehren will, zeigt die Epistel das fittliche Ver- halten auf, welches dem Glauben nothwendig und nur dem Glauben möglich ist; doch ist es schwierig, die Anlage der letzteren nach ihrem Verlauf und in ihren einzelnen Theilen zu durchschauen und ein allseitig zu- treffendes Schemadafüraufzu·ftellen,sovielVerfuchedafür auch schon von der wissenschaftlichen Forschung gemacht worden sind. Man hat den Brief wohl in verschiedene Abschnitte eingetheilt und jedem derselben eine be- sondere Ueberschrift gegeben, die den Hauptgedanken ausdrücken soll, der die darin enthaltene Gedanken- entwickelung Beherrscht; allein einerseits kommen in den verschiedenen Abschnitten dieselben Gedanken vor, und andrerseits beherrscht jener Hauptgedanke auch nicht immer den betreffenden Abfchnitt so, daß er als der Einheitspunkt für die darin enthaltenen Sentenzen gelten kann. Am treffendsten dagegen ist die Gedanken- Entwickelung dahin charakterisirt worden, daß der Apostel mit einzelnen Hauptgedanken gleichsam die Accorde anschlägt, die er eine Zeit lang in den aus jenen hergeleiteten Gedanken forttönen läßt, bis ein neuer Aeeord erfolgt, der zu einer neuen Tonreihe führt. Der Brief, eine That heiliger Liebe, wie man ihn bezeichnet hat, erscheint jedoch auch dem einfachsten Leser, wenn nur sein Herz eine Erfahrung von der chriftlichen Heilswahrheit hat, unmittelbar verständlich, während er selbst dem tiefsten christlichen Denker un- ergründlich vorkommen wird; beiden aber wird er gleich lieb und erquicklich sein. B« Zllg ersten Lvaupttljeit tliinnen wir den von Rad. 1, 5 — S, 11 reichenden Abschnitt hinstellen; denn das Zlugganggworn »Gott ist Licht und in ihm ist lieine Finsternis« und die Verkündigung am Ende: »die Finster- niß ist vergangen und das wahre Licht scheinet jetzt« stimmen in so augenfällig« Weise zusammen, daß un— zweifelhaft wir hier ein zusamtnengehijrigeeg in sich ge- schlossenes Ganze vor uns haben, das aber wieder in drei tlntertheile sich zerlegt. I— b. 5—10. Die Erhaltung und Mehrung der Grimm— schast mit dem Vater und dem Sohne ist laut den vor- hin vernommenen Eingang-werten der Cpistet der Zweit; der ganzen aposloliscljen t3ehrthätiglceit, und die Be— festigung in solcher Gemeinschaft zur Bewirliung einer völligen Freude bei den Eesern der Zweit: des Brief— slhreiberksk welchen er mit seinem Schreiben vor Jiugen hat; da liegt ca ihm nun, weil es eine Zeit der Ver— irrung und Verwirrung ist, in welther er schreibt, vor allem an, dag Wesen jener Gemeinschaft festzustellen, gewaltigen sahe: »Gott ist Eicht nnd in ihn! ist keine Finsternis« de-n Gesammtinhalt der aoostoliscljeit Ver— ltündigung ausspricht, darnath aber eine zwiefache Fol- gerung darans ableitet und eine jede von beiden Fol- gerungen nach zwei Seiten hin beleuchtet, die erste Seite der zweiten Folgerung aber durch einen Schlußsah noch mit besonderem Uachdrncti hervorstehen 5. Und das sum sie in eine kurze, alles Einzelne in sich beschließende Summa zusammen- zufassen] ist die Verkündigung, die wir von ihm sder in des Vaters Schooße ist Joh. I, is] ge- höret haben und snun weiter] euch szu denen wir als feine Boten kommen Hebr. 2, Z] verkündigely daß Gott ein Licht sbesser liest man, mit Weg- lassung des »ein« blos: Licht, d. i. eitel, schlecht- hiu Licht] ist sPs 104, 2; Drin. 2, 22z Weis-h. 7, 26; 1. Tun· s, 16], und in ihm ist lschlech- terdings] keine Finsternis« [welcherlei Art man sie auch denken möge Iak. I, 17]. 6. So wir swie das ja allerdings von so Manchen geschiehet, die sich äußerlich zur Kirche halten] sagen, daß wir Gemeinschaft mit thut haben, und wandeln sdabei doch] in Finsterniß, so lügen wir smit solcher Rede: »wir haben Gemeinschaft mit ihm«, denn was hat das Licht für Gemein- schaft mit der Finsterniß? Z. Cor. 16, 14] und thun nicht die Wahrheit» sdas dem Wesen und Willen Gottes Entsprechende, sondern das gerade Gegentheil davon]. 7. So wir aber sanders als in dem vor- hin besprochenen Fall, wo es hieß: ,,waudeln in Finsterniß«] im Licht wandeln, wie er [Gott, um dessen Gemeinschaft es sich handelt] im Lichte sals in seinem Lebenselemente] ist, so haben wir sindem wir damit wirklich in seiner Gemein- schaft uns befinden und nicht blos dieselbe zu haben vorgeben, in Folge dieser Gemeinschaft mit ihm auch] Gemeinschaft unter einander; und das Blut JesnChcisti, seines Sohnes sdas dieser bei dem von ihm erlittenen Opfertode vergossenstnacht uns reinvon allerSütideitt sdie wir in der Gemeinschaft mit Gott zwar nicht mehr thun Kuh. Z, 8 f., von der wir aber doch bei unsrer Schwachheit noch oftmals überrascht und überwunden werden V. 8 sf.]. 8. So wir sagen [vgl. V. 6], wir haben keine Sünde sseien in keinerlei Weise mehr mit Sünde behaftet Sprüchw. 30, 12], so verführen wir [mit solchem grundstürzenden Irrwahn] uns selbst sdaß wir von dem rechten Heilswege ganz und gar auf Abwege gerathen, die in’s Ver- derben siihren], und die Wahrheit ist nicht in uuss ssondern uns schier abhanden gekommen, so daß wir statt ihrer nun die Lüge haben]. 9. So wir aber sstatt sie vor uns zu ver- bergen und Gott gegenüber zu leugnen] unsere Sünden bekennen sauch vor Menfchen, soweit das und er thut das, indem er zuvörderst in einem kurzen, »F« nöthig ist], so ist er sder Gott aller Gnade und 784 1. Johannis 1, 10. Vater der Barmherzigkeit l. Petri B, l0; 2. Cor- 1, Z] treu und gerecht, daß er uns die Snnden vergiebt und reiniget uns von aller Untngeitd H [wörtlich: Ungerechtigkeit Spr. 28, 13]. 10. So wir sagen sum noch einmal auf den Satz in V. 8 zurückzukommen und ihn noch scharfer zu fassenL wir· haben nicht gesnndigeh so machen wir ihn fder ja überall m seinem Wort und mit seiner ganzen Heilsanstalt in Christo Zeugnis; giebt, das; wir nichts als Sünder sind und immerdar Sünder bleiben, denen nur durch immer wiederholte Vergebung ihrer Sünden und immer wieder erneuerte Reinigung von der Un- tugeud geholfen werden kann] zum Lügner, Und sein Wort [von dem wir behaupten, wir hätten es im Glauben angenommen] ist tiicht in Unsfff ssondern uns ein innerlich fremdes gebliebens V) Zwar hat Christus sich selbst das Licht genannt, und er redet wohl von Kindern des Lichts (Joh. 8, 36; 12, 12; 15, 46), aber einen solchen Ausspruch, wie er hier steht, hat er nicht unmittelbar selber ge- than; es ist also die thatsächliche Verkündigung gemeint, welche aus seiner ganzen Erscheinung, aus der Erscheinung dessen, der da ist der Glanz der Herr- lichkeit Gottes und das Ebenbild seines Wesens (Hebr. 1, 3), die Apostel vernommen haben· (Branne.) Gott ist Licht und in ihm keine Finsterniß, sein Wesen Licht und Gegensatz, gegen alles Finstern Das Licht er- scheint in der heil. Schrift und besonders bei Johannes oft als Bild des Göttlichen, sowie Finsternis; als Bild des Ungöttlichem Wahrheit, Heiligkeit, Seligkeit, alles dies kann dadurch bezeichnet werden, wie alles dies zum Wesen des Göttlichen gehört, gleichwie Lüge, Bosheit, Unseligkeit die Nierkmale des Ungöttliihen ausniachem Was nun aber an dieser Stelle besonders durch das Bild vom Licht bezeichnet werden soll, das wird aus der daraus abgeleiteten Ermahnung hervor- gehen: es soll hier der Gegensatz zu allem Unheiligen bezeichnet werden, und es wird demnach der Grund- gedanke sein, daß Gottes Wesen Heiligkeit ist, alles Unheilige fern von ihm. (Neaiider.) Daß. der posi- tiven Aussage: »Gott ist Licht« die negative zur Seite tritt: »und in ihm ist keine Finsterniß«, hat, abgesehen von der Vorliebe des Johannes in Bewegung von Gegenstitzery hier seinen Grund im Folgenden; weil nämlich geltend gemacht werden soll, daß die geringste Gemeinschaft mit der Finsternis; die Gemeinschaft mit Gott ausschliesze, als der gar keine Finsternis; in sich habe, Licht und nur Licht sei. lHauptJ Auch für den Christen ist es ja nicht so leicht, Gott als reines Licht zu denken; wenigstens in der Praxis nimmt er immer noch einen Rest von Finsterniß in Gott an. Er glaubt sich immer noch irgendwie vor der gött- lichen Wahrheit verbergen zu können, vor dem Licht, das alles siehet, und irgendwie noch, wenigstens für seine Person, in Gott auf irgend etwas von Sympathie mit der Sünde, auf eine Unheilige Nachsicht gegen die- selbe rechnen zu dürfen. Das Traurigste ist, daß diese Vermuthung irgend einer Unwissenheit oder Nachsicht Gottes in Beziehung aus seine Sünde in seiner Seele sich sogar als Hoffnung einkleidet, wenn es ihm als erwünscht erscheinen kann, daß Gott nicht reines Licht der Wahrheit und Heiligkeit ist. (Rothe.) H) Die Redeformt »so wir« wiederholt sich von hier an durch das ganze Kapitel von Vers zu Vers. (Huther.) Durch die communicative (,,wir«) und hypothetische (,,so«) Form gewinnt die Rede einerseits an schonender Feinheit, andrerseits an allgemeinerer Beziehung und Wirkung. (Lücke.) Zu einem allgemein giltigen Ausspruch erhebt der Apostel das, was er in der zweiten Satzhälfte sagt, wenn er den in der ersten Hälfte angenommenen Fall durch den coniniunieativen lural: »so wir« einleitet: wenn wir — inich und die Apostel selber nicht ausgeschlossen, von mir bis auf den geringsten Leser des Briess herab — sagen sollten 2c., so lügen wir sc. (Braune.) Jndem Jo- hannes aus dem vorhin ausgesprochenen Satzex »Gott ist Licht und in ihm ist keine Finsterniß« die nächste Folgerung zieht, genügt es ihm, den frappanten Wider- spruch, die handgreifliche Lüge zu bezeichnen, welche darin liegt, wenn wir mit Gott, der Licht ist, Ge- meinschaft zu haben vorgeben, und dabei selbst in Finsterniß, die gar nicht in Gott ist, wandeln; wir sind dann vielmehr, eben um deßwillen, daß in Gott schlechterdings keinerlei Finsternis; ist, durchaus von der Gemeinschaft mit ihm geschieden. (Düsterdieck.) Der negative Satz; »und thun nicht die Wahrheit« ist nicht bloße Wiederholung desselben Gedankens, sondern deutet zugleich eine neue Beziehung an; denn wie das ,,lügen wir« auf das »sttgen«, so geht das ,,thun nicht die Wahrheit« auf das ,,wandeln in Finsternis« zurück. (Huther.) Die Wahrheit ist im Menschen ein Trieb, der sich durch ihre vollständige Umsetzung in That nnd Leben, in das eigene Dasein des Menschen befriedigt. Die Wahrheit haben und sie nicht als eine das Leben umbildende Kraft haben, ist nicht nur ein widerspruchs- voller, sondern auch ein qualvoller Zustand, eine fort- währende Unterdrückung jenes der Wahrheit ein- wohnenden Triebes, sich Wesen und Dasein zu geben. (Rothe.) · . ist-«) Nachdem Johannes im vorigen Verse den Fall erörtert hat, daß wir die aus dem Hauptsatze in V. 5 sich ergebende Bedingung unsrer Gemeinschaft mit Gott, wovon auch unsere Genieinschaft unter einander abhängt, nicht erfüllen, setzt er nunmehr den Fall, daß jene Bedingung von uns erfüllt wird, daß wir also, was vorhin nur als ein lügnerisches Vorgehen erschien, wirklich Gemeinschaft mit Gott haben, und entwickelt nun die Wirkung dieser Gemeinschaft mit Gott, welche wir in unserm Lichtwandel wirklich haben, nämlich zuerst (gemäs3 dem in V. 3 Gesagten) die Gemeinschaft der Gläubigem der Gotteskinder, der in der Gottesgemeinschaft lebendig Wurzelnden unter einander, sodann die unaufhörliche Erfahrung von dem alle Sünden abwaschenden Blute Christi. Freilich klebt uns, auch wenn wir im Lichte wandeln, noch immer die Finsterniß, der Schmutz der Sünde an; aber wer da hat, dem wird gegeben, d. h. wirklich, lebendig, nutzbar hat, dem wird gegeben, daß er die Fülle habe. Wenn wir wirklich in der Gemeinschaft Gottes stehen, Theil haben an dem ewigen, heiligen, seligen Lichtleben Gottes, und diese Gemeinschaft mit Gott, der im Lichte ist, durch unsern Wandel in: Lichte lebendig, wirksam bethätigen, so haben wir eben in unsrer Ge1neinschaft mit dem ewigen Lichte nicht allein das Band, welches uns mit allen Gläu- bigen, in derselben Gottesgemeinschaft Stehenden ver- » knüpft, sondern auch die Bedingung der beständigen Theilnahme an dem alle Finsternis; tilgenden, allen Schmutz der noch vorhandenen Sünde abwaschenden Blute Christi. (Düsterdieck.) Man hat das »macht uns rein von aller Sünde« nicht ausschließlich von der versöhnend en Reinigung durch Hinwegnahme der Sündenschuld, durch Bewirkung der Sündenver- gebung, zu verstehen; vielmehr liegt der Gedanke, daß die Versöhnung und Vergebung der Sünde ihrer Erster Untertheil: die aus dem vorausgeschickten Satze sich ergebende zwiefache Folgerung. 785 Natur nach zugleich die thatsächliche Reinigung von ihr durch die Heiligung wirke, hier bestimmt mit in dem Reinigen, dies geht besonders aus V. 9 hervor. Nur so kann auch das Bedürfniß des sündigen Men- schen Gott gegenüber wirklich befriedigt werden: es muß ihm sowohl daran liegen, daß Gottes Heiligkeit aufrecht erhalten bleibe, als auch, daß ihm Gottes Gnade zu Theil werde; eine Gnade, die auf die gött- liche Heiligkeit einen Schatten würfe, würde dem Men- schen wieder eben soviel nehmen, denn von Gott Nach« sicht gegen seine Sünde zu wünschen, ist unfromm — wir haben einen G ötzen, wenn wir nicht einen schlecht- hin heiligen Gott haben. (Rothe.) Eine Ver- gebung der Sünde, welche keine Befreiung von der Sünde wirkt, ist keine wahre Vergebung, vgl. Tit. 2, 14. (Huther.) Der Tod Christi, sein am Kreuz vergossenes Blut, hat nicht minder die Kraft, die Herzen von der Sünde zu läutern, als es die Kraft hatte, die Sühne zu leisten und Vergebung zu er- wirken: letzteres, weil in Christi Tod die Schuld bezahlt und die Gnade erworben, ersteres, weil in Christi Tod die Sünde gerichtet ist; wer lebendig an Christi Versöhnungstod glaubt, kann nicht die Sünde lieben, die ihn an’s Kreuz gebracht hat. (Ebrard.) s) Jn der zweiten Hälfte des 7. Verses wurde denjenigen, welche bei dem aufrichtigen Wandel im Licht doch die Nachwirkungen der Sünde noch immer an sich erfahren müssen und welche nun in ihrem Ge- wissen beunruhigt werden könnten, wenn sie hören, daß man mit dem Gott, der Licht ist, nur im Lichte wandelnd in Gemeinschast stehen könne, und doch noch Manches in ihrem Wandel wahrnehmen müssen, wo- durch das Licht in ihnen getrübt wird, der Beruhigungs- grund dargereicht, welcher ihnen einestheils sagt, daß das noch anklebende Sündige die Gemeinschast mit Gott nicht mehr solle hindern können, so gut wie nicht vorhanden sein solle, indem ihre Sünde ihnen ver- geben werde, und anderntheils ihnen sagt, daß das noch nachwirkende sündige Element an ihnen immer mehr ausgeläutert werden solle, daß sie die Reinigung von der ihnen noch anklebenden Sünde mit Zuversicht in einer fortschreitenden Heiligung des ganzen Lebens erwarten dürften (Joh. 15, ·2); es wurde uns also da zu dem Christus in uns auch der Christus für uns gezeigt. Da wendet sich nun der Apostel im 8. Verse gegen diejenigen, welche bei dem Christus in uns des Christus für uns nicht mehr zu bedürfen meinen, sich schon wie Sündlose betrachten, und hebt im Gegensatz zu ihnen die fortdauernde Erlösungsbedürftigkeit der Geheiligten noch besonders hervor. (Neander.) Der in V. 6 f. erörterten Forderung, daß wir im Lichte wandeln sollen, trat am Schluß des 7. Verses die Thatsache entgegen, daß in uns noch Sünde, noch Finsterniß ist; dadurch ist nun eine zweite Folgerung aus dem in B. 5 ausgestellten Hauptsatz innerlich vor- bereitet und vermittelt, nämlich die, daß wir in Wahr- haftigkeit und Aufrichtigkeit des Sinnes unsre vor- handene Sünde uns selber und Gotte bekennen; denn wie daraus, daß Gott Licht ist und keinerlei Finster- niß in ihm, erstlich folgt, daß die Gemeinschast mit ihm durch den Wandel im Lichte sich zu bethätigen hat, fo folgt nicht minder daraus, daß wir, die wir nicht, gleich Gott, keinerlei Finsterniß in uns haben, nothwendig diese unsre Finsternis; in Wahrhaftigkeit bekennen müssen, da die Wahrhaftigkeit ebensowohl ein wesentliches Moment der Lichtnatur, als die Heiligkeit und Liebe ist. (Ebrard.) Jn engster Weise schließt diese zweite Folgerung an das Vorige sich an: ist die Reinigung von Sünden ein wesentliches Stück unsers Lichtwandels, so ist die Leugnung ihres Bedürfnisses DächsePs Bibelwerlh VII· Band. ein Merkmal des Seins in Finsterniß Auch diese Folgerung wird, gleichwie die erste (V. 6 f.), in zwei antithetifchen Sätzen entwickelt, so daß V. 8 dem sechsten und V. 9 dem siebenten Verse entfpricht, indem zu- nächst die falsche und darnach die rechte Herzens- stellung zur Sprache kommt. (Haupt.) Während Jo- hannes in V. 6 mit dem Worte: »so lügen wir« den aus der Sache selbst einleuchtenden, zwischen unsrer Rede und unserm Wandel bestehenden lügnerischen Widerspruch hervorhebt und darauf hinweist, wie hierin die thatsächliche Verleugnung der göttlichen Wahrheit liege, hebt er hier mit dem Ausdruck: »so verführen wir uns selbst« zuerst die Seite einer lügnerischen Rede hervor, von welcher aus dieselbe als eine Selbstverblendung als eine Unlauterkeih als ein Betrug gegen uns selbst erscheint, woraus denn zu- gleich zu ersehen ist, daß »die Wahrheit«, d. h. die schlechthinige göttliche, in dem Worte Gottes unzwei- deutig ausgesprochene Wahrheit, ,,nicht in uns is «; denn gleichwie diese unbedingt normative Wahrheit, wenn wir sie thäten (V· 6), uns vor dem thatsäch- lichen, lügnerischen Widerspruch zwischen Rede und Wandel bewahren würde, so würde sie auch, wenn sie in uns wäre, nämlich im Herzen, und nicht blos auf den Lippen, vor der heillosen Selbstverblendung be- wahren, welche uns die Heiligung und die Gemeinschast mit Gott unmöglich macht. (Düsterdierk.) Ob wir gleich eine neue Creatur worden sind, so bleiben doch allezeit die Ueberbleibfel der Sünde in uns; wir haben Sünde und das Gift ist noch in uns, und diese Sünde reizt uns zu den Früchten der Sünde, wie wir an David sehen und an Petrus in Gal. Z, 11 ff. (Luther.) Es gab aber schon zu Johannis Zeit solche, welche als fertige Heilige von Sünde nichts mehr an sich zu verspüren Versicherten; ihre Gedanken von der Sünde schöpften sie nicht aus dem Geiste der Wahrheit, sondern aus ihrem eigenen schmeichlerischen Geiste, der das nicht Sünde nannte, was doch vor Gott in Wahrheit Sünde ist, und noch heute beruht der Selbstruhm: »wir haben keine Sünde« auf sonst nichts, als auf Abschwächung und Verkleinerung der Sünde. (Besser.) So lange der Mensch das Fleisch an sich trägt, hat er immer, wenngleich leichte Sünden; aber hüte dich, gering zn achten, was man leicht nennt! Achtest du ihrer nicht, wenn du sie wiegst, so erschrick, wenn du sie zählst: viele leichte macheu eine schwere, viele Tropfen bilden einen Fluß, viele Körnlein einen Haufen. (Augustin.) H) Jndem der Apostel hier dem Verleugnen das Positive, das Bekennen entgegenstellt, spricht er von dem Bekennen nicht des Sündenzustandes im Allge- meinen, sondern der bestimmten, concreten, einzelnen beganZenen Sünden; denn hierzu muß sich ja durchaus das ekennen der Sünde gestalten, wenn es eine innere Wahrheit und Kraft haben soll. Das bloße Bekenntniß in abstraotm daß man Sünde habe, würde ohne die Erkenntniß und Anerkenntniß der concreten einzelnen Sünden keine Wahrheit und keinen Werth haben, sondern zur bloßen Phrase zusammen- schrumpfenz es ist viel leichter, ein frommes Gerede von Buße und Größe des Siindenelends zu machen, als im bestimmten Falle, wo man gesiindigt hat, sein Unrecht einsehen, zugeben, bereuen und Leid darüber tragen — Johannes verlangt das letztere. Sowie nun das ,,sagen, wir haben keine Sünde« in V. 8, insofern es ein Verführen seiner selbst genannt wird, zunächst als ein zu sich selbst Sagen erscheint, so wird mit dem Bekennen zunächst auch ein Bekenntniß vor dem eigenen Inneren und Gott gemeint sein, wie denn in der That auch der Nachsatzt »so ist er treu und 50 786 1 . Johannis gerecht« auf einen Vorgang zwischen dem Christen und Gott hinweist; so gewiß aber jenes Sagen in V. 8 möglichenfalls auch in einem Reden vor Men- schen hervortreten kann, so gewiß kann und wird es auch Umstände geben, welche zu einem Bekenntniß der begangenen Sünden vor Menschen auffordern. (Ebrard.) Wie unsre Gemeinschaft mit dem unsichtbaren Gott in der Gemeinschaft mit den sichtbaren Brüdern sich aus- drückt (V. 7), so können die, welche vor Gott ihre Sünden ohne Falsch bekennen, vor dem Bruder sie nicht verfchweigeu wollen: prüfe sich doch jeder, der sich für bußfertig , aber ein Bekennen seiner Sünden vor Menschen für überflüssig hält (gegen Jak. 5, 16), ob nicht etwa ein Betrug der Sünde dabei im Spiele ist! Gründliche Demuth und gründlicher Haß der Sünde machen das Bekennen derselben zu einem hei- ligen Bedürfniß (Besser.) Die beiden Ausfagen von Gott: ,,er ist treu und gerecht« sind zwar nicht gleich- bedeutend, aber doch sinnverwandt; Gott wird treu genannt, sofern er als der Verheißende das, was er verheißen hat, auch erfüllt (Hebr. 10, 23; 11, l1), wobei es denn hier sich speziell um die Zusage han- delt, daß dem reumüthigen Sündenbekenntniß die Er- lösung von der Sünde folgen solle, als gerecht aber wird Gott bezeichnet, sofern er behufs der Realisirung seines Gnadenreiches jedem ohne Ansehen der Person das zutheilt, was ihm gemäß seiner Stellung, die er zu Gott oder zu dem Reiche Gottes einnimmt, zu- kommt, und da erweist er denn gegen den, der im Lichte wandelnd seine Sünde bekennt, seine Gerechtig- keit dadurch, daß er von ihm immer mehr alles, was seine völlige Gemeinschaft mit ihm hindert, sowohl sein Schuldbewußtsein als die ihm noch anhaftende Ungerechtigkeit, hinwegnimmt und ihn zuletzt das volle Heil erben läßt, das denen bereitet ist, die ihn lieben. (Huther.) . HH Dem Apostel fällt die ganze Abscheulichkeit des Leugnens der eigenen Sünde, von dem in V. 8 die Rede war, auf die Seele; er bemerkt daher hier noch am Schlusse, daß er dort eigentlich noch viel zu wenig von diesem Leugnen gesagt hat, und-holt das Versäumte noch. Dort hat er jenes Leugnen nur als ein sich selbst Verführen und als ein Zeichen von Mangel an innerem Wahrheitssinn dargestellt, es ist aber noch etwas weit Aergeresz der Mensch vergeht sich damit nicht nur an sich selbst, sondern er begeht damit auch einen Frevel gegen Gott, vergreift sich da- mit an ihm, indem er ihn zum Lügner macht. Wieso aber machen wir durch eine solche Leugnung Gott zum Lügner? Die Aussage Gottes, in Beziehung auf welche hier von einem ihn der Lüge Zeihen die Rede, ist augenscheinlich eben die, welche sofort als ,,seinWort« bezeichnet wird; dies ist die göttliche Offenbarung in ihrem ganzen Umfange, die alttestamentliche und die neutestamentliche, auch wohl bestimmt, wie sie in der heil. Schrist urkundlich aufgezeichnet ist. Diese gött- liche Offenbarung nun ist wesentlich eine laute Er- klärung Gottes, daß die Menschenwelt eine sündige sei, und zwar ohne Ausnahme: nicht nur viele ein- zelne Aussprüche in der Schrist bezeugen dies auf das Stärkste, sondern diese allgemeine Sündigkeit der Menschheit ist die nothwendige Voraussetzung der ganzen göttlichen Offenbarung, sofern sie wesentlich eine Heilsanstalt ist. Auch beim einzelnen Menschen ist dies das beständige Thema, das Gott mit ihm ver- handelt, ihn durch fein Wort und seinen Geist wegen seiner Sünden zu strafen; wer nun von seiner Sünde nichts wissen will, der meint fälschlich, Gottes Offen- barung im Glauben angenommen zu haben, sie als eine ihm zum Heil zugehörige zu besitzen Es ist 2, 1—-6. dies Wort Gottes nicht wirklichin ihm als wirksame Kraft des Heils; es ist nur äußerlich an ihn gekommen, aber er besitzt es nicht. (Rothe.) Das 2. Kapitel. Von des Christenihums stund, Kennzeichen, Inhalt, kfeinden und Erhaltung. II« V. 1—-6. Alles, was der Apostel bisher gesagt hat, zielte dahin, Abscheu vor der Sünde einzuflößen und auf völlige Heiligung bei seinen tkesern hinzu- wirken, zugleich aber vor aller vermessenen Selbst— tiiuslhung, als habe man das Ziel bereits erreicht und dürfe hth für sfmdenrein erklären, sie zu bewahren; vielmehr habe man, da es bei der Schwactsheit unsers Fleisches im Kampfe mit den tllcichten der Finsternis nie ohne neu begangene· Sünden abgeht, die Cilgung derselben durch die Reinigung in Christi Blute unablässig zu bewirken, um auf diese Weise zu bewahrheitem daß man nicht in Finsternis wandle. Indem denn Johannes im Anschluß hieran die Leser zunächst in herzandringender Weise ermahnt, das Uichtsitndigcn sich zur strengen Regel ihres Lebens zu machen, bei dem unausbleiblichen ldennochssindigen aber zu Christi ikiirbitte bei dem Vater ihre Zuflucht zu nehmen und die von ihm für die ganze Welt vollbrachte Sündensiihnung sich, wie sie ja diesen Vorzug vor den annoch ungliiubigen Kindern der Welt genießen, zugute kommen zu lassen (V. 1 n. 2), redet er nun von dem sllerlizeichem woran wir es erkennen, ob wir Gott wirklich kennen, wie wir dessen der Welt gegenüber uns rühmen dürfen, und ob die Liebe Gottes als gegenseitiges Verhältnis; zwischen ihm und uns thatsäctslicts zu Stande genommen, wir also in ihm sind und in ihm bleiben; dieses Merkzeichen näm- lich ist das halten der Gebote Gottes, und dieses wiederum liestetjt der Hauplsarhe nach im treuen Fest— halten an der Verpflichtung, zu wandeln, gleichwie Christus gewandelt hat (V. 3«—-6). l. Meine Kindlein, solches.sdas, was ich im vorigen Abschnitte gesagt habe Kap. 1, 5 sf.] schreibe ich euch, aus daß ihr nicht sün- diget sihr als Grundsatz diesen festhaltet, ihr dürfet durchaus keine Sünde thun]. Und ob jemand sündiget swie denn nach dem gleich- falls schon Bemerkten das Sündigen sich dennoch bei uns einstellt, auch wenn wir nichts davon wissen mögen], so haben wir [Christen, die wir das Evangelium bereits gehört und im Glauben angenommen haben] einen Fürsprecher [Joh. 14, 18 Anm.] bei dem Vater [Hebr. 7, 25; 9, 24z Rom. s, 34J, Jesum Christum, der gerecht ist«« [Hebr. 7, 26z 1. Petri Z, 18 und also erfolgreich unsre Sache vor ihm vertreten kann]. 2. Und derselbige sum uns die göttliche Vergebung ohne Beeinträchtigung der göttlichen Gerechtigkeit zu erwirken] ist die Versöhnung sgenauerx Versühnung oder Sühne Kap. Z, H; 4,10; Z. Cor. 5, 18 f.; Rom. s, 251 für unsere Sünden sals durch dessen am Kreuze dargebrach- tes Opfer sie gesühnt, vor Gottes Augen bedeckt Z w eit e r U nt erth e il: Nich tfündigen u. D enn o ch sündigen eines Christen; sein charakr Merkmal. 787 sind]; nicht allein aber für die unsern sist er diese Sühnel sondern auch fiir der ganzen Welt« sSünden Joh. 11, 52 f., so daß auch alle Andern, wenn sie nur ebenfalls- gläubig wären, durch ihn Vergebung finden könnten]. 3. Und an dem merken wir, daß wir ihn sden Vater V. l] kennen fund in lebendigem Gemeinschastsverhältniß zu ihm stehen Amos Z, 2 Anm. 1], so wir seine Gebote halten [mit innerer treuer Bewahrung derselben 1. Ti1n. S, 14 sie befolgen Matth. 19, 17]. 4. Wer da sagt: Ich kenne ihn, und hält seine Gebote nicht, der ist ein Lügner, und in solchem ist keine Wahrheit [Kap. 1, 6 u. 8 ; 4, 20]. 5. Wer aber sein Wort sin dem, was er uns gebietet, vgl. Joh. 14, 21 u. 23] hält, in solchem ist wahrlich die Liebe Gottes sjenes gegen- seitige Verhältniss, da er sowohl Gott liebt, als Gott ihn] vollkommen svöllig zu Stande gekommen oder zum Abschlusz gebracht]. Daran [an solchem Halten seiner Gebote in der, an seiner Liebe zu uns entzündeten Liebe zu ihm] erkennen wir, daß wir in ihm stnd.**t nicht bestand. Eine solche Deutung kann er nicht zu- lassen; deshalb fügt er mit den Worten: »und ob« jemand sündiget, so haben wir einen Fürsprecher bei dem Vater 2e.« jener Verwahrung die Einschränkung hinzu. Er will zwischen den beiden an sich gleich un-- umstößlichen Sätzem »der Christ ist unbedingt ge- fchied en von der Sünde« und: »der Christ ist nie völlig frei von der Sünde« das rechte heilsame- Gleichgewicht herstellen. (Rothe.) Der Apostel giebt zwei Wege an, um von der Sünde frei zu werden, was ja zu dem Gemeinschafthaben mit Gott nach dem früher Gesagten unbedingt erforderlich ist: einmal den, daß man keine Sünde thut: »daß ihr nicht sün- diget«; darauf den, daß man etwa dennoch vor- fallende Sünden durch die Vergebung fortschaffen lasse. Der eine Gedanke oben war gewesen, der Christ hat die heiligende Gemeinschaft mit dem Licht; dieser ergiebt die Mahnung, so muß die Sünde bei euch aufhören. Der andere Gedanke war dieser, der Christ sündigt doch noch; er ergiebt die Ermunterung: lasset die geschehene Sünde euch vergeben! Aber nur jene erste Mahnung führt der Apostel auch wirklich in dieser Form durch: »auf daß ihr nicht sündiget«; bei der . zweiten verwandelt dieselbige sich in die nöthigere Form der Ermuthigung und gestaltet sich zu einem selbständigen Sätze: ,,und ob jemand sündiget, so haben wir einen Fürsprecher bei dem Vater, Jesum Christum, der gerecht ist«. (Haupt.) »Wir haben«, sagt Jo- 6. Wer da sagt, daß et in ihm bleibet, der s soll auch ldazu verpflichtet er mit splcher Rede l hat bemerkt, daß er nicht sich noch andre heil. Apostel ausdrücklich] wandelthgleichwie er swörtlicht jener, der uns allewege im Herzen leben und vor Augen F schweben soll, d. i. Christus, unser HErr Kap. ; Z, Z. 7; 4, 171 gewandelt hats snämlich im- völligen Gehorsam gegen die Gebote des Vaters Joh. 15, 10]. »F) Der Apostel redet bei der hier folgenden ernsten, aber durch die innigste Liebe getragenen Mahnung I seine Leser wie ein Vater seine Kinder an; und noch . inniger, als in V. 28; Z, 7; 4, 4; 5, 2l., sagt er, wie in Kap. Z, 18: »meine Kindlein«, nachdem schon das ,,Kindlein« zärtlicher, herzlicher klingt als das bloße ,,Kinder«. (Düsterdieck.) Jm Vorhergehenden hat Johannes hervorgehobem wie schlechterdings Keiner « ohne Sünde sei, auch der Christ es nicht sei; aus dieser Behauptung der thatsächlichen Allgemeinheit der Sünde auch unter den Christen selbst kann nun sehr leicht, wie er besorgt, der natürliche Sinn des Menschen die Folgerung ziehen, daß es mit dem Sündigen nicht viel auf sich habe, weil es etwas Unvermeidliches und des- halb wohl Unbedenkliches und Gerechtfertigtes sei. Der Apostel läßt aber diesen Schluß des natürlichen Menschen nicht gelten, sondern spricht das Gegentheil davon aus; die Allgemeinheit der Sünde soll den Lesern vielmehr den ganzen Ernst fühlbar machen, den sie dieser auch in ihnen noch so gewaltigen Sünde entgegenstellen müssen. Eine Erkenntniß der Gewalt der Sünde über uns, die uns beruhigen könnte, wäre noch nicht Erkenntniß der Sünde als Sünde: wer die Sünde als Sünde erkennt, der muß im Blick auf die ungeheure Gewalt, die sie immer noch über ihn aus- übt, nur mit doppeltem Schauer vor ihr zurück- schrecken. Kaum aber hat Johannes diese Verwahrung eingelegt, so erscheint sie ihm auch schon wieder einer Ein- schränkung zu bedürfen; sie konnte nämlich aus eine solche Weise verstanden werden, daß bei ihr der Friede des Herzens mit Gott und die Freudigkeit zu ihm hannes, und schließt sich somit unter die der Fürsprache Bedürftigen mit ein, stellt sich auf gleiche Linie mit den Gemeindegliedern und diese mit sich; schon Augustin oder sonstige Heilige der Gemeinde zu Fürsprechern hinstelle, sondern Christum als den einzigen Für- sprecher, dessen alle gleich bedürftig sind und der allen gleich nahe ist.- (Ebrard.) Wenn der Piensch der Kluft zwischen ihm selbst in seiner Sünde und Be- schränktheit und dem heiligen, vollkom1nenen Gott sich bewußt worden, wenn das Gefühl der Trennung und Entfremdung von dem heiligen Gott, zu dem sein höheres Wesen hinftrebt, ihn niederdrückt, so entsteht in ihm das Bedürfnis; einer Vermittelung zur Aus- füllung dieser Kluft; daher in allen Religionen die Stiftung eines Priesterthums, die Anerkennung von Mittelwesen zwischen Gott und den Menschen, an welche sich derselbe mit seinen Gebeten wendet, wenn er sich zu Gott selbst unmittelbar zu wenden nicht wagt. Und doch ist in jedem menschlichen Priester- thum der innere Widerspruch, daß diejenigen, welche selbst die Sünde und Erlösungsbedürftigkeit mit allen andern Menschen theilen, welche selbst der Vermittelung bedürfen, die sie für Andere leisten sollen, als wenn dies nicht der Fall wäre, die Uebrigen bei Gott ver- treten sollen. So ist das unverleugbare Bedürfniß, welches allem Priesterthum zu Grunde liegt, und zu- gleich die Nichtbefriedigiing desselben eine Weissagung von Dem, welcher allein dieses Bedürfniß in Wahr- heit befriedigen konnte, durch den die in dem Wesen der menschlichen Natur gegründete Jdee des Priester- thums ihre Verwirklichung und somit alles bisherige Priesterthum sein Ende fand, wie Christus von dieser Seite in dem Verhältniß zu Gott und der Menschheit in dem Hebräerbriefe besonders dargestellt wird: er ist als Mensch den Menschen, die sich zu ihm hinwenden, durchaus verwandt, hat ihre Natur, alle Bedürfnisse derselben, alle ihre Schwächen, die Sünde ausgenommen, I l i getheilt, alle ihre Kämpfe und Versuchungen selbst er- fahren und in allen als der Heilige sich bewährt. Nur als der Heilige, in dem das heilige Urbild der ålliensch- s heit sich verwirklicht darstellt, kann er die Sünder (ihre 50-«-— 788 1. Johannis 2, 7——1l. Abbitte vor Gott bringend und sie mit seiner Fürbitte begleitend) bei dem himmlischen Vater vertreten. (Neander.) . » » » » IV) Johannes giebt nun eine Erklarung daruber ab, inwiefern die Christen an dem gerechten Jesu Christo wirklich einen Fürsprecher bei Gott haben, nämlich insofern ja er selbst (wie fes im Grundtexte heißt) die Versöhnung für ihre Sünden ist; auf dem ,,selbst« liegt ein offenbarer Nachdruck — er in eigener Person. Der Apostel hebt damit hervor, daß hier, in Christo, der Fürsprecher und das Versühnmittel, auf welches die Fürbitte fußt, in Eins zusammenfallety ganz anders als unter dem alten Testament, wo der fürbittende Hohepriester und das Sühnmittel des Opfers auseinanderfielenx Christus ist selbst die Ver- sühnung. (Rothe.) Das Wort Versöhnung (das Luther gebraucht) bezeichnet streng genommen die Aussöhnung Gottes mit der Welt und die Aussöhnung der Menschheit mit Gott, also die ansgeglichene Feind- schaft zwischen beiden ("2. Cor. 5, 18 ff.; Röm. 5, 10; Col. l, 21 f.); dagegen faßt der Ausdruck Ver- sühnung die Aussöhnung Gottes mit sich selbst in’s Auge, er sagt die Ueberwindung des göttlichen Zornes aus, dessen Auseinandersetzung mit der göttlichen Liebe, also die Versöhnung dieser beiden, durch die mensch- liche Sünde in Widerstreit gerathenen innergöttlichen Bestimmtheiten Die Sühne wird nur dem einen Theil, nämlich dem beleidigten, zu Theil, die Versöhnung dagegen findet zwischen beiden Theilen statt; jene hat ein sachliches Objekt, diese dagegen ein persönliches Ohne Zweifel nun blickt der Apostel hier auf das Opfer des großen Versöhnungstags im alten Testa- ment hin und betrachtet Christi Selbstopferung als dessen Gegenbildz daher er denn auch sagt, seine Ver- sühnung beziehe sich nicht blos auf unsre, sondern auch auf der ganzen Welt Sünde, während die alttestament- liche sich nur auf das auserwählte Volk erstreckte. (Haupt.) So weit die Sünde reicht, so weit reicht die Versöhnung. (Bengel.) Wir werden seiner Zeit sehen, wie diese hier scheinbar nur gelegentliche Hinweisung auf die universelle Bestimmung des Versöhnungswerkes Christi einen Ausgangspunkt bildet für das, was Jo- hannes in einem späteren Abschnitt (Kap. 5,4ff.) über das Verhältniß des Christen zur Welt zu sagen hat. (Ebrard.) Mk) Der Apostel, nachdem er vorhin (V. 1 u. 2) seine Leser zum Vertrauen auf Christum ermahnt und gegen sittliche Entmuthigung verwahrt hat, geht nun wieder dazu über, vor dem falschen Vertrauen-des Scheinchristenthums zu warnen und auf das Merkmal des ächten Christenthums aufmerksam zu machen (vgl. Kap. l, 6 ff.); dies letztere bezeichnet er so: ,,an dem nierken wir, daß wir ihn kennen, so wir seine Gebote halten«. (Neander.) Unter dem ,,ihn« ist dem ganzen Zusammenhange nach, zumal hernach (V. 6) im Unter- schied von demselben Christus im Grundtext mit ,,jener« bezeichnet wird, der Vater zu verstehen; da nun in Kap. l, 5 von Gott gesagt worden, daß er Licht ist, so kann das ,,ihn kennen« nur heißen, sein Lichtwesen kennen, ihn als Licht erkennen. Jm ganzen neuen Testament ist aber das Kennen oder Erkennen nie ein blos äußeres, sondern sozusagen ein seelenvolles, wel- ches die Gemeinschaft mit dem Erkannten in sich schließt und begründet; es begreift immer zugleich die An- eignung, die Ausnahme des andern Wesens, um dessen Erkennen es sich handelt, in sich (vgl. Joh. l, l0 u. 5; 8, 55; 14, 7). War denn schon in Kap. l, 6 von ,,Gemeinschast mit ihm haben« die Rede, so auch hier rnit den Worten: ,,ihn kennen«; nachdem nun als Kennzeichen das ,,seine Gebote halten« angegeben ist, so folgt in V."4 ein Satz, der mit dem vollständigen Satze in Kap. l, 6., und in V. 5 ein Sah, der mit dem Satze in Kap.1, 7 verwandt ist. (Haupt.) Nach- dem der Apostel den in seinem Hauptsatzm »Gott ist Licht und keine Finsterniß ist in ihm« liegenden Er- mahnungsgedanken dem in Katz. l, 3f. angegebenen Zwecke gemäß zuerst im Allgemeinen ausgesprochen, daß wir nämlich mit diesem Gotte nur, wenn wir im Licht wandeln, Gemeinschaft haben können (Kp. l, 6 f.), hatte er angefangen, diesen Lichtwandel der Gläubigen als die Bedingung der Gemeinschaft mit Gott zu ent- falten, und trat da als erstes Moment das wahre, aufrichtige, reuige Erkennen und Bekennen der auch den Gläubigen noch immer anklebenden Finsternis; der Sünde hervor; denn von diesem Punkte aus entwickelt und vollendet sich, kraft der versöhnenden, erlösenden, heiligenden Wirksamkeit des für uns gestorbenen und immerdar uns vertretenden Christus, das neue, reine Lichtleben (Kap. l, 8—2, 2). Nun fügt der Apostel mit »Und« ein neues, weiteres Moment jenes Licht- wandels der Gläubigen, in welchem sie die Gemein- schaft mit Gott haben, hinzu, nämlich das Halten seiner Gebote, seines Worts, das Wandeln, wie Christus gewandelt hat; denn hierin bethätigt sich das Wandeln im Licht. Die Gedanken in V. 3—6 nehmen dann einen ähnlichen, kreisförmigen Verlauf, wie oben in Kap. l, 6ff.: zuerst (V. s) stellt Johannes den ein- fachen Satz positiv hin, dann (V. 4) folgt im Gegen- satz die Aufdeckung der Lüge, welcher hierauf (V. Z) wiederum die Wahrheit, wie sie schon vorhin bezeichnet war, gegenüber tritt. (Düsterdieck.) Die Gebote halten ist nicht gleich dem ,,im Licht wandeln« (Kap·. l, 7), aber doch ein Stück davon, das dabei nicht fehlen kann; und zwar in dem größeren, weiten, tiefen Ganzen ein bestimmter, erkennbarer Theil, der sich gerade als Merkmal, als Kennzeichen zu einer Schluß- folge eignet. Die Gebote Gottes sind klar, einfach, bestimmt, Ausdruck seines Willens, gegeben eben so sehr zu seiner Ehre, als zu unserm Heil, Zeugnisse seiner heiligen Liebe, seines heiligenden Erbarmens und seiner heilsamen Gerechtigkeit; sie entsprechen seinem Wesen und in gleicher Weise dem Wesen seines Rechts und insbesondere dem Wesen seiner Geschöpfe; haben sie ihren Ursprung in Gottes Liebe, muß der Gehor- sam gegen sie doch auch in Liebe zu dem, der sie ge- geben, wie zu ihnen selbst, der Liebe Gaben, sein Motiv haben, doch liegt das hier nicht in den Worten, als fordere Johannes hier schon die Liebe, von der er später redet. Er fordert nur ausnahmsloses Halten auf Gottes Gebote und schließt alles Wählerische den- selben gegenüber aus; er stellt ein sicheres und festes Kennzeichen hin. Er fordert aber mit gutem Grund nicht das Thun, sondern (im Anschluß an des HErrn Wort in Matth. 28, 20) das Halten der Gebote: thun können wir Gottes Gebote nicht, sondern nur darauf halten; selbst dies ist sehr beschränkt, un- genügend, unterbrochen oft und vielfach, am aller- wenigsten kann da Johannes nach Kap l, 8 ff. annehmen, daß ein Christ Gottes Gebote vollkommen halte und erfülle. Aber trotz aller Mängel des Gehorsams gegen Gottes Gebote und aller Gebrechen und Sünden an einem Christen und in seinem Leben bleibt doch ein scharfer Gegensatz zwischen denen, die an Gottes Ge- bote denken, daß sie darnach thun (Ps. l13, 18), und denen, die gar nicht daran denken oder nur darum wissen. (Braune.) f) Mit einer letzten, vierten Wendung wiederholt hier Johannes— seinen praktischwaränetischen Haupt- gedanken: eben jenes »in ihm bleiben«, wovon Christus in den Abschiedsreden (Joh. 14, 23; l5, 4 u. 7) ge- Dritter Untertheil: das nicht neue und doch neue Gebot —— die Bruderliebe 789 redet hatte, kann nicht gedacht werden ohne die erkannte und mit Bewußtsein und Entschiedenheit übernommene Verpflichtung, nun auch so zu wandeln, wie Christus gewandelt hat; damit kehrt der Gedanke auch formell, wie zu V. 4, so zu Kap. l, 6 zurück, und der Ab- schnitt erscheint völlig abgerundet. So wandeln, wie Christus gewandelt hat, in dieser eonereten Anschauung wird schließlich auf’s Klarste dargestellt, was es heiße, im Lichte wandeln und die Gebote halten; denn ist Christus das Licht selber und wandelte er im Licht nicht als in einer ihm fremden Sphäre, sondern als in seinem eigenen Wesen, so stellt sich auch in seiner Per- son und seinem Wandel vollkommen dar, was Gottes Wille sei. Wer nun in Gott zu sein und zu bleiben Anspruch macht, der übernimmt damit die Verpflich- tung, so zu wandeln, wie Christus wandelte — wohl gemerkt:dieVerpflichtungWoJohannes vonKenn- zeichen des Gnadenstandes redet, nennt er nicht das Wandeln, wie Christus wandelte, denn das könnte kein Christ von sich aussagen, daß sein Wandel, dem Wan- del Christi gleich, sündlos sei (Kap. 1, 8 ff.); aber die V erpslichtung, dem Vorbilde Christi nachzuwandeln, muß jeder wa re Christ sich in unermüdeter Treue und unermüdetem ampfe gegen den alten Menschen vor Augen stellen, wer das nicht thut, hat kein Recht, sich einen Christen zu nennen. (Ebrard.) III- V. 7—11. Mit Beziehung auf die eben gethane Keußerungx »der soll auch wandeln, wie Cr gewandelt hat«, geht der Apostel jetzt daraus ein, in welches spezielle Gebot fär den Christen, der Christum Iesum zu seinem Meister hat, sich die von ihm zu haltcnden Gebote Gottes als in ihr Centrum Zusammenziehen (i«ctii1n· is, 8 ff.): für die Welt zwar, die noch ohne Christum war, und für die Leser, ehe sie Christo ange- hörten, ist dies Gebot ein nettes, aber fiir diese, die Leser, insofern ein altes, als es ihnen bald bei ihrer Bekehrung zu Christo kund gethan worden; und seit es nun bei ihnen zur Verwirklichung gekommen, scheinet ihnen jetzt das wahre sticht, und die Finsternis; ist bei ihnen im verschwinden begriffen All. 7 u. 8). vorerst hat Johannes unterlassen, ihnen auch bestimmt zu be- zeichnen, welches Cebot er meine; wie sie ihn und seine Predigt kennen, darf er ja darauf rechnen, daß sie auch ohne solche Bezeichnung seine Meinung verstehen. Zlber er läßt nun nachträglich die bestimmte Bezeichnung, das; es gelte, nach Christi Muster die Brüder zu lieben, folgen, und beleuchtet da den Gegensatz »die Brüder lieben« und »die Brüder hassen« in der ihm eigen- thsimlichen Weise, die uns cbensowohl in V. 4—6 als bald anfangs in Man. 1, 6 u. 7 und Rats. 1, 8—-10 be- gegnete (n. 9— 11). 7. Brüder, ich schreibe ench swenn man es als das betrachtet, was für euch als Christen es ist] nicht ein neu Gebot, sondern das· alte Ge- bot, das ihr habt von Anfang feures Chriftenthums V. 24] gehabt sindem ich jetzt dazu übergehe, das vorhin im Allgemeinen vom Halten der Gebote Gesagte speziell auf das Gebot der brüderlichen Liebe zu beziehen I; Thess 4, 9]. Das alte Gebot sdas ich da meine Kap. 3, 11;«2.Joh. 5f.] ift das Wort, das ihr von Anfang sseit die Apostel des HErrn zu euch gekommen Katz. 1, 2 f.] ge- höret habt sdenn dies Wort hat gleich damals dieses Gebot euch gebracht]- 8. Wiederum swenn man es nach einer andern Seite hin betrachtet, nämlich in Hinsicht aus die Welt V. 2., was es für diese ist Joh. II, 341 ein neu Gebot schreibe ich euch, das da wahrhaftig sein seinem wahren Gehalte nach nun erst zu voller Verwirklichung gekommenes] ist bei ihm [bei Christo Joh. 15, 12 f.] und bei euch sseinen Jüngern und Nachfolgern Kap. Z, 16., wenn es auch vordem seinem Wortlaut nach schon bekannt war Z. Mos. 19, 18]; denn [seit Christus er- schienen, heißt es nun überall da, wo der Glaube an seinen Namen in die Herzen eingezogen ist:] die Finsterniß ist vergangen sbessert im Vergehen begriffen] und das wahre Licht scheinet jetzt« [bereits in einer Weise, daß es mehr und mehr die Herrschaft gewinnt, bis dereinst der volle Tag anbricht Röm. 13, 12]. 9. Wer da sagt [vgl. V. 4], er sei im Licht [Kap. 1,6], und hasset lgleichwohlj seinen Bruder sden christlichen Mitbruder Kap. 5, 1; 2. Petri 1, 7; Gal. S, 10], der ist noch fund wenn er auch seit langem schon einen Christen sich nennete] in FiUsterUißH [und hat kein Recht, das, was ich am Schluß des vorigen Verses sagte, mit auf sich zu beziehen Kuh. 3, 15; 4, 20]. 10. Wer seinen Bruder liebet, der bleibet im Licht sin dessen Vereich er mit seiner Bekehrung zu Christo eingetreten) und ist kein Aergerniß bei ihmkki skein Anstoß, an dem er zu Fall käme Pf. 119, 165;Joh.11,9f.;8, 12]. 11. Wer aber seinen Bruder hafset, der ist in Finsterniß sals in seinem Lebenselement] und wandelt in Finsternis; sfo daß fie alle seine Lebensäußerungen beherrscht], nnd weiß snun ein folcher] nicht, wo er hingehet [Joh. 12, 35., daß nämlich sein Weg in das endliche Verderben sührt]; denn die Finsternis; haben seine Augen verblendetf [Joh. 12, 40., daß er meinet, es ist Friede und hat keine Gefahr, während es doch gar sehr ge- fährl1ch mit ihm steht Kap. 3, 15]. V) Die betont und unverbunden am Anfang stehende Anrede: ,,Brüder«, die augenscheinlich aus bewegtem Gemüthe kommt, weist uns daraufhin, daß der Apostel ein besonderes Gewicht auf das Folgende legt. (Haupt.) Welches die Gebote Gottes sind (V. 3sf.), worin das Eigenthümliche des Wandels Christi besteht (V. 6), darüber ist Johannes seinen Lesern noch Auskunft schuldig; und diese giebt er ihnen nun, doch dies in der Weise, daß er zunächst bemerkt, wie es einer solchen Auskunft eigentlich gar nicht erst bedürse, da ja das Gebot, von welchem er rede, ein altes, ihnen längst bekanntes sei, so daß sie ihn auch ohne dessen ausdrückliche Nennung sofort von selbst verstehen müßten. Er nennt es nun auch vorerst noch nicht, sondern bezeichnet es nur nach seiner wunderbaren Eigenthümlichkeit, indem er hervorhebt, wie es gleich sehr für sie das alte und doch nach andrer Seite hin ein neu Gebot sei. (Rothe.) Nichts Neues will Johannes den Gemeinden, an die er schreibt, vortragen, sondern das, was stets der Inhalt der ihnen verkündigten Lehre war, von Neuem in ihrem Bewußtsein aussrischen und 790 1. Johannis L, 11. sie zur rechten Anwendung des Vernommenen er- wähnen; was er ihnen stets als das Eine Gebot des HErrn, worin alle andern Gebote enthalten sind, als das, worauf das Wesen des thätigen Chriftenthums ruht, dargestellt, dies will er ihnen vom Neuen an’s Herz legen. Wenn er aber so dies Eine Gebot als das von Anfang der Verkündigung des Evangeliums an von ihnen vernommene Wort bezeichnet, so werden wir nicht blos an seine Verkündigung selbst bei diesen Gemeinden, sondern auch an die schon vorhergegangene durch den Apostel Paulus zu denken haben: es war immer, wenn auch in verfchiedenen Formen, dasselbe Eine ihnen verkündigte, von ihnen vernommene Wort, und dieses— Wort hatte jenes Eine Gebot zu seinem Mittelpunkt. (Neander.) »Das ihr habt von Anfang gehört«, so konnte der Apostel nur schreiben, wenn den Angeredeten dieser Anfang noch im Bewußtsein, noch nicht daraus verschwunden war; es ist also dieser Ausdruck ein Beweis, daß der Brief nicht über die apostolische Zeit hinaus, ja kaum in deren letzten Theil verlegt werden darf. (Brückner.) Während nun der Apostel das Gebot, in der Bruderliebe Christi Wandel nachzuahmen (V. 6), darum ein altes heißt, weil es von Anfang an, seitdem das Evangelium an die Leser gebracht und von ihnen angenommen ist, ihnen bekannt gewesen, weil es den eigentlichen, wesent- lichen Inhalt des Wortes, welches sie gehört haben, ausmacht, so kann er dasselbe doch auch wiederum iu einer andern Beziehung ein neues nennen. Schon in dem ,,wiederum« ist ein gewisses sinnvolles Spiel mit den Venennungen ,,alt« und ,,neu« angedeutet: dasselbe Gebot soll, je nachdem es von dieser oder einer andern Seite angefchaut wird, als alt und dann wieder als neu verstanden werden. Jn welcher Be- ziehung aber kann denn Johannes das Gebot der Bruderliebe nach Christi Muster neu nennen? Wie er vorhin von der Gegenwartaus in die clJ riftlich e Zeit der Leser hineinfchaute und ihm da das Gebot als ein den Lesern längst bekanntes, als ein altes erschien, das sie solange schon gehabt, als sie überhaupt Christen sind, so schauet er jetzt von diesem Standpunkte in die vor dem Anfange ihres Chriftenlebens liegende Zeit der Leser, seien sie gleich früher Juden oder Heiden gewesen; und da erscheint dasselbe Gebot nothwendig als ein neues, wefentlich christliches, für die Leser erst mit jenem Anfange beginnendes, denn auch für die Judenchristen ist ja das christliche Gebot der Bruder- liebe, weil diese als Nachahmung Christi gefordert wird, ein neues. Mit den Worten: »das da wahr- haftig ist bei ihm und bei euch« sagt hierauf der Apostel, daß das durch das neue Gebot Geforderte, die Bruderliebe, wie es in Christi Wandel zur vollften Erscheinung gekommen und in dieser lebendigen, that- fächlichen Wahrheit oder Wirklichkeit gegenwärtig, kräftig da ist, so auch von seinen Gläubigen nach seinem Beispiel geübt wird; die Leser stehen in dem Strome des Lichts und der Liebe, welcher in Christo seine stets gegenwärtige Quelle hat, die Liebe, welche Christus in seinem Wandel geübt hat, wirkt auch in ihnen, sie eifern seinem Liebeswandel nach. Es voll- zieht sich also, wie dann weiter die Worte besagen wollen: »die Finfterniß ist vergangen (im Vergehen begriffen) und das wahre Licht scheint jetzt (schon)«, die große Krisis; schon wird die Finsternis; von dem wahrhaftigen Lichte, das in Wahrheit in Christo und durch die Liebe, welche in Christo und seinen Gläu- bigen lebt, der Haß (der auch nach Paulus das Haupt- lafter der nicht erlöften Welt ist Röm. 1, 29 ff.; Tit. Z, Z) überwunden. Allerdings nun enthalten alle diese Worte ein großes Lob, und das Lob ist vielen Aus- legern als zu groß erfchienen; allein der Apostel, wel- cher in seinen Lesern Kinder Gottes erkennt (Kap. s, 2), welcher weiß, daß sie den Geist haben (V. 27), kurz, daß sie in der Lebensgemeinschaft mit Gott und Christo wirklich stehen, kann und muß anerkennen, daß die eigenthümlichfte Blüthe, die das gesammte christliche Wesen treibt, die Bruderliebe nach des HErrn Beispiel, wirklich und wahrhaft in den Lesern vorhanden ist (und haben wir Recht mit unserer An- sicht, daß die Epistel von Patmos aus zur Zeit der neronischen Christenverfolgung von Johannes ge- fchrieben ist, so hat wohl gerade damals diese Liebe in der Kap 3, 16 charakterisirten eigenthümlich christ- lichen Art sich mehrfach an den Tag gelegt). Hierdurch wird ja die beständige Ermahnung, solche Liebe zu üben, nicht nur nicht überflüssig, sondern dieselbe bleibt so gewiß immer nothwendig, als das gesammte christ- liche Leben ein unendlich bildungsfähiges ist, ein Schatz, den man nur dann hat, wenn derselbe durch fittliche Arbeit, durch Wandel im Licht, immer neu und immer reicher gewonnen wird. (Düsterdieck.) H) Bisher hat Johannes das Gebot der Bruder- liebe nicht ausdrücklich genannt; er konnte um so mehr vorausfetzem daß feine Leser ihn verstehen würden, als sie wohl wußten, wie in allen seinen Ermahnungen die Bruderliebe das A und O war. Setzt er bei den Lesern die Kenntniß feines Evangeliums voraus, so konnte er in dieser Beziehung vollends ganz zweifellos sein; nunmehr aber substituirt er dem abstracten Be- griff des Gebots Gottes, von dessen Halten er in V. 3 ff. gesagt hat, daß es das sichere Kennzeichen des wahren Christseins sei, den conereteren der Bruder- liebe. (Rothe.) Jndem er die drei Verse 9——11 ganz ähnlich baut, wie die in Kap 1, 8-—l0., zuerst ein lügnerifches Sagen vorführt, dann die Wahrheit in die Mitte stellt und schließlich noch einmal den Gegen- satz gegen dieselbe in eindringlicher Weise bezeichneh bezeugt er zunächst: Wer sich für einen Christen aus- giebt (,,sooft der Apostel: wer da sagt schreibt, giebt er allemal den ruhmredigen und eingebildeten Christen einen Stich« — Luther) und doch den, welchen er als Bruder lieben sollte, haßt, der beweist dadurch, daß er bis auf diesen Augenblick, wenn er auch noch so lange zum Christenthum sich bekennt, gleich von demselben noch eben so fern ist, wie vor feinem Uebertrittx der Haß gegen den Bruder, der ihn beseelt, ist ein sicheres Merkmal davon, daß er das göttliche Licht noch nicht in sich aufgenommen hat, die Finsterniß der Welt in ihm vorherrscht, derselbe Geist, der die von Gott ent- fremdete Welt beseelt. Er hat sich nur scheinbar, äußerlich, nicht innerlich von dieser Welt losgefagt; das Licht Christi ist noch nicht in ihm ausgegangen, denn dieses kann mit einer solchen Gesinnung nicht bestehen. (Neander.) Johannes kennt, wie überhaupt keine sittlichen Mittelstufen, so keinen wesentlichen Unterschied zwischen ,,nicht lieben« und ,,hassen«; auch sonst ist der Gegenfatz von ,,lieben« und ,,hassen« in der biblischen Redeweise gewöhnlich (N"catth. 6, 24; Luk. 14, 26; Joh. 12, 25; Rom. 9, 13). Hier jedoch, und besonders auch in Kap. 3, 15., ist nicht blos ein Mangel der Liebe, sondern etwas Pofitives, ein selbst- fuchtiges Uebelwollen u. dgl. (vgl. z. B. 33 Joh. 9 ff) zu denken. (de Wette.) Wie Licht und Finsterniß so · schließen sich »den Bruder hassen« und »den Bruder in seinen Gläubigen scheinet, vertrieben, schon wird - lieben« einander aus; es find einander diametral ent- gegengesetzte Lebensrichtungen, des Nienschen Thun gehört entweder der einen oder der andern an —- was dem Gebiete der einen nicht angehört, fällt in das der andern. (Huther.) Wo nicht Liebe ist, da ist Haß; Der Gegensatz: den Bruder lieben und den Bruder hassen — Licht und Finsternißl das Herz ist nie leer, sondern entweder von der einen oder von dem andern erfüllt. (Bengel.) Gerade dem Bruder gegenüber, um den es sich hier handelt, ist ja in der That Gleichgiltigkeit unmöglich. (Haupt.) Die ganze Wahrheit, Tiefe und Kraft der christlichen Ethik beruht auf dem von Johannes so entschieden geltend gemachten Entweder —·- Oder: auf der einen Seite steht Gott, auf der andern die Welt, dort ist Leben, hier Tod, dort ist Liebe, hier Haß; eine Ver- mittelung giebt es.nicht. Das Leben kann noch ganz keimartig und gebrechlich, die Liebe kann noch schwach und arm sein, aber doch ist Leben in Gott und die nothwendige Erweisung desselben in der Liebe wirklich und wesentlich vorhanden; es gilt alsdann das Wort des HErrn (Luk. 9, 50): »wer nicht wider mich ist, der ist für mich«. Andrerseits aber kann das Leben nach dem Fleische, das Hangen an der Welt und die nothwendige Bethätigung dieser Selbstsucht durch den Haß sehr versteckt und mit gleißendem Schein utnhüllt sein; aber in der verborgenen Tiefe des Nienschem da, wo die eigentlichen Quellen seines sittlicheu Lebens entspringen, steht nicht Gott, sondern die Welt, der Niensch ist noch im Tode und kann deshalb auch nur sich selbst lieben, muß also den Bruder hassen, und es gilt hier das Wort des HErrn (Luk· 11, 23): »wer nicht siir mich ist, der ist wider mich«. (Düsterdiecl.) its) Das ist nicht ein bloßer Gegensatz, zu V. 9., sondern hier ist zugleich Fortschrith »der bleibet im Licht«; denn aus das Bleiben kommt’s an, zu dem das Sein es bringen muß (vgl. V. 6). Vorbereitet ist dies ,,bleibet« durch das ,,noch« am Schluß des 9. Verses mit der feinen Andeutung, daß der Haß gegen den Bruder und das Sein in der Finsterniß überwunden werden solle, das Sein im Licht und in der Liebe zu wahren sei. (Braune.) Jn wunderbar schöner Harmonie ist der Vers die Kehrseite zu dem Wort in Katz. 1, 7., bei welchem auch, wie hier, die Position die vorangegangene Negation überbietet: dort war gesagt, daß, wenn wir im Lichte wandeln, daraus die Gemeinschaft mit den Kindern Gottes erwachse; hier wird gesagt, daß die Liebesbethätigung dieser Gemeinschaft uns in der Gemeinschaft des Lichts oder Gottes erhalte. Wie aber der Apostel dort noch das Weitere beigefügt hat, daß den im Lichte Wandelnden das Blut Christi von aller Sünde rein mache, so fügt er auch hier einen analogen Gedanken bei: »und ist kein Aergerniß bei ihm«. (Ebrard.) Das ist eine zweideutige Redensart, welche sowohl von den ge- nommenen, als von den gegebenen Aergernissen kann verstanden werden; ich möchte es lieber von den ge- nommen en Aergernissen verstehen, daß es soviel heiße, er wandelt im Licht und wird nicht geärgert durch den Schein des Lichtes auf Seiten jener (V. 9), sondern bleibt beständig im Lichte, läßt sich nichtirgend ein Aergerniß ansechten. (Luther.) Die reine, volle Bruderliebe kann nicht zu Falle kommen, denn die Liebe findet auch durch die schwierigsten Verwickelungen hindurch leicht den sicheren Weg mit dem Auge ihrer Einfalt; sie erweitert das innere Auge und schiirft es damit zugleich, alle Pslichten werden von der Liebe leicht erkannt und sind ihr auch nicht schwer, sie hat die Versuchungen schon überwunden, ehe sie dieselben nur bemerkt. (Rothe.) Habe Liebe und thue dann, was du willst. (Augustin.) Redei Johannes gleich zu- nächst nur von der christlichen Bruderliebe, so ist damit doch die allgemeine Menschenliebe keineswegs ausge- schlossen, sondern von selbst darin eingeschlossen, sie braucht nicht besonders erwähnt zu werden; denn in der christlichen Bruderliebe ist von selbst das Streben und der Drang gegeben, alle Menschen in diesen 79l Brüderkreis hineinzuzieheth sie alle zu Brüdern zu machen, wie sie ja durch ihre gemeinsame Abstammung, durch das gemeinsame Bild Gottes in allen, und durch die Erlösung, die sich auf alle bezieht, dazu auch be- stimmt sind. (Neander.) f) Man beachte die Steigerung in diesen letzten drei, den Vordersatz immer mit einem »wer« be- ginnenden Versen: V. 9 hat nur eine Aussage im Nachsatz, V. 10 ihrer zwei, V. 11 deren drei. (Haupt.) Johannes unterscheidet in der ersten Aussage das Sein in der Finsterniß und das Wandeln in der Finsterniß: das eine bezieht sich auf die Ursache, das andere auf die Wirkung, das eine auf die Ge- sinnung, das andere auf den, aus der Gesinnung hervorgehenden Lebenswandel. (Neander.) Die zweite Aussage besagt, daß der Weg des Hasses ein Weg voller Anstöße ist, und wie nun die Aussa e in V. 10: ,,es ist kein Aergerniß bei ihm« an das ort in Sprn 4, 18 erinnert, so die Aussage hier an das darauf folgende Wort in Sprüchm 4,19. Sich selber zum Aergerniß ist, wer seinen Bruder haßt, und er thue, was er wolle, so geräth es ihm alles zum Schaden der Seele. Die Juden wußten nicht, wo sie hingingen, als sie, vom Jesus-Haß verblendet, ihre sinstere Straße zogen: so weiß ein von der Sünde des Bruderhasses verwirrter Mensch seinen Weg nicht; mitten im Sagen, er sei im Licht, denn dem Thoren gefällt sein Weg wohl (Spr. 12, 15), geräth er aus einer Finsterniß in die andere, deren er sich nicht ver- sieht, und seines Weges Ende ist die Hölle. Es ist unmöglich, vor irgend einer Sünde seine Seele zu bewahren, wenn Haß die Seele beherrscht; Liebe macht alle Tugenden leicht, Haß öffnet allen Sünden die Thür. (Besser.) Die dritte Aussage bringt zu dem, wovon der Apostel in V. 9 ausging :,,wer da sagt, er sei im Licht, und hassetseinen Bruder« den Gegensatz: »der ist noch in Finsterniß« in einer andern Form wieder: »die Finsterniß hat seine Augen verblendet«; sie spiegelt seinem Auge Blendwerke vor, daß das, was Finsterniß ist, ihm als Licht erscheint, sein Sagen ist eine ihm selbst unbewußte Heuchelei, sein Seelen- zustand aber eben darum desto schlimmer und bedenk- licher. C— Ein zweiter Haupttheil bietet sich uns dar in V. 12——tiap. Z, N; in demselben tritt zu dem, was bis— her unter dem Halten der Gebote Gottes gemeint war, nämlich daß wir uns unter einander lieben, als ein zweites Moment dies, daß wir glauben an den Uanien seines Sohnes Zlesu Christi, und wie nun im vorigen Hauvtthetl die Rede von Gott, daß er Licht ist und keine Xinsterniß in ihm, mit dem Wort Ratt. 1, 6): »wer da sagt, daß er in ihm bleibe, der soll auch wandeln, gleich— wie Er gewandelt hat« slhon den Grundton anslhlug fsir die hier folgende Rede, daß man, wie bei dem Vater, so auch bei demSohne zu bleiben habe, so schlägt aurh das Schlußwort des jetzigen Haupttheils Man. Z, 24): ,,daran erkennen wir, daß er in uns bleibet, an den: Geist, den er uns gegeben hat« den Grundton an für den nakhs folgcnden dritten ttjauottheih der es vornehmlich mit dem Geiste Gottes zu thun hat. I. V. 12—17. Wie sehr in diesem mittleren von den drei Hanpttheilen seines Briefs dem Apostel daran liegt, dem Umsichgreifen des schon zu seiner Zeit auftretenden Widerrhristenthums einen festen Damm in den Gemeinden entgegenzusehem sehen wir daran, daß er erst eine zwie- fach andringende Zusprache nicht blos an die Gesammt- heit der Gemeinden, sondern auch an die beiden vor— nehmsten Jllterssiufen in denselben, und eine damit ver- bundene Warnung vor der Liebe zur Welt und ihrem 792 l. Johannis L, 12——17. Wesen voraus-schickt, ehe er dann in den drei weiter folgenden Abschnitten seine iielehrungen, til-Mahnungen und Trijslungen folgen läßt; man darf aber dem über das wesen der Welt und ihr Treiben Gesagten nicht eine zu weit ausgedehnte Beziehung geben, wie von den Jluslegern vielfach geschehen ist, als sollte mit Stuf— steltung der Vrciheih »den Fleisches Lust und der Jiugenlust und hosfcirtiges Erben« eine systematisih voll— ständige Eintheilung der Sünde überhaupt gegeben werden, Johannes hat es vielmehr lediglich mit den drei Ersiheinungsformen des sündlictjen Welttreibens zu thun, in welchem das widerchristenthum seiner Brit seine Wurzeln hat und an welchem es in den Gemeinden seinen Bundesgenossen fände, wenn diese, namentlich in dem jüngeren Geschlecht, ihm huldigen wollten. 12. Lieben Kindlein IV. 1], ich schreibe euch, daß euch die Sünden vergeben werden dnrch seinen sJesu Christi Kap. 1, 7; Joh. 1, 12] Namen [1. Petri Z, 21; Apostg 4, 12]. 13. Jch schreibe euch Vätern; denn ihr kennct den, der von Anfang ist sGottes eingebornen Sohn Kap. 1, 1; Joh. 1, 1 ff.; Col. 1,15f.]. Ich schreibe euch Jünglingenz denn ihr habt den Böse- wicht sden Teufel Matth. 13, 19. 39; Ephes S, te] überwunden [Kap. 4, 4; Joh. 16, 11]. Jch schreibe euch Kindern; denn ihr kennet den Vater. 14. Ich habe euch Vätern geschrieben, daß ihr den kennet, der von Anfang ist sHiob 12, 12; Joh. 8, 19]. Jch habe euch Jünglingen geschrieben, daß ihr stark seid [Spr. 20, 29; Ephes S, 10; Hebt. 11, 34], und das Wort Gottes bei euch bleibet [V. 7. 24; 2. Ioh 2. 9], und Uhr] den Bösewicht überwunden habtt sund gilt es» also nur noch, daß ihr euch gegen ihn verwahret, auf daß er euch nicht antaste Kap. S, 18]. 15. Habt nicht lieb die sder Eitelkeit unter- worfene Rom. 8, 20 f. und vom Fürsten der Finsterniß beherrschte Joh. 12, St; Ephes 6,12] Welt, noch was in der Welt ist siegend etwas in ihr, was zu einem Gegenstand oder Werkzeug der Lust an ihr für den Menschen wird]. So jemand die Welt lieb hat fund an ihre Güter und Gaben, an ihre Freuden und Genüsse sich hängt], in dem ist nicht die Liebe des Vaters [und um diese, die ja bei euch heimisch geworden sein soll V. 5., dürft ihr euch nicht bringen lassen]. 16. Denn alles, was in der Welt ist sin der vom Fürsten der Finsterniß beherrfchten Welt der Menschen Sinnen und Denken erfüllt und ihr Thun und Treiben bestimmt], nämlich des Fleisches Lust [die in geschlechtlichem Genuß und sonstigem Wohlleben Röm. 13, 13 ihre Befriedigung sucht] Und der Augen Lust [die auf immer neuen Reiz für die Sinne ausfchaut und unersättlich ist im Begehren nach allerlei Augenweide] und hosfärtiges Leben [die in der ganzen Lebensweise und Lebens- einrichtung sich ausprägende Sucht zu prahlen und zu glänzenL ist nicht vom Vater ldaß etwa Er der von ihm geschaffenen Welt es eingepslanzt hätte], sondern von der Welt sder dem Argen anheimgefallenen Menschen Kap. Z, 12; 5, 19]. 17. Und die Welt vergehet mit ihrer sfür die Lüstlinge ihr einwohnenden] Lust [wie das die, welche jene lieben und dieser dienen, schon bei ihrem Leben, besonders aber beim Sterben erfahren Luk. 12, 20z 16, 24]; wer aber deu Willen Gottes thut sin den beiden, Kap. 3, 23 angegebenen Hauptftückens der bleibet in Ewigkeit« [gleichwie Gott selber Osfenb. 4, 9 f.; 10, 6]. V) Jn diesen drei Versen bedarf sowohl die Vers- eintheilung (vgl. die Bem- u l. Kön. 4, 20) und die Lesart im Grundtext, der uther im dritten Satz des 13. Verses folgt, als auch dessen Uebersetzung in mehr als Einem Stücke einer Abänderung, um das Ver- ständniß zu erleichtern: 12. Jch schreibe euch, Kindlein; denn vergeben sind euch die Sundeu um feines Namens willen [1. Cur. 6, 11; Col. l, 14]. 13. Jch schreibe euch, Väter: denn erkannt» habt ihr Den, »der von Anfang ist. Jch schxeibe euch, Jünglinge; denn überwunden habt ihr den Bosewichh 14a. Ich habe euch, Kinder, geschriebeiu denn er- kannt habt ihr den Vater. » t4b. Ich habe euch, Vater, geschrieben; denn er- kannt habt ihr Den, der von Anfang ist Jch habe euch, Jünglinge, geschrieben; denn stark seist ihr, und das Wort Gottes bleibet bei euch, und überwunden habt ihr den Bosewicht Jrrthümlich ist es zunächst, den dritten Satz im 13. Verse: ,,Jckj schreibe euch Kindern; denn ihr kennet den Vater« mit den beiden vorangehenden: ,,Jch schreibe euch Vätern re» ich schreibe euch Jüng- lingen 2c.« als eine dritte Altersklasse auf gleiche Linie zu stellen; denn zunächst begegnet uns in V. 18 dieselbe Aurede: »Kinder« als Anrede an die G efa mm t- gemeinde. Diese ist denn auch hier angeredet, und steht also dies ,,Kinder« vielmehr aus gleicher Stufe mit der Anrede: ,,liebe Kindlein« in V. 12., welche ihrer- seits in V. 28 als Anrede an die Gesarnmtgemeinde wiederkehrt und in Kap. Z, 2 nur wegen des gleich folgenden »Gottes Kinder« mit dem Ausdruck: »meine Lieben« vertauscht ist. Und nun ist auch die bessere Lesart im Grundtext die, daß statt ,,ich schreibe euch« es heißt: ,,ich habe euch geschrieben«. Auf diese Weise ist zweimal erst die Gesammtgemeinde an- geredet; beide Male wird dann dieselbe in die zwei Klassen der Väter und der Jünglinge getheilt, nur heißt es das eine Mal: ,,ich schreibe euch«, das andere Mal aber: ,,ich habe euch geschrieben«. Dieser Wechsel der Zeitwortsform hat ohne Zweifel darin feinen Grund, daß Johannes zuerst auf sich siehet: ,,ich schreibe«, darnach auf die Leser, wenn sie den Brief werden empfangen haben und das Gefchriebene zu hören bekommen, wo aus dem ,,ich schreibe« ein ,,ich habe geschrieben« wird; mit Hilfe solcher Wendung kann der Apostel, wie er im Drange seines Herzens wegen der hohen Wichtigkeit des Folgenden beabsich- tigt, zwei Mal mit einer dringlichen Anrede den Lesern beikommen, ihnen zwei Mal der Hauptsache nach das- selbe sagen und doch das zum zweiten Mal Gesagte so gestalten, daß es neue Momente in das zum ersten Male Gesagte einflicht, wobei dann ferner in Be- tracht kommt, daß er nun auch in den folgenden Ab- schnitten unter b und c immer zu zweien Malen (V. 18 u. 28 u, Kap. Z, 2 u. 7) den Lesern an’s Herz greifen kann, und auch im Abschnitt unter d hält er Zweiter Haupttheil: die ungöttliche Welt mit ihrem ungöttlichen Wesen. 793 die zweimalige Anrede fest, wenn er auch das erste Mal nach Maßgabe dessen, was er da sagt, eines andern Ausdrucks sich bedient (Kap. 3, 13 u. 18) und das zweite Mal die Anrede durch eine gleichbedeutende auffrischt (Kap. Z, 21). Betrachten wir nun die zwei Mal drei Sätze in ihren weiteren Beziehungen zu einander, so hätte sich Luther in V. 12 durch die Vul- gata nicht sollen verleiten lassen zu schreiben: ,,euch die Sünden vergeben werden«, sondern, wie es hernach heißt: ,,erkannt habt« und ,,überwunden habt«, so steht auch hier: ,,vergeben sind«; ebenso hätte Luther nicht nach dem etwas anderen Wortlaut in Apostg. 10, 43 übersehen sollen: »durch seinen Namen«, Johannes hat vielmehr geschrieben: ,,um seines Namens willen«. Und nun ist noch ein dritter Fehler an der lutherschen Uebersetzung zu rügen, daß sie nämlich ein und dasselbe, im Grundtext sechs Mal stehende Wort (ö«rr), welches allerdings zwei Bedeu- tungen in sich vereinigt, das erste Mal (V. l2) durch ,,daß«, dann drei Mal (V. 13) durch ,,denn«, und hierauf wieder zwei Mal (V. 14) durch »daß« wieder- giebt; es ist vielmehr die eine oder aber die andere Bedeutung alle sechs Mal festzuhalten. Und da haben denn bei Weitem die meisten Ausleger sich dafür entschieden, daß diese Partikel nicht den Jnhalt dessen angiebt, was der Apostel schreibt oder ge- schrieben habe, gleich als solle seine Epistel ein Trost- bries sein wider salsche Verzagtheit, wie die erste Petri-Epistel, sondern sie giebt den Grund an, w arum der Apostel eine Epistel für den Zweck an die Ge- meinden richten kann, daß ihre Freude völlig sei (Kap. 1, 4), weil nämlich das Reich Gottes, das da ist Ge- rechtigkeit, Friede und Freude im heil. Geist (Röm. 14, 17), nach dem, was er am Schluß des 8. Verses gesagt hat, in ihnen schon vorhanden ist. Jn V. 13 hat Luther dies Sachverhältniß richtig mit »denn« ausgedrückt; dagegen hat er bei V. 12 vorausgesetzh Johannes nehme hier die Rede in V. 1 f. wieder auf, und bei V. 14 geglaubt, das ,,ich habe geschrieben« beziehe sich auf den ersten und zweiten Satz in V. 13 zurück. Wenden wir uns jetzt zu dem, was der Apostel zunächst im Allgemeinen der Gesammtgemeinde unter den beiden Anreden: ,,Kindlein« und ,,Kinder« zurust (V. 12 u. 14a): ,,vergeben sind euch die Sünden um seines Namens willen« und: ,,erkannt habt ihr den Vater«, so weist er sie damit auf ihren Gnaden- stand hin. Jndem sie um Christi willen Vergebung ihrer Sünden empfingen, nahm Gott sie zugleich zu seinen Kindern an, und trat damit ein wechselseitiger Verkehr zwischen ihm und ihnen ein, daß er seinerseits innerlich sich ihnen osfenbarete, in seinem Wesen sich ihnen mittheilte und seine Güte, Freundlichkeit u. s. w. ihnen zu schmecken und zu erfahren gab, und daß sie ihrerseits sich an ihn hingeben, zu ihm betcn und gleichsam in seinem Schoße sitzen durften. Auf ein solches Verhältniß, wie es dieser letztere Ausdruck be- zeichnet, soll wohl die im Grundtext für ,,Kinder« stehende Anrede Gen-Flor) hindeuten, während die frühere (V. 12): ,,Kindlein« wiss-Ha) mehr vom Stand- punkte des Johannes aus gebraucht ist (vgl. V. 28 u. Kap. 1, 2). Was aber Johannes dann weiter den Gemeinden zurust, das bezieht sich auf ihr Verhältniß zu Christo, dem Sohne des Vaters (2. Joh. 3): als solchen, als Den, der da ist, ehe denn Abraham ward (Joh. 8, 58), haben sie ihn erkannt, und in der Macht seiner Stärke, wie Paulus ihnen einst geschrieben (Ephes. 6, 10 ff.), haben sie den Bösewicht überwunden· Aber wenn gleich nun Johannes dies ebenfalls allen Gliedern der Gemeinde ohne Unterschied sagen konnte, so zieht er es doch vor, die beiden Aussagen auf die s i i E i zwei Altersstufen zu vertheilen, die sich seinem Seel- sorger-Auge darstellen, und einer jeden von ihnen das im Besonderen ihr zugehörige Theil zuzumessenz er bekommt so Gelegenheit, sowohl den Alten oder den Vätern in der Gemeinde, als auch den Jungen oder Jünglingen recht eindringlich an’s Herz zu reden und wider die Versuchungen, die auf der einen Seite den Alten, auf der andern Seite den Jungen nach der Eigenthümlichkeit der beiden Altersstufen am gesährlichsten zu werden drohen, der einen wie der andern ein Gegengewicht an dem zu geben, was wiederum nach einer andern Eigenthiimlichkeit beider ihr vornehmster Schmuch die güldene Krone der einen und die Purpurhaube der andern ist (Sir. 6, 31). Wenn er da bei der zweiten Anrede (V. 141)) das den Vätern vorhin ausgestellte Zeugniß nur einfach wieder- holt, das den Jünglingen ausgestellte aber: ,,über- wunden habt ihr den Bösewicht« durch Voranstellung der beiden Sätze: ,,stark seid ihr und das Wort Gottes bleibet bei euch« erweitert und damit einerseits mit ihrer natürlichen Jugendstärke die geistliche in Parallele stellt und andrerseits darauf hinweist, worin diese geistliche Stärke ihre Quelle hat und woraus sie ihre Nahrung zieht, da die natürliche selber ihr eigentlicher Lebensgrund nicht ist (Jes. 40, 29 ff.), so will er ohne Zweifel zu verstehen geben, daß die Jünglinge ihm als am meisten von den Gefahren der Versuchung be- droht erscheinen, mit denen er es nachher zu thun haben wird; wir werden in L. Joh. 4ff. an denjenigen Kindern der betreffenden christlichen Matrone, welche im Umgangs- und Freundschaftsverhältniß mit den Jrrlehrern jener Zeit standen, einen concreten Fall vor uns haben, wie der Apostel allerdings guten Grund hatte, den Jünglingen noch ganz besonders mit seinen Mahnungen und Warnungen gegenüber zu treten. Wie bietet der Bösewicht alle seine Gewalt auf, bemerkt hier Besser, um den Jüngling, der sich ausmacht zum Zerreißen der satanischen Stricke in der Kraft Jesu Christi und dem Wesen dieser Welt ent- flieht, wieder zu verflechten in die Weltlust und die Freude der Heiligen am Laufe eines jungen, munteren Genossen zu verderben! ,,Halt«, spricht er, »das will ich nicht leiden! Mögen die Alten fromm werden, ich kann sie in meinem Dienste ohnehin nicht viel mehr brauchen; auf diesen Jüngling aber habe ich stark ge- rechnet —— wenn der sich bekehrte, das sollte mich kränken und meinem Reiche mächtig Abbruch thun«- Und so umstrickt er ihn mit den Lüsten der Jugend, vornehmlich mit der Lust am Neuen, Glänzenden auf dem Gebiete der Lehre (2. Tim. 2, 22); oder er spielt ihm das Lied auf: ,,Wohl her nun und laßt uns wohl- leben, weil es da ist, und unsers Leibes brauchen, weil er jung ist; laßt uns die Maienblumen nicht ver- saumen 2c».!« (Weish. 2, 6 sf.) H) Die Voraussetzung mancher Auslegey daß der Apostel bei dieser Mahnung nur die Jünglinge im Auge habe, an welche er unmittelbar vorher sich ge- wendet hatte, ist nicht wohl verträglich mit dem durch- aus allgemeinen Ausdrucke: »so jemand die Welt lieb hat«, und ebenso deutet das »in dem ist nicht die Liebe des Vaters« in seiner unverkennbaren Räche- ziehung auf V. 14a: ,,ich habe euch, Kinder, geschrieben; denn erkannt habt ihr den Vater« auf die Gesammt- heit der Gemeinde hin. Allerdings aber wird sich nicht in Abrede stellen lassen, daß dem Johannes bei dem, was er sagt, die Jünglinge im Vordergrunde stehen, diese sozusagen für sein Auge die erste Linie, das erste Glied in der Reihe der Streiter wider den Argen und dessen Herrschaftsgebieh die Welt, bilden; sie für sich zu gewinnen und mittels ihres Anhangs 794 1. Johannis 2, 18—«23. die Zukunft der Kirche zu beherrschen (V. 18 ff.), darauf hatten es ja die Widerchristen, vor denen der Apostel hernach warnen will, abgesehen, und ihrer etliche waren wohl schon im Begriff, sich auf deren Seite zu stellen (2. Joh 7fs.). Unter der Welt (vgl. die Bem. zu Joh. 1, 9) versteht er dasselbe, was Paulus diese Welt nennt (Röm. 12, 2; 2. Cur· 4,4; Gut. 1, 4; Ephes 2, Z; Tim. 4, 10): alles Er- schaffene, nicht insofern es Gott gemacht hat (Apstg. 17, 24), sondern insofern es der Teufel verderbt« hat (Jak. 1, 27); also diese gegenwärtige arge Welt, wie sie ist, seitdem die Sünde in die Welt gekommen, seitdem der Eva, durch Aufnahme der Verführerischen Rede der Schlange in ihr Herz, der verbotene Baum mit seiner Frucht als ein solcher erschienen, von dem gut zu essen wäre und der lieblich anzusehen sei (1. Vlies. Z, 6), oder, mit andern Worten, die be- zaubernde Macht, welche die Welt, und was in ihr ist, auf unsre Sinne übt und womit sie unser Fleisch reizt, die Begehrlichkeit in uns erregt und in den Dienst des Argen uns verstrickt. Mit Beziehung hierauf sagt der Apostel: ,,alles, was in der Welt ist, ist nicht vom Vater, sondern von der Welt«- Nicht der HErr und Schöpfer der Welt hat ihr, wie z. V. in Betresf der Fleischeslust die Bemerkung in 1. Mos. 2, 25 andeuten will, diese bezaubernde, beriiekende, die sinnliche Lust erregende und zur sündlichen That ver- lockende Macht als das ihr jetzt anhaftende Wesen ein- gepflanzt, sondern erst, als der ebenfalls gut nnd rein erschaffene Mensch durch des Teufels Verführung fleischlich ward und unter die Sünde verkauft (Röm. 7, 14), hat sich dessen eigene Natur zu einem Zunder der Sünde umgewandelt und die Welt um ihn her zu einer Wetterwolke, die tausend und aber tausend zün- dende Funken für denselben in sich schließt, mittels deren ihr Fürst nicht blos in den Kindern des Un- glaubens sein Werk hat, sondern auch die Gläubigen und Frommen zu fällen trachtet (2. Sam. 11, 2 ff.; Matth. 4, 8 f.; Tit. l, 15); darum ist auch die Ereatur der Eitelkeit von Gott unterworfen, daß sie ein eigent- liches Bestehen nicht mehr hat, keine Disposition dazu, um auf dem Wege der Verklärung zu einer neuen Welt zu werden, wozu sie ursprünglich angelegt war (1. Mos. 2,10). Vielmehr ist sie fortwährend im Vergehen begriffen und muß schließlich im Feuer unter- gehen, daß alsdann ein neuer Himmel und eine neue Erde an ihre Stelle trete, in welchen Gerechtigkeit wohnet und von keiner weltlichen Lust mehr die Rede ist (2. Petri 3, 13); daher es denn in V. I7 heißt: »die Welt vergehet mit ihrer Lust«. Jn zutreffender Weise heißt es in v. Gerlach’s Bibelwerkx ,,Alles, was wir von Sünde oder im Dienste der Siinde um uns her erblicken, ist nicht vom Vater, sondern aus der Welt; wir sollen nicht meinen, weil die Welt selbst von Gott geschaffen ist, darum sei auch alles in der gegenwärtigen Welt aus Gott, vielmehr ist diese Welt eine gegen ihren Schöpfer empörte Welt, und alles, was sie in sich faßt, das noch nicht umgewandelt und geheiligt worden ist durch Christum (1. Tun. 4, 4 f.), ist nicht aus Gott«. Hinsichtlich der drei Stücke aber, die der Apostel aus dem, das in der Welt ist, her- vorhebt: des Fleisches Lust und der Augen Lust und hoffärtiges Leben, wird gesagt: »Die Fleisches-Lust und die Augen-Lust unterscheidet sich so von einander, daß ersteres die Begierde bezeichnet, die in dem Fleische des Menschen selbst wohnt, auch ohne Reiz von außen, die ungeordneten sinnlichen Triebe, die den von Gott losgerissenen Geist beherrschen, letzteres da- gegen den von außen her in dem Menschen erweckten Reiz; beide Arten der Begierde werden meistens zusammenfließen, will man sie aber scharf von ein- ander trennen, so ist das erstere vorwiegend die Wollust, das andere die Habsuchh doch nicht in dem engen Sinne, wie man beide Worte gewöhnlich nimmt, sondern erstere umfaßt jede Art der Genußsuchh letztere jede Sucht, die Geschöpfe in seinen Dienst zu ziehen. Als Drittes kommt hinzu des Lebens Hoffart, wie es wörtlich heißt, die Selbsterhebung des Men- schen, die jedoch Wollust und Habsucht in ihrem Dienste hat und daher als Prunksuchh Ehrgeiz, Herrschsucht &c. sich offenbart«. Hoffärtiges Leben, schreibt Luther in seiner Auslegung unsrer Stelle, ist ein groß Aerger- niß. Etwas Anderes sind die Güter dieses Lebens, davon wir letzteres unterhalten müssen, und etwas Anderes ist die Hoffart des Lebens: um jene sich zu bemühen, ist einem Christen erlaubt; aber an dieser, an der Hoffart und prächtigen Lebensweise, soll er einen Abscheu haben, denn es ist ein Mißbrauch der Nahrungsmittel und der Habe (Luk. 16, 1 ff.). Demnach soll man sich nicht überheben und nach hohen Dingen trachten, sondern mit dem, was man hat, zufrieden sein. Kehren wir noch einmal zu den Worten zurück: ,,ist nicht vom Vater, sondern von der Welt«, so giebt auch Rieger tressliche Fingerzeige für das richtige Verständniß: ,,Augen, Sinne, Glieder, Nahrung und Nothdnrft des Lebens sind freilich vom Vater, aber zu etwas ganz Anderem gewidmet; der Dienst der Ungerechtigkeit, in der nun die Welt alles dahin reißt, ist nicht vom Vater, sondern von der Welt. Es haben sich nämlich von Anfang her solche von den Kindern Gottes unterschiedene Kinder der ålltenschen bervorgethan (1. Mos. 6, 1 ff.), die aus der, unter dem Fluch gerathenen Erde sich wieder ein eigenmäch- tiges Paradies bereiten, nicht aber auf den, im Worte der Verheißung angebotenen Trost warten wollten: aus denen ist nun eine ganze volle Welt und ein wie ein Strom hinreißender Lauf geworden. Vieles von der inneren Lust würde entweder gar nicht bei uns auf- wachen oder doch durch die bald dazwischen tretende Reue und Gesuch der Gnade wieder gedämpft werden; aber wenn die Welt mit ihrem Sinn und Wesen darein bläset, so geräth es in Flammen, hat sie doch so viel ersonnen, um auch die im Sündendienst abgemattete Natur immer wieder anzuspornen und zu erhitzen, tvodurch es denn mit der im Fleisch wohnenden Sünde gar weit kommt. Darum mahnt der Apostel: habt nicht lieb die Welt!« II. V. 18—29. Die itlahnung des Apostels, das Treiben der Welt zu fliehen, stand offenbar in nächster Beziehung zu dem, was er in d. 12—14 den Jsinglingeu zuge- rufen; aber wenngleikh er zunächst bei diesen mit jener Mahnung die Wahlverwandtschaft mit den antichristischeii Jirrlehrern Mino. 4. Z) zu ertödten sucht, damit lehtere keine Sympathie bei den Gemeinden finden iniikhten, le weiß er doch zugleich, daß zusetner völligen Ausbildung das antichrislisehe Wesen ersizur Zeit derjenigen Generation der Genieinden tkommen wird, die jetzt nur erst in den noch kleinen, unmündigrn Kindern vorhanden ist, darum redet er denn auch die Gemeinden, indem er nunmehr auf dies Wesen näher eingeht, bei einem auf die kleinen Kinder dentenden Namen an. Wenn er da von vielen Widerrhristen redet, die jetzt schon als dlorläufer des einsttgen Ztntirhrist vorhanden seien, so kann den tcesern nicht zweifelhaft gewesen sein, was für Menschen er meine; denn ehe er noch ein Wort über die Strrlehre derselben sagt, dertit er zuerst ihre innertirhe Stellung zur Genieinde der Gläubtgen auf, erinnert dann die tkeser an die Salbung, die sie selber haben und kraft deren sie die Wahrheit erkennen, also auch die antichristische ErsterUntertheil: habt nicht lieb die Welt! Zweiter Unterheil: es ist die letzte Stunde! 795 Lüge riehten können, und kommt hierauf zwar dazu, diese trüge selbst nach ihrem Inhalte zu kharaleterisirety begniigt sieh aber gleirhwohl mit einer nur kurzen Hin— deutung, wobei er mit einer ausgeworfenen Frage die Zuversicht ausdrückt, daß die Leser ihn vollkommen ver— stehen und sein Urtheil billigen werden W. 18—23). Statt vieler Jluseinandersetzungen ist es ihm vielmehr zu thun um das llileiben der äitjien Gemeindegliedcr bei der rhrisilichen Wahrheit, wozu er denn in sehr herzandringender Rede unter Hinweisnng auf den Tag der Zukunft Christi ermahnt W. 24——29). 18. Kinder [vgl. V. 14a], es ist die lehre svon dem HErrn in Matth. 24, 34 u. 26, 64 angedeutete] Stunde fin der wir mit unsrer Zeit stehen 2. Petri 3, Z; 1. Tim. 4, 1; 2. Tim. Z, 1]; und wie ihr saus der apostolischen Ver- kündigung Kap. 1, 1 fs.; 2. Thess 2, 3 ff.] ge- hbret habt, daß fin der letzten Stunde oder am Ende der Zeiten] der Widerehrist kommt, und nun sind fbesferx so find nun, schon zu dieser jetzigen Zeit, in denen, welche der in V. 22; 4, 3 be- zeichneten Lüge huldigen] viel Widerchristen worden fin die Erscheinung getreten]; daher erkennen wir sauf Grund des Wortes Christi in Matth. 24, 24], daß die lctzte Stunde« fbereits angebrochen] ist [mit deren letztem Theil dann der Widerchrist selber erscheinet]. 19. Sie sdiese jetzt schon vorhandenen Wider- christen] sind von uns ausgegangen sApostg 20, 29 f.]; aber sie waren nicht von uns [indem, wenn sie auch äußerlich Christen geworden waren durch Annahme der Taufe und des Bekenntnisses Christi, sie doch innerlich gleich von Haus aus sich nicht wahrhaft zu Christo bekehrt und den heil. Geist in sich aufgenommen hatten Joh. 8, 23]. Denn wo sie von uns gewesen sbei ihrem Uebertritt zur christlichen Gemeinde auch wirkliche Glieder derselben mit ihrem Herzen ge- worden] wären, so wiiren sie ja bei uns fin unsrer Glaubens- und Lehrgemeinschast Kap· 1, 3] ge- blieben; aber auf daß sie offenbar würden [d. i. an ihnen als einzelnen Exempeln es offenbar würde] daß sie nicht alle sdie äußerlich bei uns sind, auch innerlich] von uns findt« [sind sie nicht bei uns geblieben, sondern von uns ge- gangen und haben sich mit solchem Ausscheiden als Rottengeister entpuppt 1. Cor. 11, 19]. 20. Und ihr [eurerseits] habt fin dem heil. Geist, damit ihr begabt seid Kap. Z, 24] die Salbung [die Eigenschaft des Gesalbtseins] von dem, der heilig ist svon Christo Kap. s, Z; Apstg. 3, 14; Osfenb. Z, 7., nach dem ihr ja Christen heißt], und wisset sin Folge dessen] alles fwas zum Wesen der christlichen Wahrheit gehört Joh. 14, 26; 15, 26; 16, 13., damit aber nehmet ihr einen Standpunkt ein, von dem aus euch alles im rechten Lichte erscheint und ihr alles mit dem rechten Maß zu messen vermöget]. 21. Jch hab lalso mit dem in V. 18f. von den Widerchristen Gesagten] euch nicht sunter solchen Verhältnissen] geschrieben, als wüßtet ihr die Wahrheit nicht sin welchem Falle ich meine Rede allerdings ganz anders hätte einrichten müssen] sondern ihr wisset sie [in Erleuchtung des euch beiwohnenden heil. Geistes], und wisset fda zugleich], daß keine Lüge [d. i. nichts, was Lüge ist] aus der Wahrheit kommt« sund in irgend welcher verwandtschaftlichen Beziehung zu ihr steht, sondern eine jede Lüge nur den Gegensatz zur Wahrheit bildet und ihren Ursprung vom Vater der Lüge Joh. 8, 44 hat]. 22. Wer ist ein Lügner [und zwar im eigent- lichen vollen Sinne des Worts], ohne [d. i. wenn nicht der] der da leugnet, das; Jesus der Christ sei]- [Joh. 20, 31]? Das [jeder, der das thut, die eben erwähnte Leugnung begeht] ist der Widerchrist fträgt dessen Wesen schon an sich und gehört zu seinen Vorläufern V. 18; er ist aber zugleich ein solcher], der den Vater und den Sohn smit dem Sohn auch den Vater] leugnet. 23. Wer den Sohn leugnet, der hat auch den Vater nichtH fJoh. 5, 23., hierzu tritt in guten · griechischen Handschriften noch der Zusatz: wer den Sohn bekennet, der hat auch den Vater Kap. 4, 15; 5, 12]. V) Wenn die letzten Zeiten oder die letzten Tage, von denen in Apostg. 2, 17; Hebt 1, 2; l. Petri l, 20 und anderwärts die Rede ist, die ganze neutestament- liche Heilszeit von der Erscheinung Christi im Fleische an umfassen im Unterschied von der vorchristlich-alt- testamentlichen Zeit, so bezeichnet »die letzte Stunde«, auf welche Johannes hier hinweist, die Schlußperiode der neutestanientlichen Heilszeih die unter den Begriff der Wiederkunft Christi fallende, von demselben be- herrschte Weltperiode, nur daß man diesen Begriff in seinem ganzen, vollen Umfange zu nehmen hat; nach demselbigen bildet das Gericht über das jüdische Volk und die Zerstörung Jerusalems den Anfang der letzten Stunde, das Ende aber tritt ein mit Jsraels Bekehrung und Wiederannahme und zieht sich durch die Zeit des Antichrist hindurch bis dahin, wo Christi sicht- bare Erscheinung vom Himmel und mit dein Weltende auch das Weltgericht und mit dem nunmehr sich voll- endenden Heil die wirklich letzte Zeit (1. Petri I, Si) erfolgt. Nur bei einer solchen Auffassung der Sache bekommen wir einen klaren Einblick in die wirkliche Meinung Christi bei seinen eschatologischen Reden (Matth. 24 u. 25; Mark. 13 u. Luk. 2l), sowie in die sooft dahin mißverstandenen Aeußerungen der Apostel, als hätten diese entweder die Worte des HErrn selber schief aufgefaßt und darnach unrichtig wiedergegeben, oder als wären sie lange in Jrrthum befangen ge- wesen und erst zuletzt, durch thatsächliche Erfahrung belehrt, von ihrem Jrrthum zurückgekommen Im hohen Maße bedeutsam ist es nun, wenn Johannes als Einer, der seiner Sache gewiß ist, mit der Ver- kündigung an seine Leser herumritt: ,,Kiiider, es ist die letzte Stunde«; es muß da etwas bereits mit ihm vorgegangen sein, vermöge dessen ftir ihn jetzt nicht mehr gilt, was der HErr einst bei der Himmelfahrt zu den Jungern gesagt hatte (Apostg. 1, 7): ,,es 796 1. Johannis 2, 23. gebührt euch nicht zu wissen Zeit oder Stunde, welche der Vater feiner Macht vorbehalten hat«, es muß an ihm sich schon erfüllt haben die Zusage des Auf- erstandenen (Joh. 21, 22): ,,ich will, daß er bleibe, bis ich komme« Hieraus wird klar, daß das gerade Gegentheil von dem, was Ebrard behauptet, unser Brief sei früher geschrieben, als die Offenbarung Jo- hannis, der wirkliche Sachverhalt ist, und dasselbe ist dann mit der andern Behauptung der Fall, die Zer- störung Jerusalems sei unzweifelhaft schon erfolgt ge- wesen, als der Apostel die Epistel verfaßte. Derselbe hatte vielmehr, als er den Brief schrieb, kurz zuvor die Offenbarung empfangen, war mit dieser Offen- barung für seine Person in die letzte Stunde eingeführt worden und konnte nun auch angesichts des mit dem Herbst des J. 66 n. Chr. bereits begonnenen Gerichts über Jerusalem und das jüdische Volk seine Leser damit vertraut machen, daß sie mit der jetzt ange- brochenen Zeit in die letzte Stunde in dem oben an- gegebenen Sinne eingetreten seien, und von da aus ihnen zum Bewußtsein bringen, was das Auftreten der Jrrlehrer, von denen ihnen Verführung drohete, zu bedeuten habe, wie nämlich dasselbe nichts Anderes sei, als ein Vorspiel von dem einftigen Auftreten des Wider- oder Antichrish fällt letzteres in das Ende der letzten Stunde, so jenes erstere in den Anfang der- selben, und in der That offenbart ja der Geist des Widerchrists sein Wesen schon in diesen Jrrlehrern der Gegenwart (Kap. 4, 3). Während Paulus den einftigen Antichrist mehr in seinem Verhältniß zu Gott und dessen Reich auffaßt, wenn er ihn den Widerwär- tigen nennt, der sich überhebt über alles, das Gott und Gottesdienst heißt 2e. (2. Thess. 2, 4), bezeichnet Johannes ihn mit dem Namen Widerchrist lnach griechischecn Wortlaut: ,,Antichrist«) nachseiner speziellen Feindschaft gegen Christum (vgl. Kap· 4, 3 u. 2. Ich. 7); dieser Name ist nun aber in der kirchlichen Eschato- logie üblicher geworden als jener andere, nach Haupss zutreffender Erklärung ist damit ein solcher Gegner Christi gemeint, der selbst auf dessen Platz Anspruch macht, oder, wie Brückner sich ausdrückt, ein Feind Christi, der dies unter dem lügnerischen Scheine ist, der wahre Christus zu sein. ’I·«««) Bevor Johannes jene Widerchristen genauer bezeichnet, redet er von der Art ihres Auftretens und ihrem Verhältniß zur Gemeinde, aus der sie hervor- gegangen, und giebt sie als solche zu erkennen, die nicht von Anfang an im Gegensatz gegen die Kirche aufgetreten, sondern aus der eigenen Mitte der Ge- meinde hervorgegangen sind; diese hatte also selbst in ihrem Schooße getragen, was sich nun zu einem Gegensatz gegen den sie beseelenden Geist entwickelte. Um nun diese Erscheinung zu erklären und diejeni en, an die er schreibt, darüber zu beruhigen, sagt er, aß jene Leute, wenngleich sie ihrer äußerlichen Stellung nach der Gemeinde anzugehören geschienen hätten, doch nie wirklich, dem ächten Glauben, dem Geist und der Gesinnung nach,ihr angehörten; er unterscheidet zwischen ächten und unächten Mitgliedern der Gemeinde, zwischen dem, was nur an der äußerlichen Erscheinung der Kirche Theil hat, ohne an der inneren Thatsache, worauf das Wesen der Kirche ruht, dem ächten Glauben an den Erlöser, Theil zu haben, und demjenigen, was der Erscheinung der Kirche angehörend zugleich jenes inneren Wesens theilhaftig ist, welche Unterscheidung entspricht der Unterscheidung zwischen denen, welche in der sichtbaren Kirche der unsichtbaren, und denjenigen, welche, durch die Richtung ihres Gemüths von der unsichtbaren Kirche ausgeschlossen, nur der Erscheinung der sichtbaren angehören. (Neander.) Die Zuversicht des Apostels zu der die Seinen bewahrenden Liebe des HErrn (Joh. 10, 28 f.), die sich in den Worten ausdrückt: ,,wo sie von uns gewesen wären, so wären sie ja bei uns geblieben«, scheint dem in Hebt. 6, 4 ff. vorausgesetzten Gedanken, daß auch die, so einmal er- leuchtet sind und geschmeckt haben die himmlische Gabe und theilhaftig worden sind des heil. Geistes, wieder abfallen können, zu widerstreitenz allein Johannes redet, wie beständig in seinem Briefe, so auch hier in absoluter Weise, ohne den Zustand der allmäligen Entwickelung in’s Auge zu fassen, woraus jedoch nicht folgt, daß er diesen nicht anerkennt. Schon der eine Umstand, daß er die Gläubigen als solche ermahnt, in Christo zu bleiben, zeigt, daß er die Möglichkeit ihres Abfalls nicht leugnen will; nur ist es ihm gewiß, daß, wer nicht bleibt, auch noch nicht mit seinem ganzen Herzen in die Gemeinschaft des HErrn ein- getreten war, sondern, wenn auch von seiner Liebe berührt und den Zug der Liebe zu ihm -fpürend, doch nicht mit der Welt vollkommen gebrochen hat. (Huther.) Wer wirklich durch Glaube und Liebe Christum kennt und die Gemeinschaft mit den Brüdern in Christo, für den ist es pshchologisch unmöglich, solche Gemein- schast aufzugeben; er mag noch so viele Rückschritte thun, aber vollständig auflösen kann er sie nicht. Diese freudige Zuversicht, daß, wenn er einmal Christo an- gehöre, niemand ihn aus seiner Hand reißen werde, soll den Christen beherrschen; aber er muß ihm ganz angehören, sonst sind die traurigsten Riickschritte mög- lich (vgl. Kuh. Z, 6). Der Apostel weist aber auch darauf hin, wie dies Heraustreten der Widerchristen aus der äußeren christlichen Gemeinfchaft kein zufälliges Ereigniß sei, sondern bestimmt einem göttlichen Zwecke diene, nämlich dem, die in der christlichen Gemeinschaft befindlichen falschen Christen zum Vorschein kommen zu lassen und so in derselben eine nothwendige Sich- tung herbeizuführen. Jede solche Sichtung, so schmerz- lich sie auch sein mag, ist eine wesentliche Förderung der christlichen Gemeinschafk sie fürchtet sich nicht davor, kleiner zu werden, denn ihr eigentliches Jn- teresse geht nicht auf die Größe, sondern auf die Lauterkeit (Rothe.) sit) Mit den Worten: »Und ihr (auf diesem ,,ihr« liegt ein Nachdruck) habt die Salbung von dem, der heilig ist« stellt Johannes die Christen als die Ge- salbten des HErrn (Ps. 105, 15; Apostg.11, 26 Anm.) den Wid erchristen entgegen, die er, weil sie gegen den Gesalbten und gegen die Gesalbten streiten, vorhin mit solchem Namen bezeichnet hat; ihr aber, so will er sagen, seid verwahrt gegen den antichristischen Geist (Kap. 4, 4) durch die Salbung, die ihr von dem Hei- ligen empfangen habt. (Besser.) Was der Apostel unter der Salbung (griech. Chrisma) verstehe, kann im Allgemeinen nicht zweifelhaft sein; er muß von einem göttlichen Geschenke reden, durch welches die Gläubigen ihre Erkenntniß der Wahrheit empfangen haben, und mit Recht haben da fast alle Ausleger geurtheilt, daß der heil. Geist damit gemeint sei als der, welcher in alle Wahrheit leitet. Auch darin find sie fast einstimmig, daß der Ausdruck: »von dem, der heilig ist« auf Christum zu beziehen sei; Gott der Vater ist allerdings die primaria causa der Salbung, wie Gott Christum gesalbet hat mit dem heil. Geist (Apostg. 10, 38), so salbet er auch die Christen, indem er ihnen den heil. Geist giebt (2. Cor. l, 21f.), aber es ist der Geist des Sohnes, den er in die Herzen der Kinder sendet, und zwar auf die Bitte, im Namen, unter Vermittelung des Sohnes (Gal. 4, 6; Joh. 14, 16), und weil somit Christus die causa secundaria der Salbung ist, so heißt es auch von ihm, daß er Wer ist ein Lügner, ohne der da leugnet, daß Jesus der Christ sei? 797 mit dem heil. Geiste tause, daß er den Geist sende, von beiden, dem Vater und dem Sohne, redet die Schrift als von Einer Person (Joh. 16, 7; 1, 33). Jene Widersacher nun wollen den Gläubigen den Geist,—den sie von Christo, dem Heiligen, als ihre Salbung empfangen haben, rauben: schneidender kann Johannes das Wesen der Jrrlehrer nicht bezeichnen, und kräftiger, als mit dieser Darstellung, sie vor dem- selben nicht warnen. (Düsterdieck.) Mit dem Zusatzt »und wisset alles« giebt Johannes zu verstehen, daß der Christ vermöge seiner Salbung mit dem heiligen Geiste dasjenige Grundwissen vollständig besitzt, ver- möge dessen aller Jrrthum dem Prinzipe nach von ihm ausgeschlossen ist. Der Allwissenheit kann sich derselbe gewiß nicht rühmen, auch sein Wissen ist Stückwerk; aber der große Unterschied zwischen der Beschränktheit seines Wissens und der des natürlichen Menschen besteht darin, daß der Christ gerade die letzten Elemente alles Wissens besitzt, die Prinzipien für die Erkenntniß aller Wahrheit, den Schlüssel zu allem Wissen, eben in der Erkenntniß Christi selbst und der Erkenntniß Gottes in Christo, und dadurch zeigt sich ihm alles im richtigen Lichte. Es kommt jetzt nur darauf an, daß sein Auge nach und nach mit völliger Deutlichkeit die einzelnen Objekte auffasse, für deren Anschauung er den richtigen Standpunkt ge- wonnen. (Rothe.) Wenn auch noch so potenziell, so schließt doch der Besitz des heil. Geistes das Wissen um alles das ein, was in irgend welcher Beziehung zum Reiche Gottes steht. Was nun hier zunächst rein sormal durch ,,alles« bezeichnet ist, wird hernach materiell als »die Wahrheit« bestimmt; diese ist der concrete Jnhalt des ,,alles«, sie giebt den Jnhalt des Wissens an, wie das ,,alles« den Umfang. Aber noch eine andere Seite hat das alles-Wissen eines Christen, nämlich das Wissen darum, daß ,,t«eine Lüge aus der Wahrheit kommt«; zu diesem neuen Satz, daß die Christen die Unvereinbarkeit jeder Lüge mit der Wahrheit kennen, verhält sich der vorige, daß sie alles oder die Wahrheit wissen, wie in Kap. 1, 5 zu dem Satze, daß in Gott keine Finsterniß, der vorangehende, daß Gott Licht ist. .(Haupt.) · Jndem der Apostel sagt: ,,ich habe euch nicht geschr1eben, als wüßtet ihr die Wahrheit nicht«, verwahrt er sich gegen die An- nahme, als ob er eine neue, ihnen noch unbekannte Lehre mit dem, was er ihnen schreibt, vortragen wolle; er redet nicht wie ein Missionar zu solchen, die noch »außerhalb des Christenthums stehen, in denen erst ein Bewußtsein von dem, was christliche Wahrheit ist, hervorgebracht werden muß, er setzt vielmehr die christ- liche Wahrheit und das in ihr begründete christliche Bewußtsein bei seinen Lesern voraus. Warum schreibt er aber ihnen denn, wenn sie alles schon wissen, wenn die Wahrheit, die er ihnen vortragen will, eine ihnen schon bekannte ist? Um das in ihnen zum Grunde liegende Bewußtsein von Neuem anzuregen, das schlummernde zu Werken, zu neuem Leben, neuer Thätigkeit es hervorzurufenx was sie in sich tragen, vor ihnen selbst zu entfalten; das, was sie bei sich haben, ihnen selbst zum klaren Bewußtsein zu bringen, es ihnen gegenwärtig zu machen. Er sagt ihnen, was sie sich selbst sagen sollten: oft werden wir ja durch ein von Andern zu uns gesprochenes Wort auf das hingewiesen, was unserm innern Menschen längst ein- wohnte; die Tiefen unsers eigenen Jnneren werden uns dadurch aufgeschlossen, wir lernen uns selbst ver- stehen, in uns selbst Gott vernehmen. Aller ächte Unterricht in der Wahrheit soll ja eben nur hinweisen zu dem Einen Lehrer der Wahrheit, Gott selbst, und demselben zum Organ dienen. Fern ist es also von » Johannes, die Gläubigen von ihm selbst als dem Lehrer der Wahrheit abhängig machen zu wollen, als wenn sie von ihm erst lernen sollten, was Wahrheit sei; vielmehr setzt er in ihnen voraus und nimmt in Anspruch die Quelle der göttlichen Wahrheit, die er nicht als sein besonderes Eigenthum besitzt, sondern die er mit denen, an die er seine Ermahnung richtet, gemein hat, er tritt als Zeuge von dem gemeinsamen christlichen Bewußtsein ihnen gegenüber. Um sie vor den um sich greifenden Jrrthümern zu warnen, beruft er sich eben auf ihr christliches Wahrheitsbewußtseint sie bedürfen keines andern Beweises, jene Jrrthümer müssen sich ihnen als Lüge zu erkennen geben durch ihren Widerspruch mit der Wahrheit, die sie in ihrem eigenen christlichen Bewußtsein tragen. (Neander.) T) Dem letzten Satz in V. 21 liegt die Voraus- setzung zu Grunde, daß die Jrrlehre, von der hier überall die Rede ist (vgl. Kap.4, 2 f.), eine Lüge und nichts Geringeres, nicht etwa ein bloßer unbewußter Jrrthum, sei; diese Voraussetzung bedurfte aber einer Rechtfertigung, dieJohannes hier durch eine Appellation an das eigene Bewußtsein seiner Leser giebt. Habe ich denn etwa zu viel gesagt, so will er mit der Frage: »wer ist ein Lügner, ohne der da leugnet, daß Jesus der Christ sei?« sagen, wenn ich die in Rede stehende Jrrlehre Lüge nannte? (Rothe.) Mit Lebendigkeit geht Johannes in Frageform (vgl. Kap. 5, 4f.) von dem auf’s Allgemeine bezogenen Abstraktukm »Lüge« zu dem bestimmten Concretum: ,,Lügner« weiter; es ist aber der im Grundtext stehende Artikel: »der Lügner« (statt des bei Luther stehenden »ein Lügner«) festzuhalten und in scharser Bestimmtheit ein solcher, in welchem die Lüge sich in concreter Persönlichkeit darstellt, zu verstehen, und zwar ist das nicht auf ein einzelnes Individuum, sondern aus die ganze Klasse der betreffenden Jrrlehrer zu beziehen. (Braune.) Jn der dogmatischen Antithese gegen die Jrrlehre: ,,Jesus ist Christ, der Sohn Gottes« findet der zweite Haupttheil des Briefs seinen Zielpunkt und seine Spitze, sowie der erste Haupttheil in der ethischen Antithese gegen dieselbe (Kap. l, 5): »Gott ist Licht und in ihm keine Finsternis-»« seine Spitze fand; denn durch die Unsittlichkeit ihres Prinzips und ihrer Grund: sätze versündigten sich die Jrrlehrer gegen das ewige Wesen Gottes, durch ihre dogmatische Lengnung der Jdentität zwischen Jesus und Christus aber frevelten sie gegen das Factum des Erschienenseins des Lichtes auf Erden. (Ebrard.) Beide Punkte hängen denn aus’s Engste mit einander zusammen: vor der Aner- kennung Christi als des Sohnes Gottes scheuen sich alle diejenigen, welche ihren Gott sich nicht wollen nahe treten lassen, sondern ihn in einer gewissen Ferne be- halten, aus der er ihnen nicht lästig wird; je kräftiger und reiner dagegen in einem Menschen die Gottesidee lebt, desto bereitwilliger erkennt er Christum als den Sohn Gottes an und desto mehr tritt bei ihm der abstrakte Gottesgedanke zurück gegen die concrete An- schauung und das lebendige Bild Gottes in Christo (Joh. 12, 45; 14, 9), namentlich auch für die Praxis. (Rothe.) Wenn Johannes hier die von ihm bestrit- tenen Jrrlehrer als solche bezeichnet, die da leugneten, daß Jesus der Christ sei, so könnte sich das überhaupt auf alle Gegner des Christenthums unter den Juden beziehen, auf alle, welche zwar Gott als den Vater anerkennen wollten, den Gott, wie ihn das alte Testament osfenbaret hat, aber nicht Jesum als den Piessias; wir werden jedoch im weiteren Verlauf unserer Betrachtung sehen, daß wir nothwendig an neue Feinde des ächten Christenthums von ganz eigen- thümlicher Art zu denken haben, an solche, durch welche 798 1. Johannis 2, 24—«29. man, wenn mansich nicht an jene innere Salbung des Geistes hielt, von welcher der Apostel vorhin ge- redet hat, wirklich getäuscht werden konnte. (Neander.) Das Leugnen, daß Jesus der Christ sei, ist nicht schlechthin, sondern nur beziehungsweise, in der Kap. 4, 2f. angedeuteten Hinsicht zu verstehen: die Jrrlehrer leugneten blos, daß Jesus wirklich als Mensch existirt habe, damit hoben sie aber den christlichen Be- griff des Christus auf, leugneten mithin, daß Jesus der wahre, ächte Christus sei. (de Wette.) Das hier gemeinteLeugnen ist mehr als bloßes Verneinen; es drückt vielmehr aus, daß die Verneinung auf Grund entgegenstehender besserer Ueberzeugung statt- findet (vgl. Joh.1, 20., wo es vom Täufer heißt: ,,er bekannte und leugnete nicht«, d. h. er gab der von ihm wohl erkannten Wahrheit die Ehre). Also die Verleugnung Jeju als des Christus ist das Wesen jeder (antichristifchen) Lüge; zwei Fragen er- heben sich da, die eine, inwiefern dies als Grund- wesen der Lüge bezeichnet werden kann, die andere, inwiefern dies sogar als die einzige Lüge gelten soll. Die erste Frage erledigt sich leicht; ist nämlich Jesus die Wahrheit, und zwar eben darum, weil er der Messias, der mit dem Geist von Gott ohne Maß (Joh. Z, 34) Gesalbte ist, so ist die Leugnung seiner Messianität nicht nur ein Sichabwenden von einer Wahrheit, sondern der Bruch mit aller Wahrheit, weil eben die ganze Wahrheit sich in ihm coneentrirt und es gar kein anderes Mittel giebt, zur Wahrheit zu gelangen, als ihn. Schwieriger aber ist die and ere Frage, inwiefern dies als die einzige Lüge gelten kann, da mit der Anerkennung der Messianität Jesu sich doch noch manche Lüge auf anderem Gebiet ver- binden kann. Aber doch nur scheinbar, solange man jene Anerkennung als eine rein verstandesmäßige, theoretische denkt, was bei Johannes nie der Fall ist; sobald man aber das Bekenntniß zu Christo als die Lebensmacht auffaßt, welche den ganzen Menschen be- herrschen soll, so ist natürlich jede Lüge, jede Gemein- schaft mit dem Ungöttlichen, eine Enfernung von Christo, eine Verleugnung desselben als des Messias, d. h. dessen, der die Salbung ohne Maß hat, die volle und ganze Wahrheit ist. Gerade so gut, wie die kleinste Abweichung in der Peripherie eines Kreises die ganze Figur keinen Kreis mehr sein läßt, die Herrschaft des Centrums zerstört, so ist die kleinste Lüge eine Zerstörung der Herrschaft Christi. (Haupt.) ff) Nicht das ist der Zweck der Aussage: »das ist der Widerchrist«, die Leser zu belehren, was sie sich unter dem Antichrist, der kommen soll, zu denken haben, sondern sie warnend zu überzeugen, daß die in der Gegenwart ausgetretenen Vielen (V. 18), welche die Jdentität Jesu und Christi leugnen, qualitativ dem Wesen des künftigen Antichrist entsprechen und sein Wesen an sich tragen; denn wie in dem einfachen Satze, daß Jesus der Christ ist, inaplicite alle Wahr- heit und die ganze Wahrheit nach allen ihren Seiten liegt, so liegt in dem umgekehrten Satze, daß Jesus nicht der Christ sei, implicjte auch alle Lüge wider- christlicher Art. Jn den Worten: »der den Vater und den Sohn leugnet« tritt ein Zusatz ein, mittelst dessen der Gedanke weiter geführt, eine neue Aussage ein- geführt werden soll; dieser neue Gedanke, daß mit dem Sohn auch der Vater geleugnet werde, wird dann in V. 23 weiter entwickelt. (Ebrard.) Johannes fügt hier ein neues, die volle unselige Consequenz jener antichristischen Lüge darlegendes Moment hinzu, in- dem er hervorhebt, wie die Leugnung, daß Jesus der Christ sei, ihrem innersten Wesen nach eine Leugnung des Vaters und des Sohnes ist. Wer die Jdentität von Jesus und Christus leugnet, der leugnet zunächst den Sohn, denn der Sohn ist kein Anderer als Jesus der Christ; wer aber den Sohn leugnet, der leugnet auch den Vater, und zwar nicht blos, sofern Sohn und Vater logische Wechselbegrisse sind, sondern weil sich das Wesen des Vaters nur in dem Sohne offenbart und alle wahre Erkenntniß des Vaters durch die Er- kenntniß des Sohnes bedingt ist, so daß der Gott derer, die den Sohn leugnen, nicht der wahrhaftige Gott ist, sondern ein falsches Gebilde ihrer eigenen Gedanken. (Huther.) Wenn es wirklich wesentlich Gott ist, der Christo einwohnt, so ist die Verken11ung Christi nicht anders möglich, als unmittelbar zusammen mit einer Verkennung Gottes selbst. Wer in Christo Gott nicht sieht, kennt überhaupt Gott nicht, sonst müßte er ihn in Christo wiedererkennem so schließt die Leugnung Christi als des Sohnes Gottes die Leugnung Gottes selbst ein. Es ist in der Christen- heit ein leeres Gerede, wenn man aus seinen Glauben an Gott und auf seine allgemeine Religiosität pocht, während man in Christo den Sohn Gottes nicht an- erkennen und überhaupt seine Frömmigkeit nicht auf Christum gründen will. Alle diejenigen, welche sich eine willkürliche Vorstellung von Gott gemacht haben, namentlich eine solche Vorstellung, in der entweder seine Heiligkeit oder seine Liebe nicht zum vollen Recht kommt, wollen freilich in Christo Gott nicht sehen; aber eben sie haben auch nicht den wirklichen Gott, sondern irgend einen Götzen (Rothe.) Der Gott, von dem man viel zu wissen meint und redet, indem man doch dabei Christum leugnet, ist ein selbstgemachter Götzex unsre jetzige Zeit hat von Neuem dies Wort recht bewährt, indem ihre Weisheit zuletzt daraus geführt hat, jede Gottheit außer dem Menschengeist selbst zu leugnen. (v. Gerlach.) Der affirmative Satz: »wer den Sohn bekennet, hat auch den Vater« fehlt im gewöhnlichen Texte (nach welchem auch Luther über- setzt hat), ist aber durch die besten Handschriftem durch die alten Uebersetzungen und die Kirchenväter voll- kommen beglaubigt; er entspricht ganz der Gewohnheit des Johannes (Kap. I, 5. 8; 2, 4. 9; -, S; 4, 2 f· 6, 7 s.; 5, 10. 12), Negation und Affirmation neben einander zu stellen. (de Wette.) 24. Was ihr nun sdie ihr zu den Leugnern, von denen ich eben redete, nicht zählt, sondern noch den Sohn bekennet] gehöret habt von Anfang [eures Chr1stenstandes, daß nämlich Jesus das fleischgewordene Wort ist, das im Anfang bei Gott und Gott war Joh. I, 1 sf.], das bleibe« bei ench sindem ihr darin als in der Wahrheit ver- harret Joh. s, 31; 15,»7]. So bei euch hierbei, was ihr von Anfang gehoret habt, so werdet ihr auch szum Lohn für solche von euch bewiesene Treue] bei dem Sohn nnd Vater bleibent sworin ja eure Seligkeit hienieden schon bestehet Kap. 1, Z; Joh. 14, 23].» » » « 25.» Und das ist die Verheißuiig, die er [Chr1stus] Uns sfür die Zeit, da wir das Ende unsers Glaubens davon bringen sollen] ver- heiszen hat, das ewige Leben« sim Reiche der Herrlichkeit Joh. 6, 40. 54; 10, 28; 17, 24]. V) Jm griechischen Grundtext wird zu Anfang des Verses das ,,ihr« vorangestellt: »Und ihr«; es liegt darauf der Nachdruck im Gegensatz gegen jene Irr- lehrer. Denn wie diese von der ursprünglichen Wahr- heit abgefallen waren und dadurch von der durch Was ihr nun gehöret habt von Anfang, das bleibe bei euch! 799 Christum empfangenen Gemeinschaft mit Gott als dem Vater sich wieder entfremdet hatten, so sollte hingegen die Gemeinde sich von ihnen dadurch unterscheiden, daß sie die ursprünglich vernommene Lehre treu be- wahiåete uåidheben ddadåirch Låiuch in hder Gemegisckjsask mit em o ne un em ater ver arrete. s o in ihnen (wie es genauer statt des von Luther ge- schriebenen ,,bei euckk))«bheißt) bleiben, was sie Don An- fang vernommen a en: wie es ihnen ni»t blos Aeußerliches, was wie ein leerer Schall bei ihnen vkjirüxergegangen wäre, gebliekäeiib ist, soniseilzln sie Es in i r Jnneres angenommen a en, so o es i rem Jnneren immer tief eingeprägt bleiben; und wie sie dadurch, daß sie das verkündigte Wort in sich aufge- nommenhaben, in die durch den Sohn vermittelte Gemein- schaft mit dem Vater gelangt sind, so wird dies, daß Zese Wahrhdeitf stets fihrenlia Jßntseren einwohäzhals di; edingung a ür ge etzt, a ie mit dem o ne un dadurch mit dem Vater in Gemeinschaft bleiben. Msanxrhb Daß ddasSBkkeiben des Worlges inFuns un er lei en in ein o ne zur unmitte aren olge hat, erklärt sich daraus, daß die Worte Christi wesent- lich nichts Anderes enthalten als eine Selbstdarstellung oder Erklärung seiner Person und Erscheinung, und ebenso die evangelische Verkündigung der Apostel nur dersshbilisuck ddiesZrsPredigtTChristi selbst ist.t (Wegß.l) m ie eer zur reue zu ermun ern, ät er ihnen vor, was sie unter dieser Voraussetzung zu erwarten haben; und da nimmt er alles zusammen in der einen, alles umfassenden Verheißung des ewigen Lebens, das Christus selbst verheißen hat denen, die in der Gemeinschaft mit ihm verharren würden. (Neander.) Christen haben allbereits das im Evan- gelium darreichungsweise verheißene ewige Leben (Kap. 5, 11), weil sie im Glauben haben den lebendigen Sohn, der als das ewige Leben war bei dem Vater, der das Leben hat in ihm selbst und hat dem Sohne gegeben zu haben das Leben in ihm selbst·(Joh. 5, 26); wer Christi Wort hört und behält, der ist vom Tode zum Leben hindurchgedrungen und wird den Tod nicht sehen ewiglich (Joh. 5, 247 8, 51). Und doch ist noch nicht erschienen, was wir fein werden (Kap. Z, 2); es wird aber erscheinen, wenn das Gebet unsers Hohen- priesters: ,,Vater, ich will, daß, wo ich bin, auch die bei mir seien, die du mir gegeben hast, daß sie meine Herrlichkeit sehen, die du inir gegeben hast« zur end- lichen Erfüllung hinausgehen und er den Ueberwindern zu essen geben wird von dem Holz des Lebens (Offb. Z, 7), das im Paradies seines Goäxes ist. (Besser.) 26. Solches fwas von . 18 an gesagt worden] hab ich euch geschrieben von denen, die euch verfuhren ldarauf ausgehen, euch zu ver- führen Gal. 1, 7]. 27. Und die Salbung, die ihr von ihm [von Christo V. 20 u. 251 empfangen habt, bleibet bei euch, und dürfet fbedürfet Jes·. Z, 24 Am. «1 in Folge dessen] nicht, daß euch jemand lehre fwie ene Ver ü rer eu als noch Unwissende behan- 1 . . . . . . del-n, denen man»die rechte Einsicht erst beibringen musse], sondern w1eeUch die [genauer: eben diese, bei euch bleibende] Salbung allerlei lehret, so ist-s wahr und ist ldem i»n V. 21 angegebenen Grund- satze gemäß] keine Luge salso daß ihr euch ganz auf solche ihre Lehre verlassen konnet]; Und wie sie euch [schon seit Beginn eures Christenstandes V. 24 ele ret hat, so bleibet bei demselbi ent fwas g sie euch gelehret hat, und damit bei dem, von dem ihr sie empfangen habt]. 28. Und nun, Kindlein [da, wie in V. 18 gesagt, es die letzte Stunde ist], bleibet bei ihm sdem HErrn Jesu Christo], auf daß, wenn er osfenbaret wird [Col. 3, 4., was ja demgemäß gar bald geschehen kann], daß wir [alsdann] Freudigkeit sfröhliche Zuversicht, gutes Vertrauen Apostg. 4, is; 26, 26; 28, 31] haben, und nicht fals solche, die er von sich hinwegweisen müßte Matth 7, 23] zu Schanden werden vor ihm in seiner Zukunft« [Matth. 24, Z. 39; 1. Thess. 2, 19]. 29. So ihr lwie das ja ohne Zweifel mit euch der Fall ist Kap. 5, 15] wisset, daß ersehen Der, vor dessen Richtstuhl wir in seiner Zukunft werden dargestellt werden Rom. 14, 10; Z. Cor. 5, 10] gerecht Ist [V. l; Kap. Z, 3], so erkennet auch, daß, wer recht thut, der fund zwar nur ein solcher] ist von ihm geboren «* fund wird von ihm als ihm zugehörig anerkannt werden 2.Tim.2,19]. V) Der Apostel hat seine Meinung über die Anti- christen gesagt; er schließt jetzt seine Rede über die- selben, aber nicht, ohne noch einmal seine gläubigen Leser, jener verführerischen Jrrlehre gegenüber, zur Treue zu ermahnen· (Düsterdieck.) Euch, die ihr ver- fiihret werdet, schreibe ich, sagt er; denen aber, die euch verführen, schreibe ich nicht, denn diese kehren nicht wieder zurück. Das sehen wir: selten kehren die zurück, die Urheber neuer Lehren sind (Tit. 3, 10 s.); man muß es mit dem Teufel nicht dahin bringen wollen, daß er verstummen solle und müsse. Sie schweigen nicht stille, du magst noch so viel reden und schreiben; wenn du einmal und abermal geschrieben hast, so lasse sie fahren, sie werden nicht stille schweigen, der Teufel läßt sich das Maul nicht stopfen. (Luther.) Der HErr verhieß den Seinen den Tröster, den Geist der Wahrheit, der in ihnen sein und bleiben werde in Ewigkeit (Joh. 14, 16 s.): dieser Treue des Trösters befiehlt Johannes die Leser in der Stunde der Ver« suchung; er ermahnt sie, daß sie bleiben möchten beim Evangelio, er spricht ihnen aber auch zugleich den Trost zu, daß die Salbung, die sie von Christo em- pfangen haben, nicht von ihnen genommen werden solle, daher sie nicht bedürften, daß jemand sie lehre. Glaubet den aufdringlichen Verführern nicht, die euch überreden wollen, daß, was ihr von Anfang gehört habt, unzulänglich sei zur Christenerkenntniß, so will er damit sagen, ihr habt ja in dem heil. Geist einen Lehrer bei euch, der im Himmel seinen Lehrstuhl hat und durch’s Evangelium zu euch spricht. Wohl bedürfen Christen, junge und alte, daß sie durch Diener der Salbung unterrichtet werden im Worte der Wahrheit; aber solcher Lehrer bedürfen sie nicht, welche etwas Neues, im anfänglichen Evangelio nicht Enthaltenes nnd von der Salbung Unbezeugtes sie lehren wollen, sondern da heißt es (Röm. 16, 17): ,,sehet auf die, die da Zertrennung und Aergerniß anrichten neben der Lehre, die ihr gelernet habt, und weichet von den- selbigen!« (Besser.) Der heil. Geist ist der Beistand eines jeden Christen, der ihn nie verläßt; er leitet ihn in alle Wahrheit, und jedem Lehrer, der ihm etwas Neues, Anderes, als was er von Anfang gehöret hat, vortragen will, kann er erwidern: ,,ich habe die Sal- bung, sie leitet mich in alle Wahrheit, ich bedarf keiner 800 1. Johannis 3, 1—3. neuen Weisheit«. Es ist ein Zeichen eines undank- baren, satten, selbstsüchtigen Gemüths, diese empfangene Gnade nicht zu bewahren und von ihr je mehr und mehr sich erleuchten zu lasen. (v. Gerlach.) Wenn der Apostel in den Worten: »Wie euch die Salbung allerlei lehret, so ist’s wahr und ist keine Lüge (darin)« diese Salbung als eine absolut richtige, nie irrende Jnstanz betrachtet, welcher die Gemeinde unbedingt folgen könne, so beruht das darauf, daß die Salbung eben der heil. Geist ist, der in alle Wahrheit leitet und von dem es sich von selbst versteht, daß er nicht lügen kann; aber nun entsteht doch die Frage, woran die Salbung erkannt werden kann und wobei man sich ihres Besitzes bewußt werde, denn sonst wäre mit des Apostels Ausspruch aller Schwarmgeisterei, die sich so gern auf die Stimme des Geistes beruft und dagegen selbst das apostolische Wort gering achtet, Thor und Thür geöffnet. Darauf giebt denn Johannes die Antwort, hernach im 29. Verse, indem er dort darauf hinweist, daß nur da, gleichwie die Geburt aus Gott, so auch die Salbung von ihm wirklich vorhanden ist, wo das Rechtthun geschieht; sie, die Gotteskind- schaft, ist vor allem menschlichen Rechtthun schon vor- handen, aber in demselbigen erweist sie sich, dieses erst führt zu ihrer unzweifelhaften Gewißheit. (Haupt.) It) Dieser Vers geht nun wieder auf V. 18 zurück; denn alles Folgende waren ja nur Zwischengedankem die ursprünglich blos durch das Jnteresse veranlaßt wurden, die Gewißheit zu erhärten, daß es die letzte Stunde sei. Das Zurückgehen auf V. 18 wird aber mit einer an das zunächst Vorhergegangene anknüpfen- den Ermahnung verbunden. Das Geoffenbart- werden Christi ist dem ganzen Zusammenhange zu- folge von seinem Wiedererscheinen in seiner Herrlich- keit am Ende der Tage zu verstehen; die Freudig«- keit ist der frohe Muth eines guten Gewissens (vgl. Kap. 4, 17). Johannes vergegenwärtigt sich den Zeit- punkt, da die an Christum Gläubigen unmittelbar vor ihn, der siniilich gegenwärtig ist, treten werden: dies muß allerdings Gegenstand des höchsten Verlangens der Christen sein, den, an welchen sie glauben, auch wirklich zu schauen (1. Petri 1, 7 f.); aber an diesen freudigsten Gedanken knüpft sich für den Christen zu- gleich, zwar nicht ernstliche Furchh aber heilige Scheu. Christo unter die Augen treten zu sollen, das setzt, wenn es mit Freudigkeit geschehen soll, eine Reinheit des Herzens, eine Aufrichtigkeit der Gesinnung, einen Ernst des Strebens voraus, wie es der Christ nicht leicht bei sich findet; und was könnte ihm entsetzlicher sein, als die Möglichkeit, in dem Augenblick, in wel- chem die Vollendung aller Christenwünsche eintritt, nicht der Herrlichkeit sich freuen zu können, die der Erlöser bringt, sondern scheu vor ihm zurückbeben und auf den letzten Gegenstand aller seiner Hoffnungen für immer verzichten zu müssen! Das ist das zu Schanden werden vor ihm in seiner Zukunft. (Rothe.) Durch die so zart und lieblich klingende An- rede: ,,Kindlein« wird der andringende Ernst der wiederholten Ermahnung von aller Schärfe befreit, aber die eigentliche Kraft des viiterlichen Wortes wird durch die Erinnerung an die Liebesgemeinschaft zwischen dem sorgenden Apostel und seinen gefährdeten Kindern nur gehoben; sich selbst fchließt er denn mit ein in das, was er von der Freudigkeit Christo gegenüber am Tage seiner Zukunft und dem Nichtzuschandew werden vor ihm sagt, gleichwie er in Kap. 1, 6 ff.; 2, Z; Z, 16. 18 ff. sich mit seinen Lesern unter die heiligen Gesetze stellt, welche für alle Gläubigen gleicher- weise gelten. (Düsterdieck.) TM) Vorhin hieß es: ,,Bleibet bei Christo, auf daß ihr bei seiner Zukunft Freudigkeit haben und nicht be- schämt vor ihm zurücktreten möget«; dies ruft in Jo- hannes sehr natürlich die Reflexion darauf hervor, welche Beschaffenheit wir haben müssen, wenn wir vor Christo bei seiner Wiedererscheinung nicht sollen zu Schanden werden, und diese Beschaffenheit giebt er nun an. Wir müssen, sagt er, solche sein, die der wiederkehrende Christus als die Seinigen, als durch sein eigenthümliches Lebensprinzip erzeugte neue Creaturen (2. Cor. 5, 17) erkennen kann; dies aber kann nur dann der Fall sein, wenn wir seine eigene eigenthümliche Qualität an uns tragen, und diese ist die Gerechtigkeit; die wirklich Christo Angehörigen, die wirklich von ihm erzeugten neuen Creaturen können mithin nur die sein, welche gerecht leben, die Gerech- tigkeit thun. Da das neue Testament überhaupt nur von einer Geburt aus Gott spricht, nirgends sonst von einer Geburt aus Christo, und immer nur von Kindern Gottes, nirgends sonst von Kindern Christi, so scheint allerdings, wie die Ausleger zuweist wollen, der Aus- druck: »der ist von ihm geboren« nicht anders können verstanden zu werden als von dem Geborensein aus Gott, und so würde auch das ,,er gerecht ist« auf Gott bezogen werden müssen; aber der ganze Zu- sammenhang spricht dafür, dies ,,er gerecht ist« viel- mehr auf Christum zu beziehen, und nun hat auch der Gedanke eines aus Christo Geborenwerdens gar nichts positiv Unjohanneisches und der Schrift Wider- sprechendes, da ja die beiden Vorstellungen: aus Gott geboren werden, und: aus Christo geboren werden, keineswegs einander ausschließen, in den Zusammen- hang unsrer Stelle aber paßt jener Gedanke vortrefflich. (Rothe.) Damit hat nun Johannes ein neues Thema angeschlagen nnd den Uebergang gemacht zu einem andern Theile; man thut aber 1iicht gut, diesen Vers, der nur den Uebergang zum folgenden Theile ver- mittelt, schon mit zu demselben zu rechnen und zwischen V. 28 u. 29 den neuen Abschnitt zu machen, wie die Ausleger vielsach thun, sondern unser Vers ist der Abschluß des bisherigen Theils, doch so, daß dieser Abschluß schon den organischen Keim enthält, aus welchem der folgende Theil erwachst (Ebrard.) Das 3. Kapitel. Von mahrer Christen Herrlichkeit, Eigenschaften, Kreuz und Trost. III. U.1—12. Indem der Apostel von dein, mag er am Schlusse des vorigen Abschnitte gesagt: ,,der ist von ihni geboren«, auf die, ans der Geburt auI Christo sich ergebende Gottegtiindschaft dieäusmerlcsaiiitteit seiner Leser hinrichten bezeichnet er ihnen diese zunächst nach ihrer Vollendung in der Zukunft, redet da von dem »Es-altes Kinder sollen heißen« alg dem Zielpunkt des göttlichen Gnadenrathschtnsseg mit ihnen·und läßt daran die Herrlichkeit der ihnen geschenkten Liebe Gottes sie empfinden, verbindet aber auch alsbald daniit in Worten, die leider in unsrer deutschen Bibel fehlen, die ihlnweisuiig darauf, daß ihrem Anfange nach die Gottegkindschaft bei den tkesern schon jehi vorhanden sei und eben darin der Grund liege, warum sie von der Welt verliannt und gehasset würden W. 1). Ztn diese schon vorhandene tiindschaft antinfipsend, bezeichnet er sie als seine Lieben, weiß gar wohl, daß ße sammt ihm noch nicht Gottes fertige, in ihrer ganzen Herrlichlieit schon auggestaltete Kinde: seien, getröstet sich aber der Dritter Untertheil: Wir sollen Gottes Kinder heißen, und sind’s schon jetzt. 801 einstigen Zukunft und dessen, was diese aus ihnen machen will, und spricht nun mii Beziehung hierauf es aus, wie sehr ße zum Uachjagen der Heiligung sich verpflichtet fühlen müssen, ohne welche wird niemand den HCrrn sehen Ab. 2 n. 3). Mit diesem Ausspruch hat er das Chema für den weiteren Inhalt des hier uns vorliegenden Klischnitts festgestellt, ein Inhalt, der die nähere Ausführung des schon in Kuh. L, 29 Gesagten ist: »So ihr wisset, daß Cr gerecht ist, so erkennet auch, daß, wer recht thut, der in von ihm geboren«, wie ja auch dieser Gedanke fast mit denselben Worten in til. 7 hier wiederkehrt. was er dann seinen lkesern vorhält, ist zunächst dies: wenn wir als Kinder Gottes einmal deshalb die Sünde nicht thun dürfen, weit ße eine ver— letzung des göttlichen Gesetzes ist, so muß uns ferner die unzweifelhafte Gewißheit, daß Christus zur Wegschasfung unsrer Sünden erschienen ist, von allem Sündigen ab- halten; und weil in ihm sehtectsttiin keine Sünde ist, so werden auch die, welche in ihm bleiben, nicht sündigem Dies gilt so bestimmt, daß unigekehrt das Siindigen ein Beweis ist, daß man nicht in Christo sei, daß man ihn nicht erkannt habe (t1. 4——6). hierauf geht der Apostel aus eine vergleichende Gegenüberstellung der Kinder Gottes und der Kinder des Ceufels ein; zur Abwehr der tberführungsniachtz welche von Seiten solcher der Gemeinde drohten, die es mit der christlichen Sittlichkeit nicht genau nahmen, bezeugt er zunächst, daß die Siinde so wenig mit Christo und der Gottestiindsitiaft sich verträgt, daß sie vielmehr den Teufel zu ihrem Urheber hat und dessen Kindsctjaft her- beiführt. Darum kann, wer aus Gott geboren ist, die Sünde nicht thun, sondern sein Chun ist die Gerechtig- keit Zlesu Christi; und da ist es nun besonders die Bruderliebe iniGegensatz zu Kain’s Kruderhaß, welche den charakteristischen Unterschied zwischen den Kindern Folge; und den Kindern des Ccufels aitsmaiht (in. l. Sehet, weich eine swas für eine herr- liche, überaus große Luk. 1, 29; Mark. 13, 1] Liebe hat uns der Vater erzeigen daß wir [dereinst, wenn die Vollendung feines heiligen Rathes und Willens eintreten wird] Gottes Kinder [im ganzen und vollen Sinne des Worts V. 27] sollen heißen fund find’s auch jetzt schon —— die Worte: »und sind’s« stehen in den besten Handschriften mit dabei]. Darum fweil wir das, Gottes Kinder, nun auch wirklich jetzt schon sind] kennet euch die Welt [der noch ungläubigen Menschen Kap. 2, 16] nicht fin eurem, von dem ihrigen so ganz ver- schiedenen inneren Wesen], denn sie kennet ihn fden Vater, aus dem ihr geboren seid V. 9] nicht»- [Joh.14,17; 15,21; 16,3; 17,14.25]. 2. Meine Lieben, wir find nun [schon jetzt, in unserm Stande hier auf Erden] Gottes Kinder [wie ich vorhin mit den Worten andeutete: »und sind’s«], Und ist snun da, nämlich in unserm Stande hier auf Erden, allerdings] noch nicht er- schienen, was wir fdereinst, in unserm künftigen Stande, wenn die Herrlichkeit, die an uns soll osfenbaret werden Röm. 8, 18; Col. 3, 4., in die Wirklichkeit treten wird] sein werden sso daß nicht blos die Welt nichts davon uns anmerkt, sondern auch wir selber kaum eine rechte Vor- Dächsehs Bibelwerk vll. Band. stellung davon haben I. Cor. 13, 9 ff.; 2· Cor. 4, 7]. Wir wissen aber faus dem, was Christus, unser HErr, uns verheißen hat Kap. 2, 25; Joh. 17, 24z 12, 26], wenn es [das, was wir sein werden] erscheinen wird, daß wir ihm [dem HErrn Christo, mit dessen Offenbarwerden Kap. 2, 28 auch» jenes Erscheinen unsrer Vollendeten Gottes- kindschast geschehen wird] gleich sein Werden; denn wir werden ihn sehen, wie er ist« sin seiner Jetzigen Herrlichkeit Röm. 8, 29 f.; 2. Cor. Z, is; 1. Petri 1, 8 f.; Osfenb. 22, 4]. »3. lind ein jeglicher, der solche Hoffnung hat zu ihm fihn dereinst zu sehen, wie er ist, und ihm nun gleich zu werdens, der reiniget sich fvon allem unheiligen, befleckenden Wesen 2. Cor. 7, 1; Z· Petri Z, 14], gleichwie er leben Der, zu dem seine Hoffnung steht und den er im Evangelio nach seiner geschichtlichen Lebensgestalt allezeit gegenwärtig vor sich hat] auch rein ist«« [Kap. Z, S. 29; »Matth. 5, 8; Hebt 12, 14]. i) Der Vers schließt sich auf’s Engfte an das Vorige an; das »von ihm geboren« führt nämlich den Jo- hannes, da Christus, aus dem wir neu geboren werden, der Sohn Gottes ist, sehr natürlich aus die Vorstellung der Gotteskindschaft des Christen. (Rothe.) Indem nun der Apostel den Begriff: ,,Gottes Kinder« gleich in den Vordergrund stellt, stellt er hier zugleich ein förmliches Thema auf, das doppelseitig ist und diejenigen beiden Momente enthält, welche in der That den Gegenstand der nun folgenden beiden Ab- schnitte ausmachen: wir find Gottes Kinder, das ist das erste Meinem, das dann Johannes in V. 2 wörtlich wieder aufnimmt und daraus entwickelt, wie ivir im Unterschied von der Welt uns in Hoffnung unsrer zukünftigen Herrlichkeit reinigen Und heilig fein müssen; die Welt kennet uns nicht, das ist das andere Moment, zu dem der Apostel in V. 13 übergeht und nun zeigt, daß der Haß der Welt uns nicht wundern darf, da der Haß eben im Wesen der Welt begründet sei, sowie die Bruderliebe im Wesen der Gotte-Blind- fchaft. (Ebrard.) Wenn Johannes mit »Sehet« die Aufmerksamkeit der Leser auf die Gotteskindfchaft hin- richtet (Joh. l, 29; Mark. 13, 1), so thut er’s nicht ohne eigene Verwunderung über deren Herrlichkeih die er, selber ein Gottes-lind, erfahren, weshalb er darnach nicht ,,euch«, sondern ,,uns« sagt. (Braune.) In die Herrlichkeit der Gotteskindschaft sollen die Leser sich versenken; diesem Zwecke dient nun aber nicht blos das ein Besonderes ankündigendes «fehet«, sondern auch das ,,welch eine Liebe«, welcher Ausdruck einen Ausruf der Bewunderung einleitet. Nicht dasift die Meinung, daß es eine besondere Art von Liebe sei, die wir in dem göttlichen Vaterverhältnisse zu be- wundern haben, gegenüber. andern Arten der Liebe, sondern es soll nur überhaupt das Wunderbare ihrer inneren Befchaffenheit aufgezeigt werden; die volle Tiefe, Jnnigkeit, Gnade derselben läßt sich an diesem Punkte erkennen. Und zwar besagt der« Ausdruck, dessen der Apostel im Grundtext sich bedient: ,,welch eine Liebe hat uns der Vater geschenket«, mehr als »erzeiget« (in seiner Uebersetzung des neuen Testaments bis zum J. 1527 hat Luther genauer: gegeben); die volle Macht göttlicher Liebe hat sich uns zu eigen gegeben, ist ein Geschenk für uns, nicht mir einzelne Crfcheinungen der Gottes-liebe, sondern sie selbst ist eine 51 802 1. Johannis s, 4——6. Gabe an uns. Und das hat »der Vater« gethan: es läge nahe, da hier von dem Kindesstande Gott gegen- über die Rede ist, auch dies ,,Vater« auf das Ver- hältniß zwischen Gott und uns zu beziehen, also gleich »Unser Vater« zu fassen; aber eine nähere Erwägung lehrt, daß in dem ganzen Evangelio des Johannes der Ausdruck ,,Vater«, wo er absolut von Gott ge- braucht wird, stets Gott als den Vater Jesu Christi bezeichnet (Kap. 2, 22 sf.), und so liegt in dem Aus- druck eine Bezeichnung des Weges verborgen, auf welche1n uns Gott diese Liebe gefchenket hat, nämlich als Vater Jesu Christi durch die Sendung seines Sohnes, Joh. 3,16. (Haupt.) »Daß wir Gottes Kinder sollen heißen«, schreibt der Apostel; es ist nicht genug, daß wir Gottes Kinder werden (Joh.1, 12), sondern wir müssen auch unter diesem Namen be- rühmt werden in dem Angesicht Gottes und der Engel, Col. Z, 3 f. (Luther.) Der Ausdruck bezieht sich somit auf die Zukunft, auf die Vollendung der Gotteskindschaft im Reiche der Herrlichkeih auf welche denn auch der Apostel in V. 2 näher eingeht und daraus die Motive entlehnt für die Heiligung, zu der er die Leser ermahnt; ist aber dies der Fall, so bedarf es zwischen hier und dem folgenden Satzex ,,darum kennet euch die Welt nicht, denn sie kennet ihn nicht«, als womit auf die jetzt schon vorhandene Kindschaft der Christen (vgl. das »wir sind nun Gottes Kinder und ist noch nicht erschienen, was wir sein werden«) Beziehung genommen und damit der Stoff für den folgenden Abschnitt V. 13 ff. im Voraus angedeutet wird, nothwendig noch eines Zwischensatzes Und dieser findet sich denn auch in der That mit den Worten: und wir find’s snoci Haus«-g) in fast allen Handschriften und al en Uebersetzungem selbst in der Vulgata; man hat jedoch frühzeitig schon, wie es jetzt noch von so vielen Auslegern geschiehet, das ,,sollen heißen« auf die jetzt schon vorhandene Kindschaft be- zogen und das Wort in dem Sinne gefaßt: ,,heißen und sein«, und darum jenen Zusatz für einen über- flüssigen Einfchub der Abschreiber gehalten, so nament- lich auch Evas-uns, nach dessen 2. Ausgabe des neuen Testaments unser Luther übersetzt, aber das richtige Sachverhältniß wohl geahnt hat. Die Mit- glieder der Eisenacher Conferenz würden also gut ge- than haben, wenn sie nach dem Ausruf: ,,sollen heißen« in die revidirte Ausgabe der lutherischen Uebersetzung die Worte aufgenommen hätten: »Und wir sind’s«, so daß nun erst, in unmittelbarer Beziehung hierauf, es weiter geheißen hätte: ,,darum kennet euch die Welt nicht, denn sie kennet ihn nicht«; sie hätte damit unsre deutsche Bibel nicht nach eigenem subjectivem Ermessen corrigirt, sondern nur von des Erasmus subjectivem Ermessen, womit er Luther’n seiner Zeit etwas vorenthalten hat, befreit. its) Jndem der Apostel nach nachdrucksvoller Wieder- aufnahme des »und wir sind’s« im vorigen Verse auf die jetzt verborgene zukünftige Herrlichkeit der Kinder Gottes hinweisen will, beginnt er mit der Anrede: »meine Lieben-«, die sich ihm hier um so mehr auf- drängt, als er sich mit seinen Lesern in der gemein- samen Kindschaft Gottes auf’s Engste verbunden fühlt. (Huther.) Jetzt, sagt« er darnach, sind wir wirklich Gottes Kinder, und doch ist es noch nicht offenbar, was wir künftig sein werden: unser künftiger Zustand als Kinder Gottes, der erst die volle Realisirung des Begriffs der Gotteskindschaft sein wird, liegt noch nicht wahrnehmbar offen vor. Was also Johannes seinen geliebten Lesern hier dringend an’s Herz legt, ist der Gedanke daran, daß sie ihre Gotteskindschaft jetzt nur erst höchst unvollkommen besitzen und nicht vergessen sollen, daß dieselbe in ihrer ganzen Fülle noch in der Zukunft liegt; sie sollen deshalb das Auge immer in die Zukunft gerichtet halten. Es liegt zwar für uns ein wichtiges Jnteresse darin, daß wir mit voller Zu- versicht unsern jetzigen Zustand als den einer bereits wirklichen Gotteskindschaft betrachten, denn ohne dieses kann unser Verhältniß zu Gott kein inniges und freudiges sein; aber ebenso bedenklich wäre es, wenn der Christ jetzt schon die ganze Gotteskindschaft zu be- sitzen glaubte, denn er würde diese dann nicht so hoch anschlagen, als sich gehörte· Jetzt genießt er nur die Erstlinge, den Vorgeschmack. Auf dem lebendigen wirklichen Zusammenfassen dieses Gegensatzes zwischen dem vollen Leben in der Gegenwart und dem Leben in der Zukunft vermöge seiner freudigen Christen- hoffnung beruht der eigenthümliche christliche Ton, auf welchen unser Leben » estimmt sein muß; darauf beruht auch jene fürdie elt so unverftändliche Mischung zwischen der tiefsten Demüthigung und der kühnsten Erhebung, zwischen Schmerz und Freude im Leben der Christen. (Rothe.) Wenn aber auch der Jnhalt unsrer schließlichen Entwickelung noch nicht thatsächlich vorliegt, so ist er uns doch schon jetzt bekannt; er wird von dem Apostel in den beiden Sätzen ange- geben: »wir werden ihm gleich sein; denn wir werden ihn sehen, wie er ist«. Wenn er nun in Beziehung auf diese beiden Punkte ein Wissen auf Seiten der Christen behauptet, so kann sich dies Wissen nur auf die eigenen Aussprüche des HErrn gründen; und da finden wir denn in seinem hohepriesterlichen Gebet (Joh. 17, 24) einen ganz ähnlichen Gedanken, daher wir keinen Augenblick in Zweifel sein können, daß das ,,ihm gleich sein« und ,,ihn sehen, wie er ist« nicht, wie die Ausleger meistentheils behaupten, auf Gott, sondern auf Christum geht. Es ist durchaus biblische Lehre, daß der Vater in keinem Sinne geschaut werden kann (1. Tim. S, 16); und wie nun in Beziehung auf ihn das ,,ihn sehen, wie er ist« in beschränktem Sinne genommen werden müßte, so müßte auch das ,,ihm gleich fein« in gleicher Weise beschränkt werden, damit aber würden die vollen und gewaltigen Ausdrücke des Apostels ganz in’s Unbestim1nte und Nebelhafte ver- schwimmen. Dagegen bekommt in Beziehung auf Christum das ,,ihn sehen, wie er ist« seine ganze und volle Bedeutung· Auf Erden ist das Schauen des verklärten Christus noch unmöglich; es liegt ganz außerhalb der Tragweite des menschlichen Geistes, sich den Menschensohn zu denken, wie er ist, seitdem er in die Gemeinschaft der Gottheit wieder aufgenommen. Wie er war, wie er als Menfchenfohn einst auf Erden wandelte, so haben ihn die Apostel gesehen, so haben auch wir ihn wenigstens in geistiger An- schauung, seitdem die Jünger ihn uns vor Augen ge- stellt, als wäre er unter uns gekreuzigt (Gal. Z, 1): wie er ist, in der Herrlichkeit, die er vor der Welt Gründung hatte und die er jetzt erneut wieder hat, so hat ihn noch niemand geschaut, kann ihn auch niemand schauen (Apostå. 1, 9; 9, 3 f.; Offenb. 1, 17). Mit dem einstigen chauen der Lichtherrlichkeit des HErrn aber bringt der Apostel das ihm gleich Sein in Ver- bindung; wir können da uns auf Matth. 6, 22 be- sinnen: das Auge ist nicht nur dass-Organ, wodurch wir das Licht als ein äußeres sehen, sondern zugleich das Medium, wodurch das Licht außer uns in unser eigenes Jch verpflanzt wird. Wer also den HErrn in seiner Herrlichkeit als Licht siehet, der wird dadurch selbst zu einem Licht; das Geschaute wird unmittelbar sein Besitz, er wird dem HErrn gleich, und indem es so zur vollendeten Bruderschaft mit ihm kommt, kommt es auch zur vollkommenen Gotteskindschaft. (Haupt.) Wenn erscheinen wird, was wir sein werden, werden wir Ihm gleich sein. 803 ist) Auch in dem Worte Christi Joh. 5,39: ,,Suchet in der Schrift, denn ihr meinet, ihr habet in ihr das ewige Leben; und sie ist’s, die von mir zeuget« wird im Grundtext das »sie« durch ein anderes Fürwort Gast-»der) ausgedrückt, als vorher das ihr G» ais-arg» augenscheinlich hat hier der Wechsel der Pronomina seinen Grund nicht in einem Wechsel der Subjekte, sondern in der stärkeren Hervorhebung ein und des- selben Subjekts Man wird also an unsrer Stelle, wo uns der gleiche Wechsel der Pronomina begegnet: »der solche Hoffnung hat zu ihm« Gar« ais-H) und: ,,gleichwie er Gast-me) rein ist«, nicht behaupten dürfen, wie die meisten Ausleger das thun, es handele sich um zwei verschiedene Subjekte, das erste Mal um Gott, das zweite Mal um Christus; es handelt sich vielmehr beide Mal um Christus, derselbe wird nur das zweite Mal stärker hervorgehoben, weshalb wir uns das von Luther beigefügte »auch« könnenwohl gefallen lassen. Man hüte sich aber, das ,,sich reinigen, gleichwie auch e»r rein·is « als Wechselbegriss mit dem ,,ihm leich fein« im vorigen Verse zu nehmen: jenes ist weyentlich die Forderung der Sündlosigkeih die als Ziel und Aufgabe der irdischen Entwickelung des Christen hingestellt wird; aber denke ich mir diese Forderung auch erfüllt, so ist damit das ,,ihm gleich fein« oder sein, wie er ist, noch lange nicht gegeben. Auch Christus war sündlos hier auf Erden, aber damit doch nicht der Verklärte, dem wir gleich werden sollen; die Schwachheit, von welcher der Apostel Paulus in Hinsicht auf Christi Erdenleben redet (2. Cor. 18, 4), die Gebundenheit und mannigsache Beschränktheih der er sich unter- worfen hatte, bliebe, auch wenn wir völlig sündlos wären; mit Recht sieht also Johannes das Reinwerden nach dem Vorbild des Reinseins Christi nur als eine Vorstufe und Bedingung an für das einst eintretende Gleichwerden mit ihm. (Haupt.) Er faßt aber da seine Forderung viel strenger, als sie gewöhnlich ge- faßt wird; er läßt nur dasjenige als wirklich chriftlich gelten, was auf die absolute Vollendung der Reinigkeit absieht und sich bei keiner andern befriedigt als bei der, welche der Reinheit des Erlösers gleich kommt. Jede gelindere sittliche Strenge ist auch der Natur der Sache nach unvereinbar mit der christlichen Heiligung; diese geht durchaus von dem Hingenommensein von dem sittlichen Bilde des Erlösers aus, und was in diesem Bilde einen so eigenthüinlich starken Eindruck macht, ist eben die fleckenlose Reinheit. Auch sonst begegnen uns sittliche Erscheinungen, die Ehrfurcht ge- bieten, aber ihrem Lichte ist immer zugleich noch ein Schatten beigemischt; eine vollkommene menschliche Tugend erkennen wir in keinem von ihnen, und nur die vollkommene Tugend kann ein edles menschliches Herz begeisternd ergreifen. Der Christ kann sich daher bei seinem Streben nach Reinheit nur jenes vollendete Ziel stecken. (Rothe.) Wie das Auge kein Stäubchen leiden kann, es thränt so lange, bis es wieder rein ist: so leidet auch das auf jene Herrlichkeit hinaus- schauende Hofsnungsauge des Christen durchaus keinen Weltstaub; und fliegt welcher hinein, so uckt es mit zartestem Gemerk, und der HErr iebt ußthränen, die den Staub hinauswaschen. (Besgser.) 4. Wer [genauer: Ein jegl1cher, der V. S] Sunde thut, der thut auch Unrecht sbegeht auch eine Abweichung vom Gesetz]; Uiid die Sünde ist sin jedem einzelnen Falle] das Unrecht« sdie Abweichung vom Gesetz, eine Gesetzwidrigkeit oder Verletzung der heiligen Gottesordnung]. Z. Und ihr wisset, daß ei« seben Der, auf den ich vorhin schon euch hingewiesen habe V. 3, mit seiner Menschwerdung und dem Werke, das er nun vollbracht hat] ist erschienen [auf Erden Kap. 1, 2], auf daß er unsere Sünden weg- nehme [nicht blos ihre Schuld und Strafe, son- dern auch sie selber, daß sie überhaupt nicht wieder vorkommen Joh. 1, 29z 1. Petri 2, 24]; und ·ist keine Sünde »in ihmtf [in dem ganzen geschichtlichen Lebensbilde, das wir von ihm haben]. »6. Wer» sEin jeglicher, der] in ihm bleibet, der sundiget nicht fin der Art, daß er, wie oben gesagt, die Sünde thäte V. 4., ob- gleich er allerdings darüber nicht hinauskominh daß er sie erleiden muß Kap. 1, 8 ff.; Röm. 7,15ff.]; wer da sündiget sein jeglicher, der iii solcher Weise sündigt, daß er damit thut, was seinem eigenen innersten Wesen entspricht], der hat ihn [Christum] nicht gesehen smit den Augen des Glaubens als seinen Heiland erblickt], noch erkannttll smit der Erfahrung des Herzens in die Gemeinschaft mit ihm sich hineingelebt, denn sonst wäre die Sünde ihm fremd und widerwärtig geworden]. V) Es erhellt, daß wenn der Apostel hier das ernste Streben nach Heiligung, die Meidung von allem, was Sünde heißt, den Christen an’s Herz legt, er, wie die Art feiner Ausdrucksweise darauf schließen läßt, Ursach haben muß, den Einflüssen solcher entgegenzuwirkem durch welche der sittliche Ernst Schaden zu leiden, eine Laxheit des fittlichen Urtheils befördert zu werden drohte. (Neander.) Die Sünde thun (wie es im Grundtext genauer heißt, d. i. das thun, was Sünde ist, und es thun mit einer Herzensstellung bei der man von der Sünde nicht lassen, sich nicht von ihr reinigen mag, sondern sie lieb hat) ist der Ge» ensatz zu dem vorigen ,,sich reinigen«, als worin das hun der Gerechtigkeit (Kap. 2, 29) enthalten ist. Die Jrrlehrer hielten es für unnütz, daß ein Christ sich keusch mache und im Lauf nach der unbergänglichen Krone alles Dinges sich enthalte (1. Cor. 9, 25); ihr Christenthnm war nicht ein ,,reines Speisopfer« (Mal. 1, 11), sondern mit dem Sauerteig des alten Sünden- wesens und mit dem Honig der Weltlust vermischh um aber die Liebe zur Welt und ihrer Lust, welcher sie dienten, zu beschönigen, machten sie zwischen Sünd e und Unrecht bösen Unterschied. Nicht alles, was Siinde(3Fentl. : ,,Verfehlung«) heiße, sollte absolut wider Gottes illen und Ordnung sein, gerade wie man heutzutage allzuhäufig die Rede hört: das ist ein rechtschaffener Mann; zwar hat er einige Schwach- heiten und Fehler, wie alle Menschen, aber eines eigentlichen Unrechts ist er nicht fähig. So dichtet man sich eine Moral, die dem Fleische nicht wehe thut, und einen Gott, der die angeblich rechtschaffenen Leute nach dem Richtmaß der »öffentlichen Meinung« richtet. Solchen Liignern nun, welche darauf ausgehen, die Grenze zwischen Licht und Finsterniß (Kap. 1, S) zu verrücken, tritt Johannes mit der Erklärung entgegen, daß die Sünde das Unrecht sei, daß jedwede Sünde den Sünder schuldig mache an dem Gesetz, des heil. Gottes, an der Ordnung, welche dem Leben der Ge- meinde Gottes gesetzt ist. Vor Gott ist jedes Ver- gehen ein Verbrechem als Bagatelle (pecca.tilio, ein Siindchen) wird vor dein Richter in der Höhe die 518 804 1. Johannis Z, 7—12. Sünde niemals behandelt. (Besser·) ,,Sünde« sei nicht ein weiterer Begriff als ,,Unrecht«, so daß letzteres eine Unterart, eine besonders schwere Spezies von jener sei, lehrt der Apostel, sondern habe ganz denselben Umfang; beide Begriffe seien gar nicht von einander zu trennen, jede Sünde sei allemal auch Un- recht, d. i. Uebertretung des Gesetzes, und zwar ver- steht er da unter Gesetz die in Christo sich offenbarende und vom heil. Geist uns zum Bewußtsein gebrachte sittliche Lebensordnung. Wie in Matth. 5, 34 ff. der Heiland lehrt, daß die bloße Bejahung oder Ver- neinung schon ebenso unverbrüchliche Wahrheit sein müsse, wie der qualificirte Eid, jene also zur Höhe des Eides emporgezogen wird, ganz gleicher Weise ist es hier das Absehen des Johannes, jede Sünde aus dem ganzen, weiten Gebiete derselben zu der Stufe der Gesetzwidrigkeit emporzuziehen is) Wie nach dem vorhin Gesagten alles sündliche Thun ein Widerspruch ist gegen das Gebot, den ge- offenbarten Willen Gottes, so weiter auch ein Wider- spruch gegen die Erscheinung Christi; und zwar sowohl gegen sein Werk, denn er ist ja erschienen, aus daß er unsre Sünden wegnehme, als gegen seine Person, denn in ihm ist keine Sünde, und auch in die der Sünde unterstellte Welt hat er den Keim der Sündlosigkeit hineingesenkt. (Haupt.) Nachdem Jo- hannes gezeigt hat, daß das Sündethun, dies Gegen- theil des Sichreinigens, dem Gesetze zuwiderlause, zeigt er, daß es ebenso dem Evangelio zuwiderlaufe; das Wesen des Vaters, wie das des menschgewordenen Sohnes, beide führen die innere ethische Nothwendig- keit der Heiligung mit sich. (Ebrard.) Den Zweck der Erscheinung Christi im Fleisch, welcher im Allge- meinen der ist, daß alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben (Joh. Z, 16), bestimmt der Apostel dem concreten Zu- sammenhange gemäß dahin: »aus daß er unsre Sün- den wegnehme«. Der in V. 4 in seiner prinzipiellen Allgemeinheit hingestellte Begriff: »die Sünde« wird hier in der Pluralformx ,,Sünden« wieder aufge- nommen, nur daß die Vorstellungsweise insofern lebendiger wird, als die ganze Masse aller einzelnen Sünden angeschaut wird: alle und jede Sünde zu tilgen ist Christus erschienen. (Düsterdieck.) Der Zu- satz: ,,unsre« verschärft die Anrusung der eigenen Er- fahrung, welche der Apostel mit den Worten gemacht hat: ,,ihr wisset«; er beschränkt zwar nicht das Weg- nehmen der Sünden auf diejenigen, welche wirklich im Glauben den heilsamen Zweck der Menschwerdung des Sohnes Gottes an sich vollziehen lassen, in thesi, daß er die Universalität der göttlichen Heilsabsicht in Ab- rede stellte, wohl aber in praxi, um das Bewußtsein der Leser zu stärken. (Braune.) Das für ,,wegnehmen« im Grundtext stehende Wort schließt den Doppelsinn in sich: theils die Sünde jemandes tragen, büßen, theils sie wegschaffen, tilgen, aber letzteres immer mit der näheren Bestimmtheit: durch Sühnung derselben. Auch für den Christen dürfen sich diese beiden Gedanken nicht von einander loslösen. Der Christ kennt kein Abthun der Sünde anders als auf dem Grunde ihrer Sühnung, von einer Heiligung, die nicht auf diesem Grunde ruhte, darf er als Christ nichts wissen; ebenso kennt er keine Versöhnung der Sünde anders, als mit der bestimmten Beziehung auf ihr Abthun, und keine ihm widerfahrende Vergebung der Sünde, die nicht unmittelbar zugleich Ertödtung der Sünde wäre. (Rothe.) Das »und ist keine Sünde in ihm« ist nicht als die Bedingung des Vorigen: ,,unsre Sünden weg- nehmen« zu fassen, sondern demselben beizuordnen, so daß es die Grundlage für das in V. 6 Gesagte ab- giebt. (de Wette.) sit) Gegen die unumwundene und unbeschränkte Anerkennung des vorliegenden Ausspruches sträubt sich nicht nur das gewöhnliche christliche Bewußtsein, wel- ches trotz der auch im Gläubigen noch wirkenden Sünde sich dennoch als Gottes Kind weiß, sondern auch mit unserm eigenen Briefe scheint diese Spannung des Gegensatzes nicht zu harmoniren; während näm- lich in unserm Verse der Apostel betont, daß jeder, der sündigt, keine Gemeinschaft mit dem HErrn habe, hat er in Kap. l, 8 ff. nicht nur das Dasein der Sünde in dem Gläubigen anerkannt, sondern sogar ihre Ver- kennung als schwere Lüge, als Kennzeichen mangelnder Gemeinschaft mit dem HErrn bezeichnet. Noch eine wesentliche Verschärfung erhält der Gedanke durch die Umkehr des Satzes in der zweiten Hälfte des Verses; denn während man zur Erklärung der Worte: »wer in ihm bleibet, der sündiget nicht« noch sagen könnte, der Sündigende habe die Gemeinschaft mit dem HErrn gehabt, könne sie auch wieder erhalten, nur eine Unter- brechung derselben finde durch das Sündigen statt, so wird diese Erklärung unmöglich gemacht, wenn es weiter heißt: »wer da sündiget, der hat ihn nicht gesehen noch erkannt-«. Wie der Apostel in V. 2 sagte, daß kraft des Schauens des Verklärten wir in dasselbige Bild verwandelt und selbst verklärt werden sollten, so bezeugt er hier, daß, wer den HErrn als den Sünd- losen geschaut hat, durch dieses Schauen selbst sündlos werde; und zwar trete dieser Erfolg so gewiß ein, daß, wer nicht sündlos ist, damit beweist, daß er den HErrn noch nicht geschaut hat. Und wie nicht ge- sehen, so hat der Sündigende den HErrn auch nicht erkannt; es ist da jenes Erkennen gemeint, von welchem der HErr seinerseits in Matth. 7, 23 redet, wenn er am Tage des Gerichts zu solchen, die ihre großen Thaten vor ihn bringen, sagen will: ,,ich habe euch noch nie erkannt«. (Haupt.) Wenn der Apostel schreibt: »der sündiget nicht« und »wer da sündiget«, so ist, was er damit meint, durch das in V. 4 voraus- gegangene »wer Sünde thut« bestimmt, also diejenige Art des Sündigens zu verstehen, welche das in V. 3 geforderte ,,sich reinigen« zum Gegensatz hat — es handelt sich um ein Liebhaben der Sünde, um ein sie Hegen und Pslegen. Ganz ähnlich drückt sich Jo- hannes, nachdem er in Kap. 4, 2 geschrieben hat: »ein jeglicher Geist, der da bekennet, daß Jesus Christus ist in das Fleisch gekommen«, im darauf folgenden Verse (wo Luther nach der herkömmlichen, aber erst durch Abschreiber erweiterten Lesart übersetzt hat) in abge- kürzter Redeform so aus: »ein jeglicher Geist, der nicht bekennet Jesum«, weil er voraussetzen kann, daß die Leser diese abgekürzte Redeweise nach dem, was er vorhin ausführlicher gesagt hat, verstehen werden. Wenn er nun aber behauptet: »wer da sündiget (in dem angegebenen Sinne), der hat Christum nicht ge- sehen noch erkannt«, so ist ein Schauen Christi als des Lichtes gemeint und jenes liebende Erkennen, welches die Aufnahme des Wesens Christi in das eigene Selbst bewirkt. Wer noch mit der Sünde buhlt, der hat Christum noch nicht geschaut als,Den, der durch und durch Licht und der Feind der Finsterniß und Sünde ist, und ihn noch nicht erkannt mit dem innersten Kern und Mark des Wesens; sondern er hat. nur mit peri- pherischen Kräften der Seele sich wie mit Polypen- fäden an Christum angeschlossen (vgl. das Anrühren des Saums des Kleides Christi in Matth. 9, 20 ff. und der Schweißtüchlein und Koller des Paulus in Apostg. 19, 12., wovon allerdings auch schon Kräfte Ein jeglicher, der folche Hoffnung hat zu Ihm, der reinigt sich, gleichwie Er rein ist. 805 zur Genesung ausgehen, aber darum doch das eigenste Leben des HErrn und seines Apostels sich selber noch nicht mittheilt), und kennt nur erst Fragmente seines Wesens, aber noch nicht ihn selbst. (Ebrard.) Es ist Christo durchaus eigenthümlich, daß die Anschauung und Erkenntniß seiner sich mit der Sünde bei dem ihn Anschauenden und Erkennenden nicht verträgt; daraus leuchtet besonders deutlich die völlige Einzig- keit des Erlösers hervor, unser Christenthum muß daher eine durchgreifende Richtung auf die Person Christi nehmen und wir dürfen es nicht in eine bloße christliche Lehre setzen. Vor allem haben wir auf ein persönliches Verhältniß zu Christo hinzuarbeiten. (Rothe.) Für redliche Seelen liegt ein kräftiger Trost in diesem Spruche, der die zwei Dinge, den Heiland kennen und sündigen, von einander scheidet: die Sünde in unserm Fleische spannt ohne Unterlaß ihre feinen Netze aus, um in ihre alte Gewalt uns zu ver- stricken, und ehe wir’s uns versehen, sind wir darein verfangen; aber nur ein Glaubensblick auf Jesum, das Lamm Gottes, und die festesten Sündenknoten zerreißen, der Schlanenbiß wird geheilt und unser Seufzen geht in den Lobpreis aus: ,,Jch danke Gott durch Jefum Christum, unsern HErrn!« Das beste Bild steht aus Golgatha: Herz und Augen, bleibt doch immer da! (Besser.) 7. Kindlein snach andrer Lesart im Grund- text: Kinder, wie in Kap. 2, 18], lasset euch niemand svon denen, die zu dieser das antichristische Wesen schon aus sich heraussetzenden Zeit nicht blos mit ihrer Leugnung des Sohnes die christ- liche Glaubenslehre Kap. 2, 26., sondern auch mit ihren leichtfertigen Grundfätzen die christliche Sittenlehre antaften] verführen sdaß ihr auch so denken und handeln wolltet, wie sie]! Wer recht thut sin einer, jede Sünde von sich abthuenden Weise], der sauern] ist gerecht, gleichwie er sunser HErr Jesus Christus V- s] gerecht ist-« kund ist von ihm geboren, wie in Kap. 2, 29 gesagt wurde]. 8. Wer Dagegen] Sünde thut [gleich als habe er dazu Freiheit, auch wenn er einen Christen sich nenne V. 4·, und damit beweist, daß er noch in der Sünde als seinem Elemente lebt], der isi vom Teufel swie das der HErr selber den un- gläubigen Juden vorgeworfen hat Joh. 8, 44]; denn der Teufel siindigct von Anfang sseit es überhaupt Sünde in der Welt giebt, indem sie in ihm den Anfang genommen, und erst von ihm aus ist sie ja zu den Menschen hindurchge- drungen, darum eben ist sie für diese nicht etwas Eigenes, das sie für sich selber haben könnten, sondern vielmehr etwas, das sie zu des Teufels Kindern macht V· 10]. Dazu snun] ist er- schienen der Sohn Gottes [auf Erden V. 5], daß er smit seiner himmlischen, göttlichen Macht 2. Petri 1, Z; Hebt. 7, 261 die Werke des Teufels sin dem, was Menschen unter seinem Einfluß und nach seiner Lust hienieden sündigen] zerstören« [V.5; Joh.12,31;16,11;Matth. 12, 29; Luk. 10, 18; es kann also niemand solche Werke thun und gleichzeitig dem Sohne Gottes angehören, sondern eins fchließt das andere unbedingt aus]. 9. Wer sdurch den Glauben an Jesum Christum Kap. z, 1; Joh. 1, 131 aus Gott ge- boren ist, der thut nicht Sünde [V. 6]; denn sein sd. i. Gottes] Same sin dem heiligen Geiste, der bei seiner Wiedergeburt als Schöpfer eines neuen Lebens sich ihm eingesenkt hat Joh. s, b] blejbet bei ihm [Kap. 2, 27], und [ein solcher] kann [nun gemäß dieser seiner inneren Herzensbeschaffenheit] nicht sündigten, denn er ist von Gott geboren« [Kap. 5, 18., und wie Gott Licht ist und keine Finsterniß in ihm Kap. I, 5., so hat auch der aus ihm Geborene mit der Finsterniß keine Ge- meinschaft mehr, sondern wandelt mit seinem ganzen Wesen im Licht L. Cor. 6, 14]. 10. Daran [an den beiden Merkmalen, von denen ich das eine soeben in V. 9 angegeben habe, das andere in dem vorangehenden 8. Verse, an dem Nichtsündethun einer- und dem Sünde- thun andrerseits] wird? offenbar, welche die Kinder Gottes und die Kinder des Teufels so. Mos. 13, 13; Matth. 13, 38; Apostg.13, 10] siudks sJndem ich nun aber auch auf den Satz in der zweiten Hälfte des 7. Verses zuriickgehe und mit Beziehung auf das eben in V. 10 Gesagte den Gegensatz dazu gebe, diesen zugleich nach Maß- gabe des Verwandtschaftsverhältnisses, in welchem jener Satz in V. 7 mit dem in Kap. L, 6 steht, speeialifirend, sage ich:] Wer nicht recht thut, der ist nicht von Gott skein Kind Gottes], und [zwar ist das besonders der nicht] wer nicht seinen Bruder lieb hat. 11. Denn das ist die Botschaft [oder Ver- kündigung Kap. 1, 5], die ihr gehdret habt von Anfang, daß wir uns unter einander lieben sollenH sKap. L, 7 s.]. 12. Nicht wie Kain [also dürfen wir Bruder- haß Kap. »2, 9 u. 11 in uns tragen], der von dem Argen sein Kind des Teufels] war und er- wiirgete ssogar nach der Art dessen, der ein Mörder ist von Anfang Joh. 8, 44] seinen Bruder lAbel 1. Mos. 4,5ff.; sonst bekundeten wir, daß wir vielmehr des Teufels, nimmermehr aber Gottes Kinder sinds. Und warum erwürgete er ihn? [Aus keinem andern Grunde, als diesem:] Daß seine Werke böse waren, und seines Bruders sWerke dagegen waren] gerechiHf sdenn zu Leide gethan hatte ihm dieser auch nicht das Geringste Matth. 23, Bd; Iudä 11]. V) Die eindringliche Anrede: »Kindlein« oder: ,,Kinder« leitet eine Mahnung ein, gegenüber der klar erkannten, verderbendrohenden Gefahr, wenn nicht die Hilfe in dem herrlichen HErrn und Heiland benutzt wird. Von einem »sich selbst verführen« redete Jo- hannes in Kap. 1, 8; hier hat er es nicht mit Selbst- täuschung, sondern mit der Täuschung, Verführung von außen her zu thun, und zwar nicht durch Ver- 806 I. Johannis 3, 12. hältnisse oder Ereignisse, sondern durch Menschen, die noch gefährlicher sind. (Braune.) Die Ermahnung zum Nechtthun wird vom Apostel in Form einer Warnung wiederholt (Kap. 2, 29), und zwar in Form einer Warnung vor Verführern, welche den Leuten ein- reden möchten,daß moralische Laxheit mit dem Christen- thum wohl vereinbar sei. Es fehlt ja niemals an solchen, welche dem Fleisch und dem Weltsinn irgend- wie noch möchten Berechti ung beim Christen ver- schaffen; und Johannes weig auch, wie verführerisch diese Ansicht für jeden ist, wegen der in jedem noch in irgend einem Maße zurückgebliebenen sündigen Nei- gung, daher das Anliegen und die Herzlichkeit der Warnung, die aus dem innersten Trieb der Liebe sich an die Leser richtet. Wie sehr steht jener falscheGrundsatz im Widerspruch mit ihrem eigenen Heil! Er klingt viel- leicht für sie süß, aber es ist ein süßes Gift, eine überaus gefährliche Täuschung, wenn wir meinen uns das Christenthum noch dadurch zu versüßen, daß wir sittliche Laxheit mit ihm verbinden wollen; gerade da- durch bringen wir uns um die reine Seligkeit und göttliche Kraft des Christenthums. Jenem Grundsatz gegenüber ist nur, wer die Gerechtigkeit thut, gerecht, gleichwie Christus. Nachsicht gegen die Sünde wird durch das Christenthum durchaus ausgeschlosseiy es fordert ein Thun der Gerechtigkeit eben aus dem neuen Vermögen, das Gott aus Gnaden gegeben, und fordert diese Gerechtigkeit in der ganzen Strenge, wie wir sie in Christo finden. Wenn die Welt wohl den Grundsatz ausstellt, daß eine vollkommen reine und ganze Sittlichkeit für den Menschen nicht möglich sei, so proteftirt dagegen das Christenthum auf das Un- bedingteste; wer seine Sittlichkeit nach einem niederen Maßstabe messen würde, wäre schon in jenen laxeu Grundsatz verfallen, nur wenn wir die Forderung so hoch stellen, ist es auch möglich, daß wir wirklich mit Liebe und Eifer an unsrer Heiligung arbeiten, wäh- rend die gewöhnliche sogenannte menschliche Recht- schaffeUlJeit uns nicht entzünden kann zu wirklichem Eifer in der Heiligung· (Rothe.) »Es) Wie der erste Theil dieses Verses dem 4. Verse entspricht, so der zw eite Theil dem 5. Verse; während nun in V. 4 u. 5 die Sünde als widergöttliches und widerchristliches Prinzip dargestellt wurde, wird sie hier als Unterwerfung unter den Teufel und als Zurückstoßung des einzigen Mittels der Erlösung, des Heilandes Jesu Christi charakterisirt. Zu V. 7 aber enthält unser Vers die Antithese; dieser hatte mit den Worten: »gleichwie er gerecht ist« ausgesagt, daß das Rechtthun unsre Gemeinschaft mit dem HErrn documentire, unser Vers aber führt umgekehrt aus, daß das Sündethun uns als Glieder des satanischen Reichs erweise. Und da tritt uns nun wieder dieselbe Schärfe der Betrachtung entgegen, wie wir sie im S. Verse anerkennen mußten: hieß es dort, jedes Sün- digen beweise, daß wir den HErrn nicht gesehen noch erkannt haben, so heißt es hier, es zeige, daß wir dem Satan angehören und die Satansknechtschafh von der der HErr uns hat lösen wollen, nicht abgeworfen haben. Unserm Apostel ist es mehr als allen übrigen geläufig, auf den satanischen Ursprung der Sünde hinzuweisen; so macht er denn auch hier geltend, daß der Teufel vor allen andern Wesen gesündiget hat und seitdem in fortwährendem Sündigen begriffen ist, woraus denn folge, daß jede spätere Sünde, also hier die mensch- liche, aus dem Teufel sei und auf diabolischer Cau- salität beruhe. Nachdem nämlich der Satan zuerst von Gott abgefallen ist, kraft dieses Abfalls sich Gott gegenübergestellt und dem Reiche Gottes ein Reich des Bösen gegenübergestellt hat, kann jeder folgende Sün- der nun nicht eiu drittes Reich errichten, sondern er tritt durch seine Sünde ein in das schon vorhandene Reich des Widergöttlichem gliedert sich demselben ein; er mag wollen oder nicht, es wissen oder nicht, er macht in jedem einzelnen Falle sich abhängig von dem Anfänger und Jnhaber dieses Reichs Sowenig der Mensch, als er das erste Mal sündigte, dies unabhängig vom Teufel gethan hat, sondern aus sein Eingeben, seine Anreizung hin, sowenig sündigt er auch ferner- hin aus sich selbst heraus aus allereigenstem Impulse, sondern er sündigt immer nur aus dem Teufel heraus; sein Sündigen wird entweder ihm von außen her mittels der Macht und List des Fleisches und der Welt wider seinen besseren Willen vom Teufel auf- gedrängt, oder es beruht wirklich auf eigenem Ent- schlusse und geschieht mit persönlicher Lust zu dem, was sündlich und böse ist, und dann ist es der Be- weis dafür, daß er vom Teufel ist. (Haupt.) Wenn irgend etwas, so kann uns dies mit Grauen vor der Sünde erfüllen: dies Verhältnis; zieht den Menschen auch in das Geschick des Teufels hinein und macht ihn zum Genossen seiner Unseligkeit. (Rothe.) Wie ein Spinngewebe in tausend feinen Fäden zusammenhängt, und mitten drin sitzt die Spinne, lauernd auf ihren Fang, so ist die Welt in des Argen Lügen- und Mordgewebe eingesponnen, und jeder einzelne Sünden- faden hängt geistkrästig mit dem Anfangs- und Mittel- punkte des ganzen Sündengespinnstes, mit dem Willen des Teufels zusammen. (Besser.) Aber Ehre sei unserm Erlöser, Preis seinem Werke! Er löset auf, was unter die Sünde gebunden war und zerstört die Befestigungen des Satans, wodurch dieser die armen Seelen im Unglauben halten will; er tilgt die Kräfte der Finsterniß aus durch das Licht des Lebens, so er in der Seele ausgehen läßt, und löscht das Gift der Feindschast wider Gott im Herzen aus durch sein Blut; und so weiß nun der gerettete Sünder, wem er angehört und zu wem er sich zu halten hat, damit aber hat Satan an ihn all sein Recht und seine Herr- schaft verloren. (Steinhofer.) sitt) Jm Vorigen hat der Apostel gesagt, daß, wer das, was vor Gott recht ist, thut, damit zeige, daß er an dem Wesen Christi, wer aber das, was Sünde ist, thut, beweise, daß er an der Art des Teufels Theil habe; er hat ferner wiederholt erinnert, daß der ganze Zweck der Menschwerdung Christi darauf ge- richtet sei, der Sünde ein Ende zu machen. Somit hat er gezeigt, daß ein Kind Gottes, ein Christ, nicht sündigen darf; er fügt nun das noch Jnnerlichere hinzu, daß wer ein Kind Gottes, aus Gott geboren ist. nicht sündigen kann. Daß das Sündethun ein Widerspruch ist mit dem ganzen Wesen und Zweck Christi, ist in V. 7f. gezeigt; daß das Geborensein aus Gott zu seiner wesentlichen, innerlich nothwendigen und also unausbleiblichen Folge das Nichtsün- digen habe, wird hier beigefügt. (Ebrard.) Johannes bezeugt hier zuerst eine Thatsache, er spricht einen Erfahrungssatz aus, diesen nämlich, daß, wer aus Gott geboren ist, insofern er das ist, nicht sündigt; der Grund davon wird bezeichnet mit dem nachfolgenden Satzet »denn sein Same, d. i. der Same, aus dem ihn Gott gleichsam gezeugt, sein neues Leben hervorgebracht hat, bleibet bei ih1n«. Da nämlich dieser Same aus Gott, das durch den heil. Geist gewirkte, von Gott herstammende göttliche Leben, schlechthin den Gegensatz bildet zu dem dem Teufel verwandten Leben, zu allem, was Sünde ist, so erhellt, daß die Kinder Gottes nicht sündigen, eben weil das, was sie zu Kindern Gottes macht, dies neue Leben, alle Sünde von sich ausschließt. Nachdem Johannes diesen Erfahrungssatz Kindlein, lasset euch niemand verführen! 807 ausgesprochen hat, weist er die Nothwendigkeit davon nach, daß dies nicht anders sein kann; es kann ein solcher nicht sündigen, es ist der Natur der Sache nach unmöglich, daß er sündige, eben weil er aus Gott geboren ist, weil dieses aus Gott Geborensein mit der Sünde schlechthin in Widerspruch steht, sie daraus nicht hervorgehen, darin keinen Anschließungs- punkt finden kann. Wie von dem göttlichen Leben nur das Göttliche, nichts Ungöttliches ausgehen kann, so kann von dem aus Gott Geborenen als solchem keine Sünde herrühren. (Neander.) Hier stellt es sich nun auch heraus, welche nähere Bewandtnis; es mit dem Sündethun hat, das Johannes an dem Wieder- geborenen leugnet; aus den von ihm für diese Beug- nung angeführten Gründen folgt nämlich nur soviel, daß der Wiedergeborene nie mit seinem eigenen Selbst, mit seiner eigentlichen, vollständig bei sich selbst seienden Persönlichkeit sündigen kann, und daß also sein Sündigen nie ein Sündigen im eigentlichen und vollen Sinne des Worts sein kann, sondern immer nur ein Ueberwältigtwerden seiner eigentlichen Persönlichkeit durch die Macht des Bösen. (Rothe.) Schlechthin unvereinbar mit dem Sündigen ist das durch die Geburt aus Gott wirklich erzeugte neue Leben der Gliiubigem dieses entfremdet wesentlich den Geist von aller Sünde, erfüllt ihn mit unversöhnlichem Haß gegen dieselbe und treibt ihn zu einem rast- losen an1pfe gegen sie an. Jn folchem Kampfe trägt ein Kind Gottes wohl täglich Wunden davon, wie Luther sagt, wirft jedoch nie die Waffen weg und macht nie Frieden mit dem Todfeindex seine Gegen- waffen, wenn es von ihm überwunden worden, sind vielmehr die, daß es fortwährend die Sünde, zu wel- cher es im entschiedenen Gegensatz als etwas seinem Wesen Fremdem, ihm durchaus Verhaßtem steht, reuig und bußfertig bekennt, die Vergebung dafür sucht und so sich davon wieder frei macht(Kap.1,8 ff.), die Versuchung zum Bösen nieidet und immer von Neuem wieder die Aufgabe der Selbstreinigung und Heiligung in Angriff nimmt, wie ein guter Schüler sein Exempel immer wieder zur Lösung vornimmt, wenn er sich auch noch so oft bei den bisherigen Lösungsversuchen verrechnet hat. Wer es freilich ver- säumt, diese Gegenwaffen gegen die, das durch den Geist. aus Gott hervorgebrachte neue Leben, das hie- nieden nie zu seiner vollen Machtentfaltung nach außen gelangt, überwältigende Macht der Sünde zu gebrauchen, der hat entweder, und das dürfte wohl meistens der Fall sein, noch nie dieses neue Leben griindlich schon in sich aufgenommen, sondern bewußter oder unbewußter Weise noch diese oder jene Partieen seines Herzens der Sünde vorbehalten, und wird nun nicht sowohl von außen, als von innen durch die Sünde übertoältigt; oder aber er macht sich einer Untreue schuldig, die das allerschwerste Gericht Gottes, das es giebt (Hebr. 6, 4 ff.), nach sich zieht. T) Johannes theilt die ganze Menschheit in diese beiden schroff einander gegenüberstehenden Reihen: die Kinder Gottes und die Kinder des Teufels; sollten wir aber nur einen solchen Gegensatz unter den Menschen, ohne alle Vermittelungen und Ueber- gangspunkte, uns denken müssen? Jn diesem Falle würde es sich gar nicht erklären lassen, wie aus den Kindern des Teufels Kinder Gottes hätten werden können, wie ein Uebergang von der einen Reihe zu der andern sich bilden könnte; und doch sieht Jo- hannes selber eine solche Möglichkeit voraus, indem er anerkennt, daß solche, welche der Sünde dienen und dem Reich Satans angehören, solche, welche zur Welt gehörten, durch den Glauben an Jesum als den Hei- land aus dem Reich des Teufels, aus der Welt aus- getreten und zu Kindern Gottes geworden sind. Jn- dem er sagt, daß der Sohn Gottes erschienen sei, um die Werke des Teufels zu zerstören, liegt darin, daß er erschienen, um diejenigen, welche bisher Kinder des Teufels waren, zu Kindern Gottes zu machen. Es muß demnach ein Anschließungspunkt vorhanden sein, wodurch diejenigen, welche noch Kinder des Teufels sind, für die Einwirkung des Sohnes Gottes entpfäng- lich werden; es muß irgend worin seinen Grund haben, daß die einen Kinder des Teufels bleiben, die andern den Samen Gottes aufnehmen und sich zu Kindern Gottes dadurch machen lassen. Das jo- hanneische Evangelium enthält denn auch mehrere Fingerzeige, um diese Unterschiede, diese Verrnittelungs- stufen genauer kennen zu lernen: es wird von jenem aus Gott Geborensein, das allein durch die Wirkung des Evangeliums, durch den Glauben an den Sohn Gottes zu Stande kommen kann, unterfchieden ein vorläufiges aus Gott, aus der Wahrheit Sein (Joh. 18, 37), wodurch bezeichnet wird die in den Menschen, ehe sie noch in jenem höheren Sinn aus Gott geboren worden, hervortretende Empfänglichkeit für das Gött- liche und für die Wahrheit, vermöge welcher sie der zu ihnen gelangenden Stimme des Evangeliums fol- gen; und darauf bezieht sich der Zug des himmlischen Vaters (Joh. 6, 44), der in solchen, vermöge ihrer Willensrichtung empfänglichen Seelen zu Stande kommt, wodurch sie dem Sohne zugeführt werden. Das Evangelium vollzieht eben darin das Gericht unter den Menschen, die Sichtnng, daß es durch seine Wirkungen, in der Art, wie sich die Menschen dazu verhalten nach ihrer verschiedenen Empfänglichkeit, diese unter denselben vorhandene Verschiedenheit der Willensrichtungen, die bisher verborgen waren, her- vortreten läßt (Joh. Z, 20 f.): wie die einen das an- brechende Licht hassen und verfolgen wegen des Gegen- satzes mit der Finsterniß, die sie lieb haben, von der sie nicht lassen wollen, und den Werken der Finsterniß, die dadurch bloß gestellt, gestraft werden, so nehmen die andern freudig das Licht auf, nach dem sie sich schon vorher bewußt oder unbewußt sehnten. Wie also bei den Kindern Gottes, wenngleich die Grundrichtung bei ihnen die in der Geburt aus Gott begründete, die des göttlichen Lebens ist, doch noch nicht alles derselben entspricht, sondern von dem, was die Kinder Gottes als solche bezeichnet, dem beseelenden Geist in ihnen, ihrem neuen geistlichen Jch angehört, unterschieden werden muß, was noch von den Nach- Wirkungen des früheren Standpunktes herstammt, so werden wir auch in denen, welche noch vermöge jenes allgemeinen Gegensatzes in der Erscheinung den Kin- dern des Teufels angehören, unterscheiden müssen etwas, was nicht vom Teufel herrührt, was aus ihrer ursprünglichen Abstammung von Gott abzuleiten ist, das zu Grunde liegende, aber verdunkelte Bild Gottes, das unter allen Verhältnissen nachzuwirken nicht auf- hört· Und darnach, wie die Menschen vermöge dessen, was in ihnen vom Teufel ist, dem Geiste des Teufels folgen, oder vermöge dessen, was in ihnen von dem verdunkelten Bilde Gottes noch herrührt, dem Zuge Gottes folgen, darnach wird sich eine Scheidung unter denen, die zur Gesammtheit der Kinder des Teufels zu gehören scheinen, ergeben; aber der Apostel macht hier nur den allgemeinen Gegensatz, weil es praktisch wichtig, den Gegensatz zwischen dem neuen christlichen Standpunkt und dem früheren des alten Menschen auf’s Schärfste hervortreten zu lassen, damit es einem jeden recht klar werde, wie er sich als Kind Gottes von allen Andern unterscheiden müsse. (Neander.) 808 1. Johannis Z, 13—18. Offenbar ist der Unterschied zwischen den Kindern Gottes und den Kindern des Teufels nur im Lichte der göttlichen Unterscheidung; die unkritische Welt vermischt uiid verwirrt Gutes und Böses, Gott und Teufel. (Lücke.) Die gottentfremdete, vom Bösen be- herrschte Welt hält Finsterniß für Licht, Lüge für Wahrheit, Zügellosigkeit für Freiheit, Glauben für Dummheit, Sünde für Gerechtigkeih Tod für Leben; denn göttliche Dinge erkennt nur der, der sie hat und in ihnen lebt. Den Kindern des Teufels ist ihr eigenes sittliches Wesen solange ein Geheimniß, bis sie das Gericht des heil. Geistes annehmen und selbst durch den göttlichen Samen aus Gott geboren und zu Kindern Gottes werden. (Düsterdieck.) s) Die Bruderliebe hat der Apostel schon im ersten Haupttheile des Briefs als die eigenthümliche Krone des christlichen Lebens dargestellt: dort erschien sie als die Spitze des gesammten Liehtwandels der Gläubigen, welche mit dem Vater und dem Sohne Gemeinschaft haben und nach dem Vorbilde Christi wandeln, als die Erfüllung des wesentlich christlichen Gebots, welches von Anfang ihres neuen Lebens an die Gläubigen gehabt haben, und als das thatsächliche Wahrzeichen, daß sie nicht mehr in der Finsternis» sondern im göttlichen Lichte sind und bleiben (Kap. L, 6 ss.); ganz ähnlich· schildert Johannes· in diesem zweiten Briefthe1le die Bruderliebe als die besondere Tugend, in welche das gesammte Rechtthun der aus Gott Geborenen, das ja im vorliegenden Brieftheile den Grundgedanken an Stelle des dort vorherrschenden Grundtons vom Wandel ini Licht bildet, ausläuft. Und wie nun hier wie dort der Uebergang vom All- gemeinen, von dem Wandel im Licht, von dem Thun der Gerechtigkeit, zu deni Besonderem der Bruderliebe, derselbe ist, so erscheint ganz ebenso auch das Gebot derBruderliebe hier wie dort als das von Anfang an den Gläubigen bekannte; sie ist also nicht etwas Zu- fälliges im christlichen Wesen, nicht etwas, das erst nach und nach entwickelt worden oder nur bedingungs- weise sich finden muß, sondern so gewiß die Liebe Gottes in Christo das göttliche Leben der Gläubigen erzeugt hat und von Anfang trägt und nährt, so ge- wiß muß dies Kindesleben aus Gott auch von Anfang an sich durch die Bruderliebe bethätigem und von der Botschaft, durch welche uns die Liebe Gottes verkün- digt und unser göttliches Leben vermittelt ist, hat nie- mals die Botschaft, daß wir einander lieben sollen, getrennt sein können. (Düsterdieck.) Der Apostel kann sich das Rechtthun nur als Bruderliebe denken; sie ist ihm der eigentliche Kern der christlichen Gerechtigkeit, die sich vor allem in ihr erweist. Und so sollen auch wir nichts als wirkliches Rechtthun von uns gelten lassen, was nicht wesentlich Bruderliebe ist: jedes von andern Seiten her noch so treffliche sittliche Verhalten, Rs vor; Bruderliebe leer wäre, ist noch kein Rechtthun othe. ist) Der Apostel lenkt hier von dein allgemeinen »den Bruder nicht lieben« über zu der speziellen Be- thätigung des Hasses, wie sie von Seiten derer, welche vom Argen sind, sich stets gegen die Kinder Gottes zeigt; die erste Andeutung dieses Gedankens lag schon in den Worten V. 1: »dariim kennet euch die Welt nicht, denn ihr kennet sie nicht«, es geht also der bis- herige Abschnitt zu Ende und geschieht der Uebergang zu dem folgenden, der nicht, wie man vielfach an- nimmt, von der Bruderliebe als solcher, sondern von dem Haß der Welt im Gegensatz zu der brüderlichen Liebe der Christen unter einander handelt. (Ebrard.) Johannes geht auch hier wieder Über die mannigfachen Abstufungen im Leben hinweg und faßt die sittlichen Gegensätze in ihrer größten Schärfe, in ihrer Spitze auf, wenn er der die Kinder Gottes beseelenden Bruderliebe den Haß, der die Kinder des Teufels er- fiillt, entgegenstellt. Er kennt keinen in der Mitte liegenden Standpunkt: wo die Liebe fehlt, ist die Selbstsucht das Herrschenda vermöge welcher der Mensch sich selbst zum Mittelpunkt von allem macht, alles auf sich selbst bezieht; und darin ist das Streben gesetzt, alles aus dem Wege räumen, was mit den Interessen dieser Selbstsncht im Widerspruch steht. Sie kann nichts Anderes neben sich dulden, was ihr nicht dienstbar ist; und sie wird daher zum Haß gegen den Andern werden, wenn durch diesen das selbstische Jn- teresse verletzt wird. Auch den Haß faßt der Apostel in dem Gipfelpunkt seiner Erscheinung auf, wie aus dem Haß der Mord hervorgeht; und so nennt er als den Repräsentanten der der Liebe entgegenstehenden Triebfeder des Handelns den, welcher zuerst eine solche Gesinnung, den bis zum Mord fortschreitenden Haß des Bruders, bethätigt hat, den Kam. Jndem er aber darnach fragt: »und warum erwürgete er ihn?« und darauf die Antwort giebt: »weil seine Werke böse waren und seines Bruders Werke gerecht«, tritt ihm neben dem Kam, den er zuvor als Typus der Kinder des Teufels bezeichnet hat, dessen Bruder Abel als Typus der Kinder Gottes vor die Seele; und so stellt sich ihm in deni Verhältniß beider zu einander das Ver- hältniß der Christen zur Welt dar, worauf er denn im folgenden Abschnitt näher eingeht. (Neander.) Wenn Johannes sagt, daß Kain seinen Bruder ge- tödtet habe, weil seine Werke böse, die seines Bruders aber gerecht waren, scheint dies der mosaischen Erzäh- lung, wo der Neid als Motiv seines Mordes angegeben wird, nicht zu entsprechen; allein ein Widerspruch ist nicht vorhanden, da jene Erzählung die Vorstellung nicht ausschließt, daß die Frömmigkeit Abels schon früher in Kain den Haß gegen seinen Bruder erregt habe und sich dieser dann, als Gott sein Opfer ver- schmähte, das seines Bruders aber gnädig ansah, durch den nunmehr hinzutretenden Neid bis zu dem Grade , steigerte, daß er des Mordes schuldig ward. (Huther.) IV. V.13-—24. Am Anfang des vorigen Absihnittes hatte der Apostel bereits die Leser darauf hingewiesen, daß es in der llatur der Sache läge, wenn sie in ihrer Gottesteindsihaft von Seiten der Welt nur be rltennung erffihren (V. 1); diesen Punkt nimmt er jetzt, nachdein er die Grundverschiedenhein die zwischen den hindern Gottes und den Kindern der Welt bestehn, ausführlich auseinander-gesetzt und auf das erste tltrüderpaay das es überhaupt auf Erden gegeben, hingewiesen hat, wie da schon Kam, der vom Argen war, den gerechten Abel bis auf den Eod hassen, wieder auf, schärft den früheren Ausdruck: »die Welt liennet euch nicht« zu dem andern: »die Welt hasset euch« Und redet nun seinen Briidern zu, mit denen er durch das Band der Gottesliindsihaft sich verbunden weiß, sich solchen Haß nicht befremden zu lassen, sondern vielmehr desto entschiedener auf das von der Welt sie untersiheidende ittlerlimal der Bruder— liebe zu hatten. Da aber in der Gemeinde ein benimm- ter Fall vorliegt, wo das dlichtlieben der Brüder sogar bis zu einen: hassen derselben sich gesteigert hat, so ver· bindet er mit seiner Bnspraihe zugleich eine gar ernste Burechtweisung und eindringlirhe Ermahnung (V.13 bis 17)· Aus der Liebe von der Art nun, wie er in seiner Ermahnung sie näher charaliterisirt hat, wenn sie bei ihnen vorhanden, würden die tiefer, so fährt er fort, erkennen, daß sie aus der Wahrheit sind; und welchen Werth das habe in dem Verhältnis; zu Gott, seht er jetzt näher auseinander. Man liann da sein Herz stillen Vierter Untertheil: Gottes Kinder, der Welt nicht blos fremd, sondern sogar ihr verhaßt. vor Gott, wenn es Einem die ntaneijerlei Sünden, die man noch hat, aufrüklkt und die Gottesliitidsktjaft Zweifel— haft maehen will; und wiederum, wenn das her; nicht verklagt, hat man die rechte Gebetsfreudiglieit und die fröhliche Zuversicht der Gebetserhörung (V. 18—22). Indem Johannes da abermals Veranlassung nimmt, auf das halten der Gebote Gottes als die Signalur der Kinder Gottes hinzuweisen, faßt er die idielheit der göttlichen Gebote in die Einheit des einen Gebotes, an den Uamen des Sohnes Gottes zu glauben, zusammen; in diesem Gebote ist auch das andere besasset, von dem er bisher immer geredet hat, nämlich den Bruder zu lieben, und wie nun das Halten dieser Gebote ein Un— terpfand ist des Bleibens in Gott und des Bleibens Gottes in uns ist, so ist es aukh das Ltlerltzeichem daß wir seinen Geist in uns tragen W. 23 u. 24). (Episiek am T. Sonntag nach Crinitatis.) Wie das Evangelium dieses Sonntags (Luk. 14, 16 ff.) uns zu dem großen Abendmahle einladet, wel- ches die Sünderliebe des HErrn uns bereitet hat, daß wir uns sättigen an den reichen Gütern der Gnade unsers Gottes, so ladet diese Epistel uns zur Bruder- liebe ein, daß wir unsern Brüdern den Tisch decken, damit sie Leben und volle Genüge haben. (Nebe.) Die Liebe zu den Brüdern: 1) wieviel sie von uns verlangt, 2) wieviel sie aber auch uns gewährt. (Eig. Arb.) Eine dreifache Wahl, die unsre Epistel uns vor Augen stellt: 1) Leben oder Tod, 2) Liebe oder Haß, Z) Wahrheit oder Lüge. (Stählin.) Drei Wahrzeichen der Kinder Gottes: 1) der Haß der Welt, 2) das Leben in Gott, 3) die Liebe zu den Brüdern. Woran wird es offenbar, welche die Kinder Gottes sind? 1) Kinder Gottes werden von der Welt gehaßt, 2) Kinder Gottes lieben die Brüder. (Fuchs.) Was kennzeichnetdie Christen, die aus dem Tode zum Leben gekommen sind? 1) ein getroster Muth, 2) ein erleuchtetes Urtheil, Z) eine ausopfernde Liebe. Haß und Liebe in ihrem unvereinbaren Gegensatz: 1) Haß ist Lüge, Liebe ist Wahrheit; L) Haß ist Geiz, Liebe ist Wohlthum 3) Haß ist Tod, Liebe ist Leben; 4)HaßistMord,LiebeistSelbsthingabe.(Sommer.) Ohne Haß keine Liebe: l) die Welt begehrt Liebe ohne allen Haß, und legt eben darum ihren Haß wider alle wahre Liebe nicht ab; 2) der Christ kennt keine Liebe ohne Haß, aber eben aus diesem Hasse wird die wahre Liebe geboren. (Harleß.) 13. Verwundert euch nicht, meine Brüder [als widerführe euch etwas Seltsames 1. Petri 4, 12], ob sagt. Spe e, 30 f.; Jes. 49, 151 euch die Welt hafset [wie denn das in vielen Fällen und so auch zur jetzigen Zeit der neronischen Christenverfolgung in recht argem Maße geschiehet, und meinet nicht, es niüfse anders sein, die Welt müsse euch vielmehr lieben; das kann sie, die noch Kains Art V. 12 an sich trägt, ja gar nicht Joh. 15, 19; 17, 14]. 14. Wir funsrerseits dagegen, die wir vor- mals auch zu ihr gehört und ebenfalls diese ihre Art an uns getragen haben] wissen [Kap· 5, 13], daß wir [mit unsrer Bekehrung zu Christo, der uns von seinem Geist gegeben hat Kap. 4, 13] aus dem Tode sdem auch wir von Natur ver- fallen waren Tit. 3, Z] in das Leben kommen 809 sind lJvh- H, 2413 denn wir lieben die Brüderkk [An diesem charakteristischen Wesen des göttlichen, durch Christum uns eingepflanzten neuen Lebens müssen wir aber nun auch mit ganzer Entschiedenheit festhalten und dürfen nichts mehr von Kains Art an uns spüren lassen; sonst würden wir damit beweisen, daß wir noch immer der Welt zugehören und eben dem, was anstatt des Lebens ihr Theil ist, unterstehe-m] Wer den Bruder nicht liebet, der bleibet im Tode [aus dem er gleich bei seinem Christwerden nicht ernstlich zum Leben hat hindurchdringen mögen]. 15. Wer seinen Bruder sstatt ihn zu lieben, sogar] hasset lwie das sofort von selber da eintritt, wo man der. Liebe nicht Raum giebt], der ist lnach Christi» Ausfprüchen in Matth. 5, 21 ff.] ein Todtschlagerz und ihr wisset saus- dem, was euer christliches Bewußtsein als etwas Selbstverständliches euch bezeugt Kap. 2, 20 u. 27], daß ein Todtschlåger [wenn er in der Herzensgesinnung die ihn zum Todtschläger macht, VerharretJ nicht hat das ewige Leben bei ihm bleibend« ssollte er auch etwas schon von den Kräften der zukünftigen Welt geschmeckt haben Joh. 5, 38; Hebr. 6, 4 ff.]. 16. Daran haben wir erkannt die Liebe fworiu sie ihrem göttlichen Wesen nach bestehe und in was für Werken sie ihr wirkliches Vorhandensein kund gebe], daß er sder HErr Jesus Christus V. 5 u. 7; L, S] sein Leben für uns gelassen bat [um uns vom Verderben zu erretten Joh. 10, 12; 15, 13]; und wir sollen auch [Ioh. 13, 151 das Leben für die Brüder lassen fwo es gilt, für sie einzutreten Rom. 16, 4 oder ihnen zum Heilsbesitze zu verhelfen Apstg. 20, 24]. 17. Wenn aber [um von dieser höchsten Erweisung der Bruderliebe, zu der wir bereit sein sollen, zu einer weit geringeren überzugehen, die man jedoch gleichwohl oft genug versäumt und damit um so mehr sich verschuldeh je geringer eben das zu bringende Opfer ist, um das es hier sich handelt Mstthi 25, 41 ff] jemand dieser Welt Güter [das, was zum Lebensunterhalt dient, in reicher Fülle] hat, und siehet seinen Bruder darben swas ihn ja bewegen müßte, ihm von seinem Vorrath auszuhelfenL und schließt fnichtsdeftoweniged sein Herz vor ihm zu [also, daß er seiner Noth sich nicht erbarmtj, wie bleibt die Liebe Gottes [Kap. 2, 5 u. to] bei ihm [Jak. 2, 15 f·]? 18. Meine Kindlein sdie ihr ja wohl verstehen werdet, aus welchen Vorfall ich hiermit anspiele, aber nicht mit eigenem Bedacht, sondern nur von einem Andern irre geleitet, gethan habt, 810 1. Johannis Z, 18. was nicht recht war], lasset uns [fernerhin] « nicht lieben mit Worten noch mit der Zunge lindem wir zwar uns rühmen, Gott zu lieben, aber die thatsächliche Erweisung dessen an den Brüdern versäumen, wie es in dem be- treffenden Falle von euch geschehen ist Kap. 4, 2. 20], sondern mit der That und mit der WahrheiHYk flasset die Liebe Gottes uns an den Tag legen durch aufopfernde Liebe zu den Brüdern]. «) Die Welt, wie Kain’s Beispiel zeigt, ermangelt nicht allein der göttlichen Gerechtigkeit, wie sie die aus Gott Geborenen haben, sondern ihre Ungerechtigkeit ist nothwendiger Weise zugleich eine boshafte, dem teuf- lischen Wesen Verwandte Feindschaft gegen jene; darum dürfen sich die Kinder Gottes nicht wundern, wenn sie den Haß der Welt erfahren, vielmehr würde es in der That wunderbar sein, wenn es sich anders ver- hielte: indem der Apostel im engsten Anschluß an V. 12 dies seinen Lesern an’s Herz legt, ganz im Sinne des HErrn (Joh. 16, 33), drängt sich dabei naturgemäß und sinnvoll die Anrede »meine Brüder« hervor; denn die Leser gehören eben nicht zur Welt, sondern sind gleich dem Apostel aus Gott geboren, und mit ihnen, seinen Brüdern, theilt er den Haß der Welt. (Diisterdieck.) Johannes schließt sich mit feinen lieben Kindern, wie er sonst gewöhnlich seine Leser anredet, in die heilige Brüderschaft ein, deren erstes Glied Abel war und über welche dieselbigen Leiden ergehen in dieser Welt (1. Petri 4, 12; 5, 9; 1. Thess. 2, 14; Offenb. I, 9): geschieden von denen, welchen das große Abendmahl der Liebe Gottes widerwärtig ist, müssen die Abendmahlsgäste von den Abendmahls- verächtern ehaßt werden; es kann nicht anders sein; es ist der Kinder Gottes Wahrzeichen, von der gott- entsremdeten und gottfeindlichen Welt gehaßt zu werden. (Besser.) Doch die Kinder Gottes haben nicht blos dies schmerzliche, sie haben auch ein tröstliches Wahr- zeichen ihres Standes; darauf weist der Apostel mit den Worten des 14. Verses hin. Wir hatten weiland auch ein todtes Herz, will er sagen, und wußten nicht, was Liebe ist; aber durch das Zeugniß des uns ge- schenkten und innewohnenden Geistes wissen wir nun, woran wir sind. Gottes freie Gnade in Christo hat uns aus der Obrigkeit der Finsterniß und des Todes erlöset und in das Reich des Lichtes und Lebens ver- setzt: wir sind aus dem Tode hinübergegangen in das Leben; und als untrügliches Merkmal dieser Ver- änderung haben wir die Bruderlieb e, die unter uns waltet. Sie ist nicht Ursache unsrer Rechtfertigung, wohl aber ein gewisses Kennzeichem daß wir gerecht- fertigte Kinder Gottes sind. (Sommer.) St. Johannes redet nicht davon, wie und wodurch man von Sünden und Tod zum Leben komme, sondern woran man das Gekommensein erkenne; denn es ist nicht genug, daß wir rühmen, wir seien aus dem Tod ins Leben gekommen, sondern es muß sich auch zeigen und sehen lassen. Daran beweist fich’s aber, so daß man die Frucht spüret, daß des Menschen Herz, durchgossen von dem Trost und gewissen Vertrauen der göttlichen Gnade und Liebe, bewegt wird, daß es auch gegen den Nächsten gütig, freundlich, sanstn1üthig, geduldig ist, niemand neidet, noch haßt, sondern jedermann gerne dient und, wo es noth ist, mit Leib und Leben hilft; das war in der alten Natur, welche sonst niemand als sich selbst, alles blos um sich selbst willen liebt, uns unmöglich, vgl. Kap. 2, 8. (Luther.) M) Wer seinen Bruder nicht liebt, sagt Johannes, der gehört, wenngleich er sich einen Christen nennt, der Welt noch an: es fehlt ihm die Liebe und also das göttliche Leben, welches die Kinder Gottes von der Welt unterscheidet; ein solcher ist nicht vom Tode zum Leben übergegangen, sondern er bleibt im Tode, wie die Welt, der er noch angehört. Das, was er Glauben nennt, ist nicht eine solche Richtuug des Geistes, wo- durch derselbe vom Tode zum Leben übergeht, also auch nicht, was im wahren Sinne Glauben zu nennen wäre. Daß aber dem so sei, daß überall da, wo keine Liebe ist, auch die Theilnahme an jenem wahren Leben, welches seinem Wesen nach über Vergänglichkeit und Tod erhaben ist, den Keim einer Entwickelung für die Ewigkeit in sich trägt, daher das ewige Leben von ihm genannt wird, nicht vorhanden sein kann, dies beweist der Apostel daraus, daß er nunmehr das Nichtlieben in Haß umfetzt, und das, was von dem Morde als dem Gipfelpunkt des Hasses gilt, auf den schon im Herzen aufkeimenden Haß überträgt, indem er sagt: ,,ihr wisset, daß ein Todtschläger nicht hat das ewige eben bei ihm bleibend«. (Neander.) Es ist also mög- lich, daß jemand bereits das ewige Leben in sich trage, dann aber in Haß verfalle und damit dies ewige Leben wieder aus sich selbst verjage (Löhe.) Das Wort ,,bei ihm bleibend« hat nur dann Sinn und Verstand, verliert nur dann kein Jota und Titelchen von seiner Kraft und Bedeutung, wenn man die Rede des Apostels auf solche zielen läßt, welche in dem ewigen Leben einmal gestanden haben, aber durch Haß ihrer Brüder aus diesem ewigen Leben gefallen sind. (Nebe.) Die ganze Fassung der Rede: ,,ihr wisset, daß ein Todt- schläger nicht hat das ewige Leben bei ihm bleibend« führt darauf, daß der Apostel feine Erörterung wesent- lich an die Leser selbst als Abmahnung adresfirt und nicht mehr objektiv von der Welt außer ihnen spricht; denn nur sie haben an dem Leben schon Theil ge- nommen, nur sie können also diesen ihren Antheil wieder verfcherzen. (Haupt.) Und da werden wir einen Fall, auf welchen Johannes ohne Zweifel Be- zug nimmt, in 3. Joh 9 ff. finden, gleichwie wir oben in Kap. 2, 14 eine Bezugnahme auf die den Worten in Z. Joh. 4 ff. zu Grunde liegende Sachlage ver; mutheten; daraus würde dann bestimmt hervorgehen, daß nicht, wie manche Ausleger haben annehmen wollen, die 1. Johannisepistel zwar dem Apostel Jo- hannes, die beiden andern Episteln aber dem soge- nannten Presbhter Johannes angehören. Geht nun aber das ,,nicht hat das ewige Leben bei ihm bleibend« auf Christen von der Art jenes Diotrephes in Z. Joh. 9 ff., so dann sicherlich auch der in V. 14 gebrauchte Ausdruck: »der bleibet im Tode«; das scheint ein Widerspruch zu sein, denn wie kann von einem und deniselben Manne gesagt werden, daß das ewige Leben nicht bei ihm bleibe, wenn vorhin von ihm gesagt worden, er bleibe im Tode, sei also noch gar nicht vom Tode ins Leben gekommen? Es kehrt aber in diesem scheinbaren Widerfpruch lediglich diejenige Weise des Apostels wieder, wonach er schon in V. 9 einen so scheinbaren Widerspruch mit dem in Kap. 1, 8 ff. Gesagten aufstellte. Jn letzterem Falle handelte es sich das eine Mal um das theoretische Prinzip, und dasstellt er in seiner ganzen Schärfe hin; das andere Mal um die praktische Verwirklichung, und da mußten freilich Umstände in Betracht genommen werden, die der Sache eine ganz andere Wendung geben. Aehnliches findet denn auch hier statt: ein solcher, wie der, auf dessen Verhalten unsrer Annahme nach Be- ziehung genommen wird, ist, wenn man die Sache recht genau nimmt, im Grunde noch gar nicht aus Wir wissen, daß wir aus dem Tod in’s Leben gekommen; denn wir lieben die Brüder· 8l1 dem Tode in’s Leben gekommen, sonst wäre mit diesem Leben auch die Bruderliebe in ihm rege geworden —- ,,wer den Bruder nicht liebet, der bleibet im Tode«; aber er hat ja doch, als er getauft ward, in etwas geschmecket die himmlische Gabe und ist bis zu einem gewissen Maße des heil. Geistes theilhaftig geworden (wäre das nicht der Fall gewesen, wäre er nicht Ge- meindeältester geworden), und so war allerdings theil- weis das ewige Leben bei ihm eingekehrt· Jn diesem Stande indessen, der nur eine Art Mittelzustand ist, konnte er auf die Dauer nicht verharren: aus dem »den Bruder nicht lieben« ist bei gegebenem Anlaß ein »den Bruder hassen« und er selber damit nach des HErrn Urtheil ein Todtschläger geworden, von einem Todtschlüger aber können die Leser selber das Urtheil fällen, daß er nicht habe das ewige Leben bei ihm bleibend; es hat sich bei Diotrephes das auch bereits in seinem ganzen unchristlichen Verhalten gezeigt, und der Apostel, wenn er kommt, wird Veranlassung haben, wider ihn einzuschreiten, in vorbereitender Weise zieht er aber jetzt schon die Gemeinde in die Sache hinein, um ihr zur Klarheit darüber zu verhelfen. Wir halten oft den Mangel an Liebe gegen den Nächsten, schreibt Rothe in Hinsicht aus den Fortschritt von ,,nicht lieben den Bruder« in V. 14 zu »den Bruder hassen« in B.15., für bloße Gleichgiltigkeit gegen ihn, aber eine solche istjener Mangel an Liebe nur solange, als zwischen uns und dem Nächsten keine Berührung oder keine Collision der Interessen eintritt, tritt diese jedoch ein, so zeigt sich das Wesen der Gleichgiltigteih sie wird eigentlicher Haß. Es ist ein Vorrecht der menschlichen Natur, daß in Wahrheit der Mensch dem Menschen gegenüber nicht blos gleichgiltig sich verhalten kann; die Sünde hat jedoch ein Jnteresse dabei, den Haß unter dem bloßen Schein der Gleichgiltigkeit zu verbergen. Der Haß ist fchon an sich selbst so arg, daß er sittlich dem Todtschlag gleichgestellt werden mag; er ist ja auch die Quelle, aus welcher die mörderische That fließt, diese ist die natürliche vollständige Con- sequenz von jenem Haß, und nur Gottes abwehrende, verhütende Gnade ist es, wenn er in den meisten Fällen es von letzterem nicht zur ersteren kommen läßt. Wir sollen aber mit der Sünde nicht spielen, und ganz be- sonders nicht mit dem Haß. »Ist) Nach dem vorhin Bemerkten redet wohl auch hier Johannes nicht in abstractm als wolle er blos allgemein giltige Sätze aufstellen und den Lesern fiir künftige Fälle die rechten Gesichtspunkte eröffnen, son- dern es beschäftigt ihn auch hier der concrete Fall, der in 3. Joh. vorliegt; dort belobigt er (V. 3 sf.) den Gajus wegen seines Verhaltens gegen die, abgesehen von dem Namen des einen (V. 12), uns sonst nicht näher bekannten Brüder und Gäste,,und sagt nun von diesen: »Um seines Namens willen sind sie ausgezogen und nehmen von den Heiden nichts«. Dergleichen missionirende Evangelisten beweisen denn, wie sie die Liebe erkannt haben daran, daß Christus sein Leben für uns gelassen hat, und sind in Erkenntniß dieser Liebe bereit, auch das Leben für die Brüder zu lassen, die es allerdings jetzt noch nicht sind, wohl aber durch ihre Bekehrung zu Christo es werden sollen (vgl. Kap. · , Anm.); denn nicht genug, daß sie ihren Unter- halt nicht von den Heiden, denen sie das Evangelium bringen, beziehen wollen, sondern etwa nur von christ- lichen Brüdern, die ihrer Nothdurft sich annehmen, und da auch in die Gefahr kommen, daß man sie nicht ausnimmt, wie ihnen von Seiten des Diotrephes ge- schehen ist, war ja die damalige Zeit der neronischen Christenverfolgung in Beziehung auf welche Johannes in Offenb.1, 9 schreibt: ,,ich Johannes, der auch euer Bruder und Mitgenosse an der Trübsal ist 2c.«, gewiß reich an Lebensgesahren für reisende Missionare, und gehörte eine besondere Opserfreudigkeit dazu, in solcher Zeit das Werk der Ausbreitung des Reiches Gottes zu seiner Lebensaufgabe zu machen. Ihnen gegenüber stehen dann diejenigen in der Gemeinde, die sich von Diotrephes haben abhalten lassen, sie aufzunehmen und zu versorgen, obwohl dieselben große Noth litten, während sie selber Vermögen genug befassen, ihnen auszuhelfem da haben sie die Liebe Gottes verleugnet, um dessen Namens willen jene ja ausgezogen waren, und sind nicht der Wahrheit Gehilfen geworden, was sie doch hätten sein sollen, und so hat der Apostel Ursach genug, die Mahnung an seine Kindlein ergehen zu lassen, womit er seine Auslassungen an unsrer Stelle beschließt, um dann im Folgenden seiner Rede eine andere Wendung zu geben. Nach dieser Geltend- machung einer, von fast sämmtlichen Auslegern über- sehenen co ncr eten Beziehung der Textesworte schreiten wir jetzt dazu, das, was von ihnen in abstracto bei- gebracht worden ist, der Hauptsache nach zusammen- zustellen. — An dem Vorbild Christi macht Johannes das wahre innere Wesen der Liebe anschaulich und die Art, wie sie sich im Leben erweisen muß; was Liebe ist, sagt er, haben wir kennen gelernt an dem Beispiele des HErrn, der sein Leben für uns hingegeben hat. So muß auch bei uns die Liebe als eine wahrhafte sich dadurch bethätigen, daß wir bereit sind, für die Brüder alles, auch unser Leben, hinzugeben. (Neander.) Die Bruderliebe, wo sie ernstlich ist, schont sich nicht, noch etwas, das an ihr wäre; denn ihre Verbindlichkeit geht nicht auf geringe Dinge sondern auf das Leben selbst, solches auf allerlei Art für die Brüder zu lassen, und also auch auf alles, was uns so lieb als das Leben selbst ist, also daß uns Gott nichts so eigen gegeben hat, daß wir’s nicht auch für die Brüder zu lassen hätten. (Spener.) Einem alten Bischofe von Jerusalem dankte jemand für empfangene Wohlthat und rühmte seine große Liebe. Was beschämst du mich also? sagte der Bischof; ich habe noch lange nicht mein Leben für dich gelassen, wie mein HErr Jesus Christus geboten hat. (Besser.) Soll man aber für die Brüder sterben, so soll man noch vielmehr sein Hab und Gut für sie hingeben: wo jemand der Welt Güter hat und sieht seinen Nächsten darben, da er ihm wohl helfen kann ohne allen seinen Schaden, und» schließt doch sein Herz vor ihm zu, mit kleinem und geringem Werk der Liebe ihm zu helfen, wie kann in dem die Liebe Gottes bleiben? Was ist aber Ge- meineres in der Welt als solche Leute, welche, obwohl sie können und der Welt Güter haben, dennoch ihr Herz zuschließen dem armen Dürftigen, wie der reiche Mann dem armen LazarUsP Man schreit heutzutage sehr darüber, daß diejenigen, so Christum gelernt haben, mehr Geld zusammenscharren als Andere; ja, man mag wohl noch von diesen schweigen und von denen sagen, die da nicht allein den Dürftigen nichts geben, sondern unverschämt und mit Gewalt dem Nächsten nehmen, stehlen, rauben, mit Uebervortheilen, Beträgen, Schinden und Schätzen armer Leute. (Luther.) Jn Form einer Aufforderung an seine ,,Kindlein«, die der Apostel an die vorangehende Frage anschließt und in die er sich selbst mit einschließt, spricht er zuletzt den Gedanken aus, daß es auf die wahre, in der That sich erweisende, nicht mit Worten täuschende Liebe ankommt, wenn sie als wirkliche Kinder Gottes erkannt werden wollen; und da beschreibt er denn mit je einem Paare von parallelen Ausdrücken die falsche (lieben mit Worten und mit der Zunge) und die ächte Liebe (lieben mit der That und mit derWahr- 812 I. Johannis s, 19—24. heit). Es entsteht hierbei die Frage, wie sich diese Vorstellungen zu einander verhalten, und zwar einer- seits, wie die einzelnen Ausdrücke in den beiden Paaren selbst zu einander stehen (also ,,mit Worten« zu ,,mit der Zunge«, und ,,mit der That« zu ,,mit der Wahrheit«), andrerseits, welche Glieder der beiden Doppelbestimmungen mit einander correspondiren (ob das ,,mit Worten« dem ,,mit der That« und das ,,mit der Zunge« dem ,,mit der Wahrheit«, oder das ,,mit der Zunge« dem ,,mit der That« und das ,,mit Worten« dem ,,mit der Wahrheit«), in letzterem Falle also wir einen sogenannten Cliiasmus (X) vor uns haben; jedenfalls- aber, das leuchtet sofort von selbst ein, tellt der Apostel das Lieben mit Worten und mit der unge in ausschließlichen Gegensatz zu dem Lieben mit der That und mit der Wahrheit, die Ergänzung eines ,,blos« oder »nur« zu ,,mit Worten und mit der Zunge« wäre demnach ganz textwidrig. Was nun zunächst den zweiten Theil der Frage betrifftj so er- scheint es von vornherein natürlichen daß dem W orte, nicht aber der Zunge, welche das Wort hervorbringt, dieThat entgegengesetzt wird; und daraus ergiebt sich auch die Entscheidung in Beziehung auf den ersten Theil der Frage: in dem Lieben mit dem Worte kann noch eine gewisse Wahrheit liegen (es ist von einem warmen Gefühl eingegeben, man wünscht wirklich dem Bruder das Beste), es sollte aber vom Worte auch zur That kommen (es fehlt jedoch an der rechten Willens- energie, an freudiger Aufopferungsfähigkeit), dagegen ist das Lieben mit der Zunge das rein äußerliche Geschwätz, welches ohne innere Wahrheit nur einen gleißnerischen Schein erreget -— es sollen da Phrasen (Jak. 2, 16) den Mangel an wirklicher Theilnahme übertünchen (Düsterdieck.) II. Daran swenn bei uns ein solches Lieben sich findet, wie ich es eben bezeichnete, ein Lieben mit der That und mit der Wahrheit] erkennen wir, daß wir aus der Wahrheit sind fwie es ja der Fall sein muß bei denen, die sich der Gottes- kindschaft V. 1 f. 9 s. getrösten wollen], und können fnun in solchem Bewußtsein, aus der Wahrheit zu sein] unser Herz vor ihm ldem Vater V· 1] stillen soder beschwichtigen Matth. 28, 14 damit, d. i. mit diesem Gedanken], 20. Daß, so uns unser Herz verdammet fdas Urtheil über uns spricht, daß wir mannig- facher Sünden vor ihm schuldig seien Kap· 1, 8 ff. und also kein Recht hätten, uns seine Kinder zu nennen V. 9 f.], daß Gott größer ist fmit s einem Urtheil, das er Über uns fällt, mehr zu sagen hat], denn unser Herz, und erkennet alle Dinge* snicht blos unsre Fehler und Gebrechen, auf die unser Herz sich beruft, sondern auch das, was wir Gutes an uns haben, so daß, wenn er auf Grund dessen, daß wir aus der Wahrheit sind, bei allen unsern Sünden uns dennoch für seine Kinder anerkennt, dies Anerkenntniß den Sieg davon trägt, und nicht der Ausspruch unsers eigenen Herzens] 21. Jhr Lieben, so uns unser Herz nicht vetdammet ssei es nun in Folge der eben er- wähnten Beschwichtigung seiner Anklagen V. 19 f. oder in Zeiten ruhiger Gemüthsstimmung gleich von Haus aus J. Cor. 4, 4; Hebt. 13, 18], so haben wir eine Freudigkeit zu Gott [mit Gebet uns ihm Zibnahån 5, 14; Röm. 8, 153 Ephes. 3,12; e r. « 22. « Undiwas wir [nun in solcher Freudig- keit] bitten, werden wir von ihm nehmen lJvkx 1Hx,13·; 15,7; 16, 23 ff.; Mark. 11, 24], denn wir» halten feine Gebote und thun, was vor ihm gesallig ist«« ferweisen uns also als seine rechten Kinder, und solchen kann er ihre Bitte nicht ver- sagen J0h- 11, 421 23. Und das ist [als wesentlicher Inbegriff aller seiner Gebote und alles ihm Wohlgesälligen] sein Gebot sauf dessen Haltung es daher vor allen Dingen ankommt], daß wir glauben an den Namen seines Sohnes Jesu Christi [Joh. S, 29. 40] und lieben uns unter einander [m der Art und in dem Maße], wie er [dieser sein Sohn Jesus»Christus] uns ein Gebot gegeben [nämlich so, wie er uns geliebet] hat [V. 16; 2, 7 f.; Joh. 13, 34; 15, 12 f.]- 24. Und wer [nun, indem er an Jesum Christum glaubt und nach dessen Vorbild die Brüder liebt] seine [d. i. Gottes und Christi V. 231 Gebote hält, dcr bleibet in ihm swie in Gott, so auch in Christo] und er sGott in der Gemeinschaft mit Christo] in ihm [Kap. 1, 3. ; L, 24z 4, 12 f. 16]. Und daran erkennen wir, daß er in uns bleibet, heimlich] an dem Geist, den er lder Vater sammt dem Sohne] uns ge- AEIIEULDCEIJ lssfps 4- 13; Jvb 14- 16 f-; 15- 26« u. 5 . it) DemApostel unterstützt hier die vorange- gangene Ermahnung zur wahren, thätigen Bruderliebe durch die Hinweisung darauf, daß nur sie Ruhe und Friede der Seele, Zuversicht zu Gott gewährenwissen wir nur aus unsrer aufrichtigen und thatkraftigen Liebe zu den Brüdern, daß wirklich, wenn auch nur als Minimum, das wahre, göttliche Wesen in uns sein muß, so will er sagen, so ist dann bei den An- klagen unsers Gewissens der Gedanke an Gottes All- wissenheit ein kräftiger Anhalt; denn dann sagen wir uns, dieser uns selbst beinahe verborgene Anfang des wahren, göttlichen Seins sei Gott wohl bewußt, und deshalb werde er uns, aller unsrer· Verschuldungen ungeachtet, doch·als ausder Wahrheit seiend behan- deln und also nicht von sich verstoßen. Nicht in unsrer Liebe als solcher liegt also eine Beruhigung bei den Anklagenunsers Gewissens, sondern nur darin, daß sie uns ein stcheres Erkennnngszeichen ist unsers neuen kindlichen Verhältnisses zu Gott durch den Glauben. Von ihm nun wissen wir, daß er größer ist, als unser Herz und erkennet alle Dinge. Was am entschiedensten bei einem Christen die menschliche Schwachheit an sich tragt, das ist die Außense1te seines Lebens, die ganze Reihe der Handlungen, die in äußere Thaten über- gehen; d»a kommt überall die Ohnmacht zum Vorscheim welche die Folge der Macht des Fleisches über den Geist ist. Wenn er darnach gerichtet werden soll, wird ihm selber bange, und darum· ist aueh sein Ver- kskizkßsiäåisiekuiikkidessrkßsp Espterizgkgkkwekkkssiseii Ych g iea ere eie en Ue; en Herzensgrund kann er den Brüdern, die ihn immer Welchen Gewinn es uns einbringt, wenn wir die Brüder wahrhaft lieben. 813 nur halb oder ganz mißverstehen, nicht aufschließen. Darum ist es ihm so wohlthuend, daß er Gott offen- bar ist; Gott verstehet ihn recht, beurtheilt ihn wahr, und so fällt er lieber in die Hände Gottes, als in der Menschen Hände. (Rothe.) Petrus hatte dort am See Tiberias auf die dritte Frage des HErrn nach seiner Liebe (Joh. 21, 17) betrübten Herzens geant- wortet: ,,HErr, du weißt alle Dinge; du weißt, daß ich dich lieb habe«. Diese herzstillende Rede seines geliebten Mitjüngers war tief in Johannis mit- bekiiinmerte Seele efallen und scheint hier durch seine Worte hindurch. ie Petrus von seinem Herzen, das ihm seine schmähliche Verleugnung aufrückte, an den HErrn appellirte, der größer als das kleinmüthige, verzagte Sünderherz ist und alle Dinge, auch den unter der Asche der täglichen und reichlichen Ver- fehlungen glimmenden Liebesfunken erkennt, so wenden sich Kinder Gottes, denen das klägerische Gewissen die Kindschaft aburtheilt, an das Vaterherz Gottes, von dem sie erkannt werden bis auf den Herzensgrund, auch wo sie selber vor Betrübniß sich nicht mehr kennen (Hohel. 1, 8): unser Herz erkennt einiges, und erkennt wider uns: Gott erkennt alles und er- kennt nicht wider uns, sondern für uns, weil vor seinen Augen der Same der Wahrheit, aus dem wir geboren sind (V. 9), sich nicht verbirgt. Hans Egede, der Vater der Erönländischen Mission, kam am Ende seiner Liebesar eit in eine finstere Stunde, sein Herz verdammete ihn, der Feind verklagte sein Leben; da ließ Gott, größer als seines treuen Knechtes geängstetes Herz, die Taufkinder desselben vor ihn hintreten, und mit dem Blick auf diese Lief-tin· e seiner Seele kehrte Licht und Ruhe ihm wieder. ( esser.) Mk) Nach der Rede davon, wie die Kinder Gottes die Unruhe ihres Herzens, welches gegen sie erkennt, stillen können, hebt der Apostel die frohe Zuversicht hervor, welche im entge engesetzten Falle, nämlich wenn keine verurtheilende tiinme des eigenen Herzens laut wird, stattsindet: ,,ihr Lieben«t, fchreibt er da, indem er, gleichwie oben in V. 2 sich mit seinen Brü- dern der gleichen Gotteskindschaft freut; es kann und wird mit uns ja auch anders stehen, als eben gesagt wurde, so fährt er fort, und wenn wir nun in diesem glücklichen Falle sind, wenn unser eigenes Herz uns durch seine Vorwürfe nicht den ängstigenden Zweifel, ob wir auch wirklich Gottes Kinder seien, erregt, so haben wir eine Freudigkeit zu Gott, was allerdings nicht von vornherein auf das spezielle Verhältniß des Bittens beschränkt werden darf, sondern zunächst von der ganzen Verfassung eines Gläubigen, welcher sich seiner Gotteskindschaft mit ungetrübter Freudigkeit bewußt ist, verstanden werden muß. Wohl aber ist dieses Verhältniß das signisicanteste Moment in solcher Kinderzuversichh und da beschreibt denn der Apostel, indem er näher auf dasselbe eingeht, nach zwei Seiten hin die im Gebete sich erweisende Zuversicht der Kinder Gottes zu ihrem Vater im Himmel: l) es ist nichts ausgeschlossen von diesem kindlichen Gebet, und 2) was nur immer die Kinder Gottes erbitten, das empfangen sie von Gott. (Düsterdieck.) Mit den Worten: »denn wir halten seine Gebote und thun, was vor ihm ge- fällig ist« wird ausdrücklich auf den Zusammenhang des Gebets mit dem Ganzen des christlichen Lebens hingewiesen, daß das Gebet nicht etwas Vereinzeltes, von dem übrigen Leben Getrenntes ist, sondern aus derselben heiligen Gesinnung hervorgeht, welche das ganze Leben beherrschtz und da schwindet dann alle Schwierigkeit in Betresf dessen, daß hier so unbedingt die Erhörung jeder Bitte verheißen wird, von selbst. Geht nämlich das Gebet hervor aus dem ganzen kindlichen Verhältniß zu Gott, aus der Gesinnung, welche das ganze Leben bestimmt und beherrscht, so ist es ja eben die Gesinnung der Gottergebenheit, des Einklangs zwischen dem menschlichen und göttlichen Willen, in der es gethan wird; es wird, wie das Leben selber aus das zielt, was vor Gott gefällig ist, sich ebenfalls nur auf das ihm Wohlgefällige be iehen. Der Gläubige betet in der Gemeinfchaft mit Christo um das, was Christus an seiner Stelle erbeten haben würde, was der Geist Gottes ihn als das Rechte er- kennen läßt, was er zu verlangen, sich u erbitten ihn antreibt; und derselbe Gott, der durch seinen Geist die Gebete eingiebt, gewährt nun auch die Erfüllung derselben. (Neander.) Zwar irrt das Gebet eines Christen bisweilen, es will im Allgemeinen, was zuGottes Ehre und zu des Menschen Beitlichem und ewigen: Heile dient, aber es bittet im esonderen dies und jenes, was vor Gottes Augen nicht dazu dienen kann; da hilft Gott als ein gnädiger Erhörer dem Jrrthum ab und giebt nicht allein, was wir ge- beten haben, sondern mehr als das, indem er den irrigen Wortlaut unsrer Gebete nach dem richti en Sinne unsrer Gebete auslegt und zurechtlegt. Ein großer Trost für den betenden Christen, daß er nie eine Fehlbitte thun kann, auch wenn er einmal nach einem Dornstrauch statt nach einem Weinstock greifen sollte! (Münkel».) · · sitt) Ga »ahnlich, wie »der erste (Kap. 2, 7 sf.), schließt auch dieser Haupttheil 1nit der Heraushebung der speziellen Pflicht der Bruderliebe aus dem Ge- sammtkreise der göttlichen Gebote, deren Haltun die Bedingung unsrer fortwährenden Lebensgemein chaft mit Gott sei, ab. Handelt es sich nun aber nach dem in diesem Gesagten um eine solche Art der Bruder- liebe, daß unsre Liebe zu den Brüdern dieselbe sei, wie die Liebe, mit welcher Christus uns geliebet hat, so setzt das bestimmt den Glauben an Christum als den Sohn Gottes voraus: nur so können wir seine Liebe bestimmt ermessen und seine Forderung in Joh. 13, 34f. verstehen. Und so geht der Apostel hier etwas weiter zurück, als früher, und fchickt dem Gebot, das wir von Christo empfangen haben, uns unter einander zu lieben, wie er uns geliebet hat, das Ge- bot Gottes voraus, daß wir glauben an den Namen seines Sohnes Jesu Christi; es sind ihm aber diese beiden Gebote nicht zwei Gebote, sondern dem Wesen der Sache nach nur Eins, auf dies Eine führt er denn die Vielheit der göttlichen Gebote, von der er vorhin geredet hat, zurück und bahnt sich so zugleich den Weg, um im folgenden dritten Haupttheil auf den Gegensatz der Jrrlehrer egen das Haupt- und Grund- gebot« Gottes im neuen äestament näher einzugehen. Weil Gott seinen eingeborenen Sohn gegeben hat, daß wir im Glauben an ihn leben sollen, so bemerkt hier- bei Besser, so ist das alttestamentliche Gebot: »du sollst Gott deinen HErrn lieben von ganzem Herzen« in die neutestamentliche Botschaft verklärt worden: ,,lasset uns ihn lieben, denn er hat uns zuerst geliebt!« Und dem andern Gebot, welches dem ersten gleich ist: »und deinen Nächsten als dich selbs«, begegnet das Bekenntnißx »wir lieben die Brüder«. Indessen entsteht nun doch die Frags wie kann Johannes dies, daß wir glauben an den amen des Sohnes Gottes Jesu Christi, ein Gebot nennen? ist solcher Glaube nicht vielmehr Sache freier Ueberzeugung? Es steht ja nicht in des Menschen Gewalt, so scheint es, hängt keineswegs lediglich von einem Willensentschluß ab, ob jemand glaube oder nicht; und da kann, so sollte man meinen, Gott das Glauben auch nicht gebieten, daß es geschehe, und kann den nicht strafen, der es 814 1. Johanuis 4, 1—6. nicht dazu zu bringen vermag, weil eben gegentheilige Ueberzeugungem wie er behauptet, sich mit aller Macht ihm aufdrängen· Auf diesen fraglichen Punkt giebt Neander unter Bezu nahme auf Christi Rede an die Juden in Joh. S, 26 . etwa folgende Antwort: Gott würde kein solches Gebot aufstellen, wenn nicht Der, auf den sich der Glaube beziehen soll, in seiner Er- scheinun und in seinem Leben als einen solchen sich dargesteHt hätte, der dem Bedürfniß aller wahrheits- liebenden, heilsbegierigen Seelen wirklich entspricht und alle dem begegnet, was die eigene Natur des Menschen, wenn sie nur nicht zur Unnatur verkehrt wird, verlangt· So ist Gottes, den Glauben an den Namen seines Sohnes forderndes Gebot keine will- kürliche Anforderung, sondern als äußerliches Gebot erscheint hier nur das, was durch die Wahrheit selbst, durch die göttlichen Thatsachen in der Geschichte und ihre Zusammenstimmung mit den Anlagen und Ge- setzen der nienschlichen Natur, den in derselben tief eingepflanzten Bedürfnissen verlangt wird. Jn Joh 14, 11 begegnet uns die Forderung des Glaubens an Christum als eine Anforderung, die er selber an seine Jünger stellt; auch sonst liegen in diesem 14. und den folgenden, die letzten Reden des HErrn enthaltenden Kapiteln des Evangeliums St. Johannis viele Punkte vor, mit denen sich der Schluß dieses 2. Haupttheils unsrer Epistel sehr nahe berührt, nur daß dort mehr aus Christum bezogen ist, was hier von Gott gesagt wird (z. B. Joh. 15, 4: ,,bleibet in mir, und ich in euch«). Aber Gott und Christus gehen dem Apostel so in Eins zusammen, daß auch wir nicht scheiden dürfen und daher an unsrer Stelle der Streit der Auslegey ob bei dem ,,er« und ,,ihm« an Gott oder Christum zu denken sei, als ein müssiger erscheint; nicht Gott ohne Christum und nicht Christum ohne Gott hat Johannes dabei im Sinne, sondern beide zumal in ungeschiedetiem Zusammensein (vgl. Kap. 5, 20). Und nun kommt zu den Beiden im Schlußsatz auch der Dritte im heil. Bunde, der Geist; das aber giebt den Ton an für einen neuen, dritten Haupttheih während früker des heil. Geistes wohl auch schon gedacht war, a er nicht sowohl persönlich, als vielmehr sachlich, indem wir bei dem Ausdrücke: »die Salbung« (Kap. 2, 20 u. 27) an ihn erinnert wurden. Das 4. Kapitel. Von JJrijfung falscher Lehrer, und Uebung der Liebe gegen egott und den Nächsten. D· Jst de: dritte Haue-einein wie wie tikkeiis i« der Einleitung zum vorigen Haukttheil (.S. 791) bemerkten, dem Begriffe des Geistes Gottes unterstellt, so lässt sich erwarten, daß dieser nun auch als Dominante oder herr- schende: Eon in den einzelnen dlnterabtheilungen werde heraus zu hören sein; und so verhält es sith auch in der That, oon dem Geiste Gottes ist die Rede in V. L. 13; 5, 6 if» und davon werden wir denn bei Aufstellung der verschiedenen tlnterabtheilungen uns bestimmen lassen. I— U. 1—-11. Ver ganze Abschnitt enthält zwei, durch die wiederholte Anrede W. l u. 7): ,,ihr Lieben« aus einander gehaltene und wie mit derselben beginnende, so auch mit ihr schließende w. t u. It) Theile, die für den ersten Jlnblicli ganz zusammenhangslos an einander gereiht zu sein scheinen und jeder einen besonderen Inhalt fiir sich haben; denn während der erste (ill. 1——6) zu einer slriisung des Geistes, der in den Lehrern ihnen , entgegentritt, ob er aus Gott sei oder nicht, die Leser ausserdem, damit sie darnaos ermessen können, ob sie rechte oder falsche Propheten vor flch haben, auch das Merkmal angiebt, wodurch der Geist aus Gott und der Geist des Widerchrists steh leitht non einander unter- scheiden lassen, und zugleich daraus hinweist, was fiir Leute den einen Lehrern und welche den andern Gehör sa)enlien, enthält der andere (ill. 7—11) eine Ermahnung zur Liebe unter einander, wie wir schon im vorigen Last. sie gehiirt haben, was denn viele Kuslcger zu der Annahme verleitet hat, daß jener erste Eheil unrein Zwischenstüclz sei, nach dessen Erledigung der Apostel zum Inhalt des vorigen Lapitcls zurücltlzehre Wir werden uns aber nur an das halten dürfen, was Slosi hannes in Lan. Z, 23 f. gesagt hat, wo er von einem zwiefachen Gebot Gottes redete, das aber im Grunde nur Eins sei: zu glauben an den Uamen des Sohnes Gottes Jesu Christi nnd uns unter einander zu lieben, wie dieser uns ein Gebot gegeben hat; unter diesen Gesichtspunkt sind ebenso, wie der hier vorliegende, so auch die beiden folgenden Jlbsclsnitte dieses dritten Haupttheils geheilt, und kommt nun da zu dem Vater und Sohne auch der heil. Geist hinzu. 1. Jhr Lieben, glaubet nicht einem jeglichen Geist sals müsse ein jeder, der aus Propheten zu euch redet, von Gott sein und deshalb das von den Propheten Vorgetragene als Wahrheit hin- genommen werdens, sondern ptüfet san dem Richt- -maß, das ich im Folgenden euch an die Hand gebe] die Geister sdie in zwiesacher Weise, ent- weder so V. 2 oder so V. 3., in den Propheten euch entgegentreten], ob sie Von Gott find fund da werdet ihr befinden, daß im Gegentheil ihrer viele nicht von Gott sind]; denn es find szu dieser unsrer Zeit, mit welcher wir in die letzte Stunde eingetreten sind Katz. 2, 18] viel falscher Propheten svon dem Reiche der Finsternis; als dessen Emissäre oder Abgesandte] ausgegangen in die Welt« 2. Daran sollt ihr den Geist Gottes sin den- jenigen Propheten, die wirklich von ihm beseelt und erfüllt sind] erkennen: Ein jeglicher Geist [in einem Propheten], der da bekenneh daß Jesus Christus ist in das Fleisch srichtigert im Fleisch] kommen sgenauerkxesumChristunhim Fleisch gekommen — der Apostel redet nicht sowohl von der Fleischwerdung des Worts oder der Menschwerdung des Sohnes Gottes, als vielmehr davon, daß Jesus für eine und dieselbe Person mit Christus und dieser Jesus Christus dann für einen wahren, wirklichen Menschen anzuerkennen sei], der ist von Gott [Kap. 2, 23: Zusatz]; 3. Und ein jegltcher Geist, der da sticht-be- kennet ssondern im Widerspruch mit der aposto- lischen Verkündigung leugnet Kap. 2, 22], daß Jesus Christus ist in das Fleisch kommen [genauer: d e n JesusChristus, imFleisch gekommen], der ist nicht von Gott sKap. 2, 22»]. Und das sdieser im Nichtbekennen oder Leugnen der eben bezeichneten Wahrheit sich kund gebende Geist] ist der Geist des Wtderchrists- von welchem ihr Dritter Haupttheib Der Geist Gottes in feinem Zeugnißamt 815 habt gehören daß er sdereinst in der vollen Aus- gestaltung zu einem persönlichen Antichrist] kommen werde [Kap. 2, 18], Und [er, der Geist des WiderchristsJ ist jetzt schon in der Welt» [indem er vermittels der vielen falschen Propheten, die da ausgegangen sind in die Welt V. 1., oder der Widerchristem die geworden sind Kap. 2, 18., bereits den Versuch macht, in den Gemeinden durchzubrechen und zur Herrschaft zu gelangen]. 4. Kindlein, ihr [eurerseits, im Gegensatz, zu den Widerchristem deren ich eben gedachteJ seid von Gott Und habt sdamit dem Prinzip nach] jene überwunden sbis euer Sieg über dieselben auch äußerlich zu Tage treten wird]; denn der in ench ist [Gott], ist größer, denn der in der Welt ist«« sder Fürst der Welt, dessen Geist sie regiert Kap.2,13f.;2.Cor.4,4;Joh.10 29;16,33]. « Z. Sie sind von der Welt saus dem Lebens- grnnde der von sündigen Mächten durchwirkten und durchwalteten Welt Kap. 2, 15 ff. hervor- gegangen Joh· 8, 23]; darum reden sie von der Welt [aus ihrem Wesen heraus und demselben entsprechend und ihm schmeichelnd], und die Welt [derer, die solches Wesen ebenfalls in sich tragen und davon nicht lassen mögen] höret sie-s- sweil bFiVihnen sich selber wieder findet Joh. 5, 43; b. Wir sunserntheils dagegen] sind von Gott fund reden nun auch aus Gott], und wer Gott erkennet, der hötet uns; welcher nicht von Gott ist, der höret uns nicht [Joh. 8, 42. 47; 17, 14]. Daran sbei wem der eine und bei wem der andere Anklang findet oder nicht, ob bei denen, die von Gott sind und Gott erkennen, oder aber bei der Welt] erkennen wir den Geist der Wahrheit und den Geist des Jrrthumsff [indem ein jeder von beiden das ihm und dem Reiche, aus dem er stammt, Verwandte anzieht und das Nichtver- wandte abstößts is) Jndem Johannes seine Leser auf den von Gott empfa enen heil. Geist als aus das untrügliche Kenn- zeichen Ihrer wirklichen Gemeinschaft mit ihm verweist (Kap. Z, 24), fällt es ihm auf die Seele, daß seine Leser von dieser Bemerkung leicht zu ihrem eigenen Verderben einen unbesonnenen Gebrauch machen könn- ten; er denkt daran, wieviel falscher, dämonischer Geister sich ja auch in der Welt finden, namentlich auch in dem Kreise der Leser, und wie leicht diese sich durch dieselben blenden und irreleiten lassen könnten. Um nicht mißverstanden zu werden, warnt er sie des- halb ausdrücklich vor diesem Jrrgeist, fordert sie auf, die Geister zu prüfen nach einem untrüglichen Kenn- zeichen, das er ihnen angiebt, und berührt somit von Neuem das schon in Kap. 2, 18 ff. zur Sprache ge- kommene Thema. Die Geister sind von Charismen (Röin. 12, 8 u.«1. Cor. 12, 6 Anm.), von übernatür- lichen Geisteserweisungen zu verstehen; insbesondere denkt Johannes an die Geister der Propheten (1. Cor- 14, 32), unter die sich so häufig auch Geister der fal- schen Prophetie mischten, der eigenen Vorausverkiiw digung des HErrn in Matth. 24, 11. 24 gemäß. (Rothe.) Der Begriff der Weissagung eines Zukünftigen ist hier ebensowenig, als überhaupt, das Hauptmoment des Propheten; er hat den Namen von dem griech. Wort prophemi (aus-sagen), weil er hinter sich den ihn inspirirenden Geist hat, dessen Gedanken er aus- redet, bekannt macht. Der Prophet ist bestimmt zu unterscheiden von dem verborgenen, ihn bestimmenden Geiste: der wahre Prophet ist getrieben oder getragen von dem heil. Geiste, dieser Kraft des Höchsten (2. Petri 1, 21; Luk. 1, 35). Der Punkt, wo derselbe sich mit dem Propheten verbindet, ist des Propheten Geist, der als zu bestimmendes Organ, durch welches hin der heil. Geist wirkt, von diesem bestimmt zu unterscheiden ist; denn dieser ist Quelle und Prinzip der Offenbarung, dringt in den Geist des Propheten, regt ihn an, theilt ihm mit, beseelt und treibt ihn, und es wird so des Propheten Geist ein Geist aus Gott, aber ohne daß dadurch die besonderen Eigen- thümlichkeiten des Prophetengeistes verwischt oder auf- gehoben würden, weder in Bezug auf fein Temperament, noch in Bezug auf Redeweise, noch in Bezug auf Be- gabung für einzelne Verhältnisse der geistigen und materiellen Welt, daher so viele Geister als Propheten trotz der Einheit des wirksamen Prinzips, des Geistes, der sie bestimmt. Aber neben dem heil. Geist, dem Geist der Wahrheit, giebt’s einen Geist des Widerchrist (V· 3), des Jrrthums (V. 6), der die falschen Pro- pheten macht, und deren Geiste ist nicht zu glauben. Statt der hinnehmenden Hingabe, des Beifalls und der Zustimmung, fordert Johannes vielmehr ein Prüfen, und das fordert er von allen, wenn auch einige eine besondere Gabe, Geister zu unterscheiden, haben mögen (1. Cor. 12, 10); denn es muß ein jeder sowohl das Ziel der Prüfung kennen, ob nänilich die Geister von Gott sind, als auch den Maßstab der Prüfung haben, das Bekenntniß von Jesu Christo, der in’s Fleisch gekommen, sund die zur-Prüfung drängende Gefahr tritt an jeden einzelnen heran und treibt zur Entscheidung «(Braune.) Uebermenschlicher Herkunft sind die falschen Propheten sowohl als die wahren, vom Geiste Gottes erfüllten: die Menschen sind in die Mitte gestellt zwischen den Geist der Wahrheit, der von Christo ausgeht, und den Geist der Lüge, der vom Satan ausgeht; entweder von jenem oder von diesem werden sie beherrscht, je nachdem sie sich ziehen lassen. Wer dem heil. Geist, vom Himmel gesandt (1.. Petri 1, 12), zu gehorchen ve·rschmäht, wird dem Einflusse der Geister der Bosheit preisgegeben, die unter dem Himmel, in der Luft (Ephes. 2, 2; 6, 12) hausen. (Bes er.) M) Ein ähnliches Kennzeichen s. 1. Cor.12, B. Der Name Jesus Christus ist als Ein historischer Begriff zu nehmen (vgl.Kap. Z, 23; 5, 6); im Fleisch gekommen soll die sinnliche Wahrheit der hiftorischen Erscheinung des Erlösers, die reale Menschheit des- selben ausdrücken (vgl. Joh. 1, l4; 1. Tim. s, 16; Röm. 1, 3 f.) im Gegensatz gegen die doketifche Vorstellung von ihm. Jst nun gleich dieses Merk- mal zunächst nur für die damaligen geschichtlichen Verhältnisse und für die bestimmte Sphäre der Leser unsers Briefs berechnet, so behält doch, in einem wei- teren Sinne gefaßt, dieses Kennzeichen des falschen Geistes in der christlichen Welt als Doketismus für immer fein Recht. Jeder Geist, der gegen die geschicht- liche, menschlich-wirkliche Erscheinung Jesu Christi sich negativ verhält, ist nicht aus »Gott: wer in dem geschichtlichen Jesus Christus nicht Gott, nicht die Offenbarung Gottes erkennt und sich nicht zu ihr hin- gezogen fühlt, der ist nicht aus Gott. Es gilt dabei , im Wesentlichen gleich, ob er die übernatiirliche, gött- 816 i. Johannis 4, 7—-11. liche, nicht sinnlich in die Erscheinung getretene Seite am Erlöser gelten läßt und nur die menschlich- gefchichtliche Realität des Erlösers leugnet, oder ob er mit dieser auch die nicht sinnliche, ideale Seite negirt. Wie der HErr selbst gesagt hat, daß sich an ihm offenbare, was im Menschen ist, indem das ungöttliche Herz die Berührung mit ihm fliehe, das göttlich gefinnte dagegen sich von ihm angezogen fühle, so sagt Johannes dasselbe. Es kann eine speculative Anerkennung Christi als des Sohnes Gottes Hand in Hand gehen mit dem Mangel an Sinn für die real-menschliche Offenbarung dieses ewigen göttlichen Sohnes, und auch in diesem Falle erkennt unser Apostel den aus Gott seienden Geist nicht an. Die Grund- ketzerei ist deshalb in der Kirche die, daß die geschichtliche Erscheinung, welche den Namen Jesus Christus führt, geringgeschätzt oder gar geleugnet wird; was man ihr dann substituirt, das klingt vielleicht sehr hoch, hält aber nicht schadlos. Dasjenige, wovon in der christ- lichen Welt alle Wirksamkeit des Heils ausgeht, ist die Anschauung dieses menfchlich-göttlichen Lebens Christi: dies ist das eigentlicheHeiligthum der Mensch- heit, und wer dieses antastet, ist der eigentliche Geist des Widerchrists; wo dagegen die Leugnung des ge- schichtlichen Christus uns nicht entgegentritt, sondern man im Ernst gemeint ist, den alten Jesus Christus fortwährend in der Geschichte der Menschheit zu be- halten, da dürfen wir auch von antichristischer Rich- tun nicht reden. (Rothe.) Das Wort Doketismus ist ezeichnung für eine, die menschliche Natur Christi unmittelbar oder wenigstens in der Consequenz zu einem bloßen Schein herabsetzende Lehre von der Person Christi; daß eine solche, die leibliche Seite des Menschen üderhaupt herabsetzende, ihren Werth ver- kennende Richtung schon in den ersten christlichen Ge- meinden vorhanden war, ersehen wir aus den Co- rintherbriefen (1. Cor.15) und aus dem, was Paulus über die Jrrlehrer Hymenäus und Philetus sagt (2. Tim· 2, 17 f.), und wenn nun auch in Betreff der Person Christi sie ihre Ausbildung zu einem förm- lichen System erst im nachmaligen Gnosticismus des 2. Jahrh. erlangte, so ist es doch keineswegs unwahr- scheinlich, daß ein noch roher, unausgebildeter Do- ketismus, der die ganze menfchliche Seite des HErrn in grober Weise zum Schein degradirte, schon zu der Zeit aufgetreten war, in welcher Johannes seine Episteln schrieb, wie aber der Apostel, der überhaupt nicht sowohl gegen Gegenwärtiges polemisirt, als viel- mehr vor Zukünftigetn warnt, die systematische Aus- gestaltung der Jrrlehre selber erst von derjenigen Zeit erwartete, wo das jetzt nur erst in den kleinen Kindern vorhandene Geschlecht zu der dann bestehenden Gemeinde würde herangewachsen sein, deutete er oben in Kalt. Z, 18 mit der Anrede: »Kinder« Gesetzes) an. Wie diese späteren Gnostiker überall die fichtbare Schöpfung und ihren Bildner tief unter die unsicht- bare Welt und den höchsten Gott erniedrigten, so wollten sie auch in der Person des Erlösers das Sichtbare vom Unsichtbaren, das Menschliche vom Gött- lichen losreißen. Die erschienene Gottheit erkannten sie daher willig in ihm an, eine wahre Vereinigung der Gottheit und Menschheit aber erschien ihnen als Unsinn. Hiebei schieden sich, zuweilen scharf, zuweilen aber auch in einander fließend, dreierlei gnostische Ansichten von einander. Einige sahen in dem Erlöser blos einen göttlichen Geist, der nicht wirklich als Mensch erschienen sei, sondern nur, um von den Menschen wahrgenommen werden zu können, sich in einer sinnlichen Scheinform täuschend dargestellt habe; diese Art des Doketismus hat hernach unter den apostolischen Vätern derjenige Mann am entschiedenfteii bekämpft, der in seiner ganzen Lehre und Ausdrucks- weise sich auch am allermeisten an den Apostel Jo- hannes anschließt, Jgnatius, Vischof von Antiochieiy im J. 116 n. Chr. im Colosseum zu Rom von Löwen zerrissen. Andere dagegen nahmen an, daß das Menschliche im Erlöser nicht bloßer Schein gewesen sei; sie legten ihm nun aber eine andere, Vornehmere Menschheit bei, nicht einen eigentlich materiellen, son- dern nur einen geistigen oder wenigstens seelischen Leib. Eine dritte Klasse endlich sah in Jesu, einem Sohne Josephs und der Maria, einen wahren, allen übrigen gleichen Menschen, hielt nun aber nicht ihn für den eigentlichen Erlöser, sondern schied die Gott- heit und Menschheit Christi in zwei Personen, indem sie behauptete, mit dem Menschen Jesus habe bei seiner Taufe und nur bis zu seinem Leiden ein von dem höchsten Gott gesandter höherer Genius sich verbunden, der den Menschen Jesus blos zu seinem Organe ge- brauchte, und nur jener höhere Genius sei der eigent- liche Erlöser Der letzteren Jrrlehre huldigte C erint h , ein Zeit- und Landesgenosse des Johannes in seinem Greisenalter, und meinen nun viele Ausleger, gegen ihn besonders sei die Rede des Apostels gerichtet, was aber dann nicht wohl möglich ist, wenn seine Briefe nicht erst der letzten, sondern schon einer früheren Zeit seines Lebens angehören; auch ist nicht wohl gethan, seine Auslassung auf diese einzelne Form des Doketis- mus einzuschränken sitt) Der Apostel, bewegt und in liebreichem Ver- trauen, daß sie alle in der Grundwahrheit stehen und Kinder Gottes sind, stellt feinen Lesern andringend vor, was ihnen gegeben ist: ,,ihr seid von Gott«, und was sie bereits gethan haben: ,,ihr habt jene über- wunden«; und zwar ist das ein Sieg, der fortdauert, wenn auch noch weitere Kämpfe folgen — durch eben diese Kämpfe hin zieht sich der bereits errungene, ent- scheidende Sieg. (Braune.) Aus Kap.2,19: «sie sind von uns ausgegangen, aber sie waren nicht von uns, denn wo sie von uns gewesen wären, so wären sie ja bei uns geblieben« geht hervor, daß ein ernstes Stadium des Kampfes bereits als abgeschlossen in der Vergangenheit lag; die Gemeinde als Ganzes hatte den Jrrlehrern widerstanden, und dieselben hatten sich genöthigt gesehen, auszutreten und als besondere Sekte sich zu constituiren. Nun aber hat der Apostel in V. 1 ff. ermahnt, auch sür’s Künftige die Geister zu prüfen; und in Beziehung darauf sagt er nun, wer Gott in sich wohnen hat und der Welt nicht mehr innerlich angehört, ist dem Geiste des Widerchriften- thums von Haus aus überlegen. (Ebrard.) Sie können getrost in die Zukunft blicken, weil sie das Ergebnis; derselben schon in ihrem christlichen Bewußt- sein tragen: was in dem Verhältniß des sie belebenden Geistes zu dem Geiste, der ihre Widersacher beseelt, von selbst begründet ist, wird in dem Lauf der Geschichte nur zur Erscheinung kommen. Daraus, daß sie jene schon so gut wie überwunden haben, folgt aber keines- wegs, daß es ihnen gelingen wird, ihre Widerfacher so zu widerlegen, daß sie selbst überzeugt werden und vom Jrrthum abtreten; denn dies ist etwas, was sich nicht von außen her erzwingen läßt, was durch die freie Empfänglichkeit für, die freie Hingabe an den Geist, der sie in der Verkündigung der Wahrheit be- seelt, bedingt ist. Daher werden sie nicht dadurch sich irre machen lassen, wenn für den Augenblick der Jrr- wahn in der Welt mehr um sich greift; der Apostel erklärt in den folgenden Versen, woher das komme und daher als etwas Natürliches sich herausstelle. (Neander.) Erster Uutertheil: Prüfung der Geister und Liebe unter einander. 817 T) Daß die Welt nur eine solche Auffassung des Evangeliums versteht, bei der es in ihren eigenen falschen Gesichtskreis herabgezogen wird, das ist er- klärlich genug; aber daß sie den Widerspruch nicht inne wird, in den jede solche Behandlung des Evangeliums es mit sich selbst seht, das ist nicht zu rechtfertigen. Daß sie sich einredet, ein solcher Sinn sei wirklich der Sinn Christi selbst, das ist eine Täuschung, bei der es nicht ganz bona fide zugehen känn und für die dann die Welt verantwortlich ist; und daß sie vollends an einer solchen Lehre Wohlgefallen findet, das ist das Betrübendste Sie sollte an sich selbst einen Ueberdruß haben und fühlen, wie sie eines Wortes bedarf, das nicht von ihr ist, um von sich selbst los zu kommen; statt dessen hat sie Freude an sich selbst. Das ist auf’s Mindeste das Zeichen eines gar zu kleinlichen Sinnes, sein eigenes Echo zu vernehmen: jeder edlere Sinn sieht über sich selbst hinaus, sucht ein Höheres, indem er sich vor ihm beugt. (Rothe.)· ff) Der Apostel fchreibt: »wir sind von Gott«, unbekümmert darum, ob die falschen Propheten sammt ihrem Anhang ihm deshalb geistlichen Hochmuth vor- werfen werden, weil er für sich allein das wahre Christenthum in Anspruch nehme; es giebt einen Gegensatz, in welchem der Christ nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht hat, es mit aller Entschieden- heit auszusprechen: »wir sind aus Gott, und ihr seid nicht aus Gott«. Es bezeichnet aber das »wir« an dieser Stelle nicht, wie das ,,ihr« in V. 4 die Gemeindeglieder insgesammh sondern den Apostel und die ihm gleich gesinnten Lehrer. (Ebrard.) Nach dem Zusammenhang will ja Johannes den Gläubigen überhaupt nicht sowohl das Lehren zueignem als vielmehr das Hören auf die wahren Lehrer und das Prüfen und Verwerfen der falschen Lehrer zu Gemüthe führen; darum stellt er im Gegensatz zu den anti- christlichen Pseudopropheten sich selbst und die gleich ihm Jesum Christum bekennenden Le rer als solche dar, welche nicht aus der Welt, son ern aus Gott sind, darum auch nicht aus der Welt, sondern aus Gott reden, und nun, wie die Widerchristen von der Welt, so von denen gehört werden, welche Gott er- kennen oder aus Gott sind. (Düsterdieck.) Das »Gott erkennen« kann hier bezeichnen jene allgemeine vor- bereitende Verbindung der Menschen mit Gott bei denen, die den Zug des Vaters vernehmen, der sie zum Sohne hinführt, daher sie für die Verkündigung der reinen göttlichen Wahrheit sich empfänglich zeigen; es können aber dadurch auch bezeichnet werden die1enigen, welche schon in dem christlichen Glauben stehen, der empfangenen christlichen Erkenntniß treu bleiben und daher die ächten Verkündiger der Wahrheit, durch die sie in der christlichen Erkenntnis; weiter gefördertwerdem wohl zu erkennen und von Andern zu unterscheiden wissen. Aus dem verschiedenen Verhalten zu den Ver- kündigern der Wahrheit und zu den Jrrlehrern geht unter den Christen selbst eine Sichtung zwischen den wirklich aus Gott Geborenen, die vom Geiste aus den Gegensatz gegen die Welt bilden, und denen, die der Welt noch angehören, obgleich sie der christlichen Ge- meinde anzugehören scheinen, hervor: so erweist sich in diesem Sichtungsprozeß der im Innern wesentlich begründete Gegensatz zwischen dem Geiste der Wahr- heit und dem Geiste des Jrrthums, dem Geiste Gottes und dem ungöttlichen Geiste. (Neander.) Gewiß ist der Geist des Jrrthums in dem, auf den die Welt, und der Geist der Wahrheit in dem, auf den Gottes Kinder hören. (Braune.) Dieses Kennzeichen zur Unterscheidung des Geistes der Wahrheit und des Irr- thums dürfen wir aber nicht ohne Weiteres auf unsre, Dcichserss Bedenken. vn. Band. der jetzigen Diener des göttlichen Worts, Verkündigung desselben übertragen, um nach dem Beifall oder Nicht- beifall, den diese findet, unter unsern Zuhörern die Entscheidung zu treffen, ob sie aus Gott sind oder nicht; wir haben vielmehr, wenn unsre Verkündigung keinen Beifall, sondern Widerstreben auch bei solchen findet, denen wir Empfänglichkeit für Gottes Wort zutrauen dürfen, uns ernstlich zu prüfen, ob nicht die Einmischun des alten Menschen unsre Verkündigung verderbe. «- ohl aber gilt jenes Kennzeichen zu allen Zeiten von der ursprünglichen, apostolischen Verkün- digung des gbttlichen Worts: wer die Schriften der Apostel nicht hört, der ist gewiß nicht von Gott; wo in einem menschlichen Gemüth der Sinn für die heil. Schrift fehlt und für die ganz eigenthümliche Gnade und Wahrheit, welche ihr an der Stirne geschrieben steht, bei dem haben wir in der That alle Ursache den völligen Mangel göttlichen Sinnes anzunehmen. (Rothe.) 7. Ihr Lieben lV· 1J, lasset uns kdie wir dürfen mit einander das Bewußtsein theilen, von Gott zu sein V- 4 u. 51 unter einander lieb haben; denn die Liebe ist von Gott sentstammt seinem Wesen, hat in ihm gleichsam ihren Hei- mathsort, ihren ursprünglichen Wohnsitz], und wer lieb bat, der ist von Gott geboren sals der den Samen aus ihm Kap. Z, 9 in sich trägt] und kennet Gott sals der den Brennpunkt seines gött- lichen Wesens erfaßt und damit den richtigen Standpunkt für alle weitere Gotteserkenntniß ein- genommen hat]. 8. Wer nicht lieb hat, der kennet Gott nicht sist noch gar nicht bis zum Anfang seiner Er- kenntniß gelangt, geschweige daß er in ihr als in seinem Lebenselemente schon stehe, wie er vielleicht dessen sich rühmt]; denn Gott ist die Liebe* [genauer: Gott ist Liebe, vgl. Kap. l, 5., d. i. Liebe ist die allumfassende Fülle dessen, was er ist, oder sein eigenstes Wesen V. 16]. 9. Daran ist erschienen soffenbar worden oder aus ihrer Verborgenheit hervorgetreten] die Liebe Gottes gegen uns sdie Liebe, die er zu uns hat V. 16], daß Gott seinen einge- bornen Sohn gesandt hat in die Welt, daß Wir durch ihn leben sdes ewigen, seligen Lebens theilhaftig werden] sollen [Joh. Z, 16]. 10. Darinnen stehet die Liebe sgiebt sie ihr eigenthümliches Wesen als ein freies, zuvorkom- mendes, durch kein Verdienst von der andern Seite bedingtes sich Hingeben und sich Mittheilen kund], nicht, daß wir Gott geliebet [und ihm etwas, das er uns hätte wieder vergelten müssen, zuvor ge- geben Röm« U, 351 haben, sondern daß er uns serst V. 191 geliebet hat und gesandt seinen Sohn [als Heiland V. 14., der sich für uns in den Tod dahingäbe Kern. Z, 16] zur Versöhnung für unsre Sünden [Kap. 2, 2]. 11. Ihr Lieben, bat uns Gott also sin der eben beschriebenen Weise, daß er sein Höchstes gab, es gab zu unserm Heil und es gab ohn all 52 818 1. Johannis 4, 12———15. unser Verdienst und Würdigkeit] geliebet, so sollen wir uns auch unter einander lieben« fund zwar uns lieben im wahren Sinne des Worts, so daß diese unsre Liebe unter einander ebenfalls das eigenthümliche Wesen der Liebe an den Tag legt Kap. Z, 16 ff.]. «) Die Gemeinde zu Ephesus hatte nach dem, was ihrem Engel in Offenb. Z, 2 ff. gesagt wird, die Auf- forderung: ,,prüfet die Geister, ob sie von Gott sind« wohl schon befolgt (v l. die Bem. zu V. 4); aber sie stand in Gefahr, im ekenntnißkampfe gegen die fal- schen Propheten die Jnnigkeit und den thätigen Eifer ihrer ersten bräutlichenLiebe einzubüßem Dieser Ge- fahr nun sieht fder heil. Johannes scharf in’s Auge, begegnet ihr mit dem eindringlichen Zurufe: ,, hr Lieben, lasset uns unter einander lieb haben!« als wollte er sagen: ,,jene habt ihr überwunden, haltet nun euern Sieg fest, verlasset eure erste Liebe nicht!« und schließt dabei sichi selbst mit ein, als wollte er mit ihnen um die Wette lieben, ja, indem er zur Liebe sie ermahnt, ist er eben im Lieben begriffen. Und siehe, wie er im Preis der Liebe aufwärts steigt: die Liebe, womit wir lieben, sagt er, ist von Gott, ein Bach aus dem Urquell, ein Funken von dem Feuer; denn Gott ist Liebe, sein Wesen ist lauter Liebe. (Besser.) Wenn man lange sagt, die Liebe sei eine edle, hohe Qualität in der Seele und die allerköst- lichste und vollkommenste Tugend, wie die Philosophen davon reden, das ist alles noch nichts gegen dies, das Johannes mit vollem Munde herausschüttet und spricht: »Gott ist selbst die Liebe«, fein Wesen ist eitel lauter Liebe, daß, wenn Gott jemand wollte malen und treffen, so müßte er ein solch Bilde treffen, das eitel Liebe wäre, als sei die göttliche Natur nichts als ein Feuerofen und Brunst solcher Liebe, die Himmel und Erde füllt; und wiederum, wenn man könnte die Liebe malen und bilden, müßte man ein solch Bilde machen, das nicht werklich noch menschlich, ja nicht engelisch noch himmlisch, sondern Gott selbst wäre. Siehe, also kann es der Apostel hin malen, daß er aus Gott und Liebe Ein Ding macht, auf daß er uns durch solch edel, köstlich und lieblich Bild desto mehr an sich locke und ziehe, darnach zu trachten, daß wir auch unter einander Liebe haben. (Luther.) Wenn Gott hier be- zeichnet wird als die Liebe, so läßt uns dies ihn er- kennen als denjenigen, von dessen Wesen es unzer- trennlich ist, sich selbst zu offenbaren und mitzutheilem die Seligkeit, die er selbst befitzt, außer sich zu ver- breiten. Jnsofern er nun selbst der Inbegriff aller Vollkommenheit, das höchste Gut ist, wird er selbst zuerst der Gegen tand seiner Liebe sein; dadurch er- zeugt er das vo tommenste Ebenbild seiner selbst, den eingebornen Sohn, und dieser ist der unbedin te Gegenstand seiner Liebe (Joh. 17, 24). Die Liebe e- wegt ihn dann aber auch, zu seiner Selbstoffenbarung die ganze Schöpfung hervorzubringen, in welcher ein jedes Wesen eine besondere Offenbarung Gottes als der Liebe ist, indem es das ihm zukommende Maß des Wohlseitis enießt; und daher schuf er die vernunftbegabten Weisen als das Ziel der ganzen übrigen Schöpfung, für die er sich in derselben offenbaren wollte, die selbst in ihrem Wesen darauf angelegt waren, seine Offenbarung, die von außen her ihnen entgegentrat, in sich aufzunehmen, seiner Selbst- mittheilung theilhaft zu werden, mit ihm in Gemein- schaft zu treten, sein Bild in sich aufzunehmen und handelnd darzustellein Und als die Menschen von dieser ihrer höchsten Bestimmung sich entfremdet hatten, bewog ihn die Liebe, den höchsten Gegenstand seiner Liebe, den eingebornen Sohn selbst in der Menschheit erscheinen zu lassen und ihn ganz der Menschheit u schenken. Dieser ist nun auch als das vollkommenste Bild dessen, in dem sich Gott von Ewi keit her abge- bildet hat, der unbedingte Gegenstand einer Liebe in der Menschheit; von ihm aus verbreitet sich dann die Liebe Gottes auf alle diejenigen, die mit ihm in Ge- meinschaft treten, fein Bild darzustellem und die dem über die Zeit hinausschauenden Blick des Vaters schon als die Träger seines Bildes, als vollkommen Eins mit ihm erscheinen. (Neander.) Nachdem der Apostel in V. 7 gesagt hat, daß, weil die Liebe aus Gott ist, Liebe bei denen sein muß, welche durch ihre Geburt aus Gott göttlichen Wesens theilhaftig geworden sind, weist er in V. 8 die Leser auch auf die Kehrfeite dieses Satzes ausdrücklich hin, was nicht blos in des Jo- hannes Eigenthümlichkeit seinen Grund hat, wonach er gern Satz und Gegensatz neben einander stellt, sondern auch in seiner seelsorgerlichen Liebe: das 1nenschliche Herz meint leicht, einen Satz, wie er in V. 7 ausgesprochen wurde, anzuerkennen, und muß doch erst den vollen Ernst der Sache aus dem noth- wendigen Gegensatze mit feiner richterlichen Strenge erfahren. (Düsterdieck.) Und wenn er nun, wie er in V. 7 behauptete: »wer lieb hat, der kennet Gott«, so in V. 8 sagt: »wer nicht lieb hat, der hat Gott nicht erkannt«, so haben wir auch hier wieder denselben Grundsatz, der in Kap· S, 2 recht klar hervortrat, daß alles Erkennen eine geistige Aehnlichkeit mit dem Er- kannten voraussetzh alle Erkenntniß des Göttlicheii also auf einem Haben des Göttlichen beruht. Es ist ja sehr wohl möglich, daß jemand alle Lehre der Schrift von Gott begreift und in sich ausnimmt, ohne Liebe zu haben; es würde das den Ausspruch des Apostels aber nicht widerlegen. Denn wer alle Pflan en nach elehrtem Namen, Klasse und Ordnung weis, ihrer eine aber je gesehen hätte, der kennt die Pflanzen noch lange nicht: gleicherweise hat, wer ohne Liebe Gott u erkennen vorgiebt, keine Anschauung, d. h. keine Er- sahrung von ihm; weil seine Begriffe nur Stücke sind, aus denen er sich- eine lebendige Einheit zusammen- setzen will, so ist sogar sein Begriff ein falscher, denn Gott ist keine aus Merkmalen zusammengesetzte Größe. (Haupt.) · · · Es) Daß Gott Liebe ist, dürfen wir getrost be- haupten, so fährt Johannes in diesen drei Versen fort; wir wissen es, denn Gott ist uns erschienen: unter uns, in unserm Kreise hat eine Offenbarung der Liebe Gottes stattgefunden, nämlich dadurch, daß Gott seinen eingebornen Sohn gesandt hat in die Welt. Die die Natur der göttlichen Liebe besonders herausstellenden Momente, welche der Apostel dabei heraushebt, liegen einmal in der Sendung des ein- geborenen Sohnes, welche die Größe des Geschenkes Gottes an die Welt bezeichnet (es ist so gut, wie wenn Gott sich selbst der Welt gefchenkt); sodann darin, daß wir durch ihn leben sollen, also in der Freund- lichkeit der Abficht Gottes bei diesem Geschenk an uns. Weiter hebt aber Johannes an dieser Sendung des eingebornen Sohnes dies hervor, daß Gottes Liebe hier als eine schlechthin heilige erscheint, die nichts von selbstsiichtigem Antrieb in sich hat, als eine uns durchaus zuvorkommendex erst so, wenn sie keine em- pfangene Wohlthat, sondern eher das Gegentheil vorausse t, ist sie wahr und rein, weshalb auch bei uns die eindesliebe die eigentliche Probe der wahren Liebe ist. Das ,,uns« und »wir« bezeichnet in diesem ganzen Zusammenhange also den Kreis, in welchem solche Offenbarung der göttlichen Liebe stattgefunden Zweiter Untertheil: der Segen, den die Bruderliebe mit sich führt. 819 hat, die christliche Welt, die eben damit der nicht- christlichen als einer, die natürlicherweise von der Liebe Gottes nichts wisse, scharf gegenüber geftellt wird; Gottes Liebe offenbart sich zwar auch in dem natür- lichen Lauf unsers Lebens, doch wird diese Offen- barung von Johannes als eine gegen die Offenbarung der Liebe Gottes in Christo nicht in Betracht kom- mende zurückgestellh (Rothe.) Zwar bezieht sich nach Joh. 3,16 auch diese Liebe Gottes in Christo auf die ganze Welt, allen Menschen ohne Ausnahme hat er durch die Sendung seines Sohnes die Möglich eit gegeben, nicht verloren zu gehen, sondern das ewi e Leben zu erlangen; aber Gottes Liebesrathfchluß vo - zieht sich doch nur an denen, die gläubig werden, die Ungläubigen bleiben unter dem Zorne Gottes, und so bestimmt sich die Liebe Gottes zur Welt näher als eine Liebe zu den Gläubigem die seine Kinder sind. (Huther.) Das ,,ihr Lieben« welches die Ermahnung des Apostels als Schlußfolgerung aus dem vorhin Gesagten einleitet, nimmt das ,,ihr Lieben«, welches der Ermahnung in V. 7 vorausgeht, wieder auf; das dazwischen Stehende war nur ein Unterbau, womit der Apostel feine Mahnung begründen und ihr eine gute Aufnahme in wirksamer Weise sichern will. Da er nun diesen ausgeführt hat, legt er jene den Lesern auf’s Neue durch die liebevolle Hinwendung an das Herz des Einzelnen nahe. (Haupt.) Dabei ist jedoch die Ermahnung dem Sinne nach gegen vorhin mehr spezialisirtx auch unter einander lieben wir uns nur dann wahrhaft, wenn es nach Maßgabe der von Gott uns bewiesenen Liebe geschiehet. (v. Gerlach.) II· V.12-—2l. Im zweiten Theil des vorigen Ab— schnittes W. 7—11) war der Apostel von der Auffor- derung: ,,lasset uns unter einander lieb haben« durch seine weiteren Jtuseinandcrsehungen zu dem Gen-cis, daß das, wozu er damit ciussordert, eine heilige Christen— Pflicht sei, fortgeschritten, so daß er mit den Worten , schließen konnte: »so sollen wir uns auch unter ein- ander lieb haben«; da geht er nun zur diachweisuug des Segen-i über, den die sruderliebe mit sich führt, und zeigt den von den sogenannten Gnostiltern be- droheten Ersten, welche wollten sie Gott in tieferer Weise trennen lehren und mit ihm in vollere Gemeinschaft bringen, als bei dem ordiniircn mrisllichen Glauben dies zu erreichen sei, durch Einweihung in hohe Dinge, daß das doch nur lauter Dinge wären, deren diese vorgelo- licheu Weisheltsinhaber nie tieines gesehen wol. L, 18), während in der apostolischen Verkündigung von dem Heiland der Welt, den der dlater gesendet, sie von solchen gelehret würden, die allerdings mit ihren Augen gesehen haben, was sie bezeugen, und macht ihnen be- nierkliclx wie das mit dein Erkenntnis; Iesu als des Sohnes Gottes aufs Gngstc zusammenhüngende sich unter einander Lieben die volle, durch den Besitz des heiligen Geistes dem Selbstbewußtsein auch unmittelbar nahe ge- brachte Gemeinschaft mit dem unsichtbaren Gott ihnen bereits vermittelt habe —- übee das hinaus also, was sie schon haben, wer sollte ihnen etwas höheres zu ver· schaffen im Stande sein? W. 12—16.) Kber noch um einen anderen Segen handelt es sich, wenn das durch Christum liegründele lsiebesverhällniß zwischen Gott und den Gläubigen sich in voller Verwirklichung ausgesialtcn kann: es liomnit dann dazu, daß wir ebenso, wie unser tjclirr und Heiland, in der Welt sind, in bleibender ttebensgemcinschaft mit Gott verbunden; und da haben wir denn zum Gewinn davon die Freudigkeit für den Tag des Gerichts, alle Furcht verschwindet aus dem Herzen, wo die Liebe ihren Ginzug hält und ihre völlig— lteit erreicht, und das ist, da die Furcht ja Pein hat, ein gar seliger Herzens-stand, zu dem es freilich so Manche nicht bringen, weil sie es zur Völliglzeit der Diebe nicht bei sich kommen lassen W. 16b—18). Der Apostel nimmt da Gelegenheit, die tiefer sammt ihm selber zur Liebe Gottes, der uns erst geliebet hat, zu erwuntern und es ihnen recht nahe zu legen, daß sie doch zur ersten Eiche, die sie verlassen haben (Gssenb. L, 4 s.), möchten zurüitiltehren und wieder die ersten Werlie thun, und liommt so auf eine Sache zurüttu die er schon tm vierten dlntertheil des vorigen hauottheils bei seinen Ermahnungen und tlnterweisiingen im Sinne hatte, daher die Stelle hier mit der Stelle dort gar nahe ver- wandt isl (v. 19——2l, vgl. Kuh. Z, 14 .. ff) 12, Niemand hat Gott jemals gesehen sund ist also in äußerlichen sinnlicher Weise weder sein Wesen zu erkennen, noch eine -Gemeinschaft mit ihm zu erlangen Joh. l, 18; 1. Tim. S, 16]. So wir [aber das thun, wozu ich vorhin V. 7 ff. ermahnte, nämlichs uns unter einander lieben, so bleibet Gott in uns, und seine Liebe ist völlig in Uns sso daß wir nach dem in Kap. 2, 5 Gesagten auch in ihm bleiben; es wird somit durch die Bruderliebe, gleichwie die rechte Erkenntniß Got- tes V. 7., so auch eine volle, gegenseitige Gemein- schaft mit ihm erreicht]. 13. sUnd solche Gemeinschaft ist ja vermöge dessen, daß wir mit unsrer» Bekehrung zu Christo auch alsbald angefangen haben, die Brüder zu lieben Kap. Z, 14., in der That bei uns schon vorhanden, wie wir dafür ein bestimmtes Un- terpfand in uns tragen und es also uns nicht blos in schwiirmerischey phantastischer Weise ein- bilden] Daran erkennen wir [nämlich, wie be- reits in Kap. Z, 24 gesagt], daß wir in ihm bleiben und er in uns, daß er uns von seinem Geist [soviel] gegeben hat* fals er einem jeden zutheilen wollte nach seinem freien Ermessen 1. Cor. 7, 7; 12,11;Röm. 12, S; denn wo Gottes eigener Geist, da ist ohne Zweifel auch er selbst und somit ein festes Einigungsband mit ihm geknüpft) » « 14. Und wir sApostel des HErrn, die wir euch Gemeinden in den Stand gebracht haben, in welchem ihr euch befindet und in welchem ich mit meinen Ermahnungen und Unterweisungen euch gern befestigen und stärken möchte] haben sallerdings etwas von Gott, wenn auch nicht ihn selber, gesehen; wir haben nämlichs gesehen und Zeugen [auf Grund dessen, was wir mit unsern eigenen Sinnen wahrgenommen Kap. 1, l ff.], daß der Vater den Sohn gesandt bat zum Heiland der Welt sdenn wir haben in dem Jefu von Nazareth, den wir euch als Seligmacher predigen, eine Herrlichkeit gesehen als des eingebornen Sohnes vom Vater, voller Gnade und WahrheitJoh. 1,14]. 15. Welcher nun sunter euch, die ihr freilich das mit eigenen Augen nicht gesehen habt, son- dern an unser Zeugniß gewiesen seid, in gläubiger Annahme desselben Joh. 17, 20] bekennen daß 528 820 Jesus Gottes Sohn Ist, in dem bleibet Gott, und er in Gott sso daß ein solcher wirklich den Vater hat Kap. 2, 23]. 16. Und wir [beiderseits, ihr gläubigen Be- kenner eurerseits und wir zeugenden Apostel unfrerseits, die wir mit einander zu einer heiligen, von der Welt abgesonderten Gemeinde zusammen- geschlossen sind szKap. I, Z] haben» sohne uns wesentlich von einander zu untersche1den] erkannt und geglanbet die Liebe, die Gott zu uns hat«· [V. 9 f.; nur das etwa bildet den Unterschied, daß das Erkennen unsre, der Apostel, Sache ge- wesen, das Glauben dann eure, der Bekenner, Sache Joh. 17, 20., doch hebt sich dieser Unter- schied wieder dadurch auf, daß wir ebenfalls erst auf dem Wege des Glaubens zum Erkennen ge- langen konnten Joh. 6, 69 und ebenso euer Glauben gleichfalls zum Erkennen sührt]. It) Gott haben wir nicht gesehen, noch können wir ihn leiblich sehen; aber statt solchen Sehens iebt die Liebe der Brüder uns eine Versicherung, da er bei uns sei und wohne, welche Versicherung nicht gerin er ist, als ob wir ihn mit Augen sähen. Denn die wa re Liebe ist von Natur nicht in uns, sondern muß eine Wirkung Gottes sein; darum sehen wir 'ihn in uns in seiner Wirkung, wie sein unsichtbares Wesen ersehen wird an der Schöpfung. (Spener.) Wenn der Apostel sagt: niemand hat Gott je gesehen, nicht in sinnlicher, äußerlicher Weise also ist Gott zu erkennen und die Gemeinschaft mit ihm zu erreichen, sondern nur, wenn wir einander lieben, stehen wir in seiner Gemeinschaft, so liegt darin insofern ein Gericht über die in V.1 ff. gemeinten Jrrlehrer, als Johannes ja die Herrlichkeit des christlichen Liebeswesens schildert, wie sie nur durch den von jenen geleugneten Jesum Christum, den fleischgewordenen Sohn Gottes, gegeben wird; Liebe zu Gott und zu den Brüdern hat nach ihm nur der, welcher im Glauben an Christum die Liebe Gottes erfahren hat. Wenn darnach in V. 13 der Apostel für die Realität unsrer Gemeinschast mit Gott, welche ganz so wie in Kap. Z, 24 beschrieben ist, auch hier das Merkmal, daß wir den Geist Gottes haben, an- giebt, so liegt in den Worten: ,,uns von seinem Geist gegeben hat« natürlich nicht die rohe Vorstellung von einer Theilbarkeit oder Trennbarkeit des göttlichen Geistes, wie eines sinnlichen Stoffes, sondern die ethische Anschauung von dem, durch dies und das bedingten, mehr oder weniger vollen Besitz des einen, sich selbst gleichen Geistes Gottes. unbedingt, ohne Maß und ohne Trübung hat nur Einer den Geist, Christus (Joh· Z, Z4); die, welche Brüder Christi im Glauben geworden sind, haben nur Antheil am Geiste, gleichwie auch nach Kap. Z, 2 in ihnen das göttliche Leben und die Gemeinschast mit Gott noch nicht wirk- lich vollendet ist. (Düsterdieck.) VI) Jn V. 15 wird das in V. 2 s. aufgestellte Be- kenntniß nur in zusammengezo euer, gekürzter Form wieder ·eltend gemacht; indessen auch in dieser ge- kürzten orm tritt der Gegensatz, gegen die gnostische Jrrlehre immer noch in voller Schärfe hervor. Wichtig ist diese kürzere Formulirung gerade für unsere Zeit; wir haben an ihr eine selbsteigene Auslassung des Apostels, wie wir bei jener ausführlicheren und damit spezialisirten Fassung nicht stehen bleiben dürfen, son- dern ihr einen weiteren Spielraum einräumen müssen. (Ebrard.) Der heiligen Apostel Zeugniß, dessen St. 1. Johannis 4, 16——21. Johannes in V. 14 gedacht, hat allerdings seine eigene Würde: sie haben gesehen und zeugen. Doch tritt Johannes im 16.Verse wieder in Eine Reihe mit allen Gläubigen und schreibt ihnen die nämliche selige Glaubenserfahrung zu. (Besser.) tEpistek am l. Sonntage nach Trinitatis.) Diese Sonntags-Miste! weist hin auf die Liebe als das wesentkiche Merkmal und die köstliche Frucht der Wiedergeburt durch den heil. Geist, von der das Evangelium am Trinitatissonntage geredet hat, und zeigt, wie sie sich kund giebt in dem von aller Furcht freien Gefühl seliger Gemeinschaft mit Gott, im kind- lichen Gehorsam gegen seine Gebote und in thätiger Liebe zu den Brüdern. (Alt.) »O welch eine Tiefe des Reichthums, beide, der Weisheit und der Erkenntnis; Gottes! wie gar unbegreiflich sind seine Gerichte und unersorschlich seine Wege!« so standen wir vor acht Tagen am Schlusse der festlichen Zeit des Kirchenjahres anbetend vor der unaussorschlichen Herrlichkeit der gbttlichen Heilsthaten und blickten da in eine, wenn auch nicht dunkle, aber doch unergründliche Tiefe. ,,Gott ist die Lieben· mit diesem Wort reicht uns die heutige Epistel den Schlüssel dar für die Räthsel der göttlichen Weisheit. (Langbein.) Den Zusammenhang dieser Epistel mit dem Sonntagsevangelium hat man wohl dahin angegeben, daß an Lazarus die Seligkeit der voll erwiderten, an dem Reichen die Strafe der verschmäheteu Liebe Gottes sich kundgebe. (Sommer.) Gott ist die Liebe: diese Wahrheit I) beseligt, 2) heiligt· (Couard.) Von der Liebe: wir sollen l)—die—Heiligkeit und Seligkeit der Liebe erkennen, L) den Dank und Dienst der Liebe üben. (Petri.) Die wahre Liebe, wie sie 1) von Gott ausgeht, L) in das Menschenherz hereingeht, Z) durch die Welt hindurchgeht, 4) in der Freudig- keit auf den Tag des Gerichts ihre Vollendung erreicht. (Thomasius.) Des Johannes Wort von der Liebe, ein Wort 1) der Lehre, in welchem er uns die Liebe kennen lehrt, 2) der Ermahnung, in welchem er uns die Liebe zu üben treibt. (Spitta.) Warum wir uns unter einander lieb haben sollen? Weil solche Liebe 1) mit Gott vereinigt, 2) Freudigkeit am Tage des Gerichts giebt, Z) unsre Liebe zu Gott an den Tag legt· Lasset uns Gott lieben! Dieser Liebe 1) Grund, L) Segen, Z) Merk- mal. (Fuchs.) Was du liebst, das bist du: l) die Wahrheit, Z) die Anwendung dieses Satzes (Schuur.) 161). Gott ist die Liebe [befser: Gott ist Liebe, so sage ich jetzt abermal, wie im vorigen Abfchnitt V. 8., nachdem, womit diese Aussage dort begründet wurde V. 9 f., ich soeben als unser eigenthümliches Christenbekenntniß und Christenbewußtsein V. 15f. dargestellt habe], und wer sunter uns nun] in der Liebe sdie Gottes Wesen ist, als auch in seinem Lebenselemente] ble1bet, der [so sage ich hier, die beiden Be- standtheile des von dem Bekenner der Gottes- sohnschaft Jesu in V. 15 Ausgesagten gegen ein- ander UmstellendJ bleibet Damit] m Gott und Gott ssemersetts bleibet] m thun« 17. Daran [an diesem unserm Bleiben in Gott und diesem Bleiben Gottes in uns] ist die Liebe sdie Gott zu uns hat V. 16a] völlig bei uns skommt sie zu ihrer vollen Auswirkung Wir stehen in Gottes Gemeinschast und haben Freudigkeit am Tage des Gericht-s. 821 V. 12], auf daß wir [wie es seine gnädige Absicht mit uns ist] eine Freudigkeit haben am Tage des Gerichts fund diese schon jetzt, sooft wir solchen Tages gedenken, sich in unserm Herzen spüren lasse Kap. 2, 28]; denn gleich- wie er [der Träger völliger Liebe, unser HErr Jesus Christus, dem wir nacharten Kap. 3, 16] ist snämlich ganz mit Gott, seinem Pater, Eins ZhitäHbT1 ffJG xosßzndb auchvikilir inG dieser e enn o e ie e zu o iger emein- schast mit ihm sich bei uns auswirket, und das eben verleiht uns Freudigkeit auf den Tag des Gerichts Kap. 2, 29; Z, 3]. . 18. Furcht sdies gerade Gegentheil der Freudigkeit] ist nicht in der Liebe sist da nicht, wo ein gegenseitiges Liebesverhältniß zwischen Gott und uns besteht], sondern die völlige Liebe [wenn sie bei uns hergestellt ist] treibet die Furcht svor Gott, die etwa aus unserm vorigen Verhältniß der Entzweiung mit ihm zurückgebliebeii] aus siklm nubn uns wagrhast selig zu machen und von a em isher no vor an- denen Unseligkeitsstande zu« besreien]; dem! die Furcht hat Bei? fix? von soächer kvill ebeådif Liebe den, dem ie i zuwen et, os ma en. Wer sich aber [noch] fürchtet, der ist [noch] nicht völlig in der Liebe swie ers doch sein sollte und könnte, wenn er nur ernstlich wollte]. 19. Lasset Denn] uns ldie wir ja doch von aller Furcht und Pein frei und recht selig sein wollen] ihn lieben, denn er [Gott] hat Uns erst sals der Erste, als der, der un? mkit tssecxizeersiebe hat]zuvorkommen wollen] geiee [.10.16. 20. sAber sorgen wir cgun auchWdaß solchäs ,,ihn lieben« von uns ni t mit orten no m? der Zugge gfcgsclgehhht siäiderns mi1t8?]er Tåat un mit er arei ap. , . o jemand spricht swie es ja wirklich solche Maulchristen unter uns giebt s. Joh. 9 s.]:·Ich liebe Gott, und hasset Doch, wie er mit seinem gehässigen, zurückstoßendem die schuldige Hilf- leistung versagenden Verhalten beweist Kap. Z, 15. 171 seinen Bruder, der ist ein Lügner [Kap. 2, 4; 1, 6]. Denn wer seinen Bruder nicht liebet, den er siehet sund doch die Noth, die er bei demselben wahrnimmt, sich nicht zu Herzen gehen lFßtLtwg kannoettk Czott lkfehgiy den er nicht iehe [ .12;«5c1· -14 ·— 21. Und snicht blos diese wohlberechtigte Frage läßt sich seiner Selbstbehauptung entgegen- halten, sondern auch die Gegenbehauptung wider ihn geltend machen, daß er das Gebot dessen, den zu lieben er vorgiebt, schnöde übertritt, er also vielmehr ihn haßt, statt ihn zu lieben; denn] dies Gebot haben wir von ihm sunserm HErrn Jefu Christo Kap. l, b; L, 25; Z, 23], daß, wer Gott liebet, daß der auch seinen Bruder liebe-F swenn er von dem andern Gebot, dem der Nächftenliebe, sagt, es sei dem größten und vor- nehmsten, dem der Gottesliebe, gleich, also soli- darisch mit demselben verbunden Matth. 22, 39]. It) Mit dem Satzez »Gott ist die Liebe« sollte ein neuer Vers beginnen; denn mit ihm tritt im Ge- dankengange ein bestimmter Abschnitt ein. (Rothe.) Mit der ersten Hälfte des Verfes hängt aber der Satz so zusammen: indem wir Gottes Liebe gegen uns er- kennen, erkennen wir auch ihn selbst auf die Weise, wie er am anschaulichsten erkannt werden kann; denn sein Wesen ist Liebe. Wenn nun hieraus der Apostel das Bleiben in der Liebe als die Bedingung und das Merkmal davon bezeichnet, daß man in der Gemein- schaft mit Gott verharre, so versteht er hier ohne Zweifel, wie der Zusammenhang lehrt, zuerst die Liebe Gottes, wie sie sich geosfenbaret hat in Christo, dem Weltheiland, und den Gläubigen in ihren Herzen sich zu fühlen giebt, und wie sie dann von dem Lichte des Glaubens aus sie erkennen; sie werden sich bewußt dessen, was ihr Lebenselement ist. Es kann aber diese Liebe Gottes in ihre Herzen nicht überströmen und sie erfüllen, ohne daß die Liebe zu Gott und den Brüdern, die darin wurzelt, daraus hervorgehe. (Neander.) Jn der Liebe bleiben heißt, im Wesen der Liebe bleiben, und schließt beides in sich, sowohl daß wir in der Liebe Gottes zu uns, im Glauben an Gottes Liebe, als daß wir in der Gesinnung der Liebe zu Gott und den Brüdern bleiben. (Ebrard.) »Es) Der Satz: »auf daß wir eine Freudigkeit haben am Tage des Gerichts« giebt die Absicht an, welche Gott dabei hat, wenn er durch seine bleibende Gemein- schaft mit uns seine Liebe sich bei uns vollenden läßt; er will es hierdurch bei uns dahin bringen, daß wir volle Freudigkeithabeii sollen am» Tage des Gerichts, und zwar Freudigkeit darum, weil wir Ja, wenn die Liebe völlig bei uns geworden, schon hienieden ebenso beschaffen sind, wie Christus selbst, der uns einst richten soll, denn dessen eigenthümliche Beschassenheit ist eben die, daß ihm die Liebe Gottes auf absolute Weise innewohnt Gott ist also weit davon entfernt, in uns etwa die Furcht vor dem Tage seines Gerichts unter- halten zu wollen, und sie in uns pflegen heißt das Evangelium falsch verstehen; Gott will vielmehr das Liebesverhältniß zwischen ihm und uns bis zu dem Punkte fördern, wo wir auch in Ansehung des zu- künfti en Gerichts (gleichwie in Hmsicht auf alles, was er an? Erden über uns verhängt) volles Vertrauen zu ihm haben können. (Rothe.) Der Tag des Gerichts steht dem, welcher im Liebesverhältniß zu Gott sich befindet, allerdings stets gegenwärtig vor Augen,»es ist keine falsche Sicherheit, kein Leichtsinn» der ihn darüber hinwegsetzh aber alle Schrecknissz mit welchen jene letzte Entscheidung sich dem darstellt, der Gott als strengen Richter zu fürchten hat, der durch die Sünde von ihm sich entsremdet fühlt, sind nicht mehr vor- handen für den, der sich in dem hier bezeichneten Verhältniß zu Gott befindet. Mit freudigem Ver- trauen sieht er jenem Tage entgegen; denn er weiß, daß er das Gericht nicht zu fürchten hat, daß er dem- selben durch die Liebe Gottes, die sich ihm in Christo geoffenbaret, deren er in seinem Jnneren gewiß ist, enthoben worden (Joh. 5, 24). Zwar ist er sich der ihm noch anklebenden Sünde wohl bewußt, mit schärferem Blick, als irgend ein Anderer, der inseiner christlichen Lebensentwickelung noch nicht soweit ge- 822 I. Iohannis 5, 1——3. diehen ist, weiß er sie zu erkennen; aber auch die Sünde hat ihren Stachel für ihn verloren, ·er weiß, daß Gott sie ihm vergeben hat, und wie er sich durch die Liebe mit dem Gott, der die Liebe ist, verbunden fühlt und weiß, ist er auch gewiß, daß diese ihm noch anklebende Sünde ihn nicht mehr von Gott zu trennen vermag, und daß Gott durch den Geist, den er ihm verliehen hat, ihn immer mehr von der noch an- klebenden Sünde reinigen, dasnngefangene Werk bis zur Vollendung ausführen wird. (Neander.) An sich selber ist die göttliche Liebe absolut vollkommen und ist völlig erschienen in der Sendung des ein- gebornen Sohnes zum Heiland der Welt; aber bei uns, in unsrer Erfahrung, wird sie vollkommen: der anfangende Glaube giebt uns Tröpflein zu schmecken aus ihrer Fülle, und je mehr wir uns erleuchten lassen durch das Evangelium und in Jesum Christum« uns einglauben, desto reichlicher erfahren wir die Liebe Gottes, bis der vollendete Glaube, welcher in dem Bekenntniß sich ausspricht (vgl. Röm. 8», 29 f.): «gl»eich- wie unser HErr Jesus Christus, -so sind auch wir in dieser Welt«, die Erfahrung der Liebe in uns vollendet und Gott feine Liebesabsicht mit uns erreicht hat. O wieviel Arbeit kostet es den Geist Gottes, ehe er es dahin mit uns bringt! Da hat die Liebe viel Thor- heit und Herzensträgheit, viel Unart und Blödigkeit an uns zu überwinden und muß uns tausendmal von Neuem anfassen, strafen, trösten, bis wir ein rückhalt- loses, ganz kindliches Vertrauen zu ihr» fassen und unser Herz als ein bräuchliches Gefäß ihr gänzlich einräumen. (Besser.) IN) Die Liebe ist das Gefühl des inneren Zu- sammenhanges, die gänzliche Hingabe, das Aufschließen meiner Person gegen den Andern, die Furcht ist das Gefühl mangelnden Einklanges, daher das Fliehen, Verschließen meines Jchs vor dem Andern; die Liebe kommt aus dem Gefühl, daß Gott für uns, die Furcht aus dem, daß er wider uns sei. Es erhellt also, daß beide Begriffe einander ausfchließem wie der Apostel sagt: ,,Furcht ist nicht in der Liebe«; 1a so- wenig stimmen beide zusammen, daß im Gegentheil die Liebe, wo sie ist, die Kraft und Tendenz hat, die Furcht zu vertreiben: ,,sondern die Liebe treibet die Furcht aus«, was sie aber allerdings nur kann, wenn sie eine ,,völlige« ist, d. h. das ganze Leben und Wesen des Menschen durchdringt und erfüllt. Daß die Liebe die Furcht austreiben muß, begründet der Apostel damit, daß die Furcht »Pein« hat; wenn er dann hinzufügt: »wer sich aber fürchtet, der ist nicht völlig in der Liebe«, so erinnern wir uns dessen, worauf er es nach Kap. 1, 4 mit seinem Schreiben bei den Lesern abgesehen hat, darauf nämlich, daß ihre Freude völlig sei, und ist nun solche völlige Freude nach dem, was er hier entwickelt hat, nichts Anderes, als das selbst dem Ernst des Gerichts gegenüber sich bewährende Gefühl völligen Einklangs mit Gott, so erklärt sich, wie er von hier aus zur Ermahnung im 19. Verse fortschreitet. (Haupt.) Es kann freilich sein, daß wo die Liebesgemeinschaft mit Gott schon begonnen hat, doch noch Schwankungen aus dem Knechtsverhältnisse stattfinden, die Furcht sich wieder trübend einmischt; der Apostel aber bezeichnet einen Höhepunkt des christlichen Lebens, wo die Liebe so das Ueberwiegende geworden, daß die Furcht da- durch ganz verbannt ist, ohne 1edoch nicht jene heilige Scheu verbannen zu wollen, welche den in dem Be- wußtsein der ihm noch anklebenden Sünde lebenden Menschen stets über sich selbst zu wachen und alles zu meiden antreibt, was die Gemeinfchaft mit Gott in ihm trüben kann. Die Macht der Liebe selbst, in der sein Leben wurzelt, wird alles dies von ihm fern halten, und es wird auf diesem Höhepunkt des christ- lichen Lebens, wo die- Liebe alles vermag, keine Pein mehr dabei fein. (Neander.) Gieb mir die Furcht, die da bleibt und die Liebe nicht vertreibt und von der Liebe nicht vertrieben wird; aber nimm mir mein Zagen, mein sündlich Zagen, daß ich deine Liebe fassen und lieben kann, wie ich soll, daß ich Freudigkeit habe am Tage des Gerichts und auf den Tag des Todes und Gerichts mich freuel (Löhe.) f) Leicht ist es, zu sagen, man liebt Gott, aber es kommt darauf an, daß diese Liebe in ihren unver- leugbaren Merkmalen im Leben sich zu erkennen gebe; diese von dem Vorhandensein der Liebe Gottes unter den Menschen zeugende Wirkung ist die Bruderliebe, an ihrem Vorhandensein muß es sich zeigen, ob die Liebe zu Gott vorhanden sei. Wenn also Johannes die Frage aufwirft: »wer seinen Bruder nicht liebet, den er siehet, wie kann er Gott lieben, den er nicht fiehet?« so will er damit geltend machen, das Sicht- bare zeuge hier von dem Mangel des Unsichtbaren; an sich selbst sei die Liebe zu Gott eine unsichtbare Thatsache, welche nur Dem offenbar, der in’s Ver- borgene siehet, wahrnehmbar für die Menschen werde sie erst an ihren Erscheinungen und Wirkungen, weil nun aber bei dem, der den Bruder nicht liebt, die Wirkungen der von ihm behaupteten Gottesliebe fehlen, so schließe man mit Recht, daß in der Wirk- lichkeit auch die Gottesliebe selber ihm fehle. Es hat aber der Gedanke des Apostels, der seiner Frage zu Grunde liegt, noch eine andere Seite. Der sinnliche Mensch nämlich, der am Sichtbaren haftet, wird leichter bewegt durch das Sichtbare, als durch das Unsicht- bare; und so gehört allerdings mehr dazu, daß die Kraft der Liebe zu dem unsichtbaren Gott sich erhebe, als daß sie durch den Eindruck, den der sichtbare Mensch in der einen oder andern Weise macht, in Bewegung gefetzt werde. (Neander.) Wir lassen die Forderung, Gott zu lieben, leicht gelten, indem wir sie so verstehen, daß sie uns keine eigentliche Liebe zu- muthet, und so ist sie uns nicht beschwerlich; wir find ja überhaupt geneigter, uns die entfernteren Pflichten aufzuerlegen, als die näheren, weil es mit ihrer Er- füllung noch nicht Ernst wird und wir sie blos in der Vorstellung behalten (worauf es auch beruht, daß viele mit leichtem Muth lieber Geld aufnehmen, statt mit Aufbietung aller Kräfte die augenblickliche Ver- bindlichkeit selber zu erfüllen oder mit Selbstverleug- nung in ihren Ausgaben sich zu beschränken) Als weiteren Grund, warum Gott zu lieben ein nichtiges Vorgehen sei, wenn man den Bruder nicht liebt, führt dann der Apostel den an, daß den Christen ausdrück- lich geboten ist, mit der Liebe zu Gott die Liebe zu den Brüdern zu verbinden. Für den Christen ist die Liebe zu Gott und die Liebe zu den Brüdern ein und dasselbe Gebot, das sich nur in zwei Seiten entfaltet; wer mithin die eine feiner beiden Seiten, die die Bruderliebe betreffende, nicht erfüllt, kann auch die andere, die die Liebe zu Gott betreffende, unmöglich erfüllen, denn beide sind in concreto unzertrennlich, nur in abstracto sind sie zu unterscheiden. Wie sehr es einer folchen Erinnerung bedarf, bestätigt die all- gemeine Erfahrung: die Einen stellen das Gebot der Gottesliebe in den Schatten, Andere das der Bruder- liebe; beides ist gleich unrichtig und unwürdig, es kommt aber in diesem Zusammenhang nur das letztere in Betracht. Welche Vorstellung von Gott nun setzt es voraus, wenn man meint, daß man sein Interesse von dem des Menschen so trennen könne, daß er müsse zufrieden fein, wenn er unsrer Liebe genieße, sowenig sie auch dem Nächsten zu Theil werde! Aber diese Dritter Untertheilx wie der Glaube an Christum die Liebe zu den Brüdern erzeugt. 823 blos im Verstand und auf den Lippen vorhandene Liebe zu Gott ist viel mehr eine Entheiligung seines Wesens, als eine Ehre für ihn und schuldiges Opfer: eben weil Gott die Liebe ist, so will er auch die Liebe nicht voraus haben vor den Menfchen, seinen Kindern, sondern will alle Liebe zu ihm getheilt sehen mit den Menschen. (Rothe.) Das 5. Kapitel. Iion dem rechten glauben, dessen Kraft, Frucht und Eigenschaft. III« V. 1—-12. Indem der Apostel davon ausgeht, daß der Glaube an Jesum als den Christ des hGrrn die Geburt aus Gott zu ihrer unmittelbaren Folge hat, entwioielt er als weitere Folge dieser Geburt aus Gott die Liebe zu denen, die der gleichen Geburt theilhaftig geworden nnd, d. i. die Liebe zu den Brüdern, zeigt nun aber auch, wie diese Liebe zu den Brüdern nur dann als eine ächte sich erweise, wenn in ihnen der gemeinschaftliche Vater, unabhängig von persönlicher Neigung oder Abneigung zu den einzelnen Individuen, geliebt werde, und das demjenigen nirht schwer fallen könne, der wirltltelj Gott liebt, welche Liebe zu Gott ja das Hallen aller seiner Gebote leicht mache (il1. 1—3). Indem ihn das auf den Ausspruch fährt, daß alles, was von Gott geboren ist, die Welt umwindet, preist er den Ghristenglauben als den Sieg, der die Welt über— wunden hat, und fordert frageweisc denjenigen zu gleichem tielcenntnih die Welt überwunden zu haben, heraus, der da meine, solches Ziel ohne den Glauben an Jesum, den Sohn Gottes, erreichen zu können W. 4—5). Was siir Gedanken dabei seine Seele bewegen, erhellt aus der weiter folgenden größeren Hälfte dieses Abschnitt-s, wo alles, was er schreibt, unverkennbar in nächster Beziehung zu den! jädisclien wollte, das Jesum, den Ghrist des ihGrrn und Sohn Gottes, trohdem er ihm auf dreifache Weise von Gott bezeugt war, dennoch verworfen und damit des ewigen Lebens sich verlustig gemacht hat w. 6—12). 1. Wer da glaubet, das; Jesus sei der Christ [Kap. 2, 22], der ist Ida Gott bei einem solchen es nun auch nicht versäumt, ihm den heil. Geist, diese Kraft der Wiedergeburt Joh. Z, 5 ff., zu schenken Apostg 2, 38] von Gott geboren sdaß er jetzt fein Kind ist Kap. 3, 2]- Und wer da lals ein solches Gotteskind, das er geworden] liebet den, der ihn geboren» hat [Gott, seinen himmlischen Vater, was ja bei einem wahrhaft Wiedergeborenen eben forvon selber sich einstellt, wie ein irdifches Kind von Natur schon den irdischen Vater liebt, ohne daß es ihm erst geboten zu werden braucht], der liebet auch den, der Ebenfalls] von ihm sdem Vater im Himmel] geboren ist«« seinen jeden, bei dem jener Glaube sich findet, als seinen Bruder in Christo, was gleichfalls fich ebenso von selber einstellt, wie die irdifche Geschwifterliebe den Kin- dern etwas Natürliches ist Ephes 5, 29]. 2. Daran erkennen wir ldann in unserm Leben nach außen] daß wir Gottes Kinder lieben, wenn wir [in alle den Fällen, wo wir mit solchen es zu thun haben, uns mcht von persönlicher Neigung oder Abneigung» bestimmen lassen, fon- dern] Gott saus dem sie geboren find, in ihnen] lieben und seine Gebote sin Betreff dessen, was er an seinen Kindern von uns gethan haben will] halten. 3. Denn das ist die Liebe zu Gott sdarin hat sie ihre wefentliche Aufgabe und Erweisung Joh. 14, 15. 23. 31], daß wir seine Gebote haltet! lKapz s, 24]; und seine Gebote sind nicht schwerpsp fnicht als ob an und für fich sie nichts Schweres forderten, wohl aber sind wir in der Liebesgemeinfchaft mit Gott mit der Kraft aus- gernstet, auch das Schwerste ohne große Beschwer auf uns zu nehmen und zu vollbringen Matth. 11, 30]. V) Jm engsten Zusammenhang mit dem Schluß des vorigen apitels stellt der Apostel zunächst die Nothwendigkeit der chriftlichen Bruderliebe von einer neuen Seite dar: es kann ja nicht anders sein, sagt er, als daß ein Kind, welches seinen Vater liebt, auch seinen Bruder liebe. (Düfterdieck.) Bei dieser weiteren Begründung der Nothwendigkeit der Bruderliebe auf Seiten der Christen nun ist es ihm zugleich darum zu thun, die Bruderliebe jetzt ebenso, wie er es oben mit der Liebe zu Gott gethan (Kap. 4, 9 ff. 14 ff.), in ihrem organischen Zusammenhange mit dem Glauben an die Menfchwerdung des Sohnes Gottes darzuftellen Wenn er da schreibt: »wer da glaubet, daß Jesus sei der Chris«, so ist das die dritte (Kap. 4, 2 f. 15), und zwar die kürzeste Formulirung des christlichen Glaubensbekenntnisses; es wird damit der doketifchen Trennung des Menschen Jesus und des Aeon Christus, wie sie namentlich in der cerinthischen Gnosis sich ausgestaltete, einfach die Jdentität des Jesus und des Christus entgegengesetzt, also nicht (den mancherlei judifchen Meinungen gegenüber) die allgemeine Frage beantwortet, welches unter mehreren hiftorischen Jn- dividuen (ob Jesus oder Johannes der Täufer oder Theudas 2c.) der verheißene Mesfias sei, sondern jener doketifchen Auseinanderreißung des Menfchen Jesus und des Aeon Christus gegenüber der, eine wieder- gebärende Kraft besitzende ·wahre Chriftenglaube her- vorgehoben. (Ebrard.)· Die nahe Beziehung, in wel- cher der» Glaube an Jesum als den Christ zu unsrer Bruderliebe steht, wird häufig ganz übersehen oder geradezu bestritten: auf den Glauben an Jesum komme nicht viel an, sagt man, wenn wir nur die Pflicht der Bruderliebe erfüllen; jener Glaube und diese Liebe gehen einandermichts an. Die Erfahrung zeigt nun aber, daß, wo jener Glaube fehlt, es auch mit dieser Bruderliebe mißlich steht. (Rothe.) Die Aechtheit, die· Heiligkeit der«Menschenliebe zeigt fich an ihrem religiösen Charakter: ohne Religion ist alle Liebe werthlos, bloßer Naturtrieb oder verdeckte Eigenliebe (Heubner.) it) Willst du wissen, ob deine Liebe zu den Brüdern rechter Art sei, so prüfe dtch, ob du in ihnen eben Gottes Kinder liebst, und das gefchieht, wenn du im Lieben der Brüder das Zeugniß des Geistes hast, das; du Gott, ihren Vater, liebst und nun feine Gebote an ihnen zu erfüllen suchst. Das ist die wahre Bruder- liebe, welche den Weg der Gebote Gottes läuft, liebend nach Gottes Ordnung, nicht nach eigenen Gedanken. (Besfer.) Der Apostel hat wohl die Erfahrung vor Augen, daß ein Christ gegen den andern zuweilen 824 1. Johannis 5, 4——8. eine große »Antipathie«, wie man sagt, empfindet und sich nun eher von ihm zurückzuziehen, als mit ihm brüderliche Gemeinschaft zu pflegen und brüderliche Liebe an ihm zu beweisen, sich geneigt fühlt; dawider hat man inder Liebe Gottes anzukämpfen, und dazu ermuthigend fest denn Johannes hinzu: ,,seine Ge- bote sind nicht chwer«. (Epislel ain L. Sonntag nach Ostern: Ouasimodogeniii.) An diesem Sonntag (benannt nach dem Spruche 1. Petri 2, 2., s. Einl. zu Joh. 2»0, 1·9 ff.) wandte sich die Predigt hauptsächlich an die jungen Christen, welche, nachdem sie vor acht Tagen getauft, heute zum Tische des HErrn zugelassen und nun, wie der Ge- meinde der Gläubigen zugethan, so auch in die Welt entlassen wurden: welcher Gedanke lag da näher, als ihnen ein Wort mit auf den Weg zu geben, welches sie zum Kampf mit der Welt, den sie nun im Glauben aufnehmen mußten, rüsten und stärken könnte? Der Glaubenssieg, unsers siegreichen Glaubens Gewißheit, das ist der Jnhalt dieser Perikope; und paßt diese Jdee nicht auch trefflich für diesen Tag, insofern er die abschließende Oktave des Osterfestes ist? Christus, der Sieger über Sünde und Tod, schwingt am Oster- feste seine glorreiche Fahne: sein Sieg ist unser Sieg; ihm nur nach im Glauben, dann ist der Sieg unfehl- bar unser, denn unser Glaube hat einen guten, von Gott selbst gelegten Grund. (Nebe.) Der Beweis der Auferstehung Jesu Christi ist es, welcher in den beiden Osfenbarungen des Auferstandenen, die das Evangelium des Tages erzählt, hervortritt; an die Seite dieses Evangeliums ist nun die vorliegende Epistel gestellt, deren gesammter Jnhalt von dem Zeugnisse handelt, welches Gott der HErr seinem eingebornen Sohne im Himmel und auf Erden (?) giebt. So stimmen also Evangelium und Epistel in Einem heiligen Zweck zu- sammen, nämlich von dem auferstandenen, auf Gottes Thron erhobenen, für uns ewig lebenden Erlöser solche Zeugnisse und Beweise zu geben, daß die Ge- meinde in ihrem Glauben an ihren HErrn und Heiland tief gegründet werden und in demselben großen Frieden und große Freude finden kann. (Löhe.) Jesus Christus, der Sohn Gottes, unser Heiland: 1) wie der Vater genugsam ihn also vor der Welt bezeugt hat, 2) wie er auch selber sich herrlich an den Gläubigen also bezeugt. (Eig. Arb.) Von dem seligmachenden Glauben: I) was ist das für ein Glaube, der selig macht? Z) was haben wir für Zeug- nisse für diesen Glauben? Bist du ein Kind Got- tes? 1) der Glaube an Christum macht dich dazu; 2) als Gotteskind überwindest du die Welt. (Fuchs.) Der wahre Glaube an Jesum Christum, den Gekreuzigten und Auferstandenen: 1) in seiner wiedergebärenden Kraft — wer glaubt, der ist von Gott geboren; Z) in seiner Liebeskraft — wer glaubt, der ist zur Lieb erkoren; 3) in seiner welt- überwindenden Kraft— wer glaubt, hat nie den Sieg verloren. (Ludwig.) Unser allerheiligster Glaube: 1) nach seinem Inhalte, 2) nach seiner Kraft, Z) nach seinem Grunde. (Westermeier.) Des Glaubens Herrlichkeik I) was er besitzt, Z) wie er’s behauptet, 3) was er erringt. (Beck.) Unser Glaube ist der Sieg, der dieWelt überwunden hat: 1) die Welt mit ihrem Zweifel und Unglauben, denn er ruht auf einem göttlichen Zeugniß; Z) die Welt mit ihrer Versuchung und Verführung, denn er pflanzt in uns einen himmlischen Sinn; Z) die Welt mit ihren Sorgen und Nöthen, denn er trägt in sich ein ewiges Leben· (Gerok.) 4. [Ja, nicht schwer für uns sind Gottes Gebote, trotzdem die Welt mit ihrem Gegensatz gegen Gott Kap. Z, 15 ff. sie uns gar sehr schwer zu machen·sucht-] Denn alles, was-»von Gott geboren ist lJvhi 3s S; Ss 37],· uberwindet die Welt; und unser Glaube ist der Sieg, der [im Anfange schon, gleichsam bei seiner Ge- burt und noch in seiner Jugend] die Welt uberwunden hat [genauer: und das ist der Sieg, der die Welt überwunden hat, unser Glaube Kap. 2,13f.; Joh. 16, 3F]. » Z. Wer ist aber, der die Welt über- windet, ohne [d. i. außer Kap. 2, 22] der da glaubet, daß Jesus Gottes Sohn [Kp. 4- 151 ist sdenn mit diesem Glauben allein zieht Der in unsre Herzen ein, der größer ist, als der in der Welt ist Kap. 4, 4]? Es sind die höchsten Gebote, welche Christus auf- stellt, wie er sie selbst allein vollkommen erfüllt hat, die Gebote, wie sie in— seiner Bergrede entwickelt sind, die Grundzüge einer alles überstrahlenden Heiligkeit, wie» sie durch keine menschliche Sittenlehre erreicht worden, vor der jeder menschliche Geist in tiefer De- muth sich beugen muß; und doch hören wir den Jo- hannes sagen (V. 3), diese Gebote seien nicht schwer. Als das Höchste der Sittenlehre sollten sie doch das Schwerste sein: wie sollen wir es also verstehen, wenn der Apostel sie gleichwohl als nicht schwer bezeichnet? und er selbst muß ja das erfahren haben, sonst würde er nicht so schreiben. Nicht in diesen Geboten selbst, das ist klar, nicht in ihrem Verhältniß zu andern sitt- lichen Geboten muß der Grund liegen, warum sie nicht schwer genannt werden; sondern dieser Grund muß in dem veränderten Standpunkt der Menschen zu dem göttlichen Gesetz liegen, welches früher ein schweres für sie war, ja ein nicht zu erfüllendes, das nun aber vermöge der mit ihnen vorgegangenen sittlichen Um- wandlung ein leichtes für sie geworden ist· Als Grund dafür führt Johannes in V. 4 an, daß alles, was aus Gott geboren ist, die Welt überwindet; also daraus, daß die Gltiubigen die Kraft empfangen haben, die Welt zu überwinden, leitet er die Folgerung ab, daß diese Gebote für sie nicht mehr schwer sein können, so schwer sie auch an sich für denjenigen sind, der dieser Kraft, die Welt zu überwinden, noch nicht theil- haftig geworden. Wir werden also daraus schließen können, was dazu erfordert wird, diese Gebote zu er- füllen, das ist die Besiegung der Welt: nur im Kampf mit der Welt können sie vollbracht werden; was dem Menschen die Erfüllung derselben schwer macht, ist eben das Befangensein des Geistes in der Welt, die Macht der Welt über den Geist, die Richtung zur Welt, die Verweltlichung des Geistes, wodurch die höhere, gottverwandte Natur des Menschen, für welche das Gesetz Gottes da ist, in der es seinen Anklang findet, unterdrückt worden. Die Macht der Welt ist die Machtalles Ungöttlichen; indem dieses über den Geist herrscht, erscheinen dein, der sich zur Welt hin- gezogen fühlt, sein höchstes Gut in ihr findet, die Gebote Gottes schwer. Weil nun in der Kraft des göttlichen Lebens, das die Gläubigen empfangen haben, die Macht gegeben ist, welche die Welt überwindet, so sagt Johannes, daß alles, was aus Gott geboren ist, die Welt überwindet; und weil vermöge dieser welt- überwindenden Macht auch die der Erfüllung der Gebote entgegenstehenden Hindernisse leicht über- Wie der Glaube an Christum die Welt überwindet. 825 wunden werden, so sagt er daher, daß die Gebote für die Gläubigen keine schweren sind: sie besitzen die Kraft, wodurch das Schwere ihnen leicht gemacht wird. Johannes bezeichnet dann auch in V. 5 das, wodurch die Gläubigen, wie von der Macht der Welt befreit, aus Kindern der Welt zu Kindern Gottes gemacht, des göttlichen Lebens theilhast, so dadurch fähig werden,«die Welt zu überwinden; es ist der Glaube an Jesum, als den Sohn Gottes. Es ist aber wohl zu bemerken, der Apostel sagt nicht: ,,es ist der Glaube das, wodurch wir den Sieg über die Welt erlangen«; nicht: ,,es ist der Glaube, der die Welt überwinden wird«, sondern er sagt: »der Glaube selbst ist der Sieg, der die Welt überwunden hat«, worin noch mehr liegt. Wir müssen uns den tiefen Jnhalt ganz zu entfalten suchen. Der Glaube selbst ist schon eine Thatsache des Siegs über die Welt, kann nur zu Stande kommen im Kampfe mit der Welt als ein über dieselbe erlangter Sieg; denn wenn der göttliche Zug in seinem Jnneren, der Zug des Vaters zum Sohne hin den Menschen zum Glauben anregt, so tritt die ganze Welt ihm entgegen und läßt ihn nicht zum Glauben kommen. Was im Menschen von der Welt ist und mit der Welt zusammenhängh widerstrebt dem werdenden Glauben; daher die mannig- faltigen Gegenwirkungem die es dem Menschen zuerst so schwer machen, zu glauben, daher die Macht der Zweifel, die sich gegen den Glauben auflehnen —- und so ist schon der Glaube selbst ein Sieg über die Welt. Und wie er, durch den Sieg über die Welt zu Stande gekommen, dasjenige ist, was ein- für allemal die Welt überwunden hat, so liegt darin die göttliche Kraft, gegen welche die Welt nichts vermag. Der Glaube hat die Welt ein- für allemal überwunden, es ist darin der Sieg gegeben, der in allen nachfolgenden Kämpfen mit der Welt durch die Erfüllung der göttlichen Gebote sich bewährt; das ganze nachfolgende christliche Leben ist, wenn es den Glauben treu festhaltend in seiner ruhigen, gesunden Entwickelung fortgeht, nichts An- deres, als die Fortsetzung des im Glauben einmal erlangten Sieges über die Welt. (Neander.) Jn der Welt werden viele Paniere aufgeworfen, und auch wider die Welt wird manches Feldzeichen in den Kampf getragen; aber an keine Fahne heftet sich der Sieg, außer an die Kreuzesfahne Der Glaube, und der Glaube ganz allein überwindet die Welt; aber nicht ein xbeliebiger Glaube, nicht ein Allerwelts- glaube, sondern nur der Glaube an Jesum, und zwar wieder nicht ein beliebiger, eigenmächtig zurecht- gemachter Glaube an Jesum, etwa als an den Pro- pheten, an das Jdeal des Menschen u. dgl., sondern nur der schristgemäße Glaube an Jesuin als den wahren Sohn Gottes überwindet die Welt. (Nebe.) Die Juden, Türken &c. glauben auch, wie sie sagen, an Gott, der Himmel und Erde geschaffen hat; aber daß dies noch nicht rechier Glaube sei, beweiset sich daraus, daß er nichts thut noch schasft, weder streitet noch überwindet, sondern läßt sie alle, wie sie sind, in der alten Geburt und unter des Teufels und der Sünde Gewalt. (Luther.) Ein alter Weiser hat ge- gt: man gebe mir einen Punkt außerhalb der Welt, woraus ich stehen möge, und ich will die Welt aus ihren Angeln heben; dieser Wunderpunkt ist gsgeben unserm Glauben, er heißt: ,,Jesus Christlä ( essen) Nimm die Geburt aus Gott nicht zu schwer, es kommt dabei alles auf den aus Gottes Zeugniß gefaßten Glauben an; nimm aber auch den Glauben nicht zu leicht, er muß dir alles gewähren, was Geburt aus Gott, Leben aus Gott, Gemeinschaft mit Gott aus- trägt. (Rieger.) s. Dieser [von dem ich eben sagte, daß der Glaube an seinen Namen eine weltüberwindende Macht sei] isks list bei der Taufe, durch die er eine Gemeinde des neuen Testaments an die Stelle der des alten Testamentes setzte, ein solcher], der da kommt mitWasser nnd Blut, Jesus Christus, nicht lwie vor ihm Johannes der Täufer, der allerdings nur mit Wasser getauft hat, weil er das Heil selber nicht zu erwirken vermochte, sondern nur daraus vorbereiten konnte Joh. i, 26. 333 3, 25 ff.] mit Wasser allein, sondern swie es zur vollen Beseligung derer, die in seine Lebensgemeinschaft eintreten wollen, noththut] mit Wasser und Blut [indem mit dem Wasser seiner Taufe sich die Kraft seines Versöhnungsblutes zu wirklicher Abwaschung der Sünden verbindet und selbige Taufe so zu dem Bunde eines guten Gewissens mit Gott macht Kap. l, 7; Apostg 22, IS; I. Cor. S, 11; I— PCtVk Z, ZU» Und der Geist [der nun auch bei dieser Taufe über den Getauften kommt, was vordem bei Johannis Taufe ebenfalls noch nicht geschah Matth 3, U; Apostg. I9, 1 ff.; Joh. 7- 391 ist’s, der da [in den Gaben und Kräf- ten, die er vom Himmel her mit sich bringt] Zeugen daß Geist [alles, was das durch ihn bei der Taufe mit Wasser und Blut erweckte neue Geistesleben in sich befaßt Joh. Z, 6] Wahr- heit ist [d. i. der Vollbesitz des Heils, über den hinaus für diese gegenwärtige Welt nun nichts mehr zu erwarten steht Joh. l, 14. I7; Z, 33]. 7. Denn Drei [wieviel ihrer zu einem unzweifelhaft-gewissen und unbedingt -giltigen Zeugniß als höchstes Maß vom Gesetze Mosis erfordert werden 5. Mos. 17, S; 19, 15] sind [im vorliegenden Falle wirklich vorhanden], die da Zeugen-«« [dasür, daß in Christo Jesu das volle Heil uns geworden und den Menschen kein anderer Name gegeben ist, darinnen wir sollen selig werden Apostg. 4, I2]: 8. Der Geist fder nach Joel 3, 1s. über uns ausgegossen wird], und das Wasser ldas nach Hes 36, 25 als ein rein Wasser über uns gesprengt wird], und das Blut fdas uns rein macht von aller Sünde Jes. 52, 15,; I. Petri 1, 2]; und die Drei sind beisammen klaufen als völlig mit einander übereinstimmende Zeugen mit ihrem Zeugnis; auf das Eine hinaus, daß nun alles erfüllt ist, was für die neutestament- liche Heilszeit geweissagt und verheißen war Apostg. I3, 23 ff.]. «) Jn den gewöhnlichen Bibelausgaben lautet sei! Ende des 1s. Jahrh. für V. 7 u. 8 der Text folgendermaßen: 7. Denn drei sind die da zeugen im Himmel: Der Vater, das Wort nnd der heilige Geist; und diese Drei sind Eins. 826 1. Johannis 5, 9—12· s. Und drei find, die da zeugen auf Erden: Der Geist und das Wasser und das Blut; und die Drei sind beisammen. Es sind aber die durch fette Schrift hier ausgezeichneten Worte weiter nichts als Eindringling e, zuerst aus lateinischen Ueberfetzungen in den griechischen Grundtext ein- gedrungen, in dem sie noch nicht einmal zu Luthers Zeit, als er die Uebersetzung des neuen Testaments begann, ein Heimathsrecht besaßenz Luther selber hat sie daher auch nicht in seine Bibel mit aufgenommen, erst auswärts ge« druckte Ausgaben versuchten sie in dieselbe einzuschwärzeiy und noch im J. 1549 wehrte sich Bugenhagen mit aller Macht gegen solche Versuche, den reinen Text zu verun- stalten, bis dann der überkirchliche Geist, der mehr und mehr die Oberhand gewann, den unächten Zusatz sanctionirta Wir haben uns aber an das Wort in Z. Mos. 4, 2 und 2. Cor. is, 8 zu halten, und werfen darum die Eindringi linge ohne Bedenken aus dem Texte wieder heraus, wie auch das v. Gerlachssche Bibelwerk gethan hat. 9. So wir [in den irdischen Verhältnissen des Lebens, und so besonders auch bei gericht- lichen Verhandlungen und bei andern Gelegen- heiten, wo es sich in entscheidender Weise um Ermittelung der Wahrheit handelt] der Menschen Zeugnis; annehmen [wenn der Zeugen mehrere sind und diese in ihrem Zeugniß übereinstimmen Joh. 8, 17; Matth. 18, is; Z. Cor. is, 1; 1. Tim. s, 19], so ift Gottes Zeugnis; [an Sicherheit und Gewicht unendlich] größer sals irgend ein von Menfchen abgelegtes, wie sich für einen jeden, der wahrhaftig an Gott glaubt, ja von selbst versteht, und also um so rückhaltloser anzunehmen; daher hätten wohl die, die sich rühmten, Mosen und die Propheten zu haben Joh. 5, 45—; 9, 28 f.; 16, 29., alle Ursach ge- habt, sich dem christlichen Glauben V. 4 f. zu- zuwenden]; denn Gottes Zeugnis? sum dessen einfache Annahme es bei dem Christwerden Apftg 26, 28 sich handelt] ist das, das er gezeuget hat von feinem Sohne [und da wäre denn, weil eben Gott selber für Christum Zeugniß ab- gelegt hat und sie es nicht mit blos menschlichen Zeugen zu thun hatten, das Chriftwerden doch wahrlich keine schwere Sache für sie gewesen]. 10. Wer da glaubet an den Sohn Gottes [wie ja wirklich ihrer etliche aus Israel in Folge des von Gott abgelegten Zeugnisses an Christum gläubig geworden sind Röm. 11, 1 ff.], der hat solch Zeugnis? bei ihm serfährt seine überzeugende Kraft am- eigenen Herzen und ist dessen sich wohl bewußt, daß er bei feinem Gläubigwerden es nicht mit einer menschlichen Ueberredung oder falschen Einbildung zu thun gehabt hat]. Wer [dagegen] Gott [auf sein Zeugnis; hin] nicht glaubet [wie ja der ungläubig Gebliebenen Zahl eine weit größere ist], der macht ihn zum Lügner sindem er sein Zeugniß als eine Lüge behandelt, der man nicht trauen dürfe, sondern vielmehr widersprechen müsse. Und das thut der wirklich, der sich nicht hat entschließen mögen, ein Christ zu werden]; denn er glaubet nicht dem Zeugnis, das Gott zenget von seinem Sohne [und ihn zu diesem Sohne als dem einigen und rechten Heiland hinweist Joh. 5, 31 ff.]. 11. Und das ist das Zeugniß [von dem ich vorhin sagte, daß wir, die wir gläubig geworden, es bei uns haben], daß uns Gott das ewige Leben hat· gegeben [Kap. 3, 14], und solches Leben ist swie wir zugleich dabei uns dessen bewußt sind, sonst nirgend als] in feinem Sohn sin diesem nun aber auch ganz und voll und zu eiustigem Gleich- fein mit ihm sich vollendend Kap. 3, Z; Joh. 10,11; 14, 6].- 12. [und so ist denn, wie ich oben Kap. 3, 7 ff. den Unterschied zwischen den Kindern Gottes und den Kindern des Teufels dargelegt habe, so hier, in Betreff des jüdischen Volks, der Unter- schied zwifchen denen, die an Christum gläubig geworden sind, und denen, die ihm den Glauben verweigert haben, diesem] Wer den Sohn Gottes sin den besten griech. Handschriften bleibt hier der Zusatz ,,Gottes« weg Joh. s, IS] hat, der hat das Leben sdas einst zu ewiger Herrlichkeit sich vollendet Kap. 2, 24 f.]; wer den Sohn Gottes nicht hat, der bat das Leben nicht ssondern der Zorn Gottes bleibt über ihm und er wird sterben in feinen Sünden Joh. Z, 18. 36; 8, 24]. Für diese ziemlich schwierige Stelle ist bei den wifsenfchaftlichen Auslegern es fast herkömmlich ge· worden anzunehmen, daß Johannes hier wider den Doketismus des Cerinth (Kap. 4, 3 Anm.) polemisirex aber welche fchiefe und Unzutreffende Worterklärung nun bei solcher Voraussetzung zu Tage kommt, ist von Andern fchon so fchlagend nachgewiesen worden, daß wir diese ganze Auffassung von vornherein bei Seite lassen können. Aber auch in jeder andern Form er- weist fich die Meinung, als handle es sich bei dem ,,Wasser« in V. 6 u.8 um die vonChristo empfangene Taufe, als durchaiis verfehlt; wir haben lediglich an die von Christo eingefetzte Taufe, wodurch er das neutestamentliche Buudesvolk zusammenbringt und an die Stelle des alttestamentlichen Israel die christliche Kirche als das nunmehrige Haus Gottes setzt (1. Petri L, 9; 4, 17), zu denken, nun aber auch nicht uns ein- zubilden, wie Manche gethan haben, neben dem ,,Wafser« als Tauffacrament müsse das ,,Blut« das andere, das AltariSaerament bedeuten, denn das heil. Abendmahl wird in 1. Cor.11, 29 wohl einmal kurz- weg als ,,Leib des HErrn« bezeichnet, aber daraus folgt nimmermehr, daß dasselbe ebensogut auch kurz- weg "»des HErrn Blut« heißen könne. Luther in seiner ersten Auslegung spricht sich darüber folgender- maßen aus: »Die meisten Ausleger sehen auf die zwei Sacramente, weil bei Oeffnung der Seite Christi Wasser und Blut aus derselben geflossen (Joh. 19, 34); mir niißfällt zwar diese Erklärung nicht, aber ich verstehe es schlechthin von der Taufe, denn Johannes fasset es da gar, was wir am Reiche Christi haben, und preiset die Kraft unsrer lieben Taufe und des Leidens oder Blutes Christi, bringt und knüpft alles zusammen als in ein Bündlein und macht ein Drittes aus dem Zeugniß, daß zugleich alle drei fämmtlich und mit einander unserm Glauben Zeugniß geben und be- stätigen: Wasser, Blut und Geift«. Indessen müssen Von dem Unglauben des jiidischen Volks und der an demselben sich vollziehenden Strafe. 827 wir uns noch weiter von den Auslegerm selbst von denen, mit denen wir bisher denselben Weg gehen konnten, scheiden; sie glauben nämlich, St. Johannes führe hier die Zeugen, von denen er redet, als Zeugen da ür an, daß Jesus, wie es am Schlusse des 5. Verses hieß, Gottes Sohn sei, und bestehen nun, indem sie diesen Satz in V. 6 bei den Worten: »und der Geist ist’s, der da zeuget« dem Sinne nach er- Franzen, fast ausnahmslos darauf, die richtige Ueber- etzung müsse hierauf weiter lauten: »denn (vgl. das über das griech. Wort I» auf S. 7938 Bemerkte) der Geist ist die Wahrheit«, so daß die Eisenacher Revision des neutestamentlichen Bibeltextes diese ver- meintliche Berichtigung der luther’schen Uebersetzung ohne weiteres Bedenken zur normalen Lesart erhoben hat. Es ist aber bereits von Ebrard geltend ge- macht worden, daß des Apostels Ausführungen an unsrer Stelle zu einer Begründung jener Glaubens- wahrheit gar» nicht dienen können, wie sie auch gar nicht dazu dienen sollen; nur kann die eigene Aus- legung dieses Schriftforschers, wenngleich sie manchen richtigen Gedanken in Anregung bringt, uns ebenfalls nicht als die wirklich zutreffende erscheinen. Wir glauben vielmehr, daß der Schwerpunkt dessen, was Johannes in V. 6—8 sagen will, nicht rückwärts liegt, sondern vorwärts, in dem, was seine Seele in V. 9 —12 bewegt; und das ist der Unglaube des vor- erwählten Volkes Israel, das er um eben dieses, von seinen Obersten ihm beigebrachten Unglaubens willen im Evangelio stehend mit dem iibelklingenden Namen »Juden« bezeichnet und als eine ihm fremd- artige Körperschaft behandelt, obwohl er selbst von Natur ein Jude war (Jo . 1, 19 Anm.). Auf dieses ungläubige Judenvolk blickte er ohne Zweifel schon hin, als er in V. 4 schrieb: »Unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat«; denn in dem- selben war jetzt wirklich bereits die Welt zu dem einen Theile ihres damaligen Bestandes (Röm. Z, 29) über- wunden, da, wenn auch Jerusalem mit seinem Tempel noch nicht zerstört und das Volk aus seinem Lande noch nicht hinausgetrieben war, doch schon Christi Wort in Matth. 21, 43 sich erfüllt hatte und das Judenthum vor dem Christenthum die Segel hatte streichen müssen. Und erinnern wir uns, wie es im J. 67 n. Chr., in welchem nach unsrer Annahme Jo- hannes seine Epistel schrieb, im jüdifchen Lande stand (Anh. 1l. zum 6. Bande unter e), wie da der Krieg mit den Römern, um ihr Joch zu brechen und ihre Macht zu überwinden, schon seit Jahresfrist wüthete und die Juden durch alle Niederlagem die sie erlitten, nur desto fanatischer zu dem Glauben entbrannten, der Sieg müsse doch zuletzt ihnen als dem Volke Gottes zufallen, so klingt es, als wolle Johannes aus diesen thörichten Wahn mit seiner Frage anspielen: »wer ist aber, der die Welt überwindet, ohne der da glaubet, daß Jesus Gottes Sohn ist?« Nicht die Juden, so liegt darin, werden Rom und seine Herr- schaft brechen, sondern selber von daher zerbrvchen werden; wohl aber hat der christliche Glaube bereits angefangen, Rom und seine Götzentempel zu über- winden, und wenngleich die christliche Gemeinde zur Zeit von diesem Rom und seinem Kaiser bis auf den Tod verfolgt wird, so wird doch ihr zulegt der Sieg verbleiben. Von diesem Standpunkte der etrachtung aus, wenn der Apostel das ungläubige Israel vor- nämlich im Auge hat, erscheint das in V. 6—8 Ge- sagte als eine Theodice oderGottesvertheidigung dem jüdischen Unglauben ge enüber: er hat seinerseits nichts versäumt, um den Jesus Christus, den die Juden zu einem falschen Messias oder Heiland ge- stempelt haben, damit sie ihn mit scheinbarem Recht verwerfen könnten, aber doch nur darum ihn nicht haben mochten, weil er nicht ein Helfer und Selig- macher nach ihrem Geschmacke war, vor diesem Volke als Gottes Sohn und als den rechten Christ des HErrn zu legitimiren, der in allen Stücken das gethan und das ebracht hat, was von dem zukünftigen Er- löser in esetz und Propheten geweissagt war, und der auch wirklich und vollständig, wie wir Christ- gläubigen uns selber deß ein Beweis sind, selig ge- macht hat alle, die im Glauben seiner Heilsanstalt gch zugewendet haben; und umgekehrt erscheint das in . 9—12 Gesagte als das verurtheilende Gerichts- erkenntniß, mit welchem die Juden so zu sagen aus dem Prozesse mit Gott hervorgegangen sind: während man doch der Menschen Zeugmß gelten läßt, wenn es den gesetzlichen Anforderungen entspricht, haben sie Gottes Zeugniß, das unendlich größer ist, nicht an- genommen, haben, indem sie dasselbe nicht gelten ließen, Gott geradezu zum Lügner gemacht, haben aber nun auch zur Strafe dafür sich selber um das Leben gebracht, das in dem Sohne Gottes ihnen an- geboten war, und was die Folge davon sein wird, das wird ja diejenige Zeit völlig an den Tag bringen, die bereits ihrenAnfang genommen (Kap.2,18). Es liegt also hier eine ähnliche Betrachtung des Apostels vor, wie wir eine solche im Evangelio Johannis Kap. 12, 37 ff. an dem Zeitpunkte lesen, wo sich der HErr nach Vollendung seiner öffentlichen Wirksamkeit vor den Juden verbarg. Johannes-weiß aus dem, was das im 6. Kaki. der Offenbarung auf Patmos em- pfangene Gesichte ihm versinnbildet hat, daß jetzt drüben im heil. Lande diejenige Zeit eingetreten ist, wo Jesus nun ganz und voll für die lange Zeit der Verwerfung von dem jiidischen Volke sich verborgen und die Herrlichkeit Gottes von dem jüdischen Tempel sich zurückgezogen hat (Hohesl. 5, G; Hesek. il, 22 f.): sollte er da in seiner Epistel«, wenn anders diese, wie wir angenommen haben, zu einer solchen Zeit von Patmos aus von ihm geschrieben ist, dem, was sein Herz bei dem Gedanken daran bewegte, keinen Aus- druck verliehen haben? Es ist ja, wie wir an feinem Evangeliö sehen, seine Weise, nicht blos erzählend, lehrend, vermahnend, sondern an geeigneter Stelle auch reflectirend oder betrachtend zu schreiben, lind gerade in seinen Reflexionen oder Betrachtungen liegt die vornehmste Kraft seines Lehrens und Vermahnensx nnd wenn er nun gleich hier es mit heidenchristlichen Gemeinden zu thun hat, gegen die über Jsraels hart- näckige Verstockung und nunmehrige Verwerfung sich auszulassen auf den ersten Blick in einem ihnen el- tenden Umlaufschreiben keine Veranlassung Vorhan en gewesen zu sein scheinen könnte, so sehen wir ja aus der Epistel Pauli an die Römer (Kap.9—11), daß die Apostel die Sache anders ansahen, daß sie vielmehr der heidenchristlichen Kirche die Warnung zu ertheilen für nöthig erachteten (Röm.11, 22): ,,schaue die Güte und den Ernst Gottes, den Ernst an denen, die gefallen sind, die Güte aber an dir, sofern du an der Güte bleibest, sonst wirst du auch abgehauen werden«. Wenn es in V. 6 nach dem Wortlaut des Grundtextes eigentlich heißt: ,,Dieser ist’s, der da kam mit Wasser und Blut 2c.«, so versetzt sich Johannes damit in die Zeit zurück, wo er vor 3—-4 Jahrzehnten in Gemein- schaft mit Petrus und den übrigen Aposteln in Jeru- salem die Kirche Christi gründete. Wie der Täufer, der, von dem der HErr sagt: »unter allen, die von Weibern geboren sind, ist nicht aufkommen, der größer sei«, mit Wasser gekommen war, so kam auch er selbst zunächst allerdings mit Wasser, wenn die, welche zu 828 1. Johannis 5, 13—20. seiner Gemeinde übertratem durch die Taufe auf seinen Namen solchen Uebertritt bewirken mußten; seine Adoption der Johannestaufe war sein thatsäch- liches Anerkennen der in dem Täufer gipfelnden alt- testamentlichen Heilsökonomie Erkenntniß der Sünde, Sehnsucht nach Vergebung und Verlangen nach Herzens- erneuerung, dazu es der alte Bund hatte bringen sollen, machte er damit sozusagen zum Postament oder Untergestell des von ihm aufgerichteten neuen Bundes. Aber nicht mit Wasser allein kam er, sondern mit Wasser und Blut; seine Taufe war nicht, wie Luther es ausdrückt, ein pur lauteres, sondern ein blutiges Wasser (,,das Aug’ allein das Wasser sieht, wie Menschen Wasser gießen; der Glaub im Geist die Kraft versteht des Blutes Jesu Christi, und ist vor ihm ein’ rothe Fluth, von Christi Blut gefärbet 2c.« V. 7 des Liedes: Christ, unser HErr 2e.), und das nun ist, wie derselbe weiter sagt, die rechte Seife, so nicht allein den Unflath von der Haut am Leibe abwäscht, sondern hindurchsrißt und »den inwendigen Unflath herausbringt, also daß das Herz vor Gott rein wird. Aus dieser so nachdrücklichenHervorhebung des Apostels: ,,nicht mit Wasser allein, sondern mit Wasser und Blut« dürfen wir mit Recht schließen, daß bei der neutestamentlich-christlichen Taufe das johanneische Untertauchen im Wasser,welches in dieses den eigent- lichen Schwerpunkt verlegt, nicht von solcher Wichtig- keit ist, wie z. B. die Baptisten sie ihm beilegen; im Gegentheil dürfte eine bloße Besprengung, welche an die Blutbesprengung (Hebr. 9, 13 f.; 1. Petri I, 2) erinnert und diese als das eigentliche Hauptstück im Sacrament in den Vordergrund stellt, noch bedeutungs- voller und wohl frühzeitig schon in geeigneten Fällen, wo entweder nur wenig Wasser vorhanden war (Apstg. 16, 34 Anm.) oder aber um die Taufe von weiblichen Personen oder kleinen Kindern es sich handelte, auch in der apostolischen Kirche zur Anwendung gekommen sein, zumal das prophetische Wort des alten Testa- ments, wenn es aus die neutestamentliche Taufe hin- weist, eben auch nur von einer Besprengung redet (Jes. 52, 15; Hes 36, 25), nirgend aber von einem Untertauchen im Wasser. Wie nun aber Petrus in seiner Pfingstrede, indem er den Juden, wel·che sehen, in welchen sie gestochen haben, und in ihrer Seelen- angst fragen: ,,ihr Männer, lieben Brüder, was sollen wir thun?« antwortet: ,,thut Buße und lasse sich ein jeglicher taufen auf den Namen Jesu Christi«, nicht blos die Vergebung der Sünden dafür in Aussicht stellt, sondern auch die Verheißung hinzusügt: »Ihr werdet-empfahen die Gabe des heil. Geistes« (Apostg. 2, 37 sf.), so setzt auch Johannes hier das Hinzu- treten des heil. Geistes zu der Taufe Christi hinzu. Der dem vorigen: ,,dicser ist’s, der da kommt« ganz parallel gebildete Sah: »und der Geist ist’s, der da zeuget« macht es unzweifelhaft, daß der heil. Geist hiermit als eine eigene, von Christo unterschiedene Person gekennzeichnet werden soll; wenn es dann von ihm heißt: ,,er zeuget, daß Geist Wahrheit sei«, so haben wir schon oben bei der Erklärung auf Christi Wort: »was vom Geist geboren wird, das ist Geist« als Fingerzeig hingewiesen, was nun hier unter »Geist« zu verstehen sei, und ebenso giebt uns des Apostels Aussage in Joh. 1, 14 u. 17., wo er die Gnade und Wahrheit preist, die in Christo zu finden sei, Aufschluß, was wir auch an dieser Stelle unter Wahrheit uns zu denken haben. Die Gnad e bringt Christus mittels der Taufe auf seinen Namen, die nicht mit Wasser allein, sondern mit Wasser und Blut geschieht; und indem der heil. Geist sich auf den also Getauften und in Gottes Gnadenbund Aufgenommenen herabsenkh macht er ihn zu einem vom Geist Geborenen, daß sein neues Leben nun Geist ist, dies neugeschaffene Geistes- leben aber ist Wahrheit; man ist da aus der Wahr- heit und wandelt in der Wahrheit, man ist in den Vollbesitz des Heils eingetreten, und der heil. Geist giebt so Zeugniß unserm Geist, daß wir Gottes Kinder sind. Er bezeugt jedoch das nicht nur dem Getauften allein, indem er ihm ein Bewußtsein um seinen Gnaden- und Heils-stand schenkt, sondern er bezeugt auch vor der Welt, was die Getauften in Christo Jesu eworden sind, nämlich eine neue Creatur. Dies Zeugniß haben denn die Juden zu ihrer Zeit in be- sonders starker, herzandringender Weise vor sich gehabt in der apostolischen Urgemeinde zu Jerusalem (vgl. Apostg. 2, 47; 5, 137 Joh. l7, 23); aber sie, die durch ihr Gesetz ausdrücklich daran gewöhnt waren, ein Zeugniß von Dreien, wenn es ein übereinstimmendes war, besonders hoch zu achten, da für gewöhnlich schon ein solches von Zweien ausreichte, haben die hier auf- tretenden göttlichen Zeugen nicht gelten lassen. Das Wasser war schon in Johannes dem Täufer als Zeuge unter ihnen aufgetreten, und hier kam der von Gott bestellte Zeuge zum zweiten Mal wieder mit seiner Mahnung: ,,thuet Buße und glaubet an das Evan- gelium«; das Blut trat vor ihre Augen und klopfte an ihre Gewissen, wenn die Apostel sie an Den erinnerten, den sie genommen durch die Hände der Ungerechten und ihn angeheftet und erwürget hatten (Apostg. 2, 23; 3, 13 ff.; 4, 10; 5, 30; 7, 52), es bot sich ihnen aber allemal auch gleichzeitig an als das Gnadenmittel zur Abwaschung von ihren Sünden, wenn sie aus den Namen des Gekreuzigten sich wollten taufen lassen; der Geist trat als Zeuge vor ihnen aus in der christlichen Gemeinde, deren Glieder in dieser argen, zerrissenen Zeit als Ein Herz und Eine Seele sich zusammenhielten, von der in allerlei Zeichen und Wundern lauter Segenswohlthaten ausgingen über das ganze Volk und der in ihren geistbegabten Männern Mund und Weisheit verliehen war, welcher nicht zu widerstehen vermochten alle ihre Widerwärtigett Was half’s jedoch? sie wagten es in der allerärgsten Selbst- verblendung, die es je gegeben hat, Gott zum Lügner zu inachen, indem sie Den, für welchen er mit drei- fachem Zeugniß zeugte und ihn als den rechten Heiland und einigen Seligmacher bekunden, gleichwohl für einen Volksversührer erklärten, für einen Gotteslästerer und von Rechtswegen aus Jsrael ausgerotteten Uebel- thäter, dessen Namen nur zu nennen den Fluch mit sich bringe, den zu iverfluchen (1. Cor. 12, Z) dagegen das Kennzeichen eines rechten Jsraeliten sei» (1. Tun. I, is; Apostg. 26, 11), und den man daher in seinen Bekennern auf immer zum Schweigen bringen müsse, wenn man Gott einen Dienst thun wolle (Joh. 16, 2). Von diesem Gesichtspunkte aus, so meinen wir, lichten sich die Dunkel, welche schon nach Luther’s Aussage aus unsrer Stelle lagern, das Ganze bekommt Leben und Bewegung und alles Einzelne erscheint als vom Apostel klar gedacht und planvoll angelegt; aber sreilich haben wir zur Zeit noch niemand unter den Gelehrten als Gewährsmann für die Richtigkeit unsrer Auffassung anzuführen, wir können hier unsern Lesern meist nur mit dem Ergebniß eigener Studien dienen. E— Uaihdeni der Apostel bei dem, wag er in der ersten, kleineren Hälfte des vorigen Abschnitte den Eesern schrieb, Gelegenheit genommen, in der anderen, größeren Hälfte über das Groe des jiidischen Volkes sieh auoznlasseiy das in liesonderg schwerer Weise der Eeiignung das; Jesus sei Christus, der Sohn Gottes, sich schuldig gemacht und nun, iiiie den Sohn, so auch den Vater nicht habe, den es Der Schluß der EpisteL Christgläubige können erhörlich beten. 829 vielmehr zum tkägner gemacht, wendet er sich nunmehr zum Schluß seiner Eoistel an die Leser, um ihnen, die ja an den Uamen des Sohnes Gottes gläubig sind, zum Bewußtsein zu führen, wie sie in solchem Glauben das ewige Beben und als Gottes Kinder, die sie dadurch ge- worden, einen freien, offenen Zugang zu ihm und für alle ihre Bitten die gewisse Zuversicht der Grhörung haben (io.13—15). Johannes wendet jetzt das in Beziehung auf das Beten nach Gottes Willen Gesagte nach der Seite der itiiirbitie für Andere hin, die man siindigen siehet und fär deren Beliehrungzu bitten die Bruderliede sich gedrungen fälslt, und indem er da bemerkt, daß, wo des Andere: Sünde eine Sünde zum Tode sei, man der Xürbitie für ihn sich enthalten möge, um nicht in seiner Erwartung der Erhörung getäuscht zu werden, hat bei ihm für sein Theil dies wohl darin den stillen Bintergrunm daß er vorhin für sein Voll: Israel nicht mehr gebeten, sondern ihm nur sein Urtheil gesprochen hat; in Betreff der tEeser aber bliclit er ohne Zweifel auf die Widerchristen hin, die von Christo abgefallen nnd unrettbar verloren sind, deretwegen man also sich nicht mit der Hoffnung tragen soll, als werde man sie noch mit Bitte und Fürbitte wie einen Brand aus dem Feuer ziehen können Ali. 16 u. 17). ljat er nun gelegentlich dieser Jieußerungen bemerkt, daß etliche Sünde, wenn auch immerhin Unrecht, doch nicht zum Tode sei, so führt er hierauf weiter aus, wie auch solche Sünde bei einem Christen im Grunde gar nicht vorkommen sollte, stellt den Unterschied zwischen Chrislenthitm und Weltthutn in ein scharfes sticht und schließt mit einer herzandringenden War— nung vor den Ztbgöttern (io. 18—21). 13. Solches lwas ich soeben V. 6—12 aus- führte] habe ich euch geschrieben, die ihr sim Un- terschied von denen, die Christo den Glauben ver- weigert haben Katz. 2, 26 Anm.] glaubet an den Namen des Sohnes Gottes, auf daß ihr wisset seuch unter dem Lesen des Geschriebenen recht lebendig bewußt werdet], daß ihr [wirklich, wie ich in V. 11 f. sagte, durch solchen Glauben Joh. 20, 31] das ewige Leben habet [Und also, wie ich das nach Kap. 1,4 überhaupt mit meinem Schreiben beabsichtigt habe, eure Freude voll- kommen fei], und daß ihr glaubet an den Namen des Sohnes Gottes [euren Glauben euch auch bewahret, ihn euch nicht trüben oder gar rauben lasset durch das Gerede derer, die als Widerchristen und falsche Propheten jetzt bei euch austreten Kap. 2, 18 ff.; 4, 1 ff.]. 14. Und das ist swie ich schon in Kap. 3, 21 ff. darauf hinwies] die Freudigkeit, die wir sals Kinder Gottes, welche wir durch den Glauben an den Namen seines Sohnes geworden sind V. 1; Z, 1.10] haben zu ihm sunserm Vater im Himmels daß, so wir etwas bitten nach seinem Willen, so hitret er Uns sneiget seine Ohren zu uns und merket auf die Stimme unsers Flehens Pf. 102, s; 130, 2]. 15. Und so wir wissen, daß er uns hbret [in Betreff dessen], was wir bitten [Und daß er als ein rechter Vater, der er ist, aus dem Hören auch ein Erhören macht], so wissen wir [zugle1ch], daß wir die Bitte haben, die wir von ihm gebeten haben* 16. [Und da laßt uns nun nach dem Vorbilde des HErrn, der nach der einen Seite hin bat Luk. St, 31 f., nach der andern Seite hin nicht bat Joh. 17, 9., auch unsere Gebete für Andere allezeit so einrichten, daß sie nach Gottes Willen seien und wir Erhörung für sie finden mögen.] So jemand siehet seinen Bruder simdigen eine Sünde nicht zum Tode seine Sünde begehen, die nicht von solcher Beschaffenheit ist, daß sie zum Tode ausschlagen muß Joh. II, 4], der mag bitten; so wird et geben lmittels seines Gebets, das er in jedem einzelnen derartigen Falle thut, verschaffeUJ das Leben denen, die da sündigen nicht zum Tode [Jak. 5, 15 ff.]. Es ist Dagegen] eine Sünde zum Tode fes giebt eine solche, die sich unter Umständen auch bestimmt erkennen läßt]; dafür sage ich nicht, daß jemand bitte sweil ich ihm für solche Bitte keine Erhörung in Aussicht stellen kann Hebr. 6, 4 ff. und ihm gern eine Täuschung in seiner Erwartung, wenn er die Bitte gleichwohl wagen wollte, ersparen möchte Jer. u, 14; 14, 11]. 17. Alle Untugend lVergehung gegen das, was Pflicht und Recht ist, auch wenn man’s für eine Bagatelle hält Kap. 3," 4 Anm.] ist Sünde; und es ist [s. v. a. doch es ist] eiliche Siinde nicht zum Tode« [Und wo ein solcher Fall nun vor- liegt, da ist die Fürbitte für den Sündigenden an rechter Stelle und läßt sich auf Erhörung rechnen, vgl. die Bem. zu Hebr. 4, 16]. 18. sJndessen sollten auch solche Sünden, die nicht zum Tode sind, bei uns Christen eigent- lich gar nicht vorkommen] Wir wissen, daß wer von Gott geboren ist, der sündiget nicht [Kap. 3, 6. 9 und braucht nun, wenn er nur den Gottes- Samen, den er empfangen, in ihm mächtig bleiben läßt, von der Sünde sich nicht einmal überwal- tigen und fortreißen zu lassen]; sondern, wer von Gott geboren ist, der bewahret sich skann sich in dieser seiner Gemeinschast mit Gott als in einer Festung bewahren], und der Arge [Kap. 3, is] wird ihn nicht antasten ssolange er eben nicht aus solcher Festung entfällt 2. Petri 3, 18; 2.Thess. g, Z; Jak. 4, 7f.]. 19. Wir wissen, daß wir von Gott sind [Und sollten solche unsre göttliche Abkunft nun auch durch völlige Enthaltung von allem ungöttlichen Wesen an den Tag legen]; und die ganze Welt Dagegen, aus der wir durch unsre Geburt von Gott ausgeschieden sind] liegt [noch] im Argen*"· [ihm gleichsam im Schooße und wird von ihm wie mit seinen Armen umfangen, daß sie nicht von seiner Macht und seinem Einfluß sich los- zuringen vermag, bei ihr daher ist das beständige Sündigen nicht zu verwundern] s 20. Wir wissen aber [nachdem wir selber vordem dieser im Argen liegenden Welt angehört 830 1. Johannis b, 21. haben Gar. 1, 4], daß der Sohn Gottes kommen ist nnd sdaß derselbige, sein Sohn] hat uns sdurch seinen erneuernden, erleuchtenden und heiligenden Geists einen Sinn [eine solche innere Herzens-verfassungs gegeben, daß wir erkennen den Wahrhaftigen snämlich Gott Kap. 2, 4 f.; Joh. 17, 3], Und sind in dem Wahrhaftigen [stehen zugleich in der Lebensgemeinschaft mit dem Wahrhaftigen Kap. 1, 6; 2, 5., indem wir in Jhm sind], in feinem Sohne Jesu Christo sdem Vermittler aller Gemein- schaft mit dem Vater 1. Tim. 2, 5 f., nehmen wir einen solchen Stand zu Gott ein Joh. 17, 23]. Dieser sGott der Vater in ungeschiedenem Zusammensein mit Christo, seinem Sohne Kap. s, 24 Anmsist der wahrhaftige Gott und das ewige Leben [1.Tim. Z, 16; Hebr.1,8; Joh. 5, 26; 11, 25f.; 14, 6]. 21. Kindlein, hütet ench vor den Abgötternxs Amen! «) Johannes schreibt denen, die schon längst Gläu- bige waren, als wenn sie erst jetzt dazu geführt werden sollten, zu wissen, daß sie, an Jesum, den Sohn Gottes glaubend, des ewigen Lebens dadurch theilhaftig wären; sie sollten ihres göttlichen Berufs immer mehr froh werden, es sollte ihnen auch immer von Neuem zum Bewußtsein gebracht werden, daß ihnen etwas Höheres, etwas mehr, als was sie im Glauben an Jesum den Sohn Gottes schon besäßen, keine Macht der Welt verleihen könne. Sie sollten dadurch gewarnt werden vor den trügerischen Vorspiegelungen der falschen Lehrer, welche sie in ihrem Glauben irre zu machen suchten und etwas Anderes als die Wahrheit oder als eine höhere Wahrheit ihnen anpriesen; sie sollten dadurch zum treuen Festhalten dieses Glaubens unter allen Versuchungen und Kämpfen ermahnt werden. Er erinnert sie sodann, nachdem er dies allgemeine Bewußtsein von Neuem in ihnen angeregt, an eine besondere Frucht, welche sie dem Verhältniß, in das sie durch den Glauben an Christum zu Gott eingetreten sind, verdanken; und diese Frucht ist die, daß ihnen Gott kein Gott der Ferne mehr ist, daß die Kluft, die zwischen den Menschen und ihrem Schöpfer bestand, aufgehoben worden, daß sie in kindlichem Vertrauen zu ihm stehen, im steten Umgang sich mit ihm be- finden, daß sie in allen ihren Bedürfnissen gleich mit kindlichetn Vertrauen wie an einen Vater und an einen Freund sich zu ihm wenden, daß sie stets Den bei sich haben, bei dem sie Hilfe, Rath und Trost in allem finden können. (Neander.) Was den apostolischen Satz betrifft, daß Gott jedes Gebet erhört, welches die Gläubigen nach seinem Willen thun, so würde, wer in der Bestimmung: ,,na»ch seinem Willen« eine läftige Schranke fände und seine Freudigkeit dadurch gedämpft fühlte, den Grundcharakter des Gebets und die eigenste Natur des Glaubens, aus welchem das Gebet stammt, verkennen und verleugnen; es ist gar kein wahres Gebet denkbar ohne die Beugung unter den Willen Gottes, vielmehr ohne die freudige Er- hebung auf dem Gnadengrunde dieses Willens Gottes, denn der Wille Gottes geht ja, kurz gesagt, auf nichts Anderes hinaus als auf unsre Seligkeit. Haben wir aber nach dem Willen Gottes gebeten, so haben wir auch jedesmal die Erfüllung un rer Bitte, obwohl bis- weilen, wie Luther sagt, das iderspiel erhellet, weil wir die Erfüllung noch nicht sehen; das Erbetene ist von Gott uns schon zugeschrieben und beigelegt, ob es uns schon nicht allemal in die Hände gegeben wird, zleichwie etwa die Eltern, so bemerkt Spener, ihren indern etwas schenken, aber in der Sparbüchfe auf- heben. (Düsterdieck.) Wenn dann Gott seiner Zeit die Sparbüchfe ausschütteh worin er seinen Kindern die Erhörung ihrer Bitten aufbewahrt hat, da findet es sich, daß er manchmal einen Thaler eingelegt hat, da sie nur um einen Pfennig baten. (Besser.) IN) Der Apostel führt nun ein Beispiel an, warum beim Gebet auf den Willen Gottes und die Einrichtung ? seiner Gnadenhaushaltung zu merken sei, das Beispiel aber ist von der Bruderliebe und deren Uebung in Fürbitte hergenommen, weil nach der öfters gezeigten Verbindung zwischen Glauben und Bruderliebe es auch hier wohl steht, daß von der Freudigkeit im Gebet der Ausfluß auch in die Bruderliebe gezeigt werde. (Rieger.) Es kommt wohl vor, daß diejenigen, welche streng gegen sich »selbst sind, dieselbe Strenge auch gegen Andere ansahen, wo sie Sunde an ihnen sehen, sie verachten nnd von sich stoßen; aber das ist nicht der Eifer in der Heiligung, der dem christlichen Leben entspricht. Jn dem Bewußtsein wie er alles selbst « der erlösenden Gnade zu verdan en hat, durch wieviel Unreines das göttliche Leben in ihm selbst noch etrübt ist, muß der Christ daher desto milder gegen ndere sein, die er fallen sieht, in dem Bewußtsein der eigenen Schwäche, der eigenen Erlösungsbedürftigkein Und hier wird sich besonders die Macht der Liebe zeigen, welche die Noth des Bruders wie die eigene fühlt; so fordert Johannes die Christen auf, den Brüdern, die in Sünde verfallen sind, durch ihre Für- bitte zu helfen, und giebt ihnen die Gewißheit, daß Gott in den gefallenen Brüdern, in denen das gött- liche Leben durch die Sünde getrübt worden, die aus dem Zusammenhang dieses göttlichen Lebens in einer Versuchung, der sie Unterlagen, herausgefallen sind, das zurückgetretene göttliche Leben zu der ursprünglichen Kraft wieder herstellen werde. Sie können so durch die in der Fürbitte wirksame Liebe Werkzeuge für die Wiederbelebung ihrer gefallenen Brüder werden: welchen höheren Liebesdienst könnten sie denselben leisten! Aber wie haben wir es zu verstehen, daß Johannes diese Aufforderung beschränkt, indem er mit nachdrücklicher Wiederholung die Todsünden ausnimmt? Sollte denn nicht, je größer die Seelennoth des Bruders ist, sie nicht desto mehr die Hilfe des Andern in Anspruch nehmen? sollte es für die in der Fürbitte sich ergießende Liebe irgend eine Schranke geben? (Neander.) Wenn irgend ein Gebet nach dem Willen Gottes gethan scheinen möchte, so ist es gewiß das Gebet um die Bekehrung und Seligkeit des Nächsten: es ist dies ja nicht ein Gebet für mich, sondern für ihn, also gewiß aus Liebe gethan; e-s ist ein Gebet nicht um irdische Güter, sondern um das Heil einer Seele, also um das Wachsen und Kommen des Reiches Gottes. Hierdurch könnte man sich nun zu der theo- retifchen Ansicht verleiten lassen, jedes Gebet um Bekehrung eines Nebenmenschen müsse erhört werden; dieser irrigen Folgerung will denn der Apostel vor- bauen. Die Bekehrung geht ja in einer Sphäre vor sich, welche mit dem Gebiet der menschlichen Selbst- bestimmung sich berührt, und auf diesem Gebiet giebt es einen Punkt, wo der menschliche Wille sich gegen die bekehrenden Gnadenwirkungen Gottes so zu ver- stocken vermag, daß Gott ihn nicht mehr retten kann und will: wo dieser Punkt eingetreten ist, hat eine Fürbitte keine Gewähr ihrer Erhörung; eine Sünde zum Tode aber wird jede Sünde sein, wodurch der Mensch für ferneres Bekehrtwerden unfähig wird, und Die Fürbitte für Andere. Wer von Gott geboren ist, der bewahret sich. 831 fällt so unter diesen Begriff sowohl die von Un- gläubigen begangene entschiedene Verstockung wider die ziehende Gnade (wie solche bei dem ungläubig ge- bliebenen Israel stattfand Joh 8, 24; Apostg As, 25 ff.), als die von Gliedern der Ehristengemeinschaft zu begehende Sünde des Absalls (Hebr. 6, 4 sf.). Daß nun irgend eine Einzelsünde, die ein Anderer begeht, sowie der Gesammtzustand, in dem er sich befindet, nicht zum Tode sei, daß er noch Buße thun und sich bekehren könne, dies vermag wohl in den meisten Fällen mit Sicherheit erkannt zu werden, und wo es mit Sicherheit erkannt wird, wo keinerlei Anlaß vor- handen ist, den Andern für verstockt und unrettbar verloren zu halten, da soll noch gebetet werden; wo dagegen diese Sicherheit aufhört, wo Grund zu der Annahme vorhanden, daß einer seine Bekehrung?- fähigkeit bereits vernichtet hat, da soll auch die Für- bitte aufhören, damit man sich nicht durch die Er- fahrung von der Nichterhörung eines etwaigen Gebets jene Freudigkeit, von der in V. 14 f. die Rede war, verscherze (Ebrard.) Unter Sünde zum Tode ist jedenfalls eine solche Sünde gemeint, die zum Tode des Sünders ausschlägt; giebt es nun wirklich eine solche Sünde, wie Johannes ja ausdrücklich bezeugt, so kann in Beziehung auf den in ihr lebenden Sünder das ,,er wird geben das Leben« auf Seiten dessen, der für denselben bitten wollte, augenfcheinlich nicht gelten, denn Tod und Leben schließen einander schlecht- hin aus. (Rothe.) Der Christ, wie wir bei Kinn. Z, 6 ff. uns klar gemacht haben, ist nicht mehr der Sünde unterthan, ist nicht mehr mit seinem Herzen bei ihr; er hängt nicht mehr dem Bösen an, sondern das Böse hängt nur noch ihm an; er hat wohl noch Sünde, aber die Sünde hat ihn nicht; der Christ sagt Nein zu der Sünde, welche er thut, und er leidet sie mehr, als er sie thut; er bereut sie also sofort, wenn ihn etwa die Sünde beschleicht; sein Herz hat nicht Freu- digkeit zur Sünde, sondern zu Gott, und wenn er sich aus sündlichen Jrrwegen findet, so hält er nur um so fester an Christo, um durch ihn Kraft zu empfangen, sie zu überwinden. Solche Schwachheits- und Ueber- eilungssünden trüben wohl fein Leben in Gott, aber sie ertödten es nicht. Ganz anders aber ist es, wenn das Herz selbst bei der Sünde ist, sie liebt und pflegt, sich bei ihr wohl fühlt und darum mit Bewußtsein und Willen von Gott sich abwendet, sein christliches Gewissen betäubt, sich der Sünde nicht schämt, sondern sie entschuldigt, also die Gemeinschaft mit dem heiligen Gotte nicht sucht, sondern scheut, und indem er an dem Feuer der fündlichen Lust sich wärmt, zu der ihn fragend anblickenden Sünde von Christo sagt: ,,ich kenne des Menschen nicht«. Das heißt Christum ver- leugnen, von ihm absallen; das ist Todsünde, die freilich an sich noch nicht die Sünde gegen den heil. Geist ist, noch nicht die Möglichkeit der Umkehr aus- schließt, wohl aber als ein muthwilliges Sündigen bis zur fittlichen Verstockung, von dem Betrüben des heil. Geistes bis zur Lästerung desselben fort- schreiten kann. (Wuttke.) its) Wer sich noch in der Gewalt der Sünde weiß, hat viel weniger Antrieb, sich ihr gegenüber in Acht zu nehmen; denn es kommt ihm auf ein größeres oder geringeres Maß von Befleckung durch die Sünde nicht an. Der Christ dagegen, der wirklich sündenrein geworden ist durch die Vergebung seiner Sünde, die er im Glauben empfangen hat, und der sich bewußt ist, wirklich die Macht über die Sünde zu haben, nimmt sich in Acht; mit einer jungfräulichen Scheu hält er über der Bewahrung der ihm durch den Glauben zu Theil gewordenen neuen Unfchuld, deren seligen Frieden er um nichts in der Welt missen möchte. Und in demselben Maße, in welchem er so wacht über sich selbst, ist er auch gegen jeden Rückfall in die Sünde gesichert: seine Persönlichkeit selbst ist von der Sünde getrennt, und so können die Versuchungen zur Sünde nicht aus ihm, aus seiner Persönlichkeit, sondern allein von außen her kommen. Dem natürlichen Menschen dagegen ist die Sünde in die Persönlichkeit selbst hinein verflochten; daher kann er sich nicht eigent- lich vor der Sünde bewahren, denn letzteres setzt voraus, daß sie ein für ihn Aeußeres ist. Ein be- sonders wirksamer Gedanke, der den Christen bei dem sich Verwahren egen die Sünde unterstützh liegt in seiner Erkenntni vom Verhältnis; der Sünde zum bösen Geifterreich: jede Gemeinschaft mit der Sünde ist Gemeinschaft mit der Gott seindselig gegenüber stehenden bösen Geisterwelt; diese Vorstellung vermag in ihm ein eigentliches Grauen vor jeder Berührung mit der Sünde zu erwecken, das aber nicht zugleich etwas Entmuthigendes für ihn mit sich führt, denn die Macht der Finsterniß hat über ihn keine Gewalt, der Glaube an Christum ist gegen sie eine unüber- windliche Waffe. Es find zwei einander sehr ent- gegengesetzte Seiten des christlichen Bewußtseins, die der Apostel in V. 17 ausspricht. Nach der einen Seite hin weiß der Christ, und glaubt es nicht blos, weiß es mit unmittelbarer Gewißheit, die auf Er- fahrung beruht, daß er von Gott ist; diese Gewiß- heit verstärkt sich immer mehr in ihm, je mehr er in der Gemeinschaft mit Gott zunimmt, er läßt sich auch darin weder durch die Bedenken der Welt und durch die Beschuldigung der Schwärmerei irre machen, noch wird es ihm durch alle die Erfahrungen zweifelhaft, die er von der Unvollkommenheit und Schwachheit seines neuen Lebens täglich wieder macht. So gewiß aber der Christ in Beziehung aus sich selbst davon überzeugt ist, von Gott zu sein, so gewiß ist es ihm auch nach der andern Seite hin, daß die Welt un- göttlichen widernatürlicher Art ist; den ganzen Bereich des natürlich-menschlichen Lebens ohne Ausnahme, und zwar nicht nur da, wo das Böse seine höchste Entwickelung erlangt hat, sondern auch in dem, was im natürlichen Leben das Scheinbarste ist, sieht er als dem Argen gehörig an. Allein er weiß auch zu unter- scheiden: in dem natürlichen Dasein sieht er Welt nur insoweit, als dasselbe noch nicht von dem neuen gött- lichen Geist in Christo ergriffen ist, und ist also weit entfernt, jetzt in unsrer christlichen Welt nichts als Welt zu sehen; er betrachtet diese nicht in Baufch und Bogen als im Argen liegend, sondern soweit innerhalb der Christenheit das natürlichimenschliche Leben noch in seiner bloßen Natürlichkeit besteht und noch nicht durch den Geist Christi wirklich gereinigt und geheiligt ist, soweit liegt es im Argen, wenn es auch noch so bunt glänzen mag. Der Christ ist ebenso behutsam, daß er nicht das, was nicht mehr Welt ist, als im Argen liegend betrachtet, wie er behutsam ist, das- jenige, was noch nicht von Christo ergriffen ist, nicht etwa für nicht mehr Welt und nicht mehr im Argen liegend anzusehen. Und ist er wirklich von Gott, fühlt und denkt und will er wirklich wie Gott, so kann auch nicht Verachtung und Hochmuth beim Anblick der im Argen liegenden Welt ihn erfüllen, sondern wie Gott selbst die erbarmende Liebe ist gegen die Welt (Joh. Z, 16., und Christus die Versöhnung ist nicht blos für unsere, sondern auch für der ganzen Welt Sünde Kap. «2, 2), so beseelt auch ihn der brennende Eifer, daran mitzuarbeiten, daß die Welt aus dem Argen erlöst werde. s) Jn den beiden Sätzen des vorigen Verses hat Johannes zweierlei Momente als Inhalt des christ- 832 2. Iohannis 1—-3. lichen Bewußtseins ausgesprochen, die als einander entgegengesetzt einander auszuschließen scheinen konnten; wissen, daß man ausGott sei, und doch auch wieder, daß die ganze Welt im Argen lie e, das scheine sich nicht zusammenreimen zu lassen. «iegt die ganze Welt im Argen, wie kommen denn, so lag es nahe zu fragen, die Christen dazu, aus Gott zu sein? auf diese Frage antwortet denn der Apostel im 20. Verse: ungeachtet die ganze Welt im Argen liegt, sagt er, wissen wir Christen uns doch als aus Gott Seiende und wissen, woher wir das sind. Wir wissen nämlich auch, daß der Sohn Gottes gekommen ist und uns, die wir ihn aufgenommen haben (Joh. 1, 12s.), das Vermögen gegeben hat, Gott, der das wahre Sein ist, zu er- kennen, und daß wir eben vermöge unsrer Gemeinschaft mit diesem Sohne in Gott sind; denn eben Er (Gott in ungetrenntem Zusammensein mit seinem Sohne) ist der wahre Gott und das ewige Leben. Dieser Begriff des wahrhaftigen Gottes erinnert den Apostel un- mittelbar an seinen Gegensatz, die Götzen oder Ab- götter; so tritt ihm denn sehr natürlich der Gedanke entgegen, daß jede Abwendung von Gott und Christo, der der wahrhaftige Gott und das ewige Leben ist, zu einem Andern, wer und was es auch immer sein möge, Götzendienst sei, und diesen Gedanken spricht er zuletzt noch aus in der Form einer, an seine Leser gerichteten ernsten Warnung vor allem, was .mit dem Glauben an Gott und den Erlöser unverträglich und Verletzun dieses Glaubens ist, wobei er ohne Zweifel auch die rrlehre derer im Sinne hat, welche in einer absoluten, allgemeinen Gnosis alle Religivnen zu ver- einigen suchten. (Rothe.) Die Abgötter sind die Gottesideen der salschen Propheten, der Widerchristen, welche, weil den Sohn, so auch den Vater nicht haben (Kap. 2, 18 sf.): der Gegensatz dazu ist der durch den Sohn geossenbarte Vater, der wahrhaftige Gott. Aber nicht blos ein falsches Gottesbild gewinnt man, wenn man einen andern als den in Christo geossen- barten Gott will, und entzieht dem wahrhaftigen Gott seine Ehre, sondern auch sein eigenes Heil» verscherzt man, denn nur dieser Christus) ist das ewige Leben; aber wer ihn hat, hat das Leben, wie davon der Apostel gleich im Eingang der Epistel geredet hat. (Haupt.) " Wie 2. Episiel St. Johanniii Dieser Brief ist ein köstliches Ueberbleibsel, daraus man sehen kann, welch ein leutseliger Umgang mündlich und schriftlich bei den ersten Christen ist unterhalten worden, und was auch ein Apostel durch solch einen schriftlichen Zuspruch einer wackeren Hausmutter für eine Stärkung auf den Weg der Wahrheit beigebracht hat. Es ist zwar der Name »Johannes« diesem Schreiben nicht vor- gesetzt, doch erkennt man ihn leicht an der Schreibart; so ist auch nicht bekannt, wer die wackere Hausmutter gewesen sei, die er als eine auserwählte Frau anredet —— im Himmel ist ihr Name angeschrieben, und beim Wandel in der Wahrheit werden wir ankommen. Spiegel einer gottseligen Frau. Ä« Dem Eingange dieser zweiten, ebenfalls non sllatmos aus, wie die erste, und wohl zu derselben Zeit, doch nicht an die mancherlei Gemeinden des ephesiniscljen Kirchensprengelz sondern an eine, mit ihren Kindern einen gemeinsamen tjausfland bildende, vermuthlich einer ver— einzeltcn Qrtskhaft dieses Sprengels angchiirende iltlatrone gerichteten Epistel fehlt nicht die Jtnfsrhrift und Inschrift; doch ist, was die dlamen betrifft, beides nath des Apostels Weise unbestimmt gehalten, und mußte hier der Ueber- bringer mit seiner näheren Kenntniß der betr. persönlich— kciten ergänzend eintreten. Worauf die Absicht des Brief— skhrcibers bei den Briefcmpfängern hinnen, das giebt der ziemliche Umfang der Inschrift in Verbindung mit dem sich anschließenden Segenswunsch einigermaßen s chonzu erkennen. 1. Dei? Aeltestesp [d. i. Johannes der Apostel, als Vorsteher des ephesinischen Kirchensprengels Osfenb. l, 4. 11., sendet dies Schreiben Apostg. 23, 261 der auserwählten ff. v. a. christlichen Tit· 1», 1; 1». Petri 1, i] Frau und ihren Kindern, die lsoviel ihrer sich haben als rechtschaffene er- finden lassen V. 4; 1. Cor. 11, 19] ich lieb habe am guten Ziele einmal mit ihr · s (Rieger.) l in der Wahrheit [als folche, die aus der Wahr- heit sind 1. Joh. Z, 19»; Joh. 18, 37 und darin wandelt! 1- Jvlx 1 U— 3 H» und nicht allein ich [habe dieselbigen lieb], sondern auch alle shaben sie lieb], die sgleichviel ob sie persönlich sie kennen oder nicht] die Wahrheit erkannt haben [und von den zur Zeit ihr Wesen treibenden Lijgnern nichts wissen mögen 1. Joh. L, 21f.], 2. Um der Wahrheit willen shaben wir beider- seits, ich und alle Christgläubigen, sie lieb], die in Uns sin ihnen sowohl, wie in uns Andern] bleibet [1. Joh. 2, 24] nnd bei uns sein wird in Ewigkeit« [Joh.«14, 16 s.; 1.Joh. Z, 27; b, 1]: 3. Gnade, Barmherzigkeit, Friede s1. Tini. 1, g; 2. Tim. 1, 2; Tit. 1, 41 von Gott, dem Vater, und von dem HErrn Jesn Christo, dem Sohne des Vaters [V. 7. 9f.; Joh.1, 14; 1. Joh. 2, 23; 4, 15], in der Wahrheit und in der Liebe sdiesen beiden Lebenselementen der Christgläubigen], sei mit enchl M« Eingang der Epistel: Zuschrift und Segenswunsch. 833 s) Es ist eine, nach dem Zeugniß des Hieronymus schon in der alten Kirche hier und da verbreitet ge- wesene und neuerdings von manchen Schriftauslegern wieder geltend gemachte Meinung, daß das für den Ausdruck des Grundtextesx »der Presbyter« im Deut- schen stehende: ,,der Aelteste« (Apostg. 14, 23 Anm.) nicht den Apostel Johannes, sondern den Presbhter dieses Namens als Schreiber unsrer Epistel kenn- zeichne; indessen ist es an sich schon noch ziemlich zweifelhaft, ob dieser, von dem Apostel unterschiedene Presbyter-Johannes, der ebenfalls ein Schüler Jesu gewesen, hernachmals von dem Apostel zu seinem Nach- folger im Vorsteheramte des ephesinischen Gemeinde- sprengels eingesetzt und ebenfalls zn Ephefus begraben sein soll, eine wirklich-gefchichtliche Person ist, er kann recht wohl auch das bloße Produkt eines Mißverständ- nisses der von Eusebius berichteten Auslassungeii des Papias (Bifchofs von Hierapolis in Phrygien während der ersten Hälfte des Jahrh.) über die urchristlichen Lehrer, denen er fein Wissen verdanke, und nur in dem Jnteresse erfunden und festgehalten sein, um, wie Guerike sich ausdrückt, die Luftstreiche gegen den Apostel Johannes aufzufangen, d. i. um diejenigen johanneischen Schriften, die man dem Apostel Johannes nicht zuschreiben zu dürfen meint, auf eine andere Persönlichkeit gleichen Namens übertragen zu können. Außerdem aber, den Fall angenommen, daß wirklich neben dem Apostel Johannes noch ein Presbyter Jo- hannes in der kleinasiatischen Kirche damaliger Zeit existirte, konnte unmöglich das bloße »der Presbyter« ohne Beifügung auch feines Namens gerade ihn als Briefschreiber kenntlich machen; diese Amtsbezeichnung würde ihn wohl von dem Apostel desselbigen Namens unterschieden haben, aber nicht von den vielen andern Aeltesten, die es außer ihm gab, so daß sie bei ihm für sich allein schon ausgereicht hätte, den Gedanken an jeden andern Aeltesten auszuschließen Dagegen leistet sie allerdings diesen Dienst, wenn der Apostel Johannes es ist, der unter ihr seinen Namen verbirgt; wie sehr gerade er es liebt, seinen Personen-Namen gänzlich außer Spiel zu lassen, das ist uns ja von seinem Evangelium her sattsam bekannt, und da hat es nichts Verwunderliches, wenn wir auch hier seiner Gewohnheit ihn folgen sehen, während, wenn der sog. Presbyter Johannes in diesem zweiten wie hernach in dem dritten Johannisbriefe dieselbe Gewohnheit an- genommen hätte, dies wie eine unwürdige Nachäfferei des Apostels seines Namens sich ausnehmen würde, die dann weiter sich fortsetzte in den nämlichen eigen- thümlichen Jdeen und Ausdrückem die bei jenen uns begegnen, ja in ganzen, aus der ersten Johannisepistel entlehnten Sätzen. Daß der Apostel sich nicht als Apostel, sondern als Aeltesten bezeichnet, erklärt sich daraus, daß, wenn er einmal feinen Namen bei- seite lassen wollte, er sich nicht Apostel schlechthin nennen konnte, ohne die Auctorität seiner 8,)J2itapostel, von denen ohne Zweifel wenigstens Simon von Kana und Judas Jakobi damals noch am Leben waren, zu beeinträchtigem wohl aber hatte in 1. Petri 5,1 schon Petrus den Aeltesten gegenüber, die er dort ermahnt, sich bescheidentlich nur ihren Mitältesten genannt, und wenn nun hier Johannes mit dem Titel: »der Aelteste«, den er sich beilegt, aus der Reihe der andern Aeltesten allerdings heraustritt als einer, der es noch im höheren Sinne ist, als sie, der geradezu als Vischof an der Spitze der Gemeinden steht, für die sie selber nur gewöhnliche Aelteste sind, so hält er nicht weiter von sich, denn sich’s gebühret zu halten; sondern macht nur Gebrauch von der ihm zustehenden Auctorität, die, wie ans 3. Joh. 9 ff. hervorgeht, ihm Dächseps Bibelwerk. V1L Band. zu eben der Zeit, wo er schreibt, von einem über- müthigen, nach Unabhängigkeit trachtenden gewöhn- lichen Aeltesten streitig gemacht wurde. Wir nehmen an, daß die 2. u. 3. Epistel ebenso, wie die erste, vom Apostel noch während seines Aufenthalts auf P atmo s, wohl zu der nämlichen Zeit, verfaßt worden; eben der Umstand, daß man ihm seine Auctorität streitig machen wollte, erklärt sich nur dann, wenn er längere Zeit von seinem Wirkungskreise fern gehalten war, und zwar fern- gehalten als ein Verbannter, von seinem Amte Remo- virter. Da hatte ein solcher, der innerhalb seines Bezirks wollte hochgehalten sein, allerdings Ge- legenheit, sich von dem Aeltesten, dem Vischof des ganzen Sprengels zu ernancipirem ihm den Gehorsam zu weigern und mit bösen Worten wider ihn zu Plaudern. Hatten wir zu 1.Joh. 1,1 ff. den Mangel eines eigentlich brieslichen Eingangs dieser ersten Epistel damit uns zurecht gelegt, daß Johannes das Edikt, sei es des römischen Kaisers selber oder aber des kaiserlichen Statthalters, welches ihn seines Amtes ent- fetzt und des Landes verwiesen hatte, respectiren wollte, soweit sich das irgend thun ließ, ohne seinem, von dem himmlischen HErrn ihm ertheilten Amte untreu zu werden, so sollten sich ja in Kurzem die Verhält- nisse ändern, die von Kaiser Nero in’s Werk gesetzte erste große Christenverfolgung mit dessen Tode ihr Ende erreichen, und unter den Nachsolgern auf dem Kaiserthron stand die Rückkehr in seinen Kirchensprengel für den Apostel in naher Aussicht (V. 12; Z. Joh. 13 f.); so konnte er seine amtliche Auctorität, die er in kirchenregimentlicher Hinsicht seither hatte ruhen lassen, nun bald wieder zur Geltung bringen, was er denn schon jetzt fiir dringend nöthig erkennt. H) Wenn Luther die Bezeichnung der Personen, an welche diese zweite Epiftel des Johannes gerichtet ist, übersetztx »der auserwählten Frau und ihren Kindern«, so hat er das für »Frau« im Grundtext stehende Wort Kyria in seiner Grundbedeutung: ,,Herrin« genommen und dafür das entsprechende »Frau« gesetzt; denn dieses Wort mlthochdeutsch fr6wä, frouwäy ist die weibliche Form von fr6, d. i. Herr (vgl. Frohndiensh Frohnfeste, Frohnleichnamx bedeutet also s. v. a. Herrin, was auf den Begriff des lateinischen ,,Matrone« (von mater) hinausläuft. Nun hat man zwar nachzuweisen versucht, daß das griech. Kyria auch als Eigenname für Personen weiblichen Geschlechts gebraucht worden sei, und darum das Wort hier ebenfalls als Eigen- namen fassen wollen, so daß man zu übersetzen hätte: »der auserwählten Kyria«; indessen gewinnt man mit diesem bloßen Namen für eine sonst völlig un- bekannte Person so gut wie gar nichts, während die Bezeichnung ihrer Stellung, die sich in Luthers: »Frau« ausdrückt, allerdings für das Verständniß der Epistel nicht ohne Bedeutung ist. Bei genauerer Ueberlegung können auch einer dritten Meinung wir jetzt nicht mehr beipflichten, von der wir früher uns haben einnehmen lassen (Anh. H. zum 6. Bande: f, i3), wonach das ,,auserwählt« eine Gemeinde (1· Petri 5, 13) und das ,,Herrin oder Gebieterin« die unter den klein- asiatischen Gemeinden eine hervorragende Stellung einneh1nende Gemeinde zu Ephesus (Offenb. 1,4 Anm. 3) bezeichnen soll; aus dem Zusatz: »und ihren Kindern, die ich lieb habe in der Wahrheit, und nicht allein ich, sondern auch alle, die die Wahrheit erkannt haben, um der Wahrheit willen, die in uns bleibet und bei uns sein wird in Ewigkeit« erkennen wir viel- mehr, daß es sich um eine christliche, im hohen An- sehen bei allen, der Wahrheit treu gebliebenen Ge- meindegliedern der kleinasiatischen Kirche stehende Matrone handelt, welche (wohl nach dem Ableben des 53 834 L. Johannis 4—l 1. Mannes) einen größeren Hausstand leitete, den sie mit ihren zahlreichen Kindern, darunter vornehmlich Söhne sich befanden, bildete, und diese Kinder waren zumeist gleichen Sinnes mit der Mutter, der lauteren Wahr- heit noch unverriickt anhängend, und standen bei den Christgläubigen in derselben Achtung mit ihr. Aber aus V. 4: ,,ich bin sehr erfreut, daß ich funden habe unter deinen Kindern, die in der Wahrheit wandeln« geht hervor, daß der Apostel sich hier im Eingang vorerst nur in schonender, zurückhaltender Weise aus- drückt, wenn er sein Lob in’s Allgemeine hin ertheilt, als gälte es allen Kindern jener Frau, an die er «schreibt, ohne Ausnahme; es sind vielmehr auch ihrer etliche darunter, die haben Lust, mit den Jrrlehrern, welche Johannes in seiner ersten Epistel bekämpft, gemeinschaftliche Sache zu machen und ihnen den Zu- gang zu dem Familienhaufe zu öffnen (1. Joh. 2, 14 Anm.)· Da sieht der Apostel sich veranlaßt, die Mutter und ihre noch in der Wahrheit stehenden Söhne ernst- lich zu warnen, daß sie einer so niuthwillens herauf- befchworenen Seelengefahr sich nicht aussetzen möchten, und sie dringend an ihre Pflicht zu erinnern, daß sie den Verführern das Haus zu verschließen und durch Abbruch aller freundschaftlichen Beziehungen zu den- selben sich gegen ihr Ansteckungsgift zu verwahren haben (V. 7—l1). Das ist denn der eigentliche Zweck der so kurzen Epistelx alles Andere, dessen der Apostel noch viel schreiben könnte, will er lieber auf mündliche Aussprache versparen, da er ja bald nach Ephesus zurückkehren zu können hofft, aber diese Sache konnte er nicht bis dahin aufsparen, weil er Gefahr im Ver- zuge erblickte. i""·) Wer die Wahrheit, d. i. Christum und seinen Sinn, die Verkündigung, die uns dieser Wahrhaftige gebracht hat, und den ungefärbten Glauben, in welchem er uns Gott zuführen will, erkannt hat, alles dies auch an Andern zu prüfen und lieb zu gewinnen weiß, der liebt auch um dieser Wahrheit willen (1. Joh. 5, 1f.), weil er sie an Andern findet und weil er die Wahrheit und den Trieb derselben bei sich dämpfen würde, wenn er sich von solcher Liebe zurückzöge Wie vielen und schnellen Veränderungen alles in der Welt unterworfen sei, das findet man besonders auch an den Freund- und Bekanntschaften der Menschen, worin es oft über ein Kleines so ganz anders aussieht; was aber auf die Wahrheit des Evangeliums gegründet ist, um Christi und seines Vaters willen geführt und unter der Zucht seiner Wahrheit vor Eigennutz und fremden Absichten verwahrt wird, das behält ewige Dauer, Werth und Fruchtbarkein Daß des Apostels bisher versicherte Liebe aus der Wahrheit geflossen, be- währt sich nun auch an dem Segenswunsch den er folgen läßt; denn das sind wahrhaftige Güter, die er anwünscht. (Rieger.) Was er nämlich anwünscht, das ist Gnade, welche unsre Schuld, Barmherzigkeit, welche unser Elend wegnimmh Friede, worein Gnade und Barm- herzigkeit uns versehen. (Vengel.) Von Gott, dem Vater,kommtdieGnade,unddurchJesumChristum, den Sohn des Vaters, wie er hier bereits nicht ohne Grund (im Gegensatz, zu den in V. 10 zu erk wähnenden Verfiihrern und Jrrlehrern) bezeichnet wird, ist und wird sie vermittelt; Gnade, Barmherzigkeit und Friede aber sollen mit ihnen, den Briefempfängerm sein in der Wahrheit und in der Liebe. Das sind ja die beiden Ermahnungem die der Verfasser im Folgenden zu geben hat, daß sie festhalten an der Liebe und festhalten an der Wahrheit; die Worte enthalten also eine Hinweisung auf den Inhalt des ganzen Briefes. (Ebrard.) B. Indem sich der nun folgende tljaupttljeil der Gpislel sofort an dieworte im voranslehendenSegenswunsche: »in der Wahrheit und in der Liebe« ansrhließk ohne das; vorhin (b. Z) ein ,,Jtmen·· jenen Segensmunsrh als ein besonderes Stdn: von diesem Hauottheil abgetrennt hätte, spricht der Apostel der Wandrer, mit weliher er’s zu thun hat, zuoörderst seine Freude darüber aus, daß er unter ihren Kindern etliche als solrhe erfunden habe, die in der Wahrheit wandeln, womit ja das von dem Vater unsers tjCrrn Jesu Christi empsangene Gebot von ihnen erfüllt werde; damit verbindet er aber, indem er die andern ihrer Kinder in’s Ztnge faßt, welche die, Iesum Christum nicht als den in’s Fleisch Geleotninenen lseltenneuden Irr— lehrer jener Zeit begnadigen, die Bitte an sie, das Gebot recht wahrzunehmen, das? wir uns unter einander lieben sollen, denn mit solcher Lieb: vertrage siih naht ein Lieb— äugelu mit den Gegnern Christi und seiner Gläubiger« den berwiistern der christlichen Gemeinde. Er seht den hohen Ernst der Sache, um die es sich handelt, noch weiter auseinander, und gebietet nun in sehr entschiedenen Worten, daß man alles berleehrs mit jenen verführerischen Menschen sich aufs strengste enthalte. 4. Ich bin sehr erfreuet, daß ich snach den Mittheilungen, die mir über den Stand der Dinge in deinem Hause durch die Kinder deiner Schwester V. 13 zugegangen sind Col. 1, 4 u. 8] funden habe unter deinen Kindern [solche], die in der Wahrheit wandeln [3. Joh. 3 u. 4; I. Joh. L, 6 und also als rechte Christenleute sich erweifen]; wie denn wir ein Gebot vom Vater saus dem Munde seines Sohnes Jesu Christi] empfangen haben« fdaß wir also wandeln sollen und nicht in Finsterniß, so wir Gemeinschaft mit ihm haben wollen 1. Joh. 1, 6 f.; Joh. 14,15; 15, 10]. Z. Und nun [damit ich solche Freude auch ferner und in immer reicherem Maße haben möge V. 121 bitte ich dich, Frau [1. Thess. 4 f., hal doch beiallen deinen Kindern darauf] — nicht als ein neu Gebot schreibe ich dir swas ich jetzt werde folgen lassen, wie die Jrrlehrer ihrerseits darauf bedacht sind, immer etwas Neues vorzu- bringen, um den Neigungen des natiirlichen Menschenherzens Apostg. 17, 21 zu schmeichelnf sondern sein Gebot], das wir gehabt haben von Anfang [1. Joh. Z, 7; Z, 11] —, daß wir sdie wir durch den Einen Glauben an den Sohn Gottes mit einander verbunden sind 1. Joh. 3, 23] uns Unter einander lieben« [Joh. 13, 34 f.; 1. Joh.4,7.11]. b. Und [da bedenke denn, damit dir meine Bitte recht zu Herzen gehet] das ist swie ich im Brief an die Gemeinde erklärte 1. Joh. 5, Z] die Liebe szu Gott1, daß wir wandeln nach seinem Gebot. Das ist [aber] das Gebot sum welches hierbei als Kern und Stern aller seiner Gebote es sich vornämlich handelt], wie ihr gehöket habt von Anfang fseit euch das Evangelium gepredigt worden und ihr bekehrt seid], auf daß srichtiger blos schlechtweg: daß] ihr daselbst innen [in der Liebe, nämlich in der, aus der Liebe zu Gott Der Haupttheib Freude des Apostels, seine Bitte nnd Mahnung. 835 erwachsenden Liebe zum Bruder 1. Joh. 4, 21] wandeltkkkk 7. sZu meiner obigen Bitte V. 5 sehe ich aber durch die Zustände der Gegenwart mich veranlaßt.] Denn swie ich bereits in 1. Joh. 2, 18 U. 4, 1——3 darauf hingewiesen habe] viel Verführer sind sjetztjs in die Welt kommen, die nicht bekennen Jesum Christum, daß er in das sgenauer: in dem] Fleisch kommen ist. Dieser sein jeder von denen, die nicht also bekennen] ist swie auch in l. Joh. 2, 22 gesagt] der Ver: führer und der Widerchrist sals einer, der dessen Geist und Sinn in sich trägt und seiner völligen Ausgeburt vorarbeitet, daher es keine gleichgiltige, ungefährliche Sache ist, wie ihr vielleicht denkt, mit einem Menschen dieser Art näheren Verkehr zu unterhalten] 8. Sehet salfo ihr, du Frau mit deinen Kindern, aber auch ihr andern Glieder der Ge- meinde] euch vor [Matth. 7, 15], daß wir sDiener des Evangeliij nicht verlieren, was wir san euch, mit eurer Bekehrung zu Christo und eurer bis- herigen Förderung auf dem Heilswegej erarbeitet haben, sondern vollen Lohn Darin] empfahen]- sdaß ihr auch treu bleibet allen Versuchungen zum Abfall gegenüber und so das Ende eures Glaubens davon bringet, nämlich der Seelen Seligkeit I. Petri l, 9]. 9. Wer übertritt szu jenen Verftihrern, daß er deren Lehre annimmt] und bleibet nicht in der Lehre Christi [in der Lehre von Christi Wesen und Perfon], der hat snach dem, was ich in 1. Joh. 2, 23 gesagt habe] keinen Gott; wer [dagegen] in der Lehre Christi bleibet, der hat. beide [Jes. 27, 1 Anm. 2], den Vater und den SohnH [1. Juki. Z, 24]. 10. sNach dem hier Gesagten nehmet denn die Weisung zu Herzen und richtet euch darnach:] So jemand zu euch kommt swie ja dergleichen Leute so gern hin und her in die Häuser schleichen 2. Tim. Z, s] und bringet diese Lehre snämlich die Lehre Christi V. 9] nicht ssondern will viel- mehr eine andere von der in V. 7 beschriebenen Art euch dafür in’s Haus tragen], den nehmet nicht zu Hause sdaß ihr ihm gastfreundliche Auf- nahme gewähren wolltet], und grüßet ihn auch nicht sals einen christlichen Bruder ihn behandelnd, selbst bei einer vorübergehenden Begegnung]. 11. Denn wer ihn grüßet [und damit einem innerlichen Gemeinfchaftsverhältniß mit ihm Aus- druck giebt], der macht sich theilhaftig seiner bösen Werkes-H- [womit er sich an Gott und seinem Wort, an Christo und seinen Gläubigen versün- digt Offenb. 18, 4]· V) Die Frage, ob der Verfasser zufällig, oder nach einer besonders angestellten Prüfung die Entdeckung gemacht, daß etliche Kinder der ehrwürdigen Matrone, an die er fein Schreiben richtet, in der Wahrheit wandeln, fällt bei der richtigen Einsicht in die Sach- lage von selbst als eine müssige hinweg: einige ihrer Kinder hat er als in der Wahrheit wandelnd erfunden, andere nicht, d. h. von den letzteren hat er vernommen, daß sie mit Jrrlehrern Umgang angeknüpft haben und daß die Liebe zu der Gemeinde und zu den Kindern Gottes in ihnen erkaltet ist, während von den ersteren er mit Freuden vernommen hat, daß sie treu und fest stehen im Glauben und in der Liebe. (Ebrard.) ») Wir lassen uns hier erinnern, welch eine Stärke und Reife nach Gnade, und selbst auch nach natür- lichem Alter, dazu gehöre, wenn man sich mündlich oder fchriftlich in näheren Umgang mit Personen vom andern Geschlecht einlassen will: was einem Aeltesten Johannes ansieht, haben nicht gleich jede jun en und kaum in ihre Verfuchungswüste eingetretenen ersonen nachzumachem (Rieger.) Nicht allemal Ernst und Strenge, auch Sansttnuth und Lindigkeit muß ein Prediger brauchen, nicht eben gebieten, sondern bitten, zu werden, vgl. 2. Cor. 8, s; 1. Thessal 4, 1. ar e. · sit) Es ist »Viel mehr gesagt, wenn es heißt, daß wir einander lieben sollen (V. 5), als wenn wir zu dieser oder jener Pflicht insonderheit ermahnt werden, fintemal die Liebe sie alle auf einmal in sich fasset und mit der Liebe uns ihre unzertheilte Uebung anbe- sohlen wird; wie denn auch keine einzige rechter Art ist, wo nicht alle übrigen damit verknüpft sind, obwohl in unterfchiedenem Maße. (J. Lange.) s) Die Jrrlehrer verderben nicht blos die christo- logische Wahrheit, sondern zugleich die Arbeit der Kirche und das Heil der einzelnen Gemeindegliedev (Braune.) Ach, wir haben alle von Natur einen anti- christifchen Sinn und den Antichrist in uns; wer den nicht kennt und ausstößt, der wird den äußerlichen nimmer kennen noch vermeiden. (Starke·) Das treue und so oft aus Jesu eigenem Munde gegangene Wort: ,,sehet euch vor« (Mark. 13, J) ist uns stets noch brauch- bar. Blindlings und ungefähr kommt man in Ver- führung und in’s Verderben; der Weg des Lebens aber gehet iiberwärts, klug zu machen (Sp. 15, 24), auf dem gilt es also vorsichtig wandeln. (Rieger.) H) Die Verführer können Einem das Uebertreten oder Abweichen von der genauen Wahrheit so süß und leicht eingeben; zum Abschrecken davor fetzt der Apostel aber so was Schweres darauf: man verliert Gott darüber, man hat keinen Gott mehr! Was da einem Menschen von Gott in seinen Gedanken und Bekennt- niß des Mundes übrig bleibt, nützt ihm nichts; er hat keine Gemeinschaft mit ihm, keinen Wandel in feinem Licht. Sonst heißt es: das Wort und die Lehre Christi bleibe in uns; man kann aber auch sagen: wir, mit der Uebergabe unsers Herzens, mit unserm Gehorsam und Freude an der Lehre Christi, bleiben in derselben und haben also den Vater und die Er- kenntniß der Liebe, die Gott zu uns hat und in welcher er uns den Sohn geschenkt, und haben auch den zur Versöhnung für unsre Sünden in die Welt gesandten Sohn und an ihm einen Fürsprecher bei dem Vater. (Rieger.) Hi) Des Apostels Weisung fetzt wohl ein bereits vorhandenes perfönliches Umgangs- und Freundfchafts- verhältnis; von Seiten einiger Familienglieder des Hauses der »Frau« (vgl. zu V. 4) voraus,,so daß nach dieser Seite hin war gefehlt worden. (Ebrard.) Es handelt sich aber bei feiner Weisung selber nicht um folche Erweifungen, welche der Mensch dem Men- fchen, sondern um folche, welche der Christ dem Christen schuldet, und soll nicht Jrrenden das menschliche Ver- 53’k 836 2. Johannis 12. 13. Z. Johannis 1-—4. hältniß aufgekündigt, sondern nur nicht die christliche Gemeinschaft dem zerstörenden Einfluß ihrer inneren Feinde preisgegeben werden. (v. HofmannJ So schwierig auch unter den gegenwärtigen Verhältnissen, bei der Entwickelung, die die Lehre genommen, die richtige Anwendung des von Johannes Gesagten sein mag, so muß es doch als giltiger Grundsatz auch jetzt anerkannt werden, nicht nur daß der Christ sich des Gegensatzes zwischen Antichristenthum und Christen- thum bewußt bleibe, sondern auch, daß er dieses Be- wußtsein in dem Verhalten gegen den Nächsten nicht verleugne. (Huther.) C— Zum Schluß giebt der Jlposlelzu verstehen, daß er eine weit längere Gpisleh als diese in, hätte schreiben blühen, wenn er sein ganzes her; hätte ausschätten wollen; aber er wird das bald mündlich thun und da mehr noch ausrikhten können, als er es mit papier und Tinte zu thun vermag, darum hat er sich mit dem begnägh was fiir den Jlugenblirtc unbedingt nothwendig und unaufsehieblirh war, und fiigt nur noch einen Gruß von den Kindern der Schwester der bett. Frau, welche seinen Brief empfängt, hinzu, womit er ihr wohl ebenfalls an’s Her; greifen will, indem er zugleich in Betress dieser ihrer Schwester eine Form der Bezeirhnnng wählt, die eine Jlnszeichnung in sich schließt. 12. Jch hatte [wenn es darauf angekommen wäre, alles zu sagen, was mir für euch auf dem Herzen liegt] euch viel zu schreiben, aber ich wollte nicht mit Briefen [besser: mit Papier] und Tinte salles zum Ausdruck bringen, was ja doch, wie eine umständliche, so auch immer nur eine mangel- hafte Weise des gegenseitigen Verkehrs ist]; son- dern ich hoffe zu euch zu kommen und mündlich [genauer: von Mund zu Mund] mit euch zu reden, aus daß unsere Freude vollkommen sei [Röm. 1, 11 f., vgl. Joh. 13 f.]. 13. Es grüßen dich die Kinder deiner Schwester, der Auserwählten [vgl. Röm. 16, 13 und die Bem. dazu]. Amen. Der Verfasser will, was er weiter zu sagen hat, demnächst mündlich sagen; sein Brief soll nur der vor- handenen Gefahr einstweilen einen Damm entgegen- setzen und zugleich sein persönliches Kommen ankün- digen und demselben vorarbeiten. Aus dem Gruße, den er am Schlusse von den Schwesterkindern der Ma- trone ausrichteh geht hervor, daß er diesen gesagt hat, daß und wohl auch warum er an sie schreibe; und da liegt denn in der Erinnerung an diese nahen Ver- wandten, von denen er vermuthlich die Nachricht er- halten, wie es im Familienkreise der Briefempfängerin stehe, zugleich ein paränetisches Moment —- auch sie nehmen Theil an den Sorgen und Bitten des Brief- schreibers. (Ebrard.) Wenn man erkennt, daß die Epistel von Patmos aus von Johannes geschrieben ist, so braucht man nicht, wie die meisten Ausleger thun, vorauszusetzem daß die Mutter dieser Schwester- kinder der Briefempfängerin ebenfalls gestorben gewesen wäre, wie der Mann derselbigem die Bezeichnung: ,,deiner Schwester, der Auserwählten« sagt vielmehr bestimmt genug aus, daß diese Schwester der Matrone noch am eben war und daß sie mit ihren Kindern ohne solches getheiltes Wesen, wie es in dem andern Familienkreise sich zeigte, treu zu dem Apostel und der Lehre Christi stand. Vielleicht hatte sie eigens ihre Söhne zu Johannes abgesendet, damit er selber ein- greife, das Verderben von dem Hause ihrer Schwester abzuwenden; oder aber, was noch wahrscheinlicher, sie hatte ihre Söhne dem Apostel schon damals als Pfleger und Diener beigegeben, da er in die Verbannung ziehen mußte, und hatte jetzt durch deren Vermittelung ihre Sorgen mit der Bitte um Abwehr demselben kund gethan. Wir schließen das aus der aufsälligen Nach- ftellungx »der Auserwähltents die einen besonderen Ton auf diese Bezeichnung legt, während oben (V. l) es ohne solchen Nachdruck blos einfach hieß: »der aus- erwählten Frau«. xllie 3. llipisiel St. Hohanniek Die zweite und dritte Epistel St. Johannis sehen wie Zwillingsgeschwister sich einander ähnlich; aber bei aller Gleichheit in Anlage und Form sind sie doch den Gegenständen und der Tendenz nach sehr verschieden. Während der zweite Brief neben der lebhaften Freude des Apostels an dem Wandel der Seinen in der Wahrheit die zarteste Sorge für dieselben den Jrrlehrern gegenüber in gewaltiger Energie kund giebt und vor vertrautem Verkehr mit diesen auf das Entschiedenste warnt, weist der dritte Brief, neben derselben Freude, auf die unterstützende Theilnahme an missionirenden Brüdern als unverletzbare Pflicht der Einzelnen und der Gemeinde hin, tadelt, droht und bittet mit großer Kraft· (Braune.) eoo der— gasiskeihsit · A· Die Jlufschriftx »der Jlclteste« ist hier dieselbe, wce im zweiten seiest, die Inschrift aber: ,,Gajo dem Lieben« unterscheidet sieh von der in jenem sriefe durch bestimmte dlamensbezeichnung des Briesempsängers und dureh Bezeichnung der persiinlieheu ijerzensslellung des Brief— sthreibecs zu ihm; und wenn nun gleich das: »den ich lieb habe in der Wahrheit« auch schon in Beziehung auf die erwählte Frau und ihre Kinder in der vorigen Gpistel gesagt wurde, so wird es doch hier nicht näher ausgeführt und bekommt dadurch im Vergleich mit der dortigen Verallgetneinerung einen mehr individuellen, unmittelbar ss persönlichen Charakter. Schluß der zweiten und Eingang der dritten EpisteL 837 1. . Der Aelteste [Johannes, vgl. zu 2. Joh. ·1, schreibt diesen Brief] Gast) sgriechifche Schreibweife für die lateinische: Cajo Apostg. 19, 29], dem Lieben [Philem. 1], den ich lieb habe in der Wahr- heit sals einen solchen, der aus der Wahrheit ist]. Daß der Apostel mit »dem Lieben« eine beson- dere Herzenszuneigung zu diesem Gajus zu erkennen geben will, geht daraus hervor, daß er hernach bei jedem Absatz seines Schreibens die Anrede: ,,mein Lieber« wiederholt (V. 2. 5 u. II) und damit den Absatz» eigens markirt (vgl. Matth. 3,17; 12, 18; 17, B; Luk. TO, 137 Col. 4, M; Ephes. 6, 2l; Röm. l6, 5 u. s; 1. Cor. 4, 14); es fragt sich nun aber, ob in Betreff des sonst völlig unbekannten Mannes sich nichts Näheres ermitteln läßt. Man hat denn vermuthet, es sei wohl jener Corinther Gajus, von dem Paulus in 1. Cor. I, 14 redet und den er in Röm. l6, 23 als seinen und der ganzen Gemeinde Wirth bezeichnet, zu verstehen, weil auch der Gajus, um den es sich hier. handelt, in V. 5 ff. wegen seiner Gastsreiheit vom Apostel so belobt werde; allein da bliebe es doch sehr räthselhaft, wie der Eorinther ans einmal nach Klein- asien komme, um an einer der dortigen Gemeinden das Aeltesten-Amt zu bekleiden. Jn der Bem. zu Apostg. 19, 34 haben wir dagegen die andere Ver- muthung geltend zu machen versucht, daß Gajus aus Macedonien, nachdem er in den dort erwähnten, gegen den Paulus gerichteten Tumult verwickelt worden war, als dieser Apostel um die Zeit des Pfingstfestes a. 57 n. Chr. Ephesus verließ, von ihm daselbst zurückgelassen worden und hernachmals in das Aeltestenamt bei irgend einer der verschiedenen, zum ephesinischenKirchensprengel gehörigen Gemeinden eingetreten sei. Vielleicht nun haben wir hierbei speziell an die Gemeinde zu Per- gamus zu denken; bei dieser war, seit Johannes im J. 64 sich der Leitung des ephesinischen Kirchenspreiigels angenommen hatte, Timotheus von demselben als apostolischer Delegat oder, wenn man lieber sagen will, als bischöflicher Vorsteher stationirt worden, aber, wie aus nahe lie ender Deutung des Namens,,Antipas« in Ofsenb 2,1 hervorgeht, um die Zeit, wo der Apostel nach Patmos verbannt wurde, dem Märtyrer- tode anheimgefallen. Da scheint nun jener Diotrephes in V. 9 ff. darnach getrachtet zu haben, die Geltung eines Oberaussehers oder Bischofs unter den Aeltesten für sich zu gewinnen, und geberdete denn auch flugs sich als solcher mit seinem ganzen Verhalten, dessen wir bereits in der Wem. zu 2. Joh. I gedachten. Es liegt je t weiter nahe zu vermuthen, daß Johannes, als er nde des J. 68 oder Anfang 69 nach Ephesus zurückgekehrt war, dem Thun und Treiben dieses Mannes Einhalt gethan und vielmehr den in der Wahrheit wandelnden und in Ausübung brüderlicher Liebe bewährt erfundenen Gajus zum obersten Leiter der Pergamus-Gemeinde gemacht hat; und wirllich gedenken die, für die Geschichte der»Kirchenverfassung und die chriftliche Archäologie so wichtigen ,,apoftolischen Constitutionentt in ihrem V1I. Buche eines Gajus, der von dem Apostel in Pergamus als Bischof eingesetzt worden sei. B. Der Haupttheil dieser dritten Gpistel isi nicht so, wie der der zweiten, ein ununterbrochen fortlaufendes Ganze, sondern scheidet sich nach der vorhin gemachten se— merkung in drei, durch die Kunde: ,,niein Lieder« be- inerklieh gemachte kleine Kbsihnitta I. V. 2—4. Der erste Abschnitt bringt statt des sonst in Episleln üblichen, auch in L. Joh. 3 vorkommenden Segenswunschem der aus das geistliihe Erben sich be- zieht, vielmehr einen Segenswunsch des Jlpostels in setress des äußeren wohlergehens des Seins, beson- ders auch sür dessen Gesundheit, während in geistlicher hinsicht ein guter lheilsstand, bezeugt von ihrisiliclien Brüdern, die zu Johannes gekommen sind, und bekundet durch Werke, die Gajus gethan hat, bei demselben an- erkannt wird, so daß der Jlvoslel nach dieser Seite hin alle llrsach hat siih seiner zu freun. Hiernach scheint der Brieseinpfänger in einer gedrückten Enge, vielleicht von dein Ilion-rohes h. 9 ff. ihm bereitet, sich befunden zu haben und wohl auch kränklich gewesen zu sein; es wird ihin da des Briefschreibers väterliche Theilnahme, die ihrem Inhalte nach in naher Beziehung zu Pf. Alt, 2—4 steht, gewiß reiht wohl gethan und gar sehr zur Jlusrichtung seines Geniüths beigetragen haben. 2. Mein Lieber, ich wünsche in allen Stücken swas die äußeren Lebensverhältnifse betrifft], daß dir’s [darin] wohl gebe und sdu besonders auch dem Leibe nach] gesund seiest svgl. 1. Tim. 5, 23], wie es denn deiner Seele sin geistlicher HiUsichtJ wohl gehet. 3. Jch bin aber [wenn ich so schreibe: ,,wie es denn deiner Seele wohl gehet« allerdings zu einer solchen Aussage berechtigt; denn ich bin] sehr erfreut sdurch die Nachrichh die ich über dich erhielt], da die Brüder svon denen hernach V. 5 ff. des Weiteren die Rede sein wird, zu mir] kamen und zeugten szunächst vor mir vgl. V. S] von deiner Wahrheit [deinem guten christlichen Heils- stande, daß nämlich die Wahrheit in dir ist I. Joh. 1, 8 U. 10; 2, 4; Joh. 8, 44], wie dem: szu- gleich aus dem, was du thust V. 5 ff» hervor- geht, daß] du sim Unterschied von Andern, mit denen es nicht so steht V. 9 ff., auch mit den Werken 1. Joh. Z, 18] wandelst in der Wahrheit« fund nicht blos mit dem Munde dich zu Christo bekennst 2. Joh. 4]. 4. Jch habe [ja, zumal in meinem Ver- bannungsleben hier Offb. 1, J] keine größere Freude, denn die, daß ich höre meine Kinder [die unter meiner väterlichen Leitung stehenden Genieinde- glieder mit ihren Aeltesten und Vorftehern] in der Wahrheit wandeln « fund so wirst du verstehen, wie sehr ich mich über die in Betreff deiner em- pfangenen Nachrichten gefreut habe 1. Cor. 13, 6]. V) Wenn man schon seine thätige Liebe nicht den Menschen in das Gesicht richtet, um von ihnen gesehen zu werden, so ist es doch ein Licht, das nicht verborgen bleibt; und ein Zeugnis; von Andern führt auch etwas Ermunterndes mit sich. (Rieger.) «) Prediger haben in ihrem Amte Mühe und Arbeit, Haß und Neid, Anfechtung und Verfolgung, Spott und Hohn 2c.; die Freude über die Frucht ihrer Arbeit überwindet alles. (Cramer.) Der Diener Christi größte Freude ist, an ihren Gemeinden nicht vergeb- lich arbeiten zu müssen, wenn auch umsonst. (Braune.) II. v. 5—-—10. Ver zweite Abschnitt bringt uns nun näheren Ausschluß, aus welcherlei Vorsiille der Apostel vorhin Bezug nahm, als er den! Gajus ein so aner- kenncndes Jeugniß ausstelliez indessen sind es immerhin nur einzelne Zenker-nagen, nur kurze Zumutungen, aus 838 3. Johannis 5——1 D. denen wir das Sachoerhältniß erst erschließen müssen, und dabei bleibt doch noch so Manches unbestimmt oder zweifelhaft. Inder Hauptsache scheint Folgendes die Sachlage zu sein: Von irgend einer der auswärtigen Gemeinden, etwa derer, an welche die beiden tnriese St. Petri gerichtet nnd, hatten christliche rnissionare sich aus ihrer heimath aufgemacht, um das Reich Gottes noch weiter unter den Heiden auszubreiten, nnd Io- hannes hatte Gelegenheit gefunden, sie mit einem Gm- pfehlungsschreiben an die Gemeinden des ephescnischen Kirchensprengels zu versorgen, damit sie, da ihr Berufs- weg sie wohl nach Westen, also in die tlähe dieser Gemeinden führte, bei denselben willige Aufnahme und reichliche Unterstützung fänden, weil sie darauf ver— zichten wollten, von den Heiden selber irgend etwas zu beziehen. Da ist nun Gajus, vielleicht einer der Jteltesten der pergameniseljen Gemeinde, dienstfertig und gastfrei gewesen, jener inissionare sich anzunehmen; ein anderer Jleltestey wie es scheint der nämlichen Gemeinde, hat dagegen sich unzietnliche Kuslassungen iiber des Apostels Jluetoritcitz die er mit dessen Verbannung als erloschen betrachtete und an deren Stelle er nnn in ehrgeizigelii Streben nach einer höheren tdlachtsiellunxn als die eines einfachen presbhters, die seine zu sehen trachtete, sich zu Schulden tionimen lassen und sowenig nach des Apostels Willen gethan, daß er im Grgentheil jenen Gottesboten nicht nur selber die Thier gewiesen, sondern auch die— jenigen in der Gemeinde, die sie aufnehmen wollten, mit Greommunication bedroht hat. Dieser ehe— nnd herrschsiichtige Kclteste heißt Diotrephesz und wenn gleich Johannes die persönlinj ihm angethane Beleidigung demselben wsirde ungerügt halten hingehen lassen, so muß er doch, wenn er demnächst zu seinen Gemeinden zuriirtileehren wird, das unwiirdige Verhalten des Mannes in dem ihm anorrtrauteu Amte in sehr entschiedener Weise zu einem Gegenstande teirehlicher Gensur tauchen, um das in die Kirche eingeschwärzte Verderben aus ihr wieder heraus zu schaffen. 5. Mein Lieber, du thust treulich shandelst ganz als ein frommer, redlicher Christ in dem], was du thust an den Brüdern und Gästen san den Brüdern, welche als Gäste zu dir kommen Heim. 13, 2; Röm. 12, 13], b. Die [denn, was speziell diejenigen betrifft, um welche es sich im vorliegenden Falle handelt] von deiner Liebe [womit du ihnen begegnet bist] gezeuget haben sgleichwie vor mir V. Z» so auch] vor der Gemeine sdie ich hier um mich gesammelt habe V. 12 u.15., als sie ihr verkündigtem wie- viel Gott mit ihnen gethan habe Apstg. 14, 27]; und du hast wohl gethan, daß du sie sals sie von dir aus ihrer Missionsreife weiter zogen] abgefertigel hast witrdiglich vor Gott«« [wie es einem treuen Dienst an seinem Reiche entspricht Tit. 3, 13 f. —— nach dem Wortlaut des Grnndtextes ist aber vielmehr zu lesen: und du wirst wohl thun, wenn du sie, da sie nun auf ihrer Heimkehr wieder zu dir kommen, abfertig est würdiglich vor Gott]. 7. Denn um seines Namens willen [den- selben da, wo man noch fremden Göttern dient, bekannt zu machen Matth. 19, 29; Apostg 14, 15 ff.; 17, 23 ff] sind sie ausgezogen saus ihrem Heimathsort Apostg 15, 40], und haben von den Heiden san denen sie ihr Bekehrungswerk aus- gerichtet, nach Pauli Grundsatz I. Cor. 9,15 u. 18; 2. Cor. 11, 7 ff.; l. Thesf 2, 9] nichts genommen sdaß sie von diesen mit ihrer Noth- durft sich hätten versorgen lassen Matth 10, 8]. 8. So sollen wir nun [besser sind die beiden Worte so zu stellen: nun wir, die wir Christen sind] solche aufnehmen sund ihnen allen guten Dienst williglich erzeigen 2. Joh. to; Apostg. 28, 10], auf daß wir der Wahrheit Gehilfen werden «· sdurch Mitbetheiligung an ihrem Werke der Ausbreitung des Reiches Gottes Phil 1, b; Col. 4, U; 1. Thess 3, 2]. 9. Jch habe sdas auch, daß wir so, wie ich eben sagte, gegen dergleichen reisende Evangelisten uns verhalten sollen, in einem eigenen Empfehlung?- fchreiben, das ich jenen Brüdern auf ihren Weg mitgegeben hatte] der Gemeine swo immer sie hin- kommen würden] geschrieben; aber Diotrephem der unter ihnen [den Gemeinden seiner Gegend] will hoch gehalten sein sgleich als wäre er jetzt der oberste Bischof], nimmt uns smit unserm aposto- lifchen Wort] nicht an ssondern setzt sich darüber hinweg, als hätten wir ihm nichts mehr zu sagen]. 10. Darum, wenn ich komme sund mein Oberhirtenamt über die kleinafiatischen Gemeinden wieder aufnehmen werde, was, wie ich hoffen darf, bald geschehen wird V. 14; 2. Joh. 12], will ich ihn erinnern seiner Werke, die er thut [sie riigend ihm vorhalten, daß er so unser Amt, das der HErr uns gegeben, gering achtet], und plaudert mit bbsen Worten wider uns sin nichtssagenden Schwatzereiem als wären wir ein für immer ab- gethaner Mann, auf den niemand ferner zu hören habe] und läßt ihm an dem san solchem Plaudern mit bösen Worten wider uns, was ich ungeahnt könnte hingehen lassen] nicht begnügen ssondern erlaubt sich auch thätliche Eingrisfe in die Ge- meindeverhältnisfe, um seine Grundsätze da durch- zuführen] Er selbst nimmt die Brüder nicht an, und wehret denen, die es thun wollen [Matth. 23, 13], und stößt sie [mittelst des Bannes Joh. 16, 2] aus der Gemeine-«« [droht ihnen mit solcher Ausstoßung, wenn sie sich seiner Auctorität nicht unterwerfen würden, vgl. die Bem. zu 1. Joh. Z, 15 u. 18]. i) Ein Anderes ift’s, etwas nur Schande halber, beinahe gezwungen thun, etwas Anderes, wiirdiglich vor Gott, nach Erkenntnis; des Willens Gottes mit Gemerk der auf die Niedrigen gerichteten Wahl Gottes, nach der Hoffnung des Reiches Gottes, worin sich die Vergeltung finden wird. (Rieger.) Wer Christi Knechte aufnimmt, nimmt ihn selbst auf: sollen wir nun nicht begierig sein, ihn in seinen Gliedern aufzunehmen? Er wird feine Herberge reichlich bezahlen. (Starke.) Die Gaftfreiheit war eine feine Tugend der ersten Christen, und Paulus nennt sie unter den Eigenschaften eines untadeligen Bischofs (1. Tini. Z, 2; Tit. 1, 8); Das der dritten Epistel zu Grunde liegende Sachverhältniß. 839 jedes Pfarrhaus, ja jedes Christenhaus war ein Pilger- Haus, wo die versagten oder die im Evangelistenamte reisenden Brüder gastliche Herberge fanden, und es gehörte namentlich zu dem Zeugniß guter Werke der in’s Diakonissenamt zu erwählenden Wittwen, gastfrei zu sein und der Heiligen Füße gewaschen zu haben (1. Tim. 5, 9 f.). Die Brüder, von welchen Johannes spricht, hatten von Gaji Liebe gezeugt auch vor der Gemeinde: da blicken wir in das liebliche Gemeinde- leben der ersten Kirche hinein; Johannes hatte seine Gäste in die Versammlung eingeführt, und sie hatten die Gemeinde erquickt durch die Botschaft, daß der Weinstock, an dem sie alle Reben waren, einen recht grünen und fruchtbaren Reben triebe an Guid, dem Geliebten. Jst der Brief von dem Verbannungsorte des Apostels, von Patmos aus geschrieben, wie man annehmen darf, so hatte sich dort um ihn ein Gemeindlein gesammelt, und ohne feinen Dank hatte der römische Kaiser oder dessen Statthalter jene arme Jnsel reich gemachr (Besser.) Nach der oben angegebenen richtigen Ueber- setzung der zweiten Hälfte des 6. Verses, wo der Wortlaut des Grundtextes etwas schwierig und darum auch von Luther irrthümlich aufgefaßt worden ist, wird die That des Gajus erst fertig, wenn er die Ausrüstung und das Geleit der Brüder wird vollends zu Stande gebracht haben, was denn der Apostel mit Zuversicht von ihm erwartet. (Braune.) it) Wer Jrrlehrer grüßt und aufnimmt, der macht sich theilhaftig ihrer bösen Werke (2. Joh. 11); wer aber Bekenner Iesu Christi grüßt und aufnimmt, die den Namen alles Heils bringen, der macht sich theil- hastig ihres Werkes an der Wahrheit. Ein rechter Misfionstextl An unsrer Statt dienen die Missionare unter den Heiden und erstatten unsern Mangel (1. Cor. 16, 17); aber das soll niemand meinen, daß er durch einen bloßen Geldbeitrag seine Person gleichsam los- kaufen könne, die er Gott schuldig ist, die gliedliche Gemeinschaft bringt es vielmehr mit sich, daß ich selber zu den Heiden gehe, wenn ich einen Bruder senden helfe. (Befser.) ist) Es lassen sich die in den Worten des Apostels kaum angedeuteten Thatsachem auf welche sich dieselben beziehen, nur errathen; und da bleibt besonders der Punkt dunkel, wie Diotrephes einen solchen Einfluß gewinnen konnte, daß er die Ausschließung derer, welche Gastfreundschaft an den fremden Brüdern üben wollten, bei der Gemeinde durchsetzte Hatte er durch sein Amt, etwa als Presbyter, irgend ein besonderes Ansehn? Darf man aus dem Ausdrücke: »unter ihnen will hochgehalten sein« und aus der Andeutung über die Nichtachtung des apostolischen Ansehens schließen, daß jener Mann seine amtliche Stellung zur Gemeinde in eitler Herrschsucht gemißbraucht und sich zum Herrn der Gemeinde aufgeworfen habe, nicht sich begnügend mit der wahren Ehre, ein Hirt und Diener derselben zu sein? Nimmt man dies an, so ist es einigermaßen erklärlich, wie Diotrephes die zur Uebung der Gast- freundschaft Willigen als solche darstellen konnte, welche seinen amtlichen Weisungen ungehorsam und Störer der Gemeindeordnung wären, so daß unter diesem Vorwande die Ausschließung erfolgen konnte; kam er hierbei inWiderspruch mit irgend welchen Empfehlungen oder Anweisungen des Apostels, so lag die Ver- suchung nahe, durch böses Gerede wider denselben die eigene Ungerechtigkeit zu verdecken und etwa durch die eitle Vorspiegelung von der Selbständigkeit der Ge- meinde die Kurzsichtigen zu blenden. (Düsterdieck.) Hat schon damals ein falscher Eifer bei Diotrephes gegen einen Apostel soviel unternommen, wer will es sich befremden lassen, wenn sich die heutigen Diotrephes an ihm vergreifen? (Rieger.) III« V. 11 u. 12. Der Apostel wendet sich jehh wo die in"V. 3 u. 6 erwiihnten Brüder im Begriff sehen, 3urüttizuliehren, mit der Ermahnung an Gaja-i, nicht dem Bösen narhzufolgem sondern dem Guten, und also diese Brüder nicht in der Weise deg Diones-her, sondern so, wie es sich gebührt, zu behandeln, auch sonst in allen Dingen sich als einen, der von Gott geboren ist, zu erweisen; darnach fiihrt er in Betress des Demetrius, der an der Spitze der Gesellschaft steht und den Ueber- bringer der apostotischen tzriefe abgielsh ein dreifaches Zeugnis an, dae fiir seine Tüchtigkeit und Zuverlässig- keit Gewähr leistet, damit er aurh den Briefempsängern ein Vertrauensmann: werde, wie er es dem Brief— schreit-er ist. - il. Mein Lieber [V. 2 u. 5], folge [auch in deinem weiteren Verhalten, wenn die in Rede stehenden Brüder nun wieder zu dir zurückkehren und da abermals der Ausnahme und Unterstützung bedürfen] nicht nach dem Bösen swie Diotrephes dessen ein Exempel gegeben hat], sondern dem Guten [wie du selber es gegeben, und handle ferner mit ihnen würdiglich vor Gott V. S; 1. Petri Z, 11]. Wer Gutes thut [das weißt du ja und das halte ich in 1. Joh. 2, 29z 3, 6. 9; 4, 7f. auch der ganzen Gemeinde vor], der ist von Gott; wer Dagegen] Böses thut, der siehet Gott nichts« 12. Demetrius sder vornehmste unter jenen Brüdern, in dessen Hand wir diese und die beiden andern Episteln zur Besorgung an die, für welche sie bestimmt sind, legen] hat sein gutes Apostg. S, Z; 10, 22; 16, 21 Zeugnis von jedermann sin der Christenheit, soweit man ihn kennt 2. Joh. 1] und von der Wahrheit selbst sin der er wandelt und die damit als ihren aufrichtigen Jünger ihn beglaubigt]; Und wir [unsrerseits, damit die Zahl der Drei voll werde 1.Joh. Z, 7 f.] zeugen auch sindem wir uns seiner als unsers Vertrauens- mannes an euch bedienen], Und ihr wisset, daß unser Zeugniß wahr ist» [Ioh.19, 35; 21, 24]. V) Im Hinblick auf die Gemeindegliedey welche Diotrephes an sich gezogen hatte, spricht Johannes diese Ermahnung aus, die auch einem Gajus von- nöthen ist: zum Nachahmen des Bösen ist die Natur leicht geneigt, aber das Gute nachzuahmen erfordert rechtschaffenen Eifer und geistliche Munterkeit. (Besser.) H) Welche Veranlassung der Apostel zur· Empfehlung des Demetrius gehabt habe, Ist nicht stcher zu er- kennen, doch liegt die Annahme nahe, daß derselbe der Führer der jetzt wieder zu Gajus kommenden Brüder, welchen er vorhin schon Gutes erwiesen, und zur Ueberbringung des an ihn gerichteten Schreibens bestimmt gewesen sei; die Worte Johannis schließen jedenfalls ein großes Lob ein, wenn er zunächst von Demetrius sagt, daß alle Christen, die irgend ncit ihm in Berührung gekommen, ihm ein gutes Zeugniß aus- stellen. (Düsterdieck.) Bei dem, was weiter folgt: »und von der Wahrheit selbst«, hat man an den Lebenswandel des Demetrius zu denken, indem sich die in ihm wohnende Wahrheit selber als lebendig und (durch die Erfolge, die er mit seiner christlichen Thätigkeit erzielt) für ihn zeugend erweist; er ist ein 840 Z. Johannis 13—15. Ebräer 1, 1. Bild der Wahrheit, die in ihm personifizirt ist, in seinem Wesen und Wandel. (Braune.) Demetrius ist so treu und einfältig, daß die Wahrheit selbst ihn empfiehlt, indem sie aus ihin herausredet. (Heubner.) Zu dritt fügt der Apostel sein eigenes gegenwärtiges Zeugniß hinzu, und in der guten Zuversicht, daß auch er bei seinen Kindern Zeugnis; der Wahrheit selbst habe, spricht er: ,,ihr wisset, daß unser Zeugniß wahr ist«; dem Zeugnisse der Augen, die an’s Sehen der Herrlichkeit des Sohnes Gottes und seines wahrhaftigen Wandels gewöhnt waren (Joh. I, 14), durfte man kühnlich trauen. (Besser.) C« In gleicher Weise, wie in L. Zieh. 12., spricht der Apostel, indem er jetzt zum Schlusse eilt, dem Brief· empfiiiiger ro aus, daß er eigenilirh noch viel zu schreiben habe, wenn er deni Liuge seines Herzens folgen wollte, aber lieber hier abbreche, da er ja hoffen dürfe, bald selbst kommen und non Mund zu Mund mit ihm reden zu können; und so beschränkt er sich aus lhinzufügung des iriedenswunsmcg siir ihn, aus Kusrichlung der von den diesseiiigen Freunden ihm ausgelragetien Grüße und auf Bestellung von Gräber: an»die dortigen Freunde. » 13. Jch hatte viel zu schreiben; aber» ich wollte nicht »mit Tinte und »Jeder sin s. Joh. 12 hieß es: ,,mit Papier und Tinte«] an dich schreibeiu 14. »Ich hosfe»aber, dich bald zu sehen, so wollen wir muiidlich sMund gegen Mund] mit einander reden. 15. Friede sei mit dir [1. Petri 5- W! Es grußen dich die Freunde ldie ich hier zu meiner Pflege Apostg. 27, 3 bei mir habe 2. Joh. 13 Anm.]. Grüße die Freunde [dort] mit Namen [Mann für Mann, gleich als hätte ich dir ihre Namen hier einzeln aufgeführt Joh. l0, 3]. Unter die Brüder, welche sonst am Schlusse der Briefe gegrüßt werden (1. Cor- 16, 20; Phil. 4, 21; Ephes S, 23), wollte Johannes den Diotrephes noch mitnehmen, da er nur als ein ehrgeiziger und herrsch- süchtiger Mann sich benommen hatte und das nach V. 10 beabsichtigte Erinnern vielleicht noch eine Umkehr bei ihm zuwege brachtez ein eigentlicher Jrrlehrer, der Christi Kommen im Fleisch leugnete, war er ja nicht, daß der Apostel sich von aller Gemeinschaft mit ihm hätte losfagen müssen (2. Joh.10). Aber zu des Apostels Freunden gehörte er mit seinem Anhange auch nicht, und noch ließ sich nicht übersehen, ob er ein Kind des Friedens wieder werden würde, daß ein Friedensgruß bei ihm würde angebracht gewesen fein (Luk. l0, 5 f.); daher beschränkt sich Johannes darauf, blos die Freunde grüßen zu lassen, gleichwie er auch nur von den in seiner unmittelbaren Umgebung be- findlichen Freunden, die wohl allein um sein Schreiben an Gajus wußten, nicht von der Gemeinde als Ganzem (V. 6), Grüße auszurichten hat, von dieser überbrachten vielmehr die zurückkehrenden Brüder die Grüße auf mündlichem Wege. Srhlusibemerliuiigen zu den drei llkpisteln St. Johanniu Es ist ohne Zweifel ein Fehler der Schriftauslegung der jetzigen Zeit, daß von den drei Episteln unsers Apostels in der Regel nur die erste eine nähere Berückfichtigung erfährt, die zweite und dritte dagegen sogut wie ganz bei Seite gelassen wird; wir haben daher mit unsrer Erklärung darauf aufmerksam zu machen verfucht, wie manche Stellen der ersten Epistel erst durch die beiden andern das rechte Licht empfangen, während letztere erst im Zusammenhange mit jener uns zu der- jenigen Klarheit gelangen lassen, die überhaupt zu erreichen möglich ist. Aber freilich wird die her- kömmliche Schriftauslegung auch mehr und mehr von der, wie uns scheint, irrthümlichen Voraus- aussetzung ablassen müssen, daß die drei Episteln dem späteren Greisenalter des Apostels angehören, und ebenso daß seine Verbannung nach Patmos in die letzte Zeit seines Lebens, in die Zeit der domi- tianischen Ehristenversolgung falle. Noch beruht vieles von dem, woraus man die Geschichte des apostolischen Zeitalters, namenilich in seiner zweiten Hälfte, zu construiren pflegt, auf bloßer ver- änderlicher Tagesmeinung, ein sicherer, objektiver Thatbestand liegt in sehr wesentlichen Punkten nicht vor; daher durften wir uns für berechtigt halten, in allen diesen Beziehungen unserm eigenen Urtheil zu folgen, und vielleicht ist unter dem, was wir als unsre Meinung geltend gemacht haben, Manches, was der Beachtung wohl Werth wäre. Yltie tlkpisiel an die Einsicht« Die Gedanken gehören dem Apostel Paulus an, der Styl und die Wortfolge aber irgend wem, der das, was vom Apostel ausging, wiedergab und gleichsam das vom Lehrer Vorgetragene nachschrieb; wenn also eine Kirche diesen Brief als Paulusbrief hat, so soll sie als lobenswerth gelten auch dieserhalben, denn nicht auf’s Gerathewohl haben die Altvorderen als von Paulus ihn über- liefert. Wer es aber gewesen, der den Brief geschrieben, da weiß Gott, was wahr ist; von einigen wird gesagt, Lukas, der Verfasser des Evangeliums und der Apostelgeschichte, sei es gewesen. (Origenes.) Das 1. Kapitel. Christus ist Hottes Sohn, und höher denn die Engel und alle Creaturem Ä. Ver Eingang dieser Gpistel unterscheidet sieh von allen anderen apostolisctzen Sendschreiben, abgesehen etwa von der 1. Gpistcl St. Johannis, bei welcher aber die Sache immerhin noch anders liegt, in auffälliger weise dadurch, daß er die tltriefform gänzlich bei Seite läßt, in- dem es ihm an aller, auch der leisesten Angabe darüber fehlt, wer da schreibt und an wen, sowie auch an irgend welchem Gruße, womit der tsriefselzreiber den Brief— empfängern zuvor nahe träte, ehe er ihnen seine Gedanken vorträgt und seine Jlnliegen kund thut; vielmehr begegnet uns ohne weiteres ein feierlicher Satz, der den Haupt— punlit, um welchen sich der nachherige Inhalt bewegt, an die Spitze des Sehriftstüelis stellt und so diesem mehr den Charakter einer Ilbhandlung oder, noch besser gesagt, da ein beständiger Wechsel von dogmatiseher Belehrung und darauf ßrh griindender Ermahnung durch das Ganze sieh hindurchzieht, den Charakter einer tljomilie oder Predigt ausprägt, bis dann doch der Schluß Rap- 13, 19. W) zeigt, daß der Verfasser nicht zu gegenwärtigen hörten spricht, sondern an abwesende Leser schreibt, und die Grüße, womit das Schreiben zu Gnde geht (Kap. 13, 24), es außer Zweifel sehen, daß wir wirlilich eine Gptstet, ein Send- sct)reiben an eine bestimmte Ghristengemeinde vor uns haben. In Rad. L, 3 ordnet der tsriefschreiber steh ans- drüeliticli den Jtposleln unter als Einer, der nicht ihrem« Kreise angehört; und so hat er es wohl absichtlich ver- mieden, seine Gpistel in der Weise eines Apostels zu er- öffnen, zumal er den tl3riefenipfängern, als deren eigent- liehen Apostel er in Aar. Z, l Christum Iesniii selber be- « zeichnet, in keinerlei Jtrt mit apostpliseher Jtuctorität gegen- über treten wollte, sondern er zog es vor, aus blos privatem Wege durch Vermittelung des illeberbringers das Schreiben bei ihnen einzuführen. Wer diese Empfänger gewesen seien, sagt uns die oben stehende tleberslhriftx ,,Epistel an die Gbräer«; ße ist zwar eine ltirthliehe Zu— that, zu der Zeit gemacht, als der Brief in ttirchliclzen Gebrauch äberging, aber doeh sehr alten Datums, und giebt den richtigen Gesiehtspunlkt für das verständniß des Jn- halts (ogl. Kuh. Il. zum 6. Bande unter b, 3). Ztn wen anders, als an Gbrcier, d. i. im heil. Lande einheiiiiisctze und das hebräische als ihre Muttersprache redende Juden (Kpostg. 6, 1 Jtlnm.), die an Christum gläubig geworden waren, aber gegenwärtig in Gefahr standen, an solchem Glauben Schissbruch zu leiden, iiännte der Verfasser ohne allen tlmsclzwetf mit einem Satze sich wenden, der wie ein geivalliger Blitzstrahl plählilh hineinleuehtet in die diacht der mit allerlei Zweifeln ringenden Gemiither und ihrein Jluge den Weg zeigt, den sie einschlagen müssen, wenn sie nicht in den Abgrund stürzen wollen, an dessen Rand: ße schon stehen, indem er tturz und biindig es ausspricht, was es um tben sei, durch den Gott ani letzten in diesen Tagen zu uns geredet hat, nachdem die vorzeiten den Vätern durch die Propheten zu verschiedenen Malen und auf ver- sihiedene weise zu Theil gewordene Offenbarung dorh nur eine unoollttoinmene gewesen und keine abschließende hat sein können. (Epis’tel am Z. Weihnachlsiseiectage oder am Tage St. Iohannirg des Apostels: V. 1——12.) I. Nachdem vorzeiten swährend der Tage, welche die Zeit der alttestamentlichen Haushaltung ausmachen] Gott mattch Mal [als nur stückweise, wenn auch in stufenmäßigem Fortschritt, seine «) Jm griechischen neuen Testament, und ebenso in der Vulgata, schließen sich der Brief an die Edräer und die Epistel St. Jakobi an die Episteln St. Pauli an, und folgen darnach erst die petrinischen und johanneischen Briefez das hat seinen guten Grund, indem die Epistel an die Ebräer aus des Paulus Schule hervorgegangen ist und nun die sog. katholischen Briefe, der des Jakobus, die des Petrus und Johannes und der des Judas, zusammen zu stehen kommen. Letztere sieben Briefe bildeten nämlich von Alters her eine besondere, für fich bestehende Sammlung, die dritte neben den andern beiden, den Geschichtsbüchern des neuen Testaments und den paulinischen Schriften; katholische oder allgemeine Briefe nannte man.sie, um zu bezeichnen, das- ste im Gegensatz zu den andern, für besondere Kreise bestimmten Briesen eine allgemeinere Bestimmung für alle ohne Unterschied hatten. Nun ist allerdings der Grund, weshalb Luther in der deutschen Bibel eine andere Reihenfolge eingeschlagen hat, kein zutreffenden er hielt nämlich von unsrer Epistel an bis zur Offenbarung St. Johannis im Unterschied von des Paulus, Petrus und Johannes Episteln diese vier Schriften für nicht· apostolisch und maß ihnen theiltveis einen nur untergeordneten Werth bei. Wir werden uns da eines Andern über- zeugen; indessen behalten wir doch die von ihm getroffene Reihenfolge bei, und haben nun im Unterschied von den an Heidenchristen gerichteten Briefen des Paulus, Petrus und Johannes diejenigen nebeneinander, die den Judenchristen gelten, während dagegen die Kategorie: ,,katholische Wiese« für die 2. u. Z. Epistel des Johannes nicht wohl paßt und statt dieser des Paulus Ephesecbrief mit weit größerem Rechte dazu gerechnet werden könnte, aber dadurch die Zu» sammengehdrigkeit der paulinisrhen Briefe aufgehoben werden würde. 842 Ebräer 2-—4· Offenbarungen mittheilend] und« [auf] mancherlei Weise sje nach den Umständen, unter denen fein Wort erging, es auf diese oder jene Weise ver- lautbarend, es so oder so gestaltend] geredet hat zu den Vätern sderen Kinder wir sind Apostg. Z, 22; 28, 25; Röm. 9, b] durch die svon seinem Geiste erfüllten 2. Petri 1, 25] Propheten, 2. Hat er am letzten in diesen Tagen zu uns fauf welche das Ende der Welt kommen ist 1. Cor. 11, 11; Apostg. 2, 17 Arm] geredet durch den sin einem noch ganz andern Verhältniß als jene Propheten zu ihm stehenden] Sohn,* welchen er fwie es in dem messianischen Spruche: Pf. 2, 7 f. heißt] gefetzet hat zum Erben über alles, durch welchen er auch swas unuiittelbar aus dieser Thatsache folgt, da ein solches erbeigenthümlich Befitzen der Welt dieselbe Weisheit und· Kraft vorausfetzt, durch welche sie in’s Dasein gerufen ward] die Welt fnach ihrem gesanimten Umfang und Jnhalt] gemachi hat« sJoh 1, 3. 10]; 3. Welcher, sintemal er ist swas wiederum aus der letzteren Thatsache sich ergiebt, da Ver- mittler der Weltschöpfung nur ein solcher sein konnte, der dem Weltschöpfer dazu bräuchlich war] der fdie übersinnliche geistige Lichtnatur Gottes I. Joh. I, 5 in sich auffassende und von sich wieder ausstrahlende] Glanz seiner Herrlichkeit nnd das [dem Original in der Gesammtheit seiner Züge vollkommen entsprechende] Ebenbild seines Wesens’««" [Weish. 7, 26; 2. Cor. 4, 4; Col. 1, 15], und trägt [als der, durch welchen die Welt erschaffen ist, nun auch deren Erhaltung und Regierung bewirkend Col. 1, 16 f.] alle Dinge mit seinem kräftigen Worts, und hat sindem er als Menfch von Gottes Gnaden für alle den Tod schmeckte Kap. 2, 9] gemacht die Reinigung unsrer Sünden [d. i. unsere Reinigung von Sünden] durch sich selbst [sie nicht mit irgend welchem, ihm äußeren dinglichen Mittel, sondern durch Aufopferung seines eigenen Lebens bewirkend Kap. 9, 14· 26], hat er [nach dieser priesterlichen Heils- that von Seiten Gottes mit Preis und Ehre ge- krönet Kap. 2, 9 f. und von Seiten seiner selbst von dem in Pf. 110, 1 ihm längst zuvor ver- liehenen Rechte Gebrauch machend Kap. 10, 121 sich gesetzt zur Rechten der Majestät [d. i. Gottes Kap.8,1; Matth. 26, 64] in der Höhe-H- [Ephes. I, 20; Luk.3,14; Pf. 93, 4], 4. Soviel besser san Würde erhabener oder vorzüglicher] worden, denn die Engel [welche doch sonst für die höchsten Wesen in der creatürlichen Welt gelten 1. Petri 1, 12; Gal.1, 8], so gar viel einen höheren Namen er [mit der Bezeichnungx ,,Sohn Gottes« Luk. 1, 31; Joh. 1, 49] vor ihnen sdie mit den in der Schrift ihnen beigelegten Namen doch immer nur als Boten oder Diener Gottes bezeichnet werden V. 7 u. 14., in alle den prophetifchen Stellen, die von ihm weifsagenss ererbet hats-H- sals Ausdruck dafür, was er seinem Wesen nach sein würde]. V) Die lediglich aus geborenen Jsraeliten oder doch nur aus Profelyten sich recrutirende Chriftengemeinde zu Jerusalem hatte von Anfang an neben dem Juden- thum und dem Tempel kein so selbständiges Dasein, wie die meist aus ursprünglichen Heiden gesammelten Gemeinden des»A»postel Pauluszsie bildete sich im Schooße der Iudifchen Kirche, in welcherdamals mancherlei Sekten ungestört neben einander bestanden, und galt daher den Juden eben nur für solch eine besondere Sekte, wie die der Pharisäer und Sadducäer, nun aber nicht als·,,Christen« bezeichnet, womit man 12a åhsrerg kglåenitivtnis RßchJesus Tier Ckhrzft sei sgAgstgi , « «, ure e gegeen aen, ner als, «xiiasariier« (Apostg. 24, 5; 28, 22; 11, 26). Die jerusalemisgjen Chriksteri skahen auch selber ihrenA Ueber- tritt zum hriftent um eineswegs als einen ustritt aus der religiösen und politifchen GemeinschaftJsraels an, sondern beobachteten nach wie vor alle Feste und religiösen Gebräuche der Juden und wußten sich der lgelåstlicllijen Gerichtsbarkeis des Hohenraths sverifsintwoek i « i re engere gottes ienstliche Gemein chat un er einander hob die weitere mit dem jüdifchen Heiligthum undsdessen Gottesdiensteixh Fiicht auf, fah-ihres vier- herr chen en Richtung na ühlten sie im run e en nichtchristlichen Juden sich verwandter, als ihren chriftlichen Brüdern aus den Heiden (Apostg. 10, 14; 18·, 18 u. El; ·20,16; 23,H; 2,46; 3,1; Gal.2,12 f.). Diese Stellung der Gemeinde zum Judenthum hatte sich unter der achtzehnjährigen Vorsteherfchaft und Leitung des Apostel Jakobus II. dergestalt verfestigt, daß Paulus bei seiner letzten Reife nach Jerusalem in einer für uns gar auffälligen Weise ihr Rechnung kragensmußGtel (Apsst»g. 2n1,, IF) ff.); txsicile selheix abZc ctiiicth ei ie er e egen ei, e unge ma er en uri die Christen zum Heiligthuui noch hatten und wie sie die Rechte rechtgläubiger Jsraeliten noch in vollem Yiaße genossen. Mit dem Märtyrertode eben dieses Jakobus 11. zu Ostern des J. 62 aber suhrte der Hohepriester Hannas II. einen gewaltsamen Bruch des bisher bestandenen so innigeriBerhältnifses zwischen ferdCßliristengemeinde und dEerfxilildifchen Kirche herlåey o a an jener nun in rü ung ging was er HErr in Joh. 1i»3, 2 seinen Jüngern voiausgefagk »sie werden euch in den Bann thun«; da war denn ihren Gliedern die Alternative gestellt, entweder Christum zu lästern (Apostg. 26, 11) oder als Aus- geftoßene und Verfluchte (Joh. 9, 23 Anm.) alle Ge- nieinfchaft mit dem heil. Volk und feinem Cultus zu meiden, und wenn nun gleich der Hoherath nicht aber- mals, wie früher, als Saulus mit Drohen und Morden schnaubete wider die Jünger des HErkw es wagen durfte, die Christengemeinde zu verstoren und wo möglich zu vernichten, weil er sonst mix dem römischen Landpfleger (Albinus von 62—64) wurde in Conflict gerathen sein, so konnte er doch durch Bedrückungen allerleeArt ihr »das» Leben unter· den ohnedies schon schwierigen Verhaltnisseii Jener Zeit vrecht sauer machen. Die Prufung, welche ietzt uber die Glaubigen aus Israel kam, mußte sie im Innersten angreifen. So- lYnge hatten sie an der Hoffnung festgehalten, daß Jesus doch noch von ihrem» Volke als der rechte Messias anerkannt»werden wurde, diese Hoffnung aber aufzugeben, war fur sie gleichbedeutend mit dem Auf- geben ihres Volkes selber; sie erkannten eben nicht, daß nach der mit des Jakobus Umbringung gefchehenen Die, auf die vielfachen Gottesoffenbarungen der Vorzeit erfolgte Offenbarung der Jetztzeit 843 Erfüllung der apokalyptischen Weissagung in Matth- 23, 35 dieses ihr Volk von dem HErrn selber nun aufgegeben und mitsammt seinem Tempel und Gottes- dienst für das demnächst eintretende Gericht bestimmt sei, ihre Ausscheidung aus dessen Religions- und Nationalgemeinschaft also die Bedeutung einer Aus- scheidung aus dem Verbande mit den dem Gericht Geweiheten habe (Offenb. 18, 4). Bei solchem Mangel an richtigem Verständniß der Wege des HErrn stiegen denn allerlei Zweifel in ihnen auf, ob das wirklich Gottes Wille sei, daß die Anhänger des Messias von dem Volke des Mesfias ausgestoßen würden? ob die göttliche Sendung Jesu wirklich gewisser sei als die göttliche Erwählung JsraelsTD ob Einer, um dessem- willen man auf die Gewißheit der sündenvergebenden Gnade Gottes, wie sie in den Sühnanstalten des ganzen Tempel- und Opferdienstes gegeben sei, ver- zichten solle, wirklich der von den Propheten Ver- heißene sein könne? Und so standen sie in großer Gefahr, lieber ihr Chriftenthum aufzugeben und sich wieder zum Judenthum zu wenden, als von dem Tempel und seinen Gottesdiensten sich ausschließeii Zu lassen; es erfüllte sich also, namentlich als jetzt gera e bei den ungläubigen Juden falsche Christi und falsche Propheten die inessianische Erwartung aufs Aeußerste spannten, das Wort des HErrn in Matth 24, 24: ,,esi werden verführet werden in den Jrrthuim wo es mög- lich wäre, auch die Auserwählten«, soweit sich diese Weissagung auf die Zeit der Zerstörun Jerusalems bezieht. Da war es denn hohe Zeit, da ein erleuch- teter Gottesmann ihnen denselben Dienst leiste, den einst der Prophet Hesekiel (Kap. 11, 21 Anm.) seinen Leidensbrüdern in der Verbannung hatte leisten müssen. Er hatte ihnen da die ewige Gottheit des Erlösers, die bei der ersten Verkündigung des Evangeliums in Palästina weniger in den Vordergrund trat, zum vollen Bewußtsein zu bringen, damit sie einsähen, wie hoch der neue Bund über dem alten stehe und wie der alte, unbeschadet seines göttlichen Ursprungs, diesem weichen müsse; er hatte ihnen, die an den Segnungen des aaronitischen Priefterthums keinen Theil mehr aben sollten, das himmlische Priesterthum, welches hristus, der Auferstandene, verwaltet, zu enthüllen, und mußte, da sie fortan vom mosaischen Cultus aus- geschlossen waren, ihnen das Wesen des christlichen Cultus, ihr Recht des Zugangs zu Gott und die Gott- gefälligkeit der neutestamentlichen Opfer zu Gemüthe führen. Der Briefschreiber bricht nun auch, nach Steins Ausdruck, gleich zu Anfang seiner Epistel wie ein verhaltener Strom hervor und reißt alsbald mit den ersten Worten seine Leser, wie ein Strudel sie»er- greifend, mitten in den großen Inhalt hinein, ohne Vorrede, ohne irgend eine Art von Eingang, selbst ohne allen Gruß. Jn geflügeltem Rhythmus anhebend, bemerkt Delitzsch, hält er die alt- und neutestament- liche Gottesoffenbarung gegen einander: die eine ist die vorzeiten ergangene, die andere die am letzten in diesen Tagen erfolgte. Von beiden Offen- barungen nun sa t er zunächst Gemeinsames aus: es ist in beiden Zeitläuften Gott, welcher sich offen- bart, Gott der Höchste und Eine, und im Allgemeinen ist die Offenbarung hier wie dort ein Reden Gottes. Aber nicht auf das Gemeinsame beider Offenbarungen kommt es dem Verfasser dies Mal an, sondern auf ihr Unterscheidendes; darum steht, wodurch sich beide Offenbarungen unterscheiden, einerseits an Spitze und Ende des Vordersatzest ,,manch Mal und mancher- lei Weise · . . durch die Propheten«, andrerseits am Ende des Nachsatzest ,,durch den Sohn« Aus dem Gegensatz, in welchem das »z11 Uns« zu dem «zu den Vätern« steht, ergiebt sich, wie Kurtz bemerklich macht, daß der Verfasser als Judenchrist zu Juden- christen sprichtz damit ist aber natürlich nicht gesagt, daß das Reden Gottes durch den Sohn allein den Christen jiidischer, nicht auch den Christen heidnischer Abstammung gelte, denn der Verfasser theilt mit dem Apostel Paulus die Anschauun von der allgemein- nienschlichen Bestimmung des Ehristenthuins und der völli en Gleichberechtigung der Heiden mit den Juden zur heilnahme an den durch dasselbe dargebotenen Heilsgüterin Jedenfalls, so haben wir mit Vleek zu sagen, ist der Verfasser von Geburt ein Jude. Das ,,manch Mal«, sagt nun Lünemanm bezeichnet Gottes Reden in der Vorzeit als etwas, das in einer Viel- heit auf einander sol ender Akte sich vollzog, während das ,,mancherlei Wei e« die Mannigfaltigkeit der Art und Weise hervorhebt, auf welche bei jenen einzelnen Akten das Reden gefchah. Nicht blos der Gehalt und Umfang der einzelnen Offenbarungen war ein ungleich- mäßiger, auch die Vermittelungsweisen derselben waren verschieden, insofern Gott bald durch Gesichte und Träume und bald von Mund zu Mund, bald unmittelbar und bald durch Vermittelung eines Engels, bald unter der Hülle von Symbolen und Sinnbildern und bald ohne dieselbe zu den Empfängern seiner Offenbarungen redete. Schon mit alle dem deutet sich die Unvoll- kommenheit der alttestamentlichen Offenbarungen an: keine einzige derselben enthielt die volle Wahrheit, sonst hätte es nicht der Ergänzung der einen durch die andere bedurftz auch entspricht der vollkommenen Wahr- heit nur eine einzige vollkommene Mittheilungsform. Mit den Worten: ,,am letzten in diesen Tagen« will er sagen, schreibtLuther, es wird keine andere Weise zu predigen kommen bis zum jüngsten Tage; es ist das letzte Mal und die letzte Weise, da er in Willen hat zu reden, ihr dürfet also nicht gaffen auf andere zukünftige Tage, sie sind schon hier, die Tage, darin das letzte Mal und die letzte Weise zu reden ist an- gegangen. Er setzt, so hören wir V. Hofmann sich erklären, mit den Worten: ,,hat er am letzten in diesen Tagen zu uns geredet durch den Sohn« bei seinen Lesern voraus, daß sie mit der Erscheinung dessen, den er Gottes Sohn nennt, die Zeit vorhanden achten, auf welche alle Weissagung abgezielt hat; und ebenso setzt er voraus, daß ihnen, wie ihm selbst, derjenige, durch den Gott jetzt geredet hat, von denen, durch die er vordem geredet hatte, so verschieden ist, wie es die ge ensätzliche Bezeichnung ihres und seines Verhält- ni fes zu Gott ausdrückt Denn im Verhältnisse zu Dem, der durch sie und durch ihn geredet hat, heißen sie »die Propheten« und heißt er »der Sohn«: jene Bezeichnung eines Berufsverhältnisses, die eben nicht blos diejenigen unter sich begreift, deren Propheten- thum ihr Lebensberuf war, sondern alle, welche kraft des Geistes der Weissagung geredet haben (Apostg. 2, 30); das andere Bezeichnung eines Wesensveri hältnisses, wie es zwischen Vater« und Sohn besteht· sit) Der vorhergehenden Aussage, in der nunmehr angebrochenen Endzeit habe Gott, nachdem er zu den Vätern geredet durch die Propheten, durch Einen ge- redet, der Sohn sei, folgen in V. 2 u. 8 drei, den Sohn betreffende Relativsätzz welche eine aufsteigende Stufenleiter bilden, sofern der Sohn in dem ersten Satze: ,,welchen er gesetzt hat zum Erben über alles« erscheint als Objekt einer göttlichen That, in dein zweiten: ,,durch welchen er auch die Welt gemacht hat« als Organ einer göttlichen That, in dem dritten: ,,welcher . . . . . sich gesetzt hat zur Rechten der Ma- jestät in der Höhe« als selbstthätiger Vollbringer einer That; und zwar sagen der erste und dritte dieser 844 Ebräer I, 4. Sätze von dem Sohne solches aus, dessen innige Be- ziehung auf seine Sohnschaft vor Augen liegt. Der Sohnschaft entspricht das Gesetztsein zum Erben; denn wie sollte, wer Sohn ist, nicht auch Erbe sein? Der Sohnschaft entspricht aber auch nicht minder das Sichsetzen zur Rechten der Majestät in der Höhe; denn wo anders als zur Seite Gottes wäre der Ort für Gottes Sohn? Dage en steht der zweite Satz mit der Sohnschast nicht in o enbarer Beziehung, ist viel- mehr durch das »auch« (in den wichtigsten Hand- schriften ist die Wortfolge diese: ,,durch welchen er auch gemacht hat die Welt«) zu dem ersten Relativsatz in innige Sachbe iehung gebracht: daß Gott den Sohn esetzt hat zum rben über alles, entspricht der That- slache, daß er durch ihn auch gemacht hat die Welt; der Besitz des Alls ist natürlich für den, durch wel- chen Gott es auch gemacht hat. Tiefer betrachtet muß aber doch auchAzwischen dem, daß Gott durch ihn ge- macht hat die elt, und zwischen seinem Sohnsein ein sachlicher Zusammenhang sein, wenn ein solcher vor- handen ist zwischen einem Sohnsein und Erben einer- seits, zwischen seinem Erben und seiner Schöpfungs- Vermittelung andrerseits. (Geß.) Das Erste, was der Verfasser von dem Sohne aussagt, ist: »Gott hat ihn gese t zum Erben über alles-«. Eigentlich hatte Gott im nfang den Menschen zum Herrn über alles be- stimmt (1. Mos. l, 26), der Mensch aber wendete sich von Gott ab und verlor das Erbe; um nun dem Menschen das Erbe, die Herrschast über alles wieder zuzuwenden, wird der Sohn, der als Sohn schon von Ewigkeit her Erbe und Erbe über alles ist, Mensch und als Mensch von Gott zum Erben über alles ge- setzt, so daß, was Gottes ist, auch Christi ist, und wenn wir Theil haben an Christo, wir auch wieder ein Anrecht haben an Gottes Güter. Die folgenden Sätze erläutern dann, in welchem Umfange Christus der Erbe über alles ist und auf welchem Wege er zu diesem Ziele gelangte; und da ist es für den ersteren Punkt von Wichtigkeit, daß der Sohn, den Gott zum Erben über alles gesetzt, eben der ist, durch welchen er die Welt gemacht hat, vgl. Kap. 2, 6 ff. (Fricke.) Der Name Sohn begegnete uns oben in V. 2 ganz eigennamartig als Bezeichnung der Person Christi, und ebenso kommt er wieder in Kap. 7, 28 vor; aber auch sonst bezeichnet unser Verfasser Christum sehr häufig als den Sohn Gottes, und da fragt es sich nun, ist ihm Christus das, der Sohn Gottes, als vorzeitliche göttliche Person oder als der auf Erden lebende Jesus von Nazareth oder als der zur Rechten Gottes erhöhete HErr und Christ? Auf diese Fra e dient dies zur Antwort: Wie die christologischen Ausführungen des Verfassers überhaupt vom historischen Standpunkte ausgehen, so ist es allerdings auch zunächst der geschichtliche Christus, dem er den Sohnesnamen eilegt (»V. L; 5, 8); aber diesen Namen trät der geschichtliche Christus nur wegen des seiner Zserson wesentlichen, also auch ewigen und vorzeitlichen Ver- hältnisses zu Gott. Daß Christus der Sohn Gottes ist, das ist der unwandelbare, eigenthümliche Charakter seiner Person; dieser Charakter eignet ihm in jeder seiner verschiedenen Existenzweisem unter jeder sonstigen Bestimmtheit seines Daseins, darum kann ihm als dem Sohne ebensowohl die Vermittelung der Welt- schöpfung und die Welterhaltung zugeschrieben werden, als die Bewirkung der Sündenvergebung und die Erhöhung zur Rechten Gottes. Die Person Christi ist also in drei verschiedenen Existenzweisem in der vor· zeitlichen, derirdisch-menschlichen und der Verklärten und verherrlichten, immer ein und dieselbe, nämlich die Person des Sohnes. (Riehm.) IN) Der Sah: ,,sintemal er ist der Glanz seiner Herrlichkeit und das Ebenbild seines Wesens und trägt alle Dinge mit seinem krästi en Wort« giebt nicht den inneren Grund für die am Schluß des Verses ausge- sagte Erhöhung Christi an, dieser liegt vielmehr darin, daß er, wie der dazwischen stehende Satz es ausspricht, sich dem Werke unsrer Sündenreinigung unterzogen und dasselbe auch vollzogen hat; sondern jener Satz besagt, was seiend und vermögend Christus gethan, er beschreibt den immergleichen absoluten Hin- tergrund des geschichtlichen Thuns des HErrn, welcher dessen Bedeutun und Werth erst in’s rechte Licht seht, hebt das zeitlose Sein des Sohns hervor, welches seinem geschichtlichen Werden den unendlichen Adel giebt. Und da bezeichnet nun die erste Hälfte des Satzes, wenn Christus der Glanz der Herrlichkeit Gottes und das Ebenbild seines Wesens genannt wird, das ewige innergöttliche Verhältniß unsers Versöhners zu Gott, über welches die heil. Schrift überhaupt uns nicht unbelehrt lä t, weil wir, ohne darüber belehrt zu sein, das Ver öhnungswerk weder verstehen noch würdigen könnten; die zweite Hälfte, wenn es von Christo heißt, er trägt alle Dinge mit seinem kräftigen Wort, fügt an die Aussage der immergleichen gött- lichen Erhabenheit des Sohnes in Beziehung zu Gott die Aussage derselben in Beziehung zur Welt — wie er Gottes Abglanz und Ebenbild ist, so ist er der Lebensgrund der Welt) (Delitzsch.) Was nun der Sohn im Verhältniß zu Gott ist, wird durch zwei Ausdrücke bezeichnet, die nicht zweierlei besagen, so daß eines zum andern hinzukämet »der Glanz der Herr- lichkeit Gottes und das Ebenbild seines Wesens«, son- dern Gleichartiges, sich gegenseitig Bedingendes an- geben, wovon keins ohne das andere sein will; und da verhalten sich ,,Glanz« und ,,Ebenbild« so zu ein- ander, wie »Herrlichkeit« und ,,Wesen« sich zu einander verhalten, jene nämlich ist das Wesen in seiner Er- scheinung nach außen, dieses das Wesen als der Er- scheinung zuGrunde liegendes, in sich beschlossenes. Gottes Wesen in seiner Erscheinung nach außen ist seine Herrlichkeit, der Glanz des Lichtes,sdas er ist; dieses seines Herrlichkeitsglanzes Abstrahlung heißt der Sohn, er ist das Ausgestrahlte, das der Glanz der göttlichen Herrlichkeit entsendet, die Herrlichkeit des nach außen gelehrten Gottes stellt sich in ihm dar. (v. HofmannJ Der Sohn ist der ganzen Geisterwelt das Mittelwesen, in welchem sich ihr die Gottheit darstellt, abspiegelt nach allen ihren Eigenschaftem nach Macht, Weisheit, Heili keit; das Verhältniß des Sohnes zum Vater nach au en ist dies, daß er ist »der Glanz seiner Herrlichkeit«, er ist für die Welt, für uns Der, der die göttliche Herrlichkeit von sichstrahlen läßt. Die Ursache davon aber ist die, weil in ihm das gött- liche Wesen ein edrückt, eingeprägt ist, weil, er selbst der göttlichen atur theilhaft1g, das ,,Ebenbild des Wesens Gottes« ist; dies drückt das innere Ver- hältniß des Sohnes zum Vater aus. (Heubner.) Das Strahlbild der göttlichen Herrlichkeih wie der Sohn zuerst bezeichnet wird, ist keine bloße Spiegelung", keine flüchtige, nur zu einem bestimmten Zweck gebil- dete Erscheinung; es ist in ihm das Wesen Gottes bleibend ausgedrückt, wie im Stempelschnitt das Ge- präge. (Moll.) T) Wie der Sohn zu Gott in einem Verhältnis; einziger Art steht, so hat seine Person und seine Wirk- samkeit auch die höchste und ihrer Art nach ebenso einzige Bedeutung für die ganze Welt; diese ist näher dahin zu bestimmen, daß er ohn der Vermittler aller auf die Welt gerichteten Thätigkeit Gottes ist. So hat er als der vorweltliche Sohn schon die Diese letzte Gottesoffenbaruiig ist geschehen durch den Sohn, den Vollbringer des Heilswerks 845 Schöpfung der Welt vermittelt (V. L: ,,durch wel- chen er auch die Welt gemacht hat«); es stimmt dies genau mit dem Wesen des Sohnes zusammen, denn ist er als der Glanz der Herrlichkeit Gottes der Offen- barer der Kraft und des Wesens Gottes, so muß auch die, Gottes Kraft und Wesen offenbarende schöpferische Thätigkeit durch ihn vermittelt sein, und sie konnte das, weil dieselbige Allmacht, kraft welcher die Willenss entschliefziingen des Vaters alsbald sich verwirklichen (Ps. 33, 9), auch dem Sohne (als Dem, der das Eben- bild des Wesens Gottes ist) eignet. Diesem allmäch- tigen Wort des üb erweltlichen Sohnes nun (so müssen wir Ietzt statt des vorhin gebrauchten Ausdruckesx ,,vorweltli·chen« sagen) wird hier auch die Welt- erhaltung zugeschriebem ,,er trägt alle Dinge mit seinem kräftigen Wort«, d. h. das All wird durch sein Wort gestützt, so daß es nicht zusamnienstürzy durch seine alliniichtige, thätige Willenskraft wird der Fort- bestand desselben gesichert. (Riehni.) Auch hier ist zunächst von dem ewBen Verhältniß des Sohnes als des ewigen zum eltall die Rede, von jenem Verhältniß, dessen Grund in den Worten V. L: ,,durch welchen er auch die Welt gemacht hat« angegeben war; nur ist auch hier nicht zu vergessen, daß dies ewige Wesensverhältniß des Sohnes zum All nicht im Min- desten alterirt worden ist dadurch, daß der Sohn, Mensch werdend, der Träger der Welt im anderen Sinne, nämlich das Centrum der Weltgeschichte, der Erlöser der Menschheit und Versöhner von Himmel und Erde (Col.1,19f.) wurde. (Ebrard.) Die alles Geschöpfliche tragende Thätigkeit des Sohnes, welche durch sein Machtwort vermittelt ist, erlitt im Stande der Ent- äußerung zwar eine Aenderung, aber keine Annullirung und concentrirte sich gerade in der Spanne Zeit, iii welcher das Werk unsrer Erlösung vollzogen worden, so intensiv als nur immer möglich. (Deli seh) Er ist allen Dingen unentbehrlich, von einem ugenblick zum andern, wenn sie das bleiben sollen, was sie ein- mal geworden sind; seine Kraft durchgehet alle Dinge, seine Macht hält alle Dinge, wie er der Werkmeister war, so ist er auch der Selbsterhalter aller der Dinge, die von ihm abhängen. (Steinhoser.) H) Nachdem vorhin gesagt worden, wer der Sohn von Ewigkeit zu Ewigkeit ist und was er thut vermöge seiner göttlichen Natur, beschreibt das, was nun hier folgt, das Werk des fleischgewordeneii Sohnes Gottes auf Erden, und zwar als ein schon fertiges, voll- brachtes: ,,er hat gemacht die Reinigung unsrer Sün- den durch sich selbst«. Die Sünden reinigen, ver- söhnen oder sühnen (Kap. 2, 17) bedeutet eine Ver- söhnungsanstalt stiften, ein Sühnopfer darbringen, wodurch sie vertilgt werden; es geht dies also nicht auf die im Jnneren des Menschen geschehende Hei- ligung, sondern auf die außer ihm vollbrachte Ge- nugthuung für die Sünden, daher redet der Ver- fasser aus davon als von etwas schon Vollbrachteim Wie im origen er den Sohn über die Propheten erhebt, so hier ihn und sein Opfer über die Priester und Opfer des alten Bandes. (v. Gerlach.) Für seinen treuen Gehorsam bis zum Tode am Kreuz wurde nun der Menfchgewordene gekrönt, indem er, ohne seine nunmehrige Daseinssorm, die Meiischennatuy aufgeben zu müssen, somit als Mensch und Mensch bleibend, erhöht wurde zur Theilnahme an der gött- lichen Weltregierung; diese Theilnahme wird ausge- drückt durch das Sitzen zur Rechten Gottes. Nie und nirgends wendet die heil. Schrift diesen Ausdruck an, um jene weltregierende Ewigkeit, d. h. jene über- zeitliche Art der Weltregierung zu bezeichnen, wie das Wort, das im Anfang bei Gott war, dieselbe übte; das Sitzen zur Rechten Gottes bezeichnet vielmehr nur diejenige Theilnahme an der göttlichen Majeftäh Herr- schaft und Herrlichkeit, zu welcher der Mesias nach vollbrachtem Werk, also in der Zeit erhöhet worden ist, welche mithin unter der Kategorie der Zeit von ihm als den: verklärten Menschensohn geübt wird. Schon in Pf. 110, 1., wo der Ausdruck zum ersten Mal vorkommt, betrifft er den künftigen, künftig zu erhöhenden zweiten David. (Ebrard.) Berücksichtigen wir, daß das Sitzen zur Rechten Gottes allenthalben in der heil. Schrift nur als Ausdruck für die Welt- stellung des Sohnes gebraucht ist, die er nach und infolge der Ausrichtung des Erlösungswerks einge- nommen, nie aber für die, welche er schon vor seiner Menschwerdung inne hatte; ferner, daß unten in V. 13 miser Verfasser das Sitzen zur Rechten Gottes als ein noch nicht cillumfassendes, aber zuni Allunifassen be- ftimmtes Königthum darstellt, was von der Weltherr- chaft, die der Sohn als solcher von Anfang an übt, nicht gilt; und endlich, daß, wie allenthalben im neuen Testament, so auch hier der Ausdruck speziell auf Pf. 110, 1 zurückgeht, wo nicht der Thron des Welten- königs außerhalb der Theokratie, sondern der Thron des Gottkönigs in Israel genannt ist — berücksichtigen wir dies alles, so werden wir schwerlich irren, wenn wir auch hier an das heilsgeschichtlich-theokratische Thronen Gottes denken, zu dessen Ehren- und Machts gemeinfchaft Christus erst als Davidssohm als gott- menschlicher Vollender des davidisch - theokratischen Königthums gelangen sollte. (Kurtz.) Wir haben in unserm Abschnitt eine kurze Uebersicht der ganzen Christologie (Lehre von Ehristo): l) was Christus an sich ist, «) was er uns ist (Ossenbarer Gottes, Ver- söhner der Sünden), Z) in welchen Zustand er erhoben ist. Nun ist es gar wichtig, eine rechte, biblisch·e, würdiåe Vorstellung von Christo zu haben; denn xe mehr hristus uns gilt, desto mehr gilt uns sein Wort, ein desto heiligeres Vorbild ist er uns, desto mehr Kraft geht von ihm über uns aus und desto unbe- schränkteres Vertrauen können wir zu ihm fassen. (Heubner.) Hi) Unter den Osfenbarungen Gottes im alten Bunde, von denen der Verfasser in V· 1 zunächst nach ihrer Gesamintheit geredet hat, kam an Glorie keine der niosaischen gleich, da sie nicht blos durch einen vom Geiste Gottes erleuchteten Menschen, d. i. einen der dort genannten Propheten, sondern nach allge-- meinem jüdischen Glauben außer durch Mose auch durch Engel vermittelt war; wie daher der Verfasser vor- her die Erhabenheit Christi als des Sohnes Gottes über die Propheten geltend gemacht hat, so wird er naturgemäß weiter darauf geführt, ebenso auch die Erhabenheit desselben über die Engel geltend zu machen. Dies geschieht mit der Aussage des vorliegenden» Verses, welche gra1nmatisch sich eng mit dem Vorigen zu- sammenschließt und zur Vervollständigung der bereits gegebenen Charakteristik dient, zugleich aber, logisch betrachtet, für die folgende, den ersten Briefabschnitt bildende Erörterung (V. 5—Kap. 2, 18) das Thema aufstellt. (Liinemann.) Das Subjekt, »von· dem aus- gesagt wird, es stehe über den Engeln, ist nicht sowohl der Sohn Gottes als das Wort, das im Anfange bei Gott und Gott war, als vielmehr der Mensch- gewordene Sohn Gottes in seiner Eigenschaft als Mittler der neutestamentlichen Offenbarung; dies geht theils aus dem Zusammenhange und dem Gedanken- gange, theils aus den Ausdrückem ,,besser worden« und »so gar viel einen höheren Namen ererbet hat« hervor. (Ebrard.) 846 Ebräer 1, 5———12. B· Ver nun folgende erste, dogmatisctse oder ab— handelt-de Theil nimmt den im Eingange schon ange- deuteten Gedanken der über- Prof-umsehen, über— teoitischcn und überiengelischen Herrlichkeit Christi in eingehender Weise aus und führt ihn unter unablässig sich einsleehtenden Ermahnungen nach seinen drei Theilen einzeln durch; es wird aber jetzt nach Maßgabe der würde, welche den Personen, uiit denen Chriflus dabei in Vergleich tritt, eine etwas andere Reihenfolge als vorhin beoliachteh indemdie ülierproohetisaje Herrlichkeit des tjErrn speziell der Würde des Muse und Josua gegenübergcslellt und da in die Mitte zwischen seine iiberengelische und überlevitische Herrlichkeit gestellt wird. I- u.s—a«p. e, is: Christi Erhabenheit use: die Engel. —— sei der altiestamentlirtjen Offenbarung haben einst Engel mitgewirkt (Krosig· 7, 53; Gut. Z, l9), und dadurch ili fle ja allerdings, wie Israel von jeher sich dessen mit Stolz bewußt gewesen ist, von außerordent- lichem Werth; aber welch ganz andere Herrlichkeit im Vergleich mit der der Engel kommt doch Christo, dem stlittler der neutesiamrntllchen Offenbarung, zu! V. 5——1Il. Von deni, was der Verfasser vorhin am Schlusse des Eingangs gesagt hat, führt er sogleich, ohne den Uebergang irgendwie zu niarttiren, zn dem ersten Punkte, den er in seiner Ilbhandlung zu er— örtern gedenkt, über; ja, die Rede beginnt mit einem ,,denn«, so eng ist dieser Abschnitt unmittelbar an das Vorige angeschlossen. Und nun werden auch wirk- lich zunächst die beiden, in V. 4 enthaltenen Sätze aus der Schrift erwiesen, jedoch in umgeliehrter Ord- nung: erst isi von dem höherenllamen die Rede, den Christus vor den Engeln erertiet hat, dann von dem ungleich erhabeneren Stande, den er im Ver« gleich mit ihnen einnimmt (V. 5 u. 6). Es folgt jetzt, abermals aus Grund der Schrift, eine Dur· legung des Wesenscharaliters der Engel, nnd wird nun diesem der des Sohnes als gottgleictsem icnioaiidelbaren und unoergänglichen Herrschers gegeniibergesiellt (V. 7—12); in unigeivandter Ord- nung wird dann der herrschet-würde des Sohnes die Diener-Stellung der Engel sowohl im Ver- hältniss zu Gott, als im Verhältnis! zu den, zur Seligkeit oerordneten Menschen entgegengehalten und so die Beweisführung siir das in V. 4 Gesagte zum Abschlusl gebracht (V. is. 1Il). Z. Denn [um auf diesen seinen Namen, der ihn hoch über alle Engel erhebt, jetzt näher ein- zugehen] zu welchem Engelssals Eiuzelperson] hat er sGott in der heil. Schrift 2. Cor. B, D; 2. Tim. 3, lbj jemals snach Ausweis irgend einer Stelle des alten Testamentsj gesagt swie er in Pf. L, 7 das allerdings sagt zu dem messianischen König, den er auf feinen heil. Berg Zion eingesetzt]: Du bifi mein Sohn, heute habe ich dich gezeuget? Und abermal sspricht er in Beziehung auf diesen König, der aus Davids Geschlecht hervorgehen und Davids Thron in der Weise einnehmen solle, daß seines Königreichs kein Ende sei, in der an David gerichteten Verheißung 2. Sam. 7, 14]: Ich werde fein Vater fein nnd er wird mein Sohn sein«· [und da läßt sich denn ebenfalls fragen: zu welchem der Engel hat Gott je sich in ein solches Wechselverhältniß von Vater und Sohn l» Dieselbe enthält nämlich z, zet alle, die ihr sein Volk seid«, wie Luther hat, wofür gestellt, wie er es hier dem mesfianischen König gegenüber thut]? b. Und abermal, da er eiufuhret den Erst: gebotnen lwofür er In Pf. 89, 27 f. den, der tin Sohnesverhältniß zu ihm stehen sollte, in Aus- zeichnung vor Andern, die wohl auch die Königs- würde inne haben, erklärt] in die Welt, spricht er lin der Erweiterung der Anfangsworte von D. Mos. 32, 43·, wie sie die griechische Ueber- setzung des alten Testaments darbietet]: Und es follen ihn alle Enge! Gottes« anbetentf [und ist das nun auch geschehen, als in der-Weihnacht die ganze Menge der himmlischen Heerschaaren den Neugeborenen mit ihren Lobgesängen feierte Luk. L, 13 f.]. V) Daß im alten Testament» hin und wieder auch die Engel ,,Söhue Gottes« genannt werden (Hiob l, 6·; 2, l; 88, 7; Pf. 98, 7), dieser Umstand schwächt die Beweiskraft dieser Stellen keineswegs; denn schon das: ,,zu welchem der Engel«, wie es im Grundtext heißt, zeigt, daß nicht an einen Namen gedacht werden kann, welcher der ganzeniEngelgattung gemeinsam ist; Nur dann wäre der Ausspruch des Verfassers unrichtig, wenn im alten Testament eine Stelle sich fände, in welcher ein einzelner Engel in einem, ihn vor den übrigen auszeichnenden Sinne ,,Sohn Gottes« genannt und iii das nächste Verhältniß zu Gott gesetzt würde; eine solche Stelle aber findet sich nirgends, nur dem künftigen Mefsias legt Gott in den angeführten Stellen den Sohnesnamen so bei, daß er ihn damit vor allen andern Personen auszeichnet und ihm ein ihm allein zukommendes, besonders nahes Verhältuiß zu Gott zuschreibt. (Riehm.) Wie Paulus in Apostg 13, 33 (vgl. Röm. l, 4), so erklärt auch hier der Verfasser die Stelle Pf. 2,7 von der EinsetzuugEhrifti in sein könig- liches Amt nach seiner Auferstehung, nicht aber von der ewigen Zeugung des Sohnes vom Vater; es war diese Einfetzung in seine Königs-würde kein blos äußer- licher Vorgang, sondern insofern in der« That eine Zeugung, als dadurch die menschliche Natur Jefu in den vollen Besitz aller göttlichen Eigenschaftem also zur höchsten Vollendung selbst gelangte, zu voller Gottesherrlichkeit gleichsam aus-geboren wurde. (von Gerlachh Besser jedoch wird man das »,,heute habe tch dich gez-enger« auf den Tag der Einführung des Messeas als des theokratischen Herrschers aus Davids Samen in das Bewußtsein des Gottes-Volks durch das Offenbarungswort beziehen (vgl. Jak. l, 18); an eben dem Tage, an welchem das zuzweit angeführte Wort an David erging, in welchem diesem ein Sohn in Ausficht gestellt wurde, der zu Gott im Sohnes-ver- hältniß stehen sollte, empfing dieser Sohn Davids die Zeugung als Sohn Gottes. (Moll.) Das Frage- zeichen ist auch zur zweiten Stelle zu wiederholen; es ist Eine Frage, gleichen Inhalts, nur in zwei Hälften zerfallend Eh) Als diejenige Stelle, welche der Verfasser hier im Auge haben soll, wird vielfach das Wort in Pf. 97, 7 angesehen: ,,betet ihn an, alle Götter» wo die Septuaginta für ,,Götter« allerdings hat: ,,alle feine Engel-«; allein, abgesehen von andern Gründen, leitet schon das vorangeftellte »und« darauf, vielmehr an den Wortlaut der Stelle 5. Mos.32, 43 in eben dieser griech. Uebersetzung des alten Testaments zu denken. an Stelle des Satzes: »jauch- Der erste, dogmatische Theil: Christi Erhabenheit über die alttestanientlichen Mittler. 847 es iedoch richtiger heißen würde: ,,jauchzet, ihr Heiden, über sein Volk-«, den vierfachen Satz: ,,freuet euch, ihr Himmel, mit ihm, und sollen ihn anbeten alle Engel Gottes; freuet euch, ihr Heiden, mit seinem Volk, und sollen ihm Macht geben alle Kinder Gottes«. Es ist diese Erweiterung ein Mosaik aus Jef. 44, 23 (,,·jauchzet, sreuet euch, ihr Himmel«), Pf. 97, 7 (»,,betet ihn an, alle seine Engel-«) und Pf. 29,1 (»bringet her dem HErrn, ihr Gewaltigen, bringet her dem HErrn Ehre und Stärke«), und war nun in der jiidischen Synagoge solche Erweiterung mit dem ganzen Liede Mosis in so allgemeinem liturgischem Gebrauch, daß, wie Paulus in Röm. 15,10 die dritte Strophe, so hier der Verfasser des Hebräerbriefs die zweite als ein den Juden wohlbekanntes Schriftwort behandeln konnte. Nun geht das ,,ihn« als Bezeichnung dessen, den die Engel Gottes anbeten sollen, in der angeführten Stelle freilich zunächft auf Gott; indessen stehen ja die Worte im unmittelbaren Zusammenhang mit dem, was Gott durch das-Gericht über die Welt- völker zur Errettung seines bis daher schwer heim- gefuchten Eigenthumsvolkes fchließlich thun wird, und da er das durch feinen Sohn, den messianischen König seines Volkes, thut, so gebühret nach einem von den Juden allseitig anerkannten Grundfatz diesem die gleiche Anbetung der Engel, die für Gott selber gefordert wird. Was hieraus die erste Hälfte des Verses be- trifft, so bietet Luther selber anderwärts die Grund- lage für diejenige Uebersetzung dar, welche man jetzt meist als die allein richtige will gelten lassen: Wenn er aber wiederum eingeführthaben wird den Erstgebornen in die Welt, spricht er (init Be- ziehung auf das, was da der Fall sein soll): und es werden ihn 2c., was denn aus die einftige Wieder- kunft Christi sich bezöge, bei der alle heiligen Engel als seine Diener und Gerichtsvollftrecker anbetend ihn begleiten werden (Matth. 13, 41 f.; 25, ·T—3l)«; es fragt sich aber, ob Luther nicht gleichwohl richtig gesehen hat, wenn er in· der Vibelverdeutschung selber das »abertnal« zu·,,fpricht er« zieht und nicht zu ,,einführt«, und haben wir nun im vorigen Verse das ,,heute habe ich dich gezeuget« mit Moll auf die erste Einführung des Sohnes Gottes in die Welt, auf die Einführung in das Glaubensbewußtsein des auserwählten Volks gedeutet, so daß dieses fortan auf Christum hoffete und in seiner ferneren Entwickelungsgeschichte mit dem männ- lichen Sohn gleichsam schwanger ging (Ephes. I, 12; Offenln 12, 2), so läßt sich das ,,da er einführet den Erftgebornen in die Welt« auf die Geburt Christi deuten, wie wir oben in der Erklärung gethan haben (Gal. 4, 4; Offenb 1·2, 5). Der Weihnachtsgefang der himmlischen Heerschaarem in welchem das ,,es sollen ihn anbeten alle Engel Gottes« bei der Einführung Christi in die Welt zur thatsächlichen Verwirklichung gekommen, war, wenn irgendwo, gerade in der Ge- meinde zu Jerusalem bekannt und vielleicht gerade da ebenso bei den gottesdienftlichen Versammlungen der Christen in liturgifchem Gebrauch, wie in der jüdischen Synagoge das Lied Mosis; und von dieser Gemeinde her, bei der auch sonst die Kindheits- und Jugend- geschichte Jesu in lebendiger Tradition sich erhielt, hat ukas ihn in fein Evangelium mit aufgenommen (Luk. 1, 1—4). Uns fcheiut eine solche Bezugnahme des Verfassers unsers Briefs viel überzeugender für die Leser, wie er sie vor sich hatte, da sie die auf etwas Vergangenes so lange schoii Geglaubtes und schon im Lobgesang des Zacharias (L1ik. 1, 68 fs.) als Anfang der Erfüllung von dem Verheißungswort in Mosis Liede (5. Mos. 32, 40—42) Gefeiertes ist, als wenn er sich auf etwas erst noch Zukünftiges, am Ende der Welt Eintretendes bezöge, wovon die Leser ja bei ihrem wankend und schwankend ewordenen Glauben nicht wußten, ob sie es noch mit uverficht erwarten dürften oder nicht. 7. Von den Engeln spricht er [V. 5] zwar sin Pf. 104, 4]: Er [Gott] macht feine Engel Geister snach Luther’s eigener Auslegung s. v. a. Winde, wie er auch im Psalm überfetzt hats, und seine Diener Feuerflamment sdaß sie das ihrer Beschaffenheit und Machtwirkung nach seien, und sagt damit etwas so Großes von ihnen aus, daß man denken sollte, höher könne die Rede nicht steigen und herrlicher keine Wefensnatur bezeichnet werdens 8. Aber von dem Sohne ssagt er doch noch viel mehr, wenn er in Pf. 45, 7 f. ihn geradezu als Gott anredet und nun göttliche Wesens- eigenschaften und göttliche Wirkungsmächte ihm beilegt]: Gott, dein Stuhl sden du als König einnimmft Luk. I, 321 wäbret von Ewigkeit zu Ewigkeit [wie das Reich Gottes selber Dan. S, 3»3; 7, 27]; das Seepier deines Reichs sdas Scepter, wie du in diesem deinem Reiche es führst] ist ein richtiges [weder nach rechts noch nach links von der geraden Haltung abbiegendes] Scepierz I. Du hast [in deinem Leben auf Erden] geliebet die Gerechtigkeit, nnd gebasset die Un- gerechtigkeit [wie das Gottes Art so ist Pf. 5, d; Jef. 61, 8]; darum fzur lohnenden Auszeichnung dafür] hat dich, o Gott, gesalbet dein Gott [als er dich auf seinen Stuhl V. 8 erhob Apoftg 2, se; 4, 271 mit dem Oel der Freuden lzur Führung eines, den Unterthanen zu lauter Segen und Selig- keit gereichenden ReginIeUtsJ über deine Genossen» [mehr als alle andern Fürftens 10. Und sweiter sagt er von dem Sohne in Pf. 102, 26—28., denselben, wie vorhin mit ,,Gott«, so hier auch mit ,,HErr«, d. i. Jehova 1. Mos. 2, 6 u. Pf. 110, 1 Anm., anredend]: Du, HErr [vgl. die Bem. zu Pf. 102, 28], hast von Anfang die Erde gegründet, und die Himmel find deiner Hände Werk. 11. Dieselbigen sdie Himmel Jef. 34, 4 und mit ihnen natürlich auch die Erde Jes· 51, S; Offenb. 20, II] werden vergeben [Matth. 24, 35], du aber wirst bleiben; und sie werden alle beralten wie ein Kleid swelches durch langen Gebrauch ab- genutzt ist und nun abgelegt wird, um gegen ein neues, besseres vertauscht zu werden Jef. 65, 17 ; 2. Petri Z, 13; Offenb. 21, 1], 12. Und wie ein Gewand wirst du sie wan- deln [wörtlich: wie einen Ueberwurf oder Mantel wirft du sie zufammenrollen, vgl. Jef. 34, 4], und sie werden sin Folge dieses deines Thuns] sich verwandeln sihre Art und Beschaffew heit nun wechseln]; du aber bist derselbige, und 848 Ebräer 1, 12———1 4. 2, i. 2· deine Jahre werden nicht aufhören« fes kommt nie ein Ende für dieselben herbei]. 13. Zu welchem Engel aber hat er jemals gesagt swie er das in Pf. 110, 1 zu demjenigen sagt, den David im Geist seinen HErrn nennt Niatth 22, 41sf.]: Setze dich zu meiner Rechten, bis ich lege deine Feinde zum Schemel deiner Füße? 14. Sind sie sdie Engel ihrerseits] nicht [vielmehr, wie abgesehen von Pf. 104, 4 auch aus Pf. 34, 8; 91, 11 ff. hervorgeht] allzumal sselbst die vornehmsten unter ihnen nicht ausgeschlossen] dienstbare Geister, ausgesandt svon Gott, wenn er sie in seinem Dienste verwendet] zum Dienst Um derer willen, die ererben sollen die svon dem über sie erhabenen Sohn der Welt erworbene] Seligkeifsf V) Um das Leben, die Größe und Herrlichkeit der Engelnatur zu beschreiben, wählt der Psalmist dasjenige aus der materiellen Natur zum vergleichenden Bilde, was in unsrer Ansicht derselben am wenigsten körperlich und irdisch, aber in seiner Kraft und Wirkung am ewaltigsten und unwiderstehlichsten ist: Wind und Feuerflammew Das Einfache, das Feine, das Un- sichtbare, das Reine, das Mächtige, das Schnelle der Natur jener erhabenen Wesen konnte kein anderes Bild der irdischen Welt so schön und so würdig bezeichnen, als dieses; auch bedarf es keines scharfen und tiefen Nachdenkens, dies Bild zu verstehen, es entwickelt sich von selbst. Um aber nicht ohne Eindruck zu bleiben von dem Erhabenen und Ehrenvollem das mit diesem Bilde von den Engeln gesagt wird, mögen wir es ein- mal erwägen im Gegensatz des Bildes, womit mensch- liche Natur und menschliches Wesen verglichen wird (Ps. 103, 14 ff.; Hiob 14, 1 f.), gegenüber verwelkenden Blumen und verschwindenden, fliehenden Schatten. Welch ein unermeßlicher Unterschied im Blick auf Kraft und Wirkung, auf Glanz und Herrlichkeit zwischen dem Grashalm, der so leicht zertreten oder so bald verdorret ist, und der Blume, die in wenigen Tagen verwelkt, oder dem Schatten, der so schnell ohne Spur des Lebens und Wirkens verschwunden ist, und da- gegen dem Sturmwind, der das Meer bewegt, Wälder zerbricht, Städte verwüsteh und der Flamme in ihrem erhellenden Lichte, ihrem wärmenden Feuer, ihrem lieblichen, hehren Glanze oder in ihrer furchtbaren, verzehrenden Herrlichkeitl Welch ein Unterschied zwischen den sündlichen und sterblichen Menschen auf Erden und den unsündlichen und unsterblichen, heiligen und herrlichen Engeln Gottes im Himmel! (Menken.) Wahrscheinlich dachte der Verfasser speziell an die nach Kap Z, 2 durch die Engel vermittelte finaitische Gesetz- gebung, bei welcher Gott nach 2. Mos. 19, 16 ff. (vgl. Kap. 12, 18 ff.) im Sturm und Feuer herabfuhr auf den Berg. (Kurtz.) Vielleicht kommt hierbei auch die Geschichte in I. Kön. 19, 9 ff. in Betracht. H) Der Verfasser sieht offenbar den 45. Psalm nicht als einen blos typisch-messianischen, sondern als einen direkt oder prophetisckkmessiaiiischen an, und findet nun in der Anrede: ,,o Gott« den in Jesu erschienenen und jetzt auf den Thron der Majestät im Himmel er- höheten Christus eradezu Gott genannt; er steht mit dieser seiner Auffassung auf altprophetisch em Grund und Boden, denn schon Jesaias trägt im 61. Kapitel seines Prophetenbuchs Worte des Psalms auf den Knecht des HErrn über, den Gottgesalbtem wie auch die Ausdrücke: ,,Kraft, Held« in Kap. 9, 6 und »Gott, der Starke« in Kap. 10, 21 auf das »Held« i1i V. 4 und die Anrede »Gott« in V. 7 unsers Psalm zurückgehen und das in Sach.12, 8 Gesagte: »und das Haus Davids wird sein wie Gottes Haus, wie des HErrn Engel vor ihnen« hängt ebenfalls hiermit zusammen. Die alttestamentliche Prophetie unterscheidet an dein Könige, an welchem Israel die Hoffnung seiner Herr- lichkeit hat, eine göttliche und eine menschliche Seite: so nach unserm Verfasser auch der hier in Rede stehende Psalm; nach jener heißt er Gott (vgl. Jer. 23, 6), nach dieser ist er Gottes Gesalbter. Als solcher nun ist er über seine Genossen, wobei man wohl an die Könige der Erde, an alle von Gott eingejetzten irdischeii Gewalten zu denken hat, hinausgeruckt, indem ihn Gott in Folge dessen, daß er Gerechtigkeit geliebt und Un- recht gehasset, vor ihnen allen mit dem Oel der Freuden gesalbet hat; denn es ist das wonne·famste, seligfte, glorreichste aller Königthümey das ihm, dem Er- höheren, beschieden ist. Nach mancherlei Seiten wird die Beschasfenheit dieses Königthums beschriebeii; die Hauptsache aber ist unserm Verfasser, daß der so end- los und gerecht und heilig und selig Herrschende Gott heißtuiid in einem Verhältniß vonGott zu Gott steht, dazsfelitstszDteiolotzrkz )seine Erhabenheit uber die Engel gi . i . Eis) Den Judenchristen in Jerusalem und im heil. Lande, an welche der Verfasser schreibt, hing noch Vieles von dem mangelhaften Schriftoerständniß der iudischen Schriftgelehrten·an, in deren Schule sie ge- bildet waren; es war dies nicht mehr das Schrift- verständniß der Propheten, wie es vorhin schon bei der Psalmstelle 45, 7 f. uns begegnete (vgl. die Bem. zu sit) und wie, es auch in Bcekzighung auf Pf. d102 bei» e aias uns egegnet, wona as, was von em zu seinem Volke kommenden Jehova in der Schrift gesagt ist, auf den Sohn Gottes, den Knecht des HErrm den Messias bezogen werden muß, in welchem xa die Zukunft Jehovcks erfolgt. So christologisch war ursprünglich die Schriftauslegung gewesen, das z. B. 5. Mos. 32, 39 auch später noch in den Judischen Schulen dahin erklärt wurde: »Wenn offenbar werden wird das Wort Jehovcks (Joh. 1, l Anm.), zu erlösen fein Volk, wird er (Jehova) sagen allen Volkern: sehet doch, daß ich bin,·der da ist und der da war und der da sein wird, und ist kein andrer Gott außer mir; ich in meinem Wort (dem Logos) todte und mache Lebendig, ich· habe geschlagen das Volk des Hauses Jsrael und ich heile sie am Ende der Tage, und ist keiner, welcher errettet aus den Hunden Gog und seiner Schaaren, welche in Schlachtordnung sich auf- stellen werden wider sie.« Aber das Schristverstandniß der nachmaligen Schriftgelehrten und Pharisäer war in Folge eines abstrakten Monotheismus, wie auch der vulgäre Rationalismus zu Ende des vorigen und zu Anfang des jetzigen Jahrhunderts ihm huldigte, soweit von dem der Propheten abgekommen, daß die Phari- saer indem Examen, welches»Jesus in Matth. 22, 41 ff. mit ihnen abhielt, gar ubel bestanden; wenn ihnen gleich die Bezeichnung des Messias als des SohnesGottes eine so geläufige war, daß ihnen das eine soviel besagte als das andere·(Joh. 1, 49; Matth. Pl, 33), fso erkannten sie doch diese Gottessohnschaft nicht in ihrer eigentl1chen, wahren Bedeutung (vgl. zu Matth. IS, 16), unt) verurtheilte daher der Hoherath Jesum als Gotteslasterer, weil man ihm, auch wenn er sich für den Messias erkläre, doch damit nicht das Recht zugestehen zu dürfen meinte, sich in einem höheren Sinne, als in welchem man die Gottessohn- sclhaft des Messias nun eiiimal zu fassen gewohnt war, sur Gottes Sohn zu erklären (Matth.26, 63 ff.; Joh- 19, 7), so daß man allerdings nicht wußte, was man Erster Untertheil: Christi Erhabenheit über die Engel. 849 eigentlich that (Luk. 23, 34). Für die erste chriftliche Gemeinde nun war Jesus Christus, ihr HErr, kräf- tiglich erwiesen ein Sohn Gottes nach dem Geist, der da heiliget, seit er auferstanden von den Todten (Röm. 1, 4); aber die spätere jerusalemische Gemeinde in derjenigen Epoche,·welcher unser Brief »an die Ebräer angehört, war, seit uberhaupt pharisaisch-gesetzliches Wesen bei ihr die Uebermacht bekommen hatte, in ihrer Denkart in Betreff der Person Christi auch mehr und mehr auf den Standpunkt des nachinaligen Ebio- nitisnius herabgesunken, welcher ihn zwar für einen ausgezeichneten, bei seiner Taufe mit göttlicher Kraft ausgerüsteten, aber immerhin doch nur für einen bloßen Menschen hielt, das Dasein einer wesentlich- göttlichen Natur in ihm völlig verkennend. Hierdurch wird es denn erklärlich, daß diese Gemeinde, als die oben zu V. 2 erbrterte schwere Prüfung über sie hereinbrach, an ihrem Christenthum zweifelhaft werden und in die Gefahr gerathen konnte, zum Judenthum Zirlickztikehren als der glanzvotlerem bewährteren und esseres gewährenden Religion; hierdurch wird es aber auch erklärlich, warum unser Epistelschreiber den Artikel von der Gottessohnschaft Christi so sehr in den Vorder rund stellt und diese in ihrer wahren Bedeutung so ausizührlich aus alttestamentlichen Bibelstellen auf Grund des durch die prophetische Auffassung und Be- handlung legitimirten Schriftverständnisses darlegt. War nur erst von dieser Seite her in den Ebionitis- mus der Gemeinde, in die Armseligkeit ihrer Vor- stellungen von Christi göttlicher Person, die Bresche Yschossem so ließ sich dann das übrige Bollwerk ihrer efestigungen gegen das, was des HErrn Leitung gegenwärtig mit ihr Vorhatte, gleichfalls niederwerfen. s) Auf die zwei ersten Antithesen-Paare V. 5. 6 u. V. 7—l2., welche Sohn und Engel einander ent- gegenhalten, um die iiberengelische Erhabenheit des Sohnes und seines Namens zu begründen, folgt in V. 13 f. ein drittes solches Paar; die Fortbewegung ist also chiastisch (über’s Kreuz) —- erst werden dem ohne die Engel, dann den Engeln der Sohn, nun wieder dem Sohne die Engel entgegengehalten. Kein Psalm wird im neuen Testament so oft (nicht weniger als zehn Mal: Niatth 22, 44; Mark. 12, 36; Liik. 20, 42; Apostg 2, 34 f.; 1. Cor. 15, 25; Hebt 1, l3; 10, 12 f.; 5, S; 7, 17 u. 21) citirt, als der 110., auf welchen der Verfasser hier Bezug nimmt; auch stehen alle Iteutestanientlichen Stellen, welche von Christi Sitzen zur Rechten Gottes reden, in unmittelbarer Beziehung und Zusammenhang mit diesem Psalm, worin jene neutestamentliche Thatsache zuerst diesen Ausdruck ge- fanden. Er galt also in der Zeit Jesu und der Apostel als messianischer Hauptpsalnn (Delitzsch.) Wie da- gegen die Engel ganz anders an dem heilsgeschicht- lichen Werke Gottes betheiligt sind, sagt der Verfasser mit eigenen Worten: sie sind ,,dienstbare Geister«, ist das Erste; ,,ausgesandt zum Dienst« das Zweite; ,,um derer willen, die ererben sollen die Seligkeit«, das Dritte. Selbst einer Errettung nicht bedürftig, werden sie, da der einige Gotteswille auf eine Errettung der dem Tode unterliegenden Pienschheit zielt, von dort, wo der Mensch Jesus zur Rechten Gottes thront, zum Dienst derer entboten, welchen diese Errettung zu Theil werden soll. (v. Hofmannh Die Anrufung von Engeln als Nothhelfern und Mittlern des Heils ist ebenso verwerslich, als die Leugnung ihres Daseins oder ihrer Verwendung von Seiten Gottes in seinem Dienst zum Besten derer, welche das Heil ererben sollen, unbiblisch ist· Die ihnen hierdurch zugewiesene Stellung schließt jeden ihnen zu widmenden Cultus ans, während andrerseits ihre Beschaffenheit als Geister DiichsePs Bibelwerk V1I. Band. die sinnlichen Vorstellungeu ihrer Gestalt in das Gebiet der Phantasie und der Kunst verweiset, ihre Verwendung im Dienste Gottes aber eine vorüber- gehende Erscheinun und Wirksamkeit auf Erden in den verschiedensten ormen ermöglicht. (Moll.) Das 2. Kapitel. Die Lehre non Christo soll man auf- und an- nehmen. b. V. t—18. Gerade bei dem, was die jerciscileniisiheti Christen als einen Beweggrund fiir sich errichteten, dem altteskamentticheii Gottes-wart ihre Treue zu be· wahren, dessen himmlische hertiunft tiiiniliih, die durch den, bei seiner Offenbarung geschehenen: Dienst der Engel so fest verbürgt sei, faslt der Verfasser sie jetzt, nachdem er Christi Erhabenheit iiber die Engel ans der Schritt ihnen naihgewiesein an, um ihnen zum Bewusstsein zu bringen, dass, wenn ihnen schon der Abfall von jenem Gotlesivort als eine strafbare Siinde erscheine, sie einer noih viel sthwerereii Verantwortung sich aussehen iviirdeik wenn sie der im neuen Testa- nient ihnen dargebotenen Seligkeit den Rücken kehren wollten; denn von dem hErrn selber ist diese erstlich gepredigt, und durch seine Jlpostel ist sie dann ihnen zugenommen, und ncit Zeichen und Wundern und mit mancherlei Ziriiften und Gaben des Geistes hat Gott die Wahrheit dek- nposiolisajeii Zeugnisses bestätigt (D.1——Lt). Sie dürfen nun aber niiht einwenden: Ja, wenn die tieuteslaiiieiitliche Seligkeit soviel besser sein sollte, alk- dus alttestamentlithe Gottes-wart, so hätten doih viel eher gerade bei ihrer Verkündigung hiiumlische Boten verwendet werden sollen, aber nicht ein unter die Engel erniedrigter tllenschensohii und dessen inenschlithe Seligen. Um diesen Einwand, den et« nacti dein ganzen herzenssiand der Leser mit guten! Grund von ihnen befürchtet, gründlich zu beseitigen, führt der Verfasser sie ein in das Verskändnisl des heilesrathsihltisses Gottes mit dem Menschengeschlecht· der nur durch den unter die Engel« erniedrigteti nnd zuletzt sogar in den Tod dahingegebenen Menschen- sohn zur Itnsfiihrting getiraiht werden konnte (v. 5 —15); und darstaih tritt er ihnen noch besonders daniit nahe, das! dieser tlietisihensohit gerade ihrem Volke, dem Samen 2tbrcihiini5, noch speziell« einer Jhresgleiciseit nnd ein solcher hoherpriesker geworden ist, der ihnen auf’5 Beste helfen kann (v. t6—t8). l. Darum [weil nach den vorhin beigebrach- ten Schristbeweisen Christus, der Niittler des neuen Bandes, so hoch erhaben ist über die Engel, die Mittler des alten Bandes] sollen wir sdie wir nunmehr dem neuen Bunde angehören, nachdem wir vorher Glieder des alten gewesen] desto mehr wahrnehmen des Werts, das wir sin diesen neutestamentlichen Tagen V. 2] hören sum fest daran zu halten und uns nicht davon ab- wendig machen zu lassen], daß wir nicht swie ohnfehlbar geschehen würde, wenn wir es preis- geben wollten, von Gottes Gericht ergriffen] dahin fahren« [gleichsam fortgeschwemmt werden] Z. Denn so das Wort fest worden ist sden Charakter einer unverbrüchlich geltenden Gottes- Satzung an sich getragen hat], das durch die. Engel 54 850 Ebräer L, 3—12. sJezredet ist fdas Wort des alten Testaments in osis Gesetz 2. Mos. 19, 25 u. 5. Mos. 32, 2 Anm.], und eine jegliche Uebertretung [im Thun wider dasselbigeJ und ungehorsam [im Nicht- folgeleisten seinen Vorschriften] hat empfangen ihren [Luther, das Wort auf beides, auf ,,Un- gehorsam« sowohl wie auf ,,Uebertretung« zu- rückbeziehend, schreibt: s einen] rechten [den ge- bührenden Röm. Z, s] Lohn [schwerer Strafver- geltung]: 3. Wie wollen wir entfliehen [dem Gericht der Verdammniß l. Thesf 5, 3], so wir eine solche Seligkeit swie sie im Wort des neuen Testa- ments, im Evangelio Jesu Christi uns angeboten wird 2. Petri 1, IS; Apostelgesch.13, 26] nicht achten« [Kap. 10, 29; 12, 2512 welche, nachdem sie erstlich geprediget ist durch den HErrn sApostg 10, 36 f.], ist sie [in unmittelbarem Fortschritt und also mit zuverlässiger Geltung] aus uns kommen durch die, so es swas der HErr selbst einst gepredigt hat, aus seinem Munde] gehöret haben [Luk. 1, 2]; 4. Und Gott hat ihr [der durch diese Ohren- zeugen auf uns gekommenen Seligkeit hinsichtlich der Zuverlässigkeit dessen, was damit Verkündigt wird Apostg. 13, 26; 16, 17; 28, 28] Zeugniß gegeben mit Zeichen, Wundern und mancherlei Kräften [Röm. 15, 19; Mark. Ia, 20; Apostg. 4, 30; 5, 12 ff.] und mit Austheilung des heiligen Geistes sin allerlei geistlichen Gaben, die er denselben verliehen] nach seinem Willen"k [1. Cor. 12, 8ff.]. V) Der Begriff des Evangeliums, welchen Lukas zu umschreiben liebt (nur in Apostg. 15, 7 u. 20, 24 hat er das Wort) wird hier durch den Ausdruck: ,,das Wort, das wir hören« bezeichneh weil es hier nicht auf den Inhalt, sondern auf die vor allen andern Offenbarungsweisen ausgezeichnete Form der Kund- machung ankommt. Das Evangelium würde Hin- gebung fordern und verdienen, in welcher Weise es auch zu Worte gekommen und zu Gehör gebracht sein möchte; die alles übertreffende Art der geschichtlichen Vermittelung desselben aber fü rt die in der Sache liegende Notwendigkeit, deren eachtung Pflicht für uns ist, herbei, unsere Person auf eine um so ge- steigertere Weise darauf hinzurichten und daran hin- zugeben. (Moll.) Das ,,desto mehr« benennt ein Maß, welches unter andern Umständen, nämlich wenn Der, durch den Gott am letzten in diesen Tagen zu uns geredet hat, nicht das wäre, was er ist, nicht so groß sein würde, ein sonderliches Maß der Achtfamkeit auf das Gehörte. (v. HofmannJ Luther hat bei dem schweren Wort im Grundtext, welches am Schluß des Verses steht, recht geschwankt Jn der Ausgabe von 1522 hatte er nach dem dunkeln und barbarifchen pekeffluamus der Vulgata: ,,damit wir nicht etwa verfließen«; 1530: ,,damit wir nicht verderben niüssen«, welches er hernach mit: ,,damit wir nicht etwa dahin fahren« vertauschte und in der Randglofse erklärt: ,,wie ein Schiff vor der Anfahrt wegscheußt in’s Ver- derben«. (Tholuck.) Der Weltlauf meint, er bringe das Wort Gottes herunter; aber nein, die wie Berge gegründete Gerechtigkeit Gottes bleibt stehen, es bleibt alles nach feinem Wort, nur der arme Mensch fährt daran und an allem darin angebotenen Heil vorbei. (Rieger.) VI) »Das Wort, das durch die Engel geredet ist« heißt das heilsgeschichtlich geoffenbarte Gesetz nicht in Widerspruch mit dem alttestamentlichen Zeugnisse, daß Gott es geredet habe: so gut man alle heilsgeschicht- liche Selbstoffenbarung Gottes, deren Jnnewerden sich dem Menschen durch sein Sinnenleben vermittelte, als eine durch den Dienst seiner Geister vermittelte kannte, so gut wußte man auch, daß Jsrael sein Gesetz, von Gott, aber durch Engel erhalten habe; es kam von Gott und nicht aus cnenschlichem Wollen und Gedenkeiy aber so, daß Gott in der Art und Weise, wie es an die Menschen kam, verhüllt und offenbar zugleich war, weil es durch Vorgänge, welche dem Leben der Schöpfungswelt angehörten, an sie kam. (v. Hofmannh Moses hat das Gesetz nicht gemacht, sondern empfangen; die Stimme aber, welche die zehn Worte fprach, der Finger, welcher sie schrieb, konnte nicht unmittelbar auf Gott zurückgeführt werden, sondern diese äußer- lichen Arten der Offenbarung sind durch die Mitwirkung Zlöherer Ereaturen hervorgebracht worden. (Ebrard.) us Sinai redete zwar Jehova, aber seine Rede war durch Engel vermittelt; er redete also nur mittelbar, nicht unmittelbar, wie im neuen Testament, denn der Mensch Jesus ist kein persönlich Anderer, als der ewige Sohn, die Engel aber, deren sich Jehova be- diente, waren perfönlich Andere, als Jehova selber. (Delitzsch.) Mit der Würde des neutestamentlichen Mittlers und mit der Größe des durch ihn im Evangelio dargebotenen Heils steht die Schwere der Verantwort- lichkeit der Hörer des Evangeliums und die Gewißheit der Verdammlichkeit feiner Verächter in angemessenem Verhältniss. (Moll·) Das Kind verschuldet mehr als der Knecht (Stein.) Wem viel gegeben ist, von dem wird auch viel gefordert werden: im neuen Testament ist das Licht der Offenbarung viel heller und herrlicher, als es im alten Testament bei der Berheißung und den Vorbildern gewesen ist. Bedenke, der du in der letzten Zeit lebst, wozu dich dies verpflichtet (Starke.) IN) Warum wir so viel weniger entrinnen, unge- straft davon kommen werden, wenn wir uns das von uns Vernommene nicht gesagt sein lassen, das liegt theils in dem Inhalte desselben, theils und zunächst in der Art und Weise, wie es an uns gelangt ist: in- wiefern in dem Inhalte, ist vorerst mit »eine solche Seligkeit« nur berührt; ausgeführt wird nur das An- dere in dem Relativfatzex »welche, nachdem sie erstlich gepredigt ist 2e·«. Die Errettung (Seligkeit), sagt der Verfasser —- und was für eine Errettung! —, welche den Inhalt des jetzt ergangenen Gottesworts bildet, ist nach ihrer anfänglichen Kundmachung durch den HErrn von denen, welche sie ihn haben kund thun hören, auf eine alle Unsicherheit ausschließende Weise übermittelt worden; dessen, daß das Heil, um das es sich für uns handelt, zuerst durch den HErrn kund gethan worden, gedenkt er nur zwischensätzlich, um darnach zu betonen, daß und wie es von denen, die ihn haben es kundgeben hören, an uns iibermittelt worden. So menschlich nahe ist uns dies Mal Gottes Wort gekommen: zuerst durch den HErrn Verkündigt, der auf Erden gewandelt und als Mensch zu Menschen geredet hat, ist es dann von denen, die ihn gehört haben, uns Andern zu wissen gethan worden — wie anders, als wenn es durch Engel kund gegeben wurde, wo es für diejenigen, die es überkamen, ein Wort aus einer fremden Welt war! Andrerfeits aber ist uns, wie der Wortlaut des Grundtextes besagt: »auf uns mit Sicherheit kommen« das Heil, welches des Allerdings ist das alttestamentliche Gotteswort durch Engeldienst vermittelt. 85I jetzigen Gotteswortes Inhalt ist, in einer alle Un- sicherheit ausschließenden Verbürgtheit kund geworden, indem Gott der-Verkündigung derer, die es aus dem Munde des HErrn vernommen hatten, um zu be- zeugen, daß es Wahrheit sei, mit Zeichen und Wun- dern und mancherlei Machterweisen und nach seinem Willen so oder anders gestalteten Zutheilungen heiligen Geistes, immer also mit solchem, was mitten unter uns geschah, Zettgniß gab. So»mens·chlik·h nahe also, und doch so gottlich verbürgt, ist die Kunde dieses Heils an uns gekommen, während die Ueber- mittelung des Gesetzes eine übermenschliche und doch untergöttliche zugleich war. (v. Hofmannh So, wie in V.3 steht: »auf uns in fester Weise kommen durch die, so es gehört haben«, konnte der Apostel Paulus, der sonst so großen Nachdruck darauf legt, daß er sein Evangelium nicht minder unmittel- bar, als die palästinensischen Apostel, von Jesn habe, nicht schreiben; er hätte, wenn er auch sein eigenes Apostolat wollte zurücktreten lassen (Judä V. 17 f.), müssen »aus euch« schreiben, um nicht in Widerfpruch mit sich selbst zu gerathen. So, wie die Worte lauten, sind es Worte eines Apostelschülers an eine von Aposteln gegründete Gemeinde. (Delitzsch.) 5· [Mit gutem Grunde hat Gott bei solcher Verkündigungsweise V. 3 f. nicht abermals, wie bei der Offenbarung des alttestamentlichen Gesetzes V. 2., auf welch letzteren Umstand ihr so großes Gewicht legt, sich als seiner Werkzeuge der Engel bedient.] Denn er hat nicht den Engeln unterthan die zukünftige sdurch eine neue Ordnung der Dinge begründete Kap. 1, 2] Welt, davon wir sim Zu- sammenhange dieser unsrer Auseinandersetzungeti V. B; Kap. l, 12] reden* sdaß nun eben sie, die Engel, als die Hauptbetheiligten bei dieser neuen Gründung hätten zu Mittelspersonen heran- gezogen werden müssen]. s. Es bezeuget aber lwenn es sich jetzt darum handelt, zu ermitteln, wem denn, statt den Engeln, er die zukünftige Welt unterthan hat] einer an einem Ort svon dem ihr schon wissen werdet, welchen ich meine, nämlich in Pf. 8, 5—7., gleich- wie euch auch nicht unbekannt sein wird, wem dieser Psalm als Verfasser angehört], und sprichi sim Hinblick auf Den, welchem die zukünftige Welt von Gott untergeben sein wird]: Was ist der Mensch, daß du fein gedenkest szu einer solchen Erlösung gerade ihn dir ausersiehest], und [genauer: oder, um denjenigen, um welchen es sich hier im Besonderen handelt, auch besonders zu be- zeichnen] des Menschen Sohn, daß du smitsolchen Verherrlichungs-Absichten] ihn heimsuchest? 7. Du hast ihn eine kleine Zeit der Engel mangeln lassen sdaß im Vergleich mit ihnen so Manches ihm abgeht]; mit Preis nnd Ehre hast du ihn gekrdnet sdaß gar Großes aus ihm werden foll], und hast ihn gesetzt über die Werke deiner Hände. » 8. Alles hast du nnterthan zu seinen Fußenksi —- Jn dem, daß er [wie es in diesen letzten Wor- ten der Psalmstelle, auf die wir zunächst einzu- gehen haben, heißtj ihm alles hat unterthan [Ephes. l, 22; l. Cor. 15, 27], hat er sda wir den Ausdruck nicht als einen hyperbolischen fassen dürfen, sondern buchstäblich genau nehmen müssen] nichts gelassen, das ihm nicht unterthan sei sworaus denn folgt, daß ihm, dem Menschen oder des Menschen Sohn, ebensowohl die zukünftige, als die gegenwärtige Welt untergehen ist]; jetzt aber [wie die Gestalt der Dinge zu gegenwärtiger Zeit noch ist] sehen wir noch nicht, daß ihm alles unter- than sei ssondern er hat im Gegentheil noch viele Feinde sich gegenüberstehen, die erst noch zu seinen Füßen gelegt werden müssen I. Eor. 15, 26]. 9. Den aber, der snach dem, jenen Worten unmittelbar vorangehenden Ausdruck] eine kleine Zeit der Engel gemangelt hat sindem er gar tief unter sie erniedrigt war Phil. 2, 6 ff.], sehen wir, daß es Jesus ist sder so oft selber sich des Menschen Sohn genannt hat Matth. 16, 16 Anm.], durchs Leiden des Todes sgenauerx um desselbigen willen Phil. 2, 8 f.] gekrönet mit Preis und Ehren [und zwar ist dieses Leiden ihm auferlegt worden] auf daß er von Gottes Gnaden [Röm. b, s; Gal. 2, 21] für alle sfür jeden Einzelnen der in V. 15 Genannten] den Tod schmekkete [2. Cor. 5, 14; 1. Joh. 2, 2; Matth. 16, 28; Joh. 8, 52]. 10. Denn sum dies »von Gottes Gnaden» näher zu erläutern] es ziemte skam zu oder ge- bunt-te] dem, um deß willen alle Dinge sind und durch den alle Dinge sind [d. i. Gott Rom. 11, 36; 1. Cor. 8, 6], der da [mit dem, was er seinen Heilsabsichten gemäß thun wollte und dann auch wirklich gethan] viel Kinder hat zur Herrlich- keit gefithrer daß er dengHerzog ihrer Seligkeit sin eben dieser seiner Eigenschaft als Herzog und Heiland Kap. 12, Z; Apstg. 5, Si] durch Leiden snach innen und außen] vollkommen machtest« T sKap. 5, 8 f.]. 11. [Auf’s Engste nämlich gehören beide, der Herzog der Seligkeit, wie ich Jesum hier nannte, und die Kinder, die zur Herrlichkeit ge- führt werden sollten, zusammen] Sintemal sie. alle von Einem lGott und Vater Joh. 20, 17] kommen, beide [Jes. 27, 1·Anm. 2], der da heiliger sChristus Kap. 9, 13 f.;»Joh. 17, 19],·und die da sdurch ihn Kap.10, 10. 14; 13, 12] geheiliget werden. Darum sum solcher Herkunft von einem und demselben Gott und Vater willen] schcimet er [der da heiliger] sich auch nicht lobwohl er seinem eigentlichen Wesen oder seiner göttlichen Natur nach Kap. 1, 2 f. so unendlich erhaben ist über die, so geheiliget werden], sie Brüder zu heißen [Joh. 20, 17; Matth. 12, 49z 28, 16], 12. und spricht kiu Pf. 22, 23]: Jch will so Gott] verkündigen deinen Namen meinen Brü- dern, und initten in der Gemeine dir lobsingen. 54’« 852 Ebräer L, 13—18. 13. Und abermal sspricht er in Jes. 8, 17 nach dem Wortlaut der griechischen Uebersetzung]: Jch will mein Vertrauen auf ihn sauf Gott] sehen [mich damit den andern Gliedern der Heilsge- meinde, die das thun müssen, als meinen Brüdern völlig gleichstellend]. Und abermal sin dem gleich dahinter stehenden Ausspruch Jes. 8, 18]: Siehe da, ich und die Kinder, welche mir Gott smein und ihr Vater] gegeben hats [Joh. 6, 39; 17, 6., daß ich sie als Brüder liebe und aus ihnen eine Heilsgemeinde der Zukunft bilde]. 14. Nachdem nun die Kinder svon denen in V. 10 u. V. 13 die Rede war] Fleisch und Blut sals wesentlichen Bestandtheil ihrer Natur im Unterschied von der der Engel V. 16; Ephes. 6, 12 mit einander gemein] haben [und selbiges so- mit ein unentbehrliches Merkmal der Zugehörigkeit zu ihnen bildet Luk. 24, 37 fs.], ist er’s gleichep maßen sdurch seine Geburt von einem menschlichen Weibe Gal. 4, 4] theilhaftig worden, auf daß er shernachmals, wenn die Zeit dazu würde herbei- gekommen sein Matth. 26, 18] durch den Tod sdessen er nun ebenfalls sich theilhaftig machen konnte, als das einzige hierfür diensame Mittel] die Macht nähme dem, der des Todes Gewalt hatte, das ist, dem Teufel s2. Tim. 1, 10; Luk. U. 21 fis]- 15. Und erlösete sdurch Tilgung der Sünde, die des Todes Stachel ist 1. Cor.15, 56] die, so sihrem bisherigen Stande nach Röm. 5, 121 durch « Furcht des Todes im ganzen Leben Knechte sein musztenH soder, wie Luther früher übersetzt hatte: pflichtig waren der Knechtschafh um statt dessen Kinder zu werden, die sie sein sollten Luk. 1, 74 s.; Röm. 8, 15 ss.]. 16. sWenn er nun mit solchem Getödtet- werden nach dem Fleisch 1. Petri Z, 18 eine kleine Zeit unter die Engel erniedrigt worden, so darf uns das nicht als etwas ihm, dem Herzog der Seligkeit, Unziemliches befremden, daß wir daran Anstoß nehmen wollten] Denn er nimmt nirgend die Engel an sich [daß igendwo in der Schrift davon die Rede wäre, er wolle diese zu seinem Eigenthum Joh. 1, 11 machen, in welchem Falle er allerdings ihrer nie hätte mangeln dürfen], sondern den Samen Abrahams nimmt er sin der Weissagung Jes. 41, 8 f.] an sich sum an ihm zunächst, den er gleich anfangs zum Volkseines Eigenthums sich erwählt hatte, sein Erlösungswerk zu vollbringen Joh I, 11; Röm. 15, 8]. 17. Daher mußte er swenn anders er wirk- lich sie erfassen und aus ihrem Gefängniß heraus- reißen wollte Jer-31,32] allerdiuge staune-neu Stücken] seinen Brüdern fund zwar außer denen des menschlichen Geschlechtes überhaupt noch denen des jüdischen Volkes im Besonderen Röm. 9, 3 u. 5; Gar. 4, 47; Matth. i, 1ff».] gleich werden, ans daß er barmherzig [voll Mitgefühl für ihre» an seiner eigenen Person empfundenen Leiden] wurde und sin Folge dessen dann] ein treuer sseinem Amte in jeder Hinsicht entsprechender und es ganz, ohne irgend welchen Mangel, erfüllender Kap. Z, 2 u. b] Hoherpriefter vor Gott, zu versöhnen die Sunde des Volks sum welches es bei seinem, Gottes Gnade vermittelnden Hohepriesterthum zu- nächst sich handelte Kap. 13, 12z Joh.11,50——52; Apostg. 2, 39; 13, 46 f.]. 18. Denn darinnen soder auf Grund dessen, daß] er gelitten hat und [also selber] versucht ist [Kap. 4, 15], kann er helfen denen, die sdiirch Leiden, die über sie gekommen Luk. 22, 28; Apostg. 20, 19] verfucht werden sindem er nicht blos weiß, wie in ihrer Lage ihnen zu Muthe sei Kap. 5, 7 f., sondern auch die Mittel und Wege ihnen eröffnet hat, den Versuchungen nicht zu erliegen] V) Jn V. 3 s. hatte der Verfasser vom HErrn aus den Fortgang der neutestamentlichen Verkündigung überblickt: da sind es Menschen, seine Jünger, welche unter Gottes, in Wundern und Wundergaben ergehen- dem Mitzeugniß das Heil zeugend weiter tragen; wie es ausgegangen von dem überengelischen HErrn, wel- cher Gott und Mensch in Einer Person ist, so ist es aus seinem Munde durch Menschen, mit übernatürlichen Kräften ausgerüstet, an die Gemeinde der Jetztzeit ge- kommen. ,,Denn«, so fährt der Verfasser nun fort, ,,nicht Engeln hat Gott die zukünftige Welt unter- worfen«, wofür der Gegensatz sich von selbst versteht, sondern den Menschen, und zwar von wegen des Einen, welcher als HErr an der Spitze des Heils steht; gemeint aber ist die neue Welt der Erlösung im Un- terschiede von der alten, infolge der Sünde der Ver- gänglichkeit, dem Tode anheimgefallenen Welt der Schöpfung. Diese neue Welt heißt ,,zt1kiinftig« auch vom neutestamentlichen Standpunkte aus; denn obgleich die Kräfte der zukünftigen Welt (Kap. S, 5), wozu die vorhin erwähnten, das apostolische Zeugnis; beträf- tigenden Wunder und Wundergaben gehören, schon in die Gegenwart hinein ragen, so ist doch auch für uns die zukünftige Stadt (Kap. 13, 14) noch ein Ziel der Sehnsucht, und obgleich von der Erscheinung Christi an die alte Welt dem Rechte ihres Bestandes nach ab- gethan und abgelausen ist, so besteht sie doch noch als die äußere Schale der in ihr verborgenen neuen Welt, die nicht eher aus-geboren sein wird, als bis der neue Himmel und die neue Erde (2. Petri 3, 13) geschaffen sind. Diese neue verklärte Welt der Erlösung bezeichnet der Verfasser mit den Worten: ,,davon wir reden«, in- dem er von sich selbst im Plural redet, wie in Kap. 5, 1»1; S, 9. 11; 13,18., zurückblickend auf das vorige Kapitel und vorblickend auf das, was weiter zusagen ihm im Sinne liegt, als Hauptgegenstand seines Briefs (Del·itzsch.) Um zu verstehen, was ihn auf den hier vorliegenden Ausspruch führt, müssen wir daran denken, daß unser Brief an Christen geschrieben ist, welche sich gerade dadurch, daß sie vor allem dem durch die Engel geredeten und also fest gewordenen Wort ge- horsam sein wollten, zur Geringachtung der neu- testamentlichen Seligkeit (V. 2 s.) verleiten ließen; da mußte er die Leser darauf aufmerksam machen, daß die Geringachtung Christi und des von ihm und seinen Die neutestameiitliche Seligkeit dagegen ist vom HErrn selber und seinen Zeugen gepredigt. 853 Aposteln verkündigten Heils, auch wenn dieselbe mit dem Achten auf das durch die Engel geredete Wort durch Rückkehr zum Judenthum verbunden werde, nicht ungestraft bleiben könne, da nach dem ausge- sprochenen Gotteswillen die zukünftige Welt nicht den Engeln, sondern Christo (oder genauer: den durch Christum geheiligten Menschen V. 11) untergehen sei, die Christen also Christum als ihren HErrn zu ehren und ihm und dem Wort seiner Apostel zu gehorchen haben. Der Verfasser spricht jedoch den zweiten, positiven Theil des mit den Worten: ,,er hat nicht den Engeln unterthan die zukünftige Welt« eingeführten Gedankens nicht mit eigenen Worten aus, sondern geht statt dessen in V. 7 auf ein Wort der Weissagung näher ein. (Riehm.) «) Wenn der Verfasser die Psalmstelle mit den Worten einführt: ,,es bezeugt aber einer an einem Ort«, so giebt er mit ,,bezeugt« zu erkennen, daß die feierlich oderlebhaft oder nachdrücklich betonte Aeußerung Ausdruck einer persönlichen Empfindung oder Willens- meinung oder Erkenntnis; ist, während das ,,einer an einem Ort« zu erkennen giebt, daß zwar für den Zweck gleichviel ist, wer dies gesagt hat und wo es sich findet, daß es aber als eines Menschen Aeußerung, nur frei- lich als eine, welche die Geltung eines Schriftworts hat, angeführt sein will. Eines Menschen Ausruf ist es, der vor Gott seine Verwunderung nicht bergen kann, daß er sich um den Menschen annimmt. (von HofmannJ Der s. Psalm wird auch sonst im neuen Testament als christologischer citirt: der HErr selbst verweist die über, das Hosiannarusen der Kinder im Tempel unwilligen Priester und Schriftgelehrten auf das Wort in V. 3 (Matth. U, 16), und diese Hin· weisung besagt indirekt, daß Lobpreis Jesu ein Lob- preis Jehovas des Erschienenen sei. Paulus bezieht sich in l. Eor. 15, 27 auf V. 7b, als wo gesagt sei, daß Gott alles unter die Füße Christi gelegt habe. Und doch hat dieser Psalm weniger als irgend ein anderer messianisches Ansehn, hat auch, soviel wir wissen, nie in der Synagoge als messianisch gegolten; er ist Nachts bei Anblick des Sternenhimmels gedichtet und ein lhrisches Echo der Schöpfungsgeschichte Von der herrlichen Machtoffenbarung Gottes in Himmel und Erde anhebend, steht David still bei dem Menschen, dem verhältnißmäßig so winzigen und so ohnmächtigen Wesen, zu dem sich Gott in Liebe herabläßt und den er zum Herrn über alle Creaturen seiner Umgebung gemacht hat. Unserm Verfasser nun ist der Mensch und des Ntenschen Sohn des Psalms wohl auch zu- nächst der Mensch als solcher, und was von demselben gesagt wird, gilt wohl auch ihm als Aussage der hohen Ehrenstellung welcher der Mensch als solcher im Weltganzen ewürdigt worden; indem er aber her- nach von den orten an: »in dem, daß er ihm hat alles nntergethaii 2c.« seine Auslegung der Psalmstelle und die Vergleichung ihres Inhalts mit der ihm nicht entsprechendem ihn also nicht erschöpfenden Gestalt der Gegenwart macht, kommt er zu dem Schluß, daß der Mensch und des Menschen Sohn in dem Psalm Jesus ist als derjenige Mensch, in welchem das, was der Psalm vom Menschen insgemein sagt, wirklich geworden. Was also derselbe von der Unterwerfung der Welt unter den Menschen sagt, gilt der Welt der Zukunft, da es sich an der Welt der Gegenwart nicht erfüllt hat: nicht Engeln, sondern Jesu dem Menschen und in ihm der durch ihn erlösten Menschheit ist die zu- künftige Welt unterworfen. (Delitzsch.) Das Geheim- niß Ad ams, sagt eine alte Stimme aus der Synagoge, ist das Geheimniß des Messias (vgl. 1. Cor. 15, 21 f. 45): ADaM ist das Anagram von Adam, David, Messias. (Biesenthal.) Ob der Verfasser bei ,,des Pienschen Sohn« an den Namen gedacht hat, den Christus so oft sich giebt? Es wäre das allerdings möglich; einige Ausleger haben sogar gemeint, diese Bezeichnung habe dem Verfasser die Veranlassung ge- geben, gerade dieses Citats sich zu bedienen, womit man aber wohl zu weit geht. (Tholuck.) sitt) Der Mensch steht in Gottes Schöpfung da wie ein entthronter König, aber mit dem Anspruch auf das Reich und auch mit der Verheißung, es dereinst wieder zu empfangen; was nun auf den Menschen im All- gemeinen geht, in Bezug auf ihn aber noch nicht erfüllt ist, das findet auf Jesum, den Stammvater des neuen erlösten Menschengeschlechts der eben deshalb des Menschen Sohn heißt, schon jetzt seine Anwendung. Er ist eine kleine Zeit unter die Engel erniedrigt worden, deren Schöpfer und HErr er war, mit desto höherer Ehre und Herrlichkeit aber ist er darnach ge- krönt worden; seine Erniedrigung unter die Engel geschah, damit er den Tod erleiden könnte, damit er in völligem Gehorsam gegen Gott, bis an’s Ende getreu, sich Gott opferte für die Menschen, und des- halb wurde er nun mit der, dem Menschen ursprüng- lich bestimmten Herrlichkeit angethan, die er zuglei noch erhöhete (zu einer solchen, die auch über die Engel erhebt). Und dies alles geschah durch Gottes gnädige Fügung, damit durch seinen Tod alle erlöst und mit ihm erhöhet werden möchten Weit entfernt also, daß in Jesu Todesleiden ein Grund des Anstoßes und Aergernisses läge, dienen sie vielmehr im höchsten Grade zur Verherrlichung Gottes; denn Gott wollte die Herrlichkeit seines Sohnes dem ganzen menschlichen Geschlecht mittheilen, wollte große Schaaren zu der- selben Herrlichkeit erhöhen, zu der Jesus durch Todes- leiden gelangt ist. Mit dem Tode Christi hat er viele Kinder zur Herrlichkeit geführt: in ihm hat die lange Reihe seiner gläubigen Nachfolger schon gesiegt und die Herrlichkeit erlangt; darum heißt er »der Herzog« ihrer Seligkeit, ihres Heils, der Anführer, Bahnbrechey der durch seinen Sieg den Sieg der Seinigen möglich gemacht hat. (v. Gerlach.) ,,Herzog der Seligkeit« heißt Jesus als derjenige, welcher das» Heil oder die Seligkeit erworben für das ganze Menfchengeschlecht und von dem es nun auf dieses ausgeht, als Ur- heber und Urbesitzer der Seligkeit, beides zugleich; an die Spitze der Slltenschheit gestellt, zieht er vor dieser her und führt sie zu gleichem Ziele. Gott hat nun Den, so schreibt der Verfasser, welcher Heilsvorgänger sein sollte und wollte, durch Leiden dem Ziele zuge- führt, wohin gelangt er das vollkommen ist, was er als Heilsvorgänger sein soll und will; und so durch Leiden ihn vollkommen zu machen, ziemte es Gott, d. i. es war das seinem Verhältniß zu der· heils- bedürftigen Menschheit einerseits und zu demjenigen, der mit der Errungenschaft des Heils an ihre Spitze treten sollte, andererseits wahrhaft Angemessene. Es war ein Werk freier Gnade, worin Gott also weder durch eine außerhalb seiner selbst gelegene Noth- wendigkeit, noch durch einen außerhalb seiner selbst gelegenen Zufall bestimmt ward, sondern sich selbst nach dem seiner würdig Befundenen bestimmte. Der Verfasser schlägt damit alle Anwandelungen Iüdischer Aergernißiiahme an dem Kreuze Christi darnieder: was im Werke unsers Heils gottgezieme1id»war, dar- über hat niemand ein Urtheil als Der allein, welcher aller Dinge End und Anfang ist. Indes; ist die Voll- endung des Heilands durch Leiden doch auch keine für uns schlechthin ohne Antwort bleibende Frage; und die Antwort, warum es keinen andern gottgeziemenden Weg gab, als diesen, liegt in den Worten angedeutet: 854 Ebräer 2, 18. »der da viele Kinder hat zur Herrlichkeit gefiihrt«. Um die Menschen in Herrlichkeitsgemeinschaft mit dem Sohne zu sehen, mußte er diesen in Leidensgemeinschast mit den Menschen setzen, damit er daraus mit Heil und Herrlichkeit als einem Gemeingute hervorginge; um die Menschheit aus der Leidenstiefe, in welcher sie ihrer Bestimmung so Unähnlich ist, auf die Höhe ihrer Bestimmung emporzustellen, mußte er seinen Sohn durch eben diese Leidenstiefe hindurch zur Herrlichkeit emporführem so daß er nun durch Ihn, den durch menschlich Leiden Vollendeten, die Menschen zu herr- lichen Gotteskindern machen kann. (Delitzsch.) An die Christengemeinde in Jerusalem war damals die letzte Entscheidung herangetreten, die Frage, ob sie im Stande sei, um Christi willen das Höchste hinzugeben, was von einem Hebräer gefordert werden konnte, allen und jeden Zusammenhang mit dem heiligen Tempel und seinem Gottesdiensh allen Zusammenhang mit dem Volke Jsrael. Jsrael nach dem Fleisch schickte damals eben sich an, das Messiasreich auf dem Wege des Fleisches herbeizuführen und mit Gewalt die Herrschaft Roms von sich zu werfen, und glühende Weissagungen der falschen Propheten und Zeloten von der nahen Verherrlichung des auserwählten Volkes schürten das Feuer; dagegen hatten die Christen, wie die bald nach- her ausbrechende neronische Verfolgung bewies, überall im römischen Reich das Schwerste zu befürchten, wäh- rend ihre Hoffnung auf die baldige Vollendung ihres Heils und die Siegesankunft ihres himmlischen HErrn sich nicht erfüllt hatte. Was daher dem Täufer einst die Frage an Christum in den Mund legte: ,,bist du, der da kommen soll, oder sollen wir einesAndern warten?« das ließ Viele in der Gemeinde diese Frage noch einmal aufwerfen; auch sie, die jerusalemische Gemeinde, war wie von einem Gefängniß umschlos en von dem nach einem fleischlichen Messiasreiche ringenden Volke, und was Anderes hatten sie der sichtbaren Herrlichkeit, die diesem von den falschen Propheten ver- heißen wurde, entgegenzustellen als unsichtbare Güter? Wenn Paulus sagt, den Juden sei Christus, der Ge- kreuzigte, ein Aergerniß (1. Cor. 1, 23), so war jetzt die äußerste Gefahr vorhanden, daß dies auch bei einem bedeutenden Theile der christlichen Gemeinde sich bewahrheite (Grau.) f) Was den Sinn des Ausdrucks: ,,beide, der da heiliget und die da geheiliget werden« in V. 11 be- trifft, so bezeichnet das »heiligen« hier nicht die Hei- ligung im speziellen Sinne, wie sie eine Folge des Glaubens an die Versöhnung und als solche von der Rechtfertigung verschieden ist; ebensowenig aber die Rechtfertigung als solche, sondern der Ausdruck be- zeichnet hier die Totalumwandlung der Stellung zu Gott, welche bei den Gliedern des neuen Bundes ein- tritt im Gegensatz» zu der Stellung des natiirlichen Menschen zu Gott· (Ebrard.) Mit dem Gegensatz: »der da heiliget« und: »die da geheiliget werden« ist das Verhältniß zwischen Jesu und uns grund- wesentlich bezeichnet, indem sich alles, was von ihm und uns gegensätzlich ausgesagt werden mag, darauf zurückführt, daß wir der Welt, wie sie ist, der gott- entfremdeten, angehören, welcher er uns entnimmt, um uns in das dieser Welt gegenüber in sich beschlossene göttliche Wesen zu versehen; denn der eigentliche Begriff von heilig ist der der Besonderheit (v. Hosmann.) Bei den Worten: ,,sintemal sie alle von Einem kom- men« ist nicht an Gott als Schöpfey sondern an das geistliche Verhältniß zu ihm als Vater zu denken; in diesem stehen wir dadurch, daß Christus als der, der daheiliget, uns aus dem Stande der Verfinsterung des gottentfremdeten Lebens in das Verhältniß der Zugehörigkeit zu Gott als dem vollkommen reinen und triibungslosen Lichtwefen versetzt hat und als solche, die da geheiliget werden, darin auch erhält. Wie nun wir »aus Gott« sind (Joh. 8, 47; l. Joh· 4, 6), kann derselbe Ausdruck auch von Jesu gebraucht werden, da hier von dem geschichtlichen Verhältnisse« des Heilands zu Gott die Rede ist. (Moll.) Um hierauf zu zeigen, daß Er, der da heiligt, sich als Bruder derer, die geheiligt werden, ansieht und fühlt und ausspricht, könnte sich der Verfasser auf Aussprüche des Erschienenen, wie sie in den Evangelien vorliegen, berufen; er stellt aber, weil er auchdarin die Er- fiillung der alttestamentlichen Schrift und des da be- zeugten göttlichen Rathschlusses nachweisen will, alt- testamentliche Worte zusammen, die er als Aussprüche des Zukünftigen auffaßt. (Delitzfch.) Der erste dieser Aussprüche bezieht sich auf die Zeit vor der Mensch- werdung und drückt die Willigkeit und Absicht des HErrn aus, mittelst Menschwerdung den Heilsrath- schluß Gottes den Menschen zu verkündigen und für sie auszuführen; in dem zweiten ist dann angedeutet, wie der menschgewordene Gottessohn auf den Stand- punkt des Menschen herabgestiegen sei, im dritten dagegen, wie die erlösten Menschen von Christo auf seinen Standpunkt erhoben worden seien. (Kurtz.) H) Die Kinder, welche nach den Schlußworten des 13. Verses Gott der HErr dem Heilande gegeben, hießen so nicht in Ansehung der Menschennatur, die sie aus Mutterleibe mitgebracht, sondern in Ansehung ihres mittelbar durch Ihn, den Heiland, aus Gott» geborenen Lebens; es sind geistliche Kinder, die sich mit ihm als solche auf die Einheit gleichen göttlichen Ursprungs zurückführen. Aber sie tragen ihr geistliches Leben in dem irdischen Gefäße menschlicher Natur: dieser Gedanke ist’s, von wo aus der Verfasser weiter folgert, daß Jesus, um der Heiland heilsbedürstiger, der Heiliger zu heiligender Menschen zu werden, nicht blos in ein solches geistliches Gemeinschaftsverhältniß aus Gott stammenden Lebens, sondern auch in das natürliche Gemeinschastsverhältniß gleichen leiblichen Lebens zu ihnen treten mußte. Mit dem Worte: »auf daß« läßt er dann die Angabe des doppelten Zweckes folgen, der nicht ohne solche Menschwerdung erreicht werden konnte und den der Heiland, indem er einer Unsersgleichen ward, erreichen wollte: er sollte und wollte als ein Mitglied unsers Gefchlechts mittelst des Todes dem Tode, diesem größten Widerspruch mit der dem Menschen nach Psalm8 zukommenden Hoheit, seine Macht über uns nehmen, indem er 1) die Ursache des Todes, die Gewalt des Todesfürstem und 2) die Wirkung des Todes, die Todesfurcht, hinwegräumte. Die nächste Ursache des erlöserischen Todes Christi war also die Entwurzelung der im Teufel eoneentrirten Todesmacht: »auf daß er durch den Tod die Macht nähme dem, der des Todes Gewalt hatte, das ist, dem Teufel«. Der Teufel heißt hier so, weil seine Herr- schaft der urfächliche Hintergrund alles Sterbens ist; er hat die Gewalt des Todes nicht unmittelbar, son- dern mittelbar durch die von ihm auf die Menschheit übertragene und da heimisch erhaltene Sünde, durch die er die Menschen dem göttlichen Strafgericht des Todes überliefert. Was nun der Heiland mittels eigenen Erleidens des Todes bewirkt hat, das ist die Depotenzirung oder Entmächtigung des Todes-Fiirsten — ein Si , der in seiner ganzen Größe erst am Schl11sse der Heilsgeschichte offenbar wird; die nächste Folge aber ist die, daß der Tod selbst, wenn auch noch nicht vernichtet, fortan unter der überlegeuen Macht des Ueberwinders des Todesfürsten steht, womit denn an allsen, die sich das zugute kommen lassen, auch der Dieser HErr ist denn dem Samen Abrahams nach besonders einer Jhresgleichen geworden. 855 andere Zweck erreicht, nämlich der Zustand der Knecht- schaft beseitigt wird, welchem man anheimsällt·, wenn man den Tod zu sürchten hat, und zwar iin ganzen Leben fürchten muß, so daß das Leben in seinem Ver- laufe die Todesfurcht zum unzertrennlichen Begleiter hat und darum ein sein selber nicht recht mächtiges, nie recht fröhliches sein muß. (Delitzsch.) Wie ängst- lich man öfters unter dem Gesetz den Tod angesehen habe, ist aus manchen Zeugnissen des alten Testanients abzunehmen (vgl. zu Hiob 7, 9); dazwischen that ihnen sreilich das Wort der Verheißung soviel Dienst, als ein im dunkeln Ort scheinendes Licht (2. Petri 1, 19), doch war der Zustand mehrentheils eine Knechtschast aus Furcht des Todes. Das war auf der einen Seite brauchbar, die Menschen auf den Glauben ans Evan- gelium vorzubereiten und der Sünde einigen Abbruch zu thun; auf der andern Seite aber war es doch kümmerlich und einer Erlösung bedürftig (Rieger.) Von Natur stehen die Menschen all ihr Lebelang in Todesfurcht, in Furcht vor der Verdammniß, die früher oder später äußerlich und innerlich mit ihren surcht- baren Folgen sie ereilt. Es ist damit nicht gesagt, daß alle Menschen mit klarem Bewußtsein diese Furcht wirklich empfinden; aber sie müßten sie nothwendig « empfinden, wenn sie ihr Gewissen nicht betiiubten durch falsche Vorstellungen von Gott, durch die Lust des Fleisches und der Welt und ihre beständigen Zer- streuungen. Eben hierin aber zeigt es sich, daß sie in beständiger Knechtschaft leben. (v. Gerlach.) Die Be- freiung von der Todessurcht geschieht nicht durch eine neue Lehre von der Unsterblichkeit, in Folge deren sich die Vorstellungen vom Jenseits verändern, sondern durch Versetzung in ein neues Verhältniß, in welchem der Stachel des Todes, das verwundende Schuldbewußtseiii, ausgebrochen»ist. (Moll.) . · ist) Luther’s Uebersetzung in V. 16: ,,er nimmt nirgend die Engel an sich« beruht auf der, von den Kirchenvätern überkommenen und zu seiner Zeit aller- seits noch festgehaltenen Deutung des im Grundtext stehenden Wortes, welche dasselbe von einem Annehmen der Natur der Engel, resp. des Samens Abrahams verstand; aber wäre dies der Sinn, so wäre, abgesehen von der Aussage in V. 17., welche als abgeleiteten Gedanken fast den gleichen Jnhalt darböte, das ganz unerklärlich, daß auf einmal der ,,Same Abrahams« gesetzt wäre, während doch nur von der allgemein menschlichen Natur die Rede sein könnte. Außer- dem aber, wie schon der Zeit- und anfängliche Berufs- genosse Ealvin’s, Sebastian Eastellio (eigentlich Chatejllon -s-1563), zuerst nachgewiesen und man nach längerem und heftigem Widerspruch dann immer mehr eingesehen hat, ist jene Deutung des griechischen Worts dnrchaus unzulässig, so daß, wenn man auch den· Wort- laut der lutherischen Uebersetzung beibehalten will, wie . die Eiseiiacher revidirte Ausgabe des neuen Testaments es gethan hat, man ihn gleichwohl anders verstehen muß, als sie ursprünglich gemeint war. Während wir so mit der neueren Schristerklärung nach der einen Seite hin einverstanden sein müssen» konnen wir’s jedoch nicht nach der andern Seite hin sein; dieselbe glaubt nämlich den Ausdruck, dessen der Ver- fasser sich hier bedient: ,,des Samens Abrahams«, dahin verallgemeinern zu dürfen, daß er gleichbedeutend wird mit dem menschlichen Geschlecht überhaupt. Der an Jud en christen schreibende Verfasser rückt vielmehr, nachdem er seinen Lesern gegenüber bisher in einer gewissen Ferne sich gehalten, ihnen xetzt Früh« UND bereitet sich die Grundlage zunächst für die in Kap. 3, 1 folgende Anrede: ,,ihr heiligen Brüder«, in welcher zwar das »Brüder« sie als Christen schlechthin, das ,,heilige« aber speziell als die Christen der jeru- salemischen Ur- oder Muttergemeinde(in1.Thess. 5, 27 ist das Beiwort ,,heilig« aller Wahrscheinlichkeit nach blos eine willkürliche Zugabe der Abs reiber) kennzeichnet (1. Cor. 16, 1; Röm· 15, 26 f.; hilem. 7 Anm.). Und wie diese eigenthümliche, sonst nir ends in einem apostolischen Briefe vorkommende Anre e, so bereitet er auch die eigenthümliche, ebenfalls sonst nirgend als in unsrer Epistel vorkommende Bezeichnung Christi als »Apostel und Hohepriester« vor; ersteres ist der HErr nur für das Volk Israel, unter welchem er persönlich erschienen und das Evangelium verkündigt hat (V. Z; Matth. 15, 24; Apostg. Z, 26; 10, 36), aber auch das andere ist er nur für dasjenige Volk, bei welchen ein von Gott selbst aufgerichtetes und in Gottes wirklichem Dienste, nicht in dem der Götzen oder gar der Teufel (1. Cor. 10, 20) stehendes Priester- thum bestand, dessen ideale Aufgabe er realiter erfüllen konnte. Jndem denn der Verfasser es jetzt nicht mehr blos, wie in V. 5—15, mit den Menschen überhaupt zu thun hat, für die der Heiland ,,des Menschen Sohn« ist, der sie zu der dem Menschengeschlecht bestimmten Herrlichkeit führt, sondern mit dem Heiland Jsraels, nennt er dies Volk mit dem in der Verheißung Jes. 41, 8 ff. vorkommenden Ehren-Namen: ,,Same Abrahams« und meint das ,,nimmt an sich« im Siniie des dort dem Volke seines Eigenthums von dem HErrn ver- sprochenen, durch eine Reihe von Sätzeii spezisizirten »Sichannehmens, so daß wir den Vers verständlicher nun so lesen könnten: Denn er nimmt nirgend der Engel sich an, sondern des Samens Abrahams nimmt er sich an. Dieses Sichan- nehmen nun konnte in wirksamer Weise nicht anders geschehen, als durch ein Gleichwerden eben diesen seinen Brüdern, deren er sich anzunehmen hatte, in allen Stücken, was hier weniger aus das an sich Nehmen der menschlichen Natur, als auf das an sich Nehmen der jüdischen Nationalität, weniger auf das Miterleiden des Todes, unter den alle Men- schen als Knechte gefangen sind, als aus das Eintreten in den ganzen Leidens- und Elendsstand des von seinen Oberen mißleiteten, von fremden Machthabern ge- knechteten, unter dem Fluche seiner Sünden seufzenden Volkes sich bezieht; indem er denn in letzterer Hin- sicht der treue Hohepriester vor Gott geworden, der des Volkes Sünde versöhnt hat, kann er in ersterer Hinsicht, als der selber überantwortet worden den jüdischen Oberen und von diesen den heidnischen Macht- habern zum schiiiählichen Tode am Kreuz, ein mit- leidiger Hoherpriester sein, zu helfen denen, die in ihrer gegenwärtigen Lage von denselben Feinden auch schwer zu leiden haben und, wie vordem er selber, durch die Anfechtung hindurchgehen, die in Pf. 42, 10 f. sich kund giebt: ,,Jch sage zu Gott, meinem Fels: warum hast du mein vergessen? warum muß ich so traurig gehen, wenn mein Feind mich dränget? Es ist als ein Mord in meinen Beinen, daß mich meine Feinde schmähen 2c.« Daß wir den Verfasser in dieser Weise richtig verstehen, dürfte das ,,helfen« bestätigen, womit er im Grundtext so nachdrücklich seine Aus- einandersetzung beschließt und das auch in Jes. 41, 8 mit dem erläuternden Zusatzt ,,ich erhalte dich durch die Hand meiner Gerechtigkeit« uns begegnet. Auch in Kap. 13, 12 steht bei dem Ausdruck: ,,Volk« zunächst nur Israel im Gesichtskreis des Verfassers, leichwie dem Evangeliften in Joh 11, 51f.; aber wie die er sofort den Particularismus wieder aufhebt, so hat auch unser Verfasser seinen Universalimus schon vorhin in V. 9 bekundet und thut es hernach noch mehr durch die Gleichstellung Jesu mit Melchisedek. 856 Ebräer s, l— 6. Das 3. Kapitel. Christum, den vortrefflichen Lehrer des neuen Tesiaments soll man hören. II. h. t—2hup- 4, M: Christi Crhabenheit über Mose und dessen Nachfolger Josua. —— »Wir sind Mosis Jungen§ so rühmtcn sich die Juden im Stolze auf diesen ihren Propheten (Joh. Si, 28 f.); und »wir sind nie liein Mal jemands Knechte gewesen«, so bil- deten sie, auf ihren vermeintlich unantasibaren licht; des heiligen Landes sterbend, sich ein, gleich als habe es nie eine babhlonisctze Gefangenschaft, nie eine persischg grtechischg egyptischtz syrisctjg rtinusche Gberherrschaft über htaläftina gegeben (Joh. s, 33). Juden! denn die Christen in Jerusalem zu der Zeit, in welcher der ber- fasser unsrer Epistel an he schreibt, von der jüdisthen Synagoge ausgestoßen waren und also lkeinen Ltlntheil mehr an dem Ruhm einer Jtingerschaft zltiosis mit ihrem bollie haben sollten, wurde es ihnen bei dem jiidischen Sinne, mit dem auch sie bisher sich getragen, außer— ordentlich schwer, den scheinbaren Verlust solcher Ehren— siellung zu verwinden; und indem in einigen Jahren unter Gottes Zulassung auch ttncstiinde eintreten sollten, wo das Land auf kurze Zeit wieder frei werden witrde von fremder Herrschaft, hätte das eine noch oiel schtimmere Versuchung ftir sie werden können, in’s Juden— thUm zurürtizufallem wenn sie nicht sttson jetzt zur richtigen Einsicht gebracht worden wären. ouosessiolz sie zu heilen und vor dem ollittrtnlken von dem Taumeltcelctn der Jerusalem deutnäusst eingesthentit werden sollte, sie rechtzeitig zu bewahren, dazu dienen diese beiden Kapitel. a. V. 1——19. Die Gedantäenentltsiclieltiiig hatte den Ver— fasset« am Schlaf) des vorigen Ilbschiiilts bereits bis zu dem pnntite gesiihrh das) er Christum in der Hauptansgabe seines Erlöserattttes, in seiner hohe- priesierlicljen Chätigltein lionnte erblichen lassen; aber daraus dars er Itach Tliaslgnlie der Beschaffenheit seiner Leser tiir jetzt noch nitht rather-eingehen, er must sie zuvor von der iibermiisligeii Werlhschätzttug des. Moses, dieses Gottgesandten sur das alttestattietitliclje Bundes- voltt nnd Mittlers bei der alttestatltentlictseti Brandes- stistung, heilen, damit sie nicht um Mosis toillen Christum preis gäben Er stellt also den hGrrti Jesnm Christum ihnen vor, wie derselbe nicht allein eliensowohl ein Jlpostel oder Gottgesandter ist und als solcher mit hohepriesierlicher Ausgabe Betraurt, wie Moses than. 9, 19 fs.), sondern auch nicht weniger als dieser treu gewesen ist in dem ganzen hause Gottes, aber dabei so hoch über ihn erhoben, als der Sohn des Hauses» erhaben ist iiber den blossen Knecht, der nicht selber« über das Hans zu walten hol, als wiirc es sein eigenes, und es herrithtet und einrichtet nach den Intentionen dek- hau5herrn, die ihm alle wohl tiewuht und aruh die seinigen wären, sondern nur Dienste leistet, je nachdem ihm eins tiach dem andern geheislen wird. Während also Israel in der alttestanieiitlictjeii Haushaltung so dasteht, das; es den Nioses wohl zu ehren hat als» Gottes Diener, aber doch nimmer als Mosis hattg sich wissen darf, ist die Christenheit aller« dings Christi Haus, aber nun auch desto heiliger ver- pflichtet, Gottes Stimme, die durch ihren Apostel und hohenpriesier an sie ergeht, zu hören, damit sie nicht etwa in jenes Exempel dek- Utiglanbens solle, weltheg das» Voll? Mosis in der Wiisie sich einst hat zu Schulden lronunen lassen nnd ans dessen warnende liorbedetitttug längst schon in einem Psalm des alten Testaments hingewiesen worden ist. Von jenem falschen. 1. Derhalben sweit es sich so verhält, wie in Kap. 2, 16 ff. gesagt] ihr heiligen Brüder sihr zu Abrahams Samen gehörenden christlichen Bruder] die ihr mitberufen seid szu Gliedern des neutestamentlichen Bundesvolks und zu Erben des ewigen Heils V. S; 9, 15] durch den himmlischen svom Himmel aus ergangenen und zum Himmel führendeu Kap. 2, 3; 4, 9 ff.; 12, 25] Beruf, nehmet wahr des Apostels sGottesgesandten Joh. 8, 29; Matttx 18, 10 Atem] und Hohenpriesters, den wir bekennen [vgt. die Bem. zu Kap. 2, 18], Christi Jesui [indem ihr euch mit ganzem Ver- trauen zu ihm als Helfer in den Versuchungen, die ihr zu erdulden habt, haltet — zu ihm], 2. Der da treu ist dem, der ihn szu dem, was er ist] gemacht loder in das Amt eines Apostels und Hohenpriesters für sein Volk ein- gesetzt I. Sam. 12, 6] hat, wie [allerdings] auch Moses snach Gottes eigenem Zeugniß 4. Mos. 12, 7 treu gewesen] in seinem ganzen Haufe sin allem, was zu Gottes Haushalt gehörte]; Z. Dieser aber sder Herzog unsrer Seligkeit Kap. 2, 10., Christus Jesus] ist größerer Ehre Werth, denn Moses, nachdem [d. i. in eben dem Maße größerer Ehre Werth, als] der eitle. größere Ehre am Haufe hat, der es bereitet ssein Grüuder und Zurichter ist], denn das Haus sselber und ein jeder im Hause, der nur ein Glied desselbigen ausmacht l. Petri 2, Z; 4, 17]. 4. sDamit nun, daß ich Jesum ohne Weiteres als den Grtinder und Zurichter desjenigen Hauses bezeichnete, in welchem er treu ist dem, der ihn gemacht hat, habe ich keineswegs im Vergleich mit Moses: zu viel von ihm behauptet] Denn ein jeglich Haus wird von jemand bereitet [und da handelt es sich denn hier um die beiden Häuser, das Haus des alt- und das des neutestamentlichen Bundesvolks Matth. 10, 6; Luk. 14, 23], der aber allcs bereitet, das ist Gott fund so ist Gott freilich für diese beiden Häuser der eigentliche Urheber und Hersteller; nur fragt es sich, in welchem Verhältniß die zu ihm stehen, deren er dabei als Mittelspersonen sich bedient] Z. Und Moses zwar war treu in seinem sehen dieses» Gottes] ganzen Haufe, als ein sdie Befehle des Herrn bereitwillig entgegeuuehmender und pünktlich sie ausrichtended Knecht, zum Zeugniß deß, das gesagt sollte werden les an das Volk zu bringen, mit welchem Gott seinen Bund aufrichtete]; 6. Christtts aber sder in der Person Jesn erschienen, ist in Gottes ganzem Hause treu] als ein Sohn über sein Haus ldas er als sein eigenes überwaltet und dessen Gründer und Zurichter er durch seine Thätigkeit nun selber wird Kp.9, 16f.]; welches sdem Sohne unterstellte] Haus sind wir , sdie wir das ueutestamentliche Bundesvolk aus- Zweiter Untertheil: Christi Erhabenheit über Mose und dessen Nachsolger Josua. 857 inachen], so wir anders das Vertrauen fden Herzensstand einer ungetrübten völligen Zuversicht] und den Ruhm der Hoffnung [die der himmlische Beruf V. 1 uns verleiht] bis atks Ende [bis dahin, wo das Hoffen nun aufhören und das Haben des Gehofften dafür an die Stelle treten soll V. 14] fest behalten« [Kap. 6, 11]. , V) Hier zuerst wendet sich der Verfasser an seine Leser mit einer Anrede, nachdem seine Schrift bis- her die Gestalt einer Abhandlung gehabt hat. ,,Jhr heiligen Brüder, die ihr mitberufen seid durch den himmlischen Beruf«, lautet die Anrede, in welcher die beiden adjectivischen Bezeichnungen der als Brüder A1igeredeten ihren Christenstand nach zwei verschiedenen Seiten benennen, einmal als einen Stand der Heilig- keit in dem Sinne, in welchem in Kap. 2,1l das »die da geheiliget werden« gemeint war, und dann als den Stand der Betheiligung an einem hiinmlischen Berufe im Gegensatz, zii einem Berufe, der eine der irdischen Welt angehörige Stellung verleiht, ein der irdischen Welt angehöriges Gut bietet; die erstere Bezeichnung schließt die Mahnung in sich, der Sünde nicht Raum zu geben, welche um den Stand der Heiligkeit bringt, und die zweite die Mahnung, durch nichts Jrdisches, es sei Leid oder Lust, um das himmlische Gut sich bringen zu lassen. Und hierzu, sowie zu dem, worauf das ,,derhalben« zu Anfang des Verses hinweist, stimmt nun -auch die ausgesprochene Ermahnung selbst: ,,nehmet wahr. des Apostels und Hohenpriesters Christi Jesu-«. Der Verfasser hebt damit aus dem, was er zuvor von Christo Jesu ausgesagt hat, diejenigen beiden Stücke aus, hinsichtlich deren er ihn hernach mit Mose und Aaron vergleichen will; und wenn er nun zu den beiden Bezeirhnungeii Jesu hinzufiigt: »den wir bekennen«, so charakterisirt er ihn als Den, der in der Eigenschaft eines Apostels oder Sendboten und Hohenpriesters Inhalt des Bekenntnisses ist, wel- ches die Christen in demselben Sinne das ihre nennen, wie im Munde eines Juden der Ausdruck (Apoftg. 26, 5): »Unser Gottesdienst« diejenige Gottesverehrung ist, die er als Jude mit seinem Volke theilt. Der Apostel ist er ihnen als Der, welchen Gott gesandt hat, das Heil zu verkündigen, dessen sie sich getrösten, und der Hohepriester ist er ihnen als Der, welcher durch sein Leiden die Siinden der Gemeinde Gottes gesühnt hat: als solchen bekennt ihn die Christenheit und sollen also auch die Leser ihn bekennen und an diesemBekenntnissefesthalten (v.Hofinann.) Christus ist der Apostel, der Gesandte, der in Gottes Namen zu uns redet, der Gott bei uns vertritt; er ist aber auch der Hohepriester, er istder, der uns bei Gott vertritt. Jndem der Verfasser schreibt: ,,nehmet Jesu Christi wahr«, so liegt versteckt in seinen Worten: schauet nicht mehr auf Mosen hin, Moses hat bereits sein Werk an euch gethan, über Mosis Zeiten sind wir hinweg! (Fricke.) . IN) Moses, der Mittler des alten Bandes, war vordem euer Mann, so will der Verfasser seinen Lesern sagen; und Moses ist ja gewißlich groß, welch hohes Lob wird ihm nicht von Gott selber ertheilt, wenn er ihn seinen Knecht nennt, der in seinem ganzen Hause treu sei! Aber übersehet nur über Mosen nicht den Apostel und Hohenpriesterunsers Bekenntnisses, Christum Jesum, nehmet seiner vielmehr darauf hin wahr, wie« viel größerer Ehre dieser werth ist im Vergleich mit jenem. Die einzelnen Worte und Sätze nun, in wel- chen der Verfasser Christi Erhabenheit über Mosen den Lesern zum Bewußtsein bringen will, haben den Aus: legern von jeher viel Verlegenheit bereitet, und noch jetzt giebt es keinen unter ihnen, dem wir uns un- bedingt anschließen könnten, zumal wir möglichst es u vermeiden haben, mit Luther’s Uebersekung in onflikt zu gerathen, die nun einmal für un er ent- sches Christenvolk die Stelle der Bibel selber vertritt, und also alle diejenigen Auslegungen uns wenig nähen, welche eine andere Uebersetzung dafür an die Stelle setzen. Offenbar, so läßt sich gleich auf den ersten Blick erkennen, will der Verfasser, nachdem er vorhin Christum und Mosen in der Beziehung einander gleichgestellt hat, daß jeder von beiden treu war in deni ganzen Hause Gottes, die größere Ehre des ersteren gegen die des anderen hinsichtlich der Berufsstellung, die einem jeden zukommt, an dem Verhältnis; abmessen, in welchem sie zu dem betreffenden Hause stehen. Unter ,,Haus« ist ohne Zweifel die Theokratie oder die Gottesgemeinde zu verstehen; und da giebt es» ein alttestamentliches und ein neutestamentliches Gottes- Volk. Der Herrichter und Einrichter (denn beides faßt derAusdruckx ,»,bereiten« in sich) des ersteren ist Mose nicht; ,,ein jeglich Haus«, sagt V. 4., ,,wird von jemand bereitet, der aber alles ereitet, das ist Gott«. Jst es also Gott, der zuerst die alttestamentliche Theokratie gestiftet hat, so hat er dabei nach Kap. 2, 2 sich wohl der Engel als Mittelspersonen bedient; aber Moses hat m keinerlei Weise das Haus bereitet, er ist selber ein Theil, ein Glied desselbigen gewesen, hat mit zu dessen Bestande gehört, er hat nur, um sein Verhältniß zum Hause im Vergleich mitden andern Zugehörigen als ein vorzügliches zu charakterisiren, nach V. 5 den Dienst eines Knechtes bei dessen Be- reitung versehen. Jm Grundtext steht hier für ,,Knecht« ein Wort, welches den Begriff unfreier, sklavischer Abhängigkeit fernhält und vielmehr den eines freiwilligen, ehrenvollen Dienstes zum Ausdruck bringt; und zwar war des Moses Dienstdafür gemeint oder dazu bestimmt, daß ein Zeugniß von dem erginge, was gesagt oder kund gegeben werden sollte, er hatte immer dessen gewärtig zu sein, daß etwas geredet würde, um dann es denen zu bezeugen, welche nächst ihm das Haus Gottes «ausmachten. Sein war das Zeugnis» das Reden dagegen des von ihm zu Be eugenden war Gottes: wie ein Diener je und je dessen gewärtig sein» muß, was· ihm befohlen werden wird, so hatte er für das bereit zu sein, was zu dem Zwecke, daß er davon zeuge, unter Vermittelung der Engel von Gott geredet werden würde. Sein Dienst war ein Dienst des Wortes; er trug aber dies Wort nicht von Anfang an fertig in sich, sondern er mußte es selber nach und nach erst überkommem uni darnach es kund zu thun (vgl. B· Z. Mos. 24, 10 ff.; 4. M. 15, 32 ff.; 9, 6ff.). nd in solcher Berufsstellung erwies er nun allerdings sich treu in dem ganzen Hause Gottes; er hat nicht das Geringste aus eigener Machtvollkommen eit und nach eigenem Ermessen dem alttestamentlichen undesvolk verordnet, und wiederum hat er nicht das Geringste von dem verschwiegen und für sich zurückbehaltew was ihm aufgetragen worden, daher Gott in Beziehung auf die durch ihn geschehene Offenbarung den Kindern Jsrael befehlen konnte (5. Mos. 4, 2): ,,ihr,sollt nichts dazu thun, das ich euch gebiete, und sollt auch nichts davon tl)un«. Wie dagegen verhält es sich mit Christi Berufsstellung in dem neuteftamentlichen Gotteshaus-halt? Auch hier ist ja nach dem Wort in V. 4 der oberste Gründer aller- dings Gott, und wenn Christus in dem ganzen neu- teftamentlichen Hause ebenfalls treu ist, wie Moses in dem ganzewalttestamentlichen Hause, so ist er’s ebenso, wie dieser, in dem ganzen Hause 858 Ebräer Z, 7——19. Gottes; aber das macht einen gewaltigen Unterschied zwischen ihm und Moses, daß er nicht selber ein Glied des Hauses und in demselben ein Diener ist, sondern er steht da als derSohn, der das Haus überwalten, nach des Vaters Willen es herrichten und einrichten, es also ohne Vermittelung von Engeln selber bereiten soll, und für diesen Zweck hat denn der Vater dergestalt ihm Macht gegeben über alles Fleisch (Joh. 17, 2), daß das Haus, welches er bereitet, sein eigenes wird (Matth. 21, 38; 28, l8 sf.). Gotthat ihn, den Christ, auch zu einem HErrn gemacht (Apostg. 2, 36); und so kann der Verfasser fortfahren: ,,welches Haus sind wir«, in welchem Ausspruche man ohne Bedenken das ,,welches« als Genitiv = dessen, d. i. Christi oder des Sohnes, fassen kann, denn wenn auch keine einzelne Belegstelle sich dafür anführen läßt, worin die neu- testamentliche Gemeinde geradezu Christi Haus genannt würde, so will doch das Gesicht in Offenb. l, l0 ff. eben dies besagen, daß sie es wirklich ist. So ver- schieden, bemerkt hier v. Hofmann, wie der Sohn, welcher das Haus des Vaters unter sich hat, und der Knecht, welcher der darin auszurichtenden Weisungen seines Herrn gewärtig ist, zu dem stehen, dessen das Haus ist, so verschieden stehen Christus und Moses zu dem, der die Gemeinde des Heils als sein Haus her- gestellt hat: Christus in Wesensgemeinschaft mit ihm, Moses ein Angehöriger seines Hauses. Da kann denn freilich der Gegensatz des Hauses und dessen, der es hergestellt hat, der Ehre, welche jenem, und der Ehre, welche diesem eignet, den Maßstab bilden, wonach be- messen sein will, wieviel größerer Herrlichkeit Jesus gewürdigt worden ist als Moses. VII) Die Christenheit als solche hat, wie der Satzt ,,welches Haus sind wir« es aussprach, den Charakter eines Hauses des HErrn; ob wir aber als Gemeinde diesen Charakter bewahren, hängt von der Erfüllung der entsprechendeli Bedingung ab. (Moll.) Wenn die neutestamentliche Gottesgemeinde, um die es sich hier handelt, trotz aller Widersprüche der Gegenwart mit der verheißenen Zukunft und mitten in allen Gefahren des Aergernisses und Abfalls, welche ihr die Feinde des Kreuzes durch Drohungen und Verlockungen be- reiten, den Schatz der Hoffnung festhält, dann, aber auch nur dann, verbleibt sie das Haus Gottes unter der treuen Pflege Christi, seines ihr brüderlich ver- bundenen erhabenen Sohnes, ihres Apostels und Hohenpriesters. (Delitzsch·) Das Haus des HErrn ist noch im Werden begriffen; es kann der und jener, der ihm schon ein egliedert war, wieder ausgestoßen werden, wenn er fein Vertrauen wegwirst und nicht ohne Wanken an dem Bekenntniß der Hoffnung hält (Ftap. 10, 23. 35), darum warnt der Verfasser hiervor und ermahnt zum Festhalten des Bekenntnisses über- haupt und des Bekenntnisses der Hoffnung insbesondere. Er meint damit nicht nur das iunerliche Festhalten des Glaubens und der Hoffnung, welche Inhalt des Christenbekenntnisses sind, sondern auch das fort- währende, riickhaltlose, muthige und fröhlicheZ eu g n i ß - geben undRühmen von dem, was wir glauben und hoffen. (Riehm.) Bog der Apostel mit den Worten: ,,welches Haus sind wir« in den neuen Gedankengang ein, so leitet vollends der Vorbehalt: »so wir anders das Vertrauen und den Ruhm der Hoffnung fest be- halten bis an’s Ende« zu der in V. 7-—19 folgenden Ermahnung über. (Ebrard.) 7. Darum [weil unser Heil davon. abhängt, daß wir das Vertrauen und den Ruhm der Hoff- nung bis an’s Ende fest behalten, müssen wir uns vor der Untreue eines Abfalls von dem, dessen Haus wir sind, warnen lassen], wie der heilige Geist« [Kap. 9, s; 10,15] spricht [in Psalm 95, 7—11]: Heute, so [d. i. solange noch] ihr hbren werdet seine Stimme, 8. So verstoctet eure Herzen nicht, als swie solches vormals] geschah in der Berbitterung [an dem mit diesem Namen bezeichneten Ort Meriba oder Haderwasser 4. Mos. 20, IS; Pf. 106, 32., ja schon 40 Jahre zuvor], am Tage der Ver- suchung san dem Tage, der dem Orte Massa feinen Namen gab 2. Mos. 17, 7; 5. Mos. 33, 8., vgl. die Wem. zu Pf. 95, 8], in der Wüste, 9. Da [d. i. woselbst, nämlich in der Wüste] mich eure Väter versuchtenz sie prüfien mich [wie weit sie’s mit mir treiben könnten l, Cor. 10, 10 Anm.], und sahen sdochs meine Werke vierzig Jahr lang [vgl. Kap. 2, 3 u. 4], 10. Darum ich entrüstet ward über dies Ge- schlecht und sprach: Jmmerdar irren sie mit dem Herzen, aber sie wußten meine Wege nicht shaben dieselben nie erkennen wollen 5. Mos. 29, 2 fs.]; 11. Daß ich auch schwur in meinem Zorn, sie sollten zu meiner Ruhe szu dem Ruheort, den ich ihnen ausersehen habe, daß sie daselbst wohnen sollen b. Mos. 12, 9; 1. Kön. 8, 56] nicht kommen« [4. Mos. l4, 21 ff.]. 12. Sehet zu, lieben Brüder sdie ihr zu eben dem Volke gehört, zu welchem der heilige Geist diese Worte einst in einer gnadenreichen, entscheidungsvollen Zeit Esra 6, 18 Anm. geredet hat], daß nicht jemand unter euch ein arges un- gläuhiges Herz habe sgleichwie eure Väter in der Wüste es hatten V. 9 f.; 4, us, das da abtreie von dem lebendigen Gott [in dessen Hände zu fallen ja ein schreckliches Ding ist Kap. 10, 31]; 13. Sondern ermahnet ench selbst [unter einander Col. 3, IS] alle Tage, so lange es heute heißt [und dies »Heute« den Eintritt einer noch viel gnadenreicheren, entscheidungsvolleren Zeit bezeichnet, als die war, auf welche das Psalm- wort V. 7 hinweist], daß nicht jemand unter euch verstocket werde durch Betrug der SündeW [in welchem Falle die Thür der Buße sich hinter ihm zuschließen würde, daß er nicht mehr selig werden kann Hebr. 6, 4 ff.; 12, 15 ff.]. 14. lHüten wir uns nur recht ernstlich vor diesem Abtreten, so gilt uns nicht, wie den An- dern in unserm Volk, der Schwur Gottes: si sollen zu meiner Ruhe nicht kommen V. 11.] Denn wir sind sbereitss Christi iheilhasiig worden sdurch den Glauben an seinen Namen V. 1 u. 6·, und sollen nun auch in ihm Theilhaber werden der himmlischen Herrlichkeih des verheißenen ewigen Erbes Kap. 9, 15; Röm. 8, 17], so wir anders das angesangene Wesen sdes vertrauensvollen Sich- haltens zu ihm, womit es ja vordem gut bei Christus treu im ganzen Hause Gottes wie Mose, doch nicht als Knecht, sondern als Sohn. 859 uns stand Kap. 6, 10; 10, 32 f.] bis an’s Ende fest behaltens [V. 6; S, 11]. 15. Solange [aber wir dem Volke änßerlich noch zugehören, zu dem] gesagt wird: Heute, so ihr seine Stimme hören werdet, so verstoctet eure Herzen nicht, wie in der Verbtttirnng [zu Meribas geschah smüssen wir gar sehr uns vorsehen, daß wir nicht in dasselbige Exempel des Unglaubens, der diesem Volke in seiner großen Masse zur Last fällt, gerathen und unsers Erbtheils verlustig gehen Kap. 4, 1 u. 11]. its. sEin Betrug der Sünde V. 13 wäre es, wollten wir etwa meinen, aus die Seite, auf welcher die große Masse stehe, hätten wir uns ebenfalls zu schlagen.] Denn etiiche [richtiger: welche in jener Geschichte, auf die sich das in V. 7 ff. angeführte Psalmwort bezieht], da sie [Gottes Stimme] hörten, richteten lmit ihrem Ungehorsam gegen dieselbe] eine Verbitiernng sbei ihm] an; [?] aber nicht alle [richtiger, wie in Luk. 17, 8: ist’s nichtalso, daß alle das thaten], die von Egypten ausgingen durch Mosen sjeiie 600000 Mann, die in 2· Mos. 12, 37 angeführt werden] [?] 17. Ueber welche aber sum noch weiter auf die Sache einzugehen und da auch das in Pf. 95, »10 Gesagte in Betracht zu ziehen] ward er entrustet vierzig Jahr lang? ists nicht also, daß über die, so da sündigten sindem sie seine Gnade auf Muthwillen zogen und ihn mit ihrem Ver- suchen und Prüfen V. 9 verleugneten Jndä V· 4]? Deren Leiber [denn auch zum Zeichem daß sie die von seinem Zorn Getrossenen seien Ps. 90, 7 ff.] in der Wüste verfielen [4. Mos. 26, 63 sf.; I. Cor. 10, 5]. 18. Welchen schwur er aber sum noch ein- mal zu fragen und da auch die Aussage in V. 11 ; Ps. 95, 11 zur Geltung zu bringen], daß sie nicht zu seiner Ruhe kommen sollten, denn den Unglåubigen sindem er ja denen, die nicht zu der großen Masse gehörten, diese Ruhe nicht vorent- hielt, ihrer Zweien sogar sie in sehr bestimmte Aussicht stellte 4. Mos. 14, 24· 30]? 19. Und wir sehen swas die geschichtliche Erfüllung dieses Schwurs betrisft], daß sie sun- geachtet ihrer Anstrengung, denselben rückgängig zu machen 4. Mos. 21, 39 ff.] nicht haben können hineinkommen [in das gelobte Land als an den verheißenen Ruheorts um des Unglaubens willenH [womit sie sich das Heil verscherzt hatten]. V) Wie in 1. Tim. 4, 1 u. Osfenb. 2, 7 für ein in der Gegenwart ergehendes Wort der Weissagung als für ein Wort des Geistes Gehör gefordert wird, so hier für ein in der Schrist verzeichnetes, welches in- sofern die Art prophetischer Rede hat, als der Verfasser des 95. Psalms die Ermahnung, die er an sein Volk richtet, in Gestalt eines Wortes Jehovcks giebt, auf das es hören soll. Unser Verfasser nun macht dies Wort der Schrift zu seinem eigenen, so daß das ,,Darum« am Anfang mit den Worten: »Heute zu meiner Ruhe nicht kommen« (V.11) zusammen- gehört, die Worte aber: ,,wie der heil. Geist spricht« einen Zwischensatz bilden; was dann in V. 12 folgt, ist nicht, wie man vielfach gemeint hat, der Nachsatz zu dem angeblichen, von V. 7—11 sich ausdehnenden Port-ersah, sondern eine wesentlich andere Ermahnung, als die des Psalmworts, mit diesem Psalmwort aber konnte der Verfasser (statt die beabsichtigte Ermahnung in eigenen Worten auszusprechem um so mehr an seine Leser sich wenden, als das, was er vorhin sagte (V. 6): »Welches Haus sind wir«, der Hauptsache nach auf das hinausläuft, was in Pf. 95, 7 vorausgeht: ,,er ist unser Gott und wir das Volk seiner Weide und Schafe seiner Hund«. (v. Hofmann.) «) Jn der Grundstelle gehören die 40 Jahre zum folgenden Satztheilex »daß ich 40 Jahre Mühe hatte mit diesem Volk 2c.«; so faßt auch unser Verfasser die Worte selbst in V. 17: ,,über welche aber ward er entrüstet vierzig Jahre lang?« Wenn er nun dennoch hier (in V. 9) sie zum Vorigen zieht: »und· sahen meine Werke vierzig Jahr lang«, ja ihre Verbindung mit dem Folgenden durch ein aus eigenen Mitteln zwischeneingeschobenes ,,darum« (V. 10) unmöglich inacht, so hatte er dabei sicher eine besondere Absicht. (Kur .) Nicht die 40 Jahre des Erzürnens, wovon der sgsalni redet, wohl aber die 40 Jahre des Sehens der Werke Gottes, welche der Psalmist in jenen meint, haben in der Geschichte der Gemeinde Christi, auf welche der Verfasser zuriickblickh ihre gegenbildliche Parallele: von der anfänglichen Verkündigung des Heils durch den HErrn selbst (Kap. 2, 3), also vom Antritt feines Lehramts (?), bis zu Jerusalems Zer- störung sind 40 Jahre, die 40 messianischen Jahre, welchen auch die Synagoge wider Willen Zeugniß giebt, wenn im Talmud unter Bezugnahme auf Ps. 95, 10 gesagt wird, daß die Tage des Ptessias 40 Jahre dauern werden; diese 4O Jahre müssen, als der Ver- fasser schrieb, beinahe verflossen gewesen sein, und welcher furchtbare Ernst liegt nun in der angedeuteten Vergleichung derselben mit»den 40 Jahren der mo- saischen Erlosungszeitt (Delitzsch.) IN) Mit den Worten: »das da abtrete von dem lebendigen Gott« ist der Rückfall aus dem Christen- thum in’s Judenthum gemeint; dieser ist ein Abfall von Gott, weil Gott zuletzt durch den Sohn geredet und der evangelischen Heilspredigt mit Zeichen, Wun- dern nnd mancherlei Kräften und mit Austheilung des heil. Geistes Zeugniß gegeben hat (Ka·p. 1, T; 2, 3 f-), auch, wer den Sohn verleugnet, um sich zum Knechte zu halten (V. 3ff.), damit den Vater verleugnet, der lebendige Gott aber heißt der Gott der Christen nicht im Gegensatz zu den todten Götzen der Heiden, sondern als ein Gott, der, weil lebendig, solchen Abfall nicht ungestraft läßt. Der ,,Betrug der Sünde« dann, durch den das Herz verstockt wird, ist dahin zu verstehen, daß sie uns Ehre, Genuß, Wohlleben und Seligkeit von den Wegen, auf die sie uns verleiten will, ver- spricht, doch statt dessen auf eben diesen Wegen in Schande, Verderben und Verdaminniß uns stürzt. (Kurtz.) Der Betrug der Sünde darf nur ein Heute nach dem andern aus der Achtung meines Herzens wegrücken, so kann er mich unvermerkt um ineine ganze Gnaden- zeit von vielen Jahren bringen. (Rieger.) s) Das Verhältniß zu Christo, in welches der Mensch, wenn er in den neuen Bund eintritt, auf- genommen wird, bezeichnet der Verfasser in ganz all- geiiieiner und alles umfassender Weise als ein ,,Christi theilhastig geworden sein«; mit dem Gläubigen tritt 860 Ebräer 4, 1——12. Christus, der Mittler des neuen Bundes, in so innige persönliche Gemeinschaft, daß man von demselben sagen kann, er habe Christum, und mit Christo selbst ist ihm nun auch alles zu eigen geworden, was Christus errungen hat. Als Einer, der an Christo Antheil hat, hat er auch mit Christo Antheil an der himmlischen Herrlichkeit und Seligkeit. (Riehm.) Der Anfang des rechtschassenen Wesens, d. i. des rechten, wahren Glaubens, bringt uns schon zur ganzen Vereinigung mit Christo nnd ist eine rechte Grundfeste, nimmt den ganzen Christum und ruhet ganz in Christo als auf seinem untrüglichen Grunde; an diesem Grunde nun müssen wir festhalten und mit dem Festhalten aus- halten bis an’s Ende. (v. Bogatzkyh H) Die nach den Beschlüssen der Eisenacher Con- ferenz revidirte Ausgabe des neuen Testaments hat in den beiden Versen 15 u. 16 auf Grund der von vielen neueren Auslegern vertretenen Ausfassung der sehr schwierigen Stelle eine andere Uebersehung an die Stelle der von Luther überkommenen gesetztx 15. Jn- dem gesagt wird: »Heute, so ihr seine Stimme hören werdet, so verstocket eure Her en nicht, wie in der Verbitternng geschah«: 16. elche denn, da sie höreten, richteten eine Verbitterung an? waren’s nicht alle, die von Egypten ausgingendurch Mosca? Indessen hat seitdem v. Hofmanm obgleich er eben- falls das griech. Wort irre; zu Anfang des 16. Verses nicht als indeiinjtum Gras-Z§ = etliche-h, sondern als jnterrogativum stfosg = welche?) faßt, weiche Fassung durch Bengel eingeführt worden ist, doch die Zulässig- keit der Verbindung beider Verse mit einander zu einem einzigen Satze, in welchem der eine Vers den Vorder- und der andere den Nachsatz bildet, sehr ent- schieden in Abrede gestellt; wir sehen also, wie prekär alle Versuche sind, den Wortlaut unsrer deutschen Bibel im Texte selber abzuändern, und wie wir besser uns darauf beschränken, bei der Auslegung uns eine Abweichung zu gestatten, wo eine solcheschlechter- dings geboten erscheint. Das ist nun allerdings in V. 16 betreffs der eben erwähnten Fassung des griech. Wortes uns; der Fall; bei der von Luther vertretenen würden unter den ,,etlichen« die 600 000 Mann, die in der Wüste niedergeschlagen wurden, zu verstehen sein, unter dem ,,nicht alle« aber die beiden einzigen Aus- nahmen, Caleb und Josua (4. Mof. 14, 21 ff.), und das wäre doch offenbar eine sehrunlogische Bezeichnungs- weise. Auf Caleb und Josua nimmt der Verfasser wohl überhaupt nicht unmittelbar Beziehung, wohl aber hebt er mit V. 18 u. 19 hervor, daß ein wirk- liches Volk Gottes trotz des in V. 17 erwähnten Geschehnisses dennoch zurückblieb, und bereitet damit den folgenden Abschnitt in Kap. 4 vor; wie er nun aber bei den Ungläubigen in V. 19 unzweifelhaft das an Christum ungläubig gebliebene Judenv olk damaliger Zeit im Sinne hat und mit dem in V. 17 hervor- gehobenen Umstande eine Hinweisung darauf giebt, was dessen Schicksal in der nächst bevorstehenden Zeit sein werde (Luk. 21,23 u.24), so gilt ihm das übrige, bei der Aussage in V. 16 außer Betracht gebliebene Volk der jüngeren Generation offenbar als Vorbild der aus jenem ungläubigen Volk sich ausscheidenden und für die Ruhe Gottes ausbehaltenen Christen- gemeinde, an die er schreibt, und die er so dringend ermahnt, ihre himmlische Berufung zu erkennen. Das 4. Kapitel. Wie niun zur Ruhe Christi kommen möge. b. V. 1——16. Während der lietsasser im vorigen Ab· schnitt die ungläubigeu Jsraelitesi zu Mosis Zeit blos als ein nsarnendes Exempel des Unglaubens hingestellt, wegen dessen sie in die verheislene Ruhe nicht ein- gehen konnten, giebt er nun hier iiber diese Ruhe selber, was es mit ihr eigentlich liir einebewandtnisl habe. nähere Aufschlüsse Die christliche Gemeinde im indischen Lande, an welche er schreibt, stand ja sehr nahe der Zeit, wo es galt, nach Christi Weisung in tliatth 2Il,16 dieses Land zu verlassen, und da wäre es sehr gefährlich gewesen, wenn jemand dem Irr— wahn gehuldigt hätte, mit solchem Fliehen aus dem Lande sage er sich los von Gottes Erbe, das er ein— mal seinem Voltie verliehest, und los von der Ruhe, in die er einst in Ersiitlcing seiner Verheistciiig das— selbe eingeführt habe (5. was. 12, 9 s; Tief. 21, its fs.); darum niuslle er die Gemeinde, deren Glieder auch sonst in ihrer Mehrzahl so geneigt traten, von Christo ab- und ins mosaische Judenthuui wieder zu— rükiizusallem auf andere Gedanken bringen, under thut es nun hier durch eine eingehende Erörterung von niehreren alttestaiiientlicheii 5chriltworten, worin er uach1veist, dass Gottes Ruhe für fein Volii eben dieselbe sei, in die er selber nach vollbrachte: Schöpfung sitt) znriictigezogen habe. Um diese Ruhe habe Mosis Volk von haus ans durch seinen Unglauben sich ge- bracht; und wenn nun gleich Mosis Nachfolger Josua die jüngere Generation in das gelobte Land eingeführt habe, was allerdings-after als ein Eiusiihreu in die Ruhe dargestellt werde, so sei das doch nur eine vorerst noch mangelhasta blos vorbildliche Erfüllung der göttlichen Verheisiicng gewesen. Dagegen sind wir Christen durch unsern hGrrn nnd Heiland in der That und Wahrheit ans den Weg gebracht, um zur wirklichen Ruhe Gottes einzugehen, in die er uns ja voraus-gegangen; nur müssen wir Fleisl thun, ihm auf seinem Wege nachzufolgen, und müssen uns vor Abfall von ihm aus Unglanben hüten. Gottes Wort, das wir haben, ist lebendig und tiriiftig genug, uns zu jenem Fleisssthan das Vermögen darzureichem ist aber auch schiirser, denn tiein zweisihiieidig Schwert, Rache an uns zu üben, wenn wir eine Verbitteruug an- richten, wie einst Mosis Volk, nnd will gleichwohldie Versuchung zum Ablall uns zu niüchtig werden, als das! wir selber sie zu überwinden vermöchten, so haben wir ja an tiuserm Apostel Christus Jesus auch einen hoheuvriesten der da Mitleid haben tiann mit unsrer Sihwachheit und von: göttlichen Gnadenthron her, dahin er eingegangen ist, uns-Barmherzigkeit uud Gnade zur Dnrchhilfe zuwendet. 1. So lasset uns nun [da, wie ich hernach V. 3 ff. näher ausführen werde, der über das jüdische Volk ergangene Schwur Kap. 3, 18 f. um seines andauernden Unglaubens willen im Grunde noch jetzt fortwirkt und das, was Gott demselben eigentlich für eine Ruhe zugedacht Apostg. 3, 2 ; Dan. 7, 22. 27., noch immer nicht erschienen, sondern erst von der Zukunft zu erwarten ist] fütchten sdarum besorgt sein], daß wir die Verheißunsh einzukommen zu seiner »Rul)e, nicht sdurch Uebersehung derselben] vetsaumeth Und Unser snach besserer Lesart: euer] keiner sdurch Verlassung des Herzogs unsrer Seligkeit, der uns der Erfüllung entgegenführt] dahinlen bleibe* [Kap. 12, 15]. 2. Denn ed ist nnd sdie wir zu Christo Jesu uns halten, die auf die Ruhe Gottes bezügliche HeilsbotschaftJ auch lganz eben so gut und in nichts Heute, so ihr seine Stimme hören werdet, so verstocket eure Herzen nicht! 861 zurückstehend] verkiindigeh gleichwie jenen [denen Gott durch Mosen das Eingehen in seine Ruhe versprach]; aber das Wort der Predigt sdas sich in solcher Heilsbotschaft vernehmen ließ] half jenen nichts, da nicht [daran] glaubten die, so es hörten [indem nur dann es auch wirklich zum Ziele führen kann, wenn es durch den Glauben mit den Hörern sich gleichsam verschmilzt, in Fleisch und Blut bei ihnen übergeht, nicht aber, solange es ihnen noch fremd und äußerlich bleibt]. Z. [Und da haben wir nun vor ihnen den Vortheil voraus, daß dagegen uns dies Wort der Predigt zum Ziele hilft.] Denn wir, die wir glauben [gläubig geworden und in den neu- testamentlichen Bund eingetreten sind], gehen swirklich auf dem Wege, auf dem wir uns be- finden] in die Ruhe [und haben damit den An- fang zur Erfüllung der Heilsbotschaft überkommen, welche Erfiillung jenen noch vorenthalten wurde], wie er [Gott, in dem schon oben Kap. Z, 11 an- geführten Psalmwort] spricht: Daß ich schwur in meinem Zorn, sie sollten zu meiner Ruhe nicht kommen« [Ps. 95, 11]. Und zwar shat Gott gleich anfangs sich deutlich genug erklärt, was er unter seiner Ruhe für eine Ruhe meine V. 9 f. und an welche daher auch wir zu denken haben], da snämlichj die Werke von Anbeginn der Welt [die Werke, womit der Welt Grundlegung geschah] waren gemacht, 4. Sprach er an einem Ort [den ich euch nicht erst eigens zu bezeichnen brauche, da ihr ihn von selber schon wissen werdet, vgl. Kap. L, 6] von dem siebenten Tage sder auf die sechs Schöpfungstage folgte] also: Und Gott ruhete am siebentenTage von allen seinen Werken[1-Mos·2, Z] 5. Und hie an diesem Ort [den ich schon mehrmals angeführt habe, in Ps. 95, 11., spricht er] abermal [indem er damit einerseits bezeugt, » daß seitdem eine Ruhe bei ihm vorhanden, die er eben seine Ruhe nennt]: Sie solleu nicht kommen zu meiner Ruhe« 6. Nachdem es nun [andrerseits solchem Spruch gemäß, der zur Ausschließung von dieser Ruhe verurtheilt, zu seiner Kehrseite also die Einführung in dieselbige hat, als etwas künftig zu Verwirklichendes] noch vorhanden ist, daß etliche sollen zu derselben kommen, und die, denen es zuerst verlündiget ist [V. 2], sind nicht dazu kommen, um des Unglaubens willen; 7. Bestimmte er abermal [zur Verwirklichung seiner HeilSabsichtenJ einen Tag nach solcher langen Zeit sdie bis dahin, wo er im 95. Psalm redete, seit den Tagen Mosis verflossen war] und sagte dutch David sdem in der griechischen Uebersetzung des alten Testaments der Psalm zugeschrieben wird]: Heute, wie svor den in B. 3 u. 5 angeführten Psalmworten] gesagt ist, heute lum dies Wort, woraus soviel ankommt, mit Nachdruck hervor- zuheben], so ihr seine Stimme hören werdet, so verstoctet eure Herzen nicht [und erklärte eben da- mit, daß bis daher seine Heilsabsichten noch nicht zu ihrem Ziele gekommen] 8. Denn, so Josua snach späterer abgekürzter Schreibweise des Namens steht im Grundtext hier und in Apostg. 7, 45: Jesus Matth.1,21 Anm.] sie [die Kinder Israel, an welche das Wort der Predigt zuniichst gerichtet war V. 2] hätte [durch Eroberung des Landes Canaan und Vertheilung desselben unter die 12 Stämme b. Mos. Si, 7] zur Ruhe gebracht sin dem vollen Sinne, wie die Verheißung von Anfang gemeint war], würde er sder HErr] nicht hernach [zur Zeit Davids V. 7] von einem andern Tage gesagt habenss san dem die Einführung zu seiner Ruhe geschehen solle, wie er das ja mit dem »Heute« thut] I. Datum swie aus dieser Erwägung sich ergiebt] ist noch eine Ruhe sals eigentliche Sabbathsfeier im Unterschied von der blos vor- bildlichen Ruhe im gelobten Lande] vorhanden dem Volk Gottes snachdem auch seit Davids Zeit bis anjetzt dasselbe zu der im Psalm geweissagten Ruhe noch nicht eingegangen ist]. 10. Denn sdas ist das Endziel, worauf Gottes heilwärtige Rathschlüsse hinauslaufen, wenn er von seiner Ruhe redet, deren er uns theil- hastig machen will:] wer zu [dieser] seiner Ruhe kommen ist, der ruhet auch von seinen Werken, glxichivgF Gott von sden] seinensH [V.3 f.; Offb. 11. So lasset uns nun sum die Warnung und Mahnung, von der ich oben V. 1 ausging, wieder aufzunehmen] Fleiß thun, einzukommen zu dieser Ruhe [wie sie eben charakterisirt wurde V. 10 und die doch gewiß gar begehrungswürdig für uns alle ist], aus daß nicht jemand saus unserm Kreise, die wir das neue Bundesvolk bilden im Gegen- satz zu dem alten, durch Geringachtung der dazu einladenden Verheißung] falle in dasselbige Exempel des UnglaubensHs [demselben Unglauben, wie jene V. 2. 6., anheimfalle und gleich ihnen ein warnendes Beispiel für Andere werde]. 12. [Jenes, das ,,Fleißthun«, können wir vollbringen, vor diesem aber, dem ,,verfallen in Unglauben«, müssen wir uns bewahren.] Denn das Wort Gottes sin seinem ganzen Umsange Kap. I, 1 f., besonders aber auch das, von wel- chem hier die Rede V. 2 fs.] ist lebendig und kräftig [Apostg. 7, 38; 1.Petri1, 23; 2.Tiin. Z, 16 f., so daß es uns auch das Vermögen dar- reicht, dem Ziel unsrer himmlischen Berufung, welches es uns vorhält, nach zu jagen], und [was die Bewahrung vor dem Unglauben betrifft, es ist] schcirfer denn kein [Pfalm140,11 Anm.] zweischneidig Schwert sOffenb.1,16; 2,12; 862 Ebräer 4, 13. 19, 15], und durch-dringet snach jetziger Wortstellung: dringet durch bei dem, welchem es in’s Herz» gestoßen wird Richt.»3, ,21f,], bis daß es smit solchem seinem Eindringen mss Jnnerste] scheidet Seele Und Geist snicht die eine von dem andern, sondern die eine ebenso- wohl wie den andern], auch Mark und Bein [Psalm 6, 3; 31, 11; 32, 3; 51, 10], und ist ein Richter der Gedanken und Sinne des Herzens-H« sMatth. 1»2, 25; 1. Petri 4, is, 13. Und ist keine Cteatur vor ihm [vor dem Gott, mit welchem selber und unmittel- bar in seinem Worte wir es zu thun haben] unsichtbar, es ist aber [vielmehr, statt daß irgend etwas unsichtbar und undurchsichiig vor ihm wäre] alles bloß nnd entdeckt vor seinen Augen swenn es auch noch so sehr mit Hüllen sich zu umgeben versucht oder noch so weit in heimliche Winkel sich verbirgt Jerem. 23, 24; Sirach 23, 28]; von dem reden wirst fund da bedenket denn, daß, wenn dereinst wir Rechenschaft ihm geben müssen, er als ein solcher, wie ich eben ihn beschrieben habe, uns gegenüber stehen wird]. «) So sehr auf der einen Seite der« neue, durch Christum gestistete Bund eine Erfüllung ist der im alten Bunde gegebenen Verheißungem so hat doch auf der andern Seite auch das neutestamentliche Gottes- volk einen großen Theil dieser Erfüllung erst noch zu erwarten; die noch unerfüllten Verheißungen gelten daher auch ihm noch als sol e und bilden nun die Grundlage der christlichen Ho nung Zu diesen Ver- heißungen gehört namentlich die schon den Jsraeliten in der.Wüste gegebene, an ihnen aber unerfüllt ge- bliebene Verheißung des Eingehensin die Gottes- ruhe: noch hat diese Verheißung ihre volle Giltigkeit, noch muß man ihrer Erfüllung entgegensehenz sie ist je t für die Christen die höchste, ihnen ihr letztes feiges Ziel in Aussicht stellende Heilsverheißung, qleichwie sie das vorzeiten für das alttestamentliche Vundesvolk gewesen ist. Bei der Stiftung des alten und bei der des neuen Bandes hatte nämlich Gott ein und dasselbe letzte Ziel im Auge, er zeigte daher schon den Jsraeliten in der Wüste im Voraus dieses Ziel, zu welchem er sein Volk hinführen wollte, weil der mit ihnen aufgerichtete alte Bund die Bestimmung hatte, ans den neuen Bund vorzubereiten; aber darum war doch die Verheißung des Eingehens in die Gottes- ruhe nicht wirklich eine dem alttestamentlichen Bundes- volk als solchem schon geltende, es lag von Haus aus nicht in der Absicht Gottes, diese Verheißung an dem Bundesvolke noch in der Zeit des alten Bundes zu erfüllen, und so war denn auch in der Besitznahme des heil. Landes, in welcher allerdings nach der langen und beschwerlichen Wanderung durch die Wüste das Ein- gehen in die Ruhe Gottes sich in etwas verwirklichte, von Anfang an unter der Hülle des irdischen und äußerlichen Sinnes der Kern eines höheren, geistlichen Sinnes verborgen. (Riehm.) Jene äußerliche Er- füllung der Verheißung in der friedlichen und freien Niederlassung in Eanaan nach langer Fremdlingschaft und Wanderschaft war selbst so unvollkommen, daß sie in aller Gläubigen Herzen die Frage nach dem Hinter runde der verheißenen Ruhe mächtig anregte. (Delitzsch.) «) In der Gedankenentwickelung dieses Abschnitts ist wegen der großen Kürze der tiefen Aussprüche des Verfassers eine gewisse Dunkelheit, die erst nach und nach sich aushellt. Nach V. 8 nun war die Ruhe in Eanaan, wozu Josua die Jsraeliten einfiihrte, nicht jene Ruhe Gottes, welche dem Volk in der Wüste war verheißen worden, sondern dieselbe Ruhe, die uns jetzt noch bevorsteht (V. 9 f.), hatte Gott auch ihnen angeboten; aber wegen ihres Unglaubens waren sie ihrer verlustig gegangen. Hierin liegt nun der in dem ganzen Fortgange der Offenbarungen Gottes durch die Geschichte sich wiederholende Gedanke: auf jeder Stufe der Offenbarung feiner Gnade an den Sünder bietet Gott sein ganzes Heil ihm an; unter jeder Hülle, mit der er seine Wahrheit in den Jahren der Kindheit noch bedeckte, lag sie ganz, und schon damals konnten die Gläubigen von Gott alles em- pfangen. Aber da Gott die Einzelnen nicht ohne das Ganze vollendet (Kap.11, 40), so hielt, ungeachtet einige Wenige glaubten, der allgemeine Unglaube derer, welchen er sein Heil angeboten hatte, auf jeder Stufe von Neuem die Vollendung zurück. So sollte Moses den Jsraeliten mehr geben, als das Gesetz; aber durch ihre Schuld blieben sie der Gerechtigkeit aus dem Glauben entfremdet. So wollte Christus die Kinder Jerusalems wie eine· Henne ihre Küchlein versammeln; sie aber wollten nicht —- hätten sie gewollt, so wäre noch in andrer Weise das Reich Gottes zu ihnen ge- kommen (vgl. Apoftg. I, 6). Nun aber kann keine Verwerfung der göttlichen Gnade von Seiten-des Menschcn ihre immer herrlichere Entfaltung verhindern, vielmehr scheint sie, wie die Sonne aus der Nacht, nur um so leuchtender zu Gottes Ehre aus dem Unglauben der Menschen hervor. So mußte also auch die Ver- fchmähung der wahren Ruhe Gottes, die den Jsraeliten war angeboten worden, dahin führen, daß sie unterJosua in Canaan nur in eine irdische, in jeder Hinssicht.un- genügende, stets unterbrochene Ruhe eingingen, welche die Sehnsucht nach der wahren Ruhe mehr weckte als besriedigtex und so steht denn der Eingang in die Ruhe Gottes dem Volk des HErrn noch bevor, die Feier des ewigen Sabbaths nach der zweiten Schöpfung, von zerldx )ir»dische— Sabbathsfeier das Vorbild» ist. (von er a . , ss Its· »Es) Wie durch das Schaffen Gottes-das Schaffem Wirken und Arbeiten des Menschen und die sechs Wochen- und Arbeitstage entstanden sind, so entspricht dem Ruhen Gottes ein großer Ruhetag am Ende der Dinge, und je nach sechs Tagen der Arbeit ein kleiner, von Gott gemachter und gesegneter Ruhetag; gleich mit Vollendung der Schöpfung also ist die Gottes- Ruhe, an der die Menschheit Theil haben soll, da, X, Z Z: 1 und ein steter Zeuge derselben ist der Salzbath, der ' Ruhetag. Als nun Gott die Jsraeliten aus Egypten, dem Diensthause führte, war seine Absicht, daß das jüdische Land die Stätte sein sollte, an welcher die Juden, soweit es hienieden geht, der Gottesruhe theil- haftig werden sollten; um ihres Unglaubens willen hat aber Gott ihnen nicht zuwenden können, was er ihnen zugedacht hatte. (Fricke.) Die Vergleichung der beiden, vom Verfasser angezogenen Schriftstellen läßt den Ge- danken hervortreten, daß es von Anbeginn der Dinge eine Ruhe Gottes giebt, in welche die Menschen ein- gehen follten und konnten, in welche aber die Jsraeliten nicht eingegangen sind, daß hierdurch jedoch das Ein- gehen in die Ruhe Gottes nicht überhaupt für alle Zeiten und für alle Menschen aufgehoben oder un- möglich gemacht sein kann, weil sich in jener Thatsache nur das Zorngericht Gottes über die Ungläubigen vollzogen hat. Und zwar ist die Ruhe, welche Gott - H; Es ist noch eine Ruhe vorhanden dem Volke Gottes: lasset uns Fleiß thun, zu ihr einzukommenl 863 seinem Volke verheißt und giebt, keine andere, als die Ruhe, welche er selber hat und genießt. (Moll.) f) Die Psalmstelle, so will der Verfasser in V. 6f. sagen, giebt damit, daß sie von jenem Schwure Gottes redet, welcher das Volk Mosis von dem Einkommen in Gottes Ruhe ausschloß, zu erkennen, daß ein solches Einkommen überhaupt in Aussicht steht; weil denn dem so ist und diejenigen, welche vordem die es ver- heißende Heilsbotschaft empfangen, aber ihr den Ge- horsam des Glaubens geweigert hatten, nicht ein- kommen sind, darum bestimmte Gott, dessen Wort ja» jenes Psalmwort als ein Schriftwort ist, wiederum einen Tag im Sinne jenes Heute, auf dessen Beden- tung schon in Ka . 3, 15 hingewiesen wurde. Wenn der Verfasser da schreibtc ,,dnrch David«, so nimmt er den Psalm, wie ihn die Leser als Beftandtheil der heil. Schrift kunnten, denn die alexandrinische Ueber- setzung giebt für alle die Psalmen zwischen dem 90. und 101. den David als Dichter an; ist der Psalm späteren Ursprungs, so ändert das an der Verwendung de selben von Seiten des Verfassers nichts, indem es dann um so mehr bei dem ,,nach so langer Zeit« bleibt und auch dabei-bleibt, daß dies Wort denen gilt, welche an der heil. Schrifi das gefchriebene Wort Gottes haben. (v. Hofmannh » ·-H·) Dem Sechstagewerk Gottes entspricht auf Seiten des Menschen das irdische Tagewerk mit allen seinen Anstrengungem Kämpfen und Leiden; und so ist das bewegende Prinzip aller Geschichte, daß der Sab- bath Gottes des Schöpfers zum Sabbath alles Ge- schasfenen oder genauer des Volkes Gottes werde. Der Verfasser steht mit dieser Anschauung nicht allein; daß ein·Tag, der ganz Sabbath ist, »die Weltwoche ab- schließen werde, sprechen in mannigfacher Weise auch shnagogale Ueberl1eferungen aus, Von denen z. B. die eine sagt: ,,wie das siebente Jahr eine einjährige Feierzeit gewährt für eine siebenjährige Periode, so genießt» dereinst die Welt einer» eintausendjährigen Feie·rzeit(Offenb.20,1ffz) für· eine·siebeiitausendjcihrige Periode«. Daß aber dies diesseitige Millennium noch nicht der schließliche Sabbath der seligen Ewigkeit ist, sondern letztere erst der Octave, dem achten Tage parallel geht, auch diese Anschauung ist der Synagoge nicht fremd, wenn es in einer Erklärung zu dem ,,Psalmlied auf den Sabbathtag« (Ps. 92) heißt: ,,es ist der Sabbath gemeint, welcher Rast gebietet der in der Welt herrschenden Sünde, der siebente Welttag, auf welchen als Nach-Sabbath die zukünftige Welt folgt, in welcher kein Tod mehr ist aus immer und ewig und keine Sünde und Sündenstrafe, sondern eitel Freude an Gottes Weisheit und Erkenntniß«, vgl. Röm. 11, 33. (Delitzsch.) . THE) Auf die Darlegung, daß es für das Volk Gottes nicht blos eine wahre Ruhe giebt, welche in der Theilnahme an der Ruhe Gottes selbst besteht, sondern daß auch wir Christen.zu derselben geladen sind durch ein Verheißungswort und in Jesu den wahren Führer haben (der zu dieser Ruhe bereits eingegangen« stützt sich in Wiederaufnahme des in V. 1 zum Voraus Gesagten die Ermahnung zum ernsten und eifrigen Trachten nach dem Eingehen in selbige Ruhe: wer dies Trachten unterläßh würde ein eben solches Beispiel des Ungehorsains sowohl in seinem Verhalten wie in feinem Geschick darstellen, wie das israelitische Volk aus seinem Wüstenzuge (Moll.) Ohne Ruhe wären wir die elendesten unter allen Creaturen und wäre uns besser, daß wir nie geboren wären, als ewig in Unruhe geblieben; darum getrost, frisch daran, hurtig im Kampf, freudig im Lauf, daß wir das Kleinod der Ruhe ergreifen! (Starke.) H) Der Satz ist zunächst ein gatäz allgemeiner, und ganz allgemein ist daher auch der usdruckx »das Wort Gottes« zu verstehen; es ist damit alles, was Gott spricht, gemeint, daß dann aber dasjenige, was Gott redet, in seiner Anwendung auf den speziellen, hier in Betracht kommenden Fall die von Gott durch den Psalmisten wiederholte Aufforderung zur Herzens- empfänglichkeit und die im Fall der Widerspenstigkeit und des Unglaubens gedrohete Ausschließnng von seiner Ruhe sei, ergab sich dem Leser von selbst aus dem Zusammenhang. Aber welchen Jnhalt das Wort Gottes auch haben möge, immer ist es als des lebendigen Gottes (Kap.3,12; 10,31) Wort kein todtes, un- kräftiges, eine bloße Erkenntniß mittheilendes Wort, sondern Gottes lebendige Kraft wohnt auch einem jeden seiner Worte ein und erweist sich durch jedes derselben fortwährend wirksam; wie in dem Schöpferworte Gottes die allmächtige Schöpferkraft lag und wirkte, so daß, sobald es gesprochen war, die Welt in’s Dasein trat (Kap. 11, 3), ganz ebenso verhält es sich mit allen Worten Gottes, sie alle sind Lebensäußerungen Gottes und darum muß sich in ihnen und durch sie die göttliche Lebenskraft manifeftiren. Während aber so die beiden Prädikate: ,,lebendig und krä tig« noch ganz allgemein gehalten sind und erst durch den Zu- sammenhang einen näher bestimmten Sinn erhalten, verhält es sich anders mit dem, was weiter folgt; dem Verfasser kommt es nämlich darauf an, seinen Lesern besonders die Energie der äußerlich und inner- lich strafenden Wirksamkeit des Wortes Gottes zu Ge- müthe zu führen. Wer das Fleiß-thun unterläßt und desselben Unglaubens sich schuldig macht, wie die Js- raeliten in der Wüste, der wird auch gewiß wie sie, deren Leiber versielen (Kap. 3, 17), fallen; denn das Wort Gottes ist ,,schärfer, denn kein weischneidig Schwert«, es hat eine alles Widerstrebend besiegende und vernichtende, « für alle Ungehorsamen sicherlich tödtliche Kraft« Do hat der Verfasser dabei nicht blos äußerliche Stra gerichte im Sinne, sondern er denkt auch an die innerlich- richtendkund verdammende Wirksamkeit, welche das Wort Gottes auf die Un- gehorsanien übt, und gerade diese Seite seiner strafen- den Wirksamkeit« heben die Prädikate: »und durch- dringet, bis daß es scheidet Seele und Geist, auch Mark und Bein, und ist ein Richter der Gedanken und Sinne des Herzens« hervor. Es dringt mit seiner schneidenden Schärfe bis in dietiefsten Tiefen des menschlichen Geisteslebensseim auch die geheimsten Neigungen zum ungehorsam oder Unglauben, auch die verborgensten Gesinnungen und Gedanken des Herzens, welche einen Mangel jenes Fleißithuns zur Folge haben oder vielmehrfchon selbst in sich schließen, können sich vor dem Worte Gottes nicht verbergen und bleibensvon ihm nicht ungestraft — es ist fähig, sie als das, was sie sind, zu beurtheilen und zu richten. (Riehm.) Die Vergleichung des Wortes Gottes mit einem Schwerte wird herbeigezogen, weil dies der Ausrichter menschlichckichterlicher Rache ist und daher sich zum Bilde göttlich-richterlicher Strafausübung wohl eignet (Joh. 12, 48); das Bild vom Schwerte festhaltend, stellt nun der Verfasser die richterlich strafende Wirkungides göttlichen Worts als eine bis in das innerste ark des menschlichen Geistes- und Seelenlebens durchdringende, den ganzen Menschen durchbohrende und zerhauende Function dar. Der leibliche Schmerz, den das bis zum innerften Mark des Leibes durchdringende leibliche Schwert verursacht, hat sein Analogon in der quälenden«, hoffnungslofen Gewissenspeicn die das ih11 durchbohrende Xgeistliche Schwert des Wortes Gottes in ihm erweckt — diese 864 Ebräer 4, 14——16. Pein ergreift ihn an seinem ganzen inneren Sein. Die Seele bezeichnet das niedere, sinnliche Leben, das sensitive Prinzip des Menfchen, den Sitz seiner Empfindung von Lust und Unlust, sowie die Triebkraft seiner leiblichen Bewegung und Thätigkeitx Geist da- gegen ist die denkende Kraft im Menschen, das Prinzip seiner Persönlichkeit, seiner sittlichen Freiheit und Ver- . antwortlichkeit Niark und Bein, wie Luther über- setzt hat (wörtlich: Fugen und Marke), repräfentiren die innerlichsten und wesentlichsten Bestandtheile des Leibes; sie kommen aber hier nicht nach ihrer körper- lichen Stofflichkeit in Betracht, sondern als die Träger der Seele und des Geistes: Seele und Geist werden nicht blos an der Oberfläche ihres Seins verwundet, sondern die schneidende Macht des Schwertes dringt durch bis in Mark und Fugen als der leiblichen Basis, in der sie wurzeln. Was auf diese Weise bildlich aus- gesprochen ist, besagen dann die folgenden Worte ohne Bild: wenn das Wort Gottes als ein richterlich- strafendes in das innere Geistes- und Seelenleben des Menfchen eindringt, so hilft kein Verstecken und Ueber- tünchen, kein Entschuldigen und keine Selbstbelügung mehr; was im Menfchen ist, wird als das, was es in Gottes Augen ist, erkannt und verurtheilt, Gottes Wort ist »ein Richter der Gedanken und Sinne des Herzens«. (Kurtz.) Der Ausspruch des Verfassers ist allgemein und umfaßt auch selbst die Verstockten; denn werden sie auch nicht weich, sondern setzen dem Worte Gottes ein Herz von Eisen oder Stahl entgegen, so werden doch auch sie dadurch innerlich von dem Gefühl ihrer Schuld etrofsen. Sie lachen wohl, aber mit er wungener iene, weil sie innerlich sich dennoch gefesselt fühlen; sie drehen und wenden sich bald hier- bald dorthin, um sich vor den Richterstuhl des Wortes nicht ziehen zu lassen, aber das Wort, das sie lüstern, zieht wider Willen sie hervor. Sie sind wie wüthende Hunde, welche in die Kette, mit der sie ebunden sind, beißen, damit aber nichts ausrichten. Halt-in) »F) Hier wendet sich die Rede von dem Worte Gottes zu dem Gott selbst, der— es redet; das Wort als ein Ausfluß von Gott nimmt selbst an seinen Eigenschaften Theil, Gott lebt und wirkt im Worte, und so versetzt dasselbe auch geistlich unmittelbar vor seinen Richterstuhl, wo jede Creatur erscheint, wie sie ist, so daß alles sich Verkleiden oder Verhüllen, alles Maskiren oder Abwenden des Gesichts nichts hilft. (v. Gerlach.) Wir haben es nicht mit bloßen Menfchen zu thun, welche das Wort ehemals aufgeschrieben oder die es jetzo predigen: nein, wir haben es in denselben mit Gottdem Richter selbst zu thun. (v. Bogatzkyh O, wohl 1egl1chem, der beim Worte Gottes und dessen Arbeit an seinem Herzen tief empfindet, daß er es mit Dem zu thun hat, dem keine Creatur unsichtbar, sondern alles blos; und entdeckt vor seinen Augen ist, und es von diesem als Liebe annimmt, je genauer er uns unsre ganze Nativität stellt und uns wissen läßt, was an uns ist nach der alten und nach der neuen Geburt! (Rieger.) Das 5. Kapitel. (Vgl. die Bem. zu 1. Kein. 4, 20.) gegeneinanderhaltang Christi and daraus. 14. Dieweil wir denn sum jetzt auch diejenige Bezeichnung des Herzogs unsrer Seligkeit wieder aufzunehmen, deren ich schon zwei Mal mich be- dient habe Katz. s, i; 2, 17] einen großen [Kap. 13, 20] Hohenpriester haben, Jesum, den Sohn Gottes, der gen Himmel gefahren sdurch die Him- mel hindurchgegangen] ist szu erscheinen vor dem Angesichte Gottes für uns Kap. O, 24; Ephes. 4, to; 1. Joh. 2, 1]- so lasset uns halten an dem Betenntnlßi [zu dem Worte Gottes, wie es unter uns Christen verkündigt wird V. 2., und nicht etwa meinen, wir dürften darum uns von demselben lossagen, weil es zu der jetzigen Zeit uns Schwereres auferlege, als wirkönnten ertragen]. 15. Denn wir haben san ihm] nicht einen Hohenpriesteh der [weil seiner göttlichen Natur nach hoch über uns erhaben] nicht könnte Mit- leiden haben mit unserer Schwachheit swie es auf den ersten Blick scheinen könnte], sondern der svielmehr seiner menschlichen Natur nach] ver- sucht ist allenthalben gleichwie wir sit: allen Lebens- beziehungen, die für uns versuchlich sind, und versucht zu allem, wozu wir versucht werden, selbst zum Abfall von Gott Kap. Z, 12; Matth 4, 9], doch ohne Sünde« [doch so, daß keinerlei Sünde als Anknüpfungspunkt für die Versuchung bei ihm vorhanden war, wie es bei uns der Fall ist, und keinerlei Sünde durch die Versuchung bei ihm herbeigeführt ward, wie es bei den ersten Menfchen im Paradiese geschah]. 16. Darum lasset uns hinzu treten mit Freu- digkeit zu dem Gnadenstuhl sGottes im Himmel droben, indem wir um Beistand von daher einer für alle und alle für einen bitten], aus daß lvir Barmherzigkeit empfahen und Gnade finden auf die Zeit, wenn uns Hilfe noth sein wird-««- [wenn nämlich die Versuchung eine solche Stärke erreicht, daß wir mit unsrer Schwachheit darin untergehen müßten, stünde nicht der HErr mit seiner mäch- tigen Durchhilfe uns bei Kap. 2, 18]. ») Der Verfasser hat in Kap. Z; 1 ermahnt, des Apostels und Hohenpriesters den wir bekennen, Christi Jesu, wahrzunehmen; er bat nun nachgewiesen, was wir ihm, dem über Mosen hocherhabenen Gottgesandten (denn das wollte ja die Bezeichnung als »Apostel« bedeuten), schnlden und wieviel davon abhängt, und er hat es nachgewiesen an dem die Christenheit warnen- den Beispiele des Volkes Mosis und an der unser Jnnerstes an’s Licht stellenden Wirksamkeit des Wortes Gottes, des allwissenden Richters. Daraus erwächst denn weiter die nunmehrige Ermahnung, welche einerseits abschließend auf den Anfang des zweiten Theils seiner Abhandlung zurückgreifh andrerseits zu dem folgenden Theil überleitet. (Delitzsch.) Christus ist nicht blos in die reine Geisterwelt (das Heilige) eingegangen, den Engeln gleich geworden, sondern er ist über alle Geschöpfe zur Rechten Gottes selbst (im Allerheiligsten) erhöht, mit göttlicher Majestät angethan worden. Meistens wird diese Erhöhung zu Gottes Rechten von Christo in Bezug auf sein köni liches Amt ausge- führt; dann soll— sie andeuten, dag durch sein Mittler- amt die erlösten Menfchen in die unn1ittelbarste Ab- hängigkeit von Gott zurückgeführt, daß die Feinde unsers Heils von Gottes Macht überwunden worden sind und immer wieder iiberwiinden werden. Jn Dieweil wir einen großen Hohenpriester haben, so lasset uns halten an dem Bekenntnißi 865 unserm Briefe dagegen wird die Erlösung Christi auch als sein priesterlicher Eingang in das Allerheiligste dargestellt, wodurch für immer, nach völliger Tilgung der Sünde, die Gemeinschaft Gottes und der Menschen hergestellt worden ist. Wie sein Königsamt sich auf die Vernichtung der Herrschaft von Sünde, Tod und Teufel und die Herstellung der Menschen zur herrlichen Freiheit der Kinder Gottes bezieht, so sein Priesteramt auf die Hebunzijeder durch die Sünde verursachten Scheidung der enschen von Gott und die Herstellun ihrer innigen Gemeinschaft mit ihm. (v. Gerlach. Ein solcher Hoherpriester nun, wie der Verfasser ihn beschreibt, ist nicht blos vorhanden, sondern wir stehen auch, wie er mit dem Worte: »wir haben ihn« aus- drücken will, in einem bestimmten Verhältnisse zu ihm, wodurch er der unsrige ist; darauf gründet sich denn die Mahnung zum Festhalten des Bekenntnisses, d. i. des christlichen. (Moll.) Haben und halten, das gehört zusammen: wir können Christum nur so haben, daß wir an dem Bekenntniß zu ihm festhalten; wer ihn verleugnet vor der Welt, den wird er ver- leugnen vor seinem himmlischen Vater. (Fricke.) ff) Der Verfasser schneidet hier den an sich mög- lichen Gedanken ab, daß ein aus Gott gekommener und zu Gott gegangener Hoherpriesteywie er vorhin Jesum charakterisirte, wohl die menschliche Lebensweise, aber nicht die volle Menschennatur bis zum wirklichen Mitgefühl unsrer Schwachheiten und des Versucht- werdens an sich genommen hätte; vielmehr ist die Gleichheit mit uns in jeder Beziehung vorhanden mit einer einzigen, aber durchgreifenden, das ganze Gleich- heitsverhältniß in allen seinen Punkten berührenden Ausnahme. Die Theilnahme Jesu an jedem mensch- lichen Leidens-zustande, die wirkliche Erregung seiner Affekte, die volle. Mitempfindung mit unsern Schwach- heiten, die Wahrheit des wirklichen Versuchtwordenseins hat allerdings stattgefunden; aber sie hat stattgefunden ohne alle und jede sündliche Erregtheit, und sie hat auch nicht einmal eine schlummernde Sünde in ihm zur Voraussetzung oder zur Anknüpfung gehabt ·—- es ist alles für ihn und bei ihm ,,ohne Sünde« vor sich egangen. (Moll.) Wir werden versucht durch Sün e und zur Sünde, Christus dagegen wurde in beiderlei Hinsicht ohne Sünde versucht: die Anfech- tungen gingen bei ihm nicht hervor aus einer in ihm wohnenden oder an ihm haftenden, in irgend einem Sinne ihm angehörigen Sündhaftigkeit und kamen daher nie aus ihm selbst; von dem Reiz zur Selbst- erhebung im Inneren, der dem Fleische die Macht giebt in seinem Gelüsten wider den Geist, wußte er nichts, und in jeder von außen ihn antretenden Ver- suchung bestand er siegreich, ohne in irgend eine Sünde zu willigen. Dennoch lag in seinem Fleische (Röm. 8, Z) die Möglichkeit des Falles; indem ihn hungerte und diirstete, indem er zerrissen ward von Schmerzen des Leibes und der Seele, wie wir, hatte der Teufel hier seinen, bei uns sonst so fruchtbringenden Boden gefunden, an diese verwundbare Stelle wandte er sich mit seinen Angriffen. Und eben deshalb bedurfte auch seine menschliche Natur der Vollendung (Kap. 5, 9); sie mußte durch den Kampf wider die Sünde hindurch den Zustand heilikgetz göttlicher Verklärun sich erstreiten, in welchem es eine Sünde und kein liebe! für den Menschen mehr giebt. Ungeachtet er also in jedem Sinne des Worts ohne Sünde versucht ist, kann er doch Mitleid haben mit unsrer Schwachheit (v. Gerlach.) Die Aussage, daß Christus in allem, auf gleiche Weise wie wir versucht worden ist, wird durch den Zusaksx ,,doch ohne Sünde« in doppelter Beziehung beschrän t. Einmal fand Eine Klasse von Versuchungen, die bei Dächseps Bibelwerh V1l. Band. uns vorkommt, bei Christo nicht statt, diejenige nämlich, deren Quelle die eigene Luft (Jak.1, 14) ist; für Christum kam keine Versuchung aus einer in ihm schon vorhandenen, etwa ihm angeborenen sündigen Lust, es war keine erst zu überwindende Neigung zur Sünde in ihm, vielmehr war er von Anfang an von allem sündlichen Hang, von aller bösen Lust völlig frei. Sodann, und hierau denkt der Verfasser allerdings hauptsächlich, kam es bei alle den Versuchungen, denen Christus gzlzeicherweise wie wir ausgesetzt war, nie dazu, daß das öse einen bestimmenden Eindruck auf sein Gemüth gemacht und seinem Willen auch nur auf einen Augenblick eine dem göttlichen Willen widerstreitende Richtung gegeben oder daß er gar einer sündigen That sich schuldig gemacht hätte; die Reinheit seiner Seele wurde nie durch die geringste Regung von Lust, den Versuchungen zu folgen, getrübt, vielmehr verhielt er sich zu denselben nur abwehrend, sie mit der ganzen Energie seiner heiligen Willenskraft zurückweisend Sein Versuchtsein war also ein rein passives: wie seine Leiden für ihn Versuchungen waren, so waren auf der andern Seite auch alle seine Versuchungen für ihn bloße Leiden, bloße Widerfahrnisse, die er, ohne auch nur einen Augenblick zu schwanken, vermöge der Energie seines mit dem gbttlichen Willen überein- stimmenden Willens bestand und überwand. (Riehm.) fis-·) Wir alle sind solche, die versucht werden (Kap. 2,18), und die Empfänger des Briefes waren es, als umringt von Versuchungen zum Abfall, in sonderlicher Weise: der Verfasser verweist sie auf den Thron, wo der erhöhete hilfreiche Heiland zur Rechten Gottes sitzt, daß sie von da je nach Bedürfniß Hilfe erlangen, die ihnen zu rechter Zeit zukomme, ehe die Gefahr ihnen so miichtig wird, daß sie ihr bei der Unzulänglichkeit eigenersKraft erliegen. Man erinnert sich hier des in Kap. 2, 18 Gesagten: der Gedanke, auf Grund dessen sich die Ermahnung erhebt, gleicht dem dort aus- gesprochenenx aber wie er hier lautet, ist er gegen dort schon um vieles bereichertet Dem Throne, wo die Gnade ihren Brunnquell hat, sollen wir nahen, um Barmherzigkeit, welche unser Elend sich bewegen läßt, und Gnade, welche freigebig und reichlich mit- theilt, zu erlangen ,,zu rechtzeitiger Hilfe«, wie der Grundtext wörtlich lautet. (Deli sch.) Das will be- sagen: jedesmal, ehe iins die ersuchung zu schwer wird. (v. Hofmann.) Gottes Barmherzigkeit und Gnade bedürfen wir wohl allezeit, sollen derowegen ohne Unterlaß den Gnadenthron suchen; doch empfinden wir unsre Dürftigkeit, der Feinde Anfechtung, dieser Welt Angst zu einer Zeit mehr als zur andern, wes- halb wir uns sonderlich zu solcher Zeit zu dem Gnaden- thron andächtig nahen sollen. (Starke.) Jn dem be- ständigen Hinzutreten liegt das ganze Geheimniß unsers Kampfes zum gewissen Siege; in dem Ver- säumen desselben, in dem trägen und mißtrauischen Zurückbleiben die ganze Gefahr des Verderbens (Stier.) Daß die Gemeinde zu Jerusalem wirklich Barmherzigkeit empfangen und Gnade gefunden auf die Zeit, da ihr Hilfe noth that, das bezeugt die nach- malige Geschichte: jetzt lag sie allerdings geistlich dar- nieder, aber hernachmals kam sie wieder auf (Mich. 7, 8); sie fiel nicht von Christo ab, sondern zog noch zur rechten Zeit und ganz in der Weise, wie der HErr es vorgeschrieben, von Jerusalem aus .(Anh. I1. zum 6. Bande: d, 5). Aber ob sie wohl mit ihrer eigenen Freudigkeit des Hinzutretens zum Gnadenthron dazu gelangt ist? ob nicht die Freudigkeit eines Andern mit seiner Fürbitte ihr wesentlich dazu verholfen hat? Wir denken da an die Stelle in 1. Joh.5, 14 sf.; das daselbst Gesagte sieht ganz so aus, als rede der Apostel 55 866 Ebräer 5, 1——-10. von einer großen Erfahrung» die er selber gemacht, und wird uns erft dann vollkommen verstäudlich, wenn wir uns den Johannes beim Ausbra des jüdischen Krieg-s in feiner Verbannung auf atmos denken, fürbittend für die christliche Gemeinde, aber nicht mehr bittend für das verftockte Judenvolh und des Ernpfangs der Offenbarung konnte nun auch derjenige gewürdigt werden, der so gan Eins war mit dem Gedanken und dem Willen seines Gern. III. V. 1—üap.10,18: Christi Erhabenheit über die aaronitischen Hohenpriesten —- Illon der Flach- weisung der Crhabenheit Christi über die Engel, diese Vermittler der smaitischen Gesetzgebung, und til-erst! o se s, Gottes Apostel fiir das alttestauientliclze Hundes-Mk, der dasselbe auch in seinen! Uactzfotger Josua nicht wirklich und wahrhaftig in die dem Volke Gottes beschiedene Ruhe einzuführen vermocht hat, geht der Verfasser nun über zu dem thanptthema seines Riese, auf das er schon am Schlusse des erben und des zweiten Cheils than. 2,17 f. u. 4, 14 ff.) in vorbereitender weise hingewiesen hat, zu dem Hoheprieflerthum Christi, dessen Crhabenheit über das leoitische des alten Ceftaments er jetzt in 6 Kapiteln sehr ausführlich nachweist. Es er- klärt sich die Ausführlichkeit der Erörterung gerade dieses Punktes aus der Wichtigkeit, die derselbe für die Leser hatte: in engherziger Xteberschähung des väterlich» ererbten Cempelrultus hielten sie die fortwährende Theil— nahm: an demselben zur völligen Sündensülsnung und zur Crwerbung des ewigen Heils für durchaus noth- wendig, ertragen es jetzt sihon schwer, das; man sie als Christen gewaltsam davon ausgeschlossen hatte, und glaubten nichts, das ke dafür entschiidigen könnte, in ihrem Christenthum zu haben; daher sie nahe daran waren, von diesem wieder ab· und in's Judenthuni zuriickzufallen vollends aber, wenn nun die Stunde käme, wo sie wiirden Jerusalem und das jüdisctze Wand nach dein Willen Christi zu verlassen haben — nun, den Gedanken an die Engel und an Moses hätten sie allen- falls auch nach auswcirls mitnehmen können in die 3erflreuung, doch den Tempel und sein ljolsevriesterlhuni zu verlassen, das wäre nach ihren: gegenwärtigen Glau- benssiande ihnen geradezu unmöglich gewesen; darum bedürften sie gerade hier der eingrcifendflen und aus— führliclzslen Zurechtweisung, um von ihrer verlcehrtheit geheilt und zur rechten Cinsicht gebracht zu werden. a. V. 1—Kav. 6, 20. Indem der Verfasser daran gehen will, Christum, den er sowohl am Schlusse des vorigen, als-ans Schlusse des ersten Theils seiner bis« herigen Abhandluug als hohenpriester bezeichnet hat, als« den rechten nnd vollkommenen hohenpricster im Vergleich mit dem aaronitischen des alttestameiitlichen Cultus vorzustellen, giebt er zunächst Begriff und Aufgabe des hohepriesterlichen Amtes nach Mapgahe des heilsgefchichtlich geoffenbarteii Gesetzes an; danach besteht das Wesen des hohepriesterthiinis darin, das! der hohl-Priester für Menschen, zu ihren! Besten und als ihr Vertreter, eingesetzt ist in Bezug aus ihr Ver- hältnis! zu Gott, nnd zwar eingesetzt tu der Absicht, das-l er Gaben und Opfer zur Sühnung der Sünden darbringe (V. 1). Diese Ausgabe nun bestimmt die Erfordernisse, welche bei jedem hohenpricster vor- handen fein müssen, damit er zu feine-u Amte be- fähigt feiz das» eine ist das, das! er, als selbst um· geben mit 5chcvachheit, kann mit leiden über die, welche er zu versöhnen hat, und das andere, das! er von Gott zu feinem Ilmte berufen sei und nicht ihm selbst die Ehre genommen habe. Während denn Christus hinsichtlich des zweiten Punktes einer andern, viel höheren Priester-Ordnung, alk- die hohenpciestcr aus» Aarous Geschlecht, angehört, der des liielctjisedelk der die priesterlictie Würde mit der königlichen ver« band, und nach dieser Ordnung Priester fein soll in Ewigkeit, hat er auch hinsichtlich des ersten sjiinktes mit seinem Gebete-stumpfe in Gethscntaiie alles voll« kommen geleistet, was der aaronitische hohevriester zu leisten hat am grof!cn Verföhi1uiig3tage, wenn er da, bevor er das sündovfer für das Volk darbringt, ein solches zuerst sitt· sich that, um jenes dann in wirk- samer Weiseausrichten zu können, und ilt nun bei feinen! Eingang in’5 Allecheiligste nach vollbrachtem Opfer fiir das« Volk von Gott ausdrücklich begrüstt worden alk- der Hohepciester nach der Ordnung Melchi- ledeks, der allen, die ihm gehorsam sind, eine Urfach fein soll zur ewigen Seligkeit (V. 2—10). Juden! der Verfasser hiermit ein Thema angeschlagen hat, das einer weiteren Ausführung bedarf, aber auch seine: ganzen Natur nach ein Lehrgegettstaud ist für schon geforderte Christen, wie seine Leser allerdings« solche fein sollten und könnten, hält er denselben vor, wie schwer ihm die Verhandlung mit ihnen falle, die in der letzten Zeit soweit zurückgegangen und fast zu jungen Kindern geworden sind, denen man nicht starke Speise geben darf, sondern die mit Milch zu nähren sind. Gigentlich also niiislte tr erst wieder Grund bei ihnen legen mit den Anfange-lehren des Chrisienthumsz das will er auch später thun, sc) anders Gott es damit zufällt, das! sie inzwischen vor dem Abfall vom Chrisienthccni und dem Riirkfall in’s Judenthum be« uiahct bleiben, denn bei solchem Abfall und solchem Rückfall wiirde er freilich sie ihrem Schicksal des Verderbcns überlassen niiissen Doch versiehet er sich eines Bessereu zu ihnen im Vertrauen auf Gottes« Treue nnd im Hinblick darauf, das! sie Abrahams Kinder sind und an die Fusllapfen seines Glauben«:- und seiner Geduld sich halten werden; und so will er . doch hier in seinem Briefe mit ihnen handeln als mit Starken und schlägt darum noch einmal sein Thema an, auf das« vorhin seine Auseinandersetziing ihn geführt hat und das er nunmehr ausführlich ab- handeln wird (V. 11—Kap. 6, 20). Kap. 5, V. I. Denn [um jetzt näher darauf einzugehen, daß Christus das wirklich ist, als was ich soeben in Kap. 4, 14 ff., sowie früher in Kap. 2, 17 f· ihn bezeichnete, nämlich ein Hohe» Priester, und da zunächft die Erfordernisse uns zu vergegenwärtigem die nach dem Begriff und der Aufgabe feines Amtes bei einem rechten Hohen- priester vorhanden sein müssen] ein jeglicher hoher: priester, der ans den Menschen genommen wird, der wird gesetzt für die Menschen sbesserx jeglicher Hoherpriester wird, aus Menschen ge- nommen, für Menschen gesetzt] gegen Gott sin Bezug auf ihr Verhältniß zu Gott], auf daß er opfere Gaben und Opfer ficr die Sünden [die- selben zu sühnen Kap. 8, s; L, 17]; 2. sBezeichnet nun das, was ich eben sagte, den Begriff und die Aufgabe des hohe- priefterlichen Amtes, so ergiebt fich als erstes Erforderniß für die Person dessen, der dasselbe verwalten foll, daß er ein folcher sei] Der da könnte [in der gehörigen Weise, also über dem Mitleiden nicht den die Verschuldung rügenden Ernst und wiederum über diesem nicht das Mit- Dritter Untertheil: Christi Erhabenheit über die aaronitifchen Hohenprieften 867 leiden unterlafsends mit leiden über die, so unwissend sind und irren [aus Unwissenheit und Jrrthum eine Sünde begehen 3. Mos. 4, 2 An1n.], nachdem sgemäß dem, daß] er auch selbst umgeben ist mit Schwachheit fund daher aus eigener Er- fahrung weiß, wie leicht die Menfchen, aus denen er genommen, in folcher Art sich vergehen Pf. 49, 13]; 3. Darum muß er auch swie das namentlich am großen Versöhnungstage Z. Mos. 16, 1 ff., wo er ja im vollen Maße seines Amtes zu warten hat, besonders deutlich hervortritt], gleichwie für das Volk, also auch für sich selbst opfern für die Sünden fbehufs ihrer Sühnung]. 4. Und niemand swas das zweite Erfor- derniß betrifft] nimmt ihm selbst faus willkürlicher Eigenmächtigkeit] die Ehre fum die es hier sich handelt]; sondern fHoherpriefter kann nur ein folcher fein] der auch berufen sei von Gott smit dessen Versöhnung er in seinem Amte es zu thunhat], gleichwie der Aaroifs fdieser Stammvater der alt- testamentlichen Hohenpriestey ja ausdrücklich von Gott berufen und in folcher seiner Berufung sogar durch ein Wunder vor allem Volk bestätigt ward 2.Mos.28,1 ff.; 4. Mos. 16, s; 17, ou. s; 18, 1]. Z. Also auch Christus fder neutestamentliche HohepriesterJ hat sich nicht selbst in die- Ehre ge- setzi, daß er Hoherpriester würde, sondern fes hat ihn Der zu seiner Ehrenstellung berufen] der zu ihm gesagt hat [in dem schon oben Kuh. 1,5 angeführten Pfalmwort 2, 7]: Du bist mein Sohn; heute habe ich dich gezeuget s. Wie er auch fwas demnächst die hohe- priesterliche Würde dieses feines Sohnes betrifft] am andern Ort fder hier in Betracht kommt, uämlich in Pf. no, 4] spricht: Du bist ein Priester in Ewigkeit nach der Ordnung Melchisedeks [nach Maßgabe der Stellung, die Melchisedek ein- genommen hat, der König und Priester zugleich war Kap. 7, 1]. 7. Und er hat sals Einer, der aus den Menschen genommen und für die Menfchen gefetzt war gegen Gott V. 1ff.] in den Tagen seines Fleisches fin den Tagen seines Erdenlebens, als er die menfchliche Natur noch so an sich trug, wie sie in Folge der Sünde jetzt ift Kap. 2, 143 Rom. 8, Z; 2. Cor. 4, 11] Gebet nnd [sußfälliges, in- ständiges] Flehen feines Schutz- und Hilfesuchenden Matth. 26, 39],mit starkem Geschrei undThranen [Luk. 22, 44] geopfert zu dem, der ihm von dem Tode konnte aushelfen sdaß er nicht demselben preisgegeben würde Mark. 14, IS; Matth. 26, 39 Anm.]; und ist auch smittels der Stärkung, die er vom Himmel her empfing Luk. 22, 43] er- hbret fPfalin 22, 25], darum, daß er Gott in Ehren hatte lnach andrer Uebersetzung: damit, daß er von dem Todesgrauem welches ihn in’s Gebet getrieben hatte, frei gemacht wurde Luk. 22, 46 Anm.]. 8. Und wiewohl er Gottes Sohn war sder als folcher Kap. 1, 2 f. der Leidens- und Sterbens- nothweudigkeit nicht wie andere Menfchen unter- stellt war Matth. 26, 53; Joh. 10, 18], hat er doch fnach Menfchenweise] an dein, das er [mit feiner Gefangennehmung Verurtheilung und dem Kreuzestodd litte, Gehorsam getreuer« [Phil. 2, 8]. 9. Und da [solchen Gehorsam auch in voll- kommenem Maße übend] er ist vollendet fmit dem Stande der Herrlichkeit, in den er darnach ein- trat Phil. 2, 9 sf., völlig das geworden, was er werden follte Kap. Z, 10], ist er worden allen, die ihm» gehorsam sind, eine Urfach zur ewigen Seligkeit [Kap. 7, 25; Jes. as, 17], 10. Genannt von Gott sindem er ihn, den durch Todesleiden Vollendeten, zu sich emporhob und ihn da gleichfam feierlich mit dem Ehrentitel begrüßte, der weissagungsweise schon längst im Voraus ihm beigelegt war] ein Hoherpriefter nach der Ordnung Melchifedekstrt [V. 6]. V) Der Verfasser beschreibt hier das wesentliche Charakteristikum des Hohenpriefters uach der An- ordnung des göttlichen Gefetzes, indem er dabei von der Voraussetzung ausgeht, daß, was den Hohenpriester (der der Mittelpunkt des ganzen Priesterthums war und in dem sich die ganze Bedeutung-des priesterlichen Anits und aller priesterlichen Handlungen vereinigte) wesentlich charakterifirt, auch Christo, um Hoherpriester zu sein, nicht fehlen dürfe. Es ift nun, wie zunächst V. 1 angiebt, das wesentliche Charakteristikum dies, daß der Hohepriefter zum Vertreter von Menfchen in ihrem Verhältniß zu Gott, nämlich als opfernder be- ftellt wird, indem "er zu diesem Zwecke, um aus eigener Erfahrung· zu wissen, wie es sündigen Menfchen zu Muthe ift, aus Menfchen genommen wird. Wenn es heißt: »auf daß er opfere Gaben und Opfer für die Sünden«, so ift hier nicht vom priesterlichen Opfern insgemein, sondern vom hohepriesterlichen Opfern ins- besondere die Rede und vorzugsweise der große Ver- söhnungstag in’s Auge gefaßt; die hohepriefterlichen Opfer wollen da den Gnadenstand der Gemeinde, in- wiefern er durch Sünden theils gebrochen, theils ge- fährdet ist, wiederherstellen und sichern, und geschehen also »für die Sünden«, zu folcher religiösen Ver- tretung ist denn der Hohepriefter »gefetzt für die Menschen» und »aus den Menfchen genommen«. » Man darf hier nicht mit Luther übersehen: »ein jeg- licher Hoherpriestey der aus den Menfchen ge- nommen wird« (darnäch könnte es scheinen, als sei im Unterfchied von dem Sohne Gottes von einem blos menschlichen Hohenpriefter die Rede, während umge- kehrt gezeigt werden foll, daß jeder Hoherpriestety welcher das Verhältnis; der Menfchen zu Gott ver- mitteln soll, aus den Menfchen genommen fein müsfe), man hat vielmehr zu übersehen: »jeglicher Hohepriefter wird, indem er aus Menfchen genommen wird (vgl. 4. Mos. 8, 6), für Menfchen bestellt in ihrem Ver- hältniß zu Gott«; es ist also, so foll damit gesagt werden, schon in der Wahl des Hohenpriesters die Möglichkeit der Amtsbefähigung desselben vorgesehen, und zwar besteht diese Amtsbefähigung zunächst darin, 553 868 Ebräer 5, 10. daß, wie der 2. Vers besagt, er ,,mit leiden kann über die da unwissend sind und irren, nachdem er» auch selbst umZben ist mit Schwachheit«, woraus, wie es dann in . 3 weiter heißt, für ihn selber dieselbe dienstliche Verpflichtung sich ergiebt. An dieses erste Erforderniß, die Menschlichleit des Eingesetzten — aus Men- schen genommen wird er, um menschlich fühlend eine fündige Gemeinde zu vertreten — schließt sich das zweite, in V. 4 genannte, die göttliche Berufung an. (Delitzsch.) Die Nothwendigkeit einer die Sünden sühnenden Opferdarbringung — das ist die Gedanken- bewegung des Verfassers — erforderte die Errichtung des hohepriesterlichen Amtes von Seiten Gottes; die Aufgabe und der Zweck desselben ist also, die Sün- densühnung zu bewirken, und diese Ausgabe bestimmt die beiden Erfordernisse, welche bei Jedem Hohen- priester vorhanden sein müssen, damit er zu seinem Amte befähigt sei. Damit er nämlich zur Dar- bringung der sühnenden Opfer bereitwillig und geschickt sei, ist vor allen Dingen ersorderlich, daß er sich nicht in einer unniuthigen und über die Sünder zür- nenden, sondern in einer leidenschaftsloseiy gemäßigten, gegen die Sünder milde gestimmten Gemüthsver- fassung befinde; und in dieser Weise kann er sich egen die Sünder verhalten, da er auch selbst ,mit der sittlichen Schwachheit, deren Folge die Sünden sind, wie mit einem Gewande rings umgeben ist, so daß die Sünden Anderer ihm nicht als etwas Fremd- artiges, nicht als etwas, womit er sich nicht befassen könnte, sondern was er nur zürnend und unmuthsvoll von sich selbst ferne halten müßte, erscheinen — seine eigene Erfahrung weckt jene Gemüthsstimmung in ihm. Dieser seiner eigenen Schwachheit wegen mußte denn auch der alttestanientliche Hohepriester, wie der Ver- fasser in V· 3 nebenbei bemerkt, gleichwie für das Volk, so auch für sich selbst Sündopfer darbringen: wie sehr war man also berechtigt, die Gemüthsstimmung bei ihm vorauszusehen, welche ihn fähig und bereitwillig machte, das für Andere zu thun, was er für sich selbst bedurfte! Das zweite Erforderniß welches beijedem Hohenpriester vorhanden sein muß, ist die göttliche Berufung zu der hohepriesterlichen Würde; es kann sich niemand das Ehrenamt, andere Menschen in ihrem Verhältniss zu Gott zu vertreten, selbst herausnehmen. Ein Ehrenamt ist dies nämlich schon-darum, weil es eine bevorzugte Stellung, ein näheres Verhältniß zu Gott als das, in welchem die zu Vertretenden zu Gott stehen, voraussetzh wer Andere, denen der Zutritt zu Gott noch nicht verstattet ist, vertreten soll, dem muß dieser Zutritt zu Gott schon verstattet fein. Schon darum muß der Hohepriester von Gott zu seinem Amte berufen sein; denn es wäre eine straswürdige Selbst- erhöhung, wenn er, selbst ein Sünder wie die Andern, sich das Recht, zu Gott zu nahen, selbst herausnehmen wollte. Aber selbst wenn er dies Recht hätte, so dürfte er doch darum noch nicht ohne besonderen göttlichen Auftrag im Namen und zum Besten Anderer zu Gott nahen; denn auch dies wäre eine Beeinträchtigung der Majestätsrechte Gottes, dessen Prärogative es ist. den, welchen er als Vertreter der Menschen gelten lassen will, zu bestimmen, nur als berufen von Gott hat der Hohepriester, hatte auch Aaron die Vollmacht zur Ausübung seines Amtes. (Riehm.) IV) Der Verfasser beginnt in V. 5 ff. den Nachweis der beiden, dem Hohepriesterthum nach dem vorhin Gesagten wesentlichen Erfordernisse an Christo chia stisch (d. h. in Form des griech. Buchstabens Ohj oder eines liegenden Kreuzes, wonach die ganze Stellung der Verse zu einander sich so gestaltet: V. 1—3 4 5. 6 7 u. 8), indem er im unmittelbaren Anschluß an V. 4 das zweite Erforderniß zuerst nachweistx es sollen aber die beiden Schriftworte, welche er da ansührt, nicht zwei Zeugnisse für die göttliche Einsetzung Christi in das Hohepriesterthum sein, vielmehr, nachdem gesagt ist, daß Christus, der Messias, nicht sich selbst, sondern daß Der, welcher zu ihm gesagt hat: »du bist mein Sohn«, ihn in die Ehre gesetzt oder dahin verherrlicht hat, Hoherpriester zu werden, wird eine, diese aus- gesagte Thatsache bestätigende andere Schriftstelle bei- efügt. Derselbe, welcher den Messias seierlich für einen Sohn erklärt, den er (wie den David nach langem Leidenswege) heute (wo er ihn auf seinen himmlischen Thron erhöht, von wo er fortan auch auf Erden alles überwindend herrschet) in das Herrlich- keitsleben des Königthums gezeugt hat, eben derselbe ist es auch, der ihn zum Hohenpriester gemacht, wie er ihn denn auch in Pf. 110, 4 feierlich für einen Priester erklärt, der zugleich König ist, für einen Priester nach Art Melchisedeks Hiernach fährt der Verfasser in V. 7 f. fort, auch das zweite Erforderniß, die Menschlichkeit der Person nachzuweisen, in- dem er das menschliche Thun und Leiden Christi hie- nieden schildert, aus welchem er als unser himmlischer Hoherpriester hervorgegangen; denn Hoherpriester auf ewig nach der Ordnung Melchisedeks ist er als der dort zur Rechten Gottes thronende, zugleich aber uns priefterlich vertretende König (V. 10), geworden aber ist er’s auf Erden auf dem Wege menschlicher Angst und menschlichen Leidens und mitten darin mensch- licher Untergebung unter Gott. (Delitzsch.) »Ein jeg- licher Hoherprieftey aus Pienschen genommen, wird gesetzt für Menschen: gegen Gott, aus daß er opfere Gaben und Opfer für dieSünden«: dies war in V. 1 der allgemeine Begriff, der sich dem Verfasser für die aus Menschen entnommenen Hohenpriester aus dem Blick auf die im Gesetz vorliegende Ordnung des Hohepriesteramts ergeben hatte; nachdem er nun in Beziehung auf das Hohepriesterthum Christi in V. 5 f. die Frage erledigt hat, wie kam es bei dem Sohne Gottes dazu, daß er für die Menschen hingestellt wurde in Betreff ihrer Stellung zu Gott, zu. opfern Gaben nnd Opfer für die Sünden? handelt es sich in V. 7 f. um die andere Frage, was für Gaben und Opfer hat er denn für die Sünden dargebracht? Wie in Kap. 10, 10 auf diese Frage geantwortet wird: »seiner! Leib« und in Kap. 9, 14: ,,sich selbst«, so lautet hier die Antwort: ,,Gebet und Flehen«; und wie nun Christus seinen Leib oder sich selbst geopfert hat auf Golgatha, so weisen die Worte in V.7s. klar auf das Ereigniß in Gethsemane. Zu fragen bleibt nun aber hier wieder, was in V. 7 gemeint sei als Gegenstand seines Flehens u dem, der ihm von dem Tode konnte aushelsen, ob ewahrung vor dem Tode, daß er nicht sterben müßte, oder En tnahme aus dem Todes- stande, nachdem er gestorben wäre? ferner, ob zu übersetzen sei: ,,er ist auch erhöret darum, daß er Gott in Ehren hatte«, oder: ,,erhöret von dem zögernden Bangen hinweg?« nämlich hinweg von dem zögernden Bangen, das ihn ein Mal um’s andere in so schweres Gebetsringen trieb, bis endlich der Entschluß unbedingter Ergebung zur Vollkraft ge- kommen war. Da belehrt uns nun die Aussage des 8. Verses, daß das Erhörtwerden Christo gedient habe um Gehorsamlernem dahin, daß die Meinung des erfassers die sei: durch Opfern von Gebet und Flehen um Bewahrung vor dem Sterben und durch Erhört- werden von dem zögernden Bangen hinweg habe Jesus an dem, das er litte, Gehorsam gelernt. Wer näm- lich in der Angst vor dem Tod, der ihm von Menschen Des hohepriesterlichcu Amtes Begriff und Aufgabe und die Erfordernisse dazuspspg 869 droht, weder durch Untreue gegen den Beruf dem, was von den Menschen ihm droht, entweicht, noch seine Seele murren läßt gegen Gott, der den Menschen Ge- walt gegeben hat, sondern nur eben bittet und fleht zu seinem Gott, dessen Bitten und Flehen ist allerdings ein Opfern, weil ein verleugnungsstarkes Verzichten auf ir end welche Eingebung von Fleisch und Blut und BFenden der Seele zu Gott allein; und was könnte eine Inächtigere Förderung im Lernendes Ge- horsams sein, als diese Opferung? Und wer erhört wird nur eben von dem zögernden Bangen hinweg, also nicht die erbetene Bewahrung vor dem Tode selbst, sondern nur die Kraft des willigen Erleidens empfängt, diese aber wirklich sich schenken läßt, von dem ist wiederum klar, wie sehr, was er erleidet, ihm zur Förderung im Gehorsamlernen dienen muß. Dies Opfern von Gebet und Flehen in Gethsemane nun hat Christus dargebracht für sich selbst, doch war es be- deutungsvoll auch für unser Heil; denn hätte Jesus nicht also Gebet und Flehen geopfert, so wäre er nicht erhört worden von dem zögernden Bangen hinweg, und wäre er nicht von diesem durch die Erhörung entledigt worden, so hätte er nicht vorschreiten können zum Ziele seines Vollendungsweges. Man begreift hiernach, wie der Verfasser das Gethsemane-Opfer des Sohnes betrachten kann als das Gegenbild jenes Opfers, das der aus Menschen entnommene Hohe- priester des Gefetzes darbringen mußte für sich selbst (V. 3), und zwar ehe er schritt zum Opfer für das Volk; gegen die Mitbeziehung des »für die Sünden« auf das »für sich selbst opfern«, wie sie allerdings bei dem alttestamentlichen Hohenpriester nothwendig ist, auch bei dessen Gegenbild Christo hat der Verfasser bereits in Kap. 4, 15: ,,doch ohne Sünde« fein Ver- bot eingelegt. (Gesz.) Christi Gebet, in welchem er seine Angst vor Gott brachte, war ein Opfer, und zwar ein Opfer, welches angenommen wurde; die Er- hörung desselben machte ihn des Grauens ledig, wel- ches von ihm genommen sein mußte, ehe ihn das Leiden überkam, in welchem er seinen Gehorsam u beweisen hatte. Es war aber seine Schwachheit ung die Angst vor dem bevorstehenden Leiden, in der sie sich äußerte, für ihn dasselbe, was für den gesetzlichen Hohenpriester die Schwachheit war, um deretwillen ihm für sich selbst ein Sündopfer zu bringen geboten war, nur daß es bei ihm keine sündliche Schwachheit war; denn er faßte sie in’s Gebet und heiligte damit sein Grauen vor dem Tode. Das· Bevorstehen seines Todesleidens in das er dahingegeben werden sollte als ein von Gott Verlassener und wie ein von Gott Geschlagener, mußte ihn ja schmerzlich ergreifen, tief erschüttern: ohne diese Anfechtung wäre er nicht Der, der versucht ist allenthalben, gleichwie wir (Kap. 4, 15); wie nun der gesetzliche Hohepriester zuerst für sich selbst Gaben und Opfer zu opfern hatte, Gaben, womit er Gott die Ehre gab, und Opfer deswegen, weil er für sich selber Vergebung der ihn verurtheilenden Sünden be- durfte, so opfert Christus für sich selbst Gebet, womit er sich etwas von Gott erbat und ihm damit seine Ehre gab als dem, der ihm von dem Tode konnte aushelfen, und Flehen, flehentliches Hilferufem das allerdings ein Thun der Schwachheit ist, derjenigen Schwachheit nämlich, die für Uebel empfänglich macht, aber doch zugleich ein Thun der Frömmigkeit. Nach- dem denn der gesetzliche Hohepriester das ihm vor- geschriebene Sündopfer für sich selbst dargebracht hatte, war er nunmehr in der Verfassung, das zur Sühnung der Sünden des Volks erforderliche Opfer zu bringen: so ist auch Christus erst, nachdem das Gebet, in wel- chem er seine Angst vor Gott brachte, in der Art erhört war, daß er der Schwachheit ledig ging, die ihn hatte beten machen, aber auch mild gesinnt gegen uns mit sündiqer Schwachheit behaftete Menschen tman erinnere sich einerseits seiner Milde gegen die schlafenden Jün er, gegen die, die ihn gefangen nahmen, ja selbst gegen en, der ihn verrieth, und andrerseits der Ruhe und Klarheit des Geistes, mit welcher er, nachdem er zum Tode betrübt hingegangen war, zu beten, zurückkam, um die Häscher zu erwarten), in der Verfassung ewesen, das Leiden in Gehorsam zu be- stehen. (v. ofmnnn.) Schwachheit des Fleisches wird sündlich, wenn sie die Willigkeit des Geistes unter- drücken will; wenn man sie aber durch das Gebet Gott klagt, daß man davon los werde, so sind es die ge1näßen Schulübungem unter welchen man Gehorsam lernt. (Rieger.) TM) Vorher hatte Christus Gott gehorcht, der ihn dem Leiden untergab, in welches sein irdisches Leben ausging: jetzt wird er denen, die ihm gehorsamen, allen der Ursächer einer Errettung für immer. Wie sein Gehorsam und der ihre sich gegenübersteht, indem nun ihm gehorcht wird, der zuvor gehorcht hat, so seinen zeitlichen Leiden, in welchen er ehorsamt hat, ihre ewige Errettung, welche den Gehorsam gegen ihn lohnt. Auf Grund dessen, was er in seinen Fleisches- tagen gethan hat, ist er nach seiner Vollendung Heils- ursacher für diejenigen, welche das thun, was Be- dingung des Heilsempfangs ist, indem sie sich ihn im Glauben den fein lassen, der er ist, wogegen er sich ihnen als den erzeigt, als welchen ihn Gott bei sich empfangen und begrüßtNlgah als Hohenpriester nach Maßgabe der Stellung elchisedeks, des königlichen Priesters; denn zur Rechten seines Thrones hieß er ihn sitzen, um nun die hohepriesterlich beschaffte Sühnung der Sünden in der Eigenschaft eines die überweltliche Hoheit Gottes theilenden Priesters denen, die an ihn glauben, zugute kommen zu lassen. (v. Hofmann.) ach dieser Stelle (vgl. Kap. G, 20 u. 7, 28) ist zn unterscheiden zwtschen Christi Hohepriesterthum über- haupt und seinem Hohepriesterthum nach der Ord- nung Melchisedeks: er hatte schon auf Erden die hohepriesterliche Würde und brachte als Hohepriester sich selbst als Versöhnungsopser dar, auf Erden ster- bend und eingehend in das himmlische Heiligthumz aber erst mit diesem seinem Eingang in den Himmel, erst mit seiner Vollendung ist er auch als Hoherpriester vollendet worden, und ist nun das nach der Ordnung Melchisedeks. Den levitischen Hohenpriestern ist er darin gleich, daß er, wie sie, in einer auf eigener Er- fahrun beruhenden, von Unmuth gegen die Sünder freien emüthsstimmung sich befindet, daß er von Gott zum Hohepriesteramt berufen ist und daß er ein Opfer für die Sünden des Volks gebracht hat, auf Erden den Tod erleidend und dann mit seinem Blute in das himmlische Allerheiligste eingehend; Melchisedek aber ist er darin gleich, daß er ewig lebt und ewig Priester ist. Indem er so ein ewiges, auf keinen Andern übergehendes Priesterthum inne hat, hilft er denen, die ihm gehorsam werden, hienieden, insofern er in den mannigfachen Versuchungen, mit welchen der Christ zu kämpfen hat, solange er noch mit Schwach- heiten behaftet in dieser Welt der Leiden und Ver- suchungen lebt, zur rechten Zeit ihm vom Himmel her die nöthige göttliche Kraft schenkt und dadurch zum Siege verhilft oder aber, wenn er etwa zu Fall ge- kommen, ihn wieder aufrichtet und die göttliche Gnade und Barmherzigkeit ihm vermittelt; dies Helfen aber vollendet sich dann droben in der vollständigen Be- freiung aus aller Sündennoth im weitesten Sinne des Worts und der völligen Mittheiliing des verheißenen 870 Ebräer 5, 11——14. 6, 1—8. Heils. Christus bringt die Seinen dahin, daß alle Noth der Versuchung, der noch anklebenden Sünde und des leiblichen und geistlichen Elends, welches die Folge und Strafe der Sünde ist, für sie auf immer und ewig ein Ende hat (vgl. Kap. 7, 23 ff.). Man könnte nun sagen, daß doch diese seine Thätigkeit eigentlich zu seinem königlichen Amte gerechnet werden müsse; allein indem der Verfasser den erhöheten Christus als den Hohenpriester nach der Weise des Priesterkönigs Melchisedek betrachtet, stellt sich ihm die hohepriester- liche und die königliche Würde Christi im innigsten Vereine dar; sein königliches Wirken ist, wenigstens so- weit es sich auf die Gläubigen bezieht, zugleich ein hohepriesterliches Thau, und unter diesen Gesichtspunkt stellt es der Verfasser, weil seine ganze christologische Anschauung von der Jdee des Hohepriesterthums Christi beherrscht ist. (Riehm.) 11. Davon svon diesem Hohepriesterthum Christi nach der Ordnung Melchisedeks V. 10] hätten wir wohl viel zu reden; aber es ist schwer [euch die Sache so ohne Weiteres klar und an- nehmbar zu machen], weil ihr so unversttindig [worden] seid [naehdem es doch früher besser mit euch stund]. 12. Und die ihr sbei der geraumen Zeit seit dem Bestehen einer jerusalemischen Christengemeinde Apvstgi T, 41 ff.] solliet längst Meister [die An- dere lehren könnten Joh. Z, 10] sein swäret ihr nur aus dem früher eingeschlagenen richtigen Wege fortgeschritten und nicht rückwärts gegangen], bedürfet ihr sin dem gegenwärtigen Stande eurer christlichen Erkenntniß] wiederum, daß man euch die ersten Buchstaben [Gal. 4, 3 Anm.] der gött- lichen Worte lehre sdie ersten und einfachsten Lehren der christlichen Wahrheit Kap. 6, 1 f. euch erst noch beibringe], und daß man sum es gleich- nißweise zu sagen] euch Milch gebe, und nicht starke Speise [1. Cor. 3, 2]· 13. sSo seid ihr denn seit dem Verlust eurer früheren Lehrer Kalb. 13, 7 auf den Standpunkt von Anfängern und Schülern zurückgesunken.] Denn wem man noch Milch geben muß [wie es bei euch der Fall ist], der ist unerfahren in dem Wort der Gerechtigkeit [dem Evangelio von Christo, in welchem die Gerechtigkeit offenbaret wird, die vor Gott gilt Röm. 1, 16 f.]; denn» er ist ein junges Kind sdas starke Speise in Mittheiliing tieferer und schwierigerer Sachen, als die ersten Anfangsgründe sie enthalten, noch nicht verträgt]. 14. Den Vollkommeneii aber [wie ihr dagegen solche sein solltet V. 12] gehört starke Speise, [d. i. solchen Gläubigen] die durch Gewohnheit haben geübte Sinne sein durch fleißige Uebung zur Reife gediehenes Auffassungsvermögen Ephes. 4, 13 f.], zum Unterschied des Guten nnd Des] Bösen* [also daß sie in dem, was sich ihnen von ver- schiedenen Seiten her als geistliche Nahrung dar- bietet, zu unterscheiden vermögen Richtiges und Verkehrtes, Heilsames und Verderbliches 5· Mos. 1, 39; 2. Sam. 19, 35]. Das is. Kapitel. Warnung oor Abfall. llermahinnig zur Oze- siändigläeit I. Darum [weil es mit eurer Altersstellung sich besser verträgt, euch starke Speise statt Milch zu geben] wollen wir die Lehre vom Anfang christ- lichen Lebens [die christliche Lehre in ihren ersten Anfängen oder Elementen, diese Milch für die noch Unersahrenen Kap. 5, 12 f·] jetzt sbei Seite liegen] lassen und zur Vollkommenheit fahren sohne weiteren Utnschweif zu einer Sache fortschreiten, deren Erörterung nur mit Vollkommenen Kap. 5, 14 geschehen kann]; nicht abermal swollen wir Kap. 5, 11 bei euch, gleich als wäret ihr noch Anfänger] Grund legen [damit, daß wir jetzt redeten] von Buße der todten Werke, vom Glauben an Gott swie ein bisheriger, in pharisäischem Werk- dienst aufgewachsener und ohne lebendigen Glauben an Gott gebliebener Jude von jenem Werkdienst zu folchem Glauben sich zu bekehren habe Kap. g, 14; Jak. 2, 19], Z. Von der Taufe [auf den Namen Jesu Christi Apostg. 2, 38 in ihrem Unterschied von den ritnellen Taufen des Mosaismus Kap. 9, 1O und von der johanneischen Taufe l. Joh. b, 6], von der [Apostel-] Lehre sin der die Täufliiige unterwiesen werden Apostg. 2, 42], vom Hände: auflegen sdas bei der Taufe selber dann geschiehet und unter welchem der heil. Geist mitgetheilt wird Apostg. 8,17; 19, 6], von der Todten Auf- erstehung und vom ewigen Gericht [diesen für das christliche Leben so wichtigen Artikeln des Glaubens und der Hoffnung Apostg. 24, 15 f. 25; 26, 23; ]. . [was wir für jetzt einstweilen noch unterlassen] wollen wir [gleichwohl nicht für immer unterlassen, sondern es später] thun fund also abermal bei euch Grund legen, wie ihr’s bediirfet], so es Gott anders Dadurch, daß ihr nicht von Christo abfallet] zuläßt« sin welchem andern Falle wir freilich euch aufgeben müßten und nichts mehr zu eurer Erneuerung thun könnten] 4. Denn es ist unmöglich, daß die, so ein- mal sbei ihrer Taufe durch den entscheidenden Schritt, den sie da gethan haben, zur Erkenntniß der Wahrheit V. Z; 10, 26· 32] erleuchtet sind, und geschmeckt haben die himmlische Gabe sin der Vergebung der Sünden, die sie gefunden, und dem Frieden Gottes, der sich in ihr Herz gesenkt Apostg. 2, 383 Röm. 5, l; Phil. 4, 7] Und theil- haftigJwordeU sind des heiligen Geistes [Apostg· 2, as, Z. Und geschmeckt haben das gütige Wort Gottes sin den so tröstlichen und herrlichen Ver- heißungem die es in sich schließt Jos. 21, 45; Christus der geweissagte Hohepriester nach der Ordnung Melchisedeks. 871 Jerem. 29, 101 und die Kräfte der zukünftigen Welt swomit wir hienieden schon ausgerüstet wer- den, ein göttliches Leben zu führen und tüchtig zu werden zum Erbtheil der Heiligen im Licht Z. Petri 1, 3 ff.], 6. Wo sie [trotzdem] abfallen [in der Weise, daß sie nicht blos den sittlichen Wirkungen der christlichen Wahrheit in dem einen und andern Falle sich entziehen, sondern diese selbst für alle Fälle als solche, die nichts mehr von ihr wissen mögen, aufgeben] und wiederum ihnen selbst sdie vorige Sünde Jsraels Apostg. 2, 22. 36 für ihr Theil erneuernd] den Sohn Gottes krenzigen [in- dem auch sie nun rufen: ,,weg mit Dem, kreuzige thut« Joh. 19, 151 nnd [ihn] für Spott halten [indem sie mit den ungläubigen Juden, zu denen sie sich geschlagen haben, ihn jetzt lästern 1. Tim. I, l5], daß sie sollten wiederum sdurch die Be- mühung eines menschlichen Lehrers, der ja kein anderes Mittel zur Bekehrung hat, als die Heils- predigt von eben Dem, den sie von sich gestoßen haben Kap. 10, 26 f.] erneuert werden zur BnßeM svgl. die Bem. zu 1. Joh. 2, 19]. 7. Denn die Erde shier s. v. a. Land Mal. 4, S; Offenb. 6, 4], die den Regen trinkt, der oft über sie kommt, und bequem szusagend oder willkommen, weil nutzbar] Kraut trägt denen, die sie bauen srichtigerx um deretwillen, in deren Interesse sie angebauet wird], ecnpfiihet Segen von Gott [in zunehmender Fruchtbarkeit Matth. 13, 12; Joh. 15, 2]; 8. Welche aber Dornen und Disteln trägt, die ist untüchtig [erweist sich, indem sie die ge- rechteu Erwartungen täuscht, der ferneren Behand- lung als Ackerland unwürdig Luk. 13, 7; Hof. 10, 8] und [ist nun, weil nur Erzeugnisse des Fluchs 1. Mos. Z, 18 hervorbringend, selber] dem Fluch nahe sdessen Ausführung denn auch nicht lange auf sich wird warten lassen — sie ist eine solche], welche man zuletzt verbrennets [2. Mos. 22, S; Jes. 5, 24; Matth. 22, 7]. T) Mit V. 1—10 war der Verfasser in die Er- örterung des Hohepriesterthums Christi eingetreten; aber schon die ersten Schritte, die er da gethan hat, gewähren uns eine Vorstellung des Jnhaltreichthums der Sache, der auseinander zu legen ist, wenn sie dar- gelegt werden soll. Er kann zwar nicht meinen, daß die gegebenen Winke genügen würden, wenn die Be- schasfenheit der Leser eine andere wäre; aber die Schwierigkeit des vor ihm liegenden großen und weiten Lehrstofss bringt ihm die Beschaffenheit der Leser in Erinnerung und veranlaßt ihn unwillkiirlich zu dieser Abschweifung. Wenn er da schreibt: »aber es ist schwer, weil ihr so unverständig worden seid«, so will er damit besagen, es sei ihm schwer, die rechte Ausdrucksweise oder Fassung zu finden, in welcher er das Vorzutragende zu sagen habe, sintemal — mit diesem Vorwurf muß er leider sie überraschen —- so unverständig (oder wie es wörtlich heißt: ,,stumpfsinnig im Gehör«) sie worden sind. Was die späteren Nazaräer charakterisirt, stockendes Wachsthum der Glieder und in Folge dessen Verkriippelung, das hat unser Verfasser schon an feinen judenchristlichen Lesern beklagen; es fehlt ihnen Gewandtheit und Schärfe der geistlichen Fassungskraft, und zwar, wie das »ge- worden seid« zu erkennen giebt, in Folge Rück- schritts, und da, wie der 12. Vers ausdrückt, eines recht widernatürlichen Rückschritts, der sie, statt daß sie in dem, fester Speise bedürftigen Mannesalter stehen sollten, in das der Milch bedürftige Kindesalter, auf die KatechismusschülewStufe zurückversetzt hat. Feste Speise erfordert, um in Nahrungssaft und Blut ver- wandelt zu werden, kräftigere Verdauung, wie sie der Säugling bei der noch zarten Beschasfenheit seines Magens nicht hat; damit werden solche Erkenntnisse verglichen, welche nicht blos geistliche Empfänglichkeit voraussetzem um leicht angeeignet werden zu bunten, sondern die sich nur mittelst selbstthätiger Intensität geistlichen Denkens auf dem bereits innerlich angele ten erfahrungsmäßigen Erkenntnißgrunde gewinnen lassen, und zu diesen Erkenntnißgegenständen gehört denn auch das Hohepriesterthum Christi und dessen einerseits gegenbildlich aaronitischer, andrerseits verheißungs- gemäß melchisedekischer Charakter. Dergleichen feste Speise, das ist’s, was der Verfasser seinen Lesern vor- wirft, gehört eigentlich für sie nicht, vielmehr sind sie der Milch grundlegenden christlichen Unterrichts be- dürftig; welche Lehrstücke er hierzu rechnet, darüber erklärt er sich hernach in Kap. 6, 1 f., geht er nun aber dennoch von Kap. 7 an näher auf das Hohe- priesterthuni Christi ein, statt jene Anfangslehren zu treiben, so kann das: ,,ihr bedürfet wiederum« nur relativ gemeint sein. Es ist ein Schluß von ihrem Verhalten auf ihre Erkenntniß: wer sich durch die jüdische Aergernißnahme an dem Kreuze Christi und die jüdische Höhnung unsers, der Sichtbarkeit entrückten Heilands und die äußere Pracht des jüdischen Gottes- dienstes schwankend oder irre machen läßt, wie dies in den judenchristlichen Muttergemeinden vorkam, welche ohnehin mittels der nie ganz durchschnittenetc Bande des Ritualgesetzes in bedrohlichem Zusammenhang mit der Synagoge geblieben waren, der zeigt eben damit, daß ihm das lebendige Wissen um die Elemente des Christenthums abhanden gekommen ist und daß für ihn eigentlich nicht feste Speise, sondern Milch gehört. Jndem darauf der Verfasser in V. 13 f. zeigt, wie der- jenige, welcher Milch bekommt, beschafsen ist und wie dagegen diejenigen beschaffen sein müssen, welchen die feste Speise zusteht, hält er mit dieser allgemeinen Er- läuterung den Lesern einen Spiegel vor, um sich selbst- prüfend darin zu besehen. Hätte er da, wie manche Ausleger gewünscht haben, den ersten Satz umgekehrt gestellt: »wer unerfahren ist in dem Wort der Gerech- tigkeit, dem muß man noch Milch geben«, so würde er direkt sagen, daß die Leser solche Unerfahrene seien; es ist aber diese, von der Aussage des folgenden Verses abweichende Ausdrucksweise eine feine Wendung. (Delitzsch.) Der Verfasser will damit die Leser reizen, von selber darauf zu verzichten, daß er wieder die Anfangsgründe der christlichen Lehre mit ihnen treibe, und sie begieri machen nach weiteren Aufschlüssen in Betresf des hö eren Lehrgegenstandes, um den es sich hier handelt; und versetzt man sich lebendig in die Zeitverhältnisse, unter denen er schrieb, so durfte er auch mit Sicherheit darauf rechnen, daß schon das in V. l u. 2 Gesagte, dessen vollkommene Ueber- einstimmung mit dem göttlichen Gesetz ihnen sofort einleuchten mußte, ihrerBegeisterung für den jüdischen Hohenpriester auf einmal den Todesstoß gegeben und ihnen das Gefühl beigebracht habe, daß das aaronitische 872 Ebräer 6, 9. 10. Hohepriesterthum bereits zu dem geraden Gegentheil von dem, was es sein sollte, ausgeartet sei. ,,Der wird gesetzt für die Menschen gegen Gott«: gleich dies Prädikat hatte seit Herodes d. Gr. Herrschaft feine volle Wahrheit dadurch verloren, daß er ganz will- kürlich die Hohenpriester ab- und einsetzte; und zumal in der Zeit der letzten römischen Latidpfleger wurde die hohepriesterliche Würde durch öfteren Wechsel ihrer Jnhaber immer tiefer herabgedrückt (Schlußbem. zum 1. Maccabäerb. Nr. 11, c: Zusatzl Nach Beseitigung Hannas II., fünften Sohnes des in Joh. 18, 13 er- wähnten Hannas, waren in den Jahren 62 — 63 Jesus, Sohn des Damnäus, und in den J. 63—65 Jesus, Sohn des Gamaliel, die fungirenden Hohenpriesterz hatte nun schon Hannas II. gerade gegen die Christen- gemeinde seinen despotischen Charakter in der Um- bringung ihres Vorsteher-J, des Apostels Jakobus II., auf tief verletzende Weise an den Tag gelegt, so führte Jesus, Sohn des Damnäus, mit seinem Nachfolger Jesus, Sohn des Gan1aliel, förmliche Straßenkämpfe auf, weil er diesem das von Agrippa II. ihm entzogene Amt nicht utwillig abtreten wollte, der frühere, in Apostg. 23, u. 24, l erwähnte Hohepriester Ananias, Sohn des Nebedäus, aber trieb es noch toller, indem er durch seine Knechte den Priestern den Zehnten von den Tennen wegnehmen und» diejenigen, welche sich etwa widersetzten, mit Schlägen behandeln ließ. Da war denn auch das andere Prädikat: »der da könnte mit leiden über die, so unwissend sind und irren« in der schmählichsten Weise zu Schanden geworden; und nicht ohne bestimmte Absicht hat wohl der Verfasser, als er in Kap. 4, 14 ss. von dem großen Hohenpriester redete, der da Mitleiden haben kann mit unsrer Schwachheit, dessen Namen in dieser Weise bezeichnet: ,,Jesus, der Sohn Gottes«, es mußte ihnen der Un- terschied desselben von Jesu, dem Sohn des Damnäus, und von Jesu, dem Sohn des Gamaliel, von selber in die Augen springen, auch wenn er auf diese nicht näher Bezug nahm. Und wenn nun das den Lesern noch eine Sache war, in die sie sich nicht zu— finden vermochten, daß ihr Hoherpriester Jesus, der Sohn Gottes, nicht aus Aarons, sondern aus Davids Ge- schlecht stammte, so hat er in die Nacht ihrer ver- worrenen Gedanken als ein Licht, das die Finsterniß vertreiben soll, bereits die beiden Worte hineinleuchten lassen, die er in V. 5 f. anführte, und will nun das zweite, das er in V. 10 wiederholt hat, in seiner vollen Bedeutung und nach seinem ganzen Umfange hernach ausführlich erläutern; er hat da gewiß sich nicht verrechnet, wenn er vor-aussetzt, daß sie nicht mehr ,,stumpf sind am Gehör«, wie es in V. 11 statt »so unverständig« eigentlich heißt, sondern begierig, starke Speise zu empfangen. Er darf aber auch erwarten, daß gerade die starke Speise, die er ihnen darzubieten im Begriff steht, viel besser dazu dienen wird, ihnen die Milch wieder lieb und werth zu machen und sie für das Wort der Gerechtigkeit auf’s Neue zu begeistern, in welchem sie in der letzten Zeit sich so unerfahren gezeigt haben, als wenn er die Milch selber ihnen vorsetzen und die Lehre vom Anfang christlichen Lebens mit ihnen jetzt treiben wolltex daraus erklärt sich, was er in Kap. 6, If. sagt, welche Stelle nicht wenigen Auslegern noch ziemlich dunkel geblieben zu sein scheint. Die Epistel ist ohne Zweifel nicht lange nach dem Märtyrertode Jakobus II. zu Ostern des J. 62 (Anhang II. zum S. Bande: b, 3), etwa, wie wir an- enommen haben, im Juli des J. 63 n. Chr. ge- Pchriebem nur von jenem Tode ab läßt sich der hier in Rede stehende Rückgang der jerusalemischen Ge- meinde, ihr unverständig-Gewordensein datiren, aber mit»ges»chickter· Hand hebt sie der Verfasser über die Ijzjahrige Episode ihres Abfalls von dem früher ein- genommenen Standpunkt hinweg, versetzt sie auf den- selben zurück und redet nun mit ihnen als solchen, mit denen es noch also steht, wie damals, als ihr Bischof sie leitete. Der Verfasser hat von den Lesern nicht gesagt, bemerkt v. Hofmann, daß sie unmündige Kinder seien, die noch im Anfange christlichen Lebens stehen, sondern daß sie, während sie lange genug be- lehrt sind, um Lehrer zu sein, in die Verfassung ge- rathen sind, der Nahrung unmündiger Kinder zu be- dürfen, statt deren sie als Erwachsene feste Speise zu ihrer Nahrung haben müßten; er kann also nicht als mit Unmündigen mit ihnen handeln und sie das lehren wollen, was man diejenigen lehrt, die Christum erst kennen lernen sollen, sondern es muß ihm darum zu thun sein, sie über die Verfassung, in die sie gerathen sind, hinaus und auf den Standpunkt zu erheben, den sie einnehmen sollten. W) Als das, worin der Grundbau bestehen würde, wenn er sich jetzt damit beschäftigen wollte, benennt der Verfasser vor allem Buße oder Sinneswandlung, die vom todten Werke sich abtoendet, und Glauben, der sich Gott zuwendet. Nicht die hiervon handelnden Lehrstiicke nennt er, sondern dies selbst, daß man an- deren Sinnes und gläubig wird; denn der Bau, dessen Grundlegung nicht wieder geschehen soll, ist die Her- stellung eines Christenstandes und nicht die Ausführung eines Lehr ebäudes Der Ausdruck: »die todten Werke« um aßt alles Thun, welchem kein Leben aus Gott innetoohnty der Verfasser gebraucht den Ausdruck, um unter das, wovon sich abzukehren des Christen- lebens Anfang ist, auch alles gesetzliche Thun des natürlichen Menschen mit zu befassen, die Abkehr aber von allem Thun des natürlichen Menschen, es sei Gesetzesbruch oder Gesetzlichkeih ist zugleich gläubige Zu- kehr zu Gott, daß mark-Zu ihm, dem Lebendigen, auch gern in ein lebendiges rhiiltniß treten möchte (Apstg. , 37; 9, S; 16, 30), undbeides zusammen, jene Ab- kehr und diese Zukehr, führt bis auf die Schwelle des Christenthums. Was hierauf in V. 2 genannt wird, Zählt man, indem man die ersten beiden Worte: Taufe, ehre mit einander entweder zu dem Begriffe: »Tauflehre« oder zu dem: ,,Lehrtause« verbindet, in der Regel als 6 Lehrstücke, von denen immer je zwei ein Paar bildeten, so daß also drei Paare zu unter- scheiden wären; wir ziehen es aber vor, bei Luther’s Uebersetzung zu bleiben, und erkennen in der Auf- zählung der 7 Stücke den Verfasser der Apostelgeschichte wieder, wie er in diesem Buche die Grundlegung der judenchristlichen Gemeinde in Jerusalem beschrieben hat. Die dreitausend am Tage der Pfingsten ließen sich taufen, blieben beständig in der Apostel Lehre, hatten unter Handauflegung den heil. Geist empfangen und warteten nun, wie das auch Paulus, ebenfalls ein Judenchrist, von sich bezeugt, auf die Auferstehung der Todten und das zukünftige Gericht, in welcher Hoffnung denn sie sich übten, zu haben ein unverletzt Gewissen allenthalben, beide, gegen Gott« und die Menschen, wozu sie die Anleitung in Mosis Gesetz fanden, das sie darum in den jüdischen Schulen alle Sabbathtage noch mit anhöreten(Apostg.15, 21), was sie aber nun nicht mehr nach den Satzungen der Ael- testen, sondern nach Christi Auslegung in der Berg- predigt (Matth. 6, 20 sf.) verstanden, indem sie ja von den todten Werken Buße gethan und an Gott gläubig geworden waren. Jn dieser Weise hat sie Jakobus 1I., der Gerechte, geleitet, wie das seine Epistel beweist; und auch der Verfasser unsrer Epistel will in diese Grundlage ihres Christenthums sie wieder einführen, Die ihr solliet längst Meister sein, bedürfet, daß man euch Milch gebe und nicht starke Speise. 873 wenn zunächst mit seinem hier vorliegenden Schreiben « es ihm gelingt, sie vor dem Abfall von Christo und dem Riickfall in’s Judenthum zu bewahren. Ein schweres Gericht würde sie treffen, wenn es zu einein solchen Abfall und Rückfall bei ihnen käme: das ist’s, worauf er in V. 4—8 sie hinweist. Er hat aber, wie er in V. 9—20 zu erkennen giebt, ein gutes Ver- trauen zu ihnen, und stellt daher in Kap. 13, 19 U. 23 sein baldiges Kommen zu ihnen in Begleitung des Timotheus in Aussichtz jedenfalls hat er dieses Ver- sprechen, nachdem er zuvor, wie wir annehmen, zu Antiochia in Syrien mit dem Apostel Johannes eine Zufammenkunft gehabt und diesen im Auftrage des nun heimgegangenen Paulus zur Uebersiedelung iiach Ephesus vermocht hat, seiner Zeit auch erfüllt und da einen solchen Einfluß auf die Gemeinde geübt, daß er sie nachher, als im Oktober des J. 66 die Stunde für sie herbeigekonimen war, nach der Weisung des HErrn Jerusalem und das jüdische Land zu verlassen (Luk. 21, 20 ff.), von dort ausführen und in Pella, dem Ort seiner eigenen Heimath, in Sicherheit bringen konnte. Wir halten, wie schon mehrfach angedeutet worden und auch »in dem für diesen Brief zum Motto ge- wählten Ausspruch des Origenes diese Meinung zum Ausdruck kommt, den Lukas für den Verfasser des Brief-s: in diesem hat des Paulus Schule mit dem, was der Brief über Christi Person und. Amt darlegt, zu dem in V. 1 f. auf feine Weise dargelegten seit; herigen, besonders von Jakobus II. gepflegten Christen- stande der hebräischen Gemeinden, der aber noch nicht ausreichte, das Judenthum zu überwinden und sich von ihm zu emancipireiy hinzugetham was demselben noch mangelte (v l. Rönm I, 11). IN) Die Epis el an die Ebräer, schreibt Luther, hat einen harten Knoten, daß sie am 6. und 10. Kap. stracks verneint und versaget die Buße den Sündern nach der Taufe, und in Kap. 2, 17 spricht, Esau habe Buße gesucht und doch nicht fanden, welches, wie es lautet, scheinet wider alle Evangelien und Episteln Pauli zu sein; und wiewohl man mag eine Glosse darauf machen, so lauten dorh die Worte so»klar, daß ich« nicht weiß, ob’s genug sei. Indessen hat der hier- mit ausgesprochene Zweifel an der schriftmäßigen Wahrheit und Zuverlässigkeit dessen, was der Ver- sfasser sagt, keine Berechtigung; gleichwie Luther hier die Ausdrücke: ,,abfallen und wiederum ihnen selbst den Sohn Gottes kreuzigen und für Spott halten« ohne nähere Unterscheidung auf alle groben Sünden bezieht, die ein Getaufter und Wiedergeborener begeht, wäh- rend doch sehr bestimmt nur von der Sünde des förm- lichen Sichlossagens von Christo und des Preisgebens desselben an die, die seinen Namen lästern und sein Reich zu zerstören trachten, die Rede ist, so werden wir auch an den beiden andern Stellen erkennen, daß die von ihm geübte Kritik im Zusammenhange steht mit einer mangelhasten Auffassung des Wortlauts, wir werden aber gut thun, diese Stellen selbst erst ab- zuwarten, ehe wir uns eingehend mit der Sache selber, mit der Unmöglichkeit einer Wiedererneuerung nach geschehenem qualificirten Abfall von Christo, und mit den verwandten Materien der Sünde zum Tode 1. Joh. 5, 16 f. und der Sünde wider der heil. Geist (Matth. 12, 32 Anm.), beschäftigem Vgl. zu Luk. 14, 33. f) Wie in den Parabeln des Jesaia (Kap. 5, 1—6; 28, 23 ff.) und der Evangelien, so ist es auch hier: das Abgebildete verräth sich schon durch den aus dem Bereich des Natürlichen in den des Ethischen hinüber schwankenden Ausdruck, welcher weniger der abgebildeten als der verbildlichten Sache entsprichr Das Acker- land, auf das der Verfasser sein Absehen hat, ist die · Christengemeindq die, die es bauen, sind die Ver- kiindiger des Worts und Diener feiner Geheimnissex diejenigen, für die sie dieses Ackerland bestellen, sind Gott und sein Sohn, der sein Erbe (Kap. 3, 9; 1. Cor. Z, 9); der Regen von oben ist ein Bild der mannig- faltigen göttlichen Gnadetierweisungem welche in V. 4 f. entfaltet sind und deren inwendiges Erleben der Aus- druckx »den Regen trinken« versinnbildet, und daß der Regen in der Richtung auf dieses Ackerlaiid oftmals« ergeht, will sagen, daß die göttliche Gnade eine der Gemeinde in der Gesammtheit ihrer Glieder und je und je sich zu erfahren gebende»ist. Entspricht nun solcher Gnade Gottes und Arbeit seiner Knechte die Lebensbethätigung der Gemeinde, so bleibt sie gesegnet und wird es mehr und mehr; im Gegenfalle ist sie reif für das Gericht, welches ihre Uiitüchtigkeit verwirkt hat. Möglich, daß dem Verfasser bei dem Worte: »dem Fluche nahe« prophetisch das nahe Feuergericht über Jerusalem vorschwebt, welches mit der ungläubigen jüdischen Volks1nasse, die das Kreuzige geschrien, zugleich die gläubig gewesenen, aber zurückfallendenJudens christen hinraffen würde. (Delitzsch.) Da in V. 8 zu den Worten: ,,welche aber« aus dem vorigen Verse hinzuzudenken ist: ,,nachdem sie den Regen getrunken, der oft über sie gekommen«, so fcheint uns eine An- spielung auf das nahe Feuergericht über Jerusalem nicht blos möglich, sondern von deni Verfasser geradezu beabsichtigt; nur so erklärt sich auch der eigenthümliche Ausdruck am Schlusse: ,,welche man zuletzt verbrennet«. Jst aber mit dem Gegensatze in V. 8 auf das un- gläubig gebliebene Bundesvolk des alten Testaments angespielt, so kann das Ackerland, auf welches V. 7 hinweist als auf ein solches, das da bequem Kraut trägt denen, für welche es angebaut wird, und Segen von Gott empfängt, nicht füglich die jerusalemische Christen- gemeinde für sich selber sein, wenigstens nicht in ihrem dermaligen Stande, wo sie ja im Begriff stehet, als untüchtig sich zu erweisen, sondern nur diejenige Christenheit, welche nach dem Worte des HErrn in Matth 21, 41 u. 43 die Zukunft für sich hat, die heidenchristliche Kirche: bisher hat gegen diese die jerusalemische Gemeinde sich sehr zurückhaltend, ja fast abgeneigt gezeigt (Kap. 1, 4 Anm. unter N; hätte sie, statt allzusehr mit ihren Brüdern nach dem Fleisch zu shmpathisiren, besser mit ihren chrisilichen Brüdern in der Heidenwelt zusammengehaltem so würde sie jetzt nicht so haltlos dastehen, sondern wissen, wo sie An- schluß suchen soll. Der Verfasser legt ihr nun aber diesen Anschluß nahe: sie hat ihn da zu fuchen, wo das von den Juden genommene Reich Gottes nun hingezogen ist und wo man bereits seine Früchte bringt. 9. Wir versehen uns aber, ihr Liebsten, Besseres zu euch [als daß es mit euch einen so schrecklichen Ausgang nehmen sollte, wie in V. 8 angedeutet wurde], nnd daß die Seligkeit [euch] näher sei sals das Verderben, auf das wir da hinwiesen], ob wir wohl also reden [wie in V. 3 ff. geschehen, wo wir von einem rettungslosen Zu- stande sprachen, der niöglicherweise uns verhindern könnte, abermal Grund bei euch zu legen]; 10. Denn Gott ist nicht ungerecht, daß er vergesse eures Werks sdas ihr durch Standhalten in schlimmer Zeit aiisgerichtet] und seurer] Arbeit der Liebe, die ihr bewiesen habt an seinem Namen, da ihr den sdiesen Nameii an sich tragenden Apstg. 15, 17] Heiligen [in ihren Nöthen mit Hilfleistung 874 Ebräer allerlei Art Röm. 12, 8 u. I. Cor. 12, 6 Anm.] dienetet und sihnen auch jetztJ noch diene» [Kap. 10, 32 ff., sondern wird euch das damit lohnen, daß er nun auch euch in der Anfechtung darreicht, was euch auf dem Heilsweg erhalten und fördern kann Matth. 10, 42; Mal. 4, 16 ff·]. 11. Wir begehren aber sdamit das, dessen wir uns zu euch versehen, fich auch verwirklichen möge], daß euer jeglicher denselbigen Fleiß sden ihr in Beweisung der Liebe an den Tag gelegt habt, auch in dem Stücke] beweise, die Hoffnung fest zu halten bis an’s Ende [Kap. Z, 6. 14], 12. Dasi ihr nicht wankel [d. i. wankelmüthig, unbeständig —- wenn die jetzigen Bibelausgaben die Lesart: ,,träge« vertreten, so hat das Wort des Grundtextes zwar diese Bedeutung auch, aber Luther hat so nicht überfetzt, sondern anderwärts ,,lässig« dafür geschrieben] werdet, sondern sunter den schwierigen Verhältnissen der Gegenwart, die noch weit davon entfernt ist, den reichen, herr- lichen Jnhalt dessen, was Gott denen bereitet hat, die ihn lieben, in entfalteter Wirklichkeit darzu- stellen, und also allerdings leicht eine Erschlafsung und Ermattung der Hoffnung bewirken kann] Nachfolger derer fin der Christenheit] die durch den Glauben und Geduld [Col. 1, 11; Jak. s, 7 f·] ererben die Verheißungentt [Phil..3, 1·7]. 13. sUnd da gilt es nun, daß ihr in’s Auge fasset, wie fest diese Verheißungen uns ver- bürgt sind, und darauf hin durch nichts, wie be- denklich und bedrohlich es auch scheinen mag, in der Hoffnung auf dieselbigen euch lasset irre machen.] Denn als Gott Abraham verhieß, da er bei keinem Größern zu schwören hatte, schwur er bei sich selbst, 14. Und sprach: Wahrlich, ich will dich segnen und fdurch Verleihung einer zahlreichen Nach- kommenschaft I. Mos. 17, Z] vermehren [1. Mos. 22, 15 ff·]. 15. Und also [darauf hin, daß Gott in solch zuverlässiger Weise ihm die Verheißung verbürgt hatte] trug er Geduld und erlangte dieVerheißungttt [indem er noch den Anfang ihrer Erfüllung er- lebte und den Tag Christi allbereits im Geiste schauete Kap. 11, 12; Joh. 8, 56]. 16. Die Menschen schwören wohl bei einem Größern, denn sie find; nnd der Eid macht ein Ende alles Haders sdaß ein Widerruf der be- schworenen Aussage oder eine Zurücknahme der beschworenen Zusage nun nicht mehr statt hat], dabei [namentlich wenn es fich um eine Zusage oder Versprechen handelt] es fest bleibt Unter ihnen; 17. Aber Gott lobwohl er in der Weise der Menschen V. 16 eigentlich nicht schwören kann, indem er ja keinen Größeren über fich hat V. 13], da er fdennoch in herablasfender Liebe zu der menschlichen Schwachheitj wollte den Erben der Z, 11——2l). Verheißung [von denen in V. 12 die Rede war] überschwänglich beweisen fauf noch nachdrücklichere Weise, als es.mit dem bloßen Wort der Ver- heißung schon geschehen, denselben zu wissen geben], der Menschen, ein Zusagewort wider allen Zweifel mittels des Eides fest zu machen V. 16b, fich anschließend und gleichsam zu fich selber als dem Höheren aufblickend, in Pf. 110, 4 ebensowohl, wie vordem in 1. Mos. 22, 16] einen Eid dazu gethan szu seinem Verheißungswort, das er dort redete, gleich als genüge dies Wort noch nicht für fich allein, sondern bedürfe erst noch zu seiner Zuverlässigkeit der Anrufung des Zeugen im Himmel] 18. Auf daß wir dnrch zwei Stücke seiner- seits durch das gegebene Wort und andrerseits durch den dazu gethanen Eid], die [beide] nicht Wanken [daß sie jemals hinfällig werden sollten] — denn es ist unmöglich, daß Gott lüge sschon wenn er einfach etwas zusagt, geschweige, wenn er überdies seine Zusage beschwört Tit. 1, Z] — einen starken Trost haben fwider alles Aergerniß, das uns etwa der Abstand der schlimmen Gegen- wart von dem so herrlichen Verheißungsinhalt bereitet] die wir Zuflucht haben und halten an der angebotenen Hoffnung [Col. 1, 5]; 19. Welche [Hoffnung] wir haben als einen sichern und festen Anker unsrer Seele san dem sie ihren Halt hat in den Stürmen des irdischen Lebens], der auch fwie mittels eines Taues, daran er befestigt ist] hinein gehet in das Jnwendige des Vothangs fin das hinter dem Vorhang befind- liche Allerheiligste des Himmels Kap. 9, Z. 24], 20. Dahin der Vorlcinfer [Kap. 12, 2; Joh. 14, 2 f.; 12, 261 für uns eingegangen [Kap. 4, 14], Jesus, snach dem in Kap. 5, 10 Gesagten] ein Hoherpriester worden in Ewigkeit nach der Ordnung MelchisedekH V) Die bei Paulus häufige Anrede: ,,ihr Lieben« findet fich in unserm Briefe nur an dieser Stelle, wo bei dem Verfasser, nachdem vorhin seine Rüge fich auf’s Höchste gesteigert, seine hoffende Liebe hindurch- bricht und er mit den Worten: ·,,wir versehen uns aber des Bessern zu euch« nachdrücklich seine Ueber- zeugungs ausspricht, daß es mit den Lesern nicht zu dem Entsetzlichen kommen werde, welches er eben ge- schildert hat; diese Ueberzeugung gründet sich bei ihm auf Gottes Gerechtigkeih d. i. auf die, mit feiner Treue unzertrennlich verbundene Angemessenheit seines Ver- haltens (1.Joh. l, 9), welche es als unmöglich er- scheinen läßt, daß er seinen Gnadenbeistand denen ent- ziehe, welche in ihrem Leben, Wandel und Verhalten die Wahrheit und Kraft ihres Glaubens und den Ernst ihrer Bekehrung schon offenbart haben und noch offen- baren. (Moll.) Gott beweist fich als gerecht, nicht nur wenn er Fluch und Strafe verhängt über die, welche trotz, der empfangenen Gnadengaben arge Früchte bringen, sondern auch wenn er diejenigen, welche gute Früchte gebracht haben, weiter segnet. Er kann es nicht vergessen, daß die Ebräer, an welche die Epistel daß sein Rath nicht wankte, hat et san die Weise] Doch wollen wir die Anfangslehren jetzt lassen und zur Vollkommenheit fahren. 875 gerichtet ist, ihren Glauben in einer gottseligen Hand- lungsweise und besonders in Werken der Liebe be- thätigt haben, denn er ist nicht ungerechtx nach einer in seinem Wesen und Willen gegründeten Nothwendig- keit muß er dies Verhalten dadurch belohnen, daß er auch ferner das Seine thut, um sie im Besitz, des Heils zu erhalten. Die sichere Erwartung, daß Gott nach seiner Gerechtigkeit denen, die ihn suchen, ein Vergelier sein werde, betrachtet der Verfasser in Kap. 11, 6 u. 26 als ein wesentliches Moment des Glaubens an Gott; welcher Art aber das Verhalten der Ebräer gewesen, dessen Gott nach seiner Gerechtigkeit ihnen gedenken werde, ersehen wir aus Kap. l0, 32 ff., nach welcher Stelle dieselben wirklich schon schöne Beweise eines in Verfolgung ausharrenden und in der Liebe sich bethätgizgenden Glaubens gegeben hatten. (Riehm.) Aus den orten: ,,da ihr den Heiligen dientet und noch dienet« hat man, da »die Heiligen« in solchem Zusammenhange nur Bezächnung der palästinischen und insbesondere jerusalemischen Christen sein kann (vgl. Kap. 13, 24 und die Bem. zu Philem. V. 7), geschlossen, daß der Brief nicht selbst an die palästi- nischen und insbesondere jerusalemischen Christen ge- richtet sein könne; aber dieser Schluß ist nichtig, denn die jerusalemischen Christen waren nicht alle arm (Röm. 15, 26s, und die Geschichte der Kirche beginnt mit dem großartigsten Beispiel dpferfreudiger Liebe« welches die jerusalemische Gemeinde zum Besten der Armen in ihrer eigenen Mitte gab (Af3ostg· 4, 32»ff.). Uebrigens waren die unterstutzungsbedurstigen Bruder er nieein eie e oen an. ei . Zurcksiiisz-Mäsk-zikYFtkkfApssstgfklH,Vkssistzsiis »Es) An das, was er in Bezug auf die Leser hofft, kniipft der Verfasser nun dasjenige, was er von ihnen geleistet zu »seh»en wünschtx es ist da das ,,euer jeg- lichex nachdrucklicher und bezeichnenden als das bloße ,,ihr«, es wird einerseits damit angedeutet, daß die innige Theilnahme, die der Verfasser für die Leser fühlt, auf jeden Einzelnen unter ihnen sich erstreckt, andrerseits aber liegt darin, daß, wenn auch etwa Ein- zelne unter »den Leserii der»hier ausgesprochenen For- derung bereits geniigen mogen, es eben» darauf an- kommt, daß ein jeglicher von ihnen so, wie angegeben wird, sich verhalte. (Lüneni»ann.) Es verlangt ihn, sie, und zwar ljedweden von ihnen, den gleichen Eifer, wie in der Liebe, so auch in der Hoffnung bis zu Ende er eigen zu sehen; sie sollen darauf aus sein, in der Hosfznung vollgewiß zu werden, und »in diesem Ziff? kåeharzen nisstzu Enjdm ssolasiågle fefben ddie Zeitddes o en wa r, on wur en ie a wer en, in ein nur die Spannung· des Gemüths, mit der sie in der Hoffnung voll gewiß zu werden trachten, davor be- wahrt, daß ihnen die Kraft erlahmt, deren sie be- dürfen, umunter allen Anfechtungen auszuhaltein Wenn der Verfasser sie darnach ermahnt, sich die Nach- folge derer angelegen sein zu lassen, die durch den Glauben und Geduld ererbeii die Verheißungen, so sind die so Bezeichnetem denen sie es nachthun sollen, unter den Mitchristen zu suchen; es sind solche ge- meint, deren Glaube und Geduld »— der Glaube, Zer sich Des Tserheifnengkn Iinißll ist, undchdie Geguld, ie im ar en au ie rü ung ni t ermü et — der Gegenwart angehören. (v. Hofmannh · IN) Der« Verfasser knüpft seine Rede an den feier- lichsten Akt in Abrahams Leben, an die Geschichte von Jsaaks Opferiing. Schon vorher hatte Abraham Gottes Verheißung (l·. Am. 12, 2 f.;»»1:), 5; 1»-, 4zff.; lsåclsz knber alle diFse Cgottcssvfeorheikåzunglzen scheinen zu an en zu wer en iir en ee : ,,ninim Jsaak, deinen einigen Sohn, den du lieb hast, iind gehe hin in das Land Morija und opfere ihn daselbst zum Brandopfer auf einem Berge, den ich dir sa en werde« Abraham ist bereit zu thun, was der H rr will, und hofft dennoch; nun erhält er außer Gottes Verheißungen, die er bereits hatte, auch noch Gottes Schwur (vgl. V. 18), und also, nämlich Gottes Verheißung und Gottes Schwur hinter sich, trug Abraham Geduld, er hielt muthig an dem fest, was Gott ihm zugesagt und geschworen hatte. Auf diesem Wege erlangte er wirklich, zum Theil schon in diesem Leben, zum Theil in jenem Leben und von dort aus, was der Inhalt der Verheißungen ist. (Fricke.) Nach- dein er den Sohn der Verheißung wie aus dem Tode zurückempfangem erlebte Abraham die Erfüllung jenes ,,ich will dich segnen und vermehren« in ihren An- fängen; denn er erlebte sowohl die Gebiirt Jakob- Jsraels (1. Mos. 25,-19 sf.), als die Vermehrung Jsmaels und der Söhne von Ketura (1. Mos. 25, 12fs. I ff.). Nach seinem Ausspruch in Kap. 11, IZfE denkt aber der Verfasser wohl noch mehr daran, da das 175. Lebensjahr, in welchem Abraham starb, nicht das Ende seines Lebens war, wie er ja in Kap. 11 uns einen so tiefen Blick thun läßt in das Sehnen der Patriarchen und dessen jenseitige Befriedigung. Ge- schichtlich erfüllt hat sich die Verheißung zunächst darin, daß Abraham durch den Sohn der Verheißung der Ahnherr Jsraels, des Volkes der Verheißung ge- worden, und dann weiter darin, daß diese alttestament- liche Gottesgemeinde im neuen Testament durch die Einverleibung der Gläubigen aus allen Völkern der- gestalt anwächst, daß Abraham nun nicht blos Ahnserr Jsraels, sondern als solcher zugleich, wie die er- heißung besagt (1. Mos. 17, 5), vieler Völker Vater, oder, da es sich iiicht sowohl um Fortpflanziing seines Fleisches, als seines Segens handelt, vieler Gläubigen Vater (Röm. 4, 9 ff.) ist; das neutestameiitliche all- gemeine und wesentliche Heil aber ist die jenseitige Freude der alttestamentlichen Patriarchem und so weiß sich drüben, ini jenseitigen Leben, Abraham, indem er als Ahnherrn der aus Israel hervorgewachsenen und aus allen Völkern angewachsenen und fort und fort« aiiwachsenden Gottesgemeinde sich weiß, nun im Besitz, des Verheißenen, im Besitz des Lohnes seiner hienieden bewiesenen Geduld. (Delitzsch.) s) Daß der Verfasser von V. 16 an nichtmehr an dein, in V. 13——15 vorgeführten Faktum der dem Abraham gegebenen und von ihm auch erlebten Ver- heißung haftet, sondern vielmehr zii der Mahnung in V. 12 zurückkehrt und dieselbe durch das aus V. 13 ——15 gewonnene Resultat verstärkt, zeigt sich schon in der Wiederaufnahme nahezu desselben Ausdrucks, den er dort gebraucht hatte, wenn er in V.17 von ,,Erben der Verheißung« redet; ferner darin, daß er nicht mehr von einem, sondern von vielen Erben spricht und den- selben in V· 18. 19 u. 20 ein »wir« und ,,uns« sub- gtituirt (Kurtz.) Er sagt nun, Gott habe sich dies, aß die Menschen schwören und im Eide eine alle Widerrede ausschließende Bekräftigung sehen, dazu wollen dienen lassen, den Erben der Verheißung, die er hier im Sinne hat, die Unwandelbarkeit seines Willens noch reichlicherz als sonst der Fall wäre, dar- zuzeigen, und sich deshalb mit einem Eide mittlerisch verbürgt für seine Verheißung: lassen die Menschen, wenn sie einer dem andern etwas versprechen und es bei Gott beschwörem ihn zwischen sich in’s Mittel treten (1. Mos. Si, 50), so ist er zwischen sich selbst, dem Verheißenden, und den Erben der Verheißung mit einem Schwur ins Mittel getreten. Dies ist aber nicht der Schwur, niit welchem Gott dem Abraham die ihm gegebene und, namentlich wie der Verfasser sie 876 Ebräer 7, 1—9. anführt (,,dich vermehren«), nur auf ihn persönlich lautende Verheißung bekräftigt hat (V. 13f.), wie denn auch diese Verheißung nur ihm und sonst nie- mand sich erfüllen konnte und nach V. 15 auch wirk- lich schon ihm erfiillt worden ist; sondern es ist von einem Schwur in Betrefs der den neutestamentlichen Gläubigen gegebenen Verheißung die Rede, und da nun Gott ihnen mit solchem Schwur gethan hat, wie dem Abra"ham, nämlich seine Verheißung mit einem Eide bekräftigt, so sollen auch sie thun, wie Abraham gethan hat, auf solche eidliche Bekräftigung hin Geduld tragen, bis sie die Verheißung erlangen. (v. Hosmannh Die dem Abraham gegebene Verheißung deren Er- füllung zur Zeit, als der Verfasser schrieb, in vollem Schwange ging, war es nicht, an deren eidliche Ver- biirgung die Hebräer gemahnt zu werden brauchten; vielmehr denkt er an ein anderes, gleichfalls beschwo- renes Gotteswort (vgl. Kap. 7, 20 ff.), welches er, als er in diese episodische Rüge, Warnung und Er- mahnung einlenkte, aus den Lippen hatte (Kap. 5, 10); das will er den Lesern entgegenhalten, um ihre klein- müthig ermattende Hoffnung emporzurichten, und steuert denn hier mit vollen egeln dem durch einen göttlichen Eid bekräftigten Gotteswort vom Priester- thum Christi zu. (Delitzsc«h.) Mit den Worten: »die wir Zuflucht haben und halten an der angebotenen Hosfnung«, die als Apposition zu dem »wir« am An- fang des Verses: »auf daß wir durch zwei Stücke . . . einen starken Trost haben« hinzutreten, wiederholt der Verfasser noch einmal die Bedingung, unter welcher man an der, an sich und objektiv sicheren Verheißung subjektiven Antheil erhält; er will damit die Leser erinnern, daß sie alle falschen judaistischen Stützen ihrer Heilshossnung als eben so viele Versuchun en und Versührungen zu fliehen und ihren Blick a ein auf das unsichtbare Ziel der in Christo verheißenen künf- tigen Herrlichkeit zu richten haben. (Ebrard.) Die Christen haben erkannt, daß sie als in der größten Noth und Gefahr befindlich keinen Augenblick davor sicher wären, dem Verderben zu verfallen; aber sie haben auch das Rettnngsmittel erkannt, welches Gott dem Menschen darbietet, damit er es ergreife und da- durch in dieser Welt der Gefahren und der. Bedrängnisse beruhigt werde über sein Schicksal, gesichert vor dem Untergange und vollkommen und für immer gerettet aus aller Noth. Dies Rettungsmittel ist die durch die Verheißung Gottes dem Menschen nahe gelegte Hoffnung; sie fest zu ergreifen, dazu haben die Christen ihre Zuflucht genommen: wie sollten sie da diese Zuflucht wieder verlassen, um auf’s Neue wieder der Gefahr des Verderbens preisgegeben u sein, be- sonders da sie an der beschworenen Verheiszung Gottes eine doppelte Biirgschaft dafür haben, daß ihre Hoff- nung sie nicht trügen kann! Von dieser Christenhofp nung sagt der Verfasser hierauf, um ihren unschätz- baren Werthvfiir Zeit und Ewigkeit seinen Lesern noch mehr zum ewußtsein zu bringen, wir hätten an ihr einen zuverlässigen und festen Anker der Seele, der in das Jnwendige des Vorhangs, d. i. in das himm- lische Allcrheiligste hineindringe, wohin Jesus, der neutestamentliche Hohepriestey als Vorläufer für uns eingegangen sei. Der Christenhoffnung haben wir es u danken, daß unsre Seele in den Gefahren und edrängnissen dieses irdischen Lebens nicht haltlos hin- und hergeworfen, nicht von Sorge und Angst in beständiger Unruhe unchergetrieben werden, nicht in trostlose Verzweiflung Versinken und darin verderben kann; sie ist ein star er, zuverlässiger Anker, der unser Schisflein aus dem wogenden Meere des Weltlebens so festhält, daß der Sturm ihm nichts anhaben kann, daß die Wellen an ihm sich brechen müssen und daß es vor aller Gefahr des Schiffbruchs gesichert ist, ein Anker, der freilich nicht hinabgesenkt ist in die ver- borgenen Tiefen des Meeresgrundes, der aber hinein- reicht in die verborgenen Tiefen des himmlischen Allers heiligsten. Aufwärts in das himmlische Vaterland hat unsere Seele ihren Hoffnungsanker geworfen, in das Land, das in unwandelbarer Ruhe hoch über dem wogenden Meere des irdischen Weltlebens liegt, in die heilige und selige Wohnstätte Gottes, wo der Thron der nade steht und wo unser treuer und barmherziger Hoherpriester uns fiirbittend vor Gott vertritt und uns als Herzog unsrer Seligkeit unser ewiges Heil für immer gesichert hat. (Riehm.) Es sind in V. 19 f. zwei Bilder, das eine vom Meer, das andere vom empel, so mit einander verbunden, daß der Verfasser den Rückgang zu seinem Thema gewinnt. Der Anker (vgl. Apostg. 27, 29 f. 40) findet sich oft bei klassischen Schriftstellern und auf Münzen des Alterthums als Sinnbild der Hoffnung. (Moll.) Das 7. Kapitel. Vergleichung Christi mit Melchisedek. b. V. 1——28. Indem« der Verfasser sich an eine Aus« einandersetzung dessen begiebt, was das tiefste: ,,Jefus, ein tjoherpriester worden in Ewigkeit nach der Ord- nung Melchisedek-«, reproducirt er zunächst, was die alttestamentliche Urgefctsictite iiber das Priesterthuui des iyorbildlictjesi Melchisedek berichtet, entwickelt daraus dessen ideelles Verhältnis! zu dein später auf« tretenden levitiscljen priesterthnni nnd legt lo dar, wie in vorausbezeichnender Weise schon jenem der Vorrang vor diesen: aulgegrägt sei; er geht dabei von der richtigen Voraussetzung aus, das) ein und dieselbe priesteridee im Verlaufe der heilsgeschichle zuerst an Mclihisedeß in vorläufiger, unvolliiommener Weise sich verwirklicht hat, um hernachmals der ganzen Fülle ihres Inhalts nach in Christo in's Dasein zu treten, und weil er nun da von der Ueberzengung durch« drangen ist, das! Gott die Geschichte des Melchisedek, wie in ihrem thatfächlichen Vorgang, so auch in ihrer biblischen Darstellung darauf eingerichtet hat, das! man in ihr die Umrisse der Gestalt des neutestament- lichen hohenvriesters zu erkennen vermöge, so benutzt er bei seiner Eittkviclielutixs nicht blos das, was die Schrift von diesem Manne sagt, sondern auch was sie von ihm verschwetgt (V.1—10). Darauf geht er zu dem nrbildlichen Melchisedek über und stellt dessen Verhältnis! zum levitifchen sjriesierthtini nach den drei Bestandtheilen des schon mehrfach angezogenen Psalm- worts in umgeliehrter Reihenfolge dar; die unver- gleichliihe Grhabenheit desselben ergiebt sich da nach allen Seiten hin, weil nun aber in ihm die Voll— licimmenheit erreicht ist, welche das levitisctje Priester- thum des Gesetzes nicht zu erreichen vermochte, so ergiebt sich siir dieses, wie in der einen Hinsicht eine Veränderung, so in der andern eine Aufhebung (v. tt—22). hatte der Verfasser bisher vom levttisctsen Priesterthum überhaupt geredet und ihm, wie dass Weisfagangswort sich ausdrückt, den Priester nach der Ordnung lltelchifedelis gegeniibergestetlh so liommt er nunmehr ans die Bezeichnung Christi als hoher« priester nnd auf die Vergleichung desselben mit dem jiidischen hohenpriester zurück, also "auf dasjenige Thema, von dem er schon oben, im Eingang dieses dritten Untektheils (Kap. Z, tss.), zu handeln an- gefangen, und tkägt die dort bereits zum Attsdcncb Wie es nach der alttestaineiitlicheii Urgeschichte mit Melchisedek sich verhalte. 87 «1 gelangten Gedanken in nunmehr erweiterte: Form nor, da er daraus rechnen Kann, dasl der Gesichtskreis der Leser nach der scharfen( 3nrechtweifuiig, die er ihnen ertheilt, nach der freundlichen 2tnniihernng, womit er in ein seetsorgertiches Verhältniss sich zu ihnen gestellt, nnd nach der Beleuchtung deg- Schrift- inhakts, wodnrih er dessen Verständnis) ihnen zu er- schkieslen nersmtjt hat, sich inzwischen bedeutend er« weitere habe (U. 23—28). l. Dieser Melchisedek aber [nach dessen Ord- nung Iesus ein Hoherpriester worden ist in Ewigkeit] war sum jetzt näher aus die einzelnen Punkte, die hier in Betracht kommen, einzugehen, gemäß dem, was in I. Mos.14, 17 ff. berichtet wird] ein König zu Saum, ein Priester Gottes, des Allerhöchsten, der Abraham entgegen ging, da er [Abraham] von der Könige Schlacht [von dem siegreichen Kampf wider Kedor-Laomor und seine Bahnen] wieder kam, und segnete ihn sbei dem Zusammentreffen im Königsthal bei Jerusalem Jos. 10, 1 Anm. 2 kraft seines Priesteramtesh · 2. Welchem auch Abraham [als seinen Priester ihn anerkennend] gab den Zehnten aller Güter [d·ie er bei sich führte V. 4]. Aufs erste swas seinen Pers onen-Namen betrifft] wird er swenn man diesen in’s Deutsche überträgt] verdolmetschet ein König sMelchis der Gerechtigkeit ssedek Jos. 10, 1 Anm. l; Ier. 23, 6; 33, 15]; darnach aber ist er auch swenn man seinen an dem Namen seines Herrschaftsgebiets haftenden W it r d e - Namen in Betracht zieht] ein König zu Saletn, das ist ein König des Friedens [Ios. 15, 63 Anrn.; Ies. I, S; Sach. I, 9 s.; Röm. 14, 17]; 3. [Und auch, wie er sonst in der ganzen Geschichte auftritt, erscheint bedeutungsvollJ Ohne Vater, ohne Mutter, ohne Geschlecht salso ohne alle Rücksicht aus Herkunst und Abstammung wird er uns dort vorgesührt V. 13 ff.], und hat rveder Anfang der Tage, noch Ende des Lebens sindem die heil. Schrift auch über seine Geburt und seinen Tod ein geheimnißvolles Schweigen beobachtet, während sie doch sonst bei wichtigen Personen dergleichen Umstände nicht unerörtert läßt]; er ist aber swenn er so seiner Person nach geradezu als zeitlos dasteht] verglichen dem Sohne Gottes sals sein Typus oder Vorbild aus ihn, der keinen Anfang und kein Ende seiner Tage Mk« hinweiseud], nnd bleibet sum auch in dieser wichtigsten Hinsicht sein Typus zu sein] Priester in Ewigkeit* [insofern das Priesterthum, als dessen Träger er der heiligen Gefchichte angehört, sein eigen geblieben und auf keinen Andern über- gegangen ist]. 4. Schanet aber, wie groß san Würde und Hoheit im Vergleich mit den levitischen Priestern erhaben] ist der, dem auch Abraham, der Patriarch sStammvaten wie des ganzen Israel, so auch Levis], den Zehnten giebt von der eroberten Beute fund damit sich freiwillig und ehrerbietig als dem Höheren ihm unterordnetst s. Zwar die Kinder Levi, da sie sals das hierzu aus den Kindern Israel von Gott erwählte Geschlechh und jeder Einzelne dann vermöge seiner Zugehörigkeit zu diesem GeschIechtJ das Priester- thum [mit seinen Dienstverrichtungen und Gerecht- samen Sirach 45, 8] empfangen, haben sie [in der Verordnung 4· Mos. 18, 20 ff.] ein Gebot, den Zehnten vom Voll, das ist, von ihren Brüdern sden Kindern Israel der übrigen Stämme], zu nehmen nach dem Gesetz snach Maßgabe der im Gesetz, enthaltenen näheren Bestimmungen, welche zuerst eine Verzehntung des Volks durch die Leviten, darnach aber weiter seine Verzehntung der Leviten selber durch die Priester vorschreiben], wiewohl auch dieselben svon welchen zuerst die einen und darnach von diesen die andern den Zehnten nehmen] aus den Lenden Abrahanis kommen [1. Mos. 35, U; 2. Chron. 6, 9 und also an sich vollkommen ihnen ebenbürtig] sind. 6. Aber der, deß Geschlecht nicht genannt wird unter ihnen [den Kindern Lebt, und der also keinerlei gesetzliche Vollmacht dazu hatte], der snänilich Melchisedek] nahm den Zehnten von Abraham ssich damit von wegen seiner eigenen Person als den Höherstehenden im Verhältniß zu ihm bekundend] nnd sdas hatte er schon vorher in noch viel anffälligerer Weise damit gethan, daß ser nach 1. Mos. 14,19] segnete den, der die Verheißung hatte [in ihm sollten gesegnet werden alle Geschlechter auf Erden 1. Mos. 12, Z]- 7. Nun ists ohn alles Widersprechen also, daß das Geringere von dem Besseren gesegnet wird « [Und erhellet somit aus jener seiner Segensertheilung an Abraham des Melchisedek Erhabenheit noch in ganz besonderem Maße] 8. Und hie sim Bereich des zur Zeit noch bestehenden levitischen PriesterthUUIsJ nehmen den Zehnten die sterbenden Menschen [besser ohne Ar- tikel: sterbende Menschen, die nur als jeweilige Glieder ihres Geschlechts eine Berechtigung dazu haben, um sie mit ihrem Ableben alsbald an Andere, die nunmehr ihre Stelle einnehmen, ab- zutreten]; aber dort [in des Melchisedek Falle] bezenget er sder den Zehnten von Abraham nimmt, eben damit], daß er lebe sdenn er thut, was er thut, als einer, der an keineni Andern einen Nach- folger hat]. 9. Und daß ich also sage smich dieses, alle-c- dings etwas gewagten Ausdrucks für einen an sich richtigen Gedanken, der aber nur schwer in das entsprechende Wort sich fassen läßt, bediene], es ist auch Levi, der [nach dem, was in V. 5 dargelegt wurde, von seinen Brüdern] den Zehnten nimmt, verzehntet durch Abraham [dadnrch, daß ; dieser den Zehnten entrichtete]; 878 Ebräer 7, l0. 11. 10. Denn er [Levi, sammt allen Gliedern seines Volkes, selbst die beiden andern Erzvätey Jsaak und Jakob, nicht ausgenommen] war je noch in den Lenden des Vaters, da ihm Melchi- sedek entgegen giiig W« fund stand damit zu diesem ganz in demselben Rechtsverhältniß in welches jener sich zu ihm stellte]. V) Der Verfasser geht hier zuerst von der Psalm- stelle auf die Grundlage derselben, auf den histo- rischen Bericht der Genesis zurück, um aus demselben zu zeigen, was der Ausdruck: ,,nach der Ordnung Melchisedeks« besagen wollex in dieser Absicht giebt er zunächst eine Charakteristik Melchisedeks, des Priesters des höchsten Gottes. Nach Angabe der geschichtlichen Thatsachen nun, welche ausdrücklich voii ihm berichtet sind und deren Erwähnung hier nur dazu dient, sein Bild den Lesern zu vergegenwärtigen, die aber aller- dings später weiter benutzt werden, hebt der Verfasser, was an diesem Priester besonders bemerkenswerth ist, hervor. Er deutet seine Namen: ,,König derZGerech- tigkeit« und ,,König des Friedens«, und erinnert damit daran, daß Melchisedek mit der priesterlichen Würde die königliche vereinigt habe und daß sein Regiment ein gerechtes und friedliches gewesen sei; ohne Zweifel wird Melchisedek auch in dieser Beziehung von unserm Verfasser als ein Vorbild Christi betrachtet, der eben- falls die priesterliche und königliche Würde in seiner Person vereinigt und in höherem Sinne die Namen ,,König der Gerechtigkeit« und ,,König des Friedens» trägt, sofern er nämlich nicht nur selbst die Fülle der Gerechtigkeit und des Friedens in sich trägt und ein gerechtes und friedliches Regiment führt, sondern auch den Gliedern seines Reichs Gerechtigkeit und Frieden mittheilt Doch deutet dies der Verfasser nur beiläufig an und kommt später nur, ohne Beziehung auf das Vorbild des Melchisedek zu nehmen, darauf zurück; die beiden Eigenschaften Melchisedeks, um die es ihm hier hauptsächlich zu thun ist, sind vielmehr erstlich, daß in der heil. Schrift weder sein Vater noch seine Mutter, noch überhaupt sein Geschlecht verzeichnet ist, und zweitens, daß ebenso weder ein Anfang noch ein Ende seines Lebens berichtet ist, so daß er in der Darstellung der heil. Schrift dem Sohne Gottes gleich gemacht ist. Dies sind die beiden Eigenschaften, die man in’s Aucge fassen muß, um zu verstehen, was mit dem Ausdru : ,,Priester nach der Ordnung Melchi- sedeks« gemeint-ist; es ist ein Priester gemeint, dessen Priesterthum ganz unabhän ig davon ist, wer sein Vater, wer seine Mutter un aus welchem Geschlecht er ist. Fleischliche Abstammung von Aaron oder Levi oder überhaupt aus der theokratischen Geschlechtsreihe kommt bei ihm gar nicht in Betracht; sein Priester- thnm ist« durch keine solche äußerliche Bestimmungen bedingt und beschränkt, es muß ihm also allein ver- möge der seiner Person eignenden innerlichen Be- fähigung ukommen. Sodann ist ein Priester gemeint, dessen e en kein menschlich-beschränktes ist, keinen zeitlichen Anfang und kein zeitliches Ende hat, sondern ewig ist; ein Priester, der darum weder der Nachfolger eines Andern ist noch selbst einen Nachfolger hat, der kein Glied einer aus einander folgender Reihe von Priestern ist, sondern einzig in seiner Art für immer Priester bleibt. (Riehm.) Des Verfassers Anschauung ge offenbar dahin, daß der Geist Gottes, der die faktischen Gestaltun en der Heilsgeschichte sowohl wie die urkundlichen estaltu en der heil. Geschichtsi schreibung beseelt und normirt hat, von der im Heils- rathe Gottes beschlossenen urbildlichen Jdee des damals noch zukünftigen Heilsvollenders gewisse charakteristische Züge entnommen und dieselben nicht nur der ur- geschichtlichen Person Melchisedeks ausgeprägt, sondern auch dafür gesorgt habe, daß dieselben in dem geschicht- lichen Berichte über Melchisedek als solche hervor- treten, und zwar so, daß die betreffende Urkunde so- wohl die wirklich congruenten Züge vollständig und deutlich hervorhebe, als auch durch bedeutungsvolles Uebergehen der ineongruenten Züge eine Trübung der Aehnlichkeit verhüte, so daß nicht nur ihr positives Reden, sondern auch ihr privatives Schweigen typisch- messianische Geltung habe. (Kurtz.) «) Nachdem der Verfasser in V. 1—3 mit offen- barer Beziehung auf die levitischen Priester Melchisedek, den Priester des höchsten Gottes, charakterisirt und damit das Wichtigste zur Erklärung der Worte: ,,nach der Ordnung Melchisedeks« gesagt hat, weist er nach, daß nach dem geschichtlichen Bericht bei Mose schon Melchisedek über die levitisthen Priester erhaben ist; es ist also in jenem Ausdruck: ,,nach der Ordnung Melchisedeks«, den das Wort der Weissagung von Christo gebraucht, die Erhabenheit auch des neu- testamentlichen Hohenpriesters über die alttestament- lichen unbedingt ausgesprochen. Jenen Nachiveis nun führt der Verfasser, indem er zuerst daraus aufmerksam macht, wie groß und erhaben Melchisedek in der Ge- schichte dasteht, da ihm Abraham den Zehnten von den besten Stücken der Beute giebt, er, der berühmte und hochangesehene Patriarch (V. 4); hieraus macht er drei Gründe geltend, aus denen man von dieser offen- baren Unterordnung Abrahams unter Melchisedek auf die Erhabenheit des letzteren über die levitischeii Priester schließen muß. Der erste (V. 5——7) ist folgender: Zwar erheben diejenigen, welche vermöge ihrer Ab- stammung von Levi das Priesterthum empfangen, nach einer Vorschrift des Gesetzes den Zehnten vom Volk, d. h. von ihren Brüdern, obschon diese aus Abrahams Lenden hervorgegangen sind; unter denen, die sich rühmen, Abrahams Nachkommen zu sein, kommt ihnen also kraft einer Gesetzesbestimmung allerdings ein Vorzug zu — ihre Abstammung von Levi einerseits und die Gesetzesbestimmnng andrerseits erhebt sie über die, denen sie sonst als ihren Brüdern gleich sind. Dagegen bezehntet der, dessen Stammbaum 1iicht auf sie zurückgehh Abrahamselbst und segnet den, der die göttlichen Verheißungen empfangen hatte, was un- widersprechlich seine ükxgr Abraham erhabene Stellung beweist. Trotz des hohen Ansehens Abrahams, der anerkanntermaßen nichtYnur über dem in V. 5 er- wähnten Volke, sondern auch über den levitifschen Priestern steht und auf dessen Person auch der or- zug, den diese letzteren haben, als auf seiner untersten Grundlage ruht, und trotz der großen Verheißungem die ihm gegeben waren, steht doch Melchisedek über ihm, und zwar nicht kraft seiner Abstammung und nicht kraft einer Gesetzesbestimmung, sondern allein vermöge der seiner Person innewohnenden höheren Würde: wie hoch muß er also über die levitischen Priester erhaben sein! (Riehm.) Jn V. 4 —7 lehrt der Verfasser die Leser die beiden Thatsachen an und für sich selbst in ihrer Bedeutsamkeit würdigen, daß Abraham an Melchisedek einen Zehnten gegeben und daß Melchisedek den Abraham gesegnet hat. sJn der Geschichte selber geht die Segnung der Verzehn- tung voraus: eben an dieser Segnung erkannte Abraham das göttliche Recht der priesterlichen Ehren- stellung Melchisedeksz unser Verfasser stellt aber die beiden Vorgänge um, weil es ihm nicht auf ihre geschichtliche Folge, sondern auf ihre innere Bedeutung ankommt, und da steigt er vom Niederen zum Höheren Wie er mit der Zehntung und Segnung Abrahams sowohl Gesetz als Verheißung überrage. 879 auf. Jn der Verzehntung Abrahams erweist sich Melchisedek als der, der über dem Gesetze steht; wie aber über dem Gesetz, so steht er auch über der Ver- heißung, sofern sie an die Bundeslinie gebunden ist, indem er, der geheimnißvolle Fremde, den von allen Menschen und für alle Menschen Gesegneten segnet. Sein Priesterthum ruht nicht auf Abkunft, nicht aus Gesetz, obwohl aus göttlichem Grunde, und überragt als ein rein persönliches, einzigartiges sowohl Gesetz als Verheißung in ihrer alttestamentlichen Schranke, und zwar in ihrem erhabensten alttestamentlichen Träger, welcher die von beiden Mächten beherrschte alttestamentliche Heilsgeschichte grundleglich eröffnet. (Delitzsch.) Ueberragt Melchisedek mit seiner Zehn- tun Abrahams die vom Gesetz geschassene Ordnung der inge, so überragt er nun durch seine Segnung desselben auch das in Verheißung gefaßte Heil; aber nicht von Melchisedeks Person an sich und überhaupt gilt, was ihn über Gesetz und Verheißung stellt, son- dern nur von ihm in dem heilsgeschichtlichen Augen- blicke, wo er dem Abraham gegenübertrat. (v. Hof- mann.) Its) Der zweite, in V. 8 dargelegte Grund der Erhabenheit Melchisedeks über die levitischen Priester ist aus der vorausgeschickten Charakteristik des ersteren entnommen. Wenn auch die letzteren, wie er, Zehnten empfangen und also vor Andern bevorzugt und aus- gezeichnet sind, so ist doch zwischen beiden der große Unterschied, daß diese hinsterbende Menschen sind, so daß der Tod ihrer bevorzugten Stellung ein Ende macht, während von Melchisedek bezeugt wird (so muß man eigentlich übersehen, wogegen Luther, das Wort des Grundtextes in medialer Bedeutung fassend, schreibt: ,,bezeuget er«), daß er lebe; ihn, den Reprä- sentanten eines an keine Abstammung geknüpften und nicht von einem auf den andern kommenden Priester- thums stellt die heil. Schrift als einen dar, der fort- » während lebend feine bevorzugte Stellung behält und, keinem Andern weicht. Während also die sterblichen Priester mit allen ihren Nachfolgern ihre höhere Stel- lung und das Bezehntungsrecht theilen, steht er für immer ganz einzig in seiner Art da, und sein Zehnt- empfangen hat darum eine weit höhere Bedeutung. Der dritte, in V. 9 und 10 erörterte Grund ist dieser: Auch Levi, der Stammvater der den Zehnten em- pfangenden Priester, hatso zusagen selbst durch Abraham dem Melchisedek Zehnten entrichtet und damit seine göhere Stellun anerkannt; denn er war noch in den enden seines aters, als ihm, Melchisedek entgegen- kam. Der Stammvater Abraham ist nämlich Re- präsentant seiner noch ungeborenen Nachkomniem und es erscheint daher, indem er sich dem Melchisedek unter- ordnet, seine ganze Nachkommenschaft demselben unter- eordnetz denn da die bevorzugte Stellung der levitischen riefter in der Theokratie darauf beruhte, daß sie aus den Lenden Levi’s und aus den Lenden Abrahams hervorgegangen waren, so muß die Stellung, die Abraham zu Melchisedek eingenommen hatte, als sie noch in seinen Lenden waren, auch als ihre Stellung zu Melchisedek betrachtet werden. (Riehm.) Die beiden Thatsachen selbst, daß Melchisedek den Abraham ge- zehntet und daß er ihn gesegnet hat, waren vorhin in das Licht ihrer heilsgeschichtlichen Bedeutsamkeit ge- stellt; da wird denn in V. 8 ff. die erstere in der Art ausgebeutet, daß Melchisedeks Größe nun nicht mehr Abraham (und damit allerdings mittelbar auch der levitischen Priesterschaft) gegenüber, sondern Levi nnd der levitischen Priesterschaft (unmittelbar) gegenüber aufgezeigt wird: zuerst (V. 8) mit deni Gegensatze von ,,hie« und ,,dort« in der Art, daß der Verfasser das Zehntennehmen in jenem Fülle als Thun wegfterbender Menschen bezeichneh in diesem Falle dagegen als Thun eines Menschen, von dem bezeugt wird, daß erlebe. Jst» das erstere so gemeint, daß die zehntempfangende levitische Priesterschaft aus Menschen besteht, die nach einander wegsterben und also nur als jeweilige Glieder ihres Geschlechts den Zehnten empfangen, ohne eine andere Berechtigung, als welche von ihnen auf Andere, die an ihre Stelle treten, übergeht; so ,ist dagegen des Melchisedek Zehntempfang, wie er der heil. Geschichte angehört, ein lediglich persönlicher und also ein Vor- gang seines eigensten Lebens, der nicht, wie die Zehnt- erhebung der levitischen Priester, einem mit dem Tode eintretenden Ende entgegensah. (v. Hofmann.) Die Leviten empfangen die Anerkennung ihres Vorrechts und ihrer Würde nur als Glieder eines im fortwäh- renden Sterben begriffenen Gefchlechts; die Einzelnen nicht kraft ihrer Persönlichkeit, sondern nur kraft der Vollmacht des Stammes Levi, der Familie Aaron, denen sie, kommend und gehend, als verschtvindende Glieder angehören. Anders verhält es sich dort, auf Melchisedeks Seite: da empfängt den Zehnten einer, der das Zeugniß erhält, daß er im Leben stehe; denn der weltgeschichtliche Melchisedek ist freilich gestorben, aber jener heilsgeschichtlirhe Melchisedek lebt, ohnezu sterben, von dem heiligen Griffel der Heilsgeschichk schreibung auf immer als Lebendiger fixirt und da- durch zum Typus des Sohnes Gottes, des ewig lebendigen Priesters gestempeln Wenn nun jiidischen Lesern es nahe lag, zu sagen: »ja, Abraham war nicht Priester, daß er Melchisedek den Zehnten gab und sich von ihm segnen ließ, ist also natürlich; erst Aaron und sein Geschlecht ward mit der Priesterwürde be- gnadigt«, so begegnet der Verfaslser solcher Gegenrede in V. 9 f. durch eine paradoxe, a er nichtsdestoweniger wahre Behauptung: Levi selbst, der in seinen, zum Dienst am Heiligthum erwählten Nachkommen Zehnten nimmt, damals, als Melchisedek mit Abraham zu- sammentraf, noch in den Lenden des Vaters be- findlich, ist in und mit Abraham ge ehntet worden. Mit Recht ist diese Aussage über die Zehntung Levi’s in den Lenden Abrahams von jeher als wichtig fiir die Würdigung des Sündenfalles angesehen worden; der, wenn auch nicht in Röm. 5, 12 ausgesprochene, doch schristgemäße Sah, daß wir alle in Adam gesiins digt, hat an unsrer Stelle eine unverwerfliche Stütze (Delitzsch.) Wunderlicher Weise haben manche Aus- leger in der Aussage des Verfassers eine Schwierigss keit insofern gefunden, als Jesus, weil Davids und Abrahams Nachkomme, dann ja auch tiefer als Melchi- sedek stünde; aber ist denn Jesus überhaupt aus den Lenden eines menschlichen Vaters hervorgegangen? (Ebrard.) 11. Jst nun [wie ihr in eurer Ueberschätzung des jüdischen Tempelkultus Kap. 1, 2 Anm. 1 mit solcher Meinung euch tragt] die Vollkommen- heil [des Verhältnisses der Menschen zu Gott, ihm mit gutem Gewissen nahen und mit gehei- ligtem Herzen dienen zu können V. 19; 10,1f.; 9, 8 ff.] durch das levtttsche Priesterthum geschehen [so daß man nun auch, um der Segnungen dieses Priesterthumssznoch fernerhin theilhafttg zu bleiben, an dem mosaischen Gesetz streng festhalten müsse und nicht einem andersartigen Gesetz sich unter- stellen dürfe] — denn unter demselbigen [Priester- thum, unter dessen Bedingung und Voraussetzung] hat das Volk das Gesetz empfangen [so daß man 880 Ebräer 7, 12——28. allerdings jenes nicht haben kann, ohne zugleich dieses zu behalten, das mit demselben steht und fällt] ——, was ist dann weiter— noth zu sagen swie das ja Gottes eigenes Wort in Pf. 110, 4 aus- drücklich besagtL daß ein anderer Priester anf- kommen solle sder da wäre ein Priester] nach der Ordnung Melchisedeks, nnd nicht [wieder ein Priester] nach der Ordnung Aarons? 12. sDieses Abgehen von der gesetzlichen Priesterordnung kann darum nur in deren Un- genüge seinen Grund haben, weil es noch eine andere, gar solgewichtige Veränderung nach sich zieht] Denn wo das Priesterthum verändert wird, da muß sgemäß dem, was vorhin gesagt wurde: »unter demselbigen hat das Volk das Gesetz em- pfangen«] auch das Gesetz verändert werden. 13. sUnd solche Gesetzes-Veränderung nimmt nun das in Rede stehende prophetische Wort selber schon vor.] Denn von dem solches sin weisse-geri- der Rede auf ihn hinzielend] gesagt ist [,,du bist ein Priester nach der Weise Melchifedeks«, näm- lich der künftige Messias, an den ohne Zweifel das Wort ergeht], der ist [seiner Herkunft nach, wie bereits in 1. Mof. 49, 10 zuvor bestimmt war] von einem andern Geschlecht, aus welchem nie keiner des Altars sdes Dienstes an demselben Kap. 13, 10] gevfleget hat. 14. sDas hat denn auch an dem historischen Christus in der That sich erfüllt.] Denn es ist ja snach alle dem, was in der chriftlichen Ge- meinde von seinem Stammbaum bekannt ist Matth. 1- 1 ff; Luk. Z, 23 ff.] offenbar, daß von Juba [als demjenigen Stamme, welchem das Haus Davids angehört 1. Chron 29, 4] ausgegangen ist [Luk. 1, 78] unser HErr [Offenb. 5, 5]; zu welchem Geschlecht snämlich dem Stamme Juda] Moses nichts geredet hat vom Priesterthums sdaß es jemals, solange die gesetzliche Ordnung gälte, von einem aus diesem Stamme verrichtet werden dürfe, im Gegentheil war es einem jeden auf’s Strengfte versagt 2. Ehron. 26, 16 ff.]. 15. Und es ist noch llärlicher sdaß durch das leoitifche Priefterthum die Vollkommenheit nicht gefchehen konnte und also dessen künftige Auf- hebung eine gleich anfangs bei Gott beschlossene Sache war], so sgemäß dem weiteren Inhalt jenes prophetifchen Worts] nach der Weise Melchisedekb snach dessen Gleiche oder Art, insofern dieser das Zeugnis; hat, daß er lebe V. 8] ein anderer Priester aufkommt, Its. Welcher nicht nach dem Gesetz des fleifch- lichen [nur auf äußere, mit dem Fleische zusam- menhängende und dessen Vergänglichkeit an sich tragende Dinge Gewicht legenden] Gebots gemacht ist sdas sterblichen Menschen, die der Tod nicht bleiben läßt V. 23·, das Priesterthum verleiht V. 8], sondern swelcher dasselbe überkommt] nach der Kraft des unendlichen Lebens snach der Kraft eines Lebens, das durch keinen Tod aufgelöst werden kann, wie solche allein dem Sohne Gottes innewohnt Joh. 10, 18]. 17. Denn er sder dieses Wort redet, Gott der HErr] bezeuget [um jetzt diejenige Bezeich- nung des neutestamenilichen Priesterthums mit aufzunehmen, die oben V. 11 einstweilen noch bei Seite blieb, und hier das Hauptgewicht auf sie zu legen]: Du bist ein Priester ewiglich, nach der Ordnung Melchisedels 18. sDiefe Bezeichnung: ,,ewiglich« ist von hoher Wichtigkeit für die Sache, davon wir reden.] Denn damit wird das vorige Gesetz sjenes fleifch- liche Gebot, wie Mosis Gefetz über das Priester- thum verfügt V. 16] aufgehoben, darum, daß es zu schwach und nicht nütze war szu fchwach, um durch eine wirkliche und wahrhaftige Versöhnung dieiVollendung herbeizuführen, und nicht nütze oder untauglich dazu, wesenhafte Heilsgüter zu vermitteln] — 19. Denn das Gesetz swie es durch Mosen gegeben Joh. 1, l7] konnte süberhauptund also auch in diesem Punkte] nichts vollkommen machen sdaß es in irgend einem Stücke das eigentliche Heil zu befchaffen vermocht hätte Gal.4, 9] ——, und wird smit felbiger Bezeichnung V. 17 nun an die Stelle dessen, was das vorige Gesetz nur als Gegenstand fortwährender Sehnsucht hinstellte, aber nicht selber gewähren konnte Kap. 9, 6 ff.] eingesühret eine bessere Hoffnung snämlich die auf eine wirkliche und volle Versöhmmgis durch welche wir zu Gott nahen« finden! wir nun bis zum Gnadenthron im Allerheiligsten selber vordringen dürfen Kap. 6,18 f.; 10, 19 ff.; Ofsenb. 1, 5 f.]. 20. Und dazu [kommt noch etwas] das viel [von großem Gewicht] ist, nicht ohne Eid snämlich ist jene Einführung einer besseren Hoffnung ge- fchehen] Denn jene [die levitischen Priester V. 11. 16] sind ohne Eid [von Seiten Gottes] Priester worden sworaus erhellt, daß an der Aufrichtung ihres Priesterthums noch nicht das Höchste gelegen war]; 21. Dieser aber sder andere Priester V. 15., ist in fein Amt eingesetzt] mit dem Eide [unter Hinzufügung eines Eidschwurs] durch den, der sals Urheber auch des, seine Rede in Pf. 110, 4 einleitenden und Ein Ganzes mit ihr bildenden Berichts] zu ihm sin der Richtung aus ihn hin] spticht [bis er dann ihn unmittelbar selbst an- redet]: Der HErr hat gefchworen, und wird ihn swas er mit solch eidlichem Versprechen zusagt] nicht gereuen sdaß er jemals wünschen follte, von sseiner Zufage wieder zurücktreten zu können]: ] Du bist ein Priester in Ewigkeit nach der Ord- snung Melchisedeks sin bedeutenden griechischen Christi Verhältniß zum levitischen Priesterthutn nach den drei Bestandtheilen des Psalmspruchs. 881 Handschriften fallen diese letzten Worte: ,,nach der Ordnung Melchisedeks« als nebensächlich hier weg]. 22. Also lnach Maßgabe des Vorzugs, den eine beschworene, und zwar von Gott be- schworene Stiftung vor der andern hat, auf die vordem kein solches Gewicht gelegt worden ist] gar viel eines bessern Testaments [2. Cor. s, 6 Anm.] Ausrichter ist Jesus werdens-«· 23. Und jener [der Kinder Levi in der alt- testamentlichen Bundesstiftung V. 201 find viel, die [bei der Stiftung ihres Amtes 2. Mos. 28 u. 29 mit einander] Priester wurden [nämlich Aaron und seine Söhne zumal, um dann einer nach dem andern in successiver Folge der Generationen zur Amtsverwaltung zu gelangen 4. Mos. 20, 22 ff.], darum, daß sie der Tod nicht [im Amte] bleiben ließ ssondern ein jeder von einem Nach- folger sich mußte ablösen lassen]; 24. Dieser aber [der neutestamentliche Priester V. 21] darum, daß er [wie männiglich von dem Messias bekannt Joh. 12, 34 und schon in V. 16 von Jesu Christo hervorgehoben ist] bleibet ewig- lich, hat er ein unvergänglich [in seinem Bestande vollständig gesichertesJ Priesierthnm [das wechsellos ihm eigen verbleibt], 25. Daher er auch selig machen kann immer- dar [richtigek: volrigrich, alIseitigL die durch ihn sdurch den Glauben an ihn seinem Priester- thum sich unterstellend Kap. 5, 9] zu Gott kommen [Kap. 11, 6; Joh 14, 6], und lebet immerdar sdroben in der Höhe, dahin er eingegangen ist Kap.4, 14; s, 20], und bittet sdaselbst] für sie]- [bei Gott, damit der Segen seines Verdienstes ihnen zu ihrer Heilsvollendung zugute komme]. 26. Denn einen solchen Hohenpriester [im Vorzug vor denen aus Aarons Geschlecht] sollten wir [nach Maßgabe unsers Bedürfnisses] haben, der daswie es mit Christo in der That der Fall ist, für den Zweck des in den Tagen seines Fleifches darzubringenden Opfers Kap. 9, 14; 10, 5 ff.] wäre heilig, nnschuldig unbefleckt, [in seinem nun- n1ehrigen Stande aber, seit er in das Allerheiligste eingegangen, um sein Volk Tag für Tag zu ver- treten und alles, was auf dem Wege seiner Heils- vollendung ihm hinderlich entgegentritt, zu nichte oder doch unschädlich zu machen] von den Sündern abgesondert [daß sie nicht mehr, wie vordem, ihm widersprechen und sich an ihm vergreifen dürfen Kap. 12, g; Luk. 22, 53] nnd höher, denn der Himmel ist [um von da aus alle feindlichen Mächte in der Höhe und in der Tiefe niederhalten zu können]; 27. Dem [bei solcher täglichen Vertretung seines Volks] nicht täglich uoth wäre, wie jenen [aaronitischen] Hohenpriestertt lwenn sie des Jahres einmal die Gemeinde zu vertreten hatten 3. Mos. Dächsels Vibelwerb VII. Band. IS, I sf., die Verpflichtung oblag], zuerst für eigene Sünden Opfer zu thun, darnach für des Volkes Sünden [um durch die so bewirkte Ver- söhnung sich die Grundlage für ihr hohepriester- liches Eintreten in’s Allerheiligste zu verschaffen]; denn das swas mit diesem zwiefachen Opfern jene Hohenpriester alljährlich zu thun haben] hat er [in gegenbildlicher Weise an dem Einen großen Ver- söhnungstage des neuen Testaments] gethan ein- mal [ein- für allemal], da er [zuerst mit dem Gethsemane- und darnach mit dem Golgatha- Opfer Kap. 5, 7; 9, 14. 28; I. Petri 2, 24] sich selbst opferte [so daß das Opfern nun für immer hinter ihm liegt und er es droben im Allerheiligsten des Himmels nur noch mit unsrer Vertretung bei Gott und unsrer Durchhilfe zur Seligkeit zu thun hat V. 25; 10, 19 ff.]. 28. sSo sind wir denn unter seinem Hohe- priesterthum viel besser daran, als wir’s unter dem mosaischen waren, von dem euch zu trennen so schwer euch fällt] Denn das Gesetz macht [in Aaron und seinen Söhnen] Menschen zu Hohen- priestern, die da Schwachheit haben sals bleibend und nicht blos vorübergehend, wie Jesus Kap. 4, 15.; b, 7 f., ihnen anhaftende Eigenschaft an sich tragen, also niemals die Vollkommenheit her- beizuführen vermögen V. 11 und deshalb all- jährlich ihr Opfer thun müssen zum Zeichen, daß die wirkliche Versöhnung noch nicht« bewirkt sei Kap. 10, 1 sf.]; dies Wort aber des Eides [in Pf. 11o, 4], das setwa 500 Jahre] nach dem Gesetz fnach dessen Verkündigung durch Mosen] gesagt ist, setzet den Sohn san den es sich wendet] ewig nnd vollkommenH [indem es ihm als einem bereits Vollendeten Kap. 5, 9 f. das Hohepriester- thum für ewige Zeiten unwiderruflich übergiebt Kap. 10, 10 ff.]. « V) Wie der Verfasser bei Erörterung des Verhält- nisses des vorbildlichen Melchisedek zum levitischen Priesterthum in V. 1——10 die Ausfagen des gefchicht- lichen Berichts in I. Mos. 14, 17 ff. zu Grunde gelegt, so entwickelt er jetzt aus den Worten des prophetischen Ausspruchs in Pf. 110,4 das Verhältniß des urbildlichen Melchifedek zum levitischen Priefterthum und zeigt die unvergleichliche Erhaben- heit des ersteren über das letztere, wobei die drei Be- standtheile dieses Ausspruchs: 1) der HErr hat ge- fchworen,c2) du bist ein Priester ewiglich, Z) nach der Ordnung Melchisedeks, in umgekehrter Reihen- folge verwerthet werden; der dritte nämlich in V. 11-—14., der zweite in V. 15—19 und der erste in V. 20--22., jene beiden zum Beweis der vollständigen Abrogation (Abschaffung) des levitischen Priesterthums nicht nur, sondernauch des darauf gegründeten Gesammt- gesetzes, dieser dagegen zum Erweis des ungleich höheren Werthes, den das neutestamentl Hoheprirsterthutii im Heils-Plan Gottes hatte. Daran schließt sich denn noch in V. 23—-28 der Nachtveis, daß den Forderungen, welche an ein vollkommenes Hohepriesterthuni zu stellen sind, nämlich ewige, unzerstörbare D quer, absolute Sünd- losigkeitundhimmlischeErhabenheit,nurChristus, 56 882 Ebräer 7, 28. nicht aber die levitischen Priester entsprächen Be- trachten wir nun zunächst den Abfchnitt in V. 11—14., so werden hier folgende Gedanken entwickelt: dadurch, daß der in Pf. 1l0, 4 verheißene Priester als ein Priester nach der Weise Melchisedek-s, nicht nach der Weise Aarons gekennzeichnet ist, wie denn auch wirklich Christus aus dem Stamme Iuda herkam, nicht aus dem Stamme Levi, dem das Gesetz aus- schlieszlich priesterlichen Beruf zugesprochen hatte, ist die Nothwendigkeit dereinstiger und nunmehr bereits eingetretener Abrogation nicht nur des levitischen Priesterthums, sondern auch der ganzen auf ihm ruhenden gefetzlichen Verfassung des alten Bundes ausgesprochen und damit dessen Unfähigkeih die Voll- endung des Reiches Gottes herbeizuführen, bezeugt. (Kurtz.) Das Gesetz kann als Wortausdruck des gött- lichen Willens die Vollkommenheit nur beschreiben, aber nicht persönlich darstellen; es kann ferner als Gebot Gottes an sein Volk die nienfchliche Vollkom- menheit nur von demselben fordern, aber nicht in ihm erzeugen; es kann endlich als Gesetz des heiligen Gottes die überall vermißte Vollkommenheik nicht übersehen oder an den dazu Verpflichteten ungeahndet lassen, es muß vielmehr die überall von ihm auf- gedeckte Sünde verurtheilen und kann deshalb, da alle Menfchen sich als Sünder erweisen, nur verdammen, aber nicht lossprechen. Dies ist die in der Natur des Gesetzes als solchen, mithin auch des göttlichen Ge- setzes liegende Unvollkommenheit und Schwäche oder seine Untauglichkeit zur Vollendung (vgl. Röm. 8, Z; Gal. 4, 9). Soll nun bei dieser Sachlage ein positives Bundesverhältniß zwischen Gott und seinem auf das Gesetz feierlich verpflichteten Volke gleichwohl möglich sein, so kann dies nur unter Voraussetzung einer Sühne geschehen; diese ist denn im alten Bunde in gesetzlicher Weise durch die Stiftung des levitischen Priesterthums und Opfercultus von Gott geordnet und mit direkter Beziehung auf dessen nachherige Wirk- samkeit Israel in die Verfassung des Gesetzes gebracht, dabei aber so wenig an eine Herbeiführung der Voll- endung durch diese Institution gedacht worden, daß vielmehr nicht blos ihr typischer und symbolifcher Charakter bemerklich gemacht, sondern auch ihre tran- sitorische Bedeutung durch die direkte Weissagung eines Priesterthums von anderer Art nachdrücklich im alten Testament selbst ausgedrückt ist, wo absichtsvoll der Messias nicht blos als Priesterkönig geschildert, son- dern auch als melchisedekartiger, also als nicht- aaronitischer Priester bezeichnet ist. (Moll.) M) Hat der Verfasser vorhin (V. 11——14) nach der Bestellung eines nicht-aaronit1schen, nicht aus dem Stamme Levi hervorge angenen Priesters bemessen lassen, ob das levitische riesterthun1 Mittel der Her- stellung eines vollendeten Verhältnisses zu Gott gewesen ist, so beweist er jetzt, daß es dies nicht gewesen ist, aus der Verschiedenheit dieses Priesters von der levitischen Priesterfchaft: noch mehr, sagt er, als daraus, daß ein nicht-aaronitischer Priester aufgestellt wird, ist die Unfähigkeit des levitischen Priesterthums, ein voll- endetes Verhältnis; zu Gott herzustellemdaraus ersichtlich, daß ein Priester aufgestellt wird, der es gleichwie Melchisedek (wörtlich: ,,nach der Gleiche«, Luther: ,,nach der Weise Melchisedeks«) ist; worin aber die Gegen- bildlichkeit des neu aufgestellten Priesters besteht, sagt der Relativsatz des 16. Verses: ,,welcher nicht nach dem Gesetz des fleifchlichen Gebots »emacht ist, sondern nach der Kraft des unendlichen ebens«. (v. Hof- mann.) Es findet in diesen Worten ein dreifacher Gegensatz; statt: dein Gesetz steht entgegen die Kraft, dem Gebot das Leben, dem fleischlich das un- endlich. Den Sinn dieser Gegensätze werden wir uns am besten klar machen können durch folgende Fragen: a) Wie ist der levitische Priester ent- standen? nach einem Gesetz, welches verordnete, daß die Nachkommen Aarons Priester sein sollten, mochten sie nun innerlich beschaffen fein, wie sie wollten! Wie ist dagegen der Messias zum Priester geworden? unabhängig vom Gefetz, ja wider das Gesetz, rein gemäß der Kraft, der persönlich ihm einwohnendeiy die ihn berechtigte und befähigte, die Menfchen vor Gott zu vertreten! b) Wie war jenes Gesetz beschaffen? es erwies sich als eine einzelne äußerliche Satzung, « als ein G e b ot! Wie manifestirte sich dagegen jene Kraft? als Leben, als unmittelbare Kraft und Aktualität des Lebens! c) Wie war der Charakter jenes Gebots? es war fleischlich, ehörte also jener pädagogischen Vorstufe an, wo es sich noch nicht um Einpflanzung geistlichen Lebens in die durch Sünde todte Menschheit handelte, sondern um äußerliche Schranken der Sünden und Vorbilder des Heils für den natürlichen, fleisch- lichen Menfchen! Wie ist dagegen jenes Leben be- schaffen? unendlich oder unauflöslich, d. i. die Kräfte der Ewigkeit in sich tragend! Auf der einen Seite also, auf Seiten des levitischen Priesterthums, besteht noch jene Trennung der Menschheit von ihrem Schöpfey wo das göttliche Wesen nur, äußerlich als starres Gesetz dem Menfchen gegenübertrith ohne ihn inwendig umzuwandelnx auf der andern Seite dåzgegem auf Seiten des Hohenpriesters nach der Gleiche elchisedeks, hat sich Gott mit der Menschheit vereinigt, sich selber, indem er die Natur der Menfchen annahm, als den Anfang und Anfänger eines neuen Lebens in sie ein- gepflanzt und, indem er seine Gotteskraft in stellver- tretendem Dulden und im Siege der Auferstehung bewies, sich als den rechten vollendeten Hohenpriester erwiesen. (Ebrard.) Offenbar nun entspricht nach der Absicht des Verfassers das ,,nach der Kraft des unendlichen Lebens« dem in V. 15 gebrauchten Ausdruck: ,,nach der Weise Melchifedeks«; und so legt er jetzt auf das »ewiglich« bei der Wiederaufnahme des Psalmspruchs in V.17 den Nachdruck, wie er denn auch sonst die Ewigkeit der priesterlichen Person als den Hauptcharakterzug des melchisedekartigen Priesterthums betrachtet. (Riehm.) Jn der Art, wie in V. 11 das Psalmwort verwendet wurde: ,,nach der Ordnung Melchisedeks« war der neutestamentliche Hohepriester im Vergleich mit dem alttestamentlichen nur erst als ein ,,anderer Priester« charakterisirt«, der an die Stelle des levitischen treten solle, was auch von einer bloßen zeitweiligen Suspension des levitischen Priesterthums hätte gesagt sein können; durch die Auf- nahme des ,,ewiglich« in V. 17 aber wird, nun auch die Möglichkeit einer solchen Mißdeutung ausgefchlossem Und wie nun dort in V. 12 eine bloße Veränderung des Priesterthums und weiter des Gesetzes efolgert wurde, so wird jetzt in V. 18f. eine Aufhebung (Abrogation) beider aus esagt; es rechtfertigt sich also das »und es ist noch lärlicher« zu Anfang des 15. Verses nicht nur durch das ,,nach der Ordnung 5,)Jielchisedeks« sondern auch, und zwar klärlicher noch, durch das ,,ewiglich« in jener Weissagung ist das Gesetz als ein unzulängliches und abzuschaffendes gekenn- zeichnet. Schwach und eben darum auch nutzlos, schreibt der Verfasser in V. 18 f., war die Einsetzung des levitischen Priesterthums, weil dasselbe sein Ziel, die Vollkommenheih nicht zu erreichen vermochtex aber nicht nur das levitische Priesterthuim so bemerkt er in dem Zwischensatz zu Anfang des 19. Verses, sondern mit ihm auch das ganze mosaische Gesetz erwies sich als zur Herbeiführung der Vollkommenheit nach allen Jn Christo ist die Vollkommenheit erreicht, welche das gesetzliche Priesterthum nicht erreichen konnte. 883 Seiten hin unkräfti . (Kurtz.) Nur dadurch konnte das Gesetz das Priesterthum als bleibende Einrichtung erhalten, daß es dasselbe einer langen Reihenfolge von Männern Eines Geschlechts anvertraute. (v. Gerlach.) Indem es aber so von einem sterblichen Hohenpriester zum andern vorwärts trieb, hat es mit einer Hoff- nung zu thun, die keine Aussicht auf Erfolg verspricht: da tritt nun an feine Stelle und an die von ihm blos hingehaltene Hoffnung mit der Aufrichtung des melchisedekianischen Priesterthums eine bessere Hoff- nung, durch welche wir in Wahrheit Gott nahen. (Otto.) Jm alten Bunde waren die levitischen Priester die Mittler zwischen Gott und dem Volke; sie hatten die ehrenvolle Be eichnung (3. Mos. 10, 3): »die zu Jehova nahen«. Seit der Wirksamkeit Christi als des alleinigen und ewigen Mittlers hat dagegen das ganze Gottesvolk die Bestimmung, eines königlichen Priester- thums empfangen: ein freier Zugang zu dem Vater ist allen Gläubigen geöffnet und die Verwirklichung einer besseren Hoffnung hat begonnen, welche in der Weissagung des alten Testaments von dem melchi- desekianischen Priester zu dem Gesetz hinzukam und darüber hinausführte. (Moll.) »Es) Indem der Verfasser auch die einleitenden Worte des Psalmspruchs in den Kreis seiner Betrach- tung zieht, macht er darauf aufmerksam, daß der neu- testamentliche Priester nach der Ordnung Melchisedeks auch darin einen Vorzug vor den levitischen Priestern habe, daß er durch einen Eid in sein Amt eingesetzt sei, während dies bei den levitischen Priestern nicht der Fall. Und zwar betrachtet er dies als einen Vor- zug, weil ihm Gott so das Priesterthum in unwid er- ruflicher Weise übertragen hat (Kap. S, 16 sf.) und weil schon aus dieser viel feierlicheren und gewicht- volleren Bestätigung geschlossen werden muß, daß sein Priesterthum viel wichtiger und wirksamer, als das levitische, ja daß es das vollkommene Priester- thum ist; denn wäre es dies nicht, so könnte Gott Christum nicht in unwiderruflicher Weise für immer zum Priester machen. (Riehm.) Die levitischen Priester sind durch einen einfachen Befehl in die Priester- stellung gekommen; in der Natur eines königlichen Befehls über eine Anordnung und Stiftung, deren Dauer nicht näher angezeigt, noch weniger verheißen oder verbürgt ist, liegt aber an sich schon die Mög- lichkeit einer Zurücknahme des Befehls, einer Aus- hebung der Stiftung, einer Aenderung der Anordnung durch den Herrscher selbst, ohne daß dieser hierdurch wortbrüchig, ungerecht und unzuverlässig zu werden, in Widerspruch mit sich zu gerathen oder seine eigenen Schöpfungen wieder zu zerstören braucht. Anders dagegen verhält es sich mit Christo, der durch eine, mit einem Eide Gottes bekräftigte Anordnung in die Priesterstellung gekommen ist. (Moll.) Aus dem Eid beweist der Verfasser mit Recht den großen Ernst, das wichtige Anliegen und besondere Wohlgefallen, womit Gott dieser seiner Einsetzung zugethan ist: sonst schwört der, der das Amt übernimmt, damit man sich zu ihm, seinem Fleiß und seiner Treue des Besten versehe; hier aber schwört der, so das Amt überträgt, zum Zeugniß seiner großen Absichten, die er darunter habe, und seines unabänderlichen Willens, womit er üsläer di)esem Amte und dessen Segen halten wolle. ( ieger. . f) Unter den Forderungen, die an einen vollkom- nienen Hohenpriester zu stellen sind und denen allein Christus, nicht der levitische Priester, genügen konnte, ist, wie der Verfasser in V. 23——25 erörtert, die erste die, daß er selbst bis zur absoluten Vollendung des Reiches Gottes es bleibe und nicht, wie die levitischen Hohenpriester, einer nach dem andern durch den Tod an derFortführung desselben verhindert werde; und die zweite, welche er darnach in V. 26—28 geltend macht, ist die, daß er, der die Sünder erlösen soll, selbst ohne Sünde und unendlich über sie erhaben sei. (Kurtz.) Nachdem gezeigt ist, daß das Gesetz mit seinen: Priesterthum die Vollkommenheit nicht gebracht habe, auch nicht dazu bestimmt gewesen sei, sie zu bringen, geht der Verfasser darauf ein, wie vielmehr der neue Bund mit seinem ewigen nielchisedekischen Priester- thum sie bringe, und zwar darum sie bringen könne, weil das heilwirkende Walten des neutestamentlichen Priesters im Gegensatz zu der Amtssührung der levitischen Priester, die einer nach dem andern durch den Tod daraus hinweggerissen wurden, ein unver- gängliches ist: er kann allseitig, schlechthin er- schöpfend retten oder selig machen die, welche sich des durch ihn geösfneten und offen bleibenden Zugangs zu Gott gläubig bedienen, so daß die Noth in ihrem ganzen Umfange und in ihrer ganzen Tiefe der Ver- gangenheit verfällt und auch nicht der mindeste Rest der Bedürftigkeit zurückbleibt; eine so vollkommene Erlösung kann er leisten als Der, der immerdar lebt, solange aber die schließliche Erlösung des diesseitigen Gottesvolks, d. i. die Tilgung der Sünde, des Todes und aller Drangsal noch unvollzo en ist, vertritt er seine Gläubigen in mittlerischer Weise. Diese jenseitige priesterliche Thätigkeit Christi verhält sich zu seinem diesseitigen Erlösungswerke, wie die welterhaltende Thätigkeit Gottes zu seinem Schöpfungswerke. (De- litzsch.) Christi gefchehener Tod hat ihn an der Fort- setzun seines priesterlichen Amts und Geschäfts, das er an? Erden vollbracht, nicht verhindert, sondern war vielmehr selbst ein wichtiges Stück davon; und seit- dem er nun von den Todten ausgeführt ist, hat er ein unvergängliches Priefterthum, das auf keinen Andern kommt und darin er auch selbst beständig un- verhindert sein Geschäft hat. Man braucht deswegen auch sonst Keinen als ihn; es darf kein Anderer auf- kommen, der seinen Mangel erstattete. (Rieger.) Jm Himmel wird oft an uns gedacht, mehr als wir glauben; im Herzen des Vaters und des Sohnes geht unsertwegen Manches vor — wer gelangte sonst zum Ziel, wenn nicht immer im Heiligthum Gottes so priesterlich über uns gehandelt würde? (Hahn.) Wie der HErr Christus als unser Sachverwalter und Vor- mund beim Vater eigeutlich über unsre Sache rede und worin denn die Art und Weise seiner Fürsprache bestehe, das ist uns unausforschlich und dem Menschen- Verstande auf Erden unbegreiflichz doch hat er sein Beten, wie er’s dem Herzen seines Vaters hinlegt, einmal auf Erden (s. Er. Joh. Kap. 17) mit Men- schenworten ausgesprochen und es von sich mit lauter Stimme hören lassen, damit wir wissen möchten, was der Sinn seines Herzens über uns beständig sei und was er nun in göttlicher Art darbringe, nach- dem er vom Vater in ihm selbst verklärt worden ist. (Steinhoser.) · · » H) Jm Bisherigewhat der Verfasser seine Leser darüber belehrt, was in dein Namen ,,Priester nach der Ordnung Melchisedeks« von Christo ausgesagt wird; aber soviel auch in demselben enthalten ist uiid so hoch Christus auch durch denselben über die ganze levitische Priesterschafh und damit auch über die alt- testamentlichen Hohenpriester, erhoben wird, so ist damit doch noch nicht alles gesagt, was Christum zum vollkommenen Hohenpriester macht und vor den alt- testamentlichen Hohenpriestern auszeichneh Das alt- testamentliche Vorbild läßt die Erhabeiiheit und Voll- kommenheit des neiitestamentlichen Hohenpriesters in 567 884 Ebräer 8, 1—4. vieler Beziehung schon deutlich erkennen; aber er bringt sie doch nicht vollständig zur Anschauung, namentlich fehlen ihm zwei sehr wesentliche Züge, die fleckenlofe H eiligkeit des neutestamentlichen Hohen- priesters und seine Erhöhung über die Himmel sind in dem Vorbild nicht besonders angedeutet. Darum muß der Verfasser diese Eigeiischaften, welche mit zu dem gehören, was Christum zum wahrhaftigen Hohenpriester macht und seine Erhabenheit über die alttestamentlichen Hohenpriester begründet, noch be- sonders hervorheben, wie er es in diesen Schlußversen des Kapitels thut. Man beachte da, daß in dem ganzen bisherigen Abschnitt immer nur vom Priester- thum, nicht vom Hohepriesterthum Christi die Rede ist und derselbe immer mit der gesammten levitischen Priesterschafh nicht speziell mit den Hohen- priestern verglichen wird. Dieser Umstand hat seinen natürlichen Grund darin, daß die alttestamentliche Schrift Melchisedek ,,Priester« und nicht ,,Hoherpriester« nennt und nur von einem Priesterthum nach der Weise Melchifedeks weiß; Christus aber ist nicht nur Priester, sondern auch Hoherpriestey darum ist er unmittelbar Vor (Kap. 6, 20) und gleich nach der eingehenden Vergleichung mit Melchisedek (Kap· 7, 26) Hoherpriester genannt. (Riehm.) ,,Christus kann ganz und gar, die durch ihn zu Gott kommen, selig machen2c.«: das war der letzte Satz des vorigen Abschnitts (V. 25); daran schließt sich nun hier (V. 26) die Begründung an: »denn einen solchen Hohenpriester sollten wir haben 2c.« Wenn solche Wesen, wie wir sind, erlöst werden sollen, so muß ihr Hoherpriestey wie nun folgt, beschassen sein: er muß sein heilig, daß er in dem richtigen Verhältniß zu Gott stehe; unschuldig oder ohne Falsch den Menschen, seinen Brüdern, gegenüber, daß jeder gleich wisse, wie er mit ihm daran ist; unbesleckt, daß er bei seinem Gange durch die Welt, in seinem ganzen Leben sich nie besudelt habe mit dem Schmutz der Sünde (nach Tholuck be- zeichnet ,,heilig« ihn als einen solchen, welcher Gottes Willen vollkommen entsprocheii, also s. v. a. gerecht 1. Joh. 2,1., darnach ,,unschuldig« als den, der seiner Beschaffenheit nach ihn zu erfüllen vermochte, und ,,unbefleckt« als einen solchen, bei dem die Versuchung keine üble Spur nach sich ließ). Und wie er von den Sündern abgesondert (was nach Jes. 53, 8 dahin zu verstehen ist," daß er in Betress seiner nun- mehrigen Wohnstätte von den Sündern derart ge- schieden, daß sie ihn nicht mehr erreichen können Joh. 7, 33f.) sein niuß, so auch höher, denn der Him- niel ist: bei Gott muß ja der Hohepriester die Men- schen vertreten; also muß er auch nothwendig da Zu- gang haben und da erscheinen können, wo Gott so gegenwärtig ist, wie nirgends auf Erden. Jede Ver- tretung der Menschen bei Gott, die blos hier auf Erden geschieht, bleibt schon darum eine inangelhafte; nur ein Hoherpriestey wie er hier beschrieben ist, ent- spricht unsrer Noth und deni Bedürfniß, das wir haben. (Fricke.) Von der Beschaffenheit der Person des HErrn: ,,heilig, unschuldig, unbefleckt« schreitet die Aufzählun fort zu der seiner nunmehrigen Seins- weise, daß er, nachdem er ,,höher selbst als der Him- mel« gekommen, »von den Sündern abgesondert« oder geschieden ist; indem er nun da die Seinen bei Gott vertritt, braucht er als Vorbedingung dafür kein Opfer mehr zur Sühnung der Sünden zu bringen. Wenn der gesetzliche Hohepriester zum Zweck der vom Gesetz) ihm sonderlich besohlenen Vertretung der Gemeinde vor Gott erschien, so mußte er vorher zur Sühnuiig seiner eigenen Sünden und zur Sühnung der Sünden der Genieiiide geopfert haben (3. Mos. l6): dies hat Jesus nicht nöthig; denn er hat es damit, daß er sich selbst opferte, ein für allemal gethan. Der Verfasser bedient sich hierbei eines Ausdrucks, der bestimmt ausschließt, das »opfern« von der Darbringun des Sühneblutsim Allerheiligsten (3. Mos 16, lkl R) zu verstehen; vielmehr hat Christus mit dem »f1,ch selbst Opfern« das ein für allemal gethan (1. Petri 2, 24), was die gesetzlichen Hohenpriester thun, wenn sie zuerst um die eigenen Sünden, dann um die der Gemeinde opfern· Diese thun das des Jahres nur einmal, wie unser Verfasser in Kap. 10, 1 selber darauf hinweist; da nun Jesus fort und fort in einem der Vertretung der Seinen gewidmeten Leben steht (V. 25), so müßte bei ihm das den gesetzlichen Hohenpriestern sonderlich eignende Amtsgeschäst ein Tag für Tag sich wieder- holendes sein, in dieser Nothwendigkeit aber befindet er sich nicht, er hat vielmehr das hohepriesterliche Ge- schäft des Opserbringens um eigene und um des Vol- kes Sünde in seinem irdischen Leben mit seiner Selbst- opferung ein für allemal vollbracht und hat da mit seinem ,,sich selbst opfern« nicht blos etwas gethan, was den hohepriesterlichen Opfern um des Volkes Sünden gegenbildlich entspricht, sondern auch nach Kap. 5, 7 ein dem hohepriesterlichen Opfern um eigene Sünde gleichendes Opfer in der Art gebracht, wie es seiner sündlosen Schwachheit entsprach· (v»; Hofmannh Die Rettungsarbeit Jesu, das Eintreten sur die durch ihn zu Gott Herzutretenden hört nicht aus, solange noch irgend was an der Fülle des Heils aussteht, aber die Opferung wiederholt sich nicht; ihrer bedarf es nicht mehr, sondern» nur des Bittens, daß das geschehene Opfer auch diesem und diesem» und auch noch dies Mal und dies Mal gelten möge. (Geß.) Den Christen, an welche unser Verfasser schreibt, war der alttestamentliche Tempeleultus wegen der ununter- brochen fortgehenden und täglich sich erneuernden Opfer etwas so Verlockendes, daß ihnen Christi hohepriester- liche Vertretung im Himmel auf Grund seines ein für allemal vollbrachten wahrhaften Versöhnuiigs- opfersnicht genügte und sie sogar ·in Gefahr standen, von seinem Hohepriesterthum gänzlich abzufallem Da zeigt er nun zum Schluß der bisherigen Aus-einander- setzuiigem mit dem »denn« zu Anfang des 28. Verses an die Aussage in V. 27 anknüpfend, daß wir an Christo eben darum den v ollkommen enHohenpriester haben, weil er in seinem gegenwärtigen Stande das Opfern für immer hinter sich und nichts mehr daniit zu schaffen hat, während dagegen »das fortgehende Opfern der alttestamentlichen Hohenpriester beweist, daß ihnen ununterbrochen die Schwachheit anhaftet, über die sie nicht hinauszukommen und eine wirkliche, für immer giltige Versöhnung zu Stande zu bringen ver- mögen. Allerdings haftete Christo während der Tage seines Fleisches ebenfalls die Schwachheit an, und sie mußte nach dem in Kap. 5, 2 Gesagten ihm anhaften, wenn auch nicht als sündliche Schwachheit: wie hätte er sonst können vollendet werden? Aber es ging bei ihm nicht, wie bei den menschlichen Hohenpriesteriy aus Schwachheit in Schwachheit, sondern aus Schwach- heit zur Vollkommenheit, aus Leiden zur Herr- lichten; und so ist er nun im Gegensatz zu den vom inv- saischen Gesetz aufgestellten Hohfenpriesterii der, Jahr- hunderte nach dem Gesetz auf eidliche Weise in’s Amt eingewiesene Hohepriester nach der Ordnung Melchi- sedeks auch in der Beziehung, daß von diesem in I. Mos. 14, 18 ff. ein Opfern nicht berichtet wird, sondern nur ein Herzubringen von Brod und Wein und ein Segnen. Damit ist der Verfasser der Sache nach bei dein Punkte wieder angelangt, auf welchem er oben nach der Auseinandersetzung in Kap. 5, 1—l0 Die Vorzüglichleit der Amtsverrichtungen Christi vor denen der jüdischen Hohenpriesten 885 fich befand, nur daß er jetzt wohl schon verstän- digeren Hörern, als dort (Kap· 5, 11), sich gegenüber wissen darf. Das 8. Kapitel. » Vergleichung des Piiesteithiims Christi mit dem Ikriesierihnm der Zenit-en. o. V. 1—Kap. 10, is. Nachdem der Verlasser im vorigen Abschnitt die persönliche Erhabenheit des neuleskanieutlichen Hohenpriesters, der der Priester nach der Ordnung llielchisedeks ist, über die alt· testamentlictjen Priester und hohenvriesier ausführlich nachgewiesen und dabei einige Folgerungen in Be— ziehung ans die Aufhebung des altteskamentlicheti sJriesterlhiims, die Umgestaltung des Gesetzes nnd die Vorziiglichkeit des neuen Teskaments vor dem alten gezogen hat, geht er jetzt dazu über, die vorzüglich· keit der Amtsverrichtungen Christi vor denen der levitischen hoheupriesier zu erörtern; wie er nun schon früher, bevor er überhaupt in die Behandlung des Lehrstüekes von Christi ljoheprieslerlhum eintrat, sich der Wichtigkeit und Folgenschwere dieser Behand- lung seinen Lesern gegenüber wohl bewuslt war und deshalb ihr die lange Ausprache in Kaki. Z, 11 bis S, 20 vorausschickte, so macht er bei dem nunmehr folgenden Punkte noch besonders daraus aufmerksam, das! er hier bei dem Haupt- und Höhepunkte seiner Iluseinandersetzung angelangt sei (V. l u. 2). Was denn Christi Amtsvernichtiingen vor denen der levitischen Hohenpriester auszeichnet, isk zunächst dies, dass sie nicht in dem abbildlichen Heiligthum, sondern im Himmel selbst von ihm vollzogen werden, sodann, das) ihr Charakter dem Charakter des neuen Testament- entspricht, weiches aus bessere Ver- heislnngen gegründet ist, als das alte Testament (V. 3—6). Als Beleg für die Mangelhasligkeit des allen Teskanienls nnd den vorziiglichereii Charakter des neuen führt der Verfasser Gottes eigenen Aus- spruch beim Propheten Ieremias an und folgert aus dessen Wortlaut, das! der HErr selber damit schon bezeugt habe, wie das alte Testament dem neuen werde weichen müssen (V. 7——13). Aber mit dem bisher Gesagten ilk die Vorzüglichkeit des hohen— priesterdienskes Christi von dein der altteskamentlichen ljohenpriester erst im Allgemeinen ausgewiesen; darum werden nun beide näher mit einander verglichen. Es hatte ja allerdings auch das alte Testament sowohl eine von Gott eingesehte Cultusorduung als eine von ihm vorgeschriebene Caltusstättez letztere war gar herrlich ausgestattet, und wie erstere ihren täglichen Verlauf hatte, so auch ihren Höhepunkt in dem hohe- priesterlichen Opfer des grossen Versöhnungstages, aber gerade in diesen gottesdiensilictjen Einrichtungen spiegelt sich auch die Unvollkommenheit und Mangel- haftigkeit des alttesiamentlicheii Gottesdienskes ab, der nicht im Stande ist, die, so da Gottesdiensk thun, vollkommen zu machen nach dem Gewissen (Kap. 9, t—10). solcher Unvollkommenheit steht denn Christus mit dem Heiligthum, an welchem er dient, und mit dem Opfer, welches er bringt, gegenüber: jenes ist das Allerheiligsie des Himmels, dieses sein eigenes, von ihm vergossenes Blut; so kann er unser Ge- wissen reinigen von den todten Werken, zu dienen dem lebendigen Gott, und die Erlösung, die er er- kunden, ist eine solche, die in die Ewigkeit hinüber» reicht, so isk er aber auch der mittler eines neuen Testaments, welches wirklich zur Erlangung des ver« heislenen ewigen Erbes denen, die dazu berufen sind, verhilst (V. l1—15). Jnsosern dieses Testament die Beschaffenheit eines eigentlichen Vermüchtiiisses an sich trägt und es sich dabei um die Erbschaft von Gütern handelt, so isk ja in der That der, der das Testament zur Ausführung gebracht, des Todes ge· storben und hat den Gütern, die er erworben und in deren Besitz er die Seinen einsetzh den Charakter eines Grbes ausgedrückt; sofern es aber den Charakter eines neuen Bandes Gottes mit seinem Volke hat, ist es nicht weniger als der alte Band, aber mit einem unzweifelhaft besseren Bandes-Blut zu Staude gebracht, und sind denn auch durch den Eiutrittdesseii, der der mittler ist, in das himmlische Heiligthum, zn erscheinen vor dem Angesicht Gottes, diese heiligen, an sich unnahbaren Rüume zur Ausnahme sür uns ans immer geweihet, ohne je wieder unnahbar gemacht werden zu können (V.16—28). Denn das eben gehört zu den hanptvorzügen des Gpferdienskes unsers hohenpriesters, dass, was. er einmal gethan, niemals wiederholt zu werden braucht; es reicht aus, alle unsre Sünde wegzunehmen, und hat solche Macht, dass es uns in alle Ewigkeit vollendet (Kap.10,i—18). l. Das ist nun [um auf Grund des vorhin Erörterten in unserm Thema jetzt weiter fort- zufahren] die Summa [der Hauptpunkt bei der Saches davon wir reden [nämtich bei dem Hohepriesterthum unsers HErrn Jesu Christi in seinem Vorzug vor dem alttestamentlichen Hohe- priesterthumh Wir haben einen solchen Hohen- priefter [an ihm], der da snachdem er gemacht hat die Reinigung unsrer Sünden durch fich selbst] sitzet zu der Rechten auf dem Stuhl srichtigem zur Rechten des» Stuhls, wie Luther bis zum· Jahre 15sz27 übersetzt hatte] der Majestiit so. i. Gottes] im Himmel [Kap· I, Z; 4, 14; 10, 12]; v . Z. Und ist [dajelbst, in dem überweltlicheti Thronhimmel Gottes Matlh 6, 9] ein Pfteger der heiligen Güter [die dort zu verwalten sind Kap. 10, 29 — besser jedoch überfetzt man: des urbildlichen Heiligthums Kap. 9, 24f.; 1.Macc. 4, se] und der wahrhaftigen Hütte, welche Gott aufgerichiet hat, und kein Mensch swie es mit der mvsacjchen Stiftshütte und dem Tempel der Fall 2. Mos 40, 16 ff.; Weisls 9, 8]. 3. lEin folcher Pfleger aber ist er, indem er dort seine hohepriesterlichen Gaben unmittel- bar vor Gott bringt] Denn ein jeglicher Hohei- priestet wird swie schon in Kap. b, 1 darauf hingewiesen wurde] eingrseszh zu opfcrn svor Gott iu’s Allerheiligfte zu bringen] Gaben Und Opfer l3s MOL 16- 12 ff«J· Darum muß auch dieser [der neutestamentliche Hohepriester, wenn er das wirkltch, ein Hoherpriestey sein soll] etwas haben, das er opfere [bei seinem Erscheinen vor Gott als das von ihm geleistete Opfer darzubringen vermöge Kap. I, 12; 10, 10]. 4. Wenn er nun auf Erden wäre [und dem- gemäß im irdischen Heiligthum sein Opfer dar- bringen sollte], so wäre et [überhaupt] nicht 886 Ebräer 8, 5—13. Priester, dieweil da fauf Erden nämlich und beim irdifchen Heiligthum, in den Söhnen Aarons] Priester [vorhanden] sind, die nach dem Gesetz die Gaben opfern [in deren Kreis aber gehört er, als nicht zu ihrem Geschlecht gehörig, auch nicht hinein]; 5. Welche [durch das Gesetz aus dem Stamme Levi beftellten Priester Kap. 7, s. 11· 16., wenn sie an der Stistshütte oder dem Tempel dienen] dienen fwie ihr euch beständig gegenwärtig halten folltet, um ihrem Dienste keinen größeren Werth beizulegen, als ihm in Wahrheit gebührt] dem lbloßenj Vorbilde [richtiger: Nachbilde oder AbrißJ nnd dem [vorlaufenden] Schatten der himm- lischen Güter [besser: Dinge oder Heiligthümer Kap. 9, 23], wie die gdttliche Antwort sWeisung oder Offenbarung, das irdische Heiligthum aus- drücklich als solche Nachbildung und Abschattung des himmlischen bezeichnend] zu Mose sprach fin 2. Mos. 25, 8f. 40], da er sollte die Hütte vollenden lfie mit allen ihren Bestandtheilen und Geräthschaften in’s Werk setzen]: Schatte zu, sprach er [der HErrL daß du machest alles nach dem Bilde, das dir auf dem Berge gezeiget ist - [Apostg. 7, 44]. Ei. Nun aber fda er, unser HErr Christus, nicht aus Erden V. 4., sondern im Himmel ist V. 1 f.] hat« er [der nicht der Klasse der levitischen Priester angehört Kap. 7, 13 f.] ein besser Amt fdes hohepriesterlichen Opferdienstes V. 3] er- langet, als der [wie bereits oben gesagt Kap. 7, 221 eines bessern Testaments Mittler ist [Kap. 9, 15 ff.; 12, 24; L. Cor. Z, 6], welches [Testa- meist] auch auf besseren Verheißungen swie sie in den V. 1()—12 angeführten Schriftworten vor- liegen] stehet* [vgl. die Vem. zu Ierem. 31, 34]. 7. Denn so jenes [Testament], das erste [oder alte, wie es gewöhnlich heißt V. 13], untadelig [ohne Tadel und Gebrechen Kap. 7, 18] gewesen wäre, würde nicht fvou Gott, wie es ja von ihm selber in der nachher anzusührenden Propheten- stelle geschiehet] Raum zu einem andern soder neuen] gesucht sdurch Verdrängung und Beseitigung des ersteren, dessen Stelle es fortan in der Heils- geschichte einnehmen solle] 8. Denn er [der HErr, der das erste Testa- ment mit den Kindern Israel durch Mosen auf- gerichtet] tadelt sie [die diesem Testament unter- ftellt waren, die Kinder Israel], und sagt sin Jer. 31, 31—34]: Siehe, es kommen die Tage, spricht der HErr, daß ich über das Haus Israel und über das Hans Jnda sweiche sich in zwei Häuser oder Reiche getheilt haben] ein neu Testa- ment machen will; . · 9. Nicht nach dem Testament snicht wieder ein Testament nach der Art und Beschaffenheit desjenigen] das ich gemacht habe mit ihren Vätern an dem Tage, da ich ihre Hand ergriff, sie ans- znführen aus Eghptenland [so daß also auch diesem Testament allerdings große Gnadenerweisungen meinerseits voraus-gegangen waren 2. Mos. 19, 4 und auch ihm eine gewisse Klarheit eigen war 2. Cor. 3, 7 ff.]. Denn sie find sweil ihr Herz dadurch nicht konnte erneuert werden] nicht ge- blieben in meinem Testament; so habe ich ihrer auch nicht wollen achten fdaß ich sie nocht ferner in dem Bundesverhältniß mit mir zu erhalten ge- dächte], shricht der HErr [fondern es soll ein Testament ganz anderer Art, also in Wahrheit ein neues sein, das ich machen will]. 10. Denn das ist das Testament, das ich machen will dem [aus Israel und Iuda nun wieder zu einem Ganzen vereinigten] Hause Israel [Hes. 37, 15 ff.] nach diesen Tagen fwenn die dafür bestimmte Zeit wird herbei- gekommen fein Gal.4, 4], spticht des: HErrz Jch will geben meine Gesehe in ihren Sinn, undin ihr Herz will ich sieschrei- ben [Hes. 36, 26 f.; It, 19 f.]; und will [wenn nun wirklich die schon beim ersten Testament für diese Verheißung gestellte Bedingung Z. Mos. 19, 5 erfüllt wird, auch wirklich und allseitig] ihr Gott sein, und sie sollen mein Volk sein [Hes. se, 28; 34, 30]; 11. Und soll nicht lehren jemand seinen Nächsten, noch jemand seinen Bruder, und sagen: Erkenne den HErrn fwie es beim ersten Testament der Fall war, wo es zur Offenbarung meiner Erkenntniß besonderer Mittler und Propheten bedurste]. Denn sie sollen mich alle kennen, von dem Kleinsten an bis zum Grbßesten [2. Mos. 19, S; Jes. 54,» is; Joh. g, 45]. 12. Denn ich will gnädig sein ihrer Un- tugend nnd ihren Sünden, und ihrer Ungerechtig- leit will ich nicht mehr gedenken« [Jes. 33, 24]. 13. Indem er [Gott der HErr, im Eingang dieses Spruchs V. s] sagt: Ein neues [Testament Wolle er Aussichten] macht er das erste welches» er durch Mosen aufgerichtet hatte] alt lerklärt es dafür, indem ja das Wort ,,neu« diesen Gegen- satz m sich schließt] Was aber alt und über- jahret lgleichfam in’s Greisenalter eingetreten und also abgelebtj ist, das ist nahe bei seinem Endettsp sum schließlich ganz zu verschwinden] V) Es handelt sich in dem nunmehrigen Abschnitt nm den Haupt- und Höhepunkt der ganzen in Rede stehenden Entwickelung, der wegen der Beschasfenheit der Leser in V. l besonders bemerklich gemacht wird; dieser Hauptpunkt ist die Qualitäts-Bestimmung unsers Hohenpriefters Christi, welcher als der zur Rechten Gottes hingesefsene Mefsias nur in dem Hei- ligthum fungiren kann, als dessen irdifches Abbild das niosaiiche zu betrachten ist. (Moll.) Man muß sich lier Vergegenwärtigen, wie schwer den hebräischen hristen das Unsichtbarfein des Mesfias fiel (vgl. Joh. Die prophetische Weissagung von dem künftigen ueueu Testament. 887 12, 34) und welch mächtigen Eindruck das sichtbare Priesterwesen in Jerusalems Tempel auf ihr Gemüth ausübtex gerade dies bewo den Verfasser, in der Unsichtbarkeit ihres Hohenpriefjters den stärksten Beweis dafür zu zeigen, daß er der wahre Hohepriester sei (vgl. Joh.16, 10), ihnen zu zeigen, »das 5»J1lurg- (Luther: ,,Pfleger«-) sein Jesu im himmlischen Heilig- thum, sein Opferbringen im Himmel, sei das Ent- scheidende für die Vollkommenheit feines Priesterthums (Geß.) Das aaronitische Hohepriesterthum mit seinen Amtsfunctionen im sichtbaren Heiligthum war damals die lebendige und gegenwärtige Macht, die als Rivalität gegen Jesum in den Gemüthern der Leser austrat. Die Engel als himmlische Mittler des· alten Bundes (Kap. I, 5——2, 18) waren nicht mehr sichtbar, Moses und Josua als menschliche Mittler (Kap. Z, 1—4, 16) gehörten der, Vergangenheit an: Aarons Nachfolger aber standen noch in sichtbarer Herrlichkeit und Wirk- samkeit da. Jhnen gegenüber tritt Jesus, der Schöpfer eines ewigen Heils, als unsichtbarer Hoherpriestey da gilt es nun dem Verfasser, nachdem er die Erhabenheit des letzteren über die ersteren gezeigt hat (Kap. 5, 1 bis 7, 28), mit besonderem Nachdruck zu beweisen, daß, was als Schatten und unvollkommene geschichtliche Vorbereitung im alttestamentlichen Priesterthum vor- handen war, in Christo zu seiner Vollendung und ewigen Giltigkeit gekommen ist· Sollen die Leser aus der Gefahr des vollkommenen Absalls von Christo, in der sie schweben, gerettet werden, so müssen sie in die Tiefe des Heiligthums hineingeführt werden; es muß ihnen der Blick geöffnet werden in das ewige Geheim- niß, damit vor dem Lichtglanz aus der Höhe die irdischen Zweifel schwinden. Und so öffnet sich denn wirklich hier das obere Heiligthum, in welches Christus der Auferstandene eingegangen ist; und er läßt durch seinen heiligen Propheten, den Verfasser unsers Briefs, dahinein und in sein eigenes ewiges göttliches Wesen jene gefährdeten und versuchten Christen einen Blick thun, der ihnen gerade das offenbart, was sie gänzlich mißkannt haben. Bald sollte das irdische Jerusalem und sein Heiligthum untergehen, da muß der Prophet die Gemeinde das obere Heiligthum schauen lassen; in diesem Heiligthum aber waltet Christus, der ewige Hohepriestey er, der das Opferund Priester zugleich ist— in gewissem Sinne ist der Hebräerbrief eine Apokalypse oder Offenbarung. (Grau.) Zwar stellt »Unser Ver- fasser Christum nur im himmlischen Heiligthum als Hohenpriester vor, aber doch kraft des auf Erden von ihm vollzogenen Opsers (Kap. 7, 27); man darf also nicht sagen, wie die Socinianer aus unsrer Stelle ge- schlossen haben, der Erlöser sei erst Priester geworden mit seinem Erscheinen vor dem Angesicht Gottes im Himmel, vielmehr, wie der alttestamentliche Hohe- priester sein hohepriesterliches Amt schon da verrichtete, wenn er im Priestervorhof zuerst für eigene Sünde Opfer that, darnach für des Volkes Sünde, so ist auch der neutestamentliche Hohepriester erst nach der auf Erden vollbrachten Ausrichtung des Versöhnungsaktes zur Rechten Gottes erhoben worden, um nun dort die Seinen fürbittend bei Gott zu vertreten. Daß übrigens unser Verfasser den Opferakt des Erlösers gerade vorzugsweise mit dem des Hohenpriesters am Versöhnungstage, und nicht mit andern Opfern, ver- gleicht, ist mit großer Weisheit geschehen; während nämlich die übrigen Opfer nur aus einzelne Ver- gehungen, und zwar größtentheils auf cerimonielle sich bezogen, bezog jenes jährliche Opfer sich auf die Gesammtheit des Volks, so daß auch zu diesem allein der Hohepriester befähigt war. (Tholuck.) Pf) Der Verfasser will nicht zunächst und geradezu sagen, daß Gott in der angeführten Prophetenstelle den alten Bund, den er vorher als ,,nicht untadelig« bezeichnet hat, tadele, vielmehr sind zi1nächst die alt- testamentlichen Bundesglieder die Getadelten; der Tadel fällt aber allerdings nach der Anschauun des Verfassers und im Sinne der alttestamentlichen eis- fagung auf den Bund selbst zurück, und deutlich genug ist die Mangelhaftigkeit desselben damit ausgesprochem daß es heißt, der neue Bund solle nicht wieder sein wie der alte. Jn ihm war nämlich, wie es aus dem über dessen Glieder ausgesprochenen Tadel sich ergiebt, keine Vorsorge getroffen, durch welche die Bund- brüchigkeit und die darauf nothwendig folgende Ver- werfung des Bundesvolks hätte verhütet werden können; dagegen soll die Vorzüglichkeit und Vollkom- menheit des neuen Bandes darin bestehen, daß in ihm eine solche Vorsorge getroffen werden wird, so daß er ein unauflöslicher Bund sein kann. Was ihn hierzu macht, sagt der weitere Inhalt der Weissa ung in drei Verheißungen. Die erste ist: im neuen Bunde wird Gott seine Gesetze dem Bundesvolke in den Sinn geben und auf die Tafeln des Herzens schreiben; nicht äußerlich werden ihm die Gebote Gottes gegenüber- stehen, vielmehr wird Gott selbst Sorge dafür tragen, daß sein Gesetz für alle Bundesglieder ein innerliches werde, daß sie alle es nicht nur kennen, sondern auch innerlich sich angetrieben fühlen, den Willen Gottes zu erfüllen. ie Gesetze Gottes sollen eine ledendig wirksame Macht über die Herzen sein; so wird dann eine Berletzung der Bundespflichten und eine Auflösung des Bundesverhältnisses nicht mehr möglich sein, Gott wird den neutestamentlichen Bun- desgliedern fortwährend als ihr Gott und sie wiederum fortwährend ihm als sein Volk angehören. Die zweite Verheißung hängt mit der ersten eng zu- samme1i, doch istsie nicht gerade als eine Folge der ersten zu betrachten; man könnte ebensogut das uni- gekehrte Verhältniß annehmen. Sie kündigt nämlich an, daß im neuen Bunde nicht mehr einer den andern lehren und ermahnen werde: ,,erkenne den HErrn«, da alle, Klein und Groß, Gott erkennen werden; der Unterschied zwischen Gottesgelehrten und Laien wird aufhören, weil alle ohne Ausnahme von Gott selbst Belehrte sein werden. Wir haben hierbei natürlich nicht an eine blos theoretische Gotteserkenntniß zu denken, sondern an ein lebendiges, persönliches Be- kanntsein, an eine innige Vertrautheit mit Gott; diese hat allerdings zur Voraussetzung, daß die Gesetze Gottes in die Herzen geschrieben sind, aber auf der andern Seite hat sie auch die Verinnerlichuug des Gesetzes zur Folge —- beides bedingt sich gegenseitig. Die dritte Verheißung ist die der Gnade Gottes und der Sündenvergebung; und sie wird als eine die Voraussetzung der beiden ersten bildende eingeführt. Weil Gottes Gnade bei der Stiftung des neuen Bun- des die bisherigen Sünden vergeben wird, daruui werden die Gesetze Gottes in deii Herzen der neu- testamentlichen Bundesglieder leben, und darum werden sie alle Gott erkennen und mit ihm vertraut sein; denn wir können Gott nur dann in’s Angesicht sehen und vor seinem Angesicht wandeln, wenn er über uns Sünder sein Angesicht gnädig leuchten läßt. Diese Wahrheit ist schon in dem durch Jeremias gesprochenen Gottesworte offenbart; schon in ihm ist als die Haupt- aufgabe Gottes im neuen Bunde, deren Folge und Frucht die andern sind, die Sündenvergebung genannt. Es ist wohl zu beachten, daß der Verfasser den Nach- weis der Mangelhaftigkeit des alten und der Vor- 888 Ebräer 9, züglichkeit des neuen Bandes aus einer in den alt- testamentlichen Bundesschriften selbst enthaltenen Weissagung führt. Jm alten Bunde selbst sind die dem neuen Bunde geltenden besseren Verheißungen gegeben; ssie sind aber dem alten Bunde nicht zu- geeignet, sondern sie weisen ganz ausdrücklich über denselben hinaus und auf einen künftigen, neuen und besseren Bund hin. Es ist also — und dies war be- sonders wichtig, wo es galt, judenchriftliche Leser von der Erhabenheit des neuen Bundes über den alten zu überzeugen —— nicht der Verfasser, auch nicht blos das durch Christum gesprochene Gotteswort, es ist vielmehr das Gotteswort des alten Bundes selber, welches die Mangelhaftigkeit des alten und die Vor- zügltchkeit des neuen Bandes ausspricht. Der alte Bund will gar nicht als ein vollkommener und aus die Dauer genügender gelten; es ist darum auch keine Leugnung, sondern eine Anerkennung der gött- lichen Auetorität des altteftamentlichen Gottes-Worts, wenn man die Mangelhastigkeit des alten und die Vor- ziiglichkeit des neuen Bundes behauptet. (Riehm.) sit-·) Seit der neue Bund in dem Blute Jesu Christi geschlossen worden ist, hat der alte nur noch ein Scheinleben im Wahne Jsraels, in Wirklichkeit gehört er der abgelaufenen Heilsgeschichte an und ist gestorben und begraben; die Stellung der Psalmisten und Propheten aber zum mosaischen Gesetz, kann gar 11icht richtiger beurtheilt werden als so, daß schon in ihrer Zeit der alte Bund ein ,,alter und überjahrter« war — wäre denn sonst ein solcher Gegensatz gegen den Opfereultus möglich, wie er uns in l. Sam. 15, 22 f.; Pf. 40, 7f.; 50; 51, 18f.; Sprüchm 21,·3; Hof. 6, S, Jer. 7, 21 ff. und allerorten in den Weis- sagungen entgegentritt? Es ist da überall, als ob wir schon den letzten Stundenschlag des alten Bandes vernahmen; der zweite Bund ringt schon mit dem ersten um die Gegenwart und rüttelt an seinem greifen Leibe. Zur Zeit unsers Verfassers aber war dieses Werden des Neuen und dieses Entwerden des Alten längst zum Schlusse gekommen, der alte Bund war gestorben nnd der neue erstanden; jener lag in aller Herrlichkeit des fortbestehendem aber nur wenig Jahre noch fortbestehenden Tempeldienstes wie auf dem Paradebett, dieser führte in aller Niedrigkeit der Ge- meinde Christi ein aufwärts weisendes himmlisches Leben, und doch waren die Leser geneigt, fich von dem äußeren Gepränge des jüdischen Gottesdienstes blenden zu lassen und dagegen an der armen Kreuz- gcstalt der neuteftamentlichen Gemeinde fich zu ärgern. (Delitzsch.) Jn dieser Hindeutung auf die bald zu erwartende Zerstörung des Tempels und der gottes- dienstlichen Verfassung der Juden lie t die Mahnung, sich nun ganz und ausschließlich an? das schon er- schienene Neue zu gründen und Herz und Hoffnung von dem Alten, das schon im Vergehen ist, loszu- machen —- eine Hindeutung und Mahnun , die auch auf die christliche Kirche zu verschiedenen Zeiten paßt. (v. GerlachJ Vgl. die Auslegung von Jes. 66. Das 9. Kapitel. Die stiftshiitte und cenitischen Ostsee, ein Vorbild non Christi hoheprieslerlicijem Amt. l. Es hatte zwar [um jetzt auf den in Kap. 8, 4 f. berührten Punkt zuriickzukommen] auch das erste [unter Mose gestiftete Testament Kap. 8, 7 u. 13] seine Rechte [göttlichen Rechtssatznngen 1—10. bezüglichj des Gottesdienstes [V. 6 ff. — statt dieser herkömmlichen Lesart in den gewöhnlichen Bibelausgaben steht bei Luther: s eine Rechte und Gottesdienfte] Und [feine] äußetliche Hei- ligkeit [V. 10., wie sie der Einrichtung des welt- lichen Heiligthums entsprachen, das ihm für den Gottesdienst gegeben war]. Z. Denn [um zunächst aus dieses Heiligthum, wie Moses nach dem auf dem Berge ihm ge- zeigten Bilde es herzustellen hatte 2. Kön. 25, 17 Anm., etwas näher einzugehen] es war da aufgerichtet das Vordertheil der Hütte, darinnen war der Lenchter [2. Mos. 25, 31 ff. an der Mittagsseite 2. Mos. 40, 24 s.] nnd der Tisch und die Schaubrode [an der Mitternachtsseite 2. Mos. 25, 22 ff.; 40, 22 s.]; und diese [Hütte] heißt die heilige [oder, wenn man sie als Theil des Ganzen bezeichnet: das Heilige 2.Mos. 26,33]. Z. Hinter dem andern [im Jnneren des Heiligthums besindlichen 2. Mos. 26, 31ff., von dem vorderen wohl zu unterscheidenden 2. Mos. 36, 35 f. u. 37 s.] Vorhang aber war die Hütte, die da beißt die allerheiligste sdas Allerheiligste 1. Kön. S, 16]. 4. Die [diese innere oder allerheiligste Hütte] hatte das güldene Rauchfaß smit welchem der Hohepriester am großen Verföhnungstage die Räucherung im Allerheiligsten zu vollziehen hatte Z. Mos. 16, 12 -— nach der jetzt fast allgemein angenommenen Deutung des griech· Worts: den zwar vor dem Vorhang V. 3 stehenden, aber gleichwohl zum Allerheiligsten zu rechnenden güldenen Räuchaltar 2. Mos. 30,1ss.; 40, 26 f.; 1. Köln S, 20 U. 22] und die Lade, des Testamentd, allenthalben mit Gold überzogen ldie allenthalben mit Gold überzogene Lade des Testa- ments 2. Mos. 25, 10 ff.; 40, 20 in welches: [v»gl. die Bemerkung zu l. Kön. 8, J] war die guldene Gelte [Urne], die das Himmelbrod hatte [2. Mos. 16, 32 ff.], und die Ruthe Aar-one, die gegrünet hatte [4. Mos. 17, 10 f.], und die Tafeln des Testaments [letztere in der Lade selber, erstere beiden aber neben derselben oder ihr zur Seite]. Z. Oben drüber aber liiber der Lade des Testaments] waren die Cherubim [diese Träger] der [göttlichen] Herrlichkeit [3. Mos. 16, 2; I. Sam. 4- 45 2s Kötts 19- 155 Ps- 80, 2], die icberschatteten den Gnadenstnhl [2. Mos. 25, 18 ff.]; von welchem [allem, was hier V. 2——5 der Reihe nach auf- gezählt worden] jeszt nicht zu sagen ist insonderheit« [indem es außerhalb unsrer Ausgabe liegt, diese Stücke alle einzeln nach ihrer näheren Beschaf- fenheit und sinnbildlichen Bedeutung durchzugehens 6. Da nun [genauer: aber] solches also zu- gerichtet ldas Heiligthum nach seinen beiden vor- hin genannten Theilen mit den einem jeden Theile Das mosaische Heiligthum mit seinem Opferdienst 889 zukommenden Geräthen für alle zukünftigen Zeiten hergestellt] war, Singen die Priester [wie es ja auch noch gegenwärtig beim Tempel geschiehet] allezeit in dievorderste Hütte [V. 2] und richieten [darin täglich zwei Mal am Räuchaltar B. 4] aus den Gottesdienst [wie er in S. Mos. so, 6 ff. vorgeschrieben ist Luk. 1, 8 ff.]; 7. Jn die andere [Hütte] aber [in das Aller- heiligste V. Z] ging snach der Vorschrift in 2. Mos. 30- 10; 3- Mvs IS, 1 ff.] nur einmal im Jahr [nämlich am großen Versöhnungstage] allein der Hohes-Nester, [und ging da hinein] nicht ohne Blut, daß er [selbiges, nachdem er es mittels der Schlachtung seines eigenen Sündopfers und der des Siindopfers für die Gemeinde im Priester- vorhof gewonnen hatte] opferte [darbrächte] sitt sein selbst nnd des Volks Unwissenheit saus Un- wissenheit und Jrrthum begangene Sünden Kap. 5, 2; 7, 277 3. Mai. is, 3 ff.]. 8. Damit [mit dieser, das Allerheiligste ·so gut als unzugänglich machenden Satzung] der heilige Geist [auf dessen Antrieb und unter dessen Eingebung die Gesetzesbestimmungen hinsichtlich des Gottesdienstes von Moses getroffen worden 1- Pstvi I, U] deutete, daß noch nicht osfenbaret wäre der Weg zur Heiligkeit snoch nicht der Zu- gang zum eigentlichen Heiligthum Gottes Kap. 8, I f.; 6, 19 f. für jedermann und auf alle Zeit geöffnet sei Kap. 10, 19 f.], so lange die, erste Hütte smit dem gegen die hintere Hütte sie abschließenden,- seit Jesu Tode aber zerrissenen Vorhang V. Z; Matth. 27, 51] stünde [im Be- stand wäre]; 9. Welche [vordere Hütte, in die die Priester allezeit gehen durften V. 6] mußte zn derselbigen Zeit ssolange das alte Testament zu Recht be- stehen sollte] ein sGleichniß oder] Vorbild [Kap. 11, 19] sein, in welchersGaben und Opfer [Kap. 5, I] geopfert wurden [die solchem ihrem gleich- nißartigen Charakter ensprachen], und konnten [daher, weil selber bloße Gleichnisse] nicht voll- kommen machen [Kap. 7, 19] nach dem Gewissen den, der da Gottesdienst thut [so daß dieser das Bewußtsein hätte davon bringen können, nun wirklich erreicht zu haben, was er erstrebt, und also mit Gott versöhnt und ihm angenehm zu sein], 10. Allein [s. v. a. lediglich] mit Speise und Trank [Rö1n. 1.4, 17; Col· 2, 161 und inancherlei Taufen kWaschungen 2. Kön 5, 14; Mark. 7, 4] nnd [dergleichen] ånßetlichet Heilig- keit [wie sie das Ritualgesetz außer ihnen, den Gaben und Opfern, vorschreibt, solche Satzungen ausmachend], die bis auf die Zeit der Besserung [welche mit dem verheißenen neuen Testament Kap. 8, 8 ff. eintreten würde] sind aufgelegtti [Apostg. 15, 10 f.; Gal. 4, Z. 9]. «) Das erste Testament, sagt der Verfasser, war nun zwar auch in seiner Weise gottesdienstlich wohl bestellt, es hatte gottesdienstliche Ordnungen von po- sitiver, auf göttliche Offenbarung, göttliche Willens- erklärung zuriickgehender Rechtskraft und hatte (w·1e statt ,,äußerliche Heiligkeit« übersetzt sein sollte) ein eiligthum von weltlicher Beschaffenheit, d. i. ein in Ansehung der Stoffe, aus denen es bestand, der Stelle, die es einnahm, und der Art und Weise seiner Be- dienung der gegenwärtilgen materialischen Welt an- gehöriges Heiligthum; a er —- dieses »aber« schon in dem »von weltlicher Beschaffenheit« sich andeutend, dann in V. 6 bestimmt einsetzend, gelang: in V.11f. zu dem positiven Ausdruck, auf welchen es von V. 6 aus durch die, wie erörtert wird, dem Typus anhaf- tende Negativität hindurch hinstrebr Auf die »Rech»te des Gottesdienstes« kommt der Verfasser erst m V. 6—-10 zu sprechen, wogegen er, daß das alte Testa- ment auch ein Heiligthutm und zwar ein solches von weltlicher Beschaffenheit, hatte, sofort näher darzulegen sich anschickt (Delitzsch.) Jst der Frühling da, so sagen wir: »der Winter ist vergangen«, wenn auch vielleicht noch einige Wochen in den Frühling hinein der Schnee liegen bleibt. Jn diesem Sinne schreibt der Verfasser: ,,es hatte freilich auch das erste Testa- ment seine Rechte des Gottesdienstes und das welt- liche Heiligthum«, obwohl der Tempel noch stand und daselbst noch geopfert ward; da aber bereits das neue Testament da war, so gehörten der Tempel und der Opferdienst schon der Vergangenheit an —- der Glaube des Christen sieht eben schärfer, als sein leiblirhes Auge. Indem nun aber der Verfasser mit uns— im Geist in das jüdische Heiligthum eintritt und uns einen Blick thun läßt auf die Herrlichkeit desselben, so beschreibt er uns nicht den Tempel, wie er damals vor den Augen seiner Leser dastand, sondern geht mit gutem Bedacht auf den Ursprung, die erste Einrichtung der Stiftshiitte unter Moses zurück; es fehlte ja bereits im damaligen Tempel so manches wesentliche der hier genannten Stücke, z. B· die Bundeslade (vgl. Esra 6, 15 Blum» so daß die Leser, schon hieran merken konnten, daß es sich wirklich so verhalte, wie in Kap. 8, 13 vom alten Testament gesagt war: ,,es ist eben alt und überjahrt und nahe bei seinem Ende«), doch auch in seiner ersten, ursprünglichen Reinheit und Vollständigkeit war das alttestamentliche Heiligthum nur ein weltliches und vorbildliches und der Priester- dienst darin ein unvollkommener. (Fricke.) Hi) Am Schluß des 5. Verses erklärte der Ver- fasser, ldaß er hierorts nicht die typische Bedeutung aller einzelnen vorhin aufgestellten Gegenstande dar- legen wolle; wohl aber kommt es ihm auf Angabe der thpischen Bedeutung der« beiden Hauptabtheilungen der Hütte selber an, und so wendet er sich denn mit V. 6., indem er jetzt die Rechte des Gottesdienstes (V. 1) von Seiten eines ihrer Hauptpunkte heranzieht, zu solcher Angabe und läßt sie in V. 8 auch wirklich folgen. Der Gedanke dieses Verses aber ist der: durch die Anordnung, daß das Allerheiligste, der Sitz und die Offenbarungsstätte Gottes, nicht betreten werden dürfe außer an einem einzigen Tage des Jahres allein vom Hohenpriestey dagegen der tägliche levitische Priesterdienft im Heiligen stattfinde und somit jenes durch dieses abgesperrt und verschlossen werde, spreche der heil. Geist aus, daß, solange der levitische Priesterdienft fortbestehe, der unmittelbare Zugang zu Gott noch nicht gestattet sei, zur Ver- mittelung und Ermöglichung einer vollen und direkten Gemeinschaft mit Gott also etwas Anderes geschehen müsse, was durch den hohepriesterlichen Jahresdienst 890 Ebräer 9, 11—15· am Versöhnungstage vorgebildet sei. (Lünemann.) Bei der Beschreibung des Baues des Heiligthums (V. ·2——5) hat sich der Verfasser nicht an den herv- dianischen Tempel, sondern an die bei Mose gegebene Beschreibung des Urheiligthums, der Stiftshütte, ge- halten (hatte ja doch Herodes beim Umbau des Tem- pels sich mancherlei Abänderungen erlaubt, s. Schluß- bem. zum 1· Maccabäerb Nr. 11, d., so daß man auch hieraus die Wahrheit des in Kap. S, l3 Gesagten wahrnehmen konnte); hier aber, wo er von den Cultus- handlungen redet, beschreibt er sie als noch fortdauernde (indem V. 6 f. es im Grundtexte heißt: »in die vorderste Hütte gehen die Priester allezeit und richten aus den Gottesdienst, in die andere aber nur einmal im Jahr allein der Hohepriester«), denn diese Handlungen waren 1a dieselben geblieben, wie denn auch die Duplicität des Heiligthums als Heiliges und Allerheiligstes, nur unter veränderter äußerlicher Form, sich erhalten hatte. (Ebrard.) Um so weniger können die alttestament- lichen Priester Andern einen freien Zutritt zu Gott verschaffen, als sie ja nach dem Gesetz des alttestament- lichen Heiligthums nicht zu Gott nahen dürfen (3. Mos. 16, 1 f.); nur bis in’s Heilige dürfen sie kommen und dort in ehrerbietiger Form Gott durch ihre Priester- verrichtungen ehren. Und so ist dies Heilige ein treffendes Abbild der alttestamentlichen Zeit, in welcher eben nur eine unvollkommene Annäherung an Gott möglich war, in welcher selbst die, denen am meisten Zutritt zu Gott verstattet war, noch durch einen Vor- hang von ihm geschieden blieben, und auch der einzige unter ihnen, dem das Allerhöchste als ihm allein zu- kommend beschieden war, immer nur ganz kurz, und nur indem er jedesmal seine Sünden sühnte, sich in die unmittelbare, dabei aber noch immer blos äußer- lich-sinnbildliche Nähe Gottes wagen konnte. Der ganze Charakter der alttestamentlichen Zeit und ihres Gottesdienstes und religiösen Lebens ist also durch das Heilige als in einem Gleichniß dargestellt; diesem, den Charakter der ganzen alttestamentlichen Zeit dar- stellenden Sinnbild entspricht es denn auch, daß die alttestamentlichen Opfer, dies Hauptftück des Priester- lichen Dienstes, unvollkommen waren nnd nur eine ganz unvollkommene äußerliche Annäherung zu Gott ermöglichen konnten. Daneben nennt der Verfasser dann noch die sonstigen religiösen Satzungem die außer dem priesterlichen Dienst etwa noch zum wirklichen Nahen zu Gott hätten befähigen können; aber auch sie sind gleichen Charakters —- alles zusammen ist nichts als eine Menge äußerlichen fleischlicher Satzungem (R1ehm.) - (Episiel am Z. Sonntag in der Fasten: Indien) Jn dieser Epistel sehen wir unsern HErrn nicht blos als den Unschuldigen und Reinen, wie im Evan- gelio des Sonntags, nicht blos in majestätischer Ruhe durch den Haß seiner Feinde hingeben, sondern da sehen wir ihn angethan mit der hohepriesterlichen Würde; und es erzählen uns die beiden ersten Verse des Textes seinen Eingang in die vollkommene Hütte, er wird uns dargestellt, wie er eingeht mit seinem eigenen Blute. Jn den zwei folgenden Versen schließt sich die Darlegung der seligen Folgen aller Leiden Christi auf Erden an; und wie das Blut im ersten Theil des Textes im Himmel eine ewige Erlösung wirkt, so wird uns nun gezeigt, welch einen Frieden und große Freiheit dasselbe wunderbare Mittel auf Erden in den Herzen und Gewissen der Gläubigen hervorbringt. Endlich verkündigt uns der letzte Vers nicht blos, was das Blut des HErrn im Himmel wirkt, sondern wie die Glänbigen durch Kraft des Blutes selbst in den Himmel gehen und das verheißene Erbe erlangen. (Löhe.) Christus unser Höher- priester: I) die Herrlichkeit seines Opfers, 2) die Wirkungen seines Blutes. (Fuchs.) Von dem hohe- priesterlichen Amte Christi: I) wie dasselbe schon im alten Testamente vorgebildet ist, Z) wie Christus dasselbe ausgeübt hat und noch ausübt, Z) was für Gewinn dasselbe uns bringt. (Textor.) Das Hohe- priesterthum Jesu Christi: l) der Altar, auf dem er sein Opfer darbringt, L) das Heiligthum, in dem er priesterlich waltet, 3) der Segen, den er spendet. (Stählin.) Die-Versöhnung der sün- digen Menschheit mit Gott: l) wie sie bewirkt ist durch Christi Blut, 2) wie sie Kraft gewährt zum Dienste Gottes, B) wie sie das ewige Erbe ausschließh Die Reinigung unsrer Gewissen; wir vergegen- wärtigen uns I) die todten Werke, die unser Ge- wissen beflecken, 2) das Mittel, durch das wir von denselben frei werden, Z) die Heiligung, welche der Befreiung folgt. (Sommer.) Von der ewigen Erlösung: l) wer ist der Mann, der sie erworben? 2) was ist der Preis, den sie gekostet? 3) welches der Gewinn, den sie gebracht? (Westermeier.) Inwiefern ist unser HErr Jesus Christus der Mittler des« neuen Testamentssi insofern er 1) das Opfer wirklich bringt, welches im alten Testament blos vorgebildet wurde, Z) die Gerechtigkeit dar- bietet, welche im alten Testament wohl erfordert, aber nicht gegeben wurde, Z) uns die ewigen Güter darreicht, welche im alten Testament blos verheißen wurden. (Vollert.) 11. Christus aber [im Unterschied von den, nur dem Vorbild und Schatten dienenden Priestern des alten Testaments V. 6 s.; 8, b] ist smitEintritt der Zeit der Besserung V. 10] kommen, daß er sei ein Hoherpriester der zukünftigen Güter [sie, die der zukünftigen Welt zugehörigen Güter Kap. 10, I; 2, b; 13," 14., mittels hohe- priesterlichen Dienstes erwirke und dann auch in hohepriesterlicher Weise verwalte Kap. 8, 2· Und da ist er denn, nachdem er bei seiner Passion gleichsam den hohepriesterlichen Vorhofsdienst des großen Versöhnungstages ausgerichtet Kap. b, 7 s.; 7, 27], durch eine größere und vollkom- menere [erste V. 6 u. 8] Hütte [hindurch- gegangen Kap. 4, 14], die nicht [wie die des mosaischen Heiligthums V. L] mit der Hand gemacht ist [Kap. 8, 2], das ift [um näher anzudeuten, welche Hütte hier gemeint sei], die nicht also gebauet [besser, wie Luther früher übersetzt hatte: die nicht von dieser Creatur oder Schöpfung] ist lnicht in dieser irdischen sicht- baren Welt, sondern in der jenseitigen unsicht- baren sich befindet, nämlich durch die Stätte der himmlischen Heerschaaren hindurch Kp. 4, 14; 7, 26 ; Matth. S, 10; Ephes. 4, 10]. 12. Auch nicht durch der Böcke oder Kälber Blut [wie der levitische Hohepriester V. 7; Z· Mos.16,15 ff. 12 ff., hat er sich den Zutritt zum Allerheiligsten verschafft], sondern er ist durch sein eigen Blut sdas er in seinem verklärten Leibe mit sich brachte und dem Christus, der Hohepriester der zukünftigen Güter, und sein Heiligthum die Sühnkraft des am Kreuz vergossenen Blutes beiwohnte] einmal sfür immer Apostg. s, 21·, um nicht, wie der levitische Hohepriester, es all- jährlich immer wieder thun zu müssen V. 25 ff.] in das Heilige [welches das Allerheiligste im höchsten Sinne des Worts ist, in den Thron- himmel Gottes V. 24; Matth.6, 9] eingegangen, und hat [mittels des zuvor erlittenen Opfer- todes] eine ewige Erlösung [von aller Schuld und Strafe der Sünden zur Mittheilung an die, die an seinen Namen glauben, von droben her] erfunden« [so daß wir nun wirklich und wahr- haftig, was die levitifchen Priester uns niemals mit ihrem Opferdienst bewirken konnten V. 9 s., vollkommen gemacht sind nach dem Gewissen]. 13. Denn so [im alttestamentlichen Gottes- dienst V. 1., dessen Rechtssatzungen das Vorbild abgeben für Kraft und Bedeutung der neutesta- mentlichen Dinge Kap. 8, Z] der Ochsen und der Böcke Blut [das am großen Versöhnungs- tage vom Hohenpriester im Vorhof Vergossen und dann in’s Allerheiligste gebracht wird] und [um noch das andere bedeutendste Reinigungsmittel des alten Testaments, von dem in 4. Mos. 19, 1 ff. die Rede, hinzuzunehmen] die Asche, von der [dort erwähnten, durch den Nachfolger des Hohenpriesters außerhalb des Lagers ge- schlachteten und mit Fell, Fleisch und Blut ver- brannten] Kuh [mittels Wassers auf einen durch Todtenberührung Verunreinigten] g e sp r e n g et , heiliget die unreinen sdie sich dem Hei- ligthum nicht nahen dürfen S. Mos. U, 25 Anm.] zu der leiblichen Neinigkeit sdaß sie nun wieder Zutritt zu Gott und zur Gemeinde erlangen]: 14. Wieviel mehr wird das Blut Christi, der sich selbst [K0p— 7. 271 ohne allen Wandel [wie es zu einem rechten Opfer nothwendig ist 3. Mos. 1, Z; 4, 3 sf.; 22,19; 4.Mos.19,2] durch den heiligen Geist [der ihn erfüllte und sein Thun zu einem Thun freien Gehorsams gegen Gott und hin- gebender Liebe gegen die Brüder machte] Gotte geopfert [und damit die Reinigung unsrer Sünden gemacht] hat [Kap. 1, 3., wenn wir nun mit selbigem Blute in unsern Herzen be- sprenget werden Kap. 10, 22],unferGewisseu reinigen von den todten [nicht aus dem Leben in Gott hervorgegangenen und davon er- füllten] Werken [in denen wir bis daher ge- lebt Kap. S, 1], zu dienen dem leben- digen GVLLM [in lebendigen, wahrhaft guten Werken Kap. 10, 24; 13, 2lz Tit. 2, 14]! 15. Und darum [n)eil er, wie in V. 12 gesagt, nicht durch der Böcke oder Kälber Blut, sondern durch sein eigen Blut einmal in das 891 Heilige eingegangen] ist erzauch sum hier wieder in die Kap. 8, 6 ffyvorgetragene Gedankenreihe einzulenkeiq ein Mittler des neuen Testa- ments fwelches nach Gottes eigenem, dort an- geführten Wort für den Zweck an die Stelle des alten treten sollte], auf daß durch den [von ihm als Mittler erlittenen] Tod, so geschehen ist zur Erlösung von den Uebertretun en, die [von dem Bundesvolkj unter dem e en Testament [begangen, durch die vorbildlichen Sühneanstalten aber nicht wirklich gesühnt, son- dern nur unter göttliche Geduld gestellt] waren [Apostg. 13, 38 f.; Röm. 3, 25., daher auch unter diesem Testament die Erfüllung der Ver- heißung noch nicht eintreten konnte], die, so berufen sind [den Stand der Berufenen bilden, d. i. die Glieder des alttestamentlichen Bundes- vvlks LUk-14,17J, das verheißene ewige Erbe [in Besitzergreifung von den himmlischen Gütern V. 11] empfahenws [und so Gottes Bund mit dem auserwählten Volke zu seiner Vollendung komme Röm 15, 8 f.]. V) Es ist nicht gleichgiltig, daß das Subjekt in diesen beiden Versen ,,Ehriftus« ist, und nicht wie in Katz. 7, 22 »Jefus«: nicht, was wir an Jesu haben, soll hier gesagt sein, sondern wie etwas ganz Anderes es um das hohepriesterliche Gefchäft ist, welches der Verheifzene Heils-mittler gethan hat, nachdem er erfchienen ist, als um das der vorigen Gottesordnung und ihres Heiligthums; als der verheißene Heils- mittler ist er nämlich »ein Hoherpriefter der zukünf- tigen Güter«, worunter die Güter gemeint find, in deren Verwirklichung die zwischen Gott und der Menschheit sich begebende Geschichte ausgeht, im Gegen- satz zu denen, welche dem durch die Schöpfung ge- setzten Weltzustande angehören· (v. Hofmann.) Als Hoherpriester der zukünftigen Güter, in V. 15 mit dem Ausdruckt »das verheißene ewige Erbe« be- zeichnet, ist Christus eingegangen in »das Heilige«, d. i. in das himmlische Allerheiligste, an die Stätte der unmittelbaren Gegenwart Gottes und der voll- kommenen Offenbarung seiner Herrlichkeiy wie der alttestamentliche Hohepriester vom Vorhof in das Heilige und durch dieses hindurch in das Allerheiligste der mosaischen Stiftshütte ging, so ist Christus seiner- seits bei seiner Himmelfahrt von der Erde durch alle Himmelsräume hindurch zum höchsten Himmel, in das himmlische Allerheiligste gegangen, denn daß über dem sinnlich wahrnehmbaren Sternenhimmel noch andere, der übersinnlichen Welt angehörige Himmel liegen, deren höchster erst als die eigentliche Wohnstätte Gottes zu betrachten sei, wird in Z. Tor. 12, 2 an- gedeutet, wo Paulus berichtet, daß er in den dritten Himmel entrückt worden sei. Die Himmel nun, durch welche Christus hindurchgegangen (in denen die Engel gleichsam als gemeine Priester Gott dienen Tag und Nacht V. 6), sind ,,nicht mit der Hand ·emacht«, wie die mosaifche Stiftshütte es war; sie sind zwar ge- schaffen, gehören aber nicht dieser Schöpfung, der materiellen, sinnlich wahrnehmbaren Schöpfung an (Ps. 33, 6), aus deren Stoffen Menschenhände ein Zelt, wie die Stiftshütte, errichten konnten (Kap. 8, 2). Als solche, die dem Gebiet der übersinnlichen Welt angehören, sind sie eine »größere und vollkommenere 892 Ebräer 9, 16. Hütte« als das Vordertheil (Kap. 9, 2) der zeitlich und räumlich beschränkten Stistshütte (Sommer.) Der Verfasser nennt diese himmlische Hütte größer im Gegensatz, zu der Winzigkeit und vollkommener im Gegensatz zu der Unzulänglichkeit des niosaischen Hei- ligen, hinter dem ein undurchsichtiges, dagegen abge- grenztes Allerheiligstes lag: die himmlische Stätte der reinen Geister hat zwar das Allerheiligste der in sich selber wohnenden Gottheit zum Hintergrund, aber sie 1st durch keinen Vorhang von Gottes Offenbarungs- gegenwart geschieden. (Delitzsch.) »Nicht durch der szBöcke oder der Kälber Blut«, schreibt der Verfasser 1m Hinblick auf den Hohenpriester des alten»Testa- ments, der mit dem Blut eines Bockes für das Volk und mit dem Blut eines Farren für sich selbst in das Allerheiligste gehen mußte; zwar wurde nur Ein Bock und nur Ein Farre jedes Mal geschlachteh aber es mußte alle Jahre ein solches Schlachten wiederholt werden, und waren im Laufe der Jahre der Opfer für den Hohenpriester und für das Volk schon viele geworden· Dem steht gegenüber, daß Christus ein- mal in das Allerheiligste eingegangen ist, und zwar mit seinem eigenen Blut. (Menken.; Dahin, wo er als Gottessohn ewig warJoh.1, 1 s; 1 ,5), ging Christus als des Menschen Sohn bei der Himmelfahrt (Joh. 17, 11; Mark. 16, 19) mittels ,,seines eigenen Blutes-«: wie haben wir uns das zu denken? Nun, wenn er am Kreuz fein Blut vergoß, so hat er nicht alles Blut ver offen, das in ihm war, sondern nur soviel, als zu feinem Tode, zu seinem Sterben nöthig war; dies sein vergossenes Blut trinkt die (mit dem Fluch Gottes belegte I. Mos. 3,17f.) Erde, und es ist für sie ein heiliger Same, den sie verbirgt und der sie befähigt, einst neubelebt und verklärt zu werden, gleichwie der, der Christi Leib und Blut im heiligen Abendmahl e1npfangen, ein Gegengift gegen den Tod, ein Samenkorn zur Auferstehung in sich hat. Das Blut dagegen, welches beim Tode des HErrn in seinem Leibe zurückblieb und die Sühnkraft des ver- gossenen, eng mit ihm zusammengehörigen Blutes in sich trug, trägt er in dem Gefäß seines wiedererstans denen und Verklärten Leibes hinauf in das Aller- heiligste des Himmels. (Fricke.) Als hohepriester- lichen Vertreter der sündigen Menschheit war auch ihm der Zugang zu der heiligen Majestät Gottes noch verwehrt, solange er den Opfertod nicht erduldet hatte, denn als solcher hatte er ja die Sache der Menschheit zu seiner eigenen gemacht, was also nach den un- wandelbaren Ordnungen der göttlichen Heiligkeit und Gerechtigkeit für diese galt, mußte auch für ihn gelten: er mußte die Sündenstrafe des Todes freiwillig auf sich nehmen, ehe er als ihr Vertreter vor Gott erscheinen und um Gnade und Vergebung für sie bitten konnte; nun er aber ihn erduldet hat und also mittels seines eigenen Blutes in das himmlische Allerheiligste ein: ging, hat er ,,eine ewige Erlösung erfunden« — die Ordnungen der Heiligkeit und Gerechtigkeit Gottes sind gewahrt, auch wenn dieselben nunmehr für die durch Christum losgekauften Sünder keine Anwendung mehr finden. (R»kehm.) »· » VI) Eine ,,ew1ge Erlösung« hat unser Hoherpriester erfunden, dieser Satz, war vorhin einsach hingestellt worden als Behauptung; jetzt wird der Beweis dazu geliefert und zuYeich gesagt, worin dieselbe bestehe, nämlich in der ntlastung unsrer Gewissen von der Sündenschuld und in der Kräftigung unsers sittlichen Vermögens» Der Beweis wird aber der durchgängigen Versahrungsweise in diesem Briefe gemäß durch eine Vergleichung mit den alttestamentlichen Entsündigungs- anftalten gewonnen, und findet die Beweisführung in Form eines Schlusses a« minori ad majus (vom Kleineren aus’s Größere) statt. Das alttestamentliche Gottesvolk bedurfte einer zwiefachen Reinigung, weil es sich vor Gott entweder dadurch, daß es selbst in die Sünde willigte, oder dadurch, daß es Einen, der dem Tode, diesem Sold der Sünde, anheimgefallen war, berührt hatte, verunreinigte: für die eine Art von Verunreinigungen ward an dem jährlichen Ver- söhnungstage für die Gesammtgemeinde ein Reinigungs- opfer dargebracht, für die andere Art war das mit der Asche einer rothen Kuh gemengte Sprengwas er verordnet (und wird mit der Hinweisung hierauf der ganze mosaische Opfercultus, dessen beide Spitzen sich in der hohepriesterlichen Darbringung am großen Versöhnungstage und in der durch den Sohn und präsumtiven Nachfolger des Hohenpriesters zu verrich- tenden Opferung der rothen Kuh darstellten, zusammen- gefaßt). Diese alttestamentlichen Reinigungsinitel nun bewirkten nicht eine Reinigung der Herzen von der Sündenschuld und eine Entlastung von der Sünden- strafe, dem Tode, sondern »heiligten nur die Unreinen zu der leiblichen Reinigkeit«; die Reinigung, die sie bewirkten, bestand in weiter nichts, als daß dasjenige, was die Glieder des Volkes Gottes von der Gemein- schaft mit Gott ausschloß, durch eine sinnbildliche Handlun ihnen abgenommen wurde, daß somit das äußere erhältniß, die äußere Gemeinschaft mit Gott wieder zu Stande kam. Nur eine solche äußere Reinigkeih welche, weil der Leib dasjenige an uns ist, welches unsre Außenseite bildet und unsern äußeren Verkehr vermittelt, demgemäß auch nur durch äußere heilige Gebräuche an dem Leibe vollzogen wurde, war die Wirkung jener Reinigungen. Aber man achte diese Wirkung nicht gering: es ist schon etwas überaus Großes, wenn dem Menschen, welcher sich vor Gott vergangen und verunreiniget hat, der äußere Zu ang zu Gott und zu seinen Heiligthümern wieder geöfnet, ihm wenigstens die äußere Gemeinschaft mit seinem Gott wieder feierlich und förmlich zugesprochen wird; und dieses Heil wird um so größer, als es in dem mosaischen Eultus nicht Satzungen sind, welche der Menfch zu seines Herzens Beruhigung selbst auf- »erichtet hat, sondern alle diese, die äußere Gemein- fchaft mit Gott wiederherstellenden heiligen Eerimonien Gottes Ordnungen und Stiftungen selber sind. Dem Menschen werden also in denselben sichtbare Zeichen und Unterpfänder der Gnade seines Gottes geboten; aber was sind diese alttestamentlichen Reinigungs- inittel gegen das Reinigungsmittel des neuen Bandes! Haben jene Reinigungsmittel solch einen Effekt schon gehabt, welchen Effekt wird das Blut Christi erst haben! Soviel höher als das Blut Christi gilt in Gottes Augen vor dem Blute der Ochsen und der Böcke, gerade ebensoviel höher muß die Heilswirkung desselben sein. (Nebe.) Mit den Worten: »der sich selbst ohn allen Wandel durch den heiligen (nach andrer Lesart: ewigen) Geist Gott geopfert hat« tritt Christus als Opfer in gegenbildlichen Gegensatz zu den alttestamentlichen Opfern, wie be onders das ,,ohne Wandel« außer Zweifel seht; wir haben also an seine Selbstdarbringung am Kreuze (an das Golgathaopfer Kap. 5, 8 Anm.) zu denken. Jn Kraft ewigen Geistes hat da Christus sich selbst dargebracht: für das Thier ist der Opfertod ein Widersahrniß des Zwanges, es verhält sich zum Akte der Opferung schlechthin leidentlich, ohne Wissen und Willen; Christi Selbstopferung dagegen ist eine in der Macht ewigen Geistes geschehene, also vollbewußte, absolut freie That des Gehorsams und der Liebe, sie hat ewigen Geist zum Impulse und zur Jnnenseite ihres Vollzugs und Ewige Erlösung hat er erfunden, daß nun wirklicher Empfang des Erbes geschiehet. 893 ist demgemäß nicht blos schattenhafte, sondern wesent- liche, vor Gott giltige Sühne, sie ist die Dahingabe eines gänzlich siindlofen, unschuldigen, ugleich aber im ewigen Geist wesenden, unendlichen Zebens (Kap. 7, 16), und also ein Werk von unendlicher Intensität, welches das Heil nicht blos Einzelnen sondern der Nienschheit erwirkt hat. Der Verfasser hält sie den jährlichen Versöhnopfern der Gesammtgemeinde und der nicht für bestimmte Einzelne, sondern für den Bedarf aller Gemeindeglieder zubereiteten Asche der rothen Kuh entgegen, at also offenbar die Universalitiit ihres Heilszwecks im ugex und da ist demi Reinigung des Gewissens von todten Werken zum Dienst des lebendigen Gottes die Wirkung, welche sich von diesem heiligen Gottesblut (Apostg. 20, 28) erwarten läßt und welche alle diejenigen unfehlbar an sich erfahren, welche es sich dazu dienen lassen, wozu der HErr, indem er sich zu unsrer Versöhnung Gott opferte, es vergossen. Dem Gesühnten und Gereinigten des alten Testaments war die iiußerliche Theilnahme am Ge- meindegottesdienst und Genieindeleben wieder ver- stattet, ohne daß er eine von Opfer und Befprengung ausgegangene innere Wandelung erfahren hätte; der Gereinigte durch das Sühnopferblut Christi dagegen ist kraft desselben in Lebensgemeinschaft mit Gott dem Lebendigen versetzt und also zu nicht mehr blos äußer- lichem und todtem, sondern inwendigeni und lebendigem Dienste Gottes des Lebendigen befähi t. (Delitzsch.) Unter dem Blut, welches das Gewisizen reinigt, ist das Blut der Besprengung gemeint, mit welchem der Hohepriester der zukünftigen Güter in’s himmlische Heiligthum trat (V. 11 f.; 12, 24); wie aber dem Reden von dem Besprengtwerden der Herzen in Kap. 10, 22 vorausgeht das Reden von der Opferung (Kap. 10, 14. 18 ff.), so geht hier dem Reden von des Ge- wissens Reinigung durch das Blut voraus das Wort: »der sich selbst. . . Gott geopfert hat«. Dieses Sich- selbstopferii ist Christi hohepriesterliches Werk »auf Erden, die Besprengiing mit seinem Blut aber, die er uns zu Theil werden läßt, sein hohepriesterliches Werk im Himmel; sie hat zu ihrer Folge die Reinigung des Gewissens, mit ihr geht dann Hand in Hand die Er- neuerung des Lebens. (Geß.) Bei den Reinigungs- mitteln des alten Testaments war es nicht genug, daß der Ochsen und der Böcke Blut in’s Heiligthum ge- bracht wurde, sondern es war bei der Asche, von der Kuh gefprengeh davon eine besondere Anwendung und Zutheilung auf den Einzelnen befohlen; man wird daher schließen inüssen, daß auch im neuen Testament das Blut Jesu Christi, des Sohnes Gottes, dem gläubigen Sünder auf eine besondere Weise initgetheilt werde. Und das geschieht denn in der That in den beiden Sacramenten; dafür, daß in der Taufe eine Besprengung mit dem Blute Christi stattfinde, spricht das Wort in Kap. 10, 22., wo mit dem ,,besprengt in unsern Herzen und los von dem bösen Gewissen« das ,,gewaschen am Leibe mit reinem Wasser« zufammen- gestellt ist. Wie aber im ersten Sacrament, in der geil. Taufe, der Anfang der Mittheilung des Blutes esu geschieheh so in dem heil. Abendmahl die Fort- setzung Wahrlich, es thut sich uns hier ein Himmel auf Erden auf, die Erde wird zum Vorhof des ewigen Heiligthums: was jenseits geschieht, wird diesseits em- pfunden, und von der Verwaltung des ewigen Hohe- vriesterthums empfangen wir beim Annahen in’s Hei- ligthum des Sacraments die glaubwürdige himmlische Botschaft. Da ist es, wie wenn sich der Tempel der Ewi keit bis erein in die Zeit erstreckte, wie wenn die eier des acraments selbst zu dem himmlischen Heiligthum gehörte, wie wenn uns bei derselben nur eine schmale Scheidewand von dem erhabenen Orte trennte, wo Christus, der Allgegenwärtige, fein ewiges hohepriesterliches Amt vollzieht. (Löhe.) Mk) Der nun folgende Abschnitt tritt in Rück- beziehung zu Kap. s; dort war im Allgemeinen aus- gefprochen, daß Gott einen neuen Bund zu stiften verheißen habe und daß durch den neuen der alte annullirt werden müsse; mit Kap. 9 nun war der Verfasser auf den alten näher eingegangen, hatte dessen Werth anerkannt, aber auch nachgewiesen, wie sowohl das Heiligthum desselben als auch der Dienst an diesem Heiligthum auf ein Künftiges, Vollendeteres hinweise und zugleich bewiesen, wie letzteres mit Christi Erscheinung nunmehr vorhanden sei, und da zeigt er denn jetzt weiter, wie der von Christo in seinem Priesterdienst erlittene Tod nun auch den neuen Bund zu Stand und Wesen bringe. (Ebrard.) Der Verfasser hat bei solcher Ausführung zunächst Jsrael im Auge, welches ja (da die Heiden waren außer dem Bundesverhältniß mit Gott und remd von den Testa- menten der Verheißung Ephes.2, 1 ) den nächsten Beruf hatte, aus der Gemeinde des alten Bundes eine Ge- meinde des neuen zu werden. Derselbe Christus nun, den er vorhin als Aarons Gegenbild dargestellt hat, wird ihm hier zu Mosis Gegenbild, er nennt ihn den Mittler des neuen Testaments; und da denkt er auch bei dem Worte, dessen er für ,,Testament« sich bedient, nicht deutsch, sondern griechisch, denn in dem griech. Worte liegen die Begriffe gegenseitiger Verfügung (Buiid) und letztwilliger Verfügung (Testament) in einander (Jer.31, 34 u. Cor. 3,6 Anm.). Gleich von vornherein steht ihm der neue Bund als ein auf Ver- heißung eines Erbes gestellter, alfo als Bundes- und Erb- verfü uiig zugleich vor der Seele, so daß Christus als der ittler nach der Seite der Mensch en hin Jn- haber des Erbgutes als eines zur Uebergabe an die Menschen empfangenen ist, 1ind nach der Seite Gottes . hin für die Menschen dasjenige zu leisten hat, wodurch ihr Eintritt in den faktischen Besitz jenes Erbguts bedingt ist; der Uebergang des Erbes in den Besitz der Berufenen war aber nicht möglich, ohne daß zuvor ein Tod geschähe, welcher die Berufenen durch Sühne der während der Geltung des ersten Bundes gehäuften Uebertretungen zum Antritt des Erbes befähigte und dieses selbst zur Besitznahme entbände (Del1tzsch.) Die zum ewigen Erbe Berufenen (die Kinder Abrahams) waren den zur Zeit des ersten Bundes begangenen Uebertretungen Verhaftet; diese Uebertretungen hatten kraft des von Gott mit Israel geschlossenen B1indes Recht und Macht, das Volk der Erfüllung der Ver- heißung verlustig zu machen, der neue Bund konnte also nicht an die Stelle des alten treten und die zum ewigen Erbe Berufenen konnten nicht der Verheißung theilhaftig werden, bevor eine Loskausung von diesen Uebertretungen geschehen war. Jndem aber Der, welchem Gott die Vollmacht gegeben hat, die zum ewigen Erbe Berufenen der Verheißung theilhaftig zu machen, den Tod erlitt, ist jenen Uebertretungen ihr Recht geschehen, nun steht der Erfüllung der Ver- heißung nichts mehr im Wege und der neue Bund kann an die Stelle des alten treten. (Riehm.) Nach dem zu Gal. 4, 5 Bemerkten haben die Heiden ein Recht, in der alttestamentlichen Gottesgemeinde sich für mitbeschlossen zu erachten und kommt deren Ein- führung in den neuen Bund auch ihnen zugute. « 16. [Durch den Tod, so geschehen ist, hieß es soeben, sollten sie zum Erbtheil gelangen.] Denn wo ein Testament [vorhanden] Ist [und wirklich in Vollzug gesetzt werden soll], da muß 894 Ebräer 9, 17—28. [zuvor] der Tod geschehen [als geschehen vorliegen] deß, der das Testament machte [des Testators oder Vermächtnißstifterss 17. Denn ein Testament wird sersts fest sdaß die Erbschaftsmasse jetzt eine flüssige, auszunut- wortende ist] durch den Tod sdes Erblasserss anders hat es noch nicht Macht sje einmal zu rechtlicher Geltung zu kommen; es ruhet viel- mehr], wenn dcr noch lebet, der es gemacht hatt [vgl. Joh. 16, 7]. 18. sFerner aber hieß es vorhin V. 15: zur Erlösung von den Uebertretungen, die unter dem ersten Teftamente waren] Daher [wegen dieser Nothwendigkeit einer voran- gegangenen Erlösung von den früheren Sünden und Uebertretungen mittels- Qpferblutes, bevor es zu einem Bundesverhältniß mit Gott kommen kann] auch das erste [Testament, das denn vor- nehmlich unter dem Namen eines Bundes auf- tritt Ist— 31s 31 ff] nicht ohne Blut gestiftet ward [wie wir aus L. Mos. 24, 4—8 ersehen] 19. Denn als Moses ausgeredet hatte von allen Geboten nach dem Gesetz zu allem Volk ssie alle einzeln gemäß dem, daß ja das Gesetz ein Inbegriff von lauter einzelnen Geboten war, dem Volke vorgelegt und dies zur Haltung derselben verpflichtet hatte], nahm er Kälber- nnd Boclsblut sdas er von den dargebrachten Brand- und Dank- opfern gewonnen und wovon er die eine Hälfte auf den Altar gesprenget] mit Wasser [vermischt] nnd [nun eines Sprengwedels von] Purpurwolle nnd Ysopen ssich bedienend 3. Mos. 14, 6], und besprengte das Buch swelches die soeben mit- getheilten Gebote als Grundlage des Bundes ur- kundlich enthielt] und alles Volk swelches in den Bund mit Gott eingeführt werden sollte und dafür einer Reinigung von den bisherigen Sün- den bedurfte], W. Und sprach [indem er solchergestalt das Blut den Kindern Israel applicirte]: Das ist das Blut des Testamcnts [vgl. Las. 22, 20], das sdas Wort »Testament« hier im Sinne von ,,Bund« genommen] Gott euch geboten hat [und das foJtan zu halten ihr verpflichtet seid Ins. 23, is. 21. Und die Hütte und alles Geräthe des Gottesdienstes besprengte er [hernachmals, als die Hütte mit ihren Geräthen hergestellt und nun der Weihe für den Gottesdienst zu unterziehen war] desselbigen gleichen mit Blut [2. Mos. 40, 9 ff.; Z. Mos. 8, 10ff.]. 22. Und wird [wie hier mit der Hütte und dem Geräthe geschah, so auch in dem weiteren gottesdienstlichen Leben Jsraels] fast alles mit a Blut gereiniget nach dem Geseh [indem nur bei den leichteren Verunreinigungen die Anwendung bloßen Wassers genügt 3. Mos. 15, 5ff.]. Und swas die eigentlich sittliche Reinigung von Per- sonen V. 19f., im Unterschied von der blos äußeren Reinigung von Sachen V. 21., betrifft, so gilt da, wie die jüdischen Lehrer selber dies anerkennen, der Grundfatz:] ohne Blutvergießen smittels Darbringung von Schlachtopfern] geschiehet slaut des Wortes in Z. Mos. 17, 11] keine Ver- gebung« [der Sünden, soweit diese im alten Testament überhaupt stattfinden konnte] 23. So mußten nun [wie aus der in V. 21 erwähnten Thatsache hervorgeht, die ja auf einer göttlichen Anordnung beruhte, nicht auf mensch- lichem Gutbesindens der himmlischen Dinge Vor- bilder [richtiger: Abbilder, wofür wir oben Kp. 8, 5 die Stiftshiitte mit ihren beiden Abtheilungen, dem Heiligen und Allerheiligsten, sowie mit ihren Geräthen erkannten] mit solchem smit dem Blut von mancherlei thierischen Opfern 3. Mos. 8, 14 sf.] gereiniget werden; aber sie selbst, die himmlischen [Dinge, welche für die irdischen die Urbilder sind und auf die schon in V. 11 u. 12 hingewiesen wurde], müssen lzu ihrer Reinigung für mensch- lichen Eintritt und Gebrauch, nach Maßgabe ihrer Erhabenheit über die gesammte Erdenwelt] bessere Opfer haben, denn jene sThieropfers waren. 24. sllnd diese andere Nothwendigkeit hat denn durch eine andere gefchichtliche Thatfache, die bei uns Christen allbekannt und wohl beglaubigt ist, wie ihre Bestätigung so ihre Erledigung ge- fanden] Denn Christus ist nicht [wie der jüdische Hohepriester am Versöhnungstagd eingegangen in das Heilige, so mit Händen gemacht ist [in das Allerheiligste des Tempels Kap. 8, 2], welches ist snoch nicht das wahrhaftige Allerheiligste selber, vielmehr blos] ein Gegenbild des rechtschasfenen [wirklichen Allerheiligsten], sondern ser ist, wie schon in V.12 gesagt] in den Himmel selbst sdurch sein eigen Blut eingegangen], nun [wahrhaftig und thatsächlich, und nicht mehr blos in sinnbild- licher Weise, wie es mit dem jüdischen Hohen- Priester der Fall Apostg 7, 48] zu erscheinen vor dem Angesicht Gottes für onst« [nachdem er ja die Reinigung unsrer Sünden gemacht hat durch sich selbst Kap. I, 3]. 25. Anch nicht [in so unzureichender Weise ist er in dies Heiligthum eingegangen], daß er [dasselbe wieder hätte verlassen müssen, damit er, in die Welt zurückkehrend] sich oftmals [etwa alle Jahre wieder] opfere lum darnach immer vom Neuen in’s Heiligthum mit seinem Blute einzu- gehens gleichwie der Hohepriester sdeg xüdischen Tempels] gehet alle Jahre in das Heilige [Aller- heiligste] mit fremdem Blut snachdem er abermals das vorgeschriebene Opfer des großen Versöhnung-s- tags dargebracht]. 26. Sonst [wenn es mit seinem Hohepriestep thum in dieser Hinsicht sich ebenso verhielte, wie Er ist des neuen Testaments Ausrichter nnd des neuen Buudes Mittler. 895 mit dem aaronitischen] hätte et osi müssen lden Qpfertod Kap. 13, 121 leiden vom Anfang der Welt her [da alle Generationen von Anbeginn Luk.11,51 durch ihn zu versöhnen waren Kap. L, 9]. Nun aber am Ende der Welt [Kap.1, 2; 1. Petri 1, 20; 1. Cor. 10,11] ist er einmal sin derselben] erschienen, dnrch sein eigen Opfer sanstatt eines solchen von Thieren V. 25 u. 121 die Snnde [dergestalt] aufzuheben-f [1. Johz Z, b» daß sie für unser Verhältniß zu Gott ein für allemal nicht mehr vorhanden ist Röm. 6, 9 f.]. 27. Und wie den Menschen [durch Gottes Ordnung] ist gesetzt, Einmal zu sterben fund da- mit ihr Leben für immer zum Abschluß zu bringen], darnach aber das Gericht fwelches über ihren nunmehrigen Zustand im Jenseits ent- scheidet]: » » » 28. Also ist Christus [ebenfalls nur] Einmal geopfert [in den Opfertod dahingegeben Röm. 8, 32], wegzunehmen Viele: Sunden [Kap. 7, 27z 10, 12; Jes. 53, 12; l. Petri L, 24]; zUlU andern Mal aber fwenn er wieder in die Welt kommt, was allerdings bei ihm noch einmal ge- schehen joll Kap. 10, 37; Apostg. 1, U] wird et· ohne Sunde [unbelastet von derselben, wie er bei seiner ersten Erscheinung mit ihr belastet war 2. Cor. 5, 21] erscheinen denen, die auf ihn warten [1. Cur. I, 7; Phil. 3, 20; 1. Thess. 1, i0], zur SeligkeitH [2.Thess. 1, 7; 1.Petri4, 13]. s) Eigentlich ist der, der das Testament macht, der Testamentserriehtey Gott; aber insofern er das den Menschen bestimmte Erbgut Christo übergeben, um es mittlerisch an die Menschen zu bringen (so daß diese Gottes Erben nur dadurch werden können, daß sie Miterben Christi werden Röm. 8, 17), ist es Christus, der von sich am Vorabend seines Todes sagt (Luk. 22, 29f.): ,,ich will euch das Reich bescheiden, wie mir’s mein Vater beschieden hat, daß ihr essen und trinken sollt über meinem Tische in meinem Reich«. Jn seine Hand ist das ewige Erbe, welches dort ,,Reich« heißt, gelegt; er ist also der Erblasser, der sterben muß, damit der Eintritt in den Besitz des Heilsgutes uns möglich werde, wobei jedoch der Gedanke fern zu halten ist, daß er sterbend dessen, was auf uns übergeht, verlustig gehe. (Delitzsch.) Wenn Gott dem Abraham die Verheißung giebt: ,,durch deinen Samen sollen gesegnet werden alle Geschlechter der Erde«, so ist sreilich das Wort ,,Same« ein collektives, d. i. ein solches, welches, obwohl es in der einzelnen Za l (im Singular) steht, doch die ganze Menge aller inzel- heiten derselben Gattung begreift, also die ganze Abrahamsfamilie, alle Abrahamsnachkommen umfaßt; und doch deutet das Wort, wie uns die Schrift aus- driicklich belehrt (Gal. 3, 16), im Sinne Gottes zunächst und eigentlich auf Einen Samen Abrahams, auf einen eiåizigen seiner Nachkommen, auf einen vorzugsweise a o der egen aller Geschlechter der Erde. Ebenso ver- hält es sich, wenn Gott im Paradiese, die Schlange verdammend und dem Menschen eschlechte Heil und Erlösung verheißend, spricht (1. of. Z, 15): »ich will Feindschaft setzen zwischen dir und dem Weibe, und zwischen deinem Samen und ihrem Samen; derselbe enannten Abrahamssohn hin, der da sein werde . soll dir den Kopf zertreten, und du wirst ihn in die Ferse stechen«. Auch da begreift das Wort ,,Same« die ganze Menge derselben Gattung, die ganze Nach- kommenschast des Weibes, insofern sie als eine Familie von Gotteskindern gegenüber einer Familie von Men- schen- und Erdenkindern die heilige, von Gott gebotene Feindschaft gegen die Schlange behaupten und fort- führen werde; und doch geht es im Sinne Gottes eigentlich nur auf Einen Samen des Weibes, auf Einen Sohn der Mutter aller Lebendigen, auf einen vorzugsweise also genannten Menschensohm der, wie die Sünde, so auch die Schlange überwinden würde durch seine Erhöhung an’s Kreuz. Dieser Eine Abrahamssohn und des Menschen Sohn, wie er sich selber nennt, ist denn nun auch gesetzt zum Erben über alles (Kap. I, 2), er ist Der, dem Gott hat alles untergethan zu seinen Füßen (Kap. 2, 8); alle Andern konnten nur von seinetwegen und durch ihn zu dem ewigen Erbe gelangen, nur dann, wenn er ihnen als seinen Brüdern ein Recht der Miterbschaft zutheilte. Dies hat er aber auch wirklich gethan, er hat den Seinen die Hoffnung, zum Besitz dessen zu gelangen, was er sich errungen, was sein Eigenthum ist, als ein Testament hinterlassenx er hat ihnen das Seine vermacht, nur mußte dies sein Testament erst fest werden und Kraft und Giltigkeit erlangen durch seinen Tod, womit sein Erbe sozusagen flüssig geworden für die, welche in dem Testament mit demselben bedacht worden sind· Jndessen konnte er doch denen, deren er sich als seiner Brüder angenommen, nicht so ohne Weiteres ein Recht der Miterbschaft an dem ewigen, unbeflecktem himmlischen Erbe verleihen; er mußte zuvor die Sünder versöhnen, die Unreinen reinigen, für die Uebertreter des Gesetzes dem Gesetze genug thun, damit sie rechtmäßig befreiet würden von dem Fluch und der Verdammniß des Gese es, und auch das konnte nicht geschehen ohne seinen od, womit er gemacht hat die Reinigung unsrer Sünden durch sich selbst (Kap.1, 3). Um nun seinen Lesern die Be- deutung des Todes Christi auch von dieser Seite noch einmal zum Bewußtsein zu bringen und sie zu be- lehren, daß sie als die berufenen Erben nicht zum wirklichen Besitz des verheißenen ewigen Erbes ge- langen konnten, es sei denn, daß sie zuvor versöhnt, gereinigt und geheiligt würden, weist der Verfasser im Folgenden daraus hin, wie auch der erste oder der alte Bund nicht ohne Blut gestiftet worden sei. (Menken.) IV) Im Zusammenhang der Verse 18—22 mit dem Vorhergehenden will der Verfasser keineswegs sagen, darum, weil Blut floß bei der Stiftung des alten Bandes, sei dieser auch im eigentlichen Sinne ein Testament gewesen, wie der neue es ist; im Gegen- theil, weil die Thieropfer nur Vorbilder des eigent- lichen Opfers waren, weil der Bundesstifter, der Testator, nicht selbst starb, konnte auch der alte Bund kein eigentliches Testament sein, er war es nur äußer- lich-sinnbildlich, indem er denjenigen Gedanken zum Ausdruck brachte, den der Verfasser in V. 22 ausspricht, daß Gott nicht anders in seine Bundesgemeinschast irgend wen und irgend was aufnehmen könne, als nach vorangegangener Reinigung mit Blut, und nicht anders die Sünden vergeben könne, als nach voran- gegangener Genugthuung durch ftellvertretendes Todes- leiden. (v. Gerlach.) Wurde nach dem Gesetz der heiligen Gebräuche und shmbolischen Handlungen des alten Bundes fast alles mit Blut gereinigt und geschah ohne Blutvergießen keine Vergebung, so stellte das Gesetz dem Jsraeliten allewege dar die Nothwendigteit und unendliche Wichtigkeit des Opsers zur Versöhnung 896 Ebräer 10, 1—13. und zur Besprengung, zur Vergebung der Sünde, die eine Schuld ist, und zur Reinigung von der Sünde, die ein Verderben und eine Besleckung ist; und war bei jenem shmbolisch-prophetischen ienst des alt- testamentlichen Cultus der Tod des Opfers etwas so Wesentliches, und wurde besonders das Blut desselben als überaus wichtig und voll tiefer Bedeutung her- vorgehoben und zur innigsten Bemerkung gebracht, so lehrte und predigte, prophezeite und evangelisirte allüberall das Gesetz des Heilisthums der heilige Dienst des Priesterthums, von hristo und bezeugte, daß Christus nur Christus sein werde von wegen seines Todes und seines vergossenen Blutes. Alles, was er nunmehr, nachdem er wirklich erschienen, geworden ist, Erfüller des Gesetzes, Versöhner der Welt, Geber des ewigen Lebens und des ewigen Erbes, Hoherpriester des himmlischeu Heiligthums, König des Reiches Got- tes, das ist er denn in der That von wegen des Werthes seines Todes; und alles, was wir durch ihn werden und erlangen, das wird uns nur, insofern wir seines vergossenen Blutes theilhaftig geworden sind zur Versöhnung und zur Reinigung. (Menken.) Nicht in Anbequemung an jüdische Vorstellungen und rab- binische Ausdrncksweise ist Christus als Priester und Opfer zu betrachten; vielmehr sind umgekehrt die levitischen Opfer unter dem Gesichtspunkte eines von Gott verordneten Typus des im ewigen Rathschluß Gottes beschlossenen und dann von Christo frei über- nommenenOpfers aufzufassen· »(Moll.) » THE) Wie es zu verstehen sei, wenn der Verfasser sagt, daß, wenn Christus als unser Vertreter vor Gott erscheinen sollte, eine Reinigung des himmlischeu Hei- ligthums durch seine Selbstdarbringung nöthig war, wird am klarsten aus der Stelle: Z. Mos. 16, 16 u. 19., wonach durch das Blut des Sühnopfers das Heiligthum von der Unreinigkeit und den Sünden der Kinder Jsraels gereinigt wurde: es liegt also die Vorstellung zu Grunde, daß die Sünden des Volkes das bei ihnen, inmitten ihrer Unreinigkeiten befindliche Heiligthum beflecken,und das Heiligthum wird gereinigt, indem diese Flecken durch das sühnende Opferblut be- deckt werden, so daß das Auge Gottes nicht mehr sie, sondern an ihrer Stelle das Blut, dieses Zeichen da- von, daß ein Leben zur Sühnung der Sünden in den Tod gegeben worden, sieht und daher dieselben nicht mehr zu ahnden braucht. So sind nun hier die Sün- den der Menschen als auch an dem Throne Gottes und am himmlischeu Heiligthum haftende Flecken ge- dacht. Weil nämlich Gott in seiner Gnade den Rath- schluß gefaßt hat, daß die Menschen, die doch mit Sünde befleckt sind, in seine heilige, himmlische Woh- nung eingehen, das himmlische Allerheiligste betreten, zu seinem Throne nahen und im himmlischeu Heilig- thum ihre ewige Wohnstätte finden sollen, so ist das ganze himmlische Heiligthum, solange noch keine Sün- densühnung geschehen ist, durch die Sünden der Men- schen ebenso befleckt, wie die vorbildliche Gottes- wohnung dadurch befleckt ist, daß der heilige Gott in seinem Liebesrathschluß über das Volk Jsrael dieselbe inmitten dieses Volkes aufgeschlagen hat, obschon das- selbe noch (vor der jedesmaligen Sühne) ein sündiges und unreines Volk ist. Hätte Gott jenen Gnaden- rathschluß nicht gefaßt, so wäre das himmlische Hei- ligthum nicht durch die Sünden der Menschen befleckt: der wunderbareGnadenrathschluß des Heiligen über die Sünder ist der Grund, aus welchem die Sünden die erhabene Gotteswohnung beflecken können. Diese Befleckung würde Ahndung der Sünden nothwendig und darum die Verwirklichung jenes Liebesrathschlusses unmöglich machen, wenn nicht durch das Blut Christi der Thron Gottes und das himmlische Heiligthum gereinigt würde, indem es diese Flecken bedeckt: so fieht nun Gott nicht mehr die Sünden der Menschen, ondern das Blut Christi, welches, lauter als das Blut Abels um Rache rief (Kap. 12, 24), davon zeugt, daß eine Sühnung der Sünden geschehen ist, indem Christus sein in den Tod gegebenes Leben Gott dar- gebracht hat. Deshalb kann Gott den Vertreter der sündigen Menschheih und in ihm diese selbst, in seine Gemeinschaft aufnehmen, ohne daß sein Thron und seine Wohnung befleckt, d. h. seine heilige Majestät beeinträchtigt wird, ohne daß er seine heilige Er« habenheit einbüßt und in seiner Gerechtigkeit verletzt wird; denn durch den Opfertod Christi ist seine heilige Majestät gewahrt und den Forderungen seiner Heilig- keit und Gerechtigkeit Genüge geschehen. (Riehm.) War die Reinigung des irdischen Zeltes nöthig, weil es inmitten eines süiidigen Volkes stand, so die des himmlischen, weil ein sündiges Volk dorthin kommen soll; denn Sünder sind es, welche die zukünftige Stadt, das himnilische Jerusalem, die Stadt des leben- digen Gottes suchen (Kap. 12, 22; 13, 14). Das Er- scheinen des Gesalbten mit seinem Blut in der Him- melswelt ist die Verwahrung derselben gegen jede Verunreinigung durch die, die nach ihm kommen, vgl. Joh. 14,·2 f. (Geß.) Für die diesseitige Welt, so lange wir noch in ihr leben, gehören hierher wohl auch unsere Gebete; sie würden, wenn sie zum Throne Gottes emporsteigen, mit dem vielen Mangelhaften und Sündlichen, das ihnen anhängt, das himmlische Heiligthum beflecken, daher sie nur Erhörung finden kgnfifienawegäi in Jesu Namen geschehen (Joh. 14, 1 .; S, . . " f) Schon in V. 12 hatte der Verfasser nicht unter- lassen es nachdrücklich zu bemerken, daß Christus ein für allemal in das himmlische Allerheiligste eingegangen und daß er durch diesen einmaligen Eingang vermöge des vorzüglichen Charakters desselben eine ewige Er- lösung erfunden; wenn er nun hier auf diesen Vorzug des Hohenpriesterdienstes Christi näher eingeht und beweist, daß an wiederholte Opferdarbringungen bei Christo gar nicht gedacht werden könne, so erforderte dies der Zweck seines Briefes um so mehr, als die Leser gerade durch das Hangen ani alttestamentlichen Opfercultus, dessen sie zur Sündensühnung fortwährend zu bedürfen meinten, der Gefahr des Abfalls ausgesetzt waren; es fehlte ihnen eben eine klare Erkenntnis; der Allgenugsamkeit des Opfers Christi, die alljiihrlich am Versöhnungsfest sich wiederholende Opferdarbringung des jüdischen Hohenpriesters gefiel ihnen besser und schien ihnen besser zur Beruhigung der Gewissen und zur Vergewisserung des Herzens von der künftigen Seligkeit zu dienen —- gerade wie das katholische sog. Meßopfer solchem vermeintlichen Bedürfniß entgegen- kommen will und auch für evangelische Christen, die auf demselben beschränkten Standpunkte sich befinden, etwas Bestechendes hat, das sie zuletzt wohl gar zum Abfall von ihrer Kirche verleitet. H) Der Verfasser macht hier die Geschlossenheit des mit dem Tode endenden Menschenlebens, auf wel- ches nur noch Gericht folgt, zur Maßgabe für das, was man von Christo zu halten hat, als welcher dem entsprechend nach seiner einmaligen Opferung nichts mehr zu thun haben kann, was gleicher Art wäre, sondern nur seine Wiedererscheinung in der Welt vor sich hat. (v. Hofmann.) Dem Sterben folgt ein Ge- richt, durch welches dem Gestorbenen seine Stellung iind Zuständlichkeit im Jenseits angewiesen wird; ist dies Gericht einmal eingetreten (wie es bei denen, die vom Tode wieder erweckt wurden, noch nicht der Fall Das Gesetz, hat nur den Schatten von den zukünftigen Gütern. 897 war), dann kann ein Geftorbener nicht wieder in das alte irdische Leibesleben zurückkehren, also auch nicht noch einmal sterben. Auch bei Christo hat gewisser- maßen ein Gericht Gottes über seine nunmehrige Zuständlichkeit entfchieden; er ist durch Auferstehung und Himmelfahrt zu feiner Herrlichkeit eingegangen, von dort aus kehrt er nicht wieder in diese gegen- wärtige Welt zurück, so daß dem katholischen Meßopfer kein wirklicher Vorgang zu Grunde liegen kann, wenn er aber am Ende der Welt zurückkehrh so kommt er eben in czHerrlichkeit und kommt, der Welt ein Ende zu ma en. Das 10. Kapitel. lfortreffcichäeit des Rersöhnopfers Christi. 1. sEin solches einmaliges Opfer, wie Christus, der Mittler des neuen Testaments, es gebracht hat, konnte es freilich zur Zeit des alten Testa- ments noch nicht geben.] Denn das Gesetz [wel- ches im alten Testament den Gottesdienst regelt] hat sum] den Schatten von den znkünfti en Gütern, nicht das Wesen der Güter selbst [ ap. 8, o; Col. L, 17]. Alle Jahre [wenn der große Ver- söhnungstag kommt] muß man swie seine Vor- schriften lauten, von Seiten der Priester] opfern immer einerlei Opfer [Kap. 9, 25], und kann [fonach das Gesetz mit dem, was es vorschreibt] nicht, die da opfern, fmittels der Opfer Gottes- Gnade und Gemeinschaft zu erlangen suchen, die Glieder des» Bundesvolks] vollkommen machen fdaß sie wirklich, was sie bezwecktety als Frucht ihrer Opfer davonbrächten Kap. 7, 19; 9, 9]. 2. Sonst hätte das Opfern [nachdem es ein- mal geschehen] aufgehört, wo die, so am Gottes- dienst [die Betheiligten bei demselben] sind [Kap. I, 9]- kein Gewissen mehr hätten von den Sünden, wenn sie einmal gereiniget wären fwas ja doch für immer würde geschehen sein]; 3. Sondern es geschieht nur durch dieselbigen fdurch diese alljährlich in einerlei Weise sich wieder- holenden Opfer] ein Gedcichtniß der Sünden alle Jahr [womit das gerade Gegentheil bewirkt wird von dem Vollkommengemachtwerden nach dem Gewissen] 4. sDas liegt auch ganz in der Natur der Sache·] Denn es ist unmöglich, durch Ochsen- und Vocksblut [Kap. 9, is] Sünden wegnehment [wie das schon in Pf. 50, 13 zum Ausdruck kommt]. Z. Darum swegen folcher dem alttestament- lichen Opferwesen anhaftenden Unmöglichkeit], da er [der wirklich die Sünden wegzunehmen berufen war] in die Welt kommt sum nun dieser Ve- rufung gemäß sein Erlöseramt zu übernehmen], spricht er fetwas Anderes an die Stelle von Ochsen- und Bocksblut als Sühumittel hinstellend, in Pf. 40, 7—9]: Opfer und Gaben haft du Dächseps Bibelwerh VlL Band. nicht gewollt [1. Sam. 15, 22; Pf. 50, 7 sf.; 51, 18]; den Leib aber haft du mir zubereitet [und den kann ich als Opfer zur Tilgung der menschlichen Sünde 1. Petri 2, 24 dir darbringen]. 6. Brandopfer und Sündopfer gesallen dir nicht [Jef. I, 11; Jer. 6, 20; Am. Z, 21f.; Mich. 6, 6 ff.]. 7. Da fprach ich: Siehe, ich komme; im Buch [der Schriftj stehet vornehmlich von mirgeschrieben [als ich ja derjenige bin, der ihr Kern und Stern ist; und zwar lautet die Hauptsumme seines Inhalts dahin], daß ich thun soll, Gott, deinen Willen« [vgl. die Bem. zu Pf. 40, 9]. 8. Droben [in den vorderen Sätzen der an- geführten Schriftftelle], als er gesagt hatte: Opfer und Gaben, Brandopfer und Sündopfer haft du nicht gewollt, sie gesallen dir auch nicht, fund in den vier Ausdrücke-n alle Arten von Opfern zu- sammengenommen hatte] welche nach dem Gesetz geopfert werden sum vonihnen das Gleiche aus- zusagen, daß sie nämlich Gott nicht genügen können zur Herstellung des richtigen Verhältnisses der Menschen zu ihm]; 9. Da sprach er sdem Ungenügenden das Genügende in dem andern, zu V. 6 gehörigen Satze des 7. Verses gegenüberstellend]: Siehe, ich komme, zu thun, Gott, deinen Willen. Da hebt et [wie offenfichtlich zu Tage tritt] das Erste sdas Opfern] ans, daß er das Andere [das Thun des Willens Gottes] einsetze [als den Weg, uns voll- kommen zu machen nach dem Gewissen] 10. In welchem Willen [indem er dessen Vollbringung aus sich genommen und zu Stand und Wesen gebracht hat] wir sind geheiliget fund derselbe ist denn, um hier nun auch dasjenige zur Geltung zu bringen, was er im Nachfatze des 5. Verses als das ihm verliehene Mittel zu einer rechten Opferdarbringung bezeichnet], einmal ge- schehen durch das Opfer des Leibes Jesu Christi-«« fdas er mit seinem Tode am Kreuz hat dargebracht Ephes 5, 2]. 11. Und ein jeglicher Priester ist eingesetzt, daß er alle Tage ssoost die Reihe ihn trifft Luk. 1, 8 s., dastehend im Heiligthum 5. Mos.10, 8; Richt 20, 281 Gottesdienst pflege und [nun] ost- mals einerlei Opfer thue, welche nimmermehr kbnnen die Sünden abnehmen [denen, für welche er dieselben darbringt] 12. Dieser aber, da er hat Ein Opfer für die Sünden geopfert, das ewiglich gilt, sitzt er nun sCiznttköniglicher Ruhe und Majestät] zur Rechten V es, 13. Und wartet hinfort snachdem er mit seinem Wirken auf Erden der Weltgeschichte die Wendung zum Schlusse gegeben Kuh. J, 26], bis daß [gemäß dem, was Gott in Pf. 110, 1 ihm 57 898 Ebräer 10, 14—18. verheißen hat] seine Feinde zum Schemel seiner Fuße gelegt tverden [Kap. 2, s; Apoftg 3, 21]. »» 14. sEin weiteres Opfern liegt ihm nun nicht mehr ob.j Denn mit Einem Opfer hat er [wie schon in Kap. 7, 27; 9, 12. 28 gesagt] äu Ei1ii]igkeit vollendet, die geheiliget werdens [Kap. , 1 . 15. Es bezeuget uns aber das sdaß nämlich Christus uns durch sein einmaliges Opfer für immer vollendet habe, so daß ein weiteres Opfer nicht mehr nöthig ists auch der heilige Geist svon dem alle Schrist, wie sie lautet, eingegeben ist 2. Petri 1, 21; 2· Tini. 3, 16]. Denn nachdem er sGott der HErr, in der Kap. 8, 8 ff. ange- führten Stelle aus dem Propheten JereiUiasJ zuvor gesagt hatte: » · 16. Das ist das Testament, das ich ihnen [denen vom Hause Israel] machen will nach diesen Tagen, fpricht der HErr sdann weiter, zu be- zeichnen, worin das Wesen dieses neuen Testa- ments bestehen solle]: Ich will mein Gesek in ihr Herz geben, und in ihre Sinne will ich es chreiben [Kap. 8, 10], . 17. Und lsaget nun zuletzt, worauf es hier besonders ankommt:] ihrer Sünden und ihrer Un- gerechtigkeit will ich nicht mehr gedenkenH [Kap. 8 12 18. Wo aber derselbigen sder UngerechtHgkeitJ Vergebung ist, da ist nicht mehr Opfer fnr die SnndeHs sdaß noch weiter ein solches zu ihrer Sühnung erforderlich wäre]. r) Wenn der Verfasser hier und in V. 11 auf das Beftimmteste aussprichn daß das Blut der Böcke und Ochfen nicht Sünden wegnehmen könne, und in Kuh. 9, 9 u. 13·, daß durch dasselbe nicht Reinigung des Gewissens, sondern nur eine leibliche Reinigkeit erzielt werden könne, so scheint er dadurch in Widerspruch zu treten sowohl mit der mosaischen Gesetzgebung, die allerdings dem rite dargebrachten Thieropferblute wirkliche Sündenvergebung zusagt (3. Mos. l7, 11), als auch mit der freudigen Gewißheit dadurch verbürgter Sündenver ebung bei den Pfalmensängernx dieser Widerspru schwindet aber, wenn man zwischen dem unterscheidet, was der alttestamentliche Opfereultus dem Verfasser in feinem lebensvolleiy heilsgeschichtlich- vorbildlichen Zusammenhange mit dem Opfer Christi, und was er ihm an sich und außerhalb dieses Zu- fammenhanges war. (Kurtz·) Wie Paulus das Gesetz, wenn man es neben Christo etwas ein lassen wollte, in feiner Unnützlichkeit darstellte, mit er es außerhalb seines Zufammenhanges mit der Verheißung behaftet war, ebenso finden wir im Brief an die Ebräer, wo denen begegnet werden mußte, welche der gesetzlichen Opfer nicht entrathen wollten, nachdem sie doch Christum hatten, diese Opfer außer ihrem Zusammen- hange mit dem Opfer Christi betrachtet und darnach beurtheilt. (v. Hofmannh Das auf den Altar ge- brachte Thieropferblut ist zwar ein von Gott im alten Testament gegebenes Mittel zur Sühne von Menschen- seelen, aber bei der handgreiflichen Unverhältnißmäßig- keit zwischen Mittel und Zweck ein in aceommodativer Herablasfung nur einstweilen verstattetes; das Thier«- opfer als ein einerseits unzulängliches, andrerseits doch verordnetes, weissagte auf ein nur einstweilen dadurch abgeschattetes anderes als das eigentliche Ziel des göttlichen Heilswillens (Delitzfch.) Mit der Ge- wißheit der von Christo wirklich vollbrachten und von Gott wahrhaft anerkannten Sühne dagegen tritt eine änzliche Umwandlung des sittlichckeligiösen Bewußt- eins im Gewissen des Menschen ein; dasselbe hat zu seinem Inhalte nicht mehr die Sünde und die Furcht vor der gerechten Strafe im Gefühl der nicht getilgten Schuld, sondern die Versöhnung in Folge der dnrch Gnade auf Grund der Sühne geschehenen Vergebung der Sünden. Die Versöhnten bedürfen zwar deshalb, weil sie noch nicht im Stande der Vollendung leben, der fortgeheiiden Aneignung des Opfertodes Jefu Christi und seiner Wirkungen; aber weil sie eiii für allemal in das neue Heils- und Friedensverhältniß zu Gott versetzt worden sind, so bedürfen sie nicht der abschnittweise eintretenden Wiederholung jenes Opfers. Gerade die Wiederholung des Sühnopfers zeigt, daß es nicht wirkt, was es bedeutet, daß es also nicht das wahre Sühnopfer ist, wie die Thieropfer in den nichtchriftlichen Religionen zwar das Bedürfniß anzeigende, aber zur Befriedigung desselben unzuläng- liche Sühnmittel sind; ganz unvereinbar also mit dem, was die Schrift hier lehrt, ist die Jdee des Meßopfers als der unblutigen Wiederholung des blutigen Opfers am Kreuz. (Moll.) «) Jn seinem gerechten Mißfallen an der Sünde konnte Gott den Sünder aufreiben; in seiner göttlichen Geduld aber hat er ihm Opfer und Sündopfer an- gewiesen, bei deren Schlachten und Blutvergießen sich der Sünder des Todes schuldig geben, aber noch einen Zugang zu der rettenden Gerechtigkeit und Gnade seines Gottes nehmen sollte. Während dem, daß Gott durch solche Gaben zu der Zeit der Geduld in der Geduld erhalten wurde, redete der Sohn in des Vaters Schooße von seinem Kommen, von seinem Ntittleramh von feinem ihm bereiteten Opferleib, von seinen ihm geöffneten Ohren, von seinem zum ganzen Gehorsam eneigten Herzen; des Sohnes Sprechen ist dann aus riehdes Geistes Christi von den heiligen Männern Gottes auch schriftlich verfaßt worden, und so ist nach und nach die ganze Schrift alten Testaments soviel als die schriftlich ausgeftellte Obligation dessen geworden, der da kommen sollte, und in die er auch noch am Kreuze hineingesehen hat, bis er wußte, daß alles voll- endet sei. (Rie er.) Die Jdee selbst, welche in der angeführten S riftstelle ihren Ausdruck gefunden hat, die Jdee nämlich, daß die willige Vollendung des Willens Gottes an die Stelle der alttestamentlichen Opferdarbringungen zu treten habe, ist die Brücke, welche von der Beziehung der Psalmworte auf die Person des Dichters zu der auf den Mesfias hinüber- führt; denn in der alttestamentlichen Zeit hatte jene Jdee nur in sehr beschränkter Weise Geltung, sie wies schon über das alte Testament hinaus, ja sie hatte« innerhalb desselben eigentlich gar keine Berechtigung. Der Dichter konnte sich zu derselben nur erheben, in- dem er sich zugleich auch über den rein alttestament- lichen Standpunkt erhob; aber auch so war nur eine unvollkommene Verwirklichung dieser wefentlich neu- testamentlichen Jdee in dem Leben der alttestament- lichen Frommen möglich, nicht nur wegen der immer vorhandenen Mangelhaftigkeit ihrer Erfüllung des Willens Gottes, sondern auch weil der Gotteswille, welchen sie zu vollziehen hatten, sich ar nicht auf die Sühnung der Sünden bezog, so da die Erfüllung desselben die Stelle der Opferdarbringungen nicht ver-» treten konnte. Jene Jdee ist erst dadurch realisirt worden, daß Christus durch dieOpferdarbringung seines Christus aber hat mit Einem Opfer in Ewigkeit vollendet, die geheiligt werden. 899 eigenen Leibes den wahrhaftigen Heilswillen Gottes vollzog und damit allen alttestamentlichen Opfern ein Ende machte. (Riehm.) TM) Der Wille Gottes, in dem wir geheiligt find, ist nicht der Wille und Gehorsam Christi, sondern der Rathschluß Gottes, welcher als ein in Ewigkeit ge- faßter, in der Zeit vermittels der Selbsthingabe Christi ausgeführter Liebesrathschluß zu betrachten und in der heil. Schrift als ein geosfenbarter Heilsplan zu erkennen ist. (Moll.) Wie es in dem Rathschlusse Gottes begründet ist, daß Christus der ho epriesterliche Vertreter der sündigen Menschheit ist ( ap. 5, 1ff.), so hat auch das, daß seine Selbftdarbringung fänden- sühnende Kraft hat, seinen letzten Grund in dem Willen Gottes. Der Wille Gottes, um dessentwillen und durch welchen alles gefchieht (Kap. 2, 10), hat es bestimmt, daß die Sündensühnung durch Christum vollbracht werde, indem er Hoherpriester wird und als solcher sich selbst als Sühnopfer darbringt. Gott hat nämlich in seiner Gnade den festen, unwandelbaren Rathschluß (Kap. S, 17) gefaßt, dem Samen Abrahams ein ewiges rbe, zu welchem auch die Güter der Sündenreinheit und Sündenvergebung gehören, zu schenken; und er hat diesen Rathschluß in den, durch einen Eid bekräf- tigten messianifchen Verheißungen des alten Testaments (V. 16 ff.; 8, 8 ff.) kund gemacht; aber auch die Art und Weise, in welcher die verheißene Sündenreinigung und Sündenvergebung für den Samen Abrahams erwirkt werden sollte, war durch den Willen Gottes voraus bestimmt und im alten Testament angekündigt, es war der Wille Gottes, daß der Messias dies thue, indem er seinen Leib als Opfer darbrachte. So ist also die Wirkungskräftigkeit der Selbsthingabe Christi in dem Willen Gottes oder, da dieser Wille ein aus der Gnade Gottes hervorgehender Entschluß ist, in der Gnade Gottes begründet; daher sagt der Ver- fasser, Christus habe »von Gottes Gnaden« für alle den Tod geschmecket (K-ap. Z, 9), d. i. die Gnade Gottes sei Grund und Ursache davon, daß Christus zum Heil der Menfchheit gestorben ist. Wenn hiernach die siindensühnende Kraft der Selbstdarbringung Christi ihren letzten Grund in dem Gnadenwillen Gottes hat, so ist sie ferner auf Seiten Christi dadurch bedingt, daß er in freiemGehorsam und in freier, er- barmender Liebe (Kap. Z, 17; 4, 15; 5, Z) diesen Gnadenwillen Gottes vollzog. Dieses sreiwillige Ein- gehen auf den Willen Gottes giebt der Opferdaw bringung Christi ihren sittlich-religiösen Werth, ihren Werth in den Augen Gottes: ein durch zwingende Nothwendigkeit auferlegter, unfreiwillig erduldeter Opfertod hätte Gott nicht gefallen können, der Gnaden- wille Gottes wäre dadurch auch nicht vollzogen worden, denn ein solcher Opfertod wäre kein wirkliches Opfer. Nur indem Christus mit dem eigenen Willensentfchluß jenen Gnadenwillen Gottes durch seine Selbsthingabe auszuführen, schon in die Welt eintrat, denselben in vollkommenem Gehorsam und in treuer, barmherziger Liebe festhielt und zuletzt ausführte, wurde sein Opfer- tod das Mittel, durch welches die Sündensühiiung erwirkt wurde. (Riehm.) Daß die alttestamentlichen Opfer nicht wirklich zu entsühnen vermochten, war in V. 2 aus dem Faktum ihrer Wiederholung gefolgert: Gott hätte ja etwas Sinnloses angeordnet, wenn er befohlen hätte, ein Opfer zu wiederholen, welches schon das erste Mal die Sündenschuld von der Mensch- heit oder von Jsrael weggenommen hätte. Jn V. 4 ward dasselbe, nämlich die Unfähigkeit der alttestament- lichen Opfer, wirkliche Entsühnung zu schaffen, aus dem eigenen Wesen derselben gefolgert. Das Blut unvernünstiger Thiere ist nicht im Stande, sittliche Schulden hinwegzunehmem es fehlt hier beides, was zu einer wahren Stellvertretung nothwendig ist. Ein Opfer, das wahrhaft die Strafe fremder Schuld auf sich nehmen soll, muß erftlich das gleiche Leiden, welches den Schuldigen hätte treffen sollen, zu erdulden vermögen, also nicht einen blos körperlichen Schmerz oder Tod, sondern ein inneres Leiden« des seelisch- vernünftigen Menschen; und ein wahres Opfer muß zweitens, nachdem es das Leiden stellvertretend er- duldet hat, hinterher das Moment der Stellvertretung wieder aufheben, d. h. sich mit dem Vertretenen in eine innere Einheit zu setzen vermögen. So wird uns ja das Verdienst des Leidens Christi dadurch an- geeignet, daß wir, obgleich wir als Andere, Ver- schiedene neben ihm standen, als er litt, so daß er ohne unser Zuthun und unsre Mitwirkung für uns genug gethan hat, doch nun nicht neben ihm stehen bleiben, sondern durch seinen Geist von seiner und durch den Glauben von unsrer Seite zu Gliedern an ihm werden, denen nun reell alles angehört, was ihm gehört. (Ebrard.) f) Alle die Priester und Hohenpriester faßt der Verfasser zusammen, als seien sie alle Eine Person, Ein Mann. Da ist nun aber der Priester des alten Bandes: was thut er? Er steht, von Gottdahingestellt, als ein Soldat auf seinem Posten, im Tempel; Tag für Tag opfert er, und immer wieder dieselben Opfer, und betet, und immer wieder dieselben Gebete, und verrichtet immer dieselben Gebräuche; aber das, wonach man in allen Gottesdiensten sucht und hascht und greift, eine wahre Gemeinschaft mit Gott, es kommt nimmer im alten Bunde zuwege. Dem im Tempel stehenden Priester gegenüber haben wir den als König zur Rechten Gottes erhöheten Heiland: er inühet sich nicht mehr ab, wie die Priester, uns das Heil zu erwerben; das ist bereits geschehen, durch Ein Opfer, das für alle Ewigkeit gilt, hat er bereits alle, die geheiliget werden, zum Ziele geführt. Wenn er nun auch jetzt beim Vater für uns bittet und uns vertritt, so ist doch das kein neues Opfer; es macht sich ebensoxvon selbst, « wie es sich von selbst macht, daß die Sonne leuchtet, wenn sie einmal ausgegangen ist. (Fricke.) Der Priester des alten Bundes steht, blöde und bange, aufwartend und dienend, um sich, sobald der Dienst vollendet, aus dem Heiligthum zu entfernen, in das er keinen freien, vertraulichen Blick thun durfte: Christus bleibt im Allerheiligsten, vertraulich sitzend zur Rechten der Majeftäh mit Ruhe und Seligkeit nach vollbrachtem Werke den schließlichen Gewinn des- selben erwartend. (Menken.) Das Harren des zur Rechten Gottes thronenden Priesterkönigs auf ·die völlige Unterwerfung aller seiner Feinde schließt nicht den Gedanken persönlicher Unthätigkeit desselben bis auf die Zeit seiner Wiederkunft ein, sondern drückt im Gegensatz gegen die das Ziel nicht erreichende Ge- schäftigkeit der dienenden Priester die erhabene Ruhe des zum Ziel der Vollendung in jeder Beziehung ge- langten Mittlers aus, welcher nach gefchehener Ver- wirklichung der im Typus des aaronitischen Hohen- priesters angekündigten Idee der Versöhnung nur die im Typus des melchisedekischen Priesterkönigs ge- weissagte, von Leistungen freie, an höchster Anerkennung, Ehre und Befähigung zur Segensmittheilung reiche Stellung auf ewig einnimmt. Moll. · H) Der Verfasser be eichnet das Schriftworh dessen Zeugnis; er beibringt, a s Werk des heil. Geistes; »und doch geht er frei damit um, aber auch diese Freiheit gegenüber dem Schriftbuchstaben ist ein Werk des heil. Geistes. (Delitzsch.) Vgl. V. 38 und die Beinkng zu 2. Mos 20, 6 u. 5. Mof. 5, 12. 900 Ebräer 10, 19—Z1. HH So ist sowohl die Meinung der Leser, daß sie des alttestamentlichen Opferinstituts fortwährend zur Sündensühnung bedürften, als auch der Jrrthum, Christus müßte, wenn sein hohepriesterliches Thun das der alttestamentlichen Hohenpriester ersetzen sollte, sich selbst wiederholt als Opfer darbringen, gründlich und vollständig widerlegt, und der Verfasser konnte hoffen, die Ebräer davon überzeugt zu haben, daß das ein- malige Opfer Christi das religiöse Bedürfniß, welches ihrem Hängen an dem levitischen Opfereultus zu Grunde lag, nicht nur ebensogut befriedigte, als die wieder- holten levitischen Opfer, sondern daß es vielmehr allein dies Bedürfnis; wahrhaft befriedige, während die wiederholten levitischen Opfer unwirksam und durch das bessere Opfer überflüssig geworden seien. (Riehm.) d. V. 19—Z9. Wie der Verfasser schon früher Gar. Z, 1 sf.; El, l ff) mit seinen lehrhasten Aus-einander· setznngeii jedesmal eine herzaudringende Vermahnung für die Leser nach Mnslgabe des Bedürfnisse-» ihres» schwachen und von der Gefahr des Abfalls bedroheten Glaubensstandes verbunden hat, so thut ers auch nach dieser so ausführlichen dritten Belehrung, in welcher er den Vorzug des hoheprieskerthums Christi vor dem levitischeii nachgewiesen und feinen hohe- priesierlichen Dienst als einen solchen dargestellt hat, durch welchen eiue vollkommene Versöhnung erkennt, ein neues Testament aufgerichtet und das Jlllerheiligsie des Himmels ausgeschlossen, das alte Testament aber mit dem gesetzlichen Øpferdiensk nun aufgehoben iß. Er ermahnt da die Hebräer zur treuen Benutzung des in Christi Selbsiopferuiig dargeboteneu Heils (V. 19———25), warnt sie in tief einschneidender weise nor dem Ilbfall vom christlichen Glauben (l1.26-—Z1), erinnert sie an die Zeit ihrer ersten Liebe (V. 32 —ZLl) und schlieslt unter Bezugnahme auf ein alt- teskainentlilhes Propheteumort mit der Ilufsorderung zur Ilusdauer im Glauben bis auf die nahe bevor- stehende Wiederkiinft Christi (V. Z5——39). » II. So wir denn nun [nach dem m Kap- 5, ;——«10, 18 Auseinandergefetzten] haben, lieben Bruder, die Freudigkeit zum Eingang in das Heilige [d· i· das Allerheiligste des Himmels, und damit Gott unmittelbar uns zu nahen, um Gemeinschaft mit ihm zu haben und zu bitten von ihm, was wir wollen Ephes s, 12] durch das Blut Jesu [mit dessen Vergießung er uns Gnade bei Gott und Vergebung der Sünden erwirkt hat], 20. Welchen sEingangj er [der HCrr Christus] uns zubereitet hat zum neuen und lebendigeuWege [nachdem wir diesen Weg unter dem alten Testa- ment noch nicht betreten konnten oder doch nur in todten Werken zu betreten versuchten Kap. I, 6 ff. 1Z f·, ihn uns zubereitet hat] durch den Vorhang [hindurch, der erst weggethan werden mußte] das ist, durch sein Fleisch [Matth. 27, 50s.; Col. 1, 22]; « · . » 21. Und haben [dort, im himmlischen Heilig- thumj einen Hohenpriester [richtiger: großen Priester] iiber das Haus Gottes [der uns als sein Haus Kap. Z, 6 priesterlich bei Gott vertritt und die himiiilifchen Güter von ihm auszu- wendet Kap. Z, 1 sf.; 7, 24 f.]: 22. So lasset uns hinzu gehen szu dem Gnadenstuht Kap. 4, IS] mit wahrhaftigen Herzen sdem es mit Erlangung der ewigen Seligkeit voller Ernst ist], in vblligem Glauben [ohne den freilich wir nicht hinzugehen dürften Jak. 1, 5 ff.], besprenget in unsern Herzen smit selbigem Blut V. 19; 1. Petri 1, 2] nnd sdadurch Kap. 9,14] los [geworden] von dem bösen Gewissen fwegen der vorigen Uebertretungen Kap. I, 14 f.], und svermöge der Taufe, die wir empfangen haben Ephel 5, 26; 1. Petri s, 21; 1. Joh· 5, es, gewaschen am Leibe mit reinem Wasser [so daß auch unser leibliches Leben ein geheiligtes ist]; 23. Und lasset Uns [nachdem wir mit unsrer Bekehrung zu Christo schon für das gegenwärtige Leben solcher Gnaden theilhaftig geworden Kap. S- 4f.] halten an dem Betenntniß der Hoffnung sfür die uns bevorstehende Zukunft Kap- 6, 11], und nicht Wanken sindem wir weder durch ver- lockende Trugbildey noch durch höhnenden Wider- sprach, noch durch die aussichtslose Gegenwart an der einstigen Herrlichkeit uns irre machen lassen Kap· Z, 6 u. 14]z denn er ist treu, der sie [das, was sie, die Hoffnung, uns in Ausficht stellt] verheißen hat-« [Kap. 4, 14——16; 6, 18 sf.; 1.Cor. 1, g; 1. Theil. 5, 24]. 24. Und lasset uns unter einander unser selbst seiner des andern in christlicher Fürsorge dafür, daß unser keiner dahinten bleibe Kap. 4, 1] wahrnehmen mit Reizen zur Liebe und guten Werken; 25. Und nicht verlassen unsere Versammlung szu eigenen, christlichen Gottesdiensten Apostg. 2, 42.44 durch Wegbleiben davon 2. Tim. 4, 16], wie etliche pflegen [die einer dem förmlichen Ab- fall seht: nahe stehenden Erkaltung sich schuldig machen] sondern sin diesen eigenen gottesdienst- lichen Versammlungen, die mit neuem Eifer zu besuchen sind] unter einander sang] ermahnen szum Halten an dem Bekenntniß der Hoffnung V. 2Z und zur Uebung der Bruderliebe in guten Werken V. 24], und das lsolches gegenfeitiges Ermahnen Kap. Z, 1Z., lasset uns treiben] so viel mehr, so viel ihr laus den» Zeichen der Zeit 1. Petri 4, 16f.] sehet, daß sich der Tag [der Zukunft Christi V. Z7; Matth. 26, 64; 1. Cor. Z, 13] nahm» swo es ja gilt, daß wir als solche, die seine Erscheinung lieb haben und auf ihn warten Kap. 9, 28; 2. Tim. 4, 8., erfunden werden]. 26. sAndernfalls dagegen würden wir der Seligkeit für immer verlustig gehen.] Denn so wir muthwillig siindigen, nachdem wir [bei unsrer Erleuchtung durch den Geist Gottes V. Z2; S, 4] die Erkenntniß der Wahrheit il— TM· 2- 41 em- pfangen haben [und von dieser, der Wahrheit, geradezu abfallen Kalb. Z, 12; 6, 6; L. Petri 2, 4], haben wir fürder [nach solcher Lossagung von Christo und dem von ihm gebrachten Opfer Eindringliche Mahnung und einschneidende Warnung aus Grund des Gesagten. 901 V. 291 kein ander Opfer mehr für die Sünden sdas uns Vergebung derselben zu erwirken ver- möchte]; 27. Sondern [nichts als für das irdische Leben] ein schrecklich sin seiner Furchtbarkeit un- beschreibbaresJ Warten des« Gerichts Und [als unser Endgeschick das] des Feuereifers [auf Seiten Gottes» Kap. 12, 29], der die Widerwciitigen sChristi V· 131 verzehren wird-««- [Jes. 26, 11; Zeph. 1, 18; s, 8]. 28. Wenn jemand das Gesetz Mosis [durch Uebergehung des Bundes Gottes 5. Mof. 17, 2——7] bricht fund hingehet und dienet andern Göttern], der muß sterben ohne Barmherzigkeit [5. Mos. 13, 6 ff. 12 ff.], durch zween oder drei Zeugen sdie wider ihn aussagen]: 29. Wie viel, meinet ihr, ärgere Strafe wird der verdienen, der den Sohn Gottes mit Füßen tritt swie Judas, sein Verräther, mit ihm that Joh.13, 18], und das Blut des Testaments [das Blut, durch welches der neue Bund auf- gerichtet ist Kap. 9, 15; Matth. 26, 28] unrein achtet, durch welches er [doch, wie er das selber bei seinem Uebertritt zum Christenthum glaubte V. 10] geheiliget ist sgleich als wäre es das eines von Rechtswegen hingerichteteu Verbrechers Kap. S, 6], und den Geist der Gnaden [der da- mals über ihn gekommen Sach. 12, 10] schmiihcts sgleich als wäre derselbe der Geist des Jrrthums, nicht der Geist der Wahrheit gewesen 1.Joh. 4, 6]? 30. [Gewiß, es wird diese Strafe keine andere sein als die Summa aller Strafen Gottes, die ewige Verdammnisz, und die Ausstoßung aus seinem Volk durch Hinunterstoßen dahin, da Heulen ist und Zähneklappen Matth. 25, 41.] Denn wir wissen den, der da sagt [5. Mos- 32, 35]: Die Rache ist mein, ich will vergelten, spricht der HErr svgt Rom. 12,19]. Und abermal [5. Mos. 32, 36]: Der HErr wird sein Voll richten [Ps. 135, 14]. » 31. Schrecklich ist es, in die Hande des lebendigen Gottes zu fallenH [vgl. Sirach Z, 21 ff. u. 2. Sam. 24, 14]. V) Wie künstlerisch, sei es in mehr oder weniger bewußter Planmäßigkeit, die Composition des Ganzen ist, zeigt sich daran, daß der Verfasser jetzt, wo, was er in Kap. 5, 1 begonnen, zu Ende geführt ist, die Ermahnung genau ebenso wieder anhebt, wie er sie (vom zweiten zum dritten Untertheil überleitend) in Kap. 4, 14 ff. geschlossen; die Ermahnungem ,,lasset uns halten an dem Bekenntniß« und: ,,lasset uns hinzu- treten mit Freudigkeit zu dem Gnadenstuhl« wieder- holen sich hier in den Worten: ,,lasset uns hinzugehen mit wahrhaftigeni Herzen, in völligem Glauben» und: ,,lasset uns halten an dem Bekenntniß«, ebenso, wie dort, mit: ,,so wir denn nun haben« niotivirt, nur daß sowohl sie selbst als ihre Motivirung hier als Echo der voraus-gegangenen langen, inhaltreichen Er- örterung noch viel volltönender lauten. (Delitzsch.) Indem der Verfasser hier zuerst von dem Nahen zu Gott redet, wovon er in Kap. 4, 14 ff. allerdings erst an zweiter Stelle handelte, nennt er vorweg die zwei objectiven Voraussetzungen desselben, daß wir nämlich im neuen Bunde eine im Blute Christi be- gründete freudige Zuversicht auf den von ihm eröff- neten Zugang zum himmlischen Allerheiligsten, und im himmlischen Heiligthum selbst einen über dasselbe ge- setzten und in demselben waltenden erhabenen Priester haben; darauf hält er uns die subjektiven Erfordernisse, die Gesinnungem in welchen das Nahen zu Gott statt- finden soll, vor, erfordert wird nämlich, daß wir mit wahrhaftigem, d. i. lauterem, aufrichtigem, ohne Rück- halt auf Gott gerichtetem und von allen ihm miß- fälligen geheimen Nebengedanken und Nebenabsichten freiem Herzen und mit freudig gewisser Völligkeit des Glaubens zu Gott hinzutreten; und zuletzt weist er auf die subjektive Befähigung zu dem Nahen hin, welche das Vorhandensein der erforderten Gesinnung einerseits bedingt und andrerseits durch sie bedingt ist. Die Herzen der Christen sind mit dem Blute Christi besprengt und dadurch des bösen Gewissens ledig ge- worden, und ihre Leiber sind durch das reine und reinigende Wasser der Taufe geistlicher Weise von aller Befleckung rein gewaschen; darum können sie mit wahrhaftigem Herzen und völligem Glauben, den offenen Zugang zum Allerheiligsten und die Vermit- telung des erhabenen Priesters im Hause Gottes be- nutzend, zu Gott nahen» Unleugbar schreibt der Ver- fasser hiermit den Gläubigen des neuen Bundes priester- lichen Charakter und priesterliche Vorrechte zu; denn wenn von ihnen gesagt wird, daß ihnen der Zugan zu dem himmlischen Allerheiligsten offen stehe und da sie dem in demselben thronenden Gotte nahen, so ist ihnen damit ein Vorrecht zugeschrieben, welches nach der vorbildlichen alttestamentlichen Oekonomie sogar nur dem Hohenpriester zukam, und wenn von der subjektiven Befähigung der Christen zum Nahen zu Gott so ge- sprochen wird, daß dieselben als ,,besprengt in ihren Herzen« und »gewaschen am Leibe mit reinem Wasser« bezeichnet werden, so weisen diese Ausdrücke auf die Weihe hin, durch welche die Priester nach 2.Mos. 29, 21; 40, 12 f.; 30, 19 f.; Z. Nios 8, 6. 30; 16, 4- 24 zu ihren Dienstverrichtungen im Heiligthum befähigt wurden. (Riehm.) Damit, daß das Blut Jesu vor- handen ist, sagt der Verfasser in V. 19 f., in und mit diesem Blute haben wir in der Richtung dahin, wo es zu Gott, an den Ort Gottes hineingeht (um schon jetzt zu ihm hinzugehen und dereinst zu ihm einzu- kommen), freudige· Zuversicht, daß wir· den Zugang nichtrerschlossen finden: Jesus hat ihn ja damit, daß er sein Blut vergaß, uns als Vorgänger erschlossen; ein Zubereiten zum neuen und lebendigen Wege nennt dies der Verfasser, weil solcher Weg vor Kurzem noch unvorhanden gewesen und weil derselbe den, der ihn betritt, selbst dahin trägt, wohin er will, beides im« Gegensatz gegen den verschlossenen Zugang in’s Aller- heiligste des gesetzlichen Heiligthums und beides, um zu ermahnen, daß man ihn nicht ungenützt lasse, diesen erst uns gegebenen, vordem nicht vorhandenen und in eigener Kraft den sich ihm Vertrauenden zu Gott dringenden Weg. Es war auch hier ein Vor- hang zwischen unserm zu Gott gehenden Hohenpriester und dem Orte Gottes, nämlich sein Fleisch (seine menschliche Leiblichkeit nach ihrer Leidens- und Todes- haftigkeit, wie er sie, um uns in allem gleich zu sein und für uns den Tod schmecken zu können, an- genommen hatte Kap. 2, 14 ff; 5, 7 f.); der gesetzliche Hohepriester nun brauchte nur den Vorhang zurück- zuthun, der das Allerheiligste abschied, Jesus aber hat es sich sein Fleisch, nämlich sein Leben im Fleische 902 Ebreier 10, 3-2—34. kosten lassen (Ephes. L, 14), um zu Gott zu kommen, von dem er so lange geschieden blieb, als er in der angeborenen menschlichen Natur lebte. (v. Hofmannh Jndem aber der Verfasser von dem uns eröffneten Wege zum Allerheiligsten sagt, er führe durch den Vorhang, d. i. durch das Fleisch Christi hindurch», deutet er an, daß es einen andern Weg dahin nicht giebt und daß me- mand in’s himmlische Allerheiligste gelangen kann, es sei denn, daß er auf dem von Christo durch diesen Vorhang hindurch gebahnten Wege gehen will — ohne Bild gesprochenx man muß erst des Opfertodes Christi theilhaftig sein, ehe man zu Gott nahen kann; der Weg zum Throne Gottes führt über Golgatha, wo der Leib Jesu Christi gebrochen worden ist, denn nur da ist ein Eingang in das himmlische Heiligthum (Riehm.) Wir haben aber nicht blos den Eingang in das himmlische Heiligthuiiy sondern wir haben dort auch einen Hohenpriester über das Haus Gottes: das Heiligthum, das Allerheiligste, zu welchem wir als Christen Zugang haben, ist nicht leer, wie seit dem babylonischen Exil das Allerheiligste des jüdischen Tempels leer war (2. Kbn. 25, 17 Anm.); wir haben dort Jesuny der als Priester für uns bittet, als König zur Rechten Gottes thronet und wartet, bis alle Feinde zum Schemel seiner Füße liegen. Und wie nun das einerseits uns dazu treiben soll, mit freudiger Zu- versicht zu Gott uns zu nahen als ein priesterliches Eigenthunisvolk des HErrn, so andrerseits dazu, fest- zuhalten an dem Bekenntniß der Hoffnung; ein Rohr zwar läßt sich beugen und wird gebeugt von jeglichem Winde (Matth. 11, 7), aber das Bekenntniß unsrer Hoffnung darf sich von Winden und Wettern nichtnieder- beugen lassen, mit fröhlichem Munde sollen wir vor aller Welt bekennen, was wir hoffen, weil Der treu ist, der es verheißen hat. (Fricke.) An unsrer Stelle ist »das Bekenntniß der Hoffnung« speziell dies, daß der Christ, wenn auch aus der jüdischen Theokratie und dem Tempel verstoßen und alles Erdenglücks fleisch- licher Messiashoffnung baar, dennoch die gewisse Hoff- nung habe, das»Reich zu ererben-· (Ebrard.) H) Wie schon gestaltet sich die Ermahnungskette unsers Verfassers zu einer dreigliedrigen nach der paulinischen Trias christlichen Lebens (1. Eor. 13, 13; 1.Thess.1,3; 5, s; Col. 1,4 f.)! Auf die Ermahnung zum Angehen Gottes in Völligkeit des Glaubens (V. 22) folgt die Ermahnung zum Festhalten des Be- kenntnisses derHoffnung (V. 23), und auf diese folgt nun (V. 24) die Ermahnung zum Wetteifer in der Liebe. Auch diese dritte Ermahnung ist noch dem »so wir denn nun haben« in V.19——21 untergeordnet; mit der Anrede: ,,lieben Brüder« hat sich dort der Verfasser nach der langen Erörterung wieder direkt an seine Leser gewendet. Jhnen allen gleicherweise steht der Zugang zum Himmelsheiligthum offen, sie alle sind Genossen des großen, von dem großen Priester überwalteten Hauses: so sollen sie sich denn auch als gleich bevorrechtete Hausgenossen brüderlich gegen ein- ander verhalten. Die Worte: ,,lasset uns unter ein- ander unser selbst wahrnehmen« meinen im Gegensatz, zu selbstischer Gleichgiltigkeit gegenseitige Beach- tung als Grundbedingung aller Gemeinschaft, und die Zweckbestimmung: ,,mit Reizen zur Liebe und guten Werken« giebt diesem Interesse, welches einer am andern zu nehmen hat, die der christlichen Gemein- schaft allein würdige Richtung. (Delitzsch.) Hat der Verfasser im ersten Gliede der Ermahnung (V. 22) gesagt, wie der Christ sich gegen Gott, und im zweiten (V. 23), wie er gegen die außen stehende Welt sich zu nehmen habe, so sagt er nun im dritten Gliede (V. 24 f.), wie er gegen die Brüder, gegen die Gemeinde sich verhalten solle. Es giebt ein falsches Achthaben auf einander, welches aus Selbstsucht und Hochmuth hervorgeht und vom Apostel Paulus in Gal. s, 4 verboten wird; es giebt aber auch ein wahres Acht- haben auf einander, welches, aus Liebe hervorgehend, nur Aneiferung in Liebe und guten Werken hervor- rufen will, und dies wird in V. 24 vom Verfasser empfohlen. Zu dieser allgemeinen Pflicht kommt aber in V. 25 die spezielle, den Besuch derChristen- Versammlungen nicht zu vernachlässigen, wie das manche der Leser aus Menschenfurcht bereits gethan hatten; diesem Wegbleiben von den Versammlungen nun wird das »unter einander ermahnen« entgegen- gestellt, als besonderes Motiv dafür aber das sichtliche Nahen des Tages des HErrn angeführt. (Ebrard.) Die Zeichen, welche seinem Tage nach der Weissagung Christi vorangehen sollen (Matth. 24, 5 ff.; Luk. 21, 8 ff.), waren damals theils schon eingetroffen, theils immer mehr im Eintreffen begriffen, wobei man namentlich an die unmittelbar vor dem jüdischen Kriege über das jüdische Volk gekommenen Triibsale, an die Empörungen und Unordnungen (vgl. Anh. II. zum 6. Bande: d, 2 und die Bem. zu Sach. 11, 10 f. in der ·2. Aufl. des 4. Bandes), vielleicht auch an die Lauheit und die Jrrlehren in den christlichen Gemein- den (Matth. 24, 12) zu denken hat; und aus Kap.3, 9 scheint sogar hervorzugehen, daß der Verfasser die Vorstellung hatte, der Zeitraum von dem öffentlichen Auftreten Christi an bis zu seiner Wiederkunft werde, der Zeit des Zugs der Jsraeliten durch die Wüste entsprechend, eine Dauer von 40 Jahren haben, dieser Zeitraum aber wäre allerdings, als er die Epistel schrieb, seinem Ende schon sehr nahe gewesen. (Riehm·) sitt) Der nächste Beweggrund für die Befolgung der vorhin in ihrer Berechtigung ausgesprochenen Er- mahnungen liegt in dem Gedanken der Größe der Gefahr des Absalls von Christo und an der Furcht- barkeit seiner Folgen. (Moll.) Solcher Gefahr setzte sich der aus, wer aus Menschenfurcht von den Ver- sammlungen der Christen wegblieb oder durch irgend welche Verleugnungen der Wahrheit sich die Möglich- keit, am Tempelcultus Theil nehmen zu dürfen, er- kaufte; wer nun, nachdem er die Wahrheit erkannt hat, solche Sünden dennoch, also wider besser Wissen und Gewissen begeht, und somit das Eine Opfer Christi verschmäht, fiir den existirt alsdann kein zweites Sühnopfer mehr, durch welches er von der Schuld dieser neuen und potenzirten Sünde gereinigt werden könnte. (Ebrard.) Wer die Erkenntniß der Wahrheit em- pfangen hat und dann einen Weg geht, der ihn anderswohin führt, der weiß, was er thut, und thut, was er will: er will der Wahrheit, die er für das erkannt hatte, was sie ist, deß ungeachtet den Rücken gekehrt haben (in diesem Sinne also ist das ,,muth- willens sündigen« zu fassen und nicht, wie häufig ge- schehen, auf jede vorsätzliche, wissentliche Sünde zu beziehen, vgl. zu Kap. S, 6). Auf dem Wege nun, den ein solcher verfolgt, steht ihm kein Sündopfer mehr in Aussicht, welches ihm zur Vergebung der Sünde gedeihen könnte; statt der Aussicht auf ein anderes, das ihn doch und auch um diese Sünde noch sühne, die er damit beging, daß er das Sühn- opfer Christi wieder aufgab, nachdem es ihm zu eigen geworden, giebt es für ihn auf seinem Wege vielmehr nur ein schreckliches Warten auf Gerichtund die Brunst eines Feuers, welches die Widersacher verzehren wird. (v. Hofmannh Jenes (das schrecklickze Warten des Gerichts) sagt aus, was die von Christo Abgefallenen schon jetzt als Frucht ihres Absalls empfinden; dieses (der Feuereifer, der die Widerwärtigen verzehren wird), Erinnerung an die vorigen Tage und Vorhaltung der Nähe des HErm 903 was sie dereinst dafür ernten werden. (Kurtz.) Die Größe unerbittlichen Gerichts, welches denjenigen treffen wird, der aus einem Begnadigten Christi sein Feind geworden, wird hierauf in V. 28 f. an der unerbitt- lichen Ahndung erläutert, welche frevler Bruch des mosaiscgen Gesetzes nach sich zieht· f) em Abfall von Jehova zu fremden Göttern als äußerstem Grad der Brechung des mosaischen Ge- setzes vergleicht sicZ der Abfall von Christo zu dem christusfeindlichen udenthum, dessen Gott auch nicht mehr der wahre ist, weil er nicht als der Gott und Vater Jesu Christi anerkannt wird. Wenn nun schon an den alttestamentlichen Abfälligen mit unerbittlicher Strenge die Todesstrafe vollzogen ward, um wieviel Schlimmeres steht nach Maßgabe der reicheren Offen- barunsgs- und Gnadenfülle den neutestamentlichen Ab- fälligen bevor! Mit dem ,,meinet ihr« giebt der Ver- fasser diese, aus dem Verhältniß beider Testamente hervorgehende Steigerung vom Kleineren zum Größeren (vgl. Kap. Z, 2 f.; 12, 25) dem eigenen Urtheil der Leser anheim, bezeichnet aber dann den neutestament- lichen Abtrünnigen näher nach dem wesentlichen That- bestande seiner entsetzlichen Versündigung. Seine un- gleichwgrößere Sünde ist 1) Sünde gegen die Person des ittlers des neuen Testaments: ,,er tritt den Sohn Gottes mit Fiißen«; der Mittler wird Sohn Gottes genannt, denn eben in seiner ewigen Sohn- schaft besteht seine Erhabenheit über den Mittler des Gesetzes, über Propheten und Engel, das mit Füßen treten aber ist nicht blos s. v. a. von sich stoßen, wie eine nnbrauchbare Sache, auf die man tritt, ohne sich in Acht zu nehmen (Matth. 5,13; Luk. 8,«5), sondern den Jngrimm schnöder Verachtung an Ihm auslassen (Matth. 7, 6) — welche Herausforderung der Strafgerechtigkeit durch Herabwürdigung desErhabensten (vgl. das französische cäcrasez 1’inl"ame)! Sie ist dann Sünde gegen das neutestamentliche Bundes- opfer: ,,er achtet das Blut des Testaments unrein, durch welches er geheiliget ist«. Jst schon Bundes- opferthierblut und zumal Sündopferthierblut (3. Mos. S, 20), thierifches Blut der Reinigung, heilig, um wievielmehr das kraft ewi en Geistes zu unsrer Sühne vergessene Sprengblut un ers Einen fehllosen Opfers, das Blut des neuen Testaments (Kap. 9, 20; Luk. 22, 20), welches uns in vollkommene Gemeinschaft mit Gott versetzt und zum Antritt des ewigen Erbes be- fähigt hat! Dieses Blut nun durch Rückfall zum Judenthum dem Blut eines gewöhnlichen Nienschety und zwar eines verblendeten und mit Fug und Recht hingerichteten, leichznstellen — welche Herausforderung der Strafgere tigkeit durch Profanirung des Aller- heiligsten, und noch dazu durch den schmählichsten Un- dank! Als Undank brandmarken solchen Riickfall die Worte: ,,durch welches er geheiligt ist«, was von Selbsterlebtem gemeint, von der heiligenden Kraft des Blutes Christi, welche der Abgefallene früher an seiner Seele erfahren hat« daß aber von einem Abfall die Rede, welcher mit der Lästerung des heil. Geistes zu- sammenfällt oder doch diese in sich schließt, zei t sich daran, daß diese Sünde aller Sünden 3) als ünde gegen den Geist der Gnaden bezeichnet wird. Alle Gnadengaben des neuen Testaments sind in dem ,,Geist der Gnaden« zusammengefaßh denn der Geist ist’s, der sie uns zueignend, vermittelt; schroffere Gegensätze nun als ,,Schmähung« und ,,Gnade« kann es gar n1chtgeben, ihn übermüthtg schmähen ist s.v. a. das Gnadenwerk Gottes, das man an sich er ahren hat, als Lug und Trug Verlästern —- eine ügen- strafung der Wahrheit selber, welche der Strafe Gottes, die sie herausfordert, nicht entgehen wird. (Delitzsch.) H) Wenn der Verfasser fortfährt: »denn wir wissen Den, der da · dem geschriebenen Gottesworte bestätigen, daß die Strafe nicht ausbleiben werde; denn es heißt nicht, wir wissen, daß oder was er gesagt, oder was es auf sich hat, daß er es gesagt, sondern wir kennen den, der es esagt hat, und hinter den angeführten Schriftstellen solgt dann der Sah: ,,schreckl 1st’s, in die Hände des lebendigen Gottes zu fallen«. Die Meinung ist also, wir kennen Den, der solches ckgesagt hat, als den lebendigen Gott, der ein erschre licher Rächer ist; wie schwere Strafe den betreffen wird, der in dieses Rächers Hände fällt, soll demnach V. 80 zu bedenken geben, wie ja auch in V. 29 nicht blos ge- sagt war, daß er, sondern wie erschrecklich er werde estraft werden. Beide Schriftstellen nun sind dem Iiede Mosis entnommen: die erste wird ganz ebenso, wie hier, dem Grundtext ähnlicher als der Ueber- setzung, aber doch auch ihm un leich genug, auch von Paulus in Röm. 12, 19 angesührt das Wort war wohl in dieser Form ein stereotyper estandtheil der Kirchensprache geworden); die zweite meint hier, wie bei Mose und in der Wiederholung des 135. Psalms, unter dem Richten, das der HErr seinem Volke will zu Theil werden lassen, dies, daß er ihm Recht schassen werde wider die, die sich an ihm versündigt haben, so daß in Verbindung damit der Schlußsatz bedeutet, in des lebendigen und also seine Macht nicht ungebraucht lassenden Gottes Hände wird der fallen, der sich an seinerGemeinde versündigt hat. (v· Hofmann.) Was das Fallen in die Hände des lebendigen Gottes be- trifft, so kommt es darauf an, wer der ist, der in diese Hände fällt: ob er demüthig und willig unter die strafende Hand Gottes sich beugt oder widerwillig als Gottes Feind und Widersacher unter sie gebracht wird. (Kurtz.) 32. Gedenket aber an die vorigen Tage, in welchen ihr, erleuchtet snachdem ihr zur Erkennt- niß der Wahrheit erleuchtet V. 26 und zu Christo bekehrt worden waret Kap. 6, 4 f.], erduldet habt einen großen Kampf des Leidens [Luk. 6, 22 f.], 33. Zum Theil selbst durch Schmach [die ihr um des Namens Christi willen erlittet] und Trübsal [die man durch Leibeszüchtigung und Be- raubung der Habe euch angethan] ein Schauspiel worden [1. Cor. 4, 9; Apostg. 12, 1ff.], zum Theil Gemeinschaft gehabt mit denen, denen es also gehet [1. Cor. 12, 26; Matth. 25, 35 ff.]. 34. Denn ihr habt mit meinen Banden snach der, unzweifelhaft ursprünglichen und am besten bezeugten Lesart im Grundtext: mit den Ge- bund enen, Gefangenen Kap. 13, Z; Apostg. 9, Z. 21; 22, 51 Mitleiden gehabt sindem ihr ihnen mit Befuch, Zufpruch und Unterstützung zur Lin- derung ihrer Noth beigeftanden], und den Raub eurer Güter sals man mit Geldftrafen euch be- legte oder gar euer Besitzthum eoUfiscirteJ mit Freuden [Eol. 1, u] erduldeh als die ihr wisset, daß ihr bei euch selbst sso daß keine menschliche Gewalt sie euch zu entreißen vermag] eine bessere nnd bleibende Habe im Himmel hab» san dem dort behaltenen unvergänglichen und unbefleckten und unverwelklichen Erbe 1. Petri 1,4; Matth.19, 29]. sagt 2c.«, fo will er nicht blos aus. 904 Ebräer 10, 35—39. 11, 1——5.. 35. Werfet [denn, die ihr vormals solche Standhaftigkeit des Glaubens bewiesen habt] euer Vertrauen nicht weg, welches eine große Belohnung hat [indem die bessere und bleibende Habe im Himmel, um deretwillen ihr den Raub« der irdischen Güter mit Freuden erduldet habt, euch gewiß zu Theil werden wird]. 36. Geduld aber ist swenn das wirklich ge- schehen soll] ench noth, auf daß ihr den Willen Gottes thut fder treues Beharren bis an’s Ende von euch fordert Kap. 13, 21; Matth. 24, 13], und [unter dieser Bedingung dann] die Verheißung sdas verheißene ewige Erbe Kap. 9, 15] empfahen 37. [Auf eine allzuschwere Probe nun wird solche Geduld nicht gestellt werden.] Denn noch über eine kleine Weile lheißt es bei den Pro- pheten: Sei— W, 20 f-; Hab« 2- Si, is) wird kom- men, der da kommen soll, nnd nicht verziehen fund das werden wir demnächst sich erfüllen sehen Matth. 26, 64; Offenb 6, 15 ff.]. 38. Der Gercchte aber sso heißt es dann weiter in Hab. 2, 41 wird des Glaubens leben [Röm. 1, 17; Gar. Z, 11]. Wer aber weichen wird fspricht der HErr zugleich an dieser Stelle, um sie hier in freier Weise, nach Maßgabe unsers Bedürfnifses zu verwerthen, vgl. die Bem. zu V. 17], an dem wird meine Seele kein Ge- fallen haben« ffondern ich werde ihn dem wohl- verdienten Verderben anheimgeben]. 39. Wir aber slieben Brüder V. 19] sind nicht von denen, die da weichen und verdammet werden; sondern von denen, die da glauben nnd die Seele errettenttt [Tob. 2, 17 f.; 1. Thess. 5, 6 ff, vgl. die Bem. zu Kaki. 12, 24]. V) Wie in Knie. S, 9 ff. lenkt der Verfasser auch hier vom fchwersten Ernste der Bedrohung zu freund- licher Anerkennung zurück, dort in der Art, daß er sich, wenn er sich eines Bessern für sie versieht, auf Gottes Gerechtigkeit verläßt, der ihrer werkthätigen Liebe an den Bekennern feines Namens nicht ver- essen werde; hier in der Art, daß er sie selbst der Zeit gedenken heißt, wo sie sich nach ihrer Bekehrung allen den Widerwärtigkeiten, welche sie im Gefolge hatte, mit einer Freudigkeit unterzogen haben, welche sie doch jetzt nicht wegwerfen werden, statt der Be- lohnung derselben entgegenzuwarten (v. Hofmann.) Die Thatsache, daß noch vor dem Anfang des jtidischen Kriegs von der jüdischen Obrigkeit eine schwere, systematische Verfolgung gegen die Christen Palästinas ausgin , steht vollständig fest, wenn auch kein anderes Zeugni darüber vorlage, als der Brief an die He- bräer; aber es ist Näheres darüber bezeugt, und zwar vor allem in dem durch und durch glaubwürdigen Berichte des Jofephus am Anfang des letzten Buchs seiner Archäologie (1. Chron. 25, 7 Anm.). Festus, der Procurator (Matth. 2, 20 Anm.), starb nach kaum zweijähriger Amtsfiihrung in der Provinz im Anfang des J. 62 n. Chr. (Anh. II. zum 6. Bande: d, 2). Nero nun, so erzählt Josephus, sandte aus die Nach- richt von seinem Tode den Albinus als Statthalter nach Judäa; aber der Hohepriester Ananus der Jüngere Gannas I1.), seinem Charakter nach von hervorragender Verwegenheit und der sadducäischen Partei zugethan, die sich vor allen Judäern durch grausames Gerichthalten hervorthat, ergriff die Ge- legenheit des Jnterregnums, während Albinus noch auf dem Wege war, und versammelte ein Synedrium von Richtern. Vor diese führte er etliche mit der An- klage auf Gesetzesübertretiing und übergab sie (osfen- bar nachdem das Synedrium das Todesurtheil ge- sprochen) der Strafe der Steinigung; aber gerade die am meisten unparteiischen Männer der Stadt, solche, die zugleich selbst genau in der Gesetzesbeobachtung waren, mißbilligten dies schwer, sie sandten dem König Agrippa II. heimlich die Aufforderung, er möge dem Ananus durch schriftliche Mahnung Einhalt thun. Auch dem Albinus zogen einige entgegen, während er von Alexandrien her die Reise machte, und stellten ihm vor, daß es dem Ananus nicht zustand, ohne seine Zustimmung solch ein Gericht Zlu halten (Joh.18,31), worauf der Statthalter dem nanus voll Unwillens eine Zuschrift sandte, in der er ihm Rechenschaft drohte, der König Agrippa aber (dem das Recht zur Ein- setzung und Absetzung des Hohenpriesters zukam) ihn nach dreimonatlicher Verwaltung des Hohepriesteri thums entsetzte Dies die Nachricht des Josephus nur ohne die in seinem Text befindliche Erwähnung des Jakobus unter den Hingerichteten (Anh.11: b, 3). So sind denn allerdings damals (auf welche Zeit der Verfasser wohl in den Worten: ,,gedenket an die vorigen Tage 2e.« Rücksicht nimmt) wenige Märtyrer gefallen; aber damit waren die Leiden der Christen nicht abgethan. Todesstrasen konnte das Shnedrium nicht weiter verhangen; doch während ihm das Recht über Leben und Tod versagt war, blieb ihm seine geistliche Gewalt. Der Hoherath konnte unbeirrt durch die römischen Statthalter eine Maßregel ergreifen und unter den folgenden Hohenpriestern aufrecht erhalten, welche den Christen Palästincks höchst schnierzlich war, ja gewiß vielen von ihnen als ein furchtbarer Schlag kam, und konnte ihnen den Zutritt zum Tempel und seinen Gottesdiensten versagen und ihnen auferlegen, entweder Christum zu lästern oder als Ausgestoszene und Verfluchte alle Gemeinschast mit dem »heiligen Volke Gottes« zu meiden, und dieser Maßregel konnte, wenn nicht mit Todesstrafen, so doch mit sonstigen Bedrückungen aller Art Nachdruck und Schärfe ver- liehen werden. (Thierfch.) W) Ohne Zweifel will der Verfasser mit dem, was er in V. 37 f. gesagt, darauf hinweisen, daß das Ge- richt über Jerusalem herannahe, aus« welchem nur der Glaube retten könne; er spricht diesen Gedanken aus mit den Worten, mit welchen einst der Prophet Ha- bakuk von dem damaligen Gericht durch die Chaldäer geredet hatte, so daß er diese Worte nicht sowohl citirt, als vielmehr auf einen analogen Fall applicirt Die Worte beim Propheten, die Luther mit: »wer halsstarrig ist, der wird keine Ruhe in seinem Herzen haben« wiedergiebt, hatte schon die riechische Ueber- setzung der Septuaginta dahin aufge aßt, daß an die Stelle des Trotzes die Verzagtheit gefetzt und statt »seine Seele« vielmehr »meine Seele« ge- schrieben ward, wodurch ein ganz anderer Sinn heraus- kommt; aber gerade so war der Gedanke für den Zweck xdes Verfassers doppelt passend, und da er die Stelle nicht zu einer Beweisfolgerung anwen- det, sondern nur einfach die Worte benutzt, um seinen Lesern an’s Herz zu reden, so konnte er doppelt xiåisedegslich der ihnen geläufigen Septuaginta folgen. rar . ist) Wie der Verfasser nun schon zwei Mal (V. 32 ff.; 6, 9fs.) aus düsterer Klage und Drohung in Der zweite, paränetisehe Theil. Der Glaube nach seinem Wesen. 905 Lob und Hoffnung eingelenkt hat, um die Geschreekteii u ermuthigen und die Wankenden zu befestigen, so stärkt er auch hier, nachdem er mit den Worten: »wer aber weichen wird, an dem wird meine Seele kein Gefallen haben« in hochprophetischem Tone abermals eine Warnung an die «Leser hat ergehen lassen, seel- sorgerlich weise und» 1nilde ihr christliches Selbstgefuhl, indem er sich mit ihnen zufammenfaßt und gemein- fchaftlich mit ihnen der Gefahr die Stirn bietet. (Delitzsch.) Das Selbstgefühl aber, das ihn über- kommt und das er auch in den Leser-n erwecken will, ist kein anderes als dies, daß die Gläubigen Christi diejenigen sind, an welche in der ganz hierher ge- höri en, aber freilich meist nicht recht verstandenen Ste e: Jes 66, 1-—12 die Worte des 5. u. 6 Verses sich richten: ,,Höret des HErrn Wort, die ihr euch fürchtet vor seinem Wort 2c.«. Das 11. Kapitel. Vom seligmachenden glauben. C— Der unmittelbar an die Zusprache im vorigen Abschnitt sich anschließende zweite, paränetiskhe oder ermalsnende Theil hat es, nachdem im ersten oder dag- matisrhen Theil das Absehen des Verfassers darauf ge- richtet war, in seinen llsesern den Entschluß lebendig und wirksam zu maxhenx »wir sind nieht von denen, die« da weichen und verdammet werden«, nun damit zu thun, auch das andere als das Ziel ihrer Aufgabe ihnen zum Bewußtsein zu bringen: ,,sondern von denen, die da glauben und die Seele erretten«; denn es ist, wie die Dinge zu der Zeit stehen, in welcher er san-eilst, für die Christen in Jerusalem nirht genug, daß sie nicht rürtifällig werden in’s Judenlhuni und ihren Christenstand den An« feehtungen gegenüber, von denen sie betroffen worden, mit Entschiedenheil behaupten, vielmehr sieht jetzt schon die Stunde nahe bevor, wo es gilt, um nicht mit dem un— gläubigen Zudem-alle verdammt zu werden, sondern die Seele zu erretten, von Jerusalem auszugehen und zu weichen von der unrein gewordenen und den! verderben geweihelen Stadt. Erst in Karl. 13, 13 f. wird er diese nothwendig- lieil ihnen zu Gemiithe führen; zuvor, das weiß er in seiner pasloralen Klugheit gar wohl, muß er ihre iherzen mit einem solkhen Gedanken, dessen Ausführung ja auch nicht jetzt schon zu geschehen hat, sondern erst, wenn das vom Hilf-ern selber längst schon angegebene Zeichen (l3uk. El, 20 is) wird eingetreten sein, näher vertraut machen. I« v.1——40. hieß es vorhin: ,,wir sind von denen, die da glauben und die Seele erretten··, so geht jetzt der Verfasser die ganze heilige Geschichte des alten Testa- menls, auch die glorreichc Zeit der uiaerabäerkämpse hinzunehmend, durch, und weist an den Erempeln der Väter nach, welches die Art derer sei, die da glauben und die Seele erretten; bis zur Zeit des Einzugs der Kinder Israel in’s gelobte Land geht er dabei throne- logiskh und ziemlich speziell zu Werke, dann aber faßt er alles summarisrh in einer gedrängten Ueberßcht zu- sammen und kann, was in der xtnareabäerzeit an Glaulsensthaten vorgekommen, mit in diese llleberflcht befassen, weil diese Zeit, obgleich sie jenseit der in der heil. Schrift besihriebenen Geschichte liegt, doch in dem prophetischen Wort geweissagt und dadurch in die heil. Gesthtclzte mit einbegriffen ist. Wie aber alles, was der Verfasser verführt, darauf berechnet ist, daß die lreser in den über sie gekommcnen Trübsalen und Anfech- tungen das llaehbild dessen erblicken lernen, was von den ältesten Zeiten her die frommen Väter haben er— leiden langen, und daß ne beizeiten auf einen Auszug aus dem Lande, an dem ne zur Zeit mit ihrer Vorliebe noch hängen, sieh gefaßt brausen, das tialien wir bereits in der Bein. zu Apostg Es, 31 angedeutet. 1. Es ist aber der Glaube sden wir im Herzen tragen müssen, wollen anders wir die Seele erretten Kap. 10, 39] eine gewisse ZU- verftcht des, das man hoffet sals hätte man das- selbe fchon in Händen V. S. 13 ff.], und [ein] nicht zweifeln [die Lesart: ,,zweifelt«, wie sie meist in den Bibelausgaben sich findet, ist nichts als ein alter Druckfehler, der aus Unverstand von einer Ausgabe auf die folgenden sich weiter vererbt hat; man müßte aber dann vollständiger schreibem »ein solcher Stand des Herzens, daß man nicht zweifelt«] an dem, das man nicht siehet sals sähe man’s mit leiblichen Augen] 2. Durch den sals solche, die in so be- schaffenem Glauben standen, der überhaupt nicht mehr Glaube wäre, wenn er das nicht wäre, was vorhin von ihm gesagt wurde] haben die Alten [die Väter zur Zeit« des alten Testaments Kap. 1, 1 mit dein, was die Schrift von ihnen erzählt] Zeugniß überkomment ldaß Gott an ihnen Ge- fallen hatte Kap. 10, 38 und sie ererben werden die Verheißung Kap. G, 12]. 3. Durch den Glauben merken wir smit unserm Geist], daß die Welt [nach ihrem ge- fammten Umfang und J1ihalt Käse. 1, Z] durch Gottes Wort fertig sin die Gestalt und Ordnung, in der sie jetzt sich befindet, anfangs gebracht] ist; daß alles, was man siebet, aus nichts [2. Macc. 7, 28] worden ist «« [nicht aber aus schon vorhan- denen Keimen oder Substanzen gleichsam von selbst hervorgewachsen ist, wie wir jetzt aus fchon Vorhandenem Neues, Thiere, Pflanzen u. s. w., in’s Dasein treten sehen l. Mos. 2, 1——31]. 4. Durch den Glauben hat Abel sgemäß dem, was uns in 1, Mos. 4, 3—-5 erzählt wird] Gott ein größer Opfer gethan, denn Kein; durch welchen sdami auch bei derOpferdarbringungselber] er laus- drücklichJ Zeicgniß überkommen hat, daß er gerecht [Matth. 23, 35; 1. Joh. s, 121 sei, da Gott zeugete von seiner Gabe sindem er dieselbe durch Feuer vom Himmel verzehren ließ Z. Mos. 9, 24], und durch denselbigen redet er noch, wiewohl [besser: auch nachdem] er gestorben ist [wenn Gott von seinem Blute sagt, dessen Stimme schreie zu ihm von der Erde 1. Mos.4,10; Pf. 116, 15]. Z. Durch den Glauben ward Enoch sder Siebente von Adam Judä 14] weggenommen fvvn der Erde und gen Himmel entriickt Sirach 44,16; 49,16], daß er den Tod nicht sähe sihm des Todes Bitterkeit erspart bliebe], und ward [unter den hienieden Lebenden Weish. 4, 10 auf einmal] nicht smehrs erfunden, darum, daß ihn Gott wegnahm; denn vor seinem Wegnehmen sbevor 906 Ebräer 11, S. 7. noch in der Schrift davon die Rede] hat er [wenn es von ihm heißt, daß er ein göttlich Leben führte und in demselbigen verblieb allezeit] Zeug- niß2gehab]t, daß er Gott gefallen habe s I. Mos. l 5, ff. . b. Aber ohne Glauben ists unmöglich Gott gesallen lwie im vorangehenden Beispiel V. 4 an Abels Gegenpart, dem Kam, sich zeigt]; denn wer zu Gott kommen will [indem er betend vor ihn hintritt oder mit Gaben und Opfern sich ihm nahet Kap. 10, 1], der muß glauben, daß er sei snicht blos eingebildeter, sondern wahrhaftiger Weise existires und denen, die ihn suchen sund nach ihm fragen Apostg. 15, 17; Röm. Z, 11], ein Vergelter sein werdet-«« [damit, daß er sich von ihnen auch finden läßt und zu ihnen als ihr Gott sich bekennt]. 7. Durch den Glauben hat Noah Gott ge- ehret sin treuem Gehorsam das thuend, was er ihU geheißen l« Mvs S, 221 und die Arche zu- bereitet zum Heil seines Hauses, da er einen gött- llchen Befehl seine göttliche Antwort oder Be- lehrung Kap. 8, 5; Luk. 2, 26] empfing von dem, das man noch nicht sahe [von den Wassern der Sündfluth, die da kommen und allem Fleisch den Untergang bringen follten 1. Mos. G, 13 ff.]; durch welchen [seinen Glauben] er Verdammete [Matth. 12, 41f.] die Welt [der gesammten übrigen Menschheit, die, wie sie vorher sich Gottes Geist nicht mehr wollte strafen lassen, so jetzt sein Wort für einen Spott hielt 2. Petri 2, 5; Matth. 24, 37 ff.], und hat sin dem Zeugnis» welches die Schrift ihm ausstellt, wenn sie ihn zuerst und schlechtweg den Gerechten nennt l. Mos. 7, I; Hes. 14, 14. 20; Sir. 44, 17; Weish 10, 4 u. S] ererbet die Gerechtigkeit, die durch den Glauben kommt-s sgenauen die dem Glauben gemäß ist, nach ihm sich bestimmt oder darin besteht, das; man in ihm lebt und webt, redet und handelt, und zuletzt auch in ihm stirbt V. 13]. i) Offenbar will der Verfasser nicht blos den Glauben seinen Eigenschaften und Aeußerungen nach beschreiben, sondern er will angeben, worin das Wesen des Glaubens bestehe; nun hat man, um seine Definition richtig zu beurtheilen, zweierlei mit in Anschlag zu brin en. Man darf nämlich erstens nicht außer Acht las en, daß der Verfasser nicht das eigenthümliche Wesen des christlichen Glaubens an- geben, sondern nur einen ganz allgemeinen Glau- bensbegriff aufstellen will, der auf den von den From- men des alten Bundes und von den Erzvätern be- wiesenen Glauben ebensowohl anwendbar ist, als auf den Glauben der Christen; sodann hat man zu be- achten, daß der Verfasser überhaupt nach dem Zweck und Zusammenhang unsrer Stelle den Glauben ganz abgesehen von einem bestimmten Glaubensobjekt definiren wollte — es ist die subjektive Seite des Glaubens, welche hier in Betracht kommt. Nur das zu allen Zeiten und bei dem verschiedensten Glaubensinhalte sich immer Eleich bleibende und allem seinem Jnhalte nach näher estimmten Glauben Werth, sittlichsreligiöse Bedeutun und Leben gebende Wesen des Glaubens, sofern diexfer eine Bestimmtheit des Gemiithes ist, will der Verfasser in seiner Definition bezeichnen Er hatte ja unmittelbar zuvor (Kap. 10, 35 .) die Leser zum Festhalten des Vertrauens und zur eduld ermahnt und sie auf die Nähe der Wiederkunft Christi und auf den Lohn, welchen dann ein solches Verhalten in der Erfüllung der Verheißung finden wird, hin- gewiesen; und er that dies, weil sie unter den Leiden, die sie um ihres Glaubens willen tragen mußten, und bei der Verzdgerung der Wiederkunft Christi des Wartens auf diese müde, kleinmüthig und verzagt ge- worden waren; es fehlte ihnen also an der Energie des Glaubens. Nicht um das Glaubensobjekt, son- dern um das subjektive Verhalten u dem Glaubens- objekt handelte es sich; so mußte alfo das Wesen des Glaubens nur insofern bestimmt werden, als dieser ein subjektives Verhalten zu den Glaubensobjekten ist, und diese selbst konnten nur in umfassendster Allgemein- heit namhaft gemacht werden. Jn dem aufgestellten Begriff des Glaubens nun ist zweierlei von demselben ausgesagt: zuerst, er ist eine standhafte Zuversicht in Beziehung auf das, was noch gehofft wird; er zieht das Zukünfti e schon in den Bereich der gegen- wärtigen inneren Zsahrnehmung herein, so daß der Gläubige dasselbe schon aus der Ferne sieht, vorempfindet und begrüßt (Kap. 6, 5) und hierin eine Vergewisserung hat über die künftige Verwirklichung dessen, was jetzt noch Gegenstand der Hoffnung ist. Zweitens aber ist der Glaube eine, alles Leugnen, Zweifeln und Un- gewißsein ausschließende Vergewisserung in Beziehung auf die Dinge, die nicht gesehen werden, überhaupt der sinnlicl)en Wahrnehmung verschlossen find, weil dem Gebiet der übersinnlichen Welt angehörig. Die unsichtbare Welt wäre für uns gar nicht vorhanden, wenn wir keinen Glauben hätten, wir würden in diesem Falle nur in der Welt der Sichtbarkeit leben; der Glaube aber stellt uns in die unsichtbare Welt hinein, er öffnet nicht nur das innere Auge, welchem das Un- sichtbare ebenso wahrnehmbar ist, als das Sichtbare dem leiblichen Auge, sondern es ist in ihm auch das Ge- müth fortwährend dem Unsichtbaren zugewendet und das Herz geöffnet für die Eindrücke der jenseitigen Welt. (Riehm.) Durch die Voranstellung der Aussage: ,,eine ewisse Zuversicht deß, das man hoffet« will der Ver- fasser dies Moment seines Glaubensbegriffs als das Hauptmoment angesehen wissen, weil er von Kap. 10, 39 her als erstes Moment das im Sinne hat: ,,wir sind nicht von denen, die da weichen und verdammet werden«, womit er das scheue, klein- müthige, feige und mißtrauische Sichzurückziehen von Gott meint, von seiner Verheißung und von den ver- heißeuen Heilsgüterm dagegen istdas andere Moment: ,,sondern von denen, die da glauben und die Seele erretten« im andern Moment des Glaubensbegriffs vertreten: ,,nicht zweifeln an dem, das man nicht siehet«, welches dadurch, daß es an der zweiten Stelle steht, nun auch in nähere Beziehunsltritt zu dem ersten, in V· 3 angeführten Exempel der ltvordern während der ganzen Zeit des alten Teftaments von Adam an bis herab zu den maccabäischen Glaubenskämpfern und Blutzeugen, die mit ihrer Treue bei geringeren Gnadenmitteln die nacheisernswerthen Vorbilder für das jüngere Geschlecht sind. "«) Der Verfasser will durch Beispiele erläutern, was Glaube sei und was er wirke; nun hätte er die ersten Menschen mit ihrem Glauben an die Spitze stellen können, aber es will sich doch nicht schicken, daß Die alttestamentlichen Musterbilder des Glaubens. 907 Adam und Eva, die Urheber der Sünde und des Todes, als Vorbilder der Glaubens uns vorgehalten werden, zudem liegt der Punkt, an welchen sich der Glaube der ersten Menschen hält, die Schöpfung den Menschen aller Zeiten gleich nahe. Darum redet er ganz allgemein: ,,durch den Glauben merken wir, daß die Welten durch das Wort Gottes zubereitet worden sind«- Kann man nicht auch ohne Glauben, blos mit der Vernunft, auf die Lehre von der Schöpfung kommen? Gewiß: »ein jegliches Haus wird von jemand bereitet, der aber alles bereitet, das ist Gott« (Kap. Z, 4). Aber was der Verstand über die Schöpfung aus sich haben kann und was der Glaube ,,merkt«, unterscheidet sich doch sehr wesentlich. Der Glaube merkt, daß Gott durch sein Wort die Welt geschaffen hat; er er- kennt Gott als den Lebendigen, der da spricht, und es geschieht, gebeut, und es steht da. Der Glaube ist es inne geworden, was für ein gewaltiges Ding es um Gottes Wort ist; es ist ein und dasselbe Wort, aus dem und an dem der Glaube täglich lernt, und mittels dessen Gott die Welt geschasfen hat. Der Verstand sieht nur Eine Welt, der Glaube merkt etwas von den Welten; er weiß von einer gegenwärtigen Welt, die uns umgiebt, und einer zukünftigen Welt, die uns erwartet, aber die eine wie die andere Welt sind seit der Schöpfung fertig. Die Worte in der zweiten Hälfte des Verses lauten nun zwar dem Grundtext nach etwas anders, aber der Sinn ist doch im Grunde derselbe, wie wenn Luther übersetzt: »daß alles, was man siehet, aus nichts geworden ist«. Viele kluge Leute nämlich im Alterthum wollten aus Gott, dem Weltschöpfer, gern blos einen Weltbau- meister machen; wie ein Maurer, wenn er ein Haus bereitet, Kalt, Holz, Steine vorfindet, so, meinten sie, war schon, als Gott die Welt bereitete, etwas da, das nannten sie die Materie. Aber nichts davon! als Gott die Welt schuf, war außer Gott nichts da, weder etwas Sichtbares noch etwas Unsichtbares; da hieß es: ,,es werdet« und es ward. So ist die Welt entstanden —- das merkt der Glaube. (Fricke.) Schon das Aller- erste, was die heil. Schrift berichtet, ist etwas, was nur für den Glauben erkennbar ist; denn der Entstehungs- grund der sichtbaren Welt liegt nicht in, sondern über. dieser, er ist nicht wieder etwas in die Erschei- nung Tretendes, sondern die Welt verdankt ihr Dasein dem unsichtbaren Schöpferworte Gottes. Und so be- währt sich schon hier das Wesen des Glaubens als ein solches, daß er ist ein Nichtzweifeln an dem, das man nicht siehet. · IN) Nicht ohne Schwiertgkeit ist die Nachweisung der in V. 1 aufgestellten Charakter-Merkmale des Glaubens an dem, was der Verfasser in V. 4 von Abel anführt, sie liegen aber für Abel und Enoch gemeinsam in dem V· 6 Gesagten; wie dieser Vers an das anknüpft, was in V. 5 von Gottes Wohl- gefallen über Enoch gesagt ist, so war ja in V. 4 von einer Bezeugung des göttlichen Wohlgefallens auch über Abel die Rede (und der Ausspruch: ,,ohne Glauben ist’s unmöglich, Gott gefallen« weist mit dieser negativen Fassung unverkennbar auf das »ein größer Opfer, denn Cain« zurück) Ohne Zweifel also soll der Inhalt des 6. Verses für beide, für Abel sowohl wie fiir Enoch, gelten. (Kurtz.) Das Haupt« objekt des Glaubens an Gott war in der allerfrühesten Zeit, in welcher noch keine bestimmten Verheißungen gegeben waren, z. B. für Abel und Enoch, das aller- dings noch sehr allgemeine und unbestimmte, daß Gott ist und daß er denen, die ihn angelegentlich suchen, ein Vergelter wird; aber schon dieser noch ganz unentwickelte Glaube hat etwas, das man ,,nicht siehet«, und etwas, das man ,,hoffet«, zum Gegen- stande. Er ist eine Vergewisserung über das wirkliche und wirksame Dasein des lebendigen und persönlichen, aber unsichtbaren Gottes, über seine herablassende Liebe und vergeltende Gerechtigkeit, in der er sich dem Menschen, der nach ihm sich sehnt, nicht entzieht; und er ist auch eine Zuversicht des Gehofften, sofern er darauf traut und baut, daß der treue und gerechte Gott die Hoffnung derer, die sich ihm nahen wollen, nicht zu Schanden machen kann, sondern Von denen, die ihn suchen, sich finden läßt. Einen näher bestimmten Inhalt hatte dann schon Noahs Glaube, von dem im folgenden Verse die Rede, und zwar an dem »göttlichen Befehl-«, wie Luther übersetzt, oder an dem Orakel über das bevor- stehende Strafgericht der Sündfluth und an der damit verbundenen Verheißung, daß Gott einen Bund mit ihm aufrichten und ihn und seine Familie in der Arche erretten wolle. (Riehm.) · s) Welch eine andere Sache ist der Glaube im Sinne der Welt und im Sinne der heil· Schrift! welch eine ganz andere Sache der Glaube nach den Vorstellungen, die die Unwissenheit geistlicher und göttlicher Dinge und die Profanität sich selbst davon machen und in der Welt zu verbreiten und zu erhalten suchen, und der Glaube nach der Lehre und Dar- stellung der Bibel und der Geschichte! Hören wir die Welt, wie sie vom Glauben denkt, redet und lehrt, so giebt es in der Welt nichts so Leeres, so Abge- schmacktes, so Gehaltloses, als Glaube; Glauben und Verzichtthun auf den Gebrauch der Vernunft in Er- forschung der Wahrheit ist ihr beinahe gleichbedeutend. Glauben hält sie für nichts Anderes, als für ein sinn- loses Festhalten an hergebrachten Meinungen und Lehrsätzem wofür man gar keine Gründe habe; und dies unvernünftige Festhalten an solchen Meinungen und Lehrsätzen für das Eigenthümliche gläubiger Men- schen, die eben darin ein Aequivalent, einen auf- wiegenden Ersatz fiir den Mangel aller Tugend, für den Mangel aller guten Werke, für den Mangel aller Besserung und aller höheren Vortrefflichkeit zu be- sitzen wähnen. Es ist dem Teufel gelungen (und da- mit ist ihm viel gelungen), von dem, was in Gottes Augen das Höchste ist, von dem, ohne welches es schlechterdings unmöglich ist, Gott zu gefallen und zu Gott zu kommen, von dem Glauben, solche Vorstel- lungen in der Welt bei Alten und Jungen, bei Höhen und Niedrigen, bei Gelehrten und Ungelehrten all- gemein zu machen, den Unglauben zur Ehrensache des Verstandes zu erheben und eine Schmach und Schande auf den Glauben zu legen, so daß, wer in der Welt fiir einen aufgeklärten, gelehrten, einfichtsvollen Mann gehalten sein wolle, sich wenigstens das Ansehn geben müsse, ungläubig zu sein und den Glauben an das göttliche Zeugniß, an die göttlichen Stiftungen, an die göttliche Vergeltung für Pöbelwahn zu halten. Da- gegen ist nach der Lehre der Schrift und in der Sache selbst ein göttlich Leben führen, mit Gott wandeln und glauben gleichbedeutend, ein und dieselbe Sache, also das Höchste, das Verehrungs- würdigste, auch schon da über alles Andere verehrungs- würdig, wo es nur noch in seinen ersten Anfängen und in seinen schwächsten Anstrebungen ist. Es ist das Einzige, was den sterblichen Menschen schon in der Sterblichkeit und Richtigkeit seines Wesens und dieser Welt wie einen Unsterblichen gesinnt macht und wandeln läßt, was ihn unter dem Druck der Ver- gänglichkeit tröstet und stärkt, was ihn mit Gott in— Verhältniß bringt und ihn in Gott finden läßt, was seine Seele bedarf und was diese sichtbare Welt für 908 Ebräer 1 l, 8—-22. seine Seele nicht hat; das edelste und heiligfte Wohl- verhalten gegen Gott, das jede andere Art des Wohl- Verhaltens in Liebe gegen den Nächsten und in Hei- ligung des eigenen Wesens gegen sich selbst zur na- türlichen und nothwendigen Folge hat. Hat es Men- schen gegeben und giebt es Menschen, deren Glaube Wahn und Geschwätz war und ist, ohne Geist, ohne Licht, ohne Kraft, ohne Trost und Frieden, so wollen wir das beklagen; aber irre machen an dem Höchsten und Besten soll es uns nicht! Das, wollen wir uns sagen, ist nicht der rechte, nicht der wahre, nicht der seligmachende Glaube; der rechte, der wahre, der selig- machende Glaube führt zu himmlischer Gesinnung und zu göttlichem Leben, er läßt den Menschen nicht 10 und 20 Jahre denselben bleiben, der er vor 10 und 20 Jahren gewesen, und darnach wollen wir uns in Betresf unsers eigenen Glaubens uiitersucheni (Menken.) 8. Durch den Glauben ward gehorsam Abra- ham, da er berufen ward auszugehen in das Land, das er ererben solltez und ging aus, und wußte nicht [ging, solchem Rufe folgend, aus, ohne schon zu wisfen], lvo er hin käme [da ihm dies Land noch gar nicht genannt, sondern nur erst als ein solches bezeichnet war, das der HErr i7hm2 zeBen wolle 1. Mos. 12, 1—7; Apostg. 9. Durch den Glauben ist er ein Fremdling gewesen in dem verheißenen Lande, fund in dem- selbigen hin und her gezogen] als in einem fremden l1«Mos-12,8ff-; 17- 8;« 23, 45 Apvsta 7, 5], Und wohnte [wie es die Art der Fremd: linge ist, die von einem Ort zum andern ziehen und deshalb keine festen Häuser sich bauen] in Hütten [oder selten, mit denen man bald wieder aufräumen kann Jes. 38, 12] mit Jsaak nnd Jakob, den Miterben derselbigen Verheißung sdie ebenfalls während ihres ganzen Lebens in dieser Weise als Fremdlinge sich hielten l. Mos. 26, Z. 25; 28, 4; 47, 9]. 10. Denn er wartete auf eine Stadt, die einen Grund fim vollen Sinne des Worts, d. i. einen unwandelbaren, unerschütterlichen Grund] hat fweil er wo anders, als in dieser wandel- baren, vergänglichen Welt gelegen Kap. 12, 22; 13- 143 Offevbs 21, 14], welcher Baumeister und Schöpfer Gott ist»- [V. IS; vgl. Kap. 8, 2]. 11. Durch den Glauben empfing anch Sarah Kraft, das; sie [selber, und nicht eine Andere an ihrer Statt, wie sie das anfangs für den allein möglichen Weg, einen Sohn zu bekommen, ge- halten hatte 1. Mos. 16, 1 ff.] schtvauger ward, und gebar über die Zeit ihres Alters [1- Mos- 18, 12 f.; 21, 1 ff.]; denn sie achtete ihn treu sum sein Versprechen auch wirklich, trotz der na- türlichen Unmöglichkeit I. Mos. 18, 14., zu er- füllen Kap. 10, 23], der es berheißen hatte sdaß sie für ihre eigene Person einen Sohn haben sollte I. Mos. 18, 9 ff.]. 12. Darum [weil sie durch solchen Glauben bei aller natttrlichen Unfruchtbarkeit sogar in ihrem Alter noch empfängnißfähig geworden] find anch von Einem fdem Abrahain Mal. 2, 15; Hes gäb 2?], wiewzlålfser selber» Thon] exstorälieneu ei es war 1. o.18,12« e.51, 1.« öm. 4, 19], viele geboren sin wiirtolicher Erfüllung der Verheißung 1. Mos. 15, d; 22, 17], wie die Sterne am Himmel und wie der Sand am Rande des Ylleltseres der unzählig ist«« s»4. Mos. 23, 10; 5. o. 1, 10]. 13. Diese alle [welche in V. 8. 9 u. 11 genannt wurden, Abraham mit Sarah nebst Jsaak und Jakob] sind gestorben iin Glauben sso daß die charakteristische Art des Glaubens V. 1., die sie« durch’s ganze Leben zu bewähren hatte, auch ihr Sterben auszeichnet], und haben die Vet- heißung [die ihnen gegeben war V. I] nicht em- sjifangesiiib soiidleriit »sxtietvkitiri)» fejrig gjesghen uYdksibcg er-e en erroe ie i a anJao Wort auf seinem Sterbebett 1.Mof. 49, 18 zeigt: »HErr, ich warte auf dein Heil«], Und [mit solchem »von· ferne Sehen und von ferne Begrüßen lgageijiyskseæsichQzwlohl begigugeitzz lkassfefiti lohnebauch a ie ei ige r angen e e o en zu ean- spruchens und bekannt, daß sie Gäste und Fremd- ginlgePcfufsgsrdfgl sind [1. Mos. 23, 4; 47, I; g. . , . 14. sMit gutem Grund dürfen wir ihrer Aus- sage das »auf Erden« hinzufügen] Denn die solches sagen [ihr Leben als ein Wallen und Weilen in d? Fremde Fezåichkiienz wesnntz BZ Ztakob »für » ei meine e en « ag: ,, ei meiner Wallfahrt-«] die geben sdamitJ zu verstehen, Faß siedet? tläaterland suchen fwo sie daheim zu ein ge en en. » 15. Und zwar, wo sie [unter diesem Vater- land] das gemeinet hätten, von welcheni sie Leinst in Abraham, dem Ausländer wie ihn die eute nannten 1. Mos. 14, 13] wareli ausgezogen [welches ja doch alleig ihr Vaterland heißenf konnte, wenn es sich bei i rer Rede um ein irdi ches gehandelt hätte], hatten sie ja swährend ihres damals noch lange genug währenden Lebens Pf. 90, 10 Anm. I] Zeit wieder umzukehren [nach dem verlassenens 16. Nun aber begehren sie seben nicht eines irdischen Vaterlandes, daher sie das Umkehren sogar grundsätzlich vermieden 1. Mos. 24, 5 ff., Indem] eines bfefserehiu nämlifch eines lhimiisilischen arum sum die es i res, au ein Da eim ein bei iClzm gerichteten Verlangens w(glen] schcimet sich ott ihrer nicht zu heißen ihr ott fwie er selber in 2. Mos. 3,«6 sich so nennt]; denn er hat ihnen eine Stadt zubereitetstt lin die er dann bei ihrem Sterben sie au genommen, uin dort sein Bundesverhältniß zu ihnen fortzusetzen und inwalge Cåsskvigkgit Zugs Gott sich ihnen zu er ei en a . , ·. Der Glaube der Urväter und der Erzväteu 909 17. Durch den Glauben opferte Abraham den Jsaak, da er versucht ward [1. Mos. 22, I ff] und gab dahin [ihn] den Eingebornen saußer wel- chem er keinen Ebenbürtigen weiter besaß 1. Mos. 22, 16], da er schon die Verheißung fdaß er ein Vater vieler Völker werden solle 1. Mos. 17, 4 f.] empfangen hatte fund demgemäß wußte, wieviel gerade bei ihm auf die Erhaltung eines Ein- geborenen ankam], 18. Von welchem sSohne ihm auch, zum Zeugniß, daß derselbe wirklich der Träger der Verheißung sei Rönn 9, 7] gesagt war [1. Mos. 21, 12]: Jn Jsaak wird dir dein Same geheißen werden [mit dessen Tode also die Verheißung selber in ganz unersetzlicher Weise verloren zu sein schien] 19. Und dachte füber solches schwer wiegende Bedenken sich glaubensmuthig hinwegsetzendL Gott kann auch wohl [wenn es ihm gefallen sollte, auf diese Weise den Widerstreit zwischen seinem Befehl und seiner Verheißung zu lösen] von den Todten erwecken [1. Sam. 2, e; 2. Kön 5, 7]; daher er auch sum ein göttliches Siegel für solchen seinen Glauben zu empfangen] ihn fder fortan als ein vom Tode Wiedererweckter ihm erfcheinen mußte] zum Borbilde [dessen, der einst aus seinem Gefchlechte als Heiland der Welt hervorgehen und wirklich ein vom Tode Wiedererstandener werden sollte] wieder nahmAs 20. Durch den Glauben segnete Jsaak sin Worten, darin er] von den zukünftigen Dingen [weissagete, welche Stellung zum Reiche Gottes die beiden zu Segnenden einnehmen würden] den Jakob und Esau [1. Mos. 27, 27 ff. u. 39 f.; 28, 3 f.]. 21. Durch den Glauben segnete Jakob, da er starb- beide Söhne Jvfephs [auch hier in weis- sagender Rede über die Stellung des einen und des andern im Reiche Gottes versügend J. Mos. 48. 13 ff.], und neigte sich gegen seines Scepters Spitze fals er von Joseph die Erfüllung seiner Bitte, in Eanaan begraben zu werden, erlangt hatte —- die Worte am Schluß von 1. Mos. 47, 31 sind hier nach der Septuaginta, wie die Stelle so den Lesern bekannt war, wiedergegeben; im Hebräischen lauten sie nach Luther’s Uebersetzungt ,,da neigte sich Israel aus dem Bette zu den Häupten«]. 22. Durch den Glauben redete Joseph vom sdereinstigen] Auszug der Kinder Israel saus- Egypten], da erstarb, und that Befehl von seinen Gebeinen-H- sdaß man sie dann mitnehmen solle nach dem gelobten Lande und dort zur Erde be- ftatten 1.Mos. 50, 24 f.]. V) Mit der unsichtbaren Thatsache der Weltschöpfung dem ersten, von allen andern vorausgesetzten Glaubens- objekte, hat der Verfasser in V. 3 begonnen, und dann hat er seinen Lesern die drei vorfluthlichen Glaubens- muster vorgeführtx Adel, Henoch und Noah. Kraft seines Glaubens brachte der erste ein gottgefälliges Opfer; der zweite führte kraft seines Glaubens einen gottinnigen Wandel, der dritte vollzog kraft seines Glaubens ein auf Zukünftiges lautendes Gotteswort. Allen dreien belohnte sich ihr Glaube: der erste starb, aber seinem Verhältnisse zu Gott unverloren und un- vergessen; der zweite erlitt gar nicht den Tod, son- dern ward zu Gott entrückt; der» dritte wurde am Leben erhalten, während die Welt dem Gerichte des Untergangs verfiel. Ein Vorbild, nacheiferungswürdig aufmunternd, sind sie uns in ihrem Glaubensthun und in ihrem Glaubenslohn. Von den Vätern der Urzeit geht der Verfasser nunmehr zu den Vätern der nachfluthlichen Patriarchenzeit über: da ist alles an- gelegt auf das Volk, das geboren, erlöst und geheiligt werden soll; diesem Hemäß bestimmt sich das Objekt des Glaubens, die erheißung, immer näher. Sie betrifft ein Land, in welchem die Patriarchen noch Fremdlinge find, einen Sohn, der noch nicht geboren ist, die Zukunft eines Volks, das erst noch werden soll. (Delitzsch.) Was der Verfasser in V. 10 von Abraham und in V. 13—16 von den Patriarchen ins- gesammt sagt, legt die Frage nahe, ob derselbe sich immer auf dem wirklich geschichtlichen Standpunkte gehalten oder nicht vielmehr den alttestamentlichen Frommen einen Glauben zugeschrieben habe, den sie noch nicht hatten und nicht haben.konnten. Aller- dings nun liegt die Vorstellung eines himmlifchen Vaterlandes oder einer von Gott geschasfenen himm- lischen Stadt jenseit des Gefichtskreises der Erz- Väter; dennoch sind die Anssagen des Verfassers nicht unberechtigt Die Patriarchen lebten in der festen Gewißheit, daß Gott sie und ihre Nachkommen erwählt habe, um einen besonderen Gnadenrathschluß an ihnen zu verwirklichen; da enthielt denn ihr Verheißungs- glaube, obfchon ihnen noch wenig von dem Inhalt des göttlichen Gnadenrathschlusses geoffenbaret war, gleichwohl implicjte die Gewißheit, daß Gott den ganzen, erst später mehr und mehr zu offenbarenden Gnadenrathschluß an ihnen verwirklichen werde. Was also Inhalt des göttlichen Gnadenrathschlusses ist, kann im gewissen Sinne auch als Inhalt des Verheißungs- glaubens betrachtet werden; und dies giebt dem ent- wickelteren Verheißungsglaubem der durch die weiteren Ofsenbarungen Gottes einen reicheren Inhalt ge- wonnen hat, ein Recht, seinen eigenen Inhalt in den noch unentwickelterem aber durch feine Stärke für alle Zeiten vorbildlichen Glauben der Patriarchen hineinzutragen. (Riehm.) Abraham hatte freilich nur diese Verheißung Gottes: ,,deinem Samen will ich dies Land geben«; aber wie jeder Sonnenstrahl mit der Sonne, so hängt jede einzelne Verheißung Gottes mit der Verheißung im höchsten Sinne des Worts, mit der Verheißung der ewigen Seligkeit in der himm- lischen Welt zusammen, und wenn nun Abraham in Canaan als ein Fremdling in fremdem Lande umher- zieht, ohne nur im Allergeringsten an Gott und seiner Zusage irre zu werden, so wurzelt sein Glaube, wenn auch ihm selber unbewußt, im Glauben an jene ewige Stadt Gottes, die da Gründe hat, d· i. den rechten, festen Grund, und deren Baumeister und Schöpfer er selber ist. Darin liegt eine große Lehre für uns und- unsern Glauben· Jede unter den mancherlei Gottesver- heißungem mit welchen unser ganzes Leben durch- zogen ist, können wir in einer doppelten Weise nehmen: entweder wir reißen die einzelnen Verheißungen los von der Verheißung des himmlischen Erbes, dieser Verheißung aller Verheißungem dann ist jede einzelne 910 Ebräer 1 1, 23——27. Gottesverheißung wie ein vom Baum abgefchnittener Zweig, der bald welk wird, und die Erfüllung wird oft viel zu wünschen übrig lassen; oder wir fetzeii jede Ver- heißung mit der Verheißung aller Verheißungen in Verbindung, dann wird sie allemal, wenn auch nicht vor unsern Augen, vielleicht auch nicht einmal bei unsern Lebzeiten, doch wörtlich und buchftäblich und über Bitten und Verstehen erfüllt. (Fricke.) W) Dem Glaubensvorbilde Abrahams tritt das der Sarah an die Seite: aus dem ineinandergreifenden Glauben beider ist ja Jsrael entsprungen; wie Abra- ham, so vermochte ebenfalls- auch Sarah im Glauben Großes, innerhalb ihres weiblichen Berufskreifes näm- lich· (Delitzsch.) Man könnte sich wundern, daß hier der Glaube der Sarah gepriesen wird, da sie doch wegen ihres Unglaubens offen gestraft wurde, weil sie das Wort des HErrn als ein Mährchen verlacht hatte (1. Mos. 18, 10 sf.); war aber gleich ihr Glaube mit Unglauben vermischt, so ließ sie doch auf die Ermahnung deshalb ihr Mißtrauen fahren, und fo verwirft sie Gott dennoch nicht. Was sie anfänglich als unglaub- lich von sich geworfen, das nahm sie im Gehorsam an, sobald sie hörte, daß es aus Gottes Munde ge- kommen sei; und hie wird sie gepriesen als eine solche, die ,,ihn treu achtete, der es verheißen«· Woraus zu ersehen ist, daß auch dann, wenn hie und da unser Glaube wankt und erlahmt, er doch von Gott noch angenommen wird, sobald wir nur dem Unglauben uns nicht hingeben. (Ealvin.) Sarah hat die Ehre, in diesem Verzeichniß der heil. Menschen Gottes, die Gott durch Glauben geehret haben, dicht neben Abra- ham zu stehen, als die vor allen Frauen des alten Testaments in die Fußstapfen feines Glaubens ge- treten ist; aber es wird doch so von ihr in ihrem Verhältniß zu Abraham geredet, daß die große Sache, die mit Gottes Verheißung und Abrahams Glauben anfing, nicht als zwifchen ihr und Abraham getheilt erfcheine, oder als ob sie in dieser Sache von eben der Bedeutung wäre wie Abraham, sondern auf ihn, den Einzigen und Einzelnen, wird es immer wieder ganz zurückgeführt (Menken.) IV) Dreifachen Glauben hat der Verfasser in V. 8—12 in Abraham’s und Sarah’s Gefchichte auf- gezeigt: Glauben, der einem unbegreiflichen Rufe Gottes gehorsam machte; Glauben, der sich eine der Verheißung ungleichartige Gegenwart, ohne irre zu werden, gefallen ließ; und Glauben, der sonst Unmög- liches auf Gottes Wort hin für gewiß nahm. Glaub en, der über den Tod hinaus einer verheißenen Zukunft sich getröftete, zeigt er nun in V. 13——16 auf; und von allen dort Genannten, von Abraham und Sarah, von Jsaak und Jakob, sagt er ihn aus. (v. Hofmann.) »Diese alle«, heißt es von den Patriarchen, die von Gott die Verheißung erhielten, daß sie das Land Canaan befitzen sollten, ,,sind gestorben im Glauben«: sie haben nicht während ihres ebens von einem Jahr zum andern auf die Erfüllung gehofft und, als sie nun davon mußten, den Glauben fahren lassen, sich davon als von einem Wahne, der sie mit vergeblicher Hoffnung durch das Leben hindurchgetäufcht, unwillig weggewendet; nein, sie find mit ihrem Glauben ge- sterben; sie haben ihn aus dieser Welt mitgenommen in die andere hinüber, als die dort schauen würden, was sie hienieden geglaubt, und dort in wirklichem Besitz und Genuß haben würden, was sie hier nur in Hoffnung hatten. »Sie haben die Verheißung nicht empfangen«, ihre Erfüllung nicht erlebt, das ver- heißene Land und Erbe während ihres irdischen Lebens nie zum Eigenthum erhalten, sondern sie, die Erfüllung der Verheißung, nur von ferne gesehen und ,,ihrer sich vertröstet«, sie den Trost und die Freude ihres Lebens sein lassen; und so wenig rechneten sie auf den Befitz eines irdischen Paterlandes, daß fie Eiiklmehr fiirD,,Gaftfpunz Fxenigliggs auf Erz? sich eann en. ami ra en re a erz un e erm- niß ihrer Religion aus, ihre Gewißheit einer unficht- baren hzixnkmlischgn Welt, unsd FhreGHfoffnuidigF eines ewigen e ens; enn in em ie ür äte un rein - linge auf Erden sich erklärten, erklärten sie zugleich sich für Bürger und Erben einer ewigen, himmlischen Felt ukidd ihrer Gsütezz daß ckfre låefsokkiderekGrunde atten ie, wenn ie iee en au ni t ar er annten, doch unter Führung des Geistes Gottes, dem alle feine Werke bewußt sind von der Welt her Apostg. 15,18., gleichwohl sie leiteten), warum sie den ersteren Ausdruck lieber wählten als· den letzten. (Menken.) Die Stadt Gottes namlich, dre fie»siichten, war noch iächtstvotlllengdets· (V.tv39 H; erstchbei derwzkiedeåkunft ri i ir re, enn re au in ge i em inne schon zubereitet ist, ihre Vollendung erreichen, und diese wird nun darin bestehen, daß die Stadt, das himmlische Jerusalem, sich vom Himmel herab auf die xiverälärte Erde bniefkdckerlgßt (Ofczfjenbähsl, An; bissschgähin o nen re a ge ie enen ere en z ar in dieser Stadt (Kap. 12, 22f.), aber dieses Wohnen er- reicht erst dann feine volle Bestimmung, wenn die der Stadt selber sich realisirt hat. (Kurtz.) Es ist falsch, ivrenndniailix fkigtswdig Patgischgisi »lt)åittendicii»ichtså3»tgjsewti;ßt on em n er ie eine re ei un gen ei : ie ihre Lebenssattheit·, wenn sie sterben (1. Mos. IF, 8; 35, 29»; 49, 33), mcht allein Abkehr von dem Muhsal des Diesfeits, sondern auch Zukehr zu einem dieser Miihsal enthebenden Jenseits· ist, fo ist die Vereinigung mit den ·Vatern, »als welche ihr Sterben (nicht erst ihr Begrabniß) bezeichnet wird, iiicht blos Vereinigung der Leichen, sondern der Personen»- Alle ihre Sehn- fucht nach Erledligungsinfd Ruhe IF dGott conciskztriikke fi in der gläu igen o nung au as gottge en e Lsnd der göttlichen Gegenwart, in welchem sie, so wahr als der Himmel überall da undnur da ist, wo Gätttsfizh in feiger gncgde Heirrlsickilkeit gffenhbiitrh ni eringere a en imme e er ege r en und hofften; die Schale des Gegenstandes ihres Sehnens war irdisch, aber der Kern des Gegenstandes ihres Sehnens und dessen Zielwaren in Wahrheit himmlisch, und darum kam Gott diesem wesentlich auf Jhn gerichteten Sehnen entgegen und schämte ihrer sich nicht, ihr Gott zu heißen, und erwiderte ihren bis in den Tod getreuen Glauben an feine Verheißung Æiilit Idersii bklnthikg laxschfeinem unwandelbar ewigen ei e e n. ei . s St) Nslcljdgm de: Sllålerfafferdim Esorigåxi itiie gcsmeiikg ame au ens e un er rei a riar en a solcher, die sich für Gäftegund Fremdlinge auf Erden bekannten, befprochen, hebt er noch von einem jeden aus ihnen eine einzelne gipfelnde Glaubensthat hervor; und zwar zunächst von Abrahani jene That, die den glänzendften Höhepunkt feines Glaubens dar- ftellt. Wenn er da schreibt: ,,Abraham opferte den Jfaak«, so hat ja derselbe wirklich, soviel an ihm war, in dem Augenblicke den Sohn als Opfer dargebracht, wo er das Messer zur Schlachtung über ihn zückte; daß es nicht zur Schlachtung selber kam, geschah blos in Folge göttlichen Dazwischentretens (Kurtz.) Mit den Worten: »und gab dahin den Eingebornen 2c.« wird dieselbe Thatfache noch einmal so aus-gesagt, daß man erwägen soll, welch ein Glaube dazu gehörte, sich der natiirwidrigen und paradoxen Forderung nicht zu ent- ziehen; nachdem der Verfaffer das Geschehniß zunächst als vorliegende Thatfache ausgesprochen, verfetzt er Der Glaube Mosis und Josua’s, sowie auch der Rahab. 911 sich in die Sachlage mitten hinein. ·Gott fchien, sagt hier Chryfostomus, mit Gott in Widerspruch zu treten, und Glaube trat in Widerspruch mit Glauben und Befehl mit Verheißungx aber so haarsträubend, so paradox der göttliche Befehl war, Abraham ge- horchte, indem er dachte, Gott kann auch wohl von den Todten erwecken. (Delitzsch.) Da Abraham un- möglich die Hoffnung auf die Verheißungen selbst auf- gegeben haben kann, gleichwohl aber den Sohn, durch den nach Gottes aus rücklichem Ausfpruch sie erfüllt werden sollten, als Brandopfer darzubringen bereit war, so bleibt hier nichts Anderes übrig, als jene Voraussetzung welche unser Verfasser aussprichh näm- lich die Voraussetzung, daß Gott den Getödteten wieder in’s Leben rufen werde; und um dieses Glaubens willen, dem die unbegrenzte Allmacht Gottes für sicherer galt, als die Gewalt des Todes, und der daher der unbegreiflichsten Führung Gottes sich blindlings überließ, empfing er als Lohn seinen Sohn lebendig zum Vorbild. (Ebrard.) Gleichnißweise bekam er den Geopferten aus dem Todtenreich wieder als den entsprechenden Lohn seiner Zuversichn daß Gott aus dem Todtenreich wiederzubringen vermögend sei: er hat ihn wirklich von dort wiederbekommen, aber so, daß die Art und Weise, wie er ihn wiederbekam, ein Gleichniß der Auferstehung Jesu war, wo Gott feinen einigen Sohn, den er nicht verschont, sondern in den Tod gegeben hatte, im eigentlichen Sinne des Worts aus dem Todtenreiche wieder nahm. (v. Hofmann.) H) Ganz vorzüglich von dem Glauben des Vaters aller Gläubigen redend, hat der Verfasser oben (V. O) zugleich auch schon des gleichen Glaubens feines Sohnes und Enkels, des Jfaak und des Jakob gedacht, wie sie, die Miterben derselben Verheißung, mit ihm und wie er hier auf Erden ihr Lebelang in dem ver- heißenen Lande in Zeiten der Pilgerschaft gewohnt und sich für Gäste und Fremdlinge ausgegeben, die ein Vaterland und Erbe suchen, nicht aber ein irdisches, sondern eines besseren begehren, nämlich eines himm- lischen (V. 13 ff.); jetzt aber hebt er doch aus der Ge- fchichte jedes dieser beiden Patriarchen noch einen Zug des Glaubens heraus, und dazu wählt er bei beiden, wie hernach auch bei Joseph, am liebsten etwas aus ihren letzten Stunden, etwas, das gewissermaßen das Letzte ihres irdischen Lebens war, womit sie ihr ganzes irdisches Leben für einen Wandel im Glauben er- klärten, auf ihre ganze Vercgangenheit zuletzt noch das Siegel des Glaubens drü ten und damit bezeugte-n, daß das, was sie in ihrem ganzen Leben getragen und emporgehoben, gestärkt und ermuthigt, getröstet und erfreuet habe, ie zuversichtlichste Hoffnung der Erfüllung der göttlichen Verheißungen und die feste Ueberzeugung von den unsichtbaren Dingen, sie auch noch jetzt als unwandelbare, bleibende Wahrheit be- seele und daß sie damit diese Welt verlassen in jene ewige Welt hinübergehen. So erscheinen also diese Patriarchen in dem, was der Verfasser hier von ihnen anführt, als im Tode noch glaubend (V.13), den Glauben des irdifchen Lebens im Tode noch fest- haltend und, insofern er feiner Natur nach oder nach der Natur der göttlichen Verheißungem worauf er ruhete, hienieden nicht vollendet werden konnte, ihn in die Ewigkeit mit hinübernehmend und da feine volle, ganze Erfüllung erwartend. Von Jfaak und Jakob aber, den beiden andern Patriarchen nach Abra- ham, wird vorher gesagt, daß sie gewissermaßen auf gleiche Weise ihren Lebens- und Glaubenswandel mit Segnen und Weissagen endeten. (Menken.) Die Seg- nungen der Gläubigen sind nicht bloße Aeußerungen frommer Wiinfche, sondern Weifsagungen der Zukunft und Handlungen, welche mitbestimmend in die Geschichte eingreifen; aber sie ind keine Zauberfprüche, welche Gewalt über den Wi en Gottes haben und magisch das Gefchick andrer Menschen bestimmen könnten, sie entstehen und wirken nur auf Grund und in Kraft eines mit dem Willen Gottes geeinigten Willeus des Menschen. Gott selbst ist es, der den Segnenden Herz, Hand und Lippen füllt und lenkt. (Moll.) 23. Durch den Glauben ward Moses, da er geboren war, drei Monden verborgen von seinen Eltern, darum, daß sie sahen, wie er ein schbn Kind war [was wohl von Gott zu großen Dingen berufen sein möchte 2. Mos. 2, 1 sf.], und fürch- teten fals solche, die da erkannten, man müsse Gott mehr gehorchen denn den Menschen Apostg. 5, 291 sich nicht vor des Königs Gebot sder be- fohlen hatte, alle männlichen Kinder alsbald nach der Geburt in’s Wasser zu werfen 2.Mos. I, 22; Apostg. 7, 19 ff.]. . 24. Durch den Glauben wollte Moses, da er groß ward fund bei aller Unterweisung in der Weisheit der Egypten die ihm zu Theil ge- worden Apostg. 7, 22., dennoch in religiöser Hinsicht ein Kind Abrahams, des Vaters der Gläubigety geblieben war], nicht mehr ein Sohn heißen der Tochter Pharam 25. Und erwähiete sindem er ausging zu feinen Brüdern, zu sehen ihre Last 2. Mos. 2, 11 ff.] viel lieber mit dem Volk Gottes Ungemach zu leiden, denn die zeitliche Ergbtzung der Sünde fden zeitlichen Genuß, welchen die Sünde bietet, wenn man ihr dienet] zu haben lwie das fernere Leben am königlichen Hofe sie ihm würde ge- währt haben Pf. 84, 11], 26. Und achtete fals er hernachmals nach dem Lande Midian floh und dort der Schafe Jethro’s hütete 2. Mos. 2, 15 ff., ohne irgend einen Versuch zu machen, wie er den Zorn Pharao’s möchte beschwichtigen und seine Rückkehr in die früheren Verhältnisse ermöglichen V.»15 f.] die Schmach Christi fdiejeuige Schmach, die der künftige Christus in seinem Volke, in welchem er in gewissem Sinne schon vorhanden war Ofsb. 12, 2·, zu tragen hatte Apostg. I, 41 für gkdßetn fund also begehrungswürdigeren] Reichthnm, denn die Schähe Eghpiens [um dieselbe, soviel an ihm war, mit auf sich zu nehmen Kap. 13, 13; 2. Cor. J, 5]; denn er sahe an die Belohnnngt [die allen Trägern solcher Schmach in Aussicht steht Matth. 5, 10 ff.]. · 27. Durch den Glauben verließ er lals die Zeit des Auszugs V. 22 herbeigekommen, mit den Kindern Israel, für die er gleichsam die Seele alles ihres Denkens und Handelns war, vgl. 2· Mos. 14, 15J Egypien [2.Mos. 12, 511 und fürchtete nicht des ldasigens Konigs Grimm fwomit dieser ihn und fein Volk verfolgen und versuchen würde, sie zu Grunde zu richten 912 Ebräer 11, 28——38. 2. Mos.14,1ff.], denn er hielt sich an den, den er nicht sahe, als sähe er ihn san Gott, seines Volkes rechtmäßigen König 2. Mos. 15, 18; Pf. 89, 19; Offenb 15, 3]. 28. Durch den Glauben hielt er [in der Nacht vor dem Auszug] die Ostern [2. Mos. 12, 50] Und sverrichtete mit dem Volke] das Bluigießen [die Blutanspritzung an die Thiirpsoftem wie ihm befohlen war 2. Mos. 12, 7. 22 f.], auf daß, der die Erstgeburten sder Egypter] würgete [2. Mos. 11, 4 ff.; 12, 23. 29., der sog. Wutg- engel Pf. 78, 49 ff.], sie [die Kinder Israel] nicht träfe [2. Mos. 12, is; 11, 7]. 29. Dnrch den Glauben gingen sie [die Kinder Israel] durch das rothe Meer, als durch trockenes Land [2.Mos.-14, 15 ff.; Pf. 78, 13]; welches [auf dem trocken gelegten Boden durch das Meer hindurchzugehen] die Egypter sin ihrer Tollkühnheiq auch versuchten und ersoffen» swur- den von den zurückkehrenden Meereswogen ver- schlungen 2. Mos. 14, 23 ff.; Weish. 10, 18 f.]. 30. Durch den Glauben [Josua’s, des Mach- folgers Mosis, vgl. V. 271 fielen die Mauern [zu] Jericho, da sie [die Kinder Israel, feiner von Gott empfangenen Weisung gemäß] sieben Tage [lang täglich mit der Bundeslade unter Posaunen- schau] umher gegangen waren [Jos. S, 1 ff.]. 31. Durch den Glauben ward die Hure Rahab nicht verloren mit den Unglclubigen [den übrigen Bewohnern der Stadt, als diese alle mit einander umgebracht wurden Jos. 6, 22 ff.; und zwar hatte sie ihren Glauben bewiesen], da sie die Kundschafter freundlich sdem Volke Gottes, dem sie angehörten, als Freundin sich anschließend und ihnen alles Gute erzeigend] ausnahmhsp [Jos. 2, 1 ff.; Jak.»2, 25]. V) Der Verfasser war in V. 22 mit seiner Durch- musterung der alttestamentlichen Geschichte am Schlusse der Genesis angelangt, die mit der Einsargung Josephs schließt; es folgen nun in V· 23 —29 Glaubens- beispiele aus dem Exodus, also aus der Geschichte Mosis. (Delitzsch.) Die ganze Existenz Mosis ward möglich durch jene Gesinnung seiner Eltern, welche in dem Vertrauen, daß das ihnen als ,,schön« erscheinende Kindlein auch für Gottes bis in’s Kleinste sehende Vaterauge ein Gegenstand der Sorge sein werde und daß Gottes Macht allen, auch den augenscheinlichsten Gefahren überlegen und stärker als Pharaos Grimm sei, das Kind in das Schilfkörblein niederlegtew Moses selbst, als er nun groß geworden, hatte die Wahl, entweder als ein egyptischer Prinz am Hofe zu bleiben und aller Herrlichkeit des Lebens zu genießen, aber dann mußte er sreilich seinen Glauben, den seine Mutter als Wärterin ihm in’s Herz gepflanzh und seine Anhänglichkeit an sein Volk aufgeben; oder dem Gott seiner Väter treu zu bleiben, aber dann mußte er dem Hofe Valet sagen nnd die Noth seines Volkes theilen. Sein Gott und seine theokratische Hoffnung waren da ihm lieber und theurer, als alles gegen- wärtige Erdenglück; das »mit dem Volke Gottes Un- gemach leiden« zog er der zeitlichen Ergötzung der Sünde vor, »und »die Schmach Christi« achtete er für großeren Reichthum als die Schätze Egyptens (Ebrard».) Moses, auf den die ungläubigen Juden und die wankenden Judenchristen sich stützten, ist weit davon entfernt, dem Glauben an Christum entgegen zu sein, er selbst hatte vielmehr den nämlichen Kampf, welcher den Christen verordnet ist; die Schmach, die er er- wählen, heißt darum hier eine ,,Schmach Christi«, weil von Anbeginn Christus selbst in seinen Gläubigen wohnte, mit ihnen kämpfte und duldete, weil er schon (und also nicht eigentlich Moses Kap. s, 5 f.; 1. Cor. 10, s) der Führer des Volkes Gottes im alten Testa- mente war. (v. Gerlach.) Schmach Christi nenntder Verfasser die Schmach, die Moses auf sich nahm, wie Paulus in 2, Cor. 1, 5 die Leiden der Christen Leiden Christi, d. i. des in seiner Gemeinde als in seinem Leibe wohnenden kämpfenden und leidenden Christus, auf welchen aber hier jene Schmach bezogen wird nach der Jdee der Einheit des alten und neuen Testa- ments und des schon in jenem waltenden Christus. (de Wette.) Alles Volk Gottes durch alle Zeiten hat einen lebendigen Zusammenhang, in dessen Mitte Christus steht; auch schon die Gläubigen des alten Testaments waren Glieder des noch nicht erschienenen Hauptes. (Stier.) » its) Die rettende und die verderbende Macht liegt nicht in den äußeren Dingen und Ereignissem sondern einerseits in der Gnade und in dem Zorne Gottes, der sich derselben als Mittel und Werkzeuge bedient, andrerseits im Glauben und im Unglauben der Men- schen, welche sich dieser Mittel zum Heil bedienen oder sich zum Unheil an ihnen vergreifen. (Moll.) its) War in V. 29 ein Vorgang als ein Thun des Glaubens Vorgestellt, so folgt in V. 30 ein Ge- schehniß, das als durch den Glauben zuwege ge- kommen vorgestellt wird. Der siebentägige seierliche Umzug des israelitischen Heeres um Jerichcks Mauern war ein in den Augen der Feinde nur lächerliches Thunz aber weil Israel kraft Glaubens an das gött- liche Verheißungswort so that, erfüllte sich ihm die Verheißung die Mauern der Feste stürzten von selbst. Und nun noch Rahab, die Buhlwirthinl Wenn sie dafür, daß sie die israelitischen Kundschafter beher- bergte, statt mit ihnen als mit Feinden zu verfahren, das Loos derer nicht getheilt hat, welche dem in Wundern kund gethanen Willen Gottes keine Folge gaben, so verdankte sie dies dem Glauben, den sie damit bewies, daß sie das Gegentheil that. Als Buhlwirthin war sie eine Verächtlichste unter ihrem Volk (Matth. 21, 31 f.), aber Glauben machte, daß sie es überlebte; denn der Glaube, der ihr Thun be- stimmte, war derselbe, wie der Glaube Jsraels, und machte sie, die Heidin, dem Volke Gottes gleich. Und so ist das Beispiel ihres Glaubens ein sonderliches vor andern und wohl geeignet, die Reihe der bisher einzeln aufgezählten Beispiele zu beschließem (von Hofmannh 32. Und was soll ich mehr sagen seuch etwa noch alle Glaubenshelden und Glaubensheldinnen der heil. Geschichte der Reihe nach einzeln vor- sübren]? Die Zeit [die mir für den Vortrag und euch sür’s Anhören desselben gegeben] würde mir zu kurz, wenn ich sollte erzählen von Gideon nnd Barak und Simson und Jephthah und David sdiesen Glaubenshelden auf bürgerlichem], und kann] Samuel und den Propheten fdiesen Glaubens- helden auf religiösem Gebiet] Der Glaube in den nachfolgenden Zeiten. 913 33. Welche [nebst Andern, die ich hier nicht namentlich anführen will, deren Namen aber schon von selbst euch beifallen werden] haben durch den Glauben Kbnigreiche bezwungen fdie das Volk Gottes zu überwältigen drohten], Gerechtigkeit gewirkt [mit gutem Gericht und Regiment im Lande 2. Sam. 8, 15; 2. Chron. I, s; Richt. 2, 23 Anm.], die Verheißung erlanget fdaß sie oft noch bei Lebzeiten die Erfüllung dessen sahen, was sie im Namen des HErrn zu verkündigen hatten -2. Kön. 18, 17— 19, 37], der Löwen Rachen berstopfet sdaß diese sie nicht zerreißen und fressen durften Dan. 6, 17 ff.], 34. Des Feuers Kraft ausgelbscht [Dan. Z, 23 fs.], sind des Schwerts Schiirfe entronnen fdie ihnen gleichsam schon an die Brust gesetzt war], sind kräftig worden ans der Schwachheit, sind start worden im Streit, haben der Fremden Heer dar- nieder gelegtt [vgl. die Geschichten im 1. Macca- bäerbuche]. 35. Die Weiber haben szum Theil — so die Sareptanerin und die Sunamitin — durch den Glauben an Gottes Macht, die mit den Pro- pheten Elias und Elisa war] ihre Todten von der Auferstehung [her, die denselben widerfuhr l. Kön. 17, 17 ff·; T— Körn 4, 18 ff.] wieder genommen [sie als Wiedererstandene vom Tode zurück- empfangenk die andern aber sind fwie die münd- liche Ueberlieferung von Eleasar 2. Macc. 6, 18 ff. und von der Mutter mit ihren sieben Söhnen Z. Macc. 7, 1 ff. berichtet] zerschlagen [auf der Marterpauke zu Tode gequält worden 1. Macc. 7, 50 Anm.], nnd haben keine Erlösung [von solcher und andrer Marter, die man ihnen unter der Bedingung anbot, daß sie dem Befehle des Königs wider Gottes Gesetz gehorchten] an- genommen, auf daß sie die Auferstehung, die besser ist sals die, welche die Kinder jener beiden Frauen zum zeitlichen Leben erfuhren], erlangeten « [näm- lich die zum ewigen Leben 2. Macc. 7, 9. 11. 14. 23. 29. 36]. 36. Etliche haben Spott [Mißhandlung] und Geißeln erlitten s1. Macc. I, 26 f.; 2. Macc. 7, 11, dazu swas Andern als noch Schwereres widerfuhr] Bande und Gefängniß [Jer. 20, 2; 37, 15; 38, 6]. 37. Sie sind [was wiederum Andere betraf] gesteiniget [2. Chron. 24, 20 ff.; Matth. 23, 35], zerhackt [richtiger: zersägt 2. Kön. 15, 7 Anm.], zerstochen fdas griech. Wort, welches hier steht, heißt eigentlich vers ucht, wie auch Luther früher übersetzt hatte, wofür aber wohl ein anderes zu lesen sein dürfte, doch weiß man nicht, welches, vielleicht ist es überhaupt nur eine aus Versehen entstandene Wiederholung des vorhergehenden, woraus man dann ein eigenes Wort zu gestalten ver- suchte], durchs Schwert getödtet [1.Kön.19,10; D ii chsePs Bibel1verk. V11. Band. Jer. 26, 20 ff.]; sie sind [so besonders in dem abgötiischen Reiche Israel] umher gegangen in Pelzeti nnd Ziegenfellen [2. Kön 1, s; Sach. 13,4]- mit Mangel, mit Trübsal, mit Ungemach sallerlei Art sich tragend], 38. Deren die Welt fdie sie ihrer nicht werth hielt und deshalb von sich verstieß l. Cor. 4, 13., vielmehr selber] nicht werth war, und sind im Elend gegangen [als Verbannete oder in die Fremde Verstoßene Weish 19, 10 Blum. um- hergeirrts in den Wüsten, auf den Bergen, und in den Kliiften nnd Löchern der Erde-««- [1. Kön- 18, 4; 19, 4. 8 f.; 1. Macc. 2, 28f.]. V) Der Verfasser bricht nun ab, indem er fühlt, wie maßlos lang diese Erläuterung des Wesens und der Wirkungen des Glaubens durch Beispiele werden würde, wenn er nun weiter die ganze alttestamentliche Geschichte durchgehen wollte. ,,Es würde mir, so sehe ich voraus, sagt er, die Zeit gebrechen« — wohl nicht überhaupt die Zeit, sondern die ihm jetzt, wo er an die Hebräer schreibt, verfügbare Zeit (Kap. 13, 22). Bei der Vertheilung der 7 Namen nun, die er als im Vorübergehen anführt, wie wir oben der Er- klärung sie zu Grunde gelegt haben, erhalten wir zwei Gruppen: erst die Regenten Jsraels, die Richter und der König David, dann Samuel und die Pro- pheten; dort steht Gideon vor dem älteren Barak als der größere Glaubensheld, und hier steht Samuel hinter David, um dem eigentlichen Vater des Pro- phetenthums (Apostg. Z, 24), dem Bildner des Pro- phetenstandes, dem Schöpfer der der Königsgeschichte parallel laufe11den Blüthezeit der« Prophetie, die Pro- pheten zuzugesellen. Ueber diese alle einzeln zu sprechen gebricht dem Verfasser die Zeit, er begnügt sich daher, in den Sätzem ,,welche haben durch den Glauben Königreiche bezwungen, Gerechtigkeit gewirkt, die Ver- heißung erlangt, der Löwen Rachen verstopft, des Feuers Kraft ausgelöscht« auf die großen Erfolge ihres Glaubens nur recapitulirend hinzudeuten, und geht da bis in die Zeit des Propheten Daniel herab; bei den folgenden Sätzem ,,sind kräftig worden aus der Schwachheit, sind stark worden im Streit, haben der fremden Heer darniedergelegt« hat er daher wohl die maccabäischen Zeiten im Auge, das glückliche Ent- rinnen des Matathias und seiner Söhne in’s Ge- birge, die in Gott sich« ermannende Erhebung der kleinen anwachsenden Schaar, die ersten Siege des Ptaecabäers Judas und die förmlichen fiegreichen Kriege der hasmonäischen Helden mit den Shrern und Nachbarvölkern· Daß der Verfasser diese Thaten als rühmliche Glaubensthaten (als ein Wiederaufleben der Heldenthaten der Richterzeit Joh. 10, 8 Anm.) an- erkennt, darf nicht Befremden: man hat zwar neuer- dings gesagt, daß die mächtige Begeisterung der maceabäischen Zeit eine mehr menschliche als göttliche, mehr volksthümlich-patriotische als theokratisch-natio- nale war, aber das Buch Daniel zeigt uns in pro- phetischer Abbildung jener Zeit (vgl. auch die Bem- zu Micha 4, 13 und die Erklärung von Such. 9, 11 —17 in der 2. Aufl. des 1V. Bandes) ein heiliges Volk des Höchsten, kämpfend mit der widergöttlichen antichristlichen Weltmacht (Dan. 11, 31 ff.), und· spricht für diese Kämpfe die denkbar größte heilsgeschichtliche Bedeutsamkeit an. (Delitzsch.) · IV) Der Verfasser stellt hier zwei Arten von Glaubenserweisungen einander gegenüber, den Glauben jener Frauen, deren Söhne durch die Propheten zum 58 914 Ebräer 11, 39. 40. 12, 1—10. leiblichen Leben erweckt wurden, und den noch größeren Glauben der Märtyrer der Maeeabäerzeih welche das leibliche Leben im Glauben und um des Glaubens willen dahingaben, um der künftigen Auf- erstehung zum verklärten Leben willen. (Ebrard.) Der Glaube zeigt seine Schönheit, Kraft und Größe nicht blos in dem, was er ausrichtet, niederwirft und erlangt (V. 33 f·), sondern auch in dem, was er aus- hält, duldet und opfertz und hierin stehen die Frauen den Männern nicht nach, sondern geben ihnen nicht selten ein ermuthigendes Vorbild· (Moll.) IN) Mit dem in V. 35 Gesagten ward die Reihe derer eingeleitet, welche, wie nunmehr in V. 36 ff. folgt, der Glaube stark machte, Mißhandlung und Schläge zii ertragen und, was noch mehr sagen will, weil es eine dauernde Pein ist, auch Bande und Gefängniß; schwerer als Tod, auch als qualvoller od, von dem hierauf die Rede, ist ein Leben fort- währender Entbehrung und Drangsal, worauf der Verfasser daher schließlich noch eingeht. (v. Hofmannh Die Welt war ihrer nicht werth, sagt er besonders von denen, die im Elend oder in der Verbannung umherirren mußten: die Welt ist so weit, und diese, die von Gott mit ihrem Vater Abraham die Ver- heißung erhalten hatten, daß sie sein sollten der Welt Erben, diese, die mehr werth waren, als die ganze Welt ohne sie, hatten unter dem Druck von lauter Jammer und Drangsal zu ihrer Behausung kaum eine Höhle, eine Kluft, ein Loch der Erde, schicklicher eines wilden Thieres hartes und kaltes Lager zu sein, wo sie athmen und leben und das müde Haupt zum Tode hinlegen konnten. (Menken.) Wie oft muß sich die Unschuld, die Wahrheit verbergen und zurückziehen: sie, die einst in den ewigen Hütten wohnen wird, irrt setzt oft ohne Obdach umher! (Heubner.) 39. Diese alle [von denen in diesem ganzen Kapitel die Rede war] haben sauf der einen Seite zwar] durch den Glauben Zeugnis; Uber- kommen sinsofern ihrer in der Schrift als solcher gedacht wird, die Gott gefielen V. L· 4f.], Und sdoch auf der andern Seite] nicht empfangen die Verheißung [durch wirkliche Erlangung der Heils- vollendung, auf die sie hossten und der sie sich trösteten V· 10. 13 ff. 35]; 40. Darum, daß Gott etwas Bessers [näm- lich den thatsächlichen Eintritt der Heilszeit Kap. 1, l; 9, 261 fur uns zuvor versehen hat» [Matth. 13, 17; Luk. 10, 23 f., und es nun sein Rath- schluß·war],· daß sie nicht ohne uns smcht eher, als bis mit unsrer Generation die Heils- und Vollendungszeit begonnen hätte] vollendet wurden. Der Verfasser will sagen: Die Gläubigen des alten Bundes sind während ihres Lebens (und auch noch nachdem sie gestorben waren) der Erfiillung der Ver- heißung nicht theilhaftig geworden, weil Gott für uns etwas Besseres als für sie im Voraus bestimmt hatte, daß wir nicht, wie sie, unser ganzes Leben laiig (und noch länger) auf die Erfüllung der Verheißung warten, sondern derselben schon während unsers Lebens durch die Erscheinung Christi und die Vollendung seines hohepriesterlichen Werks theilhaftig werden sollten. Daß wir in der Zeit der Erfüllung leben, das ist der große Vorzug, den wir vor jenen haben; und wir haben ihn vermöge des für uns besonders gnädigen Rathschlusfes Gottes, nach welchem zu unsrer Zeit der Messias erscheinen sollte (Gal. 4, 4), indem aber Gott jenen, uns einen Vorzug vor den Gläubigen des alten Bundes zuwendenden Rathschluß gefaßt hat, hat er den Zweck gehabt, zu gleicher Zeit und durch eine einzige, allen, den Früheren und den Späteren, zugute kommende Veranstaltung sie und uns zur Vollendung zu führen. Während nun allerdings wir erst prinzipiell vollendet sind und wir, die noch auf Erden lebenden Christen, nur erst vollkommen gemacht sind ,,nach dem Gewissen« (Kap. I, 9. 14), ist dagegen an den alttestamentlichen Frommen und an den schon entschlafenen Christen die Vollendung auch subjektiv verwirklicht; in dieser Beziehung sind sie, sind also namentlich die alttestamentlichen Frommen früher als wir, die wir noch das schwache, menschliche Fleisch an uns tragen, mit Sünde und Leiden zu kämpfen und den Tod zu erwarten haben, vollendet worden (vgl. Kap. l2, 23: »die Gemeine der Erst- gebotenen« u. s. w.), denn in Folge der Qpferdars bringung Christi haben sie das ihnen bestimmte Ziel erreicht, frei zu sein von aller Sünde, von aller Schwachheit, von allen Leiden, dagegen heili , selig und herrlich zu sein. (Riehm.) Der Verfaslxer setzt voraus, daß Christi Erscheinung und Werk eine Um- wandlung des jenseitigen Zustandes der alttestament- lichen Gläubigen herbeigeführt habe. (Delitzsch.) Das 12. Kapitel. Vermahnung zur geduld und gottseligläeit II. v.1—29. tllach der Vorführung einer so langen bteihe alttestamentliclier stlusterbilder des nicht auf das Sichtbarg sondern auf das Unsichtbare sehenden und dasselbe mit Verleugnung irdischen wohlseins ergreifen- den und unter allen Idrangsalen dieser Welt mit Stand— haftigliett festhaltenden Glaubens wendet zsich der der— fasset jetzt an die tLeser mit eindringlicher Ermahnung: in ihrem lllhristenlause befinden sie sich gleichsam in einer Rennbahn, wo von obenher alle diese nun zu ihrer Ruhe eingegangenen Glaubenshelden als Zuschauer auf sie sehen, ob auch sie ihren Lauf gut vollenden werden; vor sich aber haben sie einen Anfänger und vollendet des Glaubens als ihr herrliihes Vorbild, nach dem sie selber ansschauen müssen; und wenn he nun alles ab— legen, was für den ttauf sie zu sehr beschwert, und vor allen Dingen die anlitebende Sünde, die diesen sogar uninüglich niachen würde, von sich thun, wird sich an diesem Vorgänger auch der Muth neu entzünden, zu laufen in dem Kampfe, der ihnen verordnet ist, zumal ihnen noch nicht das Schwerste jetzt auferlegt sei (v. 1——4). Wie es zur Zeit mit ihnen steht, haben sie gar vergessen, mit welchem Troste die göttliche Weisheit denen stärliend und aufrichtend entgegenkommt, die unter der Büchttgung des HGrrn stehen; darum bringt der Verfasser das Wort ihnen in Erinnerung, verbreitet sich näher über die Bedeutung, die dlothwendiglieit und den Segen solcher 3üchtigung, und fordert dann sie auf, wieder aufzurichten die lässigen Hände und die niüden Kniee und gewissen Tritt zu thun mit den Füßen und so dafür zu sorgen, daß es mit den tkahmen in der Gemeinde nicht zum Straucheln komme, sondern ein jeder, der liranle geworden, wieder gesund werde (v. 5—13). Es gilt seht, um nicht ohne tloth die Anfechtung zu steigern, dem Frieden nachzujagen gegen jedermann; aber auch, um Gottes Gnade in der Anfechtung nicht zu ver— scherzen, nachzujagen der Heiligung (v. 14), hierauf nimmt der Verfasser: alttestamcntliuje Gesetzes-werte und alttestamentliche Vorgänge zur Grundlage, um theils zu warnen und zu schreiben, theils zu erheben und zu Lasset uns laufen durch Geduld in dem Kampf, der uns verordnet ist! trösten, wobei denn alles darauf hinauslänfh treu bleiben und nicht abfalleig dsag Heil in Christo werth halten und sich nicht muthwillens um die ewige Selig— lieit bringen! W. l5——29.) 1. Darum Denn] auch wir [die wir berufen find, die neutestamentlichen Nachfolger der in Kap. 11 vorgefiihrten alttestamentlichen Glaubens-· helden zu sein], dieweil wir sin ihnen] solchen Haufen [wörtlich: eine solche Wolke von] Zeugen um uns haben, lasset uns ablegen die Sünde, so uns immer anklebt und träge macht ffrüher hatte Luther genauer: ablegen alles, was uns drücket, und die anklebische Sünde], und lasset [nun, nachdem wir so zum Laufen uns ge- schickt gemacht haben] uns laufen durch Geduld [d. i. als solche, die durch und durch, fort und fort Geduld oder Ausdauer haben und beweisen Kap. 10, 361 in dem Kampf, der uns verordnet ist, 2. Und Ida] aussehen sauf den Herzog der Seligkeit, der im neuen Testament uns gegeben ist Kap. 2, 10; Luk. 10, 23 f., nätnlich] aus Jesum, den Anfänger und Vollender des Glaubens fals der auf der Bahn, die der Glaube nunmehr zu durchlaufen hat, als Durchbrecher Micha 2, 13 uns vorangegangen und, nachdem er für sich selber auf dieser Bahn zum Ziele gelangt ist, auch uns dahin fuhrt]; welcher, da er wohl hätte mögen Freude haben swie einst Moses Kap. 11, 24 f.; Matth. 26- 53], erduldete er das Kreuz fmit seiner Qual] und achtete der Schande fdes Missethäter-Todes Luk. 23, 32 f.] nicht fwomit er denn des Glau- bens Anfänger geworden], und ist gesessen zur Rechten auf dem Stuhl Gottes«- [zur Rechten Gottes auf dessen Stuhl Kap. 8, l; Offenb. 3, 21., so daß er also auch des Glaubens Voll- ender ist Kap. 11, 40]. 3. Gedenket Doch, wenn ihr in eurem gegen- wärtigen Leidensstande euch versucht fühlt zu klagen, daß das Christenthum euch nichts als den Haß und Widerspruch eurer Brüder nach dem Fleisch zuwege bringe Matth. 10, 35 f.] an den, der ein solches Widersvrechen von den Sundern wider sich swie es in seinem Leben und besonders in seiner Pafsion uns entgegentritt Luk. 2, 34; J0h. 8, 12ff.] erduldet hat, daß ihr nicht in eurem Muth matt werdet und [aus Erschlasfung] ablasset szu laufen in dem uns verordneten Kampfe V· 1]. 4. Denn sso steht’s allerdings mit euch, daß ihr wollet matt werden und ablassen:] ihr habt [seither] noch nicht swie vormals eure Lehrer das gethan Kap. 13, 7] bis aufs Blut widerstand-en über dem Kämpfen wider die Sünde fdaß auch von euch schon ihrer etliche hätten den Tod müssen leiden um des Bekenntnisses Christi willen], 5.s Und habt sgleichwohl, obschon es mit der Anfechtung, die ihr zu erdulden habt, noch 9l5 nicht bis auf’s Aeußerste gekommen 1. Cor. 10, 13] bereits vergessen des Trostes, der faus dem Munde der göttlichen Weisheit an euch ergeht und] zu euch redet als zu den Kindern sdie sie mütterlich lehren und zurechtweisen will, wenn es in Sprüchw Z, 11 f. heißt]: Mein Sohn, achte nicht gering die Züchtigung des HErrn sdaß du ihr als einer widerwärtigen Sache, die dir nur fchaden, nichts helfen könne, auf selbsterwählten Wegen dich entziehen wolltest Hiob b, 17] und verzage nicht, wenn du von ihm gestraft wirst sdaß du kleinmüthig dich deswegen für einen solchen halten solltest, um den er sich nicht kümmere, den er seinem bösen Geschick überließef 6. Denn ses verhält sich vielmehr umgekehrt:] welchen der HErr lieb hat, den zitchtiget er; er släupet aber [die Züchtigung wohl auch soweit treibend] einen jeglichen Sohn, den er aufnimmt«- sals seinen Sohn anerkennt und nun in seine Erziehungsfchule nimmt Ephef S, 4; Offb. Z, 19]. 7. So ihr die Züchtigung erduldet [Züch- tigung zu erdulden habt, wie das ja zur Zeit mit euch der Fall ist], so erbeut sich euch Gott als Kindern [will sich als Vater an euch erweisen]; denn wo ist ein Sohn, den der Vater nicht züchtiget? 8. Seid ihr aber ohne Zttchtigung, welcher sie alle swie besonders auch die, von denen in Kap. 11 die Rede war] sind theilhaftig worden [Ps. 73, 15], so seid ihr Bastarde [außerehel1che, illegitime Kinder, die keinem ordentlichen Vater angehören], und nicht Kindesiti sim ehrenvollen Sinne des Worts] 9. Auch so wir haben sda wir noch Kinder waren] unsere leiblichen Väter zu Züchtigern ge- habt sbehufs unsrer Erziehung auf dem leiblich- irdischen Gebiet] und sie [als solche auch] geschenkt sdaß wir ihrer Ziichtigung ohne Widerstreben uns unterwarfen] sollen wir denn nicht vielmehr unter- tban sein dem geistlichen Vater [genauer: dem Vater der Geister, d. i. dem, der unserVater und Erzieher ist in Beziehung auf das höhere, geistige Lebensgebiet], daß wir leben sdurch seine Züchtigung zum wahren, ewigen Leben gedeihen]? 10. Und jene zwar haben uns. gezüchtiget wenige Tage ssolange die Erziehungszeit für» das irdische Mannesalter währete] nach ihrem Dunken swobei wohl mancher Fehlgriff und Jrrthum mit unterlief]; dieser aber sziichtiget uns, im Grunde auch nur wenige Tage, solange eben unsere Er- ziehungszeit für unsere himmlische Mannes-reife dauert] zu Nutz, auf daß wir seine Heiligung [2. Petri 1, 41 erlangen-f- sund begehet da nie- mals einen Fehlgriff, sondern es muß uns alles, was er über uns verhängt, zum Besten dienen Röm. 8, 28]. 588 916 Ebräer 12, 11—13. 11. Alle Zitchtignng aber stheilweis auch die menschlichky vollends aber die göttliche], wenn sie da ist, dnnkt sie uns nicht sSache oder Ursache der] Freude, sondern sim Gegentheil der] Traurig- keit zu sein; aber darnach [weun sie nun zu ihrem Ziele kommt] wird sie geben eine friedsame Frucht der Gerechtigkeit seine .Frucht, die, was den Herzensstand betrifft, im Frieden, was den Lebensstandspin der Gerechtigkeit besteht] denen, die dadnrch geubet sindH [Jes. 32, 17]. 12. Darum [weil ihr so gar keine Ursach habt, wegen der Züchtigung, die ihr um des Christenthums willen erleiden müsset, euch als Gottverlafsene und dem Verderben Preisgegebene zu betrachten, die, um dem Verderben zu ent- gehen und wieder von Gott zu Gnaden ange- nommen zu werden, zu ihrem vorigen Juden- thum zurückkehren müßten] richtet wieder auf die lässigen szum Ringen unlustig gewordenen und» am Leibe schlaff herabhängenden] Hände und die muden sum ihre Spannkraft gekommenen und zum Laufen unfähig gewordenen] Kniee [Jes. 35, 3 f.]; »» 13. Und thut gewissen Tritt mit euren Fnßen sindem ihr wieder eine Gemeine werdet, die fest auf ihren Füßen steht im Glauben und Bekenntniß], daß nicht jemand [unter euch] strauihele wie ein Lahmer fund gar zu Falle komme Pf. 73, 2], sondern sein jeder von denen, die an Geist und Gemüth schon kranken] vielmehr gesund werdaHs t) Die Geduld, von welcher der Verfasser früher gesagt hat, sie sei den Ebräern noth, und zu welcher er nun hier in sehr eindringlicher Weise sie antreibt, ist nicht ein leidentliches Verhalten, sondern eine energische Behauptung des Glaubensmuthes und der Hoffnungsfreudigkeit wider alle Anfechtungen, ein starkes Sichaufrechterhalten unter dem Drucke des Kreuzes, eine unbeugsame und siegreiche Standhaftig- keit im Kampfe mit dem Spotte und den Verfol- gungen der ungläubigen Welt. Jn früherer Zeit hatten die Hebräer Beweise solcher Standhaftigkeit gegeben; sie hatten einen schweren Leidenskampf in Ausdauer bestanden, indem sie theils selbst durch Schmähungen und Drangsale zum Schauspiel der Welt wurden, theils in mitfühlender und hilfreicher Theilnahme Ge- nossen derer wurden, die in solcher Schmach und Drangsal sich befanden und um ihres Glaubens willen gefangen gehalten wurden; damals wurde es ihnen leicht, den Raub ihrer Habe zu erdulden, sie nahmen ihn mit Freuden auf in dem Bewußtsein, eine bessere und bleibende Habe, die ihnen niemand nehmen könne, zu besitzen (Kap. 10, 32 ff.). Jn den Bedräugnissen dagegen, von welchen sie zur Zeit der Abfassung unsers Briefs betroffen waren, bewiesen sie keine solche standhafte Ausdauer; darum erinnerte sie oben der Verfasser an ihr früheres besseres Verhalten, ermunterte sie durch die Hinweisung auf die nahe Wieder- kunft des HErrm und nachdem er ihnen eine große Wolke von Glaubenszeugen in Kap.11 vor Augen gestellt, die während ihres irdischen Lebens standhafte Ausdauer bewiesen, zeigt er nun, wie diese jetzt die Zu- schauer derer sind, welche, wie vordem sie selbst, auf dem Schauplatze der irdischen Welt die Bahn des ihnen verordneten Wettkampfs zu durchlaufen haben. (Riehm.) Mit ,,auch wir« sind die Glieder des neuen Bandes bezeichnet im Gegensatz zu den im vorigen Kapitel erwähnten Gliedern des alten Bandes; die nun folgende Ermahnung aber ist in einem, von jenen Kampfspielen hergenommenen Bilde ausgedrückt, welche, ursprünglich heidnische Sitte (1. Cor. 9, 24 Anm.), durch die Herodianer auch unter die Juden verpflanzt waren (Apostg. 12, 22 Anm.) und dort wohl einen starken Eindruck auf die Phantasie ge1nacht haben mochten. (Ebrard.) Wie im Theater auf den über- einander liegenden Sitzreihen im Halbkreise die Zu- schauer sitzen, so haben wir, sagt der Verfasser, rings um uns eine Wolke von Zeugen, d. i.- eine wolken- artige, dichte, weithin sich dehnende Menge vonZeugen umlagert uns; es sind aber diese Kampfeszeugen nicht bloße Zuschauer, sondern außer der Menge der uns Umgebenden kommt auch ihre Urtheilsfähigkeit und Urtheilsberechtigung in Betracht, denn es sind solche, die nach Kap. 11, 2 u. 39 selber Zeugnis; überkommen und, als sie noch auf Erden waren, sich in Wort und — That als Glaubenskämpfer bewährt haben. Sie leben nun droben, seit Christus den Himmel mit sei- nem Blute erschlossen (Kap.9,12), ein himmlisches Leben, und es besteht eine lebendige Wechselbeziehung zwischen der himmlischen Gemeinde und der Gemeinde hienieden (V.22 f.); und wie hoch und unnahbar eine Wolke über der Erde schwebt, so umschweben uns, die noch im Stadium des Erdenlebens Besindlichen, die Geister der vollendeten Gerechten. (Delitzsch.) Wenn Sturm und Nacht uns hier umfängt, werden wir in dem Dunkel unsers Kampfes erst recht inne, wie die alten Vorkämpfer aus ihrem Frieden auf uns schauen und uns winken, verstehen wir erst recht ihrer Ge- schichte Sinn und Stimme. (Stier.) Wie nun der im irdischen Wettlaufe nach dem Siegespreise Ringende zuvor alle beschwerende und hemmende Kleidung und alles sonst noch Hinderliche abwirft, so sollen auch die Christen alles beseitigen, was in ihrem Christenlaufe ihnen hinderlich werden könnte; und da hat wohl der Verfasser bei den Worten: ,,lasset uns abwerfen allen Ballast« (Luther: ,,alles, was uns drücket.«) speziell an den Ballast des jüdischen Cerimoniendienstes ·gedacht, mit dem seine Leser sich noch immer herumschleppen, während dagegen die ,,anklebische Sünde« ein den Lauf zum Stillstand. oder geradezu zum Rückschritt nöthigendes Hindernis; ist. (Kurtz.) Die Sünde ist die schwerste Last, die zur Erde herabzieht. (Heubner.) Haben wir aber uns dessen, was uns den Lauf er- schwert, daß wir nur langsam, und dessen, was uns im Laufe hindert, daß wir gar nicht vorwärts kom- men können, entledigt, so sollen wir nun durch Geduld laufen, d. i. den Lauf ausdauernd vollführen, ohne über der Mühe und Anstrengung zu ermatten, bis wir am Ziele sind; von der vor uns liegenden Bahn aber, die« wir laufen, müssen wir da aufblicken zu Jesu, der droben ist, als zu dem, welcher des Glaubens Anfänger und Vollender ist — nach ihm blicken wir auf, während die alttestamentlichen Gläubigen auf uns sehen. (v.Hofmann.) Jesus ist der Anfänger des Glaubens: er ist uns im Glaubenslaufe voran- gegangen und hat uns die Bahn gebrochen; insofern hat er den Glaubenskampf selbst für uns begonnen. Er ist aber zugleich auch der Vollender des Glau- bens, der durch seine Erlösung den gläubigen Kämpfern die Kraft verleiht, alles wohl auszurichten und den Sieg davonzutragen (v. Gerlach.) Jesus hat das persönliche Lebensbild des Glaubenslaufes und Glau- benskampfes nach seiner ganzen Vollkommenheit in seiner eigenen Lebens- und Leidensgeschichte aus- Eine sriedsame Frucht der Gerechtigkeit uns zu geben ist die Züchtigung bestimmt. 917 gewirkt und zur Darstellung gebracht; er ist nun nicht blos unser Vorbild zur Nachfolge, sondern auch unser Helfer darin. (Moll.) ff) Wenn der Verfasser mit den Worten des 3. Verses die Leser bedenken heißt, was Jesus, der doch das Widerspiel eines Sünders war, von den Sündernhabe erfahrenmüssen,keinen stärkeren Ausdruck für dies sein Leiden braucht als ,,Widersprechen«, so thut er’s, weil auch das, was die Leser von ihren Volksgeuossen erfuhren, Widerspruch gegen ihr Be- kenntniß zu Jesu dem Christ war (Apostg. 13, 45; 28, 2·2); steigerte sich dann dieser Widerspruch bei ihnen etwa zu Mißhandlung und Verfolgung, so blieb dies doch immer noch weit zurück hinter dem Wider- spruche, dem Jesu Selbstbezeugung begegnete, indem er sich bei ihm bis dahin gesteigert hat, daß er ihn an’s Kreuz brachte. Das sollen sie erwägen, um nicht, wie es mit Beziehung auf den bildlichen Ausdruck in V.1 heißt, vor Seelenerschlasfung, wie ein Läufer, dem die Kniee schlaff werden, im Laufe zu ermatten. Jst der Verfasser bis hierher innerhalb des Bildes eines Wettlaufs geblieben, so biegt er in V. 4 in ein anderes um, wie Paulus in l. Tor. 9, 25., in das des Faustkampfes indem er von einem ,,Kämpfen wider die Sünde« redet; es ist das aber nicht, wie manche Ausleger annehmen, von einem Kampfe gegen die Sünde in ihnen gemeint, sondern die Sünde ist als von außen andringend gedacht, in den Anfech- tungen nämlich, durch welche sie zum Abfalle von dem erkannten Heilande gebracht werden sollen. (v. Hof- mann.) Jn diesem ampfe, sagt der Verfasser, habt ihr noch nicht bis auf’s Blut widerstanden, d. i. der Andrang der Sünde auf euch ist noch nicht so heftig geworden, daß die Abwehr euch euer Blut, euer zeit- liches Leben gekostet hätte; womit er wohl zu ver- stehen geben will, daß sie vor diesem Aeußersten sich in einer an Verleugnung grenzenden Weise (Kap. 10, 25) sicher zu stellen gewußt hätten. Jhr jetziges Ver- halten, während es früher ein anderes war (Kap. 10, 32 ff.), ist durch Kreuzflucht bestimmt; sie scheinen ganz vergessen zu haben, daß die Leiden, die Gott überdie Seinen verhängt, eine Schule der Liebe sind· (De- litzsch.) " Unter Hinweisung auf ein Schriftwort erinnert er sie dann an. die von ihnen vergessene Wahrheit, daß Leiden und Verfolgung zu dulden nicht im Wider- spruch stehe mit dem Kindesverhältniß zu Gott und nicht ein Zeichen des Mangels an Vaterliebe von Seiten Gottes sei, sondern gerade umgekehrt ein Er- weis seiner.Vaterliebe. (Ebrard.) its-«) Der. Verfasser macht hier einen Unterschied zwischen Bastarden und Kindern, d. i. zwischen außerehelichen, illegitimen Söhnen, die weder erb- berechti t sind noch überhaupt vom Vater als seine ächten inder anerkannt, geliebt und erzogen werden, und den ehelichen Söhnen, die er als folche auf- und annimmt und als ihm zugehörig liebt. Durch beide Ausdrücke ist ein durchans verschiedenes Verhältniß zu« Gott bezeichnet: beide, die Bastarde und die Kin- der, haben zwar ihr Dasein von Gott, dem Vater der Geister (V. 9); aber nur die letzteren stehen in dem rechten Verhältnisse, im wirklichen Kindschaftsverhälts nisse zu dem Vater der Geister, nur ihnen kommt der Name ,,Kinder Gottes« zu, und zwar sind das die, welche Gott als folche annimmt und anerkennt. (Riehm.) Der Grund der Nichtanerkennung kommt hier nicht weiter in Betrachh sondern nur die That- sa-che derselben; und die iebt sich darin zu erkennen, daß der Vater sie keiner Züchtigung würdigt. (Kurtz.) Ohne äußere und innere Leiden, ohne daß unter dem Druck sein innerer Mensch gedeiht, muß sich der Christ wie weggeworfen und vernachlässigt von seinem himm- lischen Vater fühlen; er soll die Leiden indeß nicht suchen, bei immer wachsender Treue von außen und innen finden sie sich sehr bald ein. (v. Gerlach.) f) Vorhin war die Mahnung, sich durch die Zücht- leiden des irdischen Lebens im christlichen Glaubens- lause nicht entmuthigen zu lassen, dadurch gestützt, daß Gott dabei nur thut, was alle Väter als Erzieher thun, und daß er dadurch thatsächlich sich uns als Vater erweist und uns als Kinder anerkennt; haben wir uns nun, fährt der Verfasser in V. 9 fort, ohne zu widerstreben und zu verzagen, unter die Züch- tigung unsrer leiblichen Väter gebeugt, wieviel weniger dürfen wir der doch viel weiseren und heilsameren Züchtigung des himmlischen Vaters uns weigernl (Kurtz.) Jndem nämlich das einen neuen Bestim- mungsgrund i·n sich schließende: »daß wir leben« am Schlusse des Verses über den Gegensatz hinausgeht, in welchem die beiden Sätze des Verses zu einander stehen, so veranlaßt es eine neue Begründung; der Erwartung, daß wir, die wir unsere leiblichen äter als Züchtiger ehrerbietig gescheut haben, uns unter Gottes züchtigende Hand beugen; diese Be riindung folgt dann in V· 10 in der Art, daß die ucht der einen und die des andern nach ihrem Werth für uns verglichen wird —- dem ,,nach ihrem Dünken« steht gegenüber das ,,zu Nutz«, erläutert durch das ihm nebengeordnete: »auf daß wirseine Heiligkeit erlan en«. Unsere leiblichen Väter übten ihre Zucht nach aß- gabe ihres Gutdünkens, während Gott mit der seinen immer auf unser Bestes zielt; er will dazu erziehen, daß man seiner Heiligkeit theilhaftig werde. (v. Hof- mann.) Die Zucht des irdischen Vaters ist ein hei- liges Recht und eine heilige Pflicht, die er hat, und er macht es dabei so gut, wie er eben versteht; es wird beim besten Willen auch wohl Manches dabei versehen. Gott nun hat bei all und jeder Züchtigung den höchsten Zweck unsers Lebens vor Augen, und kann nichts dabei versehen: er nimmt nur, um zu geben; er schlägt nur, um zu heilen; er beugt nur, um zu erheben; er will seiner Heiligkeit uns theilhaf- tig machen. (Fricke.) Seine Züchtigung hat zu ihrem Absehen nicht blos, sondern auch, sofern wir uns ihrer nicht weigern, immer auch zu ihrem unausbleib- lichen Ausgang nichts Geringeres, als uns heilig zu machen, gleichwie er heilig ist (3. Mos. II, 45), und uns so der Nothwendigkeit ihrer bitteren Arzenei gänz- lich zu iiberhebem (Delitzsch.) » ff) Es ist das ein köstlicher Vers, zu dem eigent- lich nur die Erfahrung den rechten Eommentar zu liefern vermag: alle Züchtigung scheint für die Zeit ihrer Dauer ein Gegenstand nicht der Freude, sondern der Traurigkeit zu sein; hernach aber giebt sie eine Friedensfrucht den durch sie Geiibten, eine Frucht der Gerechtigkeih (Ebrard.) Das ,,alle Züchtigung« meint jede Art der Züchtigung, die Gott uns zuschickt; weil aber die Zucht des irdischen Vaters ein Abbild der Zucht des himmlischen Vaters ist, so gilt auch in etwas von der Zucht des irdischen Vaters, was der Verfasser von der Zucht des himmlischen Vaters schreibt. Jedwede Züchtigung Gottes nun an seinen Kindern, ist sie da, so wird sie nach unserm Vedtinken nicht zur Freude, sondern zur Traurigkeit gerechnet; es sträubt sich einmal alles Fleisch gegen das Leiden, es kommt auch, da in jedem Christen noch der alte Mensch ist, dessen Blöße und Schwäche gerade bei der Zucht genug zum Vorschein. Aber trotzdem ist jedwede Züchtigung Gottes bei seinen Kindern ein Saatkorm das ,,hernach« — mitunter bald, mitunter erst nach langer Zeit —— Frucht fchafft denen, die dadurch geübet 918 Ebräer 12, 14—17. sind; erträgt man die Zucht Gottes, so kehrt viel Friede ein in die Brust, und das ganze Wesen kommt in den richtigen Stand vor Gott. (Fricke.) ,,Fried- same Frucht der Gerechtigkeit« ist eine Frucht,»welche in Gerechtigkeit besteht und deren Geschniack Friede ist, EBDefksiePcBing und Befriedigung in allen Beziehungen. eitz . fis) Die Christengemeinde ist ein lebendiger Or- ganismus: jedes Glied derselben steht in enger Ver- indung und lebendiger Wechselbeziehung zu den andern Gliedern, und die Gesundheit oder Krankheit seines Glaubenslebens übt einen heilsamen oder schädlichen Einfluß aufdas Glaubens-leben Anderer, also auch auf den Zustand des gesammten Gemeindelebens aus; ebenso steht auf der andern Seite es selbst wieder unter dem Einfluß anderer Gemeindeglieder und des Gesammtzustandes der Gemeinde. Wenn z. B. ein Gemeindeglied, das zum Abfall sich hinneigt und sich der in Christo geossenbarten Gnade Gottes entzieht, die Bosheit seines ungläubigen Herzens offenbaren, ia sogar zu Ansehen und Einfluß gelangen kann, so bereitet es der ganzen Gemeinde viel Noth und Be- schwerde und zieht Viele in die gleiche Abfallssünde oder wenigstens in Unlauterkeit und einzelne, sie be- fleckende Verleugnungssünden hinein (V. 15); wenn dagegen die Gemeinde der Mehrheit ihrer Glieder nach die lässigen Hände und die erschlassten Glieder wieder aufrichtet und gewissen Tritt thut mit ihren Füßen, d. i. wenn sie sich ermannt, in Standhastigkeit auf dem eraden Wege des unverfälschten und unverkünimerten hristenglaubens und des Bekenntnisses und der Be- thätigung dieses Glaubens festen Schrittes fortzu- wandeln, so hat dies die heilsame Folge, daß auch die einzelnen lahmen, d. h. schon zum Abfall geneigten Gemeindeglieder nicht straucheln, sondern vielmehr von ihrer Neigung zum Abfall wieder geheilt werden. (Riehm.) 14. Jaget nach [Ps. 34, 15 Anm.] dem Frieden gegen jedermann [Röm. 12, 18; 1. Petri s, 11] und der Heiligung [2. Thess 2, 13], ohne welche wird niemand den HErrn sehend« [Matth. 5, s; Offenb. 21, 27]. 15. Und fehet [in brüderlicher Wacht und Zucht, die ihr unter einander übt Kap. 10, 24] darauf, daß nicht jemand sunter euch Kapz 3,12 f.] Gottes Gnade versaume [Kap. 4, 1., md·em·er muthwillens ihr wieder entläust, nachdem sie ihn schon ergriffen hatte Kap. S, 4ff.; 10, 25]; daß nicht etwa swie in 5. Mos. 29, 18 f. schon der alttestamentlichen Gemeinde warnend vorgehalten wird] eine bittere Wurzel [Spr. 5, 4 Anm.] anf- wachse sin eurer Gemeinde in dem oder jenem, der eine judaisirende, von Christo zur christus- feindlichen Synagoge hinüberschielende und zurück- steuernde Richtung einzuschlagen sich anläßt] und Unfrieden anrichte smit agitatorischem Thun und Treiben] nnd viele durch dieselbige veruiireiniget [in die Gemeinschaft gleicher Unlauterkeit hinein- gezogen] werden; » » » 16. Daß nicht jemand sei ein Hure-r [Kap. 13, 4] oder ein Gottloser »[ein profaner, gegen geistliche und göttliche Dinge unempfänglicher MenschL wie Esau, der um Einer Speise sxenes Linsengerichts 1. Mos. 25, 29 ff.] willen seine Erstgeburt verkaufte« sdie ihn zum Erben der Verheißung und zum Dritten der heil. Patriarchen gemacht haben würde]. 17. Wisse-i aber sindem ihr hier nicht blos an diese Geschichte selber euch erinnern lasset, sondern auch weiter an das, was in l. Mos. 27, 30 ff. hinterher folgt], daß er hernach, da er [gleich als habe dieser Verkauf keine Kraft und Wirkung und stehe ihm die Erstgeburt jetzt noch eben so rechtmäßig zu, wie vorher] den smit dem Recht derselben verbundenen Verheißungs-] Segen [des Vaters I. Mos. 27, 4. Si] ererben wollte, verworfen isi smitsolchem Anspruch, wenn er auch einen Nebensegen erlangte 1. Mos. 27, 36-—40]; denn er fand sin Beziehung auf jenen AnsprUchJ keinen Raum zur kBiiße sfiir eine Sinnes- änderung auf Seiten Jsaak’s], wiewohl er sie mit Thranen suchte-«* [5· Mos. 27, 33—35]. i) Das Streben nach Frieden, zu welchem der Verfasser einerseits ermahnt, bezweckt die Herstellung eines richtigen Verhältnisses zu den Nebenmenschem das Streben nach Heiligung, zu welchem er andrer- seits aufsordert, die Herstellung eines solchen zu Gott. (Kurtz.) Da es nicht heißt: »juget nach dem Frieden unter einander« (Mark. 9, 50), sondern: ,,gegen jedermann«, so kann die Meinung nicht die sein, wie manche Schrifterklärer wollen, daß sie unter sich in Frieden leben sollen; mit Allen vielmehr, die draußen find, sollen sie, die Christen, soviel an ihnen liegt, in Frieden zu leben beda sein, um nicht unnöthige"Er- schwerungen ihres Christenlauss selbst zu verschulden. Aber freilich ist es damit nicht gethan; sie müssen zweitens dahinter her sein, daß es an der Heiligung nicht fehle, nnd zwar soll jeder nicht blos auf seine eigene Heiligung bedacht sein, sondern es soll die Ge- meinde auf die Heiligung als die von allen und bei allen zu erstrebende Bedingung, ohne welche niemand den HErrn sehen wird, bedacht sein. (v. HofmannJ Die Bezeichnung »der HErr« gebraucht der Verfasser sowohl von Gott (Kap. 8, 8), als von Christo (Kap. 2, 3); daß es aber hier von Gott gemeint sei, ist mehr als wahrscheinlich — der HErr ist der Gott des Heils, der sich diesseits offenbart hat und jenseits zu schauen giebt Pf. 17, 15; 42,3. (Deiitzsch.) · »Es) Bei der Ermahnung: ,,sehet darauf, daß nicht jemand Gottes Gnade versäume, daß nicht etwa eine bittere Wurzel aufwachse und Unfrieden anrichte und Viele durch dieselbige verunreiniget werden« hat dem Verfasser eine Stelle des Gesetzes (5. Mos. 29, 18 u. 19) in der Seele gelegen, die er nicht näher zu be- zeichnen brauchte, weil schon die einzelnen Ausdrücke seiner Rede jenen ersten Lesern seines Briess unfehl- bar dasselbe Wort der Schrift ins Gedächtniß bringen mußten, das ihm vorschwebte -— jenes Wort nämlich: ,,daß nicht vielleicht ein Mann oder ein Weib, oder ein Gesinde (Geschlecht) oder ein Stamm unter euch sei, deß Herz sich von dem HErrn unserm Gott gewandt habe, daß er hingehe und diene den Göttern dieser Völker, und werde vielleicht eine Wurzel unter euch, die da Galle nnd Wermuth trage; und ob er schon höre die Worte dieses Fluchs, dennoch sich segne in seinem Herzen und spreche: es gehet mir wohl, weil ich wandle, wie es mein Her dünket, und alles in’s Verderben briiige«. An die ehre und Warnung des Jaget nach dem Frieden gegen jedermann, sowie im Verhältniß zu Gott der Heiligung! 919 Gesetzes knüpft sich sodann in den Gedanken des Ver- fassers alsobald die Lehre und Warnung der Geschichte, und eins durch das andere in seinem abschreckenden und verwahrenden Eindruck auf das Gemüth des Lesers zu stärken, verbindet er beides mit einander, indem er ohne Unterbrechung fortfährt: »daß nicht jemand sei ein Hurer oder ein Gottlofer (Profaner), wie Esau, der um Einer Speise willen seine Erstgeburt verkaufte«. (Menken.) Zwei Gefahren des Nichtnach- jagens der Heiligung (V. 14) werden hier speziell als die gewöhnlichsten hervorgehoben, nämlich 1) daß man in Fleischeslust verfalle und ein Hurer werde, also sich der Weltlust zuwende; und 2) daß man Sinn und Geschmack für das Höhere verliere und ein Pro- faner (Gottloser) werde, also sich von Gott und dem Göttlichen abwende Der Vergleich mit Esau bezieht sich blos auf den zweiten Punkt, nicht auch aus den ersten, da der begründende Satzr »der um Einer Speise willen seine Erstgeburt verkaufte« nur jenes, nicht auch dieses bei Esau nachweist. (Kurtz.) Der Ehebruch hatte zurZeit Christi und der Apostel so imjüdischen Volke überhand genommen, daß der damalige Schriftgelehrte J·ohanan, der Sohn Saccai, das Gottesurtheil der bitteren Wasser (4. Mos 5, 1·1 ff.) abschafftex und» so ist vielleicht die Bezeichnung in Matth. 11, 39: »diese ehebrecherischeArt« eigentlich gemeint, besonders aber war Ma dala (Luk. 8, L) der Hurerei halber ver- rufen. ( elitzsch.)· Der Verfasser hat es »hier mit solchen zu thun, die fleischliche Lust oder irdisches Gut (Kap. 13, 4 u. 5) höher werthen, als das Anrecht auf das Reich Gottes, und leichtfertigen und ungeistlichen Sinnes ihren Antheil am ewigen Leben hintansetzem um ihren Gelüsten zu fröhnenx er führt der Gemeinde u Gemüthe, was sie damit thue, wenn sie solche enschen unbekümmert in ihrer Mitte sein läßt, in- dem er sie erinnert, wie schwer sich Esau’s Verschleu- seines Erstgeburtsrechts bestraft hat. (v. Hof- WII Die zweite Hälfte des Verses lautet im Grund- text so, daß eine vierfache Auffassung des Inhalts möglich und da die Entscheidung ziemlich schwierig ist, welche von den vier Erklärungen die richtige sei; um aber im Deutschen uns dies anschaiilich machen zu können, inüssen wir, gleichwie für ,,Buße« lieber ,,Sinnesänderung«, so für ,,Segen«, welches Wort im Griechischen ebenfalls weiblich en Geschlechts ist, zu- treffender ,,Segensertheilung« sagen. Es entsteht nun eine doppelte Frage, und auf eine jede derselben ist eine doppelte Antwort möglich: « I. was suchte Esau mit Thränen (,,sie«)? 1· war es die Sinnesänderung? Z. oder aber die Segensertheilung? lI. für wessen Sinnesänderung fand er keinen Raum? 1. für die eigene? 2. oder aber für die seines Vaters? Je iiachdem man sich für die eine oder die andere Antwort bei dieser zwiefachen Frage entscheidet, kom- men folgende vier Verbindungen heraus: a) I, 1 mit II,1; h) I, 2 mit 11, 1; c) I, I mit 11, 2; d) I, 2 mit II, 2. Luther nun in seiner Uebersetzung befolgt nach dem Vorgang der älteren Kirchenlehrer die Zuerst angeführte Verbindung: Sinnesänderung oder uße war es, was Esau mit Thränen suchte, und zwar Buße auf seiner eigenen Seite, aber er fand dafür keinen Raum mehr, sie wurde ihm nicht zu- gelassen, er war und blieb ein Verworsener. Wäre das wirklich die Meinung des Verfassers, so läge frei- lich, wie Luther behauptet, ein harter Knoten hier vor (vgl. zu Kap· 6, 6); der Verfasser, der ,,ja kein Apostel war und auch nicht den Grund des Glaubens legen wollte (Kap. 6, 1), hätte zwar sonst auf dem von den Aposteln gelegten Grunde (Kap. 2, Z) Gold, Silber, Edelsteine, aber doch hier wieder einmal, geichwie schon in Kap. 6, 4 ff.; 10, 26 sf., Holz, Heu, toppeln gebauet (1.Eor.3,12), indem er stracks verneint und versagt die Buße den Sündern nach der Taufe und etwas schreibt, was, wie es lautet, scheint wider alle Evangelieii und Episteln Pauli zu sein«. Gegen solche Auffassung Luther’s müssen wir denn behaupten, daß das auch gar nicht die Meinung des Verfassers sei; denn wer ,,mit Thränen« Buße fucht, der hat sie ja im Grunde schon, und daß Gottes Gnade zu seiner Bekehrung sich nicht von dem Esau zurück- gezogen, um ihn zu einem unwiderruflich Verworfenen zu machen, das zeigt sich in 1. Mos. 33, 4., wo er mit einem versöhnten und liebevollen Herzen seinem Bruder Jakob entgegeneilt. Hiernach haben wir oben im Texte den Wortlaut unsrer deutschen Bibel dahin erklärt, wie er nach Maßgabe der unter c. angeführten Verbindung (I, 1 mit II, 2) zu verstehen ist; denn hätten wir eine von den beiden Verbindungen unter b. und d. befolgen wollen, so hätten wir jenen Wort- laut ändern und am Schlusse des Verses schreiben müssen: ,,wiewohl er ihn (den Segen, von dem in der ersten Hälfte des Verses die Rede war) mit Thränen suchte«. Jndessen, so entschieden sich auch manche Ausleger für diese Verbindung unter c. als die allein zulässige erklären, weil das ,,suchte« dasselbe Objekt haben müsse, welches bei dem ,,fand keinen Raum« genannt worden ist (die Buße oder Sinnes- änderung), indem suchen und finden zusammen- gehörige Begriffe seien, so ist solche Erklärung dennoch nicht die richtige. Als Objekt zu dem ,,fand« ist ja nicht die Buße oder Sinnesänderung selber genannt, sondern vielmehr der Raum dafür, und zwar Raum für die Sinnesänderung, nicht sowohl um sie bei dem Andern zuwege zu bringen, sondern, wie wir hernach uns überzeugen werden, um sie bei ihm anzubringen, was nur auf eigene Sinnesänderung sich beziehen kann. Wirklich war ja auch bei Esau Sinnesänderung vorhanden, er bereuete jetzt gar sehr den Verkauf seiner Erstgeburt, und wollte nun dieser seiner Sinnes- änderung Raum bei Jsaak verschasfen, um, wie vorhin gesagt, den Segen noch zu ererben. Diesen, den er früher so gering geachtet hatte, daß er sagte (1. Mos. 25, 32): ,,siehe, ich muß doch sterben, was soll mir denn die Erstgeburt?« suchte er jetzt mit Thränen wieder zu erlangen (vgl. 1. Mos. 27, 38: ,,segne mich auch mein Vater!« — und hub auf seine Stimme und weinete); aber so sehr er mit seinen, dem ver- schleuderten Erstgeburts"-Segen geltenden Thränen auch Raum suchte für seine nunmehrige Sinnesänderung, sie konnte nicht mehr zugelassen werden, die Sache war schon endgiltig entschieden —- ,,dei1i Bruder hat deinen Segen hinweg« mußte Jsaak ihm sagen, ,,er wird auch gesegnet bleiben«. Es ist das diejenige Verbindung, die oben unter b. aufgeführt worden ist; unzulässig dagegen erscheint die unter d., bei welcher der Sinn herauskommt, Esau suchte zwar mit Thränen den Segen seines Vaters, vermochte jedoch diesen nicht umzustimmen. Es läuft das allerdings wesentlich auf denselben Gedanken hinaus, den wir soeben ent- wickelt gaben; allein der Ausdruck: ,,Raum finden für Bu e« kann sich nicht auf eine Buße oder Sinnes- änderung, die man bei dem Andern erst zuwege bringen will, beziehen, sondern nur auf eine Buße oder Sinnesänderung, die man selber in Bereitschaft hat und die der Andere nun acceptiren und zur Geltung kommen lassen soll (anders verhält es sich mit der 920 Ebräer 12, 18—24. Redensart: ,,du ließest (gabst) ihnen Raum zur Buße« in Weish 12, 10). Wie für Esau eine Zeit kam, wo er seinen vorigen Sinn änderte und jetzt mit Thränen den Segen suchte, den er vormals leichtsinnig sich ver- scherzt hatte, aber mit dieser Sinnesänderung nun nicht mehr angenommen wurde und mit allen seinen Thränen nichts an dem Stande der Dinge ändern konnte, wie er inzwischen unter Gottes Zulassung sich gestaltet hatte, so —- das ist ohne Zweifel des Ver- fassers Meinung —- wird auch für jeden unter euch, der die Verheißung des ewigen Lebens jetzt hintenau- setzt, um seinen Lüsten fröhnen zu können, ein Augen- blick kommen, wo er dasjenige Gut sehnlichst begehrt, das er gegenwärtig so gering achtet und um ein Linsengericht daran giebt, aber dann ist’s zu spät;- denn wenn die Zeit nun da ist, wo die Entscheidung über Annahme oder Verwerfung getroffen wird, kann solche Sinnesänderung nichts mehr an derselbigen ändern (vgl. Luk. 16, 23sf.). Hiernach liegt in der Stelle selber kein ,,harter Knoten«, wie Luther ihn bei seiner Ansicht gefunden und ihn auch in solchen Seelen schürzt, die die Bibel nur nach seiner Uebersetzung lesen können und in denen dadurch natürlich die näm- liche Auffassung des Wortsinns erweckt wird, welche die Uebersetzung zum Ausdruck bringt, sondern ein ganz schriftmäßiger, ernstlich zu beherzigender Gedanke; gleicherweise haben wir an den beiden früheren Stellen tKap. 6, 4 ff.; 10, 26 ff) keinerlei Anstoß zu nehmen, wir müssen nur das, was der Verfasser schreibt, nach seiner Meinung, wie der Zusammenhang sie an die Hand giebt, verstehen und dürfen feinen Worten nicht einen Sinn unterlegen, der ihm selber ferne lag. Es gilt hier, was J. Gerhard in Beziehung auf die Kirchenlehrer sagt: sind ei: habeaninr lumjna )(wir wollen ihnen die Ehre lassen, daß sie Lichter seien), non autem numina (nicht aber svllenswir sie für göttliche, untrügliche Wesen halten). 18. [Ia, sehet darauf, daß nicht jemand Gottes Gnade versäume oder ein Gottloser sei, wie Efau, der um Einer Speise willen seine Erstgeburt verkaufte V. 15f.] Denn ihr seid [als ihr miteurer Taufe auf Christum in den neutestamentlichen Gnadenbund eintratet] nicht swie es mit unsern Vätern dort, bei der Stif- tung des alttestamentlichen Gesetzesbnndes, der Fall war 2. Mos. 19, 10 ff.; 5. Mos. 4, 9 sf.] kommen [herzugetreten] zu dem Berge, den man sweil der irdischen, sinnlichen Welt angehörigs anrühren konnte und [der] mit Feuer brannte [5. Mos. 5, 23; 9- 15]- noch zu dem Dunkel und Finsterniß nnd Ungewitter swie es« in 5. Mos. 4, 11; 5, 22 heißt, daß der HErr aus dem- selben geredet], « 19. Noch zu dem Hall der Posaune sdie mit sehr starkem Ton und immer stärker und stärker erklang 2. Mos. 19, 16. 19; 20, 18] und zur Stimme der Worte sdie sich bei Verkündigung der Gebote vernehmen ließ 2. Mos. 20, 1—17; 5. Mos. 4, 12; 5, 5 ff.], welcher sich weigerten, die sie höreten sindem sie verlangten], daß ihnen das Wort ja nicht sunmittelbar von Gott selber, sondern nur durch einen Mittler] gesagt würde s2. Mos. 2(), 18 ff.; o. Mos.5,23ff.;18,16]; 20. Denn sie mochten-s nicht ertragen, was da sin Beziehung aus die Unnahbarkeit des sich offenbarenden Gottes] gesagt ward. Und wenn Herbst] ein Thier den Berg anrühren, sollte es sobwohl doch nur ein unznrechnungsfähiges Thier, dennoch wie ein Heiligthumsschänder] gesteiniget oder mit einem Geschoß erschossen werden [so hatte ja »Gott befohlen 2. Mos. 19, is: wie vielmehr also stunden sie selber in Lebensgefahr, wenn jemand unter ihnen dem Berge zu nahe käme, selbst wenn es aus Versehen geschähe! 2. Mos. 19, 12; 34, 3]. 21. Und also erschrecklich war das Gesicht sdie ganze Erscheinung der Dinge, in welchen Gott seine Gegenwart zu erkennen gab], daß Moses [sogar, mit dem doch Gott umging, wie ein Mann mit seinem Freunde redet Z. Mos. 33, 1I., bei einer späteren Gelegenheit den Gefühlen, die ihn schon damals bewegten, Ausdruck verleihend] sprach: Jch bin erschroelen und zittere [vgl. 5.Mos. 9, 19]. 22. Sondern ihr seid [mit eurem Eintritt in den neutestamentlichen Gnadenbund] kommen lzu einem gar andern Berge, als jener Sinai V. 18 war, daß ihr jetzt an dessen Fuße stehet, bis ihr einmal näher herzutreten werdet 2. Mos. 19, 17; 24, 9 ff.; Ephes 2, S; 1. Joh. Z, F] zu dem Berge Zion sdroben in der Höhe, wohin der HErr eingegangen ist Col. Z, I; L. Mos. 24, Z] und zu der Stadt des lebendigen Gottes [wo er in Wahrheit, und nicht blos im Sinnbild, seine Residenz hat Matth. 5, 35], zn detn himm- lischen Jerusalem [nämlich, das beides, Berg und Stadt zusammenfaßt Gal. 4, 26], und zu der Menge vieler tausend sgleichsam seinen Hofstaat bildenden] Engel [Dan. 7, 10; Offb. 5, 11], 23. Und zu der Gemeine der Erstgebornem die im Himmel angeschrieben sind szur Gemeine jener Heiligen Jes. 66, 22., die bei Christi Auf- erstehung aus den Gräbern gingen und kamen in die heilige Stadt und erschienen Vielen Matth. 27, 53 und die dann bei seiner Himmelfahrt mit ihm eingegangen sind in’s Reich der Herrlichkeih wo sie mit Henoch, Mose und Elias zu einer feiernden, weil schon an’s Ziel auch der letzten Vollendung gelangten Festversammlung vereinigt sinds, und zu Gott, dem Richter über alle sder ihnen solch feliges Loos beschieden hat, während Andern es erst für den jüngsten Tag aufbehalten ist, vgl. Offenb. 20, 4 ff.], und zu den Geistern der vollkommenen szwar zur Vollendung schon ein- gegangenen Kap. 2, 10; 5, 9; Weish. 4, 13., aber doch der Auferstehung ihrer Leiber noch ent- gegenharrenden] Gerechten [2. Mos. 19, 25 Anm.], 24. Und zu dem Mittler des neuen Testa- ments, Jesu [Kap. 8, S; 9, 15; 1. Tim. 2, 5], und zu dem Blut der Besprengung [Kap. 10, 22; Welcher hohen Gnade seid ihr gewürdigt, die ihr im neuen Bunde steht! 92l l. Petri 1, 2], das da fals Blut der Versöhnung] besser redet, denn fdas zu Gott um Rache fur den Mörder schreiende Blut Kap. 11, 4; 1·Mos. 4, 10] Abels sindem es statt dessen denen, die ihn getödtet haben, vielmehr Vergebung der Sünde erwirken möchte Luk. 23, 34; Apostg. 2, 36; Z, 13 ff.].. Die vorausgegangene Ermahnung wird nun in dieser zweitheiligem ebenso kunstvoll geformteky als inhalt- reichen Periode durch Entgegenhaltung der» alt-» und neutestamentlichen, der »sinaitischen»und sionitischen Offenbarung begründet; Jene war 1rdisch, schrecklich und unnahbar, diese ist himmlisch und so einladend und fesselnd mit himmlischen Liebesbanden, als ernst und erhaben, alle Untreue gegen sie ist also doppelt und dreifach straffällig. (Delitzsch.) Aber nicht blos von dem grundverschiedenen Charakter der alt- und neu- testamentlichen Offenbarung ist in dieser »schönen, malerischem dichterisch-schwungvollen Stelle die Rede, ihr Jnhalt charakterisirt vielmehr die grundvers schiedenen Verhältnisse, unter welchen das alt- und das neutestamentliche Bundesvolk lebt, und giebt eine Schilderung des gegensätzlichen Charakters» des alt- und neutestamentlichen Gottesreichs » überhaupt. Fassen wir nun zunächst die Charakteristik des alt- testamentlichen Gottesreichs in V 1·8——21 näher in’s Auge, so war die Lage der Jsraeliteiu als der alttestamentliche Bund mit ihnen am Sin«ai· geschlossen wurde, diese: vor einer der Erde angehorigen, sinn- lich-wahrnehmbaren Osfenbariingsstätte stehend · und nichts sehend und hörend, als solche Manifestationfen Gottes, welche im Bereich des Jrd1schen und sinnlich Wahrnehmbaren blieben, ergriff sie eine unerträgliche Furcht vor dem in seiner heiligen Majestät unnah- baren Gotte; dies ist aber auch die Lage aller Bürger des alttestamentlichen Gottesreichs Sie sind an irdische Offenbarungsstätten gewiesen; sie· leben in einem Reiche, in welchem die Manifestationen der Macht, der Gerechtigkeit, der Treue Gottes noch inner- halb der Grenzen des Jrdischen und sinnlich Wahr- nehmbaren bleiben, in welchem alles, was Gott in’s Werk setzt, dem Gebiet des Diesseits angehört, und sie müssen sich dabei« vor Gottes heiliger Majestät fürch- ten und ihm ferne bleiben. Dagegen ist nach der hierauf in V. 22—«24 folgenden Schilderung der neuen Welt, zu welcher die Christen hinzugetreten sind, das neutestamentliche Gottesreich wesentlich ein himmlisches Reich und ein Reich der Gnade; diese beiden Grundzüge seines Charakters bestimmen denn die Anordnung der einzelnen Züge der Schilderung, so das; in V. 22 u. 23 der Charakter des Ueberwelt- lichen, Himmlischem in V. 24 dann der der Gnade her- vortritt. Der Berg Zion, von dem in ersterer Hin- sicht zunächst die Rede, ist die hocherhabene Wohn- und Offenbarungsstätte Gottes im Himmel, der Ort, an welchem der seinem Wesen nach über- und außer- weltliche Gott die Herrlichkeit seiner Wesensfülle der begnadigten Creatur sichtbar und nahbar darstellt und von welchem alles Heil, alle Seligkeit, alle Klarheit und Herrlichkeit der Hinimelsbewohner ausgeht; dieser hocherhabene himmlische Wohnsitz Gottes wird ,,Zion« genannt, weil er in dem alttestamentlichen Gottesreiche an dem Berge Zion als dem Ort, den Gott erwählt hatte, um seinen Namen daselbst wohnen zu lassen, sein irdisches Abbild hat, nicht aber an dem Berge Sinai, welcher keine Stätte der Gnadengegenwart Gottes war. Die Stadt des lebendigen Gottes ferner kommt als die himmlische Wohnstätte aller derer in Betracht, welche des Lebens in der Gnaden- gegenwart Gottes gewürdigt sind; sie heißt so, nicht nur weil Gott ihr Baumeister ist (Kap. 11, 10 u. 16), sondern auch weil sie Gottes eigen ist und von ihm mit seiner Lebensfülle erfüllt wird. Beides, die himmlische Wohnstätte Gottes und die himmlische Wohnstätte der in der unmittelbaren Gemeinschaft Gottes Lebenden ist dann unter dem Namen des himmlischen Jerusalems zusammengefaßh und werden nun die Hauptklassen der Bewohner desselben namhaft gemacht. Als die erste derselben begegnet uns die Menge vieler tausend Engel, eine zahlreiche, der Herrlichkeit Gottes sich freuende Feierversainmlung denn auch Luther hat bei seiner Uebersetzung in dem Worte ,,Menge« das griech. nociissyvpxg amAnfange des 23. Verses mit hierher gezogemwähreiid andere Aus- leger es zu dem folgenden ,,Gemeinde der Erstge- borenen« ziehen. (Riehm.)- Schwerlich aber ist unter« der, als Gemeine der Erstgeborenen namhaft Ymachten zweiten Hauptklasse, wie man wegen der ezeichnung: »die im Himmel angeschrieben sind« meistentheils erklärt, die Christengemeinde aus Erden zu verstehen, deren Glieder alle vor Gott die Würde und die Rechte von Erstgeborenen hätten und, obschon sie noch auf Erden lebten, doch als Genossen der himmlischen Berufung wesentlich dem Himmel ange- hörten; auch die andern Erklärungen, welche außerdem versucht worden, befriedigen nicht, wir sind daher oben bei der Textauslegung unsern eigenen Weg gegangen. Wie in Offenb. 20, 6 diejenigen, welche beim Anbruch des tausendjährigen Reichs der ersten Auferstehung theilhaftig geworden, als solche bezeichnet werdemsüber die der andere Tod keine Macht hat, so sind hier die, welche alsbald bei der Auferstehung und Himmelfahrt Christi der Auferstehung und des Eingangs in’s Reich der Herrlichkeit gewürdigt und insofern nach allen Seiten hin die Erstgeborenen des ewigen Lebens sind, als solche charakterisirt, die im Himmel angeschrieben sind; sie bilden da eine eigene, von den nachher ge- nannten Geistern der vollkommenen Gerechten unterschiedene Gemeinde und sind bereits eine feiernde, triumphirende Festversammlung indem für sie auch der letzte Feind, welcher aufgehoben wird, der Tod, schon völlig überwunden ist, was von der eben er- wähnten dritten Hauptklasse, der der Geister der vollkommenen Gerechten, die der Auferstehung ihrer Leiber von den Todten erst noch entgegenharren (Offb. 6, 9 u. 11), noch nicht gilt. Um beide Klassen aus- einander zu halten, tritt das »zu Gott, dem Richter über alle« dazwischenz ihr Unterschied beruht eben auf einem Gottesurtheil, welches der einen Klasse diesen, der andern jenen Stand in der himmlischen Welt an- gewiesen hat (Matth. TO, 23). Wir meinen nun, gerade für die Gemeinde zu Jerusalem war die Er- wähnung jener zweiten und dieser dritten Klasse von besonderer Bedeutung: wie man in Jerusalem wußte von Heiligen, die aus ihren Gräbern gingen, so hatte man da, von den in Kap. 11 ausgeführten Ge- rechten abgesehen, die, soweit sie nicht zu jenen Heiligen zähltem doch nun die Vollendung erreicht hatten (Kap. 11, 40), auch einen Bischof gehabt, der den Ehrennamen des Gerechten in ausgezeichneter Weise führte und seit Jahresfrist ebenfalls in die Reihe der Vollkommenen eingetreten war (Anh. Il. zum 6. Bande: b, 2 u. 3); wo denn diese alle jetzt waren, dahin sollten sich die in ihrem Glauben so schwach gewordenen Christen mit ihrem Herzen versetzt fühlen (Ephes. Z, B; PhiL Z, 20 f.), damit sie nicht mehr an dem äußeren Jerusalem hingen und seiner« Zeit bereit wären, wenn die Stunde des HErrn käme, aus dem jüdischen Lande zu fliehen 922 Ebräer 12, 25-— 29. 13, 1—6. auf die Berge (Matth. 24, 16) —— durften sie doch wissen, daß sie damit nicht aus dem Bereich des himm- lischen Jerusalems herauskämem Was die Gemeinde auf Erden betrifft, so ist diese unter denen begriffen, die nach V. 18 ff. nicht kommen sind zu dem Berge, den man anrühren konnte 2e., sondern nach V. 22 f. Si dem Berge Zion 2e.; für sie giebt es denn nach .23 ebenfalls einen Mittler in Jesu, dem Stifter des neuen Bandes, gleichwie die altteftamentliche Ge- meinde ihren Mittler an dem in V. 21 genannten Moses hatte. Aber wenn dieser selber bekennen mußte: »ich bin erfchrocken und zittere«, so zeigen die, von welchen Gott, der Richter aller, droben umschlossen oder sozusagen in die Mitte genommen ist, die Erst- geborenen, die im Himmel angeschrieben sind, und die Geister der vollkommenen Gerechten, daß der Mittler des neuen Testaments, wie er zur Vollendung führt, so auch in Gottes unmittelbare Nähe bringt; das Gesetz ist durch Mosen gegeben, sagt Johannes (»1, 17), die Gnade und Wahrheit ist durch Jesum Christum worden. da Pein hat, ein Ende (1. Joh. 4, 18); und solche Heilswohlthat ist den Christen gleich bei ihrem Ueber- tritt zum Ehristenthum, bei ihrem Eintritt in den neutestamentlichen Bund zugute gekommen mittels des Blutes der Befpren gnug, das in der Taufe ihnen applicirt worden ist (1. Joh 5, 6). Was der Ver- fasser damit meine, wenn er von diesem Blute sagt, es rede besser, denn Abel’s, wird von den Auslegern wohl angegeben; aber auf die Frage, warum er gerade diese Vergleichung wählt und nicht vielmehr Beziehung nimmt auf die Besprengung, die nach 2. Mos. 24, 8 Moses bei Stiftung des Gesetzesbundes mit dem Volke vornahm, was ja doch in dem ganzen Zusammenhange seiner Rede ihm viel näher gelegen hätte (Kap.9,19), hat unsers Wissens keiner sich eingelassen. Ohne Zweifel, so glauben wir, kam ihm hier das Wort des HErrn in Luk. 11, 49 ff. zu Sinn: über das pro- phetenniörderische Jerusalem redete zu der Zeit, da er schrieb, nachdem in der Art der Umbringung Ja- kobus des Gerechten die Geschichte von der Ermordung des Zacharias zwischen dem Altar Und Tempel sich wiederholt hatte (vgl. Anh. Il: b, 3), das Blut Abels statt des Blutes Christi, seine Sprache, und das schrie um Rache; über sie, die Christen Jerusalems nun hatte das Blut der Besprengung geredet, und dessen Stimme war mächtiger gewesen, als die Stimme jenes Blutes, die von Haus auch ihnen galt, so daß ihnen geholfen war von ,,diesen unartigen Leuten« (Apostg· , 38 sf.) Dessen sollten sie am Schluß dieser so ein- dringlichen Stelle in Erinnerung an die Zeit ihrer ersten Liebe, wo sie so selig waren (Gal. 4, 15), noch einmal sich bewußt werden, damit sie sich davor bewahreten, das Blut des Testaments unrein zu achten, durch welches sie geheiligt waren (Kap. 10, 29); im Folgenden biegt dann aber der Verfasser wieder ein in die Geschichte vom Sinai und läßt von diesem Standpunkte aus seine Warnung ergehen. 25. [Um nun aber an das in V. 18—21 vorgeführte Geschichtsbild, namentlich was das s Verhalten eurer Väter nach V. 19 betrifft, noch eine Warnung anzuknüpsen:] Sehet zu, daß ihr euch deß [Gottes] nicht weigerh der da sim neuen Testamente zu euch Kap. 1, 2] redet. Denn so jene sdie Väter dort am Berge Sinai] nicht ent- flohen sind sdem Gericht schließlicher Verwerfung Kap. Z, 7 ff.], die sich weigerten sseine Stimme zu hören], da er auf Erden redete svom Sinai Jm neuen Bunde hat also die Furchh die. her, und damit gleich von Haus aus zu erkennen gaben, wie sie überhaupt dem Worte Gottes gegenüber sich zu verhalten gedächten Kap. 3, 16]; viel weniger [mögen] wir sder Strafe entfliehen] so wir uns deß weigern, der [zu uns nicht mehr blos auf Erden, sondern in dem Evangelio vonChristo und in den Thatsachen des Heils Kap. L, 3 f.; Joh. 3- 31 is] vom Himmel [her] redet [da die Verach- tung einer solchen Offenbarung, die soviel höher ist denn die alttestamentliche, als der Himmel höher ist denn die Erde Jes. 55, 9., auf alle Fälle auch ein desto schwereres Gericht nach sich zieht Kap. 2, 1ff.; 10, 28 ff.]. 26. Welches [Gottes] Stimme zu der Zeit [als er zu den Vätern redete] die Erde bewegte [2. Mos. is, is; Nicht. 5, 4f.; Pf. ers, 8 f.; 114, 7]. Nun aber verheißt er lfür das Ende der Zeiten, in dessen Anfang wir mit dem An- bruch der neutestamentlichen Zeit eingetreten sind 1. Joh. 2, 18 Anm·] und spricht sbeim Pro- pheteU Haggs Z, 7 f- 22 ff.]: Noch einmal will ich bewegen nicht allein die Erde, sondern auch den Himmel [Matth. 24, 29]. 27. Aber solchesx Noch einmal swelches Wor- tes er in dieser Verheißung nach Maßgabe des griechischen Textes der Septuaginta statt des deutschen ,,es ist noch ein Kleines dahin« sich be- dient], zeigt an, daß das Bewegliehe sder jetzige Himmel mit der jetzigen Erde] soll verändert wer- den, als das gemacht fund also der Veränderlich- keit und Vergänglichkeit unterworfen] ist, aus daß da sin unerschütterlichem Bestande] bleibe das Un- bewegliche sdas an dessen Stelle treten soll, näm- lich ein neuer Himmel und eine neue Erde, in welchen Gerechtigkeit wohnet L. Petri Z, 13; Offenb. 21, 1]. 28. Darum, dieweil wir slaut solcher An- deutung des prophetischen Worts, wie sie auch in andern Stellen vorliegt Dan. 2, 44; 7, 18] em- pfahen ein unbeweglich Reich, haben wir Gnade sgenießen wir im Vorzug vor dem alttestament- lichen Bundesvolke, dem nur ein beweglich Reich in seinen Institutionen beschieden war Kap. s, 7 ff., einer Gnade], durch welche [in herzlicher Dankbarkeit dafür] wir sollen Gott dienen, ihm zu gefallen, [ihm andrerseits aber auch dienen] mit Zucht und Furcht [indem wir auf’s Sorgfältigste uns hüten, irgend etwas ihm Mißfälliges zu be- gehen. 29. Denn sauch für uns im neuen Testament gilt noch das Wort, das im alten Testament ge- schrieben steht b. Mos. 4, 24; 9, Zxs unser Gott ist ein Verzehrend Feuer sfür die Widerwärtigem die seine Gnade verachten Kapx 10, 27]. Wie in V. 25 der Verfasser seinen Blick richtet auf das, aus die niedere Region der Erde beschränkte Gebiet des alttestamentlichen und auf das alles, auch Sehet zu, daß ihr ench deß nicht weigert, der im neuen Testamente redet! 923 die Regionen des Himmels umfassende Gebiet des neutestamentlichen Gottesreichs und er nun darauf hin die Leser verwarnt, sich dem Gott, der sie zu diesem seinem neutestamentlichen Reiche berufen hat, ent- ziehen zu wollen; so macht er in V. 27 f. den un- wandelbaren und unerschütterlichem ewigen Bestand des neutestamentlichen Gottesreichs als einen weiteren Vorzug desselben vor dem alttestamentlichen geltend, welches ja der Erde angehörte, der noch die letzte Er- schütterung und Umwandlung bevorsteht, und weist nun in V. 28 f. darauf hin, wieviel Grund wir haben, Gott für die Ausnahme in ein solches Reich uns dank- bar zu erweisen durch einen ihm wohlgefälligen Dienst, aber auch mit ehrerbietiger Scheu vor ihm, der da ist ein verzehrendes Feuer. (Riehm.) Zuerst stellt er auf anlockende Weise Gottes Gnade uns vor Augen, darnach droht er mit Gottes Zorn; und es ist in der That uns heilsam, daß uns nie Gottes Gnade ver- heißeii werde, ohnedafß auch Drohungen beigemischt werden, denn wie wir immer geneigt sind, uns gehen zu lassen, so würde die mildere Lehre bald uns alt lassen, wenn diese Stacheln uns nicht immer wieder vorwärts trieben· (Calvin.) Das 13. Kapitel. Ermahnung zum christlichen Mandel und reiner Lehre. III— it. 1—2l. Wenn man gesagt hat, daß nun hier, in dein abschließenden Stint: des pariinetischen Theile, Tinzelermahnungen folgten, welche mehr oder weniger auch an andere llIeser als die, niit welchen der Verfasser speziell es zu thun hat, gerichtet sein könnten, so hat das einen Schein der Wahrheit insofern, als der Slnhalt dieser Grniahnnngen allerdings zum Theil einen all- gemeiwchristlictien Charakter an sich trägt; aber nicht nur ist die Auswahl der Ginzelermalznungen genau den individuellen Zuständen nnd Bedürfnissen entsprechend geschehen, wie wir sie an der jerusaleniischen Gemeinde damaliger Zeit kennen gelernt haben, sondern auch die Form, in der sie ausgesprochen nnd, und die Färbung, die ihnen durchweg gegeben ist» passen kaum in der- selben Weise auf jede andere Gemeinde, wie gerade auf jene — der Gpistelschreiber ist ein Meister der Rede, auch im Jndividualisirem bis zu Ende. Jlusgehend non der litruderliebe im Allgemeinen, mahnt er zu ihrer speziellen Bethätigung in der Gastfreundscliaft und gegen gesungene oder sonst in Trübsal befindliche Glaubens· genossen (ii1. 1-—3), läßt dann eine Warnung folgen oor ilnzucht und Geiz als den jenen Tardinaltugenden ent- gegenstehenden Tardinallastern Ab. 4 u. 5), erinnert sie darnach an ihre heimgegangenen Lehrer und Vorsteher, damit sie im Hinblick aus deren seliges Tnde sieh be- wegen lassen, bei Iesu Christo, dem einigen tjeilsgrundn zu bleiben, und nicht etwa mit mancherlei und fremden Echten sieh umtreil1en lassen tu. 6—9), und koinmt so darauf, es ihnen recht fühlbar nahe zu legen, welchen hohen itlorzugs sie im neuen Testament gewürdigt sind vor den ungläubig gebliebenen Gliedern des alten Bun- des, und mit dem Gedanken sie zu befreunden, das; sie werden von diesen ihren Brüdern nach dem Fleisch nnd deren Gottesdienst nnd Gotteshaus und Gottesstadt sich vdllig lossiigen müssen (v. 10—16). Ts folgt eine Mah- nung zu rechtem verhalten gegen die jetzt im Vorsteher- amt befindlichen Lehrer, denen der Verfasser sich selbst in diesem Briese als Mitarbeiter zur Seite gestellt, daher er damit die Mahnung verbindet, auch seiner und seiner Arbeitsgenossen fürbittend zu gedenken, wie er denn so- sort auch ihnen von Gott ersieht, was ihnen zu ihrem Heile nöthig und nütze ist W. 17—21). 1. Bleibet fest in der brüderlichen Liebe swie ihr sie seiner Zeit wohl geübt habt Kap. 6, 10; 10, 33 f., aber neuerdings in Gefahr stehet, von derselben abzulassen Kap. 10, 24 f.]. 2. Gastfret zu seiu sgegen reifende Brüder Röm. 12, is; 1. Petri 4, 91 vergesfet nicht; denn durch dasselbige sdurch gaftfreundliches Auf- nehmen von Reisendens haben etliche ohn ihr Wissen Engel beherberget [1.Mos.18,3; 19, 2»f-,· und Aehnliches widerfährt nach dem Worte Christi in Matth. 25, 35. 40 auch euch, wenn ihr euch der Heiligen Nothdurft annehmet]. 3. Gedenket der Gebundenen als die Mit- gebundenen legt. Rom. is, 7; 1. Cor. 12, 26], und derer, die Trübsal leiden, als die ihr auch noch im Leibe lebet« sund also ebenfalls dem Un- gemach dieses Lebens fortwährend ausgesetzt seid Luk. 10, 33 ff.]. 4. Die Ehe soll ehrlich sin Ehren Sprüchm 19, 11 Anm.] gehalten werden bei allen sdaß niemand, sei er verheirathet oder nicht, irgendwie diese heil. Gottes-ordnung gering achte oder gar verletze], und das Ehebette unbefleckt sdaß niemand ein fremdes Ehebett besudele l. Mos. 49, 4., noch das eigene besudeln lasse], die Hurer aber und Ehebrecher swelche freilich in dieser gegen- wärtigen argen Zeit von dem menschlichen Gericht nicht inehr können belangt werden, vgl. zu Kap. 12, 16] wird Gotttlchten [1. Cur. 6, 9 f.; Gal. 5, 19 u. 21]. 5. Der Wandel sin Gesinnung und Hand- lungsweise] sei ohne Geiz sfrei von Geldliebe I. Tini. Z, Z; 6, 10; Ephef d, 5 Anm.]; und lasset eitel) begnügen an dem, das da seinem jeden für deii laufenden Tag Matth. 6, 11 beschieden] ist [Phil. 4, i1]. Denn er sGott der HErr in der heil. Schrift] hat gesagt: Jch will dich nicht verlassen, noch versaumen [Joh.1,5;Jes. 41, 17; d. Mos. 31, 6 u. 8]; d. Also, daß wir swenn dergleichen uns widerfährt, wie in Kap. 10, 34 erwähnt wurde] dürfen svoll guten Muthes mit dem Psalmisten in Pf. 56, 5. 12 u. 118, S] sagen: Der HErr ist mein Helfer, und will sich darum] mich nicht fürchten; was sollte mir ein Mensch thun?" V) Mit der brüderlichen Liebe, wie fiedie Christen unter einander hegen und üben sollen, beginnt die Reihe der Einzelermahnungem sie soll bleiben, heißt es, weil sie in Gefahr war zu verschwinden. Jhr steht am nächsten die Gastfreih»eit, war sie doch Bethätigung derselben an denen, die als Glaubens- enossen aus der Fremde ein Recht auf brüderliche ufnahme hatten, deren sie umso mehr bedurften, als sie durch ihr Bekenntniß an dem remdenprte doppelt fremd waren; erniattete bei den esern die Zuversicht ihres Christenglaubens, so war auch Gefahr, daß sie 924 Ebräer 13, 7———16. sich solcher Glaubensgenosfen weniger annahmen Die Bekräftigung nun, welche der Ermahnung beigegeben ist, weist auf Abraham und Lot hin, die dadurch, daß sie Gaftfreundschaft übten, ohne es zu wissen, Engel zu Gästen bekommen haben (Abraham kommt zwar dens Dreien mit der vom Tiefblicke seines Glaubens zeu- enden Anrede »HErr« entgegen, ohne sich aber die ärscheinung der hehren Gäste enträthseln zu können; denn er betrachtet sie doch auch als menschlicher Stär- kung bedürftige Wanderer): so können auch sie Gäste bekommen, die mehr und Größeres sind, als sie scheinen (,,es hat oft ein Gast einen unsichtbaren Be- gleiter, da ist alsdann die Zehrung gut bezahlt«: Hahn), und einen Segen für ihr Haus gewinnen, den sie nicht erwarten (dem Abraham belohnte sich seine Gastfreundschaft mit Segnung seiner unfruchtbaren Ehe, dem Lot mit Rettung vom Untergange). Wie nun fremdher kommende Christen in besonderer Weise der brüderlichen Liebe bedürfen, so wieder in andrer die um ihres Glaubens willen in Haft oder sonst irgendwie in Noth befindlichen: jener sollen sie sich annehmen als die"Mitgebundenen, dieser als die auch noch im Leibe leben; jenes sind sie nicht von wegen der Bande, in welche die Gefangenen von den Men- schen, wohl aber von wegen derjenigen, in welche sie von dem HErrn gelegt sind, und wie sie nun der Ge- bundenen als Mitchristen, so sollen sie derer, die Trübsal leiden, als Mitmenschen sich annehmen. (von Hofmann.) sit) Von der christbriiderlichen Gemeinschaft geht der Verfasser auf zwei Grundverhältnisse des irdischen Lebens, Ehe und Gewerbe über, wie auch sonst in paulinischen Briefen die Warnungen vor Unzucht und Habsucht beisammen stehn (Ephes. 5, I; Col. 3, 5). Die Ehe hat von Gott, ihrem Stifter her eine Ehre, und diese Ehre soll aufrecht erhalten werden; das gottgeordnete Grundverhältniß natürlicher Gemeinschaft soll in keinerlei Weise, weder in Lehre noch That, zu Gunsten des ehelosen Standes herabgewürdigt werden (in 1. Tim. 4, 3 geschah das im Dienst einer salschen Gnosis, in Jerusalem und Paläftina aber war die christliche Gemeinde durch ihre Ausfchließung vom Tempel der esfäischen Ge11ossenschaft, Schlußbem zum 1. Maccabäerb. Nr. 4, c. Zuf., noch um ein Bedeu- tendes näher gerückt, als sie es ohnedies schon war, und galt es darum auch eine Vermischung mit dieser Sekte, welche die Ehe gering achtete, zu verhüten) Und wo Christen in den Ehestand getreten find, da soll das Ehebett unbefleckt fein, d. i. weder durch ehe- brecherischen Umgang noch auch durch geile Wollust der Ehegatten besudelt werden» Diejenigen aber, welche die Ehe nicht in Ehren halten, indem sie außer- halb der ehelichen Schranken der Geschlechtsluft fröhnen (die Hurer), und diejenigen, welche das Ehebett be- flecken (die Ehebrecher), wird Gott richten, der Heilige und zugleich Allwisfende, der Gerechte und zugleich Allmächtige Mit Nachdruck steht im Grundtext »Gott« an der letzten Stelle des Satzes (Delitzsch.) Was sodann das Erwerbsleben betrifft, so sollen sie sich von der Geldliebe frei halten; das aber kann nur der, der sich begnügen läßt an dem, das da ist, wäh- rend derjenige, der sich daran nicht begnügen läßt, sondern über derzeitigen Bedarf hinaus versorgt sein will, darauf aus sein muß, Geld zu bekommen. Wie übel würde sich das, fährt der Verfasser fort, für uns schicken, die wir wissen, daß er, der HErr, Gott im Gegensatz gegen Menschen, auf welche freilich kein Verlaß wäre, uns nicht versäumen zu wollen zugesagt hat; dies Wort der Verheißung aber mache uns muthig, dem Psalmisten fein Wort furchtlosen Ver- trauens muthig nachzusprechem und solcher Muth thut den Lesern noth, denn sie müssen darauf gefaßt sein, daß Gleiches, wie schon einmal um ihres Bekenntnisses willen ihnen widerfahren, ihnen wieder geschehe. (von Hofmannh 7. Gedenket an eure Lehrer sVorsteher in der früheren Zeit] die euch sals solche, die zu- gleich des Lehramts warteten 1. Tim.5, 18Anm.] das Wort Gottes gesagt haben; welcher Ende sdes irdischen Wandels, insofern sie um des Bekennt- nisses zu Christo willen den Märtyrertod erlitten haben] schauet an smit einer tief erwägenden Ve- trachtung, daß dabei ihr Bild sich euerm eigenen Herzen eindrücke], und folget ihrem sbis an’s Ende treu bewährten] Glauben nach* swenn es auch euch beschieden sein sollte, daß ihr bis auf’s Blut zu widerstehen hättet über dem Kämpfen wider die Sünde Kap. 12, 4]. 8. Jesus Christus, gestern und heute sein und derselbe], nnd derselbe auch in Ewigkeit« [Offenb. 1, 17 f.]! 9. Lasset euch nicht mit mancherlei nnd frem- den Lehren umtretben [daß ihr wolltet von dem Worte Gottes, das eure Lehrer in dem Evangelio von Jefu Christo euch verkiindigen V. 7 u. 17., zu den jüdischen Satzungen und Menschengeboten euch zurückwenden]; denn es ist ein köstlich Ding sPsalm 92, 2 Anm.1, daß das Herz fest werde sim Bewußtsein des göttlichen Wohlgesallens und im Besitz des ewigen Heils], welches geschiehet durch Gnade swenn man in dieser sich recht be- festigeu räßtCor. 2, 7], nicht kaberj durch Speisen swenn man in Beziehung auf sie jene Satzungen Mark. 7, 5 ff, recht streng beobachtet Rönn 14, 17], davon sja doch sie selber] keinen Nutz haben, die damit umgehen-«» [wie das levitische Cen- moniell überhaupt zu ohnmächtig sich erwiesen, um zur Vollkommenheit am Gewissen zu verhelfen Kap. 7,18f.; 9, 9 f.]. 10. Wir sdie Gläubigen des neuen Testa- ments] haben san dem Kreuz Christi] einen Altar [auf welchem das wahre, ewig giltige Opfer dar- gebracht worden Kap. 7, 27; 9, 26 ff.; 10, 10], davon nicht Macht haben zu essen sso daß auch sie feiner Segnungen sich theilhaftig machen könn- ten Joh. S, 51 ff.], die der Hütte pflegens sbeim alttestamentlichen Heiligthum ihren Gottesdienft begehen Kap. 9, 9; 10, 2., d. i. dem Judenthum noch angehören, selbst diejenigen unter ihnen nicht, welche dem Heiligthum am nächften stehen, die Priester Kap. 8, 5]. 11. sVielmehr deutet der altteftamentliche Cultus selber schon an, daß die neutestamentliche Opferhandlung gefchehen würde in Loslöfung von der alttestamentlichen Cultusftätte, der Hütte] Denn welcher Thiere Blut sam großen Ver- söhnungstages getragen wird durch denHohenpriester in das Heilige sAllerheiligste Kap. 9, 12. 24 f.; Jesus Christus, gestern und heute, und derselbe auch in Ewigkeit! 925 10, 19] für die Sünde, derselbigen [nämtich des behufs der Blutgewinnung am Brandopferaltar geschlachteten SündopfewFarren und Sündopfer- Bvcks Z« Mvs M, 11 ff« 15 fsl Leichname werden snach der Verordnung in 3. Mos. 16, 27] ver- brannt außer dem Lager. 12. Darum auch Jesus sdie neutestamentliche Opferhandlung Kap. 9, 26 nicht blos theilweis, sondern gänzlich von der alttestamentlichen Cultus- stätte loslösend], auf daß er heiligte das Volk [seines Hohenpriesterdienstes Kap. Z, 11. 17; 10, 10. 14] durch sein eigen Blut smittels Dar- bringung desselben im himmlischen Allerheiligsten Kap- 9, 12], hat er gelitten außen vor dem Thor sder Stadt Jerusalem, die Jsraels Lager ist zu dieser unsrer Zeit Matth 27, 81 sf.; Joh. 19, 17., wie er das selbst zuvor in dem Gleichniß von den bösen Weingärtnern geweissagt hatte Mark. 12, 8]. 13. So lasset uns nun swenn wir des neu- testamentlichen Bundes Glieder sein und bleiben wollen] zu ihm saus Jerusalem] hinaus gehen snach dem] außer dem Lager sJsraels befindlichen Golgatha, wo der Christen Altar steht], Und seine Schmach tragen sindem wir es willig dulden, wenn man auch uns, wie vormals ihn, aus dem Wein- berg hinauswirft]; 14. Denn wir haben hie sals Gäste und Pilgrime auf Erden] keine bleibende Stadt sdafz wir durchaus unser Glück und unser Heil in dem irdischen Jerusalem finden» sollten], sondern die zukünftige sdes himmlischen Jerusalems Kap. 12, U] suchen wir-H· smit jenen Alten, die durch den Glauben Zeugniß überkommen haben Kap. 11, 2. 10. 13 ff·]. 15. So lasset uns nun [statt fernerweit mit den Opfergaben des jüdisch-gesetzlichen Gottes- dienstes uns zu befassen] opfern durch ihn sder unser großer Priester ist Kaki. 10, 211 das Lob- opfer [3. Mos 7,12] Gott allezeit; das ist sunter diesem Lobopfer meine ich] die Frucht der Lippen [wie es in der griechischen Uebersetzung der Stelle: Hof. 14, 3 für ,,Farren der Lippen« heißt], die feinen Namen bekennen [Ps.116, 17; 50, 14. 23]; 16. Wohl zu thun leider] und mitzutheilen san die unsrer Aufhilfe bedürftigen Brüder] ver- gesset nicht; denn solche Opfer [in denen sich das Lobopfer der Lippen auch in Werken bethätigt] gefalleu Gott wohlHJs [Hos. S, S; Matth. 9, 13; 12, 7; PhiL 4, 18]. V) Welche Gedankenverknüpfung den Verfasser be- stimmt, hier auf das Vorbild der alten Gemeindevor- steher hinzuweisen, läßt sich unschwer erkennen: in Kap. 10, 34 haben die Leser das Zeugniß bekommen, daß sie den Raub ihrer Habe mit Freuden aufge- nommen, aber nach Kap. 12, 4 ist die Verfolgung von Seiten der jüdischen Synagoge ihnen noch nicht bis an’s Leben gegangen; wie nun das göttliche Trostwort in V. Z: »ich will dich nicht verlassen, noch versäumen« sie stark machen soll, jene Art Leiden, wenn sie aber- mals davon betroffen werden sollten, getrost über sich ergehen zu lassen, so soll das gläubige Bekenntnißwort in V. 6: »der HErr ist mein Helfer, und will mich nicht fürchten; was sollte mir ein Mensch thun?« sie rüsten für solche Zeiten, wo etwa auch diese Art Leiden über sie hereinbrechen würde, und das Wort sollte ihnen wirklich zum Herzenseigenthume werden durch Anschauen des Gläubensendes ihrer Lehrer und Vorsteher, unter denen wir wohl hauptsächlich die beiden Jakobusse, Jakobus I. (Apostg. 12, 1 f.) und Jakobus 11. (Anh. Il: b, 3), besonders aber den letz- teren und mit ihm noch einige andere Glaubenshelden zu verstehen haben, die nach dem zu Kap. 10, 34 Mit- getheilten der Verfolgungswuth des Hohenpriesters Hannas II. zum Opfer fielen. «) Dieser als Loosungswort für das christliche Leben hingestellte Satz, der durch den Mangel eines Zeitworts einen interjeetionsartigen Charakter an- nimmt, hat zunächst sein Absehen auf den vorigen Vers: ,,Jesus Christus, gestern und heut derselbe« ist das verbindende Mittelglied zwischen den heimge- gangenen Vorstehern und den noch zurückgebliebenen Gen1eindegliedern; derselbe Christus, der jene gekräftigt hat zu ihrem Glaubenslanfe bis zuihrem glorreichen Aus- gange, wird auch die letzteren kräftigen in dem Streben, ihnen nachzueifern, so daß das ,,gestern« mit bewußter Absichtlichkeit auf die Zeit sich bezieht, da die heimgegan- genen Vorsteher noch lebten und wirkten, und das,,heute« auf die gegenwärtige Zeit, in welcher die Leser des Briefes leben, worauf dann zum 8eugniß, daß, was» von dem derzeitigen Gestern und Heute gilt, auch für jedes noch künftige Gestern und Heute gelten werde, noch ein ,,derselbe auch in Ewigkeit« hinzugefügt ist. Und da zu jeder Zeit Christus für alle Christen der- selbe ist, so kommt es darauf an, daß, wie V. 9 fort- fährt, das Herz in der Erkenntnis; dieses Einen fest werde undvsich weder nach rechts noch nach links von diesem ewigen Leitstern ableiten lasse. (Kurtz«.)· Jn welcher Beziehung die Selbstgleichheit Jefu Christi hier gemeint ist, kann nicht zweifelhaft sein· Jn zwei Ve- ziehungen deutete Vers 7 auf ihn hin: er war der eentrale Jnhalt des Gottesworts, welches die nun Vollendetem damit es gläubig» aufgenommen werde, verkündigten; er war der Anfänger und Vollender des Glaubens, den sie bis an’s Ende bewährten. Jn beiden Beziehungen ist er noch heute derselbige: so- wohl in der Gegenftändlichkeit, in welcher das Wort ihn dem Glauben vorhält, als in der Selbst- erweisung seines der Fürsorge für die Seinen ge- weiheten göttlichen Lebens; er ist der Gleiche als Objekt des Glaubens und als Subjekt der Gnade, aus welcher dieser Glaube entsteht und reift und endlich die Frucht des Schauens bringt. Wie Mose in Pf. 90, 2 ff. von Jehova sagt, daß er, der HErr, Gott war, ehe die Welt ward, und daß sein göttlich Sein aus unbegrenzter Vergangenheit in un- begrenzte Zukunst reicht, daß seine Allmacht das Ent- stehen und Vergehen hienieden überwaltet und daß für seine Ewigkeit ein jahrtausendlanger wechselvoller Verlauf ein verschwindend Moment ist: so sagt unser Verfasser von Jesu Christo, daß er mitten im Gehen und Kommen der Generationen der diesseitigen Ge- meinde immer derselbe bleibt und weder in der Be- ziehung der Seinen zu ihm, noch in seiner Pe- ziehung zu den Seinen einer Wandelung unterliegt. Welch eine ernste Warnung liegt darin, das em- pfangene Gotteswort von Christo, das eine, reine, 926 Ebräer 13, 17—21. nicht mit mancherlei fremdartigen Lehren, und die allein das Herz getrost machende Gnade Christi nicht mit wirkungslosen speisegesetzlichen Heiligungsmitteln zu vertauschenl (Delitzsch.) · » IN) Was Jesus Christus Ist, das soll er, wie gestern, so heute den Lesern sein, nicht jetzt ein An- derer, als da sie an ihn gläubig wurden; da ist denn auch die Lehre, an die sie fich halten sollen, dieselbe, durch die sie zu ihm bekehrt worden sind. Darum fährt der Verfasser fort, sie sollen fich nicht durch ein buntes Mancherlei von Lehren, im Gegensatz zu der einen, die ihn zum Jnhalte hat, nicht durch fremde Lehren, die nichts mit ihr gemein haben und anders- woher kommen, von ihrem Standorte abdrängen und auf falschen Weg abtreiben lassen. (V. HofmannJ Er hat bei dieser Warnung die an die alttestamentlichen Gesetze über reine und unreine Speisen (3. Mos. 11) anknüpfenden, aber weit über dieselben hinaus- gehenden jüdischen Speisesatzungen im Auge und sagt nun, nicht das Bewußtsein, bestimmte, als rein oder besonders heilig geltende Speisen genossen (und andere vermieden Apostg. 10, 14) zu haben, sondern nur die Gnade Gottes in Jesu Christo könne dem Herzen die rechte Ruhe, Sicherheit und Festigkeit geben. (Riehm.) Uns will oft das Mannigfaltige und Fremde so reizen; darum braucht der Verfasser nun auch von dem, was zur Herzens-Festigkeit dient, so einen reizenden Aus- druck: ,,es ist ein köstlich Ding«. Ein jeder kann es an fich selbst wahrnehmen, ob ihm besser bei etwas Wenigerem, aber Gewisserem und das Herz Befestigen- dem, oder aber mit Ausgebreitetem, daneben aber Ungewissem und das Herz leicht Aufblähendem gedient ist. (Rieger.) f) Bisher war im ganzen Briefe gezeigt, daß der leVitifche Cultus und die durch ihn gewonnene levitische Reinheit entbehrlich sei, daß es kein Unglück sei, ihn zu missen; und so war eben noch in V. 9 gezeigt worden, daß die Sorge des Christen fich darauf richten solle, daß er in Bezug auf die Gnade fest werde, nicht in Bezug auf Speisesatzungem die ja nichts nütze seien. Jetzt hebt fich der Verfasser höher, er springt gleichsam aus der Defenfive in die Offensive; er sagt: nicht wir sind schlecht daran, sondern die Juden; nicht wir, sondern sie sind die Excommunicirten -—— wir essen von der wahren Opferspeise, auf die es ankommt, und von diesem unserem, dem messianischen, dem wahren Opfermahh sind sie, die Juden, aus- geschlossen. Dies ist der einfache und klare Gedanke von V. 10: »wir haben einen Altar, von dem nicht essen dürfen, die noch in der Hütte, dem alttestament- lichen Heiligthum, ihren Gottesdienst verrichten«. Offenbar denkt der Verfasser an das heil. Abend- mahl, das Mahl der Lebens emeinschaft und Ver- einigung mit dem für uns gestorbenen und nun er- höheten Heiland. (Ebrard.) Welches ist die Speise von unserm Altar, welche alle die, die der Hütte dienen, zu genießen kein Recht haben? Die Speise von un- serm Altar wird alles das fein, was, sozusagen, von dem Opfer Christi für uns abfällt: die Vergebung der Sünden, die Gewißheit des Gnadenstandes, das Recht einzugehen in die Nähe Gottes. Da aber dies alles gerade im heil. Abendmahl, und zwar als eine leib- lich-geistige, als eine irdischchimmlische Speise, uns ge- boten wird, da die Feier des heil. Mahles gerade der innerste Kernpunkt des Christenthums ist, so dürfen wir ganz gewiß an dieser Stelle den Gedanken an das Sacrament nicht ausschließen. (Fricke.) Die katholische Jdee des Meßopfers, mag man es nun als Wiederholung oder Fortsetzung des Opfers Christi oder als bildliche oder nachbildliche Darstellung des- selben betrachten, beruht auf Verkennung des Unter- schiedes, der zwischen dem Opfer und dem Opfermahl besteht; ein Opfermahl ist ja das heil. Abendmahl allerdings, aber durch das Opfermahl wird das ihm voraufgegangene Opfer weder wiederholt noch sym- bolisirt, sondern es ist die thatsächliche Aneignung der Frucht des dargebrachten Opfers (Harnack.) H) Jn V. 11f. wird nachgewiesem wie gerade der von den Juden verstoßene Jesus, trotzdem, daß er verstoßen war, ja gerade weil er verstoßen wurde, das rechte Opfer sei, und in V. 13 f., daß folglich gerade die von den Juden verstoßene Schaar der an ihn Gläubigen, trotzdem daß, ja, weil sie verstoßen werde, das rechte Israel sei. Die Begründung ist sehr tief, gleichwohl überaus klar. (Ebrard.) Der Verfasser denkt bei dem, was er in V. 11 f. sagt, ohne Zweifel vorzugsweise an die Sündopfer des Ver- söhnungstags, welche der Gesammtschuld der Gemeinde und nicht blos des Hohenpriesters, sondern zugleich seiner Familie und der ganzen Priesterschaft galten; gemäß jener gesetzlichen Anordnung nun, daß die Leiber der Sündopferthiere des großen Tags außer- halb des Lagers Jsraels in der Wüste, welchem jetzt der Umkreis Jerusalems entsprichh zu verbrennen seien (eine Anordnung, welche, wie in dem ,,darum« zu Anfang des 12. Verses fich andeutet, als weissagender Gotteswille nicht ohne Erfüllung, nicht ohne wesen- hafte Gegenbildlichkeit bleiben konnte), hat Jesus, das gegenbildliche Versöhnopfer der Gesammtgemeinde, außerhalb des Thors und also des Stadtbereichs ge- litten, und zwar vereinigt der Vorgang auf Golgatha die Gegenbilder aller drei Akte, der Schlachtung im Vorhof, der Ophferung auf dem Altar und der Ver- brennung außer alb des Lagers in fich, während der Darbringung des Blutes, welches der in’s Aller- heiligste eingehende Hohepriester verrichtete, die himm- lifche Darbringung des zu Gott Erhöheten (Kap. 9, 24) entspricht (Delitzfch.) Wie die Jdee, daß das alttestamentliche Bundesvolk als solches keine Ge- meinschaft mit dem gekreuzigten Christus habe (V. 10), in dem Ritus des Versöhnungsopfers ihren Vorbild- lichen Ausdruck gefunden (V.11), so sollte dieselbe auch bei der Darbringung des wahren Versöhnungs- opfers ihren anschaulichen, in die Augen fallenden Ausdruck finden (V. 12): wer denn von dem neu- testamentlichen Versöhnungsopfer essen will, der muß fich hiernach entschließen, fich nicht nur von den alt- testamentlichen Gefetzesbestimmungen über Essen und Nichtessen los zu sagen, sondern auch überhaupt aus der ganzen alttestamentlichen Ordnung und aus der Gemeinschaft des alttestamentlichenBundesvolks heraus- zutreten; und wer es nun zu schätzen weiß, welches große Vorrecht und welches Heil ihm damit geschenkt ist, daß er mit dem Gekreuzigten Gemeinschaft hat und die Güter genießt, die Gott uns in dem Ge- kreuzigten darreicht, der wird fich auch nicht weigern, von der Christum treffenden Schmach das ihm be- schiedene Theil willig zu tragen (V, 13), und wenn Christen hier auf Erden eine bleibende Stadt über- haupt nicht haben, so haben sie dieselbe auch nicht an dem irdischen Jerusalem, ihre Heimath ist vielmehr das neutestamentliche himmlische Gottesreich der Voll- endung, und diese Stadt suchen sie (V. 14). So for- dert der Verfas er seine Leser auf, ihr ganzes bis- heriges Verhältniß zu der Gemeinschaft der im Un- glauben beharrenden Juden aufzulösen, fich von der christusfeindlichen Synagoge völlig loszusagen und auf die Theilnahme am Tempelcultus für immer zu ver- zichten. (Riehm.) Gott mache euch fertig in allem guten Werk, zu thun seinen Willen! 927 fis-f) Seit der Knecht Gottes draußen auf Golgatha gelitten und in dem Feuer verbrannt worden ist, von welchem Jefaia 50, 11 redet, hat Gott seinen Willen und sein Wohlgefallen aus dem gesetzlichen Opfercultus zurückgezogem es giebt zwar noch Gott wohlgefallige Opfer, aber nur die aus Grund des Einen allgenug- samen Sühnopfers, das wir ihm, dem Vater Jefu Christi, verdanken, dargebrachten Opfer lobpreisenden Bekenntnisses und wohlthätiger Liebe. (Delitzsch). Die jüdischen Opfer thun nicht mehr noth, ihre Zeit ist dahin: sie waren, ehe Christus kam, eine Weissagung auf ihn; jetzt, da er gekommen ist, würden sie eine Verleugnung Christi sein, eine Erklärung, daß er nicht sei, der da kommen sollte, sondern wir eines Andern warten müßten. Wenn wir nun aber als Christen nicht in irgend einer Weise mit den Juden oder wie die Juden opfern dürfen, so müssen wir doch Gott Opfer darbringenx aber, wohl gemerkt, durch ihn, durch Christum müssen. wir Gott opfern —- ohne ihn kann Gott nichts gefallen. Welches aber sollen unsre Opfer fein? Einmal, wir müssen Gott opfern, in- dem wir seinen Namen bekennen, gerne beten, loben und danken; zweitens, wir müssen Gott opfern, in- dem wir Gutes thun an unserm Nächften, Liebe üben und Wohlthaten ausftreuen. Solche Opfer, aber auch nur solche, gefallen Gott wohl, andre aber nicht. (Fricke.) Von diesem wahrhaftigen Dienst des lebendigen Gottes ist der alttestamentliche Gottesdienft so verschiedem daß man letzteren eigentlich gar nicht als ein wirk- liches Gott Dienen, sondern nur als ein Dienen der Hütte (V. 10) bezeichnen kann. (Riehm.) 17. Gehorchet euren Lehrern [die jetzt der Gemeinde vorstehen V. 7; 1. Thess. 5, 12 f.], und folget ihnen fwidersprecht also nicht, wenn ihr Mahnen und Lehren mit euren eigenen Willensmeinungen in Widerstreit geriith, gleich als müßtet ihr diesen Geltung verschaffen]; denn sie wachen smit dem, was sie euch sagen und ge- bieten] über eure Seelen, als die da fdem HErrn bei feiner Wiederkunft 1. Petri b, 4] Rechenfchaft dafür sdaß niemand unter euch durch ihre Schuld verloren gegangen Hes Z, 17 ff.; 33, 2ff.] geben sollen, auf daß sie das lsolch Wiichteramt zu treiben] mit Freuden thun und nicht mit Seufzen swie es der Fall sein würde, wenn ihr ihnen durch Unbotmäßigkeit ihr Amt erfchweren wolltet]; denn das ist euchuicht gute« fvielmehr würde es euch unermeßlichen Schaden bringen, indem es dann wirklich dazu kommen könnte, daß ihr Christum verlieret und mit ihm die ewige Selig- keit Kap· 10, 26 ff.; 12, 25 ff.; Gal. 5, 4]. 18. Betet für uns sdie wir hier in der euch fernen Heidenwelt das Evangelium treiben 1.Thess. 5, 25; 2. Thess s, I; Gphes 6, 19 f.; Col. 4,3]. Unser Trost [aber, wenn wir mit solcher unsrer Arbeit bei Manchen nicht gut angeschrieben stehen, gleich als wandelten wir verkehrte Wege] ist der, daß wir ein gut Gewissen haben sin Betreff un- sers Vornehmens] nnd fleißigen uns sin unsrer ganzen Lebensweise, die freilich nicht nach dem Muster der jüdischen Satzungen eingerichtet ist], guten Wandel zu führen bei allen fkann auch heißen: in allen Stücken, so daß wir nichts uns zu Schulden kommen lassen, was gerechten Anstoß erregen könnte] 19. Jch ermahne euch aber zum Ueberfluß sum so angelegentlicher], solches zu thun snämlich für uns zu beten], auf daß jch aufs Schierste wieder zu euch komme «« [Philem. 22·, nachdem ich diese letzten Jahre daher nicht bei euch ge- wesen Apostg. 27, 1 ff.]- 20. [Der] Gott aber des Friedens [1. Theil· 5, Z; Röm. 15, 33; »16, 20; Phil. 4, 9], der von den Todten ausgefuhret hat den großen Hirten der Schafe, swelcher das, nämlich der große Hirte der Schafe, des Moses erhabenes Gegenbild Jes. 63, 11., geworden] durch das Blut des ewigen Testaments sdas er am Kreuze vergossen und da- mit die Schase sich zu eigen erworben hat Apoftg 20, 28; Joh 10, 12 ff.], unsern HErru Jesum, 21. Der mache euch fertig iu allcm guten Wert, zu thun feinen Willen [1. Petri 5,10; Col. l, »9ff.·], und schaffe in euch, was vor ihn: ge- fallig ist [Phil.2,13z Ephes.5,10], durch Jesum Christum [der, wie er selber der von den Todten Ausgesührte ist, so auch euch einmal sicher aus der Verderbensstätte heraussühren kann 2. Mos. 2, 10 AUUL U, welchem sei Ehre von Ewigkeit zu EwtgkeiHlt [Gal. l, Z; Z. Tim. 4, 18; 2. Petri s, 18]! Amen. s) Man sieht aus dieser Ermahnung, daß die Ge- meindevorsteher fest standen; vielleicht hatten sie dem Verfasser des Briefs (der wohl während der Zeit der Gefangenschaft des Paulus zu Cäsarea Apostg. 24, 23. 26 f. in engerem Verkehr mit ihnen gestanden hatte Luk 1, Z) den in der Gemeinde sich regenden Abfall geklagt, denn es ist gar nicht anders möglich, als daß die Glaubensgesunden unter den hebräischen Christen sich um so mehr zu Paulus und seinen Mitarbeitern hingezogen fühlen mußten, je mehr die Gefährlichkeit der zwischen Judenthum und Christen- thum halbirten Denk- und Lebensweise der Meisten an’s Licht trat. Wenn nun der Verfasser den Lesern zutraulichen Gehorsam und nachgiebige Willfährigkeit gegen die Vorsteher (durch deren Vermittelung er dann auch die Epistel zur Kenntniß der Gemeinde brachte) zur Pflicht macht, so braucht man deshalb noch nicht anzunehmen, daß ihr Standpunkt in allen Stücken der paulinische war, wohl aber muß es ihnen uin’s Chriftenthum ein lauterer, entschiedener, ganzer und voller Ernst gewesen sein (und bei ihnen zunächst, darauf durfte der Verfasser rechnen, fiel der Same feiner Belehrung und seines Zuspruchs auf einen em- pfänglichen Boden). Wenn er nun feine Ermahnung an die Gemeindeglieder damit begründet: »denn sie wachen über eure Seelen, als die da Rechenschaft dafür geben sollen«, so gemahnt er auch die Gemeinde- oberen selbst, obwohl nur indirekt und in zartester Weise, der auf ihnen liegenden schweren Verantwort- lichkeit. (Delitzsch.) ,,Jch wundere mich, ob es möglich sei, daß ein Geistlicher selig werde«, sagt Chrysostomus bei Betrachtung des Worts: »fie wachen über eure Seelen, als die da Rechenschaft dafür geben sollen«; möchten aber auch eben so sehr die Glieder der Ge- meinde dies Wort zu Herzen nehmen, die, statt wie 928 Ebräer 1 Z, 22——25. Schafe, sich gleich Wölfen gegen ihre Hirten Verhalten! (v. Gerlach.) Tadelsuchh Grübelei, Selbstklugheit soll man nicht mit der Gewissensfreiheit, alles selbst prüfen zu dürfen, bedecken wollen, noch sich der schuldigen Folgsamkeit unter dergleichen Vorwand entziehen: soviel jedem anliegt, nicht Schaden zu nehmen an seiner Seele, soviel ist insgemein auch wahre Achtung für das Predigtamt in ihm, und umgekehrt. (Rieger.) Aus den Worten: »Unser Trost ist der, daß wir ein gutes Gewissen haben« (d. i. daß unser Ver- halten dem Sinn und Willen Gottes gemäß und unser Verhältniß zu ihm durch keine Unlauterkeit getrübt ist) sieht man, daß Lehre oder Leben des Verfassers oder beides zugleich unter den Hebräern bemißtraut wurde und verdächtigt worden war; es ist der alte, immer noch ungebrochene Widerstand und der alte üble Leu- mund, mit welchen die paulinische Predigt und ihre Träger in den judenchristlichen Gemeinden zu kämpfen hatten. Der Verfasser kommt der daraus möglicher- weise entstehenden Lähmung oder Trübung ihres für- bittenden Gebets, dem er sich und die Seinen empfiehlt, zuvor; und er insonderheit bedarf dieser Fürbitte, deren Erhörung nicht ihm allein, sondern auch den Betenden zugute kommen wird. (·Delitzsch.) Aus dem ,,euch zurückgegeben werde« (Lnther: ,,wieder zu euch komme«) ersieht man, der Verfasser ist den Lesern kein Fremder, sondern hat früher bei ihnen geweilt; er ist Willens und im Begriff, wieder zu ihnen zu kommen, so aber, daß seine Hinkunft durch Umstände, von denen es abhängt, verzögert oder beschleunigt werden kann. (v. Hofmann.) Man kann die Anfangsworte des 19. Verses auch so mit einander verbinden: ,,ich er- mahne euch aber, um so angelegentlicher solches zu thun«; dann spricht sich desto bestimmter von Seiten des Verfassers das Bewußtsein aus, wie sehr seine Hinkunft den Lesern Bedürfniß ist, wenn auch sie selber zur Zeit das noch nicht klar erkennen. Nun kann die Erfüllung des in Kuh. 6, 8 ausgedrückten Versprechens hier weniger in Betracht kommen; dagegen hat der Verfasser, nachdem er in V. 13 f. schon sehr merklich auf die bevorstehende Nothwendigkeit eines Auszugs aus Jerusalem auch im leiblichen Sinne hingewiesen, in V. 20 f. diesen Auszug aus der dem Verderben geweiheten Stadt ganz bestimmt vor Augen, wie seine Bezugnahnien auf Jes. 63, 11 und vielleicht auch auf Sach. 9, 11 deutlich erkennen lassen, und er ist sich ohne Zweifel bewußt, daß er dazu berufen sei, solchen Auszug zu ordnen und zu leiten, wenn die rechte Zeit und Stunde dazu kommen würde. Dazu war denn auch Lukas, den wir für den Verfasser halten, bei seinem klaren Geistesblick und seiner prophetischen Gabe ganz besonders geeignet; dagegen meint P· Lange, der Apostel Simon von Kana (Matth. 10, 4) habe der Gemeinde diesen Dienst geleistet, und bemerkt dann auf Grund dieser Annahme: ,,es war ein Wunder der göttlichen Gnade, daß Simon, der ehemalige Zelot, die Christenkirche vor der verderblichen Raserei des Zelotismus in Jerusalem nach Pella zu flüchten be- stimmt war«, — zwar ingeniös, aber unhistorischl sitt) Zuvor hieß es: ,,betet für uns-«; und nun bittet er auch für sie, und da haben die Namen, die er Gott und Christo beilegt, ihren Bezug auf das, was er für sie auf dem Herzen hat. So zunächst der Name: »Gott des Friedens«. (Rieger·) Da in V. 18 sich andeutete, daß die Empfänger es Schreibens von Vorurtheilen gegen die Person des Verfassers befangen seien, so liegt in der Bezeichnung Gottes als dessen, der den Frieden wirkt, die Hoffnung ausgesprochen, daß er alle diese Vorurtheile hinwegräumen und ein volles Einverständniß zwischen den Lesern und dem Verfasser herbeiführen werde. (Liinen1ann.) Mit der Bezeichnung Christi: »der große Hirte der Schafe« erinnert der Verfasser an die Stelle bei Jes 63, 11; aus dem, was der HErr an Mose gethan hat, als er ihn aus dem Meere, das ihn nicht verschlingen durfte, herauf, durch das Meer wunderbar hindurchführte, entnimmt er den Ausdruck für das, was Gott an Jesu gethan hat, als er ihn aus der Todtentvelt herauf- brachte, und war nun Mose der Hirt des alttestament- lichen Volkes Gottes, so ist unser HErr Jesus der große Hirte des neutestamentlichen — ihn durfte der Tod nicht behalten, sondern mußte ihn freigeben, daß er das Volk Gottes in die Gottesruhe führe. i(v. HofmannJ D. Ver Verfasser schließt nun sein Schreiben mit der Bitte um freundliche Aufnahme desselben, giebt eine kurze Uactsrirlit über Timotheuz in dessen Gemeinschaft er zu kommen gedenkt, bestellt Grüße und richtet solche aus, und fügt in paulinischer Weiserinen Jtbstl)iedI-Segeng- Wunsch hinzu, der zwar sehr lturz gefaßt ist, aber das xhöclsslc in sich begreift, wag gerade jcht den Lesern ganz besonders noththuh wenn ihr gegenwärtiger fibler Christen— stand noch einen guten Ausgang nehmen soll. 22. Jch ermahne euch »aber snun zum Schlusse eilends, lieben Bruder, haltet das Wort der Er- mahnung sdas Ich mit dieser Epistel an euch ge- richtet habe Apostg 13, 15] zu gute sdaß ihr nicht eine Anmaßung meinerseits darin erblicket, sondern nehmet es freundlich und willig auf]; denn ich habe euch [im Vergleich mit dem, was ich alles hätte sagen können, nur] kurz geschtiebenk fund also vielmehr mich gemäßigt, statt in An- maßung zu verfallen I. Petri 5, 12]. 23. Wissen daß der Bruder Timothens saus seiner Gefangenschaft in der Prozeßsache des Pau- lus Anh. II zum 6. Bande: c, Z] wieder ledig ist; mit welchem, so er bald szu mir hierher, nach meinem gegenwärtigen Aufenthaltsort] kommt, will ich euch sehen« sandernfalls freilich müßte ich allein von hier abreisen, denn ich gedenke, wie ich oben V. 19 sagte, auf’s Schierste wieder zu euch zu kommen]. » 24. Gtußet alle eure Lehrer [genauer: Vor- stehe; V. 17] und alle Heiligen [Kap. e, 10]. Es grußen euch die Bruder aus Italien sdie hier bei mir sind und mir Nachrichten aus Rom ge- bracht haben Anh. II: c, 3]. 25. Die Gnade sei mit euch allenttt [Tit. 3, 15; Pf. 106, 4]! Amen. V) Es ist dies das erste Mal im Briefe, daß der Ver- fasser von sich im Singular redet. Sehr bezeichnend nennt er sein Schreiben »ein Wort der Ermahnung«; der ganze Jnhalt desselben läuft ja darauf hinaus, die Leser zur Glaubensbeständigkeit zu ermahnen und gegen Abfall und Kreuzesfluchtzu wappnem und vielleicht ist das auch nicht ohne Einfluß auf die Benennung, daß es erst gegen Ende von der Form der Abhandlung und der Rede in die eines Briefes einlenkt. Das bit- tende »haltet zu gute« erklärt sich daraus, daß der Verfasser nicht in nächstem amtlichem Verhältniß zu den Lesern steht und überhaupt nicht die Auctorität seines Amtes ihnen gegenüber geltend macht (Röm. 15, 14 ff.), sowie daraus, daß er ihnen nicht ernste Rüge erspart und die Gefahr des Abfalls in allerdings Schluß der Epistel und Schlußbemerkungen zu derselben. 929 grauenerregender Weise vorgehalten hat; aber er hat, was er ihnen· zu sagen hat, auf’s Kürzeste zusammen- gefaßt. (·Del1tzsch.) · · · VI) Die Unterschrift unter dem Brieset »geschr1eben durch Timotheum« beruht auf einer andern Auf- fassung der griech. Worte, welche Luther mit ,,wieder ledig ists« übersetzt hat; allerdings können dieselben auch heißen: ,,(von mir) abgefersztiget ist (um euch diesen Brief zu überbringen)«, allem abgesehen davon, daß nun das Folgende: ,,mit welchem, sobald er kommt, will ich euch sehen« in einem Sinne genommen werden müßte, der sehr verwickelter Art wäre, müßte man zugleich den Apostel Paulus für den Verfasser des Briefs erkennen, und das wiederum würde die weitere Annahme nöthig— machen, daß derselbe nicht an die Christen zu Jerusalem gerichtet sei, weil diese von Anfang bis zu Ende so sehr wider Paulum ein- 4, 16), daß er an sie auf keinen Fall mit einem Lehr- und Ermahnungsschreiben sich zu wenden wagen konnte. Es verhält sich also mit jener Unterschrift wie mit den meisten andern unter den paulinischen Briefen, s. Schlußbem. zur Epistel an die Römer. IN) Es ist Pauli eigenthümlicher apostolischer Schlußsegen und Scheidegruß, womit die Epistel schließt, die zwar nicht von des Paulus Hand herrührt, sondern mehr lukanisches als paulinisches Gepräge trägt, aber doch Pauli Geist athmet. Die Gnade ist es, die uns gerecht und frei und froh und fest (V. 9), die uns heilig, selig, herrlich macht, die Unser Heil anhebt, mittelt und vollendet, in der unser geistiges Leben wurzelt und aus der es wächst —- die Gnade, d. i. die unverdiente, schlechthin freie Erweisung der durch unsern HErrn Jesum Christum uns erworbenen, und in der ganzen Fülle ihres Reichthums zu uns sich genommen waren (Apostg. 22, 17 ff. ; 21, 20 ff.; Z. Tim. herabsenkenden göttlichen Liebe. (Delitzsch.) llbesrljrieben aus Italien, durch Cimotljeum (vgl. zu Kap. 13, 23)- Schlusibemetliungrn zur Epistel an die Christ. Wer auch der Verfasser des Briefs sein mag —- so bemerkt Thiersch ——, er hat die hebräischen Christen in der Prüfungsstunde, wo sie im Glauben und der Erkenntniß einen mächtigen Schritt vorwärts thun mußten, mit wahrhaft apostolischer Weisheit und Kraft getröstet und ermahnt; von allen Briefen der kanonischen Sammlung geht dieser am tiefsten in die Tiefe, er bietet wirklich starke Speise für die Erwachsenen in Christo, und ohne lebendige Aneignung dieser Wahrheiten giebt es kein Wachsthum der Kirche zur Vollkommenheit. Solcher Werth des Briefes bleibt derselbe, wenn er auch nicht, wie man vielfach angenommen hat, von Paulus ausgegangen ist: es ist wie mit einem Gemälde von vollendeter Schönheit, das für rafaelisch gehalten wurde; wird erwiesen, daß es nicht von Rafael, sondern von einem Andern stamme, so ist damit nicht ein klassisches Kunstwerk verloren, sondern ein Meister ersten Ranges mehr gefunden. Wir haben nun schon früher (Anm. zu Apoftg. 18, 2310 u. »28) uns dahin erklärt, daß wir weder, mit Tertullian den Barnabas, noch mit Luther den Apollos für den Verfasser halten können, und unsre Gegengründe gegen beide, auch von neueren Auslegern vielfach vertretene Ansichten dort angegeben; vielmehr stellen wir uns auf die Seite der neuesten Erklärer, welche ihre Blicke auf Lukas richten, und würde man diesem die Ehre der Ver- fasserschaft wohlnoch mehr, als es bis jetzt der Fall ist, zuzuerkennen sich entschließem wenn man sich von dem Vorurtheil loszumachen vermöchte, als sei derselbe von Geburt ein Heide und nicht ein Hebräer aus den Hebräerm wie man ihn für den Hebräerbrief bedarf, gewesen (Col. 4, 14 Anm.). Er wurde eben das für die Endgemeinde zu Jerusalem, was Barnabas diesem seinem, von den Aposteln ihm gegebenen Ehrennamen zufolge der Urgemeinde daselbst gewesen war, nämlich ein Sohn des Trostes, der ermahnenden Zusprache (Kap. is, 23; Apostg. 4, IS; Joh. 14, 18 Anm.). Ein solcher ,,Sohn des Trostes«, wie er im Verfasser des Hebräerbriefs der jerusalemischen Endgemeinde beschieden ward, wird über kurz oder lang auch denen noth thun, auf welche die Stimme vom Himmel in Offenb. 18, 4 gemeint ist: »gehet aus von ihr, mein Volk, daß ihr nicht theilhaftig werdet ihrer Sünden, auf daß ihr nicht empfahet etwas von ihren Plagen« Es ließe sich unschwer nachweisen, wie gläubige und ernstgesinnte Glieder der katholischen Kirche, indem sie für diese trotz ihrer Jrrlehren und Verschuldungen als für die allein seligmachende Kirche eifern und in zäher Anhänglichkeit an dieselbe für das göttliche Recht der evangelischen Kirche und deren erhabenen Beruf im Reiche Gottes so gar keinen Sinn haben, fast bis auf ein Haar jenen in der Entwickelungs- geschichte des apostolischen Christenthums zurückgebliebenen und nahezu wieder jüdifch gewordenen Hebräern gleichen, deren Bild in unsrer Epistel uns entgegentritt; es wird aber auch für sie eine Stunde schlagen, wo sie auf dem Wege dieser Richtung nicht weiter gehen, sondern derjenigen Christenheit sich zuwenden müssen, welche die Trägerin der Lauterkeit und Wahrheit ist, wenn sie nicht in das Endgeschick verwickelt werden wollen, welches in dem Klagelied des Propheten über den Untergang von Thrus in Hesek. 27 ihrer Kirche geweissagt wird. D ächsePs BibelwerkL V1l. Band. 59 Ylie llkpisiel St. Jakobi. Jakobus entwickelt nicht so, wie es in andern Briefen der Apostel geschieht, die christliche Lehre von der Versöhnung, Erlösung, von dem Wde Christi u. s. w., sondern sein Absehen ist vorzugsweise und direkt auf das praktische Christenthum, auf die Auswirkung des Glaubens zu einem gottseligen Leben, das sich vorzüglichin Liebeswerken erweist, sgerichtetz für diesen Zweck aber enthält der Brief eine Fülle der trefflichsten und ernstlichsten Erniahnungen und Anweisungen. Das 1. Kapitel. Von sgeduld im Kreuz und Leiden. A« Wie das wahrseheinlich von dem Apostel Jako- bus II. verfaßte Synodalaugschreilien in Kposig 15, 23 ff· nach Ztngabe der lzriefskhreiber nnd Bezeichnung der Brief— empsänger der griekhischen Grnßformel (2lpostg. W, As; l. Mart. 10, II) sich bedient, so thut dieser Apostel ein Gleiches in der Kufsrhrift des hier vorliegenden, nicht lange vor jenem Jiugsthreiben erlassenen llmlaufschreibeno an die zwölf Geschlechter des Hauses Israel in der Ber- sirenung (2lpostg. 15, 21 Anm.), nur daß unsre deutsrhe Bibel die Formel dorl übcrsetzt mit: ,,münschen ijeiks hier aber mit: Jrende zuoortc 1. Jakobus-« [Matth. 10, 4 Drum. Nr. 9], ein Knecht « Gottes [in des Wortes amtlicher Bedeutung 5. Mos 34, H] und des HErrn Jesu Christi ssudä 1; Phil. 1, 1], den zwölf Ge- schlechlern sJsraels Matth. 19, 28; Apostg sit, 7 ; Ofsenbsp 7- 4»ff.], die· da saußerhalb Paläst1na’s, ihres eigentlichen Heimathlandes wohnend] sind hin nnd her« [in den verschiedenen Heidenländern Apostg. L, 8 ff. zerstreuet 1. Moor. I, 11 Anm.]: Freude zuvor sApostg 23, 26]!« » V) Jn den vier Apostelverzeichnissen (Matth. 10, 3 f.; Mark. Z, 18; Lukas S, 15 f.; Apostg. I, 13) einerseits und den Angaben der beiden ersten Evan- gelisten über die Brüder Jesu (Matth. 13, 55; Mark. 6, 3) andrerseits begegnen uns drei gleichlautende Namen: 1- Jakobus, Alphäi Sohn, 1. Jakobus, 2. Judas Jacobi 2. Judas, (Thaddäus od.Lebbäus), Z. Simon von Cana Z. Simon, (genannt Zelotesl 4. Joses. Erwägen wir nun, daß diejenige Maria, die in Matth. 27, 565 Mark. 15, 40; 16, 1 u. Luk. 24, 10 als Mutter des kleinen Jakobus aufgeführt wird, d. i. des zweiten Jakobus, der unter den Aposteln (neben Jakobus, dem Bruder des Johannes) diesen Namen führte, und die in Joh. 19, 25 als die Schwester der Mutter Jesu (daher in Matth. 28, 1 die ,,andere« Maria genannt) und als des Cleophas Weib er- scheint, welcher Name ,,Eleophas« nur eine genauere griechischeUmformung des hebräischen Namens Ohalpaj für den andern Namen ,,Alphäus« ist, in Niatth 27, 56 u. Mark. 15, 40. 47 auch Mutter des Joses heißt, so wird damit schon uns von Haus aus die Ver- muthnng nahe gelegt, daß beide Namen-Reihen auf E (Klaiber.) eben dieselben Personen gehen, jene drei Apostel also: Jakobus, Judas, Simon, des HErrn Jesu Brüder gewesen sind, was wir nun, da ihr Vater Cleophas oder Alphäus und ihre Mutter die andere Maria, die Schwester der Mutter Jesu, war, natürlich nur in dem Sinne von Geschwisterkindern oder Vettern zu verstehen hätten. Jn solcher Vermuthung werden wir dadurch bestärkt, daß Judas, der Verfasser der- jenigen Epistel, die auf die hier vorliegende Jakobus- Epistel als letzte sämmtlicher Episteln des neuen Testa- ments folgt, sich ausdrücklich in V. 1 als einen Bruder Jakobi bezeichnet; denn ohne Zweifel ist dieser Jakobus ein und dieselbe Person mit jenem Jakobus, der in Apostg. 12, 17; 15, 13; 21, 18 als Vorsteher der Gemeinde zu Jerusalem auftritt, dieser aber war kein anderer als der Apostel Jakobus I1. Letzteren Satz will nun zwar eine große Anzahl von Schriftforschern nicht zugestehen, sondern behauptet da- gegen, die oben ausgeführten beidenReihen von Namen hätten es auch mit zwei verschiedenen Klassen von Personen, mit Aposteln einer- und Brüdern Jesu andrerseits zu thun; und so sei jener Jakobus, der unsre Epistel geschrieben und seit Jakobus des älteren, des Bruders des Johannes, Hinrichtung im J. 44 n. Chr. (Apostg. 12, 1f.) der jerusalemischen Gemeinde solange vorgestanden habe, nicht Jakobus I1., der Sohn des Alphäus und der andern Maria, sondern ein Jakobus 1lI., der Bruder Jesu als Sohn Josephs aus seiner Ehe mit Maria, der Mutter des HErrn. Diese Behauptung widerlegt sich jedoch aufs Aller- entschiedenste durch folgende Erwägungen: 1) Jn Apostg 1, 13 hat St. Lukas unter den Aposteln zuerst zwischen Petrus und Johannes einen Jakobus (Jako- bus l.) und dann zwischen Matthäus und Simon Ze- lotes einen Jakobus mit dem Zusatz: ,,Alphäi Sohn« (Jakobus 1l.) genannt; er hat nun allerdings unmit- telbar darauf (V. 14) gesagt: »diese alle waren stets bei einander . . . . sammt . . . . der Mutter Jesu und seinen Briidern«, aber wie diese Brüder geheißen, hat er weder hier, noch früher in seinem Evangelio (Kap. 4, 22; s, II) gesagt, noch sonst irgendwo auch nur im Leisesten angedeutet, daß neben den beiden Aposteln des Namens Jakobus es noch einen dritten Jakobus in der Genossenschaft Jesu und seiner Gemeinde ge- geben habe. Wie in aller Welt nun hätte Theophilus, für den Lukas sein Evangelium und die Apostel- geschichte zunächst geschrieben hat, darauf kommen sollen, daß, als dort Petrus nach der Hinrichtung des Ja- kobus 1. bei seinem Weggange von Jerusalem, um vor des Herodes Nachstellungen sicher zu sein, mit den Worten (Apostg.12, 17): ,,verkündiget das Jacobo und den Brüdern« einen Jakobus als nunmehrigen Vorsteher der jerusalemischen Gemeinde bezeichnet, darunter nicht Jakobus I1., der Apostel, sondern Ja- Aufschrift der Epistel: der Briesschreiber, die Briesempsänger und der Gruß. 931 kobus 111., der Bruder des HErrn im leiblichen Sinne, zu verstehen sei? Man sagt, er hätte das von selber wissen können, daß Jakobus, der berühmte Vorsteher der Gemeinde zu Jerusalem, nicht der Apostel Jako- bus Il., sondern Jakobus 111., der Bruder des HErrn, war, und hätte also nur an diesen letzteren denken können, wenn er jene Worte Petri las; wir dagegen behaupten, Theophilus konnte, da er den Verhältnissen der Gemeinde zu Jerusalem so fern stand, bei dem, was er hier las und was erweiterhin von dem Vor- steher Jakobus zu lesen bekam, nach der Hinrichtun des Jakobus 1. absolut nur an den einzig sonst no durch das Apostelverzeichniß m Luk. 6, 14 ff. und Apostg. 1, 13 von Lukas ihm namhaft gemachten Ja- kobus II. denken. Einen so wichtigen und bedeutsamen Mann, der so lange und so kräftig der judenchristlichen Kirche vorgestanden, eine eigene Epistel geschrieben und den Ehrennamen: ,,Bruder des HErrn« geführt hat (Gal. 1, 19), schiebt man sich nicht aus eigenen Gedanken als Jakobus 1lI. ein, wenn man von einem Apostel Jakobus Il. weiß, sondern man überträgt alle diese Prädikate auf eben diesen Jakobus 1I.; auch heute noch kommt beim Lesen der Apostelgeschichte kein un- befangener Leser auf diese Persönlichkeitx Jako- bus 111., wenn ihm dieselbe nicht erst von den Aus- legern eingeredet wird. P. Lange hat ganz recht, wenn er schreibt: ,,Sosort nach dem Tode des Ja- kobus I. tritt in der Apostelgeschichte wieder ein Ja- kobus, der diesen Namen schlechthin trägt, hervor; da ist es denn doch eine übermäßig-unwahr- scheinliche Annahme, daß unterdeß der Jakobus Alphäi (Jakobus Il.) in kurzer Zeit ganz spurlos vom Schauplatz verschwunden sein sollte, ohne in seinem Tode irgend einer Erwähnung vom Geschichtsschreiber gewürdigt zu werden, und daß nun plötzlich ein nicht- apostolischer Jakobus aufgetaucht sein sollte, der sogar eine hervorragende Stelle im Kreise der Apostel ein- genommen häite«. Es läßt sich aber auch L) schlech- terdings nicht begreifen, wie in Apostg. 15, 6 ff. u. 21, 18 ff. gerade die beiden am höchsten stehenden Apostel Petrus und Paulus der Auctorität des Jakobus in so ausschlaggebender Weise sich hätten unterstellen mögen, wäre dieser Jakobus nicht ebenfalls ein Apostel gewesen, sondern nur ein Mann, den man seiner leib- lichen Verwandtschaft mit Jesu wegen und um seiner hohen sittlichen Rechtschassenheit willen zum Leiter der Muttergemeinde in Jerusalem erhoben hätte, wie jene Verfechter eines Jakobus IIl. annehmen; das alles sind ja nur theils äußerliche, theils persönliche Vorzüge, im Vergleich mit welchen die von Christo selber über- tragene apostolische Würde doch unbedingt viel zu hoch steht, als daß die jerusalemische Gemeinde sollte nach einem Jakobus 111. gegriffen haben, wenn ihr der Jakobus Il. zur Verfügung stand. Endlich Z) ist es ein Widerspruch gegen das Zeugniß der Schrift selber, wenn man oben den vier Brüdern in der zweiten Reihe den Joseph und die Maria zu Eltern giebt, während doch in Matth. 27, 56; Mark. 15, 40. 47 dieselbe Maria, des Cleophas Weib (Joh. 19,25), die des kleinen Jakobus, d. i. des Apostels Jakobus Il., Mutter heißt, auch des Joses Mutter genannt wird, woraus ja deutlich hervorgeht, daß eben Alphäus oder Cleophas und die andere Maria (Matth. 27, 61) die Eltern jener vier Brüder waren. Aber warum sperrt man sich denn eigentlich so sehr gegen die An- erkennung, daß die oben vorgeführten beiden Reihen von Namen nicht zwei Klassen von Personen, sondern nur dieselben Personen in einer zwie- fachen Beziehung in sich schließen? Allerdings bereiten diejenigen Stellen, wo Von den Brüdern des HErrn gesagt wird, daß sie bei seinen Lebzeiten nicht an ihn glauben wollten, sondern erst nach seiner Auf- erstehung zur Gemeinde seiner Gläubigen sich hielten (Joh. 7, 3 ff.; Apostg 1, 14), wenn man sie auf die in Matth. 13, 55 u. Mark. 6, 3 bei Namen genannten vier Brüder bezieht, solcher Anerkennung einen Stein des Anstoßes, über den nicht hinwegzukommen ist; aber da sollte man doch darauf achten, daß die Leute zu Nazareth in Piatth 13, 56 u. Mark. S, 3 von den Schwestern Jesu ausdrücklich sagen: ,,sind sie nicht alle allhie (in Nazareth) bei uns?« während sie von seinen Brüdern nur die Namen anführen, also be- stimmt genug zu verstehen geben, daß diese Brüder ihre Vaterstadt verlassen und anderswohin sich ge- wendet haben. Wie nun der letztere Umstand es nahe legt, daß drei von diesen Brüdern in Jesu Jünger- schaft eingetreten, die beiden Marien aber, des HErrn Mutter und des Cleophas Weib, mit Joses nach Kapernaum übersiedelt waren (vgl. zu Matth. 8, 15 u. 12, 22 und dazu die Stelle Joh. ·2, 12), so legt es der erstere Umstand nahe, daß die in Nazareth zurück- gebliebenen Schwesterndaselbst verh eirathet und nun deren Ehemänner die ungläubigen Brüder Jesu waren; denn die Bezeichnung ,,Bruder« ist für den Jsraeliten ein gar weitschichtiger Begriff und umfaßt alle Verwandtschastsgrade und alle Beziehungen, in welchen die verschiedenen Glieder einer Sippschast zu einander stehen, in sich (vgl. außer den zu Matth. 19, 2 angeführten Stellen noch 1· Mos. 29, 12; Z. Kön. 10,13). Wir haben diese unsre Ansicht zu Matth. 19, 2 u. Joh. 2, 10; 7, 5 näher begründet, zu Matth. 1, 25 u. 2, 23 aber auch nachgewiesen, warum wir es für rein undenkbar erachten, daß der HErr leibliche Geschwister aus der Ehe Josephs mit Maria sollte ge- habt haben; wir sind uns bewußt, daß wir mit solcher Ansicht das Verständniß der Schrift nicht verslachen, sondern vertiefen, auch keineswegs der göttlichen Be- stimmung der Ehe (1.Mos.1, 28) zu nahe treten, wenn wir des Spruches eingedenk sind: ,,Eines schickt sich nicht für Alle-«, und haben dafür einen Anhalt an dem Worte Christi in Matth. 19, ll f., an dem Worte Pauli in 1. Cor. 7, 5 u. 7 und an der Cha- rakteristik der Zionsgemeinde in Ofsenb. 14, 4. - sit) Nicht als ein noch neben und außer dem Glauben an Christum nothwendiges Mittel zur Recht- sertigung galt dem Jakobus das mosaische Gesetz, wie nachmals den von judaisirenden Lehrern irregeleiteten Heidenchristen in den paulinischen Gemeinden, sondern als die von Gott dem Volke Jsrael nun einmal sestgesetzte Norm des Lebens, nach der auch die an Christum gläubig gewordenen Juden sich zu richten hätten im freien Gehorsam der Kinder Gottes (Matth. 17, 25 sf.; 23, Z; 24, 20); darum, so sehr er auch bei seinem Glauben an Christum ein Jude blieb, konnte er doch auf dem Apostelconcil zu Jerusalem im J. 50 von Herzen darein willigen, daß das Heil in Christo Jesu den Heiden gebracht würde, ohne sie erst unter das Gefetz Jsraels zu stellen (Apostg. 15, 5 sf.), und wie Paulus unter Umständen sich seinem Standpunkt anbequemte (Apostg. 21, 18 sf.), reichte hinwiederiim er dem Paulus die rechte Hand, ihn zu einem gesegneten Wirken unter den Heiden nach Maß- gabe der eigenen Grundsätze entlassend (Gal. 2, 9 f.). Es war eben der innere Entwickelungsganå beider Apostel ein verschiedener, darum auch ihre tellung zum mosaischen Gesetz eine andere; und nun bediente der HErr des einen sich zu diesem und des andern zu jenem Werke, das er zur Förderung seines Reiches hinausführen wollte. Seinem Pharisäismus gemäß hatte Paulus ehemals das Gesetz als das Mittel 5979 932 Jakobi 1, 2—4. angesehen, die Gerechtigkeit zu erlangen, war aber mit solcher Ansicht gründlich zu Schanden geworden und hatte seinen Frieden erst gefunden, als er durch den Glauben an Christum vom Gesetz frei wurde; darum fühlte er sich auch in Christo als dem mosaischen Ge- fetz abgestorben und einziZ in dem Gesetz Christi lebend (Röm. 7, S; 1. Cor. 9, ·1) und konnte denen, die ohne Gesetz waren, den Heiden, werden ,,als ohne Gefetz«. Jakobus dagegen, in Häusern aufgewachsen von derjenigen Art, wie das des Zacharias und der Elisabeth war, da man im Glauben an den von Gott mit seinem Volk geschlossenen Gnadenbund das Gesetz als Zeugniß dieses Bunde-s betrachtete und feine Freude und seinen Trost daran hatte (Luk. 1, 6; Pf. III, 92; 19, 8 ff.), hatte bald von Anfang seiner Jiingerschaft Christi den Mund des HErrn sagen hören: ,,ihr sollt nicht wähnen, daß ich kommen bin, das Gesetz oder die Propheten aufzulösen; ich bin nicht kommen aufzulösen, sondern zu erfüllen«, und hatte in der Bergpredigt und aus dem eigenen Wan- del des Meisters eine Gerechtigkeit kennen lernen, die besser war, denn die der Schristgelehrten und Pharisäer; und nun dieser nachzujagem wußte er durch Den, der von Gott uns gemacht ist, wie zur Weis eit und Gerechtigkeit, so auch zur Heiligung und r- lösung, mit Kräften der zukünftigen Welt sich aus- gerüstet, daher er auch alles daran fetzte, dem Gefetz in aller Beziehung gehorsam zu sein. So konnte er, was dem-Paulus mehr seine gelegentliche Auf- gabe war, die er aus selbstverleugnender Liebe zu seinem Volke erfüllte, denen nämlich, die unter dem Gesetz waren, zu werden »als unter dem Gesetz«, auf daß auch sie er ewinne (1. Cor. s, 20), zu seiner eigentlichen Au gabe machen, bei der er viel mehr seinem eigenen Herzensbedürfniß Genüge leistete, als daß er von seinem Standpunkte hätte heruntertreten und sich selbst verleugnen müssen. Durch ihn machte, wie wir anderwärts schon erinnert haben (Apostg.12, 17 Anm.), Christus seinen letzten und höchften Liebes- verfuch, die Juden als Nation für sein Reich zu e- winnen (Matth. 23, 37). Hat ein andrer Schr1st- erklärer ihn als den letzten, einnehmendsten Ausdruck des Evangeliums an das jüdische Volk bezeichnet, so möchten wir unsrerseits ihn der dunkelrothen Gluth vergleichen, in welche die Sonne sich hüllt, wenn sie des Abends untergehen will. Nach der Tödtung auch dieses Glaubenszeugen sollte ja das Maß der Sünden- schuld des jüdischen Volks voll sein und die Nacht für lange, lange Zeit hereinbrechen (Matth.23,35); darum färbte die Gnadensonne vor ihrem Untergehen sich noch einmal so brennend roth in ihrem letzten Heils- boten und leistete das Höchste, was die Liebe thun konnte, um die verftockten Herzen wo möglich noch zu gewinnen. Auch Josephus hat hiervon etwas geahnt, wenn er nach des Eusebius Bericht sich dahin äußert, alles Leid der Zerstörung Jerusalems sei den Juden widerfahren zur Rache für Jakobus den Gerechten, welcher, obwohl er nach Aller übereinstimmendem Ur- theil der Gerechteste gewesen, nichts desto weniger von ihnen getödtet worden. Dieser feiner Stellung zu Jsrael und seinem Berufe an dasselbe gemäß, da es bis jetzt noch nicht selber auf das christliche Heil für immer verzichtet und seine Verstockung mit der Er- mordung auch des letzten Glaubenshelden besiegelt hatte, sieht denn Jakobus die noch bestehenden Juden ebensowohl als geborene Lehrschüler des Christen- thums an, wie er in den schon vorhandenen Juden- Christen gleich dem Apostel Paulus (Gal. 6, 16) die wahren Glieder des Volkes Jsrael erblickt; wenn er also an die zwölf Stämme sich wendet, so scheidet er nicht zwischen den Genossen der alten und denen der neuen Religions - Gemeinschaft, wie er denn auch ihre Versammlung in Kap. 2, 2 noch nicht ecclesia (Kirche), sondern noch synagoge (Schule) nennt (vgl. Ofsenb L, 9 Anm.), sondern er hat (anders, als Petrus mit seinem »den erwählten Fremdlingen hin nnd her« in l. Petri l, 1) die Juden als seine theokratisch-nationalen Brüder im Auge. Nach ihrem edelsten Kern waren sie seine Glaubens- brüder in Christo Jesu ihm schon geworden, nach ihrem Berufe aber waren auch alle Andern bestimmt es zu werden; und selbst bei diesen letzteren, die von der Annahme des Christenthums noch nichts wissen wollten, besaß er vermöge seiner Anerkennung als eines ,,Gerechten« Auctorität genug, um ihnen etwas agen zu können. Dabei versteht es sich aber von elbst, was ja auch aus Kap. Z, 1. 7 u. 5, 7 f. so be- timmt als möglich hervorgeht, daß die eigentlichen Empfänger des Briefs diejenigen sind, die schon Christen geworden; daher auch der Apostel nicht blos als Knecht Gottes, sondern auch des HErrn Jefu Christi sich bezeichnet, von der Nähe des HErrn redet und noch sonst viele Beziehungen einslicht, die einen chriftlichen Standpunkt der Leser voraussehen. Es sind nur eben Leser, die das, was ihnen gefchrieben wird, au ihren Gefreundten nach dem Fleisch mit- theilen so en, mit denen sie noch en verbunden zu- sammenleben und unter denen sie ropaganda, d. i. den Versuch zu machen haben, ihre Glaubensüber- zeugung immer weiter auszubreiten (vgl. Kap. 5, 19 f.). Da Jakobus zu »den zwölf Gefchlechtern« ausdrücklich hinzusiigt: »die da sind hin und her«, so haben wir, wie oben auch erklärt worden, an die Christen in der jüdischen Diaspora oder an die judenchristlichen Ge- meinschaften in den außerpalästinischen Ländern zu denken, und da kommen nach Maßgabe der damaligen Zeitverhältnisse ausschließlich die Länder Phönicien, Syrien und Cilicien nebst der Jnsel Cypern in Be- tracht (Apostg. 9, 27 11, 19. 25; 12, 17), wozu man allenfalls noch, wenn man die zu Apostg 11, 30 er- wähnte sog. Aposteltheilung in Anschlag bringt, Me- sopotamien hinzunehmen kann. Auf der einen Seite nämlich steht fest, daß Jakobus erst nach dem J. 44 n. Chr. feine Epiftel gefchrieben hat; denn er hätte sich oben nicht blos schlechtweg als »0akobus« be- zeichnen können, wäre nicht der gleichnamige Apostel, Jakobus der Aeltere, seit geraumer Zeit schon hin- gerichtet gewesen (Apostg. 12, 1f.), so daß niemand mehr an diesen denken konnte. Auf der andern Seite aber kann der Brief auch nicht wohl nach dem J. 50, dem Jahre des Apostel-Concils (Apostg. 15, 1 ff.), gefchrieben sein; seine Abfassung fällt vielmehr in die Jahre 47-—49, als Paulus in Gemeinschaft mit Barnabas vielleicht noch aus seiner ersten Mifsions- reife (Apostg. 13 u. 14) begriffen oder doch kürzlich erst nach Antiochien zurückgekehrt und mit der Stiftung heidenchristlicher Gemeinden noch in keinerlei Konflikt mit den Judaisten der jerusalemischen Muttergemeinde gerathen war. Von einer Beziehung zu Gemeinden aus den Heiden ist in Kap.2,18f.;3, 1 erst eine leise, von dem Streit über die Beschneidung aber und die anderen Gefetzescerimoniem der um’s J. 50 n. Chr. seinen Anfang nahm (Apostg. 15,1 ff.), noch gar keine Spur; andere Dinge bilden den Gegenstand der Verhand- lung, es ist, wie unter b,2 im II. Anh. zum G. Bande bemerkt wurde, das in dem hellenistischen Israel— der Zerstreuung sich breit machende sadducäische Wesen, das widergesetzliche Judenchristenthum, gegen welches der Apostel ankämpfh während Paulus späterhin es mit dem pharisäischen Gesetzes-Christenthum Des Haupttheils der Epistel erste Abtheilung: die Anfechtungen und die Versuchangen 933 zu thun hatte. Bei Jakobus, dessen Lehrweise sich an die des Evangeliums Matthiii anschließt, indem er insbesondere mehrfach auf Worte Christi aus der Bergpredigt zuriickgreifh ist alles auf die That, auf das werkthätige Christenthum gerichtet; der christliche Glaube verleiht die Kraft, das ganze Gesetz« wie Christus es aus-legt, zu halten, dagegen sind die Ver- söhnung durch Christi Tod und das himmlische Priester- thum des Auferstandenen Dinge, über die noch völliges Schweigen herrscht. Die Zeit für das Erlöschen-des irdischen Opfers und Priesterthums und für die Ab- lösung der judenchristlichen Gemeinden von demselben, wie sie dem Hebräerbriefe zu Grunde liegt, war eben noch nicht da; die Juden mußten erst noch wahre Jsraeliten werden, rechte Vollbringer des Gesetzes, ehe das Christenthum in seinem Werthe von ihnen erfaßt werden konnte; sie mußten frei werden von dem Selbstbetrug derer, die das Gesetz hören und nicht thun, frei von der Sucht, Lehrer für Andere zu sein, von dem Mißbrauch der Zunge und dem eitlen Schwören, von der Bevorzu ung der Reichen in der Versammlung und von den länen zu eigener Be- reicherung, überhaupt von den Schattenseiten des ge- wöhnlichen jtidischen Wesens, welches bald am Phari- säischen Rechtgläubigkeits-Stolz, bald am sadducäischen Freiheitsdünkel seinen Rückhalt und seine Pflege fand. Unser Brief ist, wie Ernst ihn charakterisirt, das kräftige Zeu niß eines Herzens, das die seligmachende Kraft des Willens Gottes an sich selbst erfahren hat, wider die äußerlich beglückende, aber innerlich verderbende Herrlichkeit der Welt mit ihrem schein- baren Besitz, ihrer trügerischen Weisheit, ihrer grund- losen und verwerslichen Selbstüberhebung Der Gruß: ,,Freude zuvor« klingt fast weltlich, besonders neben den Grüßen der andern neutestamentlichen Briefe, deren Inhalt durchgängig ,,Gnade und Friede« ist; aber der Gruß ist nicht weltlich. Wohl nimmt die Welt alle Freude für sich in Auspruch, als könne sie allein Freude gewähren und Freude genießen; in Wahrheit jedoch kann reine, dauernde Freude nur von Kindern Gottes genossen und darum nur ihnen als" Gruß geboten werden. B« Der nunmehr beginnende lisauvttheil der Gvistel bat es nirht mit dogmatischen Erörterungen zu thun und ist sowenig, wie die mit unsrer Gpistel ver- wandte 1. Gvislel St, Petri, eine Eehrschriftz vielmehr ist es bald Trost und Stärkung, was der Jtoostel den Christen, an die er schreibt, an geistlicher Gabe zukommen läßt, bald Jurechtweisung und Warnung, welrhe letztere sirh so- gar theilweis bis zur Drohung steigert. Gr verfolgt nun dabei keine bestimmte Ordnung. sondern er ,,schreibt, wie’s treibt«, um einen schon öfter gebrauchten Ausdruck lkuthers auih hier in Anwendung zu bringen. L V. 2—27: Zusprueh an die Leser in Betrefs der Anfechtungen durch Leiden, die von außen, und durch Vers uchungem die von innen über sie kommen. — Jreude zuvor«: so hatte der Apostel vorhin den Eesern grüßend zugerufcnz da weiß er nun wohl, daß sie in einer Lage sich befinden, darin sie gar mancherlei Anfechtung durch Leiden auszuhalten haben, aber er nimmt sein Wort nicht zurijan gerade solche Anfechtung sollen sie um des Gewinnes für den inwendigen eilen— schen willen, der daraus bei rechtschafsenem Glauben ihnen erwachsen wird, zu einer ltlrsach der Freude nehmen, standhafte Geduld bis zu Ende bewähren, mit zweifelloser Zuversicht sich hierzu die Weisheit von Oben erbitten, in ihrer Niedrigkeit ihrer ljöhe sich rühmen, während die Reichen, von denen ne bedriickt werden, ja doch nur der Niedrigkeit, die ihrer wartet, wenn sie bleiben, die sie sind, sich zu rühmen vermögen, und fröhlichen Muthes ausschauen nach der Krone des Lebens, die droben denen beschieden ist, welche die An— fechtung erduldend sich als gute Streiter bewiesen haben (V. 2—12). lieben dieser heilsamen Anfechtung durch Leiden, die von außen kommen, geht aber eine sehr gefährliche Anfechtung her durth die Versuchung, die von innen sich erhebt und zum Bösen reizt: die kommt nicht von Gott, wie wohl Mancher in seinen verkehrten Gedanken meint, sondern die eigene böse lcnst ist es, die zum Bösen reizt und vermutet, und das schließliche Gnde des Verlaufs von der Lust zur Sünde und von da weiter zur Vollendung der Sünde ist, statt des Lebens, vielmehr der Tod (b. t3—15). Da dürfen denn Christen sich niiht Meinungen und Stimmungen hingeben, die lästerlich und feindsetig wider Gott sich richten, sondern müssen ihn recht fest als den unveränderlich-guten Gott und unerschsitterticlktreuen Vater im Auge behalten, von dem nirhts als lauter gute und vollkommene Gaben aus seinem Himmel herabkommem nnd müssen als seine Klu- der sich fühlen, die er gezeugt hat nach seinem Willen durch das Wort der Wahrheit, auf daß sie wären Erst— linge seiner Greaturcn (V.16—-18). Indem den Jtvosiel sein Jusvruch an die Eeser so aus das Wort Gottes ge- führt hat, das in der christlichen Gemeinde im Srhwange geht, ergreift er die Gelegenheit, tn Echte und Ver- mahnung des weiteren von dem rechten verhalten gegen dieses Wort zu handeln; und was er da sagt, hängt theils mit denjenigen Gedanken zusammen, die er vorhin vorgetragen, theils mit besonderen llnarten und Gebrochen, die in den betreffenden Gemeinden aus dem pharisäisctfeti Iudenthum in ihren Ghrisienstand mit überäsgangen sind und diesen zu verderben drohen (V. t9— ). 2. Meine lieben Brüder sdie ihr durch den Glauben an Jesum Christum mit mir zur Kind- schaft Gottes gelangt seid V. 18; 2, 1], achtet es snicht für eine Ursach zur Traurigkeit, sondern vielmehr zu] eitel Freude sdie alle Betrübnis; ausschließts wenn ihr swie das ja wirklich mit euch der Fall] in mancherlei Anfechtung failett [so daß ihr von mehreren Seiten zugleich mit Noth und Widerwärtigkeit zu kämpfen habt 1· Petri 1, 6]; 3. Und sdamit ihr dafür die Anfechtung an- sehen könnet, so] wisset, daß euer [durch dieselbe auf die Probe gestellter] Glaube, so er recht- schaffenf ist fund also die Probe auch zu bestehen vermag I. Petri 1, 7], Geduld [oder Fertigkeit, ruhig im Leiden auszuharren, bis dasselbe wieder weggenommen wird] wirket [Röm. 5, 3]. 4. Die Geduld aber sin der ihr allerdings schon einen Anfang gemacht habt] soll fest bleiben sindem ihr sie] bis an’s Ende sbethätigt und durch die Ansechtung sie steige, so hoch sie wolle, und vermehre sich, soviel es immer sei, nie zu etwas treiben lasset, womit ihr euern Glauben an Got- tes Wort und euer Bekenntniß zu Christo ver- leugnen würdet], auf daß ihr [solche beharrliche Geduld übend] seid vollkommen und sdass ganz [was ihr als Jünger Jesu Christi sein sollt Kap. 2, 7], und keinen Mangel habet-«« san dem 934 Jakobi 1, 5—8. Maße christlicher Vollkommenheih welches zu er- reichen ihr berufen seid Matth. b, 48]. «) Die Leser hätten ihm seinen obigen Gruß: ,,Freude zuvor« so beantworten mögen, wie dort To- bias den des Engels (Tob. b, 12 s.): ,,Was soll ich für Freude haben, der ich in Finsterniß sitzen muß?« Darum schneidet er ihnen es gleich ab· Das Aergerniß des Kreuzes machte besonders dem jüdischen Herzen viel zu schaffen (1. Cor. 1, 23); und wenn auch durch den Glauben an das Evangelium das Aergerniß am Kreuze Christi gebrochen ist, so regt sich doch das Aergerniß am Kreuz des Christen, an der G em ein- schaft des Kreuzes Christi, noch oft. Dagegen nun redet der Apostel so stark, doch nicht zuviel. Wenn also Jakobus schon nicht von Christi Kreuz und dessen Frucht so ausdrücklich zeuget, wie etwa in andern Schriften der Apostel vorkommt, so ist das doch schon ein Wort, das nicht anders als im Glauben an das Kreuz Christi gesprochen werden kann; der nach Christi Vollendung durch Leiden des Todes ausgesandte Geist hat erst Licht und Kraft verliehen, so zu denken und zu sagen (Apostg. 5, 41; Hebr. 10, 34). Daß man das Leiden für Freude achtet, ist freilich nicht gerade die erste Empfindung, sondern das Naturgefiihh wie es in Hebt. 12, 11 beschrieben wird, schlägt oft vor; aber der neue Mensch, der willige Geist kämpft sich durch. Es ist also das Wort des Apostels nicht eigent- lich eine Zumuthung, sondern ein Zusprucht du dürf- test, du könntest &c» «es ist Kraft dazu da. Es wird noch eine Zeit kommen, da du, der du bist eine kleine Zeit traurig gewesen, dich freuen wirst (1. Petri 1, 6 f.; 4, 12)»: laß nur den willigen, den erlenchteten Geist je bälder je lieber in diesen Sinn und Achtung von Leiden eindringen! (Rieger.) Leiden für Freude halten ist allein ein Privilegium der Kinder Gottes; ihnen ist das Leiden dieser Zeit eitel Freude, weil es der Same ist zur völligen und vollkommenen Freude der seligen Ewigkeit: . Cor- 4, 17. (Starke.) Ein Christo hingegebenes Herz kennt keine höhere Freude als die über das, was uns bewährter, fester, stand- hafter macht in seinem Dienst; es will keinen andern Weg zum Himmel gehen, als den der HErr uns vorangegangen. (v. Gerlach.) Welcherlei ,,Ansech- tungen« nun es waren, von denen »die zwölf Ge- schlechter, die da sind hin und her« damals in den Ländern, in welchen sie wohnten, heimgesucht waren, das ergiebt sich aus der neutestamentlichen Zeitge- schichtez die Regierungszeit des Kaisers Claudius (von 41——54 n. Chr.) ist nämlich durch immer wiederkehrende Huugersnöthe im römischen Reiche ausgezeichnet (Apstg. 11, 30 Anm.), und besonders um das J. 48 mag Shrien, Eilicien und Phönizien schwer davon betroffen gewesen sein, in solcher Zeit aber pflegt der sogen. Hungertyphus sich einzustellen, so daß die Worte des Apostels in V. 27; Z, 13 ff; 5, 13 ff. die besonderen Verhältnisse damaliger Zeit zu ihrer Unterlage haben. Mit Liebesgaben seitens seiner jerusalemischen Ge- meinde konnte er den Antiochenern, welche wir wohl als die nächsten Empfänger der Epistel zu betrachten haben (vgl. die Bem. zu Kap. 2, 4), nicht zu Hilfe kommen, wie einst diese den jerusalemischen Christen gethan hatten (Apostg. 11, 27 ff.), denn er hatte selber mit seiner Gemeindeschwer unter den Nothständen zu leiden; wohl aber steht er ihnen mit Trost und Zu- spruch zur Seite als ein Mann, der aus eigener Er- fahrung die Anfechtung kennt, in welcher er die Ge- müther aufzurichten sucht, und schärft den reichen jüdischen Volksgenossew von denen die armen Christen in so schlimmer Zeit nur desto mehr bedrückt und geschunden wurden, das Gewissen als »der Gerechte«, als welchen auch die noch ungläubige Judenwelt ihn anerkannte (Kap. 2, 5 ff.; 5, I ff.). »Es) Die Geduld, mit welcher der Apostel es zu thun hat, ist das Gegentheil der Leidensschem die dem Schmerze auszuweichen sucht, der kalten Resi nation, die sich über ihn hinwegzusetzen versucht, der schwäcly lichen Beugung und Krümmung unter dem Schmerze, des Unmuths und der Ungeduld, des zehrenden Klein- glaubens und der verzagenden Trost- und Hoffnungs- losigkeit; sie fühlt den Schmerz, aber sie kennt auch den göttlichen Liebesgedanken im Schmerz, und darum ist sie stets bereit und willig, die Leidens-Prüfung hinzunehmen, ohne mit Gott zu rechten, sie muthig zu tragen, ohne an der Liebesabsicht Gottes irre zu werden, und in Hoffnung des Ziels auszuharren und alles abzuweisen, was dieser Absicht zuwider wäre. Jhre Kraft ist der Glaube, der durch den Druck des Leidens zur Entfaltung der in ihm liegenden Kräfte genöthigt wird, indem der ganze Mensch zur energischen Zusammenfassung seiner selbst und zur innigen Hin- kehr seines ganzen Wesens zu Gott getrieben wird; sie erscheint gleich der im Gewittersturm neu besruch- teten Erde als der mütterliche Boden, dem die Früchte für die ewige Ernte entsprießen Wie aber der Kampf nicht um seiner selbst willen gekämpft wird, sondern in Hoffnung des Sieges, so ist auch die Geduld nicht die letzte Absicht Gottes bei der Anfechtung, die er sendet, und nicht der letzte Grund der Freude, damit man ihr begegnen soll, sondern nur Stufe und Leiter, um das zu erreichen, was die göttliche Liebe mit der Anfechtung beabsichtigt: dies Letzte und Höchste ist die allseitige sittliche Vollendung, welcher die Krone des ewigen Lebens gewiß ist V. 12· (Wiesinger.) 5. So nber jemand unter euch Weisheit tnangelt sum sein Leben allewege so zu führen, daß er vor selbstverschuldeter Anfechtung sich zu bewahren, in solcher aber, die der HErr über ihn verhängt, sich zu bewähren ·weißJ- der bitte von Gott, der da giebt einfaltiglich [Röm. 12, 8; 2. Cor. 9, IS] jedermann sohne Unterschied, der bittend zu ihm kommt], und riickt es niemand aus [Sir. 20, 1»5; 41, 2kF];» so wird sie ihm gegeben werden* [wie »das Beispiel Salomo’s lehrt I. Kön. 3, 9 ff.; Spruchm 2, 3 ff.; Matth. 7, 7. 11]. 6. Er bitte aber [darun1] im Glauben sder Gewährung seiner Bitte zuversichtlich gewiß Kap. Z, 15], Und zweifle san derselbigen] nicht [Matth. 21, 21f.; ·Röm. 4,·19f.·; S·ir. 7, 10]; denn wer da zweifelt, der ist gleich wie die Meereswoga die vom Winde getrieben und gewebet shin und her beweget Weish. b, 15 Anm.] wird fund das ist ein Herzenszustand, bei dem nie ein klares Bild Gottes an ihm widerstrahlen und göttliche Weisheit sich in ihn einsenken kann]. 7. Solcher Mensch denke nicht, daß er [mit einem Gebet von der Art, wie er’s thut] etwas von dem HErrn empfahen werde swas auch immer er von ihm erbitten mag]. 8. Ein Zweifter [dessen Jnneres so zwie- trächtig gerichtet ist, als wären zwei unter- schiedene Seelen oder Jchs in ihm] ist Unbeständig in allen seinen Wegen« sbald von dem einen, Achtet es eitel Freude, wenn ihr in mancherlei Anfechtung falletl 935 bald von dem andern Gefiihl oder Einfall sich bestimmen lassend, wankt und schtvankt er bald hierhin bald dorthin mit seinem Denken und Han- deln Sir. 2, 14; Mark. 6, 20 Anm.]. V) Die Weisheit, die dem Gläubigen fehlen kann, ist das, was man gemeinhin ,,Lebensweisheit« nennt; ihrer bedarf er, um sich in der schwierigen äußeren Lage so zu verhalten, daß er in keine andere Anfechtung geräth, als die ihn, ohne sein Verschulden betrifft, und um sich in derjenigen, die ihn betrifft, nichts zu Schul- den kommen zu lassen, was sie unnöthig erschwert (nach Brücknem um die Anfechtung recht zu würdigen und ihr recht zu widerstehen, damit sie nicht zu innerer Versuchung V. 13 werde, anstatt der Weg zur Voll- kommenheit V. 4 zu sein). Solche Weisheit ist eine Gabe, deren Besitz sich nicht nach dem Maße des Glaubens bemißt, sondern die bei gleichem Glaubens- stande der Eine weniger haben kann als der Andere; der Apostel behandelt daher auch das Fehlen derselben nicht als etwas, das zum Vorwurf gereicht, sondern ermahnt nur, statt daß man darüber verzagt wird, sie von Gott zu erbitten, der allen ohne Unterschied giebt, was sie bedürfen und erbitten. Allen ohne Unterschied giebt Gott, bevorzugt also nicht Einen vor dem Andern, daß man zweifeln könnte, ob man das Erbetene bekommen werde; und einfältiglich giebt er, nämlich so, daß er anders, als Menschen, die mit einer Nebenabsicht geben, welche ihre eigent- liche Absicht ist, nur eben giebt, um zu geben; und er giebt endlich, ohne dem, welchem er giebt, es aus zu- rücken, d. i. einen Vorwurf daraus zu machen, daß er ihm geben mußte. Wo man besorgen muß, daß der Gebetene mit selbstsüchtiger Absicht giebt, sei es, um sich damit zu zeigen oder um den Empfänger zu etwas verbindlich zu machen, worauf er kein Recht hat, oder wo man besorgen muß, daß er nicht giebt, ohne dem Empfänger aus seiner Bedürstigkeih welche zum Geben nöthigt, einen Vorwurf zu machen, da ist nicht gut bitten; Gott aber kann man ohne Scheu mit Bitten angehen, darum soll ihn bitten, wer der Weis- heit entbehrt, und sie wird ihm gegeben werden. (von Hofmann.) Bei dem, was der Apostel von Gott als Geber sagt, bestimmte ihn wohl ein Seitenblick auf andere Geber, auf jene lieblosen Reichen (V. 10; 2, 15 sf.; 5, I ff.), die, wenn sie ja geben, ihre Un- genei theit durch Vorwürfe und Härte verrathen und ihre ohlthat dadurch selbst wieder vernichten: mit einem ganz anderen Geber, sagt er seinen gedriickten Lesern, hätten sie hier zu thun. (Wiesinger.) Soviel an Gott liegt, wird dem um Weisheit Bittenden diese auch gegeben: nicht so, daß er fertige Weisheit dem- selben in das Herz gösse; so giebt Gott überhaupt nicht. Aber indem der Beter im Gebet zu Gott auf- steigt, mit ihm verkehrt, ihm seine Gedanken erschließt, wird sein Herz von den Lichtgedanken Gottes je mehr und mehr durchdrungen, die falschen Auffassungen und thörichten Gedanken entweichen vor der Nähe Gottes, die Eindrücke der göttlichen Liebe helfen sie verdrängen; und so gewinnt das göttliche Licht immer mehr Raum und Kraft in dem Herzen des treuen Beters (Ernst.) «) Jn dem Schreiben an eine so fehr in der Veräußerlichung der religiösen Dinge be angene Ge- meinde bedurfte es desto mehr einer Verwahrung gegen die Veräußerlichung auch in dem, was nur seinen Namen verdient, wenn es das Jnnerlichste ist, aus den innersten Tiefen des Geistes hervorgeht, dem Gebet, daß man nicht meine, durch das Gebet in Worten ohne die Richtung zu Gott hin in dem Ge- fühl des eigenen Bedürsnisses und dem Bewußtsein, daß Gott es allein zu befriedigen vermag und es be- friedigen will, schon genug gethan zu haben; und diese Verwahrung enthalten denn die Worte: ,,er bete aber im Glauben und zweifle nicht«. (Neander.) Jn dem kurzen Briefe des Jakobus wird verhältnißmäßig viel vom Beten gesprochen (vgl. Katz. 4, 2 f. 8; 5, 13 sf.); auch hierin zeigt sich der Apostel als ein wahrer Diener dessen, der seine Jünger nicht nur in die Uebungs- schule des Gebets geleitet hat, sondern auch darin ihnen selbst als reines, vollkommenes Vorbild voran- gegangen ist (Luk. 11- 1 ss.). Aus der Art und Weise nun, wie Jakobus vom Gebete redet, geht klar hervor, daß er einen direkten Zusammenhang zwischen dem Gebet und seiner Erhörung anerkennt, nicht nur in dem Sinne des modernen Un laubens, als ob das Gebet nur auf pfychologischem ege einen wohlthätigen Einfluß hervorbringen könne auf das Herz des Beten- den selbst, sondern also, daß das Gebet das von Gott verordnete Mittel zur direkten Erlangung unsrer Be- dürfnisse sei, die wir denn auch ohne dieses Gebet sicherlich nicht erhalten würden. (v. Oosterzee.) Das ,,er zweifle nicht« fügt zu dem positiven ,,er bitte im Glauben« das negative Moment hinzu: während der Glaube Ja und der Unglaube Nein ist, ist das Zweifeln das Zusammensein von Ja und Nein, und zwar so, daß das Nein das Uebergewicht hat; es ist das innere Schwankem das nicht zum Glauben, son- dern zum Unglauben führt. (Huther.) Es ist Her- zensträgheih wenn Einer nicht dazu kommt, ent- schieden zu» glauben »(Luk. 24, 25); ein solcher, sagt Jakobus, »Ist gleichwie die Meereswoge, die, haltlos in sich selbst, vom Winde getrieben und gewebet wird«, es ist aber der Zweifelnde vom Zweifler (der seines Zweifels als einer Anfechtung im Glauben sich bewußt und dessen Sehnsucht vielmehr darauf gerichtet ist, im Glauben fest zu werden) wohl zu unterscheiden. (v. Hof- mann.) Was Luther in V. 8 mit ,,Zweisler« übersetzt, bedeutet eigentlich: ,,doppelherziger Mensch«, der alles von Gott zu hoffen scheint, weil er betet, und doch nichts von ihm hofft, weil er zweifelt; der zwischen dem Vertrauen auf Gott, dem Vertrauen auf Geschöpfe und dem Vertrauen auf sich selbst hin und her fchwankt und feigentlich nur darum auf Gott vertraut, weil er sich nicht anders zu helfen weiß, ob er gleich möchte. (v. Gerlach.) Die Gabe der Weisheit kann nicht mit der Hand in Empfang genommen werden und nicht in Säcke gefiillt, sie kann nur in das innere Leben, in’s Herz aufgenommen werden; es gehört dazu ein stilles Herz, und still ist nur das in kindlichem Glauben Gott geössnete Herz. Die Zweifel wirken auf das Herz wieder Sturm auf die Meereswogen, sie schleudern es hin und her; der Zweifler setzt seine Hoffnung halb» auf Gott, halb aufdie Welt. Er hat gleichsam zwei Herzen, oder richtiger ein getheiltes Herz (1. Kost. 18, 21); ein getheiltes Herz aber ist schwankend in allen seinen Wegen, darum auch auf den Gebetswegen, es kann nie zu einem stetigen und wirkungskräftigen Einströmen des göttlichen Lichts in dasselbe kommen, weil es bald Gott, bald der Welt zugekehrt ist. Darum kann ein solcher Mensch nichts von Gott empfangen: nicht als ob Gott ihm nichts geben wollte, er hat ja auch mit solchen Armen herz- liches Mitleiden; er kann ihm aber nichts geben, weil das Herz sich bald öffnet, bald schließt, und so zur Aufnahme der Gabe unfähig ist. Dem einfältigen Geber (V. 5) gegenüber stehe der einfältige Beter, und es wird und muß so werden, wie der gottinnige Dichter (Gerh. Tersteegen in V. 6 des Liedes: »Gott ist gegenwärtig«) singt: ,,wie die zarten Blumen willig sich entfalten und der Sonne stille halten, laß mich so 936 Jakobi 1, 9—15. still und froh deine Strahlen fassen und dich wirken lassen«.. (Ernst.) » » » « » I. Ein Bruder aber, der niedrig ist km durf- tigen, geringen und gedrückten Verhältnissensich befindet], ruhme sich sstatt durch solchen niedrigen Stand sich die Freudigkeit zu glaubensvollem Ge- bet rauben und dazu sich verleiten zu lassen, daß er der Zweiselsncht bei sich Raum giebt Vsz6 ff.] seiner Höhe« sauf die Gott durch Theilhaft- machung des Heiles in Christo ihn erhoben hat V. is; 2, 5; Luk. 1, 52]· 10. Und Dagegen] der da reich ist san irdischen Gütern, aber leer geblieben an dem geistlichen Segen in himmlischen Gütern, womit Gott durch Christum uns gesegnet hat Luk. 1, 53], rühme sich [statt daß er jetzt Unrecht thut und trotzt noch dazu Kap. L, 6»f.; Sir. 13, 4] seiner Niedrigkeit sdie als Erbtheil ihm beschieden ist]; denn wie eine Blume des Grases wird er vergehen [Ps. 37, 1»f.; 92, 8]. · 11. Die Sonne [draußen, in der uns um—- gebenden Natur] gehet auf mit der Hitze [Mark. 4, 6], Und swas geschiehet nun? Jes. 40, 7 Anm.] das Gras verwelket und die Blume fällt ab, und seine schöne Gestalt verdirbt sdaß es fortan einen gar kläglichen Anblick gewährt Pf. 103, 16; 1. Petri 1, 24]; also wird der Reiche in seiner Habe lmitten in seinem, mit dem Reich- thum verbundenen glänzenden Lebensgenuß] ver- welken" [Kap. 5, 1 ff.; Hiob 27, 19 ff.; Luk. e, 24 ff.; 12, 2of.]. 12. Selig smit seiner Zukunft also ganz anders daran, als ein solcher in seiner Habe ver- welkender ReicherJ ist der Mann, der dieAn- fechtung [in der V. 3 f. angegebenen Weise Kap. 5, 7 f.] erduldet; denn nachdem er bewähret [aus der Anfechtung, wie edles Metall aus dem Schmelzfeuey schlackensrei hervorgegangen 1. Petri 1, 7] ist, wird er die Krone des Lebens [die im Besitz des ewigen Lebens be- stehende Krone Weish. 5, 16f.; Ofsenb. 2, 10; 1. Petri 5, 41 empfahen, welche Gott ver- heißetrhat denen, die ihn lieb habenftt [Kap. 2, b; 2. Tim. 4, 8; Röm. 8, 28]. f) Jn V. 2 muthete Jakobus uns zu, die mancher- lei Anfechtungen, die wir erfahren, für lauter Freude zu halten; und nun muthet er hier uns zu, die Nie- drigkeit als Hoheit zu erachten und uns derselben zu rühmen. Wir lernten von ihm, daß zu der ersteren Erkenntniß Weisheit von oben gehört, welche im Glauben erbeten sein will (V. 5 fs.); und wer das nunmehrige Wort fassen will, wird’s auch nicht ver- mögen durch die Weisheit dieser Welt. (Ernst.) Statt daß der Geist niedergedrückt werden sollte durch das Bewußtsein seiner Armuth, seiner Niedrigkeit nach den Verhältnissen der Welt, muß er vielmehr sich erhoben fühlen durch das Bewußtsein einer alle weltliche Höhe überstrahlenden Hoheit, der göttlichen Herrlichkeih welche in dem göttlichen Leben, der Würde der Kinder Gottes gegründet ist. Ein sich Rühmen nennt er dies, ohne daß er die Gefahr der Selbstüberhebung zn fürchten braucht; denn es handelt sich hier um einen solchen Ruhm, den der Mensch nicht seinen eigenen Kräften und Anstrengungen verdankt, sondern um eine Würde, die ihm ohne sein Verdienst von Gott ver- liehen worden und die ihm nur durch Gott verliehen werden konnte. Dieser Ruhm, dieses sich Rühmen (vgl· Röm. 5, Z; Z. Tor. 4, 30; Gal. 6, 14) bildet also gerade den Gegensatz, mit allem Hochmuth und aller Selbstüberhebung, ist unzertrennlich von dem Wesen der Demuth. (Neander.) «) Aus diesem Schlußsatz: ,,also wird der Reiche (nicht: der Reichthum) verwelken« geht so bestimmt als möglich hervor, daß in V. 10 das »der da reich is « nicht mit auf das »ein Bruder (Christ)« zu be- ziehen ist, wie die Ausleger meist wollen, sondern im Gegensatz dazu steht und jene Reichen des noch un- christlichen Judenvolks meint, von welchen die armen Christen gedrückt und geschunden wurden. Da scheint freilich das »der da reich ist, rühme sich seiner Nie- drigkeit« nicht passend zu sein; allein gerade darin hat der Ausspruch des Apostels seine eigenthümliche Schärfe, daß die Niedrigkeit, der der Reiche verfallen ist, als der einzige Gegenstand seines Rühmens be- zeichnet wird. An dieser Ironie, wenn man es so nennen will, ist um so weniger Anstoß zu nehmen, als sie dem hochmüthigen Selbstvertrauen des dem niedrigen Christen entgegenstehenden Reichen gegen- über dem tief-sittlichen Gemüth des Jakobus so na- türlich war. (Huther.) Wie schnell es mit aller Herr- lichkeit des Reichen aus sein kann, veranschaulicht der Apostel in V. 11 in erzählender Rede, an einem Falle darstellend, was bleibende Erfahrung ist (vgl. V. 24), und überträgt dann, was er so vorgeführt hat, in ausdrücklicher Anwendung auf den Reichen, auf diese Weise den gemachten Vergleich erläuternd und be- stätigend (Wiesinger.) Unter den Niedrig en, welche sich ihrer Hoheit rühmen, konnte er freilich nur Christen meinen, unter den Reichen aber meint er wohl solche reiche Juden, welche durch ihre so ganz dem Jrdischen hingegebene Richtung sich abhalten ließen, Christen zu werden (Luk. 16, 14); diese sollten eben das Nichtige der irdischen Güter, die sie bisher zu ihrem höchsten Gut gemacht hatten, erkennen, sich demüthigen und in dieser Selbstdemüthigung ihren wahren Ruhm finden, indem sie nun mit der Nichtigkeit des Jrdischen das wahrhafte höchste Gut, die wahre Würde oder Hoheit, die der Messias verleiht, erkannten. Darin lag die an sie gerichtete Aufforderung, Christen zu werden. (Neander.) »Es) Dem Endgeschick des Reichen stellt nun Ja- kobus gegenüber, was desjenigen wartet, der Anfech- tung aushält; es ist die Krone des Lebens, welche Gott den ihn Liebenden verheißen hat. Er wird sie bekommen, nachdem er aus der Anfechtung schließlich als Einer hervorgegangen, welcher das, wofür er gelten will, ächt und wahrhaft ist. (v. Hofmann.) In dem Angefochtensein erscheint der Christ in seiner tiefsten Niedrigkeit; er ist gleichsam allen Verderbenstnächten preisgegeben, alles darf an ihm zerren und stoßen und ihn untertreten. Aber in dieser Niedrigkeit übt nnd bewährt er die Lebenskraft, die er empfangen; übt und bewährt er die Weisheit, welche Gottes Willen und Wege erkennt und sich denselben demuths- voll unterwirfh den Glauben, der auch unerkannte Gaben Gottes als gut nimmt, weil sie von Gott kommen, die Geduld, welche, des Glaubens Kind, die widerstrebenden Bewegungen des leidensscheuen Herzens niederkämpfh die Langmuth, welche auch des Nächsten Gebrechen und Feindseligkeit trägt, die Niemand sage, wenn er versucht wird, daß er von Gott versucht werde! 937 Hoffnung, welche die verheißene Herrlichkeit als unverlierbar gewiß ergreift; übt und befestigt die Lebensgemeinschaft in Christo mit Gott, also daß, wie in Leiden und Krankheit Mutter- und Kin- desherz auf’s Jnnigste sich verleiten, so auch das Band der Liebe zwischen dem duldenden Kinde Gottes und dem zur Seite stehenden Vater sich immer unlös- licher knüpft und befestigt. So gestaltet sich in der äußeren Niedrigkeit eine verborgene Herrlichkeit des inneren Lebens, dem endlich auch die Krönung nicht fehlen wird. (Ernst.) Liebe Gottes ist die gründ- lichste Wurzel zu allem geduldigen Erleidem Liebe weiß es, wie es von Gott gemeint ist, und kann also seinen Rath auswarten; Liebe wird nicht scheu, wirft das Vertrauen nicht weg, und bei der Liebe Gottes muß uns alles einen Vorschub thun. (Rieger.) 13. Niemand sunter euchs sage, wenn er [statt durch die Anfechtung geläutert, gefördert und vollbereitet zu werden V. 2—4 u. 12., durch dieselbe vielmehr zum Bösen· 1.Mos.22, 1 Anm. Z] versucht wird, daß er von Gott [her, indem dieser ja in den Stand der Anfechtung ihn versetzt habe] versuchtlverde [und er also anseinem Verderben unschuldig sei l. Mos.»3, 12 f.; Sirach IF, 11f.]. Denn Gott ist nicht ein Versucher zum Vosenz er versuchet sin diesem Sinne] niemand-«« [und läßt auch durch die Anfechtung, die nach seinem Rathe über uns kommt, uns nie versuchen über unser Vermögen I. Cor. 10, 13]. 14. Sondern ein jeglicher sbei dem es zum Versuchtwerden kommt] wird versucht, wenn er von seiner eigenen Lust gereizet und geloclet wird ssich mit ihr, dieser Buhlerin, einzulassen] 15. Darnach, wenn die Lust sin Folge solchen mit ihr sich Einlassens»1.Mos. 4, 5 ff.] empfangen hat, gebietet sie die Sande; die sihrerfeits eben- falls nicht unfruchtbar bleibende] Sünde aber, wenn sie vollendet szu vollständiger Entwickelung gelangt] ist [so daß sie nun zu Tage bringen kann, was sie gleich anfangs als ihre Frucht in sich trug], gebietet sie den Tod» V) Ein Haupthinderniß die rechte Kraft und Weis- heit unter den Anfechtungen zu empfangen, liegt in der so häufigen Entschuldigung der Trägen und Fleisch- lichgesinnten, wenn sie nichtrecht kämpfen, Gott trage die Schuld; ihre Anfechtungen seien zu schwer, ihre Lage reize sie unwiderstehlich zur Sünde. Diese Ver- irrung liegt alsdann noch näher, wenn die Leiden uns nicht wegen begangener Sünden, sondern um Christi willen treffen. So stark nun der Apostel im Vorigen darauf hingewiesen hat, daß die Verfuchungen von Gottes Seite zur Erprobung unsers Glaubens geschickt werden, so sorgfältig unterscheidet er von dieser den in der Versuchung liegenden Reiz zum Bösen, welcher niemals von Gott kommen könne, da er auch mit der Versuchung nichts als Gutes beab- sichtige. (v. Gerlach.) Zu allen Zeiten fehlte es nicht an Entschuldigungsgründen für die Sünde, welche man als etwas dem Menschen nur von außen her An- klebendes betrachtete, aus äußerlichen Ursachen zu er- klären suchte, statt den inneren Grund derselben in der verschuldeten Willensrichtung aufzusuchem so scheint es, daß Manche in den Gemeinden, an welche Jakobus schreibt, sich damit entschuldigten, sie wären einer höheren Macht, die zur Sünde sie fortriß, unterlegen; der Allmächtiga dem Keiner zu widerstehen vermö e, habe in diese Verfuchungen sie hineingestürzt. agegen sagt nun der Apostel, Keiner, der versucht werde, möge l sagen, daß er von Gott her versucht werde; denn wie Gott von nichts Bösem versucht werden könne (statt: »Gott ist nicht ein Versucher zum Bösen« übersetzt man wohl richtiger: »Gott kann von nichts Bösem versucht werden«), über alles Böse erhaben sei, so könne auch von ihm keine Versuchung zur Sünde her- rühren, der Heilige könne niemand zur Sünde ver- suchen. Sodann weist er im Jnnern des Menschen selbst die Quelle der Verfuchungen nach und beschreibt den allgemeinen Entwickelungsproceß der bis zur That fortschreitenden sündigen Richtung (Neander.) «) Die Lust ist dem Verfasser der mütterliche Boden für das Unkraut der innerlichen Versuchung oder, um in seinem Bilde zu»bleiben, sie ist ihm das buhlerische Weib ,» von welchem die Versuchung in der Art gewirkt wird, daß es lockt und reizt, während der Wille des Menschen als das männliche Prinzip sich reizen und locken läßt, statt die aufsteigende Lust zu dämpfen und das Fleisch sammt den Lüsten und Be- gierden in der Macht des Geistes zu kreuzigen. (Wiesinger.) Jn den Worten: »wenn er von seiner eigenen Lust gerei et und gelocket wird« ist angedeutet, daß die Lust unser eigen und doch in gewissem Sinne dem eigentlichen Jch ein Fremdes ist; das Ich, das innerste Personleben, wird von der Lust, einem Hinzugekommenem das sich aber im Herzen eingebür- gert hat, gezogen und gelockt. Es sind unter der Lust zu verstehen die unwillkürlichen, aus der Natur des fleischlich gewordenen Menschenherzens hervortretenden Neigungen und Bestrebungen, welche den Charakter ihres Ursprungs haben; zur Sünde im strengeren Sinne aber wird diestz Lust erst, wenn sie empfangen hat und die Sünde gebiert, wenn der Wille des Men- schen auf sie eingeht, wenn das unwillkürlich auf- steigende Verlangen festgehalten« und gehegt und die Lust nun zur That des Menschen wird. Noch aber ist ein Unterschied, ob der Wille vorübergehend auf die Lust eingeht oder sich dauernd von ihr knechten läßt: im letzteren Falle, da sich die Sünde ungehemmt entfaltet, da die gewollte Sünde die Neigung zur Sünde ver- stärkt, die stärker gewordene Neigung den schwächer gewordenen und kaum mehr widerstrebenden Willen fesselt, überwuchert das Siindenwesen das ganze innere Leben des Menschen, und dieses Leben geräth in voll- ständigen Zerfall — »die vollendete Sünde gebiert den Tod«. Die Sünde trägt den Tod in sich, ist selbst die Todesgewalk wo sie entfesselt wird, tödtet sie, und zwar von innen nach außen, geistlich und leiblich, zeit- lich und ewig. (Ernst.) (Epiliel»a1n El. Sonntag nach Ostern: Caniate·) Immer näher treten wir dem Feste der Pfingsten, die österlichen Gedanken treten bereits zurück, die des hohen Pfingsten machen sich geltend; vorwärts strebt die Zeit, unaufhaltsam führt der Geist der Kirche die Heiligen Gottes der Vollendung entgegen. Das zeigt sich, wie an dem Evangelio, so auch an der Epistel des heutigen Tages. (Löhe.) Sie mahnt uns zu dem rechten, zu dem gottwohlgefälligen Hören des Wortes Gottes; denn der Geist theilt sich, wenn er auch weht, wo er will, doch nicht Allen ohne Unterschied mit, er gießt sich nur über solche aus, welche das Wort mit Freuden, mit Sanftmuth angenommen haben als das Wort, welches ihre Seelen selig machen kann. (Nebe.) Wohin der Christ seine Blicke richtet:1)nach oben zu dem Gott, von dem alle gute Gabe kommt 938 Jakobi I, 16——21. und der ihn wiedergeboren hat durch das Wort der Wahrheit; 2) nach innen in sein Herz, das begierig gegdhientskQ vom Zo«;n, vgn aller Unsaubårkeit In? o ei rei zu wer en, agegen anzune men a Wort der Wahrheit und von demselben si füllen zu lassen. Wann irren wir nicht, sonclkesrii be- finden uns auf dem rechten Wege zur Selig- Iäzwennswzr alle2 gute Gabe bei unserm himm- i en ater u en )wenn wir in einem steten Aufnehmen des Wottes der Wahrheit begriffen sind, Z) wenn wir einen beständigen Kampf führen gegen die Sünde. (Sommer.) Dreierlei Kennzeichem an denen wir bemessen konn»en, ob wir auf ZåFiknkkkiekaFs Tiskksiskiui DE; "·?-chs3:h1"?-"3«Se« ; ei r, a ge ne hört auf den Ruf der Wahrheit« 3) ein Wandel, der alle Unsauberkeit und Bosheit« zu vermeiden sucht. LCasHJsariJLL Warum konzmtfdze Wiedergebiärt ei o enigen zur ra t. 1) weil sie en Grund der Wiedergeburt, der bereits bei ihnen ge- legt ist, sergåsxszem Z; weil sie das Ixilittel Per Wiedåaw ge urt, as ort as in uns gep anzetit, entwe er nicht achten oder «nicht in der rechten Weise sich da- Ygend verhaltlem dPQTtgeig sie bdie Reinigunsg von ün en,we che ie ie erge urt hindern, ver anwen- (Thomasius.) Was hat der Christ am Worte Gottes? 1) ein Licht in den höchsten Fragen, ·2) ein Mittel der Wiedergeburt, Z) Trieb und Kraft zum Guten. (Kiibel.) Der doppelte Jrrthum, in welchem Viele sich befinden:»1)alles Böse leiten sie PFUchGIJtt as, 2) ållles Cäute sdchräiben sie xch selbst zu. u s. er au e, a nur utes von Gott kommt: I) der gute Grund dieses Glaubens, 2)ldie Wichäikgkeig desselben, Z) der Weg, zu ihm zu ge angen. eu net. 16. Jrret nicht, lieben Brüder [1. Cor. 6, I; Gal. 6, 7; I. Joh. 3, 7., daß ihr einer Meinung und Stimmung euch hingeben wolltet, wie ich sie vorhin V. 13 zum Ausdruck gebracht habe, da derjenige, der im Versuchungsstandesich befindet, sagt: »von Gott werde ich versucht«]! 17. sEs verhält sich vielmehr, was Gott betrifft, alfo:] Alle [kann auch heißen: eitel V. 2., d. i. nichts als] gute Gabe und alle .[lauter]vollkommeneGabekommtvon oben herab [aus dem Himmel aller Himmel Apostg. 14, 17; Joh. S, 32; Matth. 7, 9 ff.], von demVater des Lichts [dessen Urquell er ist I. Joh. 1, H; 1. Mos. 1, 3·, dem Schöpfer der leuchtenden Himmelskörper droben 1. Mos. 1, 14 ff» Pf. 136, 7; Hiob 38, 28], beiwel- chem [da, wo er jenseit dieses sichtbaren Him- mels thront] ist keine Veränderung svon der Art, wie an jenen Himmelsgestirnen sie vor- geht, daß bald die einen bald die andern leuch- ten], noch Wechsel des Lichts und [der] Finsternißif swie auf Erden er geschieht in Folge der täglichen Sonnenwende, sondern das Licht, worin er über allem wohnt 1.Tim. S, 16., ist unwandelbar]. 18. Ei: hat uns [Christen, die wir ihn noch im besonderen Sinne ,,unsern Vater in dem Himmel« nennen Joh. 1, 12 f.; Matth. 6, 9] ge- zeuget nach seinem Willen [Ephes. J, 5. 11] v durch das Wort der Wahrheit sdas Evan- gelium von Jesu Christo Joh. 1, 17; 17, 17; 1. Petri 1, 23 ff.; L. Tor. S, 7], auf daß wir [so zu sagen] wären Erstlinge seiner Crea- turen H« sdie er mit Hervorbringung einer ganz neuen Welt dereinst will in’s Dasein rufen]. 19. Darum, lieben Brüder, sweil Gott mit dem Wort der Wahrheit so Großes, wie eben gesagt, an uns auszurichten vorhat, lasset uns in unserm Verhalten gegen dasselbe die schon für’s gemeine Leben giltige Weisheitsregel beobachten:] ein jeglicher Mensch sei schnell zu hören, langsam aber zu reden sSirach 5, 13] und langsam zum Zorn [Pred. 7, 10]. » 20. Denn des Pienschen Zorn thut nicht, was vor Gott recht Mk« ssondern im Gegentheil solches, was man nicht verantworten kann und das meist sich nicht wieder gut machen läßt] 21. Darum sdamit ihr nicht thut, was vor Gott unrecht ist, und euch seinem Gericht aus- setzet] so leget ab alle Unsauberkeit und alle sim natürlichen Herzen so reichlich vorhandene] Bosheit snach welcher ihr vielmehr langsam seid zu hören, schnell aber zu reden und schnell zum Zorn]; und nehmet das Wort an mit Sanftmuth [Je·s. ·57, 15], das m euch sals Gliedern der christlichen Gemeinde 1. Cor. Z, 6] gepflanzet ist, welches kann [wenn ihr ihm Raum gebt, seine Wirkungskraft an euch zu be- weisen] eure Seelen selig machen-s· [Röm. I, 16; 1.Petri1, 9]. V) Die Formel: ,,irret nicht« geht überall, wo sie gebraucht wird, einem dem christlichen Bewußtsein gewissen Gedanken, durch den »ein vorhergehender Ausspruch im Gegensatz. gegen eine falsche Meinung feine Bestätigung erhält, voraus; dasselbe findet auch hier statt, der mit der Formel eingeleitete Gedanke des 17. Verses dient zur völligen Zurückweisung der ins V. 13 vorgebrachten Meinung: »von Gott werde ich versuchi« —- nur Gutes kommt von Gott, also kann das Versuchtwerden nicht von Gott kommen. Auch die hinzugefügte Anredex ,,lieben Brüder« zeigt, wie wichtig die Beachtung des nun Folgenden dem Apostel erscheint. (Huther.) Er giebt mit dieser An- rede seiner Ermahnung und Belehrung den zu Herzen dringenden Ton besorgter Liebe: wollten sie über Gott sich beschweren, daß er in Anfechtungen sie dahingebe, welche sie zur Verleugnung des Christenstandes bringen müßten, würden sie einer Stimmung sich hingeben, in der sie gänzlich unfähig wären, die Anfechtung zu bestehen; sie sollen vielmehr keinem andern Gedanken Raum geben, als daß von droben eitel gute Gabe kommt. Der Apostel begnügt sich aber nicht ,,lauter gute Gabe« zu schreiben, sondern fügt hinzu: »und lauter vollkommenes Geschenk« (im Grundtext steht nämlich hier nicht abermals ,,Gabe«, wie Luther über- setzt, sondern: »Geschenk« — der Satz bildet einen griech. Hexameterk Gabe nennt er, was von oben kommt, I in Rücksicht darauf, daß wir es empfangen, und Ge- schenk nennt er es in Rücksicht darauf, daß Gott da- mit seine Güte gegen uns erzeigt. Und was uns so Gott hat uns gezeugt nach seinem Willen durch das Wort der Wahrheit. 939 zu Theil wird, ist gut, also geeignet, uns zu Gutem zu gedeihen; und was Gottes Güte uns spendet, ist vollkommen, also ohne einen Mangel oder Fehl, der es ungeeignet machte, uns das ganz und voll zu leisten, wozu wir seiner bedürfen. (v. Hofmann.) Gott ist der Vater des Lichts oder, wie es eigentlich heißt, der Lichter, d· i. der leuchtenden Himmels- körper, deren Licht ein Abglanz seines Lichtwesens ist; sein Wesen aber steht unendlich öher als das seiner leuchtenden Geschöpfe, denn das Ticht der Gestirne ist ein wechselndes, Gottes Licht aber ist ohne Wechsel. (Sommer.) Er bringt beständig Licht hervor, d. i. er schafft lauter Gutes, und Finsterniß des Jrrthums und der Sünden kommt nicht von ihm. (Starke.) Wohl ist bei uns Wechsel von Licht und Finsternis» aber warum? Wenn es bei uns im Naturleben Nacht ist, so scheint die Sonne doch, aber unser Erdentheil ist im Wechsel der Umdrehung der Sonne abgewandt, und darum entbehrt er und entbehren wir ihres Lich- tes und ihrer Wärme; und wenn es in unserm geist- lichen Leben Nacht ist, so scheint doch die ewige Sonne, so ist Gott doch Licht und wirket nur Licht, aber unser abgewendetes Herz ist seinem Lichte ver- schlossen — bei ihm, der Centralsonne der Geisterwelt, ist keine wechselnde Beschattung. (Ernst.) M) Was vorherging (V. 17), war eine in Gottes Wesen begründete allgemeine Aussage; was jetzt folgt, ist Erinnerung an eine Thatsache der eigenen Er- fahrung. Dort nannte der Apostel Gott den Vater, als welcher er gewiß nur gute Gaben giebt; daran, wie er unser Vater geworden ist, erinnert er jetzt, und weil dies dazu dienen soll, daß man sich alles Guten und keiner zur Sünde reizenden Anfechtung von ihm versehe, darum ist dem, was er an uns ge- than hat, das ,,nach seinem Willen« beigefügt, ja, im Grundtext an die Spitze des Satzes gestellt. Auf Grund seiner Willensmeinung, der er also nicht selbst entgegenhandeln wird, hat er uns von sich aus in dasjenige Leben geboren tso steht im Griechischen für ,,gezeugt«), in dem wir als Christen stehen; es liegt in diesem Ausdruck, daß er uns in ihm selbst des Lebens Anfang hat nehmen lassen, in welches er uns dann aus sich hinaussetzte in ein selbständiges Leben (dagegen setzt nach V. 15 die Sünde den Tod aus sich heraus, den sie in sich trägt, vgl. Röm. 6, 23). Aber der Apostel nennt auch das Mittel, wodurch er das gethan hat, und bezeichnet dasselbe als Wort der Wahrheit, um die Wesenheit desselben zu betonen und hierdurch zu bedenken zu geben, daß er, der uns durch solches Wort in das Christenleben geboren hat, nicht in Widerspruch mit sich selbst treten und an uns thun wird, was uns um dasselbe bringe: ist Wahrheit das Wesen des Worts, mittels dessen er uns in dieses Leben gesetzt hat, so wird er seinem Worte auch getreu bleiben und es mit der That an uns erfüllen. Hat er es doch mit der Absicht gethan, daß wir eine Erst- lingschaft seiner Creaturen sein sollten: die Schöpfungen Gottes in dem unbedingten Sinne, in welchem sie als s eine Creaturen hier bezeichnet sind, werden« erst dann vorhanden sein, wenn das geschehen wird, was Paulus in Röm. 8, 21 in Aussicht stellt; die Kinder Gottes aber sind das, was die Welt dann sein wird, bereits vermöge des Lebens, in welches sie Gott aus sich geboren und hiermit die Schaffung der Welt, welche ganz Gottes Schöpfung sein wird, an- gehoben hat, wenn sie auch insofern noch nicht in vollem Sinne es sind, als die Herrlichkeit ihrer Got- teskindschaft noch erst eine innerliche ist und ihrer, die Verklärung der übrigen Welt mit sich bringenden Offen- barung entgegenwartet (v. Hofmann.) Diejenigen, in welchen die neue Schöpfung bereits vollbracht wor- den, bezeichnet Jakobus als die Erstlinge derselben, da von ihnen aus diese Schöpfung sich immer weiter verbreiten soll, bis sie in der verklärten, von dem göttlichen Lebensprinzip ganz durchdrungenen Welt ihre Vollendung gefunden. (Neander.) VII) Des Pienschen Heilsleben steht in einem Zwie- fachen, in Gottes Gabe und des Menschen Aufgab e, in Gottes Wirken und dem menschlichen Wirken- lassen; hat nun Jakobus vorhin Gottes Heilswirken in einfachen, aber kräftigen Strichen gezeichnet, wie das Höchste und Beste von ihm ausgehe, das zeugende Wort der Wahrheit, und wie er mit dieser besten Gabe den höchsten Zweck net-knüpfe, den Zweck, seine Kinder darzustellen als eine Erstlingschaft der zur Vollendung zu führenden Creatur, so legt er nun dar, wie wir darum, d. i. dem entsprechend, uns zu ver- halten haben, wenn Gottes hohe Gedanken an uns erreicht werden sollen. (Ernst.) Was nun da folgt, das klingt fast wie eine menschliche Klugheitsregeh gerade, wie wenn einer dem andern die gute Lehre geben wollte, recht viel zu hören, wenig zu reden, sich nicht zu erzürnen, weil viel Hören weise macht, mit viel Schweigen niemand sich verredet und mit wenigem Zürnen die eigene Seele wenig aus dem Gleichgewicht kommt und Gott und Menschen am meisten zufrieden sind; allein eine bloße Klugheits- rege! gehört doch nicht in diesen Zusammenhang herein, sondern der Apostel hat es mit dem Wort der Wahr- heit zu thun, durch welches Gott uns ausgeboren hat, daß swir Erstlinge seiner Creaturen wären, und wodurch man neu geboren wird, dadurch wird man auch erhalten, wodurch die Umwandlung in’s Leben trat, dadurch schreitet sie auch fort. So sollen wir denn das Wort der Wahrheit schnell, eifrig, fleißig hören, in seiner Schule verharren, damit wir auch recht ausgeboren werden fürs ewige Leben, wenn wir es etwa noch nicht sind, und damit wir es um so mehr werden, wenn das gute Werk in uns schon begonnen hat. Wie du aber schnell sein sollst, Gottes Wort zu hören, so sollst du langsam sein, es zu reden; denn das sind nicht die rechten Schiiler, von denen man sagt, was sie heute gelernt, das wollen sie morgen schon lehren. Das Wort ist zu groß, zu reich und ein zu tiefes weites Meer, als daß man nur mit einem so kleinen Weilchen Hören schon Meister sein könnte und ein Lehrer werden: nicht doch, sei vor allen Dingen ein stiller, lauschender, eifriger Schüler und laß das Wort erst in dir wurzeln, ehe du deinen Mund aufthust und des Wortes Früchte von deiner Zunge lösest! Ob nun aber auch das ,,langsam zum Zorn« sich in diese Auslegung fügt? Allerdings, der Fortschritt des Gedankens ist dann der: Gottes Wort schnell und eifrig hören, Gottes Wort langsam reden, sich nicht den angenblicklichen bösen Eindruck, die Leidenschaft, den entflammenden Zorn des alten Men- schen von dem Wort abwenden lassen, weil man da- durch jene Gerechtigkeit nicht wirket, die Gott in den Kindern der Wiedergeburt schaffen will, und nicht thut, was vor Gott recht ist! Der 21. Vers gebietet hier- wider das Gegentheil, nämlich die Sanftmuth und stille Hingebung an die Wirksamkeit des Worts: war vorher (V. 20) gezeigt, wie der Mensch durch Zorn wider das Wort des lebendigen Gottes um die Ge- rechtigkeit des neuen wiedergeborenen Lebens kommt, so wird nunmehr eben dieser Zorn als Unsauberkeit und Ueberfluß der Bosheit gefaßt. Wir sind aller- dings nicht gewohnt, von einem Zorne wider das Wort Gottes zu hören oder zu reden; und doch ist es eine wunderliche Sache, daß wir daran nicht gewöhnt 940 · Jakobi 1 22—-27 . sind, da sich dieser Zorn so oft erweist, da jeder Pre- diger der Wahrheit von diesem Zorne der Menschen und des Teufels gegen das Wort Gottes tägliche Er- fahrung macht, und da die Welt und ihr Fürst das Wort, das vom Himmel stammt, nie anders als im Zorne aufgenommen hat und alle Lande, wie der Ehre Gottes, so des Zornes wider Gottes Wort voll sind. (Löhe.) Die Sünde, welche in uns ist, wehrt sich gegen das Wort der Wahrheit; denn dasselbe geht ihr hart zu Leibe und verfolgt sie bis in den letzten Schlupfwinkel hinein, unt· sie völlig zu tödten. Gegen dieses scharfe, zweischneidige Schwert &c. (Hebr. 4,12 f.), gegen dies lebendige und kräftige Wort Gottes geräth der natürliche Mensch in dem Hörer in Aufregung und Bewegung, er wird voll Unwillen und Aerger, voll Ungeduld und Zorn; es verletzt ihn und er fährt auf, es läßt ihm keine Ruhe, und je weniger es ihm möglich ist, wider den Stachel zu löcken, desto größer wird der Grimm und Groll wider diesen Peiniger. (Nebe.) Darum heißet Jakobus hernach (V. 21), das Wort mit Sanftmuth annehmen, daß wir nicht dawider zürnen, so wir dadurch gestraft werden, oder ungedul- dig werden und murren, ob wir etwas darob leiden müssen. (Luther.) s) Jakobus redet zwar zu solchen, bei welchen der Grund zum Heil schon gelegt worden; aber er setzt auch voraus, daß sie des Heils nur dann theilhaftig werden, wenn sie auf dem gelegten Grunde fortbauen und dem Worte, das sie einmal aufgenommen haben sich immer mehr hingeben, um die läuternde und ver- klärende Kraft desselben an sich zu erfahren. (Neander.) Es kann das Wort Gottes in einen Menschen gepflanzt sein, ohne daß er es mit Sanftmuth aufnimmt und dadurch selig wird. Gepslanzt wird das Wort durch die Hand des Predi ers und Lehrers: nimmt es die Seele auf, wie der rdboden die Pflanze in ein fanftes, weiches, williges Bette, so wächst die Pflanze und wird ein Baum der Gerechtigkeit und des Lebens; läßt man aber neben der himmlischen Pflanze Zorn, Unsauber- keit und Bosheit wie das Unkraut wachem, so wird die Pflanze übermochh über eine Weile nimmt sie eine Hand unvermerkt weg, und die Seele, die da hätte können selig werden, geht verloren in dem Ueberschwang ihrer Bosheit. Das kann auch dem ge- schehen, der durch das Wort schon wiedergeboren ist. Der Wiedergeborene muß das Gotteswort als eine Pflanze in sich tragen, hegen und pflegen, oder aber es stirbt mit der Pflanze das neue Leben der Wieder- geburt selbst hin; alles neue Leben bleibt, gedeiht und wächst nur, wenn Gottes Same und Pflanze, sein Wort, in uns bleiben und wuchern kann. (Löhe.) (Epistel am 5. Sonntage nach Ostern: Ragate oder Vocem Jncnndikaiis.) Auf das Gebet legt der HErr im Evangelio dieses Sonntags (Joh. 16, 23 sf.) einen großen Segen: er will thun, was die Seinen in seinem Namen bitten; wer aber dieser Verheißung theilhaftig werden und solchen Segen sich aneignen will, der muß vor allem ein Kind Gottes sein, denn in Jesu Namen beten kann nur, wer in ihm lebt durch den wahrhaftigen Glauben und durch ihn ein Kind Gottes geworden ist. Darum soll sich hier ein jeder prüfen. Viele meinen, es sei schon ein Genüge, wenn sie nur äußerlich zur Kirche Gottes gehören; aber die sind noch nicht des HErrn, die nur HErr, HErr sagen und sich äußerlich zum Worte Gottes und zur Gemeinschaft der Kirche halten. Es ist ein arger Selbstbetrug, wenn wir uns mit solch todten Werken genügen lassen; wir betrügen uns da- mit um die Gnade und Erbarmung Gottes, um unsern Frieden und Trost, um Leben und Seligkeit. Darum soll ein jeder Christ sich ernstlich sprüfenx im Worte Gottes ist uns ein klarer Spiegel vorgehalten, darin können wir s auen, wie wir gestaltet sind an dem inwendigen enschen. (Dieffenbach.) Wann wird das Wort Gottes uns zu einem Segen? wenn wir l) in dem Spiegel desselben uns beschauen, Z) aus der Kraft desselben unaufhörlich schöpfen, 3)»nach der Vorschrift desselben treulich wandeln. (Eig. Arb.) Wie wir zu Gott uns stellen sollen? 1) auf Gottes Wort als den Grund des Glaubens, Z) vor Gottes Wort als den Spiegel der Wahrheit, Z) unter Gottes Wort als die Regel unsers Thuns. (Beck.) Wie unterscheidet sich der bloße Hörer von dem, der auch Thäter des Wortes ist? 1) der Hörer empfängt flüchtige Eindrücke, der Thäter drin tin die Tiefe; 2) der Hörer bessert da und dort, der , häter erneuert sich ganz und gar; Z) der Hörer verliert sich m Selbstbetrug, der Thäter hat wahren Frieden, (Seybol·d.) Seid Thäter des Worts! Jndem ich euch dies zurufe, weise ich hin l) auf den Schaden, den ihr habt, wenn ihr nicht Thäter seid; Z) auf den Weg, den ihr gehen müßt, wenn ihr es werden wollt; Z) aus die Regel, die zu befolgen ist, wenn ihr es auch bleiben wollt, 4) auf den Segen, der euer wartet, wenn ihr euch als Thäter beweiset. (Westermeier.) Vom Selbstbetrug: er wird bei denen gesunden, welche 1) Gottes Wort wohl hören, aber nicht thun; Z) Gott mit äußeren Gebräuchen dienen, aber ihre Zunge nicht im Zaum halten; 3) die Waisen und Wittwen in ihrer Trübsal besuchen, aber sich von der Welt nicht unbefleckt behalten. Vom rechten Gottesdienste: wir dienen Gott auf die rechte Weise, wenn wir l) nicht vergeßliche Hörer des Worts sind, sondern Thäter; 2) nicht eitle Schwätzer sind, sondern fleißige Beter. (Fuchs.) Der rechte Gottesdienst eine Heiligung aller unsrer Sinne: 1) des Ohrs, das Gottes Wort hört; Z) des Auges, das Gottes Herrlichkeit schautz 3) des Mun- des, der von Gottes Gesetz redet; 4) der Hand, die Gottes Werk treibt. (Stählin.) 22. Seid aber fdamit es auch wirklich könne eure Seelen selig machen V. 211 Thåter des Worts und nicht Hörer allein [Röm. 2, 135 Jvhs 7, 19], damit ff. v. a. womit, näm- lich w n ihr meinen wolltet, das bloße Hören sei s on genug zum Seligwerden] ihr euch selbst betriigetsk [Matth. 7, 21]; 23. Denn so jemand ist ein Hörer des Worts und nicht ein Thäteu der ist gleich einem Manne, der sein leiblich Angesicht sum dessen dermaliges Aussehen es ihm zu thun ist] tm Spiegel beschattet [ohne jedoch mehr von solcher Beschauung zu haben, als einen augen- blicklichen, bald wieder sich verwischenden Eindruck) 24. Denn, nachdem er sich beschattet hat, gehet er von Stand an davon und ver- gißlz wie er gestaltet war fseines Züge so fest und lebendig sich gegenwärtig zu halten, wie er im Spiegel sie gesehen, vermag er nicht; was er be- hält, ist nur ein allgemeines, unbestimmtes Bild, von dem mehr und mehr alles wieder in ein- ander verschwimmt]. 25. Wer aber fnicht blos einmal vorüber- Nehmet das Wort an mit Sanftmuth, seid aber auch Thäter desselbigen! 941 gehend, wie jener Mann in den Spiegel, hinein- blickt, sondernsdurchfchauet [mit ganzem Ernst, um recht vertraut mit ihm zu werden, sich ver- mit] m das vollkommene Gesetz der Freiheit swie es m dem neutestamentlichen Worte der Wahrheit V. 18 u. 21 uns Christen gegeben ist Kcsp- 2- 12], und darinnen beharret [daß, was er gehöret und gelernet hat, er nun auch behält in einem feinen guten Herzen und bringet Frucht n; Geduld L·uk. 8, ;»5], und ist ksomiks tzicht ein vergeßlicher Hinter, sondern ein Mater, derselbige wird selig sein in seiner That-H« [Joh. 13, 17; Luk. S, 47 fs.]. 26. So aber [um noch auf ein besonderes Gebrechen einzugehen, dadurch Manche als solche sich ausweisen, die nicht durchschauen mögen in das vollkommene Gesetz der Freiheit und darinnen beharren] sich jemand unter euch lässet dünken, er diene Gott lals einer, der da streng auf die Uebung der Frömmigkeit halte], und hält sdoch wider das ausdrückliche Gebot in Pf. 34, 14] seine Zunge nicht im Zaum sindem er ihr ganz nach ihrem Gefallen gestattet, sich in blin- dem Eifer, voll gehässiger Leidenschaft über An- dere herzumachen], sondern verfiihret s ein Herz [indein er, statt von solcher Unart sich abbringen zu lassen, vielmehr sich ein-redet, gerade mit der- gleichen leidenschaftlichem Eifern wider Andere leiste er· Gott einen Dienst und befördere am besten seine Ehre], deß Gottesdietist ist eitelstt sweil nicht in Wirklichkeih sondern nur in seiner Einbildung vorhanden 1. Cur. 15, 17; Matth. 15, 9]. 27. Ein reiner und unbefleekter Gottes- dienst vor Gott dein Vater [Matth. 5, 48., dessen Urtheil ja doch allein hier maßgebend ist, mögen Menschen in ihrer Thorheit sagen und setzen, was sie wollen 1. Petri T, 4] ist der: Die Waisen nnd Wittwen in ihrer Trübsal be- suchensüberhaupt sich ihrer hilfreich annehmen], Und stch von der Welt sdie im Argen liegt Kalb. 4, 4; 1. Joh. 5, II; 2, 15 ff.] unbefleckt behalten-s· · V) Das erste Ersorderniß christlichen Verhaltens ist, daß wir für das Wort der Wahrheit immer gleich zugänglich seien (V. 21); das zweite, daß wir es unser Thun bestimmen lassen. (v. Hofmannh Daß es den Lesern dieses Briefs, auch wenn sie kamen, das Wort zu hören, doch noch sehr an dem Thun, an demErfiillen desselben gebrach, ersehen wir aus jedem Kapitel mehrfach; sie waren wohl etwa Hörer, aber rechtbergeßliche Hörer. Wie die Juden wähnten, daß sie erecht seien, wenn sie das Gesetz auch nur hörten( öm. 2, 13), so glaubten gar Viele in der Gemeinde, das bloße Hören des Evangeliums mache schon selig. Da giebt ihnen denn der Apostel zu be- denken, wie sehr sie sich daniit verrechneten (Nebe.) Noch immer steht es in der Christenheit also, daß Viele meinen, das Hören allein sei schon eine Be- thätigung wahrhafter Frömmigkeit, und machen einen . daheim in der Bibel Selbstruhm daraus, daß sie die Kirche besuchen, auch lesen; sie verwechseln einfach Mittel und Zweck, und erheben das Mittel zum Zweck, wodurch der Zweck aus dem Auge gelassen wird. Das ist ein betrügerisches Werk: man meint etwas zu haben, und hat es nicht; wenn die Stunden kommen, wo es gilt, die Kraft der Wahrheit im Herzen zu haben, die Stunden der Anfechtung, des Kampfes, der Noth, dann hilft’s eben nichts, daß man oft in der Kirche gewesen und das Wort gehört hat, wenn es nicht in Saft und Blut übergegangen, wenn das Ge- hörte nicht in Leben umgesetzt ist. Und am Tage der Offenbarung unsers Lebensstandes, da das Verborgene an’s Licht ezogen wird, damit ein jeder empfahe, was seine haten werth sind, da werden nicht die Gottesdienste gezählt werden, die man besucht, und nicht die Bibelkapiteh die man gelesen, sondern da wird die Frucht des Lebens gewogen werden, welche das gehörte Wort getragen hat. (Ernst.) »Es) Das Ganze ist Ein zusammenhängendes Gleich- niß: wer das Wort Gottes blos mit einem äußer- lichen, leeren Wissen aufnimmt, ohne es Leben und That in sich werden zu lassen, dem geht es wie Einem, der sein Gesicht im Spiegel flüchtig beschaut und bald wieder vergißt, wie er aussieht. Ein Spiegel soll dazu dienen, daß wir darin wahrnehmen, ob etwas an uns sei, was uns entstellt und befleckt, da- mit wir es wegschaffen können; ein eitler Mensch be- dient sich aber seiner nicht dazu, sondern um einen sliichtigen Eindruck von seinem Aussehen, seiner Klei- dung u. s. w. zu haben. So verlangt auch der helle Spiegel des göttlichen Worts ein demüthiges, lern- begieriges, anhaltendes Einschauen, damit wir unsre Mängel erkennen und empfinden und dann dem Worte Gottes genügen. (v. Gerlach.) Demjenigen, welcher mit der blos oberflächlichen Betrachtung des Wortes Gottes genug gethan zu haben meint, bei welchem Wissen und Handeln mit einander in Widerspruch stehen, einem solchemsetzt Jakobus entgegen den, welcher in die Tiefen des göttlichen Gesetzes geschaut hat und in dieser Betrachtung lebt. Er unterscheidet hier gleich das Gesetz des Buchstabens in seiner Aeußerlichkeit von dem durch das Ehristenthnm ver- innerlichten Gesetz, dem in das innere Leben aufge- nommenen Gesetz des Geistes; er nennt dies das vollkommene Gesetz im Gegensatz gegen das in seiner Aeußerlichkeit aufgefaßte mosaische Gesetz, wel- ches als Gesetz des Buchstabens nichts zur Vollkom- menheit führen kann, alles beim Alten bleiben läßt, und nennt es das Gesetz der Freiheit, insofern es den Menschen, der es in sein inneres Leben ausge- nommen hat, frei macht, im Gegensatz zu der Knecht- schaft des Buchstabens· Zu diesem Gesetz kann sich Einer nicht als blos äußerlicher Hörer verhalten: wer dasselbe wirklich in sich aufgenommen hat als das voll- kommene Gesetz der Freiheit, der wird von innen heraus gedrungen, es in seinem Lebenswandel zu offen- baren. (Neander.) Wer in das Wort der Wahrheit, das Evangelium von Jesu Christo, sich vertieft, der findet zunächst das, was der oberflächliche Blick schon lehrte, bestätigt und verschärft, die Verkehrtheit des eigenen Standes und die Notwendigkeit, aus demselben zu einem neuen gereinigten Herzensstande zu kommen; er findet aber noch mehr. Während der oberflächliche Beschauer über dies Bild und die Härte der Zuniuthung erbittert wird, oder aber darüber erschrickt und an der Möglichkeit der Erneuerung verzweifelt, tritt dem tiefer Forschendeii aus diesem wunderbaren Spiegel ein neues Bild entgegen, sein eigenes Bild, aber gereinigt von allen Flecken, vergeistigt, verklärt, und unter dem Bilde 942 Jakobi 2, 1——4. steht: »so sollst und wirst du werden«; und fragt die suchende Seele: ,,wie soll das zugehen?« siehe, so tritt ein noch schöneres, reineres, herrlicheres Bild aus dem Wunderspiegel des Worts ihm entgegen, das Bild eines Menschensohnes, aber in himmlischer Hoheit und Klarheit, und unter dem Bilde steht: »ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben; ich will auch dein Weg sein, dich in alle Wahrheit leiten, dir das Leben geben«. Und aus diesem Schauen erwächst das mach- tige Sehnen, das ernste Wollen, erwächst auch die Kraft, nun Ernst zu machen mit der Verwirklichung des Geschautenx mein gereinigtes Bild zieht und lockt zur Erreichung, und des HErrn Bild wird die Garantie der Erreichung; der Wille Gottes treibt nicht mehr und droht von außen, sondern sein gnädiger, reicher Inhalt: lockt, zieht und treibt von innen. Jch muß nun ringen nach dem Höchsten; aber nicht in äußerem Zwang, sondern aus der Freiheit des eigenen Willens heraus. (Ernst.) Mit den Worten: ,,derselbige wird selig sein in seiner That« ist nicht gesagt, daß das Thun eines Menschen die verdienstliche Ursach seiner Seligkeit sei, sondern nur, daß Gott den thätigen Glauben mit geistlicher Glückseligkeit belohne und in einen Zustand sehe» in welchem sich der Mensch als Inhaber und Erben der göttlichen Verheißung weiß, in welchem seinem Gemüthe eine Stimmung verliehen ist, in der er sich beglückt fühlt und schon jetzt einen Vorgeschmack hat der künftigen Seligkeit. (Sommer.) Its) Der Apostel geht wieder von dem Allgemeinen zu dem Besonderen über und wendet das, was er von der Ausübung des Wortes Gottes im Leben gesagt hat, auf Einzelnes an, das er nach den besonderen Verhältnissen und Gebrechen der Gemeinden, an welche er schreibt, auswählt; darunter stand denn oben an jenes von früher her noch fortbestehende leidenschaft- liche Treiben, jener Mangel der Beherrschung seiner Zunge bei solchen, die doch auf ihre Gottesverehrung sich etwas einbildeten. (Neander.) Es ist eine her- vorstechende Eigenthümlichkeit des Jakobus, mit allem Ernst auf den rechten Gebrauch der Zunge zu dringen; wie in Kap. 3, 3 fs., gebraucht er einen bildlichen, vom Zaume der Pferde hergenommenen, aber in seiner Bildlichkeit so vortrefflichen Ausdruck, daß man den richtigen Gebrauch der Zunge vielleicht in keiner an- dern Weise besser und lebhafter darstellen könnte. Wer durch das göttliche Wort zur Freiheit hindurchdringh der soll seines Mundes Herr werden, sowie ein Reiter durch Gebiß, Zaum und Zügel das Maul des Pferdes und eben damit den Kopf und das ganze Thier regiert; man soll die Zunge, und eben damit sich selbst, den ganzen Menschen, im Zaum halten. Die Zunge ist ein unruhiges Uebel, kein Theil des menschlichen Leibes ist so schnell in allen Leidenschaften thätig, wie sie; ist kein Regent vorhanden, so giebt sie Laute von jeder Regung der Seele, von jeder Begier, von jeder sündlichen Bewegung im Innern; darum muß man immer den Zaum in Händen haben und dies unver- nünftige Werkzeug unsrer Seele mit aller Aufmerk- samkeit und allem Fleiß regieren. Wer das kann und thut, ist der größte Meister und erweiset eine Voll- kommenheit, der kaum eine andere gleich kommt; wer hingegen in diesem Stücke nichts leistet, der bringt Mangel und Verderben in all sein übriges Leben und befleckt alles und alles, was sonst an ihm löblich. St. Jakobus sagt: »so sich jemand unter euch läßt dünken, er diene Gott und hält seine Zunge ni t im Zaum, sondern verführet sein Herz, deß Gottes ienst ist eitel«. Wie könnte es auch anders sein? wie stimmt der Zungenmißbrauch mit dem Dienste Gottes? wie soll man Gott gefallen, wenn man sich alle Augen- blicke mit Zungensünden beschmutzt? zumal es am Tage ist und ein jeder aus eigener Erfahrung es satt- sam wissen kann, daß nichts die Seele eitler, öder, unzufriedeney staubiger, schmutziger, unbehaglicher macht als Zungensünden. (Löhe.) Diejenigen, bei welchen die Wiedergeburt nicht zum Austrag gekommen ist, suchen das, was ihnen fehlt, dadurch zu verbergen, daß sie, statt durch Werke barmherziger Liebe und durch Reinigung ihrer eigenen Herzen ihr Christen- thum zu beweisen, mit scharfen Reden gegen Andere die Ehre ihres angeblichen Herrn vertheidigenx das ätzende Gift, in welches ihre Worte getaucht sind, be- weist, wie wenig sie von dem Geiste dessen haben, welcher sanftmüthig und von Herzen demüthig war und dessen Stimme man nicht hörete auf der Gasse. Wer da nun meint Gott zu dienen, indem er mit scharfen Worten, mit bitteren Reden loszieht gegen die Andern, an welchen er irgend einen Mangel erblickt hat, der betrügt damit sein eigen Herz: der Schwer- punkt in dem Christenleben ruht nicht in der Erkennt- niß, in der Züchtigung und Zurechtstellung Anderer, sondern in der Selbsterkenntniß, in der Selbstzucht und in der Reformation des eigenen Wesens; wer aber mit seiner Zunge über Andere sich hermachh ver- liert sich selbst ganz aus dem Auge und bringt sich mit seinem zelotischen Wesen, während er meint für Gott und seinen Dienst damit zu eifern, auch um den letzten Rest des Christenthums (Nebe.) T) Wenn Einer, der dem Trunk ergeben ist, seines sittlichen Wandels sich rühmte und ihm jemand er- widerte: »ein sittlicher Mensch betrinkt sich nicht«, so würde dessen Absicht nicht sein, damit das ganze Wesen eines chriftlichen Wandels darzustellen. (Chry- sostomus.) Gleicherweise redet der Apostel hier nicht von dem, sondern von einem reinen und unbefleckten Gottesdienste und will nur im Allgemeinen angeben, was vor allen Dingen zu dem Wesen und der Wirk- samkeit einer praktischen Religiosität gehöre, wie sie sich nach außen offenbart. (v. Oosterzee.) Das eine, was der Apostel nennt, sich der Waisen und Wittwen annehmen, sie schützen gegen die Bedrückungen durch die übermüthigen Reichen, ist abermals mit besonderer Rücksicht auf die Verhältnisse der Gemeinden angeführt (vgl. die Bem. zu V. 2 u. Matth. 12, 9); mit dem andern aber, sich von der Welt unbefleckt behalten, verbindet er, seiner Gewohnheit gemäß, mit dem Be- sonderen alsbald wieder das Allgemeine, indem das ja auf das Ganze des chriftlichen Lebens sich bezieht. (Neander.) Mit den Worten: »ein reiner und unbe- fleckter Gottesdienst vor Gott dem Vater ist der« will Jakobus offenbar den Lesern eine hohe Meinung und große Schätzung der heiligen Werke, von denen er nachher redet, beibringen; ob Menschen es hoch an- schlagen, wenn man sich der Waisen und Wittwen an- nimmt und sich von der Welt unbefleckt behält, oder ob sie es für nichts achten, das kann demjenigen voll- kommen gleichgiltig sein, der da weiß, das sei aller- dings ein Gottesdienst, und zwar vor Gott dem Vater, also vor dem höchsten Richter, dessen Urtheil in Ewig- keit Recht behält wider alle seine Feinde. (Löhe.) Wie das eine, sich von der Welt unbefleckt behalten, der Heiligkeit Gottes entspricht (l. Petri 1, 15 ff.), so das andere der Vaterschaft Gottes (Ps. 68, 6); man besorgt damit, daß man Waisen und Wittwen in ihrer Trübsal besucht, Gottes Amt an denen, die vor ihm privilegirte Personen sind, insofern er ihrer ganz « besonders sich annehmen will. Und wie andrerseits s der Ausdruck: ,,unbefleckter Gottesdienst« in Beziehung « steht zu dem ,,sich von der Welt unbefleckt behalten«, s so hängt der »reine Gottesdiens« zusammen mit dem Zweite Abtheilung: Zurechtweisung wegen der Art, wie die Leser den Glauben haben. 943 ersten Werk: »Waisen und Wittweu in ihrer Trübsal besuchen«, als worin sich ebenso die uneigennützige, selbstsuchtlose Liebe zu den Menschen, wie in der un- befleckten Bewahrung vor der Welt die reine, unbe- fleckte Liebe zu Gott am besten bekundet. Das 2. Kapitel. Vom Ansehen der Person und Heuohelglaubem II. U. 1——26: Zureehtweisung der tLeser in Betreff der Art, wie sie den Glauben haben zu können meinen, nämlich einerseits so, daß sie dabei ganz unbedenklich Ansehen der Person betreiben, und andrerfeits so, dass; sie ganz ungenirt von de5 Glaubens Werken sieh di5pensiren. — In unmit- ielbarem Anschluß an die Schlußermalsnung des vorigen Kapitelm sich von der Welt unbefleckt zu behalten, worin ein unbefleckter Gottesdienst bestehe, handelt der Apostel zuvörderst von einer sefleikung ihrer Gottesdienstg welche die Gemeinden, an die er schreibt, damit begehen, daß sie ihre jüdischen bolksgenossem wenn diese gastweise ihre gottegdienstltihen Versammlungen besuchen, in so verschiedener weise behandeln, indem sie den bleichen nicht Ghre und Zuvorkoinmenheit genug beweisen können, den Armen dagegen so geringschätzig und zurückstehend als möglich begegnen; sie bedenken da gar nicht, daß sie jene mit ihren ssiiklingeii doch nicht für das Reich Gottes gewinnen werden, diese aber, die nicht mehr ferne von deinselben sind, hinwegtreibem und versän- digen sich mit solchem Ansehen der Person an Gottes Hirsch, statt, wie ihnen zukäme, das liönigliihe Gebot der Nächstenliebe zu vollenden, so daß, während sie auf der einen Seite zu Schuldnern am ganzen Gesetz ßch machen, sie auf der andern Seite in das unbarmherzige Gericht sich verwickeln, das über den ergehen wird, der niiht Barmherzigkeit gethan hat (v. 1—t3). Jst so der Apostel wieder auf die Barmherzigkeit zu reden gekom- men, von der er sagt, sie rühme sich wider das Gericht, so hat er den Anschluß gefunden an jenen Theil seiner Ermahnung am Schluß des vorigen akiavitets, worin er als einen reinen Gottesdienst diesen bezeichnetn die Waisen und Wittwen in ihrer Trübsal zu besuchen. Auch in dieser Beziehung stand es gar übel bei den be— treffenden Genieindem unter den schweren tzedriingnissen der Zeit speiste man die Armen und Uothleidknden mit frommen Redensarten ab, statt ihrer sieh hitsreich anzu- nehmen, verließ ßih auf einen bloßen Mundglaubem ohne irgend daran zu denken, daß ein todter, merke- loser Glaube zur Seligkeit nichts helfen könne, ja that sich wohl gar auf den abstrakten illonotheismus den Heiden, selbst denen gegenüber, denen Gott Buße gegeben zum Erben und die nun fruchtbar sich erwiesen in guten Werken, etwas zu gute. Da war es denn nothwendig, daß Jakobus geradezu den Sah, an welchem Luther so großen Anstoß genommen und seine Øpislrl eine stroherne genannt hat, ansspraaf und mit allein Uachdruitc get- tend machte: ,,der Mensch wird durch dle Werke ge- reiht, nicht durch den Glauben allein« (v. 14—26). 1. Lieben Bruder, halters nicht dafür, daß der Glaube an Jesum Christum, unsern HErru der Herrlichkeit san unsern HErrn Jesum Christum, den HErrn der Herrlichkeit 1. Cor. L, 8], An- sehen der Person leide* sgleich als vertrüge es sich mit einander, jenen Glauben haben und dieses Personansehen betreiben]. 2. Denn sum euch hier einen Fall vorzu- führen, von dem ich wohl weiß, daß er bei vor- kommenden Gelegenheiten die Regel eures Ver- haltens bezeichUetJ so in eure sgottesdienstliche] Versammlung sbesuchsweisd käme ein Mann mit einem gütdenen Ringe und mit einem herrlichen [glänzenden, strahlenden] Kleide, es käme aber auch sebenfalls als Gast, um an eurem Gottesdienste Theil zu nehmen und zu hören, was da ge- predigt wird] ein Armee in einein nnsauberen svon Mangel und Dürftigkeit zeugenden] Kleide sLuk. 14, 21 u. 23]; 3. Und ihr sähet auf den, der das herrliche Kleid trägt seure Blicke sofort voll Interesse aus ihn richtend], und sprachet zu ihm: Sesze du sals uns höchst willkommene Person] dich her aufs Beste sauf diesen bequemen Vordersitz]; und spritchet sandrerseits] zu dem Armen sgleich als wäre an ihm gar nichts gelegen und dürftet ihr nun ihn so verächtlich als möglich behandeln, um ihm das Wiederkommen zu verleideu]: Siehe du dort san jener Stelle im Winkel] oder swillst du durchaus auch hier in unsrer Nähe dich niederlassen, so] sehe dich her zu meinen Füßen sauf den Fußboden, denn einen andern Platz haben wir für dich nicht]: 4. Und bedenket es nicht recht [wie verkehrt ihr dainit handelt], sondern ihr werdet Richter sstatt euch selber von Gottes Wort richten zu lassen V. 12] und machet bösen sder Rechtsordnung des HErrn widerstreitenden] Unterschiedkt sbis zum Jahre 1528 hat Luther hier übersetztt Jst’s recht, daß ihr solchen Unterschied bei euch selbst machet und richtet nach argen Gedanken? welche Uebersetzung durch die von der Eisenacher Conferenz besorgte Textrevision vom.J· 1867 wiederhergestellt worden ist]. V) War das im vorigen Abschnitt Abgehandelte durch solches veranlaßt, was die Christen von außen ankommt, so folgt jetzt zunächst eine Ermahnung, die das Verhalten gegen solche betrifft, die von draußen zu ihnen kommen: wie der Christ jenes hinnehmen niüsse, war dort, wie er diese aufnehmen müsse, ist hier Jnhalt der Ermahnung; unverdrossene Geduld fordert sie dort, unparteische Liebe hier. (v. Hof- mann.) ,,Sich von der Welt unbefleckt behalten« war das Schlußwort des vorigen Abschnitts; ein Stück Weltsinn nun ist das Ansehen der Person, d. i. die Werthschätzung einer Person nach irdischem Pest? zeitlicher Macht und daraus entspringendem Einflu Die Welt schätzt dasJhre hoch, und man begreift wohl, daß und warum sie den Reichen höher taxirt als den Armen, den Mächtigen höher als den Un- mächtigenz aber man begreift nicht, wie die, welche den HErrn Jesum Christum, der durch Armuth und Niedrigkeit hindurch zur Herrlichkeit erhoben wurde, zum Grund, Jnhalt und Ziel ihres Lebens gemacht haben, sich in diesem Stücke der Welt gleichstellen können, und doch geschieht es, und niemand unter uns kann sich von dieser Vefleckung mit Weltsicin frei- fprechem (Ernft.) Vgl. Luk. 14, 12—14. i 944 Jakobi Z, 5—13. IV) Der Fall, den Jakobus in V. 2 f. setzt, ist der Sache nach nicht eine hypothetische Annahme, sondern ein Faktum, und zwar nicht ein einzelnes Faktuny das blos einmal vorgekommen, sondern das herkömm- liche Verfahren auf Seiten derer, an welche er schreibt. Die ganze Schilderung nun, sowohl das ,,so in eure Versammlung kiime«, als auch das Anweisen von Sitz- oder Stehplätzem zeugt dafür, daß unter Versamm- lung hier der Versammlungsort gemeint ist, wo die christliche Gemeinde gottesdienstlich zusammenkam; im Grundtext bedient sich der Apostel dafür desselben Worts (Shnagoge), der« den jüdischen Gotteshäusern eignete (Luk. 4, 15 Anm.), weil er es mit judenchri·st- lichen Gemeinden in der Zerstreuung zu thun hat, die ihre gottesdienstlichen Einrichtungen nach dem Muster der jüdischen Diaspora gestalteten und so in ähnlicher Weise den Zusammenhang mit ihrem Volke festhielten, wie die jerusalemische Gemeinde durch Besuchung des Tempels neben ihren Privatversammlungen in ver- schiedenen Familienhäusern (Apostg. Z, 43 Anm.). Ohne Zweifel war der Centralpunkt dieser Gemeinden in» der Zerstreuung die Stadt Antiochia in Shrien; dort hatte bald nach der Verfolgung, die nach des Stephanus Tode über die Gemeinde zu Jerusalem erging, eine Christengemeinde sich gebildet, und diese, je mehr daneben eine solche auch aus den Griechen herauwuchs und in Folge dessen nun der Name ,,Christen« aufkam (Apostg.11,19sf.), sah sich ge- nöthigt, eine eigene Syna oge zu errichten, zu der sie jedochden Juden freien utritt gestattete. Jn ihre gottesdienstlichen Versammlungen kamen denn ganz so, wie später in die der Heidenchristen zu Corinth, Ephesus u. s. w. (1. Cor. 14, 23 f.), noch außerhalb der Gemeinde stehende Volksgenossem im vorliegenden Falle also noch unbekehrte Juden, theils um zu spio- niren und irgend etwas aufzufangen, was sie zum Schmähen und Lästern des christlichen Glaubens be- nutzen könnten (Ungläubige, wie Paulus in der vor- hin angeführten Stelle sie nennt), theils um diesen Glauben, zu dem sie schon einen gewissen Zug ver- spürtery näher kennen zu lernen und wohl schließlich sich ihm auch zuzuwenden (Laie·n):» aus V. 577 geht hervor, daß letztere Absicht mit ziemltcher Sicherheit bei den Armen, erstere dagegen bei den Reichen vorauszusehen war; aber »in ächt jüdischem Respekt vor dem Gelde« kam man gerade den letzteren mit der höchsten Zuvorkommenheit entgegen, während die ersteren verächtlich behandelt wurden. Jakobus stellt die Sache so vor, daß der Arme und der Reiche u gleicher Zeit in die Versammlung eingetreten sin ; aber nur der letztere mit seinen goldenen Fingerringen und mit seiner von Wohlhabenheit zeugenden Klei- dung hat die Augen auf sich gezogen, und man hat sich beeilt, ihm in der Nähe bei sich einen bequemen Sitzplatz anzubieten, dem Armen dagegen hat derselbe, der den Reichen so empfing, nur die Wahl gelassen, ob er in einem entfernten Winkel, wo eben Raum ist, stehen oder sich, falls er in der Nähe zu bleiben und zu sitzen vorzieht, am Schemel dessen, der ihn anweist, auf den Boden niederlassen will. Dies ist der an- genommene, aber nicht aus der Phantasie, sondern aus der Wirklichkeit entlehnte Fall; in V. 4 folgt dann ohne Zweifel der Nachsatz, bei dem aber die Worte des Grundtextes, zumal es sich hier um eine verschiedene Lesart handelt, ob das »und« zu Anfang des Verses mit in den Text gehört oder nicht, der Auslegung ziemliche Schwierigkeiten bereiten. Anfangs verfuhr Luther bei seiner Uebersetzung mit selbständigerem eigenen Urtheil und hat da den richtigen Weg ein- geschlagen, bis die Rücksicht auf des Hieronymus Emser Gegenübersetzung (Matth. 28, 20 Anm.) ihn auf andere Fährte brachte; doch werden wir auch seine nachmalige Uebersetzung gut verwerthen können (vgl. zu V. 7). Mögen immerhin, so will der Apostel seinen Lesern zu bedenken geben, die Juden in ihren Sym- gogen solchen Unterschied zwischen Reichen und Armen, Vornehmen und Geringen machen (Matth. 23, 6), den Christen müssen die einen wie die andern gleich werth sein, daß sie dieselben wo möglich für den HErrn gewinnen. Wir richten nach argen Gedanken, wenn uns die Be- kehrung eines Reichen wichtiger und interessanter er- scheint, als die eines Armen; wir taxiren da nach weltlicher Weise und werden schließlich die ganze Sache nur verderben: der Reiche, dem wir schmeicheliy wird schwerlich in das Himmelreich kommen (Matth.19, 23 ff.), vor dem Armen aber, der eingehen wollte, schließen wir mit unsrer verächtlichen und zurück- stoßenden Behandlung es muthwillens zu (Matth. 23, 13). Z. Hbret zu, meine lieben Brüder, hat nicht Gott erwiihlet die Armen auf dieser Welt szu solchen sie zu machen], die am Glauben san Gütern des Heils, die man im Glauben besitzet 1· Cor. 1, s; Ephes J, 3 ff.] reich sind [Luk. 12, 21; 2. Cor. 8, 9], und [zu] Erben des Reichs sder künftigen Herrlichkeit Luk. 22, 29], welches er verbeißen hat denen, die ihn lieb haben [Kap. 1, g. 12; 1. Cor. 1, 26 ff.]? 6. Jhr aber habt [mit solchem Verhalten, wie ich’s vorhin beschrieben habe] dem Armen Unehte gethan sgleich als sei er ganz unwerth, daß man irgend welche Riicksicht ihm schenke 1. Cur. 11, 22]. Sind [dagegen] nicht die Reichen [von denen kaum einmal der eine oder der an- dere in’s Reich Gottes kommt, andrerseits] die, die [wie die Verhältnisse der Gegenwart zeigen] Gewalt an euch" sden Vekennern Jesu Christi] üben und ziehen euch vor Gericht [Kap. H, 1 ff.; Hes. 18, 16; Weish. 2, 10; Matth. 18, 28 ff.]? 7. Verlästern sie nicht sals Ungläubige und Spötter, als Feinde und Widersacher Luk. 16, 14; 1.Cor.12,3; 1. Tim. 1,13; 1. Petri 4, 14 u. 16; 2, 12; 3, 161 den guten Namen [Phil. 2, 9 f.; Apostg. 4, 12], davon ihr genannt seid-«« sden Namen unsers HErrn der Herrlichkeih Jesu Christi V. 1; Apostg. 11, 26]? 8. So ihr swirklich in euerm Verhalten gegen die, die draußen sind Col. 4, b; 1.Thess. 4, 12] das köuigliche Gesetz swelches alle einzelnen Ge- bote der andern Tafel unter sich begreift Gal. 5, 14; Röm. 13, 8 ff.] vollendet nach der Schrift snach dem Wort in 3. Mos. 19, 18]: Liebe deinen Nächsten als dich selbst [wie man von euerm Ver- halten V. 2 f. allenfalls so urtheilen könnte, wenn es sich lediglich um das Zuvorkommen gegen die eure Versammlungen besuchenden Gäste handelte, das in dem Worte sich aussprichtt ,,setze dich her auf’s Beste«]; so thut ihr wohl fund braucht ihr von solcher Uebung des königlichen Gesetzes auch. Nicht Ansehen der Person leidet der Glaube an den HErrn Jesum Christum. 945 die Feinde und Widersacher nicht auszuschließen Matth. 5, 44 f.]. 9. So ihr aber die Person ansehet swie das damit geschiehet, daß ihr nur gegen die Reichen euch also verhaltet, und zwar um ihres Reich- thums willen, der euch in die Augen sticht, gegen die Armen dagegen desto rücksichtsloser versahret], thut ihr Sünde und werdet gestraft vom Gesetz als die Uebertreter sfür solche angesehen und be- handelt, indem es ja ausdrücklich das Ansehen der Person verbietet Z. Mos. 19, 15; s. Mos. 1, 17 u. Ia, 19]. 10. sNicht zu stark habe ich mich da aus- gedrückt, wenn ich euch als die Uebertreter schlecht- hin bezeichnete, ohne darauf Rücksicht zu nehmen, daß es sich zunächst nur um ein einzelnes Gebot handelt.] Denn so jemand das ganze Ge- setz hält [angenommen, daß das in der That bei ihm der Fall und nicht eine bloße Einbildung seinerseits wäre, obwohl bei genauerem Nachsehen sich schon noch mancher andere Defekt finden würde Mark. 10, 20], und sündtget an Einem sGebote desselben], der ist’s ganz schuldig fauch allen übrigen Geboten als Schuldner verhaftet]. 11. Denn der da fnach der Reihenfolge der Gebote, wie die griechische Uebersetzung des alten Testaments sie ausstellt Mark. 10, 19; Röm. 13, 9., zuvor] gesagt hat: Du sollst nicht ehebrechen, der hat auch sunmittelbar darauf] gesagt: Du sollst nicht tödten. So du nun nicht ehebrichst [und also jenes erstere Gebot zwar hältst], tddtest aber [in Uebertretung dieses andern Gebots], bist du ein Uebertreter des Gesetzeskk [fchlechthin, nicht blos eines einzelnenGebotes desselben]. 12. Also redet und also thut snicht blos in dem hier vorgeführten einzelnen Falle, sondern überhaupt in allen Verhältnissen und Beziehungen eures Lebens Col. Z, 17], als lsolche nämlich 1. Tor. I, 26] die da sollen durch das Gesetz der Freiheit [Kap. I, 251 gerichtet werden [und die darum dieses Gesetz auf’s Gewissenhafteste beobachten müssen]. 13. Es wird aber sdas bedenket wohl, um euch vor dergleichen Verhalten, wie ihr’s gegen den Armen beobachtet V. 6., künftig auf’s Strengste zu hüten] ein unbarmherzig Gericht swelches die Barmherzigkeit da nicht mehr walten läßt, wo man doch durch sie allein vor dem Verderben be- wahrt bleiben kann] über den gehen, der nicht Barmherzigkeit gethan hat sMatth 9, 13; 12, 7; 18, 35; 25, 41ff.]; nnd wiederum] die Barm- herzigkeit rühmet [ihrerseits] sich wider das Ge- tichtkkk [daß, wo man sie im Herzen trägt und im Leben übt, man vor der so schwerwiegenden Entscheidung des jüngsten Tages sich nicht fürch- tet, sondern mit guter Zuversicht ihr entgegen- sieht Matth. 5, 7; J. Eor. 4, 3 f.; Tob. 4, 12]. Dächseps Bibelwerb M· Band. V) Hernach (V. 8 ff.) wird der Apostel den Lesern zu bedenken eben, daß sie mit jenem ihrem Verhalten, Arme, weil sie arm sind, geringschätzig zu behandeln und Reiche, weil sie reich sind, zu bevorzugen, sich versündigen (,,ihr werdet Richter und machet bösen Unterschied« V. 4); für’s Erste aber giebt er ihnen zu bedenken, was sie von solchem Verhalten abhalten sollte, bezichtigt sie also, daß sie unbedacht handeln (,,ihr bedenket es nicht recht« —— Luther), und das giebt er ihnen mit dem ebenso freundlichen als dringen- den Zurufe zu erwägen: ,,Höret zu, meine lieben Brüder-l« (v. Hofmannh Es bestanden diese Gemein- den größtentheils aus Armen, die denn Von den reichen und angesehenen Juden (unter denen sie wohn- ten und von denen sie im bürgerlichen Gesellschafts- leben abhängig waren) bedrückt wurden; doch ist an eigentliche Religionsverfolgungen nicht zu denken, fon- dern an Bedrückungen und Erpressungen andrer Art (in der ohnedies schon schweren Zeit). Andrerseits aber war der Zustand dieser Gemeinden von der Art, daß bei Vielen das Ehristenthum nur in der An- erkennung Jesu als Messias und der einzelnen sitt- lichen Gebote desselben, welche sie als die Vervoll- kommnung des Gesetzes betrachtetem bestand; fort- gerissen von dem Eindrucke, den die Predigt und ganze Wirkungsweise der Verkündiger des Evangeliums auf sie machten, angezogen auch von der Hoffnung, daß Jesus bald wiederkommen und ein Reich der Herrlich- keit auf Erden stiften werde, dessen Glückseligkeit sie sich auf ihre Weise ausmalten, bekannten Manche sich zum Christenthnm, ohne daß eine wesentliche Verän- derung mit ihnen vorgegangen wäre. (Neander.) IV) Wie es nur Einen Gesetzgeber giebt, von dem jedes einzelne Gebot ausgegangen ist, den lebendigen Gott, so ist in ihm auch das ganze Gesetz Eines: wer Einen Stein aus dem Gebäude reißt, bewirkt den Einsturz des Ganzen; wer also gegen Ein Gebot sün- digt, übertritt nicht sowohl dieses, als das Gesetz selbst. (v. Gerlach.) Das Gesetz ist gleichsam ein Kleid, wel- ches ganz zerrissen wird, wenn du nur Ein Stück aus demselben wegnimmst; es ist wie die Zusammen- stimmung in der Musik, welche ganz verdorben wird, wenn nur Eine Stimme übel klingt. (Starke.) An Ihm, der das cganze Gesetz als seines einheitlichen Willens Ausdru gegeben hat, versündigt sich und wird also ein Frevler am Gesetze überhaupt, wer es in irgend einem Stücke übertritt: so ernst müssen es die Leser mit der Sünde nehmen, die sie damit begehen, daß sie ungerechtfertigter Weise, nur durch äußere Rück- sichten bestimmt, den Einen vor dem Andern bevor- zagen, und nicht dürfen sie es als eine Einzelnheih welche bei denen, die sonst dem Gesetze nachleben, wenig zu bedeuten habe, leicht nehmen. (v.Hosmann.) VII) Ein Christ, der das Gesetz der Freiheit, d. h. das Gesetz in seiner neuen, über das bloße Muß er- hebenden Lebensmacht, mit seiner gottgeschenkten Kraft kennt, die, das Jnnerste der Gesinnung umgestaltend, die Liebe zu ihrem Herzschlag und Lebenspuls hat, und der weiß und bedenkt, daß er nach ihm dereinst gerichtet wird, der weiß eben damit auch, welche An- forderung sich hieraus für all sein Verhalten ergiebt; der kann nun nicht mit einer stückweisen Erfüllung des Gesetzes sich zufrieden geben und seine Uebertretung erst noch beschönigen, sondern muß dahin trachten, daß das Gesetz der Freiheit, in dessen freies Lebenselement er durch die Wiedergeburt (Kap. 1, 18) erhoben ist, die» Seele seines ·Thuns werde. ·» (Wiesinger.) Je großere Freiheit» dieses Gesetz gewahrt, desto stren er und gewissenhafter ist es zu beobachten (Thiele.) ie man von einem erwachsenen und mit Freiheit behan- 60 946 Jakobi 2, 14-—26. delten Sohne mehr fordert als von einem jungen Kinde, wie man ihin im Reden und Thun weniger übersieht, so geht es auch hier genauer, wenn man, als unter der Gnade gestanden, sich nach dem Liebes- gebot, nach dem alles Ansehen der Person aufheben- den Gesetz Christi soll richten lassen. Ein Becher kalten Wassers, einem Armen darum, daß er Christo ange- hört, gereicht, kann nach dem Gesetz der Freiheit große Vergeltung finden, und eine Versäumniß an den Ge- ringsten, die an Christum glauben, kann hoch zu stehen kommen; die Schuld von 10,000 Pfund hat jenem Knecht kein solches Gericht zugezogen, als die Ver- säuinniß, daß er sich nicht erbarmet hat, wie er Barn1- herzigkeit erfahren, sondern auf seinem Recht bestanden ist. Es müssen nicht gerade himmelschreiende Un- barmherzigkeiten sein, womit man sich ein unbarm- herziges Gericht zuzieht, sondern auch ein solches Be- stehen auf dem Recht, dabei man nicht die Hand- lungsweise Gottes zur Richtschnur behält, wie er sich über uns erbarmet hat, kann schon in unbarmherzig- keit und darum in gleiches Gericht stürzen. (Rieger.) Die Liebe des Glaubens dagegen verleiht dem, der sie in sich trägt und überall bewährt, das Bewußtsein, daß er aus dem Tode in das Leben gekommen 1. Joh. Z, 14. (v. Oosterzee.) Wo die Kraft der göttlichen Gnade und Erbarmung ein Menschenherz ergriffen und in ihr eigenes Wesen hineingebildet hat, wo ein Ntenschenherz sich erweist als durchdrungen von dem Wesen der ewigen Liebe, da fallen alle Schrecken des Gerichts hinweg: der Vater sieht sein Bild in dem Kinde, sein Werk in dem Erlösteiy und sein Bild und Werk kann und will er nicht verwerfen; und ob auch noch viel Mängel und Gebrechen verklagend auf- treten wollen, sie werden in den Schatten gestellt durch den Grundzug des erneuerten Wesens. (Ernst.) Um dessentwillen, was sie ist, weiß die Barmherzigkeit sich sicher, vom Gerichte in Anspruch genommen zu werden. (v. Hofmannh » 14. Was hilft-s, lieben Bruder, so jemand sagt svon sich behauptet oder vorgiebt], er habe den Glauben san Gott V. 19 und halte sein Wort für wahr und für den einigen Weg zur Skkgkelt VDUK Z, 17 sf.], und hat doch die Werke nicht [worin derselbe sich lebendig und wirksam erweist Matth. 7, 26 ff.; Joh. 7,17]? Kam; auch der Glaube [wenn er so für sich allein bleibt und ganz unfruchtbar sich zeigt] ihn selig ntachettk sdaß er sich sicher fühlen darf vor Gottes Gericht V. 13., und also ihm selber einen Niitzen schciffenlki 15. So aber fum dann ferner euch zu Ge- müthe zu führen, wie der bloße, wirkungslose Glaube auch Andern nichts einträgts ein Bruder oder Schwester bloß wäre [unzureichend bekleidet LUE Z, U] und Mangel hätte der täglichen sfür den betreffenden Tag benöthigten Matth. S, 11; Luk. 11, Z] Nahrung; 16. Und jemand unter euch spräche zu ihnen: [wenn sie uin Hilfe in ihrer Noth ihn ansprechen, wie denn wirklich dergleichen Beispiele des Ver- haltens gegen die hilssbedürftigen Glaubens- genossen in dieser jetzigen, so bedrängten Zeit Kap· 1, 2 Anm. bei euch vorliege1i]: Gott berathe euch [wörtlich: Gehet hin im Frieden, ich gebe euch meine besten Wünsche mit auf euern weiteren Weg Apostg. 16, 36; Nicht. 18, 6], warmet euch und sattiget euch sdenn Gott wird Rath schasfen, daß ihr Mittel und Wege dazu findet]: gabet ihnen» aber nicht, was des Leibes Nothdurst ist, was hulfe sie das l1. Joh. Z, 17 f.; Rom. 12, 13]? 17. Also auch der Glaube, wenn er nicht Werke hat, ist er todt an ihm selber« sseinem inneren Wesen nach ja bloßer Mundglaube und reiner Scheinglaube, der sich selber Lügen straft und des ehrenvollen Namens, den er sich giebt, nicht werth ist]. «) Der Apostel hat im vorigen Llbschnitt vor einer, zu dem Glauben an die Herrlichkeit Christi übel stinimenden Bevorzugung des Reichen und Zurücksetzung des Armen gewarnt, deren sich die an ihn Gläubigen, wo sie als solche versammelt waren, gegen Nichtchristem die ihrer Versammlung beizuwohnen kamen, schuldig machten, ohne zu bedenken, daß sie sich damit gegen das im Gebot der Liebe einheitlich beschlossene Gesetz versän- digten und hierdurch unter das Gericht des Gesetzgebers fielen, vor welchem nur die barmherzige Liebe sicher ist. Wenn er nun sortsährt: »was hilst’s, lieben Brü- der«, so sieht man gleich an diesen Worten, daß er von etwas handeln wird, was im Unterschied von der barmherzigen Liebe nicht dazu nützt, vor dem Gerichte sicher zu sein. (v. Hofmann.) Jakobus hat vorhin das Ansehen der Person und die daraus hervor- gehende lieblose Zurücksetzung der Armen gestraft; er zeigt nun, daß der Glaubensruhm ohne die Glaubens- werte, die in der Liebe einheitlich zusammengefaßt sind, ein eitler, nichtiger, fruchtloser ist. »Was hilft’s«, so hebt er hier an, wenn jemand sagt, er habe den Glauben, und hat doch die Werke nicht, kann auch der Glaube ihn selig machen?« Der Glaube, welchen jemand zu haben vorgiebt, ist natürlich der wahre, ächte Glaube, denn eines falschen, unächten Glaubens wird sich ja niemand rühmen; wenn nun der Apostel sagt, daß der Glaube dem des Glaubens sich Rühmen- den nicht zur Seligkeit verhelfen könne, so versteht sich von selbst, daß er damit den ächten Glauben meint, den jener zu haben vorgiebt, aber nicht wirklich besitzt Darin liegt von vornherein, daß der wahre, ächte Glaube allerdings das Heil vermittelt, daß er aber als solcher sich durch die Werke ausweisen muß; und so ist zugleich in der Negation dieses ersten Verses unsrer, mit Gal. 2 u. Z; RömZ u. 4 scheinbar im Widerspruch stehenden Stelle, daß nämlich das nackte Bekenntniß des Glaubens nicht ausreichend sei zum Heil, zugleich mittelbar die paulinische Position mit eingeschlossen, daß der wirkliche Besitz des Glaubens zum Heile ausreich end ist, daß aber für das that- sächliche Vorhandensein desselben die Werke als Zeugniß erforderlich sind. (Philippi.) it) Jakobus hat es mit einem Menschen zu thun, der äußerlich dem Worte der Wahrheit zustimmt, der darum den Anspruch erhebt, gläubig zu sein, und auf Grund dessen die Rechte eines Gläubigen in Anspruch nimmt, dessen Leben aber keine Spur innerer Ver- nenerung zeigt, dem die Werke aus dem Gesetz der Freiheit fehlen — wir würden sagen, mit einem todten Orthodoxein Was er nun von seinem Glauben hält, zeigt er ihm durch eine schlagende Parallele: er hält gerade soviel davon, als er von einer Liebe hält, die der Noth gegenüber statt thatsächlicher Hilfe nur freundliche Redensarten hat. Eine Liebe, die nur Des Glaubens sich rühmen, ohne doch des Glaubens Werke zu thun, ist eitel und unniitz· 947 Worte hat und keine Thaten, ist ohne Leben; von einem Glauben, der nur Worte hat und keine Werke, gilt dasselbe, er ist ohne Leben. Wahrer Glaube er- greift das Leben Gottes, christlicher Glaube das Heil und Leben Gottes in Christo: wo dieses Leben wohnt, entfaltet es sich auch nach außen hin; wo sich kein Leben zeigt, da ist auch keins. Dieser angebliche Glaube ist gar kein Glaube, weil er todt ist. (Ernft.) Wenn so der Apostel den der Werke ermangelnden Glauben einen todten nennt, konnte es ja gewiß nicht seine Meinung sein, daß die Werke, das Aeußerliche, in die Erscheinung Tretende, den Glauben erst zu einem lebendigen machten, daß in ihnen das Leben des Glaubens bestehe, sondern er mußte voraussetzem daß der rechte Glaube das Leben schon von selbst in sich trage, das Lebensprinzip bereits in sich habe, ans welchem aber dann die Werke hervorgehen müßten, und daß dies in den Werken sich zu erkennen gebe; der Mangel der Werke war ihm daher ein Beweis von dem Mangel des Lebens im Glauben, und daher nennt er diesen einen todten Glauben. (Neander.) 18. Aber [gleichwie todt an ihm selber, so ist auch der Glaube, wenn er nicht Werke hat, für Andere von sehr zweifelhafter Existenz; denn] es mdchte [da] jemand szu dir, der du des Glau- bens dich rühmst und auf ihn, den du dir nicht ebenbürtig erachtest, mit einer gewissen Gering- schätzung herabblickst] sagen: Du hast den Glauben sder als eine Sache des Herzens im Inneren verborgen ist], und ich sder ich dir für einen Ungläubigen gelte] habe die Werke sdie offen vor jedermann daliegen]; zeige mir snun, wenn ich als wirklich vorhanden ihn anerkennen und nicht als einen blos vorgegebeneit betrachten soll] deinen Glauben mit dritten Werken sdenn nur daran wird er für mich erkennbar] so will ich auch meinen Glauben sdessen Vorhandensein du in Abrede stellst] dir zeigen mit meinen Werken fund du wirst fortan zugestehen müssen, daß ich kein Ungläubiger bin, wofür du mich ausgiebst]. 19. sUnd wie für Andere von gar zweifel- hafter Existenz, so ist jener, dein werkloser Glaube, für dich selbst zugleich von sehr zweifel- haftem Werthes Du glaubst, daß ein einiger Gott ist [und bist als Jude den Heiden gegen- über auf solchen Glauben stolz Rönr. Z, 17]: du thust wohl daran sdenn es ist das die Grundlage aller wahren Religion in ihrem Unterschied von dem heiduischen Jrrglauben 5. Mos. S, 4; I. Cor. 8, 4]; die Teufel sDämonen 1. Cur. 10, 20] glauben-s saber] auch , und zittern« svor dem Gericht dieses Gottes, dem sie sich verfallen wissen, ihr Glaube macht sie also fowenig selig, daß er im Gegentheil die Quelle unsäglicher Pein für sie ist]. 20. Willst du aber wissen, du eitler Mensch sder du des Glaubens dich rühmst, ohne doch die daraus hervorgehenden Werke in deinem Leben nachweisen zu können V. 18], daß der Glaube ohne Werte todt sei? swohlan, so will ich dich dieser in V. 17 ausgesprochenen Wahrheit aus der Schrift jetzt iiberführen.] ] 21. Jst nicht Llbrahany unser Vater sRöm. ! 4, 1], durch die Werke gerecht sals ein Gerechter, dafür ihn Gott um seines Glaubens willen er- klärt hatte 1. Mof. 15, 6., durch die That er- funden, als folcher auch ausgewiesen I. Mos. 44, IS] worden, da er seinen Sohn Jsaak aus dem Altar opferte s1. Mos. 22, 9—12]? 22. Da siehest du, daß der Glaube mit ge- wirket hat an seinen Werken sindem derselbe ihn dazu trieb und dazu tiichtig 1nachte], und durch die Werke ist der Glaube sbei ihm erst] vollkommen worden lzu jener abschließenden Vollendung ge- langt, wo nun von Glaube im ganzen volleu Sinne des Worts die Rede sein kann 1. Joh. 2, 5]. 23. Und sso] ist [auch erst durch die Werke] die Schrift ekfütlet sdaß ihr Zeugniß als voll- kommen der Wahrheit gemäß anerkannt werden muß] die da [in1.Mos-15,6] spfichk Abraham hat Gott geglaubet, und [das, solches sein Glauben, von welchein sich schon erweisen würde, daß, wenn es zur Sache käme, auch die schwerste Probe ihm nicht zu schwer sein Winde] ist ihm zur Gerech- tigkeit gerechnet [Röm. 4, 3; Gar. Z, 6], und ist ser nun hernachmals, als er die schwerste Glau- bensprobe thatsächlich bestanden] ein Freund [Lieb- haben] Gottes geheißen« [2. Thron. 20, 7; Jes 41, 8. 24. So sehet ihr nun, daß swie in V. 21 zunächst in Beziehung auf Abraham gesagt wurde] der Mensch durch die Werke gerecht wird, nicht swie Manche unter euch wähnen] durch den Glauben allein sso daß es genügte, diesen zu haben, und man dann jene sich ersparen könnte V. I8]. 25. Desselbigen gleichen sum hier noch nach- zubringen, warum ich soeben das von Abrahatn Gesagte auf den Menschen überhaupt ausdehne] die Hure Rahab sdie unter diesem Namen im Unterschied von unserm Vater Abraham V. 21 ebenfalls eine ruhmvolle Stelle in der heiligen Geschichte einnimmt Hebn II, 31], ist sie nicht durch die Werke gerecht sund von dem Verderben, das alle Andern betraf, errettet Ins. S, 25] wor- den, da sle die Boten aufnahm und ließ sie einen andern Weg sals auf dem sie in ihr Haus ge- kommen] hinaus [Joh. 2, 1sf.]? » 26. Denn gleichwie der Leib ohne Geist sohne Od ein, dieses Erkennungszeichen des vorhandenen Lebens J. Mos 6, 17; Offenb 11, ·11;· 13,15] todt ist, also auch der Glaube ohne sdie ihm ent- sprechenden] Werke ist todtkkk sdurch sie allein kann er sein wirkliches Vorhandensein erweisen V. 20 . V) gsereiten diese beiden Verse an und fiiusich schon dem Verständnis; keine geringen Schwierigkeitem so werden für die Auslegung »die Schwierigkeiten noch größer durch die Verschiedenheit der Lesart1m Grund- text, indem die zweite Hälfte des 18. Verses nach andern Handschriften so lauten würde: ,,zeige mir 608 948 Jakobi 2, 26. deinen Glauben ohne die Werke (wie willst du das ansangen?), so will ich dir aus meinen Werken den Glauben zeigen (den du auf meiner Seite nicht an- erkennen willst)«. Jndessen läßt sich der Text bei Luther re t wohl o ne Beeinträchti un des Ge- g g dankens, den»Jakobus ausdrücken will, festhalten; es wird hauptsachlich darauf ankommen, daß wir den Apostel richtig darin verstehen, wen er mit dem --1;s«»:rg;. nein, Frist« g ssisxis Wississpsgiis ,,e . ai enn en ar e - gegriffen, wenn man dies jemand« in dem Sinne genommen hat: »der ErstiYBesteC denn nicht der Ehrste Festes dannbsagenz ,,icht hage die WerkeMdsondern o ne wei e a en wir un er ie em ,,jeman « einen Repräsentanten der Heideiichristen zu verstehen, in deren Mitte die Leser sich befanden, die sie aber wegen ihres früheren Heidenthums geringschätzten und nicht als ihnen, den Monotheisten von Kind auf, eben- bürtig anerkennen wollten, während dieselben doch, nachdenå siedan Gottsgzläikbizzfl geworden waren, sich in einem tan e guter er e "n en ließen (Tit. Z, 8), wie sie denn insbesondere in jenen Zeiten der Noth, wo von den Judenchristen viele ihre leidenden Brüder mit frommen Redensarten abspeisten (V. 14 ff.), sich bereitwillig der Heiligen Nothdurst annahmen (Apostg. ·11, 29f.), und Paulns und Barnabas auch sonst ilhznen Lguneg Lsancdjelstruhmen tongitnnb(Apostg. 15, Z. · . u ei en ri en nimmt ao us erna be« seinen Auseinandersetzungen noih ausdrkcklichchBet zie ung, wenn er in V. 25 das Exempel der Hure Rahab heranzieht; er bekundet also· ihnen gegenüber Von hier; die namliche Stellung, die wir ihn einige Jahre spater auf dem Apo·stel-Concil darlegen sehen Fäpossttg l5,l»13b·ff.). Ja,d im Btzergzleich dmit dån an ri um g au i gewor enen ei en, eren er en Gott durch den lauben gereinigt hat (Apostg. 15,?9), haben seinen Auslassungen gemaß die noch unglau- bigen Juden sowenig Ursach, noch· ferner auf ihren Aionotheismus zu pochen, daß sie vielmehr Ursczch hatten, vor dem Gott, an den zu glauben sie sich Zihilnäen ztu zihttern; dieks dgiedt erdmit dem, waåtekryin . ag , i nen zu e en en, enn er ma ier einen, rein sjüdischen ckGlnn·kxkenssatzbnamhaft, nhne ihn; im ering en eine ri i e Fär un u e en, u goerdenkwir dei Kåpd nähher dalraiikyfgeizsnYxljen, wiehjxr arau omm , au ie no ung äu igen Juden me r- fach iii seiner Epistel anzusprechen Es wird dadurch seineEpistel zu einerMissionspredigt an die Juden zu· einer Zeit, wo mit der Gründung einer eigenen heidenchristlichen Kirche in Antiochien selber und mit der Aussendung des Paulus und Barnabas zu dem Werk, dazu sie der HGrr berufen, das Reich Gottes nun schon sehr entscheidende Schritte that, von den Judenyzu den Peikåendsich zustwendeni Nelknnen Lin; an, ie neuer in ie mei en us eger t un, a iinser Jakobusbries ein die judenchristlichen Gemeinden zu» Antiochien, Syrien und Cilicien und noch in den fruheren Jahren des apostolischen Zeitalters (vgl. die Begin zn Kasåt1ä1»untårfkk) gesFrlieben seid, so geht au un rer e e im uamnien at mit em, was wir» zu V.»4 erörtert haben, hervor, daß die aus den Griechen sich bildende Christengemeinde zu Antiochien wohl bald anfangs eine selbständige Stellung zu der aus den Juden erwachsenen einnahm; es ist das auch ganz natürlich, wenn man von den Heiden, die sich zu Christo bekehrten, nicht einmal verlangte, daß sie zuvor Iskkssptltntåkngdiesf Ihm;,AgeschweigedsolcheLder Gerech- ig ei . o. , nm. wiir en. etzteres nun forderten hernachmals die Judaisten aus Jerusalem, Jakobus jedoch brachte es auf dem Apostel-Concil im J. 50 dahin, daß nur etwas dem ersteren Analoges den sich bekehrenden Heiden in jenen Gemeinden auf- erlegt würde (Apostg.15, 1 ff.); wie er da in Gemein- schaft mit den andern Aposteln und den Aeltesten von Jerusalem »den Brüdern aus den Heiden, die zu An- tiochien und Syrien und Eilicien sind« Heil wünscht, so hier »den zwölf Geschlechtern, die da sind hin und her« Csapz 1, I) in den nämlichen Gegenden und mit dem namlichen Ausdruck im Grundtext Galgen-» Kap- 1, 1 —- Luthert ,,Freude zuvor«), woraus ·wir erk kennen, daß die· Christenheit dort wirklich in zwei Gemeinden auseinanderging, von denen die eine aus Jusdegclzgisteliji Festung» und »jüd,gschllebte uådldie andenle au ei en ri en, ie, wie auus in a. «, i ausdrückt, heidnisch lebte. Diese andere nun zeichnete sich durch ihre Werke, die sie im Glauben vollbrachte, aufs, indem sie nicht nur die in Apostg. 11, 29 f. er- wahnte Collekte zu Stande brachte, sondern auch in schwerer Zeit des Missionswerks sich treulich annahm; jene erste dagegen pochte auf ihren jüdischen Mono- theismus und begnügte sich mit einem todten, Werk- losen Glauben» darüber denn Jakobus nicht ohne merkbare Hinweisung auf das Beispiel der andern, von ihr geringgeschätzten Gemeinde sie straft. «· Mit »du eitler Mensch« redet der Apostel in V· 20 unwillig» den an, welcher sagt, er habe Glauben, Werke aber nicht hat, und bezeichnet ihn damit als einen Menschen, welchem das fehlt, was er haben mußte,»wenn er das sein sollte, wofür er gelten will; denn diesen Sinn hat das im Grundtext für ,,eitel« gebrauchte·Wort, wo es von Personen, wie wenn es von Sachlichem steht. Er giebt sich dafür, daß er» an seinem Glauben habe, was ein Mensch haben musse, um vor Gott zu bestehen, und hat es doch nicht, und dessen soll er nun, wie die Frage: ,,willst du aber wissen?« besagt, wenn er Beweis verlangt, überführt werden; es soll ihm bewiesen werden, daß der Glaube ohne Werke todt (nach anderer, auf V.19 sich zurück- beziehender Lesart: ertrag- oder fruchtlos Petri 1, 8) sei. (v.· Hofmann.) Dieser Satz nun, nnd kein anderer, soll im Folgenden erwiesen werden, wie auch daraus hervorgeht, daß er, nachdem er in V. 21——25 Ists« dss Iiääktskikxisskkf Zkkkspkkstwktei Deduction abschließend wiederkehrt. Wir werdeng als-o von vornherein gar keinen andern Erweis erwarten konnen, als den, daß Abraham, der Vater der Gläu- bigen, an dem doch das ächte Wesen des Glaubens zur Erscheinung kommen mußte, seinen nicht blos todten Scheinglaubem sondern ·wahren, lebendigen Glauben durch seine Werke erwiesen habe. Beweiset Abrahiim, daß nur» der werkthatige Glaube der wahre, lebendige Glaube ist, so ist damit auch umgekehrt be- tcnjieseitiy daß iåer wgrkelose Cänlaåillze tdJdtist an ihn« selber. era e in ezie ung au ra am nun ag eine Schriftaussage oder ein Gottesspruch vor, welchen die Gegner, sich auf den nackten, werklosen Glauben stieg-ten, sur sich anführen konnten, daß ihm nämlich sein Glaube zurGerechtigkeit gerechnet worden sei. Zakobiås erkennt »die? in 23 selber ans tbesten ewei , a er in er e re von er e er igung allein durch den Glauben (Röm. 3, 28) durchaus mit Paulus nbereinstimniy er hatte aber den Gegnern nachzuweisen, daß dieser Glaube Abrahams, durch den allein er gerechtfertigt und also auch beseligt worden ist, kein todter Scheinglaube, keine bloße theoretische Erkenntnis; und Zustimmung, sondern wahrer, leben- diger Glaube war. Demnach mußte die Qualität des Abrahamsglaubens näher dargethan werden, was in V. 21 u. 22 geschieht; er mußte als ein in Werken Gleichwie der Leib ohne Geist todt ist, also auch der Glaube ohne Werke. 949 sich wirksam erweisender Glaube erwiesen werden, woraus aber keineswegs folgt, daß er um dieser seiner Wirksamkeit willen gerechtfertigt habe. (Philippi.) ,,Da siehest du, daß der Glaube mit gewirket hat an seinen Werken«: wozu mitgewirketP etwa zur Recht- fertigung vor Gott, daß Abraham nur erst nach voll- brachten Werken als ein Gerechter vor Gott erschienen wäre? Hätte Jakobus dies gemeint, so hätte er ja voraussetzen müssen, daß Gott den Menschen nur so erkenne, wie er in derErscheinung sich darstellt; er hätte also nicht die Allwissenheit eines in das Jnnere blickenden, die Gesinnung, ehe sie zur Erscheinung kommt, erkennenden Gottes annehmen können. So gewiß er aber dies that, so gewiß mußte er auch überzeugt sein, daß vor dem Blicke Gottes der Glaube, der nach- her in solchen Werken der Selbstverleugnung sich be- währte- schon als der ächte, rechtfertigende erschien; indem er aber von dem Standpunkte des menschlichen Bewußtseins aus redete, nur darauf hinsah, wie in der Erscheinung die Sache sich darstellt, drückte er sich so aus, daß Glaube und Werke zur Rechtfertigung zusammenwirken mußten. So auch, wenn er sagt, daß in den Werken der Glaube ,,vollkommen ge- worden« sei, konnte er nicht meinen, daß die Werke das Vollendende des Glaubens seien, sondern nur, daß der Glaube als der ächte, vollkommene in den Werten sich darstelle. Cfieanderh Der Deut- lichkeit wegen läßt sich der Saß: »und ist die Schrift erfüllet, die da spricht 2c.« negativ so wenden: würde Abraham seinen Glauben nicht durch die That bewährt haben, so hätte sich jenes Schriftwort nicht erfüllet, was dann soviel ist als: sein Glaube würde ihm nicht zur Gerechtigkeit gerechnet worden sein, wenn er nicht sol- cher Art gewesen wäre, wie er sich nachmals bewährte. (Wiesinger.) Ehe Abraham noch etwas Gott Wohl- gefälliges vollbrachthatte, so lehrt hier Jakobus über- einstimmend mit Paulus, wurde sein Glaube ihm zur Gerechtigkeit gerechnet; aber sein Glaube war eben auch nicht jenes todte Fiirwahrhaltem was unter dem Widerspruch unsers Herzens sich gewaltsam uns auf- zwingt, es war vielmehr ein Glaube, der in kind- lichem Vertrauen und selbstverleugnender Liebe zu Gott sich thätig erwies, es zeigte sich, inwiefern sein Glaube allein schon ihm zur Gerechtigkeit gerechnet werden konnte, weil er nämlich ein Glaube von der Art war, der die Quelle aller guten Werke ist. (von Gerlach.) Der Glaube, mit welchem Abraham die Verheißung Gottes aufnahm, weist schon auf den späteren Gehorsam (vgl. Hebr. 12, 25 u. 19), und die göttliche Zurechnung seines Glaubens zur Gerechtigkeit weist auf die ihm später von Gott nach Beweisung seines Gehorfatns zuertheilte Gerechterklärung V. 21; l. Mos. 22, 16 hin. (Huther.) IN) Der Apostel hat vorhin dem, welcher sagt, er habe Glauben, ohne daß er Werke hat, das bewiesen, was er ihm beweisen wollte; er verläßt ihn nun, wie er sich ja auch erst im Verlaufe seiner Auseinander- setzung an ihn gerichtet hat, und wendet sich in V. 24 wieder an seine Leser überhaupt, für die er in V. 14 die Auseinandersetzung angehoben hat, denn sie sollen wissen, was es um solchen Glauben ist, damit sie den Wahn, als sei mit ihm etwas gethan, nicht gewähren oder Raum gewinnen lassen. (v. HofmannJ Wenn er dann in V. 25 dem Beispiele Abrahams das der Rahab zur Seite stellt, so hebt er auch hier im Gegen- satz gegen den falschen jüdischen«Standpunkt, welcher die Heidm nur durch den müssigen Glauben an den Einen Gott gerecht werden ließ, hervor, daß dieser Glaube durch Werke einer, um der Ehre Gottes willen alle weltlichen Rücksichten verachtenden Gesinnung sich bewähren mußte. (Neander.) Und wenn er in V. 26 seine Auseinandersetzung mit den Worten abschließt: ,,wie der Leib ohne Geist todt ist, also auch der Glaube ohne Werke ist todt«, so kann das im Grundtext für ,,Geist« stehende Wort nicht eigentlich den Geist be- deuten, weil sonst das Bild unzutreffend wird; denn der Geist ist das den Leib Belebende, die Werke sind aber nicht das den Glauben Belebende, sondern viel- mehr umgekehrt das durch den Glauben Belebte. Wohl aber ist das Athmen das Erkennungszeicheii des Lebendigseins des Leibes, wie die Werke, gleich- sam als der Athemzug des Glaubens, das Erkennungs- zeichen des Lebendigseins des Glaubens sind. (Pbilippi.) Unsre Stelle zeigt, daß in den Gemeinden, an welche der Apostel schreibt, ein pharisäisches Pochen auf den Glauben im Sinne der bloßen Rechtgläubig- keit häufig war, eine jenem Vertrauen der Juden auf Abrahamskindschaft (Joh. 8, 33) ähnliche Benutzung der den Lesern wohl aus 1. Mos. 15, S; Habak 2, 4 geläufigen Wahrheit von der Rechtfertigung, wie sie gerade dem pharisäischen Sinne nahe lag. Dieser be- tonte auf der einen Seite die Werke, d. i. gewisse fromme äußere Leistungen, aus der anderen aber noch mehr die Rechtgläubigkeit, woneben er die rechten guten Werke, die Erfüllung der Gebote Gottes, be- sonders des obersten Gesetzes der Liebe, dahinter( ließ; wie daher Paulus Anlaß hatte, gegen jene erstgenannte Seite des Pharisäismus zu streiten, so Jakobus gegen diese zweite. Mit lediglich nichts ist angedeutet, daß es die paulinische Rechtfertigungslehre oder deren Miß- brauch ist, wogegen unser Verfasser sich hier wendet; ist es ja ohnedies schwer denkbar, daß diese Lehre des Heidenapostels gerade in judenchristlichen Gemeinden frühe Anklang gefunden hätte, alles weist vielmehr auf solche judenchristliche Zustände hin, wie sie in der frühesten Zeit, vor Auftreten Pauli, sich eben als iicht jüdische Gewächse in diesen Gemeinden gebildet hatten. Kübel) Die der Apostel als Gegner vor sich hat, waren Christen aus den Juden, welche, wie sie einzelne kleine Gebote geringschätzten und ihre Uebertretung für gleichgiltig hielten, so auch den Heiden gegenüber ihres Glaubens an Einen Gott sich rühmten und durch diesen Vorzug ihren Mangel an thätiger Liebe zu- decken wollten. Beides war den Pharisäern eigen, wie besonders aus Matth 5, 17 u. Röm. Z, 17 ff. hervorgeht; dagegen hat Jakobus keine Schüler des Paulus, nicht einmal solche vor Augen, die ihn miß- verstanden hatten, gewiß also nicht solche, denen Pau- lus in Röm. 6, 1 ff. die Worte in den Mund legt: ,,sollen wir in der Sünde beharren, auf daß die Gnade desto mächtiger werde?« Wie ihm die Lehre von der freien Gnade Gottes in Christo geläufig war (Kap. 1,18;2, 5), so war sie sowohl ihrem rech- ten Gebrauche als ihrem Mißbrauche nach seinen pharisäischen Gegnern und den von ihnen angesteckten Christen fremd; der Glaube also, den er als den nicht selign1achenden hier darstellt, ist nicht das Vertrauen auf Christi Verdienst, auf Gottes Gnade in ihm, er ist eine leere, wirkungslose Verstandesüberzeugung, daß Ein Gott sei, wie mit dieser die ungläubigen Juden damals allgemein den Heiden gegenüber sich brüsteten. Das Christenthum hatte die Aufmerksamkeit Aller, auch der Juden, auf die Frage von dem zukünftigen Gericht gelenkt und von der Rechtfertigung vor Gott in dem- selben: hier leugnetnun Jakobus, daß ein solcher Glaube, wie jener pharisäische war, vor Gott-recht- fertigen könne; gerecht und selig mache nur der Glaube, der in Werken des Vertrauens und der Liebe zu Gott sich selbst bewähre und vollende. Was er Glauben nennt ohne Werke, ist daher eigentlich 950 Jakobi Z, 1—11. gar kein Glaube; was er dagegen die Werke nennt, durch die der Mensch gerecht wird, sind die, welche aus dem rechten Glauben ganz ebenso von selber her- vorgehen, wie"Licht und Wärme von selber aus dem Feuer sich ergeben. so. Gerlach.) Das Z. Kapitel. Vom igebranch nnd Riiszhracich der Zunge. 1I1. V. 1—i1:ap. 4, 17: Bestrafung der lcefer wegen der sowohl bei den tLehrern alS bei den lzörern herrschenden Llnartem die keine Sru t der Ge- rechtigkeit von der 2lu5saat des göttli en Worts aufkommen lassen. —- was da zunächst die sichrer betrifft, so ist schon das eine dierbehrtlseih daß ihrer viele des stehreng sich unterwinden, und sind doch ihrer so wenige, welihe die Zunge zu beherrschen verstehen, aus deren rechten Gebrauch gerade bei der tkehrthätig heil, damit man sich nicht einer desto schwereren Ver— antwortung aussehn soviel ankommt; bei ihnen aber versteht man doch so gar nicht mit der Zunge reitstuink zugehen, sondern versündigt sich mit ihr schon im ge— wöhnlicizen Gemeindeleben in schliiuncer Weise (ill. l—11). Gs isi eben nicht ein jeder zum Lehren berufen, und sollte darum ein jeder lieber aus Beschaffung derjenigen Frucht tbedacht nehmen, auf die er angelegt, statt eine solche bringen zu wollen, sör die er nicht das remte Gewächs ist w· 12). lind nun, was ist es denn für eine Weisheit und Klugheit, auf deren Besitz die sich so vordrängenden Lehrer so eingebildet sind, daß sie die- selbe durchaus an den Mann bringen wollen? Gs giebt eine Weisheit von unten her, wie eine, die non oben her kommt: während letztere, wo sie jemandem innewohnt, in mancherlei Tugenden und guten Werken zur Erscheinung ltommt und das Werte des tcehrens im Frieden betreibt, hat nian bei der ersteren bitteren dieid und Baute im Herzen und fördert mit ihr nur Unordnung und eitel böse Dinge zu Gage W. l3—18). Tiber friedsame Wehrer smd für sich allein noch nicht genug, um ein gedeih- liches Gemeindeleben zu Stande zu bringen: denen, die den Frieden halten, lroninit es zugute, wenn Frucht der Gerechtigkeit im Frieden gesöet wird; leider aber herrscht Krieg und Streit unter den Herrn, und das bommt her von den Woltüsteiy die in ihren Gliedern ihr xtfeldlager aufgeschlagen haben. Des Apostels Wort wird hier zu einer sehr scharfen, strengen Strafpredigh aber auch zu einer recht herzandringendem ausmunternden Mahnredg die in der dioth der Zeit den rechten Weg der Hilfe zeigt; eo isi als ob einer der alten Propheten in Jakobus wieder lebendig geworden wäre, durch dessen slilund der HGrr seinem Wollte zuruft (Sles. 45, 22): ,,wendet euch zu mir, so werdet ihr selig, aller Welt Ende; denn iih bin Gott und keiner nicht«. ttlnd sein Wort richtet sieh nicht blos an die, welche zur christ- lichen Gemeinde schon gehören, obschon fie noch wenig vom christlichen Geiste sich beherrschen lassen, sondern auch an die, die von den zwölf Geschleihtern in der Zerstreuung seither noch draußen geblieben sind (vgl. Kur. 5, 1ss.), um he nor dem verderben zu bewahren, ehe es zu spät ist Man. 4, 1—l7). 1. Lieben Bruder, unterwinde sich nicht jeder- maun [w1e das bei euch Brauch worden ist, anders als bei der heidenchristlichen Gemeinde Apvstg- 13, 1], Lehrer zu sein [als Lehrer oder Sprecher in den gottesdieustlichen Versammlungen aufzutreten 1. Cur. 14, 26., um so einer natür- lichen Herzensneigung Röm L, 19 f. zu fröhnen]; und wisset sbedenket vielmehr], daß wir sdie wir das Lehrgeschiift treiben] desto mehr Urtheil ein- pfahen sein viel schwerer Gerichtals Andere er- fahren] wetden [Hebr. 13, 17., ihr also alle Ursach habt, eurer minderen Verantwortlichkeit euch zu freuen und lieberLernende als Lehrende zu sein]. 2. Denn wir fehlen alle mannigfaltiglich sbei Ausrichtung unsers Amtes und werden am meisten wegen dessen, was wir geredet, Rechenschaft zu geben haben Matth. 12, 36 f.]. Wer aber auch in keinem Wort fehlei sindem er vor allen Dingen im Gebrauch der Zunge sich ganz zu beherrschen versteht] der ist ein vollkommener Mann und kann sals einer, der das Meisterstück der Selbst- beherrschung sich angeeignet hat] auch den ganzen sübrigen] Leib im Zaume halten* sdaß er dem Willen des Geistes folgen muß l. Cor. J, 27., wie sich das durch zwei Gleichnisse anschaulich machen läßt, vgl. die Bem. zu Kap. 1, 26]. 3. Siehe, die Pferde halten wir in Ztiumen sdie wir ihnen in’s Maul gelegt Pf. 32, 9], daß sie uns gehorchem und lenken [nun auch wirklich, uns ern Zweck erreichend] den ganzen Leib sdieser starken und unbändigen Thiere, weil wir eben ihr Maul in der Gewalt haben]. 4. Siehe, die Schiffe, ob sie wohl so groß sind und von starken sungestümens Winden ge- trieben werden swodurch ihre Lenkung noch viel schwieriger wird], werden sie doch gelenkt mit einem kleinen Ruder, wo der hin will, der es sdas Ruder] regierei sund bringt dieser so sein eigenes Trachten dem entgegenstehenden Treiben der Winde gegenüber am Schiffe zur Geltung] Z. Also ist auch die Zunge sam menschlichen Leibe] ein klein Glied swie am Schiffe das Ruder oder Steuer] und richtet sdochs große Dinge an« [daß, wie schon bei dem Gleichniß in V. 3 gesagt, der ganze Leib nach ihr sich richten muß; aber eben darum kann sie nun auch eine höchst ver- derbliche Wirkung ausüben] Siehe, [um auch dafür ein Gleichniß beizubringen] ein klein Feuer, welch einen Wald zündets an [wenn es in den- selben geworfen worden]! 6. Und die Zunge ist auch ein Feuer, eine Welt voll Ungerechtigkeit sinsofern eine unermeß- liche Fülle ungerechten Wesens sich in ihr con- centrirt]. Also swie ich zuerst in V. 3 f. sagte] ist die Zunge unter unsern Gliedern seine solche Stellung nimmt sie unter ihnen ein], und befleckt [als eine Welt voll Ungerechtigkeit, wofür ich sie soeben zuzweit erklärte] den ganzen Leib [Matth.15, 11. 18 ff.] Und zündet sals ein Feuer, das sie ist, mit ihrem eigenen teuflischen Wesen V. 15] an allen unsern Wandel [Pred. 5, 5], wenn sie von der Hölle entzündet ists« swas ja leider so sehr oft bei uns Menschen der Fall]. Dritte Abtheilung: von wem und bei wem wird Frucht der Gerechtigkeit gesäetP 951 7. Denn alle [obwohl, je nach der Art, so verschieden gestaltete und beanlagte] Natur· der Thiere sauf Erden Apostg 10, 12] Und der Vögel sunter dem Himmel] und der Schlangen fund übrigen Kriechthiere Röm. l, 23] und der Meer- Wunder fund sonstigen Seethiere, wie Fische, Delphine u. s. w.] werden gezähmet, und sind svon jeher] geziihmet von der menschlichen Natur sderen Herrschaft sie Gott untergehen hat 1. Mos. l, 26; I, 2; Weis-h. 9, 2]; 8. Aber die Zunge kann kein Mensch zähmen, das Unrnhige sbald von dieser, bald von jener Leidenschaft in Erregung gebrachte] Uebel fmit dem, was sie als solches hervorbringt, nämlich böse, bittere Worte, für den Nächsten] voll tödl- ljchen Gifts [Ps. 140,4 —— Luther schreibt: voll tödtlicher Gift, weil er das Wort ,,Gift« in der Regel im weiblichen Gefchlecht braucht, so auch in Hof. 13, 14: eine Gift] 9. Durch sie loben wir fwenn wir in unsern gottesdienstlichen Versammlungen bei einander sind] Gott den Vater [Kap. 1, 27]; und durch sie fluchen wir swenn wir hernach im alltäglichen Leben einander begegnen] den Menschen, [die doch] nach dem Bilde Gottes gemacht [sind, so daß unser ihnen Fluchen im Grunde auf ihn, Gott den Vater selber, zurückgeht 1. Mos. 9, 6]. 10. Aus Einem Munde gehet» Ho] Loben und Fluchen Es soll nicht, lieben Bruder, [bei uns, die wir ja nicht blos Menschen sind, um ledig- lich nach Menscheuart V. 8 zu thun, sondern vielmehr Christen, die Gott gezeugt hat nach seinem Willen durch das Wort der Wahrheit Kap. 2, 7; 1, 18 und die wir also eine neue, andere Art an uns tragen 2. Cor. 5, 17] also sein ssonst, wenn wir neben unsrer Christennatur noch die schlechte Menschennatur beibehalten woll- ten, würden wir unser Wesen zur Unnatur ver- kehren] 11. Quillet auch ein Brunnen aus Einem Loch siiße und bitter-f szugleich, so daß man trink- bares und gesundes Wasser ebensowohl aus ihm schöpfte, als gegentheiliges 2. Mos. 15, 23; Offb. 8, U? wäre das, wenn je solcher Fall vorkäme, nicht greuelhafte Unnatur]? It) Mit diesem neuen Kapitel geht Jakobus zur Behandlung eines neuen Themas über, wozu die Veranlassung gleichfalls in dem Verhalten der Christen, an die der Brief gerichtet ist, lag: je unfruchtbarer bei ihnen der Glaube an den ihm entsprechenden Werken, namentlich den Werken barmherziger Liebe war, desto mehr hatte das zungenfertige Lehren und Meistern Anderer überhand genommen; an die Stelle des Werks war das Wort getreten, der Tadel bezieht sich demnach auf dieselbe Untugend, die Paulus in Röm. 2, 17 ff. an den Juden tadelt, nur daß bei denen, die nunmehr Christen geworden, an die Stelle des Gesetzes der Glaube getreten war, der ihnen aber auch etwas rein Aeußerliches geworden. (Huther.) i Noch mochte damals in den gottesdienstlichen Ge- meindeversammlungen jedweder zu Wort kommen; da warnt denn der Apostel, sich deshalb nicht dazu zu drängen, Lehrer zu fein, weil diejenigen, die es sind, schwereres Urtheil betreffen wird, als wenn sie mit Lehren nichts zu schaffen hätten, wobei hier außer Betracht bleibt, daß es auch eine Vergebung der Sün- den für diejenigen giebt, zu denen sich der HErr Jesus vor Gott seinem Vater bekennt. Wie er aber von den Lehrern überhaupt, sich selbst mit einschließend, das eine sagt: »wir werden desto mehr Urtheil em- pfahen«, so erstreckt er auch das andere ausdrücklich über sie alle ohne Ausnahme: »wir fehlen alle mannig- faltig«; und was Wunder, fährt er fort, daß alle Lehrer ohne Ausnahme sich oft und viel verfehlen? besteht doch ihre Thätigkeit darin, das Wort zu hand- haben, und wer dies kann, ohne sich zu verfehlen, der ist ein vollkommener Mann, einer, der auch feinen ganzen Leib im Zaume zu halten und zu zügeln ver- mag. (v. Hofmannh Die wahren Boten Gottes em- pfinden bei der Beauftragung, Gottes Wort zu ver- kiindigen, ein Zwiefachesx herzliche Freude und Dank, daß sie Zeugen der Wahrheit sein dürfen; aber auch schwere Bangniß und Sorge über der schweren Ver- antwortung ihres Berufs. Es ist eine allgemeine Er- fahrung treuer Prediger, daß ihnen ihr Beruf von Jahr zu Jahr schwerer wird, und warum dies? weil sie sich der Verantwortlichkeit immer mehr bewußt werden, weil wir wissen, daß wir desto mehr Urtheil empfahen werden. Wir denken dabei an Den, der den Auf- trag gegeben hat: das ist Der, der zwischen den Leuchtern wandelt und die Sterne in seiner Hand hat (Offenb. 2, 1). Seinem Auge ist jede Untreue, jede Selbstgefälligkeit, jede Menschengefälligkeit und Men- schenfurcht klar, und vor seinem Angesicht handeln wir. Wir gedenken des Worts, das wir in unsern Mund nehmen: es ist das Wort der ewigen Wahr- heit, über dem gesagt ist (Offb. 22, 18 f.): »so jemand demselben etwas zusetzt, dem wird Gott zusetzen die Plagen, die in diesem Buche geschrieben sind, und so jemand davon thut, wird Gott abthun sein Theil vom Buche des Lebens und von der heil. Stadt« — wem sollte da nicht das Herz schwer werden? Wir gedenken der Seelen, zu denen wir zu reden haben: sie sitzen da, und es gilt, die Schlafenden zu werfen, die Kalten zu erwärmen, die Sicheren zu schrecken, die Zagenden aufzurichtem und wenn wir uns vergreifen im Wort, wenn wir schlagen, wo wir aufrichten, wenn wir trösten, wo wir schlagen sollten, so wird zerstört, anstatt gebauet. O, ich begreife wohl, daß jemand sagt (2. Mos. 4, 13): «HErr, sende, welchen du willst, nur mich nicht«; aber ich begreife nicht die Leicht- fertigkeih die allezeit bereite Redefertigkeih mit der so Viele das Wort führen, als ob es sich um Kleinig- keiten handelte, als ob es sich um menschliche Kunst- stücke handelte und nicht um die Führung eines zwei- schneidigen Schwertes. Oder hat einer von solchen Redekünstlern die Bürgfchafh daß er allezeit das Wort recht redet und allezeit das rechte Wort redet? Ja- kobus hat diese Sicherheit nichtz er sagt: »wir fehlen alle mannigfaltig; wer aber auch in keinem Wort fehlet, der ist ein vollkommener Mann« Es ist hier nicht von bewußten Wortsünden und Lehrsünden die Rede, nicht von Lügenprophetem die Gottes Wort fälschen, nicht von den Heuchlern, welche um äußeren Vortheils willen ohne Glauben das Wort verkün- digen und die Gottseligkeit als Geschäft betreiben, sondern vom Straucheln ehrlicher Zeugen: wie leicht widerfährt es auch diesen, daß sie sich in den Worten vergreifen, daß sie im Eifer der Rede übertreiben im 952 Jakobi 3, 12—18. Strafen und im Locken, daß sie mißverständlich werden und falsche Gedanken wecken 2c.! wie oft müssen sie erfahren, daß Selbstbeherrschung nie schwerer ist als im Reden! Darum kann ein wahrhaftiger Zeuge Gottes nie mit leichtem Herzen an die Verkündigung treten, nie ohne das Gebet um Heiligung des Herzens und der Lippen; kann nie sein Zeugniß beenden ohne das Gebet, daß Gott, was verkehrt geredet worden, zurechtbringen möge durch seinen Geist. Es thut beides noth, lernen und lehren, aber das Lernen ist leichter, freier von Verantwortung; darum, wem Gott das Lehren ntcht zugewiesen hat, der dränge sich n1cht dazu! (Ernst.) H) Unter der Vollkommenheih von welcher Jako- bus in V. 2 redete, verstand derselbe die Macht über sich selbst, wie sie das Zeichen eines männlich reisen Charakters ist (vgl. Kap. 1, 4), und als das vor- nehmste Stück dieser Vollkommenheit, um das es sich beim Lehrerberuf sonderlich handelt, bezeichnete er die Beherrschung der Zunge: wer dieses, das schwerste vermag, vermag auch sonst in allem sich selbst zu lenken; so sagte er, und führt nun hier weiter aus, wie die Zunge den übrigen Gliedern des Leibes gegen- über die Stellung hat, welche der Zaum gegenüber dem Pferde, das kleine Steuerruder gegenüber dem Schisfe Solch ein wichtig und mächtig Ding ist die Zunge; aber deswegen auch, so heißt es dann weiter- hin, ein ungemein gefährlich Ding, einem Feuer zu vergleichen, das, wenn auch noch so klein, einen großen Wald anzündet (Kübel.) Daß nur der Geist den Leib beherrschen kann, ist vorausgesetzy das Organ seiner Herrschaft aber, das zu beherrschende Werkzeug für die Lenkung des Leibes, ist die Zunge; das Wort ist der Lenker der Handlungen· Auf das Bild von den Pferden nun kommt der Apostel zuerst, weil er schon in V. 2 den bildlichen Ausdruck von ihm ent- lehnt hat: ,,im Zaum halten«; die Zäume der Pferde werden denn jetzt als die eigentlichen Zäume den uneigentlichen gegenübergestellt, beide Arten aber ge- hören in den entsprechenden Mund — der Pferdezaum in den Pferdemund, der Menschenzaum in den Men- schenmund. War so in diesem ersten Bilde das Organ der Lenkung der Hauptgedanke, in Verbindung etwa mit der natürlichen Unbändigkeit des zu lenkenden Rosses, so ist es in dem folgenden zweiten Bilde der Gegensatz zwischen der Kleinheit des Organs und der Größe-nebst der sturmbewegten Haltung des zu lenkenden Schisfes: das kleine Steuerruder, auf welches der menschliche Wille seinen Druck ausübt, beherrscht das ganze große Schifs mit aller furchtbaren Gegen- wirkung von Wind und Wellen; demgemäß deutet wohl das wiederholte ,,siehe« zu Anfang des 5. Verses eine Steigerung an. Ohne Zweifel haben die stürmischen Winde, diese wilden Schiffer des Schisfes, denen der menschliche Schiffer mit seinem Steuerruder die Spitze bietet, eine symbolische Bedeutung, wenn auch nicht, wie Beda meint, als die von innen kommenden Be- gierden, so doch als die von außen kommenden Ver- suchungen der Welt; das kleine Steuerruder aber ist offenbar das Gegenbild der Zunge. (P. Lange.) Wenn es nun von diesem kleinen Gliede heißt, es ,,richte große Dinge an«, so ist dieser Ausdruck, der im Griechischen ein übermüthiges, verxnessenes Verhalten oder Gebahren bezeichnet, so gewählt, daß er nach rü ck- wärts die Gleichheit in Ansehung der Größe der von der Zunge ausgehenden Wirkung, nach vor- wärts bereits den Unterschied in der Art der Wirkung, die auch eine für den ganzen Leib ver- derbliche sein kann, besagt. (Wiesinger.) sitt) In der That, ein Feuer ist die Zunge und eine Welt von Ungerechtigkeit. Die Zunge, weil das unmittelbarste Organ des Geistes oder der Gesinnung, birgt und sammelt in sich alles Böse, was im Herzen ist, hat daher auch die Kraft, den Menschen in alles mögliche Böse zu stürzen; so befleckt sie den ganzen Leib, theilt ihren eigenen Schmutz den übrigenGliedern, die durch sie in den Dienst der Sünde gezogen wer- den, und dem ganzen Leben des Menschen mit. (Kübel.) Die Glieder haben alle, ein jedes in seiner Art, an dem« sündhasten Wesen Theil, welches in ihnen wirk- sam ist und sie in seinen Dienst nimmt, die Zunge aber stellt sich unter ihnen dar, kommt unter ihnen zu stehen als der Inbegriff desselben, als die Welt der Ungerechtigkeit; denn wenn die Sünde die andern Glieder nur immer in Einer Richtung mißbraucht — den Magen zur Völlerei, die Geschlechtsglieder zur Hurerei, die Hand zur Gewaltthat ——, im Reden äußert sie sich allseitig. Und so heißt es denn auch von der Zunge, sie besudele den ganzen Leib, nämlich mit dem Geifer ihrer Rede, in welcher sie alle die Sünden zumal begeht, denen die andern Glieder je in ihrer Weise dienen, und also den ganzen Menschen unrein macht; denn das Reden ist eben die ganze Eine Seite der Selbstäußerung, in welcher die Sün- digkeit, die sich sonst in die Mannigfaltigkeit des Han- delns vertheilt, in ihrem ganzen Umfange zu Tage tritt. Und, so sagt der Apostel ferner, die Zunge setzt das Leben in einen Brand, in den sie selbst von der Hölle gesetzt wird; nach anderer Lesart im Grundtext, als nach welcher Luther: »den ganzen Wandel« über- setzt stgoxäg statt rgözogx gebraucht er für das Sein oder Dasein, das der Mensch lebt, weil dasselbe in stetiger Fortbewegung ist, das Bild eines rollenden Rades, das mit ihm dahineilt (,,das Raddes Lebens oder Daseins«): ihm theilt sich, wie von seiner Achse aus, das Feuer mit, von dem die Zunge, die von der Hölle und ihrem Feuer entzündete, brennt, so daß es als ein Feuerrad dahinrollt und mit jedem Umlauf heftiger entflammt; es ist aber das Feuer, welches von dort kommt, wohin das Gericht den Teufel und die Seinen bannen wird, jetzt das Feuer des gottlosen Hasses, bis es sich in das Feuer des göttlichen Zorn- gerichts umsetzt, und von diesem Feuer der Hölle in Brand gesetzt, ist das Leben ein von der Leidenschaft des Hasses, dieses Grundtriebes alles ungerechten Wesens, beherrschtes. (v. Hofmann.) Die Zunge kann auch entzündet sein vom Geiste Gottes, wie die der Apostel am Pfingstfest; dann fassen sich alle Lebens- kräfte im Worte zusammen und entzünden das Feuer einer heiligen Liebe, aber diese Seite der Betrachtung übergeht Jakobus hier, wo er es lediglich mit jener andern zu thun hat. (P. Lange.) Plutarch erzählt, der egyptische König Amasis habe dem Bias ein Opfer geschickt und verlangt, er folle ihm das Beste und Schlechteste davon zurückschickem und Bias schickte ihm die Zunge. (Heubner.) T) Von der Schilderung des den ganzen Menschen ergreifenden Verderbens, welches von der Zunge aus- geht, so daß der ganze Mensch der Richtung folgt, welche die Zunge angiebt, geht der Apostel in V. 7 mit »denn« auf ihre Unbezähmbarkeit über oder, ge- nauer gesagt, auf des Menschen Unvermögen, sie zu bezähmen; alle Natur der Thiere, sagt er, wird je und je von der menschlichen Natur gebändigt, die Zunge aber kann kein Mensch so bändigen, daß er über sie Herr ist. Wer über sie Herr wäre, der würde kein Wort reden, welches nicht ein Beweis seiner Herrschaft über sich wäre, somit aber, wie es in V. 2 Auf Seiten der Lehrer ist Beherrschung der Zunge und die Weisheit von oben erforderlich. 953 hieß, ein vollkommener Mann sein, daß er sich gänz- lich in der Gewalt hätte; so aber überkommt jeden die Leidenschaft, die ihren Sitz in seiner Zunge nimmt, daß er unversehens redet, was aus der Sünde des Hasses geboren ist und in die Thatsünde des Hasses übergeht. (v. Hofmann.) So übel steht es mit dem Menfchen, welcher doch der Herrscher der Natur ist: seine Natur, sein Wesen steht so hoch über allen an- dern Geschöpfen, sie hat er sich unterthänig gemacht und macht sie immer neu sich unterthänig, und der- selbe Mensch wird nicht Herr seiner Zunge! Jakobus weiß ja freilich, daß Christi Geist auch in diesem Stück den Menfchen zu dem Ziel führen kann, das ihm Gott als seinem Bilde gesteckt hat; aber da auch der Christ dasselbe auf Erden nicht völlig erreicht, muß und kann er doch ganz allgemein sagen: »die Zunge kann kein Niensch zähmen«. Und voll Entrijstung ruft er nun aus: »das unruhige Uebel voll tödtlichen Gif- tes« — unruhig, weil nicht festzuhalten, daß sie consequent der Einen Richtung des Geistes folgte; voll tödtlichen Giftes, weil sie nicht blos den betreffenden Menfchen selbst, sondern auch die, welche seine bösen Worte treffen, um das wahre geistliche Leben, Frieden und Gerechtigkeit bringt. Hat sie doch selbst bei Christen ein eigenthümliches und nicht zu lobendes Doppelleben und Doppelwirkem dieselbe Zunge ist« das Organ, mit welchem wir Gott den Vater loben, also dem Gefühl des Gehorsams und des kindlichen Dankes Ausdruck geben, und auch wieder das Organ, mit welchem wir denselben Gott in seinem Ebenbild, dem Menfchen, verunehren (Kübel.) Am widerwärtigsten und gefährlichsten erscheint die Ver- derbensmacht der Zunge da, wo sie sich in den Dienst der gefährlichsten und widerwärtigsten Lüge stellt, in den Dienst der Heuchelei. Der Apostel versetzt uns da mit dem ,,wir«, welches er in V. 9 braucht, in christliche Lebenskreifet jetzt singt die Zunge Gott Lieder und preist die großen Thaten Gottes, und dann kommen von denselben Lippen Spott- und Lästerreden, Ver- dammungsworte wider den Nächsten (Matth. 5, 22); und doch ist im Menfchen das Bild Gottes nieder- gelegt, und wer ihm flucht, der lästert Gott. Sind denn zwei Naturen im Herzen, eine Natur des Lobes Gottes und eine Natur des Fluchens? weß ist denn nun das Herz voll, wenn der Mund von Wider- sprechendem übergeht? Das Fluchen kann mit dem Loben, das Wort der Liebe mit dem Worte des Hasses nicht auf Einem Boden wachsen, wie süßes und bit- teres Wasser nicht aus Einer Quelle sprudelt: so ist denn eins von beidem aus der Natur und das andere aus Heuchelei geredet — es kann nicht zweifelhaft sein, welches! (Ernst.) 12. Kann auch, lieben Bruder, ein Feigen- baUm Oel [d. i. Oelfrüchte oder Oliven 2. Mos. 27, 21 Anm.], oder ein Weinstock Feigen tragen?» Also kann auch ein Brunnen nicht salzig Und suße Wasser [r1chtiger: ein salziger Brunnen nicht süße Wasser] geben* [und ist es somit verkehrt, wenn jedermann sich unter- windet Lehrer zu sein V. 1]. 13. Wer ist weise und klug soder verständig 5. Mos. 1,13; 4, S; Hof. 14, 10] unter euch [daß er sich mit Fug und Recht zum Lehrer und Wegweis er für Andere befähigt erachten darf, vgl. Pf. 34, 13; 1·5, 1 fs.]? Der erzeige mit seinem guten Wandel seine Werke swie sie ihm als einem sol- chen, der zu sein er sich riihmt, zukommen, näm- l1ch] in der Sanftmuth nnd Weisheit« sfrüher hatte Luther entsprechender: in der Sanft- miithigkeit der Weisheit, d. i. in sanft- müthigem Wesen, welches überall da hervortritt, wo wirkliche Weisheit vorhanden ist]. 14. Habt ihr aber [wie es gar sehr mit euch der Fall ist] bittern Neid und Zank [Gal. 5, 20; «Röm. 2, s; 2. Cor. 12, 20] in eurem Herzen; so rilhmet euch nicht sin so falscher Weise der Weisheit] und lüget nicht wider die [christliche] Wahrheit [die von Weisheit einen ganz andern Begriss an die Hand giebt» als was ihr dafür ausgebt]. 15. Denn das swaz ihr an Weisheit zu be- sitzen vermeinet] ist nich die Weisheit, die von oben herab kommt [Kap. 1, 17]; sondern sdiese eure Weisheit, bei der man bitteren Neid und Zank im Herzen haben kann, ist] irdisch, Mensch- tich [genauer: phys is ch oder seelisch] Und tenflisch [dämonisch, s. die Bem. zu Hiob 28, 12]. 16. sNicht zu hart habe ich über sie gear- theilt, wenn ich sie sogar ,,teuflisch« nannte] Denn wo Neid und Zank ist [V. 14], da ist Un- ordnung und eitel böse DingM fund derlei an- zurichten, das ist jaeben die Art und das Trach- ten der argen Geister, der Teufel Matth. 18, 39; dagegen ist Gott nicht ein Gott der Unordnung, sondern des Friedens 1. Cor. 14, 33]. 17. Die Weisheit aber von oben her [Spr. 2, S; Weish. 7, 25 f.] ist aufs erste swas ihren Charakter an und für sich bestimmt] keusch srein von allem fleischlichen, selbstsüchtigen Wesen Kap. 4, 8], darnach swas ihr Verhalten nach außen betrifft] friedsam [Matth. 5, 9], gelinde sals die ein billiges Einsehen hat, wo sie der Ungelehrig- keit oder dem Mißverstande begegnet Tit. S, 2], laßt ihr sagen swo ihr bessere Einsicht oder be- rechtigter Widerspruch entgegentritt], voll Barm- herzigkeit sgegen solche, die des Erbarmens be- dürfen] und [voll] guter Frltchte sin Werken der Wohlthätigkeit 2. Cor. 9, 8], unparteiisch skeinen Unterschied machend — nach anderer Deutung: nicht zweideutig, so daß man allezeit weiß, wie man mit ihr daran ist], ohne Heuchelei sHiob 28, 12 Anm.]. 18. Die Frucht aber der Gerechtigkeit sso daß man allewege thut, was vor Gott recht ist Kap. 1, 20] wird gesäet im Frieden denen [zugut], die den Frieden haltens [d. i. von friedfamen Lehrern bei friedfertigen Hörern Jes. 32, 17 f» und von letzteren werde ich denn nunmehr handeln]. i) So ähnlich auch die Redeform in diesem Verse mit der in V. 11 ist, so zeigt doch schon die neue An- rede: ,,lieben Brüder«, daß hier zu einem anders- artigen Gedanken fortgeschritten wird; und so ist auch wirklich der Inhalt der beiden Verse und der darin 954 Jakobi 4, 1——10. vorkommenden Gleichnisse verschieden, nicht aber, wie die Ausleger meist annehmen, wesentlich dasselbe be- sagend. Dort wurde auf eine Quelle verwiesen, die nicht zweierlei Wasser gebe, um die sittliche Unmög- lichkeit zu veranschaulichem daß Loben und Fluchen aus Einem Munde komme; hier dagegen wird erinnert, daß ein Gewächs nur seiner eigenen Natur gemäße Frucht, nicht solche, die einem andern Gewächs eigen ist, hervorbringen könne, und in gleicher Weise ein salziger Brunnen nicht dazu geeignet sei, süßes Wasser von sich zu geben. Wie man nun das salzige Was er hier nicht ohne weitere Umstände dem bitteren Wasser in V. 1l gleichbedeutend und als den Gegensatz des süßen nehmen darf, sondern sich Vergegenwärtigen muß, daß Salzwasser in seiner Weise eben so gut und nützlich ist, wie Süßwasser, so sind Oliven nicht minder gut und nützlich in ihrer Art, als die Feigen, und Feigen nicht minder gut und eßbar, als die Wein- trauben, die Vergleichungen im 12. Verse wollen also etwas ganz Anderes besagen, als die in V. 11 be- fagte, nämlich dies, daß, wie v. Hofmann es aus- drückt, ein jeder nur dasjenige Gute zu leisten ver- möge, für das er geeigenschaftet ist. Und so wendet der Verfasser schon hier, nicht erst in V. 13, zu dem sich zurück, wovon er in V. l ausging; nachdem er die Gefahr geschildert, in welche derjenige sich begiebt, der den Lehrer Anderer machen will, und die Hinweisung darauf, wie schwer vermeidlich Zungensünden sind, dazu benutzt hat, den Lesern vorzuhalten, wie arg diese überhaupt noch bei ihnen im Schwange gehen, will er ihnen jetzt zu bedenken geben, daß das Lehren Anderer nicht eines jedweden Sache sei, sondern ein jeder das thun solle, worauf er angelegt ist. Nach dem, was er vorhin gesagt, daß sie noch sowenig Meister ihrer Zunge, und Zungensünden noch so sehr bei ihnen an der Tagesordnung seien, ergiebt sich schon, daß ihrer nicht viele dazu geartet sind, als Lehrer auf- zutreten. Es bilden aber in ihrem Weisheitsdünkel sich’s Viele ein, daß sie ganz besonders dazu befähigt seien; und da gilt es nun, wie im Folgenden ge- schiehet, diesen Weisheitsdünkel niederzuschlagen und die vermeintliche Weisheit und Klugheit der Ein- gebildeten nach ihrer wahren Befchaffenheit klar zu legen. «) Die Frage des Apostels: »wer ist weise und klug unter euch?« klingt wie ein Ausdruck großer Be- sorgniß und charakterisirt den schlimmen Stand der betr. Gemeinden; es möchten eben nur wenig Weise und Kluge unter ihnen sein. Die Weisheit, von der er da redet, ist dasdurch Erleuchtung vermittelte Ver- ständniß der Zwecke; die Klugheit oder Einsicht das durch die Erfahrung oder Uebung vermittelte Ver- ständniß der Verhältnisse. (P. Lange.) Die Appel- lation an die Weisheit und Einsicht der Leser hat dem Zusammenhange gemäß ihren Grund in der Präsumtion, welche das sich unterwinden, Lehrer zu sein, V. 1 an die Hand giebt: es müssen, wenn viele das thun, doch auch viele da sein, die für weise und klug sich schätzen Der Frage: »wer ist weise und klug unter euch?« folgt denn nun die Aufforderung: ,,wohlan, der erzeige mit seinem guten Wandel seine Werke in der Sanft- muth der Weisheitfc Es heißt nicht: ,,er zeige seine Weisheit«, wie man erwartet, sondern: ,,er zeige seine Werke«; offenbar also hat Jakobus die in V. 1 charakterisirte fals ehe Bethätigung im Sinne und ver- langt hier, daß ihre Bethätigung der Weisheit eine andere werde, und welches nun die rechte sei, das sagt er mit den Worten: ,,mit seinem guten Wandel in der Sanftmuth der Weisheit-«, es ist die Be- thätigung durch eigenen guten Wandel in der Sanft- muth, die der Weisheit eignet und aus ihr kommt (V.17f.). Der gute Wandel steht da dem anmaß- lichen Lehren und Meistern Anderer gegenüber, die Sanftmuth der Weisheit aber denjenigen Un- arten, welche nach V. 14 die Leser sich zu Schulden kommen lassen. Wie beherzigenswerthe Worte für die Diener des göttlichen Worts! Ein guter Wandel in der Sanftmuth der Weisheit ist die Grundbedingung aller gedeihlichen Einwirkung auf Andere. (Wiesin er.) Eis) »Habt ihr aber, bittern Neid (Eifer) und ank (Streitsucht) in euern Herzen-«: dies war die wirkliche Lage der Dinge; daher redet Jakobus direkt die Leser darauf selber an. Jn dem Nachsatze: »so rühmet euch nicht und lüget nicht wider die Wahrheit« liegt in ersterem Wort (,,rühmet euch nicht«) die Beziehung auf Andere, in dem zweiten (,,lüget nicht«) die auf das christliche Bewußtsein. Der Apostel charakterisirt nun die Weisheit, deren die Leser sich rühtnten und bei der sie es zu Stande brachten, bitteren Neid und Zank in ihren Herzen zu hegen, dahin: sie ist nicht die, die von oben herab kommt als eine gute und voll- kommene Gabe Gottes, sondern vielmehr eine solche, .die von unten her kommt; und wie das gemeint sei, das besagen die drei folgenden Ausdrücke. Jrdisch heißt sie, weil sie hienieden ihren Ursprung und ihre Heimath hat, wo keine andere Weisheit erwachsen kann, als die außergöttliche Ziele mit außergöttlichen Mitteln verfolgt; seelisch (Luther: ,,menschlich«, in Judä 19 hat er dafür: ,,fleischlich«) heißt sie im Gegen- satz zu der, welche Gottes Geist im Islienschen wirkt, und teuflisch als eine solche, die mit ihrem Ursprung auf das widergöttliche Geisterthum zurückgeht, dessen widergöttliches Wesen theilt und seinen widergöttlichen Zwecken dient. Jakobus, indem er sich nicht gescheut hat, die in Rede stehende Art Weisheit als eine teuf- lische zu bezeichnen, begründet dies damit, daß der ihr eigene bittere Eifer und die aus ihr entspringende Streitsucht, statt Wohlordnung, Zerrüttung und Auf- lösung bringt und damit allem Bösen Vorschub leistet; des Teufels eigenstes Werk aber ist es, Gottes Ord- nungen zu zerstören, in allen Verwirrungen und Un- ordnungen findet er seine Rechnung. Also auch in dem Sinne kommt diese Weisheit von unten her, als der Teufel, der in ihr sein Werk hat, sie inspirirt und ihr die Klugheit an die Hand giebt, deren sie bei Erreichung ihrer Zwecke bedarf. ) Die wahre Weisheit ist, ihrem Ursprunge nach betrachtet, von oben her: sie ist nur möglich, wo mit dem Leben aus Gott auch Licht aus Gott in dem Herzen aufgegangen ist und das Herz die Ge- danken Gottes nachdenken, den Willen Gottes nach- wollen lernt. Ihren Grundeigenschaften nach ist sie vor allem rein, d. i. unvermengt mit irdisch-sinn- lichen Beweggründen; sie verlernt, ihre Bestrebungen auf das Eitle zu richten, sie hat das Vergängliche als einen Koth betrachten gelernt und hat alle Jnteressen in Einem vereinigt, in dem, zu der himmlischen Voll- kommenheit zu gelangen. Darnach ist sie friedsam: der Unsriede entsteht aus widerstreitenden Jnteressen; was im Jrdischen ein Anderer besitzt, kann ich nicht auch besitzen, die himmlischen Güter aber werden um so reicher, je mehrere sie erlangen. Dazu kommt, daß alles Wirken Gottes auf Friede und Einheit geht, und aller Hader wider Gottes Heilsabsichten geht; darum meidet die himmlische Weisheit den Streit und ist friedestiftend Eben.da u ist sie gelinde: sie weiß, daß ein freundliches Aiort und ein Werk der Liebe mehr ausrichtet, als eine Haderpredigt und eine Drohung. Sie ist nachgiebig, läßt sich was sagen, und wo es recht gesagt ist, beugt sie sich darunter; Auf Seiten der Hörer darf nicht Streitsucht, gehässige und neidifche Selbstsucht herrschen. 955 denn die wahre Weisheit ist frei von der Einbildung, alles zu wissen, und ist bestrebt, von Andern zu lernen. Sie ist voll Barmherzigkeit: ihr ist der Blick Gottes gegeben, welcher in der Sünde der Men- schen auch das Unglück sieht und nicht lauter Schuld; und weil sie in diesem Sinne mit den Menschen ver- kehrt, schasft sie Frucht, wo Andere die Bäume zer- schlagen und wohl abhauen möchten. Sie geht gerade Wege und verschmäht, weil sie des rechten Wegs und der Hilfe Gottes gewiß ist, die Schleichwege der Zweideutigkeit und der Heuchelei (Ernst.) Wie bei dem, was Jakobus von der Weisheit von oben her sagte, das Vorherrschende war der Gegensatz gegen die Streitsucht des Wissensdünkels, so hebt er zuletzt in Betreff der Wirkung, welche diese Weisheit erzielt, besonders diesen Einen Zug hervor, daß nur in dem Frieden, in der Eintracht alles Christliche gedeihen könne. (Neander.) Die, welche ihr dienen, säen in Friede und Liebe den Samen, welcher dann auch eine köstliche Saat hervortreibt, Gerechtigkeit, Gott wohl- gefälliges Wesen und Verhalten im Leben des Ein- zelnen, wie im Zusammenleben der Menschen. (Kübel.) Jm Frieden muß gesäet werden, was zu einer Frucht der Gerechtigkeit erwachsen soll; und dieFriedfertig en sind es, denen zugute kommt, daß es gesäet wird, und denen die Frucht bestimmt und zu Genieß ist, die daraus erwächst. (v. Hofmann.) Das 4. Kapitel. Warnung nor Sünden. 1. Woher kommt Streit und Krieg [genauer: woher kommt Krieg und woher Streit] unter euch? Kommrs nicht [beides, sowohl der bleibend unsriedliche Zustand des Krieges, als der Ausbruch der Feindseligkeiten in den einzelnen Streitigkeiten] daher, aus euren Wolliistem die da streiten szu Felde liegen, ihr Lager aufge- schlagen haben] in euren Gliedern [Röm. 7, 23]? 2. Ihr seid begierig [begehret], und er- langet es damit nicht sdem Text und der Sache angemessener ist einfacher zu lesen, wie Luther ursprünglich übersetzt hatte: und habet nicht]; ihr hasset [nach der einzig richtigen Lesart im Grundtext: ihr tödtet Kap. 5, 6] und neidet, und gewinnet damit nichts [weder mit jenem Mor- den Kap. b, I sf., noch mit diesem Neiden]; ihr streitet und kriegets sund macht damit den Stand eurer Gemeindeverhältnisse zu einem zerrütteten und unerträglichen]. « Jhr habet nicht sum nun das wieder aufzunehmen, was ich zu Anfang des Verses sagte], darum, daß ihr nicht bittet svgl Kap. s, 16 ff.]. 3. Ihr bittet [ja allerdings Gott um Besserung eurer irdischen Lage] und krieget sem- pfanget doch gegen» Christi Wort in Matth. 7, 8] nicht, darum, daß ihr übel bittet, mimlich dahin slediglich für den Zweck oder mit dem Hinter- gedanken eine Besserung von Gut und Nahrung begehret], daß ihr’s swas euch etwa zu Theil werden sollte] mit euren Wollüsten [in einem aus- schweifenden, zügellosen Leben] berzehretXi 4. Jhr Ehebrecher und Ehebrecheriniten sdie ihr’s im geistlichen Sinne des Worts als solche seid, die mit der Welt buhlen und deren Lust der Lust am HErrn vorziehen Matth. 12, 39], wisset ihr« nicht, daß der Welt Freundschaft Gottes Feind: schast ist? Wer der Welt Freund sein will, der wird Gottes Feind sein««- [Matth. 6, 24; Rom. 8, 7; 1.Joh. Z, 15 ff.]. 5. Oder laßt ihr euch dünken, die Schrist swenn man den Inhalt der Worte Gottes in 2. Mos· 20, 5 u. 6 in eine kurze Summa zu- sammenfaßt] sage umsonst sso daß man auf ihr Wort kein besonderes Gewicht zu legen brauche]: Den Geist, der in euch wohnet, gelüstet wider den Haß [richtiger: In eifersüchtiger Weise be- gehrt der Geist, der in euch wohnet, in- dem er euch ganz und ungetheilt zu eigen haben will], 6. Und giebt reichlich Gnade sals Ent- schädigung dafür, was ihr um seinetwillen preis- Liebe? TUÜßTJP Sintemal [besser: Daher auch an- derwärts zum Ausdruck desselben Gedankens, der in den Worten liegt: »und giebt reichlich Gnade«] die Schrist sagt [in Sprüchm Z, 34., nämlich nach dem Wortlaut der griech. Uebersetzung, vgl. I. Perris, 5]: Gott widerstehet den Hosfiirtigem aber den Demiithigen giebt er Gnaden 7· So seid nun sdem gemäß, was der eben angeführte Spruch im Gegensatz zu der euch so sehr anhängenden Hossart des natürlichen Menschen fordert] Gott unterthänig Widerstehet dem Teufel swenn er mit seiner Versuchung euch nahet Kap- 1, 13 ff·], so fleucht er von euch sals von solchen, bei denen er mit seinem Vorhaben auf keinen Erfolg rechnen darf Matth. 4, 10 f.]. 8. Nabel euch sim Gebet Hebt» 7, 191 zu Gott, so nahet er sich smit seinem Trost und Gnadenbeistande Klagl 3, 57; Pf. 145, 18] zu euch [2. Chron. 15, Z; Sach. 1,3]. Reiuiget [aber, damit ihr euch wirklich Gott nahen könnet und nicht sürchten müßt, auch wenn ihr’s wolltet, von ihm zurückgewiesen zu»werden Jes. I, 15ff.; 57, 15] die Hande, ihr Sunder, und machet eure Herzen keusch [durch ungetheilte Liebe zu dem HErrn V. 4; 3, 17; 2. Cor. 11, 2 f.], ihr Wankelmüthigen [wörtlich: Doppelherzigen Kap. 1, 8 Anm.]. 9. Seid [d. i. fühlet euch] elend und traget Leide, und weinet [Richt. 2, 4 f.; 1. Sam. 7, S; Matth. b, 3 f.]; euer Lachen [der weltlichen Lustig- keit Sprüchm 14, is; Pred. 2, Z; 3, 4; Luk. 6, 251 verkehre sich in Weinen [Pred.4, 7; Luk. 6, 21], und eure Freude in Traurigkeit [Nieder- geschlagenheit Luk. 18, 13; 2. Cor. 7, 10]. 10. » Demüthiget euch vor Gott, so wird et euch erhohenH [1. Petri 5, 6]. 956 Jakobi 4, 10. i) Daß die Friedsertigen es sind, denen die aus einem im Frieden geschehenden Säen erwachsende Frucht der Gerechtigkeit zugute kommt, dieser Satz am Schluß des vorigen Kapitels bildet den Uebergang zu dem, was nun hier folgt; es ist da nicht mehr die Rede von solchen, die sich als Lehrer ausspielen, son- dern von Zank und Streit, wie er das gemeindliche Leben überhaupt zu einem unfriedlichen macht. Aber nicht sowohl solchem Zank und Streit selbst wehrt der Apostel, sondern geht auf den inneren Grund z rück, woher es kommt, wenn das gemeindliche Lebeiixldes Friedens entbehrt, ohne den nichts Gutes gedeiht och gedeihlich wird: es kommt, so bezeugt er den Lesern, von ihren in ihren Gliedern zu Felde liegenden Lüsten; inwendig ist in ihnen Krieg, darum ist er zwischen ihnen. Diese, in den Gliedern oder in dem sinnlichen Wesen des Menschen zu Felde liegenden Lüste sind ja darauf aus, dessen auch habhaft zu werden, worauf die Lust gerichtet ist; aber bei dieser innerlichen Krieg- führung kann es nicht bleiben, der Mensch, der sich den Lüsten ergiebt, muß ihnen den Weg nach außen sreigeben und ihre innerliche Kriegführung zu seinem eigenen Kriege um das machen, dessen sie habhaft werden wollen. (v. Hofmannh Der Ton des Briefes wird hier streng und scharf und spiegelt die sittliche Jndignation des Verfassers; es ist aber hier nicht mehr blos an jenen bitteren Neid und Zank vermeintlicher Lehrweisheit zu denken, davon in Kap. Z, 13 ff. die Rede war, sondern im Gegensatz zu dem, was am Schluß des vorigen Kapitels gesagt wurde, an die Streitig- keiten der Gemeindeglieder unter einander, und das Folgende lehrt, daß es Streitigkeiten um das Mein und Dein waren (vgl. l· Cor. 6, 1sf.). Indem der Apostel fragt: ,,woher kommt Krieg und Streit unter euch?« antwortet er sogleich mit einer Gegenfrage, die an das Gewissen der Leser appellirt: ,,kommt’s nicht daher, aus euern Wollüsten, die da streiten in euern Gliedern?« Es besteht aber das Streiten der Wollüste in ihren Gliedern nicht in einem zu Felde Liegen wider den Geist oder die Seele, wie in Röm.7, 23 u. 1. Petri 2, 11., auch nicht in einem Streite der Lüste unter sich, sondern der Streit entsteht und besteht, weil, wie es in V. 2 heißt, das Begehren ein Nicht- haben und das Neiden ein Nichterlangenkönnen zum Gegner hat, gegen den es ankämpft (Wiesinger.) Hiernach ist es denn nicht angemessen, den ersten Satz des 2. Verfes so zu fassen, wie die Ausleger meistens thun und auch Luther mit seiner Uebersetzung es thut, daß der eine Ausdruck: ,,ihr seid begierig« den inneren Anfang des Vorgangs, und der andere: »und erlanget es damit nicht« den Erfolg des Be- gehrens, welcher darin bestehe, daß dasselbe nichts ausrichte, beschreibe; vielmehr, wie es hernach heißt: ,,ihr habet nicht« und damit der Stand der Dinge bei den Lesern angegeben wird, so haben wir auch hier lediglich eine solche Darstellung vor uns: ,,ihr begehret (nach dem und dem, was ihr für das irdische Leben brauchet oder zu einem bequemeren und angenehmen Leben gern haben möchtet), und habet (das Begehrte und Gewünschte) nicht (sondern seht euch vielmehr in eine dürftige, ja unter den Verhältnissen der Zeit Kap. 1, 2 Anm. sogar in eine entsagungsvolle, drückende Lage versetzt) Was sie nun da thun sollten, nämlich mit Bitte und Gebet sich an Gott wenden, damit Der ihnen helfe, deutet Jakobus am Schluß des Verfes mit der Bemerkung an, daß sie dieses Zufluchtsmittel nicht brauchten, um dann im folgenden Verse auszu- führen, warum, wenn sie ja dasselbe brauchten, ihr Bitten und Beten umsonst sei; vorerst geht er auf die Art und Weise ihres eigenmächtigen Sichselbst- helfenwollens ein, und das ist ein zwiesaches, je nachdem Einer Macht hat über Andere oder aber den Reichen und Mächtigen untergeben ist. Die einen, die Gewalthaber, tödten oder bringen um; inwiefern das geschieht, darüber giebt die Stelle in Sirach 34, 25—27 Ausschluß, wo es heißt: »Der Arme hat nichts, denn ein wenig Brod; wer ihn darum bringt, der ist ein Mörder. Wer Einem seine Nahrung nimmt, der tödtet seinen Niichstem Wer dem Arbeiter feinen Lohn nicht giebt, der ist ein Bluthund-« Daß dein Apostel wirklich dergleichen Gedanken vorgeschwebt haben, ergiebt sich deutlich aus Kap. 5, 1—6., und ohne Zweifel hat er hier dieselben Leute vor Augen, die er dann dort geradezu anredet; wenn sie auch nicht mit zur christlichen Gemeinde zählten (vgl. Kap. ’2, 6), so verschuldeten sie sich doch fchwer an derselben und halfen mit, ja gaben wohl den meisten Anlaß dazu, daß Neid und Zank, Unordnung und eitel böse Ding bei ihr herrschten. Die andern dagegen, die Armen und Nothleidendem stehen mit neidischem Herzen den Andern gegenüber; von ihnen, die als der christlichen Gemeinde zugehörig zu denken sind (Kap. 2, 5), gilt zunächst das ,,ihr gewinnet damit (mit eurem Neiden) nichts-«, daß aber auch die Reichen mit ihrem Pro- zessiren und Bedrücken nichts gewannen, wenn sie gleich Manches den Armen damit abpressen mochten, so daß diese ganz zu Grunde gingen, führt der Apostel in Betress ihrer Zukunft zu Anfang des 5. Kap. näher aus, und schon für die Gegenwart erreichten sie keinen andern Stand der Dinge als den, auf welchen Jako- bus vorhin schon hinwies: ,,woher kommt Krieg und Streit unter euch ?« und auf den er nun wieder zu- rückkommtx ,,ihr streitet und krieget«. Hier nun muß, anders als man gewöhnlich interpungirh ein Punktum gesetzt werden. · · . » H) Das ,,ihr habt nicht« im Schlußsatz des Berses ist nach dem Vorhergehenden Mangel an 1rd1schem Gut; aber der Sinn des Verfassers ist darum doch nicht, daß alles, was das thörichte Herz sich wünscht, ihm würde, wenn es nur beten wollte, sondern er will sagen: der Zustand des Nichthabens sammt dem daraus entspringenden Gefühl des Mangels und seinen Folgen findet sich nur da, wo das Gebet fehlt. Dieser Zustand hört auf, wo man bittet: das Gebet selbst streift, wenn es rechter Art ist, dem Begehren das Selbstsiichtige, Eigenwillige ab und reducirt es aus das rechte Maß; und das Auge des Glaubens schaut die Erfüllung auch da, wo der Unglaube nichts sieht. Jn dieser reinigenden Macht des Gebets, das für alles Begehren das »Gott unterthänig sein« (V. 7) fordert, liegt der Grund, daß das selbstsüchtige Begehren sich nicht.im Gebete an Gott wagt, soweit nicht die gänzliche Erschlasfung des christlichen Lebens und die entschiedene Gottesvergessenheit, die ohne Gott in der Welt sein will, der Grund ist; wagt sich aber solches Begehren dennoch an Gott, so kann nur ein ,,ihr krieget nicht« der Erfolg sein, denn es ist ein ,,übel bitten« um seiner schlimmen Absicht willen, es umgeht das ,,unterthänig sein«, macht sich zum dienenden Mittel der selbstsiichtigen Weltliebe und will Gott, selbst zum Werkzeug ungöttlicher Genußsucht machen. (Wiesinger.) Eis) Sie sind Ehebrecherinnen (die ursprüng- liche Lesart des Grundtextes zu Anfang des 4. Verfes bietet nur diesen Ausdruck; dem man dann meinte das ,,Ehebrecher und« der Vollständigkeit wegen voran- stellen zu müssen; aber jener Ausdruck ist an sich schon vollständig, da es sich nicht um eine geschlechtliche Theilung in Männer und Frauen, sondern um eine geistliche Bezeichnung handelt, für die allein die weib- liche Geschlechtsform in Betracht kommt Pf. 73, 27; Vor allem aber ist die ehebrecherische Weltliebe abzuthun und Gottes Gnadengemeinschaft zu suchen. 957 2. Mof. 34, 16 u. Offenb. 12, 6 Anm.), als die das Verhältniß brechen, in welchem sie von Rechtswegen zu Gott stehen, und die Welt ist es, mit der sie Buhl- schast treiben; wenn dann der Apostel fragt, ob sie nicht wissen, daß der Welt Freundschaft Gottes Feind- schaft ist, so kann »der Welt Freundschaft« nichts An- deres sein, als die der Welt, nämlich den irdischen Dingen in ihrer Ungöttlichkeit (oder der Creatur nach demjenigen Charakter, der ihr durch den Abfall von Gott ausgedrückt ist) zugewendete Freundschafh und wenn er darauf weiter sagt, wenn Einer die Liebe zur Welt der Liebe gegen Gott vorziehe, der komme als ein Gott Feindlicher zu stehen, so will er damit bezeugen, man könne die Liebe gegen Gott nicht zurückstellen hinter die Liebe zur Welt und doch noch dabei solche Liebe hegen, sondern das damit gegebene Verhalten gegen Gott gilt ihm dann als ein feind- seliges. Und dies erleidet seine Anwendung auf die- jenigen, welche Jakobus darum straft, daß sie sich durch ihre Lüste regieren lassen und ihnen stöhnen: sie wollten daneben doch für solche gelten, die Gott lieb haben. (v. HofmannJ Was der HErr vom eigentlichen Ehebruch sagt, daß, wer ein Weib an- siehet, ihrer zu begehren, schon mit ihr die Ehe ge- brochen habe in seinem Herzen (Matth. 5, 28), das gilt auch von dem Bunde der Treue, den wir mit Gott geschlossen haben: wie das Herz des Weibes nur Einem Manne gehören kann, so kann und darf das Herz des Christen nur Gott gehören, und wenn dieses Herz gleichzeitig an der Welt hängt, so ist’s eben ein untreues, ehebrecherisches Herz. (Ernst.) s) Die hier durch kleinere Schrift hervorgehobenen Worte des 6. Verses fehlten ursprünglich in unsrer deutfchen Bibel und sind erst seit 1581 durch die sächsische Normal-Bibel in den, Text eingeführt (vgl. die Bem. zu 1. Joh. 5, 7), und zwar mit Recht; Luther hatte sie zwar in der 2. Erasmischen Ausgabe des neuen Testaments, deren er bei seiner Uebersetzung sich bediente, noch nicht vor sich, aber spätere Ermit- telungen haben erwiesen, daß sie ächt und wohl »nur wegen der mancherlei Schwierigkeitem welche die beiden Verse 5 u. 6 in ihrem Verhältniss zu einander der Auslegung bereiten, ausgelassen worden sind. Nehmen wir nun zuerst V. 5 vor uns, so ist es ein Jrrthum, wenn man glaubt, bei den Worten: ,,oder lasset ihr euch dünken, die Schrift sage umsonst« könne man auch an eine ueutestamentliche Stelle denken, diese Stelle wohl gar in GaL 5, 17 entdeckt zu haben meint und demgemäß im Folgenden bei Luther’s Uebersetzung, der von denselben Voraussetzungen ausging, bleibt: »den Geist, der in euch wohnet, gelüstet wider den Haß«; man verstößt damit 1) wider den Zusammen- hang, denn um den Haß (genauer: Neid) gegen den Nächsten handelt es sich hier nicht mehr, wie in V.·2., sondern um die mit der Liebe Gottes unverträgliche Weltliebe, 2) wider den Wortlaut des Grundtextes, der die Deutung: ,,wider den Haß (Neid)« nicht zu- läßt, und Z) wider die geschichtlichen Zeitverhältnisse, da, selbst wenn der Galaterbrief damals schon existirt hätte, dieser doch keinenfalls den Leferu, an welche Jakobus schreibt, schon für einen Theil der heiligen Schrift alt. Ueberdies will der Anfang des folgen- den 6. ersest »und giebt reichlich Gnade« auch mit zu dem Schriftcitah das der Apostel im Sinne hat, » hinzugenommen fein, so daß es falsch ist, a) an den Schluß des 5. Verses ein Fragezeichen zu setzen und b) die Worte: »den Geist, der in euch wohnet, gelüstet wider den Haß« mit Anführungszeichen zu versehen, diese aber bei den folgenden Worten: »und giebt reichlich Gnade« wegzulassen. Vielmehr, was im Grundtext als das Eharakteristischste voransteht, muß auch in der Uebersetzung voranstehen und diese nun so lauten, wie oben in der Parenthese angegeben ist; wörtlich so, wie hier, finden sich die von Jakobus ausgesprochenen Worte nun allerdings in keiner alt- testamentlichen Stelle, wohl aber sind sie die Quintessenz dessen, was Gott in 2. Mos 20, 5 u. 6 sagt, wenn er sich einen eisrigen, d. i. eifersüchtigen Gott nennt und an denen, die ihn lieb haben, Barmherzigkeit in überschwänglichem Maße zu thun verheißt. Es ist das eine ähnlicheReproductionsweise eines alttestament- lichen Schriftworts, wie sie auch bei Paulus in Ephes. 5, 14 uns begegnet (vgl. die Bem. zu 1. Cor. 2, 9); gleichwie da ohne Weiteres ,,Christus« dem Citat ein- gefügt wird, der doch beim Propheten nicht mit Namen genannt wird, so steht hier für Gott: »der Geist, der in euch wohnet«, denn mittels seines Geistes hat Gott, wie er im alten Testament verheißen, nun wirklich von den Herzen der Leser Besitz, genommen, und ist’s nun dieser Geist, der sie zu seinem ausfchließlichen Eigenthum begehrt und keine andern Götter neben ihm duldet. Während in Kap. 2,19 unser Apostel die Grundwahrheit der alttestamentlichen Offenbarungs- religion ohne christliche Färbung geltend machte, weil er sich dort an noch ungläubige Juden wendete, auf deren Standpunkt er eingehen mußte, macht er dagegen hier, wo er das Grundgesetz jener Religion zur Anwendung bringt, desto entschiedener den christlichen Standpunkt geltend (Röm. 8, 9; 1. Eor· Z, 16), weil er es mit christgläubigsen Juden zu thun hat, denen es durch den ihnen mitgetheilten heil. Geist ge- geben ist, Gott über alle Dinge zu lieben, wenn sie nur in der That und Wahrheit des neuen Bundes Kinder sind (Jer. El, 31 ff.). Desto mehr verdienen sie nun aber auch den Namen von ,,Ehebrecherinnen« (V. 4), wenn sie der Welt Freundschaft in ihrem Herzen Raum geben wollten; sie würden das Schristwort, in welchem Gott als einen ,,eifrigen« sich bezeichnet, als ein leeres behandeln, mit dem es nichts auf sich habe. Sie sollen’s aber sowenig sich umsonst gesagt sein lassen, daß sie vielmehr bei den Nothständem in denen sie sich befinden, und bei dem schweren Druck von Seiten ihrer reichen, noch ungläubigen Volks-genossen, unter dem sie gerade um ihres Ehristenglaubens willen stehen müssen, sich der jenem Schriftwort beigegebenen Verheißung getröstem »und giebt reichlich Gnade«, was nun ebenfalls auf den Geist Gottes geht, der ihnen beiwohnt: im Besitz dieses Geistes und seiner Gnadengaben sind sie schadlos gehalten für das, was Andere im Weltlichen vor ihnen voraus haben und damit ihre Herzenweiden als auf einen Schlachttag (Kap. 5, 5), sind Erben des Reichs, welches der HErr denen verheißen hat, die ihn lieb haben (Kap. 2, 5), da sollen sie nun aber auch von der Welt und ihrer Hoffart sich unbefleckt behalten (Kap. I, 27) und die nicht neiden, von denen sie umgebracht werden (V. 2) — es wird sich seiner Zeit schon zeigen (Kap. 5, 1 sf.), daß, wie anderwärts die Schrift sagt, Gott den Hof- färtigen widerstehet, den Demüthigen aber Gnade giebt. H) Was es um die Weltliebe sei und was sie von Gott zu gewärtigen habe, das hat V. 4——6 dargethanx der Abschluß: »Gott widerstehet den Hoffärtigem aber den Demüthigen giebt er Gnade« führt nun von selbst auf die Ermahnung, in demüthiger Buße den sicher sahrenden, gottfeindlichenLibertinismus irdisch-selbst- süchtiger Gesinnung, mit welchem der Teufel sie ver- sucht, aus den verunreinigten, getheilten Herzen zu tilgen und Gott sich ungetheilt nnd ohne Vorbehalt zu unterwerfen, der den Demüthigen erhöht. Mit ,,seid Gott unterthan« im Gegensatz zu »den Hosfär- 958 Jakobi 4, 11———17. tigen« in V. 6 beginnt der Verfasser, mit ,,demüthiget euch«, entsprechend »den Demüthigen« dort, schließt er; was dazwischen genannt wird, ist Explikation oder nähere Entfaltung. (Wiesinger.) Widerstehet Gott den Hoffärtigen und giebt Gnade den Demüthigem nun, so mache mit der Demuth endlich einmal vollen Ernst: unterwirf dich Gott; mache ihn zu deinem einzigen Herrn, dem du dein ganzes Herz in herz- licher Liebe, kindlichem Vertrauen, alleiniger Furcht ergiebst. Unterwirf dich seinen Führungem auch wo sie dunkel, seinen Ordnungen, auch wo sie unbequem sind; trachte nur nach dem, was er dir vorhält, nach dem aber auch mit Einsetzung aller Kräfte. Wohl wird dir Einer dabei widerstehen wollen, derselbe, der dich bisher an die Welt zu fesseln suchte; aber wisse, er hat nur soviel Macht, als du ihm lässest. Wider- stehe ihm, so fliehet er; denn er weiß, daß er kein Recht an die und keine Gewalt über die hat, welche sich dem HErrn übergeben haben. Dein Haupt- fehler bisher war, daß du, statt ihm zu widerstehen, noch mit ihm unterhandelt hast. Nahe dich zu Gott, recke deinen Gebetsarm nach ihm aus, sooft der Weltsinn sich regt, und er nahet sich zu dir, steht dir im Kampfe zur Seite, hilft dir zum gewissen Siege. Aber Ernst, vollen Ernst muß es gelten: die Hände, die sich mit dem Gut dieser Welt beslecktem die Herzen, die bald hierhin, bald dorthin schwank- ten, heute in dem Blute Christi ihren Trost suchten, morgen die fchinutzigen Gedanken des Weltsinns heg- ten, müssen in Zucht der Reinigung genommen werden. Das gelingt nur dem, der seinen bisherigen Stand wirklich als einen elenden erkannt hat, der um seiner Untreue willen wirklich Leid trägt und klagt: den Armen am Geist gehört das Reich Gottes, die Leidtragenden werden getröstet, die gebrochenen und gedeniüthigten Herzen sind die Weltüberwinder, die Hungernden nach Gerechtigkeit werden satt werden. Es giebt nur Einen Weg aus der Schmach des Welt- dienstes, aus der Unseligkeit der getheilten Herzen, aus dem Urtheil, das die Bundesbrüchigen trifft; es ist der: demüthiget euch vor Gott, so wird er euch erhöhen. (Ernst.) Wenn auch diejenigen, an welche dieser Brief gerichtet ist, von dem Uebermuth des Unglaubens fern waren, so fehlte es ihnen doch an dem Grundton der Demuth, dem stets begleitenden Bewußtsein der Abhängigkeit von Gott, dem immer gegenwärtigen Bewußtsein, nichts zu sein und nichts zu vermögen ohne Gott; es zeigte sich dieser Mangel in dem zu großen Vertrauen auf irdische Güter und menschliche Mittel. Was nun Jakobus, indem er alles zusammennimmt in der Selbstdemüthigung vor Gott als Bedingung aller wahren Hoheit, die von Gott kommt, von ihnen verlangt, das ist eine innere Hand- lung des Geistes, nichts, was Gegenstand äußerlicher Wahrnehmung werden kann, wenngleich diese innere Handlung in der Gestaltung des ganzen Lebens sich zu erkennen geben muß: die Demüthigung vor Gott ist etwas, das nur zwischen Gott und dem Menschen vorgehen kann. (Neander.) 11. Afterredet [1. Petri 2, 1. 12; s, is; Z— CVU 12, 201 nicht unter einander, lieben Bruder sindem ihr einer von dem andern übel redet Pf. 15, 3]. Wer seinem sgenauer: dem] Bruder afterredet und urtbeilet seinen Bruder, der afterredet dem Gesetz und urtheilet das Gesetz. Uriheilest du aber das Gesetz, so bist du nicht ein Thaler des Geseszes [was du nach Gottes Willen seit! sollst Kap— 1- 22 ff-], sondern ein Richter* swas zu sein du nicht berufen bist, vielmehr ist es dir ausdrücklich vom HErrn verboten Matth. 7, 1fs.]. 12. Es ist ein einiger Gesetzgeber sder em- ig und allein nicht unter, sondern über dem Gesetze steht], der kann sdaher auch einzig und allein] selig machen und verdammen [Matth. 1·0, 28]. Wer bist· du, der du san seine Stelle dich setzest, indem du] einen Andern urtheilestW sdem Gebahren ist weiter nichts als eine anmaßliche Selbstüberhebung mit der du in Gottes Amt einzugreifen dich verniissest und wofür du die gebührende Zurückweisung von ihm erfahren wirst Röm. 14, 4.] V) Zur äußersten Schärfe war vorhin des Apostels Rüge fortgeschritten; daß er den Ton jetzt milder stimmt, giebt schon die Anrede: ,,lieben Brüder« zu erkennen, die hier zum ersten Mal seit Kap. Z, 12 wiederkehrt. Sie sollen nicht übel von einander reden, sollen einander nicht richten; denn hierzu erweitert sich die Ermahnung, wenn Jakobus sagt, wer übel von einem Bruder rede oder den richte, der sein Bruder ist, der rede übel vom Gesetz und richte das Gesetz. Der Unterschied zwischen ,,afterreden« und ,,urtheilen« beschränkt sich darauf, daß das eine zu Ungunsten des Bruders, das andere mit Selbstüberhebung über ihn geschieht; dem entspricht denn, daß es das eine Mal »dem Bruder«, das andere Mal ,,seinem Bruder« heißt. Von Einem, der ei1i Bruder ist, sollte man nicht zu seinen Ungunsten übel reden, es ist eine Verletzung des brüderlichen Verhältnisses überhaupt; und richten sollte kein Christ den, der sein Bruder»ist, weil derselbe als solcher ihm gleichstehh was diese Selbstüberhebung über ihn ausschließt. Von dem ersteren sagt der Apostel, daß es ein Afterreden dem Gesetz, von dem andern, daß es ein Urtheilen des Ge- setzes sei, bleibt dann aber bei der letzteren Bezeichnung stehen, weil dem Gesetze gegenüber ,,afterreden« und ,,urtheilen« eins und dasselbe ist. Anstatt nur das Gesetz zu Worte kommen zu lassen, welches ja freilich gegen Uebertreter gehandhabt sein will, macht der Afterredner feiner Ungunst gegen den Luft, mit dein er doch demselben Gesetze untersteht, indem er übel von ihm spricht, weil er eben übel auf ihn zu sprechen ist, und giebt der Urtheiler ein Urtheil über ihn ab, mit dem er ihn verurtheilt, ohne ein anderes Recht hierzu zu haben, als daß er sich selbst über ihn zu Gericht setzt und den Maßstab seines Urtheils aus sich selbst entnimmt; damit spricht er aber übel vom Gesetz, indem es so zu stehen kommt, als ob dem, was Rechtens ist, sein Recht nicht ge- schähe, wenn er es bei der Handhabung des Gesetzes bewenden ließe und sich dessen, was er thut, entschlüge, und er richtet das Gesetz, indem es so zu stehen kommt, als ob dem, über welchen er sich zu Gericht setzt, sein Recht nicht geschähe, wenn er nicht »mit seinem, nach eigenem Maßstab gesprochenen Urtheil in eine Lücke eintrete, welche das Gesetz offen läßt. Von einem solchen gilt denn allerdings, daß er damit aus einem ThäFer des Gesetzes ein Richter wird: er stellt sich zum gdttlichen Gesetze, wie ein Richter zum bürger- gerlichen, dessen Unzulänglichkeit der richterlichen Aus- deutung bedarf, damit es seine Anwendung auf den einzelnen Fall finde. (v. Hofmannjs Es) Nur Einer hat das Gericht in der Hand, das ist Derselbe, der das Gesetz gegeben; nur Einer kann Vom Uebel ist auch das Afterreden dem Bruder und das selbstherrliche Handthierew 959 selig sprechen und verdammen, weil nur Er die letzten Gründe und Regungen des menschlichen Herzens durch- schaut, weil nur Er das Wahrsein in Liebe im höchsten Maße übt, und darum von ihm kein ungerechtes Ge- richt ausgehen kann. Siehe, mit deinem Richten greifst du ein in das Recht deines Gottes, aus dessen Hand du selbst erst dein Loos zu empfangen hast. »Wer bist du, der du den Andern richtest?« mit dieser Frage lenkt Jakobus unser richtendes Auge dahin, wohin es gehört, in das eigene Herz. Zum Richten gehört vor allein ein zwiefaches, ein untrügliches Auge und ein reines Herz. Wer einen Menschen nach dem Maße seiner Schuld richten will, muß den ganzen Menschen in allen seinen Regungen, Gedanken, Beweggründen kennen, muß mit in Rechnung ziehen alle Ver- hältnisse, in denen er lebt, alle Einflüsse, die auf ihn ausgeübt worden; ja, mehr als das! Der Mensch ist in vielen Stücken das Resultat der äußeren Lebens- Verhältnisse und Beeinslussungem die von frühester Kindheit ihn berührten: wer recht richten will, muß dieses alles wissen und beurtheilen können — wer bist du, kurzsichtiger, unwissender Mensch, daß du einen Andern richtest? Und wenn du dies alles wüßtest, erschrickst du nicht vor dem Gedanken, das richtende « Wort auszusprechen, bei dem Blick in’s eigene Herz? Bist du denn rein, frei und unschuldig in dem Stücke, da du Andere richten willst? Merkst du nicht, daß das Gericht, das du gegen Andere übst, mit doppelter Schwere auf dich zurücksinkh daß du dir selbst das Urtheil sprichst? Wir gedenken des Wortes Jesu: ,,richtet nicht, auf daß ihr nicht gerichtet werdet«; wir freuen uns, daß wir bei dem Gericht an die Barm- herzigkeit appelliren dürfen, aber nur den Barm- herzigen wird Barmherzigkeit widerfahren. (Ernst.) 13. Wohlan, die ihr nun saget [richtiger: Wohlan nun, daß ich auch mit euch ein Wört- kein rede, die ihr saget]: Heute oder morgen wollen wir gehen in die oder die Stadt, nnd wollen ein Jahr da liegen sso lange daselbst zu- bringen], und handthieren fHandelsgeschäfte be- treiben Jes. 47, 15; Hof« 27, 27] Und [davon] gewinnens 14. Die ihr [also redet und doch von solcher Beschaffenheit seid, daß ihr] nicht wisset, was morgen sein wird sob nämlich nicht da schon der Tod eurem Leben ein Ende gemacht hat Sprüchw. 27, l; Hut. 20, 20]. Denn was ist euer Leben? Ein Dampf isks fnach anderer Lesart: seid ihr], der eine kleine Zeit währen darnach aber snachdem er nur für kurze Zeit sichtbar gewesen] ver- schwindet er sHiob 8, 9; Psalm 10,-Z, 4. 12; 144, 4]· 15. Dafür ihr Daher] sagen solliet: So der HErr will und wir leben, wollen wir dies oder das thun» [1. Cor. 4, 19; Apostg 18, 21]. 16. Nun aber rühmet ihr euch swenn ihr so sprechet, wie vorhin angegeben V. IS] in eurem Hochmuth [durch großsprecherische und groß- thuerische Redensartens Alle-r solcher Ruhm [da ein Mensch redet und sich geberdet, als ob er selbstherrlich über sein Leben und Thun verfüge] ist bösespk sweil man damit sich über Gott hin- wegsetzt, statt sich vor ihm zu deinüthigen V. 10; Jer. 10, 23]. 17. sUnd da gilt auch die Entschuldigung nicht, daß ihr ja wohl wüßtet, wie ihr eigentlich zu reden hättet V. 15., und nur euer Wissen nicht überall zur Anwendung brächtet.] Denn wer da weiß, Gutes zu thun, und thut-s nicht, dem isks Sünde-s— lwird das Nichtthun als Sünde angerechnet Luk. 12, 47]. «) Es ist eine Selbstüberhebung, und zwar nicht blos dem Nächsten, sondern auch dem einigen Gesetzgeber und Richter gegenüber, wenn ein Christ vom Mitchriften übel redet oder richterlich über ihn urtheilt; wer so thut, läßt es also an der Selbst- demüthigung vor Gott fehlen, zu welcher der Apostel ermahnt hat, ehe er vor dieser Versündigung warnte (V. l0——12). Und es ist wiederum eine Selbstüber- hebung anderer Art, die er an denen rügt, denen er sich mit einem, die Ermahnung dringlich machenden ,,Wohlan nun« nunmehr zuwendet; er benenntsie mit den Worten: »die ihr saget 2e.« gleich nach dem, womit sie sich versündigen und um was er sie straft. Es ist die leichtfertige Sprache, die sie führen, wenn sie von dem reden, was sie Vorhaben, gleich als stünde nur bei ihnen, es auch zu thun; indem er sie aber so redend einführt, ergiebt sich von selbst, daß er solche Leichtfertigkeit nur beispielsweise mit einer derartigen Rede kennzeichnet, die nun aber auch besonders geeig- net ist, sie zu kennzeichen. Mit dem ,,heute oder morgen wollen wir gehen in die oder die Stadt« stellen sie sich an, als ob ihnen das Morgen eben so gewiß wäre als das Heute; das »ein Jahr« bei dem »und wollen da liegen« dient dazu, die dort zuzu- bringende Zeit so bestimmt zu begrenzen, daß sie schon darauf denken, was sie thun werden, wenn dies Jahr um ist; "ie wissen auch gewiß, nicht blos, was sie dort treiben, sondern auch, daß sie ihren Handel mit Ge- winn betreiben werden: »und handthieren und ge- winnen«. (v. Hofmannh Wie die Juden noch heute vom Handelsgeiste erfüllt und bewegt sind, so waren sie es auch damals; und die Christen aus den Juden fchüttelten diese Art des Volkes auch nicht mit Einem Male ab. (Ernst.) H) Es erhellt, daß Jakobus, indem er dies sagte, nicht darauf dringen wollte, daß man eine solche Be- dingung immer wörtlich aussprechen sollte (vgl. Röm 15, 28; 1. Cor- l6, 5 f.); solche Redensarten hätten ja auch zur bloßen Form werden können, und diese Gemeinden waren, vermöge ihrer ganzen Richtung, wohl geneigt, alles zur bloßen Form zu machen. Jakobus gebraucht eben gern, wie wir schon öfter wahrgenommen, etwas Besonderes statt eines allge- meinen Gedankens; und so setzt er auch hier, statt den allgemeinen Gedanken von der Ungewißheit und Ab- hängigkeit des ganzen irdischen Lebens auszudrücken, solche Worte, die dazu geeignet waren, diesen allge- meinen Gedanken in der Anwendung auf den beson- deren Fall zu bezeichnen. (Neander.) Manche sünd- haste Handlung würde unterlassen, mancher übereilte Schritt nicht gethan werden, wenn das Wort: »so der HErr will und wir leben« nicht nur auf den Lippen, sondern tief im Herzen gefunden würde. (v. Qosterzee·) ist) Was dieses Rühmen böse macht, was dieses Rechnen und Plänemachen nicht blos als ein kindische Spielerei und Thorheih sondern als Sünde erscheinen läßt, ist der Zug des Hochmuths, der sich in dem- selben offenbart, eines Hochmuths welcher des HErrn 960 Jakobi 5, 1-7. und seines Regiments vergißt, sich selbst zu seinen! Gotte macht, selbst Vorsehung spielen will. Derselbe Hochmuth, der rückwärts schauend auf das, was zu Stande gekommen und erreicht ist, vergessend der Barmherzigkeit Gottes und seiner starken Durchhilfe, selbstgefällig sprichtt ,,das alles habe ich fertig gebracht«, er wendet sich auch der Zukunft zu und spricht: »und das alles will und werde ich noch fertig bringen« (Ernst.) Der Unternehmungsgeist ohne Religion ist allemal Hochmuth (Heubner.) T) Es ist sonderbar, wie in des Menschen Gewissen und seiner täglichen Erfahrung alles so stark für Gottes Vorsehung spricht, und wie doch in der wirk- lichen Uebung auch das Vertrauen auf sich selbst und die Eifersucht, denen nachzueisertu denen ihr Muthwille glücklich fortgeht, eben so starken Einfluß hat; daher kommt auch die Nothwendigkeit zum tiiglichen Erinnern Sprüchm 22, l9. (Rieger.) Das 5. Kapitel. Von des Reichthums Jiiohtigkeit non geduldigem Leiden und kräftigem gebet. IV. u. 1——18: Weissagung dessen, was die sich schon anbahnende Zukunft einerseits den gewalt- thätigen Reichen, andrerseits den duldenden Frommen bringen wird, und Vermahnung an die letzterem die Gegenwart in Geduld u er- tragen und ihre Tloth mit Gebet und Ge rauch der Gnadenmittel zu überwinden. — wie der Apostel bereits in Kur. I, 10 f. den Reichen unter den außerhalb der christlichen Gemeinde stehenden Juden ein Drohwort zartes, gleich als sähe er ße gegenwärtig vor ßrh, und ihnen das schlimme Ende, das sie mitten in ihrer habe nehmen würden, verhielt, so thut er das nun hier, wo die Zuliunft des sijGrrn und die Gr- scheinung des Riehters ihm als Thema seiner lttede vor die Seele tritt, in noch viel schärferer weise. Der slrasende Ernst, womit er den vorigen Jlbschnitt schloß, steigert ßch jetzt bei ihm zu prophetischein Zornetfer wider die reichen tzcdructter der Jirmen in Gottes volle; sein Wort nimmt in Ausdruck und Haltung ganz und gar das Colorit alttestamentlicher sdrophetie an und schildert zunächst das Gericht, das jenen Reichen bevor- steht, darnach aber beschreibt er ihr Verhalten, womit sie solches Gerirht sich zugezogen haben (b.1—6). Von hier aus wendet er sich dann an seine ,,lieben Brüder§ die Glieder der christlichen Gemeinde, heißet sie geduldig sein bis auf die Zukunft des Akten, ßch alles Seuszens wider ihre tzedriiclter enthalten, womit ße dem Richter in sein Amt greifen und sich selber der uerdammniß schuldig machen würden, dagegen aus das Exempel der Eeidensgeduld der stlropheten und des frommen hiob blicken und demselben nacharten, vor allen Dingen aber, um nicht für unnätze ltteden einer schweren her— antivortung am Tage des Gerichts sich aus-zusehen, die schlechte jädische Gewohnheit des Aeleräftigens ihrer Aus— sagen mit allerlei Schwurforinelm die sie ins Christen— thun: mit herübergebracht haben, ablegen (V· 7-—12). Hieraus geht er zu der Anweisung über, wie sie die schliinme Gegenwart in beständiger Richtung des Ge- mäths auf Gott und im Gebrauch der ihnen oerliehenen Gnadenmitteh wodurch ße sogar im Stande seien, die Todesgesahr in schwerer Krankheit von sich abzuwenden, überwinden mögen, aber auch dazu helfen können, daß an die Stelle derselben bald wieder ein besserer Stand der Dinge trete, da ihnen ja die Macht des Gebete nicht weniger, als seiner Zeit dem Elias, verliehen sei und diese Macht suh auch wirksam erweisen werde, wenn sie nur in Gemeinschaft mit einander zuvor würden Buße thun und von ihren Siinden sich bekehren W. 13--18). 1. Wohlau nun sum jetzt, wo ich des Tags des HErrn gedenke, zunächst an euch mich zu wenden], ihr Reichen sdie ihr Gottes Volk in dieser gegen- wärtigen Zeit so schwer bedrücket, seiner spottet und es verlästert V. 4 ff.; 2, 6 f.; Amos 8, 4 ff.; 2, 6 ff.; 3, 10; 5, 11 f.], weinet und heulet über euer Elend, das smit dem nahe bevorstehen- den Gericht V. 7 ff.s über euch kommen wird [Jer. 4, 8; Jes. 13, 6; Luk. 6, 24]! Z. Euer Reichthum ist sfobald der Gerichtssp tag nun da und also das Ende der jetzigen Weltzeit eingetreten ist] berfaulet smit allem, was der Erdenwelt angehöret Jes. 34, 4]; eure Kleider sworin derselbe eines-theils bestand Richt.«14, 19 Anm. 2] sind mottenfräßig worden [Matth. 6,19z Hiob 13, 28; Jes. 50, 9], 3. Euer Gold und Silber swelches andern: theils den Bestand desselben bildete] ist vertostet sMatth 6, 19 f.], und ihr Rost wird euch zum Zeugniß sein [was euer eigenes Loos nun sein soll, nämlich das Verderben 2. Thess 1, 9], und wird euer Fleisch sdas ihr so gepflegt habt mit Wohlleben V. o] fressen wie ein Feuer [Ps. 21, 10; Hes· 15, 7; Luk. IS, 23 f.]. Jhr habt euch Schähe gesammelt sauf Erden] an den lehten Tagen« swo einerseits ein ewiges Heil euch an- geboten ward Hebu 1, 2 ff» das aber habt ihr verschmäheh und wo andrerseits das Ende aller Dinge so nahe bevorstand, das aber habt ihr nicht glauben mögen Luk. 17, 26 ff.; 2. Petri Z, 3 ff.]. 4. Siehe, der Arbeiter Lohn, die euer Land eiugeerutet sdie Ernte von euern Ländereien ein- gebrachts haben, und sders von euch abgebrochen sihnen verkürzt oder ganz vorenthalten 2. Mos. 21, 10] ist, das sdieses wider das Gesetz be- gangene schwere Unrecht Z. Mos. 19, 13; 5. M. 24, 14 f.; Jer. 22, 13; Mal. 3, H] schreiet szum Himmel um Rache Hiob 31, 38 sf.], und das Rufeu der Ernter [um Hilfe wider ihre Bedrückers ist kommen vor die Ohren des HErrn Zebaoth sdaß er nun wirklich zu ihrem Rechte ihnen verhilft durch die gerechte Vergeltung, die er jetzt, am Tage seines Gerichts, an euch übt 2. Mos. 2, 23 ff.; Jes. 5, 8f.]. 5. Jhr habt sbei Lebzeiten Luk. 16, 25] lvohlgelebet auf Erden [statt eure Seligkeit zu schaffen, vgl. die Bem. zu Luk. 16, II] und eure «Wollust gehabt salle nur erdenkliche Ueppigkeit ge- trieben in Essen und Trinken und Kleidung, in Vergnügungen und Zerstreuungen) und eure Herzen sdie ihre Lust lediglich an irdischem Lebensgenuß hatten Luk. 12, 19. 34; 21, 34] geweidet als Vierte Abtheilungt die Zukunft des HErrn Wehe den gewaltthätigen Reichen! 961 auf Einen Schlachttag [Jerem. 12, Z; 2. Petri , . s. Ihr habt [mittels ungerechter Anklage vor Gericht Kap. Z, 6 und durch Herbeiführung eines parteiischen Urtheils von Seiten des Rich- ters Amvs 5- 121 verurtheilet den Gerechten nnd getödtet lin dem zu Kap. 4, 2 erörterten Sinne Sin 34, 25], und er bat euch sals einer, der alles über sich mußte ergehen lassen, was ihr vermöge eurer Uebermacht mit ihm angefangen Weis-h. 2, u] nicht widerstanden« [Matth. 5, 39 fs.; Röm. 12, 19]. V) Wie im alten Testament die Propheten oft die auswärtigen heidnischen Völker (Jsraels Feinde) an- reden, ohne gerade für sie ihre Drohung und War- nung zu bestimmen, sondern für die Jsraeliten, so ist auch dies Strafwort allerdings zunächst nicht für die ungläubigen Reichen, die ja den Apostel nicht hörten, bestimmt, sondern für die der Welt sich gleichstellendem diesen ähnlich werdenden Christen und zum Trost der unterdrückten Gläubigen; doch trug damals, bei der noch nicht so scharfen Sonderung unter gläubigen und ungläubigen Juden, bei der großen Achtung, die namentlich Jakobus auch unter den Ungläubigen genoß, wohl Mancher ein solches prophetisches Drohwort auch zu den ficheren Sündern hin. (Ebenso muß man auch zur heutigen Zeit Manches in das ösfentliche Zeugniß der Wahrheit mit einfließen lassen, dagegen man einwenden möchte: »ja, die Leute, die es zunächst angeht, sind ja nicht da oder sind uns nicht auf unsre Verantwortung gebunden«; wohl, aber die, welche da sind und über deren Seelen wir zu wachen haben, leiden unter den Andern nicht nur Druck, sondern auch manche Versuchung! —- Rieger.) Jn prophetischer Anschauung nun erscheint dem Apostel das Strafgericht als schon vollzogen, der ungewisse Reichthum schon vernichtet; der Rost des vergänglichen Metalls ver- zehrt sie selbst, die ihr Herz daran hängten und Eines mit ihm wurden, sie gleichen den Unsinnigen, die un- mittelbar Vor ihrem Ende noch Schätze aufhäufen. Als Jakobus dies schrieb, war der Stand des dischen Volks schon voll Vorboten des letzten Zer- störungskrieges, des weissagenden Bildes des Welt- gerichts (v. Gerlach.) Hat der Apostel im vorigen Abschnitt solche gestraft, die der Vergänglichkeit des irdischen Lebens vergessen, so wendet er sich jetzt gegen die, welche nur der Gegenwart dieser Welt leben und des Endes nicht gedenken: sie heißt er mit lautem Aufschrei des Jammers weinen ob ihrem, wie es im Gegensatz zu ihrer fröhlichen Gegenwart heißt, zu- künftigen mannigfaltigen Elende, das ihrer wartet, wenn diese Welt mit ihrer Lust vergeht. Jn per- fektischen Sätzen schildert er, wie es dann mit ihnen steht, nachdem das Ende der gegenwärtigen Weltzeit eingetreten ist, aber mit derjenigen Bildlichkeih welche damit gegeben ist, daß er ihr dereinstiges Elend als das Elend solcher, die vordem reich gewesen, und dem- nach als einen Zustand schildert, wo das für sie ver- loren ist, was vordem ihre Glückseligkeit ausgemacht hatte. Jhr Reichthum, heißt es, ist verwest, ein Ausdruck, welcher deshalb gewählt ist, weil Fäul- niß und Verwesung die traurigste Gestalt des Ver- gehens ist; dann aber wird, was hiermit im Allge- meinen gesagt ist, in der Art in’s Einzelne ausge- führt, daß dasjenige, womit sie Prunk getrieben haben, als entfprechendem Verderben, dem Verderben durch Motten und Rost, anheimgefallen geschildert wird —- D ächseps Bibelwerb V1l. Band. Mottenfraß hat die Gewänder verzehrt, in denen sie geprangt haden; von Rost zerfressen und werthlos gemacht ist ihr Gold und Silber. Ob Ja- kobus gewußt hat, daß diesen Metallen der Rost nichts anhat, thut nichts zur Sache: ihm bot sich dieses Bild um deswillen dar, weil Rost überhaupt das ist, was Metalle verderbt, wie Mottenfraß das ist, was die Wolle zernichtet. Verzehrt ja doch Rost auch das Fleisch nicht, und doch heißt es: ,,ihr Rost wird euch zum Zeugniß sein und wird euer Fleisch fressen«, wo die Rede in das Futurum übergeht, weil benannt sein soll, was der Verderb des Reichthums für seine Be- sitzer selbst zur Folge hat. Der Ausdruck: ,,wird euch zum Zeugnis; sein« kann nur bedeuten, daß ihnen der Verderb ihrer Schätze sagen wird, was hiermit für sie selbst eintritt; sie schauen darin ihr eigenes Verderben. Und was ihre Schätze zerstört hat, ergreift auch sie selbst und macht sie zunichte. nd zwar in den letzten Tagen, angesichts des nahen Endes der Dinge, haben sie Schätze aufgespeicherh ohne zu bedenken, wie bald es mit ihrem Reichthum vorbei sein und wie bald er sich in ihr Verderben verkehren werde. (v. HofmannJ H) Kaum straft das alte und neue Testament etwas so hart, wie wenn man die Armen unterdrückt und ausbeutet, ja ihnen ihren gerechten Lohn vorent- hält: siehaben einen Anwalt und Rächer an Gott, die an ihnen begangenen Sünden schreien von selbst zu ihm um Rache, fordern sein gerechtes Gericht heraus, und nicht umsonst heißt er hier der HErr Zebaoth, also der Allgewaltige, der mit seinem himm- lischen Kriegsheer alle Feinde niederzuschlagen vermag. Aber um so schnöder ist jene Vergewaltigung der Armen durch die Reichen, als die letzteren dabei an nichts denken, denn darauf, sich selbst zu weiden, ihre Befriedigung zu suchen in Fleisches- und Weltgenuß, und zwar eben wieder an dem Tag, zu der Zeit, da sie, wie Schlachtschafe der Schlachtbank, dem Gericht entgegengehen (Kiibel.)» ,,Jhr habt eure Herzen ge- weidet als auf einen Schlachttag«, das will besagen: wie man das Vieh mästet, das zur Schlachtbank ge- führt werden soll, so habt ihr euch selbst, dem Dienst eurer Lüste euch hingebe-Jud, genießend in aller Sicher- heit, für das heranbrechende Strafgericht reif gemacht. (Neander.) Reichthümer sind Gaben Gottes, deshalb gut an sich selber: daß man sie nicht böse schelte, werden sie auch den Guten verliehen; daß man sie nicht als höchste Güter preise, auch den Bösen, wes- halb die Schrift nur das Stolzsein und Hoffen auf den ungewissen Reichthum verbietet (1. Tim. 6, 17). Doch obwohl Reichthum und Gerechtigkeit sich unter einander vertragen können, so muß doch derjenige, welcher mit weltlichen Gütern ist angesehen, allemal einen heiligen Argwohn in seiner Seele vor diesen Dingen führen. (Augustin.) 7. So seid nun sunter dem Druck der Gegen- wart, der allerdings bei dem, was man euch an- thut V. 4 u. 6., schwer auf euch lastet] geduldig, lieben Brüder, bis ans die Zukunft des HErrn sdie euch Erlösung bringen wird Luk. 21, 28]. Siehe, ein Ackermccnn [wenn er jetzt sein Feld befäet hat 2. Tini. 2, S] wartet auf die köstliche Frucht der Erde [daß sie seiner Zeit ihm zu Theil werde] nnd ist geduldig darüber släßt sich in Be- treff derselben das Warten nicht verdrießen, fon- dern siehet gelassen zu], bis er empsahe den Morgen- regen lFrühregen 3. Mos. 26, 5 Anm.] und 61 962 Jakobi 5, 8—-18. Abendregen [Spatregen, darunter das Auf- sprießen und Wachsen der Saat und weiterhin das Gedeihen und Reisen der Frucht nach und nach vor sich geht Sir. 6, 19]. 8. Seid ihr auch geduldig [in langmüthigem Harren auf die rechte Zeit und Stunde Luk. 21, 19; Hebr. 10, 36], und stärker eure Herzen fdaß ihr ohne Verzagen und ohne Unmuth unter allem Stand haltet, was euch betrifft 1. Thess Z, 13]; denn die Zukunft des HErrn ist nahei [Phil. 4, b; 1. Petri 4, 7; Hebr. 10, 25, und da soll ja nur der selig werden, der beharret bis an’s Ende Muth. 10, 22z 24, 13]. » 9. Seufzet nicht wider einander, lieben Bruder sdaß ihr Bedrückten euern Bedrtickerm mit denen ihr im bürgerlichen Leben zusammengehört, nicht von Herzen vergeben, vielmehr alles Böse im Stillen ihnen anwünschen wolltet], auf daß ihr nicht fals solche, die auch ihrerseits nicht Barm- herzigkeit gethan, sondern Haß und Neid sich haben zu Schulden kommen lassen Katz. 2, is; 4, 2., sammt der ungläubigen Welt] verdamtnet werdet. Siehe, der Richter ist vor der Thbrrr [Matth. 24, 33., um so ruhiger könnt ihr also ihm das Gericht anheimstellen und um so weniger dürft ihr euch der Gefahr, selber in sein Gericht zu fallen, aussetzen] » » 10. Nehmen meine lieben Bruder, zum Exempel des Leidens [das auch sie ihrer Zeit zu ertragen hatten] und der Geduld fdie sie dabei bewiesen Many. 5, 121 die Propheten, die zu euch fdies »zu euch« ist ein irrthümlicher Zusatz zum Terte, dafür es richtiger heißen würde: »Im den Vätern«] geredet haben in dem Namen des HErrn fund auch im geistlichen Sinne eure Ahnen sind Hei-r. 11, 1 ff.]. 11. Siehe, wir preisen sbei unsern gottes- dienftlichen Versammlungen] selig, die erduldet haben [Kap. 1, 12 und das sollte uns ja reizen, ihrem Glauben nachzufolgen Hebr. 13, 7]. Die Geduld Hiobs habt ihr [wenn das betr. Buch in den Schulen gelesen wurde] geh-Irrt, und das Ende des HErrn [den Ausgang, welchen der HErr seinem Leiden verlieh] habt ihr [wenn die Ge- schichte nun zu Ende gelesen war] gesehen fund könnt ja daraus einen großen Trost für euch selber schöpfen Tob. 2, 12]; denn der HErr fwie sich in diesem Ausgange, den er den Leiden Hiobs verlieh, deutlich genug an den Tag legt] ist barmherzig [voll herzlichen Mitleids mit unserm Elend] nnd ein Erbarmerilsp fdaß er alle unserm Elend zuletzt auch in herrlicher Weise abhilft und es in lauter Glück und Heil umwandelt Pf. i03, 8 ff.]. V) Von denen, welche der Apostel als die Reichen anredete und die soweit davon entfernt sind, »auf eine Ermahnung, wie die in Katz. 4, 10: ,,demüth1get euch vor Gott«, zu hören, daß er sie nicht einmal zur Buße ruft, sondern es nur darauf ankommen läßt, ob sein gerichtandrohendes Strafwort eine Wirkung auf sie übt, wendet er sich nun zu denen, die er als Brü- der anreden kann und die unter einer Gegenwart, wo jene alle Unbill thun, ohne daß ihnen gewehrt wird, sei es von ihnen oder wie sonst zu leiden haben und sie mit Schmerz ertragen; an sie richtet er die Er- mahnung: ,,seid geduldig« und schließt sie mit »so nun« an, weil eine solche Gegenwart ihrer bedürftig macht. Während nun Jakobus in Kap. 1, 4 dein im Grundtext stehenden Worte Ascesi-»in) zufolge zur Geduld des Standhaltens unter erschwerenden Um- ständen ermahnte, hat er es dage en hier Worugiobvzrxtiu mit der Geduld des gelassenen uwartens beim feind- lichen Treiben der Bösen oder beim Ausbleiben des gehofften Guten zu thun (vgl. zu Col. 1, 11); es soll ihnen nicht zulange werden über dem Warten auf die Erfcheinung des HErrn, die solcher Gegenwart ein Ende macht, daher auch der Hinweis auf den Ackers- wann, welcher der köstlichen Frucht entgegensieht, die ihm die Erde bringen soll, gleichwie sie dem köstlichen Gute entgegensehen, welches ihnen der HErr vom Himmel bringen wird, wenn er erscheint. (v. Hof- mnnn.) Jakobus, der in Naturanschauungen lebte, in denen der Orientale sich gern bewegt, trägt die Gesetze des in feiner-Entwickelung allmälig fortschreitenden Naturlebens auf die Geschichte über: wie die Frucht nur allmälig reift und der Landmann den Regen im Anfange und am Ende der Aussaat geduldig erwarten muß, so bedarf es derselben ausharrenden Geduld, um dem letzten Ziel des Entwickelungsganges der irdischen Geschichte, der nur allmälig vorbereitet wird, entgegenzugehen Auch hier hat alles seinen bestimm- ten Zeitpunkt, und man muß sich vor der voreiligen Ungeduld hüten, welche, die verschiedenen Stufen des Wachsthums nicht abwartend, auf einmal das Letzte haben will. (Neander.) »Es) Aus Mangel eines gestärkten Herzens kann man zu Seufzern kommen, womit man die Geduld des HErrn, die man doch für seine und Anderer Seligkeit achten sollte (2. Petri Z, 15), abkürzen möchte. (Rieger.) Die schlimmste Art des Richtens und Ver- dammens ist, wenn die Unterdrückten, statt zu beten für die, welche sie beleidigen und verfolgen, in ihren Gebeten die Rache Gottes auf sie herabrufem ein solcher greift dem schon kommenden Richter freventlich vor und hat selbst die Verdammniß zu erwarten Matth 7, 1. (v. Gerlach.) IN) Es ist unzweifelhaft, daß ein Menfch in seinem Leiden um so leichter die Geduld verliert, je mehr er sein Auge und seine Gedanken nur auf das eigene Leiden richtet; dann dünket es ihm einzigartig schwer, und er kann es nicht fassen, warum gerade Er so Schweres dulden soll. Leichter zu tragen wird das eigene Leiden für den, der Zeit behält, auch einmal in andre Herzen und Häuser herein zu blicken. Die All- gemeinheit der Trübsal hat zwar an sich nichts Tröst- liches, nur gemeine Herzen können es wohlthuend em- pfinden, daß auch Andere, und wohl noch schwerer, zu leiden haben; aber die Erkenntnis; von der Allgemein- heit der Trübsal begegnet dem Wahne, als ob uns im Leiden etwas Einzigartiges und Seltsames widersahre —- im Vergleiche mit fremdem Leiden erscheint das unsre uns meist als das noch erträglichere Die Er- leichterung, welche so durch den Anblick fremden Lei- dens erworben wird, gewinnt an Segen und Werth, wenn es zugleich ein Anschauen der Geduld ist, mit der Andere ihr oft schwereres Leiden tragen; und dies wird im höchsten Maße dann der Fall sein, wenn wir Jhr aber, lieben Brüder, seid geduldig und stärket eure Herzen! 963 das Leiden Anderer auch bis dahin beobachten können, wo es seine gottgewollte Frucht trägt. Aus diesen Gründen verweist Jakobus auf die Beispiele des Leidens und der Leidensgeduld, welche die Zeugen des alten Bundes uns bieten; da findet sich das Dreifache gleich zusammen, schweres Leiden, und zwar dem christlichen Kreuz verwandtes Leiden, weil es über jene gekommen ist um des Namens Gottes willen, große Leidensgeduld und ein gesegneter, fruchtbarer Aus- gang des Leidens durch des HErrn Leitung und Fügung Wiederum aber das Ende, das der HcErr dem Leiden gab, lehrt ebenfalls ein Dreifachesu nie hat der HErr schwerer auferlegt, als mit seiner Hilfe zu tragen war; im Leiden hat er die Herzen geläutert und das Leben reifen lassen, und endlich hat er aus allem Kreuz eine Frucht des Lebens zur Ehre seines Namens hervorgehen lassen und so bewährt, daß er mitleidig ist und ein Erbarmen (Ernst.) 12. Vor alleu Dingen aber swas ich euch angesichts der nahen Zukunft Christi V. 8 f. und im Hinblick auf sein Wort in Matth. 5, 34 ff. noch besonders an’s Herz lege l. Petri 4, 8], meine Brüder, srhwbret nicht swie es leider bei euch noch vielfach im alltäglichen Leben von früherer Angewöhnung her vorkommt] weder bei dem Himmel, noch bei der Erde, noch mit keinem andern [derartigen] Eide. Es sei aber euer Wort: Ja [wenn der Mund es redet, ein solches], das ja ist smit der Wahrheit vollkommen überein- stimmt 2. Cur. 1,17], und [ebenso, wenn ihr saget]: Nein ssei die Sache, die ihr verneint, etwas-J, das nein ist snach anderer und wohl rich- tigerer Auffassung: Es sei aber euer Ja ein einfaches Ja, ohne irgend welchen Zusatz, der einen Schwur enthält, und euer Nein ein einfaches, mit der bloßen Verneinung sich be- gniigendes Nein]; auf daß ihr nicht in Heuchelei snach anderer Lesart im Grundtext: unter das Gericht V. I] fallett sda ja der HErr aus- drücklich gesagt hat: »was drüber ist, das ist vom Uebel«, und daß der Mensch am jüngsten Tage müsse Rechenschaft geben von einem jeglichen unnützen Wort, das er geredet hat Matth. 12, se] 13. Leidet jemand unter euch sin der einen oder andern Art], der bete sstatt zu wehklagen oder wider Andere zu seufzen V. I; Phil.4, 6]; ist jemand sindem es ihm wohl ergehet] gutes Mnthd, der singe Psalmen« [Loblieder zur Ehre Gottes, statt seine fröhliche Stimmung in bloßen: Freudenjubel zu äußern Ephef 5, 9]. 14. Jst jemand UchwerJ krank [so daß er von menschlichen Aerzten keine Hilfe zu erwarten und nichts Anderes als den Tod zu gewärtigen hat Kap. I, 2 Anm.], der rufe smittels seiner An- gehörigen] zu sich die Aeltesten von der Gemeine [Apostg. 14, 23 Anm.], und lasse sie über sich [unter Auslegung ihrer Hände] beten nnd salben mit Oel [Mark. S, 13 Anm.] in dem Namen des HErrn sder mit seinen Wunderkräften über der Gemeine waltet Mark. is, 17 f.]. 15. - Und das Gebet des Glaubens sdas die Aeltesten »in solcher Weise über ihm thun] wird dem Kranken helfen, und der HErr wird ihn svon seinem Krankenlager] aufrichten sals einen auf übernatürliche Weise nun wieder gesund Gewor- denen Matth. 8, 15; 9, 5 ff.]; und so er hat Sünden gethan sum deretwillen er allerdings be- denklich sein könnte, ob auch ihm des HErrn Gnadenhilfe werde zugute kommen], werden sie ihm vergeben sein«« sder HErr wird derselben ungeachtet den Glauben, der ihn die gemeindliche Fürbitte begehren ließ, mit Aushilfe aus seiner Krankheit erwidern]. 16. Bekenne [nun aber auch von euch, die ihr zwar leiblich noch gesund seid, im geistlichen Sinne jedoch alle mit einander krankt Kap· 4, 1 ff] einer dem andern seine Sünden sindemsihr in euern Gottesdiensten gemeinschaftliche Beicht- und Bußgebete veranstaltet Esra I, 4 ff.; Dan. 9, 3 sf.], und betet [in denselbigen] fiir einander, daß ihr gesund werdet sheil von den fchlimmen Nöthen, die jetzt um eurer Sünden willen euch drücken, und wieder ein besserer Stand der Dinge sich einstelle Pf. So, 3]. Des Gerechten Gebet vermag viel sbei Gott], wenn es ernstlich ist [Ps. 145, 18f.]. 17. Elias war ein Mensch, gleich wie wir [als der von sich selber derselben Beschränkthein Ohnmacht und Hinfälligkeit unterstund Apostg 14, 15], nnd er betete sbevor er vor den König Ahab mit seiner Ankündigung 1. Köm i7, 1 hintrat, zu Gott, vor dem er stund Jerem. 15, 1] ein Gebet, das; es nicht regnen solltez und es regnete sfortan wirklich] nicht auf Erden [Offenb. 11, S; Sir. 48, Z] drei Jahr und sechs Monden [wie wir aus der, vom HErrn Jesu in Luk. 4, 35 bestätigten Ueberlieferung wissen]. 18. Und er betete abermal sals er dort auf des Carmels Spitze sich bückte und sein Haupt zwischen seine Kniee that 1. Kön. 18, 42], und der Himmel gab snunniehr] den Regen, und die Erde brachte svon Neuem] ihre Frnchts [und so wird der HErr auch auf eure Bitte, wenn sie aus einem bußfertigen und gläubigen Herzen kommt, wieder Regen und fruchtbare Zeiten geben nach diesen jetzigen Zeiten der Theuerung und Hungersnoth Kap. 1, 2 Anm.]. V) Jakobus kann (seine Hinweisung auf den Tag des HErrn als den Ta des Gerichts) nicht schließen, ohne auch auf das bei en Gemeinden, an welche er schreibt und deren manni fache Mißstände er riigt, stattfindende leichtfertige chwören hinzuweisen; wie wichtig ihm nun die zu ertheilende Warnung ist, zeigt das: »vor allen Dingen aber«, womit er sie einleitety die Wichiigkeit begründet er aber dann mit dem Schlußwort: »auf daß ihr nicht unter das Gericht Cl« 964 Jakobi Z, 19. 20. fallet«. Zu beachten ist, daß das Schwören bei dem Namen Gottes nicht erwähnt ist; dies ist auch nicht als in das letzte Glied: ,,noch mit keinem andern Eide« mit eingeschlossen zu denken, sondern der Apostel hat bei diesem Ausdruck nur ähnliche Schwurformeln im Auge, wie die vorher genannten, deren mehrere in Matth 5, 35 f. angeführt werden. Hätte er das Schwören bei dem Namen Gottes verbieten wollen, so· hätte er es um so gewisser ausdrücklich gesagt, als dies nicht nur in dem alttestamentlichen Gesetze im Gegens zu andern Eiden geboten war (5. Mos. 6, 13; 10, 20; Pf. 63, 12), sondern auch von den Pro- pheten als ein Zeichen des zukünftigen Bekehrtseins zu Gott geweissagt ist (Jes. 65, 16; Jer. 12,16; 23, 7 f.); die Nichtberücksichtigitng dies es Schwörens zeigt, daß Jakobus bei seiner Warnung nur den, wie bei den Juden, so auch bei seinen Lesern herrschenden Mißbrauch, in den Verhältnissen des täglichen Lebens statt des einfachen Ja oder Nein Betheuerungen der von ihm angeführten Art anzuwenden, im Auge hat, so daß nichts dazu berechtigt, aus seinen Worten ein absolutes Verbot des Schwures überhaupt herzu- leiten. (Huther.) is) Soll auf die, im vorigen Verse angegebene Weise das Reden der Christen zeigen, daß sie allezeit als vor Gott (und in der Erwartung der Zukunft ihres HErrn) stehende und dadurch geheiligte Leute sich verhalten, so tritt dasselbe da, wo die Unterschiede der äußeren oder auch der Gemüths-Umstände sich geltend machen, dadurch hervor, daß sie in Leidens- stunden beten, in Stunden des Wohlbefindens Gott mit Psalmen und Lobgesängen preisen; im ersteren Falle suchen sie für das fehlende irdische Wohlergehen Ersatz im Feistlichen Gut, das Gott darreicht, im zweiten Fa e danken sie für den Besitz desselben. (Kübel.) Der Apostel ertheilt hier eine Anweisung, welche der Verweltlichung in diesen Gemeinden, der Unterscheidung zwischen gewissen Handlungen des Gottesdienstes und. dem ganzen übrigen, der Welt angehörenden Leben, am meisten entgegengesetzt ist. Nichts kann einer solchen Richtung mehr entgegen- stehen als die Anforderung, alle Gefühle der Christen in Leid und Freud sollen in Gebet übergehen; dadurch soll Leid »und Freude geheiligt und verklärt werden. Jm Leiden soll das Gefühl des Schmerzes in Gebet umgestimmt werden; bei Gott soll man im Gebet Hilfe, bei ihm Kraft zur Ertragung der Leiden und zur Ergebung suchen. Und die Freude soll das Herz zum Lobe Gottes und zum Danke gegen ihn, dem man alles Gute verdankt, stimmen. Das Gemeinsame also in traurigen und freudigen Gefühlen soll die Richtung des Herzens zu Gott sein (als bei welcher allein ein Warten auf den HErrn zur Seligkeit V. 7 s.; Hebt. 9, 28 in Wahrheit stattfinden kann); und da zwischen Leid und Freude das ganze Leben getheilt ist, wird also das ganze Leben so zum Gebete werden. (Huther.) Leid wie Freude ist dem Christen leicht gesährlich, jede starke Gemüthsbewegung benutzt der Teufel, um ihn von Gott abzuziehen; Gebet und Lobgesang sind die Waffen wider ihn. (v. Gerlach.) IN) Aus dem ganzen Wortlaut geht hervor, daß der Apostel schwere, mit dem Tode bedrohende Er- krankung für ein Leid achtet, dessen Wendung sich der Christ unter allen Umständen erbitten soll, und daß er die gemeindliche Fürbitte, wo sie begehrt wird, für kräftig achtet, es unter allen Umständen zu wenden; dies erinnert daran, daß Paulus in l. Cor. 11, 30 die Leichtfertigkeit, mit welcher die corinthische Ge- meinde das Liebesmahl und in Folge dessen auch das Mahl des HErrn beging, mit den vielen Erkrankungen und nicht wenigen Todessällen in ihrer Mitte gestraft achtet. Je näher die Christenheit ihrem Ursprunge war, von woher sie sich im Besitze der Geistesmacht wußte, unter deren Aeußerungen auch die Gabe wun- derbarer Heilkraft zählte, und je näher sie des HCrrn Wiederofsenbarung erwartete, welche zu erleben ihr sehnliches Verlangen war, desto schwerer fiel es ihr, wie man aus 1. Thess. 4, 13 sieht, wenn der Tod ihre Reihen lichtete, und desto mehr mußte sie hoffen, daß ihr die Möglichkeit gegeben sei, von Gott ver- hängte Krankheit durch Gebet zu Dem, der sie ver- hängt hatte, zu wenden: aus dieser Anschauung er- klärt sich des Apostels Weisung und Zusage, und es gehört zu den Anzetchem in wie früher Zeit der Kirche er diese Schrift verfaßt hat, wenn wir ihn, was der Christ im Falle einer Erkrankung zu thun habe, damit sie nicht zum Tode führe, in eine mit so uneingeschränk- ter Verheißung des Erfolges ausgestattete gemeingiltige Ordnung fassen sehen. Wen der Menschen Feindschaft gegen den HErrn in den Tod riß, der starb als ein seliger Zeuge der Wahrheit; aber daß Gott einen Be- kenner Jesu durch einen Tod, den er verhängte, vor der Wiederkunft des HErrn hinwegnahm, erschien als ein Leid, gegen welches er der Gemeinde die Gabe wunderbarer Heilung nicht umsonst gegeben haben werde. Darum war es auch einem Paulus, welcher den Zeugentod nicht fürchtete, eine so schwere Anfech- tung, als er in eine Lebensgefahr anderer Art gerieth und mit einem Tode bedroht war, vor dem er ferner- hin durch die Fürbitte der Gläubigen bewahrt zu bleiben hoffte (2. Cor. 1, 8 ff.). Jst des Jakobus Weisung und Zusage hiernach zu verstehen, so brauchen wir ihr nicht damit zu Hilfe zu kommen, daß wir einflicken, das Gebet des Glaubens habe den Fall, wenn es Gott anders beschlossen habe, offen gelassen, oder daß wir die Ausdrücke, deren er sich bedient, eine Erhörung der Fürbitte in höherem Sinne, als dem der leiblichen Genesung, andeuten lassen, wie von den Auslegern in der Regel geschieht; der Apostel spricht nur von leiblicher Genesung und verheißt sie schlechthin, wie er sie auch nicht blos in gewissen Fällen, sondern schlechthin auf diesem Wege suchen heißt. Wenn sich die Christenheit nachmals hat darein finden müssen, daß ein Gefchlecht das andere ablöste, ohne des HErrn Wiederkunft zu erleben, so ändert das nichts an der Berechtigung des Glaubens, aus welchem des Jakobus Weisung stammt und dessen er sich von den Christen seiner Tage versieht. (v. Hofmann.) Als das fünfte in der Reihenfolge der römischskatholischen Sacramente wird den zum Tode Erkrankten nach ab- gelegter Beichte und empfangenem Abendmahl die letzte Oelung zur Stärkung ertheilt; aber für die Schriftmäßigkeit dieser Handlung kann man sich weder auf Mark. 6, 13 noch auf unsre Stelle berufen, denn an beiden Stellen ist der Zweck der Handlung gerade der dem römischen Sacrament entgegengesetztq da sie nicht die Scheidenden zum Tode stärken, sondern, um- gekehrt, die vom Tode Bedrohten dem Leben wieder- geben soll. (Steitz.) f) Gleich der Anfang unsrer Epistel hat uns merken lassen, daß der Verfasser sie zu einer Zeit allgemeiner Noth und driickender Calamitäten geschrieben und daß der öffentliche Stand der Dinge ein sehr versuchungs- voller, zu allerlei Sünden der Ungeduld, des Neides und der gegenseitigen Gehässigkeit reizender war, unter welchem die Leser sich damals befanden; gleich- wohl hat er die zum Tode Erkrankten in B. 14..s. nicht mit der Erlösung von allem Uebel durch den Tod und der Aushilse zu einem jenseitigen besseren Leben getröstet, sondern im Gegentheil sie ungeleitet, Schluß der Epistel und Schlußbemerkungen zu derselben. 965 dafür Sorge zu tragen, daß sie dem diesseitigen Leben erhalten blieben. Da muß ihm ja das dies- seitige Leben noch viel werth gewesen sein und er eine große Hoffnung auf die baldige Beseitigung der gegen- wärtigen Nothstände im Herzen getragen haben; darum fährt er nun damit fort, die Gemeinden anzuleiten, auf welchem Wege sie diese Beseitigung herbeiführen können, und die Hinweisung auf des Elias Vorbild hat gewiß nicht blos die allgemeine Bestimmung, die Wirkungsmacht des ernstlichen Gebets der Gerechten an einem besonders hervorragenden Beispiel zu erhärten, sondern steht ohne Zweifel in spezieller Beziehung zu den Nothftänden der Gegenwart. Darum will das, was die Ausleger in allgemeiner, unbestimmter und ziemlich unzutreffender Weise zur Erklärung der vor- liegenden Stelle beibringen, uns wenig genügen; wir haben vielmehr, statt ihre Auslassungen wiederzugeben, oben im Texte unsre eigene Auffassung darzulegen versucht. Das ,,gesund werdet« haben wir da aller- dings auf ein Heilwerden von den gegenwärtigen Noth- ftänden überhaupt bezogen; doch dürfte der Aus- druck in nächstem Zusammenhange mit der herrschen- den Epidemie, als welche wir zu Kalb. 1, 2 den Hunger- typhus be eichneten, stehen, und nun kann diese nicht wohl ein nde nehmen, wenn nicht die Hungersnoth selbst ein Ende nimmt. Aber der HErr ist barmherzig, hieß es in V. 11, und ein Erbarmer; bei diesem feinem Erbarmen hat ihn Elias gefaßt, als er auf des Car- mels Spitze sein abermaliges Gebet that, sobald sich ein Beginn der Umkehr des Volkes zeigte, und der HErr hat wirklich der Noth ein Ende gemacht. Ein solches ,,Ende des HErrn« werden auch bei sich die Leser zu sehen bekommen, so meint Jakobus, wenn sie thun, wie er ihnen vorschreibt C« Zum Schluß nimmt der Apostel noch auf den Fall Riitksichh daß hier oder da in den Gemeinden der eine oder andere vorhanden, mit dem es bereits soweit gekommen, daß er vom Ghristenthuni abfällig wird und auf verkehrte Wege sich wendet; da thut ein Besonderes, wer nicht blos für ihn bittet (1. Loh. 5, 16 f.), sondern auch um seine Zurechibringung sich bemüht, und zwar in einer weise sich bemüht, daß seine Arbeit nicht vergeblich ist in dem Hatten. Indem denn Jakobus durch das Zeug— niß, welches er hier vor den Gemeinden einem solchen öffentlich aussieht, daraus hinweist, wag Großes es sei, einer verirrten Seele zuretht zu helfen, will er alle, die im rechten Christenstande sich befinden, kräftiger, als er mit einer unmittelbaren Ermahnung dazu es thun würde, an- regen, mit Eifer und Weisheit dem Liebes— und segens- werk der tjerumholung an den irrendeu tzriidern sich zu unterziehen. »So schließt der tsries in dem Geiste der Liebe, der denselben von Anfang an durchweht und der in der ganzen Wirksamkeit des Jakobus sich zu erkennen giebt«. 19. Lieben Brüder, so jemand unter euch irren würde von der [christlichen] Wahrheit [Kap. 1, 18; Hebr 10, 26., daß er derselben den Rücken wenden und vom Heiland abfällig werden wollte], und jemand beichtete ihn svon dem falschen Wege, den er damit eingeschlagenjz 20. Der [e»1n solcher Bekehrenderj soll wissen, daß wer den Sundet bekehrei hat von dem Jer- thum seines Weges, der hat einer Seele vom Tode geholfen sdaß sie demselben nicht am Tage des Gerichts anheimsällt], Und wird bedecken die Menge der Sünden [Spr. 10, 12; 1. Petri 4, 8]. Woher mag’s kommen, daß auch in christlichen Gemein- schaften nicht immer die rechte Treue den Abirrenden gegenüber bewiesen wird? Es ist ja da nicht zu verwun- dern, wo es überhaupt an der Liebe fehlt, wo nur die Selbstsucht sich in ein christliches Gewand gekleidet hat; aber wir finden auch, daß solche, die wir als treuliebende Leute kennen gelernt haben, in diesem Stücke oft eine schmerzliche Laßheit und Kraftlosigkeit an den Tag legen. So wird es ja daher kommen, daß es nicht genugsam bedacht wird, was es heißt, eine Seele auf den Weg der Wahrheit zurüekbringen; darum erinnert uns Jakobus daran, es heißt eine Seele vom Tode erretten und eine Menge von Sünden bedecken. Einen Menschen ungewarnt den Weg der Verirrung fort- gehen lassen, das heißt ihn dem Tode überliefern, das heißt seiner Sündenentwickelung freien Lauf lassen, daß Sünde fortzeugend Sünde mag gebären; es heißt also nichts Anderes, als der Macht der Sünde und des Todes Vorschub leisten. Wer in diesem Stücke gleichgiltig ist, wird ein Verbündeter des Fürsten der Finsteruiß, anstatt ein Streiter zu sein unter der Fahne Christi für Gerechtigkeit und Leben. Dieser Gedanke wird um so einschneidender, wenn wir uns mit Jakobus im Geiste an den Tag des Gerichts ver- setzen. Denke dir, du sähest an jenem Tage ein Menschenkind, das vordem mit dir zufammengelebh ja das eine Zeitlang in christlicher Gemeinschaft mit dir gestanden und dann rückfällig geworden ist: sein Leben ist immer tiefer gesunken, durch ihn sind Andere verderbt worden, und nun klagen eigene und fremde Sünden ihn an, er verfällt unter der Last seiner Schulden dem Urtheil des Todes; und du mußt dir sagen, ich habe ihn fallen lassen, ich stand neben ihm und habe die Hand nicht ausgestreckt, ihn zu halten. Denke dir, du sähest an jenem Tage ein Menschenkind, dem du in gleicher Gefahr nahe getreten bist mit liebendem Ernst, mit Warnung und Mahnung, und es hat sich warnen lassen; und nun steht es vor dem Richter und seine Seele zittert, denn es ist sich bewußt, durch seine Untreue das fchwerste Gericht verdient zu haben, aber des Richters Mund spricht ihn frei von Sünde und Tod, weil er wiedergekehrt ist von dem Jrrthum seines Weges — was wird dein Herz be- wegen, wenn sich der Gerettete zu dir wendet und spricht: du hast meiner Seele vom Tode geholfen, und durch dich ist bedeckt die Menge meiner Sünden! Du wirst wohl wehren und sprichst: nicht ich, die Macht der Gnade ist’s gewesen, die dir vom Tode geholfen; aber du bist doch das Werkzeug gewesen, und darum darfst du auch Theil haben an der Freude über die gerettete Seele. (Ernst.) Schlusibemerkungen zur Epistel St. Jakabi. Am Schluß der Einleitung zu Katz. 2, 1-——26 gedachten wir bereits des harten Ausdrucks, womit Luther unsre Epistel als eine solche, die keine evangelische Art an ihr habe, verurtheilt, indem er sie in der Vorrede zur Ausgabe des neuen Testaments vom J. 1524 als ,,eine rechte 966 Judä 1. T. ströherne Epistel« bezeichnet. Er nahm einestheils Anstoß an der Stelle Kap. 2, 20 ff., anderntheils daran, daß, wie er sich ausdrückt, die Epistel Christenleute lehren wolle, und doch nicht einmal in solcher langen Lehre des Leidens, der Auferstehung, des Geistes Christi gedenke; aber wie er dort von einseitigem Standpunkte aus Zweck und Eigenart des Briefes nicht zu würdigen verstanden, so hat er hier die Zeit nicht in Anschlag gebracht, in welcher derselbe geschrieben worden. Jakobus hat ihn eben in einer Zeit verfaßt, wo die in seinem Gesichtskreis befindliche Christenheit noch in dem einfachen Glauben stand, wie wir ihn uns nach den Reden des Petrus oder Stephanus, die wir in der ersten Hälfte der Apostelgeschichte lesen, zu denken haben, und es einer belehrenden oder zurecht- weisenden Erörterung der Thatsachen, auf welchen das Christenleben beruht, noch nicht bedurfte. Und so liegt denn die Bedeutung des Briefs nicht sowohl auf dem Gebiet der Belehrung über Glaubenswahrheiten, als vielmehr auf dem des praktisch-christlichen Lebens: der in Werken sich erweisende Glaube, die christliche Vollkommenheit als Erfüllung des Gesetzes der Freiheit, die christ- liche Weisheit, gewonnen durch’s Gebet und geübt in geduldiger Ertragung des Leidens, allerhand gute Lebensfrüchte hervortreibend, mit denen der Christ bestehen kann vor Gottes Gericht, das sind die Punkte, welche der Brief wesentlich im Auge hat; und da stellt er nun mit meisterhafter Tiefe, Kraft, Lebendigkeit und anschaulicher Frische das christlich-sittliche Leben in einer Weise dar, daß wir Herd er ausrufen hören: ,,Welch edler Mann spricht im Briefe! Tiefe, unablässig tiefe Geduld im Leiden! Hoheit in der Armuth, Freude« in Traurigkeit, Einfalt, Lauterkeit, feste, gerade Zuversicht im Gebet! Keinem Zustande ist er mehr feind, als dem Unglauben, der kleinmüthigem zehrenden Vernünftelei, dem doppelherzigen Wesen; welchen Zug aber weiß er zu Gott, spricht von Kraft, auch Wunderkraft des Gebets als von der gewissesten, unfehlbarsten Sache, herzlich, aus Erfahrung, mit bestimmten Fällen und Proben — wahrlich, ein Mann voll heiligen Geistes, ein Beter, ein Jünger Jesul Wie kennt er die Weisheit und den Ursprung der wahren und falschen Weisheit im Gemüthe des Menschen, zähmt die Zunge unter dem Schein alles Guten, sie, die Mörderin durch Lüste und Begierden —- schweigender Heiliger, Nasiräer, Schüler der himmlischen Weisheit! Wie will er That, That, nicht Worte, nicht Kopf-Glauben, aber freie That, vollkommene, edle That nach dem königlichen Gesetz des Geistes — der freie, der geläuterte Pharisäer oder Essäer(?), der Christi« Wir haben also, um die Epistel nicht blos um einzelner Stellen willen, sondern nach ihrem Gesammtinhalte werth zu halten, des Wortes Pauli in 1. Cor. S, 21 f. eingedenk zu sein: »Es ist alles euer, es sei Paulus oder Apollo, es sei Kephas oder die Welt, es sei das Leben oder der Tod, es sei das Gegenwärtige oder Zukünftige; es ist alles euer«. Wie Episiel St. Juni. Der Brief hat in den starken Farben und kraftvollen Zügen seiner Schilderung, in seinem Reichthum an Vergleichungen und bildlichen Ausdrücken die Art eines Prophetenworts und ist durch- weg von Beziehungen auf Alttestainentliches dnrchflochtem vorwiegend aber gehen diese alttestament- lichen Beziehungen auf solches, das in den heiligen Schriften nicht geschrieben steht, sondern sich an Stellen der 5 Bücher Mosis nur als sagenhafte Erweiterung angeschlossen hat, wie ja auch Lukas den Stephanus sagen läßt, Mose sei in aller Weisheit der Eghpter unterrichtet worden und sei gewesen gewaltig in Wort und That, und vierzig Jahre alt, als er ging nach seinem Volke zu sehen (Apostg. 7, 22 f.), und wenn der Verfasser des Hebräerbriefs von solchen weiß, die zersägt worden (Hebr. 11, 37), so hat er dies aus einer, in der alttestamentlichen Schrift nicht enthaltenen Ueber- lieferung, woher denn ebenso Paulus die Namen Jannes und Jambres entlehnt hat (2. Tim. Z, 8). Daß nun Judas von solcher traditionellen Ausdeutung oder Erweiterung des im Schriftwort Ge- gebenen so mehrfach Gebrauch macht, gleichen, sondern rechtfertigt sich durch gelegenen Zweck, zu welchem er sie verwendete. Ermahnung zur Jzeständigßeit in reiner Lehre und Leben wider die Ferfiihren A. In der Grußiiberschrift bezeichnet ßih Judas, der Verfasser dieses zn Gnde der J. 64 oder zu Anfang der« folgenden Jahres erlassenen Schreibens, nicht blos alg einen ,,Knerht Jesu GhristiT wie Jakobus es thut, son- dern nennt sich auth dessen ,,Bruder«, um so gleich von vornherein darauf hinzudeuten, daß dasselbe für dieselben Leser bestimmt sei, an welche jener einß sich gewendet, und er seht seines Bruders Amt und Wert: fortffihrg nachdem derselbe von hinnen genommen; er giebt denn auch den Eesern keine namentliche und örtliche Bezeichnung, sondern, gleichwie Petrus in seiner zweiten Gpisteh nur eine solche, die ihnen ihre Würde und hohe Ehrenßeliung zum Bewußtsein bringt, und richtet dann seinen Gruß an ßr in einer Form, welche gleich hier es merlien läßt, daß ße von schweren Gefahren für ihren ljcilgftand bedroht ßnd und dawider eines desto reiiheren Maßes der gött- lichen tljeilggnade bedürfen. 1. Judas» ein Knecht Jesu Christi [Jak. 1, I; 2. Petri I, I]- aber [Tit. 1, 1] ei» Bruder JakobP sdes Bruders des HErrn Gut. 1, 19], den Berufenen sRöm. 8, 28; I. Cor. 1, 24], die da smittelst -ihrer Taufe auf Christum, wobei sie den heil. Geist empfingen] geheiliget sind in Gott, dem Vater [Röm. 15, 16], nnd sbishers behalten in Jesu Christo« sum ferner für ihn, den einigen Herrscher V. 4., bewahrt zu bleiben I. Petri l, 4 f.; Joh. I0,28f.;17,15j: Z. Gott gebe eUch viel [1. Petri I, 2; 2.Petri 1, Z] Barmherzigkeit und Frieden [1. Tim. i, Z; ·2. Tim. i, 2; Tit. 1,4; 2.Joh. 3] und Liebes« [vgl. V. 21]! V) Nach dem Bericht des Hegesippus, des ältesten Kirchengeschichtschreibers (-s- 180 n. Chr.), eines zu Christo bekehrten Juden aus Palästina, bei dem wir um seiner Herkunft und seiner Lebenszeit willen wohl eine genaue und sichere Kenntniß der auf die jeru- salemischen Apostel beziiglichen Umstände voraussehen dürfen und dessen Angaben durch die des Clemens hat feinen Grund nicht in einer ungesunden Vorliebe für der- ihre Dienlichkeit für den eigenthümlichem in seiner Aufgabe (v. HofmannJ von Rom zu Anfang des Z. Jahrh. eine gute Be- stätigung erhalten, war jener Alphäus, der uns in Matth. 10, Z; Mark. Z, 18; Luk. 6, 15; Apostg.1, 13 als Vater des Apostels Jakobus II. bezeichnet wird und ohne Zweifel ein und dieselbe Person ist mit dem Cleophas, welcher in Joh. 19, 25 als Gatte der andern Maria (Matth. 27, S) erscheint (vgl. das ,,Maria Jakobi« in Luk. 24, 10), ein Bruder Jo- sephs, des Gemahls der Mutter Jesu, der eben er- wähnte Apostel Jakobus II. also mit Jesu Geschwister- kind. Wir haben schon anderweit hinlänglich die Auf- fassung der meisten neueren Schrifterklärer als irrig abgewiesen, welche von dem Apostel Jakobus Il· noch einen Jakobus III. als Vorsteher der jerusaleinischen Gemeinde unterscheidet und auf diesen den Titel des ,,Gerechten« und die Bezeichnung als ,,Bruder des HErrn« überträgt; in Gal. I, 19 bedient sich Paulus der letzteren Bezeichnung offenbar nur, um Jakobus 1I. von Jakobus 1., Johannis Bruder (Apostg. 12, 2) zu unterscheiden, weil dieser damals noch am Leben war, hätte er aber damit einen Jakobus III., der nicht Apostel war, sondern nur wegen seiner nahen Verwandtschaft mit Jesu als dessen leiblicher Bruder mütterlicherseits in einem apostelgleichen Ansehen stand, signalisiren wollen, wie jene Schrifterklärer meinen, so hätte er nicht nur selber sich sehr mißver- ständlich ausgedrückt, wenn er schreibt: ,,einen Andern aber von den Aposteln sah ich nicht, ohne Jakobum, den Bruder des HErrn«, sondern es hätte auch Lukas in Apostg. 9, 27 in sehr irreleitender Weise berichtet, wenn er von Aposteln in der Mehrheit redet —- wenigstens ihrer zwei mußten es doch sein, mit denen Paulus damals zusammengekommen ist! Nach alle dem ist der hier als Epistelschreiber auftretende Judas, der sich des Jakobus Bruder nennt, der in Luk. S, 16; Apostg 1, 13 als ,,Judas Jakobi«, in Matth. 10, 3 u. Mark. s, 18 aber als ,,Lebbäus« oder »Thaddäus« bezeichnete Apostel (Joh. 14, 22; Matth. 10, 4 Anm. unter Nr. 10). Aus der Bezugnahme auf Jakobus als seinen Bruder haben wir wohl ein Recht zu schließen, einerseits, daß er an die nämlichen juden- christlichen Gemeinden mit seiner Epistel sich wendet, an welche der Jakobibrief gerichtet ist, nnd andrerseits, daß sein Bruder nicht mehr unter den Lebenden war, als er schrieb, sondern er jetzt gewissermaßen als dessen 968 Judä Z. 4. Rechtsnachfolger »den zwölf Geschlechteriy die da sind hin und her-«, in Ausübung des apostolisckpbischöslichen Amtes gegenuberstehe. Es» fuhrt uns das in die Zeit nach dem Osterfest des J. 6·2 n. Chr., an welchem Jakobus den Marthrertod erlitt, und weiter in die Zeit nach des Johannes Uebersiedelung nach Ephesus Es trat da in den seither von »diesen Aposteln ge- leiteten Gemeinden nach des Hegesippus Zeugniß mehr und mehr ein Zustand der Verwirrung und der Trübung des Glaubens ein. Wie weit es nach des Jakobus Hingang im Verlaufe von etwa IX, Jahren mit der Gemeinde zu Jerusalem kam, das hat uns »der Hebraerbrief gezeigt; in den shrischen und ubrigen xudenchristlichen Gemeinden Asiens dagegen nahm der Ktkttilnoltttiogm1uösf1 Sschstejgxignrrvon dJakåldsbysz ilbkähjpfde i in e egen er eie er an , und jene Richtung, welche aus der christlichen Freiheit die Frgiheilt und Friåklshgit sdes Fyleischesdmäichte schridtt nunme r is zum eu erten ort. a es gera e å31zk;·enåvaren, unter; dengn solche Richtung zifierst ihre ö te pitze errei te ar uns nicht be remden: ward ein Jude, indem, er sein Gesetz aufgab (vgl. Agostg 21, 21), nicht» wie Paulus (1. Cor. 9, 21·), ein in dem Gesetz Christi Stehender, so konnte er ein Zkäkksksxkoåles GFLTT Es? ZJLLZ Wserdåkk Z? k T« n eq . « en in a ie dortigen Jrrlehrer in ’praktischer wie theoretischer Hin- sicht von der christlichen Freiheit die äußersten Con- sequenzen zu Gunsten der Emancipation des Fleisches gezogen, als solche, die von Haus aus nicht fest in Christo gewurzelt waren, sich vollständig dem heid- nischen Libertinismus ergeben und Gottes Gnade in baare Sittenlosigkeit umgesetzt Vermuthlich hat von Babylon aus (Anh. 1I·: b, 4) Judas seine Epistel ge- schrieben (vgl. 1. Petri 5, 13). it) Berufene nennt Judas die Christen, an welche er schreibt, aber mit einer Näherbestimmung, welche die Berufenen, denen sein Brief gilt, als solche, die das geblieben find und noch sind, wozu ihre Be- rufungsie gemacht hat, Andern entgegenzusetzen ge- eignet ist, an die Gottes Ruf auch ergangen, die aber dgkvGgiitieinsgcöftdGlohtiejsd vegustågfiind vo)n Jefu Christo a en gge re . . mann. Eis) Offenbar will hiermit der Verfasser die Heils- ikiiirkäiikgenvbenfeoniieiäjbkfdelrlen igniåergtkllkijgerehcstrfalhrsng ie eer or em a un eri ewar, oon erL nzachhezc zuV reden hayfdeäj wird; sdenn auchsbei ,, ie e« ie eziehung au ott etzuhalten ein, die e, die Liebe u Gott, glei dein ,,Frieden« als z Gnadengabe gefaßt. Mit Herz und Sinn wünscht Judas seine Leser durch ihre Glaubenserfahrungen an Gott gebunden, damit sie ihrer Bestimmung gemäß gilichb wirkäs For a)ller Gefahr des Abfalls bewahrt ei en. ieinger. B— Ver nun folgende tjaupttheil der Epistel besteht, ähnlich der 1. Geiste! Sl.sl1etri, zunächst aus eineni ge— schiklitlictien Eingang und darnach aus der brieflicheiiKugi führung I. v.3u.4: der geschichtliche Eingang. Der Apostel theilt seinen Eesern mit, wie er bereite allen Ernstes mit dein Gedanlien eines Srhreibene an sie sirh getragen habe; aber es sollte andern Inhalts sein, als dag nun folgende, nicht poleniischem sondern erbauliclscn Charakters. Bevor er jedoch sein vorhalten ausführen konnte, kamen ihm illarhrichten über einen Stand der Dinge bei ihnen zu, der ihn nöthigt, nun einen Brief an sie zu richten, der den Gegensatz gegen das Heil in Christo in den Jrrlehrern zum Inhalte hat und zu einem Kainpsi rufe fiir den liedrohelen Glauben sirh gestaltet. 3. Jhr Lieben, nachdem ich verhalte san- gelegentlichst damit umging], euch zu schreiben von unser aller Heil swelches Christus der Welt er- worbeti und uns, die wir an seinen Namen glauben, auch zugeeignet hat], hielt iklfs saus Veranlassung von Nachrichtem die ich inzwischen über die bei euch herrschenden Zustände empfing] für nöthig, sstatt dieses Thema zu behandeln, viel- mehr] euch mit Schriften zu ermahnen, daß ihr ob dem Glauben kämpfet skämpfend für den Glauben eintretet], der sals Von Gott verordneter Heilsweg Gal. 1, 23; Z, 23] einmal den Hei- ligen vorgegeben fund von ihnen als eine Beilage zu bewahren] ist«· sdie sie sich nicht dürfen ent- stellen und verkümmern lassen 2. Tim. l, 14; 2. Petri 2, 21]. 4. Denn es find etliche Menschen sin die christliche Gemeine, von der sie lieber hätten fern bleiben sollen, wenn sie solche bleiben wollten, wie sie waren Gal. 2, 4] neben eingefchlichem von denen vorzeiten geschrieben ist sdaß es mit ihnen kommen werde] zu solcher Strafe» swie ich die- selbe hernach näher charakterisiren werde V. 5 ff.; 2. Petri 2, 3]; die sind gottlos l2- Petri T, S] und ziehen die Gnade unsers Gottes swomit er uns die Sünden vergeben, zu seinen Kindern uns angenommen und in solchem Kindheitsstande zu freien Leuten gemacht hat Röm. 5, 15; Gal. 5, II] auf Muthwillen [,,brauchen sie nur dahin, ihre Geilheit zu treiben in Fressen und Sausen und bübischem Leben«: Luther] und verleugnen Gott smit diesem ihrem Treiben Tit. 1, 16] und unsern HErrn Jefum Christum fdesfen Wort und Vorbild für uns maßgebend ist], den einigen Herrscherin-«· [dessen zu seinem ausschließlichen Dienst ver- pflichtetes Eigenthum wir sind 2. Tim. 2, 21; 2. Petri 2, 1]. i) Denen, an welche er nun diesen Brief richtet, zu schreiben, war Judas bereits im Begriff, als ihm der äußere Anlaß kam. Das den Christen gemeinsame Heil sollte der Gegenstand des Schreibens sein, mit dem er umging; er würde also von dem seligen Ge- meinbesitz der Erlösten Christi gehandelt, sie dessen froh gemacht und zur Bewährung desselben ermahnt aben —- er läßt das nicht unerwähnt, damit die Leser nicht den Eindruck hätten, als habe es erst eines so peinlichen Anlasses, wie er nachmals eingetreten, be- barst, um ihm etwas Schriftliches abzunöthigem und zwar etwas Schriftliches das nun mehr zu betrüben, als zu erquicken geeignet ist. Der Mann nun, welcher sich dessen versah, daß ·man es befremdlich finden konnte, nichts Schriftliches von seiner Hand zu be- kommen, mußte eine hervorragende Stellung in der Christenheit einnehmen, und zwar zu einer Zeit, wo sie sich sonderlich auf ihn angewiesen sah und nicht mehr von einer größeren Zahl ihm Gleichgestellter be- diente wurde; auf solche spätere Zeit weist denn auch der Anlaß, der ihn nöthigte, anders zu schreiben, als womit er sich getragen hatte. (v. Hofmann.) Ei) Wenn Judas die Jrrlehrer, die er mit dem verächtlich klingenden Ausdruck: ,,etliche Nienschen« Nach der Grußüberschrift der geschichtliche Eingang. 969 (vgl. 2. Cor. 3, l; 10, 2; Gal. I, 7) bezeichnet, als solche charakterisirh die neben eingeschlichen sind, so sehen wir, daß sie von auswärts her kamen und als Glaubensgenossen Aufnahme in den Gemeinden begehrten und fanden, freilich so, daß sie mit ihren eigentlichen Grundfätzen noch zurückhielten, bis sie sich fest eingenistet hatten; dann aber trat ihr wahres Wesen an den Tag. Es sind Gottlose, welche zwar die den Menscheii gerecht und vom Joche des Gesetzes frei machende Gnade Gottes im Munde führen, aber nur um sie in eine dem Fleisch und seinen Lüsten den Zügel schießen lassende Zuchtlosigkeit zu verkehren. Damit verleugnen sie aber thatsächlich Den, welcher der einige Gebieter und Herr der Christenheit sein soll, Jesum Christum (nach der wahrscheinlich richtigen Lesart im Grundtext ist nämlich zu übersehen: ,,ver- leugnen den, der der einige Herrscher und unser HErr ist, Jesum Christum«), und stürzen so den Glaubens- grund um. (Füller.) Mit den Worten: ,,es ist vor- zeiten von ihnen gefchrieben zu solcher Strafe« meint der Apostel dasjenige Gericht, welches er ihnen eben jetzt ankündigen will, und schaut es als ein Erleuch- teter, als auch ein Prophet, wie in der Schrift schon zuvor beschrieben, so in der Gegenwart an ihnen sich vollziehend und in der Zukunft noch weiter sich an ihnen auswirkend. (Stier.) IN) Jüdische theologische Schulen in Syrien und Alexandrien hatten schon seit längerer Zeit orientalische, besonders zoroastrifche Theosophie (zu Alexandrien in Verbindung mit platonischer Philosophie) vermittelst allegorischer Erklärung des alten Testaments und Unterschiebung unächter Schristen der Patriarchen und Propheten mit dem Judenthum zu verschmelzen gesucht. Ausgehend von der orientalischen Idee, daß die Er- kenntniß Gottes, des vollkommenen ewigen Urwesens, nur als ein Mysterium unter den höher Gebildeten fortgepflanzt werden, das Volk aber dazu sich nicht erheben, sondern nur von dem höchsten Wesen aus- geflossene und es offenbarende Kräfte und Geister (bei den Heiden Götter, bei den Juden Engel) verehren könne, betrachteten diese jüdischen Theosophen zwar noch immer das gesammte Volk der Juden als Volk Gottes, ·iiur sich selbst aber als den denkenden, geistigen Jsrael im Gegensatz zu dem großen Haufen des sinn- lichen, fleischlichen Israel; und nur unter ihnen, den Theosophem meinten sie, habe die Erkenntniß des ver- borgenen Gottes sich fortgepflanzt, das Volk im Ganzen dagegen werde geleitet durch den Engel, der als Werk- zeug Gottes die sichtbare Welt hervorgebrachh den Demiurgen, wie sie ihn bezeichneten, welcher, unbewußt regiert durch die vom höchsten Gott angegebenen Jdeeii, ihn repräfentire und von der Masse der Juden für denselben angesehen werde. Bei ihrem Uebertritt zum Christenthum nun modificirten diese jüdifchen Theo- sophen jene ihre Vorstellungen so: Erst durch das Christenthum sei der, vom Demiurgen repräsentirte, der Welt im Ganzen unbekannte und nur von wenigen geistigen Menschen geahnte ewige, vollkommene Gott geosfenbart; erst durch’s Christenthum seien die Ideen, welche den Demiurgen unbewußt leiteten, in’s Licht gesetzt, sei die wahre geistige Beziehung des mißver- standenen Judenthums aufgedeckt worden. Auf diese Weise, und indem auch manche vormalige Nichtjuden als Christen diese Ansichten theilten, entstand denn eine Klasse— an die Wahrheit des alten Testaments sich mehr oder minder anfchließender Gnostiker fvon ,,Gnosis« abgeleitet, d. i. tiefere Einsicht in das Wesen und den inneren Zusammenhang der Religionslehre überhaupt, vgl. I. Cor. 12, 8; 13, Z: ,,Erkenntniß«). Was die Sittenlehre der Gnoftiker betrifft, so fehlte zwar einem bedeutenden Theil derselben keineswegs ein gewisser sittlicher Ernst; aus ihrer Lehre von der Materie als dem Prinzip des Bösen floß ain natürlichsteti eine strenge Aseetik. Doch finden wir auch Fälle genug, in welchen aus demselben dualistischen Prinzip eine ganz entgegengesetzte Richtung hervorging, ein solches Verachten der materiellen Welt, welches den Grundsatz hervorrief, daß dem Weisen alles Jrdifche völlig gleichgiltig sein müsse; er ist über die Gesetze der Sittlichkeih wie über alle Gesetze erhaben, für ihn ist Sein und Nichtsein, Gut und Böse, Ascetik und Wollust durchaus identisch, und er muß durch Beharren in der Contemplation mitten unter allen Ausschweifungen seine Vollkommenheit beweisen. Kein Wunder, daß selbst der Heide Porphyrius (aus Tyrus, est. zu Rom im J. 304 n. Chr.) die abscheulichen Ausfsxchweifungen solcher Christen züchtigt. Die Blüthezeit des Gnosti- eismus war das 2. Jahrhx schon im Z. »fehlte ihm alle schöpferische Kraft, und ohnmächtig im 4. ver- schwand er im 6. Jahrh bis auf geringe Spuren. (Guericke.) Als Vorläufer dieser fpäterewGnostiker nun begegnen uns noch im apostolischen Zeitalter die in Offenb. 2, S. 14. 20. 24 erwälknten Nicolaiten, welche, zum Huren und zum Genu von Götzenopfern auffordernd, sich rühmen, die Tiefen des Satan· er- kannt zu haben; diese (wohl aus der syrischen Kirche hervorgegangen Apostg. 6, 5 u. Offenb. Z, 6 Anm. und von da aus über die kleinasiatische Kirchesich ver- breitend 2. Petri Z, 1 ff.) helfen uns noch näher zum Verständniß unsrer EpisteL Sie verwandelten die Gnade Gottes in Unzucht, indem sie mitten in den Satans-tiefen, darein sie mit den Heiden sich stürzten, sich für in Kraft der Gnade rein erklärten; sie for- derten die satanischen Mächte noch mit Lästerungen heraus, ihre Niacht an ihnen zu beweisen: in die Tiefe des Schmutzes sich stürzen, den Satan mit Lästerung reizen und ihn gleichwohl unter den Füßen behalten, das sei der Begnadigten, deshalb auch der Gnaden- macht Triumph. Denken wir uns die von Judas be- strittenen Menschen in dieser Weise, so können wir seine Polemik verstehen: eine schlimmere Verleugnung unsers einzigen Herrschers und HErrn Jesu Christi konnte es nicht geben; solches Phantasiren war ein Hingehen im Traume, solches Thun ein Wegwerfen von Herrschaft Gegenüber von solchem Lästern der Dämonen mochte wohl ein Mann, welchem sonst vor ihnen grauete, sie ,,Majestäten« nennen (V. 8); Jene Unsinnigen sollten bedenken, was für Macht und Klug- heit den Dämonen noch immer zustehe. (Geß.) II- v. 5——23: die briefliche Ausführung. wir zer- legen dieselbe in zwei Theile, von welchen der erste in seinem Anfange und seinem Gnde je drei Exempel aus der heil. Geschichle in Erinnerung bringt; der eine con- statirt die Gewißheit des die verführte, mit denen er« die Geiste! zu thun hat, treffenden Gerichts, der andere beschäftigt sich mit der Uothwendigkein sich nor der be— »slcclicnden Gemeinschaft mit ihnen zu bewahren, und mit dem rechten Verhalten gegen die, die etwa von ihrem argen Unwesen sich schon haben ansteclieci lassen. a. V. 5—11. Ehe der Aposlel aus eine Charatiterisirung der unheiluollen Menschen, gegen welche es den Rainpf gilt siir den rechten Chrisienglaubeiy eingeht, erinnert er die Leser an drei geschichtliche Cha1sachen, von denen die erste nnd dritte in der Mensihenwelt auf Erden, die mittlere bei der Engelwelt lmhimmelsiris Zuge-tragen haben, um ihnen zum Bemusltsein zn bringen, wie das Gericht über die lxlerfiihretz die gleicher Sünde, wie jene bereits Gerichteleig sich schuldig krachen, nicht ausbleiben liönne (V. 5——7). 970 Judä 5——10. Indem er nun dazu übergeht, die schwere Sünde der- selben nachzuweisen, erweitert er den Gesichtslireis über den Frevel greuciitser Unzucht hinaus und zieht auch die Verachtung der Herrschaft des hErrn und die Läjterung der nnheinilicheu Majestätem vor denen selbst die himmlischen ihren Tiespekit beweisen, in die Betrachtung hinein; aber die Versiihrer sind eben nnnersiiindiga nur im irdifchisiiiiilichen befangene Menschen, den unverniinftigen Thieren gleichend, und nun bricht der Apostel in ein Wehe über sie aus, die mit drei gefctjichtlichen Personen dek- alten Testa- menls, welihe als verdammte Gmpörer wider Gott dastehe)u, dieselbe Strasle der Auflehnung ziehen (V. 8—11 . 5. Jch will euch aber sindem ich jetzt dazu schreite, näher auf die in V. 4 angedeutete Strafe einzugehen, welche schon längst jenen Menschen zudietirt ist] erinnern, daß ihr saus der Schrift des alten Testaments gar wohl] wissei auf einmal [d. i· im großen Ganzen, worauf es hier allein ankommt, so daß ich’s euch nicht erst ausführlich darzustellen brauche] dies, daß der HErr, da er dem Volk aus Eghpteii half [2. Mos. 13, 17 —- 14, 31], zum andern Mal sals es sich nun darum handelte, dasselbe auch in das gelobte Land ein- zuführen und so jene Hilfe oder Errettung zur Vollendung zu bringen] brachte er um, die da nicht glaubten« [4. Mos. 14, 26 ff.; Hebt. 3, 16 f.; 1. Cor. to, 1 ff.]. b. Anch die [bei ihrer Schöpfung weit höher als die Menschen gestellten und viel herrlicher ausgestatteten 1. Petri 1, IS] Engel, die ihr Fitrstenthnm [die ihnen verliehene Fürsten- oder Herrscher-Würde, um deretwillen sie selber Fürsten- thum oder Herrschaft heißen Rom. 8, 38; 1. Cor. 15, 24; Ephes 1, 21; s, 10; S, 121 nicht be- hielten sweil damit noch nicht zufrieden], sondern verließen ihre Behansung sden Engel-Himmel, in welchem sie Gottes Angesicht schauten Matth S, 10; 18,10., um sich anderwärts ein eigenes Reich zu suchen, weil sie selber sein wollten, wie Gott ist], hat er behalten zum Gericht des großen Tags [Apoftg. Z, 201 mit ewigen Banden in Finfterniß «« sin der Tiefe der finsteren Unterwelt, im Abgrunde Weish 17, 2 u. 14; Offb. 9, 1 ff.; 20, 1 ff., vgl. 2. Petri 2, 4]. 7. Wie auch Sodoma und Gomorra [vgl. 2- Petri 2, S] und die umliegeiiden Städte sAdama und Zeboim 1. Mos. 14, 1 ff; 19,17 ff.; b. M. 29, 23; Hof. 11, 8], die gleicher Weise, wie diese sdie vorher genannten beiden Städte, von denen es ausdrücklich berichtet wird 1. Mos. 19, 4 ff.], ansgehuret [die Hurerei bis zur scheußlichsten Voll- endung getrieben] haben und nach einem andern Fleisch [als das durch die Natur zu geschlecht- lichem Gebrauch geordnet und geeignet ist] ge- gangen sind [Röm. 1, 26 f.; 3.Mos. 18, 22 ff.], zum Exempel geseßi sind [in dem, was aus ihnen geworden 1. Mos. 19, 25; Hebr. 12, 29], und leiden [in ihren vormaligen Bewohnern] des ewigen Feuers Pein-«« [2. Thess 1, g; Luk. -16, 23 ff.]. s. Desselbigen gleichen sind auch sohne irgend an solche Warnungsexempel sich zu kehren] diese Trciumer fden in V. 5——7 Genannten- auf ein Haar gleichend; denn sie sind solche], die das Fleisch beflecken, die Herrschaften aber verachten [von denen in V. 4 die Rede war, Gott und den HErrn Christus] und die Majeslciten sderen in Ephes. 6, 12 als unsrer gefährlichsten Feinde Erwähnung geschieht] liifternf [sie mit Hohn und Spott reizend und in frechen Reden dazu heraus- sordernd, ihre Macht, wenn sie solche über sie hätten, doch einmal an ihnen zu beweisen 2. Petri 2, 10]. I. Michael aber, der Erzengel [und Jsraels Patron Dan. m, 13. 21; Offenkn 12, 7sf.1, d« er [wie euch aus der Ueberlieserung bekannt] mit dem Teufel zankte seinen Wortwechsel hatte] nnd mit ihm redete über dem Leichnam Mosis swer von ihnen dessen Hinnahme sich zuzueignen habe, ob jener, der des Todes Gewalt hat Hebt. 2, 14., damit es mit dem Leichnam auch zur Ver- wesung komme, oder er, der Erzengel und Diener Gottes, damit er ihn zur herrlichen Wieder- erweckung bestatte»5. Mos. 34, 6 Anm.], durfte er das Urtheil der Lasterung nicht fiillen lwagte er Röm. 5, 7 Anin aus Respekt vor der ursprüng- lichen Würde auch des Teufels, um sie seinerseits nicht irgendwie zu verletzen, es nicht, mit aus- fälligen, auf das Gericht der Verdammniß, unter welchem derselbe stehe V. 6., bezüglichen Worte« gegen Ihn vorzugehenl sondern sprach leinfcickn ohne durch ein Schelt- oder gar Lästerwort ihn zum Schweigen bringen zu wollen 2. Petri 2, 11·]: Der HErr strafe dichH [weise thatsächlich deine Anklage zurück und mache sie zunichte, in- dem er das Gegentheil von dem thut, was du damit beabsichtigst Sach. 3, 2]. 10. Diese »aber ssind so thürstig 2. Petri Z, 10., daß sie] lclstern, da ·sie nichts von wissen süberirdische Dinge und himmlische Mächte Joh- 3, »12; Col. 2, 18; 2. Petri 2, 12]; was sie aber naturlich smit den fünf Sinnen] erkennen ihier sind die, erst seit dem J. 1529 von Luther an den Schluß des Verses gestellten Worte hinzu- zunehmen: wie die unverniinftigen Thiere, die wohl auch eine auf das Sinnliche sich beziehende Ein- sicht haben und auf das, was des Fleisches ist, vermöge des angeborenen Natnrtriebes sich ver- stehen], darin verderben sieHf kwie die unvernünf- tigeu Thiere]. ») Daß die erfahrene Gnade, wo sie mißbraucht wird, vor dem Gericht nicht schützt, sondern dasselbe herbeiziehh ist der Gesichtspunkt der ersten Anführung, wie sie in V. 5 vorliegt; dieselbe nimmt also Be- ziehung aus jene Gottlosen, insofern vorhin von ihnen gesagt war: ,,sie ziehen die Gnade unsers Gottes auf Die briefliche Ausführung. Drei geschichtliche Thatsachen als Vorbilder des Gerichts. 971 Muthwillen«· Judas nun legt ein Gewicht darauf, daß er nicht etwas Neues seinen Lesern mit dem von ihm angeführten Strafexempel mittheilt, sondern nur an längst Bekanntes sie erinnert. (Wiesinger.) Jhr habt es wohl ein- für allemal, sagt er, gehört, er- kannt und euch eingeprägt, es ist keine neue Be- lehrung für euch dabei nöthig; aber das Erinnern, das ernstliche Erwägen, die Anwendung des Geschehenen auf das, was jetzt der Weltlauf mit sich bringt, ist für euch dringendes Bedürfniß (Fronmüller.) ff) Ein großer Theil der Ausleger will diese Aus- sage nicht auf den Fall der Engel im Anfang, auf den Jesus in Joh. 8, 44 hinweist, sondern auf einen innergeschichtlichen Vorgang beziehen, und findet diesen in 1. Mos 6, 2 u. 4 mitgetheilt; bei den Juden nämlich wurde in späterer Zeit die Bezeichnung: ,,Kinder (Söhne) Gottes« dort von Engeln verstanden, welche die bis daher von ihnen mit den andern, im Anfang gut gebliebenen Engeln noch inne gehabte Lichtwohnung im Himmel verlassen hätten und in Geschlechtsgemeinschaft mit den menschlichen Weibern getreten wären. Aus solcher über- und unnatürlichen Vermischung wären denn jene Gewaltigen in der Welt und berühmten Leute hervorgegangen, welche die griechisch-römifche Mhthologie als Heroen oder Halb- götter bezeichnet Schon in einem Theil der Hand- schriften der Septuaginta findet sich auf Grund dieser Auffassung an der angegebenen Stelle statt der Les- art: ,,Söhne Gottes« die andere: ,,Engel Gottes«; ganz entschieden aber ist dieselbe vorgetragen und mhthisch ausgebildet in zwei apokryphischen Büchern, in dem Buche Henoch und der sog. kleinen Genesis, und ihre Nachwirkung zeigt sich in Tob. Z, 8; 8,1 ff. in der Nachstellung des bösen Geistes Asmodi nach Sara, der Tochter Raguels, der es verwehrt haben soll, daß ein Mann ihr beiliege, um sie für sich selber zu gewinnen. Jm Buche Henoch (1. Mos 5,23 Anm.) heißt es nun: ,,bring Kunde den Wächtern des Him- mels, welche den hohen Himmel und die heilige ewige Stätte verlassen und mit Weibern sich verderbt haben«; darnach, so meinen jene Ausleger müsse der Ausdruck des Apostels: »die Engel, die ihr Fürstenthum nicht behielten, sondern verließen ihre Behausung« um so mehr im Sinne eines solchen Vorfalls verstanden werden, als Judas in V.14f. ausdrücklich aufHenoch Bezug nehme und in V. 7 die Worte: »die gleicher Weise, wie diese, ausgehuret haben und nach einem andern Fleisch gegangen sind« unverkennbar auf denselben hinwiesen. Nun kommen ja freilich im Buche Henoch ganz ähnlich lautende Aussprüche vor, wie hier in unsrer Epistelz aber damit ist doch keineswegs bewiesen, daß dem Judas das Buch Henoch schon vor- gelegen und er daraus seine Aussagen hier und in V. 14f. entnommen habe. Dasselbe ist wahrscheinlich erst um das J. 110 n. Chr. von einem Juden ver- faßt, der die jüdische Tradition zu seiner Quelle hatte, dieselbe, aus der auch unser Apostel schöpfte, nur daß des HErrn Apostel Reines und Unreines wohl aus- einander zu halten wußte, während der Verfasser des in Rede stehenden Buches nach seinem persönlichen Geschmacke die Auswahl vollzog und aus eigener Phantasie er«än te, was ihm noch zu fehlen schien, wobei« er vie ei t unsern Judasbrief mitbenutzte und dessen Worten diejenige Deutung lieh, welche die jetzigen Ausleger, indem sie sein Machwerk für eine Auctorität halten, als die allein zulässige ihnen bei- legen zu müssen glauben. Uns dagegen sind fol- gende Gesichtspunkte für die richtige Auslegung maß- gebend: 1) Diejenigen Engel, die bei dem ersten Sün- denfall, der im Bereich der himmlischen Niächte vor sich ging (1. Mvs 1, 2 Anm.), gegen den Satan Stand gehalten und sich nicht in seinen Fall haben verwickeln lassen, sind im Guten nun also befestigt, daß sie nicht mehr fallen und sündigen können; sie sind nun die heiligen Engel (Matth. 25, 31), sehen im Himmel allezeit das Angesicht dessen, den wir um Christi willen als unsern Vater im Himmel mit der Bitte anrufen, er wolle uns verleihen, daß auch bei uns auf Erden sein Wille also geschehe, wie bei jenen in ihrem Himmel droben, ein innergeschichtlicher Vorgang also, wie der für 1. Mos. 6, I ff. angenommene, ist rein undenk- bar, vielmehr sind die Juden erst zu der Zeit, wo sie am griechischen Heidenthum Geschmack fanden und sich mit demselben befreunden wollten, auf den Einfall gekommen, die Mhthen von geschlechtlichem Verkehr der Götter mit den Menschen und daraus hervor- gegangenen Zeugungen von Göttersöhnen oder Herden auch in ihrer Bibel wiederzufinden, wofür ihnen denn jene Geschichte von der Vermischung der Kinder Got- tes mit den Töchtern der Menschen einen willkommenen Anhalt zu bieten schien. 2) Jn Matth. 24, 38 sagt der HErr von den Menschen in den Tagen vor der Sündfluth: ,,sie freieten und ließen sich freien«, von den Engeln aber sagt er in Matth. 22, 30., daß in der Auferstehung die Menschen insofern ihnen gleich sein würden, daß auch sie nun nicht mehr freien und sich freien lassen: da ist es rein unmöglich, daß je etwas der Art gefchehen sein sollte, wie die Freunde der Engelhypothese annehmen; die Engel sind geschlechts- los und leiblos (Matth. 18, 14 Anm.), und wenn nun auch der Teufel mit den bösen Geistern ein sonder- liches Wohlgefallen an den Ausschweifungen der menschlichen Geschlechtslust hat, weil sie die Menschen geistig und leiblich am surchtbarsten zerrüttet, das Feuer der schändlichen Brunst am liebsten in mensch- lichen Herzen schürt und seine Gaukelbilder, die er der menschlichen Phantasie vorspiegelt, am häufigsten auf den Geschlechtsunterschied und das darauf sich gründende Verlangen nach Ausgleichung anknüpft, weil das für ihn der bequemste und für die Menschen der sympathischste Kanal ist, durch den er sein Sündengift aus der übersinnlichen in die sinnliche Welt überleiten kann, so hat er doch bei seiner Geschlechtslosigkeit keine eigene Erfahrung von der Geschlechtslust, und selbst wenn er sie insofern hätte, als er alles Böse, weil ursprünglich von ihm stammend, in seinem Kitzel wohl mitfühlt und Unzucht in gewissem Sinne sein eigenes Wesen ausmacht, so hat er doch bei seiner Leiblosigs keit kein Organ, mittelst dessen er Unzucht, Scham- losigkeit u. s. w. irgendwie an sich selber treiben oder an Andern ausüben könnte, er muß sich damit be- gnügen, was er die Menschen zu empfinden reizt und zu thun treibt. Man hat, um die hier behauptete Unmöglichkeit zu bestreiten und eine Möglichkeit des von uns in Abrede Gestellten darstellbar zu machen, theils darauf hingewiesen, daß z. B. in 1. Mos. 18 U. l9 Engel in einem Leibe erscheinen, der Speise und Trank zu sich nimmt und an dem die der Päderastie ergebenen Sodomiter ihre Lust büßen wollenx theils sogar an die Wirkung des heil. Geistes im jungfräu- lichen Leibe der Maria erinnert (Luk. l, 35). Letzteres nun streift nahe an die Grenze, wo der Frevel am Heiligen seinen Anfang nimmt, und steht auf gleicher Stufe mit der fast gottesliisterliehen Jdee etlicher jü- discher Rabbinen, welche zu l. Mos. 4, 1 behaupten wollten, bei Erzeugun des Kain habe nicht Adam, sondern der Teufel der Eva beigelegen, um das Gegen- theil von dem herbeizuführen, was-Gott in l. Mos. Z, 15 verheißeu hatte; bei ersterem dagegen hat man nicht bedacht, daß wenn die dienstbaren Geister, aus- 972 Judä 11——14. gesandt zum Dienst um derer willen, die ererben sollen die Seligkeit, in der Schöpfermacht dessen, der sie aus- sendet, etwas zu thun vermögen, was über ihre eigene Creatürlichkeit hinausliegt, solches Vermögen darum nicht wie von selber auch den gefallenen Geistern in der Art zu Gebote steht, daß sie ohne Gottes aus- drückliche Zulassung, gleichsam hinter seinem Rücken und ganz nach eigenem Belieben, sich ebenfalls einen menschlichen Leib anorganisiren könnten, um darin nach Menschenweise zu wohnen und ihr höllisches Spiel zu treiben. Auf diesem Standpunkte der Be- trachtung, auf den Gottes Wort selber uns stellt (vgl. die Bem. zu l. Mos. 6, 2), müssen wir unerschütterlich fest beharren und dürfen uns weder durch die jüdischen Träumereien im Buche Henoch irre machen lassen, noch durch den Vorausblick aus die Worte in V. 7: »die gleicher Weise, wie diese, ausgehuret haben und nach einem andern Fleisch gegangen sind«, als bezöge sich das »diese« auf die Engel, von denen an unsrer Stelle die Rede ist; es wird sich nachher schon eine viel näher liegende Beziehung ergeben. HVJ In unsrer deutschen Bibel macht die Rückde- ziehung des »diese« auf die beiden zuvor genannten Städte ,,Sodoma und Gomorra« allerdings keine Schwierigkeit, da an der Wortform das Geschlecht nicht hervortritt; anders aber verhält es sich im Grundtext, wo die Wortform auf männliches Geschlecht weist, während die Rückbeziehung aus jene Städte die des weiblichen Geschlechts erfordert haben würde. Jn- dessen besteht für die Anschauung des Apostels zwischen den Städten und ihren Einwohnern, deren männ- licher Theil ja hier fast ausschließlich in Betracht kommt, eine solche Solidarität, daß er am Schlusse des Verses das, was er über jene, und das, was er über diese aussagt, auf ein und dasselbe Subjekt über- trägt, ohne zwischen den Städten, die zu einem sicht- baren Exempel gesetzt sind, und den Einwohnern, die in der Hölle des ewigen Feuers Strafe leiden, zu un- terscheiden. Hiernach wäre das »die« vor den Worten: ,,gleicher Weise, wie diese, ausgehuret haben« auf »die umliegenden Städte« zu beschränken; die Sünde der Städte Sodom und Gomorrha war allbekannt, und sie wurden in der Regel allein genannt, wenn der über das Siddimthal hereingebrochenen Katastrophe Er- wähnung geschah (2. Petri 2, S; Jes. 1, 9; 13, 19; Jer. 23, 14; Mark. 6, 11), Judas aber will nicht un- bemerkt lassen, daß der Städte noch mehrere waren, die in derselben Weise sich versiindigt hatten, und be- zeichnet nun auch die Sünde näher, um die es sich handelt. Am crassesten stellt sich das ,,nach einem fremden Fleisch gegangen« bei der in 5. Mos. 27, 21 erwähnten Sünde der Sodomie heraus; aber auch die Päderastie (1. Mos. 19, 5 Anm.) gehört ebenfalls in diese Klasse, da Mann und Weib, wenn sie geschlecht- lich sich einigen, Ein Fleisch werden, aber wenn Mann an Mann sich erhitzt, es in der That nach der Seite hin, welche hier in Betracht kommt, ein fremdes Fleisch ist, mit dem er sich zusammenthut f) Als ,,Träumer« bezeichnet der Apostel die Irr- lehrer, weil sie in ihnen selbst aufsteigenden wirren Bildern von solchem, das nicht ist, hingegeben sind, statt mit klarem Geiste und bewußtem Denken das zu erkennen, was ist; und was ihnen nun in ihrem Traume vorkommt, läßt sie das revelhafte Widerspiel dessen thun, wozu die Erkenntntß der Wahrheit be- stimmt. Die Träume ihrer eigenen Einbildungs·kraft, womit sie sich in Gegensatz stellen zu dem Worte Gottes, verschließen ihnen Ohr und Herz gegen die mächtigen Warnungen, die in jenen drei Strafgerichten V. 5ff. vorliegen, daß sie, statt dadurch sich abschrecken zu lassen, vielmehr genau eben solche Leute sind, wie die Gerichteten aller drei Klassen. Zuerst: ,,sie be- flecken das Fleisch«, damit stellen sie sich auf völlig gleiche Linie mit den Männern von Sodom und Go- morrha; und zwar ist es, wie bei jenen, sowohl das eigene, wie auch fremdes Fleisch, was sie mit ihrer bis auf’s Aeußerste getriebenen Hurerei besudeln. Ferner: ,,sie verachten die Herrschaften«, nämlich einestheils Gott, dessen Gnade sie nicht als solche, die uns zur Heiligung des Leibes und Lebens verpflichtet, anerkennen, sondern auf Muthwillen ziehen, und andern- theils Christum, den einigen Herrscher, dessen Glieder unsre Leibesglieder sind (1. Eor. G, 15), denn er hat uns theuer erkauft (2. Petri 2, 1), sondern begeben diese ihre Glieder zu Waffen der Ungerechtigkeit (Röm. S, l3), gleich als wären sie ihnen eigens zu Werk- zeugen für Ausübung der schändlichen Brunst gegeben und geweihetz damit thun sie ein Gleiches, wie die Engel, die ihr Fürstenthum nicht behielten, sondern verließen ihre Behausung, um für die Herrschaft des eigenen Jchs eine Stätte sich zu suchen (vgl. zu V. 6). Drittens: ,,sie lästern die Majestäten«, d. i. die Fürsten und Gewaltigen, die in der Finsternis; dieser Welt herrschen, indem sie ihrer Macht und Herrschaft auf diesem Gebiet spotten und denselben mit ihrem Thun und Treiben beweisen wollen, man könne ganz ungescheut und bis zum höchsten Maße Werke der Finsterniß verüben, ohne doch sich von ihnen gefangen nehmen und überwältigen zu lassen, könne ihnen in ihren Palast einbrechen und der Sünden Lustbegier als einen Raub daraus hinwegholen, ohne doch von ihnen ergriffen und in ihr Höllenreich hinabgezogen zu werden (vgl. zu V. 4); damit werden sie dem un- gläubigen Volke in der Wüste gleich, das, nachdem es aus Egyptens Knechtschaft errettet war und nun nach dem gelobten Lande hinübergeführt werden sollte, doch Eghptens arges Wesen mit sich nehmen zu können meinte, ohne sich um das verheißene Erbe zu bringen. Denn auch dieses gerieth mit seinem Unglauben schließ- lich dahin, daß es in Werken der Unzucht an den Dienst des Baal-Peor sich hingab, gleich als könnten die in solchem Dienst waltenden Mächte der Finster- niß (1. Cor. 10, 20) ihnen nichts anhaben; und trieb namentlich jener Fürst aus dem Stamme Simeon die Forechheit bis auf’s Aeußerste (4. Mos. 25, 1 ff.; 1. Cor- sf) Wir haben es hier mit einer Erzählung zu thun, welche bei den Lesern, an welche unser Brief gerichtet ist, als bekannt vorausgesetzt wird nnd welche, zwar auf blos überlieferter, aber doch, wie wir hinzu- setzen dürfen, ganz richtiger Deutung von 5. Mos. 34, 6 beruht: den heilsgeschichtlichen Mittler bei der Gründung des Volkes Gottes, der in seinem Leibes- leben Gottes Herrlichkeit in sinnlicher Nähe so unmit- telbar geschaut hatte, daß der Widerschein noch lange auf seinem Antlitze sich erhielt (2. Eor. Z, 7), und welcher ein Vorbild sein sollte des rechten gegenbild- lichen, todüberwindenden Heilsmittlers, diesen seinen Knecht Mose ließ Gott so in den Todeszustand kommen, daß er seinen Leib nicht der, in der Verwesung sich vollziehenden Machtübung dessen, der des Todes Ge- walt hat, überließ, sondern durch seine unmittelbare Machtwirkung ihm einen Bestand verlieh, vermöge dessen Moses neben dem gleichfalls im Leibesleben zu Gott entrückten Elias in herrlicher Leiblichkeit dem Verklärten Jesus zur Seite treten konnte (Matth. 17, 3); geschieht aber alle Gotteswirkung an der Natur- seite des Menschen durch Vermittelung der Geister Gottes, so ist es ganz sachgemäß, wenn die überlieferte Ausdeutung jener Thatsache diese Wirkung an dem Wie die Verführer gleicher Sünde mit den einst Gerichteten sich schnldig machen. 973 grundlegenden Mittler der israelitischen Heilsgemeinde gerade durch den Engel vermittelt sein läßt, welcher Jsraels äußere Beauffichtigung und Ueberwaltung von Gottes wegen zur fonderlichen Aufgabe hat, nämlich durch den Erzengel Michael. Wurde aber damit durch sonderliche Gnadenwirkung Gottes dem Satan ein menschliches Leibesleben entzogen, welches sonst und an sich, wie alle Seinesgleichen, in Folge der Sünde seiner Todesmacht verfallen war, so ist es wieder ganz richtig und auch der Art Satans, wie ihn die Schrift darstellt, ganz entsprechend, wenn jene ausgedeutete Erzählung es so darstellt, daß Satan unter Geltend- machung der allgemeinen und persönlichen Sündigkeit Mosis förmlichen Anspruch auf die Ueberlassung des Leichnams desselben an ihn erhebt, und der mit dieses Leichnams- Verwahrung betraute Engel in förmlich rechtender Verhandlung ihn mit solchen Ansprüchen zurückweift. (Schott.) Die der jüdischen Ueberlieferung angehörige Erweiterung der biblischen Mittheilung über Mosis Ende besteht in einer Uebertragung des Vor- gangs zwischen dem Engel Jehova’s und Satan, in welchem sich dem Sacharja (Kap.3,1ff.) die dem Josua ungeachtet seiner Anfechtbarkeit zugesicherte göttliche Geltung seines Priesterthums veranschaulichte, auf die Ausnahme vom gemeinen Geschick, deren Mosis Leichnam gewürdigt worden: das; er, der doch des Todes Unreinheit theilte, von Gottes heiliger Hand, daß er, der doch ein sündiger Mensch gewesen, wun- derbar bestattet werden sollte, war ebenso anfechtbar, wie daß Josua der Unreinheit ungeachtet, in welcher er vor Gott trat, für heiligen Priesterthums Träger gelten solltex dem einen wie dem andern widerstreitet Satan, und daseine wie das andere hält der Engel Jehova’s gegen ihn aufrecht (v. Hofmannh Hi) Judas stellt xetzt das Verhalten der Jrrlehrer dem des Erzengels, wie vorhin das des Erzengels dem ihrigen gegenüber; aber er schreitet dabei in seiner Charakteristik der Verführer doch vorwärts, indem er nun allgemein die Stellung bezeichnet, welche diese Menschen mit ihrem Treiben zur Welt des Unsicht- baren und zur Welt des Sichtbaren, zu der des Ueber- sinnlichen und der des Sinnlichen einnehmen: in der ersten sind sie fremd, weil ihnen hier das Organ der Anei nung fehlt (vgl. V. 19), in der andern aber zu Hause, wie die vernunftlosen Thiere. Die Rückde- ziehung auf das »die Majestäten lüstern« in V. 8 macht klar, daß Judas bei den Worten: ,,da sie nichts von wissen« an die ihnen verschlossenen Geheimnisse· der unsichtbaren Welt denkt, bei den Worten aber: »was sie natürlich erkennen« an die Sphäre des sinn- lich-Wa rnehmbaren, zu welcher ,,das Fleisch beflecken« in V. gehört; von dieser Sphäre, sagt er dann weiter, haben sie indessen nur ein solches Verständniß, wie es die vernunftlosen Thiere auch haben, nämlich ein finnliches, und das ist ein solches, welches in den Dingen nur die Beziehung auf die eigene Begierde und deren Befriedigung herauszufindeii vermag. (Wie- singer.) 11. Wehe ihnen [diesen verfluchten Leuten Z. Petri 2, 14]! Denn sie gehen den Weg Kains [1.Mos.4, 5 ff.], und fallen in den Jrrihum des Balaanh Um Genießes sVortheils oder Lohnes] willen [4. Mos. 22, 2 ff; 2. Petri Z, 15], und kommenss um in dem Aufruhr Kora [4. Mos- 16 1 .]. «Mit einem ,,Wehe ihnen« schließt Judas diesen Abschnitt, und wie er zu Anfang desselben auf drei Gerichte hingewiesen hat, die einst zur Strafe für ähnliches Thun ergangen sind, so verweist er jetzt auf drei Frevler, mit denen sich jene Verführer auf gleiche Linie gestellt. (Füller.) Es erneuern sich in denselben die alten Jrrwege eines Kam, Bileam und Knab, deren gemeinsamer Charakter die Auf- lehnung wider Gott ist. Jndem sie, ungewarnt durch die vor Augen liegenden Strafexempel, es so treiben, wie vorhin geschildert worden, gleichen sie dem Kain, der, obwohl gewarnt vor der lauernden Sünde, doch den Weg des Bösen erwählt; sie gleichen ferner dem Bileam, den Gewinnsucht gegen die Mahnungen Gottes bethört und auf seinen Jrrweg reißt, und leichen dem Korah, der sich offen gegen den über ose und Aaron bezeugten Willen Gottes zu seinem Verderben auflehnt. Und auch der Gemeinde der Hei: ligen und ihrem Glauben gegenüber geben sich diese Verführer die Stellun eines Kain gegenüber dem gerechten Abel, eines ileam gegenüber dem Volke Gottes, eines Korah gegenüber den otterwählten Führern dieses Volks. (Wiesinger.) ei Kain war das Verhalten im Neide, bei Bileam in der Hab- sucht, beiKorah imHochmuth begründet. (Huther.) Vgl. V. 16. b. V. 12-·23. HatJudas vorhin mehr die unheilvolle Verirrung der Gegner in den Hauptzügen geschildert, so charaiitcrisirt er sie nun selbst in ihrer persönliiheii Verivorlenheii und Lasierhalligtieih wonach sie das gerade Gegentheil alles dessen sind, was sie von sich selbst vergebens, und der Gemeinde dnrihaus itichts als Urtheil und Verderben bringen können, wie sie auch bereits dem cinacisbleibliihen Verderben verfallen sind (V. 12 u. 13). Ihnen gilt tjenochs Weissagung von dem Gericht über die Gottloseii (V. 14 u. 15). Indem der Apostel ihre Charakteristik von Neuem beginnt, lässt er die Leser diejenigen Spötter erkennen, von denen ihnen schon von seinen Vorgängern gesagt sei, das! zur letzten Zeit solche austreten würden (V. 16——-18); und indem er dann nochmals zu dieser Charakteristik zariistitiehrh zeigt er den Mein, wie sie den Versiihrersi gegenüber sich selber zu bewahren, von den Versiihrieit über zu retten haben, was sich noch retten lässt, nur dass dabei die Gefahr irgend welcher Ansieriiciiig aus«:- Sorgsältigsie zu meiden isi (v. 19—23). 12. Diese Unfläther sdie ein Schandflecken für die christliche Gemeine sind, der sie sich an- gehängt habens prassen von euernAlmosen ohne Scheu [2. Petri 2, 13 Anm.], weiden sich selbst sHes 32, 2. 8., indem sie zu euren Liebesmahlen nur für den Zweck sich einfinden, um— sich da gütlich zu thun]; sie sind Wolken ohne Wasser [Sprüchw- 25, 14], von dem Winde umgetrieben l2. Petri D, 17J, kahle, unfruchtbareVciume, zwei- mal erstorben und ausgewurzelt [2. Petri 2, 20 ff.; Hebr. S, 4 ff.], » 13. Wilde Wellen des Meeres, die ihre eigene Schande ausschaumen [Jes. 57, 20], irrige Sterne [2. Tim. 3, 13; Offenb. 9, 1 ff.], welchen behalten ist das Dunkel der Finsterniß in Ewig- fett« [2. Petri 2, 17]. 14. Es hat aber auch von solchen [besser: von diesen, obgleich sein Wort allerdings zu- nächst den Leuten vor den Tagen der Sündfluth galt] geweissaget Gnoch, der siebente von Adam 974 Judä 15——23. [vgl. die Uebersicht über die Reihenfolge der Ur- väter zu 1. Mos. b, 32 und die Bem. zu V. 24 desselben KapitelsL Und gesprochen swohl kurz zu- vor, ehe ihn Gott im J. 669 vor Beginn der Sündfluth hinwegnahm Hebt. 11, 5]: Siehe, der HErr kommt mit vielen tausend Heiligen [d. i. Engeln b. Mos. 33, L; Sach. 14, 5; Matth. 25, II; Hebt. 12, 22], 15. Gericht zu halten über alle, und zu strafen alle ihre sder gesammten Menschheits Gottlosem um alle Werke ihres gottlosen Wandeln damit sie gottlos gewesen sind, und um alles das Hatte [Ehrenrührige, Abstoßende 1. Mos. 42, 7 ; 1. Kön. 12- 135 Jvh- S, 60], das die gottlosen Sünder sin srechen, lästerlichen Auslassungen] wider ihn geredet haben« 16. Diese svon denen ich oben V. 11 sagte, daß sie gehen den Weg Kains und fallen in den Jrrthum des Balaam um Genießes willen und kommen um in dem Aufruhr Korä] murmcln smit Kains Jngrimm über alles, was nicht nach ihrem Sinn und ihnen nicht genehm ist] und klagen immerdar sals solche, die alle Urfach hätten, mit ihrem Loose unzufrieden zu sein, und dabei sind sie zugleich Leute], die nach ihren Lüsten wandeln l2- Petri L, 13 f.], und ihr Mund redet [in Korä Weise] stolze Worte [da nichts hinter ist 2. Petri 2, 18], und achten lnach Balaams Art 2. Petri 2, 14 f.] das Ansehen der Person um Nutzens willensplsps sin schmeichlerischer Weise denen huldigend, von welchen sie sich einen Vortheil versprechsen L. Petri 2, 3]. 17. Jhr aber, meine Lieben [damit ihr wisset, was ihr von diesen Menschen zu halten habt], erinnert euch der Worte, die zuvor sehe dieselben schon da waren, wie es nun jetzt der Fall ist, mündlich] gesagt sind von den Aposteln unsers HErrn Jesn Christi ssoviel ihrer bei euch gewesen sind, wie namentlich Petrus und Johannes]; 18. Da sie euch sagten swas dann Petrus andern Gemeinden gegenüber in 2. Petri Z, 3 auch schriftlich gethan unter Bezugnahme auf das diesen von ihren Aposteln vorher Gesagte I. Tim.i4, 1 ff.; 2. T1m. Z, 2 ff.; Apostg. 20, 29], daß zu der letzten Zeit werden Spötter sein, die nach ihren eigenen Lüsten des gottlosen Wesens saus dem diese hervorgegangen und dem sie mit dem- selben fröhnen] wandeln-s· [V. 16]. «) Was die Gemeinde an jenen Leuten und von ihnen habe oder nicht habe, will der Apostel mit diesen Zügen seiner Eharakterisirung besa en; er be- ginnt deshalb mit ihrer Theilnahme an gen Liebes- mahlen, weil sich hier die Unverträglichkeit ihres Wesens mit christlicher Gemeinschaft am augenfälligsten darle t. Darnach nennt er sie ,,Wolken ohne Wasser, von em Winde umgetrieben«: dienen Wolken ohne Wasser an sich schon der Erde nicht zur Befruchtung so beschatten sie nicht einmal, wenn sie überdies ein Spiel von Winden sind, welche sie vorüberjagew Ebenso geben ,,kahle Bäume«, d. i. Bäume im Spät- herbst, wo sie weder Früchte noch Blätter haben, weder Nahrung noch Schattenz und nun sind diese Leute überdies ,,unfruchtbare Bäume«, die noch gar keine Früchte getragen haben und solche auch für die Zu- kunft nicht versprechen, ja, die »zweimal erstorben und ausgewurzelt«, also hoffnungslos erstorben und gar mit der Wurzel aus dem Erdreiche, das sie halten und nähren sollte, losgerissen sind. (V. Hofmann.) Schon in ihrem natürlichen Leben auf Grund der ange- erbten Sünde mit ihrer persönlichen Selbstentfeheidung dem Todtfein in Sünden verfallen, haben sie auch das Leben, in welches sie in und mit dem Ehriftenthum wiedergebracht waren, durch wissentlichen Abfall zu schnödem Sündendienst wieder umgebracht; als zweimal erstorben sind sie denn mitfammt den Wurzeln aus dem Boden ausgerissen und somit für alle Zukunft der Möglichkeit beraubt, doch noch einmal in Saft zu schießen und Früchte zu bringen. Die Frevler haben sich völlig von dem lebendigen, triebkräftigen Boden des Ehristenthums losgerisfen, daß nicht einmal Hoff- nung auf bekehrungsmäßige Wiedergewinnung solchen Lebens gegeben ist. (Schott.) Meereswellen, sagt der Apostel weiter, sind sie, aber nicht im Erfüllen des Erdbodens mit Erkenntniß der Ehre des HErrn, wie Wasser das Meer bedeckt (Hab. 2, 14), sondern wilde Meeres-Wellen, die ihre eigene Schande ausfchäumem worin sie frank und frei ihre eigene Ehre suchen (Phil. Z, 19); und Sterne sind sie, aber nicht Leitsterne zur Gerechtigkeit(Dan.12,3), sondern irrige Sterne, Schwärmersterne der Verführung, entrissen ihrer Bahn um die Sonne, von der Art jenes Sternes, den der heil. Johannes fah, der mit Feuerschein aus der Hölle alle ver- führte, die das Licht vom Himmel verachten. Ihnen ist behalten das Dunkel der Finsternis; in Ewigkeit: finster sind sie schon jetzt, da sie wie Sterne am Him- mel der Kirche sich geberden, und es ist ihnen das ihrer Sündenfinfterniß gebührende Gerichtsdunkel bei den Engeln des Fürsten der Finsterniß im Ab- grunde (V. S) auf ewig behalten; wenn in den Herzen der Zionskinder der Morgenstern aufgeht, der allem Dunkel ein Ende macht, dann sinken diese Jrrsterne hinab in’s ewige Dunkel. (Besser.) its) Judas nennt den Henoch den siebenten von Adam (nämlich ihn selber und den Adam mitgezählt), was gewiß nicht blos seine frühe Zeit anzeigen soll,, sondern mit der geheiligten Zahl auch etwas hinter sich hat: wie dem Adam zuerst vornehmlich die gnaden- reiche Geburt eines Ueberwinders vom Weibe ver- heißen war, so empfängt nun insonderheit Henoch (der mit den 365 Jahren seines Lebensalters an die 365 Tage eines Jahres erinnert und so auf das Ende der Welt hindeutetf die erste vollständige Offenbarung des Gerichts, weil ein vorbildliches Gericht in der Sünd- fluth herannahte. Er, als der siebente von Adam, ist persönlich ein Typus für die Geheiligten des siebenten Jahrtausends, des großen Erdensabbaths (Offenb. 20, 1 ff.), und weissagt mit seiner Person für diese Zeit, welche fein wird eine Zeit des Wandelns mit Gott und der Aufnahme zu Gott (l.Thess.4,17), an- gefangen aber und beschlofsen durch ein Gericht (Offb. 19, 11 ff.; 20, 9 ff.), beschlofsen durch das letzte Gericht des großen Tags, nach dem keiner mehr kommt. (Stier.) Der Apostel hat Henoclys Wei-fsagung gleicher- weise, wie den Vorgang zwischen Michael und Satan (V. 9), dem Sagenkreise entnommen, der sich an das Schriftwort erweiternd angeschlossen hatte; er hätte Weissagung gleichen Inhalts auch aus Schriftstellen » erholen können, wenn er aber diese, dem Henoch zu- Erbauet euch auf euern allerheiligsten Glauben und behaltet euch in der Liebe Gottes re. 975 geschriebene vorsiihrt, so thut er’s um eben deswillen, weil er zugleich andeuten will, das Gericht, das dieser Menschen wartet, werde das über Noahs Zeitgenossen ergangene Gegenbild sein, und sie selbst seien Jhres- gleichen. (v. Hofmann.) IN) Jm Grundtext ist die Gliederung der beiden Theile dieses Verses so angelegt, daß dem zuerst aus- gesprochenen Gebahren der Verführer jedes Mal ein dem widersprechendes Thun gegenübergestellt wird. Es sind zuerst Leute, die sich sozusagen ein Geschäft daraus machen, zu murren und über ihr Geschick wider Gott sich zu beschweren, als habe er, indem er den wefentlich geistigen Menschen in diese materielle Leib- lichkeit hineingebannh ihn zu einem Leben sch1nerz- licher Gebundenheit, fortwährender unbefriedigter Un- seligkeit verdammt; so reden sie, während sie doch thatsächlich ihr Leben mit wüstem Behagen ganz in der Befriedigung ihrer sinnlichen Gelüste ausgehen lassen. Zum Andern tragen sie gar großartige, hohe Dinge vor, predigen die Lehre, daß man, um zur Freiheit, zur befriedigenden geistigen und sittlichen Vollendung hindurchzudringew von allem Materiellen sich losmachen, das äußerlich Sinnliche verachten müsse; so reden sie mit dem Munde, während sie zugleich mit der That zwiefach dem widersprechen, indem sie sich von der Gier nach materiellem Gewinn so be- herrschen lassen, daß sie um seinetwillen in wohl- dienerischer Schmeichelei solchen sich zu Füßen legen, deren äußere Lebensstellung ihnen die Erzielung solchen Gewinnes in Aussicht stellt. (Schott.) f) Aus diesen beiden Versen kann man nicht, wie die Ausleger meist thun, einen Beweis dafür her- leiten, daß Judas nicht ebenfalls ein Apostel gewesen sei, weil er sich sonst nicht auf die apostolische Auc- torität Anderer berufen würde; sondern es geht das allein aus den Worten hervor, daß bei den Gemeinden, an die er schreibh bisher nur andere Apostel wirk- sam gewesen, er selber aber zum ersten Mal sich ihnen nahet, und da thut er’s mit bescheidener Zurückhaltung seiner eigenen apostolischen Auctorität und überläßt, wie schon in der Selbstbezeichnung V. 1, den Andern den Vorrang. Ebensowenig kann man aus unsrer Stelle schließen, daß der Apostel die Leser an die früher empfangene Petriepisteh und da speziell an die Worte in 2. Petri Z, 3 erinnere, feine Epistel also an dieselben Gemeinden geschrieben sein müsse, an welche jene gerichtet ist; die Worte, welche Judas an- fiihrt, sollen ja kein buchstäblich genaues Citat jener parallelen Stelle sein, sondern sind nur eine Er- innerung an die mündlichen Aeußerungen, welche die Apostel einst, als sie bei den Gemeinden waren, in ihren Vorträgen gethan, und da kommt nun aller- dings hauptsächlich Petrus in Betracht, der aber hat gewiß früher in Shrien und Mesopotamien oft genug sich ganz ebenso mündlich ausgelassen, wie er’s hernach den paulinischen Gemeinden gegenüber schrift- lich thut. Jm Vergleich mit dem 2. Kap. der zweiten Petriepistel, die an heidenchristliche Gemeinden gerich- tet ist, enthält dagegen unser Judasbrief soviel Mo- mente aus der spezielbjüdischen Tradition, daß man deutlich sieht, er hat es nicht auch mit jenen heiden- christlichen, sondern lediglich mit judenchristlichen Ge- meinden zu thun, wie sein Bruder Jakobus. 19. Diese sind sum zuletzt vor allem dagegen euch zu verwahren, solche], die da sindem sie Andere zu ihrer Partei hinüberzuziehen suchen] Rotten [1. Cor. 5, 19] machen [2. Petri 2, 1; Rönn 16, 17], Fleischliche swörtlichx Seelische, Psychische —- in Jak. Z, 15 hat Luther das griech. Wort mit ,,menschlich« übersetzh in 1. Tor. 2, 14; 15, 44 aber mit »natürlich«], die da keinen Geist haben sals die unter Ertödtung alles Nienfchlichen in sich ein rein thierisches Leben führen V. 10; 1. Cor. -2, 14 Anm.]. , 20. Jhr aber, meine Lieben sstatt euch von ihnen auf ihre Seite ziehen zu lassen], erbauet cUch U— Petri 2- 51 auf euren allerheiligsten Glauben sder einmal den Heiligen vorgegeben ist V— Z; Ephes L, 20] durch den heiligen Geist sder an euerm Geiste euch erneuert und selber zu Heiligen gemacht hat V. 1], und betet sallewege um Vermehrung seiner Gnadengaben], 21. Und behaltet euch [also, indem ihr thut, was ich eben sagte] in der Liebe Gottes fdaß ihr nicht von ihm abtretet Heim. Z, 12], und wartet auf die Barmherzigkeit unsers HErrn Jesu Christi swomit er am Tage seiner Zukunft uns erlösen wird von allem Uebel und uns aushelsens zum ewigen Leben»- [2. Petri Z, 14. 17 f.; Tit. 2, is; 2. Tim. 4, 18]. 22. Und haltet [iu Betreff derer aus eurer Mitte, die irgendwie dem Unwesen der Verführer schon anheimgefallen] diesen Unterschied, daß ihr euch etlicher erbarmet fderer nämlich, die ren- müthig umkehren, indem- ihr ihnen die Wieder- aufnahme in eure Gemeinschaft, um die sie bitten, gewähret], 23. Etliche aber [die noch auf dem bösen Wege wandeln] mit Furcht selig machet sindem ihr das Aeußerste ausbietet, um sie womöglich zur Besinnung zu bringen Röm. 11, 14; Jak. 5, 19 f.], und riicket sie swie einen Brand, der sie schon sind Amos 4, il; Sach. Z, Z] aus dem Feuer findem ihr Himmel und Hölle ihnen vor- stellet, wie man zu sagen pflegt]; und hasset [wenn ihr solches Vekehrungswerk unternehmet] den be- flecklen Rock des Fleisches« sden solche an sich tragen V· 8., damit von der Besudelung, deren sie »Mit ihren geschleehtlichen Ausschweifungen sich theilhaftig gemacht, ja nichts aus euch ubergehe]. V) Die Leser sollen bedenken, wie das Thun und Treiben jener Menschen ein die christliche Gemeinschaft auflösendes und ihr Wesen ein ganz und gar geist- verlassenes ist; sie rufen in den Gemeinden Ratten, Sonderrichtungen hervor, die in’s Verderben führen müssen, anstatt sie in der Gemeinschaft des Glaubens u fördern, der zum Heile führt, und zeigen sich als Ernte, die in keinem andern, als dem von Geburt her übererbten Leben des Fleisches stehen und keinen Geist haben, durch dessen Erneuerung sie aus fleischlichen u geistlichen Menschen hätten umgewandelt werden önnen. Dem gegenüber sollen die Leser unter Gebet und Flehen sich für’s ewige Leben bewahren; das ge- schieht denn, wenn sie festhalten an dem hochheiligen Glauben, den sie gelehret sind, und diesen die Grund- lage sein lassen, auf welcher sie in »der Kraft, die der heil. Geist darreicht, ihr Leben auferbauen, und wenn sie ferner die Liebe zu Gott, dieses Wahrzeichen des 976 Judä 24. 25. Christenglaubens, und die Hoffnung auf die Erschei- nung Jesu Christi, dessen Erbarmen einst volle Er- lösung bringen wird, bis an’s Ende bewahren. (Füller.) sit) Nachdem der Apostel den Lesern in V. 17 f. gesagt» hat, daß sie jene Menschen für nichts Anderes achten sollen, als für solche Spötter, wie sie für die Endzeit vorhergesagt sind, darnach in V. 19——21., daß sie sich im Gegensatz gegen sie (und ihr Rottenmachen) zum ewigen Leben bewahren sollen, schließt er nun- mehr die Weisung an, wie sie es mit solchen halten sollen, die er von jenen als etwa durch sie zu Er- rettende unterfcheidet. (v. Hofmann.) Die Verführer selbst sind nach V. 15 der Art, daß die Gemeinde mit ihnen nichts zu schaffen haben soll; wohl aber kommt es auf das rechte Verhalten gegen die von ihnen aus der Gemeinde Verführten an. (Huther.) Was der Apostel zuletzt sagt: »und hasset den befleckten Rock des Fleiches« (genauer: »auch das vom Fleische be- fleckte ewand«), war hochnöthig zu sagen; denn Seelen retten überhaupt, vollends aus der Mitte sol- chen Verderbens heraus, ist kein ungefährliches Werk, sondern bringt uns allemal selbst in Versuchung durch das Berühren des Unreinen. Wie mancher Thor wird da gefällt, heißt es in einem derben Spruche, wo er Bekehrungsnetze stellt. (Stier.) C· In raschem llebergange wendet sich nun zum Schluß der Gpislel die Rede des Ztpostels zu Gott, aber nicht erst zur Bitte oder Jfürbilttz sondern sogleich zu glaubensfreudigem tkobprcis dessen, bei dem die Kraft steht, die Eeser zu behäten nnd unanftößig zu bewahren bis an’s Ende, gleich als hätte derselbe sein Gnadenwerli an ihnen schon voltbrachtz so sehr ist sein Geist auf den Tag der Erscheinung der Herrlichkeit des großen Gottes und unsers Heitandes Jesu Christi hingerichtet, als wäre die irdische Gegenwart mit ihren llöthen und Gefahren schon überwunden — ein Zeichen, daß er bereits am Abend seines Lebens steht. 24. Dem aber, der euch kann [Röm. 16,25; Ephes Z, 201 behüten ohne Fehl [in den schweren Seelengefahren, von denen ihr bedrohet seid, daß ihr durch dieselben hindurchkommh ohne darin zu Falle zu kommen oder zu straucheln 2. Petri I, l0; Luk. 2, 34] Und sdurch solche Behiitung bis an’s Ende euch kann dereinst, am Tage des Ge- richtss stellen vor das Angesicht seiner Herrlichkeit [wenn er nun als majestätischer Richter in Christo Jesu euch gegenüber treten wird Matth. 16, 27] itnsträflich [1. Cor. l, 8; l. Thess 3, 13., so daß ihr dann eurerseits ihm gegenüberstehen könnet] mit Freuden swegen des vollendeten Heils, das euch nun zu Theil werden soll 1. Petri 4, 13]; 25. Dem Gott, der allein weise ist [Röm. 16, 27], unserm Heilaude [1. Im. 2, Z; Tit. I, S; L, l0; 3, 4], sei Ehre und Majestiit [Röm· 11, 365 Hebt— 1, 35 8, 11, und Gewalt und Macht [Offenb.1, 6; 1. Petri 4, 11], nun und zu nllek Ewigkeit swie sie von Ewigkeit her ihm eigneten 2. Petri Z, 1811 Amen. Das Lob des allein Weisen bereitet sich Gott be- besonders auch an der zu unsrer Herrlichkeit verord- neten Weisheit und an der auf die Ausführung dieses Gnadenwerks verwendeten mannigfaltigen Treue und Einrichtung O welche Umwege kann Gott um der dazwischen kommenden Hindernisse willen brauchen, und gelangt doch zuletzt zu seinem Zweck! Unser Heiland ist Gott von dem ersten Vorsatz an, den er zu unserm Heil in Christo gefaßt, und bleibt es bis zu dessen Vollendung mit ewiger Herrlichkeit Für das dabei geschaffte Gute gebührt ihm Ehre und Majestäh für das dabei besiegte Böse sei ihm Gewalt und Macht gegeben! Der Glaube giebt es ihm nun, und die Hoffnung hält darüber, daß es in alle Ewigkeit hierzu Materie genug geben werde. (Rieger.) Schlußbemerliungen zur tlipistel St. Indus. Wären die apostolischen Briefe in unsrer Bibel nach der Zeit ihrer Abfassung geordnet, so würden hier St. Johannis Episteln zu folgen haben, und stünden nun diese mit der Offenbarung desselben Apostels zusammen; aber sehr zweckmäßig ist es auch, daß nach andrer Ordnung St. Judä Epistel zwischen den Briefen der andern Apostel, auf die sie bestätigend zurückweift (V. 3. 17 f.), und der Offenbarung Johannis steht, zu welcher sie den« Uebergang bildet( Dort werden wir von denselben verfluchten Menschen hören, von denen hier die Rede war (vgl. die Bem. zu V. 4 unter ««’««-«·), sowie auch von dem Erzengel Michael (V. 9), und zwar, anstatt des bloßen Wortwechsels, von einem Streite mit dem Drachen (Offenb. 12, 7 ff.); die judenchristliche Gemeinde aber, die von ihrer ursprünglichen Höhe in Apostg. 2—6 nun tief herabgekommen, wird, nachdem ganz Israel nun selig geworden (Röm. 11, 26), in der Zionsgemeinde wieder auf’s Herrlichste strahlen und das Gegen- theil von dem sein, was die Verderber aus ihr gemacht haben (Offenb. 14, 1 ff.)· «»-»s RGO-NO« Das Neue Testament Der zweiten Hälfte oder der Lehr- und prophetischen Bücher zweite Abteilung: Die Offenbarung St. Johannis (das prophetische Buch des Neuen Testaments) «-—---»cAkg.DO-8I«-«» Die Offenbarung St. Iohannieg des Theologen Die Offenbarung Johannis ist der große Hauptstrom der Weissagung, der, aus dem Zu- sammenfluß aller Ströme alttestamentlicher Weissagung entstanden, ins Meer der Ewigkeit selbst mündet. Die Sehnsucht nach der alles vollendenden Zukunft des HErrn ist der Grundton der- selben; in großartigen Zügen, voll heiligen symbolischen Bildwerks, in welchem bis zur gänzlichen Erfüllung, ohne Schaden für die Erbauung der christlichen Gemeinde, Manches dunkel bleiben muß, schildert sie die Entfaltung des Reiches Gottes bis zu seiner schließlichen, herrlichsten Vollen- dung iin ewigen Leben. — Es verhält sich aber mit dieser Weissagung wie mit einem Kometen, dessen Lauf sich von Tage zu Tage, von Woche zu Woche leichter berechnen läßt, weil man zu der Kenntniß eines immer größeren Abschnittes seiner ganzen Bahn gelangt. Das I. Kapitel. Geheimnis; der neben Leuchter nnd Gerne. Ä— V.1—8. nach der ttleberschriftz welche den Ursprung der Offenbarung auf Gott selber zurückführt und ihre große wirhtigleeit bezeugt, folgt ein, durch Anden- tung des hauptsächlichslen Inhalts dieses Bachs erweiterte: Gruß des Seherg an die sieben lileinascatischen Gemeinden, denen dasselbe zunächst gewidmet ist. 1. Dies swas das vorliegende Buch enthält] ist die Offenbarung [griech. apocniypsis Don. 7, 1 Anm.] Fest! Christi sdie Enthüllung des Ge- heimnisses von der Zukunft feines Reichs], die ihm sals dem Mittler des neuen Bandes und obersten Lehrer feiner Gemeinde] Gott sder himm- lische Vater, zu dessen rechter Hand er sitzt] ge- geben hat, [nicht damit er sie für sich selber habe und behalte, sondern] seinen Knechten sden Christen überhaupt Kap. 2, 20; 7, Z; 19, 5; 22, 3., vor- nehmlich aber den Lehrern in der Kirche] zu zeigen, was m der Kürze [dem Anfange nach schon jetzt, und dann in rascher Folge während der künftigen Zeiten Lur 18, 8; Röni 16, 201 geschehen soll; nnd [er, Jesus Christus] hat sie sdie vom Vater empfangene Offenbarung Joh. 5, 20 f.] gedeutet [behufs des Zeigens dessen, was in der Kürze ge- schehen soll, in prophetische Gesichte und bedeu- tungsvolle Sinnbilder eingekleidet] Und sdie Ge- sichte und Sinnbilder, die dann freilich noch einer Deutung auf Grund richtigen Verständnisses be- dürfen] gesandt durch seinen szuletzt in Kap. 22, 6 ff. wieder hervortretenden] Engel sdieselben einem menschlichen Seher-Auge vorzuftihren, und zwar hat er sie gesandt] zu seinem Knecht Johannes sdamit gerade dieser sie sehe und die dabei gehör- i ten Worte niederschreibe Kap. 14, 13; 19, 9. —- Es ist aber Johannes der nämliche Knecht Christi], Dkichserss Lisette-est. m. Band, e. Arm. Z. Aufl. (Kurtz und Rougemonth Z. Der [in seinem ganzen bisherigen Lehramt] bezeuget hat das Wort Gottes und das Zeugnis; sEvangelium 2. Tim. 1, 8] von Jesu Christo [und hat da gelehret und verkündigt], was er [selbst] gesehen hat [1. Joh 1, 1 ss.; gleicherweise be- zeugt er denn auch hier, was er gesehen und ge- höret, und sein Zeugnis; ist wahr]. 3. sDa also die Quelle der im vorliegenden Buch enthaltenen Offenbarung Gott der Vater ist, ihr Prophet Jesus Christus, ihr Ueberbringer ein heil. Engel und ihr Empfänger ein zuver- läfsiger Apostel, so darf gesagt werden:] Selig Ist sder Lehrer der Kirche], der da [in der christlichen Gemeindeversammlung] lieset sder Gemeinde vor- liest und auslegt], Und lselig sind die Gemeinde- glieders die da hören die [in diesem Buch nieder- gelegten] Worte der Weissagnng, und sdie nun beiderseits] behalten [in einem feinen, gutenHerzenL was darinnen geschrieben ist; denn die Zeit sda die Weissagung zur Erfüllung werden soll] ist nahe fund wird denen, die durch ihr Lesen oder Hören und ihr Behalten sich haben stärken, kräf- tigen und gründen lassen, die Trübsal und Ver- suchung der letzten Zeit zu überwinden, den Lohn der Treue bringen]. Bei der Weissagung auf dem Oelberge hatte der HErr gesagt (Mark. 13, 32): .,,von dem Tage aber und der Stunde weiß niemand, auch die Engel nicht im Himmel, auch der Sohn nicht, sondern allein der Vater«; und noch unmittelbar vor seiner Himmelfahrt hatte er die Jünger auf ihre Frage: »HErr, wirst du auf diese Zeit wieder aufrichten das Reich Jsrael?« dahin beschieden: ,,es gebühret euch nicht (ist nicht eure Sache, gehört nicht zu eurer Berufsausrüstung), zu] wissen Zeit oder Stunde, welche der Vater seiner Macht vorbehalten hat; sondern (was zu eurer wirklichen Ausrüstung nothwendig, wird geschehen:) ihr werdet die Kraft des heiligen Geistes empfahen, welcher auf euch kommen wird, und werdet (nun) meine Zeugen sein zu Jerusalem, und in ganz Judäa und Samaria, 1 2 Ofsenb. Johannis 1, 4. und bis an das Ende der Erde« (Apostg.1,6ff.). Die Apostel hatten denn auch in der That, nachdem sie am Pfingstfest die Gabe des heiligen Geistes empfangen, ohne irgend etwas Näheres über den Termin des Ein- tritts der letzten Zeiten zu wissen und anzugeben, ihren Auftrag bis zum Jahre 66 nach Chr. in demjenigen Umfange erfüllt, der für sie maßgebend war; durch die Predigt des Paulus und Petrus zu Rom war die Kirche mitten in das Herz der Heidenwelt hinein ge- pflanzt und für alle Zukunft begründet, damit aber auch das Samenkorn gelegt, aus welchem die letzten Dinge nach Gottes Rath sich schließlich entwickeln soll- ten. Da empfängt der letzte von den Aposteln, der — etwa von Simon Zelotes abgesehen, doch nahm dieser für das Ganze der Kirche keine so universelle Stelluug ein, wie es erforderlich war — auf dem Schauplatz noch vorhanden ist, den früher noch vorbehaltenen Auf- schluß über den Entwickelungsgang des Reiches Gottes auf Erden, ehe die Zeit der göttlichen Offenbarung zu Ende geht und die Jahrhunderte der offenbarungslosen Zeit ihren Anfang nehmen; und in diesem Aufschluß wird auch Zeit und Stunde, die der Vater seiner Macht vorbehalten hat, in apokalhptischer Weise vorausgesagt, d. h. so, daß die Enthüllung zugleich eine Verhüllung ist aus solange, bis der Kirche es gegeben wird, die Bilder und Gleichnisse dieser Gesichte zu verstehen. Wenn diese Periode eintritt, dann wird man auch mit sicherem Griff aus den Zahlangaben, die hier und da vorkommen, die Jahreszahlen der Erfüllung heraus- finden; alsdann ist es Thorheit, solche Deutungen der göttlichen Offenbarung, die an und für sich den Stem- pel richtiger und schriftgemäßer Auslegung an sich tragen, mit Berufung auf obige Ausspriiche Christi lediglich darum zu verwerfen, weil sie anch die Zahlen deuten. Allerdings hat der Vater Zeit und Stunde der Wiederausrichtung des Reiches Jsrael und der da- mit zusammenhängenden Vollendung seines Geheim- nisses (Kap. 10, 7) seiner Macht vorbehalten; aber das heißt doch nicht, er habe die letzten Dinge auf unbe- stimmte Zeit vertagt, vielmehr sind Tag und Stunde auch ein Theil seines Rathschluffes Sie werden keines- wegs von außen her durch die Zeitumstände oder durch die Macht der Finsternis; ihm aufgedräiigt, sondern in eigener Machtvollkommenheit, ganz unabhängig von außen und selbstständig in sich selber, hat er sie fest- gesetzt; und muß nun alles, was aus Erden sich begiebt, so ineinander greifen und dahin sich ausgestalten, daß die von ihm festgestellten Termine auch pünktlich inne- gehalten werden. Wenn nun vormals Jesus Christus sagte, er habe als des Menschen Sohn den Rathschluß des Vaters selber noch nicht durchschaiih Tag und Stunde des Eintretens der letzten Zeiten sei ihm eben- sowohl, wie Menschen und Engeln, noch ein verschlosse- ues Geheim11iß, so tritt die Offenbarung, die wir in unserm Buche vor uns haben, gleich in ihren ersten Worten als eine von dem Vater dem Sohne ge- gebene auf, und zwar als eine für den Zweck Jesu Christo mitgetheilte, daß er seinen Knechten zeige, was in der Kirche geschehen soll. Auch den Engeln ist nun die Zukunft in Betreff ihrer Gestalt, die sie an- nehmen wird, und in Vetreff der Zeitfriften, innerhalb deren sie zu ihrer Ausgestaltung kommt, kein dunkles Räthsel mehr: sonst hätte Christus sich ihrer nicht als Werkzeuge bedienen können, das, was in der Kürze geschehen soll, für feinen auserwählten Jünger Johan- nes in Gesichte zu stellen und selber bei diesen Ge- sichten als handelnde Personen aufzutreten; sonst wür- den sie auch nicht wissen, wann sie bei der zu bestimmter Stunde erfolgenden geschichtlichen Verwirklichung ein- zelner Gesichte, so namentlich des in Kap. J2, 7—-9 dargeftellten, sich aufmachen sollen, um dasjenige zu vollbringen, was ihre Aufgabe bei dieser Verwirk- lichung ist. Hiernach hat Bengel ganz recht daran gethan, wenn er die Apokalhpse als eine thatsächliche Aufhebung oder doch Beschränkung der weiteren Gil- tigkeit der in Rede stehenden beiden Aussprüche Christi, die er in den Tagen feines Fleisches und noch vor der Himmelfahrt gethan, betrachtete. Diese Aussprüche sind für das eigentlich apostolische Zeitalter gemeint und gelten unbedingt bis dahin, wo nun das Gericht über Jerusalem und das jüdische Volk erfolgen sollte. Weil Zeit und Stunde dieses Gerichts keiner von den Aposteln wissen durfte, was mit ihrem, bis zum letzten Augenblick der dem zunächst berufenen Jsrael geschenk- ten Gnadenfrist andauernden Berufe an dies Volk zu- sammenhängt, so mußten sie ja auch über Zeit und Stunde der letzten Dinge im Ungewissen bleiben; denn diese nehmen ihren Anfang mit der Aufhebung jenes Gerichts und der Wiedereiupsropfung der natürlichen Zweige in den Oelbaum. Wiederum aber, als jetzt das Gericht über das jüdische Volk mit der Zerstörung Jerusalems und des Tempels eintreten sollte, konnte die Zeit der Dauer dieses Gerichts nicht in jener völligen Unbestimmtheit belassen werden, in welcher sie noch in Dan. 9, 27 und selbst in der eschatologifchen Rede Christi bei Luk. 21, 24 dasteht: der Gott, der fein Volk nicht in die babylonische Gefangenschaft ge- schickt hat, ohne dessen Strafzeit genau zu bemessen und seine Gedanken des Friedens für eine bestimmte Zeit und Stunde zu fixiren (Jer. 25, 11), der dann auch die kümmerliche Zeit nach der Rückkehr aus Babylon nicht eine unbenannte Größe hat sein lassen, sondern genau zuvor bezeugt, wann Christus kommen und mit ihm das angenehme Jahr des HErrn ein- treten sollte (Dan. 9, 24 fs.), der hat auch an den so finsteren Nachthimmel des jetzigen Exils Jsraels leuchtende Sterne der Weissagung gesetzt, die das mit Blindheit geschlagene Volk freilich selber nicht siehet, aber, die in Sem’s Hütten wohnen (1. Mos. 9, 27), sollen für dasselbe sehen, und wenn die Zeit kommt, wo die Uhr des göttlichen Zornes abgelaufen, ihm zu Predigern werden: ,,mache dich auf, werde licht; denn dein Licht kommt und die Herrlichkeit der HErrn gehet auf über dir.« Man sage doch nicht, weil Bengel·mit seiner Berechnung der Zeiträume und Zeitpunkte in der Apokalhpse gescheitert ist, so hat er damit einen schlagenden Beweis geliefert, daß die Worte Christi noch feststehent ,,es gebühret euch nicht zu wissen Zeit oder Stunde, welche der Vater seiner Macht vor- behalten hat«; es ist das eine so unlogische Schluß- folgerung, daß sie gar nicht erst widerlegt zu werden braucht. Wir stellen dagegen für die Zeitangaben der Offenbarung, die, abgesehen von Kap. 9, 5, wo es sich nur um eine einzelne Periode handelt, erst mit Kap. 11 eintreten, folgende Rechtfertigung auf: Alle diese ver- schiedenen Zeitangabeiy wie sie zu Kap. 10, 7 in einer Uebersicht neben einander gestellt sind, haben ihre be- stimmte Beziehung zu dem in Kap. 8, 13 angekündig- ten dreifachen Wehe; die drei Wehe? aber befassen in sich nicht irgend eine Plage als solche, sondern die be- stimmten Plagen des drei Mal im Laufe der Kirchen- geschichte zur Ausbildung und Herrschaft Kommens des antichristlichen Wesens. Das erste Mal geschieht das mit dem Auftreten des antichristlichen Muhamedanis- mus (Kap. 9, 12), das zweite Mal mit dem Durchbruch des antichristlichen Zeitgeistes (Kap. 11, 14), das dritte Mal mit der Offenbarung des Menschen der Sünde oder des persönlichen Antichrist (Kap. 12, 12); aus das Ursprung und Inhalt der Offenbarung. 3 erste Wehe beziehen sich die 42 Monate oder 1260 Tage in Kap 11, 2; 11,3 und 12, 6., auf das zweite Wehe die 372 Tage oder 1 —I— 2 —s— V, Zeiten in iiap U, 9. 11 und 12, 14., bei dem dritten Wehe tritt eine Vereinigung beider Zeitbestimmungen ein, indem es nach Kap 13, 5 mit dem Thier aus dem Meere währet 42 Monate und nach Kap. 12, 14 das Weib vor dem Angesicht der Schlange ernährt wird 1—s—2—s— Vz Zeiten. Mit alle diesen Angaben wird eigentlich tiichts Neues gesagt, sondern nur das schon in Dan. 7, 25 f. ausgesprochene Gesetz in Anwendung gebracht, wonach es mit der Herrschaft und dem Bestande antichristlichen Wesens nicht länger dauern darf als eine Zeit und zwo Zeiten und eine halbe Zeit; auch bei den 42 Mo- naten oder 1260 Tagen ist dieses Gesetz beobachtet, denn jene sind = 12 —s- 24 —s— 6 Monaten und diese = 360 -I- 720 —s- 180 Tagen. Was nun aber die Offenbarung thut, ist dies, daß sie 1) für die 1 —s— 2 -s— Vz Zeiten nicht den bloßen Begriff von Jahren, sondern auch den schon in Dan. 9, 24 ff. vorliegenden prophe- tischen Maßstab geltend macht, wonach eine Zeit- = 360 Jahren ist; L) die Strafzeit Jsraels, die schon nach Dan. 9, 25 f. ebenfalls auf IV, Zeiten sich be- mißt, parallel setzt-mit der Herrschaft des muhaineda1ii- schen Antichristenthums, sie dadurch zeitgefchichtlich fixirt, damit aber zugleich für das Ende der Zeit der Heiden nach Luk. 21, 24 den Termin bekommt und mit diesem Termin wiederum den für die Zeit des zweiten Wehe’s;« Z) beschränkt sie das Vordringen des Muhamedanis- mus bis aus einen gewissen Punkt und gewinnt so auch einen Anhalt für die Zeit der Erscheinung des persönlichen Antichrish wonach dann die Zeit der Er- scheinung des Reichs der Herrlichkeit sich bemißt. Jn- dem sie nun aber weder über die Zeit des Auftretens noch über den Punkt des Vordringens des Muhameda- nismus chronologisch etwas Näheres festsetzt, muß erst die Geschichte die Möglichkeit an die Hand geben, über Zeit und Stunde der Zukunft Christi klar zu werden; Johannes selber wäre in seinen Tagen nicht im Stande gewesen, etwas darüber zu sagen, wohl aber hätte die Kirche des 7. Jahrhunderts schon in etwas über die Zukunft des HErrn sich Aufschluß geben können, wenn sie erleuchtete Augen des Verständnisses gehabt hätte. So wollen wenigstens wir in diesen un- sern Tagen nicht völlig im Finstern tappen; denn nicht über die Gläubigen soll der Tag des HErrn kom- men wie ein Dieb in der Nacht oder wie ein Fallstrich sondern nur über die, die auf Erden wohnen (Luk. 21, 35; 1- Thess 5, 1 ff.). —- Es war, wenn ich nicht irre, der fromme Nüruberger Bäckermeister Burger, welcher einmal äußerte, manche Christen blieben bei der Krippe des Heilands stehen, andere folgten ihm auf den Wanderungen seiner Prophetenthätigkeiy wieder andere weilten unter dem Kreuze auf Golgatha, noch andere sähen dem Auferstandenen himmelwärts nach, die we- nigsten aber seiner Wiederkunft entgegen. Er hatte Recht, und wir dürfen sagen, die Römis ch en bleiben an dem Kinde haften, um seine Ehre auf die Mutter zu übertragen, die es geboren hat; der Rationalis- mus sah nur den Propheten; herrnhutische Fröm- migkeit hestete den Blick auf die Wunden des Ge- kreuzigten; dem Gekreuzigten und Auferstandenen und zur Rechten Gottes Sitzenden die volle Ehre zu geben, war das Verdienst unserer reformatoris ch en Väter, aber in gleichem Vollmaße seiner Wiederkunft sich zu freuen hinderte sie der Mißbrauch, den Schwarmgeister mit der Hoffnung der Christenheit trieben. (v. Hof- mann.) Gegenwärtig leben wir in einer andern Zeit, die vielmehr an L. Petri Z, 3 f. erinnert, da die Spötter sagen: »wo ist die Verheißung feiner Zukunft? denn nachdem die Väter entschlafext sind, bleibt es alles, wie es von Anfang der Creatur gewesen is.« Jn der großen Mehrzahl der Schöpfer Und Fortbildner mo- derner Wissenschaft und Bildung waltet der Widerwille gegen Christenthum und Religion überhaupt; sie rüh- men sich und spotten, daß das Reich dieser Mächte bereits eingeengt sei, wie das Jndianerterritorium in Nordamerika, ja daß Gott selbst vor der allmächtigen Wissenschaft zum Auszug aus dem Universnm genöthigt sei. Wir leben in der Zeit des Massenabsalls vom — Chriftenthum und einer internationalen Verbriiderung aller Volkselemente, welche die Absicht haben, nicht nur das Christenthum, sondern auch die sittlichen Stützen des Christenthums im natürlichen Leben, vornehmlich in Familie und Staat abzuthun: find auch früher ähn- liche zerstörende Bestrebungen hie und da aufgetreten, es bleibt unserer Zeit die umfassende, weltumspantiende Art derselben. (Grau.) Die Ueberschrift, welche unser Buch gegenwärtig führt: Die Offenbarung St. Johannis, des Theologen, ist nicht die ursprüngliche, sondern den eigentlichen Titel, wie er aus der Feder des Johannes hervorgegangen, geben die drei ersten Verse. Darnach ist das Buch eine Offenbarung Jesu Christi sel- ber, die er vom Vater empfangen und seinen Knechten mitgetheilt hat, wobei ihm der Engel den Dienst eines Boten und der Apostel den eines Scbreibers versehen; indessen ist ja die jetzige Ueberschrist in diesem letzteren Sinne gemeint, daß nämlich Johannes nur als Con- cipient bei der Offenbarung in Betracht kommt. Er wird da als ,,Theolog« nicht in der jetzigen Bedeutung des Worts bezeichnet, wo man einen Gottesgelehrten überhaupt darunter versteht, sondern in der besonderen Bedeutung, daß er derjenige unter den Aposteln ist, welcher in Jesu nicht blos den Christ erkannt, vielmehr ihn hauptsächlich von Seiten seines Verhältnisses zum Vater oder als das Wort (griech. 1ogos), das im An- fang bei Gott und selber Gott (the0s) war, erfaßt und davon, wie »in seinem Evangelio, so auch in den Epi- stelti Zeugmß abgelegt hat (Joh. l, I ff.; 1. Joh. 5, 7). Auch an unserer Stelle nahm man nach Kap.19, 13 den Ausdruck ,,Wort Gottes« in diesem persönlichen Sinne und erkannte in dem Seher der Offenbarung sofort den Zeugen von Christo als dem, dessen Name heißt »Gottes Wort«, wieder; damit, so meinte man, charakterisire man am besten seine Person nach ihrem innersten Wesen und stelle ihn als den zur Empfang- nahme der Offenbarung geeignetsten Jiinger dar. Durch dieses Buch, bemerkt Steffann, schließt sich die ganze heilige Schrift zu einem wunderbar harmonischen Gan- zen zusammen; an seinem Schlusse sehen wir in einen neuen Himmel und auf eine neue Erde, so daß der Schluß dem Anfang der Bibel entspricht: ,,am Anfang schuf Gott Himmel und Erde« Gut hat der HErr Himmel und Erde geschaffen, und herrlich zeigt sich dieselbe am Schlusse der Bibel in diesem Buche dem hoffenden Gemüth — die Sünde, die sie verwüstet hat, ist durch Jesum hinweggethan, die durch der Menschen Schuld gehemmte Entwickelung ist dennoch vollendet. Daß es aber das Schlußbuch ist, zeigt uns, daß man das Lesen der Bibel nicht mit der Offenbarung begin- nen, sondern schließen soll. 4. Johannes [von der Mittheilung über Ur- sprung und Bestimmung dieses Buchs nun zum Gruß an die nächsten Empfänger iibergehend, ruft] den sieben Gemeinden in [Ktein-] Asiens [Apostg. lsk 4 Offenb. Johannis 1, 5. S. Z, 9; 16, 6., nämlich denen zu Ephesus, Smyrna, Pergamus, Thyatira, Sardes, Philadelphia und Laodicea V. 11 zu]: Gnade sei mit euch und Friede« [2. Joh. Z] von Dem, der da ist und der da war nnd der da kommtkkt [d. i. von Jehova 2. Mos. 3, 14 oder dem Gott der Heils- offenbarung, deren Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft in ihm begründet ist]; Und von den sieben Geistern, die da sind vor seinem Stuhls fgleich brennenden Fackeln Kap. 4, 5 und die gleichsam die Augen bilden, mit welchen er nicht blos zusehend, sondern allmächtig wirkend über der Welt waltet und die Weltgeschicke im Interesse seines Reiches lenkt Such. 4, 10]; 5. Und von Jesu Christo, welcher ist der treue Zeuge [als der treu bis in den Tod sich zu der im Leben von ihm bezeugten Wahrheit bekannt hat Joh 18, 37; Hebt 3, 1 f.] nnd [der] Erstgeborene von den Todten fals der zuerst aus der Mitte der Todten heraus in’s neue Leben der Verklärung geboren und hierin der Vorgänger einer langen Reihe, der Grund- und Eckftein einer erneuerten Menschheit geworden ist Col. 1, 18; 1. Cor. 15, 20], Und lnun im Stande der Er- höhung nach seiner Auferstehung und Himmelfahrtj ein Fürst der Könige auf ErdenH fso daß diese allezeit, wenn auch meist- ohne Wissen und Willen, nur Werkzeuge feiner Regierung sind und auch der Gang der Ereignisse im Reiche der Heiden zum Kommen seines Reiches beitragen muß Kap. 17, 14; 19,16; Matth.28,18]; der uns ge- liebet hat und gewaschen fnach anderer Lesart: erlörfet oder erkauft Kap. 5, I] von den Sünden mit seinem Blut; 6. Und hat uns zu Königen [Kap.5,1o—— nach anderer Lesartx zu einem Königreich, also daß wir seine, als unseres Königs, selige Unter- thanen sind 1. Petri 2, 9] und Izu] Priestern ge- macht vor Gott und seinem VaterfH salso daß unser ganzes Leben ein beständiger Gottesdienst ist Röm.12, 1; Hebn 9, 14]: Demselbigen sei Ehre nnd Gewalt, von Ewigkeit zu Ewigkeitlkt Amen sGaL 1, Z; 1. Petri 5, 11; L. Z, 18J. it) Gleichwie die Schristen des Lukas für den edlen Theophilus, die Briefe Pauli für gewisse Gemeinden zuerst, aber doch für alle Gläubigen geschrieben wurden, so auch sendet Johannes das Buch zunächst an die sieben Christengemeinden in Asien, einer klein- asiatischen Provinz der Römer; es ist das gewiß sach- gemäßer, als wenn jetzt ein Mann etwas schreibt und hinausgiebt in die Welt, weiß aber nicht, wer es kau- fen, lesen nnd sich dessen freuen wird. (Lämmert.) Der Schreiber bezeichnet seine Person nicht näher als durch den einfachen Namen ,,Johannes«. Schon dies führt uns auf den Apostel Johannes; es führt auf einen Johannes, der unbedingt hervorragte, an den in demjenigen Kreise, für welchen die Sendschreiben und das Buch, in welchem sie stehen, zunächst bestimmt waren, jeder sofort dachte, wenn er diesen Namen hörte. Wer nur in einem ,,gewissen« Verhältnis; zu den bezeichneten Gemeinden stand, durfte nicht die Berech- tigung ohne Weiteres voraussehen. (Hengstenberg.) Während Jerusalem, die alte Gottesstadt, dahinfällt, indem der Ewige sein Angesicht vor ihr verbirgt, wür- digt Christus die sieben Gemeinden Asiens, diesen Cen- tralpunkt des neuen geistlichen Gottes-staats, seiner Offenbarung; während das irdische Heiligthum ent- schwindet, thut sich dem Johannes ein himmlisches auf, in welchem die sieben güldenen Leuchter stehen, und diese Leuchter sind sieben Gemeinden. Das aaronitische Priesterthum erlischt: anstatt seiner erscheint Christus im priesterlichen Schmuck als Pfleger des höheren Tem- pels (V.13), wie ihn schon bei herannahendem Falle des aaronischen Amtes der Schreiber der Epistel an die Hebräer (8,1sf.) bezeichnet hatte. (Thiersch.) Die sieben Gemeinden sind diejenigen, welche der Leser— in V. 11 als solche kennen lernen soll, die der heilige Geist zu prophetischen Thpen auserlesen hat; denn es sind zwar unter diesen Gemeinden sicherlich jene historischen, wirk- lichen Gemeinden verstanden, aber ihnen widmet Jo- hannes dieses Buch der Offenbarung nicht darum, daß es von der übrigen Kirche nicht auch sollte gelesen wer- den, sondern aus dem tieferen, inneren Grunde, weil ihm in den Gesichten selber, und zwar gleich indem allerersten (V.10—20), diese sieben Gemeinden als Ty- pus der Gesammtkirche gezeigt worden waren· Christus erscheint ihm als der sieben Sterne in seiner rechten Hand trägt und zwischen sieben Leuchtern wandelt, und diese Leuchter sind die sieben Gemeinden, und die Sterne sind ihre Engel und werden in V. 4 und Kap. Z, 1 mit den sieben Geistern Gottes parallel gesetzt; nun kann unmöglich Christus sich in Verbindung mit den Sinnbildern einzelner weniger Gemeinden in einen solchen ausschließenden Zusammenhang setzen, wenn diese einzelnen wenigen Bruchtheile nichts weiter sind als zufällige Bruchtheile, jene ganze Vision hat viel- mehr nur dann einen Sinn, wenn die sieben Gemein- den Repräsentanten oder Typen der gesammten Kirche sind, so daß Christus, indem er sie trägt, in ihnen der Jdee nach die ges ammte Kirche trägt. Johan- nes also kann die Enthüllung, welche allen Knechten Gottes bestimmt ist (V.1), den sieben Gemeinden widmen, da er, was er ihnen widmet, der Gesammt- kirche widmet. (Ebrard.) Die Siebenzahl hat nicht blos überhaupt symbolische Bedeutung, sondern auch eine ganz bestimmte shmbolische Bedeutung: sie ist die Signatur solcher Werke Gottes, die, wie die Schö- ofung in sieben Tagen, in einer von Gottes Rath be- stimmten Zeitdauer fertig werden; sie enthält somit mmer die Momente des zeitlichen Nacheinander der Entwickelung in der Zeit, des Fertigrverdens durch Gottes Wort und That so, daß das in sie Gefaszte im- mer unter diese Kategorien gestellt wird. Sind also der Gemeinden Jesu solche symbolische sieben, so wird in ihnen nur die unter göttlicher Wirkung in der Zeit erfolgende Entwickelung der Kirche bis zu ihrem Fer- tigsein dargestellt werden können· (Kliefoth.) Vgl. jedoch das zu V. 20 Gesagte. " M) Es kann keinem Zweifel unterworfen fein, daß die Grundlage der Vegrüßuug hier die gewöhnliche pau- linische Grußformel (Röm. 1, 7; 1. Cor. 1, Z; L. Tor. 1, L; Gal. 1, 3 u. s. w.) bildet; es ist ganz natürlich, daß Johannes in einem Schreiben an Gemeinden, bei denen er an die Stelle des Paulus getreten war, sich zunächst an Paulus anschließt, seine wohlbekannte und werthe Grußsormel ausführt Jener einfache pauli- nische Gruß nun erscheint hier nach den Anforderungen Gruß des Sehers an die Empfänger der Offenbarung. 5 des höheren prophetischen Stils und im Einklang mit den Bedürfnissen der Zeit, deren Noth und Gefahr einen kräftigen Trost verlangte, erweitert; aus den Tiefen des Wesens Gottes und Christi wird dasjenige hervorgeholt, woran sich der gefährdete Glaube stärken konnte. (Hengstenberg.) Gnade und Friede wünscht Johannes den sieben Gemeinden: gegenüber dem Haß der Welt bedürfen sie vor allem der Gnade Gottes, der tröstlichen Gewißheit, in ihm einen versöhnteii und liebenden Vater zu haben, gleichwie ihnen im Kampfe mit der Welt der aus der Gnade Gottes fließende Friede Gottes vonnöthen ist. (Kemmler.) Gnade und Friede verhalten sich so zu einander, daß Gnade das neutestamentliche Heilsprincip, Friede das dadurch gewirkte Heils-gut, Gnade die Grundbedingu1ig des Friedens, Friede die Frucht der Gnade ist. Friede hat der Mensch nur, wenn er wieder in die durch die Sünde gestörte Gemeinschaft mit Gott zurückgekehrt, mit ihm versöhnt ist; und Gnade ist alles, was Gott gethan hat und thut, um diese Versöhnung herzustellen und den Menschen derselben theilhaftig zu machen. (Füller.) Die Gnade ist vor allem köstlich und tröst- lich da, wo der HEry wie auch bei diesen Gemeinden, vielfach erst zu strafen und zu drohen hat; der Friede ist besonders da ein wünschenswerthes Gut, wo schwere Gerichte und Schicksale über die Kirche hereinbrechen Sich bei allen Züchtigungen des Geistes dennoch im Glauben in der Gnade Gottes zu wissen, Frieden mit Gott in Christo zu haben auch für den schrecklichen Tag, wenn er kommt, das sind ohne Zweifel die beiden wichtigsten Güter, die in solchen Lagen nur gewünscht werden können. (Gräber.) Hi) Das »der da ist und der da war und der da kommt« deutet auf die Unwandelbarkeit des ewigen Gottes, welcher, wie auch der Begriff der Ewigkeit selbst und insbesondere das Moment »der da kommt« (mit lebendiger Beziehung auf den Grundgedanken des Buchs schreibt Johannes so, und nicht: »der da sein wird«) anzeigt, die Geschicke der Seinigen wie der feind- lichen Welt regiert, seine Weissagung zur Erfüllung bringt und insbesondere die ganze Entwickelung des Gerichts in seiner festen Hand hält. (Diisterdieck.) Gott ist derjenige, der da ist: dies heißt nicht blos, der jetzt in der Gegenwart ist, sondern der Seiende überhaupt, dessen eigenstes Wesen das Sein ist, der das Nichtsein wie das allmälige Werden völlig von sich ausschließh so daß außer ihm und ohne ihn nichts ist, was ist, und alle Dinge nur in ihm leben weben und sind. Als dieser Seiende ist er zugleich derjenige, der da war, wiederum nicht blos s· v. a. der überhaupt ein- mal gewesen ist, sondern derjenige, dessen Sein die ganze Vergangenheit, seit es eine Welt und eine Zeit giebt, erfüllt, ja in die unanfänglichen Tiefen der Ewig- keit zurückreicht Und so ist er als der Seiende auch derjenige, der da kommt, der nicht blos irgend ein- mal kommen wird, sondern der eigentlich Kommende ist in allem, was kommt, und dessen Kommen fort- geht, bis er völlig gegenwärtig und offenbar, ja Alles in Allem geworden ist. Welch ein Trost im Kampfe mit einer Welt der Lüge und Nichtigkeit, Jhn, den wahrhaft Seienden, zu kennen und zu besitzen und überzeugt sein zu können: die Zukunft mag sich noch so drohend gestalten, sie gehört dennoch Dem, der da kommt, und »das Feld muß Er behaltenl« (Kemmler.) f) Der durch Feuer und Flammen symbolisirte Geist Gottes ist allezeit und allenthalben der Eine und Selbe; aber das durch den Leuchter und die sieben Ge- meinden dargestellte Volk Gottes muß durch die mit der symbolischen Siebenzahl angezeigte Fülle der Zeiten, "aller irdischen Monarchen ihre Entwickelungen und Phasen hindurchgehen, und der Eine Geist Gottes folgt dem Volke Gottes mit aller seiner Wirkung in alle diese Zeiten und Phasen, darum erscheint der Eine Geist Gottes als »die sieben Geister Gottes-«. Es ist damit gesagt, daß der Eine Geist Gottes sich dem Volke Gottes in allen seinen verschie- denen Zeiten und Phasen je nach den daraus entsprin- genden verschiedenen Bedürfnissen verschieden erweist nnd dadurch im Laufe der Zeiten nicht allein das Leben des Volkes Gottes nach allen Seiten hin versorgt, son- dern auch das volle Maß seiner eigenen Gnaden und Gaben zur Erscheinung bringt. (Kliefoth.) Als eine Siebenheit sind die Ausflüsse Gottes, des Vaters der Geister (Hebr.12, 9 — Luther: »der geistliche Vater), bezeichnet, weil ihre heilige vermittelnde Natur zur endlichen Herstellung der Bundesgemeinfchast der Mensch- heit mit ihrem Schöpfer- und Bundesgott anschaulich gemacht werden soll. Oetinger nennt diese sieben Geister und Ausstrahlungen der göttlichen Vollkommenheit, Licht- oder Lebensfülle, die Abglänze der Jehova-Herrlichkeit in ihrer siebenfachen Auswirkung und Heilsvermittelung gegen die Ereatur hin; wenn sie gegen die Gottheit stehen, sagt er, sind sie Ein Geist. (Sabel.) Wie sich das innere Leben Gottes in der Dreizahl abschließt, so vollendet sich das Wirken des Geistes nach außen in der Siebenzahl als der Zahl der göttlichen Entfaltung und Erschließung (Luthardt.) H) Johannes führt in seinem Segenswunsche zu- erst Den an, von welchem alles Heil ausgeht, geht sofort zu Dem über, welcher dasselbe in die Welt und in die Herzen einführt, und schließt mit Dem, wel- cher es uns erworben hat, um dann bei diesem stehen zu bleiben. Es entsprechen da die drei Prädikate, die er ihm beilegt, dem Anfang, Fortgang und der Vollen- dung seines Werks: als treuen Zeugen hat er sich zuerst erwiesen; als er sein Zeugniß bewährt hat durch seinen Tod, erscheint er durch die Auferweckung vom Tode als der Erstgeborene der Todten oder als Der, welcher die Bahn brach und erst Andern den Weg durch Tod zum Leben ermöglicht hat — es würde nie- mand vom Tode erstehen, wenn Er nicht erstanden wäre. Mit seiner Auferstehung aber ging er ins Leben über, wo er als der Oberste unter allen Königen der Erde bezeichnet werden kann. Hiermit ist dann gesagt, wie er zu unserem Heile steht: er hat es zuerst verkündigt und bezeugt während seines Erdenlebens; er hat es dann erworben durch seine Hingabe in den Tod und, als er auferstand, aus dem Grabe mitge- bracht; nachdem er aber erhöhet ist zum Herrn über alles, theilt er seine Gaben aus und sendet sie denen, die sie begehren, durch seinen Geist. (Füller.) Mit dem Prädikat »der treue Zeuge« wird hingedeutet auf die herrlichen Verheißungen, die Christus seiner Kirche schon während seines Wandels auf Erden ertheilt hat (z. B· Joh. 16, 33; Matth.18, 20; 16, 18) und die in nn- serem Buche, welches das Zeugniß Jesu Christi bezeugt, weiter ausgeführt werden. Mit dem andern Prädikat »der Erstgeborene von den Todten« wird gesagt: der Erste, der, nachdem der Tod 4000 Jahre geschwiegen, wahrhaft zum Leben hindurchdrang muß im Besitz einer überwindenden Gotteskraft sein, die auch den Seinen zu gute kommt; der Tod ist für sie nur Durchgang zum Leben. Nicht umsonst war Johannes im Geist an des HErrn Tage, V. 10. (Hengstenberg.) Was das dritte Prädikat betrifft: »ein Fürst der Könige· aus Erden-«, so übertrifft sein Fürstentitel alle Maxestät Die Welt achtet es zwar nicht, es kann oft der geringste Mensch diese unver- gleichliche himmlische Majestät mit Fluchen und Schwö- 6 Offenb. Johannis 1, 7—9. ren vermehren, mit sicheren, stolzen Gedanken verklei- nern und vernichten; es wird sich aber diese Majestät schon zeigen, und je länger es ansieht, desto schrecklicher wird es für diejenigen sein, die derselben nicht haben wollen unterthänig werden. (Bengel.) -H-f) Nun wird, wie vorhin von seiner Person, noch ein Dreifaches von der gottmenfchlichen Thätig- keit Christi, von feinem Werke an uns, ausgesagt: 1) der uns geliebet hat, L) der uns gewaschen hat von den Sünden mit seinem Blut, Z) der uns zu Kö- nigen und Priestern gemacht hat vor seinem Gott und Vater. Das ist ja das dreifache, glückselige Gefühl eines Kindes Gottes, von Jefu geliebt zu sein, durch ihn entsündigt zu sein, unter ihm ein Priester seines Reichs zu sein. (Vetter.) Wie Christus in jenen drei vorangehenden Bezeichnungent »der treue Zeuge und Erstgeborene von den Todten und ein Fürst der Könige auf Erden« als Heilsverkündiger, Heils«- werber und Heilsverwalter charakterisirt ist, so wird nunmehr ausgeführt, 1) welche Gesinnung ihn angetrieben hat, das Heil uns zu erwerben, L) wie er es an den Einzelnen vollbringt und Z) zu welch heiliger und seliger Gemeinschaft er sie damit er- hebt. (Fiiller.) Er liebt uns immer und ewiglich mit der Liebe, womit er sein Leben für uns gelassen hat, und zieht uns kraft dieser seiner Liebe zu sich, bis wir bei ihm und da find, wo Er ist, bis wir an seinem Herzen ruhen und ihm gleich sein werden als feine Mitverklärten (Joh. 17, 24; 12, 32; 1. Joh. 3, 2); er erlösete uns von unsern Sünden mit seinem Blut einmal für immer (Hebr. J, 12 ff.), als er für Alle mit seinem Blute eingegangen ist in’s Allerheiligste und damit eine ewige Erlösung erfunden hat; ebenso hat er uns einmal für immer, im Gegen- satz zur Knechtfchaft der Sünde, zu dem gemacht, was Gott von Anfang an mit seinem Volke vorhatte (2. Mof. 19, 6): »du sollst mir ein Königreich von Priestern und ein heiliges Volk sein«. Mit offenbarer Bezie- hung auf diesen Vorsatz des Bundesgottes sagt Jo- hannes wie zur erfiillenden Antwort: er machte uns Gott und seinem Vater zu einem Königreich, zu Priestern im Reiche Gottes, darin wir Reichs- genossen, fein heiliges Volk find und eben deshalb mit ihm herrschen: Joh. 17, 21; 1. Cor. S, L. (Sabel.) Was im alten Testament bloße Bestimmung war, ist nun beim neutestamentlichen Bundesvolk Thatsache ge- worden: er hat uns zu einem Königreich, d. h. zu einem ihm als dem Könige huldigenden Volke gemacht. Driickt das Waschen von den Sünden die Rechtferti- gung aus, so bezeichnet das Königreich, das er aus den Seinen macht, den aus der Rechtfertigung hervor- gehenden freiwilligen Gehorsam unter den Willen des Königs, besonders unter das königliche Gesetz der Liebe, sowie das organische Verbundensein aller Glie- « der des Reiches sowohl unter sich selbst als mit dem Haupte( Dieses Königreich aber besteht, wie der Bei- satz zeigt, aus lauter Priestern: wie die Genossen desselben in ihrer Beziehung zum HErrn dessen König- reich find, so sind sie in Beziehung auf ihre Mitmen- schen Priester, welche das Wohl derselben auf lieben- dem Herzen tragen, vor Gott, zu dem sie als dem Vater Jefu Christi freien Zugang haben, betende Hände für dieselben aufheben und sie durch Hilfe- leistung jeder Art dem HErrn zuzuführen trachten. (Kemmler.) H) Jhm sei die Herrlichkeit, vor der sich alle Kniee beugen mit Freuden, und ihm sei die Gewalt, ob auch alle Welt sich wider ihn auflehnen und alle Heiden wider ihn toben wollten, tief hinein in jene Ewigkeiten, die den Eivigkeiten folgen! (Lämmert.) Selig Alle, die in diese Huldigung mit einstimmen und der allbeherrfchendem weltüberivindendew weltheiligen- den Macht des HErrn gewiß sind, und darin im Stande der Gnade und des Friedens, in Geduld und Glauben ausharren bis ans Ende! (Sabel.) 7. Siehe [wie die Gesichte des vorliegenden Offenbarungsbuches zeigen werdens, er lJefus Christus V. 5 f.] kommt mit den Wolken szum Gericht über feine Feinde Matth.16, 27; 26, 64; Mark. 14, 62], und es werden ihn sehen alle Augen, Und linsbesondere werden ihn sehen] die ihn gestochen [d. i. getödtet Nicht. 9, 541 haben Kap. S, 15 ff.]; nnd werden heulen süber ihn, um seiner ihnen Strafe dringenden Ankunft willen, außer jenen auch] alle Geschlechter der Erde« sMatth 24, 30; Offenh 19, 11 ff.; 20, 11 ff.]. Ja, Amen [d. i. gewiß, er kommt Kav 22, 20]. 8. Ich bin das A und das O, der Anfang und das Ende [Kap.22,13; Jes.41, 4; 44, e; 48, 12], spricht der HErr, der da ist und der da war und der da kommt svgl V. 4], der All- mächtige» lgenanert der Allherrfcher, und setzt diese feine ewige Macht über die Welt zum Pfande dafür ein, daß es zu diesem Abschluß aller Dinge durch die Erscheinung Christi wahrhaftig kommen wird]. It) Jndem Johannes nach Aufschrift und Znschrift an die nachfolgende Einleitung (V. 9 ff.) und damit an das Buch selbst herantritt, hebt er in V. 7 und 8 damit an, daß er vor allem auf die, die ganze Zukunft beherrschende Thatfache der Wiederkunft Christi hin- weist und seine Leser versichert, wie das einstige Ein- treten derselben durch die ewige Allmacht Gottes ver- bürgt sei. —- Darin, daß die Offenbarung Johannis nicht in Jerusalem geschehen, sondern auf einer ein- famen Insel der Heidenwelt, auch nach V. 4 u. 11 ausdrücklich an wesentlich heidenchristliche Gemeinden gerichtet ist, hat man einen thatsächlichen Beweis dafür finden wollen, daß sie erst nach der Zerstörung Jeru- salems gegeben und also auch Johannes erst in der Christenverfolgung unter Domitian (reg. von 87—96 n. Chr.) nach Patmos verbannt worden sei. Jndessen war die Verwerfung Jsraels und der Stadt schon im J. 62 n. Chr. mit dem Tode Jakobus I1. entfchieden, wie aus Matth. 23,35 hervorgeht, und da wäre Jeru- salem sowenig eine geeignete Stätte für die Erscheinung des Verherrlichten und die Mittheilung der Offenbarung gewesen, wie irgend welche im Mittelpunkt des römischen Weltreichs gelegene Stadt, sondern nur eine gleichsam außerhalb des gegenwärtigen Weltlaufs einsam dalie- gende Felseninsel, wie Patmos, war dazu geeignet. Indem aber nach dem richtig verstandenen Inhalt des 6. Kapitels dem Seher die Zerstörung Jerusalems noch zukünftig ist, und daher das Kommen des HErrn in dieser Zerstörung noch in den Bereich der ihm zu Theil werdenden Weifsagung fällt, kommen die Worte: »fehen werden ihn alle Augen, und die ihn gestochen haben« zu voller Geltung, während diejenigen Ausleger, welche die Offenbarung erst einige Jahrzehnte nach Jerusalems Zerstörung geschehen sein lassen, diese Worte durch vergeistigende und verallgemeinernde Deutung um ihre am nächsten liegende und eigentlich allein zulässige Be- Des Johannes Verbannung nach Patmos, wo er die Offenbarung empfangen. 7 ziehung bringen müssen. Jn Sach.12, 10 geht die Weissagung: ,,sie werden mich ansehen, welchen jene (besser: sie) zerstochen haben«, auf welche Johannes unverkennbar hier zuritckweish auf JsraelsBekehrung, die durch Ausgießung des Geistes der Gnade und des Gebets bewirkt werden wird, und in solchem Sinne ist sie auch in Joh.l19, 37 angeführt; hier dagegen wird das Prophetenwort aufdiejetiigen von den Juden an- gewendet, welche im Unglauben beharret sind. Schon jetzt, bei der bevorstehenden Zerstörung Jerusalems, werden sie erschrecken müssen vor dem Zorn des Lam- mes; vollends aber bei seiner einstigeii Wiederkunft werden die auch bei der letzten großen Bekehrung des Volks verftockt Gebliebenen (Hes. 20, 38 f.) heulen müs- sen nach dem hingewendet, den sie so hartnäckig von sich gestoßen haben, und den sie nun wider ihren Willen als HErrn und Christ anerkennen müssen. it) Jm griech. Alphabet ist A der erste und O der letzte Buchstabe («4——52); mit A öffnet nnd mit O schließt sich in dieser Sprache, die ja zunächst die Sprache des neuen Testaments ist, der sprechende Mund; es will also obiges Wort besagen: ,,ich bin Derjenige, der durch sein Allmachtswort der Welturheber und der Weltvollender ist«. Nicht ganz das Gleiche ist gemeint, wenn der HErr sich weiter den Anfang und das Ende nennt: als A und O hat er seine Stel- lung über der Welt, als Anfang und Ende dagegen steht er innerhalb der Welt selbst; er ist der Urquell, von dem alle Dinge sind, und das Endziel, zu dem alle Dinge sind. Er ist es also, der die Zeit und das All trägt und dessen ewigem Rathschluß und Willen die Creatur trotz ihrer Freiheit nicht entrinnen kann; er ist es, dessen Willen und Gnadenrath sie entweder mit Freiheit sich fügt im Glauben, oder unter dessen Willen und Richtergewalt sie bricht, wenn sie wider ihn sich auflehnt, damit er bleibe, was er ist, der Herrscher über Alles. Der Ausspruch kommt hier aus Gottes des Vaters Munde und ist gleichsam das Siegel, das er unter die Ankündigung Jesu Christi, seines Sohnes, setzt: der in dieser Ankündigung summarisch bezeichnete Inhalt unsers Buchs wird gewiß und wahrhaftig in Erfüllung gehen; dafür bürgt der Allherrscher mit seinem eigenen Wort und Zeugniß von sich selbst. B. b. 9—2o. Juden: hierauf dee eeste scheute: Offenbarung beginnt, dessen Inhalt die sieben Send- schreiben an die 7 Gemeinden in üleinasien bilden, welche die Kirche aller Zeiten der aus den Heiden gesammelten Christenheit repräsentirem berichtet Johannes von Zeit und Ort, von Gelegenheit und Art des Gmpfangs dieser Send- schreiben llitht er selbst ist der Verfasser derselben, sondern der unter besonderen Umständen, auf der Insel seiner der— bannung nnd an dem heiligen Tage der Kirche, unter eigen- thümlichen Zeichen und Sinnbildern ihm ersrhienene Men- schensoljn hat ihm alles in die Feder dirtirt; und Der ist’s demc auch, der hernach mit jeder einzelnen Gemeinde redet je nach dem Stande ihres illhrisienthnms 9. Ich, Johannes fder Apostels, der auch [durch die Wiedergeburt aus Wasser und Geist] euer Bruder« fund also euch ganz gleichstehend, nicht über euch als ein besonderer Heiliger hin- weggeriickq und Mitgenofse an der Trübsal ist [welche von Seiten der sie hasfenden und ver- folgenden Welt den Gläubigen bereitet wird Matth 24, 9] und am Reich [das uns bereitet ist 1. Petri 5, 1] und an der Geduld Jesu Christi« swie sie in Leiden offenbar wird und gerade jetzt so noth thut], war [als ein Verbanneter] in der Insel, die da heißt Patmos, ldahin verwiesen, wie ihr wisset] um des Wortes Gottes uullen nnd des Zeugmsfes Jesn Christt."* i) Jn schlichter, kindlicher Demuth nennt er sich seinen Gemeinden gegenüber deren Bruder; denn so hoch und wichtig sein apostolifches Amt auch war, das Höchste, was er von sich zu sagen wußte, war doch, daß er ein Erlöster sei. Der Christ stand und steht überall, auch im« kirchlichen Beamten, höher als der Beamte; der letztere kann auch eine klingende Schelle fein, Andere läuternd und selber todt, der Christ im Amtstriiger ist der gediegene Kern. (Ebrard.) Johannes will die Offenbarung nicht als sein Werk hinstellen, er will ihr keinen Glauben beigemessen haben, weil Er der Verfasser sei: es ist und soll sein eine Offen- barung Jesu Christi, die deshalb, weil sie von Jefu Christo kommt, Glauben verdient, die auch, wenn sie einem andern gläubigen Bruder zu Theil geworden wäre, denselben Glauben verdienen und sich schon durch sich selbst, wie die an und für sich selbst einlenchtende Wahrheit, legitimiren würde. Prophezeiungen bedürfen am allerwenigsten der äußeren, menschlichen Legiti- mation. Es verhält sich mit allen neutestamentlichen Schriften gerade so: nicht weil sie von Aposteln her- stammen, verdienen sie Glauben, sondern weil sie von Gott eingegeben sind; Markus und Lukas, von denen wir so überaus schätzbare Schriften haben, waren ja« auch keine Apostel (Gräber.) W) Das Kreuz ist die Gegenwart der Kirche, durch das wir auch dies Buch verstehen nnd schätzen lernen, denn für die Kreuzgemeine ist es geschrieben; das Reich Jesu Christi ist die Zukunft, welche das Buch uns hoffen lehrt, und die Geduld ist der Weg dazu, den nicht zu verlassen dies Buch uns ermahnt. (Luthardt.) Es sind also Worte zugleich der innigsten Bruderliebe und des Troste-Es, welche er hier spricht, und es liegt auch der Gedanke darin verborgen, daß er die hohe Offenbarung nicht für sich allein, sondern auch für sie erhalten habe: 1. Joh. 1, 4. (Lämmert.) Mk) Patmos jetzt Patmo oder Palmosa genannt, ist eine der sporadischen Jnseln des ikarischen Meers, zwischen Naxos und Samos, unweit der kleinasiatischen Küste bei Milet gelegen (s. Karte IV. u. VlII.) Sie mißt etwa 9 Stunden im Umsange, ist von vulkani- schen, terrassenförmig sich erhebenden Felsenmassen ge- bildet und von lauter Christen bevölkern die durch Frömmigkeit, Sittlichkeit und Betriebsamkeit sich vor- theilhaft auszeichnen; der Boden jedoch ist wenig frucht- bar und die Jnfel deshalb nur spärlich bevölkern Auf der umstehenden Abbildung sehen wir ste von dem grö- ßeren, eigentlichen Hafen cie la« scala aus vor uns; auf der Höhe des Berges dahinter liegt die Stadt, deren festungsartiges Kloster am meisten in’s Auge fällt -— unten, zur Rechten der Stadt, auf einem der Hügel, steht die Schule des heil. Johannes, ein Klostergebäude, dessen Kirche über derjenigen Stelle einer darunter befindlichen Grotte erbauet ist, in welcher der Apostel soll seine Wohnung gehabt und die Offenbarung empfan- gen haben. Von jeher nun hat eine Verschiedenheit der Ansichten darüber geherrfcht, unter welchem römischen Kaiser Johannes nach Patmos verbannt worden sei; manche Kirchenväter (Tertullian, Clemens und Origines) nennen gar keinen Namen, einige (Eusebius in der Kirchengeschichte und Hieronymus im Katalog) den Domitian (reg. von 81——96), und wieder andere (Theo- 8 Offeub. Johannis I, 10. 11. Insel Vulmos (Pa1m0su). phylakt und der jüngere Hippolyt) den Nero (von 54——68), und selbst Jrenäus (geb. zu Smyrna um’s J. 140), der noch den Polycarpus einen« Schüler des Johannes, gekannt hatte, gewährt mit seinem Bericht: Jrpzg Ja? ists-ist Its; zioxrøytraisos ais-XI; keine Sicherheit, da es nicht, wie Eusebius die Worte aufgefaßt hat, heißt: ,,gegen Ende der Herrschaft Domitian’s«, sondern nur: ,,gegen Ende der Domitis ch en Herrschaft«, und dies ebensogut auf Nero bezogen werden kann, der mit seinem Vornamen urspriinglich Domitius hieß. Gesetzt aber·auch, die ganze Nachricht: ,,nicht vor langen Zeiten ist die Offenbarung geschaut worden, sondern beinahe an der Grenze unsers Menschenalters, nämlich gegen Ende der Domit1schen Herrschaft« müßte durchaus auf Domi- tian bezogen werden, so ist es doch sehr leicht möglich, daß sich schon zu des Jrenäus Zeiten ein Jrrthum in die Tradition eingeschlichen und man die Verbannung des Johannes nach Patmos mit seiner letzten Lebenszeit unter Domitian, wo er vielleicht abermals Schweres zu erdulden hatte, frühzeitig verwechselt hat. Welche unklar- heit bei den Kirchenvätern herrscht, ergiebt sich daraus, daß Hieronymus in seinem 1. Buche gegen Jovinian sowohl Nero als Domitian nennt, Epiphanius aber gar auf den Claudius verfällt; die Sache wird also lediglich aus inneren Gründen entschieden werden müssen. Da Ist es nun keineswegs, wie man gemeint hat, ein sicheres Merkmal für den Empfang der Offenbarung erst gegen Ausgang des 1. Jahrh nach Chr. unter Domitian, daß die Sendschreiben an die sieben Gemeinden in Kap. 2 n. 3 uns» in ·eine Zeit versetzten, wo ,,eine bedeutende Verderbniß, die nicht plötzlich, sondern langsamen Schritts zu wachsen und im Fortschreiten neue Kräfte zu erlangen pflegt, jene Kirche schon befallen hatte«; denn diese Send- schreiben stehen nicht, wie solche Meinung voraussetztz »auf gle1cher Linie mit den apostolischen Briefen, welche ihre Lehren und Unterweisungen auf Grund der gegen- wärtig schon vorhandenen Zustände ertheilen, sondern tragen prophetischen Charakter an sich und schauen das Zukünftige i1i ähnlicher Weise als bereits gegenwärtig, wie das Zeugniß-Lied des Moses in 5. Mos 32. Sie bleiben selbst für die Zeiten Domitians zum größten Theil ein unerklärliches Räthsel und gewinnen erst Farbe und Gestalt, wenn man sie in der zu V. 4 u. 20 ange- gebenen Weise auffaßt. Dagegen ergiebt eine dem pro- phetischen Wort des alten Testaments und Christi eigener Weissagung entsprechende Auslegung der sieben Siegel i1i Kap. G, mit welchen die Gesichte der Offenbarung ihren Anfang nehmen, daß die letztere noch in die Zeit vor der Führung des jüdischen Kriegs durch Titus fällt; Jerusalem ist noch nicht zerstört, sondern es soll eben jetzt das Gericht über die heil. Stadt und das vorer- wählte Volk Gottes, das seinen Messias und den Heiland der Welt an’s Kreuz geschlagen hat, zum Vollzuge kom- men, —- so hat uns schon der Jnhalt von V· 7 bezeugt, und so ist auch der Ausspruch i1i·Joh. 21, 22 zu ver- stehen, den man nicht einseitig auf das Kommen Christi in den Gesichten der Offenbarung beziehen darf, wenn man ihn nicht spiritUalistisch verflüchtigen will, sondern mit dem Wort in Matth.26, 64 zusammenhalten muß. Jst also Johannes noch unter Nero nach Patmos ver- bannt, so bildet gleich der erste Christenversolger unter den römischen Kaisern eine ganz geeignete zeitgeschichtliche Unterlage für die Weissagung vom Antichrist in Kap. 13 und 17. Und nun hat man schon damals, als nach Nero’s Untergang unter den Christen sich die Sage bildete, der- selbe sei nicht eigentlich gestorben, sondern habe nur über den Euphrat sich zurückgezogem um dereinst als Antichrist wieder zu erscheinen, eine im Allgemeinen richtige Ahnung des Geheimnisses von dem Thier in Kap. 17, 8—11 ge- habt, wenn auch die Anwendung auf Nero selber eine durchaus versehlte war; es hätte aber die Sage sich nicht bilden können, wäre nicht unser Buch schon damals Zeit und Art des Einpfanges 9 bekannt gewesen. Die Jnsel Patinos war ganz besonders zur Empfangnahme der Gesichte der Offenbarung geeignet: von da aus sah man wie von einer Centralwarte nach den drei Welttheilen Asien, Europa und Afrika aus und hatte die sieben Gemeinden, diese zunächst berufenen Ver- treter des neuen Volkes Gottes ans den Heiden, in einem Kreise sich gegenüber; hier also, in dieser Weltniitte aber doch zugleich in der Verbaniiung aus der Welt, empfing Johannes des HErrn Weissagung über die Ent- wickelung seines Reiches und über deren Zeiten und Wendepunkte. 10. Jch tvar swährend meines Aufenthalts auf Patmos] tm Geist« [befand mich einst im Zustande der Entzückung 1. Sam. 10, 10 Anms un des« HErrn Tage« lan einem Sonntage, nämlich am 19. Oktober des J. 66 n..Chr., s. Anh. II. zum VI. Bande: d, Absatz» 4—6], und hütete hinter mir ldenn die Erscheinung kam völlig angerufen, ohne das; ein Bitten darum meiner- seits vorausgegangen wäre] eine große- Stimme, als einer Posaune szum Zeichen, daß der HErr der Kirche dieser jetzt wichtige Mittheilungen machen wolle und dieselbe in mir gleichsam vor seinen Stuhl lade]« 11. Die spra : Jch bin das A und das O, der Erste nnd der Letzte [V. 8]; undsss ssprach dann zu niir:] was du siehest, das schreibe in em Buch sdamit es bewahrt bleibe auch für die zukünftigen Zeiten der Kirche], und sende es lnoch ehe· du selbst zu ihnen zUrÜckkehrstJ zu den Ge- meinden m Asien [V. 4], gen Ephefus sder Meutrer- gesineinde], und lvon da im Kreise herum] gen Ssmyrna und gen Pergamns, und weiter] gen Thyatira und gen Sardes und gen Philadelphia und gen Laodicea kvgt Karte vII1.]. s) ,,Jm Geiste sein« bezeichnet ein durch außer- ordentliche, wunderbare Geisteswirkungen herbeigeführ- tes Erfüllt- und Gehobensein, und ist s. v. a. entzückt sein (Apostg. 10, 10), das seinen Gegensatz hat an dem ,,bei sich selber« sein (Apostg.12, 11) oder dem gewöhn- lichen wachen Bewußtsein; der Verkehr mit der Um- gebung durch die Sinne ist da unterbrochen und ein Verkehr mit der unsichtbaren Welt tritt ein. (Ebrard.) ,,Jch war im Geis «, das heißt: mein Jch hatte die Verbindung mit dem Leibe gelöst, so daß es nicht mehr von ihm mitbestimmt und an seine Welt gebunden war, sondern einzig vom Geiste bestimmt wurde; ich war aus der Sphäre des Leibes ganz und gar in die des Geistes versetzt, so daß ich hierdurch nicht nur be- fähigt war, Uebersinnliches zu vernehmen, sondern es auch ohne jede Trübung und Verdunkelung zu schauen. Hierbei versteht es sich von selbst, daß nicht der Mensch es ist, der sich in solchen Zustand zu versetzen vermag, sondern daß ihm das von einer höheren Macht wider- fahrt. (Fiiller.) » »Es) Der Tag des HErrn ist der Tag der Auf- erstehung Christi als derjenige Tag, an welchem sich Christus vor allen andern als den HErrn kundgegeben (Röm.1,4); aus dem, was der HErr an diesem Tage gethan, folgte die Heiligung desselben durch die Kirche, und daß Johannes dieser Aufforderung genügte, sich versenkte in die todesüberwindende Kraft Christi, da- durch machte er sich fähig, an ihm die Offenbarung zu empfangen. Nur darüber kann noch ein Zweifel sein, ob unter des HErrn Tage (der Name war gewiß damals noch nicht üblich, sondern Johannes hat zuerst den Sprachgebrauch aufgebracht) der wöchentliche (Sonntag) oder jährliche Gedächtnißtag der Aufer- stehung (Ostersonntag) zu verstehen ist; beide waren schon im apostolischen Zeitalter aus der Reihe der übrigen abgesondert, und nun wäre der Ostertag gewiß ein tresflicher Tag für die Empfangnahme der Offen- barung, deren Grundgedanke der ist, das; Christus kommen wird, um seine Kirche aus dem Tode zu be- freien. Da es indessen feststeht, daß schon damals das Wochenfest der Auferstehung (in den heidenchristlichen Gemeinden) begangen wurde (Apostg. 20, 7 ; I. Cor. 16,2), so mußte jeder zunächst an dieses denken, wenn er von dem Tage des HErrn hörte; der Jahrestag konnte nicht schlechthin so bezeichnet werden, sondern nur mit einem auszeichnenden Beisatze, wie er bei den Kirchenvätern der heilige, der große, der glänzende HErren-Tag genannt wird. (Hengstenberg.) ist) Die Worte: Jch bin das A unddas O, der Erste und der Letzte; und — gehören nach sehr gewichtigen Handschrifteii unsers Buchs nicht i1i den Text, sondern müssen beseitigt werden, da der erschei- nende Menschensohn erst in V. 17s. dem vor seiner Herrlichkeit zusammensinkenden Johannes inittheilt, wer er sei (auch jene Bezeichnung nicht die des Sohnes, sondern nach V. 8 die des Vaters ist); hier giebt er zunächft nur dem Apostel in einfacher Weise Befehl, was er in Betreff der ihm zugedachten Offenbarung zu thun habe. (Kemmler.) s) Auf die Abfassung dieses Buchs, das Nieder- schreiben dertGesichte ist es sonach abgesehen; da aber Johannes nicht sofort, während der Entzückung, die Gesichte niederschreibt, so haben sich diese bis auf die kleinsten Einzelnheiten seinem Gedächtniß unauslösch- lich tief eingeprägt. Geist und Gemüth des Sehers ist nach der Ekstase von der Wirkung des Geschauten und Erlebten ganz erfüllt und hiiigenommen zu den- ken; er ist beherrscht von dem Zustande der Entzückung und kann nicht ruhen, bis er dem Befehle, und zwar mit der treuesten Gewissenhaftigkeit, unter fortwähren- der Spannung seines Geistes, Genüge gethan. (Sabel.) Da findet kein Bemühen statt, das Geoffenbarte durch den dafür gebrauchten Ausdruck Andern nahe zu bringen oder es auf seinen allgemeinsten Ausdruck zurückzu- führen, sondern nur es so wiederzugeben, wie es em- pfangen ist; von Plan und Absicht, von Bedacht und Sorgfalt kann da keine Rede sein, darum nimmt aber auch der Inhalt den Schreibenden mit sich fort: raschen Schrittes, mit kühner Rücksichtslosigkeit eilt der Bericht . von einem zum andern, unbekümmert, ob er noch so fremdartig laute, seines seltsamen Jnhaltes froh, auf- fallend in Worten wie in Sachen. (v. Hofmann.) H) Nach Maßgabe der Vision erscheinen vom Standpunkte des die Sendung des Buchs Befehlenden, also von Patmos aus, zwei ziemlich gerade Linien, in denen die Städte liegen: in erster Linie, von Süden nach Norden, finden sich Ephesus, Smyrna und Per- gamus; in der zweiten Linie, die von Norden nach Süden geht, liegen Thyatira, Sardes, Philadelphia und Laodicecr (Düsterdieck.) Wenn auf Befehl des HErrn an diese sieben Gemeinden ein Buch adressirt wird, das laut V. 1 allen Knechten des HErrn, d. h. der ganzen Christenheit zukommen und dienen soll, so wird damit ein Verhältniß zwischen diesen sieben Gemeinden und der ganzen Christenheit gesetzt; es muß zwischen beiden eine Beziehung geben, in welcher sich in diesen sieben Gemeinden irgendwie die ganze Christenheit darstellt. 10 Offenb. Johannis 1, 12——20. Jn »der That stellt sich auch in denselben die gesammte Christenheit aller Zeiten (bestimmter: aller Zeiten der Heiden, Luk. 21,24), die christliche Kirche dar, wie sie dem HErrn als dem ewigen Haupte seiner Gemeinde der Gegenstand seiner leitenden, entwickelnden Thätig- keit ist. Daß ihnen dies Buch gewidmet und gesendet wtrd,·wäre zu verstehen, auch wenn sie nur als diese damaligen sieben Gemeinden in Betracht kämen; aber daß sie hernach (Kap. 2 u. Z) selber Gegenstand einer Enthüllung werden, welche die Zukunft des Reiches Gottes zeigen soll, das begreift sich doch nur, wenn sie durch das, was sie dermalen sind, noch etwas Anderes bedeuten, als was sie dermalen sind. (Kliefoth.) Daß Johannes aufgefordert wird, an die Gemeinden zu sen- den,»zetgt, daß er das, was er sah, an demselben Orte auch aufschrieb (Hengstenberg.) 12. Und ich wandte mich um, zu schen nach der Stimme, die mit mir redete [von wem sie käme oder wem sie angehörte]. Und als ich mich wandte, sahe ich sieben güldeue Leuchtert sals Bild der sieben Gemeinden V. 11, in welchen sich die ganze Kirche darstellt Sach. 4, 5 Anm.]; 13. Und mitten unter den sieben Leuchtern ssich dadurch als den Mittelpunkt des von ihnen gebildeten Kreises, als den Bundesherrn der durch sie symbolisirten Kirche zu erkennen gebend, sahe ich] Einen, der war eines Menschen Sohn gleich sDan 7, 13], der war angethan mit einem Kittel seinem weiten, bis auf die Füße niederwallenden, glänzend weißen Gewand 2. Mos. 28, 31; Jes. S, 1], nnd begiirtet um die Brust mit einem güldenen Gürtel» « 14. Sein Hattpt aber und sein Haar [d. i. das Haar auf seinem Haupte Dan. 7, 9] war weiß wie weisse Wolle sJes 1,18J, sin richter Klarheit leuchtend] als der Schnee [Mark. 9, 3], nnd seine Augen lblitzend und durchdringend] wie eine Feuerflamme 15. Und seine Füße gleichwie Messing [Gold- erz, eine Mischung von Metallen, die das Gold an Glanz und das Erz an Härte übertrifft], das im Ofen glühet sein Aussehen hatte, als wäre es in glühendem Flusses, und seine Stimme lso gewal- tig daher rauschend] wie grosz Wasserrauscheniw [Dan. 10, S; Hes. 43, 2]. 16. Und set] hatte sieben Sterne in seiner techten Hand sderen Bedeutung er dann selbst dahin erklärte, daß sie Sinnbilder seien der Engel jener sieben Gemeinden V. 20], Und aus seinem Munde ging sals Sinnbild seines alles durch: dringenden Wortes und seiner alles mit einem bloßen Hauch der Lippen vernichtenden Allmacht] ein scharfes zweifchneidiges Schwert, nnd sein Angesicht leuchtete sin Majestät und Klarheit] wie die helle Sonnes wörtlich: wie die Sonne in ihrer Macht, d. i. wenn keine Wolke, Nebel oder Dampf ihren Glanz aufhält RichL Z, 31; Matth 17, 2]. ») Die gewöhnliche Unterweisung benennt die Dinge bei ihrem eigentlichen Namen; ein Gemälde stellt sie uns dar in Umrissen und Farben, die Vision aber giebt sie in einer Anschauung. Diese Visionen nun haben ungemein viel Aehnliches mit Gemälden, sie sind ganz besonders zu malerischer Darstellung geeignet, nur nicht so, wie es oft höchst unwahr und unkünstlerisch geschiehet, daß man z. B. bei Christo statt des Antlitzes eine wirkliche Sonne malt: so, d. h. in diesen Bildern, sah Johannes ihn nicht, sondern er sah eine wirkliche Menfchengestalh deren Antlitz nur wie die Sonne leuchtete. Das Bild gehört nicht der Erscheinung, sondern der Beschreibung an. (Gräber.) Johannes sieht zuerst die Gemeinden, dann erst Christum; dadurch wird angedeutet, daß er Christum hier nur in einer speziellen Beziehung, in seinem Verhältniß zu den Ge- meinden schaut. (Hengstenberg.) Leuchter sind die Gemeinden des HErrn als Träger seines Lichts, das mittels derselben ihrer ganzen Umgebung, in letzter Beziehung der ganzen Welt, zustatten kommen soll. Sie sind nicht selbst das Licht, sowenig als ein Leuchter für sich selbst leuchtet, sondern es ist das Licht des Geistes Christi, der durch Wort und Sacrament in der Gemeinde wirkt und nicht blos sie selbst erhellt, sondern sie auch zu einem Werkzeug der Erleuchtung für Andere macht. (Kemmler.) W) Die Kleidung Christi bezeichnet im langen Talar den Hohenpriestety der güldeue Gürtel den König; bei- des ist er in höchster Potenz, da er auch die Seinigen zu Königen und Priestern macht (V. 6), den Gürtel aber trägt er auf der Brust, nicht an der Hüfte. (P. Lange.) Jn Dan. 10, 5 erscheint der Messias mit dem königlichen Goldgürtel um die Hüften, zum Zeichen, daß er da seine Erscheinung im Fleisch, seine Knechts- gestalt, sein Dienen noch vor sich hat; jetzt sieht ihn Johannes in seiner erhöheten Gestalt, in seiner gött- lichen Ruhe und Majestät. (Sabel.) sitt) War die Kleidung des HErrn vorzugsweise Sinnbild seiner Amtswürde, so zeichnet die Darstellung seiner leiblichen Erscheinung mehr die persönlichen Eigen- schaften des verherrlichten Menschensohnes Selbst bis aufs Haar, das sonst, zumal im Morgenlande, dunkler gefärbt ist, erstreckt sich das Lichte, Glänzende der ganzen Erscheinung; das weiße Haar erinnert aber auch zugleich an den bekannten Schmuck der höheren Lebensjahre, ohne deshalb die Schwäche des Alters in sich zu schlie- ßen —— er ist Der, der an Alter die graueste Vorzeit überragt (Joh.8,58), und ist die wesentliche Weisheit (Spr.8,22 ff.l. Zu der Weisheit gesellt sich bei ihm die Allwissenheih kraft deren er Herzen und Nieren prüft und an’s Licht bringt, was im Finstern verborgen " . Und wenn er einherschreitet in seinen Gerichten, vermag ihm nichts zu widerstehen; wer sich irgend die- sem Manne mit den Füßen von glühendem Giildenerz widersetzt, wer sich dem ehernen Gang seiner Rathspnüsse und Verhängnisse in den Weg stellt, der wird von seinen Füßen zertreten und verbrannt — sein Weg führt über jeden hinweg, der nicht mit ihm ist. Und wie er nun in diesem Buche unabwendbar hereinbrechende, den ganzen Weltbestand zerstörende Gerichte Verkündigt, so ist auch seine Stimme gleich dem Gebrause gewaltig heran- stürzender, alles übersluthender Wasser. (Kemmler.) Die Gemeinde des HErrn soll wissen, von wem ihr die Offenbarung zu Theil wird; das wird nun aber nicht im Wort für’s Ohr, sondern im Zeichen für’s Auge ausgedrückt. Uebersetzen wir diese Zeichenschrift in die gewöhnliche Sprache, so giebt steh der HErr als den in priesterlich-königlicher Macht in seiner Gemeinde Wal- tenden zu erkennen; er waltet aber in ihr als der Gestalt und Selbsterklärung des erscheinenden HErrn Sein Auftrag an Johannes. 11 Heilige, dessen Feuerblicke nichts entgeht und der alles ihm Yiißfällige verzehrt, und als der Gewaltige, der, was sich ihm und ihr friedlich in den Weg stellt, niedertritt oder, wie der folgende Vers besagt, mit dem Schwert seines Mundes vertilgt. f) Sterne bedeuten Lehrer, Sterne aber in der Hand des ewigen Königs der Wahrheit sind die rechten Sterne, denen dieser Name in wesenhafter Zei- chensprache eignet. Christus hat die Siebenheih die zur Heilsverniitteluiig wesentlich erforderliche Summe von Sternen in seiner Rechten, gleichwie er inmitten der sieben Leuchter als in seinem Eigenthum wandelt; sie em- pfangen von ihm ihre Mission und Instruktion, ihr Amt und ihre Vollmachh durch sie vermittelt er seinen Geist und dessen Kräfte und Gaben, sein Licht und Leben an die sieben Gemeinden, sie sind die lebendigen mensch- lichen Zeugen dessen, was sie von ihm empfangen, was sie geglaubt und erkannt haben. Was sonach in den Gemeinden an Licht und Leben in Christo vorhanden, ist ihr Werk (Röm.10,17), und insofern sind sie die Hüter der Gemeinden und für deren Bestand, in Gutem und Bösem, verantwortlich; aber das Predigen kommt aus dem Worte Gottes, daher zu den Sternen in seiner Hand hinzukommen muß das aus seinem Munde hervor- gehende zweischneidiga scharse Schwert, das Wort seiner Lippen, das durchdringt bis zur Zertheilung von Seele und Geist, von Gelenken und Gliedern, und scheidet die Begierden des Herzens (Hebr.4,12). Mit ihni über- windet und richtet er also die Welt — nicht durch Ge- walt und nicht durch Kraft, sondern durch meinen Geist, spricht der HErr (Sach.4,6). Ohne dies Wort keine Heilsvermittelung; es vollzieht die Scheidung zwischen Gott und Welt, die Aussonderung der Kinder des Reichs von den Kindern der Bosheit bis zum Endgericht, in welchem es zum Vertilgungsschwert wird, von dem die Gottlosen zum ewigen Tode getroffen werden (Kap.19, 15 u. 21; Jes.11,4). Das; aber mit der Erschei- nung des HErrn zum Gericht über die antichristisch gewordene Welt zugleich die volle Verherrlichung des- selben und seines Reiches ihren Anfang nimmt, und bis zur Erneuerung des Himmels und der Erde sich in ihrer Vollkraft entfaltet (Kap. 20 u. 21), darauf deutet das dritte Zeichen in diesem Verse, das zugleich das siebente in der ganzen Beschreibung seiner Personen- gestalt ist, sein Antlitz, das wie die Sonne leuchtet in ihrem Vollglanz; es versinnbildet die völlige Aus- scheidung alles ungöttlichen Wesens, den völligen Sieg über Nebel und Wolkengebilde der sündigen Erde, die die Kraft der Sonne» verdecken und behindern. (Sabel.) 17. Und als ich ihn sahe, fiel ich svon sol- chem Anblick IiberwältigtJ zu seinen Füßen als ein Todter* [ es. e, 5; Hes.1,28; Den. 8, 17; 10, 9]; nnd er legte szum begleitenden Zeichen der durch sein Wort mir zuzuführenden neuen Lebenskraft] seine rechte Hand auf mich nnd sprach zu nur: Furchte dich nicht sdieser Zusprizch kommt in der heil. Schrift 300 Mal vor], ich bin [nach meiner wahrhaftigen Gottheit] der Erste und der Letzte [V. 11], 18. Und der Lebendige lder das Leben hat in ihm selbst Joh.«5, 26; 5. Mos. 32, 40]. Jch war lals des Menschen Sohn] todt lum der Sünde der Welt willens; nnd siehe, ich bin sum des Lebens der Welt willen] lebendig von Ewigkeit zn Ewigkeit lRöm. 6, 9 ——— hierauf folgt in vielen Handschristen erst noch ein ,,Amen«], nnd halte snachdem mir der Vater Macht gegeben über alles Fleisch Joh 17, 2] die Schlüssel der Hölle foder Unterwelt Hiob 7, 9 Anm.] nnd des Todes« ldie volle Macht über sie, daß ich aus der Hölle heraus- führen und dagegen in den Tod aus ewig hin- schicken kann, welche ich will, ohne daß jemand diesem Hinschicken widerstehen oder jenes Heraus- führen hindern könnte] 19. Schreibe [nun, nachdem ich für den Zweck in meiner Majestät mich dir offenbart und von deinem Schrecken darüber dich wieder aus- gerichtet habe, daß du den Austrag in V. 11 mit einem recht verfaßten Herzen erfüllen könnest], was du kjetzt in V. 13——16] gesehen hast sals von hoher Bedeutung für meine Knechte V. 1], Und fschreibe ferner mit dem, was ich in Kap. 2 u. 3 dir in die Feder diktiren werde] Was da ist ldie gegenwärtigen Zustände der Kirche ein- schließlich ihrer Entwickelung bis zum Ende hin], Und lweiter mit dem, was ich dir von Kap. 4 an zeigen will] was geschehen soll darnach sun- mittelbar nach der jetzt schon eingetretenen Gegen- wart]»; « 20. sUnd schreibe mit dem, was du in V. 13—16 gesehen, zugleich] Das Geheimnis; der sieben Sterne, die du gesehen hast in meiner rechten Hand [was dieselbigen zn bedeuten haben; denn darauf kommt für meine Knechte zum rech- ten Verständniß des ganzen Bachs viel an], und fmit diesem Geheimnis; auch] die sieben güldetlen Leuchter sin V. 12, was diese zu bedenten»haben]. Die sieben Sterne [um ihr Geheimnis; dir denn sofort zu enthüllen] sind Engel fdie Hirten und Lehrer oder Vorsteher Hagg I, 13; Matth. 18, 14 Anm.] der sieben Gemeinden sals die über die Seelen wachen und verantwortlich dafür· sind Hebt. 13, 17], und die sieben Leuchter, die du gesehen hast, sind sieben Gemeindenlli V) Johannes war nicht blos in Folge seiner Sterb- lichkeit und Menschlichkeit (2. Mof. 33,20), sondern auch durch die Einseitigkeit der Erscheinung des HErrn in V. 13——16 geängstigt; daß der HErr ihm hier, wo es die Enthüllung der zu erwartenden Zukunft galt, vor- zugsweise als der richtende und strafende König, und dabei wesentlich nur als der Menschensohn erschien, das erschreckte den Johannes in die Seele aller Gläu- bigen und Menschen, und darum ergänzt der HErr das Bild, pas seine Erscheinung gab, durch die Ver- sicherung, daß er nichts desto weniger dabei der ewige und lebendige, ja der zur Erlösung der Menschheit ge- ftorbene und auserstandene Gottessohn sei. (Kliefoth.) . »Es) Hiermit ist die eigentliche Schilderung des HErrn, welche mit V. 12 begann, geschlossen; die verschieden- artigen Züge finden wir dann Kap. 2 u. Z in den sieben Sendschreiben vertheilt wieder. Zu Ephesns (2, 1) redet, der da hält die sieben Sterne in seiner Rechten, der da wandelt mitten unter den sieben giildenen Leuchtern; zu Sinyrna (2,8) spricht der Erste und der Letzte, der 12 Offenb Johannis 2, 1—3. todt war und ist lebendig geworden; zu Pergamus (2, 12), der da hat das scharfe zweischneidige Schwert; zu Thyatira (2, 18) der Sohn Gottes, der Augen hat wie Feuerflammen, und seine Füße gleichwie Messing; zu Sardes (3, 1), der die Geister Gottes hat und die sieben Sterne; zu Philadelphia (3, 7) der Heilige, der Wahrhaftige, der da hat den Schlitssel Davids, der aufthut, und niemand zuschließh der zuschließh und nie- mand austhut; und endlich zu Laodicea (3, 14) der Amen, der treue und wahrhaftige Zeuge, der Anfang der Creatur Gottes — jenes Amen gehört also mit in den Text hinein. (Gräber.) Das Gesicht von dem in- mitten der sieben Leuchter waltenden Menschensohn ist nicht ein einzelnes, nur Einzelnes zeigendes Gesicht, sondern hat eine durchgreisende und grundlegende Be- deutung für das ganze Buch; es stellt den HErrn dar, wie er inmitten seiner Kirche zu ihrer Entwickelung und Vollendung sein Walten hat, und so, wie er hier dargestellt wird, will er gedacht sein durch das ganze Buch und bei allem, was es enthält. (Kliesoth.) Daß es jedoch hier sich speziell um die ans den Heiden ge- sammelte Kirche handelt, darüber vgl. zu Col. I, 27. IN) Die Sterne sind Engel der Gemeinden, d. i. ihre von Gott bestellten und von seinem Angesicht er- leuchteten Führer und Wegleiter in der Dunkelheit; so führete ein Stern die Weisen des Morgenlandes zu dem neugeborenen König der Juden, und Daniel (12, Z) vergleicht diejenigen, so Viele zur Gerechtigkeit weisen, mit Sternen, die da leuchten sollen immer nnd ewig- lich. (Lämmert.) Es ist leicht zu sagen, wie die Ge- meinden durch Leuchter versinnbildlicht werden können: ein Leuchter ist nicht selbst Licht, sondern er trägt das Licht; das Licht selbst ist Christus, von ihm hat die Ge- meinde ihr Licht und läßt es leuchten. »Das Licht scheint in der Finsterniß«, sagt Johannes im Evangelio (1, 5), »und die Finsterniß hat es nicht ergriffen-«; die Gemeinde aber hat es ergriffen und strahlt nun in seinem Licht, und wer sich will erleuchten lassen, der kommt zu ihr, der weithin leuchtenden Stadt auf dem Berge, dem Leuchter für die Welt. (Füller.) Alle nur denkbaren Zustände, die sich in der Kirche im Großen und Ganzen oder in den einzelnen Gemeinden bis zur Wiederkunft des HErrn (richtiger: bis zu der mit Kap. 10 beginnenden Zeit) darstellen können, Zustände, die aus der heil. Gottessaat oder aus der Unkrautssaat des Feindes und ihrer gegenseitigen Durchdringung oder auch Bekämpfung hervorgehen, finden sich gerade in diesen von dem HErrn ausgewählten sieben Gemeinden; gerade darum sind sie geschickt, als Bild der Gegenwart der Kirche, in der der Apostel lebt, ein Typus für die gesammte Kirche (während der Zeit der Heiden) und eine Weissagung auf ihre Entwickelung zu sein. (Stef- fann.) Die sieben Gemeinden sind die natürlichen Keime der Heidenkirche der Zukunft (4. Mos. 12, 15 Anm.) oder, in einem andern Bilde, die Zettelung des Gewebes, dessen Einschlag die Zukunftsgeschichte bildet; die be- stimmte Ordnung aber, in der sie auf einander folgen, nöthigt uns, die Gemeinde zu Ephesus für den Typus der ersten, und die Gemeinde zu Laodicea für den der letzten, also auch die fünf übrigen, in der Mitte lie- genden Gemeinden für die Typen der verschiedenen Mittelstationen der christlichen Weltentwickelung an- zusehen. An den ihm vom HErrn selbst enthüllten Zu- ständen der Gegenwart dieser Gemeinden hatte Johannes einen Halt und eine sichere concrete Orientirung zum Verständniß der nachfolgenden Weissagung des Zukünf- tigen. (Sabel.) Wie an dem güldenen Leuchter der Stiftshittte drei Lampen links und drei rechts vom Schaste standen, eine aber befand sich oben auf dem Schaft (2. Mos.25,31ff.), so giebt es auch eine alte, mittlere und neuere Zeit der Kirchengeschichtq von den drei Gemeinden der alten und der neueren Zeit ist jedesmal die mittlere die untadelhaste. (Clöter.) Das 2. Kapitel. Pier 5endsitjreibeir, die vor falscher Lehre. warnen nnd zur gtestandigkeit ermahne-n. I· b.1——7. Das Sendsctsreibeit an Gphesug zeigt eine Gemeinde, die zwar Schärfe und Klugheit, aber wenig Liebe besitzt; darum wird ihr das Lob zu Theil, daß sie die Bösen nicht tragen kann und versucht habe, die da sagen, sie seien Apostel, und sind es nicht, aber auch der matt: und Bein erschiitternde Tadel: »ich habe wider dich, daß du die erste Liebe lässest§ nnd die ernste Drohung, daß, wenn die Gemeinde nicht Buße und die ersten Werke thun würde, der HGrr ihren Leuchter hin— wegstoßen werde von seiner Stätte. ——— Wir haben in dieser Gemeinde den Typus der apostoltschen Christen— heit, wie sie bis zu den sechziger Jahren des 1. Iahrh sich ausgestaltet hatte, vor uns: noch treibt falscher In— daigmiis sein Wesen und schon ist das tjeidenthiim im Begriff, die Kraft des Evangeliums durch sein sittliches verderben zu zersetzenz was aber zur Abwehr dagegen von den treuen Gliedern der Kirche geschieht, geschieht nicht im Geist der ersten Liebe, und so wird mit der Zeit auch Streitsurht und gehässige Leidenschaft suh der Thristenheit bemächtigen, das Ende aber dieser alten Kirche wird sein dag berschlungenwerden der Länder, in denen ße ihre Stätte hat, von dem ittluhamedanisinuu 1. Und dem Engel der Gemeinde zu Ephe- susk schreibekk Das saget, der da hält [ge- nauer: festhält, so daß niemand sie aus seiner Hand reißen kann, wenn er sie schützen will, aber auch niemand» sie erretten kann, wenn er sie ver- derben will] die sieben Sterne in seiner Rechten, der da wandelt mitten unter den sieben giildenen Letlchternspkl lwirksam und sein Bundesverhältniß allezeit bethätigend unter ihnen waltet 3. Mos 26, 12]: Z. Jch weiß deine Werke lkenne dein ganzes Wirken, dein innerstes Wesen mit allen seinen· Aeußerungen im Thun und Lassen], Und [f. v. a. nämlich] deine Arbeit sMühe in Ausrichtung dessen, was dir befohlen ist] und deine Geduld sAusdauer im Bestehen der Schwierigkeiten, die sich dabei dir in den Weg stellen], Und das) du die Bösen lwelche unchristliches oder gar wider- christliches Wesen in die Kirche einschleppen und darin zur Geltung bringen wollen] nicht trugen kannst lsondern läßt sie dir unausstehlich sein], Und haft lunberiickt von jenem prüfungslosen En- thusiasmus, der alles, was glänzt, sogleich für Gold hält] versucht die, so da sagen, sie seien Apostel, und sind es nicht, und hast sie Lügner erfunden; 3. Und verträgest Dagegen, während du die Bösen nicht tragen magst, das Böse, das sie da- Sendschreiben I) an die Gemeinde zu Ephesus 13 für dir amhun 1. Petri 2, 191 und haft Geduld [im Leiden], nnd um meines Namens willen sihn in Geltung zu erhalten und mein Reich auszu- breiten] arbeitest du und bist nicht müde wurdens V) Die Stadt Ephesus lag am Abhange der Berge Coressus und Prion auf der linken Seite des Verehrer der Göttin verkauft, was eine reiche Erwerbs- quelle für die Gold- und Silberarbeiter bildete. Der Apostel Paulus kam zuerst naeh Ephesus auf seiner zweiten Missionsreise, als er von Korinth durch Klein- asien auf das Pfingstfest des Jahres 54 nach Jerusalem reiste, konnte sich aber dort nicht aufhalten, sondern ließ Aquila und Priscilla, mit denen er reiste, zurück, und fchifsbaren Flusses Cahster, unweit der Mündung des- selben in das ikarische Meer, das einen Theil des ägäischen Meeres bildet, also an der Wesikiiste von Kleinasiem die Burg der Stadt erhob sich auf einem Felsen, der Hafen (Panormus) lag an der Mündung des Cayster Vgl. zu Apostg II, I. Bei der Einwanderung der Jonier in Kleinasien wurde die längst schon bestehende Stadt unter Anfüh- rung des Androklus in Besitz genommen, erweitert und zur Hauptstadt der zwölf jonischen Städte gemacht; nachher wurde sie von Crösus erobert, kam dann unter persische und macedonische Herrschaft, und unter den Römern war sie die Hauptstadt des proconsularischen Asien Sie war sehr berühmt als große Handelsstadh noch mehr aber als Hauptsitz des Cnltus der großen Göttin, welche von den Griechen mit dem Namen der ephesifchen Artemis (Diana) belegt wird; es ist dies die große asiatische Naturgöttin Tanajtis oder Anajtis, deren Dienst sich über einen großen Theil Vorderasiens verbreitete. Jhr Tempel zu Ephesus galt für eins der sieben Wunderwerke der Welt; der Bau desselben, zu welchem König Crösus und andere Städte Kleinasiens beigetragen, dauerte 220 Jahre, Herostratus aber, um seinen Namen unsterblich zu machen, zündete ihn in derselben Nacht an, in welcher Alexander der Große geboren wurde. Es wurde nun ein neuer, noch präch- tigerer Tempel erbaut, wozu die ephesischen Frauen allen ihren Schmuck hergaben, und wurden von dem- selben, woraus die Geschichte in Apostg.19, 23 ff. sich bezieht, kleine silberne Modelle gemacht und an die diese bekehrten den Apollos zum Glauben (Apostg.18, 19 ff.); auf seiner dritten Missionsreise nahm er dann nach einem Zwischenaufenthalt ins Antiochien und einer Visitation in Galatien und Phrhgien für längere Zeit seinen Sitz in der so wichtigen Stadt und schrieb von da aus namentlich den Brief andie Galater, aber auch noch einige andere (vgl. die chron. Uebersicht in den Schlußbenu zum Nömerbriefh bis er dann zu Pfingsten 57 nach Macedonien und Corinth sich wendete und hier den Winter über verblieb (Apostg. 19, I—20, 2). Von hier aus kam er in der Zwischenzeit zwischen Ostern nnd Pfingsten des Jahres 58 auf seiner letzten Reise nach Jerusalem an Ephesus vorüber, entbot aber die Aeltesten der Gemeinde nach Milet und nahm einen herzergreifenden Abschied von ihnen (A.postg. 20,»3——38). Es folgte jetzt (von Pfingsten 58 bis zum Frühjahr 63) die Gefangenschaft in Cäsarea und Rom (Apostg. 20—28); von Rom ans sandte der Apostel seinen Brief an die Epheser durch Tychicus Nach der Hinrichtung des Paulus im Jahre 63 hat dann Johannes von Antio- chien aus sich nach Ephesus gewendet, ist aber um’s Jahr 65 oder 66 n. Chr. nach Patrnos verwiesen worden, wo er 2—3 Jahre in der Verbannung zubrachte Its) Die sieben Sendschreiben, die allerdings die eigentliche Briefnatur nicht an sich tragen, sondern streng genommen nur »Warte des HErrn« von solcher Art sind, wie wir sie schon bei den Propheten des alten Bundes finden, haben alle in der Form viel Gemein- sames, woraus die Zusammengehörigkeit derselben her- vorgeht; sie bestehen 1) aus dem Befehl, dem Engel 14 Offenb. Johannis L, 4——6. der Gemeinde zu schreiben, und bezeichnet sich der den Befehl an Johannes ertheilende HErr jedesmal mit einem, aus dem Gesicht in Kap.1, 13—18 entlehnten besonderen Prädikat, wie es dem Jnhalt des Schreibens entspricht (vgl·Anm.zu1,18); L) aus der Anrede an den Engel oder Vorsteher der Gemeinde, der aber mit dieser zu einer Einheit zusammengeschlossen und gleich- sam als ihre Verkörperung gedacht ist; in dieser Aurede wird ein Zeuguiß über den Stand der Gemeinde aus- gesprochen, eine Ermahnung zur Buße oder zur Be- ständigkeit daran geknüpft und zugleich das, was folgen wird, angekündigt; Z) aus dem Schluß, eine Ver- heißung an den Ueberwinder und das Erweckungswort: »wer Ohren hat zu hören, der höre« enthaltend. Jn den drei ersten Schreiben geht dies Erweckungswort der Verheißung voraus, in den vier letzten folgt es ihr nach, und werden auch hierdurch, gleichwie durch ihre geogra- phische Lage, die ersten drei Gemeinden und die letzten vier in je eine besondere Gruppe zusammengefaßt Eis) Die Gemeinde zu Ephesus war der Mittel- punkt der kleinasiatischen Kirche, theils wegen der Be- deutsamkeit der Haupt- und Handelsftadt als solcher, theils als Sitz der beiden Apostel Paulus und Jo- hannes; sie war unter den sieben Gemeinden diejenige, welche den allgemeinen Typus der apostolischen Kirche Kleinasiens, ja in jener Zeit, wo der einzige noch lebende Apostel in ihr wirkte, den Typus der apostolischen Kirche überhaupt in sich trug, daher an sie das erste Schreiben ergeht. Und wie von dort aus Johannes die andern Gemeinden leitete, so kündigt sich ihr der HErr an als Den, welcher alle sieben Sterne in seiner Hand hält und zwischen den sieben Leuchtern wandelt. (Ebrard.) f) Zweierlei also sind die Werke der ephesinischen Gemeinde: 1) Arbeit in dem HErrn (1.Cor.15,58; 1. Thess l, Z; Hebt. S, 10), L) Geduld im Leiden; beides wird dann näher entwickelt: die Arbeit besteht darin, daß sie die Bösen nicht zu ertragen vermag und die falschen Apostel prüft und entlarvt; die Geduld darin, daß sie das Uebel verträgt und um des Namens Christi willen duldet, ohne müde. zu werden. (Ebrard.) Jn Arbeit und Geduld war der Engel der Gemeinde zu Ephesus ein redlicher Knecht des HErrn; die Pflege einer so zahlreichen nnd verschiedenartig zusammenge- setzten Gemeinde brachte wohl viel Arbeitslast mit sich, aber er ging derselben nicht aus dem Wege, suchte sie weder abzuwälzen noch sich leichter zu machen, sondern mühete sich mit Drangabe aller seiner Kräfte; und so schwierig die Verhältnisse einer Stadt wie Ephesus auch waren, unter so mannigfacher Anfeindung von Juden und Heiden, sowie von falschen Brüdern, er auch zu wirken hatte, die Geduld, die Ausdauer verließ ihn nicht. Sowohl jene Arbeitstreue als diese Geduld be- währte er aber ganz besonders im Kampf gegen alles Ungöttliche in seiner Gemeinde. Die Bösen, die er nicht zu ertragen vermochte, waren wohl verwerfliche, lasterhafte Ntenschen im Allgemeinen, wie sie in einer großen, üppigen Handelsstadt leicht auch in die Ge- meinde eindringen konnten; ihnen und dem durch sie gegebenen Aergerniß gegenüber übte er eine scharfe Kirchenzuchh er konnte es nicht über’s Herz bringen, sie gewähren zu lassen, sondern schritt ernftlich und energisch gegen sie ein. Schwieriger war die Arbeit gegenüber solchen Verführern, die den Schein eines geist- lichen Wesens hatten, ja ein hohes geistliches Ansehen in Anspruch nahmen, indem sie vorgaben, sie seien Apostel; es waren dies offenbar Leute von demselben Schlag, der schon dem Apostel Paulus soviel zu schaffen machte (2.Cor.11, 13. 23), Juden, die unter dem Vor- wand, es mit den ächten Aposteln, mit Petrus und mit den erwählten Zwölfen zu halten, den Heidenapostel und seine Predigt von der Gerechtigkeit aus dem Glau- ben bitter verfolgten, ja wohl vorgeben mochten, von Jesu Christo selbst oder wenigstens von seinen Aposteln unmittelbaren Auftrag zu haben oder selbst Apostel zu sein. Aber auch diesen Leuten gegenüber war der Engel zu Ephesus nicht von seiner Berufspslicht zurückgewichem er hatte muthig den Kampf gegen sie aufgenommen, sie und ihre Anfprüche offener, furchtloser Prüfung unter- worfen und sie auf diesem Wege als Lügner erfunden und entlarvt. Dieser unbestechliche Eifer hatte ihm nun freilich erbitterte Gegner und Anfeindung aller Art zugezogen; aber wie er im Kampfe gegen verfüh- rerische Jrrthiimer und gegen das Böse überhaupt seinen Arbeitseifer an den Tag legte, so bewahrte er auch seine Geduld und Ausdauer hauptsächlich gegenüber den Widrigkeiten, die ihm dieser Kampf bereitete, sofern er dieselben theils geduldig ertrug, theils sich dadurch nicht in seiner Berufspflicht ermüden ließ. Man sieht, er hatte die Ermahnung, welche Paulus bei seinem Ab- schied den Aeltesten zu Ephesus gab (Apoft»g. As, 28—31), nicht vergessen und ahmte dem Apostol m fernem Eifer nach. (Kemmler.) Daß die falschen Propheten zu Ephesus sich für Apostel, also für unmittelbare Gesandte des HErrn selbst ausgaben, weist auf eine Zeit, in der noch apostolisches Ansehn und apostolische Vollmacht besonders empfehlende Attribute des Lehramtes waren und falsche Lehrer sich gern solches Ansehen beilegten, also auf die Zeit vor der Zerstörung Jerusalems; später trat kein Jrrlehrer mehr auf, der sich den Apoftelnamen ange- maßt hätte. (Sabel.) 4. Aber ich habe wider dich svgl V. 14 u. 20], daß du die lnach anderer Lesart: deine] erste Liebe swie sie im Anfang deines Glaubens- lebens vorhanden war Apostg 19, 19 f.] ver- lässest« b. Gedenkh wovon du gefallen bist san dei- nen früheren herrlichen Stand, an die fchöne Zeit deiner jungen Liebes; und thue Buße, und thu die ersten Werke sd. i. Werke, wie die erste Liebe sie vollbringt] Wo aber sdu das] mcht [thust], Werde tch dir lnämlich zu deinem Verderben] kommen bald und deinen Leuchter wegstoßen von seiner Stätte sso daß du keine Stelle mehr hast unter den Gemeinden, am wenigsten eine so her- vorragende wie jetzt], wo du swie gesagt] ulcht Buße thust fwerde ich dir das thun]. 6. Aber fund das gewährt Hoffnung, daß es mit dir so weit nicht kommen werde, wie mit andern Gemeinden] das hast du sim Vorzug vor denen zu Pergamus und Thyatira V. 14 u. 20], daß du die Werke der Nicolaiten hassest, welche ich auch hassetk Ei) Jn allen sieben Sendschreiben redet der HErr nicht die Gemeinde als solche, sondern ihre Bischöfe und erst in ihnen die Gemeinde an. Daraus folgt erstlich, daß der Vorsteher und die Gemeinde zusammengehörem sodann, daß der Vorsteher der Gemeinde nicht deren Beamter, sondern ihr Engel ist, den der HErr ihr ge- sandt, seine Botschaft an sie auszurichten; nicht er ist von ihr, sondern sie von ihm abhängig, denn feine Ephesus, Typus der späteren aposiolischen Kirche 15 Tugenden wie feine Versündigungen drückt er der Ge- meinde auf. (Steffann). Rein in der Lehre und rein im Wandel wollte dieser ernste Hirte sein Ephefus haben, und seine Arbeit hatte hierin wohl auch guten Erfolg. Aber nicht nur rein, sondern auch innig, liebevoll will der HErr die Seinen haben; das heilige Gottes- lamm hat uns auch geliebt bis in den Tod, und nicht die Reinheit, sondern die Liebe ist das Band der Voll- kommenheit Diese Liebe, woran es auch von Paulus mehrmals gemahnt worden war, hatte Ephesus verlassen. »Deine erste Liebe«: so lauten die Worte —— was für eine Liebe? Wir wollen nicht so fragen; die Liebe, sagt der HErr, also die ganze, volle, tiefe, weite Liebe, die Liebe zu Gott und zu den Brüdern, die allgemeine und die Feindes-liebe, die innerliche des Herzens wie die äußere der That. Also von der Liebe kann auch der weichen, welcher mit hohem Ernst fiir gute Sitte und reine Lehre große Freudigkeit zur Uebernahme vieler Arbeit, ja des Kreuzes verbindet; und die Liebe ist ge- rade dann in Gefahr zu erkalten, wenn man im Eifer um den Namen, d. i. die Ehre des HErrn, alle Ge- rechtigkeit herstellen will. (Lämmert.) Die Gefahr liegt nahe, daß, wenn eine einzelne wichtige Aufgabe durch den Drang der Uinstände der Kirche gestellt wird, dahin sich alle Kraft toncentrirtx die Gefahr auch nahe, daß man die Anklagen des Gewissens über die Vernach- lässigung der andern Seiten dadurch beseitigt, daß man nnverwandt den Blick« auf die einseitige Virtuosität richtet. Wo in solchem Zustande das ,,thue Buße« überhört wird, da wird gar bald auch der christliche Gehalt der einzigen noch bleibenden Tugend, und somit diese selbst, gefährdet; alle Einseitigkeit endet damit, daß auch die Eine Seite zu Grunde geht. (Hengstenberg.) Welch eine Liebe beseelte die erste Christengenieinde zu Jerusalem, als sie alle Dinge gemein hielten und Ein Herz und Eine Seele waren! welch eine Freude war es, daß sie gewürdigt worden waren, um des Namens Jesu toillen Schmach zu leiden! welch ein Gebetseifer, als die Stätte sich bewegte, wo sie versammelt waren! Es hat nicht lange also gedauert! Diese Zustände wieder- holen sich auch in andern Gemeinden; Paulus rühmt an den Galatern (4,11f.): »als einen Engel Gottes nahmet ihr mich aus, ja als Christum Jesum 2c.« Und so erfährt’s jeder gläubige Christ bei seiner Belehrung, wenn er Vergebung der Sünden vom HErrn empfängt; die Macht der Liebe Gottes, die alle Sünden des ganzen Lebens in einem seligen Augenblicke hinwegnimmy und der Blick in die Wunderwege der göttlichen Gnade ver- schlingt für’s Erste alles Andere. Während dieser in das Herz gelegte Keim des neuen Lebens sich ausdehnt und entfaltet, sollte er nicht an innerer Kraft abnehmen, sondern vielmehr zunehmen; es findet aber gewöhnlich leider das Gegentheil statt, so daß die meisten ihr Aeußerstes damit zu thun haben, diesen neuen Lebens- keim zu bewahren, daß er ihnen nicht durch die List des Teufels und die Versuchung der Welt und die Trägheit und Gemächlichkeit des eigenen Fleisches gänz- lich entwunden werde. Die äußere Form des christ- lichen Lebens bleibt bestehen, aber es fehlt an innerem Leben, es giebt auch noch Werke, Arbeit, Mühe, auch noch Aufopferung, Verleugnung, Geduld, aber alles vor- wiegend als Werke der Pflicht Sie entspringen nicht mehr aus dem Feuer der ersten Liebe; ja weil das Herz diese innere Leere fühlt, will es den Mangel durch Werke, Arbeit und geduldiges Leiden ersetzen. Allein es gefällt dem HErrn nicht, es sind nicht die ersten Werke. Es ist eine große Gefahr mit diesem Zustand verbunden; die Ursache dieses innerlich flauen Zustande-s ist darin zu suchen, daß die Seele den inneren Gebetsumgang mit dem HErrn bernachlässigt, so daß sie nicht mehr aus der Fülle der Gnade schöpft, sie erbittet sich nicht und bekommt darum auch nicht neue Vergebungsgnade, und darum auch keine neue Liebe; die Trennung zwischen der Seele und dem HErrn wird immer größer, das Herz immer scheuer, der unbekannten und unvergebenen Sünden werden immer mehr, und das Leben des Glau- bens, welches noch da ist, zieht sich fernerhin auf einen immer engeren Punkt zurück und wird immer äußer- lichen Wo soll das hinaus? Bleibt die Seele auf diesem Wege, so ist Verderben gewiß das Ende; nur in einer erneuerten Buße und Bekehrung ist wieder ein neuer Anfang und darin die erste Liebe zu ge- minnen· (Gräber.) Die erste Liebe ist die ursprüng- liche selige Empfindung der Liebe Gottes und Christi, des wundervollen Erbarmens, das dem Sünder, dem verlorenen Sohne, mit dem Kusse des Vaters (Luk. 15,20) widerfährt, und durch welches er aus seinem Elend, seiner Gottgeschiedenheit und Entsremdung in den Gnadenstand der Gotteskindschafh des himmlischen Wesens und Lebens in Christo versetzt worden ist; sie macht innig, brünstig gegen die Brüder, die gleicher Erbarmung theilhastig geworden, milde, barmherzig gegen alle Sünder, sie ist die Liebe zum HErrn, die von der Liebe gegen alle Menschen untrennbar ist. (Sabel.) Die Gemeinde zu Ephesus stellt den Typus der apostolischen Zeit und Kirche so allseitig wie wenige dar. I) Schon das ist ein bestimmt die apostolische Zeit charakterissirender Zug, das; der Gemeinde Arbeit mit Mühe bis zur Ermüdung, und Geduld, die an der Arbeit trotz der Mühe aus- hält, darnach aber auch das zum Lobe nachgesagt wird, daß sie die Bösen nicht tragen kann; denn wie die apostolische Kirche, hat doch keine spätere im Weinberge des HErrn gearbeitet, und wenn auch die spätere Kirche die Elemente der gemeindlichen Zucht nie ganz hat fallen lassen, so lag es doch in ihren Verhältnissen, da sie es mit dem Nachwuchs und den Völkermassen zu thun bekam, daß sie ihre Schuldigkeit gegen die Bösen nie so wie die apostolische Kirche gethan hat. L) Wenn ferner der Gemeinde gesagt wird, sie habe versucht die, so da sagen, sie seien Apostel, und find es nicht, und habe sie Lügner erfunden, so konnte nur eine aposto- lische Gemeinde in die Lage kommen und fähig sein, solche Ansprüche auf das Apostelamt zu untersuchen; ja, es führt uns dieser Zug sogar in die früheren Zeiten der apostolischen Kirche zurück, in denen das faden- christliche Element noch behaupten konnte, in der christ- lichen Kirche das zuerst und zumeist berechtigte zu sein. Z) Weiter besaß die Gemeinde die Liebe zu dem HErrn und zu den Brüdern nicht mehr in ihrer ersten Frische und Wärme, ein Theil ihrer Vorzüge gehörte der besseren Vergangenheit an, doch waren etliche derselben, wenn auch in abgefchwächtem Maße, ihr noch verblieben; das ist wiederum ein recht die apostolische Kirche charak- terisirender Zug, denn nirgend ist die erste Liebe größer und der Abfall von derselben fchroffer und greller ge- wesen, als in dieser Kirche. (Kliefoth.) M) Diese Sekte der Nicolaiten stammt nach alten Nachrichten von dem antiochenischen Judenge- nossen Nicolaus, einem der sieben Almosenpfleger zu Jerusalem (Apostg. S, 5), ab; da ihm, erzählt Clemens von Alexandrien (s· um 220 n. Chr.), die Apostel wegen der Eifersucht, die er um seine schöne Frau bezeigte, einen Verweis ertheilten, sagte er sich öffentlich von derselben los mit Berufung auf ein Wort, das er selber früher gesagt: man müsse das Fleisch noc9az9s7gsat, was er in dem Sinne meinte: ,,ertödten«, was aber auch heißen kann: ,,mißbrauchen«, d. i. seine Verachtung 16 Ofsenkx Johaunis g, 7——9. gegen dasselbe dadurch zu erkennen geben, daß man ihm in zügelloser Weise fröhne und sich so gegen seine Lüfte abstumpfe Diesen letzteren Grundsatz hegten denn die Nicolaitein sie ergaben sich einer zügellose? Fleischlichkeih welche ungescheut allen Lüsten diente, un gaben vor, der freie Geist werde nicht davon berührt; ungewiß bleibt aber, inwiefern Nicolaus für seine eigene Person aus jener ursprünglichen überstrengen Geist- lichkeit v hernach in dieses andere Extrem zügelloses: Fleischlichkeit »verfallen,»was Jedoch wenig wahrscheinlich ist, da er niemals mit einem andern Weibe sichf zu schaffen machte und seine Kinder in strenger Zucht zielt, oder aber nur die nach ihm benannte Sekte seinen us- spruchin die gegentheilige Meinung verkehrt nnd sich mit seinem Namen geschmuckt hat, um ihre Bloße zu- zudeisceln Jn seigertsszszssixzzung vkin der Frdciu lågvsffkenx ar ion eine a a i)e er ennung er ei ig ei der Ehe und des Weibes, und diese konnte nun leicht zu einer förmlichen Entsittlichung der Ehe und» des ge- schlechtlichen Wesens führen, die geborenen Heiden von Haus aus so nahe lag« wie die Judenchriften einer ängftlichen GefetzlichkeitJ so waren die Heidenchristen dem Mißbrauch evangelifcher Freiheit zur Zügellosigkeit des Fleisches ausgesetzt. Jn Ephesus nun trieben die Nicolaiten ihr Wesen mehr praktisch, wie es scheint, daher in V. 6 von ihren ,,Werkeii« die Rede ist; in Pergamus dagegen waren die Grundsätze der Partei schon in ein förmliches, mit Gnosticismus (V. 24) in Verbindung stehendes System gebracht, darum wird in V. 15 ihre ,,Lehre« genannt. 7. Wer O ren [ enauer: ein Ohr] at der » A - » horet [Ma·tth.11,15; 13, o. 43], was der Geist den Gemeinen sagt fwas ich, der Heere, durch ldeäijGegä derRWåisscågrtingz dehn hGfexneinlfn sage? ae: er uer me wa r a üerwme, denn der bisherige Sieg über die Bösen und die Jrrlehrer ist guten Theils nur ein scheinbarer, weil er mit dein Verlust der ersten Liebe erkanft worden], dem Will ich sdaß er mit mir das ewige Leben habe 1. Joh. g, 25] zu essen geben von dem Holz des Lebens, das im Paradies Gottes if «« ldaß er einst im Reiche der Vollendung auf derdnesixisen Frxiesldgs selige un? Im Ewigkeit wäh- ren e ara ie e e en mi genie e. - r) Dies Wort bildet eine merkwürdige Berührung der Apokalypse mit den drei ersten Evangelistem ganz besonders mit Matthaus; an die Stelle der Ohren dort tritt aber hier, und ebenso in Kuh. 13, 9., das Ohr. »Der geistliche Sinn des Verstehens kann durch den Singular bezeichnet werden, weil er nur einer ist, und durch den Plural wegen des entsprechenden leiblichen Organs; irgend welche Veränderung aber kommt in der Schrift bei solchen Wiederholungen in der Regel vor, um darauf hinzuweisen, daß die An- eignung eine lebendige und selbständige ist. (Hengsten- be Vg-) W) Das Erste in der Verheißung der sieben Briefe ist das Letzte und Höchfte in der Erfüllung: Kap. 22, L. 14 u. 19. (Vengel.) Die Verheißung hat eine doppelte Beziehung. Znnächst paßt sie auf den Gegensatz der Nicolaitent versprachen diese den Jhrigen irdischen Ge- nuß, so will der HErr viel bessere Speise den Seinen geben, von welchen die Reizungen einer köstlichen Tafel überwunden werden; sodann deutet das Schlußwort des Briefes ebenso wie dessen Anfang auf das Paradies, in nielchem ja einst auch Gott der HErr wandelte — wer den Versucher überwindet, soll nun auch vom Baum des Lebens essen, wie es den ersten Menschen zugedacht war, wenn sie überwunden hätten. (Lämmert.) Jene Gemeinde zu Ephesus ist jetzt, weil sie des HErrn Rath verachtete und den Glauben und die Liebe verleugnete (man denke nur an die ephesinische Räuber- shnode vom Jahre 449), sammt dieser im Alterthuni so weit berühmten Stadt von der Erde verschivundety nur ein Steinhaufen und elende, schmutzige Hütten, von Türken bewohnt, sind noch übrig, und kein einziger Christ wohnt mehr darin. — Der Brief Pauli an die Epheser wird in der ganzen Welt gelesen, aber zu Ephesus liefet ihn niemand. (Dittmar.) Nachdem die Stadt noch lange Zeit geblüht hatte, wurde sie 1391 dem türkischen Reiche einverleibt und wahrfcheinlich von Tamerlan im Jahre 1402 zerstört. Die Ruinen haben gegen 4 Meilen im Umfang; an der Stelle liegt jetzt ein elendes Dorf: Adschah Sol-etc, dessen Name von hagios theologos (d. i. heiliger Gottesgelehrter), wie die Griechen den Apostel Johannes nennen, abgeleitet wird. (Völter.) II. d. 8—11. Die Gemeinde zu Smyrna steht im Eri- den, allerlei tesedräiignih Armuth uiid Schmach siiid ihr Theil, und etliche: aus ihr wartet noch das Gefängniß; der HTrr spricht ihr Trost zu, doch ermniitert er sie auch, sieh nicht zu fürchten niid Treue bis zum Tode zu bewahren, und verheißt solcher Treue zum Ersatz siir die erlitteiie Schmach den Ehrenkranz des Lebens, und dem tleberwiiiden welchen die Ungerechtigkeit hienieden in Bande schlug, daß jener tiefste Kerker, der andere Tod, ihn nie berühren solle. — Diese Gemeinde, wie auch der mit ,,Myrthe« Verwandte tllame andeutet, ist das Bild der xmärtyrerliirche der ersten Jahrhun- derte; unendlich viel Träbsal war ihr beschieden, nnd irdisiher Segenslohn wurde ihr nicht zu Theil, wohl aber der himmlische des ewigen Lebens. S. Und dem Engel der Gemeine zu Smyrnal schreibe: Das saget der Erste und der Letzte [Kap."22, 13., der auch in den Seinen das an- gesangene gute Werk hinausführt bis an’s Ende], der todt war Und ist sdurch die Auferstehung wieder] lebendig worden» [Kap. 1, 17 f.]: 9. Ich weiß (deine Werke und««) deine"Triib- sal ldurch Feindschaft und Verfolgung verursachte Bedrängniß Kap.1, 9], und lzwar znnächst] deine Armuth, d1i bist aber reich-s [Luk. 1-2, 21; Jak. 2, Z; 2. Cor 8, g; e, 10], und die Läfterung [als wäre dein Glaube an mich als den Sohn« und Christ Gottes gotteslästerlich Matth. 26 63 ff. oder als schlöffe er eine Empörung wider den römischen Kaiser ein Jus. 19, 121 von denen, die da lmit Stolz] sagen, sie si1id Juden, und sind es nicht snicht das Jsraei Gottes Gar. e, 16], sondern sind des Satan SchuleH soder Ge- meine; denn der ist der Mörder von Anfang und Vater der Lüge Joh. 8, 44., und in seine Ge- meine gehören, die von demselben Mord- und Lügengeist besessen sinds. E) Die uralte, hochberühmte ionische Handelsstadt Smyrna wurde, am Ausfluß des Hermus im nord- öftlichen Winkel des von ihr benannten Meerbusens, Sendschreiben L) an die Gemeinde zu Smyrna, den Typus der Märtyrerkirche 17 von dem Thessalier Thesus gegründet und lag 8 Meilen nördlich von Ephesus; von den Lhdiern zerstört, bestand sie lange Zeit nur aus einzelnen schwach bevölkerten Dörfern, bis einer von Alexanders des Großen Nach- folgern, Antigonus, sie 72 Meile weiter südlich am Südende des Meerbusens wieder ausbaute Auf dem Berge Mastusia stand die Burg, die prachtvolle Stadt selber aber mit ihren geraden Straßen, vielen Tempeln und einem Theater breitete sich dem Meer entlang in der Ebene aus und machte auf den Ruhm Anspruch, die Vaterstadt des Homer zu sein, der in dem Engthal des Meles, Paradies genannt, seine Grotte gehabt habe. Sie war damals eine der schönsten und volkreichsten Städte Asiens ,,Ueber die Stiftung der dortigen Ge- meinde und deren Verhältnisse zur neutestamentlichen Zeit haben wir weitere Nachrichten nicht; aus dem ge- spannten Verhältnisse aber, in welchem sie nach unserer Stelle zu den Juden stand, dürfen wir wohl schließen, daß sie von vornherein aus Heiden gesammelt ward. Sie würde dann auch dadurch eine spätere Entwickelungs- stufe an der Kirche repräsentiren; denn die früheren apostolischen Gemeinden entstanden, wie die zu Ephesus, in den Judengemeinden und breiteten sich von da aus unter den Heiden aus«« Eis) Jn Kap. 1, 18 hatte Christus auf fein ewiges Lebendigsein trotz dem Tode verwiesen, hier verweist er auf fein Wiederlebendiggewordensein nach dem Tode, auf seine Auferstehung; er hat Grund dazu, denn er will die Smhrnenser trösten, welche gleich ihm bis in den Tod treu sein sollen. Auf daß sie den leiblichen Tod nicht scheuen, erinnert er sie daran, wie er durch seine Auferstehung denselben überwunden und Macht habe, auch sie aufzuerwecken (Ebrard.) EIN) Die Werke passen hier nicht, denn sie können nur da erwähnt werden, wo guter oder böser Thaten gedacht wird und daraus das an sich unbestimmte Wort nähere Bestimmung erhält; hier aber ist nur von Lei- den die Rede. (Hengstenberg.) . f) Die Christen zu Smyrna gehörten, wie dies auch sonst von den Gläubigen der apostolischen Zeit Dächserss Dir-etwas. v11. Band, e. Noth. 2. Aufl. bezeugt ist (1.Cor.1, 26 ff.), den ärmeren Klassen der Bevölkerung an, und diese Armuth trat im Gegensatz zu dem sonstigen Glanz und Reichthum der Stadt um so stärker hervor und mochte wohl auch der dortigen Christengemeinde eine gewisse schüchterne, gedrückte Hal- - »Z- -: tung geben. Dieser leiblichen Armuth gegenüber sagt nun der HErr: ich kenne sie, weiß aber, daß du mitten in deiner Armuth reich bist, reich an Glauben, reich in Gott. (Kemmler.) Da die Armuth zwischen die Trüb- sal und die Lästerung gestellt ist, muß sie mit beiden in Zusammenhang stehen: die reichen Juden reizten durch ihre Verlenmdungen die heidnischen Gerichte gegen die Christen auf, und diese in ihrer Armuth (vgl. Jak. L, 5 ff.) hatten die Mittel der Vertheidigung nicht, waren schutz- und rechtlos. (Kliefoth.) » H) Der fleischliche Hochmuth der Juden und ihr ungöttlicher Gesetzeseiser war schon zur Zeit des Apostel Paulus die Ursache ihres eigenen Unglaubens und ihrer Feindseligkeit wider die Christen, die sich auch in fal- schen lästernden Anklagen kund that, unter welchen die althergebrachte wegen Aufruhrstiftung (Luk. 23, L) bei den Heiden am meisten gelten mochte (Apostg.17,6f.), um so mehr, wenn dies zu einer Zeit geschah, in wel- cher die römische Obrigkeit wegen des Krieges in Judäa doppelt wachsam und mißtrauisch sein mußte. (Düster- dieck.) Die Juden rühmten sich ihres Namens: Juden und Kinder des Reichs, Mitglieder der Gemeinde des HErrn (4. Mos. 31, 16), war ihnen Eins; in diesem Sinne genommen war aber der Name, den sie sich bei- legten, eine Anmaßung da gab es keine andern Juden, als die, welche die wahren und innerlicheu Merkmale der Mitgliedschaft des Reiches Gottes an sich trugen, und das waren keine andern als die Christen (Rötn. 2, 28 f.; 9, 6 s.). Wegen ihres Hasses gegen die wahre Kirche nun nennt sie der HErr Satans-Schule oder Gemeinde: das Wort ,,Shnagoge«, welches dafür im Grundtext gebraucht wird, kommt bei Jak. 2, 2 noch von der Gemeinschaft oder Versammlung der Christen vor; »aus Grund unserer Stelle aber erhielt das Wort unter den Christen eine üble Nebenbedeutung, und gewöhnte man 2 18 Offenb. Johannis Z, 10——13. sich nun daran, die Synagoge der Juden der Kirche (ecclesia.) der Christen entgegenzusetzen (Hengstenberg.) Der HErr selber spricht hier den Juden nach dem Fleisch, die nun zur verheißungslosen Judenschaft herab- gesunken sind, die Stellung ab, das erwählte, rechte Volk Gottes zu fein, und spricht diese Bedeutung viel- mehr den ans den Heiden gesammelten Christen zu; die Gemeinde zu Smyrna repräsentirt also eine spätere Stufe der Entwickelung der Kirche, als Ephesus, wo das jüdische Element sich noch in den inneren Verhält- nissen geltend machte, denn die da vorgaben, sie seien Apostel (V.2), konnten nur solche sein, von denen es möglich war, daß sie den HErrn gesehen und mit ihm verkehrt hatten (Apostg.1,22f.; 2.Cor.11, 22). Wollte man versucheih in wenigen Worten die Geschichte der Märtyrer in den apostolischen Zeiten bis auf Constantin darznstellem so würde man der kurzen Beschreibung, die der HErr von Smyrna giebt, weder etwas hinzu- zufügen, noch davon abzunehmen haben. 10. Fürchte dich vor der keinem, das du [ferner noch und viel schwerer, als bisher] leiden ivirstk Siehe, der Teufel wird etliche von euch 1n’s Gefängniß werfen swas ich ihm für den Zweck werde zulassens auf daß ihr versuchet wer- det [1. Mos 22, 11, und werdet Trübsal haben zehn Tage. Sei [aber in solcher genau bemesse- nen Trübsalszeiq getreu bis an den Tod, so will ich dir die Krone des Lebens [Jak. I, 12z 1. Petri 5, 4] gebeickk is) Ueber hundert Jahre später, 167 n. Chr., brach unter dem Kaiser Markus Aurelius über die Gemeinde zu Smyrna eine surchtbare, von Juden angeschürte Verfolgung aus, über welche sie selber in einem Schrei- ben an die Gemeinden in Pontus berichtet. Dieser Kaiser, den die Profangeschichte unter die edelsten Er- scheinungen der Kaiserzeit zählt, hat in die Kirchenge- schichte seinen Namen mit Blut eingezeichnet, und die beiden Verfolgungen zu Smyrna in Kleinasien und zu Lugdunum und Vienne in Gallien (im J. 177) gehören zu den blutigsten, deren die Geschichte Erwähnung thut; sie unterscheiden sich von den früheren besonders durch nunmehrige Aufspürung der einzelnen Christen und durch Anwendung von Martern, um sie zum Abfall zu zwingen. Er, als stoischer Philosoph, war von philo- sophischem Dünkel befangen, vermochte im Christenthum nichts Anderes zu erkennen, als theoretisch eine neue Erscheinungssorm des alten Aberglaubens und praktisch einen Ansatz zum Umsturz der bestehenden staatlichen Ordnung; in letzterer Hinsicht ordnete er eine strenge Bestrafung der Christen durch verschiedene Martern zur Tilgung der Verbrechen an, in ersterer erblickte er in der Todesfreudigkeit der Christen nur Schwärmerei, meinte, das Sterben müsse mit Ueberlegung und Würde geschehen, ohne Gepränge, und hielt es der Mühe gar nicht erst werth, sich mit der christlichen Glaubenslehre bekannt zu machen. Als die Verfolgung über Smyrna ausbrach, war Bischos der Gemeinde Polykarp, ein Schüler des Ap. Johannes und nun schon im hohen Greisenalter stehend. Der Proconsul von Kleinasien suchte zuerst die Christen durch Bitten und Drohungen zum Abfall zu bewegen, und als das nicht half, wendete er die Marter an. Mit Geißeln zerfleischh daß alle Muskeln und Adern unbedeckt lagenjauf spitzige Pfähle gelegt u. s. w., blieben die Märtyrer jedoch standhaft; und wer standhaft blieb, wurde den wilden Thieren vorgeworsen. Solange es die Pflicht gebot, war Po- lykarp, der Lehrer Asiens, der Vater der Christen, der ,,Zerstörer unserer Götter«, wie die Widersacher selbst ihn nannten, der Verfolgung ausgewichem als nun aber die Reihe auch an ihn kam, bereitete er sich durch mehrttigiges Gebet, weigerte sich seinen Richtern gegenüber, dem HErrn zu fluchen, dem er 86 Jahre gedient und der ihm nie etwas zu Leide gethan, und den König zu lästern, der ihn errettet habe, und bestieg den Scheiterhaufen mit Lobpreisung Gottes, daß er ihn gewürdigt, an der Zahl seiner Zeugen und am Leidenskelch Christi Theil zu nehmen, worauf er, weil die Flamme ihn nicht verzehrte, mit dem Schwerte durchbohrt wurde. Es geschah dies am Ostersabbath des Jahres 168 oder 169, so daß »das »der todt war« und ist lebendig worden« in V. 8 noch eine besondere Beziehung erhält; nach seiner Hinrichtung wollte der Proconsul es nicht wissen, daß noch mehr Christen vor- handen wären, und erscheinen da auch die 10 Tage in V. 10 in einem eigenthümlichen Lichte, sein Tod drückte der Verfolgung das Siegel aus und beendigte sie. Was die eben erwähnten ,,zehn Tage« betrifft, so bezeichnen sie unter den kurzen Zeiträumen den längsten (1. Mos· 24, 55; 1. Sam. 25, Eis; Dan. I, 12); es wird die Zahl gesetzt, welche die Einer abschließt und also etwas Ganzes, Vollständiges in sich schließt, aber doch das Gebiet der Zehner oder Hunderte nicht herritt, also ein Maß» an- giebt, welches das Vermögen nicht überfchreitet, wenn es auch ein großes ist (1. Cor.10, 13). Da wir in- dessen die Tage im prophetischen Sinne = Jahren zu rechnen haben (Kap. 10, 7 Anm.), so ist in die Verfol- gung zu Smyrna die in Gallien, welche 10 Jahre später unter demselben Kaiser ausbrach, mit einge- schlossen; auch in ihr mußte ein hochbejahrter Bischof, der 90jährige Photinus, sein Leben lassen, und ist sie überhaupt das vollständige Seitenstück zu der, um welche es bei Smyrna sich handelt. Uebrigens bemerke man noch, daß gerade 10 Christenverfolgungen zu rechnen sind, und ist somit Smyrna der Typus der Märtyrerkirche der ersten Jahrhunderte überhaupt, wie wir oben sie bezeichneten. Vgl. zu Kap. 8, 1. «) Smyrna, die Myrrhe, die Bittere, soll über- schwänglich getröstet und alle ihre Bitterkeit der Trübsal in süße und selige Freude verwandelt werden. (Gräbe»r.) 11. Wer Ohren hat, der höre, was der Geist den Gemeinen sagt [V. 7]: Wer umwindet, dem soll kein Leid geschehen von dem andern Tode lKap 20, 6 u. 14]. »Wer überwindet, erhält nicht nur ein herrliches Gut (V. 10), sondern er entflieht auch einem furcht- baren Uebel: wer könnte sich wohl bedenken, wenn ihm die Wahl gestellt ist zwischen dem gewöhnlich so ge- nannten, dem leiblichen, und dem andern Tode, der ewigen Verdammniß, die diejenigen erwartet, die nicht treu sind bis zum Tode!« (Vgl.Matth.10,28.) Beim Zerfall des morgenländisch-römischen Reichs kam Smyrna 300 Jahre lang an die Genuefen; 1402 ließ der Tartar Timur hier einen Thurm aus Menschenköpfen errichten. Mehrmals, zuletzt noch 1856, ward die Stadt von Feuer und Erdbeben verheert; dennoch ist sie heute noch die größte Stadt Kleinasiens, von mehr als 120,000 Einwohnern Bevölkert, darunter auch viele tausend Christen, selbst die evangelische Kirche hat dort ihre Stätte, und ein durch Diakonissen von Kaiserswerth bedientes Ho- spital giebt Zeugniß von der Lebenskraft des in Liebe thätigen Glaubens. III— b.12—17. Der Gemeinde zu perganius bezeugt der thGrr standhaft» Festhalten an seinen! iilameic unter Sendschreiben Z) an die Gemeinde zu Pergamus 19 sehr schwierigen lliustiiicdeik doch muß er sogleich ihr ikässiglieit gegen die Verführt-c zu heidnisrhent Unwesen vorwerfenz dafür soll sie Buße thun, damit sie nicht zu ihrem Schaden erfahren müsse, daß er selbst mit jenen lleuten kriegen werde durch das Schwert seines Mundes, den dleberwindern aber verheißt er zu essen zu gehen von dem verborgenen Manna und ihnen einen weißen, mit einem neuen dlamen beschriebenen Stein zu ver- leihen. — An dem Zustand dieser dritten Gemeinde haben wir das Bild der Kirche vor uns, wie sie, nach— dem in den Versolgungen mehrerer Jahrhunderte der Balalr des römischen lskaiserthums ihr nichts hat liönnen anhaben (4. alles. 22,1sf.), nun desto größeren Schaden durch die lliileamspolitili erlitten, indem seit dem Ueber- tritt der römischen Kaiser zum Christenthum besonders die morgenländisuygrieihische Kirche durch kaiser- lirhe Gunst und Hoftheologie sich zum Essen der Götzen- opferspeise und zur weltbuhlschaft verleiten ließ und so dem Gäsareopapismus verfiel. 12. Und dem Engel der Gemeinde zu Per- gamnst schreibe; Das sagt, der da hat das scharfe zweischtieidige Schwert« [Kap. 1, 16]: 13. Ich weiss, swas du thust nnd —- diese Worte find unächt:) wo du wohnest lnämlich an dem Orts, da des Satans sdes Berklägers Kap. 12, 10] Stuhl ift sindem er sich förmlich daselbst etablirt hats; und hältst an meinem Namen sals des einigen rechten Heilandes der Welt 1. Joh. 4, 14 fest], und hast meinen Glauben soder den Glauben an mich Röm Z, 22] nicht verläugneh auch in den Tagen sschwerer Heimsuchung], in Pergamuny war eine Stadt im Thale des Caikus mit dem sich hier der Selinus und der Cetius vereinigt, 6 Stunden vom elaitischen Meerbusen entfernt, in der kleinasiatischen Landschaft Mysien; sie lag am Fuße eines hohen, kegelförmigen Berges, auf welchem die feste Burg sich befand, und stand durch den schiffbaren Caikus mit dem Meere in Verbindung. Die Zeit ihrer Grün- dung ist ungewiß; ihre Bewohner, schon zu Xenophoms Zeit vorwiegend Griechen, leiteten sich aus Arkadien ab und führten den Namen-der Stadt auf Pergamus Sohn des Pyrrhus und der Andromache, zurück, welcher den früheren König der Landschaft im Zweikampf er- schlagen habe. Jm Jahre 284 v. Chr. hatte Lhsimachus die Beste von Pergamus mit einem Schatz von 9000 Talenten dem Philetärus zur Bewachung anvertraut, dieser aber, von jenem um des tödtlichen Hasses seiner Gemahlin Arsinoä willen abfallend, bemächtigte sich der Stadt und gilt als Stifter des pergamenischen Reichs, obwohl er für sich selbst noch nicht den Königstitel an- nahm; dessen Nachfolger hießen alle entweder Attalus oder Eumenes, von welchen Eumenes II. das Reich um den größten Theil von Vorderasien erweiterte und in seiner Hauptstadt eine Vibliothek anlegte, die mit der von Alexandrien wetteiferte und die Veranlassung zur Verfertigung des nach der Stadt benannten Pergaments gab. Nach 155 Jahren ward das Reich von den Rö- mern in eine Provinz verwandelt nnd Pergamus, der Mittelpunkt aller Hauptstraßen Westasiens, Sitz eines Obergerichts. ils-i) Es war ein weit vorgeschobenen beständig an- gefochtener Posten, den die Christengemeinde zu Perga- mus mit ihrem Engel mitten im Feindesland inne hatte; daher entbeut sich der HErr diesem Engel als derjenige, der da hat das scharfe, zweischneidige Schwert. Mrgamna welchen Animus, mein treuer Zeuge, bei ench getödtet ist, da [wie sich bei dieser Gelegenheit so klar an den Tag gelegt hat] der Satan wohnet.«"« P) Pergamus (oder nach gewöhnlicher Form Dieser Titel war ihm zunächst tröstendes Zeugniß, daß der HErr selbst mit ihm und für ihn ftreite und mit der unwiderstehlichen Schärfe seines Schwertes alle Mächte der Finsterniß niederschlagen werde. Er war ihr aber auch eine ernste Mahnung, denn der HErr ZEI- 20 Ofsenb. Johannis L, 14—-17. hat ein Schwert, das nicht blos nach Einer Seite schneidet; nicht blos die Feinde seiner Gemeinde, die erklärten Gegner bekommen es zu fühlen, es schneidet auch in die Gemeinde selbst hinein und geht allem darin zu Leibe, was irgend unlauter ist. (Kemmler.) " IN) Wie jene Juden zu Smyrna vor dem HErrn eine Shnagoge des Satan sind (V. 9), so der Ge- richtssitz, der zu Pergamus war, ein Sitz des Satan; denn dieser war es, unter dessen Einfluß das dasige Obergericht stand. Nur in Pergamus war es bisher zu blutigen Verfolgungen gekommen, diesen Werken des Teufels, und ihnen war namentlich Einer erlegen, der für die Gemeinde wie für die ganze christliche Kirche eine besondere Bedeutung haben muß; daher sein Name ausdrücklich genannt wird: ,,Antipas, mein treuer Zeuge, der bei euch getödtet ist, da der Satan wohnet.« Die Wiederholung desselben Gedankens am Schluß des Verses, der uns schon am Anfang in dem ,,des Satan Stuhl« entgegentrat, weist noch auf ein anderes Moment hin, das hier in Betracht kommt; da wir nun wissen, daß in Pergamus außer andern Göttertempeln sich beson- ders auch ein berühmter Tempel des Asklepios oder Aesculapius befand, der bei Griechen und Römern für den Gott der Heilkunde galt, zu seinem Symbol eine Schlange hatte und als s0ter, d. i. Heiland, gefeiert wurde, so liegt es nahe anzunehmen, daß das beid- nische Volk dort mit Fanatismus an diesem seinem Gotte hing, wie das zu Ephesus an seiner Diana (Ap'ostg.19, 28s.), und nicht leiden wollte, daß die Christen in seiner Mitte einem Andern den Namen des soter oder Heiland beilegten, dem HErrn Jesu Christo. Als nun im Jahre 64 n. Chr. die neronische Christen- verfolgung in Rom ausgebrochen war und. auch während der folgenden Jahre der Regierungszeit dieses Kaisers anhielt, wußte man das Obergericht in Pergamus zu bewegen, wider die Christen, die man als Widersacher der allgemeinen Ueberzeugung oder der öffentlichen Mei- nung, als odium generis humani in dem Sinne von gehässigen Gegnern der gesammten Menschheit, und des- halb auch als ein Odium in dem Sinne, daß alle Welt nun wiederum sie zu hassen und auf ihre Vertilgung Bedacht zu nehmen berechtigt sei, bezeichnete, einzu- schreiten und sie vor sein Tribunal zu ziehen. Damals, so scheint uns, war Leiter der Gemeinde des Paulus Schüler Timotheus, den wir in Hebr. 13, 23 nach seiner Befreiung aus dem Gefängniß auf einer Be- suchsreise nach Jerusalem begriffen vorfinden und der sich nachmals nicht nach Ephesus, wo der Apostel Jo- hannes seinen Sitz genommen hatte, sondern einer Anordnung desselben gemäß nach Pergamus wendete, wo die durch Jrrlehren so sehr gefährdete Gemeinde (V.14f.) so dringend der Fürsorge eines apostolischen Mannes (Phil. L, 20——22) bedurfte (vgl. die Bem. zu Z. Joh. J.). Dieser ist es denn wohl, den wir unter dem treuen Zeugen Antipas zu verstehen haben; denn der Name ist schwerlich historisch (Antipas = Antipater), vielmehr, wie fast alles in der Offenbarung, symbolisch zu fassen und bedeutet da so viel als Gegen- Alle (eine bedeutende Handschrift liest dafür Anteipas, d. i. Widersprecher). Sein Widersprechen, seine Gegnerschast gegen die heidnische Einwohnerschast und das heidnische Gericht bestand darin, daß er Christo Jesu, der unter Pontio Pilato bezeuget hat ein gutes Bekenntniß, nachfolgete und, wie vordem in seiner Ju- gend (1. Tim.6, 12f.), ebenfalls ein gutes Bekenntniß that vor vielen Zeugen von dem Namen Jesu als dem alleinigen rechten Heiland, damit zwar das Urtheil zum Tode über sich verwirkte, aber auch die Gemeinde stärkte, den Namen des HErrn festzuhalten und den Glauben an ihn nicht zu verleugnen. Die Tradition behauptet zwar, daß Timotheus der erste Bischof von Ephesus gewesen sei, und läßt ihn unter Domitian den Märtyrertod sterben; aber das sind alles nur unsichere Vermuthungen und oberslächliche Schlüsse, die meist dem Pragmatismus der biblischen Geschichte schnurstracks widerstreiten. 14. Aber ich habe lbei diesem Lob, das ich dir spenden kann] ein Kleinesl wider dich, das; du daselbst san einem so gefährlichen Wohnsitz, wo der Satan, was er nicht durch Gewalt hat vernichten können, nun mit List zu bewirken sucht] hast, die an der Lehre Valaams swie man auf mittelbare Weise das Volk des HErrn könne seinem Gott abwendig machen, um es dennoch zu verderben, fest-] halten, welcher lehrete durch den Balak ldurch den Rath, den er dem Balak er: theilte 4. Mos. 31, 16] ein lin Siinde stürzen- des] Aergerniß aufrichten vor den Kindern Jsrael, zu essen der Götzen Opfer und sin Verbindung damit] Hnrerei treiben« [4· Mos. 25, 1 ff.]. 15. Also [in ähnlicher, damit verwandter Weise] hast du auch szu demselben Erfolge, daß nämlich die Gemeinde auch geärgert und in seelen- gefährliches Treiben hineingezogen wird, solche], die an der Lehre der Ntcolatten halten; das hasse tch sdaß du sie hast und sie als dir zuge- hörig behandelst, statt sie von dir auszuscheiden, wie der Engel der Gemeinde zu Ephesus thut V. 6]. 16. Thne ldemnachj Buße lindem du fortan schärfer verfährst in Bewährung der Gemeinde vor Aergernisseuk wo aber nicht, so werde ich dir szum »Gericht über dich V. 51 bald kommen, und mit ahnen ljenen Anhängern der Nicolaitew Lehre] kriegen durch das Schwert meines Mun- deslll fund das würde dann natürlich nicht ohne manche Verletzung auch für dich abgehen Hes. 33, S; Apgsch 20, 26]. s) Dieses Wort mildert den Tadel; es zeigt, daß der Engel selbst von der Theilnahme an der gefähr- lichewJrrlehre rein und frei war, daß nur sein Auf- treten gegen dieselbe ein·mehr energisches sein sollte. (Hengstenberg.) Zwar die Sünde selbst, welche der HErr gleich daraus In ihrer wahren Natur bloßlegt, war nicht klein, wohl aber das Vergehen des Engels dabei und seiner Gemeinde; die so schlimme Sekte war in Pergamus entweder noch erst im Entstehen, oder doch noch sehr wenig verbreitet. (Lämmert.) ist) Balaam oder Bileam, jener begabte Seher in Mesopotamien, der gleichwohl in unlauterem Gelüste Gott widerstrebte und sich selbst und Andern Verderben brachte (2. Petri 2, 15s.; JudäV.11), hatte dem Moa- biterkönig Balak zu Liebe, welcher das Volk Jsrael gern zu Grunde gerichtet hätte, den Moabitern und den mit ihnen verbündeten Midianitern die Anweisung ge- geben, sich mit den Jsraeliten auf freundlichen Fuß zu stellen und sie zu ihren Opfermahlzeiten einzuladen, wodurch sie dann unvermerkt auch in den Götzendienst dieser Völker und in die damit verbundenen Orgien und in Hurerei überhaupt hineingezogen wurden. Solche Menschen mit Bileamssinn waren denn auch in der Pergamus, Typus der morgenländisckkgriechischeu Staatskirche. 21 Gemeinde zu Pergamus (bald nach der in V. 13 er- wähnten Heimsuchung als die Verfolgung wieder nach- gelassen hatte und es sich darum zu handeln schien, zu dem heidnischen Volke der Stadt eine freundlichere Stellung anstatt der bisherigen Gegnerschast zu ge- winnen) aufgetreten, Leute, vielleicht auch von hohen Geistesgaben gleich einem Vileam, aber von unlauterem Herzensgrund, und vertraten den Grundsatz, daß sich Christen kraft ihrer christlichen Freiheit wohl an den Lustbarkeiten, insbesondere an den Opfermahlzeiten ihrer heidnischenVerwandten und Mitbürger betheiligen dürften, wenn sie nur der Opfer selbst sich enthielten und inner- lich ihre bessere Ueberzeugung (1. Cor. 8,4) wahrten, ja daß diese Theilnahme um des freundlichen Einverneh- mens mit der überwiegenden heidnischen Bevölkerung willen sogar geboten sei. Jn der Erwähnung des Ba- lak liegt wohl eine Andeutung, daß die Bezeichneten aus Rücksicht auf die römischen Machthaber, um sich ihnen gefällig zu machen, vielleicht aus Veranlassung derselben, ihrer Bileamslehre in der Gemeinde Eingang zu verschafsen suchten; es wäre dies die erste Ein- mischuiig der Politik in Sachen des Reiches Gottes, der erste Versuch, dasselbe mit der Welt und ihrer Art unter Einen Hut zu bringen. (Kemmler.) Wir sehen, wie die Lehre der Nicolaiten der Lehre Bileams gleich- gestellt wird: ,,wie einst in Jsrael Leute jenen ver- führerischen Rathschlägen Bileams, so folgen jetzt Glie- der deiner Gemeinde den Rathschlägen der Nicolaitenxt Die Lehre der Letzterer: geht also auf dasselbe, wie die Lehre Bileams, die Gemeinde des HErrn zur Betheili- gung an heidnischem Götzenopfer und Hurerei zu ver- führen; ersteres mochte man damit beschönigen, daß ja die Götzen nichts seien, und letzteres damit, daß man die fleischlichen Lüste besiegen müsse, indem man sich ihnen hingebe, ohne sich von ihnen afficiren zu lassen. (Füller.) Die heidnischen Völker, heidnisch in ihrem Herzen und in ihren Sitten, traten in die Kirche und brachten alle ihre abgöttischen Gewohnheiten mit sich; und selbst die Christen, wenn auch orthodox gegen Arius, Nestorius, Eutyches, glaubten dieSache Gottes zu för- dern, wenn sie die Verehrung der Bilder förderten, weil sie der Unwissenden und rohen Menge sehr nütz- lich sei. (Rougemont.) IN) Der HErr setzt weder anderswo noch hier hinzu, was er dem Engel der Gemeinde selbst thun werde; doch brachte der Streit mit jenen auch ihm eine Strafe. (Bengel.) Die Zerstörung der ephesinischen Gemeinde ist gedroht und auch erfolgt, obgleich sie die Nicolaiten haßte; der pergamenischen Gemeinde ist ein solcher Untergang nicht gedroht, obgleich sie die Nico- laiten duldete, ihr ist nur gedroht mit dem scharfen, schneidenden und scheidenden Schwert Diese gelichtete und wenn auch kleine Gemeinde von etwas über 250 Seelen bewahrt noch jetzt einen guten Namen sind hat ihren Eifer in der letzten Zeit wieder durch die Er- bauung einer kleinen Kirche bethätigt. (Gräber.) 17. Wer Ohren hat, der höre, was der Geist den Gemeinen sagt [V. 7 u. 11]: Wer überwindet, dem will ich zu essen geben von dem verborge- nen Pcannasp sder ewigen, erst künftig sich offen: barenden Seligkeit 1. Cor 2, 9], nnd will ihm geben ein gut Zeugnis; snach dem Grundtext: einen weißen Stein], und mit dem Zeugnis; sauf dem Stein] einen neuen Namen [Jes. 62, 2; 65, H] geschrieben, welchen niemand kennet, denn der ihn empfcihtsk it) Das Manna ist die Wüstenspeise Jsraels, die in Canaan aufhörte; da nun nach der biblischen Thpik der Wüste dieses Leben und dem Besitze Canaans das jenseitige entspricht, so beziehen mehrere Ausleger diese erste Verheißung auf das, was der HErr den Seinen schon in diesem Leben zutheilt, die zweite dann aus die jenseitige Belohnung (1.Joh.8, 1s.).. Dagegen aber spricht das: »wer überwindet«, was in V. 26 erklärt wird durch das hinzugefügte: »und hält meine Werke bis an’s Ende« und sich also nur auf den vollendeten Sieg beziehen kann, ebenso die Aehnlichkeit der übrigen Schlußverheißungem welche alle auf das ewige Leben gehen. Darnach wird man annehmen müssen, daß der Charakter des Manna als Wüstenspeise hier außer Acht . gelassen und nur sein Charakter als Himmelsbrvd (Ps. 78, 24; 105, 40; Joh. 6, 32) in’s Auge gefaßt wird, im Gegensatz gegen die elenden Ergötzungem welche die Erde der sinnlichen Lüsternheit darbietet. (Hengstenberg.) Ueber diesem Himmelsbrod sollte man ja den Appetit zum Götzenopfer verlieren. (Bengel.) Verborgen ist dies Manna, weil es erst in der zukünftigen Herrlich- keit offenbar werden wird, wenn man es genießt. (Düsterdieck.) M) Das Alterthum bediente sich bei Abstimmungen gerne weißer und schwarzer Steine, zumal in Gerichts- verhandlungen, wobei denn der schwarze Stein als ein Schuldig, der weiße als ein Nichtschuldig galt; da mögen nun die Christen bei dem Gerichtshos in Per- gamus unter den kurz zuvor erwähnten Verfolgungen gar manchen schwarzen Stein von ihren Richtern er- halten haben. Dies soll euch, sagt ihnen der HErr, nicht erschreckenz mag die Welt immerhin schwarze Steine für euch haben, ich, der Richter aller Welt, werde euch dereinst an jenem entscheidenden Gerichts- tage einen weißen geben und eure Unschuld darthun vor aller Welt. Und wenn die Welt euren Namen verlästert als einen boshastigen und keinen guten Faden an ihm läßt, wenn sie ihn an den Schandpfahl und an den Galgen hängt — wohlan, laßt sie mit eurem irdischen Namen thun, was ihr beliebt: ich werde euch dereinst, wenn ich euch einen weißen Stein gebe, zu- gleich mit diesem, auf diesen als seine Grundlage gleich- sam geschrieben, auch einen neuen Namen geben. (Kemm- ler.) Es ist hier kein bestimmter Name gemeint, sonst würde er eben genannt worden sein; es genügt, daß der Name ein neuer, das; er viel herrlicher ist, als der frühere, daß der Zustand, den er bezeichnet, mit dem früheren voll von Trübsal, Hunger, Durst, Hitze und Thränen nichts gemein hat. »Den neuen Namen kennt, niemand, denn der ihn empfängt-«: das ist ein Geheim- niß, unendlich trefflicher als die gepriesenen und doch so saden Geheimnisse der Nicolaiten oder Gnostiker Entsprechend ist der Name Christi, den niemand kennt als nur er selbst, in Kap. 19, 12; auch nach 1. Joh. 3,1f. ist der selige Stand der Christen, der gegenwär- tige und noch vielmehr der zukünftige, der Welt un- verständlich, die bei aller ihrer gerühmten Erkenntniß doch so wenig weiß, die weder Gott kennt, noch Christum gJoh.15,21; 16, 3), noch seine Gläubigeir. (Hengsten- erg.) IV. v.18—28. In dem durch Ghhatita vorgetsildeten üirehenwesen ist von äußere: Verfolgung nicht mehr die Rede; dagegen ist die innevleirchliche Verderbniß hier zu einer Macht, ja zu einer herrskhenden Macht ge- worden. Die Gemeinde selbst und diese Marht werden oon einander unterschieden; die Gemeinde ist noch Ge- meinde Ghriskß und einige Geisteggabeitz niimlich Eiebeos iind Glanbenseifer nnd Wohlthätigkeit nnd Knodaner in 22 Offenb. Johannis 2,- 18——23. guten Werken, sind in ihr starb, ja herrlich entwickelt und zeugen von dein in ihr noch waltenden Geiste des thGrrn; aber in ihrem Schooße hat sich eine Jesabelsi herrschast erhoben, welrhe es darauf anlegt, die Glieder der Gemeinde, die Knechte Gottes, zu abgöttisctjein Wesen iind zur Hurerei zu verführen, welche sich dabei prophe- tische Gabe und Beruf und Berechtigung zusrhreibh welihe, als Iesabel, dic Zeugen der Wahrheit blutig verfolgt. Daß die Gemeinde diese Herrschaft duldet, ist eine schwere Schuld; sie hat die Pflicht, aus Treue gegen ihren wahren König sich gegen diese falsche Iesabel zu empören, es fehlt auch nicht un einer Minderheit, die dies thut nnd Iesabels Tiefen lnihn fiir Satans Tiefen erklärt. Der Iesabelsmacht ist eine lange Gnadenfrist gegeben; es ist aber geweissagt, daß diese Frist nichts helfen, daß sie sich nicht bekehren werde und daß der tjiiirr mit einem furchtbaren Gericht der tbernichtung über sie hom- meii, ihre Herrlichkeit in Qual wandeln und ihre Kn- hiinger tödten werde. Die Treuen, die gegen ihre herr- schaft protestirt haben, werden, so sie bis ans Ende beharren, nicht mitberiihrt von dem Gericht, das über das übrige iiirchenwesen kommt, ihnen ist vielmehr als besonderer Segen jene Herrschaft über die Heiden, wie Ghristns sie übt, oerheißem Sichtlich schließt sich an die drei ersten Vorbilder, der apostolisclien Kirche, der Mär— thrergemeinde der ersten Jahrhunderte und der oströmi- schen Staatsliirchm in der ThhatiraiGemeinde das Vorbild der abendländischen papstiiirchm zumal in ihrer Kusnrtuiig zur Mutter der tjurerei Sinn. 17, 5) an, unter deren gerichtlicher Katastrophe unsere heutige Welt so Ichwer zu leiden hat nnd mit noch größerem Unheil be- drohei ist. l9. Jch weiß deine Werke, und deine Liebe nnd deinen Dienst, und deinen Glauben iiiid deine Geduld, und dass du je länger je mehr thus «« swörtlich: und dein-e letzten Werke mehr oder zahlreicher als die erstens. V) Thyatiril lag 11—-12 Meilen gegen Süd- often von Pergamus im nördlichen Lydien am Flusse Lykosx die Stadt war eine Colonie der Ptacedonien die vorzüglich Purpurfärberei trieb und in fortwährendem Verkehr mit dem Mutterlande stand, woraus es sich erklärt, daß wir die Purpurkräuierin Lydia in Apostg. 16, 14 ff. in Philippi antreffen, während sie noch zu Thyatira anfäßig ist, und sind vielleicht die ersten An- fänge der Gemeinde hier von ihr abzuleiten. W) Jn dieser Gemeinde waren Jrrthüniey welche sich unter dem Schein hoher Geistlichkeit, ja göttlich- prophetischer Eingebung zu bergen suchten; ihnen gelten die feuerslammenden Augen, vor welchen kein Trug, auch kein Lichtengels-Trug zu bestehen vermag. Jene Jrrthümer müssen zugleich anspruchsvoll und gewalt- thätig aufgetreten sein und eine Herrschaft in der Ge- meinde erlangt»haben, vor welcher sich die »Armen im Geis « verschiichtert zurückzogen; daher die Füße gleich- wie Messing, die allen Uebermuth und alle Macht der tonangebenden Partei wie Strohhalme daniedertreten und zermalmen werden. Wenn sich der HErr zugleich mit Nachdruck den Sohn Gottes nennt, so scheint dies darauf hinzudeutem daß die Jrrgeister in Thyatirg die Gcåttessohnschaft und Gottheit Jesu Christi geläugnet ha en. 18. Und dem Engel der Gemeinde zu Thha- " tira* schreibe: Das snget der Sohn Gottes, der luccch Kcip. 1, 14»f.] Augen hat wie die Feuer- stammen, und seine Füße gleich wie ViesfingW stolzen Widersprecher gerade diesen Titel hervor, den ihm auch der Hölle Pforten nicht abzuringen vermögen. (Kemmler.) sitt) Die Werke der Gemeinde werden zuerst na- mentlich aufgeführt nnd dann im Ganzen noch deshalb Dem gegenüber hebt nun der HErr zur Glau- bensstärkuug seiner Bekenner und zum Schrecken seiner Sendschreiben 4) an die Gemeinde zu Thyatira 23 belebt, weil ein Fortschreiten in denselben bewiesen ist. Zwei Paare werden genannt, und zwar in der Ord- nung, daß die einzelnen Glieder derselben einander ent- sprechent die Liebe, die, schon weil sie voransteht, ganz allgemein von der Gottes- und Bruderliebe, nicht allein von der Liebe zu den Armen gemeint ist, bewährt sich in dem Dienst, d. h. in der Dienstleistung gegen alle Hilfsbediirftigh insbesondere die Armen (Apostg..11,29; 1. Cor. 16, 15; 2. Cor. 9, 12 ss.), und der Glaube in der Geduld, dem auf die Hoffnung des Glaubens ge- gründeten treuen und geduldigen Ausharren in den Anfechtungen von Seiten der feindseligen Welt. (Diister- dieck.) An Werken, und zwar an Werken rechter Art, an Werken der Liebe, die aus dem Glauben kommen, fehlt es der Gemeinde zu Thyatira nicht; ja, die im- mer neuen, sich iiberbietenden Werke der Liebe und des Glaubens geben Zeugniß von dem regen christlichen Leben i1i ihr. Sollte man hiernach nicht denken, bei solcher Anerkennung müsse das lautere Christenthum, der ächte evangelische Geist hier ungetrübt heimisch sein? Die moralifirende Anfchauungsweife denkt in der That nicht anders, aber sie irrt; sie denkt nicht göttlich, son- dern menschlich. Alle unsere Werke, auch die aus dem Glauben kommen, reichen nicht aus zum Seligwerdem sie sind nicht rein; nichts, was der Mensch- auch der Christ thut, ist unbefleckt vor Gott, nur Einer ist der Heilige Gottes, Jesus Christus, und Er allein kann uns Unheilige reinigen. (Sabel.) Der Engel zu Thha- tira bildet einen Gegensatz gegen den Engel zu Ephefust wie die Lebenskraft des letzteren sich einseitig auf die Vertretung der Orthodorie, die Vertheidigung der reinen und gesunden Lehre geworfen hatte, so erschöpfte der Engel zu Thhatira seine Kraft in Werken der Liebe und zeigte sich schwach in derjenigen Aufgabe des Amts, worin der Engel zu Ephesus seine Stärke hatte. (Hengstenberg.) Bei der Gemeinde zu Thyatira steht die Liebe vor dem Glauben; der ganze Vers beschreibt eine große Werkthätigkeits die so leicht den Grundpfeiler alles Heils: »der Gerechte wird seines Glaubens leben« verdunkelt, daß auch der Jrrthum offen hervortreten und eine Macht gewinnen kann, wenn er nur den Werken huldigt. (Riemann.) 20. Aber ich habe (ein Kleines — dieser Zusatz: »ein Kleines« ist aus V. 14 aufgenommen, gehört aber nach den besten Handschriften nicht hierher) wider dich, daß dU lässest das lnach an- derer Lesart: dein] Weib Jesalleh die da spricht, sie sei eine Prophetim lehren und verführen meine Knechte sdaß du lässest das Weib Jesabel so frei schalten und walten, so daß sie lehret und verfiihret meine Knechte], Hnrerei treiben und Giihenopfer essen* sin V. 14 hieß es umgekehrt: ,,zu essen der Götzen Opfer und Hurerei treiben«]. 21. Und ich hab ihr Zeit gegeben, daß sie sollte Busze thun für ihre Hurereiz und sie thut nicht Vnfzesk 22. Siehe, ich lverfe sie [aus dem Bett ihrer sündlichen Lust, dem Greuelbettes in ein Bette sder Qual und Marter, in ein Siechbette], Und die mit ihr die Ehe gebrochen haben [die Könige aus Erden und die Kaufleute] , in große Triilisal [Kap.18, 9 ss.), wo sie nicht Buße thun für ihre Werke [wofür freilich, abgesehen von Einzelnen, gar keine Aussicht vorhanden ist]. 23. Und ihre Kinder [die sie geistlich gezeugt und mit ihrem Sinn und Wesen erfüllt hat] will ich zu Tode schlagen wörtlich: mit Tode tödten, daß sie unerbittlich dem Tode verfallen]. Und sollen [an diesem augenfälligen, unzweideutigen Strafgerichts erkennen alle Gemeinenksk [die wäh- rend der Bußfrist V. 21 wohl hätten zu der Meinung sich können verleiten lassen, als wüßte ich nicht, wie es um Jesabel eigentlich steht, und achte ihres bösen Treibens nicht, geblendet durch den Glanz ihrer Werke V. 19], das; Ich bin, der die Nieren und Herzen erforschet fass. 7, 10; 26, 2z Ja. 11, 2o; 17,10; 20,12]; und sich] werde geben einem jeglichen unter euch [die ihr die Verführerin wie eine Mutter ehret Jes 57, 3] nach euren Werken. V) Jesabel war nach 1. Kön 16, 31 Tochter des sidonischen Königs Ethbaal, der, früher Priester der Astarte, seinen Bruder Phelles, einen Thronräubey ebenfalls gewaltsam wieder verdrängte Als Priesters- tochter brachte sie nun viel Eifer für ihre väterliche Re- ligion mit auf Ahabcs Thron und alsberrfchfüchtiges Weib hegte sie den Plan, die beiden Reiche Jsrael und Juda an ihre Familie zu bringen; wahrscheinlich war sie selbst eine dämonifch infpirirte Prophetin des Götzen, für den sie eiferte, daher von ihren Zaubereien die Rede ist (2. Kön. 9,22), und führte nun, indem der schwache Ahab sie frei gewähren ließ und ganz abhängig von ihr wurde, eine wahre Schreckensregierung voll Gewalt- thaten gegen das Gewissen wie gegen Leib und Leben, Hab und Gut der Unterthanen ein, womit sie es denn zuwege brachte, daß der wahre Gottesdienst sich nur noch bei einzelnen Seelen im Stillen und Verborgenen erhielt. An unsrer Stelle ist nicht daran zu denken, daß des Engels der Gemeinde zu «Thy»atira eigenes Weib unter der Jefabel gemeint sei; vielmehr, auch wenn man die Lesart ,,d ein Weib« gelten läßt, fist der gegen den Engel erhobene» Vorwurf als ein ein- heitlicher, nntrennbarer Begriff dahin zu verstehen: wie Ahab gegen Jesabel sich benahm, nachgiebig und fchwach, abhängig und ganz in ihren Dienst« sichvbe- gebend, so verhältst du dich gegen das, was in deiner Gemeinde dem Thun und Treiben jener entspricht Es unterliegt keinem Bedenken anzunehmen, daß in Thyatira wirklich eine einzelne weibliche Person zuerst als Prophetin einer gewissen Lehre aufgetreten»war, die sich unmittelbarer göttlicher Erleuchtung riihmte und Offenbarungen verkündigte, die einen guten Schein hatten und theils durch das Außerordentliche »der Um- stände, unter denen sie mitgetheilt wurden, theils durch einen Anstrich von Gedankentiefe, womit sie als eine höhere, über die gewöhnliche Erkenntniß hinausgehende Weisheit sich empfohlen, die Gemüther verwirrtem nicht blos der bei Weitem größte Theil der Gemeinde fiel der Prophetin zu, sondern auch der «sonst redliche Bischof gab dem Gedanken Raum, es möchte am Ende doch ein guter Kern, ein Werk des Geistes dahinter- stecken, ähnlich wie Ph. Melanchthon im»J. 1521 beim Auftreten der Zwickauer Propheten in Wittenberg durch die Reden jener Männer tiefbewegt wurde und nicht recht wußte, wie er sich zu ihnen stellen sollte. Vald wuchs ihm die Sache völlig über den Kopf; er 24 Offenb Johannis 2, 24—28. glaubte es der Sache des HErrn schuldig zu sein, nicht nur den neuen Geist frei gewähren zu lassen, sondern ihn auch als leitendes Princip für seine Amts- verwaltung anzunehmen, die Ziele desselben mit Auf- bietung aller Thatkraft zu verfolgen und etwaigen Widerspruch Einzelner zu unterdrücken, indem der Liebes- und Glaubenseifer, dessen er sich bewußt war, und die Werke der Wohlthätigkeit, in denen er mit seiner Gemeinde sich selbst überbot, ihm Bürgschaft dafür zu sein schienen, daß er auf dem rechten Wege sei und eine göttliche Mission erfülle. Jn diesem Sinne war denn die Jesabel in der That s ein Weib geworden; er hatte sie sich gleichsam angetraut und stand so voll- ständig unter ihrem Einfluß, wie Ahab unter dem der geschichtlichen Jesabel. Es läßt sich nicht bestimmt mehr nachweisen, worin eigentlich die Lehren und Offen- barnngen jener Prophetin bestanden; nur im Allge- meinen können wir ermessen, daß sie auf Hurerei im geistlichen Sinne hinausliefen, auf eine Vermengung des Reiches Gottes mit dem Wesen dieser Welt, des Geistes mit dem Fleisch, und eine Ausgestaltung des christlichen Glaubenslebens zu ihrem Ziele hatten, welche Christo in rafchem Siegeslause die Welt zu unterwerfen versprach und des hellen Glanzes der weithin leuchtenden Lampen (Matth.25, Z) sich rühmen durfte, für welche daher der Anspruch erhoben wurde, daß sie die allein berechtigte sei und ihr um jeden Preis alles müsse unterthan und dienstbar gemacht werden. Man hat an die Lehre der Nicolaiteu (V. 14 f.) gedacht, welche in Thyatira bereits zur herrschenden Macht geworden; man hat auch auf den späteren Gnosticismus (Judä 4 Anm.) verwiesen, der in das Jnnerste der Dinge eindringen zu wollen vorgab, wäh- rend die gemeinen Christen nur bei der Oberfläche stehen blieben (V. 23 u. 24). Nun steht allerdings das Jesa- bels-Treiben jener Zeit in gewisser Verwandtschast damit; aber doch weist alles mehr auf einen weltbuh- lerifchen Cultus hin, für welchen jene Beziehungen nicht ausreichen, sondern der erst in der dämonisch-unheim- lichen Jesabel ihren entsprechenden Ausdruck findet. Es liegen hier dieGrundzüge des römischenPapstthutns vor, wie es hernach in der abendländischen Kirche sich vollständig ausgebildet hat; und haben wir recht gesehen, wenn wir die Wehklage über Tyrus und seinen Für- sten in Hes 27 u. 28 auf Rom und dessen Bischof gedeutet, so bekommt die Namhaftmachnng der Jesabel, die ja eine thrische Prinzessin war, eine neue Beziehung. Wo wäre mehr sich selbst überbietende Werkthätigkeit, Glaubenseifer und Liebesschein und Ausdauer unter Druck nnd Verfolgung? wo aber auch mehr Fanatismus und Unduldsamkeit, Herrschsucht und Thrannei, die selbst vor den äußersten Gewaltmitteln nicht zUriickschricktP wo hätte je eine heidnische Vermengung Christi mit der Welt, der Kirche mit dem Staat, des Jnnerlichen mit dem Aeußerlichen, in so seelenberiickender Weise stattgefunden? und wo wäre der oberste Leiter und Führer, der Engel der Gemeinde, so vollständig ab- hängig von der einmal herrschenden Tendenz und Politik, von dem ganzen Geiste des überkommenen Kirchenthums und seinen traditionellen Lehrsätzen und Grundsätzen, als eben in Rom? Wie sehr die ,,Jesabel« auf das Papstthum weissagt, giebt V. 22 im Zusam- menhalt mit Kap.18 zu erkennen; daß aber ein einzelner römischer Papst nicht seiner eigenen Einsicht und Er- kenntniß und seinem eigenen besseren Willen folgen kann in der Regierung der ihm Untergebenen Christen- heit, sondern so vollständig abhängig ist von dem Geiste des Papstthums, wie Ahab von der Jesabel, bedarf nicht erst eines Beweises aus den Thatsachen der Ge- schichte, es versteht sich das ganz und gar von selbst. ,,Zu Pergamus ist die Theilnahme an den Götzen- opfern und die damit eingegangene Gemeinschaft mit den Dämonen der Anfang und hat die Hurerei zur Folge (1. Cor. 10, 7 f.), hier hingegen geht die letztere schon im Schwange und entzündet erst recht den nie gestillten dämonischen Hunger nach dem Gbtzenopferfleisch, die nie befriedigte Begierde nach immer neuer Welt- begeisterung; dadurch steigert sich das Verderben bis zur greuelvollen Vermischung des Weltgeistes mit dem heil. Geist, der Jesabelpolitik mit dem Christenthum, womit aber das falsche Prophetenthum fertig is .« W) Die Straflosigkeit wird von der Unbuß- fertigkeit als ein Siegel betrachtet, welches Gott auf ihr schlechtes Treiben drückt; Johannes eröffnet einen andern Gesichtspunkt (Hengstenberg.) Der Rath Gottes, daß er über Pergamus mit Sturmeseile das Gericht beschleunigen will (V.16), dem verdorbeneren Thyatira aber eine Zeit giebt, ist unerforschlich, aber eben gött- lich; es wird der Jesabel, die in Thyatira herrscht, Frist zur Buße gegeben, aber der HErr weiß und sagt sogleich voraus, daß sie keine Lust habe Buße zu thun. (Ebrard.) Der ephesinische Bischof war strenge gegen die Nicolai- ten, aber in seiner Liebe und in seinen Werken hatte er nachgelassen; dieser zu Thhatira hatte zugenommen bei seiner Schlasfheit, das ist im höchsten Maße zu ver- wundern. »Diese Mannigfaltigkeit der Zustände ist ein Beweis von der Unergründlichkeit des menschlichen Her- zens und von seinem außerordentlich tiefen Fall. Hat ein Mensch auch Erleuchtungen und Erweckungen gehabt, so daß er dadurch ergriffen und bestimmt worden ist, sich dieser Richtung hinzugeben, so fragt sich dabei noch sehr, selbst wenn es mit inniger Treue und innerer Aufrichtigkeit geschieht, ob das tiefste, innerste Herz, der eigentliche Mittelpunkt des Lebens, darin hervorgetreten und umgewandelt ist, ob die liebsten und geheimsten Sünden dabei mit Bewußtsein, klar und entschieden ver- flucht sind oder nicht. Bei jeder Bekehrung geht noch vieles von dem alten Menschen mit hinüber in den neuen Zustand, denn keine Bekehrung und Wiedergeburt ist in einem einmaligen Akt vollendet (sonst wäre kein leiblicher Tod mehr nöthig); aber es ist ein Unterschied, ob in dem neuen Zustand die im Herzen wohnende Erb- sünde und die von außen herantretende Versuchung als solche erkannt, bekämpft, gerichtet, oder ob sie geduldet und gar, wie bei Thyatira, zugelassen, gehegt, gepflegt und auf den Thron gesetzt wird. Letzteres kann nicht anders geschehen, als entweder durch einen völligen Rückfall in den erklärten Unglauben, oder, wie bei Thyatira, dadurch, daß es mit christlichem Namen geschmückt und für ein höheres Christenthum erklärt wird. Nach beiden Richtungen hin pflegen dann des Satan Tiefen offenbar zu werden: nach jener Richtung hin haben wir sie in den letzten Jahren bei den rothen Demokraten kennen gelernt, nach dieser hin haben sie sich z. B. im Jesuitismus, in der Münstenschen und Buttlarsschen Rotte u. s. w. geoffenbart. Jene satani- schen Tiefen sind für die Christen weniger gefährlich, weil der Unglaube als solcher offen hervortritt, diese hingegen in hohem Grade; denn die gefährlichste Kunst des Teufels besteht darin, daß er durch Vermischung der Lüge und Wahrheit minder Geübte und weniger Befestigte zu verführen sucht. (Gräber.) Selbst die lange Bußfrist vermißt man an dem Nachbilde der Gemeinde zu Thyatira, der römischen Kirche nicht: wie oft hat man schon gedacht und gesagt, Roms Unter- gang sei nahe; aber es wird die ewige Roma bleiben, wie Luther spricht, bis zum letzten Gericht. (Sabel.) IN) Diese Gemeinden sind nicht blos die asiatischen; Thhatira, der Typus der abendländischen Papstkirche 25 vielmehr, wie das Gericht über Jesabel ein Akt ist, welcher zur Zukunft des HErrn gehört, so theilt auch dieser besondere Akt die schlechthin allgemeine Bedeu- tung der endlichen Erscheinung Christi. (Düsterdieck.) 24. Ench aber laus dem Stande der Diener am Wort] sage ich, und den Andern sunter den Gemeindegliedern selber] , die zu Thylltiln sind, die nicht haben solche Lehre swie die Anhänger der Jesabel V. 20], llnd die [nun freilich sich müssen verachten lassen als solche, die] nicht er- kannt haben die Tiefen des Satan, als sie sagen« swie jene Anhänger der Jefabels-Lehre behaupten; dafür sollen sie jedoch einen Vorzug haben, der wirklich ein solcher ist, nämlich diesen]: Jch will nicht auf euch werfen eine andere Last« sals die ihr jetzt in Folge des schweren Drucks von Seiten jener Anhänger zu tragen habt, sondern euch vor dem Gericht, das über dieselbe kommt, bewahren, indem ich euch aus ihrer Gemeinschaft errette Kap 18, 4]. 25. Doch was ihr san lauterer, unverfälsch- ter Wahrheit im Gegensatz zu jener Lehre der Jefabel] habt, das haltet [daß ihr nicht mit der Zeit und unvermerkt es dennoch euch nehmen oder verderben laßt, sondern es euch bewahrt], bis das; ich kommettk [Kap. 19, 11 ff.]. »26. Und-s mer da überwindet and hiilt meine Werke lwandelt in meiner Gesinnung und in meinen Wegen in der Kraft des wahren Glau- bens] bis an’s Ende sda namentlich zur Zeit des Antichrift es gilt, daß einer sich nicht ab- bringen lasse von mir und meiner Nachfolge Kap- 13, 15 ff.], dem will ich Macht geben über die Helden ldas Gericht über sie zu haltei1]. 27z Und er soll sie weiden sbeherrscheiy regie- ren] mit einer eisernen Ruthe, nnd ·wie eines Topfers Gefaße soll er sie zerschmeiszen [Kap. 12, Z; 19, 15], 28. Wie ich sfolche Machtf von meinem Vater enlpfllngen habe jgemäß der Verheißung: Pf. 2, 8 f.]; und will ihm geben den Morgenstern-ff [Kap. 20, 4 u. Ei; 2. Petri I, 19]. f) Die falschen Lehrer sagten, das, was sie lehrten, wären tiefe Dinge; das gesteht der HErr zu, aber mit dem Beifiigen, es seien keine göttlichen, sondern satanische Tiefen, eben wie er den Juden den Namen einer Shnagoge (V. 9), aber einer satanischen, läfset. (Bengel.) Die Anhänger Jesabels sind es, die von sich rühmend sagten, sie hätten die Tiefen Satans erkannt, und umgekehrt von ihren Gegnern in Thhatira ver- ächtlich sagten, daß sie die Tiefen Satans nicht er- kannt hätten. »Das war ja die Hauptfrage der Gnosti- ker, woher und warum das Böse? und alle gnostischen Shsteme find nichts Anderes als Versuche, in der einen oder andern Weise den Ursprung des Bösen zu erklären. Wie nun die Gnostiker aller Systeme sich dem einfach gläubigen Volke gegenüber ihrer tieferen Erkenntniß im Allgemeinen rühmen, so insbesondere ihrer tieferen Erkenntnis; des Bösen; der HErr lobt es an den Treugebliebenem daß sie sich durch folche Vorspiegelung nicht haben blenden lassen« (Füller.) Der römifche Papst rühmt sich, mit seinen Satzungen und Traditionen besser, als die Schrift selber mit ihrem unmittelbaren Wortlaut, die Laien vor den Gefahren der Seele bewahren und vor dem Teufel behüten zu können, und verbietet ihnen daher das Lesen der Schrift; auch seine Behauptung der Unfehl- barkeit, womit er über die ganze Kirche sich erhebt, ist in ihrem letzten Grunde eiii Selbstrühmem als habe er die Tiefen des Satan erkannt und wisse darum allem höllischen Trug mit Sicherheit zu begegnen, er fällt aber damit nur desto leichter in denselben. W) Wir haben hier zunächst an die Stiftung der evangelis ch en Kirche zu denken, welche in ihrem tiefen Grunde nichts«ist, als eine Errettung von dem papifti- schen Joche, die Gründung einer Zufluchtsftätte für die, welche nicht haben mögen ,,solche Lehre«, wobei ihnen sreilich das nicht hat erspart werden können, daß sie auf Seiten der Staatsgewalt, die sie unter ihren Schutz hat aufgenommen, nicht ihr volles Recht gefunden, son- dern oft genug in ihre innersten Angelegenheiten allerlei Eingrisse, wie man gegen Gäste und Fremdlinge sie sich erlaubt, haben erfahren müssen; und schließlich wird diese Allgewalt, wenn sie nun auf den Tod der zween Zeugen es abgesehen hat (Kap. 11, 7 sf.), gerade sie am schwersten treffen und am tiefsten verletzen, doch wird darnach keine andere Last auf sie geworfen werden, viel- mehr die Wendung zum Guten (Kap. 11, 13) ihnen zu gute kommen. Aber auch im Schooße der römischen Kirche selber giebt es noch »Uebrige«, die mit keuschem Ge- wissen und Einfältigkeit des Herzens die Tiesweisheit der Jesabel und den Jefuitismus ihrer Kirche mit seiner fanatischen Sinnzerrüttung von sich fern halten und durch ihre werkthätige, innige, aufopfernde Liebe und die evangelische Lauterkeit ihrer Gesinnung, wodurch sie sich mit allen denen verbunden wissen, die den HErrn wahrhaft lieb haben, zu den lieblichftenErfcheinungen der Gemeinde Gottes auf Erden gehören. — Um allen Mißverständnissen unserer Auslegung vorzubeugen, ist hier ein für alle Mal der Unterschied zwischen Papst- thum und katholifcher Kirche hervorzuheben; in letzterer sehen wir bei allen Jrrthiimern und Mißftändem an welchen sie leidet, eine ehrwürdige Schwefterkirche (wo nicht gar die eigentlich dazu berufene Mutterkirche), mit welcher wir in neidlosem Wetteifer des Glaubens, der Erkenntniß, der Liebe und der Hoffnung stehen möchten. Sie ruht mit uns auf den uralten Bekenntnissen der ersten Christenheit; sie hat in ihrem Gottesdienst viel ächte Perlen der Andacht aus den Zeiten der ersten Liebe bewahrt; sie hat manche gute Ordnung kirchlicher Zucht und Pflege aufrecht erhalten; sie hat herrliche Blüthen christlicher Kunst getrieben, deren wir uns noch heutzutage erfreuen; sie hat, besonders in früheren Zeiten, übrigens auch noch in den späteren Jahrhunderten ihres wachsenden Verderbens bis in die neueste Zeit herein, sowohl in kirchlichen Würden als auf Kanzeln und Lehrstühlen, sowohl in der Heimath als auf dem Missionsgebiet, eine Reihe edler, trefflicher Männer auf- zuweisen, deren nianche auch in unserer evangelischen Kirche besonderer Verehrung und Liebe genießen; sie ist reich an Beispielen heldenmüthiger Aufopferung und Selbstverleugnung im Dienst der Nächstenliebe und zählt in ihrem Schooß nicht wenige aufrichtige, red- liche Christen, die wir lieben und hochachten Aber dies alles ist nicht dem Papstthum zuzuschreiben, sondern es ist in der katholifchen Kirche vorhanden trotz des Papstthums und ein Beweis» welche unver- wüftliche Kraft der Wahrheit auch in ihrer Verdunkelung 26 Offenb. Johannis L, 29. Z, I. noch innewohnt (Hes. 28, l2-—15). Das Papstthum selbst hat nicht blos wesentlich zur Trübung der katho- lischen Wahrheit beigetragen, sondern es trägt auch die Schuld an der Spaltung der Kirche in eine morgen- ländische und abendländische durch seinen hoffärtigen Anspruch aus weltförmige Oberherrschaft, an der Spal- tung der abendländischen Kirche selber durch seine geflissentliche Verstockung und Absperrung gegen das neu in der Kirche erwachte Wahrheits- und Glaubens- leben. Papstthuin aber nennen wir jene antichristliclse geistlich-weltliche Macht, welche, obgleich Christum nicht verwersend, wie sein Nachfolger, der vollendete Wider- christ, doch sich selbst an die Stelle Christi gesetzt hat, Menschendiexift unter christlicher Form und Benennung, wie dereinst das vollendete Antichristenthum die nackte Menscheiivergbtterung sein wird. Papstthum nennen wir jene Macht, die sich selbst Christi dreifache Würde anmaßt: sein Prophetenamh indem sie sich Unfehls barkeit zuschreibt und kraft derselben das eigene Wort neben, ja über des HErrn Wort und Verordnung setzt; sein Hohepriefteramt, indem sie an die Stelle von Christi einigem und ewig vollgiltigem Sühnopfer ihr Meßopfer gestellt hat und sich im Ablaß für den Verwalter des ganzen Schatzes von Christi und seiner Heiligen Verdienste ausgiebt; sein Königsamh indem sie nicht blos Anspruch macht auf das Oberhirtenamt über alles getaufte Volk, sondern sich auch Oberhoheit zuschreibt über die Reiche dieser Welt und ihre Könige und Qbrigkeiten, ja eine Herrschaft über die ganze Creatur, selbst über abgeschiedeue Seelen, Engel und Dämonen. Dies das Papstthum, zu welchem, wir zu- gleich alles Verderben in Lehre und Leben rechnen, womit diese Macht die katholische Kirche überwuchert hat. (Kemmler.) Die Kirche des Mittelalters wird von Seiten gläubiger evangelischer Christen bald hoch gepriesen um ihrer Herrlichkeit willen, bald schwer an- geklagt und tief verabscheut um ihres widerchristlichen Wesens willen. Mit staunender Bewunderung ver- weilen die Einen auf dem großartigen einheitlichen Bau jener Hierarchie, welche den Beruf gehabt, die Völker zu weiden, die rohen Massen zu Cultur,c Sitte, Kunst und Wissenschaft zu erziehen; auf dem· groß- artigen einheitlichen Bau der Scholastik; auf der idealen Auctorität, deren der Bischof Roms, damals keines irdischen Staates Fürst, einzig durch die Macht des allgemeinen Glaubens und der zweifellosen Meinung genoß; auf der allgemeinen Stellung, vor welcher mächtige» Kaiser ihre Kniee beugten; auf der Sicherheit des religiösen Bewußtseins einer Zeit, die «gesucht und gesunden hatte-«; aus der Macht dieses Bewußtseins, da Ein Wort die Völker Europas zu den ritterlichen Heldenziigen nach dem gelobten Lande zu entflammen vermochte; vor allem, und wohl mit dem größten Recht, auf der Opferfreudigkeit (griech. spare-nich, welche dem Glauben alles, alles dahinzugeben bereit war. Die Andern wenden sich mit widerlichen Gefühlen ab von dieser Herrlichkeit, deren innerster Kern doch faul gewesen; von jenem Almosen, das Trägheit nährte; von jenen Stiftungen, die als verdienstliche Werke dem HErrn die Ehre, den Seelen das einzig wahre Heil raubten; von jenen steinernen Tempelbautem über welchen der Bau des Reiches Gottes in den Herzen hintangesetzt ward; von jener Macht des Glaubens, welche nur darum so gewaltig über die großen Massen zu herrschen vermochte, weil der Glaube ein Aber- glaube war; von jener Auctoritäh deren idealer Glanz nur darum so willige Unterwerfung fand, weil die Menschheit von je und je am willigsten vor selbst- gemachten Götzen die Kniee zu beugen liebte; vor jener iScholastik, welche das Grab der vergessenen Heils- wahrheit, vor jener Sicherheit des religiösen Bewußt- feins, welche eine Sicherheit des Todtenschlafes war; vor jenem Wahrheitshaß, der Berengar zum Wider- rufe zwang, die heil. Schrift dem Volke entzog, die Waldenser verfolgte, Huß verbrannte und schon zu Kaiser Friedrichs 11. Zeit in dem Kessel des Aber- glaubens den rohesten, gistigsten Unglauben gebraut hat. Sie haben Beide Recht, die Einen wie die An- dern; sie haben aber Beide Unrecht, wenn sie nicht gegenseitig das Wahre an beiden Urtheileu anerkennen. (Ebrard.) III-W) »Eine wohl zu beherzigende Ermahnung gegen- über dem bösen Hang unsers Herzens, das, was man hat, gering zu achten, auch wenns Manna vom Him- mel wäre, und nach Neuem, Außerordentlichem zu begehren, sowie gegenüber allem falschen Propheten- thnm, das diesem Hange Nahrung giebt; zugleich ein Wink, daß wir mit demjenigen, was die Gläubigen jener Zeit hatten und was auch uns in dem seit jener Zeit vollständig vorhandenen Gotteswort gegeben ist, bis auf den Tag Christi hinausreichen und keiner weiteren Offenbarung bedürfen« Nach dem Grund- text lassen sich die Schlußworte des 24. Verses un- mittelbar mit dem 25. Verse verbinden: ,,Jch will nicht aus euch werfen eine andere Last (kein anderes Gesetzjoch euch aufbiirden, keine andere Ver- bindlichkeit euch auferlegen Apostg 15, 28), als das, was ihr habt, bis daß ich komme; auf die, von der katholischen Kirche abgezweigte evangelifche Kirche bezogen, würde so der Satz eine Legitimation ihres Grundsatzes von der christlichen Freiheit enthalten, welche keine andere Beschränkung kennt, als welche die treue Bewahrung des lautereu und reinen Wortes Gottes von selber mit sich führt. f) Mit diesem Wörtlein fängt sonst keine unter den sieben Verheißungen an (vgl. V. 7. 11. 17; Kap. Z, 5. 12 u. 21), woraus zu schließen, daß diese Zusage mit der vorangehenden Anrede eine besondere Verbindung habe. (Bengel.) H) So hoch schlägt der HErr den Sieg über die, dem wahren Bußernste, der Verinnerlichung zum Glau- bensleben so ganz entgegenstehende Verweltlichung an, daß er denen, die diesen Sieg erringen und seinem Demuthswerke, seiner Selbftverleugnung, seiner Ent- sagung, seiner Leidenswilligkeit nachtrachten, ohne je sich dieses Ziel verrücken zu lassen, als seinen bewährten Auserwählten (Luk. 22, 28 ff.)szdie größte und theuerste Verheißung schenkt: sie sollen seine Llltiterben sein an der ihm vom Vater verliehenen Gewalt und Herrschaft über die gesainmte Völkerwelt, und mit ihm in seinem Reiche Gerechtigkeit handhaben und herrschen. Da von dem Lohn, welchen der HErr darreicht, jede Voraus- setzung einer Willkürlichkeit ferngehalten werden, also diese Verheißung mit der sittlichen Kampfesarbeit im Ueberwinden des Jesabel-Geistes und ihrer Hurerei in gerecht bemessenem Verhältniß stehen muß, so folgt, daß hinwiederum die Reinerhaltung der Seele und des Geistes von der angeblichen Tiefweisheit der großen Hure Jesabel vor dem HErrn als das sicherste Zeugniß eines gründlich lautereu Sinnes und Willens und damit als die sittlich höchste That gilt, zu der es der Mensch im Gehorsam des Geistes bringen kann; die dieses Sinnes sind, eignen sich allein zur höchsten Ver- herrlichung, die der Herr den Seinen zugedacht hat, nämlich zur Mitregentschaft. (Sabel.) Diese Verheißung ist schon im Laufe der bisherigen Jahrhunderte vielfach in Erfüllung gegangen, wird aber in dem Kap.20,1ff. geweissagten Friedens-Jahrtausend zur vollen Wirklich- Sendschreiben 5) an die Gemeinde zu Sardes. 27 keit werden; in ihm, also nicht erst in der zukünftigen Welt, sondern noch vor Abschluß des gegenwärtigen Zeit- laufs sollen die treuen Bekenner den Sieg ihrer vom großen Haufen zertretenen Sache feiern, derjenige, der Füße hat gleichwie Messing, bürgt ihnen dafür. Damit im Zusammenhang steht die andere Verheißung vom Morgenstern. Der Morgenstern ist der Verkündiger des nahen Tages; der im Worte Gottes verheißene volle Sonnentag ist die von der Herrlichkeit Gottes durchleuchtete Welt der allgemeinen Auferstehung und Vollendung (Kap. 21 u. LL), diesem Tag voran geht aber als der sie verklindigende Morgenstern die erste Auferstehung im Zusammenhang mit der Segenszeit der tausend Jahre (Kap. 20, 5 f.). An ihr sollen nun die bis in den Tod standhaltenden Ueberwinder Theil bekommen; sie ist der Morgenstern, den Jesus ihnen geben will, ja sie selber sollen als Genossen der ersten Auferstehung, noch ehe die Nacht des diesseitigen Welt- laufes vergangen und der neue Tag der Ewigkeiten an- gebrochen, schon als Morgensterne leuchten, ähnlich wie Jesus selbst als der Erstling unter» denen, die da schlafen, und als der Bürge der Auferstehung für alle die Seinen, in Knie. LL, 16 der helle, der alle andern überglänzende Morgenstern ist. (Kemmler.) » 29. Wer Ohren hat, der höre, was der Geist den Gemeinen sagt. Stand diese Aufforderung in den drei ersten Send- schreiben vor der Verheißung (V. 7. 11 u. 17), so folgt sie in diesen und den übrigen Schreiben (vgl. Kap. 3, s. 13 u. LL) nach; das ist ein Anzeichen, daß die Thyatira-Gemeinde in der That, wie wir ausge- legt haben, eine Kirche versiniibildlichh die mit ihrem Bestehen in die Zeit der Wiederkunft Christi hinein- reicht, aber auch, daß die übrigen Gemeinden, wie wir hernach sehen werden, solche Kirchen vorstellen, die sich eine nach der andern aus jener heransgesetzt haben und insofern mit ihr zusammengehören Noch jetzt lebt in Thyatira (heutzutage Akhissar genannt) eine Christen- gemeinde, welche an Seelenzahl jene zu Pergamus übertrifft, und eine daselbst bestehende christliche Schule befindet sich in lobenswertheni Zustande. Das 3. Kapitel. Yrei Heudschreibew darinnen eine gdarnung vor Heuchelei, Gleirhgiltigkeit und Auch— lässiglieih das ghristenthnm betreffend. V. v.1—6. In der Gemeinde zu Sardes tritt uns das Bild einer Kirche entgegen, die voii Haus ans das gaiize volle Erben in sich getragen, aber bereits einem Zustande der Sicherheit und Trägheit anheimgefallen ist, darin sie mit dein bloßen Namen, daß sie lebe, sich be- giciigt, während in Wirklichkeit der geisiliche Tod bei ihr herrscht. Es wird denn ihrem Gngel von Seiten dessen, der seine Gemeinde hienieden mit den niannig- faltigen Kräften des heil. Geistes erfiilleu nnd besonders auch ihre Leiter niid Führer mit allein, was sie zur Führung ihres Ztinls bedürfen, begnadigeii kann, eine sihiirfe Zurechtweisung zu Theil mit der dringenden Mahnung, wach zu werden und das Andere, was sihon im Grsierben begriffen ist, zu stärken, also einem Arzte gleich zu werden, dessen Kunst darin besteht, der noch vorhandenen ttebensliräfte seines Patienten sich zu be- inächligen uiid durch Stärkung derselben das entsliehende Weben zuriiitiziiholem um eine neue volle Gesundheit wieder herbeizuführen. Mit der Mahnung verbindet siih dann Drohung nnd Verheißnng; ohne Zweifel aber haben wir hier das Bild der protestantischen Kirche vor uns, wie sie von ihrem ursprünglichen Erben im cause der Zeit zur todten Grthodorie erstarrt ifl — ein gefähr- licher Zustand, aus welchen( zuletzt der dtationalismns hervorgegangen, der an die Stelle der Grnndlehre von der Gerechtigkeit ans dem Glauben die ganze Selbstgenüg saiiilieit des eigenen Menschengeist» mit einer oberfliicls lichen Morallehre geseht hat. I. Und dem Engel der Gemeinde zu Sar- dess schreibe: Das saget, der die ssiebens Geister Gottes hat nnd die siebeii Sterne« [Kap. 1, 4 u. 16]: Ich weis; deine Werke fwie es mit dir in Wirklichkeit steht, nämlich nicht so, wie es von außen scheint und wie du auch selber dir einbil- dest]; denn du hast [zivar, was deinen Ruf nach außen und deinen Ruhm vor dir selber betrifft] den Namen, das; du lebest, nnd bist sdennoch, wenn man auf die Lebensäußerungen siehet, die nun auch in reicher Fülle sollten vorhanden sein] todt"«* [es fehlt daran so ganz nnd gar, daß du daliegst wie ein Todter, der sich nicht mehr regt und bewegt]. s) Lybiens alte, reiche Hauptstadt Sntdes, wo erst eigene Könige, deren letzter Crösus war, und dann persische Statthalter residirten, lag am nördlichsten Vor- sprunge des Berges Tmolus, 6—7 Meilen südöstlich von Thhatircn in einer fruchtbaren, vom goldfiihrendeu Paktolus durchfirömten Ebene; nach Besiegung Antiochus des Gr. kam die Stadt an die Römer, unter denen sie zwar Sitz eines Gerichtshofes war, aber auch immer mehr herabkam. Zur Zeit Christi durch ein Erdbeben verwüstet, ward sie mit Hilfe des Kaisers Tiberius wieder hergestelltz sriihe fanden sich dort Juden· m ziemlicher Anzahl und mit mancherlei Privilegien, ebenso entstand daselbst bald eine christliche Gemeinde. Es) Da nach Kap. L, L4 f. die ,,Andern« zu Thyatira, die nicht haben »svlche Lehre«, aufgefordert werden, das, was sie haben, festzuhalten, bis Christus kommt, und seine Werke zu halten bis an’s Ende, die Gnaden- frist und der Bestand der durch Thyatira vorgebildeten Kirche also, wie schon zu Kap. L, 29 bemerkt, sich fort- setzen wird bis in die letzten Zeiten, so bricht mit dem vorigen Kapitel die eigentlich consecutive (geschichtlich- weitersührende) Reihenfolge in Darstellung der ver- schiedenen Kirchenthümer ab, und es tritt von nun an ein mehr shnchronistisches (gleichzeitiges) Verhältnis; der durch die letzten drei Gemeinden vorgebildeten Kirchengestaltungen ein, so daß also die letzteren. nicht schlechthin auf jene Kirche folgen, sondern an irgend einem Zeitpunkt neben ihr in’s Dasein treten und neben ihr fortbestehen. Man hat den Namen »Sardes« von einem lydischen Wort abgeleitet, welches ,,neu« bedeutet, so daß wir bei der durch diese Gemeinde. re- präsentirten Kirche an eine neue oder erneuerte Kirche zu denken hätten; und in der That legt der HErr sich jetzt wieder dasselbe Prädikat bei, wie bei dem ersten Sendschreiben (Kap. L, 1), wenn auch in etwas ver- änderter Form. Schon dies weist auf ein durch Re- formation hervorgegangenes Kirchenthum hin; wie aber die Gemeinde zu Ephesus die Kirche der apostol. Zeit in ihrer bereits eingetretenen Verderbniß zeigte (Kap. L, 4), so nun die zu Sardes die' evangelische Kirche sogleich in dem Zeitraum der todten Orthodoxie, und gleichwie dort mit der ,,ersten Liebe« die frühere 28 Offenb. Johannis 3, 2——5. gute Zeit nur mittelbar angedeutet wird, so hier mit dem: »du hast den Namen, daß du lebest.« Die Worte: ,,Das saget, der die Geister Gottes hat und die sieben Sterne« sind ein freundlich-ernster Wink dessen, der den Tod des Sünders nicht will, sondern daß er sich bekehre und lebe; er erbietet sich hiermit der Gemeinde Muftergemeinden dastehen. Jn Sardes werden keine groben Sünden gerügt, wie in den zuvor besprochenen Gemeinden, in ihr war keine Jesabel, waren keine Nicolaiten und keine Bileamsleute; sie hatte die Linie der Rechtgläubigkeit und Ehrbarkeit genau inne gehalten. Und so kann noch heutigen Tages eine Gemeinde vor- satt-es. als denjenigen, der allein mittels der für alle Bedürf- nisse ausreichenden Geistesfülle, die er besitzt, wieder Leben in die Todtengebeine zu bringen vermöge und insbesondere die sieben Sterne oder die Vorsteher der verschiedenen Gemeinden mit diesem Geist zu begaben bereit sei. IN) Jn den bisherigen Sendschreiben konnte doch der HErr irgend etwas voranstellen, was des Lobes werth war; hier aber steht ungemildert und unum- wunden: »du hast den Namen, daß du lebest, und bist todt« Der ganzen Haltung des Sendschreibens nach war seiner Zeit auch in Sardes geistliches Leben ge- wesen: der Engel hatte empfangen und gehört (V. 3), die dortigen Christen hatten früher weiße Kleider, sonst könnte nicht von Besudlung derselben die Rede sein (V. 4), ihr Name war eingetragen in das Buch des Lebens (V. 5); nnd dennoch waren sie wieder geistlich erstorben. Zwar hatten sie noch den Namen, den äußeren Schein und Ruf, daß sie lebten; in Wahrheit aber waren sie todt. Wenn die Sonne auch schon völlig untergegangen ist, »so steht doch noch eine Zeit lang die Abendröthe am Horizont; wenn der Geist auch bereits aus dem Leibe eiitwichen ist, behält derselbe doch noch eine Zeit lang Form und Zusammenhalt So bleibt auch da, wo das geistliche Leben erloschen ist, oft noch eine geraume Zeit die äußere Gestalt desselben; man kann aus den Erfahrungen, die man früher gemacht, ans der Erkennt- ins» die man gesammelt, geistlich reden und seinem ganzen Thiin und Lassen einen geistlichen Anstrich geben; man kann nicht blos andere Leute, man kann sich selbst täuschen, daß man lebe, und dennoch ist man todt. Ja, Gemeinden, welchen in solch ein geistlicher Tod herrscht, können, nach der Anßenseite zu urtheilen, oft als wahre trefflich prädicirt sein, sich von Sektirerei und sittlichen Auswüchsen frei erhalten haben, und dennoch im geist- lichen Tode liegen, daß kein Weckruf, sei es des HErrn oder feiner Knechte, denselben zu erschüttern vermag und das Sprüchwort sich bewährt: ,,es wäre Manchem besser, er wäre schlimmer« (Kemmler.) Die Be- schreibung dieses Vorstehers ist kurz und abgebrochen, aber in einem einzigen Wörtlein ist viel Leidiges ent- halten. (Bengel.) Das Leidige liegt für uns in der unabweisbaren Empfindung, daß die Beschreibung uns besonders nahe berührt und auf uns ganz besondere Anwendung findet; denn schwerlich werden wir uns auf die Länge gegen die Anerkennung sträuben können, daß in dieser Sardesgemeinde das prophetische Vorbild unsrer protestantischcn Kirche in ihrem Verfall zu finden sei. (Sabel.) Wo man die reine Lehre hat und ihrer sich rühmt, aber die Lehre und das objective Kircheninstittit so überschätzh daß man darüber die stete, fortwährende Reformation des Lebens verab- säumt, da wird das Abbild von Sardes nicht verkannt werden können; und wenn ein solches Kirchenwefen in der Art, wie es gestiftet wurde und wie es das Wort zuerst aufnahm und hörte, auch überaus herrlich war vor andern, und wenn es auch eine beträchtliche Zahl leuchtender, lebendiger, wahrer Gottesmänner hat, die sich mit Arndtscher und Spenenscher Treue bestreben, die dem Tode nahe Masse aufznrichten und zu erwecken, so sind solche Lichtseiten doch nur zwei Aehnlichkeiten mehr mit der Gemeinde von Sardes (Ebrard.) Z. Sei wackcr [genauer: Werde wach, der du schläfest Ephes 5, 14., und stehe auf von den Todten, indem du aus deinem Zustande der Träg- Sardes, der Typus der zu todter Orthodoxie erstarrten protestantischen Kirche 29 heit und Sicherheit dich emporraffst] und stärke das Andere, das sterben will;’ denn ich habe deine Werke lwomit du für mich eiferst und den Namen dir erwirbst, daß du lebestV.1, dennoch, weil »der Vorwurf in Hes 34, 4 dich trifft] nicht vüllig erfunden vor Gott. 3. So gedenke nun [damit es zu einem Wach- werden bei dir komme und du im Stande seiest zu stärken], wie du sin zwiefacher Hinsichh sowohl dem Jnhalt als der Art nach, das Wort des Lebens] empfangen und gehöret hast, und halte es sdurch Rückkehr zu dem Was des Empfange- nen] Und thu Buße [durch Rückkehr zu dem Wie des Gehörten] So du nicht wirft wucheu [ivie ich denn allerdings voraussehe, daß du es nicht wirst thing, werde ich übFr dich kommen, wie ein Dieb szum Gericht auch über dich, daß beide Zeugen zugleich werden getödtet werden Kap. 11, 7 ff.], und wirst nicht wissen, welche Stunde ich über dich kommen werde« swäre es auch noch so deutlich in meinem Worte angezeigt und noch so nahe durch die Zeitereignisse vor die Augen gestellt] w ZLNDU hast liigesssnä aiåch seifxcihige,·hweneiågle»idch] cUlg lUUcU ZU llk c lc M l kc c! cc sdes Heils und der Gerechtigkeih die ich ihnen bei ihrer Taufe und Einverleibung in meine Kirche gegeben] besudelt habenlll ldurch einen Wandel in» der Weise dieser Welt]; und sie werden mit mir shier oben im Stande der HerrlichkeitJ wan- deln» in weißen Kleidern sder ooukommenen Hei- ligkeht undtTeligkeithhdeltitn ftehshnds wegthg Faß, wie ie mi reue ge a en a en, wa i inen gegeben V. Z, so auch ich ihnen lohne mit dem, was der Treue verheißen ist]. 5. Wer überwindet [indem er das im Glau- ben empfangene Leben sich auch kräftig in seinem Wandel erweisen läßt und mit der Welt und dem eigenen Fleische tapfer streitet], der soll [so, wie denen in V. 4 verheißen worden] mit weißen Kleidern angelegt werden, und ich werde seinen Namen lals eines solchen, der nicht blos den Namen hatte, daß er lebe V. 1, sondern auch wirklich lebte] nicht austilgeu aus dem Buch des Lebens-H [21·5s. 69, so; Jes 4, Z; Daii 12,1],»iind ich will seinen Namen bekennen vor meinem Vater und vor seinen EngelnfH [am Tage des Gerichts Matth. 10, 32 f.; Lub 12, 8 f.]. E) Das Andere, das sterben will, ist nicht etwa das noch übrige Gute, das der Vorsteher selbst noch in sich hat, der HErr behandelt ihn ja durchaus als einen bereits Erstorbenen, der erst durch den Machtruf seines Wortes wieder in’s Leben gerufen werden muß; es sind vielmehr die in seiner Gemeinde noch vorhandenen, aber im Erlöschen begrijfenen Lebensfunken, welche er, nachdem er selbst würde wachend geworden sein, wieder anfachen soll. (Kemmler.) Seitdem auf Grund der Con- cordienformel ein gänzlich vollendetes liitherisches System sich aufgestellt und geltend gemacht hatte, lag nun die Ge- fahr gar nahe, daß die freie kräftige Entwickelung der Theologie aus der heil. Schrift gehemmt werden und an die Stelle des rechten lebendigen Glaubens, wie er im Reformationszeitalter sich verbreitet, an die Stelle der innig und ächt praktisch kirchlichen Richtung, welche Luther der Theologie gegeben, bei so manchen Lehrern der Kirche, wenn ssie die belebende Kraft des reinen Worts und Sacraments, und der königlichen Lehre von der Rechtsertigung insbesondere, durch eigene Schuld unwirksam machten, eine starre, todte Reihtgläubigkeih ein Scheinglaube ohne die Früchte des Geistes treten konnte; man konnte sich begnügen mit einem strengen, blos äußerlich theoretischen Festhalten der bestehenden Glaubensform, anstatt vor allem durch die reine evangelische Lehre sich und die anvertrauete Heerde innerlich an Geist und Gemüth erneuern zu lassen, und über der edlen Form das ungleich edlere Wesen vergessen. Solche Fleischlichkeit und Leidenschaftlichkeit todter Orthodoxie hat denn der lutherischen Kirche that- fächlich unsägliches Unheil gebracht; es wäre aber schreiend ungerecht und völlig unhistorisch, dasselbe auf Rechnung reiner Lehre und rechtgläubiger Theologie und des Eifers für dieselbe schreiben zu wollen; nur eben das gereichte der Kirche zum Verderben, wenn die Quelle eines folchen Eifers nicht die reine war, und daß Weltsinn und Leidenschciftlichkeit sich bei so manchen lutherifchen Lehrern in den orthodoxen Eifer zum Verderb der Gemeinden gemischt hat, ist nicht in Abrede zu stellen. Bei dem dann folgenden Väuterungs- proceß nun geschah es wiederum, daß, während das zu Ltiuternde selbst nicht ohne vorwaltend reines Element war, dagegen das Läuternde nicht ohne größere oder geringere Zuthat menfchlicher Einseitigkeit blieb: wurde jenes verkannt, so konnte auch das, was im Gegensatz» gegen die todte Orthodoxie geschah, um die Kirche auf einen mehr innerlich und praktisch christlichen Weg zurückzuführen, nicht wahrhaft ersprießlich wirken und mußte schließlich in die Spitze auslaufen, daß die sogen. gesunde Vernunft auf den Thron aller mensch- lichen Angelegenheiten erhoben wurde, unbeschränkt über alles, was in das Gebiet des menschlichen Wissens einschlage, regierend und weder göttlicher noch mensch- licher Auctorität in ihren Urtheilen Einfluß verstattend. Des HErrn Mahnung und Meinung ist also nicht verstanden und befolgt worden; an die Stelle des Stärkens ist ein Auflösen und Zersetzen getreten, und noch bis auf den heutigen Tag ist man in dem unglückfeligen Wahne befangen, auf diesem letzteren Wege der Kirche von Sardes aufhelfen zu müssen, ohne zu merken, daß man damit nur die Periode der Kirche von Laodicea (V. 14 ff.) beschleunigt. W) Auch der Mangel an Verständniß der Zeichen der Zeit aus dem Geiste der Weissagung kennzeichnet unsere protestantischen Zionswächter bis auf den heu- tigen Tag. ·(Sahel.). · Mit) Diese, ob ihr wohl wenige waren, hatten sich nicht abgesondert, sonst hätte der Engel der Ge- meinde sie nicht; doch hatten sie es ihm nicht zn dan- ken, daß sie unbesudelt waren, vielmehr war er schuld daran, daß ihrer wenig waren und nicht mehr. (Ben- gel.) Jhr Gegensatz zu der todten Gesammtheit läßt sie als lebendige Glieder erscheinen, die das Auge des HErrn namhaft erkannt hat; und nachdem sie sich unter das Gesammturtheil mit haben beugen müssen, werden sie demselben als Einzelne beziehungsweise wie- 30 Offenb. Johannis 3, 6—8. der entnommen. (P. Lauge.) Diese Wenigen werden als ,,wenige Namen« bezeichnet. ,,Namen« für »Ver- sonen« findet sich auch in Apoftg. 1, 15 (vgl. 4.Mos.1, L. 18. 20; Z, 40 u. 43); hier ist aber dieser Ausdruck sicherlich mit Absicht gewählt, und zwar im Gegensatz zu der todten Masse, wo der Einzelne im großen kirch- lichen Haufen verschwindet. Jhr entgegen sind die we- nigen Einzelnen, welche von der allgemeinen Besudelung frei sind, jeder siir sich ein Name, ein geprägter Cha- rakter. (Ebrard.) s) Wie in Kaki. 16, 6 die, welche Blut Vergossen haben, Blut trinken müssen, so werden hier den Unbe- fleckten weiße Kleider verheißen, weil sie dessen würdig sind; die dabei zu, Grunde liegende Jdee der Vergeltung führt aber nicht auf die römischckatholische Vorstellung von einen( Verdienst, denn das Leben selbst (V. 1) mit allen seinen Kräften, welches von denen bethätigt wird, die ihre Kleider nicht befleckt haben, ist eine freie Gna- dengabe des HErrn. Von einem Verdienst würde nur dann die Rede sein können, wenn der Mensch sich selbst mit eigener Kraft unbefleckt erhielte; so aber bezeichnet der Ausdruck nur eine gewisse Uebereinstimmung zwi- schen dem Verhalten und der dem Verhalten zu Theil werdenden Ehre, obgleich die Ehre das Verhalten weit überragt. Die weißen Kleider mit ihrer hellen Sieges- farbe sind den Himmlischen eigen (V. 57 Kap. 6, 11; 7, I; 19, 8). Mit Christo werden die, welche im irdischen Leben ihre Kleider unbesleckt erhalten, in weißen Klei- dern wandeln, indem sie so geschmückt vor dem Stuhle Gottes und des Lammes im vollen seligen Genufse seiner Gemeinfchaft leben werden. (Düsterdieck.) H) Die specielle Verheißung erweitert sich nun zu einer allgemeinen, die nicht blos jenen Wenigen, sondern allen Ueberwindern gilt und insbesondere zur Ermun- terung für die geistlich Todten in Sardes berechnet ist. Die beiden ersten Verheißungen sind uns schon aus dem Bisherigen verständlich; sie sind ganz aus dem bereits geschilderten Zustand der Gemeinde zu erklären. Weil dieselbe vom Weltsinn besudelt und hierdurch geistig erstorben ist, so wird ihr, damit sie fiel) aufraffe und überwinde, das lichte Herrlichkeitsgewand der zukünftigen Welt vorgehalten und die Zusicherung gegeben, daß ihr Name trotz der zeitweisen Erstorbenheit noch nicht aus dem Buch des Lebens ausgetilgt worden sei, auch in alle Ewigkeit, wenn sie ihren Tod überwindet, nicht werde ausgetilgt werden. Gewiß eine große und von der Treue des HErrn zeugende Ermunterung, aus dem Munde Jesu selbst zu erfahren: unsere Namen stehen noch im Buche des Lebens, der HErr hat mit dem Durchstrich bisher noch zurückgehalten, es ist noch nicht aus mit uns; ja, wenn wir überwinden, soll er ewig darin stehen bleiben! (Kemmler.) Jst-s) Die dritte Verheißung hat die Bekenntnißtreue der wenigen Auserwählten zur Grundlage, deren Licht gehoben wurde durch den Schatten der uingebenden Bekenntnißscheu, welche der Lauheit und Weltsinnigkeit unzertrennlicher Begleiter ist. (Hengstenberg.) 6. Wer Ohren hat, der höre, was der Geist den Gemeinen sagt. Jm 10. Jahrh fiel Sardes in die Hände der Türken und ist wahrscheinlich durch den wilden Eroberer Timur zu Grunde gegangen; jetzt liegt an der Stelle ein elendes Hüttendors Satt mit weitläufigen Namen, von denen zwei Säulen, die Ueberresie eines prachtvollen Tempels der Cybele, am meisten imponiren Zwei ein- zelne Christen, welche v. Schubert vorfand, als er die Stätte besuchte, waren die einzige Spur von der ehe- mals dort befindlichen Gemeinde. VI. di. 7—13. Die Gemeinde zu Philadelphia kenn— zeichnet sich als eine solche, der nur eiue kleine iirast « verliehen iß, die aber das Wort des tjErrn mit aller Treue behält und seinen Namen auch da, wo sonß rings— her Zibfall herrscht, nicht verleugnet Ihr ist eine ossene Tlhiir zu reichgesegneter Thciliglieit auf dein Arbeitsfelde der snisßon gegeben, nnd es wird seiner jieit geschehen, daß selbst die ungliiubigen nnd verstorliteii Juden, die durch ihren Talmnd (Matth. 5,22 Kam) zu einer Zuna- goge des Satan sich constiinirt haben, noch eininal koni- inen und den hohen Ghrenstand dieser iilissionsgenieiiide anerkennen werden. Sie soll, als die das Wort der Geduld Christi bewahrt hat, nun auch bewahrt werden vor der Stunde der Versuchung, die über den ganzen weltlireis kommt, wenngleich nicht in dein Sinne, daß sie nicht ebenfalls in dieselbe hineingerathen, doch in dem, daß sie ans derselben errettet werden wird; und hält sie nun, was ße hat, daß niemand ihre Krone nehme, so ist ihren tleberwindern eine ganz ausgezeich- nete Stellung im künftigen Reich der Herrlichkeit gesichert. Zluf tieinen Fall haben wir unter silhiladelphiik wie Gbrard will, die resormirte Kirche zu verstehen, sondern der name ,,sl1h·ilndelphia« schon weist auf ein anderes Gegenbild hin, auf eine Gemeinde, welche gerade die lutherische Kirche ans sich herausgesetzt und mehr nnd mehr sich mit ihr zusammengeschlossen hat, um am leizteu Ende sie wieder in sich zuriiclezunehmem wenn sie selber ihr Ziel erreicht haben wird. « 7. Und dem Engel der Gemeinde zu Phila- delphia* schreibe: Das saget der Heilige sdem alles Ehre geben muß], der Wahrhaftige sder seiner Gemeinde als das fich bewähren wird, was fein Name bezeugt; es saget’s der], der da hat den Schlüsse! Davids sals der rechte, wahre David und König des Reiches Gottes Hei. 34, 23 f.; 37, 24 über alle Berufsämter und Arbeitsfelder in demselben verfiigt], der [die Thür zu einer reichen und gesegneten Wirksamkeit] anfthnh Und niemand list nun, der, wenn er auch noch so viele Bollwerke und Hindernisse in den Weg legen wollte, die aufgethane Thiir] zufrhlenßh der [andrerseits aber auch] znfkhlenszt sdasz einer nichts schaffet und vor sich bringt im Reiche Gottes-s, nnd niemand [wie sehr er selbst sich mühe und anstrenge oder von Andern unterstützt und beför- dert werde] aUsthUtH [Jes. 22, 22]: 8. Jch weifz deine Werke sweiß sehr wohl darum, weß ich mich zu dir nach Maßgabe deiner inneren Herzensstellung zu mir versehen darf]. Siehe, ich habe vor dir gegeben eiue osfene Thür [zu thaikräftiger, eindringender Wirksamkeit für mein Reichs, und niemand kamt sie znschlieszen sdaß er das, was du zu vollbringen berufen bist, zu hindern oder zu hintertreiben vermöchte]; denn dn hast lzwar bei deinem geringen äußerlichen Umfang und deinen geringen zeitlichen Mitteln im Vergleich mit Andern nur] eine kleine Kraft [so daß du am leichtesten hättest der Gefahr unter- liegen können, von dem Strom der allgemeinen Meinung mit fortgerissen zu werdens, nnd haft Sendschreiben S) an die Gemeinde zu Philadelphia 31 fdennochj gnem Wort behalten, nnd hast meinest Namen incht verleugnetkkk fals Anlaß und Ver: suchung dazu genug vorhanden warf. i) Etwa Meilen 6 südöstlich von Sardes, am andern Fuße des Tmolus und am kleinen Fluß Cogamus, liegt im Jnneren Lydiens die vom pergamenischen König Atta- lus Philadelphus erbaute Stadt Philadelphikh die im J. 133 n. Chr. ebenfalls an die Römer fiel, um Christi Zeit aber durch mehrere Erdbeben verwüstet wurde und nun auf einen kleinen Umfang beschränkt blieb. nichts aus, wenn der HErr ihm zufchließy während der Geringste und Schwächste dennoch Großes leisten und niemand seine Erfolge hemmen kann, wenn der HErr ihm die Thüre aufthut. (Kemmler.) Christus allein ist der Mehrer seines Reichs, und die Erfolge der Mission sind sein Werk; darum ist auch nur die- jenige Gemeinde seine Mifsionsgemeinde, der er Auftrag, Vollmacht und Segen dazu giebt. IN) Wenn derApostel in 1.Cor. 16, 9 u. 2.Cor.2, 12 erklärt, es sei ihm eine Thür aufgethan, um mit Er—- folg das Evangelium zu verkündigen und das Reich Vhiladelphia Ist) Den Namen »der Heilige« führt Christus vorzugsweise als der König seiner Gemeinde; denn nur in ihr wird er als der Heilige, der von den Sündern abgesondert und höher denn der Himmel ist, verehrt und gepriesen, und nur in ihr kann er auch als der Heilige wirken und Lichteskinder schafseu, wie er selbst ein Licht ist. Weil er nun eben in Philadelphia eine ächte Gemeinde Gottes vor sich hat, spricht er sie mit seinem Majestätsnamen als der Heilige an, indem er sie hiermit zugleich feierlich als sein Volk anerkennt. Eben darum ist er aber auch »der Wahrhaftigech der Bund und Treue— hält ewiglich, auf dessen Wort und Verheißung seine Gemeinde unter allen Umständen bauen und von welchem Philadelphia insbesondere die Erfüllung der in diesem Sendschreiben gegebenen Ver- heißungen erwarten darf. Besonders ist er im Stande, ihr die Macht, von welcher V. 8 die Rede ist, die ihr verheißene ossene Thür zu geben und zu sichern; denn er nennt sich zugleich denjenigen, der »den Schlüssel Davids hat«. Es ist hierbei nicht an die Schlüssel des Himmelreichs zu denken, sondern es ist die Macht, zur Wirksamkeit in seinem Reich zuzulassen und von derselben auszufchließen, Segen zum Amt zu geben oder diesem den Segen zu entziehen, gemeint; diese Macht übt er selbst unmittelbar, und kann in seinem Reich sich niemand etwas nehmen, es werde ihm denn gegeben vom Himmel, und wenn jemand noch so hoch begabt, noch so eifrig und thatkräftig wäre, er richtet Christi auszubreiten, so verbreitet das Licht über die Bedeutung des Ausdrucks: ,,ich habe vor dir gegeben eine vffene Thür« auch an unsrer Stelle; und von hier aus wiederum fällt das rechte Licht auf die Bedeutung der Selbstbezeichnung Christi in V. 7: »der da hat den Schlüfsel Davids-«, so daß also nicht von der eigenen persönlichen Zulassung oder Ausschließung derer, an welchedas Sendschreiben sich richtet, die Rede ist, ob sie zum Reiche Gottes gehören sollen oder nicht, sondern von dem ihnen, als bereits zu Gottes Reich Zugelasfe- neu, erössneten weiten Spielraum zu einer gesegneten Verkündigung des Evangeliums oder zu einer erfolg- reichen Bekehrungsthätigkeit für Christum unter Heiden und Juden. Hiernach haben wir es bei diesem sechsten Sendschreiben iml Allgemeinen mit der Miffions- gemeinde zu thun, deren Beruf es ist, dafür zu wir- ken, daß die Fülle der Heiden in Gottes Reich entgehe, und auch in Israel selber die Zeit vorzubereiten, daß dies vorerwählte, aber verworfene Volk endlich noch selig werde (Röm. II, 25 f.). Sie hat, diese Miffions- gemeinde, ihre Diafpora oder die zerstreuten Glieder ihrer Genossenschaft in den verschiedenen Theilen der evangelischen Kirche, ihre eigentliche Ausgestaltung und Verkörperung aber hat sie offenbar in der Brüder- gemeinde gefunden, die schon mit ihrem Namen an Philadelphia (Bruderliebe) erinnert; nur dvgmatifche oder kirchliche Befangenheit kann dies verkennen, wo- gegen freilich auch andrerseits die Briidcrgemeinde vor 32 Offenb. Johannis 3, 9——12. einer Ueberschätzung ihres Berufs und ihrer Bedeutung insofern sich zu hüten hat, als sie nicht noch in einem zweiten Zeichen der Offenbarung ihr Bild darf er- blicken wollen, nämlich in dem großen Zeichen des Sonnenweibes (Kap.12). Das ist ja die innere Signa- tur der Gemeinde der mährischen Brüder, der Herrn- huter: sie hat jene kleine Kraft, die in dem kindlich einfältigen Herzen ruht, sie hat Christi Werk bewahrt mitten durch die Zeiten der Aufklärung, des Unglau- bens, und hat des Namens Jesu, des Lammes Gottes, sich unter keinerlei Anfechtungen geschiimt; darum hat sie auch der HErr geliebt und zu einer Missionsgemeinde gemacht zu einer Zeit, da mit der Glaubens- und Be- kenntnißtreue auch der Missionstrieb eingeschlafen war. Sie hat das Wort und die Geduld Christi in Ehren gehalten und ist nie aus der Leidenswilligkeit heraus- getreten, hat nie herrschen wollen, nie das Schwert gezogen, nie polemisirt und disputirt, sondern sich ein- fach auf das Wort vom Kreuze, auf die stille Nachfolge in des Lammes Fußstapfen beschränkt. (Sabel.) Ge- meinsam mit dem großen, wahrhaft evangelischen Gan- zen zur unveränderten Augsburgischen Confession sich frei bekennerid, und das facrainentliche Mysterium im Cultus wesentlich lauter bewahrend, hat jedenfalls die Brüdergemeinde ihre volle und reine kirchenhiftorische Berechtigung; hat sie doch selbst im trüben Moment der Gegenwart vor protestantischen Landeskirchen das Unendliche voraus, daß sie wirklich eine Kirche ist, die die Individuen trägt, und nicht getragen werden soll von ihnen, und zwar eine Kirche, die einen anderen Ruhm nnd eine andere Zier nicht kennt und kennen will, als Christum allein, den innig perfönlich geliebten Sünderheiland, vor dem alles Menschliche sündig und arm nnd nichts ist. Jst sie nun auch nicht eine Kirche nur, sondern zugleich nothwendig blos ecclesio1n(Ein- zelgemeine) und überdies, wenn man es, kurz alle Mängel zusammenfassend, so ausdrücken will, wirklich eine Art von Möncherei: wohl! auch ein weibliches evangelisch-kirchliches Princip als Mikrokosmos (Welt im Kleinen) hat sein heiliges, nicht zu verkümmerndes Recht; und wem in und aus den Stürmen solcher Zeit und bei solcher Zukunft (V.14ff.) mag das hohe Bedürfnis; in die Hütten friedvoller Stille, in ein doch wahrhaft evangelisch gestaltetes Mönchsthum zur Samm- lung in dem« Einen, was noth thut, je zuweilen sich sicher zu flüchten, jemals wohl entrückt fein? (Guericke.) Noch ist die Geschichte der Brüdergemeinde nicht ge- schlossen und nur über diejenigen Erscheinungen, die vom Schauplatz der Geschichte abgetreten sind, kann die Gefchichte richten; soviel aber können wir klar erkennen und bestimmt aussprechen, sie ist eine Gemeinde, welche die ganze bürgerliche und gesellschaftliche Daseinsform unmittelbar in den Dienst des Reiches Gottes stellt und für dasselbe verwerthet (Burkhardt.) 9. Siehe, ich werde geben sgebe in die Be- kehrungsmacht, die ich dir verliehen habe, dahin auch ihrer etliches aus Satonos Schule, die da sagen, sie sind Juden, und sinds nicht, sondern Mast! lKap. L, 9]. Siehe, ich will sie machen, daß sie [wenn sie nun wirklich sich zu mir be- kehren werden] kommen sollen und anbeten zu deinen Füßen sals des ihnen verordneten Heils: vermittlers],- und erkennen, das; ich dich geliebet habe« fvgt Jef 49, 23; so, 14]. 10. Diewell du hast [zu der Zeit, wo alle Andern es sich haben nehmen lassen] behalten das Wort meiner Geduld sdas Wort vom Kreuz, das meine eigene Geduld vor Augen stellt, aber auch Geduld von denen fordert, die sich zu ihm be- kennen], will ich auch dich behalten vor sim Grundtext: aus Ich. 17, 151 der Stunde der Versuchung, die kommen wird über der ganzen Welt Kreis, zu versuchen, die da wohnen auf Erden« [und die so schwer sein wird, daß ver- führet werden in den Jrrthum, wo es möglich wäre, auch die Auserwählten Matth. 24, 24z aber beg dirfizben will ich das unmöglich machen Kap. 1 , 7 .. 11. Siehe, ich komme bald sso daß die Stunde der Versuchung, welche zuvor kommt, ehe denn ich selbst erscheine Kap. 19, 11 ff.; 2. Thess 2, 3, nicht lange mehr wird auf sich warten lassen].« Halle, was dn hast [Kap. Z, Pf, daß niemand deine Krone fden damit, daß ich dich aus jener Stunde bewahren werde, dir verbürgten SiegerkraUzJ nehme ldas aber, was du hast, ist der einfältige, kindliche Sinn, die ungetheilte Hin: gabe an das Wort meiner Geduld, und daran halte auch fernerhin fest bis an’s Ende]. 12. »Wer überwindet, den »will ich machen zum Pfeiler in dem Tempel meines Gottes, und [er] soll nicht mehr hinaus geben«* ffondern in alle Ewigkeit solche Stellung im Reiche der Herr: lichleit inne haben].« Und will auf ihn [als einen Pfeilers schreiben den Namen meines Gottes und den· Namen des» neuen Jerusalem, · der Stadt meines Gottes, die vom Himmel hernieder kommt [Kap. 21, L] von meinem Gott, und meinen Na- men, den nenenr [Kap. 19, 12. 16]. ’k) Auf einer seiner Reisen durch Deutfchland kam A. H. Franke auch zu dem ehrwürdigen greifen Prä- laten Hochstetter i? Bebenhaufeicih bei sübggetkkbdiesz sa te zu ihm: » inen dreifa en un a e i inkilmer meinem Gott inHiEeinem Gebet vårgetrciiägem erstens, daß doch der rr eine neue usgie ung seines Geistes über unsre deutsche Christenheit schicken wolle; zum Andern, dasizl er Arbåiter in dadsßweig ld der eiden senden wo e« zum ritten, a au ädarmenik Herzen an den 7Weinberg Jsraels denken möchten. Die ersten beiden Gebete hat metnHErr in Gnaden erhört — ach, daß doch auch mein letzter Wunsch möchte in Erfüllung gehen! Franke nahm das Wort des bewährten Vaters zu Herzen und theilte es in seinen erbaulichen Anreden an die Studenten in Halle mit; diese Anrede hatte damals Callenberg zu ordnen, und sie veranlaßte denselben, von nun an ernst- lich über das geistliche Wohl Jsraels nachzudenken, und als er nach einiger Zeit Professor geworden, gründete er im Jahre 1728 das jüdische Institut, welches mehrere Missionare aussetkdeth Furch derånE Dienst tf)l?;)hältniß- mäßig viele einze ne Ju en dem rrn «uge’ rt wor- den sind. Wie man nun svon Halle akis thätig war für Israel, so auch von Herrnhut aus. Graf Zinzen- darf hielt Betstunden für die Bekehrung der Juden, dichtete Lieder für dieselben, und von der Gemeinde selber wurden auch zu ihnen Missionare entsendet, Philadelphia, der Typus der Missions-Brüdcrkirche. 33 Leonhard Dober und Samuel Lieberkühn sind darunter die bekanntesten. Der Letztere sagt: Die Juden müssen fühlen, daß man selbst eine brennende Liebe zu seinem Heilande und eine aufrichtige Liebe zu seinem Volke Jsrael hat. Ein Jude sagte einmal zu vielen Andern von mir: »der hat den Tolah (Gekreuzigten) so lieb; wenn ihr ihm lange zuhört, so macht er, daß ihr alle den Tolah lieb kriegt« Die Gemeinde hat dann alle- zeit einzelne bekehrte Juden und Jüdinnen unter sich bt M) Eine Stunde der Versuchung wird bereits am Schluß des gegenwärtigen Jahrhunderts über den Kreis des Erdbodens kommen mit der Ertödtung der zween Zeugen (Kap.11, 7 ff.); wie da die Philadelphia-Ge- meinde in besonderer Weise vor der Stunde der Ver- suchung bewahrt bleiben wird, und vielleicht für manche Seelen, die es unter den herrschenden Zuständen nicht aushalten können, eine Zufluchtsstätte bilden wird, läßt erst mit der weiteren Entwickelung der Dinge sich einigermaßen verstehen. Noch schwieriger aber ist es zu bestimmen, wie alles kommen werde, wenn mit Ab- lauf des 20. Jahrhunderts das Regiment des persön- lichen Antichrist in die Erscheinung tritt. Eine leib- liche Bewahrung würde da nur möglich sein drüben im heiligen Lande selber, und da läßt sich noch weniger ermessen, inwieweit das eine Zusluchtsstätte für Andere, die nicht zu Jsrael gehören, sein werde· Was dagegen die Bewahrung der Seele betrifft, so ist es die Ein- falt und der kindliche Sinn, welcher allein davor be- hüten kann, nicht verführt zu werden in den von allen Mächten der Finfterniß unterstützten Jrrthum der letzten Zeit, wo Satan zum Lichtesengel sich verstellt und nun alle Welt seinem Antichrist huldigt (Kap.13, 12 ff.; 23 Thess L, 3 ff.).» die Verheißung eigentlich allein, da sie nur von einer Bewahrung aus, nicht aber, wie unsre deutsche Ueber- setzung lautet, vor der Stunde der Versuchung redet; das Bewahren ist lediglich als ein Erretten der Seelen- gefahr, welche die Versuchung bringt, gemeint, wäh- rend die Versuchung selber auch über Philadelphia kommen wird. Was der Ausdruck »das Wort meiner Geduld« besagen will, darüber wird von den Auslegern viel hin und her geredet; offenbar haben wir darunter das Wort vom Kreuz Christi zu verstehen, welches von allen dasselbe geduldige Standhalten fordert, wie es der Anfänger und Vollender unsers Glaubens bewiesen hat, oder das Wort Jesu Christi, sofern es als Wort vom Kreuz nicht ein Wort des Triumphes, sondern des Duldens und Wartens, des Glaubens und Hoffens ist. Dieses Wort hat Philadelphia zu einer Zeit, wo es jedermann eine Thorheit oder ein Aergerniß im höchsten Grade war und keiner mehr sich zu ihm bekennen wollte, in Einfalt bewahrt, und ist ihm da Einfalt und kindlicher Sinn zu seinem eigenthümlichen Charakter geworden; wenn aber das Auge einfältig ist, so wird der ganze Leib licht sein (Matth. 6,22), das wird sich an dieser Gemeinde am herrlichsten in jener Stunde der Verfuchung bewähren, die über den ganzen Erdkreis kommt. Man braucht dann nicht äußerlich zu der betreffenden Gemeinde zu gehören, wenn man nur innerlich ihre Signatur an sich trägt, und man hat Theil an der ihr geschenkten Verheißung; wer aber diese Signatur nicht an sich trägt, wird sicherlich der Versuchung erliegen, selbst wenn er äußerlich ein Glied der Gemeinde wäre. Ist-«) Wie in allen Sendschreibem so geht auch hier die Schlußverheißung für den Ueberwinder auf die Zeit der ewigen Herrlichkeit nach der Zukunft des HErrn; dies ist nachher noch besonders angezeigt durch den Aus- DächfePs Bibelwert Vll. Band, 2. Adth. L. Aufl. Auf diese innere Bewahrung zielt— druckx ,,des neuen Jerusalem re« (Düsterdieck.) Wer in der Weise der Gemeinde zu Philadelphia Ueber- winder wird, wer im demiithigen Bewußtsein der eigenen kleinen Kraft sich überall vom HErrn die Thiir aufthun läßt und in Treue ausharrt, der wird von ihm mit einer besonders hohen Stellung in seinem Reiche begnadigt; er wird nicht blos als gewöhnlicher Stein dem himmlischen Tempel eingefügt, wie dies jedem, der im Glauben erfunden wird, geschieht, sow- dern er wird eine Säule, ein Pfeiler darin. Eine Säule dient einem Gebäude sowohl zum Halt als zum Schmuck; und diesen Dienst leisten ja solche Geringe, die in des HErrn Kraft einhergehen, feinem Reiche schon hienieden. Sie werden andern Gläubigen zur Stütze; diese ranken sich an ihnen empor, wie das Gemäuer eines Tempels an seinen Säulen, und schließen sich über ihnen zusammen in fester harmonischer Verbin- dung. Und so sind sie zugleich die Zierden der Kirche, an welchen sich die Herrlichkeit des Meisters, dessen ausschließliches Werk sie sind, offenbart. (Kemmler.) Eine Säule ist eingefügt in den Bau, dessen Träger sie ist, fest und beständig; sie kommt nicht mehr heraus aus dem Gebäu, es sei denn, daß dieses letztere selbst zerstört würde, was hinsichtlich des Tempels Gottes in alle Ewigkeit nicht geschieht. (Sabel.) f) Haben die Philadelphiey weit entfernt sich selbst einen Namen zu machen, einzig darum Sorge gehabt, den Namen ihres HErrn in Schmach und Ver- folgung nicht zu verleugnen, und die Welt verleugnend nur nach der himmlischen Gottesstadt getrachtet, so wird dagegen auf sie geschrieben a) der Name Gottes, b) der Name der Gottesstadh des neuen himmlischen Jerusalem, und c) der neue Name Jesu, der Name nicht seiner Kreuzesschmach, sondern seiner Siegesherr- lichkeit, ein geheimnißvoller Name, den niemand weiß und selbst in der Zeit seiner Wiederkunft (Kap. 19,12) noch niemand wissen wird. Der Name Gottes besagt, daß der Ueberwinder Eigenthum und Unterthan, ja Kind Gottes sei, der Name des neuen Jerusalem, daß er hier Bürgerrechh und der neue Name Jesu, daß er am Siege und Triumph feines Fürsten Theil habe. (Ebrard.) Während zuerst in Jesu die ganze mensch- liche Niedrigkeit und Schwachheit sich kundgab, hierin gleichfam sein ganzer früherer Name bestand, wird sich dereinst in ihm, wenn er mit der Hütte Gottes her- niederkommt vom Himmel, die ganze Herrlichkeit des Vaters offenbaren und auch seine menschliche Natur vollkommen in dieselbe verklärt sein. Dies ist sein neuer Name, welchen er auch auf die Ueberwinder schreiben will; auch von ihnen soll, wenn sie dereinst selbst dem Leibe nach in Jesu Bild verklärt sein werden, die ganze Klarheit Gottes im Angesicht Jesu Christi leuchten. (Kemmler.) 13. Wer Ohren hat, der höre, was der Geist den Gemeinen sagt. Gerade an Philadelphia ist die Verheißung in recht ausfälliger Weise zu vorbildlicher Erfüllung gekommen: öfter belagert, ist die Stadt auch oft merkwürdig be- wahrt worden, und selbst als der alles verwüstende Tamerlan rings umher jede Stadt und jedes Dorf von dem Erdboden vertilgte und mit Strömen von Men- schenblut hinwegwufckh wurde sie wie ein Wunder er- rettet und diente zum Bergungsort der von Sardes entflohenen Christen und seines Bischofs. Mitten unter muhamedanifchen Ortschaften steht die kleine Christen- gemeinde daselbst gleichfam als die letzte einsame Watte und führt den bedeutsamen Namen Altar-Scheins, d. i. 3 34 Offenh Johannis Z, 14—16. Stadt Gottes, ja, mitten in einein Gefilde von Trüm- mern nimmt sie wie eine aufrechtstehende Säule sich aus. VII· v. 14—22. In Eaodirea tritt uns eine Gemeinde entgegen, die, weil sie weder halt non) wann, sondern lau ist, den tijGrrn anelielt und von ihm aus seinem Munde wird ausgespieen werden; he dünliet sich so reich nnd iiberretch nnd bediirfnißlos, nnd ist dokh so elend und erbarmungswitrdig, isi arm, blind und bloß. Frei— lich wäre ihr wohl zu rathen, wie ße ans ihrer Jlrmuth zum Ueiktjthum, ans ihrer nlöße zu herrlichen Kleidern liommen und von ihrer Blindheit genesen könnte; aber was iß mit einem Uathe ihr geholfen, den sie doch nicht annincmt nnd befolgt, schon weil sie Den nicht mag, zu dem der Rath sie hinweist! Und doch weiß der iljGrr gerade in dieser Gemeinde, gegen welche sein Urtheil der wegwerfung ergeht, einen Untergrnnd unter der wberdeclig dessen er nach Beseitigung der lehteren sikh bemächtigen kann; er weiß solche, die er lieb haben nnd durch Strafe und Zcichtigung zur Buße führen mag. Denen eutbietet er sich denn zum Gast in ihres Herzens Hause und redet zu ihnen von der engsten Gemeinschaft, von dem oertranlichsten Tischverltehrz und den Ueber- windern ans ihrer itnitte verheißt er dasselbe, was den Märtyrern der älteren Kirche zu Theil werden wird. Wir haben- hier das Bild der üirihe zu einer Zeit, die bereits sich zu geüalten angefangen hat, mit der aber auch die Zeit der Heiden abschließt (ogl. die idem. zu san. 1, 3). » 14. Und·dem Engel der Gemeinde zn Lad- dieeai schreibe: Das sagt Amen [der, der die ewige Wahrheit selbst ist], der treue und wahr- haftlge Zeuge [welcher die Wahrheit rein von aller men chlichen Trübung offenbart], der Anfang der Creakxur Gottes« [von dem alle Creaturen ihren Anfang bekommen haben, der ihr Ursprung ist Joh. 1, 3]: 15. Ich weiß deine Werke [kenne genau dei- nen inneren Herzenszustandh daß du weder kalt [wie die völlig Ungläubigen] noch warm [wie die Gläubigen in der ersten Liebe] bist. Ach, daß du kalt [wärest, dann ließe sich für dich noch etwas thun, du könntest noch gewonnen werden] oder [aber, da du fchon gewonnen warest, vielmehr] warm wärest lund mir in heißer Liebe, wie sich’s gebühret, zugethan]! 16. Weil du aber lau bist ldes Glaubens» Schärfe scheuend und seinen Ernst weidend, da- gegen mit der Welt es haltend und weinend, mit ihr eine Vereinbarung herbeiführen zu müffen], und weder kalt noch warm, werde ich dich aus- speien ans meinem Mundeiw [wie man laues Wasser, das nur Ekel erregt, wieder von sich giebt]. » It) Die große und reiche Handelsstadt Laodicea im südwestlichen Phrygiem da, wo dieses Land mit Karten und Lydien zusammengrenzt, einige Stunden von Colossä, nicht weit von dem in den Niäander flie- ßenden Lykus gelegen, hieß früher Khdrara oder Dios- polis, später Rheas, bis dann der shrische König An- tiochus 1I. (von 262——246 v. Chr.) seiner Gemahlin Laodice (Dan.11,6 Anm.) zu Ehren sie mit diesem neuen Namen benannte. Während wir über die Stif- tuiig der Gemeinden zu Smyrna, Pergamus, Thyatira, Sardes und Philadelphia sonst keine Andeutung weder in der Apostelgefchichte noch in den apoftolischen Briefen finden, geschieht dagegen der Gemeinde zu Laodicea Erwähnung in Col. Z, 1 u. 4, 13. 15. 16., an welcher letzteren Stelle sogar eines Briefes an dieselbe gedacht wird. Jn der Kirchengeschichte ist die Stadt durch eine daselbst (zwischen 360 u. 364 n. Chr) abgehaltene Sy- node bekannt, welche unter anderem auch Festsetzungen in Betreff der Heiligung des Sonntags, sowie über die zum Kanon gehörigen biblischen Bücher traf. It) Der Amen oder Wahrlich ist Der» der bei allem, was er sagt, in Aufdeckung der verborgenen Tiefen des Herzens, in Drohung und in Verheißung stets mit vollem Rechte das ,,Wahrlich« hinzufügen kann, während allein, was ein kurzsichtiger Mensch spricht, überall ein Fragezeichen zur Seite geht, und zwar um so mehr, je zuverftchtlicher er redet. Es steht diese Benennung im Zusammenhange mit dem hänfigen Wahrlich in den Reden des HErrn; dies weist ebenso, wie das Prädikat hier, hin auf die ihm als dem Wahr- haftigen einwohnende Wahrheitsfülle (Hengstenberg.) Die folgenden Worte, aus Kap- 1,5 genommen, aber um den Zusatz »und wahrhaftige« vermehrt, dienen zur Erklärung des Amen. Er ist der Zeuge, der vom Vater gezeugt hat, und das hat er in irnverbrüchlicher Treue gethan, nichts geredet, als was er vom Vater empfangen hat (Joh. 12, 49; 14, 10); und eben darum ist er der wahrhaftige Zeuge, Der, dessen Worte Wahr- heit sind, dessen Drohungen eintreffen. Er ist aber noch mehr: er droht nicht blos, was der Vater wirklich ausführen wird, er hat auch selber Macht, seine Dro- hungeu auszuführen; denn er ist der Anfang der Crea- tur Gottes, nicht das Anfangsftüch das älteste Stück oder Exemplar unter den Geschöpfen, sondern der Aus- gang und Quell, der lebendige Anfang oder Ursprung. So ist er der Herr der Creatur, der zu gebieten hat über sie und feinen Worten Kraft zu geben vermag, und den die Laodicener fürchten, mit dem sie nicht ihr Spiel treiben sollen; ihr Christenthum war so schlaff und unentschieden, so zwischen Chriftusliebe und Christus- seindschaft in der Schwebe haltend, als ob Christus und sein Heil und fein Wort ein Spielzeug wäre, womit man tändeln könne. (Ebrard.) Sie hatten sich, wie aus allem hervorgeht, in geistreiche philosophische Spe- culationen über den Ursprung der Dinge verloren, über welchen ihnen das einfache Evangelium von der Gnade und Wahrheit Gottes zur Thorheit geworden war; da sagt ihnen nun der HErrt Ueber was ihr philosophirt und worüber ihr, anstatt mich zu finden, von mir ab- kommt, das bin ich felbst, ich selbst bin der von ench gesuchte Anfang derCreatur Gottes, die ewige wesen- hafte Weisheit, aus der alles, was ist, seinen Ursprung hat, und Weisheit ist es deshalb, mein Wort und Evangelium als himmlische Weisheit zu ehren und euch von demselben als demüthige Schüler leiten zu lassen. (Kemmler.) IN) Dein Zustand, sagt der HErr zu Laodicea, den du für herrlich nnd gefichert hältst, ist nichts als Lan- heit, und du bist wie laues Wasser oder laue Speise dem Jnnersten widrig und nur des Ansspeiens werth; du bist nicht warm, nicht so wie eine zubereitete Speise, nicht kalt wie ein frisches Wasser, eine frische Frucht Ach, daß du kalt wärest — nicht eiskalt, nicht erkaltet, sondern lieber noch im natürlichen Zustand, noch un- zubereitet, so wärest du doch noch nicht rückwärts ngen: oder warm, von Lebenswärme durchdrungen! (Lämmert.) Jn dem Kalten, der nichts hat, kommt das Gefühl seines Bedürfnisfes und damit Buße und Sendschreiben 7) an die Gemeinde zu Laodicea 35 Glaube eher auf, als in dem Lauen und Halben, der sich stets mit dem, was er hat, tröstet um das, was er nicht hat, der als der allezeit Fertige nie an seinen Mangel glaubt, der sich immer für reich und satt hält und darum nie weiter kommt. Die Weitherzigen in Lehre und Leben sind je und je unriickbarer als die geradezu Ungläubigen gewesen; darum hat der HErr den Wunsch, daß die Laodicener entweder kalt oder warm sein möchten, denn im letzteren Falle würde er sie behalten und im andern suchen, aber so, wie sie seien, um ihre Wesenheit und Kraft gebracht, das Heiden- thum mit Christlichkeit verbrämt, die Christlichkeit aufs Heidenthum abgezogen hat, mit einem Worte, der christliche Gleißner, der mit Gott und Welt buhlt und dem der Amen das Zeugniß entgegenhält, daß der Welt Freundschaft Gottes Feindschaft ist (Jak. 4, 4). Wie ist ein solch heuchlerisches Christsein möglich? wie mag aus einem an Christo erwärmten Herzen ein laues werden? Aus zweifache Weise, von innen und von außen! Jn sich selbst hat auch der warme Christ Qual-treu. weder kalt noch warm, werde er mit ihnen handeln, wie man mit-lanwarmem, ekelerregendem Wasser han- delt. (Kliefoth.) Es ist schlimm, kalt sein, sehr schlimm; aber das Schlimmste ist es noch nicht, das ist vielmehr die Lauheit, der Zustand, in welchem sich die laodi- cäische Gemeinde befindet. Lan ist kalt und warm, und darum weder kalt noch warm; die Lauheit hat die Wärme um ihre Wärme und die Kälte um ihre Kälte, beide also um ihre wahre, einander ausschließlich gegensätzliche Natur gebracht, ihre Kälte ist nichtsmehr kalt und ihre Wärme ist nicht mehr warm, die Kälte ist in ihr durch die Wärme und die Wärme durch die Kälte neutralisirt, also eine durch die andere aufgehoben. Aus diesem Wesen der Lauheit ergiebt sich, daß sie mit der Wärme in Verbindung getreten war, sie in sich aufgenommen hatte, daß aber dieser Wärmezustand ein gewesener, also nicht mehr ist; andererseits, daß sie die Kälte wieder in sich eingelassen, diese aber eben um der in ihr gewesenen Wärme willen nicht reine Kälte ge- worden, sondern mit der Wärme eine Unwahre, gleis- nerische Verbindung eingegangen ist. So ist sie ein abgeschwächtes Gemisch von unvereinbarem sich gegenseitig ausschließenden Gegensätzen, und darum fiir den Wahr- haftigen ekelerregend. Die Anwendung ist leicht: der im geistlichen Sinne Laue ist kein Heide noch Jude, sondern ein gewesener Christ, der das Leben und die Lebenswärme Christi in sich aufgenommen-hatte, aber diese durch die Kälte des heidnifclkjiidischen Weltsinnes noch einen Abgrund, die Selbstigkeit oder Eigenheih Eigenkrast, Eigenweisheit, Eigengerechtigkeit mit ihrem wichtigthuenden stolzen Selbstgefühh ihrer geistigen Be- weglichkeit, ihrem Ehrgeizq wird diese nicht mit hei- ligem Ernst ilberwacht, der Abgrund selbst nicht allmälig ausgefüllt und geebnet, so dringen die Er- kältungen ein in’s warme Gemiith und die Kraft des Lebens schwindet, zumal der Feind von außen, der uns iiberall umschleichende Weltgeist, uns mit seinen verfiihrerischen Lockungen in seine Strömungen fort- reißt. Versäumt der Christ die tägliche Erneuerung seines Gemiiths im Geiste und Geistleben, so mischen sich in ihm unvermerkt, wie seine eigenen Begehrlich- keiten, so die nicht immer groben, sondern oft feinen und feinsten Weltelemente mit seinem Christenthum dermaßen, daß sich Wahrheit und Schein, Gott und Welt, Christus und Belial nicht mehr unterscheiden läßt und die Jdentisicirung beider für das ächte zeit- gemäße Christenthum gilt. Solch eine Mischung und Vereinerleiung ist zumal in Zeiten begreiflich, wo der Unglaube zur Herrschaft gelangt ist und »das Bemühen, populär zu bleiben, den noch unbefestigten Christen verleiten kann, mit der Welt zu buhlen; ist doch das angeblich ächte, weitherzige, Christenthum in unserer Zeit selbst durch nicht wenige Organe der Wissenschaft vertreten. Aber den HErrn ekelt dieser gleisnerische Misch; er droht, den indifserenten Verderber seiner Gemeinde auszuspeien aus seinem Munde, d. h. end- 3111 36 Offenb. Johannis Z, 17—20. gerichtlich auszuscheiden zur Verdammniß. (Sabel.) Nicht besondere Strafgerichte sollen über diese Gemeinde kommen, sondern der HErr will sie ganz von sich speien, sich nicht mehr um sie bekümmern, sondern sie als Unrath ihrem Verderben überlassen, daß sie mit der argen Welt zusammen ihren Lohn finde. (Ebrard.) 17. Du sprichst [nämlich]: Jch bin reich, und habe gar satt lwörtlicht habe mich bereichert, so sehr an Reichthum zugenommen, daß ich mich als überreich betrachten kann Hof. 12, 9; 1. Cor. 4, 8], und bedarf nichtsz und weißt nicht, daß du [auf dem »du« liegt ein Nachdruckt gerade du, der du dich so über alles Bedürfniß erhaben dün- kestJ bist elend- und jämmerlich [genauer: der Elende, der Jämmerliche, d. i. derjenige, der vor allen Andern als elend und jämmerlich vor mir dasteht, und zwar in dreifacher Hinfichth arm, blind und bloß. 18. Ich rathe dir, daß du Gold von mir lbei dem allein es ächt zu finden] kaufest, [näm- lich Gold] das mit Feuer durchläutert ist - [im Gegensatz» zu dem» bloßen Scheingold], daß du sder jetzt Arme] reich wcrdeftz und weiße Kleider, daß du sder jetzt BIoßeJ dich [also, nun rein und wirklich etwas werthj anthuest, und nicht offen- baret werde die Skhande deiner Vlößez nnd salbe deine Augen mit Augensalbe, daß du [der jetzt Blinde V. 17] sehen mögest Die drei Grundzüge des Jammerbildes sind: arm, blind und bloß; arm in Beziehung auf die wahren Güter des Lebens, blind in Beziehung auf die Wahr- heit und die rechte Erkenntniß, bloß in Beziehung auf den völligen Mangel an wahrhaft geistlicher Erscheinung in wahrhaft guten Werken oder Zeichen und Zeugnifsen des inneren Lebens. (P. Lange) Dem gerügten drei- fachen geistigen Elend entspricht der dreifache Rath, den der HErr giebt. Die Gemeinde steht ihm schon zu fern, als daß er ihr mit Ermahnung kommen dürfte, da ist höchstens mit gutem Rath noch etwas zu machen. Zu diesem läßt sich denn auch der HErr mit tiefer Jronie auf die hohe Einbildung der Laodiceey und doch zugleich wieder mit suchendem Erbarmen herab; er räth ihnen, in ihrer Armuth Gold von ihm zu kaufen. Jhr Gold, mit welchem fie sich so reich dünken, sei in Wahrheit unächtes Gold, Erdenschlacke, die im Feuer nicht bestehe, also kein wahres Besitzthuny Gold, das im Feuer durchläutert sei, dem keinerlei Feuer mehr etwas anhaben könne, das unversehrt auch aus der Feuerprobe jenes Tages hervorgehe, sei nur bei ihm zu finden —- es ist jenes Gold, von welchem Petrus und Jakobus schreiben (1. P. 1, 7; Jak·2, 5): das Gold des Glaubens, dieser einzig wahre Reichthum, sofern der Glaube alle himmlischen Güter in Christo und den lebendigen, ewig-reichen Gott selbst erfaßt und sich an- eignet, während der Unglaube nichts hat, und was er zu haben meint, nur ein Scheingut ist, das unter den Händen zerrinnt. Wenn nun der HErr von einem Kaufen dieses Goldes redet, so ist es allerdings, je nach Umständen, zumal bei Leuten wie in Laodicea, die sich so reich und satt dünkten, ein Kaufpreis, ja ein hoher Kaufpreis um den der Glaube zu stehen kommt: der Menfch muß nicht weniger als sein eigenes Jch, nicht blos seine Sünden- und Weltliebe, sondern auch all sein vermeintlich Gutes, alle seine Einbildung auf innere und äußere Vorzüge, insbesondere auf die eigene Weisheit und Tugend daran geben, ja alles für Scha- den und Koth achten, auf daß er im Glauben Christum gewinne und in ihm erfunden werde. Nicht weniger also, als Alles um Eines; was ein armer bloßer Sün- der ohne jeden Anstand und Umfchweif als ein freies Geschenk (Jes. 55, I) sich zueignet, das kostet den reichen Laodiceern einen fast unerschwinglichen Preis. Erst durch das Gold des Glaubens aber kommt er dann auch zu den weißen Kleidern, daß er sich damit anthue und nicht offenbar werde die Schande seiner Blößez wie als Armer des Goldes, so bedarf er als Bloßer dieser Kleider. Das weiße Kleid ist nach Kap. 19, 8 die Gerechtigkeit der Heiligen. Rechtferti- gnug, Lossprechung von Schuld und Verdammniß und Zurechnung der Gerechtigkeit Christi ist ja der ,,erste Nutzen« des Glaubens, der zugleich alles Andere prin- cipiell in sich schließt; denn wo Vergebung der Sünden ist, da ist auch Leben und Seligkeit. Die äußerlich an- ständige, ehrbare Haltung der Laodiceer war also inden Augen dessen, der in’s Verborgene siehet, lauter Blöße und Nacktheit, deren Schande nothwendig früher oder später, jedenfalls im Lichte jenes Tages— offenbar wer- den mußte, wenn sie nicht bei Zeiten die weißen Klei- der anzogen. Und so wird jeder, auch der glänzeudste Tugendheld, dem das hochzeitliche Kleid fehlt, in der Schande seiner Blöße offenbar werden (Matth. 22, 11 ff.). Soll Laodicea sreilich seine Armuth und Blöße und die Nothwendigkeit und Herrlichkeit dessen, was der HErr ihm anbeutj erkennen, s»o muß vor allem seine Blind- heit von ihm genommen werden; daher der dritte Rath des HErrnt »salbe deine Augen mit Augensalbe, daß du sehen Mögest« Die armen Leute, die sich für so scharffichtig und hellsehend hielten, mit ihrer Erkennt- niß in die Ursprünge und Anfänge der Creatur Gottes eingedrungen zu sein vermeinten und dennoch für das Nächstliegende und Nothwendigfte blind waren, so daß der HErr ihnen Augensalbe anbieten muß, damit sie sehend werden! Was denn für Augensalbe? Das Zeugniß des HErrn, heißt es in Pf. 19, 8f., ist gewiß und macht die Albernen weise, die Gebote des HErrn sind lauter und erleuchten die Augen; und ähnlich Pf. 119, 104f.: dein Wort macht mich klug, dein Wort ist meines Fußes Leuchte und ein Licht auf meinem Wege. Das Wort Gottes also ist die Augensalbe, welche der HErr den weisheitsftolzen Laodiceern em- pfiehlt. Gott Lob! dieses Wort macht keine Obscurantem wie die Welt lästert, welche Finsterniß Licht und Licht Finsterniß heißt, sondern es macht sehende Leute, wer’s nur wirklich als Augensalbe, d· h. in der Abficht, sehend zu werden, und nach der Anweisung des Arztes, der diese Augensalbe verordnet hat, regelmäßig und unter fleißi- gem Ausblick zu dem Vater des Lichtes gebraucht. (Kemmler.) Durch die Fruchtbarkeit des Bodens und den Reich- thum benachbarter Schaftriften an feiner, namentlich schwarzer Wolle erhob sich die Stadt aus den Zer- störungen der mithridatischen Kriege und wiederholter Erdbeben immer wieder als einer der reichsten Han- delsplätze Kleinasiens zu solcher Wohlhabenheit, daß z. B. ein Bürger Hieran ihr bei seinem Tode 2000 Talente (über 5 Millionen Thaler) vermachen konnte; und nach dem zerstörenden Erdbeben um’s Jahr 64 n. Chr. erstand fie bald prächtiger, als fie zuvor ge- wesen, und zwar aus eigenen Mitteln, ohne kaiserliche Unterstützung wie andere, von gleichem Schicksal be- troffeue Städte. Ohne Zweifel hörte man gerade zu der Zeit, in welcher Johannes die Offenbarung em- Laodicea, der Typus der Kirche des sog. Gemeindebewußtseins 37 pfing, in Laodicea dieselbe Sprache der Selbstübew schätzung und des Uebermuths, die in Jes. 9, 10 den Bürgern zu Samaria in den Mund gelegt wird: ,,Ziegel- steine sind gesallen, aber wir wollen es mit Werkstücken wieder bauen; man hat Maulbeerbäume abgehauen, so wollen wir Cedern an die Stätte setzen« Das nun klingt in dem Worte V. 17 wieder: »ich bin reich und habe gar satt und bedarf nichts«, nur nicht von Seiten der heidnischen Commune, sondern der christlichen Ge- meinde von Laodicea, und da aus dem Weltlichen in’s Geistliche umgesetzt; indessen handelt es sich für uns nicht sowohl um die dortige Christengeineinde, deren innerer Herzenszustand unseren Forschungen sich ebenso entzieht, wie der der andern Gemeinden, als vielmehr um eine Entwickelung der Kirche, in die wir gerade in diesen unsern Tagen einzutreten im Begriff stehen. Ein namhafter Ausleger unsers biblisschen Buches schreibt: ,,Niemand, der osseue Augen hat, wird verkennen, daß in unsrer Zeit viel laodicenisches Wesen ist: Lauheit, welche Christo und doch auch der Welt angehören will, also Christenthum mit Weltförmigkeit, Gottesfurcht mit Menschenfurcht, positive Theologie mit Artigkeit und Geschmeidigkeit gegen die Lästerer des HErrn, Recht- gläubigkeit mit Weltweisheit zu verbinden sucht und sich für wunder wie reich hält, daß sie Christum besitze und die Welt«dazu; Dexnopapisnius Mantis-may, wo nicht Christus und Gottes Wort, sondern die Ge- meinden aus ihrem Gemeindebewußtsein heraus zu bestimmen haben, was wahr fein und gelehrt werden soll u. s.’w. Ein laodicenisches Kirchenthum aber ist mir bis jetzt nicht bekannt, ein Kirchenthum nämlich, in dessen kirchlichen Jnstitutionen und Gesammtgeiste seiner Glieder sich jene Charakterzüge aussprechenx würde es je der sogen. Schleiermachenschen Linken ge- lingen, aus einzelnen Theilen der unirten Kirche ein Kirchenthum nach ihrem Sinne zu bilden, so könnte dann wohl ein Laodicea daraus werden» Wir sind jetzt schon 28 Jahre in der Geschichte weiter, als der Schreiber dieser Worte damals war, wo er also sich zu äußern durch Osfensichtlichkeit dessen, was vorlag, sich getrieben fühlte; seine noch fchiichtern auftretende Vermuthung können wir unbedingt, wie die Dinge gegenwärtig stehen, in eine klare, sichere Voraussicht umwandeln — wir haben eben für die nächstes Zukunft nichts Anderes zu erwarten, als ein eigentliches, voll- ständig ansgeborenes Laodicea. So gewiß ist es zu erwarten, daß alle Gegenwehr einzelner Vereine, selbst einzelner Kirchenregimentey so wenig mehr etwas ausrichtet, wie seiner Zeit der Eifer des frommen Kö- nigs Josia um die jüdische Kirche (2. Kön 22). Je weniger wir aber diese nächste Zukunft uns verbergen, desto weniger haben wir auch Veranlassung, von dem unmittelbar dahinter liegenden Gericht: »ich will dick) ausspeien aus meinem Nimm« etwas abzuhandelm wie die Ausleger um deß willen, was in V. 19f. gesagt wird, sich berechtigt glauben, wenn sie dazu etwa die Bemerkung machen: ,,hiermit wird die durchdringende Schärfe der vorigen Rede — aber nicht zu bald, son- dern nachdem sie die nöthige Wirkung gethan — ge- mildert«, oder aber die: »der Tadel und die Drohung sind nicht so schlimm gemeint, dies zeigt die liebevolle, gemüthliche Ermahnung« Nein, das Ausspeien aus seinem Munde erfolgt von Seiten des HErrn gewiß, er hat es ganz ernstlich damit gemeint: es wird die mit den letzten Jahren des laufenden Jahrhunderts zu Ende gehende Periode der Ausbildung und Herrschaft des laodicenischen Kirchenthums abgelöst von denjenigen By, Jahren, die in Kap. 11, 7» ff. näher beschrieben sind, die Girondisten werden beseitigt werden und die Jaso- biner an ihre Stelle treten, die dann Kehraus machen mit allem Kirchenthuny soweit ihre Macht reicht. Aber gerade das ist die Zeit der Hilfe und der Heilung; und zwar wird die Hilfe von einer Seite her kommen, von welcher sie jetzt noch-niemand erwartet, wie sie aber deutlich genug in dem so befremdlichen Wunsche: ,,ach, das; du kalt wärest!« der unverkennbar auf das jetzt noch verstockte Israel Beziehung nimmt, angezeigt ist, und die Heilung geschehen durch eine so gewaltige Um- wälzung aller bisher bestandenen Verhältnisse, daß auf die sieben uns hier vorgeführten Kirchengestalten keine neue mehr folgt. Es waren alles, von Ephesus an bis herunter zu Laodicea, heidenchristliche Gemeinden, in ihrer Aufeinanderfolge diejenige Zeit ausfüllend, wo nach Gottes Rath die natürlichen Zweige des Oelbaums zerbrochen und andere in denselben eingepfropst sein sollten (Röm. 11,17 ff.). Eine Erneuerung oder Wieder- erweckung der Kirche, wie sie in Kap. 11, 13 angezeigt erscheint, kann nun nicht mehr eine bloße Rückkehr zu einer früheren Gestalt sein, nachdem die natürlichen Zweige wieder eingepfropft worden in ihren eigenen Oelbaumx sie wird vielmehr ein viel innigeres Ver- hältniß des HErrn im Himmel zu seiner Gemeinde auf Erden zu ihrer Grundlage haben, als dies während der bloßen ,,Zeit der Heiden« bestanden (V. 20), und ganz neue Kräfte schöpfen aus ihrer Beziehung zu der Zionsgemeinde, die nicht blos so heißt, sondern das auch wirklich ist, was dieser Name besagt (Kap.14, 1ff.) 193 Welche ich lieb habe, die strafe Und zitchttge tkh lindem ich den inneren gefähr- lichen Seelenzustand ihnen schonungslos aufdecke Joh. 16,« 8 und durch lieberführung davon sie zur Buße leite, behufs solcher Uebersiihrung aber auch sie gerade stäupe Spr. 3, 11s.; ·1. Cor 11, 32; Hebt 12, 6]. So sei nun [da du dieses Züchtigen und Strafen meinerseits an dir er- fährst] fleißig salles laue Wesen, das von dem Geiste der Zeit her auch dir anhaftet, abzulegen] Und thu Buße lzur ersten Liebe dich bekehrend]. 20. Siehe, ich stehe lwährend die Zustände im öffentlichen Leben draußen sich ganz trostlos gestalten und als verzweifelte erscheinen] vor der Thür [des Herzens drinnen bei jedem Einzelnen, der auf meinen Namen getauft ist] Und klopfe an ldaß ich, den man »aus der großen Stadt hinausgetham wie man ihn einst aus Jerusalem zur Kreuzigung hinweggeführt Kap. 11, 8; Hebr 13, 12., mir wieder eine Stätte baue in den ein- zelnen Seeleu]. So jemand meine Stimme hören wird und die Thiir aufthun [Luk. 12, 36], zu dem werde ich eingehen und das Abendmahl lMatth 26, 20 Anm·] mit ihm halten lindem ich annehme, was er mir vorsetzt mit Bußethun und Gläubigwerden, mit Lieben und Loben, mit Erneuerung im Geiste des Gemüths und Verkündigung meiner Tugenden], und er mit mir« [indem ich ihn Theil nehmen lasse an dem, was nun wiederum ich vorsetzen werde mit einer ganz neuen Offenbarung meiner Herrlichkeit und Ausgießung meines Geistes zur 38 Ossenix Johaimis 3, 21—22; 4, 1. Wiedererweckung der ertödteten Kirche Kap. 11, 11—13]. 21. Wer [dann, so eingefügt in den Bau der Kirche des letzten Jahrhunderts, in der fchwer- sten Ansechtung, die am Ende kommt Kap 13, 7 f.; 14, 121 überwindet [dadurch, daß er nicht anbetet das Thier und sein Maalzeichen annimmt, sondern um meines Zeugnisses und des Wortes Gotteswillen enthauptet wird], dem wtll lch geben, mit mir auf meinem Stuhl zu sitzen [Kap· So, 4z March. 19, 28]; wie ich ü erwunden habe und bin gesessen mit meinem Vater auf seinem Stuhl [Kap. 5, 5; Hebr 12, 2]. V) An der Gemeinde zu Laodicea sind offenbar zwei Seiten zu unterscheiden, die in dreifacher Hin- sicht das gerade Gegentheil von einander sind: 1) die eine Seite ist dein HErrn so widerwärtig wie etwa laues Wasser, das Ekel erregt und das, sowie man es nur in den Mund nimmt, man sofort wieder aiisspeien wird; die andere ist ihm ein Gegenstand der zärtlichsten und innigsten Liebe, daß er brennt vor Verlangen, sich auss Engste damit zu vereinigen. 2) Die eine Seite ist so unverbesserlich und so völlig unbekehr- bar, daß der HErr sagt: ach daß du lieber kalt wärest, als so, wie du bist, dann wäre doch noch etwas aus dir zu machenl So aber stehst du mir so fremd und unerreichbar gegenüber, daß ich nicht mehr ermahnen oder befehlen kann, sondern auf einen Rath mich be- schränken muß, der mehr durch Ironie deine hochmüthige Eiubildung bloßstellt, als daß er darauf rechnete, von dir angenommen und befolgt zu werden; die andere ist fiir seine Wiedergewinnung ihm so sicher und un- zweifelhaft gewiß, daß er mit erhabener Ruhe an den Zweck seiner Strafe und Züchtigung erinnert und ganz einfach zu eifrigem Bußethun ermahnt, weil er weiß, die Mahnung wird verstanden und in Ausführung des V. 18 ironisch ertheilten Rathes treulich befolgt werden. Z) Die eine Seite ist so unbedingt und ohne allen Vor- behalt dem Untergange preisgegeben, daß der HEry wie es in V. 16 nach deni Wortlaut des Grundtextes heißt, schon ,,im Begriff steht« auszuspeien, und dies Ausspeien ist bei ihm ein schnell vorübergehender, augenblicklicher Akt Qui-Urzeit- ist mit dem intirx nor. constr-uirt, vgl. V. 2; Kap.12, 4), er macht also kurzen Proceß; die andere ist zu einem so engen Freundschafts- verhältniß mit ihm ausersehen, daß er sich bei ihr zu Gaste ladet und für das ihm gereichte Mahl ein Gegen- mahl in Aussicht stellt. Diese schroffen Gegensätze wer- den von den Auslegern geradezu ignorirt, und soweit sie dennoch mit Gewalt sich geltend machen, durch nichts- fagende Bemerkungen ausgeglichen; sie finden aber so- fort ihre selbstverständliche Lösung, sowie man erkennt, daß es bei Laodicea um eine Kirche sich handelt, die ihrem Grundcharakter nach des HErrn eigentliche und wahre Kirche ist, die aber eine Afterkirche geknebelt und gebunden und ihres Besitzes und ihrer Rechte sich be- mächtigt hat, um ihr eigenes Wesen an die Stelle zu setzen. ·Die Afterkirche ist darin die eine, die Grund- kirche die andere Seite; unter der Gewalt, die letztere pon der ersteren hat erleiden müssen, hat sie wider ihrenWillen deren Farbe und Gestalt mit angenommen, ist mit einer ihr selber höchst schmerzlichen und nieder- beugenden Preisgebung ihres eigentlichen Wesens in das Afterwesen hineiugezogen worden und hat zu dem HErrn geseufzt und gerufen, er wolle sie von dem Banne, dem sie verfallen, erlösen und aus der Obmachh wider die sie mit allen ihren Protesten und Bestrebungen nichts ausgerichtet, befreien. Solange nun die Herr- schaft der Afterkirche und die Unterdrückung der wahren Kirche besteht, sind die Grenzen zwischen den Gliedern der einen und der andern Seite noch flüssig; auf der ersten Seite stehen viele, die durch Strafe und Züchti- gung noch gewonnen werden können, die mehr aus Un- verstand, als mit Absicht und Willen, mehr aus Ver- führung und Mißleitung, als aus eigenem Entschluß, dahin gerathen, die nicht sowohl lau als vielmehr ver- blendet sind, die von wirklicher Wärme glühen und deren Wärine auch dem alleinigen Heiland, Gottes ein- geborenem Sohne und dein Schönsten der Menschen- kinder gilt, sie sehen ihn nur nicht im rechten Lichte, sondern in dem Scheine der Jrrlichter, die um sie her tanzen. Diese begreift der HErr ebensowohl unter dem Worte: ,,welche ich lieb habe«, und unter dem andern: »so jemand meine Stimme hören wird 2c.«, als die- jenigen, welche schon jetzt heller sehen, bereits fleißig sind, im stillen Kämmerlein Buße zu thun und von Verlangen brennen, daß sie sein Klopfen an der Thür hören möchten, um sofort ihm aufzuthun und ihr Mahl ihnen vorziisetzen Es hat seine Bedeutung, daß in Kap. 11, 8ss. die Leichname der zween Zeugen drei und einen halben Tag unbeerdigt auf der Gasse der großen Stadt liegen, in Betreff derer, die sie getödtet haben und nun aus ihnen ein Schaustück für ihre Schaden- freude machen; es wiederholt sich da an Christi Kirche, was ihm selber widerfahren, als er im Grabe lag: »der Feind trieb groß Geschrei« Es hat aber auch seine Bedeutung in Betreff der Leichname selber: sie verwesen derweilen nicht, sonst könnte man sie nicht so offen daliegen lassen; die Kirche quiescirt nur auch dann, wenn sie todtgeschlagen sein wird, und wartet auf die Stunde, wo die Fuss; so: »so-»Es, das Leben von den Todten (Röm.11,I5), ihr beschieden werden wird, und dann wird von ihr ebenfalls gelten, was wir von unserm großen Osterkönig fingen: ,,eh’ er’s (der Feind) vermeint und denket, ist Christus wieder frei und-ruft Bictoria, schwingt fröhlich hie und da sein Fähnlein als ein Held, der Feld und Muth behält« Es wird schon während des übrigen Theils des laufen- den Jahrhunderts sich zeigen, welche diejenigen sind, die sich selbst werth achten, daß Christus sie lieb habe: es sind die, welche sich von ihm strafen und züchtigen lassen und fleißig sind, Buße zu thun. Und nun nicht blos, wer mit beiträgt zum Aufbau der Laodicea- Kirche, hat Ursach Buße zu thun, sondern auch schon, wer ihr angehört, obgleich, wenn wir überhaupt die Kirche nur in dieser Gestalt noch haben, ja nichts übrig bleibt, als ihr anzugehören; gleichwie niemand ein Preuße fein kann, ohne ein Glied zu fein des preußischen Staatskörpers, auch wenn dessen Verfassung eine gar andere ist, als daß er seine Freude daran haben könnte, so giebt es auch ein unvermeidliches Bleiben in einer gar anders versaßten Kirche, als wie man es für gut erkennt, ein Mittragen ihres Verder- bens und ihrer Schuld, daß man für fein Theil willig büßt, solange die Zeit des Zornes währt, und nach dem Aufgang der Morgenröthe ausschaut Besonders lehrreich kann hier das 8. Kap. des Propheten Jesaia uns sein. Bricht dann die Morgenröthe an, so wer- den die, welche Christi Anklopfen verstanden, seine Stimme gehört und die Thür ihm aufgethan haben, nachdem er seinerseits das Abendmahl mit ihnen ge- halten, sozusagen von ihrem Tische gegessen hat, nun auch sie an seinem Tische essen lassen, indem sie den Seligkeitsstand der ernenerten Kirche, wie wir ihn bald. Der niedergehaltene Untergrund unter der herrschenden Oberdecke. 39 nach dem Anfang des nächsten Jahrhunderts erwarten dürfen, mitgenießen dürfen. Ei) Hinter der Zeit der erneuerten Kirche liegt ja die der größten und schwersten Trübsal unter der Herr- schuft des Antichrist; um die Seinen voll zu bereiten, zu stärken, zu kräftigen und zu gründen, bevor diese letzte Zeit kommt, läßt der HErr die abendländische Christenheit erst noch einmal die Morgenröthe sehen, welche wir am Schluß der vorigen Anmerkung im Sinne hatten, für die Ueberwinder aber, die in jener Trübsal die Gebote Gottes halten und den Glauben an Jesum, folgt hier eine Verheißung die durch die Bezie- hung auf Christi eigenen Kreuzestod deutlich zu erkennen giebt, daß es um eine Ueberwindung vermittelst des Märtyrerleidens sich handelt. Die Ausleger wissen auch mit dem Sitzen auf Christi Stuhl meist nichts Rechtes anzufangen, nur einzelne unter ihnen verweisen richtig auf die Gerichtssitzung bei Aufrichtnng des tausendjähri- gen Reichs, während die meisten an die Theilnahme am Reiche der Herrlichkeit: (Kap. 22, 5) denken oder ganz mit allgemeinen, unbestimmten Sätzen sich begnügen. Diese sieben Sendschreiben haben aber eine genaue Be- schränkung: sie beschäftigen fich allein mit der heiden- christlichen Kirche in den verschiedenen Perioden ihrer Entwickelung bis dann Israel wieder im Vordergrunde des Reiches Gottes steht. Jn dem Charakter der 7 ge- «chichtlichen, auf einander folgenden Zeitstufen spiegelt ich nun freilich auch das Bild der Charakterverschieden- seiten der Kirche zu allen Zeiten; es legen in diesen Sendschreiben fich uns die Formen des chriftlichen Ge- meindelebens überhaupt dar, wie sie in fämmtlichen Epochen der Kirche wiederkehren. ,,Ephesus ist die orthodox strenge, Smyrna die im Martyrium fich bewährende, Pergamus die gegen eine schiefe Minder- heit falsch tolerar1te, Thyatira die unter einer irr- gläubigen Majorität leidende. Sardes die trotz guten Rufes geistlich todte, Philadelphia die durch geseg- nete Thäigkeit sich auszeichnende und Laodicea die in Eigendünkel gegen den HErrn laue Gemeinde« Indes- sen ist dies doch nur die untergeordnete Beziehung und führt nur zu einer theilweisen Anwendung; das volle Verständniß ist nur dann zu gewinnen, wenn man die sieben Gemeinden für die prophetischen Bilder kirch- licher Entwicklungsftufen bis zum Schlusse der ,",Zeit der Heiden« erkennt, was nun freilich zur Folge hat, daß man auch die übrigen Kapitel in chronologifch- kirchenhistorischer Weise auffafse, wie man denn auch in der That thun muß, wenn man nicht bloße Ab- tractionen und allgemeine Wahrheiten daraus gewinnen, ondern zu einem heil- und friedfamen Einblick in die Zukunft des Reiches Gottes, wofür ja die Offenbarung uns gegeben ist, gelangen will. 22. Wer Ohren hat der höre, was der Geist den Gemeinen sagt. Jn der Mitte des IS. Jahrhunderts von den Tür- ken erobert, wurde Laodirea im Jahre 1402 von den Mongolenschaaren Timurss gänzlich zerstört; dieser war ein so furchtbarer Fegbesen Gottes, daß man auf der « von Blut und Feuer bezeichneten Bahn, die er zog und die insbesondere auch über Laodicea ging, keinen Hund mehr bellen und kein Kind mehr weinen hörte. Und so ist die sonst so herrliche Stadt, heutzu- tage Eskisklissar genannt, noch seht, wie Reisende sie beschreiben, nichts weiter als ein Ruinenfeld auf einem niedrigen, V, Meile langen und IX, M. breiten Hügel, von Wölfen, Schakalen und Füchsen bewohnt; nur dann und wann schlagen unter den Trümmern des Amphitheaters, das 30,000 Menschen fassen konnte, wandernde Turkomanen ihre Zelte auf. Das 4. Kapitel. Ya- andere Gesichh von dem Thron der Zika- jestiit und Herrlichkeit des Vaters. C« war Johannes mit dem Jlntritt seiner wirksam— keit iu ilileinasieu an die Spitze derjenigen Entwickelung des neutestamentlichen Gottesreichs gestellt, welche es nicht mehr, wie die zur Zeit des Petrus und Paulus, mit Juden und Heiden zugleilh zu thun halte, sondern fich ausschließ- lict) auf die psianznng nnd Ausgestaltung einer heiden- chriülichen Kirche bezog, so hatte er in den ihm diktirlen Sendschreiben an die sieben kleinasiatisctjen Gemeinden das, was da ist, mit dem, was sich im weiteren Verlauf der Zeit bis zu Gnde daraus entwickeln würde, nun in Händen nnd war damit für seine pastorabpatriarchalische Ghätigkeiy wenn er nach der Verbannung sie würde wieder aufnehmen können, von dem hGrrn selber instrnirt. Was nun aber besonders ihn nahe anging, das war einestheils das Schicksal seines eigenen Volkes, dem er dem Fleische nach angehörte, wie es mit dessen Zukunft und dem Gnde der über dasselbe jetzt kommenden Verfloßuug sich verhalte; und auderutheils das Schirksal der drei ersten von den, in den sieben Gemeinden abgebildeten Kirchen, welche das Morgenlaud umfassen. tleber beides bekommt er denn Ausschluß: iiber jene Sache in den Gesichten von den sieben Siegeln und über diese in den Gesichten der sieben Posaunen, welche in dem hier vorliegenden zweiten Haupttheil der Offenbarung folgen, doch so, daß gleich die sechste Posaune in den ncichstdem sich anschließen- den dritten Theil hineingreift nnd vollends die siebente Posaune den tjanptinhalt dieses Theils beherrscht, damit aber auch ihm Aufschluß über die Gnlwickelungsgeschictjte der in den vier lehten Gemeinden abgebildeten Kirchen gegeben wird. I— V. 1—11. Dem Gesicht von den sieben Siegeln geht ein Vorbereitungsgesicht voraus. Jln die ossene ljimmelslhür im Geiste entrückt, schaut Johannes auf einem, von den Vertretern der christlichen Gemeinde um- gebenen und von Eebensmüctjten der irdischen Schöpfung getragenen Throne den herrn nnd dtegierer der Welt, gefeiert von den Eobgesängen dieser Eebensmåcljte oder der Cherubim; und jene Vertreter der Gemeinde, indem sie vor dem, der auf dem Stuhle sitzt, niederfallen und anheim, auch ihre Kronen vor ihm niederlegen, stimmen in dieses ttoblied ein und geben es auf ihre Weise als Eob des Schöpfers aller Dinge wieder. I. Dlirnach [einige Zeit nach dem Gesicht in Kap. 1,10——-3, 221 sahe ich« shatte ich ein neues Gesicht], nnd siehe, eine Thür ward auf- gethun im Himmel [genauer: war bereits aufge- than, so daß ich gleich beim ersten Blick in den geöfsneten Himmel hineinschaute, »aber ohne noch etwas Bestimmtes darin wahrzunehmen, denn ich befand mich nur erst im Uebergang zu abermaliger Entzückungk nnd die erste Stimme, die ich [vor: hin Kap. I, 10 hinter mir] gehütet hatte mit mir reden als eine Posaune, die sprach« [mit dem Worte des Befehls mir zugleich die Kräfte der himmlischen Welt darreichend, dem Rufe auch 40 Offenb. Johannis 4, 2—8. zu folgen]: Steig her san diese offene Thür], ich will [nachdem du gesehen hast, was ist, die Ge- stalt der Kirche nach ihren gegenwärtigen Anfängen, nunmehr mich] dir zeigen, was nach diesem ·[in den zukünftigen Zeiten] geschehen sall"« swie ich dir solche Offenbarung in Kap 1, 19 schon in Aussicht gestellt habe] is) Johannes war mit der Abfassung der Briefe, die der HErr ihm aufgetragen, jetzt zu Ende; während des Schreibens war er aus dem Zustand der Ver- zückung, des Seins im Geiste (Kap. I, 10), wieder in den Zustand des gewöhnlichen Bewußtseins zurückgekehrh nun aber gerieth er in neue Verzückung. (Kemmler.) «) Man bemerke, daß es immer Jesus Christus ist, welcher alles dem Propheten darlegt, also daß es immer die Offenbarung und Prophetie Jesu Christi selber ist, wie es im Anfange (1, l) gesagt worden· (Bossuet.) « » sit) Jm ersten Stadium des Schauens kam Christus zu dem Seher auf die Erde (Kap. 1, 9 ff.) und ver- klärte ihm den Zustand der 7 Gemeinden, die er bereits kannte, zu einem Typus aller kommenden Grundformen der Kirche; in diesem neuen Stadium des Schauens aber versetzt er ihn in den Himmel selbst, und dies gesteigerte Maß der Entzückung deutet sich sofort im Eingang des nächsten Verses an. (P. Lange) Z. Und alsobald war ich swieder völlig] im Geist swie bei dem ersten Gesicht 1, 10]. Und siehe, ein Stuhl soder Thxonsessels ward gesetzt [genauer: stund da] tm Himmel, Und anf dem Stuhl saß Einer [der über alle Erkenntniß und Beschreibung erhabene Gott, der Schöpfer und Regierer der Welt] 3. Und der da saß [dessen Namen ich aber mich enthalte» auszusprechen Dan. 7, 12« Anm.], war lzum sinnbildlichen Ausdruck seines lichtreinen, heiligen Wesens Pf. 104, 2; 1. Tim. B, 16 und seiner verzehrenden Gerechtigkeit 5. Mos. 4, 24; Hebt 12, 29] gleich anzusehen wie der Stein Jaspis [nicht der gewöhnliche von trübrother Farbe 2. Mos. 28, 20., sondern der edle, der krystallhell und dem Diamant gleich ist Kap. 21, 11] und [der feuer- oder blutrothe 2. Mos. 28, 17] Sardis soder Carneolsz und ein Regenbogen sdas Sinn- bild der nach dem Wetter der göttlichen Straf- gerichte wiederkehrenden Gnade 1. Mos. 9, 12 ff; Hei. 1, 281 war Rings] um den Stuhl [ihn oben im Kreise nmschließend], gleich anzusehen snach seiner vorherrschenden Farbe] wie ein lgrüner 2. Mos. 28, 17] Smaragd ldenn Gottes unnah- bare Herrlichkeit und strafrichterliche Gerechtigkeit ist nicht schrecklich und verderblich, vielmehr lieb- lich und wohlthuend für die, die im Bereiche seines Bandes stehen Jef. 54, 10]. Daß es der Vater ist, dessen Majestät hier auf dem Thron glänzt, erhellt daraus deutlich genug, daß er sowohl hier als anderwärts von dem Lamm und den sieben Geistern deutlich unterschieden wird: das Reich ist ursprünglich und bleibt das Reich des Vaters. (Bengel.) Wohl sagt der HErr, daß den Vater nie- mand gesehen außer dem, der in des Vaters Schooße ist (Joh. S, 46); aber Johannes sieht auch nicht den Va- ter als Vater, so wenig wie er Jefum in der Gestalt sieht, die er wirklich trägt: er sieht ihn im Gesicht, wie er schreibt, Einen aus dem Thron. (Steffann.) Wie Johannes im 1. Kap. den ållienschensohn nicht so sah, wie er für sich ist, sondern so, wie er den sieben Ge- meinden gegenüber tritt, ebenso sicht er den allerhöch- sten Gott hier nur so, wie er als der heilige Herrscher und Richter der ganzen Welt gegenüber erscheint. (Läm- mert.) Hier, wo der ewige und persönliche Grund alles Nachsolgenden abgebildet wird, erscheint die Herrlichkeit und Gerechtigkeit Gottes mit seiner unwandelbaren, freundlichen Gnade in der innigsten Verbindung, so daß die ganze bevorstehende Entwickelung des Reiches Gottes und der Welt bis zum letzten Ende hin, wie sie durch jenes wunderbare einheitliche Wesen— des heiligen, gnä- digen und gerechten Gottes bestimmt ist, sowohl ihrem Verlauf als ihrem Ziel nach dieser dreifachen Herrlich- keit des lebendigen Gottes entsprechen muß; somit ent- hält diese fundamentale Vision alles, was zum Schrecken der Feinde und zum Troste der Freunde dient. (Düsterdieck.) 4. Und nm den Stuhl sin geschlossenem Kreise] waren [von dem über demselben sich aus- breitenden Regenbogen mit umgeben] vier und zwanzig Stühle ssiir die Beisitzer der himmlischen Rathsversammlungk und auf den Stühlen saßen sdie Zwölfzahl der Stämme Jsraels Kap. 7, 4 ff.; 12, 1 und die Zwölfzahl der ApostebKap 21, 12 und 14 zu einem Ganzen vereinigend und somit die alttestamentliche und die neutestament- liche Bundesgemeinde in ihrer Zufammengehörig- keit repräseUtireUdJ vier nnd zwanzig Aelteste [Jes. 3, 14; 24, 23], mit weißen Kleidern [den Zeichen ihrer priesterlichen Würde Kap. 3, 5] angethan, nnd hatten auf ihren Häuptern sals Zeicheii des erlangten Sieges und der Theilnahme an der göttlichen Herrschaft 2, 10; Matth 19, 281 gül- dene Kronen [Kap. 5, 10]. Die Aeltesten werden erwähnt vor der näheren Beschreibung des Thrones und vor den Cherubim, um darauf hinzuweisen, daß die ganze Sitzung sich auf die Angelegenheiten der Kirche bezieht: wo die Ver- treter dieser mit Gott zu Gerichte sitzen, da kann nur ein für sie günstiges Urtheil erwartet werden. (Heng- stenberg.) Es sind nicht wirkliche Personen, die per- manent so im Himmel säßen, so wenig als Christus permanent die Engel der sieben Gemeinden in Gestalt von Sternen in der Hand hält (Kap. 1, 20); sondern die Wahrheit, das Verhältniß, daß vor Gottes Thron die Kirche alten und« neuen Bundes ihre Vertretung hat, wird dem Johannes anschaulich mittelst jener Er- scheinung, die ihm in der Vision zu Theil wird und in dieser Form nur in der Vision existirt (Ebrard.) Diese 24 Aeltesten sind sowohl durch den Aeltesten- Namen als durch die Throne, auf welchen sie sitzen, als solche bezeichnet, die dem HErrn in der Regie- rung seiner Gemeinde dienen; wie die Throne ihre königliche Würde, so bedeuten die weißen Kleider, mit welchen sie angethan find, ihr Priefterthum vor Gott, die güldenen Kronen und Kränze aber tragen sie als solche, die den guten Kampf des Glaubens ausgekämpft und aus der streitenden in die Herrlichkeit-der trium- Gesicht von dem HerrschewThron des Herrn und Regiercrs der Welt. 41 phirenden Gemeinde durchgedrungen sind. Wir werden ihnen später noch öfters begegnen. (Kemmler.) 5. Und von dem Stuhl gingen lfortwährendj ans [leuchtende] Blitze, llang hinrollende] Donner Und lkrachendej Stimmen« sein Bild der Gerichte Gottes über die ihm feindlich gefinnten Mächte der Weltjz und siebenFackeln mit Feuer brann- ten vor dem Stuhl, welches sind sin welchen sieben Feuerfackeln sich darstellen] die sieben Geister Gottes sdie verschiedenen Kräfte und Wirkungen des heil. Geistes, wodurch die Gerichte herbeigeführt und vollendet werden Jes. 4, 4]. S. Und var dem Stuhl [in· unermeßlicher Ausdehnung sich ausbreitends war ein gläfern Meer, gleich dem Krystallli seine durchsichtige krystallreine Fläche wie die unübersehbare Meeres- fläche, als Bild, wie der Unermeßlichkeih so der unbe- dingten Gerechtigleit und wunderbaren Herrlichkeit der göttlichen Gerichte Kap 15, 2 f.; Pf. 36, 7; 89, 15; Rom. 11, 33 ff.]; and mitten im Stuhl [d. i. in der Mitte der Vorderseite des Stuhles] Und am den Stuhl sin der Mitte der drei übrigen Seiten des Stuhls, denselben gleichsam tragend, jedoch sich frei unter demselben bewegend und in einem beständigen sich Drehen und Wenden be- griffen V. s; Kap 15, 7] vier Thiere [oder ge- nauer: Lebewesen, Lebendige, nämlich Cherubim Hei. 1, 14 Anm.], voll Augen vornen nnd hinteniit smit denen sie sowohl in die allenthalben sie um- gebende Welt hineinfchauen und ihren Dienst für dieselbe in steter Wachsamkeit wahrnehmen, als auch ohne Unterlaß Licht und Leben aus Gottes Fülle in sich ausnehmen konnten]. 7. Und das erste Thier war gleich einem Löwen [dem Repräsentanten der Kraft und des . Muthess und das andere Thier war gleich einem Kalbe soder Farren s. Mof. 4, 3., dem Bilde der Fruchtbarkeit und des Segens], nnd das dritte hatte ein Antlitz wie ein Mensch saus dem das denkende Bewußtsein sich abspiegelt], Und das vierte · Thier [war] gleich einem fliegenden Adlers sder eben so schnell in seiner Bewegung, als seines erhabenen Zieles gewiß ists. 8. nnd ein jeglches der vier Thiere hatte sechs Fluge! sgleich den Seraphim in Jes 6, L] umher, und waren inwendig voll Augen [richtiger: und waren umher und inwendig voll Augen], nnd hatten [in ihrer ununterbrochenen, freudigen Bewegung] keine Ruhe Tag und Nacht, und sprarhelt lähnlich wie »die Seraphim in Jes S, If: Heilig, heilig, heilig ist Gott der Wirt, der AU- mäehtige [der Gott der Welt], der da war und der da ist und der da kommtH sder Gott der Heilsgeschichte Kap. 1, 8]. r) Die Blitze, Donner und Stimmen sind hier noch nicht das Gericht selbst, sondern die symbolifche Ankündigung desselben, wie in 2 Mos 19, 16 zur Vor- bedeutung der strengen Gerichte Gottes über die Ueber- treter des Gesetzes Stimmen und Blitze und großes Gewölk auf den Bergen sich hören und sehen lassen, also daß alles Volk zittert. (Hengstenberg.) Wer Achtung giebt, was bei den Wettern vorgeht, der weiß, daß der Donner sich bisweilen weit in den Wolken aus- breitet und eine ziemliche Frist währet, bisweilen aber giebt es geschwinde scharfe Knälle, welche man besonders für Stimmen achten kann, die sich nur stark hören las- sen, dagegen der Donner auch ein Erschüttern bringt. Diese Dinge sind etwas Erschreckliches und doch auch etwas Angenehmes; erschrecklich wider die Feinde, angenehm für diejenigen, die es mit Gott halten und bei ihm in Gnaden stehn, denn des Königs Kinder dürfen sich vor dem nicht fürchten, was er in seinem Zeughaus hat. (Bengel.) W) Die bisherigen Bilder sind auf dem Thron, um den Thron und aus dem Thron; nun werden uns auch zwei vor Augen gestellt, welche vor dem Throne sind: sieben Feuerslammem welche find die sieben Geister Gottes, und ein Etwas wie ein gläsernes Meer ähnlich dem Krhfiall. (Lämmert.) Von den sieben Geistern ist schon im Kap 1, 4 die Rede gewesen; es find damit nicht sieben verschiedene persönliche Geister, sondern der einige heil. Geist in seinen mannigfaltigen Erweisungen und Kräften gemeint. Wie die drei: Blitze, Stimmen und Donner, die Offenbarungen Gottes in der natür- lichen Welt sind, so diese sieben Geister auf dem Gebiet des Geistes; deswegen smd sie auch vor dem Thron. (Gräber.) Sie bedeuten das Wirken Gottes in die Welt hinein mittelst seines in diesem Wirken siebenfach sich offenbarenden Geistes und gehören wesentlich mit dem folgenden Bilde zusammen. Es ist aber das glä- ferne Meer, gleich dem Krystalh das unergründliche und unübersehbare Meer der Weisheit und Erkenntnis; Got- tes in Regierung der Welt überhaupt und seines Vol- kes insbesondere, das Meer der aus jener Weisheit fließenden göttlichen Urtheilssprüche oder Gerichte und der aus dieser Erkenntnis; fließenden göttlichen Voll- ziehungsweisen oder Wege, das Meer jener Gottes- gedanken und Gotteswege, von welchen Gott schon Jesajas 55, 8 s. sagt, sie sind höher denn der Himmel über der Erde ist. Von diesem Meer ist das irdische mit seiner Tiefe und Weite, mit dem ganzen Unendlich- keitseindruck, den es macht, nur ein schwaches Abbild; und mag dieses Meer, das vor dem Throne Gottes sich ausbreitet und in dem die mannigfaltige göttliche Weis- heit, die sieben Feuerfackeln der sieben Geister Gottes sich spiegeln, uns hienieden auch noch vielsach dunkel und undurchdringlich, von wildem, trübem Sturm be- wegt erscheinen —— vor dem Throne Gottes ist es still und klar, durchsichtig wie Glas und herrlich leuchtend wie Krystalh und nach Kap 15, 2 kommt die Zeit, da auch das Volk Gottes am krystallenen Meere stehen und alles Fragen und Klagen sich in anbetendes Stau- nen, in Lob und Preis auflösen wird. (Kemmler.) Während die Thaten der gewaltigften Menschen, die in der Welrgeschichte uns verzeichnet sind, nur den Bäch- lein gleichen, ist Gottes Thun gleich dem Meer unend- lich; während die Fluth menschlicher Feindschaft den Wogen gleicht, die Koth auswerfen, sind Gottes richter- liche Thaten wie Kryftall so hell und rein; und wäh- rend die Wasser menschlicher Leidenschaften ein Auf und Ab des Wogens bilden, ist Gott in alle seinem Thun in majestätischer Ruhe wie das krystallene Meer, das sich vor seinem Thron ausbreitet. Jn die Tiefe dieses Meeres werfen die Gläubigen alle ihre Sorgen, wenn’s ihnen bei dem Wogengebrause der Weltfluthen bange werden 42 Offenb. Johannis 4, 9—11; 5, 1. will, und die Thräiien, die ihnen die Angst in der Welt erpressen will, versiegen, sobald das Gewölk sich verzieht, das ihnen den Anblick dieses Meeres vor dem Stuhle Gottes zu verhüllen sucht. (Stessann.) Erst) Die Bedeutung dieser symbolischen Gestalten erhellt aus dem Namen, den sie führen; sie heißen lebendige Wesen, sind also die Repräsentation der leben- digen Wesen, alles Lebendigen aus Erden. Gott erscheint im alten Testament öfter als ,,thronend über den Che- rubim«, um seine unbedingte Erhabenheit über alles Jrdische den Gemüthern, die durch die Furcht vor dem- selben bewegt werden, tief einzuprägen. Wenn die irdische Creatur der Gemeinde des alten Bundes bange machte, so richtete sie ihren Blick auf den, der auf den Cherubim thront, und ihre Furcht schwand. Dieser Bezeichnung Gottes entspricht die: »Gott der Heerschaaren« (Zebaoth), sich ebenso ausschließlich auf die Herrschaft über die himmlischen Mächte beziehend, wie diese auf die Herrschaft über die irdischen. Ueberall ist das Gebiet der Cheru- bim streng gegen das der Engel abgegrenzt; die Cheru- bim thun nie den Dienst der Engel oder Boten, fungiren me als dienstbare Geister, die zum Dienst ausgesandt werden, ihr Geschäft ist nur das, unter dem Throne Gottes zu sein oder die Wahrheit abzubilden, daß Gott der Herr der ganzen Creatur, der Gott der Geister alles Fleisches ist, ferner Gott zu loben und zu preisen, als deren Dasein schon ein thatsächliches Lob Gottes ist, und wegen der Wohlthatem die er seinen Geschöpfen zutheiltz endlich eine Thtitigkeit bei der Vorbildung der Gerichte, welche die Erde vernichten, zu üben (Kap. S, 1 fs.; 15, 7). Daß ihrer viere sind, hat darin seinen Grund, daß die Vier Signatur der Erde ist. (Hengsien- berg.) Die vier Lebendigen sind Wesen, welche die edelsten geschöpflichen Gaben, die unwiderstehliche Kraft des Löwen, die nützliche, fruchtbringende Thätigkeit des Stiers,·die überlegende Weisheit des Menschen und die Schnelligkeit des fliegenden Adlers, alles, was diese Könige der Wildniß, des Fruchtseldes, der Luft und der ganzen irdischen Schöpfung auszeichnet, in sich ver- einigen;· und diese Wesen, welche den Jnbegriss aller geschöpflichen Vorzüge darstellen, sind zugleich durch die Augen,»von welchen sie über und über bedeckt sind, als rein geistige Wesen von allseitiger, vollkommener Er- kenntniß bezeichnet; die Augen nach vorne bedeuten ihre Emsicht m die äußere Welt der Erscheinung, die Augen nach hinten, die auch die Augen nach innen heißen, also dem Thron und dem Jnnern desselben zugewendet sind, bedeuten ihr Schauen auch in die Tiefen der göttlichen Weltgedanken (Kemmler.) Wie die vier Thiere Da- niels (therin) das von Gott abgefallene, daher immer tiefer zerfallende Leben der Welt darstellen, welches am Ende Offenbarungsorgan des Teufels wird (Kap. 13 n. 17), so die vier Thiere Hesekiels (z0a) das Leben der Welt in seiner höchsten Bestimmung, ein Offenbarungsorgan der Herrlichkeit Gottes zu werden. (Leyrer.) Sie sind die personificirte Schöpfung, welche sich sehnt nach der Offenbarung des Gnadengeheimnisses Röm. 8, 19 ff. und in welcher endlich die Herrlichkeit Gottes wiederstrahlt (Richter.) T) Sinnreich ist die Art, wie die Kirchenväter die vier Thiere den 4 Evangelisten als Sinnbilder bei- gelegt haben; nur trage man diese an sich ganz glück- liche Allegorie nicht in die Deutung unsrer Vision herein. (Ebrard.) Dem Markus haben sie den Löwen, dem Lukas den Stier, dem Matthäus den Menschen und dem Jo- hannes den fliegenden Adler zugesellt. (Sabel.) Die erste Gestalt, die des Menschen, bezeichnet den Matthäus, weil· er gleichsam vom Menschen angefangen hat zu schreibeiix Buch« der Abkunft u. s. w.; die Löwengestalt bezeichnet den Markus, da in ihm die Stimme des in der Wüste brüllenden Löwen vernommen wird; die dritte, die des Rindes, bezeichnet den Lukas, da er mit dem Priester Zacharias anfängt; die vierte Gestalt, der Adler, bedeutet den Johannes, weil er mit den Flügeln eines Adlers sich in die Höhe schwingt und von dem göttlichen Worte redet. (Hieronhnius.) Diese Verthei- lung der Attribute findet man in den Gemälden, welche die vier Evangeliften darstellen; offenbar ist der zweite und vierte Wurf trefsender, als es den Auslegern selber zum klaren Bewußtsein gekommen —— der Löwe ist ein sprechendes Bild für die frische, tapfere, dem Thatsäch- licheii zugewandte Eigenthümlichkeit des Markus, und der Adler bezeichnet ganz den hohen Geistesflug des Johannes und seinen kühnen Blick in die Sonne der Geisterwelt —, wie soll aber das Opferthier zu dem Evangelium des Lukas, das Menschenbild zu dem des Matthäus passen, wenn man von den Zufälligkeiten ab- sieht, worauf Hieronymus seine Zusammenstellung grün- det? Da der Evangelist Lukas die absolut reine, göttlich starke Humanität Christi mit Vorliebe darstellt, so würde das Menschenantlitz sein Evangelium sehr wohl charak- terisiren; das Evangelium des Matthäus aber würde durch das Opferrind bezeichnet, weil er besonders dem hebräischen Volke den verheißenen Messias, in dessen Blute es dikwesentliche Versöhnung finden sollte, ver- kündigte (P. Lange) H) Durch die drei Paare Flügel und ihren unter- schiedlichen Gebrauch werden angedeutet die Haupt- tugenden bei einem heiligen Geschöpf, das entweder durch die Sünde niemals verrückt oder von derselben wiederum gereinigt worden ist und dem großen Gott gebührlich dienet; diese Tugenden sind Respekt, Demuth nnd Gehorsam. Die Seraphim bedecken ihr Angesicht, damit sie die göttliche Majestät nicht kühn, sondern mit innigster Ehrerbietung ansehen, wie sie denn auch nicht geradezu sprechen: heilig bist Du, sondern von der Majestät ab und einander zugekehrt: heilig ist Er; sie decken ihre Füße, damit sie sich einigermaßen vor Got- tes Augen verbergen in ihrer zwar von aller Sünde freien, aber doch creatürlichen Geringschätzigkeih soviel sie sich verbergen können; sie fliegen und bewegen sich in voller Geschäftigkeit, dem HErrn zu Lobe und seinem Willen zu folgen. (Bengel.) Die vielen Augen, mit denen die Cherubim über und über bedeckt sind, werden hier abermals wie schon in V. 6 erwähnt, um den Zusammenhang dieser vielen Augen mit ihrer Ruhe- losigkeit oder ununterbrochenen Wirksamkeit bemerklich zu machen; natürlich, wache Augen schlafeii nicht, Augen, die für Gottes heiliges Wirken und Walten immer offen sind, empfangen als Leitzeuge des Lichtes zum Seeleuleben dermaßen ohne Unterbrechung Lichtkrash daß sie nicht nur keines Schlafes bedürsenk sondern auch zugleich, von innerer Licht- und Lebensbewegung jauch- zend, lichthelle leuchten. Die Rose, sagt Scriver, duftet Tag und Nacht ihren Duft ohne einige Mühe. (Sabel.) Jhr fortwährendes Schauen hinein in die Tiefen der göttlichen Regierungsweisheit und hinaus in die vor ihnen sich ausbreitenden Wunder der Erscheinungswelt mittelst der nach außen und einwärts nach dem Thron gekehrten Augen versetzt sie in eine. felige Unruhe des Lobens und Preisens Tag und Nacht. (Kemmler.) Jhre Lobpreisungsworte haben dreimal drei Abtheilungen: heil« h « · · " ig, eilig, heilig, · der HErr, Gott, der Allmächtiga der da war, und der da ist, und der da kommt. Der Heilige und Höchste, der HErr und Gott, welcher der Allmächtige heißt, wird dreimal gepriesen als der Gott, der da lebet von Ewigkeit zu Ewigkeit, der zu Die vier Lebewesen oder Cherubim unter dem Stuhle Gottes. 43 allen Zeiten alle Dinge trägt und kommt zum Gericht; nicht also wegen der Dreieinigkeit ertönt das Heilig dreimal, sondern es preifet ihn als den, der da war und der da ist und der da kommt. Drei ist ja auch die Zeitzahl und bezeichnet hier die Herrlichkeit Gottes in der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. (Lämmert.) 9. Und da [besser: so oft] die Thiere lbei den folgenden weiteren Gesichten] gaben Preis und Ehre »und Dank dem, der da ans dem Stuhl saß, der da lebet von Ewigkeit zu Ewigkeit; 10. Fielen die vier und zwanzig Aeltesten [V. 4, auch ihrerseits sich demlithigend] vor den, der auf dem Stuhl saß, [nieder] und beteten an den, der da lebet von Ewigkeit zu Ewigkeit, und warfen lin Ehrfurcht vor der göttlichen Majestäy als der alle Ehre gebühre nnd der sie alles ver- danken Pf. 115, 1; 2. Cor. Z, 5] ihre Kronen vor den Stuhl und sprachen fdas im Reich der Natur erklingende Loblied des Schöpfers auf- nehmend, gleichwie hernach Kap 5, 8 ff. die ganze Creatur das aus dem Reich der Gnade ertönende Lied aufnimmt]: 11. HEry du bist würdig zu nehmenPreis und Ehre und Kraft; denn du hast alle Dinge geschaffem nnd durch deinen Willen haben sie das Wesen [ihr Sein und Bestehen Z. Cor. 10, 1 Arm] und sind geschaffen fdu allein bist der Selbständige und Allgenugsamq alles Andre außer dir dagegen hat durch dich sein Dasein empfangen und verdankt dir, wie seinen Wesensbestand, so auch seinen ersten Ursprungs. Mit den Repräsentanten der Schöpfung, den vier Thieren, stimmen die 24 Aeltesten, die Repräsentanten der erlösten Menschheit, in der Lobpreisung Gottes zu- sammen; jedoch bezieht sich hier das Lob der Aeltesten nicht auf die Erlösung selbst, was erst Kap. 5, 9 ff. seine Stelle hat, sondern auf die in der Schöpfung geofsen- barte Macht und Herrlichkeit Gottes, so daß die Worte der Aeltesten mit dem Lobe der vier Wesen wie mit der Bedeutung der ganzen Vision in schöner Harmonie stehen, allerdings nicht ohne die in V. 8 ausdrücklich angedeutete und überhaupt zu Grunde liegende Bezie- hung, daß der allmächtige Gott, welcher den Anfang aller Dinge gemacht hat, auch die Vollendung derselben machen wird. (Diisterdieck.) Nicht gerade als den Welt- schöpser, sondern als den Weltherrfcher, der zum Ge- richte kommt, schaut Johannes hier den lebendigen Gott (Kap. 14, 7); daß aber bei dem Gericht auch von der Schöpfung die Rede ist, hat darin seinen Grund, daß die Gerichte Gottes die Wiederherstellung (und Vollen- dung) aller Gotteswerke zum Zweck und Ziel haben. (Lämmert.) Eigenthümlich ist, daß hier, wie auch sonst in unserm Buche, nur bei den Anbetenden aus der Menschheit, niemals aber in der Lobpreisung der Engel, die directe Anrede an Gott vorkommt. Jene Leben- digen riefen: «Heilig ist Gott«, diese Aeltesten sprechenx »Du bist würdig« — sollte hierin nicht eine Andeutung liegen, daß die Erlösten aus der Menschheit in noch näherer Beziehung zu Gott, in mehr unmittelbarem Kindesverhältniß zu ihm stehen, als selbst die Engel- wen? (Kemmler.) Zu bemerken ist die allgemeine Herr- schaft der Dreizahl in B. 8—11: heilig, heilig, heilig —- der HErr, Gott, der Allmächtige — der da war, der da ist, und der da kommt; Preis, Ehre, Dank; sie fallen nieder, sie beten an, sie werfen; du hast geschaffen, sie haben das Wesen, find geschaffen. (Hengstenberg.) Das 5. Kapitel. Christus, der Löwe nnd da- zlamuy der das versiegelte Ynih öffnet, wird mit einem neuen Liede gepriesen. II. V.1—14. Im weiteren Verlauf des Gesichten ist nie— mand, ankh von den himmlischen ilnärhten keine, im Stande, ein mit sieben Siegeln verschlossenen sum, dao der ans dem Stuhl Silzende auf seiner Rechten hält, aufzuthnn, damit dessen ans die Zukunft des Reiches Gottes bezüglicher Inhalt seinen Verlauf nehme; der heil. Seher weint darüber, und wird von einem der vier und zwanzig Jleltesten durch die hinwetsimg auf den, der überwunden hat, aufgerichtet, worauf dann ein Lamm ersiheint, welchen noch die Spuren seiner Srhlachtnng an sirh trägt, und es übernimmt, die sieben Siegel zn brechen. Der ganze Himmel feiert die majesiät dieses Jlngenbliuie durch einen liturgisihen Gotte-diene, der vor dem stzihle Gottes! nnd zu Ehren des Dammes gehal- ten w r . I. Und ich sahe in der rechten« Hand deß, der auf dem Stuhle saß fGottes des Vaters, dem zunächst alle Gewalt gehört im Himmel und auf Erden» um »die Welt zu regieren und die Zukunft zu gestalten], ein Vnch seinen langen, über einen Stab zusammengerollten Pergamentstreifenh ge- schrieben inwendig und ausweudig sbeschrieben nicht blos auf der inwendigen, dem Stabe zugekehrten Fläche, sondern auch, weil der reiche Jnhalt dort nicht Raum genug gefunden, zugleich auf der nach außen befindlichen Seite] , nersiegelt lam unteren Ende der Rolle, der ganzen Länge des Stabes nach] mit sieben Siegeln [so daß erst nach Lösung aller dieser Siegel das Buch sich entfalten konnte]. Nicht eigentlich in der Hand hat der HErr diese Buchrolle, sondern, wie es genauer heißt, auf der Hand, auf seiner offenen Rechten liegend, indem er so es gleich- sam darbietet und wartet, ob jemand es zu nehmen und zu öffnen würdig sei; daß es aber bei diesem Oeffnen fich nicht sowohl um Kundmachung des Inhalts« als vielmehr um Ausführung der darin befaßten Rathschlüsse handelt, darauf weist die Hand» besonders· die thatg»e- übte Rechte hin, die das Buch hinhält. » Ein Buch ist der Inbegriff festgeordneter Gedanken, die Summa def- fen, was einer bei sich iiberlegt und beschlossen und was er dann in Schrift verfaßt hat, weil es dabei· bleiben soll und Andere fich darnach zu richten haben; dies Buch hier nun enthält die Gedanken und Rathfchlüsse Gottes, die er längst schon in Schrift verfaßt hat durch das prophetische Wort des alten Testaments, und bei denen es auch bleiben soll — alles, was fernerhin auf Erden im Reiche der Gnade sich begiebt, muß ·sich darnach richten, und kann nichts geschehen, was nicht eine Er- fiillung des Geweissagten wäre. Daß dem also sei und ivir nicht, wie die Ausleger wollen, an ein neuerdings geschriebenes Buch mit ganz neuem Inhalt, der erst 44 Offeiib Johannis 5, 2—7. noch kund zu machen wäre, zu denken haben, geht ganz bestimmt theils aus der Form des Buches hervor, welche die der heiligen Bücher Israels ist (Luk. 4, 17) und die Schrift in dem Sinne, wie das Wort in Matth 22, 29; Luk. 24, 27; Joh. L, 22; 5, 39; 7, 15; Apostg 17, 11; 18, 24 u. 28 gebraucht wird, verstun- bildlicht, theils aus dem Umstande, daß nach der Er- össnung des siebenten Siegels in Kap. 8, 1 es auch nicht an einer einzigen Stelle heißt, der Seher hätte jetzt in dem Buche gelesen oder es wäre ihm von jemand etwas daraus gelesen worden. Allerdings weint hernach (V. 4) Johannes, daß niemand würdig erfunden ward, das Buch auszuthun und zu lesen, noch darein zu sehen; allein daß es ihm da nicht darum zu thun ist, den noch unbekannten Inhalt zu erfahren, sondern um etwas An- deres, werden wir bei der Stelle selbst uns klar zu machen haben. Nur die Außenseite natürlich kann er sehen; aber daraus, daß auch diese, die Rückseite, beschrie- ben ist, kommt es vor allen Dingen an. Daß die Innen- seite beschrieben, versteht sich von selbst; ist jedoch das Gleiche mit der Außenseite der Fall, so ist einerseits der Inhalt ein so reicher, umfänglicher gewesen, daß die eine, für gewöhnlich benutzte Seite nicht hinreichte, ihn auszunehmen; andrerseits ist aber auch das Buch nun voll geschrieben, es kann nichts mehr hinzukommen, man müßte eine neue Pergamentrolle anfangen, wollte man den Inhalt vermehren, und das soll nicht geschehen, wie zunächst der Verschliiß mit sieben Siegeln andeutet. In der That ist denn auch die Schrift schon zu der Zeit, wo Johannes die Offenbarung empfängt, in ma- terieller Hinsicht abgeschlossen: nachdem Gott vorzeiten manchmal und mancherleiWeise geredet hat zu den Vätern durch die Propheten, hat er am letzten in diesen Tagen geredet durch den Sohn; etwas über dasjenige hinaus Liegendes, was in der Schrift alten Testaments schon steht und durch den Mund Jesu Christi in den Tagen seines Fleisches die Bestätigung und nähere Bestimmung erhalten, sowie durch sein Heilswerk die Ersüllung gefunden hat, kann dem Seher nicht erössnet werden, das weiß er, und siehet es abgebildet vor sich in der inwendig und auswendig beschriebenen Buchrolle mit dem siebenfachen Siegelverschluß. Aber dieser Siegek verfchluß hat darin doch nur seine nebensächliche Be- deutuiig, die Hauptsache ist dabei noch etwas Anderes. Unter Siegel kann man etwas legen für den Zweck, daß von außen her niemand dazu komme und es un- vermerkt entwende, um es in seinen Besttz oder zu seiner Kenntniß zu bringen (5. Mos. 32, 34; Ier. 32, 10 f.; Dan. 12, 9); daß es indessen um diesen Zweck sich hier nicht handle und das Buch nicht darum verschlossen sei, damit niemand, der nicht würdig, dasselbe auszuthun und feine Siegel zu brechen, darin lese und den Inhalt erfahre, ergiebt sich aus der richtigen Bestimmung dieses Inhalts, der nicht in neuen Geheimnissen über dieje- nigen hinaus besteht, welche in dem prophetischen Wort schon geoffenbart vorliegen (Röm. 16, 25 f.; 1. Cor. 4, 1), wie denn darin überall nur von einer Vollendung des Geheimnisses Gottes (10, 7), nicht von einer wei- teren Enthüllung desselben die Rede ist, und selbst die Darstellung verletzten Dinge, die da geschehen, nur als die Wiederaufnahme und genauere Entfaltung alttesta- mentlicher Weissagung auftritt (Kap. 18, 2 f.; II, 13. 15. u. 17; 20, 8 f.; 21, 1 sf.). Wir müssen also den andern Zweck ins Auge fassen, um dessentwillen etwas unter Siegel gelegt wird; und das ist nach Hiob Z, 77 Dan. 9, 24 (die Sterne versiegeln, daß sie nicht leuch- ten, und die Sünde zusiegeln, daß sie nicht verdamme) der, damit das, was hinter Verschluß gethan worden, seine straft und Wirkung nicht geltend mache. Bedenken wir, bei welchem Wendepunkt in der Geschichte des Reiches Gottes St. Johannes die Offenbarung empfängt, nämlich zu der Zeit, als nun das Gericht Gottes über Jerusalem und den Tempel und über dasjenige Volk, dem alle Verheißungen geschenkt sind und um welches Moses und alle Propheten als um ihren Mittelpunkt sich bewegen, zur Ausführung kommen soll, so verstehen wir wohl, was die das Buch verschließenden sieben Sie- gel zu bedeuten haben: die Gerichte, welche jetzt los- brechen werden, haben an und für sich, wenn dabei allein die Gerechtigkeit dessen, der auf dem Stuhle sitzt, walten sollte, eine solche Kraft und Wirkung, daß die Gesichte und Weissagungen der Schrift oöllig und für immer in dem Sinne zugesiegelt wären, daß sie nimmer zu ihrer letzten und seligen Vollendung kommen könnten; sie nehmen dieselben unter vollständigen Verschluß, daß es mit ihnen aus ist, und niemand im Himmel noch auf Erden und unter der Erde kann den Verschluß jemals brechen, es ist aus mit dein Bunde, den Gott mit Is- rael gemacht hat, und darum auch aus mit den Heils- rathfchlüssen Gottes für die übrige Menschenwely die Schrift, insofern sie von letzten Dingen, von einer Vollendung des Geheimnisses Gottes handelt, kann nun nicht mehr erfüllt werden. Es ist das freilich ein Ge- danke, welcher der Glaubenslehre der christlichen Kirche frühzeitig fremd geworden ist; man hat sich da gewöhnt, bei Gestaltung der Lehre vonden letzten Dingen von Jsrael und dessen Bedeutung für das Reich Gottes so gut wie ganz abzusehen und die aus den Heiden gesam- melte Kirche ohne Weiteres und mit vollständiger Gleich- berechtigung an die Stelle des auserwählten Volkes zu setzen, welchem alle Verheißungen für die Zukunft gelten, so daß die Juden, wie viele ihrer etwa noch selig werden, nicht ohne uns vollendet würden. Nach der ganzen Weissagung der Schrift aber, wenn man nur sie so nehmen wollte, wie sie lautet, und ihren Worten nicht so vielfach einen andern Sinn aufzwänge, als den sie für ein unbefangenes Verständnis; haben sollen, verhält es sich vielmehr umgekehrt: wir Heidenchristen können nicht vollendet werden ohne die Juden, und die zu- künftige Stadt, auf die wir warten, kann keine andere sein als ein neues Jerusalem (Kap· 21, 2). Müßte die Geschichte des Reiches Gottes bei Israel, in welchem alle Geschlechter auf Erden gesegnet werden sollen und von welchem alles Heil bis an das Ende der Welt hin kommt, mit einem Jerusalem schließen, welches alle Propheten getödtet hat, die zu ihm gesandt worden, welches auch Christum selber an’s Kreuz geschlagen und an allen seinen Heils-boten sich vergriffen hat, und nun zur Strafe für seine Sünde auf immer aus- und ab- gethan ist, so gäbe es kein Reich der Herrlichkeit mehr; denn die Schrift kann ja nicht gebrochen werden, sie ist aber von Anfang bis zu Ende so gestellet, daß man fort und fort auf Verheißungen stößt, die auf Israel gemeint sind und an denen die übrige Menschheit nur in und mit Israel Theil hat, sie ihrem Wortlaut nach aber abschwächen und in eine andere Form umgießen zu wollen, als die ihnen Gott gegeben hat, das hat sich bisher schon schwer an der Kirche gerächt und wird sich ferner an ihr rächen, wenn sie nicht endlich lernt, Stel- len, wie die in Röm. 11, 11——36, mit größerem Ernst als bisher zu würdigen. Z. Und ich sahe einen starken Engel seinen Engel von ganz außerordentlicher Majestät und Kraft, denselben, der auch in Kap. 7, L; 10, 1; 18, 1. 21; 19, 17 u. So, 1 auftritt] predigen mit großer [durch die ganze Welt im Himmel Das mit sieben Siegeln verschlossene Buch auf der Rechten des Weltregierersä 45 und auf Erden erschallender] Stimme: Wer ist würdig [und auf Grund solcher Würdigkeit nun auch im Stande], das Buch aufznthttn nnd seine Siegel zu brechen [damit es seinen Jnhalt ent- falte, indem es auseinander rollt]? 3. Und niemand im Himmel saus der Zahl der heil. Engel droben], nach auf Erden laus der Zahl der Menschenkinder hienieden] , noch unter der Erde laus der Zahl der Abgeschiedenen in der Unterwelt, also in allen drei Gebieten der Crea- tur Philipp. 2, 1o], konnte das Buch aufthun 1lnd sum seines Inhalts, behufs Vollziehung des- selben, sich zu bemächtigen] drein sehen [wie sich daraus ergab, daß niemand auf die Frage des Engels sich zum Werke meldete]. 4. Und ich weinete sehr, das; niemand wür- dig erfunden ward, das Buch [von welchem ich ja wußte, daß es allen Trost für die Gegenwart und alle Hoffnung für die Zukunft der Gläubigen in sich schließe] auszuthun (und zu lesen — diese Worte sind ein Zusatz der Abschreiber und sind, als unrichtig in den Text eingetragen, hinwegzu- lassen), nach drein zu sehen [genauer: es zu» be- sehen, wie es seinem schon bekannten Inhalte nach verwirklicht werden möge]. 5. Und einer von den sin Kap. 4, 4 er- wähnten] Aeliesteu lalso einer von denen, welche die Frucht des Sieges Christi bis zur seligen Feier vor Gottes Stuhl bereits an sich selbst er- fahren] spricht zu nur: Weine nicht; siehe, es hat [ja, wie du weißt, durch siegreiche Vollbringung des Erlösungswerks V. J] überwunden der Löwe, der da ist vom Geschlecht Juda, die Wurzel Da- vids [der, von dem in 1. Mos. 49, 9 ff. u. Jes 11, 10 geweissagt worden, und dieser hat denn mit solchem schon vollbrachten Siege, dessen Aus- beute wir Himmlischen sind, auch die Würdigkeit und die Macht erlangt], auszuthun das Buch sdessen Verschluß dich bekümmert] und zu brechen seine sieben Siegel lso daß Gottes Bund mit seinem Volk nicht hinfällig geworden, wenngleich er jetzt wie hinter Schloß und Riegel gelegt erfcheint und ohne weitere Hilfe des Siegers seine Kraft nicht beweisen kann] Wenn die Ausleger sagen: »ein starker Engel mußte darum hier eingeführt werden, weil er einen Heroldsrus auszusprechen hatte, der den Himmel, die Erde und die Unterwelt durchdringen sollte«, so sagen wir noch weiter: einen solchen giebt es aber unter allen geschafsenen Wesen nicht, dessen Kraft also stark wäre; und da ergiebt sich denn von selbst, daß dieser starke Engel kein anderer ist, als Christus der HErr selber. Dem heil. Seher soll die Erhabenheit dessen, der allein das Buch auszuthun vermag, recht anschaulich vor die Seele treten; er Verkündigt sie denn in eigener Person damit, daß, bevor er hernach als das Lamm erfcheint, wie es erwürget war, er alle Creaturen in der ganzen weiten Welt auffordert, das Werk vorzunehmen, wenn irgend jemand unter ihnen es könnte, und sie zum Be- kenntniß ihres Unvermögens durch Schweigen auf seine Frage bringt. Gottes Gnadenabsicht ist es allerdings, daß das Buch nicht versiegelt bleibe, sondern dessen Siegel gebrochen werden, damit es sich an dem Stabe abrolle; seine Gerechtigkeit hat dem Buche die Siegel angeheftet, die Gerichte, die da kommen müssen, be- wirken einen festen Verschluß, daß man so, wie das Buch jetzt ist, nicht darein sehen und nichts von dem Inhalte mit solchen Augen lesen kann, welche die Ver- wirklichung des Verheißenen spüren. Aber seine große herzliche Barmherzigkeit möchte gern die Siegel ab- gelöst wissen von der Hand Eines, der würdig dazu ist; darum hält er das Buch hin, damit es derjenige nehme, der würdig befunden wird. Nun kann über diese Würdigkeit keine Creatur, kein geschasfener Engel entscheiden, es kann das nur der Sohn, dem der Vater alles Gericht übergeben hat; weil aber dieser zugleich der allein Würdige ist und doch nicht unmittelbar elbst die Würdigkeit sich zusprechen mag, thut er es m..ttel- bar mit seinem Ausruf. Es solle herzutreten, wer sich würdig erachten möchte, und indem niemand hervortritt, spricht er mit Hilfe ihres eigenen Gewissens allen An- dern die Würdigkeit ab; hingegen, da er in der Gestalt des Lammes herzutritt, müssen alle Andern ihm von seiner Würdigkeit Zeugniß geben (V.11f.), der bloße Anblick des Lammes, das erwiirget war, setzt alles, das im Himmel und, auf Erden und unter der Erde ist, in eine sreudige Bewegung und in anbetende Verehrung, womit wir noch bestimmter an Phil. L, 8—-11 erin- nert werden. 6. Und ich sahe sindem ich Den, von welchem der Aelteste geredet, jetzt auch vor meinen Augen sehen sollte, wie er das vollbringe, um was es sich hier handelte], nnd siehe, mitten im Stuhl und den vier Thieren und mitten unter den Ael- testen [in dem Raume, dessen Mittelpunkt der Stuhl mit den vier Thieren und dessen Umkreis die 24 Stühle der Aeltesten bildeten, sich so als den Mittler zwischen Gott und seinem Volk prä- seUtirendJ stund ein Lamm, wie es erwiirget wäre [genauer: ein Lämmlein als ein ge- schlachtetes oder mit den Wundenmalen seiner Schlachtung 13, 8], und hatte lzum Sinnbild der ihm verliehenen Macht und Weisheit Matth. 28, 18; Offeulx Z, 1] sieben Hörner und sieben Augen, welches lnämlich diese sieben Augen] sind die sieben Geister Gottes, gesandt m alle Lande« [dieselben mit göttlichem Einfluß zu durchwalten Katz. 1, 4z 4, 5]; 7. Und es kam [heran bis zu dem Stuhl, zu welchem der Zugang ihm freistund], und nahm das Buch ans der rechten Hand· Deß, der auf den! Stuhle saß« [und es demjenigen hinhielt, der da würdig wäre, es auszuthun und seine Siegel zu brechen V· 1]. E) Es erfcheint jetzt der Löwe V. 5, der gewaltige, gegen den niemand sich aufzulehnen vermag, der Ueber- windet schlechthin: wie furchtbar wird sein Anblick sein! Aber siehe da, ein Lämmlein (so immer in der Osfenb· 5, 8.12f.; S, 1.16; 7, 9.14; 12, U; 13, 8; 17, 14., 46 Ofsenb. Johannis 5, 8—14· während sonst überall »Lainm« steht Joh 1, 29.36; 1. Petri 1,19; Apostg 8,32 — in Joh 21, 15 kommt der Ausdruck, Luther: ,,Lämmer«, von den Gläubigen vor) erfcheint statt des Löwen, und zwar ,,als ge- schlachtet.« Das ist die Schlacht gewesen, womit der Löwe überwunden hat, daß er als Lamm sich hat schlachten lassen; in der Allmacht der duldenden Liebe hat sich die Größe der Allmacht allein beweisen können. Das Verkleinerungswort ,,Lämmlein« dient also zur Verstärkung des Contrastes mit dem Löwen. (Ebrard.) So groß aber auch der Gegensatz des Löwen und des Lämmleins erscheint, so ist doch eine tiefe Harmonie der beiden Anschauungen vorhanden; denn wie das in V. 5 vorausgesetzte Kämpfen des Löwen, d. h. sein ge- duldiges Leiden und Sterben, mit dem Gefchlachtet- werden des Lämmleins zusammenfällh so ist andrerseits auch der errungene Sieg des Löwen, welcher in der Auferstehung offenbar geworden ist, an dem Lämmlein wahrzunehmen, indem es als ein geschlachtetes dasteht, nämlich als ein solches, dessen noch sichtbare Wunden- male das einstmalige Geschlachtetsein anzeigen. (Düster- dieck.) Es ist einem Kriegsmann etwas Rühmliches und nichts Unanständiges, wenn er einen Leib hat, der mit Wunden und Narben häufig gezeichnet ist; so ist es dem HErrn Jesu eine große Ehre, daß er sich als das geschlachtete Lämmlein zeigt, und denen, die ihm anhangen und nachsolgen, ist es eine beständige An- mahnung an dasjenige, das er an ihnen gethan hat. Das Lämmlein ist geschlachtet: Luther giebt es ,,er- würget«, welches Wort er auch sonst oft sühret von denen, die durch das Schwert umkommen, doch ist das Wort »geschlachtet« viel eigentlicher und kommt über- ein mit der Art des Todes Christi und mit der Be- nennung des Lämmleins Erwürgen heißt soviel als erdrosseln, »daß das Blut in dem erstickten Körper bleibt; hingegen durch das Schlachten wird alles Blut von dem Leibe gesondert, und wenn die Juden ihre Opfer schlachtetem so wurden die Körper von dem Blute recht ausgeleert. (Bengel.) · Wie in V. 5 im Verhältniß zu unserm Verse der Löwe dem Lamme vorausgeht, so wird auch hier mit den voranstehenden sieben Hörnern zunächst hingewiesen auf die ganze Fülle göttlicher Macht und Stärke, womit Christus zum Verderben seiner Feinde und zum Heile der Seinen ausgerüstet ist; denn die Hörner sind im alten Testament ein ste- hendes Symbol der siegreichen Kraft (Ps.148, 14), die Siebenzahl der Hörner aber zeigt, daß diese Stärke in der höchsten Fülle bei ihm vorhanden ist. Daß das Lämmlein die sieben Geister Gottes (Kap.1, 4; 4, 5) hat (vgl.3,1), weist daraus hin, daß der Geist des Vaters auch der Geist des Sohnes ist, daß alle gött- lichen Kräfte ihm zu Gebote stehen, daß er mit der ganzen Fülle der göttlichen Allmacht ausgerüstet ist; wenn nun die sieben Geister bezeichnet werden als die, welche gesandt werden über die ganze Erde, so setzt diese auf Sach. 4,10 ruhende Bezeichnung außer Zwei- fel, daß hier nicht von dem Geiste Gottes an sich, in der Einheit seines Wesens, sondern in der Mannig- faltigkeit seiner Wirkungen die Rede ist. Sie bildet ein mächtiges Bollwerk gegen die Verzweiflung der Kirche im Angesicht der drohenden Weltmacht: mag die ganze Erde sich gegen sie erheben, Christus, ihr Haupt, hat die sieben Geister Gottes, welche über die ganze Erde gesandt werden und deren geheimen, oft tief ver- borgenen, aber unwiderstehlichen Einfluß nichts auf der Erde, und wenn es sich auch noch so sehr bläht, auf- zuhalten vermag. (Hengstenberg.) Die sieben Hörner dienen dem Lamm zur Erweisung seiner unwidersteh- lichen, jedes Hindernis; niederwerfenden Macht gegen- über von allem, was sich dem Rathschluß Gottes ent- gegenstellt, die sieben Augen aber zum treuen, be- wahrenden und leitenden Aufsehen über alle, an welchen sich der Nathschluß Gottes zur Seligkeit vollenden soll. Als das erwürgte Lamm hat Christus den Weg zur Vollendung angebahnt; als Jnhaber der sieben Hörner und sieben Geister Gottes ist er auch im Stande, die Welt wirklich dieser Vollendung zuzuführen. (Kemmler.) Weil Christus den Geist hat, deshalb erkennt er alles, auch die Dinge auf Erden, wohin der Geist (1. Cor. L, 10) gesandt wird, das Treiben seiner Feinde, den Zustand der Seinigen it. (Düsterdieck.) «) »Das Lamm nimmt, was ihm von Rechts- wegen zukommt, was ihm als feine Siegesbeute ange- hört; es darf nehmen, es thut keinen kühnen Griss, sondern hat das vollgiltigste Anrecht aus die Herstellung und Vollendung des niessianischen Einheitsreiches, und vollzieht damit nur den heiligen Liebeswillen des Aller- höchsten-« (Joh.17,2.) 8. Und da es [das Lamm] das Buch nahm, da fielen die vier Thiere und die vier und zwanzig Aeltesten vor das Lamm [zur Erde nieder — erstere sich damit, wie sie vorhin dem, der auf dem Stuhle saß, gehuldigt 4, 8., so nun dem Lamme zu Dienst und Willen stellend], nnd hatten lwas die letzteren, die 24 Aeltesten betrifft] ein jeglicher lan seiner Seite] Harfen lin die sie mit der Linken griffen] nnd güldene Schalen voll Ränchwerks lin der Rechten], welches [die mit Räuchwerk gefüllten Schalen, oder genauer: das Räuchwerk in den Schalen] sind die Gebete der sdurch die Aeltesten selber repräsentirten] Heiligen [8, 3 f., und wie sie nun ihr Lied V. 9 mit dem Wohllaut des Harfenspiels begleiteten, so verstärk- ten sie die Gebete der Heiligen durch den Wohl: geruch ihrer Räuchwerksschalen]; 9. Und sangen ein neu Lied [Je»s. 42, m; Pf. 33, 3 Anm.] und sprachen lin Beziehung auf die von Neuem sich ösfnende Zukunft, die vorher wie völlig verschlosscn schien, so daß ich hatte sehr weinen müssen V. 4]: Du bist würdig zu nehmen das Vnch [wie du schon gethan] Und aufzuthun seine Siegel lwie du weiter thun wirst 6, 1. 3. Z. 7. g. 12z 8, 1]; denn du bist erwürget kam der Gerechtigkeit Gottes, die das Buch verschlosscn hat, genug zu thun], nnd hast Uns snach richtige- rer Lesart ist dies »aus« wegzulassen und dafür ,,Menschen« zu ergänzen] Gott erkaust mit deinem Blut aus allerlei Geschlecht und Zungen und Volk nnd Heiden [aus der gesammten Menschenwelt, so vielfach sie auch getrennt ist durch Herkunfh Sprache, politisches Gemeinwesen und landesübliche Sitten], 10. Und haft Uns snach besserer Lesart: sie, die Erkauften] unsern! Gotte [dem wir, die wir ebenfalls erkaust worden, allbereits hier oben im Himmel dienen] zu Königen und Priestern ge- macht sgleich uns Kap. 1, 6], und [gleichwie] wir [so] werden [auch sie, wenn die Vollendung kommt, Das Lamm, das würdig ist, die Siegel zu brechen und das Buch aufzuthun. 47 die nach der Lösung der sieben Siegel nicht aus- bleiben kann] Könige fein auf Erden.[Kap- 20, 4; 22, 5; Dan. 7, 27]. Wie in Kap 4 die vier Thiere, die Repräsentanten der ganzen lebendigen Schöpfung, und die vier und zwanzig Aeltesten, die Repräsentanten der erlbsten Mensch- heit, mit wechselndem Lobgesang den thronenden Gott gepriesen haben, so erschallt hier einstimmig der Lob- gesang derselben dem Lamm, vor welchem sie sämmtlich anbetend niederfallen. Dieser Lobgesang findet dann in V. 11 f. zunächst bei den Engelschaaren seine Antwort, wird hierauf in V. 13 von aller Creatur alliiberall aufgenommen, und zwar so, daß nun dem auf dem Throne Sitzenden und dem Lamme zugleich das am Schlusse gleichsam gesammelte Loblied erklingt, und ver- hallt endlich in V. 14 in dem Amen der vier Thiere, welche das Lob des thronenden Gottes (4, 8) und mit den Aeltesten zugleich (5, 9) das Lob des Lammes an- gestimmt hatten. (Diisterdieck.) Die Aeltesten bringen dem Lamme nicht nur ihre eigene Huldigung, sondern auch die der Heiligen auf Erden dar; nicht daß sie die Uebermittler dieser Gebete wären, auch nicht, daß sie die Heiligen zu vertreten hätten, sondern mit den, dem Lamm vorgehaltenen Schalen, aus denen der Duft der Gebete aufsteigt, sagen sie: siehe, du bist es, dem nicht nur hier im Himmel, sondern auch auf der Erde die Herrlichkeit zuerkannt wird. (Füller.) Ein jeder von den 24 Aeltesten hat eine Harfe in feiner Hand und Schalen voll Räuchwerkst ohne Schalen keine Harfen, und ohne Harfen keine Schalen; ohne Bitte kein Dank, und nur wer recht dankt, kann auch recht bitten und flehen. So auf Erden wie im Himmel; sehe daher jeder zu, daß ihm weder die Schale mit dem brennen- den Räuchwerk noch die Harfe fehle, das Feuer aber, welches das Räuchwerk entzündet, wie der Klang, wel- cher das Wort zum Liede macht, ist nur der heil. Geist. (Steffann.) Die Form des Liedes, der Wechsel des »aus« und ,,sie«, ist ein Beweis, daß die Aeltesten als Repräsentanten aller Heiligen Gottes reden; der Jn- halt aber sagt, daß des Menschen Sohn durch sein Lei- den und Sterben die Seinen aus allerlei Volk heraus erkauft, sie schon jetzt zu solchen gemacht habe, welche an Gottes Herrlichkeit Theil nehmen und vor ihm stehen, und einst sie zu Herren der Erde machen werde. So ist das Ende der Offenbarung, die nun das Lamm er- schließen wird, schon ausgesprochen. (Lämmert.) II. Und ich sahe [einen heiligen Kreis um die Versammlung in Kap 4, 2—4 sich schließen], und hbrete eine Stimme vieler Engel um den Stuhl nnd um die Thiere und um die Aeltesten her; und ihre Zahl war viel tausend mal tausend [genauer: Zehntausende der Zehntausende und Tausende der Tausende« Dan. 7, 10], 12. Und sprachen mit großer Stimme [und da denke sich der Leser, wie das durch die Himmel wiederhallen mußtek Das Lamm, das erwi··irget ist, ist lviitdig, [von Seiten derer, die um das, was ihm beiwohnt, wohl wissen, in Empfang] zu nehmen Kraft und Reichthum und Weisheit und Stärke, und Ehre und Preis nnd Lob« [gleich- wie das alles Gott selber gebührt 7, 12]. 13. Und alle Creatur, die im Himmel ist, und auf Erden und unter der Erde [V. 3], und ldazu die] im Meer, und [zwar ohne Ausnahme] alles, was darinnen [in diesem vierfachen Gebiete] ist, hörte ich sagen zu dem, der auf dem Stuhl saß und zu dem Lamm: Lob ·und Ehre, und Preis und Gewalt, von Ewigkeit zu Ewigkei «« ssei jedem von euch beiden]. 14. Und die vier Thiere [die in Kap 4, 8 mit Loben den Anfang gemacht, nun auch das Lob aller Creaturen beschließend] sprachen: Amen [d. i. hierbei bleibt es, das, was eben gesagt wor- den, soll gelten und wird gelten in alle Ewigkeit] Und die vier und zwanzig Aeltesten [welche auch sonst den vier Thieren sich anzuschließen pflegten] fielen nieder und beteten [in stummer Gebein] tin-s (den, der da lebet von Ewigkeit zu Ewig- keit —- dieser Zusatz» aus Kap 4, 10 muß nach besserer Lesart hier wegfallen). is) Das will sagen: wenn man auf einen Haufen je Zehntausend rechnet, so find es Zehntausende von solchen Haufen, und dann bleiben immer noch Tausende von Tausenden übrig, die nicht inbegriffen sind; es sind also diese Engelschaaren mit keiner Zahl anzugeben· «) Siebenfach sind die Bezeichnungen gehäuft, mit welchen dem Lamme Lob gesagt wird, während in Kap. 4, 9u.11 blos drei Ausdrücke sich finden. Die Thiere und die Aeltesten sagten dort aus, daß Gott die Ehre im hbchsten Maße-gebühre, darum war die Steigerung (dem dreifachen Heilig im vorhergehenden 8. Verse ge- mäß) eine dreifache; nachher, in V. 13 unsers Kap., wo von dem Preise der Creatur die Rede ist, finden wir den Preis vierfach, denn Vier ist ja die Zahl der Welt. Hier dagegen, wo die himmlischen Heerschaaren aussprechen, daß dem Lamme die ganze Fiille dessen zu empfangen zusteht, was Gott gebührt, finden wir pas- send die Siebenzahl; sie ist auch die Zahl des in der Welt wirkenden Gottes, und die Engel sind es, durch welche er sich an der Welt wirksam erweist. Die sieben Ausdriicke scheiden sich in vier nnd drei: die ersten vier geben uns des Lammes Herrschertiichtigkeit an, die ihm zukommt, und von der Creatur nur anerkannt werden soll, während die letzten drei von der Verehrung han- deln, welche dieselbe ihm dafür darbringt; jene vier theilen sich dann wieder in zwei und zwei, und da be- zeichnen ,,Kraft und Reichthum« die von Gott ihm über- trageiie Machtsphäre, sowie den ganzen Reichthum von Machtmitteln, dagegen sind ,,Weisheit und Stärke« die persönlichen Gaben, die ihn zum Gebrauch dieser Macht und Machtmittel geschickt machen, die Weisheit, den Reichthum von Machtmitteln recht zu brauchen, und die Stärke, um ohne Schwanken das vorgesteckte Ziel zu verfolgen und zu erreichen. Um deßwillen ge- bühret ihm nun alle »Ehre«, denn keiner ist so hoch, wie er; aller ,,Preis«, denn keiner ist so herrlich, wie er; und alles ,,Lob«, denn kein Herrscher« verwendet feine Macht so ganz zum Segen für die seiner Herr- schaft Unterstellten, wie er. IN) Das ganze Schöpfungsgebiet wird hier in vier Regionem wie anderwärts in drei, getheilt, indem das Meer, sonst mit zur Erde gerechnet, als selbstän- diger Theil erscheint (20, 13); mit dem »alles, was drinnen ist« wird dann die Gesammtheit der vierthei- ligen Schöpfung nochmals zusammengefaßh zum Zeichen, daß nichts ausgeschlossen zu denken sei, mit dem Schluß- gesang aber, in welchem die ganze Schbpfung sich zu- 48 Offenb. Johannis S, 1—2. sammeiisindet, wird Gott und Lamm nicht mehr ge- schieden, sondern beide empfangen gemäß dem Wort in Joh. 5, 23 gleiche Verehrung. Daß dabei neben ,,Lob und Ehre und Preis«, die wir schon in V. 12 bei- sammen fanden, noch zuletzt die ,,Gewalt« hervorge- hoben wird, ist ganz sachgemäß; denn was die große weite Schöpfung gleichmäßig an sich erfährt und an- erkennen muß, das ist die Macht und Gewalt Gottes, daß aber diese Macht und Gewalt die Herbeiführung des Heils sich zum Ziel gesteckt hat, das ist etwas, das auch die Schöpfung mit Dank preisen muß, weil dieses Heil die Verklärnng und Erneuerung der Welt herbei- führt. (Füller.) · » · · f) Nachdem die Lobgesänge, die vorhin in der weitesten Ausdehnung erklungen sind, in dem ,,Amen« der Thiere zur Ruhe gekommen, bleibt für die Aeltesten nichts übrig, als eine stumme Anbetung, welche natür- lich auch dem Lamm, nicht allein dem auf dem Throne Sitzenden gilt, daher der Zusatz der gewöhnlichen Lesart »den, der da lebet von Ewigkeit zu Ewigkeit« zu strei- chen ist. (Düsterdieck.) Das Gericht über Jerusalem und das jüdische Volk, bei dessen Anbruch die Geschichte des Reiches Gottes angelangt war, als Johannes die Offenbarung empfing, und das zu einem Untergang des Reiches Gottes, zu einer Aufhebung des Bundes und Außerkraftsetzung des prophetifchen Worts hätte, ausschlagen müssen, wenn der Vater als der heilige und gerechte Gott es hätte ohne einen Vermittler zur Ausführung bringen wollen, für welches er aber mit seinem Hinhalten des versiegelten Buches nach seiner Barmherzigkeit und Gnade einen würdigen Vermittler suchte und ihn auch in dem geschlachteten Lamm gefunden hat, kann nun ohne Gefahr für den großen Heilsplan zum Vollzug kommen; ja, indem das Lamm mit der Lösung der sechs ersten Siegel dieses Gericht in s eine Hand nimmt und es ganz so aussührt, wie der Rathschluß des Vaters es bestimmt und in dem prophetischen Wort schon zuvor bezeugt hat (Kap. 6), wird die Zerstörung Jerusalems und des Tempels und die Austreibung Jsraels aus dem bisher bestandenen Bundesverhältniß mit Gott so wenig zu einer Vernichtung des Reiches Gottes, daß damit nur der Berg, der demselben hin- derlich in den Weg getreten ist, sich aufheben und in’s Meer werfen muß (Matth. 21, 21), und es damit nur einen desto freieren Fortgang gewinnt, und indem dann das Lamm in der Gestalt eines Engels noch vor Lö- sung des siebenten Siegels eine Vollzahl aus der Voll- zahl der Stämme Jsraels mit dem Siegel Gottes auf die Tage der Zukunft versiehet, um an diesen einst und mittels derselben die letzten Dinge herbeizuführen (Kap. 7, 1—8), ist die um Jsrael und sein vollendetes Heil sich bewegende Weissagung der Schrift in ihrer endlichen Erfüllung thatsächlich gesichert, und es kann die Lösung des letzten Siegels geschehen. Aus ihm geht nicht, wie aus jedem der sechs ersten, eine einzelne Bitten, sondern eine ganz neue Reihe von Visionen mit dem Auftreten der sieben Posaunen-Engel hervor (Kap. 8,2—11, 19); in den Gerichten, welche die sechs ersten bringen, wird zunächst die, dem Fortgang des Reiches Gottes bei den Heiden, die jetzt die Stelle des Volkes Gottes zu vertreten berufen sind, sich entgegen- stellende römische Weltmacht beseitigt, nach ihr aber diejenige Christenheit, welche bisher im Vordergrunde der Geschichte gestanden und nicht gehalten hat, was ihr vertrauet war, der Ausgestaltung ihres inneren Verderbens und der Qual durch eine fremde, antichrift- liche Religionsmacht in immer größerer Steigerung preisgegeben, zuletzt dann auch eine andere, neue Christenwelh welche die eigentliche Zeit der Heiden und damit auch die Zeit der Zertretung Jerusalems zu er- füllen hat«, insoweit abgethan, daß Jsrael nun wieder zu Gnaden angenommen werden kann und der Anfang vom Ende der Zeiten jetzt da ist, wie die Stimmen im Himmel und die Lobgesänge droben sammt den Vorgängen am Stuhle Gottes bezeugen. Nachdem ein Rückblick auf Jsraels Geschichte von Anfang seines Be- rufes an bis zu seiner jetzigen Wiedereinsetzung in die vollen Bundesrechte gethan und die Trübsal der letzten Zeit der Heiden klar gezeichnet (Kap.12 u. 13), auch beides, die Zubereitung der Braut des Lammes zur Hochzeit und die Zubereitung der zur Theilnahme am Abendmahl bei dieser Hochzeit Berufenen einerseits und das Gericht, durch welches sich der Bräutigam als Königssohn und Richter den Weg zur Hochzeit bahnt, in mancherlei Gesichten dargesiellt ist (Kap·14), geht eine dritte Reihe von Visionen, die von den sieben Engeln mit Zornesschalen (Kap.15u.16), auf dieses Gericht näher ein und beschäftigt sich mit dem Antichrist und seinem Reiche von Anfang seiner Geschichte bis zur Zeit seiner völligen Gerichtsreife (Kap.17); es ist auch die zur großen Hure gewordene Kirche darein verwickelt, und erfolgt deren Vernichtung zuerst, bis dann auch die des Antichrist selber und seines Propheten in groß- artiger Weise sich vollzieht (Kap. 17—19).» Nunmehr tritt die Mitte und schließlich auch das Ende vom Ende ein (Kap. 20, 1-—22,5), so daß jetzt alle Schrift bis zum letzten Buchstaben erfüllt ist, das Buch in der Hand des Thronenden ist nicht blos entsiegelt, sondern auch zu vollständigem Vollzug gekommen, und so kann auch das Buch der Offenbarung selber seine Gesichte und Weissagungen abschließen (Kap. 22,6—21). Jn ganz anderer Weise fassen freilich andere Ausleger die Gesichte unsers Buches auf; wir haben aber uns mehr und mehr überzeugt, wie nur theilweis die richtige Er- klärung von diesen oder jenen getroffen ist, wir mußten also unsern eigenen Weg gehen. Das 6. Kapitel. You Erössnung sechs nnterschiedlither Diener. III. b. 1—8. ateichmie i:- heseir 24, 1 ff. dem Propheten an dem Tage, wo lileburadnezar iin J. 590 v. Ehr. die Belagerung Jerusalems begann, am Orte seiner Verban- nung das Ereigniß angezeigt wird mit der Weisung, flih den Tag einzuschreiten, und er niui den Gefangenen seines Wirkungskreises den Ausgang der Belagerung in sinnbildlichen Worten nnd Handlungen darstellen muß, also wird auch dem Seher des neuen Testamenty dem heil. Johannes, während seiner berbaiinung ans patmoo das, wag über Jerusalem und das nnglänbige Judenvolk komnien wird, zu einer Zeit kund gethan, wo man drüben im Lande selbst sich wegen des über Ceftiiis Gallns für den Augenblick errungenen Sieger einer ans— gelassenen Freude und der gewissen Hoffnung einer bald wiederkehrenden völligen Freiheit von der römischen Herr— sehaft überläßt; was aber kommen wird, das ist der Untergang mit Schrerlien nnd Gottes unabweudbares Ge- richt über das dem Zorne preis-gegebene Volk. Jn den ersteu vier Siegeln, deren Grösfming hier gesehiehetz stellt sich zunächst der jüdische Krieg selber nach seinem Verlaufe nnd sihließliihen Kuggange dar: es ist ein Krieg, in welchem der Sieg von tjano aus denjenigen, wider die die Juden kämpfen, von Gott in die Hände gegeben ifl nnd ans welchen, selbst nachdem das bolk überwun- den nnd ohnmächtig gemarht ist, kein Friede wieder folgt; Das erste Siegel: der Reiter auf dem weißen Pferde. 49 und eg ist ein Krieg, in welchem die Uoth der früheren Belagerung Jerusalems durch die Chaldäer in verstärk- tem Maße wiederkehrt, und anih die von jeher ge- idirtidheien vier bösen Strafen in ganzer Schwere sich ein— n en. » I. Und ich sahe, daß das Lamm der Siegel einesfzunächst natürlich das erste] aufthat. Und tchhlirete liudem dieses Aufthun geschah] der vier Thiere [von denen in Kap. 4, 6 ff. die Rede war] eines lriämlich das, welches gleich war einem Löwen, denn es handelte sich jetzt um die Erfül- lung der Weissagung: Jer. 4, 7J sagen als mit eiiier Donnerstimme swie sie göttliche Gerichtsakte immer begleitet Kap. 8, 57 10, 3]: Komm, und siehe zu ldiese Worte »und siehe zu« sind hier und in V. Z, 5 u. 7 nach besserer Lesart zu streichen]. Die vier ersten Siegel find nicht blos durch die ähnlichen Erscheinungen, die aus ihrer Eröffnung her- vorgehen, sondern besonders noch dadurch zu einem einheitlichen Ganzen mit einander verbunden, daß bei Eröffnung eines jeden derselben immer eins von den vier Lebewesen ruft: ,,Komm«; dieser Ruf ergeht aber nicht, wie man von Alters her gemeint und darum als nähere Erklärung hinzugesetzt hat: »und siehe zu«, an Johannes, als solle er näher hinzutreten und genaue Kenntniß von dem nehmen, was aus dem entsiegelten Jnhalt des Bnches hervorgeht, sondern er ist an die vier Reiter gerichtet, die aus den eröffneten Siegeln hervorgehen. Das Lamm, mit welchem der fürbittend·e Weingärtner in Luk. 13, 6 ff. ein und dieselbe Person ist, hält tetzt das Strafgericht über Jerusalem und das un- gläubige jüdifche Volk nicht mehr auf, nachdem die er- betene Gnadenfrift ohne Erfolg zu Ende gegangen; indem es die Siegel löst, läßt es dem Walten der göttlichen Gerechtigkeit freien Lauf, und diese, durch die vier Thiere gleichsam verkörpert, führt nun die Gerichtsvollftrecker dem prophetischen Wort gemäß in vier Gestalten heraus. Z. Und ich sahe [in Folge jenes Rufs ein lebendes Bild meinen Blicken sich darstellen], und flehe, ein nleiß Pferd [dessen Farbe schon seinen Reiter als einen siegreichen, triumphirenden Fürsten charakterifirte war es, was mir erfchien], Und der drauf saß, hatte einen Bogen [diese weithin tref- fende Kriegswaffek Und ihm ward svon unsicht- barer Hand] gegeben enie Krone soder ein Kranz, wie die Sieger ihn auf dem Haupte tragen I. Cor. 9, 25., zum Zeichen, daß der Sieg gleich von vornherein ihm zuerkannt und der Ausgang seines Streits gar nicht erst zweifelhaft sei], und er» zog snnn auch] aus [in den Streit] zu überwinden lmit dem Bewußtsein eines seiner Sache gewissen Ueberwinders auf seinem Angesicht], Und daß er siegete lden Sieg auch im Besitz nähme, der als sein Theil ihm schon zugesprochen war].g Sonst entscheidet beim Beginn eines Krieges erst der Erfolg, welcher von beiden Theilen siegt u1id welcher unterliegt; nirgends, schreibt Graf Maiftre, (geb. 1753 zu Chambery in Savohen), wird der Mensch öfter und lebendiger an seine Nichtigkeit, nirgends stärker an die unausweichliche Macht, die alles lenkt, erinnert, als im Kriege. Aber dieser Reiter hier ist Diichseiss Dir-etwas. v11. Band, 2. Abtes. g. nun. Sieger, noch bevor er die Schlacht geschlagen: der Siegerkranz ist ihm schon auf das Haupt gefetzt, da er nur erst in den Kanipf auszieht, und so geht er in denselben niit dem Vollbewußtseim es muß ihm gelingen, dazu er gesandt ist. Da, so fcheint es, dürfen wir nur an Einen denken, an den, der in Kap.19, 11 ss. unter demselben Bilde erscheint, an den verherrlichten Christus: obgleich ihm jetzi noch lange nicht alles in der Welt unterworfen ist, wird ihm doch bereits die Siegerkrotie gegeben, weil sein endlicher Sieg schon so gut wie da ist (Ps. 110). Darauf deutet auch die Farbe seines Roffes; der Bogen aber, den er führt, zeigt an, wie leicht ihm der lange und schwere Kampf gegen seine Widersacher wird, wie wenig er der Gefahr ausgesetzt ist, selbst verwundet zu werden, wie er im Gegentheil von Gott verordnet ist zu einem Richter über die unbußfertige und ungläubige Welt (Ps. 7, 13 f.; 45, 6). Diese wie von selbst sich darbietende Auffassung des ersten Reiters findet sich denn auch bei der Mehr- zahl der Ausleger, 1ind würde nun die Bedeutung des vorliegenden Gesichts darauf hinauslaufen, daß der Macht und dem Walten Christi alle folgenden That- fachen unterworfen sind; sein Bogen ist der Bogen mit dem sicher treffenden Pfeil des Worts, sein Kranz oder feine Krone ist das Diadem feines principiellen Sieges über alle Macht der Welt und der Finsterniß; und wenn er dennoch wieder auszieht zu siegen, so ist dies die Thatsache, daß sich sein principieller Kampf und Sieg in einer großen Folge von welthiftorischen Käm- pfen und Siegen entfalten und vollenden muß. Indessen, so richtig das hier Gesagte an sich selber ist, so ist doch der Cardinalpunky auf den alles ankommt, hierbei ganz übersehen und darum auch die Bedeutung unseres Ge- fichts in solche allgemeine Wahrheiten aufgelöst, derer- wegen es nicht erst nöthig gewesen wäre, daß dein Jo- hannes eine besondere Offenbarung zu Theil würde; vielmehr müssen wir uns darauf besinnen, daß unser Apokalyptiker die Wiederaufnahme und Vollendung der alttestamentlichen Prophetie, speciell der des Hefekieh Daniel und Sacharja ist, und da dient nun die Stelle: Dan. 9, 24—27 uns zur Handhabe für das richtige Verständniß Jn V. 25 dieser Stelle ist von dem MaschiactkNagid (Luther: ,,Chriftus der Fürst-·) die Rede, im folgenden 26. Verse aber zerlegt sich dieser Doppelname in zwei Persönlichkeitem der Messias heißt einfach nur noch Mast-hinab, die Benennung Nagid dagegen wird auf den römischen Fürsten übertragen, der Jerusalem mit feinem Kriegsvolk zerstören soll, jedoch so, daß allerdings in ihm der von der Erde ausgerei- tete und gen Himmel entrückte Christus selber wirksam ist; und so erklärt es sich vollkommen, wenn dasselbe Bild, das in Kap. 19, 11 ff. noch bestimmter auf Chri- fium deutet, das Bild eines Reiters auf weißem Pferde, an unsrer Stelle denjenigen bezeichnet, der Christi Ge- richt über Jerusalem zur Ausführung bringt. Es findet ganz dasselbe Verhältiiiß statt, wie wenn in Jer. 25, 9 Nebucadnezay der König zu Babel, indem er die erste Zerstörung Jerusalems bewirkt, für einen Knecht des HErrn erklärt wird. Das weiße Roß ist ein Ehren- roß und kennzeichnet seinen Reiter als einen solchen, der mit seiner Kriegsmacht nicht, wie sonst, ini Dienste der römischen Weltmacht steht, sondern in einem gött- lichen Auftrage kommt und ein göttliches Wert voll- bringt; und da wird ihm denn auch der Sieg schon zuerkannt, noch bevor der Kampf entschieden ist. Jeru- salem wird gewiß fallen und das jüdifche Volk unter- liegen, denn die Stunde des HErrn ist gekommen. Es lassen gar manche Beziehungen sich geltend machen, inwiefern Vespafianus und namentlich dessen Sohn 4 50 Ofsenb. Johannis S, 3—9. Titus, dem der Vater die Fortsetzung des Krieges über- trug, als er den Kaiserthron bestieg, in der That für einen würdigen Repräsentanten Christi angesehen wer- den kann, der in der Kataftrophe der Zerstörung Jeru- salems auf mittelbare und unsichtbare Weise in seinem Reiche kommt (Matth. 16, 28; 24, 3 fs.; 26, 64; Joh. A, 22); was aber, um wenigstens auf einen Punkt speciell hinzuweisen, seine Erscheinung als Bogenschiitze betrifft, die ihn als einen Krieger darstellen soll, der aus der Ferne zielt und sicher trifft, ohne selber der Gefahr zu unterliegen, so hat sich das im jüdischen Kriege mehrmals in auffälliger Weise bewährt, nament- lich bei Gelegenheit einer Recognoscirung entkam Titus wie durch ein Wunder der äußersten Lebensgefahr, so daß Josephus bemerkt: ,,augenfcheinlich kann man da sehen, wie die entscheidenden Augenblicke des Kriegs und die Gefahren der Fürsten unter Gottes Obhut stehen«. Es ist also (vgl. die Fortsetzung der Geschichte des apostolifchen Zeitalters er. im II. Anh. zum G. Bande: e, Abs. 4) die Zeit des Osterfestes 70 n. Chr., mit wel- cher die Gesichte-der Offenbarung ihren Anfang nehmen; in V. 9—11 geschieht dann eine Erinnerung an das Osterfest vor 8 Jahren, gleichwie in V. 15 ff. an das vor 40 Jahren (vgl. zu Hebr. 10, 25). 3. Und da es sdas Lamm] das andere Siegel aufthat, hörete ich das andere Thier [welches gleich war einem Kalbe oder wilden, nn- bändigen Stier] sagen: Komm, und siehe zu sAnm zu V. 1]. 4. Und es ging heraus [aus dem Siegel] ein ander Pferd, das war [seuer-] roth sein Bild des Krieges, in welchen der erste Reiter aus- ziehen würde, zu überwinden und daß er siegete]; und dem, der drauf saß fund gewissermaßen die Personisication dieses Krieges bildete], ward ge- geben, den Frieden zu nehmen von der Erde [d. i. von demjenigen Lande, um das es sich hier handelt Mal. 4, S; Jer. 16, 5., so daß für dieses es nun nicht wieder zu ruhigen, friedlichen Zeiten nach ausgestandenem Kriege kommen sollte, wie es sonst der Fall ist, wenn anderswo ein Krieg ausbricht], nnd das; sie [die Einwohner dieses Landes] sich unter einander erwürgeten; und ihm ward eiii groß Schwert gegeben salle die zu er- reichen, die bestimmt waren, zu fallen durch des Schwertes Schärfe Luk. 21, 24]. Zwietracht der Parteien von innen neben dem Schwert von außen, das ist es, was besonders den jüdischen Krieg charakterisirt; Vespafian, nachdem er Galiläa eingenommen und Jericho und andere Plätze besetzt hatte, überließ die Empörer geradezu ihrer eige- nen Zwietracht nnd wartete in Cäsarea am Meer viel- mehr die Ereignisse in Rom ab, als daß er die Bela- gerung Jerusalems befchleunigt hätte, und als es dann zu dieser unter Tit-us kam, bedrängten in der Stadt selber die Parteien einander mit Feuer und Schwert und rieben sich gegenseitig auf, so daß auch dieser, nachdem er seine Wagenburg geschlagen, längere Zeit dahinter wartete, ehe er weiter vorging Auch das andere Merkmal, daß gerade dieser Krieg ein solcher war, dem kein Friede mehr folgte, und in dieser Bezie- hung seinesgleichen nicht hat (felbst auf den 30 führ. Krieg in Deutschland folgte doch schließlich Friede), legt Zeugniß dafür ab, daß wir mit unsrer Deutung des Gesichts auf richtigem Wege sind (vgl. Dan 9, 26 u. 27: ,,bis zum Ende des Streites wird es wüste bleiben« — ,,es ist beschlossen, daß bis an’s Ende über die Ver- wüstung triefen wird-«, und Luk. A, 24: »Jerusalem wird zertreten werden von den Heiden, bis der Heiden Zeit erfüllet wird-Si, während andere Ausleger wiederum mit allgemeinen, unbestimmten Sätzen sich behelfen und den charakteristischen Zug des Bildes, der mit dem ,,ihm ward gegeben« ausdrücklich hervorgehoben wird, ganz aus den Augen verlieren. 5. Und da es das dritte Siegel aufthat, hörete ich das dritte Thier swelches ein Antlitz hatte wie ein Menfch — denn von der Plage, die da kommen würde, sollten hauptsächlich die Menschen betroffen werden] sagen: Komm (nnd siehe zu. lind ich sahe [was da heraus laws, und sie e, ein schwarz Pferd [als Sinnbild der Noth, die mit Theuerung nnd Mangel ihren An- fang nehmen würde, um zuletzt bis zur äußersten Hungersnoth sich zu steigern 3. Mos. 26, 26 Hesek 4, 16 f.], und der drauf saß, hatte eine Wage in seiner Hand seinem jeden sein Brod zu- »zuwiegen, und zwar gleich von vornherein fchon so knapp, daß wenigstens das niedere Volk sein Durchkommen nicht mehr fände]. 6. »Und ich hütete eine Stimme unter den viel? Thieren [die aus der Mitte derselben hervor- drang] sagen [zu dem Reiter mit der Wage in seiner Hand]: Ein Mai; Waizen [wieviel zu einein Brode für einen einzelnen Mann auf jeden Tag gehört, etwa Exz prß. Metze] um einen Groschen [oder Denar = 71s2 Gr. 2. Mos. 30, 13 Anm.], und drei Maß Gerste [oder 1 pr. Metze] um einen Groschen [so daß ein Tagelöhner mit seinem Tagesverdienst Matth. 20, 2 sich’s muß vergehen lassen, an Kuchen oder Weizenbrod zu denken, er erschwingt damit nur noch Gerstenbrod, und das auch nur für sich und zwei Familiengliedey für Schmalz aber bleibt ihm nichts mehr übrig]; nnd dem Oele [das die Stelle des Schmalzes oder der Butter vertritt 1. Kön 17, 12z Z. Mos. 2, 41 nnd Wein [sagte die Stimme weiter] thu kein Leid ssondern laß sie ihren gewöhnlichen Preis behalten]. Doch was hilft das dem gemeinen Mann aus dem Volk, dessen ganzer Verdienst aufs Höchste nur für das trockene Brod ausreicht? es dient zu weiter nichts, als ihn wider die besser gestellten, höheren Klassen der Ge- fellschast durch Neid und Mißgunst zu verbittern und so der inneren Zwietracht und dem Parteitreiben einen schlimmen Vorschub zu leisten, wodurch zuletzt es wie von selber bis zur gräßlichsten allgemeinen Hungersnoth kommen wird. Als im J. 67 auch Giscala in Galiläa sich den Römern hatte ergeben müssen, war der dortige Parteigänger Johannes durch List und Betrug mit einem großen Haufen glücklich nach Jerusalem entkommen; Gott hatte ihn, wie Josephus bemerkt, zum Verderben für die Stadt aufbehalten, denn der unnütze, müssige Haufe diente blos dazu, die Vorräthe, welche man für Das zweite, dritte und vierte Siegel: Krieg, Hungersnoth und Tod. 51 die Streiter aufgehäuft, zu verzehren und so außer dem Kriege auch noch Ausstände und Hungersnoth herbeizu- führen. Da nun« das in vielen Gegenden an Oel und Wein so fruchtbare Peräa erst in den beiden folgenden Jahren in die Gewalt der Römer fiel, die Umgegend von Jerusalem aber ebenfalls an diesen Erzeugnissen besonders reich war, so erklärt sich das »dem Oel und Wein thue kein Leid« im buchstäblichen Sinne aus der Geschichte des Krieges ganz einfach (erst als Titus die ganze Stadt mit einer fortlaufenden Pallisaden-Mauer umgab und ihr jede Zusuhr abschnith stellte sich eigent- liche Hungersnoth ein). Man hat aber auch einen sym- bolischen Sinn darin gefunden und die Worte auf die Flucht der christlichen Gemeinde nach Pella, welche da- durch von den Drangsalen der Belagerung verschont geblieben, gedeutet, und das gewiß mit vollem Recht. Nach der Rettung dieser Gemeinde hatte es für das Reich Gottes keine Bedeutung weiter, daß Johannes von Giscala in der Hungersnoth das heilige Oel und den heiligen Wein zu profanen Zwecken verwendete (Joseph. de b. Jud. V, 13, 6): der Greuel der Ver- wüstung follte ja nun recht eigentlich an der heil. Stätte stehen (Matth. 24, 15). 7.·Und» da ·es das vierte Siegel aufthat, hdrete ich die Stimme des vierten Thieres wessen, das gleich ivar einem fliegenden Adler —- denn nun sollte sich das Wort in ·Matth. 24, 28 er- füllen: ,,wo ein Aas ist, da sammeln sich die Adler-«] sagen: Komm (und siehe zu). 8. Und ich sahe, nnd siehe, ein fahl Pferd svon bleichgelbey blasser Farbe, wie sie Leichen eignen, und der drauf saß, des; Name hieß Tod, und die Hölle [griech. Hades 1. Kur. 1, 35 u. Hiob 7, 9 Anm.] folgeie ihm nach [bereit, die vielen Opfer, die er fordern würde, in sich auf- zunehmen, indem schon jetzt zur sinnbildlichen Vorausdarstellung dieser Opfer lange Schaaren schattenhafter Todesgestalten hinter dem Reiter einherzogen]. Und ihnen [dem Tode und der Hölle, besser jedoch liest man: ihm, dem Tode] Ward Macht gegeben, [im Verlaufe des Krieges, den der zweite Reiter unter Anführung des ersten gebracht und dessen Noth unter dem Drucke des dritten auf eine furchtbare Höhe sich gesteigert] zu tödten das vierte Theil auf der Erde so. i. der Bewohner des Landes] mit [den vier bösen Strafen Hefek.14,21:] dem Schwert und Hunger, nnd mit dem Tod [durch Seuchen und Pest Jer. 1·4, 18»; Klage 1, 20; Hef 7, 15], und durch die Thiere auf Erden sdenen sie zum Fraße vor- geworfen oder von denen sie in dem entvölkerten Lande vertilgt werden würden 3. Mos. 26, 22; 2. Kön 17, 26]. Die Zahl der während der Belagerung Jerusalems Umgetommenen wird auf 1 Million und 100,000 Men- schen berechnet; da nun eine schon früher unter Cestius Gallus veranstaltete Zahlung ergeben hatte, daß die Stadt 2 Millionen und 700,00l) Reine und Gesunde faßte, so begreift die Zahl der Unigekommenen im großen Ganzen allerdings den vierten Theil des Volks. Seinem bei Weitem größten Theile nach blieb Jsrael iam Leben erhalten, aber nur, um in alle Winde zer- streuet zu werden; von den 3 Theilen in Hes 5, 1 ff. verhält sich also der dritte Theil der Uebrigen zu den andern beiden Theilen, wie IX« zu IX» Und nun ist es merkwürdig, daß dies unter alle Völker der Erde zer- streuete Volk, wie die statistischen Nachrichten nachweisen, sich an Zahl weder besonders vermindert noch besonders vermehrt, sondern seine Gliederzahl im Wesentlichen derjenigen gleich bleibt, die es nach dem Gericht über Jerusalem behalten hat (8-—10 Millionen). Wie schon dieser Umstand für die Richtigkeit unsrer Deutung spricht, so noch besonders auch die oben angeführte Stelle aus dem Propheten Hesekiel, die uns so bestimmt wie nur möglich auf das Gericht über Jerusalem und das Volk Jsrael hinweist, daß eine andere Deutung daneben gar nicht aufkommen sollte. IV· v. 9—17. Die mit dem vierten Siegel gegebene An— vermag, daß nur der vierte Theil des jüdisrhen dollis in der demselben bevorstehenden Katastrophe umkommen, der bei Weitem größere Theil aber erhalten bleiben würde, giebt der Frage«biaum, woher es denn komme, daß der hGrr auch jetzt noch das Wort (Ier. 4, N; s, 18) gelten lasse: »ich will es nckht gar aus machen«, da doch die iliakhe für das gerechte Blut, das von Jeru- salem vergossen worden (Matth. W, 29 sf.), niiht blos den Untergang der Stadt und des Tempels, sondern die Jtiisrottung der ganzen dlation fordere. Die Frage isi eine vollkommen berechtigte und wird daher bei Gröss- nung des fünften Stegels den Seelen derer unmittel- bar in den Mund gelegt, deren Blut, in der gottes- lästerlicljsten und freoelhaftrsten Weise beim Zlltar ver- gaffen, am lautesteu nm Rache schreitz zugleiih aber auch gesagt, daß die volle Rache bis auf eine spätere Zeit ausbehalten bleiben müsse, wo dieselbe sich an den gleichen Frevelthaten der aus den Heiden Berufenen vollziehen werde; dagegen enthalte das jeht schon erfolgende Ge- richt die vollliommenste Rechtfertigung für he. Das hier- auf eröffnete sechste Siegel weist dann auf die große Veränderung der ganzen Meltlage hin, welche mit hin— wegränmung des eigentlichen Buudesvollis eintritt, und zeigt die Erfüllung dessen, was der tjErr bei seiner Ab— führnng nach Golgatha den ihm beweiueiiden Frauen verliündigte Glase. W, 27 sf.), in den Schrecken und Ziengsleu bei der Zerstörung Jerusalems; dieser ist schon tu Wahrheit ein Tag des Zorne-s nnd eine Offenbarung der herrlichlieit des zur Rechten Gottes erhöheten Men- schensohnes, doch nur erst das Vorbild eines noch andern dorntages nnd einer noch andern tjerrlichlieitsosfenbarung wie sie denn auch in Wilh. 24 u. 25 in solcher Gestalt erscheint. 9. Und da es [das Lamm V. I] das fünfte Siegel aufthat, sahe ich fin Folge dieser Eröff- nung] Unter dem [Brandopfer-] Altar [im Priester- Vorhof des Tempels, dessen Bild mir erschien, vgl. die Abbildung zu Matth. 4, 71 die Seelen derer, die lwährend der ganzen Zeit der alttesta- mentlichen Haushaltung bis in den gegenwärtigen Anfang der neutestamentlichen hinein von den ungläubigen Juden Matth. 21, 33 ss.; 23, 35; Apostg 7, 51 f.; Heer. 11, 36 ff.] erwürget waren um des Wortes Gottes ioillen fdefsen Prediger unter dem Geschlecht ihrer Zeit sie gewesen], und um des Zeugnisfes [von Jesu, dem Christ Kap. 1, 9z 1- Joh- 2, 221 reinen, das sie kais ein 4916 52 Offenb. Johannis S, 10——14. ihnen anvertrautes Gut] hatten fund allem Wider- fpruch und aller Anfechtung gegenüber festhielten, ohne sich durch den Haß der Ungläubigen und die Verfolgung bis zum Tode davon abbringen zu laffen]. 10. Und sie schrieeu svon dem Boden des Altars her, an welchem ihr Blut in fatanifcher Verblendung, als thäte man mit ihrer Erwürgung Gott einen Dienst Joh. 16, 2., ausgegossen wor- den] mit großer Stimme swider das prophetexp mörderische Jerusalem Luk. 13, 33 f., das des HErrn Haus zu einer Mördergrube gemacht L. Chron 24, 22 u. Matth. 23, 36 Blum] und sprachen: HErr [du Hausherr in dem Haufe, über welches jetzt das Gericht ergeht, der du also es gar mit ihm ausmachen könntest], du Heiliger und Wuhrhaftiger sdesfen Heiligkeit eine Vollbe- zahlung für alles das, was gegen dich gesündigt worden, und dessen Wahrhaftigkeit eine ganz ge- naue Erfüllung deiner Drohweifsagungen Jes. 26, 21 sordert], wie lange [indem du auch jetzt noch nicht das ungläubige Volk völlig vertilgest von deinem Angesicht und ihnen nicht im vollen Maße lohnft, wie sie es verdient, ob sie gleich müssen verstöret und in alle Welt zerstreuet werden] rich- test du und rächest nicht unser Blut an denen, die auf der Erde wohnen [sich als fleischlich und widergöttlich gesinnte Erdbewohner Kap. 8, 13 bis auf’s Aeußerste bewiesen haben in dem Lande, das du ihnen gegeben]? II. Und ihnen wurde lzu einem Zeugniß daß die eben jetzt eingetretene Zerstörung der Stadt und des Tempels, wenn auch nicht die volle Rache für ihr unschuldig und in so grauen- voller Weise vergofsenes Blut, doch die volle Ehrenrettuug ihres Namens sei, nachdem man sie bei ihrem Leben verspottet, verlästert, von dem Volke Gottes abgesondert und als Teufelskinder behandelt Matth. 10, 25; Luk. s, 22; Jes. 66, 5] gegeben einem jeglichen ein weiß Kleid [so daß sie fortan in der Weltgeschichte dastehen würden als solche, die da überwunden haben und die ge- kommen sind aus vieler Trübsal Kap. 4, 4; 7, 13 f.]; und ward zu ihnen sin Beziehung aus das Anliegen wegen des Richtens und Rächens ihres Bluts, dessen Erfüllung allerdings nicht auf immer ausbleiben dürfe] gesagt, daß sie ruheteu sim Genuß der Seligkeit, zu der bereits droben sie eingegangen] noch eine kleine Zeit sdas Wort »kleine« fehlt in den besseren Handfchriften und ist wohl erst aus Kap 20, 3 hier eingefügt wor- den, während ursprünglich die Zeit unbestimmt ge- lassen war Apostg. 19, 22], bis das) vollends dazu lzu der Zahl derer, die da erwürget worden um des Worts Gottes willen und um des Zeug: nifses willen, das sie hatten] kämen ihre Mitkuechte [aus Gottes Hause] und Brüder saus der christlichen Gemeinde] , die auch [namentlich zur Zeit des Antichrift Kap. 13, 151 follten noch ertödtet werden, gleichwle sie ldann aber, wenn auch diese dazu gekommen, würde das volle Gericht über den ungläubig gebliebenen Theil Jsraels zugleich mit dem über den Antichrist und feinen übrigen Anhang eintreten Kap 19, 11 ff; Jes 66, 15 ff., sie selber aber, wie das weiße Kleid ihnen deß ein Unterpfand wäre, würden mitsammt den dazu gekommenen Mitknechten und Brüdern bei der Aufrichtung des tausendjährigen Reichs zur Aus- zecchnung der ersten Auferstehung gelangen Kap 20, 4 sf.]. Für unsere gewöhnliche Anschauung hat es etwas ungemein Befremdliches daß diese Seelen der um des Wortes Gottes und des Zeugnisfes von Christo willen Erwürgten den HErrn um Rache für ihr unschuldig vergossenes Blut anrufen; man würde es dem Geiste des Christenthums viel entsprechender finden, wenn sie, statt um Rache, um Gnade für ihre Schlächter bäten· Da ist denn zu erwidern, daß ja Stephanus, der die Reihe eröffnet, ausdrücklich mit dem Rufe verscheidet: ,,HErr, behalte ihnen diese Sünde nicht!« und Ja- kobus II., den wir als letzten der hier zunächst in’s Auge gefaßten Märtyrer bezeichnen können, so an- haltend im Flehen für fein Volk Jsrael auf den Knieen gelegen haben soll, daß diese fchwielig wurden, wie die Kniee des stets sich niederbeugenden Kameels, und noch, als er von der Zinne des Tempels herabgestürzt und unten vollends erschlagen wurde, betete er für die Sün- den feines Volks. Aber der Ruf nach Erbarmen für die Widersacher des HErrn ist nur solange an seiner Stelle, als noch Erbarmen möglich und die schließliche Gerichtszeit nicht eingetreten ist; den Gläubigen ist eben so sehr, wie darum, daß Seelen gerettet werden, es um den Ruhm der Heiligkeit und Wahrhaftigkeit ihres HErrn und um die endliche Reinigung des Hauses Gottes von den Uebertretern zu thun (1. Joh 5, 16). Es fragt sich nur, wann die Zeit dieser Reinigung, die Zeit der Verherrlichung des HErrn an feinen Wider- fachern da ist; und da wird durch den Jnhalt des fünften Siegels diese Frage nach zwei Seiten hin in fymbolifcher, concreter Form verhandelt. Nach der einen Seite hin könnte die Frage allerdings bejaht und also das Gericht über Jerusalem und dasfjüdifche Volk zu dem Endge- , richt gemacht werden; das Maß der Sünden ist wirklich voll und die Heiligkeit und Wahrhaftigkeit Gottes scheint zu erfordern, daß dem halsstarrigen und verstockten Volk, dem sogar die Sünde zugute gehalten worden, daß es den Sohn Gottes an’s Kreuz geschlagen, dem dann noch 40 Jahre lang das Heil in der kräftigsten und einladendsten Weise angeboten ward und das dennoch fortgefahren, diejenigen zu tödten, die zu ihm gesandt waren, nunmehr das Garaus gemacht werde. Dieser Gedanke wird verkörpert durch das Rusen der Seelen unter dem Altar; indem sie aber mit ihrem Rufen so- zusagen zur Ruhe verwiesen werden, verkörpert sich der andere Gedanke, daß der göttliche Heilsplan mit Israel gleichwohl noch nicht zu Ende und dem Volke künftig noch einmal Raum zur Buße gegeben ist, der Reichthum der göttlichen Güte, Geduld und Langmüthigkeit hat noch eine Zeit sich vorbehalten, auf die auch der HErr in Niatth 23, 39 hindeutet An wie vielen Seelen diese vor- Fünftes und sechstes Siegel: nicht gar aus mit Jsrael, aber doch tief herabgestoßen. 53 behaltene Gnade der Wiedererweckung Jsraels aus seinem geistlichen Tode von Frucht sein wird, erfahren wir her- nach in Kap. 7, 1 ff; es ist da wirklich ganz Israel, das noch einmal selig wird (Rbm. 11, 26), wenn auch bei Weitem nicht in allen seinen einzelnen Gliedern, doch in allen seinen einzelnen Stämmen. Aber freilich verhalten sich 144 Tausend zu 10 Millionen nur etwa wie 1 zu 70; der weitaus größte Theil des Volks also wird dennoch des schließlichen Endgerichts sich schuldig machen, und zwar desselben Gerichts, das beim Abschluß der Entwickelungsgeschicbte der ans der Heidenwelt be- rufenen Christenheit über den Antichrist und seinen Anhang ergeht. Jm gegenwärtigen Zeitalter stehen wir in der Periode des Ausreifens des antichristlichen Zeit- geistes, dessen Folge die Ertödtung der zween Zeugen ist (Kap. 11, 7 ff.); ungemein viel zu diesem Ausreifen trägt die liberale, ungläubige Judenwelt bei, und sie wird’s denn auch sein, welche sich bei der Erscheinung des persönlichen Antichrist energisch an dem Empor- kommen seiner Herrschaft und an seiner Unternehmung wider die Zionsgemeinde im heil. Lande betheiligt, da- mit aber auch in das über denselben ergehende Gericht sich verwickelt. Dies alles, sowie die angegebene Er- klärung der vorliegenden Verse nach den einzelnen darin enthaltenen Momenten wird dem Leser erst deutlich werden im weitern Fortschritt unsers Buches; inzwischen aber giebt das zu Luk. 13, 33 über Jerusalem als den- jenigen Altar, aus welchem alle Propheten» und Zeugen geopfert»worden, Gesagte eine Gewähr dafür, daß wir auch bei diesem Siegel es mit Jerusalem zu thun ha- ben (vgl. Klagel 4, 13). 12.» Und ich sahe, daß es das sechste Siegel anfthat; nnd siehe, da ward ein großes Erdbeben sals wäre die Erde dnrch das, was auf ihr vor- gegangen, in ihren Grundfesten erschüttert Matth 27, 52 — vgl. Kap. 11,13], und die Sonne sam Himmel, als wollte sie nun aufhören, ihr Licht leuchten zu lassen, ja selber als dunkelster Gegenstand in der bisher von ihr erleuchteten Welt dastehen] ward schwarz wie ein hiirener Sack swie grobes, von fchwarzem Ziegenhaar ge- flochtenes Zeug Jes 5, 30; 50, Z; Jer. 4, 23; Am. 8, 9 f.], und der Mond [als habe er nun anch keine Kraft mehr zu leuchten, nachdem die Sonne ihren Schein verloren, sondern könne nur noch schrecken und ängstigen] ward wie Blut sin- dem er einen diisteren, blutrothen Schein bekam wie eine verlöschende Lampe Joel 3, 4]; 13. Und die Sterne des Himmels sals hätte es fortan ein Ende mit ihrem Beruf, als helle Punkte am Nachthimmel zu glänzen Dan 8, 10] fielen auf die Erde lund verhielt es sich fortan mit ihnen], gleichwie ein Feigenbaum seine Feigen sdie den Winter über hinter den Blättern nach- gewachsen, aber zu keiner Reise gekommen sind Muth. 21, 19 Arm] abwirft, wenn er fim Früh: fuhr] vom großen Winde bewegt wird fdaß sie nutzlos nun daliegen am Wege und von den Füßen der Vorübergehenden zertreten werdens. 14. Uttd der Himmel sdas wie eine Zeltdecke über der Erde ausgespannte Himmelsgewölbe Jes 40, 221 entwich lindem es ebenso zusammen- gewickelt ward], wie ein eingewickelt Vuch swie eine Buchrolle zusammengerollt wird, wenn man sie nicht mehr braucht Jes. 34, 4]; und alle Berge und Inseln wurden bewegt aus ihren Oertern ldaß die Erdoberfläche hinsichtlich der bisherigen Vertheilung von festem Land mit den Bergen und von Meer mit den Inseln auf einmal eine ganz andere Gestalt bekam]. Die Auslegey soviel ihrer hierbei an den jüngsten Tag denken mit seiner Vernichtung des gegenwärtigen Weltbaues (2. Petri Z, 7), verstehen die Worte eigent- lich, müssen nun aber entweder mit allgemeinen, un- bestimmten Redensarten sich begnügen, wobei die Aus- drücke im Einzelnen nicht zu ihrem Rechte kommen, oder aber, wenn sie näher darauf eingehen, z. B. in Beziehung auf das Herunterfallen der Sterne auf die Erde, so ungereimte Dinge vorbringen, wie z. B. in der folgenden Bemerkung geschieht: ,,fieht das mensch- liche Auge die Sterne als Sterne auf die Erde herab- sinken, so müssen sie in der Wirklichkeit weit von der Erde im luftleeren Raum versinken und vergehen«; denn daß sie nicht als im luftleeren Raum verschwin- dend, sondern als wirklich auf die Erde sallend gedacht werden sollen, ist deutlich genug damit angezeigt, daß sofort ein anderes Bild für sie gebraucht wird, das von den durch Sturm auf die Erde geworfenen Heerlings- feigen. Je mißlungener derartige Versuche find, die Worte eigentlich zu fassen und sie von Vorgängen in der äußeren, sichtbaren Welt zu verstehen, desto mehr bestärken sie uns in der Ueberzeugung, daß hier vom Ende der Welt noch gar nicht die Rede 11nd die ganze Stelle nur im sinnbildlichen Sinne auf geistige Vorgänge innerhalb des dlieiches Gottes zu beziehen sei. Und nun lassen uns diejenigen Folgen und Verände- rungen, welche die Zerstörung Jerusalems und des Tem- pels, die Zerstreuung Jsraels über die Erde und die Verwerfung des vormals auserwählten Volks im Reichs- haushalt Gottes auf Erden nach sich gezogen, auch keinen Augenblick in Zweifel, wie wir die einzelnen Ausdrücke uns deuten sollen.- Das, was der Heiland dem Geschlecht seiner Zeit voraussagt (Matth. 21, 43): »Das Reich Gottes wird von euch genommen und den Heiden ge- geben werden, die seine Früchte bringen« (vgl. Luk 17, 6), und was dann in der Katastrophe Jerusalems sich auch wirklich vollzog, ist eine so völlige Veränderung der bisherigen Weltlage in religiöser Beziehung, daß es sich wohl begreift, warum es am Anfang unsers Abschnittes heißt: ,,da ward ein groß Erdbeben« und am Schlusse: ,,alle Berge und Jnseln wurden bewegt aus ihren Oertern«; denn während bis dahin Jsrael das einzige Gottesvolk aus Erden gewesen, dasjenige Volk, um welches die ganze Heilsgeschichte wie um ihre Axe sich bewegte, alle andern Völker aber sich selbst überlassen waren, ohne Gott in der Welt und fremde» von den Testamenten der Verheißnng, trat fortan ein gerade umgekehrtes Verhältniß ein, der HErr nahm sich der Heidenwelt an und segnete sie mit allerlei geistlichem . Segen in himmlischen Gütern durch Christum, pflanzte in ihr seine Kirche mit allen ihren Heilsanftalten und machte sie zu feinem königlichen Sitz, dagegen machte er Jsrael zu demjenigen Volk, das nun fremde und außer der Bürgerschaft Jsraels ist und feinem gegen- wärtigen Stande nach keine Hoffnung hat, wie in 5. Mos. 32, 19 ff. ihm gedrohet worden. Das Feuer hat da angezündet die Grundfesten der Berge: was 54 Osfenb. Johannis 6, 15—17. 7, 1-——8. Wunder, daß darob die Erde in ihrem Jnnern erbebte, auf ihrer Oberfläche aber eine völlig veränderte Gestalt erhielt, wie wenn durch vulkanische Ausbrüche Berg- stiirze und Jnselversenkungem sowie Emporhebung neuer Berge und Jnseln an Stellen, wo vorhin nur Untiefen und Meeresfläche zu sehen waren, stattgefunden hätten! Aber auch was zwischen dem Anfang und Schluß des Abschnittes in der Mitte steht, erhält bei unsrer Deu- tung einen klaren, erfaßbaren Sinn. Die Sonne, welche bis dahin an Jsraels geistigem Himmel geleucbtet, das war das feste prophetische Wort des alten Testa- ments (Kap. 12,.1; 2. Petri 1, 19); sie hat, seitdem man Den, auf den dies Wort weist, nicht erkannt sondern vielmehr verworfen hat, ja fortfährt ihn zu lästern und zu verspeien und, um nur Jhn nicht in der Schrift zu finden, diese verdreht und umdeutet, einen schwarzen härenen Sack über sich hergezogen, daß nichts mehr von ihrem hellen Schein für den Rabbinismus wahrzuneh- men ist (2. Gar. 3, 14 f.), sondern sie wie ein dunkler Punkt voll tiefer Trauer dahängt. Und der Mond, der nur darum Licht und Leben geben konnte, weil er von der Sonne der Gerechtigkeit, die da kommen sollte, angeschienen wurde, nämlich das Gesetz (Kap. 12, 1), er ist nur noch eine trübe, glimmende Lampe, die keine rechten Dienste mehr thut; ja; das Blut, von dem die Juden gesagt: ,,es komme über uns und unsre Kinder«, hat alle Flüche des Gesetzes über sie gebracht, daß ihnen ihr Mond selber wie Blut geworden — die ,,Gesetzes- freude«, die sie alljährlich an einem eigenen Festtage begehen, kann den Stand der Dinge, wie er aus Kap. 12, 10 fich ergiebt, nicht verdecken (vgl. Matth 24, 29 Anm.). Sie sind denn auch die vom Himmel gefallenen Sterne, die vom Wind auf den Weg heruntergeschüt- telten Heerlingsfeigen Wie hat Jsrael vordem mit dem Wort, das ihm vertrauet war (Röm. 3, 2), ringsher geleuchtet, als Finsterniß noch das Erdreich deckte und Dunkel die Völker! wie hat es so süße Früchte gebracht in seinen Weisheitssprüchen und geistlichen lieblichen Psalm-Liedern! Jst doch die ganze Bibel, dies Lebensbuch für die gesammte Menschheit, vom ersten bis zum letzten Buchstaben aus jüdischer Feder geflos- sen! Was aber ist das rabbinische Judenthum mit sei- nem Talmud der Welt ferner nütze? was kann eine Seele, die nach der Gerechtigkeit hungrig und durstig ist, zu wirklicher Erquickung aus einer Rabbinerpredigt sich holen? und wozu anders benutzt man einen Juden, als um ein Geschäft durch ihn zu vermitteln? hält nicht alles Volk die Kinder Abrahams im Uebrigen für vogelfrei und tritt sie als werthlose Geschöpfe, die ihre Bestimmung verfehlt, mit Füßen, soviel es kann? (Mal. L, 3). Und auch das ist richtig: »der Himmel ist ent- wichen wie ein eingewickelt Buch«; die ganze alttesta- mentlicl)e Heilsökonomie ist zufammengerollh nachdem sie ihre Dienste gethan; die Shnagoge hat keine Be- deutung mehr für die Welt, sondern die Kirche ist der Himmel, der über der Erde fich wölbt (Kap. Z, 9). 15. Und die Könige auf Erden [d. i. des Landes» V. 4. 8. 10], und die Obersten und die Reichen und die Hauptleute und die Gewaltigen [die vordem am wenigsten sich fürchteten, sondern nur gewohnt waren, von Andern gefürchtet zu werden, jetzt aber in der Furcht nnd dem Ent- setzen Allen mit ihrem Beispiel vorangingen], Und alle Knechte und alle Freien [die gesammte übrige Bevölkerung in ihren verschiedenen Rangstusen und Standesverhältnissenj verbargen lals die be- deutsamen Zeichen V. 12 ff. merken ließen, was da kommen würde] in den Klüften und Felsen an den Bergen snicht sowohl Schutz daselbst suchend, als vielmehr den Tod, der ihnen noch erträglicher schien als das bevorstehende Schicksal Jer. 8, 3]; 16. Und sprachen lgenau so, wie’s von ihnen zuvor verkündigt worden Jes. 2, 12 ff.; Hof. 10, s] zu den Bergen und Felsen: Fallet auf uns, und verberget uns vor dem Angesichte Deß, der auf dem Stuhl sitzet, und nor dem Zorn des Lamines keep— s, 6 H; , · 17. Denn es ist kommen der große Tag seines sdes von uns erwürgten LammesJ Zornes kJoel I, 15 ff.; 2, 1 fs.], und wer kann bestehen [Nah. I, 6; Mal. Z, 217 Mußten wir gleich zum Verständnis; der V. 12—14 hauptsächlich den Zustand des jüdischen Volks seit dem wirklichen Eintritt der Katastrophe bis herein in unsere Zeit in’s Auge fassen, so haben doch die dort angege- benen Zeichen allbereits vor dem Eintritt selber ihren Anfang genommen, so daß es ganz richtig ist, wenn die Eröfsnung des sechsten Siegels mit jenen Zeichen beginnt und nicht damit schließt. Wir wissen ja, wie die Juden während des ganzen Kriegs, durch falsche Pro- pheten bethört, bis zum letzten Augenblick an der Hoff- nung auf plötzliche wunderbare Rettung festhielten und deshalb alle Anerbietungen des Titus zuriickwiefen; da war also die Sonne des prophetifchen Worts schon schwarz geworden wie ein härener Sack, sonst wären sie nicht blind in ihr Verderben hineingelaufen. Und nun wissen wir auch, wie selbst der heidnische Feldherr und der unerleuchtete Jofephus (1. Chron. 25, 7 Anm.) wiederholt sich gedrungen fühlten zu bezeugen, daß in dem Untergange Jerusalems und des Tempels ein be- sonderes Gottesgericht gewaltet; da begreift es fich voll- kommen, warum die Katastrophe, mit welcher keine andere in der Geschichte an furchtbarer Größe und durchgreifenden Folgen sich vergleichen läßt, zuerst iu dieser ihrer Bedeutung vorgeführt worden, ehe sie nun- mehr in ihrer Furchtbarkeit vor unsern Augen fich ab- spielt. Es ist aber zu den vorliegenden Versen die Beschreibung der Vorgänge bei Erstürmuug der Stadt und dem Brande des Tempels nachzulesen, wie Anh. II. unter e Nr. 5 sie giebt. Deutlich wird in V. 16 Beziehung genommen auf das Wort des zur Kreuzi- gung abgeführten Jesus an die ihnen beweinenden Frauen (Luk. 23, 30); ebenso ist in V. 16 bei den gehäuften Ausdrücken (es sind ihrer sieben, die das gesammte Volk in seiner Gliederung nach obrigkeitlichen Ständen und nach den Verhältnissen der Unterthanen umschließen) unschwer eine Beziehung auf die von den Hohenprie- stern und Aeltesten nach dem Garten Gethsemane zur Gefangennehmung Christi abgesandte Schaar und auf die bei seiner Kreuzigung gegenwärtige Volksmenge zu erkennen. Das alles dürfte ein Beweis mehr sein für die Richtigkeit unsrer Auffassung dieses Gesichts von den ieben Siegeln; alle Worte erscheinen bei dieser Auffas- ung in hellem, klarem Licht und bekommen einen be- -iimmten, faßbaren Sinn, während die bei den gläubigen Auslegern der Gegenwart üblich gewordene Ansicht, als hätten wir es in der Offenbarung (einschl. der sieben Send- schreiben) mit 7 Gruppen zu je 7 Gesichten oder Bildern zu thun, die eine wie die andere die Wiederkunft Christi zum letzten Gericht zu ihrem Thema hätten und fich auf den Gegensatz zwischen Kirche und Welt und den Episode zweier Vorgänge: 1) Versiegelung der Knechte Gottes aus Israel. 55 schließlichen Ausgang dieses Gegensatzes bezögen, nur allgemeine Wahrheiten zu Tage fördert, die auch ohne eine besondere Offenbarung schon feststehen, und für die letzte Zeit eine solche Menge von Plagen und Gerich- ten zufammenhäuft, daß diese eine durchaus mythische, fabelhafte Gestalt bekommt, von der kein Mensch sich eine zusammenhängende Vorstellung machen kann. Woll- ten jene Ausleger sich einmal die Mühe geben, die Zu- stände und Ereignisse, die sie einzeln für die letzte Zeit herausbringen, zu einem organischen Ganzen zusammenzustellen, so würden sie sehen, daß das ein unmögliches Ding ist: sie stellen Räder her, die nimmer zu einem Gehwerk sich Zusammenfügen lassen, und Schablonem die nimmer ein Gesammtbild ergeben. Haben wir aber erst, wie unzweifelhaft mit unsrer bisherigen Auslegung geschehen ist, eine solide, feste Grundlage für das Verständnis; der sieben Siegel gewonnen, so läßt sich darauf mit sicherer Hand auch weiter bauen und der Jnhalt des eigentlichen Buches mit Sinn und Ver- stand lesen, ohne daß man alles nach Utopien verlegt. Das 7. Kapitel. Trost der erneute in ihrem betrübten zustande. V. v.1—17. nicht hie: schon erfolgt die cekösfuuug quch des siebenten Siegeln sondern es tritt ersl eine Episode oder Zwischenhandluug ein; es sind aber zwei Vorgänge, die der Seher zu schauen bekommt und für die Empfang— uahme der weiteren Gesichte dadurch vorbereitet werden soll. Der erste (tl1.1—8) bezieht sich auf das Bundes- volk des alten Tesiaments, das trotz seiner verwerfung in dem Gerilht der voraasgegangeneu 6 Siegel dennoch fiir das Reich Gottes nicht ans immer verloren ist, son- dern demselben uokh einmal eine, der Grundlage seiner volksverfassung entsprechende jiahl von Bürgern stellt, die durch alle kommenden Gerichte hindurch für die Gndzeit gerettet and bewahrt wird; der andere W. 9 —-17) bezieht sich auf die aus der heidenwelt gesammelte Christenheit, die auch ihrerseits für die Seligkeit im tjiunnel eine der Unzahl der in ihr vertretenen Völker entsprechende uugezåhlte Menge von tleberwindern stellt, denen die kommenden Ttriibsale keine Gefahr des ver— lorengehens bringen. I. Und darnach snach dem- das Endgericht über Jerusalem verkündigenden Gesicht des 6. Kap.] sahe ich vier Engel stehen auf den vier Ecken der Erde lalfo im Norden, Osten, Süden und Westen] , die hielten die vier laus den verschiede- nen Himmelsgegenden kommenden] Winde der Erde süber welche sie gesetzt waren, sie je nach Gottes Wink loszulafsen oder zurückzuhalten, einstweilen in Verwahrung], auf daß [folange noch nicht der Befehl zur Loslassung ertheilt wäre] kein Wind sder Plage V. 17 Anm.] iiber die Erde bliese ssie zu beschädigen], noch über das Meer, noch über einigen Baum. (Epistel am Tage aller Heiligen: B. 2 u. 3.) Vgl. die Bem. zum Ev- dieses Tags: Matth 5, 1 ff. 2. Und ich sahe einen andern svon den vier im vorigen Vers wohl zu unterscheidenden Katz. 10, 1 Anm.] Engel [nicht ehenfalls schon dastehen, sondern in dem nunmehrigen weiteren Verlaufe des Gesichts erst jetzt] aufsteigen von der Sonnen Aufgang [damit als einen Boten Gottes sich zu erkennen gebend, »der für die, zu deren Dienst er ausgefendet worden, Heil und Bewahrung bringen sollte unter den drohenden Stürmen Mal. 4, 2], der hatte das Siegel des lebendigen Gottes smit Gottes, des Vaters Namenszug Kap. 14, 1 in seiner rechten Hand Kost. 1, 16] Und schrie mit großer Stimme [noch im letzten entscheidenden Augenblick in den Gang der Dinge, die da kom- men sollten, einzugreifen] zu den vier Engeln, welchen lmittels Loslafsung der vier Winde] ge- geben ist, zu beschiidigen die Erde und das Meer; 3. Und er sprach: Vefchiidiget die Erde nicht, noch das Meer, noch die Bäume smit sofortiger Loslassung der Winde, wie ihr eben vorhabt, son- dern wartet damit noch eine kurze Zeit], bis daß wir [zuvor] versiegelu die Knechte unsers Gottes [deuen damit ihr Bleiben in der Gottesknechtschaft trotz der kommenden Leiden gewährleistet werden soll] an ihren Stirneu sals dem edelsten und offenkundigsten Theil ihres Leibes] 4. Und ich sJohauness hörte die Zahl derer, die shierauf von dem Engel unter dem Zuwarten der vier andern] versiegelt wurden, sfie betrug aber] hundert und vier und vierzig tausend fdas war nach dem schließlichen Ergebnis; der Hand: lang, wie der Engel selber es mir mittheilte, die Gesammtsumme dem-J, die versiegelt waren von allen [zwölf] Geschlechteru der Kinder Israel: 5. Vou dem Geschlecht Juda zwölf tausend versiegelt; von dem Geschlecht Rubenozwölf tau- send versiegen; vou dem Geschlecht ad zwölf tausend versiegelt; 6. Von dem Geschlecht As er wölf tausend versiegelt; von dem Geschlecht Naplsthali zwölf tausend tiersiegeltz von dem Geschlecht Mauasse zwölf tausend verfiegelt; 7. Vou dem Geschlecht Simeon zwölf tau- send versiegelt; von dem Geschlecht Levi wölf tausend versiegeltz von dem Geschlecht Ifaichar zwölf tausend versiegeltz 8. Von dem Geschlecht Zabnlou zwölf tau- send versiegeltz von dem Geschlecht Joseph zwölf tausend versiegeltz von dem Geschlecht Benin- miu zwölf tausend versiegelt. Dies Gesicht steht offenbar in Rückbeziehung auf das in Hesek 9., und da dort der Zusammenhang vor- her und nachher es mit der Verbrennung Jerusalems und dem Abzug der Herrlichkeit Jehova’s aus dem Heiligthum zu thun hat, so kann auch hier nur derselbe Zusammenhang stattfinden und mithin das vorhergehende Kapitel allein von Jerusalems Zerstörung und Jsraels Verstoßung verstanden werden. Wie nun in Hesek. Ei, 8 dem Propheten bei dem, was er von dem Gerichte Gottes über sein Volk wahrnimmt, die Frage auf dem Herzen liegt: ,,ach, HErr-HErr, willst du denn alle 56 Osfenb Johannis 7, 9——17. Uebrigen in Israel verderben, daß du deinen Zorn so ausschütteft über Jerusalem?« und zu feiner Beruhi- gung unmittelbar darauf (V.11) der Mann, der die Leinwand an hatte und das Schreibzeug an seiner Seite, dem HErrn Bericht erstattet: ,,ich habe gethan, wie du mir geboten hast, und mit einem Zeichen an die Stirn gezeichnet die Leute, so da seufzen und jam- mern iiber alle Greuel, so in Jerusalem geschehen«; so empfängt auch hier Johannes auf die Frage, die ihm bei der Offenbarung des Gerichts über Jerusalem nicht weniger, als vordem dem Apostel Paulus beim Hinblick aus Jsraels Uuglauben (Röm.11,1), aus der Seele liegen mußte: ,,hat denn Gott sein Volk ver- stoßen?« einen tröstlichen Bescheid, indem er die ,,Uebrig- gebliebenen nach der Wahl der Gnaden«, deren Paulus sich dort (V. b) getröstet, sogar ihrer Zahl nach zu er—- fahren bekommt· Die Zahl ist nun allerdings nicht arithnietisch, sondern theologisch zu fassen, d. h. es soll nicht gesagt werden, daß es gerade soviel, keiner mehr und keiner weniger seien, vielmehr ist die Zahl der Bundesgemeinde als eines in sich ge- schlossenen Ganzen (1. Mos. 35, 26 Anm.) dabei festge- halten (12 X 12 X 1000); aber es ist doch eine ver- hältnißmäßig bedeutende Zahl, in der ein jeder von den zwölf Stämmen in tausendfacher Fülle zwölffach vertreten ist, so daß dem Ganzen vollständig der Cha- rakter eines ,,heiligen, allgemeinen« Gottesvolks auch ohne Zuthat aus der Heidenwelt zukommt (vgl. Kap. 21, 16u.17). Die Zahl dieser Auserwählten begegnet uns wieder in Kap. 14, 1ss.; wir müssen also in Betrefs der in V. 1 sich andeutenden Gerichte die ganze Zeit der Entwickelung der Dinge, die bis dahin geweissagt werden, in’s Auge fassen; daß Johannes schon jetzt die Zahl in einer Beziehungsweise erfährt, daraus er er- messen kann, wie dasjenige Volk, das er als seine Brü- der, als seine Gefreundte nach dem Fleische liebt, in allen seinen Geschlechtern oder Stämmen auf gleich- mäßige Weise vertreten und Gottes Bundestreue an ihm völlig gewahrt sei (in der Gesetzlichkeit einer so vollkommenen Quadratzahl, sagt Bossuet, spricht sich die ewige Unveränderlichkeit der Wahrheit Gottes und seiner Verheißungen aus), das soll ihn, nachdem er Js- raels Fall in seiner ganzen Tiefe und Schwere vor Augen gesehen, stärken, der weiteren Entwickelung ruhig entgegenz11gehen. Sehen wir uns nun die zwölf Ge- schlechter Jsraels nach der Bezeichnung und der Reihen- folge, wie sie hier ausgeführt werden, näher an, so be- merken wir, daß 1) der Stamm Dan nicht mit auf- gezählt ist, dagegegen findet sich Levi genannt, der sonst fehlt, wo es fich um die Stammgebiete handelt; 2) daß von den beiden für Joseph stehenden Stämmeiy Ephraim und Marias s e, nur der letztere beibehalten, statt des ersten aber Joseph selber wieder aufgenom- men ist; 3) daß Juda die Reihe eröffnet, alle übrige Rangordnung nach alttestamentlichen Verhältnissen aber als aufgehoben erscheint und nun immer je zwei zu einem Paare verbunden find. Es sind da heilsge- schichtliche Gesichtspunkte maßgebend gewesen: Juda als derjenige Stamm, dem die Verheiszung des Mesfias insonderheit gegeben war und aus dem dann auch wirk- lich Christus hervorgegangen, steht billig voran; Levi ist so mitten unter die übrigen Stämme hineingeftellt, daß man siehet, die levitischeu Ceremonien sind abge- schafst, alle sind nun priesterlichen Charakters und haben nicht mehr den Zugang zu Gott einer durch den an- dern, sondern einer mit dem andern; Dan und Ephraim sind getilgt aus dem Buche des Lebens, jener als der den Abfall von Gott aufgebracht (1. Chron 8, 12 u. Hof. 10, 9Anm.), dieser als der in entscheidendem Augen- blicke Jehova und der wahren Bestimmung Jsraels den Rücken gewandt (Pf. 78, 9sf.); dagegen ist Josephs Name, um die vorbildliche Bedeutung des Mannes (1. Mos. 37, 2 n. 45, 8 Anm.) kenntlich zu machen, wieder hergestellt —- Soviel sollte aus unsrer Stelle jedem Ausleger feststehen, daß die 144,000 Versiegelten als Glieder des Zwölfstämmevolks bezeichnet sind und als Angehörige Jsraels betrachtet sein wollen (Matth· 19, 28; Apostg. 26, 7; Jak. 1, 1); wenn irgendwo, so ist hier der Wortlaut so klar entscheidend, daß man sich aller weiteren Beweisführung überhoben halten kann. Und wirklich ist unter allen Völkern kein einziges, das als Volk durch das Gericht hindurchgerettet wird, son- dern nur Einzelne aus den Völkern werden es sein; aus Jsrael aber ist es eine wohlgezählte Schaar, und fest bestimmt ist es, wieviel bewahrt werden. Wir er- innern uns hier der Weissagung Daniels (12,1), wo von einer Bedrängniß geredet wird, wie sie nicht ge- wesen, seit ein Volk ist, und hinzugefügt wird: »in felbiger Zeit wird errettet werden dein Volk, jeder, der gefunden wird verzeichnet im Buchest Was dort die Verzeichnung im Buche ist, das ist an unserer Stelle die Verfiegelung; beide Male ist es das Volk Jsrael, dem eine Errettung verheißen ist. (Füller.) » 9. Darnach ·fahe ich, nnd siehe, eine große Schaar, welche niemand zählen konnte, aus allen Heiden und Völkern und Sprachen [der vierte Ansdruck: »Geschlechtern« Kap. 5, 9 fehlt hier, weil es sich zunächst nur um einen Theil der Heidenweltz die morgenländifche, handelt — ebenso stehen in Kap. 10,« 11 dieselben drei Ausdrücke ohne den vierten von dem andern Theil, der abendländischen Heidenwelt], vor dein Stuhl stehend und vor dem Lamm [Kap. 4, 2 ff; 5, 6 ff.], an- gethan mit weißen Kleidern fdem Gewande der Ueberwiuder Kap. s, 111 und Palmen in ihren Händen lzum Zeichen der Freude über ihre glück- liche Einbringung in das Land der Ruhe, wo sie nun ein himmlisches Laubhüttenfest feiern durften Z. Mos. 23, 40; 2. Matt. 10, 6 f.; Hebt. 4, 9 s.], 10. Schrieen mit großer Stimme fwie sie überhaupt den Himmlischen eigen ist V. 2, hier aber noch besonders dem inneren Herzensdrange dieser Schaar entsprachf und sprachen [in Dank und Lobpreisung Gott und dem Lamme das wiedergebend, was sie von ihnen empfangen]: Heil sei dem, der auf dem Stuhl sitzt, unserm Gott, und dem Lamm kdas ist s. v. a. Dank fiir das uns zu Theil gewordene Heil sei dem ruf! 11. Und alle Engel stunden um den Stuhl, und um die Aeltesten,« nnd um die vier Thiere fKap. 4, 2 ff.], und fielen vor dem Stuhl auf ihr Angesicht uiid beteten Gott an; 12. Und sprachen [den Lobgesan V. 10 zu: nächst bestätigend und abschließendk men! [dann aber ihrerseits ihn aufnehmend und erweiternd:] Lob· und Ehre, nnd Weisheit und Dank und Preis, uiid·Krast und Stärke sei unserm Gott, von Ewigkeit zu Ewigkeit [Kap. 5, 11 ff.]! Amen. 13. Und es antwortete der Aeltesten [.Ksap. L) Gesicht von der unzählbaren Menge Geretteter aus der Heidenwelt 57 4, 41 einer [auf die stille, unausgesprochene Her- zenssrage, die in meinem Staunen über diesen Anblick sich ausdrncktes nnd sprach zu mir: Wer sind diese mit weißen Kleidern augethauit und woher sind sie kommen? sverstehest du auch recht, was für Leute in diesem Gesicht sich dir zeigen und in welchem StaUdePJ 14. Und ich sprach zu ihm: Herr fes ist nicht Gott oder Christus, sondern der fragende Aelteste mit diesem Ehrennamen angeredet] , du weißt es skannst besser mir es sagen, als meine bloßeAhnung es mir sagt; und nun kommt hier ja alles darauf an, daß himmlische Dinge auch von einem himmlischcn Prediger Verkündigt werden Joh. 21, 15 ff.]. Und er Das, was ich redete, fur richtig anerkennend und meiner Aufforderung an ihn Folge gebend] sprach zu mir: Diese sinds, die kommen sind ans großer Trübsal fgenauen aus der großen Trübsal, wie sie sowohl gegenwärtig über die Christenheit ergeht, als auch für die Folgezeit dir hernach in Kap. 8 u. 9 gezeigt wer- den wird], und haben [durch die im Glauben er- griffene Gnade der Sündenvergebung] ihre Kleider gewaschen, und haben [auf dem Wege täglicher Heiligung] ihre Kleider helle gemacht im Blut des Lammes [1. Joh 1, 7; Hebt. 9, 14]. 15. Darum sind sie vor dem Stuhl Gottes, Und dienen [als ein priesterliches Gefchlecht] ihm Tag und Nacht in seinem [himmlischen] Tempel. Und der auf dem Stuhl übt, wird smit seiner schützend über ihnen waltenden Gnade als dem sie einschließenden Zelt] übel· ihnen wohnen [seine Herrlichkeit ihnen nicht mehr, wie es beim alt- testamentlichen Tempel der Fall war, in irdischem Sinnbild L. Mos. 40, 35 Anm., sondern durch unmittelbare Anschauung zu erkennen gebend]. 16. Sie wird nicht mehr hungern noch dürften sdaß irgend ein Bedürfnis; ihnen ungestillt bliebe, wie es auf Erden so vielfach der Fall war]; es wird auch nicht auf sie fallen die Sonne, oder irgend eine Hitze sdaß noch Plagen sie trafen, wie die zeitliche Welt deren so voll ist Jes 49, 10]. 17. Denn das Lamm mitten im Stahl [Kap. 5, S] wird sals ihr Hirt Pf. 23, 21 sie weiden sauf der grünen Aue des von ihm erworbenen Heils] und [sie] leiten zu den lebendigen Wasser- brunnen [sich daraus satt zu trinken Jes. 12, 3]; und Gott wird abwischen alle Thräuen von ihren Augen [daß sie nun keine Ursach mehr haben sollen zu weinen, wie vormals in dem Thränew lande Jes. 25, 8]. Haben wir bei dem vorigen Gesicht uns vergessen- wtirtigh was für eine Sorge wegen seiner Brüder nach dem Fleisch dem Seher der Offenbarung in Folge des Gerichts über Jerusalem und das jüdifche Volk auf der Seele lag, die ihm nun dadurch abgenommen wurde, daß so viele Tausende versiegelt wurden auf die Zeit der Aufrichtung jener Zionsgemeinde in Kap· 14, 1 ff., so kann uns auch für den hier vorliegenden Abschnitt nicht verborgen sein, was für eine weitere Sorge mit diesem neuen Gesicht ihm abgenommen werden soll, bevor er in die kommenden Tage der Kirche hinaus- blicken darf; es ist das die Sorge für die beiden- christlichen Gemeinden, deren oberster Bischof und Seelsorger er seit dem Abtreten der übrigen Apostel geworden. Er hat die Gefahren des inneren Ver- derbens, das durch allerlei Wind der Lehre bei ihrer eigenen Erschlassung und Lauheit ihnen drohete, aus den Sendschreiben, die der HErr selber ihm in die Feder diktirt (Kap.2u.3), gründlich erkannt, und hat die Gefahren äußerer Anfechtung und Trübsal, die schon angefangen haben über die Kirche Christi herein- zubrechen, aus der neronischen Verfolgung, die ihn nach Patmos verschlagen, an sich selbst erfahren: was wird da aus den heidenchristlichen Gemeinden, in welchen ein Israel Gottes, der aus dem Geist erzeuget ward, für die Zeit, wo das Jsrael nach dem Fleisch abgethan und sein Haus ihm wüste gelassen ist, an dessen Stelle getreten, werden, wenn nun die Engel, welche jetzt noch die vier Winde der Erde halten (V. 1), dieselben los- lassen und mit der Erde und den: Meer auch die Bäume beschädigen dürfen? werden da nicht die Bäume der Gerechtigkeit, die Pflanzen des HErrn, welche er sich zum Preise durch den Dienst seiner bis inspden Tod getreuen Apostel mit jenen Gemeinden in der Heiden- welt gevflanzet hat, völlig zu Grunde gehen, so daß alle Mühe und Arbeit verloren, das Blut der Märtyrer vergeblich geflossen und das Reich Gottes oöllig ver- tilgt ist von der Erde? Die Frage mußte dem Jo- hannes um so schwerer auf das Herz fallen, als gerade jene sieben Sendschreiben mit ihren Drohungen keine gute Aussicht eröfsneten in die Zukunft der Kirche, be- sonders auch der orientalifchen (Kap.2, 1--17). Von dieser Betrachtung aus erkennen wir denn, was mit den vier Winden in V. 1 gemeint sei und was wir unter der Erde und dem Meer auf der einen, und den Bäu- men auf der andern Seite, über welche die Winde blasen werden, zu verstehen haben. Die Winde find nach der ganzen Shmbolik der heil. Schrift zunächst Bild der aufwühlenden und verheerenden, der zerstören- den und vertreibenden Strafgerichte Gottes (Ps.1, 4; Jer. 49, 36; Dan. 7,2; Sach. 6, 1ff.), dann aber auch Bild falscher Meinungen und Jrrlehren (Hos. s, 7; Ephes. 4, 14); ihre Verhängung oder Zulasfung von Seiten Gottes wird damit versinnbildet, daß himm- lifche Mächte die vier Winde in ihrer Gewalt halten und von keiner Seite der Welt her eher loslassen, als bis sie den Wink dazu von Gott erhalten. Daß nun die Bäume nicht, wie manche Ausleger behaupten, nur als zur Erde gehörig in Betracht kommen, weshalb sie auch in V. 2 nicht ausdrücklich hätten erwähnt zu wer- den brauchen, geht aus Kap. 8, 7 deutlich hervor; dem- nach bilden sie neben der Erde ein eigenes Gebiet für sich und kommen also sicher ebenfalls in Betracht. Aber was bedeuten sie? Da sie nach der eben angeführten Stelle mit dem grünen Gras verbunden erscheinen, so könnte man unter ihnen die Fürsten und Magnaten verstehen, während bei dem Gras an das gewöhnliche Volk zu denken wäre, das wegen seines glücklichen Zu- standes bis zum Eintritt der Plage als ein grünes be- zeichnet würde, und sich für diese Auffassung auf Stellen wie Dan· 4, 7 ss.; Hes 31, 3ss. u. Jes. 10, 18f.; 40,? berufen; indessen kommt man so nicht mit dem Wort in Kap. 9, 4 zurecht, wo unmöglich zu den ,,Menschen, die nicht haben das Siegel Gottes an ihren Stirnen«, 58 Offenb. Johannis 8, 1—4. Gras und Grünes aus Erden und die Bäume in dem Sinne von ,,Niedrige und Hohe« in Gegensatz gestellt werden können, vielmehr sind offenbar den todten Namen- Christen die wahrhaft gläubigen Jünger des HErrn gegenübergestellt, so daß die Stelle: Jes 61, 3 maßgebend für die richtig-e Auslegung ist. Demgemäß haben wir bei Erde und Meer an das Cultur- und Völkerlebem an den Bildungsstand in Handel, Kunst und Wissen- schaft und an die staatlichen und gesellschastlichen Ein- richtungen zu denken, während die Bäume das Christen- leben der Kirche versinnbilden: breitet ersteres über Land und Meer sich aus und sucht sie in irdischem Jnteresse auszunutzen, so schmückt dagegen dieses die Erde und reicht ihren Bewohnern die Mittel zu ihrer geistlichen Ernährung. Es kann unter Umständen bei den Stür- men, die über das Cultur- und Völkerleben ergehen, völlig unbeschädigt bleiben, ja nur um so besser wachsen und gedeihen; es kann aber auch mit dabei zu Grunde gehen, je nachdem es einen Beruf für die Zukunft zu erfüllen oder ein Gericht wegen der Vergangenheit ver- wirkt hat. Versetzen wir uns jetzt wieder in die Seele des Sehers der Offenbarung, des heil. Johannes, so oersteht es sich wie von selbst: besser konnte ihm, dem letzten der Apostel, die Sorge um den Garten Gottes, an dem er nach seiner Rückkehr von Patmos noch länger als ein Menschenalter hindurch mit dem freudigen Be- wußtsein, daß seine Arbeit nicht vergeblich sei in dem HErrn, weiter bauen sollte, nicht vom Herzen genom- men werden, als indem ihm die große Schaar, die nie- mand zählen konnte, als nun schon vollendete und in den Himmel eingegangene Gemeinde gezeigt wurde. Vor der großen Trübsal, die theils nach dem, was Paulus in Ephes 5, 16 u. G, 10 ff· geschrieben, schon da war, theils noch kommen sollte auf Erden, brauchte er sich der Gläubigen wegen nun nicht mehr zu fürchten, im Gegentheil konnte er sie gerne kommen sehen. Denn aus ihr waren diejenigen hergekommen, die er schon im Voraus in ihrer Seligkeit droben geschaut. »Ich hab von ferne, HErr, deinen Thron erblickt«, hieß es jetzt bei ihm, und »das war so prächtig, was ich im Geist gesehen; ich bin zufrieden, daß ich die Stadt gesehen, und ohne Ermüden will ich ihr näher gehen und ihre hellen güldenen Gassen Lebenslang nicht aus den Augen lassen« Welche Frucht sein Gesicht aber auch uns bringen soll, lehrt Theod. Schenk’s Lied: »Wer sind die vor Gottes Throne?« in V. 10—14. Jn ihrem Ausgang ist die Geschichte der orientalischen Kirche von Seiten der geistlichen Erstarrung, die über sie ge- kommen, und der schweren Verluste, die ihr der Muha- medanismus gebracht, sehr traurig; aber zur himm- lischen Gemeinde hat diese Kirche doch einen reichen Beitrag an geretteten und vollendeten Seelen geliefert. Das 8. Kapitel. Das» dritte Gesicht und Erbauung; des lieben— ten Dieses-». Zdie erste, andere, dritte und vierte Posaune. VI— V.1—13. ilnch der Vorwegnahme fiir den Glauben, welche das Gesicht des vorigen Kapitelg dem Johannes gebracht und ihn damit eines glücklichen Jluggaugs der für die nächsten Jahrhunderte bevorstehenden Zukunft versichert hat, liann nun die Eröffnnug des siebenten Siegele erfolgen; sie erfolgt auch, und es tritt jeht eine halbfliindige Stille im Himmel ein, die uns auf ein ganz anderes Gebiet, als um welches bei den friihe- ren sechs« Siegeln ee ßch handelte, versetzt und die christliche Kirche in ihrer Eeidenegeduld unter den Verfolgungeu der römischen tiaiser versinubildet Von hier an, wo das tznih in der Hand Gottes entscegelt isl und also wie von selber aueeinanderrollk tritt die Thätiglieit des Eannnee zurück und die Geschäfte der Engel nehmen ihren Anfang, wie denn auch wirklich in dem Gericht über Jerusalem Christus gewissermaßen persönlich nnd eigenhändig, wenn auch unsichtbar und durch das Wert: Eines, dem er seinen Fiirstennamen und seine Sieges- macht geliehen (6,2), noch thätig gewesen (matth.26, 64), während in der ganzen Zeit der eigentlichen Kirchen- geschichte er die Hunmelrniäcljte an seiner Stelle handeln läßt und erst wieder bei Ioraele wiederanuahnie und Bubereitutig auf den Eag der Herrlichkeit aus dem Hintergrunde hervortritt Eine. 11, 12; 14, 1), obgleich auch da noch ohne sichtbare Erscheinung. Ver Inhalt unsere Kapitel-i, mit der Zeit der Christen— vetfolgungen unter den römischen Kaiseru anhebend, umfasst die vier ersten von den, durch sieben Posaunen der Engel herbeigeführten Gerichten; davon betreffen das erste und zweite den Sturz nnd Untergang des könnt— schen weltreiclsn das dritte und vierte den Ursprung und die Ausgestaltung des inneren verderbend der orien- talisclzen Kirche. In diesem verderben liegt der Grund zu dem ersten wehe, das nachher äber die Ehrisleuheit der cheidenwelt kommt; mit demselben hängt aber auch noch ein zweites nnd drittes wehe zusammen, alle drei Wehe werden daher hier schon fiir die drei folgenden posaunengerichte ungebändigt. Diese setzen sich ebensowohl ans dem geössneten siebenten Siegel heraus, wie die halb— ständige Stille in d. l; es ist also falsch, wenn viele Zlusleget den Inhalt des letzten Siegel-i auf jene Stille beschränken wollen. 1. Und da es [das Lamm Kad- 5, 6’fs.] das siebente Siegel aufthat,·ward ein YStclle sgek nauer: ein Schweigen] m dem Himmel bei einer halben Stunde. Mit dem, was die Eröffnung der sechs Siegel in Knie. 6 gebracht hat, sind die, die da sagen, sie sind Juden, und sind es nicht, sondern sind des Satan Schule, hinweggeräumt; ihre Anmaßung, womit sie fiel) noch immer für die Kinder des Reichs hielten und den Gläubigen Jesu Christi die Erbschaft dieses Ehren- titels streitig machten, ist durch ihre Ausstoßung ein für alle Mal zu Schanden gemacht, und die nunmehr erfolgende Erössnung des siebenten Siegels löst den letzten Verschluß des Buches, daß dieses seinem Inhalte nach sich entrollen oder, mit anderen Worten, daß die eigentliche geschichtliche Entwickelung der Dinge, wie sie der Kirche bevorstehen, sich vollziehen kann. Da hält im Himmel, wo bisher alles so laut war (Kap. 4, 8—11; b, 8—14; 7, 11ss.), alles gleichsam den Athem an in Erwartung dessen, was da kommen werde; es ist also dieses Schweigen jenes Stillesein vor dem HErrn, wie es in Habak L, 20; Zeph 1, 7 u. Sach.2,1.3 gefordert wird. Es muß aber auch noch eine andere Bedeutung haben, weil seine Dauer bestimmt wird; es muß selber schon ein Theil von dem Jnhalte des Buches sein und Ereignisse oder Zustände versinnbilden, die ihr bestimmtes Zeitmaß haben. Und da können wir auch nicht weiter im Ungewissen sein, welche Ereignisse oder Zustände hiermit anschaulich gemacht werden sollen, wenn wir auf die damalige Gegenwart der christlichen Kirche, von welcher doch ohne Zweifel der Jnhalt des Buches ausgeht, blicken. Es war das eine Zeit der Leiden und Verfolgungen durch die römischen Kaiser von der allerschwersten Art. Angegangen waren die- Eröfsnung des siebenten Siegels: halbstündige Stille im Himmel. 59 selben bereits, als Johannes die Gesichte der Offen- barung empfing, und wenn sie gleich mit Nero’s Tode eine Unterbrechung erlitten und unter Domitian nicht nur Einzelne betrafen, so ward doch unter Trajan so- gar ein bestimmtes Strafgesetz gegen die Christen er- lassen, welches die bisher zurückgehaltene Wuth ihrer Feinde entfesselte und sie aller Willkür und Grausam- keit aussen-te, bis erst unter Gallienus (seit 259) die Kirche als eine gefetzmäßige Körperschaft anerkannt wurde; mit dem Jahre 303 brach dann unter Diocle- tian der Sturm der Verfolgung aufs Neue los und wüthete sieben Jahre lang in der blutigsten und schand- barsten Weise, um erst nach und nach sich zu verlieren. Jn Kap. 1, 9 hat sich Johannes den sieben Gemeinden in Asien, an welche er sein Buch richtet, wie als ihren Bruder, so als ihren Mitgenossen an der Trübsal und am Reich und an der Geduld Jesu Christi bezeichnet Die zukünftige Theilnahme am Reich nun hat er als ihr Hoffnungsziel ihnen soeben in dem Gesicht: Kap. 7, 9—17 recht tief in die Seele geprägt, den Weg durch viele Trübsale aber, der sie dahin führen soll (7, 14; Apostg.14,22), haben sie bereits betreten, und er wird ihnen hernach (V.7) in dem Gesicht der ersten Posaune noch recht grauenvoll vor die Augen gemalt werden; da ist ihnen denn das Schweigen im Himmel ein recht anschauliches Bild der Geduld Jesu Christi (Matth. 27, 12 fs.; 1. Petri 2, 21 ff.), mit wel- cher sie den Weg weiter gehen sollen, um des Ziels nicht zu verfehlen. Wenn es aber um die Waffen ihrer Ritterschaft sich handelt, mit welchen sie den Kampf bestehen und zu einem glücklichen Austrag brin- gen werden, so zeigt das zunächst folgende Gesicht (V.2—4), warum diese Waffen so mächtig sind vor Gott (2. Cor· 10, 4): »Wenn die Heiligen dort und hier, Große mit den Kleinen, Engel, Menschen mit Begier alle sich vereinen, und es geht Ein Gebet aus von ihnen allen, wie muß das erschallen! —- O der unerkaunten Macht von der Heilgen Beteml Ohne das wird nichts vollbracht, so in Freud als Nöthenx Schritt für Schritt wirkt es mit, wie zum Sieg der Freunde, so zum End der Feinde« Was den Ausdruck ,,eine halbe Stunde« betrifft, so bezeichnet die Stunde im biblischen Sinne an sich eine Zeit der Entscheidnng (Ps.102, 14; Matth. 24, Bis; Mark. 14, 35; Joh Z, 4; 7, 307 l6, 21; 17, 1), besonders aber auch eine Zeit, wo der Finsterniß Pracht gegeben ist, das Reich Gottes auf Tod und Leben zu bekämpfen, und es nun mit diesem zu einer Krisis kommt, ob es dem Reich der Finsterniß unterliegen oder aber siegreich über dasselbe sich erheben werde (Luk. 22, 53). Hier nun ist solche Stunde die ganze römische Kaiserzeit von Nero bis Diocletiam in welche die Christenvcrfolgungen fallenx aber nur etwa die Hälfte dieser Zeit ist mit eigentlichen Ver- folgungen ausgefüllt, so daß die »k)albe Stunde« zu ihrem vollen Rechte kommt. Stillesein und Hoffen war unter diesen Verfolgungen die Stärke der Christen (Jes. 30, 15), und der Himmel hielt gleichsam den Athem an in gespannter Erwartung, welchen Ausgang der Kampf zwischen dem Reiche der Finsterniß und dem Reiche Christi nehmen würde, welches letztere so gar keine menschliche Hilfe für sich hatte, sondern allein auf die Geduld der Heiligen angewiesen war als seine Wehr und Waffe; blieb diese Geduld unbezwinglich, so war auch dem Reiche Christi der Sieg gesichert, und daß sie es bleibe und nicht irgendwie gestört werde, darauf zielt das Schweigen im Himmel unter stillem Gebet derer, die schon vollendet haben, ab. 2. Und ich sahe fuach Ablauf des hatt-sinn- digen Stille] sieben Engel, die da traten vor Gott [richtiger: ich sahe die aus Dan. 10, 13; Matth. 18, 10; Luk. l, 19 und Tob. 12, 15 als Gottes höchste und vornehmste Diener be- kannten sieben Engel, die da stehen vor Gott Esth 1, 14; Esra 7, 14], und ihnen wurden sum hernach V. 6 ff. davon Gebrauch zu machen] sieben Posaunen gegeben swomit sie denn die Macht von Gott empfingen, mittels der durch das Blasen der Posaunen anzukündigenden Plagen vor allen Dingen die die Kirche verfolgende römische Weltmacht zu stürzen, bis es dann auch zum Sturz noch andrer Mächte käme, die später die Vollendung des Rathschlusses Gottes aufhalten würden Ins. 6, 4 f.]. 3. Und ein anderer [gewöhnlicher] Engel kam Und trat bei den Altar sim Priestervorhof Kap. e, If, und hatte ein giilden Ranchfaß sdas mit Kohlen vom Brandopferaltar zu füllen er eben im Begriff stund s. Mof is, 12]; und ihm ward [als er das gethan] viel Rånchwerks gegeben, das; er les, indem es an den Kohlen auf dem Rauch: saß sich entzünden] gäbe zum Gebet aller Hei- ligen sauf Erden, es in dem aufsteigenden, alle Trübungen meuschlicher Schwachheit niederhalten- den und dagegen die Gebetskrast verstärkenden Rauch sinnbildlich vor Gott zu bringen, wenn er nun hineinginge in das Heilige], auf den giilde- neu Altar vor dem shinter dem Vorhang des Allerheiligsten besindlichen Gnaden-] Stuhl ldas Rauchsaß hinzustellen Luk. 1, 9 s.]. 4. Und der Rauch des snun wirklich auf den Räuchaltar gebrachten] Ränchwerks vom srichtigen zum] Gebet der Heiligen [der Rauch des diesem Gebet beigegebenen RäUchwerksJ ging auf von der ldas Räuchfaß haltenden] Hand des Engels fund kam] vor Gott. Man hat den Heldenmuth, womit die Christen der römischen Verfolgungszeih und darunter oft gerade die körperlich schwächsten Gefäße, als Greise, Frauen und Kinder, die entsetzlichsten Martern erduldeten, ohne in ihrem Bekenntniß zu Christo wankend zu werden, einen ,,fast iibermenschlichen« genannt; man hat es kaum be- greifen können, wie rein sich der weltüberwindende Glaube damals zu halten wußte theils von schwärme- rischer Ueberfpannung, theils von Verirrnngen des sitt- lichen Urtheils, die durch die Umstände so nahe gelegt waren. Hier nun wird uns der Schlüssel zum Ver- ständniß gegeben; denn gleichwie der HErr zu Petrus sagt: »fiehe, der Satanas hat euer begehret, daß er euch möchte sichten wie den Weizen, ich aber habe für dich gebeten, daß dein Glaube nicht aufhöre«, so sind auch die Heiligen jener Zeit in die Versuchung nicht eingeführt worden, ohne daß nicht vom Himmel aus ihr Kampf mit der Versuchung zuvor geheiligt und ihrem Gebet viel Räuchwerk droben hinzugegeben wor- den wäre, sonst dürfte die Kirchengeschichte wohl nicht eine solche Reihe von Bildern aufzuweisen haben mit der Unterschrift: »sehr nur an ihr Martyrthum, wie in 60 Offenb. Johannis 8, 5——11. Lieb sie glühen, wie sie Feuer sprühen, daß sich vor der Sterbeuslust selbst der Satan fürchten mußt« Jst es mehr als eine bloße Redeusart, wenn man den Christenverfolgerm die zu allen sonstigen Martern zu- letzt noch die hinzusügtem daß Männern die Scham- theile mit gliiheudem Blei ausgebrannt, Frauen und Jungfrauen aber der Schändung durch das niedrigste Gesindel preisgegeben wurden, eine satanische Bosheit zuschreibt, erkennt man, daß hier der Fürst, der in der Luft herrschet, sein Werk hatte in den Kindern des Un- glaubens (Ephes. S, 10 fs.): sollte da nicht auch als Wider- part der Himmel mit seinen guten Mächten der Christen sich angenommen und die Kräfte der zukünftigen Welt ihnen geliehen haben? Je mehr aber die Verfolgten und Gemarterten sich des Racherufs über ihre Peiniger und Verfolger enthielten und die Geduld Jesu zu ihrem Vorbilde machten, desto mehr ließen sich’s nun auch die himmlischen Mächte angelegen sein, zu seiner Zeit die Rache, die nicht ausbleiben durfte, herbeizuführen. Da- von handeln die weiteren Gesichte. 5. Und der Engel [V. 3] nahm das Rauch- faß lnachdem das Räuchwerk ausgebranut war] und füllete es [zum zweiten Mal, aber nun bis oben an] mit Feuer vom Altar sdes Priester: vorhoss, auf welchem die Heiligen mit ihrem Lei- densgehorsam sich Gott zu einem Brandopser be- geben hatten], und schüttete es auf die Erde* sdaß es dort einen Feuerbrand des göttlichen Zornes anrichte]. Und da geschahen fzum Zeichen, wie jetzt wirklich die Wetter der göttlichen Zorn- gerichte sich iiber die, die auf Erden wohnen, ent- laden würden] Stimmen und Donner und Blitze und ErdbebungZk " 6. Und die sieben Engel mit den sieben Po- saunen [welche die Zorngerichte Gottes einzeln nach ihrer Reihenfolge anzumelden hatten V. Z] hatten sich gerüstet [besser: rüsteten sich] zu Posaunen sfaßten ihre Posaunen so, daß sie jeden Augeublick darein stoßen konnten] «) Der innige Zusammenhang des Gebetsfeuers und des Feuereifers, der die Widerwärtigen verzehren wird (Hebr. 10, 27), wird dadurch abgebildet, daß von demselben Feuer des Altare-Z, damit der Weihrauch an- gezündet worden, genommen wird und auf die Erde geworfen; durch den ersteu Gebrauch zur Anzündung des Weihrauchs ist das Feuer für den zweiten gleich- sam geheiligt (Hengstenberg.) «) Die Ausdrücke steigern sich von Stimmen zu Donnern, d. h. von einfachen Gerichtsaiikündigungen zu schreckenden Schlägety und von da zu niederschmet- ternden Blitzen und alles erschütternden und über den Hausen werfenden Erdbebew (Füller.) 7. Und der erste Engel posaunete Und es ward ein Hagel und Feuer mit Blut gemeuget sdie gewöhnliche Lesart unsrer Bibelausgaben: »ein Hagel mit Feuer und Blut gemeuget« ist salsch], und fiel sgenauen ward geworfen] auf die Erde. Und das dritte Theil shier ist nach den besten Handschriften noch einzufügen: der Erde d. i. ihrer Oberfläche, verbrannte, und das dritte Theil] der Bäume verbrannte, und alles grüne Gras fder Erdoverflächej verbrannte. Die Posaune dient einem jeden der sieben Engel zunächst dazu, den Anbruch des unter seiner Macht stehenden Gerichts zu signalisiren; aber gleichwie bei Eröfsnung der sieben Siegel durch das Lamm die in jedem Siegel enthaltene Erscheinung sofort unmittelbar sich darstellte, so hat auch hier das Signalisiren des Gerichts das Hervorbrechen desselben zur unmittelbaren Folge. Was nun bei dem ersten Posaunenstoß wird oder entsteht, ist Hagel und Feuer; beides ist mit Blut gemischt, das Feuer aber richtet die zerstörende Wirkung an, indem es verbrennt. Soviel Aehnlich- keit diese Plage mit der siebenten über Eghptenlatid (2.Mos. 9,24) auf den ersten Blick zu haben scheint, so ist sie dennoch wesentlich davon verschieden, und wir dürfen am wenigsten uns verleiten lassen, das Verder- ben der Bäume und alles grünen Grases im eigent- lichen Sinne zu verstehen, gleichwie auch das Feuer nicht von den unter dem Hagelwetter sich entladenden Blitzen gemeint ist; wir müssen vielmehr auf solche prophetische Stellen wie: Jes. 29, 6 u. 30, 30 zurück- gehen, wo Hagel und Feuer als Sinnbilder derjenigen Getvaltmittel erscheinen, wodurch der HErr sein un- mittelbares Einschreiten bekundet, um sein Volk von den Drängern frei zu machen und die seinen Heils- absichten im Wege stehenden Mächte zu vernichten (Jos. 10,11; Pf. 18, 5—20). Sie sind beide, Hagel und Feuer, mit Blut gemeuget; denn es soll mit diesen Strafgerichten gerächet werden das viele unschuldige Blut, das in der Zeit der Chriftenverfolgungen ver- gossen worden, es kommen darin die Blutschuldeiy welche im Himmel angeschrieben stehen, auf die Erde herab und wird ihre Bezahlung dieser viel Blut kosten. Es legt nun da von selbst sich nahe, bei der ,,Erde« speziell an das damalige römische Reich zu denken; es würde aber Uns hier zu weit führen, dessen Geschichte in der Kaiserzeit von Seiten der schweren Strafgerichte näher darzulegen, von welchen es noch während der Dauer der Christeuverfolgungen heimgesucht wurde, bis endlich unter Constantin dem Großen die Bekenner des HErrn von ihren starken Feinden errettet und aus dem Gedränge auf weiten Raum geführt waren, da sie sich frei bewegen konnten, und von welchen es dann ferner während der folgenden Jahrhunderte seinem Untergange entgegengeführt wurde. Wie da wirklich das dritte Theil der Erde verbrannte in alle den entsetzlichen Verwüstuugem welche die vielen Kriege und die be- ständigen Einfälle der Barbaren anrichteten, und wie alles grüne Gras verbrannte in der unzähligen Menge Volkes, die dabei zu Grunde ging, das ergiebt sich aus der Weltgeschichte; wie aber auch das dritte Theil der Bäume (Kap. 7, 17 Anm.) verbrannte unter dem inneren und äußeren Verderben, das in Folge der Nöthe und Bedrängnisse der Zeit über die Kirche hercinbrach, darauf hat die Kirchengeschichte noch besonders auf- merksam zu machen. Gehen wir, nachdem wir so die Gewaltmittel bei Namen kennen, durch welche Gott das römische Weltreich gestürzt hat, auf die dafür ge- brauchten Sinnbilder spezieller ein, so ist »Hagel« ein ganz entsprechender Ausdruck für die plötzlicheiy dichten, häufigen und verheerenden Ein- und Ueberfälle, die bald von der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts an unaufhörlich an allen Grenzen des Reichs in dasselbe von barbarischen Völkerschaften gemacht wurden; sie führten bestäudige Kriege herbei, zu denen sich auch noch andere gesellten, und für den Krieg in seiner ver- zehrenden Eigenschaft ist wiederum das Feuer eine ganz Die erste und zweite Posaune: Sturz und Untergang des römischen Weltreichs 61 zutreffende Bezeichnung das ,,mit Blut gemenget« aber erklärt sich von ·selbst. Es schaudert das Gemüth, schreibt Hieronymus, den Untergang unserer Zeit zu betrachten: seit u. 375 sind es schon 20 Jahre, daß täglich römisches Blut Vergossen wird, daß Raub und Plünderung durch Gothen, Sarniaten, Quaden, Alanen, Hunnen, Vandalen, Markomannen die Länder verheert. Wie viele Matroneiy Jungfrauen und edle Leiber dienen diesen Ungeheuern zum Spiel; Bischöfe werden gefangen und getödtet, Kirchen zerstört, an Christi Altären Pferde eingestellt, überall ist Trauer und Seufzen und der Tod täglich vor Augen. Das römische Reich bricht zu- sammen, und doch beugt sich nicht unser starrer Nacken; schon längst fühlen wir Gottes Zorn und sühnen ihn nicht, durch unsre Sünden find die Barbaren stark. Wehe uns, die wir Gott so sehr mißfallem daß mittelst der Wuth der Barbaren— sein Zorn sich gegen uns wendet« — Wie von den sieben Siegeln in Kap.6 das erste die übrigen gleichsam beherrscht und das richtige Verständnis; desselben auch das der übrigen, die theils in unmittelbarer Verbindung mit ihm stehen, theils seine in die weitere Zukunft eingreifenden Folgen und Wirkungen charakterisiren, und wie ein gleiches Ver- hältnis; zwischen der ersten und den andern von den sieben Zornesschalen in Kap. 16 stattfinden so werden wir dieselbe Wahrnehmung auch in Betreff der sieben Posaunen an unsrer Stelle machen: die vorliegende erste Posaune hat unsere Gedanken auf das römische Reich im Morgen- und Abendlande hingerichtet und dessen Verderben in weltlicher und geistlicher Hinsicht nach den Mitteln, durch die es herbeigeführt ward, und nach den verschiedenen Lebensgebieten, auf die es sich erstreckte, unter die Augen uns gestellt; in diesem Be- reich müssen wir denn mit unserer Betrachtung auch bei den folgenden Posaunen verbleiben. 8. Und der andere Engel posaiinete Und es fuhr sein Etwas oder eine Erscheinung] wie eiii großer Berg mit Feuer brennend svon un- sichtbarer Hand gefchleudert] ins Meer. Und das dritte Theil des Meeres ward Blut; 9. Uiid das dritte Theil der lebendigen Creatnreii iin Meer starben, iind das dritte Theil der Schiffe wurden verderben Eine bestimmtere Gestalt nehmen die allgemeinen Verheerungen des römischen Reichs, die mit Unter- brechung Jahrhunderte fortgedauert haben, mit dem Blasen der zweiten Posaune an; es tritt aus der Mengeder sich wiederholenden Einfälle der Barbaren ein besonderes Volk hervor, das vorzugsweise sengend und brennend durch das Morgenland sich wälzt, bis es selbst aufgerieben und bestandlos untergegangen ist — wir meinen die Hunnen, mit deren Uebergang über die Wolga im Jahre 375 n. Chr. die Völker- wanderung beginnt. »Ein brennender Berg kann nichts Anderes bedeuten als eine Volksmacht, die vor sich her alles verzehrt, bis sie in sich selbst aus-gebrannt ist, die also über ihren Raub- und Verheerungszügen durch die Länder selbst zu keinem Bestande kommt, es zu keiner dauernden Niederlassung und Reichsordnung bringt, sondern bald sich in sich selbst auflöst; das Meer aber, in welches dieser brennende· Berg ge- worfen wird, ist das Völkermeer, und zivar hier das im Weltreich Roms zusamniengeschlossene. Ueber dem Sen- gen und Brennen des uncivilisirten Barbarenvolks geht der dritte Theil dieser Völkermasse, alles, was Leben hat, zu Grunde; die Schiffe im Meer sind die Gemein- ivesen oder Biunicipien (Hes. 27, 11 Anm.), wie man ja in der natürlichen Bildersprache schon von Staats- schiffen und von Regierenden als von solchen redet, die am Steuerruder des Staates sitzen. (Sabel.) Wie in jener stürmischen Zeit, bis die Wogen der Völker- wanderung sich wieder gelegt hatten, eine Menge Bluts geflossen, so daß gut der dritte Theil der von diesein Gericht betrosfenen Menschheit das Leben verloren haben mag, wieviel Schiffe hierbei zu Grunde gingen, die wir als Symbole der über jenem Bölkergeiooge ent- standenen, unsicher schwankenden und rasch wieder unter- gehenden Staaten zu fassen haben, ist aus der Geschichte bekannt. (Kemmler.) 10. Und der dritte Engel posaiiiiete Und es fiel sbei diesem PosaUnenstoßJ ein großer Sterii vom Himmel [von dem jede gute und vollkommene Gabe herabkommt, aber ebenso auch jede schivere Verirrung mit ihren heillosen Folgen abhängig ist]; der brannte wie eine Fackel [so daß sich schon bei seinem Fallen voraussehen ließ, er werde da, wo er hinfallen würde, einen verderblichen Brand anrichten], und fiel [als er nun unten an- kam] auf das dritte Theil der Wasserströnie und iiber sbesserx auf] die Wasserbrnnnen ssich da zu einem Gistkraut umwandelnd]. 11. Und der Name des Sterns heißt sdieser seiner Wirkung nach, da er, statt von den Wassern ausgelöscht zu werden, dieselben vielmehr mit seinem Giftstoff Verderben] Wermnth [Spr. 5, 4 Anm.]; und das dritte Theil [der Wasser] ward sxetzt selber zu] Wermuth, nnd viel Menschen starben [im geistlichen Sinne des Worts] von den Wassern, das; sie waren so bitter [und zu einem tödtlichen Gift] worden. Daß unter dem großen Sterne ein Engel im Sinn von Kap.1,20, ein Lehrer der Kirche, also ein Stern am Kirchenhiminel zu verstehen ist, kann kaum zweifelhaft sein (Dan. 12, 3). Diese Sterne der Kirche sollen leuchten, ab- und wiederstrahlen das er- leuchtende, wärniende, belebende Licht, das sie von der Gnadensonne, Christus, empfangen haben, das lautere Wort des Evangeliums, die gesundmachende Lehre, be- wahren, das die Seelen selig macht. Aber dieser große Kirchenlehrer ist eine brennende Fackel, ein wildes Feuer, ein Verderber der Heilslehre, ein falscher Pro- pbet, ein Jrrstern (Judä 13), ein von dem im Körper der Kirche angesammelten Giftstoff entzüudeter hoffär- tiger Geist geworden; er fällt ab, ein Abtrünniger von Christo stürzt er vom Himmel (6,13; 12, Z f.), an dein er in milder Klarheit und göttlicher Ruhe hätte leuchten sollen —- nicht von ohngefähr, sondern in Folge des Posaunenstoßes, d. h. des gottesgerichtlichen Strafakts, durch welchen seine Heimlichkeit geoffenbart wird, nach- dem er lange schon seinem hohen Beruf, als Stern der Sonne Christus ani Himmel zu leuchten, untreu ge- worden, und er fällt auf das dritte Theil der Wasser- ströme und auf die Wasserqnellen Das sind die in der Kirche Christi vorhandenen Lehr- und Bekennt- nißkräfte, die Geistes- und Lebensströme in der Ge- meinde, die Schulen der Gottesgelahrtheit iiiid christ- lichen Wissenschaft und Weisheit, in denen die Lebens- wasser, die Geistkräfte der Gemeinde, sich sammeln und die von diesen ans genährt und gemehrt werden, wie sie hinwiederum den Geist der Gemeinde tragen und 62 Osfenb. Johannis 8, 12—13. stärken und durch ihn hinaus in die Welt wirken sollen; hier nun aber werden diese Wasserströme und Quellen verderbt, -vergiftet, verbittert und tödtlich gemacht durch den vom Himmel gesallenen abtrünnigen Jrrlehrer, der deshalb Wermuth (im Grundtext steht: »der Wermuth« mit dem Artikel des männlichen Gefchlechts) heißt und von dem der dritte Theil der Wasser zu Wermuth (hier fehlt der Artikel) wird, daß viele der Menschen starben von den Wassern, weil sie so bitter worden sind. Es scheint damit auf den personificirten Inbegriff aller Fälschungen und Verderbnisse der Lehre innerhalb der orientalischen Kirche hingewiesen zu sein; denn nicht ein abstrakter Begriss entspricht dem« biblischen Realismus — sind die Elemente vorhanden, so gebären sie eine Gestalt aus, in Personen faßt sich die geistige Ausgeburt, und Personen sind die Träger des Geistes, der in ihnen zu solcher Ausgeburt und Wirklichkeit ge- langt. Von dem Jrrlehrer, den der Geist der Weis- sagung hier im Auge hat, gilt in höherer Potenz, was Petrus zu dem Zauberer Simon sagt (Apostg.8,28): »ich sehe, daß du bist voll bitterer Galle und verknüpft mit Ungerechtigkeit«; oder, was schon Moses (5.Mos. 29, 18; vgl. Hebr. 12, 15) von dem Manne fiirchtet, des; Herz sich von dem HErrn gewandt hat, daß er näm- lich eine Wurzel werde in Israel, die da Galle und Wermuth trage. Darum halten wir auch diejenigen Ausleger für gründlich berechtigt, die bei diesem großen, vom Himmel gesallenen und »der Wermuth« geheißenen Stern an Arius denken: durch den Arianismus ist der innerste Kern der christlichen Heilslehre, die Wesens- gleichheit des Sohnes mit dem Vater und damit die Gottheit Christi, der Morgenstern des ewigen Tags der gottmenschlichen Herrlichkeit geleugnet; durch ihn ist dem antitrinitarischen, die abstrakte Verstandeseinheit auf den Thron setz-enden Geist des späteren Judenthums und des Muhamedanismus die Bahn gebrochen; er ist die alles Geistleben und alle göttliche Lebenskraft ver- nichtende Brandfackel, die in die morgenländische Kirche geworfen worden. (Sabel.) Durch Arius wurde nicht nur eine irrige Lehre unter der von ihm bestrittenen ewigen Gottheit Christi eingeführt, sondern auch sonst unsägliche Verbitterung in der Kirche angerichtet, ja der Grund zu allen in den folgenden Zeiten aufgekommenen Streitigkeiten von der Person Christi, von der Ver- einigung seiner beiden Naturen re. gelegt, welche Zänkereien dem falschen Propheten Muhamed den Weg gebahnt haben, mit seinem treuen Gemenge, darin er das der Vernunft Annehmlichste und zugleich für das Fleisch Angenehmste aus der jüdischen und christlichen Religion zusammen schmelzte, desto leichteren Eingang zu finden. Ja, wer die Welt kennt, und was für Be- fesiigungen in derselben noch bis auf diese Stunde gegen das Erkenntnis; Gottes und Christi aufgeworfen werden, der wird nicht anders sagen können, als daß wir noch täglich an selbigem Jammer schwer zu tragen haben; und wie vielen Schriften (und Zeitungsartikelm spürt man an ihrem Tone, den sie führen, noch die damals eingedrungenen Wermuthswasser anl (Rieger.) Man wird hiergegen nicht einwenden können, Arius sei nicht erst nach, sondern vor der zweiten Posaune aufge- treten; denn seine Lehre, soviel Verwirrung sie auch gleich anfangs in der Kirche anrichtete, hat doch ihren schlimmen Einfluß auf Flüsse und Wasserquellem d. h. auf das sociale und geistige Gedeihen der Völker, erst später, insbesondere seit ihrer Annahme durch mehrere in’s römiche Reich eingedrungene deutsche Völker, ge- äußert. ( emmler.) 12. Und der vierte Engel posaunetr. Und es ward [in Folge desjenigen Gottesgerichts wel- ches seine Posaunenstimme verkündigte] geschlagen das dritte Theil der Sonne shinsichtlich der körper- lichen Ausdehnung], und [ebenso] das dritte Theil des Mondes, und kgleichfallss das dritte Theil der Sterne snämlich eines jeden einzelnen der: selben], daß ihr drittes Theil verfinstert ward sd. h. sie alle drei ein Drittel ihres Lichtes ein: büßten], und sdemzufolge nun auch] der Tag das dritte Theil Uicht fchieti [ein Drittel seiner Heilig: keit verlor], nnd die Nacht desselbigen gleichen sum ein Drittel der sonst durch Mond und Sterne ihr zugeführten Helligkeit kam]. Offenbar verfehlt ist diejenige Auslegung, welche hier und in Kap. 6, 12 das Leuchten der himmlischen Lichter als Sinnbild der Gnade Gottes und des Heiles versteht und nun ihre Verdunkelung als Symbol schwerer und trüber Zeiten deutet; denn unmöglich kann doch von Gottes Gnade und dem Heil gesagt werden, daß sie geschlagen werden· Vielmehr kann man nur so erklären: »die Sonne ist das in Christo aufgegangene Licht des Evangeliums, der Mond der Abglanz dieses Lichts im Gesetz oder in der Kirchen- lehre, die Sterne sind die Lehrer. die Träger dieses Lichts am Kirchenhimmel«, wobei das Geschlagenwerden sich in ähnlicher Weise vollzieht, wie bei einer Sonnen- oder Mondfinsterniß: es bleiben jene Lichtkörper zwar an sich, was sie sind, aber zwischen ihnen und den Men- schen auf Erden steht ein Hinderniß, das ihre leuchtende Kraft für diese ganz oder theilweis aufhebt. Hier nun ist von einem Geschlagenwerden des dritten Theils die Rede, so daß dem entsprechend auch Tag und Nacht nur zu zwei Drittel soviel Licht empfangen, als ihnen eigentlich zukommt; es ist das ein Strafgericht für die, welche mit ihrem Abfall von der Wahrheit sich des Vollgenusses derselben unwürdig gemacht haben und daher fortan im bloßen Dämmerlicht wandeln dürfen. Gemeint find die Gemeinden der morgenländischen Kirche im 5.—9. Jahrhundert. Wer sich, schreibt Sah el, mit der Geschichte der orientalischen Kirche in jenen Jahrhunderten bis zum Hereinbrechen des Jslam be- kannt gemacht hat, wird gestehen müssen, daß man unwillkürlich von dem Ersterben alles christlichen Lebens sich abwende, um an den frischen Entwickelungen inner- halb der abendländischen Kirche den Geist zu erquicken. Jn der Hauptsache ebenso deutet Kemmler, nur daß er den symbolischen Begriff des Mondes etwas anders faßt: ,,über die helle Sonne der göttlichen Wahrheit und in Folge hiervon auch über die menschliche Wiss en- schaft, besonders die Theologie, die gleich dem Mond all ihr Licht von der Sonne, aus dem Worte Gottes empfangen muß, sowie über die Sterne, die Lehrer und Lenker der Kirche, fing schon an Verdunkelung zu kommen; während die ersten Jahrhunderte reich an Schriftforschung waren, trat nun, zumal auch klassische Bildung und Jnteresse für tiefere Forschung überhaupt in den Stürmen der Völkerwanderung ihren Untergang gefunden, das Studium der Schrift immer mehr in den Hintergrund; man begnügte sich im besten Falle mit vielfach mangelhaften Uebersetzungen und mit der Auctorität früherer Erklärer, deren menschlich Unvoll- kommenes ohne fortgehende tiefere Forschung nicht ge- nügend ausgeschieden werden konnte und auf Lehre und Leben verdunkelnden Einfluß gewann. Besonders das Mönchsthum mit seiner Werkheiligkeit und feiner viel- Die dritte und vierte Posaune: das innere Verderben der orientalischen 63 fachen Verachtung wissenschaftlicher Bildung, wie es ebenfalls das Morgenland zur Geburtsstätte hatte, trug hierzu bei; dazu kam, daß die Vorliebe der Zeit für inöglichst sinnliche Gestaltung des Gottesdienstes das Wort Gottes bei Volk und Priestern mehr und mehr auf die Seite schob. Wie tief gewnrzelt schon damals namentlich die Verehrung der Bilder war, zeigt der immer wiederkehrende, unmittelbar i1i die muhame- danische Zeit hineingreifende Bilderstreit Die Ver- dunkelung der Sonne und eben damit auch» des Mondes und der Sterne war, wenn auch noch keine völlige, so doch eine bereits merklich vorgerilckte, und schwere Ge- richte Gottes waren über die, bei allem Ruhm der Orthodoxie dennoch geistlich ersterbende Kirche des Mor- genlandes im Anzug« Allerdings gilt Vieles von dem, was hier gesagt ist, auch in Beziehung aus die römische Kirche im Abendland Grego sogenannten Kirchenväter (·f- 604 n. Chr.), mehr durch Lektüre der Kirchenvätey als durch selbständiges For- schen in der Schrift gebildet, hat die Kirchentehre gar sehr betrübt durch seine Ausbildung der Lehre von: Meßopsey wie er denn auch der ausschweifenden Ver- ehrung der Heiligen und der pharisäischen Wundersucht der Zeit großen Vorschub that. Jndessen hatte die römische Kirche an den rohen Völkern des Abendlandes, wie wir zu Kap. 11 sehen werden, den Beruf eines Zuchtmeisters auf Christum, wie an Jsrael das Gesetz Mosis ihn hatte; gleichwie nun dieses noch nicht die volle Tageshelle in sich trägt und da die Sünde noch unter göttlicher Geduld steht, so reichte das Maß des göttlichen Lichtes und das Maß kirchlichen Lebens, das Rom besaß, um so mehr hin zur Ausrichtung jenes Zuchtmeisteramtes und zur Herstellung eines geheiligten Volksthums (1. Mos. 32, 32 Anm.), als man in der Lehre von Christi Person das rechte Bekenntniß streng aufrecht hielt, und wir haben schon zu Matth. 16, 19 daraus aufmerksam gemacht, wie die römischen Bischöfe hinsichtlich des Bekenntnisses von Christo, weß Sohn er sei, sich wirklich als des Petrus geistliche Nachfolger erwiesen und ihnen daher in Betreff der germanisch- slavischen Völkerwelt das dem Petrus in Beziehung auf die Urkirche gesprochene Wort: »aus diesen Felsen will ich bauen meine Gemeinde« von dem HErrn in denijenigen Sinne, in welchem es dort gemeint war, erneuert worden ist. Noch wäre in Beziehung auf die Unterscheidung von Tag und Nacht oben im Texte zu bemerken, daß der Tag jedenfalls auf die Zeit vor dem Eindringen des Jslam ins Gebiet der orientalischen Kirche sich bezieht, die Nacht aber auf die Zeiten seit dem Umsichgreifen der muhamedanischen Religion; es war bereits noch am Tage, während der Dauer der Heils- und Gnadenzeit für den Orient, die Sonne zu einem Drittheil verfinstert, daß man nicht mehr das volle Licht des Evangelii von der Klarheit Christi (2. Cor. 4,4) sehen konnte, als die Nacht hereinbrach, von der das folgende Kapitel handelt. Darum konnten auch die Bekenntnisse und Kircheuordnungen auf der einen, und die Lehrer und Leiter der Kirche aus der andern Seite nicht mehr die rechten Dienste thun, son- dern Mond und Sterne hatten für diese Nacht ebenfalls ein Drittel ihres Glanzes verloren. 13. Und ich sahe [indem sich jetzt ein Ge- räusch erhub, das meine Aufmerksamkeit nach einem andern Punkte richtete, als den ich in V· 2—12 icrs Auge gefaßt hatte], und hörete sgleichzeitig mit dem Sehen] einen seigenen, auch in Kap. 19, 17 fungirendeiq Engel fliegen mitten r der Große, der letzte der - durch den Himmel [so daß sein Schreien unten auf der Erde überallhin gehört werden konnte] und [ihn] sagen mit großer Stimme: Wehe, wehe, wehe denen, die auf Erden wohnen [Kap. e, 10; 12, 12; 13, 8. 14; Lur 21, 35], vor den an- dern Stimmen der Posaune der drei [übr:gen] Engel, die [in äußerlich zwar weit aus einander« liegenden, aber doch innerlich eng mit einander verbundenen Zeiträumenj noch Posaunen sollen [denn ihr Posaunen bringt jedes Mal der Christen- heit das Gericht eines surchtbaren Untergangs, und zwar in immer mehr sich steigerndem Maßes. Eine andere Lesart im Grundtext ergiebt als Wort- laut: »Und ich sahe, und hörete einen Adler fliegen« Da im Griechischen die beiden Worte ayyxäoo (Engel) und desto« (Adler), wenn sie ohne Accente geschrieben werden, sich wenig von einander unterscheiden, so kann darüber, welches die richtige Lesart sei, nicht durch eine Vergleichung der Handschriften entfchieden werden; jeder Abschreiber wählte ohne Zweifel die, welche er für die richtige hielt. Und nun spricht zu Gunsten des ,,Adlers« das dabei stehende «fliegen« und das Geschrei ,,Wehe, wehe, wehe«, welches im Griechischen wobei-oval) dem eines Adlers so nahe kommt; zu Gunsten des Engels aber das voranstehende »Ja; (eines), das sonst im Grie- chischen nicht ausgedrückt zu werden pflegt, wenn nicht von einer einzelnen bestimmten Person oder Sache im Gegensatz zu einer Mehrzahl derselben Art und Gattung die Rede ist, aber auch in Kap.19, 17 hinzugefügt wird. Außer bei Vergleichungen (4, 7; 12, 14) kommt sonst nirgend ein Adler in der Offenbarung vor, es hat also das ,,einen (eigenen, auch sonst sungirenden) Adler« keinen Sinn, wohl aber, wenn wir statt »Adler« den ,,Engel« lesen; ebenso möchte diese Lesart dem ganzen Entwickelungsgange des Buches viel besser entsprechen, da es bei dem dreifachen Wehe sich weniger um den äußeren Untergang in einem allgemeinen Gemetzeh welches den Adlern viele Leichen zur Speise liefert, als um die Ausgestaltung der antichristischen Prinripien zu einer förmlichen Herrschaft des Antichriftenthums han- delt, womit eine schwere, tiefgehende Schädigung der Kirche verbunden ist, und nun ein eigener, besonderer Engel, unter dem wir auch in Kap. 19, 17., gleichwie in Kap. 18, 21 an Christum, den Herrn der Kirche, zu denken haben, wesentlich dabei betheiligt ist. Das erste Wehe wird in Kap. 9, 12., das zweite in Kap. 11,«14 und das dritte in Kap. 12, 12 signalisirtt der Maha- medanismus, der antichristliche Zeitgeist und der per- sönliche Antichrist -—- das sind die drei Wehe-Gestalten für die christliche Erdenwelh Das 9. Kapitel. Yie fünfte nnd sechste Posaune. VII. h. 1—21. hatten schon die bisherigen vier Posau- neii sitt) in zwei paart grglicdcrt, insofern die erste und zweite sikh auf die mit dem Sturz iind Untergang drg römischen Reichs verbundene politische Rath, die dritte und vierte sitt) auf Ursprung nnd Ausgestaltung des in- neren llerderbeng der niorgenlcindischeii Kirche bezogen, so schlielirn nun auch dir fünfte iind fcchIle Posaune hu) zu einein paart zusammen; sie flud in dein glühenden oricntalischcii Colotit ihrer Bilder flch einander so außer— ordentlich ähnlich, daß nein Zweifel fein traun, sic be— ziehen sitt) beide auf ein und dasselbe weit— oder religiona 64 Ofsenb. Johannis 9, 1——12. geschichtliche, tief in den Verlauf der tiirchengeschichte eingreifende Ereignis, nur daß sie dasselbe von zwei Seiten betrachten. dlnd so verhält siehe auch: wir haben ca bei ihneii uiit dem innhamedauisiuiia zu thun, in welthetii iiber die innerlich so verderbte Kirche dee Morgeiilandes auch äußerlichen Verderben gekommen ist; die fii n fte Posaune umfaßt einen Zeitraum von 150 Jahren, von Jnuhaniedkz Anfang seiner iaeligionoslistung bis zur Gründung. des aihalisato zu Zagdad auc Euphrat tvou 616—766 u. nehm, die sechste dagegen umfaßt die nachniatigeii viel schreitclichereu Vcrwiislungen und Schä- digungen, welche derJslain durch die Sarareiien,Seldscl)ulien, Mongolen und Gomanen der Kirche. gebracht hat. I. Und der fünfte Engel svon den in Kap. s, 2 vorgeführten sieben] posaunete Und ich sahe sin dem Augenblick, da der Posaunenstoß ertönte] eilten Stern gefalleii vom Himmel auf die Erde sso daß der Fall schon geschehen war, ich aber noch erkennen konnte, was da geschehen], nnd ihm ward svon dem mit dem Wächteramt über dies Gebiet betrauten Engel Kap. 20, 1] der Schlüssel zum Brunnen des Abgrunds gegeben. Z. Und er [der eine menschliche Persönlichkeit bedeutende Stern] that den Brunnen des Ab- grunds auf. Und es ging auf ein Rauch ans dem Brunnen, wie ein Rauch. eines großen Ofens 11. Mos.19, 28; 2.Mos.19,18]; nnd es ward verfinstert die Sonne iind die Luft von dem Rauch des Brunnens. 3. Und aus dem Rauch [der dem Höllen- Schlot entstieg] kamen Heuschrecken auf die Erde [die ja wirklich den Einflüssen und Wirkungen des Reiches der Finsterniß offen steht, wenn diesem einmal seine Stunde Zur. 22, 53 gelassen ist]. Uiid ihnen ward Macht gegeben szu schaden, aber nicht nach Art der Heuschreckem vielmehr auf ganz andere Art, so nämlichs wie die Skorpionen auf Erden [d. i. natlirliche, gewöhnliche Scorpionen] Macht haben [5. Mos. 8, 15 Anm.]. 4. Und es ward sum in Betreff des Scha- denthuns ganz die Natur von Heuschrecken ihnen zu benehmen, die sie nur von Seiten ihres Ur- sprungs, ihrer zahllosen Menge, ihres unerwar- teten Daherschwärmens und ihres unaufhaltsamen Eindringens an sich tragen und damit an eine alttestamentliche Weissagung Joel 1, 6 f.; L, 7 ff. erinnern sollten] zu ihnen gesagt, das) sie nicht beleidigten sbeschcidigten e, s; 7, 3] das Gras auf Erden, iioch kein Grünes, noch keinen Baum stzgi Mich. 5, 6], sondern allein die Menschem die nicht haben das Siegel Gottes an ihren Stirnen. 5. Und es ward sum auch in Beziehung auf dieses Gebiet ihres Schadenthuns ihnen die Natur der Heuschrecken zu benehmen, die, wo sie hin- kommen, alles abfressen und vernichten] ihnen ge- geben, daß sie sie nicht tödteten [die in V. 4 bezeichneten Menschen, d. i. sie nicht mit Stumpf und Stiel ausrotteten], sondern sie qniiletcii sent- sprechend der Flinfzahl ihrer Götter und der Fijnfzahl ihrer Sünden in V. 20 s.] fünf Mon- den [d. i. 5 X so= 150 Jahre Kap. 10, 7 Anm.] lang; und ihre Qual sdie den Menschen beizubringen ihnen gegeben ward] war lder vor- läufigen Andeutung in V. 3 gemäß] wie eine Qual vom Scorpion, wenn er einen Meuschen hanet smit der Kralle an seinem Schwanzende ihm in’s Fleisch schlägt und mit seinem Safte das Blut vergiftet]. 6. lind in denselbigen Tagen [wo sie nun diese Macht vollfithrekg werden die Menschen den Tod suchen, und nicht finden; werden begehren zii sterben, und der Tod wird von ihnen fliehen [Jer. s, 3]. 7. Und die Henschrecken ldie auch auf dem Gebiete der Natur eine gewisse Aehnlichkeit haben mit Pferden, hier im Symbol aber diese Aehn- lichkeit noch schärfer und bestimmter auszuprägen hatten] sind gleich den Rossen, die zum Kriege bereit sind sman denke also hier an Kriegshordem namentlich berittenesz nnd auf ihrem Haupt swährend Krieger sonst in der Regel einen Heim auf dem Haupte tragen, befanden sich hier Be- deckungen] wie Kronen, dem Golde gleich, und ihr Antlitz gleich der Menschen Antlitz. 8. Und hatten slang herabwallendes] Haar« wie Weiberhaar [1· Cor. 11, 14 f.], und ihre Zähne waren wie der sdiej Löwen sJoel I, 6]. 9. Und hatten Panzer wie eiserne Panzeh und das Rasseln ihrer Fügel swar ein ähnliches Geräuschj wie das Rasseln an den Wagen vieler Rasse, die in den Krieg laiifen. 10. Und hatten Schwanze gleich den Scot- pionen, und es waren Stacheln an ihren Schwän- en; und ihre Macht war, zu beleidigen die Men- schen fünf Monden lang. 11. Und hatten swas bei natürlichen Hen- schrecken nicht der Fall ist Spr. 30, 27] über sich einen König, sund zwar hatten sie zum König] einen Engel aus dem Abgrund; deß Name heißt auf Ebräisch Abaddou [d. i. Verderben Hiob ge, S; Ps. 88, 12], uiid auf Griechisch hat er den Namen Apollhon sder Verderber]. l2. Ein Wehe [so ließ hier eine große Stimme vom Himmel her sich vernehmen Katz. 12, 10—12] ist dahin; siehe, es kommen noch zwei Wehe nach dem. Abgrund ist eine Tiefe ohne Grund, so zunächst die Tiefe des Meeres (Ps. 107, 26) oder die der Erde (Hiob 28, 14); demnächst ist damit gemeint der Aufent- haltsort der abgeschiedenen Seelen in der Unterivelt (Röm. 10, 7), in der Ofsenb. Joh. aber (V. 11; Kap. 11, 7; 17, 8; 20, 1 u. 3., vgl. Luk. 8, 31) wird das Die fünfte Posaune: erste Periode des Muhamedanismus. 65 Wort gebraucht von dem Tartarus oder dem Aufent- haltsort der abgefallenen Engel, wo sie einstweilen be- halten werden (2. Petri L, 4), bis das schließliche Gericht sie in den feurigen Pfuhl hinabstürzt (Kap. 20, 10., vgl.»die Bem. zu 1. Kön 1, 35). Ein Brunnen nun ist ein Schacht oder Schlot, der nach unten hinab- und von unten heraufführt; »ein solcher Schacht geht denn auch (nattirlich nicht in leibhaftiger Wirklichkeit, sondern in ideeller Vorstellung) von dem Abgrund nach der Oberfläche der Erde und bildet gleichsam die Ausmün- dung desselben nach oben. Jn Kap. 20, 1 und 3 liegt die Vorstellung eines unverschlossenen, unbedeckten Brunnenloches zu Grunde, so daß der Satan unbe- schränkt aus dem Abgrunde hervorkommen und sein Werk auf Erden treiben kann, und das ist die eine Seite der biblischen Lehre von der Macht des Reiches der Finsterniß in dieser gegenwärtigen Welt, welche anderwärts darin sich ausdrückt, daß die bösen Geister unter dem Himmel leben und von der Luft aus herr- schen (Ephes. L, L; 6, 12), und der-Teufel frei umher- geht wie ein briillender Löwe (1. Petri 5, 8); hier dagegen macht sich die Vorstellung eines verschlosse- nen Deckels über dem in die Tiefe hinabführenden Brunnenschacht geltend, den jemand nur öffnen kann, wenn er den Schlüssel des Verfchlusses hat, und das ist die andere Seite jener Lehre, wonach der Teufel nichts ausrichten kann unter der Menschheit, wenn die Menschen nicht selber ihn aus der Tiefe herauslassen und mit ihm gemeinschaftliche Sache machen (1. Joh. b, 18); und läßt es nun Gott geschehen, so können die Menschen die höllischen Mächte in furchtbarem Maße zu einer Wirksamkeit loslassen, wie nach gewöhnlicher Ordnung sie ihnen nicht gestattet ist, welche Zulasfung sich dann unter dem Bilde der Aushändigung des Schliissels zum Brunnen des Abgrundes an den, der da loslassen darf, von Seiten des sonst diesen Schlüssel verwahrenden Engels verkörpert »Wenn durch Schuld der Menschen der Zusammenhang zwischen Himmel und Erde gelöst wird, wenn die Erde gegen den Himmel sich abschließt, wenn insbesondere sie ihre Religions- losigkeit proclamirt, so wird zur gerechten Strafe vom Himmel aus die Hölle geössnet, und an die Stelle des menschlichen Bösen und zu seiner Strafe kommt das dämonische Böse. Eingesührt wird dasselbe durch einzelne satanische Persönlichkeitem diese werden von Gott an die rechte Stelle gesetzt, wo sie Gelegenheit haben, in weitem Kreise den höllischen Geist zu ver- breiten. Wie der Himmel, so wird auch die Hölle durch einzelne Persönlichkeitem die gleichsam eine Jn- carnation des höllischen Geistes sind, aufgeschlossen.« Wenn an vorliegender Stelle von einem, vom Himmel auf die Erde gefallenen Stern die Rede ist, dem der Engel den Schlüssel aushändigh so ist dabei uoch nicht an den Teufel oder einen der gesallenen Engel zu denken; diese befinden sich vielmehr mit einander im Abgrunde selber, und sollen erst nunmehr ihre Dünste und Werkzeuge sammt einem aus ihrem Kreise (V.11) herausgelassen werden. Es ist also wieder wie in Kap. 8, 10 an einen Stern am Kirchenhimmeh einen mensch- lichen Lehrer und Führer in göttlichen Dingen zu denken; aber am Kirchenhiinmel steht er gleich anfangs nicht, da er in den Gesichtskreis des heil. Sehers ein- tritt, sondern erscheint diesem sofort als ein vom Him- mel auf die Erde gefallener Stern — für die Kirche und den Himmel will er die in ihm ruhenden Lehrer- und Führergaben nicht gebrauchen, sondern in dem Dienste der Erde will er stehen, das ist von Haus aus sein Entschluß, und dieser Entschluß hat ihn fallen gemacht, nicht aber ist er gestürzt durch eine Hand DüchsePs Bibelwert VII. Band, 2. Abth. 2. Aufl. von oben oder geworfen aus dem Himmel auf die Erde, das deutet der Wortlaut des Textes ausdrücklich an. Erinnern wir uns nun, daß Abul Kasem Muha- med, geb· um 570 (nach jetzt üblicher Annahme den 20. April 571) n. Chr. zu Mekka in Arabien, aus der Familie Haschim stammte, der die Beivahrung der Kaaba, des gemeinsamen arabischen Volksheiligthums in seiner Vaterstadt, erblich angehörte, mit seinem Na- men »der Ruhmwiirdige« bedeutet und sich auszeichnete durch glänzende Gaben des Geistes und einen ursprüng- lich in ihm vorhandenen Wahrheitstrieb, dadurch aber allerdings darauf angelegt schien, ein Apostel des HErrn zu werden für seine, dem Götzendienst noch ergebenen, obgleich von dem Juden- und Christenthum niannigsach berührten Landsleute, so werden wir nicht im Zweifel sein, dieser Mann, und niemand anders, ist mit jenem Stern gemeint. Als forschender Geist und zu einem Gesandten Gottes für sein Volk sich berufen fühlend, gerieth er gar bald aus der Bahn der Nüchternheit und Wahrheit; von Anfang an zeigte sich in geistiger Hinsicht etwas Krankhaftes an ihm, unter Träumen und Hallucinationen kam das Kind der Religion, die er gestiftet hat, zur Welt, und wenn der Koran von ihm sagt, er habe den Schlüssel Gottes empfangen, um damit die wahre Religion und den Himmel aufzu- schließen, so ist an unsrer Stelle schon 504 Jahre zu- vor dem heil. Johannes erklärt, was für ein Schlüssel das vielmehr gewesen sei, nämlich der Schlüssel zum Brunnen des Abgrunds, und die Weltgeschichte hat diese Erklärung genugsam bestätigt. Aus dem Brun- nen stieg zunächst auf ein Qualm oder Rauch, der Sonne und Luft verfinsterte: treffender kann Muha- med’s Religion, der anfangs seine Offenbarungen, die er unter Krämpfem in surchtbaren epileptischen Zustän- den empfing und selber dämonischen Einflüssen zuschrieb, nicht bezeichnet werden, als mit dem hier gebrauchten Bilde; sie ist »der größte Rauch, der seit Gründung des Reiches Christi über der Erde aufgestiegen und Tausenden und aber Tausenden Sonne und Luft be- nommen, Licht und Odem geraubt hat«« Die muha- medanische Zeitrechnung der Hedschra (beginnend mit dem J. 622 n. Chr., in welches die Flucht Muhameds von Mekka nach Yiedina fiel, und zwar mit dem 15. und 16. Juli) bezeichnet dann auch den Eintritt desjenigen Zeitpunktes wo aus dem Rauch Henschrecken kamen aus die Erde: ,,ift es nicht geschichtliche Thatsache, daß die verheerenden Heuschreckenzüge der Araber (Arabien ist die Heimath der Wanderheuschrecken und der Name Arabah mit dem der Zugheuschrecke Arbeh nahe verwandt L. Mos. 10, 12 u. Z. M. 11, 22 Anm.) aus dem Rauch des Jslam (d. i. Hingabe an Gott, Resignatiotü ihren Ursprung nahmen, der den verschiedenen, früher oft feindlich sich bekämpfenden Stämmen der arabischen Halbinsel zum »ersten Mal ein nationales Gesammt- bewnßtfein einhauchte und ihnen den Wander- und Zerstörungstrieb der Heuschrecken gab?« Trotz seiner inneren Lügenhaftigkeit hat der Jslam so große, weit- greifende Erfolge erreicht, die etwas Dämonisches an sich tragen; und wirklich haben in V. 11 diese Heu- schreckenschwärme der den Muhamedanismus mit Feuer und Schwert ausbreitenden Kriegshorden einen Engel aus dem Abgrund zum König über sich, der das gerade Widerspiel ist von dem Friedenskönig Jesus Christus, welcher allein mit dem Schwerte feines Wortes und mit dem Feuer feines heil. Geistes die Welt für sich erobern will. Und nun, wie Christus der griechische Name ist für den hebräiscljen Messias, den Heiland und Seligmacher der Juden und Griechen, so wird auch jener Engel des Abgrundes auf Griechifch sowohl wie 5 66 Offeub. Johannis 9, 13——21. auf Hebräisch i1ach seineni Namen bezeichnet und mit demselben als Zerstörer und Verderber charakterifirt. Jedenfalls ist dieser Abgrundseugeh dieser Gesaudte der Tiefe, ein Seitenstiick zu dem Thier aus dem Abgrund in Kap. 11, 7 und zu seiner Creatur in Kap 13, 1sf.; wie von beiden letzteren der Kirche des Abendlandes zuerst eine Wunde bis zum Tode und dann der wirk- liche Untergang bereitet wird, so hat jener das göttliche Strafgericht an der Kirche des Morgenlandes vollzogen, so daß diese seitdem sich nicht mehr erholt hat, und wo sie iiberhaupt noch eristirt, da ist sie in äußerliche Knechtung und innerliche Erstarrung versunken. An dem alten Vundesvolke Jsrael aber hatte nach Joel L, 3 Anm. der Muhamedanismus die Gerichtsdrohung, ivoniit die Prophetie des alten Testamentes schließt (Mal. 4, 6): »daß ich nicht komme und das Land mit dem Banne schlage-«, zu vollstrecken. Nachdem wir so für die Hauptpunkte unsrer Stelle die richtige Deutung gewonnen haben, gehen wir auch auf die Einzelnheiten näher ein. Da wird denn zu- nächst in V. 3—6 zur Charakterisirung der arabisch- muhamedanischen Kriegshorden mit dem Bilde der Hen- schrecken noch ein zweites, das ebenfalls von Arabien hergenommen ist, das der Scorpionem verbunden. Wenn es nun in der ersteren Beziehung heißt: ,,es ward zu ihnen gesagt, daß sie nicht beleidigten das« Gras &c» sondern allein die Menschen, die nicht haben das Siegel Gottes an ihren Stirnen«, so ist das für das erste Auftreten jener Horden höchst charakteristisch; denn den Arabern wird ausdrücklich im Koran gesagt, daß sie keine Palmen, auch keine andern Bäume und keine Kornfelder verderben, keinen Obstbaum umhauen und dem Rindvieh keinen Schaden thun sollen, welches Gebot denn auch von ihnen in der hier gemeinten Periode des Auftretens des Muhamedanismns beobach- tet wurde. Nicht mit Zerstörungder nutzenbringenden Pflanzen- und Thierwelt sollten die Gläubigen des Jslam nach dessen eigener Weisung sich zu schaffen machen, sondern nur mit Ausrottung der ,,verderblichen und todeswürdigen GötzendienerC und dazu zählten nach ihren in V. 20 f. beschriebenen Werken auch die orientalischen Christen jener Zeit, während gerade im Frankenreich noch ein bewußter und entschiedener Gegen- satz gegen den Bilderdiensh selbst dem sehr dazu neigen- den Papst gegenüber, sich geltend machte. Hier brach sich dann auch die Maiht der Saracenen in dem be- kannten Siege Karl Martells über sie: die im Abend- land anfsprossende und ein glückliches Gedeihen ver- sprechende Pflanzung des HErrn also durften jene Heu- schreckenschwärme nicht beleidigen —- die Christen dort waren Menschen, die, als zur Vers chonung verordnet (Kap. 7, 3 fs.), das Siegel Gottes an ihren Stirnen hatten. Wenn aber in der anderen Hinsicht gesagt wird, jenen Horden sei gegeben worden, die ohne Gottes Siegel dastehenden und dem Gericht preisgegebenen Christen des Morgenlandes nicht eigentlich zu tödten, daß sie völlig vom Erdboden vertilgt würden, als viel- mehr sie zu quälen nach Art der Qual solcher, die von einem Scorpion gestochen worden, so ist damit der Scorpionstachel verächtlichey driickender Behandlung gemeint, darin denn in der That die Muslimin oder Anhänger des Muhamed von Anfang an Meister gewe- sen sind; sie machten die Existenz der unterworfenen Völker zu einer höchst elenden, rechtlosen, in materieller und geistiger Beziehung wie an Gift dahinsiechendem so daß im Vergleich mit ihr ein völliger Untergang noch besser und ehrenvoller gewesen wäre. Und wie Viele, welche sich nöthigen ließen, Christum mit Muha- med zu vertauschen, mögen in ihrem Gewissen einen unerträglichen Schmerz des Scorpioiienstactsels mit sich herumgetragen haben! Ja, die unwürdige, jämmerliche Existenz der vom Jslcim geknechteten Völker, wie die der Hunde, mit welchen sie von den ächten Muslimin auf Eine Stufe gestellt wurden, kann nicht schneidender bezeichiiet werden, als mit den Worten: »in denselbigen Tagen werden die Menschen den Tod suchen und nicht finden; werden begehren zu sterben, und der Tod wird von ihnen fliehen«- Als im J. 636 Kalad’s Heer vor Jerusalem rückte, ward den Bewohnern gesagt: »Wir« verlangen von euch zu bekennen, daß nur Ein Gott und Muhamed sein Prophet ist, und daß ein Tag des Ge- richts sein wird, da Gott die Todten aus ihren Gräbern ruft. Wenn ihr solches Zeugniß ablegt, so ist es uns nicht erlaubt, euer Blut zu vergießen; wollt ihr das nicht, so ist euch noch vergönnt, Tribut zu zahlen und uns unterwürfig zu fein« Rechnen wir von der Zeit an, wo dem neuen Religionsstifter in seinem Oheim Hamza und in dem jungen, thatkräftigen Omar zwei geschickte und angesehene Männer zur Seite traten, bis dahin, wo das Abassiden-Chalifat durch die Erbauung von Bagdad am Euphrat gestiftet ward, so erhalten wir die runde Summe von 150 Jahren (Jahreszahlen las- sen sich nur nach ungefährer Berechnung dafür angeben); das ist denn, wie zwei Mal angemerkt wird (V 5 u.10), die Zeit der fünften Posaune, und ist mit ihrem Schluß das erste Wehe dahin (V. 12). Doch deutet die Zahl 5 bei Bezeichnung der Dauer nach Monaten schon darauf hin, daß die Sache, um die es sich handelt, nur erst zur Hälfte zuin Ende gekommen, denn die Fünf ist die Hälfte der Zehn, dieser Zahl des Abschlussesz auf die fünfte Posaune folgt noch die sechste, und erst, wenn das andere Wehe ebenfalls dahin ist, zu dessen Zeit auch der Sturz des Muhamedanismus und »in weiterer Folge dann Jsraels Bekehrung nnd Wieder- einsetzung in sein Land geschehen wird (Kap 16,12), kann dann die siebente Posaune erschallen (vgl. in Kap. 11 den 14. u. 15. V.). Jn V. 7—9 werden, um es noch bestimmter kenntlich zu machen, was für eine geschicht- liche Erscheinung unter den Heuschreckenschwärmen mit dem Scorpionenschwanz und dem Stachel an den Schwän- zen gemeint sei, noch einige Züge im Einzelnen hin- zufügt, in denen wir auch sofort das Bild der arabisch- muhamedanischeu Kriegshordeii wieder erkennen werden. Schon Hieronymus schreibt: »Die Jsmaeliten stürmen heran, ein Volk auf Rossen und·" Kameelen reitend und den Kopfbund um’s lange Haar«; ebenso finden sie sich in arabischen Dichtungen gefeiert, wir brauchen also hinter den, dem Golde gleichen Kronen auf dem Haupte und den Haaren wie Weiberhaare nichts Außerordentliches oder Geheimnißvolles zu suchen — es sind die gelben Tur- baue gemeint, deren sie selber in ihren Sprüchen als eines hohen Vorzugs sich rühmen (vier Dinge hat Gott den Ara- bern verliehen: Turbane fiir Diademe, Zclte für Mauern« und Häuser, Schwerter für Wälle, Dichtungen im Volks- mund für geschriebene Gesetze) und unter denen das Haar lang herniederwallh wie auch der Gesichtsausdruck und der Charakter des Volkes eine gewisse Weichheit und Weiblichkeit verräth und ihm glühende Phantasie, heftige Leidenschaft und große Verehrung für »das schöne Geschlecht-«, auch leicht erregbare Eifersucht und ein Hang zum Luxus eignet. Jm Gegensatz zu dem Wei- berhaar stehen die Zähne wie der Löwen Zähne, denn während sie schon mit ihrem Zug von Großmuth Stolz und Beherztheit an die Natur des Löwen erinnern, zeigen sie auch dessen Art darin, daß, wo sie einmal angreifen und anstürmen, alles vor sich niederwerfen und zerreißen; das Antlitz aber gleich der Menschen Antlitz bezeichnet sie als ein für Cultur enipsängliches Die sechste Posaune: zweite Periode des muhamedanischen Verderbens. 67 Volk, die sie auch unter dem Einfluß des Jslam in hohem Maße erreicht haben, namentlich haben sie in der Dichtkuiist Großes geleistet. Nicht ohne Abficht werden sie mit den zum Kriege bereiten Schlachtrofsen verglichen: Arabien ist ja die Heimath der edelsten Pferde; niit denen sind denn die Araber von Kind auf wie ver- wachsen und fliegen auf ihren raschen, feurigen Thieren allezeit kriegsfertig einher. Berühmt sind ihre ftähler- nen und eisernen Küraffe, die sie nach Annahme der neuen Religion, deren gewaltsame Ausbreitung nun ihre Aufgabe geworden, fiel) beigelegt haben, und selbst der Koran sagt: ,,eine der göttlichen Gaben an die Araber sind ihre Panzerhemden«, gleich als hätte er von unsrer Stelle und ihrer richtigen Deutung gewußt (vgl. auch das zu Joel 2, 3 angeführte Wort Omars); da erhebt sich in der That bei ihrem Anrücken ein Ras- seln, wie das beim Anstürmen von Kriegswageiy wie- derum aber erinnert dieses Rasseln auch an das eigen- thümliche Geräusch, welches die Heuschreckenschwärme bei ihrem Fliegen durch die Luft erregen. , 13. Und der sechste Engel posannete Und rch hörete eine lgenauerx Eine, die Gebete derer, die da seufzten und jammerten über alle Greuel, so in der Christenheit geschahen Hes 9, 4., nun in einen bestimmten Gerichtsspruch zusammen- fasfende] Stimme aus den vier Ecken des giilde- nen Altars var Gott lvon dem vordem Gebete ganz anderer Art waren ausgegangen Kap. s, 3 f.], » 14. Die sprach zu dem sechsten Engel, der die Posaune hatte: Löse auf die vier Engel, ge- buuden an dem großen Wasserstrom [1. Mos 15, 18; 5. Mos. I, 71 Etlphrates svon wannen schon zur Zeit des alten Bandes die gottgesandten Gerichtsheere der Assyrer und Chaldäer über Got- tes Volk gekommen Jes 8, 7 und wo jetzt wieder solche Gerichtsvollstrecker für das neutestamentliche Bundesvolk bereit stehen, aber bisher durch die göttliche Langmuth noch zurückgehalten wurden]. »15. Und es wurden die vier Engel los, die bereit waren auf eine [richtiger: die] Stunde, nnd auf einen [den] Tag, und aiif einen [den] Monden, und aiif ein Das] Jahr sje nachdem einem jeden seine Zeit und Stunde bestimmt war], daß sie tödteten» das dritte Theil der Menschen. 16. Und die Zahl des reisigen Zeuges [be- rittenen Kriegsheeres 1. Kön 4, 26 Anm. 2., das im Ganzen oder im Verlause der vier ver- schiedenen Zeitepochen für den Zweck des Tödtens heroorbrachj war viel tausendmal tausend [eigent- iichx 2 X 10,o00 X 10,o00 = 20o Millionen] ; nnd ich hörete ihre Zahl sdenn mit Augen hätte ich natürlich eine so ungeheure Menge nicht über- sehen und überrechnen können Kap. 7, 9, es kam aber auf ihre Zahl etwas an, daher ich sie wissen mußte]. 17. Und also lnachdem mir zuvor die Zahl gemeldet worden] sahe ich die Rasse in! Gesichte, und die drauf saßen sum nunmehr über ihre Art und Gestalt mich zu orientiren, und bemerkte da vor alten Dingen], daß sie hatten feurige und gelbe shyazinthsarbene oder schwarzblaue 2. Mos. 25, 4] und schwefeliche Panzerz nnd die Häupter der Rasse [waren] wie die Häupter der Löwen, und aiis ihrem sdiefer Löwenhäupted Munde ging Feuer und Ranch niid Schivefel fentsprechend den drei Farben der Panzer]. 18. Von diesen leben genannten] dreien ward ertödtet das dritte Theil der Menschen, [nämlich] von dem Feuer und Rauch und Schwefel, der aus ihrem sder mit Löwenhäuptern ausgestatteten RosseJ Munde ging. 19. Denn ihre Macht lzu tödten, die den vier Engeln und mit diesen auch ihnen gegeben war V. 15] war in ihrem Munde svermitteis des Feuers, Rauches und Schwefels, den sie aus- spieen]; und ihre Schwanze waren fnicht wie die der Roffe, sondern] denlSchlaiigen gleich, und sdiese den Schwanz bildenden Schlangen] hatten Häupter [ganz von der Art der der Schlangen], uiid mit denselbigen thaten sie Schaden lgenanerx Unrecht]. 20. Und [es] blieben lals sich mir auch der Erfolg dessen, was dieser reisige Zeug V· 16 ausrichten sollte, im Gesicht darstellteJ noch Leute, die nicht getödtet wurden von diesen Plagen swie es nach dem in V. 15 u. 18 Gesagten, wo es blos um den dritten Theil sich handelte, sich aller- dings von selbst verstund], noch lwas dagegen sehr unbegreiflich erscheinen muß, da gerade diese Verschonten alle Veranlassung hatten, Gottes Gnade und das Heil ihrer Seele zu erkennen] Buße thaten fiir die Werke ihrer Hände [Apostg. 7, 41], daß sie nicht aiibeteten sferner nicht mehr angebeiet hätten] die Teufel und die güldene, silberne, eheriie, steinerne und hölzerne Götzen [denen sie vordem gedient], welche weder sehen, noch hören, iioch wandeln können [5. Prof. 4, 28; Pf· I35- 15 ffsiz 21. Die auch lgleichwie nicht für ihre Ab- götterei, so] nicht Buße thaten für ihre Morde, Zauberei, Hiirerei und-Dieberei ssondern alles in Betress des Gottesdienstes und in Betreff des Lebenswandels beim Alten ließen, womit doch sie und ihre Väter so furchtbare Gottesgerichte sich hatten zugezogen] « . Am Euphrat war der Muhamedanisinus in seiner ersten Periode, zur Zeit der fünften Posaune ange- kommen, Bagdad, die neu erbaute Hauptstadt, war unter den Abassiden auf lange Zeit Sitz des Chalifats gewor- den; hier hatte der Jslam zum ersten Mal in seinem Siegeslaufe innegchaltciy er schien wie gebunden, ja schon im Zerfall begriffen, so daß selbst das schwache Kaiserthum zu Byzanz wieder erobernd in muhameda- nische Länder eindrang. Aber sein Strafwerk an der Menschheit war noch nicht zu Ende: von dem giildenen Räuchaltar her, von welchem die Gebete der Heiligen öst- 68 Offenb. Johannis 10, 1. Z. aufsteigen, und zwar aus den vier Ecken desselben, wo- mit die Allgemeinheit, die nach allen Himmelsrichtungen gehende Ausdehnung des nun an die Reihe kommenden Gerichts angedeutet ist-, ergeht an den Engel der sechs- ten Posaune eine Stimme, die Stimme dessen, der unter den Gebeten seines Volkes thront: ,,Löse auf die vier Engel, gebunden an dem großen Wassersirom Euphrates.« Und in vier Gerichtsengeln tritt nun der neuentfesselte Muhamedanismus wieder auf den Plan, nicht sie alle mit einander, sondern nach einander, in abgemessenen Perioden; denn sie waren bereit auf die Stunde und auf den Tag und auf den Monat und auf das Jahr (V. 13——15) —— vier Perioden muhameda- nischen Umsichgreisens die mittels der einfachsten, vom Nächsten zum Ferneren fortschreitenden Zeittheile ganz allgemein als ein zur vorausbestimmten Zeit genau eintrefsendes Nacheinander hezeichnet sind. Diese vier Engel nun — mögen sie die Engel von vier verfchie- denen Völkern sein, wie auch in Dan.10, 13 solche, ganzen Völkern vorgesetzte, ihren Nationalgeist bestim- mende und ihre Geschicke leitende Engel vorkommen, oder mögen sie diese Völker selbst bedeuten, die ja recht wohl Engel, d; i. in diesem Fall Gerichtsboten Gottes genannt werden können: in der Erklärung kommt beides auf Eins hinaus, da sie, auch als persönliche Völkerengel gefaßt, jedenfalls mit den betreffenden Völkern selbst zusammen zu nehmen sind —- sind folgende: 1) die Arab er selbst, die bei aller Schwäche ihres Chalifats in Bagdad auch in dieser Periode noch auf manchen einzelnen Punkten, z. B. im nördlichen Asrika, in Spa- nien u. s. w. eine große Rolle spielten und im Unter- schied von den Arabern der ersten Periode mehr den Namen Saracenen führen; 2) die Türken, welche, bald nach dem Tode (813 n. Chr.) des berühmten Cha- lisen Harun al Raschid die eigentlichen Herren zu Vagdad, besonders seit dem Emporkommen des Tiirkenstammes der Seldfchucken wieder die griine Fahne Muhameds siegreich im Osten bis an die Grenzen Chinas, im Westen bis an den Hellespont trugen; Z) die ganz Asien und selbst das nordöstliche Europa iiberfluthenden Völker- massen der Mongolen, welche bei ihrem Zusammen- stoß mit dem Chalifat am Euphrat diesem zwar ein entsetzliches Ende bereiteten (1258), ungefähr zur glei- chen Zeit aber den Jslam anzunehmen begannen, dessen Sieg unter ihnen im Anfang des 14. Jahrh entschieden war und sie zu blutigen Christenverfolgern machte; 4) die Osmanem ebenfalls von tiirkischer Abkunft, welche, seit Mitte des 14. Jahrh von Kleinasien aus auch in Europa eindringend, schon 1365 Adrianopel unter ihrem Sultan Murad zu ihrer Residenz machten und, nach kurzer Ziichtigung durch den furchtbaren Tar- taren Timur sich schnell wieder erholend, durch die Eroberung Constantinopels im J. 1453 auch die letzte Spur des morgenländischckömischen Reiches vertilgten, von dieser Zeit an Jahrhunderte hindurch der Schrecken des christlichen Abendlandes Dies waren denn die vier Völkerengel oder Engelvölker, unter veren Schwert, wenn wir alle ihre Kriegszüge bis in die neuere Zeit herein zusaminenfassem gut der dritte Theil der Men- schen gefallen ist; und wer die große Ausdehnung des Muhamedanismus, der sich riihmt, drei Ecken der von ihm viereckig gedachten Welt zu besitzen, und die meist aus Reiterei bestehenden Heeresmassen bedenkt, welche er im Lauf der Jahrhunderte in Bewegung gesetzt hat, wird es auch verständlich finden, wenn weiter (V. 16) gesagt ist: »die Zahl des reisigen Zeugs war viel tau- send mal tausend« (bezieht man die Zahl auf die Ans- dehnung, welche der Muhamedanismus überhaupt ge- wonnen hat, so hat sie ihre volle Richtigkeit, indem von 1000 Millionen Ytenscheii auf Erden in der That sich 200 Millionen zu dieser Religion bekennen) Auch die zur Charakteristik dieser Massen gebrauchten Bilder (V. 17) sind bezeichnend. »Ich sah — erzählt Johan- nes — die Rosse im Gesicht, und die darauf saßen, daß sie hatten feurige und gelbe (hhacinthsarbige) und schwe- feliche Panzer; und die Häupter der Rosse wie die Häupter der Löwen, und aus ihrem (der Pferde) Munde ging Feuer und Rauch und Schwefel« Die Grund- gestalt dieser Schaaren ist also das Pferd, während die Schaaren der fünften Posaune mehr als Heuschrecken dargestellt sind, allerdings auch schon mit Pferdeähnlich- keit. Waren schon die Araber der vorigen Periode durch ihre Pferdegeschwader furchtbar, so noch vielmehr die Muhamedaner der sechsten Posaune, besonders die Acon- golen (aber auch die Tiirken), die, aus dem Jnneren Asiens hervorbrechend, beinahe sämmtlich so ausschließ- liche Reiter waren, daß der Mann eigentlich nur die Zugabe und das Pferd die Hauptsache zu sein schien. Uebrigens stimmen in diesem Gesicht Reiter und Pferde genau überein: die feuerfarbenen, hyacinth- oder stahl- blauen und schwefelgelben Panzer der Reiter entsprechen dem Feuer, Rauch und Schwefel, der aus dem Mund der Pferde geht. Wie treffend symbolisiren hier die Pferde zugleich den Geist, oder wenn wir wollen, die Geister des späteren Muhamedanismusl Der diese Reiterarmee tragende und durch die Länder jagende Geist des Muhamedanismus, wie sich derselbe in diesen Millionen von Rossen gleichsam verkörpert hat, hat ja reichlich Feuer, Rauch und Schwefel gespieen; überall, wo er Einfluß gewann, hat er das wilde Feuer des Fanatismus, den verfinsternden Rauch falscher Lehre, den geisterstickenden Schwefeldampf fleischlichen Wesens verbreitet und unzähligen leiblichen und geistlichen Tod gebracht, daß von diesen dreien ertödtet ward das dritte Theil der Menschen (V. 18). Und diese Wirkungen des Jslam haben sich insbesondere in den Zeiten der sech- ften Posaune geltend gemacht, während die Araber der ersten Periode noch nicht diesen wildfanatischen Bekeh- rungseifer zeigten und zumal auch der sittlich vergiftende Charakter des Muhamedanismus sich damals noch nicht in der späteren Weise geoffenbart hatte. Jenes Feuer aber, jener Rauch und Schwefeh den der Geist des Js- lam aushauchte, wurde auch den von dieser Macht Ge- tragenen zum Schutz, zum Panzer, der sie lange Zeit hindnrch unbesieglich und zum Schrecken der Welt machte; daher die verschiedenfarbigen Panzer der Reiter. So brausen denn diese« Heere daher, Roß und Reiter gleich dem Gluthwind der Wüste in Feuer, Rauch und Schwefel- dampf gehiillt, das sichtbare Spiegelbild der über ihnen waltenden Dämonenschaaren — eine furchtbare unwider- stehliche Macht! Die nähere Art und Weise, wie sie ihre Macht geübt (V. 19), hat wiederum viel Aehnlichkeit mit dem, was von den Heuschrecken der fünften Posaune in der gleichen Beziehung erzählt ist: »denn ihre Macht war in ihrem Munde, und ihre Schwänze waren den Schlangen gleich und hatten Häupter, und mit densel- bigen thaten sie Schadeu«. Wie jene Heuschrecken Zähne haben gleich Löwenzähnem so haben auch diese Pferde ihre Macht in dem Munde, indem sie Häupter haben wie Löwenhäupter (V. 17), aus deren Mund eben Feuer, Rauch und Schwefel geht (,,wen ihr Feuer trifft, der verbrennt; wen ihr Rauch umqualmt, der erstickt; wen ihr brennender Schwefel bespritzh der verbrennt und zündet auch Andere an«); und wie jene Heuschrecken Schwänze haben gleich den Scorpionem mit welchen sie die Menschen quälen, so haben auch diese Pferde Schivänze den Schlangen gleich, welche Köpfe, eben Schlangen- köpfe mit giftigem Zahn haben und mit demselben Scha- Der zweite Theil der Gesichte: die abendländische Kirche 69 den thun. Von vorne zermalmende und tödtende Löwen, von hinten tückische, lebenvergistende Schlangen — dies hat auch hier denselben Sinn, wie bei den Heuschreckem von vornedem Feinde zugewendet, verbreiten sie in löwenkühnem Angrifs Tod und Verderben um sich her; haben sie aber den Feind überwunden, ihn gleichsam hinter sich und unter sich, so thun sie ihm mit arger Scl)langbnlist, wie sie der schlangengleiche und in einen Schlangenkopf endende Schwanz bezeichnet, Schaden, oder genauer: Unrecht Hiermit ist die rechtlose, un- wiirdige Stellung, zu welcher muhamedanische Politik den nichtmuhamedanischen Unterthanen verurtheilt und aus welcher sein ganzes libriges Elend fließt, in tressender Kürze bezeichnet Man blicke auf die früher so herrlich blühenden Christenländer in Kleinasiety Nordasrika u. s. w. hin, was aus ihnen unter dem, mit berechnender Schlangenklugheit geübten und fortgesetzten Unrecht ge- worden ist, das sie von ihren muhamedanischen Bedriickern seit Jahrhunderten haben erleiden müssen! Was aber war der Erfolg dieses schweren Untergangsgerichts? »Es blieben (allerdings) noch Leute, die nicht getödtet wurden von diesen Plagen; aber sie thaten nicht Buße für die Werke ihrer Hände, daß sie nicht anbeteten die Teufel und giildene, silberne, eherne, steinerne und hölzerne Götzen, welche weder» sehen noch hören noch wandeln können; sie thaten auch nicht Buße für ihre Morde, Zauberei, Hurerei und Dieberei«. (V. 20 f.) Daß die Menschheit hiefür Buße thun sollte, war die negative Berechtigung oder Bestimmung des Muhamedanismus; er war eine furchtbare Geißel nicht blos für die vor unsichtbaren Dämonen und sichtbaren Götzenbildern knieenden Heidenvölker Asiens und Afrikas, gegen welche der Jslam mit Feuer und Schwert zu Felde zog, son- dern auch und insbesondere für die der Anbetung Gottes im Geist und in der Wahrheit so tief entsremdete Chri- stenheit. Denn nicht blos als Volkssitte hatte sich nach und nach die Verehrung von Bildern Christi und der Heiligen in der Kirche eingenisteh sondern eben im 8. u. 9. Jahrh., als bereits das Richtschwert des Maha- medanismus über der Christenheit geschwungen war, wurde trotz dem Widerstreben besserer Kaiser in feier- lichen Kirchenversammlungen (zu Nicäa und Constanti- uopel, 787 u. 842 n. Chr.) die Verehrung der Bilder zum Glaubenssatz erhoben; ja, zumal die morgen- ländisekkgriechische Kirche setzte eben in diese Bilderver- ehrung den Ruhm ihrer Orthodoxie Und Hand in Hand damit nahm auch die sittliche Verderbniß, der Mordgeist des Hasses, das Zauberwesen, der Fleischesdiensy die diebische, betrügerische Habsucht überhand und sor- derte in immer steigender Schärfe das Gericht Gottes gegen sich heraus, das die Kirche des Morgenlandes in ewige Trümmer schlug; dennoch beharrt dieselbe, selbst in ihren traurigen Ueberbleibseln, noch bis auf diesen Tag in ihrer Unbußfertigkeih in ihrem Bilder- und Weltdienst, zum Zeugniß, daß sie ihre Rolle ausgespielt, das; sie gerichtet ist. (Kemmler.) Das 10. Kapitel. Johannes verschlingt ein Buch. D— Wir treten jetzt ein in den dritten ijanpttheit der Qssenbariing, den zweiten der Geflchte, der es mit der Kirche des Jillsendlandes zu thun hat nnd mit dem ver— taufe der»Eutwickelnngsgeschichte dieser Kirche, wie sie oben in iiap.2,18—3,22 an den vier Gemeinden zu Thhatirm Bruder, philadelphia und Eaodicea zur symbolischen Dar- stellung gekommen, nun wirklich uns bis an das Ende der kirchengeschictjttictjen Zeiten fährt; diese werden dann von dem tausendsährigen Reiche abgetöfl werden und münden mit letzterem in die Ewigkeit ein. Es ist also ein sehr bedeutsamer Jlbschuith bei dem wir hier stehen, ja, die neue Entwickelung, welche unangetastet vom Mnhamedanis mus auf dem durch die völkerwanderung zubereiteten Boden in Europa sich vollzieht, ist von entscheidender Bedeutung für die Endgesialt des Reiches Gottes; es hat daher dieser Abschnitt begründeten Anspruch auf eine besondere Ein— leitung. I. V.1——7. Johannes sieht einen starken Engel vom Himmel herabkommem der seine wie Fruersäulelc er- scheinenden xlfiiße auf das Meer und die Erde seht und in seiner Einken ein Büchlein hält; es handelt sich, wie das ganze Thau und Wesen dieses Engels sofort zu er- kennen giebt, in der jetzt beginnenden Periode des Reiches Gottes bereits um dessen schließliche Vollendung, da aber bis dahin immer noch ein langer und inhaltsreicher Zeitraum vergehen muß, so bethenert der Engel noch ausdrücklich mit einem Schwur seiner Rechten die Ge- wißheit der dollendnng am Ende des Zeitraums, so daß also diesen kein neuer mehr ablöst I. Und ich sahe sim weiteren Verlauf der mir gezeigten Gesichte] einen andern svon den sieben Pofaunenengeln 8, 2 wohl zu unterscheiden- den, dagegen mit dem, von der Sonne Aufgang aufsteigenden Engel 7, 2 ein und dieselbe Person bildenden] starken [weil über alle geschassenen Wesen hoch erhabenen] Engel [5, L] vom Himmel hetabkommen swie zu einer Weisfagung seiner künf- tigen Erscheinung Kap. 18, 1; 19, 11 ff; 20, 1. 11 ff.]; der war mit einer Wolke sals seinem Gewand] bekleidet, und ein Regenbogen auf sei- t1em Haupte ssich über dasselbe hinspannend], nnd sein Antlitz [in welchem sich die Herrlichkeit dessen spiegelte, der ihn als seinen Boten gesandt, leuch- tete] wie die Sonne [1, las, und seine Füße swaren anzusehen] wie die Fenerpfeiler [die mit unerschtitterlicher Festigteit und unerträglicher Schwere austreten und beides vermögen, sowohl zu zermalmen als auch zu verbrennen das, was ihnen hinderlich in den Weg tritt]. 2. Und er hatte sum anznzeigen, daß jetzt eine ganz neue, in sich geschlossene, jedoch im Verhältniß zu dem Gesammtinhalt des Haupt- buches 5, 1 ff. nur kurz bemessene Periode in der Geschichte des Reiches Gottes beginne] in seiner stinken] Hand ein Büchlein aufgethan seine kleine, offene Buchrolle, an der es keine Siegel erst auf- zuthun gab]; nnd er setzte sals er nun vom Him- mel herabkommend in die sichtbare Welt eintrat] seinen rechten Fuß auf das Meer, und den linken auf die Erde .[auf beiden gleichsam Posto fassend und von beiden Besitz ergreifend, zum Zeugnis, daß trotz der höllischen Gewalten, die aus dem Meer und von der Erde aussteigen würden Kap. 13, er dennoch der einzig recht- mäßige Herr liber beides sei und auch als solchen 70 Ossenb. Johannis 10, 3——7. laut dem Jnhalt seines Büchleins sich beweisen werde 19, 19 ff.]. 3. Und er fchrie sbei diesem Aufsetzen seiner FeUersäUlewFlißeJ mit großer lweithin dröhnender] Stimme, wie ein Löwe brüllet swenn er zum Sprunge ansetzt, um sich auf seine Beute zu stürzen Hof. 11, 10; Joel Z, 21; Amos S, 8]; Und dn er Ho] schrie, redeten sdie von den sieben Geistern Gottes 1, 4 u. 4, 5 ausgehenden] siebetl Donner ihre Stimmen svon Seiten Gottes es osfenbarend, durch welche besondere Machtthaten der Sturz des Thieres aus dem Meer und seines von der Erde aufsteigenden salschen Propheten er- folgen werde]. 4. Und da die sieben Donnerihre Stimmen geredet hatten, wollt ich sie schreiben snahm ich mir vor, wenn ich hernach dem Befehle in Kap. 1, 11 nachkommen würde, auch sie ihrem Wort- laut nach, da sie ja in deutlicher, vernehmbarer Rede ergangen waren, mit zu verzeichnen]. Da hütete ich eine Stimme vom Himmel sagen zu mir: Versiegele lindem du es für dich behältst Don. 8, 26; 12, 4 u. 9], was die sieben Don- ner geredet haben; dieselbigen schreibe nicht sdenn sie werden seiner Zeit schon von selber offenbar werden denen, welche als Erfüllung alttestament- licher Weissagung sie ausschließlich angehen, wäh- rend die, für welche du jetzt zu weissagen hast V. 11, kein eigenes Jnteresse daran haben]. Weil der hier erscheinende Engel in V. 6 bei dem lebendigen Gotte schwört, hat man gemeint, es sei un- bedingt an einen geschaffenen Engel zu denken und also die Majeftät und Herrlichkeit, in der er auftritt und die durchaus eine göttliche ist, blos leihweise ihm über- tragen; indessen ist das ein verfehlter Schluß, vielmehr waltet ganz das nämliche Verhältniß ob, wie in Don. 10, 4——12, 13. Es ist Christus, der HErr, sder hier in der Gestalt eines Engels erscheint (vgl. Kap. 5, 2) um der Mission willen, die er erfüllt und die er durch einen andern Engel gar nicht konnte ausricliten lassen. Denn die Bürgschafh die zu leisten war, daß hinfort keine Zeit mehr sein, sondern das Geheimnis; Gottes in den Tagen der Stimme des siebenten Engels vollendet wer- den soll (V. 6 f.), kann nicht von einem geschaffenen Engel übernommen werden; ein solcher hat ja nicht die Einsicht in« die Tiefe der göttlichen Rathschlüsse, daß seine Auctorität für die irdische Gemeinde eine unbe- dingt sichere wäre (Kap. 5, Z; I. Petri I, 12; Gal. 1, 8), wozu noch kommt, daß gerade jetzt es sich um Aufhe- bung der Giltigkeit des Wortes Christi in Matth 24, Bis; Mark. "13, 32 handelt, die nur von Christo selbst bewirkt werden kann (V. 5——7). Eben darin aber, daß Christus als Engel erscheint, liegt es begründet, daß er nicht bei sich selbst schwören kann, vielmehr bei Dem schwören muß, der ihn gesandt hat zur Offenbarung seines Rath- schlusses, gleichwie er auch in den Tagen seines Fleisches das rechte Verhältniß zum Vater stets aufrecht erhalten (Joh. 20, 17), und ebenso der Apostel (Röm.15,6) nicht blos von dem Vater, sondern auch von dem Gott unsers HErrn Jesu Christi redet. Nunmehr erst, wenn wir über das Wesen dieses starken Engels ini Klaren sind, bekommt das Setzen der FeuersäulemFüße auf das Meer und die Erde, das in unverkennbarer Beziehung steht zu dem Thier aus dem Meer und dem Thier von der Erde in Kap. 13, 1 ff. u. 11 ff. und ihnen im Vor- aus das Zertreten- und Verbranntwerden ankündigt, die rechte Bedeutung. Heißt es in L. Thess. 2, Z fs.: »der Tag Christi komnit nicht, es sei denn, daß zuvor der Abfall komme und geoffenbart werde der Mensch der Sünde 2c.«, so ist auch das Umgekehrte richtig: wird nun dieser Mensch der Sünde, das Kind des Verderbens, zu seiner Zeit geossenbaret und macht Christus seiner ein Ende durch die Erscheinung seiner Zukunft, so wird hinfort keine Zeit mehr sein, sondern das Geheimniß Gottes wird jetzt vollendet; mit jener Stellung nimnit also der Engel den rechten Grund unter seine Füße, auf welchem stehend er dann seine Hand zum Schwur gen Himmel emporheben kann. Und wie nun das Löwengebrüll seiner Stimme die Erfüllung der Weissa- gung in Jeremias 25, 30 ff. ankündigt, so sind die sieben Donner, die gleichzeitig ihre Stimme reden, eine Symbo- lisirung dessen, was Paulus an der vorhin angeführten Stelle sagt in Beziehung auf den Boshastigen: »der HErr wird ihn umbringen mit dem Geist seines Mundes« (vgl. Jes. 11, 4). Sie bezeichnen die furchtbaren Wir- kungen göttlicher Allmacht, wodurch das Umbringen geschieht, näher, während die alttestamentlichen Prophe- ten nur in Bildern oder Gleichnisfen davon geredet haben, deren Hieroglyphenschrift sie wohl selber nicht in Cur- rentschrift umzusetzen wußten (1. Petri 1, 10 f.), der neutestamentliche Seher dagegen, nachdem er die Donner vernommen, hätte eine solche Umsetzung bewirken können, er soll es aber nicht thun, weil es zur Seligkeit nicht noththut. Zu der Zeit nämlich, wo der HErr den Bos- haftigen umbringt, sind keine Knechte Gottes und Christi aus denen, für welche Johannes nach V. 11 zu weissageu hat, auf Erden mehr vorhanden; das Thier aus dem Meer und das Thier von der Erden haben in der gro- ßen Trübsal, die sie angerichtet (13, 7 u. 15), sie alle umgebracht, ihre Seelen sind in den Himmel hinüber- gerettet, es gilt also nur, die in Beziehung auf ihre vorläufige Seligkeit erschallende Stimme zu schreiben (14, 13). Dagegen wird zu dieser Zeit die Zions- gemeinde, von der in Kap. 14, 1 ff. die Rede, als das- jenige Volk Gottes da sein, uni welches sich der letzte, entscheidende Kampf bewegt; bei der heil. Stadt, die der HErr nach Hes 40——48»sich gegründet haben wird, erfolgt das Umbringen des Boshaftigen oder das Tre- ten der großen Kelter des Zornes Gottes (Kap. 14, 19 f.; 19, 15; Jes. 63, 3), und da werden denn die Ohren derer, welche die Stadt bewohnen, die Donner selber vernehmen. Sie sind das Heclud (Jer. 25, 30), das dem Keltertreter zu Ehren seiner Gottesarbeit gesungen wird, und der gewaltige Eindruck dieses großartigen Hedad soll tiicht dadurch abgeschwächt werden, daß man es schon lange zuvor geschrieben lesen kann, sondern aus großeni Zittern und Zagen heraus, wie einst auch deni Hiskia geschah (Jes. 37, 3 u. 14 fs.), sollen die Bürger zu Jerusalem auf einmal die Gerichtsdonner über den vernehmen, der sich an die Jungfrau Tochter Zion wagt (Jes. 37, 21 fs.), und das wird die furchtbarste und erhabenste Musik zugleich sein, die je über die Erde hin erdröhne hat. 5. Und der Engel, den ich sin der eben be- schriebenen Weise] sahe stehen auf dem Meer und auf der Erde, hnb seine [rechie] Hand aiif gen Himmel [5. Wes. 32, 40; Hei. 2o,,5 f.], S. Uiid schwur bei dem Lebendigen non Ewig- Der starke Engel vom Himmel mit dem Büchlein und fein Schwnr. 71 keit zu Ewigkeit [feinem, alle Perioden der dies- und jenseitigen Zukunft umfassenden Gott und Vater droben], der den Himmel sdurch ihn Joh 1, 3] geschaffen hat, und was darinnen ist, und die Erde, und was darinnen [befser: darauf] ist, nnd das Meer, nnd was darinnen ist fund nun als Schöpfer und Herr alles Creatiirlichen 5, 13 auch die Macht besitzt, der gegenwärtigen Welt ein Ende zu machen, um durch den, in welchem er’s beschlossen hat Apostg. 17, 31., eine neue Welt an die Stelle zu setzen Kap. 21, 11, daß hinfort [von dem nunmehr in der Entntickelungs- geschichte des Reiches Gottes eintretenden Wende- punkt an] keine Zeit ldie einen Verzug in sich schlösses mehr sein soll [gleich als wiese auch die nunmehrige Weliperiodq wie die frühere, auf eine neue, dahinter liegende Epoche, die sich erst auch noch abspielen müssejz 7. Sondern in den fmit Erfüllung des Büch- leins V. 2, wie sie in Kap. 11, 1-——14 vorliegt, alsbald eintretenden] Tagen der Stimme des sie- benten Engels, wenn er posannen fund damit alles das sich vollziehen] wird lwas nach Kap 11, 15——19 den Inhalt der siebenten Posaune bildet: Katz. 12, 1——19, 21], so soll vollendet werden das Geheitnnifz Gottes fvon der letzten Zukunft seines Reiches, zunächst für Israel 20, 1—10., dann aber auch für alle Gläubigen aus den Heiden 20, 11 —22, 5], wie er seine solche Erfcheinung seines Reiches in Herrlichkeit als frohe Botschaftf hat verkiindigt seinen Knech- ten und Propheten fschon im alten Testament; die sieben Zornes-Schalen in Kap.15 u. 16 sind also kein Verzug, zu welchem sich die siebente Posaune ebenso gestaltete, wie das siebente Siegel 8, 1 zu dem Verzug der sieben Posaunen ge- worden ist, sondern in die Tage der Stimme des siebenten PosaunemEngels eingeschlossen]. Setz-te in V. 2 der Engel seinen rechten Fuß auf das Meer und den linken auf die Erde, wobei von dem Standpunkt des Sehers aus Patmos aus nur an das inittelländische Meer einer- und das skleinasiatische Fest- land andrerseits gedacht werden kann (vgl. Karte IV), so ist die Gegend, wohin er bei seinem Schwnr blickt, das heil. Land mit Jerusalem; auf Jsrael bezieht sich denn auch in der That in erster Linie das Geheimniß Gottes, das vollendet werden soll, wie sich aus der richtigen Deutung der folgenden Gesichte ergeben wird, die Heidenwelt aber, die bei der Herbeiführung der Vollendungszeit hauptsächlich in Betracht kommt, ist die unsers Erdtheils Europa, nach welchem ja auch die zum Schwnr sich erhebende Rechte des Engels sich hinwendet. Der linke Fuß steht auf Asien: das ist der Schauplatz der Geschichte des Reiches Gottes in dem bisherigen Theil der Gesichte der Offenbarung gewesen; aber von da geht es nun weiter nach dem Abendland hinüber, und da soll denn nach Maßgabe des Schwurs die Geschichte der hier zu gründenden Kirche, welche den Inhalt des kleinen offenen Büchleins bildet, einen sol- chen Ausgang nehmen, daß Israel, das ursprüngliche Volk des Heils, wieder in den Vordergrund des Reiches Gottes tritt, denn nur so kann sich das Geheimniß Gottes vollenden.- Die Gestalt, welche zu dieser unsrer gegenwärtigen Zeit die bürgerlichen und kirchlichen Ver- hältnisse annehmen, weist auch ganz entschieden auf eine große Katastrophe hin und drängt uns mit Gewalt die Frage auf: was soll denn werden, wenn der in der bisherigen Christenheit Europa? schon begonnene Abfall von der Kirche sich noch weiter dahin entwickelt, daß ein großer Theil der Menschen gruudsätzlich Christum ver- wirft und öffentlich zu dem modernen Heidenthutn sich bekennt, ja wenn innerhalb der Kirche selber der ideale Christus an die Stelle des historischen und das sog. Gemeindebewußtsein an die Stelle der normativen Aucto- rität der heil. Schrift gesetzt wird? wird dieser Abfall sich so hoch steigern, daß er unmittelbar in den letzten großen Abfall übergeht und schließlich die Erscheinung des persönlichen Antichrist aus sich berausfetzw oder wird die Kirche, wie sie vormals von den Völkern des Alterthums zu denen des Mittelalters übergangem aber- mals ihre Straße weiter ziehen und bei denjenigen Völkerschasten eine neue Herrschast sich gründen, welche die Heidenmissioii schon jetzt theilweis für das Reich Gottes gewonnen hat? oder aber wird hier zu Lande durch Ereignisse, die der HErr seiner Weisheit vorbe- halten hat, ein Rückschlag geschehen, so daß die Christen- heit in unsern civilisirten Staaten sich eines Befseren besinnt und zu den verlassenen Wegen des alleinigen Heiles in Christo Jesu zUrückEehrtP Von diesen drei Möglichkeiten sind die beiden ersten durch das prophe- tische Wort der Schrift bestimmt abgewiesen; denn der persönliche Antichrist kommt nicht eher, als bis zuvor das Geheimniß, von welchem Paulus in"Röm. 11, 25—27 redet, sich vollendet hat, nach dem Schwnr des Engels an unsrer Stelle aber soll hinfort keine Zeit mehr sein, keine neue Entwickelungsphase in der Geschichte der Kirche eintreten, daß abermals eine neue Völkerwelt zum Trä- ger des Reiches Gottes erkoren würde, sondern mit dem Ablauf der jetzigen Epoche soll die Vollendung des Ge- heimnisses Gottes sofort ihren Anfang nehmen, und zu diesem gehört denn nach der eben angeführten Stelle aus dem Römerbrief als allererstes Stück die Bekehrung Jsraeks zu Christo und seine Wiedereinpfropfung in den Oelbaum. Diese That des HErrn, die er als starker Engel vom Himmel mit einem Schwnr seiner Rechten hier ankündigt, die wir dann auch in Kap.11, 11f. sich vollziehen, in Kap 12, 7—12 sich ermöglichen und von Kap. 12, 13—22, 5 in ihren Folgen sich entfalten sehen, ist denn der Weg, wie die letzte von den obigen drei Möglichkeiten allerdings an einem Theile der Christen- heit sich verwirklicht, indem nämlich-Bank Wort in Röm 11, 15 nun in Erfüllung geht: »so ihre (der Ju- den) Verioerfung der Welt Versöhnung ist, was wird ihre (Wieder-) Annahme anders sein denn Leben von den Todten« für die, welche dem Tode verfallen waren? vgl. Kap. 11, 13. Es giebt der Auslegungen unsers pro- phetischen Buchs unendlich viele, und gerade daß es so viele und von so mancherlei Art giebt, hat das Buch beinahe selber in Mißkredit gebracht, und jede neue Er- klärung begegnet von Haus aus bei ihren Lefern lauter Thomasleutem die das Recht des Zweifels geltend ma- chen und einen handgreiflichen Beweis für die Richtig- keit fordern. Nun, lange wirds ja nicht mehr dauern, bis dieser Beweis sich einstellt zu Gunsten der von uns gegebenen Erklärung; einstweilen sollte aber schon das Vertrauen zu derselben erwecken, daß bei ihr jenes so wichtige Kapitel des Römerbriefs in feiner ganzen Be- deutung klar wird, und vielleicht dienen die nachstehen- 72 Offenb. Johannis 10, 8. 9. den Auseinandersetzungen dazu, das Vertrauen noch mehr zu stärken. So nachdrücklich der Engel bezeugt, daß hinter der in Kap. 11 enthaltenen Geschichtsperiode der Kirche keine neue mehr liegt, sondern die in 11, 15 anhebenden Tage der siebenten Posaune die Vollendung bringen, so genau sind nun auch gleich anfangs, noch für jene Periode sel- ber, die Tage gezählt und allseitig aus bestimmte Zeit- maße zurückgeführt, um allen Verzug von Haus aus abzuschneiden. Die Zeitbestimmungen nun, die im Fol- genden uns begegnen, theilen sich in zwei Hauptangaben, von denen dann aber eine jede sich wieder in zwei Aus- druckssormen spaltet: I. a. zweiundvierzig Mo- b. tausend zweihundert nate sechzig Tage 1) wird die heil. Stadt 1) weissagen die zween zertreten sein von den Zeugen (11, Z) Heiden (11, L) L) wird das Weib in der Wüste ernährt (12, S) L) währet es mit dem Thier aus dem Meer (13- 5) II. a. drei Tage und einen b. eine Zeit und zwo Zei- halben ten und eine halbe Zeit liegen die Leichname der zween Zeugen auf der Gasse der großen Stadt (11, 9.11) wird das Weib vor dem Angesccht der Schlange er- nährt Cz 14) Was zunächst die beiden Bestimmungen unter Nr. I betrifft, so liegt hier, wie zu Matth. 24, 36 u. 44 aus- einandergesetzt ist, die prophetische Zeitrechnung zu Grunde, wonach 42 Monate = 42 X 30 Jahre und auch die 1260 Tage = 1260 Jahre sind. Oft genug werden in der Symbolik der heil. Schrift auch sonst Jahre durch Tage (Hes. 4, 4 f.; Luk. 13, 32) oder umgekehrt Tage durch Jahre (4. Mos. 14, 33 f.) repräsentirt, wenn für denjenigen Fall, um den es sich gerade handelt, die Uebereinstimmung der Zahl mit einem andern, entspre- chenden Falle festgehalten werden soll, aber die in dem letzteren vorliegenden Jahre oder Tage für den ersteren ein zu langer oder ein zu kurzer Zeitraum sein wür- den. Jst nun in Kap. 11, 2 von einem Zertretenwerden der heil-» Stadt durch die Heiden 42 Monate lang die Rede, so ist das offenbar eine Wiederaufnahme der Weissagung Christi in Luk. 21, 24: »Jerusalem wird zertreten werden von den Heiden, bis daß der Heiden Zeit erfüllet wird«, und zwar eine Wiederaufnahme für den Zweck, beides aus der Unbestimmtheit der Zeitdauer, in der die Weissagung dort noch gelassen ist, herauszu- rücken und es dem Schwur des Engels gemäß, daß hinfort keine Zeit mehr sein, sondern alles auf bestimmte Zeitmaße zurückgesührt werden soll, zeitlich zu begren- zenz da wird denn folgerichtig das Weisfagen der zween Zeugen in Kap. 11, 3 wenn es auf 1260 Tage anbe- raumt wird, nichts Anderes sein, als eine nähere Angabe dessen, was der HErr unter den ,,Zeiten der Heiden« verstanden hat, nämlich die ihnen geschenkte Gnaden- zeit, wo das von den Juden genommene Reich Gottes den Heiden gegeben ist, nnd in der That« ist ja mit 1260 Tagen genau derselbe Zeitumsang bezeichnet, wie mit 42 Monaten, den Monat durchschnittlich zu 30 Tagen gerechnet. Es läßt sich leicht erkennen, warum nicht für beide Sachen, für das Zertretenwerden Jeru- salems wie für das Weissagen der zween Zeugen, ob- wohl sie den nämlichen Zeitumsang einnehmen, auch der nämliche Ausdruck zur Begrenzung desselben gebraucht ist, denn es besteht trotz der äußeren Gleichheit der Zeitlänge doch innerlich ein zwiefacher Unterschied in- sofern, als das Zertretenwerden Jerusalems zeitweilig unterbrochen sein kann und als es eine schlimme Sache ist, während dagegen das Weissagen der Zeugen ohne Unterbrechung sortdauert (,,die Tag und Nächte nimmer schweigen«) und als etwas Gutes, Heilsames in Betracht kommt. Für letzteres eignete sich nur eine in Tagen ausgedrückte Zeitanga , für ersteres eine solche, die auf die Monate zurückge t; man braucht ja im Hebräischen den Ausdruck »täglich«, um etwas ununter- brochen Fortgehendes zu bezeichnen (Ps. 7, 12; 25, 5; 86, 3), wie wir sagen: ,,Tag für Tag«, oder »in Einem sort«, und wie die Tage von der Sonne regiert wer- den, dem Bilde der Gnade und des Heils, so die Mo- nate von dem Monde, dem Gestirne der Nacht und dem Symbol der Veränderlichkeit und des Trugs (1. Mos- 1, 16; Mal. 4, 2; Jes. 47, 13). Nun sind wir auch, nachdem wir das I. Kap. hinter uns haben, nicht mehr aufs Rathen angewiesen, von welchem Zeitpunkte an wir die 42 Monate und 1260 Tage oder die 1260 Jahre in Kap. 11, 2 u. 3 zu rechnen haben. Dort be- gegnete uns das erste Wehe, die erste Ausgestaltung des antichristlichen Wesens in dem Auftreten des Maha- medanismus, welcher nicht blos eine neue, unter das Christenthum zurückgehende Religion ist, sondern eine Verleugnung Christi und Verdrängung desselben aus dem ihm schon zugehörigen Gebiet (Philipp. 2, 10 f.; 1. Joh. L, 22 f.), also eine anmaßliche Selbsterhebung über das Christenthum; mit diesem ersten eigens formulirten und praktisch auch durchgeführten Antichristenthum aber ist für den, der sich von dem Teufel aus seinem Regi- ment aus Erden nicht kann thatsächlich verdrängen las- sen, ohne zuvor die Zeit zu bestimmen, auf wie lange der Finsterniß solle Macht gegeben sein, der Moment gekommen, wo er die in Luk. 21, 24 noch unbestimmt gelassene Weissagung zeitlich begrenzen muß, gleichwie schon in den Tagen seines Fleisches, wenn er von-seiner Ueberantwortung in die Hände der Feinde und seinem Kreuzestode redete, er zugleich bestimmte, w ann er würde wieder auferstehen. Und läßt sich nun auch geschichtlich nachweisen, daß in Wirklichkeit eine eigentliche Zertr e- tung Jerusalems durch die Heiden erst mit der Ein- nahme der Stadt durch den Chalifen Omar im J. 637 n. Chr. begonnen habe, sowie, daß um die nämliche Zeit der erste Anfang zur Christianisirung Deutschlands gemacht worden ist, so haben wir den Zeitraum der 42 Monate oder 1260 Tage in den Jahren 637—1897 zu suchen. Die sich zu einem solchen Ergebnis; schriftmä- ßiger Forschung nicht verstehen mögen, sind dagegen ge- nöthigt, aus der Weissagung in Kap. 11, 2 u. 3 einen Sinn herauszubringen, der aller Prophetie des alten Testaments durchaus widersprichh als werde der kirch- liche Antichrist mit seinen Heerschaaren auch von der heil. Stadt Jerusalem für 42· Monate im gewöhnlichen Sinne oder auf IV« Jahre Besitz ergreifen, und dort die ebensolange weissagenden zween Zeugen zuletzt er- tödten; sie müssen ferner mit der früheren Weissagung Christi in Luk. 21, 24 sehr willkürlich umspringen, als sollte dort nicht gesagt werden, was doch offenbar da- mit gesagt wird, daß Jerusalem solange zertreten sein werde, als die Zeiten der Heiden währen; endlich müs- sen sie die beiden Zeitbestimmungen unter I. ganz gleich setzen der zweiten unter II, ohne auch nur den geringsten Grund angeben zu können für einen solchen abermaligen Wechsel in den Ansdriickem der nur dazu dienen kann, zu verwirren, zumal wenn man das in Kap. 12, 14 Die von nun an einzuhaltenden Zeitgrenzen 73 Gesagte für einerlei erklärt mit dem in Knie. 12, 6 schon Verkündigten und nun nachher eine unbestimmtere Zeit- angabe bekommt, wo vorher schon eine ganz bestimmt lautende gesetzt worden war. Nein! nicht mit den 1260 Tagen in Kap. 12, 6 find die ,,eine Zeit und zwo Zei- ten und eine halbe Zeit« in Kap. 12, 14 einerlei, son- dern stehen nur in einer gewissen Verwandtschaft mit den ,,drei Tagen und einem halben« in Katz 11, 9 u. 11, ohne deshalb sich mit denselben zu decken. Beide Be- stimmungen, wie wir sie unter II. einander gegenüber- gestellt haben, beziehen sich nämlich, wie wir später uns überzeugen werden (vgl. das zu Jer. so, 17 u. 31, 37 Bemerkte), auf zwei ganz verschiedene Zeiträume: jene 372 Tage oder Jahre charakterisiren die Herrschaft des antichristlichen Zeitgeistes, welche allerdings etwas Uebles ist, aber zugleich etwas ununterbrochen Fortdauerndes (von Monaten im prophetifchen Sinne konnte hier ohnedies nicht die Rede sein, weil schon 1 Monat = 30 Jahren ist und es sich also nur um einen verhältnißmäßig kleinen Bruchtheil vom Ganzen handelt, es mußte also die Zeitbestimmung, wenn sie genau sein sollte, auf Tage lauten); diese ZU, Zeiten oder Jahre dagegen haben es mit der Herrschaft des persönlichen Antichrist zu thun, und war da die Zeitbestimmung durch Dan 7, 25 u. 12, 7 schon in einer Weise formulirt, die wbrtlich beibehalten werden mußte, um sofort als die nämliche, die schon der alttestament- liche Propbet gegeben hatte, erkannt zu werden und den Schein zu vermeiden, als läge hier eine neue Weifsa- gung vor. Was die 42 Monate in Knie. 13, 5 betrifft, so verlaufen diese weder mit demselben Zeitraum in Kap. 11, 2, noch mit den 1260 Tagen in Katz. 11, 3 u. 12, 6 gleichzeitig, sondern bilden einen eigenen Zeit- abfchnitt für sich, der nur theilweis innerhalb des an- dern liegt, indem er später anfängt und demgemäß auch später aufhört, wie er denn auch da erst eingeführt wird, wo das Gesicht von dem Weibe in Kap. 12 jenen andern Zeitabfchnitt bereits zum Abfchluß gebracht und mit der Andeutung (V.17): »und der Drache ward zornig über das Weib und ging zu streiten mit den Uebrigen von ihrem Samen« etwas Späteres vorbereitet hat; wir werden über diese 42 Monate zur Stelle selbst handeln, hier nur noch in Betresf der andern in Kap. 11, 2 zur Erledigung eines Bedenkens, das sich gegen die obige Berechnung der 1260 Jahre für die Zeit von 637—1897 n. Chr. erheben ließe, eine kurze Bemerkung! Wie, so könnte man sagen, soll denn für Jsraels Straf- zeit der Zeitraum von mehr als 572 Jahrhunderten, der vor der Eroberung Jerusalems durch die Maha- medaner liegt, für nichts zu rechnen sein, da er doch an sich schon mehr als achtmal so groß als der der babhlonischeu Gefangenfchaft ist, während derjenige, der hinter jener Eroberung liegt, so genau bemessen wäre? Das, so müssen wir darauf erwidern, bezeugt ja eben der Engel mit seinem Schwur: bis hieher ist eine un- bestimmte, nicht weiter in Rechnung kommende Zeit gewesen, deren Ende niemand abzusehen vermochte; aber nun, nachdem das erste von den drei in Katz. 8, 13 an- gekündigten Wehe’s sich eingestellt und eine antichristische Macht sich der heil. Stadt bemächtigt hat, ist die Zeit gemessen, ihr ein Ziel gesetzt, das seinen Maßverhält- nissen nach über die schon dem Propheten Daniel (7, 25; 12, 7) mitgetheilte Norm: ,,eine Zeit und zwo Zeiten und eine halbe Zeit«, nicht hinausgeht, wenngleich hier der prophetifche Begriff ,,Zeit« (s. v. a. Jahr) eine»be- deutsame Steigerung dadurch bekommen muß, daß die- selbe mit der Anzahl ihrer Tage (in runder Summe: 360) vervielfacht wird (360 X ZU, = 1260 Tage, d. i. Jahre) jene Norm also, m bestimmte Zahlen aufgelöst, nun die Bedeutung erhält: 360 -s— (2 X 360) sjksg 2 Jahre. Von anderer Seite her ist aber bei der nun- mehr genau bemefsenen Gefangenfchaft Jsraels auch das Maß für die ehemalige babylonische Gefangenfchaft (Jer. 25, U) insofern inne gehalten, als 1260 Jahre nur eine achtzehnfacl)e Steigerung der 70 Jahre sind (Jer. 29,14 Anni.). So befolgt die Prophetie von Anfang bis zu Ende bei allen ihren Zeitangaben streng das- jenige Gesetz, das sie einmal sich selber gegeben, und be- obachtet dabei die heil· Shmbolik der Zahlen. Ein ähn- liches Unberechnetlaffeiy wie hier in Betress des Zeit- raumes vom J. 70—637 n. Chr» begegnet uns übri- gens in Dan. s, 24 ss. in Betreff des Zeitraumes von 556—457, v. Chr·: wie dort es unnöthig war, daß der HErr dem Propheten die Befreiung aus der babyloni- schen Gefangenschaft erst noch verkündigte, da ja schon Jesaias, Jeremias und Micha davon geweissagt, so daß ihr bevorstehender Eintritt ihm von selbst feststehen mußte, und zwar um so mehr, als der eine Theil des Orakels bei Jeremia, der von dem Fall der chaldäischen Herrschafh sich bereits erfüllt hatte, so brauchte auch für den Seher der Offenbarung nicht erst über den Zeit- raum Aufschluß gegeben zu werden, da zunächst nur erst im Allgemeinen der Zorn Gottes über das dem Gericht preisgegebene Israel in allerlei Unglücksschlägen sich ergießen würde, denn für diesen Zeitraum reichten die schon vorhandenen Weisfagungen vollkommen aus; sondern es handelte sich ausschließlich um eine Offen- barung über denjenigen Zeitraum, der ein abgeschnit- tener oder bestimmt begrenzter sei und den man sofort kennt, wenn man seinen Umfang (42 Monate) und Cha- rakter (Zertretung Jerusalems) weiß. Ueber das Be- deutsame des Begriffs der ,,Zertretung«, wodurch Jeru- salem wieder zu einem »Jebus« wird, vgl. zu Luk. 21, 24. II. la. 8——11. Uacljdem durch die Erscheinung und durch das Thau des Engels im vorigen Abschnitt die Bedeu- tung und dae Ziel der im zweiten Theil der Offen- barung sich enthiilleudeti Geschichtgperiode der Hauptsache nach charalktetisirt ist, wird Johannes zum Propheten auch fiir diese Periode berufen. Mit seinem eigenen persön- lichen lieben hängt er in nichts mit der döllkerwelt zu— staunen, die da in den Vordergrund des Reiches Gottes tritt, er siehet eigentlich ganz außer ihr, sie ist ihm eine völlig unbekannte Größe; aber eben darum wird dieselbe, ehe er die sitt sit bestimmte Offenbarung em- pfäugy ihm gleichsam ein geleibt, indem er das Bächlein, das jene Offenbarung in sich lauscht, verschlingen muß. 8. Und ich hütete snachdem der Engel seinen Schwur gethan V. 5 ff] eine Stimme vom Him- mel [dieselbe, die in V. 4 mir untersagt hatte, die sieben Donner zu schreiben] abermal mit mir reden and sagen: Gehe hin, nimm das offene Büchlein von der Hand des Engels, der auf dem Meer und auf der Erde steht [V. 2]. · 9. Und ich [dem Befehle alsbald ehorchendf ging hiu san Engel und sprach zu ihm: Gieb mir das iichlein fund sollst du wohl zugleich mir sagen, was ich damit zu thun habes Und er sprach zu mir: Nimm hiu und verschlinge es [wie der Prophet Hefekiel mit dem ihm vorge- legten Briefe thun mußte Hes 3, 1 ff.]; and es 74 Osfenb Johannis 10, 10 u. 11; 11, I. wird dich lwenn du es nun verschlungen] im Bauche grimmen, aber in deinem Munde fmit dem du· seinen Jnhalt zu verkündigen hast] wird? fuße fern tme Honrg lHes 3, 3]. 10. Und ich nahm das Büchlein von der Hand des Engels [das er mit diesen Worten mir darreichtes und verschlang es; und es war ffchon bei diesem Verschlingen selber] süße in meinem Munde wie Honig, und da ich’s gegessen hatte, grinlmete mich? im Bauch [wie der Engel gesagt hatte] 11. Und er sprach [weiter] zu mir: Du mußt fnachdem du so zum Propheten eingekleidet bist auch für die jetzt beginnende, deinem persönlichen Leben so fern stehende Epoche des Reiches Gottes] abermal [gleichwie du das schon gethan hast für die frühere, in Kap 8 u. 9 behandelte Periode] weissagen sdurch Schauen und Niederschreiben der von nun an dir zu zeigenden Gesichte] den Völ- kern und Heiden nnd Sprachen [Kap. 7, 91 und vielen Königen [die sorthin in den Bereich der Geschichte der Kirche eintreten sollen, damit auch das sie Betreffende offenbar werde]. »Ein Prophet des HErrn wird nicht durch einen blos äußerlichen Auftrag, sondern durch ein inneres wesenhaftes Verständnis, durch das tief innerliche Mit- empfinden, durch das geistlebendige Interesse an der messianischen Reichsgeschichte und den damit verflochtenen Geschicken der Völker, zum wahren Propheten.« Ueber die Bedeutung des Vorgangs kann hiernach und nach dem, was zu Hes. Z, 3 gesagt worden ist, an sich kein Zweifel sein: Johannes wird damit auch für diejenigen Völker, um welche es sich in Kap. 11—19 handelt, zum Propheten bestellt; es wird ihm der Inhalt des Büch- l leins, welches mit diesen Völkern es zu thun hat, mit dem Büchlein selber als eine geistige Speise eingegebery die er erst in Saft und Blut bei sich verwandeln muß, ehe er den Inhalt wiedergeben kann. Bei solchem Akt kommt der Mund zweimal in Betracht: er nimmt die Speise in den Leib zuerst auf, und er giebt sodann, was der Bauch an Nahrungsftoffen daraus gezogen hat, mit feinem Weissagen wieder; ihm, dem Munde, ist das Büchlein beide Mal süß, sowohl bei der Empfang- nahme als bei der Wiedergabe, und nur dem Bauche bei der geistigen Verarbeitung und Aneignung bitter, die Ankündigung des Engels in V. 9 nnd der Bericht desSehers in V. 10 erklären sich daher hinsichtlich ihrer Abweichung von einander einfach dadurch, daß der Seher sich auf die Empfangnahme befchränkt, der Engel dage- gen die Wiedergabe in’s Auge faßt. In dieser Stufen- leitet: »süß, bitter, süß-«, liegt nun aber zugleich ein Abbild von des Büchleins Inhalt, das seinem Anfange nach, insofern es in Kap. 11 von einem Tempel Gottes und Anbetern darin und von zween weissagenden Zeu- gen im Geist und in der Kraft des Moses und Elias redet, süß ist, in der Mitte dann durch die Nachricht der Ertödtung der beiden Zeugen bitter wird, am» Ende aber durch die Botschaft von der Wiedererweckung der Zeugen abermals als süß sich erweist. Wie sich hernach bei der Auslegung ergeben wird, hängen auch wirklich Anfang und Ende speciell mit dem Munde, die Mitte dagegen mit dem Bauche zusammen. Denn da Johan- nes feiner ganzen persönlichen Lebensstellung nach dem Volke Israel angehört, so kann er gewissermaßen nur mit israelitischem Munde die Weisfagung aufnehmen und wiedergeben; und in der That ist ja Israel das- jenige Volk, von welchem die Weisfagung des Büchleins in Kap. 11 sowohl ausgeht, da V. 1—6 ganz alttestck mentlich gehalten sind, als zu welchem sie in V.11 u. 12 zurückkehrt Die Verarbeitung des Büchleins im Bauche dagegen geschieht im Interesse derjenigen Völ- ker, zu deren Propheten der Seher hier bestellt und niit welchen er durch den Akt des Verschlingens gleich- sam verquickt, amalgamirt wird; und für diese Völker hat er gar Bitteres zu schmecken, indem es zu einer Vernichtung ihrer Kirche kommt durch das, was der antichristliche Zeitgeist aus derselben macht (Kap.11, 7—10). Fassen wir denn jetzt das Verhältniß des Büchleins in der Hand des Engels zu dem inwendig und auswendig befchriebenen Buche in der Hand Gottes, auf roelches wir in Kap. b, 1 ff. hingewiesen wurden, in’s Auge! In diesem letzteren, dem Hauptbuche, er- kannten wir ein Symbol des gesammten prophetischen Worts der heil. Schrift; der Inhalt desselben war dem Seher an und für sich bekannt, daraus vorgelesen brauchte ihm nicht zu werden, die Entfaltung desselben, um darin lesen zu können, hatte vielmehr nur die Bedeutung einer Vollziehung feiner Weiffagungem daraus man das darin Gesagte nun auch erst wirklich erfährt, insofern man es jetzt richtig fassen und seiner sich freuen konnte. Aber die Entfaltung war unmöglich geworden in der Hand des hei- ligen und gerechten Gottes; nachdem Israel das Maß seiner Sünde voll gemacht, den Gnadenbund vernichtet und so die Verheißung aufgehoben hatte, mußten jetzt Gerichte sich einstellen, wie sie längst schon angekiindigt worden durch die Propheten des alten Teftaments (1.—4. Sie- gel) und dann näher bestimmt sind durch Christi eigene Drohweifsagung (5. u. G. Siegel), und hinter diesen Gerichten lag in der Hand der göttlichen Gerechtigkeit eigentlich nichts weiter als die ewige Verstoßung und gänzliche Verdammniß des auserwählten Volkes, so daß das mit sieben Siegeln verschlossene Buch sich nie- mals hätte aufrollen und sein Heil für Israel nnd die gesammte Menschenwelt entfalten können. Aber die göttliche Gerechtigkeit will das Buch nicht in ihrer Hand behalten, es soll nicht zu einem Vollzug der sechs ersten Siegel in der Art kvmniein daß als siebentes dasjenige folge, welches eben angedeutet wurde; darum bietet Gott das Buch Demjenigen zur Eröffnung der Siegel dar, der die Gerichte mit solcher Wendung in seine Hand nehmen kann, daß sie zwar vollständig zur Be- stätigung der prophetischen Weisfagung und zur Befrie- digung der göttlichen Gerechtigkeit in Erfüllung gehen, doch nicht die ewige Verstoßung und gänzliche Ver- dammniß des auserwählten Volks zu ihrem Facit haben, sondern eine Rettung desselben in der Versiegelung der Auserwählten auf die Tage der Zukunft, wodurch das Buch mit feinem in Aussicht genommenen Heil sich un- gehindert in Vollzug setzen darf. Der das kann, ist allein Der, der als Lamm Gottes, das der Welt Sünde trägt, am Kreuze sich hat schlachten lassen; und er em- pfängt denn wirklich aus der Hand seines Vaters das Buch zur Herbeiführung der Gerichte über Jerusalem und das jiidische Volk (Matth.26, 64), und führt sie so herbei, daß nach Eröffnung der sechs ersten Siegel, bevor es zu der des siebenten kommt, erst ein Akt ein- tritt, der da bezeugt, daß das Gericht nicht ein Mittel zur Ausrottung des Heilsvolks, sondern nur eine Be- strafung und Züchtigung sei, um »die Wahl« (Röm. 11, 7) der schließlichen Vollendung noch entgegenzu- führen und ihr eine unzählbare große Schaar aus den verschiedensten Völkerschaften der Heidenwelt für die Johannes zum Propheten auch für die neue Geschichtsperiode der Kirche bestellt. 75 Zeit der Vollendung zur Seite zu stellen. Indem also das Israel nach dem Fleisch ausgethan wird, ist ein neues Israel schon da, das aus dem Geist erzeuget ward; das Reich Gottes geht mit Zerstörung der heiligen Stadt und des Tempels nicht dahin unter, daß es auf Erden keine Träger mehr hätte, die Er- ösfnung des siebenten Siegels trifft vielmehr mit einem Zeitpunkt zusammen, wo der Himmel in stillem Gebet auf das herabfehen kann, was bei der neugegründeten Gottesgemeinde ergeht, sie bringt auch kein weiteres Gericht über Jsrael, sondern setzt andere Gerichte aus sich heraus in den sieben Posaunen, die sämmtlich die Heiden betreffen. Schlimm stehen nun aber wieder die Dinge, als diese neuen Gerichte sich bis dahin abge- wickelt haben, wo die sechste Posaune sich hat- vernehmen lassen: eine antichriftliche Religion hat da in zwei ge- waltigen Anläufen sich des Herrschaftgebietes der christ- lichen Kirche, bemächtigt, und soweit diese noch Bestand behalten, steht sie in greulicher Entartung und hart- näckiger Unbußfertigkeit da; es muß da unbedingt ein neuer Anfang gesetzt werden, sonst ist das Reich Gottes verloren. Aber welcher Anfang foll das sein? — Das prophetische Wort des alten Testaments giebt darauf keine rechte Antwort; es findet sich in demselben eine Lücke, die einer Ergänzung bedarf. Bei den Propheten wird allerdings die Rückkehr Jsraels aus Babel, die Wiedererbauung Jerusalems, die nachmalige Erscheinung Christi und die Aufrichtungdes Himmelreichs mit dem Herzulaufen der Heiden zu dem Gnadenlicht der Juden deutlich verkündigt, daneben auch hingedeutet auf eine Verstockung der letzteren, auf eine abermalige Gefangen- schaft und eine schließliche Wiederannahme zu endlichem völligen Heilsbefitz; auf den Fall aber, wie er jetzt nach Ablauf der Gesichte in Kap 4—9 vorliegt, wo einestheils Jsrael ausgethan und anderntheils die aus dem alttestamentlichen Bundesvolk hervorgewachfene Christenheit ebenfalls abgethan ist, aller Zusammenhang mit dem Vorher also dergestalt abgebrochen erscheint, daß keine Weiterführung der Heilsrathfchlüsse mehr möglich, ist noch so gut wie gar nicht Bedacht genom- me11, es liegen bei den Propheten eigentlich noch gar keine Enthüllungen über den ferneren Verlauf der Ge- danken und Wege Gottes vor. Da wird denn ein neues eigenes Büchlein nöthig; aber in der Hand dessen, der hier als starker Engel vom Himmel herabkommh ist das Büchlein ein offenes, denn Christus hat ja schon in den Tagen seines Fleisches zu dem prophetifchen Wort des alten Testaments das seinige ergänzend hin- zugefügt, indem er zu den ungläubigen Juden sagte (Matth.21,41): »das Reich Gottes wird von euch ge- nommen und den Heiden. gegeben werden, die seine Früchte bringen» Damit hat er bereits eine Zukunft geweissagt, wo ohne allen näheren Zusammenhang mit dem alttestamentlichen Bundesvolk auf ganz neuem Terrain eine Kirche gebaut werden würde, die, solange ihre Zeit dauere, selbständig und allseitig die Stelle des von dem Elieiche Gottes einstweilen ausgeschiedenen Israel zu ersetzen berufen sei. Diese ihre Zeit, in Lnk 21, 24 im besonderen Sinne des Worts »die Zeit der Heiden« genannt, ist freilich gleich anfangs genau bemessen, damit Jsrael nicht über Gebiihr dabei zu Schaden komme — sie umfaßt etwa die Hälfte der- jenigen Zeit, welche Israel seit Abrahams Erwähluiig bis zum Ende der unmittelbar aus seinem Schooße hervorgegangenen alten Kirche das Reich Gottes inne gehabt hat; das Buch in der Hand des Engels ist also nur ein kleines, es ist ein Büchlein im Vergleich mit dem Hauptbuch in der Hand Gottes, wie es denn eigentlich nur den Abschnitt 11, 1—14 umfaßt, so daß schon in 11, 15 ff. wir wieder in das die Gesichte ein- leitende 4. Kap. zurückversetzt werden und Kap. 12 auf das Bundesvolk des alten Teftaments zurückgeht, um dann in den weiteren Kapiteln uns lauter Erfüllungen alttestamentlicher Weifsagung zu bringen. Es hängen aber andererseits an diesem Büchlein keine Siegel, die erst ausgethan werden müßten; denn die Barmherzig- keit, welche diese Heiden berust (Röm.15,9), ist für jetzt durch keine Rückficht auf Israel mehr gebunden, sie kann mit völlig freier Hand während der ganzen Zeit ihr Werk treiben, ja, sich so verhalten, als wüßte sie von Israel nicht mehr, wie denn auch dessen Stadt nnd Land jetzt einer förmlichen Zertretung preisgegeben ist. Und so wird in der That nunmehr eine Kiirche aus den Heiden zugerichtet, die zu einem guten Theil die Vorzüge und Verheißungen Jsraels sich aneignet, gleich als sollte mittelst derselben und ganz abgesehen von Israel das Reich Gottes feiner Vollendung ent- gegengesührt werden; bis es zuletzt dann doch sich zeigt, daß die mittelst dieser Kirche gebauete Stadt der abend- ländifchen Christenheit nicht zu dem neuen Jerusalem werden mag, das von Gott aus dem Himmel auf die neue Erde herabfahren foll, zubereitet als eine geschmückte Braut ihrem Manne, sondern es vorzieht, mit dem Charakter Sodoms und Eghptens auch den des christus- mörderifchen Jerusalem zu ve inden (11, 8), und da- rum zuvor einer großen Erdbe ung preisgegeben wer- den muß, ehe die Andern, die erhalten werden, wieder Ehre geben dem Gott des Himmels (11, 13). Diese neuen» über die Ossenbarung des alten» Testaments hinaus-liegenden, wenn auch von Christo in den Tagen seiner Niedrigkeit bereits angedeuteten Gottesgedanken müssen dem Seher erst eingeleibt und von ihm in Fleisch und Blut verwandelt werden; nachdem er aber das Büchlein verschlungen hat, ist er zum Propheten für die Völker und Heiden und Sprachen und Könige, um die es sich in der Kirchengeschichte des Mittelalters und der neueren Zeit handelt, wohl geeignet. III. san. 11,1—14. In dem Bükhleiii des Engels, dessen Inhalt sich seht abspielh haben wir eo mit der Kirche des Jlbendlandes zu« thun, wie schon oben bemerkt worde1c ist; wir erfahren da Uäheres iiber ihre Gestaltung nnd ihren Beruf, ihre schließliche Vernichtung durch da- Tlhiey das aus dem Kbgrnnde aufsteigt, und die dadurch herbeigefiihrle wiederannahme Israelz welche ihr selber, soweit sie durch das Gericht hindurch hat gerettet werden können, das Erben von den Todten bringt, das ja nach dtöni.11,15 von dieser wiederannahine der Segen für die ijeidenwelt sein soll. I. Und es ward [um zunächst im Allgemei- nen mir eine Vorstelluug zu geben von dem Be- stand des Reiches Gottes auf Erden während der jetzt folgenden Weltzeih von seinem Verhältnis; zu der großen Masse der Völker, in die es hinein- gestellt, und von dem Schickfah von welchem Jerusalem inzwischen betroffen sein würde] mir svon unfichtbarer Hand] ein [Meß-] Rohr gegeben [Hes. 40, 3], eitlem Stecken soder Stabe] gleich [wie man ihn auf der Reife bei sich führt, also nicht ein Rohr von der Art, wie es hernach der in Kap 21, 15 die aus dem Himmel von Gott herniederfahrende Stadt selber Messende in seiner Hand hatte], und set, der mir das Rohr« gab, 76 Offenb. Johannis 11, L. 3. nämlich Christus, der Herr der Kirche Kap I, 12 ff] sprach: Stehe auf, und mifz [nach diesem Stabe, mit welchem dir ein göttlicher Maßstab zu rechter Würdigung verliehen ist] den Tempel Gottes [das eigentliche Heiligthum] nnd den ldarin stehenden Räucher-] Altar swieviel beide an Raum- umsang einnehmens und die darinnen [im Heilig- thum vor dem Altar] anbeten lwieviel ihre Zahl beträgt] 2. Aber den inneren Chor des Tempels snach richtigerer Lesart: den Vorhof außen um den Tempel her] wirf sals nicht wesentlich zum Tempel gehörig, wenn auch» in mannigfacher Be- ziehung zu ihm stehend] hinaus lindem du ihn außer Bereich dessen lässest, was gemessen werden soll], nnd miß ihn nicht, denn erift sdurch gött- lichen Rathschlußf den Heiden szum darauf Herum- treten] gegeben. Und [um mit diesem Herumtreten der Heiden auf dem Fußboden des Tempelvorhofs ein anderes Treten der Heiden, das gleichzeitig nebenher geht, in Verbindung zu setzen:] die hei- lige Stadt sJerusalem Matth 4, z; 27, 531 werden sie sdie Heiden, wenn auch in andern Völkerfchaften bestehend, als die vorhin bei jenem Herumtreten gemeint waren] zertreten sbis daß überhaupt der Heiden Zeit erfüllet ist Luk. 21, 24z und da fetze ich denn jetzt, nachdem in Kap. 10, 6 gesagt worden, daß hinfort kein Verzug mehr sein soll, sondern alles feine gemessene Zeit haben muß, das Zeitmaß für solche Zertretung fest:] zween und vierzig Monden [im prophetischen Sinne, d. i. 1260 Jahre Kap. 10, 7 Anm.]. Die germanisch-slavische Völkerwelt, mit welcher die Geschichte des Mittelalters beginnt, ist vollständig eine solche, welche einstweilen diejenige Stelle einneh- men kann, die vormals Jsrael eingenommen, und die daher auch der Hauptsache nach dieselben Entwickelungs- stufen durchläuft, die in der Geschichte des alttestament- lichen Bundesvolks vorliegen, während in Beziehung auf die christlich gewordenen Völker des Alterthums die Sachen ganz anders liegen. Es ist zuvörderst eine noch rohe, unbereitete Masse; von Cultur und Geschichte, von Volksthum und Staatswesen ist bei ihr noch nicht die Rede, das alles entwickelt sich vielmehr erst durch das Christenthnm und unter der ,Leitung und Pflege der Kirche, gleichwie Abrahams Geschlecht auch erst zu einem eigentlichen Volk geworden ist durch die Erlö- sung aus der egyptischen Knechtschaft und die Bundes- schließung am Sinai. Waren nun Abrahams Kinder zum Reiche Gottes Berufene schon vermöge ihrer Ge- burt, vermöge der Abstammung von diesem Träger der Verheißung, und wurden demgemäß alle ohne Unter- schied durch die Beschneidung in den Bund Gottes auf- genommen, so sind auch die in Rede stehenden Völker- fchaften ohne eine eigentlich vorhergegangene Herzens- bekehrung und Glaubenserweckung sogleich in ihrer Gefammtmasse christianisirt und forthin ohne alle Unter- brechung und Ausnahme ihre Kinder getauft und der Kirche einverleibt worden. Es lag darin eine gar gnä- dige und weise Absicht des HErrn; er wollte an den Heiden eben denselben Reichthum seiner seligmachenden Barmherzigkeit erzeigen, den er vormals an Jsrael gewendet, und wollte sozusagen die Probe machen, ob an diesem neutestamentlicheii Jsrael solche seine zuvor- kommende Barmherzigkeit eine bessere Frucht zu Stande bringen würde, als an dem alttestamentlichem ob niit ihm es möglich sein würde, das Geheimniß feines Rath- fchlusses zu vollenden und die Wege zu gehen, welche nicht wenige Theologen für die wirklich schriftgemäßeii und endgiltigen halten, daß nämlich die aus den Hei- den gesammelte Kirche der eigentliche Briickenbau werde für den Uebergang des Reiches der Gnade in das Reich der Herrlichkeit. Aber freilich hatte jene allumfasfeiide Art der Berufung auch zur Folge, daß der abend- ländischen Kirche gleich von vornherein als ihre Sig- natur der Unterschied ausgeprägt ist zwischen wahrer, nach innen gekehrter Gemeinde und unlauterer, nach außen gekehrter Christenheit, zwischen aiisrichtigen Be- kennern Christi und bloßen Trägern des Christen- namens. Das ist denn zunächft die Bedeutung des Gesichts, welches wir hier vor uns haben: Johannes empfängt ein Rohr, womit er den Tempel Gottes und den Altar, und die darin anderen, inessen soll. Von einer Vollziehung des Befehles und von einem Vefund des Messen-s wird nichts gemeldet; es muß also daraus nichts weiter ankommen, sondern alles nur an der Fixirung eines bestimmten Gedankens gelegen sein, und dieser Gedanke ist unzweifelhaft der, daß alles, was zum inneren Wesen der Kirche gehört, und alles, ioas die lebendigen, mit dem Geiste Gottes erfüllten und mit ihrem Christenthum es ernstlich meinenden Glieder derselben betrifft, unter die gleichsam geometrisch genaue Fürsorge Gottes gestellt sei und bis auf Zoll und Linie hinaus bewahrt bleiben soll unter dem, was hernach (V. 7 ff.) kommen wird. Dagegen ist aber auch von einem Vorhof außen um den Tempel her die Rede, den Johannes nicht in den Bereich des zu Mefsenden hineinziehen soll; dabei haben wir folgerichtig an die Außenseite der Kirche, an ihre äußeren Ordnungen und Einrichtungen, an ihr in die Welt hineinreichendes Umfafsungsgebiet zu denken, und von diesem Vorhof heißt es, er sei den Heiden gegeben, nämlich zum darauf Herumtreten. Die Ansleger haben dadurch, daß un- mittelbar darauf wieder von Heiden die Rede ist und von denselben gesagt wird, sie würden eine bestimmte Zeit lang die heilige Stadt zertreten, sich die rechte Einsicht in die Meinung der Worte verfchließen lassen; wir haben aber aus diesem Satze nur zu entnehmen, auf wie lange der Vorhof den Heiden preisgegeben sein soll, nicht aber, was ihr Zertreten desselben bedeute, da dort das Object der Zertretung wesentlich ein an- deres ist. Zur Ermittelung solcher Bedeutung müssen wir vielmehr die Stelle Jes I, 12 heranziehen, wo dem, feinem Gott nur äußerlich, mit unbekehrtem Herzen und unheiligem Sinne dienenden Judenvolk von dein HErrn vorgeworfen wird: »wenn ihr hereinkommt, zu erscheinen vor mir, wer fordert solches von euren Hän- den, daß ihr auf meinen Vorhof tretet?« Damit ist gemeint »das geift- und andachtslose Dahertrampen, jenes plumpe opus operatunx welches besser unterbliebe, da es nur den Fußboden abnutzt«; und es tritt nun vor unser Auge die ganze große Menge der bloßen Namenchristem die äußerlich mit hineingestellt sind in den Umfasfungsbereich der Kirche, um ihrer Segnungen bis zu einem gewissen Maße mit zu genießen, die aber von ihrem inneren Wesen von Haus aus nichts an sich tragen und auch keine Lust haben, bis zu dem Altar in Gottes Heiligthum zu gelangen und dort mit anzubeten, sondern lieber draußen bleiben und die Pflastertreter des Vorhofs abgeben, bis dessen Fußboden gar abgenutzt ist. Sie sind Heiden dem iiiwendigeii Ntenschen nach, wenn sie auch den Christennamen an sich tragen; ihre Zahl — etwa von denjenigen abgesehen, die sozusagen die Proselyten des Thors oder die Gottesfiirchtigen bilden und denen nach V. 18 ebenfalls ein Lohn ver- heißen ist — bleibt angemessen, es kommt also für den Tempel und Altarund für die, welche darin anbeteu, im Grunde nichts darauf an, wie viele von ihnen zu- letzt auch von dem Vorhof nichts mehr wissen wollen und sich vollständig von der Kirche emancipiren Wenn nun in dieser gegenwärtigen Zeit die Kirche durch die Macht der Welt genöthigt wird, die Emancipations- lustigen freizugeben, wenn der Taufzwang aufhört, die kirchliche Trauung kein Erforderniß mehr ist zur bür- gerlichen Giltigkeit der Ehe und auf diese Weise die Zahl der Christen sich gar bald bedeutend verringern wird, so kann die Kirche das beklagen; aber in irgend welcher Weise es mit Gewalt verhindern oder mit List entkräften zu wollen, wohl gar der biirgerlichen Obrig- keit deshalb den Fehdehandsihuh hinzuwerfen, das würde ihr schlecht anstehen. Sie forscht nur, ob es wirklich Gottes Rath und Zulassung also sei, daß eben jetzt eine solche Zeit eintritt; und kann sie davon sich überzeugen, so ist sie ruhig und in Gottes Willen ergeben. Sie erkennt aus dem, was in Kap. I, 20 gesagt ist, daß auch über Laodicea der HErr waltet und ihre Gewalt- habersin seiner Macht hat, und aus der Verheißung «in Kap. 3, 20, daß hinter Laodicea eine neue Zeit kommt. Sie weiß denn, ihr HErr leitet sie nach seinem Rath und führt zuletzt alles herrlich hinaus; sie er- kennt, die Männer im Rathe der Völker und die Ge- waltigeu im Regiment folgen bei dem, was die bürger- liche Gesetzgebung fesisetzt, nicht ihrer bloßen Laune, sondern stehen sozusagen unter einem Fatum, daß nun- mehr »die Wünsche und Pläne, mit welchen der anti- christliche Zeitgeift schon längst sich getragen und »die er gern schon vor dreißig und einigen Jahren verwirklicht hätte (aber eine unsichtbare Hand ließ es damals noch nicht dazu kommen, weil die Stunde noch nicht da war, da der Finsterniß sollte Macht gegeben werden), ihr Ziel erreichen. Daß nun abercin der That gegen- wärtig die Stunde hierfür da ist, das zeigen uns die Worte: »und die heilige Stadt werden sie zertreten 42 Monate« Der Begriff der Heiden ist in der Prophetie schon des alten Testaments (Hes. 30, 3Anm.) und so auch in der Offenbarung St. Johannis ein sehr weitschichtigey es können daher sehr wohl auf einmal ganz andere Personen gemeint sein, als von denen vor- her die Rede war, auch wenn derselbe Ausdruck aus dem vorigen Satze als Subject hereingreist in diesen nun folgenden Satz, ohne noch einmal gesetzt zu sein. Kein weitschichtiger Begriff dagegen ist der Name: heilige Stadt, sondern damit ist ausschließlich el Kuds gemeint, wie die Araber Jerusalem bis auf diesen Tag nennen (Jos. 15, 63 Anm·); in dem Worte: »Jern- salem wird zertreten werden von den Heiden, bis daß der Heiden Zeit ersiillet wird-«, liegt eine sichere Ge- währ dafür, daß hier nicht, wie manche Ausleger wollen, an die christliche Kirche zu denken ist. Aber nun darf man von diesem Worte nicht zugleich rückwärts schließen, daß unter dem Tempel Gottes mit seinem Altar und Vorhof ebenfalls der zu Jerusalem gemeint und das Hingegebensein des Vorhofs an die Heiden für gleich- bedeutend mit dem Zertreteniverdeii Jerusalems zu fassen sei, gleich als ob einmal, wenn es zur Herrschast des Antichrist kommt, dieser auch der heiligen Stadt sich bemächtigen und den Tempel des HErrn in ähn- licher Weise verwtisten und mit seinem Greuel beflecken werde, wie vormals sein Vorbild Antiochns Epiphanes Messung des Tempels Gottes. Sein Vorhof den Heiden gegeben. 77 gethan; davon, daß es soweit kommen solle, ist nirgends in der Schrift die Rede, vielmehr soll nach Kap.12, 14 das Weib an ihrem Ort eine Zeit und zwo Zeiten und eine halbe Zeit, solange die Herrschaft des Anti- christ dauert, vor dem Angesicht der Schlange ernährt werden, und die Vernichtung des Antichrist und seiner Heerschaaren soll nur in der nächsten Umgebung Jeru- salems erfolgen, in die Stadtselber wird er sowenig einzudringen vermögen, wie einst Sanherib (Jes. 37, 33 ff.). Wäre unter dem Tempel der zu Jerusalem gemeint, so wäre auch der damit in Verbindung stehende Altar irgendwie als der Brandopferaltar gekennzeichnet; da aber an unsrer Stelle durch das »die darin an- deren« unverkennbar auf den Räuchaltar hingewiesen wird, so ist der Tempel selber ohne Zweifel ein Sym- bol der christlichen Kirche und das Hingegebensein des Vorhofs an die Heiden in dem Sinne zu nehmen, wie wir es oben verstanden haben. Von Jerusalem ist erst jetzt die Rede, wo es ausdriicklich unter seinem Ehren- namen »die heilige Stadt« eingeführt wird. Mit dem Herunxtreten der Heiden auf dem Vorhof der Kirche geht parallel das Zertreteuwerden Jerusalems durch die Heiden; es liegt darin ein feiner Wink, daß, nachdem der HErr einmal dazu geschritten ist, seine Stadt, die in Matth. 5, 35 »eines großen Königs Stadt« heißt, der in Luk. 21, 24 angekiindigten Zertretung preiszu- geben, er auch in Betreff der christlichen Kirche etwas Aehnliches gestattet durch Zulassung einer angemessenen Zahl solcher, die nur dem Namen nach Christen, im Herzen aber bloße Heiden sind, zur Gemeinschaft der Kirche, damit aber diese dem äußeren Anschein nach ihres Charakters, eine Gemeinde der Heiligen zu sein, entkleiden so daß solcher Charakter ihr nur ihrem inneren Wesensbestande nach verbleibt. Daß ein gött- licher Rathschluß dieser Art über der Kirche des Abend- landes waltet, ergiebt sich in auffälliger Weise daraus, daß die evangelische Kirche der römischen gegenüber nie hat zu rechter Geltung und fortschreitender Vermeh- rung kommen können, selbst in protestantischen Staaten; innerhalb der allgemeinen Kirche bildet die evangelische den Tempel und Altar vermöge ihrer Bewährung der rechten Heilslehre und ihrer sittlichen Grundsätze, die römische dagegen den Vorhof nach ihrer ganzen Ge- staltung in Cultus und Verfassung, und da soll denn der Vorhof seinen Bestand behalten, solange jener Rath- schluß selber besteht; erst wenn die Zeitder Heiden er—- füllt ist, wird ein anderes Verhältnis; eintreten, wie wir zu V. 13 sehen werden, während derselben aber ver- bleibt der römischen Kirche eine äußere Ueberlegenheit über die evangelische, -wie das auch der folgende Ab- schnitt bestätigt. Das 11. Kapitel. You zween Deiigeiyihrem Amt und Zustand. 3. Und ich will meine sbesserx meinen] zween Zeugen [die ich mir zu Dienst bereitet habe, Aus- trag und Vollmachh geben, und sie sollen [in« Ausrichtung ihres Auftrags] weissagen [in dem Sinne, wie das Wort in 1. Cor 14, I. 3 u. 24 f. gemeint ist 1. Sam. 7, 2 Anm.] tausend zweihundert und sechzig sprophetischej Tage soder 1260 Jahre, also eben so lange, als Jerusalem zertreten sein wird V. 2], imgethan mit Säcken ssich damit schon in ihrer äußeren Erscheinung 78 Offenb Johannis 11, 4——6. dieser Welt nicht gleichstellend, zugleich aber auch ihren Zuhörern vor Augen malend, was ihr pro- phetisches Zeugniß verlangt, nämlich göttliche Trau- rigkeit Jer. 4, 8; Jon. Z, 5z Matth 3, 4z 11, 21; 2. Cor. 7, 10]. 4. Diese sind sihrem inneren Wesenscharakter nach die, in Sach. 4, 3 u. 11 ff. dem Propheten im Gesicht gezeigtens zween Oelbäume sindem sie Personen darstellen, die für ihre Zeit dasselbe sein sollen, was die dort zunächst gemeinten Personen für jene Zeit gewesen] und [sind in Ansehung ihrer Wirksamkeit nach außen] zwo Fackeln [ge: nauer: zween Leuchter Katz. 1, 12 s.; Matth. 5, 14], stehend vor dem Gott der Erde lallezeit bereit, ihm zu dienen und zu reden, was er ihnen befiehlt 1. Kön. 17, 1]. Nur wenn man die 1260 Tage als gewöhnliche Tage, also etwa = ZU» Jahren faßt, könnte man unter den zween Zeugen einzelne bestimmte Gottes- rnänner verstehen; es kommt aber dabei eine Erklärung heraus, die weder für Jerusalem noch für den die christlichen Völker in sich schließenden Länderbezirk zur Zeit der antichristlichen Herrschaft paßt, indem da auf Zion schon eine Gemeinde gegründet ist, die nicht hat einen Flecken oder Runzel oder deß etwas (Kap.14,1ff.), innerhalb des Kirchengebietes in unserm Abendlande aber kräftige Jrrthümer unter denen, die verloren werden, im Schwange gehen sollen, daß sie glauben der Lüge (2.Thess. 2, 9ff.). Da können weissagende Pro- pheten, die ebenfalls Zeichen und Wunder thun, keinen- falls als Gegenmacht gegen die Wirkung des Satan gesendet werden, sondern darin bestehet eben die große Trübsal, wo auch die Auserwählten, so es möglich wäre, könnten in den Jrrthum verführt werden (Matth.24, 21fs.), daß Gott der Macht der Finsternis; ungehin- derten, freien Spielraum läßt. Nach unserer Auf- fassung der 1260 Tage, welche im prophetischen Sinne ebensoviel Jahre bedeuten und die Zeit von 637 bis 1897 umfassen (Kap.10,7Anm.), können wir in den zween Zeugen nur ideale Personen sehen, die in einer Menge von wirklichen Personificationen des Zeugen- thums zur Erscheinung kommen, so daß Christi Zeugen in einer ununterbrochen fortgehenden Reihe einer um den andern ihr Amt ausrichten und so ,,Tag und Nächte nimmer schweigen.« Nicht will der HErr, wie unsere deutsche Bibel schreibt, die beiden Zeugen erst geben oder herbeischaffen, sondern er hat sie schon von friiher in Bereitschaft; es besteht längst ein Zeugen- thum, um nun dieses abstrakten Ausdrucks uns zu be- dienen, in seinem Reiche auf Erden, er will nur wäh- rend der 1260 Tage seine Zeugen in bestimmter Weise verw enden. Wurde in V. 1 der eigentliche Wesens- bestandtheil der Kirche, die wahre, nach innen gekehrte Gemeinde, unter dem Bilde solcher, die drinnen im -Tempel anbeten, nach ihrer Beziehung zum HErrn .und von Seiten ihrer Absonderung von der Welt dar- gestellt, so soll sie jetzt hinsichtlich ihres Berufes an die Welt charakterisirt werden; vermittels ihres Weissagens im Gewande der Bußtrauer, das ganz auf diejenigen berechnet ist, die noch außerhalb des eigentlichen Hei- ligthums stehen und nur den Vorhof treten, wie aus den oben angeführten Stellen des 1. Corintherbriefs hervorgeht, ist sie eine zeugende Gemeinde und hat eine ähnliche Aufgabe, wie weiland Moses und Elias mitten unter dem unschlachtigen und verkehrten Ge- schlecht ihrer Zeit. Und so hat sie auch zur Ansrich- tung ihres Auftrages eine ähnliche Machtvollkommeik heit, wie jene beiden Gottes-Männer, Die in einem ganz besonderen Verhältnisse zu Gott standen und auch auf ganz besondere Weise aus dieser Welt zu ihm hinüber- geholt wurden in jene Welt; wir werden davon her- nach in V. 5f. und V. 11f. hören. Schon aus dem bisher Gesagten erhellt, warum das Zeugenthum in unserer abendländischen Kirche gerade in zwei Zeugen, nicht mehr und nicht weniger, sich personisicirt; es liegt aber darin ohne Zweifel ferner auch eine Be- ziehung darauf, daß die Eine zeugende Gemeinde sich in der That in zwei Theile spaltet. Der eine Zeuge ist das von dem HErrn der Kirche verordnete Amt, das Buße und Vergebung der Sünden predigt in sei- nem Namen (Luk. 24, 47; 2. Cor. Z, 6 ff.; 5, 18 ss.), dies Amt freilich nicht sowohl in seiner mannigfach getrübten geschichtlichen Erscheinung, als vielmehr in seiner gött- lichen Bestimmung; der andere Zeuge sind alle wahren Glieder der Kirche oder diejenigen Laien, die durch den heiligen Geist von Gott gelehret sind und ein priesterliches Königreich bilden, zu verkündigen mit Wort und Werk die Tugenden deß, der uns berufen hat von der Finsterniß zu seinem wunderbaren Licht (1. Petri L, 9). Diese Theilung prägt sich durch die unverkennbare Anspielung auf Moses und Elias aus: während der erstere eine ausdrückliche, seierliche Be- rufung von Gott empfing (2.Mos.3), tritt der andere ohne eigentliche Vermittelung (1.Kön. 17,1 Anm.) in Gottes Namen zeugend aus; und wie Elias in eine Zeit fällt, wo des Priesters Lippen, welche die Lehre bewahren sollen, daß man aus seinem Munde das Gesetz suche (Mal. L, 7), zum Schweigen gebracht waren, so hat zu wiederholten Malen in Zeiten der Wahr- heitsverdunkelung und Verfolgung, wenn die Kirche des ersten Zeugen vorübergehend entbehren mußte, der zweite für ihn in die Lücke treten müssen. Zu dieser Theilung des Zeugenthums in ein amtliches und außer- amtliches kommt dann nvch eine andere je nach dem vorwiegenden Charakter, den die Kirche selber in den verschiedenen Zeiten ihrer Entwickelung der Welt gegen- über an sich trägt. Sie ist während der Zeiten des Niittelalters eine Gesetzes-Kirche gewesen, es hat da das geistliche Amt, wie es in Papst und Klerus sich gestalten, an den rohen, barbarischen Völkern dasselbe Werk eines Zuchtmeisters auf Christum ausrichten müssen, wie Moses an Israel, das ja auch nur als ein Barbarenvolk in das Bereich des Heiligen gefetzt war, um an ihm eine geheiligte Natürlichkeit zu er- zielen (vgl. zu Kap. 8,12). Die Einführung der römi- schen Hierarchie, welche dem. Apostel der Deutschen (Bonifacius) als Schuld angerechnet wird, halte ich für das größte Glück, schreibt Ad. Müller; denn, so fahren wir mit W. Krafft fort, ein rohes Volk, wie es die Deutschen waren, konnte auf keinem andern Wege in die Bahn der Gesittung und eines geordneten christlichen Lebens gezogen werden. Als dann die römische Kirche ihre Aufgabe, eine erziehende Kirche zu sein, aus den Augen verlor und dafür ihrer eigenen Herrschsucht und argen, sie verweltlichenden und ver- greuelnden Gelüsten dienstbar ward (Hes. 28, 11ss.), traten aus ihr solche hervor, welche zur Jnnerlichkeit gereift waren und, dringend auf eine den göttlichen Heilsabsichten entsprechende Reformation, vollbrachten sie des Elias Werk, das darnach auch die Evang eli- sirung der Kirche zur Folge hatte. Daß diese Evan- gelisirung bei dem Widerstand der römischen Hierarchie nicht anders möglich geworden, als durch Abzweigung eines beträchtlichen Theils der Kirche von dem Haupt- stamm, das hat freilich den abgeziveigten Theil nach außen hin der Haltlosigkeit und in vielen Stücken auch der Eutbehrung ausgesetzt und ihn einem Einfluß der Weltniackit preisgegeben, dessen schließlicher Ausgang dasjenige sein wird, wovon wir in V. '7—10 lesen; der Hauptstamm selber aber hat den bei Weitem größ- ten Schaden sich insofern zugezogen, als er den Weg zu einer gründlichen Erneuerung und zu einer durch- greifenden Ausgestaltung christlichen Wesens für immer sich versperrt und zu einem eudlichen Schicksal sich verurtheilt hat, wie es in Kap. 17 u.·18 uns entgegen- treten wird und fchon in Hes 47, 11 vorbedeutet wor- den ist. Wie wir mit vorstehenden Auseinanderfetzungen uns vielfach an Kemmler angeschlossen haben, so können wir es auch in Betress der ,,zween Oelbäume und zween Leuchter« thun, nachdem wir zuvor an das erinnert haben, was zu Sach. 4, 14 über die zwei Oel- kinder gesagt worden ist. Der Oelbaum, bemerkt der genannte Ausleger, erzeugt und hat die Substanz des Oels in sich selbst, der mit Oel gefüllte Leuchter dagegen strahlt es in seiner Leuchtkraft von sich aus. Beides ist bei wahren Zeugen Christi verbunden: es ist kein entlehntes Oelkdas sie von sich strahlen, sondern sie tragen das Oel des heiligen Geistes in originaler Fülle in sich; der Geist, obgleich sie ihn auch erst em- pfangen haben von oben, ist dennoch in ihnen selb- ständiges Leben geworden (Joh. 7,38f.). Wie sie aber als Oelbäume das Leben in sich selbst haben, so be- sitzen sie als Leuchter auch die Fähigkeit, was sie in sich haben, zugleich zum Licht für Andere werden und in die Welt hinausstrahlen zu lassen; beides gehört zu- sammen, und wo nur ein Oelbaum wäre, ohne Leuchter, oder ein Leuchter, ohne Oelbaum zu sein, dem fehlte« eine wesentliche Eigenschaft, um ein wirksamer Zeuge des HErrn zu sein.« Ueber den Ausdruckx »stehend vor dem Gott der Erde« versparen wir uns das Nähere bis zu V. 13. . 5. Und so jeniaiid sie will beleidigeiy so gehet das Feuer aus ihrem Munde und verzehret ihre Feinde [4. unos 16,»35; 2. Köxr 1, 10 u. 12]; und so jemand sie will beleidigen, der muß sauf daß die Andern sich fürchten] also sin einer Weise, durch die recht offenbar wird, wie nichts Anderes als das aus dem Munde der Zeugen gehende Feuer ihn verzehrt habe Apostg 5, 5 u. 10] getödtet werden. S. Diese haben Milcht lwie Elias feiner Zeit i. Ko» 17, 7; Jae 5, 171 den Himmel zu ver- schlieszen, das; es nicht regne in den Tagen ihrer Weifsagung [sie sagen es denu], und haben Macht swie Moses in L. M. 7, 9 — 11, 10] über das Wasser, Dasselbe] zunandelii in Blut, nnd zu schlagen die Erde mit allerlei Plage, so oft ie wollen les zur Unterstützung ihres Zeugnisses nöthig finden]. Für die ganze Zeit, während welcher das Zeugen- thum noch in Kraft besteht, ist demselben zur Aufrecht- haltung der Ehre des ,,Gottes der Erde« (V. 4), damit die Welt ihn nicht vor der Zeit von ihrem Territorium verdränge und von ihm und seinem Regiment sich emancipire, zweierlei gegeben: 1) eine Unantastbar- keit (Ps.105, 14u.15), welche es den Feinden un- möglich macht, die Zeugen schon jetzt zu überwinden und zu tödten oder das Zeugeuthuiii zu beseitigen und Die zween Zeugen, ihr Amt und ihre Machtbefugniß 79 abzuschaffen — das soll ihnen erst nach Ablauf der 1260 Tage gelingen, und dann allerdings für IV» Tage im öfsentlichen Leben ein Zustand der Dinge eintreten, wo Gottes Wort nichts mehr zu sagen« hat und die Selbstherrlichkeit des Menschen in voller Blüthe steht (V.7ss.); 2) eine Machtstellung (2·Mos.7,1), ver- möge welcher die Welt mit ihrem Wohl und Wehe ganz und gar von der Vermittelung desselben abhängig ist — erst zur Zeit ihrer Emancipation wird sie die Kinder unterrichten auch ohne Religion, Ehen schließen auch ohne Segen der Kirche, Landtagsverhandlungen halten ohne voraufgehenden Gottesdienst und begleitende Fürbitte u. s. w. Zur Darstellung dieser beiden Ge- danken sind lauter Züge aus dem Leben Mosis und Eliä verwendet, von denen alsbald erhellt, daß sie sym- bolisch, d. h. im geistlichen Sinne zu verstehen sind. Anlangend nun zunächst die in V.5 verhandelte Un- antastbarkeit der Zeugen, so ist das Feuer, das aus ihrem Munde geht, das Wort Gottes, von welchem der HErr in Jer. 23,29 spricht: ,,isi mein Wort nicht wie ein Feuer, und wie ein Hammer, der Felsen zer- schmeißt?« Jn der Weise nun, daß es sich lebendig und kräftig und schärfer denn kein zweischneidig Schwert beweise, haben die Zeugen das Wort Gottes in jedem einzelnen Falle und für jede einzelne Seele zu reden: es ist daran in unsrer Stelle nur mittelbar zu denken. Dagegen wird dem Propheten seinen Widersachern gegenüber, die ihn verhöhnen und verwünschen, in Jer. 5, 14 auch gesagtk »ich will meine Worte in deinem Munde zu Feuer mache1i, und dies Volk zu Holz, Kind soll sie verzehren«; das ist es denn eigentlich, was auch hier in Betracht kommt. Was darnach die Macht- stellung der Zeugen betrifft, so hat das eben Ge- sagte am augenfälligsten in dem sogenannten Inter- dikt seine Verkörperung gefunden; es ist darunter das Verbot des Gottesdienstes zu verstehen, welches wegen des Ungehorfams gegen die Kirche als Censur bis zur ertheilten Absolution oder zur Strafe für eine be- stimmte Zeit ausgesprochen wird, und ist dasselbe ein persönliches, wenn das Verbot gewisse Personen trifft, so daß, wo sie erscheinen, der Cultus ruhen muß, oder ein örtliches, so daß an dem interdicirten Orte, in einer einzelnen Kirche, einer Stadt, ja einem ganzen Lande, kein Gottesdienst stattfinden darf. Durch diese Maßregel wurde in der That den Widerfpenstigen der Himmel der Gnade verfchlofsen, daß die Seelen kein Trost erquicke; keiner außer einein.Geistlichen, einem Bettler, einem nicht über zwei Jahre alten Kinde oder einem Fremden erhielt das kirchliche Begräbniß, nur Kindern wurde die Taufe ertheilt, nur den Sterbenden das Abendmahl gereicht. Haben wir früher die Mission der römischen Hierarchie, eine Erziehungsanstalt für die an die Stelle des römischen Weltreichs tretenden bar- barischen Völker des Abendlandes zu fein, unumwunden anerkannt, so erscheint uns nunmehr auch die unge- heure Gewalt, welche das Papstthum des Mittelalters über Fürsten und Völker geübt und die Stellung, welche die Kirche dem Staate gegenüber im Abendlande erlangt und theilweis bis in unsere Zeit hinein be- hauptet hat, nicht als das Ergebnis; geistlicher Herrsch- sucht, so sehr auch diese sich oft genug jener bedient hat, ihre. eigenen Zwecke zu erreichen, sondern als das Werk göttlicher Weisheit, als eine providentielle Institution für den bestimmten Zweck der christlichen Gesittung einer barbarischen Völkerwelt Herzen und Sitten werden nicht gemildert und herangebildet durch staatliche Ge- waltmittel, durch Polizeimaßregeln und körperliche Ge- fängnißstrafem dazu gehört vielmehr ,,Furcht, die vom Himmel her über die Menschen kommt«, und diese 80 Offenb Johannis 11, 7——10. that um so mehr now, als es sich erst noch um die Herbeiführung einer geordneten Staatsgewalt, um die Ueberwindung einer wahren Willkürherrschaft auf Seiten der Fürsten und um die Sicherstellung des Rechts und der Gerechtigkeit im öffentlichen Leben handelte. Als besonders anschauliches Beispiel, in welchem es deutlich zu Tage tritt, was namentlich auch die Worte des fünften Verses besagen wollen, sei hier Folgendes an- geführt. König Lothar von Lothringen hatte im Jahre 864 ohne allen Grund seines rechtmäßige Gemahlin Thietberga verstoßen, um sein Kebsweib Waldrada zu heirathen; Papst Nikolaus l. erklärt sofort diese Ehe- auflösung für null und nichtig, und Lothar sah sich durch die Haltung seines Volkes gezwungen, dem Päpst- lichen Ausspruche sich zu unterwerfen, er that es aber nur zum Schein, und hielt sich, als dieser Papst bald darauf starb, des Gehorsams entbunden. Aber dessen Nachfolger Hadrian 1I. dringt auf Vollzug des könig- lichen Versprechens. Lothar versuchte darauf abermals den Papst mit falschen Vorspiegelungen zu täuschen, aber vergeblich; er mußte seine Angaben auf das heil. Abendmahl beschwören. Er empfing dasselbe als ein Meineidigey auch seine Dienstmannen leisten den gleichen Eid, obgleich sie wissen, daß sie falsch schwören — einen Monat darauf verschied der König, und beinahe alle, die mit ihm den Eid geleistet, starben nach einander urplötzlich dahin. Wir könnten im Jn- teresse unserer Auslegung auch auf den, vom Stand- punkte der modernen Anschauungsweise aus so viel ge- schmäheten Papst Gregor VlL in seinem Verhältnis; zu Kaiser Heinrich IV. näher eingehen; in ihm tritt das Eliasartige des kirchlichen Zeugenthums besonders stark hervor, und seine letzen Worte: ,,ich habe die Ge- rechtigkeit geliebt und die Ungerechtigkeit gehasset, darum terbe ich in der Verbannung« sind eine wahre Grab- christ für ihn, die sein ganzes Thun und Leben charak- -·erisirt. Ebenso wäre es wohl an sich von großer Wichtigkeit, in die Geschichte der evangelischen Kirche, welche die Unantastbarkeit und Machtstellung des Zeugenthums, nachdem sie dem Mißbrauch ver- fallen und kaum nach ihrem göttlichen Gepräge noch zu erkennen war, in neuer, zeitgemäßer Form wieder aufgenommen, hineinzugreifen und unsern Text in das Licht ihrer Bußdisciplin und ihres Beichtwesens, ihrer Siege über die Beleidigungen der Widersacher und ihres Einflusses auf die Neugestaltung des Völkerlebens zu stellen. Jndessen, wie wir in gegenwärtiger Zeit eigentlich iiber diese ganze Periode schon hinaus sind, so daß die Kirche nicht einmal mehr die Macht hat, innerhalb ihres unmittelbaren Lebenskreises ihr An- sehen aufrecht zu halten, geschweige maßgebend und zu- rechtweisend auf einem andern Lebensgebiet sich zu be- thätigen, so treibt auch unser Kapitel selber uns vor- wärts; mit Klagen über das Verlorene, mit Rückblicken auf das Vergangene schafsen wir uns weder Trost noch Hoffnung, sondern allein mit richtigem Verständnis; der Gegenwart und mit klarem Blick in die weitere Zu- kunft, und dazu wollen die nächstfolgenden beiden Ab- schnitte uns verhelfen. Für solche aber, denen in An- betracht des fiir jetzt in der Kirche noch vorhandenen vielen Guten und der mannigfachen großartigen An- strengungen zur Stärkung des Reiches Gottes ein so nahe bevorstehender Untergang des Zeugenthums wie er in V. 7 ff. Verkündigt wird, ein unmögliches Ding scheint, sei vorerst noch auf die Worte aus Klopstock’s Messiade hingewiesen: Gott gehet unter den Menschen Seinen verborgenen Weg mit stillem Wandeln; doch endlich, Wenn er dem Ziele sich naht, mit dem Donnergang der Eiktscheiduug. 7. Und wenn sie snach Ablauf der 1260 Tage V. Z] ihr Zeugnis; geendet haben [iudem nach Gottes Rathschluß die Zeit nun eintreten soll, wo Einfluß und Macht der Kirche gänzlich zurücktrith um der Ausreisung des antichristlichen Zeitgeistes freien Raum zu geben], so wird das Thier, das aus dem Abgrund [Kap. 9, 1 Anm.] aufsteigt, mit ihnen einen Streit halten, kund wird sie überwinden und wird sie tödten. 8. Und ihre Leichiiame werden liegen auf der Gasse sodcr dem Markte] der großen Stadt, die da heißt geistlich [im höheren, dem fleisch- lichen oder buchstäblichen entgegengesetzten Sinne] die Sodoma und Egyptew da [auch] unser snach besserer Lesart: ihr, nämlich der zween Zeugen] HErr gekreuzigt ist [Joh. 19, "20]. 9. Und es werden ihre Leichname etliche von den Völkern und Geschlechtern nnd Sprachen fund Heiden Katz. 5, 9; 10, 11 - nämlich die großen Wortfiihrer des Zeitgeistes, die Helden des Tages, die das Tödten besorgt haben und oben- aus gekommen sind] drei Tage und einen halben sehen [d. i. beschauen und begaffen], und werden ihre Leichname nicht lassen in Gräber legen swährend man doch andern Todten noch ein or- dentliches Begräbnis; gewährt]. 10. Und die auf Erden wohnen sdie fleisch- lich und christusfeindlich gesinnten Kinder dieser Welt Kap. S, 10], werden sich freuen über ihnen sdaß sie nun nichts mehr, als eben nur-Leich- name sinds, Und Wohlleben lFestessen veranstalten] und Geschenke unter einander senden swie bei fröhlichen und festlichen Gelegenheiten Sitte ist Esth g, 19»u. 22]; denn diese zween Propheten anbieten, die auf Erden wohneten [besser: woh- nen Kap. 6, 10; 8, 13., solange sie noch am Leben waren, mit ihrem Tode aber hatte auf ein- mal die Qual für diese Erdensöhne ein Ende, und meinten dieselben daher ihres Lebens, ohne weiter sich einen Zwang anthun zu miissen, nun recht froh werden zu können]. Das Thier aus dem Abgrund hat hier noch keine e11tschieden volksthümliche, menschliche Scheingestalh wie in Kap.13, 1 sf.; es tritt zunächst nur erst antichristlich hervor als ein körperloser Geist in der Macht eines überwiegend dämonischen Zeitgeistes, zur Ausgestal- tu11g eines persönlichen Antichrist kommt es vor der Hand noch nicht. Nur wenn man die schon zu Jer. 30, 17 aufgestellte Unterfcheidung zwischen der anti- christlichen und der antichristischen Periode festhält (vgl.·die Veranschaulichung zu Kap. 13, 5), gelangt man zu einer richtigen Auffassung unsers prophetischen Buchs und zu einer richtigen Würdigung der Bewegungen auf dem Gebiete von Staat und Kirche zu dieser unsrer Zeit. Jn ersterer Hinsicht hat der Mangel an jener Unterfcheidung es verhindert, daß bis jetzt noch nicht die rechte Sicherheit und Einigkeit unter den Auslegern der Offenbarung vorhanden ist, vielmehr theilweis die Die Ertödtung der beiden Zeugen durch das aus dem Abgrund aufsteigende Thier. 8l wunderlichsten Erklärungen an den Tag getreten sind und unser Buch von vielen Gläubigen fast wie ein Punktirbuch angesehen wird, mit welchem ein nüchterner Christ sich weiter nicht zu beschäftigen habe, als daß er einige ausgezeichnete Sprüche sich daraus merkt und den allgemeinen Trost des endlichen Sieges des Reiches Christi über die Mächte dieser Welt daraus schöpft. Jn der andern Hinsicht dagegen sucht man sein Heil lieber in Petitionen an ungehöriger und unzugänglicher Stelle oder gar in Opposition und Agitation, statt daß man des HErrn Meinung verstehen lernte, was er jetzt vorhat, und durch Geduld und Trost der Schrift Hoffnung hätte; denn noch ist die Stunde nicht ge- kommen, wo die Sonne der Gnade am Himmel der Christenheit gänzlich untergeht und der Nacht der Herr- schaft des Anticl)rist Platz» macht, sondern wir haben, weil bestimmte Weissagungen der Schrift sich noch nicht erfiillt haben, die erst erfüllt sein müssen, ehe die letzte Trübsal kommt, eine sichere Gewähr dafür, daß es sich für jetzt nur erst noch um eine genau abgemessene Zeit handelt, wo die Sonne ihren Schein verliert, um aber, wie andere Weissagnngen dafür bürgen, ihn hernach desto glänzender durch die Wolkennacht hindurchbrechen zu lassen. Wir werden ja nun sehen, ob die von uns versuchte Auslegung an sich selber schon einen solchen Eindruck der Richtigkeit und Zuverlässigkeit machen und daneben auch durch die rasch vorschreitenden Zeitverhält- nisse so handgreiflich als zutreffend erwiesen werden wird, daß der Zwiespalt der Ansichten um ein Bedeu- tendes sich verringert und an seine Stelle eine größere Einhelligkeit tritt, wie sie so hoch noththut gerade zu dieser gegenwärtigen Zeit. Es ist das diejenige Zeit, wo »die Zeit der Heiden« zu Ende geht; die Presse riihmt nicht blos von sich in unsern Tagen, daß sie eine Macht sei, der Fürsten und Völker sich beugen, sie ist das auch in der That, und die Kirche hat den bestimmenden Einfluß für das gefellschastliclkbürgerliche Leben schon so weit an diese neue Macht abtreten müssen, daß, wo sie etwa noch wagen will, ihr Zeugniß hören zu lassen, sie sofort auf den Mund geschlagen wird und diesen auch halten muß —- wer könnte sich verhehlen, daß aller Widerspruch, den das geistliche Amt in Genieinschaft mit den treuen Gliedern der Kirche gegen die Prätensionen laut werden läßt, die der Zeitgeist erhebt und mittels der Presse als unabweis- bares Zeitbedürfniß den Leuten aufredet, nur den letzten Seufzern eines Sterbenden gleicht, die in der Luft ver- hallen? Ohne das Licht der göttlichen Offenbarung nun würden wir bei diesem Zugrundegehen der Machtstellung der Kirche, bei dieser Auflösung aller Bande, womit sie bislang das Leben der Völker umschlungen hielt, bei diesem Preisgeben aller ihrer Güter und Ordnungen, bei diesem Ueberantworten ihrer Rechte an eine zucht- und zügellose Masse entweder einem trostlosen Schmerz, einem dumpfen, verbissenen Wesen verfallen, oder aber zu dem Jrrthum uns verführen lassen, die Strömungen des Zeitgeistes für Ausflüsfe des Geistes Gottes zu halten und mit dem Strome schwimmen zu wollen, wie denn solcher Jrrthum sich bereits zu eigenen Vereinen conftituirt hat und kaum die Zeit erwarten kann, wo sein Somnternaihtstraunt sich verwirklichen soll. Jndeni das prophetische Wort von einem Thier redet, das aus dem Abgrnnde aufsteigt, ftellt es die- jenigen Bestrebungen, welche an die Stelle des histo- rischen Christus den idealen, an die Stelle der gött- lichen Offenbarung die angeblichen Resultate der Wissen- schaft und an die Stelle des kirchlichen Bekenntnisses das sogenannte Getneindcbewußtsein setzen wollen, unter einen ganz andern Gesichtspunkt; indem es andererseits Dächseps BibelwerL V1l. Band, L. Abth. s. Aufl. aber auch sagt, daß die zween Zeugen jetzt, wo das Thier aufsteigt, ihr Zeugniß geendet haben und als Ausgang des Streites, den das Thier mit ihnen zu halten erscheint, den verkündigt, daß sie überwunden und getödtet werden, warnt es die Gläubigen, ihre eigenen frommen Wünsche, ihre selbstgeschaffenen Jdeale und Zukunftsgedanken nicht mit Gottes Rathschlüssen und Wegen zu verwechseln (vgl. Anm. zu Jer. 44, 14), vielmehr haben sie mit den göttlichen Rathschlüssen sich vertraut zu machen und auf die immer näher rückende Erfüllung derselben sich einzurichten. Hat ja doch die evangelische Kirche den großen Vorzug Vor der andern, daß bei ihr, mehr als auf die augenblicklich brennenden Lampen, auf das Oel in den Gefäßen Bedacht genom- men ist, um nachzugießew wenn die Lampen verlöschen wollen (Matth. 25, 1ff.). Noch leben wir für einige Zeit in denjenigen Tagen, wo das Thier allmälig aus dem Abgrunde aufsteigt; daß es nicht plötzlich und wie mit einem Satze hervorspringt, hat der HErr ge- wiß darum so geordnet, damit inzwischen noch Vieles geschehe, um das Zeugenthum innerlich zu stärken und in rühriger Thätigkeit bei seinem Tagewerk zu erhalten. Man soll diesem hernach nicht nachsagen dürfen, daß es sich selber überlebt habe und an Altersschwäche ge- storben sei, wenn seine Zeit zu Ende ist, sondern indem es bis zuletzt mit Veweisung des Geistes und der Kraft aufgetreten, soll sich klar herausstellen, daß es gewalt- sam getödtet worden und einem Streite unterlegen istz in solches Unterliegen hinein nimmt es das Tri- umphlied mit sich (Mich. 7, 8): ,,Freue dich nicht, meine Feindin, daß ich darniederliege; ich werde wieder auf- kommen«, und die Zeit von dreien Tagen und einem halben, die ihm für sein Todtdaliegen bestimmt ist, wird bald vergangen sein. Aber das wäre ein arger Selbstbetrug, wollten wir meinen, mit unsern Be- weisungen des Geistes und der Kraft, mit unsern Kämpfen und Austrengungen, mit unsern Protesten und Petitionen könnten wir das Ueberwundenwerden und Todtdaliegen abwenden, oder mit neuen Jnstitu- tionen und Verordnungen, mit Verfassungsplänen und Reformversuchem mit Coucessionen und Compromissen ließen sich die Geister des Abgrundes in Engel Gottes umschaffen. Nein, unser Trost und unsere Hoffnung ist allein das, was P. Gerhardt von Christo singt: ,,er war in’s Grab gesenket, der Feind trieb groß Geschrei; eh’ er’s vermeint und deutet, ist Christus wieder frei und ruft Victoria, schwingt fröhlich hie und da sein Fähn- lein als ein Held, der Feld und Muth behält« Auf die Aehnlichkeit der Tödtung der zween Zeugen mit der Kreuzigung Christi weist denn unser Text auch aus- drücklich hin, indem er von der ,,großen Stadt« redet, »die da heißt geistlich die Sodoma und Egypten, da (auch) unser (oder vielmehr: ihr) HErr gekreuzigt ist.« Gemeint ist mit der großen Stadt der bisher die christ- liche Kirche in sich schließende Länderbezirh das äußere Völkergebiet der bisherigen Christenheit: auf diesem Gebiet, in diesem Bezirk wird das Thier in- dem vor- hin angegebenen Sinne zur Herrschaft kommen· Sie heißt, diese Stadt, geistlich die Sodoma; denn Fleisches- sünden natürlicher und nnnatürlicher Art gehen allge- mein und mit schamloser Frechheit im Schwange (1. Mos 18, 20), Hand in Hand mit Uebermnth und Hossart, beide genährt und großgezogen durch den äußeren Frie- den uud die materielle Wohlfahrt. Sie heißt ferner Egypten; das ist das Land menschlichen Culturstolzes, und im Hochgefühl ihrer Fortschritte auf allen Gebieten nienschlichen Wissens und Könnens athmet die Christen- heit ja gegenwärtig schon jenen Pharaouengeist, der da spricht (2. 2Vios.5,2): »wer ist der HErr, deß Stimme h« 82 Offenb Johannis 11, 11. 12. ich hören müsse?« und ihre Stimmführer sehen mit gar verächtlichen Mienen auf das arme Volk Gottes, das in ihrer Mitte herbergt, hernieder, wollen es zwar zwingen, dem Pharao seine Schatzhäuser zu bauen, aber Luft und Leben gönnen sie ihm nicht. Mit diesem Sodom’s- und Eghptens-Charakter verbindet sich dann weiter der des prophetenmörderischen Jerusalem: ,,weg mit dem! wir haben keinen König, denn den Kaiferl« — dies Geschrei ist ja doch der Grundton derjenigen Reden, die am meisten beklatscht werden; und so gewaltig schlagen seine Wogen an des Pilatus Richtstuhl heran, daß dieser sich keinen Rath mehr weiß, und bald genug wird es wieder heißen: ,,er übergab ihn ihrem Willen« Die moderne Welt, schreibt der Franzose Gaume, eilt mit großen Schritten dem Heiden- thum zu; die moderne Gesellschaft erfiillt und beherrscht der Naturalismus d. h. das reine, völlig reine Heiden- thum, aber ein Heidenthum tausendmal verwerflicher, als das alte, weil das moderne Heidenthum die Folge des Abfalls von dem Glauben ist, den das alte Heiden- thum mit so vieler Liebe Umfaßte. Da wird denn auch bald die Zeit gekommen sein, wo die Leichname der zween Zeugen auf der Gasse der großen Stadt liegen. Mag es sein, daß in den Herzen und Häusern noch viel lebendiges Christenthum seine Wohnstätte behält und in stillen, der Berührung mit größeren Städten nicht ausgesetzten Dörfern noch manche Kirche und Schule bleibt, wo von des HErrn Namen gepredigt wird; für alle die Seelen, die Christum und seine Kirche lieb haben, bleibt wohl noch der Trost, der seiner Zeit dem Baruch (Jer.45) geschenkt ward· Aber auf der Gasse oder dem Marktplatz der großen Stadt ist es mit dem Christenthum vorbei« da ist alles Reden und Zeugen auf Grund des göttlichen Wortes, alles Eingreifen und Einwirken von Seiten der Kirche unmöglich gemacht. Begrab en allerdings wird man die Kirche nicht, und ablegen den Christen-Namen wird man auch nicht; äußere Formen werden genug beibehalten werden, Gotteshäuser mit Kanzel, Altar und Taufstein werden wohl auch ferner bestehen, Sonn- und Festtage mit Liturgie und Predigt wird es weiterhin geben, Simo- den werden nicht fehlen und Geistliche nicht mangeln. Aber wenn es auch Pastoren noch genug geben follte, so läßt sich ja jetzt schon absehen, von welcher Richtung diese sein müssen, wenn das sogenannte Gemeindebe- wußtsein sie für wahlfähig erkennen soll, was für eine Stellung zu ihren Gemeinden sie einnehmen und was für Resultate die Shnodalberathungen ergeben werden; man kann jetzt schon lebendig sich vorstellen, was für einen Jnhalt die kirchlichen Formen haben und in wessen Dienste die Predigten und geistlichen Amts- handlungen stehen werden, nachdem die, welche vordem die Engel der Gemeinde hießen, nun deren Beamte geworden sind (vgl. Kap. 2, 4Anm.) Vernichtet frei- lich und verbrannt wird die heilige Schrift nicht; wohl aber haben, die auf Erden wohnen und im ab- soluten Diesseits daheim sind, sich nunmehr einen Zu- stand der Dinge geschaffen, wo sie dem Worte Gottes ganz furchtlos ins Angesicht schauen können, wie man einem erschlagenen Feinde ins Angesicht schaut: das große Auge, von dem zu 1. Kön. 17,»18 die Rede war, blickt ihnen nicht mehr daraus entgegen; ihre Kanzel- redner beweisen es ihnen haarscharf mit Hilfe der Na- turwissenschaft und der Kritik, daß die ganze Bibel apokryph und nur noch als ein Document zu brauchen sei, was man sonst für Religionsansichten gehabt habe. Jetzo, solange das Wort von Christo und von der Be- kehrung zu ihm in Buße, Glaube und treuer Nachfolge nur noch irgend welche Geltung im öffentlichen Leben hat, ist es denen, die nun einmal nur auf Erden ihre Heimath haben, eine Qual; es ist ihnen, wie der Apostel sagt, ein Geruch des Todes zum Tode, ihnen so sehr zuwider, wie dem leiblichen Sinne Todes- und Verwesungsdunst Jhrer Vernunft ist’s Thorheit, ihrem Fleisch eine lästige Zwangsjacke; aber trotzdem fühlen sie fiel) durch’s Licht, obgleich sie es Finsterniß schelten, innerlich beunruhigt, gestraft und gerichtet. So lange der Mensch noch durch irgend eine Faser seines Wesens mit der unsichtbaren Welt zusammenhängt, hat das Zeugniß der Wahrheit, auch wenn es nur im sonntäg- lichen Kirchengeläuh durch Vorübergehen andächtiger Kirchengänger oder durch nothgedrungene Theilnahme an einer Tauf- oder Trauhandlung an ihn herandringt, noch einen Stachel für fein Gewissen, daß er nicht so ungestört, so ohne jeden Zweifel und ohne alles un- heimliche Gefühl, wie er gern möchte, aus dem Wege der Gottentfremdung und des Fleisches dahin wandeln kann. ,,Lasset uns zerreißen ihre Bande und von uns werfen ihre Seile!« (Ps.2,3) das ist daher das Ge- schrei, das in Büchern und Zeitungen, auf Redner- bühnen und durch Zukunftsprojecte überall sich Luft macht; und schließlich wird man auch erreichen, was man will. »Die beunruhigende Zeugenstimme des Ge- wissens, oft zu so ungelegener Zeit wachgerufen, wird verstummen; das hofsärtige Fleisch wird durch kein Wort von Sünde und Buße mehr gestört werden, Christi Kreuz und Krone wird dem selbstklugen Geschlecht kein Dorn im Auge mehr sein; es wird den"Leuten glücken, auch die letzten Fäden einer höheren Gebundenheit zu zerreißen und im Denken und Leben, wie sie sich wün- schen, ihre eigenen Herren zu werden. Kein Wunder, daß der Jubel dann unermeßlich sein wird, daß zur Feier dieser Befreiung überall Feste werden gehalten werden; da wird man bekränzen und illuminirem Reden halten und musiciren, Festessen veranstalten und toastirenx da wird man große Dinge hören, wie nun endlich der Sieg der Freiheit und des Lichts über Finsterniß und Geistesknechtung errungen, wie nun der Menschheit eine neue Aera des Heils eingebrochen sei, ein Zeitalter geläuterter und allgemeiner Humanitäh allumschlingendeh durch keine Glaubenssatzung mehr gestörter Liebe und Eintracht, unbeschränkten, durch keinen finstern Zelotismus mehr bekämpften Lebensge- nusses. Da wird man sich dann auch in der Herzens- freude und zum Andenken an das große Ereigniß der Zeit Geschenke machen; da werden besonders die Vor- kämpfer der neuen Geistesfreiheit Ordenssterne und Ehrendiplome, Bürgerkronen und Dankadressen in Hülle und Fülle erhalten; da wird selbst die Schuljugend mit Prämien und Gedächtnißschriften überschüttet werden» Daß man, wie hier geschehen, sich nur auf »die Höhe unserer Zeit« zu stellen braucht, um fchon vollständig die Gestalt und das Wesen der von dem Seher der Offenbarung getöeissagten Zukunft zu überschauen und haarklein zu beschreiben, einer Zukunft, in welcher die Kirche Christi das sein wird, was weiland die Stifts- hütte zu Siloh war, nachdem die Bundeslade ein Raub der Philister geworden (Ps.132,6Anm.), ist Anzeichens genug, daß wir mit der Gegenwart uns unmittelbar vor dieser Zukunft befinden. 11. Und nach [den]» dreien Tagen nnd einem halben lwährend welcher die Leichname der zween Zeugen so unbeerdigt dagelegen und zum Gegen- stand triumphirender Freude für die Erdensöhne gedient hatten V. 9 f.] fuhr in sie [in die für immer todt geglaubten Zeugen] der Geist des Nach dreien Tagen und einem halben werden die Zeugen wieder lebendig. 83 Lebens von Gott, und sie [sich als nun wieder lebendig beweisend 2. Kön. 13, 21; Hes. 37, 10] traten iiuf ihre Füße, und eine große Furcht fiel uber die, so sie sahen ldenn man erkannte deut- lich in ihrem Wiederausleben das Werk des all- mächtigen Gottes, der sich zu ihnen bekannte Matth. 27, 54; Luk. 7, 16; Apostg 19, 17]. 12. Und sie höreten [nach besserer Lesart: ich hörete Kap. 6, 6; 9, 131 eine große slaut und· weithin erschalIeUdeJ Stimme vom Himmel zu ihnen sagen: Steiget herauf shierhey zu mirs. Und sie stiegen auf in den Himmel in einer sfiir diesen Zweck sich zu ihnen herabneigenden] Wolke [wie einst Jesus selber in einer solchen auffuhr Luk· 24, 51; Apostg.1, 9], und es sahen ste ihre Feinde [wie sie so in den Himmel ent- rückt wurden, ohne sie zurückhalten zu können Mich. 7, 10]. Die unmittelbar vorhergehende Weissagung in V. 7 ff. hatte uns an das Ende des so viel gerühmten und von den Jüngern des Zeitgeistes so hoch gehalte- nen 19. Jahrh versetzt und uns für dessen letzte Zeit allerdings einen Höhe- oder Glanzpunkt gezeigt, der aber vielmehr Schauder als Bewunderung einflößt: der antichristliche Geist, den das Thier aus dem Ab- grund mittels der außerhalb des Tempels Gottes, nur im Vorhof befindlichen Leute oder der Heiden im geist- lichen Sinne des Worts dem Jahrhundert eingehaucht, hatte es bis zur völligen lIeberwindung der im Tempel anbetenden Gemeinde und bis zur förmlichen Ertödtung ihres Zeugenthums gebracht; er herrschte nun unbe- schränkt und ungenirt in dem ganzen Bereich der Christenheit, und seine Grundsätze galten in Staat und Kirche, in Schule und Haus, die Gemeinde des HErrn dagegen lebte wie verborgen in der Wüste an ihrem Ort, und die Leichname ihrer Zeugen lagen als Schau- stück für die großen Geister des Zeitalters unbegraben auf der Gasse. Aber kaum wird das Jahrhundert mit seinen letzten Jahren zu Ende gegangen sein und damit die ,,eine Zeit und zwo Zeiten» (vgl. 12, 14) erfüllt haben, kaum wird das folgende 20. Jahrh., für welches die Propheten des Zeitgeistes noch größere Leistungen auf dem Gebiet des materiellen Lebens in Aussicht ge- stellt und eine Entwickelung des »von allen Fesseln der Orthodoxie und des Confessionalismus befreiten Genius der Menschheit« geweissagt hatten, die nahe daran sei, bis in den Himmel zu wachsen, siehe, da wird gleich das erste Jahr dieses neuen Jahrhunderts in der Mitte abgebrochen (Dan. 7, 25 Anm·) und zu der ,,halben Zeit«, zu einem blos halben Tage gemacht werden durch ein ganz unerwartetes, außerordentliche-s, die Ehre Gottes und seines Reichs auf’s Glänzendste wiederherstellendes Ereigniß. Während vorher (V. 7 —10) der Seher der Offenbarung geweissagt hat, geht nunmehr, da dies Ereigniß dargestellt werden soll, die Weissagung in Vision über: Johannes sieht es vor seinen Augen sich vollziehen, was geschehen wird, und er erzählt nun, ivas er da siehet und höret. Es ist da freilich, wie es das Wesen der Apokalyptik mit sich bringt (Dan. 7, 1 u. 3 Anm.), die Enthüllung der Zu- kunft auf der andern Seite auch eine großartige Ver- hüllung; wir sehen wohl, daß Gott ein Werk thut, womit er der Herrschaft des antichristlichen Zeitgeistes von einer Seite her, da man’s am allerwenigsten er- wartet hat, ein schnelles Ende bereitet und Christi Re- giment in der ihrem HErrn entrisfenen Christenheit auf einige Zeit mächtiger als je zuvor wieder aufrichtet, aber die Rede davon ist so dunkel gefaßt, so schwierig gestellt, daß hier schon gilt, was in Kap. 13, 18 gesagt wird: ,,hier ist Weisheit, wer Verstand hat, der über- lege-« Wir haben das Resultat unsrer Ueberlegung schon zu Matth. 24, 33 u. 36 ausgesprochen und aus der heil. Schrift begründet: gerade jene viertehalb pro- phetischen Tage, von denen vorhin die Rede war, wer- den, so meinen wir, diejenige Zeit sein, wo Gott sich wieder seinem alten Vundesvolke zuwendet und die Gnadenthat vollbringt, die in Jes. 63, 7 -— 64, 12 ge- weissagt ist, so daß sich von Neuem, aber nun freilich im umgekehrten Sinne, Christi Wort (Luk. 19, 40) be- währt: ,,wo diese (die bisherigen Christen) schweigen, werden die Steine (die bis jetzt so verhärteten Juden) schreien.« Nachdem in der bisherigen Christenheit aller Einfluß der zeugenden Gemeinde durch die antichrist- lichen Grundsätze und Bestrebungen zu nichte gemacht, Christus mit seinem Evangelio aus dem öffentlichen, socialen und politischen Leben ausgerottet und nichts mehr ist in der großen Stadt, die da heißt geistlich die Sodoma und Egypten, so weist ja der Ausdruck in V. s: ,,da auch unser HErr gekreuziget ist«, deutlich genug darauf hin, daß eine ganz gleiche Wendung des Reiches Gottes nun eintreten müsse, wie damals, als das eigentliche Jerusalem den Heiland verworfen und an das Kreuz gebracht hatte. Damals wurde das Reich Gottes von Jsrael genommen und den Heiden ge- geben: jetzt haben geistlicher Weise diejenigen Völker, die aus dem Oelbaum, der von Natur wild war, aus- gehauen und wider die»Natur in den Oelbaum gepfropst worden, dasselbe gethan, sie haben Christum hinausge- führt vor das Lager und dort als einen Uebelthäter abgethan, wenn auch freilich in einer andern Form; da kann denn die Folge auch keine andere sein als die, daß umgekehrt das Reich Gottes, das sie von sich gestoßen, den Juden zurückgegeben wird. Das wird freilich den Meisten als etwas Ungeheuerliches erscheinen, daß wir in so nahe bevorstehender Zeit ein solches Ereig- niß, die Bekehrung Jsraels, schon erwarten sollten; dazu sind ja noch so gar keine Anzeichen vorhanden, im Gegentheil, wer die Gesinnungs- und Handlungs- weise dieses Volks gerade in unsern Tagen beobachtet, wird sich viel eher zu Luthers Ansicht gedrängt fühlen, wie sie zu Jes. 57, 21 mitgetheilt worden, als die Möglichkeit dessen, was wir so eben ausgesprochen haben, zugeben. Jndessen ist ja das ,,ganze Jsrael«, von dessen einstiger Bekehrung Paulus in Röm. 11, 26 redet, überhaupt nicht von der ganzen großen und unterschiedslosen Masse zu verstehen, sondern nur von der aus der Gesammtzahl der Stämme entnommenen und den Gesammtumfang des Volks repräsentirenden Wahl der Gnaden, wie sie in Kap. 7, 4fs. unsers Buches auf 12 X 12,000= 144,000 Seelen beschränkt worden ist; außerdem aber ist es eine ganz leere Vor- aussetzung, wenn man meint, Jsraeks Bekehrung werde die endliche Frucht einer langsamen, allmäligen und stetigen Entwickelung sein, sie ist vielmehr das Werk der an die Stelle des göttlichen Zornes auf ein- mal und plötzlich, wenn die genau bemessene Zeit des Zornes zu Ende und die Stunde des Erbarmeiis ge- kominen ist, mit ihrer ganzen Wundermacht tretenden Gnade (vgl. Kap.12, 7—12), und da wird’s auch mit dieser Wiedergeburt zugehen, wie mit jeder andern (Joh. Z, 8): »der Wind bläset, wo er will, und du hörest sein Sausen wohl; aber du weißt nicht, von wannen er kommt und wohin er fährt« (Näheres sslc 84 Offenh Johannis 11, 13. 14. darüber s. in der Auslegung des Hohenlieds nach der neuen Bearbeitung in der L. Aufl.) Für den schrift- kundigen Leser kann es kaum ein Zweifel sein, daß die Worte des vorliegenden Textes: ,,es fuhr in sie der Geist des Lebens von Gott, und sie traten auf ihre Füße«, nicht blos auf das Gesicht in Hefek. 37, 7-——10 anspielen, sondern vielmehr die Erfüllung des- selben uns vor die Augen malen. Nur das eine Be- denken könnte da noch geltend gemacht werden, daß ja von denselben zween Zeugen die Rede sei, von welchen seit V. 3 gehandelt worden, nnd haben wir nun vorhin diese zween Zeugen von dem Zeugenthum der aus den Heiden gesammelten christlichen Kirche verstanden, wie kommen wir dazu, jetzt ein quidproquo zu machen und an die Stelle der zeugenden Gemeinde Christi, die von dem antichristlichen Zeitgeist mittels des zur All- gewalt erhobenen Staates überwunden und getödtet daliegt auf der Gasse der großen Stadt, auf einmal das weite Feld, das voller Beine liegt, die verdorreten Beine des ganzen Hauses Israel zu sehen? Das Be- denken hebt sich aber sofort, wenn man nur erst die Anschauungsweise der Offenbarung, wie sie in Kav 12 uns vorliegt, in sich aufgenommen hat: dort ist das Weib, das mit der Sonne bekleidet ist und den Mond zu ihren Füßen hat und eine Krone von zwölf Ster- nen auf ihrem Haupte, das Volk Gottes in seinem alt- und neutestamentlichen Berufe; Jsrael hat diesen Beruf durch seine Verwerfung Christi verfcherzt und so eine Stellvertretung durch die aus den Heiden gesam- melte Gemeinde herbeigeführt, aber so wenig ist diese Gemeinde nun selber und ohne Jsrael jenes Son- nenweib, als sie damit, daß sie dem Oelbaum einge- pfropst und der Wurzel und des Saftes im Oelbaum theilhaftig gemacht ist, zum Oelbaum selber geworden (Röm. 11, 17 ss.). Das Zeugenthum der christlichen Kirche ist hiernach nur eine Ausrichtung des Zeugen- berufs Jsraels, daher es auch oben ganz in israeli- tischem Kleide austrat und in israelitischer Form sich bethätigtex denn Jsraels Zeugenberuf ist mit Jsraels Verwerfung nicht untergegangem sondern von der Kirche aufgenommen und weitergeführt worden. Jndem also jetzt, am Schluß des 19. Jahrh., der Mund der Kirche zum Schweigen gebracht und das Zeugenthum der christlichen Gemeinde und des geistlichen Amts ertödtet ist, ist sozusagen Jsraels Tod ein vollständiger gewor- den und damit die Zeit seiner Wiedererweckung gekom- men. Es ist nun zunächst Jsrael selber, in dessen Todtengebeine der Geist des Lebens von Gott fährt, aus diesem Volke zunächst heraus werden die zween Zeugen wieder lebendig und treten aus ihre Füße; aber auch die Kirche, die christliche Gemeinde, eht dabei nicht leer aus, daß sie in ihrem Tode verbliebe, viel- mehr erfüllt sich zugleich, was Paulus in Röm. 11, 15 schreibt. Wie nämlich im 1. Jahrh der christlichen Zeitrechnung Jsraels Verwerfung der Welt Vers oh- nung gewesen, so wird die Wiederannahme der Juden am Ausgange des 19. Jahrh. für die bisherige Christen- heit das Leben aus den Todten (vgl. zu Matth 25, 4), wovon dann V. 13 näher handelt. Ehe wir jedoch zur Betrachtung dieses Verses übergehen, giebt zuvor V. 12 noch ein anderweites Nierkmah daß die vorliegende Stelle wirklich von Jsraels Bekehrung und Wiederannahme handelt, in der Stimme vom Himmel: ,,steiget herauf« und in dem thatsächlichen Aufsteigen derer, an welche die Stimme sich richtet. Unverkenn- bar geht dieses Wort zurück auf das, was dort Joseph zu seinen Brüdern sagt (1. Mos. 45, 4): ,,tretet doch her zu mir«, und wurde in der Blum. zu jener Stelle auf die Erkennungsscene zwischen dein verherrlichten Gottmenscheip der auf dem Thron seines Vaters sitzt, und dem Volke, das ihn verrathen und an die Heiden verkauft hat, mit dem er aber jetzt sich verlobet in Ewigkeit (Hos. 2, 19f.), als das Nachbild zu jener Er- kennungsscene zwifchen Joseph und seinen Brüdern be- reits hingewiesen. Jsrael steigt bei seiner Wiederannahme allerdings nicht leiblich, wohl aber im geistlichen Sinne des Worts, in einer Wolke in den Himmel, es tritt in ein so unmittelbares Verhältnis; zu dem Heilande, wie es der christlichen Gemeinde nicht zu Theil ge- worden (Kap.14, D, wird gleichsam hinweggenommen von der Erde, indem es aus allen Ländern, dahin es bisher zerstreuet—gewesen, herausgerückt und nach dem heil. Lande verpflanzt wird, wo es kiinftig von der Trübsal unter der Herrschaft des Antichrist nichts wird zu leiden haben (Kap.12,14), und wird dort in einem noch viel umsassenderen und tieferen Sinne zu einem leuchtenden Sternenhimmel erhoben, als es vormals ein solcher gewesen (Kap. S, 13). Eine große Furcht ist schon gefallen über die, so sie sahen (vgl. das theorein in Joh. S, 62), als der Geist des Lebens von Gott in sie fuhr und sie aus ihre Füße traten: das, daß gerade Jsrael es sein würde, welches dem historischen Christus seine Ehre in der Welt wiedergeben würde, welche die eigene Christenheit ihm abgenommen, hatte man am allerwenigsten erwartet; das, daß gerade zu einer Zeit, wo man für ganz gewiß annahm, nun wäre aller Unterschied zwischen Judenthum und Christenthum verwifcht und aller Gegensatz; in die Einheit des Hu- mauismus und der Civilisation aufgehoben, sich Jsrael emancipirt von der Freiheit, Gleichheit und Brüderlich- keit des so hoch gebildeten Jahrhunderts und seinem wahrhaftigen Bruder Christo zuwendet, ist ein Wunder vor den Augen Aller, bis man von dem ersten Schrecken sich in etwas erholt haben wird und nun für die Schlange, die nach dem Weibe ein. Wasser wie einen Strom schießt, sie zu ersäufen, den Mund abgiebt (Kap· 12, 15 f.; 16, 13 f.). Jndem nun aber die Erde dem Weibe hilft und ihren Mund aufthut, den Strom zu verschlingen, da haben ihre, der Juden Feinde, die in der Zeit ihrer Verwerfung und Verstockung sie ehedem zertreten und geknechtet, nachmals dagegen von der Er- kenntniß des Heils sie abgehalten nnd den Schönsten ihres Geschlechts verworfen und abgesetzt haben, um schließlich bei ihrer Heimkehr der mit seinen Wagen und Reitern nachsetzende Pharao für sie zu werden, nichts als das Nachsehen; sie können nichts mehr dawider reden, daß das, was Jsrael vertrauet war, Gottes Wort und Zeugniß, und zwar bis auf jeden einzelnen Buchstaben, volle untrügliche Wahrheit sei, und können ferner nichts dawider thun, daß das Weib an ihrem Ort, dahin sie wie aus Flügeln eines großen Adlers als in die Wüste geflogen, ernähret wird (Kap. 12, 14). Jn der Wiedervereinigung der beiden so lange getrennten Theile des Volks, des Hauses Jsrael und des Hauses Juda zu Einem Königreich unter dem Scepter des Sohnes Davids sind die Hundertundvier- undvierzigtausend (Kap. 7, 4; 14, 1) nunmehr wieder die zween Zeugen des HErrn, die zween Oelbäume und zween Leuchter, stehend vor dem Gott der Erde, wie vor der Berufung der Heiden zum Reiche Gottes ihnen solche Ehrenstellung in der Welt verliehen war, wobei denn jedenfalls zwei Gottesmänner unter ihnen noch besonders sich hervorthun und an die Spitze des Ganzen treten werden als die Nachbilder Josua’s und Serubabeps (Neh. 12, 1) bei der Rückkehr aus der babhlonischen Gefangenschaft und dem Bau des zweiten Tempels. Wir werden zu Kap.14,1 ff. sehen, daß es nun wieder einen Tempel zu bauen und einen Das große Erdbebeir Die Andern, die wieder Ehre geben dem Gott des Himmels. 85 Gottesdienst einzurichten giebt, und werden da Hefekiehs Gesicht -in Kap. 40——48 in Betracht ziehen müssen. Wenn aber von diesem Hesekielschen Tempel (47, 1ff.) ein Wasser herausgehet, das gegen Morgen läuft, an dessen Ufer zu beiden Seiten sehr viele Bäume stehen und dessen Ströme die Wasser des todten Meeres ge- sund machen, so merken wir hier wieder etwas von dem Leben aus den Todten, das durch Jsraels Wieder- annahme der christlichen Kirche» hier in unserm Abend- laiide, deren Bild wir in den V. 8 ff. beschriebenen Leichnamen erkannt haben, zu Theil werden soll; was aber zuvor in dem Abendlande selbst geschehen, um eine solche Wiederbelebung zu ermöglichen, das deutet der weiter folgende Vers an. 13. Und zu derselben Stunde [da die Gottesverherrlichung an den zween Zeugen sich ereignete V. 11 f.] ward [damit der Eindruck der- selben durch ein augenfälliges Gottesgericht an dem Gefchlecht jener Zeit noch verstärkt und wirk- samer gemacht würde] ein groß Erdbeben, und das zehnte Theil der Stadt svon der in V. 8 die Rede war] fiel sward verschüttet] nnd wurden ertödtet m der Erdbebung siebentausend Namen [Kap. 3, 4] der Menschen [vgl. das Gesicht in Sach. 5, 1—4 und die Anm. zu Spr. 29, 16]; Und die Andern lwelche von dem Untergange ver- schont blieben] erschraken, nnd gaben Ehre dem Gott des Himmels [von dem materiellen Geiste der Zeit und dem Betrug seiner vornehmsten Wortführey darin sie bisher gefangen gewesen, sich nun wieder dem wahren Gott und dem Evan- gelio von Jesu Christo zuwendends Jn einer gewaltigen Erschütterung, die durch den ganzen Länderbezirk der abendläridischen Christenheit gehen wird, so hören wir hier, findet der zehnte Theil desselben seinen Untergang; es ist das gleichsam ein Rachezehnh den der HErr sich von dem ihm zuge- hörigen, aber gewaltsam ihm entrissenen Lande nimmt. Jn Folge dieses Untergangs des zehnten Theils aber, bei welchem noch neun Theile übrig bleiben, ist jenes Gebiet aus der Zahl Zehn, der es verfallen war und die an das Thiermitden 10 Hörnern in Kap.»13, 1 ff. erinnert, wieder in die Zahl Neun himibergeriickt und von Neuem in die Potenz der Dreizahl gestellt, uni wieder eine Stätte des Reiches Gottes zu werden, so daß in V. 15 der Lobgesang erschallen kann: ,,nun sind die Reiche der Welt unsers HErrn und seines Christus geworden« Besonders sind es 7000 Namen der Nienschem die dem Gerichte Gottes zum Opfer fallen: es sind die Priester und Propheten des aiiti- christlichen Zeitgeistes, die als solche einen Namen hatten und wegen ihrer Menge mit der Zahl der Fülle, mit ,,tausend« bezeichnet sind, während die ,,sieben« sie als der heideiichristlichen Kirche gehörig (Kap. I, 2()) bezeichnet; es siiid die modernen Baals- Pfaffen, die, wenn der HErr mit Feuer voin Himmel antworten wird, auf einmal mit einander ein Ende nehmen werden, wie ihre Vorläufer zu Elias Zeit (1. sehn. 18), ihre Namen aber, die so hoch gefeiert worden, werden dann für immer unter dem Schutt der Vergessenheit begraben. Die verschont gebliebene Volks- inasse der großen Stadt, die jetzt so sehr von jenen Namen beherrscht wird, daß sie ihnen als Heilsbringern der Zukunft zujauchzh sie zu ihreii Vertretern erwählen zu köiinen für ihr größtes Glück hält und aus ihren Händen alles als Wohlthat hinnimmt, auch was sich als offenbares Gift für das zeitliche und ewige Wohl zu erkennen giebt, wird, wenn nun die Erdbebung er- folgt und der zehnte Theil der Stadt zusammenstürzh mit einem heilsamen Schrecken erfüllt werden, daß sie, nun nicht mehr geblendet und verwirrt voii gottlosen Wortsührern und zugleich gewitzigt durch die bitteren Früchte, die sie auf dem von denselben bestellten Acker des socialen, politischen und religiösen Lebens geerntet hat, über ihre schwere Verirrung Buße thut und dem »Gott des Himmels« wieder die Ehre giebt. Einen Gott des Himmels erkannte sie vorhin nicht mehr an, ivie überhaupt keinen Himmel, kein Jenseits; für sie bestand nur, was sich mit Händen greifen läßt, die Erde und der irdische Genuß; als »Gott der Erde«, für den man zur Zeit der zween Zeugen noch den Gott vom Himmel hatte gelten lassen (V. 4), galt ihr nur der Mensch und in höherer Steigerung das Genie, jeder sogen. große Geist, aber eben diese Genie’s haben ihr mit ihrer Weisheit und ihren Einrichtungen die Erdbebung auf den Hals geladen. Es gehörtnicht ge- rade eine allzu große Tiefe der Einsicht dazu, um aus dem Zündstoff, der zu dieser unsrer Zeit sich aiigesam- melt, aus den Verhältnissen, die man gestaltet, aus dem ganzen Zuschnith den man dem öffentlichen Leben giebt, auf die unausbleiblichen Folgen zu schließen, deren ent- setzlicher und die Welt durch und durch erschütternder Ausdruck) nur wenige Jahrzehnte noch wird auf sich warten lassen; auch eine ungeheure materielle Noth wird sich einstellen, in welcher dann nach des Paulus Andeutung in Z. Cor. 8, 14 das bekehrte Jsrael ebenso helfend eintreten wird, wie es nach Röm 11, 15 der zu Grunde gegangenen heidenchristlicheii Kirche das Leben von den Todten vermittelt. V l. Matth 24, 33 Anm. 14. Das andere Wehe svon den dreien, die in Kap. 8, 13 für die fünfte, fechste und siebente Posaune angekündigt wurden] ist [nach- dem die Geschichte der sechsten Posaune in 9, 13 - —11, 13 ebenso wie die der fünften in 9, 1———12 mit einem ausgestalteten Antichristenthum und demgemäß auch mit einem Gericht des theiliveisen Unterganges der Christenheit geendigt hat] dahin; siehe, das [noch riickständiges dritte Wehe luiit der Ankündigung in Käse. 12, 12 beginnend und mit der Verwirklichung in Kap. 15——19 schließend] kommt schnell. Diese Stellung des andern Wehe, ivodurch einer- seits das Ereigniß iii V. 13 als Schluß der in Kap. 9, 13 beginnenden sechsten Posaune bezeichnet, andrer- seits das innerhalb der so abgesteckten beiden Grenz- punkte Geweisfagte von dem folgenden Abschnitt aus- drücklich gesondert wird, spricht dafür, daß einestheils der Anfang der in V. 2 u. 3 gegebenen Zeitbestim- mung in dem Ereigniß Kap. I, 13 ff. und der Schluß in dem Ereigniß V.13 zu suchen ist, und daß andern- theils wir bei dem, aus dem Abgrund aufsteigenden Thier in V. 7 noch nicht an den persönlichen Antichrist, wie er in Kap.13 zur Erscheiiiung kommt, zu denken haben, sondern nur erst an den antichrist- lichen Zeitgeift, den Vorläufer desselben. Wenn es im 4. V. des Liedes von Fr. Ph. Hillerx Die Gnade sei mit allen — heißt: ,,Die Gnade, die den Alten half zwei Weh überstehn, wird die ja auch er- halten, die in dem dritten gehn«, so liegt die irr- thümliche Vorstellung zu Grunde, daß bereits zwei 86 Ofienb. Johannis 11, 15-—19. Wehe hinter uns lägen und wir nun vor dem dritten stünden; vielmehr soll es zu dieser unsrer Zeit erst zur Ueberstehuug des zweiten Wehe kommen. Vgl. zu Kap. 16, 21. Das 12. Kapitel. Yie siebente Institute. Yes vierte Gesicht vom Htreit Zliichaels wider den Drachen. IV. v. 15—19. Jetzt kein« die siebente posaxmez wie aber nach Grösfnung des siebenten Siegels Man. Z, 1 ff. eine Stille im Himmel ward bei einer halben Stunde und Gebete dargebracht wurden, ehe es zum tlilasen der Posaunen und damit zur weiteren Entwickelung kam, so erfolgt auch hier nach Grschallen der lehteu Posaune nicht sogleich die Vollendung des Geheimnisses Gottes, die man nun erwarten kdnnte (10, 7), sondern erst wird diese Vollendung, als wäre sie bereits vorhanden, von den Engeln und Auserwählten im Himmel gefeiert, und Gott der tJGrr bestätigt das, was hiermit als gewiß und unzweifelhaft ungebändigt wird, auth von feiner Seite. Satan, die Zukunft vorausnehmeude Feier ist aber ge- rade hier an rechter Stelle, wo das vorangehende Gesilht (v.1—14) skhou tief hineingegrissen in diese Zukunft und einen so herrlichen Sieg Christi über den antimrin lieheu Geist nnd ein so großes Ulunderwerk seiner alles vermögenden Gnade vorgesnhrt hat, daß der Sieg über den im Anzug begrisfeuen Jlnticlsrisi selber und die Auf— rikhtung des laeicljs der herrlichkeit nur noch eine Frage der Zeit sein kann. 15. Und der siebente Engel svon denen, die ich in Kap. 8, 2 gesehen und deren sechs erste in 8, 7——9, 21 nun schon ihre Posaunen hatten erschallen lassen] pofauneie ljetzt ebenfalls] Und es wurden lbeim Erschallen dieser siebenten Po: Tanne] große Stimmen im Himmel svon Seiten der Heerschaaren daselbst laut], die sprachen: Es sind [nunmehr, wie längst zuvor verkündigt worden Obadja 21; Sach. 14, 9; Dan. L, 44z 7, 13 f.; Jes. 52, 7] die Reiche der Welt lnach besserer Lesart: es ist das Reich der Welt] unsers HErrn [d. i. Gottes] und seines Christus [Apstg. 4, 26; Pf. 2, 2] worden, und er [Gott in der Gemeiuschast mit seinem Gesalbten Pf. 2, Z] wird [fortan, ohne von dem Satan und den feindlichen Mächten in der Menschenwelt weiter beeinträchtigt werden zu können] regieren von Ewigkeit zu Ewigkeit [2. Mos 15, 18]. 16. Und die vierundzwanig Aeltesten, die vor Gott auf ihren Stüh en saßen [Kap. 4, 4], fielen sgleichwie die Engel in Kap. 7, 11] auf ihr Angesicht und beteten Gott an [Kap. 4, 10], 17. Und sprachen: Wir danken dir, HErh allmachtiger Gott, der du bist und warest und künftig bist lKap. 1, s; 4, 8], daß dn [uach- dem du in den Zeiten des Weltlanfs daher in unbegreislicher Langmuth deiner göttlichen Allgewalt solange dich entäußert, ohne gegen den Ueber- muth deiner Feinde davon Gebrauch zu machen, den nunmehr] hast angenommen deine große Kraft [um dein Regiment endlich durchzusehen und zu alleiniger Geltung zu bringen], nnd herrschests sjetzt auch wirklich als alleiniger König im Him- mel und auf Erden] 18. Und die Heiden [indem sie den Reich- thum deiner Güte, Geduld nnd Langmüthigkeit verachteten und, statt sich dadurch zur Buße leiten zu lassen, vielmehr immer tiefer in Satans Netze sich verstricken ließen Kap. 12, 121 sind zornig wordensf [Kap. is, 10; 17, 13 ff.;« 20, 8 f.], und es ist demgemäß] kommen dein Zorn [Kap. m, 1—1»9, 21; 20, 9] und die Zeit der Todten, [sie] Zu richten [Kap. 20, 11 ff] und zu geben ohn deinen Rechten, den Propheten und den Heiligen und denen, die deinen Namen fürchten, den Kleinen und den Großen« [Kap. 21, 1 —- 22, 5], und zu verderben, die die Erde ver- derbet habensk [Kap. 19, 2; 1.Mos. 6,11——13]. 19. Und der Tempel Gottes saus welchem hernach die Engel, welche die sieben Plagen hatten, hervorgehen sollten Kap. 15, 5 ff.] ward snach jenem Lobgesang der himmlischen Heerschaaren V. 15 und diesem Dankgebet der Aeltesten V. 16 ff] aufgethan tm Himmel [zum Zecchen, daß Gott auch wirklich das unter der siebenten Po- saune hinausfahren werde, was ihm zu Ehren so eben als schon verwirklicht gepriesen wurde], und die Arche seines Testameuts [d. i. die Lade seines Bandes, die im Allerheiligsten stund] ward m seinem Tempel gesehen; und es geschahen Blitze und Stimmen und Donner [wie in Kap. 4, 5], und Erdbeben [wie in Kap. 8, 5], nnd ein grosser Hagel-H [wie später in Kap. 16, 18 ff.]. s) Die lobpreisende Anrede, in welcher früher die Bürgschaft für den herrlichen Ausgang der Wege Gottes angezeigt war, erscheint jetzt, da jenes glorreiche Ende selbst als schon gekommen angezeigt wird, thatsiichlich bewahrheitet; es fällt aber (nach besserer Lesart, welche blos die Worte enthält: »der du bist und wares «, das »und zukünftig bist« dagegen wegläßy aus der früher so sinnvollen dreifachen Bezeichnung Gottes jetzt noth- wendiger Weise das dritte Moment aus (vgl. Kap. 16, 5), denn die, wenn auch vorausnehmende Lobpreisung gilt ja eben Dem, welcher jetzt gekommen ist und so die Vollendung seines Geheimnisses gebracht hat. (Düster- dieck.) Der HErr kann nur solange als »der da zu- kiinftig ist« bezeichnet werden, als seine Zukunft noch nicht erfolgt; jetzt aber ist sie erfolgt, und folglich wird er nur noch als Der bezeichnet, der in alle Ewigkeit ist, wie er von Ewigkeit war. Er hat seine große Kraft ange- nommen und herrschet nun: das war das Einzige, was Gott bedurfte, um sein Reich anzutretem daß er seine Macht an sich nahm (Ps.93,1); nicht hat Gott von ander- wtirts her sich Macht verfchasft und mit Hilfe derselben sein Reich angetreten, sondern er hat lediglich seine Macht an sich genommen, die er zwar hatte, aber nicht gebrauchte Ganz ähnlich wie von Christo gesagt wird, er habe sich seiner Macht und Herrlichkeit entäußerh kann das auch von Gott gesagt werden; er hat sich, ob- Die siebente Posaune: Vorfeier des endlichen Siegs über den Widerchrist. 87 gleich im Besitz aller Macht, doch im Gebrauch derselben beschränkt, daß es oft den Schein annahm, als sei er seinen Feinden gegenüber ohnmächtig geworden. (Füller.) it) Ersahrungssache ist es ja, daß der Unglaube Widerwillen bis zum fanatischen Grimm gegen Christum und seine ganze Sache im Menschenherzen erzeugt, und wenn dieser Grimm einmal zur allgemeinen Herrschaft gelangt, zu einem ,,Zorn der Nationen« geworden ist, dann ist auch gekommen des HErrn Zorn und mit ihm die rechte, von Gott bestimmte Zeit der Vergeltung. Diese Vergeltung schauen die 24 Aeltesten in ihrem ganzen Umfange voraus, nicht blos, wie sie anhebt im Gericht über den Widerchristen, sondern wie sie sich vollendet am jüngsten Tage in dem Gerichtetwerden aller Todten. (Kemmler.) IN) Die Danksagung verweilt am längsten bei den Getreuen des HErrn, die sich seines Kommens nur freuen dürfen. Sie heißen Knechte Gottes, weil sie in seinem Dienst gehorsam ausgeharret haben bis an’s Ende; Propheten, weil sie den Geist der Weis- sagung haben und darum die Zeichen der Zeit im Lichte seines Zeugnisses verstehenx Heilige, als die sich von Babel aus-gesondert und dem HErrn zu williger Nachfolge auf dem Kreuzeswege geweihet haben; Gottessürchtige, weil sie mitten in der pau- theistischen und materialistischen Entgottung der Welt am ewigen Evangelio von dem heiligen Schöpsergott festgehalten haben; Kleine und Große, Niedrige und Hohe, geringe und vornehme Leute, weil vor Gott kein Ansehen der Person gilt, und wer im Geringsien treu gewesen, in seinem Reiche über viel gesetzt wird. (Sabel.) Den Titel ,,Knechte« werden wir wohl nicht blos den Propheten allein mit Ausschluß der Andern zuerkennen dürfen; am nächsten liegt es, die Knechte aus den drei folgenden Klassen insgesammt bestehen zu lassen. Und da bekommen wir denn eine absteigende Stufenleiter: zuerst werden die ,,Propheten« genannt, die auserwähl- ten Rüstzeuge, die Gott an Andern dienen; dann die »Heiligen«, unter welchen wir die ganze Schaar der Gläubigen zu verstehen haben; und endlich die ,,Gottes- fürchtigen«, unter welchen wir nach neutestamentlichem Sprachgebrauche solche zu verstehen haben, welche in einem Proselytenverhältniß zur Gemeinde Gottes standen (Apostg.10,2; 13, 16 u. 26). Wir haben also hier nicht nur eine Zusammenfassung der Gemeinde Gottes so- wohl nach den hervorragendsteu unter ihren Gliedern (Propheten) als nach diesen Gliedern selbst (Heilige), sondern auch die sollen bei der Vertheilung des Lohnes nicht vergessen werden, welche zur Gemeinde in einem freundlichen Verhältniß standen, das Werk Gottes in ihr anerkannten und das von ihr bewahrte Wort ihre Leuchte sein ließen, wenn sie auch nicht soweit gekom- men, sich in ihre Gemeinschaft aufnehmen zu lassen. Auch ihnen giebt Gott ihren Lohn dafür,·daß sie ihren Sinn von der Welt ab- und ihm zukehrten, und soviel ihre Kraft und Erkenntniß zuließ, ernstlich bestrebt waren, seinen Willen zu thun. Die Worte: »den Klei- nen und den Großen« gehen nun natürlich nicht blos auf die Gottesfürchtigem sondern auf die Knechte ins- gesammt; auch werden wir dabei nicht an die nach Alter oder Stand Kleinen und Großen denken dürfen, son- dern es sind solche gemeint, welche als Knechte klein oder groß find, d. h. Gott viel oder wenig haben dienen können — Gott giebt allen, auch den geringsten seiner Knechte, ihren Lohn. (Füller.) Auch in Matth.10,41 u. 42 unterscheidet Christi Mund selber zwischen Pro- pheten, Gerechten und Geringen; es giebt bei der Unter- scheidung dieser drei Klassen einen Schatz von neuen Ideen, die eben so kostbar sind für die Hirten, die mit der Leitung von Seelen beauftragt sind, als fürs jeden Gläubigen (Rougemont.) f) Die Erde wird verderbt durch die große Hure und ihre Hurerei insonderheit, aber auch sonsten durch ossenbaren Grimm und Haß wider alles Gute, durch unnöthige Kriege und nachher entstandene Verwüstung und Zerrüttung, durch solche Gesetze und Anstalten, da viel Gutes gehindert, viel Uebertretung und Jammer verursacht wird, durch gemeine Aergernisse, da aller Ueppigkeit und Ungerechtigkeit Thür und Thor eröffnet wird, durch Mißbrauch der· weltlichen und geistlichen Gewalt, durch verkehrte Lehren, Maximen und An- schläge, durch Gewissenszwang und Verfolgung, durch himmelschreiende Sünden, wodurch Gott selbst gereizet wird, Landplagen, das ist Erdenplagem zu schicken. (Bengel.) Die Sünde hat die Erde durch den Fluch, den sie sich zugezogen, verderbet; nachdem die Sünde aber hinweggethan und überwunden, und die ganze Erde wieder ein Schauplatz Gottes geworden ist, müssen die von der Erde hinweg, die sie mit ihren Sünden verderbet haben. (Gräber.) ff) Das Sichtbarwerden der Bundeslade im himm- lischen Gottestempel eben beim Anbruch der siebenten Posaune bedeutet nichts Anderes, als die vollkommene Offenbarung sowohl seines gerechten Gerichts an seinen Widersachern, als seiner Gnade und ewigen Bundes- treue an allen, die durch das Blut des Bundes mit ihm in Gemeinschaft stehen. Wie dereinst dem Volke Israel, wenn es in den Kampf zog, die Lade des Bandes als Zeichen der hilfreichen Gegenwart des HErrn vorangetragen wurde, so hat das Volk Gottes auch in seinen letzten Kämpfen, wenn die siebente Po- saune schallt, seine Bundeslade, die, Gott Lob! nie in der Philister Hände fallen kann, sondern wohl aufge- hoben steht im himmlischen Heiligthum und die gleich- wohl der Glaube allezeit vor Augen hat: es ist die vollkommene Versöhnung mit Gott durch Jesum Chri- stum und der auf ihr beruhende ewige Gnadenbund Gottes, der auch durch die Stürme der letzten Zeit nicht umgestürzt wird, vielmehr mittels derselben zu seiner vollen Verwirklichung und Erscheinung gelangt. Und wie dereinst von der Bundeslade Jsraels Schrecken und Verderben über alle Unbeschnittenen und Unreinen ausging, wie das in ihr aufbewahrte Gesetz unter Donner und Blitz vom Sinai erscholl, so wird auch für das neue Heidenthum der letzten Zeit die Heilig- keit und Gerechtigkeit Gottes in den Gerichten der siebenten Posaune zum verzehrenden Feuer. Jnsonder- heit aber wird das Gericht der siebenten Zornschaale als das«furchtbarste, umsassendste und mannigsaltigste aller Gerichte Gottes sich erweisen; durch Blitze, Stim- men und Donner ist es als» Gericht gleich andern, durch Erdbebung von unten aber und großen Hagel von oben als ein Gericht völliger Vernichtung und Zerstörung bezeichnet, wie das später seine weitere Ent- hüllung findet. (Kemmler.) V« v.1—17. Uarh unsrer Auslegung zu Kap.11,11f. ist Israel, nachdem essso lange wie die zerlsroshenen Zweige gewesen, niin wieder eingepropst in seinen eige- nen Qelbauni (t-tiim.11, 17 IN: da kann denn Gottes Führung mit seinen: volle, die jeht auch in Beziehung auf die lange verstoßung als eine gar freundliche nnd fürsorgende erscheint, dem Seher in einer großartigen tlebersicht vor-geführt werden, iind das geschieht nun in dem Zeiiheu vom Himmel, das ihm hier ersiheint Ver erste Theil dieses Gesichte (v.1—6): das gevärende Weil) und der lauernde Drache, umfaßt Israelg Geschichle vom Anfang seiner Berufung zu Gottes Eigenthum-voller 88 Offenb. Johannis 12, 1—6. an bis zu seiner Vetsiobung auf die Jieit von 42 Monaten oder 1260 Jahren; der zweite Theil w. 8—12): Michael-s Kampf mit dem Drachen und dessen Jliiswerfung ano dem Himmel, geht auf die wiederannahme zu Gnaden; der dritte Theil (ilI.13—17): deo ans die Erde gewor- fenen Drachen grober Zorn, bereitet ans das Gesicht vom Jlntichrisl im närhflen Kapitel nor. Kuh. 12, V. I. Und es erschien ein groß Zeichen sein Zeichen, das offenbar etwas Großes zu bedeuten hatte, aber nicht blos ein Sinnbild vorstellen sollte, sondern ein wirkliches, geschicht- liches Lebensbilds im Himmel [von wo aus die Geschichte aus Erden bestimmt und regiert wird], ein Weib [nämlich] mit der Sonne bekleidet salso ganz von deren Lichtglanz umleuchtet und in den- selben hineingestellth Und der Mond [wie eine FUßbankJ unter ihren Füßen, nnd auf ihrem Haupt eine Krone von zwölf Sternen sdie sich in Bogenform über ihm hinzogen]. Z. Und sie war schwanger, und schrie lwie Eine, der ihre Stunde gekoinmen], nnd lvar in Kindesnöthem und hatte große Qual zur Geburt. Da das vom Weibe hernach zu gebärende Kind (V.5) ohne Zweifel Jesus, der Messias, ist, so er- giebt fich von selber, daß wir beim Weibe, das dem Seher als das erste (vgl.Kap.15,1), und zwar mit Beziehung auf das andere, als das große Zeichen im Himmel erscheint, an niemand anders zu denken haben als an die, aus welchen Christus herkommt nach dem Fleisch (Röm. 9, 5), an Jsrael, die Gemeinde des alten Bandes. Man hat zwar gemeint, vielmehr die Gottes- gemeinde überhaupt unter diesem Zeichen verstehen zu müssen, wie sie zur Zeit des alten Bandes in Israel, in der Zeit des neuen Bundes dagegen in der Christen- heit sich darstelle; allein so faßt die Schrift das Ver- hältniß Christi zu Jsrael nicht, als wäre die Kirche, ganz abgesehen davon, ob das jüdische Volk einen Platz darin hat oder nicht, sein Volk des Eigenthums, viel- mehr handelt es insonderheit hier sich ausschließlich um dasjenige Volk, aus welchem er dem Fleische nach her- kommt, auch abgesehen davon, ob es ihn angenommen hat oder nicht (Röm. 9,4f.). Jn der That wird denn auch in Mich. 4, 10 die Tochter Zion als eine in Kindesnöthen dargestellt, gleichwie an unserer Stelle das Weib; und wie könnte wohl die Gottesgemeinde in ihrer altteftamentlichen Gestalt trefsender bezeichnet werden, als durch das Bild eines Messias-schwangeren, der Geburt mit Sehnsucht auf der einen und mit großer Qual auf der anderen Seite entgegengehenden Weibes? Was der alten Väter Schaar höchster Wunsch und Sehnen war, woraus in Jsrael alles angelegt ist und hinstrebt, das ist jenes jesaianische: ,,Uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns gegeben« (Jes.9,6); selbst die Drangsalszeit der babhlonischen Gefangen- schaft, welche dem Volke sein Königsgeschlecht raubte, war nur ein Weg zum Ziele, eine Geburtswehe für den Austrag des eigentlich ihm bestimmten Königs (Micha b, 1f.). Ganz charakteristisch sind nun auch die Embleme oder sinnbildlichen Zeichen, mit denen das Weib geschmiickt ist. Sie erscheint mit der Sonne, dem Symbol der göttlichen Heilsoffenbarung (Ps. 19), bekleidet; sie ist ganz in das Licht dieser Offenbarung hineingestellt und vom Strahlenglanz desselben umflossen, wobei wir vor allem an das prophetische Wort (2. Petri I, 19) zu denken haben, das alle Geheimnisse des göttlichen Rathschlusses mit der Welt Jahrhunderte vor der Erfüllung schon aufgedeckt und erschlofsen hat (Amos 3, 7). Das Gesetz dagegen, das durch Mosen ge- geben, ist der Mond, auf dem sie mit ihren Füßen steht: geistlich seinem Ursprunge nach (Röm. 7, 14), also ein Licht vom Lichte wie der Mond, obwohl als eine bloße Abschattung der zukünftigen Güter (Col.2,17) und als bloßer Zuchtmeister auf Christum (Gal.3, 24), für sich selber unvermögend, lebendig zu machen oder mehr als eine äußerliche Gerechtigkeit zu wirken, diente es gleichwohl dem Weibe für die Zeit des alten Testa- ments zu einer Estrade, zu einem Austritt, um Jsrael weit über alle Völker emporzuheben (5. Mof 4, 7 f.). Hernach freilich, wenn die Gottesgemeinde erst im vollen Sonnenglanz der göttlichen Offenbarung stehen (Hebr. I, 1f.) und ihr die Kindschaft verliehen fein würde, daß sie nicht mehr unter dem Zuchtmeifter stehen dürfe (Gal. 4, 4 ff.), sollte das Gesetz zum überwundeneii Standpunkt fiir sie werden; aber doch sollte sie diesen Mond für den Zweck noch unter ihren Füßen behalten, um von einem soliden Fundamente aus (Matth. 5, 17 ff.) ihr Haupt dahin zu erheben, von wannen die herrliche Freiheit der Kinder Gottes kommt (Röm. 8, 14 ff.). Die Sterne stellen sinnbildlich alle einzelnen Glieder des alttestamentlichen Gottesvolks dar, wie das schon aus Josephs Traumbild (1. Mos. 37, 9f.) sich ergiebt; denn der Bedeutung des siebenarmigen Leuchters im Tempel gemäß (2.Mos.25,40 Anm.) sind die Glieder dieses Volks berufen, als ein Licht zu leuchten in der Finsternis welche rings das Erdreich decket. Weil nun aber Jsraels Gesammtheit -nach Gottes heilsgeschicht- licher Führung sich in 12 Stämme auseinanderlegt, so erscheint hier ilber dem Haupte des Weibes ein Diadem von eben soviel Sternen; jeder einzelne Stern hat da im großen Ganzen der flimmernden Krone wieder feine bestimmte, ihm von Gott zugewiesene Stellung, wie der Geist der Weisfagung in 1. Mos 49 und 5. Mof 33 sie näher gekennzeich1iet»hat. . 3. Und es erschien ein ander [dem in V. 1 geradezu entgegengesetztes] Zeichen im Himmel, und siehe, ein großer rother Drache sein schlangenartig gebantes Ungethüm mit langgestrecktem, gewun- denem Leib Jes. 13, 22 Anm., den Teufel oder Satanas als eine listige und gewaltige, nach Blut und Verderben dürstende Macht verfinnbik dend V. 9], der hatte lals das Urbild des Thie- res, von dem in Kap. 13, 1 ff. und 17, 3 die Rede sein wird, vorerst aber noch im Allgemeinen als den Gott dieser Welt, dem alle Machtmittel derselben zu Gebote stehen, sich darstellend] sieben Häupter und zehn Hörner, nnd anf seinen Hättst- ten sieben Kronen. 4. Und sein Schwanz zog [raffte hinter ihm weg] den dritten Theil der Sterne sim Grund- text steht noch dabei: des Himmelsh lind warf sie auf die Erde [daß sie da seinen Absichten Vorarbeiten und ihm helfen sollten, Gottes Werk zu hintertreibens Und der Drache sso seiner· Sache. schon gewiß] trat vor das Weib, die ge- bciren sollte,· anf·daß, wenn sie geboren hätte, er salsbaldj ihr Kind fräße Wer unter dem großen rothen D rach en gemeint sei, wird hernach in V. 9 ausdrücklich gesagt. Der SchlangeikName charakterisirt den Teufel von Seiten jener List und Schlauheit, i11 welcher er sich schon unsern ersten Eltern gegenüber als Meister gezeigt hat und niit ivelcher er noch allezeit sein verdecktes Spiel zu treiben weiß; hier aber tritt er als Drache auf, weil er «große illtacht« zu seiner grausamen Rüstung macht, nnd da weist die rothe Farbe auf die Fenergluth seines Grim- mes hin, mit ioelcher er verheerend alle Pflanzungeii Gottes niederzutreten und alles Leben aus Gott gleich im ersten Keim zu ersticken versucht. Daß Er es ist, der hernach (Kap.13,1) das Thier aus dem Meer läßt aufsteigen, giebt sich jetzt schon kund, indem auch er, wie jenes Thier, sieben Häupter und zehnHörner hat; während aber das Thier alle seine Macht und Ge- walt erst von ihm empfängt, trägt er diese Macht und Gewalt ursprünglich in ihm selbst, sie ist der Ueberblieb seiner anerschaffenen Größe und Herrlichkeit auch nach seiner Empörung wider Gott. Bei ihm selber stehen die sieben Häupter und zehn Hörner in einem Gegen- bild zu dem Lamme in Kap 5, G» das 7 Hörner und 7 Augen hat; von diesen 7 Augen des Lammes heißt es, sie seien »die sieben Geister Gottes, gesandt in alle Lande«, der Drache dagegen entfaltet seine Wirkungs- macht auf Erden in 7 Häuptern mit 7 Kronen, d. i. in 7 Fürstenhäuserm die er zu seinen Diensten ver- wendet, und wenn nun das Lamm sieben Hörner hat, um allen feindlichen Widerstand niederzustoßem so will der Drache das Lamm in solcher Niacht noch überbieten, will ihm die Herrschaft über die Welt streitig machen und sich als den Fürsten über alle Lande durch größe- ren Einfluß behaupten, darum erscheint er mit 10 Hör- new. Was aber hat es zu bedeuten, wenn der Drache den dritten Theil der Sterne am Schweife mit sich fortzieht und wirft sie auf die Erde? Aus Dan. S, 10 merken wir sogleich, daß dies auf eine Schädigung Jsraels, des heil. Volkes Gottes anspielt; in diesem Volke selber bestellt er sich seine Helfershelfer und Werk- zeuge zu dem, was er mit dem Sohne, den das Weib gebären soll, vorhat. Es waren ja hernach, als Jesus erschien, auch in der That Glieder oder doch Mitgenos- sen des Volkes Gottes diejenigen, die ihn bald nach sei- ner Geburt umzubringen suchten, die ihn später den Heiden iiberantivorteten zum Tode und die nachmals seine Gemeinde zu verstören suchten (Apostg. 6, 9—8, Z; 12, 1 sf.): Herodes und seine Nachfolger, der Hoherath, und aus dem Volke der Verräther sammt denen, die das ,,Kreuzigel« riefen, desgleichen Saulus und seine Helfershelser, sowie die große Ellienga der Agrippa l. ein Schauspiel bereiten wollte. Jn allen drei Stän- den, in dem weltlichen und geistlichen Regiment einerseits, sowie in dem Kreise der Unterthanen oder Laien andrerseits, hat der Drache zuvor eine Ver- derbniß bei Jsrael zuwege gebracht, die es ihm mög- lich machen sollte, Christum aus dessen LNitte auszurotten, daß er nichts mehr sei (Dan. 9, 26). Zur Vermischun- liclniiig dieses Gedankens ließen sich nicht drei Sterne verwenden, denn diese würden 3 Stämme bedeuten; aber ebensowenig können ein Drittheil der Sterne oder vier Stämme gemeint sein, es ist eben der Aus- druck: »das dritte Theil« nicht statiftisch, sondern sym- bolisch dahin zu verstehen, daß er eine große Menge bezeichnen soll, welche die Gesanimtheit in allen drei Lebensgebieten repräsentirt, und vielleicht soll mit dem Ausdruck zugleich angedeutet werden, den wieviel- ten Theil der Engel Satan einst in den Abfall von Gott hineingezogen hat. Nicht aber blos darauf, Christum aus der Mitte Jsraels auszurotten, hat der Drache gleich bei seinem Auftreten sich eingerichtet: indem auch Das der Messiasgeburt entgegengehende Weib und der lauernde Drache. 89 s ein Zeichen im Himmel erscheint, wird damit hinge- deutet aus die, als einem ursprünglichen Engel des Lichts ihm eignende Einsicht in den ganzen Umfang des gött- lichen Heilsplans, und vermöge dieser Einsicht weiß er nun, daß, wenn das von ihm um sein Heil betrogene Israel zuletzt doch wieder zu Gottes Volk gewonnen sein wird, er noch versuchen darf, zu streiten mit den Uebrigen von dem Samen des Weibes, die da Gottes Gebote halten und haben das Zeugniß Jesu Christi (V. 17), und für diesen Streit ist er gleich von Haus aus gerüstet mit den 7 Häuptern und 10 Hörnern, von denen wir vorhin geredet haben. 5. Und sie sdas schwangere Weib] gebar eitlen Sohn, ein Knäblein, der [als der längst ver- heißene und nun wirklich erscheinende Messias in dem von ihm anfzurichtendem die ganze Welt umfassenden Königreich Gottes Dan. L, 44] alle Heiden sollte weiden sbeherrschen Kap. 19, 151 mit der eisernen Vutheswie ihm m Pf. 2, 9 gesagt wird]. Und ihr Kind snachdem der Drache manchmal nnd mancherlei Weise versucht, es zu fressen] ward [als nun die Tage feines Fleisches zu Ende waren und die Zeit erfüllet, daß es sollte von hinnen genommen werden] entrückt zu Gott Und seinem Stuhl [um dort die ihm be- schiedene Herrschaft anzutreten Matth 26, 64]. S. Und das Weib [dem jetzt der Drache nach- stellete, weil er ihrem Sohne nichts mehr anhaben konnte] entfloh in die Wüste, da sie hatte einen Ort bereitet von Gott, das; sie daselbst ernähret würde tausend zweihundert nnd sechzig [prophe- tifche] Tage [oder 1260 gewöhnliche Jahre Kap- 10, 7 Anm.]. Im Grundtext heißt es zu Anfang des 5. Verse-Z: »Und sie gebar einen Sohn, einen männlich en«. Diese Beifügung erscheint aus den ersten Blick geradezu über- sliissig, charakterisirt aber Den, der ,,empfangen ist vom heil. Geiste, geboren von der Jungfrau Ntariach in sei- nem wesentlichen Unterschiede von allen andern Manns- bildcrn. Nur« er kann im eigentlichen, vollen Sinne des Worts das Prädikat ,,männlich« für sich in Anspruch nehmen, denn er ist wohl vom Weibe geboren und unter das Gesetz gethan, er ist die eigentliche Frucht der alttestamentlichen Gottesgemeinde und daher auch unter ihre Lebensordnungen gestellt; aber er ist dabei Gottes Sohn undsteht als solcher der Gemeinde gegen- über, wie der Mann dem Weibe (ogl. Joh. Z, 4; 1. Cor. 11, 7), er ist als Der, der das Leben hat in ihm sel- ber, der Bräutigam, der mit Jsrael im Glauben sich verloben will (Hos. L, 19 f.; Joh. Z, 29), alle Manns- bilder dagegen sind in Ansehung des Lebens aus Gott ihm gegenüber doch nur weiblich, nichts als zum Em- pfangen bestimmte Menschenseelen Was hierauf in« der zweiten Hälfte des 5. V. gesagt wird: »und ihr Kind ward entriickt zu Gott und feinem Stuhl«, ist in seiner Riickbeziehuiig auf die zweite Hälfte des vorangehenden Versesx »der Drache trat vor das Weib, die gebären sollte, auf daß, wenn sie geboren hätte, er ihr Kind sräße«, die Lebensgeschichte Jesu Christi mit einem Auge betrachtet, das den verborgenen Hintergrund hinter den geschichtlichen Thatsachen sieht. Sofort nach seiner Ge- burt begann schon die Nachstellung Satans durch Hero- dis Mordplan; der Drache ruhete darnach nicht von 90 Offenb. Iohannis 12, 7—12. der Versuchung in der Wüste an bis zur Kreuzigung (Luk. 4, 13), und wenn nun mit der letzteren es schien, als wäre ihm sein Vorhaben des Frefsens wirklich ge- lungen, so ist es doch in der That nicht an dem (vgl. Ioh. 14, 30 f.), auf denKreuzestod folgte die Auferste- hung und Himmelfahrt, der HErr wurde auf diesem Wege hingerückt zu Gott und seinem Stuhl (Ioh. 17, 4 f.; Lukz 9, 51 u. 24, 26). Was nun bei ihm die Ent- rückung in den Himmel ist, nämlich die schleunige Ber- gung und Sicherstellung eines kostbaren und geliebten Gutes wider die Gefahren, die ihm drohen, das ist bei dem Weibe, welchem nunmehr die Nachstellung des Dra- chen gilt, die Flucht in die Wüste, von der im S. V. die Rede: sie soll daselbst bewahrt und auf das Zukünf- tige, das Gottes Rathschluß mit ihr vorhat, am Leben behalten werden. Wir können da unbedenklich bei der bisherigen Auffassung, wonach unter dem Weibe das eigentliche Israel, der leibliche Same Abrahams zu verstehen ist, verharren; ja, wir sind sogar genöthigt, diese Auffassung festzuhalten, weil die 1260 Tage, auf welche die Zeit der Ernährung des Weibes bestimmt wird, offenbar in Beziehung stehen, einerseits zu den 42 Mo- naten, während welcher nach Kap.11,2 die heil. Stadt von den Heiden zertreten ist, und andererseits zu den 1260 Tagen, während welcher nach Kap. 11, 3 ff. die zween Zeugen ihren Beruf ausrichten. Was zunächst die erstere Beziehung betrifft, so haben wir Folgendes zu erwägen. Indem der Drache mit seinem Schwanz den dritten Theil der Sterne hinter sich drein zog und sie auf die Erde warf, indem er bei den Machthabern und Tonangebern in Israel einen Herzenszustand er- zeugte, wie er seinen Abfichten entsprach, und auch die große Masse des Volks in einen Stumpfsinn und Welt- sinn hinunterzog, von dem die schließliche Verwerfung und Ausrottung Christi die unausbleibliche Folge war, da schien er nicht blos das Kind des Weibes, sondern auch das. Weib selber, die es geboren hatte, gefressen zu haben; Israel hatte sich um seinen heilsgeschichtlichen Beruf gebracht, es hatte Gottes Gericht über sich ver- wirkt, und zwar ein solches Gericht, daß es eigentlich für immer hätte verworfen und gänzlich vernichtet werden müssen, wie uns dieser Gedanke schon in Kap. 6, 9 ff. begegnete. Gleichwie nun aber bei Christo die schein- bare Ausrottung durch den Kreuzestod nur dazu dient, ihm den Weg zum Stuhle Gottes zu bereiten, so wird auch das Gericht über Jerusalem und die Juden, da die heil. Stadt mit dem Tempel zerstört und das Volk ge- fangen geführt wird unter alle Völker, in Gottes Hand zu einem Mittel, um Israel in seiner Idealität, d. h. das nach den Aussprüchen der Propheten einst noch zu bekehrende und zur Herrlichkeit zu führende Bundesvolk des alten Testaments, für diese Zukunft aufzusparen. Das Entfliehen des Weibes in die Wüste ist also Is- raels Zerstreuung unter alle Völker der Erde, seine ge- geuwärtige Verbannung (Hos. 2, 14): es lebt da zumeist unter christlichen Völkern, von christlichen Einflüssen nicht unberührt und durch seine Verbindung mit Chri- sten beständig darauf angewiesen, dieses Iesu von Na- zareth, den es verworfen und gekreuzigt hat, ebenso eingedenk zu bleiben, wie der ihm gegebenen Verheißung, und aus dem Greuel und der Verachtung, die es trotz allen Fortschritten der Bildung und allem eigenen Wachs- thum an Macht und Geltung dennoch den Christen ein- stößt, den Wiederschein seiner Stellung zu Christo zu merken —- das ist seine Ernährung im geistlichen Sinne. Und wie oft nun auch versucht worden ist, Israel mit Stumpf und Stiel auszurotten, gleichwohl hat es immer in einem genau bemessenen Bestände sich erhalten, und wie nahe dagegen in unserer Zeit es den Rechten und Vorzügen, den Sitten und Lebensgewohn- heiten derer, unter welchen es lebt, gerückt worden ist, gleichwohl darf es nicht in denselben ausgehen, es bleibt auch social und politisch tin Volk für sich mit beson- derer Nationalität und besonderer Individualität, es wandelt, wie dies in Hes. 20, 32 ff. so bedeutsatn aus- gesprochen wird, mitten unter den Völkern dennoch in einer Wüste —— das ist seine Ernährung im physischen Sinne an dem Ort, den Gott ihm bereitet. Indessen fühlen wir wohl, daß mit·dieser Erklärung der Inhalt unsers 6. Verses noch nicht erschöpft ist; sie läßt ja eine Lücke insofern, als. Israel während dieser ganzen Zeit seiner Zerstreuung unter die Völker nur ideell, wie wir sagten, nur als das künftig zu bekehrende und zu verherrlichende Gottesvolk noch das Weib ist, von dem das Kapitel handelt, in seiner Realität dagegen, d. h. in seiner gegenwärtig aus ihm liegenden Verstockung, ist es so wenig mehr das mit der Sonne bekleidete Weib, das den Mond unter ihren Füßen hat und ein Diadcm von zwölf Sternen über ihrem Haupt, daß vielmehr, wie Kap. S, 12 f. bezeugt, die Sonne für dasselbe schwarz geworden ist und der Mond wie Blut, und die Sterne des Himmels sind auf die Erde gefallen. Nun darf offenbar das Sonnenweib zu keiner Zeit ein ruhen- der, blos ideeller Begriff sein; es darf nicht blos seine Vergangenheit und seine Zukunft, es muß auch seine beständige Gegenwart und einen ununterbrochen fort- gehenden Wesensbestand haben. Aber eben darum kommt zu jener ersten Beziehung auf die 42 Monate, von welcher wir vorhin handelten, noch eine zweite hinzu, nämlich auf die 1260 Tage der zween Zeugen; und nun ist ja der Beruf, der diesen zween Zeugen gegeben wird, zu weissagen und die zween Oelbäume und zwo Fackeln zu sein, stehend vor dem Gott der Erde (Kap. 11, 3 ss.), dasjenige Mittel, wodurch die Lücke zwischen der Ver- gangenheit und Zukunft Israels sich schließt und der ununterbrochen fortgehende Wesensbestand des Sonnen- weibes hergestellt wird. Mit andern Worten: ist gleich das Reich Gottes von den Juden genommen, so ist es doch von der Erde nicht wieder verschwunden, sondern inzwischen den Heiden gegeben, bis es an Israel zurück- gegeben werden kann; und sind gleich die natürlichen Zweige des Oelbaums zerbrochen, so steht doch dieser nicht da als ein kahler, zweig-, blätter- und fruchtloser Stamm, sondern von dem wilden Oelbaum sind Reifer ihm eingepfropft und haben mit ihrem Wachsthum ihm eine neue Krone verschafft, daß er grünet und blühet und Frucht träget. Die Gegenwart des Weibes ist also, wenn man von der Idealität absieht und die Realität in’s Auge faßt, die aus den Heiden berufene und zur heiligen christlichen Kirche gesammelte Gemeinde; doch kommt dieser keine unbedingte Selbständigkeit zu, daß sie, wie so oft geschieht, sich wider die natürlichen Zweige, die zerbrochen worden, rühmen dürfte, sondern sie ist nur Israels Stellvertreterin und einstweilige Trägerin seines heilsgeschichtlichen Berufs, und wie nun in Kap. 11, 11 f. die Bekehrung und die Wiederannahme Israels ohne Weiteres unter dem Bilde einer Wieder- belebung des Zeugenthums der Kirche dargestellt werden konnte, so kann hier das in der Kirche fortlebende Zeu- genthum Israels in Kap 11, 3 ff. auch für die Ernäh- rung des Weibes an dem von Gott ihr bereiteten Ort in der Wüste gelten. Eine Flucht ist es, schreibt Anbet- len, durch welche das Weib in die Wüste kommt: das Woher kann uns auch einen Wink über das Wohin ge- ben; sie flieht vor den Nachstellungen des Teufels, welche ihr durch die Iuden bereitet werden, wohin wird sie da fliehen? wohin ist sie bald nach Christi Himmelfahrt geflohen? —— von den Iuden zu den Heiden, da ist Die Flucht des Weibes in die Wüste. Michaeks Kampf mit dem Drachen. 91 ihr von Gott ein Ort zur Unterkunft und Pflege be- reitet. Die Wüste wäre also das Heidenland, und die Flucht des Weibes in die Wüste nichts Anderes, als die Wegnahme des Reiches Gottes von den Juden und seine Versetzung unter die Heiden. Jndessen dürfen wir bei dieser allgemeinen Wahrheit noch nicht stehen bleiben; in den Mfichten des 8. u. 9. Kapitels hat sich uns gezeigt, daß die alte Griechen- und Rbmerwelh in welcher die Kirche zuerst ihre Stätte aufschlug, eigentlich noch nicht der von Gott dem Weibe bereitete Ort war, um daselbst ernährt zu werden. Es hat ihr wohl das Gebiet des rbmischen Reichs 5 Jahrhun- derte hindurch Aufenthalt und Unterkunft gewährt, daß sie bewahrt und erhalten würde, aber zum wirk- lichen Herbergen, zum festen Domiciliren ist es daselbst mit ihr immer noch nicht gekommen; noch immer be- fand sie sich auf der Flucht vor dem sie verfolgenden Drachen, dem es dann schließlich auch gelang, große weite Strecken des christlich gewordenen Ländergebiets für den Jslam zu erobern und die Saaten der Kirche in der Völkerwanderung zu zertreten, und so wenig hat das Weib in der morgenländifchen Kirche ihre wirkliche, dauernde Ernährung gesunden, daß diese vielmehr zuletzt in einen ganz verkommenen und ver- knöcherten Zustand hineingerathen ist, und also das Weib ihres Weges weiter ziehen mußte. Aus der ro- manischen Welt, aus den alten Culturstätten des Chri- stenthums verdrängt, findet sie erst an deren Grenz- marken, unter den noch uncultivirten oder noch in den Culturanfängen stehenden Völkern germanischer und slavischer Abkunft feste Aufnahme und bleibende Pflege, um aus neuen, frischen Kräften eine wirkliche neue Welt zu gestalten und das Wort von den Heiden, die dem Reiche Gottes seine Früchte bringen (Matth. 21, 43), in einem der Meinung des HErrn entsprechenden Maße erfüllen. Wir haben oben in Kap. 11, 1 ff. die auf 1260 Jahre sich berechnende »Seit der Heiden« vom J. 637 n. Christo an gezählt und also die vorangehen- den 5 Jahrhunderte seit Jerusalems Zerstörung nicht weiter in Anschlag gebracht; es war da allerdings auch schon das Reich Gottes von den Juden genommen und den Heiden gegeben, aber was seit jenem Termin ge- schehen, fällt ebenso, wie 1260 Jahre mehr als das Doppelte von 600 Jahren find, mit mehr als doppel- tem Gewicht in die Wagschaale und kommt bei der apokalyptischen Zeitrechnung allein in Betracht (Epist. am St. Michaelis-Tage: V. 7—1 2 er) .Vgl. die Dem. zum Evangx Matth 18, 1 ff. 7. Und es erhub sich ein Streit im Himmel: Michael [jener große Engelfürstz der die Sache Jsraels gegen dessen Widersacher ver- ficht Dan 1o, 13 u. 21; 12, 1] und seine Engel [als der angreifende Theil] stritten mit dem Drachen [ihn aus dem Himmel als Ver- kläger vor Gott herauszuwerfen] Und der Drache ffich zur Gegenwehr setz-end] stritt Und feine Engel, 8. Und [letztere, der Drache und seine Engel] siegeten nicht; auch ward ihre Stätte nicht mehr funden im Himmel sdaß sie da ferner etwas hätten schafsen dürfen] 9. Und es ward ausgeworfen der große Drache, die alte fang 1.S.1Jeos. 3, 1 ff. wohl bekannte] Schlange, die da heifzt der Teufel lzu deutsch: Verleumder, als der Gott bei den Menschen und den Menschen bei Gott verleumdet] Und Satanas [d. i. Widersacher, als der sich den Streit wider Gott und dessen Freunde zu seiner Aufgabe gesetzt hat 1. Chron 22, 1], der dke ganze Welt [wo es sich um Ungehorsam gegen Gott, um Verstockung gegen seine Heils- rathschläge und Kampf wider sein Reich handelt] verführet; und ward geworfen auf die Erde, und feine Engel wurden auch dahin ge- worfen ldaß sie allerdings dort noch eine Zeit- lang ihr Werk treiben dürften, nur im Himmel sollte ihr Einfluß nichts mehr zu gelten haben]. 10. Und ich hörete eine große Stimme, die sprach im Himmel laus Mund und Herz der von Anfang an aus Israel zu Christo Be: kehrten und durch einen seligen Tod nun schon in den Himmel aufgenommenen Seelen]: Nun snach diesem Herauswerfen des Drachen aus dem Himmel] ist das Heil und die Kraft und das Reich und die. Macht [weil sie fortan nicht mehr können aufgehalten werden, sich vollständig auszuwirken] unsers Gottes, [und zwar, was insonderheit die Macht betrifft] fei- nes Christus worden svgl 11,15]; weil der Vertläger unserer Brüder ver- worfen ist, der sie verklaget [besset: ver- klagete, nämlich in dem ganzen, nun verflosse- nen Zeitraum] Tag Und Nacht Vor Gott. 11. Und sie haben ihn überwun- den durch des Lammes Blut sdas jetzt zu ihrer Entsündigung über sie gekommen], und durch das Wort ihres Zeugnisses svon Dem, an den sie gläubig geworden], Und haben [bereit, in den über sie um ihres Glau- bens und Bekenntnisses willen ergehenden Ver- folgungen auch das Leben für Christum zu lassen] ihr Leben nicht geliebet bis an den Tod sdamit aber bewiesen, daß ihre Bekehrung eine aufrichtige und gründliche sei]. 12. Darum frenet euch, ihr Himmel, und die darinnen wohnen sdaß es nun so- weit mit dem vorerwählten Volk gekommen und in Betreff seiner die Herwiederbringung alles deß, was Gott geredet hat durch den Mund aller seiner heil. Propheten Apostg. Z, 21., verbürgt ift]. Wehe [dagegen] denen, die auf Erden wohnen und auf dem Meer fund da innerhalb des Be- reiches sich befinden, über welches dem Drachen noch Macht gelassen ist V. 9]; denn set] der Teufel kommt zu euch hinab, und hat einen großen [durch die Niederlage V. 8 f. auf’s Aeußerste ge- steigerten] Zorn, und weiß, das; er wenig Zeit hat [wo er ihn noch austoben kann, welche kurze Zeit er denn nun auch recht auslaufen wird] 92 Osfenb Johannis 12, 13—18. Wenn mehrere Stellen in der heil. Schrift vor- kommen (1. Köir 22, 19 sf.; Hiob 1, 6 sf.; L, 1 ff.; Such. Z, 1 ff.), welche auf ein Wohnen und Walten der bö- sen Geister mitten unter den heil. Engeln und unmit- telbar vor Gottes Angesicht hinweisen, so wäre es ein nngeheuerlicher, unerträglicher Gedanke, wollten wir das im eigentlichen, buchstäblichen Sinne fassen und ein persönliches Wohnen nnd Walten darunter ver- stehen; wir haben es vielmehr aufzufassen als eine bildliche Bezeichnung ihrer Befähigung zu iiberirdischer Machtroirkung, ihres Rechtes und ihrer Ansprüche, die sie vor Gott noch im Gegensatz zu dem, was die guten Engel gern vollführen möchten, geltend machen und damit der letzteren Werk aufhalten können (ogl. zu Luk· 10, 18), und setzen mit unserer Erklärung des 7. Ver- ses bei demjenigen Zeitpunkte ein, den uns der S. Vers vorgeführt hat: das sind die 1260 Tage. Es ist das dieselbe Zeit, während welcher die zween Zeugen in Kap.11, 3 ff. ihr Amt trieben, während welcher die christliche Kirche des Abendlandes in die Stelle des ver- stoßenen Jsrael eingetreten und, um mit den Worten unserer Auseinandersetzung zu V. 6 zu reden, zur Ge- genwart des Weibes geworden war. Sie trat, diese Kirche, vorerst in der Form der alttestamentlichen Gottes- gemeinde auf und schloß sich an Jsraels Vergangen- heit an, die sie in recht augensälliger Weise wieder auf- nahm; alles, was in Kap.11, 4-—6 von den zween Zeugen gesagt wird, ist ganz alttestamentlich gehalten, nnd in der That trägt ja auch die Kirche bis zur Re- sormation im 16. Jahrh einen durchaus alttestament- lichen Charakter von Seiten ihres Berufs sowohl wie ihrer Erscheinnngsweise Wir konnten bei jenem Ab- schnitt nur eine ganz leise, blos mittelbare Hindeutung auf die, nach der römischen Gesetzeskirche auftretende evangelische Kirche theils in der für die Zeugen ge- wählten Zahl »zwei«, theils in den von Elias neben den von Moses entlehnten Zügen des Bildes dieser zween Zeugen finden; wie richtig es indessen gewesen, daß die römische Kirche in dem Vordergrund des Ge- mäldes stehen blieb, zeigen die Vorgänge dieser unsrer jetzigen Zeit, welche die Erfüllung der Weissagungen in V. 7 ff. des 11. Kap. find. Denn der Streit, den das ans dem Abgrund aufsteigende Thier mit den zween Zeugen hält, sie zu überwinden und zu tödten, richtet sich äußerlich und unmittelbar vornehmlich gegen die römische Kirche und trifft die evangelische mehr mittel- bar und innerlich, trifft sie erst in zweiter Linie und durch die selbstverständlichen Folgen der gegen die poli- tisch und social stärkere Kirchenmaeht geführten Streiche. Dafür wird nun aber auch der von Jsraels Wieder- annahme ausgehende Segen, welchen Paulus als ein ,,Leben aus den Todten« bezeichnet, in erster Linie der evangelischen Kirche zu gute kommen, der römischen mittelbar nur insofern, als den ernsten und wahrheits- liebenden Gliedern derselben in der erneuerten und besser ausgestalteten evangelischen Kirche nun eine Zufluchts- stätte bereitet ist, wenn die Stimme in Kasx 18, 4 an sie ergeht (ogl. Matth. 25, 30 Anm.). Gehen wir jetzt auf die Deutung der vorliegenden Stelle näher ein, so ist Michael der ganz besondere Schutzengel Jsraels, wie aus Dan. 10, 13. 21 und 12, 1 unwiderleglich hervor- geht. Hatte nun Satan während der Periode der 42 Monate oder 1260 Tage in Kap. 11, 2 u. 3 ff. noch volle Gewalt, als Ankläger des Volkes Israel vor Gott aufzutreten, so tritt jetzt, da dessen Straszustand auf- hören und die Decke vor seinem Herzen (2. Cor.3, 14 f.) abgethan werden soll, sein Schutzengel für das- selbe ein und macht durch Ausstoßung des Verklägers aus dem Himmel freie Bahn, daß die Wiederverlobung Christi mit dem Volke seines Eigenthums kHof 2, 19 f.) vor sich gehen und die Erfüllung der sür’s Ende ihm gegebenen Verheißung geschehen kann. Jn frevelhafter Weise haben die Juden über Jesum einst gerufen: ,,sein Blut komme über uns und unsere Kinder-«, um seine Kreuzigung bei Pilatus durchzusehen; der HErr in sei- ner barmherzigen Heilandsliebe hat diese Selbstverfln-" chung für die erste Zeit kraftlos gemacht, da er unter den Händen derer, die ihn an’s Kreuz schlugen, für die Uebelthäter gebeten, und hat zu ihnen Propheten und Weise und Schriftgelehrten gesendet; als sie aber auch die von sich getrieben, ja wohl gar getödtet, und so mit aller Gewalt Gottes Gericht über fich heraus-gefordert, sind sie in des Satans Macht dahingegeben worden, daß droben im Himmel nicht das Blut für sie spricht, das da besser redet denn Abels, sondern nur des Ver- klägers Stimme über sie laut wird, unten auf Erden aber die sieben argen Geister von ihrem Herzen Besitz haben, auf die in Luk. 11, 26 hingedeutet wird. Wo wäre unter den Menschen einer, der diese Geister aus- zutreiben vermöchte, so lebendig und kräftig und schär- fer denn kein zweischneidig Schwert auch sonst das Wort Gottes ist? und wie wäre menschliche Fürbitte, so Gro- ßes ihr auch sonst verheißen ist, stark genug, um droben im Himmel dem Satan seinen Platz vor Gott, dem Heiligen und Gerechten, der feiner nicht spotten läßt, streitig zu machen? Es ist eine ganz bestimmte Zeit, wie lange Gott sein Angesicht vor Jsrael verbergen will im Zorn, und dafür, daß die Zeit nicht früher als zuvor bezeugt wird, zu Ende gehen kann, sorgt der Ver- kläger aufs Eifrigste, indem er mit seinen Anklagen Gott gleichsam immer wieder in’s Gedächtniß ruft, wie schwer Jsrael sich verfündigt hat; er möchte gar zu gern die ewige Verdammniß dieses Volkes durchsehen, und bringt da auch vor die göttliche Gerichtsstella was die Juden, von jenen Geistern besessen, fort und fort Böses thun, und wie gerade sie am allerwenigsten es werth sind, das; ihnen Erbarmung widerfahre. Aber dem gegenüber ist nun auch Michael, Jsraels Schutz- engel, beständig aus der Hut und giebt genau auf Gottes Uhr Acht, wann der Zeiger die Stunde wird erreicht haben, wo, wie er weiß, es für Gott nun Zeit ist, sich zu erbarmen; sobald diese Stunde schlägt, macht er so- fort mit seinen Engeln sich auf zu dem Streit wider den Drachen und seine Engel, und der Drache, so sehr er sich wehrt, wird dennoch nicht siegen. Daß er aus- geworfen wird aus dem Himmel, hat zur seligen Folge, daß nun Christus seinen Brüdern nach dem Fleisch sieh kann zu erkennen geben in der Kap. 11, 11 f. angege- benen Weise und daß er aus dem bekehrten Israel. eine ebenso innige und ganz an ihn sich hingebende Seele machen kann, wie Maria Magdalena eine solche war, aus der er die sieben Teufel ausgetrieben (Luk. 8, 2): in Kap. 14, 1 ff. werden wir die 144,000 Versiegelten als eine wirkliche Maria-Magdalena-Gemeinde aus Zion antreffen. Um dieses über alle Maße wichtigen Wettbe- punkts in der Gefchichte willen, dessen Eintreten wir nach dem früher Gesagten in ziemlich naher Zeit erwar- ten dürfen, ertönt ein Lobgesang im Himmel, für wel- chen das volle Verständniß insofern uns verschlossen ist, als wir die Märthrerleidenx denen Israel bei seiner Bekehrung zu Christo etwa ausgesetzt fein wird (V.11), nicht zu übersehen vermögen· Mit dem Lobgesang aber verbindet sich ein Wehe über die, so auf Erden wohnen nnd den Zorn des mit seinen Engeln auf die Erde ge- worfenen Drachen noch einmal in seiner ganzen Größe werden zu fühlen bekommen; das weist unverkennbar auf die furchtbaren Drangsale unter der Herrschaft des Antichrist hin (Kap. 13, 7 f. 15 ff.). Jsraels Wiederannahme und Hiniiberrettung in’s heil. Land. 93 13. Und da der Drache laus der Betäubung, die ihm der Sturz aus dem Himmel gebracht, jetzt wieder zur Besinnung kommend] sahe, daß er verworfen war auf die Erde sund also auf diese als seine alleinige Wirkungsstätte, wo er fortan noch etwas würde ausrichten können, an- gewiesen sei], verfolgte er das Weib, die das Knäblein geboren hatte [V. 5 und die nun, nach den 1260 Tagen ihrer Bergung in V. 6, in ihren ursprünglichen Herrlichkeitsstand V. 1 zurück- getreten war]. . 14. Und es wurden dem Weibe [die jetzt nicht abermals durch die Flucht, sondern durch einen Flug gerettet werden sollte] zween Flügel gegeben, wie eines großen Adlers [von demselben HErrn, der einst bei dem Auszuge aus Egypten sie getragen hatte auf Adlersflügeln 2.Mos.19,4], daß sie in die Wüste [die ja je und je die Ber- gungsstätte für Gottes Volk gewesen] flöge an ihren Ort, da sie erniihret würde eine Zeit und zwo Zeiten und eine halbe Zeit lDan 7, 25; 12, 7], vor dem Angesicht der Schlange svor welcher sie in jeder Beziehung Sicherheit und Heilsgenuß haben sollte Pf. 23, 5., solange die- selbe in den kommenden Zeiten auf dem übrigen Kreis des Erdbodens einen entsetzlichen Zustand der Noth und Entbehrung durch das Thier aus dem Meer und das Thier von der Erde anrich- ten würde Kap. 13]. 1-5. Und die Schlange schosz nach dem Weibe [als sie mittels der Adlersflügel schon ihren Ber- gungsort erreicht hatte] aus ihrem Munde ein Wasser, wie ein Strom sder bis hinein an diesen ihren Ort ihr nachströmen sollte], daß er lnoch dort] sie etsiinfete [nachdem sie, die Schlange, ihr bei ihrem Aufflug selber nichts hatte anhaben können]. 16. Aber die Erde half dem Weibe, und that ihren Mund auf und verschlang den Strom, den der Drache aus seinem Munde schoß sindem in die weit aufklaffende Erde der gewaltige Wasser- strom, der allerdings stark genug gewesen wäre, die Absicht der Schlange zu verwirklichen, plötzlich und wirkungslos verschwand] Jn diesem Abschnitt ist, wie wir ihn nicht anders verstehen können, von der Rückkehr des bekehrten Jsrael in das heil. Land die Rede, welche von den Propheten in unzähligen Stellen so bestimmt ge- weissagt wird. Die zween Flügel eines großen Adlers, die dem Weibe hier gegeben werden, sind die Veran- staltungen Gottes, wodurch er sein Volk leicht und ge- schwind aus den Ländern und Verhältnissen herausbringt, in welchen es gegenwärtig wie gefangen sitzt; da wird freilich das Land, dahin dasselbe fliegt, zunächst nur noch eine Wüste sein, denn es ist bisherrs von den Heiden zertreten worden und harrt erst noch dem wieder zu erlangenden Segen entgegen, aber doch ist gerade die Wüste der Ort, dahin der HErr sein Volk zu führen verheißen hat, um daselbst freundlich mit ihm zu reden (Hos. L, 14), und er wird es schon als seine Braut auf den Tag der Hochzeit zu schmücken wissen (Kap. 19, 7 f.). Er hat ihm dort eine Stätte bereitet, wo es vor der dem übrigen Erdkreis drohenden großen Trübsal und Entbehrung bewahrt bleiben soll, wenn der Antichrist nun sein Regiment haben wird; und dessen zu einem Unterpfand läßt er ihm schon jetzt den großen Wasserstrom nicht schaden, den die Schlange aus ihrem Munde nach- schießt, es zu ersäufen. Nach Stellen, wie Jes. 8,"7 f.; 17, 12 ff.;»Jer. 47, Z; Dan. 11, 22 ff. haben wir das wohl von Kriegsheeren zu verstehen, die eine Coalition der europäischen Mächte zusammenbringt, um Jsrael, wie einst Pharao mit seinen Wagen und Reitern thun wollte, ein- und zurückzuholem es wird aber sein, als thäte die Erde zum zweiten Mal ihr Maul auf, eine Rotte Korah zu verschlingen (4. Mos. 16, 28 ff.), oder als erlitten Jabin’s Heere zum zweiten Mal ihre Nie- derlage (Kap. 16, 13 ff.)- ·17. Und der Drache ward zornig über das Weib ldaß er so gar nichts wider sie sollte aus- richten können], Und ging sum für den völligen Verlust seiner Macht über Jsrael sich an der übrigen Christenheit fchadlos zu halten] hin, zu streiten mit den Uebrigen von ihrem Samen [denn das sind ja die aus den Heiden gesammel- ten Christen — sie sind von dem Samen Abrahams im geistlichen Sinne und ein Jsrael Gottes Gal. 3, 7; Röm. 4, 11 sf., wenn anders sie solche find], die da GottesGebot halten und haben das Zeug- niß Jesu Christi [Kap. S, g; 14, 12]. Das 13. Kapitel. Bein flebeiiköpngen Thier der Witterung, und zweiköpngen der Verjährung. 18. Und ich» trat snach anderer Lesarti er, der Drache, um zu bewirken, was ich, der Seher, in Kap. 13, 1 vorgehen sah, trat] an den Sand [die SanddüneJ des Meers. Die Ausleger wissen vielfach mit den Uebrigen ihres Samens nichts anzufangen; wir dürfen aber uns nur erinnern, daß das Weib im idealen Sinne oder das geistliche Jsrael auch während der Zeit, wo das leib- liche Jsrael wegen seiner Verstockung in der Verban- nung unter den Heiden gewesen, hier nicht unfruchtbar geblieben ist, sondern in den aus den Heiden dem Reiche Gottes zugeführten Seelen Kinder geboren hat. Die läßt sie nun jetzt, wo sie aus der Fremde in die Hei- math zuriickkehrh dort zurück, ohne daß dieselben, gleich- wie sie selber, unter des HErrn unmittelbarem und be- sonderem Schutz stünden, im Gegentheil sind sie der ganzen Macht des Zornes des Drachen preisgegeben, und dieser verfehlt auch nicht, sein Augenmerk nun ihnen zuzuwenden, um seinen bis aus’s Aeußerste gesteigerten Grimm, der in seiner feuerrothen Farbe sich abbildet, an ihnen auszulafsen Daß er hingehet, das deutet auf eine längere Zeit der Ruhe und gedeihlichen Ent- wickelung, welche der Christenheit hier zu Lande für’s Erste beschieden sein wird nach Jsraels Bekehrung und Rückkehr und nach der Regeneration der Kirche, von der wir in Kav.11, 13 gelesen haben. Diese Ruhe 94 Offenb Johannis 13, 1—2. und innere Erstarkung« bei welcher namentlich die evan- gelische Kirche zu einer noch nie dagewesenen Blüthe gelangen und die Znsluchtsstätte für diejenigen kathol. Christen fein wird, die dem Wort in Kap.18, 4 gehor- fam werden (vgl. Matth. 25, 28 f.; Hes. 47, 1 ff.), ist nothwendig um der letzten furchtbaren Trübsal willen, die am Ende des 20. Jahrh. eintritt (Kap. 13, 7 fs.; 14, 6 ff.); sie wird aber auch von dem HErrn reichlich dargeboten durch das Große, das er an dem ursprüng- lichen Volk seines Eigenthums gethan, durch das helle Licht, welches nunmehr auf die richtige Auslegung vie- ler Stellen der heil Schrift fällt, durch die Mithilfe an dem Verständniß, die von der Zionsgemeinde in Jeru- salem ausgeht (Kap. 14, 1 ff.), und noch durch manches Andere, indem wir kirchlich jetzt erreichen, wozu bisher nur fruchtlofe Verfuche gemacht wurden. Daß nun aber der Drache hingehet im Zorn, läßt uns erken- nen, daß er während dieser Friedenszeit der Kirche sei- nen letzten, schwersten Streit wider diefelbige vorbe- reitet und daß das dritte Wehe (Kap. II, 14) im An- zuge ist. Was die beiden Lesarten zu Anfang des 18. Ver- fes betrifft, so zieht man in der Regel die andere: »Und er (der Drache) trat an den Sand des Mee- res« vor. Es war also nur ein Schein, wenn der Drache mit feinem Weggehen in V. 17 feine persönliche Thätigkeit von dem Schauplatz zurückzog; vielmehr, in- dem er in Kaki. 13 das Thier aus dem Meer und das Thier von der Erde an feine Stelle setzt und, um er- steres aufsteigen zu lassen, an den Sand des Meeres tritt, äfft er Gottes größte That nach, der von dem Weibe V. 1 feinen Sohn geboren werden ließ, und nimmt gewissermaßen eine Jncarnation seiner selbst, eine Fleifchwerdung vor in dem Menfchen der Sünde und dem Kinde des Verderbens (2. Theff L, 3), und will diesem nun ebenso seine Kraft und seinen Stuhl und große Macht beilegen, wie der Vater dem Sohne Macht gegeben hat über alles Fleifch und hat ihn ge- setzt: auf seinen Stuhl in der Höhe. Denn nun, nach- dem Jsrael sich beiehret hat und der Riß im Hause Gottes geheilt ist, ist nichts mehr, was den HErrn abhielte, den Tag seiner Zukunft herbeizuführen. Nach der anderen Lesart: »Und ich (der Seher) trat an den-Sand des Meeres« werden wir, indem wir den Johannes so unerschrocken und getrost hintreten sehen, erinnert, daß wir mit gleicher Zuversicht, den Spruch aus Pf. 93, 3 f. im Herzen, hintreten sollen, zu schauen, was da kommen wird. VI« V.1-—10. Zins dem Meere znnänsfl sieht Johannes ein Thier anfangen; es in das die antinsrisilinse Welt— wann, nnd ist nnn die Gestalt dieses Thieres in so njaranteristisnser Weise beschrieben, daß wir in der be- treffenden weltmanjt ninjt nur eine Zusammenfassung oder die letzte anslanfende Spitze der vier danieksnjeu Weltmonarnjieen erkennen ninssen, sondern nun) bereits in Stand gesetzt werden, das in den Gesinstslkreis der Weissagnng tretende Land und Von: ausfindig zn Manna, ans welnsem am Ende der Zeiten der Zntichrist hervor- gehen soll. Ja, selbst die näher dabei in Frage kommende Dynastie läßt sirh ermitteln; und nnn werden nun) die zxtnmaßnngeti desjenigen, der aus jener Dynasiie als Mensns der Sünde nnd Kind des Verderbens hervor- gehen wird, in naher Verwandtsnsaft mit L. Thess L, 4 besnsrieben, zugleinj aber empfängt diejenige Etrusc, welnje sinJ mit diesem Mensnsen der Sünde vermählt und ihm zur tjerrsnjaft verhilst, die Entlassung ans allem ilerhåltniß zu Christo nnd die Jtnkiindignng des sie treffenden Gerichts. Kap. 13, V. I. Und [ich Johannes] sahe [unter dem Einfluß des auf der Sanddüne stehen- den Drachen Katz. 12, 181 ein Thier aus dem Meere [als dem Sinnbild des unruhigen, auf- und niederwogenden Völkerlebens Dan. 7, 3«Anm.] steigen, das hatte [wie vorhin der Drache selber Kap. 12, 31 sieben Häupter und zehn Hörner, Und [in diesem Punkte anders als der Drache, der auf feinen Häuptern sieben Kronen trug] auf feinen Hörnern zehn Kronen [denn auf die endliche Ausgestaltung des antichristifchen Reichs mit feinen zehn Königen Kap. 17, 12; Dan. 2, 45 Anm. hatte ja der Drache selbst mit der Her- vorbringung dieses Thieres es Von Haus aus ab- gesehen], und auf feinen Häupten Namen der Liisterung ldenn fämmtliche Häupter trugen schon etwas von dem Charakter an fich, der dann in dem einen von ihnen zu völligem Durchbruch kommen sollte V. 5]. . Z. Und das Thier, das ich sah, war sseiuer Grundgestalt oder dem Rumpfe nach] gleich einem Pardel [diesem so behenden Thier von gefleckter Haut und kalten, grausamen Wesens Hab. 1, s; Ja. 13, 233 Jes 11, 6], und seine Füße fer- fchienen] als Värenfüße [die plump und fchonungs- los alles niedertreten, was unter sie geräth], Und sein Mund [den es als Gesammthier hatte, ab- gesehen von den sieben Häuptern, war wie] eines Löwen Mund lder so entfetzlich brüllt und alles mit gewaltigem Schrecken erfüllt]. Und der Drache [der das Thier aus dem Meer hatte aufsteigen lassen] gab ihm snach dem Recht, das ihm ge- lassen ist Luk. 4, 6] seine Kraft lGewalt zu üben über Leben und Freiheit, über Handel und Wan- del der Menfchen, wie es ihm beliebe] nnd seinen Stuhl [ein Königreich aufzurichten, das die ganze Welt umspanne] Und große Macht lmit unbe- schränkter Befugniß im Bereich feiner Herrfchaft zu schalten und zu walten, wenn nun die Zeit seines Regiments gekommen wäre V. 5]. Nicht, wie die meisten Ausleger annehmen, die Gefammtheit aller Weltmonarchieen überhaupt oder die Weltmonarchie fchlechthin, wie sie im Verlauf der gan- zen Weltzeit in sieben nach einander aufkommenden Weltreichen sich auseinanderlege, stellt dieses Thier aus dem Meere mit feinen sieben Häuptern dar; denn die Zahl der Weltmonarchieen in ihrer Gefammtheit ist durch Dein. 7 bereits auf vier beschränkt, und wir haben kein Recht, durch Anfatz vorn und hinten diese Zahl auf sieben zu erhöhen, auch ist das Weltreich der End- zeit nur eine Wiederaufnahme des römifchen (vgl. die Bem. zu Dan. L, 38 u. 43). Vielmehr hat unser Ge- sicht mit derjenigen von den verschiedenen Gestaltungen der vierten dan1el’fchen Weltmonarchie (Dan. 7, 7 ff.), der römischen, es zu thun, aus welcher schließlich das unter den zehn, mit Kronen gefchmiickten Hörnern ab- gebildete Weltreich der Endzeit oder das antichristifche Reich sich entfaltet; und da find wir mit der Frage, welche von jenen Gestaltungen denn gemeint sei, wegen Dasaus dem Meer aufsteigende Thier mit sieben Häuptern und zehn Hörnern. 95 der sieben Häupter und zehn Hörner mit Kronen be- stimmter auf ein Reich oder Land hingewiesen, das im Verlauf seiner geschichtlichen Entwickelung sieben Kö- nigsgeschlechter oder Herrscherhäufer aufzeigt, nicht mehr und nicht weniger, und das schon einmal sein Be- streben und feine Fähigkeit bekundet hat, alle übrigen königlichen Mächte zu einer Gesammtmonarchie unter seiner Herrschast zu vereinigen. Freilich vermögen wir noch bei keinem einzigen Reiche oder Lande aus Erden seine geschichtliche Entwickelung bis in die Endzeit hin- ein zu übersehen, daß wir in Betress der 7 Dhnastieen, die sich etwa jetzt schon von Anfang seines eigentlichen gefonderten Bestehens an nachweisen lassen, mit äußerer Gewißheit sagen könnten, es werde nicht auch eine achte oder neunte hinzukommen; dieser Mangel an Uebersicht wird aber reichlich ersetzt durch eine zwiefache Einsicht, die uns jetztsschon die Weltgeschichte gestattet. Wenn es nämlich in Kap. 17, 10 von den 7 Königen, worun- ter wir eben nicht einzelne Personen, sondern ganze Regentenhäuser zu verstehen haben, heißt: ,,fünf sind gesallen«, so haben wir daran schon einen ziemlich un- trüglichen Maßstab, um die Reiche oder Länder in un- serm Europa darauf anzusehen, welches von ihnen hier allein in Betracht kommen könne; außerdem aber muß das betreffende Land oder Reich unter seinen sieben Herrscherhäusern eins besitzen, an welchem folgendes charakteristische Merkmal zur Erscheinung kommt. Jsrael, das messiasschwangere Weib, von dem wir in Kap. 12 gelesen haben, hat zu seinem, der ihm zu Theil gewor- denen göttlichen Bestimmung entsprechenden Königshause das Haus und Geschlecht Davids- gehabt; aus diesem Hause sollte der Messias oder Christus hervorgehen, und David, der Begründer des Hauses, war denn auch mit seinem persönlichen Wesen und mit seiner eigenen Ge- schichte gleich anfangs darauf angelegt, den kommenden Christus bis zu einem gewissen Maße in sich vorzubil- den. Demgemäß muß- denn auch das mit dem Anti- christ schwanger gehende Reich oder Land, wenn überhaupt es jetzt schon möglich sein soll, dasselbe bei Namen zu nennen, bereits ein Herrscherhaus auszuweisen haben, dessen Begründer denkünstigen Antichrist, den es noch einmal aus sich heraussehen wird, in der eigenen Er- scheinung präsormirt oder nach s einem Wesen und Treiben schon vorgebildet hat. Wir thun nun Frankreich ohne Zweifel nicht zu viel, wenn wir dasselbe als das- jenige Land bezeichnen, welchem die traurige Mission beschieden ist, den Antichrist einst aus sich heraus zu ge- bären; insbesondere ist seit der Revolution von 1789 seine Geschichte nichts weiter als ,,eine große Qual zur Geburt«, und sein Kaiser Napoleon I. hat sich gar nicht genirt, die Meinung des Königs Gustav IV. von Schweden, er wäre der schon erschienene Antichrish da- hin zu berichtigen: ,,nicht der Antichrist selber bin ich, wohl aber sein Vorläufer.« Hat nun Frankreich wirk- lich 7 Herrscherhäuser auszuweisen: 1) die Karolinger, L) die Kapetinger, s) das Haus Valois, 45 das Haus Wams-Orleans, 5) das Haus Bourbon, 6 das Haus Buonaparte, 7) das Haus Bourbon-Orleans —; so trifft in Beziehung auf Nr. 1-—5 es vollständig zu: ,,fünf find gefallen«, indem die Dynastie der Bourbonen in unsern Tagen schon so gut wie erloschen und die gött- liche Leitung in der Kinderlosigkeit des Grafen« v. Cham- bord gar nicht zu verkennen ist. Jst dann weiter nach V. 18 die Zahl des Thieres: 666, und soll dies eines Menschen, nicht eine geheime göttliche, sondern durch menschliche Berechnung zu findende Zahl sein, womit wir wohl aus die Gematria oder die Kunst, mit Hilfe des Zahlwerths der Buchstaben eines Worts oder Na- mens die Sache, um die es sich handelt, zu finden, angewiesen sind (Jer. 25, 26 Anm.), so trifft auch aus das Haus Buonaparte es vollständig zu, daß in seinem Namen jene Zahl verborgen liegt; denn der Zahlwerth der sieben hehr. Buchstaben desselben (yn»:·z«1ss:i) ist 400 -s—200—f—2-s-50—s—6—f-6-s-2=666. Ja, sehen wir uns die französische Geschicl)te an, soweit sie jetzt schon vorliegt, und nehmen für den weiteren Ver- lauf davon an, daß das Haus (Bourbon-) Orleans in nicht allzuferner Zeit auf den Thron gelangen und ihn dann auch behaupten wird, bis nach 4 Menschenaltern ein Napoleon VIlL es ablöst, so ergiebt die Reihenfolge der Dhnastieen die Zahlenreihex I, L, Z, 4, 5 II 6, b, 7, 6, 7, 6, und obige 666 träte auch hier wieder uns vor die Augen. Ebenso kommen bei dieser Annahme auch die Weltreiche, wenn man diese durchaus unter den Häuptern verstehen will, wozu allerdings eine ge- wisse Veranlassung vorliegt, zu ihrem vollen Recht: zuerst sind diese vier nacheinander aufgetreten, das chal- däische, medopersische, griechische, römische; im J. 800 n. Chr· empfing dann Karl der Große zu Rom die rö- misch-deutsche Kaiserkrone, womit das heilige römische Reich entstand. Dies nun wird im Jahre 1806 durch Napoleon I. gestürzt, fünf waren also gefallen»(17,10); ihm selber als Weltmonarch gebührt nunmehr die Zahl S. Da aber ihrer Drei dieses Namens aufstehen, und zwar in fortfchreitender Annäherung zu dem Ziele hin, so ergiebt sich folgendes Schema: » 6- 60. 600 Nap. 5. Heil. röm. Reich 4. Römer-Reich 3. Alexanders Ellionarchie 2. Medopersisches Reich 1· Chald. Reich unter Nebua Bereits zu Dan. 11, 37—39 haben wir uns bei der dortigen Charakterisirung des Antichrist einer Hin- weisung aus Wesensart und Handlungsweise Napo- leons I. nicht erwehren können; es ist aber in diesem Manne auch das in V. 36 jener Stelle von Selbst- überhebung Gesagte hinlänglich an den Tag getreten, als er im J. 1798 in Eghpten seine Proklamation er- ließ und darin, wenn auch zunächst nur in frivolem Mißbrauch des Aberglaubens der Muhamedaney er- klärte: ,,Jch könnte jeden von euch zur Rechenschaft ziehen auch über die geheimsten Gedanken seines Herzens; denn ich weiß alles, selbst das, was einer zu niemand ge- sagt hat. Selig die, welche die ersten sind, sich aufrich- tigen Herzens zu mir zu gesellen« Wie in den Wor- ten an den jungen Erzherzog von Berg: ,,deine ersten Pflichten sind die gegen mich, dann die gegen Frank- reich, dann die gegen dein Volk«, so setzte er allenthalben sich über alle-s; was er in seinem Katechismus lehren ließ, das war auch im Ernst seines Herzens Willens- meinung, daß Gott ehre und ihm diene, wer den Kaiser Napoleon ehrt und selbigem dient. Später, als die Tage seiner Macht und seines Glanzes zu Ende waren und er auf der öden Felseninsel St. Helena in trauriger Einsamkeit sein Leben beschließen mußte, hat er freilich einen Zug zu Gottes Wort hin verspürt, sich öfter mit der Bibel beschäftigt und da namentlich vor der göttlichen Majestät Christi im Gefühl seiner eigenen Nichtigkeit sich gebeugt, ja, er soll in seiner letzten Krankheit wiederholt den Namen Jesu mit Rührung genannt ha- ben; aber eine wirkliche Herzensbekehrung zu diesem Jesus und ein eigentliches Hindurchdringen zum selig- machenden Glauben an seinen Namen ist damit doch nicht erfolgt, denn weder bekennt er sich für einen Sün- der, der Gnade bedarf, sondern redet von sich und Seines- 96 Osfenh Johannis 13, 3—5. gleichen als von großen Männern, noch sncht er ,,das Paradeis, drein der Schächer that sein Reis«, sondern beklagt nur, daß er von der Erde hinweg muß und die Welt nichts mehr aus ihm macht. So hat auch Göthe wohl religiösen Zug verspürh ohne wirklich religiös zu werden (vgl· 4. Mos 31, 12 Anm.); und Judas, der Verräther, hätte auch ein ächter Jünger Christi werden können. Anlangend die übrigen Herrscherhäuser Frank- reichs, so hat der römische Stuhl sie allerdings mit dem Namen der ,,allerchristlichsten Könige« geschmiicktz wie aber dieser Titel zuerst in Lndwig XI. (von 1461—1483) einem Könige beigelegt worden ist, der Gottes Gesetz wie kaum ein anderer Despot des Mittelalters mit Füßen getreten hat und dessen geistige Ueberlegenheit über alle, mit denen er es zu thun hatte, lediglich im Dienste maßloser Herrschsucht stand, so erscheint er über- haupt an seinen Trägern für jeden, der die Dinge nach christlichem Maßstabe mißt, wie eine Blasphemie, wie eine Jllustration zu den Worten unsers Textes: »und auf seinen Häuptern einen Namen der Lästerung«, wo- mit wohl auf einen ihnen allen gemeinsamen Namen als Bezeichnung desselben Wesenscharakters hingedeutet und die Sache also nicht so gemeint ist, wie die Lesart besagt, welcher Luther folgt, als hätte jedes Haupt sei- nen eigenen besonderen Namen gehabt. Mag nun gleich in dem langen Zeitraum von mehr als 1200 Jahren mancher einzelne Herrscher in Frankreich gewesen sein, der nach Gesinnung und Handlungsweise besser war, als daß man ihn mit unter die Kategorie der Lästerung begreifen möchte, so ist ja eben im großen Ganzen nur von Häuptern oder verschiede1ien Königshäusern die Rede, und auf diese alle läßt sich jene Kategorie anwen- den, wenn man ihre hauptsächlichsten Repräsentanten sich vergegenwärtign Bei Beschreibung der Gestalt des Thieres, dessen Leib wie der eines Pardels, dessen Füße wie Bärenfiiße und dessen Maul eines Löwen Maul ist, während auch die 10 Hörner nicht fehlen, erinnert man sich zunächst der vier Thiere in Don. 7, 2—8; wir haben es also hier nicht mit einer selb- ständigen, neuen Weltmacht zu thun, die neben jenen vier als eine fünfte zählte, sondern mit einer solchen, roelche das Wesen der andern in sich zusammenfaßh ihre Charakter-Merkmale wieder aufnimmt und nach einer besonderen Seite hin noch bestimmter ausprägt, schließlich aber ihre Tendenz, die ganze Welt unter Ein Regiment zu zwingen, in dem Einheitsstaat mit 10 Vasallenthümern unter ihrer Oberhoheit wirklich erreicht. Was da zunächst den gewandten und befleckten Panther- leib betrifft, so zeichnet sich ja das französische Volk durch eine ungemeine Gewandtheit und Behendigkeit vor allen Völkern der Erde aus, Nationalität und Sprache aber ist in der That ein Gemisch von Romanenthum und Germanenthum, von Lateinisch und Celtisch Was es mit seinen plumpen Bärenfüßen alles schon in der Welt zertreten hat, trotz allem Pochen auf den Ruhm, die civilisirteste Nation der Erde zu sein, brauchen wir für den Kenner der Geschichte nicht einzeln aufzuzählen; und nun ist die Selbstbezeichnnng als »die große Na- tion«, das mit so großem Selbstbewußtsein in Anspruch genommene Prestige und die den Kreis des Erdbodens in Furcht und Schrecken haltende Stimme einer ange- maßten und auch in den Zeiten der Demüthigung nicht ausgegebenen Selbstherrlichkeit doch gewiß dazu angethan, um das Attribut des Löwenmauls zu rechtfertigen. Wir haben uns indessen auch der Stelle Hof. 13, 7 f. zu erinnern, wo Gott seinem abgefallenem Undankbaren Volke droht: »ich will gegen sie werden wie ein Löwe, und wie ein Parder auf dem Wege will ich auf sie lauern; ich wiu ihnen begegnen wie ein Bär, dem seine Jungen genommen sind, und will ihr verstocktes Herz zerreißen, und will sie daselbst wie ein Löwe fres- sen«. Frankreich mit seinem Löwenmaul und seinen Bärenfiißen und seiner Pantherbehendigkeit hat also allerdings eine göttliche Mission unter den Völkern Europas; es ist die, die abgefallene undankbare Chri- stenheit zu strafen, in beständiger Furcht zu erhalten« und, wenn die letzte Stunde kommt, auch zn fressen. Z. Und ich sahe seiner Hiiitpter eines lud-n- lich das, welches auf die fünf vordersten Kap. 17, 10 folgte, also das sechste], als wäre es tödtlich wund [genauer: wie geschlachtet zum Tode, wodurch es sich sofort als dasjenige zu erkennen gab, welche1n das Gegenbild des Lammes Kap. 5, 6·, nämlich der Antichrist, angehören werde], und seine tödtliche Wunde sdie Wunde, wodurch es bis auf den Tod verletzt erschien] ward heil swie die Jesu Christi, als er von den Todten auferstunds nnd der ganze Erdboden lnicht gerade die gesammte bewohnte Erde, sondern nur die Gesammtheit der bereits in das Culturleben eingetretenen Völker] verwunderte sich des Thiers [genauer: hinter dem Thier her, d. i. mit einer Verwunderung, die eine Untergebung unter das: selbe zur Folge hatte]; 4. Und salle aus dem Erdboden] beteten den Drachen an, der dem Thiere die Macht gab [daß die Todeswunde jenes seines sechsten Hauptes also hatte wieder heil werden können], nnd beteten das Thier nn swelches in dem, den das wieder heil gewordene Haupt bedeutet, ja nun auch von sich rühmen konnte, wie der verherrlichte Christus 1, 18: ,,ich war todt, und siehe, ich hin lebendig«], Und sprachen lunter einander sich gegenseitig zu immer neuer Verwunderung begeisternd, und zwar zu derjenigen Verwunderung, welche Gott allein gebührt]: Wer ist dem Thiere gleich [Jes. 40, 25; 46, Z; Pf. 35, 10]? und wer kann mit ihm kriegen lmuß sich nicht vielmehr alle Welt ihm als einer unüberwindlichen Macht ohne Weiteres unterwerfen] ? 5. Und es ward ihm [dem Thiere, als es in seiner Entwickelung bis zu diesem Punkte vor- geschritten war] gegeben ein Mund, zu reden große Dinge und Liisterung [Dan. 7, 25; 11, Be; 2, Thesf 2, 4], nnd ward ihm gegeben, das; [de- vor es noch diese Entwickelung seiner höchsten Spitze in dem Antichrist erreichte] es mit ihm währete zween und vierzig Monden lang lfür die Dauer dieser höchsten Spitze selber dagegen war eine andere, nur sehr kurze Frist schon längst bemessen Kap.12, 14., die das gerade Gegentheil ist von dem ,,lebendig von Ewigkeit zu Ewig: keit« des wahren Christus Kap. 1, 18]. Es kann kein Zeisel sein, daß die 42 Monate ebenso im prophetischen Sinne müssen verstanden werden, wie in Kap. 11, 2., also ein Zeitraum von 1260 Jahren Die tödtliche Wunde des einen der Häupter des Thieres wird wieder heil. 97 damit gemeint sei; nun kann aber nimmermehr ein einzelner persönlicher Herrscher so lange bleiben, wir» müssen also weiter erkennen, daß, während in der ersten Hälfte des fünften Verses die Rede auf den Antichrist als das zur völligen Ausgestaltung vorgeschrittene Thier geht, die zweite Hälfte angeben will, wieviel Zeit von dem ersten Dasein des Thieres an bis zu dieser völligen Ausgestaltung vergehen werde. Da kommt denn alles darauf an, den Zeitpunkt für den ersten Anfang des Thieres zu ermitteln, um darnach auch die Zeit der Erscheinung des Antichrist berechnen zu können; denn daß diese Zeit ein unerforschliches, undurchdringliches Geheimniß bleiben solle, ist eine ganz irrthümliche Voraussetzung, im Gegentheil wird es hier ausdrücklich uns nahe gelegt, an die Erforschung desselben unsere Kraft zu setzen. Die 70 Jahre in Jer. 25, 11f. sollten auch nicht umsonst in der Bibel stehen, wir sehen den Daniel in Kap. 9 seines prophetischen Buchs sich da- mit befassen; und wiederum die 70 Jahrwochen in Darn 9, 24 ff. haben ebenfalls uicht umsonst dagestanden, die Männer Gottes haben geforscht, auf welche und welcherlei Zeit der Geist Christi, der in ihnen war, deutete (1. Petri 1, 11), und der greife Simeon ist gewiß ein folcher Forscher gewesen und hat auf seine Fragen eine Antwort vom heil. Geist empfangen (Luk. 2,25f.). Da wir nun das Reich oder Land schon kennen, an welches wir bei dem Thiere mit den sieben Häuptern zu denken haben, so werden wir nur auf das entschei- dendsteund für das Reich Gottes wichtigste Jahr in der Anfangsgeschichte Frankreichs uns zu besinnen haben, um für unsre Berechnung eiiien sicheren Anhalt zu ge- winnen; und da tritt uns denn das Jahr 732 n. Chr., in welchem Carl Martell zwischen Tours und Poitiers seinen Sieg über die Saracenen ersocht und damit den immer weiter vordringenden Jslam in seiner furcht- baren Gewalt brach, als ein solches entgegen. Hiermit war nicht nur der Weissagung in Kap. 9, 4 gemäß die gerinauische Völkerwelt und die christliche Kirche des Abendlandes vor der Gefahr einer Ueberschiveinmnng durch die Saracenen und der Vernichtung durch den Jslam, wie sie das Morgenland betroffen hatte, ge- rettet, sondern auch der Grund gelegt zum Empor- kommen der nach Karl benannten Dynastie der Karo- ling er, welche wir oben als die erste unter den sieben Häuptern des Thieres gezählt haben; es ist das aber auch der Anfang zu jenem eigenthiitnlicheii Verhältnis; der Sympathie oder des Herzenszuges zu einander, der durch alle Zeitalter zwischen dem römischen Stuhl und der sranzösischen Weltmacht sich hindurchzieht, bis es zuletzt geradezu zu einer Vermählung oder zu einem förmlichen Sitzen des Weibes auf dem Thiere kommt (vgl. zu Kap.16, 19 Anm.), denn die Päpstliche Ermun- terung zum Raube der fränkischen Königskrone fällt in das Jahr 752 und die Schenkung Pipins an »den heil. Petrus-«, wie man sagt, in’s Jahr 756 n. Chr. Berechneii wir nun die 42 Monate von jenem Jahr 732 an, so erhalten wir eine zweite Reihe neben der ersten, die sich uns bei Kap. 11, 2 U. 3 ergab, beinahe um ein Jahrhundert später beginnt und eben so viel später abläuft, durch 11 Jahrhunderte dagegen parallel neben ihr hergeht: die erste nennen wir die Periode der Entwickelung des antichristlichen Zeitgeistes, die zweite die der Entwickelung des persönlichen Antichrisn Die eine bringt die Gefahr, welche in dem protestantifchen Princip der Freiheit für die annoch streitende Kirche darum liegt, weil diese Frei- heit ja auch großem Mißbrauch Qusgefetzt ist und in Libertinisinus und Ziigellosigkeit umschlagen kann, bis zur Ausgeburt der in Kap. 11, 7—10 beschriebenen Dächseps Bibclwerl Will. Band, L. Abth 2. Aufl. Zustände, und steigert die für Mens ch en mögliche Auf- lehnung und Empörung wider den HErrn und sein Wort bis zu dem in Pf. 2, 2 f. bezeichneten Maße; aber wider menschliche Sünde, wenn sie gleich bis zum Aeußersten fortschreitet, bleibt Gottes Gnade und das Heil in Christo doch immer noch mächtiger, und die IV, Jahre der Herr- schast des antichristlichen Zeit- geistes haben die in Kap. 11, 11—13 angedeutete Reaction zur Folge, welche der evange- z ; ; lischen Kirche zu ihrer höchsten 1250 Blüthe und zu derjenigen Stel- —H lung der andern Kirche gegen- über verhilst, welche ihr von Rechtswegen gebührt, doch auf so lange ihr vorenthal- ten bleiben mußte, bis die in ihrem Princip liegende Seelengesahr überwunden und der Weg zum rechten Ge- brauch der Freiheit bereitet war. Die andere Entwickelung dagegen bringt die weit surchtbarere und entsetzlichere Gefahr zum Austrag, welche in dem Princip des rö- mischen Papstthums liegt; mit Hilfe des Lehrsatzes von einer Stellvertretung Gottes und Christi durch ein Menschenkind. von der Unfehlbarkeit dieses Stellver- treters und seiner unbedingten Herrschaft über die Ge- wissen, und vermöge der gegenseitigen Vermähluiig der weltlichen Gewalt mit der geistlichen und der geistlichen mit der weltlichen, wird es dem Mörder von Anfang und Vater der Lüge einmal möglich werden, der Christen- heit für den Christ Gottes einen Antichristus unter- zusehieben, demselben seine Kraft und seinen Stuhl und große Macht zu geben und die Zeit eines solchen Jrr- thnms herbeizuführen, in den, so es möglich wäre, auch die Auserwählten sich würden verführen lassen. Damit wird das Geheimniß der Bosheit vollendet werden; weil es jedoch nun nicht mehr menschliche Bosheit ist, die sich da ausgestaltet, sondern die unter und an den Menschen wirkende Bosheit des Teufels selber, so kann es da auch keine Hilfe und Errettung zum Wieder- besserwerden mehr geben, sondern die Folge wird ein Gericht sein, welches zuerst die große Hure stürzt (Kap. 18) und darnach das Thier und den falschen Propheten in den feurigen Pfuhl wirst, wohin später der Teufel sammt dem Tode und der Hölle nachfolgt (Kap. 19, 20; 20, 14). Rechnen wir zu der, für fiie Erscheinung des Antichrist gefundenen Jahreszahl 1992 n. Chr· die ZIXsz Jahre seiner Herrschaft (Dan. 7, 25; 12, 7) hinzu, so koinmen wir bis zu 19951Xsz; nun ist nach unzweifelhaft richtiger Berechnung die Welt im Herbst des Jahres 4005 v. Chr» also a. 400472 erschaffen, die Dauer der ganzen Weltzeit bis zum Sturze des Antichrist würde denmach genau 6000 Jahre betragen. Das ist denn auch die Ansicht schon der ältesten Kirchenlehrer gewesen, welche diese sechs Jahrtausende mit den sechs Werkeltagen einer Woche in Parallele stellten (2. Perris, 8), sie die Welt-Woche nannten und die nunmehr erfolgende Lliifriilftung des tausendjährigen Reiches (Kap. 20, 1ff.) als den Welt- Sabbath, als den siebenten Tag der Weltgeschichte betrachteten, welcher demnächst von der Ewigkeit (Kap.20, 7—22, 15) abgelöst wird und also in einen nie endenden Sonntag übergeht. Es wird, nachdem wir zu V.2 von den Herrscher- geschlechtern Frankreichs dasjenige bereits ausfindig gemacht haben, welches den Antichrist einst aus sich heraussehen wird, nämlich das Haus Buonaparte, jetzt nicht mehr schwer werden, auch die Todeswunde dieses 7 S e» S. B s( «. m se— s—- S. b« nssxxsxssuoxiuv f«- TO TO 98 Offenb. Johannis 13, 6——10. Hauptes, die aber wieder heil ward, daß sich alle Welt hinter dem Thier her verwunderte, in ihren Vorspielen aus Frankreichs Geschichte nachzuweisen; denn Gottes Weissagung ist ein nicht miissig bis auf unbestimmte Zeit hinaus in die Erde vergrabenes Pfund, sondern aus Wucher ausgethan, sie beherrscht die Weltgeschichte und zeigt ihre wirksame Kraft schon in vorlaufenden Ereignissen der Weltgeschichte, die das Kiinftige ab- schatten, damit man auf ihre eigentliche Meinung auf- merksam werde und bei ihrer Deutung nicht hin und her rathe. Wie zum Tode geschlachtet, so erscheint das die Dynastie Buonaparte repräsentirende sechste Haupt an dem Thierleibe Frankreichs gleich in Napoleon I., dessen Verhängnis; es gewesen, daß er seiner, auf die Niederlage am 19. October 1813 (Kap. 1, 10), folgen- den Thronentsagung vom J. 1814, die ihm noch den Titel des Kaiserthums rettete, nicht treu blieb, sondern einen letzten verzweifelten Versuch zur Wiedergewinnung der vorigen Herrlichkeit wagte; denn es sollte bei jenem Sturze nicht bleiben, weil es keine Todeswunde ge- wesen wäre, sondern zu einem solchen kommen, in wel- chem das Haus Buonaparte bei Todesstrafe aus Frank- reich verbannt und der Träger seines Namens noch bei Lebzeiten für die Weltgeschichte begraben ward. Von dem Thier, das sich etwa 18 Jahre lang ganz und gar mit Napoleon identisicirt hatte, hieß es nun (Kap. 17, 8u.11): ,,es ist gewesen und ist nicht-«; aber hat sich nach einer doppelt so langen Zeit nicht auch das Wort erfüllt: ,,es wird wiederkommen aus dem Abgrund (der Revolution)«? Wir haben ein zweites französi- sches Kaiserthum unter Napoleon III. erstehen sehen, und in der That hat sich bei diesem Heilwerden der Todeswunde der ganze Erdboden hinter dem Thier her verwundert; die europäischen Großmächte haben sich de- müthig und willig unter die Aurtorität des abenteuer- lichen Emporkömmlings gebeugt, als wäre hinter ihm eine besondere Majesiät verborgen, und die Völker haben nun wieder eine fast unerklärliche Sympathie mit Frank- reich bekundet, obwohl doch sonst ein Großmaul nicht Viel Anziehendes hat und die Tritte von Bärenfiißen nicht leicht vergessen werden. Man merkt da die hinter dem Thier stehende Zaubermacht, die es durchaus da- hin bringen will, daß es zuletzt noch einmal heiße: »wer ist dem Thiere gleich? und wer kann mit ihm kriegen?« Jndessen hat Gottes Verhängniß auch über Napoleon III. gewaltet. Es hätte ja so leicht geschehen können, daß sein körperliches Leiden schon früher einen tödtlichen Ausgang genommen hätte, oder daß der Kriegs- fanatismus im Jahre 1870 noch einmal einer verniinf- tigen Ueberlegung gewichen und die wenigen Jahre der noch hinterstelligen Lebenszeit dieses Kaisers inderselben Bahn wie die früheren verlaufen wären; aber nein! das Gesicht von der tödtlichen Verwundung des Hauptes mußte ’sich auch an ihm erfüllen, es mußte durchaus eine Schwertwundeseim die auch fiir den zweiten Kaiser auf dem französischen Thron in die Bücher der Geschichte zu verzeichnen wäre. Nun ist es schwerlich ein Wahrsagen, sondern nur ein Verfolgen der Spuren, welche Gottes Fuß selber dem Erdboden eingedrückt hat, wenn wir bei unserer Auslegung voraussehen, daß auch das Gesicht von dem Wiederheilwerden der Todeswunde zum zweiten Mal werde wahr werden — nicht so bald, sondern erst nach so vielen Generationen, daß der, in welchem sie sich vollzieht, als ein Achter auftritt, da- zwischen aber, wie zwischen Napoleon I. und III. ein Zweiter fehlt, so auch ein Vierter bis Siebenter der Vergessenheit angehört (an dem IV. hat sich das bereits bewahrheitet), und nun es in Beziehung auf die Re- genten dieses Hauses ebenfalls heißen kann, wie in Be- ziehung auf die Dynastien überhaupt (Kap.17, 10 u. 11): ,,siinf sind gefallen«; I. It. III. 1v. v. vI. sen. VIII. Wie aber — ein Achter, und doch von »den Sieben? Er ist es freilich, insofern er zu derselben Dynastie mit ihnen gehört; sollte jedoch es nicht dabei bleiben müssen, daß nur sieben Häupter sind auch in Betress der Napoleon’s? und wenn das wäre, würde da nicht etwas Ungeheuerliches, über allen Begriff hinausgehen- des Uebermenschliches herauskommen? Wir dürfen vor dieser Consequenz der Gedanken, welche auf Napoleon I. und Napoleon VIII. als auf ein uud dieselbe Person führt, nicht so ohne Weiteres zurückschreckem es wird uns bei diesen Dingen auch noch manches Andere be- gegnen, was ein vernünftiger Mensch mit seinem ge- wöhnlichen Denken und Erfahren nicht zu reimen ver- mag. Aber darauf ist es eben für die Zeit der letzten großen Trübsal abgesehen, auf eine Verwunderung des Erdbodens, die etwas Geisterhaftes, Ueberweltli- ches, Gottgleiches in dem Thiere merkt, wenn sie auch nicht weiß, was es eigentlich ist oder woher es kommt, damit der Ausrichtung des antichristischen Reichs ein empfänglicher Boden in den Herzen der Völker be- reitet werde. Es wird davon zu Kap. 17, 8—11 des Weiteren die Rede sein; inzwischen werden folgende — Bemerkungen von zwei sorgfältigen und nüchternen Auslegern genügen. « Der eine schreibt: »Wir haben es hier mit einem Kunststück Satans zu thun, womit er Gott selber nachäfftx wie dieser der Welt einen vom Tode Erstandenen zum HErrn giebt, so auch Er. Es erklärt sichnun auch, warum die Welt bei seinem Offen- barwerden oder Wiederdasein ganz hingerissen ist und den Drachen anbetet, der dem Thier die Macht gegeben: ist es doch ein Herrscher nach ihrem Herzen, weil er den Tod, diesen Feind der Menschen, dessen Banden sie sich bisher nicht hat entwinden können, überwunden hat und somit auch seinen Anhängern ewiges Leben, aber — wohl verstanden! -— ewiges Leben im Diesseits verheißt-« Bei einem andern heißt es: »Der Apostel Paulus bezeichnet in L. Thess. 2 das Erscheinen des Menschen der Zukunft mit denselben Worten, welche er und die Schrift überhaupt von der Wiederkunft Christi gebraucht; eine Offenbarung oder Enthüllung, die jetzt nur noch von einer aufhaltenden Macht verzögert werde, eine Zukunft oder Parusie, wie Christi Wiederkunft eine Parusie ist, nennt er sein Auftreten. Das sieht ganz so aus, als wäre dieser Feind Christi bereits vor- handen, nur nicht aus Erden, sondern in der Tiefe, wie Christus im Himmel ist, und müßte nur eben er- s ch einen. So hat man denn in der alten Kirche hier und da die Meinung gehegt, als sollte jener berüchtigte Mörder der römischen Christen, der Kaiser Nero, von den Todten wiederkehren.« Der aber war weder Christ, noch zu einem eigentlichen Antichrist geeigenschaftet Z. Und es that [in eben diesem Menschen der Sünde, den es schließlich ausgebar und dem ein Mund für den vorhin angegebenen Zweck ge—- geben worden, denselben nun auch gebrauchend] seinen Mund auf znr Lästerung gegen Gott, kund zwar in dreifacher Beziehung, nämlich] zu lüfte-tu Erstens] seinen Namen nnd [zweitens] seine Hütte und Drittens] die im Himmel wohnen* [Dau. 7, 25; 2. Thcss L, 4]; 7. Und ward ihn! [zu dem Lästermaul gegen Gott V. 5 auch die Verderbensmacht wider die Kirche] gegeben, zu streiten mit den Heiligen sden Wie das Thier nun lästert, wider die Heiligen streitet und sie überwindet. 99 Gläubigen Jefu Christi] und sie sdurch äußerliche Vernichtung] zu überwinden [Kap. 12, 17; Dan. 7, 21]. Und ihm ward [nachdem es so die Kirche beseitigt und alle Spur einer Herrschaft Gottes auf Erden ausgetilgt hatte] gegeben [im Gegen- bild zu der Macht, die der Vater dem Sohne ge- geben Dan. 7, 14; Matth. 28, 18; Joh. 17, L] Macht über alle Geschlechter sund Völker] nnd Sprachen iind Heiden« [Kap. 5, 9; 11, g; 14, S; 17, 15]. 8. Und alle, die anf Erden wohnen smit ihren Sinnen und Gedanken an der Erde hän- gen Kap. Z, 10; 8, 13; 11, 10; Jer. 10, 18], beten es [das Thier und in ihm auch den Drachen 4] an, [das thun alle die] deren Namen nicht geschrieben sind in dem lebeiidigeii Buch sbesserx in dem Lebensbuch] des Lamuics, das erwürget ist, von Anfang der Weltitt [Kap· 17, 8., während dagegen die von Ewigkeit Er- wählten Matth. 25, 34; Ephes 1, 4 allbereits in den Himmel hinüber gerettet sind Kap 14, 13; Matth. 24, 24., die Zionsgemeinde 14, 1—5 aber für jetzt noch dem Bereich des Thieres ent- zogen bleibt 12, 14z Joel Z, 5 u. 21]. I) Der Prophet hört im Geiste das Thier jetzt wirklich lästern; es darf nun aussprechen, was schon von jeher in seinem Jnnern war, was es aber in frü- heren Zeiten, da es sich noch durch allerlei Bande ge- hemmt fühlte, wenigstens nicht in diesem Maße wagte. Nun lästert es aber als rechter Widerchrist nach Herzens- last alles, was hoch und heilig ist: Gott selbst, seinen Namen, d. i. alle Offenbarung seiner Herrlichkeit, be- sonders auch seine Ehre in Christo Jesu und dem heil. Geist; seine Hütte, den Gottesdiensh das Wort und die Anbetung Gottes; die im Himmel wohnen, d. i. die Niäniier und Diener Gottes, die vollendet haben, aber auch jene, die nicht auf Erden wohnen, deren Wandel und Bürgerthum im Himmel ist und die, obwohl noch hienieden in der Fremde, doch mit den Himmlischen Eine Gemeinde ausmachen. (Läminert.) Jhnen wird Gottes Geist abgesprochen nnd sie werden aus Heiligen in Uebelthäter verwandelt. (Hengsten- ber .) g II) Der in V. 3 genannte ,,ganze Erdboden« ist nach dem, in all diesen Kapiteln bis 19, 21 feststehen- den Sprachgebrauch nicht die gesammte bewohnte Erde überhaupt, sondern nur die Gesammtheit der in das geschichtliche Leben bereits hineingezogenen Völker im Gegensatz zu den, dem Umkreis der Erde angehörigen Völterschaftem von denen dann in Kap. 20, 8f. als von solchen, die nach der Niederlage des Antichrist noch übrig geblieben, die Rede ist; also wesentlich nur in den, in dem Zehnkönigthum zusa1nmengefaßten geschicht- lichen Culkurvölkern seiner Zeit wird der Antichrist sein Machtgebiet haben. Auch in Kap.16, 14 handelt es sich allein um diese, wenn dort von dem »ganzen Kreis der Welt« geredet wird. (Kliefoth.) Das Thier richtet ein Reich der reinen Diefseitigkeit auf, seiner Religion des Diesfeits hat jedermann sich zu fügen oder die Welt zu räumen; es wird darum mit Gewalt- und Zwangs- mitteln gegen alle eingeschritten, welche sich nicht fügen und den neuen Thierdienst nicht annehmen. So wer- den denn die Gläubigen verfolgt nnd gemaßregelh in’s Gefängniß geworfen und getödtet, und finden nirgends Schutz und Zuflucht; denn die ganze Welt hängt dem Thiere an. (Füller.) III) Die Versuchung, dem Thier zu huldigen, ist so groß, daß nur die ewige Erwählung Gottes davor bewahrt; die Erwählten aber sind diejenigen, welchen das für uns in den Tod dahingegebene Lamm Mittel- punkt ihres Glaubens und Lebens geworden ist, welche in der Rechtfertigung des Sünders einzig undallein durch den« Glauben in diesem Lamm als in dem Haupt- artikel göttlicher Wahrheit mittels eigenster Ueberzen- gung und Wahrheit wurzeln. (Kemmler.) 9. Hat jemand Ohren, der höre sso ließ hier die Stimme dessen sich vernehmen, der dasselbe Wort in Kap. L, 7.11. 17. 29; Z, 6. 13 u. 22 an die sieben Gemeinden gerichtet hatte]. 10. So jemand i1i das Gefängniß fiihret lwie einst Herodes Agrippa mit Petrus gethan, um ihn hernach abzuthun, gleichwie Jakobus den Aelteren Apoftg. 12, 1——4], der wird [zur Ver: geltnngsdafürj in das Gefängnis; gehen sum selber abgethan zu werden Apostg 12, 21—23]; so jemand mit dem Schwert tödtet [wie Petrus vor- mals mit dein Schwert nach des Hoheripriesters Knecht gefchlagen Matth 26, 51f.], der muß mit dem Schwert getödtet werden swie diesem bei jener Gelegenheit schon gesagt worden ist; aber die Kirche, die gerade des Petrus am meisten sich « rühmt, hat je und je das am wenigsten geachtet, was des Petrus Geschichte lehrt, und treibt nun im Dienste des Antichrist ihr Unwesen auf’s Alleräußerste, weswegen sie denn noch vor ihm und durch seine Vasallen dem Gericht in der längstverdienten Weise verfallen wird Kap 17, 6.16ff.]. Hie ist sum mit diesem Drohwort an die große Babel der Endzeit für alle diejenigen, die von meinem Volk noch etwa in ihr sind und, um ihrer Sünden und Plagen nicht theilhaftig zu werden, von ihr ausgehen Kap. 18, 4 sf., dafür nun aber mit den Heiligen ihrer Verfolgung er- liegen müssen, eine Mahnung zu standhafter Aus- dauer in dem ihnen verordneten Kampfe zu ver- binden] Geduld nnd Glaube der Heiligen sam Platz 14, 12 — Geduld, die das Härteste über sich ergehen läßt, und Glaube, der an Christo festhält und sich nicht bewegen läßt, dem Thiere zuzusallens Es ist verkehrt, wenn die Ausleger glauben, mit den Worten: »so jemand in’s Gefängniß führet, der wird in das Gefängniß gehen; so jemand lnit dem Schwert tödtet, der muß mit dem Schwert getödtet werden«, werde den von dem Thier und seinem An- hang verfolgten Gläubigen eine Warnung ertheilt, daß sie nicht dergleichen Geioaltmittel anwenden zu wollen sich einfallen lassen, um die Schreckensherrschaft zu stürzen; denn da sorgen die Zustände und Verhältnisse schon von selber dafür, daß ihnen das überhaupt nicht in den Sinn kommen kann, selbst wenn sie vergessen sollten, daß die Wasseii ihrer Ritterschaft nicht fleisch- liche sein dürfen. Aber auch das trifft nicht zum Ziele, 7R 100 Offenh Johannis 13, 11——13. wenn man die Worte als einen den verfolgten Gläu- bigen geltenden trostreichen Zuspruch faßt: Gott werde strenge Vergeltung an ihren Versolgern üben, des sollten sie sich getrösten und in Geduld ausharren. Ein fchlechter Trostl so müssen wir mit Füller sagen; denn wer wegen seines Bekenntnisses zu Christo ge- tödtet worden, wird dadurch nicht lebendig, daß sein Mörder gleichfalls dem Tode verfällt. Man sollte meinen, Christen könnte man einen bessern Trost geben; aber lassen wir ihn auch gelten, so wäre er doch so gewöhnlicher Art, daß sich schwer begreifen läßt, wie auf ihn als etwas besonders Wichtiges mit dem Rufe: »wer Ohren hat, der höre« hingewiesen werden müsse. Richten nun unzweifelhaft die Worte sich nicht an die Versolgte1i, sondern an die Verfolger, so hat Christus der HErr offenbar mit dem Antichrish diesem Menschen der Sünde und Kinde des Verderbens, sowenig etwas zu thun, als er dem Teufel je eine Mahnung, War- nung oder Drohung ertheilt; er redet zu diesem nur, um ihn abzuwehren, nicht aber um ihn von etwas ab- zuhalten, und Drohsprüche oder Weissagungen handeln nur von ihm, richten sich aber nicht an ihn. Dies führt mit Nothwendigkeit darauf, daß die Worte sich an jemand richten, zu dem der HErr darum noch ein letztes Wort redet, weil er ihm früher angehört hat, den er aber nun für immer aus aller Verbindung mit ihm entläßt und an das Gericht der Verdammniß hin- giebt, gleichwie er so mit Judas in Joh. 13, 27 ver- handelt. Wer dieser Jemand ist, das ist genugsam mit dem Rufe: ,,hat jemand Ohren, der höre«, angedeutet; es ist das der früher an die sieben Gemeinden gerichtete . Ruf, aber kein Ruf der Mahnung und Warnung mehr, daher auch die zweite Hälfte desselben fehlt, sondern nur noch ein Ruf der Dahingabe an das Gericht. Wir können auch sagen, welche von den sieben Gemein- den gemeint sei, nämlich die zu Thyatira als Sinn- bild der römischen Papstkirche (Kap. L, 18——29); die jetzt noch Glieder und Anhänger derselben sind, können sich nicht darüber beschweren, daß ihre geistliche Mutter damit verunglimpft und in unverdienter Weise gebrand- markt werde, sie hat mit ihrem Verhalten, wie es in der Geschichte der Verfolgung Andersgläubiger zu Tage getreten, uns volles Recht dazu gegeben, das Wort der göttlichen Offenbarung auf sie zu deuten. Aber die jetzt noch in guter Meinung und kindlicher Pietät die Sünden ihrer geistlichen Mutter weder sich noch An- dern eingestehen, sondern für ihre Würde und ihr Recht eintreten zu müssen glauben, werden an den noch irgend ivahrheitsliebenden und auf ihr Seligwerdeii bedachten Seelen der letzten, antichristischeti Zeit Nachfolger haben, die dann klarer sehen nnd besser verstehen, was des HErrn Wille ist; die werden dann ausscheiden aus einer Kirche, die so weit gehen konnte, daß sie selbst eine Verniälfliing mit dem persönlichen Widerchrist nicht scheut, und ihnen gilt nun die Mahnung am Schlusse unsers Abschnitts, daß auch sie eintreten in die Schaar der Heiligen, wider die zu streiten und sie zu über- winden dem Thiere Macht gegeben wird. Ueber das Schicksal der in Rede stehenden Kirche, welches Gericht ihr mit jenen Worten von dem i1i’s Gefängnißgehen nnd mit dem Schwertgetödtetwerden angekündigt werde, erfahren wir hier nichts Näheres, weil davon in Kap. 17 u. 18 das Nöthige gesagt werden soll; die bloße Ankündignng genügt, uns darauf aufmerksam zu machen, daß nunmehr die Gerichtsbollstreckiiiig als bereits ge- schehen zu denken und im folgenden Abschnitt diejenige Zeit der antichristischen Herrschaft gemeint sei, die nach dem Falle Babels anbricht und die volle Blüthe dieser Herrschaft herbeiführt, indem das Thier sich nun in den Besitz des Erbes der großen Hure, die seine zehn Hörner umgebracht haben, setzt, um die höchste Kirchen- macht mit der höchsten Weltmacht in einer und der- selben Person zu vereinigen und ein priesterliches Kö- nigreich im Dienste des Teufels aufzurichten. Dazu bedarf es eines Propheten, und der wird ihm auch nicht fehlen in dem Bodensatz aller ihrer Unreinigkeih den die große Hure bei ihrem eigenen Untergange hinter sich zurückgelassen hat. VII· d.11—18. Ferner sieht Johannes von der Erde ein Thier aufsteigen, und dies Thier wird für den be- reits persönlich gewordenen und zu einem diabolifchen prieslevläöiiig ansgestalteten Jitntichrist zu dem von der Hölle inspirirten und mit der wundergabe ansgesiatteteii Propheten, daß er vetführe, die auf Grdeu wohnen, und sie zur Ztiibetung nicht blos des Thieres selbst, sondern auch seines Bildes dringe und zwiuge Kirch dies Thier ist charalitcriflisch genug besihriebem um schon jetzt zu er- kennen, aus welkher liirchlichen Genossenschaft es hervor- gehen wird; seiii Betrug aber, dessen es sich— bedienen wird, um womöglich auch die Auserwählten zu berüitiein ifl ebenfalls schon entlarot, um die szeriiitiung unmöglich zu maihetn U. Und ich sah shieraufs ein ander Thier aufsteigen [nicht, wie das erste, aus dem Meer oder dem unruhigen Gewoge des Völkerlebens, sondern] von der Erde salso hervorgehend aus den festen, geordneten Zuständen des« kirchlichen Lebens, vgl. den Ausdruck ,,Juda« in Sach· 14, 14],, und Dasselbe] hatte sals eine»geistige, und zwar näher: geistliche Macht] zwei Hörner, gleichwie das Lamm sindem es den Schein annahm, als komme es im Dienste des Lammes 5, 6], nnd redete sgleichwohh wie der Drache [stund also mit dem, was es verkündigta vollbrachte und verlangte, in Wirklichkeit im Dienste des Drachen 12, 9]. Ueber Erde und Meer hatte die Stimme (12, 12) Wehe gerufen, als der Drache aus dem Himmel stürzte: aus dem Meer und aus der Erde erstehen die zwei Thiere, die den Willen des Drachen ausricbten (Hof- mann.) Daß dieses zweite Thier eine geistliche Macht sei, wie sie dem ersten Thier, der weltlich en Macht entspricht, versinnbildet schon seine Erscheinung neben dem ersten Thier; nicht nur die Leiber, auch die Geister sollen dem Drachen dienstbar gemacht, die Welt ihm ganz, nämlich geist- und leih-eigen werden; zur Praxis muß die Theorie hinzukommen, dadurch erst wird das Ganze ein vollendetes System. (Sabel.) Wie schon Pharao im Kampfe gegen den HErrn und dessen Volk von Jannes und Jambres, den falschen Propheten jener Tage, umgeben war (2. Tim. Z, 8), so ist, um niit Oetiiiger zu reden, der falsche Prophet der Hosphilosoph des Antichrist (Steffann.) Nicht aus dem Meer, son- dern von der Erde, nicht aus der bewegten Flnth der wogenden Völker und Nationen, sondern aus dem, was fester Boden schon geworden ist, steigt dies andere Thier auf; geht es aber nicht aus Völkerbeivegiingen hervor, so ist es auch keine irdische Herrschermachh bildet es sich unter geordneten, neben ihm fortdauernden Zustän- den, so ist es eine geistige Macht, und in der That wird in Kap. IS, 13; 19, 20 dem Thier gerade so der falsche Prophet beigesellt, wie ihm hier das ,,andere« Thier beigesellt wird. (Ebrard.) Waren schon die beiden Bettelorden der Doniiiiikaner und Franziskaner Das von der Erde aufsteigende Thier mit zwei Hörnern nach Art des Lainmes 101 nicht in Zeiten eines politischen Chaos aufgestiegen, sondern als bereits die Zustände Europas sich wieder gefestigt hatten, so ist insbesondere der Jesuitenorden ein Gewächs des späteren civilisirten Europa. Die Anfänge dieses Ordens sind ein welthistorifcher Beweis, wie weit es die natürliche Willenskraft in staunener- regender Selbst- und Weltverleugnung zu bringen ver- mag, wie aber gerade hinter dieser Lichtengelsgestalt sich die gefährlichsten Satanstiefen zu verbergen lieben; insbesondere auch vom Jesuitismus gilt das Warnung?- wort des HErrm ,,Sehet euch vor vor den falschen Prophetemdie in Schafskleidern zu euch kommen, in- wendig aber sind sie reißende Wölfe; an ihren Früchten sollt ihr sie erkennen« Und eben die Früchte des Je- suitismus sind von so unzweideutiger Art, daß sich kein unbefangenes Gemüth über die Natur seines Ursprungs, ob er sich auch in den glänzendsten Heiligenschein hülle, täuschen kann. (Kemmler.) Unter des Jgnatius von Lohola Leitung begann der Jesuitenorden sein Dasein und wuchs rasch zu dem vollen Maße seiner unge- heuren Macht empor. Mit welchem Ungestüm, mit welcher Staatsklugheit, mit welcher strengen Zucht, mit welchem unerschrockenen Muthe, mit welcher Selbst- verleugnung, mitwelcher Hintansetzung der theuersten persönlichen Bande, mit welcher starken hartnäckigen Hingebuiig an einen einzigen Zweck, mit welcher lockeren Unbedenklichkeit und Geschmeidigkeit in der Wahl der Mittel die Jesuiten die Schlachten ihrer Kirche fochten, das steht auf jeder Seite der Geschichtsbücher Europas, mehrere Jahrhunderte hindurch, geschrieben. Jn der Gesellschaft Jesu fand sich die Quintessenz des katho- lischen Geistes zusammengedrängt; die Geschichte der Gesellschaft Jesu ist die Geschichte der großen katho- lischen Reaction. (Macaulat).) Von der Gestalt dieses zweiten Thieres wird nichts gesagt, es werden aber. zwei sehr charakteristische Merkmale angeführt: ,,es hatte zwei Hörner gleichwie das Lamm, und redete wie der Drache« Lamm und Drache sind nicht als irgend ein Lamm und Drache zu verstehen, sondern sind als Eigennamen für Christus und Satan zu nehmen; das Lamm bezeichnet da den Sohn Gottes in seiner nie- drigen Menschheit als »Jesus«, so daß wir hier eigent- lich eine Anspielung auf den Namen ,,Jesuiten« haben. Von dem Lamm wurde in Kap. 5, 6 gesagt, daß es sieben Hörner und sieben Augen habe; allein diese hei- ligen siebenfachen Kräfte des heil. Geistes sind dem Jesuitenorden nicht eigen, er hat dafür zwei Kräfte, die nur eine äußere Aehnlichkeit mit jenen darbieten, das sind die geistliche und die weltliche Macht, durch die er sich ausgebreitet hat. Es hat nie ein Orden, wie dieser, sich in solchem Maße neben den geistlichen Bestrebungen dem weltlichen Wesen hingegeben; die Jesuiten waren Geiftliche und Kaufleute, je nachdem es zum Zweck führen sollte. Sie hatten bekanntlich ein eigenes Reich in Amerika, den Staat Paraguai. den sie wie weltliche Fürsten regierten; auch suchten sie überall ihren einmal erlangten Einfluß in einem solchen Maße auch auf die weltlichen Angelegenheiten ganzer Länder, Staaten und Städte auszudehnen, daß alles nach ihrem Willen ge- schehen mußte. So gleißnerisch einschmeichelnd sie sich überall eindrängten, so herrschsüchtig undblutdürftig waren sie, wenn» sie einmal die Macht erlangt hatten; jenes war das Erste, dies das Zweite, wie denn auch zuerst die Lammeshörner und dann das Reden wie ein Drache erwähnt wird. (Gräber.) Wie redet denn der Drache? Wenn ihn der HErr als den Menschenmörder von Anfang und als den Lügner und Vater der Lüge darstellt, so kann auch sein Reden nicht anders als mordsüchtig, lügnerisch sein; und so auch das Thier aus der Erde bei all seiner Lammähnlichkeit »Wir sind eingezogen wie Lämmer-«, hat schon Franz Borgia vom ersten Auftreten seines Ordens bezeugt; und so tritt dieser noch heutzutage überall, wo er noch nicht zur Herrschaft gelangt ist, mit großer Vorsicht und Behutfamkeit auf, besonders in jenen Missionen, die er mit so großer Vorliebe innerhalb paritätischer Staaten und unter überioiegend protestantischer Bevölkerung hält. Da sind in der Regel die Krallen eingezogen und nur weiche Sammetpfötchen zu spüren; aber wo er seine eigenste, innerste Natur enthüllen kann, tvelche Draihen- sprache, welche Sprache der unduldsamsten Verfolgung?- sucht,! Die Jesuiten lassen ihre Convertiten in Ungarn schwören: »wir schwören, solange ein Tropfen Blut in unsern Adern ist, jene verfluchte evangelische Lehre in jeglicher Weise, heimlich und offen, mit Gewalt und List, mit Wort und That, das Schwert nicht ausge- nommen, verfolgen zu wollen.« Und bereits gesehen haben wir, wie der Jefuitismus beinahe alles Licht re- formatorischen Geistes in den romanischen Ländern in Blutströmen ausgelöscht hat, wie Jesuiten am Hofe Ferdinand’s I.l. durch Wort und Schrift die Fackel des dreißigjährigen Kriegs entzündet, wie Jesuiten am Hofe Ludwig’s XIV. ihn zu vertragswidriger, rücksichtsloser Verfolgung seiner reforniirten Landeskiiider gestachelt haben; und noch jetzt fprechen es die Organe dieser Richtung offen aus, daß Glaubens- und Gewissens- freiheit ihren Grundsätzen schnurstracks entgegenstehe, unddaß sie unter veränderten Umständen wieder auf Vernichtung des Protestantismus auch mit Mitteln der Gewalt hinarbeiten würden. (Kenimler.) 12. Und es thut [nun, wenn es nach dem Untergang des Papstthums 17, 15—18, in dessen Diensten es vordem gestanden, seine Wirksamkeit zur volleu Ausgestaltung der antichristlichen Herr- schaft beginnt] alle Macht des ersten Thieres lsetzt alle diesem Thiere gegebene Macht über die Geschlechter und Sprachen und Heiden V. 7 in Vollzug oder bringt sie zur Geltung] vor ihm [d. i. unter den Augen des Thieres, da es «ja an ihm seinen neuen Herrn übernommen und demselben Anhang und allgemeine Huldigung zu verschaffen sich zum Ziel gesetzt» hat]; und es nmchet sbewirkt durch das in den beiden Hörnern noch fpeciell sich darstellende Vermögen des Wor- tes und des Wunders 2. Thess 2, 9 f.],« daß die Erde, und die darauf wohnen, anbeten das erste Thier, welches tödtliche Wunde heil worden war [V. 3 f.]. 13. Und thut lwas zunächst das ihm ver- liehene Wunder-Vermögen betrifft] große Zeichen, das; es auch fwie einst Elias gethan, um die Widersacher Gottes mit Einem Schlage zu verder- ben 2. Kote 1, 9 ff« Zur. g, 541 macht Feuer vom Himmel fallen vor den Menschen sdoch natürlich nicht in der Kraft Gottes, sondern nach der Wir- kung des Satans, mit allerlei liigenhaftigen Kräf- ten 2. Thesf. 2, 9; Ephes 2, 2; S, 12., und für den gegentheiligen Zweck, daß alle, die es sehen, rufen: Wer ist dem Thiere gleich? und wer kann mit ihm kriegen? V. 4; 1. Kön. 18, 39]; 102 Offenb. Johannis 13, 14—18. 14. Und vetfühtet [in Erfüllung dessen, was der HErr in Matth 24, 24 geweissagt hat], die auf Erden wohnen, um der Zeichen willen, die [auch sonst noch] ihm [von dem Satan unter Gottes Zulassungs gegeben find zu thun vor dem Thier« [um dessen Ehre und Anbetung es ihm zu thun ist]; nnd faget [was dann weiter das ihm verliehene Vermögen des Worts betrifft] denen, die auf Erden wohnen, das; fte dem Thier ein [dessen angebliche Gottes-Majestät und Herrlichkeit L. Thess. 2, 4 versichtbarendes] Bild swie das in Dan. 3, 1ff.] machen sollen [und zwar ein Bild, welches das Thier als ein solches darstellt], das die Wunde vom Schwert hatte [als wäre es zum Tode getroffen], nnd [dann doch wieder eben so gut, wie Christus von seinem Tode] lebendig worden war. 15. Und es ward ihm [um die kräftigen Jrrthümey welche Gott in der antichristischen Zeit sendet, daß die Leute der Lüge glauben sollen 2. Thesf L, 11 f., voll zu machen, ferner noch] gegeben, daß es [in satanischer Nachäffung des göttlichen Wunderwerks der Erschaffung des Men- schen 1. Mos. 2, 7] dem [an sich todten] Bilde des Thiers sdessen Verfertigung und Aufstellung es vorher veranlaßt] den Geist ldes Lebens] gab, das; des Thiers Bild lnun sogar] redete [und damit wie handgreiflich den, welchen es vorstellen sollte, als einen Gott erwiese, für den derselbe sich ausgab], nnd daß es [nämlich das Bild] machte [vermöge seines Redens durch ausdrückliche Erlasse ankündigte, wie jener Ehrenherold des Kö- nigs Nebucadnezar in Dan. Z, 4 ff.], daß, welche nicht ses selber, also] des Thieres Bild anbeteten, ertiidtet würden Ials solche, die nicht die Gottes- herrlichkeit des von ihm Dargestellten anerkennen wollten]. Daß die auf Erden wohnen, d. h. die hier ihr Heimwesen aufgeschlagen haben, das Thier anbeten würden, dessen tbdtliche Wunde heil geworden, haben wir schon in V. 4 gehört; jetzt erfahren wir auch, «wefsen Bemühungen das zu verdanken sein wird — das zweite Thier ist es, das die Erdbewohner dazu bringt. Es steht ja dem Weltherrfcher selbst nicht an, fein eigener Herold und Prophet zu fein und zu verkünden, was mit ihm Wunderbares vorgegangen, dieses Geschäft besorgt vielmehr das andere Thier, und daß seiner Verkündigung Glauben geschenkt wird, das bewirkt es durch die Zeichen, die es thut. Indem diese als »große« bezeichnet werden, ist uns verboten, an bloße Schein- wunder zu denken, sondern es find wirkliche Zeichen gemeint, die das mit der Macht Satans ausgerüstete Thier verrichtet; groß ist ja gewiß kein Zeichen, das nur ein solches zu sein scheint. (Füller.) Selbst gläu- bigen Christen wird es schwer, sich in Wunder zu finden, die, wie die hier geweissagten, satanischen Charakters sind; es beruht das theils auf dem Mangel an Glau- ben an die persönliche Existenz und Macht des Fürsten der Finsterniß theils auf dem Einfluß des alles Ueber- natürliche leugnenden Zeitgeistes, dem sich selbst die Gläubigen kaum ganz und gar entziehen. Und doch redet die ganze heil. Schrift von solchen Wundern: Pharao’s Zauberer wiederholen bekanntlich bis zu einer gewissen Grenze Mofe’s Wunder; in 5. Mof. 18, 10 verbietet Gott die Zaubereisünde, würde sie nicht exi- stiren, so könnte sie auch nicht verboten werden; in 5. Mof. 13, 1 ff. sagt Gott ausdrücklich, indem er warnt, den falschen Propheten und Träumern zu gehorchen, daß das Zeichen oder Wunder, davon sie gesagt, kommen könne. Gerade für die letzte Zeit nun bezeugt der HErr in Matth. 24,24., daß aufstehen werden falsche Christi und falsche Propheten, und große Zeichen und Wunder thun; ebenso bezeugt St. Paulus in 2. Thess. 2, 9ff. daß die Zukunft des Boshaftigem des Menschen der Sünde, geschehen werde nach der Wirkung des Satan mit allerlei lügenhaftigen Kräften und Zeichen und Wundern, und bezeichnet ausdrücklich den Ziveck, den diese dämonischen Wunder für Gottes Zulassung haben, nämlich die Menschen eben zu verführen, wie sie das um ihres Unglaubens und ihrer Ungerechtigkeit willen verdient haben. Jndessen können solche Wunder doch niemals von der Naturfeite loskommen, und das be- gründet allerdings einen wesentlichen Unterschied von den wahren Wundern. (Steffann.) Das Thier mit den zwei Hörnern verhält sieh zu dem Antichrist, wie die zween Zeugen oder Propheten in Kuh. I1, 3ff. zu Christo; die Wirksamkeit der letzteren gestaltet sich nach der des Moses und Elias insofern, als ihre Worte das Feuer sind, womit sie die Feinde verzehren, die Wirk- samkeit des ersteren aber nach der des Elias insofern, als es diesem in der Vertilgung der Widerwärtigen nachahmt dadurch, daß es Feuer vom Himmel fallen läßt, was an sich schon nach But. s, 55 f. für die nen- testamentliche Zeit verboten ist, hier aber außerdemfür den gerade umgekehrten Zweck geschieht, nämlich die Anbeter des wahren Gottes zu vertilgen und den Baals- Pfaffen den Sieg zu verfchaffen. Der unreine fleisch- liche Eifer, in welchem einst jene beiden Jünger die Macht begehrten, durch Feuer vom Himmel die ketze- rischen Samariter zu vernichten, ist die eigentliche Seele des Jesuitenordens; so lange er noch im Dienste des Papstthums steht, muß er sich mit Feuer von der Erde begnügen, und er holt es herbei, wo er nur irgend desselben habhaft werden kann, bis einst, wenn er nun in den Dienst des Antichrist und damit unmittelbar in den des Teufels tritt, er wirklich die Macht bekommt, das Feuer vom Himmel zu nehmen, aber nicht aus demjenigen Himmel, welcher dem Elias zur Seite stand, sondern von dem, aus welchem in Hiob l, 16 durch Satans Wirkung und nur unter Gottes Zulassung Feuer fällt. Ein Bild zu machen den erwählten Gegen- ständen ihrer Verehrung, der Jungfrau Maria und der Heiligen, das hat die Kirche, deren Söhne und Diener die Jesuiten zur Zeit noch find, von jeher verstanden, und man hat auch diesen Bildern je und je den Geist des Lebens zu geben versucht durch allerlei Legenden, als ob dieselben weinten und lachten, redeten nnd An- weisungen ertheilten; sie selber zeigen sich dabei am eifrigsten und erfinderischsten, und beweisen sich als die eigentlichen Meister in Nährung des Aberglaubens durch Befruchtung der Phantasie und in Entflammung des Fanatismus durch Vorfpiegelung von Himmelserschei- nungen, und nun foll denn Gottes gerechte Strafe für ihr fluchwürdiges Treiben dereinst die sein, daß sie da- hingegeben werden an das Thier aus dem Meer, um diesem nach der Wirkung des Satan mit allerlei lügen- haftigen Kräften zu dienen, aber freilich darnach auch mitfammt dem Thier lebendig in den feurigen Pfuhl Das in den Dienst des Antichrist tretende jesuitische Prophetenthum 103 geworfen zu werden, der mit Schwefel brennt, und dem Teufel und allen Verdammten den Weg dahin zu bahnen (19,20; 20, 10u.15). »Es gelingt dem Lügen- Propheten das abenteuerlichste Wunder, das man sich denken kann. Zwar hat man im Heidenthum schon von redenden Götterbildern gefabelt, und auch die Le- genden von redenden, blutfchwitzendery weinenden Hei- ligenbildern der römischen Kirche gehören hierher; aber wovon man bis dahin blos fabelte, das wird jenes Thier von der Erde ins Werk sehen, es wird ihm die Macht dazu gegeben. Es giebt dem Thierbilde Geist und Lebensodem in der Absicht, damit es auch rede und durch sein Reden beioirke, daß, welche das Thier- bild nicht anbeten wollen, getödtet werden. So bringt es der Liigenprophet zum Cultus des Antichrist und seines Bildes, und es entsteht so eine Art Dreieinigkeit: die Stelle Gottes des Vaters vertritt der Teufel, die Stelle des Sohnes der Antichrist, der gewissermaßen ini Sohnesverhältniß zum Teufel steht, so daß dieser wohl auch zu ihm sagen kann (Ps.2, 7): »du bist mein Sohn, heute habe ich dich gezeuget«; und die Stelle des Geistes vertritt das mit Geist begabte Bild, das gewissermaßen, wie der heil. Geist den Vater und den Sohn, den Antichrish dessen Abbild es ist, und den Drachen, der es begeistert hat, verklärt. (Fi’iller.) 16. Und [es, das andere Thier, in weiterer] Dienstfertigkeit gegen das erste Thier, für dessen allgemeine Anerkennung und Anbetung es alles daran setzte] machte allefannnt lbereitetc oder über: redete die Leute ohne Unterfchied des Alters, des Besitzthums und der gesellschaftlichen Lebensstel- lung], die Kleinen falso] nnd Großen, die Reichen nnd Armen, die Freien und Knechte, das; es ihnen ein Piaalzeichen gab [daß sie es sich ge- fallen ließen, ein von ihm vorgeschlagenes, ihr Unterwiirfigkeitsverhältniß unter das Thier äußer- lich bekundendes Maalzeichen nach Art eines auf- gedrückten Stempels oder eines gravirten Arm- bandes anzunehmen] an ihre rechte Hand oder an ihre Stirne lals an diejenigen Stellen des Leibes, wo man es sogleich vorzeigen könne oder wo es von—selber sofort in die Augen falle], 17. Daß [bei dem, für das tägliche Leben erforderlichen Verkehr mit Andern sich unbedingt herausstellen müsse, ob einer zu den Anbetern des Thieres gehöre oder nicht, und also nament- lich] niemand kaufen oder verkaufen kann [besser: könne], er habe denn das Maalzeichen Ientweder in einem eingravirten Bilde des Thieres bestehend] oder [statt des Bildes] den Namen des Thieres oder [statt des Namens selber] die [blos;e] Zahl feines Namens [d. i. diejenige Zahl, welche nach den Regeln der Gematria Jer. 25, 26 Anm. in feinem Namen steckt]. 18. Hie [wo es sich um ein Maalzeichen handelt, das auch in einer bloßen Zahl bestehen kann, die man für ein Mittelding zu halten ge- neigt sein wird, dessen Annahme nicht viel zu be- deuten habe] ist Weisheit [am Platz, die nicht durch äußeren Schein sich blenden läßt, sondern auf das Wesen der Sache eindringt]. Wer [nun für göttliche Dinge] Verstand hat [2. Mos. 31, 3], der überlege die Zahl des Thieres fdie schou jetzt soll namhaft gemacht werden, damit man beizeiten ihr eigenthümliches Verhältniß zum Thiere sich klar mache und dereinst von ihrer Annahme als Maalzeichtn wie vor einer todbringenden Pest 14, 9——-11 sich hüte], denn es ist eines Menschen Zahl sdie mit dem Christdes HErrn nichts zu fchaffen hat, wie man betrügerischer Weise vor- geben wird, sondern vielmehr denjenigen charak- terisirt, der in L. Thess 2, 3 »der Mensch der Sünde« heißt], nnd seine Zahl ldie das ganze Wesen dieses Menschen als des ,,Abtrünnigen« ausprägende Zahl] ist sechshnndert und sechs und sechszig [nach der Reihenfolge iin Grundtext: sechshundert sechzig fechs]. Nachdeni der falsche Prophet dafür gesorgt, daß derjenige, in dessen Dienst er sich nach Ausrottung des römischen Papstthnms gestellt, in einer sichtbaren Ge- stalt sich verkörpert hat und die Anerkennung und An- betung desselben zum allgemeinen Reichsgesetz erhoben worden ist, welches bei Todesstrafe streng gehalten werden muß, sorgt er nun auch dafür, daß niemand, der gleichwohl diese Anerkennung und Anbetung ver- sagt, sich heimlich verbergen und sein Leben erhalten könne; nach des HErrn Willen soll in der antichristi- schen Zeit es eben dahin kommen, daß jeder, der ihm angehören und von dem Antichrist nichts wissen will, dies auch bekennen und solches Bekenntniß mit seinem Blute besiegeln muß, ein Verschontbleiben von der letzten großen Trübsal soll außer für die, denen es auf besondere Weise, und da auch nur bis zu einem ge- wissen Maße, beschieden ist (12, 14; 19, 11 ff.), schlechter- dings nicht möglich sein. Nun hat schon Kaiser Dio- cletian bei der von ihm angestellten Christenverfolgung, der letzten und schwersten unter denen, welche über die alte Kirche ergangen sind (von 303——311 n. Chr.), ein Edikt erlassen, welches den Heiden untersagte, den Christen irgend etwas zu verkaufen; wie in dem Stücke, daß auf jeden, der es irgend verbergen wollte, daß er ein Christ sei, die Folter angewendet wurde, die Jn- quisitoren der römischen Kirche, die Jesuiten, den Pro- testanten gegenüber schon das Beispiel Diocletian’s nachgeahmt haben, so thun sie es auch am Ende in Aufstellung und Ausführung einer der vorhin erwähnten gleichen Maßregel. Es übt also der falsche Prophet an unserer Stelle eine ihm längst schon geläufige Kunst, wenn er, uin alle diejenigen ausfindig zu machen, die dein Thier die geforderte Ehre verweigert» die An- nahme eines Maalzeichens in Vorschlag bringt, ohne welche niemand solle kaufen oder verkaufen, d. h. über- haupt nicht mehr in der Welt existiren können, selbst wenn er sich in den heimlichsten Winkel verbergen wollte. So wenig man nun auch an sich vor einer Umbringung aller Nichtanbeter ohne Ausnahme sich scheuen würde, und sollte gleich das Blut in Strömen müssen fließen und Maschinen in Anwendung gebracht werden, die ganze große Schaaren auf einmal vom Leben zum Tode befördern, so hat man doch selber in mancherlei Hinsicht ein Jnteresse daran, die Menge der Nichtanbeter nicht gar zu groß werden zu lassen, viel- mehr es lieber dahin zu bringen, daß möglichst Viele, wenn auch nur dem äußeren Scheine nach, durch 104 Offenb. Johannis 14, 1—5. Beobachtung einer gewissen Form, sich zur Unter- werfung unter die Auctorität des Thieres verstehen: die Jesuiten haben ja bei ihren, dem päpstlichen Stuhl geleisteten Diensten unter Umständen sich auch mit« einer leichten, die Gewissen Andersgläubiger nicht allzusehr beschwerenden Form abgefunden, wenn sie nur den Schein der Unterwürfigkeit retten konnten. So werden sie, wie das wohl unser Text zu verstehen geben will, als ein Auskunftsmittel für solche, die sie trotz Feuer und Schwert, trotz Marter und Verfolgung nicht zur Annahme eines Maalzeichens bringen können, welches das Bild des Thieres oder dessen Namen enthält, auf die Zahl 666 verfallen: aus welchen Gründen, das kann dahingestellt bleiben, jedenfalls stehen sie dabei unter Gottes ihnen selber unbewußter Leitung, der schon wissen wird, wie er das Wort der Weissagung soll in Erfüllung bringen. Nur verdeckter Weise, wie wir glauben, wird diese Zahl in dem Namen des Anti- christ liegen, insofern dieser der Familie Buonaparte (V. 2 Anm.) entstammt; sofern er aber als Napoleon vlIL regiert, läßt sich keine Beziehung zwischen diesem Na- men und der in Rede stehenden Zahl entdecken, eher würde der Name, der für seinen ersten Träger über- haupt erst erfunden worden zu sein und vorher noch nicht existirt zu haben scheint, an den Engel aus dem Abgrund in Kap. 9,11 erinnern, der an der Spitze der muhamedanischen Kriegshorden stand, indem er sich in lvoekexvrozzvaisi (wahrhaftig ein Verderberl) auf- lösen läßt, wie denn auch das Wort warm-le«- (Ver- derben: Kap. 17, 8; 2.Thess. 2, Z) in ihm steckt. So soll es jedoch gewiß auch sein; führte der Antichrist einen Namen, von welchem der Zahlwerth seiner Buch- staben sich oh11e Weiteres auf 666 berechnete, so wäre der Name selber schon die Zahl und nicht recht abzu- sehen, warum zwifchen beiden ein Unterschied dahin ge- macht würde, daß die Zahl zwar als weniger bedenklich und gefährlich erscheine als der Name, die verstän- dige Ueberlegung aber ergehe, daß sie als des Thieres Zahl doch ganz dasselbe sei, wie fein Name, und» eben- sogut fein Wesen in sich fchließe. Wir können nun allerdings nicht unzweifelhaft und gewiß hinstellen, wie es künftig mit dieser Sache sich verhalten werde; aber eine Möglichkeit läßt sich doch berechnen, und das wäre etwa folgende: Der falsche Propbet hat, wie vorhin gesagt, als Zahl des Thieres die Zahl 666 sich aus- gedacht, die gilt ihm und dem ganzen antichristischen Anhang für die Signatur der neuen Aera; denn da der Antichrist sich unterstehen wird, Zeit und Gesetz zu ändern (Dan. 7,25), so wird man auch einen charakte- riftischen kurzen Begriff für die Aenderung haben müssen. Nun würde in griechifcher Weise geschrieben jene Zahl so aussehen: XE- (600, 60, 6); und da läßt sich den Bekennern Christi einreden, dieses Zahl-Zeichen könnten sie ja unbedenklich annehmen, es sei nichts weiter als das abgekürzte Xgzgrog (Christus), obgleich, wenn es das wirklich wäre, an zweiter Stelle nicht E, sondern «) stehen müßte, aber in solchen Fällen den Leuten ein x für ein u (resp. r) zu machen ist ja ein gewöhnlicher Kunstgriff der falschen Propheten. Es liegt nun für die Bekenner Christi die Versuchung nahe, auf die An- nahme einzugehen: als Zahl scheint das Zeichen gleich- giltig; nicht zu dem Bild, nicht zu dem Namen des Thieres hat man sich verstanden und damits, so meint man, die Anbetung desselben von sichabgewiesem zu der Zahl der neuen Aera dagegen sich zu verstehen, das erheische doch wohl das Gebot: ,,jedermann sei unter- than der Obrigkeit, die Gewalt über ihn hat; denn es ist keine Obrigkeit, ohne von Gott, wo aber Obrigkeit ist, die ist von Gott verordnet.« Zudem sei ja die Zahl ausdrücklich in einer Form ausgedrückt, durch die man eigentlich zu Christo sich bekenne; man könne also hierbei immer noch Gott geben, was Gottes ist, indem man dem Kaiser gebe, was des Kaisers ist. Solchen Künsten der Verführung gegenüber, in die sich auch, wo es möglich wäre, die Auserwählten könnten. verstricken lassen, wird nun dnrch die Weissagung hier die Zahl 666 von Haus als die des Thieres gebrand- Markt. Schlägt man die hebräifche Bibel auf, die mit dem 1. Buch Mosis beginnt und mit dem L. Buch der Chronika schließt, so enthält sowohl der erste Vers (1.Mos.1, 1) als der letzte (2. Chron. 36, W) den Buch- staben e« je sechsmal; das haben die iüdischen Schrift- gelehrten von jeher für einen göttlichen Fingerzeig an- gesehen, daß die gegenwärtige Weltzeit nur 6000 Jahre dauern werde, und da ist denn die dreifache Sechs ein Anzeichen, daß die neue Aera, um die es hier sieh handelt, das Ende der Zeiten oder die Zeit des Anti- christ sei, man begiebt sich also mit Annahme der 666 unter die Herrschaft des ,,Widerwärtigen«, der keines- wegs unter den Begriss der von Gott verordneten Obrigkeit fällt. Aber sechs ’ist auch die shmbolifche Zahl für die menschliche Sünde: wie am Freitag die Versöhnung durch Christum vollbracht worden, so ist an diesem selben Wochentage dem sechsten, ohne Zweifel auch der Sündenfall geschehen; und wird nun jene Zahl in der heil. Schrift oft genug da bedeutsam angewendet, wo die von Gott losgerisfene Menschheit und ein widergöttliches Treiben derselben signalifirt werden soll (in 1. Mof. 4, 16 ff. geht Kain’s Gefchlechtslinie bis zum sechsten Gliede fort; in b. Mos. 20, 17 sind sechs cananitische Völkerschaften genannt; 1. Sam. 17, 4. 7 u. 2. Sam. 21, 20 wird in Betreff der zwei Phili- stäischen Riesen, die Jsrael Hohn sprachen, nachdrucks- voll die Sechs als Signatur ihrer Waffen oder Glieder hervorgehoben; ebenso in Dan. Z, 1 u. 5, 4 als Sig- natur des Bildes in Dura und als Zahl der heidni- schen Götzenbildem in Dan. 1—6 giebt sich der, allen Bezeugungen Gottes gegenüber zu gotteslästerlichem Trotz stch entwickelnde Charakter Babels in sechs Stufen zu erkennen; in Joh. 15, 18f. gedenkt der HErr der Welt nicht weniger als sechs Mal hintereinander u. s. w.). Jst nun in 666 die Sechs (6) zuerst einmal verzehnfacht (60) und dann diese Verzehnfachung nochmals verzehn- facht (600), so ist diese Zahl unverkennbar die ,,des Men- schen der Sünde«; das Böse in feiner dreifachen Gestal- tung, die in der Menschheitsgeschichte überhaupt möglich ist (vgl. die Versuchungsgefchichte Jesu in Matth 4, 1—11), ist nunmehr vollständig ausgeboren: 1) das allgemein menschliche oder heidnifche Böse, das mit Adam seinen Anfang genommen, L) das im Vergleich damit gestei- gerte pharisäische oder jüdis ehe Böse, das in der Kreu- zigung Christi zu Tage trat, Z) das im Vergleich mit letzterem wiederum zehnfach gesteigerte christliche oder bis zum antichristischen Wesen und zur förmlichen Ver- teufelung fortgeschrittene Böse. Und in der That, löst man 666aufin1-s-804—70—I-6—s—1-I-300 —s— 8 -s- 200 und schreibt dafür die im Griechifchen als Zahlzeichen entsprechenden Buchstaben, so erhält man das Wort »was-any;- (Abtrünniger); nimmt man 60 -s- 6 -s— 200 -s— 400 und schreibt das mit hebräi- schen Zahlzeichem so kommt die Pluralform nun: her- aus, die den potenzirten Abfall von Jehova bezeichnet. Jedenfalls ist das die Absicht des Ausfpruchs an un- serer Stelle, an jener 666 den Bekennern Christi zu der Zeit, wo der Anticbrift nun sein Wesen treibt, ein bestimmtes Merkmal an die Hand zu geben, mit wem sie es zu thun haben; mögen da auch noch so viel Stimmen von außen und von innen sich vernehmen Des antichristischen Thieres Maalzeichen und die Zahl seines Namens. 105 lassen, an der bezeichneten Zahl keinen Anstoß zu neh- men, sie wissen, daß es die Zahl des Thieres ist und mit dem Maalzeichen des Thieres auf gleicher Linie steht: Dagegen ist die Zahl Christi, um bei dieser Ge- legenheit das mit zu bemerken, die Zahl 888; der Name Jesus, mit griechischen Buchstaben geschrieben, ergiebt dieselbe Chiron; = 10 —I— 8 —s— 200 —s- 70 —s— 400 —s— 200). Wie der HErr am achten Tage der Woche auferstanden ist von den Todten, so vollendet er auch mit Beginn des 8. Jahrtausends der Welt (vgl. Anm. zu Hesek. 40, 47) das Heil durch die allgemeine Auferstehung, um den ewigen Sonntag herbeizuführen, der, da ist »der Nachfabbath oder das Jahr der zu- künftigen Welt, in welcher kein Tod mehr ist auf immer und ewig, und keine Sünde und Strafe, sondern eitel Freude an Gottes Weisheit und Erkenntniß«, wie es in einer jiidischen Auslegung zu Pf. 92, 2 heißt. Das 14. Kapitel. You der ztirche Zeesormation durch dar» Evan- gelium, mid dem Fall des geistlicher: Zaubers. I« V.1—5. nachdeiii die vorige Reihe von Gesichten Israels Wiederanuahiiie zu Gottes Bundesvotli und seine Zurückführung in das heil. Land, daneben aber auch die Grundzüge der Entwickelung des anticlsristlictien Wesens in der abeudläudischeu tiirche bis zu dessen vollständiger Jtiisgcstaltiiiig znin persönliosen Jsutichrisl uns vorgesühtt hat, tritt hier eine zweite titeihe ein, welche znnächst uns ein, zwar nur linrzes, aber desto kharalitertsiischeres Bild giebt von der neuen Heitsgemeindg die der tJErr aus den zwiilf Stiimmen Qsraels in den 144 Tausend seiner Auserwählten anf Zion suh errichtet, um darnach mit dein Sturz des geistlichen iitabel und dein Sturz des antictirisilichen Reichs sich eingehender zu beschäftigen. I. Und ich sahe, und siehe sim scheoffsten Gegensatz zu den beiden Gesichten des vorigen Kapitels sahe ich] ein Lamm [genauer: das Lamm, aber nicht mehr, wie in Kap. 5, S; 7, 9 u. 17., mitten im Stuhl, sondern von da wie auf die Erde heruntergeriickd stehen auf dem Berge Zion sdeni Centralpunkte des nicht mehr von den Hei: den zertretenen Kap. 11, 2 Jerusalem], nnd mit ihm hundert und vier nnd vierzig tausend [Aus- erwählte aus den .12 Stäinmeu Jsraels 7, 4 ff.], die hatten den Namen seines Vaters sder sie Ihm, dem Lamme, gegeben und dem wiederum dieses sie zugeführt Kap. 11, 11 f.; Joh. 17, 1 sf.] geschrieben an ihrer Stirn; Z. Und sich] hörete eine Stimme vom Him- mel [also aus der oberen Gemeinde herkommcnd, die sich freuete, daß Gottes Heilsrathschluß nun soweit zur Verwcrklichung gekomtnen], als eines großen Wassers sKap.1, 15] und wie euie Stimme eines· großen Donners fes, 1]; nnd die Stimme, dieach hütete, warsgleichwie gewaltig. und maje- stätisch, so andrerfeits auch gar lteblich und er- greifendJ als seine Stimme] der Harsenspieley die auf ihren Harfen s ielen [5, 8]; 3. Und [sie] angen szu ihrem Harfenspiels wie ein neu Lied vor dem Stuhl [Gottes] und vor den vier Thieren und den Aeltesten [4, 2 sf.]; nnd niemand konnte das Lied lernen, ohne die hundert und vier und vierzig tausend sV. 11, die erkanft sind von der Erde sweil sie allein die eigene Erfahrung von dem hatten, was in dem Liede gefeiert ward, dies Lied seinem ganzen Jn- halt nach speciell sie betras, vgl. Jes 65, 15]. 4. Diese sind’s, die sum allezeit mit Gott verkehren zu können 3. Mos. 15, 18 Anm.] mit Weibern nicht befleckt sind, denn sie sind Jung- ftanen ljungfräulichen Standes, aller Geschlechts- gemeinschaft sich gänzlich enthaltend], und folgen dem Lamm nach, wo es hingehet svon ihm zu lernen und ihm zu dienen]. Diese sind [als die- jenigen, an welchen sich der priesterliche Cha- rakter vollkommener Heiligkeit zuerst verwirklicht hat] erkanft aus den Menschen zu Erstlingeii Gott und dein Lamm sZeph. 3,c11—13; Sach. 13, 2—6]. 5. Und in ihrem Munde swie es andrerseits ihrem Charakter als Propheten entspricht] ist kein Falsches fanden; denn sie sind sals solche, die völlig aus der Wahrheit sind Joh. 17, 17; 18, 371 nnstråslicli vor dem Stuhl Gottes [Ephes. I, 4; 5, 27; Jes 63, s; Joh. 1, 47]. Nicht hinauf nach dem Himmel, wie man gemei- niglich annimmt, lenkt dieses Gesicht unsern Blick, daß wir bei den Hundertundvierundvierzigtausend an die Vollendeten der triumphireiiden Kirche zu denken hätten, denn noch ertönen über ihnen des Himmels Lieder und sie haben diese Lieder erst noch zu lernen; aber auch nicht an die durch die ganze Christenheit zer- streuten Auserwählten, an die wahrhaftigen Glieder des Volkes Gottes aller Zeiten und aller Bekenntnisse, wie Andere glauben, haben wir zu denken, denn mit diesen hat die aus Kap. 7, 1ss. schon bekannte und so ausdrücklich auf die zwölf Stämme Jsrael bezogeue Zahl nichts zu thun; sondern das Gesicht lenkt unsern Blick hinüber nach dem heiligen Lande: dorthin ist Israel nach seiner Bekehrung und Wiederaunah1ne, die in Kap.11, 11f. angedeutet wurde, und nach der Aus- führung aus den Ländern seiner Zerstrennng, von der wir in Kap. 12, 14 ff. lasen, wieder heimgekehrt, und wir sollen nun hier erfahren, wie es im heiligen Lande, besonders in Jerusalem um dasselbe stehet. Es ist eines- theils das ganze Jsrael (Röm. 11, 26) in diesen Hundert- vieruudvierzigtausend beschlossen, insofern die frühere Trennung der Stämme in zwei Theile, Haus Juda auf der einen und Haus Joseph auf der andern Seite, der Verheißuug gemäß (vgl. z. B. Hes. 37, 15 ff.) nun ivieder aufgehoben und ein einig Volk ans beiden ge- worden, auch ein jeder Stamm in gleicher Fiille wie die andern hier vertreten und alles Uebergewiclit des einen vor dem andern völlig beseitigt ist (Hes. 47, 14; vgl. dagegen 4. Mos. 26, 54 u. 33, 54); anderntheils aber ist es nicht die ganze Unterschieds-lese Masse des Volks, welche des Heils theilhaftig geworden, sondern die gleich anfangs, bei der Entlassung Jsraels in die Jahrhunderte seiner Strafzeih festgestellte Zahl der Versiegelten, wie denn die Weissaguiig von jeher immer nur die ,,Uebergebliebeiien nach der Wahl der 106 Offenb. Johannis 14, 6. 7. Gnaden« (Jef. S, 13; 10, 20 ff.; II, is; Jer. 15, 11; 23, Z; Hes. 6, 8 f.; Joel3, 5; Micha b, 6f.; Zeph.3, II; Röm.11,5) als für die Errettung bestimmt bezeichnet und die übrige, weit größere Menge ausdrücklich davon ausgeschlossen hatte (Hes. 20,38). Sehen wir nun jene Zahl uns genauer an, so giebt sich dieselbe (144,000 = 12 X 12,000) als ein ins Große erweiterter Apostel- kreis zu erkennen; demnach ist denn auch das Ver- hältniß dieser Zionsgemeinde zu Christo ähnlich dem, in welchem die Apostel zu dem HErrn standen, die alles verlassen hatten und ihm nachfolgetem wohin er ging, und erinnert der dafür gebrauchte Ausdruck in V. 4 wohl absichtlich an solche Stellen wie Matth. s, 19; II, 27; Joh. 1, 35 ff. Von einer sichtbaren und leib- lichen Gegenwart Christi unter ihnen ist damit noch keineswegs die Rede, im Gegentheil wird diese durch das »dem Lamm« verneint; wohl aber ist der innere Herzenssinn der, wie er sich in den Liedern unserer jetzigen Kirche aussprichtx Eines wünsch ich mir vor allem Andern 2c., Jch laß dich nicht, du mußt mein Jesus bleiben« 2c., O Jesu Christ, mein schönstes Licht re. u. s. w., und wird dadurch beständig rege und wirksam erhalten, daß jene Erretteten immer nur an ihre vorigen Wege gedenken und alles ihres Thuns sich schämen (Hes.16, 61u.63; 36,32; 43, 11), gegen wel- ches niederbeugende und verzehrende Gefühl es denn keine andere Erhebung und Arzenei giebt, als die un- getheilte Hingabe an Jesum Christum, den Gekreuzigten: ,,o, du allerliebste Liebe, wenn doch nichts mehr von mir bliebel« (Sach.12, 10 ff.) Bei uns Christen ist solche Herzenssprache zumeist nur in einzelnen beson- deren Stunden der wirkliche Stand unseres Christen- thums, sie wird bald wieder vergessen und verleugnet in dem alltäglichen Leben; die Hundertvierundvierzig- tausend hingegen sind ,,erkauft von der Erde und er- kauft aus den Menschen zu Erstlingen Gott und dem Lamm-«, sie erhalten das Feuer ihrer Liebe im bestäik digen Brande und tragen das Priesterkleid des inneren Vienschen ohne Unterlaß an sich. Jndem sie den Namen Gottes des Vaters geschrieben an ihrer Stirn tragen, bilden sie einen gar tröstlichen Gegensatz zu denen, welche in Kap. 13,16f. sich bereden lassen, das Maal- zeichen des Thieres an ihre rechte Hand oder an ihre Stirn zu setzen; und das sind zur Zeit der Herrschaft des Antichrist im Gebiet der Kirche hier bei uns zuletzt alle, die noch im Leben da sind, denn die es nicht thun, können zuerst nicht kaufen oder verkaufen, und werden bei fortgesetzter Weigerung schließlich alle gewaltsam umgebracht. Zugleich aber, da ja vordem der Hohe- priefter ein Stirnblatt trug mit der Inschrift: »Heilig- keit des HErrn« (2·Mos.28,36), kennzeichnet sie der Name Gottes an ihrer Stirn als das nun zur vollen Ausgestaltung seines Berufes gelangte Königreich und heilige Volk, das in L. Mos. 19, 5 angeredet wird: Mit ihnen nimmt die Erfüllung des Wortes Pauli in Ephes 4, 13 f. ihren Anfang, um darnach im tausend- jährigen Reiche (Kap.20,1ff.) auch zu völligem Aus- trag zu kommen. Zur Bewahrung ihres priesterliclfen Charakters und weil sie beständig im Verkehr mit Gott stehen, enthalten sie sich aller Geschlechtsgemeinschaft; die Pflege derselben, auch in der Ordnung der Ehe, macht nach dem Gesetz unrein für einige Zeit, wie aus den oben angeführten Stellen hervorgeht, daß man dem Heiligthum sich nicht nahen darf (1. Sam. 21, 4), sie müssen also «Jungfraiien« in dem von selbst sich er- gehenden Sinne sein, und können das sein, selbst wenn sie von früher her in der Ehe stehen (vgl. 1.Cor. 7,5). Wir tragen gar kein Bedenken, unsere Stelle in dieser Weise zu erklären, als ob wir damit dem von der römischen Kirche dem Klerus aufgenöthigten Cölibat eine Berechtigung einräumten; dieser gehört, wie so vieles Andere in der römischen Hierarchie, zu den eigenmäch- tigen Vorausnahmen solcher Verhältnisse und Zustände, wie Christus sie für das Volk feines unmittelbaren Eigenthums sich vorbehalten hat (Jer.3,25 Anm.), für dieses aber wird es wohl nicht umsonst geredet sein, was Jesus dort (Matth. 19, 12) von Verschnittenen sagt, die sich selbst verschnitten haben um des Himmelreichs willen, sondern da weder im Mißverständuiß eines Origenes noch im Mißbrauch des Papstes zu dem von ihm gemeinten Vollzug kommen. Der Zweck der Kinder- erzeugung, so scheint es, dürfte für die Gemeinde auf Zion überhaupt in Wegfall kommen; sie hat nicht mehr eine Zeit vor sich, für welche sie auf Nachwuchs bedacht sein könnte, im Gegentheil würde sich bei diesem die Macht der Erfahrung göttlicher Gnade, die sie an sich selbst gemacht hat, mehr und mehr abfchwächem daß dem inneren Leben gar leicht eine neue Verderbniß drohte (Richt.2,10ff.). Wohl aber hat sie vor sich eine Zeit, wo sie mit Auferweckten in unmittelbaren Verkehr tritt (Kap. 20,4—6), und für die Hochzeih die ihr bevorsteht, thut sie sich an mit reiner und schöner Seide (Kap.19, 8); dagegen vor Verfuchungen des Sa- tan sich zu hüten und gegen— die Hurerei eine Hilfe zu haben (1.Cor. 7,2u.5), dieser Grund kommt bei ihr weniger in Betracht, da des Drachen Versuchungsmacht in ihr Gebiet schon jetzt nicht hiniiberreicht (Kap· 12, 15ff.), die Macht der Buße und der Dankbarkeit aber die Lüste des Fleisches gar nicht erst aufkommen läßt, vielmehr - ist der ganze innere Herzenssinn so geistlich und von dem Ziele der himmlischen Berufung hingenommen (Hohel.8,6.12), daß des Fleisches Geschäfte nicht ein- mal recht möglich sind. Freilich scheinen dieser unserer Auffassung solche prophetische Stellen, wie Jef. 54, 1ff.; Jer. Z, 16; Hes 44, 22., wo von Zuwachs und Ehe- schließung ausdritcklich die Rede ist, zu widersprechen; allein weder besteht jener Zuwachs gerade in leiblichen Nachkommem noch besagt die den·Priestern gegebene Verordnung in Betreff ihrer Verheirathung daß sie sich durchaus verheirathen müßten und daß sie in ihrer Ehe sich nicht auch ,,unbefleckt von den Weibern« be- halten könnten. Es giebt ja ein Zusammenleben und Zusammenhalten, bei welchem die hier in Rede stehen- den Beziehungen in Wegfall kommen, und das gleich- wohl den sonstigen Charakter der Ehe vollständig aus- prägt (vgl. das über Jofeph’s und Maria? Ehe zu Matth. 2, 23 Gesagte). Neben diesem priesterlichen Wesen geht bei der Gemeinde auf Zion das prophetische her, das in strengster-Wahrhaftigkeit besteht; was Christus in Matth. 5, 37 sagt: ,,eure Rede sei Ja, ja, nein, nein; was drüber ist, das ist vom Uebel«, das soll ja gewiß noch einmal seine Verwirklichung im Leben der Seinen auf Erden finden, und haben· wir hier zu Lande, in unserer Kirche, uns nicht nach seinem Worte richten können, daß wir ,,allerdinge« nicht schwören sollen, weil die irdische Obrigkeit den Eid auch von Christi Jüngern fordern muß und fordern darf, so schließt das nicht aus, daß der HErr sich noch einmal in der ,,Stadt eines großen Königs« eine Stätte gründet, wo lauter rechtschassene Christen die Staatsbürger bilden und das Evangelium den Gesetzes-Codex ausmacht. Die Er- tödtung des Jakobus II., des Gerechten, zwischen Tem- pel und Altar hat einst der Gnadenzeit Jsraels für so viele Jahrhunderte ein Ende gemacht; kehrt aber nach- mals die Gnade Gottes dem so schwer verschuldeten Volke wieder, so wird sie so mächtig sein, daß sie nicht nur alle Sünde verschlingt, sondern auch lauter solche Leute schafft, die in Gottes Geboten untadelig einher- Neue Reihe von Gesichten, die Ausgestaltung der letzten Dinge betreffend. 107 gehen (Jer. 31, 33 f.; Hes. 36, 27; 37, 24) und ganz von des gerechten Jakobus Art sind (Jes. 54, 14; Mich. 5, 9—13). Es ist bekannt, daß der Jrvingianismus von einer Brautkirche redet, welche die Verheißung habe, von dem Wüthen des Antichrist verschont zu bleiben und den Triibsalen der letzten Zeit zu entgehen; er hat damit im Allgemeinen ganz recht gesehen, doch darin stark sich geirrt, daß er selbst diese Brautkirehe zu sein vermeint. Wir aus den Heiden stammende Christen haben an keiner Stelle der Schrift eine solche Ver- hetßung für uns aufzuweisem sie gilt ausschließltch dent Weibe (Kap.12,14), und nur Philadelphia wird Theil daran geschenkt (Kap. Z, 7 ff.), zuvor aber diese Missions- gerneinde in Beziehung zu den Juden gesetzt und damit nicht undeutlich zu verstehen gegeben, daß eine Auf- nahme in die Bürgerschaft des neuen Israel unter dem Titel der Fremdlinge (Hes.44, I; 47, 22f.) das Mittel zur Behaltung vor der Stunde der Versuchung ist. Dagegen ist uns Gläubigen aus den Heiden der Hauptsache nach ein anderer Weg des Heils gewiesen, ikder nun im folgenden Abschnitt zur Verhandlung ommt. II— its. 6—20. Der vorige Abschnitt hat uns Israel, das in der Rechtfertigung von seiner Siinde wieder zu Gua- den» angenommen und in das tzundesverhältttiß mit Gott zuruttcgesiellt ist, in dem tllacizjagen der Heiligung gezeigt, dadurch es sirh zu einer Gemeinde Christi im vollen Sinne des Worts ausgestaltet, auf seinem jiionsberge aber auch sicher ist nor der Uachstetiung des Drachen, als der ihm jeht nichts mehr anhaben liann (Kap.12, 15 f.); anders dagegen steht es mit den ,,tlebrigen-.vo1n Saturn des weinest, mit denen zu streiten der Drache in seinem Born wider das ihm entrouneue Weib sitt) vorgesetzt und dazu bereits seine Werkzeuge sich zuge- richtet hat (s.ap.12,17 f. u. 13,1 u. 11). In die Gut· wicttelungsgescizichte des Reiches Gottes auf dem Gebiet der alten Christenheit während des 20. Jahrhunderts läßt uns denn der vorliegende Abschnitt in seiner ersten Hälfte blictien und zeigt uns zunächst eine durch Gottes Gnade von der Herrschaft des antirtzristlictzen Zeitgeistes wieder freigewordene Bewohuersctzaft der Erde, die da ermahnt wird, in der Anbetung des Gottes des him- mels, zu der sie znrücitgebrattzt ist, zu beharren, um dem zukünftigen Zorn zu entgehen (tl1.6 u. 7), zeigt uns aber auch den Anfang der Gerichte Gottes am Schlusse des Jahrhunderts in dem Falle teabels w. it) und dann die Zeit der großen Drangsal unter der Herrschaft des Antiihrist, da es gilt, sich vor der Anbetung des Ghiers und seines Bildes zu bewahren (d. 9—12). Die zweite Hälfte fährt uns hierauf das Gericht über den Antichrist und seinen Anhang, das in der Umgebung der heil. Stadt sich vollzieht, vor die Augen (i1. 13——20), nnd schließt damit dieser Abschnitt mit dem vorigen sich zu einem Ganzen zusammen. 6. Und ich sahe einen sandern, als den in Kap. 8, 13 erwähnten] Engel fliegen mitten durch den Himmel [um allerwärts her gesehen nnd aller- wärts hin gehört zu werden], der hatte sin Form eines Büchleins 10, 2 in seiner Hand] ein ewig Evangelium szum Zeichen, daß die frohe Botschaft von Christo und seinem Heil jetzt auf’s Neue mit Macht an den Tag gebracht und in seiner göttlichen Wahrheit und unvergänglichen Dauer kräftiglich erwiesen, mit Jsraels Wiederherstellung und Heiligung aber der Anfang gemacht sei zur Gründung eines Reiches des Friedens und der Herrlichkeih das dann unmittelbar in die Ewigkeit hinüberführe Kost. 20 u. 21], zu verklin- digen [auf Grund dieses wiedergebrachten und neubewlihrtem auch immer weiter sich nun ent- faltenden Evangeliums eine wohlgemeinte Mah- nung zu ertheileus denen, die auf Erden sitzen (und wohnen — im Grundtext steht blos: sitzen, das nicht den iiblen Nebenbegriff in sich schließt, wie das »wohnen« in Kap. Z, 10; 8,»13; 11, 10; 13, 8 u. 143 17, 8),«und allen Heiden und Ge- fchlechtern nnd Sprachen nnd Völkern salso der gesammtem aus den Heiden gesammelten und neuerdings noch in reicherer Fülle zu sammelnden Chrisienheit], T. lind ssrach mit großer Stimme: Fürchtet Gott nnd ge et ihm die Ehre; denn die Zeit seines Gerichts lzunächst über die große Hure Kap.17 u. 18 und darnach auch über das Thier und seinen Propheten Kap. 191 ist [nahe herbei-] kommen [wie dessen die Erdbebuug mit dem Fall des zehnten Theils der großen Stadt und der siebentausend Namen der Menschen 11, 13 schon ein Vorspiel gewesen], und betet un lanstatt der Götzen des Zeitgeistes oder auch des eigentlichen Heidenthums, dem ihr vordem gedient habt] den, der gemacht hat Himmel nnd Erde nnd Meer Und die Wasserbrttnuen [den wahren, lebendigen, persönlichen Gott, von dem alle Wohlfahrt kommt 8, 10; 16, 4]. Dieser Engel leitet bei uns in der alten Christen- heit hier die neue Aera ein, die bald nach dem An- fang des 20. Jahrhunderts damit begonnen hat, daß, wie in Kalt. 11, 13 gesagt wurde, die Andern er- schraken und gaben Ehre dem Gott des Himmels; mit seiner Verkündigung, die allerdings eine nur allgemeine, allen Menschen aller Zeiten gebührende Mahnung ent- hält, will er gleichwohl denen, die aus dem 19. in das 20. Jahrhundert hinübergerettet worden sind, eine ganz speeielle, für sie besonders berechnete Erinnerung geben. Denn gerade die Gottesfurcht, das Bewußtsein unserer absvluten Abhängigkeit von Gott, das Zeugniß, daß ihm allein die Ehre gebühre, daß alles, was wir Gutes sind und haben, f ein Werk und seine Gnadengabe sei, der Glaube an den allmächtigen Schöpfer Himmels und der Erden und die Anbetung seiner heil. Majesttit —— alle diese Grundfesten der lebendigen Frömmigkeit waren den Menschen des 19. Jahrhunderts zuletzt völlig abhanden gekommen und an deren Stelle die Natur- und Welt-, die Menschen- und Selbstvergötterung ge- treten. So allein war es möglich gewesen, daß Christi Widersacher mit seiner Kirche aufräumten und einen Zustand der öffentlichen Verhältnisse schufen, wie er ihren Jdeen entsprach. Nun ist das Gebäude des antichristlichen Zeitgeistes wieder zusammengebrochen, mit den Wort- und Parteiführern ist jetzt selber auf- geriiumt und auf den Trümmern der von einem Erd- beben betroffenen Stadt hat in Folge von Gottes Großthaten an seinem auserwählten Volke können eine neue auferbaut werden; aber lange währet die Zeit der abermaligen Gnade nicht, sie bemißt sich nur nach Jahr- 108 Offenb. Johannis 14, 8—12. zehnten, und dann kommt alsbald die große Trübsal, auf die der HErr in Matth. 24, 21 ff. hingedeutet hat. Darum thut dem Geschlecht dieser abermaligen Gnaden- zeit die Mahnung so hoch noth, die der Engel hier mit großer Stimme erschallen läßt; es soll sich nicht wieder von jenen Grundfesteii der Frömmigkeit herunter- drängen, vielmehr recht tief im evangelischen Glauben und in der Gemeinschaft Jesu Christi gründen lassen, sonst werden die Wasser der letzten schweren Heim- suchung und die Stürme der antichristischen Anfechtung es bald zu Falle bringen; ungewarnt soll jenes Ge- schlecht nicht hineintreten dürfen in den Streit, den der Drache gegen Ende des 20. Jahrhunderts mit den Uebrigen vom Samen des Weibes halten wird, und bei denen, die da Gottes Gebot halten und haben das Zengniß Jesu Christi, wird die Warnung auch von gutem Erfolg sein. Darum tritt zunächst dieser erste Engel auf und beugt mit seiner Botschaft dem vor, daß das Wiederaufbliihen der Kirche nicht falsche Träume erwecke und die Seelen in gefährliche Sicherheit ein- iviege, vielmehr sie antreibe, die Zeit recht auszukaiisen und sich auf das, was in Kurzem kommen wird, vor- zusehen; vielleicht, daß man dann des Rathes St. Pguli in 1. Cor. 7, 1 ff. u. 32f. sich erinnert. Die Botschaft ist also eine gute, heilsame, und sie gründet sich auf die frohe Botschaft von dem Heile in Christo Jesu; dessen erfreuet sich die alte Christenheit nun wieder, es breitet sich aber durch eine mächtigere und durchgrei- fendere Niissionsthätigkeiy als sie vor der Katastrophe in Kap. 11, 7ff. jemals stattgefunden, weil nun das eigentliche Missionsvolk (V. 1—5) sie leitet und mit dem besten Beispiel vorangeht, auch in immer weiteren Kreisen unter den noch unbekehrten Heiden aus. Jm Grundtext steht für ,,verkündigen« ein Zeitwort, welches von dem Hanptwort ,,Evangelium« sich ableitet: man sieht, es ist dann das »evangelisch« zu Ehren gebracht, der so lange behauptete frühere Vorzug und Selbst- ruhm des Katholicismiis der evangelischen Kirche gegen- über hat dann ein Ende. Solange die Zeit währete, die-in Kap. 11, 1—-6 charakterisirt wurde, gewährt der HErr allerdings der röniischen Kirche eine bevorzugte Stelluiig; sie ist der Träger mancher Gnadengaben in Cultus und Verfassung, welche der evangelischen Kirche nie zu Theil geworden oder doch bald derselben wieder verloren gegangen sind, und noch bei Gelegenheit des Streites, den das Thier, das aus dem Abgruude auf- steigt, wider die zween Zeugen in Kap. 11, 7—-—10 er- öffnete und bis zur Ueberwindung und Ertödtung dieser durchkämpfte, hat sie im Unterschied-von der äußerlich so macht- und weltlich so wehrlosen evangelischen Kirche den Beruf gehabt, dem Thiere den Streit schwer zu machen und ihm einen Eindruck davon zu verschaffen, daß es nicht mit Menschen, sondern mit Gott ftreite, daß Christi Gemeinde auf einen Felsen gegründet sei, den die Pforten der Hölle nicht sollen iiberwältigen Sie hat da in ihren Gliedern noch viele Seelen auf- zuweisen gehabt, deren Herz für Christum schlug und die Mutter, die sie geboren, liebte, und in ihren Jn- stitutionen noch Kräfte aufbieten können, die ihr als Mit- gift für ihren weltgeschichtlichen Beruf von Oben her zu Theil geworden. Seit es aber bei diesem Streit zugleich offenbar geworden, daß sie fiir die Zeit der Mitternacht, wo die Lampen verlöschen, nicht mit dem vorräthigen Oel in den Gesäßen versorgt sei; seit sie da in ihrer Noth sich zu den Krämern gewendet, weil nun einmal die evangelischen Grundprincipien nicht für sie waren und die evaugelische Kirche bei aller Theilnahme für sie doch zuletzt sie ausschließlich sich selbst überlassen mußte; seit ihr Feilschen mit sden Krämern sie in schlimme Bundesgenossenschaft gebracht und so voll- ständig in das Weltwesen verstrickt hat, daß sie in keinerlei Weise mehr Herr ihrer selbst ist; seit sie dar- nach die Stunde der Hochzeit des Bräutigams ver- säumt und keinen Gewinn zu ihrer Erneuerung und geistlichen Wiederbelebung davon gebracht, im Gegen- theil solche Schäden erlitten hat, daß nicht mehr bei ihr vorhanden, was Herzen und Sinne der Gott-mei- ne1iden und Christum-suchenden Seelen blenden und fiir sie einnehmen kann —— seitdein hat sie ihre Rolle auf dem Gebiete des Reiches Gottes ausgespielt, und es bleibt ihr für ihren ferneren Bestand, in dem sie durchaus sich erhalten will, nur noch eine Rolle auf anderem Gebiete übrig. Die nach uns lebenden Ge- fchlechter werden ja sehen, aus welchen Wegen und in welcher Weise sich das Wort der Weissagung erfüllen wird: wir können es nur erst von ferne ahnen und nur in allgemeinen Sätzen davon reden, wie die evan- gelische Kirche noch einmal zu hohen Ehren kommen und den Centner zuertheilt erhalten werde, den der Schalk in die Erde verborgen hatte (Matth. 25,«1—30). 8. Und em anderer [oder zweiter] Engel folgte ljenem ersten 6 f.] nach, der sprach: Sie ist gefalleiy sie ist gefallen, Babylon, die große Stadt [in mehreren Handfchriften steht blos: Babylon, die große Jes. 21, 9; Jer. 51, 8 f.]; denii sie hat mit dem Wein ihrer Hurerei [Nah. Z, 7 Anin., und damit auch des Zornes Gottes V. 10] getränket alle Heiden [Kap. 17, 2 u. 4; 16, 19; 18, 3]. « Es gehört zur dramatischen Lebendigkeit der Scene, daß jedes neue Moment, welches anzukündigen ist, einem besonderen Engelboten befohlen wird; der Ruf dieses andern Engels stellt nach prophetischer Weise (vgl. Kap.11,18) das gewiß und nahe bevorstehende Gericht (18, L) als schon vollzogen dar. (Düsterdieck.) Zum ersten Mal tritt uns hier in den Gesichten der Offenbarung der Name ,,Babylon« entgegen; haben wir nun alle Ursach, bei diesem Namen an das päpst- liche Rom zu denken (Jes. 13, 1 Anm. 2), dessen Kirche dann in Kap 17, 1ff. als »die große Hure« erscheint, so konimt letztere Bezeichnung der römischen Papstkirche eben erst von da an zu, wo Jsrael zu der Gemeinde auf Zion (V. I—-5) geworden und wieder in seine recht- mäßige Stellung als das Weib des HErrn eingetreten ist. Bis dahin hatte jene Kirche bei allen Greueln der Hurerei, die sie längst schon getrieben, dennoch immer noch den A1ispruch darauf, als Weib oder Gemeinde Christi zu gelten, wenn aiich nicht in dem ausschließ- lichen Sinne, in welchem sie es zu sein behauptete und deshalb den Namen »katholisch« sich beilegte. Jn Ho- sea 1—3 wird das Bild des Weibes beibehalten auch für das von seinem Eheherrn abgefallene und mit aller- lei Art von Abgötterei befleckte Israel, und in Hes. 23 erscheinen in dem theokratifchen Juda und dem un- theokratischen Israel sogar zioei Weiber neben einander, aus denen dann (Hes. 37,1ff.) wieder Eins gemacht werden soll. So hat der HErr auch während der ganzen Zeit, wo die christliche Kirche an Stelle der verstoßenen israelitischen Gemeinde ihm sein Weib war, während der ganzen Zeit der Heiden (Luk. 21, 24), sein Bundesverhältniß zu Rom nicht aufgegeben, daß das- selbe weder durch die Stiftung einer besonderen evan- gelischen Kirche vermittels der Reformation aufgehört hat, bei den Worten des dritten Glaubensartikelsx ,,ich glaube eine heilige allgemeine christliche Kirche» mitzu- Die fleckenlose Heilsgemeinde auf Zion. Verkündigung des Falles Babylvns 109 zählen, noch bei dem Streite, den das aus dem Ab- grund aufsteigende Thier wider die zween Zeugen in Kap. 11, 7ss. erhebt, von solchem Streit verschont bleibt, im Gegentheil regt sich gerade da in beiden Theilen der Kirche auf Seiten der lebendigen Glieder derselben ein Bewußtsein der Solidarität oder gegenseitigen Zu- sammengehörigkeit Aber von der Zeit der Wieder- lebendigmachung der zween Zeugen an (Kap. 11, 11f.), die dnrch die Bekehrung und Wiederherstellung des ganzen Jsrael nach seinen beiden Theilen, sowohl des Hauses Joseph als des Hauses Juda (Hes. 37,15 ff.), sich vollzieht, gehen die Wege der beiden Kirchen so vollständig auseinander, daß der von dem Heiligthum auf Zion ausgehende Strom nur die Wasser des todten Meeres gesund macht, die Teiche und Lachen daneben aber dazu verurtheilt werden, vollends in ungesundes Salz auszugehen (Hes. 47, 1 sf.). Der Geist des Jesui- tismus, der in der Aufstellung des Dogmas von der päpstlichen Unfehlbarkeit sich den Weg dazu gebahnt hat, durch das, was das vergiftende Salz ist in den letzten Beständen des aus Christi Wort zurückgebliebenen Le- bensivassers, eine völlige Zersetzung desselben herbeizu- führen, wird bei dem Ereigniß Kap.16, 13 s. mit unter den drei unreinen Geistern gleich Fröschen agitirenz er ist der, der aus dem Munde des falschen Propheten geht, und wird die Papstkirclie in den Streit wider Gott und sein Volk hineinziehen, das aber wird die sittliche Vernichtung dieser Kirche sein, daß ihr fortan nur noch übrig bleibt, die Rolle der großen Hure zu spielen und auf dem rosmfarbenen Thier voll Namen der Lästerung zu sitzen (vgl. das Geficht in Such. 5, 5——11., aus welchem klar wird, wie das papistische Rom dazukommt, Babylon zu heißen). Das also ist der Verlauf, den es mit Rom von Anfang des 20. Jahr- hunderts bis gegen dessen Ende hiii nimmt, wo dann sein Fall kommt, den der andere Engel hier ankündigt; alle Seelen, die, in der Genossenschaft dieser Kirche stehend, gleichwohl noch irgend welchen Sinn für die Wahrheit haben, werden da schon die Stimme zu hören bekommen (Kap. 18,4f.): ,-gehet aus von ihr, mein Volk, daß ihr nicht theilhaftig werdet ihrer Sünden, auf daß ihr nicht empfahet etwas von ihren Plagen«, gleichwie einst bei der Zerstörung Jerusalems durch die Römer die christliche Gemeinde noch zur» rechten Zeit hiniibergerettet wurde nach Pella. Der Beisatz ,,mit großer Stimme« fehlt bei dem Sprechen dieses zweiten Engels; der Ruf wird also wohl weniger von äußeren, auffällig in die Sinne fallenden nnd die Gemüther tief erschütternden Ereig1iissen begleitet sein, sondern mehr dem inneren Ohr, dem geistlichen Sinne sich vernehin- bar machen, aber verstanden wird er werden von allen, die solchen Sinn nnd ein solches Ohr haben — die Andern dagegen geben die Könige auf Erden und die Kaufleute, Schiffsherren u. s. w. ab, welche die große Stadt Babylon, die starke Stadt, wegen ihres Falles beklagen Grad. 18, 9 sf.). 9. lind der dritte Engel folgte diesem nach und sprach mit großer Stimme: So jemand [in der Zeit der völligen Herrschaft des Autichrifh die jetzi eintritt Kap. is, 15—17] das Thier aicbeiet und seiii Bild, nnd nimmt das Piaalzeiclieii an seiiie Stirii oder an seine Hand, 10. Der wird [ebensalls, wie es soeben mit der Hure Babylon geschehen V. 8 und hernach mit dem Thier und dem falschen Propheten der Fall sein wird Kap. 19, 20] von dem Weiii des Zorns« Gottes trinken, der eingeschenkt und lauter [durch keine Beimifchung von Gnade und Erbar- men erträglich gemacht] ist in seines Zorns Kelch svielmehr ist der Wein in diesem Kelch nichts als Zorn, daß der, der davon trinken muß, in die ewige Berdammniß sährt]; Und wird gequälet werden mit Feuer und Schwefel sdes Pfuhl-Z, da- hin er hinabgeworfen wird 19, 20; 20, 10 u. 15] vor deii heiligen Engeln nnd vor dem Lamm sdie er verachtet und verleugnet hats. 11. Und der Rnttch ihrer [in einein Bren- neu, das nie zu einem Verbrennen wird, be- stehenden] Qual wird anfsteigen von Ewigkeit Zu Ewigkeit [Jes. 34, 9«f.]; und sie haben keine Nu e Tag nnd Nacht, die das Thier haben angebetet nnd sein Bild, und so jemand hat das Maul- zeicheii seines Namens angenommen sdem wird-s speciell für seine Person so ergehen, wie soeben von allen insgefammt gesagt worden ist]. 12. Hie [wo es sich zur Vermeidung ewiger Höllenqiial um die strengste Enthaltung von aller Anbetung des Thieres und feines Bildes, und von jeder Art der Annahme feines Maalzeichens handelt] ist Geduld der Heiligen [am Ptatze 13, 10, indem mittels ihrer allein, da man sich zu allem bequeint, das zu leiden, und sich zu nichts bringen läßt, das verboten ist, man der Verdamm- niß entgeht]; hie sind [haben sich diejenigen zu bewähren], die da halten die Gebote Gottes nnd deii Glauben an Jesiim sKap. 12, 17]. Mit blos Einem Verse geht die Rede von dem zweiten Engel schnell weiter zu dem dritten; beide stehen an dem Eingang der antichriftischen Zeit, der eine verkiindigt rückwärts gewandt ein so eben voll- zogenes Gottesgerichh das zur Erkenntniß der Wahr- heit dient, und der andere warnt vorwärts gewandt vor der Verführuiig der letzten Zeit, um die, welche sich wollen warnen lassen, vor dem darauf folgenden weit schwereren Gericht zu bewahren. ,,Eine schreck- lichere Drohung, als die des dritten Engels ist in der ganzen heiligen Schrift nicht zu finden. Schon früher hat zwar der HErr die Völker, auch Israel, aus sei- nem Zoriibecher trinken lassen; aber theils war dieser nicht voll bis an den Rand, theils war nocl) Gnade beigemischt, sofern auch die schwerste Züchtigung noch aus Bekehrung und Wiederannahme hi1izielte. Für den Thiersaiihang aber ist sein Kelch mit dem Zorn- weiii frisch eingesehenkt, d. h. voll, als ob noch nie jemand daraus getrunken hätte und aller Gotteszorn von Anfang an sich iiber ihnen entliide (Matth. 23,35); und der Zornweiii ist lauter, d. h. ungeniischt, ohne daß auch nur ein Tröpfchen Gnade darunter wäre, so daß nichts ist als Angst und Schrecke11 eines un- barmherzigen Gerichtsn Und aus dem zeitlichen Ber- tilgungsgericht (Kap.19,21) geht’s in das ewige hin- über, in die Qual mit Feuer und Schwefel, d. h. in jenen Feuersee, der niit Schwefel brennt. Das ver- zehrende, den Odem raubende Schwefelfeuer, in dessen Wiederschein alles leichenhaft gefärbt ist —- welch ein furchtbares Bild des eivigen Todes! Und feine Qual wird noch geschärft fein dadurch, daß sie im Angesicht« 110 Offenb. Johanuis 14, 13—16. der heiligen Engel und des Lammes erlitten wird. Wie dort der reiche Mann in der Qual Abra- ham sah und Lazarum in seinem Schooß, so haben auch die gequälten Thiersanbeter einen Blick in die Seligkeit der Engel und in das so muthwillig von ihnen verscherzte Glück der Gemeinschast mit denselben; ja, indem sie zugleich im Angesichte des Lammes leiden, müssen sie die auch ihnen dereinst in diesem Lamm dargebotene Gnade als eine von ihnen mit Füßen ge- tretene und ewigfür sie verlorene beweinen, und wäh- rend der Rauch, den Abraham von der Gerichtsstätte Sodom und Gomorra aussteigen sah (1.Mos.19,28), sich wieder verzog, wird der Rauch dieser Qual auf- steigen in die Ewigkeiteu der Ewigkeiten Und keine Unterbrechung dieses qualvollen Zustandes auch nur auf Einen Augenblick: sie haben keine Ruhe Tag und Nacht. Sonst brin t die Nacht Ruhe und Erfrischung, aber hier ist kein echsel von Unruhe des Tags und Ruhe der Nacht: wer schon schmerzhafte, Tag und Nacht folternde Krankheiten beobachtet hat, die gleichwohl hin und wieder lindernde Augenblicke und jedenfalls den Trost eines nahen Endes zulassen, mag sich einen schwachen Begriff von der Schwere des hier angedroheten Gerichtes machen. Wie nöthig ist es doch, um demselben nicht anheinizufallem unter aller Versuchung zur Thiersanbetung sestzustehem und sich das Wort einzuprägen: Hie ist Geduld, Ausdauer der Heiligen; hie sind und sollen sich bewähren, die da halten die Gebote Gottes und den Glau- ben an Jesuml (Kemmler.) 13. Und ich hörete [nachdem der dritte Engel seine Warnung an die auf Erden hatte ergehen lassen V. 9 ss.] eine Stimme vom Himmel swie in Kap.10, 41 zu mir sagen [um mir und allen folgenden Geschlechterm zumal denen zur anti- christischen Zeit, Aufschluß zu geben über das Loos derer, die in dieser Zeit halten die Gebote Gottes und den Glauben an Jesum V· 12 und darüber den Tod erleiden müssen 1;3, 15]: Scheeibe [was dir als ein Offenbarungswort aus der himmlischen Welt anvertraut werden soll, damit es sicher behalten werde auf jene Zukunft]: Selig [19, 9] sind die Todten, die in dem HErrn [Jesu] sterben fdurch den Glauben an seinen Namen mit ihm verbunden und durch die Treue bis an den Tod in seiner Gemeinschaft verharrend], von nun an [wo mit der autichristischen Zeit, in der sie ertödtet worden, der Anbruch des Reichs der Herrlichkeit für sie so nahe be- vorsieht 19, 11——20, 6., während die früheren Blutzeugen noch auf’s Erwarten dieses Anbruchs verwiesen werden mußten 6,s11]. Ja, der Geist spricht [das Wort von dieser ihrer Se- ligkeit näher erläuternd], das; sie [uur darum sterben, um die kurze Zwischenzeit bis zum An: bruch jenes Reichs zu] ruhen von ihrer At- beit [von ihren Mühen und Kämpfen, ihren Leiden und Trübsalem die sie haben ausstehen müssen, damit dieselben nicht zu schwer für sie würden Matth. 24, 22z 1. Cor- 10, 13; Jes. 57, 2]. Denn [nach besserer Lesartx Aber] ihre Werke lwomit sie ihren Glauben bewährt und für Christi Ehre gestritten haben Kap. 2, 2., gehen sozusagen nicht ebenfalls zur Ruhe, als sollten sie vergeblich und vergessen sein, sondern] folgen ihnen nach [um sogleich, wenn es nun um die- jenigen sich handelt, welche an der Seligkeit der ersten Auferstehuug Theil haben sollen, eine Ent- scheiduug zu ihren Gunsten herbeizuführen 20, 4 ff.]. Jm Vorhergehenden die negative Begründung der Aufforderung zur Geduld in Hinweifung aus die schweren Gerichte Gottes über den Antichrist und die sich von ihm verführen lassen — hier die positive in Hinweisung auf die ewige Seligkeit der Getreuenl Wer sollte jiicht im Hinblick auf sie das arme Leben willig preisgeben? wer könnte zweifelhaft sein, wenn ihm die Wahl gestellt wird zwischen dem ,,nicht Ruhe haben Tag und Nacht vor der Qual der Hölle« und dem ,,Ausruhen von der Arbeit«? Die Stimme vom Himmel kann weder die Gottes, noch die Christi sein, denn sie redet von denen, welche im ,,HErrn« sterben; sie ist wohl die eines vollendeten Gerechten, der aus eigener Erfahrung Zeug- niß giebt, was die treuen Mitglieder der streitenden Kirche auf Erden im Himmel zu erwarten haben, viel- leicht die eines der Aeltesten (vgl.Kap.7,13f.); denn auf eine überwiegende Dignität weist der Befehl zu schreiben hin. (Hengstenberg.) Dieser Befehl zu schrei- ben wird in der Offenbarung zwölf Mal wiederholt (Kap.1, 11.19; L, 1.8.12.18; 3, I. 7.14; 14, 137 19, 9; 21,5), anzudeuten, daß alle solche Materien wichtige Dinge sein müssen, die nicht dürfen in der Gemeinde Christi vergessen werden. Was ist’s denn, was Jo- hannes hier schreiben soll? Was uns armen verfallenen Leuten in unserm Leben und Tod das Allerseligste zu wissen ist. So schreibe denn der Geist Jesu Christi selbst diese Worte, die so wahrhaftig und gewiß sind, mit seinem eigenen Finger allen in das Herz nnd grabe sie in unsern Sinn, daß sie nicht wieder aus- fallen oder vergessen werdenl Ja, sie werden uns zur rechten Zeit wohl nütze werden, wenn wir sie mit allem Ernst in uns fassen und bewahren in einem feinen, guten Herzen. (Berleb. Bib.) Das »von nun an« ist insbesondere ein Wort siir Blutzeugen, die oft so bittere, Stunden und Minuten zu fast unerträglicher Länge ausdehnende Todespein zu erdulden haben; sie brauchen auch noch doppelt den Trost: heute noch, ja von nun an selig, beim HErrn im Paradiese! Und damit dieser Trost sich recht fest in die Seelen derer präge, die seiner bedürfen, so wird das, was vom Himmel herab gesprochen, aucl) durch den Geist im Herzen des Jo- hannes bekräftigt: »Ja, spricht der Geist«, und das Wort erläuternd fügt er hinzu: ,,ruhen sollen sie von ihrer Arbeit, und ihre Werke folgen ihnen nach« und gehen mit ihnen hinüber. (Kemmler.) Für die Glän- bigen ist der Tod schon insofern ein Uebergang in einen besseren und seligeren Zustand, als die Entkleidung von dem materiellen Leibe, von diesem Leibe des Todes, eine Befreiung der Seele ist von der durch jene Be- schaffenheit des Leibes bedingten Miihfal des irdischen Daseins und Von der demselben anhaftenden Sündig- keit und Unreinheit. Jndem der Leib dahinfällt, wird das erneuerte Ich, das geheiligte Personenlebem wel- ches dem Geiste eignet, den hemmenden und störenden Einflüssen, die es bisher von der leiblich-sinnlichen Natur erfuhr, entnommen; so tritt jetzt für die Seele ein Zu- stand des Freigewordenseins von der sauren Kampfes- arbeit, also der Ruhe, näher ein Zustand des stillen, friedsamen, ungetrübten Zusammenlebens ein, der aber Die große Drangsal unter der Herrschaft des Antichrist. Das Gericht über ihn. 111 nicht als bewußtlofe Ruhe, nicht als ein passives Schatteiileben gedacht fein will, sondern als eine höhere Stufe der Gemeinschaft mit Christus. Die Verinner- lichung der Seelen mit sich -felbst ist zugleich eine Ver- tiefung in Christum, mit dem sie bereits in persönlicher Lebensgemeinschaft steht — ein Daheimsein bei dem HErrn. Vermöge dieses innerlichen und unmittelbaren Verhältnisses der leiblofen Seele zu Christus kann sich nun sein Leben wie ein lichter Strom ungehindert in sie ergießen und ihr, von ihm durchdrungenes Leben? sich zur vollen Freiheit in ihm erschließen. Jn dieser vollkommenen Willens- und Liebeseinheit mit Gott, in welcher auch der letzte Rest der alten Sündigkeit ganz und auf immer verschlungen wird, erreicht die Persön- lichkeit der Erlösten ihre sittliche Vollendung. Hinsicht- lich des Bedenkens, daß auch «die noch sündige Seele nicht sofort in die volle Gemeinschaft mit Gott ein- gehen kann, wird man die Vorgänge in der Sterbe- stunde in Anschlag bringen dürfen. (Thomasius.) Was die lange Zeit des Lebens nicht vermocht oder ver- säumt hat, das kann die kurze Zeit des Sterbens sieg- reich hinausführen durch die Hilfe Dessen, der für uns amKreuze gestorben ist, der keinem so merklich, so fühlbar nahe kommt als dem Sterbenden. Es ist richtig, was Luther in der 13. These verkündigte, daß das Sterben recht eigentlich das letzte Purgatorium (Rei- nigungsfeuer) diesseits ist, welches so viele jenseits suchen, das Purgatorium, welches zuletzt noch Sünde, Schwachheit und Jrrthum gründlich ausbrennt. Wie werden wir erstaunen, wenn wir nachmals sehen werden, welche Mission dem Sterben befohlen gewesen ist und welche Ernte die letzten Stunden eingebracht haben! (Göfchel.) Der Hauptbeweis für das Purgatorium (denn die Schrift selber lehrt keins, die Stellen, auf die man es stützt, besagen, unbefangen angesehen und vernünftig ausgelegt, ganz andere Dinge) ist dessen psychologisch-ethische Notwendigkeit, die man behauptet. Es ist der vollendetste Widerspruch, sagt z. B. Möhler in feiner Symbolik, in den Himmel mit Sünde befleckt eingehen, sei sie nun durch Sühne bedeckt oder unbe- decktx es drängt sich daher die Frage auf, wie wird der Menfch endlich von Sünde befreit und das Heilige in ihm von Grund aus lebendig? oder, verlassen wir noch befleckt mit irgend Sündhaftem die irdische Welt, wie mögen wir von demselben gereinigt werden? — Diese Frage drängt sich allerdings auf: des Leibes ent- ledigt sind wir nicht eben damit auch der Sünde ent- ledigt; und die Rechtfertigung durch die Gnade Gottes in Christo erledigt uns unserer Sündenschuld, ohne aber die Sünde selbst in uns zu entwurzelw Diese bleibt hienieden mit uns verwachfen, und das ernsteste Heiligungsstreben bewältigt sie zwar, beherrfcht sie, bannt sie in immer engere Schranken, ohne sie aber gänzlich aus uns ausfcheiden iind hinwegtilgen zu können. Wie also wird die Seele, die Gnade bei Gott gefunden, bei ihrem Uebergang in das Jenseits der Sünde ledig? Mag es geschehen, wie es wolle, keines- falls geschieht es durch ein Feuer, welches der Wirkung der heiligen Taufe und des Blutes des Sohnes Gottes, die beide an sich schon feuerkräftig sind, nachhelfen müßte; keinesfalls durch ein abbüßendes Leiden, welches dem Heilszweck des oerföhnenden Leidens Christi erst zur Durchsetzung seines letzten Zwecks zu verhelfen hätte. Wie denn also? Man hat gesagt, daß das Sterben selbst unser Purgatorium und der letzte Todes- stoß auch die letzte Scheidung (Hebr.4,12) sei, die durch und durch dringt bis zu letztentscheidender Län- terung; und in der That, wer möchte das leugnen, daß jeder wohlbestandene Todeskampf auch eine letzt- entscheidende Schmelze sei, welche das feuerbeständige Gold gottgewirkteii Geifteslebens aus den Schlacken, die es hienieden niederhielten und zersetzten, endgiltig entbindet? Aber nicht jede Seele wird von Gott durch ein solches bewährendes und läuterndes Feuer eines längeren Siech- und Siegesbettes hindurchgeführy man wird also annehmen müssen, daß das durch Wort und Sacrament in uns gewirkte und genährte Geistesleben an sich schon kräftig genug ist, um alsdann, wenn es sich von der im Argen liegenden Welt losgerungen hat oder ihr plötzlich entrückt wird, angesichts der offen- baren Wirklichkeit des hienieden Geglaubten mit solch innerer Macht hervorzubrechen, daß es die menschlichem Wesen noch anhaftende Sünde bis auf die letzte Spur ihrer Folgen hinaus stößt. Ob dies bei dem Einen mit Einem Male, bei dem Andern nach und nach ge- fchehen werde, wissen wir nicht; die Schrift sagt darüber nichts. Und was die diesseits Unbekehrten und Ungläu- bigen betrifft, so liegt allerdings die Hoffnung nahe, daß ihnen diefseit des Endgeschicks der Durchbruch durch Gottes Zorn zu Gottes Liebe unter gewissen Umständen noch möglich sei; aber — die Schrift sagt davon weder direkt noch indirekt etwas, enthält vielmehr Aussprüche, welche eher das Gegentheil befürchten lassen, und wir verzichten deshalb darauf, uns in Folgerungen« oder Muthmaßungen zu versteigen oder anderen Lichtern als dem Einen zu folgen, dessen von der göttlichen Weis- heit bemeffene Helle uns diesseits genügen soll. (Delitzsch.) 14. Und ich sahe« sein neues Gesicht, welches zunächst das jetzt bevorstehende Gericht über die dem Thiere huldigenden Erdbewohner V. 10 vor- stellte Kap· 19, 16 ff.], und siehe, eine weiße Wolke serblickten meine Augen], und auf der Wolke sitzen einen, der gleich war eines Men- schen Sohn lKupi 1- 13; Dan 7, 13]; der hatte szuin Zeichen, daß er der König sei im Reiche Gottes 19, 12 und der Sieg ihm nicht fehlen könne S, 2] eine güldene Krone auf feinem Haupt, Und [als jeden Augenblick bereit, auf den Wink Gottes die zur Strafe reif gewordene Welt hin- wegzufchaffenj in seiner Hand eine scharfe Sichel [die geschwind fchneidet und recht viel auf einmal hinwegnimmt]. 15. Und ein anderer Engel sein Engel im eigentlichen Sinne, während jener in V. 14 des Menschen Sohn selber war 10, 1 u.18, 1] ging aus dem Tempel [Kap. 11, 19 ais Bote Gottes des Vaters, die Stunde des Gerichts sei nun da Joh. 5, 19 u. 271 und schrie mit großer Stimme zu, dem, der auf der Wolke saß: Schlage an mit deiner Sichel iind ernte, denn die Zeit sdurch Wegfchaffung aller Thieranbeters zu ernten ist kommen; denn die Ernte der Erde ist diirre worden [Jes. 27, 11 und die Menschenwelt zum Gerichte reif]. 16. Und der auf der Wolke saß sindem er solchen Befehl von seinem Vater durch Vermitte- lung des Engels empfing], schlug un mit seiner Slchel an die Erde ssie auf dieselbe hinabiverfend, um dort unten zu fchneiden]; nnd die Erde ward 112 Offenb. Johannis 14, 17—20. 15, 1. geerntet« [in der Niedermetzelung derer, die auf Erden wohnen]. 1’7. Und eiii anderer Engel [gleich dem in V.15] ging aus dem Tempel im Himmel ssich damit ebensalls als uninittelbar von Gott gesandt zu erkennen gebend] , der hatte lentsprechend dem, der auf der Wolke saß V.14] eitle scharfe Hippe [das bevorstehende Gericht des Menschensohns in einem andern ähnlichen Gleichniß abbildend]. 18. Und ein anderer Engel sfur den eben genannten Engel denselben Dienst vollbringend, wie der in V. 15 für des Menschen Sohn V. 14., zugleich aber auch ein hinter dem jetzigen Gericht liegendes späteres Gericht andeutend] ging aus dem [Brandopfer-] Altar lunter welchem der Ruf nach Rache und Gericht ertönt S, 9 s.; 8, 3 f.; 9, 13; is, 7]; der hatte Macht über das Feuer sdes Zornes Gottes, das auf dem Altar brennet und» feiner Zeit, wie jetzt den Antichrist nnd seine"Heerschaaren, so hernachmals auch die letzten Widerwärtigen verzehren foll Kap. 20, 8 f.], nnd rief ·mit großem Geschrei zu dem, der die scharfe Hippe hatte [V. 17»], und sprach: »Schlci·g an mit deiner scharfen Hippe iind schneide die Trauben [nach besserer Lesarn die Trauben des WeinswcksJ auf Erden; denn ihre Veeren lbessen seine Trauben] sind reif’«"«. · 19. Und der Engel schlug an mit seiner Hippe an die Erde nnd schnitt die Reben [den Weinstock] der Erde, uiid wars sie [die abge- schnittenen Trauben] in die große Kelter des Zorns Gottes. · 20. Und die Kelter ward snach alter Sitte Richr e, 11 Anm. 2] außer der Stadt lwelches hier die heil. Stadt Jerusalem Hes 48, 30—35 war] gekcltert lvglz Jes 63«]; nnd das Blut ging von der Kelter bis an die Ziiume der Pferde, durch tansend sechs hundert l= 4 X 400 oder 40X40] Feldmegsss [Stadien, d. i. V» Meile Z. Mos 19, 37 Anin., so daß es noch eine Strecke weit über den Boden des heil. Landes hinaus- reichte]. V) Das Gericht stellt sich dem Auge des Sehers hier dar unter einein doppelten Bilde, dem der Ernte V. 14ff. und dein der Weinlese und Kelterung V. 17 ff. Vgl. die Gruudstellm Joel Z, 17 und 18 (Hengstenberg.) Die beiden bei Joel so eng verbun- denen Züge der Kornernte und der Weinlese treten bei Johannes in zivei gesonderteii Handlungen auseinander. (Hofmanii.) Das Bild der Ernte ist nicht im Sinne von Matth. 13, 30 so gefaßt, daß zwischen dem guten Samen und dem Unkraut unterschieden würde, viel- mehr ist nur an die Reife zur Strafe dabei gedacht; das andere Bild von der Weinlese und der Kelterung stellt dann das Gericht als eine Handlung der Rache und als Niederlage der Feinde der heiligen Stadt dar. (de Wette.) Das Bild von der Ernte des Ackers genügt nicht, weil erst die dazu gekommene Zeit der Weinlese die volle Ernte bringt; zwischen beiden liegt aber bekanntlich eine Zeit, und dieser Umstand dürfte zu beachten sein. Wir finden später zwei Gerichte: eines in Kap. II, 21ff., und das andere nach dem tausendjährigen Gefängniß des Satan in Kap.20,7—-10; von diesem zweiten Gericht geschieht hier ebensalls eine vorläufige Anküiidigung damit wir es zugleich mit ins Auge fassen, wie denn auch die Erwähnung des Feuers bei deni vierten Engel in V. 18 ausdrücklich auf das voni Himmel fallende Feuer in Kap. 20, 9 hinweist. (Lämmert.) Bei Johannes ist die Hesekieksche Weis- sagung über Gog von Magog (Hes.38 u.39) in zwei Gerichte vertheilt, in das über den Antichrist und das über Gog und Magog; die innere Zusammengehbrigkeit beider aber ist gleichwohl streng festgehalten, und muß deshalb bei der Ankündigung des ersteren Gerichts auch eine Bezugnahme auf das andere eingefügt werden. «) Weiß ist in V. 14 die Wolke als Zeichen der Erscheinung des HErrn in dem Vollglanze seiner rich- terlichen Majestät (Kap.1,16); daß aber der auf der Wolke sitzende Menschensohn von einem Engel» die Bot- schaftund den Befehl überkommy zuin Vollzuge des Gerichts zu schreiten, scheint auf den ersten Blick gegen die Würde des HErrn zu verstoßen. Allein wir wissen ja, was Jesusin Mark. 13, 32 u. Apostg I, 7 sagt, daß der Vater die Zeiten und Zeittoendepunkte seiner eigenen Macht vorbehalten habe; nichts Anderes als diese Prärogative des Vaters wird uns hier veraii- schaulicht Kein Auge als des Vaters sieht in die Krisen der Dinge, die durch die Rechtzeitigkeit des Monientes bedingt sind; Keiner, denn er allein, sitzt am Webestuhl der Zeit, da ein Faden tausend Verbindungen schlägt und durch ein unzeitiges Einschreiten sonach eine un- endliche Verwirrung angerichtet würde. Jn dieser hei- ligen Ordnung will der Sohn nichts ändern, im Gegen- theil ist er ihr in Liebe gehorsam, uns zum Vorbild, daß auch wir Geduld lernen und in allen Dingen Gott stille seien (Hab. 2, 20), zumal in dieser Zeit des na- henden Endgerichts; denn da gerade ist die Ungeduld der Kinder der Zeit fieberhaft, da schlagen die ,,bren- nenden Fragen züngelnd aus allen Ecken und Ritzen des miirben Gebäudes und drohen es vor der Zeit iii Brand zu stecken.« (Sabel.) Von ähnlicher Bedeutung mit Käse. 6, 2., wo aus dem ersten Siegel die Sieger- gestalt selbst hervorgeht, ist es, wenn hier auf einer weißen Wolke mit einer scharfen Sichel in der Hand der Richter erscheint; gleichwie nun aber dort noch kei- neswegs von der sichtbaren Wiederkunft Christi vom Himmel die Rede ist, sondern sein Kommen zum Ge- richt durch Vermittelung eines nienschlichen Werkzeugs sich vollzieht, so haben wir auch hier, und dem entspre- chend in Kap. 19, 11 ff., noch nicht die sichtbare Wie- derkunft Christi anzunehmen, wie meistens geschieht, diese erfolgt vielmehr erst in Kap. 20, 11 ff. beim letz- ten allgemeinen Weltgericht, mit welche-n die Aufer- weckuiig aller Todten verbunden ist, während nach dem Sturz des Antichrist zur Aufrichtuiig des tausendjährigen Reichs blos die erste Auferstehung der Auserwählten vor sich geht (Kap. 20, 4 ff.). Die herkömiiiliche Dog- matik, indem sie vom Millennium und der ersten Auf- erstehung ganz absieht, läßt den Sturz des Antichrist durch Christi persönliches Wiedererscheinen vor sich gehen und verbindet damit die Ereignisse des jüngsten Tages; sie stützt fich dabei auf L. Thess. L, 8., verkennt aber, daß Paulus nicht gerade eine vollständige Es- chatologie dort zu geben beabsichtigt, sondern nur einen bestimmten Gesichtspunkt in’s Auge faßt (vgl. zu Jes. 63, 6). Der Nachdruck liegt vielmehr aus den Worten: »der HErr wird ihn umbringen mit dem Geist seines Abermalige Reihe von Gesichten. Die sieben Engel mit den letzten sieben Plagen. 113 Mundes«; und in welcher Weise das geschieht, dafür sind die Gottesthaten in L. Mos 14, 15 fs.; 2. Chiron. 20, 15 ff. u. s. Kein. is, 20 ff. verbitt-lich· So erst wird uns der folgende Abschnitt verständlich, wo Engel das Werk der Bernichtung ausrichten Vgl. Joel 14 ff. IN) Dieser Engel, welcher dem in V. 17 genann- ten den Befehl zum Abernten des Weinbergs der Erde bringt, wird in zweierlei Hinsicht bedeutsam charakteri- sirt: a) er ging aus dem Altar und b) er hatte Macht über das Feuer. Derselbe Altar, unter welchem die nach Rache schreienderr Märthrerseelen liegen und von welchem nicht nur das Feuer entnommen wird, welches, auf die Erde geworfen, das Signal für die den Beginn der Rache verkündenden Posaunengesichte überhaupt, sondern von welchem auch in dem sechsten Posaunenge- sichte insbesondere die ein verderbliches Heer über die Erde rufende Stimme erschallt, derselbe Altar erscheint an unsrer Stelle bedeutungsvoll als die eigenthümliche Stätte eines Engels, welcher den Befehl zum Vollzie- hen des Gerichts überbringt und welcher, da er über das Feuer jenes Altars Gewalt hat, als ein solcher sich darstellt, dessen Sendung den Gebeten der Märtyrer Erhörung bringt und so durch seine ganze Art und Er- scheinuiig an die Blutschuldder Feinde, deren Blut jetzt die Erde bedecken soll (V. 20), erinnert. (Düster- dieck.) Die Erde, worunter vorzugsweise das ganze Abendland zu verstehen ist, wird unter dem Bilde eines Weinstocks dargestellt; das Gericht ergeht also nicht über eine noch gar nicht in Gottes Arbeit gestandene Heiden- welt, sondern über eine abgefallene Christenheit, über eine Völkermasse, die in den Weinberg des HErrn ge- pflanzt war. (Kemmler.) s) Der Wein wird im alten Testament (1. Mos. 49, 11; 5. Mos 32, 14) Tranbenblut genannt, nicht wegen der rothen Farbe, sondern weil er aus Saft und Kraft der Reben bereitet wird; diese Trauben aber geben eigentliches Blut. (Hengstenberg.) Die Stadt ist Jerusalem; die Kelterung jene grausige Schlachh von der uns ein spätere-s Gesicht ausführlich berichten wird. Aber iwelch ein Schlachten, wenn das Blutmeer 40 Meilen weit bis zu den Zäumen der Pferde an- schwellen wird! Der Raum ist größer als Palästina, dessen Länge etwa 32 illieilen beträgt; weit über die Grenzen des heil. Landes also ergeht das Gericht s— vier, diese Signatur der Erde, mit sich selbst und dann mit 100 multiplicirh der Zahl der Vollendung, scheint darauf hinzudeutety daß weit über den hier als Ort der Schlacht angegebenen Raum das Gericht alle Anbeter des Thiers, wo sie auf der Erde sich auch finden soll- ten, ergreifen wird. (Steffann.) Jst 40 die Zahl der Strafe (4. Mos. 14, 33 s.; Nicht. 13, l; Hes W, 11 fs.), so ist 40 X 40 = 1600 die Zahl der potenzirten Strafe. (Ebrard.) Die Erwähnung der Zügel der Pferde deutet aus die Reiterschaaren des himmlischen Heeres hin, von welchen der Keltertreter auf seinem Rachezuge begleitet ist 19, 14 f. (Hengstenberg.) O wieviel Beerlein gehören dazu, bis es einen so großen Blutbach giebt! (Bengel.) Das 15. Kapitel. Ya- sitnfte Gesichte-an den sieben letzten Magen, und der Ztechtgläubigen Lobgesang. III· v. 1——3. Es beginnt eine abermalige Reihe von Gesichten, in welcher das, wovon in der früheren Reihe die Grundslrictse gezeiihnet worden sind, zu einem fer- Dächseps Bibelwert VIL Band, 2. Abth. s. Aufl. tigeu Gentälde sich gestaltet; es theilt sieh aber diese Reihe wiederum in zwei Theile, von welchen der erstere mit den sieben Zoruschalen es zu thun hat nnd Rad. 15 n.16 umfaßt. Zuerst geht ein Gesicht voraus, welches die Ztusgießung der Schalen vorbereitet und deren Bedeutung als des unmittelbaren tllebetgaiiges zum Gericht entfaltet; indem da zuviirderst sieben Engel als Inhaber von eben soviel plagen, aber noih ohne die Werkzeuge zur Ausführung derselben austreten, erskheiicett diese nur erst noch als die borläufer und Sinubilder des Gerichts, und gleichzeitig mit ihnen inarhen diejenigen sich vortrefflich, die nicht tu das Gericht treatment, sondern schon vom Tode zum Weben hindurchgedrstiigen sind. Das sind alle die, die unter der ljerrsasaft des Antiihrist un( des Zengnisses Jesu und um des Wortes Gottes willen ertödtet worden sind. Das Thier, das mit ihnen ge- strittesn hat allerdings sie überwunden, indem es sie aus der Welt geschafft hat; aber wie doch eigentlich sie die dleberwiuder sind an dem Thier, so smd sie auch mit ihrer Wegschasfnng aus der Welt nur hinüber-gerettet über das rathe Meer, in welchem das Thier mit seinem Jluhauge umkommen wird, und theilen mit der Gemeinde zu Zion, die bei dem Lamme in Sicherheit gebracht ist, dasselbe Geschäfl der Eobvreisung Gottes auf Erden; ihr Lied ist das ttied Mosis und des Baumes. blachdeui so ein vorläufiger Ginblicli in das Folgende eröffnet ist, werden die Gngel iu feierlicher Weise in ihr Amt ein— gewiesen. l. Und ich sahe ein ander Zeichen im Hirn- mel snächft dem, das mir in Kap. 12, 1 ff. er- schienen wars, das war sgleichwie jenes] groß Und sdazus wundersam lwegen der großen und wunder- samen Werke Gottes, die nun zur Ausführung kommen sollten]: Sieben Engel serschienen auf einmal], die hatten swie aus ihrem ganzen» Aus- sehen hervorging, wenn sie auch die Schalen voll Zornes Gottes noch nicht in den Händen hatten V. 7] die letzten sieben Plagen [im Vergleich mit denen der sieben Siegel Kap. 6, 1 ff. und der sieben Posaunen Kuh. 8, 2 ff., zu ihrer Verwal- tung; daß aber auf diese Plagen nicht ebenfalls noch andere kommen würden, ergab sich aus ihrer« ganzen Art und Beschaffenheit, sowie aus ihrer Richtung und Bestimmungsz denn mit deuselbigen ist vollendet der Zorn Gottes fund die Zeit der Gnade geschlossen, daher auch auf die sechste Plage Käse. 16, 12 ff. sogleich die siebente folgt IS, 17 ff. und kein Ausstand zwischen beiden stattfindeh wie das zwischen der je 6ten nnd 7ten Plage der sieben Siegel und der sieben Posaunen der Fall gewesen wars. Jn Kasx 8, 2 wurden die sieben Engel, denen die sieben Posaunen gegeben wurden, als solche bezeichnet, die da stehen vor Gott, seine höchsten und unmittelbaren Diener sind, was mit dem kirchlichen Begriff der Erz- engel übereinstimmy vergleichen wir damit die einfache Bezeichnung Engel an unsrer Stelle und blicken an- dererseits auf Kap. s, 1 ff. zurück, so ergiebt sich für die 7 Siegel, 7 Posaunen und 7 Zornschalen ein Stu- fenganåvom Höheren zum Niederen; die Siegel werden durch hristum selbst geöffnet, die Posaunen werden durch die Erzengel geblasen, die Schalen aber durch 8 114 Offenb. Johannis 15, 2—8. gewöhnliche Engel aus-gegossen; es liegt darin eine Hin- tveisung auf den höheren und niederen Werth, den die Gegenstände der drei verschiedenen Strafgerichte für das Reich Gottes haben, und macht sich namentlich in Be- treff Jsraels ein großer Vorzug bemerklich. Z. Und sich] sahe [gleichzeitig mit den sieben Engeln etwas vor meinen Augen] als ein glä- sern Meer [wie schon in Kap. 4, 6 ich ein solches gesehen hatte, doch hier war es] mit Feuer ge- mengetl [wie in einem Edelfiein oder in einer Glasmasse Flammen zücken und leuchten, wenn der Schein des Feuers darauf fällt und sich darin bricht]; und die den Sieg behalten hatten [besser: behalten -— denn noch war dies »behalten« etwas Zukiinftiges Kap. 17, 141 an dem Thier und seinem Bilde und seinem Maalzeicheii nnd seines Namens Zahl« sdaß sie innerlich von dem Thier sich fern halten und auch äußerlich vor allem heuchlerifchen Schein der Unterweisung unter dasselbe sich hüten, weder in die Anbetung seines Bildes, noch in die Annahme seines Maul: zeichens oder auch nur der Zahl seines Namens willigend Kap. its, 11 ff» in Beziehung auf sie sahe ich], daß sie Drüben, nach dem Stuhle Got- tes hin, vor welchem das Meer sich befand Kap. 4, S] stunden an dem gläsernen Meer [wie einst die Kinder Israel nach ihrem Durchgange durch das rothe Meer am andern Ufer 2. Mof. 14, 30 f.], nnd hatten Gottes [von Gott ihnen ge- gebene und zu Gottes Lobe bestimmte] Harfen""«. F) Das gläserne Meer ist ebensosehr Bild der Un- ermeßlichkeit und Heiligkeit der Thaten Gottes, als seiner majestätischen Ruhe in all seinem Thun; aber hier erscheint dem Johannes das Meer nicht wie in Kap. 4, 6 klar wie ein Krystall, sondern wie mit Feuer gemenget: der heil. Zorn Gottes durchglüht die Flu- then seiner Thaten, zu denen er sich jetzt anfchickt (Stefsann.) Es ist das in seiner Unergründlichkeit den- noch klare und glänzende Meer der wunderbaren Ge- richte und Führungen Gottes, welches hier zugleich mit dem Feuer des in den letzten Gerichten sich vollenden- den Zornes Gottes gemengt ist· (Kemmler.) «) Es sind dies unverkennbar die Märtyrer der letzten Zeit, sie sind jetzt im Himmel; hier sind sie Ueberwindey nicht weil sie den Thieranbetern auf Er- den widerstanden und einen Sieg über dieselben davon- getragen hätten, sondern sie haben gelitten wie ihr HErr und Meister (Kap.13, 7). Sie haben die Ge- meinschast mit dem Thiercultus gemieden, haben sich von der allgemeinen Bethöruiig nicht ansteckei1, von der reißenden Fluth nicht mit fortreißen lassen, sondern lieber Schmach und Verfolgung und am Ende den Tod erduldet, als daß sie den Namen ihres Gottes nnd Heilai1des, das Kreuz Christi verleugnet und sich des ewigen Evangeliums geschämt hätten gegenüber den stolzen Geistern und dem Lügenevangelium So durch lauter llnterliegen sind sie zu Ueberwindern geworden —- nicht über das Thier, sondern von dem Thier weg, wie es im Grundtext eigentlich heißt, aus seinen Schlingen, seinem Hörigkeitsverhältniß heraus. (Sabel.) Hist) Von der Seligkeit derer, die in dem HErrn sterben, hieß es in Kap. 14, 13., daß sie ruhen von ihrer Arbeit; dazu kommt hier die pofitive Seite, sie stehen an dem gläsernen Meer und haben Gottes Har- fen. Jndem sie aber den Kindern Israel am rothen Meer gleichen, die Gottes Errettung hinter sich haben, und ihn dafür preisen, ist ihnen auch der Hingang nach Canaan verbiirgt, die Theilnahme am tausendjährigen Reich. Darauf, daß sie mit den 144,000 Erkauften von der Erde in Katz. 14, 1 ff., die zu jenem Reich beru- fen sind, ebenfalls gelangen zur ersten Auferstehung (Kap. 20, 5 f.), weist auch der Umstand hin, daß sie hier ebenfalls als Harfenspieler erscheinen; nur singen sie nicht wie jene ein neues Lied, das niemand lernen kann außer den Erkausten selber, sondern das alte Lied Mosis in neutestamentlicher Form. Dieses Lied wird denn auch ausfiihrlich mitgetheilt; es geht ja die Völ- ker und Heiden und Sprachen und Königreiche, für welche Johannes seit,Kap. 10, 11 weissagen muß, vor- nehmlich an und ist «Geduld und Trost der Schrift« für diejenigen aus ihnen, welche die allerschwerste Trüb- salszeit (Matth. 24, 21 f.) erleben werden, während das neue Lied der Erkauften auch dem Seher der Offenba- rung in seinem Wortlaut verborgen bleiben mußte und ihm nur deren Herrlichkeitsstand, wie er ihn schon sel- ber an sich trug, enthüllt wurde. 3. Und [sie, die Harfenspieler am gläsernen Meer] sangen das Lied Mosis, des Knechts Gottes, und das Lied des Lammessp fdas Lied in 2. Mos. 15, 1——18., aber nicht in wörtlicher, sondern in sachlicher Wiederholung, wodurch es zum Er- lösungslied der neutestamentlichen Gemeinde wurde, indem es, anknüpfend an die Heilsthat der Er- rettung von Pharao und seinen Reitern, die unter dem Heiland geschehene Errettung von einem viel schlimmerm Verfolger feierte], und sprachen: Groß und wundersam sind deine Werke, Mir, alliniich- tiger Gott [denn nun erklärt sich das Wort, daß Christi Gemeinde auch die Pforten der Hölle nicht überwältigen sollen Matth. 16, 18]; gerecht Und wahrhaftig sind deine Wege, du König der Hei- ligen« [nach anderer Lesart: der Heiden Jer. « 10, 7]. 4. Wer soll [besser: sollte] dich nicht fürch- ten, HErr, und deinen Namen preisen? Denn du bist allein heilig [nach anderer Lesart: fromm 5. Mos 32, 4]. Deiin alle Heiden werden [in Erfüllung des prophetischeii Worts] kommen nnd aubeteii vor dir; denn deine Urtheile fdie du ge- dräuet hast] sind sim Zorngericht über den Anti- christ] offenbar worden«« [»das ist noch nich Schilderung der ewigen Seligkeit, sondern einer ihr vorausgehenden, dem Antichrist folgenden Zeit der allgemeinen Anerkennung Christi und seiner Gemeinde« Kap. 20, 1 ff.]. s) Wörtliche Uebereinstimmung mit dem Liede Mosis dürfen wir schon nach dem »und des Lamme-IX« nicht erwarten; sie wiirde das durch das Lamm ver- niittelte Heil herabsinken, es als eine bloße Wieder- holung des früheren darstellen. Neues Heil, neues Lied; gemeinsam aber ist diesem Liede des Lammes mit dem Liede Mosis, daß die heidnische Weltmacht Gegenstand der richtenden Thätigkeit Gottes ist. (Heng- Vorläufiger Einblick in das, was da kommen wird. 115 stenberg.) Mose, der Knecht Gottes, hatte den Auftrag, das Volk Gottes durch den mächtigen Arm des HErrn aus dem Diensthause Egypten zu führen, und sein Lied in nächster Bedeutung ist kein anderes, als jenes Lob- lied auf die ersahrene Errettung, welches Mose mit Js- rael am Schilfmeer fang. Die Erlösung aus Egypten aber, deren· Gedächtnis; zugleich in vorbedeutender Weise durch die Einsetzung des Osterlamms erhalten werden sollte, ist nur das Lied der großen, allgemeinen und ewigen Erlösung aus Sünden- und Todesknechtschafy welche wir dem theuren Blute Christi als eines un- schuldigen und unbefleckten Lammes verdanken und die uns zu Kindern macht, während Mose, der Knecht Got- tes, vorerst nur ein knechtliches Verhältniß zu Gott be- gründen konnte. Diese geistige Erlösung ist es denn auch, auf welcher alle andere Erlösung der Kinder Got- tes beruht, kraft welcher allein sie auch die letzte Noth- und Kampszeit siegreich bestehen können und in deren Preis das hier von ihnen angestimmte Lied des Lammes besteht. Wenn nun am krystallenen Meer beides, jene erste vorbildliche, wie die letzte, ewige Erlösung, Lob- gesang der Ueberwinder ist, so ist hiermit ein, alle Er- lösungsthaten Gottes vom Anfang bis zu Ende umfas- sendes Preisen bezeichnet, wie dasselbe eben auf diesem Punkte der Entwickelung, da die irdische Geschichte dem Ende entgegeneilt, am Platze ist. Diese Erlösung?- thaten Gottes, wie sie zugleich mit Gerichten über die Feinde verbunden sind, bilden ja eben das durchsichtig klare, mit Feuer vermengte Meer, in dessen Tiefe die Harsenspieler anbetend niederschauen (Kemmler.) Ei) Jn trüben Stunden auf Erden, wenn die Welt- macht über die Kirche zu triumphiren schien, hatten sie oft gezweifelt an der Größe der Werke Gottes, der Gerechtigkeit und Wahrheit seiner Wege, gezweifelt, ob er wirklich der Allmächtige, der König der Heiden sei; jetzt schämen sie sich dieser Zweifel, sie find durch die That widerlegt, die Wolken, welche die Herrlichkeit Gottes vor ihren Augen verhiillten, sind völlig geschwun- den. (Hengstenberg.) TM) Ueberaus herrliches Lied! Keine Eomposition dieses Lieds aus Spriichen des alten Testaments, son- dern ein Lied im höheren Chor, dessen Grundaccorde die gottpreisende Seele der Heiligen der Vorzeit ange- geben hatte. Groß und wundersam sind deine Werke, HErr Gott, Allmächtigey heben sie an, wie einst die Gemeinde Jsrael in Pf. 92, 6 gesungen hatte: ,,wie groß sind deine Werke, HErr; sehr tief sind deine Gedanken« Gerecht und wahrhaftig sind deine Wege, du König der Heiden, tönt’s wieder zum Citherklaiig, wie einst das Haus David’s und die Gemeinde Jsrael nach überstandenem Leid in Pf. 145, 17 gesungen hatte: »gerecht ist der Err in allen seinen Wegen, und fromm in all’ feinen erken«. Und wie Jeremia (10, 7) schon gerufen hatte: »Wer sollte dich nicht fürchten, du König der Heiden?« so singen auch sie: Wer sollte dick) nicht fürchten, HErr, und deinen Namen verherrlichen? Denn du allein bist fromm. —- Denn alle Heiden wer- den kommen und anbeten vor dir; denn deine Rechtthaten sind offenbar geworden: man hört, wie die hier preifende Schaar hienieden im Worte des HErrn gelebt und in ihm Kraft für ihren Kainpf ge- funden hat; darum klingt Davids Dank, als der HErr ihn von Absoloms Hand erlöst hat, durch den Schluß des Liedes: ,,Es ist dir keiner gleich unter den Göttern, o HEry und nichts ist wie deine Werke. Alle Heiden, die du gemacht hast, werden kommen nnd anbeten vor dir, HEry und Ehre geben deinem Namen; denn groß bist du und thust Wunder, du Gott allein«, hatte Da- vid in seinen Tagen gesungen in Pf. 86, 8 ff. So tönt jenes wundersame Lied der Citherspieler am glä- sernen, mit Feuer durchglühten Meer —- uns eine Mahnung nnd ein überaus herrlicher Trost! Eine Mah- nung, uns wie jene beizeiten in das Meer zu versen- ken, das die Ströme des Wortes Gottes bilden, damit wir, wenn es gilt zu preisen, wie jene es in den Accor- den des ewigen Wortes vermögen; ein Trost —- in der That, wer sollte nicht mit heil. Ironie auf das Toben der Feinde des Lammes blicken, wenn er sein Ohr dem Liede Mosis und des Lammes beut? kper nicht die Trübsal der Zeit ertragen, wenn dieser Siegesklang aus der Heimath der Ewigkeit ihn umrauschtst (Stesfann.) 5. Darnaeh sahe ich sdie Scene von vorhin V.1 ff. in veränderter, neuer Gestalt], nnd siehe, da ward aufgethan der Tempel der Hütte des Zeugnisses im Himmel sder Tempel im Himmel, das Urbild der Hütte des Zeugnisses auf Erden 2. Mof. 25, I; Apostg. 7, 44]; 6. Und gingen aus dem Tempel [der Ge- rechtigke·it Gottes, welche dem im himinlischen Heiligthum niedergelegten Gesetz an den Veräch- tern desselben zu seinem Rechte verhilft, sich zu Diensten stellend] die sieben Engel, die lnach V. 1] die [dort näher bezeichneten] sieben Plagen lals längst fchon vorausbestimmt in ihrer Verwahrung] hatten, aligethan [als Priester des allerhöchsten Gottes, jedoch stehend unter des Menschen Sohn Kap. 1, 1·3] mit reiner, heller Leinwand, und umgürtet ihre Brüste mit giildeiien Giirteln. 7. Und eins der vier Thiere [Lebe- oder Thronwesen in Kap. 4, 6., zum Zeichen, daß die sieben Plagen durch den gewöhnlichen Welt- oder Naturlauf sich vollziehen und doch zugleich als solche sich bekunden würden, die vom Throne Gottes ausgehen] gab den sieben Engeln sdiesen Werkzeugen zur Verhängung der Plagen] sieben giildeiie Schalen voll Zorns sdesj Gottes, der da lebet von Ewigkeit zu Ewigkeit swie die Abtriiip nigen, welchen die Plagen gelten, nun erfahren sollen, und in dessen Hände zu fallen gar schreck- iich ist 5. Mos. 32, 39 ff» Herr. 10, 31]. 8. Und der Tempel [im Himmel V. 5, von dessen Allerheiligstcin in dem Augenblicke, wo die Schalen übergeben wurden, der HErr gleicher- weise Besitz nahm, wie er’s einst mit dem Aller- heiligsten in 2. Mos 40, 34 n. 1. Köln 8, 10 f. gethan] lnakd voll Ranchs vor der ldensclben er- fullendenj Herrlichkeit Gottes und vor seiner Kraft [Jes. S, 4; Hei. 10, 4]; und niemand konnte swie damals, als das irdische Heiligthuin von dem unnahbaren und majestätischen Gotte in Besitz genommen ward] in den Tempel gehen, bis das: die sieben Plagen der sieben Engel volleudet innr- den [denn nun sollte das Wort Jef. 47, 3 gelten: ,,ich will mich rächen und soll mir’s kein Mensch abbitten«]. Bd? 116 Osfenb. Johannis 16, 1—11· Die weiße Leinwandkleidung bezeichnet die Engel als Priester, die sich zu einer Opferhandlung anschickeiq sie haben’s mit einer Welt zu thun, die durch ihren Abfall von dem Lamme Gottes fürder kein ander Opfer hat für die Sünde und nun unter den 7 Zornschalen selbst als Opfer der sie heimsuchenden Gerechtigkeit Got- tes fällt Wenn sie ferner giildene Gürtel um die Brust her tragen, «fo giebt ihnen dies den-Ausdruck der Ruhe, der Feier, wie sie Dienern und Gerichtsvolk streckern des allmlichtigen Gottes zusteht; auch mag durch die Gürlung um die Brust ihr Herz als verschlos- sen und verwahrt bezeichiiet sein. In den Gerichten, welche sie bringen, schweigt die Stimme des Mitleids nnd Erbarmens, und nur Eine Rücksicht waltet, daß das Wort Gottes gleich als dnrchläutert Gold, als voll- kommene Wahrheit, an allen seinen Verächtern sich be- weise. (Kemmler.) Das Symbol der Schalen ruht auf den Stellen des alten Test., in denen von dem Ausschiitten des Zornes Gottes die Rede ist (Ps. 79, S; Zeph Z, 8); das Ausschiitten weist hin auf die Reich- lichkeit des Zornes Gottes, die Schalen aber kommen als Gefäße iii Betracht, womit bequem und reichlich ausgeschüttet werden kann. (Hengstenberg.) Das 16. Kapitel. Die zsihalen des göttlichen Dorn-«- werden von den sieben Engeln ans-gegossen. IV· v.1—21. Auf deii Befehl einer aus dem hinan— lischen Tempel erskhalleiiden Stimme gießen jetzt die heben Engel einer iiach dem anderinihrk Schalen aaf die Erde ans. von diesen machen die fnnf ersten uii- verliennbar ein zusammengehiiriges Ganze ans; »denn sie fangen mit Grwahiinng des Thiers aic und horen unt der toersiiisteriiicg des Thierreichs auf, auch lconiinen iii der fünften Schale noch die nämlichen Braudgeschwiire vor, welche in der ersten sich finden, und von Buße ist daselbst zuin letzten rtlal die ttede (t).1—11). Dagegen habeäi diedbeideik letzten Zehntel? es nicht mehr mit Plagen zu t iin ie an Buße nnd Bekehrung abzielen sondern mit Gerichten, welche uernichtang zur Folge hinten; der Wortlaut des Textes stellt »« aber die Verniihtniig nicht selber vor Augen, sondern laßt sie bei der sechsten Schale nur durrh einen an die biblisclie Geschictzte erinnernden Uamen sich andeuten, während bei der siebenten Schale blos die eine von den beiden zur tlernichtuiig bestimmten machten dieselbe auch wirklich erfährt, die andere da- gegen als erst auf dem wege dazu erscheint Or. 12—21). I. Und ich hiirete eine große Stimme aus dem lvom Rauch erfüllten 15, 8] Tempel sdes nachher aus seiner Verborgenheit völlig heraus- tretenden Gottes felbsteigene Stimme 21, Zu. 5 schon vorbedeutend], die sprach zu den sieben Engeln swelchen eins der vier Thiere die sieben gjiildenend Schcsijleki übsergåben Shzttsp Cäegetzlnuiig Ul UU gie c UU le U en e llklle Gottes auf die Erde feuren Beruf in Betreff der Plagen» Kap. 15, 1 damit erfiilleud].· T Dlie Skibmme daus gemsTdengpg ist die Scksimme des empes e er« as au e eis spri t: ,,mein Werk an diesem, verhärteten Geschlecht ist zu Ende, so lasset den Zorn walten« (P. Lange) Z. Und der erste giiig hin, iiud goß feine Schale aus auf die Erde sdas Sinnbild des fest- geordneten und wohl gegliederten Staats- und Volkslebens, und zwar in demjenigen Lande, um welchcs es sich hier handelt] Und es ward eiiie böse Und arge Drüsc seine bösartige, brennende Schmerzen verursachende Blatter 2. Mos. B, 10 f.] an den Lllienscheiy die das Maalzeichen des Thiers hatten und die sein Bild aiibeteteii. 3. Und der andere Engel goß aus seine Schule ttks Meer sdas Sinnbild der Verkehrs- wege nach außen] Und es sdas Meer] Ward Blut, als eitles Todten ldas gersonnen und schon im Verwesungsproceß begriffen ist]; uud alle leben- dige Seele starb [die] iii dem Meer [ihr Lebens: gebiet hat]. 4. Und der dritte Engel goß aus seine Schale in die Wasserströme und in die Wasser- briiiiiieii. Und es sdas Wasser darin] ward [rothes, trinkbares]" Blut. 5. Und ich hörete den Engel [der Wasser, d. i. denjenigen Engel, der über die Wasserftröme und Wasserbrnnnen Macht hatte, solches mit ihnen zu thun] sagen: HEry du bist gerecht, [du] der da ist, und der da war sdasx ,,der da edition« ist weggelassen, weil der HErr eben im Kommen begriffen ist Kot» 11, 17], uud heilig lgenauen fromm Kap. 15, 4], daß dii solches genrtheilet lsolches Gericht über sie, denen das Wasser in Blut Verwandelt worden ist, verhängt] hast; 6. Denn sie haben das Blut der Heiligen uud der Propheten lder Gläubigen und der Wahr: heitszeugen] vergaffen swie Wasser Pf. 79, 3], und Vliit sanstatt des Wassers] hast du ihnen zu trinken gegeben, deiiii sie sind es werth sJes 29, 6 ff.; 2. Thess 1, 6]. 7. Und ich hörete einen andern Eiigel aus dem ldas Gedächtniß des Opfertodes der Heiligen und Propheten bewahrenden Kalb. G, 9; 8, 5] Altar snach besserer Lesart: Und ich hörete den Altar] sagen: Ja, HEriz allmächtiger Gott, deine Gerichte sind wahrhaftig iind gerecht. 8. Und der vierte Engel goß aus seiiie Schale in die Sonne, iind fes] ward ihia sdurch das Mittel der zu brennender Hitze entflammten Sonne] gegeben, den Menschen heiß zu iiiachen ssozusagen ihnen recht tiichtig einzuheizen] mit Feuer. 9. Und den Menschen ward heiß vor großer Hitze [wörtlich: sie wurden gebrannt mit großem Brande], und liisterten den Namen Gottes, der Macht hat iiber diese Plagen sdaß er, wie er sie verhängt, sie auch wieder wegzunehmen vermöchte, sobald er wollte]; iind thaten nicht Buße, ihin die Ehre zu geben swomit doch allein er hätte bewogen werden können zu einem Wegnehmen der Plagen] Die fünf ersten Engel schütten ihre Schalen voll des Zornes Gottes aus. 117 10. 11nd der fünfte Engel goß aus seine Schale auf den Stuhl des Thters sdes in Kap 13, 1 ff. gemeinten, so daß das denselben inne- habende Herrschergeschlecht für jetzt zu Grunde ging und der Stuhl nun leer stund — denke an den 4. September 1870]. Und seit! [des Thieres] Reich ward verfinstert fdaß all fein voriger Glanz auf lange Zeit gänzlich erlofchen warf; und·ste [die Genossen selbigen Reiches] zerblsseu Ihre Zungen vor Schmerzen [so sehr machten diese ihre krampfhaft zusammenziehende Gewalt an ihnen geltend], » 11. Und lästerten Gott im Himmel vor ihren Schmerzen nnd vor ihren Drüfen [V. 2, deren brennende Qual, nachdem sie auf einige Zeit als beseitigt erschienen, nun wieder fich ein- stellte]; und thaten nicht Buße fiir ihre Werke [denn Leiden haben an und für sich noch keine besfernde Kraft, sondern der Trotz des menschlichen Herzens kann sie übertrotzens Da gleich die erste Plage über diejenigen verhängt wird, die das Maalzeichen des Thiers hatten und die fein Bild anbeteten, so fcheint es, als würden wir hier in die Zeit der Herrschaft des Antichrist (Kap. 13, 14 ff.), nach unsrer Rechnung alfo in die Zeit von 1992—1995V2 n. Chr. hineinverfetzy wenn aber schon das an dieser Auffassung der Stelle einigermaßen uns irre macht, daß Plagen über die Menschen der eigent- lich-antichriftifchen Periode nicht mehr für den Zweck verhängt werden, um dieselben zur Buße zu erwecken (V. 21), wie doch bei diesen fünf ersten Plagen noch der Fall ist (V. 9 u.11), so giebt es außerdem noch bestimmte» Anzeichen im Texte dafür, daß jene Zeit überhaupt für jetzt noch nicht gemeint ist. Für’s Erste nämlich bringt die siebente Zornschale das Gericht über Babylon (V. 19), gemäß dem ganzen Zusammenhang der Gesichte der Offenbarung aber muß erst Babylon gefallen sein, ehe der Antichrist zur vollen Herrschaft gelangen kann; und für’s Andere kann von einer Verfinsterung des Reiches des Thieres (V. 10) für die Zeit nicht die Rede sein, wo dieses Reich in der vollen Entfaltung feiner Macht steht. Hiernach dürfte es ganz unzweifelhaft fein, daß wir bei der Deutung der fünf ersten Plagen nicht den Standpunkt in der antichristischen Zeit selber nehmen dürfen, sondern erst in derjenigen Zeit, welche das Vorspiel dazu ist und sozusagen den Boden bereitet, aus welchem der Pilz des antichristischen Regiments erwachsen wird. Gehen wir nun näher auf die Geschichte Frankreichs ein, welches wir bereits als den Sitz des Thierreichs kennen gelernt haben, so wurde dort im J. 1792 eine ganz neue, zur Abschaffung alles christlichen Wesens bestimmte Zeit- rechnung ausgeheckt und bald darauf auch eingeführt, also mit jenem Treiben des Antichrist, der da ist ein Widerwärtiger (2. Thess L, 4) und sich überhebt über alles, was Gott oder Gottesdienst heißt, der thatsächliche und entschiedene Anfang gemacht. War dies schon ein Annehmen des Maalzeichens des Thiers, so fehlte auch die Anbetung des Bildes nicht bei dem Volksfest am 10. August 1793. Auf dem Bastilleplatz hatte Maler David eine riefenhaste Statue der Natur errichten lassen — aus ihren beiden Brüsten sprudelte Wasser; und wie die Verhüllungen, hinter denen man dies Kunstwerk ausgeführt hatte, in der Nacht gefallen wa- ren und die ersten Lichter des Morgens glänzten, ström- ten unabsehbare Menschenmasfen herbei —- der Convent in geordnetem Zuge, der Jacobinercluh die Deputirten der Tochterlogen im Lande schon um 4 Uhr —, und kaum vergoldete die Sonne die Schornsteine der Häu- ser am Platze, als Herault de sechelles unter dem Wehen einer sanften Musik mit einer eisernen Schöpf- kelle Wasser auffing aus den Brüsten der Natur, aus dem ,,Born der Wiedergeburt«, wie die Fontaine ge- nannt wurde, und es trank unter einem heidnifchen Gebet zur Göttin Natur, und der Convent ließ sich den frischen Morgentrunk schmecken, und alle die Jako- biner desgleichen thaten also, und die Musik wehete und die Jakobiner beteten, bis der Donner der Artillerie einsiel und diesem ersten wässerigen Acte ein Ende machte. Es folgte nun eine lange Procession über die Boule- vards mit Tricolorebänderm Weizenährensträußern und Emblemen der biirgerlichen Gewerbe; auch ein Pflug ward da fortgekarrt, auf welchem Philemon und Baucis saßen, den Pflug zogen ihre Kinder, und hinter dem Pfluge rafselte ein Kriegswagen mit der Urne der im Kampf gegen die ,,Thrantien« gefallenen Patrioten. Und so ging die Procesfion vorwärts unter Triumph- bogen weg, an welchen auf Kanonenläusen Heroinen saßen aus der Schwesterloge der Strickerinnen, aus dem Megärenhausen des 5. U. S. Oktober, mit Eichen- zweigen und Tricoloreputz Herault an der Spitze des Zugs haranguirte das Megärengeschlecht auf das Zar- tefte; und so zog’s weiter, das Festmeteor, nach dem Revolutionsplatze Da war eine neue colossale Ghps- statue ——- eine Statue der Freiheit; und als die Pro- cefsion zu deren Füßen angekommen war, wurden 3000 Vögel aus Käfigen gelassen mit Papierstreifen um den Hals, auf welchen geschrieben war: »wir find frei, ahmt uns nachi« Dann verbrannte das vogelfreie Volk aller- hand Embleme des alten monarchifchen Regiments, und Herault predigte dazu ans gut Heidnifch und betete; und dann — ja, dann gings über die Seine! Da war auf dem Jnvalidenplatze erst die Hauptstatue — die im Volk incarnirte Gottheit darstellend, die sich in der Menschheit bewußt werdende Gottheit: ein mächtiger Herkules, der die Keule schwang gegen die Geister der Opposition und Hinderung, die sich vom Boden gegen ihn erhoben. Und Herault predigte abermals und be- tete zum gypsenen p«euple-Dieu, und dann ging’s zum Champ de Mars und dem Vaterlandsaltar, auf wel- chem eine Urne stund der »heil. Märthrer«, die für die ,,Sache des Volks« gefallen waren; und des heidnischen und heidenmäßigen Gesticulirens, Predigens und Betens war sobald kein Ende. HeraulUs Zunge ward trocken, wie die eines Fieberkrankem von all dem wüsten Ge- fchwätz, das er den Tag über trieb, der ganz hingegan- gen war in der Führung des Festmeteores Da setzte sich endlich das Meteor zu Tische, theils daheim, theils unter freiem Himmel, wie man’s sich eben hatte zurecht machen können; und auf allen Häuserfirsten flatterten kleine Tricoloren an Pikenstangen, und auf diesen schwebte die rothwollene Nachtmütze, und an allen Häusern kleb- ten Zettel mit ellenlangen Buchstaben: ,,Einige, untheil- bare Republiki Freiheit, Gleichheit, Brüderlichtein oder der Tod!« Wie viele ähnliche Sceneir namentlich auch die der Abgötterei mit jener Repräsentantin der wer- denden Gottheit, des zu fich selbst kommenden Geistes, der Vernunft, mit dem lüderlichen Frauenzimmer Car- deille, könnten wir hier noch vorführenl Aber es ist schon genug, um das Urtheil zu begründen: ein Volk, das eine solche Geschichte hinter sich hat, ist der leben- dige Commentar zu »den Menschen, die das Maalzeichen des Thiers hatten und die sein Bild anbeteten«; diese 118 Offenb· Johannis 16, 12. Menschen brauchen nicht erst in der Zukunft gesucht zu werden, sie sind schon da, und auch »die böse und arge Driise an ihnen« ist schon da, die der erste Engel mit dem Aus-gießen seiner Schaale auf die Erde hervorge- bracht hat. »Wer kennt nicht dieses bösartige, unheil- bare Geschwür, welches die Hauptplage des neueren europäischen Staatenlebens ist, das vorübergehend oft scheinbar geheilt, immer wieder auf’s Neue sich bildet, das die besten Kräfte der Staaten verzehrt und ihren Lebens-bestand bedroht —- das Geschwür des Revolu- tionsgeistes, dieser eigenthümlichsten Erfcheinung des modernen AbeUdlandesP Ein Geschwür ist ein, aus krankhaft veränderten Säften fich erzeugender, vom nor- malen Lebensproceß abweichender und diesen störeuder Pseudo-Organismus. Und was ist der Revolutionsgeist anders als die Sucht, fich von der geschichtlichen Ent- wickelung des Staats- und Volkslebens, wie sich die- selbe unter der Leitung der göttlichen Weisheit gestaltet und in Gesetz und Verfassung ausgeprägt hat, gewalt- sam loszureißen und nach subjectivem Gutdünken neue Organismen zu bilden, die aber, als nothwendig krank- hafter Natur, nur störend und zerstörend wirken?« Und wo anders, so fragen wir weiter, ist dieses Geschwür zum eigentlichen Durchbruch gekommen und hat am Leibe des Staats nicht wieder geheilt werden können, als in Frankreich? Durch die Revolution ist dann auch dasjenige Herrschergeschlecht in die Höhe gekommen, welches schließlich den Antichrist aus sich heraussetzen wird; dasselbe ist der aus krankem Boden emporgeschos- fene Giftpilz, der seine Anlagen zur endlichen Ausge- staltung des ,,Menfchen der Sünde« gleich in Napoleon I. sattsam an den Tag gelegt hat (Kap. 13, 2 Anm.). Haben wir so einen festen Boden für die zeitgeschicht- liche Deutung der fünf Zornschalen gleich bei der ersten gewonnen, so werden wir auch bei den folgenden nicht in Verlegenheit mehr sein, wie wir sie zu verstehen haben. Die zweite Schale (V. 3) wird ausgegossen in’s Meer, und das Meer wird nun Blut als eines Todten, und alle lebendige Seele stirbt in dem Meer: das bezieht fich auf Frankreichs internationale Be- ziehungen, auf sein Verhältniß zu andern Völkern und feinen geistigen und politischen Einfluß auf dieselben. Wer könnte fich verbergen, wie in allen diesen Beziehun- gen von jenen: Lande, zumal seit die böse und arge Drüse des Revolutionsgeistes ihm anhaftet, nur Blut als eines Todten über die Völker ausgeht, in welchem alle leben- dige Seele, die auf das Meer angewiesen ist, stirbt? Blut eines Todten ist schwarzes, geronnenes, fauli- ges Blut, das Einen anwidert und dem, der es den- noch trinkt, ja trinken muß, weil nun einmal die Le- bensverhältnisse ihm nichts Anderes bieten, Tod und Verwesung mittheilt; und wie oft ist nun schon geklagt worden über die von Frankreich ausgehende Verderbniß in Mode und Geschmack, in Kunst und Literatur, in Religion und Sitte, im socialen und politischen wie im Privat-Leben! Namentlich das Geschwür der Revolu- tion, so oft es seit der französischen Staatsumwälzung auch bei andern Nationen hervorgebrochen, hat es fich nicht allemal aus jenem Lande herüber verpflanzt? Und was nun die eigenen, inneren Zustände in Frankreich betrifft, die Lebensbeziehungen der verschiedenen Klassen der Gesellschafh der Staatsbürger unter einander, ver- sinnbildet durch die Wasserströme und Wasserbrunnen der dritten Schale (V. 4), welche Blutscenen weisen dieselben doch auf in der Hinrichtung des Königspaares in den sog. Septembergreuelm in dem Wüthen der Guillotine während der Schreckensherrschaftl Diejenigen, welche fich an die Spitze gestellt hatten, und die Par- teien eine gegen die andere, wußten sich nicht anders zu - gegen das arme, gemeine Volk. halten, als durch ständige Blutgerichte, sie fristeten also recht eigentlich ihr Leben vom Trinken des Bluts der Andern; es ist nur eine Verkörperung dessen, was sie im sigürlichen Sinne selber zu thun begonnen, wenn die Blutmenschen jener Septembertage die Tochter des Märchendichters Cazotte, um ihren alten Vater zu ret- ten, zwangen, wirklich einen Becher aus dem Blutstrom der schon Umgebrachten zu trinken. Jeder Theil gab dem andern Vergiftung der öffentlichen Meinung Schuld, jeder Theil klagte den andern des Hochverraths klagte den andern auf Tod und Leben an; Provinzialinteressen wurden aufgeregt gegen die Interessen von Paris, die Interessen der mittleren und reicheren Bürgerklafsen Den Septembertagen von 1792 aber, da man anfing, Blut statt Wasser zu trinken, steht gegenüber die Bartholomäusnacht gegen Ende August des J. 1572, in welcher der katholische Hof und das katholische Volk in Frankreich Blut ver- gossen wie Wasser, um fich der Erneuerung durch das Evangelium für immer zu erwehren und mit dem pro- phetentnörderischeu Jerusalem auf gleiche Linie zu stel- len; da verstehen wir wohl, warum in V. 5—7 der Engel über die Wasser und der Engel aus dem Altar die Heiligkeit, Wahrhaftigkeit und Gerechtigkeit der Ge- richte Gottes preisen, denn in der That stehen diese dritte Schaale mit den beiden vorangehenden und dem Altar Gottes in Wechselbeziehung zu einander. »Das Revolutionsgeschwiir ist göttliches Zornverhängniß haupt- sächlich über diejenigen Länder, worin das Papstthum die Herrschaft behauptet hat; besonders in Frankreich haben bigotte Könige, die in fanatifcher Beförderung des Papstthums und in blutiger Unterdrückung des Evangeliums ihre höchsten Lorbeeren und Büßung ihres gräulichen Siindenlebens suchten, durch schlechte Regie- rung den Zündstoff gehäuft zu dem ersten furchtbaren Ausbruch der Revolution, und seitdem ist dieses Land- der ganz Europa bedrohende Revolutionskrater geblie- ben.« Wie so die dritte Schale in bestimmter Bezie- hung steht zur ersten, so nun wiederum die vierte (V. 8 f)- zur zweiten: wie es in der zweiten um Frank- reichs verderblichen Einfluß in internationaler Hinsicht sich handelte, so haben wir es bei der vierten mit dem Einfluß der Religion auf des Volkes eigenes Leben zu thun. Das ultramontanste Blatt, das es früher in ganz Deutschland gab, die weil. Deutsche Volkshalle, mag da selber sagen, wie es um diesen Einfluß bestellt ist. ,,Alle katholische Frömmigkeit, schreibt dieselbe, alle katholische Moral, die in Frankreich blühen mag, sie hat auch bis jetzt noch nicht den mindesten Einfluß auf das öffentliche Leben, auf die Politik dieses Volkes ge- äußert. Wer nur die politische Geschichte desselben seit 200 Jahren ins Auge faßt, fein Verhalten nach außen sowohl wie seine innere Verfassungsgeschichte der müßte fast zu der Ansicht kommen, daß die 10 Gebote dort eine völlig unbekannte Sache seien. Kein Land hat wie Frankreich den elenden weltlichen Ruhm so entschieden an die Stelle der christlichen Pflicht gesetzt; in keinem Lande sind seit 60 Jahren so viele öffentliche Eidfchwiire gebrochen, so unzählige Treulosigkeiten begangen, und, was die Hauptsache ist, noch in diesem Augenblick fin- det nicht die mindeste Reaktion in der öffentlichen Mo- ral dieses Volkes statt, noch in diesem Augenblick ist es gar nicht möglich, den Maßstab christlicher Moral an das zu legen, was in jüngster Zeit dort geschehen ist. Und von allen diesen Greueln, von all dieser gottver- gesfenen Politik auch nicht das mindeste Bewußtsein in den öffentlichen Organen, nicht die kleinste Spur von Reue, von Scham iiber die vergangene unerhörte Ge- schichte: die gloire de Ia France, der Ruhm Frank- Der fechste Engel gießt seine Schale aus über den Euphrat. 119 reichs, das ist sein elftes Gebot, dem es die übrigen 10 Gebote leicht aufopfert.« Da wissen wir denn, was das Ausgießen der Schale von Seiten des vierten En- gels in die Sonne ist: die Sonne, das Sinnbild der göttlichen Offenbarung, ist nicht, wie für Israel (Kap. S, 12), schwarz geworden, gleichwie ein härener Sack — die katholische Kirche bietet dem Lande an reli- giöser Erkenntniß und christlicher Yiorql nicht weniger, als was sie auch den andern Ländern bietet, in denen sie die herrschende ist. Aber das Gebotene bleibt ein- flußlos, wirkungslos; die Sonne erleuchtet nicht, erwärmt nicht, sie zeitigt keine Friichte, es ist so gut als wäre sie gar nicht da. Nur durch eine negative Wirkungs- inacht giebt sie ihr Dasein kund: das ist das furchtbare Feuer der Leidenschaft, die Gluthhitze der Rnhmsuchh Gewinnsucht, Genußsucht, welche dem Volke so heiß macht, daß« fein Thnn und Treiben an Faust’s Wort bei Göthe erinnert: »so taunil’ ich von Begierde zu Ge- naß, und im Genuß verschmachU ich nach Begierde«- Gegenwärtig, wo in Folge des letzten Kriegs Frank- reichs Machtstellnng in Europa gebrochen, sein Herr- scherthron erledigt und die Zukunft seiner weiteren Ge- schichte so dunkel und verworren ist, daß niemand auch nur drei Schritte weit sehen und heute schon berechnen mag, was morgen sich begeben wird, bedarf es kaum noch einer weiteren Ausdeutung, was das ist, was die fünfte Schale (V.10f.) bewirkt: »fein Reich ward verfinstert«; der furchtbare Jngrimm gegen Deutschland aber, welches das Werkzeug in Gottes Hand gewesen, die Weisfagung zu erfüllen, die wuthschnanbenden Rache- gedanken, womit sie, die nicht Buße thun wollen für ihre Werke, ihre Zungen zerbeißen vor Schmerzen, das alles ist seinem innersten Wesen nach doch nichts An- deres als ein Lästern Gottes im Himmel vor ihren Schmerzen und vor ihren Drüfetr. Die fünfte Schale weist da auf die erste zuriick; im Verlaufe von 80 Jah- ren haben sich alle fiinf Schalen nun vollständig aus- getvirkt, während dagegen zur Auswirkung der beiden andern noch ein anderthalbmal so langer Zeitraum er- forderlich sein wird, so daß die Schalen im Ganzen 200 Jahre umfassen. 12. Und der sechste Engel goß aus seine Schale auf den grossen Wasserstrom Euphrates [Kap. 9, 14], nnd das Wasser sdesselbens ver- trocknete lindem ja mit dem Ausgießen der Schale der HErr den Strom verbannete und mit seinem glühenden Odem anhauchte Jes. 11, 15 f.], auf das) [wie einst mit Trockenlegung desselben dem Cyrus Jes. 46, 11; Jer. 51, 36 der Weg be- reitet wurde zu Jsraels Befreiung ans der habt)- lonischen Gefangenschaft L. Chron 36, 20 Anm., in gleicher Weise jetzt sowohl zur Rückfiihrung derer, die von den verschollenen 12 Stämmen in den Ostländern Asiens noch vorhanden sind Jer. 31, 21 Anm., in’s heil. Land, als zur Befreiung des letzteren von der Herrschaft des Halbmondes Hei. 35, 15 Anat] bereitet würde der Weg den Königen von Aufgang der Sonne sdie das Nach: bild jenes Cyrus sind Jes. 41, 2 ff; 44, 28]. Wenn das zur Zeit noch verftockte und unter alle Völker der Erde zerstreute Jsrael gegen Ende des ge- genwärtigen und Anfang des folgenden Jahrhunderts zu seinem Heilande sich bekehrt und dieser im Glauben sich mit ihm verlobt hat, so soll auch die Verheißnng in Z. Mos ge, 42 ff; 5. Mai. 30, 1sf.; Ja. 27, 12 f. u. s. w. von der Wiedererlangung des heil. Landes an ihm in Erfüllung gehen zur Herstellung der Zions-ge- meinde, von der wir in Kap 14, 1 ff. gelesen haben. Während nun in Kap. 12, 14 unter den zween Flügeln, die dem Weibe gegeben wurden wie eines großen Adlers, daß sie in die Wüste flöge an ihren Ort, die Veran- staltungen Gottes oersinubildet wurden, wodurch er sein Volk heraus bringt aus denjenigen Ländern und Ver- hältnissen, in welchen es gegenwärtig wie gefangen sitzt, wird an unsrer Stelle angedeutet, was geschehen soll, damit das Volk hinein gelange in sein Land; und da handelt es sich ja vor allem um die Befreiung dieses Landes von der Obmacht derer, von welchen die heil. Stadt zertreten worden 42 Monate lang (Kap. 11, 2). Offenbar ist an unsrer Stelle »der große Wasserstrom Euphrates« ein Sinnbild der muhamedanischen Macht (Kap. 9, 14 sf.), wie auch sonst Ströme als Bilder ge- waltiger Reiche gebraucht werden (Jes. 8, 7;Jer. L, 18). Dieser Wasserstroni nun, nachdein er Jahrhunderte hin- durch stolz dahin gefluthet und oft in raschen! Anwach- sen die Welt überschwemmt hatte, vertrocknet. Sofern das Vertrocknen eines Flusses allinälig geschieht, ist hiermit das altinälige Sinken und Schwinden der mu- hamedanifchen Macht angedeutet; dies entspricht auch vollkommen dem bisherigen geschichtlichen Gange. Alle muhamedanischen Reiche altern nnd kränkelu; auch das jetzige Hauptreich des Jslam, die Türkei, an deren Spitze der Nachfolger der Chalifem das Oberhaupt aller Moslemin steht, ist nahe am völligen Eintrockueth feine geistigen und materiellen Hilfsquellen versiegen; hat doch der tiirkische Sultan längst in Europa den Namen des ,,kranken Maunes«, nnd fein Reich verdankt fein Be- stehen nur noch der Uneinigkeit der europäischen Nkächte in Betreff der Erbschaftstheilung Wenn aber nicht wenige Schrifterklärer die Möglichkeit einer Rückkehr Jsraels nach Palästina sich so zurechtlegen, als würden die europäisihen Mächte, sobald es zu jener Erbschafts- theilung konnnt, auch die Juden mit einem Antbeil be- denken und ihnen ans Humanitäts- oder politischen Rücksichten das Land ihrer Väter zurückstellem und wenn sie dann weiter voraussehen, dieser Wiederbesitz, als eine handgreiftiche Erfüllung der göttlichen Zusage, würde so gewaltig auf die Juden einwirken, daß sie nunmehr zu Christo sich bekehren, so ist die eine An- sicht so verkehrt als die andere, und können wir wohl der Mühe der Widerlegung im Einzelnen uns über- heben. Dagegen liegt schon in Jes. 49, 12 ein Finger- zeig, auf welche Weise die muhamedanische Herrschaft in wohl nur noch kurzer Zeit ihr Ende nehmen wird. Vom Lande Sinim her. vom fernen Osten Asiens, wo die Völker sich jetzt schon gewaltig rühren, werden die Könige austreten, die »der Heiden Zeit-« (Luk. 21, 24) auch insofern erfüllen, als es nun mit denen, welchen Jerusalem zur Zertretung preisgegeben war, ein Ende nehmen soll (vgl. Sach. S, 6), und von Jsrael, wenn es jetzt in sein Land zurückgekehrt ist, nachdem es zuvor schon zu Christo sich bekehrt hat, und als die in Kap. 14, 1 ff. beschriebene Zionsgemeinde noch ein ganz an- deres Missionsvolk bildet, als irgend eine der christlichen Kirchenparteien das Missioniren verstanden hat, wird diese »Fülle der Heiden«, die unsre Arbeit nicht zu be- wältigen vermag, gar schnell und leicht in Gottes Reich eingeführt werden, so daß »die Könige von Aufgang der Sonne« zugleich erinnern an die Weisen vom Mor- genland (Matth. 2), die da kamen, den neugeborenen König der Juden, dessen Stern sie in ihrem Vaterlande gesehen, anzubeten. 120 Offenlx Johannis 16,"13—16. 13. Und ich sahe [indem die Könige von Morgen heranzogenj aus dem Munde des Drachen lvon dem in Kap. 12 die Rede gewesen] Und aus dem Munde des Thiers lin Kap. 13, 1 ff] und aus dem Munde des falschen Propheten sin Kap. 13, 11 ff] drei unreine Geister gehen, gleich den Fröschem 14. Und fes] sind sdiese drei unreinen Geister, die ich so in Froschgestalt hervorgehen sah, insge- sammt, also auch die beiden, welche aus dem Munde des Thiers und aus dem Munde des salschen Propheten gingen] Geister der Teufel [daher mit weit höheren Kräften ausgestattet, als blos menschliche Geister]; die thun Zeichen [wo- durch sie sich zuerst in großes Ansehen setzen, um darnach ihre Ueberredungskunst in Anwendung zu bringen] , und gehen [nun, das Werk der Ueber- redung berreibend] aus zu den Königen auf Erden- und auf den srichtigerx auf dem] ganzen Kreis der Welt [d. h. zu denjenigen Königen, die hier zunächst in Betracht kommen, die aber in Folge ihres weitgreifenden Einflusses die Könige der ganzen Welt repräsentiren, also zu den euro- päifchen Großmächten Kap. 13, 7 Anm.], sie zu versammeln in den Streit swider den Heim, um dessen Werk an seinem Volke zu hintertreiben], auf jenen großen Tag Gottes des Allmåchtigen [von dem freilich weder sie, die Verführer, noch die von ihnen verfiihrten Könige und Regierungs- gewalten etwas ahnen, in den aber der unter- notnmene Kriegszug ebenso umschlageu wird, wie Sissercks Fetdzugwider Barak in einen großen Gerichtstag Gottes über Jabin und seinen Feld- hauptmann umschlug Richt- 4 u. 5]. Von jenem großen Tag Gottes, da der HErr am Ende des 20. Jahrh wider den Antichrist und seine Heerschaaren zum Streite auszieht und ihm ein Ende macht mit dem scharfen Schwert seines Mundes (Kap. 19, -11 fs.), ist hier durchaus noch nicht die Rede; die Aus- leger, von dieser falschen Voraussetzung ausgehend, haben unsre Stellen nur verwirrt, statt sie zum Verständnis; zu bringen, wie denn namentlich bei ihnen die Könige von Aufgang der Sonne in V. 12 zu denjenigen Königen in V. 14 gehören, welche durch die drei unreinen Geister herbeigezogen werden, gleich als reichten in jenen und diesen sich der Osten und Westen gegenseitig die Hand zu einem Antikreuzzug der bei Harmageddon in V. 16 zum Verderben für beide ausschlüge. Wir halten dage- gen fest, daß wir an unsrer Stelle nur erst bei der- jenigen Gerichts-that Gottes stehen, durch welche er der antichriftlichen Zeit auch itußerlich ein Ende macht. Jn- nerlich ist dieser Zeit schon ihr Ende bereitet durch die Wiederlebendigmachung der zween Zeugen oder die Be- kehrung Jsraels in Kap. 11, 11 f.; und wenn wir nun in Kap. 12, 14 die zween Flügel, die dem Weibe gege- ben wurden wie eines großen Adlers, von der Aus- führung» des bekehrten Jsrael aus seinem bisherigen Gefängniß, da es unter alle Völker der Erde zerstreuet war, verstanden haben, in V. 12 unsers Kap. aber die ,Befreier des heil. Landes von der muhamedanischen Herrschaft heranziehen sahen, so wird uns hier gezeigt, was die constitutionellem von dem Willen der Kammer- rnajoritäten abhängigen, wenn auch für ihre Person vielleicht frommen und gottesfürchtiger: Könige auf Er- den thun werden, um Gottes Werk an seinem Volke zu hintertreiben. Sie unternehmen einen förmlichen Feldzug, der eine andere Lösung der orientalischen Frage, als die mit dem Anrücken der Könige des Ostens sich zu vollziehen beginnt, herbeizuführen und nament- lich auch dazu bestimmt ist, die Wiederaufrichtung des Reiches Jsrael (Apostg. 1, G) unmöglich zu machen. Es ist das freilich ein Unternehmen, das man den Mäch- ten des christlich gewesenen Europa, der ihrer Civili- sation sich rühmenden Welt, nicht wohl zutrauen sollte, und so sehr auch dem Staatsleben unsers Erdtheils mit Ende des laufenden Jahrhunderts der christliche Cha- rakter wird abgestreift sein und fromme Erinnerungen an Gottes Wort und Christi Reich nicht mehr mitspre- chen dürfen im Rathe der Völker, so wird man doch aller und jeder Nachwirkung dessen, was man vordem gewesen und theilweis im Herzen noch glaubt, sich nicht so gänzlich entschlagen können, daß man etwa aus eige- ner Entschließung an cin solches Unternehmen dächte Aber eben darum sieht Johannes drei unreine Geister aus dem Munde des Drachen und ans dem Munde des Thiers und aus dem Munde des falfchen Prophe- ten gleich Fröschen hervorgehen; die können als ,,Gei- ster der Teufel« Zeichen thun, und die werden schon wissen es zu Stande zu bringen, daß die Könige auf Erden sich einreden lassen, was die alte Schlange in ihrem Rathe erdacht hat. Der Feldzug, zu dem es kommt, ist denn das Wasser wie ein Strom, das in Kap. 12, 15 die Schlange nach dem Weibe aus ihrem Munde schießt, daß er sie erfäufe; doch der große Tag Gottes des Allmachtigem auf den die Könige ohne Wis- sen und Willen sich versammeln lassen durch die Macht der Verhältnisse, wird nun auch in seinen Rückschlägen auf die Heimath in Europa jenes große Erdbeben her- beifiihren, in Folge dessen das zehnte Theil der Stadt fällt und sieben tausend Namen der Menschen ertödtet werden, die Andern aber erschrecken und dem Gott des Himmels die Ehre geben. Nicht nur der evangelischen Kirche wird da wieder aufgeholfen werden von ihrer tiefen Niederlage, welche der Riese des antichristlichen Zeitgeiftes ihr beigebracht hat, sondern auch das Staats- leben ditrfte eine heilsame Regeneration erfahren, für welche zu dieser gegenwärtigen Zeit trotz allen Gebeten und Anstrengungen der Gläubigen und Frommen, die den Abgrund vor Augen sehen, in welchen die einmal eingeschlagene Richtung hinunter führt, auf ein ganzes Menschenalter hinaus noch keinerlei Aussicht vorhanden ist. Doch darf man Regeneration nicht mit Reaction, und Restitution nicht mit Repristination verwechseln: was gewesen ist, kommt in derselben Form nicht wie- der; was aber gut und tüchtig an dem Gedanken einer Volksvertretung im Staate und einer Gemeindevertre- tung in der Kirche, das wird einst »nicht mehr von den Geistern der Revolution und Opposition, des Unglau- bens und der Gottlofigkeit dazu gemißbraucht werden dürfen, sich selber auf den Thron der Majestäten und Auctoritäten zu setzen, es wird vielmehr eine seinem Wesen entsprechende Ausgestaltung erlangen· Was nun die drei unreinen Geister gleich Fröfchen betrifft, die Johannes aus dem Munde des Drachen u. s. w. her- vorgehen sieht, so ist es im Allgemeinen nicht schwer, das Gesicht zu deuten; wir können uns da ganz an fol- gende Auseinandersetzungen eines Auslegers anschließen. ,,Unsaubere Geister heißen im neuen Testament (Matth. 10, 1; 12, 43; Mark. 1, 27; 5, 8; 9, 25; Luk. Die drei unreinen Geister und die Versammlung der Könige in den Streit. 121 4, 33 u. s. w.) solche Dämonen, welche von dem leiblich- seelischen Organismus eines Menschen Besitz ergrissen haben, welche- also den Menschen besessen machen, seine Seele ihrer Herrschaft über den Organismus und das Nervenleben berauben (1. Sam. 16, 14 u. 16); da nun jene Geister ebenfalls unreine heißen, so muß ihre Wirkung auf die Menschen auf ethisch-geistigem Gebiet der Wirkung ähnlich sein, welche jene Dämonen auf leiblich-psychischem Gebiete auf die Besessenen ausübten, sie müssen die Menschen gleichsam besessen machen, sie mit Rausch und Taumel erfüllen, daß dieselben ihrer nicht mehr mächtig sind, sondern von der dämonischen Macht getrieben und fortgerissen werden. Als Frösche stellen sich aber diese unsaubern Geister dar. Der Frosch kommt in der biblifchen Symbolik sonst nicht vor, aber welche Bedeutung dies Sinnbild habe, liegt gleichwohl auf der Hand und ergiebt sich aus der natürlichen Be- schaffenheit des Frosches; man muß nur nicht bei ein- zelnen Zügen stehen bleiben, sondern alle Züge der Froschuatur zusammennehmen, da diese eben gerade in ihrer Verbindung erst das ausdrücken, was hier sinn- bildlich ausgedrückt werden soll. Jm Schlamm geboren, im Schlamme lebend, aus dem Schlamme auftauchend, an sich klein, machtlos, elend, erbärmlich, aber lautes, weithin tönendes Geschrei machend und höchlich sich auf- blähend, dabei ekelhaft und widerlich und -nichtig, das sind die im Frosch so seltsam verbundenen Züge, die ihn so trefflich zum Fabelthier, aber eben darum auch zu dem Sinnbilde, wie es hier erfordert wird, gefchickt machen. Wer von jenen drei Fröschen oder von einem von ihnen besessen ist, der wird also den Geist und die Art eines unfläthigen, innerlich hohlen, gemeinen, nich- tigen, aber höchst großmäuligem hochmüthigeiy vorläu- ten, aufgeblähten Schreiers haben, und durch dies sein Geschrei wiederum die gottverlassene Menge besessen machen und mit dem gleichen Geist erfüllen·«« Schwie- riger ist es, die drei Geister im Besonderen zu deuten; doch dürften wir wohl nicht fehl greifen, wenn wir an drei Maximen oder Bestimmungsgründe denken, welche von den Stimmführern jener Zeit, wo das in V. 12 Geweisfagte sich begiebt, werden geltend gemacht und mit vielem Pathos entwickelt werden, um die unabweis- liche Nothwendigkeit eines Feldzugs nach dem Orient darzuthun Sie selber, diese Stimmfiihrer, haben kei- nen inneren Werth und wahrhafte Tüchtigkeit; aber ein dämonischer Zauber verleiht in den Augen der ur- theilslosen Menge ihnen den Schein, als wären sie Wesen von ganz besonderer Art, und wenn sie im großen Rathe einen Antrag stellen, ist diesem ohne Weiteres die Majorität gesichert, und die Presse unterstützt ihn mit solchem Nachdruck, daß die öffentliche Meinung bald zurecht gemacht ist, welcher die Regierungsgewab ten dann auch Rechnung tragen müssen. Vielleicht treffen wir damit das Richtige, wenn wir die drei Be- stinimungsgründe zu dem in Rede stehenden Feldzuge der politisch noch andere Ziele verfolgen mag, in reli- giöser Hinsicht aber doch hauptsächlich darauf gerichtet ist, das christlich gewordene, unter das Scepter des Davidsohnes sich begebende Jsrael von der Heimkehr in sein Vaterland zurückzuhalteiy näher so bezeichnenx 1) Von dem Standpunkte des Unglaubens und der Religionslosigkeit wird geltend gemacht werden, daß die jüdische Religion, wie sie im Reformjudenthum ihren Ausdruck gefunden, mindestens ebensogut sei als vie christliche, ja daß diese sich nach vielen Entwicklungssta- fen zu jener verklärt habe, eine so furchtbare Reac- tion also, wie die Bekehrung Jsraels zu Christo, schon wegen der Rückwirkung auf die beseitigte Kirche, die da leicht wieder von ihrem Tode zu neuem Leben erwachen könnte, nicht geduldet werden dürfe — das ist der uni- reine Geist aus dem Munde des Drachen. 2) Von dem Standpunkte der Politik und Staatswirthschaft wird geltend gemacht werden, daß die europäischen Län- der die Juden mit ihren Schätzen und Geldansprücheiy mit ihren geistigen Talenten und commerziellen Fähig- keiten, nachdem man sie nationalisirt und in vollständig gleiche Rechte mit den Christen und allen Landeskindern eingesetzt habe, aus dem bisherigen Staatsverbande nicht entlassen könnten, ohne sich den größten Schaden zu thun — das ist der unreine Geist aus dem Munde des Thiers. Z) Von dem Standpunkte derjenigen Kirche endlich, die alsdann ihr Gewicht wieder in die Wagschale werfen darf, wird geltend gemacht werden, daß, was nicht zu ihr übertritt und unter ihr Oberhaupt sich stellt, auch nicht selig werden könne,-eine Wieder- aufrichtung Jsraels daher mit Umgehung ihrer Ansprüche auf alleinige Giltigkeit von den zu ihr sich bekennenden Mächten schlechterdings verhindert werden müsse — das ist der unreine Geist aus dem Munde des falschen Propheten. » 15. Siehe sso erklang hier die Stimme dessen, der mir das Gesicht in V. 12 f. gesendet und auch die Bestimmung der drei unreinen Geister durch seinen Geist gedeutet hatte V. 14, die Stimme des verherrlichten Menschenfohnes Kap. 1, 10 ff., das Wort, das er in den Tagen-seines Fleisches geredet Matth. 24, 43 f. und das er schon der Gemeinde zu Sardes in Erinnerung gebracht hatte Kap. Z, 3., nun dem Geschlecht zur Zeit dieser sechsten Schale vorhaltend], ich komme als ein Dieb sso unerwartet und über: raschend, daß auch die Gläubigen keine Ahnung von der Nähe meines Kommens haben]. Selig ist, der da machet lund also nicht, wie einer, der sich der behaglichen Sicherheit des Schlasens über- lassen will, sich auskleidet] und hält sbehält an] seine Kleider [indem er sich die rechte christ- liche Herzens- und Lebensstellung bewahrt], daß er nicht [wie die Andern, welche sich dem Schlafe überlassen haben und also im Zustande der Ent- kleidung von dem Tage meiner Zukunft überrascht werden 1. Thesf 5, 2 ff.] blos; [Mark. 14, 521 wandele, und man nicht seine Schande [s. v. a. Scham L. Mos. 28, 41 Anm.] sehe sals habe auch er in der Weise der Kinder dieser Welt ge- dacht, geredet und gehandelt s—- sollte er auch als einer, der, weil der Macht der Könige auf Erden unterworfen, mit Theil nehmen muß an dem Streit V. 14, mit umkommen in der Niederlage V. 16, so wird er doch bewahret werden zur Seligkeits 16. Und er [Gott, der Allmächtiger, der jenen seinen großen Tag halten will V. 14] hat sie sdie Könige auf Erden und auf dem ganzen Kreis der Welt, mittels dessen, wozu die drei unsaubern Geister gerathen und gedrängt haben] versammelt an einen Ort, der da heißt auf Ebritifch sdenn um einen Ort im heil. Lande und um ein Mach- bild der heil. Geschichte handelt es sich hierbei, 122 Osfenb. Johannis 16, 17—19. daher auch die heil. Sprache hier herangezogen werden muß:] Hut [d. i. Berg-J -Mugedddn [s.- v. a. Megiddo]. Erinnern wir uns, daß in Nicht. 4, 7 der HErr durch den Mund .der Prophetin Debora dem Barak sagen läßt: ,,Jch will Sissera, den Feldhauptmann des Jabin, zu dir ziehen an das Wasser Kison mit seinen Wagen und mit seiner Menge, und will ihn in deine Hände geben«, und halten nun damit zusammen, daß an unsrer Stelle Gott auch als derjenige bezeichnet wird, der die Könige aus Erden an einen Ort im heil. Lande versammelt, so kann kein Zweifel sein, daß dieser Ort ebenfalls jenes Megiddo sei, an dessen Wasser die Könige der Cananiter gezogen wurden, um dort durch des Himmels Mächte eine furchtbare Niederlage zu er- fahren (Richt· 5, 19 f.); es ist also ganz verfehlt, wenn die Ausleger durch verschiedene Deutungskiinste wollen herausbringen, daß hier scho1i an die Erfüllung der Weissagung in Joel Z, 16 fs. u. Sach.·14, 4 f. zu den- ken und das Thal Josaphat bei Jerusalem zu verstehen sei, während darauf sich erst das in Kap. 19, 11 ff. Ge- weissagte bezieht, nämlich die Niederlage des Antichrist und seiner Streiter. Das Vorspiel dieser Niederlage an den Kriegsheeren des antichristlichen Zeitgeistes wird vielmehr übereinkommen mit der Niederlage der cana- kritischen Schaaren, welche das Lied der Debora feiert: vom Himmel wird wider sie gestritten werden, die Sterne in ihren Läuften werden wider die Könige auf Erden streiten (Richt. 5, 20), aber einer sichtbaren Wiederkunft des HErrn bedarf es da noch nicht; noch soll nur erst Jsraels Unantastbarkeit in feinem Erbtheil und sein gewisser Sieg ohne Schwertschlag (2. Chron 20., Hab. Z, 15 Anm.) recht deutlich dadurch heroorgehoben werden, daß Megiddoj das noch in der Ebene liegt, gegen diese seine natürliche Beschaffenheit als ein Har-Ma- geddoi1 bezeichnet ist, also als einen Berg, der uner- schütterlich fest steht und von welchem Hilfe kommt (Ps. 121, 1; 125, Z; Nicht. 4, S. 12 ff.), sich ausweist während in Kap. 19, 11 ff. am Schlnsse der Kirchenge- schichte es fich darum handelt, wer in Wahrheit ein König aller Könige re. sei, ob der, den Satan als sol- chen aufgestellt hat (Kap. 17, 13 f.), oder Der, den Gott im Himmel dazu geinacht. 17.»11nd der siebente Engel goß aus seine Schale m die Luft [nach anderer Lesart: auf die Lust] Und es ging [in demselben Augenblick, wo er das that] uns eine [große] Stimme vom Himmel [oder vom Heiligthum des Himmels] nus dem Stuhl [die Gottes selbsteigene Stimme, welche sich später unmittelbar würde vernehmen lassen, als immer näher und näher kommend V. 1 an- zeigen sollte], die sprach: Es ist gcschehen swas zur Vollenduug des Zornes gcschehen muß Kap. 15, 1., und so kommt denn die Vollendung mit dem, was die siebente Schale bewirkt]. Bei der Lust kann man daran denken, daß im physischen Sinne sie das ist, worin der Mensch lebt; wird nun aus diese die Zornschale ausgegossen, so deu- tet das an, daß sie zum Slliittel der Plage für die Men- schen, daß sie zum Ersticken schwül und dumpf gemacht werden soll, so daß niemand hinfort darin mehr leben und es aushalten kann. Das aber deutet nicht sowohl auf das leibliche, als vielmehr aus das geistige, das sittliche und religiöse Leben, es soll nun politisch und religiös ein Zustand der Dinge eintreten, in welchem ein rechtschafsener Bürger und ein guter Christ nicht mehr zu existiren vermag, sondern jeder, der noch leben und athnien will, ein politischer und religiöser Freigeist werden und den Grundsätzen hnldigen muß, die zu ab- soluter Herrschaft kommen (Kap.13, 17.) Es kommt also die große Trübsal, von der der Herr in Matth 24, 21s. redet. Man kann aber auch daran denken,- daß in der Luft der Fürst dieser Welt herrschet, daß in ihr die bösen Geister unter dem Himmel ihre Stätte haben (Ephes.2,2; 6, 12). Wird nun in diese die Zornesschale ausgegossen, so kommt jetzt das ganze Dä- monenreich in Aufregung und Bewegung und kann wie ein furchtbarer Miickenschwarm sein Spiel treiben; es werden sozusagen alle Teufel jetzt losgelassen, daß das Reich der Finsterniß an den Seelen der Menschen sich austobe und das Schlimmste aus dem Menschengeschlecht mache, was es niachen kann, und was dieses Schlimmste sei, das ist schon in 2. Thess. L, 3 mit dem Ausdruck »der Abfall« und als das Ofsenbarwerden des »Men- schen der Siinde und Kindes des Verderbens« be- ichnet. 18. Und es wurden [als die das Losbrechen des Zornes Gottes verkiindenden Zeichen] Stimmen und Donner und Blitze [Kap. 11, 19]; und ward [die Schreckensperiode der nun folgenden Zeit oder des letzten Jahrzehents des 20. Jahrh ein- leitend] eine große Erdbebuiig [durch Erschütterung aller politischen und socialen Verhältnisse der Völ- ker, so durchgreifend und alles bisher Gewesene umstürzend], das) solche lselbst im Vergleich niit der, von welcher in Kap.11, 13 geweissagt wurde] nicht gewesen ist, seit der Zeit Menschen auf Erden gewesen sind, solche Erdbebuiig also groß lobgleich es von Anfang der Weltgeschichte an durch alle Zeiten Staatsumwälzungen genug, und immer mit schwerer Erschütterung gegeben hat, so ist doch das früher Bestandene noch nie so völlig über den Hausen geworfen worden, wie es jetzt der Fall ist] 19. Und aus der» großen Stadt sder abend: ländischen Christenheit Kap 1·1, 8] wurden [in Folge der Erdbebung] drei Theile, und die Städte der Heiden [die verschiedenen Einzelreiche, die bis- her in Europa bestanden] fielen sum in die drei Theile sich aufzulösen] Das Gesicht des Johannes im folgenden 17. Kap. kann uns Aufschluß geben, welches die ,,drei Theile der großen Stadt« sind, in die der europäische Staaten- complex zu der oben angegebenen Zeit durch eine so gewaltige Revolutiom wie sie in der Weltgeschichte iioch nicht dagewesen, sich auflöst Es wird da erwähnt: l) das rosinfarbene Thier voll Namen der Lästernng, wobei wir an Frankreich mit seinem neuen Beherrscher Napoleon VIII. zu denken haben; L) das mit dem Na- men der ,,großen Hure« bezeichnete Weib oder das Päpstliche Rom, sitzend auf dem Thier und in das Ge- wand einer großen Herrscherin gekleidet; Z) die zehn durch Eine Meinung verbundenen und ganz in den Dienst des Thieres sich stellenden Könige, die eben dadurch als eine zur Einheit zusammengesihlossene dritte Macht sich darstellen. Nun können wir allerdings nicht mit unbedingter Gewißheit voraussagen, auf welche Weise diese dreitheilige Gliederung des europäischen Der siebente Engel gießt seine Schale aus in die Luft. Vollendung des Zornes Gottes. 123 Staatskörpers im Verlauf von noch nicht 120 Jahren sich ausgestalten werde; aber eine Wahrscheinlichkeits- rechnung läßt sich doch aus dem, was die Offenbarung an die Hand giebt, zusammenstellen, und wir müssen das sogar thun, um den Inhalt des Geofsenbarten uns einigermaßen zum Verständniß zu bringen. Wenn Na- poleon VIIL in den letzten Jahrzehnten des S. Jahr- tausends seit Erschaffung der Welt erscheint, wird er so völlig Gestalt und Wesen des Stifters feiner Dynastie an sich tragen, daß er bei den Franzosen sofort alle Erinnerung an die Größe und Herrlichkeit ihres ersten Kaisers wachrust, und seine Versprechungem die Ver- geltung an Deutschland, zu der es bis dahin noch im- mer nicht hat kommen wollen (V.10f.), endlich zu vollstrecken und ihr Land und Volk reicher und mäch- tiger zu machen, als je, werden um so leichter Gehör finden, als der Papst in Rom» ihn, wenn auch zunächst nur im sigürlich en Sinne, als einen wiedererstande- neu Napoleon I. legitimirt und der Erste ist, der ihm zufällt; denn der Papst hat schon lange auf die Stunde gewartet, daß eine Weltmacht ihm wieder zu seiner weltlichen Herrschaft in Jtalien verhelse, und hat auch seine Rachegedanken wider Deutschland, das ihm so tief in das Fleifch seiner kirchlichen Ansprüche geschnitten, nicht vergessen. Hat er gleich von dem zwiefachen Schlage, den er in den letzten Jahrzehnten des gegenwärtigen Jahr- hunderts erlitten, bis zu Ende desselben sich soweit wie- der erholt, daß er in V. 13 f. unsers Kapitels sein Gewicht mit in die Wagschale legen konnte, so hat er doch der evangelischen Kirche gegenüber, die am Anfang des 20. Jahrh. das geistliche Wiedererstehen von den Todten erfahren (Kap. 11, 11 ss.), gar viel an kirchlicher Bedeutung verloren, und davon kann er nun einmal nicht abftehen, der ausschließliche Jnhaber aller Güter und Rechte der Kirche aus Erden zu sein, es koste, was es wolle; er wird es also seinen Gläubigen zur Ge- wisfenspslicht machen, das neue Meteor am politischen Himmel mit Freudejauchzen zu begrüßen und es in sei- ner Laufbahn mit allen Kräften Leibes und der Seelen zu unterstützen. Frankreich, an Stelle der schwachen Orleans nun wieder von einem auf Weltherrschaft an- gelegten Buonaparte regiert, wird da wohl geschwind um Belgien und Holland sich vergrößerm und nun wird der Kreuzzng wider Deutschland gehen; dort soll die Hochzeit zwischen dem Achten, von dem in Kap.17, 11 die Rede ist, und dem Weibe gehalten werden, und es wird eine ,,Bluthochzeit« in der furchtbarsten Bedeutung des Wortes sein. Es ist merkwürdig, wie Rom und Frankreich von Anfang an mit einander sympathisirt und sich gegenseitig die Hände gereicht haben: ein rö- mischer Papst ist es gewesen, der dem sränkischen Ma- jor Domus Pipin das Gewissen geheiligt hat, um sich in den Besitz der merovingischen Königskrone zu setzen, und wiederum eine pipiniscl)e Schenkung ist der Grund gewesen, auf welchen des Papstes weltliche Macht sich auserbauet hat. Jn Frankreich hat dann der Katholi- cismus alle staatlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse mit einer Macht erfaßt und durchdrungen, die wohl auch in andern Ländern stch gezeigt, aber doch am stärksten ihren Einfluß äußern mußte auf ein für sie so beson- ders empfängliches, lebhaftes, sinnliches, schaulustiges, repräsentationssüchtiges und processionslüsternes Volk, wie eben die Franzosen sind; und alle Schwulst des mittelalterlichen Latein haben die Päpste auszudeuten gewußt, um Ausdrücke des innerlichen Lebens, des sehn- süchtigen Verlangens der Kirche nach ihrem mystischen Bräutigam, wie sie in dem Hohenliede uns begegnen, auf ihr Verlangen nach einer Verlobung mit Frankreich und seinem Beherrscher anzuwenden. Eine völlige, territoriale Reformirung ist in diesem Lande unmöglich: was die Reformation zu bieten hat, das kann dem Volke im Großen und Ganzen nur wie ein Skelett erscheinen; dasselbe wird vielmehr »gut katholisch« bleiben, auch wenn der andern Länder immer mehrere sich dem Eyccngelio zuwenden sollten. Hat aber erst Christus mit derjenigen, die nach der Prophetie seine Braut ist (Hos. L, 19 f.), im Glauben sich verlobt und sie in die Wüste auf Adlersflügeln gebracht, wo er freundlich mit ihr redet und sie auf den Tag der Hochzeit zubereitet (Kap. 11, 11 f.; 12, 14), dann soll der Papst, der mit seiner Kirche der thörichten Jungfrauen in der Stunde der Erscheinung des Bräutigams bei den Krämern ge- wesen, um sich Oel zu kaufen für die verlöscheuden Lam- pen, und hernach keinen Einlaß mehr gefunden (Matth. 25, 1 ss.), dafür aber in der V· 13 f. angegebenen Weise sich Genugthuung verschafft hat, seinerzeit auch Gelegen- heit finden, mit dem Volke feiner Wahl und dem autichristischen Haupte desselben die so lange begehrte völlige Verlobung zu vollziehen, und der Bräutigam seinerseits wird nun auch, sobald das auf Deutschlands mit Blut getränktem und zur Wüste gemachtem Boden geschehen und das ganze Land in Frankreichs Staats- körper einverleibt ist, nicht verfehlen, seiner Braut eine Morgengabe zu bringen, er wird dem Königreich Jta- lien ein Ende machen, den päpstlichen Stuhl damit be- lehnen und den, "der darauf sitzt, zur zweiten Macht nächst ihm erheben, wie Napoleon I. es einst dem Papst Pius VIL schon anbot, dieser aber noch soviel Bewußtsein seines göttlichen Berufs hatte, das Aner- bieten mit aller Würde eines Dieners Christi abzuleh- nen. Jetzt ist das Weib so, wie Johannes in Kap. 17, 3 ff. es schauet, sitzend auf einem rosinsarbenen Thier voll Namen der Lästerung Ohne Zweifel ist es ein Tag gemeinsamer Besprechung und gegenseitiger Ver- bindung, den beide Mächte mit einander halten, und wir werden zu Kap.17, 11 schon dahinter kommen, was sie unter einander verhandeln. Da wird auch gar bald hernach das Weib den Völkern des Abendlandes aus ihrem Becher einschenken, und der Trank voll Greuel und Unsauberkeit wird nicht verfehlen seine Wirkung zu thun, daß es in den Ländern ringsher gährt und eine Revolution sich vollzieht, welche in Kur- zem die 10 Könige aus sich heraussehen wird als eine dritte Macht neben der ersten und zweiten; dagegen der große Held des Tages, der Sohn des Verderbens, hat jetzt schon ein Hauptstiick seiner Arbeit vollzogen, er hat, wie in Dan. 7, 24 von ihm geschrieben steht, drei Könige gedemüthigh sich Frankreichs bis hinauf nach Holland bemächtigt, Dentschland sich annektirt und Jta- lien zum Schemel der Füße seines Weibes, der »gro- ßen Hure«, gelegt. Jedoch, wie wird es nur allzubald dieser ergehen? Die andere Hälfte des Verses offen- bart es uns: 19b. Und Babylon, der großen, sderen Fall schon in Kap. 14, 8 angekündigt worden] ward [jetzt, wo sie nun ganz für das Gericht ausge- reift] gedacht vor Gott, ihr sbevor noch das Ge- richt geschähe an dem Thier und den Andern Kap 19, 20 s., damit auch hier der Grundsatz: 1. Petri 4, 1»7 sich bewahrheiteJ zu gebet! den Kelch des Weins von seinem grimmigen Zorn [den Kelch seines nun mit ganzem Grimm sich bethä- tigenden Zornes, damit sie ihn bis aus die Hesen austrinke Kap. 17, 15 — 19, 4]. i Jahrhunderte hindurch schien Gott dieser großen 124 Offenb. Johannis 16, 20. 21; 17, 1. L. Babel vergessen zu haben, so ungestört und ungestraft durfte sie ihr Wesen treiben; ja, wenn es auch etliche Mal sich anließ, als sollte ihre letzte Stunde geschlagen haben, erhob sie doch von der empfangenen Niederlage sich immer wieder mit« desto größerer Macht und ge- langte schließlich zu einer Stellung, bei welcher sie un- mittelbar vor der Verwirklichung ihrer Ansprüche auf die geistliche Herrschaft im ganzen Umkreis der Erde stand (Kap. 17, 3 f.). Da aber eben ereilt sie der Zorn Gottes und trifft sie nun im vollen Maße durch die Verwüstung, welche die 10 Könige ihr bereiten (17, 16 f.). 20. Und alle Jnseln entstehen sals nun mit Babels Fall dem Gebäude des germanisch-flavischen Bölkerlebens sein Eckpfeiler zusammengebrochen], inid keine Berge wurden fanden sindem die Erd: oberfläche von Seiten ihrer bisherigen Vertheilung vvn festem Land mit den Bergen und von Meer mit den Jnseln jetzt aus einmal eine ganz andere Gestalt annahm Kap S, 14 durch die in dem- jenigen Erdtheile vorgehenden Dinge, welcher ver- möge seiner Stellung in der Weltgeschichte die ganze Erde repräsentirt]. Es kommt hier zur Aufrichtung des antichristischen Reichs, die wir fiir das Jahr 1992 anberaumt haben; alle vordem bestandenen Reiche und Gewalten sind da versunken und verschwunden wie Berge, die in die Tiefe sinken, und Jnseln, die im Meer verschwinden, und die 10 Könige, welche an’s Ruder gekommen sind, haben ihre Kraft und Macht dem Thiere gegeben (Kap. 17, 12 f.). Ein goldenes Zeitalter voll irdischer Macht und Herrlichkeit, voll zeitlicher Glückseligkeit und Wonne- genuß haben die, die zur Ausrichtung dieses Reiches geholfen und mit allen Mitteln des Umsturzes und der rohen Gewalt sie durchgesetzt haben, der Welt in Aus- sicht gestellt; aber wie ergeht es dieser in Wahrheit im Reiche des Antichrist? » 21. Und ein großer Hagel als ei1i Centner sin Stücken von der Schwere eines Talentes, d· i· von mehr als 87 Pfund 3. Mos. 19, 37 Antn."] fiel vom Himmel auf die Menschen smit denen, nachdem alle Auserwählten und Gläubigen aus ihrer Gemeinschaft durch den Märtyrertod heraus- genommen und in das Jenseits entrückt waren Kuh. 13, 15; 14, 12 f., nun nichts weiter zu thun war, als in rücksichtsloser Weise wie Verbannte sie zu plagen und zu vernichten Jos. 10, 11], Und die Menschen [auf deren Bekehrung, im Unterschied von denen noch unter der fünften Zornschale V. 10 f., es jetzt gar nicht mehr abgesehen war] lästerten Gott über der Plage des Hagels, denn seine Plage ist sehr groß swie sie fur eine Zeit sich gebührt, wo das Wort: Hef 18, 32 nun außer Cours gesetzt ist]. Was für eine Plage hier gemeint sei, läßt sich na- tiirlich nicht näher bestimmen; jedenfalls aber ist es eine solche, welche schon jetzt einen großen Theil der Menschen erschlägt, bis dann die völlige Vernichtung in Kap. 19, 21 kommt. Der Erdbebung am Ende des 19. Jahrh., welche in Kap 11, 13 f. als das zweite Wehe bezeichnet wurde, entspricht, wie uns das Gesicht der siebenten Zornesschale gezeigt hat, eine andere, noch viel gräßlichere, deren Ausgeburt die allerentsetzlichste Schreckensherrschast, die des antichristischen Regimentes ist; sie steht am Schlusse des 20. Jahrh und bildet das dritte Wehe, von welchem gleich bei seiner An- kündigung gesagt wurde, daß es dem zweiten bald fol- gen und von diesem nicht durch einen so langen Zeit- raum, wie das zweite vom ersten (9, 12), getrennt sein soll. Beachtenswerth ist der Zug, daß alle drei Wehe mit dem Abgrunde in Verbindung gebracht werden (Kap. 9, Z; 11, 7; 13, 1. 11), dabei aber das zweite nur erst als ein Vorbote des dritten erscheint, indem bei jenem das Thier aus dem Abgrunde nur allmälig und kaum bemerkbar aufsteigt, während bei dem dritten seine Schöpfnng nun ein fertiges Ganze ist. Gab uns das zweite Wehe in seiner Stellung zum ersten die Grund- lage zu einer genauen Berechnung der 42 Monate in Kap 11, 2., so daß, indem das erste den Anfangspunkt derselben bezeichnet, dieses mit dem Endpnnkte zusam- menfällt (vgl. Anm. zu Kap 11, 14), so läßt auch aus der Stellung des dritten Wehe zum ersten sich eine sichere Grundlage fiir die Berechnung der 42 Monate in Kap. 13, 5 gewinnen. Bei dem ersten nämlich ward den aus dem Rauch aufsteigenden Henfchrecken gesagt, daß sie nicht beleidigten das Gras auf Erden, noch kein Grünes, noch keinen Baum (9,4); die Kraft dieses Worts hat sich am entschiedensten in jener Schlacht zwischen Tours und Poitiers im J. 732 bewährt und dem Karl Martell den Sieg verliehen über die Sara- cenen, daß sie nicht die Pflanzung des HErrn in der neuen, germanisch-slavischen Völkerwelt vernichten durf- ten. Darin also liegt der Anfangspunkt dieser 42 Mo- nate des Thieres: er liegt noch kein volles Jahrh ab von dem Anfangspunkt der 42 Monate der Zertretutig Jerusalems (637), aber eben darum liegt auch das dritte Wehe, das mit dem Endpunkt jener 42 Thier- Monate zusammenfällh noch nicht ein volles Jahrh. ab von dem zweiten, mit dem Endpunkt der 42 Zertre- tungs-Monate zusammenfallenden Wehe. So gewiß es aber ist, daß die mit dem Jahr 1897 sich erfüllende Epoche wesentlich und entscheidend in das Kapitel vom Antichristenthum hineingehört, gleichwie der Muhame- danismus des 7. Jahrh., so gewiß ist sie doch noch nicht die des persönlichen Antichrist, welche viel- mehr erst mit dem J. 1992 sich erfüllt, sondern nur erst die des antichristlichen Zeitgeistes, wie wir ste genannt haben. Vgl. zu Kap- 13, Z. Das 17. Kapitel. Das» sechste Gesicht, eine Beschreibung des antichriltisch en Reiche— unter dem Bildnis; einer großen Hure. V. v. 1—13. nunmehr seiten die mit de: ietzten Zorn— schale schon angelkiindtgten und vorbereiteten Gerichte der vernichtung, zuerst äber Babylon und darnach über den Kntichrish auch zur Ausführung kommen. Indem denn um Babylon, die große, es zunächst sich handelt, welcher der Kelch des Weine von Gottes grimmigem Zorn soll zu trinken gegeben werden, wird von einem der jiornsctialeniGngel dem Johannes ein neues Geflcht ge- zeigt, das ihm die vollständige Reife fürm Gericht an Rom, der nun zur großen Hure gewordenen papslkirchiz vor Augen stellt: von dem Thier mit den fiel-en Häup- tern und zehn Hörnern läßt sie sich tragen und verherr- liaien, ist Gines her-Jene nnd Sinnes mit ihm, in welchem ja doch ein Geheimnis der höllischen Bosheit verborgen Das Gesicht von der, auf dem rosinfarbenen Thiere sitzenden großen Hure. 125 liegt, und prangt in derselben blutrothen Farbe; aber zu derselben äußern Macht und Größe init ihm wird sie es niiht bringen, die in den zehn Hörnern des Thiere; ab- gebitdeten zehn Könige werden vielmehr für ihre der— wiisiiing und Verbrennung sorgen, noch bevor es zur eigentlichen Jlusriihtniig des antichrisiiscljeii Reiches lioninit, über welche Knfrichluiig noch einige besondere Linden- lniigen gegeben werden. 1. lind es kam einer von den sieben Un· Kein. 15, 6 f. u. 16, 1 ff. erwähnten] Engeln, die die sieben Schalen hatten swohi der ietzte derselben, welcher in Kap 16, 17 ff. mit seiner Schale auch das Gericht über Babylon, die große, ausgegosfen], redete mit mir und fprach zu mir: Komm, ich will dir [mit dem, was ich in V. 16 u.17 sagen werde] zeigen das sschon in Kap. 14, 8 u. 16, 19 vor- läufig angezeigte] Urtheil [oder Gericht] der großen Hure, die da auf [vesser: über] vielen Waffern sitzt lals eine zweite Babel Jer. 51, IS; Hef. 26, 17]« Z. Mit welcher [in abgöttischer Wahrnehmung ihrer irdischen, weltlichen Interessen] gehnret haben die Könige auf Erden, iiiid die da wohnen auf Erden, fdie von irdischen Gedanken erfüllten und nach der zeitlichen Ergötzung der Sünde begierigen Völker und einzelnen Menfchenseelen] trunken wor- den sind voii dem Wein ihrer Hnrerei [Kap. 18, 3 Anm., glcichwie die alte Babel die alte Welt niit ihrem güldenen Kelch trunken geinacht hat Jer. 51, 7]. Daß dieses Weib (V. 3), welches der Engel dem Johannes zeigen will, Rom bedeutet, ist unverkennbar, denn nach V. 9 sitzt es auf sieben Bergen (Rom — die Siebenhügelstadt I. Altare. 8, 16 Anni.), und nach V. 18 ist es »die große Stadt, die das Reich hat über die Könige auf Erdeu«, was zu Iohaunis Zeit durch ihre Kaiser, späterhin durch ihre Päpste sich verwirklichte. Es ist Rom, und zwar Rom als Weib, als die von der katholischen Kirche wohl zu unterfcheidende Papst- kirche, wie sie in der Stadt Rom ihren beherrschenden Mittelpunkt hat. Freilich ist sie nicht die ächte Ge- meinde, die reine Braut Christi, sondern sie ist zur Hure herabgesunken. So nennt schon das alte Testament die ihrem Bundesgott untreu gewordene, den Götzen nachhurei1de Gemeinde Israel; und eine Hure ist nun auch nach der Weifsagung des neuen Testaments diejenige Kirche geworden, welche gleichfalls, wie früher Israel, den Ruhm anspricht, die einzig wahre Gemeinde des HErrn zu sein. Sie ist in Verfassung, Lehre und Werk von dem einigen HErrn und Haupt der Christenheit abgefallen und sucht im Buhlen mit der Welt nur die eigene Ehre, den eigenen Gewinn, die eigene Herrschaft; darum ist sie auch jedem, der ihr irgend dazu verhilft, gern zu Willen, und verfchmäht auch den Bund mit dem Thier aus dem Abgrund nicht, sobald sich dieses herbeiltißh sie zu tragen. Und eine große Hure heißt sie, nicht allein wegen ihres tiefen Abfalls, sondern auch wegen des großen Einflusses, den sie übt; denn sie sitzt auf vielen Waffern, diese Wasser aber sind nach V. 15 Völker und Schaaren und Heiden und Sprachen — vier Ausdrücke, uni die geistliche Gewalt Roms als eine nach allen Weltgegenden über die verschiedensten Völker sich erstreckende zu bezeichnen Noch näher besteht ihr hurerisches Treiben darin, daß ,,mit ihr gehuret haben die Könige auf Erden, und vom Wein ihrer Hurerei trunken worden sind, die da wohnen auf Erdeii«. Die Könige, die Führer der Nationen, zu gewinnen und in ihr Interesse zu ziehen, war immer ein Hauptziel röniischer Politik, und die Könige sind ihren Netzen nicht entgangen; die Mächtigsten der Erde, sagt ein Kenner der Geschichte, haben mit ihr gebuhlt, ihre Gunstbezeu- gungen gesucht, sie durch Geschenke sich zu Willen ge- macht, sie bereichert, herausgeputzt und gefchmückh sind zwar hin und wieder mit ihr zerfallen, haben sie aber immer wieder geehrt und stets neue Bündniffe und Verträge mit ihr geschlossen. Und -so sind auch die Völker vom Wein ihrer Hurerei trunken worden, so- fern eben jene Richtung Roms, an die Stelle des geist- lich-Unsichtbaren das sleischlich-Sichtbare zusetzen, zumal auf solche, die auch im geistlichen Sinn der Erde ange- hören, also auf die große Masse jedes Standes, eine trunkenmachende, betäubende Wirkung übt, so daß sie um alles nüchterne Urtheil, um alle Fähigkeit zu un- befangener Prüfung kommen und in die glühendfte Lei- denschaft für römisches Wesen hineingerathen. (Kemm- ler.) Die Grundsignatur der falschen Kirche liegt in dem Wort Hure: sie behält ihre menschliche, ihre weibliche Gestalt, sie wird nicht Thier, sie bewahrt die Form der Gottseligkeitz aber deren Kraft verleugnet sie (2. Tim. Z, 5). Ihr rechtmäßiger Eheherr, Jehova- Christus, und die Freuden und Güter seines Hauses, die unsichtbaren und zukünftigen, sind ihr nicht mehr ihr Ein und Alles, sondern sie läuft dein sichtbaren und eiteln Weltwefen in seinen mannigfaltigen· Formen nach. Die röm.-kathol. Kirche ist nicht blos ihrem Be- stande, sondern auch ihrem Priucip nach diesem Weibe ähnlich, während dagegen die evangel. Kirche, die durch Luther’s Dienst das lautere Evangelium und reine Sa- crament zurückempfangen hat, ihrem Princip, ihrem Glaubensgrunde nach ein keusches Weib ist; die Refor- mation war eine Reaction des- heiligen Weibes (Kap. 12) gegen das gefallene (Auberlen.) Wie ist es gekommen, daß die Völker die Hure und das schmäh- liche Joch ihrer Herrschaft so lange trugen? Völker las- sen für die Dauer auf sich sitzen nur solche Reiter, mit denen sie im Wesentlichen Eines Sinnes sind, die ihren Interessen und Bedürfnissen, ihren Begierden und Be- strebungen Befriedigung gewähren; solche werden ihnen denn auch nach der gerechten Ordnung Gottes gegeben, die verweltlichte Kirche und die von ihr geknechteten Nationen müssen sich wechselfeitig in immer tieferes Verderben hineintreiben, bis das Maß voll geworden und das Gericht über beide hereinbricht Die Könige der Erde, d. i. die Machthaber der Christenheit, die Staatsregierungen, haben von der geistlichen Macht, der Weltkircbe, von ihrer Sanctionirung des politischen Ehrgeizes, des Weltsmnes überhaupt, im Widerspruch mit dem Sinne und Geiste Jesu den möglichstcn Nutzen zu ziehen sich angelegen sein lassen. Wir wollen euch ehren, lautete ihre Anfprache an die Kirchenflirstety nur vergeßt nicht, daß ihr dann auch die Völker unserer Person anhänglich und gehorsam macht; in diesem Sinne wurden die sog. Concordate geschlossen. Und die die Erde bewohnen, die Jrdischgesinnten, und die die Finsternis; mehr lieben als das Licht, darum, daß sie die Wahrheit nicht thun wollen und ihre Werke böse sind, find trunken worden vom Wein ihrer Hurerei. Im trunkenen Zustande hört das Bewußtsein, das Ge- wissen, ja alles Urtheilen und unterscheiden zwischen Wahrheit und Lüge auf, und das Träumen und Schwär- men, der Orgiasmus und die falsche Begeifterung der Fanatismus gelangt zur Herrschaft. Dem fleischlichen 126 Ofsenlx Johannis 17, 3—8. Sinne ist nichts unbequemer und widerwärtiger als das auf Selbfterkenntniß und Buße, auf verinnerlichen- den, geistlebendigen Glauben, auf Wiedergeburt, wahre Bekehrung und Heiligung in Christodringende evan- gelische Christenthum: um solchen Preis strenger Welt- und Selbstverleugnung und griindlicher Hingebung an Christus dünkt ihnen selbst die Seligkeit zu theuer, von der sie ohnehin die verworrensten Borstellungen haben, lieber lassen sie sich die täglichen Pönitenzen und rein äußerlichen Kafteiungen gefallen, um die sie ihnen von der falschen Kirche oft auf’s Wohlseilste gegen eine An- zahl formulirter Gebete, Messen oder Wallfahrten an- geboten ist, und selbst die härtesten Bußübungen neh- men sie für gewisse Zeiten und Tage auf sich« zu jedem Akte der kirchlichen Frömmigkeit sind sie bereit, wenn sie nur den ungestörten Weltgenuß mit in Kauf bekom- men. Solch eine fertige Religion mit einem festen Kir- chenglaubem mit einem absolvirenden, heilig und selig- sprechenden Kirchen- und Priesterthum mag der denk- träge Leichtsinn gern; er will mit dem Suchen und Forschen in der heil. Schrist, mit der innerlichen Be- reitung auf Aneignung des göttlichen Worts der Gnade und Wahrheit in Christo, die frei machet, mit der sitt- lichen Arbeit des Geiftlebens, dem Trachten nach dem Reiche Gottes und seiner Gerechtigkeit, dem Ringen nach der Lichtnatur Gottes (2. Petri 1, 4) nichts zu thun haben. Auch diesem Begehren einer- und dieser Anti- pathie andrerfeits kommt die falsche Kirche auf’s Will- fährigste entgegen, wenn sie nur herrschen darf und Aussicht hat, ihre Herrschast zu befestigen: sie verbietet den Laien das Suchen und Forschen in der heil. Schrift und reicht ihnen dafür alte und neue Dogmen fertig dar; den Gehorsam gegen die kirchliche Auctorität er- klärt sie für den unfehlbaren Weg zum Himmel, dage- gen verdächtigt, verfolgt und verlästert sie die wahre Frömmigkeit, das mit Christo verborgene Leben in Gott. (Sabel.) Das ist die Klugheit der Hure, die von Recht nichts wissen will, sondern alle Verhältnisse anhält, um aus ihnen Nutzen zu ziehen; das ist der hurerische Egoismus, der bald Liebe heuchelt, bald niit seinem Hasse droht, je nachdem es mehr Vortheil einbringt; das ist die hurerische Consequenz, die alles zuläßt, nur nicht eine Verletzung oder Beeinträchtigung des eigenen Ich; das ist endlich die hurerische Herzlosigkeih die von keiner Dankbarkeit etwas weiß, sondern jeden nur ab- nutzt und darin wegwirft. Wer das Papstthum kennt, sei es in seinen Welthändeln mit den großen Machtha- bern der Zeit, sei es in den kleinlichen Verhältnissen einer Dorfgemeinde, wird die Wahrheit des Gesagten bestätigen müssen. (Gräber.) 3. 1Iiid er sder Engel] brachte mich im Geist [Kap. 4, L] m dle [richtiger: in eine] Wilste«« [anders dagegen verhält es sich mit der Wüste in Kap. 12, 6 n. 14]. Und ich sahe das lbessert ein] Weib sitzen ans einem rosinfarbenen [schar- lachrotheIIJ Thier, das lnämlich das Thier] War snun nicht mehr blos auf seinen Häuptern einen Namen der Lästerung tragend, wie in Kap. 13, 1., sondern jetzt, wo es in voller Ausgestaltung zum persönlichen Antichrist begriffen war, an seinem ganzen Leibe] voll Namen der Lcisterung, uiid hatte (siebcn Häupter [V. 9 ff.] und) zehn Hörner [V. 12 fs., wie schon in Kap. 13, 1]. 4. Und das Weib [das aus dem, die Farbe des von ihm schon vergossenen und noch zu ver- gießenden Blutes an sich tragenden Thiere saß] war bekleidet mit Scharlach und Rosinfarbels smit einem Gewand, dessen Farbe aus zweierlei Noth gemischt war, aus dem Roth des königlichen Purpurs Kap. 1«8, 7 und aus dem des frisch vergossenen Blutes B. 6], Und lso recht in fürst- licher Pracht sich brUstendJ übergiildet mit Gold sganz überdeckt mit Goldschmuck] nnd Edelgestein sHes 28, 13] und» Perlentspspz nnd hatte einen gnldenen Becher in der Hand [der war] voll Greuels saller nur möglichen JrrlehreUJ und [voll] Unsanberkeit ihrer snun völlig ausgereiftem Hu- rerei; 5. Und an ihrer Stirn lvon unfichtbarer Hand] geschrielien den Namen sden nur ein gött- lich erleuchteter Sinn zu deuten versieht, wie die Schrift in Belsazar’s Saale Dan. 5, 5 ff.], das Gehelmnlß soder die geheimnißvolle Signatur]: Die· große sein weites Gebiet aus Erden um- fassende und mit Gedanken an immer weitere Ausdehnung sich tragende] Babylon list dies Weib hier, vgl. zu Kap. 14, 8], die Mutter der Hnrerei sgenauerx der Huren oder aller hnrerischen Einzel: kirchen und derartigen religiösen Genofsenschasten] Und aller [in religiösckirchlichem Fanatismus auf- gebrachten und berübten] Gteuel auf Erden-i. V) Die Welt ohne Christum, den Lebensquell, er- scheint dem Worte Gottes als Wüste, und eine solche ist nun auch der Bezirk um das Weib her: da ist nir- gends eine Pslarizung Gottes mehr, alles wüst und aus- gestorben. Mag das jetzige römische Kirchenwesen auch noch hin und wieder Oasen zeigen, wo Bächlein, dem Lebensquell entströmt, die Ufer befruchten, sie werden immer seltener werden; und zuletzt, wenn das Weib nun völlig gemeinschaftliche Sache mit dem Thiere macht, wird es alle ächt christlichen Lebenskeime um ich her tödten, bis es am Ende in einer völligen Wüste itzt. Auch möchte vielleicht Italien, der Sitz, des Papst- ::hums, zu der Zeit, da die Hure vom Thier getragen wird, in Folge vorangehender Zerrüttungen eine Wüste im buchftäblichen Sinne und noch mehr, als bisher, das Land der Trümmer und Ruinen sein· (Kemmler.) IV) Daß die Purpurfarbe die Leibfarbe Roms und der Kardinäle ist, hat seine Richtigkeit. Der Thron, auf welchem der Papst getragen, der Himmel, der über ihm emporgehalten wird, sein ganzes Gefolge nm ihn her und er selbst, alle Tempel zu Rom, alle Paläste und jeder Fußboden, den er herritt, sind mit Purpur und Scharlacli bedeckt; die Cardiuäle sprechen nicht nur königlichen Rang an, sondern tragen auch ein purpur- rothes Kleid und einen solchen Hut, sogar die Decken der Pferde, worauf sie reiten, sind von eben der Farbe. (Leutwein.) IN) Mein Kind, kennst du die Sage noch nicht, die uns vom Ursprung der Perle spricht? Der Un- schuld Thränen, auf Erden geweint, die sind zu Perlen und Denimit verfteint, und der Rubinen funkelnde Gluth entstand aus schmählich vergossenem Blut: es birgt die Fabel wohl tiefen Sinn, drum wünsche dir nimmer Perl und Rubin! -]·) Das Weib empfängt deii Nanien Babylon, d. i. Verwirrung, weil sie die evangelische Wahrheit und Das Geheimnis; des Weibes. Jhre völlige Ausreifung zum Gericht. 127 die messianische Kirche verwirrt hat dnrch Menschen- wort und Menschensatzungem und dadurch die geistliche Hurerei herbeigeführt und befördert, auch zu unzähligen Greueln die Veranlassung gegeben hat (vgl. die Bemerk zu Jes 63,6). Die Stirnschrifh in die Lüge verkehrt, lautet: sucrosanctu Lateranensis ecc1esia, omnium ecclesiarum orbis et urbis mater et capuu d. i. die heilige Kirche des Laterans, aller Kirchen des Erdkreises und der Stadt Mutter und Haupt. (Riemann.) Die Hurenmutter ist eine solche, die Andere zur Hurerei erzieht; das Papstthum leitet also Andere an, äußer- lichen Gottesdienst zu treiben und damit das wahre Wesen des Gottesdienstes zu ersetzen. Es ist bekannt- lich allgemein herrschender Glaube in der römischen Kirche, daß es mit der Erfüllung der äußeren Kirchen- gebote genug sei; die Priester sind mit dem Volke ganz vollständig zufrieden, wenn es sich nur äußerlich zum Papstthum bekennt, das Uebrige ist eine gleichgiltige Sache. Mit der größten Strenge wird darauf gehalten, daß jeder sonntäglich eine Messe hört; es genügt dabei vollkommen, wenn man vor der Kirche nur die Schelle hört, niederkniet, sein Kreuz schlägt u. s. w. Hat man aber das einmal einen Sonntag versäumt, dann muß es in der Beichte bekannt werden, und mit einigen Ave-Marias ist die Sache abgemacht. Gott Lob! nicht alle katholischen Geistlichen sind so, und deshalb machen wir den Unterschied zwischen Papstthum und Katholi- cismus; daß aber ein solches äußerliches, fcheinheiliges Wesen in der römischen Kirche ungeheuer verbreitet ist, wer will, wer kann das leugnen? Dies falsche Wesen nennen wir Papstthum (Gräber.) 6. Und ich sahe fwas von allem Befremd- lichen am allermeisten mich befremden mußte] das Weil! fim nnverkennbaren Zustande der Trun- kenheit, und zwar, wie im Geiste ich deutlich er- kannte] trunken von dem Blut der Heiligen sdie sie umgebrachh und von dem Blut der Zeugen Jesu sdavon sie sich voll gesoffen]. Und ich vermutl- dertc mich sehr, da ich sie sah fund wußte mir nicht zu enträthseln, wie es dahin mit dem Weibe gekommen und wie das noch ablaufen werde]. — Diese Trunkenheit vom Blute der wahren Jünger Jesu, diese Berauschung, in der die Papstkirche stolz sich rühmt ihrer Verfolgungen und orgiastisch jubilirt im Hause Gottes, siillt das Maß ihrer Greuel nnd steigert das Erstaunen des Sehers zum Gipfel der Ver- wunderung Zwar versichert sie selbst, sie dürfte nicht nach Blut; aber sie hat Kreuzziige gepredigt gegen die Ketzer, und selbst ein Bossuet und vollends die Jana- tiker des Priesterthums zu unserer Zeit rühmen es unter ihren Großthaten, daß auf ihren Betrieb die Ketzer verbrannt worden, sie lobpreisen einen Ludwig XIV. um seiner Dragonaden willen wider seine evangelischen Unterthanen. Sie befiehlt nicht die Blnthochzeih aber sie seiert ihr Gelingen durch Feste und Prunkgemälde Mit einem solchen religiös-übertünchten, als Gottes- politik gestetnpelteii Fanatismus ist keinerlei Blutdurst auf Erden vergleichbar; er ist specifisch verschieden von jeder andern Seelenberauschung, er ist dämonisch, vom Ur-Menschenmörder inspirirt und deshalb für kein menschliches Mitgefiihl, für kein Erbarmen zugänglich. Aber zugleich ist er mit einem so schamlos prahlerischen Uebermnth gepaart, daß sich Johannes nicht der höchsten Verwunderung erwehren kann. (Sabel.) Jst es die furchtbare Entwickelung der in diesem Weibe gleichsam verkörperten Verkehrnng der Wahrheit in Lüge, die den Johannes in Staunen versehn? oder kann er das Verhältniß nicht fassen, in dem das Weib zu dem Thiere hier steht? Jn der That, wie konnte er in seinen Tagen, in denen die Weltmacht begann sich wider die Kirche aufzubäumen und sich zu dem ersten grausen Kampfe anfchickte, in dem sie Gottes Volk zu vernichten drohte, eine Vorstellung davon haben, daß die abge- fallene Kirche, die aber doch noch immer Weib, Kirche blieb, von der Weltmacht, dem Thiere, einst würde getragen werden? (Stessann.) 7.c Und der Engel ldie in meiner Verwun- derung liegende Herzensfrage verstehend] sprach zu mir: Warum verwnnderst du dichi fdoch nur, weil du die geschichtliche Verwirklichung dessen, was du im Gesichte gesehen, für nicht wohl mög- lich hältst] Jch will dir sagen das Geheimnis; von dem Weibe lwie es soweit mit ihr gekommen und wie es schließlich mit ihr ablaufen wird], und von dem Thier, das sie trägt, und hat sieben Häupter und zehn Hörner [wie es mit diesem Thier, mit seinem Verhältnis; zum Weibe und mit seinen Häuptern und Hörnern steht]. 8. Das Thier, das du [in V. 3 als Trägerin des Weibes] gesehen hast, ist fin den Vorfahren dessen, den es gegenwärtig, d. h. zu der Zeit, wo das Gesicht sich nun ersüllt, zum Austrag gebracht hat] gewesen, und ist nicht fes hat bereits eine doppelte Vergangenheit hinter sich, die eine die, wo es ein- oder zweimal schon da war, die andere die, wo es ein- oder zweimal nicht mehr war], und [dem entsprechend hat es nun auch eine doppelte Zukunft; die eine von dem Stand- punkt seines Nichtmehrseins auf Erden ans, und das ist die: es] wird wiederkommen aus dem Ab- grund ldahin es zu dem Teufel und seinen Engeln Kap 9, 12 Anm. gefahren war], und fdie andere von dem Standpunkt seines jetzigen Wiederdafeins aus, und das ist die: es] wird fahren in die Verdammniß [Kap.19,20], und fwas dann seine Gegenwart betrifft, so] werden lnun bald, in Erfüllung dessen, was in Kap 13, 3 f. als Folge der wieder heil gewordenen Todeswunde des einen Hauptes gesagt wurde] verwundern, die auf Erden wohnen ldicjenigen unter den Menschen: lindern, die nichts weiter als eben Menschen- oder Erdenkinder sind 1. Mos. 6, 2], deren Na- men nicht geschrieben stehen im Buche des Lebens von Anfang der Welt [Kap. 13, 8., während da- gegen die Auserwählten vor der Verführung in den Jrrthum bewahrt bleiben —- sie werden sich verwundern, als ob in dem Thier eine Gottes: majestät offenbar geworden, vor der man anbetend sich beugen mnsse], wenn sie sehen das Thier, daß es frichtiger hält man die beiden Sylben des im Grundtext stehenden Worts durch eine diastole aus einander und übersetzt nun: wenn sie sehen werden das Thier als ein solches, welches] 128 Offenb. Johannis 17, 9. 10. gewesen ist, und nicht ist, wiewohl es doch ist lnach besserer Lesartx nnd wieder da ist]. Wenn das Wort des HErrn in Matth. 24, 21: ,,es wird alsdann eine große Trübsal sein, als nicht ge- wesen ist von Anfang der Welt bisher, und als auch nicht fein wird«, in seiner tiefsten und vollsten Bedeu- tung ohne Zweifel von der Trübsal oder Glaubens- bedrängniß zur Zeit des Antichrist gemeint ist, so kann es sich dabei weniger uin eine leibliche Trübsal han- deln, denn für eine solche ist in den Glaubensverfok gungen der früheren Zeiten das Maß schon so voll- ständig erschöpft, das es wohl keine Qual und Marter mehr giebt, womit die Gläubigen nicht fchon einmal verfolgt und versucht worden wären, ihrem HErrn ab- zuschivören (Hebr.11,33ff.); es muß sich bei jenem Wort vielmehr um eine geistliche Trübsal oder Be- drängniß handeln, bei welcher die Gefahr, mit in den Jrrthnm hineingezogeiuzu werden, so groß ist, daß auch die Auserwählten ihr erliegen würden, wenn Gott nicht auf besondere Weise sich ihrer aiinähme Wir haben also für je11e Zeit das Meisterstück von allen Satans-Lügen zu erwarten, die Krone von alle dem, was er je ersonnen und ins Werk gefetzt hat, um ållienfcheiiseeleu zu verblenden und zu berücken; und da müssen wir von Haus aus auf etwas Monströses oder Ungeheuerliches uns gefaßt halten, da nur der Art etwas im Stande fein würde, die schon gangbaren oder einmal schon dagewesenen Lügenkünste an Ver- führungsinacht zu überbietein Jn der Regel begnügt man sich mit der Vorstellung, der Antichrist werde ein Genie von menschlicher Bosheit, ein mit riesen- hafter Energie auftretender Gegner des Christenthums fein, dem der Satan seine Kräfte leiht, um durch ihn den Kampf seines Reiches wider das Reich Gottes zum Siege für das erstere hinauszuführem was ihm aber durch die Wiedererfcheinu1ig Christi, der den Antichsrist mit dem Schwert seines Piundes umbringt, noch im letzten entscheidenden Augenblick mißlingt; allein in fol- cher Allgemeinheit schwebt die Vorstellnng doch gar zu sehr in der Luft und hat keine recht greif- und erfaß- bare Gestalt, da man weder einzusehen vermag, wie ein einzelner bestimmter« Mensch in seinem doch immer- hin nur kurzen Erdenleben zu solcher Energie der Bos- heit ausreisen könne, daß er geradezu zuni »Menfchen der Sünde« (2.Thefs.2,3) werde, noch anch, wie die Menschen dazu kommen, sich ,,hinter ihm her« zu ver- wundern (Kap.13, 4f.) und zu seiner Anbetung sich zu entschließen Was den zweiten Punkt betrifft, so bleibt eine göttliche Verehrung, wie sie zur Zeit der römischen Kaiser von Augustus an üblich war, und wie sie vielleicht auch Napoleon I. gefordert und erhalten haben würde, wenn er sein Ziel, die Weltmonarchiq erreicht hätte, immer nur eine figürliche oder formelle, eine erzwnngene und erheuchelte: entweder betrachtet man sie, wie zur Römerzeit, als bloße Staatsetikette, die nichts weiter auf sich habe, oder wenn sie ein Th- rann als wirkliche Anerkennung seiner Gottheit fordern wollte, würde man wohl ans Furcht vor der Grau- samkeit und Unbeugsamkeit seines Wahnsinns sie ihm gewähren, aber doch dabei im Herzen ihn eben nur für ein wahnsinniges, fluch- und vertilgungswürdiges Ungeheuer halten; man würde sich sagen, daß er bei aller, auf ganz gewöhnlichem und bekanntem Wege durch « Muth und Kraft, Glück und Geschick erworbenen Größe dennoch nichts Anderes sei als ein sterblicher Mensch, der nach Kurzem wieder umkehren wird zu seinem Staube, und bei jener Forderung sich nicht sowohl der Größe seiner Herrlichkeit, als vielmehr der Größe seiner Selbstüberhebung verwundern, und im tiefsten Herzen ihn verachten und verabscheuein So ist es aber nicht mit der Anbetnng oder göttlichen Verehrung, deren Gegenstand das Thier, der Mensch der Sünde, ist; es ist das keine gezivungene und erhenchelte, auch keine for- melle oder rituelle, sondern sie geht aus innerer Ueber- zeugung und freiem Triebe hervor als das Prodnkt eines Erstaunens das seinesgleichen nicht hat, und einer Verwunderung, die zu enthusiastischer Begeisterung wird, also daß man die Ehre, die nur Gott und Christo ge- biihrt, auf das Thier überträgt, von ihm sagt: »wer ist dem Thiere gleich?« als wäre es in Wahrheit Gott, und in demselben Odem fortfährt: »wer kann mit dein Thiere kriegen?« als wäre es der unüberwiiidliche Christus selber. Anlangend sodann den ersten Punkt, so läßt sich auch in Beziehung auf das, was Menfchen hier auf Erden an Unglauben nnd Bosheit ersinnen und ausrichten können, das bekannte Spriichwort an- wenden: ,,es geschieht nichts Neues unter der Sonne«; will man mit dem Begriff des ,,Menfchen der Sünde, des Kindes des Verderbens, des Widerwärtigen und Boshaftigen« bei einem Ellienschen im gewöhnlichen Sinne stehen bleiben, so ist dieser Begriff schon längst erschöpft, man könnte da manchen Namen nennen, der den Titel des Antichrist zu erhalten werth wäre, und würde zuletzt zweifelhaft werden, ob derselbe überhaupt auf eine Einzelperson im ausschließlichen Sinne gemeint sei, damit aber den klaren Wortlaut in 2. Thess 2, 3 ff. verlassen. Schon diese Erwägungen werden die nun- mehr näher zu entwickeliide Ansicht über den eigent- lichen Sachverhalt in Betreff der Person dessen, der an unserer Stelle unter dem Thier zu versteheu ist, weil dieses in ihm feine volle Ausgestaltung findet, um ihres seltsamen, die gemeine Vernunft beleidigenden Charak- ters willen nicht als sofort zu verwerfen erscheinen lassen, sondern gerade deshalb die Aufmerksamkeit ihr zuwenden; vielleicht aber wird sie dem Leser noch als die einzig richtige sich bewähren, wenn n1ittels derselben es nun auch gelingt, den Sinn der Worte in V. 9——11, deren Verständniß ja nicht mit Hilfe der gemeinen Ver- nunft zu erreichen ist, wie ausdrücklich davor steht, klar zu legen. Wir gehen von dem Schluß des vorliegen- den Verfes aus, der die Verwunderung über das Thier daraus herleitet, daß man es für ein solches erkennt, welches gewesen ist, und nicht ist, und wieder da ist· Das ist ja das charakteristische Merkmal Christi, der in seiner irdischen Erscheinung zuerst war, dann nach seinem Hingange in die Unsichtbare Welt ein fchein- bares Nichtsein auf Erden hatte, zuletzt aber aus dem Himmel wiederkommt und nun vom Neuen da ist; auf dieses Wiederdafein die neige-umko- Christi spielt der Ausdruck der richtigen Lesartz oeocl »ein-same (,,und wieder da fein wird« — im Zusammenhang des Textes s.v.a. wieder da ist) ohne Zweifel an. Man wird also von der betreffendenjssersoii den Eindruck haben, es habe sich in ihr die Wiederkunft Christi voll- zogen, und zwar deshalb, weil dieselbe wirklich und wahrhaftig schon einmal dagewesen in der Welt, dar- nach aber auf lange Zeit ein Nichtmelyrfein für die Erdenwelt führte und nun, was für alle andern Men- schen nach ihrem Abscheiden ein unmöglich Ding und Christo allein vorbehalten ist, ein Wiederfein als Wiederdas ein auf Erden mit allen Folgen, die dasselbe in sich fchließt, erlangt hat; das ergiebt einen denk- baren Gedanken nur dann, wenn jene Person, auf welche die Rede geht, nicht ein neuer, eigener Jlliensch, sondern ein ans der andern Welt in diese Welt zurück- gelehrter früherer, schon einmal dagewesener Mensch ist. Woher er aber wiedergekomnien und ins Leben Das Geheimniß des Thieres. Seine seit lange fchon bestehenden Beziehungen zum Weibe. 129 zurückgekehrt, das ist nun freilich nicht der Himmel, sondern, wie zu Anfang des Verses ausdrücklich gesagt worden, der Abgrund. Jetzt wird uns auch die ganze erste Hälfte des Verses auf leichterem und kürzerem Wege verständlich, als den wir oben mit einer um- ständlichen Umschreibung beschreiten mußten, so lange dies Resultat noch nicht gewonnen war, daß der unter dem Thier gemeinte Antichrist, der in der Person eines Napoleon VIII. auftritt, kein Anderer ist als derselbe Napoleon I., der längst hingegangen ist an« seinen Ort (vgl.Apostg.1, 25), aber nun leibhaftig wiederkehrt: Das Thier, das du gesehen hast, ist gewesen (fiir die Weltgeschichte von 1797 bis 1815, d. i. 18 Jahre), und ist nicht (etwa 160———170 Jahre latlg), und wird wiederkommen (genauer: aufsteigen) aus dem Abgrund, und wird (schließlich, wenn es nun sein letztes Gefchick erfüllt) fahren in die Berdammniß (genauer: in’s Verderben, daher es auch »das Kind des Verderbens« heißt 2. Thess 2, 3); denn der Abgrund, aus dem er gekommen, war noch nicht das ewige Ver- derben selber, sondern das ist erst der feurige Pfuhl, der mit Schwefel brennt (Kap. 19, 20; 20, 10 u. 14). Zu Jesu hat der Versucher einst gesagt, als er ihm alle Reiche der Welt und ihre Herrlichkeit zeigte: ,,dies alles will ich dir geben, so du niederfällst und mich anbetest«, hat aber an ihm seinen Mann nicht ge- funden; gleichwohl braucht der Satan Einen, der sein Anerbieten annimmt, wenn er seine letzten Pläne für die Menschenwelt verwirklichen will, braucht dazu einen Menschen, und doch kann er wiederum keinen brau- chen, der für die Andern einer Jhresgleichen ist und niemals sich unter ihnen mit wirklicher Anerkennung seiner persönlichen Gottesmajestät auf Gottes Stuhl niederlassen könnte, keinen, den sie haben von Kind auf wachsen und sich entwickeln und nach und nach zu einer gewissen Größe sich emporarbeiten sehen, und von dem sie zugleich wissen, daß er ebenso wieder abnehmen und schließlich im Staube enden wird. Was soll nun da der Satan anfangen? soll er da nicht zu deren Einem fiel) söendem die er aus den Menschen bereits im Abgrund bei sich hat und mit denen er von Ange- sicht zu Angesicht verhandeln kann? Und wenn es da gelänge, einen zu gewinnen, und wenn es ihm von Gott zugelassen würde, ihn in’s Leben zurückzu- bringen, würde da nicht schon von Haus aus eine »Verwunderung hinter dem Thier her« ihm gesichert? Und an wen lieber sollte er sich wenden als an einen großen Welterober er, der fchon früher einmal nahe daran war, alle Reiche der Welt und ihre Herrlichkeit davon zu bringen, der aber dann mit schmerzlicher Täuschung seiner Erwartungen, mit verbissenem Groll iiber sein Gefchick aus dem Leben geschieden ist? Und ob er wohl bei dem, den wir im Sinne haben, eben- falls ein ,,hebe dich weg von mir, Satan; denn es « stehet geschrieben: du sollst anbeten Gott, deinen HErrn, und ihm allein dienen«, zur Antwort bekommen wird? Wirgehen nicht weiter auf diese Vorgänge in einer andern Welt, die wir nur ahnenjaber nicht ergründen können, ein, sondern haben vielmehr das Bedenken zu heben: wie kann Gott geschehen lassen, was der Teufel vorhat? wie kann er seine Hände dazu bieten, daß derer aus dem Abgrund Einer wiederkehre? Nun, es muß ja doch endlich einmal die unfruchtbare Un- entschiedenheit in der Christenwelh da man so gern auf beiden Seiten hinkt, aufhören und ein letzter ent- scheidender Kampf zwischen dem Reiche des Lichts und dem Reiche der Finsternis eintreten, weil nun einmal das Reich Gottes in einer Herrlichkeit nicht kommen kann, bevor das Rech Satans nicht voll- DiichsePs Bibelwerb VII. Band, 2. Abth. 2. Aufl. ständig und offen erschienen und durch einen gewaltigen Hauptschlag überwunden ist. Die Auferwecknng des Thiers verliert aber auch gar viel von dem Befremd- lichen, das sie auf den ersten Blick hat, wenn wirbe- denken, daß sie gar nicht so vereinzelt dasteht; in Kap. . 20,4—6 werden wir von einer ersten Auferstehung aus dem Bereich der ins Paradies Hinüber- geretteten hören, von deren Nothwendigkeit wird man aber erst überzeugt, wenn eine erste Auferste- hung aus dem Bereich der in den Abgrund Ver- schlossenen, wenigstens in einem einzelnen Falle und fiir einen außerordentlichen Zweck, vorausgegangen ist. Und gleichwie nun der aus dem Abgrund Herauf- geholte nachdem über ihn ergangenen Gericht in die Verdammniß fährt und den feurigen Schwefelpfuhl gleichsam einweihet, so gelangen die aus dem Pa- radies in die Welt wieder Eingefiihrten zur Herr- schaft mit Christo in dem tausendjährigen Reich (Kap. 20, S) und weihen vorläufig den neuen Himmel und »die neue Erde ein. Von diesem Gedaukenkreise aus wird uns nun auch das Folgende leicht verständlich werden. 9. Und hie [bei dem, was ich dir noch be- stimmter über das Geheimnis; von dem Thiere sagen» werde] ist der Sinn, da Weisheit zn ge- höret [am Platz —- »es muß Einer, der das zzu Sagende verstehen und deuten will, die rechten Begriffe in politischer und religiöser Beziehung haben, tief gegründet fein in Gottes Wort und im Glauben an seinen Heiland, aber auch in den Ereigniffen und Zuständen des Weltlebens gehörig zu Hause-sein, und nun ohne Riickhalt von dem heil. Geiste sich erleuchten und regieren lassen]. Die sieben Häupter [des Thieres oder desjenigen Landes- und Volkes, aus welchem der Antichrist hervorgeht, wie der Christ Gottes aus Jsrael Kap- 12, 21 sind sieben Berge, auf welchen das Weib sihet lentsprechen mit dieser ihrer Zahl fchon äußerlich den sieben Hügelty auf welchen das Weib vermöge ihres Residirens in Rom sitzet, und entsprechen zugleich diesem ihrem Sitzen auch inner«lich, insofern sie eins wie das andere sich zu Trägern ihrer Grundsätze und Bestrebungen hergeben, sie auch nicht fallen lassen, bis sie selber die Spitze ihrer Entwickelung erreicht haben, und selbst dann, wenn es nun mit ihr zum Falle kommen muß, den Sturz nicht selber vollstrecken, sondern nur in ihrem Jnteresse es geschehen lassen, das; Andere ihn vollstrecken V. 16], und sind [hin- fichtlich ihrer Bedeutung fiir das Thier selber] sieben Könige [nicht in einzelnen Personen, sondern in Zusammenfassung aller derer, die zu einer· Einheit desselben Geschlechts und derselben Grund- richtuug sich zusammenfchließem also sieben Königs: häuser oder Dhnastiecn Kap 13, 2 Anm.]. 10. Fünf sind gefallen [die fiinf nämlich, welche in dem Gesicht Kap 13, 3 demjenigen Haupte voranstunden, das die tödtliche Wunde empfangen: die Karolingey Capetinger, Haus 9 130 Ossenb Johannis 17, 11—14. Valois, Valois-Orleans und Bonrbon], nnd sum» nun bei demjenigen Haupte stehen zu bleiben, das so besonders deine Aufmerksamkeit in An- . spruch nahm, so wiederholt sich in Beziehung auf dieses Herrschergeschlecht die Siebenzahl, auch da sind 7 Könige, aber in dem Sinne von Einzel- "personen zu unterscheiden; und gleichzeitig wie- derholt sich an diesen Sieben das Wort: ,,fünf sind gefallen«, insofern ihrer fünf gar nicht erst zur Herrschaft kommen, von den zwei allein in Betracht kommenden Herrfchern aber gilt:]· einer [genauer: der eine, d. i. Napoleon I.] ist, nnd [wird, so lange er dieses sein Sein hat, meinen, es werde durch Bestand seiner Dynastie lange Zeit damit währen, aber] der andere sNapoleon III.] ist fwenn das Sein bei jenem ersten mit dem Nichtsein endet] noch nicht kommen fes tritt viel- mehr eine Liicke zwischen beiden ein, in der sich eben die Wunde dieses Hauptes als eine zum Tode darstellt und das Sein zum Nichtseins wird], nnd wenn er [dieser Andere, in welchem die Wunde vorbildlicher Weise wieder heil wird] kommt, muß er eine kleine Zeit swieviel eben dazu gehört, damit auch die Verwunderung des ganzen Erdbodens vorbildlicher Weise sich an ihm erfülle] bleiben [um darauf mit seinem plötzlichen und auffälligen Sturze vom Neuen es zu bestätigen, daß das Haupt tödtlich wund ward; denn darauf muß immer wieder das Auge derer sich richten, die da sehen wollen, wie Gottes Weisfa- gungen durch die Ereignisse der Weltgeschichte sich mehr und mehr verwirklichen] 11. Und das Thier [das nunmehr, nachdem auch der Andere, von dem eben die Rede war, wieder verschwunden und die ganze Dynastie für lange Zeit vernichtet ist, vollständig als ein solches erscheint, wie es in V. 8 beschrieben wurde, näm- lich], das gewesen ist nnd nicht ist svon dem aber auch gesagt ward: ,,es wird wiederkommen aus dem Abgrund«, erreicht diese Zukunft in Einem], das ist der achte [seiner Namensbezeich- nung nach, mit der er auftritt, ist er ein achter], und ist lgleichwohh von den sieben snicht blos in dem allgemeinen, felbstverständlichen Sinne, daß er einer der 7 Dynastieen angehört, sondern viel- mehr in dem besonderen, freilich dem gemeinen Verständniß gar fern liegenden Sinne, daß in ihm einer von den sieben, die seinen Namen ge- tragen haben, wieder erstanden], nnd fährt fwie in Kap. 19, 20 sich zeigen wird] in die Ver- dammniß [daraus man merken mag, daß es mit dem Wiederkommen aus dem Abgrund in V. 8 seine eigene Bewandtniß bei ihm gehabt hat]. Hier liegt ein Geheimniß vor, schreibt Rinck; es scheiiit nämlich nicht nur aus dieser Stelle, sondern auch aus noch anderen Andeutungen der Ossenbarung hervorzugehen, daß das, was an der widergöttlicheu Weltmacht im Ganzen und Großen geschieht, daß sie war, nicht ist und dann wiederkommt aus dem Ab- grund, daß das im eigentlichen Sinne in concreto an der Person des Antichrist sich wiederholen wird; na- mentlich weist das Verwundern bei den Weltbiirgerm die nur auf das sehen, was vor Augen ist, und nicht unterscheiden können zwischen dem, was von oben her und was von unten her kommt, entschieden darauf hin, daß an dem persönlichen Repräsentanten des Thieres, dem AntichrisL ein großes Wunder und Zeichen ge- schehen wird. Man wird freilich sagen: das ist ein starkes Stück, das heißt einem niichternen Christen viel zumuthem solch unbegreifliche Dinge glauben zu sollen; aber jedenfalls wird sehr viel Wunderbares und Un- begreifliches geschehen, wenn die Geheimnisse der Bos- heit und des Abgrunds offenbar werden auf Erden, wenn das Thier aus dem Abgrund wiederkehrt, mögen wir’s nun verstehen und begreifen oder nicht. Der Antichrist wird in Verbindung mit dem falschen Pro- pheten in des Teufels Kraft Wunder und Zeichen thun auf Erden, ebenso können auch Wunder und Zeichen an ihm selbst geschehen. Satan wird -sich anstrengem daß sein Sohn, was den Effekt betrifft, in keinem Stiicke hinter dem Sohne des Höchsten zuriickbleibe; und das würde wohl sein höchster Trnmpf wider den Auferstandenen sein, wenn er an seinem Menschen der Sünde ebenfalls die Auferstehung darstellen könnte. Daß ein eigentlicher Teufels-Cultus auf Erden angerichtet werde, das ist doch nur denkbar, wenn durch außer- ordentliche Dinge, die hienieden geschehen, die Menschen ganz außer sich kommen, in wahre dämonische Be- geisterung und Raserei gerathen. Ebenso folgert von Hofmann aus dem dreimal gebrauchten Ausdruck: ,,geosfenbart werde« in 2. Thess L, 3. 6u.8., es werde damit ein Gegenbild Christi gezeichnet, das nur dann vollständig aufgefaßt werde, wenn wir auch den Anti- christ als bereits vorhanden erkennen, so daß er aus « seiner. überweltlichen Existenz von Neuem in die Exi- stenz treten werde; denn es heiße nicht, die Bosheit (Gesetzlosigkeit) solle geoffenbart werden, sondern der Boshaftige (Gesetzlose). Es ist nun freilich verfehlt, wenn dieser Gelehrte unter dem, der als Antichrist einst wiederkehren werde, den Antiochus Epiphanes versteht, gleichwie es verfehlt ist, wenn man in der alten Kirche an eine Wiederkehr des Nero dachte: beide standen ihrer Zeit außerhalb des alt- und des neutestamentlichen Bandes, und Antichrist kann doch nur ein solcher werden, der zuvor ein Christ gewesen; auch war der eine von ihnen ein wahnwitziger Sonderling und der andere außerdem schließlich ein feiger Selbstmördey beide also keine solchen Genies, wie Satan doch jeden- falls eins braucht, um in der Welt damit zu stolziren, indem er’s wieder in sie einführt. Allerdings läßt sich nun zur Noth mit jenem Ausdruck bei Paulus fertig werden ohne die Annahme der Wiederkehr eines solchen, der einmal in der Welt schon dagewesen; aber mit der vorliegenden Stelle, « die ausdriicklich von einem .,Geheimniß des Thieres« redet und immer wieder auf das ,,gewesen ist und nicht ist und wird wiederkommen« als den eigentlicheu Centralpunkt des Geheimnisses zu- riickkommt, auch das ,,fahren in die Verdammniß« in ein ganz bestimmtes Verhältniß stellt zu dem ,,wieder- kommen aus dem Abgrund-«, läßt sich ohne diese An- nahme durchaus nicht fertig werden. Man meint, vor einer ,,Ueberspannung der Schriftaussagen, die in’s Wunderliche fällt«, sich in Acht nehmen zu müssen, und will die letzten Consequenzem die aus dem Wortlaut Die zehn Hörner und ihre freiwillige Unterwürfigkeit gegen das Thier. 131 sich ergeben, nicht ziehen, giebt aber damit den Wider- sachern der Schrift, die recht wohl erkennen, worauf der Wortlaut eigentlich hinausläust und daß man künst- liche Erklärungsversuche machen muß, um sich dem- selben zu entziehen und nicht in ,,frommen Wahnsinn« zu verfallen, nur eine Waffe in die Hand, die Aucto- rität der Schrift als mit den Fortschritten der Auf- klärung und Bildung nicht mehr verträglich zu be- kämpfen. Wir haben kein Recht, bei der Aussage von dem Thier, daß es gewesen ist und nicht ist und wieder da ist, der sogenannten Vernunft eine Con- cession damit zu machen, daß es sich hier um ver- schied ene Subjecte handele, sondern müssen mit un- beschränktem, lauterem Wahrheitssinn die göttliche Offen- barung so hinnehmen, wie sie sich giebt: an Vernunft wird es den Gedanken und Anschauungen, die sich daraus entwickeln, schon nicht fehlen, denn es ist derselbe Gott, der die Vernunft uns gegeben und der nun auch die Offenbarung uns zu Theil werden läßt, was da ge- schehen soll, damit, wenn es denn geschieht, von den Menschen zu rechter Zeit erkannt und das Heil der Seele in Acht genommen werde. Und so bekennt denn auch das neueste Bibelwerk (von Grau) sich zu der An- sicht: »Unser Text nöthigt uns, das Wunder einer Wie- derkehr aus dem Tode durch Satans Macht- und Lügenwirkung anzunehmen,« nur daß dabei an Nero’s Wiederkehr gedacht, jedoch zugleich auch zugegeben wird, daß dessen Person unsrer Zeit noch sehr unsympathisch sei. Statt dessen lassen sich dafür, daß gerade Na- poleon I. es einst nicht schwer fallen wird, von seinen Landsleuten als der wiedererstandene Christus aufge- nommen zu werden, aus den französischen Schrift- stellern Aussprüche genug anführen, wie besonders die gebildete Welt sich mit dem dämonischen Wahne trägt, derselbe stehe im Grunde auf ganz gleicher Stufe mit dem HErrn Christus selber: gleichwie dieser auf Golgatha, so habe jener auf St. Helena den Kreuzes- tod erlitten; ja, des Letzteren Kreuzestod sei eigentlich ein noch viel schmerzlicherer und bittrerer gewesen als der des Ersteren, weil sechs Jahre zu sterben viel langsamer und qualvoller sei als sechs Stunden. Das ungebildete katholische Volk aber, von Kind auf an Le- genden und Phantastereien gewöhnt, durch angebliche Himmelserscheinungen und Wunderzeichen in beständiger Aufregung erhalten und durch das Unfehlbarkeits-Dog1na in seinem Gewissen gebunden, alles unbesehens für baare Münze hinzunehmen, was vom römischen Stuhl ausgegeben wird, hat gewiß keinen Widerspruch zu er- heben, sondern wird unter dem Vortritt seiner Priester- lichen Chorführer des Lichtes, das von Rom ans ihm ausgesteckt worden, sich rühmen und sich in Masse dazu drängen, in die Schaar der neuen Kreuzfahrer aufge- nommen zu werden, wenn der von den Todten Wieder- erstandene für den vom Himmel Wiedergekehrten sich erklären läßt und nun vor allen Dingen drei Könige demiithigt (Dan. 7, 24), von denen zwei sich jetzt schon bei Namen nennen lassen, als welche es mit Rom und Frankreich für immer verdorben haben. Da wird es denn in der alten Welthauptstadt Rom, in der Stadt der sieben Hügel, zu der Scene kommen, die dem heiligen Seher in V. 1ff. gezeigt worden: die große Hure wird sitzen auf dem rosinfarbenen Thier, und in ihrer Prachtkleidung als die wohlgeschmückte Braut des Lamms, dafür sie sich hält und ausgiebt, wird sie ihren Becher voll Greuel und Unsauberkeit ihrer Hurerei hoch emporheben und sprechen (Jes. 47,7): ,,Jch bin eine Königin ewiglich-« Von da an entwickeln sich die poli- tischen Verhältnisse weiter, bis alle anderen Throne um- gestürzt und alle Rechtsordnungen über den Hausen ge- worfen sind, und nun das Traumbild NebucadnezaVs in seinen Füßen in zehn Zehen ausläuft und das Thier, das der Prophet sah, seine zehn Hörner hat (Dan. L, 42; 7, 7; Offenb. 13, 1). Jedenfalls ist bei derjenigen Bewaudtuiß mit dem Antichrist, wie sie von uns dar- gelegt worden, das in Kap.13,3 von den sieben Häup- tern des Thieres Ausgesagte in jeder Beziehung er- füllt: das Heilwerden der tödtlichen Wunde ist geschehen u) in Betrefs der verschiedenen in Vetracht kommenden Weltmonarchieen, indem nach den fünf, die gefallen, eine sechste sich erhob, b) an der Dynastie, um die es sich handelt, aber c) auch an der Person des Anti- christ selber. 12. Und die zehn Hörner, die du san dem rosinfarbenen Thier voll Namen der Lästerung außer den sieben Häuptern — vermuthlich hinter den letzteren, nach dem Rumpfe zu stehend] ge- sehen hast [V. 3], das sind zehn Könige, die fzu der Zeit der geschichtlichen Entwickelung des Thieres, in welche das Geficht dich versetzt hat] das Reich fihres künftigen HerrfchaftsgeBietsJ nach nicht empfangen haben sdaß sie da schon in den Besitz der Gewalt gelangt wären, wie es denn überhaupt Leute sind, die nach Geburt und Her- kommen oder nach sonstiger gefetzlicher Ordnung gar nicht zur Herrscherwürde kommen würden, sondern bloße Emporkömmlingq aus dem Schooße der alle Länder durchziehenden Revolution her- vorgegangen], aber wie Könige [mit Vollbesitz aller Gewalt, die jemals in Händen von Königen sich befunden hat] werden sie Eine Zeit [genauer: Eine Stunde, wieviel Zeit eben dazu gehört, um die aus Gottes Rathschluß ihnen zugetheilte Aufgabe V. 16 f. zu erfüllen] Macht empfahen mit dem Thier fneben ihm noch unabhängig und selbständig regierend] 13. Diese haben swenn sie die bisher noch bestandene geiftliche Gewalt durch Wüstemacheii der Hure V. 16 werden gestürzt haben Kap. 18, 1sf.] Eine Meinung ldie nämlich, daß zur Aufrichtung eines einigen, die ganze Welt beherrschenden und von jeder Schranke frei machenden Reiches der Herrlichkeit auf Erden sie ihrer Selbständigkeit sich freiwillig begeben müßten], Und werden [nun] ihre Kraft nnd Macht [was sie an militärischen und materiellen Hilfsmitteln besitzen und was für Rechtc und Gewalten ihr Bollbefitz der Königswürde ihnen bietet] geben ldamit so ein fest geschlofsenes und allmächtig wirkendes Weltreich zu Stande komme, welches durchzufetzen vermag, was es irgend will] dem Thiere [oder jenem Achten, von dem in V. 11 . die Rede war] 14. Diese lunter dem Thier als ihrem nun- mehrigen, sowohl geistlichen als weltlichen Ober- haupt vereinigten Könige] werden streiten mit dem Lamm findem sie zunächst in ihren eigenen Län- dern alle, die das Thier und sein Bild nicht an: Jst 132 Offenb. Johannis 17, 15——18. beten und dessen Maalzeichen und Namen oder die Zahl seines Namens nicht annehmen, ertödten Kap 13, 15 ff., darnach aber mit dem Thier zugleich hinliberziehen nach dem heil. Lande, um die Gemeinde auf Zion 14, 1 ff. ebenfalls dem neuen Weltreich einzuverleiben oder aber sie zu vernichten, und das Lamm wird sie überwinden [theils innerlich durch den standhaften Glauben derer, die hier zu Lande an dem Zeugnifse Jesu und dem Worte Gottes festhalten und mit ihrer Enthauptung hiniibergerettet werden in eine an- dere, selige Welt 14,12 f., theils äußerlich durch das, was nach Kap 14, 14 ff. u. 19, 11 ff. bei der heil. Stadt fich begiebt]; denn es [das Lamm] ist der Herr aller Herren, und der König aller Könige snicht aber das Thier, welches die zehn Könige an seine Stelle in die Weltherrschaft ein- setzen wollen Kap. 19, 16], und mit ihm swerden sein, wenn es zum Kampfe wider das Thier nnd seine zehn Hörner auszeucht] die Berufenen und Auserwählten swelche hernach auf den Stühlen in Kap. 20, 4 sitzen sollen] und sdie] Gliiublgeu lwelche ihre Treue bewahrt haben bis in den Tod und in die andere Welt hiniibergerettet wor- den sind; denn diese und keine Andern sollen herrschen mit dem wahrhaftigen König aller Kö- nige 20, 4——6]. Sie find unter dem Lamme, das in Kap.19,11ff. als ein Reiter auf weißem Pferde erscheint, zu einem großen Heere auf weißen Pferden vereinigt und an- gethan mit weißer und reiner Seide (19,14). Um bei dieser Stelle schneller mit der Erklärung vor- schreiten zu können, erinnern wir zuvörderst an das zu Kap. 14, 16 Bemerkte, wonach es fich bei dieser Erscheinung noch keineswegs um die Wiederkunft Christi zum Gericht des jüngsten Tages handelt; die Reiter- gestalt des HErrn ist vielmehr noch ebensoivohl eine shmbolische, wie die in Kap. G, 2., aber bei aller Gleich- artigkeit mit derselben doch auch wieder wesentlich da- von verschieden. Beide Mal haben wir ein weißes Pferd, das Zeichen des Triumphes, aber während dort in der Hand des Reiters der fern treffende Bogen fich findet, geht hier das in der Nähe hauende Schwert aus dem Munde des Siegers; und während dort dem Reiter eine Krone gegeben wird, trägt er hier viele Kronen als schon in ihrem Besitz auf dem Haupt; während ferner es dort hieß: ,,er zog aus siegend und daß er siegete«, tritt er hier auf den Plan als der König aller Könige und Herr aller Herren, der seine Feinde, die ihm das Regiment nehmen wollen, mit einem gewaltigen Schlage niederstreckt Dies alles weist darauf hin, daß Christus hier nicht hinter einem irdisch-menschlichen Vermittler seiner Richterthätigkeit sich verbirgt, sondern unmittelbar selbst vom Himmel her einschreitet, wie das auch schon in Jes. 63, 3—5 zum Ausdruck kommt. Wenn nun aber die Grundlage des ganzen Shmbols das Gesicht in Sach. 1, 7—17 ist und dieser Grundstelle gemäß auf Jsrael stch be- zieht, an welchem damit eine Verheißung fich erfüllt, so ergiebt fich, wie falsch alle diejenigen Auslegungen sind, nach denen es um Jsrael fich weder hier noch in Kaki. B, 2ff. handeln soll. Was bei Sacharja dem Eigenthumsvolke Gottes verheißen wird, das kann sich darum, weil dasselbe seinen Messias zuerst im Unglauben verworfen hat, nicht in einer einzigen Erscheinung des Reiters auf weißem Pferde erfüllen, sondern es muß sich in zwei Erscheinungen auseinander legen; der Doppelbegriff des maschiaclpnagid in Dan. 9, 25 muß fich erst theilen (Dan.9, 26; Offenb. G, 2), bis er dann wieder zu einer Einheit fich zusammenschließt (Offenb.19, 11-—16). Dort nun hat der Erfcheinende in seinem Gefolge ein grausiges Heer: Krieg, Hunger und Tod; damit zieht er wider Jsrael selber aus, denn an diesem selber haftet die Macht der Finsterniß, von der es befreit werden muß, wenn es zum Genusse des Heils kommen soll. Hier dagegen hat er in seinem Gefolge die Berufenen und Auserwählten der Vorzeit und die Gläubigen der Jetztzeit, die aus dem seligen Jenseits mit ihm daherziehen; da kommt er, um sein gereinigtes und geheiligtes Israel, das er wieder im heiligen Lande und in Jerusalem beisammen hat (Kap. 14,1ff.), von der Weltmacht draußen, und zwar in ihrer furchtbarften und grauenhaftesten Gestaltung, mit dem Schwert seines Mundes zu befreien und es mit der himmlischen Gemeinde zu einer Einheit zusammen- zuschließen. Wie man übrigens die Parusie oder Er- scheinung Christi von seiner Zukunft zum Weltgericht noch weiter zu unterscheiden hat, darüber siehe das Nähere zu Kap. 19, 11 ff. 15. Und er snachdem er in V. 8——14 mir zunächst das Geheimnis; von dem Thier gesagt, nun wieder zu dem Weibe, das von jenein getragen ward» übergehend V. 7] sprach zu mir: Die Wasser, die du sgemäß dem, was ich in V. 1 dir zu zeigen versprach] gesehen hast, du die Hure sauf —- über denen sie als eine zweite BabelJ sitzet, sind Völker uiid Schiiareii und Heiden und Sprachen liiber welche fich ihr Herrschaftsgebiet als nach allen vier Weltgegendcn hin erstreckt Kap. 5, 9; 7, 9; 11, J; Luk. 13, 29]. Jn dem Gesicht V. 3—6 hat Johannes nicht das Weib über vielen Wassern, sondern auf dem Riicken des Thiers in einer Wüste sitzen sehen; aber schon bevor er dieses Gesicht sah, hatte der Engel mit ihm von dem Weibe, die an vielen Wassern sitzt, geredet — jetzt nun, wo der schließliche Fall Roms verkündigt werden soll, jetzt, wo mitgetheilt werden soll, wie die Reiche der Erde gegen Rom in Haß entbrennen, muf daran erinnert werden, wie Rom fich so lange Zeit ai ihnen versündigt habe. (Ebrard;) Gewaltige Kathos licität (Allüberallherrschaft) des Weibes! Vier ist sym- bolische Zahl zur Bezeichnung der Welt: die römische Kirche hat die ganze Welt umfaßt, aber indem sie fich von dieser wieder hat umfassen lassen, ist sie zum Babel geworden. Sie sitzt auf den vielen Wassern der Völker 2c., denn diefe sind die Grundlage ihrer Macht; aber gerade diese Macht des Weibes ist dem Thiere unerträglich, welches die Alleinherrschaft fiir fich in Anspruch nimmt. (S"teffann.) 16. Und die zehn Hörner, die dn fin V. Z] gesehen haft auf dem Thier fund die ich dir dann in V. 12 gedeutet habe] , die werden [indem die allgemeine Gunst, in welche Rom in der ersten Periode des Thiers wieder gekommen ist, so daß dieses sich zum Tragen derselben hergegeben hat, gar bald in eine desto ärgere Ungunst umschlägt] Das Gericht über Babel, ausgeführt durch die zehn Hörner des Thiers 133 die Hure hassen, und werden fdas Gericht an ihr in vier Stufen vollziehend] sie wüste [oder ver- einsatnt] machen [dadurch, daß sie nicht blos von ihr selber sich zuriickziehem sondern auch mit ihren Anhängern und Vorkämpfern aufräumen Kap. 18, 7], und [werden sie] blos) lmachen dadurch, daß sie dieselbe der allgemeinen Verachtung und dem Spotte preisgeben], und werden ihr Fleisch [genauer: ihre Fleischstlickd essen fdurch Aneig- nung ihrer Besitzthümey so daß Noth und Hunger ihr Theil wird 18, 8], und werden [schließlich, um auch ihrem letzten Dasein ein Ende zu machen] sie [die vordem für so viele Opfer ihrer Verfolgungssucht die Scheiterhaufen angezündet hat, in gerechter Vergeltung dafür] mit Feuer verbrennen. . 17. Denn Gott fnachdem es recht bei ihm ist, zu vergelten Trübsal denen, die feinen Kin- dern Trübsal anlegen 2, Thess 1, 6] hat es ihnen [wenn auch nicht durch seinen heil. Geist, so doch durch höhere Leitung ihrer Gedanken und Be- schlüsse g. Sain 24, 1 Anm·] gegeben in ihr Herz, zu thun seine Meinung [ohne es selber zu wissen, was sie eigentlich thun], und zu thun einerlei Meinung [wenn sie nun, nachdem sie die papistische Kirche vernichtet haben, deren Residenz zum Thronsitz des neuen Weltherrschers erheben], Und sbehufs Verwirllichung der beabsichtigten Uni- versalmonarchie V. 13] zu geben ihr Reich dem Thier [was freilich nur so lange von Erfolg sein wird], bis das; vollendet werden die Worte Got- tes [darin von der Vernichtuug Babels als der Hauptstadt des letzten Weltreichs die Rede ist Jes. 13. 14. 21 u.- 47; Jes. 50 u. 51]. 18. Und [um schließlich, nachdem ich dir so über das endliche Schicksal der Hure Aufschluß gegeben habe, nun auch eine kurze Deutung des Geheimnisses, um welches es sich seit V. 1 han- delte, dir zu geben] das Weib, das du ldort in der Wüste] gesehen hast IV. 3 sf.], ist die große Stadt, die lzu gegenwärtiger Zeit, wo du dies Gesicht empfangen] das Reich hat iiber die Kö- nige auf Erden fund damit an die Stelle des alten Babylon getreten ist, welches bereits zu einer Wüste geworden Jes. 21, l; Jer. 50, 38 ff.; darin liegt aber auch schon vorbedeutet, daß es selber, dies Rom, noch einmal verwüstet werden muß, damit die Weissagung ihr volles Recht be- halte V. 16; Sach. 5, 11]. Daß Rom, die an Babyloms Stelle getretene Weltherrfcherim nach dem Sturze des Papstthums werde die Hauptstadt des antichristischen Weltreichs werden, deutet unsere Stelle nur mittelbar und versteckter Weise an; es ergiebt sich aber deutlich aus denjenigen Stellen der alttestamentlichen Weisfagungen, welche, indem sie von Babel reden, den Antichrist und sein Reich im Auge haben. Die Ossenbarung St. Johannis läßt sich aus diesen Punkt nicht weiter ein, dagegen giebt sie, indem sie das .Weib als die große Stadt bezeichneh die zu ihrer Zeit das Reich hat über die Könige auf Erden, deutlich zu verstehen, daß Rom noch einmal der Sitz einer die Welt beherrschenden Kirche sein werde, und berechtigt vollständig zu der Auslegung, welche unter dem von ihr genannten Babylon, der großen (14,8; 16,19), das päpstliche Rom versteht. Jn den beiden Thieren Kap. 13, 1fs u. 11ff· stellt sich ein Widerspiel Christi und des heiligen Geistes auf; das Weib oder die Hure dagegen rontrastirt deutlich mit dem Weibe in Kap.12 und der Braut des Lammes in Kost. 19, 77 21,2.9., ebenso Babel, die große, mit der heiligen Stadt und dem neuen Jerusalem in Kap. 11, 2 u. 21, 2.10., und nun auch das Gebahren des Weibes in V. 4 mit dem Verhalten der Braut in Kap.19, 7 f. u. 21, 2. Rom, das für so lange Zeit eine große Rolle spielt in der Geschichte des Reiches Gottes, ist nicht der Weg zur Vollendung desselben, sondern zur schließlichen Ausgestaltung des Antichristenthumsz Rom will sich an- maßen, was Jerusalem verheißen ist, es wird aber zu- letzt die Residenz des als Priesterkbnig auftretenden Antichrist sein und in demselben auf ewig zu Grunde gehen. Die sieben Berge, auf denen Rom sich er- hebt, bemerkt Grau (der aber dasselbe nicht auf die römische Kirche deutet, sondern als die Weltstadt der Endzeit faßt), sind nicht etwas Zufälliges wie es nicht zufällig ist, daß Jerusalem nur einen Berg hat, nach dem es genannt werden darf, den Berg Zion; wie nämlich der Berg Zion den einzigen Fels bedeutet, auf den das geistliche Jerusalem sich stillst, Gott, den Vater Jesu Christi, so bilden jene sieben Berge Roms die Fülle und Mannigfaltigkeit aller Weltmtichte und Macht- mittel ab, durch welche Rom den Thron seiner Herr- schaft hergestellt hat. Das 18. Kapitel. You: Fall und Htrofe des outichtiltischen Reichs. VI. v.—1—24. war« in Lan. 14, 8 von dem mittleren der drei Engel für die zweite Reihe der Gesichte dieses mit hast. 10 beginnenden Theils der Offenbarung als das mittlere unter den drei hochwichtigen Greignifsen ihres Inhalts schon in einen bestimmten, prägnanten Zins-drum gefaßt worden war, das wird jetzt, weil es in dem, was in Kap.17,15——13 mitgetheilt ward, bereits als vollendete Thatfache vorliegt, als eine große, gewaltige Botschaft durth den vom hiuimel nlederfahrenden Engel, den wir seiner Bedeutung nakh schon trennen, vrrliiindign Babylon, die große, ist nun gefallen! (tl1.1—3.) Damit aber das her; des Jüngers Christi sieh nicht sorge und ängstige, ob nicht auch das volle, das der tJErr etwa in der Stadt noch bis zur Zeit dieser tliatastrophe gehabt hat, in dem Gericht mit verderbet worden sei, läßt eine andere Stimme suh vernehmen; et iß die, welche nn- mttlelbar bei Ausgestaltung tttoms zur großen Hure alle, die eo aufrichtig meinen mit ihrem Heiland, aber bisher noch von der falschen Herrlichkeit der Stadt sich haben blenden nnd gefangen halten lassen, aus ihr heranoruftz damit ihr ohne alle. Rücksicht bezahlt werden könne, wie sie eg verdient hat W. 4——8). Bei Jlusbrulh der Kata- Itrophe selbe: giebt es dann freilich viel Magens und heuleno bei den Erdbewohnerm den Königen nnd Kauf— leuten und Schiisfahrerm indem ße erst jetzt sitt) recht bewußt werden, wag ße an Rom gehabt nnd mit ihm 134 Offenb. Johannis 18, 1———5. verloren haben (d). 9—19), im Himmel dagegen desto mehr Freude W. Ah, und eine snmbolisehe Handlung des »sama« Engels zeigt, was für ein Gericht sieh eigentlich an der großen Stadt vollzieht w. 21), sein he— gleitendes Wort aber stellt Bade! in hellen Gegensatz zu Jerusalem und seine Schuld tn’s klarste Licht, so daß diese selber zeigt, was« unter nahe! in der Weissagung genteint gewesen Co. 22—24). 1. Und darnach [als der Engel des vorigen Kapitels seinen Unterricht von dem Weibe und dem sie tragenden Thiere und feinen Bericht von · der Verwüstung und Verbrennung des Weibes durch die zehn Hörner des Thieres geendigtj sahe ich einen andern foon den sieben Schalen-Engeln ebenso zu unterfcheidenden] Engel lwie der in Kuh. 10, 1 erscheinende Engel von den sieben Po- faunen-Engeln wohl unterfchieden werden mußte; es war nämlich, wie ich im Geiste sogleich er- kannte, ebenso wie dort der verherrlichte Christus selbst, der hier als Bote Gottes austrat, denn ich sahe ihn] niederfahren vom Himmel lwomit schon von Haus aus er sich zu erkennen gab als den, der er feiner Person nach war: Matth 28, 18], der hatte ssich nun auch als den ,,starken« Engel 5, L; 10, 1 in seiner ganzen äußeren Er: scheinung beweisend] eine große Macht, nnd die Erde ward sindem er herabstieg] erleuchtet von seiner Klarheit; Z. Und [er] schrie [als er feine Botschaft, deretwegen er kam, jetzt erfchallen ließ] ans Macht mit großer sweithin dröhnender 10, Z] Stimme, nnd fprach: Sie ist gefallen, sie ist gefallen, Babylon, die große [wie der Engel 14, 8 im Voraus verknndigt hat], und eine Behausung der Teufel worden, und ein Vehältniß aller unreinen Geister, und ein Vehältniß aller unreinen und feind- seligen Vögel [wie die Propheten des alten Testa- ments von ihr geweissagt haben Jef..13, 21 f.; 34, 11 u. 13; Jer. 50, 39; Zeph. L, 14 f.]. 3. Denn lum auch die Urfach solches ihres Falles und ihrer Verwüstung, die der Engel 14, 8 und die alttestamentliche Weissagung Jer. 51, 7 ff; Nah. 3, 4ff. ebenfalls schon angedeutet haben, nochmals zu bezeichnen] von dem Wein « des Zorns ihrer Hurerei svon dem Wein ihrer, den Zorn Gottes herausfordernden Hurerei — die Worte des Grundtextes können aber auch über- setzt werden: von dem Eifer-Wein ihrer Hurerei, den sie ihnen einfchenkte] haben alle Heiden getrunken; und die Könie auf Erden lvon ihr gereizt und angezogen] haben mit ihr Hurerei getrieben, und ihre Kaufleute lvon denen sie ihre Waaren bezog] find reich worden von ihrer großen Wollust finden: das, was sie zur Befriedigung ihrer Ueppigkeit brauchte, viel Ge- legenheit zu großem Verdienst im Handel darbot V. 11 ff.]. Der Ausdruck »rein-erfahren vom Himmel« bezeich- net gern ein thatsächliches göttliches Eingreifen, wie dort (1.Mof.11,5u.7) auch beim ersten Pudel, da sie den Thurm bauten, der HErr vom Himmel hernieder- fuhr. Die Zerstörer Babylons, das Thier und seine Machthabey sind nur Werkzeuge der durch den nieder- fahrenden Engel dargestellten höheren Macht, nur die Vollstrecker des göttlichen Urtheilsspruchss Darum hat auch dieser Engel «große Macht«; denn solcher bedarf es, um das Papstthum, diesen zähesten Widersacher des Reiches Gottes, eben da er auf dem Gipfel feiner Herr- lichkeit steht, zu stürzen· Von seiner Klarheit aber ist die Erde erleuchtet; denn das Gericht über Babylon ist für alle, die Zeugen desselben sind, eine Offenbarung der Klarheit Gottes, seiner Heiligkeit, Wahrheit und Macht. (Kemmler.) Jn Betreff des Schickfals, das Babel erfährt, steigert sich die prophetische Typik zur graueuhaftesten Ausdrucksweife Die Stadt, die eine Wohnung, eine Hütte Gottes bei den Menschen, die Gemeinde der Heiligen zu werden berufen war, ist in das greuliche Widerfpiel verkehrt, zu einer Behausung dämonifcher Mächte, aller unreinen Geister und un- reinen verabfcheuten Vögel geworden. Die -da halten über dem Nichtigem verlassen ihre Gnade (Jon.2, 9): dies ist das Gesetz des himmlischen Kirchenrechts; um wie viel mehr wird sich dies Gesetz des heiligen Haus- haltes Gottes an der Kirche selbst vollstrecken, der die wefenhaften Geheimnisse Gottes, die heiligende Gnade und Wahrheit zur Errettung der Seelen aus dem Nich- tigen anvertraut war, und die statt dessen unter dem Heuchelfchein einer falschen Heiligkeit dem unhetligen Geist der Welt gefröhnt, die Weltgier nach Reichthum und Lebensgenuß, die Prunksuchh das ehrgeizige Ge- lüften nach der Weltherrfchaft, die Entfremdung vom Worte Gottes und vom Leben mit Christo in Gott und den Fanatismus wider die ächten Zeugen Jesu, die aus dem Geiste Geborenen, mit allen Kiinsteu gepflegt und shftematisch betrieben hat, bis der ganze Leib des Christs, die Christenheit, durch alle Gliedmaßen von diesem unheiligen Geiste inficirt und von diesem falschen widerchristischen Ehristenthum, gerade als wäre es das ächte, alleinfeligmachende, verführt und verzaubert war. (Sabel.) Für das Urtheil völliger Zerstörung, das über Rom ergeht, giebt der Engel drei Gründe an: 1) haben von dem Eiferwein ihrer Hurerei alle Völker getrunken. Jhre Hurerei wird hier mit dem eigentlichen Ausdruck ,,Eiferwein« bezeichnet, da sie den Völkern nicht blos im Allgemeinen die Nüchternheit des Urlheils und Cha- rakters raubt, sondern fie auch sehr eifrig macht, theils in Beobachtung römischer Satzungen und Gebrauche, sofern sie darin ihre Seligkeit zu suchen gelehret wer- den, theils in wegwerfendem Fanatismus gegen Anders- denkende, vor allem gegen die Bekenner der Wahrheit. Und wie die Völker vom Eiferwein ihrer Hurerei ge- trunken, so haben L) die Könige der Erde mit ihr Hurerei getrieben. Das Buhlen der Erdenmächte besonders der Mächte Europas mit dem Papstthum ist geschichtliche Thatfache seit alten Zeiten; Fürsten von irdischem Sinn und Urtheil, ohnehin so leicht geblendet durch denfie umgebenden irdischen Glanz, haben ein natürliches Vor- Urtheil für die Kirche Roms, für den fchimmernden Prunk ihrer Erscheinung, für das stattliche Gebäude der in die dreifache »Krone auslaufenden Hierarchie, das ihnen so geeignet dünkt, ihre eigenen Throne daran zu befestigen, und Roms Gunstbezeugungen haben noch zu jeder Zeit ihren Zauber gehabt. Vom Papste die Krö- Grund des Gottesurtheils über Babel. Rettung des Volks des, HErrn noch vor ihrem Fall. 135 nung oder glänzende Titel zu erhalten, bei persönlicher Begegnung oder in Zuschriften schmeichelnd von ihm begrüßt zu werden, die goldene Rose oder eine kostbar gefaßte Reliquie oder deß etwas unter ihre Kleinodien zu zählen, war der Ehrgeiz schon vieler Fürsten; wie es auch schon oft der Leitsterii ihrer politifchen Weis- heit war, durch Einverständniß oder Bündniß mit Rom den wirklichen oder vermeintlichen Einfluß desselben zur Befestigung oder Erweiterung der eigenen Herr- schaft zu benutzen. Was für ein Wetteifer um die Gunst Roms wird erst anheben, wenn dieses durch seinen Bund mit dem Thier (Kap. 17, 1——5) noch ein- mal den Gipfel feiner Macht und Herrlichkeit erreichen wird! Der Grund des Gottesurtheils über Babylon liegt endlich Z) darin, daß die Kaufleute der Erde (Luther befolgt hier eine andere Lesart) reich geworden sind von ihrer großen Ueppigkeit Um Fürsten und Völker durch den Zauber irdischer Herrlichkeit und sinn- licher Geniisse zu fesseln, um den Prunk seiner Gottes- häuser und Gottesdienste zu bestreiten, um seiner zahl- reichen Welt- und Klostergeistlichkeit eine reichliche Existenz zu sichern, hat Rom den Jndustriellen und Kaufleuten schon viel zu lösen gegeben, und seine be- deutenden Güter wie die fürstlichen Einkünfte vieler seiner Würdenträger und seiner geistlichen Genossen- fchaften sind eine unerschöpfliche Erwerbsquelle für die- selben, ohne daß sie von diesen Reichthümern der Kirche Concurrenz zu befürchten hätten; denn Rom consumirt wohl, aber es producirt nicht. Aber auch Rom als Stadt möchte in seiner letzten Entwickelung, wenn es etwa die. Hauptstadt des die Hure tragenden Thieres, des letzten großen Weltreiches geworden ist, alle Aus- sicht haben, ähnlich dem alten Rom der Kaiserzeit, wieder zu einer höchst bedeutenden Handelsstadt anzu- wachsen, auf welche unsere Stelle noch besondere An- wendung finden würde. (Kemmler.) Darauf, daß die Regierenden nicht Christum über alle Dinges gefürchtet und geliebt und auf ihn vertraut haben, und darauf, daß die Völker mit ihrem Herzen am Weltgetriebe, am Luxus, an der Weltsörmigkeit hingen, beruhte für Babel die Möglichkeit, alle Völker zu tränken mit dem Eifer- wein ihrer Hurererei; und demgemäß hat es dann fort und fort planmäßig, je mehr und mehr, die Könige zur Hurerei. die Völker mit ihrer Weltförmigkeih Welt- seligkeit und Mammonverlorenheit zu verführen und darein zu versenken gesucht. (Ebrard.) 4. Und ich lmit meinen Gedanken jetzt wieder in eine etwas frühere Zeit zurückversetzt, mit welcher es schon der Anfang des 1-7. Kap. zu thun hatte] hörete lindem der Engel V. 1 nun verschwunden war] eine andere Stimme vom Him- mel lals die Stimme Gottes selber, wie in Kap. 1s0, 3], die sprach [erinuernd, daß nun abermals eine Zeit gekommen sei, für welche das Wort in Jer 51, e. 45 u· Sach. g, e» f. gette]: Gehet aus von ihr sder gerichtsreifgewordenen Babel], mein Volk, daß ihr nicht theilhaftig werdet ihrer Sünden fwenn sie jetzt deren Maß erfüllet], auf daß Ihr nicht [falls ihr noch bei ihr erfunden würdet auch an dem Tage V. 8] empfnhet etwas von ihren Plagen. 5. Denn ihre Sünden rejchen [in dem, wo- hin es mit ihr gekommen] bis in den Himmel fJer 51, 9; Esra 9, 6], and Gott denkt herzt, wie in Kap. IS, 19 schon angezeigt worden] an ihren Frevel fihr zur Strafe dafür zu geben den Kelch des Weins von seinem grimmigen Zorn]. Der Standpunkt ist hier ein etwas anderer, wie in V. 1—3, und die Vision des aus dem Himmel herab- steigenden Christus jetzt als voriibergegaiigen zu be- trachten: dort hat das Gewitter sich schon entladen, hier steht es drohend am Himmel. (Hengstenberg.) Logisch versteht es sich von selbst, daß die Mahnung nur vor dem Fall einen Sinn hat; es ist also hier in der Vision weissagend vorgebildet ein Geistesruf, der noch vor Babels Fall irgendwie an die Kinder Gottes ergeht, in Folge dessen diese nicht nur, wo und was Babel sei, sondern auch daß es Pflicht geworden, förmlich mit ihr zu brechen, erkennen werden. (Ebrard.) Da die Stimme vom Himmel: ,,.mein Volk« sagt, so ist es des HErrn Stimme selbst; denn kein Engel noch Engelfürst, noch einer der Knechte Gottes kann und darf sich so ausdrücken. Er wird denn feine Getreuen auf eine gewiß für sie vernehmbare und unzweideutige Weise, bevor die Katastrophe über Babel hereinbrechen wird, von ihr ausgehen heißen; er wird diesen Befehl niemand sonst anvertrauen, sondern wenn irgend wann, so zu dieser Frist, unmittelbar selbst bezeugen, was sie thun und wohin sie sich wenden sollen. Einen ana- logen Vorgang haben wir an der Flucht der Christen ans Jerusalem unmittelbar vor dessen Zerstörung; als die Zeit gekommen, davon Christus in Pkatth.24,15f. geredet, da ging durch die Gemeinschaft der Gläubigen die Stimme: ,,gehet aus von ihr, mein Volkl« vom Geiste bezeugt, und sie zogen alle aus nach Pella, keiner war zurückgeblieben, der HErr hatte in seiner Für- sorge aller gedacht, deren Namen in seinem Lebens- buche geschrieben standen. (Sabel.) » Dieses Ausgehen hat auf Seiten Gottes ein gnädiges Ausführen zum Grunde; es geschieht l) mit dem Herzen durch rechten Glauben und Erkenntniß der Wahrheit und Haß der falschen Lehre; 2) mit dem Munde durch öfsentliches Bekenntniß der Wahrheit und Widersprechung der Jrr- thümer; Z) mit dem Leibe durch Wegziehen von den Oertern, darin Babel seinen Thron hat. (Starke.) Jst die Zeit erst vorhanden, dann werden sich schon alle, in Babel verborgenen Glieder der wahren Kirche zu- sammenfinden: wer möchte alsdann auch nur in äußer- licher Gemeinschaft mit einer Kirche stehen, deren Sün- den zu der Zeit bis an den Himmel reichen und deren Frevel Gott nun gedenkt? (Steffann.) Jnsbesondere noch in dieser Endperiode des Papstthums wird wohl sein wahrer Charakter, sein Abfall von dem einigen Heil in Christo in so deutlichen Thatsachen, vor allem in dem Bunde mit dem Thier, hervortreten, daß allen, die noch aus der Wahrheit sind, die Augen ausgehen müssen. (Kemmler.) Das ist die Schuld aller gläu- bigen Katholiken, daß sie, indem sie sich nicht direkt von dem Papstthum lossagen, durch Gemeinschaft mit demselben sich auch seiner Sünden mit theilhaftig machen; sie buhlen mit Rom, und wenn sie das nicht fahren lassen, werden sie mit umkommen. Der HErr wird ihnen aber zu seiner Zeit durch seinen Geistesruf die Augen öffnen, und werden ausgehen müssen. (Gräber.) Was die Vermählung des Weibes mit dem Thiere betrifft, so ist es merkwürdig, wie die Ausgeburt beider eine und dieselbe Jahreszahl aufweist, wenn auch die des Weibes erst soviel Jahre nach Christo geschehen ist, als die des Thieres vor Christo. Die Weltmacht hat nach dem, was zu Dan. L, 38 bemerkt wurde, ihr Geburtsjahr in der Schlacht bei Circesium im J. 606 v. Chr. (2. Kön. 24, 1 Anm.1), das Papstthum aber 136 Offenb Johannis 18, 6———13. hat es in dem J. 606 n. Chr., als Papst Bonifacius IIl. von dem Kronräuber und Mörder Phokas, dem schon Gregor der Große zu seiner Thronbesteigung in ver- meintlich kirchlichem Jnteresse Glück gewünscht hatte, die Anerkennung erhielt, daß der apostolische Stuhl zu Rom das Oberhaupt aller Kirchen sei; wie derselbe fchon früher als Gesandter in Rom die Freundschaft dieses Kaisers sich zu erwerben gewußt, so setzte er auch hernach als Papst seine Schmeicheleien gegen ihn fort, und ward nun dafür mit jener Gegenschmeichelei ihm gelohnt. Das ist vorbedeutend für die Endzeit 6. Vezahlet sie [ihr, mein Volk], wie sie euch bezahlet soder behandelt] hat, und macht? ihr zwiefältig nach ihren Werken swie sie mit ihren Werken gedoppelt, doppelte Bosheit darin aus- geprägt hat Jer. 50, 21., so doppelt nun auch mit der Strafe und Zlichtigung dafür, indem ihr vollauf Jes 40, 2; Jer. 16, 18; 17, 18 sie büßen lasset]; nnd mit welchem Kelch sie euch emgescheuket hat, schenket ihr zwiefiilttg ern [ge- nauer: in dem Becher, worin sie euch den Eiserwein ihrer Hurerei zu einem doppelt starken Getränk gemischt hat V. 3 u. Kap. 14, 8., mischet ihr Doppeltes von dem Wein des Zornes Gottes 14, 10]. 7. Wie viel sie sich herrlich gemacht sals wäre sie selber das A und O, das Ein und Alles im Reiche Gottes hier auf Erden und »der Felsen, der, von Ketzerei umwogt, fortwährend aufrecht steht und feinen Gipfel zum hohen Him- mel erhebt«] und ihren Mnthwillen sdurch uppiges und ausschweifendes Gebahren als »die unbezwing- liche Feste der heiligen, allgemeinen, unsehlbaren Kirche« auf eure Kosten] gehabt hat, soviel schenket ihr Qual und Leid ein sdaß es ein Ende mit ihr nehme mit Schrecken und sie Nichts mehr sei]. Denn sie spricht in ihrem Herzen [Jes. 47, 8]: Ich sitze und bin eine Königin [throne als eine Königin auf festem und unerschütterlichem Stuhl] und werde keine Wittwe sein sdaß ich je um den Verlust meines Mannes zu trauern hätte], nnd Leid süber den Verlust der mir zugehörigen Kin- der] werde ich nicht sehen. s. Darum ldamit solcher ihr Selbstruhm und ihre thörichte Meinung in recht beschämender Weise zu Schanden werde] werden ihre Plagen [die ihr fchon bestimmt sind in dem, was die zehn Hörner des Thieres ihr anthun sollen Kap. 17, 16 f.] auf Girren Tag kommen [Jes. 47, 9], der Tod [da man ihr Fleisch«isset], Leid [da man sie bloß] nnd Hunger [da man sie wüste machet]; mit Feuer wird sie verbrannt werden: Denn stark ist Gott der HErr [Kap.1,8; Amos 5, 27], der sie rich- ten tvird fund ihr, die sich »die Starke« — Roma — nennt, ihr Urtheil allbereits gefällt hat, das er dann auch gewißlich ausführt]. Die Worte des. Befehls in V. 6 f. als an die zehn Könige (17, 16 f.) gerichtet zu betrachten, wie die Aus- leger meist wollen, ist fchon darum nicht gut möglich, weil unmittelbar vorher (V. 4 f.) ein Befehl voraus- gegangen ist, der an bestimmte, ganz andere Personen sich richtete, und nun durch nichts angedeutet wird, daß nicht auch diesen der weitere Befehl gelten solle; an jene Könige aber kann man um so weniger denken, als sie in dem mit unserm Kapitel neu beginnenden Ge- ficht noch gar nicht vorgekommen sind. Die Ausleger sind auf diese Beziehung nur gekommen, weil die, die vorhin als Gottes Volk bezeichnet worden, ja über- haupt nicht die Gerichtsvollstrecker sein könnten, viel- mehr »dem HErrn sein Volk zum Scharsrichterdienst zu gut sei«, und weil insbesondere ein RachkNehmen, zumal ein solches, welches mit doppeltem Maße ver- gilt, diesem Volke durchans nicht anstehen würde, es ihm also am allerwenigsten von Gott selber anbefohlen werden könne. Der letztere Einwand nun widerlegt sich alsbald durch das, was wir in Kap. s, 10 von den Seelen unter dem Altar gelesen, die um Gericht und Rache schreien für ihr Blut und da keineswegs getadelh sondern nur auf spätere Zeit vertröstet werden; in Beziehung auf den ersteren aber ist zu sagen, daß allerdings ihren Arm und ihre Faust die Kinder Gottes nicht dazu hergeben sollen, um Scharfrichterdienst zu ver- richten, Arm und Faust müssen im vorliegenden Falle die zehn Könige hergeben, und deren Haß gegen die Hure wird Arm und Faust mit teuflischer Wuth waffnen, daß ihr Wüstemachen und Verbrennen in grauenhafter Weise sich vollzieht. Jndessen sollen diese damit im letzten Grunde doch nicht eigentlich ihrem eigenen Haß dienen und ein tenflisches Werk vollbringety so daß der Hure noch der Ruhm einer Art Märthrerleidens bliebe und ihr Schicksal in irgend welcher Verwandt- schaft stünde mit »dem Kreuz, das die Kirche als Nach- folgerin ihres HErrn zu tragen hat; sondern ohne es zu wissen und zu wollen, vollbringen jene ein göttliches Werk, und auch das Aergste, was sie thun und das wie ein Doppeltes oder ein Uebermaß erscheint, ist doch, als an Stelle des Volkes Gottes gethan, nur die entsprechende Vergeltung fiir das Doppelte oder das Uebermaß, das die Hure dem Volke Gottes von jeher angethan hat mit ihren Werken, die sie gegen dasselbe ausgeübt (Matth. 7, 2). Und zu diesen Werken gehört nicht blos die Verfolgung solcher, die vordem um des wahren Glaubens willen wider die Hure Zeugnis; ab- gelegt und von ihrer Gemeinschaft sich so losgesagt haben (17, 6), sondern auch die Bethörung und Ver- strickung und Gefangenhaltung so vieler tausend auf- richtig gesinnter Seelen, die sie in all den Jahrhunder- ten ihrer Herrschaft auf salsche Bahnen geleitet und das in ihnen, was dem HErrn dienen sollte und wollte, in ihren eigenen Dienst hineingezogen hat; auf letzteres ist mit dem »eingeschenkten Kelche« Bezug genommen. Hiernach ist die Lesart, welcher Luther in V. 6 folgt, da er sowohl vor ,,bezahlet hat« als vor ,,eingeschenket hat« noch ein ,,euch« seht, das in den meisten Hand- schriften des Grundtextes fehlt, ohne alles Bedenken; im Gegentheil scheint dies die richtigere Lesart und das Wort nur darum weggelassen worden zu sein, weil die Abschreiber mit denselben Voraussetzungen sich trugen, wie die Ausleger der Gegenwart, als ob der Befehl an die zehn Könige sich richte, in welchem Falle das ,,euch« allerdings nicht zulässig wäre. Die Vergleichung der Stelle: Jer. 50, 29 trifft hier nicht recht zu; denn dort richtet sich Gottes Wort in erster Linie an die Ver- störer des wirklichen geschichtlichen Babel, und diese waren noch selbst Gottes erwählte Werkzeuge zur Er- lösung seines Volks und dessen berufene Stellvertreter, Die ihr widerfahrende Bezahlung nach dem sie es verdient hat. 137 die zehn Könige in Kap. 17 unsers Buches hingegen sind die Hörner des Thiers und haben zu dem Volke Gottes gar keine Beziehung. Dieses ist vielmehr durch den HErrn selbst bereits befreiet von der Macht und Gemeinschaft der Hure, und wenn von einem Bezahlen und Vergelten in Gottes Auftrag die Rede sein soll, so hat die Ehre hiervon ausschließlich und allein des HErrn Volk, während die Könige für ihre Person nur dem Thiere dienen; hier also darf das ,,euch« dem Sachverhältniß gemäß gar nicht fehlen, und deckt nun unsre Stelle sich mit dem, was in Pf. 58, 11 f. gesagt wird. Es wird nämlich dargelegt, was die Kinder Gottes für einen Antheil nehmen an Babylons Falle (vgl. V. 20), während in V. 9—19 der Antheil der Kinder dieser Welt nach Maßgabe der Gedanken und Bestre- bungen, der Symvathieen und Interessen ihres Herzens dargestellt ist. Jn der Hauptsache richtig äußert sich Kemmler über das Verständniß der Worte in V. 6 u. 7 a, wenn er auch das Befehlswort selbst als an das Thier und seinen Anhang gerichtet betrachtet: ,,Wiedervergeltung üben soll das Volk Gottes dadurch, daß es die ihm von Rom widerfahrenen Unbilden, die Werke Roms, in ihrer wahren Beschaffenheit auf- deckt und damit sein Endschicksal als ein gerechtes hinstellt vor aller Welt. Rom soll in seinen letzten Drangsalen nicht einmal den eingebildeten Trost haben, ein Martyrium zu erleiden, wie es sich dessen früher oft bei eigener Verschuldung getröstet hat; sondern das Volk Gottes soll durch Offenbarung der Wahrheit dazu beitragen, daß diese Drangsale vor aller Welt als ge- rechte Wiedervergeltung, als Strafgericht über die von ihm selbst geübte Verfolgung erscheinen. Und hat Rom den Knechten Gottes reichlich den bitteren Kelch der Schmähung eingeschenkt, hat es sie besonders damit be- trübt, daß es die Wahrheit als Jrrlehre und ihre Be- kenner als Ketzer verurtheilt hat, so werden sie nun durch offenes, rückhaltloses Ausdecken des römischen Ab- salls darthun, daß Rom dessen zwiefach schuldig ist, wessen es Andere anklagt« Auf Rom aber unsere Stelle zu deuten, dazu sieht schließlich auch Steffann bei 7b u. 8 fich genöthigt, so sehr er auch an fich ge- neigt ist, auch andere kirchliche Gestaltungen in die Ge- chichte von Babel mit hineinzuziehen Siehe da — so chreibt er — diese hochmüthige Sicherheit, die in dem Worte V. 7b sich ansspricht, ein treffendes Conterfei der römischen Kirchel Man könnte diese Sicherheit großartig nennen, wenn sie nicht ein so schauerliches Zeugnis; von der tiefen Verblendung abgäbe, in der jene Kirche gefangen liegt. Das geben die wahren Glieder der Kirche der Reformation willig zu, daß die Kirche in ihrer geschichtlichen Entwickelung seit den Tagen der Apostel fich irren kann, und fliehen darum, wo sie geirrt und gesündigt haben, in schmerzlicher Buße zu dem HErrn, der ihnen das lautere und gewisse Wort Gottes gegeben hat, diese Leuchte ihrer Füße und das Licht auf ihrem Wege; die oben genannte Kirche da- gegen kennt für die Kirche das Wort Buße eben so wenig, wie für ihre Concil- (und Papst-) Beschlüsse das Wort Jrrthum. ,,Jch sitze als eine Königin und bin keine Wittwe« —- das ist ihr stolzes Selbst- zeugniß schon seit lange. Ja, sie ist eine Königin, sie hat seit ihrem Gregor VII. in ihren Urbanen, Juno- cenzen und Bonifaze’n ihren Fuß auf den Nacken von Kaisern und Königen gesetzt; sie hat sich herrlich ge- macht und ist üppig gewesen, und hat den Königen und Völkern ihre Ergebenheit gegen sie mit dem Trank ihres Taumelbechers vergolten, mit salscher Lehre, be- flecktem Cultus, ins Heidenthum zurückgesunkener Wissen- schaft, hat noch in unsern Tagen durch die schriftwidrige Stellung, die sie der Mutter des HErrn, der heil. Jungfrau gegeben, zu dem alten Jrrthum einen neuen gefügt; nun wohlan, wenn ihr Maß voll geworden ist, wenn sie die Gestalt wird erfüllt haben, in der der heil. Johannes sie hier siehet, dann wird fich auch erfüllen, was die Stimme vom Himmel hier geredet hat. 9. 11nd es werden sie [wenn nun geschehen ist, was als Endgericht ihrer wartet] beweinen Und fiel) über sie [als einen schweren, unersetzlichen Verlust, den sie mit ihrem Untergang erlitten] beklagen die Könige auf Erden [V. 2., vgl. Hes 26, 16 H, die mit ihr gehnret und Muthwillen getrieben swörtlichx gestrotzet, d. i. an ihrer Ueppigkeit Theil genommen und von der darin liegenden scheinbaren Kraft Gebrauch gemacht] haben, wenn sie sehen werden den Rauch non ihrem Vrande [V. 8]; 10. Und werden von ferne stehen sals solche, die ihr doch nicht helfen können, und zugleich] vor Furcht ihrer Qual sindem sie wohl merken, daß sie, wie einen Antheil an der Schuld, welche die- selbe verwirkt hat, so auch im letzten Gericht 20, 15 ihren Antheil an der Qual selber haben] und sprechen: Wehe, wehe, die große Stadt Babylon, die starke Stadt; auf Eine Stunde ist dein Ge- richt [in dem Brande, der dich verzehret] kommen. 11. Und die Kaufleute auf Erden [vgl. Hei. 27,12 ff.] werden weinen nnd Leid tragen bei sich selbst, das) ihre Waare niemand mehr kaufen wird, 12. Die Woure lvon vier Artikeln harter Gegenstände zum Prunk und Schmuck, nämlich] des Goldes und Silbers und Edelgesteins nnd Perlen, nnd [ebenso von vier Artikeln in weichen Prachtstosfem nämlich köstliche Leinwand und] Seiden und Purpur und Scharlach, und svon je drei und drei Artikeln der Möbel und Ge- räthexj allerlei Thinenholz [von der Thyia oder Thya, einem wohlriechendem immergrünen, der Cypresse ähnlichen Baum in Afrika, herkoinmend] und allerlei Gefäß von Elfenbein [1. Kot» 10, 18 Anm.] und allerlei Gefäß von kostlichem Holz sals Cedern- und Cypressenholzh und von Erz nnd von Eisen und von Marmor, 13. Und [wieder von vier Artikeln der Spe- cerei, nämlich] Cinnamel [d. i. Zimmt — nach dem Lateinischen und Griechischen: cjnumum, cinnamomum 2. Mos. 30, 23 Anm.] Und This- mian [anderes Räucherwerk] und Sollten Und Weihranklh Und svon je drei und drei Artikeln der Nahrungsstoffed Wein nnd Oel nnd Sem- mein, nnd Weizen und Vieh nnd Schafe, und sweiter von zwei Artikeln der Beförderungs- mitten] Pferde nnd Wagen, und sendlich von zwei Artikeln des Sklavendienstes:] Leichname snaih jetzigen Sprachgebrauch: Leiber Weish 9, 15 Anm.] und Seelen der Menschen. 138 Ossenb. Johannis 18, 14—19. 14. Und sso ruft hier, unmittelbar an Babel sich wendend, die Stimme vom Himmel. V.4 zum Abschluß dieser Aufzählung in dieselbe hinein] das Obst, da deine Seele Lust an hatte sals an einer großen Leckerei], ist von dir gewichen; nnd ones, was völlig und herrlich war sum ebenfalls» als leckere Speise zu dienen], ist von dir gewichen; und du wirst solches nicht mehr finden. 15. Die Kaufleute solcher Waare swie in V. 12 ff. genanni], die von ihr sind reich wor- den, werden von ferne stehen vor Furcht ihrer Qual, weinen und klagen, » 16. lind sagen: Wehe, wehe, die große Stadt, die bekleidet war mit Seideii nnd Purpur und Scharlach, iiiid iibergiildet war mit Golde und Edelgestein und Perlen [Kap. 17, 4]! · 1·7. [Wie übel ist’s ihr doch ergangenl] Denn in Einer Stunde ist verwiistet solcher Reichthun»i. — Uiid alle Schiffherren uiid der Haufe, die auf den Schiffen handthieren snach anderer Les: art: und alle, die an einen Ort schiffen, regelmäßige Fahrten in gewisse Länder betreiben Apostg 27, 2], nnd Schiffleute [überhaupt, sammt allen], die auf dem Meer handthieren sfnr welche das Meer das Gebiet ihrer Berufsthätigkeit und die Quelle ihres Erwerbes ists, stunden von ferne [vgl. Hes 27, 29 ff.]; · 18. Und schrieen, da sie den Rauch von ihrem zBmnde sahen [V. 9], nnd sprachen: Wer ist gleich der großen Stadt sihrer Größe kommt keine andere nach ihr wieder gleich; daher eben ihr Untergang so schmerzlich zu beklagen ist]? 19. Und sie szum äußeren Zeichen ihrer tiefen Trauer] warfen Staub ans ihre Häupter nnd schrieeii, weineten und klagten, nnd sprachen: Wehe, wehe, die große Stadt, in welcher reich worden sind alle, die da Schiffe im Meer hatten, von ihrer Waarez denn in Einer Stunde ist sie verwiistet [V. s; 17, 16]. Den Königen auf Erden (V.9) stehen zur Seite die Kaufleute auf Erden (V·11), dazu kommen dann die, die mit dem Meer zu thun haben (V. 17); den gemeinsamen Gegensatz gegen sie alle aber bildet im folgenden Abschnitt (V. 20) der Himmel mit sei- nen Bewohnern, denn dieser frohlockt, während Erde und Meer wehklagen. Bei allen dreien, den Königen den Kaufleuten und den Schiffern, wird erwähnt, daß sie von ferne gestanden haben (V. 10. 15 u. 17), bei allen dreien beginnt die Klage mit den Worten: wehe, wehe, die große Stadt! und schließt mit den Worten: in Einer Stunde! (V. 10. 16 f. u.19); dieses Gemeinsame verhütet das Auseinanderfallen der ein- zelnen Schilderungen und bezeichnet sie als zu Einem Ganzen gehörig. — Was nun zunächst die Könige be- trifft, so sind solche in dem jetzigen Sinne des Worts als von Gott verordnete und erbliche Regenten zu der Zeit, in welcher Babels Fall geschieht, nicht mehr vor- handen, sondern die in Kap. 17, 12 unter dem Bilde der zehn Hörner des Thiers gemeinten Gewaltherrscher sind dann schon auf dem Plan; und da diese nach Kap.17, 16 die Hure hassen und sie vernichtem also unter den sie beiveinenden und beklagenden Königen nicht verstanden werden können, so findet hier eine ähnliche Klage aus ihrem, der schon Abgethanem Herzen heraus und in ihrem Sinne statt, wie wenn es in Jer- 31, 15 u. Matth. L, 17 f. von Rahel Wißt, sie beweine ihre Kinder — im Gesicht steigen gleichsam ihre Schatten aus der Erde empor, stehen gespensterhaft von ferne und bekunden ihre Theilnahme, wie solches hernach auch von den Kaufleuten und Schiffsleuten gilt, unter ioelchen nicht die im Leben noch wirklich vor- handenen, sondern alle zumal gemeint sind, die je und je ihr irdisches Interesse und ihre auf den Weltsinn der Christen berechneten Speculationen durch Rom ge- fördert sahen. Sie, die Könige, haben das römische Kirchenthum, solange es in vollem Flor stand, genug- sam im Dienste ihrer Politik ausgebeutet, und nun wiederum ihm zu Gefallen die rechte, wahre Kirche verfolgt und unterdrückt, oder sie doch uicht zu dem ihr gebührenden Einfluß kommen lassen; auf die Hebung und Förderung des wahren Glaubens, auf die Ans- breitung eines herzerneuernden und das Leben wirklich heiligenden Geistes haben selbst protestantische Fürsten oft viel weniger Gewicht gelegt, als auf die Gunst der ,,großen Stadt Babylon, der starken Stadt-«, und ihr die Wege in ihre Länder gebahnt, daß sie auch da wieder sich herrlich mache und ihren Muthwillen habe, wo doch in heißem Kampfe und mit schweren Opfern die Freiheit des Evangeliums errungen worden war. Wie ganz anders würde doch die Kirchen- und Welt- gefchichte sich gestaltet haben, wenn die Könige auf Erden nicht mit Babylon »gehuret« hätten und mit ihr hätten »strotzen« wollen! Jst doch selbst dasjenige Fürstenhaus das solange die Psleger und Säugammen für die evangelische Kirche gestellt hat, lediglich aus solchem ,,Muthwillen« in den Schooß jener andern Kirche zurückgelauseni Wir allegorisiren nicht, indem wir unsern Text so auslegen; wir führen nur Einiges an, was die Allegorieen der Gesichte des Johannes verständlich macht und das Wort der von ihm em- pfangenen Offenbarung als ein festes prophetisches er- härter. — Was sodann die Kaufleute betrifft, so sind die von ihnen auf den großen Weltmarkt gebrachten und dort zur Schau gestellten Waaren auf die feinsten Bedürfnisse und Comsorts, aus die höchste Pracht- und Prunksucht berechnet und begreifen alles in sich, worin sich die Herrlichkeit des Menschen, welche wie des Grases Blume vergeht, die Kraft und Kunst des menschlichen Erfindungsgeistes, sein Fleiß und seine Betriebsamkeit in Ausbeutung der Erde und Anbau des zeitlichen Lebens auf’s Großartigste kund thut. Sie sind in 7 Klassen zu theilen; 1) Kleinodien und Pretiosen, Z) Kleiderstofse, Z) PrunkmöbeL 4) Spezereien, 5)- Le- bensmittel, 6) Wirthschaftsgegenstände, 7) Sklaven. Die Darstellung ist so gehalten, daß man sieht, wenn Baby- lon nun nicht mehr da ist, auch niemand mehr sich findet, der die Waaren kauft· Wie aber soll das auf Rom sich beziehen? ist denn die Papstkirche die Consumentin aller dieser Produkte und Fabrikate? Das nun aller- dings nicht, sondern der Weltsinn und die Sucht des raffinirten Lebensgenusses ist es, wobei allein eine Nachfrage nach allen diesen Handelsartikeln vor- handen ist; bei Sitteneinsalt und Genügsamkeit, bei einer Volksbildung, welcher der Stempel ausgeprägt ist: »Unser Wandel ist im Himmel, die Welt vergehet mit ihrer Lust«, würden sie in Masse vom Markte des Lebens verschwinden oder überhaupt nicht erst beschafst worden sein. Nun haben wir bereits am Schluß der Wehklage der Erdbewohner über ihren Untergang. 139 Bemerkung zu Hes. 27, 12—25 darauf aufmerksam ge- macht, wie die päpstliche Kirche durch ihre Weltliebe auch das Weltwesen zum höchsten Gut, zum Götzen der Völker erhoben hat; gerade dadurch, daß sie aus Welt- entsagung, Himmelssinn und Beten ohne Unterlaß ein lohuendes Geschäft einzelner Orden und Personen macht, die Andern die darin liegende vermeintliche Last abnehmen können, damit diese dann ohne Beschwerung des Gewissens, ja mit dem Bewußtsein des vollen Rechts dazu, der Augenlush Fleischeslust und dem hof- färtigen Leben sich desto rückhaltloser hingeben, hat sie es zuwege gebracht, daß der Mammons- und Fleisches- dienst die Christenheit wie ein moralischer Typhus er- griffen hat, gegen den alle Heilmittel vergeblich sind, und ist nun gleich nicht Rom selber, das in politischer nnd merkantiler Hinsicht keine Rolle mehr spielt, der Erzengungs- und Verkaufsort aller Modewaaren in der Welt, so ist es doch das älteste und bevorzugteste Kind Roms -— Frankreich mit seiner Hauptstadt, dieses Land, das sich riihmt, an der Spitze der Civilisation zu mar- schiren, und bei dessen Niederlage, die es in den letzten Jahren durch Deutschland erlitten, sich vorbildlicher Weise schon erfüllt hat, daß die Kaufleute auf Erden weineten und Leid trugen und ausriefen: Wehe, wehe, die große Stadt! Auch auf die Kreuzzüge kann man hinweisen — ,,diesen großartigen 150jährigen Kampf der Kirche um die Muschel, die sie für die Perle hielt« —- insofern der Glanz des Goldes, der Edelsteine und der Perlen, das Feuer der Gewürze und ·die Pracht der Gewänder das Abendland reizten und blendeten und seinen weltlichen Sinn nährten; sie sind die Hauptbeförderer des Handels der christlicheu Nationen Europas, namentlich Italiens und Deutschlands ge- worden. ,,Nicht ohne Bedeutung ist es wohl, daß in obiger Aufzählung der Waaren gerade die Stoffe her- vorgehoben werden, die dem Prunk der Gottesdienste der verweltlichten Kirche und der weltlichen Pracht ihrer Diener vorzüglich gedient haben. Kaum haben die Könige der Erde soviel Gold, Silber, Edelsteine, Perlen und Elfenbein verbraucht, als die katholische Kirche, die griechische mit eingeschlossen, zum Schmuck ihrer heil. Gefäße, Bilder, Altäre und Statuen es ge- than hat. Und wer denkt bei der Aufzählung von Purpur, Seide und Scharlach nicht» an die Priester- gewänder jener Kirche, oder bei Räuchwerh Salbe und Weihrauch nicht an das Gedüft, das diese Kirche in einem solchen Maße anwendet, daß der Weihrauch- verbrauch einer einzigen größeren Kirche den eines ganzen Landes weit übersteigt? Wie hoch der Luxus der Träger der römisch-katholischen Kirche, z. B. im 18. Jahrh. gestiegen war, dafür giebt W. Menzel in seiner Geschichte der letzten 120 Jahre die schlagendsten Beispiele. Die Erzbisthiimer und Bisthümey sagt er, waren nach und nach Domänen des Adels geworden; um ein Domherr in Mainz werden zu können, mußte man 16 Ahnen aufweisen, um in Köln, mußte man Reichsgraf sein. Die jüngeren Söhne des Adels wur- den nicht nur in den einträglichften Domherrnstellen versorgt, sondern fanden auch Gelegenheit, wenn sie Bischöfe wurden, ihre Familie zu bereichern. Der Mainzer Dompropst von Eltz bezog jährlich 75,000 Gulden geistliche Reveniien Es sträubt sich die Feder, alle Dinge, die weiter sich vorbringen ließen, wie z. B. daß man bei Aufhebung eines Nonnenklosters 6,800 Eimer Wein in 8 Kellern, die lästerliche Namen führ- ten, vorfand, niederzuschreiben; aber sie dienen zum Commentar der Klage der Händler bei dem Zusammen- bruch einer Kirche, die, statt wider das Wohlleben und den Luxus ihre Zengenstimme zu erheben, sich selbst es hat wohl sein lassen in den Freuden und Genüssen dieser Welt. (Stefsann.) Jn Beziehung auf die Schluß- worte des 13· Verses bemerkt Ebrard: Jm Grund- text schließt sich das ,,Leiber« an das vorhergehende ,,Pferde und Wagen« unmittelbar an, ,,Seelen der Menschen» aber ist recht absichtlich (durch andere Con- struction) davon gesondert, daß man nicht etwa ,,Leiber und Seelen der Menschen» zusammennehme Leiber steht offenbar in dem Sinne, den es auch sonst bei den Griechen hat, nämlich zur Bezeichnung von Sklaven, die als solche wie das Vieh nur mit ihren Leibern, als brauchbar zum Lasttragen und andern Arbeiten, in Betracht kommen; dann aber kann das nachdrucks- voll sich absondernde Seelen der Menschen unmög- lich wieder das Nämliche bezeichnen, diese verhalten sich vielmehr zu allem Vorhergehenden nicht als ein letzter einzelner unter den vielen Handelsartikelm sondern jener große Weltverkehr, wo Babel den Kaufleuten in die Hände arbeitete und diese wiederum Babel huldig- ten und in seinem Sinne die Erdbewohner an die Erde fesselten, wird auf eine Weise geführt, daß dabei die Seelen zu Grunde gerichtet werden, und darum folgt so bedeutungsvoll nach: und — ,,Seelen der Men- schen.« Seelen der Menschen, schreibt Kemmley waren von jeher in Rom eine sehr gesuchte Waare, macht ja doch der Papst auf alle Seelen der Menschen, zumal der Getauften, Anspruch, und um demselben Vlchtung zu verschaffen, hat er sich’s schon manches schöne Stück Geld kosten lassen; auch den Ablaßhandel, bei welchem es ebenfalls Seelen der Menschen gilt, hat seiner Zeit nicht blos dem Papste selbst, sondern auch Handelsleuten von einer gewissen Sorte eine bedeutende Summe abgeworfen. —- Was schließlich die Schiffer betrifft, so dienen diese dazu, um auf die internatio- nale, weltumfasfende Ausbreitung jenes Verkehrs, den Rom mit den Völkern unterhalten hat, hinzuweisen, und veranschaulichen das »die auf vielen Wassern sitzt« in Kap.17, 1; und wie nun die Könige sie als die starke oder mächtige Stadt bezeichneten, auf die sie sich mit ihrer Herrschaft verlassen hatten, und die Kaufleute als die luxuriöse und verschwenderische Stadt, durch deren Vermittelung sie reich geworden, so beklagen die Schisssleute sie als die unvergleichlich große Stadt, nach deren Untergang ein solcher internationaler Ver- kehr und Zusammenhang der Völker, eine solche Einheit in der Welt, wie sie bisher bestanden, nicht wieder zu Stande kommt, und ihre Klage ist noch leidenschaft- licher als die der Andern. Jn der That, wenn nun auf Einmal die tausendjährigen Bande, welche die Na- tionen an Rom geknüpft haben, zerrissen sind, da wird die bisherige Welt allerdings aus den Fugen gehen; das muß aber auch geschehen, damit der Antichrist sein Reich zur Ausgestaltung bringen könne, denn alles, was irgend wie eine Ordnung der Dinge aussieht, und wäre es auch eine verkehrte Ordnung, gehört mit zu dem, was das Offenbarwerden der Bosheit noch auf- hält (2. Thess 2, 7). »Die Wehklagenden reden aus der· Seele derer, die zu der Zeit leben, wo der Anti- chrisdseine Greuelherrschaft schon angefangen hat aus- zubreiten (17, 3), wo die festen Ordnungen in den Staaten gebrochen, wo alles Alte, unter welchem der Verkehr der Völker nach innen und außen gesichert war, über den Haufen geworfen ist, wo schon die all- gemeine Verwüstung angefangen hat; nun kommt der Fall Roms, das steh im Papstthum dem Antichristens thum noch entgegengestellt hatte, und die Verwüstung fchreitet vorwärts — da schwindet der Handel, da wird die Schisfahrt unsicher und bringt keinen Gewinn mehr, da muß aller Wohlstand zu Grunde gehen, und so 140 Ossenb. Johannis 18, 20—·24. 19, 1—3. wird die Wehklage über Roms Fall eine Weissagung des allgemeinen und gänzlichen Verfalls unter der thrannischen Gewalt des Thieres aus dem Meere. (Riemann.) 20. Freue dich über sie, Himmel [im Gegen- satz zu den Königen und Kaufleuten der Erde und den Schisfsleuten des Meeres, die über sie klagen —- so rief hier die Stimme V. 4], nnd ihr heiligen Apostel und Propheten fnach anderer Lesart: und ihr Heiligen und Apostel und Prophetenk denn Gott hat euer Urtheil fdas Urtheil der Verwerfung und Verdammniß, das sie über euch gesprochen]"an ihr gerichtet« [indem nun sie selber die Verworfene und Verdammte ist]. 21. Und ein starker Engel [derselbe, wie in V. 1; Kap. 5, 2; 8, 13 u. 10, i] hab einen roßen Stein auf, als einen Btühlsteim warf ihn in’s Meer und sprach: Also fdaß es einen recht großen Fall giebt, wie bei diesem Stein] wird mit einem Sturm [einem gewaltigen, wuch- tigen Wurf] verworfen die große Stadt Babylon, und fsief nicht mehr erfunden werden fwie in Jer. 51, 63 f. von ihr geweissagt wird]. 22. Und [wie ferner in den prophetischen Aussprüchen des alten Testaments verkündigt wor- den Hes ge, 13] die Stimme der Sänger und Saitenfpieler, Pfeifer und Posauner soll nicht mehr in dir [der sonst so gesang- und klangreichen Stadt] gehöret werden; und kein Handwerksmann einiges Handwerks soll mehr in dir [die du deiner Kunstleistungen wegen so berühmt gewesen] erfun- den werden; und die Stimme der Mühle soll nicht mehr in dir gehöret werden; 23. Und das Licht der Leuchte ffelbst das einerdürftig brennenden Lampe] soll nicht mehr in dir [die du immer im Glanze einer Menge von lichterstrahlenden Tempeln und Altären ge- schimmertf leiichten; und die Stimme des Bräu- tigams und der Braut soll nicht mehr in dir sals stünde dir noch eine hoffnungsreiche Zukunft bevor] gehütet werden [so daß, was an Juda und Jerusalem nur geschehen ist auf eine bestimmt be- messene Zeit, zwar auch zur Strafe für ihre Sünden, doch zugleich zur Züchtigung in der Ge- rechtigkeit, damit die Verwüstung dann wieder von ihr genommen werden möge Jes. 24, 8; Jer. 7, 34; 16, I; 25, 10; 33, 10f., an dir zu ewiger Verwerfung und Verwüstung sich vollzieht Kap. 17, 16]; denn [was schon Jesaia 23, 8., wenn er von Tyrus redet, an dir gerügt hat] deine Kauf- leute waren Fürsten auf Erden, denn [um noch eine zweite Schuld hinzuzunehmen, die in Jes. 47, 9 ff. der Stadt Babel aufgerückt wird] dnrch deine Zauberei sind verirret worden alle Heiden [V. s; 17, L; 9, 21]. 24. Und [was eine dritte Schuld dieser Roma betrifft, die im alten Testament an ihren Vorbildern Thrus und Babylon noch nicht so bestimmt enthüllt werden konnte, sondern erst im Verlaufe ihrer eigenen Geschichte offenbar gewor- den ist] das Blut der Propheten und der Hei- ligen ist in ihr erfunden worden, und aller derer, die auf Erden etwürget sind« [Kap. 17, 6]. s) Der Untergang Roms ist ein Freudenruf für den ganzen Himmel, wie Rom selbst feiner Zeit Freuden- feste gefeiert und Tedeums gesungen hat unter den Thränen und dem Jammer der Kinder Gottes; ja selbst Apostel und Propheten freuen sich über den Sturz der Apostelstadt, die trotzdem, daß sie der Propheten und Apostel Gräber bauet und ihnen kniebeugende Ehre erweist, doch so ganz unapostolisch, ja die Verfolgerin der von ihnen verkündigten Wahrheit geworden ist. (Kemmler.) Die irdischen Gläubigem welche durch die drei Kategorien: ,,Heilige, Apostel und Propheten« erschöpfend dargestellt werden (vgl. Kap. 11, 18), indem der allgemeinfte Begriff voranstehh dann aber zwei be- sondere Klassen genannt werden, weil diese, von Babels Hasse am ersten getroffen (V. 24), auch eine besondere Ursach haben, sich über die Rache des richtenden Gottes zu freuen, werden neben dem Himmel genannt, weil ausgedrückt werden soll, daß für die volle Gesammtheit aller derer, welcht dem HErrn zugehbren, der Unter- gang der Stadt ein freudenreicher Erweis von der Ge- rechtigkeit und Herrlichkeit ihres Gottes ist. Das Ge- ricbt, welches dieselbe betroffen (V. 8 u. 10), heißt ein Urtheil der Gläubigen, insofern dies an ihr vollzogene Gericht die Rechtfertigung und Befriedigung der von ihr verfolgten, nun aber an ihr gerächten Gläubigen ist. (Düsterdieck.) Jetzt ist, das Blut der Heiligen, das die falsche Kirche in Strömen vergessen, gerächt und der Tag der Erlösung der Braut aus der Umfchließung der Hure ist nahe: sollten da nicht die Heiligen mit den Aposteln, den heil. Gründern der wahren Kirche, den Propheten und Verkündigern des Gerichts über Babel, in Freude ausbrechen? Da erfüllt sich’s, was einst der Propbet (Jer. 51, 48) bei dem Hinblick auf das Gericht über das geschichtliche Babel gerufen: »Und es jubeln über Babel Himmel und Erde« (Steffann.) Der Eine Hauptfeind Christi ist gerichtet: bald wird das Gericht auch den ereilen, der in teuslischer Lüge den Thron auf Erden ergriffen zu haben meint, der da hofft, die Gemeinde Christi von der Erde zu ver- tilgen und dem Teufel die verlorene Herrschaft wieder zu erobern. (Riemann.) Eis) Kam: deutlicher die gänzliche Vernichtung dar- gestellt werden, als es diese sinnbildliche Handlung des star- ken Engels thut? Wie ein Stein nicht mehr gesehen wird, wenn er in den Fluthen verschwunden ist, so soll die abgefallene Kirche nicht mehr erfunden werden· (Steffann.) Es ist bedeutsam, daß nicht von einem schweren Stein überhaupt geredet, sondern ein Mühl- stein genannt wird: hat doch Christus gesagt (Matth. 18, 6), wer Aergerniß gebe, dem wäre besser, daß ein Mühlstein an seinen Hals gehängt und er ersäufet würde im Meer, da es am tiefsten ist. Daran soll offenbar erinnert werden; denn es muß einen Grund haben, daß das Bild der mit einem Stein beschwerten Schriftrolle in Jer. 51, 63 f. zu dein eines Mühlsteins umgebildet wird. (Ebrard.) Welch uuzähliges Aerger- niß hat Rom schon gegeben, nicht etwa blos sogen. Ketzcrm sondern auch seinen eigenen Anhängern, soweit fie einen Kern ächten Glaubens und ungeheuchelter Aufforderung an die im Himmel zur Freude über Babel’s Beseitigung. 141 Gottesfurcht in sich trugen! an wieviel Millionen Kleiner und geistig Schwacher hat es seine Verblen- dungs- und Verführungsmacht geübt! Darum wird ihni auch der Mühlstein am Halse nicht fehlen. (Kemm- ler.) Allerdings haben auch andere Kirchen in Zeiten ihrer Entartung und durch Lehre und Leben ihrer Die- ner Aergerniß genug bereitet; aber keine andere Kirche hat sich doch mit ihrem Klerus so hoch erhoben, wie es die römifch-katholische gethan, die den Glauben an ihre Jrrthumslosigkeit und Heiligkeit, an ihre unbe- schränkte Auctorität und allein seligmachende Giltigkeit zu einem unbedingten Erforderniß für alle gemacht hat, die überhaupt auf den Namen eines Christen An- spruch machen wollen, so daß nach ihrem, mit allen Mitteln der Gewalt durchgesührten nnd aufrecht er- haltenen Grundsatz von der heiligen christlichen Kirche vom Himmelreich ja ausgeschlossen sind, soviel ihrer jenen Glauben nicht annehmen. Damit und mit dem Titel für ihr Oberhaupt: ,,heiliger Vater, Statthalter und Stellvertreter Christi, Hoherpriester und Vermittler alles geistlichen Segens in himmlischen Gütern« hat sie vor Gott und Menschen sich feierlich verpflichtet, nie einen Jrrthum zu begehen, ganz heilig und un- tadelig zu wandeln, in jedem Falle das Wort gött- licher Wahrheit ziim reinsten Ausdruck zu bringen und überhaupt in einer Gestalt sich zu zeigen, daß, wer sie, ihren Papst oder irgend einen ihrer Diener er- blickt, daran sehen könne, in welcher Weise Christus in seinen Gläubigen eine Gestalt gewinnen soll (Gal. 4, II) und welches der vollkommene Mann sei, der da ist in der Maße des vollkommenen Alters Christi (Ephes. 4, 13); wie furchtbar schwer wird nun aber auch ihre Verantwortung für alles, was Böses, Schändliches und Gotteslästerliches bei ihr und durch sie geschieht, weil das alles nun zu einem Aergerniß in der ganzen, vollen Bedeutung des Worts wird, und wenn sie selber eingestehen muß, daß an den Namen ihrer Päpste viel- fach fchlimme Erinnerungen und an dem Wandel von Tausenden ihres Klerus recht anstößige Makel haften, so muß sie nun auch es sich gefallen lassen, daß man die Weissagung vom Mühlstein, der in’s Meer geworfen wird, fpeziell auf sie deute. Und damit das Recht dazu in jeder Hinsicht zweifellos werde, so frage man sich: wem anders als einer Kirche kann es zu einem, das Gericht der Verwüstung nach sich ziehenden Vorwurf gemacht werden, daß ihre Kaufleute Fürsten waren auf Erden? denn der Weltmacht hat der HErr das belassen, daß ihre Könige herrfchen und die Oberherren Gewalt haben, aber seiner Gemeinde hat er das verboten; und wer anders, als die römisch-katholische Kirche, erklärt es zu ihrem unverletzten Bestände durchaus nothwendig, daß ihr Oberhaupt das in unsern Tagen verlorene weltliche Herrschaftsgebiet wieder erlange, und wendet zur Erreichung dieses Zieles viel Gebete und Opfer auf, und schenet sich auch nicht, nöthigenfalls Krieg und Blutvergießen dazu heraufzubeschwören? Und weiter frage man sich: wenn denn unzweifelhaft in unserm Abschnitt auf eine Kirche Bezug genommen ist, welches ist denn die Kirche, die in die Fußtapfen des Propheten- niörderischen Jerusalem getreten, zu deren Häuptern und Lenkern der HErr in Matth.23,32 ff. spricht: ,,Wohlan, erfüllet auch ihr das Maß eurer Väter, auf daß über euch komme all das gerechte Blut, das ver- gossen ist auf Erden von dem Blut an des gerechten Abel bis aufs Blut Zachariasd Baracbiä Sohns, wel- chen ihr getödtet habt zwischen dem Tempel und Altar«? Wenn irgendwo Blut wie Wasser Vergossen wird, be- merkt Bengel, so macht man gegen Rom ein Präsent davon, und die größten Freudenbezeignngen stellt man daselbst an; König Karl IX. in Frankreich riihmte sich in einem Schreiben an Gregor XlII., daß er- 70,000 Hugenotten umgebracht hätte, und von a. 1518 bis 1548 sollen mehr denn 15 Millionen Protestanten durch das Päpstliche Jnquisitionsrecht ihr Leben eingebüßt haben. O, wir Evangelischen, ruft Rieger iuit Recht aus, können unsre Ausführung aus der Gemeinschaft solcher Sünden und solcher Strafen, wie sie an der vorliegenden Stelle vorgeführt worden, nicht theuer ge- nug schätzen, und sollte dieselbe billig uns ein Antrieb fein, dem Evangelio und aller dadurch erlangten Frei- heit würdiglich zu wandeln. Das 19. Kapitel. Triumphlied der Auserwählten über die Vollziehung des Gerichte» Gottes, die große Hure betreffend. VII« v. 1—21. Der Aufforderung der Stimme vom Himmel tu Bau. II, 20 entsprechend, freuet ßih der himmel in seinen heiligen, Aoosleln und Propheten des Gerichtet; Gottes iiber die große Stadt Babylon, und selbst-edle vier Thiere alo Repräsentanten aller Erdaluren der Erde schließen sich dem löobgesaiige an (ll1.1—4); indem aber aiif diesen ersten Alit der Gerichte der lehten Zeit alsbald ein zweiter folgen soll, wird mit jener erßen Feier des Himmels sogleich eine zweite verbunden, toelehe auf den zweiten Akt sich bezieht, als wäre derselbe be— rette geschehen w. 4-——8), und Johannes, dem die blähe des Abendmahlg deg itammes zu bezeugen aufgetragen wird, ist von der Würde dessen, der mit ihm redet, so hingenommeik daß er ihm als denc hErru selber hul- dtgeu will, was den Anlaß giebt zu einer Erklärung deo Engels, die den Gläubiger: Christi zu hohen Ehren gereicht w. 9 u.10). hierauf vollzieht ßih denn das Geriajt iiber den Antiihrift, seinen Propheten und feine Genossen; über die beiden ersteren wird es schon ein Gericht zum ewigen Tode, über die Andern aber iß es nur erst· noch ein vorläufiger Gericht zum lelblichen Tode, das jedoch durch die Auferstehung des Gerichts künftig auch zum Gertkht der ewigen tlerdamniniß nach Leib und Seele sieh vollenden soll, wie dies in Kur. 14, 9——11 fihou zum Voraus gemeldet worden ist (l).11—21). 1. Darnaih hörete ich [etwas wie] eine Stimme großer Schaaren im Himmel· [Kap. 11, 15 ff.], die sprachen: Hallelujal Heil U, to; 12, 10] und Preis, Ehre und Kraft sei Gott, unserm HErrn [7, 12]! Z. Denn wahrhaftig lden Zusagen des pro- phetifchen Worts entsprechend] Und gerecht sganz der vorausgegangenen schweren Verschuldung ge—- mäß] sind seine Gerichte sie, 7], das; er die große Hure verurtheilet hat, welche die Erde mit ihrer Hurerei verderbet s11, 18], und hat das Blut seiner Knechte von ihrer Hand gerocheu [18, 24.]. 3. Und sprachen zum andern Mal sden Lob: gesang V. 1 als in einer Gegenstrophe wieder aufnehmend]: Halleluja! [worauf, die Thatsache in V. 2 vervollständigend, sie fortfuhren:] Und der Rauch lvvn ihr, wie er geredet hat durch 142 Osfenb. Johannis II, 4——10. seine heiligen Propheten Jes. 34, 10] gehet auf ewiglich. » · » · 4. Und die vier und zwanzig Aeltesten und die uier Thiere fielen nieder nnd beteten an Gott, der auf dem Stuhl saß [Kap.5, 14], und sprachen [das zweimalige Halleluja V. 1 u. 3 bestätigend und es ihrerseits durch ein drittes ergänzendjt Amen, Hallelu1a! Das ,,wie« bei den Worten ,,eine Stimme großer Schaaren« stellt vergleichend dar, daß der von Johan- nes veriiommene Klang so laut gewesen sei, wie wenn eine große Menschenmenge ihre Stimme gewaltig er- tönen läßt. Mit dem »Halleluja« wird dann gleich von vornherein die wiederholt durchklingende (V. s. 4 u. S) Grundbestimmung des Gesanges als die eines hohen Lobgesanges markirt; nnd ist es gewiß nicht ohne Bedeutung, daß gerade hier, wo das volle Ge- richt über die Feinde Gottes und seines Volkes nun schon begonnen hat, das ausdrückliche Halleluja sich findet, welches sonst in der Offenbarung und auch iin übrigen neuen Testament nicht weiter vorkommt. (Diister- dieck.) Seinen ursprünglichen Sitz hat das Halleluja in Pf. 104, 35., und es kann kaum einem Zweifel unterliegen, daß hier speziell auf diese Stelle angespielt wird; daß das hebräische Wort beibehalten wird, wie ähnlich das Amen und das Hosianna, dient als äußerer Fingerzeig auf den innigen Zusammenhang der Ge- meinde des neuen Testaments mit der des alten, wie ähnlich das Vaterunser, an dem nur eine unkirchliche Pedanterie Anstoß nehmen konnte, hinweist auf den ge- schichtlichen Zusammenhang des deutschen Christenthums mit dem lateinischen. (Hengstenberg.) Mit dem ,,Amen, Halleluja« ist der Lobgesang für das an der großen Babel vollzogene Gericht abgeschlossen, aber eben darum noch nicht der Lobgesang überhaupt; denn es ist noch eine andere That Gottes übrig, für die er ebenfalls ge- lobt werden will. (Ebrard.) Die Zeit, in welcher der Antichrist, nachdem die zehn Könige die Nebenbuhlerim welche der vollen Verwirklichung feiner Pläne bisher noch entgegenstand, die römische Papstkirche mit ihrem Oberhaupt (vgl. Hes 28, 1—19), beseitigt und darauf ihre Kraft und Macht demselben überantwortet haben (17, 13), seine Herrschaft nun ausüben wird, ist durch die Weissagung, welche der alttestamentliche Prophet (Dan.12,6f.) allbereits aus dem Munde des Sohnes Gottes selber empfangen, hinlänglich festgestellt («eine Zeit und etliche Zeit und eine halbe Zeit« — im Gan- zen 379 Jahre) und durch das Wort Christi in Matth. 24, 22 bestätigt, so daß dem Johannes darüber kein weiterer Aufschluß brauchte gegeben zu werden, als die an dem betreffenden Punkte eingeflochtene Wiederholung in Katz. 12, 14; die kirchlichen Zustände und bürgerlichen Verhältnisse unter dieser Herrschaft aber sind in Kap. 13 und mit der Darstellung der siebenten Zornes-Schale in Kap. 16, 17—21 schon klar genug gezeichnet, wozu noch das Wort des Apostels in 2. Thess Z, 3——12 kommt, so daß über das alles an der vorliegenden Stelle hinweggegangen und mit dem dreifachen Halle- luja über den Sturz der großen Babel in den folgen- den Versen zugleich ein viertes über die Aufrichtung des Reiches Christi, welcher der Sturz des Antichrist unmittelbar vorausgeht, verbunden wird. Der Papis- mus ist die von Menschem zwar in guter Meinung, aber doch auch in tausendfältiger Ueberschreitung des Rechtes der Kirche und unter Begehung von unsäglich vieler und schwerer Sünde bewirkte Aufrichtung des Reiches Christi auf Erden in einer äußerlichen, weltlichen Herr- schaft gewesen, die nur durch Hurerei mit dem Welt- wesen ermöglicht werden konnte und schließlich die sie unternehmende Kirche zur großen, auf der gräßlichsten Gestalt der Weltmacht sitzenden Hure gemacht hat; da nimmt denn der HErr die Sache selber in die Hand, vernichtet beide, die Hure und das Thier, und giebt dann in dem tausendjährigen Reiche, das er in Israel errichtet (Kap.20, 1fs.) und damit dem vorerwählten Volke die demselben geschenkte Verheißung von der Herrlichkeit des Reiches Davids unter dem wahren Sa- lomo erfüllt, der Theokratie diejenige Gestalt, die seinem heiligen Willen entsprichn Sonach ist der folgende Ab- fchnitt V. 5——10 allerdings, wie Hengstenberg sich ausdrückt, das Portal zu dem Gebäude, das von V. 11 an sich unsern Blicken darstellt, nur daß dieses nicht den ganzen Abschnitt: 19, 11—20, 15 umfaßt, sondern auf Kap. 20, 1-—6 sich beschränkt; V. 11—21 zeigt, womit erst noch aufgeräumt werden muß, bevor das Gebäude im Nu emporsteigen kann, es ist diese Auf- räumung aber ein so verschwindender Moment, daß er nur dem Seher vorgeführt zu werden braucht, für den Chor der Himmlischen dagegen so gut wie gar nicht da ist, daher sie jetzt schon ihren Lobgesang ertönen lassen. » · « 5. Und eine Stimme ging von dem Stuhl lwohl aus dem Munde der 24 Aeltesten und der 4 Thiere V. 4]: Lobet unsern Gott, alle seine Knechte, und die ihn fürchten, beide, Klein und Groß [d. i. ihr vom Hause Jsrael Pf. 135, 1; 115, 13; vgl. Kap. 11, 18., als welche das, was nun bald geschehen soll Kap. 20, 1—6., so nahe an- geht Jes. 54,»1 u. 65, 25 Anm.]. Z. Und Ich hdtete fals jetzt die Angeredeten der an sie gerichteten Aufforderung entsprachen, etwas wie] eine Stimme einer großen Schaar lnämlich der Schaar der Hundertundvierundvierzig- tausend in Kap. 14, 1——5], und als eine Stimme großer Wasser sauf Erden dahinraufchend], nnd als eine Stimme ftarkenDonner [vom Himmel daher rollend 14,»2], die sprachenx Hallelujal Denn der allmiichtige Gott hat das Reich einge- inommen [Kap. 11, 15. 17 n. 12, 10]. 7. Lasset uns freuen und fröhlich sein lPs. 118, 24], und ihm die Ehre geben; denn die Hochzeit des Lnmmes ldie dasselbe am letzten Ende mit seiner Braut 21, 9 halten wird] ist [nahe herbei-J kommen, und sein Weib [d. i. seine Ver: lobte Matth. 1, 20., uämlich die Gemeinde Jsrael Hof. L, 19 f.] hat sich bereitet lindem Jsrael schon jetzt eine Gemeinde darstcllt, die nicht habe einen Flecken oder Runzel oder deß etwas Kap- 14, 1 sf.]. , 8. Und es ward ihr lwährend der Zeit ihrer Heiligung] gegeben, [im Gegensatz zu der Hure in Kap. 17, 1 ss., die mit weltlichem Pomp sich ge- schmuckt 18, 161 sich an uthun mit reiner und schöner Seide. —— Die eide aber [welche hier gemeint, so sei zur Erklärung hinzugesetzt] ist [noch etwas Anderes, als das weiße Kleid in Kap. 6,11 u. 7,14., nämlich] die Gerechtigkeit der Hei- Das Freudenlied der Himmlischen, das zugleich auf ein weiteres Gericht sich bezieht. 143 ligen lbestehend in allerlei Rechtthaten, in welcheii sie ihre Treue nach der Gnade die ihnen gegeben worden, bewährt haben]. « 9. Und er ljener Engel, der in Kap. 17 mit mir geredet hatte und auch hernach wieder mit mir verhandelte 21, 9] sprach zu mir: Schreibe [Kap. 14, 13]: Selig sind [aus allen Heiden und Gefchlechtern und Sprachen und Völkern 14, 6], die zum Abendmahl des Lammes berufen find. Und er sprach zii mir: Dies [was vorhin die Stimme der großen Schaar ver- kündigt hat V. 6——8] find wahrhaftige Worte Gottes [es kann also auch das Abendmahl, von dem ich so eben sprach, nicht fern mehr sein]. 10. Und ich fganz von der Würde dessen, ges: solche Bihtscfliiakt im Yzamen Lssöottes åibgrbrachslha mgenommen c Um? l ll zU clllcU U cU lU anziihetend[Apgsxg. 10,s f., indem ich gkhcikibtf m im en rrn e er vor mir zu a en. lind er sprach zu mir: Siehe zu, thu es nicht; lch bin [nur der Knechte des HErrn einer, also] dein Mitknecht und sein MitIkiechtJ deiner Brü- der, und deren« die das Zeugnis; Iefu haben sich zeuge mit dem, was ich dir eben zu schreiben be- fohlen habe, nur von Jesu, ohne Er selbst zu sein]. Vete Gott an [Kap. 22, 8 f.]. Das Zeug- mß aber Iesn [wenn er es einem Menschen mit- theilt, wie hier dir durch Eröffnung der Offen- barung geschieht] ist der Geist der Weissagung fso daß derjenige, der das Zeugniß empfängt, da- mit von selber mit dem Geiste der Weissagung erfüllt wird, vgl. zu Kuh. 22 6 u. 1. Cor. 11 25]. Wie wir frühe: haben varduf bestehen müssen, daß unter dem Weibe, welches schwanger war und große Qual hatte zur Geburt (Kap.12), das alttestamentliche omm na em ei m. , , un ni ie neu- Tsundhsvolå Izu vegkehsizi an; gelcheik her- testamentliche Bundesgemeinde, welche in Folge von Jsraels Versiockung hauptfäcålich aus denh Heiden auf- gerichtet worden, in die etrachtung ineingez en werden dürfe, wenn man das Gesicht von dem Soniixikm weihe richtig deuten will, so müssen wir jetzt daraus bestehen, daß die Braut des Lammes, das Weib, mit welchem der HErr seine Hochzeit halten will, ebenfalls Jsrael, nämlich das zu Christo nun bekehrte, in seinen eigenen Oelbaum wieder eingepfropfte (Röm. 11, 23 fs.) Israel sei. Allerdings redet Paulus für die Zeit, da das Reich Gottes von Jsrael genommen und den Hei- den gegeben w r, von der aus diesen gesammelten Ge- meinde ganz urciter dem nämlichen Bilde (Ephes. 5, 22 ff.; 2.Cor.11,2); und so wären die Gedanken, mxt welchen viele Theologen sich tragen, als sei nun die e heiden- christliche Bundesgemeinde oder die Kirche als das Jsrael Gottes ganz in die Rechte und in die Stellung txsbJiralklltäncgch dfeüm jlsgiscihbeiixgetreten usnd safhe dessBn re o ncg ri erommen,o aanir unmittelbar Gottes Verheißungen für die letzte Zeit sich erfüllen würden und Jsrael nach dem Fleisch nur dadurch selig werden könne, daß es zur Kirche über- tritt, an sich ganz richtig Es würde in der That sich so verhalten, wie man vielfach behauptet, daß schon mit seinem Uebertritt zur Kirche Jsrael auch geistlicher Weise wieder zum Besitz seines Landes komme, während eine Riickkehr in das wirkliche Canaan eine im Grunde gleichgiltige Sache und nur von untergeordneter Be- deutung sei, wenn es der Gnade des HErrn gelungen wäre, die aus der Heidenwelt aufgerichtete Bundes- gemeinde sich zu einer wohlgeschmückten Braut zuzu- bereiten und die Kirche zu einem Weibe zu machen, das dem, welchem sie vertrauet ist, auch Treue hälts Wir sahen aber unter den sieben Gestalten der Kirche in Kap. 2 u. 3 zuletzt eine solche, die der HErr muß ausspeien aus feinem Munde; wir sahen in Kap. 11, 8 die Christenheit zu einer Stadt geworden, »die da heißt geistlich die Sodoma und Egypten, da unser HErr ge- kreuzigt ist«, und wir sahen in Kap.17, 1 ff. das Weib sitzen auf dem rofinfarbenen Thier, das voll Namen der Lästerung ist. Da will man doch nicht etwa meinen, in diese Stadt die Juden einführen, das hieße, sie nach Canaan bringen? und mit einem solchen Weibe sich zu vermählen, damit der in Aussicht gestellte Tag der Hochzeit komme, das will man doch nicht etwa dem Lamme zumuthenli Man wird freilich einwenden, die äußerliche, entartete Christenheit sei ja gar nicht die rechte, wahre Kirchex es handle sich vielmehr um jene unsichtbare Kirche, bestehend aus denen, die der HErr als die Seinen kennt und die zerstreuet über den ganzen Kreis des Erdbodens wohnen, oder mit andern Worten - um die Gemeinde der Heiligen, die trotz alles äußeren Verderbens der Kirche doch allezeit, wenn auch oft in einer sehr geringen Zahl von Gliedern vorhanden sei. Indessen steht das Gesicht: Kap. 14, 1——5 doch nicht umsonst in unserm Offenbarungsbuchex es zeigt uns so deutlich und bestimmt als möglich eine ges chloss ene Gemeinde der Heiligen, eine bei dem Lamm auf dem Berge Zion stehende Schaar von solchen, die mit Wei- bern nicht befleckt, sondern Jungfrauen find, und in deren Munde kein Falsches erfunden ist; es sind das die nämlichen Hundertundvierundvierzigtausend, die schon in Kap· 7, 1 ff. erwähnt und dort ausdrücklich als die Versiegelten aus den zwölf Geschlechtern Jsraels be- zeichnet wurden. Nur eine bodenlose Willkür in der Auslegung kann da behaupten, daß von den zwölf Stämmen der Kinder Jsraels hier nicht im jüdischen, sondern im israelitisch-christlichen Sinne die Rede sei, nachdem St. Paulus in Röm· 11, 26 ausdrücklich bezeugt hat, daß noch einmal das ganze Jsrael soll selig werden; der heilige Seher hätte uns geradezu in die Jrre geführt, wenn er jeden einzelnen Stamm so- gar bei Namen genannt und für jeden die bestimmte, alle Stämme in gleicher Weise berückfichtigende Zahl angeführt und dann doch gemeint hätte, nicht von Juda, Raben, Gab, Asfer u. s. w. sei die Rede, sondern meinet- wegen von Griechen, Römern, Germanen, Negern u. dgl., und nicht für eine gleiche Zahl folle man das ,,zwölf- tausend« aus jedem Stamme ansehen, sondern für ein unbekanntes x, das hier so groß, dort so groß und in einem dritten, vierten u.s. w. Falle wiederum so groß sei. Jst aber unzweifelhaft dasselbe Jsrael nach dem Fleisch gemeint, von dem auch Paulus redet, so kann vernünftiger Weise in Kap. 14, 1fs. nur an diejenige Zeit zu denken sein, wo das Wort dieses Apostels sich verwirklicht hat, wo Israel zur Erlenntniß Jefu Christi gekommen und in fein Vaterland zurückgebracht ist, und wie wichtig diese Zurückführung in der Geschichte der Wege Gottes mit seinem vorerwählten Bundes- vol! ist, das lernt man aus den alttestamentlichen Pro- pheten, das zeigt sich besonders in Hes. 4J7, 14—48,35. Für die jetzt noch währende Zeit der Zerstreuung Jsraels unter die Heiden mag das oben angeführte 144 Offenb. Johannis 19, 11-——18. Wort Hengstenbergs, daß für bekehrte Juden eine Riick- kehr in ihr Vaterland eine gleichgiltige Sache und ohne Bedeutung sei, als ein im Ganzen richtiges gelten; wenn jetzt einzelne Juden sich zu Christo wenden und den Glauben annehmen, müssen sie die heilige christ- liche Kirche für ihr Vaterland, für das geistliche Canaan ansehen, dem sie zurückgegeben find (Hohel.1,8«). Aber Jsrael als Volk herzustellen, es als Ganzes selig zu machen ist dem HErrn nicht möglich, wenn er es nicht in sein ursprünglich ihm gegebenes und zu seinem blei- benden Erbe bestimmtes Land zuriickbringd Und nun können wir gerade wieder aus dem Propheten Hesekiel lernen, worin es liegt, daß Jsrael, wenn es dermal- eins sich bekehrt und die Decke von seinem Herzen ab- gethan wird, dann auch in allen einzelnen Gliedern eine gründlich gedemüthigte und gereinigte Gemeinde bilden und, daß wir uns dieses Ausdruckes bedienen, . eine Kirchengestalt schaffen wird, wie sie die Welt nur einmal und für kurze Zeit gesehen in der ersten apo- stolischen Kirche; wir haben bei der Erklärung jenes Propheten auf die einzelnen Momente aufmerksam ge- macht und wollen hier nicht alles wiederholen. Diese Zionsgemeinde ist denn diejenige, welche an unserer Stelle unter dem Weibe zu verstehen ist, das fich be- reitet hat; ihr ist gegeben worden, sich anzuthun mit reiner und schöner Seide, und so erklärt es sich auch, warum hernach, wenn das schließlicheReich der Herr- lichkeit vom Himmel erscheiiit, dies als neues Jeru- salem bezeichnet wird. Es wäre das geradezu un- möglich, wenn die Geschichte des Reiches Gottes auf Erden mit dem propheten- und christusmörde- rifchen Jerusalem abschlösse, das, nachdem es den HErrn selber ans Kreuz geschlagen, auch diejenigen ge- geißelt, verfolgt und getödtet hat, die er nach Errich- tung der Kirche zu ihm gesendet hatte (Matth. 23, 34 f.). Jerusalems Name wäre dann der Jnbegrifs der Bosheit und alles göttlichen Fluches, aber nicht der Träger für die Bollendung der Heilsrathschlüsfe Gottes. Dagegen zeigt die Entioickeluugsgeschichte der letzten Dinge, wie das prophetische Wort sie darstellt, uns ein Jerusalem, das zu einer Stadt geworden, welche ge- nannt wird: »Hier ist der HErr« (Hes. 48, 35), zu einer Stadt, wo der HErr sein Reich der Gnade hat bauen können bis zur höchsten irdisch-möglichen Ausgestaltung; Jerusalem heißt daher auch das Reich der Herrlich- keit,.von dem wir singen: «Jerusalem, du hochgebaute Stadt, wollt Gott, ich wär in dirl« oder: »O Jeru- saleni, du schöne, ach, wie helle glänzest diil« Die Gläubigen aus den Heiden treten von da an, wo Js- rael wieder zur Braut des Lammes geworden, in das- jenige Verhältniß, welches von Anfang bestanden: der gute Hirt führt die, die nicht aus diesem Stalle sind, her zu feiner Heerde; die Heiden werden hinzugethan zu Jsrael. Das verwirklicht sich schon bei der Auf- richtung des tausendjährigen Reiches, wo die Enthaup- teten um des Zeugnisses Jesu und um des Wortes Gottes willen, und die nicht angebetet haben das Thier noch sein Bild, und nicht genommen haben fein Maul- zeichen an ihre Stirn und auf ihre Hand, wieder leben- dig gemacht werden, um mit Christo zu leben und zu regieren tausend Jahre (Kap. 20, 4); es verwirklicht fich aber auch beim Endgerichh indem da diejenigen, welchen die ewige Seligkeit zugesprochen wird, damit als Gäste zugelassen werden zu dem Abendmahl des Lammes, welches zur Feier seiner Hochzeit gehalten wird (V. s; Kap. 21, 10—24). Unser Kapitel ist durchgehends so nahe verwandt mit Kap. 14, daß wir, gleichwie die Hochzeit des Lammes sich speziell auf Jsrael, als das Weib oder die Verlobte bezog, die wir in 14, 1—5 vor uns hatten, so nun die zum Abendmahl Ge- ladenen die Auserwählten aus den Heideuvölkern sind, die schon mit ihrem Sterben ein gewisses Maß der Seligkeit erlangt haben (14, 13), nun aber in den Vollbesitz derselben gelangen sollen (vgl. Kap. 20, 6)· Es soll ja, das ist gewiß, was das Ende des Glau- bens, der Seelen Seligkeit betrifft, kein geringeres Maß für die aus den Heiden Geretteten im Vergleich mit den Auserwählten Jsraels darin liegen, daß Jsrael als die Braut bezeichnet wird, mit welcher das Lamm die Hochzeit hält, während die Heiden nur die Gäste bei dem Hochzeitmahl sind; aber daß Jsrael gleichwohl auf dem Wege zu jenem Ende ein gewisser Vorrang gebührt, den wir Heidenchristen nicht bei Seite setzeii sollen, um uns mit eigenen Einbildungen zu tragen und unsere Kirchenbildungen für das non plus ultm zu halten, ivie meistentheils geschieht, darauf hat schon Paulus in Röm. 11, 18 ff. aufmerksam gemacht, und die kirchlichen Entwickelungen der Gegenwart werden schon mehr und mehr sich dahin gestalten, daß diese apoftolische Mahnung uns besser als bisher zu Herzen gehen wird (vgl. die Schlußbemerkungen zum Propheten Hesekiel nnd dazu Röm· 1, 16; 2, 10). Wir fügen unserer Auslegung jetzt noch einige Be- merkungen im Einzelnen aus dem, was die Schrift- erklärer zu dem ganzen Abschnitt V. 1—10 beigebracht haben, hinzu. —- Das Halleluja kommt zum ersten Mal in Pf. 104,35 bei der frohen Aussicht, was Gott zur Wegräuuiung der Aergernisse aus seinem Reich thun werde, vor: »der Sünder müsse ein Ende werden auf Erden, und die Gottlofen nicht mehr sein — lobe den HErrn, meine Seele! Halleluja« Darum ist es nun auch um so merkwürdigen daß sich jetzt in diesem theuern Zeugniß der Offenbarung, darin sonst schon viele An- betungen Gottes vorgekommen sind, das Halleluja zum ersten Mal hören läßt, da es auch stark dem zugeht, ivas mit den obigen Worten hieß: der Sünder müsse ein Ende werden 2c., da nämlich die große Hure be- reits gerichtet ist und es auch an die übrigen Wider- sacher Gottes und Christi nächstens kommen wird. (Rieger.) Der Gegenstand des Lobpreises der Gemeinde ist ein doppelter, zuerst, daß der Allmächtige das Reich ange- treteii hat, dann, daß die Hochzeit des Lanimes gekoni- men ist; beides geht mit einander Hand in Hand, das erste ist die negative Seite: die Grundlage der Herr- schaft Gottes ist die Ueberwindung der Feinde, das zweite die positiv e: sobald die Feinde Gottes nieder- geworfen sind, bricht die Verherrlichung der Kirche an. (Hengstenberg.) Wie der erste Chorgesang mit der Ver- gangenheit, mit dem über Babylon ergangenen Gerichte zu thun hat, so der zweite mit der Zukunft, sofern nun das völlige Kommen des Reiches Gottes bevorsteht. Bisher mochte es den Anschein haben, als hätte Gott sich der Herrfchaft begeben und die Welt den Mächten des Bösen zu ungehindertem Walten überlassen; nun aber hat er vor allem durch Babylons Sturz gezeigt, wie er es demnächst auch durch den Sturz des Thieres zeigen wird, daß er dennoch Gott der HErr, der All- mächtige, d. h. der Alleinherrscher ist, dem das Reich gehört, und von nun an ist seine Herrfchaft nicht mehr blos eine verborgene, von widerstrebenden Mächten gekreuzt und scheinbar verdunkelt, sondern vor aller Welt offenbar und bestehend in voller ungeschmälerter Wirkung. Er hat das Reich eingenommen, darum Hallelujal die Gottesherrschast aber, die zunächst im Anbruch begriffen, ist die der tausend Jahre. (Kemmler.) Dreierlei sollen die Gläubigen wissen (Kap.14, 13; 19, s; 21,5): I) wie wohl es Gott mit denen meint und macht, welche er durch den Tod den letzten Drangsalen Der Reiter auf dem weißen Pferde — die Erfcheinung der Zukunft des HErrn 145 entnimmt; L) wie Seliges denen beschieden ist, welche zur Theilnahme am taufendjährigen Reich verordnet sind; S) daß Gott gewißlich noch einmal alles neu macht und alle Gläubigen Theil haben sollen an. der Herr- lichkeit der ewigen Welt. (Luthardt.) Die besondere Ursache, welche den Johannes zum Niederfallen vor seinem Geleitsengel bewog, der doch auch sonst neben ihm stand, können wir nur in dem Umstande finden, daß der Engel sagte: »dies sind wahrhaftige Worte Gottes« (Zuerst hatte Johannes den Engel richtig gewürdigt, aber durch das hier Gesagte kam er auf die Vermuthung, daß der HErr selbst zu ihm rede: Düster- dieck.) Die abwehrende Anfprache des Engels sagt ihm nun: ich bin nicht mehr als du, ein Träger der gött- lichen Offenbarung und des Geistes Gottes. (Lämmert.) Eben« der nämliche Geist, will der Engel sagen, welcher durch diejenigen redet und handelt, welche das Zeugniß Jefu haben, der ist es auch, der durch mich redet. (Vitringa.) Durch Jefum, indem er fein Zeugnis; einem Menschen mittheilt, wird dieser mit dem Geiste der Weissagung erfüllt. Schon das erste einfache Zeug- niß Jefu, daß wir Gottes Kinder sind (Röm. 8,1S), ist bereits prophetischer Natur, sofern »wir erst in seinem Reiche zur Freiheit der Kinder Gottes, also zum wirk- lichen Kindfchaftsgenusfe gelangen (Rö"m. 8, 21); hier vollends, innerhalb der Offenbarung, die Jesus Christus vom Vater empfangen hat zur Weiterbeförderung an feine Knechte (1, 1), vollendet sich das Zeugnis; Jefu zur Inspiration (Einhauchung), zum Geiste der Weissagung. (Sabel.) Wer das Zeugniß Jefu hat, hat auch Theil an dem Geist, welcher die Weissagung wirkt und sie verstehen lehrt, weil alle Weissagung Jesum Christum zum Jnhalt hat, also die Erkenntniß und das Bekennt- niß von Jefu Christo der Schlüssel der Zukunft ist. (Luthardt.) Wie ist es möglich, daß diesem Engelswort gegenüber es zu jener Verehrung der Engel, ja gar der Menschen und ihrer Bilder hat kommen können, die sich trotz der subtilen Unterfcheidung zwischen Ver- ehrung und Anbetung von letzterer in nichts unter- scheidet! Jn der That, wenn wir nicht wüßten, daß die Kirche, die sich dieser Sünde schuldig macht, jenes Weib in Kap. 17 wäre, so· müßte diesem Engelswort gegenüber eine solche Anbetung undenlbar erscheinen. (Steffann.) · 11. Und ich sahe den Himmel aufgethau [um dem, der in die Vorgänge auf Erden, wie sie gemäß dem in Kap. 17, 13 f. u. 17 Gesagten sich entwickeln, im entscheidenden Augenblick ein- greifen will Kap. 14, 14., freie Bahn zu machen]; und -siehe, ein weiß Pferd swie schon in Kap. S, 2., zeigte sich meinem Seher-Auge], nnd der daraus saß, hieß lwar der, der da heißt] tret! und wahrhaftig, und richtet und streitet mit Ge- rechtigkeit fKap. 3, 7-u. I4; Jes 11, 3 f.]. 12. Und feine Augen sind wie eine Feuer- flamme [Kap.1, 14], und auf feinem Haupt viel Kronen [vgl. die Beut. zu Kuh. 17, 14], und hatte sauf feiner Stirn 2. Mof 28, 3S; Ossenb 13, 16; 14,1; 17, 51 einen sdas Geheimnis; seines Wesens ausdrnckendetq Namen geschrieben, den niemand wußte, denn er selbst sund der ge- wissermaßen das Gegenstück bildete zu dem Liede der Hundertviernndvierzigtaufend in Kuh. 14, 3]. 13. Und set] war angethan mit einem Kleide, Däthseps Bibelwert Vll. Band, L. Abth. L. Attfl. das mit Blut befprenget war sund ihn so als denjenigen kennzeichnete, von dem in Jefaia S3 geweissagt wird, f. V. 15]; und sein [der Gemeinde der Gläubigen allbereits bekannter und geläufigerf Name heißt Gottes Wort [Joh. 1, 1 ff.]. 14. Und ihm folgte nach das Heer im Him- mel [bestehend aus den « Berufenen und Auser- wählten und Gläubigen Kap. 17, 14] auf weißen Pferden [als die, welche jetzt über die Welt trium- phiren und sie richten würden 1. Cur. S, 2], an- gethau mit weißer nnd reiner Seide [6, 11]. 15. Und ans feinem Munde ging ein fcharf Schwert [womit er gegen feine ·Widerfacher Krieg führt 2, 16], daß er damit dte Heiden fchlüge sihnen einen blutigen Untergang bereite]; nnd et wird sie regieren sgenauerx weiden 2. Sam. 7, 7] mit der eisernen Ruthe ssie nach Pf. 2, 9 fein eifernes Scepter fühlen lassen, das wie Töpfe sie zerfchmeißt Kap. 12, 5]. Und er [ist der, der da nach Jes es, Z] tritt die Kelter des Weins des grimmigen Zorns des allmöchtigen Gottes« [die Kelter, die den Wein, nämlich das Blut der Feinde 14, 20., herauslaufen läßt und von dem grimmigen Zorn des allmächtigen Gottes zurecht gemacht ist]. « 16. Und [wer könnte tnit ihm streiten! Denn er] hat einen Namen geschrieben auf seinem Kleid nnd szwarj auf feiner Hüfte [wo sonst diesHelden im Streit das Schwert tragenj, also: Ein König aller Könige und ein Herr aller Herren« sdiese feine Königs-macht ist es, damit er sich als mit einem Schwert umgürtet hat Pf. 45, 4 f., und so wird er nun auch als der König der Ehren, als der HErr stark und mächtig, der HErr mäch- tig im Streit Pf. 24, 8., an dem Antichrist und feinen Horden offenbar werden 1. Tim. S, 14 f.]. » 17. Und ich sahe einen [beftimmter: Einen 18,21] Engel in der Sonne stehen; und er schrie mit großer Stimme nnd sprach zn allen Vögeln, die Unter dem Himmel [genauer: im Mittel- raum des Himmels, im Zenith, also f. v. a. am höchsteiq fliegen: Kommet und versammelt euch zu dem Abendmahl des großen Gottes snach besserer Lesartx zu dem großen Abendmahl» Gottess » 18. Daß ihr efset das Fleisch »der Könige und der Hauptlente [vgl. Kap. s, 15; 13,16], und das Fleisch der Starken und der Pferde, nnd derer, die drauf sitzen, und das Fleifch aller [ohne Unterschied des Standes und Alters, beide, der] Freien und Knechte, beide, der Kleinen und der Großen"« sHes 39, 4]. F) Wir stehen hier an der Schwelle einer Wahr- heit, die darum den Gemeinden meistentheils fast ganz verloren gegangen ist, weil man sich gewöhnt hat, diese Wiederkunft des HErrn, die nach dem griechischen 146 Ossenb. Johannis 19, 19—21. Grundtext mit dem Worte ,,Parusie« bezeichnet wird, mit derjenigen am jüngsten Tage zu verwechselm Es redet allerdings die heilige Schrift nur von Einem Tage des HErrn oder Gottes; aber sie unterscheidet eben so bestimmt die Erscheinung des HErrn, die wir in diesem Gesichte vor uns haben, von der Zu- kunft des HErrn zum allgemeinen Weltgericht. Schon die Jünger unterscheiden bei ihrer Frage in Matth. 24, 3 die Paruste des HErrn von dem Ende der Welt; das thut der HErr auch in seiner Antwort, nachdem er dort 24, 27—- 25, 30 von seiner Parusie ge- redet, spricht er 25, 31 ff. von dem Kommen des Menschensohns zum Weltgericht. Ebenso unterscheidet St. Paulus zwischen beiderlei Zukunft des HErrn in der Stelle 1. Cor. 15, 23 ff.s; erst dann tritt das Ende ein, wenn stch Matth. 25, 31 ff. u. Osfenb. 20, 11 ff. erfüllt. Daß diese deutliche Lehre der Schrift vom Unterschied zwischen der Parusie des HErrn und dem Ende den Gemeinden fast verloren gegangen, mag wohl darin seinen Grund haben, daß seit Augustin’s Vorgange die schriftmäßige Lehre vom tausendjährigen Reich der Kirche entzogen worden ist; natürlich, da nach der Anschauung jenes sonst so großen Mannes das tausendjährige Reich jetzt längst der Vergangen- heit angehören muß, bezog man alle Stellen, die von der sichtbaren Wiederkunft des HErrn handeln, auf das Weltende und verwechselte das Gericht, das der HErr bei seiner Parusie vollzieht, mit dem Endgericht. Da aber die Schrift nur von Einem Tage des HErrn weiß, so bewährt sich gerade mit dem Zeitraum zwischen der Parusie des HErrn und feinem Kommen zum End- gericht das Wort, daß Ein Tag vor Gott ist wie tausend Jahre: der Tag des HErrn beginnt mit seiner Parusie und endet mit dem Weltgericht. (Stessann.) Jn Dan. 9, 26f. hörten wir, daß Christus mitten in der 70. Jahr-Woche ausgerottet und nichts mehr sein werde; durch menschliche Werkzeuge (Kap. 12, 4) wußte der Satan die Jahrwoche des Heils, die in Christo Jesu dem Volke Jsrael ausgegangen war, mitten durchzu- brechen, so daß Jesus mit seinem Vorläuser Johannes zusammen nur 372 Jahre sein Prophetenamt aus Erden hat führen können und dann rasch abgethan worden ist; im Gegenbild dazu wird nun auch nach Dan. 7, 25f. der Antichrist durch die Erscheinung Christi mitten in der Woche seiner Schreckensherrschaft oder nach ZU, Jahren zu Grunde gerichtet und umgebracht. III) Gleichwie der Blitz ausgehet vom Anfange und scheinet bis zum Niedergang, also wird auch sein die Zukunft (Parusie) des Menschensohnes (Matth. 24, 27). Wenn der Boshaftige geoffenbaret sein wird, wird der HErr ihn umbringen mit dem Geist seines Mundes, und wird seiner ein Ende machen durch die Erschei- nung seiner Zukunft (2. Thess 2, 8). Die Zeit dieser Erscheinung ist »die, wenn der Antichrist mit seinen Vasallenkönigen und Heerschaaren sich zuletzt auch nach dem heiligen Lande ausmacht, um dort die Gemeinde Christi unter sich zu zwingen oder zu vernichten, der Ort des Vorganges aber ist Jerusalem (Hes. 38, 3—9; 39, 1ff.). — Der Himmel wird geöffnet, damit der himmlische Feldherr mit seinen Heerschaaren von dort auf die Erde herabkomme; in Kap. 4, 1 ward er ge- öffnet, damit Johannes in den Himmel emporsteige, um dort die Geheimnisse Gottes zu vernehmen. Was wäre die Erde und was würde sie werden, wenn der Himmel nicht ferner zu beiden Zwecken geöffnet würde, wenn kein Heraufsteigen und kein Herabsteigen mehr stattfändei Der Unterschied zwischen ihr und der Hölle wäre dann aufgehoben. (Hengstenberg.) Sonst bestieg der Feldherr erst beim Triumpheinzug in die Heimath ein weißes Pferd; dieser Held aber erscheint aus wei- ßem Pferde, noch ehe vom Kampfe selbst die Rede ist, er ist des Triumphes schon zum Voraus gewiß. Treu und wahrhaftig heißt dieser Triumphator; denn eben in diesem Siege beweist er sich den Seinen gegenüber als den Treuen, der ihnen, zumal in der Stunde der Noth, Bund und Verheißung hält, der ganzen Welt gegenüber als den Wahrhastigem der aller Liige des Antichristenthums ein Ende macht, der die Wahrheit zum Siege führt und hiermit alles, was er geredet hat durch den Mund seiner heiligen Propheten von Anfang an, in herrliche Erfüllung bringt. Und zu gleicher Zeit offenbart er sich als den Gerechten, sowohl im Ur- theil über feine Feinde (er richtet mit Gerechtigkeit), als in der Vollziehung des Urtheils (er streitet mit Gerechtigkeit) Seine Augen sind wie Feuerflamm en: darin liegt nicht blos, daß er die ganze Satansbosheit der Endzeit bis in ihre tiefsten Wurzeln, bis in ihre geheimsten Gänge durchschaut und ans Licht zieht vor aller Welt, sondern auch das Erschrecken, das Beben und Zurückweichen, das von diesen Augen über die , Feinde kommt, ähnlich wie einst die Egypter erschraken, als der HErr aus der Feuersäule sie anblickte und ein Schrecken in ihrem Heer machte, und die Räder von ihren Wagen stieß und sie stürzte mit Ungestüm. (Kemmler.) Die Augen wie Feuerslammen zeigen, daß er jetzt nicht kommt, zu bekehren und zu suchen, was verloren, aber noch rettbar ist, sondern zu verzehren und zu richten, was in unrettbare Verstockung und Bosheit versunken ist; und die vielen Kronen zeigen, daß er jetzt alle Reiche der Welt sich zu unterwerfen im Begriff steht. (Ebrard.) Die Vielheit der Diademe entspricht dem Namen (V.16): »ein König aller Könige und ein Herr aller Herren-«; sowie aber die vielen Diademe den tröstlichen Gegensatz bilden gegen die zehn Diademe, die nach Kap.13, I; 17, 3 demjenigen eignen, gegen den der Kampf gerichtet ist, so müssen vor dem Namen Christi, den niemand kennt als nur er selbst, die Namen der Lästerung erbleichen, die nach denselben Stellen aus den Köpfen des Thieres geschrieben sind. Johannes siehet den Namen, denn er steht geschrieben; aber er kann ihn weder lesen noch aussprechen (vgl. die Bemerk zu s. Mos.24, 11), nur soviel erkennt er, weil eben, geblendet durch seinen Glanz, er ihn wieder lesen noch aussprechen kann, daß es ein Name von unend- licher Herrlichkeit ist. (Hengstenberg.) ,,Niemand er- kennt den Sohn als nurder Vater«, hatte der HErr m den»Tagen seines Fleisches gesagt (Matth. 11, 27); er bezeichnet damit, und ebenso hier, sein innergött- liches Wesen, das weit über menschliches Verstehen hinaus liegt und darum in keinem mit Buchstaben ge- schriebenen Namen ausgedriickt werden kann. (Stefsann.) Dieser fein Name, den nur der HErr selbst weiß, der in seiner Hoheit und Heiligkeit für Geschöpfe unerfaß- bar und unneunbar ist, kann eben darum von der Lästerung nicht beriihrt werden; auch das Thier muß erkennen, daß alle seine bisherige Lästerung in den Wind gegangen. Angethan aber ist der HErr mit einem Kleide, das mit Blut besprenget oder in Blut getaucht ist: scharlachroth vom Blut der Heiligen war die Gestalt des Thieres in Kap. 17, 3 — getaucht ins Blut ihrer Mörder, des Thieres und seiner Anbeter, ist das Kleid des die Vergeltung übenden Siegers. Und während den geschriebenen Namen desselben niemand weiß, als er selbst, ist der Name, mit dem er genannt wird, Gottes Wort. (Kemmler.) Das »sein Name heißt Gottes Wort« erinnert uns deutlich an Joh. 1, 1—3; mit diesem Ausdruck wird die Gottheit in ihrer Offenbarung nach außen hin bezeichnet. Jesus Das Gericht über den Antichrist und seine Heere und über den falschen Propheten. 147 ist darnach die leibhaftige Offenbarung des Vaters (Joh. 12, 45; 14, 9). Es hat dieser Name hier um so größere Bedeutung, weil durch das Wort Himmel und Erde ge- macht ist, also auch ohnmiichtige Feinde dagegen nichts ausrichten werden. (Gräber.) Gegen diesen, dessen Name ist das Wort Gottes, find alle seine Feinde, und son- derlich das Thier, wie Stoppeln gegen dem Feuer: mit dem Geist oder Odem seiner Lippen wird er den Gott- losen tödten, Jes.11,4. (Vengel.) Auch das Heer hinter ihm zieht in feierlichem Triumphzuge einher; aber doch ist ein Unterschied zwischen der Erscheinung Christi und der seiner Heere. Sein Gewand ist in Blut getaucht, sie dagegen tragen reine, glänzende Leinwand; er allein tritt die Zornkelter, sie nehmen nur am Triumphe Theil, ohne daß auch nur Ein Bluts- tropfen sie bespritzen dürfte. Wie er allein dort in Gethsemane und auf Golgatha in blutigeni Todesfcbweiß gerungen, um der alleinige Urheber unseres Heils zu sein, so wird er allein auch an jenem Tage der Offen- barung seiner Macht den Streit führen, damit ihm die Ehre aller Errettung von Anfang bis zu Ende gebühre. (Kemmler.) Das scharfe Schwert im Munde des Sohnes Gottes ist das der Allmacht, welche spricht, so geschieht-Z, und durch den Hauch der Lippen tödtet: wie Christus mit dem Schwerte seines Mundes seine Feinde niederschlägt, das zeigt in einem weissagenden Beispiel Joh.18,5f., vgl. Apostg 9,4f. (Hengstenberg.) Manche Ausleger meinen, das ,,er wird sie regieren mit der eisernen Ruthe« so fassen zu dürfen: nur die Heere des Antichrist und seines Anhangs werden aufgerieben, die Nationen dagegen, aus welchen sie gesammelt sind, bestehen noch fort; ihnen hat es bisher an einer un- beugsam-strengen, der Gerechtigkeit genau entsprechenden, und, wie selber wahrhaft heiligen, so auch wirklich heili- gendeii Gesetzeszucht gefehlt, die wird nun unter Christi Scepter geübt werden, und sie wird alles Heidnische in den Herzen unwiderstehlich niederhalten. Das aber widerstreitet den Aussagen in Kap. 13, 15 ff. u. 14, 9 ff., wonach unter dem Regiment des Antichrist keine Mittel- stellung möglich ist, sondern entweder muß man das Thier anbeten und sein Maalzeichen annehmen, oder aber leiblich umkommen und von dem HErrn sich in eine andere Welt hinüberretten lassen; die also übrig bleiben hier zu Lande, sind, auch wenn sie den Kriegs- zug gegen Jerusalem nicht mitmachen, wie Greise, Schwache, Weiber und Kinder, gleichwohl Thieranbeter und müssen ebenfalls von dem Wein des Zornes Gottes trinken, es wird eben mit der gesammten, von dem Antichrist beherrschten Welt aufgeräiimr Man darf also nicht mit Bengel sagen: »der eiserne Stab dient zum Unterwerfen derer, die überbleiben«, er dient viel- mehr nach Pf. L, 9 zum Zerschmettern (vgl. Jes 30, 14); nur bei dem in Kap. 11, 13 erwähnten Gericht bleiben ihrer Viele noch übrig, in Beziehung auf welche der Gedanke einer heiligen und heiligenden Zucht durch die schwere Erfahrung, die man gemacht hat, allerdings an rechter Stelle ist. Was den Inhalt des 16.Verses betrifft, so kann man die Beschreibung auch so ver- stehen, daß jener Ehrentitel sowohl dem Kleide einge- stickt, als auch an der Hüfte in einer Form, welche die Stelle der Scheide des Schwertes vertrat, angebracht war; wie dieses die Macht, so symbolisirt jenes die Pracht seiner Kbnigswürde gegenüber dem Antichrist, dem der Satan alle Reiche der Welt und ihre Herr- lichkeit gegeben zu haben vermeint, die er einst ihm, dem Sohne Gottes, vergeblich angeboten (Matth.4,8f.). »Es) Wo ein solcher König in den Kampf zieht, da kann der Ausgang nicht zweifelhaft sein: diesen Ge- danken verkörpert das Bild des Engels, der in der Sonne steht und schon vor geschehener Schlacht alle Vögel unter dem Himmel zum Leichenmahle zusammen- ruft. (Hengstenberg.) Der Antichrist entfaltet seine ganze Macht; aber das widergöttliche Wesen ist gerade in seiner höchsten Steigerung, auf der Spitzeseiner materiellen und geistigen Machtentfaltung, doch nur eine aufgeputzte Leiche, ein faulendes Aas, um welches sich die Adler sammeln müssen. (Auberlen.) Dies grausige Mahl hier, zu dem der Engel die Vögel des Himmels einladet, ist die Kehrseite zum Mahle des Lammes, von dem in V. 9 die Rede war: die zu diesem die Einladung verschmähen, werden sich dem nicht ent- ziehen können, die Speise zu jenem schauerlichen Mahle zu werden. (Steffann.) Wenn nun in den folgenden Versen die Vernichtung des Antichrist und seiner Heere sich begiebt, so geschieht diese nicht vor den Augen des Sehers, derselbe sieht vielmehr nur die Folgen des Ge- richtsaktesx wie einst das Heer Sanheribs (2. Kön- 19, 35), so wird das Völkerheer mit Einem Schlage vernichtet, und nachdem Johannes früher (Kap.14, 20) gesehen, welch ein Blutstrom sich über das heil. Land ergoß, so fchaut er jetzt, wie die Geier die Todten ver- zehren. (Grau.) 19·. und· ich sahe das This: kam· 17, u] und die Könige auf Erden [17, 13 u. 17] und ihre Heere versammelt lumspJernsalem her Joel 3, 17], Streit zu halten mit dem, der auf dem Pferde saß, iind mit seinem Heer* [17, 14]. 20. Und das Thier [als der schon in der Weissagung: Hes. 38, 7 hervorgehobene Haupt- mann aller dieser Haufen] ward gegriffen, nnd mit ihm der falsche Propbet, der die Zeichen that vor ihm, durch welkhe er verführen, die das Maalzeichen des Thieres nahmen iind die das Bild des Thieres aiiheteteii [Kap. 13, 11 ff.]; lebendig lohne zuvor dem leiblichen Tode zu ver- fallen, wie die Andern V· 21] wurden diese beide iii den feurigen Pfuhl geworfen, der mit Schivefel brannte« sJes 30, as; Daii 7, 11 u. 26]. 212 Und die Andern [von der antichristifchen Heerschaar, die Könige und die Kriegslente] wur- den erwiirget mit dem Schwert defz, der auf dem Pferde saß, das ans feinem Munde giiig"[V. 15; Jer. 25, 30 ff; Jes 34, 1 ff.; Hes 39, 8 ff., so daß ihre Seelen der Hölle oder dem Hades überliefert wurden Kap S, 8]; und alle Vögel wurden swie schon in V. 17 f. angekündigts satt von ihrem Fleisch llies hier Pf. 76]. E) So ausführlich wie die Beschreibung Christi, so kurz ist die Beschreibung des Kampfes — ganz natiirlich, da gegen Den, der mit dem Schwerte seines Mundes schlägt, eigentlich gar kein Kampf stattfinden kann. Bei dem Thier und den Königen ist von Hee- ren die Rede, dagegen hat Christus nur ein Heer bei sich. (Hengstenberg.) Wenn sich Menschen unter ein- ander streiten, so haben sie gewöhnlich beide Unrecht; so pflegt auch der Gegensatz der Welt und des Reiches Gottes, wie er fich hier auf Erden unter unvollkom- menen Menschen darstellt, immer nur ein relativer zu sein. Der antichristische Gegensatz dagegen wird ein 1077 148 Offenb. Johannis- 20, 1——3. absoluter sein — reines, unvermischtes Unrecht und Gottlosigkeit (Gräber.) »Es-«) Wie und von wem das Greifen und Hinab- werfen geschah, wird nicht gesagt; aber jedenfalls muß hier das Heer des HErrn als mitthätig gedacht werden, während die Andern durch den HErrn allein abgethan werden. (Züllig.) Ohne Zweifel ist es von Bedeutung, daß hier nicht, wie hernach bei dem Satan in Kap. 20, 2., jene erstere Handlung ausdrücklich Christo selbst beigelegt wird. (Hengstenberg.) Ohne den Tod zu sehen, fahren das Thier und der falsche Prophet direkt zur Hölle, wie umgekehrt Henoch und Elias lebend in den Himmel fuhren; daraus folgt, daß sie vor allen An- dern in der Bosheit ausgewachsen gewesen. (Gräber.) Jn Kap. 20, 12 ff. werden die Gottlosen eigens zu dem Ende aus den Gräbern auferweckt, um auch ihrer Leib- lichlkeit nach die Flammen der ewigen Qual zu erdul- den. (Ebrard.) Die zwei werden früher gerichtet als der Satan, der in Katz. 20, 3 nur auf tausend Jahre gebunden wird, weil ihr Dasein und Wirken seine End- schast erreicht hat, wogegeu dieser vermöge des Ent- wickelungsganges der Dinge noch eine Wurzel in der Welt hat und nochmals austreten muß; und sie werden früher gerichtet, als die ihnen anhangenden Völker, welche blos getödtet werden, weil sie ihre Strafe erst im letzten allgemeinen Gericht (20, 15) erhalten können. (Möller.) »Wie. Christus den Seinen der erste Durch- brecher in ihr Erbreich, den Himmel, war, so wird der Antichrist den Seinen ebenfalls der erste Durchbrecher in ihr Erbreich, den feurigen Pfuhl« Mit ihm aber wird gleichzeitig und ebensalls lebend der falsche Pro- phet dahin geworfen — demjenigen Orden, wie wir nicht anders glauben können, entsprossen, der den selig- machenden Jesus-Namen in ebenso greulicher Weise in sein Gegentheil verkehrt hat, wie der Antichrist den Christ Gottes (Luk. I, 20) zu einem Christ des Teufels umgewandelt. Das 20. Kapitel. Vom gebundenen und anigelösten Drachen, Gog nnd Alagna, und jüngsten Gericht. I« V. 1—15. Es folgt das Gerithl über den eigentlichen klrseiiid, den Satan selber, welcher alle jene anlittsrist lithen und antiasrististtsea Mäasie in der iüensthenweltz von denen bisher die Rede gewesen, großgezogen und als seine Werkzeuge gebraucht hat; und zwar ist das Gericht ein zwiefaases, ein vorläufigen, bestehend in dem ijinabwerfen in den Abgrund und in der Bin— dnng auf tausend Jahre, und ein fiir alle Ewigkeit absasließendez bestehend in dem desinitiven Sturz des Satan in den Feuers-fühl zu ewiger Qual· Das vorliiusige Gericht nun hat durch die Bindung des Satan eine ebenfalls tausend Jahr bestehende siehtbare Aufrich- tung des Reikhes Iesu Christi zur Folge, durch wclkhe die dem alttestainentlichen sundesvolli gegebenen Verheiszungen von einer diesseitigeli tjerrlichlieitskdulinnft (3es. Es, Z; Eis, 25 u. Many. 19, 28 Kam) in voll- kommene Erfüllung gehen (U.1——6); nach ihr wird noch eine neue, letzte Regung der Gottlosiglieih ein letzter tiampf des Satan mit Christo eintreten, welcher noch eine letzte Offenbarung des Hornes Gottes vom Himmel und mit ihr den völligen Sturz des Satan herbeiführt W. 7—10), damit aber isi auch schon der llebergang ge- schehen zu dem jüngsten Gericht, welthes durch Er— Meldung aller Todten ohne Jlugiiahme sich vollzieht nnd über die gesammte Menschheit für alle Ewigkeit entscheidet w. 11——15). 1. Und ich sahe [nachdem so, wie in Kap. 19, 20 f. mitgetheilt, das Gericht über das Thier und den falschen Propheten vollstreckt war] einen Engel snämlich denjenigen, von dem schon in Kap. 5, 2; 7, 2z 8,»13; 1o, 1; 14, 17; 18,1 u. 21; 19, 17 die Rede gewesen] vom Himmel fah- ren, der hatte sgemäß der Macht, die ihm über alle Gebiete im Himmel und auf Erden und unter der Erde gegeben ist Matth 28, 18; Philipp. 2, 10 f.; Osseud 1, 18] den Schlüssel zum Ab- grund [Kap. 9, 1 Am] und eine große Kette in [besser: auf] feiner Hand [über dieselbe her- gebreitet und auf beiden Seiten herabhängend]. Z. Und er griff lmit seiner Linken] den Drachen, die alte Schlange, welche ist der Teufel und der Satan [Kap. 12, 9]; und band ihn [mit der Kette auf] tausend Jahre, 3. Und wars ihn in den Abgrund und ver- schloß ihn sindem er die Thür hinter ihm zu- schloß], nnd versiegelte oben darauf slegte ein Siegel über die Thür, um ihn desto unwider- ruflicher in der grundlosen Tiefe als seinem Ge- fängniß zurückzuhalten], das) er nicht mehr swie er seither gethan, so lange er noch ungehindert sein Werk auf Erden treiben durfte] verführen sollte die lin die Katastrophen der bis daher ab- gelaufenen Gefchichte nicht mit verwickelt gewesenen Kap.13, 3] Heiden [zu Angriffen und» Eingriffen wider nnd in das Reich Gottes, um dessen Ver: lauf zu hintertreiben oder zu zerstören und dessen Ausgestaltung zu verderben oder zu verunreinigen], bis daß oollendet würden tausend Jahr sso daß also nunmehr ein großes Sabbaths-Jahrtausend für die Welt eintreten sollte]; und darnach [wenn diese tausend Jahr zu Ende] muß ei? snach gött- lichem Rathschluß allerdings noch einmal] los werden eine kleine Zeit sum mit dem, was er da vornimmt, das letzte enrscheidende Gericht über sich selbst und die gesammte Menschenwelt herbei- zusühren]. Der Engel ist ohne Zweifel Christus selber, der nur darum als ein Engel erscheint, weil das, was er hier thut, er in der Kraft und Vollmacht seines Vaters als des Weltregenten vollbringt; kein Anderer als Er hat den Schlüssel des Abgrundes, dem Stern in Kap. 9, 1 mußte er erst für den bestimmten einzelnen Ge- brauch gegeben werden. Bei Bezeichnung des Teufels sind alle Name« gehäuft, um bemerkbar zu machen, wie nöthig seine uunmehrige Fesselung auf längere Zeit geworden, wenn das Reich Gottes sich endlich einmal frei auf Erden bewegen und das ganze Maß der in ihm liegenden Kräfte und Segnungen an den Tag legen soll; ist dem Widersacher gestattet worden, die ganze Tiefe seiner höllischen Bosheit und den ganzen Reichthum seiner Macht und List zu entfalten, um dem Christ des HErrn sein Regimelit auf Erden streitig zu Die Bindung des Satan aus tausend Jahre. 149 machen, und hat er da das Höchste, was er zu keiften vermag, in der Ausgeburt eines persönlichen Antichrish den er von den Todten sich wiedergeholt, und in der Inspiration des falschen Propheten, der aus der« Kirche selber« hervorgegangen, bereits an den Tag gegeben, so ist es nach Vernichtung dieses seines Staatsstreiches nun auch billig und recht, daß er fiir einen bestimmt bemessenen längeren Zeitraum außer Cours gesetzt und seiner Wirkungsmacht beraubt wird, damit jetzt auch offenbar werde, was dagegen das Reich Gottes an sich selber zu leisten vermöge bei den Menschenkindern aus Erden, würden diese nur nicht; wie es bisher immer der Fall gewesen, durch den Teufel verblendet, verführt und geradezu zu einem wider das Reich des Lichts streitenden Reich der Finsterniß vereinigt. Wir haben es denn hier mit dem sogenannten Chiliasmns oder dem tausendjährigen Reiche (Millennium) zu thun; es ist das ein Lehrpunkt, in dessen geschichtlicher Entwickelung sich drei Perioden unterscheiden lassen: l) Jn den ersten Jahrhunderten von den gefeiertsten Kirchenlehrern ver- treten, bildete er einen Grundbestandtheil, wenn auch nicht des allgemeinen Kirchenglaubens, so doch der Schulorthodoxig bis ihn ein tiefeingreifender Umschwung der össentlichen Verhältnisse und der christlichen Her- zensstimmung aus der Reihe der kirchlich legitimen Vor- stellungen in die Stellung einer Häresie hinabdrängte L) Seit der Reformation erneuerte er sich dann als Lieblingsdogma religiös aufgeregter Sekten und Schwär- mer, welche in ihn ihre durch die Gegenwart uner- fiillten Jdeale oder felbstsüchtigen Wünsche flüchteten, wurde aber eben deshalb im 17. Artikel der Angs- burger Confession mit aller Entschiedenheit verworfen: ,,Jtem,-- hie werden verworfen etliche jüdische Lehren, die sich auch jetzund ereuget (vor unsre Augen gestellt oder gezeigt), daß vor der Auferstehung der Todten eitel Heilige und Fromme ein weltlich Reich haben und alle Gottlosen vertilgen werden» Z) Tiefer in’s Leben der Kirche drang er dann wieder seit der Mitte des 18. Jahrhunderts, nachdem schon der Pietismus ihm näher getreten war, durch den mächtigen Vorschub, den. der ehrwiirdige Prälat Joh. Albr. Bengel ihm leistete, und hat gegenwärtig ohne Zweifel eine bedeutende Zu- kunft vor sich, während dagegen die kirchliclplutherische Orthodoxie ihn in jeder Form mit dem Bann belegt oder doch, wenn sie das nicht vermag, ihn mit Auf- bietung aller ihrer Kräfte aus der Bibel heraus exe- gesirt Wir haben zu Jes.65,,25 u. Jer.3,25 vorerst einige Aussprüche solcher Schristausleger, die unbedingt für Auctoritäten gelten können, angeführt und schon da die Ueberzeugung gewinnen müssen, daß das prophe- tische Wort des alten Testaments unausweichlich aus die iAnnahme eines irdischen Reichs der Herrlichkeit noch am Ende der gegenwärtigen Weltzeit hindrängt; hier nun kommt das prophetische Wort des neuen Testaments hinzu, und zwar mit einem so bestimmten, unzweideutigen Zeugniß, daß die Antichiliasten oder Gegner der Annahme eines tausendjährigen Reichs ge- nöthigt sind, entweder das kanonische Ansehen der Offen- barung St. Johannis in Frage zu stellen und dies Buch für nichtapostolisch und nichtprophetisch zu er- klären, oder aber die ganze Auslegung dieses Theils der heiligen Schrift als eine noch gar zu streitige und ungewisse zu beanstanden, wenn man sich nicht dazu entschließen wolle, den Wortlaut des Textes in einer Weise zu vergewaltigen, daß jeder nüchterne Leser sich billig fragen muß, ob das überhaupt noch Auslegung sei oder nicht vielmehr Mißhandlung und Ertödtung, oder endlich das tausendjährige Reich in der Vergangen- heit und Gegenwart der Kirche zu suchen und aus der Liste der letzten Dinge zu streichen. Wir können in- dessen nicht begreifen, wie man im Jnteresse einer an- geblichen Correktheit der reinen Lehre sich zu entschließen vermag, den ersten und den letzten von diesen drei— Wegen einzuschlagem denn was den ersteren betrifft, so ist es doch gewiß weit correkter, von der herkömm- lichen Kirchenlehre das, was mit der heiligen Schrist nicht stimmt, preiszugeben, als einen Theil des Wortes Gottes selber zu opfern und damit der negativen Kritik das Messer in die Hand zu geben, um zuletzt arich alles Andere hinwegzuschneidenx was aber den letzteren an- geht, so weiß man nicht, worüber man sich mehr ver- wundern soll, ob über die ungeheure Abschwächung und Verftüchtigung des Wortes der Weissagung oder über die ungeheure Ueberschätzung des empirischen Kirchen- thums, wodurch man es wahrscheinlich zu machen sucht, daß das tausendjährige Reich mit seiner Bindung des Satans, seiner ersten Auferstehung von Todten und seiner Herrfchaft Christi über die Welt schon in der bisherigen Gestalt der Kirche zu Tage getreten sei. Aber auch den mittleren unter den oben genannten drei Wegen vermögen wir nicht einzuschlagem daß wir die richtige Auslegung unserer Stelle sollten ganz auf sich beruhen lassen, so sehr es auch fiir die praktische Thätigkeit eines Dieners am Wort sich empfiehlt, die Gemeinde mit Erklärungsversuchen zu verschonen, die nur gar zu leicht Verwirrung anrichten und schwär- merisches Wesen herbeiführen können; wir müssen ja doch mit unserm Bibelwerk bis ans Ende der Schrift vordringen und können nicht vor Untiefen umkehren, die schonManchem das Leben gekostet haben, sondern haben vielmehr die Pflicht auf uns genommen, unsere Leser auch da mit des HErrn Hilfe gliicklich hinüber- zubringen. Mir kommt es darauf an, schreibt ein Aus- leger, angesichts aller Aussprüche der heiligen Schrift ein gutes Gewissen zu haben, keinen im Herzen weg- zuwünschen und darum mit meiner Erklärung ihm Gewalt anzuthun, sondern zu allen nur die Stellung zu haben, die ein Naturforscher einnimmt, der die Ge- genstände wieder und immer wieder betrachtet sie unter das Mikroscop nimmt und dann treulich berichtet, was er gesehen. Mit einer gleichen Herzensstellung geben denn auch wir die Resultate unserer Schriftforschung wieder und sind dessen gewiß, daß an demjenigen Orte, den bei uns der Chiliasmus einnimmt, und in der- jenigen Fassung, in welcher er hier auftritt, er in keinerlei Weise der Kirche als folcher Schaden thut. Sechs Jahrtausende hindurch, so haben wir bis- her gesehen, hat jener Kriegszustand gedauert, den Gott einst nach dem Siindenfalle zwifchen der Schlange und dem Weibe und zwischen der Schlange Samen und des Weibes Samen gesetzt hat (1. Mos. 3, 15); diese schwere Arbeits- und Kampfeszeih unter welcher das Menschengeschlecht so nnsäglich gelitten, hat die Schlange zuletzt noch bis auf die Höhe gesteigert, daß Einer regierte auf Erden, dessen Signatur geradezu die Zahl 666 gewesen (Kap.13, 18), und hat mit diesem Men- schen der Sünde zum zweiten Mal des Weibes Samen in die Ferse gestochen, indem er durch denselben auch Christi Kirche umgebracht hat, gleichwie er vordem ihn selber dem Kreuzestod iiherlieferte. Jetzt aber, da das antichristifche Wesen, diese Ausgeburt der Hölle, überwun- den ist, hat auch die Arbeits- und Kampfeszeit auf Erden ein Ende, jener Kriegszustand soll aufhören und dafür ein Sabbaths-Jahrtausend folgen in dem siebenten Jahrtausend seit Schöpfung der Welt (ofsenbar mit Be- zugnahme darauf, daß den ,,tausend Jahren« sechs Jahr- tausende der Weltgeichichte vorangegangen sind, werden sie sechs Mal ausdrücklich genannt: V. L. Z. 4. b. 6 150 Offenb. Johannis 20, 4—6. u. 7). »Wie das siebente Jahr eine Feierzeit von einem Jahr für ein Jahrsiebent bringt, so feiert auch die Welt tausend Jahre für sieben Jahrtausende-«, so heißt es auf Grund von Jes. Z, 11; Pf. 92, I u. 90, 4 bei den jüdi- schen Schriftgelehrten (ogl. die Bem. zu Hebr. 4, 10); und merkwürdig klingt eine Ueberlieferung der Schule Eliash welche sagt: »sechs Jahrtausende besteht die Welt, davon zwei Jahrtausende Thohu worgesetzliche Zeit), zwei Jahrtausende Thora- (gesetzliche Zeit), zwei Jahr- tausende Messiastag (messianische Zeit), von diesen letzten aber ist schon ob unserer Verschuldungem die so groß sind, so und so viel abgelaufen.« Nun, das am Ende des 19. Jahrhunderts der messianischen Zeit zu Christo sich endlich bekehrende und dann durch das 20. Jahrhundert hindurch als heilige Zions-Gemeinde nach Kap.14, 1 ff. sich bewährende Jsrael soll diese Ruhe- und Feierzeit des siebenten Weltjahrtausends als eine ihm besonders vorbehaltene Herrlichkeitszeit genießen; eine aus den Heiden gesammelte Kirche neben ihm wird auf dem Boden unserer jetzigen Christenheit dann nicht mehr vorhanden sein, indem eben der Antichrist sie hier, im Bereich seiner Herrschaft, vernichtet, so daß nur auf dem Boden unserer gegenwärtigen Missionsstationen in fremden Erdtheilen christliche Gemeinden noch bestehen werden und damit das der Philadelphiakirche in Kap. Z, 10 gegebene Wort sich erfüllt Dem Volke Jsrael war der Sabbath gegeben zum Zeichen zwischen ihm und dem HErrn und zum ewigen Bunde (2. Mos 31, 12 fs.), und Jsraels ganze Zeitrechnung bewegt sich um den Sabbath, so daß es neben dem Wochensabbath auch einen Sabbathmonat (3.Mos. 23,25 Anm·), ein Sab- bathjahr -(3. Mos. 25, 7 Anm.) und ein Hall- oder Frei- jahr (3. Mos. 25, 55 Anm.) hatte; es ist also von Haus aus aus das Sabbathsjahrtausend angelegt, während für die aus den Heiden gesammelte Kirche diese ganze Ord- nung und Anlage fallen gelassen ist, zum Zeichen, daß für diese das Sabbathsjahrtausend .keine unmittelbare Bedeutung hat, dieselbe ist vielmehr von Haus aus in das achte Jahrtausend, welches den neuen Himmel und die neue Erde bringt (Kap.21)s, mit ihrer Hoffnung auf Vollendung dadurch hineingeriickh daßihr der Auf- erstehungstag Christi als achter Tag der Woche (Kap. 13,18 Anm.) zu ihrem ,,Tage des HErrn« gemacht worden ist (Apostg. 20, 7; 1. Cor.16,2; Osfenb.1,10). Wird dies Verhältnis; gehörig beachtet, so erklärt sich, warum der Chiliasmus von derjenigen Zeit an, wo die Kirche zu völliger Selbständigkeit gelangte und öffent- liche Anerkennung im Staats-leben fand, ganz aus dem Kreise der christlichen Lehrpunkte heraustreten und außer- halb desselben bleiben mußte, so lange die »Zeiten der Heiden« währen, sofort aber sich wider geltend macht, wenn die Entwickelungsgeschichte des Reiches Gottes hienieden sich darauf zuspitzh daß Jsrael wieder in den Vordergrund desselben trete; und es ist auch ganz folge- richtig, daß diejenige Theologie, welche wir kurz mit dem Ausdruck ,,Ecclesiolatrie« bezeichnen, weil sie die Kircheals das schlechthin Höchste im Reiche der Gnade setzt und von Jsraels bevorzugter Stellung nichts wissen mag, antichiliastisch gerichtet ist und die An- nahme eines tausendjährigen Reiches in jeder Weise bekämpft. Für die Zeiten, die wir bisher gehabt haben, hatte sie volles Recht in Händen, um allen schwärmeis rischen Mißbrauch abzuschneidem ja, die kirchlichen Bekenntnisse durften sogar soweit gehen, den Chilias- mus unter ein Verbot zu stellen. Der Kirche als fol- cher haben sie damit für ihr Heil nichts entzogen; denn« diese ruhet während des Sabbathsjahrtausends gleichsam im Grabe, wie ihr HErr an jenem großen Sabbath, von dem in Luk. 23, 56 die Rede ist (vgl-Kap.14, 13), und harrt der allgemeinen Auferstehung entgegen (V. 12 ff.). Aber über die Kirchenzeit hinaus hat der Antichilias- mus kein Recht; will er gleichwohl die ganze heilige Schrift und auch die Jsrael besonders gegebenen Ver- heißungen unter seine Auslegung bringen, so muß er eben, wie wir oben gesehen haben, diese entweder ver- drehen oder Theile von ihr ausmerzem und richtet da- mit sich selber zu Grunde. · Wir haben schon bei Erklärung des Propheten He- sekiel uns zum Bewußtsein gebracht, worin es liegt, daß gerade an Jsrael, diesem so lange verstockten und gegen das Heil in Ehtisto verschlossenen Volke, dem HErrn es endlich gelingt, sich eine Gemeinde herzu- stellen, wie er sie haben will und wie sie ihm wirklich zur Ehre vor der Welt gereicht (Ephes. 5, 27), und es ist uns diese Gemeinde in Kap. 14, 1 ff. vor die Augen gemalt worden; sie ist das Weib des Lammes, die sich bereitet hat für den Tag der Hochzeit und der gegeben worden, sich anzuthun mit reiner und schöner Seide. Nachdem sie denn im 20. Jahrhundert der Tempel ge- gewesen, von dem ein Wasser ausging, die Wasser des todten Meeres gesund zu machen (Hes. 47, 1ff.), und nachdem sie für diejenige Kirche, welche in den fünf klugen Jungfrauen sich abbildet (Matth. 25, 1 fs.), das ,,Leben von den Todten« geworden (Röm. II, 15), wäh- rend die andere, in den fünf thörichten Jungfrauen abgebildete Kirche den Antichrist und seinen Propheten aus sich herausgesetzt hat, woraus dann die antichristische Schreckenszeit die erneuerte und durch die aus Babel Ausgeschiedenen (Kap. 18, 4 f.) vermehrte Kirche für diese Erdenwelt vernichtete und in das Grab verscharrte (Kap. 13, 7 u. 15), wird sie selber, die vorhin bezeichnete Braut des Lammes, wunderbar von dem Angriff des Antichrist und seiner Heerschaaren errettet (Kap. 19, 11 ff.) nnd überkommt nun nach deren Vernichtung das, was ihr verheißen war, die Zeit der Erquickung von dem Angesichte des HErrn (Apostg. 3, 20). Noch wird aller- dings der Satan selber nicht in der leisten, entschei- dendsten Weise gerichtet und ebenfalls in den feurigen Pfuhl hinabgeworfen, wie bereits mit dem Thier und dem falschen Propheten geschehen ist (1"9, 20). Des HErrn Werke erfüllen sich nun einmal stufenweisex gleichwie er den Tod, der dreierlei mit uns thut, näm- lich Leib und Seele von einander scheidet, den Leib zu Moder und Asche macht und die Seele dem überant- wortet, der des Todes Gewalt hat (Hebr. L, 14), in der Folge von rückwärts nach vorn an uns aufhebt, so daß er zunlichst beim Sterben die Seele in seine Hände nimmt, darnach am jüngsten Tage den Leib aus Moder und Asche neuverklöirt herstellt und nunmehr erst die Seele wieder mit ihm vereinigt, so richtet er auch von rückwärts nach vorn seine Feinde und übergiebt zuerst das Thier und den falschen Propheten dem feurigen Pfuhl, um dann erst am jüngsten Tage auch den Teufel da hinabzuwerfen und den Tod und die Hölle sammt allen, die nicht erfunden werden in dem Buche des Lebens, ihm nachzuioerfen (V. 10 u. 14f·). Aber ge- bunden wird der Satan schon nach Ablauf der sechs Arbeits- und Kampfesjahrtausende für das siebente Jahrtausend und in den Abgrund so fest verschlossen, daß er in dieser zeitlichen und irdischen Welt nichts mehr schaffen kann. Man könnte die Geschichte Jsraels in ihrem Gesammtverlaufe von Anfang bis zu Ende nach den sieben Bitten des heil. Vaterunsers beschreiben: die erste Bitte umfaßt die vorchristliche Zeit von Abra- hams Berufung·an, durch Gesetz und Weissagung hin- durch, bis Christus erscheint und damit die zweite Bitte sich erfüllt; Christi Werk ist dann die Zeit der dritten Bitte (Joh. I, 51); und wenn nun gleich Js- Die erste Auferstehung der Todten und die Seligkeit derer, die an ihr Theil haben. 151 rael sich verstockt und um das Reich Gottes sich gebracht hat, so ist doch die ganze Zeit seiner Verstoßung die wunder- barste Bewährung der vierten Bitte durch die Erhal- tung des Volks (Kap.12,6), bis es mit der Wieder- annahme zu Gnaden (11, 11 f.) zur Erfüllung der fünften Bitte kommt; ehe aber die Zeit der siebenten Bitte eintreten kann (Kap. 21, 4; 22, I ss.), muß zuvor die sechste sich erfüllen, und das eben ist die Bedeutung des tausendjährigen Reiches mit seiner Bindung des Satan. Wir wissen ja, was wir in dieser Bitte uns erstehen: »Gott wolle uns behüten und erhalten, auf daß uns der Teufel, die Welt und unser Fleisch nicht betrüge noch verführe in Mißglaubem Verzweiflung und andere große Schande und Laster-«; aber solange die ganze Kirchenzeit währet, müssen wir damit uns be- gnügen, daß wir hinzufügen: »und ob wir damit an- gefochten würden, daß wir doch endlich gewinnen und den Sieg behalten-« Sollte es nun dem HErrn nicht möglich sein, noch Größeres für die gegenwärtige Welt- zeit zu gewähren? Ja, aber auch wieder in der Reihen- folge von rückwärts nach vorn! Jn Kap. 14, 1——5 hat er seiner Zionsgemeinde geholfen von der Macht des Fleisches, und sind dort in den Worten: »fie sind mit Weibern nicht befleckt, sondern find Jungfrauen, und in ihrem Munde ist kein Falsches gefunden« uns Leute beschrieben, die von dem Fleische nicht angefochten werden, weil der Geist ihrer ganz mächtig geworden ist (Gal.5, 16 u. 24); auch die Welt socht diese Gemeinde schon nicht mehr an, sie war ganz gegen dieselbe abge- schlossen, wie uns das Gesicht vom Tempel in Hes. 4O gezeigt hat. Nun soll auch der Teufel, tvie er es. mit dem Heereszuge des Antichrist gegen Jerusalem versncht hat (19, 11 ss.), während der großen Sabbaths- periode nichts mehr wider die Gemeinde schaffen können, er wird deshalb in den Abgrund verschlossen. Dagegen, wie vorher in der antichristischen Periode Fleisch, Welt und Teufel zu einer so gefährlichen Sechshundertsechs- undsechzig sich zusammengeschlossen haben, daß, wo es möglich wäre, auch die Auserwählten hätten können in den Jrrthum verführt werden, so sollen nunmehr alle guten Mächte zu einer so freundlich lockenden und herz- gewinnenden Gewalt sich vereinigen, daß, so es möglich wäre, alle, die fernerhin zum Reiche Gottes berufen werden, auch zu Auserwählten werden müßten; und da ist denn nun die eine der drei Mächte jene geheiligte Zionsgemeinde selber, die nicht hat einen Flecken oder Runzel oder deß etwas, und die mit ihrem ganzen Wesen in gesteigertem Maße jene Gewalt über die Herzen derer, die draußen sind, übt, die vorbildlicher Weise schon an der apostolischen Kirche zu Tage trat (»Apostg. L, 44-—-47). Von den andern beiden Mächten ist im Folgenden die Rede. 4. Und ich sahe Ståhle sgesetzt da, wo ich stund, nämlich auf Erden], und sie [denen es be- schieden war, nämlich die zwölf Apostel sammt dem Apostel der Heiden Matth 19, 28; 20, 9; Lin. 22, 30; Phil. Z, 111 setzten sich darauf, und ihnen ward gegeben das Gericht szu ent- scheiden darüber, wer würdig sei, an der hernach folgenden ersten Auferstehung und an der Mit- herrschast mit Christo V. 5 s. Theil zu nehmen]; und [ich sahe unmittelbar darauf, als nun die Entscheidung getroffen und ihr gemäß die Auf- erstehung geschehen war, eiUestheilsJ die Seelen der Enthaupteten um des Zeugnisses Jesu und um des Wortes Gottes willen ldie ich in Kap. 6, 9 ff. unter dem Altar erblickt hatte], und san: derntheils die Seelen derer] die [in der Zeit der Herrschaft des Antichristj nicht angebetet hatten das Thier, noch sein Bild, nnd nicht genommen hatten sein Maalzeichen an ihre Stirn nnd auf ihre Hand [und deswegen den Märtyrertod er- litten IS, 15 ff.], diese sindem sie alle der Auf- erstehung gewürdigt wurden, gleichwie die Apostel ihrer theilhaftig geworden waren] lebten [im neuen, verklärten Leibe] und regierteu mit Christo sder ab und zu sich sehen ließ und seine Gemeinde besuchte, wie vormals in den 40 Tagen nach seiner Auferstehung Hes 38, 23 Anm.] tausend Jahre [in dem sichtbaren Reiche der Herrlichkeih das er in Jerusalem und im heil· Lande aufge- richtet Dan. 7, 22 u. 27]. 5. Die andern Todten aber sauch die, welche sonst noch im Glauben an ihren Heiland selig von hinnen gegangen] wurden [für jetzt noch] nicht wieder·lebendig, bis daß tausend Jahre vollendet wurden [und nach dem Gericht über Gog und Magog die allgemeine Auferstehung aller Todten folgte V. 7——15]. Dies sdas vorhin angedeutete Wiederauflebeu etlicher Auser- wählten zur Theilnahme an der Herrlichkeit des tausendjährigen Reichs V. 41 ist die erste Anfer- stehung ldie von der andern oder allgemeinen in V. 12 f. wohl zu unterscheiden ist 1.Cor.15,23f.]. " S. Selig lschon im Besitz des ewigen Lebens] ist der, und heilig Uchou im Besitz der höchsten Vollcndungh der Theil hat an der ersten Aufer- stehung; iiber solche sdie zu derselben gelangt sind] hat [nämlich] der andere Tod [wie er bei der« allgemeinen Auferstehung zu Tage tritt V. 14; 21, 8] keine Macht ldaß sie davon betroffen wer- den könnten 2,11]; sondern sie werden [in höchster Ausprägung des dem auserwählten Voll von An- fang an zuertheilten Charakters 2. Mos. 19, S] Priester Gottes nnd Christi sein [fo daß die Weissagung in Jes 61, 6 nun an ihnen und durch sie. erfüllt istL Und [werden in herrlichster Bewährung des Wortes L. Tim. 2, 12: ,,dulden wir, so werden wir mit herrschen«] mit ihm [in seinem sichtbaren Reiche der Herrlichkeit] regieren tausend Jahr sum darnach mit ihm auch die Welt zu richten V. 11 ff; 1. Cor. 6, 2 f., woraus denn diejenigen, welche von der antichristischen Drangsal betroffen werden, sich Kraft zur Geduld der Heiligen Kap. 14, 12 entnehmen mögen]. Johannes sieht Stühle, d. i., wie der Zusammen- hang ergiebt, Richterstühle gesetzy die sich darauf sehen, werden nicht näher bezeichnet; denn der Nach- druck liegt zunächst nicht in den Personen, sondern auf dem, was sie thun, auf dem Gericht, das sie zu halten haben. Dieses besteht in der Entscheidung, wer zum 152 Ossenb Johannis 20, 7-—8. Leben nnd Regieren mit Christo im tausendjährigen Reiche gelangen soll; als solche, die hierzu bestimmt werden, erblickt der Seher unmittelbar darauf: 1) die Seelen der Märtyrer, die um des Zeugnisses Jesu und des Wortes Gottes willen mit dem Beil enthauptet, d. h., da hier die Haupthinrichtungsweise für alle anderen steht, gewaltsam getödtet worden sind; 2) alle, die sich in den Zeiten des Thiers durch Vekennermuth aus- zeichneten und besonders in der letzten Ofsenbarungs- zeit desselben durch keinerlei Versuchung weder zur Verehrung des Thieres und seines Bilde-s, noch zur Annahme feines Maalzeichens bewegen ließen (6, 11). Während die anderen Todten nicht lebendig werden, bis die tausend Jahre vorüber, sind es jene beiden Klassen, welche nicht blos vor den Ungläubigem son- dern auch vor ihren weniger ausgezeichneten Mitbrü- dern zur Auferstehung gelangen, um von Zion» aus mit Christo die von dem Satan und seinen Werkzeugen befreite Erde zu regieren; denn so will es die aus- gleichende Gerechtigkeit Gottes, daß sie, die Unterdrücktem die satiftmüthig Duldenden, zu ihrer Zeit das Erdreich besitzen (Matth. h, 5), ja auf derselben Erde noch, von der sie als wie Auskehricht geachtet wurden, ihr Königs- amt üben.' Dies ist ein ungemeiner Vorzug, wenn auch nur ein Vorzug der Zeit, nicht des Grades, da ja dereinst im himmlischen Jerusalem, wenn es auf die neue Erde herniederfährt, die ganze Gemeinde des HErrn königlich-priesterliche Würde haben wird (Kap.21, 1 bis 22, 5); es ist der Morgenstern, den Jesus diesen Bekennern verheißen hat (2,28), und darum bedarfs, um zu bestimmen, wem er zukommen soll, einer im Recht begründeten Entscheidung, eines Gerichts. Und wer sind nun diejenigen, welche der HErr zu diesem Gericht bestellt? Das Schweigen des Johannes ist be- deutungsvoll; dieselbe Zartheit, mit welcher er auch in seinem Evangelium den eigenen Namen, wo er irgend wie Selbstruhm klingen könnte, übergeht, läßt ihn auch an unserer Stelle nicht sagen: »wir, die Apostel Jesu Christi, setzen uns darauf« (vgl.Matth.19,28). Die Zurechtweisung seiner Mutter durch den HErrn, als diese ihn bat, er möchte ihre zwei Söhne sitzen lassen in seinem Reich, den einen zur Rechten, den andern zur Linken, sowie seine damit verbundene Mahnung zur Demuth hatte ihre Frucht getragen. Wir haben hieran zugleich eine sichere Gewähr dafür, daß die Bür- ger des Reiches irdischer Herrlichkeit, wie es für die tausend Jahre aufgerichtet wird, die zwölf Geschlechter Jsraels nach ihrer genau bemessenen Zahl (7,4; 14, 1) sind, nicht die Völker der Erde überhaupt; soviel deren nach dem Sturz des Antichrist und seiner Schaaren noch vorhanden sind, bilden sie vielmehr die Beherrs ch- ten, aber die über sie geübte Herrschaft soll dazu die- neu, sie zu christianisiren und ganz mit dem Geist des Evangeliums zu durchdringen, was jetzt viel eher mög- lich ist als früher, weil die ungöttliche, wider den HErrn und seinen Gesalbten streitende Weltmacht nun für immer vernichtet und der die Heiden verführende Teufel im Abgrund verschlossen ist; was aber das eigene Fleisch und Blut betrifft, so ist ja dem ·ein gewaltiges Gegengewicht damit gesetzt, daß eine ganz im Geist wandelnde Genieinde in Zion vorhanden, an der das Evangelium seine schon für das irdische Leben selig- machende Kraft zum Austrag gebracht hat, und die Vorsteherschaft dieser Gemeinde, die Glieder des Kirchen- regiments, bilden die ziir ersten Auferstehung ge- langten Apostel und Märtyrer. So wenig wir früher vor dem Uugeheuerlichen des Gedankens zurückweichen durften, daß der Antichrist Einer sei, der im Leben schon einmal dagewesen und dann unter Gottes Zu- lassung durch des Teufels Macht wieder (als Mann, so wie er es« verlassen) in dasselbe zurückgekehrt ist, so wenig dürfen wir jetzt der bestimmten Aussage der vor- liegenden Stelle ausweichen, daß der HErr für die Zeit, wo er an die Stelle des antichriftischen Reichs sein eigenes christliches Reich in die Welt einführt, dasselbe unter die Regierung derjenigen siellt, die er fiir ihre Person bereits zur Vollendung gebracht hat und die er nun für diesen Zweck ins diesseitige Leben zurückkehren läßt; alle Fragen, wie dies möglich sein soll, hat er schon damit abgeschnitten, daß bei seinem Sterben die Gräber sich aufthaten und viele Leiber der Heiligen, die da schliefen, auferstanden und aus den Gräbern gingen iiach seiiier Auferstehung, um in der heiligen Stadt sich sehen zu lassen (Matth. 27, 52f.). Dies Ereignis; ist eine Weissagung auf diejenige Zu- kunft, mit der wir eshier zu thun haben; und nun hat ja der gen Himmel gefahrene Propbet Elias einst- mals schriftlich mit der Erdenwelt verkehrt (2. Chron. 21, 12ff-)- Moses und Elias haben auf dem Berge der Verklärung mit Jesu von dem Ausgange geredet, den er zu Jerusalem erfüllen sollte (Luk.9,30f.), und der HErr selber hat als der Auferstandene mit seineii Jüngern das Mahl gehalten (Luk. 24, 41sf.; Joh. 21, 12 ff.). Das alles sind denn Unterpfäiidey daß ein solches Eintreten der Himmlischen und Verklärten in die Erdenwelt recht wohl denkbar ist. Dasselbe würde den Dienst der heil. Engel, der während der ganzen eigentlichen Kirchenzeit sich völlig den Augen entzogen hat, in vollkommener Weise erfetzen und das gerade Gegentheil von dem«bringeu, was gegenwärtig die Welt im sittlich-religiöseii Sinne ist (Luk. 16, 8; Joh. 15, 18f.; 16, 8. 20 u. s. w.) und was der Ausdruck unseres Buches (Kap·8, 13; 13, 12 u.s. w.) bezeichnet: »die auf Erden wohnen-« Und wiederum bei der Gemeinde, mit der die Himmlischen verkehren, wird der Tod nicht mehr herrschen; denn der des Todes Gewalt hat (Hebr. L, 14), ist in den Abgrund verschlofsen und kann die Seelen derer in sein Todtenreich nicht einfordern, die ein gött- liches Leben führen wie Henoch (1. Mos.5,24); sie werden also in deii 1000 Jahren auch nicht alt (Jef. 65,20; 5·Mof.34,7), sondern reifen dazu aus, dem HErrn entgegengeriickt zu werden in der Luft, wenn er nach den tausend Jahren in V. 11 nun wirklich vom Himmel erscheint (1·Thess.4,17). Dieser, der HErr, ist während des Millenniums nur erst in der Weise da bei den Seinen weinest-P wie in den 40 Tagen zwischen Ostern und Himmelfahrt (Apostg.3, 21 Anm.); er ist der König des Reiches, hat aber an den Wieder- erstandenen seine Reichsbeamten, die in seinem Namen und unter seiner Leitung regieren, so daß die Jdee einer Hierarchie, wie sie in der katholischen Kirche oft in so widerrechtlicher Weise vorausgenommen und einst- weilen auch in ihrer Anmaßung geduldet worden, um sie lebendig zu erhalten, nun zu einer vollkommen be- friedigenden Verwirklichung kommt. Vgl. zu Sach. B, 13. Was ist hiernach die eigentliche Bedeutung des tausendjährigen Reiches? und warum ist es ein noth- wendiges Stück in der Entwickelungsgesihichte des Rei- ches Gottes auf Erden? Wir können es eine Wieder- herstellung des Paradieseslebens der ersten Menschen nennen, mit denen ja der HErr auch unmittelbar ver- kehrte (1. Mos.3,8Anm.), doch eine Wiederherstellung in viel herrlicherer Weise, in Matth 19, 28 die »Wie- dergeburt« genannt: von Zion aus soll sich unter Christi Herrschaft nun dvch noch die Erde zu einem Eden ver- klären, wie das vormals vom Garten aus geschehen sollte (1·. Mos.2, 10: Pf. 46, 5; Jes 11,9), und gewiß wird Vieles ganz anders werden in der Menschenweltz Das taufendjährige Reich Christi auf Erden. 153 in der überall die falschen Götter gestürzt und Altäre dem Gotte des Himmels erbauet werden (Hebr. 3,14), als es vordem unter der Herrschaft der Weltmächte gewesen ist., Die Meinung, daß Christi Regiment in zeitlichen, irdischen Dingen übel angebracht sei, muß eine thatsächliche Widerlegung noch innerhalb des gegen- wärtigen Weltlaufs selber erfahren; die von den Cul- turvölkern Europas und Amerikas eknechteten, aus- gebeuteten, vollends zu Grunde gerichteten nnd auch um den letzten Rest ihres göttlichen Erbes gebrachten wilden Völker der Erde müssen, nachdem ihre Dränger eine Beute des Antichrist geworden und durch ihn oder mit ihm hinweggetilgt sind von dem Erdboden, nun entfchädigt werden damit, daß sie dem heil. Volk des Höchsten (Dan. 7,27) unterstellt und von diesem in ihre Menschenrechte wieder eingesetzt, aber auch mit dem Vürgerrecht des Himmelreiches beseligt werden; endlich muß Der, der einst alle Reiche der Welt und ihre Herrlichkeit aus der Hand des Fürsten dieser Welt an- zunehmen verschmäht und dafür einen schweren, lang- wierigen und stillen Eroberungskrieg auf dem Wege des Leidens und der Geduld und mit lauter geistlichen Waffen auf sich genommen hat, um die Menschheit dem Fürsten der Welt abzuzwingen, kraft seines Sieges die Welt Und ihre Herrlichkeit schließlich aus der Hand seines himmlischen Vaters iiberkommem bevor die Welt- zeit ein Ende hat (Ps. L, 8), fonst könnte aus der Erden- welt nicht ein neuer Himmel und eine neue Erde wer- den, »in welcher Gerechtigkeit wohnet (2. Petri Z, 13; Jes.65,17), sondern es müßte eine ganz andere Welt für die Seligen erst neu geschafsen werden. Wir fügen hinzu: und Jerusalem muß Mittelpunkt und Haupt- stadt des weltbeherrschenden Christus werden, sonst könnte die heilige Stadt, die hernach von Gott aus dem Himmel auf die neue Erde herabfährt, zubereitet als eine geschmückte Braut ihrem Manne (Kap.21,2), nicht den Namen des neuen Jerusalem führen; schlösse die Geschichte des Reiches Gottes in der Zeit feiner irdifchen Entwickelung mit dem prophetenmörderischen Jerusalem, wahrlich, die felige Ewigkeit begönne nicht mit dem neuen Jerusalem, sondern dieser Name wäre für immer mit einem Anathema (1.Cor.16, 22) be- legt, er ist aber durch das, was wir in Kap. 14, 1ff. gelesen haben, und durch das, was bei der ersten Auf- erstehung vor sich geht, wieder geheiligt und über alle andern Städtenamen, besonders auch über Rom, das in der Zeit der kirehengefchichtlichen Entwickelung so vermesfene Ansprüche erhoben hat, hoch erhöhet. Man will freilich Gedanken und Anschauungen über Beruf und Bedeutung, Bestimmung und Zukunft des Volkes Jsrael, wie wir sie in diesem unserm Bibelwerk ent- wickelt haben, indem man sie mit dem Namen der »Jsraelolatrie« belegt, als unberechtigt und phantastifch unter ein kirchliches Jnterdikt stellen; wir wissen aber, daß wir damit vollständig auf dem Boden der heil. Schrift stehen und nur dem gerecht werden, was St. Paulus in Röm. b, 20 schreibt: »das Gesetz ist neben einkommen, auf daß die Sünde mächtiger werde; wo aber die Sünde mächtig worden ist, da ist doch die Gnade viel mächtiger worden» Zu Matth. 2,23 haben wir uns näher darüber erklärt, warum wir bestimmt behaupten müssen, daß aus dem Mutterfchoße der Maria, nachdem sie den Heiland der Welt geboren, kein an- deres Kind weiter hervorgegangen, ja daß er auch nach geschlossener Ehe von dem Manne nicht berührt worden sei. Jn gleicher Weise ist auch der Volksleib Jsraels, mit dem wir es in Kap 12, 1 ff. zu thun hatten, zn außerordentlichen Dingen berufen: nicht nur ist ans demselben der Christ Gottes hervorgegangen, und bleibt er darum unverworren mit demjenigen Menschheit-s- leibe, der den Antichrist aus sich heraussetzt, sondern, wie von diesem Leibe noch einmal Ströme lebendigen Wassers werden fließen, wenn der Geist Gottes sein höchstes und größtes Werk an dem Volke wird ausge- richtet haben (Röm. It, 15; Joh 7, 38), so gehen ans ihm auch diejenigen hervor, die, wenn der HErr am jüngsten Tage in feiner Herrlichkeit erscheint und alle feine Heiligen mit ihm, die in 1.Cor.15,.52 erwähnte plötzliche Verwandlung erfahren und nach I. Thess 4, 17 ihm entgegengerückt werden in der Luft. Die Noth- wendigkeit eines Zwifchenreichs der tausend Jahre, wie es an unsrer Stelle geweissagt wird, begreift sich vollkoinmen aus folgenden zwei Sätzen, deren Richtig- keit wohl unzweifelhaft sein dürfte: 1) Wäre es Christo nicht möglich, auf der alten Erde durch ein eigenes Friedensreich den Garten Eden, der im Anfang der Menschheitsgefchichte war, nachbildlich wieder herzustellen und ihm schon den Aushub der durch seine Heilands- arbeit aus dem Menschengeschlechte Geretteten einzuver- leiben, so wäre es ihm auch nicht möglich, am letzten Ende eine neue Erde unter einem neuen Him- mel zu schaffen, sondern die neue Welt der erlösten Menschheit könnte nur die Himmelswelt der heil. Engel sein, für welche aber dann ein neuer, verklärter Leib eine Unziemlichkeit wäre; L) gäbe es nicht am Schlusse der Weltgeschichte eine Menfchheit hienieden, wie das taufendjährige Reich als seine Bürgerschaft sie in sich schließt und wie von dieser aus sie sich weiter verbreitet auf« Erden, eine Menschheit, die aus lauter solchen Leuten besteht, wie Henoch, Moses und Elias waren (1. Mos. 5, 21 ff.; 5. Mos. 34, 5 f.; 2. Kön Z, 1 ff.), so gäbe es bei Christi Erscheinung vom Himmel auch keine ,,Ueberlinge«, wie Luther sich ausdrückt, keine solchen unter den alsdann noch Lebenden, die nicht erst ihre Hülle abzulegen brauchen, sondern die Ueberklei- dung in einem Augenblicke darum erfahren können, weil eine Verklärung ihrer Leiblichkeit dem Anfange nach schon vor sich gegangen (Matth. 17, 2). Aber freilich, so müssen wir zugleich bei Betrach- tung des taufendjährigen Reiches erkennen, alle Macht der Sünde, alle Empfänglichkeit für des Satan Ver- führung in den Menschenherzen ist mit dem Segen, den jenes Reich den Völkern bringt, nicht überwunden, so das; die Leute, die demselben unterstellt und von ihm angefaßt worden, damit auch von selber schon lauter Wiedergeborene und innerlich Heilige geworden wären; das weiß Gott wohl, darum läßt er die Herr- lichkeit des taufendjährigen Reiches nicht ohne Weiteres übergehen in die Herrlichkeit der neuen Welt, sondern läßt es dazwischen erst noch einmal anders kommen, bevor die letzte, für alle Ewigkeit giltige Entscheidung eintritt. 7. Und wenn [die, in V. 2—-·6 schon fünf Mal erwähnten] tausend Jahr vollendet find fund Gottes Rathschlüsse, die er mit Aufrichtung eines Reiches Christi noch in diesseitiger Herrlichkeit hatte, sich so weit erfüllt haben, daß nun der Uebergang zu jenfeitiger Herrlichkeit geschehen kanns, wird der Satan sder seither nur einst- weilen gebunden, aber noch nicht aus der Welt für immer hinausgewiesen war— in den ihm be: stimmten feurigen Pfuhl, wieder] los werden ans seinem Gefängniß [im Abgrund V. 3]; 8. Und wird ausgehen, lum in eigener Per- 154 Offenb. Johannis 20, 9—15. son, da ein menschliches Werkzeug ihm nicht mehr zur Verfügung stehtJ zu verführen die Heiden in den vier Oertern lEcken 7, 1 oder Grenzseiten] der Erde ldie während der tausend Jahre zwar auch von den Segnungen des Evangeliums be- rührt und unter christlicher Zucht gehalten wor- den, aber in ihrem Herzen doch heidnisch geblie- ben sinds, den Gog und Magog sum sie der Weis- sagung in Hesekiel 38 u. 39 gemäß unter einem gemeinschastlichen Namen zu besassen; und zwar geht das Ziel seiner Versührung bei diesen äußersten Grenzvölkern, zu denen er noch am ehe- sten einen Zugang findet, während alle andern ihn sofort abweisen würden, dahin], sie zu der- sammeln in einen lvou dem prophetischen Wort längst schon vorausgesagten, weil von Gottes Rathschluß vorbedachten letztenl Streit [wider das Volk Gottes; und nun bringen diese auch wirk- lich Heere zusammen], welcher Zahl ist wie der Sand am Meer« [Jos. 11, 4; Nicht. 7, 123 1. Sam. 13, 5]. 9. Und sie traten lstiegen aus ihren, im geist- lichen Sinne tiefer gelegenen Wohnbezirken heraus Micha 4, 1] auf die lzwischen den vier Ecken V. 8 befindliche] Breite der Erde [welche das Volk Gottes mit den ihm anhangenden Völker- schaften einnahm], und umringten snachdem sie« diese Völkerschaften überwunden und vernichtet hatten] das Heerlager der Heiligen sinmitten jener Breite] und die [von demselben umschlossenes ge- liebte Stadt« [Jerusalem, vgl. Don. 11, 41]. Und es fiel lplötzlich und unversehens, um ihrem weiteren Vordringen mit Einem Schlage ein Ende zu machen] das Feuer von Gott aus dem Him- mel [Hes. 39, 6], und verzehrete sie«·". 10. Und der Teufel, der sie verfiihrete [ge- nauer: verführt-H, ward [jetzt, wo sein Werk und seine Geschichte nun für immer zu Ende sein und das ihm vorbehaltene letzte Gericht ihn tref- fen sollte] geworfen in den feurigen Pfuhl und Schwefel [in den Pfuhl oder See von Feuer und Schwefel], da das Thier und der falsche Propbet [seit dem Gerichtsakt in Kap. 19, 20 schon] war; und ssie mit einander] werden gequålet werden Tag und Nacht, von Ewigkeit zu EwigkeitH [genauer: in die Ewigkeiten der Ewigkeiten 14, 10 f·]. is) Der neue, letzte Kampf wird dem Johannes nicht in Form einer Vision geoffenbarh sondern inner- lich, vom Geiste Gottes wird es ihm kundgethan, daß an dieser Stelle hier sich des Propheten Hesekiel Weis- sagung von Gog und Magog erfiillen werde; daher er nicht sagt: ,,ich sahe«, sondern vielmehr erzählend weis- sagt. (Ebrard.) Um so mehr ist anzunehmen, daß wir hier nicht sowohl Bilder, als einfache Geschichte vor uns haben. (Gräber.) Satan wird losgelassen aus seinem Gefängniß, nicht reißt er sich selbst los, da hätte der Engel ihn fchlecht gebunden; er wird losgelassem weil es im Rathschluß Gottes liegt (V. 3). Gott braucht ihn noch einmal, und gerade weil er ihn noch braucht, ist er vorhin nicht schon mit dem Thier und dem Propheten, seinen Werkzeugen, in den Feuerosen geworfen, sondern nur in die Unterwelt eingeschlossen worden. (Füller.) Satan bekommt noch einmal Frei- heit von Gott, die Sünde zu einer Macht auf Erden zu machen, damit der verborgene Unterschied, der in der Zeit des Machtreichs Jesu Christi war zwischen denen, die in herzlichem, und denen, die nur in äußer- lichem Gehorsam gegen Christum und seine Gemeinde standen, offenbar werde. (Luthardt.) Es sind Nationen da, welche, seit sie im Laufe der tausend Jahre das Christenthum angenommen haben, noch nicht gestattet, noch nicht in die freie Wahl für oder wider gestellt worden stnd; dies muß aber nothwendig vor dem Tage des Weltgerichts geschehen, für diesen muß alles reif geworden sein, und solche Reife, entweder im Guten oder im Bösen, ist nicht denkbar ohne Versuchung, ohne Prüfung. Den äußersten Umkreis des Reiches Gottes, in Ost und West, in Süd und Nord, bilden zahlreiche « Völker, die vom Licht des Evangeliums mehr nur ober- flächlich berührt worden sind und deren natürliche Feind- schaft gegen Gott nur darum noch nicht hervortrat, weil eine iiberwiegende Versuchung « dazu fehlte; sie gleichen Kindern, die zwar bisher im Vaterhause ge- blieben sind, aber dennoch in mehr oder weniger be- wußtem Widerwillen gegen die Ordnung des Vater- hauses stehen und nur durch die strenge Zucht desselben im Zaum gehalten werden. Dieser Widerwille muß aber heraus, ihnen selbst und aller Welt muß ihr Jn- wendiges offenbar werden; da wird zu diesem Zweck der Satan losgelassen, und die himmlischen Einflüsfe ziehen sich eine Zeit lang zurück. Wundert man sich, wie doch ein Abfall möglich sei, nachdem zuvor schon ein so furchtbares und unzweideutiges Gericht über das Widerchristenthum ergangen (19,.11fs.), so bedenke man den Wankelmuth des natiirlichen Menschenherzens, wie er seiner Zeit auch beim Volke Jsrael unmittelbar nach« den Schreckenseindriicken des Sinai hervortrat; man bedenke, daß inzwischen ein Jahrtausend verflossen ist, ein Zeitraum, in welchem auch die gewaltigsten Ein- driicke sich wieder verwischen. (Kemmler.) W) Jst es, wie es nach Hes 38, 12f. zu sein scheint, die sündliche Gier nach den irdischen Schätzen des Heerlagers der Heiligen und der geliebten Stadt? oder ist es nur der losgelassene, schon längst innerlich genährte Grimm gegen den Heiligen und die Heili- gen, der allerdings in den Boshaften bis zum Wahn- witz sich steigern kann? Wir bedürfen kaum dieser Er- klärungsgründe, da ja ausdrücklich nach dem Zeugnis; der Offenbarung der losgelassene Satan es ist, der ausgeht, sie zu verführen. Während Hesekiel dasselbe von ihm geweissagte Ereigniß von seiner nationalen, irdisch geschichtlichen Seite darstellt, führt die Offen- barung dasselbe auf seinen tieferen, überirdischen Grund im Geisterreiche zurück und stellt es in einen umfas- senderen, kosmischen Zusammenhang hinein. (Steffann.) Irr) Ob das Feuer, das von Gott vom Himmel fällt und jene trotzigen Empörer verzehrt, der Funke ist, der das Feuer auflodern läßt, von dem St. Petrus (2.Petr.3, 7) bei der Schilderung des Endgerichts be- zeugt: »der Himmel jetzund und die Erde werden durch sein Wort gespart, daß sie zum Feuer behalten werden am Tage des Gerichts und Verdammuiß der gottlosen Menschen«? — Gewiß! natürlich aber wird, bevor dies Feuer herabfällt, Jerusalem von der Erde einstweilen in den Himmel entrückt zu Gott und seinem Stuhl Wiederloslassung des Satan. Auferstehung der· Todten und jüngstes Gericht. 155 (vgl. Kap. 12, 5); daher wir hernach (21, 2) es sehen von Gott aus dem Himmel herabfahren auf die neue Erde. Jn gleicher Weise ist der feurige Pfuhl nun nicht mehr gleich dem Hades innerhalb der Erde zu suchen, sondern außerhalb derselben dahin entrückt, wo Gott kein kosmifches Sein mehr hat; denn nur dort kann der Teufel und der Auswurf der Menschheit fortan seine Stätte noch finden. f) Die Zeitform der Gegenwart macht hier, wo es sich beim schließlichen Gericht über den Teufel um eine Erinnerung an seine eigenthiimliche Schuld handelt, in allgemeiner Weise die Wirksamkeit desselben bemerklich. (Düsterdieck.) H) Grause Trias (Dreiheit) dort im Feuersee —. der Teufel, der Antichrist und der falsche Propbet! Grause Qual dort — sie werden gequält werden Tag und Nacht, von Ewigkeit zu Ewigkeit! (Stessann.) 11. Und ich sahe einen großen weißen [nach anderer Lesart die umgekehrte Folge: einen weißen großen] Stuhl [alfo von noch weit erhabenerer Beschaffenheit als die in V. 4], und [fahe zu- gleich] den, der drauf saß, vor welches Ange- sicht flohe die Erde nnd der Himmel sum zu verschwindens and ihnen ward keine Stätte smehrj erfunden« [da es nun zu einem neuen Himmel und einer neuen Erde kommen sollte 21, 1]. 12. Und ich sahe sindem jetzt auch die zweite allgemeine Auferstehung geschah V. 13] die Tod- ten, beide, Groß und Klein [Kap.11,18; 13,1ii], stehen vor Gott, nnd die Bücher sin welchen die Werke jedes einzelnen Menschen eingeschrieben stehen Dass. 7, 10] wurden anfgethan, und ein ander Buch ward anfgethan, welchesist des Le- bens fund die Namen der zum ewigen Leben Verordneten enthält Kap· 3, Z; 13, s; 17, s; Phil 4, 3]. Und die Todten wurden erichtet nach der Schrift in den Büchern, na ihren Werken süber welche darin genau Buch geführt worden]. 13. Und [um nachträglich hier noch zu be- merken, wie es kam, daß unter den in V. 12 genannten Todten alle ohne Ausnahme, wo auch immer sie begraben gelegen, sich befanden] das Meer gab die Todten, die darinnen waren [her- aus, als die allgemeine Auferstehung gcschah]; nnd der Tod und die Hölle gaben die Todten, die darinnen waren [heraus, und zwar der Tod diejenigen, welche unbesiattet geblieben oder ein Fraß des wilden Gethiers geworden waren, die Hölle aber oder der Ort der Todten alle die, welche bei ihrem» Sterben ein ordentliches Grab gefunden]; nnd sie wurden gerichtet, ein jeglicher nach seinen Werken« [2. Cor 5, 10]. 14. Und der Tod nnd die Hölle sgleichwie das Bereich der Todten, so auch die Macht, die sie in den Todeszusiand versetzt hatte, als nicht zur Welt, wie sie im Anfang geschaffen worden, gehörig, sondern erst durch den Teufel und seine Verführung hereingebracht Röm. Z, 12 ff.] wurden geworfen in den feurigen Pfuhl Dahin, wo ihr Urheber und Beherrscher sich allbereits befand V. 10, um ihm wieder heimzugeben, was sein Erzeugniß gewesen 1· Cor. 15, 26. 54 ff.]. Das [dieser feurige Pfuhl 19, 20; 20, 10] 1st der an- dere Tod«« [Kap. 2, 11; 2o, 6]. · 15. lind so jemand [bei dem Gesprichtj sucht ward erfunden geschrieben in dem Biich des»Le- bens [V. 12], der ward geworfen in den feurigen Pfuhls [Matth. 25, 41]. is) Johannes braucht Den nicht zu nennen, der auf dem weißen großen Stuhl sitzt; das hatte derselbe in den Tagen seines Fleisches selber gethan, wenn er spricht (Joh.5,22): »der Vater richtet niemand, son- dern alles Gericht hat er dem Sohne gegeben« Auch der weiße große Stuhl ist bekannt; es ist derselbe, von dem der HErr in Matth. 25, 31., da er von der Stunde des Weltgerichts redet, in Beziehung auf des Menschen Sohn sagt: »dann wird er sitzen auf dein Stuhle« seiner Herrlichkeit« (Steffann.) Der Thron ist weiß zum Zeichen der Herrlichkeit des Richters, und groß, wie es feiner großen und unumschränkten Majestät geziemt. (Bengel.) Schon das alte Testa- ment lehrt, daß der jetzige Himmel und die jetzige Erde vergehen werden (Ps. 102, 26 f.); im neuen Testament findet sich diese Lehre in Matth. 24, 35 angedeutet, die eigentlich klassische Stelle aber ist L. Petri Z, 7. 10—13., wo, wie hier, der Untergang des gegenwär- tigen Himmels und der gegenwärtigen Erde mit dem Tage des Gerichts und Verderber-s der gottlosen Men- schen in Verbindung gesetzt wird. Die Erde und der Himmel können hier nicht nach dem in Betracht kommen, wie sie aus Gottes Schöpferhand hervorgegangen, son- dern nur nach dem, wie sie seit dem Sündenfall ver- ändert sind, theils als die Wohnstätte der menschlichen und dämonischen Frevel, theils indem die strafende Hand Gottes sie gewandelt hat, so daß das »siehe, es war alles sehr gut« jetzt nicht mehr absolut gilt, sondern nur noch Wahrheit hat, wenn die Schöpfung im Zu- sammenhang mit dem Falle betrachtet wird. Weil die Sünde besonders auf die Erde influirt hat, so steht diese hier voran; die gewöhnliche und natürliche Ord- nung wird überall nur aus besonderem Grunde umge- kehrt (vgl.1.Mos.2, 4; Sach. b, 9). Auch der Himmel aber ist nicht ohne Einwirkung der Sünde geblieben; s er ist gar oft roth und trübe (Matth.16, 3), er kleidet sich gar oft in Dunkel und hüllet sich in härenes Ge- wand (Jes. 50, 3); um den Stolz und die Halsstarrig- keit der Menschen zu brechen, wird der Himmel oft wie Eisen nnd die Erde wie Erz (3. Mos. W, 19f.; 5. Mos- 11,17; 28,23), daß das Land sein Gewächs nicht giebt und alle Mühe und Arbeit verloren ist. (Hengstenberg.) Pf) Nur die, bei dem Angrisf des Gog und Magog geretteten Heiligen und der geliebten Stadt Angehö- rigen (V.9) sind noch im Leben vorhanden, während die Angreifenden, welcher Zahl war wie der Sand am Meer, durch das Feuer von Gott aus dem Himmel verzehrt worden sind; über jene nun hat nach V. 6 der andere Tod keine Macht, sondern sie sind diejenigen, welche Christo bei seiner Wiederkunft entgegengerückt werden in der Lust (1·Thefs. 4, 17), da die Erde und der Himmel ja verschwinden und ihnen keine Stätte mehr erfunden wird. Kommen sie nun nicht erst noch in das Gericht, so erklärt es sich von selbst, warum dieses sich blos über die Todten erstreckt; unter den- 156 Offenh Johannis 21, 1—5. selben besinden sich aber nicht blos die von dem Feuer Verzehrten, deren wir vorhin gedachten, sondern auch alle früher Verstorbenen von Anbeginn der Welt her, und unter diesen wiederum auch alle Gerechten und Frommen, die nicht zur ersten Auferstehung (V.5) ge—- langt, sowie diejenigen, die in der Zeit des tausend- jährigen Reichs selig verstorben sind, da in dieser Zeit die Freiheit vom Tode nur auf die vom »Heerlager der Heiligen und zur geliebten Stadt« Gehörigen sich erstreckt, nicht auch aus die von diesem Central- punl·te des Reiches Gottes aus Beherrschten Möglich bleibt dabei immerhin, daß beim Heranrücken der Heere des Gog und Magog viele von denen, die in engerer Verbindung zur eigentlichen Heilsgemeinde gehören, sich auch zu ihr, zu dem Heerlager der Heiligen flüchten und damit ihr Leben retten; auf sie nimmt aber unsere Stelle nicht weiter Rücksicht, sondern richtet ihr Augen- merk ausschließlich auf die Todten, welche auferweckt werden. Diese werden nach ihrer Gesammtheit zunächst mit Hinsicht auf ihre Persönlichkeit in Große nnd Kleine (V. 12) klassifizirt; darnach aber werden sie weiter (V.13) auch klasskfizirt je nach dem Schickfal, das ihre Leichname gefunden haben —- mögen sie im Meer oder in der Erde ihr Grab haben, oder mögen sie gar kein Grab gefunden haben, so daß sie blos als dem Tod Angehörige in Betracht kommen, sie müssen alle vor Christi Thron erscheinen, und empfangen von ihm ihr Urtheil. Jndessen kann man den Unterschied der Todten des zwölften Verses von denen im dreizehnten Verse auch so auffassen, daß dort von den Gerechten, die zur Auferstehung des Lebens, und hier von den Gottlosen, die zur Auferstehung des Gerichtes kommen (Joh.5,29), die Rede sei; es empfiehlt sich diese Auf- fassung dadurch, daß dort neben den Büchern, nach deren Schrist das Gericht geschieht, noch eines andern Buches Erwähnung geschieht, welches ist des Lebens, während hier lediglich das Gerichtetwerden eines jeg- lichen nach seinen Werken ausgesagt wird. Bei den Gerechten hätte dann die Klassification in Große und Kleine statt, was sich wohl nicht blos auf die äußere Altersstufe, sondern auch auf das Maß des inneren Alters bezieht; bei den Gottlosen dagegen würde es sich um den Gedanken handeln, daß weder der Ort noch die Art ihres Sterbens sie schützt wider Auferstehung und Gericht — und wären sie ans äußerste Meer ge- flohen (Ps.139, 7 ff.) oder hätten sich mit eigener Hand dem Tode übergeben, sie müssen ebenso offenbar wer- den wie die, die auf gewöhnlichem Wege der Unterwelt oder dem Hades verfallen sind. Kehren wir nun zu dem Inhalte des zwölften Verses zurück, so sieht da Johannes, wie Bücher aufgethan werden. »Wer aber mag nach der Schrift in diesen Büchern bestehen, die alle Werke jedes Einzelnen enthalten? Würden nur diese Bücher aufgethan, so möchte wohl niemand den seligen Spruch erhalten: kommt, ihr Gefegneten meines Vaters! Aber es wird noch ein ander Buch aufgethan, welches ist des Lebens. Was ist das für ein Buch? Jch meine, es ist das Buch, welches das Wort des Lebens enthält: wenn die Buße, die das Wort Gottes fordert, der Glaube, der zur— Gerechtigkeit gerechnet wird, die Werte heiliger Liebe, diese Zengnisse leben- digen Glaubens, zu jemandes Namen notirt sind, dessen sonstige Werke ihn verurtheilen müßten, dann sieht sein Name verzeichnet im Buche des Lebens und er ist ge- rettet — wo nicht, ist er gerichtet! (Stefsann.) Ist) Der erste Tod ist uichts Anderes als der, vor dem andern Tode vorhergehende elende und pein- liche Zustand der unter der Herrschaft der Sünde und also auch unter dem Zorne Gottes liegenden Menschen nach Leib und Seele. Dieser erste Tod hat gleichsam zwei Länder, worüber sich seine Herrschaft erstreckt: eines in der Zeit vor der Trennung des Leibes und der Seele (Luk.15,32; 1. Joh. 3,14), denn die die Sünde über sich herrschen lassen in diesem Leben, die liegen auch schon hier in der Gewalt des Todes; das andere dies, daß, die so aus der Welt scheiden, auch nach dieser Zeit im Tode bleibenjdenn sie fahren in den Sammelplatz der abgeschiedenen unreinen Seelen. Der andere Tod aber ist der auf den ersten Tod folgende allerelendeste, unseligste Zustand, worein die versallen, welche durch die Gerichte des ersten Todes nicht geschmeidig geworden, da sie von aller Gnade Gottes die ganze Ewigkeit hindurch ausgeschlossen und aus dem Land und Licht der Lebendigen als unreine Hunde verstoßen bleiben. (Berleb. Bib.) f) Mit großem Nachdruck wird die Rede in V. 14 u.15 drei Mal (denn die zweite Hälfte des vierzehnten Verses lautet nach besserer Lesart: »Das ist der andere Tod, der feurige Pfuhl-«) mit der Meldung von dem See des Feuers beschlossen. (Bengel.) Jn V. 14 wird die definitive Hölle gleichsam eingerichtet, in V. 15 em- pfängt sie ihre unseligen Bewohner. (Hengstenberg.) Dort also ist der Satan mit allen feinen Knechten; und welcher Art fein Aufenthalt ist, sagt uns das Wort Feuerfee — verzehrende Qual, die nicht aufhört Tag und Nacht, sondern in die Ewigkeiten fortgeht; fort- währendes Verzehrt- und doch nicht Aufgezehrtwerden. Ausgeschlofsen von der Welt der göttlichen Lebens- und Liebesgemeinschaft, unterliegen sie dem in die Ewig- keiten fortbrennenden Feuer des göttlichen Zorns; die Welt Gottes dürfen sie nicht mehr verderben, und die ihnen angewiesene Welt ist ihre Qual, denn es ist eine Welt des Todes, wo nichts geschieht, und zugleich des brennenden Feuers, wo der dazu Verurtheilte nichts vermag, als sich quälen zu lassen, ohne Hoffnung, daß seine Qual endigt. (Füller.) Das 21. Kapitel. Yo; siebente Gelisht vom neuen Jerusalem. II. v. 1—Kap. N, 5. Im Gegensatz zu der ewigen illerdammnih die sich in tliap.19, 20 zuerst an dem Kntikhrist und dem falschen Propheten, dann in Lan. 20, 10 ff. an dem Teufel und denjenigen Menschen, die nicht in dem Buch des Lebens geschrieben beim jüngsten Ge- richt erfunden worden, vollzogen hat, folgt nun die Dar- stellung der neuen Welt oder des seligen Standes; der Dinge, auf den es Gott von Anfang mit der Jlufrikhtung seines Reiches in der menschenwelt abgesehen und wel- chen herbeizuführen alle bisherige Geschichte dieses Rei- cheg hat dienen müssen» Johannes seht den Stand des vollendeten Lebens, das nimmer endet, dasin die un- erkennbareu fernen der Ewigkeit sich verliert, unter dem Bilde eines neuen Jerusalem, das auf die neue Erde unter einem neuen Himmel sich herabläßtz aber dies neue Jerusalem ist nicht sowohl die Stadt des Volkes Gottes in dem Sinne einer Stätte, darin es wohnt innd wandelt, es ist vielmehr die Gestalt des Volkes Gottes selber narh seinen beiden Theilen, denn die tlmgebunggmaner mit den Eingang-thaten bildet Israel in seiner ewig giltigen Bedeutung sär das Him- melreich ab, und die davon eingeschlossene eigentliche Stadt ist die aus der ljeideuwelt gesammelte Kirche. Somit ist es nikht als ein einzelner bewohnte: Punkt auf der neuen Erde zu fassen, sondern als die gesammte neue Menschheit ans Erden in einen tlltenupunkt zu— Siehe, ich mache alles neu! Der neue Himmel und die neue Erde. 157 sammengefaßt nnd in einem älietsichllichen Bilde vorge- sührt, in welchem fah Gottes tjeilogrdaniien in ihrer Vollendung zeigen. (Epistel am Tage der Kirchweihe.) Vgl. Leu. 19, 1 ff. 1. Und ich sahe [in einem abermaligen, dem nun letzten Gesichtj einen neuen Himmel und eine neue Erde swie solche schon in Jes. 65, 17 ver- heißen sind 2. Petri 3, 13]. Denn der erste Himmel und die erste Erde swelche zu dieser Zeit des gegenwärtigen Weltlaufs bestehen] verging sbei dem in Katz. 20, 9 u. 11 angedeuteten Prozeß 2. Petri 3, 10], und das Meer ist nicht mehrI 2. Und ich, Johannes, sahe die heilige Stadt, das neue Jerusalem [von dem in Kaxx 3, 12 die Rede war], von Gott aus dem Himmel herab fahren [vgl. die Erklärung zu V. 14], zubereitet als eine geschmückte Braut ihrem Manne« lass eine für ihren Mann geschmückte Braut], 3. Und hörete eine große Stimme von dem Stuhl [nicht von dem Stuhl in Kap. 20, 11., der ja mit dem Gesicht vom Weltgericht meinen Augen bereits verschwunden war, sondern von dem Stuhl in Kap. 4, 2 und Gott selber angehörend 16, 1 u— 17], die sprach [an die Weissagungen des prophetischen Worts, die nun zu ihrer voll: endeten Erfüllung gekommen 3. Mos. 26, 11 ff.; Hes 37, 26 f., mich erinnernd]: Siehe da, ldiese Stadt, das neue Jerusalem, ist] eine [richtiger: die von Anfang verheißene und mit der ganzen früheren Weltregierung beabsichtigte] Hütte Gottes bei den Menschenz nnd et« [Gott, indem er da- selbst seinen Sitz hat und von da aus überall hin mit den Menschen verkehrt] wird bei ihnen wohnen, und sie werden sein Volk sein, und Er selbst, lnun vollständig ihr Jmmanuel Jes. 7, 14 oder] Gott mit ihnen, wird ihr Gott sein; 4. Und lso fuhr die Stimme fort, die Er: füllung auch der Verheißungen in Jes 25, 8 u. 65,·19 mir zum Bewußtsein bringend] Gott wird abwischen alle Thränen von. ihren Augen; und der Tod wird nicht mehr fein, noch Leid, noch Geschrei, noch Schmerzen wird mehr sein; denn das Erste ist vergan en."« 5. Und der qui] dem Stuhl saß lGott der Vater 4- s— 93 5, 1], sprach: Siehe, ich mache alles neu [Jes. 43, 19]. Und er [der schou in Kap. 19, 9 mit mir redete] spricht zu mit: Schteibe lwas Gott der HErr so eben ausge- sprochen hat: ,,ich mache alles neu«]; denn diese Worte lals Gottes selbsteigene Rede] sind wohr- haftig nnd gewiß-s [22, 6]. I) Nach dem Weltgericht ist der selige Stand der Dinge herbeigeführt, auf den es Gott von Anfang hat abgesehen und welchen herbeizuführen alle vorhergehende Geschichte nur gedient hatte; diesen Stand des vollen- deten Lebens, das nimmer endet, das in die unerkenn- bareu Fernen der Ewigkeit sich verliert, sieht Johannes in den folgenden Gesichten, den letzten, die er em- pfangen hat. (Stefsann.) Gleichwie in Kap- 20, 15 gemeldet wurde, wo diejenigen hingekommen seien, die nicht in dem Lebensbuche geschrieben erfunden wurden, also folget nun, wo diejenigen hinkommenjdie in sel- bigem Buche geschrieben sind, vgl. V. 27. (Bengel.) Das Feuer, für welches die alte Welt aufgespart wird (2. Perris, 7), brennt schon verborgen in ihr, gleich- wie auch in den Herzen der Gottlosen schon die Gluth der Hölle brennt, nur daß der Brand noch nicht ossen- « bar geworden ist; ist aber der Tag vorhanden, dann bricht es hervor, von oben und unten, und löset diesen Bau der Welt bis in feine Grundbestandtheile auf. Es wird nicht gesagt, daß die Erde dann vernichtet, in Nichts zurücksinten werde, wohl aber daß sie werde bis in ihre tiefsten Tiefen hinein von Feuer durchglüht, mit allem, was in und auf ihr ist, aufgelöst und in ein Flammenmeer verwandelt werden, gleichwie das Metall im Ofen zu einer Gluthmasse schmilzt. Jener Untergang der Welt durchs Feuer wird aber zugleich das Mittel zur Erneuerung und Reinigung der Welt. Das ist das allgemeine Grundgesetz im Reiche Gottes: . das neue Leben kommt nur aus dem Tode des alten. Wie es bei einem jeden Christen erst zum Untergang kommen muß mit dem alten Menschen der Sünde, wenn der neue geistliche Mensch, der Mensch nach Gottes Ebenbild erstehen soll, wie unser irdischer Leib erst— ver- wesen muß, um verklärt zu werden, so muß auch die Heimath, auf der wir wohnen, die Erde, die in unsern Abfall mit hineingezogen und um unserer Sünde willen der Eitelkeit unterworfen ist, sie muß erst in sich aus- gelöst und durchglühh wie das Gold im Feuerofen ge- reinigt und ausgeschmelzt werden, um gleichsam neu zu erstehen aus ihrem Tode, um zu einem herrlichen Schauplatz des vollendeten Gottesreichs zu werden. (Thomasius.) Himmel und Erde muß bestehen, bis die Schrift in allen ihren Theilen durch Wirkung Jesu und feines Geistes in Leben und Wirklichkeit verwan- delt sein wird (Matth. b, 17 ff.; 24, 35); wenn so das göttliche Wort in die ihm von Anfang her bestimmte Sphäre des Menschenlebens eingeführt sein wird, so wird Himmel und Erde vergehen, die Menfchheit ist neu geworden und bedarf eines ihrer Erneuerung an- gemessenen Kleides, des neuen Himmels und der neuen Erde, auf welcher die Ungerechtigkeit für immer beseitigt ist. (Baumgarten.) Unter dem Himmel, der Initsammt der Erde erneuert wird, kann natürlich nicht das be- reits vollendete Gebiet des Universums (denn das Voll- endete bedarf keiner Erneuerung mehr), sondern nur der zur Erde gehörige Himmel, das mit ihr zusammen- hängende Sonneufhstem und die dadurch bedingte -atmo- sphärische Erdregion verstanden sein. Aus der Zu- sammengehbrigkeit beider ergiebt sich die Nothwendigkeit ihrer gleichzeitigen Erneuerung: ohne die Erneuerung des Himmels wäre die Erneuerung der Erde nicht möglich. (Sabel.) Die erste Erde war gebildet aus dem fliissigem wässrigen Chaos (1.Mos.1,2), die zweite soll aus dem Feuer des Weltbrandes geboren werden; war nun in der ersten Bildung das Meer zurückge- blieben als Rest der aus dem Wasserchaos ausgeson- derten Fluth, so kann in der zweiten kein solches Re- siduum einer Flnth sein, da die neue Erde aus Feuer geboren wird. Bei dem Ausdruck »und das Meer ist nicht mehr« ist also zunächst nicht auf das Völkermeer (17, 15) Beziehung genommen; wohl aber liegt mittel- . 158 Offenb Johannis 21, 6—8. bar darin, daß auch ein solches nnorganisirtes Völker- meer in der neuen Schöpfung nicht mehr wird vor- kommen können. Denn ist das Wasser nicht mehr der Mutterstoff, so ist die neue Welt nicht mehr eine Welt der gährenden Entwickelung sich allmälig gestaltender Formationen aus geftaltlosen Stossen, vielmehr wird aus dem Feuer die feste krystallinische Form als fertige und dauernde geboren. Die Natur muß aber den Per- sonen und Wesen entsprechen, denen sie zum Schauplatz und Organ dient; eine krhstallinische Natur nun kann nur solcheii Wesen zum Organ dienen, bei denen eine Entioickelung nicht mehr vorkommt, mindestens keine Entwickelung durch Gottfeindlichkeit und Tod hindurch, sondern bei denen dauernde, constante, gleichmäßige, seligruhige Lebensentfaltung die einzige Entwickelung bildet. Der wassergeborenen Pflanze, die keimt, wächst, sich besamt und abstirbt, entspricht der Mensch im Fleisch, der Mensch auf seiner ersten Stufe, aus welcher Sündenfall und Tod möglich war und wirklich wurde; dem seuergeborenen, für ewig fertigen, unzerstörbaren Krystall entspricht die verklärte Natur der geistlichen «Menschen, die nicht freien noch sich freien lassen, son- dern den Engeln gleich sind, auch darin, daß sie nicht mehr siindigen können. (Ebrard.) So gewiß Fleisch und Blut nicht eingehen kann ins Reich Gottes, so ge- wiß der Mensch, ehe er ein Glied· dieses Reiches wird, umgestaltet undverklärt werden muß, so gewiß wird auch die Erde, bevor das vollendete Reich Gottes auf ihr in die Erscheinuiig tritt, von ihrer Materialität und Vergänglichkeit befreit und zu einem immateriellen geistlichen Gebiet umgewandelt werden. (Hahn.) Schreck- haft durchzuckt uns beim Sterben unser Scheiden von der Erde; wir bekommen es zu fühlen, daß die Erde unser Heimathland und wir auf unsere Erdnatur orga- nisirt sind. Für das, was auf Erden ist, haben wir Sinn und Herz, ihre Erscheinungen nnd Lebensformen, ihre Gesetze und Einrichtungen verstehen wir; unser Denken selbst, unsere Logik, unsere Phantasie, unser Vorstellungsvermögen unsere Sprache, unser Empsindeu und Lieben ist auf sie gestellt, und sie hinwiederum ist unser Bild-, Sprach- und Gedankenstoff, unsere Him- melsleiter. Getrennt von dieser Erde ist unsere Fort- dauer uns problematisch, wir können uns eben keine Vorstellung von.ihr machen: das alles müssen wir fühlen, ob wir wollen oder nicht, wir müssen uns so- gar im Himmel, der nicht unsere Erde ist, nach dieser unserer Heimath sehnen. Erst wenn dies Sehnen ge- stillt ist, wird uns wohl sein, und die Erde und alle Creatur auf ihr wird mit uns Leben und volle Genüge haben. (Sabel.)« Eis) Hat Johannes im ersten Vers die neue Ord- nung der Dinge im Allgemeinen bezeichnet, so geht er im zweiten nun über auf den besonders hervorragenden Mittelpunkt derselben. Was er da schaut, überragt so sehr alles bisher Dagewesene, daß mans für einen Traum oder ein Mährlein halten könnte; daher sagt er mit besonderer Betonung: »ich, Johannes, der euch Wohlbekannte, dessen Persönlichkeit euch Bürgschaft für die Wahrheit seiner Erzählung ist, habe dies gesehen-« (Kemmler.) Es ist der Mittelpunkt, die Zier und der Schmnck der neuen Welt, was hier von Johannes ge- schaut und geschildert wird. Auf die neue Erde läßt sich nämlich die heil. Stadt, das neue Jerusalem herab. Es wäre ja gar zu sonderbar, wenn die alte Erde zwar eine heilige Stadt göhabt hätte, die neue aber ohne eine solche bliebe. Daß sie Jerusalem heißt, versteht sich von selbst; der Apostel bezeichnet sie aber als ein neues Jerusalem. Warum ein neues? Deshalb, weil für die neue Erde das alte Jerusalem nicht mehr passen würde; auch das Jerusalem der tausend Jahre nicht, das noch zur«alten Weltordnung gehörte, wenngleich Stadt einer Verklärten Gemeinde. Warum aber kommt es hernieder vom Himmel? Wir wissen keine andere Antwort, als: weil es sich nicht ziemte, daß die heilige Stadt· mit ihrer verklärten Bürgerschaft dem Gericht durchs Feuer ausgesetzt würde, so war sie vor dem- selben mit der heiligen Gemeinde in den Himmel auf- genommen worden, und kommt nun von da wieder herab als himmlische Gabe, als Krone, die Gott der neuen Erde aussetzt; aber nicht in ihrer vorigen Gestalt, sondern nun von Gott selbst erneut, und so herrlich bereitet, wie eine für ihren Mann geschmückte Braut. Das ist der Eindruck, den die Stadt in ihrer Herr- lichkeit auf den Seher macht -— nicht als handele es sich jetzt erst um die Feier« der Hochzeit, von dieser und dem Schmuck dafür war schon in Kap. 19, 7f· die Rede; hier will nur gesagt sein, wie herrlich die Stadt geschmückt sei, denn was heilig ist, ist nun auch herrlich, die Gemeinde wie die Stadt, die sie bewohnt. (Füller.) Ein dreifaches Jerusalem ist dem neuen Testament ieigenthümlichx zuerst das himmlische (Hebr. 12, 22) oder obere Jerusalem (Gal. 4, 26), die himm- lische Gemeinde der Gerechten; dann ein Jerusalem hienieden, in dem Diesseits (Kap.14, I; 20,9), endlich das neue Jerusalem auf der verherrlichten Erde, bei dessen Eintreten die beiden ersteren aufhören, das mit dem ersten den himmlischen Charakter gemein hat, mit dem zweiten den Sitz auf der Erde. Das Herabsteigen dieses neuen Jerusalem vom Himmel auf die Erde bildet das Gegenstück zu dem Hei-austreten der Gott- losen aus dem provisorischen Zustande der Unseligkeit in den definitiven, ihrem Gewvrfenwerden in den Feuer- see (20, 13 ff.); zugleich findet eine absichtliche Corre- spondenz statt mit dem ,,es fiel das Feuer von Gott h aus dem Himmel und verzehrte sie« (20,9) — jenes Herabkommen des Feuers aus dem Himmel voii Gott bereitet diesem Herabkommen der heiligen Stadt die Bahn und ist seine nothwendige Voraussetzung. (Hengsten- berg.) War das tausendjährige Reich die Zeit des Hoch- zeitmahles, so ist die Braut jetzt heimgeholt; darum sieht Johannes das neue Jerusalem von Gott aus dem Himmel herabfahren als eine geschmückte Braut ihrem Manne. (Christiani.) THE) Das ,,Siehe da« weist auf das neue Jerusa- lem hin; dieses ist nicht blos eine Hütte Gottes bei den Menschen, sondern, wie der Grundtext lautet, die Hütte, die bekannte Hütte Gottes, die himmlische, wahr- hafte, von welcher die irdische, die Stiftshiitte Jsraels, insbesondere deren Allerheiligstes, nur Schattenriß war. Beide entsprechen denn auch einander auf augenfällige Weise: die Cubusform des Allerheiligsten (2.Mos.26, 35 Anm.) weist auf die Stadt hin, deren Länge, Breite und Höhe gleich find (V.16); die mit Gold überzogene Bundeslade und der goldene G1iadenstnhl darüber (2.Mos.25,10 ff.) auf die Stadt aus Gold gebauet, welche der Sitz der Heiligkeit und Herrlichkeit Gottes sein wird (V.18 u. 23), die Cherubim über der Bundes- lade auf die Engelwacht über den Thoren des neuen Jerusalem (V.12), das mit zwölf Edelsteinen ge- schmiickte Brustschild des Hohenpriesters (2. Mos 28, 15ff.) auf die zwölf Edelfteingründe der himmlischen Stadt (V. 19) u. f. w. Diese Hütte Gottes im Himmel, von welcher in Jsrael nur ein Abbild war, ist nun auf Erden bei und mit den Menschen, so daß Gott in alle Ewigkeit mit ihnen zusammenwohnt als mit seinen Hausgenossen, und in Folge dessen sind sie nun sein ihm ganz besonders zugehöriges Volk, wie er selbst, dieser bei ihnen wohnende Gott, d. h. Jmmanuel — Das neue Jerusalem. 159 Jesus Christus, in der Herrlichkeit des Vaters -—, in ganz besonderem Sinne ihr Gott ist, der sich ihnen in der ganzen Fülle seiner Gottheit bezeugt und mittheilt. Unmittelbare Frucht dieser innigen Vereinigung aber ist die vollkommenste Seligkeit; deshalb heißt es auch weiter: »und Gott wird abwifchen jede Thräne von ihren Augen» Nicht blos in Zukunft wird es keine Thränen mehr geben, sondern auch jede Spur früher geweinter Thränen wird, wie von zärtlich liebender Vaterhand, abgewischt sein; man wird des Alten (Jes. 65,17), auch früheren Leibes, nicht mehr gedenken, es wird unter den unaussprechlichen Tröstungen Gottes wie ein wesenloser Traum entschwunden fein. Und wie alle zuvor geweinten Thränen abgewischt sind, so wird es auch keinen Stoff mehr zu neuem Weinen geben; denn der Tod wird in jenem Leib der Unver- weslichkeit und Kraft nicht mehr sein, daher auch keine Trauer mehr um Todte und kein Trennungsleid Und weil mit dem Tod alles aufgehoben ist, was damit zu- samnieuhängh alles Uebel in der Welt, und besonders die Sünde, die Wurzel des Todes, so wird auch kein Klaggeschrei und keine Pein, weder laute Schmerzbæ zeugung noch innerlich nagendes Weh mehr sein; denn das Erste, alles, was die bisherige Welt der Sünde und des Todes in sich schloß, ist vergangen. (Kemmler.) f) Nachdem der Seher in V. 1f. den neuen Him- mel und die neue Erde sowie die heil. Stadt geschaut und in V. 3f. vom Throne aus gehört hat, was es um dieselbe sei, tritt jetzt Der hervor, der das alles gemacht hat. Der Prophet sah im Vorhergehenden nicht, wie Gott die neue Welt fchasst, sondern er sah sie als eine bereits geschafsene und die heil. Stadt als eine bereits geschmiickte; jetzt tritt aber hervor, welcher der Urheber von alle dem ist, und giebt sich als solchen zu erkennen, indem er spricht: ,,siehe, ich mache alles neu« Wir stehen also- nun in der Zeit, wo der Sohn dem Vater alles übergeben hat und dieser alles in allem ist (1.Cor.15,24.28); denn zum ersten Mal in den Gesichten des Johannes spricht hier Der, der auf dem Stuhle sitzt, selbst, während überall vorher es nur von dem Stuhl ausgehende, den Thronwesen gehörende Stimmen waren, die wir vernahmen. Durch alle Visionen sitzt Gott schweigend auf dem Thron: das erste Wort, mit welchem er das Schweigen bricht, deutet auf die neue Schöpfung, in welcher er alles in allem ist; bis dorthin ist er der verborgene, jetzt ist er der offenbare Gott. Daß Er alles neu macht, ruft Gott dem Johannes zu, und er soll sich, wie das ,,siehe«» besagt, diese neue Schöpfung genau an- sehenz indem aber Gott so auf seine Neuschöpfung hinweist, fordert der Engel, der dem Seher die Offen- barung vermittelt, ihn auf, das gehörte Wort um der Leser willen niederzuschreiben Sie sollen wissen, daß die Verheißung einer neuen Welt, in welcher kein Tod, noch Leid sc. mehr ist, keine leere Vorspiegelung, son- dern pur lautete, göttliche Wahrheit ist, damit sie in den Drangfalen der alten Schöpfuug sicheren Trost haben. (Füller.) Das »ich mache alles neu« ist ein großes, aber auch ein fchwerglaubliches Wort: wo eben alles neu gemacht werden muß, da will es dem na- türlichen Sinn schwer ein, daß eine Aenderung ein- treten werde, besonders schwer demjenigen, auf dem die alte Ordnung der Dinge mit driickendem Gewichte lastet wie ein schwerer Berg. Darum fügt der Engel der Aufforderung zu schreiben die Begründung hinzu: »denn diese Worte sind gewiß und wahrhaftig« Der Grund der Zuverlässigkeit liegt darin, daß es eben Worte Gottes find (vgl. Kap.19,9); der Engel kann nicht durch seine Auctorität die Worte Gottes stützen wollen, sondern er kann nur darauf hinweisen, welche Zuverlässigkeit sie als Worte Gottes haben, der kein Mensch ist, daß er läge, und kein Menschenkind, daß ihn etwas gereiie, dessen Auctorität auch das Unglaub- lichste wahr und zuverlässig macht. (Hengstenberg.) 6. Und» et [der· auf dem Stuhl saß V. 5] sprach zu mir: Es ist geschehen swas ich vorhin mit dem ,,ich mache alles neu« ankündigte, und die neue Welt ist nun vorhandenL Jch bin lwie sich damit auf’s Herrlichste bewährt hat] das A und das O, »der Anfang und das Ende [Kap. 1, 8]. Ich will dem Durstigeii geben von dem Brunnen des lebendigen Wassers [Joh. 4, 14; 7, 37] umsonst [Jes. 55, is. · · 7. Wer [in allen sieben Zeitaltern der Kirchej überwindet [Kap. 2, 7. 11. 17. 26; Z, 5. 12. 21], der wird es alles lnach andrer Lesart: dieses] ererben; und ich werde [da er ein Miterbe Jesu Christi ist 2. Sam. 7, 14. 241 sein Gott sein; und er wird mein Sohn f ein. 8. Den Verzagten aber [die zwar einen An- fang des Glaubenslebens gemacht, doch kreuzes- slüchtig dem damit verbundenen Kampfe sich ent- zogen], und Ungläubigen [die gar keinen Anfang gemacht, weil sie nicht glauben wolltens, und Gtenlichen [die sich mit den Greuelii Vabels be- fleckt haben 17, 4 f.; 1«8, 3 f.], und Todtschlm gern und Hurern [den eigentlichen Anhängern Babels, zu deren Hauptsiinden Mord und Hure- rei gehören 17, 4-—6], und Zauberernl nnd Ab- göttischen [den offenbaren Heiden und völlig vom christlichen Glauben Abgefallenen], und allen Lüg- nern [die dem Teufel gleich nicht bestanden sind in der Wahrheit und zu dessen Kindern gewor- den Joh. 8, 44·], derer Theil wird sein in dem Pfuhl, der mit Feuer und· Schwefel brennetz welches [vgl. Kap. J, 20 f.] ist der andere Tod [Kap. 20, 14 s.; 1. Cor. S, 9 f.]. i) Nachdem auf das Wort des Thronenden: »ich mache alles neu« der Engel dem Johannes diese Worte aufzuschreiben befohlen, fährt der Thronende mit Be- zug auf dessen Zwischenrede fort: »sie (die Worte) sind geschehen, es ist schon alles neu geworden«; damit aber hat sich Gott bewiesen als »das A und das O, der Anfang und das Ende« (Füller.) Das A und der Anfang weisen hin auf das ,,im Anfang schuf Gott Himmel und Erde«; das O und das Ende find zu betonen als das, worauf es hier ankommt. Nicht blos »so wie«, sondern auch weil Gott das A und der Anfang, ist er auch das O und das Ende, und daß er es wirklich ist, zeigt die der Schöpfung (14,7) ent- sprechende Erneuerung. »Es ist geschehen«, so hieß es im Anfang nach jedem Schöpfungswort —- ,,es ist geschehen-«, so lautet es auch am Ende in Bezug auf den Rathschluß der Erneuerung; in der Mitte scheint es oft, daß Gottes Rathschliisse vereitelt werden, daß es gar aus mit ihnen sei, allein das Ende kehrt zum Anfang zurück. Jst dem also, so dürfen die Knechte Gottes nicht verzagen: die Mitte kann den nicht ferner 160 Offenb. Johannis 21, 9—14. ängstigen, dem das Ende gewiß ist. (Hengstenberg.) Jn Kap. 16, 17 wurde der Ausspruch: ,,es ist geschehen«, im endgerichtlichen Sinne gebrauchh wogegen er hier zur entsprechenden Vezeichnung der seligen Voll- endung dient. (Sabel.) H) Gott fpricht hier das Grundgesetz aus, wonach sich entscheidet, wer an der ewigen Seligkeit Theil hat und wer nicht. Grundbedingung der Theilnahme ist dürften und überwinden: 1) sich bankerott geben und auf alles eigene Verdienst und alle eigene Kraft verzichten, um das Lebenswassey das aus Christus strömt und dem, der es trinkt, Leben von Gott und Leben in Gott giebt, zu empfangen, und zwar, wie bedeutungsvoll betont wird, umsonst, als freies, un- verdientes Geschenk; L) überwinden, d. h. kämpfen und ringen und die durch die Wiedergeburt empfangenen Kräfte der neuen Creatur brauchen zur Ueberwindung und Ertödtung des alten Menfchen, auf daß nicht der alte Mensch den neuen ersticke, auf daß vielmehr der neue Mensch fortlebe und wachse und die Herrlichkeit zu ererben vermöge als ein aus Gott gebotener Sohn. Den Ueberwindern treten dann, indem hierauf von dem Ausgeschlofsenwerden die Rede ist, die Verzagten, die nicht kämpfen und ringen, in denen daher der aus Gott geborene neue Mensch wieder abstirbt, gegenüber; und ebenso den Dürstenden die Ungläubigen. (Ebrard.) Das Leben in der neuen Welt, das ewige Leben, wird zunächst bildlich bezeichnet als ein Was s erquell, der den Durstigen mit neuem Leben erfüllt; umsonst will es Gott geben, der Durst darnach, das Verlangen des Herzens ist hinreichend, eines weiteren Kaufpreifes be- darf es nicht. Dasselbe Gut des ewigen Lebens wird dann weiter bezeichnet. als ein Erbtheil: der Ueber- windende, d. h. der, welcher sichs hat etwas kosten lassen, Mühe und Kampf, und in diesem Kampfe den Sieg davongetragen, wird es (nämlich die neue Schöp- sung) erben. Das ernstliche Trachten um das Eine Gut des Lebens in der neuen Welt wird also- nach seinen zwei Seiten betrachtet: als inneres Sehnen und Verlangen und als äußeres Mühen und Kämpfen um den Gegenstand des Sehnens; wo sich dies findet, da gilt dann: »ich werde ihm Gott, und er wird mir Sohn sein«, sein Leben ist also ein Leben völliger Familiengemeinfchaft mit Gott. (Fiiller.) Die in V. 8 Genannten bilden vier Paare —- die vier ist die Sig- natur der Welt, der diese verschiedenen Richtungen derer, die in der Welt leben (Col.2,20), angehören. (Heng- stenberg.) Die Ausgeschlosfenen werden unter acht Na- men zu je vier Paaren vorgefiihrt: es sind eben die Auswürflinge der Menschheit, die Heillosety die durch keinerlei Gnadenerweifung Gottes, selbst nicht unter Christi tadellosem Regiment, sich haben retten und be- kehren lassen, die ihre Ausscheidung und Verbannung aus dem Lebensbereiche Gottes durch beharrliches Wider- streben gegen den heil. Geist ertrotzt haben; so soll ihnen denn auch ihr erkorenes Theil werden in dem außerirdischem mit der zum Himmel gewordenen Erde in keinerlei Berührung stehenden Feuer- und Schwesel- see, dem ewigen Tode! (Sabel.) Vgl. die Bemerl zu Kap. 22, is. 9. Und es kam zu mir sgerade wie in Kap. 17, 1 fs., wo mir die große Hure als die dem Lügenlamm oder dem Thier entfprechende Lügen- braut gezeigt werden sollte] einer non den sieben Engeln, welche lnach Kap. 15, i] die fteben Schnnlen voll hatten [besser: welche halten die sieben Schaalen voll] der letzten sieben [bis Kap. is, 21 reichenden] Plagen, und redete mit mir sähnlich wie damals 17, i] nnd sprach: Komm, ich will dir [im Gegensatz zu jenem falschen] das [rechte] Weib zeigen, die Braut des Lammest [in der Vollendung ihrer Herrlichkeit, da sie nun nicht mehr blos Braut ist, wie in Kap. 19, 7., sondern Weib]. 10. Und [er, gleichwie in Hes 40, 1 ff. der HErr den Propheten ins Land Jsrael führte und daselbst auf einen sehr hohen Berg ftellte] füh- rete mich hin im Geist auf einen großen und hohen Berg, und zeigte mir die große Stadt, das heilige Jerusalem sdas in V. 2 nur erst noch im Begriff stund herabzufahrem ohne daß sich die Stelle auf der neuen Erde, wo es sich würde niederlassen, fchon bestimmt hätte erkennen lassen], herniederfahren ans dem Himmel von Gott sauf eben diesen großen und hohen Berg]; II. Und [fie, die Stadt] hatte lwas sich an ihr zunächst mir zu erkennen gab] die Herrlichkeit Gottes [in sich —- zum Zeichen, daß Gott jetzt vollständig bei ihr bleibende Wohnung genommen Des. 48, 35], und ihr Licht [der Lichtkörpey der über ihr leuchtete] war gleich dem alleredelsten Stein, einem hellen Jaspis heimlich die Herrlich- keit Gottes erleuchtete sie, und ihre Leuchte war das Lamm V. 23], 12. Und hatte große und hohe Mauern [von denen sie umschlossen war und so ein in sich ab- gefchlofsenes Ganze bildete], nnd hatte süber den zwölf Gründen der Mauer V. 14 sich erhebende] zwölf [offeu stehende Jef. 60, 11 f.] Thore, nnd auf den Thoren zwölf Engel sals Wächterh und Namen [in sie, die Thore, ein-J geschrieben, welche find die sNameu der] zwölf Geschlechter der Kin- der Israel szum Zeichen, wer innerhalb der Thore wohne und zu wem sie führen]: 13. Vom Morgen drei Thore, von Mitter- nacht drei Thore, vom Mittag drei Thore, vom Abend drei Thore sHes 48, 3i—34]. 14. Und die Mauer der Stadt hatte zwölf Gründe lüber dem Boden emporragende und deut- lich zu fehende Grundsteine von gewaltiger Größe], und in deuselbigen die Namen der zwölf Apostel des Lannnes" [Ephes. 2,20; Apostg.1, 26 Anm.]. E) Daß hier noch die Zornschaalengcsiigel austreten, ist ein Beweis dafür, daß die Gesichte in Kap. 17 ff. noch unmittelbar die Fortsetzung und den Schluß der ZornfchaalewVision bilden. Diesmal nun wird Jo- hannes nicht, wie in Kap.17, 1ff., in eine Wüste, fon- dern auf einen hohen Berg geführt; eben so wird Hefe- kiel im Geist auf einen hohen Berg gestellt, was aber dem Hesekiel noch, anschließend an die alttestamend liche Form, unter dem Bilde eines Tempels erschien, das erscheint dem Johannes in der freieren Form der Gottesstadh die nach V. 22 keines besonderen Tempels mehr bedarf, weil Gott selbst ihr Tempel ist, sie erfüllt Einer von den ZornschaalewEngeln zeigt dem Seher das Weib des Lammes 161 und in fich hüllt, und sie somit durch und durch selber ein Tempel Gottes ist. (Ebrard.) Es soll ein über- wältigender Anblick gewesen sein, wenn man in den Tagen des HErrn von der Höhe des Oelbergs auf Jerusalem herabblicktc der Tempel in weißem Mar- mor mit goldenen Zinnen 200 Fuß über dem 890 Fuß hohen Tempelberge emporragend; ringsum die Stadt aus Hügeln mit ihren Burgen, Thürmen, Pallästen und ihrem Häusermeerl Ging die Sonne auf, so soll es gewesen fein, als ob das Gold geleuctstet und als ob der Marmor röthlich schimmernd Leben gewonnen habe; aber was ist aller Glanz und alle Pracht dieses Jeru- salem, ja was alle Herrlichkeit aller Städte der Welt gegen das Jerusalem, das neue, das jetzt der Engel dem Johannes zeigte! Johannes, wiewohl im Geiste, wird doch so sehr von dem Anblick überwältigh daß er (22,8) zu den Füßen des Engels niederfiel, der ihm solches zeigte. (Steffann.) Unter diesem Neu-Jerusalem haben wir die triumphirende Gemeinde zu verstehen; wir haben demnach die Personen, ihre Beschaffenheih Zustand, Stellung u. s. w. ins Auge zu fassen. Diese Personen aber werden uns nicht als Einzelwesen vor- geführt, sondern als Eine heilige Gemeinde in ihrer himmlischen Vollendung; deshalb sehen wir, daß diese Stadt symmetrisch nach allen Theilen hin gleich und vollkommen ausgebildet ist, in der keine Jndividualität einseitig und das Ganze störend und anderen Jndivi- dualitäten widerstreitend hervortritt, sondern daß jeder Einzelne ein zum Ganzen vollkommen passender Theil ist, harmonisch sich ins Ganze einfügend und dem Gan- zen dienend. Diese vollkonmene Harmonie der Indivi- dualitäten ist lebendig dur drangen von Gott und sei- ner im Sohn und Geist geoffenbarten Herrlichkeit. (Gräber.) Jn Kap. 19, 11ss. waren die feindlichen Heere wider die heil. Stadt herausgezogen und hatten bei derselben ihre Niederlage gesunden; die Stadt Got- tes war damit gerettet und wurde nun der Sitz des die Welt beherrschenden Königs Christus und feiner Gemeinde (Kap.20,1ff.), der Mittelpunkt der Erde, der jetzt von den Völkern ebenso ausgesucht wurde, wie zuvor die buhlerische Weltstadt Rom. Das war nun freilich zunächst das Jerusalem des tausendjährigen Reichs, während wir es hier mit dem Jerusalem der neuen Welt zu thun haben; aber daß beide nicht zweierlei verfchiedene Städte, sondern dieselbe Stadt sind, darauf wurde schon zu V.2 hingewiesen, und wir dürfen da- her wohl sagen, das neue Jerusalem mit der ver- klärten Gemeinde in ihr ist das Ergebniß der sieben Zornschaalem und deshalb wird es von einem dieser Engel dem Johannes gezeigt. Nachdem die sieben ZornschaalemEngel zuvor die Aufgabe gehabt, die letzi ten Schreckensgerichte über die Welt hereinbrechen zu lassen, darf nun einer von ihnen den Seher auf die herrliche Frucht ihres Werkes hinweisen. Diese be- zeichnet er aber als »die Braut, das Weib des Lammestt (so nämlich sind nach besserer Lesart des Grundtextes die Worte umzustellen). Braut nennt er sie, nicht als ob jetzt erst die Hochzeit gefeiert werden sollte, diese fällt vielmehr auf den Beginn der tausend Jahre (vgl· Kap.19, 7ff. mit V. 2 unsers Kap.); sie ist jetzt bereits das Weib des Lammes, ohne aber deshalb aufgehört zu haben, dessen Braut zu sein —- der Name Braut zeigt sie uns in ihrer Reinheit; der Name Weib in ihrer vollendeteuVereinigung mit Christo. (Füller.) »Es) Das Weib des Lammes ist Eins mit der hei- ligen Stadt Jerusalem, wie die Hure mit der großen Babylon. Die Sinnbildlichkeit der Beschreibung aller Einzeluheiten, ihrer Realität unbeschadet, drängt sich von selbst auf: eine materiell wirkliche Stadt von den Deichsel-s Biherwertt v1I. Band, 2. Ahn» S. Aufr. hier. gegebenen Dimensionen, nach Länge, Breite und Höhe, mit dieser Mauer, diesen Perlenthorem diesen Grundfesten re. wäre etwas Unfaßbares und Unvorstell- bares; es ist alles geistlich zu verstehen, und in diesem geistlichen Sinne ist die so in Zeichen gestellte Stadt Gottes etwas Wirkliches, Geistleibliches, Meßbares (Sabel.) Die Beschreibung der Stadt beginnt mit dem Herrlichsten, was sie hat, mit der Gegenwart Gottes. »Und alsdann soll die Stadt genannt werden: hie ist der HErr,« er ist ihr zugewandt in der ganzen Fülle feiner Herrlichkeity Huld und Gnade —- damit hatte Hesekiel (48, 35) seine ganze Schilderung des neuen Tempels und der neuen Stadt geschlossen; womit er geendet, damit wird hier begonnen. »Gott ist gegen- wärtig,« das war schon die edelste Zier der Gemeinde des alten Testaments gewesen, ihr herrlichstes Privi- legium, ihr Grundunterschied von der Heidenweltx die Potenzirung dieser Gegenwart war der herrlichste Vor- zug der Kirche des neuen Bandes in dem Diesfeits, in dem neuen Jerusalem aber soll die Gegenwart Gottes auf eine bis dahin nicht geahnte Weise sich kaut-geben. (Hengstenberg.) Die Herrlichkeit Gottes, die der Stadt als Leuchte dient, wird in ihrer Pracht verglichen dem edelsten Stein, dem krystallglänzenden Jaspis; in dessen Lichte sahen wir schon in Kap. 4, 3 die Gestalt Dessen leuchten, der aus dem Stuhle saß, aber dort war der Glanz des Jaspis durchfunkelt von dem rothen Schein des Sarders, die heilige Lichtnatur Gottes durchzogen von dem rothen Feuerschein des göttlichen Zorns. Hier ist«von letzterem nichts mehr zu sehen, nur in demant- reinem und -weißem Licht strahlt feine Herrlichkeit: die " Zeit des Zornes ist vorüber, das Feuer des Zornes brennt jetzt nur noch im Feuer-see, in feiner Gemeinde strahlt allein seine Heiligkeit. Wir haben uns die der Stadt als Leuchte dienende Gottesherrlichkeit jedenfalls als über der Stadt schwebend zu denken. (Füller.) Die Stadt hatte eine große und hohe Mauer, groß, weil in Einem Zusammenhang die ganze große Stadt um- fassend, hoch, weil bis zu der u1igemeinen Höhe der Stadt ansteigend; diese gewaltige Mauer ist wohl zu- nächst Bild der vollkommenem ewigen Sicherheit und Ruhe, deren das Volk Gottes im himmlischen Jeru- salem genießt, daß man da den Lobgesang anstimmen kann (Jef. 26, 1sf.): »Wir haben eine feste Stadt; er ftellet Heil zu Mauer und Wehr« Die Mauer aber hat zwölf Thore: so groß und hoch sie ist, daß man sprechen möchte: ,,je, wer kann da hinein, wer kann denn selig werden?« — es giebt, Gott Lob, einen Zugang zu der Stadt, ja einen zwölffachem denn von jeder Himmelsrichtung her führen drei Thore hinein (Luk.13,28f.). Und Die aus der ganzen Menschheit gesammelte Gemeinde wohnt mit der Menge vieler tau- send Engel zusammen (Hebr.12,22); denn über den Thoren sieht Johannes zwölf Engel schweben. Vor- nehme und zuverlässige Thorwächterl Da kann ja nichts herein, was den Frieden der Stadt stören oder irgend einen Mißklang in ihr erzeugen könnte; was noch nicht vollkommen reif für die völlige Durchdrin- gung von der Klarheit Gottes ist (V.24), wird durch diese Engel vom Eintritt in die allezeit offenen Thore zurückgehalten, in die Stadt selber aber und das von ihr umschlossene Paradies kann keine Schlange mehr eindringen, dafür ist diese Engelwacht gut. Zugleich aber sind diese zwölf Engel auch die Repräsentanten der ganzen, über die Stadt her sich lagernden, sie gleich- sam bedeckenden Gottesgemeinde der Engel, wie ja schon jetzt der Engel des HErrn fiel) um die her lagert, die ihn fürchten. An den Thoren, natürlich auf der Aussenseite, etwa auf den: Fries oder Architrav, zeigen 11 162 Offenb. Johanuis 21, 15—21. sich Namen geschrieben, die Namen der zwölf Ge- schlechter Israel; denn in der Stadt, zu welcher die Thore führen, wohnt Israel, die Gottesgemeinde derer, die mit Gott gekämpft und überwunden und einen neuen Namen bekommen haben, jenes Bundes- volk der zwölfmal Zwölftausend, die wir von Kap. 7 u. 14 her kennen. Zugleich sind diese Namen der zwölf Geschlechter Jsraels durch ihre Bedeutung herrliche De- visen der ewigen Stadt; für ihre Einwohner passen ganz vortresslich die Jnschristem 1) ich will dem HErrn danken (Juda); L) er bat mein Elend angesehen (Ruben); Z) mit Haufen kommen sie daher (Gad); 4) wohl mir! (Asser); 5) ich habe einen guten Kampf gekämpft (Naph- thali); S) der HErr hat mich vergessen lassen alles meines Unglücks (Manasse); 7) er·hat mich erhört (Simeon); 8) er hängt mir an (Levi); S) er hat mir gelohnet (Jsaschar); 10) er wohnet bei mir (Sebulon); 11) er hat meine Schmach weggenommen (Joseph); 12) ich bin der Sohn seiner Rechten (Benjamin). Vgl. Kap. 7, 5ff. mit 1. Mos. 29.30 u.41". An der Mauer der Stadt sind ferner zwölf Gründe, wohl nebenein- ander, so daß drei Grundsteine, deren jeder ein Oblon- gum bildet und den Namen eines Apostels trägt, auf Einer Seite liegen; über jedem diefer Grundsteine, in der Mitte desselben, erhebt sich eines der zwölf Thore, und so entsprechen fich auch in symmetrischer Anord- nung die Namen der zwölf Geschlechter Jsraels oben am Fries der Thore und die Namen der zwölf Apostel unterhalb derselben auf den Grundsteinen der Mauer. Diese nun mit ihren Apostelnamen bezeichnen die Bür- gerschast der Stadt als die Gemeinde derer, die erbauet sind auf den Grund der Apostel, insbesondere auf das Wort von Christi Kreuz und Versöhnung, das sie als Apostel des Lammes zu verkiindigen hatten und wel- ches den Bürgern des neuen Jerusalem durch den Glauben Grundlage ihrer Seligkeit und ihres Wesens in der Stadt Gottes geworden —- Andere, die auf einen anderen Grund bauen, wird es nicht in dieser Gottesstadt geben. (Kemmler».) 15. Und der mit mir redete [V. 9], hatte snicht blos seiner eigenen Würde, sondern auch der des zu messenden Gegenstandes V. 21 ent- sprechend] ein gülden Rohr salso anders als das, welches in Kap. 11, 1 mir selber gegeben wurde], daß er [vor meinen Augen, gleichwie einst auch dem Propheten Hesekiel »40, 5 ff. geschah] die Stadt messen sollte, und ihre Thore nnd Mauern. IS. Und die Stadt sum diese Bemerkung vorauszuschickenj liegt viereckigt, nnd szwar bildet sie, wie auch die Stadt in Hes. 48, 16 u. 30 ff., ein gleichseitiges Viereck] ihre Liinge ist so groß als die Breite [ivar also die eine Seite gemessen, so war die Stadt nach ihrem ganzen Umsange bestimmt] Und er maß die Stadt mit den: Rohr san der einen ihrer vier Seiten] auf zwölf- tausend Feldwegs soder Stadien = 300 deutsche Meilen 3.Mos.19,37 Anm.]. Die Länge nnd die Breite swie oben gesagt], Und [so auch, wie nun hier weiter hinzukommt] die Höhe der Stadt sind gleich [so daß diese einen Kubus bildet, wie vor- 1nals das Allerheiligste im vorbildlichen Heiligthum 2. Mos. 26, 35 Anm., vgl. 1. Kön 6, 20 und ihre Höhe so zu sagen bis in den Himmel reicht]. 1-7. Und er maß ihre snach außen hin sie umgebende] Mauer, sund da ergaben fich in Be- treff ihrer, hier allein in Betracht kommenden Höhe] hundert nnd vier nnd vierzig [-ta·usend?] Ellen, nach dem Muß eines Menschen, das der Engel hat les sind da Ellen gemeint, wie man im menschlichen Sprachgebrauch das Wort versteht, aber doch nur solche, wie sie allein eines Engels würdig sind, nämlich besonders große Ellen zu sieben Handbreiten Hes 40, 27 Anm., was ans die himmlische Verklärung der aus den Menschen genommenen Gemeinde hindeutets Wie von dem steinernen Tempelgebäude das Aller- heiligste die Kubussortn hatte, so nun diese Stadt; Gott wohnt in diesem neuen Jerusalem wie im Aller- heiligsten, er ist aufs Jnnigste mit den Seelen der Gläubigen vereint, es handelt sich also gar nicht um eine Stadt selber, sondern um die aus lebendigen Menschenseelen erbaute Gemeinde der Vollendungszeitz die Schaar ihrer Glieder ist so- groß, daß sie niemand zählen kann (7, 9), daher wir uns über die ungeheu- ren Maßverhältnisse für die Länge, Breite und Höhe der Stadt nicht wundern dürfen. Dagegen befremdet die im Vergleich mit der Höhe der Stadt selber so gar unbedeutend erscheinende Höhe ihrer Umgebungsmaueip wenn wir in gewöhnlicher Weise blos 144 Ellen lesen; darin könnte nun allerdings der Gedanke sich ausdrücken; daß zur Abhaltung alles Unreinen und aller Gefahr (V.4u. 27) schon die verhältnismäßig niedrigste Mauer genügt, ein gewaltsames Eindringen von außen her ist ja nicht mehr möglich (Jes.54,14). Jndessen hieß es in V.12 ja ausdrücklichx »die Stadt hatte eine Mauer groß und hoch«, und da empfiehlt sich doch, vielmehr 144000 Ellen dafür zu sehen, was sehr wohl angeht, da, so lange die Zahlen noih mit Buchstaben geschrieben wurden, die Chifsre ais-F beides ausdrückte, sowohl 144 als 144000; es stch also hier weniger um eine falsche Lesarh als um eine falsche Auffassung des Zahlzeicheus handelt. Eine Höhe von nur 144 Ellen würde nicht einmal der Höhe gleichkommem die z. B. die Mauer des irdischen Babylon nach Herodot hatte, nämlich 200 Ellen; da wir es aber überhaupt nicht mit einer wirk- lichen, sondern lediglich mit einer prophetisch-symbolischen Mauer zu thun haben, so liegt die Vermuthung nahe, daß in dieser Mauer das versiegelte und geheiligte Js- rael aus Kap. 7,4ff. u. 14, 1 ff. sich hier darstellen soll, daher in V. 14 noch besonders von« den zwölf Gründen der Mauer die Rede ist, insofern die zwölf Apostel He- bräer sind» aus den Hebräern Diese 144000 Ellen ergeben 400 Stadien, denn ein Stadium beträgt 360 Ellen; das ist der 30. Theil der Stadthöhe Andere Ausleger wollen die 144 Ellen, die sie lesen, von der Dicke der Mauer verstehen, da deren Höhe schon mit der der Stadt selber (V.16) angegeben sei; indessen weist doch die Maßangabe nach Ellen zu deutlich auf das Gesicht in Hes 40, 5-——37 hin, als daß wir nicht sollten eine Wiederaufnahme desselben hier erkennen· Während nun bei Hesekiel der Tempel und die Stadt noch von einander geschieden sind, diese im Vergleich mit jenem noch den Charakter einer gewissen Profaiiität an sich trägt (Hes. 48, 15), ist sie hier selber zum Tem- pel, ja zum Allerheiligsten geworden, und kommt ein solcher neben ihr nicht mehr in Betracht (B. 2"2); daraus folgt, daß HesekiePs Gesicht einer früheren Periode der Entwickelung des Reiches Gottes (Kap. 14, 1fs.; 20, 1ss.), und nicht schon der des neuen Himmels und der neuen Messung der heiligen Stadt und Beschreibung ihres Baues. 163 Erde angehört, bei welcher wir hier stehen. Allerdings greift St. Johannes mit seinem Gesicht auf das des alttestamentlieheii Propheten zurück und nimmt dasselbe geflissentlich wieder auf (vgl. namentlich auch Kap. 22, 1f.); aber nicht, um es zu wiederholen, sondern über den Gesichtskreis der alttestanientlichen Heilsökonomie hinaus, die es hauptsächlich mit Jsrael zu thun hatte und hauptsächlich bei diesem stehen blieb, zu entfalten und für die neutestamentliche Oekonomie, welche auch die Heiden umfaßt und von einer zukünftigen neuen Welt weiß, zu verwerthen. Von altteftamentlichen Pro- pheten ist eigentlich Jesajas (24, 19 ss.; 34, 4; 51, 16; 65, 17 ff.) der einzige, der bestimmt von einem neuen Himmel und einer neuen Erde redet. Jn der alttefta- mentlichen Weifsagung, schreibt Volck, sondern stch die beiden Phasen des Endes nicht scharf von einander, na- mentlich tritt die Art und Weise des Uebergangs von der Verherrlichung Jehovas und seiner Gemeinde vor der Welt ini tausendjährigen Reich zu dem letzten Ende aller Dinge, zu dem Leben der Ewigkeit, nicht recht klar hervor, obwohl in Hef. 38, 20 eine Andeutung schon vorliegt. 1»8. Undder Van ihrer Mauern war von IasplT Und dle Stadt [selber, die von den Mauern eingeschlofsen wurde, war] von lautern! [von jeder Beimischung freiem] Golde, gleich dem teilten Glase« [oder Krhstall]. 19.· Und die Gründe der Mauern nnd der Stadt lvon denen »in V. 14 die Rede gewesen] waren geschmückt iait allerlei Edelgcftein [Jcs. 54, 11 s.]. Der erste Grund war ein Jaspis lalso gleich dem Baumaterial der Mauer V. 18], der andere war ein ·Sapphir, der dritte eiii Choler- donier, der vierte eiii Smaragd, . 20. ·Der fünfte eiii Sardonhclz der sechste ein Same, der siebente ein Chryfolith der achte ein Berhll, der neunte ein Topasieh der zehnte ein Chrhfopras der elfte cui Hyaciiith der zwölfte ein Aniethhs « [2. Mos 28, 17 sf.]. — 21. Und die zwölf Thore [V. 121 waren zwölf [ungeheuer große] Perlen sderen Höhlung die Eingänge zur Stadt bitdeten], nnd ein jeg- lich Thor war von Einer fungetheittenj Perle salfo nicht aus Stücken zusammengesetztk und die Gassen der Stadt waren lauter Gold, als ein dnrchscheinend Glas« sgleichwie die Häuser und Wohnungen derselben B. 18]. is) Das Bauniaterial der Mauer besteht aus Jas- pis, jenem reinen und vornehmsten Edelstein, von welchem wir schon in Kap 4, 3 u. 21, 11 hörten; die Stadt selbst aber, das Material der Wohnungen ist reines Gold, also das kostbarfie Metall, gleich reinem Krhftalh d. h. nicht blos geläutertes, sondern auch durch- fichtiges Gold —- es geht eben die Herrlichkeit der zu- künftigen Schöpfung über die der jetzigen hinaus. (Füller.) Johannes, um die Unaussprechliche Herrlichkeit der vom Himmel kommenden Stadt zu veranschaulichem über- schreitet die natürlichen Grenzen des Jrdischeih giebt also z. B. hier ein durchfichtiges Gold als das Ma- terial an, aus welcheni die Häuser des neuen Jerusa- lem bestehen. (Diisterdieck.) Alles ist lichthast und alles Erdhaste wegzudenteiii es ist verklärte Natur. (Luthardt.) IN) Mit Unrecht hat man gemeint, daß jedem ein- zelnen Apostel hier ein Edelstein zugetheilt sei, dessen Eigenthüinlictikeit ein Abbild der ihm speciell verliehe- nen Gabe sei, und fiel) bemüht, die Correfpondenz der Edelsteine mit den einzelnen Apofteln nachzuweisen; dann müßte die Reihenfolge der Apostel eine unbedingt festftehende sein, was sie keineswegs ist (Matth. 5, 1 A11m.), ebenso die fhmbolische Bedeutung der Edelsteine eine scharf ausgeprägte nnd durch andere Stellea der heil. Schrift festgestellte· Dann spricht auch dagegen die Analogie der zwölf Edelsteine auf dein Bruftfchilde des Hohenpriefters; denn daß die Reihenfolge der Stäm- me auf demselben weder unmittelbar noch mittelbar bestimmt wird, zeigt, daß darauf kein Gewicht gelegt wird, daß sie für die Sache keine Bedeutung hat, daß die durch die Edelsteine bezeichnete Herrlichkeit den Ein- zelneu nicht als solchen, sondern nur als Theilen des Ganzen angehört, gerade so, wie auch in den Segens- sprüchen Jakob’s und Mosis’ in der Regel den einzel- nen Stäinmen nur individuell zugeeignet wird, was dem Ganzen eignet. So wird man hier dabei stehen bleiben müssen, daß durch die Mannigfaltigkeit der Edel- steine der Reichthum der herrlichenGabeii Gottes abgebildet wird, der an den Aposteln sich entfaltet; nur bei dem ersten Steine, dein Jaspis, könnte man vielleicht eine spezielle Beziehung auf Petrus annehmen, da dieser nicht nur regelmäßig die erste Stelle unter den Aposteln einnimmt, sondern auch in Matth 10, 2 ausdrücklich und nachdrücklich als der erste bezeichnet wird. Die durch die mosaischen Edelsteine abgebildete Herrlichkeit des Volkes Gottes findet in den Edelsteinen der Ofseii- barung ihre letzte und vollste Verwirklichungx die leh- tereii fymbolifiren zwar zunächst die Herrlichkeit der Apostel, aber der Unterschied wird dadurch ziemlich auf- gehoben, daß die Apostel die Häupter der Kirche sind (Matth.19,28) und diese in ihnen geehrt und verherr- licht wird. Neben dieser positiven Beziehung auf die Edelsteine der Stämme Jsraels findet ein polemischer Zusammenhang statt mit den Edelsteinen, wodurch in Hef. 28,13 in Anspielung an L. Mos 28 die stolze Pracht des Königs von Thrus bezeichnet wird, welche eine Realirouie auf die Israel ertheilten Verheißungen zu sein schien; ebenso mit Kuh. 17, 4., wo das Weib erscheint als übergoldet mit Gold und Edelsteinen und Perlen. Mag die Welt (nach unserer Auslegung: Rom) fiel) eine Zeit lang brüsten, mag ihr eine vergängliche Herrlichkeit gegönnt werden: die (wahre) Kirche sieht dem ruhig und gleichmüthig zu, denn sie weiß, daß ihr das Ende gehört. (Hengftenberg.) Eise) Waren die Gründe der Stadtmauern Edel- steine, so befteheii ihre zwölf Thore aus zwölf Perlen. Die Perle wirft keinen blitzenden Strahl wie der Dia- mant, sie glänzt vielmehr in sanftem weißem Licht; so haben denn diese Thore in ihrem Perlenglanz etwas Anlockendes, sie führen zu der Stadt dessen, der da spricht: ,,koinmet» her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquickeii«, und welcher selbst den Strahlenglanz seiner Herrlichkeit ablegte, uni als der Sanftmilthige und von Herzen Demüthige die zer- stoszeneii Herzen zu heilen. Sie sind zugleich, sofern jedes derselben aus Einer Perle besteht, Hindeutuiig auf die ungetheilte Seligkeitsfülle, zu der diese Thore führen, zu welchem derselben man auch eingehen möge. Ganz besonders aber geben uns diese in reinem Per- lenglanz ftrahlenden Pforten einen Wink über die Be- fchafsenheit derer, welche zu diesen Pforten eingehen; es sind nur solche, die reines Herzens find, denn nur sie werden Gott schauen (Matth.5,8), nur solche, die jenem Kaufmann gleichen, der, da er Eine köftliche U« 164 Ofsenh Johannis 21, 22—27. 22, 1——5· Perle fand, alles verkaufte, was er hatte, und kaufte die Perle, deren Christenthum nichts halbes, sondern etwas Ganzes, nichis Gestücktes noch Geflicktes, sondern aus Einem Guß und Fluß, wie die Eine Perle jedes Jerusalem-Thores ist. Auch in der Naturgeschichte der Perle liegt ein wohl zu beachtender Zug: die Muscheln, in welchen man die Perlen findet, leben nur in stillem, geschütztem Wasser; starke Strömungen und Stürme vertreiben das Thier. So kann auch die Perle eines mit Christo in Gott verborgenen Lebens, wie es im Neujerusalem zur Offenbarung kommt, nicht in den Strömungen des Weltgeistes nicht im unruhigen Wellen- schlag irdischer Lüste und Sorgen, sondern nur in der Stille eines »in Gott sich concentrirenden Lebens an- sehen, und nur solche stille Gemiither sind es, für welche die Perlenthore der himmlischen Stadt vorhan- den sind, ja welche dieselben schon hienieden in sich tragen. (Keinmler.) Die Straßen der Stadt bestehen gleich den Häusermassem welche an den Straßen sich erheben (V.18), aus reinem Golde, welches wie durch- sichtig Glas ist. (Düsterdieck.) Innerhalb der Stadt ist kein leerer Raum, so wenig als ein ungeordnetes Durcheiiiander, sondern eine geordnete Vielheit von Wohnungen (Joh.14,2); jedes Haus bildet seine Fa- niiliengruppe, aber nirgendwo ist Verschlossenheit, nir- gends ein Sonderinteresse, nirgends eine Heimlichkeih sondern alles ist durchsichtig wie Krystall, und überall herrscht Lauterkeit und Wahrheit, der alles erfiillende Geist der Liebe. (Sabel.) Aber spiegelhell, so daß die ganze Herrlichkeit der umgebenden Häuserreiheiy gleich- wie das Paradies in der Mitte der Stadt (22,2), aus ihm wiederstrahlt, ist auch der Grund und Boden der Straßen: wie rein, wie frei von Erdenkoth und Sün- denschmutz müssen da unsere Füße werden, wenn sie dereinst auf diesem goldglänzenden, spiegelhellen Boden wandeln sollenl Darf man in keinen irdischen Fürsten- palast mit unsauberen Schuhen, wieviel weniger in die Königsburg des himmlischen Zion! Da muß man sich zuvor vom HErrn die Füße wascheu lassen, sonst hat man keinen Theil mit ihm und mit seinen seligen Haus- genossen. (Keminler.) 22. Und ich sahe keinen Tempel darinnen [innerhalb der Stadt, während in Hes 40—48— der Tempel die Hauptsache ist und die Stadt erst daneben in Betracht kommt, so daß also dieses Gesicht hier weiter in die Zukunft hinausgreifh als »jenes]; denn der HEry der allmiichtige Gott, ist ihr Tempel, nnd das Lamm« [Jer. s, 16 f.]. 23. Und die Stadt [be-]darf keiner Sonne noch des Mondes, das; sie ihr scheinen; deiin die Herrliihkeit Gottes erleuchtet sie sdaß sie selber lauter Licht, lauter göttliche Durchlauchtigkeit und die Sonne der neuen Welt geworden], und ihre Leuchte ist das Lamm« [Jes. 60, 19 f.; 24, 23]. 24. Und die Heiden, die da sdurch ihr Ein- gehen in die Stadt] selig werden, wandeln in deniselbigeil Llcht [unter dem Schein ihres Lichtes, so daß sich die Weissagung in Jef. 60, 3 nun vollständig ersüllt hat]. Und die Könige auf Erden werdeii ihre Herrlichkeit in dieselbige btingeii*" sum sammt dieser ihrer Herrlichkeit derselbigen einverleibt zu werden Jef. 60, 5—10]. 25. Uiid ihre Thore werden swie in Jef. 60, 11 f. gesagt] nicht verschlossen des Tages sdenn da schließt man auch schon in der gegenwärtigen Welt die Thore der Stadt überhaupt nicht zu, sondern läßt sie für den freien Verkehr offen stehen; von einem Verschließen des Nachts aber kann für die Stadt der zukünftigen Welt keine Rede sein], denn da wird keine Nacht sein. 26. Und man wird [in weiterer Erfüllung der prophetischen Verkündigung Jef. 60, 13—17] die Herrlichkeit und die Ehre [den WerthbesitzJ der Heiden in sie bringen. 27. Und wird [um schließlich noch auf die Erfüllung dessen, was in Jef. 60, 18 gesagt ist, hinzuweisen] nicht hiiieiiigeheii irgend ein Geineines, und das da Greuel thut iiiid Liigen svgl Amn zu Kap. 22, 15]; sondern die geschrieben sind in dem lebendigen Buch [befser: Lebens-Buch 13, 8] des Lammesf sso daß nun auch das Wort in Jef. 60, 21 s. zur That und Wahrheit ge- worden]. i) Die Stadt bedarf keines Tempels, also keiner besonderen Stätte der Vermittelung zwischen ihr und Gott, einfach weil der Verkehr Gottes mit den Men- schen jetzt ein unmittelbarer ist; Gott und das Lamm sind selbst der Tempel, d. h. man geht nicht in den Tempel Gottes, sondern zu Gott selbst, an die Stelle des Tempels ist er selbst mit seiner unmittel- baren Gegenwart getreten. (Ebrard.) Diese Gemein- schaft und Gnadengegenivart Gottes aber ist allezeit vermittelt durch das Lamm: in Christo Jesu ist der Gott der Welt der HErr der Gemeinde. (Luthardt.) Der Tempel war die herrlichste Zier des vorbildlichen Jerusalem; in ihm geistlich zu wohnen, das betrach- teten die Frommen des alten Testaments als das größte Gliick ihres Lebens, als ihren köstlichsten Vorzug (Jer. 7,4; Pf. W, S; 27,4; 84,3)· Der Grund dieser Be- deutung des Tempels liegt darin, daß Gott in ihm dem Volke ein Unterpfand seiner gnadenreicheii Gemein- schaft mit ihm gegeben hatte: wer ihn suchte unter dem alten Bunde, der fand ihn nur im Tempel, in welchem Gott das Wort von seinem Wohnen unter dem Volk wahr machte (2. Mos. 25, 8; 29, 45 f.). Allein, was des alten Bandes höchster Vorzug, das ioar noch nicht das Höchste, was Gott überhaupt gewähren konnte und wollte; die Vereinigung mit Gott, dem ewigen Gut und Quell aller Güter, wie sie durch den Tempel re- präsentirt wurde, war nur eine vorläufige, unvollkom- mene, der Tempel deutete vorwärts auf eine realere Verbindung Gottes niit seinem Volke. Diese erfolgte in Christo, dessen Erscheinung sich zu dem Heiligthum verhält, wie der Leib zum Schatten; durch sie wohnte Gott wahrhaft unter seinem Volke, er nahin unter ihm und von ihm Fleisch und Blut an (Joh. I, 14; Col. 2, 9). Mit der persönlichen Erscheinung Gottes in Christo niuß aber sein Wohnen unter seinem Volke durch den Geist Christi verbunden werden, das sich zu der ersteren verhält, wie der Bach zu der Quelle (Matth.28,20; El. Tim. Z, 15; L. Cor. S, 16). Weil in der streitenden Kirche die Gegenwart Gottes noch nicht vollkommen realisirt ist, indem die leibhaftige Gegenwart des HErrn ihr bald wieder entzogen wurde und die Wirksamkeit seines Geistes noch vielfachen Hemmungeu unterliegt, Jhr Licht und ihre Herrlichkeih ihre Reinheit und ihre Bewohner. 165 so ist als das volle Gegenbild des alttestamentlichen Vorbildes erst die triumphirende Kirche zu betrachten; da wird das ,,siehe da die Hütte Gottes bei den Men- schen« (V. 3), sv entschieden es schon von der streiten- den Kirche gilt, doch erst seine tiefste und vollendeiste Wahrheit finden. (Hengstenberg.) Ist) Jn dem Schöpfungsbericht 1. Mos 1, 14—18 ist die Erde alsvon Finsterniß umfangen und der Lichter am Himmel bedürstig dargestellt; wenn nun hier berichtet wird, die Stadt Gottes auf der neuen Erde bedürfe beider Lichter nicht mehr, so ist damit angedeutet, daß jenes Verhältniß der Lichtbediirstigkeit der Erde gänzlich gehoben, alle ihre Finsternis; über- wunden und verbannt und an deren Stelle die Licht- haftigkeit getreten sei, weil die Herrlichkeit Gottes sie durchwirke und durchleuchte und das Lamm ihr Licht- vermittler geworden. Damit ist denn auch zugleich angedeutet, daß die Abhängigkeit der Erde von jedem äußerlichen fremden Lichte mit all seinen mannigfach wechselnden Einflüssen auf ihre meteorologischen Zu- stände, aus Pflanzenwuchs und animalisches Leben, mit seinem Wechsel von Licht und Finsternis» Tag und Nacht, Frühling und Sommer, Herbst und Winter, welcher hinwiederum das Bild ihrer Vergänglichkeit, ihres Leides U. s. w. gewesen, völlig aufgehoben und zur gänzlichen Selbständigkeit und Freiheit in Gott und in dem Lamme übergegangen sei. (Sabel.) Jn Jesu, dem Lamme, verleiblicht und ossenbart sich auch in jener Welt die Herrlichkeit Gottes, so daß, wer ihn siehet, der siehet den Vater; er ist immer und überall das Angesicht Gottes, und ihn zu schauen wird die höchste Seligkeit im neuen Jerusalem sein. (Kemmler.) »Es) Wenn es heißt: »die Heiden wandeln in dem- selbigen Licht«, so ist das etwas, was von allen Be- wohnern der Stadt gesagt werden kann; indem es aber jetzt von den Heiden insbesondere gesagt wird, so soll das heißen, daß auch sie zur Einwohnerschaft gehören. Mit dem andern Satze: »und die Könige auf Erden werden ihre Herrlichkeit in dieselbige brin- gen« ist gemeint, daß alles, was auf dieser Erde Herr- liches und Werthvolles war, nicht verloren geht, son- dern dort verklärt wiedergefunden wird; die Könige werden nur genannt als die vornehmsten Jnhaber dessen, was die Welt an Herrlichkeit hat. (Füller.) Wenn die Hohen in der Welt sich Christo wahrhaftig unterwerfen, so wird ihre irdische Herrlichkeit erhöht und in eine himmlische Herrlichkeit verwandelt, eben damit, daß sie in das heilige Jerusalem eingeführt wird. So ist es mit den andern natürlichen und weltlichen Vorzügen, es sei Weisheit, Geschicklichkeit, Stärke, Anmuth, Vermögen u. dgl.: wer solches alles dafür, daß Andere es durch die Eigen- und Weltliebe entheiligen, Gott und Christo aufopsert, der wird dessen in der heiligen Stadt wohl ergötzet werden. Es hat nicht die Meinung, daß alle Könige der Erde mit ihrer irdischen Herrlichkeit in die heilige Stadt kommen sollen, sehr viele fallen durch; aber was unter den Königen der Erde recht herrlich und durch den Glauben an den HErrn Christum geheiligt ist, das wird als ein ange- nehmes Präsent und als ein tüchtiger Beitrag zur Fülle der heiligen Stadt angesehen, und wie· es sich verhält· mit den Königen, so verhält es sich auch nach Propor- tion mit ihren Unterthanen. (Bengel.) f) Wie wohl wird ihnen, den Bürgern des neuen Jerusalem, diese Sicherheit, diese völlige Befreiung von allem Unreinen thun, nachdem sie in der Welt, wo selbst das Beste nicht rein ist, wo man vor seinen Freunden selbst sich nicht sicher weiß, auf keinen Men- schen Verlaß hat, so lang und schwer an der Welt Angst getragen und in Unruhe sich zerplagt hatten! (Sabel.) Zu ,,Lebens-Buch« ist ,,des Lammes« hinzu- gefügt, um darauf hinzuweisen, daß der Mensch nur in Christo es dahin bringen kann, in das Buch des Lebens eingeschrieben zu werden und aus die neue Erde zu kommen. So wissen wir denn, wie wir uns die Bewohner der neuen Erde zu denken haben: sie werden Person für Person solche sein, die in Christo erreicht haben, beim letzten Gericht im Buche des Lebens ge- fanden zu werden. (Kliefoth.) Das 22. Kapitel. Von der gewissen Freude des einigen Lebens. I. Und er zeigte mir [vgl. Hes 47, 1 ff.] einen lautern lvon jeder fremdartigen Beimischung freien] Strom des lebendigen Wassers sdes Lebens-Wassers 21, 27], klar wie einzuh- stall; der ging von dem Stuhl Gottes und des LammeN fvon dem Stuhl, welcher Gott und dem Lamme gehört 5, 13; 7, 15 und die Stelle des Tempels vertritt 21, 22; Hes 47, 1], Z. Mitten auf ihrer Gasse smitteu durch die schon in Kap. 21, 21 erwähnten Gassen fließend]. Und auf beiden Seiten des Stromes stund Holz des Lebens [die ganze Masse der zu beiden Seiten des Stromes stehenden Bäume in sich begreisend], das trug zwölferlei Früchte, und brachte seine Früchte leben diese zwölf Arten von Früchten] alle Monden sso daß durch’s ganze Jahr hindurch die zwölferlei Früchte nie ausgingen]; nnd die Blätter des Holzes dieneten zu lder Erhaltung] der Gesundheit der Heiden« [Kap. 21, 24; Hei. 47, 12]. 3. Und wird kein Verbanntes [nichts, was dem Zorn Gottes verfallen müßte, weil es sich seiner Gnade nicht ergeben wollte Sach. 14, U] mehr sein sbei der zu völliger Heiligkeit hindurch: gedrungenen Stadt] , und der Stuhl Gottes Und des Lammes wird darinnen sein; und seine Knechte werden ihm dienen, 4. Und sehen sein Angesicht; und sein Name wird an ihren Stirnen sein««- [2. Mos 28, 36 ff.]. 5. Und wird keine Nacht da sein, und nicht bedürfen einer Leuchte oder des Lichts der Sonne; denn Gott der HGkr wird sie erleuchterr [Kap. 21, 26 u. 23], nnd sie werden seines, worüber Gott herrscht, mit-] regieren von Ewigkeit zu Ewigkeit-f sin die Ewigkeiten der Ewigkeitenl d) Das Wasser bedeutet das Heil, die Seligkeit; die große Fülle des Lebens, wie sie der verherrlichten Kirche eignet, wird dadurch abgebildet, daß es sich hier wie ein Strom ergießt, damit aber, daß der Strom ausgeht von dem Stuhl Gottes und des Lammes, wird Gott in Christo als der Spender des Lebens und 166 Offenb. Johannis 22, 6——9. der Seligkeit bezeichnet, und nun ist Christus darum ,,das Lamm« genannt, weil er auch dieseUKrone seiner Gaben dnrch sein Sterben und Bluten uns erworben hat· (Hengstenberg.) Lauter ist dieser Strom, weil er ohne alle Beimischung durchaus nur Kraft und Leben, und krystallhell, weil er ohne alle Trübung durch- aus nur Friede und Freude enthält. (Kemmler.) Das Wasser des Lebens ist ein solches, mit welchem der Niensch das Leben trinkt; zu unserm jetzigen Wasser verhält es sich wie die neue Welt zur alten, seine be- lebende Kraft ist fiir das Leben des neuen Menschen das, was das jetzige Wasser fiir den alten Ellienschen ist. (Fiiller.) M) Neben dem Durste werden die Erwählten in diesem Leben von dem Hunger gequält (Kap. 7, Its; Matth.5,6); daher stellt sich das Leben oder das Heil und die Seligkeit, nachdem es als Wasser beschrieben worden, ferner als Baumfrucht dar; es ist von einem Holz des Lebens die Rede, dessen Früchte dem, der sie genießt, das Leben gewährt, zu vergleichen ist dabei 1. Mos. L, I; 3,22 u. Offenb. 2, 7. Bei dem Zusam- menhange, in welchem das Holz des Lebens mit dem Wasser des Lebens steht, kann mit den Worten ,,mitten auf ihrer Gasse« neben den andern »und auf beiden Seiten des Stromes« kein zweiter unabhängiger Stand- ort bezeichnet sein; vielmehr fließt der Strom mitten durch die Gassen (im Grundtext steht ,,Gasse« in der Einheitsform, es ist aber damit gemeint alles, was die Stadt an Gassen hat), und zu beiden Seiten des Stro- mes steht das Holz. (Hengstenberg.) Wunderbares Holz, dieses Holz, das Holz des Lebens, das vom Wasser des Lebens getränkt wird! Es trägt zwölferlei Früchte (die hergebrachte Lesart des Grundtextes, welche die zwölf Früchte auf die zwölf Monate so vertheilt, daß für jeden Monat eine Sorte gebracht würde, ist weniger gut als die andere, welche das Eise: vor Bose-taro» weg- läßt), und bringt seine (zwölferlei) Früchte jeden Mo- nat; und die Blätter des Holzes dienen zur Heilung der Heiden. Jrdisches Holz trägt nur einerlei Frucht, jenes zwölserlei; irdisches Holz trägt nur Ein Mal im Jahr, jenes allmonatlichz von irdischem Holz kann nur die Frucht, von jenem auch das Laub genossen werden. (Kem1nler.) »Der Ausdruckx zur Gesundheit der Heiden, ist nicht dahin zu verstehen, als wenn eine dann noch gegenwärtige Krankheit der Heiden voraus- gesetzt werde, gleichwie aus Kap. 21, 4 nichtgesolgert werden darf, daß die Thränen, welche Gott den Seligen abwischen will, das Anzeichen von den noch vorhande- nen Schmerzen seien; vielmehr wie die Thräneiy welche um irdischer Leiden willen geweint sind, in dem ewigen Leben abgewifcht werden, so dienen die heilsamen Blätter der Lebensbäume zur Heilung der Krankheit, an wel- cher die Heiden im irdischen Leben gelitten haben, aber im neuen Jerusalem eben nicht mehr leiden sollen. Sind sie früher hungrig gewesen, so· sollen auch sie nun satt werden (7,16); sind sie früher blind, elend und ohne Kraft des Lebens gewesen (3, 17), so sollen auch sie nun alle Herrlichkeit, Heiligkeit und Seligkeit des ewigen Lebens mit genießen.« Jst dies richtig, so er- giebt sich unverkennbar die Unterscheidung zweier Klassen der Bürger des neuen Jerusalem: siir die eine Klasse sind die Früchte der Lebensbäume, für die andere die Blätter; und da nun letztere als ausdrücklich zur Gesundheit der Heiden dienend bezeichnet sind, so können erstere nur für die zwölf Geschlechter Isra- els bestimmt sein, daher auch die zwölferlei Früchte, die in jedem Monat von den Bäumen getragen wer- den. Diese Unterscheidung begegnete uns schon im vorigen Kapitel bei Beschreibung des neuen Jerusalem selber, indem da einerseits die Mauern mit ihrer Höhe von 144,000 Ellen, die zwölf Perlenthore mit der Jn- schrist der Namen der zwölf Geschlechter der Kinder Jsrael, und das alles auf den zwölf Gründen von zwölf Edelsteinen und mit den Namen der zwölf Apostel sich erhebend hervortraten, andererseits die Stadt selber nach ihren Maßverhältnissem ihrer Anlage und ihrer Ausriistung uns vorgefiihrt wurde. Allerdings ist das neue Jerusalem, das aus Heiden und Juden zu Einer Heerde unter Einem Hirten zusammengeschlosfene Volk Gottes; die Heiden stehen nicht draußen, sondern drin- nen, und haben Herrlichkeit und Seligkeit des ewigen Lebens im vollen Maße mitzugenießew Aber eine völlige Verwischung des Unterschiedes zwischen beiden Theilen soll dennoch nicht stattfinden: das neue Jeru- salem ist eine Stadt, die erst dadurch inöglich wird, daß sich zuvor das Gesicht vom neuen Tenivel in Hes. 40fs., die Zionsgekneiiide in Kap. 14 und das tausend- jährige Reich in Kap. 20 unsers Buchs verwirklicht, und daß Jsrael für die Welt erst noch einmal das Leben von den Todten werden muß durch seine Wieder- annahme, gleichwie es vormals der Welt Versöhnung geworden ist durch seine Verwerfung (Röm.11,.15). Diese kirchengeschichtliche Nothwendigkeit greift nach- wirkend hinüber in die Ewigkeit, wenn auch niemand zu sagen vermag, worin der Unterschied zwischen dem Essen der zwölferlei Früchte und dem Genießen der Blätter von dem Holz des Lebens bestehen werde, so wenig man zu sagen vermag, was durch die verschie- dene Stellung der Mauer und ihrer Thore einerseits und der Stadt mit ihrenrZubehör andererseits zum Ausdruck komme. IN) O wie viel offenbarer, und noch mehr, wie viel verborgener Bann unerkannter und unbekannter Sünde liegt nicht auf der Menschheit, liegt selbst hin und wieder auf edleren Geniütherm daß sie seufzend unter dem Druck desselben hingehen und kein Licht der göttlichen Gnadengegenwart in ihre Seele dringt! Und wenn sich ein solcher Mensch in den glücklichsten äußeren Verhältnissen, ja im schönsten Paradies der Erde be- fände — dieser Bann macht es ihm zur Hölle Jenes Paradies aber ist insbesondere auch darum das einzig wahre, weil hier kein Bann mehr ist; und wie nnn von Seiten des Menschen kein Hinderiiiß der Gottes- gemeinschaft mehr besteht, so ist diese auch von Seiten Gottes ermöglicht, denn der Stuhl Gottes und des Lammes wird darinnen sein. (Kemmler.) So ist denn die Stadt selbst zum Allerheiligsten geworden, und alle Bewohner derselben zu Hohenprieftern —- ja mehr als das: was der alttestarnentliche Hohepriester nur Ein Mal ini Jahr thun durfte, das ist ihr tägliches Ge- schifft, ihr täglicher Dienst. Als »scine Knechte werden sie ihm dienen und fein Angesicht schauen, und sein Name wird an ihren Stirnen sein.« Was einem Moses nicht gestattet war, das Angesicht Gottes zu schauen, das ist ihnen gestattet; dort ist erschienen, was wir sein werden, denn wir werden ihn sehen, wie er ist (1.Joh.3,2). Und was der HErr in Kap- 3, 12 den Ueberwindern verheißen, das hat sich erfülltt «fein Name steht an ihren Stirnen« Wie der Hohepriester den Namen Jehovcks an seiner Stirne trug, so jene; sie sind nun selbst ein Volk von Priesterii geworden. ,,Sein Name« —- man kann fragen, wessen Name? denn vorausgeht der Stuhl Gottes und des Lan1mes; aber wie nur Ein Stuhl für Beide ist und keines ohne das andere zu denken, so werden auch wir nicht trennen dürfen, sondern das ,,sein« auf Beide beziehen — Gott und das Lamm. (Füller.) f) Mit dem ,,es wird keine Nacht mehr fein« Der Strom des lebendigen Wassers und das Holz des Lebens. 167 wird allerdings wiederholt, was früher schon gesagt worden; aber während in Kap. 21, 25 damit der Um- stand begründet ward, daß die Thore nicht geschlossen werden, soll hier gesagt werden, daß das heilige Leben und der selige Gottesdienst der Bewohner der Stadt keine Unterbrechung mehr erleidet: das Leben in jener Welt ist ein ewiger Tag, auf den keine Nacht mehr folgt; der Grund aber, weshalb keine Nacht mehr, ist der, daß Gott über sie leuchtet: 21, 11.22.f. (Füller.) »Sie werden regieren von Ewigkeit zu Ewigkeit« —- die Frage: wenn die Einwohner der Stadt lauter Regenten sind, ivo sind dann die 1Interthanen? ist durch Mißverstand des Wortes entstanden; herrschen, regieren heißt nicht, daß sie jemanden regieren, über Andere ihre Herrschaft ausüben sollen, es wird nicht eine Thätigkeih sondern ein Zustand damit beschrieben. Sie sind nun nach Ueberwindung aller Feinde die Sieger und haben an der Herrschaft über die Sünde und das Reich der Finsterniß den herrlichsten Antheil. Was der Satan und die Welt ihnen streitig machte, das haben sie nun und genießen es in siegreicher könig- licher Ruhe, im Besitz der vollsten Macht; im vollsten Maße ist dann das Wort der Weissagung in Jes. 32, 17 f. in Erfüllung gegangen. (Gräber.) Wer ginge nicht gerne hinein in diese heilige und herrliche Stadt? wer wäre nicht gern darin? Bengel sagt: ,,Jetzt kann man noch ein gutes Loos bekommen, wer der heillosen Welt den Riicken kehren und ihrem Fürsten den Dienst aufsagen will; es ist um eine gute, geschwinde Resolu- tion unter der Rührung der Gnade zu thun. Wer aber sein Angesicht bereits festgestellt hat, nach diesem Jerusalem zu gehen, der bleibe dabei und lasse sich auf dem Wege des Lebens nicht irren« (Steffann.) Jch bin zufrieden, daß ich die Stadt gesehn, und ohn Er- müden will ich ihr näher gehn, und ihre hellen, göld- nen Gassen lebenslang nicht aus den Augen lassen. (Jch hab von ferne — V. 5.) III« v. 6—2l). mit dem Worte: »und sie werden regie- ren oon Ewigkeit zu Ewigkeit« sind die Gesiihte ge- schlossen; was jeht noch folgt, dient theils zar Bekräfti- gung der in dem suche offenbarten Wahrheit, theils zum Zeugnis, daß die Brit der Erfüllung nahe sei w. li- 15). daran sihließt sich dann ein Schlußwort des iijarrn und eine Antwort dcr Braut w. 16 u. 17), an diese ein lehtes Wort des Johannes w. 18 u. 19) und norh eiii- inal ein Wort des heitern, das zum Schluß die Summe des Ganzen znsainmenfaßt mit dem Gebet der harreiideii Gcniriiide w. 20). 6. lind er sder in Kap. 1, 1o ff. mir er- schienen und nicht blos während der Sendschrei- ben an die sieben Gemeinden in Kuh. 2 u. 3, sondern auch während der Gesichte in Kap. 4, 1—22, 5 in derselben Situation —— stehend mitten unter den sieben Leuchtern und die sieben Sterne in seiner Rechten haltend — geblieben war] sprach zii mir: Diese Worte sdes ganzen Buchs der Offenbarung] sind gewiß und wahr- haftig sund wird gewißlich alles also kommen, wie darin gesagt ist]. Und Gott, der HErr der heiligen Propheten [nach besserer Lesart: Und der HErr, der Gott der Geister der Pro- pheten — Luther hatte den Grundtext nach der 2. Ausgabe des Erasmus vor sich, die oftmals nicht die rechten Lesarten enthält], hat feinen Enge! sehen den, welcher jetzt spricht] gesandt, zll zeiget! seinsi Kncchten, was bald geschehen ums« [Kap. , . 7. Siee ich komme bald [tönte da dur v - , - s die Stimme des Engels die Stimme des HErrn selber hindurch, vgl. Kap. Z, 1·1]. Selig Ist« der da hält die Worte der Weissagung in dieseni Vtlch" sKap.»1, 3·]. » 8. Und ich bin Johannes sbesserx Und 1ch, Johannes, bin es], der swie ebenfalls in Kap. 1, 1 u. 2 schon angedeutet ward] solches sivas in diesem Buche an Worten der Weissagung geschrie- ben sieht] gesehen und gehöret hat» lind da ich es gehoret iind gesehen kund nun die m P. of. gemeldete Verhandlung mit Zmr geschah], ftel Ich nieder, anzubeteii zu den Fußen des Engels, der mir solches zeigte sweil ich, wie in Kap. 1k),9f., glaubte, ich hätte es m diesem Engel unmittelbar mit dem HErrn selbst zu thun] · 9. lind er spricht zii mir smeinen Jrrthum mir zu benehmen, indem er sich ausdrücklich als einen bloßen Engel zu erkennen gabjk Siehe zu, thue es nicht; denn ich biii dem Mitknechh und sein Mitknecht] deiner Brüder, der »Propheten, und derer, die da halten dieWorte dieses Bachs. Fehle» Singt IF« [dem allein Anbetung gebührt . o. . E) Zum Schluß der großen, vielumfasseiiden Ge- sichte unsers Bachs ertönt in lieblicher Wechfelrede noch eine Reihe bekräftigender und ermunternder Stimmen; alle diejenigen, welchen wir laut Kap. ·I die Offen- barung verdanken -— Jesus selbst, sowie sein Engel und sein Jünger —- reden hier noch ein Wort des Ab- fchieds (Kemmler.) Jn Kap. 1, 1 wurde schon gesagt, daß der HErr dem Johannes die Offenbarung nicht selbst, sondern vermittelt durch seinen Engel geben werde; und so sieht er denn auch im ganzen Buch nir- gendwo den HErrn persönlich, nirgendwo redet er mit demselben persönlich, nur sein Bild sieht er öfter im Gesicht und nur aus dem Gesicht heraus hört er ihn reden. Aber nun ist auch von diesem Engel, der dem Johannes die ganze Enthüllung iibermittelt, im Buche selber nirgend die Rede; erst hier, wo die Rede aus dem Zusammenhange der apokalyptischen Schauung völlig heraustritt und das Nachwort zu der ganzen· Schrift beginnt, begegnet er uns wieder und wird m V. 8 ausdrücklich als derjenige bezeichnet, der dem Johannes alle diese Gesichte zeigte. Kommt nun dieser Engel nur im Vorwort und im Nachwort vor, und wird er in Kap.1, I u. 22, 8 übereinstimmend als derjenige charak- terisirt, der von des HErrn wegen dem Johannes die Enthiillung zu zeigen hat, so ist damit auch sein Ge- schäft klar: nicht darin besteht dasselbe, innerhalb der die Enthüllung bildenden Reihe von Gesichten dem Jo- hannes Einzelnes zu zeigen oder Einzelnes zu deuten -— das thun, wo es nöthig ist, einzelne Engel oder Stimmen aus den einzelnen Gesichten selbst heraus, sondern das ist sein Geschäft, dem Johannes die ganze Enthüllung vom HErrn zu überbringen, die ganze Reihe der sie bildenden Gesichte ihm zu zeigen, ihre ganze Scenerie ihm« vorzuführem (Kliefoth·) Die Ver- 168 Ossenb Johannis 22, 10——15. sicherung der Wahrheit und Gewißheit wurde nach dem Vorgange Daniel’s (8, 26) in Ray. 19, 9 in Bezug auf die großen und tröstlichen Wahrheiten von dem Kommen des Reiches des HErrn, der Hochzeit des Lammes, der würdigen Bereitung der Braut ausge- sprochen, in Kap. 21, 5 in Beziehung auf das große Wort: «siehe, ich mache alles neu«; hier steht sie zum Schlusse des ganzen Buches, das so Vieles enthält, was sich über das Gewöhnliche erhebt, was der mensch- lichen Wahrscheinlichkeit entbehrt. (Hengstenberg.) Wer unter »dem HErrn, dem Gott der Geister der Pro- pheten«, d. h. der den Propheten eigenthümlichen per- sönlichen Geister (1.Cor.14,32), zu verstehen sei, kann nach den Eingangsworten der Ofsenb. in Kap. 1, 1 nicht Einen Augenblick zweifelhaft sein: Jesus Christus ist dieser Gott, dem die Geister der Propheten und schließlich der Geist des Johannes dienstbar sind, dessen Geist sich in allen Propheten zuvor bezeugt hat (1. Petri 1, 11). Jst die Offenbarung der Kern aller Weissagung, das Ende, in welchem alle Weissagung zur Ruhe ein- geht, so ist Er, der sie vom Vater empfangen, auch der Anfang, das Princip aller Weissagung und fein Zeug- niß der Geist der Weissagung (ogl. Kap 19, 10), von dem sie stammt und auf den sie als ihren Ursprung zurückzuführen ist. Daß sich dieser Eine, der Gott der Prophetengeisterz in einer Vielheit von Geistern offen- bart, hat seinen Grund im Wesen aller göttlichen Offenbarung, die eine geschichtliche ist, darin die ewige, dem Menfchen sich mittheilende und mit ihm zusammenlebende Liebe Gottes die Geschichte seines Reiches vollzieht, woraus dann auch die Weissagung als eine werdende, durch die Zeitentwickelung be- dingte und vermittelte zu erkennen ist; das Wunder- bare an dieser Vielheit und dem theilweis bruchstück- artigen Charakter der Weissagung aber ist eben dies, daß eine unverkennbar sichere Einheit alles Einzelne unter einander verbindet und nirgends im Wesentlichen Einklang und Zusammenstimmung vermißt wird. Dies Wunder ist nur aus dem Einen HErrn und Gott der vielen Prophetengeister, dem Lichtcentrum aller dieser Ausstrahlungen erklärbar. Christus ist »der Anfang der Creatur Gottes« (3, 14), in welchem als im Worte, das in feinem Berhältniß zu Gott hin Gottfelbst ist und durch das, zur Welt hin gewendet, alles gemacht ist, was gemacht ist (Joh. 1, 1 fs.), alle Realität ihren Lebensgrund hat: wie sollte also nicht auch die reale Weissagung, der vorlausende Schatten der zukünftigen Realität, der vollendeten Wirklichkeit aller Dinge, in ihm ihren Ursprung haben? Jst aber der HErr als der Geist der Weissagung der lebendige Gott, der aus allen seinen Knechten, den Propheten (Amos Z, 7) sprach, so hat man sich nicht zu wundern, daß, obwohl er seinen Engel an Johannes gesandt, damit derselbe ihm die kommende Geschichte zeige, er selbst auch wieder, wo und wann er will, das Wort an sich nimmt. (Sabel.) VI) Daß das ,,siehe, ich komme bald« aus der Person Christi geredet ist, liegt am Tage; es findet aber kein eigentlicher Personenwechsel statt, sondern der Gesandte redet aus der Person des Sendendetr. Jn Kap.1, 3 nun hieß es: »selig ist, der da liefet und die da hören die Worte der Weissagung, denn die Zeit ist nahe« —- hier umgekehrt: »ich komme bald, darum selig, der da hält die Worte der Weissagung« Ja; dort ist blos von den Worten der Weissagung die Rede, die man halten soll, hier dagegen wird hinzugesetzy »dieses Buches,« toelcher Zusatz zeigt, daß die Voll- endung des Buches tdem Geiste nach) gleichen Schritt mit dem Empfangen der Offenbarung geht. Ebenso ist auch gegen Ende des Pentateuchs, da seine baldige Ab- schließung in Aussicht sieht, von ihm als einem Buche die Rede: 5.Mos.17, 18 f.; 28, 58; 29, 19 f. u. 27. (Hengstenberg.) Wenn nun gleich Johannes das Buch während der Vision selber nicht niederschrieb, so hat er doch die Offenbarung für den Zweck des Niederschrei- bens empfangen (1,19). Das Buch ist daher zu der Zeit, wo der HErr die Worte redet, schon so gut wie geschrieben, zu der Zeit aber, wo Johannes die Worte schreibt, ist das ganze vorhergehende Buch nun wirklich bereits geschrieben. Was die Seligpreisung dessen betrifft, der die Worte der Weissagung dieses Bnches treu aufnimmt und bewahrt, so haben wir zu erwägen, daß Weissagung überhaupt einem Knechte Gottes unentbehrlich, weil ohne sie sein Wissen, zumal sein Einblick in die Zukunft unzureichendes Stiickwerk bleibt; vor allem aber gehört die Weissagung dieses Bnches um ihres, die Zeiten und Entwickelungen des messianischen Reichs in einander gliedernden Organis- mus willen zu dem unentbehrlichen Rüstzeug eines Knechtes des HErrn, und das um so mehr, je näher das Ende rückt. Nur wer durch sie orientirt ist, sie im Geiste bewegt, von ihrem Geistesfeuer sich stählen läßt, wird ein treuer, bis ans Ende ausharrender Knecht sein und die Welt, zumal wenn die große Ver- suchungsstunde kommt (3, 10), überwinden können. THE) Nachdem der HErr in V. 7 bezeugt hat, daß die Gesichte geschlossen sind, daß von nun an keine neuen Offenbarungen zu erwarten stehen, und das zu einem Zeugniß dient wider alle, die von einem fort- gesetzten Prophetenthum in der Kirche träumen, wäh- rend vielmehr jetzt jene Wartezeit begonnen hat, in der sein Wort in Matth. 24, 42 die Parole seiner Knechte fein muß, tritt hier auch Johannes mit seiner Person dafür ein, wie er es schon dreimal in diesem Buche gethan·(Kap. I, l. 4 u. 9), daß der HErr selbst es ist, der hier geredet und die Gesichte gezeigt hat. (Stesfann.) Johannes hatte seinen Namen in dem Titel des Buchs, in der Ueberschrift an die sieben Ge- meinden und im Anfange seiner Erzählung gesetzt; Und jetzt im Befchlusse nennt er sich noch einmal, damit man eigentlich wissen möge, daß er, itämlich der Apostel Johannes, dieses glaubwiirdige Zeugniß von der Zu- kunft Jesu Christi beschrieben habe. Wie man bei einer wichtigen Urkunde seinen Namen setzet, aller Jrrung und Ungewißheit zuvorzukommem so machet es auch Johannes hier. (Bengel.) Ein solches Buch, wie dieses hier, hat denn allerdings eine solche Beglaubigung auch unumgänglich nöthig: wenn es nicht ein Apostel wäre, der es gefchrieben, wenn uns dies nicht im Buche selbst bezeugt wäre, so daß also kein Zweifel aufkommen darf, dann würden wir ein solch außerordentliche-s Buch ohne Zweifel unter die apokryphischen versehen. (Gräber.) Das abermalige Niederfallen des Johannes, nachdem ihm dasselbe in Kap. 19, 9 f. verwehrt worden war, kann uns nicht auffällig sein: dort hat er sich aller- dings in seiner Voraussetzung getäuscht; aber ob nun nicht jetzt, wo alles vorüber, der HErr selbst vor ihm stehe, das war damit noch nicht entschieden. Redet der vor ihm Stehende in V. 6 von dem deutenden Engel in der dritten Person, in V. 7 dagegen von dem HErrn in der ersten, sollte er da nicht gedacht haben: ist Er’s nicht wirklich selber? und ist es nicht jetzt geboten nie- derzufallen? Aber er hat sich abermal geirrt, und wird abermal zurechtgewiesen wie dort: nicht der HErr, son- dern ein Engel, sein und seiner Brüder Mitknechn steht vor ihm. Was unter den Brüdern zu verstehen sei, hat der Engel dort mit den Worten gesagt: »die das Zengniß Jesu haben«; dem entspräche hier die Bezeich- Bekräftigung der in diesem Buch geosfenbarten Wahrheit und Nähe der Erfüllung. 169 nung: »die da halten die Worte der Weissagung in diesem Buche.« Der Engel läßt aber die Propheten vorausgehen: es steht ja Johannes, der Empfänger der Offenbarung, jetzt selbst als Propbet da, und zwar als der nichtgeringste unter ihnen; so bezeichnet denn der Engel als die Brüder des Johannes zuerst die Pro- pheten, als deren Einer derselbe vor ihm steht, sodann aber alle, welche die Worte der Weissagung in diesem Buche bewahren. (Füller.) 10. lind et lder HEry jetzt wirklich selber redend, nachdem der Engel abgethan war] spricht zu mir: Versiegle nicht [wie Daniel 12, 4 es mit der ihm zu Theil gewordenen Offenbarung thun sollte] die Worte der Weissaguug in diesem Buch; denn die Zeit fda die Weissagung zur Erfüllung werden foll] ist nahel [1, 3 und liegen also die Sachen jetzt anders als zur Zeit Daniel’s]. 11. fEs wird dieses Hinausgehen des Vuches in die Oefsentlichkeit und das damit verbundene Kundgeben der schon in der Entwickelung begrif- senen Zukunft nun sreilich nicht die Wirkung haben, daß die Sünder sich bekehren würden von dem Jrrthum ihres Weges; ich muß es eben ihnen frei lassen, daß sie es treiben, wie sie wollen, ich kann sie nicht zwingen zur Umkehr, und sage darum:] Wer böse ist, der sei immerhin böse; uud wer unrein ist [im Schmutz der Sünde sich wälzends der sei immerhin unrein [fahre er fort, wenn er nun einmal nicht anders will, in seiner Art und in seinem Verhalten]. Aber fauf der andern Seite wird das Bekanntwerden der Zu- kunft doch auch die Wirkung haben, daß Andere in ihrer Art ebenfalls fortfahren und darin immer fester werden-J wer fromm ist, der sei immerhin fromm; und wer heilig ist, der sei immerhin heilig [und komme damit weiter und weiter Hes 2, 5«, Z, 27]. 12. Und siehe, ich komme bald, nnd mein Lohn mit mir, zu geben einem jeglichen, wie feine Werke sein weiden« [Kap. Z, 11; 11,18; 20, 12 f.; Jes. 40, 10; 62, 11: da wird sich denn zeigen, welcher von beiden Theilen mit seinem Fortfahren und Fortschreiten das gute Theil er- wählet und welcher sich selbst das Verderben be- reitet hat]. 13. Ich bin das A uud das O, der Anfang nnd das Ende, der Erste und der Lehtelisp [Kap. 1, 8 U. 11; 21, 6]. 14. Selig sind, die seine lnach urfprünglicher Lesart wohl: ihre, d. h. die ihnen gegebenen] Gebote halten, auf daß ihre Macht sei an dem Holz des Lebens [fie Vollmacht bekommen, von dem Holz des Lebens V. 2 zu essen], nnd lzwar dadurch Macht dazu bekommen, daß sie dürfen] zu den Thoreu [Kap. 21, 12 f. u. 211 eingehen m die Stadt-s. · 15. lDas aber, daß sie dürfen eingehen, hängt davon ab, daß sie nicht irgendwie in die Art und das Wesen derer versallen, zu denen vorhin gesagt ward: »wer böse ist, der sei immer- hin böse« 2c.] Denn haußen [von der Stadt ausgeschlossen und dafür in den Feuer-Schwefel- Psuhl verwiesen 21, 8] ftud die Hunde [Spr. ge, 11; Matth 7, 61 und Zur-betet, und dte Hurer und Todtskhlägey uud die Ab- güttischeu uud alle, die lieb haben und thnn die Lüge-H« fund folche eben find alle die, welchen jene Warnung gilt]. it) Es ist die Stimme Christi, die hier zum Seher redet. Nachdem der beiden Werkzeuge, deren der HErr bei seiner Offenbarung sich bedient hat, des Engels auf der einen und des Johannes auf der andern Seite, auf’s Neue gedacht: und ihr Verhältniß zu einander und zu dem HErrn selber nochmals festgestellt ist, redet dieser fortan ausschließlich und allein, und giebt dem Seher zunächst (V. 10 u. 11) eine doppelte Weisung, die nur von ihm unmittelbar selber ausgehen konnte. Was die erstere, die hier vorliegt, betrifft, so war dem Johannes in Kap. 1, 19 ff. zwar schon gesagt, daß er schreiben solle, was er gesehen, und sein Buch den Ge- meinden zum Lesen übergeben, damit aber noch nicht sestgestellt, ob das Buch von Seiten seines weissagen- den Jnhalts bereits die Gegenwart betreffe, oder ob nicht vielmehr, wie dem Daniel gesagt war, dieser Jn- halt erst auf ferne, zukünftige Zeiten gehe; letzterer Annahme tritt nun das ,,verfiegele nicht« entgegen und das ausdrücklich beigesügte Zeugniß: »die Zeit ist nahe« Darum sind gewiß alle diejenigen Auslegungen falsch, welche lediglich das Ende der Zeiten in der Offenbarung geweissagt finden und gleich die» Gesichte der sieben Siegel m Kap 5, 1—8, 1 in dies Ende hineinoerlegem während gerade damit an die unmittel- bare Gegenwart des Johannes die Erfüllung der Weis- fagung sich auschließt, um sich dann in ununterbroche- nem Zusammenhange bis zum Ende hin weiter zu entfalten. — Wie wenig thut die Kirche ihre Pflicht, wenn ste trotz dieses ,,versiegele nicht« das Buch der Offenbarung doch immer als ein verfiegeltes Buch be- trachtet; und wie wenig thun die Lehrer der Gemein- den, was noth ist, welche sich und ihren Gemeinden die Worte desselben vorenthalten und die Schuld tra- gen, wenn der bessere Theil der ihnen Anvertrauten sein Verlangen nach dem Verständnis; dieses Worts auf falschem Wege sucht. (Fiiller.) Die daniebfche Weis- saguug für das zerstreute Jsrael konnte und sollte nur gleich einem in den Schrein, in das Archiv des Volkes Gottes niedergelegten Dokument anzusehen sein, daraus die Meufchen der letzten Zeit die Wunder der gött- lichen Weltorduung inmitten des immer verworreneren Labyrinths der Weltbegebenheiten erkennen sollten, und darum nicht eher verstanden werden, als bis Christus erschienen war und durch ihn dann alle Geheimnisse Gottes sollten aufgeschlossen werden. Die Apokalypse hingegen hat die Bestimmung, den Knechten Gottes in- mitten des christlichen Zeitalters durch die Continuität der Zeitläuse bis zur Vollenduug aller Dinge zum Leit- stern zu dienen, daß sie allezeit im Lichte ihres sieg- haften HErrn wandeln, nichts sie fchrecken noch ver- wirren möchte Hätte die Christenheit das Buch in diesem Sinne benutzt, so hätte ein Geschlecht dem an- dern seinen Antheil an dem Verständniß überliefert, ohne vorwitzig über dieses sein Zeitmaß hinauszu- gehen, und immer mächtiger wäre der Strom dieses 170 Offenb. Johannis 22, 16 u. 17. Berständnisfes angewachsen, je näher das Ende heran- rückt. Es ist um der menschlichen Ungeduld und Ver- meffenheit willen an dem Buche viel und schwer gesäu- digt worden, wie am Worte Gottes überhaupt; man hat, ohne das Siegel des Gehorfams an der Stirn, ohne· die Qualifikation erwählter Knechte Gottes, daran gekliigelt und Vorwitz damit getrieben, sich die gröbsten Willkürlichkeiten der Deutung erlaubt und nicht selten alle Spur der Wahrheit verloren. So ist es, gleich dem HErrn selbst, zum Stein des Anstoßes und Aerger- nisses geworden, zu einem Zeichen, dem widersprochen wird. Aber darum ist und bleibt es dennoch das Buch der Enthiillung der Reichsgeheimnisfe Gottes, dazu es vom HErrn gestempelt ist, und während es, der Welt- geschichte zum himmlischen Geleite beigesellt, durch keine Macht der Welt und Weltweisheit behindert, seinen Weissagungsinhalt aus sich herausfetzt und geschichtlich verwirklicht, scheiden sich aus ihm zu beiden Seiten einerseits die Knechte Gottes, denen es zum Trostquell und Stahlbade der Erquickung dient, und die es darum hoch halten und sein Wort bewahren, und andererseits die Uebrigen, die es entweder ganz verschmähen oder zu einer prophetischen Dichtung, zu einer Phantasie- vollen Darstellung des Stegs des Evangeliums über Juden- und Heidenthum in vager Allgemeinheit herab- setzen; während denn jene an der Weissagung mittelst der Schärfung ihres Geistes und Gewissens zur rechten Besonnenheih zum sinnigen Verständnis; der Zeichen der Zeit erstarken, werden diese, vom Geiste der Zeit bethört und verblendet, zu Schwächlingem die jeder, zumal zur Lichtengelgeftalt ausgespreizten Lüge zum Opfer fallen und von der herrschenden Strömung fast widerftandslos mit fortgerissen werden. (Sabel.) » H) Beides, daß die Bösen fortfahren böse zu sein und die Gerechten fortfahren gerecht zu fein, ist in gleicher Weise dem Willen des HErrn gemäß; ist das zweite keine bloße Erlaubniß, sondern eine Willens- erklärung des HErrn, so muß es auch das erste fein: wollen sie, so sollen sie auch; ist es ihnen recht, so ist es dem HErrn auch recht, er weiß, daß sie ihm nicht entgehen. (Hengstenberg.) ·Es ist diese Auffor- derung an die Bösen und unreinen, in ihrem Wesen fortzufahrem nicht ohne eine gewisse Ironie; die Ab- sicht derselben ist um so weniger zu verkennen, als die Hinweifnng auf die vergeltende Zukunft des HErrn nicht nur unmittelbar vorhergeht (V. 10), sondern auch sogleich sich wieder anschließt (V.12f.) und hier nun ausdriicklich die bevorstehende gerechte Vergeltung hervorgehoben wird. (Düsterdieck.) Gerade darin, daß angesichts des bevorstehenden Gerichts einem jeden die freie Wahl gestellt wird, in seiner Weise sich für das- selbe immer fertiger zu machen, liegt für die Gottlosen die stärkste Mahnung zur Buße, für die Gerechten die stärkste Anfeuerung zum Eifer in der Heiligung; und dabei ist das Verhältniß der sittlichen Entwickelung auf beiden Seiten treffend angegeben: das Unrechtthun ver- läuft sich in die Unsauberkeit, in die fchmutzige Gesin- nung und gleiche Verhaltungsweise, die Gerechtigkeit des Glaubens dagegen entfaltet sich durch die Uebung des Rechtthuiis zur Heiligung des Lebens. (P. Lange.) Der forgliche Gedanke, ein Zeugniß von so heiligen und in Gottes Geheimniß hineinlausendcn Dingen könnte in der Welt manchem Mißbrauch unterworfen sein, wird beantwortet, wie er in der ganzen Regierung Gottes, besonders in der reichen Darreichung seines Worts beantwortet ist, nämlich daß deswegen den Kin- dern der Wahrheit nichts vorenthalten werden darf: wer nicht anders will, der achte sich als dahingegeben in feines Herzens Dünkel, zu thun, das nicht taugt; an Knechten Gottes nnd an allen, die den HErrn fürch ten, wird sich desto mehr Frucht finden. (Rieger.) So handelt denn die Offenbarung nicht blos vom Gericht, sie hat selbst Wirkung und Bedeutung eines solchen; « und diese Wirkung des Bnchs ist nicht etwa eine zu- sättige, sondern sie liegt in dem Willen und der Absicht des HErrn. (Kemmler.) Eis) Steht Er am Ende wie am Anfang der Ge- scl)ichte, was will sich da in der Ptitte breit machen? (Luthardt.) Wer aber möchte nicht Dem anhängen bis an’s Ende, dem das Ende gehört! (Stefsann.) Was von Gott gilt, das gilt auch von Christo, wie er ja bereits in Kap.1, 17 es von sich bezeugte: »ich bin der Erste und der Letzte-« Als der, welcher am An- fang und am Ende der Gefchichte steht, alle Zeit um- spannt und alles in seiner Hand hält, ist er auch be- rechtigt und befähigt, der Richter der Welt zu sein, und wird jedem geben, was er verdient hat; es be- gründet also V. 13 den 12. Vers, wie dieser den 11. Vers begründete. (Füller.) f) Jm Grundtext liegen zwei Lesarten vor: oZ Jtotoesigtxg tät; såistoäeieg unten? (die feine Gebote halten), oZ Jtzijuoptkg teiec cctaädeg erstes» (die ihre Kleider waschen); wir halten aber weder die eine noch die andere für die ursprüngliche, sondern diese: oi note-Ente; tät; spro- zeieg »Ist-or?- Man nahm Anstoß an dem »die ihre Gebote halten« und glaubte dafür sehen zu müssen: ,,seine« (vgl. Kap. 12, 17; 14, 12), oder, indem man das »ihre« gelten ließ, schrieb man nach Kap. 7, I4: »die ihre Kleider waschen«, was im Griechifchen mit Aendernng nur weniger Buchstaben geschehen konnte. Es ist indessen an dem ,,ihre Gebote« gar kein Anstoß zu nehmen; es sind die in der zweiten Hälfte des 11. Verfes ihnen gegebenen Gebote gemeint, und nun be- steht der in V. 12 ihnen in Aussicht gestellte Lohn in ,,ihrer,« d. h. in der ihnen zu gehenden Macht an dem Holze des Lebens, dagegen wäre das Waschen der Kleider ein nicht in diesen Zusammenhang gehöriger Gedanke. Jm praktischen Gebrauch behalte man das »die s eine Gebote halten« bei, beziehe nun aber diese Gebote dessen, der da ist das A und O 2c., auf das Wort in der zweiten Hälfte des 11. Verfes, so kann man die oben von uns gegebene Erklärung des ganzen Sin- nes der Stelle beibehalten. « H) Jm Grundtext ist der 15. Vers nicht eigent- lich, wie Luther übersetzt hat, mit »denn« an den vorigen angeschlossen, sondern mit ,,aber«, und nun der gegen- theilige Lohn (B.12) derjenigen charakterisirt, denen das in der ersten Hälfte des 11. Verses Gesagte galt: ,,Draußen aber sind 2c.« — Den Reigen der von der Stadt Ausgeschlossenen fiihren die Hunde; das sind die Unheiligen und unreinen, die auf eine grobe Weise zeigen, daß sie dem Lämmlein ganz ungleich sind. Jn der Weltsprache ist es etwas Verächtliches um die ca— name, d. i. einen ,,Haufen Hunde«; die solches Wort gern im Munde führen, mö(hten aber vielmehr zusehen, daß sie von Christo nicht mögen für dergleichen erklärt werden. (Bengel.) Die gemeinen, rohen, blutgierigen Feinde des Evangeliums, die dasselbe anbellen und gern zerreißen möchten, find die Hunde (Spr. W, 11; Pf. 22, 17); alle, die in ihrer sittlichen Gemeinheit dem Evangelio feind sind (Matth. 7, S; Phil. 3, 2). Den Reigen beschließen ,,alle, die lieb haben und thun die Lüge«, die aus der Lüge, aus teuflischer Lust an ihr, ein Handwerk machen und sich damit als Kinder des Vaters der Lüge erweisen (Joh. 8, 44); das »die Lüge lieb haben und thun« führt besonders schwere Verant- Schlußwort des HErrn und» Antwort der Braut. 171 wortung mit sich, seitdem Christus, der die Wahrheit ist, in die Welt gekommen und uns Weg und Leben geworden, um die Wahrheit zu thun (Joh.14, s; 3, 21). Jn Kap.21, 8 eröffneten den Reigen »die Verzagten und Ungläubigen und Greulichen«, und es schlossen ihn ,,alle Lügner«; in der Mitte standen dort »die Todtschläger und Hurer und Zauberer und Ab- göttischen«, hier aber haben wir diese Reihenfolge: »die Zauberei: und Hurer und Todtschläger und Abgöttischen.« Dort sollte durch Verbindung der Todtschläger mit den Verzagtem Ungläubigen und Greulichen eine erste Vier, durch Verbindung der Hurer, Zauberer und Abgöttischen mit allen Liignern aber eine zweite Vier als die Signatur der Welt in zwei Gestalten zu Stande kommen, oder wenn man immer je zwei und zwei zu- sammennimmh es sollten vier Paare zu Tage treten, hier dagegen handelt es sich um die Sechs, die Sig- « natur des Bösen (Kap.13, 18 Anm.), bei der eine Eins am Eingang und eine Eins am Schlusse, in der Mitte aber eine von beiden eingeschlossene Vier steht. Zu der ersten Eins, den Hunden, stehen dann die Zauberer, die Hurer und die Todtfchläger in näherer Beziehung: indem die Zauberer in frevelnder Verbindung mit einer gottfeindlichen Dämonenwelt die Befriedigung ihrer niedrigen Gelüste suchen, bezeugen sie gegenüber von Gott ihre hiindische Natur; in Beziehung auf die eigene Person thun das die Hurer, die in sich selbst wegwerfender Gemeinheit sich mit Sünden der Unzucht beflecken; in ihrem Verhalten gegen den Nächsten zeigen sich hiindisch die Todtschläger, indem sie irgendwie ihm Bisse beizubringen suchen in Haß und Feindschaft, in Neid und Mißgunst (1. Joh. Z, 15). Zu der an- dern Eins: allen, die lieb haben und thun die Lüge, stehen die Abgöttischen in näherer Beziehung; vom höchsten Gut hinweg wenden sie sich den Nichtsen zu und hängen sich an den Jnbegrisf aller Lüge, den Götzendienst Jn Kap. 21, 27 kam es auf die Aus- prägung der Dreizahl an, um einen Gegensatz zu dem Strom lebendigen Wassers, der von dem Stuhl ausgeht (Kap. 22, 1fs.), zu ge1oinnen; von dieser Drei- zahl ist die Eins vorn (das Gemeine) und die Eins hinten (Lügen) wesentlich dasselbe wie hier, in des Mitte aber steht »das da Greuel thut« als Zusammenfassung der hier genannten Vier (Zauberer, Hurer, Todtschlägey Abgöttische). Jn 1. Cor. 6, 9 f. haben wir die Zehn- zahl, um eine gewisse Vollständigkeit in der Aufzählung zu gewinnen· 16. Ich, Jesus, habe gesandt meinen Engel [V. S; Kap 1, 1], solches [alles, was in diesem Buche geschrieben steht] eUch [die ihr in den sieben Sendschreiben Katz. 2 u. 3 ebensalls Engel ge- nannt wurdets zu zeugen [damit ihr es weiter mittheilen solltet] an die Gemeinden fund es diesen zu gute käme]. Ich bin die Wurzel des Geschlechts Davids [fowohl die Wurzel, aus der David mit dem erwählten Geschlecht hervorgegangen Col. 1, 1"5., als auch der geweissagte Wurzelschößling der aus Davids Geschlecht hervorgehen sollte und in dem nun Davids Geschlecht auch feine Zusammen: fassung oder Krone errcicht hat Kap. 5, 5], ein heller Morgenstern« lder den neuen Tag der Zu- kunft bringt Kap 21, 23 — an meiner Person und meiner Wiederkunft hängt denn alles, alles Heil in Zeit und Ewigkeits 17. Und der Geist [Kap. 2, 7. 11. 17. 29; 3, S. 13. 22; 14, 13; 19, 101 und die Braut [die Kirche 21, 2 u· I] sprechen: Komm. Und wer es höret sdieses ,,Kom1n«], der spreche: Komm. Und wen dnrstet, der komme; und wer da will, der nehme das Wasser des Lebens nmsons « fKap. 21, s; Joh. 7, 37; Jef. 55, 1]. V) Hinter Johannes, dem armen Werkzeuge, steht ein Größerer denn er, Einer, dem er nicht werth ist die Schuhriemen aufzulösen. Wer seine Herrlichkeit erkennt, der kann an der Wahrheit des Jnhalts dieses Buches nicht zweifeln, der wird mit fester Zuversicht die Erfüllung feiner Verheißungen erwarten. (Hengsten- berg.) So oft er auch im Verlauf dieser Gesichte mit Johannes geredet, hier zum ersten Mal giebt sich der HErr seinen Personennamen Jesus; derselbe ist hier zum Schluß des Buches das große Siegel auf’s Ganze, die eigenhändige königliche Unterzeichnuiig des großen Manifestes. Ja, das Wort: ,,Jch, Jefus,« hat an diesem Ort noch seinen besonderen Sinn; ist doch nun erst, in diesem Buche, die volle Bedeutung des Jesus- Namens und des durch ihn bezeichneten Heils enthüllt, wie überhaupt alle, auch die alttestamentlichen Namen des Mefsias, in der Weissagung dieses Buches ihre Er- füllung finden. (Kemmler.) Mit dem ,,an die»Geuiein- den« weist Jesus auf die sieben Gemeinden hin, von denen in Kap. 1, 20 die Rede war; und wie er nun bei dem, was Johannes zuvörderst zu schreiben hatte, sich an die sieben Engel jener Gemeinden in 7 Briefen wendete (Kap. 2, I. 8. 12. 18; Z, 1.7.u.14), so spricht er nun am Schluß des Buches mit dem ,,euch« diese abermals unmittelbar an: für sie ist sein Zeugniß in diesem Buche zunächst bestimmt, damit sie es hinwie- derum ihren Gemeinden verkündigem (Füller.) Jesus, die Wurzel und das Geschlecht Davids, der helle Mor- genstern, ——- kpelche Namen! Der erste Name bezeugt, daß er der Seligmacher, der Heiland der armen Sün- der ist und daß vor ihm sich beugen sollen alle Kniee derer, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind, u11d alle Zungen bekennen sollen, daß er der HErr sei, zur Ehre Gottes des Vaters; der andere Name verkündet, daß in ihm das Geschlecht Davids ergrünt und ewiglich vorhanden ist, wie der HErr einst dem David verheißen hatte, daß er seinem Samen seinen Stuhl bestätigen wolle ewiglich (1. Chron. 18, II ff.); der dritte Name aber bezeugt die glorreiche Herrschaft dessen, der hier redet, denn der Morgenstern ist seit Jesaiä Zeugniß (14, 12) Bild der Weltherrfchaft (Stefsann.) · · »Es) Von oben herab spricht Jesus, indem er sich den hellen Morgenstern nennt, der den seligen Wiorgen eines ewigen Tages ankündigt und über der erlösten Menschheit heraufführt, ja der selbst in seiner Aufer- stehung und Verklärnng Biikgschaft und Unterpfand für jenen Tag der Vollendung ist: ,,Jch komme-«; und von unten antwortet der Geist und die Braut: »Komm!« Wo irgend in einem Menschenherzeii der Geist des HErrn wohnet, da bezeugt er sich durch den Ruf: ,,Kon·1m!«,« Wo irgend die Braut, die wahre Gemeinde Jefu, ihre Stätte hat, da steigt auch der Ruf: »Komm» aus ihrer Mitte empor. Die Bitte um fein Kommen ist ein Hauptkennzeichem wie der wahren Gemeinde, so der Geburt aus dem Geist bei dem Einzelnen. (Kemin- ler.) Der Geist, d. i. der von den Finechten Gottes angeeignete Geist der Weissagung oder der Christus in ihnen, spricht das Wort des Sehnens vor, und die Braut als das weibliche Princip (die Seele Luk 172 Offenb. Johannis 22, 18———21. I, 46) spricht es ihm nach; beide aber sind Eins und einstimmig, gleich voll von dem seligen Hoffen und Verlangen nach der Vollziehung des Gottesreichs Und wie dieses ,,Komm!« aus der Geist- und Brautgemeinde und aus des Johannes eigenem Inneren hervorbrichh so laden sie jeden, der diesen Ruf höret, ein, einzustini- men in dasselbe Sehnfuchtsgebet Auch wer noch dürstet, noch Erqiiicku1ig begehrt, soll kommen; ja wer nur über- hanpt will, guten Willcns ist, das Heil ergreifen, Glauben haben möchte, solle nur zugreifen, nur schöpfen aus dem Lebensquell umsonst, ohne Kaufpreis, ohne irgend eine Gegenleistung aus eigenem Vermögen — hier sei ja die Fiille der Erquickung aus dem uner- gründlichen und unerschöpslichen Quell der Gnade in- mitten der Angst nnd Trübsalshitze dieser Welt. Also jeder Hörende, Diirftende, Wollende wird herzugerufenx ist es nicht, als wenn mit diesen drei Bezeichnungen drei geistige Entferniingsgrade in Absicht auf Christi Zukunft angedeutet würden? Der Hörende hat sich offenbarlich am meisten genähert, der Dürstende ist noch etwas entfernter, der nur erst allgemeinhin Wollende, annoch Suchende, nicht ganz Gleichgiltige am entfern- teften; doch die Liebe möchte sie alle zu fich ziehen. Wer freilich vom Geiste getrieben schon so nahe gekom- men ist, daß die Stimme der Braut sein Ohr erreicht, wird in gerechter Entsprechung auch bereits ausgerufen, mit zu beten; »Komm« Nur noch einen Schritt näher, und er ruhet am Herzen Jesui Mit den Dür- stenden verhält es sich etwas anders: sie dürften, weil sie noch in der Dürre und Wüste der Welt umher- irren und kein Gut, keine Lust, kein Ruhm der Welt ihren Durst ftillen, ihre unbewußt nach Gott ringende Seele befriedigen kann; je länger sie dem Eitlen nach- jagen, desto mehr verschmachten sie vor Hitze. Darum werden sie in nicht minder gerechter Eiitfprechung nur um das Eine angegangen, aus ihrer Zerstreuung in den Außendingew die nicht können befriedigen, zu sich zu kommen und dem Labequell zu nahen: hier bei Jesu sei das Lebenswassey das ihren Durst für immer stillen, ihre verkommene Seele, erquicken werde. Kommen sie auf diesen Ruf in die Nähe der Braut, die sie geladen, dann werden sie zu Hörenden, die die Sehnsucht theilen nach dem Kommen des HErrn Aber selbst für die, die noch nicht ganz unempfindlich geworden, die noch wenigstens glauben möchten, hat die Liebe noch eine Lockung, wofern es ihnen nur ein Ernst ist mit ihrem Wollen. Haben sie auch noch Vorurtheile gegen den HErrn und insbesondere gegen seine Zukunft, können sie sich auch noch nicht recht lossagen von den mannig- fachen Täuschungen der irrlichtelirenden Weisheit, Kraft und Kunst der Weltbildung, der HErr hat sie darum doch nicht aus den Augen gelassen, sondern ihnen nach- gehend läßt er ihre rofenfarbigen Hoffnungen mehr und « mehr in graues Nachtgewölk sich auflösen, und während sie so arm und immer ärmer werden, locket seine treue Stimme: schöpft doch Wasser des Lebens umsonst! hier nur quillt Leben! euer Mühen ist unfruchtbar, euer Hoffen wird — zu Wasser, das in’s todte Meer fließt! Und so sie sich sagen lassen, greifen sie zu und dürften noch mehr, und kommen und hören, und stimmen end- lich mit Freuden ein in jenes bedeutungsvolle ,,Komm!« darinnen der Gefammtinhalt dieses Buches seinen ent- sprechenden Wiederhall findet. Nur für die Nicht- wollenden hat der HErr, und die Liebe des Geistes und die der Braut, kein Wort mehr. (Sabel.) 18. Jch [Johannes, der ich die Offenbarung empfangen Kap. 1, 1 und sie genau so wieder- gegeben habe, wie sie mir iibermittelt worden ist] bezeuge aber sindem ich aus dem Geiste des HErrn heraus rede, der mir seine Offenbarung hat zu Theil werden lassen] allen, die da hören die Worte der Weiffagung in diesem Buch: »So jemand dazu setzetz so wird Gott zusehen auf ihn die Plagen, die in diesem Buch geschrieben stehen sals solche, die über die gottfeindliche Welt ergehen]. « 19. Und so jemand davon thut von den Worten des Buchs dieser Weissagunky so wird Gott abthun sein Theil vom Brich snach richtiger Lesarn Holz V. 14] des Lebens nnd von der heiligen Stadt und von dem, das [statr: »und von dem, das« ist besser einfach zu lesen: davon] in diesem Buch geschrieben stehet [V. 1—5; vgl. 5. Mos. 4, 2; 12, 32]. Jn der Offenbarung ist der Verlauf der Welt und des Reiches von ihrem Dato an bis an das Ende aller Dinge und in die Ewigkeit hinein so nervose und subtil Verfasser, daß es ganz auf etliche wenige Blättlein geht; da erhellet Vieles nicht eben aus den Worten selbst, sondern nur aus dem, wie sie gegen einander stehen; wie nun an einer geschmeidigen Uhr der kleinste Fehler nicht nur an einem Rädlein, sondern auch an einem Zinklein eine Unrichtigkeit verursachet, also kann an · diesem ganz sonderbaren Büchlein der Offenbarung der geringste Zusatz oder die geringste Verminderung den Abfichten desselben auf eine oft unvermuthete Weise hin- derlich fein —— der himmlische Curialftyl hat seines- gleichen nicht. Wenn man bei diesem prophetifchen und engelischen, ja göttlichäönigliclien Manifeft die Herrlich- keit des Verfassers, welcher ift Jesus Christus und der diesen feinen Namen selber voransetzt, die Wichtigkeit des Inhalts und die Kürze der Rede betrachtet, so ninß man erkennen, daß hier an einem jeden Wörtlein sehr Vieles gelegen sein müsse; darum nimmt sich’s Gott so hoch an. (Bengel.) « Der natürliche Mensch muß, wie in der Schrift überhaupt, so ganz besonders in der Offenbarung Vieles nicht finden, was er will, ebenso Vieles finden, was er nicht will; es liegt das ein- fach darin, daß sie ein Erzeugnis; des Geistes Gottes ist. Daraus ergiebt sich die Neigung zu Zusätzen und Weglasfungem und nun liegt auch in der Uebermacht der Welt ein mächtiger Anreiz zum Zuthuu und Ab- thun, man bietet alles auf, dem Worte Gottes die Spitzen abzubrechen, um mit der Welt ein Abkommen zu treffen. Es ist nicht zufällig, daß dieselbe Warnung gegen den Schluß des ersten (des Pentateuchs) und gegen den Schluß des letzten Buches des Kanons (der Apokalypse) vorkommt; der Verfasser erkannte klar, daß er die Aufgabe hatte, den Kanon mit seinem Buche ab- zuschließen, die aus dem ersten Buch desselben hier wiederholte Warnung aber gilt der Sache nach auch für alles, was zwischen beiden Büchern liegt. (Hengsten- be Vg-) 20. Es spricht, der solches swas in diesem Buch geschrieben steht V. IS] zeuget [Jesus Christus, zum Schluß noch einmal dessen Jnhalt in, eine Hauptsumma, in ein kurzes Wort, wie es schon im Eingang angedeutet wurde Kap. 1, 7., zusammenfassend]: Ia, ich komme bald. lJst nun darin die ganze Chriftenhofsnung begriffen, so lassct uns rufen und beten-J Aucen swir nehmen Schlußwort des Sehers und letztes Wort des HErm Apostolischer Briefgruß 17 3 deine Zusage gläubig an]. Ja, komm, HErr Jesu [denn es verlangt uns von Herzen nach deiner Zukunftf Es ist das letzte Wort aus Jesu Munde, das zu unsrer Lehre geschrieben ist, das Neueste, was man von ihm weiß, das Wort: «Jch komme bald.« Also hat es mit der großen Sache des HErrn Jesu, mit allem, was man nach seinem Evangelium noch von ihm zu erwarten hat, besonders also auch mit der Offenbarung seines Reichs, keinen unvermutheten Anstand oder Aus- schub, sondern es ist alles in gutem Gange, es wird alles vollendet werden. (Rieger.) Die beiden vorigen Verse waren noch als in der Gegenwart Jesu geschrie- ben; dieser Vers aber lautet, wie wenn ein scheidender Freund sein baldiges Wiederkommen verspricht und der zuriickbleibende ihm noch in die Ferne mit vieler Liebe nachruft, daß er’s auch gewiß wahr machen solle. Der Apostel ist der Erste, welcher selber der Aufforderung in V. 17 entspricht: »wer es hbret, der spreche: Kommt« (Lämmert.) E. its. El. Wie das such der Offenbarung in Brief— form begonnen (Lap.1,4—6), so schließt es auch mit dem aposlotischen Briefgruß (lltiim. 16,24): 2l. Die Gnade unsers HErrn Jefu Christi set mit euch alleu! Amen. Der Eingang sgruß war weitläufig, der Schluß- wunsch faßt die Kraft in wenige Worte zusammen; Johannes handelt hierunter als Einer, der seinem HErrn entgegeneilt und sich mit nichts mehr aufhält. (Rieger.) Nach andrer Lesart heißt es: Die Gnade des HErrn Jesu sei mit allen Heiligen; damit würde ausge- drückt, daß das Buch ein Eigenthum der ganzen Christen« heit auf Erden ist, daß, wer immer in die Zahl der Heiligen gehört, Recht und Pflicht hat, in ihm Er- bauung zu suchen, und Rechenschaft dafür ablegen muß, wie er die in ihm dargebotenen Mittel des Heils ge- nutzt hat. (Hengstenberg.) Die Gnade des HErrn Jesu sei auch mit uns und geleite uns Schritt für Schritt in ihrem Frieden und in ihrer Kraft, bis wir das in diesem Buch uns vorgehaltene große Ziel erreicht haben. Amen: ja, ja, es soll also geschehent (Kemmler.) Schlußvemerltungen zur Offenbarung St. steh-innig. Nachdem wir denn zu Ende sind mit der Auslegung dieses Buches, zu dessen richtiger Deutung besonders auch zu dieser unsrer Zeit so viele Versuche gemacht werden, könnten wir wohl auch, wie andere Ausleger dies gethan haben, den vielen andern Auffassungen gegenüber dem Leser betheuern, daß er hier das rechte Verständniß erschlossen finde; und könnten uns, um folcher Versicherung Glauben zu erwecken, auf unsre mehrjährige Forschung, auf die gewissenhafte Benutzung des schon vorhandenen Guten und vor allem auf die genaue Uebereinstimmung mit dem übrigen Worte Gottes, besonders mit der alttestamentlichen Prophetie und den eschatologischen Reden Christi, berufen. Wir sehen indessen hiervon völlig ab, die zunächst uns bevorstehende Zukunft wird ja den Beweis liefern, ob wir recht gesehen haben oder nicht (vgl. zu Matth. 24, 33) — bis dahin aber müssen wir allen Einsprüchen und Angriffen dagegen das Wort des Apostels (1. Cor. 4, 5) geltend machen: ,,richtet nicht vor der Zeit, bis der HErr komme« Für Ausstellungen im Einzelnen und für Be- mängelungen dieser und jener Stelle sind wir allerdings gern zugänglich, und stellen uns da sogar ausdrücklich unter das Gericht auch eines menfchlichen Tages; aber für die Auffassung im Großen und Ganzen tragen wir eine so gewisse Zuverficht der Richtigkeit im Herzen, daß wir unter Menschen niemand als Richter anerkennen, sondern, bildlich zu reden, auf den Kaiser uns berufen. Es wäre das nun freilich vor unsern eigenen Augen ein Wunder, wenn es uns sollte vom HErrn gegeben worden sein, die Hauptpunkte, um die es beim Verftändniß der-« Apokalypse sich handelt, sachgemäß zu erfassen, da selbst solche Männer, wie der hochbegnadigte Dr. Luther, und auch in unsern Tagen viele tiefgegrüudete und reichbegabte Schriftgelehrte haben eingestanden, daß sie in dies Buch sich nicht zu finden vermöchtem indessen ist es ja nun einmal die Weise des HErrn, daß er sich er- wählet, was schwach ist vor der Welt und das da nichts ist. Diejenigen Glieder der evangelischen Kirche, welche treu und innig dem lutherischen Be- kenntniß anhangen, werden es nicht leicht dem Herausgeber verzeihen, daß er in der Eschatologie oder Lehre von den letzten Dingen eine so ganz andere Bahn eingeschlagen hat, als die von jenem Betenntniß vorgezeichnet ist; ja, sie werden vielleicht eben darum theilweis mit dem Bibelwerk zer- fallen und es für eine Gabe ansehen, deren sie lange Zeit sich gefreut haben, die sie aber nunmehr, um ihre Seele vor dem Gift falscher Lehre zu bewahren, von sich abthun müßten. Jhnen gegen- über trete hier der nun selig vollendete, wie wir nicht anders glauben, in seinem irdischen Leben der lutherischen Kirche so treu auhangende Wilh. Löhe redend ein und decke den Herausgeber mit seiner Auctoritäti Derselbe schreibt im Jahre 1857 an einen von der Missouri-Synode in Amerika um feines Chiliasmus willen ausgefchlossenen Predigert »Die Führer der Shnode haben sich Luther und den lutherischen Theologen so ergeben, daß sie anders als unter Vermittlung derselben auch das 174 Schlußbemerkungen Wort Gottes nicht lesen können: wie können sie sehen, da ihre Augen eingenommen sind, und hören, da sie ein Ohr nur für ihre Gewährsmänner haben? Als ich jünger war und den Weg der luthe- rischen Kirche als richtig erkannte, that ich auch, wie die Brüder in Missouri; ich nahm um des großen und gerechten Zutrauens willen alles an, was jene sagten, und wenn mir auch nicht alles innerlich genügte, wagte ich doch nicht, meinen eigenen Augen zu trauen, wenn ich im Worte Gottes las — meine Gewährsmänner mußten Recht haben, weil ich meinem eigenen Urtheil nicht trauen durfte. Jm Verlaufe der Zeit konnte ich jedoch dem Lichte des göttlichen Wortes nicht widerstehen, und je mehr ich in Anbetracht der Hauptsachen von der Reinheit der lutherischen Lehre überzeugt wurde, je mehr erkannte ich, daß Gott der HErr in diesen unsern Tagen seiner armen Kirche in etlichen andern Punkten größeres Licht und schönere Klarheit geben wollte, als unsere Väter hatten. Zu diesen Punkten gehört auch Eschatologisches, insonderheit was die Hoffnung Jsraels, die tausend Jahre und die Wiederkunft des HErrn betrifft. Wie überhaupt in Exegese und Historie, so besonders in der Erkenntniß der Propheten und des prophetischen Blicks in die Geschichte ist die neuere Zeit « gesegnet und reicher begabt, als das 16. Jahrh und die ihm nachfolgten. Jch erscheine mir nicht als ein Abfälliger, sondern als ein Getreuer, wenn ich die Gabe annehme, die Gott darreicht, und sie deshalb nicht verachte, weil meine Väter sie nicht hatten; ich glaube nur ihre Wege zu gehen, wenn ich dem Worte selber folge und es lieber annehme, als die willkürlich spiritualistische Auslegung vergangener Tage. Jch habe vielfach mit Lust die Propheten und Apokalypse gelesen und wieder gelesen, und gerade das Eingehen in die Vergleichung der Propheten mit der Historie, mit der Ge- schichte des Reiches Gottes hat mir das Auge aufgethan für die ferne Zukunft hier und dort. Jch habe die Weissagung des alten und neuen Testaments sehr einfach und wörtlich fassen lernen und nicht blos gefunden, daß sich auf diesem Wege die gesammte Theologie sehr faßlich, sondern auch, daß sie sich sehr harmonisch gestaltet. Während bei der spiritualistischen Richtung kaum zwei Aus- leger zusammenstimmen, habe ich zu meinem großen Erstaunen gefunden, daß Männer von der ver- schiedensten Richtung, wenn sie einmal die spiritualistische Auslegungsweise aufgegeben hatten, auf dem Wege der Einfalt zu den gleichen Resultaten kamen. Es hat neulich jemand gemeint, es möchten unter den bedeutenderen Theologen Deutschlands kaum zwei sein, die mit den Männern des IS. Jahrh. in Sachen der Eschatologie zusammenstimmen. Wenn die augsburgische Consession die judaisirenden Meinungen verwirft, nach welchen vor dem jüngsten Tag eitel Heilige ein weltlich Reich haben würden, so ficht das, ganz abgesehen von den Privatmeinungen der Reformatoren, gewiß Keinen an, der den Gegensatz hat kennen lernen, in welchem der ohne Hände herabgerissene Stein zu dem Koloß der Weltmonarchieen steht (Dan. Z, 31 ff.); man kann den Paragraph der Confession unterfchreiben, und zwar tief aus dem Herzensgrund, ohne deshalb mit den Lehrern zu stimmen, die das Kind mit dem Bade ausgeschüttet haben« Jm Anschluß an die ältesten Kirchenlehrer trägt Luther selbst die von uns in die Anm. zu Kap. 13, 18 u. Hes. 40, 47 aufgenommene Ansicht vor, darnach die schließliche Heilsvollendung, die allgemeine Auferstehung der Todten und die Herstellung eines neuen Himmels und einer neuen Erde mit dem 8· Jahrtausend der Welt eintritt (vgl. Anm. zu Luk. 2, 21); wenn er nun anderwärts auch sagt: »die Welt hat nun gestanden 5500 Jahr, nun soll in 6000 Jahren das Ende kommen,« so hat er freilich das 7te Jahrtausend nicht untergebracht und deshalb auch mit der ersten Auferstehung und dem tausendjährigen Reich in Kap. 20, 1——6 nichts anzufangen gewußt, aber die alten Kirchenlehrer brachten es mittels des Chiliasmus unter, nur war das noch fehlsam, daß das tausendjährige Reich sich bei ihnen aus die gesammte Kirche über- haupt bezog, während es nach tieferer Erkenntniß der Weissagungen der Schrift als die blos vor- lausende Herrlichkeit des Sabbaths-Jahrtausends zunächst nur aus das SabbathssVolk Israel sich bezieht. Nach dem ganzen Zusammenhang unsrer Auslegung ist die Offenbarung St. Johannis kein kurzgesaßtes Handbuch der Kirchengeschichte, wozu man sie oftmals veranstaltet und alle nur mög- lichen Weltbegebenheiten darin geweissagt gefunden hat, sondern ein Commentar zu dem Lobpreis, wo- mit St. Paulus den abhandelnden Theil des Römerbriefs (11, 33——36) schlieszt: »O welch eine Tiefe des Reichthums, beide, der Weisheit und Erkenntnis; Gottes! Wie gar unbegreislich sind seine Gerichte und unerforsehlich seine Wege! Denn wer hat des HErrn Sinn erkannt? oder wer ist seid Rathgeber gewesen? oder wer hat ihm was zuvor gegeben re? Denn von ihm und durch ihn unit zu ihm sind alle Dinge. Jhm sei Ehre in Ewigkeit! Amen« Jn diesen Lobgesang wird gewiß mit zwiesacher Freudigkeit und Zuversicht einstimmen, wer die Auseinandersetzungen über die zukünftige Entwickelung der Dinge gelesen; und vielleicht giebt der HErr Gnade, das; mancher Segen von der- selben ausgeht auch auf Katholische und auf Juden. Ehe wir aber von dem Buche scheiden, wollen zur Offenbarung St. Johannis. 175 wir noch die Geschichte seiner Auslegung in ihren verfchiedenen Perioden an uns vorübergehen lassen, und da besonders auch die Hauptklasfen der neueren Auffassungen uns vergegenivärtigen Jn den ersten Jahrhunderten der christliclsen Kirche, solange diese noch unter dem Drucke der Verfolgungen stand und von der heidnischen Weltmacht auf allen Seiten bedrängt und bekämpft wurde und der Glaube an Christi Wiederkunft zur Aufrichtung seines Reiches auf Erden in Herr- lichkeit den weseutlichen Gegenstand und Anker der christlichen Hoffnung bildete, nahm man besonderes Jnteresse an den Weiffagungen der Offenbarung; nicht nur hatte man eine naturgemäße Sympathie für das, was in Kap 20, 1 ff. von einer vorläufigen Bindung des Satan auf 1000 Jahre und von einem Wohnen und Herrschen der Auserwählten in dem wiederaufgebauten und verherrlichten Jerusalem gesagt wird, sondern auch ein richtiges Verständniß für manche andere Einzelnheitety und wenngleich für das eschatologifche Bewußtsein dieses Zeitalters die Endzeit fich unmittelbar an die ·vom römischen Antichrist beherrschte Gegenwart anschloß, weil man von einer Zeit der Anerkennung der Kirche im Staat, ja der· eigenen Christianifirimg des letzteren noch keine Ahnung hatte, so findet fich doch schon bei Laktantius (f um 330 n. Chr.) der Gedanke, das tausendjährige Reich werde erst am Ende des S. Jahrtausends der Weltgeschichte kommen, was freilich für ihn die Bedeutung einer ziemlich nahe bevorstehenden Zukunft (nach etwa 200 Jahren) hat. Mit dem Umschwung, den die ganze Weltstellung der Kirche durch den Uebertritt des römifchen Kaisers zu ihr unter Constantin d. Grj nahm, ninßte auch eine ganz neue Periode in der Auffassung und Auslegung unsers Buches beginnen. Das Heidenthum war gefallen, aus der heidnischen Weltmacht eine christ- liche geworden, aus dem Kampfe mitRom war Christus als Sieger hervorgegangen, seine Gemeinde stand jetzt als Beherrscherin der Welt da: wie nahe lag es da, die Weifsagung von einer tausend- jährigen Herrschaft der Heiligen als bereits erfüllt zu betrachten und die von einer ersten Auferstehung der Todten auf die geistliche Auferstehung der Christen in Kraft ihrer Taufe (Röm. G, 3 ff.) zu deuten! So kam man denn auf den Gedanken, die tausend Jahre der Bindung des Satan von dem Beginn des christliclsen Zeitalters an zu rechnen und ihren Abschluß mit dem Ablauf des ersten Jahrtausends nach Christo zu erwarten, worauf dann die Erscheinung des Antichrist und das Weltende folgen werde; da man aber hierbei den ganzen Zusammenhang der apokalyptischen Gesichte und Weiffagungen preisgeben mußte, dem zufolge die tausend Jahre erst nach der Herrschaft und dem Fall des Antichrist eintreten, »so half man fich mit der Ansicht von der Recapitulation, daß nämlich jene Gesichte und Weissagnngen nicht in fortlaufender Zeitfolge die Zukunft verkiindigem sondern in nebeneinander liegenden Gemälden sie darstellen und so verschiedene Gruppen entstehen, deren jede den Hauptgedanken von einer neuen Seite ausftihrt Die erste Skizze dieser so vorausgesetzten cyklischen Darstellnngsweise im Gegensatz gegen die chronologifche findet fich in dem, dem Victorinus, Bischof von Pettau, einer Stadt an der Drau in Steiermark (lebte ums J. 290 n. Chr.), zugeschriebenen Commentar, der aber wohl einer späteren Zeit und einem andern Verfasser angehört; dieselbe Anficht beherrfcht auch die Auslafsungen des Augustinus und macht fich bis herein in unsre Zeit bei einer großen Zahl von Auslegern fort und fort geltend, weil sie das einzige Aus: kunstsmittel ist, um die Anerkennung eines erst noch bevorstehenden tausendjährigen Reichs herum- zukommen und dem kirchlich so verpönten Chiliasmus zu entgehen. Die Erwartung des Weltendes mit dem-Ablauf der« ersten tausend Jahre n. Chr. brachte dann in der That zu Ende des 10. und Anfang des 11. Jahrh eine große Bewegung in der Kirche hervor; im 13.Jahrh. verkündigte Papst Jnnocenz IIl. seinen Kreuzfahrerm das; in Muhamed der Antichrist längst erschienen sei und daß, da die Zahl 666 in Kap 13, 18 die Dauer seiner Herrschaft bedeute, der Fall derselben demnächst zu erwarten stehe, und wiederum im 14. Jahrh war die Erwartung von dem Auftreten des Gog nnd Magog und dem Eintreten des jüngsten Gerichts ziemlich allgemein in der Christenheit verbreitet. Gleichzeitig aber entwickelte fich bei denjenigen Parteien, die das Verderben in der römischen Kirche erkannten und bekämpften, die Meinung, daß in ihr und der päpsilichen Tyrannei das wahre Anti- christenthum zn suchen sei; die Waldenser setzten den Anfang der 31s2 Zeiten des Antichrish die sie zu 350 Jahren berechneten, auf das Jahr 1000 und kamen so zu dem Resultat, daß das J. 1350 seinen Sturz bringen müsse. Alle derglcichen Voraussetzungen und Berechnungen find zu Schanden geworden; das liegt aber nicht an der Weifsagung selber, sondern an ihrer verkehrten Behandlung, indem man ihre Ordnung umkehrte und ihrem Wort denjenigen Sinn unterlegte, den der eigene Geist oder fleischi- licher Eifer an die Hand gab. Daher konnte Luther zu seiner Zeit sagen: »Es haben wohl Viele fich an dem Buche versucht, aber bis auf den heutigen Tag nichts Gewifses aufgebracht, Etliche viel ungeschicktes Dinges aus ihrem Kopf hineingebräuet.« Dabei ist er dem Grundsatz» nach, den er 176 Schlußbemerkungen zur Offenbarung St. Johannis. für die Auslegungsaufstellh jedenfalls schon auf dem richtigen Wege, indem er schreibt: »Weil es soll eine Offenbarung sein künftiger Geschichten, und sonderlich künftiger Trübsale und Unfall der Christen- heit, achten wir, das follte der nächste und gewisseste Griff sein, die Auslegung zu finden, so man die ergangene Geschichte und Unfälle, in der Christenheit ergangen, aus den Historien nähme und diefelbige gegen die Bilder hielte und also auf die Worte vergliche; wo sich’s alsdann würde fein mit einander reimen und eintreffen, so könnte man darauf fußen als auf eine gewisse und unver- werfliche Auslegung« Was jedoch an der zweckentsprechenden Anwendung dieses Grundsatzes ihn für seine Person gehindert hat, ist eine dreifache salsche Voraussetzung: 1) daß der Papst mit seiner römischen Kirche der Antichrist und die große Hure zugleich sei, 2) daß die Bindung des Satan auf tausend Jahre mit der Zeit, in welcher das Buch verfaßt worden, beginne und demgemäß bis auf Gregor VII. (von 1073 bis 1085) reiche, und Z) daß die aus der Heidenwelt gesammelte Kirche die Braut des Lammes oder das Weib bilde, welches für fich und durch fich, ohne an Jsrael in Betreff ihrer Vollendung gebunden zu sein, die Verheißung beerbe. Unter diesen Voraussetzungen mußte er freilich auf einen unlösbaren Widerspruch zwischen dem Verlauf der Kirchengeschichte und dem Jnhalt der Offenbarung gerathen und schließlich auf einem Standpunkte anlangen, wo er geradezu erklärt: ,,mir mangelt an diesem Buche nicht einerlei, daß ich’s weder apostolisch noch prophetisch halte; mein Geist kann fich in das Buch nicht schicken und ist mir Ursach genug, daß ich sein nicht hochachte.« Da hat nun schon Vitringa («s 1722) eine neue Bahn gebrochen, indem er die tausend Jahre erst beginnen läßt, wenn das Gericht über den Antichrist vollzogen ist, und beides in die Zukunft verlegt; wenn nun gleich Albrecht Bengel’s («s 1751) mit so bewundernswerthem Scharffinn auf- gebautes chronologisches System fich als verfehlt erwiesen und Vielen den Vorwand dazu hergegeben hat, daß man auf die apokalyptischen Zahlen kein Gewicht legen dürfe, so hat er doch andrerseits die wahre Ordnung der letzten Dinge: Antichrist, 1000 Jahre, Weltende, für solche, die lieber die kirchliche Tradition als den unmittelbaren Wortsinn der heil. Schrift zum Opfer bringen, ein für alle Mal der willkürlichen Versetzung gegenüber klar an’s Licht gestellt und Manchem Muth gemacht, fich in anderer Weise an der Lösung der Zahlen-Räthsel zu verfuchen. Jn neuerer Zeit kommt nun -auch einestheils die richtige Unterscheidung zwischen der antichristischen Weltmacht und der anti- christischen Kirchenmachtz zwischen dem persönlichen Antichrist oder dem Herrscher des letzten Weltreichs und dem zur Hure gewordenen Weibe in dem päpstlichen Rom, anderntheils die Bedeutung Jsraels als des eigentlich heilsgeschichtlichen Volkes gegenüber den kirchengeschichtlichen Völkern der Heidenwelh immer mehr zur Anerkennung; es wird da schon die kirchengeschichtliche Auffassung in dem Kampfe, den sie mit der zeitgeschichtlichen und endgeschichtlichen annoch zu bestehen hat, fich zum Siege hindurchringen, von denen die eine den Schwerpunkt der Weissagung auf die der Ab- fassung des Buches unmittelbar folgende Periode des Gerichts über das Juden- und Heidenthum, die andere auf die der Zukunft des HGrrn unmittelbar vorhergehendeantichristische Endzeit legt. Die Gestalt, welchen die kirchlichen und politischen Verhältnisse immer mehr annehmen, werden auch die Herzen mehr und mehr von allen Jllusionen über die Zukunft befreien und die Augen mehr und mehr richten nach Jerusalem, die unser aller Mutter ist. Druck von Pöschel «: Trepte in Leipzig. Anhang Sachregister «,.·,.. « »F ACDMVDD Sachregifler zum Bibelwertk oder Nachweifung derjenigen Stellen der heil. Schrift, bei welchen die wichtigsten biblischen Begriffe, Namen und Sachen gelegentlich erläutert worden sind. .4. Zum I. Rande: A. Abstammun , Schu i rer Rein eit und Si er eit: 5. Mose 2g2, 21. tz h h ch h Aeltesm 2. M. 18, 23; s. M. I, 13; 16, l7; 25,7. Agilabaunu 4. M. 24, S. · Allerheiligstes: 2. M. 26, Z5; 27, 19. Allerheiligsn 2. M. 40, 10. Altar: 1. M. 8, 2oz 2. M. 20, 25; 27, 2. Altar-fester, beständiges: Z. M. S, l3. s Altes Testament, dessen Charakter: 2. M. 2l, ll. Ammem l. M. 24, 59. Fngsesickt Gottes fchz Z3,3E4. 20. pi, ere pti e: .M. ,4. Art-hab: 4. 20, l. Arabiem peträisches: 2. M. 13, 20. Ararat: l. M. 8, 4. Arche, Größe und Bauart derselben: 1.M.6,15.l6.2l. Asasel: Z. M. 16, 10. Asphaln Z. M. 2, Z. Aftarte: 5. M. 16, 21. Auerochs: 5. M. 14, 5. Aufnahme in den israelitischen Gemeindeverband: 5 M 23 8 . . , . Augnrien, heidnische: 4. M. 2Z, Z. Aussatz an Menschen: Z. M. 13, Z. 8. 46; 5. M. 28, 27.Z5; an Kleidern und Stoffen: Z. M. 13, 49. 59; an Häufernt Z. M. 14, Z5. Aussätzigq deren Reinigung: Z. M. 14, 7. l3. . B. Bank: 5. M. 16, 2l. Bäche in Palästinm 5. M. 8, 10. Vacköfent 2. M. 16, 24. Banngelübdn Z. M. 27, 29. Basant 5. M. Z, 4. 5. Bäume, -Beschneidung, ihrer Früchte: Z. M. 19, 25. Beliab 5. M. 13, l3. Bersabm l. M. 2l, l. Beschneidungt l. M. 17, l4; 5. M. 10, l6. Bet el: l. M. 28, ll. Vet phage: Z. M. 24, 5. Bewassnunxk israelitischex 5. M. 20, 9. Bileam, Stand, Charakter und Weissagung: 4. M. 22, S. 11. 13. 19. 20. 23. 27. 357 23, 10. 24; 24, 9. 247 mit seinem verderblichen Rath der Vater aller Volksverderbert 4. M. 24, 25. Birs Nimrudx l. M. ll, 8. Blåithjkåessley Gebrauch und Bedeutung: l. Mos. 9, S; . . , 14. Bluts-arise: 2. M. 21, 14; 4. M. 35, 12.28; 5. M. 19, 10. Blutschandet Z. M. l8, 6. Blut prengunkp Z. M. 4, l2. Bocksdiensy egyptischcm Z. M. l8, 23. Bozrku 4. M. 20, l7. Brandopfen 2. M. 24, 5; Z. M. l, 9. l7. Buch des Lebens, der Lebendigen: 2. M. Z«2, 32. Biindnissh Gebrauch bei ihrer Schließung: 1.M.l5,9. Bundeslade: 2. M. 25, 16. Bundeszeichen Gottes: l. M. I, IS. Apis-is: 2. M.- 25, 4. C. Canaam Land: l. M. 12,7; 5. M. l,8; Urbewohner: H. M. 2, 23; 7, 2. Cassicu Z. M. 30, 2Z. Ceden 4. M. 24, s. Cherubim: 2. M. 25, 20. Cgolerax 4. M. ll, 20. C ronologische Uebersicht über die 5 Bücher Mosis: 5. M. 34 12. l Cisternex l. M. Z7, 24. Cblesyriem 5. M. 27, Z. Corianden 2. M. 16, Z1. Cultursortschritt und Gottentfremdunzp l. M. 4, 22. Cultusftiitty nur Eine in Israel: 5. M. l2, l9. D. Dammhirsklp 5. M. 14, 5. Dankopfer: 2. M. 24, 5; Z. M. Z, L. Denkzettek 5. M. 6, 9. Diluvialland: l. M. .7, 2Z. Drefchmaschinem 5. M. 25, 4. G. Ebal und Ggrizimx 5. M. ll, 3l; Z7, 14. Ebenbild Gottes im Menschem l. M. l, 27. Edomiten I. M. Z7, 40; Land derselben: 4. M. 20, l7; dessen Urbewohner: 5. M. L, 2Z. Egypten:-l. M. l2, 10; Frnchtbarkeih 5. M. ll, 12; Krankheiten: 5. M. 7, l5. EIN Z. M. l8, 6. E ebruch im geistlichen Sinne: 2. M. Z4, 16. Ehescheidunxp 5. M. 24, 4. Ebeschließunkjp 5. M. 25, 5. Gib: 5. M. 10, 20. Eidesleiftunsp 4. M. 5, 23; 5. M. 27, 26. Eifergesetx 4. M. 5, Z1. Einbalsamiren der Leichen: l. M. 50, L. Einhornt 5. M. Z3, l7. Elenthiem 5. M. 14, 5. Elle: 2. M. 25, 10. gmancipatiog dås lWeibeslä ZZMGLfY 5.b 2 M n el ire et eiigun ei er ee e un: . . 13, Es? 5. M. as, 2.g tzg g Erbsolgu 4. M. 36, 9. Erbrechh l. M. 25, 6. Erbtöchtert 4. M. 27, ll. Erde, i re Stellun im Weltganzem l. M. l, l8. Ernte, eginn derselben: Z. M. 23, l7. Ernten der Feldfrüchtex 5. M. 25, 4. Erstgeburt und Erftgeburtsrechh l. M. 25, Zlx L. M. l2, 12; 13, 2. 13. 4 Sachregister zum I. Bande. Crstlingex 5. M. 26, 11. Esel: 1. M. 49, 14. Eselin, redende — des Bileamt 4. M. 22, 3Z. F. Fasttage, jüdische u. christliche: Z. M. 16, Z1. Feldteugeh Z. M. -17, 7. Fettstü e der Opserthierm Z. M. Z, b; 7, 4. örenholz: 2. M. 25, 5. reistädtn 4. M. Z5, 12. 15. Fremdlingex Z. M. 17, 9; 25, 49. Fromm, von Gott gebraucht: 5. M. J, 4· Ins, heil. Zahl der Egypten l. M. 4 ,2; 2. M. 2, 10. urcht und Liebe Gottes: 5. M. 10, . Fufzwaschungx I. M. 18, 4. G. Galbannm: 2. M. Z0, 35. Gänse und Hühner: Z. M. l, 4. Gebet: l. M. 32, 12. Gebote, die zehn Worte: 2. M. 20, l. 6. 17. Geld: I. M. 2Z, IS; Geldstrafen: 5. M. 25, Z. Gelübde: Z. M. 27, 8. ZZ. Gesthichtschreibnng, biblische: I. M. 29, Z0; Z4, 17. Geschwisterehen bei den ersten Menschen: I. M. 4, 17. Gesetzgebung, Tag derselben: Z. M. 19, 15. Gewinste: s. M. 19, 37. Gilead: 4. M. 32, 40. Ginsterstrauclp 4. M. ZZ, 18. Gnadenstuhk Z. M. 25, 22. Göthet 4· M. 31, 12. Götzendienst als Teufelsdienstr 5. M. Z2, 17. Gomon 2. M. 16, 16. Gosem I. M. 47, 4. Gottesdienstz täglicherx 4. M. Z8, 8. Granatbaum: 2. M. Z8, Z4. ain: 5. M. 16, . all- oder Erlaßjahrx Z. M. 25, 9. 12. 22. 34. 55. amath in Syriem 4. M. Z4, 9. andauslegnng: 1. M. 48, l4; Z. M. l, 4. ans-mühte: 2. M. 16, 24. use: Z. M. l1, 6. antun: 4. M· 32, 33. aus Jakob oder Israel: L. M. S, 14. ebe, Hebopfen 2. M. 25, L; Z5, 2Z. ebrom l. M. 2Z, 20. eidenthum: l. M. l1, 9. eilige, das: L. M. 7, 19- eitnsnchem die Sünde 4. Z2, 2Z. 48. enoch, Buch —: I. M. ermon: 5· M. Z, 9; 4, Err, d. i. Jehovm l. M. 2, G; Herrlichkeit des HErrm Schechina: 2. M. 40, 35. eitschreckem Z. M. 10,12; Z. M. l1, 2Z. oherpriestey dessen Kleidung: Z. M. Z8, 12. 21. 30. Z5. Z9; Salbung, Einkleidung und Amtseinweihun ·2. M. 29, 7. 10. 14. 18. 21. 28. 34. Z7; Z. M.· 1Z; D M. 20, 28; Wirkungsmachtt 4. M. 16, 46. 48. 503 ZZJILZF litåhepriesterliche Linien: 4. M. 25,1Z. s onigx «. . , . tgoreln Gebir e: 2. M. Z, l; Z. . spät-ge? aus råsisMHasitpglz M. 34, 29· tun-Siegern. .,· tsürden Piässzblä Hure: · . , . Hylsos: 1. M. 40, 11. Häuser: 5. M. 22, S; Z7, Z. 2l O? I? I. Iaboh Fluß: l. M. Z2, 2Z. Iachmum S. M. 14, 5. Ja2resseste: Z. M. 2Z, Z. 44. Ja res- nnd Tagesrechnnnw 2. M. 12 Jchovm Z. M. Z, 15; 6, Z; Z. M. 24, Jerusalem: I.«M. 14, 18. Jeschnrntu 5. M. Z2, 15; 33, 5. Jesreeh Ebene: 5. M. 27, Z. Inspiration: 5.·M. 18, ·22. Joseph als· Christi Vorbild: l. M. Z7, 2. Issråtelsd sectft Wiss? ililnd seined Gejslcglsichteå Z2, «« eru un te ung in er elt:. .·21 s. Tor. 4», 8;·seine Gotteskiudschafn 5. M. 32,« s— 4StMmäZntYg1lung: 4. M. 26, 1l; Recht an Canaam Jubeljahr is· Hånjahp Juba, Gebirge und Wüste: 4. M. lZ, 25. Jndengenossenx Z. M. 17, I. K. Kades: 4. M. lZ, l; 20, 1Z; Fels in —: 4. M. 20, 8. Kalmus: 2. M. Z0, 2Z. Kaninchen (Klippdachse): Z. M. l1, 5. Kasten, egyptische: l. M. 41, 46. Kastrationx 5. M. 2Z, I. Kebsweibeu 1. M. 16, L; 5. M· 2l, 14. Ketzervertilguum 5. M. lZ, 5. Kindbetterinnem Z. M. 12, 4. 5. Kleidung: L. M. 12, 34. Klimatische Verhältnisse Palästina’s: Z. M. 26, s. Knecht Gottes: 2. M. 14, Z1. « Kälte: Z. M. II, Z6. Königthum in Israel: 5. M. 17, 14. 15. Kot-ab: 4. M. 16, Z; Kinder —: 4. M. 16, 40. Kreuzignng, Strafe der —: 4. M. 25, 5 Krieg: 5. M. 20, 18. Kuh, rathe: 4. M. 19, 10. 22. Kyliko- und Hydromantin l. M. 44, 5· L. Lanbhiittensestx Z. M. 2Z, 4Z; 5. M. 16, l5; Schluß- fe1er: Z. M. 2Z, Z6. Lebensdauer: 1. M. 5, 27. l 2. U. Lebensstrasem Z. M. 20, 2. 14. Leibeigenschaftx 2. M. 21, s; 5. M. l5, 18. Leibesstrafeiu 5. M. 25, Z. Leuchter, güldnert 2. M. 25, 40. Levirats-Ehe: 1. M. Z8, 8; 5. M. 25, 6. 10. Levitem 4. M. Z, l3. 51; 4,49; 18, Z2; Städte der- selben: 4. M. Z5, 5. 8. 157 ihre Ausstattung: 5. M. 12, 19, Libanon und Antilibanon: 5. M. 27, Z. Lösegeld: 2. M. Z0, 12. Löser (Goel): Z. M. 25, 49. LntheNs Bibelübersetzung: 2. M. 16, 5; Handexemplar be: der Uebersetzung des alten Testaments: 5. M. ZZ, 1·2; Gebetserhörunxp 4. M. l1, 15. M. Machärusx 4. M. 22, 41. Magie: 2. M. 7, s. l3. 22. Mamsen 5. M. 2Z, 2. Mandelbaunu 2. M. 25, 40; 4. M. 17, 5. Mandragora (Alraun): 1. M. Z0, 14. Manna: L. M. 16, 14; 4. M. 2l, 5. s Masorethekn Z. M. 11, 21. 4·2. Erstlinge — Storax. 5 Maße für trockene Dinge: Z. M. l6, 36; für Flüssig- Hziteäi Z. M. Z9, 40; für Längen u. Weiten: Z. M. Melchisedek: l. M. 14, Z0. Memp is: l. M. 41, 14. Menschengeschlecht: l. M. Z, 24. Men chennatun l. M. Z, lZ u. l9. Midianiter: Z. M. Z, 15. Milch und kaum, Land, darin— fließt: Z. M. Z, 17. Militiirdien t, Befreiung davon: 5. M. 20, 7. Mischehu M. 24 10 Moabitey Land derselben: 4. M. Zl, ll. Molorlp Z. M. 18, Zl. Pionats-Namen: Z. M. l2, Z. Morgengabe: Z. M. ZZ, 17. Morgen- und Abendopfen 4. M. Z8, 8. Muse, Bedeutung seines amens: Z. M. Z erste Prophen Z. M. 4, 9; sein Leben: Z. sein Stab: Z. M. 4, 9; seine Sanftmut lZ, Z; seine Sünde: 4. M. 20, lZ; sei . . 3Z, 52; sein Tod: S. M. 34, 4. 5; sein Begräbniß und Michael’s Streit mit dem Satan über seinem Leichnam: 5. M. 34, 6. Münzen: Z. M. 30, 1Z. Musikalifkhe Instrumente: 4. M. 10, Z. Myrrhenbannn Z. M. 30, Z3. N. Name Gottes: l. M. 4, 26. Naphthalh Gebirge: 5. M. Z7, Z. Nasiräak 4. M. 6, 4. 5. lZ. Zl. Neumondstagw Z. M. ZZ, Z5; 4. M. 28, 15. Nicht-Gott und Nicht-Volk: 5. M. 3Z, Zl. Nil, Egyptens Hauptflusp l. M. 41, 4. Of Oelbamm l. M. 8, llz Z. M. Z7, Z1. Ossenbaruugsformeiu 5. M. 18, Z2. Onanie: I. M. 38, l0. » Opfer, Begriff und Arten: Z. M. l, Z; 6, 77 7, 38; stellvertretende Bedeutung: Z. M. l, 5; körperliche Fzhläosigkeit und sonstige Erfordernisse: Z. M. ZZ, · ’ 5- Opfermahlzeik Z. M. Z9, 345 Z. M. Z, 17. Orientirem sich: I. M. lZ, J. Ostern, jiidischesn Z. M. ZZ, 8· P. Piiderastiu l. M. l9, 5. Päpstliche Autorität: 5. M. 17, lZ. Paliistinat 4. M. Z4, 15; Fruchtbarkeit und Natur- erzeugnissm 5. M. 8, l0. Papyrustaudn Z. M. Z, Z. Paran, iiste: 4. M. lZ, 1. Passa, Bedeutung des Namens: Z. M. 1Z, 1l; Lamm: Z. M. lZ, 7; Zukoft: Z. M. 1Z, 87 Feier: Z. M. g, 6. Z7; 4. M. I, S; Fest: Z. M. 23,8;- 5. M. Zgttrkietrrcketzjssfxelå l. M. Z4, 63. Peörägä L4J1d4j2enseit des Jordan: 4. M. Zl, 30; 3Z, Pest: 5. M. 28, 21. Petra: 4. M. Z0, 17. Pfingsten: Z. M. Z3, ll. 2Z. Pharao, Bedeutung des Namens: l. M. 41, 46. Philister: l. M. 20, l. Plagen, e·yptische: Z. M. ll, ,10. « Priester, tand derselben: Z. M. 28, l; Amtskleidungt Z. M. 28, 4l. 427 Leibesbeschaffenheitt Z. M. Zl, 20. 237 Lebensunterhalt: 3. M. 7, 107 Lebens- ordnung: Z. M. 10, II; Zl, 4. Propbet und Prophetie: 5. M. 18, ZZ; 1. M. 49, B. Proselytem Z. M. 17, 9. N. Rachekriegq gottesdientli e: 4. M. 31 Z. Raheks Grab: l. M. E5,chZ0. « Räucher-Altar und Räucher-Opfer: Z. M. , . Re enkunst der Hebräer: 3. M. 27, l9. Re tspslegex 5. M. l, 17; 16, l8; 17, 8. 9. Regenbogein l. M. 9, l3. Reh: I. M. 14, 5. Reicharabiem I. M. 10, 7. Reichthmn der Juden: 5. M. 15, 6. Reigen: Z. M. 15, Z0. Neiscweg der Kinder Israel: Z. M. 14, Z. Roß, das: 5. M. 17, l6. Rothes Meer: Z. M. 14, «2l. Rügen, Bedeutung des Worts bei Luther: 4. M. 5, 15. S. Salåbagh Fund Sabbathsfeier: Z. M. 16, Z6. Z0; Z. M. Sabbatlserwem Z. M. l6, Z9. Sabbathjahru Z. M. 25, 7. Sack als Trauerkleidx l. M. 37, 34. Säume s. Troddeln Salböl, heiligest Z. M. 30, 30. Salz: Z. M. Z, l3. Sameusluß: Z. M. 15, Z. 15.- l8. Summa: Z. M. 10, 23. Sangen: Z. M·«Z, 14. Sauerteig: Z. M. 1Z, 17; Z. M. Z, l3. Schafe, langgeschwänzm Z. M. Z9, ZZ. Schaut-rede, Schaubrodtischx Z. M. Z5, 30. Schlangenbegchwörungz Z. M. 7, 9. S öpfrad: . M. l, 14. S reiben Z. M. 5, . S teil-kaut: 4. M. 5, Z3. de ».- ».- Schuldens rlasz: 5. M. Scgåtldlitsety Behandlung Schuldopfer: Z. M. Schwören: 1. M. 21 Sklaven: 5. M. l5 Scorpiom 5. M. 8 Sebulon, Ebene: 5. . 27, Z. Seelenkampf Jakobs nd Christi: l. M. 3Z, 24 u. 3Z. Seelenwanderung: l. M. 50, Z. Seeuagel: Z. M. 30, 35. Segensertheilung, aaronitische: 4. M. s, Z3. Z6. Z7. Sekel, gemeiner:»Z. M. Z7, 25. Selbstlobx 4. M. lZ, Z. Septuagintm Z. M. 29, Z3. Sizeäieiåzig Aelteste: 4. M. 11,«25; Heidenvölken 5. M. , . Sinai, Halbinsel des —: Z. M. Z, II; Berg der Ge- ·setzgebung: Z. M. l9, Z; 33, 6. Smear: l. M. ll, Z. Sonntag: Z. M. 20, ll. Speisopsen Z. M. Z, Z; 4. M. 15, l6. Spät: Z. M. 9, 32. Stechmückent Z. M. 8, l6. Steinbockx 5. M. 14, 5. Stistshiitte, ihre Bedeutung: Z. M. Zl, U; ihr Name: Z. M. 35, 21. Storax: Z. M. 30, 35. , ll. rselben: Z. M. Zl, Z; 5. M. I-’ — Ums« — « ssss 6 Sachregister zum I. und II. Bande. Strafrechtx Z. M. Z1, Z5; ZZ, 4. Streitwagem Z. M. 14, 7. Sühnem S. M. 1, 4. Sünden aus Frevel: 4. M. 15, 3l. · Sündenbotb s· M. 16, ZZ. Sündslutlp l. M. 6, 17. Sündopfen Z. M. 4-, Z. T. Tafeln, die beiden des Gesefesu Z. M. 3l, 18. Tag, xüdische Berechnung de selben: l· M. l, 5. Tauben: Z. M. l, 14. Seraphim: l· M. 3l, 19. Terebinthw l. M. 35, 4. Teufel, die Zeit seines Falles: l. M. 1, Z. T til-or: 5. M. Z7, 3. T eiding: Z. M· Zl, 22. T iere, reine und unreine: B. M. l1,Z. 8. lZ. l9. Z5. 47. Den, Gebrauch desselben: l. M. 19, l. T ürstiglich: l. M. 34, Z5- Todtes Meer: l. M· 19, Z9. To2liltschxlag, Reinigung von unbekanntem —: 5. M. , · Trankopfetn Z. M. Z, 16. Trauerzeichem 5· M. 14, Z. Traum: l. M. 40, 5. Troddelm 5. M. 6, J. Troglodytem l. M. 36, Z0. Trommeten-Tag: Z. M. Z3, Z5. us Unsterblichkeit des Menschen: l. M. Z, ZZ. V. Vaterhåusein 4. M. Z, 34. Verheirathungs-Weise: 5. M. ZZ, Z7; Z4, 4. Verlauf von Grundstückem 3· M. Z5, Z7. Z8. B öhnungsfesy großes: 3. M· 16, . 5. 14. l9. Ver-locken, Verstockungz Z. M. 4, Zlz 10, Z; ll, 10. Ver ruhen, Versuchung: l· M. ZZ, l· Vernnreinigunky levitische: 3. M. ll, Z5. 40. 45. Vegwstkidtkgyasg verbotene Grade bei der Eheschließungx Bielweibere«i: 1«. M. 4, 197 5. M. 17, 17. Bierzixgjährige Wanderung Jsraels: 4. M. 19, 2Z. Vorho « Z. M. Z7 19. CI s! Burg-la: 2. M. 2d, 23. O Wasserbehiilter in Palästinm 5. M. 8, 10. Weben, Weberek Z. M. Z9, 24; 35, 2Z. 35. Wehe-Probe: Z. M. Z3, 17. Z0. Wehe-Gurts» s. M· Z3, 11. Weiber, heilige: Z. M. 38, 8. Weihrauckp Z. M. 30, 35. Wiedervergeltungsrechk Z. M. Zl, 14. . Wjgenschgslh die Männer der — und Kritik: 4. M. . · 7 Wucher: 5. «M. Z3, Z0. Wüste Sin: Z· M. 16, l. A. Ysopx 2. M. 12, 22. Zahlen, bedeutsame: 1·M· 3l, 7; 35, 265 46, Z7; Z. M. 14, 18. ehntordnungx 5. M· 14, Z9; Z6, l5. eloten: 4. M. Z5, 9. immetbanm Z. M. Z0. Z3. Im, Wuste« 4 M. 13, I· Zaun: Z· M. 5, . Zweites Gesi (sec0nd sight»): 4. VI. 22, B. Zum II. Bande: A. Aber-Laube: l. Sam. Z8, 7· Ahitophel: Z. Sam. 15, 3l· Akrm l. Macc. l3 51 Alexander d. Gr. :«1. Macc. I, 4. 8; seine Nachfolger: l. Macc. l, 10. 11. Alexandrien und alexandrinische Religionsphilosophiex l. Macc. l, ll. Ammaox l. Macc. Z, 40. Antiokhia in Syriem l. Macc. l, 11.- Antiochus Epiphanesr l. Macc. l, 1l; S, 16· Antipaten Schlußb zu l. Macc. Nr. 8; 9, f. Apokryphische Bücher: Neh- l3, Si; l. Macc. 7, 38. Aposiopesis: Z. Sam. 5, 8 Arimathiax l. Macc. ll», 34. Aristobulusz alexandrinischer Jude: l. Macc. l, 11. Assyrer: Z· Kön. 15, Z0. Aus: und Eingehen: l· Kön. 3, 7. B. Baal-Sebub: Z. Kön. l, Z. Ruh-Strauch: Z. Sam. 5, Z3. Vath-Kol: Schlußb zu I. Macc. Nr. 4, b. Zus Beduinem Richt 6, 5. Begräbnis; bei den Hebräerm Z. Sam. 3, 31. Besessenheih l· Sam. 16, 14. l6. Beth-Horon: Jos. 10, 10. Betglehenu Rath I, ZZ; l. Sam. 9, 5. Bei sean (Scythopolis): l. Sam. 3l, 10. Bezemety Bedeutung des Worts: Z. Sam. 16, 11. Bibeltexh alttestamentlichert Richt.6, 15; l. Sam. 14, YOU? Sam. 15, 7; Z3,8; Z. Kötr. 25,4; l. Thron. Boiiifaöiuw Nicht. e, 32. Bundeslade: Z. Kön. Z5, 17. Biindlein der Lebendigen: l. Sam. Z5, Z9. C. Cur-met: I. Kön. l8, Z0. Chatdåcu 2. Köix 20, 12; 23, 377 24, I; Z5, 27. Chgzings Bücher der —: l. Kön. 15, l5; l. Ehren. Chronologische Uebersicht über die Zeit Josuas und der Rtchterr Jos. Z4, 33; über die Zeit der Könige: 1. Kökp 12, 24. Crethi und Plethi: l. Sam. ZZ, 17. Chpresse: l. Kön 5, 8. Chrene in Libyen: l. Macc. l, 11. D. Dagon: Richt 16, Z4. Davidisches Kbnigthunu l. Sam. Z7, lZ; Z. Thron. 10, 17. Diasporm l. Macc. l, 11. Strasrecht -— Musikalische Instrumente. 7 Dichten, Bedeutung des Worts: l. Thron. 29, 9. Dirne, Bedeutung des Worts: Esth. 2, 4. E. Ebenhol : l. Kön. 10, ll. . Egyptisclzje Geschichte: l. Kön 3, l; 2. Chron. 35,21. Eidschwuty übereilten Nicht. 2l, ll; I. Sam. 25, 34. Elephantem I. Macc. l, 18. Elentheropolis: Ins. 10, 29. Elseubeim l. Kön. 10, 18. Elias, dessen Brief: 2. Ehrokn 21, 15. EILV 5vo1icziildlich auf Christum: 2. Kön. 2, 22; 4, ! l « Einhalten, Bedeutung des Worts: 2. Thron. 32, 22. Er = Herr: 2. Sam. l6, 16. Erleuchtung des heil. Geistes: 2. Sani. l2, 15. Er1zähliiäigåweise, biblischex Jos 2, 21; l. Kön. l4, Essiien Sch«lußb. zu l. Macc. Nr. 4, c. Zus Ethnarch und Tetrarclp Schlußb zu l. Macc. Nr. 5, Zus F. Fabeldichtungt Richt. 9, 21. Farbe des Haupthaar-s: 1. Sam. l6, 12. Fast, Bedeutung bei Luther: Ins. l3, 1. Fertigem Bedeutunå des Worts: L· Sam. l9, 17. Feste, nach dem xil aufgekommen: Esth 9, 28; 1. Macc. 7, 50. Fluchen, heiliges: 2. Sam. Z, 29. «’rauenzimmer, Bedeutung des Worts: Esth 2, Z. reimaurerx l. Kön. 7, 14· Freundschaft: 1. Sam. 18, 4. Fiirbasp l. Sam. 10, Z. G. Galiläm l. Köii 9, 11. Gasthäusen Richt 18, L. Gebet, dessen Macht: Ins. 10, is. Gesängnisjstrase: 2. Thron. l6, 10. Geisterbe chwörung: l. Sam. 28, ll. Geliegen, gereden: l. Kön Z, 17. Gerstenbrod: Nicht. 7, 14· Gesicht: l. Kön 22, 22. Getränke: Ruth Z, 9. Gewissenstyranned l. Kön. l6, 33. Gihon, Gehenna: 1.Kön. l, 35. Gleichniß: 2. Sam. l2, 4. Gräber: l. Sam. 25, l. Grab Davidstl Kön. 2, 10. Ghmnasiew griech. Spielhäusem 1. Macc. l, 15. H. Hadesy Hölle: l. Köin l, 35. albmond: Nicht. 8, 2l. asmoniien l. Macc. 2, 5; hasmonäische Fürsten: Schlußbem zu l. Macc. Nr. 1—10. Hebrom 2. Sam. 2, l. Herodes d. Gr.: Schlußb. zu l. Macc. 9, f. 10 u. l1 seine Bauten: Nr. ll, d; sein Tod: Nr. 8 Zus.;Nr. ll, e; seine Dynastie: Nr. ll, e. ochzeitsseiein Richt 14, ll. öhen-Cultus: l. Kön. Z, 2. ohepriester seit Alexander d. Gr.: l. Macc. l, ll; 7, J; 10, 21; seit Herodes d. Gr.: Schlußbem zu l. Macc. Nr. ll, o. Zus.; hohepriesterliche Linien: l. Sam. 2, 3l. Hoherath: Schlußbem zu l. Macc. Nr. 4, c. Horch: l. Kön l9, 10. Hureu und Hurerx l. Kön. Z, l6; "2. Kön. 23, 7· J. Japha (Jafa, Joppe): I. Kön. 5, 9. Jerichot Jos L, l6; 6, l; 2«. Köin Z, 19. Ze;ujaleiäi:KJos. IF, z; l5, 63; 2. Sam. 17, 17. e am: · on. , . Jesreeh Stadt: l. Kön. 21, l. JoliizcsDssraels Abbild und Christi Vorbild: 2. Kön. Jordan: Jos Z, I. 15. Josap at, Thal: 2. Chroit 20, 26. Josep us: l. Chr-on. 25, 7. Jroniskhe Rede: l. Kön. 22, 15. Iuda, Stamm: Rath 4, Juden: Esra l, 11. Judith: 2. Kur. 22, 2. Jupiter Capitolinusx l. Macc. l, 52. 57. K. Kalender, jüdischen Schlußb u l. Macc. Nr.4 u« christlicher: 2. Kinn 13, 10.« Z s ’ Kameel: Richt 6, 5. Kanon des alten Testament-s: Reh. 8, l; 13, Z; I. Macc. 7, 17. Kapitel- und Verseintheilunm I. Köm 4, 2 . Kebsweiben Richt. l9, I. Kenitein Richt I, 16. Kidronthah 2- Sani. l5, 23. Käse, Gebrauch des Worts bei Luther: L. Kön. 10, 22. Kir enzucht: Jus. 7, 15. Kleidung: Richt. l4, 19. Klugheit: Richt. 8, 3; Z. Sam. 17, l4. Königthum, israelitisches: l. Sam. 8, 9. 22; 10, l; l3, 14· 2. Sam. 5, Z; l. Kön. 8, 66. Kreuz, rtragung desselben: l. Sam. 30, 19; Kreuzes- flucht: l. Sam. 27, 2. 12. Kriegsheer: Richt. 20, l0; l. Sam. l4, 52. Kriegslisn Jos. 8, Z; l. Sam. l1, 10. L. Laib, Brod: 1. Sam. 10, Z. a bapitlsy Corneliusz Z. Kön. 1, ll. Leibzuchh Bedeutung des Worts: l. Macc. 10, 54. Leviteu, Klassen derselben: l. Thron. 24, 257 Lernen- und Priesterstädtex Jos. 2l, 8. Liturgie des Hauptgottesdienstes: Ruth Z, 4. Loos: Ins. 7, 18. Luther lernt die ganze Bibel kennen: l. Sam. l, l8; seine Bibelübersetzung: l. Chron. 27, l2; sein Ge- bet: l. Kön. 17, 21. M. Maeeabäey Bedeutung des Namens: l. Macc. Z, 5; maccabäische Erhebung: l. Macc. L, 70; 3, 9; die vier Bücher der Maccabäerx l. Macc. l, ll. Marltplatx 2. Chron. 32. 6. Maulthien 2. Sam. 13, 29. Medien: Köir 22, 2. Migcheheiu Esra 9, «2. Mi trauen gegen Andere: Jos 9, 15. , Mitwirkung Gottes bei menschlicher Sünde: Z. Sam. 24, 1; 1. Ko» 16, 7. Modernisirung älterer Sprakhsorment Neh. 2, l. Mögen, Bedeutung des Worts bei Luther: Ruth 4, S. Morija, Tempelbergx l. Kön. s, l; 2. Thron. Z, l. Müssen, Bedeutung des Worts bei Luther; Esth 8, 8. Musikalische Instrumente: l. Sam. l6, 16; 2. Sam. 6, H; l. Christi. 26, N. 8 Sachregister zum Il. und I1I. Bande. N. Nabathiiert I. Macc. 5, 27. Niithstey rechtmåßiges Verhalten gegen denselben: 2. Sam. I, 10. Naseuringt Richt. 8, 24. Nesfe, Bedeutung des Worts bei Luther: Richt I2, 14. Rinde: 2. Kön 15, 20. Nxäthliåxäu Ins. 2, S; I. Sam. I6, Z; 20, G; 2I, Z. IS; Nothrecht und Nnthwehrx I. Macc. Z, 26. O. Oelbauuy wilder: I. Kön S, 3I. Onnmastikom Ins. 10, 29. » Orakelsprüchh heidnische: 2. Kön. I, 2. Ostern, Berechnung dieser Zeit: Schlußb zu I.Macc. Nr. 4 Zus- Palafttnctis Westseitet Ins. 9, 2. Paschm Esra 2, 63; 7, 26. Pathen bei der Taufe: Ruth 4, 17. Pellcu Nicht. 2I, 9. Perioden der borchristlichen Zeit: 2. Kön 15, 36. Perstgkhe1-Kztontge: 2. Cgron I6, 20. 237 Esra I, 47 . , . . , . Pforte, hohe: Esth Z, 19. Phgckcrrsäeu I. Macc. 2, I4; Schlußbenr. zu I. Macc. r. , c. Philister: Ins. 13, 2. Phiiniriem 2. Sam. 5, II; 2. Kön. 10, 36. Poesie, hebräischex Z. Sam. I, 27; I. Kön 4, II. Pompejus: Schlußb. u I. Macc. Nr. 8. Prophetenthunr und Frnphetenschulem I. Sam. 7, L; 10, 5; I. Knn. 13, I. 2. I. I9; I9, 21; 20, 42; 2. Kön. 6, 32; 8, 3; prnphetische Ekstase: I. Sam. 10, I0; 2. Kön. 9, II; härener Prophetenmanteb 2. Kön. I, 8. « Psalmendichtunm I. Sam. I6, 133 26, 20. Psalmenüberschriftem I. Thron. 26, 3I. Purunsesn Esth. 9, 28. Purpur: Ins. 1I, 2. l N. Riithseb I. Kön 10, I. Rahab: Ins. 6, 25. Reich Iuda und Israel: I. Kön. I2, so; 18, 35. Reisen, Bedeutung bei Luther: I. Kön. 4,- 26. Reitthteru Richt 10, 4. Reliquiem 2. Kön 13, 2I. Rephaiun Ebene: Ins. 15, 8. Reue Gottes: I. Sam. 15, II. Ri terzeit: Richt. 2, 23. Ri thaus ddeå Pilatus: Schlußbem zu I. Macc. r. II, . u. Rom und Römer: I. Macc. 8, IS; Schlußbem zu I. Macc. Nr. 9, a-f.; II, b. Rücksall aus dem neuen geistlichen Leben: I. Sam. I9, 24. SO Sabbathsjahru Esra 3, 7; I. Macc. 6, 54. Saddueäen Schlußb zu I. Macc. 4, o. Salbung: I. Sam. I6, IS; 2. Sam. 5, Z. Salnmws Weisheit: I. Kön 4, 34. Samarim I. Kön. I6, 24z Samaritaner: Esra 4, Z; Reh. 13, 28. Scaligeu Esth I, I. Schale-l: Richt. 15, H. Schatznnkp Schlußkx zu I. Macc. 9, d. Las. S echina: I. Kön 8, 12. S iboleth:-Richt. I2, 6. S leuden I. Sam. I7, 49. S riftgelehrtn Esra 7, 6; I. Macc. 7, 12. Schristwerlq Sammlung derselben: Reh. 8, I; 13, Z. Schwäher, Schwiegey Sihnuu Richt I9, 10. Setm, Honigseim: I. Sam. I4, 27. Selbstmnrd: I. Sam. 31, 5. Septuagintm I. Macc. I, II. Seufzen: 2. Sam. 2I, Z. Sjchem Ins. 8, 33. Sud-ou: Ins. II, 8. Simsom Israels Abbild u. Christi Vorbild: Richd I6, II. Sizii-Haft, Gebrauch des Wortes bei Luther: I. Thron. Sittlirhkeiy vollkommene: Richt. 5, 27. Sonuensticlp Z. Kön. 4, 19. . Sonnenshsteuy eopernikanisches und ptnlemäisches: Ins. 10, 12. Sparta: I. Macc. 12, 2. Stachel am Ochsensteckent Richt. s, 3I. Stiftshiittz ihr Standort: Ins. 18, I; Richt 3, II; bauliche Veränderung: I. Sam. s, 2. Strafe und Ziichtigungx Richt. 9, 24. Siindenlnechtschask I. Kön. 2I, 26. Sycnmnrez I. Chrnn. 28, 28. Synagngq die große: Reh. 13, Z; Syna n en oder Schulen: L. Körk 4, 233 Z. Thron. I7, 9; es. 10, 39. Syriem 2. Sam. 8, 6; I. Kön. II, 25. T. Tempel, saromouischeu I. Kein. e, 2. 19. se; 7, 5. 20. 23. 24; 2. Chrnn. 20, 5; serubabelschert Esra 6, I5; herndianischer: Schlußb zu I. Macc. Nr. II, d; Tempelweihsek I. Macc. 4, 59; Bedeutun des äemåølelsz I. ön. 8, 53; Tempelgesang: I. Fhron T atiok:·Richt. 4, s. T admor: 2. Thron. 8, 4. T enlratie, jüdischet Nicht. I7, 6. Tiber-ins, des —— Regierungszein Schlußb zu I. Macc. Nr. 9, e. Zus. Tobias: L. Kön. I7, 23. Todessurchh I. Sam. 15, 32. Tonkunst, gottesdienstliche Verwendung derselben: I. Chrnn 24, 5. Treten unter die Füße: Ins. 10, 24. Tyrannemnnrdt Richt. s, 22; 4, 2I. V. Vernichtung des Bösen: Nicht. 21, I. Berzchtltixigung der Wahrheit: Nicht. I6, S; I. Sam. 1 , . Verräther-ei: Nicht. I, 25. WO Wagstückq verwerfliche: 2. Sam. 23, 17. Webstuhl: I. Sam. I7, 7. Wxgeråztcsebrauch des Worts bei Luther: 2. Chron Weibliche Charakter-e: I. Sam. 25, 44. Weil, s. v. a. während: I. Sam. 2, I3. Weinkelten Richt. 6, II. Widerstreit der Pflichten: 2. Kön. 5, 18. Wie schön leuchtet der Morgenstern: I. Kön I, 25. Worthaltetu Ins. 9, 2I. Wüste Jud» I. Sam. 23, 14. Nabathäer — Nahrung. X. Xerxes I.: Estkx 1, 1; 2, 18; s, 1. 11. Z. Zacharias, der Priester: Sohn: 2. Chron. 24, 22. Zaudern, Zauberei: Richt. 18, S; l. Sam. 15, 23; 28, 7; 2. seen. 2, 4. Zebaoth, HErr ——: l. Sam. l, s. Zehn Stämme: l. Kön. 11, 39. 1. Ehren. 25, 10; Barachiä Zeitrekhnung: l. Kön. Z, U; l. Macc. 1, II; 13, 42z - Schlußbem zu l. Macc. Nr. 8 Zus Zion: L. Sam. 5, I. Zbllnen Schlußbem zu l. Macc. Nr. 9, a. Zuf Zudecken der Sünde: Z. Sam. 11, S. Zufall: Ruth L, s. war, Bedeutung des Worts bei Luther: 1. Köm 8, 13. Ideen, zum, zwei: 1. Sam. 6, 10. Zweikampf: l. Sam. 17, 11. Zngikzfchenzuftand der abgefchiedenen Seelen: l. Sam. , 11. G. Zum III. Bande. A. « Ach Gott, vom Himmel fieh darein: Pf. l2, Z. Ader, Bedeutung des Worts bei Luther: Hiob10,l1. Aefern, Bedeutung des Worts: Spr. 17, 9. Albern: Spr. l, 22. Angst: Pf. 118, 5. Augsburg, Reichstag: Pf. 1l8 Eint. Aussatz, der schwarzex Hiob 19, 16. B. Barte: Pf. 74, S. Bauch: Hiob 15, 2. Befiehl du deine Wege: Pf. 37, 5. Bekenntnisz Leben, Gebet: Pf. 31, s. Bescheiden eit: Spr. 18, 15. Bibeliiberfetzung Luther’s: Pf. 93, 2. Braut, Sebastian: Spr. l2, 15. Cherubim: Pf. 99, l. « Chor, Lied im höheren —: Pf. 120, 1. Eos-her, Cypernftraucht HoheL l, 14· D. Das; und das, bei Luther: Pf. 84, 9. Dattelpalmn Pf. 92, 13. E. Ehrlikh, Bedeutung bei Luther: Spr. 19, ll. Eingewinnem Spr. 7, 21. Einlsorm Hiob 39, 9. Ein ame, die Seele: Pf. 22, 21. Eintt, Bedeutung bei Luther: Hiob 19, 6. ElleztdaoBedeutung des Worts: Pf. 119, 507 Weish. Engel: Hiob l, S. Erstiegen, fich: Weis-h, 17, 15. Etwa, Bedeutung bei Luther: Weish. 5, Z. Freidank Sir. 5, 15. Freidig, Freidigkein Weis-h. 5, l. Fro, Frau: Spr. 30, 28; Weis-h. -9, 15. Fromlutkhksedeututztzgzes Wortes: Spr. l2, 2. ron et nam, . et nam- G. Gallitkity Fürst: Pf. 91, 16. Gaftfreundfchafk Hiob El, 32. Gebet, lautes: Pf. l42, 27 Gebetszeitem Pf. 55, l8; Unerhörbarkeit der Gebete: Spr. 1, 28. Gerechtigkeit, zur —- rechnenx Pf. 106, 3l. Geftehen, Bedeutung bei Luther: Hiob 38, 30. Glas im Alterthum: Hiob 28, 17. Glaubens- und Lebensgerechtigkeitt Pf. 26, 6. Gottesfurkhk Pf. 110, l0; l30, 4. Götter, Stellvertreter Gottes: Pf. 82, 1. 7. H. Hcågäeltzizeltter und Schneefall im Morgenlande: Hiob ahn, Werths ätzun desselben: iob 38, 36. Buckel, das Hitze: f. 1l3, 9. H alleluja: f. 111, 1. ehl, Gebrauch des Worts bei Luther: Sir. 8, 21. eimlich, ursprüngliche Bedeutung: Weish 7, 21. iob, ein Vorbild auf Christum: Hiob 42, 17. irte, von Gott gebraucht: Pf. 23, l. ölle: Hiob 7, 9. irrt, Bedeutung des Worts: Pf. 28, 1. Hosianna: Pf. 118, 25. I. Je, Bedeutungbei Luther: Pred. 4, 8. - Jesus, seine Hilfe: Pf. 85, 145 Berfluchung des Na- mens bet den Juden: Pf. l09, 13. Jnlianus Apoftatm Pf. 94, 13. K. Knecht Gottes: Pf. 18, l; l13, l. Köftlikhe Dinge, die drei —- der heil. Schrift: Pf. 92, ·2. Krebs, Bedeutung des Worts: Weish. 5, 19. Krokodik Hiob 40, 20. 287 4l, l·2. 15. Kunft, Bedeutung des Worts: Hiob 32, 6. L. Lachen und Spottem Pf. 2, 4. Larve, Bedeutung bei Luther: Weis-h. 17, 4. Laster, Bedeutung des Worts: Hiob Si, ll. Lebensführung, gefchickte und fichere: Spr. l, 5. Leibesinnerh dessen Organe als Sitz der Affektet Hiob 38, se. Leichnam, Bedeutung bei Luther: Weis-h. I, 15. Leiden als göttliche Strafe: Hiob 4, I; 8, 4. Leidig, Bedeutung des Worts: Hiob IS, 2. Leugnung Gottes: Pf. 10, ll. Loost Spr. l6, 33. M. Meer und Ströme, symbolifche Bedeutung: Pf. IS, 4. Mephistopheles: Hiob l, 12. Mittlerengeb Hiob 33, 23. Mond als Jahrestheileix Pf. 104, 19. NO Nabel, finnbildliche Bedeutung: Spr. S, 8. Nahrung, Bedeutung des Worts: Pred. 9, ll. 9 I0 Sachregister zum l1l. und IV. Bande. Name Gottes: Pf. 105, l. Nichtse, heidnische Götter: Pf. 115, 8. ogkr Flußufer-d: Hiob 40, 10. 14. 18. 19; Pf· Notszpllts llltktt — plus ultrax 72, 15. Nußbaum: Hoheh S, 12. O. Obrigkeit, ungerechte: Pf· 82, 8. Origenes: Pf. 50, 17. P. Paradies, durch Christum erö net: . 88, 6. Paula, die Römer-in: Pf. 84,fk2. Pf Pelikan: Pf. 102, 7. a ter, een e el en: ·2 12« Gebrau : . Zhiilttip in? 29d, 18.b Pf I, 6; Verständni : Pf. 5, 13. « « ch Pf xräexiftenz der Seelen: Weis-h. 8, 20. roftitutiom Spr. 2, 16; 5, 14 N. Rochette, PredEgeä der Kirche der Wüste: Pf. 118, 24. Rose: HoheL , . Ruchlos, Bedeutung des Worts: Spr. 1, 22. S.- Saiten-Inftrtcmente: Pf. 6, I. Salben, fich: Pred. 9, 8. Saron, Ebene: HoheL 2, Z. Satan: Hiob I, 6. 7. 11. 19; 2, Z; Z, 8. Scheblimind Pf. 110, I. Schellhengfn Sitz. 33, 6. S lasen, von Gott gebraucht: Pf. 44, 24. 27. S iinheit: Pf. 45, Z. S opp, Casparx Pf. 149, 9. Schrift, die heilige —, ihre Deutlichkeit: Spr. 8, 9. Sela: Pf. Z, Z. Sterben: Pf. 48, 15. Strafe und Ziichtigung: Hiob Z3, 19. Strauß: Sünde, Arten derselben: Pf. 19, 14. T. Todesstrafe deren Abfchaffun : S . 24 11. Träume: Hieb 3Z, 18. g pr « Thranm Weish 6, 2Z. U. Uebel, Bedeutun bei Luther: Spr. II, 19. Unbestimmtheit ei Zahlen: Sir. 1Z, 11. Uns-Ieise, biblische Bezeichnungsartem Pf. 14, I. V. Vergeltung üben: Pf. 41, 11. Ver-hängen, Bedeutung bei Luther: Pred. 5, 5. Verneinnng, doppelte: Pf. 140, 11. Versuchung und Prüfung: Hiob 1, 12. Viertler: Hiob I, Z. W. Warh auf, mein Herz, und singe: Pf. 88, 8. Wacker, Bedeutung des Worts: Weish 6, 16. Weben: Weishx 5, 15. Weisheit Gottes: Hiob 12, 1Z; der Menschen: Hiob 28, 12; Spr. 1, 7. 217 8, Z; 9, 1Z; Weish 1, 4. Wermutlp Spr. 5,» 4. Wildefel: Hiob 39, 9. Wilhelm l. von Preußen: Pf. 92, 16. Witze, die: Spr. 8, 5. Wort des fErrm Pf. 107, 20. Wirthe» P. 15, 5. Z O iiglem die Tage: Pf. 90, 12. -a lenspriiche: Spr. 6, 16. acht: Spr. 4, 1. iirhtigungen Gottes: Spr. Z, 1·2. zkmfukn O« D. Zum IV. Bande: · A« Achtzehn-Gebet, das — der Juden: Jer. 29, 14. Simon: Jer. 46, 25. Zmtäliextufusw Jägers III. D 8 · nti ri, eri ee en: an·7 ·Stur: e. es, s; Hei. 2, 32. ’ ’ z If Antithristische und ant ristlirhe Zeit: Jer. Z0, 17. Antiochus Epiphanes: an· 8, 27; 11, 21. Apfelbaum: Joel l, 12. Apokalhpfu Drin. 7, 1. Athbaschs Jer. 25, 26. Augustus, Kaiser: Jes. 9, 7. B. Pudel: Jes. 1Z, 1. 22; Tau. 4, Z. Vackofem Hof. 7, J. Baruch: Jer. 32, 15. Beide, Gebrauch des Worts bei Luther: Jes. 27, 1· Bekehrung: Jes. 1, 17. Beschneidung: Jer. 9, 26. Buchsbauun Jef. 41, 20. Buhle, Bedeutung bei Luther: Jer. Z, 20. Bund Gottes: Jer. Z1, 34. C. Cherubim: Hei. 1, 14. 21. Chiliasmus: Jes. 65, 25; Jer. s, 25; Hes. .32, Z2. Czriften est, die abgefallenex Hes 28, 23· C rifti ebnrtstag: Hagg L, 24. DE Damafn Am. Z, 12. Drache: Jef· 1Z, 22. E. Ehefchluß als reli iöfer Akt: Mal. 2, 14. Eigennamem biblikschm Jer. 1, I. Engel des HErrn: Sach. 1, 12. Erkennen: Am. Z, 2. Esrhatologiw Jer. 31, 37; Hes Z2, Z2. Exi , Frucht desselben: Jer. 10, 16. F. Fata Klotz-aus, Kimmungx Jes. 35, 7. Fasten: Joel 2, 15. Fegen, Bedeutung des Worts: Hes 20, 9. Furt-site: Jer. 1Z, 1. Hiob Z9, 14; feine Klagetöne: Hiob Z0, 29. Name Gottes — Zwölfzahl Jsraels. 11 G. Gabriel und Michael: Dan- 8, 16. Ge1istes2richtungen, Kampf der verfchiedenen —: Pan. Genlutfing Jer. 25, 26. Gesicht: Jes. 1 1 , . Grab das heili e, in «’erusalem: . e«. 86, 7. Gurts!- Jep B? 11. «« : H« H. aisisch: Sen. Z, I. albmond, Zeit seines Untergangs: Hes. 36, 38. andwerke bei den Juden: Jer. 18, 2. eimfnchein Jes. 27, 1. euschreckem Joel 2, 9. immelskönigim Jer. 44, 17. Horn, symbolifche Bedeutung: Sach. 1, 19. J. Jahrzeitem Hof. 9, 5. Jerusalems Zertretungx Joel 2, Z; Z, 2. Jesu Gestalt; Jes. 5Z, 2. Jesus, Ananus Sohn: Jes. 66, 6. Instinkt der Thiere: Jer. 8, 7. Zeig: 4JPsraels Abbild und Christi Vorbild: Jon. Z, Joseph’s Schaden: Am. 6, 6. Jsraels Bekehrung: Jes. 64, 12; Jer. 80, 17. 24; 82, 44; Hef 16, 587 28, 26; 36, 15; 37, 6. 1().14. 21; Hof. s, 5. Jnde. der ewige: Jer. 20, 4. Jüngers, Bedeutung des Worts: Jes. 8, 18. K. Kirche Ueberfchätzung derselben: Der. 7, 11. Knecht Gottes: Jes. 41, 8; 42, 175 Kobold: Jes. 34, 14. Könige von Egypten und Syriem Dam 11, 5. L. Altare, Sonntag: Jes. 66, 11. Legel: Jer. 48, 1·2. Leontopolis, Tenåpel zu —: Jes. 19, 19. Löckem Jes. 35, .· Lolch: Hof. 10, 4. , M. Matäciglbxiiesailkfrzthzokratische Bestimmung: Mich.4,14. Mznslklzjxenkind nnd «Menschensohn: Hef 2, L; Dan. Yeoäbitäk;aud: Jes. is, 14. Modernisirung älterer Sprachsormem Dan. 1, 20. Morgenstern: Jes. 14, 12. N. Nachtgesichtx Dan 2, 19; Sach. 1, 8. Nmwe’s Zerstörung: Zeph. 2, 15. O. Offenbarung Johanns-s: Dan. 10, 27. P. Paliistina, jetzige Verödung: Hef 36, 12; einstige Be- freiung: Hesz 35, 15; 36, 28; 37, 28; Am. 9, 15. Palestrtnm Mkcha 6, 4. Palmbaum: Joel 1, 12. Panier: Jes. 11, 10. apstthum: Hef. 27, 11. 25; 28,5. 19; Sach. 5,8. 11. hrasen, leere: Hof. 10, 4. Plage: Des. 24, 17. Priesterlicher Beruf: Mal. Z, 8. Prophetenthum Jer. 6,«17; Sach. ·4,14; prophetifche galtxhidltånggnt Hof. 1, z; prophetksches Bewußtsein: N. Rahel’s Grab: Jer. 31, 17. Reich der 10 Stämme: Hof. 4, 5. Berate- Jef. 45, 8. Rosinsarbe: Jes. I, 18. S. Schalk: Jer. 23, 11. Sgziey Bedeutung des Worts: Jer. 20, 9. S lecht, Bedeutung bei Luther: Jes. 40, 4. Seraphim nnd Cherubim: Jes. 6, L. Separatiom Jes.: 51, 6. Siloah, symbolifche Bedeutung: Jes. 8, S. So, Bedeutungen des Worts: Jes. 29, 7. Sponde: Am. s, 12. Shmbolib Dust. 7, Z. T. Tartefsusx Jes. 23, 10. Tausendjähriges Reich, f. Chiliasmus. Testament, altes und neues: Jes. 66, 24. Turms: Jes. 23, l. 13. 17. U. Uebrige in Israel, heil. Same, wiederzubringender Yestö Jes. 6, 13; 7, Z; 10, 22; Hes. 36, 28; Hof. V Verstockem von Gott gesagt: Jes. 6, 10. Volk Gottes und Weltvölken Hef 30, Z. Borsetzesilben bei Luther: Jes. Z, ·Z4. W. Wehrd: Hef 26, 6. Weissagung und Geschichtm Jes. 14, «2. Wiederkunft Christi: Hes. 38, 23. Winde in Palästiitm Jer. 4, 12. Wnnderbanm Jon. 4, 6. 11. Z. Zahlen, prophetische: Jer. 29, 14. Zeit, die letzte: Jes. 2, 2. Zetergefkhrei: Am. Z, 9. Zionsgemeindm Hes. 36, 38; 38, Z. Zwölszahl Jsraels: Hof. 1, 11. 12 Sachregister zum V. und VI. Bande. E. Zum T. Bande: A. Abendmahls-Worte: Matth. 26, W. Aergern, Bedeutung bei Luther: Matth. 5, 30. Antworten, Gebrauch des Wortes: Matth. 11, 27. Aplo7steäx Mark. Z, 157 Luk.6,16; Matth. 5, l; 10,-z; , . Aramäisgp Mark. 5, 41. Auferwe te: Mark. 5, 43: Luk. 7, 11. Aussatz: Matt . 8, 2. Ave Maria: uk. l, 28; 8, U. B. Beelzebub: Matth. 12, 24. Berg der Seligkeiten: Matth. 5, l; der Verklärung: Matth. 17, 1. Besessenheitx Matth. 8, 34. Bethanienx Matth. 20, 34; 26, S. Bethsaidm Matth. L, 20; 4, 25. C. Ciisarea Philippk Matth. Z, 20; 4, 2'. Christi Geburtsjahu Matth. Z, l. o Christliche Gemeine,-ihre Stellung zum mosaischen Gesetz: Matth. 28 20 s Chronalogiskhe Uebersicht über das Leben Jesu: Matth. 5,1;9,:-z4;19,2;20, 19. Cöliban Matth. 19, 12. 13. Chorazim Matth. 4, 25; 12, 9. Oansilia Hang-ellen- Matth. 19, 2l. D. Determinismus und Fatalismusr Matth. 27, 5. E. Eheskheidung: Matth. 19, 9. Einfalt: Matth. 6, 23. Gurt-muss: Luk. 24, 13. Engel: Matth. 18, 14. Evangeliem die vier: Matth. 4, l7; Apostg. L, 43. Exorcismus: Matth. 12, 2«2. F. Fasten: Matth. 6, 18. Feigenbaum Matth. 21, 20; Mark. 2, 18. Fisch, Sinnbild der Christen: Luk. 5, 10. Fried-fertig und sriedsam: Matth. 5, 9. G. Gabriel und Michael: Luk. l, 19. Gadara: Matth. 8, 28. Galiläm Peräa, Saum-in, Judäa und Jdumäm Matth. 4, 25. Gastmählen Matth. 26, 20. Genezaretlp Matth. 4, 25. Gichtbriichigu Matth. 8, 7. Gleithnisp Matth. l3, 10. 13. O eller: Matth. 5, 26. erodianey Geschi te derselben: Matth. 2, 20. Herodis Diener: atth. l2, 14. dlleufahrt Christi: Matth. 27, 53; 28, 4. oherath: Matth. L, 4. I. Jerusalem, Beschreibung der Stadt und Umgegend: Matth. 21, 11. Jesu Größe: Luk. 1, 33:, Menschwerdun : Luk. l, Bis; verwandtschastlicheVerhältnisse : Matth. ,25; Lebens- unterhalt: Luk. 8, Z; Taufe und Versuchung; Mark. l, 13; offentliches Auftreten: Matth. 3, l; Sal- bung: Matth. 26, 7. l2; Tod: Mark. 15, l; Auf- erstehungsle1b: Matth. 28, 15; Erscheinungen nach der Auferstehung: Matth. 28, 15, 20. Jnsallibilitäts-Dogma: Matth. 23, l2. Johannis Taufe: Matth. 3, S; Taufstättex Matth. 3, 13; Anfechtun : Matth. 11, Z. Josua, Jesus; atth. 1, 21. Judas Jschariotlp Matth. 26, 13. l6. 25. 47; 27, Julianus Apostatm Luk. 21, 24. — K. Kaiser-nannt- Matth 4, 18. 25. Kindertausn Matth. 18, Z; 19, l5. Kopernikus, dessen Grabschrifn Matth. 20, 7. Krankheit: Matth. 9, TO. Kreuz: Mark. 8, 34. Kreuzesstrasu Matth. 27, 3l. Kriegsdienste thun: Matth. 5, 42. L. Landpsteger von Judäa: Matth. 2, 20. Liebe, das Gebot derselben: Mark. l2, 34. Lukas: Matth. 19, Z; Luk. 9, 6«2; 10, l. M. Mammon: Matth. s, 24. Mariåiz die Mutter des HErrnx Luk. l, 27. 38; Matth. l, . » Maria Magdalenm Matth. 26, 7. Markt, Bedeutung des Worts: Matth. 9, 35. Markus: Marias 14, 52. Menskhensohm Matth. 8, 20; 14, l6. Wild, Bedeutung bei Luther: Luk. 5, II. N. Nathtwacheiy die vier: Mark. 13, 37. Nadelö r: Matth. 19, 24. Naim Tal. 7, 11. Nardensalbw Matth. 26, 7.. Nazareth: Matth. L, 28. Nicodemus: Matth. 26, 18. PO Passaseierm in der Bibel erwähnt: Luk. 22, 20. Petri Primah Matth. 16, 18. 19. - Pharisäer, Sadduciier und Essåen Matth. Z, 127 16, 12. O.. Quarantania, Wüste: Matth. 4, l. N. Rai-di: Matth. 23, 7. Richthaus des Pilatus: Matth. 27, 11. S. Salben mit Oel: Mark. S, 13. S ristgelehrtu Matth. 5, 20. 22. S ule (Syna vge): Luk. 4, 14. Schwören: atth. 5, 37. Seligkeit, Gewißheit derselben: Luk. 10, «2(). Sonntag: Matth. 28, l5. Abendmahls-Worte — Schafstalt 13 T. Tafel, die Gebote der zweiten —: Matth. 19, 19. Talmud: Matth 5, 22 Taufe, christliche: Matt? 28, 20. Tempel: Matth 4, 7; Z, 39. Teufel: Matth 18, 39. V. Vettläreiu Matth. 17, 4. Vierzahb But. 6, 38; 9, 17. W. Weisheit und Klugheit: Matth 7, 27. Weissagem Luk. 1 67 . Wiederkunft Christi: Lin. 21, as. Wunder: Matth 4, 25. Z. ehn Städte: Matth. 4, 25. Z Zeitangaben der Bibel: Matth. 24, 44. Zucht, brüderliche und kirchliche: Matth 18, 17. 18. F. Zum VI. Rande: A. Aelteste: Apostg. 14, 23. Agrippa I.: Apostg. 9, 35; 12, 4. 20. 22. 23. Agrippa II.: Apostg. 25, 13; Anh. I1, d, 4. Albinus: Anh. 11, d, 2. Antiochia in Syriem Apostg. 11, 21. Apollm Apostg. 18, 26. 28. Apostel-Theilung: Apostg. 11, 30. Apostolatz zweites: Apostg. 9, 2. Aristokratie, hohepriesterlichm Apostg. 4, 7. Athen: Apostg. 17, 17. B Bann, kirchlicher, bei den Juden: Joh. 9, 23. Bis-ums: Axt-Just · 4, 37; 11, 24; 13, 3;15, 35. 40; 18, 232 n. ; Flur» I1, n, 5. Beharrlichleih christliche: Joh. 7, 10. Betstiittem jüdische: A ostg. 16, 13. Blutzeuge, der erste: post . 6, 14. Brüder Iesu, ungläubig« Folg. 7, 5. Burrhus Asranius: Apostg. 28, 16. C. Cäsarea am Meer: Apostg. 10, Z. Cestins Gallust Anh. I1, d, 4. Cäarismem s. Geistesgaben C ristem Apostg. 11, 26. Coriuth: Apostg. 18, 1. Creta: Apostg. 19, 20. D. Damaskus: Apostg. 9, 2· G. Ekstasu Apost . 10, 10. Ephe us: Apostz 19, l. Epikuräer und toiker: Apostg. 17, 18. Evaugelistem Apostg. 21-, 8. Felix: Apost . 23, 35; 24, 24. 25. 27; Anh. ll, d, 1- Festus: Apostg. 25, 5; Anh. I1, d, L. Fleisch: Joh. l, M; Z, S. Florus, Gessius: Anh. II, d, Z. G. Galatieut Apostg. 16, 8. Gamalieh Apostg. 5, 39. Geistesgabenz Apostg. 13, I. Gemeindeamh Apostg. 6, S; 14, 23. Gesetz: Joh. 10, 34. Güter-gemeinschaft: Apostg. 2, 47; 4, 37. H. Hebräer: Apostg. 6, l; Anh. II, b, Z. s;ellenisten: Apostg. S, 2. Heiden, ihr Eintritt in das Reich Gottes: Apostg. I, Z; 10, 2. 6. 8. 16; 12, 4; 15, s. S. 9. Zeiligenverehrunw Apostg. 10, 27. ertviederbringung: Apostg. Z, 21. I. Jakobus II.: Apostg. 1"2, 17; 15, 21; Anh. I1, b, Z. s. Jesus, des Josephus Bericht von ihm: Joh. 1, 51. Johannes und Simon, die letzten Apostel: Anh.II, f. Jo ephus: Anh. I1, e, 1. 2. Jsraels Verstockung und Berstoszung: Apstg. 28, 28. 29. Judas Jschariotly Joh. 6, 17. 71. » Indes, 1Bke1itzeutung der Bezeichnung bei Johannes: Ho . , · Ikitiiscåier Krieg und Zerstörung Jerusalems: Anh. , u . e. Jüuger Jesu im allgemeineren Sinne: Joh. 6, 60. K. Kanon, neutestamentlicherz Aug. 11, g. Kindes-tause- Apostg 16, 15; 1, s. L. Lukas: Apostg. 15, 35;.16, 407 Anh. II, b, Z; c, 4; «« M. Missionsthiitigkeih Apostg. 13, 2. P. Parakletz der Tröster: Joh. 14, 18. Patnios, Offenbarung auf ——: Anh. II, d, S. Pauli Jugendzeit, Bekehrung und aposiolischer Beruf: Apvstzj 9, 2. 9s 15, s. Z; Beginn seiner Wirksam- keit: postg. 1å, s. 1o; Gefangenschaft und Tod: Zlpiistgö 29 ZU 24, 23; 28, 16; Anh. II, a, 1 bis l i l « « Pella, Flucht der Christen nach ——: Anh. «1I, d, 5. Z. Petrus: Ins. 21, 8; Apostg. 18, 23a; Any-11, a, 4; b, 4 o, . Pfing·fii»ng: Apostg. g, 1. Pharisäer und Sadducäetw Apostg. 5, 17. Philipp« Apostg. 1»6, »12. , Prozefzverfahrem riiniischesU Apostg. 24, 22. S. Saht-other: Joh. 20, 1. Schafstall im Morgeulandu Joh. 10, 2. l4 « Sachregister zum VlL Bande. Silasx Apostg. 16, s. Simon Magus und Simonie: Apostg. 8, 11. l9. Sohneslietiiliäßtsein und Sohnesstnnd bei Christo: Sonntagsfeiein Apostg. 20, 7. Strafen, Bedeutung des Worts: Joh. 16, 11. TO Taufweisu A ost . 16, 34. Thessalonickp poszsta 17, I. Timotheus: Apostg. 16, Z. Titus, Apostelgehilfu Apostg 18, 23b; römischer Feldhern Anh. 11, Z——5. Tradition, mündliche: Joh. 17, 217 Apostg. l, Z; 8, 4(). Trug: Apostg. 16, 8. Bespasianuw Ruh. II, e, 2—3. e egri ere en: o . 1,9« 17, 10. W it V ff d sa- Hi; Wiedertansu Apostg. l9, 6. « weifeln an der Se igkeitx Folg. 10, 28. Z. åuugenredein Apost . 2, 4. wblszahl der Apostel: Apostg. I, 22. 26. G. Zum VII. Rande: A. Abendmahl: l. Cor. 10, l7; 11, 26. Aeltesten-Amt: Tit. l, 7. Raupen, s. Liebesmähleær. Alexandriuisches Seininan 2. Tini. 2, Z. Autichrish l. Joh. 2, 18. Auserwählte: l. Thess l, B. B. Beichte: l. Cor. ll, 29. Bischösu 1. Tim. Z, l. CO Cerinth: l. Joh. 4, Z. Colosfin Col. l, 2. Creta: Tit. l, 14. D Dilagonen und Diakonissem I. Tim. Z, 8. 10; Röm. , 1. Doketismus: l. Joh. 4, Z. Diirsem Bedeutung bei Luther: Röm. 5, 7. G. Eidliche Betheuerunxp 2. Cor. l, 23. Erbauer» l. Thess S, 11. Evangelischu l. Petri Z, 14; Offenb. 2, 24. Fleisch uud Geist: Röm. l, 4. G. Gebetserhbruns l. Joh. 5, 15. Geister, böse: phes. s, l2; Judä S. 8. 9. Geistesgabem Charismem Röm. 12, s; l. Cor. 12, 11. so; 14, 26. - Geist, Seele und Leib: l. Thess Z; 24. Gemeindezuchn 2. Cor. Z, 11. Gnosis, Gnostikein 1. Tun. 4, Z; Judä 4. e» J. Jakobus II. und IIl.: Gal. 2, 10; Jak.1,1; Judä l. Inspiration: 2. Tini. Z, l6. Johannes, der Presbytetn 2. seh. l. K. Katholische Wiese: S. 84l Anm. Kiudertausu l. Cor. 7, l4; Ephes s, l; Tit. Z, 7. Kirche, ihre Einheit: l. Cor. l2, 13; Ephes 4, S; iltzißgrz Erscheinung: L. Tim. L, 21; Aemten 1.Cor. , . L. Lebensweisheih Jak. 1, 5. Liebesmählen l. Cor. 11, 21. M. Muhamed und seine Religion: Offenlx I, 12. O. Oelung, die letzte: .Jak. 5, 15. P. Pastorem 1. Petri 5, Z. Patmost Ossenb l, 9. Philosophie: Col. Z, 8. · Presbytidem l. Tim. 5, 10. N« Rangorduung unter den Engeln: Col. l, l6. Satan: 1. DE» 2, 18. « Sünde zum ode: 1. Seh. 5, l7; Hebt. G, 6. TO Tuns-weise: 1. seh. 5, 12. Testament: 2. Cor. Z, 6; Hebt 9, 15. Typus: Gab 4, 24. B. Versuchen: I. Cor. 10, 10. Vorbild: 1. Cor. 10, 6. Vierzig Jahre als Tage des Messiast Hebn Z, 11. W. Welt: 1. Ich. 2, 17. Wiederverheirathunzp I. Cor. 7, 40.