Die Bibel oder die ganze Heilige Schrift mit in den Text eingefiigter Auslegung, ausführlichen Inhaltsangaben und erläuternden Bemerkungen, herausgegeben von K. August Dächsel Die Bibel oder die ganze Heilige Schrift Alten und Neuen Testaments nach der deutschen Übersetzung Dr. Martin Luthers mit in den Text eingefijgter Auslegung, ausführlichen Inhaltsangaben und erläuternden Bemerkungen, herausgegeben von K. August Dächsel, Pastor prim. zu Neusalz a. d. O. x»,»-».,,..««- «.- »«,-—»,«,—»»..» - » .»»..,«««» .«»HACDMPO-VWA»V -»-«..-«-».«.«-»-«-- »»«.«»,»-.-«.-sz« Band 7 Das Neue Testament Der zweiten Hälfte oder der Lehr- und prophetischen Bijcher erste und zweite Abteilung: Die Briefe der heiligen Apostel und die Offenbarung St. Johannis Nebst einem Sachregister zum gesamten Vibelwerk F? Verlag der Lutherisc Buchhandlung Heinrich Harms — 29 roß Oesingen Inhalt Seite Lehrbüchem Die Epistel St. Pauli an die Römer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Die 1. Epistel St. Pauli an die Corinther . . . . . . . . . . . . . . . . 161 Die 2. Epistel St. Pauli an die Corinther . . . . . . . . . . . . . . . . 297 Die Epistel St. Pauli an die Galater . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381 Die Epistel St. Pauli an die Epheser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 442 Die Epistel St. Pauli an die Philipper . . . . . . . . . . . . . . . . . . 500 Die Epistel St. Pauli an die Colosser . . . . . . . . . . . . . . . . . . 533 Die 1. Epistel St. Pauli an die Thessalonicher . . . . . . . . . . . . . 571 Die 2. Epistel St. Pauli an die Thessalonicher . . . . . . . . . . . . . 602 Die 1. Epistel St. Pauli an Timotheum . . . . . . . . . . . . . . . . . 619 Die 2. Epistel St. Pauli an Timotheum . . . . . . . . . . . . . . . . . 654 Die Epistel St. Pauli an Titum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 681 Die Epistel St. Pauli an Philemon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 700 Die 1. Epistel St. Petri . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 705 Die 2. Epistel St. Petri . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 754 Die 1. Epistel St. Johannis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 781 Die 2. Epistel St. Johannis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 832 Die 3. Epistel St. Johannis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 836 Die Epistel an die Ebräer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 841 Die Epistel St. Jakobi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 930 Die Epistel St. Judä . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 967 Das prophetische Buch: Die Offenbarung St. Johannis, des Theologen . . . . . . . . . . . . . . . 1 Anhang: Sachregister zum gesamten Bibelwerk C) 2004 by Verlag der Lutherischen Buchhandlung IsBN 3-86147-269-4 (Band 1—7) ISBN 3—86147-276-7 (Band 7) Herstellung: Druckhaus Harms — 29393 Grols Oesingen Telefon (0 58 38) 99 08 08 — Telefax (0 58 38) 99 08 09 Zu beziehen durch: Verlag der Lutherischen Buchhandlung Martin—Luther-Weg 1 — 29393 Grolå Oesingen Telefon (0 58 38) 990 880 — Telefax (0 58 38) 7 02 Und er hat Etliche zu Aposteln gesetzt, Etliche aber zu Propheten, Etliche zu Evangclistem Etliche zu Hirten und Lehrern, daß die Heiligen zugerichtet werden zum Werk des Amts, dadurch der Leib Christi erbauet werde. Epheser 4, II. 12. Vorwort. Heute als an dem Tage, an welchem zu Köln a. Rh. in die Kreuzblume des einen Domthurms der Schlußstein eingesenkt und damit ein Bau zu Stande gebracht wird, dessen Beginn über 6 Jahrhunderte in die Vergangenheit zurückgreifh ist es durch Gottes Gnade dem Heraus- geber dieses Bibelwerks vergönnt, mit dem letzten Bogen desselben auch einen Bau zu beschließen, der 6 »( 3 Jahre ihn beschäftigt und viel Mühe und Anstrengung erfordert hat; aber er hat sein Werk mit Lust getrieben, und fast will es ihm wehe um das Herz werden, daß die je länger je lieber ihm gewordene Arbeit der Hauptfache nach nun ein Ende haben soll. Als im Spätherbst des Jahres 1862 die erste Lieferung als Probe erschien, fand dieselbe zwar alsbald solchen Beifall, daß die Auflage größer genommen werden mußte, als anfangs in Aussicht genommen war; aber gar Viele zweifelten, ob eines einzigen Mannes Arbeitskraft und Lebensdauer auch ausreichen würden, ein derartiges Werk glücklich zu Ende zu führen. Man erinnerte sich, wie andere Bibelwerke, die doch kleiner angelegt waren, gleich- wohl von einem Andern fortgeführt werden mußten, weil der urfprüngliche Bearbeiter noch vor der Vollendung vom irdischen Tagewerk abgerufen worden, oder aber, wenn sie auf größeren Umfang berechnet waren, eine ganze Zahl von Arbeitern gleich von vornherein in den Die-nst gezogen, nichts destoweniger aber eine lange Reihe von Jahren zu ihrer Fertig- stellung bedurft hatten; da erfchien es fast als ein allzukühnes Waguiß, daß ein einzelner, einfacher Pastor einem derartigen Unternehmen sich g ewachs en glaubte. Aber, so darf ich bezeugen, ich habe gar nichts von mir geglaubt; ich bin blos dem HErrn gehorsam gewesen, der mich durch Umstände nnd Fügungem die ich hier nicht einzeln aufzählen kann, an den Arbeitstisch rief, und habe mich 18 Jahre lang von ihm heben und tragen und erretten lassen (Jes. 46, 4), und da ist das Werk zu Stande gekommen, ich weiß selber nicht, wie? Ja, ich schreibe mit vollem Bedacht so: ich weiß selber nicht, wie? Wenn ich zurückdenke, daß ich die ersten 6 Jahre eine Gemeinde von 8000 Seelen zu bedienen, seitdem aber ein Kirchspiel von 15 Ortschaften zu versorgen, dabei mit einer Menge von Spezialkenntnissen mich erst noch auszuriisten hatte, um gewisse Tritte thun zu können mit meinen Füßen, und nun den Umfang, den das Werk mehr und mehr gewonnen hat, übersehe, so kann ich selber nicht begreifen, wie es mir möglich geworden, eine solche Aufgabe in verhältnißmäßig kurzer Zeit zu bewältigem es ist eben das, was dort (l. Sam. 14, 6) Jonathan sagt: ,,es ist dem HErrn nicht schwer, durch viel oder wenig helfen«, die einfache Lösung des Räthsels So sei denn ein Eben-Ezer mit der Auf- schrift: ,,bis hierher hat der HErr geholfen« (l. Sam. 7, 12) der Schlußstein, den ich in die Kreuzblume meines Doms einsenke! Vl Vielleicht hat der HErr mir unter der Beschäftigung mit seinem prophetischen Wort auch die Gnade verliehen, dasselbe in Betreff dessen, was er mit seinem Reiche und seiner Kirche fiir die nächst bevorstehende Zeit vorhat, richtig zu verstehen und auszulegen; dann wäre die Vollendung des Kölner Doms eine Vorbedeutung, daß es nun bald zum Bau des in Hesekiel Kap. 40 ff. geweissagten Tempels kommt, die Art aber, wie jene Vollendung in diesen Tagen festlich begangen wird, nämlich so, daß die evangelische Kirche feiert, während die katholische glaubt, sich möglichst fern halten zu müssen, die Vorbedeutung derjenigen Weise, in welcher das Gleichniß von den 10 Jungfrauen (Matth. 25, 1ff.) seine Erfüllung finden wird. Was in meinen Kräften stand, habe ich mit meiner Schriftauslegung dazu beitragen wollen, daß wir Evangelischen Oel in unsern Gefäßen haben sammt unsern Lampen; die bloßen Lampen ohne den gehörigen Oel-Vorrath helfen nicht für den Tag, an welchem der Bräutigam kommt, seine Braut heimzuholen. Steinkirche, den l.5. Oktober 1880. K. Dächsek P. die Geiste! St. heult an die Römer. Diese Epistel ist das rechte Hauptstiick des neuen Testaments und das allerlauterste Evangelium, welche wohl würdig und werth ist, daß sie ein Christenmensch nicht allein von Wort zu Wort auswendig wisse, sondern täglich damit umgehe, als mit täglichem Brod der Seele; denn sie nimmer kann zu viel und zu wohl gelesen und betrachtet werden, und je mehr sie gehandelt wird, je köstlicher sie wird und baß schmecket. Wir finden darin auf’s Allerreichlichste, was ein Christ wissen soll, nämlich, was Gesetz, Evangelium, Sünde, Strafe, Gnade, Glaube, Gerechtigkeit, Christus, Gott, gute Werke, Liebe, Hoffnung, Kreuz sei, und wie wir uns gegen jedermann, er sei fromm oder Sünder, stark oder schwach, Freund oder Feind, und gegen uns selber halten sollen; dazu das alles mit Schristen tresflich gegründet, mit Exempeln sein selbst und der Propheten beweiset, daß nichts mehr hie zu wünschen«ist. Darum es auch scheinet, als habe St. Paulus in dieser Epistel wollen einmal in die Kürze verfassen die ganze christliche und evangelische Lehre und einen Eingang bereiten in das ganze alte Testament; denn ohne Zweifel, wer diese Epistel wohl im Herzen hat, der hat des alten Testaments Licht und Kraft bei sich. Darum lasse sie ein jeglicher Christ ihm gemein und stetig in Uebung sein: da gebe Gott seine Gnade zu! Amen. (Luther.) Das I. Kapitel. Die gerechtigkeit koninit nicht aus dein gesetz der Natur und dessen Werken; denn alle Heiden sind Sünder und Ungereirhta Ä« der Eingang dieser, etwa zu Anfang März des I. 58 n. Ehr. zu Eoriath verfaszten Episiel (Aposig. 20, 2 Anm.), in welrher der Apostel, ini Begriff, das Evangelium aus den! rislorgenland nun hinüber in das Abrndland zu tragen und damit einen schon seit längerer Zeit gehegten Vorsatz in Ausführung zu bringen, vor allen Dingen engere Beziehungen zu der, in der Hauptstadt des Abendlaudes, wie des ganzen damals bekannten Erd- lireises, schon bestehenden Ehristengemeinde anzuleniipfen und sie mit der Eigenart seines Wirkens als Apostels der Heiden näher vertraut zu niachen sucht, um sie fiir sein wert: lebendig zu inleressiren und sie fiir die mission in! Qecident zu einem Stähpunltt von der Art zu gewinnen, wie seither die antiochrnisihe Gemeinde ffcr die mission im Orient ihn: ein solcher gewesen, läßt sich füglich in zwei Absihnitte zerlegen: « I« til. 1—7 enthält zunäihst die apostolifche6egräßung. Den Eeisl des Apostels bewegt, indem er die Abfassung seines Sendsiiireibeiis unternimmt, eine reiche Fülle von Gedanken; der ganze Inbegriff seiner tjeilsertcenntuisse steht lebendig vor seiner Seele und damit sein persön- liches verhältnis zur Heil-richte, sein Beruf als Heiden— ciposieL Aus dieser Fülle und Lebendigkeit seiner Er— dannen erklären sieh die erweiternden Zusätze in dieser Bemühung, es drängen sieh die Gedanken in seinem Geiste hervor und wollen die Veräußerung ini Wort; so wird fein Schreiben gleiih anfangs didalitisch, noch bevor er zu dem Punkte tioniiiit, wo dem Plane gemäß die Lehre beginnen soll. I. Paulus, ein Knecht Jefu Christi [Gal. 1, 10; Tit. l, 1], berufen zum Apostel [1. Cur. - l; 9, l; Gal. l, 1; Apvstg J, 3 ff; 22, 21], ausgefondert svon Mutterleibe Gal. I, 15; Apstg Däihselw Vibelwerc Vll. Band. 2. Aufl. 13, 2], zn predigen das Evangelium Gottes« [1. Thess 2, L. 8f.; Z. Tini. 1, 11], 2. Welches Evangelium] er sals ein in aller Welt zu verkiindigendes Kap. 10, 12 f. 18. 20; 1. Tim. 2, S] zuvor verheißen hatdurch seinePropheien in der heiligen Schlkiftisp sdes alten TestamentsL 3. Von feinem Sohne [handelnd, dein Mitt- ler und Heiland aller Menschen l, Tim. 2, 3ff.], der geboren ist von dem Samen Davids nach dem Fleisch shinsichtlich der menschlichen Natur, in die er durch Empsängniß und Geburt von einem Weibe Gal. 4, 4 eingiiig, aus demjenigen Ge- schlechte herkommt, welches den König David zu seinem Ahnherrn hat Matth. I, 1; 22, 42], 4. Und krtiftiglich erweifet ein Sohn Gottes nachdem Geist, der da heiliget swörtlichx nach dem Geist der HeiligungL seit der Zeit er auferstanden ist von den Todten, nämlich sum es zuletzt noch bestimmt zu sagen, wer dieser sein Sohn ist, von dem das eben Ausgesprochene gilt:] Jesus Christus, unser HErrttr sverftändlicher wäre zu lesen: nämlich von Jesu Christo, unserm HErrii]; 5. Durch welchen wir haben empfangen Gnade Und Apofielamt sdas von Gott uns beschiedene V. 1 gnadenreiche Amt eines Apostels] unter allen Heiden [K-ap· 15, 15 f.], den Gehorsam des Glaubens sden im Glauben oder in gläubiger Aufnahme des Evangeliums Gottes bestehenden Gehorsam Kap. 16, 26; Apostg 6, 7 bei ihnen] aufzurichten unter seinem Namen sindein wir denselben ihnen predigen und so zur Ausbreitung desselben in der ganzen Welt thätig sind Apostg. 15, 26; e, 15], 2 Römer l, 6. 7. 6. Welcher sHeiden] ihr zum Theil auch seid smit so vielen Andern], die da saus der vordem sich selbst überlassenen Menschenwelt nun] berufen sind von Jesu Christus szu seinem Reich]: 7. Allen, die zu Rom [1. Macc. 8, 16 Arm] sinds-s— szur dasigen Christenheit gehören], den Liebsten Gottes und berufenen Heiligen [1. Thess. I, 4; Col. 3, 127 1. Cor- 1, 2]. Gnade sei mit ench und Friede von Gott, unserem Vater, und dem HErru Jesu Christofss [vgl. Gar. 1, 3]. «) Die drei Prädikate, welche Paulus sich hier bei- legt, geben sortschreitende Bestimmungen. Das erste »ein Knecht Jesu Christi« ist neben ,,berufen zum Apostel« nicht, in Unterscheidung von dem apostolischen Beruf, von dem Verhältniß des Glaubens und der Ergebenheit überhaupt zu verstehen, wie es allen Christen gemeinsam ist und diese darnach als Knechte Christi oder Gottes bezeichnet werden (Kap.6,22; 16, 18« Ephes. 6, 6); es läßt sich nämlich nicht annehmen, da Paulus in seinem Bewußtsein ein doppeltes Ver- hältniß von seiner Person, das des Christen und das des Apostels aus einander halte. Sowie seine Bekehrung und Berufung zum Apostolate zusammenfällt, so liegt auch sein Leben als Christ und Apostel in einander; sein apostolischer Beruf ist die Sphäre, in welcher sich sein ganzes Leben bewegt und in welcher er seine Er- gebenheit und Hingegebenheit an Christum als HErrn erweist. Es ist deshalb das »ein Knecht Jesu Christi« auf das nachstehende »Apostel« zu beziehen, in der Weise, daß letzteres die Stellung und Sphäre angiebt, in welche er seinen Knechtsstand versetzt, in welcher sie sich bethätigt: Diener Jesu Christi in der Eigen- schaft eines berufenen Apostels. (Maier.) Der Begriff des Knechtes ist genereller, der des Apostels spezieller; jener wird durch diesen genauer bestimmt. Der Knecht Jesu Christi ist nicht nothwendig Apostel, er kann auch Prophet, Evangelist, Hirt oder Lehrer sein (Ephes. 4, 11; Col. 4, 7. 12; 2. Tim. 2, 24; Phil. 1,1); so findet zwischen beiden Bezeichnungen eine Steigerung statt, denn der Apostel nimmt die höchste Stelle unter den neutestamentlichen»Knechten Gottes oder Christi ein. (Philippi.) Das Apostelamt beruht auf direkter Berufung seitens des HErrn; es war ein einzigartiges Amt, ein Beruf, der an ganz bestimmte Voraussetzungen geknüpft war, an Bedingungen, die sich nie wiederholen können. Die Unmittelbarkeit ihrer Berufung seitens des HErrn verlieh den Aposteln die Machtfiille ihrer Aiictorität; deß ist denn auch Paulus sich bestimmt bewußt, und daran will er hier seine Leser erinnern. Der erhöhte Christus hatte sich ihn berufen; diese geschichtliche Berufung wurzelte aber in dem ihr vorangehenden göttlichen Rathschlusse, von Mutterleibe an war Paulus bestimmt für das Evangelium Gottes, nämlich sein Verkündiger zu werden. (Röntsch.) Friiher war Paulus ein Aus- gesonderter in dem Sinne, in welchem die Pharisäer sich als solche bezeichneten (1. Macc. 2, 14 Anm.); jetzt war er ein rechter, christlicher Pharisäer, einer, den Gott selbst ausgesondert hatte zum Dienst des Wortes. (Wangemann.) Hier sollten nun gleich die Worte (V. 7) folgen: ,,allen, die zu Rom sind 2c.«; aber Pauli iiberfließender Affekt läßt ihm das nicht zu, daß er, da er in V. 1 des Evangelii gedacht, sogleich davon abbrechen kann, sondern er lobet zuvor das Evan- gelium sowohl seines Alterthums, als auch seines Jn- halts wegen. (Starke.) Des Apostels Denkweise und daher auch Redeweise ist am treffendsten mit einem Wogengedränge zu vergleichen, wo in immer höherem Aufschwunge eine Welle sich dicht an die andere drängt; wie es bei lebendigen Männern immer der Fall ist, will er den Eindruck jedes seiner Worte stets durch neue beigeordnete Ausführungen oder Nebenbestim- mungen erhöhen. Vgl. besonders den Anfang des Briefs an die Epheser. (Tholuck.) sit) Das ,,welches er verheißen hat« bezieht sich nicht auf den Inhalt der Botschaft, sondern die Botsch aft selbst; also, daß sie an die Welt ergehen würde, hat Gott im Voraus verheißen durch seine Propheten. Hatten die Propheten Gottes von einem zukünftigen Heil Jsraels und der Völkerwelt zu sagen, so weissagten sie auch von einer Zukunft, wo Gott das vorhandene Heil kund thun werde; der Apostel läßt aber nicht unerwähnt, daß solche Verheißung in heiligen Schriften, also in Schriften geschehen sei, deren Hervorbringung ebenso Gottes Wort war, wie die darin verfaßte Weissagung (v. Hofmannh Der Apostel will sich von seinem Standpunkte als der Heidenapostel nach einem befriedigenden Abschluß seiner apostolischen Wirksamkeit im Orient die Christengemeinde in Rom vorbereiten und vollbereiten zum Centrum und Aus- gangspunkt einer bis an die Grenzen des Occidents gehenden Wirksamkeit im Abendlande (Kap. 15, 24. 28); sein Wirken im Abendlande soll aber nicht blos universell sein, indem es Abendland und Morgenland in Christo vereinigt, sondern auch, indem es in Rom den eigent- lichen Typus ausbildet fiir die Unionskirche der Juden- christen und der Heidenchristew Der Heidenapostel ist nach seinem Bewußtsein vollständig zum Völker- apostel gereift, und in diesem Sinne will er der Ge- meinde zu Rom das Gepräge einer Völkerkirche geben, die er als seine Stiftung betrachten kann und sie be- nutzen als Heerd seiner universellen Wirksamkeit. Diesem Zweck, die römische Stiftung von ungewisser Auctorität in eine bestimmte Stiftung von p aulinis ch er Auctorität zu verwandeln, entspricht die universell- soteriologische Doctrin des Briefes, bezogen auf den universell-ecclesiastischen Beruf des Paulus: alle Men- schen, und zwar in dem Gegensatz von Juden und Heiden, sind in Folge der Preisgebung der lebendigen Gottesverherrlichung als Sünder ohne Gerechtigkeit und Ruhm vor Gott, alle Menschen haben einen gemeinsamen Gnadenstuhl zur Versöhnung in Christo; alle sollen aus dem alten Leben des Todes in der Sünde oder im Fleisch und unter dem Gesetz übergehen ii dem neuen Leben in Christo, im Geist und in der reiheit; alle waren beschlossen unter das Gericht des Unglaubens, alle sollen die göttliche Erbarmung er- fahren. Auf diesen dogmatischen Grund soll sich die Gemeinde zu Rom vollständig stellen und dem ent- sprechend ihr inneres Verhältniß zwischen Judenchristen und Heidenchriftem wie ihr äußeres Verhältniß zur Welt reguliren, demgemäß aber auch erkennen, daß sie ihren Beruf als die Centralstadt der abendländischen Kirche erst dann verwirklicht, wenn sie den Beruf des Paulus erkennt und sich ihm in seinem universellen Wirken als Ausgangspunkt anvertraut. (Lange.) sit) Der Apostel benennt nun in V. 3 den Gegen- stand des Evangeliums Gottes: es ist die frohe Bot- schaft von dem Sohne Gottes, der dann am Schlusse von V. 4 nach seiner historisch-theokratischen Erschei- nung benannt und nach seinem Verhältnis; zur christ- lichen Gemeinde bezeichnet wird; was zwischen beiden Aussagen dazwischen steht: »der geboren ist — auf- erstanden ist von den Todten«, hält die beiden Faktoren der Person des HErrn, seine göttliche und menschliche Natur, welche bei dem Satze in V. Z: »von seinem Sohne« zur Einheit seiner Person verbunden erscheinen, Eingang der Epistelx 1) die apostolische Begrüßung 3 aus einander, so daß die in V. 4 wiederkehrende Be- zeichnung ,,Sohn Gottes« nun einen engeren Sinn bekommt und seine Gotteswürde speziell in’s Auge faßt. — Nicht dur Wandelung seiner unwandelbaren Gott- heit, sondern urch An- und Aufnahme der Menschheit in die Einheit seiner göttlichen Person, ist de-r ewig seiende Sohn Gottes ein Sohn Davids geworden; darum ist der Ausdruck erlaubt: »der Sohn Gottes ist aus dem Samen Davids geboren«. Aus dem Samen Davids ist er aber als der von der Jungfrau Maria, der Tochter Davids, Geborene; und so blieb der Davidssame zugleich der im Protevangelium (1. Mos. s, 15) verheißene Weibessame Mit dem Ausdruck: ,,nach dem Fleisch« ist die Menschennatur nach dem charakteristischen Merkmal ihrer sichtbaren, sinnlichen Erscheinung bezeichnet; in demselben Sinne steht in Joh. 1, 14: »das Wort ward Fleisch«, nicht wesentlich verschieden von: »Gott ward Mensch« (Kap. 9, 5). Das sittliche Moment der Sündlichkeit des Fleisch liegt hier fern; denn Christus ist nicht »in sündlichem Fleisch«, sondern nur »in der Gestalt des sündlichen Fleisches« erschienen· Wohl aber soll die Hinfällig- keit und Gebr-echlichkeit des Fleisches hervor- gehoben werden, wiewohl auch seine gebrechliche Men- schennatur als eine »aus dem Samen Davids« nach der Verheißuns entstandene verherrlicht wird. (Philippi.) Der näheren estimmung in der Aussage des B. Verses: ,,nach dem Fleisch« entspricht in der des weiten, pa- rallelen Satzgliedesx »und kräftiglich erwei et ein Sohn Gottes« der Ausdruck: ,,nach dem Geist, der da hei- liget.« Luther übersetzt hier nach der Auffassung der griechischen Väter, besonders des Chrhsostomus und Thcodoret, und giebt folgende Erklärung zu den Worten: »Im alten Testament ist Christi Gottheit heimlich angegeben; desgleichen ist sie zu der Zeit, da er hier auf Erden leiblich war, wenig Menschen be- kannt gewesen; sie ist allererst verklärt und der Welt öffentlich Verkündigt durch den heil. Geist am Pfingst- tage. Der Geist Gottes ist gegeben nach der Ausfahrt; von da an heiligt er die Christen und verklärt Christum in aller Welt, daß er Gottes Sohn sei, mit aller Macht in Worten, Wundern und Zeichen.« Jndessen ist es nicht nur sraglich, ob man den betr. Ausdruck des Grundtextes wirklich durch ,,Geist der Heiligung« wiedergeben und also übersetzen dürfe: ,,nach dem Geist, der da heiligt«; sondern es will auch das ,,nach« zu dem Sinne nicht passen, der bei dieser Auffassung in die Worte hineingelegt wird, man müßte vielmehr erwarten, daß Paulus dann geschrieben hätte: ,,durch den Geist 2c.« Uebersetzen wir dagegen: ,,—nach dem Geist der Heiligkeit« (so übersetzt Luther das Wort auch in 1. Thess Z, 13), und beziehen nun diesen Aus- druck auf seine höhere göttliche Natur, die ihrer Sub- stantialität 1iach Geist (Joh. 4, 24) und ihrem Wesen nach Geist der Heiligkeit oder heiliger Geist (Hebr. I, 14), so wurde er nach dieser Seite hin ,,kräftiglich«, d. i. mit voller Stärke der Beweiskraft, erwiesen durch seine Auferstehung und in Folge solcher Erweisung als Sohn Gottes seitdem auch anerkannt von solchen, die vordem, während der Zeit seiner Erscheinung im Fleisch, in gar schlimmer Weise ihn verkannt hatten (Apostg. 2, 22 ff.; 1. Tim. s, 16). Es ist das ein Gedanke, i welchem Paulus wohl auch sich selber mit im Sinne at (Apostg. 9, 3sf.; Z. Cur. 5, 16), so daß das in . 5 Gesagte in engstem Zusammenhange damit steht; entsprechen sich aber bei dieser Auffassung der Worte e einzelnen Bestandtheile der beiden Satzglieder in . 3 u. 4 auf’s Genaueste (geboren ist — erweiset, n Davids — Sohn Gottes, nach em Fleisch — dem Geist der Heiligkeit) und dürfte sie also Z JEZRXIZ Sack( annehmbarer sein, als die von unsrer deutschen Bibel vertretene. Das darunter stehende Citat jedoch: Joh. 10, 35 ff. will offenbar den Leser zur richtigeren Auf- fassung herüberlenkem — Hier findet sich zuerst, bemerkt v. Gerlach in seinem Bibelwerk, der Gegensatz von Fleisch und Geist bei dem Apostel, der in unserer Stelle, weil von Christo .nach seiner Erniedrigung und Erhöhung die Rede ist, eine Steigerung bildet. Das Fleisch, die Masse, Substanz des irdischen Leibes des Menschen, das Thierische, Natürliche an ihm, war von dem Schöpfer dazu bestimmt gewesen, von dem im Geiste des Menschen wohnenden Geiste Gottes beseelt, regiert und verklärt zu werden; aber weil der Geist Gottes damals noch nicht ganz und gar Eins geworden war mit dem Menschengeiste, weil das natürliche Leben der Seele in ihm vorherrschte, so konnte er in die Sünde fallen, und wurde nun, nach dem Sündenfall, sich selbst überlassen, oh ne Geist, ein natürlicher Mensch, eben darum aber auch, weil er innerlich nicht mehr an Gott hing und seinen Halt in der Welt suchte, ein fleischlicher, irdisch und weltlich gesinnter Mensch (1. Cor. 15, 45 sf.). Da ihm nun der lebendigmachende Geist fehlte, wurde eben damit sein Fleisch ohnmächtig, hinsällig, sterblich; aber noch mehr, es wurde der Sitz der Sünde in ihm, die fleischlichen Begierden bekämpften feindselig und übermächtig was Gott nach seiner Er- barmung von seinem Geist ihm auf’s Neue mittheilte (Gal. 5, I7). Aus diesem Grundbegrifse gehen alle Bedeutungen von ,,Fleisch« hervor. Fleisch ist die in Folge der Sünde schwache, sterbliche Natur des Menschen, welche in sich selbst die Kraft der Erneuerung nicht besitztx Fleisch ist aber auch die in Folge des geistigen Abfalls übermächtig gewordene sinnliche Natur des Menschen, in welcher die innerliche Sünde die Gestalt gewinnt, welche sie in der Menschheit allein haben kann· An sich ist das Fleisch nicht sündig, nicht die Quelle der Sünde im Menschen, diese liegt viel- mehr in dem von Gott entfremdeten, wider ihn em- pörten Geiste des Menschenx darum konnte der Sohn Gottes Fleisch werden, die o nmächtige, sterbliche, die Folgen der Sünde tragende atur des Menschen an- nehmen, ohne doch eigene Sünde zu haben. Hieraus erklärt es sich aber auch, wie die Schrist selbst solche Sünden fleischlich, Werke des Fleisches, nennen konnte, welche doch ganz geistiger Art zu sein scheinen, wie Stolz (Col. Z, 18), Neid, Haß, Spaltungen (Gal. 5, 20), und wie auch die höchste Weltweisheit eine fleisch- liche ist, wenn sie nicht aus Christum sich gründet (1. Tor. 1—-3); denn obwohl der Ursprung dieser Sünden nicht in der Sinnlichkeit liegt, obwohl sie viel- mehr recht eigentlich eine Fortsetzung der Ursünde, der Hofsart, sind, wodurch der Absall von Gott geschah, so nehmen sie bei jedem Hervortreten doch immer auch die Form der Sinnlichkeit an, es offenbart sich in ihnen das ohnmächtige Trachten des gesallenen Menschen, durch die Welt, die Natur, die Gemeinschaft mit dem Schöpfer sich u ersetzen, daher vermöge seines Fleisches in und und Gemeinschaft zu treten mit der Welt. Der Geist hingegen, d. h. in der heiligen Schrist nie blos das Nicht-Sinnliche, sondern stets auch die heilige, selbstständige Gottes-Macht und -Freiheit, ist ursprünglich Gott selbst, und nur durch seine Mit- theilung und Einwohnung ist dieser Geist auch in den Geschöpsen; daher ist der ,,Geist der Heiligkeit« in unsrer Stelle Bezeichnung des göttlichen Wesens selbst im Gegensatz gegen das Fleisch-» Jnsofern also Christus göttlicher Natur war, der Geist der Heiligkeit selbst seine gottmenschliche Natur bildete, wurde er durch seine Auferstehung von den Todten, diesen Schlußsteiiy dies Siegel seines ganzen, iin Fleische vollbrachten III« 4 Römer I, S. Erlösungswerkes als Mensch eingefetzt (wie es im Grundtext wörtlich heißt) zum Sohne Gottes, zum gottgleichem allmächtigen Könige, nicht blos Jsraels, sondern der ganzen Welt (Pf. 2,6—9; Apostg.13,33). Jn den Worten Fleifch nnd G eist liegt daher hier nicht ein unaufgehobener Gegensatz, wie sonst öfters, son- dern eine Steigerung, welche auf die Verklärung des Fleisches in den Geist durch die Erlösung Jesu Christi hindeutet. f) Der Apostel bereitet sich jetzt den Uebergang zur Nennung derer, an die er sich brieflich wendet (vgl. V. sf.), indem er nunmehr dasjenige von sich aussagt, was ihn gerade hierzu berechtigt; er sagt es aber nicht von sich allein, sondern schreibt: »wir haben empfangen«, und erstreckt damit seine Aussage auch über diejenigen, welche bisher schon an seiner Ausrichtung des in Rede stehenden Berufswerks be- theiligt gewesen sind und ferner daran Theil haben werden (vgl. Kap. IS, 21). Die eine und selbe Be- rufsstellung nun, die ihm mit seinen Genossen zu Theil geworden, nennt er einerseits eine Gnade, so- fern sie ein Gut ist, für welches er dem Geber Dank schuldet, und andererseits eine Sendung, sofern sie ihn zu dem Thun, in welchem er begriffen ist, berech- tigt und verpflichtet. Nachdem er denn allseitig aus- geführt hat, was für ein Apostel er sei und was es mit der Berufung, kraft deren er es ist, für eine Be- wandtniß habe, wendet er sich seinen Lesern zu; doch auch jetzt benennt er sie nicht sogleich als die Leser, an die er dieses Schreiben richtet, sondern im Anschlusse an das »unter alle Heiden« schickt er erst noch den Relativsatz voraus: »unter welchen auch ihr (mit so vielen Andern) seid Berufene Jesu Christi«, d. i. solche, an die der Ruf Jesu Christi ergangen ist, und drückt damit sein amtliches Verhältniß zu ihnen aus, welchem gemäß sie aufzunehmen haben, daß er nnd was er an sie schreibt. Wir sehen schon hierin, die Gemeinde zu Rom ist dem Apostel, so viele Juden ihr auch an- gehören mochten (vgl. die Grüße in Kap. 16, 3ff.), ebenso, wie die von Thessalonich oder Corinth, eine heidnische Gemeinde (das »zum Theil« hat Luther ein- geschoben); in seiner Eigenschast als Apostel der Völker- welt fchreibt er an sie, und schreibt an sie als an einen christlichen Beftandtheil derselben, welchen er, wenn er nach Rom gekommen wäre, wie er wünschte, den in der übrigen Völkerwelt von ihm gesammelten Gemein- den wiirde zuzählen können, vgl. V.13. (v.Hofinann.) ff) Von der Entstehung der ersten christ- lichen Gemeinde in Rom haben wir keine be- stimmte Nachrichtz man ist nach dieser Seite hin ledig- lich auf Vermuthungen hingewiesen, deren die neuere Forschung in Verbindung mit der Auslegung des Römerbriefs so manche aufgestellt hat. Wenn nun da öfter versucht worden ist, die grundlegenden Anfänge jener Gemeinde auf die, bei der Geschichte des ersten Pfingstfestes in Apostg· 2, 10 erwähnten ,,Ausländer von Rom« zurückzuführen, gleich als hätten diese die erste Kunde vom Evangelium bei ihrer Rückkehr nach Rom dorthin gebracht und in den abendländischen Boden verpslanzt, so ist diese Vermuthung darum eine »anz unzuläfsige, weil dem Ausdrucke: ,,Juden zu erusalem wohnend« in Apostg. Z, 5 zufolge man in Betreff derer, die sich taufen» ließen, nicht an bloße Festbesukher zu denken hat, welche nach vollendeter Feier in ihre Heiinath zurückreistem sondern an römische Juden, welche sich in der Metropole ihrer Religion, in Jerusalem, seßhaft niedergelassen hatten und natür- ich auch nach ihrer Bekehrung zu Christo daselbst verblieben, um fortan einen Theil der neuen Gemeinde zu bilden. Da will nun aber die römische Tradition zu Hilfe kommen, indem sie behauptet, im zweiten Regierungsjahr des Kaisers Claudius (a. 42 n. Chr.) wäre Petrus nach Rom gekommen und sei daselbst bis zu seinem Märtyrertode (o.. 67) 25 Jahre lang Bischof der«von ihm geftifteten Christengemeinde ge- wesen; dies widerspricht jedoch schnurstracks einestheils den biblischen Angaben, denen zufol e Petrus noch im J. 44 u. 50 zu Jerusalem sich be and (Apostg. »12, 3 ff.; 15, 7 ff? ums J. 54 mit Paulus in Anttochien zusammentra (Gal. 2, 11ff.) und etwa um’s J. 61 von Babylon aus seine erste Epistel schrieb (1.Petri 5, 13), anderntheils dem Vorhandensein eines Briess an die Römer von der Hand des Apostel Paulus, dessen Grundsatz es war, das Evangelium nur da zu treiben, wo nicht ein anderer Apostel sein Arbeitsfeld schon hatte (Kap. 15, 20; 2. Cor. 10, 15 f.), der schon ofter sich vorgenommen, nach Rom zu kommen, um auch dort sein Apostelamt auszurichten (V.13; 15,22; Apostg. 19, 21 « und der nun in diesem seinem Send- schreiben der ehrthätigkeit Petri mit keiner Silbe ge- denkt, auch unter den Grüßen (Kap. 16, 3 sf.) keinen für seinen Mitapostel hat. So ist die Geschichtlichkeit ·eser Sage selbst von römischen .Theologen gegen- wärtig vielfach aufgegeben; aber ein Keim der ahr- heit dürfte denn doch darin liegen. Um’s J. 42 n. Chr.nämlich, so etwa läßt chronologisch sich annehmen, fand die Bekehrung des römischen Hauptmanns Cor- nelius durch Petrus in Cäsarea-Palästina statt (Apstg. 10, 1ff.); aller Wahrscheinli keit nach ist dieser bald darauf mit der ganzen italichen Eohorte, zu der er gehörte, nach seinem Heimathslande zurückversetzt wor- den, indem Claudius dem Agrippa I. noch mehr den Schein eines selbständigen Königs gewähren wollte und ihm auch Cäsarea schenkte (Apostg. 12, 19), und ist nnn wohl Er es, der den ersten Samen einer christlichen Gemeinde mit seinem ganzen chriftlich ge- wordenen Hause nach Rom gebracht hat. So wäre allerdings der Apostel Petrus, toie der Grundleger einer heidenchriftlichen Kirche überhaupt (vgl. die Bem. von Starke zu Matth. 16, 18), so-insonderheit der der römischen Kirche, doch letzteres nur auf mittel- bare Weise, gewesen; und auch die Zeit, in welcher diese Grundlegung geschehen, wäre von der Tradition richtig angegeben, nur daß die Apostelgeschichte bei ihrem Bericht in Kap. 10, 1——11, 18 weiter keinen Bezug darauf nimmt, in Kap. 11, 19 ff. vielmehr unsern Blick nach Antiochien in Syrieii hinüberlenkt und uns die Entstehungsgeschichte der heidenchristlichen Kirche des Morgenlandes vorführt. Aus der Art der Entstehung dieser aber sollen wir uns die nahe damit Verwandte Art der Entstehung der heidenchrist- lichen Kirche in der Metropole des Abendlandes ab- nehmen: auch ihre Entstehung ist, wie Baumgarten sagt, auf dem verborgenen und unscheinbaren Wege der Geisteswirkung und des Waltens des HErrn ge- schehen, weder durch einen Apostel noch durch eines Apostels Schüler, sondern durch Männer ohne Namen und ohne Amt. Nun haben wir allerdings einen Namen hier ausfindig zu machen gesucht, aber ohne Amt für geistliche Thätigkeit war Cornelius ja aller- dings; und es ist nun leicht erklärlich, wie an diesen Mann die wahrheits- und heilsbegierigen Römer, von denen bei dem damaligen vollftändigen Bankerutt der heidnischen Religion (Joh. IS, 38) manche seither als Proselyten dem Judenthuni zugefallen waren, während einige Andere, die zu dem cerimonialgesetzlichen par- ticularistisch-pharisäifchen Wesen des Judenthums keinen Zug des Herzens verspürten, sondern eine ewisse Mittelstellung, eine Stellung des Hoffens aus! noch etwas Besseres einnahmen (vgl. zu Apostg 10, 2), Z) Die briefliche Einleitung. o sofort sich anschlossen und gern eines Glaubens wur- den, der ihnen die Uebernahme des Gesetzesjochs nicht zumnthete (Matth. 11, 28 ff.; Apostg 15, 7 ff.). Gletch- zeitig jedoch muß das Evangelium von Jesu Christo auch unter den Juden in Rom durch Judenchristen, die von auswärts, besonders auch aus Palåstina selber, dahin kamen, verbreitet worden sein; Namen für sie finden sich unter den in Kaki. 16, 5 ff. von Paulus Gegrüßtem und zu den auf diesem Wege zur Erkennt- niß der Wahrheit Gebrachten gehörten ohne Zweifel Aquila und Priscilla, die bei ihrer Uebersiedelung nach Eorinth im J. 52 wohl schon als Christen dahinkamen. Lag hiernach zwischen Abfassung des Römerbriefs und der ersten Begründung der Römergemeinde ein Zeit- raum von 16 Jahren, so war das vollkommen hin- reichend zu einer so weiten Ausdehnung und einem so geordneten Bestande der letzteren, wie beides in ersterem uns entgegentritt; aus der angegebenen Entstehungs- weise erklärt sich aber auch am besten der mit -des Paulus Grundsätzen in der Hauptsache harmonirende Glaubensstandpunkt der aus ehemaligen Heiden und Juden gemischten Gemeinde. Nirgends ist in der Epistel wahrzunehmen, daß die Sinnesart derselben derjenigen geglichen hätte, welche der Apostel da kenn- zeichnet, wo er sonst gegen Widersacher seiner Lehre, wie in Galatien, oder seines Apostelthums, wie in Corinth, anzukämpfen hatte; wiederholt bezeugt er ihr, daß er die Lehre, welche sie empfangen und gläubig angenommen hat, für diejenige erkennt, die er selbst sie gelehrt haben würde, und giebt auch, was er ihr schreibt, für nichts Anderes aus, als für eine Er- innerung dessen, was sie selbst wußte (Kap. 1, 12; S, 17; 16, . 2 ; , . Nur einer gründlicheren und zusammenhängenderen apostolischen Unterweisung statt der bisherigen aus bloßem Laienmunde, wenn wir uns so ausdrücken dürfen, bedürfen sie no zu ihrer Befestigung und Stärkung; und diese will enn Paulus mit seinem Schreiben im Voraus ihnen geben, noch bevor er persönlich kommt. So bietet er ihr in der Epistel eine möglichst zusammenhängende Dar- stellung der unviersalen christlichen Heilsbotschaft von dem für seine Predigtweise charakteristischen Gesichts- punkte der Glaubensgerechtigkeit aus, wenn auch nicht gerade ein gleichmäßig ausgeführtes vollständiges System der christlichen Lehre dar; fast alle Haupt- begriffe der Dogmatik empfangen hier ihre Beleuch- tung, doch ist es hauptsächlich der Unterschied von Gesetz und Evangelium, die Lehre von Sünde und Gnade und die auf dem göttlichen Rathschluß beruhende weisheitsvolle Entwickelung des Gottesreichs innerhalb der Weltgeschichte von Anbeginn, worüber der Apostel in eingehender Weise sich erklärt. -f-H-) Die stehende Grußformel bei den Griechen Ewige-»: sei gegrüßt) war allmälig leere conventionelle Form geworden, während ohne Zweifel alles Grüßen ursprünglich, nicht blos bei den Christen, sondern auch bei den heidnischen Völkern eine Fürbitte, ein Gebets- und Segenswunsch gewesen ist; es ließ nun da sich nicht anders erwarten, als daß die wiedergebärende Kraft des neuen Lebens im Christenthum auch die entleerten Formen des Grußes wieder mit neuem Inhalt füllen werde. Der Apostel nun vereinigte den alten griechischen und den hebräischen Gruß sechalom Pchemx Friede mit euch) und stattete ihn mit dem unendlich reicheren Jnhalt des christlichen Lebens aus. Dieser apostolische Gruß, welcher die zwei wichtigsten, durch Christum uns erworbenen himmlischen Güter den Gegrüßten ersteht, ist seit der Apostel Zeit von den Dienern Got- tes zu allen Christengemeinden weitergetragen und ein unerläßliches gottesdienstliches Element geworden: wo derselbe mit Bewußtsein und Glauben über der Genieinde gesprochen wird, da wirkt er auch und giebt den Gläubigen, was er erfleht. Paulus erfleht den Römern zuerst Gnade, damit sie je mehr und mehr im Gehorsam des Glaubens festgehalten und vollendet werden; dies kann aber nicht geschehen, ohne daß Gott seine Hand über uns hält und uns nahe ist. Der Friede folgt aus der Gnade, und ist Friede von Gott und mit Gott: derselbe besteht in der Wieder- herstellung der alten Harmonie mit dem lebendigen Gott, so daß unsere Gedanken mit denen Gottes zu- sammenstimmen. Hieraus folgt dann auch der Friede unter den Menschen, in der Gemeinde, so daß alle Gläubigen Eines Sinnes, Einer Rede, Eines Glaubens sind und bleiben. —- Mit dem Anfang eines neuen Jahres pflegen Freunde einander Gutes zu wünschen; was nun könnte beim Beginn des neuen Kirchenjahres meine Liebe euch Besseres wünschen, als den vollen Inhalt dieses apostolischen Grußes? Ja, Gnade sei mit euch, m. Br., die Gnade unsers himmlischen Vaters, die da Sünde vergiebt, aus Sün- dern gerechtfertigte Kinder Gottes macht und dieGerecht- fertigten mit ewiger Erbarmung segnet. Sie sei die Sonne, die euch in diesem neuen Kirchenjahr leuchtet; sie scheine hell in euer Leben, in eure Häuser, in eure Herzen hinein und verherrliche sich an euch in vielen geistlichen und leiblichen Gütern. Gnade sei mit euch und — Friede von Gott — der Friede, welcher fröhlich in Hoffnung und geduldig in Trübsal macht, der selbst die Angst dieser Welt überwindet und Sinne und Herzen bewahrt zum ewigen Leben; Gnade und Friede von Gott, beides aber durch unsern HErrn Jesum Christum, der da ist und der da war und der da kommt, der auch heute wieder zu seiner Ge- meinde kommen und immerdar bei ihr bleiben will— Halleluja, Amen. (Thomasius.) Vgl. zu l. Thess l,1 u. Ephes. I, 2. II· V. ti—17. Stuf die apoltolisctze Begrüßung liißt pau- lug nun, wie auch sonst in den meisten seiner Gpisielty eine brieflichc Einleitung folgen, welche zuletzt in die Bezeichnung des Themas seiner tiehralilzandlung ausgeht. Er beginnt den vorliegenden Abschnitt mit einer Danlisagung gegen Gott wegen des erfreulichen Fortgangs des Evangeliums bei den liefern, bezeugt dann seine Theilnahme für he, der zufolge er allezeit Gott bitte, daß es ihm vergönnt sein möge, zu ihnen zu besinnen, wie er denn schon öfters den lllorsah gefaßt habe, sie heimzusuo)kn, theils uin sie zu stürlien und sich mit ihnen im gemeinsthafllichcn Glauben zu erinunlern, theils um seinem Berufe als lijcidenaposiel gemäß auch unter den noch unisekehrten Römern Frucht zu schaffen, gleichwie unter andern Heiden, nur daß er an der Aus— führung verhindert worden; keineswegs aber sei er aus Scheu vor der macht— und weisheitgstolzen Roma bisher von ihr zurückgeblieben, denn er schiime sich des Evan- getli nicht, welches allein im Stande ist, aller Welt, sie sei, wer sie wolle, zur Seligkeit zu verhelfen. 8. Auf-s erste danke ich meinem Gott fdenc ich mit ganzer Seele angehöre und aus allen Kräften diene Apoftg· 27, 23 und dessen Ehre daher meines Lebens Freude ist] durch Jesum Christ [Kap. 7, 25; Col. 17; 1. Petri 2, H; Hebt. is, 15] euer aller halben U. Cur. 1, 4; Col. 1, 3 ff; i. Thess 1, 2], daß incm von eurem Glauben in aller Welt [wo es christliche Gemeinden schon giebt Kap. 10, 18; l. Thess. 1, 8] sageti [vgl. Kap. 16, 19]. 6 Römer I, 9—17. 9. Denn Gott ist mein Zeuge [Phil· 1, 8], welchem ich diene in meinem Geist snicht blos mit dem äußeren Werk, sondern mit innerlicher Be- theiligung meines ganzen Gemüths Ephes. b, 19; g, S] am Evangelio von feinem Sohne» daß ich ohne Unterlaß euer gedenke [Phil. 1, s; Ephes. 1, 15 f.; Ph1lem. 4 f.], 10. Und allezeit in meinem Gebet stehe, ob sich’s sendlich Kap.15, 23] einmal zntragen wollte, daß iehss zu euch käme durch Gottes Willen [Jak. 4, 13 .. 11. Denn mich verlanget euch zu sehen kfiir einige Zeit persönlich bei euch zu sein], auf das; ich euch mittheile etwas geistlicher Gabe [von der, die mir zu Theil geworden Kap. 12, S; Ephes Z, 1ff.], euch zu stärken [Kap. 16, 25 f. Anm.], 12. Das ist [ich will aber dies »daß ihr gestärket werdet« näher dahin verstanden wissen], daß ich sammt euch getrbstet [erniuntert, zu eifrigem Wirken angeregt Joh. 14, 18 Anm.] würde durch euren und meinen Glauben, den wir unter einander [gemein] habenttt [Kap. 3, 28fs.; L. Petri I, 1]. 13. Jch tvill euch aber [die ihr eurerseits wohl auch schon manchmal auf einen Besuch von mir gerechnet habt] nicht verhalten, lieben Brüder, daß ich mir [diese letzten Jahre daher Kap. 15, 23] oft habe vorgesetzh zu euch zu kommen, bin aber fdurch die Umstände und durch die Verhältnisse der bereits vorhandenen Gemeinden 2. Cor. 11, 28] verhindert bisher [Kap. 15, 22., zu kommen zu- gleich für den Zweck], daß ich auch unter euch sRömern V. 15] Frncht schafsete, gleichwie [ich’s gethan habe] Unter andern Heiden-s- [unter denen in Asien, Macedonien, Griechenland und Jllyrien Kap. 15, 19]. 14. Jch bin fwas das apostolische Frucht- Schaffen betrifft] ein Schuldner, [in Hinsicht auf die Theile, in welche die Völkerwelt als Ganzes zerfälltJ beide, der ffür den Inbegriff der Cultur- welt geltenden] Griechen und der [culturlosen Barbaren oder] Ungriechen, [und in Hinsicht auf den Bildungsstand, den die einzelnen Per- sonen für sich einnehmen] beide, der Weisen und der Unweifen-H- [in den verfchiedenen Völkerschaften]· 15. Darum, so viel an mir ist fund soweit die Umstände nicht hindernd dazwischentreten], bin ich geneigt, auch euch zu Rom sals bei denen es ja noch so viele Heiden giebt, die noch nicht zum Gehorsam des Glaubens gebracht sind] das Evan- gelium zu predigen ses hat also keineswegs, was» vielleicht der eine oder der andere denken möchte, die Scheu, auch dort bei euch mein Werk zu treiben, von der Ausführung meines Vorhabens V. 13 bisher mich abgehalten] Its. Denn ich schilme mich des Gvangelit von Christo nicht [gleichwie nicht vor den Griechen hier in Achaja Apoftg. 17, 17 ff.; 20, 2., die auf ihre Weisheit, so auch nicht vor den Römern dort in eurer Stadt, die auf ihre Welt- herrschast so stolz sind 2. Tim. 1, s; Gal. 6, 14; 1. Eor. 1, 25z Mark. s, 38], denn es ist eine Kraft Gottes, die da selig machtalle, die daran glauben [1. Eor. 1, 18. 21; Jak. 1,21] die Juden vornehmlich nnd auch die Griechen; 17. Sintemal [Luk. 1, I] darinnen offenbaret wird die Gerechtigkeit, die vor Gott giltes2. Cou H, 21], welche kommt ans Glauben in Glauben [Kap. 3, 21 f.], wie denn [in Hab. 2,4] geschrieben stehet: Der Gerechte wird seines Glaubens leben Hi [Gal. Z, 11]. r) Das ,,auf’s erste« betont ausdrücklich die Ge- flissenheih mit welcher der Apostel seinen Brief gerade so und nicht anders anfangen willx ,,meinem Gott danke ich«, schreibt er, um dies sein Danken als etwas zu bezeichnen, das so recht Sache seines persönlichen Bedürfnifses ist, und ,,durch Jesum Christ« fügt er hinzu, um den Zusammenhang desselben mit seinem Christenstande nicht unausgedrückt zu lassen. Da er dessen eingedenk zu Gott redet, daß sein Verhältniß zu Gott ein in Jesu Christo vermitteltes ist, so gestaltet sich auch sein Danksagen hiernach. (v. Hofmannh Bei ,,euer aller halben« denkt Paulus wahrscheinlich an die beiden Bestandtheile der römischen Gemeinde, Juden- und Heidenchristem (Maier.) Mit den Worten aber: »daß man von eurem Glauben in aller Welt saget« dankt der Apostel Gott nicht dafür, daß die Römer weltberühmte Glüubige wären; sondern daß die Kunde von dem siegreichen Einzuge des Evangelii in die Welthauptstadt alle Welt durchlief, dafür dankt er. Die Römer, die Herren der Welt, sind gläubig geworden! Dies Gerücht ging von Mund zu Mund überall, wo Christen wohnten, und wie das Reich des römischen Kaisers über den Erdkreis sich erstreckte, so sang man an allen Enden vom Sieg in den Hütten der Christen, als das Reich Jesu Christi nach Rom kam und Römer gläubig die Kniee beugten im Namen Jesu. Wir Spätlinge am Abend der Welt vermögen kaum die allgemeine KirchenfreudeHu verstehen, wo- mit die Gemeinde zu Rom in aller elt begrüßt ward. (Besser.) it) Es ist dies ein ganz freiwilliger Schwur, wo das einfache Ja nicht bezweifelt fein würde; und doch ein heiliger gottesdienstlicher Schwur, ein- gegeben von der lautern und starken Liebe, womit der Apostel die Brüder im Herzen trug. Der außer- gerichtliche Eid aus heiliger Gesinnung und zu geiligem Zweck ist wohl erlaubt: das Gesetz und sein rfüller (Matth. 5, 33 sf.) verbietet nur den Meineid und das gedankenlose, unnütze Schwören. Der Ge- meinde zur Stärkung ihres Vertrauens zu seiner Person, seinen Aussa en und seiner Lehre, seine Wahr- haftigkeit und die ufrichtigkeit seiner Liebe zu ver- siegeln, ist dem Apostel eine hinlängliche Veranlassung zur eidlichen Betheuerung. Die Worte, welche er hin- zufügt: ,,welchem ich diene in meinem Geist am Evan- gelio von seinem Sohne-«, bekräftigen dann noch seinen Schwur; denn den Gott, welchem er so treulich am Evangelio dient, wird er doch durch keine Lüge belei- digen, und ist er von Herzen Diener des Evan- geliums, so wird er natürlich auch das lebendigste Jn- teresse an den durch das Evangelium gegründeten Ge- meinden nehmen. (Philippi.) l Das Thema der Epistel 7 THE) Die Sache, die dem Apostel am Herzen liegt, ist ihm ein Gebetsanlie en; denn nicht auf Wegen des Eigenwillens, fon ern nur mit dem Willen Gottes will er nach Rom kommen. Wenn er nun für den in Aussicht genommenen Besuch bei den Römern die Absicht hat, ihnen ,,mitzutheilen etwas geistlicher Gabe, sie zu stärken«, so scheint sein Aus- druck darauf hinzudeuten, daß die römische Gemeinde nicht nur im Allgemeinen geistlichen Segen von ihm empfangen, sondern an seinem besonderen Charisma, nach welchem er der Heidenapostel ist, Theil haben soll; und wenn er seine Absicht dann weiter dahin be- stimmt: ,,das ist, daß ich sammt euch getröstet würde durch euren und meinen Glauben, den wir Unter ein- ander gemein haben«, so dient diese Verbindung beider Zwecke zur Erklärung des einen wie des andern —- der Apostel will, die( Römer sollen durch ihn gestärkt werden nicht etwa nur imAllgemeinen in ihrem Glauben, sondern auch in ihrem bestimmten Glaubensberuf nach ihrer römischen Weltstellung, und die Folge davon wird sein, daß der Apostel ermuntert und gefördert wird in seinem universellen Apostolat. (Lange.) s) Vorher hat der Apostel sein Verlangen, mit den Gläubigen Roms inspersönlicheii Verkehr zu treten, als den Grund bezeichneh warum er stetig Gott bittet, ob er nicht endlich einmal zu ihnen kommen soll; wenn er nun sortfährtt ,,ich will euch aber nicht ver- halten«, so bereitet er durch diesen Uebergang die Leser darauf vor, daß er ihnen etwas, mit dem Vor- hergehenden zwarZusammenhängendes aber doch davon Unterschiedenes also etwas Neues sagen wird, von dem ihm nicht gleichgiltig ist, ob sie es wissen oder nicht. Dies kann aber nicht, wie man vielfach gemeint hat, darin bestehen, daß er es bei dem bloßen Ver- langen nach ihnen nicht gelassen, sondern sich auch wirk- lich vorgenommen hat, zu i nen zu kommen; denn er schließt einen Absichtssatz an, welcher einen andern, und zwar wesentlich andern Zweck seiner Hinkunft benennt, als den er vorher benannt hatte. Eine Frucht wollte er haben unter ihnen, wie in der übrigen Völker- welt auch, also etwas als Ertrag feiner Arbeit be- zeichnen können, was erst durch ihn dem Boden, den er bearbeitete, abgewonnen war; dies ist aber etwas Anderes, als wenn er zur Befestigung der Gliiubigem die es bereits sind, etwas beizutragen hofft —- zu letzterem enügt ein Besuch der Gemeinde, zu jenem dagegen it eine über ihren bisherigenUmsang hinaus- gehende Thätigkeit erforderlich, durch welche solche zum Glauben an Jesum gelangen, die ihr noch nicht an- gehören. (v. Hofmann.) Als einheitlicher Gedanke von V. l1—-13 ergiebt sich: der Apostel, indem er sich anschickt, mit seiner apostolischen Predigt mitten in die oeeidentalische Heidenwelt zu treten, achtet es fiir noth- wendig, der römischen Gemeinde als eines Stütz- und Ausgangspunktes, sozusagen als einer Qperationsbasis, sich zu versichern. (Schott.) H) Sein Verhältniß zur Heidenwelt betrachtet der Apostel wie eine abzutragende Schuld: in dem Evan- gelium war ihm ein unendlicher Schatz anvertraut, aus dem er allen Heiden ohne Ausnahme (die Juden bleiben hier außer Betracht Gal. 2- 7) mit- theilen zu müssen glaubte. Der Ausdruck: ,,beide, der Griechen und der Barbaren (Ungriechen)« bezeichnet die Universalität der Heidenweltz die Römer, sofern sie an dem allgemeinen Culturzustande der damaligen Welt Theil nahmen, gehören mit zu den Griechen, welcher Name gewissermaßen seine blos volksthiimliche Beziehung verloren hatte, aber nur deshalb diese weitere Bedeutung gewinnen konnte, weil die Cultur der alten Welt von den Griechen ausgegangen war. (Olshausen.) Jn der zweiten Scheidung: ,,beide, der Weisen und der Unweisen« werden nicht mehr die ganzen Völker einander entgegengestellt, sondern es handelt sich nun, wie dort um die Volks-, so hier um die Person- Differenzen; die Weis en sind nämlich diejenigen unter den Heiden, welche sich höherer Erkenntnisse rühmen, die Weltweisen oder die philosophisch Gebildeten über- haupt, welchem Volke sie immer angehören mögen. Solche hat Paulus bei den Griechen kennen gelernt, und er weiß von Zolchen auch in Rom; die Unweisen dagegen sind die eute ohne philofophische Erkenntniß. (Maier.) Er ist ein Schuldner der Weisen, denn er führt das Amt des Evangelii, welches mit der Arzenei göttlicher Thorheit den Schaden menschlicher Weisheit heilt; ein Schuldner der Unweisen, denn sein Evan- gelium macht die Albernen weise und die Ungelehrten zum Himntelreich gelehrt. (Besser.) its) Mit der Bezeichnungt ,,euch zu Rom« meint er, die Leser nicht in ihrer Eigenschaft als Christen, sondern in ihrer Eigenschaft als Römer anredend, das einen Bestandtheil der Heidenwelt ausmachende Volk von Rom; er ist bis jetzt trotz seiner Geneigtheit, auch ihnen das Evangelium zu predigen, nur daran ver- hindert worden, und die Leser sollen dies wissen, damit sie nicht nach einem in ihm selbst gelegenen Grunde suchen. Und da will er nun mit dem Ausspruch: »denn ich schäme mich des Evangelii von Christo nicht« die Unterstellung von sich abwenden, als sei er des- halb bisher von Rom fern geblieben, weil er dort, in der Welthauptstadt, dem damaligen Mittelpunkte der Bildung, mit der Heilsbotschaft, die er doch ander- wärts verkiindigte, keine Ehre einzulegen besorgte (und allerdings war es »ein kiihnes Unternehmen, zum Kreuze zu rufen die Herren des Erdkreises«). Wie aber wäre das möglich, daß ich des Evangelii mich schätnen sollte? so fährt er mit dem Satze fort: »denn es ist eine Kraft Gottes, die da selig macht alle, die daran glauben«; ist sie ja doch nicht eine Menschen- lehre, von der es sich fragen könnte, ob sie zu etwas dient und ob sie für jeden einen Werth hat oder nur in einem bestimmten Kreise Anklang finden kann. Eine Gottesmacht ist sie, welche zum Heile gereicht, und zwar jed em zum Heile gereicht, dersie gläubig aufnimmt; indem der Apostel das bezeugt, setzt er voraus, daß alle o h n e Unters chied einem Verderben unterliegen, dessen sie nur dann ledig gehen, wenn sie sich so zu er Heils- botschaft verhalten, wie eine geglaubt sein wollende Botschaft es fordert, und fügt nun dem ,,selig macht alle, die daran glauben« den Satz hinzu: »die Juden vornehmlich, und auch die Griechen«. Nach der bis- herigen Geschichte der Menschheit gehörte der Jude dem Volke an, dessen Verhältniß zu Gott ein auf heilsgeschichtlichemWege gewordenes war, das Griechen- thum dagegen war die Blüthe der Entwickelung der außer dem heilsgeschichtlichen Gebiete befindlichen Menfchheiy dieser Gegensatz ist aber der apostolischen Botschaft gegenüber gleichgiltig, sowohl hinsichtlich des Heilsbedürfnisses, dem sie entgegenkommt, als hinsichtlich der Bedingung, unter welcher sie zu Heil gereicht, und nur das haben, wie das ,,vornehmlich« besagen will, die Juden vor den Griechen voraus, daß die auf heilsgeschichtlichem Gebiete erschollene Heils- botschaft (Joh. 4, 22; Apostg. 10, 36 sf.) das Volk dieses Gebiets immerhin zuerst angeht, und darnach erst die außer demselben befindliche Menschheit (v l. Kap. 2, 9 s.; 15, 8 ff.; Apostg is, 46; 28, 17 Der Apostel sagt aber nicht blos, was es um die Heilsbotschaft ist, sondern auch, warum sie dies ist. Was der Mensch bedarf, um des Unheils ledig zu gehen, welchem er sonst verfallen ist, was er zu seiner 8 Römer 1, l8——31. Seligkeit brauchh das ist Gerechtigkeit, es muß so mit ihm stehen, daß er Gottes Urtheil nicht wider sich hat, sondern für sich; ein solcher Stand nun wird geoffenbaret im Evangelium. (v. Hosmann.) Luther’s Erklärung der Worte des Grundtextesx ,,aus Glauben in Glauben«, so daß dadurch das Wachsthum des Glaubens bezeichnet würde, ist nicht wohl annehmbar; denn der Apostel handelt von der Rechtfertigung, die aus dem Glauben kommt, an sich aber von dessen Wachsthum nicht abhängig ist. Man hat daher zu er- klären: die vor Gott geltende Gerechtigkeit wird offen- hart· als aus dem Glauben auf den Glauben kommend. (Ph1lippi.) Die ganze Zusammenstellung hat vermuth- lich den Zweck, den Glauben ausdriicklich als das wesent- liche Moment im neuen Testament hervorzuheben, wie im alten Testament die Werke den Mittelpunkt bilden. (Qlshausetc.) Der Glaube ist die Bedingung der Ge- rechtigkeit, die vor Gott gilt; er ist aber auch das empfangende Organ. (Röntsch.) B« Dem Standpunkte gemäß, auf ruelclzetti Paulus zur Zeit der Abfassung unsers Briefs sich befand, wo er, rückwärts blickend auf die durchmessene Bahn feines apoftolischen Laufs imrkiorgenlande und u arw cirts blickend« auf feine Mission im 2lbendlande, der in dessen Hauptstadt · schon bestehenden Ghriftcngeiileinde dasjenige Porbild der ltehre (Kap. b, 17), welches in die lherzen der Helden zu prägen sein eigenster tEteruf war (Gphes. 3,1sf.) und welches er soeben (v. 16 f.) in feinen Grundzügen anfgezeigt hat, zu einem theuern Kleinod und einer treu zu be- wahrenden Beilage machen wollte, faucmelt er nun alle seine Kraft im heiligen Geist, um mit erfahrungsmdßigem Reich— thun! apostolischer Weisheit dasselbe eingehend zu erörtern und nach allen Seiten hin zu beleuchten. Gr thut das in zwei Partien, indem er zuuiirdersi sein Thema so durch— führt, als habe er vorhin blos gesagt: ,,die Juden und auch die holder-«, darauf aber das dem wirklichen Sach- verhatt nach den Juden noch zugefchriebene ,,vornehmlich« zum Gegenstand einer ausführlichen besonderen Abhand- lnng taucht, dainil auch die judenchristliclse Minderheit der Gemeinde riiclrlsaltlos seinem Gvangelio beifallen und an seinen rliissionslseslrklsungetr sich betheiligen könne; dein— gemäß zerlegen wir uns den von Kurs. l, 18 —11, 36 reichenden ersten, didalitischen Theil der Guistel in zwei Abschnitte, von denen ein Jlugleger nicht unpassend den einen den lehrbegrifflichety den andern den lehr- geschiaztliclfen Theil genannt hat. a. Im lehrbegrifflicizen Abschnitte (Kap. l, til—- tt, 39) zeigt der Apostel, das; weder die theiden durch ihr natürliches sticht, das ste in Lkinfternisi verkehrt haben, noch die Juden durch das Gesetz, das nur ihre Sünde schärfen und ihnen zum Bewußtsein bringen konnte, vor Gott gerecht werden können: seit Ztdanrs shall fcnd die eilen— schen, Juden wie Heiden, allzumal Sünder und dem Tode, der der Sünde Sold ist, verfallen. Zins freier Gnade aber hat Gott eine ewige Erlösung erfunden und in seinem Sohne Thristo Slefu, dem zweiten Adam, dargestellt; in dem Gufertode Thrifli llegt die versöhnende und recht— fertigende, in feiner Auferstehung die heiligende und er- neuernde Kraft dieser Erlösung, die der-Mensch iucGlauben sich anzueignen hat und dadurch ohne alles eigene Verdienst und wiirdigkeit gerecht, eine neue Erkennt, ein Erbe des ewigen llebens und stliterbe Christi wird. I. v. 18—-Kap. s, St. lllas Evangelium beseligt, weil es rechtfertigt: dies ist der erste Punkt, welchen! der Apostel bei Erörterung seines vorhin angegebenen Themas (v. 16 f.) steif zuwendet, wie er ja diesen Punkt auch dort schon als den vornehmsten bezeichnet halte, indem er nach den Worten: »das Evangelium von Thcisto ist eine Kraft Gottes, die da selig macht alle, die daran glauben 2r.«, fortfuhr: ,,s·lntcmal darin ossenbaret wird die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt«. 1. V. 18—- 32. Lag in dem, was in V. t7 gesagt wurde, bereits angedeutet, das) die im Goaagelio von Christo geoffectbarle Gerechtigkeit eitlen( absoluten Be— diirfnisl der gefancmten ilieitfchcsiwclh der Heiden sowohl wie der Juden, begegnet, ohne dessen Befriedigung die Scliglkieit fiir beide Theile ein Ding der Unmöglichkeit roher, fo liislt uun Paulus oor allen Dingen es sich angelegeil sein, diese seine Voraus· felzuug tibher zu begründen; und da hebt er, weil er nicht nur der Heiden Apostel ist, sondern auch an eine Gemeinde schreibt, die vorwiegend aus uormaligesc Heide-c besteht, mit eben diefen, den Heiden, an und stellt den Stand, in welche-n dieselben uou sich selber sich befinden, iu lhatfärhlicher Wirlilichlieit oor Augen. Es ist das aber ein Stand des tiefsten religiösen und sittlichen verfalle, ein Stand, in welchem Gottes ver- gcllende Gerethligtielc in offenkundiger weise sich offenbart, also dasl die Heiden mit dem, was» sie scud nnd wie sie’5 treiben, fo recht als Kindes: des Zorns erscheinen, deren srhliesllirhes Loos nichts« Attderes als das. ewige Verderben sein spürt-e, wenn es nicht eben eine iltlernaliirliche Rettung gäbe, wie sie in Christo von Gott liotnmt Was hier der Apostel zuerst über den religiösen und dann iiber den sittlichen Verfall der tjeideuwelt als« die Strafe fiir die gewalt- faucr Unterdriicliutcg und suuthlvillige Verliehrung des von Natur ihr eingepflanzten religiösen und sittlichen Be« luuslifeliis für cia Bild euiwirfh macht auf den, der die Geschichte und Verhältnisse der damaligen Zeit gestaltet Kraut, den tinwidcrskehlichelt Gindructi, dasl niemand anders, als die Welthauptskadt selber, wohin er seine Gpiskel richtet, und das« dort herrschende Tiaiferhalcs zu diesem Bilde ihm gesessen, und hat gen-ist die Leser aufs Ticffie ergriffen. 18. sEiner solchen Gerechtigkeit, wie sie im Evangelio geoffenbaret wird, bedürfen die Men- schen, wenn anders sie selig werden solleu, um des Zustandes willen, in dem sie sich befinden, schlechterdings.] Denn [dieser ihr Zustand ist durch und durch von der Art, daß in demselbigen] Gottes Zorn vom Himmel wird ofsenbarct über allcs gottlose Wesen und Ungcrechtigkeit der Men- schsn lEphsi- 5,· S; Col. 3, 6], die die Wahrheit m Ungerechtigkeit aufhalten« fwas denn in erster Linie von den Heiden gilt Ephes 2, 1 ff.]. 19. sJn der That schreibt deren ganze Ver- sunkenheii in Götzendienst sich lediglich davon her, daß sie die Wahrheit in Ungerechtigkeit aufhalten] Denn das man weiß [soviel ein Mensch auch ohne übernatiirliche Offenbarung von göttlichen Dingen wissen mag, insbesondere dces], daß Gott sei [anderwärts iiberfetzt Luther: dasjenige, das kü11dlich ist an Gott], ist ihnen [dem innersten Bewußtsein nach] offenbar; denn Gott hat es ihnen ofseubareh » · » 20. Damit snämlcch Ihnen offenbaret], daß Gottes san sich selbst zwar] unsichlbares saber doch in seinen Aeußerungen sich zu erkennen gebendes] Wesen, das ist seine ewige Kraft und sseinej Gott- heit sin ihren anderwetten Etgenschaften], wird Der erste, didaktische Theil. I. Der lehrbegrisfliche Abschnitt. 9 ersehen, so man deß wahrnimmt [und nicht math- willens seine Augen dagegen verschließt], an den Werken, nämlich an der Schöpfnng der Welt-«; also, daß sie keine Entschuldigung haben swenn dieser ewige und große Gott ihnen einvöllig unbekannter Gott geworden Weish. 13, 1 ff., viel- mehr einer gar schweren Schuld deswegen geziehen werden müssen], , 21. Dieweil sie swie eben nachgewiesen wurde, zwar] wußten, daß ein Gott ist [Apostg.17,27f.], und haben [doch] ihn nicht gevreiset als einen Gott sdaß sie, wie sie hätten thun sollen, die gebührende Ehre ihm gegeben hätten], noch shabeu sie für das, womit er sich an ihnen nicht unbezeugt ge- lasset! Apvstg- 14, 17., ihm] gedanket, sondern sind in ihrem Dichten [1. Chron. 29, 9 Auen] eitel worden sdaß sie Götter sich ersannen, die doch falsch undmichtig sind Jer. 16, 1·9; Apostg 14, 15], und ihr unverstandiges Herz ist verfrnstertW [daß sie alle Einsicht in die Thorheit und Un- vernunft solcher Gottesverehrung verloren haben Jes. 44, 9 fs.; Pf. 115, 4 ff.]. 22. Da sie sich für weise hielten, sind sie zu Narren worden [Ier. 10, 14]; « 23. Und haben smittels Vertauschung des einen mit dem andern] verwandelt die Herrlichkeit des unvcrgänglichen Gottes in ein Bild gleich dem vergänglichen Menschen [wie Griechen und Römer das gethan], nnd der Vögel und der vierfüßigen nnd der kriechenden Thieres— [wie bei den Egyptern mit dem Jbis-, Apis- und Schlangendienst geschah 5. Mos. 4, 16 sf.; Weish. 13, 10]. 24. Darum [zur Strafe für solch frevel- haftes Beginnen, zur Vergeltung solcher Herab- würdigung seiner göttlichen Herrlichkeit mit Ent- ehrung ihrer eigenen Menschenwürdd hat sie anch Gott dahin gegeben in ihrer Herzen Gelüste sdiese Worte bilden einen Zustandssatz, der da beschreiben soll, wie es in ihrem Herzen aussah, als Gott sie dahin gab: sie selber hegten und nährten in ihren Herzen die schändlichsten Lüste und Be- gierden, und ließ nun Gott mit seinem Dahin- geben denselben freien Laus, daß sie in ganz un- natürliche Laster versanken oder, wie der Apostel schreibt] in Unreinigkeit, zu schiinden ihre eigenen Leiber an ihnen selbst [vgl. V. 26 f.; Ephes 4, 19]: 25. Die snach dem, was in V. 23 gesagt wurde] Gottes Wahrheit sdas wahre, wirkliche Wesen Gottes] haben verwandelt in die Lügen [in die Trügerei der falschen Götter, die nichts als verkörperte Lügen sind Jes. 44, 20], und haben sdie Creatur an Stelle dessen, der Himmel und Erde gemacht] geehret und gedicnet dem Geschöpf mehr, denn dem Schöpfer, [ja in solchem Maße dem Geschöpf mehr, denn dem Schöpser, daß sie diesen ganz gegen jenes zurücksetztem ihn] der da sgleichwohh anch wenn Meuschen die gebührende Ehre ihm entziehen] gelobet ist in Ewigkeit, Amen H ses ist das eine Doxologie des Vaters im Gegen- satz zur Gdtzendienerei der Heiden; eine gleiche Doxologie des Sohnes begegnet uns in Kap. 9, 5 im Gegensatz zur Christusleugnung der Juden] 26. Darum sum nach der Aussage in V. 25 den Satz in V. 24 wieder aufzunehmen und über die dort gemeinte Unreinigkeit und Schändung der eigenen Leiber an ihnen selbst mich näher zu erklären] hat sie Gott auch dahin gegeben in schtindliche Lüste [in Lüste oder Leidenschaften, deren Ausübung am meisten geeignet war, ihre Menscheuwürde zu schändens Denn ihre Weiber haben verwandelt den natürlichen Brauch sdie natürliche geschlechtliche Beiwohnung, die an einen Mann sie gewiesen hätte] in den nnnatürlicheti sindem sie dem sog. lesbischen Laster sich ergaben und mit Andern ihres Geschlechts Unzucht trieben] 27. Desselbigen gleichen auch die Männer habest verlassen den natürlichen Brauch des Weibes, und sind an einander erhitzt in ihren Lüsten und haben [in der Knabeuschäiiduug I. Cor. 6, 9; 1. Mos. 19, 5 Anm.] Mann mit Mann Schande getrieben, nnd smit solchem Treiben selber schon, insofern sie dadurch unter das Thier sich herab- würdigteUJ den Lohn ihres Jrrthums sden sie mit dem Abfall von Gott zum Götzendienst begangen V. 21 u. 23], wie es denn fuach der Ordnung der göttlichen StrafgerechtigkeiH sein sollte, an ihnen selbst san ihren eigenen Leibern, die sie so arg schändetertV.24; 1.Cor. 6,18] empfangensssn 28. Und gleichwie sie nicht geachtet haben, daß sie Gott erkenneten ses nicht werth erachtetery die ihnen geschenkte Erkenntniß Gottes V. 19 f. in ihrem Herzen festzuhalten] hat sie Gott anch dahin gegeben in verkehrten swörtlichx unwerthen, nichtswürdigen] Sinn, zu thun, das nicht taugt salle nur erdenkliche Untugend 1. Joh. 5, 17 zu verüben, so daß sie sind]: 29. Voll alles Ungerekhten, Hurerch Schan- heit [1— COU S, 8], Geizes sHabsucht Ephes 4, 19], Bosheit [Ephes. 4, St; Col. Z, 8], voll Hasses soder Neides Tit. Z. 3], Mordes [Gal. s, 20], Haders [Kap. 13, 13], List [Apostg. 13, 10], giftig sbesser: Giftigkeit, hämischen Wesens oder Tücke] Ohrenbltisey 30. Verleumder [2. Cor. 12, 20], Gottes- verächter lnach andrer Auslegung: G o ttv e rh a ßte l. Thess 2, 15], Frevler [in 1.Tinc. 1, 13 über- setzt Luther das Wort mit ,,Schmäher«], Hosfårtigh Rnhmredige [2.Tim. 3, 2], Schcidliche [in Buben- stücken ErfinderischeL den Eltern Ungehorsame [2. Tim. Z, 2], 31. Unvernünstige [Luther: »Hans Unver- nunst, mit dem Kopf hindurch«], Treulose [Bund- 10 Römer 1, 32. brüchige, Abtrünnige Jer. 3, 8. 11], Störrjge [aller, auch der natürlichen Liebe Vaare Z. Tim. Z, 3], Unversöhnlicha Unbarmherzigekfz 32. Die Gottes Gerechtigkeit fRechtsfpruch OffeUkL 15, 41 wissen, daß, die solches swie eben aufgeführt wurde V. 29 ff] thun, des Todes würdig sind findem sie ja darauf hin selber ein Strasrecht für ihr staatliches Leben aufgestellt haben], thun sie es nicht allein ffiir ihre eigene Persou], son- dern haben auch Gefallen an denen, die es thunssk V) Der Offenbarung der Gerechtigkeit Gottes im Evangelio von Christo, welche kommt aus Glauben in Glauben, wird als geschichtlich frühere Offen- barung die des Zornes Gottes vom Himmel her ent- gegengesetztz in realer Weise geschiehtdiese als Schickung aus der Höhe der heiligen Gotteswelt nnd vom Throne des göttlichen Waltens, in idealer Weise aber durch das Licht der Gerechtigkeit, welches wie in Zornes- blitzen aus dem Reiche des Geistes herableuchtet in die Welt des schuldbewußten Menschenlebens und seine dunkeln Geschicke deutet. (Lange.) Wie die Gerech- tigkeit Gottes, die im Evangelio geosfenbart wird, in Glauben kommt, d. i. zu allen, die da glauben, so geschiehet die Offenbarung des Zornes Gottes vom Himmel üb er alles gottlose Wesen und Ungerechtigkeit der Menschen. (Olshausen.) Der Apostel beginnt mit der Schilderung des heidnischen Götzendienstes als der allgemein menfchlichen Sünde, der Naturfünde des gefallenen Menschen überhaupt; Israel war das dieser Menschheit durch positive Offenbarung ent- nommene Gottesvolk. Soweit es in den Götzendienst zurücksank, hatte es aufgehört, Jsrael zu sein, und war zum Heidenvolke geworden; es war das aber nicht die Signatur des damaligen, streng antipaganifchen Judenthums (Kap· 2, 22; Jak. 2, «19)· Von Gottes Zorn nun sagt der Apostel, daß er offenbaret werde über alles gottlose Wesen und Ungerechtigkeit der Menschen: jenes ist-ein religiöser, dieses ein ethischer Begriff; jenes bezeichnet die Jrreligiosität, die Gott- losigkeit (2. Tim. 2, 16; 2. Petri 2, 5), dieses die Jmmoralität, die Sittenlosigkeik jenes umfaßt die Sünden wider die erste, dieses die Sünden wider die zweite Tafel. (Philippi.) Die Wahrheit, welche der Apostel in dem Satze meint: »die die Wahrheit in Ungerechtigkeit aufhalten«, ist die religiöse und fittliche Wahrheit in ihrem ideellen Wesen, die Gottesidee und die Jdee vom Sittlichen (V. 21 ff: 2, 8; Joh-. 3, 21), welche letztere vermittels des Gewissens auch als prak- tische Norm des Willens in’s Bewußtsein tritt (Kap. Z, 14 f.); der Sinn des Satzes aber ist der, daß die Heiden durch ihre Sündhaftigkeit in Gesinnung und That, durch ihr Sündenleben die klare Erscheinung der Wahrheit im Bewußtsein hemmen und deren Eingehen in Gemüth und Willen, ihren praktischen Einfluß, zurückhaltem sie nicht wirksam sein lassen. (Maier.) Aller Jrrthum auf Erden kommt von der Sünde her, welche die erkannte Wahrheit solange gefangen hält, bis gerlNåensch sich derselben nicht mehr bewußt ist. v. era . ( M) Wo) die Erkenntniß der Gottheit nicht allen Menschen auf unauslöschliche Weise in ihr Herz ge- schrieben wäre, würde die Abgötterei nicht sein er- funden worden. Denn warum hat man Götzen an- gebetet, als darum, weil alle Menschen geglaubt haben, daß ein Gott sei. (Luther.) Jhr Heiden fprechet unter einander: »Was Gott giebt! wenn Gott will! guter Gott! Gott segne dich! Gott sieht alles! Gott sei’s befohlen! Gott wird’s vergelten!« Woher hast du, Nichtchristin, das? Sogar angethan mit der bekränzten Kopfbinde der Ceres, mit dem Scharlachmantel des Saturn, mit dem leinenen Rock der Jsis, in den Tem- peln selbst, wo du vor Aesculap stehst oder die Juno vergoldest oder die Minerva beschuhst, rufst du Gott zum Richter an, und nimmst keinen dieser anwesen- den Götter zum Zeugen; in deinem eigenen Bezirke appellirst du an einen andern Richter, in deinen Tem- peln leidest du einen andern Gott. O Zeugniß der Wahrheit, welche selbst bei den Dämonen einen Zeugen sich erweckt! (Tertullian.) Die Schönheit der Welt und die hehre Ordnung des Himmels zwingt uns zu bekennen, daß ein erhabenes und ewiges Wesen da ist, zu welchem das menschliche Geschlecht mit Bewunderung aufblicken muß. (Cicero.) disk) Wie ganz anders schaut der heilige Paulus die Geschichte der Menschheit vor Christo an, als die Weisen dieser Welt! Diese sagen, die Menschen seien im Laufe der Zeit fortgeschritten von Rohheit zur Bildung, und schildern mit einer Art von Andacht den Eroberungszug der »Eivilisation«; der Apostel aber sieht die Heidenwelt im ungeheuren Riickschritte vom Lichte zur Finsteruiß, der Abfall von dem lebendigen Gott trägt den abgöttischen Kindern abgöttischer Väter Frucht zunehmenden Verderbens, die Nacht des Heiden- thums wird immer dunkler —- bis der Morgen anbricht, der Weihnachtsmorgen, auf den die Heiden nicht gehofft haben. Sie waren stolz auf ihre glänzende Finsternis; und zierten ihre Nacht mitWeisheitslichtern aus, die sich geschämt haben vor dem Sterne der Weisen. (Besser.) Die Menschheit stieg nicht aus der Tiefe in die Höhe, sondern sie fiel aus der Höhe in die Tiefe. Nur auf solchen Prinzipien kann eine ächt christliche Religions- philosophie sich erbauen: ist das Heidenthum nicht Abfall, so ist das Ehristenthum nicht Wiederher- stellung. (Philippi.) Vgl. die Schlußbem zum Pro- pheten Daniel. f) Sie glaubten, die Herrlichkeit Gottes mit Weis- heit auszudrücken und festzuhalten in dem Symbol oder Gleichniß eines Menschenbildesx dazu diente ihnen natürlich das Bild der äußeren, also vergänglichen Menfchengestalt, besonders bei den Griechen, wozu dann'die egyptischen Thierbilder kamen, unter den Vögeln der Jbis, unter den Vierfüßlern der·Stier, der Hund und die Katze, unter den kriechenden Thieren das Krokodil und die Schlange (Lange.) Der Grieche der niedrigeren Klasse hielt die Statuen selbst fiir Götter; bei den etwas höher Stehenden bildete sich eine ähnliche Meinung aus, wie sie die katholische Welt von den Heiligenbildern hat, daß die betreffenden Götter die Statuen erfüllten, durch sie als ihre Organe wirkten. (Tholuck.) Jn der Thorheit folches natur- widrigen Götzendienstes hat der Mensch alle ursprüng- liche, gottgesetzte Ordnung umgekehrt: er selbst nach dem Bilde Gottes geschassen, hat nun Gott nach seinem Bilde geschasserh und zum Herrn der Thierwelt einge- setzt, hat er sieh zuihrem anbetenden Knechte herab- gewürdigt. (Ph1lipp1.) · · » H) Die Folge davon, daß die Heidenwelt die hohe Gnade der Gotteserkenntniß nicht gewürdigt, war ein göttliches Strafgericht: sie hatten Gott herabgewürdigt selbst unter den Menschen zur Thiergeftalt; so trifft sie die Strafe, daß der Mensch sich selbst unter das Thier herabwürdigt, indem er in ganz unnatiirlicher Weise Wollust treibt. (Tholuck.) Die Folgen seines Abfalls von Gott hat der Mensch nicht mehr in seiner Gewalt, sondern nach Gottes Ordnung, Veranstaltung und Gericht treten sie in den verschiedenartigsten Formen der Sünde auf (Pf. 69, 287 2. Sam. 24, 1 Anm.). Der tiefe religiöse und sittliche Verfall der Heiden. II Allerdings entwickeln sich diese Sünden nur, indem der Geist Gottes vom Abgesallenen zurückweicht, nicht in- dem er sie selbst wirkt; aber doch vollzieht sich in diesem Zurückweichen nnd seinen Folgen, nämlich in dem Be- treten der Bahn ungeziigelter Frevel und Laster, zu der Gott dem Menschen die Zugänge eröffnet und ebnet, ein positives göttliches Strafverhängniß (Ps. 81, 13; Jes. 6, 9f.; Mark. 4, 12; 2. Thess. Z, 11 f.)· Jn der That ist nun auch das vom Apostel hier er- wähnte Laster ein spezifisch heidnisches und war zugleich ein besonders in der damaligen Zeit weit verbreitetes Laster (an dem selbst der edelste unter den»Heiden, Socrates, auf die schamloseste Weise sich betheiligt·hat); im Umkreise auch der entartetsten Christenheit ist es doch immer nur sporadisch vorgekommen und nur heim- lich geübt, niemals aber vom össentlichen Urtheil ent- schuldigt oder gar gebilligt worden. Die Lasterhaftig- keit innerhalb der christlichen Kirche ist Abfall vom Christenthum und nimmt darum mit dem zunehmenden Abfall und dem Rückfall in den heidnischen Sinn selber zu; hingegen die Lasterhaftigkeit innerhalb des Heiden- thums ist Eonsequenz des Götzendienstes, wofür auch die vielen wollüstigen Gottesverehrungen des Heidenthums Zeugnis; geben. (Philippi.) Jn V. 25 wiederholt dann der Apostel die Ursache, warum Gott die Heiden so tief in Unzucht Versinken ließ; und in- dem er nun da auf ihre Hintansetzung Gottes gegen das Geschöpf zu reden kommt, bricht er voll Unwillens über solche Entehrung Gottes in einen Lobpreis des- selben aus, womit er seine eigene Verehrung zu er- kennen giebt. (Maier.) -s--H·) Der Mensch ist für Gott im religiösen Sinne, wie Mann und Weib für einander sind in sitt- lich er Beziehung: das ist die Natur, die Wahrheit der Verhältnisse (Ephes. 5, 25); daher ist auch die Naturverkehrung, Unnatur oder Lüge des Creatur- und Bilderdienstes mit der Naturverkehrung Un- natur oder Lüge der Geschlechtsbefriedigung bestraft worden. (Lange.) Stärker noch als bei andern Wollustsiinden tritt die Selbstentwürdigung des Menschen, und damit das Selbstgericht, in dem griechischen Laster der Päderastrie hervor, das in den Zeiten, wo Paulus schreibt, auch zu Rom weite Verbreitung ge- funden hatte; selbst Weiber (tribades, frictricesy d. i. Reiberinnen, genannt) machten derselben Schmach sich schuldig, die mit verschönerndem Namen nach einer be- rühmten Vorgängerin darin als «sapphische Liebe« be- zeichnet wurde. (Tholuck.) Jn den unnatürlichen Wollustsiinden erscheint die Menschheit unter das Thier erniedrigt; bei Ausübung der natiirlichen Wollust erliegt der Mensch einem allgewaltigen Triebe und hat darin eine gewisse Entschuldigung, aber die wider- natürlichen Unzuchtssünden sind reine Greuel der Bos- heit. (Olshausen.) Der in die Macht der Unzucht Dahingegebene ersinnt sich, weil das Auge sich nimmer satt sieht, das Ohr sich nimmer satt hört 2c., stets neue » Weisen der Befriedigung seiner Begierde; je unnatürlicher und schändlicher, desto mehr zeigt dann die Sünde sich als Strafe. (v. Gerlach.) Vgl. Z. Mos. 18, 23· Es) Mit V. 28 beginnt der Apostel etwas Neues; während er nun vorhin das, was die Menschen Gott angethan haben, und das, was ihnen dafür von Gott geschehen ist, einander gegenüberstellte, kommt jetzt das Eine nicht als ursächliche Veranlassung des Andern zu stehen, sondern Letzteres als das dem Ersteren eben- mäßig Entsprechende. Sie haben es nicht für zu- kömmlich erachtet, schreibt er, Gott in Erkenntniß zu haben, so hat denn Gott sie in eine unzukömmliche, das sittliche Urtheil gegen sich habende Sinnesart dahin gegeben, in eine Sinnesart, welche dahin geht, das nach dem eigenen sittlichen Urtheil Ungebuhrliche zu thun; darauf breitet er das unter dem ,,ve·rkehrten Sinn, zu thun, das nicht taugt« Begtlffene IU 591112 traurige Mannigfaltigkeit auseinander, und thut das in vier Reihen, von denen 1·e zwei Und zwkl Mit« sich formverwandt sind und se eine Doppelreiheaus vier und fünf Gliedern besteht. Was da zunächst die erste Reihe betrifft: ,,voll alles Ungerechten —·— Bos- heit«, so ist die »Hurerei« ohne Zweifel ein «Einsch«iib aus andern ähnlichen Anfzählungeth DIE UVUAEU VI« sittlichen Mißbeschasfenheiten sind nach den besten Hand- schriften so zu ordnen: ,,voll alles Ungerechtem Schakk heit, Bosheit, Geizes«. Uiigerechttgkelt Ist DE Beschaffenheit dessen, dessen Verhalten mit dem, was zwischen den Menschen von Gottes wegen Rechtells Ils- iu Widerspruch steht; Schtilkheit die Bescheffevheit dessen, welcher auf das gerichtet»ist, was er dem An- dern zu Leide thue; Bosheit die Beschaffenheitdesselh welcher seine Befriedigung darin findet, Uebel Anzu- richten, und Geiz die Beschaffenheit dessen, welcher rücksichtslos seinen Vortheil sucht, unbekümmert um den Nachtheil, den er dadurch dem Andern zufllgki EUJE Steigerung findet hierin nicht statt, wohl aber ein Fortschritt von dem Verhalten, welches Wider DIE Pflicht und wider die Liebe ist, zu dem, welchETUUs der Freude am Uebel selbstsund aus der· Begierde nach eigenem Vortheil stammt. Die zweite Reihk besteht aus fünf Gliedern: ,,voll Hasses T glfklg - Der Neid (so wäre genauer statt »Daß« zu ubersetzeO gönnt dem Andern seinen Vortheil, sein Gutes nicht, und führt, wie der Mord besagt, dazu, daß man ihn selbst beseitigt, weil man ihm das nicht gönnt, was man lieber selbst hätte; oder wenn es a1ich soweit nicht kommt, so stört man ihm doch, wie der Had er besagen will, de« ftiediicheu Genuß dessen, was er Gutes het- oder trachtet versteckter Weise darnach, wie in List sich andeutet, daß er zu Schaden komme; oder endlich, so giebt Giftigkeit zu verstehen, man deutet ihm sein Gutes zum Bösen und wendet, wns ihm dienlich sein könnte, zum Uebel. Auch die dritte Reihe setzt sich, wie die erste, aus vier Gliedern zusammen, wenn man von den sechs Worten: »Ohrenblaser, Verleumderz Gottesverächter, Frevler, Hoffärtige, Ruhmkedlge immer je zwei als Substantive mit dazu gehorigem Adjectivum verbindet: ,,verleumderiscl)e ·Ohrenblaser, gottverhaßte Frevler, hoffärtige Ruhmredige«. Ber- leumdung des Nächsten ist der Jnhalt dessen, was die Ohrenbläser dem Andern in die Ohren raunen; nichts ist so sehr Gott verhaßt, als Jener Frevel·- muth des Menschenverächters, der Seinesgleichen mit Füße« tritt; die hoffeiktigeu Pxahreizvermessen sich aller Dinge, als ob es nur bei ihnen stünde, was sie thun und lassen wollen. Die mit« den verleum- derischen Ohrenbläsern, welche durch heimliches After- reden den Nächsten um seinen guten Namen bringen, beginnende Reihe schließt mit den Schad»lichen, d. i. mit denen, welche nicht Uebel genug sich aus- denken können, mit denen sie ihre Mitmenschen an Leib uiid Leben schädigen; zwischen beiden Arten der Bosheit aber stehen der. Frevelmuth des gottverhaßten Uebermüthigem welcher den Mitmenschen so. behandelt, als ob er nicht Seinesgleichen, sondern ein preisgegebener Gegenstand seiner Willkür wäre, und der hoffartige Ruhmredige, welcher redet, als vermöchte er alles, was er will. Die hierauf folgende vierte Reihe zahlt, wie die zweite, fünf Glieder, wenn man das ,,Unver- söhnliche«, was hinter ,,Störrige« sicherlich· erst gus 2. Tim. 3, 3 herübergenommen worden ist,·hinweglaß·t, und besteht aus lauter verneinenden -Ad1ectiven; sie beginnt mit der Verneinung des allernatürlichsten 12 Römer 2, 1—14. Verhaltens, des Kindesgehorsams gegen die Eltern: den Eltern Ungehorsame, geht über zur Ver- neinung der Willigkeih sich sagen zu lassen, überhaupt: unvernünftige (Ps. 32, 8 f.), schreitet fort zur Ver- neinung der Willigkeih auf Erbietung friedlichen Ein- vernehmens zu hören (statt »Treulose« läßt nämlich, uach andrer Deutung des Wortes im Grundtext, sich auch übersetzen: ,,Unverträgliche«), kommt von da auf die Uneinpfänglichkeit für die Stimme des Bl1its: Störrige, und endlich auf die Unempfindlichkeit für den Eindruck des Leidens und der Hilfsbedürftigkeitt Unbarmherzige (v. Hofmannss Blicken wir auf das Schliißwort der dritten Reihe: Schädliche zurück, so ist hierin eine Anspielung auf das in 2. Macc. 7, 31 zu Antiochiis Epiphanes Gesagte unverkennbar; und wir irren wohl nicht,-wenn wir annehmen, daß dem Apostel bei dem schauerlichen Nachtgemälde, das er hier in Betreff der Heidenivelt vor unsern Augen auf- rollt, insbesondere auch das Thun und Treiben des julischælaudischen Kaiserhauses (Schlußbemerkung zum 1. Maecabäerb Nr· O, e u.t’) vor der Seele geschwebt hat, heißt doch jener Günstling des Tiberius, der; die Kaisergewalt zur vollen Tyrannei aiisbilden half, L. Aelius Sejanus, bei Tacitus ausdrücklich faoinorum repertog und wenn damals auch, als Paulus an die Römer schrieb, Kaiser Nero noch in der guten Zeit der ersten 5 Jahre seiner Regierung stand, so sollte das doch bald gar anders werden. Haben die Heiden der Gotteserkenntniß sich verschlossen (V. 28), so doch nicht der Erkenntniß der alle Feinde der nienschlichen Gesellschaft für todes- würdig erklärenden göttlichen Rechtsordnung; man befindet sich mit dieser Rechtsordnung, wonach alle diejenigen, deren Thun mit dem friedlichen Fort- bestande der menschlichen Gesellschaft unverträglich ist, aus ihr hinweggeschafft zu werden, also des Todes würdig seien, in Uebereinstimmung, wenn auch die biirgerliche Gesetzgebung den Vollzug der hiernach zu verhängenden Strafe auf eine größere oder kleinere Zahl der schlimmsten derartigen Versiindigungen ein- schränkt Jn welchem Widerspruche mit dem eigenen sittlichen Urtheile befindet sich nun, wer zu der Ein- sicht gelangt ist, daß dergleichen Sünder von Gottes- und Rechtswegen den Tod verdienen, dann aber doch nicht blos dieselben Versündigungen sich zu Schulden kommen läßt, sondern auch im einzelnen Falle denen Beifall zollt, welche sich ihrer schuldig machen! Es ist eine Unnatur, wenn die Heiden mit ihrer eigenen Erkenntnis; dessen, was Rechtens ist, in solchen Wider- spruch treten, nicht blos dawider zii handeln, wozu sie durch das Ueberwiegen der Begierden und Leiden- schasten getrieben sein könnten, sondern auch an den dawider Handelndem an deren Thun sie nicht persön- lich betheiligt sind, denen sie also mit ruhigem Blute gegenüberstehen, Gefallen zu finden. (v. Hosmannh Der Beifall, von dem der Apostel redet, besteht theils in dem inneren Wohlgefallen, theils in der Billigung durch’s Wort; auch die theoretische Vertheidigung vieler von den aufgezählten Lastern, der Rachsucht u. dergl» gehört hierher. (Philippi.) Das 2. Kapitel. Die Juden sind sowohl Sünder, als die Heiden, oh sie sich gleich des gesetzes Mosis und dei- Llzesohiieidiiiig rühmen. 2. V. 1—29. Juden( der Jlpostel jetzt aus die Juden übergeht, so gestattet ihm deren Dentinngsweise und Verhalten nicht, die vorher befolgte Form der Lehr- darstelluiig beizubehalten; der Vortrag wird jetzt po- leniisch, theilweis mit oiatorischer Haltung. Er siihrt den Salz, das! auch die Juden siindhaft und ltralbar seien, mit Berücksichtigung und Bekämpfung ihres heiligiieitsdiiiitäels und ihres theils eitlen, theils» sreventlicheii Verttaucns aus. Die Verdammuiigsliicht gegen die Heiden, von welcher er in V. 1 ausgeht, veronlaslt ihn, in V. 2-—16 die Geceihtigtieit des göttlichen Geisichts nachdructilich hervorzuheben und die Norm desselben nach verschiedener Hinsicht darzu- legen; worunter in V. 17-—-29 den Widerstreit zwischen Erkenntnis! und Leben bei den Juden strast und die Werthsosigtieit der sleischticheii Beschneidung ohne Gesetzesersiillung und des äusterlicheii Iudenthiinis überhaupt dar-thut. I. Darum sweil nicht dein Wissen um die Strafbarkeit des Bösen dich auch ohne Weiteres schon zu einem Guten macht, wie du dir ein- bildest], o Meusch [sondern im Gegentheil um so schlimmer dich erscheinen läßt, wenn du nun gleich- wohl dem Bösen anhängst Kap. l, 32], kannst du dich nicht entschuldigen sfijr einen solchen erklären, der schuldfrei sei], wer sauch immer] du bist, der da richtet süber die, deren religiöse und sittliche Verfassung in ihrer argen Verderbtheit vorhin dargestellt wurde, so daß du bei dir»»sprichst: ,,ich bin ein Jude, und nicht ein Sünder aus den Heiden« Gal. 2, 15; Jak. L, 19]; denn worinnen du lwas das« sittliche Gebiet betrifft] einen Andern richtest, verdammest du smit eben diesem Richten, in seiner Person] dich selbst, siniemal du eben dasselbige thust, das du [am Andern, dem Heiden] tichtestt [und hilft’s dir da nichts, daß du auf religiösem Gebiet ohne Zweifel einen bedeutenden Vortheil vor ihm voraus hast Kap. Z, 2 ff.]. 2. Denn wir wissen, daß Gottes Urtheil szurs Strafe des Todes Kap.1, 32] ist recht über die, so solches thun fund er sich nicht mit dem Augen- schein der leeren, aufblühenden Erkenntnisz des Richtenden begnügt, sondern auf den Grund gehet]. 3. Denkest du aber ssolchem unserm Wissen zu Trotz und Hohn] o Meusch, der du richlest die, so solches thun, und thust sgleichwohh dich in ein und dieselbe Kategorie mit ihnen stellendj auch dasselbigh daß du sfür deine Person] dem Urtheil Gottes entrinnen werdest [gleich als ob es in Betreff dieser deiner Person nicht zur An- wendung kommen dürfe]? 4. Oder swenn seither die in; Gesetz ge- droheten Flüche Z. Mos. 26, 14 ff; 5. Mos. 28, 15 ff. sich allerdings Über dein Volk noch nicht im vollen Maße entladen haben] verachlest du den [darin sich osfenbarenden] Reichthum seiner [so gerne wohlthuenden] Güte, sseiner beim Sündigen der Menschen so gelassen bleibenden] Geduld und sseiner die Strafe so weit hinansschiebenden] Lang- müthigkeit sindem du so gar nicht dich darum kiimmerst, in welcher Absicht er jenen Reichthum Gottes unparteiische Gerechtigkeit gegen Juden und Heiden. 13 dir und deinem Volke zu Theil werden läßt]? Weißt du nicht, daß dich Gottes Güte zur Buße leitet sindem dn muthwillens es nicht wissen magst Sir. 5, 4 f.; 2. Petri 3, 5 sf]? Z. Du aber sstatt dich zur Buße leiten zu lassen] nach deinem Verstockten nnd unbußfertigen Herzen swomit du den Reichthum seiner Güte, Geduld und Langmüthigkeit verachtest] hiiusest dir selbst [solchen Reichthum in den geradezu gegen- theiligen umwandelnd Jak. 5, Z] den Zorn auf den Tag des Zorns [Zeph. 2, 2 f.; Joel 1, 151 und der Offenbarung des gerechten Gerichts Gottes [5. P?]os. 32, 35; Sprüchm I, 20 ss.; Offenb· e, 17, is. Welcher sseiner unparteiischen Gerechtig- keit gemäß V. u] geben wird einem jeglichen nach seinen Werken« jPs 62, is; Jer. 17, to; Matth. 16, 273 2. Cor. 5, 10; 1. Petri I, 17], 7. Nämlich Preis nnd Ehre, [1. Petri 1, 71 nnd uuvergängliches Wesen [2. Tini. 1,10; 1. Petri I, 4] denen, die mit Geduld sund Beharrlichkeit 1. Thess J, 3] in guten Werken trachten nach dem ewigen Leben [vgl. Apostg. 10, 2. 34 f.], 8. Aber denen, die da ziinkisch lgleichsam Kinder der Streitsucht, aus ihr wie geboren und von ihrem Geiste ganz und gar erfüllt] sind sdaß sie fort und fort tvidersprechen Kuh. 10, 21; Apostg. 13, 45; 18, e; 28, 22; Heer. 12, Z] und [also] der Wahrheit nicht gehorchen sim Glauben sie anzunehmen], gchorchen aber dem Ungerechten finden: sie in ihrem Thun und Treiben von dem, was die Ungerechtigkeit ihnen eingiebt, sich be- stimmen lassen L. Thess 2, 12], Unguade nnd Zorn [Apostg. 13, 40 f.; 28, 25 sf.]; 9. Trübsal svon außen Jes. 8, 22] und Angst svon innen 2. Cor. 4, 8] über alle Seelen der Menschen, die da Böses thun sso sage ich in Wiederaufnahme dessen, was ich soeben V. 8 aus- sprach, und fiige nun hinzu], vornehmlich der Juden [die ich schon dort in erster Linie vor Augen hatte Offe11b.6,16f.] und auch der Griechen swenn sie bleiben, die sie sind, nachdem schon jetzt Gottes Zorn vom Himmel über ihnen offenbar geworden Kap. 1, 18 ff.], 10. Preis aber und Ehre sso sage ich weiter in Wiederaufnahme auch des in V· 7 Ausge- sprochenen] und Friede [Gal. 6, 16] allen denen, die da Gutes thun sund setze hier ebenfalls hinzu], vornehmlich den Juden und auch den Griechen i« svgl. Kap. l, 16]. 11. Denn es ist swie die Schrift ausdrüc- lich bezeugt b. Mos. 10, 17; 1. Sam. 16, 7; 2. Chron. 19, 7; Hiob 34,19] kein Ansehen der Person vor Gott sdaß etwa die Juden, wie sie vielfach sich einbilden, bei all ihrem Sün- digen straflos bleiben sollten, ja mn des Gesetzes willen, das sie vor den Heiden voraus haben V. 17 ff., von selber schon für die Gerechten gelten müßten im Gegensatz zu diesen Sündern, den Heiden]: 12. Welche ohne sein positives] Gesetz swie den Juden mit dem mosaischen es gegeben ist l. Cor. 9, 21] gesündigi haben, die snämlich die Heiden] werden [dem entsprechend] auch ohne Gesetz sohne daß der, die Sünde ausdrücklich verdam- mende Buchstabe des Gesetzes auf sie angewendet zu werden brauchte] verloren werden sindem ihr Gericht darin besteht, daß Gott in dem Verderben, das sie sich selbst bereitet haben, sie nun auch umkommen läßt]; und welche sals solche, die dem Gesetz unterstellt waren, wie es mit den Juden der Fall ist Kuh. 3, 19; 1. Cor. 9, 20] am Gesetz gesüudigi haben sso daß ihre Sünden unter den Begriff von Gesetzesübertretungen fallen Kap. 5, 20; Gal. B, 20 Anm.], die werden durchs Gesetz verurtheilts [der im Gesetz, den. Uebertretern ge- dräueten Verdammniß zugesprochen] werden, 13. [Dawider sie denn das nicht schützen wird, wie sie thörichter Weise meinen, daß sie im Unterschied von den Heiden eben ein positives, geossenbartes Gesetz besaßen, das sie hoch über jene stellte V. 17 ss.; b. Mos. 4, 8; Pf. 147, 19 f·; Offentx 12, 1:] Sintemal vor Gott nicht, die das Gesetz sgelegentlich der Vorlesung des- selben in ihren Schulen Luk. 16, 29; Apostg.15, 21; Joh. 12, 34; Gal. 4, 21] hören, gerecht sind, sondern [wie schon Jakobus so nachdriicklich darauf hingewiesen hat Jak. 1, 22 ff] die das Gesetz thun, werden gerecht sein sim Gericht dafür anerkannt werden und demgemäß straflos aus- gehen Matth. 7, 21; 1. Joh. 3, 7]. 14. sAuch sind ja die Juden durch den Besitz, ihres Gesetzes keineswegs so schlechthin über die Heiden erhöhet, daß sie diese als Leute ohne Gesetz nun auch unbedingt für Sünder Gal. 2, 15 erklären, sich selbst aber als Leute unter dem Gesetz ohne Weiteres für Gerechte halten dürften] Denn so die Heiden, die das sdurch Mosen geoffenbarte] Gesetz [allerdings] nicht haben, Und doch sin diesem oder jenem, und zwar keines- wegs vereinzelten Falles von Natur [vermöge eines aus ihrem Jnwendigen hervorgehenden Antriebes zum Guten] thun des Gesetzes Werk [dasselbe, was das geoffenbarte Gesetz von außen denjenigen zu thun befiehlt, denen es gegeben ist 2.Mos. L, 5sf.; 2· Köw b, l; Matth. 12, 41 f.; Apostg. 28, 2., vgl. auch Luk. 10, 33 ff·; 17, 15 ff.], dieselbigen, dieweil sie swie gesagt] das Geseh nicht haben, sind sie ihnen selbst ein GesetzH stragen also gerade das, worauf ihr Juden ihnen gegenüber so pocht, in ihrem eigenen Jnneren und bekunden sich als euch vollkommen ebenbürtige Lente], 14 Römer 2, 15—-17. 15. Damit, daß sie [mit ihrem Thun des Guten aus eigenem freien Antriebe] beweisen, des Gesetzes Werk fdas euch auf steinernen Tafeln vorgeschrieben ist] sei beschrieben in ihrem Herzen [als aus sleischernen Tafeln Jer. 31, 33; Hes 11, 19 f.; L. Cor. Z, 3], sintemal ihrfGewissen sie bezenget [ganz nach der Art des m1t dem Gesetz euch gegebenen Zeugmsses 2. Mos. 40, 20; Pf. 19, 8 ihnen sagt, was gut und was böse sei], dazu [dann, zum Beweise, daß vermöge dieses ihres Gewissens die richterliche Thätigkeit des Gesetzes über Geschehenes ihnen ebenfalls nicht ab- geht, nach etwa vollbrachtem Unrecht bei ihnen] anch Kommen] die Gedanken, die sich [wie in einem Wechselgespräch hinüber und herüber] unter ein- ander verklagen oder entschuldigen swas ja gegen- wärtig fchon oft genug der Fall ist Apostg. 24, 25], Its. Auf den Tag [aber in unbeschränktem Maße einst eintreten wird], da Gott das Ver- borgene der Menschen durch Jesum Christ richten wird [ohne Unterschied, ob sie Juden oder Heiden sind Pred- 12- 14L laut meines EvangeliisH [2. Tim. s, 8., indem gerade ich als der Heiden Apostel oft genug Veranlassung habe, diese unter- schiedslose Allgemeinheit des göttlichen Gerichts, wie ich sie in V. 12 den Juden gegenüber her- vorhob, ebenso auch den Heiden gegenüber zur Geltung zu bringen Apostg. 17, 30 f.; 24, 25]. if) Das ,,darum«, womit der Apostel den neuen Abschnitt beginnt, weist auf das in Kap. l, 32 Gesagte hin; er bezeichnete dort die Spitze zunächst des heidnischen Verderbens, aber auf dieser Spitze läuft heidnisches und jüdisches Verderben zusammen. Zwar gipfelt das heidnische Verderben im Billigen des Bösen, das jiidische dagegen im Richten, das Gemeinsame ist aber doch der vollkommene sittliche Selbftwiderfpruch, das Siindigen wider besseres Wissen und Gewissen. (Lange.) Daß der Apostel hier fchon die Juden im Auge hat, zeigt der Verlauf und Zusammenhang des ganzen Kapitels (V. 13 u. 17). Das eigene Gewissen mußte die Juden sogleich überführen, daß sie hier gemeint seien, denn das Richten war eben ihre spezifische Nationalsiinde Jnsofern traf der Pfeil noch sicherer, da sie nicht umhin konnten, ihn sich selbst ins Herz zu drücken. (Ph1l1ppi.) O Mensch! ruft der Apostel aus, und redet den sündigen Menschen im Juden an (vgl. Mich. 6, 8), einen von den Menschen, die allzumal Kinder des Zorns von Natur sind (Ephes. 2, 3); aber auch deshalb sagt er hier noch nicht: o Jude, sondern: o Mensch, weil er die Juden, ihnen zur Schande, mit den Heiden in einen Kuchen mengt. Ihrer Meinung nach waren die Juden von Geburt eine ganz andere Art von Menschen als die Heiden, die sie so gern ,,Sünder« nannten. In seiner Geschichte des letzten jüdischen Kriegs erzählt Josephus von der, unter dem Regiment des Johannes von Giscala (Anh. II. zum VI. Bande: e, 2) in Jerusalem eingerissenen Unsittlich- keit schauerliche Dinge: ,,nicht allein den Putz der Frauen, sondern selbst ihre Zustände ahmten sie nach, und aus unermeßlicher Geilheit ersannen sie unnatür- liche Wollüstex überhaupt wälzten sie sich in der Stadt wie in einem Hurenhaus und schändeten alles mit ihren verruchten Freveln« Es wäre kein Volk unter dem Himmel gottloser als die Juden, sagt er von seinen Volksgenossen. Was, so fragt er, sie anredend, habt ihr von allen guten Dingen, die durch unsern Gesetzgeber gefordert worden, gethan? und was habt ihr von alle den Dingen, wider die er den Fluch aus- gesprochen, zn thun unterlassen? Jch glaube, fahrt er fort, wenn die Römer wider diese verfluchten Menschen zu kommen verzögert hätten, würde die Erde sich ge- öffnet und ihre Stadt verschlungen, oder eine Wasser- fluth würde dieselbe vertilgt oder ein Feuer vom Himmel sie verzehrt haben, wie in Ansehung Sodoms geschehen ist; denn sie hat ein Geschlecht von Menschen hervorgebracht, die viel gottloser sind, als diejenigen waren, welchen dergleichen Dinge widerfahren sind. IV) Der Leichtsinn des Menschen denkt wirklich so, wenn man ihm von dem zukünftigen Gerichte Gottes sagt, er werde für seine Person diesem Gerichte ent- rinnen, auch wenn er dasselbige thue, was die thun, die er um ihres Thuns willen als dem Gericht von Rechtswegen Versallene richtet, ohne sich der hand- greiflichen Thorheit einer solchen Hoffnung bewußt werden zu wollen; seine Unbußfertigkeit aber läßt ihn dann auch unter Gottes Güte und Langmuth dahin gehen, ohne daß er einen andern Eindruck bekommt, als den des Vergnügens über sein Wohlergehen in einer Gegenwart, über die er nicht hinausdenkt. Anstatt sein Wohlergehen für das zu erkennen, was es ist, für eine Gabe Gottes, welcher ihn damit, daß er so gütig gegen ihn ist, zur Buße bringen will und des- halb so lange an sich hält seinem Siindigen gegenüber, ohne demselben strafend ein Ende zu machen, sieht er- ngchltsthwteiteydalsdaßt es· »gut gheht, ob berd glkeich ue u, un nimm re in, one zu eenen, daß es auch anders sein könnte. Also läßt er sich weder schrecken durch Gottes Gericht, das in der Zu- kunft droht, noch rühren durch Gottes Güte, die er in der G egenw art erfährt: in seiner Ungewilltheit zu sittlicher ·Umke»hr »Ist er verschlossen und unempfindlich gegen beiderlet Fljitgiruck kund Hut, was Gottes Zorn erregt; währen ott en ei t um seiner üte, Geduld und Langmuth an ihm cehrzkeigh häuft er sich einen bösen Schatz; des Zorns, dessen Vollmaß über ihn kommen wird, wenn das Gericht ergeht, dem er in leichtsinnigem Selbstbetrug entrinnen zu können meint. Der Zorn, welchen ein so beschaffener Mensch wider sich erregt, häuft sich auf während der Zeit der Geduld und Langmuth Gottes, so daß ein schweres Maß des- selben vorhanden sein wird, wenn nun ein Tag des Zornes nach all der Güte und ein Tag der Offen- barung des zgerechten Richters Gottes nach all der Geduld und angmuth eintritt; die Gerechtigkeit seines Richtens besteht aber darin, daß er einem Jeden ver- gelten wird nach seinem Thau. (v. Hofmann.) Hier- bei hat man insbesondere auch an die großen Rache- tage des Feuereifers Gottes zu denken, welche er noch in dieser Zeit über die Verächter seiner Gnade ergehen läßt; dahin gehört denn das Gericht über das Volk der Juden und die Stadt Jerusalem. (Engl. Bibelw.) Ach könnten die blinden Menschen sehen, wie ver— schonend ihr Schöpfer ihnen nachgeht, wie er alles an ihnen versucht, wodurch· er sie gewinnen könnte,·ja, wie er tagltch so unzahlige Thorhetten und Bosheiten an ihnen trägt, gleich als sähe er sie nicht, und wie er hingegen dazu alles ersinnliche Gute ihnen beweist und ausdrangt, sogar, daß er keinen Bissen Brodes in « den Mund giebt, worunter er nicht ihre Besserung ! sucht, o wie würden sie in wahrer Buße schamroth werden und sich Gott demüthigst zu den Füßen werfen! Nicht leicht ist etwas kräftiger, den Menschen zu demüthigen und in Buße zu zerschmelzem als wenn Vermöge ihres Gewissens sind die Heiden ihnen selbst ein Gesetz. 15 ihm in seinem Gemüthe recht klar wird, wie geduldig ihm die göttliche Liebe bei alle seinem Undankbaren, groben und harten Wesen nachgegangen sei, um seiner nur mächtig zu werden. Kommt dann ein Mensch erst dazu, daß er über sein tiefes Verderben ein zerschla- genes Geniüth kriegt und des natürlichen Elends über- drüssig wird, so geht ihm erst die Kostbarkeit der Gnade Gottes recht auf, daß er dieselbe recht zu brauchen und zu genießen sucht, da vorher der rohe, ungebrochene Sinn im natürlichen Menschen alle Gnade auf Muth- willen zieht und sich derselben freventlich anmaßt als einer Schuldigkeit, die ihm Gott wohl geben müsse, er halte sich dagegen wie er wolle. (Berleb. Bib.) IN) Man hat geglaubt, hier auf eine große Schwierigkeit, auf einen scheinbaren Widerspruch zwischen unserm Ausspruch und der Lehre von der Rechtfertiguug durch den Glauben zu stoßen; man muß aber einen zwiefachen Begriff der Werke bei dem Apostel unter- scheiden, wenn man aus allem Wirrwarr der Meinungen herauskommen will, denn, gleichwie schon Christus in Joh. S, 29 den Glauben ein Gotteswerk nennt, welches die Gläubigen wirken sollen, so bezeichnet ihn auch Paulus in Phil. 1, 6 als ein gutes Werk und redet in l. Thess. 1, 3 von dem Werke des Glaubens. Die Richtung des Glaubens wie des Unglaubens hat nach ihm ihr antecedens (Vorangehendes) in dem Gegen- satz der Grundrichtungen, welche er in V. 7 und 8 schildert: die Einen sind in ihrer Gesinnung nach dem ewigen Leben Trachtende, strebende Seelen, Menschen der Sehnsucht, und ihre guten Werke, die sie thun, bekunden dies Trachten und Streben als ein anhaltendes, beharrliches; die Andern sind der Ge- sinnung nach zänkisch, selbst wenn sie eine orthodoxe Glaubensform bekennen, Menschen von Streitsucht beseelt und daran erkennbar, daß sie sich gegen die Wahrheit frech empören und Knechte der Ungerechtig- keit bleiben. Die Vergeltung aber, die beiden Arten zu Theil wird, richtet sich nach den Stadien, worin sie anlangen: als Suchende finden sie den Glauben und die Rechtfertigung des Glaubens, als Glaubende jagen sie nach dem Kleinod der himmlischen Berufung, strecken sich nach dem, was vorne ist, bis sie das Ziel der Vollendung erreicht haben. (Lange.) Der Apostel sagt hier nicht etwa, daß Juden oder Heiden ohne das Evangelium, indem sie sich aus eigener Kraft guter Werke befleißigen, Preis und Ehre und unver- gängliches Wesen erlangen, sondern er will ganz im Allgemeinen den Zustand solcher Menschen beschreiben, die sich auf dem Wege zur Seligkeit befinden, mögen sie Juden oder Heiden sein; er hebt bei dieser Be- schreibung die beharrliche Uebung guter Werke hervor im Gegensatz gegen die leeren Wortzänkereien und den anmaßenden Wifseiisdünkel unter den Juden und gegen ihre Werkgerechtigkeih die sich aus einzelnen guten Thaten ein bleibendes Verdienst zu erwerben meinte, vgl. Jak. 1, 22 ff.; 2, 14 ff.; Z, 13 ff. (v. Gerlach.) f) Nachdem der Apostel mit seiner bisherigen Aus- einandersetzung auf den Satz in V. 11 hinaus-gekommen, daß Gott einem jeglichen vergelten wird nach seinem Thun, hat er sich dadurch eruiöglicht, zweierlei Thun und zweierlei Vergeltung sich gegenüberzustellen, um nun von der Thatsache, daß nur nach dem Thun sich des Menschen Geschick so oder anders entscheiden wird, zu der andern fortzuschreiten, daß der Gegensatz, ob Einer dem naturwüchsigen Völkerthum, welches im Griechenthum zur Blüthe seiner Entwickelung gelangt ist, oder dem Volke des heilsgeschichtlichen Gebiets angehört, ohne Einfluß darauf ist. Es hätte Partei- lichkeit statt bei Gott, wenn das, was Juden und Griechen unterscheideh einen Unterschied hinsichtlich des Geschicks mit sich brächte, welches die Sünder betrifft; da nun der Unterschied zwischen ihnen, welcher für ihr Thun von Belang ist, darin besteht, daß sich die einen im Besitz einer göttlichen Ordnung ihres Verhaltens, eines Gesetzes befinden, und die andern nicht, so ge- staltet sich der Satz des 12. Verses, welcher die Ver- neinung göttlicher Parteilichkeit angesichts des Gegen- satzes von Juden und Griechen aufrecht erhält, zu einer Erklärung darüber, wie sich dieser Unterschied mit der Unterschiedslosigkeit der Bestrafung aller, die gesündigt haben, ausgleichen wird. Nur von der Be- strafung sagt hier der Apostel, nicht auch von der Be- lohnung, weil es dem Parteiischen näher liegt, den Sünder straflos, als den Guten unbelohnt zu lassen, und also die Unparteilichkeit Gottes überhaupt gesichert ist, wenn es für die Bestrafung keinen Unterschied macht, ob der Sünder Jude ist oder Griechex es wird aber keinen Unterschied machen, den ausgenommen, welcher dadurch gegeben ist, daß die einen ein Gesetz hatten, die andern nicht. (v. Hofmann.) Wo Sünde ist, da auch Strafe: das gilt gleichmäßig für Heiden und Juden; denn Gott straft die Sünder ohne Ansehn der Person. Die Heiden als Sünder nun werden verloren, die Juden als Sünder werden verur- theilt: beanspruchen· letztere einen Vorzug, so ist eben das ihr Vorzug vor jenen. (Philippi.) « H) Es steht nicht geschrieben, daß sie»das Gesetz völlig erfüllen können, noch weniger, daß sie durch ihr Thun des Gesetzes gerecht werden, sondern nur, daß sie von Natur thun des Gesetzes Werk, nämlich etliches von dem, was das Gesetz auch vorschreibr Die Heiden haben auch noch einen Sinn für Recht und Unrecht, Gut und Böse, Billigkeit, Ehre, Gerechtigkeit, Liebe, Treue, Wahrhaftigkeit, Gehorsam gegen die Eltern und Herren, Erhaltung des öffentlichen Friedens und der Ordnung, Verbot von Diebstahl, Ehebruch, Mord, Lüge, Meineid, wie man das alles in der Heiden Sittenlehren und bürgerlichen Gesetzen findet. Jndem denn diese Heiden von Natur thun des Gesetzes Werk, sind sie ihnen selbst ein Gesetz. (Wangemann.) Nicht so lautet der Satz, als hätten die Heiden statt des mosaischen Gesetzes ein anderes, sondern sie sind sich das, was der Jude hat, vernehmen also nicht blos das bei sich selbst, was dem Juden das Gesetz sagt, sondern sagen es sich selbst; denn soviel ein Anderes und soviel mehr ist es, sich selbst Gesetz sein, als ein Gesetz haben· Wer ein Gesetz hat, dem ist außer ihm selbst vorgeschrieben, was Gott von ihm fordere; wer dagegen sich selber Gesetz ist, der schreibt es sich selber vor, macht also den Willen Gottes zu seinem eigenen. (v. Hofmann.) HH Der in V. 12—16 entwickelte Gedanke enthält, allerdings unbeabsichtigt, nicht nur eine weitere Ent- wickelung von Kap. 1, 32., sondern vor allen Dingen eine Ergänzung von Kap. 1, 19 f. Natur- und Vernunft- offenbarung vermittelt den Heiden die Gottes- erkenntniß; zugleich aber haben sie eine, durch das ihnen eingestiftete sittliche Bewußtsein vermittelte Gesetzes- erkenntniß. Freilich sind beide durch die Sünde ver- dunkelt, doch sind auch ihre Reste hinlänglich, um sie vor Gott unentschuldbar zu machen: die zurückgebliebene Gotteserkenntniß straft ihren Götzendiensh die zurück- gebliebene Gesetzeserkenntniß ihr unsittliches Leben. lPhilippU 17. Siehe aber zu fwie es mit deiner ver- meintlichen Gerechtigkeit vor Gott V. 13 eigentlich bestellt ist]: du heißest ein Jude [und bist stolz daraus, dich so nennen zu können Gal. 2,»15; 16 Römer 2, 18—-29. Offenlu 2, 9], und verlässest dich aus-s Geseh sals auf einen sicheren Stab und eine helle Leuchte auf dem Lebenswege Pf. 23, 4; 1l9, 105] und rühmest dich Gottes [im Gegensatz -zu den Heiden, die ohne ihn sind Ephes. 2, 12], 18. Und weiht feinen Willen, und weil du aus dem Gesetz unterrichtet bist, prüsest du, was lin den jedesmaligen Lebensverhältnifsen von dem, das zur Wahl vorliegt] das Beste zu thun sei [Phil. l, 10]; 19. Und vermissest dich [traueft dir zu] zu sein ein Leiter der Blinden, ein Licht derer, die in Finsternis sind, 20. Ein Zitchtiger der Thörichteu sErzieher der UnverständigenL ein Lehrer der Einfliltigen [was alles ja im Vergleich mit dir die Heiden in göttlichen Dingen allerdings sind Jes. 42, 6 s.], hast die Form, was zu wissen und recht ist seinen zutreffenden Abdruck religiöser und sittlicher Wahr- heit] im Gesetz [Sir. 24, 1 ff.]; 21. Nun lehrest du Andere, und lehrest dich selber nicht sdas ist denn der Fehler, um dessent- willen es mit aller dieser deiner Gerechtigkeit nichts ist]. Du predigest, man solle nicht stehlen, und du ftiehlst [befonders durch Uebervortheilung im Handel l. Thefs 4, 6; Jak. 4, 13]. 22. Du sprichst, man solle nicht ehebrechcn, und du brichst die Ehe [Joh. 8, 11 Anm.]. Dir greuelt vor den Götzen [du bezeichnest sie als einen Greuel 2. Kön. 23, 13; l. Mace. 6, 7; Hef- 20, 7], Und ranbest Gott sden du dagegen als den Einen wahren Gott bekennst Jak. 2, 19], was sein ist lwenn es sich um pflichtmäßige Tempel- abgaben handelt Mal. l, 6 ff; s, 8 ff.]; 23. Du rühmest salso zwar] dich des Gesetzes sals einer Krone oder Perle, die vor allen Völ- kern der Erde dich schmücke Baruch 4, 3], und schandest [gleichwohl] Gott durch Uebertretung des Gesetzes [vgl. Pf. 50, 16 sf.]; · 24. Denn eurethalben [heißt es ja» in Be- ziehung auf euch»Juden bei den Propheten] wird Gottes Name gelastert unter den Heiden, als sin Jes. E·)2, 5 u. Hes. 36, 20 ff.] geschrieben stehet [1. T1m. S, l; 2. Petri 2, 2]. Was der Apostel in V. 17——20 von den Juden sagt, schließt vorerst noch keinen Tadel ein: es ist nichts Unrechtes, daß er seinem Personennamen den Namen des Volks beigiebt, dem er angehört, da er wohl Ur- sache hat, sich dessen zu freuen, daß er ein Jude ist; es ist auch mchts Unrechtes, daß er sich auf das Gesetz, verläßt und stützt, das er hat, da es ihn allerdings der Unruhe überhebt, erst suchen zu müssen, was Gottes Wille und welches die rechte Ordnung menfch- lichen Genieinlebens sei; ebenso kann er Gottes sich rühmen, als der ihn hat und kennt, während die Heiden ohne Gott in der Welt sind; er kennt den Willen, nämlich den für die Menschen maßgebenden, und prüft nach ihm, was anders und verschieden von ihm ist (so nach einer andern Erklärung des betr. Wortes im Grundtext, als die der lutherischen Ueber- setzung zu Grunde liegt), beides auf Grund dessen, daß er seinen Unterricht aus dem Gesetz empfängt, das ihn lehrt, was gewollt, und das ihn würdigen lehrt, was hiervon verschieden ist. Warum sollte er sich aber dann nicht zutrauen, daß er die Blinden den Weg führen könne, den sie nicht sehen, und es bei denen licht machen könne, die im Finstern sind, daß er die, welchen der Verstand von Gut und Böse fehlt, zur Verständigkeit erziehen, die Unmiindigen, also noch Urtheilsunfähigem in der ihnen mangelnden Weisheit zu unterrichten vermöge? Er besitzt ja wirklich damit, daß er das Gesetz hat, die Ausgestaltung der Einsicht, welche ihn zum Erziehen, und der Wahrheit, welche ihn zum Belehren in Stand fetzt. Alles dies schließt an und für sich selbst weder fleifchlichen Hochmuth ein, noch Proselytenmacherei; aber schlimm ist es, wenn er, wie der Apostel in V. 21 u. 22 dann fortfährh zwar Andere lehrt, sich selbst dagegen nicht, wenn er predigt: »du sollst nicht stehlen«, und selber stiehlt, wenn er lehrt, daß Ehebruch verboten ist, und selbst die Ehe bricht, wenn er die Götzen für Greuel achtet, als ob ihm der Dienst seines Gottes heilig sei, dabei aber das Heiligthum dieses Gottes beraubt, indem er es an dem verkürzt, was er ihm schuldet. Jn B. 23 u. 24 nun faßt Paulus den Inhalt der beiden Hälften des bis hierher reichenden Vordersatzes in einen, aus ihnen sich ergebenden zweitheiligen Nachfatz zusammen, wel- cher dem Angeredeten zu bedenken giebt, wozu es ihm in Wirklichkeit dient, daß er ein Gefetz hat: er rühmt sich dessen, daß er ein Gesetz hat, aber durch seine Uebertretung desselben schändet er den Gott, dessen Gefetz es ift,« so daß dessen Name, wie mit Schrift- worten und unter ausdrücklicher Hinweisung auf die Schrift hinzugefügt ist, durch Schuld derer, die sein Volk sind, unter den Heiden gelästert wird. (v. Hof- mann·) Der Apostel zeihet die Juden einer dreifachen Schuld: l) daß sie entehren; L) daß sie durch das- jenige entehren, womit sie geehrt find; 3) daß sie denjenigen entehren, der sie geehret hat. (Chryfofto- mus.) Der Propheten Klage über das Verderben der Kirche zum Schauspiel der lästernden Welt läßt sich in allen Zeiten jammernd hören aus dem Munde treuer Zeugen. Jm 5. Jahrhundert schon mußte Salvianus klagen: »Durch uns leidet Christus Schmach, durch uns wird das Evangelium verlästert, da- die Heiden sagen: Siehe, was für Leute es sind, die Christum verehren! Wie könnte der Meister gut sein, der so schlechte Jünger hat? Siehe an, wie die Christen handeln, und schließe daraus, was Christus lehrt« Wie wörtlich wahr das prophetische Klagewort heu- tigen Tages wird, ach, das zeigen vieletausend mit abtrünnigen Christen bemannte Schiffe, die in die Häfen der Heidenländer einlaufen, und daß dennoch Heiden sich bekehren mögen, die das gütige Wort von uns ungütigen Leuten hören, ist-eine desto herrlichere Gnade des HErrn, der einst jenem Sachfenfürften das Herz rührte, daß er auf seiner Flucht vor seinen fran- kifchen Verfolgern, indem er in die Wefer sich stür te, ausrief: »von den Christen fliehe ich zu dir, H rr Jesu Christi« (Besser.) Darum soll ein Christ billig also leben, daß er doch Gottes und Christi Ehre schone, damit nicht sein Name geschändet werde und die Schuld tragen müsse deß, das er thut. Wie denn der Teufel sammt der Welt alles, was er kann, zu Unehre und Läfterung Gottes treibt, damit er nur feinen bittern Haß wider Christum und sein Wort erzeige und der Kirche Schaden thue durch Aergerniß, beide, die Ungläubigen vom Evangelio abzufchrecken und die Schwachen abfällig zu machen. Dem zu Jn welchem Falle die Beschneidung Vorhaut wird, die Vorhaut aber für Beschneidung gerechnet. 17 wehren, sollen die Christen desto fleißiger sich hüten, daß sie mit ihrem Leben kein Aergerniß geben und ihres Gottes und HErrn Namen ihnen lassen lieber sein, denn daß sie wolltenjhn verlästern lassen, so sie um desselben willen auch« ihre eigene Ehre, Gut, Leib, Leben lassen sollen, weil sie daran ihren höchsten Schatz und Seligkeit haben. (Luther.) « 25. Die Beschneidniig [auf welche ferner du dich verläßt und deren du dich rühmst V. 17] ist wohl nutze [vgl. Kap. 3, 1 ff.], wenn du das Gesetz haltst szu dessen Beobachtung dieselbe dich ver- pfl1chtEt»Gal- 4. »4; 5, 3]; hältst du aber das Gesetz nicht, so ist deine Beschneidung schon eine Vorhaut worden sdaß du auf eben der Linie stehst, aus welche du die für verabscheuungs- und ver- dammungswürdige Sünder geachteten Unbeschnit- tenen Heiden stellst]. 26. So nnn swas vielsach ja vorkommt P. 29] die Vorhaut sein in der Vorhaut befind- licher, unbeschnittener Heide] das Recht im Gesetz sdessen Rechte oder Satzungen] hält, meinest du nicht, daß seine Vorhaut werde sur eine Beschnei- dung gekechtiets [und nun er in diejenige Stelle eintritt, welche du vermöge des Bundeszeichens, das du an deinem Leibe trägst, bei Gott ein- nehmen solltest Matth. 3, 9; 8, 11 f·]? 2·7. Und wird also, das von Natur eine Vor- haut ist [der, welcher von Geburt her und nach Nationalität zu den Unbeschnittenen zählt] und ldvch» von Natur V. 141 das Gesetz vollbringet ssoweit ihm das möglich], dich richten sindem er mit eben dieser seiner Gerechtigkeit als Zeuge wider dich auftritt, wie verdammlich deine Un- gerechtigkeit sei], der du unter dem Vuchstabeii seines positiven Gesetzes] und [unter dem Bundes- zeichen der] Beschneidung bist sso daß, was gethan werden soll, du geschrieben vor dir haft, und nun auch« wirklich es zii thun eine so ""heilige Ver- pflichtung und dringende Mahniing beständig mit du: fUk)ritJ- Und [gleichwohl] das Gesetz übertrittstft 28. [Jn diesem Falle nun, daß du ein Ge- setzesübertreter bist und es bleiben willst, höre denn auf, deines Juden-Namens V. 17 und deiner Beschneidung V. 25 dich zu rühmen und den Heiden gegenüber darauf stolz zu sein.] Denn das ist nicht ein Jude lim wahren Sinne des Worts, das da bedeutet: »der HErr sei gepriesen-«, Vgl— V- 23 f.], der answendig [nach Abstammung und Nationalität, sowie in Tracht und äußerer Lebensführung] ein Jnde ist, auch ist das nicht eine Beschneidung [die der Meinung Gottes bei diesem Bundeszeichen für sein Volk eiitspricht], die· answendig snämlichs im Fleisch geschieht ses lediglich bei» dieser äußerlicheii Beschneidung Ephes Z« U; PhiL Z, 2 f. bewenden läßt]; 29. Sondern das ist ein srechter Joh. 1, 471 Sude, der inwendig verborgen ist [1· Petri 4], ; Dächsel’s Bibelwerb V1I. Band. 2. Aufl. und die Beschneiduiig des Herzens swie schon Moses und die Propheten sie gefordert haben b. Mos. 10, 165 Irr. 4, 4] ist eine Beschneidung srechter Art, indem sie eine solche ist], die im Geist und nicht im Buchstaben geschiehet salso geistlichen und nicht rein mechanischen Charakter an sich trägt]: welches [d· i. eines also beschnittenen Juden] Lob ist nicht ans den Menschen [die allerdings nur auf das sehen, was vor Augen ist, iini darnach Jemand zu ehren V. 28; Joh b, 44; 12, 43], sondern aus Gott«« sder allein das Herz ansiehet 1. Sam. 16, 7; Pf. 7, 10]. is) Nachdeni bisher nur vom Gesetze die Rede gewesen ist, dessen Vesitz den Juden von dem Nicht- iuden unterscheidet, so läßt sich der Apostel nun auch auf den andern Unterschied ein, welcher darin besteht, daß der Jiide beschnitten und also ein Angehöriger der Gemeinde Gottes ist, welche die Beschneidung alles Männlichen zu ihrem gottverordneten Unterscheidutigs- zeichen hat (l. Mos. l7, 7ff.); und zwar läßt er sich in der Art auf ihn ein, daß er zunächst anerkennt, be- schnitten zu sein habe im Falle der Gesetzeserfüllung allerdings feinen Nutzen Welchen Vortheil Beschnittem heit in diesem Falle gewähre, wird hier nicht ausge- führt, es versteht sich vorerst von selbst, da mit der Zugehörigkeit zum Volke der Beschneidung die Be- theiligung an alle dem gegeben ist, was diesem Volks- thuni heilsgeschichtlichermaßen eignet; die Rede geht vielmehr gleich auf den andern Fall über, daß der Angeredete ein Gesetzesübertreter ist, um ihm zu sagen, wie es dann um seine Beschnittenheit steht. Hier heißt es nun aber nicht, sie sei ihm nichts nütze, sondern sie sei Unbeschnittenheit geworden: er hat sich darum gebracht, ein Angehöriger der Gemeinde Gottes zu] sein, als den ihn seine Beschnittenheit bezeichnen und also freilich auch um den Vortheil gebracht, den die Beschnittenheit gewährt. Von dem Unbeschnittenen dagegen, bei welchem der Apostel den Fall seht, daß er das beobachtet, was laut des Gesetzes von Gottes- wegen Rechtens ist, sagt er nicht, daß sie Veschnittenheit geworden sei, sondern daß sie dafür werde geachtet werden; denn er wird nicht durch seine Erfüllung des Gebotenen ein Glied der in Volksgestalt lebenden Ge- meinde Gottes, wohl aber kommt er bei Gott so zu stehen, als ob er es wäre. (v. Hofmannh In der Formel: »für Beschneidung gerechnet« ist eine Be- ziehung auf das ,,zur Gerechtigkeit gerechnet« in Kap. 4, 3 unverkennbar: was sie nicht haben, wird ihnen angerechnet, als hätten sie es. Der Grund dieses An- rechneiis ist der: sie haben zwar das Zeichen nicht, dafür aber den Keim des Wesens, nämlich den Bund eines guten Gewissens mit Gott, welchen sie nach der geringen Erkenntniß, die sie von Gott haben, treu halten; deshalb können sie ohne Unwahrheit angesehen gierden als solche, die auch das Zeichen haben. (Qls- ausen. Wenn semand allein im Vertrauen auf das Wasser der Taufe meinen würde, er sei gerechtfertigt, als ob schoii durch jenes Werk die Heiligung vollbereitet sei, so müßte man ihm das Ziel der Taufe entgegen halten, nämlich, daß uns Gott durch sie zur Heiligung des Lebens ruft. Wir schweigen hier von der Verheißiing und Gnade, welche uns die Taufe bezeugt und be- siegelt; denn wir haben es hier niir mit denen zu thun, welche mit dem leeren Schatten der Taufe zufrieden sind, dagegen ihr wahres Wesen übersehen und nicht eiswägein (Ealviii.) 2 So kann man auch von unsrer Taufe reden; 18 Römer . sit) »Was in diesem Verse gesagt wird, enthält eine, die Bexahung der im vorigen erse ausgeworfenen gkrakiäpvarcliulssetzeiåge Folgeränxlzlxt das; fizstdesæswfogaxf er o e inau ommen o e, a ie ee e- erfisillung des Heiden zum thatsächlichen Gericht über den srisidikschsnGesetzesygbsecrljtretgr wird. Weihe ditis ,,seixeVorha1sit ir ur eine e nei ung gere ne wer en« au - sagte, was in dem Falle, daß der Heide das Gesetz erfiiljlvh süirckshnchstelbst gchwerågisbzi dso sagt fnun Las ,,er ir i ri en« au , a i arau ür en Juden ergiebt, der als Gesetzesübertreter sich darstellt. N. tHoftröianiåhs GWsaxns ävizeritkendvdie bHgifiteiti, die« Ton aur un e ee e er, ieun u erigenJu en richten? Nicht allein und nicht erst am jüngsten Tage, sondern schon xetzt ist jeder gottesfürchtig« und gar jeder bekehcrte Heide ein leibhaftiges Gerichtsdecret Ylgtetnszizn gulåenftdcekitc bei arger Begtnadszgåingt sich gegen e nae ero .— iegu en rienweren die bösen Engel richten (l. Cur. 6, 3); aber die bösen Chiåisten werdegi selbg von den Juden und Heiden ver ammet wer en. ( uesnel.) Ebenso wie Paulus hier, spricht Christus zu den Juden, wie auch zu den Ytslästen Chsrtisltjemwdide Leim? xoä wedrdån dim ei eau een ier iee e e un eren es verdammen; die Königin des Mittags wird auf- tretkfn im Gzecht lsvider diesfies Geschlecht und wird es ver ammen att . 12, 41 .). Its) Der Apostel schließt seine Polemik gegen den eitlen Stolz der Juden und ihr falsches Vertrauen mit grundsätzlichen Bestimmungen, welche derselben eine feste Unterlage geben, und scheint in dem Satze, womit er endigt: »Welches Lob ist nicht aus Menschen, sondernd ausNGottE eine Anspielung cguf die Avsta;n- mung es aniens ,- ude« oder , uda« (vgl. ie Bem. zu Esra I, 11),«Fwie sie ausML Mos. 29, 35; 49, 8 ersichtlich, zu liegen. (Maier.) Nicht, der es augenfälliger Weise ist, sagt der Apostel, nicht er ist Jude- und nicht, die es augenfälliger Weise, am Fleische ist, nicht sie ist Beschneidung, sondern der Fug-e, desrscefsyveäboriggngr Wgsksefsstzsdefisig gutes; un eine e» nei ung e erzen ra ei e ni Buchstabens; dieist Beschneidung. Damit sagt e«r aber nicht, daß die äußere Beschneidung etwas Untgesentliches sei oder daß es beimJudeiithuni nur auf das Jnnere an- komme, sondern daß der Jude das, was dieser Name in seiner eigentlichen Wahrheit besagt, nur dann ist, wesirzi er es) ihnsiterlich rånd ddaß Cksie Besdchnecigdung we e wa r a zum ie e er emein e ottes macht, eine Beschnittenheihrcdes Herzens ist, deren Her- sssslsungs kgisscheixeå» geschrieglend vorliegzenstecktji v(:51k- ge ie , e iner am n ern au eri - bringt, sondern kraft Geistes, welcher in seiner wirk- samste Lsecgendigsgit Juki; wccis Zr will,» sejsbsst aussSwirkt im en en. in o er Ju e ein in ie em inne Veschnittener ist es, der ein Lob «hat, welches ihm nicht von Nienschen kommt, sondern von Gott: mit diesem Satze schließt der Apostel, weil es ihm mit allem, was er in Betreff der Beschnittenheit gesagt hat, nur um die Thaisache zu thun war, daß die außerliche Be- sochnittgnhtelitkzakeekjmgge deren» Jjsvudä cktwas båiikcsjrost orau z einen mo e ie ie er au e- wegen bei Seinesgleichen gilt, ati dem göttlichen Urtheil über seine Gesetzesiibertretung nichts ändert. (v. Hof- mann.) Es ist mit der Taufe eben nicht anders, und wahrhaftig» in» dem Wahrhaftigem wyenmman davon in der Gleichformigkeit also spricht: nicht ist dieses die Taufe, die auswendig im Fleisch und Buchstaben ge- schieht, sondern die Taufe in Jesum Christ und seinen Tod, die inwendig im Geist undWahrheit geschieht. Wenn man wissen will, wer ein rechter Christ sei, Z, 1——6. so darf man nur nach dieser Richtschnur gehen: nicht ist das ein Christ, noch evangelischer Bekennen der da äußerliche Formeln annimmt, sondern der inwendig verborgen ist und es im Grunde sucht vor Gottes Augen. Es ist aber betrübt, daß so viele Seelen an dem äußeren Menschenwerk hangen, da doch die Nach- folge Jesu auf nichts als auf das innere wahre und bleibende Wesen abzweckt; sie suchen mit ihrem Aeußer- lichen etwas Menschliches auf menschliche Weise, allein die Sache soll geistig und göttlich sein. (Berleb. Bib.) Das 3. Kapitel. Die cgereahiigkeit kommt aus dem glauben. s. V. 1——20. Nachdem der Apostel in den beiden vorigen Abschnitten den Ruhm der Heiden nnd der Juden zu nichte gemach! und ihre gänzliche Bediirftigkeit einer bessern Gerechtigkeit, die auch vor Gott gilt, bewiesen hat, hätte er nun zur Darlegung dieser Gerechtigkeit nnd also zur Auseinandersaltung seines grossen Haupt- gedankens sortschreiten können. Zuvor aber begegnet er noch einem Einwurf, weliher ihm durch Misldecituiig seiner Bekämpfung des hochmülhigen Vertrauen-«- der Juden auf Gesetz und Beschneidung gemacht werden konnte, was ihn zugleich veranlapk die wirklichen hohen Vorzüge des auserwählten Volks in ihrem Hauptpunkte hervorzukehreii (V. 1—8); alsdann saht er noch einmal das Resultat seiner Darlegung des Siindeiiuerderbens bei Heiden und Juden zusammen und fchuldigt die ganze natürliche llkeiischheit des gänzticheii Mangels an wahrer Gerechtigkeit, was er endlich noch durch Aussprliihe des alten Testamenls beweist (V. 9—20). 1. Was haben denn swemi die Sache so steht, wie im vorigen Abschnitt behauptet wurde] die Juden Yortheils [vor den Heiden voraus]? Oder was nuxzet die Beschneidung-« [die sie von jenen unterfcheidet]? · 2. Zwar fast viel« sd. i· in Wahrheit sehr viel 1, Kön. 8, 13 u. Ins. 13, 1 Anm., in jeder Hinsichts ZUFU ersten [um alle ihre Vorzüge, wie ich später sie einzeln anführen werde Kap. 9, 4 s., hier in eine Gesammtsumme zusammenzufassen]- thnen ist [als ein wohl zu verwahrender und gut zu verwaltender Schatz Gal. 2, 7; 1. Tim. 1, 11] vertrauet, was Gott geredet hatt« salle heils- geschichtliche Offenbarung Gottes bis in die Zeit des neuen Testaments herein Hebn 1, 1f.; 2, jf.2;z]sps. 147, 19 f.; Apostg. 10, 36 sf.; Joh. « 3.« Daß aber etliche [und zwar ein, im Ver- hältniß zu den wenigen Andern ziemlich großer Theil des auserwählten Volks Kap. 11, 17] nicht glauben an dasselbige sbesonders was die neu- testanientliche Heilswahrheit betrifft, gegen die sie sich geradezu verstockt haben Katz. 11, 7], was liegt daran? sollte ihr Unglaube sdurch den sie sich als ungerechte oder treulose Haushalter des anvertrauten Schatzes bewiesen] Gottes Glauben sdaß er seinerseits treulich gehalten, wozu er sich in seinem Wort verpflichtet hatte] aufheben? Anerkennung des Vortheils der Juden und des Nutzens der Beschneidung. 19 4. Das sei ferne! Es bleibe vielmehr also [komme auf das hinaus, was bald anfangs vorausgesehen und zuvor fchon bedacht war, ehe es nun auch sich erfüllt hat Pf. 116, 11], daß Gott sei wahrhaftig fseinen Worten allezeit treu bleibend] und alle Menschen fihm gegenüber das Gegentheil von Treue in der einen oder andern Weise an den Tag legend] falsch; sda stellt sich die Sache nun so] wie [in Pf. 51, 6] geschrieben stebtzAuf daß du gerecht seiest in deinen Worten, Und uberwindest fals Sieger ausgehest], wenn du gerichtet wirst-f— svon den Menschen, die bald dieses, bald jenes Unrechts dich zu beschuldigen wagen]. f) Von dem Hauptgegenstande der Abhandlung kommt der Apostel in V. 1—8 auf einige Zwischeisp erörterungen. Jm Vorhergehenden hat er den Werth und die Geltung vor Gott ausschließlich von der sittlichen Gesinnung und dem sittlichen Streben abhängig gemacht, und in Ansehung dieses Maßstabes den Juden und Heiden einander ganz gleichgestelltx es war aber von jüdischer Seite das Mißverständniß zu befürchten, als ob er mit seiner Gleichstellung des Juden und Heiden jeden Unterschied zwischen Juden- thum und Heidenthum aufhebe, daß er dem ersteren allen Vorzug und Auszeichnung vor dem letzteren ab- spreche. Was die Beschneidung insbesondere betrifft, so hat er ihr in Kap. 2, 25 zwar ausdrücklich einen Nutzen zuerkannt; aber es konnte scheinen, daß die nachfolgenden Sätze das Zugeftandeiie wieder aufheben möchten. Solche Mißverständnisse, welche ihm den Vorwurf der Verachtung der göttlichen Gnaden- erweisungen und Institutionen in Israel zuziehen konnten, glaubt er nun durch bestimmte Erklärungen abwenden zu müssen; er gebraucht die dialogifirende Redesorm, wodurch der Vortrag an Lebendigkeit ge- winnt. (Maier.) sit) Obgleich den ungehorsamen Juden seine Be- schneidung nicht selig macht, obgleich der gläubige Heide trotz der mangelnden Beschneidung selig wird, hat Jsrael doch mancherlei Vorzüge. Der geordnete Gottes- dienst, die Erziehung in der Erkenntniß Gottes, mancher- leispezielle Gnadenerweisungen Gottes an Jsrael, die Erinnerung an die Geschichte des Bundesvolks, der tägliche Gebrauch der Gnadenmittel waren für Viele ein Mittel zur Bekehrung. Obgleich nun also allezeit der Unterschied geinacht werden muß zwischen dem, was wir an Gnadenerweisungen Gottes geschenkt er- halten, und dem, was wir werth sind, und obgleich es nicht genug ist, daß die Gnadeninittel an uns arbeiten, sondern vielmehr erst die Frucht dieser Arbeit an uns heilbringend ist, so ist doch schon das Vorhandensein der Gnadenmittel, abgesehen von unserer Herzens- stellung zu ihnen, ein großer Vorzug. So ist’s auch ein großer Vorzug, in ein-er christlichen Gemeinde ge- boren zu sein und aufzuwachsen, obschon wir dadurch allein nicht feli werden. (Wangemann.) ·««·’««««) Was aulus alles im Sinne haben konnte, zeigt er in Kapz O, 4f.; hier aber lag es von vorn- herein außer seinem Gedankengang und Zweck, etwas Weiteres, als nur den einen Vortheil anzuführen, daß den Juden vertrauet ist, was Gott geredet hat. (Lange.) Gottes Wort ist Jsraels Brautschatz, und nicht übel sagen die Rabbinem die Kinder Israel hätten am SinaiKränzlein auf den Häuptern getragen, weil allda Gott sie sich angetraut habe zum Eigenthumsvolke durch sein Wort· Daß Paulus insonderheit das Wort der Verheißung meint, die ,,freundliche Gottesrede zu trostbedürstigen Sündern« (Jes. 40, 1. 2), zeigt der folgende Vers, wonach das Wort Gottes sich-dem Glauben der Juden darbeut: wahrlich viel ist ihnen vertraut, weil ihnen dies Eine vertraut ist! (Besfer.) f) Wir sollen diese Worte: »auf daß du Recht be- haltest in deinen Worten« unserm eigenen Herzen und Gewissen vorhalten: denn es bleibt noch in unserm Herzen ein stark Widersprechen und Kampf wider Gott und sein Wort, daß wir nicht gerne Sünder und ungerecht, sondern fromm und heilig sein wollen. Wider solche gefährliche Gedanken sollen wir fest jechten und streiten, und glauben, daß wir Sünder find, welche doch Gott für seine lieben Kinder wolle halten und annehmen, allein, wo sie von Herzen erkennen und»be- kennen, daß fie Sünder und verloren sind und seiner Gnade und Hilfe begehren; denn durch folch Bekennt- niß, dadurch sich der Mensch selbst zu Schanden macht, seine Wunden, Krankheit und Gebrechen dem Arzte zeigt und offenbart, folgt diese Frucht daraus, daß Gott dadurch geehrt und gepreifet werde, und daß er sein göttlich Amt, das ihm allein zusteht, an dir be- weise, nämlich daß er als der rechte Arzt dein ver- wundet, krankes, schwaches Herz und Gewissen verbinde und heile. (Luther.) Z. Jsks aber also [hat es mit dein, was in V. 4 gesagt wurde, seine volle Richtigkeit], daß [nämlich, wie an dem Beispiel der ungläubig gebliebenen Juden sich zeigt] unsere [der Menschen] Ungerechtigkeit Gottes Gerechtigkeit preiset sin desto helleres Licht stellt, indem sie dieselbige in ihrer ganzen Größe und Herrlichkeit erkennen läßt] was wollen wir sagen* fwelche Folgerung könnte daraus der, mit welchem wir’s hier zu thun haben, der ungläubige Jude V. 3., für sich etwa ziehen Kap. B, I; 7, 7; 9, 1419 Jst denn Gott [wenn wir diese Folgerung uns Vergegen- wärtigen, nach der ihn: vielmehr menschliche Un- gerechtigkeit lieb sein müßte, weil sie ja zur Ver- mehrung seines Ruhms für ihn ausschlägt] auch sselber] ungerecht, daß er darüber fwas der Mensch Ungerechtes thut] ziirnet? Jch rede also [wenn ich eine solche, an Gotteslästerung ftreifende Frage jetzt aufwerfe] aus [der] Menschen Weise« sdie oft genug sich nicht scheuen, Gottesläfterliches zu sagen oder doch bei sich zu denken, wenn nur das, was sie sagen oder denken, einen Anhalt zu zu ihrer Selbstrechtfertigung zu biet-en scheint]. 6. Das sei [jedoch, was ich da, lediglich um der Menschen Thorheit an den Pranger zu stellen, ausgesprochen habe] ferne! Wie könnte sonst Gott [wäre es von ihm ungerecht, seinen Zorn über alles gottlofe Wesen und Ungerechtigkeit der Men- schen zu verhangen] die Weit richten [wie ihr ungläubigen Juden das doch in Beziehung auf die Heidenwelt mit so großem Nachdruck von ihm behauptet, auf solches sein Gericht eure nationalen Hoffnungen gründet und darum es herbeiwünscheh auch wohl selber es herbeizu- führen fucht]? OF« «« 20 » Römer Z, 7——20. 7. sOffenbar könnte ja der Heide nun gleich- falls Gottes Gericht von sich ablehnen.] Denn [jene Folgerung auch zu seinen Gunsten geltend machend, könnte er sagen:] so die Wahrheit Ghi- tes sdafz er allein Gott sei] durch meine Luge [des Götzendienstes Kap. l, 25] herrlicher wird zn seinem Preis lso daß er auf der Folie dieses Gegensatzes nun erst recht als Der erscheint, der er ist Pf. 115, 3 ff.], warum sollte ich denn noch [wie bisher von euch Juden mir geschehen ist Gals Z, 151 als ein Sünder gerichtet werden?"* 8. Und [warum, wenn die Folgerung V. 5 nicht von Haus aus verwerslich, sondern irgend wie zutreffend wäre, sollten wir Menschen über- haupt, gleichviel ob Heiden, Juden oder Christen, in sittlicher HinsichtJ nicht vielmehr also thun, wie [insonderheit] wir svom jiidischen Gesetz unab- hängig uns haltenden Christen von den Juden] gelästert werden und wie [auch] etliche svon den uns feindselig gesiunten Judaisten] sprechen, daß wir sich, Paulus, und meine Glaubensgenofsen] sagen sollen [vgl. Kap 6, 1 ff.]: Laßt uns Uebels thun, auf daß Gutes daraus komme? Welcher Ver- damtnnißswenn wirklich solche unter uns sein sollten, die das sagten] ist ganz rechts— V) Es ist das eine, aus der rabbinischen Dialektik entlehnte Formel der Besinnung über eineSchwierigkeit, ein Problem, bei welchem die Gefahr seiner falschen Eonsequenz vorliegt; der Apostel setzt voraus, daß ein ungläubiger Jude aus dem von ihm aufgestellten, durchaus richtigen Satze, daß unsre Ungerechtigkeit Gottes Gerechtigkeit preise, eine Folgerung einwenden könne, er macht aber den Einwand selbst. (Lange.) »Es) Mit diesen Worten entschuldigt der Apostel gleichsam die auffallende Rede und weist jene gottes- lästerliche Folgerung zurück; »auf Menschen Weise« heißt nach der Weise von 9Jienschen, die sich selbst, ihrer Schwachheit oder den Trugschlüssen ihrer, durch die Sünde verfinsterten Vernunft überlassen sind. (von Gerlach.) Daß durch unsere Sünde Gottes Name gepriesen wird, ist nicht Werk des Menschen, sondern Gottes, welcher als ein bewundernswerther Künstler unsere Bosheit zu unterdrücken und anderswohin zu wenden verstehet, so daß er sie neben dem-von uns beabsichtigten Ziele vorbei zur Vermehrung seines Ruhmes verwendet. Uns hat Gott die Art vor- geschrieben, wie er von uns verherrlicht sein will, näm- lich Frömmigkeit, die auf dem Gehorsam gegen sein Wort beruht. Wer diese Grenzen überspringt, will Gott nicht ehren, sondern vielmehr schänden. Wenn aber dieser sein Wille einen andern Ausgang hat, so ist es der Vorsehung Gottes zum Ruhm anzurechnem nicht der Bosheit des Menschen, bei welcher es nicht steht, Gottes Majestät zu zerstören oder zu verletzen. (Calvin.) IN) Das Unstatthafte der obigen Frage (V. 5): ,,ist denn Gott auch ungerecht, daß er darüber zürnet (genaner: ist Gott etwa un erecht, daß er Zorn ver- hängt)?« beweist Paulus D. 6) aus der von allen Juden anerkannten Wahrheit, daß Gott die Heiden- welt (Kap. 11, 1·2; l. Cor. 1, 20 f.) richten werde; dies sei aber unmöglich, wenn daraus, daß der Men- schen Ungerechtigkeit Gottes Gerechtigkeit erhöhe, folgen sollte, daß er die Sünde nicht strafen könne. Auch der Heide könnte dann sagen (V. 7): ,,auch meine Sünde hat Gottes Gerechtigkeit verherrlicht, wie kann ich denn als Sünder gerichtet werdens» (Olshausen.) f) Die indirekte Bestreitung der Folgerung der Juden Bot? einem rccleuen Argumente fortgesetzt: es wür e iee e, als ri jtig angenommen, zu einer Maxime führen, welche alle Moral aufhebt, alle Sitt- lichkeit vernichtet. Wenn nämlich das Böse wegen eines guten Erfolgs seine Natur, sein Wesen als Böses verlöre und somit aufhörte, strafbar zu sein, so könnte Pakt auch den Grundsatz aufstellenå thxkte ifmrtåerhis d? öe, wenn es zu einem guten we e ör erli i . Die Redeform ist wieder fragend, der Fragende ist aberNnicht mjehr Zier ssigheide ibn 7., sondern Pllaulus im amen er en en ü er aupt« nun wo te er schreibeåizCyund åvarum golltenrgwir sgichtEUebels thun, auf da utes araus omme « ie rinnerung an die boshafte Verdrehung seiner Lehre von Seiten der Juden und Judaisten aber veranlaßt ihn zur Ein- schaltung eines Zwischensatzes: ,,wie wir gelästert werden und wie etliche sprechen, daß wir sagen sollen.« Wahrscheinlich sind es Süße, wie die in Kap. Z, 20 u. Gal. 3, 22., welchen die Widersacher den Sinn unterlegten, als ob Paulus damit solchen unsittlichen Grundsatz lehre; da spricht er nun, um ihn entschieden von sich abzuweisen, das Verdammungsnrtheil über diejenigen, die den in Rede stehenden Grundsatz an- Empfshlfjenf lokPerL izarnach handeln dwtkllsltkfm l Gäiasierh sit iee e äterung, welche ere e ate «äter- teufel damals den Aposteln aufgebürdet hat, die noch oft gegen die Lehre von der Gnade Gottes geführt und diese also mißdeutet wird, als lehre man die Leute freventlich sündigen, daß Gott durch der Sünden Ver- gebung hochgepriesen werde. (Spener.) 9. Was sagen wir denn nun [um nach den Zwischenerörterungen in V. 2——8 auf die Frage in V. 1 zurückzukommen]? haben wir lJuden vor den Heiden] einen Vortheil sin Ansehung unserer Person, daß wir dem Gerichte Gottes gegenüber besser daran wären als sie]? Gar keinen sso ist aus solche Frage zu«antworten]! Denn wir haben droben sm Kap. 1, 18 ff. u. 2, 1 ff.] beweisen dialß, bteidekd Juign srznisft]Grdiechckä» sgdevrsi Feiikgm aeuner er err a er Une n er sie, selbst die Bessern unter ihnen, sich nicht völlig entschlagenkönneiy so daß sie nun auch alle des göttlichen Zornes und Gerichts sich schuldig be- kennen müssen]; 10. Wie denn sdiese meine Behauptung nichts Neues, etwa von mir erst Erfundenes aufstellt, sondern davon in der ganzen Schrift-des alten Testaments schon] geschrieben stehtt sso zunächst in Pf. 14, I ff. u. 53, 2 ff. heißt es]: Da ist nicht, der gerecht svor dem vom Himmel schauenden und die Menschenkinder prüfenden Gott] sei, auch nicht Einer svielmehr hängt die Jrreligiosität und Jmmoralität ihnen insgesammt irgendwie an]. 11. Da ist nicht, der verständig sei [im Denken und Handeln Einsicht bewahre]; da ist nicht, der nach Gott frage [die Gemeinschaft mit ihm zum höchsten Ziele seines Strebens mache h. Mos 4, 29; Apostg. 15, 17; 17, 27z Hebr. I1, S] « Abwehr eines gottesläfterlichen Einwandes Der J u d e n Sündenregistetx 21 12. Sie sind alle [von Gott und seinen Wegen] abgewicheu und allesammt unticchtjg sun- brauchbar, grundverderbt Hiob 15, 161 worden; da ist nicht, der sallfeitig und gründlichs Gutes thue, auch nicht Einer. « 13. sUnd weiter heißt es in Pf. 5, 10; 140, 4; 10, 7 zur Schilderung ihres bösen Thuns mit Worten:] Jht Schlnnd [aus dem die Rede kommt] ist ein offen Grab [das verpeftenden Todesgeruch aushauchts mit ihren Zungen handeln sie tritglich findem sie mit Heucheln und Schmeicheln Unvorsichtige in’s Verderben stürzen], Otterngift ist unter ihren Lippen sdas sie denn auch reichlich ausspritzen] ; 14. Ihr Mund [so oft sie ihn öffnen] ist Voll Flnchens nnd Bitterkeit sgegen den Eliächstens 15. sEbenfo wird in Jef. 59, 7 s. in Vetreff ihrer schlimmen Werke das Zeugniß ihnen aus- gestellt:] Jhre Füße sind eilend, Blut zu vergießen [Weish 2, 10 ff.]. 16. Jn ihren Wegen ist eitel Unfall und Hekzelcid [überall, wo sie gewandelt sind, lassen sie Unheil und Verderben als ihre Spuren zurück]; 17. Und den Weg des Friedens sdagegens wissen sie nicht [eine von Friedensliebe ausgehende und auf Friedensvermittelung abzielende Hand- lungsweise kommt in ihrem Leben gar nicht vor]. 18. sJn Pf. Bis, 2- endlich wird über ihr inneres Wesen das mit dem in V. 11"f. Ge- sagten sich zufammenfchließende Urtheil gefällt:] Es ist keine Furcht Gottes vor ihren Augen» [daß sie davon als dem Anfange der Weisheit sich bei ihrem Thun und Lassen leiten ließen Pf. in, 10; As, 3]. 19. Wir wissen aber [Kap. 2, 2], daß, was das Gesetz sin seinem gefammten Umfange, wo es alle Schriften des alten Teftaments in sich be- greift Joh. 10, 341 sagt, das sagt es denen, die unter dem Gesetz sind sden Juden Katz. 2, 12; und ist nun Obiges ihnen gefagt], auf das; aller Mund Verstopfet werde sder Jude sich nicht eines Vorzugs vor den Heiden rühme], Und salsos alle Welt sJuden wie Heiden V. J] Gott schuldig sei W« sihm gegenüber wie ein dem verurtheilenden Richterspruch versallener Misfethäter zu stehen kommt], 20. Darum, daß kein Fleisch skein Mensch, auch nicht ein Jude, der doch auch nur Fleisch vom Fleische geboren ist Joh. 3, S] durch des Gesetzes Werke [durch Werke, mit denen man des Gesetzes Vorschriften zu ersüllen suchts vor ihm gerecht sein mggs [Ps. 143, 2; Gal. «2, 16]. »Denn durch das Gesetz kommt Erkenntniß der SundeH [das- selbe dient nur dazu, die Sünde, die man ohne dasselbe in mehr oder weniger Unbewußtheit be- geht, zu bestimmteny deutlichem Bewußtsein zu bringen Kap. 7, 14 ff.; Hebr. 10, 3]. it) Der Apostel hatte in Kap. l, 18 ff. die Sünd- hastigkeit der Heiden dargethan, in Kap. 2 erwiesen, daß die Juden um nichts besser seien, als die Heiden, in Kap. 3, 1—8 den objektiven Vorzug der Juden in ihrem Betrautsein mit den Offenbarungen Gottes anerkannt, wobei sich zugleieh herausgestellh wie wenig die Juden diesen gottverliehenen Vortheil sich ihrer- seits zunutze gemacht; ganz natürlich kehrt er nun an- schließend an Kap. Z, l zu der im 2. Kapitel gegebenen Entwickelung zurück, und zwar mit der Frage, ob denn nun die Juden trotz ihres objektiven Vortheils einen subjektiven Vorzug hätten. Diese Frage muß er verneinen: wie der objektive Vorzug ein Vorzug in jeder Hinsicht war (V.2), so findet ein subjektiver Vorzug in keinerlei Hinficht statt. Den Beweis für die Sündhaftigkeit der Juden und Heiden nun, die er in Kap. 1 u. 2 behauptet hat und jetzt aus Zeugnissen des alten Testaments darthut, führt er namentlich für die Juden, und führt ihn gegen dieselben; denn von der Sündhaftigkeit der Heiden waren diese auch ohnedies überzeugt, was aber ihre eigene Sündhaftig- keit betraf, so konnte ihre hartnäckige Selbstrecht- fertigungssucht nur durch eine von ihnen selbst aner- kannte Anctorität zunichte gemacht werden. (Philippi.) Der Ausdruck: »unter der Sünde sind« soll eine Lage bezeichnen, in welcher für alle, Juden wie Heiden, durch ihre Schuld unausbleiblich ist, daß Gottes Zorn über sie kommt. Soweit die Sünde reicht, soweit er- streckt sich Gottes Gericht: sind« alle unter der Sünde, so sind auch alle vom Gericht bedroht. Das für ersteren Satz angeschlofsene Schristzeugniß ist aus zer- streut vorkommenden Schriftworten in der Art zusam- mengefügt, daß der Anfang des l4. Psalms die Grund- lage bildet, indem hier die ausnahmslofe Sündigkeit im Allgemeinen ausgesagt ist; daß dann diese Sün- digkeit in derjenigen Gestalt, welche sie annimmt, wo des Menschen Jnneres in der. Rede zu Tage tritt, mit Worten des u. 140, u. 10. Psalms, und in derjenigen, welche in seinem Thun und Treiben zu sehen kommt, mit einer Stelle aus Jef. 59 gefchildert ist; und daß endlich der Ausdruck, in welchen der Ver- fasser des 36. Psalms das Wesen des bösen Menschen faßt, den Schluß bildet· (v. Hosmannh it) Die Zusammenhänge, aus welchen der Apostel die nach der Septuaginta angeführten Stellen ent- non1men hat, sind sehr verschiedener Art: der 14. Psalm handelt von den Menschen überhaupt, Jef. 59 ist der Zustand des damaligen Jsrael gefchildert, in Pf. 36 ist das Wesen der Gottlosen im Gegensatz, zu den Ge- rechten gezeichnet, und der Verfasser des 5. Psalm klagt seine Widersacher an. ist es eine allerdings auszuwerfende Frage, wie der Apostel in der Gesammtheit der angezogenen Stellen dieselbe Anklage ausgedrückt finden könne, die er selbst erhoben hat; es find aber in allen diesen Stellen die Menschen beschrieben, wie sie an sich selber sind und aus sich selber werden (vgl. die Bein. zu Pf. 14, 1 unter END, und wenn sich Gerechte, die Jehova kennen und sürchien, ihnen entgegensetzen können, so verdanken sie dies der Erkenntniß Jehova’s, zu welcher sie ge- führt, der Furcht Jehova’s, welche sie gelehrt find. Sie sagen ebensowenig: »wir haben einen Vortheil«, als diejenigen, in deren Namen der Apostel in V. 9 dies verneint hat. (v. Hosmannh Die Treuen, welche mit ernster Bemühung, ihrer Erkenntnis; gemäß zu wandeln, die demüthige Einsicht ihrer Armuth und wahre Erlösungsbedürftigkeit verbinden, sind sowenig von der allgemeinen Sündhaftigkeit ausgeschlossen, daß sie auf’s Entschiedenste fiel) selbst als Sünder bekennen und dem Worte Gottes gegen sich Recht geben; die- Unter diesen Umständen— 22 Römer 3, 21——26. jenigen, bei denen mit ernstem Streben, das Gesetz zu halten, diese Demuth nicht verbunden ist, haben eine bloße Scheingerechtigkeit, indem sie das Gesetz, dessen einzelne Gebote alle aus Liebe und Wahrheit zurück- kommen, gerade in dem innersten Kern gröblich ver- letzen durch Lieblofigkeit und Leugnung ihrer Gott- entfremdung. Sünder find alle Menschen ohne Aus- nahme; sie unterscheiden sich nur dadurch, daß die einen der Wahrheit die Ehre geben und sich selbst als solche bekennen, während die andern entweder in völligem Tode der Sünde ohne Rüge des Gewissens dienen, oder, wenn sie durch dieselbe auch zu einem gewissen geseh- lichen Streben geleitet werden, doch aus diesem selbst nur neue Sünde sich zuziehen, nämlich hochmüthige Selbstgefälligkeit und Verachtang Anderer. (Olshausen.) IN) Der Jude, der sich immer so gern der Be- strafung entzieht, war durch die Worte seiner eigenen heiligen Urkunde überführt; dies wird ihm vom Apostel noch recht zu Gemüthe geführt durch die Bemerkung, daß in den vorhin angeführten Stellen nur von Juden die Rede sein könne. (Tholuck.) Alle vorhin ange- führten Ausspriiche werden von Paulus als Aussprüche des Gefetzes bezeichnet; er versteht also hier unter Gesetz das ganze alte Testament und meint: die heil. Schrift selbst redet, was sie von dem sündigen Zustand der Pienschen sagt, nicht im Allgemeinen, in Bezug aus alle Menschen, sondern zunächst in Bezug auf diejenigen, denen ja diese Offenbarungen des alten Testaments zunächst gegeben sind, in Bezug auf die Juden. Somit haben wir in V. 10—18 ein mit spezieller Beziehung auf die Juden hingezeichnetes Bild von dem vorhandenen Sündenelend, welches dem in spezieller Beziehung auf die Heiden in Kap. 1, 8 —32 hingezeichneten als Gegenbild und Seitenstück völlig gegenüber gestellt werden kann; und so entfpricht »dann auch das: »auf daß aller Mund verftopfet werde« genau dem (Kap.1, 20): ,,alfo daß sie keine Ent- schuldigung haben« (Wangemann.) Das ,,aller Mund verstopfet werde« spielt auf das Verstummen dessen an (Matth. 22, 12), der, mit einer Anklage vor den Richter gestellt, sich nicht rechtfertigen kann und eben durch sein chweigen feine Schuld eingesteht. (Maier.) T) Das gewonnene Resultat, daß jeder Mund ver- stummen müsse und alle Welt Gott schuldig sei, wird ur völligen Beugung des jüdischen Gesetzesstolzes sfchließlich durch den Satz begründet, daß des Gesetzes Werke nicht die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, ver- mitteln könnten, weil der Zweck des Gesetzes, worunter hier, wie überall, das positive mofaische Gefetz, und zwar besonders das Moralgeseg, zu verstehen ist, nicht Rechtfertigung, sondern erdammung des Sünders sei. Der Ausdruckx ,,des Gefetzes Werke« wird nun einerseits erklärt: ,,Werke, welche das Gefetz wirkt, welche es durch seine Forderungen von Menschen erzwingt«, d. i. Werke, wie sie der unwiedergeborene unter dem Gefetz stehende Mensch in Kraft des freien Willens zu leisten im Stande ist, also äußerlich gesetz liche, blos legale Werke, in Hebt. 6, 1; 9, 14 ,,todte Werke« genannt; ihnen stünden dann die «guten Werke« in Katz. 2, 7; 2. Cor- 9, 8; Tit. 2, 14; 3, s. 14 u. a. entgegen, welche Früchte der Wiedergeburt, des Geistes und des Glaubens sind. Paulus schließt aber alle Werke, nicht nur die der Bekehrung vorauf- gehenden, sondern auch die ihr nachfolgenden, von der Rechtfertigung aus; in Ephes. 2, 1O treten die guten Werke vielmehr als Folge der Rechtfertigung auf, und nun kann ja die Folge einer Sache nicht selbst ein constitutives Moment ihres Wesens bilden. Jener Ausdruck kann jedoch auch bedeuten: »die vom Gefetz geforderten und ihm entsprechenden Werke«; darunter lassen sich denn auch die guten Werke eines Wieder- eborenen begreifen, welche gleichfalls nicht rechtfertigen önnen, nicht nur, weil sie selbst erst, wie vorhin be- merkt, Folga der Glaub ensrechtfertigung sind, son- dern auch, weil sie an sich stets unvollkommen sind, niemals eine vollkommene Erfüllung des Gesetzes, das seinem ganzen Wesen nach geistlich ist vgl. Kap. 7, 14 ff. (Philippi·) Der Satzx ,,durch des Gesetzes Werke wird kein Fleisch gerecht« sagt nicht, daß, wenn jemand das Gesetz, vollkommen erfüllte, er dennoch nicht vor Gott für gerecht gelte, denn damit würde der Apostel sich selbst widersprechen (Kap. 2, 13); sondern es lie e in der Natur des Menschen und des Gesetzes, daß dieses nicht erfüllt und somit Gerechtigkeit erlangt werden könne. (de Wette) H) Das Gesetz bringt durch seine Gebote und Verbote die Erkenntniß der Sünde in albern-rote, es wird daran offenbar, was Sünde sei und worin sie bestehex aber es wirkt auch die Kenntniß der Sünde im Menschen, von der Sündhaftigkeit der Mens chen- natur, indem mittels des Gefetzes der Widerstreit unsrer fleischlichen Gesinnung und Richtung gegen das Göttliche uns zum Bewußtsein kommt. (Maier.) - Das Gesetz wirkt Erkenntnis; der Sünde, indem es durch seine geistlichen Forderungen, namentlich des Gottver- trauens, der Gottesfurcht und Gottes- wie auch Nächstenliebe, dem Menschen, je mehr er sich an ihm versucht und bespiegelt, desto tiefer die ungeiftliche, selbstsüchtige, sinnliche Befchaffenheit seiner Natur auf- deckt, so daß er aufhört, auf seine pharifäische Gerech- tigkeit und äußere Ehrbarkeit zu trotzen, vielmehr sich als Sünder Gott schuldig giebt. (Philippi.) It. V. 2l—3s. Der Apostel hat nun erwiesen, das; sowohl die heidenwelh als auch das Judenvolk seiner Zeit, von der Gottlosigkeit und Ungerechtigkeit be- herrscht seien. Er hat kein einziges Glied des Volkes von dem allgemeinen Zustand ausgenommen, weil jeder seinen Beitrag zu der jedesmal herrschenden Volks— gesittung liefert; auch hat Paulus nicht blos. die viel- gestaltigem siiudhasten Chaten im Auge gehabt, son- dern auch die siindhasten Neigungen, aus denen jene hervorgehen, denn Gottes Auge blickt in das Innere und sein Mund der Wahrheit nennt schon die sünd- haste Neigung des Herzens Uebertretung seines, das Herz und die Gesinnung sordernden Gelelzes Aber in der Schilderung des damaligen Weltzustandes hat der Apostel zugleich ein Bild des allgemeinen Zuskaudes der Menschheit aufgestellt und damit die Siindhasligkeit und Grlösungsbedlirstigkeit der Men- schen aller Zeiten und ohne Accsnahme erwiesen; daher geht er nunmehr zur Auseinanderlaltung und Ent- wickelung seines hauptgedankens (Kap.1, 16 f.) über, das! nur der Glaube die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, und die Seligkeit erlangen könne. »Weil das Gesetz uns nur verdammen kann, weil alle unsere Werke des Gesetzes das Gesetz doch nicht erfüllen, Gott uns aber selig machen wollte, so that er selbst ein Werk siir uns, nnd durch den Glauben an das— selbe werden wir errettet; er vollbrachte das Sühn- opser Jesu Christi, offenbarte darin seine eigene Ge- rechtigkeiy machte gerecht alle, die daran glauben, vernichtete allen eigenen Ruhm der Menschen und ver- einigte Juden und heiden in der Rechtfertigung durch den Glauben allein, ohne jedoch das Ge- setz aufzuheben, sondern indem er nun es erst recht ausrichtete.« 21. Nun aber lgegenüber der alttestament- lichen Zeit, wo blos Heilsbedürfniß und ein Die jetzt geosfenbarte Gerechtigkeit, die vor Gott gilt. 23 zur Befriedigung desselben ungenügendes Ge- s etz vorhanden war] ist [am letzten in diesen Tagen Hebt. l, 1f.] ohne Znthun des Gesetzes [in einer nach allen Seiten hin von ihm ganz unabhängigen Weise, so daß, ebensowenig wie dessen Erfüllung, auch nur dessen Besitz zur Voraus- setzung gemacht wäre] die Gerechtigkeih die vor Gott gilt, osfenbaret [in die Wirklichkeit getreten, nachdem sie bis dahin als eine solche, die da kommen müsse und kommen werde, bereits vorbedeutet gewesen] Und bezenget durch das Gesetz und die Propheten sin all den mannigfachen Vor- bildern und Weissagungen des alten Testaments Joh. 5,46; Apostg. 10, 43; 28, 23., so daß sie also ideell oder der göttlichen Verheißung und der menschlichen Erwartung nach, wenigstens bei dem Volke Gottes Ephes 1, 12, allerdings schon vorhanden war]. 22. Jch sage aber [wie schon die Ankündigung meines Themas in Kap. 1, 16 f. zu verstehen gegeben hat] von solcher Gerechtigkeit vor Gott, die da kommt durch den Glauben an Jesum Christ [und zwar kommt als eine verheißen e] zu allen Und sals eine unerwartet sich herabsenkende] ans alle, die da glauben« [als jene zu den Juden und als diese zu den Heiden Kap. 15, 8 ss.]. 23. Denn es ist hie [sowohl was das Be- dürfniß einer solchen Gerechtigkeit, als was den Weg, zu ihr zu gelangen, betrifft] kein Unter- s chied szwifchen Juden und Heiden Kap. 10, 12]: sie sind [ihrerseits] allzumal Sünder swie in Kap. 1, 18——3, 20 bewiesen wurde] und mangeln des Ruhms, den sie an Gottsihm gegenüber oder bei ihm Joh· 12, 43., vgl· Kap. 2, 29] haben sollten sanderwärts übersetzt Luther: den Gott an ihnen haben sollte, daß sie nämlich noch das Bild an sich trügen, das er ihnen anerschassen 1. Mos. 1, 27]; 24. Und werden [von Gottes Seiten] ohne Verdienst [genauer: umsonst, geschenks- weise Matth. 10, 8; Jes. 55, l] gerecht [ge- macht, dafür erklärt] ans seiner Gnade sEphes 2, 8] durch die» Erlösung [aus Grund der Erlösung oder Loskaufung von Sünden], so durch Christum Jesum geschehen ist«· [Matth. 20, 28; Ephes l, 7; Gal.3,13; Hebr. 9,12; Offb. 5, 9], 25. Welchen Gott hat vorgestellt svor alle Welt hingestellt] zu einem Gnadenstuhl [2. Mos. 25, 22 Anm., bei dem sie Gnade und Vergebung der Sünden erlangen soll] durch den Glauben fund zwar hat er als solchen Gnaden- stuhl ihn vorgestellt] in s einem Blntttt [ver- möge seines, für die Sünden der Welt vergossenen Blutes, oder indem er ihn fein Blut vergießen ließ, und das wiederum hat er gethan für den Zweck] damit er dieGerechtigkeit, dievor ihm gilt, darbiete in dem, daß er Sunde vergiebt isrichtigerx damit er seine Gerech- tigkeit aufzeige, was nöthig war wegen Uebersehung der Sünde Apostg.14,16;17, 30], welche bis anher bliebennar unter göttlicher Geduld-s— sworaus die Menschen sich die Meinung hätten bilden können, die Sünde werde überhaupt von ihm ungestraft gelassen]; 26. sNimmermehr aber hatte er darum, daß die Menschen in solcher Meinung stehen sollten, ihre Sünde bisher unter seine Geduld gestellt, sondern lediglich darum:] Aus daß et zu diesen Zeiten»[Gal· 4, 4; 1. Tim. 2, S; Tit. I, Z] dar- bote die Gerechtigkeit, die vor ihm gilt [wörtlich: erzeigete seine Gerechtigkeit]: auf daß ek sum schließlich beides, was eben gesagt wurde, in Beziehung zu einander zu stellen und das zwie- fache Ergebniß daraus klar zu legen] allein sdies ,,allein« ist von Luther eingeschobem besser wäre dafür zu setzen: ,,einerseits«] gerecht sei sindem er ein Sühnopfer für die Sünde der Welt ge- schehen und sie nicht immer so ungestraft dahin- gehen ließ, wie bisher Hebr. 9,15], und sandrer- seits] gerecht mache den, der da ist des Glaubens an Jesum-H— ser wollte also beides sein, einestheils gerecht in Bestrafung der Sünde, und doch auch anderntheils ein Gerechtsprecher des anDen gläubig sich Hingebenden, den er zum Gnadenstuhl vor- gestellt hat] ») Nunmehr geht der Apostel zur positiven Ent- faltung seines in Kap.1,16 f. ausgesprochenen Grund- gedankens über und entwickelt das Wesen des neuen Heils, indem er nachweist, wie die von Gott gefor- derte und vor ihm allein giltige Gerechtigkeit, welche die Menschheit zu leisten außer Stande war, nun geschenks- und gnadenweise von ihm selbst beichafft und dargereicht wird: »Nun, bei dieser Sachlage, wie sie vor- hin dargelegt worden, ist die Gerechtigkeit Gottes ohne das Gesetz offenbart worden; und wenn dieseOffenbarung nicht schon früher stattgefunden, wenn sie etwas spezifisch Neutestamentliches ist, bezeugt war sie doch bereits im alten Bunde von Gesetz und Propheten, denn diese haben weissagungsweise von der Glaubensgerechtigkeit geredet. Diese Gottesgerechtigkeit aber, um sie näher zu charakterisiren, ist eine durch den Glauben an Jesum Christum vermittelte, denn Jesus Christus« ist Gegenstand und Jnhalt des rechtfertigenden Glaubens; und weiter ist sie eine universelle, eine für alle vorhandene, für alle nämlich, die da glauben, fürsie bestimmt und auf sie sich erstreckend« (Röntsch.) Das ,,nun aber« zu Anfang des 2l. Verses ist offenbar auf die Zeit seit der Vollendung des Werkes des HErrn zu beziehen, so daß die vorchristliche Zeit als die große Vergangenheit erscheint; in dieser war die Er- lösung zwar als eine zukünftige im Gesetz il. Mof· 49, 18; 2. Mos. 34, 6; 5. Mos. 18, 15) und in den Propheten (Jer. W, 6; 33, Its; Jes. 45, 17; 53, 1fs·) durch Zeugen vorherverkündigt und bestätigt, allein sie war in diesen und den Symbolen des Opfercultus verhüllt, weshalb auch die Heiligen des alten Testa- ments selbst nur eine dunkle Ahnung von der Er- lösung hatten (1· Petri 1, 10f.), erst mit dem Tode 24 Römer Z, 26. und der Auferstehung des HErrn ward das Verborgene offenbar (Kap. 1, 4 f.; IS, 25 f.). Der Gegenstand dieser Offenbarung ist aber, daß das erhabene Ziel des Menschen, die Gerechtigkeit vor Gott, ohne Gesetz durch den Glauben an Christum erreicht werden soll. (Olshausen.) Was Luther mit ,,Gerechtigkeit, die vor Gott gilt« übersetzt, um allem Mißverständniß des im Grundtext gebrauchten Ausdrucks vorzubeugen, wie er selber vordem lange in solchem Mißverständniß sich befunden und darüber den Weg zum Frieden nicht hatte finden können, lautet wörtlich: »Gerechtigkeit Gottes«. Offenbar kann darunter hier nicht, wie in V. 5, die EigenschaftGottes verstanden werden, vermöge deren erselber gerecht ist und Gerechtigkeit übt, sondern nur eine solche Befchaffenheit des Menschen, in welcher diesem die Gerechtigkeit eignet; dabei entsteht nun aber die Frage, was das hinzugefügte ,,Gottes« besagen will, ob damit Gott als der Bewirker einer solchen Beschaffenheit, als ihr Geber und Darleiher bezeichnet werden soll (Phil. Z, 9), so daß man zu iibersetzen hätte: ,,Gerechtigkeit von Gott«, oder ob damit nur die Beziehung auf Gott ausgedrückt sei: ,,Gerech- tigkeit Vor Gott«, gleichwie in Jak. I, 20 die nämliche Redensart von »dem, was vor Gott recht ist«, im Gegensatz zu dem, was man bei ihm nicht verant- worten kann, gebraucht wird. Wir haben in der Aus- legung zu "2. Cor. 5,2l beide Auffassungen nach ihrem gegenseitigen Verhältniß neben einander gestellt, und dürfte es sich überhaupt empfehlen, beide überall da mit einander zu verbinden, wo der Apostel nicht aus- drücklich von Gerechtigkeit bei oder vor Gott redet (Kap. 2, 13; 3, TO; Gal. 3, 11). Von dieser Gerech- tigkeit Gottes nun sagt Paulus an unsrer Stelle, daß ihre Erlangung bedingt sei durch den Glauben an Jesum Christum, daß aber auch da, wo dieser Glaube vorhanden, sie als eine Gerechtigkeit von Gott komme zu allen und aus alle, die da glauben; und da dürfte wohl diejenige Auslegung das Richtige gesehen haben, welche in diesem ,,zu« und »aus« eine Wiederaufnahme der in Kap. 1, 16 ausgesprochenen an sich gleichmäßigen und nur in heilsgeschichtlicher Hinsicht ver- schiedenen Betheiligung der Juden und Heiden erblickt — zu den Juden kommt sie als eine vom Gesetz und den Propheten zuvor bezeugte in Folge göttlicher Treue, auf die Heiden aber als ein ganz unverhofft und völlig frei sich ergießender Strom der göttlichen Barmherzigkeit. Das so nachdrücklich gebrauchte Wort: ,,alle«, bemerkt Melanchthon, muß man den gefähr- lichen Gedanken (der Calvinisten) von einer unbedingten Gnadenwahl entgegenhaltenz deutlich bietet Gott allen ohne Ausnahme die Vergebung der Sünden« an, alle also sollen wir dies Evangelium hören, sollen wissen, daß es uns alle angeht, alle sollen wir es im Glauben ergreifen und unsre Gewissen durch diese Zeugnisse aufrichten. "·) Jm Grundtext schließtdurchParticipialconstruction die Aussage über das Gerechtwerden V. 24 sich als Nebengedanke an die in V. 23 geltend gemachte Gleich- heit an und will damit die dieser Gleichheit ent- sprechende Art und Weise -des Gerechtwerdens als Gegenstück hervortreten lassen: sie, von denen vorhin gesagt war, daß kein Unterschied insofern unter ihnen sei, als sie allzumal Sünder sind und des Ruhmes mangeln, werden nun auch ohne Unterschied in der Behandlungsweise von Gott gerecht gemacht; sie werden es geschenksweise, nicht erwerben sie es sich, was sie als Sünder ja nicht können, und werden es durch die Gnade des Gottes, vor welchem sie des Ruhmes mangeln und mit aller eigenen Gerechtigkeit zu Schanden geworden sind, und zwar werden sie es mittels derjenigen Erlösung, die in Christo Jesu vor- handen ist. ,,Christo Jesu« ist hier gesagt, nicht: ,,Jesu Christo«, weil die Parallele mit dem alten Testament in das Licht treten soll, wo es ein ,-gesalbter Hoherpriester« war, der das Werk der Erlösung von der alttestamentlichen Schuldhaft des Gesetzes vollzog. Hinsichtlich der Lehre von der Rechtfertigung nun besteht Differenz zwischen der katholischen und evangelischen Kirche darin, daß die letztere die Recht- fertigung oder Gerechtmachung als einen richterlichen Akt Gottes (actus forensjsx als eine Gerechterkliirung (deelaratio pro justo), die erstere hingegen als einen hervorgerufenenZustand im Menschenstiabjtus jnfusus) auffaßt; sie richtetsich da nach dem Vorgange Augustin’s, der unter der »Gerechtigkeit Gottes« (vgl. die Dem. zu V. 25) die Gnade der Wiedergeburt ver- steht, die uns geschenksweise widerfahre, weil Gott ohne unfer Verdienst mit seinem Geiste uns erneuere. Hiernach ist ihr der die Rechtfertigung verniittelnde Glaube die sog. tides formats, d· h. derjenige Glaube, der nicht ein bloßes Fürwahrhalten der Glaubenssätzh sondern durch die Liebe bestimmt, beseelt ist. Obwohl nun diese titles formats» auf göttlicher Gnadenwirkung beruht, so findet doch eine menschliche Mitwirkung dabei statt; denn das Lieben ist ein Akt des freien Willens und bringt insofern etwas Verdienstliches hinzu, ja diese Liebe im Glauben, diese Aktivität im Verhältnis; zu Gott, ist nach katholischer Auffassung eigentlich dasjenige, wodurch oder weshalb der Mensch gerechtfertigt wird, wodurch er der sowohl heiligenden als rechtfertigenden Gnade sich würdig macht. Bei diesem Ineinanderfließen der Rechtfertigung und Hei- ligung hat folgerichtig die erstere nach katholischer Ansicht ihre Grade, es findet ein Fortfchreiten in derselben statt; in weiterer Folge muß nun aber auch der Mensch stets in Unsicherheit über seinen Gnaden- stand bleiben, keiner kann zuversichtlich wissen, ob er bereits soweit geheiligt sei, daß seine Rechtfertigung nun eine vollkommene ist und er also zu den Be- gnadigten und Auserwählten gehört, es sei denn, daß er eine besondere Offenbarung darüber empfängt. Jn welchen Gegensatz hierzu die Lehre der evangelischen Kirche tritt, werden wir hernach bei V. 28 sehen; hier sei vorerst nur noch auf den eigenthümlichen Unter- schied des griechischen und des biblischen Sprachgebrauchs hinsichtlich der Bedeutung, die das Wort »rechtfertigen« hat, hingewiesen. Dort bezeichnet es die Reaction des verletzten Rechts gegen den, der es verletzt hat; der- selbe wird dadurch gerechtfertigt, daß das von ihm begangene Unrecht an ihm bestraft und durch solche Bestrafung für die Rechtsordnung wieder aufgehoben wird (Apostg. 12,19). Hier dagegen ist es das gerade Gegentheil von verurtheilen und besagt s. v. a. frei- sprechen von Schuld, für gerecht anerkennen oder er- klären, sei es nun, daß solches an einem seinerseits durchaus Gerechten, aber ungerechter Anklage, falschem Verdacht« und übler Verkennung anheim Gefallenen geschieht (Kap. Z, 47 Matth. l1, II; 1. Tim. Z, IS; 2. Chiron. 6, 23), oder daß ein an sich ungerechter, dem göttlichen Willen nicht entsprechender, vielmehr dem Gericht verfallener Mensch durch einen Gnadenakt von Schuld losgesprochen und gleich einem solchen behandelt wird, der, dem göttlichen Anspruche genüge und das Erbtheil der Gerechten zu empfangen berech- tigt sei (Luk· 18, 14; Apostg. l3, 38 f.). »Es-F) Das im Grundtext für ,,Gnadenstuhl«gebrauchte Wort Olomkysgroy verstehen die neueren Ausleger meist in dem Sinne von ,,Sühnopfer«, weil die weltlichen Schriftsteller es in diesem Sinne brauchen; liegt nun aber an sich schon die Vermuthung nahe, daß der Sie kommt durch den Glauben an Jesum Christ, der zu einem Gnadenstuhl vorgestellet ist. 25 Apostel es in demjenigen Sinne gemeint habe, in welchem es die griechische Uebersetzung des alten Testa- ments, die Septuaginta, und ihr gemäß auch die Epistel an die Hebräer (9, 4 f.) gebraucht, so wird diese Ver- muthung dadurch zur Gewißheit erhoben, daß eines- theilswohl gesagt werden kann, Christus habe sich als ein Sühnopfer Gott dargebracht (Joh. 17, 19; Ephes 5, 2; Hebr. 9, 14), nicht aber, Gott habe ihn der Menschheit als solches dargestellt oder dar- gebrachh und daß anderntheils mit einer solchen Vor- stellung, auch wenn man sie durch diese oder jene Aus- deutung allenfalls erträglich machen wollte, die Ver- bindung ,,durch den Glauben« schlechterdings sich nicht verträgt. Was mit ,,Gnadenstuhl« bezeichnet wird, das ist derDeckel der Bundeslade, die Capporeth, wie sie im Hebräischen heißt; während die Lade selber in sich die beiden Gesetzestafeln bewahrete, über sich aber die Cherubim als Träger der Gegenwart Gottes hatte, sprengte an ihren Deckel am großen Versöhnungs- tage der Hohepriester das Blut desjenigen Opfers, das er für die Gesammtsünde des Volks dargebrachthatte (3· Mos. 16, 15 f.), und sollte das ein sinnbildliches Zeichen sein, daß Gott die für die Uebertretungen des Bundes dar- gebrachte Versöhnung angenommen habe und seinem Volke wieder gnädig sei. Was nun dieser Deckel auf eine äußerliche und bildliche Weise, das ist Christus auf innerliche und eigentliche Weise: der Sünder soll in ihm und namentlich in seinem blutigen Tode das Mittel der Versöhnung sehen. Welche hohe Wichtigkeit dem Gnadenstuhl schon im alten Testament beigemessen wurde, geht aus der Bezeichnung des Allerheiligsten als »Haus des Gnadenstuhls« in 1. Chron. 29,11 hervor, wie denn derselbige auch aus massivem Golde gearbeitet, die übrige Lade dagegen nur mit Gold überzogen war (2. Mos. 25, 10 sf.); ihm gegenüber steht dann in realer Erfüllung seiner vorbildlichen Bedeutung Christus als Der, an welchem wir haben die Erlösung durch sein Blut, nämlich die Vergebung der Sünden (Ephef. 1, 7). Gleichwie in ihm die zwei Factoren des alttestamentlichen Opfercultus der dar- bringende Hohepriester und das dargebrachte Opfer, zur Einheit der Person verbunden sind, so nun auch die beiden Momente des besprengten Deckels nnd des an denselben gesprengten Blutes zur Einheit der Sache; nur dieser letztere Gedanke ist bei dem Aus- drücke, dessen der Apostel sich bedient, festzuhalten, nicht aber das Gleichniß weiter dahin auszumalen, daß die Vorstellung herauskommt, als sei Christus mit seinem eigenen Blute besprengt, um das Gleichniß selber als durchaus unpassend zu conipromittiren, vielmehr, was in Hebn 9, 24 ff. der im himmlischen Aller- heiligsten mit seinem eigenen Blute vor dem Angesichte Gottes erscheinende neutestamentliche Hoherpriester für uns ist, das ist auf Erden der im Evangelio ver- kündigte Heiland vor den Augen der Welt. Gott hat ihn »für sie hingestellt zu einem Gnadenstuhl, zu dem ein jeder mit Freudigkeit hinzutreten darf, um Gnade und Vergebung der Sünden und damit alles Heil zu empfangen (Hebr. 4, l6), wenn er nur im Glauben hinzutritt, und diese Gnade wird ihm um des auch für ihn vergossenen Blutes willen zu Theil, dessen sündentilgende und mit Gott versöhnende Kraft dem Gnadenstuhl für alle Geschlechter der Menschen auf alle Zeiten der Menschen inhärirt. — ,,Sowie nach Joh. l, 14 die Herrlichkeit Gottes, die Schechina, in der Person Christi aus der Verborgenheit des Aller- heiligsten herausgetreten ist und unter den Gläubigen gewohnt hat, so erscheintnach unsrer Stelle der Gnaden stuhl aus dem Allerheiligsten herausgestellt in dieOefsent- lichkeitderganzenWeltfürdieGläubigen,vgl.Sach.13,1.« T) So sehr auch Luther mit seiner Deutung des Ausdrucks: »Gerechtigkeit Gottes« in dem Sinne: »die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt« (vgl.Anm. zu V. 22), für viele Stellen das Richtige getroffen hat, so doch nicht für alle; um jene Deutung fest zu halten, hat er nach des Chrysostomus und Augustin Vorgange die zweite Hälfte des 25. Verses geradezu unrichtig wieder- gegeben, indem namentlich die Worte, die er iibersetztt »in dem, daß er Sünde vergiebt«, schlechterdings das nicht bedeuten können (es müßte im Grundtext dann heißen: M: »F; 0292508037 während es doch heißt: in« røju steigern» nöt- 7r9o7-. åirorpryiioitwigs Abgesehen nämlich von der irrthümlichen Fassung: »in dem, daß«, so ist auch von Sünden-Vergebung hier nicht die Rede, sondern von Sünden-Nachlassung oder Vor- beilassung in dem Sinne, in welchem Paulus in Apostg. 17, 30 sagt: »Gott hat die Zeit der Un- wissenheit übersehen«, d. i. die in-derselben be- gangenen Sünden noch nicht mit seinem schließlichen Gericht (Kap. 2, I) heimgesucht, sondern einstweilen noch unter seine Geduld gestellt (Ps. 78, 38). Um dieser bisher geübten Sünden-Nachlassung oder Ueber- sehung willen, so will der Apostel ausdrücken, war es für Gott eine Nothwendigkeit, wenn er bleiben wollte, der er ist, ein gerechter Gott, und als solcher auch von der Welt erkannt sein wollte, Christum nicht so ohne Weiteres, sondern erst »in seinem Blute« zu einem Gnadenstuhl hinzustellen, nachdem er nämlich zuvor den Tod "r die Sünden der Welt erlitten hätte (1. Petri» 1, 18 s.; 2, 24).· Ohne Blutvergießem heißt es in Hebr. I, 22 geschieht keine Vergebung; Gott konnte wohl, ehe der neutestamentl1che Versohner kam, Geduld'haben mit der sündigen Nienschenwelh daß er ein solches Verderbens-Gericht, wie es in der Sündfluth geschehen, nicht wieder über sie kommen ließ, wozu er ja sich ausdrücklich verbindlich gemacht hatte (1. Mos. 8, 21 f.), aber ein solches Hingehenlassen der Sünde ohne die volle Strafe, die ihr gebührte, war noch keine Vergebung derselben. Die momentan nach- gelassene Sünde kann später noch gestraft werden (2.Mos. 3·2, 34; 2. Sam. 16, 10 sf.; 19, 21sf.; 1.Kön. 2, 8 f. 44 fs·), nicht aber die wirklich vergebene; jene ist ein Ergebniß der göttlichen Geduld, diese ein Werk der göttlichen Gnade. Auch erschien Gott bei diesem Hingehenlassen (Weish. 11, 24: »du versiehest der Menschen Sünde«) nicht als der Gerechte, der er ist, da seine richterliche Gerechtigkeit vielmehr Strafe und Büßung, als Vorbeilassen der Sünde fordert; um nun solche Gerechtigkeit auch wirklich zu erweisen, ließ er eben Christum Jesum die Sünden der Welt büßen, und indem er jetzt diesen als Gnadenstuhl hinstellt in seinem Blute, ist der Erfolg der, daß, wie es in der zweiten Hälfte des 26. Verses zuerst heißt, er gerecht ist, was er aber nicht gewesen wäre, wenn er die Sünde nur immer hätte gewähren lassen, ohne einmal sein Zorngericht über dieselbe in ganzer Schwere zu verhängen · · « ff) Wir erfahren hier, warum Gott nicht schon früher eine Erzeigung seiner richterlichen Gerechtig- keit eintreten ließ: hätte er sein Zorngericht über die Sünde schon in der vorchristlichen Zeit in ganzer Schwere wollen ergehen lassen, so wäre nur die eine Seite seiner Gerechtigkeit offenbar geworden, die, in- dem sie die Sünde richtet, den Sünder der Verdamm- niß übergiebt. Aber absichtlich hielt er diese Seite, wie der Apostel vorhin angedeutet hat, noch zurück, bis er zugleich die and e re könnte offenbar werden lassen, nämlich seine die Sünde des Menschen richtende, ihn selber aber gerecht machende Gerechtigkeit Jn Christi Person hat er denn eine Sündensüh1iung hergestellt, 26 Römer Z, 27—3l. die ihn bei jedem, der selbige im Glauben sich aneignet, der Nothwendigkeit überhebt, seine Gerechtigkeit in einem strafenden Gericht ergehen zu lassen, sondern vielmehr die Möglichkeit ihm verschafft, demselben die Gerechtigkeit darzubieten, die vor ihm gilt; dieser Gedanke liegt in den Schlußworten des 26. Verses: »auf daß er gerecht mache den, der da ist des Glau- bens an Jesum«. Hätte Gott nur seinerseits gerecht sein und nicht zugleich ermöglichen wollen, daß wir gerecht werden, so würde er die Sünde sofort in ganzer Schwere bestraft und nicht eine Sühne für dieselbe in Christo Jesu beschafft haben. Wenn nun die erste Hälfte unsers Verses im Grundtext sehr ähnlich lautet mit der zweiten Hälfte des vorigen Verses, so dürfen wir sie doch nicht, wie manche Ausleger gethan haben, für eine bloße Wiederaufnahme derselben halten, nur daß durch diese Wiederaufnahme der in den Worten liegende Gedanke verstärkt werden solle; die Worte weichen gleichwohl von den vorhin gebrauchten wesent- lich enug,ab, um sofort erkennen zu lassen, daß es sich Bier nicht mehr um eine Erweisung derselben Ge- rechtigkeit handelt, von der vorhin die Rede war, nämlich derjenigen, vermöge deren Gott selber gerecht ist, sondern um die Erweisung derjenigen, die er uns zuertheild oder um seine rechtfertigende Gerech- tigkeit. Olshausen erinnert hier, wie die richtig verstandene, höchst scharfsinnige Lehre Anselm’s von Eanterbury von der stellvertretenden Genugthuung des Todes Christi der heil. Schrift durchaus gemäß sei. Die Elemente, aus denen sie sich vollendet, so schreibt er, sind auf der einen Seite die Größe der Sünde an sich und der daraus entspringenden Schuld und Straf- barkeit, auf der andern Seite die Unmöglichkeit, in Gott eine Eigenschaft wirksam zu denken ohne die andere, namentlich also die Liebe ohne die Gerech- tigkeit, weshalb Gott nicht auf bloße Reue hin die Schuld vergeben kann, wie ein Mensch, de: selbst Schuldner ist; und zwischen beiden die Person des Gottmenschen, der nicht ein Mensch neben vielen andern, sondern der Mensch ist, der zweite geistige Adam des ganzen Geschlechts, der ebensosehr durch seine wahre, obgleich heilige Menschheit mit den Sün- dern, als durch feine göttliche Natur mit dem Herrn der Welt verbunden ist, in dem die Liebe ebenso rein erscheint, wie im Vater die Gerechtigkeih und wieder im Vater die Liebe, wie im Sohne die Gerechtigkeit Was daher in keinem menschlichen Akt verbunden ge- dacht werden kann (indem der Mensch immer nur ent- weder Gnade oder Gerechtigkeit zu üben vermag), der höchste Akt der Gnade, die Lossprechung eines ganzen sündhasten Geschlecht-s, und die vollkommen gerechte Bestrafung der Sünder in dem Tode deß, der das ganze Geschlecht in sich trug, wie das Cen- trum sämmtliche Radien des Umkreises: das ist im Tode Christi verschmolzen, und deshalb ist die Hingabe des Sohnes durch den Vater und das freie Opfer des Sohnes die höchste That Gottes, würdig, der Gegenstand der Predigt zu werden an die ganze Menschheit, weil sie die Kraft hat, Leben in die Tod- tengebeine zu hauchen und wahrhaft den Frieden der Vergebung der Sünden zu schenken. An die objektive Gottesthat schließt sich der Glaube an, und neben der Gluthkraft seines Feuers müssen allerdings alle halb oder ganz pelagianischen Ansichten zerstieben, die durch Anstrengung eigener Kräfte dem göttlichen Liebesleben nachgeholfen wissen wollen; denn wo durch das An- schauen der Schlange, die erhöht ist, nicht Leben ge- weckt ist, da kann die größte Anstrengung und Ver- leugnung immer nur dürftige Ehrbarkeit oder fratzen- haften Dünkel bilden. Jn diesem aufgethaneu Born quillt allein das Lebenswasser, auf diesem Altar allein ist himmlisches Feuer zu holen: hier verschmilzt sich Gerechtigkeit und Gnade zu einer unaussprechlichen ginhkeih wieb sie in Gost se?stdEinåhsi;itd; diiilin disite ün enver un um es o es ri i wi e i i ·t’ ’ u e a , o gkizdxszegjizsiiezssgkz Fest: gsidrszszzsg»esissxx: r; ünberhrdas Geseeä etdneil Gyiidaldig Inächtiger isi die Gerechtigkeit, und für das Gesetz, weil es selbst darin aufrecht erhalten ward. 27. Wo bleibt nun [wenn es nach dem eben Gesagten feststeht, daß nur durch den Glauben an Jesum Christum der Mensch gerecht werden kann] der Ruhm swie er bisher bei den Juden sich breit gemacht hat, als wären sie etwas Sonderliches vor anderen Leuten Kap. 2, 17. 23; Lust. 18, 11]? Er ist aus fdaß er auf christlichem Standpunkte gar nicht mehr stattfinden kann]! Durch tvelch Gefetz fhat er ein für alle Mal sein Ende ge- funden]? durch der Werke Gesetz setwa durch das- jenige Gesetz, welches Werke fordert]? Nichl also [denn dies gerade hat ihm, wie man an den Juden siehet, die Unterlage abgegeben, sich geltend zu machen], sondern durch des Glaubens Gesetzk [durch das Gesetz, welches Glauben verlangt, ist ihm aller Grund unter den Füßen und aller Anhalt für die Hände weggenommen 1. Eor. l, 29; Ephes 2, 8 f.]. 28. So halten wir es nun sum für die ganze weitere Folge das bisher Erörterte in einem Hauptsatze auszusprechen], daß der Mensch gerecht werde ohne des Gesetzes Werke, allein durch den Glauben» [so daß jene Werke gar nicht dabei in Betracht kommen Gal. 2, 1(5]. 29. Oder [so muß man diejenigen fragen, die unter diesen Satz sich nicht beugen wollen, sondern fortfahren, in des Gesetzes Werken ihre Gerechtigkeit zu suchen] ist Gott allein der Juden Gott lwie er»es ja wäre» wenn er diesen allein die Moglichkeit gegeben hatte, vor ihm gerecht zu· werden, indem er ihnen dalleiz das Ggsetz gab]? ist er nicht auch der Hei en ott sda er nicht auch diesen zur Seligkeit verhelfen wollte]? Ja freilich [istder] atgh der Heiden dGgtt fåvie dljnn ihr Juden aus rückli anerkennt, a au er i m kein anderer Gott Mark. 12, 32; Jak. 2, 19], 30. Sinlemal [das Gesetz euch bezeugt 5. Mos. 6, 4:] es ist ein einiger Gott fein einiger Gott für Heiden und JuPen zugleichdist ier aber nur dann, wenn er ein olcher ist], er a fwie vorhin gelehrt, aus einem und demselben Wege sie beide] gerecht macht [und nur nach Maßgabe des in Kap. 1, 16 gebrauchten Ausdrucks: »die Juden vornehmlich und auch die Heiden«, der etwaige Unterschied sich» so stellt:] die Beschneidung aus dem Glauben fzu dem das Gesetz sie erziehen Sie geschiehet ohne des Gefetzes Werke, doch wird durch sie das Gesetz nicht aufgehoben· 27 sollte Gut. 3, 23 f·], und die Vorhaut durch den Glaubens» [den die jetzt nun unter ihnen er- schallende Heilspredigt ihnen vorhält Apstg. 17, 31]. 31. Wie? [fo muß ich hier fragen, um einem Einwurf zu begegnen, der von jüdifcher Seite gegen den in V. 28 ausgesprochenen christlichen Glaubensgrundfatz erhoben werden könnte:] heben wir denn das Gesesz auf durch den Glauben [wenn dieser hinfort ausschließlich gelten und jenes zur Seligkeit ganz und gar nichts beitragen sollj? Das sei ferne [vgl. 1. Cur. 9, 21], sondern wir richten das Gesetz aufs fdaß es nunmehr erst recht zu Kraft und Wirkung kommt, wie das später Kap. 6—8 wird näher dargelegt werden]. f) Die Frage: ,,wo bleibt nun der Ruhm?« ist egen die Juden Irichteh deren Selbsterhebnng, als sätten sie eigenes erdienst, der Apostel aus der Lehre von der Rechtfertigung mittels des Glaubens umstößt Diese nämlich erklärt den Menschen ausnahmslos als verdienstlos wegen gesetzlichen Thuns und die Recht- fertigung für ein freies Gnadengefchenk Gottes; wenn also diese festgestellt ist, so ist aller Selbstruhm ab- geschnitten, er kann nicht mehr statthaben. Selbstruhm konnte allerdings, so fährt Paulus fort, stattfinden unter der religiös-sittlichen Ordnung des alten Testa- inents, unter dem Geseg der Werke; denn indem dieses eben darin besteht, da es Werke fordert, welche der Mensch aus eigener Kraft vollführen foll (Luk. 10, 28), so mißt nun dieser in der Vollführung sich ein eigenes Verdienst zu, das zur Grundlage des Selbstruhms wird; die neutestamentliche Heilsordnung dagegen, das Gesetz des Glaubens, wie der Apostel sie nennt, schneidet für den Heiden und den Juden sogleich an- fangs den Selbstruhm ab, und wenn dann bei den Gläubigen der Glaube in Werken lebendig sich erweist, so kann sich auch daran kein hochmüthiger Selbstruhm knüpfen, denn sie haben das Bewußtsein, daß allein Gottes Gnade diese Werke in ihnen wirke, dieselben also kein eigenes Verdienst in sich schließent 1. Cor. 1, 31; 2. Tor. Z, 5. (Maier.) Das Gesetz kann seiner Natur nach, wenn auch nicht Ursache, doch wenigstens Veranlassung zu falschem Riihmen werden, das Evan- gelium aber auch nicht einmal das letztere (Philippi.) «) Nachdem wir zu V. 24 die katholische Auf- fassung der Lehre von der Rechtfertigung mit Kling’s Worten dargelegt haben, beschäftigt uns nunmehr die- jenige der evangelischen Kirchez dieselbe findet ihren schärfsten, jener andern Meinung bestimmt wider- sprechenden Ausdruck in dem Wörtlein ,,allein«, wel- ches Luther dem apostolischen Ausspruch: ,,durch den Glauben«« hinzugefügt hat. Das nun haben die Römischen von jeher ihm zu einem schweren Vorwurf gemacht und ihn deswegen geradezu der Schrift- fälfchung beschuldiEgy dagegen hat einer der treuesten Bekenner des vangeliums unter den deutschen Fürsten seinen, zu einer Besprechung mit den Gegnern abreisenden Theologen das vor allem an’s Herz gelegt, daß sie doch ja das Wörtlein solå wieder mit nach Hause bringen sollten. Indessen, wie schon Erasmus sagt, während man gegen Luther wegen dieses Wörtleins soviel Geschrei erhoben und gewisser- maßen ihn dafür gesteinigt hat, hört man sich’s in Ehrerbietung an, wenn auch die Kirchenväter sich des- selben bedienen, um des Apostels eigentliche Meinung recht genau wiederzugeben; ebenso findet es sich schon in einer Nürnberger deutschen Bibel vom J. 1483 und in zwei italienischen Uebersetzungen aus den Jahren 1476 Und 1538 sper la Sols. fede). Dei: Geist Gottes hat also auch drüben der menschlichen Verkehrtheit gegenüber der Wahrheit ihr Recht behauptet; und be- stätigt sich damit Luther’s Aeußerung: ,,ich weiß wohl, daß das Wort im Griechischen nicht stehet, es foll aber dennoch da stehen, und foll der Teufel selbst es nicht auskratzentk Er rechtfertigt sich dann wegen jenes Einschubs des Weiteren damit, daß er sagt: Es ist die Art unsrer deutschen Sprache, wenn sich eine Rede begiebt von zwei Dingen, deren man eines bekennt und das andere verneint, so braucht man das Wort allein neben dem Wort nicht oder kein; als wenn man sagt: »der Bauer bringt allein Korn und kein Geld«, item: »ich habe wahrlich jetzt nicht Geld, son- dern allein Korn«. So ist es der deutschen Sprache Art, daß sie das Wort allein hinzusetzh aiif daß das Wort ,,nicht« oder ,,kein« desto völliger und deutlicher - sei. Aber nun habe ich nicht allein der Sprachen Art vertraut und gefolgt, daß ich allein habe hinzugesetzeh sondern der Text und die Meinung St. Pauli fordern und erzwingen es mit Gewalt; denn er handelt ja hier das Hauptstück christlicher Lehre, nämlich daß wir durch den Glauben an Christum, ohne alle Werke des Gesetzes, gerecht werden, und schneidet alle Werke so rein ab, daß er auch spricht, des Gesetzes (das doch Gottes Gesetz nnd Wort ist) Werke helfen nicht zur Gerechtigkeit. Ja, sprechen sie, es lautet ärgerlich, und die Leute lernen daraus verstehen, daß sie keine guten Werke thun dürfen. Lieber, was soll man sagen? ist’s nicht viel ärgerlicher, daß St. Paulus selbst nicht sagt: ,,allein der Glaube«, sondern schüttelfs wohl gröber heraus« und stößt dem Faß den Boden aus und sprichtx ,,ohne des Gesetzes Werk-«? und Gal. 2, 16: ,,nicht durch die Werke des Gesetzes, ohne denn durch den Glauben«, und deß viel melzr an andern Orten. So ist es nicht allein recht, fon ern auch hoch von- nöthen, daß man auf’s Deutlichste und Völligste her- message: allein der Glaube ohne Werk macht fromm; und reuet mich, daß ich nicht auch dazu gesetzt habe: alle und aller, also: ohne alle Werke aller Gesetze, daß es voll und rund herausgesprochen wäre. Darum soll’s in meinem Neuen Testament bleiben; und sollten alle Papstesel toll und thöricht werden, so sollen sie mir’s nicht herausbringen. — Die evangelische Rechtferti.ungslehre nun, die ihre Wurzel hat in der Erkenntni der Sünde als einer den Zorn Gottes herbeiziehenden Schuld, welche den Menschen unfähig macht zu irgend einer wahrhaft guten Regung, also auch gewiß zu dem, was alles Guten Wurzel und Jn- begriff ist, zur Liebe zu Gott, kann eine solche Regung, eine freie Liebesbewegung des menschlichen Herzens zu Gott hin, wie die katholische Lehre bei der Recht- fertigung sie hauptsächlich geltend machen will, nur anerkennen als Folge einer freien Liebesbewegung Gottes, womit er dem Menschen entgegenkommt, die Schuld aufhebend und ihm in Huld sich zuwendend; und das ist eben die rechtfertigende Thätigkeit Gottes, welche beim Menschen nichts voraussetzh als Erkennt- niß der Sünde und Erschrockensein im Gewissen, eine Wirkung göttlicher Gnade oder des göttlichen Geistes vermittelst des Wortes Gottes als des die Heiligkeit Gottes und den Widerspruch seines inneren und äußeren Verhaltens zu derselben dem Menschen zum Bewußt- sein dringenden, vorhaltenden und fühlbarmachenden Gesetzes. Wo dieser Widerspruch und damit der Zorn Gottes und die eigene Berdammlichkeit lebendig em- pfunden wird, da ist eine Empfänglichkeit für die recht- fertigende Gnade, da ist ein leeres Gefäß, das zum Erfiilltwerden sich aufschließt, indem die Offenbarung 28 Römer 4, 1——6. und Darbietung dieser Gnade Vertrauen wirkt, ein vertrauendes Hinnehmen und Sichhingeben Dies aber ist der Glaube in seiner Vollendung oder in demjenigen Momente, wo er zum Abschluß kommt (t"1ducja), indem er ausgeht von der durch das Evangelium vermittelten, kraft Erleuchtung des heil. Geistes erlangten Erkennt- niß (n0titja), einem klaren Bewußtwerden der Gnade in Christo als einer den Sündern sich darbietenden, Vergebung und Huld verheißenden, und fortschreitet zu einer Zustimmung (assensus), darin er mit dem Willen eingeht in diesen Heilsweg, ganz einver- stand en damit und so zu sagen froh daran ist, woraus zuletzt sich ergiebt, daß der Mensch die feste Zuversicht faßt, diese Gnade gehe ihn persönlich an, Gott sei ihm gnädig, vergebe ihm alle seine Sünde und nehme ihn als sein liebes Kind an, dem er fortan alles Gute schenken wolle bis zur seligen Vollendung im Reiche der Herrlichkeit Nun, in dieser Gewißheit des Ge- liebtseins von Gott kann erst das Herz die Liebe gegen Gott sich aufschließen (l. Joh. 4, 10. 19); also geht die Heiligung mit allen guten Werken aus der Rechtfertigung hervor als ihre Frucht, die nicht aus- bleibt, der Glaube wird wirksam durch Liebe (Gal. 5, 6). Jn dieser schriftmäßigen Unterscheidung wird Gott die volle Ehre, daß er rechtfertigt umsonst, ver- möge seiner Gnade, ohne alles Verdienst und Würdig- keit des Menschen; und nur auf diese Weise kommt die Heiligung recht zu Stande, indem der Mensch ganz aus sich, seiner Eigenheit, seinem selbst etwas sein und machen und gelten Wollenxherauskommt und ein reines Organ des göttlichen Geistes wird, der nun das aus- geleerte Selbst mehr und mehr mit göttlichem Jnhalt erfüllt und in allen seinen Kräften und Bewegungen mit dem Sinne Christi dnrchdringt und dem gleich- förmig macht, der ihm alles ist, auf den er sein ganzes Vertrauen setzt und dessen völliges Eigenthum er zu sein verlangt. Der wahre Glaube, sagt Luther, er- greift mit ausgespannten Armen freudig den Sohn Gottes, der sich für ihn hat dahingegeben, und spricht: »das ist mein Geliebter, und ich der seinige«; ein Exempel davon giebt Paulus an die Galater (Kap. 2, 20), wenn er sagt: »der mich geliebt hat und sich selbst für mich dargegeben«. Also macht das »für mich« oder »für uns-«, wo man glaubt, den wahren Glauben aus und unterscheidet solchen vor allem andern Glauben, der nur die bloßen Historien hat. Sehen wir denn die Sache recht an, so bemerkt Spener, so ist auch der Glaube nicht sowohl das- jenige, was den Menschen gerecht macht, denn dazu wäre auch seine Kraft viel zu gering; sondern es ist allein die kräftige Gnade Gottes, welche der Glaube als eine ihm dargereichte Gabe annimmt und also von derselben den Menschen vielmehr selig machen läßt, als daß er selber ihn gerecht und selig machte sitt) Paulus führt seinen Beweis aus dem fest- stehenden Glaubenssatze von der Einheit Gottes: ist er Einer, so muß auch sein Rathschluß über das Menschen- geschlecht ein und derselbe sein; wäre er nur der Retter der einen, nicht auch der andern, so wäre er selbst nicht Einer, sondern ein Doppelten (Philippi.) Unser Dafürhalten, sagt er, wäre nur dann un- richtig, wenn Gott blos der Juden Gott wäre; dann könnte es allerdings keine andre Weise des Gerecht- werdens geben, als daß man Jude sein müßte; das gesetzliche Thun, welches dem Juden geboten ist, wäre dann ein nothwendiger Bestandtheil des Erfordernifses, um gerecht zu werden. Jst dagegen Gott auch der Heiden Gott, so ist er nicht an das den Juden Eigen- thümliche gebunden, sondern kann einen Weg des Gerechtwerdens vorzeichnen, den der Jude als Jude, der Heide als Heide geht, einen Weg also, für welchen das dem Juden eigenthümliche gesetzliche Thun gleich- giltig ist. Und das thut er denn auch; er hält es mit den Unbeschnittenen nicht anders, als mit den Be- schuittenem indem er für beide den Glauben zur Be- dingung und zum Mittelder Rechtfertigung macht. Wenn nun Paulus da in Beziehung auf die Befchnittenen sagt: »aus Glauben«, in Beziehung aus die Unbe- schnittenen aber: »durch Glauben«, so kann dies nicht so gemeint sein, als würden jene nicht durch Glauben und diese nicht aus Glauben gerecht (vgl. V. 22 u. 26; Gal. 2,16); gleichgiltig aber kann die Verschieden- heit des Ausdruckes auch nicht sein. Das eine Mal heißt es, Gott macht gerecht in Folge Glaubens, so daß also Glaube die vorausgehende Bedingung ist; sie findet sich aber bei dem Beschnittenen nicht, welcher — in Folge gesetzlichen Thuns gerecht werden will. Das andere Mal heißt es, Gott macht gerecht durch den Glauben, so daß also der Glaube das Mittel ist, durch welches Gott den Unbeschnittenen, bei dem an keine andere Möglichkeit des Gerechtwerdens zu denken ist, gerecht macht. Dadurch, daß Gott den Glauben wirkt in dem Unbeschnittenem macht er ihn zu einem, der sein Urtheil für sich hat, und wenn der Beschnittene glaubt, so thut er ihm desgleichen; aber dort ist der Glaube als das Mittel gedacht, durch welches Gott zur Gerechtigkeit verhilft, hier dagegen als die Voraus- setzung, wenn Gott für gerecht erklären soll. (v. Hof- mann.) Aus Glauben, weil Glauben und Verheißung vorher schon dagewesen und diese nur erfüllt wird; durch Glauben, in Ansehung derer, die keinen Glauben und Verheißung gehabt, sondern alles durchaus ganz neu worden. (Luther’s Randgl.) f) Sowie die Ausführung in Kap. 2 den Verdacht begünstigte, der Apostel erkenne.keinen Vorzug des jüdischen Theokraten vor dem Heiden an (vgl. Kap. 3, 1 ff.), so konnte nunmehr wieder der Verdacht er- weckt werden, er mache nichts aus dem Gesetz (Apostg. 21, 28). Was er nun mit den Worten: »wir richten das Gefetz auf« sagen will, ist dies: das sittliche Mo- ment des Gesetzes wird im Ehristenthum in erhöhter Weise erhalten; Paulus bricht aber kurz ab, ohne an- zugeben, inwiefern das geschehe. (Tholuck.) Unser Vers enthält nur einen beiläufig und vorläufig da- zwischen geworfenen Gedanken, eine abgebrochene Zu- rückweisung eines nahe liegenden Einwandes — eine Weise, die ganz der Lebhaftigkeit des apostolischeu Gedankenganges und Stiles angemessen ist. Wie die kurze Sentenz: »durch das Gesetz kommt Erkenntniß der Sünde«, womit in V. 20 die Schilderung der Sündhaftigkeit der Heiden- und Judenwelt schließt, in Kap.7,7sf. weitläufiger erörtert wird, so wird unser: »wir richten das Gesetz aus«, womit die eben gegebene Schilderung der Rechtfertigung aus dem Glauben schließt, in Kap· 8, 1ff. ausführlicher erläutert; hier verweist der Apostel gleichsam nur vorgreifend auf seine später folgende gründliche Nachweisung den angeregten Gedanken schon jetzt allseitig. zu beleuchten, würde den Zusammenhang seiner gegenwärtigen Hauptentwicklung zerstört haben. (Philippi.) Das Gesetz ist gegeben worden, daß die Gnade gesucht werde; die Gnade ist gegeben, damit das Gesetz erfüllt werde. (Augustinus.) Das Gesetz wird nicht also aufgehoben durch die Gnade, daß auch die Wahrheit sollte nachbleiben, daß man nicht sollte lieben u. s. w., sondern durch den Glauben wird uns geschenkt, daß wir dem Gesetz nicht genug thun und doch thun sollten, in dem Reich der Vergebung und Gnade; aber dazu wird uns auch gegeben der heilige Geist, welcher in uns eine neue Flamme und Feuer anzündeh nämlich Liebe und Lust Schon Abraham’s Rechtfertigung war nichts Anderes als Rechtfertigung aus dem Glauben. 29 zu Gottes Geboten. Das soll in dem Gnadenreich ansahen und immer fortgehen bis an den jüngsten Ta , da es nicht mehr wird Gnade und Vergebung heigem sondern eitel Wahrheit und ganz vollkommener Gehorsam. So wir nun also bleiben im Glauben, das ist, in der Schenkung oder Vergebung, und in dem Anfang des heil. Geistes oder der Ersüllung, so soll das Feuer am jüngsten Tage, dadurch die ganze Welt verbrannt wird, uns also fegen und rein machen, daß wir nicht mehr bedürfen werden des Schenkens und Vergebens, als wäre noch etwas Unreines und Siindliches an uns, wie jetzund ist, sondern werden allerdings sein, wie die liebe Sonne leuchtet, ohne alle Makel und Gebrechen, voller Liebe, wie Adam erstlich im Paradiese gewesen ist.» Also wird es dann recht heißen: »das Gesetz aufgerichtet und ersüllet«. (Luther.) Das 4. Kapitel. Die gerechtigkeit des glaube-is mir-d durch das Exempel llbrahams erklärt. 5. V. 1—25. Die im vorigen Kapitel aufgestellten beiden Sätze, das; der Mensch gerechtfertigt werde aus Gnaden , allein durch den Glauben, nicht durch des Gesetzes Werke, und das! diese Reihtsertignng nisht nur den Juden, den Inhabern des Gesetzes, sondern eben so sehr den heiden zu Theil werde, erhärtet der Apostel nunmehr in ihrer Schrislinäsligkeit durch Ein· gehen anf die Zeugnisse des alten Cestamenls. und hat es da namentlich mit der Geschichte ?lbrahancs, der höchsten Ituctorität der Juden. auf dessen Vorgang sie besonders gerne bei Verfechtung ihrer Anschatitingen hinsichtlich der Gerechtigkeit sich beriefen, zu thun. Zuerst nun weiset er durch ein Citat ans der Lebens- geschichte des heil. Grzuaters stach, dass dessen Recht« fertigung eben nichts Anderes war, als eine Recht» sertigung aus dem Glauben, welche die Rechtfertigung ans den Werke« ausfchloslz sie war daher nur die Rechtfertigung eines Sünders, wie dies auch die Selig- preisung Davids beweist, die demjenigen gilt, dem seine Uebertretungen bedecket sind (V.1——8). Sie war aber auch unabhängig uon der Beschneidung, denn Ilbrahanl hat die Glückseligkeit des Rechtfertignngsi siandes nicht zu einer Zeit empfangen, wo er noch in der Vorhaut sich befand, während die Beschneidung erst tiaclsmals als eine Versiegelung der bereits» er- langten Rechtfertigung hiuzukanu damit ist er denn als ein Vater aller Gläubiger» sowohl derer ans der verharrt, als derer ans der Beschneidung, hingestellt (V. 9——-12). Dies geht aber auch weiter daraus hervor, dap die ihm und seinem Samen ertheille Verheislutig des zukünltigen Grbes nicht unter Ver- mittelung des Gesetzes, sondern lediglich unter der der Glaubens-gerechtigkeit ihm gegeben wurde; sie kannnt also nicht blos denen, die unter dem Gesetz und Abrahams leibliche Nachkommen sind, zu gute, sondern auch denen, die zwar das Gesetz sticht haben, aber doch durch den Glauben in Ilbrahanis geiskliche Nachkommenschaft eintreten (t1. 13——l7). Indem Paulus hierauf das charakteristische Wesen nnd die eigenthiiniliche Art des Glaubens ?lbrahanis, der ihm zur Gerechtigkeit gerechnet und durch den er das wurde, was er geworden, der Stamnsuater einer grossen Nach· konnnenlchalh in’s Licht setzt, wendet er das anf den uns Christen rechlsertigenden Glauben an, welchen Charakter nnd welchen Gegenstand dieser habe (V. l8--25). 1. Was sagen wir denn sindem es jetzt sich darum handelt, die in Kap. Z, 28 ausgesprocheue Behauptung: »der Mensch wird gerecht ohne des Gesetzes Werke, allein durch den Glauben«« aus der Heilsgeschichte schon des alten Testanients zu erhärten] von unserm Vater Abrahamt sder da vor allen Dingen in Betracht kommt Jak. L, 21 ff.], daß er fanden habe nach dem Flelsch [auf dem Wege des Fleisches, d. i. durch äußerliche Vorzüge und eigene Leistungen, wie die Juden sich ihrer rühmen Phil. Z, 4.ff.? etwa, was diese auf solche1n Wege suchen Kap. 9, 31s., die Gerech- tigkeit, die vor Gott gilt]? 2. Das sagen wir swas zunächst die eigenen Leistungen betrifft]: Jst Abraham durch die Werke gerecht swas in gewisser Hinsicht ja allerdings von ihm behauptet werden kann], so bat er wohl Ruhm snämlich vor den Menschen], aber [darum] nicht szugleich auch] vor Gott ldaß er vor dessen Gericht gleichsalls mit seinen Werken bestünde I. Cor. 4, 3 f.]. Z. Was sagt denn die Schrift svon ihm in Betrefs seiner Gerechtigkeit, die er vor Gott ohne Zweifel ebenfalls hatte]? Abraham sso heißt es in 1. Mos. 15, e] hat Gott geglaubet, und das sdieses sein Glaub en-Habeu] ist ihm zur Gerech- tigkeit gerechriettt svgt Gat. Z, 6]. 4. Dem aber, der swie der gesetzesstolze Jude es thut] mit Werken umgehet sum ctus diesem Wege zur Gerechtigkeit und Seligkeit zu gelangen], Wird der Lohn ssür das, was er etwa leistet] nicht ausGnade zugerechnet [auf welche Zurechnung es ja doch nach obigem Schriftzeugniß über Abraham bei Erlangung der Gerechtigkeit wesentlich an- kommt], sondern [er wird ihm] aus Pflicht [oder Schuldigkeit dessen, in dessen Dienste die Leistung geschieht, zu Theil Katz. II, 6]; 5. Dem aber, der nicht mit Werten umgehet [inde1n, was er Gutes thut, er nicht in der Mei- nung thut, damit die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, sich selbst erwerben zu können], glaubet aber an den, der die Gottlosen [die wir Menschen von uns selber alle ohne Ausnahme sind Kap. 5, s] gerecht macht [Kap. Z, 26., wie unser Grundsatz in Katz. Z, 28 dies als den rechten Heils-weg be- schreibts dem wird sein Glaube gerechnet zur Ge- rechtigkeit"* sdaß er nun aus gleicher Linie steht mit Abraham, unserm Vater V. 1., wäre er auch dem Fleische nach weiland ein Heide gewesen Kap. Z, 29 f.; Ephes 2, 11; Gat. Z, 9]; b. Nach welcher Weise sder Rechtfertigung, wie sie soeben in V. 5 charakterisirt wurde] auch David [aus eigener innerster Herzensersahrung heraus] sagt, daß die Seligkeit sei allein des Menschen, welchetu Gott zurechnet die sin Ver- gebung der Sünden bestehende] Getechtigkeit sund 30 Römer 4, 7. 8. also, wie sich hiernach von selbst versteht, für gerecht ihn erklärt] ohne Znthun der Werke, da er spricht lPs- 32, 1 H: · 7. Selig sind die, welchen ihre Ungerechtig- keilen vergeben svon Seiten der dadurch verwirkten Schuld erlassen] sind, und welchen ihre Sünden sum nicht mehr gesehen zu werden Spr. 10,12; 1. Petri 4, 8] bedecket sind [Jes. 38, 17; Mich. 7, 19]; 8. Selig ist der Mann, welchem Gott keine Sünde zurechnets [daß er noch irgend eine von seinen Sünden an ihm rächen wollte]. V) Mit Abraham hat die Gemeinde Gottes ihren Anfang genommen; es stünde also die Gemeinde der neutestamentlichen Heilsbotschaft mit dem von der Schrift beurkundeten Ursprunge der Gemeinde Gottes auf Erden in Widerspruch, wenn sich das, was sie vom Glauben sagt, mit Abrahams heilsgeschichtlicher Stellung nicht vertriige. Wie ganz und gar nicht dies der Fall sei, will der Apostel hier zum Bewußtsein brin en, wenn er zu der Frage übergeht: ,,was sagen wir enn von unserm Vater Abraham, daß er fanden habe nach dem Fleisch«. (v. HofmannJ Hat jemals ein Mensch das Ansehen eines Werkhelden gehabt, so ist es fürwahr Abraham, dessen Gehorsam gegen Got- tes Gebot, vom Verlassen seines Vaterlandes bis zur Opserung Jsaaks, die höchsten Proben bestanden hat. Dennoch würde es vergebliche Mühe der Ueberlegung kosten, wenn man einen Gewinn Abrahams nach dem Fleisch ausfindig machen wollte. (Besser.) Ein-»bürger- licher Ruhm kommt dem Abraham allerdings zu, will Paulus sagen, diesen spreche ich ihm nicht ab; aber worauf hier alles ankommt, das Bestehen vor den Augen Gottes, erhält er nicht durch seine Heiligkeit, weil sie allzu befleckt ist. (Tholuck.) Man kann also auf eine doppelte Art erecht sein, entweder vor Gott durch Erlangung der ündenvergebung und Seligkeit; oder vor den Menschen, da man die Gerechtigkeit in einem gerechten Thun und Wandel beweiset. Diese gedoppelte Art, gerecht zu sein, ist sehr unterschieden: jene geschieht ohne Verdienst, ohne des Gesetzes Werke durch den Glauben, und ist allen Werken entgegengesetzy diese geschiehet durch Werke und ist die Gerechtigkeit der Werke. Jene gehet vorher und ist dieser Grund; diese folget auf jene und ist ihre Frucht Jene ist vollkommen, die Gerechtigkeit Gottes, die vor ihm gilt, ihm genug thut und gefällt, die vollkommene Gerech- tigkeit Christi, die er durch seinen Lebens- und Sterbens- gehorsam erworben hat und die uns zugerechnet wird; diese ist unvollkommen, gilt und besteht nicht vor Gottes Gericht, thut ihm nicht genug, ist innerlich, nicht von außen zugerechnet, und gefällt Gott nur um jener willen. Jene ist verborgen und allein Gott und den Gläubigen bekannt; diese ist auch den Menschen offenbar und wird aus den Werken ersehen· Jene kommt allein von Gott und rechtfertigt den Gottlosenx diese aber geschieht durch die Mitwirkung des erneuerten und frommen Menschen. Keine kann ohne die andere sein: diese, wenn sie eine wahre, keine Heuihelgerechtikk keit ist, setzt jene voraus und folgt nothwendig auf sie als ihre Frucht; jene zieht diese nothwendig nach sich als ein guter Baum. Sie sind also unzertrennlich ver- bunden und doch von der unterschiedensten Natur und also nicht zu vermengen. Von der Gerechtigkeit vor Menschen redet Jakobus in Kap. 2, 20 ff., die zu be- strafen, die sig der Gerechtigkeit des Glaubens rühinten und solche do nicht in den Werken bewiesen. (Starke.) W) Es halte Abraham, da er aus Gottes Befehl sein Vaterland verließ und sich in das Elend wagte, auch wohl einen trefflichen Glauben; es wird aber solches zut un nicht uns allen befohlen. Darum wird auch dabei ieses nicht gesagt: Abraham glaubte Gott, und es ward ihm zur Gerechtigkeit gerechnet; hier aber (bei der Geschichte in Kap· 15, 1ff.) setzet es der heil. Geist, da er von dem himmlischen Samen redet, auf daß diese Lehre in der Kirche und zu allen Zeiten gewiß geinacht werde, nämlich daß alle, die mit Abraham ies er Verheißung glauben, wahrhaft gerecht seien. (Luther.) Die Frage ist die, inwiefern der Apostel in dem an jener Stelle aus Abrahams Leben mitgetheilten Zuge bereits die Glaubensgerechtigkeit im neutestament- lichen Sinne voraus dargestellt finden könne, inwiefern der abrahamitische Glaube wesensgleich mit dem christ- lichen sei. An Abraham ergeht das Wort des HErrn: ,,fürchte dich nicht, ich bin dein Schild und dein sehr großer Lohn«; und da dieser kleinmüthig fragt, was ihm. der HErr geben wolle, da er ohne Leibes-erben dahingehe, »so heißt ihn Gott hinausgehen und zum gestirnten Himmel aufschaun —- so zahllos wie der Sterne Heer, so zahllos werde seine Nachkommenfchaft sein. Abraham glaubte dem HErrm heißt es darauf, und das rechnete er ihm zur Gerechtigkeit. Somit ist das erste Gleichheits-Moment zwischen abrahamitischem iind chriftlichem Glauben das unbedingte, riickhaltslose Vertrauen auf die Gnade und Treue Gottes. Jndeß haben wir dabei noch nicht stehen zu bleiben; denn der Glaube rechtfertigt den Menschen nicht, sofern er seinerseits eine sittliche Leistung ist, womit er ja dann wieder zum Werke werden würde, sondern um seines Jnhalts willen. Gerecht wird der Mensch dadurch, daß er im Glauben die Gerechtigkeit sich aneignet oder, um bei Gottes Thun allein noch stehen zu bleiben, weil Gott ihm eine Gerechtigkeit an- und zurechneiz die er an sich gar nicht hat. Wenn aber Abraham Gotte glaubt, so ergreift er glaubend dessen Verheißung, eine Verheißung, die mit der Gabe eines Leibeserben und einer ungezählten Nachkomnienschast zugleich den verheißenen Weibessamen und Mesfias Umfaßte; denn um Aufrechterhaltung dieser Zusage handelte es sich dabei sur den Abraham. Somit ist das andere Gleichheits-Moment abrahamitischen und christlichen Glaubens die Jdentität ihres Inhalts, nämlich Christus, der Messias, von dem alles Heil der Welt kommt. Jn dieser Auffassung werden wir durch ein Wort des HErrn selbst bestärkt, jenes wunderbare Wort (Joh. 8, 56): ,,Abraham ward froh, daß er meinen Tag sehen solltez und er sahe ihn und freuete sich.« Jn dem Inhalt feines Glaubens lag also das den Abraham rechtfertigende Moment, und so ist er zum Vater aller Glaubenden geworden; es besteht ein tiefer, heilsgeschichtlicher Zusammenhang zwischen Abraham und allen "ubigen, und in diesem Zusammenhang ist die geisti e Vaterschaft jenes von diesen begründet. (Röntsch.) ach der Ansicht der Neueren hat Pauliis nicht in Beziehung auf das Gegenständliche des Glaubens, sondern »in Beziehung auf die innere, sub- jektive Bedeutung dieser Handlung des inneren Men- schen« den Glauben des Patriarchen mit dem des Zlläubigen Christen in Parallele gestellt, durch welche nsicht allerdings die von der orthodoxen protestantischen Kirche bekämpfte katholische, socinianische u. arminianische Lehre, daß die Rechtfertigung nicht sowohl per als propter fidem (durch den Glauben — wegen des Glaubens) eschehe, unterstützt zu werden scheintz nach orthodoxer nsicht fordert vielmehr die Parallele, daß der Apostel bei Abraham dasselbe Objekt des Glaubens als bei den Christen voraus-setze, und es ist wahr, die Ebenso gilt David’s Seligpreisung dem, welchem seine Uebertretungen bedecket sind. 31 Parallele würde, wenn nicht dasselbe Objekt mitgedacht wird, unvollkommen sein, es würde alsdann auf der einen Seite der Glaube zur Gerechtigkeit gerechnet, auf der andern Christi Gerechtigkeit zur eigenen Gerechti keit. (Tholuck-) Mit gutem Grunde hat die evangelische Kirche den Ausdruck: »der Glaube wird Zur Gerechtigkeit gerechnet« für gleichbedeutend mit em Satze: ,,Christi Gerechtigkeit wird dem Gläubigen zur Gerechtigkeit gerechnet« erklärt, weil ersteres aus gtlzalikennjm der Gerechtigkeit Christi willen geschieht. iippi. . IN) Der Apostel verneint zunächst vom Lohn, daß er in dem Sinne in Rechnung gesetzt werde, in welchem dies ein nadenweises Thun ist, und bejaht dann mit andrer endung des Begriffs »in Rechnung sehen« (Ps. 106, 31), daß er aus Pflicht oder nach Schuldig- keit in Rechnung gesetzt werde: das eine Mal hat das »in Rechnung setzen« den Ton, das andere Mal das »Schuldigkeit«; wo etwas gnadenweise in Rechnung gesetzt wird, da ist dies kein Lohn, sondern der Lohn wird schuldigkeitsweise in Rechnung gebracht. Ein in-Rechnung-Stellen der ersteren Art ist das ,,rechnen zur Gerechtigkeit«, welches da statt hat, wo dem, der nicht Werke thut, sondern vielmehr an den Gerechtsprecher des Gottlosen glaubt, dieser sein Glaube als Gerechtigkeit in Rechnung gesetzt wird. Aber ein solcher Glaube muß es sein, wie er damit bezeichnet ist, daß der, auf welchen er sich richtet, ohne daß jedoch Abraham selbst unter dem ,,Gottlosen« verstanden sein will, der »den Gottlosen gerecht Sprechende« heißt. Nichts Anderes darf der Glaubende von Gott begehren und erwarten, als was dem Gottlosen zu Theil wird, den Gott durch seinen Spruch zu einem Gerechten macht; und nichts Anderes darf er vor Gott bringen, als was der nach der Gerechtsprechung verlangende Gottlose mitzubringen hat, nämlich den Glauben, welcher sich der Gerechtsprechung von Gott versieht. (v. HofmannJ Die katholische Kirche wendet gegen die evangelische Lehre ein, Gott könne nach seiner Wahrhaftigkeit nicht jemanden für etwas ansehen, was er nicht sei: sei der Mensch sündhaft, so» müsse der Wahrhaftige ihn als Sünder ansehen und behandeln, solange bis er aufgehört, es zu sein; und höre er thatsächlich auf, es zu fein, so könne er dann wieder nur als Gerechter und dur aus nicht als Sünder an- gesehen werden. Nach die er Ansicht wird nicht der objektive Rathschluß Gottes der felsenfeste Grund des Glaubens, sondern der wandelbare Zustand des eigenen Herzens: glaubt »der· Mensch den gewirkten Zustand der Gerechtigkeit m sich zu finden, o getröstet er sich seines Gnadenstandes; entdeckt er aber in Zeiten der Anfechtung denselben nicht in sich, so zweifelt oder verzweifelt er daran. Der geschärfte Blick des Wieder- geborenen findet nun auch in den besten Zuständen noch vieles an sich auszusetzeu Deshalb behauptet die katholis e Kirche nach ihren Prinzipien ganz con- sequenh da der Mensch in seinem Erdenleben nie eines Gnadenstandes gewiß sein dürfe, sondern sich in steter Unsicherheit halten müsse (vgl. zu Kap. 3, 24), während die evangelische Kirche das gerade Gegentheil lehrt. Aber wäre jener obige Grundsatz der kathol. Kirche tvörtlich verstehen, so könnte, da ohne das Werk Christi keine Sündenvergebung und Heiligung denkbar ist, vor dem vollendeten Versöhnopfer Christi kein Heiliger gelebt haben, was der ganzen Schriftlehre widerspricht. Bei jeder göttlichen Thätigkeit wirken aber alle Eigenschaften Gottes. Er kann daher aller- dings einen Menschen für etwas ansehen, was er noch nicht ist, indem er nämlich auf seinen Rathschluß sieht, der ihn zu dem, was er noch nicht ist, machen soll. So unabänderlich daher dieser Rathschluß ist, so wahr ist auch seine Anschauung dessen, was nicht ist, als des Seienden. Sodann aber ist es eben die Natur des Glaubens, als eines lebendigen Zustandes, nicht eines blos historischen Fürwahrha1tens, daß er das Wesen der Sache selbst schon in sich trägt; er ist eine das Göttliche sich aneignende Thätigkeit des Menschen, die freilich voraussetzh daß die innerste Natur desselben dem Göttlichen verwandt ist. Wendet sich der Glaube aber von seinem eigentlichen Objekte, dem Christus außer uns und dem objektiven göttlichen Rathschluß der Erlösung, ab und wendet sich auf den Christus in uns als den Grund, nicht als die Folge der Er- lösung, sich nur deshalb für begnadigt haltend, weil und so lange er ihn in sich entdeckt, so ist der Glaube in seinem Wesen vernichtet, und der Mensch dem Gesetz wieder anheim gefallen. (Olshausen.) Der Glaube ist eben kein Werk, nicht eine Gott gefällige Tugend, durch die der Mensch etwas erwerben könnte; der Glaube ist von Seiten des Menschen ein bloßes sich-Gefallenlassen dessen, was Gott thut, seiner Gnadenerweisungen, im Gefühl der eigenen Sündhaftigkeitx daher liegt die Kraft des Glaubens nicht im Menschen, sondern ganz in dem, was dem Gläubigen geschenkt wird, und Gott sieht den Glauben so an, als ob er wahre, vor ihm geltende Gerechtigkeit wäre. (v. Gerlach.) Darum soll man vom Glauben recht lehren, nämlich also, daß du durch denselben mit Christo also verbunden und ver- einigt werdest, daß aus dir und ihm gleich als Eine Person werde, welche sich von einander gar nicht scheiden noch trennen lasse, sondern Christo immerdar anhange und mit aller Freudigkeit etrost- sagen möge: Jch bin Christus, nicht« persönlich, sondern Christi Gerechtigkeih Sieg und Leben, und alles, was er hat, ist mein eigen. Und Christus wiederum auch sage: Jch bin dieser arme Sünder, das ist, alle seine Sünde und Tod sind meine Sünde und Tod, sintemal er durch den Glauben an mir hanget und ich an ihm, ja lebe in ihm. Da- her St. Paulus spricht (Eph. 5, 30): »wir sind Glieder von Christi Leib, von seinem Fleisch und von seinem Gebeine«, also daß dieser Glaube mich härter verbindet mit Christo, denn irgend ein Ehemann mit seinem Eheweibe verbunden werden mag. (Luther.) f) Der 82. Psalm ist wirklich ein davidischer, wahr- scheinlich nach dem in 2. Sam. 12 berichteten Ereignisse gesungen; die Seligpreisu1ig in den angeführten Versen ist allgemein gehalten, aber sie geht aus Davids eigener Erfahrung hervor, mit der er sie sofort begründet. Er hatte schwer gesündigt und darauf. das tiefeElend der Schuld gefühlt; aufrichtig und· mit fchmerzlicher Reue bat er sodann Gott um Verzeihung, wurde begnadigt und empfand jetzt im Zustand des Friedens mit Gott die Seligkeit, die er mit Begeisterung preist. (Maier.) David preist in der Art den selig, dem Gott Gerech- tigkeit in Rechnung seht, ohne daß dabei Werke in Rechnung kommen, daß er den selig preist, welchem Gott die Sünden vergeben hat, Sünde nicht in Rech- nung setzen wird; wonach also, um unter diese Selig- preisunå zu fallen, nichts weiter erforderlich ist, als seiner ünden durch Gottes vergebende Gnade ledig geworden zu sein, und die Gerechtigkeit, deren der Mensch bedarf, um zur Seligkeit zu gelangen, in nichts Anderem besteht, als in der Vergebung seiner Sünden. (v. Hofmannh Demgemäß hat die protestantische Kirche vollkommenen Schriftgrund, wenn sie Rechtfertigung und Heiligung unterscheidet. (Philippi.) Abraham und David, die beiden Fürsten im Volke der Verheißung, der eine vor, der andere nach dem Gesetze, geben einstimmiges Zeugniß von dem einigen Wege der Seligkeit, den Paulus predigt. Nicht aber als zweites, 32 Römer 4, 9——12. allgemeines Zeugnis; für die Rechtfertigung wird Da- vid angeführt, sondern mehr als untergeordneter Beleg für V. 4 u. 5, daß die Rechtfertigung des Menschen stets eine Rechtfertigung des Sünders sei und daß der Glaubende seine Sünde erkenne; denn in Bezug auf David war beides, feine Schuld und seine Vegnadigung, für jeden Juden ausgemacht Dabei ist es nicht mög- lich gegen diese Anführung Davids einzuwenden, daß in seinen Worten nicht von Anrechnen der Gerechtig- keit, sondern nur vom nicht-Anrechnen der Sünde die Rede sei; denn die Sündenvergebung ist ja nicht menschliche Einbildung oder That, da der Mensch zu sich selbst spricht, ich habe Vergebung der Sünde, son- dern eine That, ein lebendiges, ins Herz hinein- gesprochenes Wort Gottes, das nur der Glaube sich aneignen kann. Gottes Wort und That ist aber das Positivste, das gedacht werden kann, es ist das Sein selber; deshalb nennt Luther ganz richtig die Ver- gebung der Sünden ,,Leben und Seligkeit«, denn sie hat die Anrechnung der Gerechtigkeit Gottes in sich. (Olshaufen.) Wenn Gott die Sünde bedeckt, so will er sie nicht bemerken; wenn er sie nicht bemerken will, so will er sie nicht bestrafen. (Augustin.) Darin stim- men alle überein, daß der Mensch eine Gerechtigkeit haben müsse, wenn er vor Gott angenehm und in seiner Gemeinschaft selig sein wolle. Der Begriff, welchen uns auch die Vernunft schon von Gott, als dem allerheiligsten und gerechtesten Wesen giebt, läßt uns unmöglich anders denken und glauben, und die, welche diese allerdeutlichste Wahrheit leugnen wollten, würden billig als solche angesehen werden, die sich selbst Gewalt anlegten, um ihrer eigenen Erkenntnis; zu widersprechen und aus Licht Finsterniß zu machen. Es kommt aber nur darauf an, daß man richtig be- stimme, was für eine Gerechtigkeit es sei, welche der Mensch vor Gott bringen muß, und wie er dazu ge- lange. Hier trennen sich nun die Parteien: Einige suchen die Gerechtigkeit in dem Menschen selbst und glauben, der Mensch habe noch so viel Kräfte übrig, daß er solche Werke verrichten könne, wodurch die Gerechtigkeit Gottes wegen seiner Sünden ausgesöhnt und ihm das Recht zum ewigen Leben zuwege gebracht würde; bei diesen ist die Rechtfertigung nichts Anderes, als daß Gott die eigene Gerechtigkeit des Menschen für giltig erkläre und ihm um derselben willen das Recht zum ewigen Leben zuerkenne. Andere wollen die Sache verbessern und geben zu, daß-des Menschen Kräfte nicht hinreichen, um sich vor Gott angenehm zu machen, sie glauben daher, Gott müsse entweder der eigenen Wirkung des Menschen zu Hilfe kommen oder er müsse ihm lauter neue Gnadenkräfte zur Vollbringung des Guten einflößenz sie halten aber dafür, durch die Werke und Uebungen, welche der Mensch auf diese Weise verrichtete, würde er vor Gott angenehm und wohlgefällig gemacht. Diese können denn die Recht- fertigung nicht anders ansehen, als daß sie theils eine Mittheilung und Einflößung geistlicher Gnadenkräfte sei, theils daß Gott die durch seine Mitwirkung voll- brachten Werke für verdienstlich genug zur Seligkeit erkläre und annehme. Sowohl diese als die vorige Gattung setzt die Rechtfertigung in das Gerechtmachem Gerechtwerden und Gerechtsein, worauf zwar eine Gerechterklärung vor dem Gerichte Gottes erfolgt, die sich aber auf die in dem Menschen selbst befindliche Gerechtigkeit und Würdigkeit gründen soll; wir setzen aber die Rechtfertigung nicht in eine Wirkung, welche in dem Menschen geschieht, noch in eine gerichtliche Lossprechung, die sich auf eine in dem Menschen ge- schehene Gnadenwirkung gründet, sondern, wie die Be- schreibung derselben lautet, in eine solche gerichtliche Handlung, da der Mensch vor dem Gerichte Gottes, also nicht in sich, sondern außer sich, um des Ver- dienstes Christi willen, und nicht wegen seiner eigenen Würdigkeit, für gerecht und erbfähig zum ewigen Leben erklärt wird. (J· GeseniusJ 9. Nun diese Seligkeit [die David hier an einem Menschen preist, der seiner Schuld vor Gott erledigt worden und in den Gnadenstand bei ihm versetzt ist], gehet sie [allein] über die Beschnei- dung [als wären nur solche ihrer theilhaftig, welche die Beschneidung an sich tragen, wie es mit David der Fall war], oder [auch] über die Vorhaut sdaß sie eben so gut den Heiden als solchen gilt, die ebenfalls Antheil an ihr haben können]? Wir müssen je sagen sbei Entscheidung dieser Frage, die bereits in Kap. Z, 29 f. zu Gunsten der zweiten Möglichkeit: ,,auch über die Vorhaut« gegeben wurde, allen Nachdruck aus das in V. 3 angeführte Schriftzeugniß legen], daß Abraham sei sein Glaube zur Gerechtigkeit gerechnet. 10. Wie [d. i. in welchem von den beiden Ständen, in denen er sich während seines Lebens befunden, so fragt es sich da weiter] ist ei! [der Glaube] ihm denn zugerechnet? in der Beschneidung swelche seinen späteren] oder in der Vorhaut [welche seinen früheren Lebensstand bildete]? Ohne Zweifel nicht in der Beschneidung« sondern in der Borhaust [wie daraus sich ergiebt, daß die Geschichte in 1. Mos. 15, 1 ff. der in 1. Mos. 17, 1ff. um eine ziemliche Reihe von. Jahren vorausgeht] ; 11. Das Zeichen aber der Beschneidung sdas er erst seit der Zeit an seinem Leibe trug, wo es nun zur Zeugung des Sohnes der Verheißung kommen sollte] empfing er zum sverbürgenden 1. Cor. 9, 2; Joh. S, 27] Siegel der sbereits von Gott ihm zuerkannten] Gerechtigkeit des Glaubens, welchen er noch in der Vorhaut [als ein noch im Stande der Unbeschnittenheit Befind- licher] hattest, auf daß er svorerstim A llg e m ein en] würde ein Vater aller, die da glauben in der Vor- haut sein Vater der außerhalb des Judenthums stehenden, aber an Christum gläubig gewordenen Heiden Gut. Z, 1 ff. 29], daß denselbigen solches sihr Glauben-Haben] auch gerechnet werde zur Gerechtigkeit sgleichwie ihm das seine V. 3]; 12. Und würde sdarnach im Besonderen] auch swas das auf Grund der empfangenen Be- schneidung leiblich von ihm herstammende Volk der Juden betrifft] ein Vater der Veschneidung nicht allein derer, die von der Beschneidnng sind srichtigen ein Vater der Beschneidung, und zwar derer aus der Beschneidung, die nicht allein von der Beschneidung, d. i. weiter nichts als leiblich beschnittene Abrahamiden sind Kap. 2, 28 f.1, sondern auch derer, die da wandeln Abrahams Vater-Verhältniß zu den gläubigen Heiden und nur zu gläubigen Juden. 33 ssondern auch geistlich sich als solche ausweisen, indem sie wandeln] in den Fußstapfen des Glau- bens, welcher war in der Vorhaut unsers Vaters Abrahatnk"« [also zu einer Zeit, wo er noch in keinerlei Beziehung dem Gesetz, wie es hernach mit der Beschneidungssatzung l. Mos. 17, 9 ff. theilweis auch ihn unter seine Botmäßigkeit nahm, unterstellt war Kap. 9, 6 ff.]. Ei) Obgleich David in den vorhin angeführten Wor- ten (V. 6 ff.) im Allgemeinen alle diejenigen selig ge- priesen, denen die Sünden vergeben sind, so hätte doch (von Seiten der Juden) behauptet werden können, diese Seligpreisung erstrecke sich nur aufdieBeschnittenem zu denen David selbst gehört habe; deshalb fügt der Apostel die Frage hinzu: »Nun diese Seligkeit, gehet sie (allein) über die Beschneidung? oder (auch) über die Vorhaut?« womit er zu dem zweiten Punkte übergeht, den er durch das Beispiel Abrahams be- legen wollte, nämlich daß es nicht nur eine Bestätigung dafür sei, daß die Gerechtigkeit aus dem Glauben kommt, sondern auch dafür, daß sie gleichmäßig Heiden wie Juden zu Theil werde. (Philippi.) Von dem vorhin angezogenen Pfalmwort nimmt Pau- lus hier seinen Ausgang; er hat es als ein Wort Davids ausdrücklich bezeichneh und da kommt in Betracht, daß David ja mitten zwischen Abraham, dem Urvater, und Jesu, dem Christ, steht (Matth. l, 1) Wenn er also den selig preist, welcher seiner Sünden Vergebung empfangen hat, so kann sich fragen, ob dies nicht mit der Voraussetzung geschieht, daß der Seliggepriesene dem von Abraham stammenden Volke der Beschneidung angehört; denn in diesem Falle hätte es keine Bedeutung für die unbeschnittenen Heiden (Apostg. 15, 1). Für diese Frage nun ist von ent- scheidender Wichtigkeit derUmstand, daß dem Abrah am der Glaube zur Gerechtigkeit gerechnet wurde; aller- dings ist ja Abrahain beides gewesen, unbefchnitten zuvor und beschnitten hernach, aber er war zu der Zeit, als ihm der Glaube für Gerechtigkeit gerechnet wurde, ohne Zweifel ein annoch Unbeschnittener, und da die Zurechnung des Glaubens Eins mit der Sün- denvergebung, so beschränkt sich folgerichtig auch jene Seligpreisung Davids nicht auf die Beschnittenheit. (v. Hofmannh VI) Jn 1. Mos. 17,11 wird die Beschneidung »Zeichen des Bundes« zwischen Gott und Abraham genannt; da aber der Gegenstand, auf welchen der Bund Gottes ging, nichts Anderes war, als das Heil in Christo und vor allem die Gerechtigkeit vor Gott, die durch den Glauben an Christum empfangen wird, Abraham aber diesen besaß, so ist ,,Zeichen des Bun- des« und »Zeichen oder Siegel der Gerechtigkeit« wesentlich gleichbedeutend. Der Apostel läßt hier die andere Seite der Beschneidung, daß sie zugleich ein Sinnbild der inneren Herzensbeschneidung sein sollte (Kap. 2, 29; 5. Pios 10, 16; 30, S; Jer.4, 4), außer Betracht; aber diese beiden Seiten der Bedeutung der Beschneidung hängen auf’s Jnnigste zusammen, denn gleichwie die Beschneidung die vorher erfahrene Recht- fertigung bestätigen und erkennen lassen sollte, so ist ja die Heiligung der Gläubigen auch ein Siegelsund Spiegel der von ihnen zuvor empfangenen Gerechtig- keit des Glaubens. Ohne geschehene Rechtfertigung giebt es kein neues Leben; wo dies aber ist, da ist es ein Zeugniß und zugleich bestätigendes und bekräftigendes Siegel der vorhandenen Rechtfertigung. IN) Luther’s Uebersetzung in den Worten: ,,nicht allein derer, die von der Beschneidung sind, sondern Deichserss Birierwekkx vix. Band. 2. nun. · schneidung bewährte. auch derer, die da wandeln in den Fußstapfen des Glaubens, welcher war in der Vorhaut unsers Vaters Abraham« beruht auf der Auffassung des Theodoret, welcher in dem Ausdruck ,,Vater der Beschneidung« letzteres Wort in doppelter Bedeutung, im leiblichen und im geistlichen Sinne faßt (Kap. 15, S; Col. 2,1l), so daß das erste Glied des Satzes: ,,uicht allein derer, die von der Beschneidung sind« sich auf die Juden, das andere Glied: »fondern auch derer, die da wan- deln 2e.« sich auf die an Christum gläubig gewordenen Heiden bezöge. Jst es aber an sich schon unwahr- scheinlich, daß Paulus nach dem, was er in V.11 von der geistlichen Vaterschaft Abrahams über die gläubigen Heiden bereits gesagt hat, noch einmal mit so beson- derem Nachdruck auf dieselbe Sache zurückkomnien sollte, so müßten auch, wenn jene Auffassung richtig sein sollte, die Worte im Grundtext anders gestellt sein (statt: rofg as» s« Jrsgrrozirsg stät-so» vielmehr: or? 15059 Z« »so-texts;- kiöi-oi-); wir haben also im Atlschluß at! V. .11, wo von den Heiden die Rede war, die Aus- sage des I2. Verses auf die Juden zu beziehen, unter denen aber der Apostel einen Unterschied macht zwischen denen, die lediglich beschnitten find, wie Abraham hernachmals es war, aber an Christum un- gläubig bleiben, und denen, die vermöge des Glaubens an Christum auch eintreten in die Fußstapfen des Glaubens Abrahams, den er schon vor seiner Be- Nur für letztere ist Abraham in Wahrheit ein Vater der Beschneidung, während ersteren der Apostel dessen Kindfchaft in Abrede stellt, wie das der HErr selber in Joh. 8, 39 ff. in sehr einschneiden- der Weise gethan hatte. Daß die Zurechnung des Glaubens dem Abraham in seiner Unbefchnittenheit zu Theil geworden und daß er die Beschneidung als« Siegel seiner damit gegebenen Gerechtigkeit empfangen hat, dies beides, wovon in V.10 u. 11 die Rede war, gehört auf’s Engste zusammen, so bemerkt v. Hof- mannx mit beidem zumal und gleichermaßen war es darauf abgesehen, daß er das sei, was er genannt wird, nämlich Vater in zwiefacher Weise: l) Vater derjenigen, die im Zustande der Unbeschnittenheit glauben, und 2) Vater— derjenigen Beschnitteneth welche nicht blos vermöge dessen, daß sie beschnitten sind, sondern auch vermöge dessen, daß sie glauben, also in zweiseitig begründetem Verhältnisse der Kindschaft zu ihm stehen. Der Apostel benennt also Abrahams Vaterschaft überhaupt und dann fonderlich, wie sie durch seine Beschnittenheit eigenthümlich bestimmt ist: jenes, um zii sagen, daß Unbeschnittenheit nicht von ihr ausschließt, wo Glaube ist; dieses, um zu sagen, daß Beschnittenheit nicht für sich allein ihrer« theilhaft macht, wo nicht auch Glaube ist. In der That, so erklärt sich demgemäß Philippi, war die schon vor der Beschneidung vorhandene und durch die Beschneidung besiegelte Glaubensgerechtigkeit Abrahan1s ein starkes Zeugniß für die an keine äußeren Be- dingungen geknüpfte Universalität der göttlichen Gnade. Die später eintretende nationale, an leibliche Abstam- mung und äußeren Cultus geknüpfte Beschränkung des Reiches Gottes war schon während der Zeit ihres Be- standes keine absolute, wie die dem Gotte Jsraels sich anschließenden gläubigen Heiden erweisen, und deutete in der Prophetie auch an und für sich selbst auf die Zeit der einstigen Entschränkung hin. So existirt Eine große Familie der Gläubigen, an deren Spitze Abraham der Glaubensvater steht. Eine dreifache Klasse des .s geistigen Samens Abrahams dagegen, d.h. der wahren Christenheit, die denselben rechtfertigenden Glauben hat, will Wieseler an vorliegender Stelle unterschieden wissen; wir werden zu Kap. 14, 4 seine Auslegung 3 34 Römer 4, 13—17. ausführlich mittheilen, und würden wir nun, da sie zu- nächst das Gute für sich hat, daß die im Grundtext uns begegnende Wiederholung des Artikels vor den Worten: »die da wandeln in den Fitßstapfen 2e.«, welche die herkömmliche Auslegung nicht zu erklären vermag, bei ihr zu vollem Rechte kommt, demnächst aber auch in die folgenden Verse Licht und Klar- heit bringt, schon hier ihr gefolgt fein, wenn nicht bereits die revidirte Ausgabe des neuen Testaments vom J. 1867 jene andere Auffassung an die Stelle der lutherischen gesetzt hätte, indem sie in V. 12 den Text also wiedergiebt: »Und würde auch ein Vater der Beschneidung derer, die nicht allein von der Beschneidung find, sondern auch wandeln in den Fußstapfen des Glaubens, welcher war in der Vor- haut unsers Vaters Abraham« Unsre Leser mußten wissen, worauf diese Textänderung beruht und wie sie zu verstehen ist; dagegen läßt mit Hilfe der Wieselenschen Auffassung der urspriingliche Luthertext sich aufrecht erhalten, wenn man ihn folgendermaßen paraphrasirn 12. Und wiirde auch swas die Juden betrifft, zu denen er vermittels der, nach empfangener Be- schneidung geschehenen Zeugung Jsaaks, in welchem sein Same genannt sein sollte Kap. 9, 7., noch in einem besonderen Verhältniß der Vaterschaft steht] ein Vater der Beschneidung [nach zwei Seiten hin], nicht allein heimlich] derer, die von der Beschnei- dung sind cfiir ihre Person ihr noch anhangen und sich dadurch an das mofaische Gesetz gebunden er- achten, ohne jedoch darum ihre Gerechtigkeit darauf zu gründen, wie z. B. der Apostel Jakobus Apostg. 15, 13 sf.; 21, 20 ff.], sondern auch derer, die da wandeln in den Fnßstapfen des Glaubens, welcher war in der Vorhaut unsers Vaters Abraham [so daß sie, nachdem sie durch den Glauben an Christum gerechtfertigt sich wissen, auf die Beschneidung und die Gesetzesbeobachtung weder fiir sich noch für Andere Gewicht mehrlegen1. Cur. 7,18 f.; 9, 19 ff.]. 13. sAusgeschlossen dagegen von Abrahams erbberechtigtem Samen sind unsere Widersacher, die Gesetzesleute, welche das Mittel, um zu dem, dem Erzvater verheißenen Besitz, 1. Mos. 12, 7 ; 13, 15f.; 15, 18ff. zu gelangen, das Gesetz wollen sein lassen Gal. Z, 10.] Denn die Ver- heißung, daß er sollte sein lwie zunächst der einstige Besitzer des Landes Canaan, so hernach- mals, wenn es zur Aufrichtung des über den ganzen Erdkreis sich erstreekenden Gottesreichs Dan. 2, 44; 7, 27 käme] der Welt Erbe* s1. Mos. 12, Z. 7; 13,15f.; 15,18 ff.;17, 1 18, 18; 22- 16 ff] ist nicht geschehen Abraham oder seinem Samen sdem sie in ihm zugleich mitgegeben wurde] durch? Gesetztt sals wäre irgend welches Gesetz, damals, wo dieselbe geschah, schon vor- handen gewesen, auf welche Grundlage hin sie denn ertheilt worden wäre, indem selbst das Be- schneidungsgebot um fast ein Vierteljahrhundert später fällt, als die erste unter all den mehr- maligen Verheißungem vollends aber das mofaische Gesetz erst über 430 Jahre hernach erlassen WOVVSU ist GAL Z, 17J- sondern ssie ist geschehen] durchs die Gerechtigkeit des Glaubensttt swelche bei Abraham von Anfang bis zu Ende Hebt: 11, 8—19 vorhanden war und seinen eigentlichen Wesenscharakter ausmachte]. 14. [Und so treten nun auch wir, die in V. 11 u. 12«Beschriebenen, aus Heiden und Juden, die wir ,,vom Glauben«, d. i. dem Glauben Er- gebene sind Kap. Z, 26., allein und ausschließlich in des verheißenen Erbes Besitz.] Denn wo die vom Gesetz [die mit Werken utngehenden Anhänger des Gesetzes V. 4] Erben sind swie sie sich selber einbilden und Andern es einreden wollen], so ist der Glaube [der ja den Standpunkt Abrahams bildete, als das Erbe ihm verheißen wurde] nichts szu nichte gemacht oder außer Cours gesetzt], und die Verheißung ist sselbstverständlich nun] abe sgänzlich über den Haufen geworfen, weil— man ihr die Grundlage, darauf sie ruhet, entzogen hat; auf dem Gesetze aber als neuer Grundlage kann sie nun und nimmermehr wieder ausgerichtet werden], 15, Sintemal das Gesetz richtet nur Zorn an sbei ihm also kommt das gerade Gegentheil von dem heraus, was die Verheißung in sich« schließt und bezweckt, Gnade und ewiges Leben Kap. 2, 7ff., und ist dasselbe darum auch so lange noch nicht dazu gekommen, als die Gnade noch frei schalten wollte Gal. Z, 19]; denn Wo das Gesetz nicht ist sein in ausdrücklichen Geboten und Verboten bestehendes Gesetz noch nicht vor- handen], da ist auch keine [förmliche, Gottes Un- gnade und Zorn herausfordernde] Uebertretung-s swelche als Handlung dessen, der über ein bestimmt ihm gegebenes Gebot oder Verbot sich hinwegsetzt Kap. Z, 14., ein freies Schalten der göttlichen Gnade in Ertheilung von Verheißungen schlechter- dings nicht zuläßt] 16. Dcrhalbett sum aus dem eben Gesagten den von selbst sich ergebenden Schluß zu ziehen] muß die Gerechtigteit sdies Wort steht nicht im Grundtext, sondern es ist hier etwas zu ergänzen; während nun Luther hier »die Gerechtigkeit« ein- schiebt, hat er anderwärts »die Verheißung« er- gänzt, was aber mißlich ist, weil dieses Wort hernach ausdrücklich genannt wird, daher sach- gemäßer man ergänzt: die Erbschaft, d. i. die Erlangung dessen, was die Verheißung V. 13 versprichtJ durch den Glauben kommen, auf daß sie sei aus Gnaden [gleichwie diese, die Gnade, bei Ertheilung der Zusage ausschließlich, ohne daß irgend etwas Gesetzliches dabei mitgewirkt hätte, gewaltet hat], und die Verheißung [in dem ganzen urspgiinglichen Umfang ihrer Meinung] fest bleibe allein Samen sdem sie da zugedacht war], nicht dem sSamen nämlich] alleine, der unter] dem Ge- sesz ist sden Juden, dafern sie dem Glauben sich zuwenden V. 12], sondern auch dem [unter den Heiden] der des Glaubens Abrahams ist H [V. I 1], welcher ist unser aller san Christum Gläubigen Auch die Erlangung des Erbes geschieht, Vater [der der Gläubigen aus den Heiden nicht minder, als der der Gläubigen aus den Juden], 17. Wie sin 1.Mos.17,5] geschrieben stehet san welcher Stelle Gott zu Abraham spricht, als er seinen früheren Namen ,,Abram« in diesen neuen umwandelt]: Jch habe dich gesetzt zum Vater vieler Heiden [besser: Völker oder Nationen, und bist du nun deiner heilsgeschichtlichen Stellung nach das schon jctzt, wo bis zur Erfüllung der dir gegebenen Verheißungen noch eine lange Zeit ist] vor Gott, dem du sbei dem Vorgang in J. Mos. 15, 5 s., als dein Blick gen Himmel gerichtet und dir gesagt wurde, daß dein Samen also werden solle, wie das zahllose Heer der Sterne] geglaubet hast sals einem solchen Gott] der da lebendig machet die Todten [also gar wohl in deinem hohen Alter dir noch einen Leibeserben geben kann V. 19 ff.] und rufe-l sals allmächtiger Schöpfer] dem, das nicht ist, das; es sei salso aus dem ersten unfcheinbaren Anfange gar wohl eine ganze Welt in zahlloser Nachkommenschaft kann entstehen lassen Jes. 41, 4; 48, V) Die Genesis enthält keine Verheißung für Abra- ham, die buchstäblich so lautete, wie hier steht; es hat aber der Apostel auch nicht eine einzelne Stelle be- sonders im Auge, sondern er meint die Verheißungen insgesammt, in welchendem Abraham und seiner Nach- kommenschaft der Besitz des Landes verfprochen wird. Jn der Genesis nun ist allerdings blos vom Ererben des Landes Eanaan die Rede; aber da die Verheißung nebenher läuft: »in dir sollen gesegnet werden alle Geschlechter aus Erden«, welche auf die messianische Zeit hinsieht, so wurde später auch diese Landesver- heißung messianisch aufgefaßt und es erweiterte sich so der engere Begriff in den der Welt, d. i. des ganzen Erdkreises als des Gebietes des messianischen Reich-Z. Hiernach ist »der Welt Erbe fein« s. v. a. das Reich Gottes ererben, welches Reich ein Weltreich in dem Sinne ist, daß es sich über den ganzen Erdkreis er- streckt und alle Völker umfaßt, von den Juden als eine politische Herrschaft erwartet, im neuen Testamente aber als eine Theokratie im geistigen Sinne dargestellt. (Maier.) Die erstlich Abraham geschehene, Jsaak und Jakob bestätigte Grundverheißung lautet: Jndir sollen gesegnet werden alle Geschlechter auf Erden (1. Mos. 12, 3). Also der Fluch, der um der Sünde willen auf der Erde und allen ihren Kindern lastet, soll hin- weggethan und in Segen verschlungen werden durch den Samen Abrahams, so daß die ganze Erde zu einem gelobten Lande, ja die Welt, Himmel und Erde, zu einer Wohnung der Gerechtigkeit und des Lebens erneuert werde. Die arge Welt zu gewinnen, was hiilse es dem Menfchen? das wäre keine Ver- heißung Nein, die neue Welt meint der Apostel, die gesegnete Erde, welche der HErr seinen Sanftmüthigen zum Besitze verheißt (Matth. 5, 5), nicht durch Erobe- rung mit sleischlichem Arm, sondern durch den Glau- ben unter’m Kreuz; das herrliche Erbe meint er, wo- nach die Hoffnung der Gläubigen sich ausstreckt, um- seufzt von der Sehnsucht der mitverfluchten Kreatur. Weil die Gläubigen Erben der Welt sind, so muß ihnen freilich schon die gegenwärtige Welt dienen, alles ist ihre, und die Gottlosen füllen ihren Bauch vom Tische der Frommen. Das Canaan war ein Pfand wie die Ertheilung der Zusage, aus Gnaden. 35 der verheißenen Weltherrschafh und daß die drei Erz- Väter Abraham, Jsaak und Jakob selbst im Pfand- lande der Verheißung Fremdlinge sein mußten, dadurch wurden sie erzogen zum Warten auf eine Stadt, die einen Grund hat, welcher Baumeister und Schöpfer Gott ist (Hebr. 11, 10), und in den Fußtapfen ihres, dem zukünftigen Erbe zupilgernden Glaubens sind ihre rechten Kinder gewandelt, nachdem Jsrael ,,zur Ruhe gebracht« war in dem Lande, welches doch die Ruhe nicht geben konnte, die dem Volke Gottes noch vor- handen Ist. LBesserJ v « it) Durchs Gesetz Mosis sowenig, als durch das Gesetz der Beschneidung ist die Verheißung geschehen; der Bund der Beschneidung war nur der erste aus- drückliche Anfang der gesetzlichen Haushaltung, der Stiftung eines weissagenden Bundesvolks, welches durch leibliche Abstammung, irdisches Vaterland und ein Bundeszeichen am Fleische vereinigt war, und insofern war das Gebot der Beschneidung der Keim des ganzen inosaifchen Gesetzes. (v. Gerlach.) ist) Der Glaube wird hier gleich am Anfange des Reiches Gottes hingestellt als der Vermittler der Verheißung und das göttliche Reichsgrundgesetz für deren Empfang. Nachdem im Vorigen (V. 9—12) der falsche Ruhm der Juden zunichte gemacht worden, so- fern er sich auf die empsangene Beschneidung steisie, so macht Paulus ihnen nun auch noch den salschen Ruhm des Gesetzes durch das Vorbild desselbigen Abraham zunichte. (Wangemann.) f) Oefter ist in der Schrift ein absoluter Aus- spruch im Beihalt anderer, entgegengesetzter Aussprüche auf sein relatives Maß zurückzuführen (vgl. Joh- 2, 11; 7, 39);"so auch hier. Jn Kap.1,18 redete der Apostel von einer Offenbarung des Zornes Gottes vom Himmel, die auch die Heiden treffe, und zwar mit Recht, denn auch sie haben eine Erkenntnis? Gottes und des Sittengesetzes, wogegen sie handeln, so daß ihre ,,Unwissenheit« (Apostg.17,30) immer nur eine relative genannt werden kann; und auch abgesehen von diesem natürlichen religiös-sittlichen Bewußtsein ruht der Zorn Gottes auf dem Menschengeschlechte um des ihm an- geborenen sündhaften Prinzips willen, um dessentwillen über sie alle ausnahmslos, also mit Einschluß der bewusztlosen Kinder, der Tod verhängt ist (Kap. 5, 12. 14; Joh. 3, G; Ephes 2, Z; vgl. Pf· 51,7). Aber im Verhältniß zu dem Zorne, welcher die Gesetzes- iibertretung trifft, ist der Zorn, welcher aus der Natur- sünde lastet, gar nicht als Zorn zu betrachten. Der göttliche Zorn hat demnach seine Grade: er ruht auf der unbewußten Sündhaftigkeit der adamitischen Wien- schennatur; er wird erhöht durch das Sündigen wider das erwachte, wenn auch mannigsach umhüllte natür- liche Gottesbewußtsein und Gewissensgesetz und er erreicht seinen höchsten Grad, wenn die Sünde sich zur bewußten Uebertretung des äußerlich geosfenbarten und i11nerlich vom Geiste in seiner Heiligkeit und Ver- bindlichkeit erschlossenen » Gesetzes Gottes steigert. (Philippi.) Nicht »durch seine Natur richtet das Gesetz Zorn an, denn die ist heilig und gut, sondern durch seine, die Tiefen der Sünde zum Vorschein dringende Kraft (Kap. 7, 7 ff.); macht also das Gesetz, mit deni Menschen scheinbar es erst schlimmer, wie sollte es ihn zum Erben der Welt machen können? (Olshausen.) An sich ist es die Sünde überhaupt, die Zorn an- richtet; aber in Beziehung auf sie kann auf Seiten Gottes noch ein Schonen und Uebersehen stattfinden, welches jedoch aufhört und wenigstens die positiven Gnadenerweisungen (wenn auch nicht gerade ein Auf- schieben der Strafe Jer. 13, 14) unmöglich macht, so- bald die Sünde den Charakter der Uebertretung g»- 36 Römer 4, 18-—25. annimmt, und das thut sie, wenn nun ein bestimmtes i Gesetz vorhanden ist, das der Mensch mit feiner Sünde «! übertritt » H) Von der in Rede stehenden Erbschaft (V. 13) gilt der, zur Vermeidung aller unnöthigen Weitliiusig- ; keit (im Grundtext) unvollftändig gelassene Satzx ,,aus Glauben, damit nach Gnade«, dessen beide Hälften aus’s Engste zusammengehörem indem nur gnad en- weise, als freies Geschenk, das Erbe zu Theil werden . kann, hinwieder aber diese Weise seiner Zutheilung zur Voraussetzung hat, daß menschlicherfeits Glaube das Erforderniß ist, um seiner theilhaft zu werden. Der hieran angesiigte Absichtssatzx »auf daß die Verheißung fest bleibe allem Samen, nicht dem allein, der unter dem Gesetz ist, sondern auch dem, der des Glaubens Abrahams ist« besagt dann, was mit dieser Erbord- nung erzielt ist· Fest und· beständig soll die Ver- heißung sein, also nicht h1nfäll1g·werden, ohne sich zu verwtrklichenz und zwar soll sie es dem ganzen Gefchlecht Abrahams.sein, und da ist unter dem »unter dem Gesetz« dasjenige Geschlecht Abrahams gemeint, · das es »von des Gesetzes· wegen«, gleichwie in V. 14 unter denen ,,vom Gesetz« (oi s» reiner) diejenigen gemeint waren, welche von Gesetzes wegen Erben sein wollten. Letzteres schließt vom Erbe aus, weil es den Glaubensweg ausschließt; dagegen ,,vom Gesetze her« dem Gefchlechte Abrahams anzugehören heißt nichts weiter, als ein jüdisches Glied der Gemeinde Gottes sein. Denn »der Same« im Sinne der Gegenwart, von welcher der Apostel handelt, ist die Gemeinde Gottes in Christo Jesu, und »der Same unter (aus) dem Gesetz« ist derjenige Theil derselben, welcher von Gesetzeswegen ihr angehört, weil er unter dem Gesetze, dessen Anfang die Beschneidung war, her- gekommen ist; der andere Theil ist der Same, der des Glaubens Abrahams ist, wobei in Betracht kommt, daß Abraham als Unbeschnittener gläubig sich bewiesen, (V. 10), es ist also derjenige Theil gemeint, der aus dem Stande der Unbefchnittenheit heraus an Christum gläubig geworden. (v. HofmannJ Steht die Ver- heißung des Erbes aus Gnaden fest, so muß auch die Gewißheit des Erbes durch den Glauben fest- stehen, während da, wo das Erbe der Seligkeit irgend wie von den Werken abhängig gemacht wird, und seien es auch Werke der Wiedergeborenen, bei der Unvollkommenheit dieser Werke natürlich auch der Zw eifel an die Stelle der Gewißheit treten muß, oder höchstens eine muthmaßliche, keine absolute Gewißheit der Seligkeit stattfinden kann. (Philippi.) TH) Der Apostel hat die Beweisführung der von ihm aufgestellten Sätze zu Ende geführt. Der erste lautete: nicht durch die Werke, sondern durch den Glauben ist Abraham gerechtfertigt worden. Der zweite: Abraham ist ein Vater aller Gläubigen, derer aus den Juden wie derer aus den Heiden; denn gerechtfertigt wurde er schon vor seiner Beschneidung d·urch den Glauben, somit thut’s der« Glaube, nicht die Beschneidung. Zum Andern empfing er die Ver- heißung nicht unter der Bedingung der Gesetzes- erfüllung, sondern um seines Glaubens willen; somit thurs die Gnade und nicht das Gesetz. Thut’s also weder Gesetz noch Beschneidung, sondern der Glaube allein, dann eben ist Abraham unterschiedslos ein Vater aller Gläubigen: nicht die äußere leib- liche Abstammung, sondern dieinnere Gleichgerichtetheit, der Glaube, entscheidet über die Zugehörigkeit zu ihm. Und nun führt uns am Schluß seiner Deduction Paulus noch Abraham als den Vater der Gläubigen in der ganzen Hoheit und Erhabenheit seiner Glaubens- energie vor: der Erzbater steht vor Gottes Angesicht : zahllos wie das Sternenheer. und glaubt dem Gotte, der die absolute Macht ist, der sein Geheiß spricht über das, was noch nicht da ist, als wäre es schon da, ja der auch das Todte lebendig zu machen vermag; und so schaut er erstorbenen Leibes zu dem geftirinten Himmel auf, glaubend, daß, wie ihm Gott zugesprochem seine Nachkommenschaft sein werde (Röntsch.) Der Apostel setzt die Worte: »vor Gott, dem du geglaubet hast, der da lebendig macht die Todten und rufet dem, das nicht ist, daß es sei« als Erklärung hinzu; Gott, der Allmächtige und Allwissende machte ihn schon damals zum Vater vieler Völker, denn wie er Todte erweckt, so»steht, was noch nicht da Ist, schon vor ihm, als ware es da. (v. Gerlach·) In dem angefuhrten Worte aus 1. Mos. 17, 5 hat sich der Gott dargestellt, an- gefichts dessen Abraham glaubte, und sich so darin dargestellt, wie er von Abraham gläubig erkannt sein wollte. Abraham mußte ihn, um zu glauben, für Den erkennen, der die Todten lebendig macht, da er und sein Weib erstorben waren und doch einen Sohn erzielen sollten; und er mußte ihn für Den erkennen. der das Nichtseiende ruft wie seiend, da er ihn von vielen Völkern sagen hörte, zu deren Vater er ihn gemacht habe, während er nicht einmal einen Sohn hatte von seinem Weibe. (v. HofmannJ Bei »vor Gott, dem du geglaubet hast« ist der Gegensatz, zum Urtheil der Juden oder zur Geltung vor diesen ge- dacht, welche den Abraham nach fleischlicher Anschauung nur zum Judenvater machten; feine Vaterschaft bezieht sich aber auf die Gläubigen, und so wird der Er- werbungsgrund derselben, der Glaube, noch besonders hervorgehoben um eine nähere Charakterisirung dieses Glaubens daran zu knüpfen und denselben in seiner Art als Muster vorzuhalten, indem auch bei den Gläu- bigen ein derartiger Glaube sich finden soll. Die Worte: »der da lebendig machet die Todten und rufet dem, das nicht ist, daß es sei« beschreiben nämlich die Allmacht Gottes nach denjenigen Momenten und Wir- kungsweisen, die bei Abraham, und ebenso bei dem Glauben der Christen, zunächst in Betracht kommen: Wiederherstellung des Lebens und schöpserische Setzung des Daseins oder Lebens; wie nun Abrahams Glaube an die ihm gegebene Verheißung auf Gottes Ver- mögen sich stützte, Todten wieder Leben zu geben und neue Wesen zu schaffen, so soll der Hinblick auf diese Macht ingleichen bei den Christen Glauben erwecken an die Auferstehung des HErrn und an ihre eigene geistige und leibliche Neubelebung, vgl. V. 24 u. Kap. 8, 11. (Maier.) Der durch sein Wort Himmel und Erde geschaffen hat und hieß das Licht aus der Finster- niß hervorleuchten, der ist mächtig genug, aus Nichts Alles, aus dem Tode das Leben, aus der Sünde Ge- rechtigkeit, aus der Dienstbarkeit des Teufels und der Hölle die herrliche Freiheit der Kinder Gottes hervor- zubringen. Wie Gott die Sterne am Himmel, die er geschaffen hat, alle mit Namen ruft (Jes. 40, 26), so ruft er Abrahams Samen, der da sein soll wie der Sterne unzähliges und prächtiges Heer, noch ehe der- selbe da ist, denn bei ihm ist weder vergangene noch zukünftige Zeit, sondern es ist vor ihm Alles gegen- wärtig, was uns iiberlang widerfahren und übergehen soll. Jch kann machen, spricht er, daß da stehe, was nichts ist, und eitel Freude aus Traurigkeit und allem Herzeleid Jch kann sagen: Tod und Grab, sei du Leben! Hölle, werde du Himmel und Seligkeit! Gift, sei du köstliche Arzenei und Labsal! Teufel und Welt, sei du meinen Christen niitzer, denn die lieben Engel und frommen Heiligen! Denn ich kann und will meinen Weinberg also bauen und warten, daß er durch allerlei Leiden und Unglück nur besser soll werden. (Luther.) Das Vorbildliche und Mustergiltige im Glauben Abrahams für die Christen. 37 .18". ist unser aller Vater V. 161 hat geglaubet auf Hoffnung ldaß er gewißlich dessen werde theilhaftig werden, davon Gott zu ihm redete-l. Cor.9,1()., wider Hoffnung, d. i. unter lauter solchen Um- ständen und Verhältnissen] da nichts zu hoffen war, auf das; swie es Gott beabsichtigte, als er gerade unter jenen Umständen sein Verheißungswort ihm ertheilte] er würde ein Vater vieler Heiden [oder Völker, was er ja nur mittels eines Glaubens auf Hoffnung wider Hoffnung werden konnte; und das eben ist es, was er nach Gottes Rathschluß werden sollte], wie denn zu ihm sbei jenem Vor- gnug, den wir hier in Betracht zu nehmen haben 1. Mos. 15, H] gesagt ist: Also sso zahllos, wie die Sterne am Himmel droben] soll deinSatne sein«« 19. Und er ward nicht schwach im Glauben, sahe auch nicht an sum den von daher aufsteigen- den Bedenken Recht zu geben] seinen eigenen Leib, welcher schon erstorben fund kaum noch zeugungs- fähig] war, weil er fast hundertjcihrig warst-Mos. 17, 17], auch nicht den erftorbenen Leib der Sara» sder es ja nicht mehr ging nach der Weiber Weise i. Mos. 18, 11; Jes. 51, 1s·]. 20. Denn er zweifelte nicht an der Verheißung Gottes dnrch Unglauben [daß er diesem sich hätte hingeben mögen], sondern ward sim Gegen- theil dadurch, daß Gottes Verheißung ihm mehr galt, als der an ihm und seinem Weibe vorhan- dene Naturzustand] stark im Glauben, und gab [so] Gott die Ehre sdie ihm gebührt, indem er ihn gelten ließ für den, der er ist V. 17; Hebr. 11-,7], 21. Und wußte aufs allergewissefta daß, was Gott verheißt, das kann er auch thunsit 22. Darum sweil er in solcher Weise Gott glaubete] ist’s ihm auch ssein Glauben] zur Ge- recbtigkeit gerechnetf swie wir schon oben V. 3 dieses Schriftzeugnisses uns erinnerten]. 23. Das swas in 1. Mos. 15, 6 gesagt wird: ,,Abraham glaubte dem HErrn, nnd das rechnete er ihm zur Gerechtigkeit«] ist aber nicht geschrieben allein um seinetwilleii sals handelte es sich blos darum], daß es lsein Glauben] ihm zu- gerechnet ist [und er also in der heil. Geschichte für seine Person nun dasteht als ein solcher, der die Gerechtigkeih die vor Gott gilt, erlangt hat]; 24. Sondern auch um unfertwillen sist es geschrieben], welchen es sdas Glauben] soll zu- gerechnet werden, so wir [nämlich] glauben an Den, der unsern HErrn Jesnm auferwecket hat von den Todten; 25. Welcher ist um unserer Sünden willen ssie zu sühnen und durch ihre Sühne uns Vergebung derselben zu erwirken] dahin ge- gebcn,und umunsrerGerechtigkeitwillen sdaß wir dieselbe» im Glauben auch wirklich em- pfangen] auferwecketsip Und der seben dieser Abraham, welcher « i) Absichtlich hat Paulus das Schriftwort nur in verstutzter Form angeführt, um uns zur Schriftlesung zu ermuntern. (Calvin.) Abraham hat geglaubet auf Hoffnung wider Hoffnung: er schloß die Leibesaugeli zu vor dem Sichtbaren und allem, was daraus zu folgen schien, und that die Glaubensaugen auf im Hinblick auf Gottes Verheißung (v. Gerlach.) Sein Glaube ist ein auf Gottes Wort gegründetes Ja gegenüber dem Nein in der Sphäre der endlichen Ursachen. (Tholuck.) Wenn der Apostel schreibt: »auf d aß er würde ein Vater vieler Völker«, so ist natürlich nicht von einer Absicht Abrahams selber bei seinem Glauben die Rede, wohl aber von einer Absicht Gottes: Abrahanis Glaubensübungen hatten den Zweck, nicht blos ihn selbst zu vollenden, sondern in ihm auch die Keitne niederzulegen für die Gläubigen nach ihm; sein Leben war nicht blos ein Vorbild, sondern, daß wir uns so ausdrücken, auch ein Vorwesen, d. i. ein realer Keim des Zukünftigetr (Olshausen.) Das ist das vornehmste Kennzeichen des Glaubens, wider alle Hoffnung hoffen, was auch am meisten dessen Vollkommenheit anzeigt; es ist aber so viel, als Initten in der Verzweiflung hoffen. Und Gott hat Gefallen daran, daß er die Glaubensseelen darein wie den Abraham führt: er nimmt ihnen alle Stützen weg in ihrem Glauben; er entzieht ihnen alles, was nur eine rechttnäßige Hoffnung gründen kann. Nachdem er ihnen nun alle Hoffnung benommen, läßt er sie in einer gänzlichen Verzweiflung, daß diese Dinge je ge- schehen sollen, so daß da nichts mehr zu hoffen ist; und wenn er dann alle Gelegenheit zu einiger Hoffnung weggenommen hat, nimmt er auch die Begierde dazu weg. Und alsdann, wenn die Seele sieht, daß alle Hoffnung verschwunden und alles verloren ist, hofft sie umsomehr auf Gott selber, je weniger sie weder in ihr noch in einigem Geschöpf etwas befindet, worauf sie ihre Hoffnung gründen könnte. (Berleb. Bin) H) Abgesehen davon, daß Paulus sich hier wohl nur auf l. Mos. 15, 5 f. bezieht, wo Abrahams Glaube sofort entschieden ist, war doch auch jener in 1. Mos. 17, 17 f. berichtete Zweifel Abrahams nur ein vorüber- gehender, welchen er alsbald im Glauben überwand. (Philippi.) Weil er mit Beiseitesetzung jenes Be- denkens feinen ganzen Sinn ergab, sagt der Apostel, er sei nicht schwach geworden; und in der That war es ja ein Zeichen größerer Standhaftigkeit, die Augen vor dem, was sich ihnen von selbst darbot, verschließen, als wenn sich seinem Geiste nichts dergleichen dar- geboten hätte. Es giebt eine doppelte Schwäche des Glaubens: die eine, welche uns von der Kraft Gottes absallen macht, indem wir feindseligen Versuchungen unterliegen; die andere, welche zwar aus Unvoll- kommenheit entspringt, aber doch den Glauben selbst nicht vernichtet. Denn keine Seele ist je so erleuchtet, daß nicht viele Reste von Unwissenheit übrig bleiben sollten; kein Geist ist so fest, daß nicht viel Zweifel hängen blieben. Miit diesen Fehlern des Fleisches, der Unwissenheit und dem Zweifel, haben die Gläubigen beständigen Kann-f; in diesem Kampf wird ihr Glaube oft schwer verwundet und leidet Noth, aber endlich geht er doch stärker hervor, so daß sie selbst in ihrer Schwäche gerade sehr stark genannt werden können. (Ealvin.) Also hat Abraham seine Vernunft gefangen genommen und getödtet, da er Gottes Wort glaubte, darin ihm verheißen ward, daß ihm Gott von seinem unfruchtbaren erftorbenen Weibe, der Sara, einen Samen geben wollte. Denn solchem Worte der Ver- heißung that gewißlich die Vernunft des Abraham nicht alsbald zu Gefallen, sondern sie hat sich wider den Glauben gesträubt und es für ein nürrisch, ungereimt 38 Römer 5, l. 2. und unmöglich Ding gehalten, daß Sara sollte einen Sohn gebären. Darum ist kein Zweifel, es haben sich Glaube und Vernunft in Abrahams Herzen über diese Sache weidlich überworfen und wohl auf einander gerannt; doch hat endlich der Glaube obgelegen und den Sieg behalten und diesen allergrausamsten und schädlichften Feind Gottes, die Vernunft, überwunden und erwiirgt. Also thun auch alle andern gläubigen Menschen, so mit Abraham in das Dunkel und ver- borgene Finsternis; des Glaubens eingehen, erwiirgen die Vernunft und sagen: Hörst du wohl, Vernunft, eine tolle, blinde Närrin bist du, verstehst Von Gottes Sachen kein Meitlein (Spürlein) nicht; darum mache mir nicht viel Possen mit deinem Widerbellem sondern halte dein Maul und schweig; untersteh dich nicht, über Gottes Wort Richterin zu fein, sondern setze dich, höre, was dir dasselbigefage, und glaube ihm. (Luther.) Tit) Ein wichtiger Begriff ist das »Gott die Ehre geben«. Die Ehre Gottes wird nicht anerkannt, sobald der Mensch nicht den Eigenschaften Gottes gemäß handelt; wenn er in seinen Handlungen nicht die Allwissenheit Gottes anerkennt (Jos. 7, 19; Joh. 9, 24), wenn er die Güte Gottes thatsächlich nicht anerkennt (Luk. 17, 18), wenn er durch Mangel an Vertrauen seine Allmacht thatsächlich leugnet. Das glaubenslose Gebet wird nicht erhört (Jak. 1, 6), eben weil dabei die Ehre Gottes nicht anerkannt wird. (Tholuck-) Der Glaube ist ein allmächtig Ding, deß Kraft unmäßig und unendlich ist; denn der Glaube giebt Gott seine Ehre, welche freilich das Allergrößte ist, so man Gott immer geben kann. Denn Gott seine Ehre geben, ist nichts Anderes, den-n ihm vertrauen und glauben, ihn fiir treu und wahrhaftig, weise, gerecht, barmherzig, allmächtig, und kürzlich für den Einigen allein erkennen und halten, der alles und allerlei Gutes allein schafft und giebt. Solches ist der Vernunft unmöglich zu thun, allein der Glaube thut es, darum ist er, also zu sagen, wohl ein Schöpfer der Gottheit: nicht, daß er an dem ewi en göttlichen Werke etwas schaffe, sondern in uns schasst er es. Wo kein Glaube ist, da behält Gott nichts, weder in seiner Gottheit noch Majestät, bei und in uns; darum liegt es alles am Glauben. So fordert auch unser HErr-Gott nicht mehr von uns Menschem denn daß wir ihm allein seine schuldige Ehre geben und ihn halten für unseren Gott, das ist, daß wir ihn nicht für einen eitlen, losen Götzen, sondern für einen rechten, wahr- haftigen Gott halten, der sich unser erbarme, unser Gebet erhöre, sich unser annehme, aus aller Noth helfe. Wenn er das hat, so hat er seine Gottheit ganz und unverletzt, das ist, er hat alles, so einem gläubigen Herzen ihm möglich. zu geben ist. Darum solche Ehre von Herzen Gott geben können, ist gewiß eine Weis- heit über alle Weisheit, eine Gerechtigkeit über alle Gerechtigkeit, ein Gottesdienst über alle Gottesdienste, ein Opfer über alle Opfer. Daraus mag genugsam verstanden werden, was für eine herrliche und Gott angenehme Gerechtigkeit der Glaube sei, und wiederum, was für eine greuliche Sünde der Unglaube sei. (Luther.) Gott kann nicht mehr Ehre gegeben werden, als wenn wir mit dem Glauben seine Wahrheit be- siegelnz ebenso kann man ihm keine größere Schmach anthun, als wenn man die von ihm selbst dargebotene Gnade zurückstößt oder seinem Worte das Ansehen raubt. (Calvin.) s) Das ,,darum« zeigt uns die Natur und das Wesen des Glaubens an, warum er der Grund sei unsrer Rechtfertigung; nämlich der Glaube ist nicht ein bloßes Annehmen und Fürwahrhalten dessen, was Gott gesagt oder gethan hat, sondern ist ein solches Vertrauen aus die Verheißungen Gottes, ver- möge dessen man gar nichts mehr auf sich selbst oder auf das, was man mit Augen sieht, giebt, vielmehr nur noch aus Gottes Wort und Verheißung all fein Denken und Hoffen gründet, und zwar speziell in der Weise, daß man Gott als den Urgrund alles Lebens annimmt, der nicht blos aus Nichts, sondern auch aus dem Tode heraus noch Leben schaffen kann. Wer dies thut, der zeigt damit, daß er das Centrum seines Lebens nicht mehr in seinem eigenen Jch, sondern, aus sich selbst herausgegangem ein anderes Herz hat, und zwar ein solch neues Herz, welches nur in Gott und seiner Gnade leben kann, will und mag; und wo der HErr solchen Glaubensstand vorfindet, da sieht er nicht den natürlich angeborenen Sündenstand, sondern eben diesen Glaubensstand des Herzens an und achtet aus Gnaden einen solchen Gläubigen für gerechtfertigt. (Wangemam»1.) » H) Nicht so will das Schriftwort, um das es sich in diesem ganzen Abschnitt handelt, aufgefaßt sein, bemerkt der Apostel, als ob die Thatsache, daß dem Abraham sein Glaube als Gerechtigkeit geachtet worden ist, nur um seinetwillen, damit man über ihn Be- scheid wisse, zum Inhalt eines Schriftworts gemacht worden sei; es war dabei nicht minder auch um uns zu thun, denen ein Gleiches geschehen wird, wie ihm geschehen ist. Unter diesem ,,uns« meint nun Paulus allerdings die, welche die gläubige Gemeinde zur Zeit ausniachen, aber nicht sie allein; an ihnen hatte ja jenes Schriftwort feinen Dienst schon gethan, indem es sie den Glauben für die einzige Bedingung der Recht- fertigung erkennen lehrte, darum denkt er noch viel- mehr an die fort und fort werdende Gottesgemeinde, an diejenigen -also, welche je und je an den Gott gläubig werden, der Jesum von den Todten auferweckt und sich damit als denselben erwiesen hat, welchem gegenüber Abraha1n gläubig geworden ist. Jhnen stellt das Schriftwort in Aussicht, daß ihnen ihr Glaube für Gerechtigkeit gerechnet werden wird. (von Hosmann.) Berichtet ist die Rechtfertigung des Abra- ham in der Schrift mit Beziehung auf die Recht- fertigung der Christen; sie sollten aus seiner die einzig mögliche Art ihrer Rechtfertigung erkennen. Der christliche Glaube ist aber Glaube an den Gott, der Jesum von den Todten auferweckt hat, an den Jesum, der dahin gegeben wurde für unsre Sünden und auf- erweckt um unsrer Rechtfertigung willen. Auch hier wieder eine Aehnlichkeit zwischen dem Glauben Abra- hams und dem der Christen: Abraham glaubt dem Gott, der seinen erstorbenen Leib wieder lebens- und zeugungskräftig machen und damit ihm die Nach- kommenschaft erwecken kann, aus der der verheißene Weibessame kommt; die Christen glauben an den Gott, der Jesum von den Todten erweckt und damit das Werk der Erlösung vollführt hat. Dort ein Vor- wärts-, hier ein Rückwärtsblicken für den Glauben. Dahingegeben von- Gott, nämlich in den Tod, ist Christus worden, um unsre Sünden zu büßen und zu sühnen; auferweckt ist er, um ihn als den auszuweisen, der für unsre Sünden starb. So nämlich haben wir dies ,,auferweckt um unsrer Gerechtigkeit willen« zu verstehen, indem ja durchgehends die heil. Schrift als das unser Heil Begriindeude den Tod Christi ansiehet· Mit dem ,,es ist vollbracht« aus des Erlösers Munde war das ganze und volle Heil der Menschheit beschafft, die Auferstehung konnte dem nichts mehr als Ergänzung hinzufügen; aber uns gegenüber ist sie der Ausweis dafür, daß Jesus nicht um eigner, sondern um fremder, um unsrer Sünde willen in den Tod gegeben war. Wie der Tod also die objektive Ermöglichung unsrer Rechtfertigung ist, so ist die Auferstehung die s ubjektiv e: Der Heils- und Seligkeitsstand der durch den Glaubeu an Christum Gerechtwordenen 39 durch seinen Tod ist Jesus Sühner unsrer Schuld vor Gott geworden, durch seine Auferstehung der Sühner unsrer Schuld vor uns selbst, den wir als solchen nun erst im Glauben zu ergreifen vermögen. Wäre der HErr nicht auferstanden, dann wäre sein Tod der Tod eines Sünders gewesen, aber nicht der stellver- tretende Tod des durch die Auferstehung zur messianischen Herrschaft erhabenen Gottessohnes. szsiöntschh Beide, Tod und Auferstehung, verhalten sich daher im Leben des HErrn wie zwei nothwendige Hälften, die durch- aus nicht ohne einander gedacht werden können. Nicht der Tod Christi an sich hat die Bedeutung, sondern nur der durch die Auferstehung aufgehobene Tod. Wie aber Tod und Auferstehung Christi eine innige Einheit bilden, so auch im Menschen der Tod des alten und die Auferstehung des neuen; keines kann ohne das andere gedacht werden. Es ist unmöglich, daß jemandem die Sünden wahrhaft vergeben würden und der alte Mensch unterginge, ohne daß ein neuer entsteht; und wo ein neuer Mensch lebt, muß zugleich die Tödtung des alten statthaben. Genieiniglich wird daher nach der nothwendigen Verbindung beider Momente nur eins hervorgehoben, entweder negativ die Sünden- vergebung, oder positiv die Mittheilung des neuen Lebens. Jn beiden sich ergänzenden Hälften vollendet sich das ganze Werk Gottes in den Seelen der Menschen, und keine kann je fehlen, wo es wahrhaft begonnen hat, wenn gleich freilich in verschiedenen Momenten des inneren Lebens bald die eine, bald die andere Seite vorherrschen mag. (Olshausen.) Luther nennt diesen Spruch ein Bündleilu worein der ganze Christen- glaube zusammengefaßt ist, derhalben er ihn auch oben- angesetzt hat in den Schmalkaldischen Artikeln zur Gründung ,,des ersten und Hauptartikels, von dem man nichts kann weichen oder nachgeben, es falle Him- mel und Erde oder was nicht bleiben mag« Das Z. Kapitel. Von etlichen kfriichken der cgerechtigkeit des glaub-ans. cgegeneinanderhaltung Christi und Adams. S. V. 1—11. Fiigle der Apostel oben, bei Alilslellllng seines« Themas (·tiap. 1, 16 f.), dem Satz uon der Ge- rechtigkeit, welche liommt aus Glauben in Glauben, die Berufung aus den prophetensprlich bei: »der Ge- rechte wird seines Glaubens» lebents so kann er, nach- dem er im vorigen Abschnitt nachgewiesen, wie die Glaubens-gerechtigkeit schon die des» Itbrahaiii gewesen, dieses Anfängers der Heilsgemeinda sich nunmehr des weiteren Nachweises niiht einschlagen, das) von denen, die durch den Glauben an Jefum Christum gerecht geworden, wiriiliaj in ganzem, vollem Uiufange gilt, was der Prophet von den Glaubens-gereihten gesagt hat, sie also zu Heil nnd Leben nach alten Seiten hin hindnrchgedrlingeii sind. Solchen Nachweis führt er denn im vorliegenden Abschnitt in der Weise, dass er seinen Lesern ihren Heils- und Lebens-stand, in welchen sie durch ihre Rechtfertigung eingetreten sind, ans seiner eigenen inneren herzenserfahrlilig zu klarem Bewusstsein bringt: nicht allein stehen sie sur ihr jetziges Leben ans Erden im Friedensverhiiltnisl zu Gott und haben den freien, offenen Zutritt zu allen Buudesgnciden des neuen Testament-s, sondern sie haben auch für die znliiinftige Welt die frohe Alte-ficht auf den Mitbesitz göltlilher Herrlichkeit (V. 1 u. 2); und in der Seligkeit dieser ihrer Hoffnung kiöiinen selbst die Triibsalq die fie hienieden zu erdulden haben, sie nicht stören, im Gegentheih weil sie wissen, wie sehr selbige Triibsale zur Förderung ihres inneren Lebens dienen, rühmen sie sich ihrer und sind im Genuss der Liebe Gottes, die durch den heil. Geist in ihr Herz aus-gegossen ist, ihrer. srhliesllicheii Heitsuotlendnng sich so gest-ist, das; ohne alle Furcht sie dem Endgericht entgegengehem and um des willen, was Gott in Christo Jesu an ihnen gethan, da sie noch seine Feinde waren, einer unlink-denkbar grossen, liber- sctiwiinglictjeil Seligkeit sich von ihm getroffen, da sie nun mit ihm versöhnt und seine Freunde geworden sind (V. 3—11). Was Luther im Tiatecljismus sagt: ,,lvo Vergebung der Blinden ist, da ist auch Leben und Seligkeit-«, das ist mit kurzen Worten der Inhalt dieses Abschnitte« 1. Nun wir denn sdie wir zur christlichen Gemeinde gehören, gleichviel ob vordem Juden oder Heiden gewesen, der göttlichen Heilsordnung Kap. 4, 24 f. geniale] sind gerecht worden durch deu Glauben sdem wir bei unsrer Be- kehrung zu Christo gehorsam wurden Kasm 1, H; 1- Petri l, V, fv haben wir Frieden mit Gott sstehen im Verhältniß des Friedens zu ihm] durch unsern HErrn Jesum Christi« sum dessen Leidens und Sterbens willen unsre Sünden uns vergeben sind und dessen Gerechtigkeit uns zugerechnet worden als unsre eigene Ephes 1, 6 f.; Jes. 32, 17,f.; Si, 10]; 2. Durch welchen wir auch einen Zugang haben sgenauerx den Zugang gehabt, d. i. zu eigen bekommen haben] im Glauben zu dieser Gnade, darinnen wir sjetzt mit unserm ganzen Christenstande] sieben» [1. Petri b, 12], und rühmen uns sbeim Hinausblicken auf das,«was dereinst uns beschieden sein wird] der Hoffnung der zukünftigen Herrlichteih die Gott geben solltrt [wörtlich: der HerrlichkeitGottes, worunter entweder mit Luther die zukünftige Herrlichkeit, die Gott uns verleihen wird Kap.8, 18., zu ver- stehen ist, oder aber die Herrlichkeih die Gott be- sitzt und an der er uns will Theil nehmen lassen 1. Thess 2, 12; 1.Joh. 3, 2; 1.Petri5, 10]. V) Wie der Apostel sich früher in seiner Betrach- tung in die Heiden- und Judenwelt zurückversetzt hat, so steht er jetzt in seinem Bewußtsein mitten innerhalb der christlichen Gemeinde; daher von nun an das »wir« und das ,,ihr«. (Philippi.) Jn Einen Aus- druck faßt Paulus die ganze Fülle der Segnungen zusammen, die dem aus dem Glauben durch die Gnade Christi Gerechtfertigten zufließen, in dem ,,Frieden mit Gott«. (Olshausen.) Da Gott mit uns versöhnet ist durch den Tod seines Sohnes und der Glaube an diese Gnade uns zur Gerechtigkeit gerechnet wird, so hört Gottes Zorn über uns auf vermöge der Rechtfertigung Hier ist noch nicht die Rede von dem Aufhören unsrer Feindschaft gegen Gott durch innere Umwandlung unsers Sinnes (davon spricht der Apostel erst in Kap. 8, 2sf.), sondern vielmehr von dem Aufhören der Feindschaft Gottes gegen die Siinder und dem dadurch eintretenden Frieden (vgl. V. 10); die Rechtfertigung versetzt uns daher nicht blos in unserm Bewußtsein in einen solchen Friedenszustand mit Gott, sondern sie 40 Römer b, 3—5. ändert wesentlich Gottes Verhältniß zu uns, und da- mit dann auch nnserVerhältniß zu Gott. (v. Gerlach.) Der Gerechtfertigte steht nicht mehr unter dem gött- lichen Zorn, der auf der Sünde und dem Sünder ruht, sondern er ist diesem Zorne entnommen. Die Sünde hatte den, seinem Wesen nach heiligen Gott in Gegen- satz zu dem Menschen, dem Sünder gebracht; mittelst der Rechtfertigung von ihr aber wird dem Menschen die Sünde vergeben, und somit wird objektiv das Verhältniß Gottes zu ihm ein anderes. Wir, sagt der Apostel, nämlich wir Christen, haben dies Friedensverfhältniß und haben es durch unsern HErrn Jesum Christum. (Rontsch.) · It) Die neueren Ausleger wollen fast durchgängig in dieser ersten Hälfte des Verses nicht eine Steigerung im Verhältniß zum Vorigen Verse oder den Fortschritt zu einer neuen Aussage erkennen, sondern, indem sie unter der ,,Gnade, darinnen wir stehen« die vorhin genannte Gnade der Rechtfertigung verstehen, lassen sie den Apostel ier angeben, daß, gleichwie jenes Friedensverhältni zu Gott, von dem in V. 1 die Rede war, durch Christum uns vermittelt ist, so auch ihm wir das Gerechtwerden verdanken, auf dessen Grunde es hergestellt worden. Allerdings nun ist der Gedanke ja ganz richtig, daß die Gnade, gerechtfertigt zu sein, in ihrem Gefolge dies gehabt hat, daß unser Ver- hältniß zu Gott ein Friedensverhältniß geworden; wird dann aber in der zweiten Hälfte des Verses als eine Frucht wiederum dieses Friedensverhältnisses das bezeichnet, daß wir uns der Hoffnung zukünftiger Gottesherrlichkeit rühmen dürfen, so käme doch eine ziemlich verwirrte Gedankenfolge heraus, wenn der Apostel in dieser Reihenfolge geschrieben hätte: 1) erste Wirkung (Friedensverhältniß zu Gott), 2) Ursache (Gnade der RecbtfertigungL Z) weitere Wirkung (Herrlichkeits-Hoffnung). Hierzu kommt, daß, nachdem schon in V. 1 gesagt worden: ,,gerecht geworden durch den Glauben«, die Wiederholung: ,,im Glauben« doch sehr überflüssig wäre, wenn bei dem ,,Zugang zu dieser Gnade« auch wieder an das Gerechtwerden zu denken sein sollte; offenbar steht diese Wiederholung vielmehr in Beziehung zu »der Hoffnung« in der zweiten Hälfte des Verses, und so ist ohne Zweifel auch die ganze erste Hälfte nicht in Beziehung rückwärts zum vorigen Verse, sondern in Beziehung vorwärts zur nachsol- genden zweiten Hälfte zu setzen. Das treibt denn dazu, unter ,,dieser Gnade, darinnen wir stehen« mit Chrhsostomus und Theophhlaktus den Gnadenstand der Christen in seinem vollen Umfange zu verstehen, also von alle den Segensgaben und Heilsgüterxh welche die Christen im Reiche der Gnade hienieden, solange sie noch im Glauben wandeln, zu genießen haben (1. Cor- 1, 4ff.; Ephes 1, 3ff.); wir bekommen so in V. 1 u. 2 eine ähnliche Zusammenstellung heraus, wie wenn es in Kap. 14, 17 heißt: das Reich Gottes ist Gerechtigkeit und Friede (V. 1) und Freude in dem heiligen Geist (V. 2), letztere bestehend einestheils im seligen Genuß des schon vorhandenen Heils und anderntheils in der fröhlichen Erwartung der zukünf- tigen Herrlichkeit Freilich schreibt nun der Apostel hier nicht auch, wie er in Ephes 2, 18; s, 12 gethan und demgemäß Luther auch hier übersetzt hat: »durch welchen wir den Zugang haben«, sondern vielmehr ,,gehabt haben«; aber es kommt ihm an unsrer Stelle darauf an, die Erlangung des Zutritts zu dem Gnadenstande, in welchem die Christen sich befinden, in- sofern als einer abgeschlossenen Vergangenheit angehörig zu bezeichnen, als sie nun wirklich in der Gnade darinnen stehen, nicht etwa erst noch auf dem Wege dahin be- griffen sind, oder, wie sich auch sagen läßt, er will dem, was die Christen einst zu haben sich getrösten, das gegenüberstellem was sie hienieden schon gehabt. Indem Christus den Frieden n1it Gott gestiftet, heißt es in v. Gerlach’s Bibelwerk, hat er auch den freien Zugang zu ihm uns gewährt; wie nur diejenigen den- persönlichen Zutritt zu Königen haben, die in ihrer Gnade stehen, so hat Christi Versöhnung einen solchen Zutritt zu Gott uns zuwege gebracht, nachdem aber (mit der Vergebung unsrer Sünden) das Hinderniß weggefallen ist, steht die Fülle der göttlichen Gnaden- schätze zur Stillung jedes Bedürfnisses für das Erden- dasein uns offen. — TM) Das »und rühmen uns« enthält die zweite Steigerung; der Ausdruck ,,sich rühmen« bezeichnet die triumphirende Freude (Weish. 17, 7; Sir. 30, 2), die christliche Hoffnung aber als Gegenstand solcher Freude wird auch in Hebt. 3, 6 genannt, sie bezieht sich auf jene den Kindern Gottes bestimmte Verherrlichung von welcher Kap.8, 17 spricht. (Th»oluck.) Die Kirche hat diese beiden Stücke: sie ist eine Waise und ist doch eine Königin aller Dinge· Eine Waise ist sie; denn wiewohl sie große und ewige Güter hat, das Wort und Erkenntnis; Gottes, Vergebung der Sünden, Ge- rechtigkeih ewiges Leben, ja Gott selbst in ihr wohnend, der sie mit dem heil. Geiste regiert, so ist sie doch äußerlich dem Kreuz unterworfen. Denn die Gottloseu haben die Reiche dieser Welt, Reichthum, Wollust, die Herrlichkeit der Welt. Wiederum ist sie doch eine Königin aller Dinge, im Glauben und Hoffnung; denn ob sie schon in dieser Welt keine leibliche Hilfe hat, so hofft sie doch, wie eine Waise, Schutz von Gott, und weiß im festen Glauben, daß sie von den Tyrannen nicht kann vertilgt werden, nnd erlangt in vielen großen Fährlichkeiten herrliche Rettung. Ueberdies hat sie Trost ans der Hoffnung der zukünftigen Herrlichkeit. (Luther.) 3. Nicbt allein aber das snicht allein aber steht es so mit uns, daß wir eines zukünftigen Standes, und zwar eines solchen, der allerdings ein gar rühmlich er sein wird, unsrer einstigen Herrlichkeit uns rühmens sondern wir rühmen Uns auch sunsrer gegenwärtigen Lage, die den Kindern dieser Welt als eine gar traurige, schlim1ne, uns zu Schmach und Unehre ge- reichende erscheint, nämlich] der Tritbsale sdazu wir gefetzt sind 1. Thess Z, 3 f. und durch die, als ihrer viele, wir müsserpin das Reich Gottes gehen Apostg. 14, 22; Mattkx 5, 10. 12; Apostg. 41; 1- Petri 4, 12 f·]- dieweil wir Itheils aus den Unterweisungen der Schrift, theils aus dem Exempel anderer Gläubigen, theils auch schon aus eigener Erfahrung] wissen, daß Trübsal [nach Gottes Absicht und unter seinem Einfluß bei uns, wenn wir nur wider seine Schickung nicht murren, sondern demüthig und willig uns ihr untergeben 1. Petri 5, 6] Geduld [Standhaftigkeit, da man ,,vom Glauben sich nicht läßt trennen« Kap. Z, 7; 1.Thess.1, Z; Luk. 21,19; Hebr. 12, 2 u. Jak 1, 4 Anm.] bringet sals eine Frucht, die sie zeitigt]; 4. Geduld aber [wenn man durch die Trüb- sal sich darin üben lasset] bringet smit sich als eine weiter nun folgende Fruchts Erfahrung [d. i. Wir rühmen uns der Hoffnung zukünftiger Herrlichkeit, rühmen uns aber auch der Trübfale 41 Bewährung oder.Erprobtheit, den Stand eines solchen, der schon in mancherlei Proben sich als rechtfchaffen ausgewiesen hat, zu dem man daher auch m Betreff der Zukunft ein gutes Vertrauen haben kann Phil. 2, 22; 2. Cor. Z, 9]; Erfahrung aber fda man’s an sich selber erprobt hat: »in dem allen überwinden wir weit« Kap. 8, 371 bringet Hoffnung-«« fdie ihrer Sache sich so gewiß ist» als wäre die von der Zukunft zu erwartende Heilsvollendung schon sicht- und greifbare Gegen- wart 2. Tini. 4, 7 f.]. · 5.» Hoffnung aber fder zukünftigen Herrlich- keit, die Gott geben soll V. 2] laßt nicht zu Schanden werden» fbefchämt den nicht, der nach seinem christlichen Glauben sie i1i sich trägt, am wenigsten, wenn sie bei ihm schoii soweit im Kampf mit der Trübsal ausgeboren ist, wie eben gesagt wurde, daß er ihrer Verwirklichung nicht sollte theilhaftig werden«Ps. 119, 1·16; Sir. L, 11]; denn die Liebe Gottes fwomit er uns in Christo Jefu, seinem lieben Sohne, geliebt hat V. s; 8, II; Z. Cvv 13, 131 ist fwie ein, iiach Durchbrechnng des vorher bestandenen Dammes mit voller Macht sich ergießender Strom Jes.»4»8, 18] qusgegosscn in unser Herz durch den heiligen Geist, welcher fin der Christenheit als ein für jeden Einzelnen, der «da»gläubig geworden, zur Empfangnahme bereit]liegendes Gut] uns gegeben ist«» [Joh. 16, 7 . » i) Mitdervorhin erwähnten Aussicht auf die künf- tige Herrlnhkeit läßt der Apostel durch einen kühnen Contrast die Leiden der Gegenwart in Parallele treten, die eben so nothwendig aus der Glaubens-Gerechtigkeit hervorgehen, als der Friede mit Gott (2. Tini. Z, 12); es liegt iiämlich in dem Gläubige1i ein die Sünde in der» Welt strafendes und dadurch wider ihn erregendes Prinzip, dasmicht unentschieden bleiben läßt, sondern entweder anzieht oder abstößt, aber eben diese Leiden der Gegenwart find für den Christen abermals eine Veranlassung zum Ruhm, seine Hoffnung wird dadurch eine im Kampf ausgeborene Hoffnung, welche die Ge- wißheit der Erlangung der künftigen Herrlichkeit in sich selber hat. (Qlshausen.) Von dem Begriff des »sich rühmen« darf nichts abgediingen werden, wenn wir nicht zugleich der kräftigen Gesinnung des Apostels abbrechen wollen; nicht nur unerfchrocken, nicht nur guten Muthes ist er, sondern wirklich froh, hochauf- gerichteten Sinnes, ja, er rechnet’s sich zur Ehre, daß ihn Trübsal trifft, die ihm ein ficheres Unterpfand kunftiger Herrlichkeit ist. (Rückert.) Der siegesgewissen Hoffnung des Christen fcheint die Gegenwart zu spotten, wie denn jene ersten Christen von den Heiden den Spott über den Contraft ihrer traurigen Gegenwart mit ihrer uberschwänglichen Hoffnung zu tragen hatten; aber» der hohe Sinn des Apostels weist darauf hin, wie jene Herrlichkeit nicht ein von außen Zufallendes, sondern eine sittliche, in dieser Trübsal wurzelnde Ver- klarung sei, daher diese selbst als Mittel der Vollendung Gegenstand des Triumphs. (Tholuck.) Jm Gläubigen sind die entschiedensten Gegensätze harmonifch vereint: selige Hoffnung auf zukünftige Herrlichkeit und fröhlicher Dank für die Trübsale. Den Schmerz über die Trübsal und das mitunterlaufende Verzagen schließt solches Rühmen nicht aus, und rühmt sich der Gläubige der Trübsale nicht um ihrer selbst willen, sondern nur, insofern sie ihm die Hoffnung auf die zukünftige Herrlichkeit verstärken und verbürgen. —- Fcinge du an bei der ersten Stufe, demüthige dich unter die gewaltige Hand Gottes und ergieb deinen Willen in seinen Willen; fahre fort, nimm dein Kreuz herzhaft auf dich und bitte Gott, daß du es lieb ge- winnest als seinen Hausorden, womit er dich ehrt, und warte, ob er das Größte dir schenken will, daß du dich rühinst der Trübsale und deine Leiden und Lålsiiffeschtiingen um Christi willen für eitel Freude achtest. e er — H) Zwei verschiedene Ursacheii des Rühmens macht der Apostel an einem Christen namhaft, von denen die Hoffnung dessen, was seiner wartet, die eine, und das, was ihn jetzt Widriges betrifft, die andere ist: letzteres nämlich gedeiht ihm zum Guten, weil es ihn in der ausdauernden Standhaftigkeit übt, welche, wenn er durch sie die Drangsal besteht, ohne an seinein Christenstande Schadeii zu leiden, eine Be- währung in ihrem Gefolge hat, die daiin hinwieder als eine Erfahrung von der Siegesgewißheit des Christen feine Hoffnung auf das schließliche Erbe der Gottesherrlichkeit zu wahren nnd zu befestigen dient. (v. HofmannJ Bei den ,,Trübsalen« denkt der Apostel hauptsächlich an die Bedrängnisse, welche die Christen um ihres Glaubens willen im Conflikte mit der Welt zu erdulden haben; solche Leiden betrachtet er anderwärts auch unter dem Gesichtspunkte als preiswürdig, daß der Christ darin Mitgenosse des leidenden Heilaiides sei (Kap. 8, 17; 2. Cor. l, 5; Joh. 15, 18 f.), hier aber koninieii sie nach ihren Folgen in Betracht Die Gradation seiner Rede schließt sich ab im Begriffe der Hoffnung, welche der Apostel gleich anfangs als Ziel im Sinne hat; die ersten Glieder haben also ihren Zweck im letzten Die Hoffnung auf die Herrlichkeit des jenseitigen Lebens wird mit dem Akte der Rechtfertigung eröffnet; aber sie kann nur fortbestehen, wenn sich der Mensch im Stande der Gnade erhält, also den Glauben und das Glaubens- leben bewahrt und darin eine unerschütterliche Feftig- keit erlangt, dazu aber dienen ihn: eben die Leiden. Was Luther init ,,Geduld« übersetzt, ist hier nicht fo- wohl Geduld, das gelassene Ertragen der Wider- wärtigkeiten, denn der Zusammenhang führt nicht auf das Verhalten in Ansehung der Leiden, sondern auf die Wirkung derselben riickfichtlich des Glaubens und des Glaubenslebens iin Allgemeinen; es ist also viel- mehr die Ausdauer, standhafte Beharrlichkeit im Glauben und in der Liebe gemeint, der Sinn ist aber« nicht, daß jedes Leiden Gelegenheit gebe, während der Dauer desselben Standhaftigkeit zu erweisen, sondern die Standhaftigkeit ist als bleibender Seelenzustand gedacht, in welchen der Christ durch gegenwärtige Leiden verfetzt wird und der nun auch für künftige Bedrängnisfe bereit steht. Solche standhafte Beharr- lichkeit hat nun zur Folge die Bewährung oder Erprobtheih d. i. denjenigen Herzenszustand, der, durch Prüfungen hindurchgegangem mehr und mehr die Möglichkeit je wieder eintretender Untreue ausschließt (Maier.) Nicht blos die leidsame Stille und Gelassen- heit ist in dem Worte ,.Geduld« enthalten, sondern vor- nehmlich die tapfere Standhaftigkeit, welche dem Druck. der Trübfale mit dem Gegendrucke des Glaubens be- gegnet, und« eben dadurch, daß die Trübsal den Glau- ben, wo er ist, unter die Waffen ruft, auf’s Wort merken lehrt, zum Gebete und Anklammern an Gott allein treibt (Ps. 62), wirkt sie Geduld, und ist eine Gehilfin unserer Seligkeit, die uns übt im Beharren 42 Römer s, 6—1o. bis an’s Ende. (Besser.) ,,Erfahrung« ist, wenn Einer wohl versucht ist und kann davon reden als einer, der dabei gewesen. (Luther.) Diese Erfahrung ist eine Wirkung nicht sowohl der Trübsal, als der Geduld in der Trübsal. Wir können es mit dem Golde erläutern U. Petri 1, 7): das Feuer ist gleichsam die Trübsal des Goldes; wenn man nun das Gold in’s Feuer setzt, so wird es dadurch noch nicht bewährt. Aber wenn man das Gold so lange im Feuer stehen und aushalten läßt, bis die Schlacken fich davon absondern und die feinsten Partikelchen des Goldes in einen Klumpen zusammenfließen, alsdann wird das Gold bewähret, oder alsdann erlangt man eine Erfahrung von der Vortrefflichkeit des Goldes, daß es gut sei. Also bringt das Feuer der Trübsal an fich selbst noch nicht Erfahrung hervor, sondern wenn man durch Geduld so lange in dem Feuer der Verfuchung verharret, bis die Schlacken abgeschmolzen sind. Man erlangt eine Erfahrung 1) der Welt und weltlicher Dinge, wie eitel und vergänglich sie sind (Ps. 39, S. 12); Z) von der Wahrheit, Allmacht, Weisheit und Gütigkeit Gottes (Ps. 34, 7. 9); Z) seiner selbst, indem man so- wohl seine menschliche Schwachheit, als seinen von Gott empfangenen Glauben und dessen Beständigkeit besser kennen lernt. Diesem allem scheint entgegen zu sein das Wort in Jak. 1, Z; allein wie man das Gold nicht nur durch’s Feuer, sondern auch durch den Pro- birstein erforschen kann, so kann auch der Glaube nicht nur durch Trübsale, sondern auch durch sorgfältige Untersuchung, ob er die gehörigen Kennzeichen habe, erforscht werden: 2. Cor. 13, s. 5. (Starke.) »Er- fahrung bringetHoffnung«: gleichwie ein jeder Gerecht- fertigter die Herrlichkeit Gottes hoffen darf, weil sie ihm in der Rechtfertigung zugesagt worden, also kann und darf sie der Erfahrene, Bewährte noch gewisser hoffen, wenn er durch gnädige Läuterungen zur Em- pfehlung derselben mehr, als er zuerst war, tüchtig gemacht worden (2. Tini. 4, 7 f.); und diese seine Hoff- nung beschämt nicht oder ,,läßt ihn nicht zu Schanden werden«, weil er nun als ein Geläuterter nahe bei dem Ziele derselben ist. (Roos.) Also wirkt das Kreuz bei denen, die es dulden und die bewährt werden bis an’s Ende, eine stete, feste, vollkommene Hoffnung; in denen aber, die es nicht dulden, sondern untüchtig erfunden werden, wirkt es von Stund an schier eine Verzweiflung, die fich auch nicht bergen kann. Jm Leben des Kreuzes lernt der Menfch, daß außer Gott lauter nichts sei, darin man fich freuen soll, hoffen und rühmen; denn wenn Trübsal alles von uns nimmt, so läßt sie uns doch ja allein Gott, denn sie kann uns Gott nicht wegnehmen, ja, sie führt Gott herzu. Wenn aber alles hinweggenommen ist, auch die guten Werke und Verdienste, und wir bleiben hier stehen und harren aus, so finden wir Gott, auf wel- chen wir allein trauen; da geht es denn an, daß wir selig sind in der Hoffnung. (Luther.) ist) Der Grund, warum die Hoffnung nicht zu Schanden werden läßt, liegt indeß nicht in jener Stufenfolge von Gnadenwirku1igen in dem Menschen, von welchen vorhin die Rede war, sondern in der Liebe Gottes; unter dieser ist aber hier nicht unsre Liebe zu Gott, vielmehr Gottes Liebe zu uns zu ver- stehen, wie dies klar aus dem Folgenden erhellt, wo die Größe und Macht derselben durch das Geschenk des Sohnes an die Unwürdigen erwiesen wird. Jn- dem der sündige Menfch im Glauben die Gnade Gottes in Christo annimmt, ergießt Gottes Liebe fich wie ein voller Strom in sein Herz; während bis dahin die Sünde ihn und Gott von einander schied, ist dieser Damm nun durchbrochen (v. Gerlach.) Der Aus- druck ,,ausgießen« wird sonst von der Mittheilung des heil. Geistes gebraucht (Apostg. 2, 33; 10, 45; Tit. Z, 6); es liegt dabei die Vergleichung des Geistes mit Wasser zu Grunde (Joh. 7, 38 f.), und es verbindet fich zugleich« damit die Vorstellung von einer Fülle der Mittheilung. Hier nun ist der Ausdruck von der Liebe Gottes gebraucht, aber mit Beziehung auf den Geist, in welchem fich die Liebe Gottes substanziell dem Menschen nähert oder in sein Jnneres eingeht und welcher zugleich das Gefühl und Bewußtsein von dieser Liebe in ihm erregt. (Maier.) Der Zusatz: ,,welcher uns gegeben ist« ist nichtpleonastisch neben dem »aus- gegossen«, vielmehr verhalten fich beide Bezeichnungen so zu einander: geschenkt ist der Geist beim Pfingst- feste ein für alle Mal der Menschheit im Ganzen; aber damit ist er noch nicht in jedes einzelne Herz ans- gegossen, dazu bedarf es vielmehr erst der persön- lichen Aneignung des Werkes Christi im Glauben. (Olshausen.) Von seinen Trübsalen aus, will der Apostel sagen, treibt es den Christen immer wieder zur Hoffnung der zukünftigen Herrlichkeit, die Gott geben soll, weil er weiß, daß Gottes Verhalten gegen ihn eben doch wesentlich Liebe ist; so gewiß es ihm ist, daß Gott ihn nur liebt als einen der Sünde Ent- ledigte1i, so gewiß ist es ihm auch, daß Gott es nicht dabei lassen kann, seine Liebe ihm in der Form des Uebels, welches Folge der Sünde nnd insofern Er- scheinung des Zornes Gottes ist, zu erzeigen, sondern daß er endlich den Christen, und somit auch alle Er- zeigung seiner Liebe gegen ihn, aller Bedingtheit durch das Uebel vollständig entnehmen wird. (Schott.) Der Gedanke, den der Apostel in V. 1—5 durchgesiihrt hat, ist mithin folgender: der im Glauben Gerechtfertigte hat nichts mehr von Gottes Zorn zu fürchten, da der- selbe durch Jesum Christum aufgehoben ist, vielmehr (wie er schon jetzt in einem Stande der Gnade fich befindet, wo er alles Gute von Gott empfängt, so) hat er »sauch) die Hoffnung zukünftiger Herrlichkeitz selbst Trubsale können ihn! diese Hoffnung nicht rauben, sondern sie nur steigern und befestigen, denn er ist der Liebe Gottes gegen fich im heil. Geist versichert, so daß also auch die Trübsale ihm nicht etwa als eine Offenbarung des göttlichen Zornes erscheinen und da- durch seine Hoffnung wankend machen können. (Daran fchließt fich denn das Weitere an:) Der Gott, der aus Liebe zu den Sündern seinen Sohn zur Versöhnung gesendet, wird den Begnadigten und durch Trübsale im Glauben Vewährten desto gewisser die Seligkeit ertheilen (Philip«pi.) · · » « 6. sUnd wie hat doch diese Liebe, die im jetzigen Friedens- und Gnadensta1ide in unser Herz ausgegossen ist durch den heil. Geist, daß wir sie fühlen und erkennen und mit Gegenliebe zu dem, der uns zuerst geliebt hat, erfüllt sind 1.Joh.4,’19., schon vordem, als es noch so ganz anders mit uns stund, uns umfangen und unaus- denkbar Großes an uns gethanls Denn auch Christus sin dem die Liebe des Vaters ihre Ab- sichten verwirklicht hat und der als der Sohn des Vaters mit ihm die gleiche Liebe gegen uns in fich trägt], da wir san unserm Theile] noch fchwach waren nach der Zeit sin der damals alle Welt fich befand und die allgemein noch eine Zeit der lxnwjssenheit war Luk. 23, 34; Apostg. 17, 30], ist sur« uns Gottlose [Kap. 4, Z] gestorbenk 7. Nun stirbt soon uns übrigen Menschen] Das Größeste hat Gott vorhin an uns gethan, da wir noch schwach und seine Feinde waren. 43 kaum jemand um des Rechtes willen sdas an einem Andern in schlimmer Weise verletzt er siehet und zu dessen Vertheidigung er nun mit seinem eigenen Leben einzustehen sich getrieben fühlt]; Um etwas Gutes willen sdas er an dem Andern wahrge- nommen und darum ihn liebt und werthschätzh oder das er von ihm empfangen hat und so sich ihm als seinem Wohlthäter verpflichtet fühlt] dürfte« vielleicht jemand sterben [wagte oder gewönne er’s vielleicht über sich, für ihn sein Leben zu lassen Joh.15,13 —- in diesem zweiten Falle fällt ihm das Sterben für einen Andern wenigstens nicht so schwer, wie in jenem ersten, wenn auch immerhin noch schwer genug]; 8. Darum sweil sie gar weit über das, was menschliche Liebe zu leisten vermag, wenn es sich um’s Sterben für Andere handelt] preisei Gott sin dem Evangelio, das er uns verkündigen läßt] feine ssrei und ohne irgend welche Würdigkeit von unsrer Seite sich bethätigende] Liebe gegen Uns sderen Größe darinnen steht], daß Christus für uns gestorben ist, da wir noch Sünder salso das gerade Gegentheil von Gerechten und damit zu- gleich Gottes Feinde V. l0] warenAt 9. So werden wir sum hier wieder auf den Satz in V. 5 zurückzukommen, daß die Hoffnung, deren wir uns rühmen, nicht läßt zu Schanden werden] je sPred. 4, 8 Anm. Z] vielmehr durch ihn [unsern, nun zum Himmel erhöheten HErrn] behalten werden vor dem Zorn sder im Endgericht zum Austrag kommt 1. Thess 1, 10], Ilachdetn wir sbei unsrer Bekehrung zu ihm] dnrch sein Blut gerecht svon der Schuld unsrer, den Zorn Gottes hervorrufenden Sünde losgesprochen] worden sinds [Joh. 5, 24]. 10. [Dessen dürfen wir denn mit um so größerer Zuversicht uns versichert halten, je weniger Schwierigkeit, so zu sagen, diese schließliche Er- rettung im Vergleich mit derjenigen, welche er schon gegenwärtig uns hat zu Theil werden lassen, ihm bereitet] Denn so wir Gott- versöhnet sind durch den Tod seines Sohnes, da wir noch Feinde waren swo er also, um in das V. 1 erwähnte Friedensverhältniß uns zu versehen, einestheils sein Höchstes und Liebstes, seinen einigen Sohn, zum Opfer geben mußte, und anderntheils denselben für Feinde Col. 1, 21 f. in den Tod dahin geben mußte], viel mehr sso läßt sich leicht begreifen] werden wir selig werden durch sein sdes jetzt verherrlichten Christus] Leben, fo wir nun versbhnet sund in den V. 2 erwähnten Gnaden- stand versetzt] sind H— sindem es zu diesem unserm Seligwerden einestheils nur einer Bethätigung des eigenen Herrlichkeitslebens des HCrrn bedarf, und and erntheils nur einer Vollendung oder vollständigen Auswirkung dessen, was bereits mit uns seinen Anfang genommen] i) Jm Grundtext findet sich hier eine Yeenge ver- schiedener Lesarten, aus denen denn von den jetzigen Auslegern der eine diese, der andere jene als die rich- tige hinstellt, je nachdem seine Auffassung der Stelle die eine oder die andere ihm an die Hand giebt; wir können uns aber auf eine nähere Erörterung des Sachverhältnisses nicht erst einlassen, sondern halten uns sofort an Luther’s Uebersetzung, bei welcher das Anfangswort des Verses ein xocl wäre und das s» erst hinter dieser-Zi- folgt, und werden auf diesem Wege wohl am besten zu einem Verständniß der Mei- nung des Apostels gelangen. Schon in Kap. 4,5 hat er nämlich darauf hingewiesen, daß der rechtfertigende Glaube ein Glaube ist an Den, der die Gottlosen gerecht machtz wo nun dieser Glaube in lauterer, un- geheuchelter Weise in einem Herzen Raum gewinnt, da ergießt sich der heil. Geist in selbiges Herz und nimmt die Liebe Gottes von ihm Besitz. Nun ist es aber Christus mit seinem Opfertode, durch den Gott eine solche Gerechtmachung der Gottlosen möglich ge- worden; wie daher Paulus schon in V. 1 u. 2 des Mittleramtes Christi bei Herstellung des Friedensver- hältnisses mit Gott und Eröfsnung des Zugangs zu seiner Gnade gedacht hat, so fühlt er sich bewogen, hier nicht mehr blos gelegentlich, sondern ausdrücklich der Liebesthat Jesu Christi zu gedenken, weil diese ja für die Liebe Gottes, damit sie sich in Strömen in unser Herz ergießen könnte, erst den Damm durch- brechen mußte. Das hat er denn gethan, indem er »für uns Gottlose gestorben is « zu einer Zeit, wo wir ,,noch schwach«, d. i. der wiedergebärenden Kraft des heil. Geistes noch baar und ledig waren, die nun- mehr, seit das alles, was in V. 1-—5 genannt wurde, bei uns zu Stand und Wesen gebracht ist, an uns wirkt und uns zu einer Gemeinde macht, die da herr- lich sei, die nicht habe einen Flecken oder Runzel oder deß etwas, sondern dazu berufen, daß sie heilig sei und unsträflicls Im Vergleich mit der Liebe Gottes, die jetzt uns Christgläubigen beiwohnt und sich an uns verherrlichh erscheint noch größer und wunder- barer die Liebe Christi, womit derselbe für uns Gott- lose gestorben ist: das scheint der Apostel sagen und damit diese Liebe Gottes in Christo noch über die Liebe Gottes im heil. Geist setzen zu wollen; denn jetzt hat doch Gottes Liebe solche Leute an uns, in die er seinen Geist hat ergießen können und die ihn nun wieder zu lieben und in seinen Geboten zu wan- deln vermögen (Hes. 36, 26 f.), während die, für welche Christus starb, steinernen und gottlosen Herzens waren. Vielleicht gedenkt Paulus dabei speziell auch an seine eigene Person, daß er, wie hernachmalsan Stephani (Apostg. 8, 1), so wohl auch an Christi Tode schon sein Wohlgefallen gehabt hatte (Mark. 14,11; Luli 14, 11 Anm.); doch hatte er’s unwissend, im Un- glauben gethan (l. Tim. 1, 13), es hat also der hier gebranchte Ausdruck: ,,da wir noch schwach waren« seine volle Berechtigung, und auch das beigefügte ,,nach der Zeit« findet so eine nahe liegende Erklärung und giebt keineswegs, wie manche Ausleger behaupten, eine unpassende Entschuldigung ab. Die eine von den beiden Näherbestimmungen zu dem Satzex ,,Christus ist für uns gestorbeu«, sagt v. Hofmann, nämlrch das: ,,da wir noch schwach waren-«, zielt auf die1en1gen, welche jetzt Glieder der Gemeinde und als solche zur Liebe Gottes befähigt sind (Gal. Z, 20), während sie da- mals des heil. Geistes und damit des Vermögens, Gott r zu lieben, ermangelten; die andere, das ,,Gottlose—«, zielt auf die Beschaffenheit der Welt, für welche Christus gestorben ist, im Gegensatz zu der Gemeinde des heil. Geistes, welche jetzt aus ihr geboren ist. 44 Römer 5, 10. H) Im Grundtext steht roh-»Er, andere, wagen. Wir haben hier ein leuchtendes Beispiel über die Ver- derbniß und Verdunklung der Begriffe, welche in unsere deutsche Sprache und insbesondere durch die Unwissenheit und Unklarheit der Herausgeber in unsere edle lutherische Bibelüberfetznng eingedrungen ist. Luther fchrieb hier: um etwas Gutes willen thürste vielleicht jemand sterben; das schöne Wort ,,thürste« verstand man nicht mehr, also schrieb man schon bald nach Luther flugs: dürfte, was sowohl nach seiner Wurzel, als nach seiner Bedeutung ein ganz anderes Wort ist. —- Die ältere Sprache hatte zwei gleichartige Verben, die jetzt unrichtiger Weise in dürfen zusam- menfalletn I) gotlh tha1irban, (Präs. er thar-f, Pl· wir thaürbaiy Prüf. er thaiirftal uhd. darf-in, mhd. U. nhd. dürfen (ursp. Noth leiden, haben, dann mhd. auch schon) nöthig haben, egere (daher bedürfen); ferner: Freiheit wozu haben — eine moralifche Mög- lichkeit, eine Erlaubniß wozu ausdrückend; erst in nhd. Zeit nahm es auch die Bedeutung von: sich unterstehen, wagen an, wofür mhd. turren steht; bei Luther so nur in 1. Mof. 44, 15: »Wie habt ihr das thun dürfen ?« — Z) ahd. irrt-rein, mhd. durren (Präs. ich tax, wir durren, Prät ich torsie), gewöhnlicher: getnrren, bei Luther und seinen Zeitgenossen: thüren, turren, durren und ge- tiirren, nhd. düren in obiger Bedeutung, die mit der von dürfen nichts gemein hat. Neuere Bibelausgaben haben dennoch das alte thiiren fast überall durch ,,dür- sen« verdrängt. Die revidirte Stuttgarter Ausgabe hat es dagegen in einigen wenigen Stellen beibehalten 1. Maee. 5, 40: »wenn Judas an den Bach kommt und so muthig ist, daß er hinüberziehen than-«; V. 41: »wenn er sich aber fürchtet und thar nicht über den Bach herüber« So auch in 1.Maee.11,65; 2. M. 14, 29; 1. Mos 43, 32; Z. M. 26, 37; Jos. 10, 21; 1. Sam- 15, 17; Z. S. 17, 17; Esth. 1, 19; 7, 5; Hiob 9, 21; 10, 15; 41, 4 und in vielen anderen Stellen, wo überall von unserem ,,dürfen« nicht die Rede ist, sondern thijren steht. Wie leicht wird man folgendeStellen mißverstehenz Matth 22, 46: »und thurst (jetzt: durfte) niemand ihn fragen«; l. Cor. 6, I: ,,wie thar jemand haddern?« 2. Cor. 10, 12: »wir thüren uns nicht unter die rech- nen«; Juda I: ,,Michael aber der Erzengel thurste das Urtheil der Lästerung nicht fällen«. Das Wort kamen, wagen, sich erkühnen, unterstehen, erlosch in der 1. Hälfte des 17. Jahrh. (Jütting.) TM) Nach dem Vorgange von Hieronymus und Gras- mus nimmt Luther, wenn er überfetzt: ,,um des Rech- tes willen« — ,,um etwas Gutes willen« die betr. Worte des Grulidtextes Mater) Braula» — Jszsrån 1705 cis-»Was) im sächlichen Sinne; geht nun gleich gräm- matifch das nicht wohl an, so irrt er doch in Be- ziehung auf das Verständnis; des Wortinnes nicht soweit vom rechten Wege ab, daß man eine Ueber- setzung geradezu verwerfen müßte. Allerdings zwar scheint bei dem ersten Gliede: ,,um des Rechtes willen« eine salsche Ansicht zu Grunde liegen, indem dabei nach Melanchthoms Erklärung an solche gedacht wird, die von Rechtswegen zum Tode verurtheilt sind oder nach Pflicht und Beruf sich dem Tode aussetzen müssen, aber nur mit Widerstreben demselben sich unterwerfen; beim zweiten Gliede dagegen giebt Luther den Worten die ganz richtige Deutung: ,,um des Guten oder um einer guten Sache willen möchte noch eher ein Mensch sterben, z. B. ein Vater für den Sohn, eine Mutter für die Tochter, ein Bürger für sein Vaterland, wie man von den Heiden findet; aber da hat man nie keinen funden, der da gestorben wäre für seinen Feind — das kann die Natur nicht. Die Welt sagt das Widerfpieb es kann keiner seines Feindes schonen; wer seinen Feind spare, der baue sich selbst das Unglück-« Wir haben hiernach den Wortlaut unsrer deutschen Bibel oben stehen lassen und ihm in der Erklärung nur eine Wendung gegeben, die dem richtigen Ver- ftändniß Raum bietet. Indessen dürfte es denn doch räthlicher sein, die sächliche Auffassung ganz fallen zu lassen und die persönliche ohne Weiteres in den Text zu bringen, da es in diesem ganzen Zusammen- hange sich überhaupt nur um Personen handelt; des- halb schreibt auch die revidirte Ausgabe des neuen Testaments, deren wir schon öfter gedacht haben: »Nun stirbt kaum jemand um eines Gerechten willen; um des Guten willen dürfte vielleicht jemand sterben«, wie denn gegenwärtig fast allgemein (nur v. Hofmann läßt im zweiten Gliede das ,,um des Guten willen« im sächlichen Sinne bestehen) die Stelle so übersetzt wird. Ueber das erste nun: ,,um eines Gerechten willen stirbt kaum jemand« besteht hinsicht- lich der Meinung des Apostels so ziemliche Ueberein- stimmung unter den Auslegeriu über das andere hin- gegen: ,,um des Guten willen dürfte vielleicht jemand sterben« gehen sie insofern auseinander, als die einen bei diesem ,,Guten« an einen guten, liebreichen Men- schenfreund überhaupt denken, der die Herzen seiner Mitbürger sich zugewendet hat (Matth. 20, 15), die andern an einen solchen, der speziell demjenigen, der für ihn zu sterben sich entschließt, zu einem Gut- oder Wohlthäter geworden ist. Letzterer Auffassung gemäß umschreibt das v. Gerlaeh’sche Vibelwerk die Stelle so: »Für einen Gerechten, dem er nicht persönlich ver- pflichtet ist, wird nicht leicht jemand sterben; für einen Gütigen, dem er Wohlthaten verdankt, gewinnt es wohl noch jemand über sich zu sterben« Wir müssen jedoch die Zulässigkeit einer solchen Beschränkung des Be- griffs des»Guten« auf den eines ,,Wohlthäters« bestreiten: solche Fälle, deren Luther gedenkt, wenn ein Vater für den Sohn 2e., ein Bürger für das Vaterland stirbt, zeigen, daß nicht dankbare Liebe allein es ist, die dazu treiben kann, für den Andern zu sterben, sondern gleichwie bei dem Gerechten, für den man kaum zu sterben sichentschließt, der Grund für dieses ,,kaum« darin liegt, daß die Rechtschaffenheit eines Mannes für sich allein noch nicht stark genug ist, um den Auf- opferungstrieb für ihn in einem Andern zu erwecken, indem das bloße Recht immer noch etwas Kaltes an sich hat und nicht recht das Vermögen besitzt, eine brennende Liebe Anderer für sich zu entzünden, wenn man es auch achtet und ehrt und seinen Untergang beklagt und sich darüber entrüstet, so liegt andrerseits bei dem Guten, für den, um ihn zu retten, man ,,vielleicht« es auf sich nimmt mit dem eigenen Leben einzutreten, die Macht zur Erweckung solchen Ent- schlusses bei dem sich selber Opfernden in der Macht der Liebe, die dieser zu jenem hat; nnd da kommt es nicht sowohl darauf an, daß der Gute es an nnd für sich und für alle Andern, sondern daß er es in der einen oder andern Weise für den ist, der sich für ihn zu opfern wagt. Jn welcher Weise nun, so scheint uns der Gedanke zu sein, den der Apostel zum Ausdruck bringen will, hätten wir Gott für Gute gelten können, daß Christus, sein Sohn, sich hätte entschließen dürfen, mit seinem Leben für uns einzutreten? wir waren ja so wenig Gerechte, deren Sache er allenfalls zu der seinen hätte machen können, daß wir im Gegentheil Gottlofe waren; und darin lag für ihn vielmehr eine abstoßende, als eine anziehende Macht, vielmehr etwas, das ihn zum Zorn reizte und das Verderben von ihm, dem Allmächtigem gegen uns herausforderte, als etwas, das die Lust in ihm hätte hervorrufen können, uns mit Hingabe des eigenen Lebens vom Ein minder Großes ist’s für ihn, uns nun, seine Freunde, zur Herrlichkeit zu führen. 45 Verderben zu erretten. Hier stehen wir, sagt Besser, am Ende alles Begreifens: Antrieb und Ursach dieser Gottesliebe liegt nirgend a u ß er ihr, in den G elieb t e n, sondern einzig in ihr, der Liebe, selbst, und wir können nichts, als ihren Preis nachlallen, den das Evangelium uns vorspricht, bis wir im höheren Chor sie würdig preisen werden. Unzweifelhaft aber, so haben wir hier, wo uns am Schluß von V. 8 wieder der nämliche Ausdruck in Betreff des Sterbens Christi begegnet, den wir schon am Schluß von V. 6 lasen, uns noch zu Vergegenwärtigen, ist das »für« (,,für uns, für uns Gottlose gestorben«) gleichbedeutend mit ,,anstatt«, da soeben V. 7 von lauter solchen Fällen redete, wo Einer hätte sterben müssen, ein Anderer aber für ihn eintritt; überhaupt kann ohne klare Einsicht in die Lehre des Apostels von der stellver- tretenden Genugthuung des Opfertodes Christi unsere ganze Stelle nicht verstanden werden. Der Streit, ob Christi Leiden und Sterben ein stellvertretendes ge- wesen, ist nichts weniger als ein Wortstreit, sondern geht sehr tief und läßt sich nur auf alttestamentlichem Gebiet bei der Lehre vom Opfer entscheiden; wir halten es aber für ausgemacht, daß das stellvertretende Mo- ment beim Opfer ein so wesentliches ist, daß durch seine Hinwegnahme das Wesen des Sühnopfers selbst zerstört wird. Aus der rechten Lehre vom Opfer geht denn hervor, daß überhaupt überall, wo im neuen Testament gesagt wird, Christus sei für uns gestorben, in dem Wörtchen »für« stets ein ,,anstatt«mitenthalten ist. Man kann für jemand und doch nicht anstatt jemandes sterben, indem der Tod, den ich zu jemandes Vortheil übernehme, um ihm Gutes zu verschaffen oder Böses von ihm abzuwenden, nicht immer bedingt, daß er hätte sterben müssen, wenn ich nicht gestorben wäre; doch wird dies allerdings meistens der Fall sein, und bei Christo war es der Fall, insofern sein Tod, wie wir aus dem alten Testament wissen, ein stellver- tretender Opfertod war. Es soll also auch hier, wie in Kap. 8, 32; 14, 15; l. Cor. J, is; 2. C. 5, 14; Ephes. 5, 2; 1. Thess. 5, 10; 1. Tim. 2, 6 die für- sorgende Liebe des stellvertretenden Opfertodes Christi ausgedrückt werden. — Zum Schluß wollen wir nun aber auch an dem nicht vorübergehen, was Dr. Luther aus den in Rede stehenden Worten für die Praxis des christlicheu Lebens an trostreichen Gedanken herleitet. So gedenke nun, schreibt er, und rüste dich mit Fleiß, aus daß du allezeit geschickt seist, auch wenn du in höchsten Nöthen nnd Gefahr mit dem Tode kämpfen mußt, wenn dein Gewissen der begangenen Sünde ein- gedenk wird und erschrickt, und der Satan mit großer ålltacht dir unter Augen geht und gedenkt dich« mit der großen Last deiner Sünden gleich als mit einer Sünd- fluth zu überfallen, von Christo abzuschrecken und zu verjagen und endlich in Verzweiflung zu bringen; als- dann gedenke, sage ich, daß du mit muthigem Herzen und starkem Glauben sagen könnest: Christus, Gottes Sohn, ist gegeben, 11icht für der Heiligen Gerechtigkeit, sondern für der armen Sünder Ungerechtigkeit. Warum willst du mich denn so verkehrter Weise zum Heiligen machen, du heilloser Satan, und eitel Gerechtigkeit von mir fordern, der ich doch gar nichts, denn nur eitel Sünde habe, und nicht erdichtete, sondern rechte, wahr- haftige, nicht leichte und geringe, sondern recht große, grobe und überaus schwere Sünden. Darum ist alle Kraft und Macht der Seligkeit daran gelegen, daß diese Worte »der für uns Gottlose gestorben ist« für ernste und wahrhaftige Worte gehalten werden. ich sage solches fürwahr nicht vergeblich; denn ich habe es oftmals selbst erfahren, und erfahre es noch täglich je länger je mehr, wie über die Maßen es schwer ist Und ; i zu glauben, sonderlich wenn das elende Gewissen feine Noth und Schweißbad hat, daß Christus gegeben sei, nicht für die, so da heilig, gerecht, würdig und seine Freunde sind, sondern für die Gottlosen, Sünder, Un- würdigen und für die, so seine Feinde sind, die da verdienet haben Gottes Zorn, den ewigen Tod und Verdammniß. f) Die. Schlußfolgerutlg geht a Inajori ad. minus (von dem Größeren auf das Geringe); denn Größeres ist es, als Sünder versöhnt zu werden (V. 6—8), denn als Gerechtfertigte vor dem Zorn bewahrt zu bleiben. Daß aber hier die Rechtfertigung ohne besondere Her- vorhebung des vermittelnden Glaubens (V. l) als in dem Versöhnungsblute ruhend dargestellt wird, be- weist, wie schon früher bemerkt, daß der Glaube im Akte der Rechtfertigung nur als das, die in sich vollkom- mene Gerechtigkeit Christi ergreifende Organ, nicht als eine dieselbe vervollständigende oder ergänzende, in sich werthvolle und Gott wohlgefällig machende Gemüths- beschaffenheit betrachtet wird. Der Glaube hat im Akte der Rechtfertigung nur seinen Werth durch das Blut Christi, welches er umfaßt, und durch die Gnade Gottes, auf welche er sich stützt; nur die Recht- fertigungslehre der protestantischen Kirche vermag aus der Gnade Gottes, dem Blute Christi und dem Glauben des Sünders, diesen bei der Recht- fertigung zusammenwirkenden Momenten, einen har- monischen Dreiklang zu bilden, nach jeder andern Combination treten sie in fchreiendeDissonanz(Philippi.) H) Mittelst des Todes seines Sohnes, wie Christus jetzt genannt wird, um hervorzuheben, was es sich Gott hat kosten lassen, hat er ein Verhältniß zu ihm be- schafft, wo wir ihn nicht mehr wider uns haben; da ist denn allerdings viel mehr zu erwarten, daß wir, nachdem unser Verhältniß zu Gott auf diese Weise aus einem feindlichen ein freundliches geworden ist, kraft des Lebens des für uns in den Tod Gegebenen werden errettet werden, bedarf es doch, damit uns die Errettung zu Theil werde, um die es sich jetzt allein noch handelt, nur einer Vethätigung des Lebens, in welchem der zum Zweck unsrer Versöhnung mit Gott gestorbene Sohn Gottes steht. Es handelt sich näm- lich um unsre Errettung vor dem Zorne, welcher über die Welt ergehen wird, wenn der Tag ihres Gerichts vorhanden ist; der aber kann uns nicht gelten, nach- dem wir, wie V. 9 besagte, kraft des Blutes Christi gerecht geworden sind. (v. Hofmann.) Kein Zorn mehr, lauter Liebe, kein Fluch mehr, lauter Segen, kein Tod mehr, lauter Leben, ist in Christo unser Theil. i Daß nun, nachdem Christus sein Reich angefangen hat, im Grunde der Wahrheit keine Sünde, kein Tod, kein Fluch mehr sei, bekennen wir täglich in unserem Glauben, da wir sagen: ,,Jch glaube an eine heilige, christliche Kirche«; das nichts Anderes ist, als sagten wir: Wir glauben, daß in der Kirche gar keine Sünde noch Tod sei: denn die, so an Christum glauben, sind nicht Sünder noch des Todes schuldig, sondern sind schlechthin heilig, gerecht, Herren über die Sünde, die da in Ewigkeit werden leben. Aber solches sieht und erkennt allein der Glaube, denn wir sagen: ,,Jch glaube eine heilige Kirche.« Wo du deine Vernunft allhier Raths fragst und nach deinen Augen richten willst, wirst du gar viel anders reden. Denn du siehst auch an den Gottseligen noch viel und mancherlei, das dich ärgert, nämlich, daß sie bisweilen fallen, sündigen, schwach werden im Glauben u. s. w. Darum, höre ich wohl, die Kirche ist nicht heilig? Nicht also, das folgt nicht daraus: wo ich meine eigene oder meines Nächsten Person ansehen will, so ist’s wohl wahr, daß sie nimmer wird heilig sein; wo ich aber Christum ansehe, 46 Römer 5, 11—14. welcher die Kirche mit seinem theuern Blute Gott dem Vater versöhnt und sie von Sünder: gereinigt hat, so ist sie allerdings ganz und gar heilig, wo sie anders an ihrem Bräutigam hält, seinem Worte glaubt und bekennt, und um Hilfe und Erlösung von Sünden und allem Unglück zu ihm schreit. (Luther.) 11. Nicht allein aber das ldaß wir, wie oben ausgeführt wurde, allen guten Grund haben, der zukünftigen Herrlichkeit uns zu rühmen V. 2]; sondern wir rühmen uns auch sum, wie vorhin V. 9 aus den Satz in V. 5., so jetzt auf das in V. so« Gesagte zurückzugreifetd Gottes sals eines solchen, der unser sei und wir sind sein, rühmen uns dessen in alle den Trübsalen, die uns gegen- wärtig betreffen, und zwar thun wir das nicht in der Weise der auf das Gefetz sich steifenden Juden Kap- 2, 17., sondern] durch unsern HErrn Jesum Christ, durch welchen wir nu»n sseit wir seine Gläubigen geworden] die Versöhnung em- pfangen haben sund in derselbigen uns wohl be- wußt sind, daß unsre Trübsale, statt Erweisungen seines Zornes zu sein, vielmehr heilsame Züch- tigungen seiner väterlichen Liebe sind Hebr. 12, 5 ff.]. In V. 9 sagte der Apostel: ist Gottes Liebe uns, den Sündern, so zu Theil geworden, daß Christus für uns starb, so wird doch vielmehr, nachdem die beab- sichtigte Wirkung des Todes Christi, die Rechtfertigung, an uns geschehen ist, die schließliche Vollendung unsers Heilsstandes uns durch Christum gewiß sein. Und dies ist um so gewisser, so fuhr er in VHIO fort, weil ja das Mittel, dessen es zur Heilsvollendung für die Gerechtfertigten bedarf, gleichsani viel weniger schwierig und kostspielig ist, als das Mittel, welches Gott die Versöhnung der Sünder sich hat kosten lassen: jetzt braucht er nicht mehr sein Liebstes dahin zu geben in den Tod, sondern nur das Leben der Herrlichkeit, zu dem Christus auferwecket ist, braucht er fortbestehen (und sich auswirken Col. Z, 3 f.) zu lassen, um ver- möge der Einpflanziing der Erlösten in dasselbe auch sie ihrer endlichen Verklärung nach der Aehnlichkeit seines Verklärten Lebens entgegenzufiihren. Aber nicht blos so überhaupt gilt das »wir werden selig werden«: da könnte ja etwa ein ängstlicher Nothstand in der Periode bis zur schließlichen Errettung eintreten; son- dern diese ganze Zeit, in der die schließliche Errettung noch zukünftig ist, so will V. 11 nun besagen, ist be- gleitet von einer hohen Freude, mit der der Christ Gottes und seines Verhältnisses zu ihm sich rühmt. (Schott.) Wenn sich der Jude im Gegensatz zu denen, die ohne Gott in der Welt waren, Gottes riihmte, daß er ihn habe und zu seinem Gotte habe, so that er dies aus Grund der seinem Volk zu Theil gewor- denen heilsgeschichtlichen Gesetzesofsenbarung; die Christen dagegen stehen in solcher Freude durch ihren HErrn Jesum Christum, und was das sagen will, sagt der Zusatzx »durch welchen wir nun die Versöhnung empfangen haben«. (v. Hosmannh Jn dem Ausdruck: ,,enipfaiigen haben« ist das Moment ethischer An- eignung zu betonen, was für den Anfang des fol- genden Abschnitts sehr wichtig ist. (Lange.) 7. V. 12—2l. Zum Schlaf) der ganzen bisherigen Ab« haudlung liber die seligmachende Kraft des Cvaiigelik iii welchem die Gerechtigkeit geofsenbaret mit-d, die vor Gott gilt and des ewigen Lebens iheithastig must, fastt Paulus das darin iiber Sünde und Gnade Gesagte iioih iii einen gisoszartigeii Uebetblicti über« die religiöse Cntmiclielungsgesihictjte der Menschheit von Adam bis Christus zusammen; und indem er nun den Adam, als das Haupt der süiidigeii Menschheit, Christo, dein Haupte der« von Gott eriieuerteii Menschheit, gegenüber-stellt, steht dieser siebente Ab« schnitt zu dein fünften in Kap.4,1sf., rvo des Abrahani und David gedacht wurde, in iihiilichem Verhältniss, wie das Gesihlechtsregistec Jesn bei Liiliiis (3, 23—38) zu deui Geschlechtsregisker desselben bei Matthäiis (1, 1—17), und tritt zu der Stellung, die Paulus slir seine Person als Einer vom Samen Abrahanis eiiiiiiiiiiiit, diejenige hinzu, die er iii seinem Amte als Apostel der Heiden behauptet. Wie durch die Ziinde des Einen Menschen Adam, so lautet seine Gegenüberstellung, die Sünde und der leibliche Tod iii die Welt läanieii uiid so zu allen Menschen der Tod hiudurihdraiixk dieweil sie alle sündigten, so ist auch durch den Kteuzesgehorsaui des Einen Menschen Jesus Chriskiis die Gerechtigkeit vor Gott und das eivige Leben gelioinmeu stir alle, welche glauben (V.12—19); das niosaisctje Gesetz aber, das seiner Zeit in diese Ciitwictielangsreihe von dem eiiieu Mensihheitsbegriindec zu dem andern zwischen eingetreten, ist eben nur eine göttliche 3mische1iansialt, welche durch Mehrung der Sünde das Sündenbeiviisttseiii schärfen sollte, um die Herr-schalt der Gnade iii Christo hernach desto tiefer - zu begründen (V. 20 u. 21). 12. DerhalbenJ swenn wir jetzt nach alle den Erörterungen in Kap. 1, 18——5, 11., welche mit der aus der gesammten Menschenwelt lastenden Sünde und ihrem Verderben den Anfang machten, zuder von Christo ausgehenden und über alle, Heiden wie»Juden, wenn sie nur an ihn glauben wollen , gleichmäßig sicherftreckenden Gerechtigkeit fortschritten und schließlich von einer zukünftigen Herrlichkeit redeten, die Gott geben werde, zwifchen der nunmehrigen christlichen und der ehenialigen vorchristlivvchen Weltperiode einen Vergleich an- stellen« Verhalt s1ch’s for] wie durch Einen Men- schen [Adam, den Anfänger der natürlichen Mensch- he1t] die Sande 1»st kommen in die Welt, und der Tod durch die Sande« [1. Mos. 2, 17; Z, 19; Weish 2, 23 H, Und ist also der Tod [als ein, infolge der Sünde eines Einzelnen in die Welt bereits eingedrungeners zu allen Menschen durch- gedtungen sin der Weise, daß sie, ein jeder für sein Theil, sich ihn,fdiesen»Sold der Sünde Kap. S, Z3., auch personlich aneignetens dieweil sie alle gesnndiget habenzftt » » 13. Denn die Sande war wohl in der Welt swährend der ganzen Zeitperiode von drittehalb- tausend Jahren, die von Adam vergangen sind] bis auf das sdurch Mosen gegebene] Gesetz svon dem ich in Kap. Z, 20 sagte, durch dasselbe komme Erkenntniß der Sünde]; aber [wie ich das. mit diesem Satze schon angedeutet»habe] wo kein Gesetz ist, da achtet man der Sunde nicht sund rechnet sie sich nicht als eine Schuld an, die mit dem Tode gebüßt werden muß. Doch sind darum, obgleich ·auch Gott seinerseits diese Zeit der Un- wissenheit übersehen wollte Apostg 17, 30., die Adam, durch den Sünde und Tod in die Welt gekommen, ein gegensätzliches Bild Christi. 47 Menschen mit der Büßung ihrer todeswtirdigen Schuld, die sie gleichwohl war, nicht verschont geblieben Kap. L, 12], 14. Sondern der Tod herrschete sals ein König, dessen Gewalt nun einmal das gesammte Menschengeschlecht unterworfen war Hiob 18, 14; I— Cvr-15-»24 U· 261 von Adam an bis auf Mosen auch Uber die, die sin dieser ganzen langen Zeitperiode eben darum, weil sie kein bestimmtes, positives Gesetz vor sich hatten, das seine Ueber- tretung mit der Strafe des Todes belegt] nicht gesundiget haben mit gleicher Uebertretung wie Adams sdem von Gott gesagt worden war: ,,du sollst nicht von dem Baume der Erkenntniß essen« und der nun, indem er gleichwohl davon aß, dem Todesurtheil in Gemäßheit dessen verfiel, daß gleichzeitig ihm gesagt worden: ,,welches Tages du davon issest, wirst du des Todes sterben« 1. Mos. 2, 17 f.; Z, 17 ff.]: welcher [nämlich Adam] ist ein Bild sgeschichtliches Vorbild l. Cor. 10, 6. II] deß, der zukunftig warH sChristy des zweiten oder letzten Adam 1. Cor. l5, 45 u. 47 ff.]. i) Das ,,derhalben« knüpft so an die letzten Worte des l1. Verses: »durch welchen wir nun die Ver- söhnung empfangen haben« an, daß es zugleich auf die ganze bisherige Deduction seit Kap. 1, 18 ff. Bezug nimmt; denn in jenen Worten liegt eingeschlossen, daß wir, früher Sünder, jetzt durch Christum die Ver- söhnung haben, d. i. gerechtfertigt und somit auch des Lebens und der Seligkeit, wie der unmittelbar vorangehende Abschnitt V. 1—-11 entwickelt hat, theil- haftig geworden sind, darin ist aber eine Zusammen- fassung des bisherigen Gesammtinhalts der Epistel ge- geben. (Philippi.) Der Apostel hat bisher sein Thema nach allen Seiten hin entwickelt: er hat die Allgemein- heit menschlicher Sünde, also den allgemeinen Mangel der gottgeforderten Gerechtigkeit nachgewiesen; hierauf hat er die für alle vorhandene, durch den Versöhnungs- tod Christi beschasste Gerechtigkeit Gottes an’s Licht gestellt und ist zuletzt auf die beseligenden Folgen dieser Gerechticgkeit eingegangen. Jndem er nun jetzt einen Rückbli auf seine gesammte bisherige Dar- stellung wirft, drängt sich ihm ein Vergleich, eine Parallele auf, die er in den folgenden Versen aus-führt; die ganze Menschheit stellt sich ihm dar in den zweien: Adam und Christus, welche die Vertreter des ge- sammten Nienschengeschlechts deren beide Häupter sind. Somit zerfällt die gesammte Entwickelung der Mensch- heit in zwei große Epochem die adamitische oder vor- christliche und die christlichex das Haupt jener ist Adam, das Haupt dieser Christus, ein zweiter Adam; die Gesetzesökonomie bildet nur ein Einschiebsel, eine Episode, die aber allerdings von der größten Bedeu- tung ist, da sie von der ersten zur zweiten Epoche hinüberleitet (Röntsch.) Ei) Der Ausdruck: »die Sünde ist in die Welt kommen und der Tod durch die Sünde« besagt etwas wesentlich Anderes, als daß die erste Sünde begangen wurde und das erste Sterben sich zutrug, wozu ja schon das ,,durch Einen Menschen« nicht passen würde; die Meinung ist vielmehr, daß es eine Zeit gegeben hat, wo weder Sünde noch Tod in der Welt war, und daß, wenn beide jetzt in der Welt sind, Ein Mensch es gewesen ist, durch welchen diese Veränderung ein- trat (vgl. Weish 14, 13 f.), wobei die Frage, ob denn nicht die Sünde zuvor schon im Geisterthum vor- handen gewesen, um deswillen unveranlaßt ist, weil »die Welt« als Benennung dessen gefaßt sein will, mit dessen Schöpfungsgeschichte die heil. Schrist anhebt. (v. HofmannJ Der Apostel schweigt hier von dem zuerst vom Satan verführten Weibe (1. Tim. 2, M; Sir. 25, 32): Eva’s Versündigung allein hätte nur sie zur Sünderin gemacht (sicut per virtutem activam natura traduoitmg its. et; peccatmn Originale: Th o m a s von Aquino, s· 1274); Adam aber, Eva’s und der ganzen Menschenfamilie Haupt, ist durch seine Versäu- digung der Anfänger und das Haupt eines Sünder- geschlechts geworden. (Besser.) Wie an einem Baume nicht jeder kleine Zweig eine wesentliche Bedeutung für seine Gesammtheit hat, sondern wie manche abge- brochen werden können, ohne daß der Baum im Ganzen dadurch leidet, so auch im Menschengeschlechh aber in zwei Beziehungen vernichtet die Zerstörung auch des geringsten Zweigleins den Baum ganz und gar: erst- lich beim Keimen des Kerns, zweitens beim Pfropfen des Baumes — die Abbrechung des unscheinbarsten Keims oder des schwachen Pfropfreises vernichtet den ganzen Baum. Ebenso hat nun die Menschheit zwei Lebenspole in ihrer Entwicklung, deren Beschaffen- heit den Zustand der Gesammtheit bestimmen: erstlich Adam, der Keim, aus dem sich das Geschlecht ent- wickelte; seinTod unmittelbar nach seinerSchöp- sung hätte die Menschheit vernichtet, seine Ver- letzung schadet der sich aus ihm entwickelnden Ge- sammtheit, wie ein geknickter Keim den ganzen Baum sich unvollkommen und schief entwickeln läßt. Zweitens Christus, der sich zu der von Adam abgeleiteten Menschheit verhält, wie das edle Pfropfreis zu dem wilden Baum. Wäre es denkbar, daß Christus vor Vollendung seines Werkes hinweggenommen wäre, so würde die Menschheit ebenso in ihrer natürlichen Roh- heit geblieben sein, wie ein Baum, dessen Pfropfreis zerstört ward und der nun bloße Wasserzweige treibt; bleibt aber das edle Reis, so adelt es den ganzen Baum, alle Säfte, die durch dasselbe geleitet werden, verändern ihre Natur und verlieren ihre Wildheit. (Olshausen.) IN) Im Grundtext entsprechen sich einander die « Worte: ,,gekom1nen« Steht-Je) und ,,durchgedrungen« Gihlbex was man im Deutschen durch ,,herein -— hitidurchgekommen« oder: »ein —— durchgedrungen« wiedergeben kann; der erstere Ausdruck deutet an, daß die Sünde in der Welt des Geisterthums allerdings schon vorhanden war, Adams Sünde aber ihr den Eingang öffnete in die Welt des Mensch enthums, der andere Ausdruck folgt dann gleichsam der Ver- zweigung des von dem Einen Menschen abstammendeu vielgliedrigen Menschengeschlechts und besagt mit dem Wörtlein »also«, daß unter dem nunmehrigen Vor- handensein von Sünde und Tod in der Menschenwelt der Tod den Zugang zu jedem einzelnen Menschen gefunden habe, gleichwie in 1. Cor. l5, 22 von den Menschen es heißt, daß sie in Adam alle sterben. Da fragt es sich nun, in welchem Verhältniß bei diesem Durchgedrnngensein des Todes zu ihnen die Menschen zur Sünde stehen, deren Sold ja der Tod ist? Un- zweifelhaft hätte der Apostel schreiben können: »und ist also die Sünde und der Tod zu allen Menschen durchgedrungen«, wenn es ihm darauf angekommen wäre, Sünde und Tod als den von Adam überkom- menen Erbschaden der menschlichen Natur, zu dem ein jeder bei seiner Geburt zunächst nur leidentlich sich verhält, in’s Licht zu setzen; aber dieser Gegenstand 48 Römer 5, 15. 16. lag für die Parallele, die er mit den Worten: ,,der- ««- halben, wie« eingeleitet hat, ganz außerhalb seines Gesichtskreises. Es handelt sich dabei, gleichwie auf der andern Seite nicht eine blos leidentliche, passive Zugehörigkeit zu Christo die Theilnahme an seinem Heile vermittelt, sondern die thätige, aktiv e Zugehörig- keit, welche durch den Glauben an ihn bewirkt wird (vgl. zu V. 11: »die Versöhnung empfangen haben«), so auch auf dieser Seite um die selbstthätige Theilnahme an Adam’s Sünde und Tod, oder mit andern Worten, um die aktuelle, persönliche Aneignung dessen, was durch Adam in die Welt gekommen und in dieser dergestalt nun ein für alle Mal vorhanden ist, daß dem Ueberkommen kein Adamskind sich ent- ziehen kann, wohl aber von dem Sich aneignen einzelne Wenige unter Gottes besonderer Gnaden- wirkung möglichst freigeblieben sind (1. Mos. 5, 24; 2. Kön. «2, 11). Demgemäß schreibt denn der Apostel: »und ist also der Tod zu allen Menschen durchgedrungen, dieweil sie alle gesündigt haben« Jndem diese Ueber- setzung Luther’s den Schein erwecken könnte, als wolle Paulus sagen, erst dadurch, daß die Einzelnen sündigten, sei der Tod zu allen durchgedrungen, was ja der Er- fahrungsthatsache des Sterbens auch kleiner, noch nicht oder kaum erst geborener Kinder widersprechen würde, bedarf das ,,dieweil« einer näheren Erläuterung; man darf aber da Augustin’s Jdee nicht zu Hilfe nehmen: ,,dieweil sie in Adam alle gesündiget haben«, gleich als habe man an den beiden Stellen: l. Cor. 15, 22 u. Hebr. 7, 9 f. eine biblische Rechtsgrundlage zu solcher Ergänzung, denn dieser Satz würde zu seiner Parallele haben, daß den Gläubigen das Leben auf Grund dessen . durch Christum zu Theil werde, weil sie in ihm alle gehorsam gewesen sind, was sich aber mit den Aus- sagen des Apostels in V. 18 s. schlechterdings nicht verträgt. Nicht haben in Adam alle gesündigt, die von ihm stammen, so heißt es ganz richtig bei v. Hof- mann, wohl aber beschließt feine Sünde sie alle unter sich, weil sie von ihm stammen; nur so bleibt der Satz bestehen, daß durch Einen Menschen die Sünde und durch die Sünde der Tod in die Welt ge- kommen, während dagegen nach Augustin’s Jdee alle Menschen durch ihr, in die Sünde Adams eingeschlossenes Siindigen das Vorhandensein von Sünde und Tod in der Welt bewirkt haben würden. Erwägen wir da- gegen, daß der von Luther mit ,,dieweil« übersetzte Ausdruck des Grundtextes (i-’(p« as) für’s Deutsche nicht blos in dem Sinne: »auf Grund dessen, daß« (s7:i reden) Zu) von Paulus gemeint sein kann, wofür 2. Eor. 5, 4 (Luther: ,,sintemal«) zu sprechen scheint, ; sondern auch in dem Sinne: »unter der näheren Be- stimn1theit (in Geniäßheit dessen) daß«(57ri rot-Xa) Satz, vgl« Ziel muri gis» leben, indem man Kinder hat), wo- für Phil. 3, 12 (Luther: ,,nachdem«) ein Beleg sein würde, so ergiebt sich eine Erläuterung, wie wir sie oben dem Satze haben vorausschicken müssen, um den Wortlaut unsrer deutschen Bibel beibehalten zu können, statt das ,,dieweil« in ein ,,nachdem« Demgemäß, daß) umznänderin Der Apostel hätte nun als Nachsatz zu dem mit »Wie« angefangenen Vorderfatz können folgen lassen: ,,so ist durch Einen Menschen die Gerechtigkeit in die Welt kommen, und das Leben durch die Gerech- tigkeit, und dringet also das Leben zu allen Menschen durch unter der Bedingung, daß sie alle durch den Glauben gerecht werden«, (wie das bereits mit uns V.1 geschehen ist); indessen fühlt er nach den Worten: »gemäß dem, daß sie alle gesündiget haben«, daß er diese Aussage seinen Lesern gegenüber eigens begrün- den und näher bestimmen muß. Er thut das mit dem, was in V. 13—14 steht: »denn die Sünde war wohl in der Welt . . . mit gleicher Uebertretung wie Adan1«, konnte aber nach dieser langen Auseinandersetzung an sich schon jenen Nachsatz nicht mehr in geeigneter Form folgen lassen; zudem drängte sich ihm der Gedanke auf, daß das von Christo ausgehende Heil weit über- schwänglicher sei, als das von Adam ausgegangene Unheil, und so begnügte er sich bei Adams Erwähnung einstweilen mit der Bemerkung: ,,welcher ist ein Bild deß, der zukünftig war«, um »dann erst in V. 18 die angefangene Vergleichung in etwas anderer Gestalt wieder aufzunehmen und nun hier dem ersten Gliede auch das andere gegenüberzustellen T) An seine Zugehörigkeit zu Christo, dessen Leben ihn zur Herrlichkeit bringen wird, soll der Gläubige sich halten, nicht aber — dies geltend zu machen, ist es, worauf Paulus in diesem ganzen Zusammenhange es abgesehen hat —- soll er dahin sich irre machen lassen, als ob er außer jener Zugehörigkeit noch eine andere, speziell die zum Gesetz bedürfe, die ihm die Erlangung der in V. 1—11 dargelegten Hoffnungs- gewißheit erst sichern könnte. Die Heilsvollendung so heißt es nun hier, ist in Christi Person, mit der der Gläubige in Gemeinschaft steht, ebenso vollgiltig und allseitig uns vergewissert, ohne daß es des Gefetzes bedarf, wie auch in der Person Adarn’s schon, ohne Vorhandensein eines Gesetzes, Sünde, Tod, Verdamm- niß als bestimmende Mächte für jedes Glied der ada- mitischen Menschheit gesetzt waren. Daraus begreift sich dann auch die ausdrückliche Beziehung auf das Gesetz, am Schlusse unsers Abschnittes in V. 20 s.: gegenüber den beiden absolut bestimmenden gefchicht- lichen Epochem die in Adams und Christi Person ge- geben sind, ist das Auftreten des Gesetzes nur ein Zwischen- oder Nebeneinkommem so daß das Gesetz qar nicht aus der,-mit jenen beiden weltgeschichtlichen Entscheidungspiinkten geordneten Nothwendigkeit des geschichtlichen Verlaufs organisch herausgewachsen, son- dern von außen hineingegeben ist, also auch nicht als ein jenen beiden coordinirter Faktor der Entwickelung auf das Heil hin gelten kann. (Schott.) Mit den Sünden der gesaknmten Menschheit vor dem Gesetz stehen die Sünden der Heiden aus gleicher Stufe, die das Gesetz Mosis nicht haben. (Philippi.) Nach Pauli Meinung macht das Gesetz nicht die Sünde, sondern es macht diese zur Uebertretung (Kap.4,15); des- halb spricht er auch an unsrer Stelle nie von einer Sünde, sondern immer von einer Uebertretung oder Verfehlung Adams (V. 15. 17 u. 18 wird in Luthers Uebersetzung diese Verschiedenheit des Ausdrucks nicht beachtet), und umgekehrt nie von einer Ueb ertretung derer, die nicht mit gleicher Uebertretung wie Adam gesündiget haben. Sonst ist Pauli Gedanke hier der: Das Gesetz bezieht sich nicht auf das Vorhanden- sein, sondern nur auf die Zurechnungsfähigkeit der Sünde; nur die positiven Strafen, nicht aber die natürlichen Folgen der Sünde sind durch das- selbe bedingt, der Tod aber ist die natiirliche Folge der Sünde. (Rothe.) Die That Adams hatte bei ihm die Sünvdhaftigkeit als sitndhafte Disposition zur Folge, diese pflanzte sich durch die Zeugung auf feine Nachkommen fort und gebar aus sich immer wieder die thatliche Sünde. Die Sünde als sündhafte Dis- position ist ja von Geburt aus in jedem ållienschen vorhanden (Kap. 7, 7 ff.; Ephes. L, 3); dieser Zustand aber, in welchem das Menschenwesen als ,,Fleisch« bezeichnet wird, wird durch die Zeugung mitgetheilt (Joh. Z, 6), die Mittheilung zieht sich somit soweit zurück als die Zeugung, geht also zurück bis auf den Urvater des Geschlechts, wo die Sündhaftigkeit nicht ursprünglich, sondern die Frucht der ersten sündigen Auf Seiten der göttlichen Gnade findet jedoch Ueberschwänglichkeit der Wirkung statt. 49 That ist. Jene Sündhaftigkeit nun, deren natiirliche Folge der Tod, und die in Verbindung mit diesem das Erbtheil eines jeden Nienscheti von Mutterleibe an ist, kann ihre Wirkung äußern, auch wenn es nicht zur sündigen That kommt, wie das bei den kleinen Kindern der Fall; diejenigen aber, bei welchen das thatliche Sündigen wirklich vorkommt, thun es entweder im Zustand der vollen Zurechnungsfähigkeit, wenn sie nämlich sündigen mit gleicher Uebertretung wie Adam, und dann tragen sie den Tod, wie als natürliche Folge von Adams Sünde, so auch als eigene Strafe, oder sie thun es nicht in diesem Zustande, weil es kein unmittel- bares, positives Gesetz ist, das sie übertreten, und dann findet bei ihnen nur eine Theilnahme an fremder Strafe statt und der Tod hat für sie nur den Charakter eines natürlichen Erfolges. (Maier.) Das müssen wir wahr bleiben lassen, daß Adam in diesem Gebot (1. Mos. 2, 17) uns allzumal versündigt hat; denn wir sind allzumal in ihm gepflanzt und sein Fleisch und Blut, daß es uns gehen muß, wie es ihm gegangen ist. Denn Gott hat es so geordnet, daß von diesem einigen Menschen alle Menschen kommen müssen und wir alle seine Kinder sind. Darum wie er gethan hat und was ihm zum Fluch aufgelegt ist, dasselbe begegnet « uns gllen, also daß wir müssen mit ihm für einen Kuchen und Teig gerechnet werden: kürzlich, alles was Menschen sind. Darum auch die Schrift dem ersten Menschen und uns Allen Einen Namen giebt, daß was Mensch ist, alles Adam heißt von diesem ersten Adam, das ist vom ersten Menschen, von welchem wir alle gemacht sind. Wir sind Adam und bleiben Adam. (Luther.) H) Mit diesen Worten bezeichnet Paulus den Adam als eine Persönlichkeit, in deren Stellung zu den Nach- kommen sich dasselbe Berhältniß ausprägt, wie in der Stellung Christi zu den geistiger Weise Von ihm Ge- borenen. (Tholuck.) Daß durch Einen Menschen, der Adam heißt, ist soviel ausgerichtet, daß alle Menschen müssen sterben, beide er und wir allesammt, die wir doch nicht die Schuld verwirkt haben, sondern allein daher, daß wir von ihm geboren sind, in Sünde und Tod kommen (wiewohl es nach dem« Fall, und wenn wir geboren werden, nicht mehr fremde Sünde, sondern unsere eigene wird): das ist ja ein jämmerlicher Handel und ein schrecklich greulich Urtheil Gottes, und wäre erst noch viel greulicher, wenn wir alle sollten ewiglich im Tode bleiben. Nun aber hat Gott dagegen einen andern Menschen gesetzt, welcher heißt Christus, auf daß, gleichwie wir um jenes willen ohne unsere (Einzel-) Schuld sterben, also wiederum um Christi willenohne unser Verdienst leben sollen; undt wie wir in Adam alle allein deß entgelten müssen, daß wir sein Gliedmaß oder Fleisch und Blut sind, also ge- nießen wir hier in Christo auch allein, daß er unser Haupt ist, und ist eine lautere Gnade und Geschenk, daß wir nichts zu rühmen haben von unsern Werken und Verdienst. (Luther.) Adam ist der Urstoff der Menschheit, Christus ist ihr Urgedanke in Gott, beide persönlich lebendig; die Menschheit ist Eins in ihnen, deshalb ward Adams Sünde allen zur Sünde, Christi Opfer allen zur Sühne. Jedes Blatt eines Baumes kann für sich grünen oder verwelken, aber jedes leidet durch die Krankheit der Wurzel und geneft durch ihre Heilung. Je flacher der Mensch, desto mehr wird ihm alles isolirt erscheinen, denn auf— der Obersläche liegt alles auseinander; er wird in der Menschheit, in der Nation, ja in der Familie selbst blos Individuen sehen, bei der die That des einen mit der des andern keinen Zusammenhang hat. Je tiefer der Mensch ist, desto mehr dringen sich ihm Dächseps Bibel-merk. VII. Band. 2. Aufl. diese innerlichen, aus dem Mittelpunkt kommenden Beziehungen der Einheit aus; ja, die Liebe des Nächsten selbst ist nichts als die tiefe Empfindung dieser Einheit, denn nur den liebt man, mit dem man sich als Eins erkennt und fühlt. Was die christliche Nächstenliebe für das Gemüth, das ist jene Einheit des Geschlechts für die Erkenntniß; ist die Sünde durch Einen, und die Erlösung durch Einen nicht möglich, so ist auch das Gebot der Nächstenliebe un- verstiindig Die christliche Sittenlehre und der christ- liche Glaube sind daher wirklich unauflöslich verbun- den. Das Christenthum bewirkt in der Geschichte einen Fortschritt ähnlich dem vom Thierreich zum Men- schen dadurch, daß es die Wesenseinheit des Menschen offenbarte, die im Alterthum aus dem Bewußtsein der Völker geschwunden war. (Stahl.) 15. Aber nicht hält slelys sbei aller Aehnlich- keit, die zwischen Adam als Vorbild und Christo als Gegenbild in ihrem beiderseitigen Verhältniß zur Menschheit stattfindet] mit der [Gnaden-] Gabe sdie aus Seiten Christi in heilbringender Weise wirksam ist], wie mit der [Fehltritts-] Sünde [die auf Adams Seite ihre verderbenbringende Macht übt, als wäre auch nach innen dort und hier die Wirkungskräftigkeit eine gleiche, wie sie es nach außen ist; sondern in dieser Hinsicht ist sie dort eine überschwänglich größere, als hier]. Denn so an Eines Sünde san jener Uebelthat Adams, da er von der verbotenen Frucht aß Weish 10, Z» in Folge des göttlichen Straf- urtheils, das in ihm zugleich alle seine Nach- kommen mitbetrafs viele gestorben sind swas ja allerdings eine ungeheure Verderbensmacht solchen Vergehens bekundet], so ist viel mehr smit einer unbeschreiblich größeren HeilskraftJ Gottes Gnade Und Gabe sin Vergebung der Sünden und Mit- theilung der Gerechtigkeit zum ewigen Leben V. 17; Kap. S, 231 vielen reichlich widerfahren durchs die Gnade des einigen sjenem Einen gegenüber- stehenden] Menschen Jesu Christi« [d. i. durch die Gnadenthat, womit Jesus Christus uns von Sünde und Tod erlöset und Leben und unver- gängliches Wesen an’s Licht gebracht hat Apostg. 15, 11;2.Cor. 8, J; Tit. Z, 7; 2. Tim. 1, 10 —— in der Ausgabe vom J. 1545 hat Luther: durch Jesum Christ, der der einige Mensch in Gnaden war, bis 1530aber:,,durchdieGnade, die Einem Menschen J. Chr. widerfahren ist«]. 1ö. Und [bei dieser intensiven Ueber- schwänglichkeit, von welcher eben die Rede war, haben wir auch eine extensive in Betracht zu ziehen :] nicht ist [nämlich] die Gabe [Gottes, die in Christo Jesu uns zu Theil ward, eine Recht- sprechung] allein über Eine Sünde sdaß uns blos das vergeben würde, was der einzelne Sünder Adam verbrochen und mit ihm auch allen seinen Nachkommen den Tod zuwege gebracht hat selbst für den Fall, daß sie selber nicht ebenfalls ge- sündigt hätten], wie smit den vorhin gebrauchten Worten: ,,an Eines Sünde sind viele gestorben« 4 50 Römer 5, 17—20. allerdings ja behauptet wurde, daß] durch des einigen Sünders einige Sünde alles Verderben [über alle Menschen gekommen sei — Luther übersetzt hier ziemlich frei, um in den Sinn des sehr concisen Ausdrucks im Grundtext einzuführen] Denn das Urtheil [Gottes, das er über Adam fällte 1. Mos. 3, 19: »du bist Erde, und sollst zur Erde werden«] ist kommen aus Einer Sünde saus dem Fehltritt, den er mit dem Essen von der verbotenen Frucht begangen, über sein ganzes GeschIechtJ zur Verdammniß [so daß wir alle in solchem Stande uns von Mutterleibe an befinden]; die [Gnaden-] Gabe aber sdie durch die Gnade des einigen Menschen Jesu Christi uns widerfährt] hilft auch aus vielen Sünden [womit nach dem in V. 12 Gesagten ein jeder für sein Theil die bereits bestehende Verdammniß des gesammten Menschengeschlechts auch persönlich sich angeeignet hat] zur Gerechtigkeit« sindem sie die Schuld aller jener Sünden nicht nur aufhebt, sondern auch aus dem Stande der Verdammniß in den des Gerechtseins versetzt] i7. lJst aber die Gnadengabe von solcher Wirksamkeit, daß sie, wie eben gesagt, auch aus vielen Sünden zur Gerechtigkeit hilft, so schlägt nun die aus dem Urtheil über Eine Sünde für alle Menschen hervorgegangene Verdammniß in’s gerade Gegentheil um.] Denn sum hier ebenso auf die zweite Hälfte des 15. Verses zurück- zugreifen, wie die erste Hälfte des vorigen Verses sich an die erste Hälfte dieses Verses anschloß] so um des Einigen Snnde willen der Tod geherrschet hat durch den Einen lan dessen Sünde alle die Vielen gestorben, die je und je gestorben sind]; vielmehr sindem sie aus dem Stande der bisher Beherrschten nun übertreten in den Stand von HerrschernJ werden die, so da [wirk1ich, was für jeden Einzelnen zur Empfangnahme bereit liegt] empfahen [nämlich] die Fülle der Gnade und der Gabe zur Gerechtigkeit [vgl. V. 11], herrschen im Leben durch Einen sder jenem Einen gegenbild- lich gegenübersteht], Jesum ChriftIkk s) Von Adam aus kommt Sünde und Tod über das ganze Menschengeschlecht, von Christo dagegen mittels der von ihm erworbenen Gnade Gerechtigkeit und ewiges Leben: dies ist der Gedanke, der dem Apostel von V. 12 an im Sinne liegt. Aber nicht nur ist das Materiale in dem doppelten Verhältnisse Adams und Christi zur Menschheit seinem Wesen nach verschieden, sondern, so legt er nun weiter aus einander, es machen sich auch noch andere Verschiedenheiten in den Gegensätzen bemerklich, welche nur den Contrast steigern, aber die Parallele selber nicht aufheben. (Maier.) Adam und Christus, die im gegensätzlichen Verhältniß zu einander stehen, kommen mit einander überein im Positiv, unterscheiden sich aber im Comparativ; handelte es sich nun vorhin um den Positiv, so kommt nunmehr der Comparativ in Betracht (Bengel.) Daß der (Fehltritts-) ,,Sünde« auf Seiten Adams die (Gnaden-),,Gabe« auf Seiten Christi gegenübersteht und nicht der scheinbar entfprechendere Ausdruck (V. 18 f.): Gerechtigkeits-That oder Gehorsam, macht auf den ersten Blick keine geringe Schwierigkeit; aber es ist jener Ausdruck für den Endzweck des Apostels unentbehrlich, indem er hervorheben will, daß dem Sündenfall eine That der Erlösung gegeniiberstehe, welche nicht auf Rechtsansprüchen beruht, sondern aus freier Gnade abzuleiten ist. (Tholuck.) Christum selbst hat Gottes Gnade dazu gegeben, damit durch ihn die Gerechtigkeit zuwege käme, die er uns schenken wollte. So ist denn auf dieser Seite eine Gabe der in freier Gunst den Menschen sich erzeigenden Güte Gottes das Wirksame, auf der andern dagegen die Uebelthat des Menschen Adam; so verschieden nun das auf beiden Seiten Wirksame ist, eine so verschiedene Bewandtnis; hat es auch mit der beidemaligen Wirkung. Durch die Uebelthat des Einen ist es geschehen, daß die Vielen starben, welche gestorben sind; dem entspricht die auch von Einem ausgegangene und über eine Vielheit sich erstreckende entgegengesetzte Wirkung der Gnade Gottes in Christo. Aber wie etwas gar Anderes istes um Gnade, als um Uebelthat, was die Wirkungskräftigkeit anlangt, da der Gott, deß die Gnade ist, im Maße seines Gebens ein Unbeschränkter ist; und darum ist auch die Wirkung eine um soviel mächtigere, als auf jener Seite. (v. Hofmann.) Dem ,,Viele gestorben sind« im Vordersatze entspricht das ,,Vielen reichlich wider- fahren« im Nachsatze; es liegt darin der Begriff des verbreiteten Einflusses, aber weil er nicht sagen konnte, daß die Gnade sich fchon auf alle verbreitet habe, sondern, wie in ähnlichen Fällen (Matth. 20, 28; 26, 28), dafür viele schreiben mußte, so schreibt er auch im ersten Gliede der Ver leichung nicht, wie in V. 12, alle, sondern viele. ährend nun die Vielen im ersten Gliede alle sind, die bisher gelebt haben, sind es im zweiten Gliede alle, die schon an der Gnade Gottes in Christo Theil genommen haben, die bis- herigen Christen. (de Wette.) Die Sünde Adams nennt Paulus woran-Baars- (V. 14) als die Ueber- tretung des klar ihm gegenüberstehenden göttlichen Verbots; verneint-wro- (V. 15· 17. 18) als die Sünde, welche ein Sündenfall war; sinnig-»san« (V. 16) als einen Ausgangspunkt der Sünden; »Jaget-roh (V.19) als Ungehorsam gegen den erkannten Willen Gottes. (Lange.) Die ,,Gnade Jesu Christi« bezeichnet in den oben angeführten Stellen überall einen Gnadenakt der thätigen, wirksamen Liebe Christi, an unsrer Stelle insonderheit den erlösend en Gnadenakt, die erlösende Gnadenthätigkeit Christi, auf welcher die Gnade Gottes in Ertheilung der Gabe der Gerechtigkeit und des ewigen Lebens beruht. (Rothe.) Das ,,reichlich wider- fahren« hat nicht sowohl comparative, als superlative Bedeutung: es widerfährt jemandem etwas auf das Reichlichste, wird ihm über das Maß zu Theil. Der Unterschied in den Wirkungen Adams und Christi liegt also in der Ueberschwänglichkeit der Wirkungen des letzteren; diese Ueberschwänglichkeit gründet sich aber auf die Gnade Gottes und Christi, die nicht anders als überschwänglich sich erweisen kann. (Philippi.) Jn Adam offenbart sich blos das Prinzip der Gerech- tigkeit, in Christo aber das überströmende Element der göttlichen Gnade. (Olshausen.) Und da sind, um solches Ueberströmen in reicher Fülle zu Stande zu bringen, zu gemeinschaftlichem Zusammenwirken mit einander vereinigt die Gnade Gottes, welche den eingeborenen Sohn sendet, die GnadeChristi, welche den göttlichen Gnadenrathschluß vollbringt, und die Gnade des heil. Geistes, welche die durch das Er- lösungswerk erworbenen Gnadenschätz dem Einzelnen geschenksweise aneignet. Wiederaufnahme und Weiterführung der Bergleichung «) Adam hat die sündhaften Menschen gezeugt und von ihm haben sie die böse Natur; Christus aber hat auch alle Sünden, die aus diesem angeerbten Ver- derben entstanden sind, gebüßt und vergeben, d. i. er hat unsern Erb- und wirklichen Sünden abgeholfen. Die Gnade kann viel mehr Sünde auslöschen, denn der Adam in uns kann Sünde erben. (Luther.) Das ist ein Hauvtunterschied in den Wirkungen des Sünden- falles Adams und der Erlösung Christi, daß die Wir- kungen des ersteren in einem strenggesetzlichen Urtheil bestehen, was daher schon aus einer einzigen Ueber- tretung zur Verdammniß führen mußte, die Wirkungen der letzteren aber ein Gnadengeschenk sind, welches nicht blos eine Sünde wieder gut machte, sondern alle aus jener ersten hervorgegdangenen Wiederholungen der Uebertretung Adams; un zwar so sehr wieder gut machte, daß es wirklich die vom Gesetz erforderte Ge- rechtigkeit in den gefallenen Menschen wirkte. fvon Gerlach.) Auf der Verschiedenheit des Verhältnisses, in welchem das eine und das andere Mal Ausgangs- punkt und Zielpunkt des Vorgangs zu einander stehen, liegt alles Gewicht; sie sind nämlich einander gleich- artig in einem und einander entgegengesetzt im andern Falle. Dort ist das durch Einen, der gesündigt hat, verursachte Urtheil für die Vielen zur Verurtheilung, hier dagegen die durch Vieler Uebelthaten veranlaßte Gnadengabe zur Herstellung eines Thatbestandes des Gerechtseins gediehen: eine soviel andere Bewandtniß hat es mit der Wirkung. auf die Vielen, welche sich in der Zuwendung des Geschenks vollbringt, als wo eine solche Wirkung durch Einen, der gesündiget hat, zuwege gekommen ist. (v. Hofmann.) Eis) Wenn das, was uns in Christo gegeben ist, das, was von Adam ausging, deckt, so liegt schon darin etwas Hohes und Großes; aber noch mehr, wenn es überschwänglicher Weise deckt. Worin jedoch diese Differenz liegt, die der Apostel an der ganzen hier vorliegenden, schon in den einzelnen Aus- rücken so schwierigen Stelle darstellen will, darin walten die verschiedensten Ansichten ob, und schon die griechischen Ausleger haben nicht vermocht, einen Ge- dankenfortschritt nachzuweisen oder auch nur die ein- zelnen Gedanken scharf zu bestimmen. Auch noch neuere Ausleger haben gänzlich daran verzweifelt, logischen Fortschritt in der Auseinandersetzung des Apostels zu finden; ist nun aber speziell in dem hier uns vorliegenden Verse der Reichthum an Beziehungen und Jdeen so groß und zugleich so deutlich, wie er in der That es ist, so enthält das eine ernste Warnung für den Ausleger, wenn der Reichthum und das Tref- fende in den vorhergehenden Aussprüchen ihm minder deutlich geworden sein sollte, nicht sofort auf ab- sprechende Weise die Schuld in dem Apostel zu suchen, sondern vielmehr bescheiden und beharrlich in dem Be- mühen einer immer tieferen Ergründung fortzufahren. (Tholuck.) Durch die Sünde des Einen hat der Tod geherrscht; eine fremde, seindliche, zerstörende Natur- gewalt beherrschte die, welche von Gott nach seinem Bilde geschaffen, zu Herren der Natur bestimmt waren. So mächtig aber wirkt die Gnade auf die, welche ihre Fülle empfangen haben, daß sie selbst durch diese Gnade Herrscher werden im Leben durch Jesum Christum: der Mensch wird durch die Erlösung nicht nur frei von der Unterjochung der Sünde und des Todes, son- dern er bekommt selbst nun die volle, wahre Freiheit und Selbständigkeit; er herrscht, ewig unbesiegbar, in dem neuen Leben und vermöge desselben. (v. Gerlach.) Der Apostel sagt nicht: »das Leben wird herrschen«, entsprechend dem: »der Tod hat geherrscht,« sondern: ,,es werden die, so da empfahen die Fülle der Gnade und der Gabe zur Gerechtigkeit, herrschen im Leben«, weil der Sünder dem Tode als einer fremden, ihn despotisch beherrschendenMacht unterworfen ist, während der Gerechtfertigte, als der von der Todesmacht Be- sreite, selber zum Herrscher im Leben erhoben ist. (Philippi. Wider des Todes Reich und Sieg hat unser H rr Gott, der HErr Zebaoth, einen andern Sieg gemacht, die Auferstehung von den Todten in Christo. Der Tod hat lange gesungen: ,,Jo Triumph! Jch, Tod, bin König und Herr über alle Menschen; ich habe den Sieg und liege oben.« Aber unser HErr Gott läßt ihm wieder ein Liedlein singen, das lautet also: »Jo Triumph! das Leben ist König und Herr über den Tod, der Tod hat verloren und liegt unten« Der Tod hatwohl bisher gesungen: ,,Vietoria, Victorial Jo gewonnen, hier ist eitel Tod und kein Leben!« Aber Gott läßt ihm nun wieder singen: ,,Vietoria, Vietoria! Jo gewonnen! Hier ist eitel Leben und kein Tod» Der Tod ist in Christo gestorben, das Leben behält den Sieg und hat gewonnen. (Luther.) 18. Wie nnn sum nach den Ausführungen in V. 15——17 die in V. 12 ff. begonnene, aber dort unvollendet gelassene Vergleichung jetzt wieder aus- zunehmen und sie nunmehr jenen Ausführungen entsprechend zu gestalten] durch Eines Sünde [ge- nauer: Fehltritts-That V. 15 u. 17] die Verdammniß [zum Tode V. 161 über alle Menschen kommen ist; also ist auch durch Eines Gerechtigkeit [genauer: Gerechtigkeitsthat, die er mit feinem ganzen Leben und seinem schließlichen Sterben vollbrachte] die Rechtfertigung des Lebens [die zu Leben und Seligkeit ausschlagende Recht- fertigung Jvh« b, 291 über alle Menschen kommen« [daß, wenn anders sie wollen, sie durch den Glauben an den Namen dieses Einen ihrer können theilhaftig werden]· 19. sUnd auch das läßt sich in die Parallele mit aufnehmen, was oben in der zweiten Hälfte des 12. Verses gesagt wurde: »und ist also der Tod zu allen Menschen hindurchgedrungem dieweil sie alle gesündigt haben-e] Denn gleichwie durch Eines Menschen ungehorsam sden er Gottes be- stimmtem Willen gegenüber beging, in Folge des ihnen nun von Geburt an vermöge der Erbsünde anhaftenden widergöttlichen Willens, von dem sie in ihrem Denken, Reden und Handeln sich be- stimmen ließen] Viele [hier s. v. a. alle Menschen] Sünder [für ihre eigene Person oder im sub- jektiven Sinne des Worts] worden sind; also anch durch Eines Gehorsam swomit er sich in allen Stücken dem Willen Gottes untergehen hat Hebt. 10, 5ff·; Phit 2, 8] werden Viele salle die, denen er, indem sie nun ihm gehorsam sind, eine Ursach zur ewigen Seligkeit sein kann Hebt. b, 8 f.] Gerechte « [in eben solchem Sinne des Worts oder für ihre eigene Person werden Kap. S, 16 fs.; 8, 29f.;1.Joh.3, 2 f.]. 20. Das Gesetz aber sfiir welches eine lange Zeit es gab, in der es noch nicht vorhanden war, s weil im Vergleich mit dem bereits entschiedenen 48 5l« 52 Römer 5, 21. Gefchick der Menschheit es nach dem in V· 13 f. Be- merkten nur eine untergeordnete Bedeutung hatte] ist neben einkommen"*« sder längst schon in die Welt gekommenen Sünde V. 12 nach Gottes Willen sich an die Seite ftellend], auf daß sbei dem einzelnen bestimmten Volk, dem es gegeben wurde] die Sünde mächtiger würde lnicht blos schlechtweg mehr Sünde bliebe, wie sie bis daher es gewesen, sondern in jedem einzelnen Falle, wo sie begangen würde, zu einer eben solchen Uebelthat sich gestaltete, wie Adams Sünde das war, da er den Bund über- trat V. 14 f. 17 s.; Hof. S, 7]. Wo aber die Sünde [durch solche Steigerung auf das höchste Maß der Schärfe und Verdammungswürdigkeits mcichtig worden ist snämlich auf Jsraels Lebens- gebiet, das durch fein Gesetz zum sündigsten und verdammlichsten unter allen Völkern der Erde gemacht wurde Kap. 4, IS; 7, 7 ff; Gal. 3, 19 Anmj, da ist doch sindem dies Volk andrerseits auch zu dem herrlichsten und gesegnetsten gemacht ist Kap. 3, g; 4. Mos. 24, 17. 19; Joh 4, 22] die Gnade viel mächtiger wordensz 21. Aus daß, gleichivie [in der gesammten Menschenwelt] die Sünde [von Adam her] ge- herrschet hat zu [richtiger: in] dem Tode [als ihrem Bereiche, d. i. über alle, die dem Tode unterworfen waren V. 12 ff.], also auch smit gleicher königlicher Gewalt] herrsche die [in Israel zu vollem Durchbruch gekommene und von da aus über die ganze Welt sich verbreitende] Gnade durch die Gerechtigkeit zum ewigen Leben sdem ihre Herrschaft entgegenführt] durch Jesmn Christum sder der Mittler ist Gal. Z, 13 f. Anm.] unsern HErrnss sdiese Worte fehlen bei Luther] s) Was den Nachsatz zu dem Vergleichungs-Vorder- satz des 12. Verses gebildet haben würde, hat der Apostel mit den Worten am Schluß des 14. Verses: ,,welcher ist ein Bild deß, der zukünftig war« nur erst angedeutet; wie er denn jetzt es bringt, hat es eine ganz andere Fassung, als die jenes Nachsatzes gewesen wäre, wenn nicht der einheitliche Jnhalt von V. 15——17 dazwischen stünde, vielmehr richtet die Fassung sich nun nach diesem Inhalt, wie schon die aus demselben entnommenen Ausdrücke (vgl. den Grundtext) beweisen. (v. HofmannJ Jn der Sache selbst, so führte der Apostel vom Schluß des 14. Verses an bis zum Schluß des 17. Verses aus, darin also, daß von Einem die Sünde und der Tod, von Einem die Gerechtigkeit und das Leben ausgegangen, liegt die Aehnlichkeit, aber in der Art und Weise der beider- seitigen Wirkung findet sich ein großer Unterfchied. Denn erstlich war die Wirkung nach innen mäch- tiger: wenn der Tod der Vielen die Folge der Sünde des Einen war, so ging dagegen in viel reichlicherem Maße die Wirkung der Gnade in Christo auf die Vielen über (V. 15). Sodann war sie auch nach außen umfassender: Ein Gericht verurtheilte wegen Einer Sünde zur Verdammuiß; aber die Gnade hebt nicht blos die Folgen jener Einen Sünde auf, sondern auch die Folgen aller einzelnen Sünden, die später noch in Folge der ersten Sünde geschahen. Herrfchte der Tod daher in Folge der Uebertretung Adams, so herrschen die, welche die Gnade durch den Einen, Christus, empfangen haben, noch in viel höherem Maße im Leben. Dies ist in Bezug auf die Art und Weise der Unterschied, welcher aber die Aehnlichkeit in der Sache nur bestätigt; und so kehrt der Apostel nun zu seiner Vergleichung zurück und sagt da zuerst: Die auf Adams Uebertretung folgende Verdammuiß be- stand in dem Tode (V. 12); die Rechtfertigung der an Christum Glaubenden ist eine solche, die zugleich in den vollen Genuß des Lebens ver-seht, zu dem Herrschen im -Lebenführt(V.17). Mit den Worten: ,,dieRechtfertigung des Lebens ist über alle Menschen kommen« ist nicht gesagt, daß es auch wirklich mit allen Menschen zu dieserRechtfer- tigungkommen werde; die Ausdrücke in V. 15—17 zeigen ja schon den Unterschied an, der zwischen der natür- lichen Fortpflanzung der Sünde zum Tode und der geschenksweise erfolgten Mittheilung der Gerech- tigkeit zum Leben besteht. Um die Sünde von Adam zu empfangen, dazu bedarf es nichts, als der fleisch- lichen Geburt von ihm; um aber die Gerechtigkeit von Christo zu empfangen, dazu bedarf es der gliiubigen Annahme eines Gnadengeschenks das »Über alle Men- schen« erklärt daher nur das D arreich en des Gefchenks an alle, nicht aber, daß alle es auch wirklich annehmen werden. (v. Gerlach.) So wenig das ,,viel Gerechte« am Schluß des 19. Verses die Allgemeinheit der Gnade verbürgen will, so wenig ist mit dem ,,alle Menschen« im vorliegenden Verse die sog. Wieder- bringung spiaronocroiaroccsig Apvstg. Z, 2l) als noth- wendige Naturfolge des Heils gelehrt. (Lange.) Das Rechtfertigungsurtheil der Menschheit seitens Gottes ist gefällt; etwas Anderes ist’s freilich, ob und inwie- weit die Einzelnen durch den Glauben sich dieses Recht- fertigungsurtheil aneignen und damit zur persön- lichen Rechtfertigung gelangen — daraus einzugehen, lag dem Apostel hier fern, wo er nur die großen, objektiv gegebenen Thatsachen zu besprechenhat (Röntfch.) IV) Hier sieht die Rede plötzlich wieder auf das ,,gemäß dem, daß (Luther: dieweil) sie alle gesündigt haben« am Schlusse des 12. Verses zurück und trägt das auf der Seite Christi dem Parallele Moment nach, welches dort unterdrückt worden war. Was Paulus bisher noch nie ausdrücklich erklärt hat, daß der be- sondere Umstand, den er dort oben als einen auf Seiten Adams charakteristischen hervorgehobem auf der Seite Christi gleichfalls seine genau entsprechende Analogie finde, das spricht er jetzt auf das Bestimm- teste aus. Jn V.12 hatte er das durch Adams Sün- denfall verursachte Hindurchgedrungensein des Todes zu allen Menschen näher bestimmt durch ein »gemäß dem, daß sie alle gesündigt haben«, d. h. er hatte es dar- gestellt als unter der näheren Bestimmtheit erfolgend, daß es wesentlich zugleich ein aktuelles Sündigen oder ein wirkliches subjektiv es Sünderwerden aller Ein- zelnen sei; diesen besondern Umstand ruft er seht, ihn in den Worten: »gleichwie durch Eines Menschen Un- gehorsam viele Sünder worden sind« von Neuem auf- nehmend, in die Erinnerung zurück. Ob sich nun diesem Umstande als einem wesentlich charakteristischen Moment des Proeesses, mittels welches ,,durch Eines Sünde die Verdammuiß über alle Menschen kommen« (V·18),auf der Seite Christi ein spezisisch analoger gegen- überstellen lasse oder nicht, davon vorzugsweise hängt bei dieser Lage der Dinge die Richtigkeit der ganzen Parallele überhaupt ab; und weil denn wirklich ein solcher sich gegenüberstellen läßt, so tritt der Inhalt des 19. Verses durch ein vorangestelltes »denn« als Begründung des in V. l8 Gesagten auf. Das Kommen der Verdammuiß und des Todes durch Adams Sün- denfall über alle Menschen hatte so statt, daß es Zweck und Bedeutung des zwischen Adam und Christus neben eingekommenen Gesetzes. 53 »aus Anrechnung fremder Schuld, wes entlich zugleich ein aktuelles Sündigen, ein wirkliches (subjektives) Sündigwerden aller Einzelnen war; und diesem Umstande entspricht im zweiten Gliede der Pa- rallele genau der andere, daß durch Christi Gerechtig- keitsthat die Rechtfertigung und das Leben gleichfalls so über alle kommen, daß darin wesentlich zugleich ein wirkliches (subjektives) Gerechtwerden derselben mitgesetzt ist. (Rothe.) Im Grundtextistder Satz: ,,werden Viele Gerechte« durch die Zeitwortsform des Futuri als etwas Zukünftiges dargestellt, weil auch in dem Ge- rechtfertigten eine wirkliche Heiligung erst im Keimen und Wachsthum vorhanden und das Reich Christi selbst noch in der Ausbreitung begriffen ist. (v. Gerlach.) Der größte Theil der Ausleger, welche das ,,gesündigt haben« in V. 12 von dem Strafbarwerden verstanden, haben das ,,Sünder worden sind« in unserm Verse auch von dem Strafbarwerden erklärt; aus der Be- deutung von »Sünder« ließ sich diese Beziehung nicht gewinnen, aber wohl aus dem ,,worden sind«, indem man es auf Grund des griechischen Wortlauts in dem Sinne von ,,dar- oder hingestellt worden sind« faßte und dabei an eine Zurechnung der Sünde Adams, welchem auf der andern Seite eine Zurechnung des Verdienstes Christi entspreche, dachte. Da aber das ,,dieweil sie alle gesündigt haben« in V. 12 nicht sondern auf ein reales Sündigwerden führt, so muß das auch hier er- wartet werden. Während also der 18. Vers die Wir- kung des Sündenfalls und der Erlösung von der objektiven Seite darstellt, zeigt der 19. Vers, daß subjektiv ein reales Sündhaft- und Gerechtwerden eintritt. (Tholuck.) Und während nun in V. 18 es sich darum handelte, ob durch Christi Gerechtigkeit etwas vorhanden ist, das sich über alle Menschen erstreckt, ohne Rücksicht darauf, ob sie es alle auch wirklich zu dem sich gedeihen lassen, wozu es ihnen gereichen will und kann, stehen in V. 19 die Vielen, welche durch Christi Gehorsam Gerechte werden, dem Einen gegenüber, durch dessen Gehorsam sie es werden, ohne Rücksicht darauf, wie viele ihrer sind: was Christus den Vielen zu werden geeignet ist, das ist er für Alle, wenn auch nicht alle sich ihn dazu werden lassen, gleichwie Adam das, was er für Alle geworden ist, doch nur für diejenigen bleibt, die sich Christum das nicht werden lassen, was er für alle ist. (v. Hofmannh IN) Der Gedanke des Apostels ist dieser: Das Gesetz ist in der göttlichen Weltökonomie kein in sich selbst nothwendiger und wesentlich berechtigter Factor, kein eigentlicher Hauptfactoty sondern es ist— lediglich um eines andern willen gesetzt, mithin ein bloßer Nebenfactor; es bildet darin nicht eine wesentlich neue Periode, nicht eine Hauptperiode, sondern ist nur als vorbereitendes Mittelglied zwischen beiden Haupt- Perioden hineingeschoben. Seine Herrschaft hat keine selbständige Existenz, sondern haftet nur an der Periode des Sündenfalles, nur durch die Beziehung auf diese hat es seine Bedeutung; aber dieses doch wiederum so, daß es zugleich den Eintritt der Periode der Gnade und die vollständige Entwickelung ihrer Macht und Herrlichkeit an und in der Menschheit möglich macht und vorbereitet. (Rothe.) Neben der Haupt- ökonomie der Sünde lief die Niebenökonoinie des Gesetzes her, den allgemeinen sündhaften Zustand der Menschheit nicht in spezifischer, sondern nur in gradueller Weise verändernd, indem es ihn nicht, wie Christus, aufhob, sondern ihn nur, mit Erhaltung seines wesentlichen Bestandes, steigerte. (Philippi.) In V. 13 f. sah der Apostel sich veranlaßt, in Be- gründung des vorangehenden Satzes: ,,dieweil sie alle gesündigt haben« sich auf die Zeit bis zum Eintreten des Gesetzes zu beschränken und aus ihr seine Begrün- dung zu entnehmen; nun aber sieht er sich veranlaßt zu sagen, z welchem Zweck das Gesetz neben ein- gekommen. Da beides durch den Zusammenhang mit dem vorigen Abschnitt nicht erfordert war, so muß ihn die Rücksichtnahme auf diejenigen dazu bestimmt haben, welche von der Stelle, die das heilsgeschichtlich ge- offenbarte Gesetz in dem Verhältnisse zwischen Gott und der Menschheit einnehme, anders dachten, als er; und nun ist,.was er hier folgen läßt, eine aus dem- selben Grunde nothwendige Erklärung, aus welchem er die gegensätzliche Vergleichung Christi mit Adam an- gestellt hat, um nämlich die für das Geschick der Menschheit ein für alle Mal entscheidende Bedeutung seines Thuns aufzuzeigen. Wer dieser Vergleichung zustimmte, der begehrte keine andere Verbürgung ewigen Lebens, als die ihm in dem Gehorsam Christi und der rechtfertigenden Wirkung seiner Rechtsthat gegeben war; wer dagegen selbst etwas leisten zu müssen meinte, um sich das ewige Leben zu fichern, der berief sich auf das Dasein eines heilsgeschichtlich geoffenbarten Ge- setzes, dessen Forderungen erfüllt sein wollten. Und in der That ist ja mit der Offenbarung dieses Gesetzes ein Neues eingetreten, um dessentwillen Paulus in V. 13 f. seinen Beweis für den Satz, daß mit Adams Uebelthat sofort der Tod für alle Menschen gegeben gewesen sei, nur aus der vorgesetzlichen Zeit erholt hat und über das er sich jetzt erklären muß, um ihm gegen- über seine Vergleichung Christi mit Adam aufrecht zu erhalten. (v. HosmannJ s) Wollte der Apostel mit dem Ausdrucke: ,,neben einkommen« andeuten, daß das Gesetz dem von Adam begonnenen Gange des menschlichen Geschicks keine andere Richtung angewiesen habe, sondern in demselben Geleise daneben fortgegangen sei, so führt er nunmehr aus, wie es den Lauf der traurigen Wirkungen der Sünde sogar zu fördern bestimmt gewesen. (Reiche.) Jnwiefern aber wurde durch das Nebeneinkommen des Gesetzes die Sünde desto mächtiger? Weil die Menschen sich nicht für Sünder bekennen wollten, sind sie durch Hinzufügung des Gesetzes zu Pflichtverletzern ge- worden. (Augustin.) Jm Grundtext steht hier für ,,Sünde« dasselbe Wort, welches in V. 15 ff. immer für diejenige Uebelthat gebraucht wurde, mit welcher die Sünde in die Welt kam Oragoinrmuorx der Sinn ist also der, die Uebelthat, durch welche Adam die Sünde in die Welt gebracht hat, sollte eine Steigerung erfahren. Man wird da in Betracht ziehen müssen, daß das heilsgeschichtlich geoffenbarte Gesetz im Unter- schied von dem Verbot, welches Adam übertreten hat, einem Volke gegeben worden, das es für sein Gemein- leben um so mehr hätte maßgebend sein lassen sollen, je mehr es Gott dafür Dank schuldete, daß er es zu seinem Volke gemacht und seinen Willen ihm sonderlich kund gethan hatte; wenn nun Israel, das Volk, ebenso that, wie Adam, der Anfänger des Menschen- geschlechts, gethan hatte, so war dies aus dem Grunde eine Steigerung der Uebelthat, durch welche die Sünde in die Welt gekommen, weil sie sich hier in Gestalt einer Uebertretung wiederholte, mit welcher sündige Menschen eine sie bevorzugende Gnadenerweisung er- widerten. Aber eben hierauf war es, wie das »auf daß« zu erkennen giebt, mit der Gesetzgebung abgesehen — ein Gedanke, welcher nur dann unerträglich wäre, wenn damit ihr schließlicher Endzweck benannt sein ·sollte; der Apostel fährt aber fort: ,,wo aber die Sünde mächtig worden ist, da ist doch die Gnade viel mächtiger worden«, und ruht dann erst in dem Zweck aus, zu welchem dies geschehen ist. An einer bestimmten F 04 Römer 6, 1. 2. Stelle innerhalb der Menschheit ist das Gesetz gegeben worden und hat es seinen Ort gehabt; hierdurch er- scheint der Bereich, von welchem in dem ,,wo« die Rede ist, auf Israel, das Volk des Gesetzes, ein- geschränkt Wenn sich durch Jsraels Versündi ung gegen das Gesetz, mit der es sein Leben unter em- selben gleich begann (2. Mos. 32, 8), die Uebelthat des Anfangs gesteigert hat, so hat damit auch das wider- göttliche Verhalten, welches vordem gewesen war, eine Steigerung erfahren, indem es nun Uebertretung des geosfenbarten Gesetzes war; aber, sagt der Apostel, wo die Sünde sich solchergestalt gesteigert hat, da hat sich die Gnade in solchem Maße reich erwiesen, daß sie nicht etwa nur diese Steigerung, sondern vielmehr sich selbst iiberbot Inwiefern dies, kann nicht zweifelhaft sein; ist Ja doch eben dort, wo solche Steigerung der Sünde geschehen, das Heil der Welt erschienen, gerade ausdem Volke, welches sich ihrer schuldig geniacht hatte, Christus hergekommen· (v. Hosmannh Das Gesetz, weit entfernt, den Juden irgend einen Vortheil vor den Heiden zu gewähren, hat sie vielmehr in einen noch ärgeren Zustand versetzt, insofern sie den Tod nicht allein um der Uebertretung Adams willen, son- dern auch wegen ihrer persönlichen Sünden wider das Gesetz unterworfen worden sind. (Engl. Bibelwerkh Jvn derselben Sphäre nun, in welcher die Sünde sich hauste, ward die Gnade überaus mächtig; diese Sphäre ist aber keine andere, als das unter das Gesetz gethane Volk Israel. Diejenigen, welche ,,an Eines Sünde gestorben sind« (B. 15), haben »die Fülle der Gnade« empfangen (B. 17); in Beziehung auf diejenigen aber, in»welchen durch das Gesetz» die ihnen inhärirende Sunde zu adamitischem Fehltritt gesteigert worden, fand» ein ,,Uebermächtigwerden der Gnade« statt. (Ph1lIppI-) » H) Das «k)errschen«, von dem der Apostel redet, ist ein Herrschen wie das des Königs, welcher kraft personlicheeStelliing über die von vornherein vermöge ihrer Zugehorigkeit zu seinem Gebiet ihm Untergebenen Macht hat; eine solche Herrschaft nun hat nach V. 12 ——14 der ·Tod gehabt durch die Sünde, sofern er durch sie in die» Welt gekommen war, dann aber nicht minder auch die Sünde im Tode, indem sie ihre Herrschaft fort und fort darin übte, daß sie die Men- schen unter dem Tode hielt. Damit, daß alle sterben, ohne sich erst einzeln den Tod zuzuziehen, hat die Sünde, durch welche der Tod in die Welt gekommen und welche ·von»Adam her in der Welt war, eine Herrschast geubtuber alle, der sie von vornherein und abgesehen von ihrem eigenen Sündigen unterworfen waren» Eine eben solche Herrschaft sollte denn nun auch die Gnade haben und üben: wie konnte sie dies aber, wenn diejenigen, über welche sie herrschen sollte, sich selbst das Leben zii erwerben unternahmen? Sie mußte vielmehr in einer Größe und Fülle erscheinen, vor welcher sie» sich solchen Unterfangens entschlugen und» nichts weiter sein wollten, als Angehörige des Gebiets, iiber das sie die Herrschaft hat. Und so ist es geschehen, als Christus zu dem Volke kam, dessen Untreue gegen» das Gesetz« gesteigerte Sünde war; denn da sah man einerseits, daß durch das Gesetz gerecht zu werden· unmöglich, und andrerseits, daß Christi Gerechtigkeit die Rechtfertigung des Sünders sei. Da- nkitdie Menschen dies erkannten, und also die Gnade koniglich aber sie zu herrschen kam, ist die Gnade in Gestalt des Heilands Jsraels erschienen; und darauf hat es also schließlich hinausgewollh wenn ein Ge- setz mit dem nächsten Zwecke, Adams Uebelthat und die von daher» in der Welt befindliche Sünde zu steigern, daneben hereinkam. (v. Hofmannh Jst durch die Sünde der Tod in die Welt gekommen, so bethätigt sie eben durch ihn ihre Herrschaft; nun hebt zwar die Gnade den Tod, der das Loos aller Sünder ist, nicht aus, aber sie verleiht eine Gerechtigkeit, die das Leben arantirt, der Tod ist der Durchgang geworden zum eben. (Röntsch·) Am Schluß tritt die Erwähnung desjenigen hinzu, von dem die Gerechtigkeit ausgeht: ,,durch Jesum Christ, unsern HErrn«; es ist das eine Art von Doxologie, wie eine solche am Schluß eines so bedeutungsvollen Abfchnitts, zumal Von diesem Inhalt, eine sehr natürliche und herkömmliche Stelle findet, vgl. Kap. 6, 23 u. 7, 25. (Rothe.) Noch ein- mal faßt der Apostel den Reichthum der Lehre zu- sammen, den er von V. 12 an dargelegt hat: Sünde Tod, Gnade, Gerechtigkeit, Leben, diese fünf stehen da, die Gnade erhöht in der Mitte, die beiden überwun- denen Gewaltigen, Sünde und Tod, zur Linken, die doppelte Siegesbeute, Gerechtigkeit und Leben, zur Rechten, und über dem begrabenen Namen Adams grünt der Preis des Namens Jesu. Schau hin nach dem Hügel Golgatha und siehe die drei Kreuze! An dem Kreuze in der Mitte vollbringt die Gnade ihr Werk; rechts theilt sie aus des Paradieses Gerechtig- keit und Leben, links fahren Sünde und Tod, ab- gewandt von der Gnade, mit ihrer Beute zur Hölle. (BesseV-) Das b. Kapitel. Ilon der Heiligung und dem neuen cgehorsam als einer Frucht der gerechtigkeit des glaubens XI. d. 1-— Rad. Z, 39. Das Evangelium beseligt, indem eo zugleich heiligetr dies der andere Punkt, welchen der Jlvostel nunmehr beleuchtet. War bisher die mit der Rechtfertigung vor Gottes Gericht durch den Glauben unzerlreiinlich verbundene innere Heiligung des Menschen, zu der dieselbe den Eebenolieiin sub; her; senkt, schon öfter alg mit in das Grlösungguierli Iesu Christi einbegriffen gleichsam im Voraus berührt worden, so wird nun in dem hier folgenden Theile der Gpisiel gezeigt, wie durch den Glauben diese innerliche Be— freiung von der Herrschaft der Sünde zu Stande kommt; auch für dieses Gebiet, so wird dabei bemerlilich gemacht, reicht die Gnade für sich allein vollständig aus, das Geseh hingegen bleibt gänzlich außer Spiel. 1. V. 1—11l· Aus« dem, am Schlaf! des vorigen Theils gelhauen Ausspruch: ,,ivo die Sünde uiächtig worden ist, da ist doch die Gnade viel miiihtiger« tiouuteu leicht uuverstäiidige oder böswillige Folgerungen ge« zogen werden; diese schneidet der Apostel gleich von vornherein ab, indem er selber sie sich zum Gegenstand der Frage macht: ,,s’olleu ivir denn in der Sünde be- harren, auf das! die Gnade desto mächtiger iverde?« und uuii zeigt, das! vom Bleibet! in der Sünde bei Chrilken nicht tiöune die Rede sein, sie seien viel- mehr derselben geradezu abgestorben, und gleichwie sie mit ihr nichts mehr zu schaffen haben, so habe auch die Sünde ihrerseits in Betreff der Christen keinen Anspruch uiid tieiue Herrschaft mehr geltend zu machen (V.1 u. 2). Solche ihre Stellung zur Sünde ist, ivie Paulus den Römern des weiteren zum Bewusst- sein bringt, beivirlit durch ihreCaufe aus Christum; mittels derselben sind sie in eine völlige ung-theilte Genieinschaft mit Christo ausgenommen, sind mit ihm gestorben und begraben, aber auch mit ihm aufer- standen und in einem neuen Leben wandelnd, und zwar das eine flir die Sünde, das andere für Gott, Das Evangelium, gleichwie es rechtfertigt, so heiligt es auch. 55 so das! dieser nur allein und ausschliesllich über sie zu verfügen hat, jene aber sie gar nichts mehr angeht (V.3—-10). Es ist, was der Apostel hierniiisagh nicht als etwas gemeint, das nach der Taufe erst nach geschehen soll, als etwas, dazu die Taufe die Ge- tauften verpfliihteh sondern als etwas, das durch sie unmittelbar schon geschehen ist, als ein Gnaden· merk, das sie von selber bereits zn Stande gebracht hat; daher, indem er seine Leser ans-fordert, als An« gehörige Christi in diesem Lichte sich zu betrachten, kann er gleichzeitig von ihnen verlangen, der Sünde keinerlei Herrschaft über sich einzuräumen, vielmehr Gott allein zu dienen niit allem, was sie sind und haben (v. 11—14). 1. Was wollen wir hiezii sagen swelche Fol- gerung wollen wir aus dem soeben in Kap. b, 20 Gesagten: ,,wo die Sünde mächtig worden ist, da ist doch die Gnade noch viel mächtiger«, für unser Verhalten ableiten]? Sollen wir denn [gleich» als ergäbe solche Folgerung sich daraus] in der SUnde beharrew auf daß die Gnade desto machtiger werde?t 2. Das sei ferne» sKap. Z, 4. 6. 31]l Wie sollten wir in der Sunde wollen leben, der wir [bei unsrer Gerechtwerdung durch den Glauben, und unserm Eintreten in den Friedens- und Heils- stand Kap. 5, 1f.] abgestorben sind« [genauer: Die wir ja, wie dessen als Christo Zugehörige wir uns wohl bewußt, der Sünde abgestor- ben sind V. 11; 1.Petri2, 24., wie sollten wir noch ferner in ihr leben wollen Gal. 2, 17]? it) Das ,,beharren(« weist bestimmt auf Kalb. 5,»20 zurück; der dortige Ausspruch gab ganz auf gleiche Weise zu einer irreligiöseii Folgerun Veranlassung, wie der in Kap. Z, 4; es geht, wie Fenelon sagt, neben jeder Wahrheit ihr Schatten her, uiid neben der rößten der größeste (Tholuck.) Die Frage des postels kündigt die wahre Folgerung aus den voran- gehenden Versen an, indem sie die falsche Folgerung, die aus dem dort Gesagten gezogen werden könnte, abweist. (Lange.) Was dann folgt, ist von der höchsten Wichtigkeit für die praktische Anwendung der Lehre des Apostels von der Rechtfertigung aus dem Glauben ohne des Gesetzes Werke; und zwar nicht blos in der damaligen Zeit, sondern zu jeder Zeit, und namentlich auch in der Gegenwart. Erstlich nämlich fehlt es in keiner Zeit an Personen, welche diese heilige Lehre in der That inißverstehen und durch Mißverständniß mißbrauchem sei es, daß Stupidität oder, was wohl gewöhnlicher ist, mehr oder minder unbewußte Unlauterkeit der Grund ist, genug, Manche fassen die Lehre von der Rechtfertigung so auf, als könnten sie nun ruhig in der Sünde fort- leben, wie wenn Christus mit der Sünde, die doch selber die Unseligkeit ist, und nicht von der Sünde selig mache. Nicht weniger wichtig ist aber diese Ab- handlung zweitens deshalb, weil die Gegner der Lehre von der Rechtfertigung diesen Mißbrauch der- selben als einen nothwendigen, in ihr selbst begrün- deten ansehen und daher die Lehre als eine höchst ge- fährliche bekämpfen zu müssen glauben; in solchem Jrrthum befinden sich alle, die ohne lebendige Er- fahrung vom Wesen des Glaubens und der Recht- fertigung von einem gewissen gesetzlichen Eifer beseelt sind und das Bild absoluter Vollkommenheit durch eigenes Streben entweder bald zu erreichen oder be- reits darzustellen sich schmeicheln. Für jeden indeß, der »sehenfwill, läßt sich v · schnitts die apostolische Lehre selbst mit leichter Mühe vollstandig rechtfertigem dagegen ist freilich weder gegen die Unlauterkeit des Herzens, noch gegen die Dünkelhastigkeit der Eigengerechtigkeit irgend eine Hilfe zu finden, wenn nicht die Gnade selbst den Herzen ihre geheime Sünde enthüllt. (Olshausen.) VI) Daß wir der Sünde abgestorben sind, ist aller- dings der Grund dafür, daß wir nicht mehr in der Sünde leben werden; der Relativsatzx »die wir der Sünde abgestorben sind« ist aber im Grundtext mit Nachdruck vorangestellt, um die Unmöglichkeit des Lebens in der Sünde desto stärker hervorzuheben. Der Apostel argumentirt aus dem Gestorbensein der Sünde als einer anzuerkennenden Thatsache bei den Christen gegen die absurde Folgerung, die er vorhin aufgestellt hat, ohne sich auf die dialektische Auflösung des Trug- schlusses selber, dessen Zulässigkeit durch »das sei ferne!« bereits gebührend zurückgewiesen ist, weiter einzu- lassen; nach der bisherigen Entwickelung kann aber der Akt, wo das Abgestorbensein vor sich gegangen, nur der Akt der Rechtfertigung selbst sein, welcher dann in den folgenden Versen als an den Empfang des Tauf- sacranients geknüpft dargestellt wird· Die Sünden- Vergebung ist also zugleich der Sünde Tod: nur die vergebene Sünde wird gehaßt, die unvergebene da- gegen geliebt. (Philippi.) Der Apostel setzt hier voraus, daß in dem wahrhaft Gerechtfertigten eine entscheidende Begebenheit vorgegangen sei: er ist »der Sünde gestorben«; während vorher die Sünde so sehr zu seinem und aller innerftem Leben gehörte, daß sie von Adam anüber ihn und alle im Tode herrschte (Kap. 5, 21), so ist nun in ihm ein Tod dieses Todes- lebens vorgegangen, und, mit seinem Stellvertreter Eins durch den Glauben, ist er mit ihm der Sünde gestorben, und das neue nun in ihm wohnende Leben ist nicht mehr aus seinem sündlichen Jch, sondern aus Christo. Dies neue Leben ist also abgeschlossen gegen die Sünde, im Verhältniß zu ihr verhält sich der Christ wie ein Todter: so wenig ein Todter fein früheres Leben fortsetzen kann, so wenig der durch den Glauben gerechtfertigte und in Christum hinein ver- setzte Mensch sein früheres Sündenleben. Diesen kurz ausgesprochenen Satz, begründet der Apostel hiernach näher. (v. Gerlach.) Doch redet Paulus nur von der Herrschaft der Sünde, daß diese bei den Gerecht- fertigten ein Ende habe und sie hinfort der Sünde nicht dienen, lehrt also nicht, daß sie ohne Sünde und ohne Gefühl der Sünde seien. (Calov.) Jii der Formel: »in der Sünde leben« ist die Sünde als das leitende Prinzip und als Gegenstand des Wollens und Thuns gedacht, gleichwie dem ähnlichen Ausdruck: »in etwas wandeln« (Ephes. 2, 10; 5, 2 u. s. w.) die Vorstellung des Wegs oder der Norm zu Grunde liegt. (Maier.) Jn Christo ist keine Täuschereit die Sünde ist nicht allein vergeben, sondern auch vertrieben und aufgehoben. Deswegen sitzt Christus zur Rechten des Vaters, nicht allein, auf daß wir Kinder in Gnaden wären durch Vergebung der Sünden, sondern auch daß wir durch den empfangenen heiligen Geist von Tag zu Tage gereinigt werden, bis wir am jüngsten Tage ganz rein werden, ohne Ueberbleibsel der Sünden, die uns immerdar reizen und zurücke ziehen. (Luther.) — (Epistel ain G. Sonntag nach Crinitatigh Dieselbe neue Gerechtigkeit, die das Evangelium dieses Sonntags (Matth.5, 20——26) fordert, entwickelt in ihrer Tiefe seine Epistel Ankniipfend an die Taufe, nach Anleitung dieses Ab-- 56 Römer S, 3——11. die auf Pfingsten nach Petri Predigt begann und eine Taufe in Christi Tod ist, lehrt der Apostel, daß, wenn wir durch sie mit Christo in den Tod getauft sind, gleichwie Christus auferwecket ist von den Todten durch die Herrlichkeit des Vaters, also auch wir in einem neuen Leben wandeln follen. (Strauß.) Die neue, bessere Gerechtigkeit, nach welcher die Jünger des HErrn streben sollen, ist von uns nichtfern; keiner von uns darf sagen, wo soll ich hinfahren, sie zu finden? Du bist getauft, du bist herausgenommen aus dem Acker der adamitischen Menschheit, welcher nur Dornen und Disteln trägt, und hineinversetzt in einen neuen Lustgarten, da der Baum des Lebens steht, dessen Blätter zur Gesundheit der Heiden dienen und dessen Frucht das ewige Leben ist. (Nebe.) Christen sollen nicht in der Sünde leben wollen: l) sie sind der Sünde abgestorben, 2) sie leben Gott in Christo Jesu, unserm HErrn. (Fuchs.) Christi Weg mein Weg: I) mit ihm geh’ ich hinunter in den Tod, 2) mit ihm steig’ ich empor zum wahren Leben. (Ahlfeld.) Das wahre Christen- thum ist Gemeinschaft mit Christo: 1) mit Christo dem Gestorbeneii, Z) mit Christo dem Auf- erstandenen. Wir können Herr werden über die Sünde; denn 1) Christus hat sie überwunden, 2) wir haben an seinem Siege Theil durch Taufe und Glauben. (Stählin.) Was hat der Christ an seinerTaufe? 1) Erlösung von der Herrschaft der Sünde, 2) Kraft zum neuen Leben in dem HErrn (Sommer.) Erinnerung an die heil· Taufe: l) was hatGott bei der Taufe an uns gethan? 2) was haben wir in Folge der Taufe zu thun? (Heubner.) Was soll dem Christen der Tod und die Auferstehung Christi sein? 1) eine Wahrheit seines Glaubens, 2) eine Erfahrung seines Lebens, s) ein Vorbild seiner Zukunft. (Florey.) · 3. sOder, falls ihr das »wir sind der Sünde abgestorben« V. 2 euch bisher noch nicht zu lebendigem Bewußtsein gebracht haben sollsztet, richte ich, um es euch recht nahe zu legen, die Frage an euch:] »Wisset ihr ni»cht, daß alle, die wir in Jesum Christ sfür den Zweck, ihm einverleibt und als ihm Zugehörige übergeben zu werden I. Cor. 10, 2; Gal. 3, 27] getauft sind, die sind [indem es dabei sich zuerst und vornehmlich um den Empfang der Sündenvergebung handelte Apostg. 2, 38; 22, 16] in feinen Tod getauft-« sals durchwelchen ja die Versöhnung geschehen und die Vergebung der Sünden erworben ist Cor. b, 19 sf.]?· 4. So sind wir je [d. i. gewißlich, folgerichtig Pred. 4, 9 Anm., weil eben in ihm und mit ihm gestorben, auch] mit ihm be- graben durch die Taufe [die uns nach allen Seiten hin zu seinen Zugehörigen gemacht hat] in den Tod [in einen Todeszustand, wo, gleichwie für ihn, auch für uns das vorige Leben als abgeschlossen dahinten liegt], auf daß, gleichwie Christus ist auferwecket von den Todten [zu einem neuen, dem Be- reich der Welt und der in ihr herrschenden Sünde völlig entnommenen Leben] durch die Herr- lichkeit des Vaters [1. Eor« 6.14; Joh. 11, 40], also sollen auch wir in einem neuen Leben swörtlich: in Neuheit des» Lebens, d. i. in einer der früheren entgegen- gesetzten Lebensbeschaffenheit] wandeln« s2. Cor. 5, 14 f.; Col. 2, 12 ff.]. 5. So wir aber swie das ja wirklich in der Taufe mit uns geschieht] sammt ihm ge- pflanzet werden zu gleichem Tode, so werden wir auch sum in der That das zu können, wovon vorhin V. 4 gesagt war, daß wir es sollen] der» Auferstehung gleich sein«-Ei· sin- sofern deren Kraft zu einem neuen Leben Phil. S, 10 über uns kommt, und dies ist ein Leben, welches mitder Sünde und ihrem Dienst nichts mehr zu thun hat], s. Dieweil wir wissen, daß unser alter Mensch lEphes« 4- 225 Col· Z, 9] sammt ihm gekreuziget ist [Gal. 2, 19], auf daß der siindliche [nnter der Obmacht und Herrschaft der Sünde stehende EOL 2- 1 I] Leib anshöre, daß wir hinfort der Sünde nicht dienen-X· [2. Cor. 5,15]. 7. sEs ist also schon bei Leibesleben geist- licher Weise an uns das zu Stand und Wesen gebracht, was bei Andern natürlicher Weise erst mit ihrem Tode geschieht.] Denn wer gestorben ist sheißt es in einer sprichwörtlichen Redensart], der ist gerechtfertiget sabgethan Apostg 12, 19] von der Sünde sdaß er sein früheres schlimmes Thnn und Treiben nun nicht mehr fortsetzen kann]; 8. Sind wir aber [nicht sowohl in dieser physischen Weise, als vielmehr im geistlichen Sinne, und zwar] mit Christo gestorben, so glauben wir, daß wir [nicht blos von der Sünde gerechtfertigt seien, so daß diese uns nichts mehr anhaben kann, sondern] auch szur Vollendung solcher Gemeinschaft] mit ihm leben werden-H« sindem seine Auferstehungskräste unaufhörlich in uns überströmen Joh. 4, 14; 11, 25f.], 9. Und wissen [was den festen Bestand dieses unsers Lebens mit ihm und seiner Sicherung gegen alle Angriffe der Sünde, uns von Neuem in ihre Gewalt zu bekommen, betrifft], daß Christus, von den Todten erweckt, hinfort nicht stirbt; der Tod [unter dessen Macht er sreiwillig sich begeben, als er unsre Sünde auf sich nehm Jvhi 10- 185 Phils Z, 7f-1 wird hinfort über ihn nicht herrschen sdaß derselbe sich noch einmal an ihm vergreifen dürfte] 10. Denn das er gestorben ist, das ist er der Sünde sihre Strafe zu erdulden und ihre Herrfchaft aufzuheben] gestorben zu einem Mal [und kann also dieser Fall niemals wieder ein- treten Hebr. 9, 25 ff.; l. Petri 3, 18]; das er aber sseit seiner Auferstehung] lebet, das lebet er Gott-Hä- sist ein Leben, das einzig und allein in der Beziehung zu Gott steht, ganz in ihn aufgeht, vgl. Gal. 2, TO; Hebu 9, 28]. 11. Also auch ihr [indem ihr von ihm, dem Haupte, auf euch, seine Glieder, den Schluß Jn der T aufe sind wir mit Christo gestorben, begraben, auferstanden und wandeln in neuem Leben. 57 machetJ haltet euch dafür, daß ihr der Sünde gestorben sganz für sie todt und für alle ihre Einwirkungen schlechterdings nicht mehr vorhanden] seid und sdaß ihr jetzt allein und ausschließlich] lebet Gott in Christo Jesu, unserm HGrrnsLk sin Ttzvelchem unser ganzes Christenwesen beschlossen ist . 3 H. « i) Mit der oft vorkommenden Formel V. 16; 7, 1; 11, Z; 1. Cor. S, 2. I. 15 u. f. w.): ,,oder wisset ihr nicht?« bezieht sich der Apostel immer auf etwas Be- kanntes oder der Erkenntniß ganz nahe Liegendes, um daraus für Gesagtes oder für das, was nachfolgt (1. Cor. 9, 24), Anerkennung zu erlangen; anders dagegen verhält es sich mit der Formel (Kap. 11, 25; 1. Cor. 10, 1; 12, 1 u. s. w.): ,,ich will euch nicht verhalten«, welche etwas Neues, Merkwürdiges oder Auffallendes einführt. Jm Zusammenhang mit dem Vorigen will hier die Frage besagen: »So ist es, ihr werdet es. selbst zugestehen, ihr müßtet denn nicht wissen-« (Maier.) Der Apostel geht davon aus, daß die Taufe eine Taufe in Jesum Christ ist, d. i., daß sie uns mit ihm in eine wesentliche Beziehung und Verbindung, in seine Gemeinschaft, in sein Leben ver- fetzt; kommen wir aber durch das Sacrament der Taufe mit dem HErrn in Gemeinschaft, so versteht es sich, daß wir in erster Linie in die Gemeinschaft seines Todes eintreten, denn das heilsame, das heilkräftige Leben des HErrn für uns gipfelt eben in seinem Tode. Christus Jesus ist für uns in erster Instanz der Ge- storbene, der für uns Gekreuzigt« nur die Wunden des HErrn find unsre Trost- und Heilquellem nur sein Tod ist unser Leben. Aus diesem Umstande, daß die Taufe eine Taufe auf den Tod des HErrn ist, daß sie uns die persönliche Ge1neinschaft mit dem getödteten HErrn vermittelt, fließt, daß die Taufe auf den Namen Jesu Christi eine Taufe ist zur Vergebung der Sünden; denn der Tod des HErrn ist ja kein gemeiner, natür- licher Tod, sondern ein Tod für unsre Sünden, ein Opsertod, ein Sühnopfertod (Nebe.) H) Nachdem Paulus vorhin das »in Jesum Christ getauft fein« näher dahin bestimmt hat, daß es sei ein Getauftsein »in seinen Tod«, so geht ihm nun hieraus weiter der Satz, hervor, daß durch die Taufe das mit uns vorgegangen sei, was er ,,mit ihm be- graben sein in den Tod« nennt; was Christo geschehen ist, als er begraben wurde, das ist uns in der Art widerfahren, daß nun sein Begräbniß unser Begräbniß ist. Seine Bestattung entnahm ihn dem Bereiche der durch seinen Tod gesühnten Sünde; er sollte nicht blos gestorben sein, sondern auch zu den Todten bestattet werden, womit sein Dasein in der Welt der Sünde zum völligen Abschluß kam; werden wir nun hieran betheiligt, geschieht uns, was sein Begräbniß zu dem unsern macht, so hat damit unser Dasein in der Welt der Sünde einen Abschluß gefunden, wie er in seiner Bestattung vermöge der sühnhaften Bedeutung seines Todes für die Menschheit überhaupt beschafft war. Die Sünde ist für uns, sofern wir ihrer schuldig waren, also für unser Verhältniß zu Gott, eine völlig ab ethane Sache. Wie aber damit, daß unsre Taufe auf Jesum Christ eine Taufe auf seinen Tod gewesen, gegeben ist, daß wir an seinem Begräbniß und Todes- zustand betheiligt wurden, so ist weiter auch gegeben, daß hernach unser Leben ein eben so neues sein sollte, wie Christus aus der Todtenwelt zu einem Leben er- weckt worden ist, welches von seinem vormaligen wesentlich verschieden war; darauf, daß wir in Neuheit des Lebens wandeln sollten, sagt der Apostel, ist es Taufe, daß man sie nicht für ein ledig, bloß Z mit unsrer Vetheiligung an der Bestattung Christi in den Tod abgesehen. (v. HofmannJ Der Apostelbindet in einander Christi Tod, Auferstehung und unsere eichen halte, sondern daß darein gestecket ist die Kraft, beide, des Todes und der Auferstehung Christi. (Luther.) Eis) Der Apostel will in diesem Verse bestätigen, daß das neue Leben etwas Gewisses, etwas forthin Statthabendes sein wird: die Christen werden von dem an, daß sie getauft sind, in ein ähnliches neues Leben versetzt sein und in einem ähnlichen Stand der Freiheit sich befinden, in welchen Christus durch seine Auf- erstehung getreten ist. (Sommer) Was er vorhin gesagt hat: »in Christi Tod getauft« und ,,mit ihm begraben in den Tod« (V. 3f.), das nennt er hier: ,,sammt ihm gepflanzet werden zu gleichem Tode«, d. i. ihm also eingeleibt, daß er in uns kräftig ist und fein Tod in uns wirket; wie er aber durch die Taufe uns zueignet und verleiht die Kraft feines Todes, so auch die Kraft seiner Auferstehung, und das geschieht dazu, daß in uns auch folge, beide, Tod und Leben. Daß wir in der Taufe unter das Wasser gesteckt werden, zeigt, daß wir auch in Christo sterben; daß wir aber wieder heraus kommen, bedeutet und giebt uns, daß wir auch in ihm wiederum leben, wie er nicht im Tode geblieben, sondern auferstanden ist. (Luther.) Verkehrt ist es, bei den Worten: ,,auch der Auferstehung gleich sein« an die Leibesauferstehung oder auch nur an dieselbe mit zu denken; die Auf- erstehung auf unsrer Seite ist hier vielmehr als eine rein pneumatische (geistige) gemeint. Die Zeitworts- form der Zukunft: »wir werden gleich fein« will be- sagen, daß gewiß, sicher dieses statt hat, sobald nur jenes Sterben stattgefunden. (Nebe.) Der Apostel schildert in dieser ganzen Auseinandersetzung einen zwar mysteriösen, aber thatsächlichen und gewissen, wenn auch nur in der Erfahrung der durch die Recht- fertigung gefchehenden Wiedergeburt begreiflichen, psychologifchen Vorgang· (Philippi·.) . f) Es reimt sich nicht, daß wir wollten m dem alten sündlichen Wesen bleiben, die wir getauft und Christen sind; denn es ist schon dasselbige ,,mit Christo gekreuzigt«, d. i. das Urtheil des Verdammniß und Todes darüber gesprochen und gegangen (denn das heißt,,gekreu- zigt sein«), gleichwie Christus um unsrer Sünde willen gekreuzigt ist und das Verdammniß des Todes und Zornes Gottes getragen hat. Weil aber Christus selbst gekreuzigt ist, der doch unfchuldig und ohne Sünde war, um unsrer Sünde willen, so muß auch die Sünde an unserm Leibe gekreuzigt werden, d. i. gar verdammt sein und aufhören, daß sie kein Leben noch Macht mehr habe; darum müssen wir auch der- selbigen gar nicht dienen noch darein bewilligen, fon- dern sie als verdammt auch mit der That für ver- dammt halten und mit allen Kräften ihr widerstreben und in uns dämpfen und tödten. Paulus setzt aber unterschiedlich zweierlei Stück, daß er spricht: »Unser alter Mensch ist mit Christo gekreuzigt-«, und: »auf daß der sündliche Leib aufhöre«, als sei der alte Mensch etwas Anderes, denn der sündliche Leib (Leib der Sünde) Den alten Menschen heißt er nicht allein den Leib oder die groben sündlichen Werke, so der Leib begeht mit den äußerlichen fünf Sinnen, sondern den ganzen Baum mit allen Früchten, d. i. den anzen Menschen, wie er von Adam geboren ist, mit Teib und Seele, Willen, Vernunft und Verstand, der noch in Unglauben, Gottes Verachtung und Un- gehorsam ist, beide, in inwendigen und auswendigen Stücken; der heißt ,,alt«, nicht der Jahre halben (denn es kannwohl sein ein frischer, junger Mensch), sondern 58 Römer 6, l2—14. darum, daß er noch unbekehrt und gar nicht anders worden, denn wie er in der Sünde von Adam kommen — das ist sowohl ein Kind von einem Tage, als ein Mann von 80 Jahren. Dieser alte Mensch, spricht der Apostel, muß fchlecht ,,gekreuzigt«, d. i· gar verdammt, hingerichtet und abgethan fein auch noch in diesem Leben; denn wo der noch lebt und kräftig ist, da kann kein Glaube noch Geist sein, und bleibt der Mensch noch gar in Sünden, unter Gottes Zorn ersoffen und im bösen Gewissen, so den Menschen verdammt und nicht läßt zu Gottes Reich kommen. Nun, obwohl in denen, die nun neue Menschen sind, der alte Mensch gekreuzigt ist, so bleibt doch noch da an ihnen in diesem Leben der Leib der Sünde; das sind die übrigen Lüste von dem alten Menschen, so sich noch im Fleisch und Blut regen und gefühlt werden und gerne wollten dem Geist widerspenstig sein. Aber weil da das Haupt und Leben der Sünden getödtet wird, so müssen sie den Christen nicht schaden; doch also, daß sie gleichwohl denselben nicht gehorsam werden, damit nicht der alte Mensch wieder aufkomme, sondern der neue Mensch die Oberhand behalte und die übrigen sündlichen Lüste auch geschwächt und gedämpft werden. Darum dieser Leib auch muß endlich verwesen und zu Asche werden, auf daß die Sünde gar darin aufhöre und nichts mehr sei. (Luther.) Steht auch die gänzliche Vertilgung aller Sünde uns noch als etwas Zukünftiges bevor, wenn der Leib der Sünde vernichtet sein wird, so hat doch die Kreuzigung des alten Menschen, welche bereits in den Gläubigen geschehen ist, die Wirkung, daß sie der Sünde nicht mehr dienen. Sie kämpfen und streiten, sie leiden und bluten in diesem Kampfe, aber sie unterliegen nicht; jeder neue Angriff der Sünde und des Todes kann ihnen schmerzhafte, brennende Wunden schlagen, kann es zu tief beschämen- dem Straucheln und Fallen bei ihnen bringen, aber nie zur völligen Niederlage und zum Tode. Sie dienen der Sünde nicht mehr, sondern überwinden sie immer wieder und beherrschen sie mehr und mehr. (v. Gerlach.) ff) Daß der Sündedienst in Folge der Tödtung des alten Menschen aufhören müsse, wird in V. 7 mit Anwendung eines Sprüchworts begründet; denn aus der Allgemeinheit des Satzes erhellt, daß hier ein Sprüchwort zu Grunde liegt, und die eigent- liche Form desselben stellt sich mit Vergleichung von 1. Petri 4, 1 ungefähr so heraus: ,,nach dem Tode sündigt man nicht mehr-« (Maier.) Auf keinen Fall kann mit dem ,,gerechtfertiget von der Sünde« die Herstellung eines Zustandes der Rechtbeschaffenheit ge- meint sein, denn daß jemand außer Stand gesetzt ist, irgend etwas zu thun, und deshalb auch nicht diese oder jene Sünde begeht, das macht ihn doch nicht zu einem, welcher so beschaffen ist, wie er sein sollz der Ausdruck hat vielmehr den Sinn, daß, wer gestorben ist, hinsichtlich seiner Beziehung zur Sünde gerecht ge- sprochen, von ihrer beherrschenden Macht befreit sei. Jm Leben machte sie den Anspruch an ihn, daß er ihr den Willen thue, dem aber hat der Tod ein Ende gemacht; ein Gleiches nun gilt auch von demjenigen Tode, den der Menfch damit stirbt, daß er bei Leibesleben in die Gemeinschaft des gekreuzigten Christus eintritt, er hat von dem an sein bisheriges Dasein als das Dasein seines alten Menschen abgeschlossen hinter sich. Nach- dem denn so von dem im gemeinen Sinne Verstorbenen etwas ausgesagt ist, was aus den am Tode Christi Betheiligten und in diesem Sinne Gestorbenen An- wendung leitet, so folgt in V. 8, was von dem letzteren über jene Aussage Hinausgehendes gilt: sind wir des Todes gestorben, welcher ein Sterben mit Christo, nämlich ein von dem seinigen zwar zeitlich geschiedenes, aber dennoch als Betheiligung an dem seinen ge- schehenes Sterben ist, so sind wir dessen im Glauben gewiß, daß wir auch in einem Leben stehen werden, welches Gemeinschaft seines gegenwärtigen Lebens ist. Das Leben im vollen Sinne des Worts ist gemeint, welches uns aus der Gemeinschaft mit dem auferstan- denen Christus entfließt; und daß wir solchen Lebens fortan theilhaft sein werden, will ebenso geglaubt sein, wie daß Jesus auferstanden ist und lebt. (v. Hofmannh Daß, wenn es zu einem nicht von der Sünde be- stimmten Verhalten kommen soll, der Mensch sterben muß,das beweist Paulus aus der allgemeinen Wahrheit, daß überhaupt in dem gegenwärtigen Weltlauf ein Zustand, wo man nicht sündigt, nur mit dem Tode eintritt, indem eben, solange der Mensch in einer durch seine Leiblichkeit vermittelten Bethätigungsfähigkeit steht, er nicht anders kann, als Sünde thun. Bei dem Tode dagegen, den wir mit Christo sterben, stellt sich das anders: da ist das Loskommen von der Sünde nicht blos in jener negativen Weise, sondern auf Grund vollen Lebens und voller Bethätigungsfähigkeit vor- handen; daß wir uns aber dieses Lebens versichert halten dürfen, kommt daher, daß es nur Theilnahme an dem schlechthin unvergänglichen Leben des ver- klärten Christus selbst ist. Statt von den widergött- lichen Mächten der Sünde und des Todes ist jetzt Christi Leben allein bestimmt von der Beziehung zu Gott, welche wesentlich Gemeinschaft mit Gott ist; ist also die Taufe eine Betheiligung am Tod Christi, so find wir durch sie auch betheiligt an diesem, der Sünde gänzlich entnommenen und ausschließlich von der Ge- meinschaft mit Gott bestimmten Leben. (Schott.) Hur) Christus ist einmal dem Tode anheimgefallen; aber wir wissen, daß er von den Todten auferweckt worden durch die Herrlichkeit des Vaters und daß er durch diese Auferweckung in ein Leben eingetreten ist, welches kein Ende hat. Seine Auferweckung gleicht ja nicht im Mindesten der Auferweckung etwa des Jünglings zu Nain, der auch in das Leben zurückkehrte, aber in das alte, dem Tode unterworfene Leben, und durchaus nicht in ein Leben, welches der Macht des Todes ent- hoben war: Christus ist auferstanden von den Todten und steht nun in Neuheit des Lebens vor uns; nicht in das sterbliche Leben kehrte er zurück, sondern er trat ein in das unsterbliche’, ewige Leben, das er bei dem Vater gehabt vor Grundlegung der Welt· Ein Mal ward der Tod seiner Herr — damals, als er in Gehorsam gegen Gott«, feinen Vater, um uns von unsern Sünden zu erlösen, sich dem Tode dahingab, da schlug der Tod ihn in Banden (Apostg. 2, 24); faktisch herrschte der Tod über ihn, er riß ihn hinweg von der Erdeiund legte ihn wie einen Wurm in den Staub, wenn schon diese Herrfchaft nicht auf die Macht des Todes, sondern nur auf den zwingenden Willen Gottes und auf den sich selbst verleugnenden Gehorsam des Sohnes zurückgeführt werden kann. Aber es ist ein Wechsel bei der Auferweckung des HErrn ein- getreten: der Wille des Vaters, der Gehorsam des Sohnes ist erfüllt; der Tod kann fortan nicht mehr, nicht noch einmalHerr werden über den Auferstandenen, ist er ja doch durch feine Auferstehung von den Todten zu einem HErrn geworden, zu der Herrschaft über alles. (Nebe.) Der »der Sünde halben« (Kap. 8, Z) von Gott gesendete Sohn mußte sein Erdenleben so führen, wie es für die Wegschaffung der Sünde nöthig war, daher dasselbe von der Sünde das Gepräge er- hielt; für sein nachirdisches Leben aber ist, weil fein Sterben den Streit gegen die Sünde zum Siege ge- führt hat, in keiner Weise mehr die Sünde, sondern ganz nur seine Gemeinschaft mit Gott die geftaltende So lasset also die Sünde nicht herrschen über euch, sondern begebet euch Gott zu Dienst! 59 Macht. Hieraus folgt denn, wie der nächsie Vers be- sagt, daß auch die Christen sich zu achten haben als beziehuugslos zur Sünde und lebend für Gott in Christo Jesu. Sein Sterben war der völlige Sieg über die Sünde: sollten nun die mit ihm Verwachsenen sich achten als halb für die Sünde todt, halb noch für sie lebend, so daß ihr nunmehriges Leben halbirt wäre zwischen Gott und der Sünde, während Christus ganz nur für Gott lebt? (Geß.) Pf) Dem Vorbilde des HErrn gleicht der Christ in seinem idealen Charakter nach den beiden Momenten des Todes und des Lebens; diese ideale Anschauung sollen die Leser auf sich anwenden und sich selbst so ansehen, daß sie als Christen todt seien für die Sünde, lebend aber für Gott in Jesu Christo· Die Aufforderung geht zwar unmittelbar auf die ideale Selbstbeurtheilung und ist also zunächst nicht eine praktische Mahnung, aber sie schließt doch eine solche schon m sich und vermittelt so natürlich den Uebergang zu den folgenden Versen; denn die Forderung, sich die Jdee seiner selbst vorzuhalten, ist auch eine Ansprache an den Willen, diese Jdee zu verwirklichen oder zu bethäti en. (Maier.) Das Wort des Apostels ist um so me r für alle eine dringende Ermahnung, als gerade in dem Leben der Gefördertsten sich häufig Zeiten schwerer Anfechtung einstellen, i·n denen sich vor ihnen selbst ihr neues Leben in Gott gänzlich verbirgt und sie der Sünde anheim gefallen scheinen; in solchen Sichtungszeiten gilt es eben, sich durch den Glauben, der nicht siehet, der wider Hoffnung auf Hoffnung glaubt, aufzurichten und den Sieg zu behalten. (Ols- hausen.) 12. St) lstsset nnn sals solche, die für sie gestorben und allen ihren Ansprüchen entrückt sind V. 1»1 u. 7] die Suude nicht herrschen in eurem fterblichen Leibe sgleich als komme auf diesen, der doch einmal dem Tode verfallen, nichts weiter an], ihm srichtigerz ihr] Gehorsam zu leisten in seinen Lusten svermittels welcher sie euer wieder mächtig zu werden sucht]. 13. · Auch begebet nicht der Simde smit deren Dienste ihr ja nichts mehr zu schaffen habt V. S] eure Glieder zu Waffen der Ungerechtigkeit snach der einen oder andern Seite hin, gleich als komme auf das einzelne Glied nichts weiter an, wenn nur der übrige Leib vom Sündendienst sich frei- halte]; sondern begebet euch selbst smit eurem ganzen Menschen, wie dem Geiste so dem Leibe nach Kap. 12, 1] Gott [zu Dienst V. 16. 19], als die da snach dem vorhin Gesagten V· 4f·] aus den Todten lebendig szum Leben gelangt] sind [Ephes. S, 1—6], und eure Glieder sallzumah welche es auch seien] Gott sdem ihr in diesem euerm neuen Leben ausschließlich zugehört V. 4. 8. 11] zu Waffen der Gerechtigkeit-« [2. Cor. 6, 7]. 14. lVon euch und eurem guten Willen hängt es ab, das auch wirklich zu thun, wozu ich euch hier ermahnt habe.»] Denn die Sünde wird nichtherrschen kbnuen nber euch swenn ihr nur nicht selber die Macht über euch von Neuem ihr einräumt], sintemal ihr nicht unter dem Gesetz seid sdas freilich die Macht der Sünde eher steigert, als sie bricht Kap. b, 20; 7, 7 ff.; I. Cor. 15, 56], sondern unter der Gnade« swelche nicht nur unsre vorige Sünde durch Vergebung hinweg- nimmt, sondern auch mit der Gotteskraft zu einem neuen, heiligen Wandel uns ausrüstet Joh. 1, 17]. i) An die Ermahnung zur idealen Selbstbeurtheilung oder richtigen Erfassung des Berufs und der Bestim- mung des Christen schließt sich nun die Aufforderung, der Jdee gemäß das Leben einzurichten, sie zu ver- wirklichen und zu bethätigen; aber das solgernde ,,nun«, womit diese Aufforderung anhebt, sieht nicht blos auf den unmittelbar vorhergehenden Vers, son- dern auf den ganzen Abschnitt zurück, in welchem sich von Anfang an die Gedanken von V. 11 hindurch: ziehen, und so bilden also die beiden hier vorliegenden Verse die praktische Schlußfolgerung zu diesem Lehr- stück. (Maier.) Die Aufforderung besteht aus einem doppelten Verbote, welches dem »der Sünde ge- storben«, und aus einem doppelten Gebote, welches dem ,,lebet Gott« in V. 11 entspricht; das eine wie das andere bezieht sich auf die sittliche Beschaffenheit des äußeren, nicht des inneren Lebens, und hat die innerliche Abkehr von der Sünde und die Zukehr zu Gott zu seiner Voraussetzung. Was nun zunächst das erste Verbot betrifft (V. 12): ,,lasset die Sünde nicht herrschen in eurem fterblichen Leibe, ihr Gehorsam zu leisten in seinen Lüsten«, so ist hier ein zwiefaches Sein des Christen unterschieden, das in Christo, dem lebendigen, und das im Leibe, dem fterblichen; wer nun, anstatt ersteres·in letzterem zu bethätigen, in seinem Leibe die Sünde eine Herrschaft haben läßt welche ihn seinen Begierden gehorsam macht, der be- geht eine zwiefache Thorheitt er gebraucht die Macht nicht, welche ihm das Leben Christi über den sterb- lichen Leib und damit über die Sünde giebt, und er läßt sich in den Tod verflechten, welchem der Leib anheimfällt, während er ein Leben besitzt, dessen auch sein Leib mittheilhaft werden würde. Es wäre Schuld der Leser, wenn bei ihnen die Sünde zu solcher Herr- schaft gelangte, und war nicht blos, sofern sie es zu hindern vermöchten, sondern auch, weil es nicht dazu kommen kann, ohne daß sie selbst die Hand dazu bieten; daher tritt zu dem Satze des 12. Verses, wel- cher sagt, was nicht sein soll, der andere hinzu, welcher sagt, was sie nicht thun und was sie statt dessen thun sollen, letzteres aber im Gegensatze nicht blos zu dem zweiten, sondern in seiner ersten Hälfte auch gegenüber dem ersten der beiden verbietenden Sätze. (v. Hof- mann.) Der Leib war ursprünglich von Gott gut geschaffen und dem Geiste die Aufgabe gestellt, ihn sich zu unterwerfen, zu beherrschen und zu durchdringen, so daß der Leib selbst geistlich würde; durch die Sünde aber wurde dies Verhältniß umgekehrt, der Mensch gab durch sie dem Fleische sich hin und sein Geist wurde fleischlich. Sobald nun der neue Mensch, Christus, in uns zu leben anfängt, entsteht ein Kampf am Geist und Fleisch in uns; der im Fleische, in dem fterblichen Leibe lebende Geist erhält s eine ursprüngliche Herrschast wieder und unterwirft sich allmälig den Leib mit allen seinen Gliedern. Damit entsteht dann, unsichtbar und verborgen, in dem sündlichen Todesleibe selbst der Keim eines neuen, verklärten Leibes, von Christi Fleisch und Blut genährt, so daß es nicht blos derselbe Mensch ist, sondern auch derselbe Leib, der da stirbt und der in’s verklärte Leben von Christo wieder auf- erwecket wird. Aus dieser Einheit von Geist und Leib ergiebt sich die Nothwendigkeih die der Apostel hier ausspricht: wer da wähnte, der Leib könne der Sünde dienen, die Sünde könne herrschen in ihm, während 60 Römer 6, 15——18. der Geist Gott diente, würde furchtbar irren. Der neue Geist des Menschen lebt in dem sterblichen Leibe und soll nicht einen, sondern diesen sterblichen Leib beherrschen und durchdringen, mitten im Sündentode die siegreiche Macht des neuen Lebens geltend machen; und thut er es nicht, herrscht die Sünde in dem sterb- lichen Leibe, so beherrscht die Sünde und das Fleisch auch den Geist, der, unzertrennlich von ihm, in dem Leibe wohnt, und das höhere Leben des Geistes ist nur Schein, ist nur ein lebloser Aufschwung seiner Einbildungskrafh der in jedem ernstlichen Angriffe sofort unterliegt. (v. Gerlachh Die Gerechtigkeit muß in ihrem Kampfe gegen die Sünde, den sie in unserm Leibe auszusechten hat, auch eine Waffenrüstung haben, und sie verlangt unsre Glieder als Waffen; wir müssen dieselben also in der Weise zügeln und regeln, und sie zu ihrem Dienste in der Weise geschickt machen, daß sie mithelfen die Sünde zu besiegen. Unser Auge wird auf die Schrift, unsre Zunge zum Gebet ge- wandt; unsre in Nüchternheit erhaltenen inneren Or- gane bieten keinen Anlaß zu Ansechtungen, sondern helfen, gesund und geregelt, wie sie sind, die von außen herankommenden Anfechtungen abwehren und besiegen. (Wangemann.) IV) Wären sie unter dem Gesetz, so könnte es nach Kap. 5, 20 nur darauf abgesehen sein, die bereits in Herrschaft stehende Sünde zu steigern; sind sie aber unter der Gnade, so ist ja die Norm für ihr sitt- liches Thun nicht eine bloße Forderung, sondern, wie der Apostel soeben nachgewiesen hat, die Mittheilung dessen selbst, was des Sündenlebens entledigt Und die Kraft zu rechtem Verhalten verleiht. (Schott.) Die Gnade verleiht unaussprechliche Verheißungen und theilt auch unerschöpfliche Lebensquellen mit: macht sich die Sünde an einen Begnadigten heran, so hat sie es mit al1’ diesen Gotteskräftem ja, mit Gott selbst zu thun, der ihr widersteht; darum kann sie schließlich doch nicht die Herrschaft behaupten. (Wangemann.) L. V. 15—23. Wie der Apostel im vorigen Abschnitt es mit der Ilbivehr einer salsihen Folgerung, die man aus seinem Ausspruch in Kur. Z, 20 hätte ziehen können, öd thun halte, so beschäftigt ihn jetzt die Abwehr derjenigen Folgerung, die man aus dem Wort in V. til machen könnte: ,,wir sind nicht unter dem Gefetz, sondern unter der Gnade«; auch hiervon könnte man den Satz inolleii ableiten, die Glaubens· gerechtigkeit sei nicht sowohl eine Befreiung von der Sünde, als vielmehr ein Freibrief zur Sünde. Da— gegen nun must Paulus aul’s Gntschiedeiiste sich ver- wahren (V. t5); und da ist denn der Salz, das) das Knechtseerhiiltniss zu denisenigeci Herrn, in des! Dienst jemand eingetreten ist, es mit sich bringt, diesem Herrn amh fortan zu gehorchen, die Grundlage, auf die er feine Rede baut. Vorhin war es die Sünde, zu welcher· die Leser im Knechtsverhälttiisz gestanden nnd mit den ihr geleisteten Diensten sieh den Tod verdient haben; aber sie sind durch die gläubige Annahme des Evangeliums Gott gehorsam geworden, solcher Ge- horsam ist der nunmehrige Herr, dem sie dienen zur Gerechtigkeit, und auf diesem Wege geht es mit ihnen zum ewigen Leben, dieser Gabe Gottes in Christo Jes’u (V.16—18). Wie sie nun vorhin unter der Herrschaft der Sünde ihre Glieder begeben haben zum Dienst der Unreinigiicit und von einer Ungerechtigkeit zu der andern, davon aber in den Werken, die sie vollbrachten, nur solche Früchte gezeitigt haben, deren sie setzt sich schämen und zuletzt den Tod davonbriiigem so sollen sie unter der neuen Herrschaft des Gottes- gehorfanis ihre Glieder vielmehr zu den: Dienst der Gerechtigkeit begeben, in welchem Dienste ihre hei- kigung sich voltziehct und das ewige Leben der Uns— gang ist, der ihrer wartet (V, 19—23). 15. Wie nun sverhälrs sich mit unserm, so eben charakterisirten Christenstande in Hinsicht auf den praktischen Lebenswandels? Sollen wir suns für Freigelassene erachten, denen es gestattet ist zu] sündigeth dieweil wir swie V. 14 gesagt] nicht unter dem Gesetz, sondern unter der Gnade sind? Das sei ferne» « 16. Wisset ihr nicht sum an bekannte Ver- hältnisse des alltäglichen Lebens zu erinnern und daraus das, um was es hier sich handelt, euch abnehmen zu lassen, daß], welchem ihr euch be- gebet zu Knechteu in Gehorsam, deß Knechte seid ihr, dem ihr [nun auch wirklich, nachdem ihr ein- mal in das Dienstverhältniß zu ihm eingetreten, nach Maßgabe seiner Befehle] gehvrsam seid; sganz dasselbe gilt denn auch auf dem christlichen Ge- biet: welchem ihr euch zu Knechten begebt,- deß unbedingt ihm Untergebene Knechte seid ihr, habt ihm für denjenigen Zweck, auf welchen seine Willeusrichtung hinausgeht, zu dienen und em- psangt dann von ihm denjenigen Lohn, über welchen er zu verfügen hat,] es sei der Sünde szu Dienst der Unreinigkeit und von einer Un- gerechtigkeit zur andern V. 19] zum Tode [V. 21], oder dem Gehorsam sdes Glaubens Kap. 1, s] zur Gerechtigkeit« [deren Krone das ewige Leben ist 2. Tim. 4, s; Jak. 1, 12]. 17. Gott sei aber gedeutet, daß ihr Knechte der Sünde gewesen seid fund dieser so leidige Knechtesstand bei euch ein Ende» genommen hat I— Cvri S, UL aber nun sseit eurer Bekehrung zu Christo] gehorsam worden von Herzen sohne daß irgend welcher äußerer Zwang dabei statt- gefunden hätte Ephes S, S] dem Vorbilde der Lehre l2- Tini— l, 13], welchem ihr ergeben seidM [d. i. dem christlichen Glauben, dem ihr jetzt an- hanget Judä 3]. . 18. lSo seid ihr also jetzt, wie in V. 14 gesagt, unter der Gnade; aber davon kann da nimmer die Rede sein, daß euch fortan Freiheit gegeben wäre zum Sündigen V. 15.] Dennnnu ihr frei worden seid von der Sünde sdaß ihr nicht mehr zu Dienst und Gehorsam als Knechte ihr verpflichtet seid, wie vordem], seid ihr Knechte worden der Gerechtigkeit-s— sihr fortan zu dienen und in allen Stücken, was immer sie euch befiehlt, Gehorsam zu leisten]. s) Gleichwie in V. 1 ff. ist es dem Apostel nicht sowohl um Verwahrung der christlichen Lehre gegen widersacherische Mißdeutung zu thun, als vielmehr um Verhütung eines Wandels der Leser selbst, welcher solcher Mißdeutung Recht geben würde. Eine That- sache der Heilsgeschichte nun war es dort, deren christliches Verständnis; er gegen verkehrte Anwendung sicher stellte; gleiche Mißdeutung aber oder gleichen Nun ihr frei worden seid von der Sünde, seid ihr Knechte worden der Gerechtigkeit. 61 Mißbrauch konnte jetzt auch der auf den Christen- stand selbst bezügliche Satz erfahren, in welchem er ihn einen Stand unter der Gnade, und nicht unter dem Gesetz, genannt hat. (v. Hofmann.) War vorhin von einem Verharren bei der Sünde, also mehr von einem ganzen Zustand, von dem Gesammtcharakter des Lebens die Rede, so kommt hier mehr das ein- zelne Sündethun in Betracht; hieß es dort, der Christ kann eigentlich, subjektiv angesehen, gar nicht, so heißt es hier, er darf auch nicht, objeetiv an- gesehen, der Sünde fröhnen. (Schott.) Das Räsonne- ment, welches Paulus im Auge hat, lautet näher so: »wenn der Christ nicht unter dem Gesetze steht, so haben dessen sittliche Forderungen und Verbote auch keine Verbindlichkeit für ihn; er kann also seinen Nei- gungen und Trieben ungehemmten Lauf lassen, ohne sich damit zu versündigen.« Sowie nun hier die Fol- gerung der Zulässigkeit des Sündigens eine andere Grundlage hat, als oben, so bestreitet sie der Apostel in V. 16 ff. auch von einem andern Gesichtspunkte aus: dort ist der Grundgedanke die Jdee der Gemein- schaft der Christen mit Christus im Sterben, Wieder- erstehen und Neuleben; hier bewegt sich der Vortrag in einer Vergleichung der sittlichen Verhältnisse vor und nach der Bekehrung zum Christenthum mit dem Knechtsverhältnisse in dem Betracht, daß ein Knecht dem HErrn, dem er sich selbst hingab oder dem er übergeben wurde, ungetheilten Gehorsam und Dienst- leistung erweist, wie er denn auch, falls er von dem« einen Herrn an einen andern kommt, aus dem Dienst des ersteren gänzlich heraustritt und nunmehr dem neuen Herrn ausschließlich unterworfen ist — immer nur Gehorsam und Dienstleistung an Einen HErrnt Rücksichtlich des sittlichen Lebens handelt es sich um zwei Herren, die ihrer Natur nach sich entgegengesetzt find (Matth.6, 24), demgemäß auch ganz verschiedenen Dienst fordern, so daß hier um so weniger eine doppel- seitige Angehörigkeit und Dienstleistung zugleich statt- haben kann. (Maier.) H) Mit den: ,,wisset ihr nicht« weist der Apostel auf die Analogie eines bürgerlichen Rechtsgrundsatzes hin, er giebt aber in der zweiten Hälfte des Verses zugleich die Anwendung: wem ihr euch freiwillig ein- mal als Knechte zum Gehorsam iibergebet und ver- pflichtet, dessen Knechte seid ihr dann auch und leistet ihm Gehorsam, sei es als Knechte der Sünde &c. Der Nachdruck liegt auf dem ,,seid ihr«; mit dem ,,euch zu Knechten in Gehorsam begebet« ist das wirkliche Sein und Gelten mit seiner Consequenz zugleich gesetzt. (Lange.) Wollte man meinen, bei den Worten: ,,es sei der Sünde zum Tode« müsse unter »Tod« aus- schließlich der ewige Tod verstanden werden, weil der leibliche Tod auch den noch trifft, der sich »dem Ge- horsam zur Gerechtigkeit« als Knecht ergiebt, so läßt sich erwidern, daß durch die aktuelle Sünde der Tod nach dem ganzen Umfange seines Begriffs, also auch der leibliche Tod, wie er schon um des erbsündlichen Verderbens willen auf dem Menschen ruht, von dem Individuum auch durch eigene That persönlich an- geeignet und verdient werde; für den Knecht des Ge- horsams dagegen ist auch der leibliche Tod theils schon gegenwärtig in der Form der Strafe aufgehoben, theils zukünftig durch die Auferstehung, (Philipp1.) Gleichlautend mit dem Vorangehenden hatte man am Schluß des Verses die Worte in dieser Form erwarten müssen: ,,oder der Gerechtigkeit zum Leben«; anstatt dessen sagt Paulus: ,,oder dem Gehorsam zur Gerech- tigkeit«. Der Gedanke wird dadurch viel voller; der Apostel sagt nämlich hiermit zugleich: alle Sünde ist Ungehorsam und wirkt durch den Ungehorsam den Tod; will jemand also die Sünde nicht mehr zum Herrn haben, so ergebe er sich dem Gehorsam, so wird er dadurch zum Leben kommen, nämlich durch Ver- mittelung der durch die Gnade geschenkten Gerechtigkeit. So vermeidet Paulus den Jrrthuny als ob man durch seine Abkehr von der Sünde ebensosehr sich das Leben verdienen könne, wie man den Tod durch die Sünde verdient. (Wangemann.) IN) Er fügt eine Danksagung hinzu, zunächst um zu lehren, daß es nicht eigenes Verdienst, sondern Gottes alleiniges Erbarmen sei; zugleich aber, damit man an der Danksagung selbst lerne, wie groß Gottes Gnadenwohlthat sei, und sich desto mehr zur Verab- scheuung der Sünde ermuntern lasse. (Calvin.) Eigen- thiitnlich ist für ,,Evangelium« der Ausdruck: ,,Vorbild der Lehre«; das fcheint zu ,,gehorsam worden« nicht zu passen, es müßte vielmehr heißen: ,,euch dem Vor- bild der Lehre ähnlich gestaltet«. Allein in dem »ge- horsam« latitirt in der That diese Idee; wie nämlich der Knecht der Sünde ihr Bild in sich aufnimmt, so auch nimmt der der Wahrheit Gehorsame ihr Bild in sich ein. (Olshausen.) Bei den Worten: ,,welchem ihr ergeben seid« hat man zu beachten, daß das Vorbild der Lehre, die Regel des Glaubens, nicht sowohl den Christen, als die Christen ihm übergeben worden von dem heil. Geist, um nach diesem Bilde selbst gestaltet zu werden. (v. Gerlach.) s) Bei den Lesern ist jene Alternative, von welcher der Apostel in der zweiten Hälfte des 16. Verses redete, nach V. 17 bereits dahin entschieden, daß sie der Sünde Knechte waren, jetzt aber glaubensgehor- sam das Wort vom Heil angenommen haben; find sie aber damit von der Sünde frei geworden, so sind sie eben damit doch nur wieder in ein Knechtsverhältniß, nämlich zur Gerechtigkeit, getreten. (Schott.) Der Ausdruck: ,,Kne«chte worden der Gerechtigkeit« ist aller- dings paradox, aber sehr significant, indem er die durch die Gnade bewirkte Gebundenheit des Gerechtfertigten an die Norm der Gerechtigkeit scharf hervorhebt (Philippi.) Den Begriff der Freiheit (Joh.8,36) hätten die Leser als absolute Losgebundenheit, Schrankenlosigkeit auffassen können; darum schildert Paulus ihn als eine neue, edlere Gebundenheit, wie auch der Erlöser selbst ihn darstellt als Aufnehmen eines Jochs, einer Last (Matth. 11, 29 f.) Für das irdische Leben des Gläu- bigen, in dem die wahre Freiheit nie vollständig zur Erscheinung kommt, hat die Darstellung seines Lebens als das Gehen unter einem Joch, einer Last, das nur sanfter und leichter ist, als das und die des alten Testaments, ihre volle Wahrheit; denn wenn auch dem in der Liebe lebenden neuen Menschen Gottes Gebote nicht schwer sind (1. Joh. 5, 3), so bleibt doch das Joch immer noch mit dem alten Menschen verbunden und empfindet er insofern eine ,,Knechtschaft der Ge- rechtigkeit«, erst wenn mit der Unmöglichkeit der Sünde die absolute Vollkommenheit eintritt und Gott im Menschen alles in allem geworden, erscheint die herr- liche Freiheit der Kinder Gottes Kap. 8, 21. (Ols- hausen) (Epistel am 7. Sonntage nach CrinitatisJ Der 7. Sonntag n. Tr. ist der Sonntag der Er- quickung, der Befriedigung, der Genüge (dominica. refectionis) und weiset auf Laetaxse zurück, der den- selben Namen führt; beide haben zum Evangelium die zwei wunderbaren Speisungen der fünftausend und viertausend Mann, und wenn die erste den Schluß der Saat, so bezeichnet die zweite den Anfang der Ernte. Sowohl in natürlicher als geistlicher Hinsicht ist dieses erste Erntefest an seiner Stelle: die Speisung der vier- 62 Römer 6, 19——23. tausend Mann (Mark. 8, 1—9) war ein Wunder, das uns nicht allein über das verborgene, stille, alljähr- liche Wunder der Ernte, in der oft aus einem Samen- korn hundertfältige Frucht zu Tage kommt, sondern auch über das geistliche Wunder belehren soll, das sich unaufhörlich in der vollen Genüge und Befriedigung erneuert, wenn eine Seele Gottes Wort in sich auf- genommen und seine Wirkung nicht gehindert hat. Worin diese Wirkung besteht, verkündet die Epistel Der Apostel stellt zwei Fragen auf, die sich auf die Frucht und Wirkung der Sünde und Gerechtigkeit be- ziehen, und schließt mit dem allgemeinen Ausspruch: der Tod ist der Sünde Sold; aber die Gabe Gottes ist das ewige Leben in Christo Jesu, unserm HErrn Siehe da die wahre»Ernte, die hier schon aus dem Lichte der Gnade und des Wortes zu reisen beginnt und sich mehrt und vollendet bis in die Ewigkeit. (Strauß.) Die Sündenknechte und die Gottes- knechte: 1) ihr Dienst, 2) ihr Lohn. Wozu fordert der Gedanke an das Ende des Siinden- nnd des Gottesdienstes auf? I) von aller Ungerechtig- keit abzutreten, 2) alle Glieder zum Dienst der Gerech- tigkeit zu begeben. (Fuchs.) Die zwei Wege, welche der Mensch vor sich hat: 1) der breite Weg des Verderbens, Z) der schmale Weg des Lebens. tKunel.) Sollen wir sündigen, dieweil wir unter der Gnade sind? Das sei ferne! denn 1) wem jemand dient, deß Knecht ist er; Z) weß Knecht jemand ist, deß Lohn bekommt er. (Mi«inkel.) Die Wahl zwischen Sünde und Gerechtigkeit; sie ist eine Wahl 1) zwischen Knechtschaft .und Freiheit, 2) zwischen Schande und Ehre, Z) zwischen Tod und Leben. (Kübel.) Die Knechtschaft der Sünde; wir erwägen 1) die falsche Freiheit, mit der sie tauscht, L) die schlimmen Werke, zu denen sie führt, Z) den jaminervollew Sold, den sie bezahlt. Die wahre Freiheit; wir sagen: I) sie gehorcht, und ist doch nicht geknechtet, 2) sie arbeitet, und ist doch nicht be- schwert, Z) sie bescheidet sich, und bleibt doch nicht un- belohnt! ommer.) Der Dienst der Gerechtig- keit: 1) ein heiliger Dienst, Z) ein herrlicher Dienst, Z) ein seliger Dienst. (Caspari.) 19. Ich muß [wenn ich so eure Gebunden- heit an den Dienst der Gerechtigkeit als einen Knechtsstand bezeichne V. 18] menschlich davon reden srede von dem, was ich euch sagen will, nach Art eines auf natürlich-inenschlichem Gebiet sich begebenden Vorgangss um der Schwachheit willen eures Fleisches sdie euch verleiten könnte, mit jener Gebundenheit es leichter zu nehmen, als recht ist; daher eben ich eines recht starken Bildes nach Maßgabe menschlicher Verhältnisse mich bediene und nun auf Grund desselben fort- fahre, zu einem entsprechenden Verhalten euch zu ermahnen]. Gleichwie ihr [denn in eurem vorigen Stande V. 17] eure Glieder begeben habt zu Dienste der Unreinigkeit [Kap. 1, 24] und von einer Ungerechtigkeit [genauer: Widergesetzlichkeit oder Unrecht 1.Joh. B, 4] zu der andern, also begebet nun auch eure Glieder· zu Dienste der Gerechtigkeit, daß sie heilig werden-«« [1. Thess 4, 3—7]. 20. [Solcher Dienst der Gerechtigkeit dient zu eurem wahren Besten, wie die eigene Er- fahrung euch bezeugt-J Denn da ihr [in eurem vorigen Stande als Heiden] der Sünde Knechte waret, da waret ihr [allerdings] frei von der Gerechtigkeit [und meintet, eben darin bestehe das Glück eines Menscheii, daß er bei seinem Denken, Reden und Handeln nicht erst darnach fragen müsse, was die Gerechtigkeit von ihm for- dere, sondern ganz nach Belieben sich verhalten dürfe]. 21. Was hattet ihr nun zu der Zeit für Frucht [in den Werken, die ihr vollbrachtet Gal. 5, 19 ff.]? Welcher ihr euch «etzt sals einer gar schimpflichen und verderblichens schämet [Hes. 16. 61. 6315 denn das Ende derselben ist der Tod-«· [Ephes. 5, 11f.; Jak. 1, 15]. 22. Nun ihr aber [in eurem jetzigen Stande als Christen] seid von der Sünde frei und Gottes Knechte worden [V. 17 f.], habt ihr eure [euch wirklich zu eigen gehörende und bleibende Joh. 6, 27; 15, 16; Offenb. 14, 13] Frucht, daß ihr [in allerlei gutem Werk, dazu er euch durch seinen Geist tüchtig macht 2. Thess 2, 17] heilig werdet, das Ende aber das ewige LebenWV [in der zukünftigen neuen Welt Kap. 8, 17 ff·; Gal. S, 8f.]. 23. [Ja, kein anderer, als der in V. 21 u. 22 genannte, ist der Ausgang aus der einen Seite des Sünden- und auf der andern des GottesdienftesJ Denn der Tod ist der Sünde Sold swomit sie denen, die ihr dienen, zuletzt ihren Lohn auszahlt 2. Cor. 11, 8]; aber die Gabe Gottes [womit er seine Diener begnadigt Ephes 2- 8] ist das ewige Leben in Christo Jesu, unserm HErrns sdurch den es nicht allein erworben ist, sondern in dem es auch be- schlossen liegt 1. Joh. 5, 20]! V) Wie Jesus um der Schwachheit des Fleisches willen von den Geheimnissen seines Reichs so oft in Bildern, in Gleichnissen redete, um den unverständigen einen möglichst klaren Begriff von diesen himmlischen Dingen beizubringen, so greift Paulus auch hier zu einem Mittel der Veranschaulichung; bei den Römern aber sind die Verhältnisse wesentlich anders, als sie bei den Galiliiern waren, die das Land baueten, indem er in ihr Leben hineingreifh nimmt er das Verhältniß von Herr und Knecht, das jedem Römer wohl bekannt war, zu seinem Motiv. (Nebe.) Aii der Sklaverei, welche naiiientlich in Rom bestand in voller Blüthe, will er ihnen die absolute Geltung des neuen Lebens- prinzips klar machen. Wange) Der Apostel hatte vorhin den Ausdruck gebraucht: ,,ihr seid Knechte worden der Gerechtigkeit-«, damit sie nicht ini fleisch- lichen Mißverstande meinten, die Freiheit vom Gesetz sei eine Freiheit von der Gerechtigkeit, da sie doch vielmehr eine Freiheit zur Gerechtigkeit oder, and- greiflicher bezeichnet, eine Knechtschaft der erech- tigkeit ist. (Philippi.) Jndem er nun hierauf die Er- mahnung, daß die Leser ihre Glieder ganz ebenso, wie vordem der Unreinigkeit und der Ungerechtigkeit, nunmehr der Gerechtigkeit dienstbar zu Gebote stellen sollen, durch ein (im Grundtext stehendes) »denn« mit Begebet denn eure Glieder zum Dienst der Gerechtigkeit, daß sie heilig werden! 63 den vorangehenden Worten verbindet, macht er bemerk- lich, daß es diese an sie zu richtende Ermahnung ge- wesen, die er im Auge hatte, als er von ihrer Knechs tung unter die Gerechtigkeit redete; er hätte die mit ihnen vorgegangene Veränderung nicht unter diesem Gesichtspunkte benannt, wenn er sie nicht hätte er- mahnen wollen, ihre leibliche Natur fortan im Dienste der Gerechtigkeit zu brauchen. Sie haben sie vordem der Unreinigkeit, welche Selbstentweihung des Menschen ist, und der Ungerechtigkeit, welche alles der göttlichen Ordnung widerstreitende Wesen umfaßt, dienstbar zu Gebote gestellt, und ihr also willentlich eine Verwen- dung gegeben: ebenso sollen sie jetzt im Dienste der Gerechtigkeit thun; jenes war ein Dienst, bei dem es von einer Ungerechtigkeit zur andern ging, gleich als wäre es auf diese abgesehen, sie ins Werk zu sehen, dieses ist ein Dienst, mit dem es auf Heiligung abgesehen ist, sie zu gewinnen. (v. Hofmann.) Das macht dem natür- lichen Menschen keinerlei Mühe, seine Glieder zu be- geben zu Dienst der Unreinigkeit und der Ungerechtig- keit; es reihet sich da so ganz von selbst eine Ungerech- tigkeit an die andere, der Mensch trinkt das Gift der Sünde und wird nicht satt, immer mehr zu trinken. Wenn da nur auch das »die Glieder begeben zu Dienst der Gerechtigkeit« sich also machen möchte in eines Christen Leben! Aber die Kette des Dienstes Jesu bleibt allezeit viel lückenhafter, auch im ernstesten Ehristenleben, als die Sündenkette im Leben eines Weltkindesz um so mehr istdas ,,also« als dringende Mahnung zu betonen. (Wangemann.) M) Der Apostel hält die beiden gegen einander, daß sie ansehen sollen, weß sie beiderlei Dienstes, so sie nun erfahren, Frommen oder Schaden haben, und daraus selbst schließen und sich selbst weisen, bei wel- chem sie bleiben und welchem sie hinfort gehorsam sein wollen. Lieber, denket doch bei euch selbst zurück, sagt er, was ihr gelebt habt, da ihr frei waret von der Gerechtigkeit und thatet nichts, denn wozu euch die Sünde trieb: was habt ihr’s genossen oder daran ge- wonnen? nichts, denn daß ihr euch selbst auf diesen Tag deß schämen müsset, und dazu endlich in dem Tod hättet bleiben müssen· Die zwo köstlichen Früchte und Nutzung habt ihr und nichts Besseres damit verdient, als Schande und Tod. Ein köstlicher, billiger Lohn für solchen Dienst, da der Mensch will frei sein von der Gerechtigkeit und lebt, wie es ihn gelüstet, und hält solches für ein fein, köstlich Leben; denn es thut Fleisch und Blut sanft, welches meint wohl also un- gestraft zu bleiben. Aber es kommen zwo harte Ruthen darauf: die eine heißt ,,schämen«, daß der Mensch, beide, vor Gott und der Welt muß seine Schande be- kennen, gleichwie Adam und Eva im Paradies; die andere ist der ewige Tod und höllische Feuer, so sie müssen zu der Schande haben, darein auch unsere ersten Eltern gefallen waren. (Luther.) Jst der Tod die Grube, dahinein die Sünde ihren Diener stürzt, so tritt damit die Verlogenheit, die menschenmörderische Bosheit der Sünde in das grellste Licht: Leben ver- heißt sie, das schönste, genußreichste, seligste Leben, als Tagelohn ihren Knechten; und der Tod, Sterben und Verderben ist der Groschen, den sie in der That und Wahrheit auszahlt. Jst der Tod aber das Ende des Sündendienstes wie ängstlich sollten wir da die Sünde fliehen! Du legst deine Hand in die kalte Hand des Todes, wenn du der Sünde folgst; du schliirfst aus dem Becher, welchen die Lust dieser Welt dir kredenzt, das tödtlichste Gift. (Nebe.) sit-«) Dadurch, daß die Leser zum Glauben an Jesum Christum gekommen sind, hat sich ihr Verhält- niß völlig umgekehrt: sind sie vordem unter der Sünde geknechtet gewesen, so sind sie nun Freie; haben sie vorher der Sünde gedient, so dienen sie nun Gott undstehen dadurch zu ihm in einem Verhältniß per- sönlicher Gemeinschafh Jn solcher Gemeinschaft ist ihnen bereits eine selige Frucht egeben, nämlich die Heiligung; klebt ihnen auch no die Sünde an, so vermögen sie doch in Kraft des heil. Geistes sich täg- lich zu erneuern zum geistlichen Sinn und gottgefälligen Wandel. Die Heiligung ist der nächste Ertrag ihrer Knechtung unter Gott; schließlich aber haben sie das ewige Leben als Resultat ihrer Begebung zum Dienste Gottes. (Sommer.) Damit du nicht etwa sagen Mögest, es bestehe alles blos in der Hoffnung, so zeigt dir de·r Apostel, daß du schon Frucht empfangen hast: Befreiung von der Sünde und den Nebeln, deren bloßes Andenken schon beschämt, Heiligung des Lebens und Gewißheit der Erlangung des ewigen Erbes. (Ehrysostomus.) Die Frucht des Dienstes Gottes ist immer wachsende und dereinst vollendete Heiligung, die vollkommene Heiligung des Menschen an Leib und Seele aber ist auch sein wahres, ewiges Leben; denn durch die vollendete Gemeinschaft seiner ganzen Natur mit der Quelle alles Lebens, Gott selbst, durchströmt ihn geistlich und leiblich die Fülle des ewig seligen Lebens. (v. Gerlach.) Auffallend ist, daß hier ,,Gottes Knechte worden« steht und nicht, wie man nach V. 18 erwarten sollte: ,,Knechte der Gerechtigkeit«; der Apostel will aber sagen, daß der HErr, der uns vom Dienste der Sünde frei gemacht, nicht zu irgend welcher Jdee, sondern zu dem persönlichen Gott in das Dienstver- hältniß bringt. (Nebe.) » » » s) Jn diesem Schlußverse wird nicht sowohl ein neuer Gedanke ausgesprochen, als der in V.21 f. dar- gelegte nur näher bestimmt; wiewohl nämlich beide Lebensrichtungen ihre Frucht bringen, und der-en ver- schiedene Beschaffenheit den endlichen Ausgang be- stimmt, so ist das Verhältniß beider« doch keineswegs ganz gleich. Die Sünde ist ganz und gar des Men- schen, der Lohn derselben, der Tod, fällt ihm daher auch zu nach dem Gesetz der vergeltenden Gerechtig- keit; Gerechtigkeit und Heiligkeit aber ist ganz und gar nicht des Menschen, sondern Gottes Werk in ihm, er kann daher als der Heilige nichts fordern und nach dem Gesetz der Gerechtigkeit empfangen, son- dern zu dem Gnadengeschenk der Sündenvergebung und Heiligung fügt die Erbarmung Gottes noch das neue Geschenk des ewigen Lebens, so daß der Ver- lorene bekennen muß, alles durch sich verloren, der Selige, nichts dureh sich erlangt zu haben, zum lsskrefse Zier Gerechtigkeit und Gnade des HErm (O au en. Das 7. Kapitel. Von der kfreiheit nom gesetz, des gesetzes Nutzen, Wirkung und dem Kampf des inneren und äußeren Menschen. 3. V. 1—6. hatte der Apostel in Knie. S, 16 ff. mit besonderer Beziehung aus denjenigen Theil der römischen Gemeinde, wesiher aus dermaligen Heiden bestand, ge- zeigt, das) Christen nicht mehr unter der Kncchtsihaft der Sünde sind, so erklärt er ietzt mit Besonderer Be« ziehung aus den andern, aus» ehemaligen Juden Be« stehenden Theil, das) sie auch niiht mehr unter dem Commaiidoskab des Gesetzes» flehen. Das hatte er öc- teitg in Knie. 6, 14 ausgesprochen, es muslte aber dies Wort siir Judenchristem welche stete- geneigt 64 Römer 7, 1—6. waren, Gesetz und Gnade zu vereinigen, schwer zu tragen sein; deshalb legt er jetzt ausführlich» dar, dap das iuirtitich das lhalsächlicije Verhältnis! sei, und mie er nun für die ehemaligen Heiden das« Verhältniss der Knechte zu ihrem herrn zur Grundlage feiner Auseinanderselziiiig geniaiht hatte, so macht er tiir die ehemaligen Juden das Verhältnis! eines Weibes zu ihrem Ehemann zu eiiieni Bild und Gleichnisl dafür, dasl ein Christ nicht mehr an das Gesetz, sondern einzig und allein an Christum gebunden sei. Gerade die-z Verhältnis; war Besonders« passend, weil Iehovas Verhältnis; zu seinem Volke im alten Testament so oft mit demselben verglichen wird; und nun tritt ja auch bei ihm häufig genug der Fall eiii, wo der Tod eine völlige Neiigestaltuiig herbeiführt, indem der eine Theil von den bisherigen Ehegatteii hinwegstirbh der an- dere, iiberiebeiide Theil aber so Freiheit erlangt, ohne Bruch der Ehe sich anderweit zu vermählen. 1. sJhr nun, die hier etwa euch befremdet fühlt von dem, was ich in Kap. S, 14 sagte, daß die Sünde nicht werde herrschen können über euch, sintemal ihr nicht unter dem Gesetz wäret, weil ihr meinet, das ginge nicht an, nicht mehr unter dem Gesetz sein:] Wisset ihr nicht, lieben Brüder —— denn ich rede sin euch] mit denen soder mit solchen], die das Gesetz wissen fund kann also gar wohl ein Wissen auch um den Punkt, um welchen es sich hier handelt, voraussetzen] —, daß das Gcsetz herrschet über den Menschen, so lange er lebet-« svon seinem Tode an aber keinen Rechtsanspruch an ihn mehr hat]? 2. sSind wir denn als Christen, wie in Kap. 6, 3 ff. gesagt, in Christo wirklich gestorben und mit ihm zu einem neuen Leben auferstanden, so haben wir ja volles Recht, unsere Beziehung zum Gesetz für aufgehoben zu betrachten und statt diesem vielmehr Christo allein und ausschließlich als ihm Angehörige zu leben Gal. 2, 19 f., wie das aus den Bestimmungen des Gesetzes selber deutlich sich ergiebt] Denn ein Weib, das unter dem Manne ist fals das ihm zugehörige Eheweib], dieweil der Mann lebet, ist fallerdings] sie ver- bunden an das Gesetz fdas sie] nur dieses und keines anderen Mannes Weib sein läßt Matth. 19, 4 sf.]; so aber der Mann stirbt, so ist sie [gänz- lich, als die gewissermaßen nun auch ihrerseits für den Mann gestorben, indem sie mit ihrem ferneren Leben ihm nicht mehr angehört] los vom Gesetz, das den Mann betrifft fund ihr bisheriges Verhältniß zu ihm bestimmte 1. Cor. 7, 39]. 3. Wo sie nun sum den aus der ersten Hälfte des vorigen Verses sich ergebenden Schluß zu ziehen] bei einem andern Manne ist, weil [d. i. während oder solange noch] der Mann lebet, wird sie eine Ehebrecherin geheißen [wie Herodias, des Philippus Weib, eine solche war, seit sie dessen Bruder Herodes zum Manne genommen Matth. 14, 3Jf.]; so aber der Mann stirbt, ist sie snach dem in der zweiten Hälfte jenes Verses Bemerkten so völlig] frei vom Gesetz, daß sie nicht eine Ehe- s btecherin ist,· wo sie sin eine zweite Ehe ein- s tretendj bei einem andern Manne ist» swie Abigail des David rechtmäßiges Weib wurde, als ihr früherer Ehegatte Nabal durch den Tod hin- weggerafft war I. Sam. 25, 36 ff.]. 4. Also auch sverhält sich’s mit euch, die ihr aus dem Judenthuiw zu Christo übergetreten seid], meine Bruder, ihr seid getödtet dem Gesetz fwie das Weib ihrem bisherigen Manne wenn er stirbt V. 2., und zwar] durch den sam Kreuz getödteten GUL Z, 191 Leib Christi sin welchem das Gesetz sich gleichsam verkörpert hatte, als er demselben untergehen wurde, und welcher nun auch dessen Fluch auf sich nahm Gal. 4, 4f.; Z, 13], daß ihr [nuninehr, gleich einer auf rechtmäßige Weise anderweit vermählten Ehefrau, kraft eurer Taufe Kaxx S, 3 ff-; 14, 8 f.] bei einem Andern seid, näm- lich bei dem, der von den Todten auferwecket ist sauf- erwecket für den Zweck] auf daß wir matt, wie bisher dem Tode, so fortan] Gott Frucht bringen«« [Joh. 7, 38 f.; 12, 24. 32]. Z. Denn da wir sJuden sowohl, wie Heiden] im Fleisch waren [noch in dem, von der Sünde bestimmten, von Geburt her überkommenen Leben standen Jvlw Z, 6], da waren die sündlichen Lüste [Gal. 5, 24], welchc swas speziell uns Juden betrifft] durch das Gesetz sich erregten swie ich hernach aus»eig»ener Erfahrung bezeugen werde V. 7 ff.], kraftig in unsern Gliedern, dem Tode Frucht zu bringen sin allerlei schlimmen Werken, zu denen sie uns fortrissen 1. Cor. 15, 56; Jus. 1, 15]. 6. Nun aber sind wir von dem Gesetz los sindem wir, wie vorhin gesagt, durch den Leib Christ: demselben getödtet sind V- 4] Und ihm ab- gestorben, das uns gefangen hielt [nämlich dem Fleische, in welchem wir vormals waren, oder dem Gesetz in den Gliedern V. H. 23], also, daß wir sfortan Gott] dienen sollen im neuen Wesen des Geistes sihm Frucht zu bringen], Und nicht [mehr, wie vordem, da wir noch unter dem Gesetze stan- den] im alten Wesen des Buchftabenss [2. Cor. Z, S, wo das allerdings nicht möglich war]. V) Im Grundtext geht den Worten: ,,wisset ihr nicht« noch ein ,,oder« voraus, das sonst an das zu- nächst Vorhergehende anknüpft; aber hier bezieht sich der Beweis, den der Apostel führen will nicht auf das in Kap. S, 23 Gesagte, sondern auf Kap.6, 14. (de Wette.) Die Thatsache, auf welche sich Paulus beruft, daß das Gesetz über den Menschen Herr ist, solange er lebt, hat in dem vorigen Abschnitte keinen Berührungspunkh welcher erkennen ließe, wofür oder wogegen er sich auf diese Thatsache berufe; der Satz, zu dessen Auf- rechterhaltung er sich xetzt anschickt, kann also nur ein und derselbe mit dem sein, dessen mögliche Mißdeutung er sich in V. 15 vergegenwärtigt hat. Und da wendet er sich nun mit der Anrede: ,,lieben Brüder« an die- jenigen seiner Leser, welchen das dort von ihm aus- gesprochene Verhältniß des Christen zum Gesetz ein Anstoß sein konnte, und will mit dem der Gesetzeslehre Um von der Sünde frei zu werden, seid ihr, die ihr dem Gesetze unterstellt wart, von diesem frei worden. 65 angehörigen Satz, auf den er sie verweist, jene seine, auf die Stellung des Christen zum Gesetz bezügliche Aussage gegen ihre Bedenken sicherstellen und ihnen einleuchtend machen. Sie sind solche, die zum Gesetz in einer innerlichen Beziehung stehen, wie sie der Christen- stand eher ausschließt, als mit sich bringt; eben deshalb aber drängt es ihn, an der Stelle, wo er zu einer für sie insonderheit bestimmten Darlegung übergeht, die Anrede: ,,lieben Brüder« eintreten zu lassen und sie im Verfolge derselben noch nachdrücklich zu wiederholen (V. 4) —- sie sollen wissen, daß ihn ihre Bedenklichkeit über seinen Satz nicht hindert, sie den andern Lesern gleich als Brüder zu achten. (v. Hofmann.) Dem Satze, daß, solange er lebt, das Gesetz Herr über den Menschen sei, der die Grundlage der Beweisführung oder den Obersatz eines Schlusses bildet, bei welchem die vorausgehende Allegorie vom Sterben des Christen (Kap. 6, 3ff.) in Anwendung kommen soll, liegt wahr- scheinlich, wie in Kap. 6, 7., ein unter den Juden übliches, von den Gesetzeslehrern herstammendes Sprüch- wort zu Grunde. (Maier.) IN) Zwar enthielt das Gesetz, kein ausdrückliches Gebot, aber doch eine mittelbare Vorschrift dieser Art; denn da nur der Mann das Weib durch einen Scheide- brief von fich entlassen konnte (5. Mos· 24,1), so folgte, daß das Weib ihrerseits an den Mann auf seine Lebensdauer gebunden war. Daß das Weib auch durch den Scheidebrief von der Verpflichtung gegen den Mann gelöst ward (vgl. 5. Mos. 24, 2 f.), läßt Paulus nicht sowohl deshalb unberückfichtigt, weil er nur die Regel und nicht die Ausnahmsfälle in’s Auge faßt, als vielmehr, weil es ihm darauf ankam hervorzuheben, daß das Weib ihrerseits kein Recht habe, so lange der Mann lebt, sich von ihm zu scheiden und zu befreien, an welchem Verhältnisse durch das Recht des Mannes, sich seinerseits vom Weibe frei zu machen, nichts geändert wurde. Wenn nun die meisten neueren Ausleger in dem Inhalt von V. 2 f. nichts weiter finden als ein, die allgemeine Sentenz in V· 1 belegendes Beispiel, so läßt sich dagegen ein- wenden, einmal, daß diese Sentenz auch ohne ein solches Beispiel an sich einleuchtend genug gewesen wäre; ferner, daß das Beispiel gar unangemessen und sehr hinkend wäre, indem statt des Todes des Mannes, der das Weib von ihm frei macht, vielmehr ihr eigener hätte erwähnt werden müssen; endlich, daß so das in V. 3 Gesagte als eine zufällige und müssige Aus- führung des Beispiels erscheint, während doch gerade hierauf in der Anwendung V. 4 das Hauptgewicht gelegt wird. Wir haben daher den Jnhalt der beiden Verse der Ansicht der älteren Ausleger gemäß vielmehr als Gleichniß zu fassen: unter dem Weibe ist nach einer in der heil. Schrift so häufig vorkommenden Allegorie i(Ies. 54, 5; Jer. 2, 2 f.) die Gemeinde des Herrn, unter dem ersten Manne das Gesetz (Hes. is, 8 ff.; 2. Mos. 19, 5 f.; 5. M. 4, 6sf.), unter dem andern aber Christus (2. Cor. 11, 2; Ephes 5, 25 ff.) zu verstehen; die theilweise Umkehrung des Gleichnisses, welche in der Ausdeutung V. 4 eintritt, hat deshalb keine Schwierigkeit, weil in der Wirklich- keit der Tod des Gesetzes einerlei ist mit dem Tode des Jndividuums in Beziehung auf das Gesetz. (Philippi.) Offenbar hat der Apostel das Bild nicht der Anwendung gemäß gestaltet, daß er das Weib selbst als den gestorbenen Theil bezeichnet hätte, weil es ihm besonders auf die Wiederverheirathung ankam. War der Mann eigentlich gestorben für das Weib, so war vermöge der Einheit der ehelichen Ver- bindung in rechtlicher Beziehung auch das Weib ge- storben für den Mann; und wie nun das Weib nicht DächsePs Bibelwerh V1l. Band. I. Aufl. f eigentlich gestorben ist, wohl aber» in ehelicher Be- ». ziehung todt gelegt (griech. nary9777rocr) durch das natürliche Sterben des Mannes, so sind auch die Gläubigen nicht eines natürlichen Todes gestorben, sondern zu Todten gemacht für das Gesetz, indem sie mit Christo für dasselbe gekreuzigt sind. Die weitere Ausführung des Bildes in V. 3 hat der Apostel ge- macht mit Bezug auf die Anwendung: den gläubigen Juden warfen die Judaisten auch Abfall, also religiösen Ehebruch vor; nicht ohne Absicht schreibt daher Paulus, während er in der ersten Hälfte des 3. Verses ,,wird geheißen« fgesetzt hat, dafür in der zweiten Hälfte: »daß sie nicht eine Ehebrecherin ist«. (Lange.) Man muß das von dem Eheweibe Gesagte: ,,sie ist abgethan von dem Gesetze des Mannes hinweg« (V.·2) und das von den Christen Gesagte: »wir sind abgethan (no«1:i79717«Iø7«82-) Von dem Gesetze hinweg« 6), statt dessen in V. 4 steht: ,,ihr seid etödtet worden dem Gesetze«, zusammenstellen. Des ·hemannes Tod giebt der Ehesrau als Ehefrau den Todesstoß: so hat auch uns Christi Tod abgethan von dem Gesetz. Jenes Weib war gebunden an das Ehegesetz bis zu ihres Mannes Tode: wir an das Gesetz überhaupt bis zu Christi Tod. Des Mannes Sterben machte das Weib, Christi Sterben machte uns todt für das Gesetz; der Unterschied ist nur der, daß der Mann seinem Weibe die Freiheit bringt, indem er sterbend sie verläßt, nach- dem er zuvor in Lebenseinheit mit ihr stand, Christus aber sterbend zu den Menschen herzutritt, um, sobald er auferweckt worden, mit ihnen in Lebenseinheit zu treten. (Geß.) Die sog. Reformjudem die des Gesetzes auf eigene Hand sich entschlagen und die Aufklärung zu ihrem Heiland gemacht haben, sind Ehebrechem es ist kein anderer Name den Menschen gegeben, in wel- chem wir aus der Gefangenschaft des Gesetzes frei und von seinem unerträglichen Joch ledig werden sollen, denn allein der Name Jesu Christi, des Gekreuzigten. Wohl dem Volke der Gnade, welches von Rechts- wegen nicht unter dem Gesetze ist, der Gemeinde, die nicht eine Ehebrecherin heißen darf, da sie bei einem andern Manne ist, bei Jesu Christo! (Besser.) END) Während der Mann durch sein Sterben von dem Weibe hinweg das Recht verliert, sie ferner an sich zu binden durch des Gesetzes Band, sodaß sie nun eines Andern Weib werden kann, hat Christus durch seines Leibes Hingabe für uns das Recht er- worben, das Gesetzesband zu lösen, welches uns ge- bunden hatte, so daß wir nun frei werden können. Aus dieser Ehe, in welche der auserweckte Christus uns zieht, sind dann unsre gottgeweihten Früchte erzeugt. (Geß.) Das Bild von der Ehe führt auf das Bild von der ehelichen Frucht (Lange.) Was der Apostel hier sagt, daß sagt er zu solchen, die zuvor unter dem Gesetz gewesen sind, ehe sie Christo eigen geworden; denn es heißt: ,,ihr seid getödtet dem Gesetz«, was voraussetzh daß ie vorher unter dem Gesetz gelebt hatten, und: ,,da ihr bei einem Andern seid«, was zu erkennen giebt, daß sie dem Gesetz, noch verpflichtet sein würden, wenn sie nicht Christo zu eigen geworden wären. Nur die jüdischen oder die vormals dem Judenthum zugethan gewesenen Bestandtheile der Ge- meinde also hatten den Satz auf sich zu beziehen; und sie werden nun durch das ,,ihr seid getödtet« daran erinnert, was ihnen geschehen ist, damit sie einem An- dern, anstatt wie bisher dem Gesetze, angehörig würden. Ein Tod, wie er das Weib hinsichtlich des ehelichen Verhältnisses vom Gesetze frei macht, ist auch bei ihnen erfolgt, uxid zwar ein solcher, welcher ihre Beziehung zum Gesetz überhaupt löste. Es war ein leiblicher Tod, nur aber nicht ihr eigener, sondern ein mittels 5 66 i Römer 7, 7——11. des Leibes Christi ihnen widerfahrenen der Mittler des Heils hat eines leiblichen Todes sterben müssen, mit welchem für ihn selbst die Unterstellung unter das Gesetz, ein Ende hatte; da er ihm aber zum Zweck der Ausrichtung seines Heilswerks widerfahren ist, so gilt er allen denen, die in seine Gemeinschaft treten. Jn- dem sie an seiner Person betheiligt werden, geschieht ihnen innerlich, was seinen leiblichen Tod zu dem ihrigen macht, so daß es ist, als ob sie selbst ihm gestorben wären; dies ist ihnen aber geschehen, weil sie, statt wie bisher dem Gesetz, hinfort, wie es im Rückblicke auf den gleichartigen Fall des durch den Tod ihres Mannes frei gewordenen Weibes heißt, einem Andern zu eigen sein sollten, nämlich Dem, welcher zu dem Zwecke von den Todten erweckt worden ist, damit »wir Gotte Fruchtbringen«. Der ebenso aussallende, als absicht- liche Personenwechsel: »wir« weist nämlich bestimmt darauf hin, daß das »auf daß« nicht mit »eines An- dern seid« oder gar mit ,,ihr seid getödtet dem Gesetz«, sondern vielmehr mit den Worten: »der von den Todten auferwecket is « zu verbinden sei. (v. Hofmann.) Als der Auferweckte ist Christus Der, von welchem uns die Kraft des neuen Lebens zuströmen soll, in der wir ein neues Verhalten der Heiligkeit üben; und dies kommt dann Gott gleichsam zu gute als Ertrag dessen, was er in Christo für uns gethan hat. Unter diesen Gesichtspunkt ist aber die Auferweckung gestellt gegenüber dem Gesetz, von dem die mit »meine Brüder« Angeredeten los sind, weil gezeigt werden soll, wie wenig mit ihrer neuen Zugehörigkeit zu Christo die Verpflichtung zu rechtem sittlichen Thun beschränkt oder aufgehoben ist. (Schott.) f) Jn V. 5 ist wohl vor allen Dingen zu beachten, daß Paulus nicht, wie man nach V. 4 erwarten möchte, schreibt: »denn da wir unter dem Geseg waren«, son- dern: ,,im Fleisch«; es steht dieser ustand ebenso unserer gegenwärtigen Zugehörigkeit zu Christo gegen- über, wie vorhin unsere Unterstel1ung unter das Gesetz, wir sind beiden Zuständen durch die eine Thatsache des Eintritts in die Gemeinschaft des Auserstandenen entnommen, somit müssen sie auch beide mit einander verschwistert sein, es wird der eine Zustand nicht ohne den andern gewesen sein -— ein Zusammenfallen, wel- ches hernach die Frage in V. 7 veranlaßt. Damals nun, als wir von unserer angeborenen Natur sittlich bestimmt waren, war die Kraft, welche in unsern Gliedern bestimmend wirksam war, nicht, wie jetzt, das Leben des Auferstandenem sondern es waren das die sündlichen Lüste, die Erregung derselben aber geschah durch das Gesetz; das von der Sünde bestimmte, von Geburt her überkommene Leben ließ das Gesetz keine andere Wirksamkeit üben, als daß es die schon vor- handene Sünde zur Thätigkeit erweckte, indem es die Begierde hervorrief, wie das in V. 7 ff. näher gezeigt wird. War nun das in unsern Gliedern oder Selbst- bethätigungsorganen Wirkende das widergöttliche Ver- halten der Sünde, so konnte der Erfolg eben nur der sein, daß wir dem Tode Frucht brachten. Um nun in V. 6 den richtigen Gegensatz zu bekommen, muß man den Ton auf die Angabe der Art und Weise legen, wie wir vom Gesetz losgekommen sind, nämlich indem wir dem sleischlichen Leben durch den Tod entnommen wurden; da finden wir also wieder jenes Zusammen- fallen des Standes unter dem Gesetz und in der sün- digen Natur, so daß man von jenem nur freikommt, indem man dieses letzteren los wird. Wie nun jener frühere fleischliche Lebenszustand für das Personleben ein Niedergehaltenwerden war, so daß der Wille sich nicht frei bewegen konnte, sondern einer zwingenden Macht, der Sünde, unterstellt war, so war damals auch nur ein Dienstverhältnis; gesetzlicher Art vor- handen, nämlich die Unterstelluug unter ein Gesetz, welches immer nur Forderung blieb, ohne eine Er- füllung bewirken zu können; jetzt aber, nachdem wir jenem fleischlichen Leben gestorben und in die Gemein- schast des Verklärten Lebens Christi getreten sind, jetzt sind wir wirklich durch ein Widerfahrniß des Todes vom Gesetz losgekommen, haben als Gesetzesuntergebene zu existiren aufgehört, unser Dienstverhältniß kann also nur, wie das Leben Christi selbst, ein geistlich bestimmtes sein, d. h. ein solches, welches sich frei, nur in Kraft der uns einwohnenden und zur Er- füllung ebenso treibenden als befähigenden göttlichen Lebensmacht vollzieht. (Schott.) Wenn das Gesetz über die Leute herrscht, sind sie zwar wohl nicht müssig, sondern arbeiten heftig und lassen es ihnen sauer werden, tragen des Tages Last und Hitze, zeugen und gebären viel Kinder; aber es sind beide, Eltern und Kinder, eitel Bastarde, so der freien Mutter gar nicht zustehn, müssen derhalben, wenn es lange gewährt, mit dem Jsmael doch endlich aus dem Hause und Erbe verstoßen und verdammt werden. Darum ist es unmöglich, daß die Leute durch das Gesetz, sollten zum Erbe kommen, das ist, gerecht und selig werden, ob sie es ihnen gleich sauer darunter werden lassen mit Ar- beiten und Kindergebären. Darum seien verflucht allerlei Werke, Lehre, Leben und Gottesdienst, so dazu dienen sollen, daß man dadurch vor Gott soll gerecht werden. (Luther.) Solange der Mensch im alten Wesen sich befindet, so ist sein ganzer Dienst, sein Gottesdienst ein Dienst des Buchstabensz nicht nur daß der tödtende Buchstabe des Gesetzes immerfort aus ihm liegt, er also auf Schritt und Tritt unter das Amt des tödtenden Buchstabens beschlossen ist, sondern er kann das Gebot des Gesetzes auch nur als Buch- staben fassen: es steht das Gebot als Buchstabe außer ihm, nicht als Geist und Leben in ihm da. Das Geist- liche und Lebendige in dem Gebot, ahnt der Mensch es auch, fühlt er auch das Herrliche davon, hat er auch ein Sehnen und Verlangen darnach, doch vermag er es sich nicht anzueignen, das Gebot gestaltet sich in ihm nicht geistlich und lebendig; was er davon thut und zu thun sich vornimmt, ist nicht dem geistlichen Sinn des Gesetzes gemäß, er hält sich an die Schale, statt an den Kern, an die Erfüllung eines einzelnen Buchstabens statt an die Erfüllung des ganzen Gesetzes, er giebt mehr auf die äußere Satzung, als auf das innerliche Gesetz, mehr auf die Ceremonie als auf den Dienst im Geist und in der Wahrheit. Es fehlt dem im alten Wesen noch gesangenen Menschen der lebendig- machende Geist, daher kann er im neuen Wesen des Geistes nicht dienen. Sowie wir aber aus dem alten Wesen heraus sind: so koinmt der lebendigmachende Geist (durch die Auserstehungskraft Christi) in uns, und dieser schreibt das Gesetz Gottes aus die fleifcher- nen Tafeln unseres Herzens, in unser Herz und in unseren Sinn: er läßt uns das Gesetz, das geistlich ist, auch geistlich fassen; er gießt in unser Herz die Liebe aus, die da ist des Gesetzes Erfüllung, er erleuchtet uns über den wahren, tiefen, geistlichen Sinn jedes Gebotes, er lehrt uns die Anbetung im Geist und in der Wahrheit, den Dienst im wahren Wesen des Geistes, wie wir ihn an Christo selbst sehen. (Huhn.) It. V· 7—25. Im vorigen 2l6schnitt, wenn man ihn mit dem Worte in Rats. 6, 14 zusammenhält: »die Sünde wird nicht herrschen könnten über euch, Iintenmk ihr nicht unter dem Gesetz, sondern unter der Gnade seid«, war die Lehre ausgesprochen, dast vom Gesetz los-Kommen und von der Sünde tasliomnien ein und dasselbe sei; das nun scheint aus den Satz hinauszu- Wie ein durch den Tod vom ersten Manne getrenntes Weib seid ihr nun bei einem andern Manne. 67 lausetn ,,also ist das Gesetz selber 5iinde«. Gegen eine solche Folgerung zwar, die geradezu etwas Gotteslästertiches enthielte, ums! der Itpostel mit allein Rachdruck sich«vercoahren, nnd er wird hernach dem Gesetz das Prädikat der Heiligkeit nnd jedem einzelnen Gebot einen dreisachen Ghrentitel beilegen können; dagegen must er aber auch den in V. 5 ausgesprochenen Satz aufrecht erhalten: »du wir im Fleisihe waren, da waren die sündlicheu Lüste, welche durchs Gesetz lich erregten, kräftig in unsern Gliedern, dem Tode Frucht zu bringen«, und weist nun die Wahrheit dies’es Satzes in allen seinen einzelnen Theilen aus seiner eigenen inneren Erfahrung zu der Zeit, da er uoth unter das Gesetz gethan war, nach, indem er zeigt, wie durch das Verbot des Gesetzes: »las3 dich nicht gelüsten« die früher in einer Art Todesschlummer bei ihm befindliche Lust zum Leben gekommen sei und jetzt kräftig sich erwiesen habe, ihm den Tod zu bereiten (V. 7-—13). Fiir seine eigene person ist solcher Stand unter dein Gesetz ein vergangener, er wirst niiht weg die Gnade Gottes (Gal. T, 2t), nnd da kann er non sieh bezeugen (sJhil·. 4,13): »ich vermag alles durch den, der mich uiächtig nimm, Christus-«; aber unter seinen iudeuchrisklicljeu Lesern hat er ,,Schwaa")e« (Itiap.11l,1), denen die Ehrerbietung, woncit sie noch an dem niosoisajen Gesetz hingen, die Gefahr einer Ueberfchiitzciiig desselben insoweit bringen konnte, das! sie in indaiskisctser Weise durch das Gesetz, gleichwie Itndere gereiht (Gal. s, Ll), so ihrerseits heilig werden wollten nnd damit ebenfalls Christum verlören und ans der Gnade fielen, ob sie gleich daran festhielten, dasl jener mit seinem Blute von ihren dermaligen Sünden sie gewasiheti und diese sie zu Erben der Uerheislnng gemacht habe. Wie denn Paulus amh sonst den Juden geworden als ein Linde, aus dast er die Juden gewinne (t. Tor. g, 20), so steigt ersetzt im zweiten Theil unsers Abschnittes O. 14 —25) non seinem Chriskenstande als dem eines Starken (Rap. 15,1) herab ans den Chriskenskand derer, deren Gebrechlichkeit er tragen will, und beschreibt, der Kräfte der wiedergebnrh deren er in der Glaubens- gemeinschaft initChrisko theilhaftig geworden, gänzlich schweigend, sich lediglich als einen frommen, dem Ge- setze treu ergebenen nnd zur Erfüllung der Gebote desselben von Herzen bereiten Jsraelitem der aber. weil er eben von Christo abskrahirt und sich auf sich selber stellt, mit der ihm non Natur einwohtiendeti Sünde einen srtichtlofen Ziatnps führt nnd ihr beständig unter— liegt; solcher Stand unter dem Gesetz, der zu lauter Ge- wissensängsteu nnd Seelennöthen führt, treibt denn mit Tiothwendigkeit zu Christo hin, nnd zu dem will der Ilposteldieschwactjen unter seinen Lesern mit sich hinüber- nehmen, um dann im folgenden Absihnitt zu zeigen, was sie an ihm haben. 7. Was wollen wir denn nun [mit dem in V. 5 u. 6 Ausgesprochenem sagen? Jst das Gesetz Sunde släust uns re Behauptung etwa darauf hinaus, daß das Gesetz, die erzeugende Ursach der Sünde und also auch für sie verantwortlich zu machen sei Micha 1, 5]? Das sei ferne!» Aber die svor demselben schon vorhandene] Sunde erkannte sin diesem ihrem Dasein] ich nicht sum hier aus meiner eigenen persönlichen Erfahrung zu reden, die aber zugleich die Erfahrung jedes rechten Jsraeliten ist, der aus die Vorgänge feines inneren Lebens Acht gegeben hat] ohne durch’s Gesetzt [dasselbe ist demnach nur diejenige Kraft 1. Cur. 15,56·, welche die im Inneren verborgene Sünde nach außen treibt, um sie und ihr Elend uns so zu recht lebendigen! Bewußtsein zu bringen] Denn ich wußte nichts von der Lust sdaß in.ihr, die ich vielmehr für unschuldig und unsträflich hielt, weil sie mir ja angeboren und natiirlich sei, die Sünde ihren Wohnsitz und ihre Wirkungsstätte habe Jak. I, 14 f.], wo das Gesetz nicht hätte gesagt: Laß« dich nicht gelüsten swie es das in 2.Mof.20,17; s. M. s, 21 thut]. 8. Da nahm aber die smir inwohnende V·17] Sünde Ursach sAnlaß oder Anregung] am Gebot seben an diesem Wort: »laß dich nicht gelüften«, ihr bisher mir verborgenes Dasein mich spüren zu tasseu], und erregte in mir allerlei Lust sgerade das haben und genießen zu wollen, was dort auch nur zu begehren mir untersagt wird, und gelangte ich denn so zu ihrer Erkenntniß ver- mittels des Gesetzes V. 7]. Denn ohne das Gesetz war die Sünde todl" [noch regungs- oder wirkungs- los, gleich als wäre sie Überhaupt nicht vorhanden] 9. Jch aber lebte etwa sd. i. etwan, irgend einmal Weish. 5, 3 Anm.] ohne Gefetz snämlich während dieser Zeit, wo ohne das Gefetz die Sünde noch todt war —- befand mich da noch im Stande relativer Unschuld]. Da aber das Ge- bot kam smit seinem bestimmten Verbot an mich herantrat], ward die Sünde [von der ich vorhin sagte, daß ohne das Gefetz sie gleich einem Todten gewesen V. 8] wieder« sbesfer: nunmehr] lebendig sindem sie jetzt ihrerseits zum Leben kam]; 10. Jch aber sder ich bisher im Leben mich befand V. 9] starb [nun meinerseits, indem ich in Folge der bösen Begierden, die mein Herz durchzogeiy aus dem Stande relativer Unschuld in den positiver Schuld übertrat], tmd es befand sich sstellte sich als Resultat dieses ganzen inneren Prozesses heraus-J, daß das Gebot mir zum Tode gereichte, das mir doch sden Anssprüchen der gött- lichen Verheißung gemäß] zum Leben gegeben war [3. Mos. 18, z; 5. Mos. 5, II; Luk. 10, 28; Röm. 10, 5; Gal. Z, 12]. 11. Denn die Sünde [wie in V. 8 gesagt] nahm Ursach am Gebot sihre Macht über mich geltend zu machen in den mancherlei Begierden, die sie in mir erregte], und betrog mich sum das, wozu es mir gegeben war, wie die Schlange Evam um das Leben berückte mit ihrer Schalk- heit 2. Cor. n, Z] und tödtete mich durch das- selbige GeboPM sindem sie selber dasjenige Leben mir noch nahm, in welchem ich doch bisher mich befunden V. 9]. r) Der Apostel hat nachgewiesen, wie das neue Dienstverhältnis; zu Gott das alte zum Gefetz nicht blos aufhebt, sondern sogar, indem dies Losko1nmen vom Gefetz nur in und mit der Erledigung von dem natürlichen Leben der Sünde zu Stande gekommen ist, erst ein rechtes sittliches Verhalten ermöglicht; eben 58 68 Römer 7, 12. 13. darum scheint ja nun aber das Gesetz der Kategorie ,,Sünde« zuzufallem scheint zu den Dingen zu ge- hören, welche Sünde sind, um so mehr, da es schon in V. 5 geheißen hatte, daß durch’s Gesetz die sünd- lichen Lüste sich erregten. Dieser Mißverstand wird nunme beseitigt; aber je widersinniger er schon an sich selbst ist, desto deutlicher sieht man auch, daß es dem Apostel nicht blos um seine Beseitigung zu thun sein kann, sondern um die Vermittelung eines weiteren selbständigen Gedankens. Es wird nämlich nachge- Wiesen, inwiefern allerdings, obwohl das Gesetz nicht selbst Sünde ist, dennoch in dem Stande unter dem Gesetz, ein Vollkommenes sittliches Thun, ein rechtes Gottdienen gar nicht möglich ist. Paulus spricht da von seiner bestimmten eigenen Erfahrung; es ist das aber zugleich eine Erfahrung aller derer, die mit ihm demselben Gesetz, nämlich dem mosaischen, untergehen waren. (Schott.) Das ,,ich« ist natürlich das des Apostels; aber was er von sich erzählt, gehört der Zeit an, welche über seinen Christenstand zurücklag (v. HofmannJ Er beschreibt nun in unserm Abschnitt einen Stusengang, der scheinbar abwärts führt bis zur Verzweiflung, znm Todesgefühh eben damit aber aufwärts führt zum wahren Leben; es ist der Weg der göttlichen Traurigkeit zur Seligkeit, die Höllenfahrt der Selbsterkenntniß nach Luther, welche der Himmel- fahrt mit Christo als ihre Vorbedingung vorangeht. (Lange.) Zunächst spricht der Apostel das Verhältniß der Sünde zum Gesetz aus und beschreibt das letztere als das die Sünde zur Erscheinung bringende Moment: sie ist in der menschlichen Natur auch abgesehen vom Gesetz, aber nur an dem Gesetz kommt sie zur Er- scheinung und dadurch zum Bewußtsein des Menschen. (Olshausen.) it) Sünde und Lust stehen hier in dem Verhält- nisse zu einander, wie die vegetative Kraft der Pflanze und der in die Erscheinung tretende Keim; mit andern Worten, es ist Sünde die reale Möglichkeit der Sünde, Lust ihre unvollendete Erscheinung, sowie die äußere Handlung ihre vollendete Dar- stellung. (Tholuck.) Eigenthümlich ist in diesen Versen das Verhältniß, in welches Paulus die Sünde und die Lust setzt; auf den ersten Blick nämlich scheint es, als betrachte er die Lust als das Erste, die Sünde als das Abgeleitete, und in der sündigen That verhält sich ja wirklich beides so, die böse Lust ist die Mutter der bösen That (Jak. l, 15). Allein ,,Sünde« be- zeichnet hier den sündhaften Zustand überhaupt, der nur im concreten Fall zur Erscheinung kommt, und für dieses Verhältniß ist die Stellung gerade um- gekehrt: aus der allgemeinen sündhaften Natur des Menschen geht die Lust als erste Aeußerung hervor, und dann folgt erst die That. Bei genauerer Betrach- tung der Worte des Apostels wird nun aber auch klar, daß er hierin das Verhältniß der Sünde zur Lust ebenso gefaßt haben will: die Sündhaftigkeit läßt die böse , ust in allen ihren Formen (,,allerlei Lust«) am Gesetz Im Innern aufsteigen, und das göttliche Gebot wider die Lust enthüllt nun dem Menschen sein Verderben. Es ist also von einem Hervortretenlassen der Lust in der That gar nicht die Rede; die Lust selbst ist sündig und im Gesetz verboten, und dem Menschen kann auch an der Größe der Begierde seine Sündhaftigkeit zum Bewußtsein kommen, selbst wenn sie nicht in äußere bose Thaten ausbräche Daher ist auch das Wort: ,,laß dich n1chtgelüsten« nicht so zu verstehen, als hebe Paulus aus»den vielen Geboten nur eins hervor, sondern es· ist als Inbegriff des ganzen Gesetzes zu fassen; positiv sagen alle Gebote: ,,liebe Gott über alles-«, negativ sagen sie alle: ,,Laß dich nicht gelüsten-«. (Olshausen.) Nicht blos in Rückbeziehiing auf V. 5 führt der Apostel gerade dieses Gebot aus dem De- kalog an, sondern auch, um die Untrüglichkeit des Sündenspiegels im Gesetz zu zeigen, wie gründlich und tief das Gesetz, die Sünde bis auf ihren Keim ver- folge, wie das Gesetz das dem Menschen als Sünde vorhalte, was er sich in seinem natürlichen Zustande gar nicht als Sünde anrechnet. Die groben Ausbrüche des sündlichen Verderbens gegen die anderen Gebote, z. B. Fluchem Morden, Ehebrechem Stehlen u. dgl., fühlt wohl auch der natürliche Mensch als Sünde, und sie kommen als Sünde zum Bewußtsein (freilich als Sünde, d. h. Uebertretung eines göttlichen Ge- bots auch nicht ohne das Gesetz); aber über die Lüste und über das ganze Erbverderbem daraus die sünd- lichen Lüste aufsteigen, geht er so weg als über etwas Natürliches in den Sinnen Liegendes, womit man es nicht so genau zu nehmen habe, wenn es nur nicht zur That komme. Alle Sündenerkenntniß des natürlichen Menschen aus der eigenen Vernunft und nicht aus dem geosfenbarten Gesetz Gottes, wie fein sie auch sei, ist nicht die rechte; denn sie ist nicht diejenige Sünden- erkenntniß, die zum Sterben führt (V. 10). Zum Sterben muß es aber kommen, der Mensch muß den Tod, der der Sünden Sold ist, erkennen und fühlen, er muß seufzen lernen: »wer wird mich erlösen von dem Leibe dieses Todes« (V. 25), wenn anders es mit ihm zu einem neuen Leben kommen soll. (Huhn.) Was Paulus mit den Worten ausspricht: ,,Da nahm die Sünde Ursach am Gebot und erregte in mir allerlei Lust«, das ist die Geschichte der Sünde, von der auch Heiden etwas wissen. Ihre Sprüchwörter sind wahr: ,,Nach dem Verbotenen streben wir immer, begehren Verwehrtes,« sagt der Römer Ovid (Am. Z, 4. 17: nitimur in vetitum semper cupjmusque ne— ganz, vgl. Spr. 9, 17), und ein anderer (Horaz Carm. l. 0d. Z, 25: audax omnia perpeti gens humana ruit in vetitum nefas): »Kühn genug, alles darum zu leiden, stürzt die menschliche Art in das verbotene Unrecht:« Kam es von der am Verbote entbrannten Begierde nicht zur thatsächlichen Uebertretung des (bürgerlichen oder religiösen) Verbots, so hielten frei- lich die Heiden sich für rein; die Offenbarung des rechten Gottes aber im Gesetz, zeiht mich der Sünde, weil Lüste jeglicher Art in mir stecken, die am Gebote sich erregen, statt sich brechen zu lassen. Auf welche Lust immer das Gebot stößt, es sei Sinnenlust oder Gedankenlush Lust des Wohllebens in der Welt oder Lust an selbsteigener Klugheit und Vortrefflichkeit, keine einzige Lust läßt vom Verbote sich vertreiben, sondern stärkt sich, bis zu lästerlichem Murren oder lügnerischem Entschuldigem wider das Gebot. Die böseste, grund- ärgste Lust, womit die vom Gebote getroffene Sünde wi er Gott ausschlägt, ist die Feindschaft wider einen Gott, der verbietet, was mir beliebt, und gebietet, was mir zuwider ist. (Besser.) Die Sünde ist wie das Feuer in einem heißen Eisen, welches von dem Wasser, das drauf gespritzt wird und das ihm zu- wider ist, Anlaß bekommt, sich wirksam zu zeigen — sagt ein älterer Kirchenlehreu Denn ,,ohne das Gesetz, ist die Sünde todt«; sie ist zwar da, denn jeder Mensch ist von Mutterleibe an des sündlichen Verderbens theil- hastig, aber sie lebt und webt und zeigt sich nicht als das, was sie eigentlich ist, als Sünde. Weil ihr nichts widerspricht und widersteht, so geht alles seinen natürlichem ruhigen Gang: Natur und Sünde stehen in gutem Vernehmen mit einander. IN) Der Apostel unterscheidet hier zwei ver- schiedene Stadien in der Entwickelung seines früheren inneren Lebens: das erste ist das, da er ohne Kennt- Das Gesetz macht mit seinem Verbot der Luft die zuerst noch todte Sünde in uns aufleben. 69 niß des Gesetzes (als positiven Gottesgebots nämlich) dahinging in einer gewissen natürlichen (relativen) Un- schuld; es waren die Kinderjahre mit ihrem Paradiese. Wohl ist ja auch auf dieser Entwickelungsstufe die Sünde im Menschen vorhanden, sie ist’s aber noch nicht als aktive Machtx denn im vollen Sinne ist doch von Sünde immer erst dann zu sprechen, wenn es zur positiven, bewußten Uebertretung positiven göttlichen Gebots oder Verbots bei dem Menschen kommt. Wohl, auch in diesem Stadium war die Begierde schon da, indessen, sie schlummerte noch; geweckt wurde sie erst und zum Leben gebracht durch das Gesetz »Jch lebte etwa, war lebendig einstmals ohne das Gesetz«, sagt der Apostel im Tone einer gewissen sWehmuth, indem er auf jene Tage relativer Unschuld zurückblickt Dies Stadium wurde durch ein anderes abgelöst: das Gesetz, fährt er fort, trat an mich heran, es kam mir-zum Bewußtsein, und nun lebte die schlummernde Begierde auf, ich aber verfiel dem Tode. (Röntsch.) Bei Bestimmung des Sinnes der beiden Ausdrücke: ,,ich lebte« und: »ich starb« ist der Gegensatz ,,Sünde« im Auge zu behalten; Paulus kann nur erst in dem Sinne gelebt haben, in welchem die Sünde in ihm noch todt war, und kann nur auch in dem Sinne ge- storben sein, in welchem die Sünde in ihm lebendig wurde. Es ist also mit »ich lebte« ein Dasein gemeint, welches im Vergleich mit dem später durch persön- liche Sünde selbstverwirkten Todeszustande den Namen des Lebens noch verdiente, ein gewissermaßen dem paradiesischen Stande der Unschuld ähnliches Dasein tdoch nur gewissermaßen ähnlich, weil ja die Sünde, obwohl wie todesschlummer-artig, bereits vor- handen war), nämlich der Zustand des noch nicht in den sog. status ciiseretionjs (Stand der Selbstent- scheidung) eingetretenen Kindes, in welchem Sünde und Tod noch nicht aus schlummernden Potenzen zu per- sönlich aetualisirten geworden sind (Jon. 4, 11). An dem göttlichen Gesetze gelangt der heranreifende Mensch zum Bewußtsein dessen, was gut und böse ist; es be- ginnt nun ein selbstbewußtes und vollbewußt sich selbst bestimmendes sittliches Handeln, aber dieser Anfang persönlicher sittlicher Selbstbethätigung ist auch der Anfang persönlichen Anheimfallens an Sünde und Tod. Das Gesetz ist also nicht selbst Sünde, sondern daß es Sünde und Tod zu persönlichen Erfahrungs- thatsachen für uns niacht, ist die in unserm natürlichem d. i. angeborenen, geburtsweise übererbten Zustande begründete Wirkung der an sich heiligen und gerechten und guten Offenbarung dessen, was Gott von uns fordert. (Delitzsch.) Jn den ersten Verschuldungen reflectirt sich psychologisch mehr oder minder stark die adamitische oroegoiktocoig (Kap. 5, 13 Anm.), und mit dem Gefühl des Schuldbewußtseins stellt sich sofort auch das Gefühl der Todschuld ein (,,ich starb«), wobei man nun nicht erst zu fragen hat, ob das vom physischen, vom geistlichen oder vom ewigen Tode zu verstehen; das Gefühl der Todschuld macht eben keine Unterscheidung dieser Art, vgl. 1. Mos. Z, 7 f. (Lange.) Uns Occidentalen hat der Ausdruck: »die Sünde tödtete mich durch dasselbige Gebot« etwas Aufsallendes, nicht so für den Orientalen; die Rabbinen nennen die angeborene Lust den Todesengel, und findet sich bei ihnen der Ausspruch: »die böse Natur des Menschen steht alle Tage gegen ihn auf und sucht ihn zu tödten-« (Tholuck.) 12. Das Gesetz ist je [d· i. gewißlichPred. 4, 9 Anm., für sein Theil, statt irgendwie Sünde zu sein V. 7] heilig, und das Gebot sum welches es in dem einzelnen Falle sich handelt] ist heilig, recht und gut-I« [1. Tim· I, 8]. 13. Jst denn [nun, wenn ich in V. 10 sagte, das Gebot habe mir zum Tode gereicht, eben dies, das Gebot, das wir soeben als etwas er: kannt haben], das da gut ist, mit ein Tod sdessen er z eu g en d e und dafür verantwortlich zu machende Ursache V. 7] worden? Das sei ferne! Aber die Sünde sdie mir dazu geworden, ist es nach Gottes Leitung, der das Gesetz gegeben, nicht auf unmittelbare Weise geworden, sondern], auf daß sie erscheine, wie sie Sünde ist sin ihrem gottfeindlichen und seelenmörderischen Wesen Joh- 8, 44 recht mir offenbar werde] hat sie mir durch das Gute snämlich das m Rede stehende Gebot] den Tod gewirket sund zwar hat das Gott, der ja recht wohl wußte, daß aus mir selber sein heiliges Gesetz ich nicht zu halten vermöchte,»für den Zweck geschehen lassen], auf daß die Sunde wurde uberaus sundig fund also in tiefster Seele mir verhaßt] durcifs Gebot« swelches sie dazu hat miß- brauchen dürfen, den Anfang persönlicher Selbst- bestimmung sofort auch zum Anfang persönlicher Verfallenheit an den Tod mir zu machen]. V) Aus dem bisher Entwickelten zieht Paulus nun den Schluß, daß das Gesetz nicht blos nicht Sünde, sondern sogar positiv heilig, gottgemäß ist; und da der Mensch thatsächlich nie mit dem ganzen Gesetz auf einmal, sondern immer mit einer oder mehreren Einzel- forderungen desselben zu thun hat, die dann der Sünde in jener Weise dienen müssen, so wird absichtlich auch das Einzelgebot in dreifacher Weise nach seiner Un- tadeligkeit anerkannt. Die Sünde hat ja den Menschen vermocht, das Widerspiel des Gebots zu thun, deshalb muß dieses heilig und recht sein; und da der Erfolg solchen Thuns nicht, wie die Sünde vor- gespiegelt hatte, ein Gut, sondern das absolute Uebel des Todes war, so muß es mit dem Gebote selbst gut für den Menschen gemeint sein — darauf ist die dritte Aussage: gut zu beziehen. (Schott.) Das Gesetz ist absolut von der Sünde geschieden und der Sünde ent- gegengesetzh es ist »heilig«; und zwar gilt dies nicht nur von dem Gesetz im Ganzen, sondern auch von seiner Explieation in dem einzelnen Gebot. Das Gebot ist erstlich ,,heilig« nach seinem Ursprung als Gottes Gebot, zweitens ,,gerecht« als Einzelbestim- mung des Gesetzes, dieses Systems der Gerechtigkeit; und drittens »gut«, d. i. wohlthätige Lebensförderung an sich trotz seiner Todeswirkung an mir, ja auch durch seine Todeswirkung — dies weist schon auf den seligen Ausgang der göttlirgen Traurigkeit und auf das Evangelium hinüber. ( ange.) · H) Jn V. 7 war die Frage aufgeworfen: »Ist das Gesetz Sünde?« und hier wird gefragt: ,,»ist das Gebot mir ein Tod worden?« Beides wird auf gleiche Weise zurückgewiesem indem die Schuld beide Male der Sünde zugeschrieben wird. (Philippi».) Jm zweiten Falle nun ist das dritte dem Gebot bei- gelegte Prädikat: »gut« das neue, jetzt zu lösende Problem; denn daß das Gebot als ein heiliges und gerechtes den Tod gebracht, wäre nicht so sehr zu verwundern, aber ein Räthsel ist’s, daß» es als»e»in gutes ihn bringen sollte. Die Erklaruiig dieses Räthsels will dann auch zeigen, wie das Gesetz die 70 Römer 7, 14——23. große Wendung herbeigeführt hat: durch den Tod zum Leben! ,,Gereichte das Gute selber und unmittel- bar mir zum Lebens-»« Diese Consequenz aus dem Vorigen ist wieder abzuweisen mit einem: »Das sei ferne!« Die Sünde vielmehr ist’s, die mir zum Tode gereichte; und indem sie nun gerade durch das Gute, durch Mißdeutung und Mißbrauch desselben, den Tod erwirkt, erscheint sie als Sünde, wird sie in ihrem Wesen vollständig entlarvt. (Lange.) Die Verwerf- lichkeit der Sünde zeigt sich erst recht, wenn sie das Gute selbst zum Bösen mißbraucht; es ist das Ma- jestätsrecht des Guten, aus allem Bösen Gutes zu ziehen, und der Fluch des Bösen, aus dem Guten selbst das Böse zu bereiten. (Tholuck.) Der zweite, mit einem abermaligen »auf daß« beginnende Absichts- satz spricht dann den ersten noch stärker aus und steigert ihn, indem er in Parallele sich zu ihm stellt: die Sünde wird gleichsam überschwänglich sündig durchs Gebot; denn ist es schon gottwidrig, den zum Leben bestimmten Menschen in den gjottwidrigen Zustand des Todes zu bringen, so ist es oppelt gottwidrig, dazu das gottgegebene Gebot zu benutzen, welches ja gerade dem Menschen das Gut des Lebens vermitteln soll. (Schott.) Was soll also das Gesetz, da es selbst gut ist, im Verhältnis; zur Sünde? in ihrer Häßlichkeit und Abscheulichkeit, in ihrer ganzen Blöße soll sie durch’s Gesetz dargestellt und erkannt werden. Es ist nicht genug, daß der Mensch in dem Spiegel seiner eigenen Gedanken von heilig, recht und gut die Sünde ansieht: dieser Spiegel täuscht ihn; der sündige Mensch hat in sich nicht die rechten Gedanken von heilig, recht und gut; es gehört zum Wesen der bösen Lüste, daß sie auch in diesem Stück den Menschen in Jrrthum Verderben, daß sie das Gefühl des Heiligen, Rechten und Guten abstumpfen, verzerren, verkehren bis zum Gegentheih daß sie die Sünde nicht überaus sündig, sondern, umgekehrt, zu etwas blos Natürlicheny wohl gar Erlaubteny Unschuldigem, höchstens zur sinnlichen Schwachheit u. dgl. machen. Nur die Gedanken Gottes über heilig, recht und gut sind die rechten Gedanken darüber; und diese Gedanken spricht Gott im Gesetz aus. Das Gesetz, Gottes allein ist also der untrügliche Spiegel, in welcheni wir unsere Sünde ansehen müssen; und sehen wir sie in diesem Spiegel an, so wird uns die Sünde überaus sündig, so sehen wir ihre Häßlichkeit und Abscheulichkeit, ihre ganze Blöße. Zu diesem Zweck hat Gott das Gesetz gegeben; dazu sollen wir es brauchen. (Huhn.) 14. sJst also gleich, wie in V. 1«0 gesagt, das Gesetz uns zum Leben gegeben, so vermag es doch um unsrer natürlichen Beschaffenheit willen uns nimmermehr zum Leben zu v erh elfen.] Denn wir wissen [Kap. 2, 23 Z, 19], daß das Gesetz [zwar seinerseits] geistlich ist [des Geistes Art und Natur an sich tragend, so daß, wer ebenfalls den Geist Gottes in sich hat, mit seinem Wesen ihm entspricht]; ich aber sfo muß da jeder Einzelne von uns bekennen] bin smeiner mensch- lichen, von Adam überkommenen Natur nach] fleischlich sdem Fleische gemäß geartet und gerichtet Kap. 8, 4 ff.; Joh. Z, 6; 1. Cor. 3, 1], unter die Sünde verkauft* szu einem leibeigenen Knecht, daß ich ihr Gehorsam leisten muß, ohne im ein- zelnen Falle erst noch fragen zu dürfen, ob ich das auch will 1. Kön 21, 20. 25]. 15. sDas merke ich allüberall bei meinem täglichen Thun und Handeln] Denn ich weiß swenn ich etwas ausrichte] nicht, was ich thue swie solches Wissen doch überall da stattfinden wo man nach eigenem Willen sich entscheidet, son- dern bin wie ein Sklave, der nur dem Gebote des rücksichtslos über ihn verfügenden Herrn folgt]; denn ich thue nicht, das ich will, sondern das ich sals etwas meiner Zuneigung oder Willensrich- tung Widerstrebendes Kap. 9, 13] hasse, das thue ich [vgl. V. 19]. 16. So ich aber smit dieser oder jener Uebel- that] das thue, das ich [selber] nicht will, so willige ich sstimme dem zu], daß das Gesetz swelcheszmir eben dies Böse, das ich nicht will, verbietet] gut sei swie es von sich selbst bezeugt 5. Mos. 4, 8; Pf. 19, 8 sf.]. 17. So thue nun swenn ich Böses ausrichte oder in’s Werk setze] ich dasselbige nicht, son- dern die Sünde, die in mir wohnttt [die voll- bringt es mittels der Obmachh die das Fleisch über mich hat]. 18. Denn ich weiß swenn ich so, wie in den vorhergehenden Versen geschehen, zwischen meinem eigentlichen Jch und der in mir wohnenden Sünde unterscheide »und beide in Gegensatz zu einander stelle], daß in mit, das ist [um dasjenige Jch, welches ich bei dem »in mir« meine, näher zu bezeichnen] in meinem Fleisch, wohnet nichts Gutes [genauer: Gutes nicht wohnet]. Wollensdas Gute] habe ich [dem inwendigen Menschen-nach V. 22] wohl [es liegt mir da nicht ferne, sondern zur Hand]; aber Vollbringen das Gute [von dem es darnach scheinen könnte, als brauchte ich nur zuzufafsen, um sofort es auch zu ergreifen] finde ich [gleichwohl] nicht [vielmehr entzieht sich mir dies Vollbringen auf der Stelle, sobald ich dazu schreite, und schiebt sich nun das gerade Gegentheil von dem mir unter, worauf jenes, mein Wollen, gerichtet war]. 19. Denn das Gute, das ich will, das thue ich nicht lwie schon in V. 15 gesagt], sondern das Böse, das ich nicht will, das thue ich. 20. So ich aber thue, das ich nicht will, so thue ich swas meinen inwendigen Menschen be- trifft] dasseibige nicht sum hier auf den Satz in V. 17 zurückzukommenh sondern die Sünde, die inmir ivohntispk sals eine meinem eigentlichen Jch entgegenstehende und es überwältigende Macht Gal. s, 17]· · 21. So finde ich mir nun sfasfe ich jetzt den aus V. 15—»20 sich ergebenden Thatbestand in eine Summe zusammen] ein Gesetz [auferlegt, dem ichL der ich wia das Gute thun kdamit doch mich nicht entziehen kann, es gehört vielmehr zu meiner Natur, dies Gesetz nämlichL daß mir das Böse au- Um eben dieser Sünde willen ist eine rechte Vollbringung des Gesetzes uns gar nicht möglich. 71 banget swelches denn mein Wollen mich nicht zur Ausführung bringen läßt, sondern mein Thun so- fort ins gerade Gegentheil verkehrt]. 22. Denn ich habe smit allen alttestament- lichen Frommen Pf. I, 2; 112, I; 119,16.47. 70. 771 Lust an Gottes Gesetz nach dem inwendigen Menschen [2. Cor. 4, 16 Anm.]; » 23. Jch sehe aber ein ander Gesetz in meinen Gliedern, das da widerstreitet dem smit Gottes Gesetz V. 22 im Einklang sich befindenden V.16] Gesetz in meinem Gemuthe sdiesem Gegenpart der Glieder Matth. 26, 41; Ephes Z, 16], und nimmt mich gefangen in der Sunde Gesetz, welches lals Widerspiel des Gesetzes Gottes] ist in meinen Gliedern-s— sdaß ichi wider meinen eigenen besseren Willen dasjenige thue, was dasselbe mir vor- schreibt, das Böses. i) Jn dieser Schilderung redet der Apostel nicht nur, wie bisher, in der ersten Person, sondern auch, anders als vorhin, in der gegenwärtigen Zeit, gleich als ob er noch damals, als er schrieb, in dem beschriebenen Kampfe gestanden hätte; er trennt sein Jch von der in ihm vorhandenen Sünde (V. 17) und sagt, nach dem inwendigen Menschen habe er Wohl- gefallen an Gottes Gesetz, was bei einem Unbekehrten ja keineswegs der Fall ist. Aus diesen Gründen haben viele Schriftausleger annehmen zu müssen geglaubt, Paulus rede hier von dem Zustande eines wieder- geborenen, gerechtfertigten Christen, und haben dabei sich auf die tiefen Erfahrungen von der Macht der Sünde berufen, welche die heiligen Männer Gottes sowohl in als außerhalb der heil. Schrift aus ihrem Leben schildern. Dagegen aber haben andere Aus- leger eingewandt, der Apostel könne hier nicht von seinem wiedergeborenen Zustande reden, denn der Zu- sammenhang lehre ja, daß er hier den Zustand unter dem Gesetze beschreibe, während er den friedevollem seligen Zustand wiedergeborener Christen erst im fol- genden Kapitel darstelle; von den letzteren könne doch unmöglich gesagt werden, daß sie fleischlich und unter die Sünde verkauft seien (vgl. Kap. 6, 6 u. 14), daß sie das Gute, das sie wollten, nie vollbringen· könnten (im Widerspruch mit V. 4 u. Kap 8, 1fs.), ja, auch der Ausdruck «fleischlich sein« bedeute doch offenbar dasselbe, wie ,,im Fleische fein« in V. 5. Unleugbar, so müssen denn auch wir sagen, ist der Kampf, welchen der Apostel beschreibt, ein Kampf unter dem Gesetz, nicht. der Kampf eines gläubigen Christen mit den Waffen des Evangeliums; es ist der ohnmächtige Ber- such der sich selbst überlassenen Natur, ohne innere Er- neuerung und Gemeinschaft mit Christo, blos durch das Wohlgefallen am Gesetze Gottes, das Böse zu meiden und das Gute zu vollbringen. Denn nicht nur wird zwischen V. 13 u. 14 nichts von der Rechtfertigung durch den Glauben gesagt, sondern auch nachher ge- schieht nur des Gesetzes, nie des Evangeliums, der Gemeinschaft mit Christo fund des Geistes der Kind- schaft, bei dem Kampfe Erwähnung. Nichtsdestoweniger, so sagen wir jedoch weiter, führt die Darstellung des Apostels darauf hin, daß er hierbei die bestimmte Ab- sicht hatte, anzudeuten, wie auch er noch gegenwärtig, falls das Bewußtsein der göttlichen Gnade in Christo von ihm weiche, solche fruchtlose, ohnmächtige und darum tödtende Kämpfe unter dem Gesetz» haben müs e: nachdem er bis V. 13 als von einer vergangenen Zeit geredet, spricht er auf einmal in V. 14 in der gegen- wärtigen Zeit, indem er sich, auch noch wie er damals schon war, abgesehen von der göttlichen Gnade und blos dem Gesetz gegenüber, als hilflos verloren darstellt; immer aber hatte er sie dann nicht als wiedergeborener Christ, sondern insofern er etwa, des Glaubens unein- edenk, durch das Gesetz gerecht werden wollte — ein ustand, in welchen Petrus dort in Antiochia hinein- gerieth (Gal. Z, 11ff.) und in dem die Galater soweit vom Evangelio sich verirrten (Gal.3, 3; 5, 4), daß sie das im Geiste Angefangene im Fleische vollenden wollten und der Apostel ihnen zurufen muß: ,,ihr habt Christum verloren und seid von der Gnade ge- fallen.« (v. Gerlachh Der mit den Worten: »unter die Sünde verkauft« beschriebene Sklavenstand spricht einerseits die völlige Abhängigkeit des Fleischlichen von der Sünde aus, andrerseits aber auch schon seine Un- freiwilligkeit nnd Renitenz gegen dies Verkanftseim was nicht zu übersehen ist. (Lange.) Auch aus dem Fol- genden geht hervor, daß nach der Lehre des Apostels die sündliche Verderbniß noch nicht die Substanz des Menschen geworden, sondern nur in aceidentellem Ver- hältnis; zu ihm steht; erst wenn der Mensch aufgehört hat, dem Gesetz wider sich selbst Recht zu geben (V. 16), hat er sich ganz mit der Sünde zusammengeschlossen (Tholuck.) Ein zum Sklaven Verkaufter ist schlimmer dran, als ein geborener Sklave; und ein Verkaufter heißt der Mensch, weil er im Anfang kein Sklave ge- wesen. (Bengel.) VII) Diese drei Verse enthalten eine Auseinandew setzung und Begründung des zweiten Gliedes von V. sit: »ich aber bin fleischlich, unter die Sünde ver- kauft«; der Hauptgedanke ist der Schlxißsatz V.17 aus V. 15, und V. 16 macht eine beiläusige Folgerung. (Maier.) Jn V. 15 verneint der Apostel, daß zwischen dem, was er in’s Werk setzt, und seinem innerlichen Leben eine Gemeinschaft statthabe, ein Fremdes viel- mehr, ein Fremdartiges ist es ihm; denn es ist nicht etwas, das er will, sondern im Gegentheil etwas, das er haßt, als etwas seiner Willensrichtung Widriges von sich ausschließt — was er nicht will, thut er. Thut er aber, was er nicht will, was also nicht blos kein Gegenstand seines Wollens, sondern ein Gegenstand seines Nichtwollens, seiner willentlichen Verneinung ist, so giebt er, heißt es in V. 16 weiter, dem Gesetze, da sein Thun ein Thun des vom Gesetz-e Verbotenen ist, die der Selbstbezeugung des Gesetzes zustimmige Erklärung, daß dasselbe gut ist und wohl daran thut, das zu verbieten, was er selbst nicht will. Dieser Satz ergiebt sich aus dem, womit er seine Aus- sage in V. 14, daß er unter die Sünde verkauft sei, in V. 15 erklärt und gerechtfertigt hat. Mitdem ,,nun« in V. 17 bringt er dann einen zweiten Satz, welcher mit dem vorhergehenden zusammengenommen sein will, damit sich der Gedanke ergehe, auf den es abgesehen ist. (v. Hofmann.) Wenn es denn so steht, wie der Apostel in V. 15f. von sich gesagt hat, daß nämlich sein Sündethun seiner innersten persönlichen Selbstbe- stimmung widerstreitet und dieser sein Wille denselben guten Jnhalt hat, wie das göttliche Gesetz, so folgt daraus, daß der Grund des Sündigens in einem Wollen liege, welches zwar im Mensch en, aber doch von seinem auf das Gute gerichteten persönlichen Willen verschieden ist; und dies ist eben die Sünde. So hat sich der Gegensatz des Gutes wollenden und doch Sünd e thuenden Menschen umgesetzt in den Gegensatz des persönlichen Jch und der in ihm wohnenden Sünde. (Schott.) Falsch ist es, wenn man blos dem durch Christum wiedergeborenem erneuerten Menschen ein solches Jch zuschreiben wollte, welches einwilligt, daß das Gesetz gut sei: der Piensch würde aufhören, Mensch 72 zu sein, müßte nicht sein innerstes Wesen auch wider Willen und mitten im Vollbringen der Sünde dem Schöpfer das Zeugniß geben, daß er ihn gut geschaffen habe und daher sein Gefetz gut sei. Dies auch in den blinden Heiden wohnende, unkräftige, stets unterliegende Gefallen an Gottes Gesetz ist bei Weitem noch nicht ein Zeugniß von dem neuen Menschen in ihm; aber nichts desto weniger kann auch mitten in dem Gnaden- stande eine Zeit eintreten, wo der Mensch unter das Gesetz geräth und nichts weiter als das hat. (v. Gerlach.) Der vom Apostel geschilderte Widerspruch des Menschen mit sich selbst wird auch öfters von griechischen und römischen Klassikern erwähnt (0vid. Klemm. 7, 19: Aliudque Cupido, mens aliud sonder; vide0 melioisa pr0b0que, deteriora sequoinseneca episi.sIlI: Quid est; hoc, Lucili, qu0d nos alio tendentes alio irahit ei; so, unde recedere cupimus, repellitsi quid col- Iuctatur cum animo n0str0, net: permittit nobis quidquam semel vel1e. Epicten Enohixz II, 26: ö åztocproiiimsi — Z fis-» HEXE, m? »als-«, uoci Z sit-H HEXE, nackt. Vgl. Eurip. Medea v. 1077 u. Xenopik Symp- VI, 1 § 41), obwohl ihre Aussprüche allerdings nicht um Beweise dienen können, daß sie eine solche Knecht- fchaft unter die Sünde als den herrschenden Zu- stand bei allen Menschen angesehen haben. (Tholuck.) Obwohl auch in der Heidenwelt ähnliche Erfahrungen, wie sie hier geschildert werden, sich mit dem Wissen um das nach Kap.2,15 jedem Menschen eingeprägte Gottesgesetz verbinden können, so redet doch der Apostel von dem heilsgeschichtlichen positiven Gesetze und jedenfalls von einer solchen sittlichen Scheidung des inneren und äußeren Menschen (V. 21ff.), welche nicht in dem Menschen als solchem besteht, sondern von dem heil. Geiste, dem auch durch das Gesetz wirksamen, gewirkt wird, wenn anders der Mensch sich zur Selbst- besinnung, d. i· zur Erkenntniß seiner Pflicht, Gottes Willen zum Inhalt seines eigenen Willens zu machen, bringen läßt (Joh. 7, 17); er beschreibt also die sitt- lichen Erfahrungen des von der Gnade ergriffenen Menschen unter dem Gesetz, welcher dasselbe lieb» ge- wonnen, weil es ihm Liebe abgewonnen. Der Mensch ist da gewillt, zu thun, was das Gesetz ihm als Gottes Willen vorhält (Ps. 119, 5); aber die seiner Natur inne- wohnende Sünde macht es ihm unmöglich· Die Wir- kung des Geistes der Wiedergeburt ist das noch nicht, denn jenes Wollen des Guten ist ein ohnmäch- tiges; aber darum ist dieser Zustand für den Wieder- gebotenen doch nicht ein schlechthin vergangener, auch ihm wird es nicht erspart, dergleichen Erfahrungen zu machen, daher denn hier überall die Zeitwortsform der Gegenwart gebraucht wird, während in V. 7—13 die der Vergangenheit statthatte. Jeder Christ muß das, was Paulus sagt, aus selbsteigener Erfahrung besiegeln; und wohl ihm, wenn er auch das besiegeln kann, daß Gottes Gesetz, und also Gottes Wille, seine Freude ist, daß er das Gute will und das Böse haßt, und zwar so, daß die Sünde, zu der er wider Willen fortgerissen wird, ihm innerlichst fremd ist! Aber wehe ihm, wenn er aus selbsteigener Erfahrung nur dies, und nicht auch das besiegeln könnte, daß derGeist des in Christo Jesu quellenden neuen Lebens ihn aus dem, durch das Gesetz nicht aufgehobenen, sondern iiur zu Tage gebrachten Sündenzwange und Todeszustande be- freit hat, so daß sein, durch das Gesetz auf das Gute gelenkter, aber ohnmächtiger Wille nun des Guten wirklich mächtig und dem in ihm fortwirkenden Tode eine ihn beherrschende, überwindende und endlich in Herrlichkeit triumphirende Macht des Lebens entgegen- gestellt ist. (Delitzsch.) · · sit) Was der Apostel hier von sich aussagt, beruht Römer 7, 24. 25. auf der concreten Anschauung solcher Zustände, in denen auf besonders augenfällige Weise die Gewalt der Sünde als eine blinde, das höhere Jch gefangen nehmende Macht offenbar wird; dies geschieht vorzüglich bei den Uebereilungssündem wenn der innere Mensch sein Auge auf das Gute gerichtet hat und dennoch, sobald es zur Ausführung kommen soll, unversehens das Böse in die Erscheinung tritt. Das Wollen des Guten fällt nicht so schwer; wenn aber zur Ausführung geschritten werden soll, wird es aufgehalten und —- auf einmal ist das Böse da! Der Mensch hat sich vorgenommen, sich der Afterrede zu enthalten, und auf einmal drängt sie sich über die Zunge (Jak. Z, 2); er hat sich vor- genommen, ein gutes Werk zu verrichten, und auf einmal versagen die Hände den Dienst. (Tholuck.) Es steht, will Paulus sagen, mit ihm so, daß er Gutes will, aber nicht thut, und Böses nicht will, aber thut, daß ihm also das Wollen des Guten zur Hand liegt und nicht ferne steht, aber das Vollbringen desselben unerreichbar ist; dies nun lehrt ihn zwischen sich und sich, nämlich zwischen seinem Jch und seiner angeborenen Natur, unterscheiden, indem er sich einer persönlichen Willensrichtung bewußt ist, die auf das Gute geht, aber in dem, was ihm Mittel der Bethätigung dieses seines persönlichen Willens sein sollte, also in dem, was er als angeborene Natur überkommen hat, auf solches, das ihn das Widerspiel des Gewollten thun macht, d. h. aus die Sünde trifft, welche ihm einwohnt, sofern er Natur und nicht sofern er persönlich wollendes Jch ist. So gewiß er also thut, was er nicht will, so gewiß — das wiederholt er jetzt als zu Recht be- stehende Unterscheidung —- ist nicht er es, der es thut, sondern die in ihm wohnende Sünde. (v. Hofmaniy Die Wiederholung derselben Worte (in V. 19 kehrt V. 15, in V. 20 aber V. 16 wörtlich wieder) macht auf die treffendste Weise den Eindruck einer trostlosen Einförmigkeit des inneren Ringens, bevor eine höhere Gewalt des Friedens sich im Gemüthe offenbart hat; inzwifchen ist doch diese Wiederholung keineswegs als zwecklos zu denken, vielmehr soll sie zu immer stär- kerem Bewußtsein des sündlichen Zustandes und da- durch zu immer lebendigerer Sehnsucht nach der Er- lösung leiten. (Olshausen.) » · 7«« f) Der Apostel hat dargelegt, daß zwischen seinem Wollen und seinem Thun ein Widerspruch besteht, welcher dem guten Wesen des Gesetzes, auf welches das Wollen gerichtet ist, und der entgegengesetzten Be- schaffenheit seiner eigenen Natur Zeugniß giebt (V. 15 u. 16); sodann, daß es die in ihm, d. i. in seinem Fleische oder, was dasselbe, seiner Natur, wohnende Sünde ist, welche dem Wollen seines Ich so Ent- gegengesetztes vollbringt (V. 17—20). Jn V. 2-1 be- gin1it er nun seine resultatische Darlegung mit der Folgerung: »so finde ich denn das Gesetz mir, der ich das Gute thun will, daß mir das Böse zur Hand ist«; dieses Nebeneinander seines das Gute wollenden Jch und des die Ausführung vereitelnden oder doch sich in sie einmengenden Bösen zu ändern, ist er außer Stande, es ist »ein Gesetz«, d. i. ein für ihn unab- änderlich Vorhaiidenes und ihn unausweichbar Be- stimmendes. ,,Denn —- so fährt er in V· 22 f. be- giündend und erläuternd fort — ich habe meine Lust an dem Gesetze Gottes nach dem inwendigen Me1ischen; ich sehe aber ein ander Gesetz in meinen Gliedern, im Streite liegend mit dem Gesetz in meineni Gemüthe und inich gefangen nehmend unter das Gesetz der Sünde, das in meinen Gliedern befindliche.« Es sind zwei einander entsprechende Paare von Gesetzem welche der Apostel unterscheidet: 1) ein objektives Paar — das G esetz G ottes, welches über den Menschen erhaben Wir müssen nothwendig zu Christo hin, wenn wir von der Sünde Gesetz frei werden wollen. 73 ist, indem es ihm offeubarungsweise entgegenkommt, und das Gesetz der Sünde, welches unabhängig vom Jch des Nienschen besteht, indem er sich ihm unterworfen vorfindet; sodann L) ein subjektives Paar —— das Gesetz im Gemüthe, das Gesetz seines sich selbst bestimmenden, und zwar nach Gottes Gesetz sich selbst bestimmenden Willens- und Erkenntnißver- mögens, und das Gesetz in den Gliedern, das Gesetz der seinem Jch als Bethätigungsmittel nach außen dienenden Leiblichkeih welche gleichfalls dem Ge- setze Gottes gemäß beschasfen sein sollte, in Wirklichkeit aber durch das ihr inwohnende Gesetz der Sünde bestimmt ist. Die Genitive in ,,Gottes Gesetz« und »der Sünde Gesetz« bezeichnen als gen. auctoris die gesetzgebenden Mächte, die beiden Bezeichnungen da- gegen: ,,Gesetz in meinem Geniüthe« und: »Gesetz in meinen Gliedern« benennen die zwei, dem Menschen persönlich und naturhast eigenen Gesetze, welche der Reflex jener beiden andern sind, nach dem Orte und Mittel ihrer bestimmenden Wirksamkeit; das Gesetz in den Gliedern ist das den Gliedern eingeprägte Gesetz der Sünde, und das Gesetz im Gemüthe ist die Freude des inneren Nienfchen am Gesetze Gottes, sein Wunsch und Wille, sich durch dieses Gesetz bestimmen zu lassen und dasselbe in Ausübung zu bringen. Daß in der Näherbestimmung: ,,nach dem inwendigen Men- schen« der inwendigeMensch nicht ohne Weiteres s. v. a. neuer Mensch«1st, versteht sich von selbst: jeder Mensch ist in pfychischer Verbundenheit ein innerer und ein äußerer, er hat eine dhnamisch-mannigfaltige, charakterhaft gestaltete Jnnerlichkeit und eine dy- namisch-mannigfaltige, eigenthümlich und physiognomisch gestaltete A euß erlichkeit Anderwärts bezeichnet der ,,innere Mensch« allerdings die wiedergeborene Inner- lichkeit des Menschen (2. Cor- 4, 16; Ephes Z, 16; 1. Petri 3, 4), obwohl auch da nicht an sich, sondern nur dem Zusammenhange nach; hier aber kommt der innere Mensch noch nicht als neuer, d. i. wieder- geborener, sondern zunächst nur in seiner durch die Gesetzesoffenbarung vermittelten Scheidung vom äußeren in Betracht Der Apostel meint damit nicht ein dem Menschen nach dem Falle verbliebenes höheres, besseres Selbst, sondern das durch Gnade, nämlich durch die heilsordnungsmäßige Pädagogie des Gesetzes gewirkte oder, wie sich auch sagen läßt, ent- bund ene bessere Selbst; denn im natürlichen Zustande sind innerer und äußerer Mensch gleicherweise unter der Sünde, es ist also ein Werk der Gnade, wenn es mit einem Menschen dahin gekommen, daß. er seinem inneren Menschen nach Freude an Gottes Gesetz hat und seinemeigensten herrschenden Personleben nach das Gute, dem geistlichen Gesetz Gottes Gemäße will, während in seinem äußeren Menschen, d. h. in seinen Gliedern und überhaupt in seinem Naturleben, noch das Gesetz der Sünde waltet, so aber, daß er die Sünde haßt und, auf jenes sein eigenstes herrschendes Jch gesehen, sie nicht sowohl thut als erleidet. Sonach redet Paulus zwar von sich, dem Wiedergeborenen, d. i. von noch fortdauernden und nicht schlechthin ver- gangenen Erfahrungen; aber er redet nicht von sich als Wiedergeborenem, d. i. nicht von Erfahrungen, welche ihm durch die spezifisch neutestamentliche Gnade der Wiedergeburt vermittelt sind, sondern von Er- fahrungen, welche das göttliche Gesetz in jedem Men- schen hervorruft, der sich- gegen die, dem Heilszlvecke desselben entsprechende vorbereitende und· fort und fort zuchtigende Gnade mcht verhärtet. (Del1tzsch.) 24. Jch elender Mensch sso muß ich, wenn ich nichts weiter hätte als das Gesetz, mit dem ich auf die eigene Person beschränkt bleibe, aus- rufen], wer wird mich erlösen von dem Leibe dieses Todes [von«d1esem Leibe, in dessen Gliedern die Sünde wohnt und in demselbigen kräftig sich er- weist, dem Tode Frucht zu bringen V. 5]? 25. Jch danke Gott durch Jesum Christ, unsern HErrnk sin welchem solcher Ruf nach einem Erlöser, wie hernach des Weiteren nach- gewiesen werden wird Kap. 8, 1 ff., Erhörung gefunden Kur. 6, 6]. So diene ich nun swenn ich, wie in V. 14—23 geschehen, in dem Stande mich betrachte, bis zu welchem das Gesetz mich zu bringen vermocht hat] mit dem» Gemüthe dem Gesetz»Gottes, aber mit dem Fleisch dem Gesetz der SUUdeH fund das ist ohne Zweifel noch-nicht der Stand der wahren, eigentlichen Heiligung, sondern vielmehr erst der eines inneren Zwie- spaltes, auf welchen man wegen der Erfolglosig- keit seines besseren Wollens und wegen der Menge nnd Schwere seiner Sündenfülle das Bewußtsein seiner Verdammlichkeit nicht los wird, bis es dann zu dem Stande in EhristmJesu kommt Kap. 8, 1 ff.]. «) Schon die Gestalt der Klage: ,,ich elender Mensch, wer wird mich erlösen von dem Leibe dieses Todes?« zeigt, daß sie aus der Brust eines Bekehrten kommt: ein Unbekehrter würde vor allem sehnsüchtig zu ver- langen haben nach Losbringung seines Jch vom Wollen des Widergöttlichen und vom Wohlgefallen daran und nach Kraft, ernstlich das Gute. zu wollen; der Bekehrte aber weiß sich seinem eigensten Personleben nach los von der Sünde und auf Gott und das Gute gerichtet, er seufzt darnach, daß er nun auch erlöst werde von diesem Todesleibe, durch den jenes sein Personleben so beschwert und getrübt wird, frei von dem, um jenes punctum saliens eines dem Willen Gottes gleich- förmigen Wollens gelagerten Natürlichem worin die Sünde mit ihrem Todessolde waltet. Der Apostel beantwortet nun seine, mit der Klage ausgesprochene Frage sich sofort selbst: »ich danke Gott durch Jesum Christ,»unsern HErrn«; es ist »dasvWerk Jesu Christi, daß sein sehnsuchtig Seufzen in siegesfrohes Danken übergehen kann. An Jesu Christo hat er, wonach er seufzt: in diesem Todesleibe befindlich, ist er doch, weil in Jesn Christo, frei von der Sünde und dem Tode. (Delitzsch.) Das Gesetz ist wohl mit dem in V. 15 ff. Gesagten in seiner göttlichen Heiligkeit erwiesen, indem ja die Sünde es ist, die den Menschen vermöge seiner Leiblichkeit zum Sündigen bringt (vgl. Weish. 9, 15), und eben durch das Gesetz ihm die Erkenntniß der Sünde als solcher aufgegangen ist; allein da das Ge- setz ihn eben doch in diesem Fleische beläßt, so daß also nur ein harter Conflict zwischen dem das Gute thun Wollenden und dem das Böse Thuenden entsteht, so ist damit auch erwiesen, daß man, um zu wirklichem gottgemäßen Verhalten zu gelangen, vom Gesetz los- kommen muß, und zwar so, daß man von dem Fleische erledigt wird «— der Mensch muß, wie es in V. 6 hieß, ihm absterben, das uns gefangen hält. Der Apostel kehrt also nur zu dem Gedanken, der schon durch den vorigen Abschnitt sich hindurchzog, zurück, wenn er den, dem Gesetz Unterstellten ausrufen läßt: ,,ich elender Mensch, wer wird mich erlösen von diesem Todesleibe« (wie es besser, statt »von dem Leibe dieses », Todes« heißen muß). Das kann nun nicht vom leib- 74 Römer 8, 1—7. lichen Sterben gemeint sein, denn der Klagende und Fragende möchte ja in einem Leben stehen, wo er durch seine Leiblichkeit nicht gehindert wäre, seinen Willen, den Willen des göttlichen Gesetzes zu voll- bringen; sondern er verlangt nach einer Erledigung von dem sündigen Naturlebem bei der er doch im Leben bleibt, nach dem also, was nach Knie. 6, 1 ff. dem Christen bereits widerfahren ist. Der (wenn auch Bon zu Gott Bekehrte, doch) noch nicht in Christo iedergeborene hat also geklagt: der wiedergeborene Christ antwortet mit dem Freudenrufe, mit dem er Gott für die bereits geschehene Erfüllung jenes ver- zweiflungsvollen Wunsches·dankt. (»Schott.) · » »Es) Was der »Apostel hier von sich aussagt, das ist die Verfassung, in welcher er sich befindet, seit er Gottes Gesetz kennen gelernt und dieses heilige, geist- liche Gesetz lieb gewonnen hat; er dient seitdem mit seinem frei sich selbst bestimmenden Gemiithe Gottes Gesetz, mit dem Fleische aber infolge einer unglückseligen Naturnothwendigkeit dem Gesetz der Sünde. Das Ge- setz hat seinen Heilszweck an ihm erreicht, die Sünde erscheint ihm im Lichte dieses Gesetzes um so sündiger; aber er fühlt sich auch um so unseliger, da seine dem Geseå widerftrebende natürliche Beschaffenheit ihn von der ünde nicht loskommen läßt. Weiter hat ihn das Gesetz nicht bringen können, als zu dem sehnsüchtigen Klagerufe nach Erlösung von diesem mit der Sünde den Tod in sich tragenden Leibe. (Delitzsch.) Jm ersten Menschen, wie er aus der Hand des Schöpfers hervorging, waren die beiden Grundelemente seines Wesens, das irdische und das überirdische, der Erden- staub und der Gotteshauch, im Gleichgewicht; er war weder fchon fleischlich, noch auch schon geistlich, sondern er war eine lebendige Seele (1. Mof. 2, 7; 1. Cor. 15,45). Jn diesem Zustande konnte und sollte aber der Mensch nicht bleiben; er sollte, eben weil er ein persönliches Wesen ist, sich frei entscheiden zwischen der Herrschaft des höheren Elementes über das niedrigere oder des niedrigeren über das höhere, zwischen der Hingabe an Gott oder an die Welt und ihren Fürsten, zwischen gut und bös. Welcher von beiden Wegen der normale, seinem Begriff allein entsprechende sei, war dem Menschen schon durch seine Organisation selbst angezeigt, sofern der Geist aus Gott sich durch sein eigenes Wesen als das höhere Element ausweist; und hätte nun der Mensch diesen normalen Weg ein- geschlagen, so hätte sein Geist immer mehr Lebenskräfte von oben her, aus Gott, eingeathmet und eben daher nach unten hin den Leib und auch die äußere Natur allmälig verklärt und vergeistigt, der physis ch e Lebensbestand wäre auf dem Wege geradliniger Ent- wickelung ohne Tod in den pneumatisch en über- gegangen (1. Cor. 15, 46). Faktisch hat der Mensch den umgekehrten Weg, den der Sünde eingeschlagery und dadurch ist das Unterste in ihm zu oberst gekehrt, das Oberste aber zu unterst: der materielle Faktor ist übermächtig geworden, er hat mit seiner vom Satan vergifteten Luft die Seele überfluthet, und diese ver- kehrte Einheit von Leib und Seele, in welcher der krankhaft erregte Staubesleib das herrschende Prinzip ist und welche nun die charakteristische Eigenthümlichkeit des empirischen Menschen bildet, nennt die heilige Schrift Fleisch, daher nun ,,seelisch« im Wesentlichen s. v. a. ,,fleischlich« ist (1. Cor. L, H; Jak. Z, 15; Judä 19). Der Geist ist nicht schlechthin entwichen, aber er ist einerseits zum blos natürlichen Lebens- prinzip herabgesunken; andrerseits, was das religiös- sittliche Leben, die persönliche Gemeinschaft des Men- schen mit Gott betrifft, ist er dem Sünder 11icht mehr · inne als lebendigmachende Kraft, welche das göttlich s Gute erzeugen könnte, sondern nur noch als Gesetzes- stimme, welche dasselbe bezeugt als die heilige, unver- brüchliche Norm des Menschenwefens. Das Gewissen (Kap. 2, 15) ist es, worin der zur bloßen Form und Norm gewordene, seiner Kraft beraubte, zum Thau, zur Herstellung eines entsprechenden Lebensbestandes unfähige Geist im Sünder existirt Bei Jesu ist nie- mals von einem Gewissen die Rede, weil er den Geist als Kraft besitzt Gewissen haben auch die Heiden, aber mit wenigen Ausnahmen haben sie seiner Stimme nicht gefolgt, sondern Gottes Recht und Wahrheit, die darin sich bezeugen, in Ungerechtigkeit niedergetreten (Kap. 1, 18. 28. 32); dadurch wurde ihr Gewissenslicht immer mehr verfinstert, und Gott gab sie in Unwissen- heit und thörichten Sinn dahin (Kap.1, 21f. 28; Ephes. 4, 17 f.), richtete aber auf der andern Seite in Israel fein Gesetz, durch positive Offenbarung um so nachdrücklicher auf. Auch dieses positive Gesetz ist von derselben Art, wie das natürliche Gewissensgesekn es hat keine Leben erzeugende Kraft, vielmehr bringt es, dem Menschen das heilige Jdeal seines Wesens und seiner Bestimmung vorhaltend, die Sünde erst recht zur Entwickelung nnd zum Bewußtsein, und gereicht so, statt zum Leben, zum Tode. So stehen auch bei den gewissenhaftesten und gottesfürchtigsten unter den Menschen, wie sie abgesehen von Christo sind« ja gerade bei ihnen am meisten, Fleisch und Gewissen, das Gesetz in den Gliedern und das Gesetz im Gemiith, der innere Mensch, einander gegenüber, und zwar in der Weise, daß das Fleisch und die darin wohnende Sünde das Hausregitneut führt, während es der innere Mensch nur zu einem machtlosen Wollen bringt. (Auberlen.) Das 8. Kapitel. Dei« sgcänbigen kfceiheii non der Ferdammunxx Mandel nach dem seist, Trost wider die Leiden. Z. V. 1—17. Gab mit dem vorigen Abschnitt der Apostel eine weitere Ausführung und nähere Begrün- dung des in Bau. 7,5 Gesagten: ,,da wir im Fleische waren, da waren die siindlichen Lüfte, welche durchs Gesetz sich erregten, kräftig in unsern Gliedern, dem Tode Frucht zu bringen«, so geht nun dieser neue Abschnitt aus das Wort in Kost. 7, 6 sittlich: ,,nun aber sind wir vom Gesetze los nnd ihm abgestorben, das uns gelangen hielt, also das) wir dienen sollen im neuen Wesen des Geistes, und nicht im alten Wesen des Buchskabens«, und setzt dessen Inhalt in eingehender weise auseinander; denn das! auch der hier vorliegende Abschnitt es speziell noch mit den Iudenchrisken in der römischen Gemeinde zu thun hat, geht bestimmt daraus hervor, das) Paulus in V. 3 eines Ilnsdriicsis Orepi desto-pries; —- Sünd« opser hebr.10, 6) sich bedient, der nur von solchen, welche mit der alttestamentlichett Opsersprache bekannt waren, richtig verstanden werden konnte. hat er nun im ztveiten Theile des vorigen Ilbsajnitts aus seiner eigenen Erfahrung heraus dargelegt, wie elend der Mensch ist, wenn er nichts weiter hat, als das Wollen des Guten und die inuerliche Lust an Gottes Gesetz, dabei aber, weil aus sich selbst beschränkt, nicht dazu gelangt, das Gute auch zu thun, vielmehr mit seinem Fleische dem Gesetz der Sünde dient, so niacht er da« gegen hier, und zwar gleichfalls aus eigener Gr- fahrung heraus, geltend, dasd an denen, die in Christo Jesu sind, keinerlei Verdammniss halte, sondern das Gesetz des Geistes, der da lebendig tuacht in Christo Das Gesetz des Geistes, das dalebendig macht in Chr. J., hat mich frei gemacht vom Gesetz der Sünde &c. 75 Iesn, ihn sreigemacht habe in Christo Jesn Sollte dort, wer fein Selbskzeagnist vernahm, sich veranlasst fühlen, bei sich selber zuzusehen, ob er dieser Gr- fahrung seinerseits» eine andere eittgegenzufetzen habe, so soll hier der hörer seiner Rede nun merlietg dass, um von der Sünde« frei zn werden, man nicht mehr das zu solcher Befreiung itnverniögende Gesetz zum Manne haben dürfe, sondern Christi eigen werden n1iisse, wie in Ren. 7, il gesagt war; darum schlief-it sofort ein Hinblick; auf diejenigen sich an, die unter dem Gesetz oder im Iudenlhum verblieben sind und des Gesetzes» sich zwar rühmen, aber in ihrer fleisch- lichen Seins— und Sinnesweise die vom Gesetz erforderte Gerechtigkeit nicht zu leisten vermögen, während den mit dem Geist Christi begabten Christen, wenn sce als« die im Geiste Lebenden auch im Geiste wandeln, dies allerdings» niöglich isk (V. 1——9). Leiblictj geht es mit ihnen freilich auch noch zum Tode, diesem Sold der Sünde; aber sie tragen ein Leben ans Gott in lich, das dereinst zu einer Wiederlebendigntachnng auch des Leibes sich verklärt (V.10 u.11). hatte der Apostel schon vorhin einmal Gelegenheit genommen, diejenigen, welchen speziell seine Auseinandersetzungen hier gelten, zu einer Sesbskpriifuttg aufzufordern, ob ihr Chriskenskand in dogmatischer Hinsicht auch wirst« lich ein voller Stand in Christo Jesu sei (V. 9), so folgt jetzt eine eindringliche Ermahnung an sie, in sittlicher Hinsicht ein volles Geistes-leben zn führen, wie es ihnen als Kindern Gottes; und Miterbeit Christi gebiihre(V.12—-17), und mündet so der Schfuss dieser ganzen Verhandlung mit den Judenchrisien seit Kaki. Knie. 7,1 ff. in die zunächst an die heidenchrisken gerichtete Verhandlung in Ratt. h, 16 ff. ein, womit denn der Salz in Rad. 6, 15 seine vollständige Gr- ledigteng gesunden hat. I. So ist nun sseitdem die in Kap. 7, 25 gepriesene Erlösung geschehen und sie nicht mehr unter dem Gesetz, sondern unter der Gnade sind Kap. 6, 141 nichts Verdammliches skeinerlei Ver- dammniß, wie sie nach dem im vorigen Abschnitt Dargelegten der Stand unter dem Gesetz in so reichem Maße mit sich brachte] an denen, die in Christo Jesu sind [’2. Cor- 5, 17], die nicht nach dem Fleisch wandeln, sondern nach dem Geist sdiese Worte gehören nicht hierher, sondern sind aus V. 4 von den Abfchreibern in Mißverständniß hinzu- gefugt]. Z. Denn das Gesetz des Geistes, der da lebendig macht in Christo Jesu [indem er dessen Leben mir eingepflanzt Gal. 2, 20], hat mich frei gemacht von dem Gesetz der Sünde und des Todes« sin welches das Gesetz in den Gliedern mich hatte gefangen genommen Kap. 7, 23; Joh. 8, 38]. "3. sJn Christo ist ja in der That, gleichwie dem Tode 2. Tim. 1, 10., so auch der Sünde die Macht genommen und dem lebendigmachenden Geist eine freie Bahn gemacht.] Denn das dem Gesetz Unmbglich war snämlich die Freiheit von der Sünde bei uns zu bewirken und die von ihm erforderte Gerechtigkeit in uns herzustellen Gal. Z, 21], sintemal es durch das Fleisch geschwcichet ward san welchem die Sünde eine wider alle seine Anstürme wohl geschirmte Burg besaß, aus der es sich nicht vertreiben ließ, vgl. Luk. 11, 21 f.], das that Gott sin seiner erbarmenden Liebe Joh. 3, 16 f.] und sandte seinen Sohn in der Gestalt des sündlichen Fleisches stieß ihn dergestalt Fleisch werden, daß alles, was die Beschaffenheit unsrer Natur, der sündlichen, aus-Macht, mit einziger Ausnahme ihrer sündlichen Willensrichtung, auch seiner menschlichen Natur eignete Joh. 1, 14; Phil. Z, 7; Hohe. 4, 15], und verdammte die Sünde im Fleisch [Kap. 7, 8 f. 17 f. 20f·] durch Sünde sindem er zugleich ihn ein Sündopfer werden ließ —— die revidirte Ausgabe des neuen Testaments liest hier: »in der Gestalt des sündlichen Fleisches und der Sünde halben, und verdammte die Sünde im Fleisch«], 4. Auf daß die sLebens-] Gerechtigkeih vom Gcsetz erfordert sKap. 2, 26], in uns erfüllet würde [Eol. 1, 22f.; i. Petri L, 24], die wir nun snachdem jene Verdammniß geschehen und wir unter der Gnade stehen] nicht nach dem Fleisch wandeln swie vorhin] sondern nach dem [in der heil. Taufe Tit. Z, 5 f. uns mitgetheilten] Geist« sals der fortan uns beherrschenden Macht Gal. h, 16 sf·]. 5. sMit gutem Bedacht habe ich soeben ge- sagt: »in uns erfüllet würde, die wir nach dem Geiste wandeln«, und habe da an uns Juden ge- dacht, die wir Christen geworden, im Gegensatz, zu denen, die unter dem Gesetz geblieben sind und gerade damit eine Erfüllung der Gerechtigkeit, vom Gesetz, erfordert, nicht erreichen.] Denn die da fleischlich sind smit ihrem ganzen Wesen noch so sehr Zugehörige des Fleisches, daß dieses ihr ganzes Jch beherrscht, wie das mit ihnen, den ungläubigen Juden, der Fall], die sind snunauch sachgemtiß] fleischlich gesinnet sso daß bei ihnen alles Sinnen und Denken« Trachten und Streben in des Fleisches Interessen und Zwecken aufgeht]; die aber swie wir das von uns sagen können] geistlich sind sunter dem Walten und Wirken des Geistes stehend Kap. 5, b; Gal. b, 1], die sind lfvlgstichtig UUU AUchJ gkkstlkch gesktmet lJvb Z, 5 f. und damit auf dasselbe gerichtet, was das Gesetz erfordert V. 4; 7, 14. 16]. b. Aber sin weiterer Folge kommt es denn auf jener Seite auch zu keinen andern, als zu todten Werken Hebr. 6, 1; 9, 14; denn] fleisch- lich gesinnet sein, ist sdem Charakter der Gegen- stände gemäß, auf die es sich richtet PhiL 2, Z; 3, 19; 1. Joh. 2, 17; Pf. 17, 14] der Tod [Gal. 6, 8]; und geistlich gestattet sein sdagegens ist Leben Und FriedWi sdaß das, wozu das Gesetz gegeben Kap. 7, 10; Jes. 48, 18., in Wirklichkeit uns zu Theil wird Kap. 14, 17]. 7. sDaß aber bei den Andern nur der Tod in todten Werken statt einer Leben und Frieden 76 Römer 8, 8——11. mit sich führenden Gerechtigkeitsersüllung zu Tage kommt, ist dasnatürliche Ergebniß ihrer ganzen Herzensrichtung.] Denn fleiskhlich gesinnet sein, ist eine Feindschaft wider Gott [Kap. 11, 28; Jak. 4, 4 und bringt solches Gesinntsein es nie zu etwas wahrhaft Gutem], sintemal es dem Gesetze Gottes nicht unterthan ist, denn es vermag es auch nicht-s- fweil dessen Charakter Kap. 7, 14 das gerade Gegentheil von seinen eigenen Wünschen und Bestrebungen ist]. 8. Die aber fleischlich kd. i. im Fleische als in ihrem Lebenselemente] sind, mögen [eben des- halb, weil ihre ganze Seins- und Sinnesweise eine Feindschaft wider ihn ist und der reine Gegen- satz einer wahrhaften Gesetzeserfüllung Matth. S, 20—7, 5] Gott nicht gefallen fwenn sie auch noch so steif und fest sich einbilden, mit ihrer äußeren Gesetzesbeobachtung sein Wohlgefallen sich in besonderem Maße erworben zu haben Luk. 18, 9—12]. 9. Ihr aber [init denen ich hier im Beson- deren rede, die ihr nicht blos nach dem Fleisch meine Brüder seid, wie jene Kap. I, 3., sondern auch gläubige Brüder in Christo Col. 1, 2] seid nicht [mehr, wie normals Kap. 7, H] sleischlich, sondern [seit eurer Bekehrung zu Christo] geistlich, so anders [wie es ja sein soll und sein kann] Gottes Geist in euch wohnet [1. Cor. 3,16; 2. Tini. 1, 14];· wer aber Christi» Geist sPhir 1, 19; Gar. 4, S] nicht hat, der ist nicht seinH sund da prüfet nun euch ernstlich, wie es mit eurem Christenthum beschasfen ist 2. Cor. is, 5]. , 10. So aber fwas ich von ganzem Herzen euch allen wünsche] Christus in euch [wohnend Ephes Z, 17; Joh. 14, 231 ist, so ist der Leib zwar todt [nach wie vor dem Tode verfallen und ihm auch mehr und mehr entgegenreifend L. Cor. 4, 16] um der Sünde willen fder wir nun ein- mal gedienet haben und darum es uns auch müssen gefallen lassen, daß wir ihren Sold em- pfangen Kap. S, 23], der Geist sin uns] aber [den wir von Christo empfangen haben] ist das Leben [Kap. 6, 8; 2. Cor. 4, 11 sf.; Joh. b, 21. 24] um der Gerechtigkeit willen sdie uns ge- schenket und damit aller Verdammlichkeit an uns ein Ende gemacht ist V. 1]. 11. So nun der Geist des, der Jesum sder ja auch ein Menfch war, wie wir] von den Todten auserwecket fund damit gezeigt] hat fwas an uns Menschen zu thun ihm möglich sei], in euch Wohnet, so wird auch derselbige sGott 2. Cor. 5, 5], dkk [ihn, diesen Jesum, zugleich als] Christum [d. i. als unsern Heil-mittler] von den Todten anferwecket hat fund damit kundgethan, was er an den Heils- genossen vorhabe], eure sterblichen Leiber san: Tage der Wiederkunft des HErrn durch Wiederauf- erweckung der einen und Verwandlung der andern 1. Thess 4, 16 f.; 1. Cor. 15, 51f·] lebendig machen um deß willen, daß sein Geist [der diese eure sterblichen Leiber zu seinem Tempel geheiligt hat l. Cor. G, 19] in euch wohnetfff fund er wohl zulassen kann, daß sein Tempel von der Hand des Todes gebrochen werde, aber nicht, daß er gebrochen im Staube liegen bleibe Joh. 2, 19; 2. Cor. 5, 1]. · V) Daß mit den Anfangswortenx »so ist nun« der Apostel nur aus dem nächstvorhergehendem selbst schon gefolgerten Satze (Kap. 7, 25b): »so diene ich nun mit dem Gemüthe dem Gesetz Gottes, aber mit dem Fleische dem Gesetz der Sünde« eine Folgerung macht, ergiebt sich aus der Betonung, welche das un- mittelbar sich anschließende ,,nichts Verdammliches« (d. i. keinerlei Verdammniß) hat, indem im Grundtext das ,,nichts« oder ,,keinerlei« an der Spitze des Verses steht (,,keinerlei also nun Verdammniß ist an denen, die in Christo Jesu sind«). Wer innerlicher Weise (mit dem Gemüthe) göttlichem Gesetze dient, unterliegt insofern allerdings keinem Urtheile der Berurtheilungx aber dient er daneben mit dem Fleische dem Gesetz der Sünde, so ist er um deß willen solchem Urtheil eben doch verfallen: der Tod selbst, in welchem er sich be- findet und vermöge dessen er unfähig ist, das Gute zu thun, das er will, und nicht anders kann, als das Böse thun, das er haßt, ist schon seine Verdammniß. Daraus folgt denn nicht, daß diejenigen, welche in Christo Jesu sind, jeglicher Verdammniß ledig gehen, sondern daß man, um jeglicher Verdammniß, auch der- jenigen, welcher der blos innerlich dem Gesetze Gottes Dienende unterliegt, ledig zu gehen, nicht auf sich selbst beschränkt, sondern in Christo Jesu sein muß. Wie nun der Apostel den Sah: »so ist nun nichts Verdammliches an denen, die in Christo Jesu sind« aus dem gefolgert hat, was er von sich, dem auf sich selbst Beschränkteir vorhin gesagt hatte, so erhärtet er ihn auch in V. 2 durch Geltendmachen von solchem, das ihm selbst geschehen ist. Es ist so, wie er gesagt hat, daß man in Christo Jesu sein muß, um aller und jeder Verdammniß ledig zu gehen, auf Grund eigener Erfahrung bezeugt er es; denn was ihn vom Gefetze der Sünde und des Todes frei gemacht hat, ist das . Geseg des Geistes, welcher in Christo Jesu lebendig, der ebendigkeit Christi durch Einpflanzung in seine Gemeinschaft theilhaftig macht. Daß der Apostel von einem Gesetze dieses Geistes redet, erklärt sich einer- seits aus dem Gegensatze gegen das Gesetz, welches bisher schlechthin so genannt war (vgl. Kap. 7, 6), andrerfeits aus dem Gegensatz eines Gesetzes der Sünde und des Todes, von welchem er hier redet. (v. Hofmannh Durch das Gesetz ist nicht ohne Wir- kung des heil. Geistes in ihm ein Wollen des Guten entstanden, aber ein um des Fleisches willen ohnmäch- tiges, welches eben als erfolglos ihn nicht der Ver- dammlichkeit enthebt; ist er aber zugleich in Christo, so trifft ihn jetzt auch keinerlei Verdammniß mehr, denn er ist nicht mehr unter jenem Gesetz, welches ihn nicht weiter, als bis zu diesem machtlosen unseligen Zwiespalt bringen konnte, er trägt ein über das Gesetz, der Sünde und des Todes ihn hinwegrückendes Gesetz in sich, nämlich den Geist des Lebens Christi, welcher sein Jch nun ebenso übermögend und das Vermögen des Guten mittheilend bestimmt, wie es, wenn er sich außer Christo ansieht, durch die überwältigende und alles Wollen des Guten unmöglich machende sündige Natur bestimmt wird. Das 1Invermögen unsers Jch, Was Gott in Christo gethan, um die Sünde im Fleisch zu verdammen. 77 das gewollte Gute durchzusetzem und der Zwang des Fleisches, welches wider unser besseres Wissen und Wollen zum Thun der Sünde fortreißt und dadurch, da Wollen ohne Thun des Guten vor Gott nicht als Gesetzeserfüllung gelten kann, unter den Fluch des Gesetzes Verhaftet, besteht nicht mehr, nachdem uns in Christo der Geist des Lebens erwirkt und in diesem die zum Gutes-thun befähigende und eben damit dem Todeszusiande der Sünde enthebende Macht verliehen ist. (Delitzsch.) «) Daß die Erlösung, nach welcher er in seinem Stande unter dem Gesetz rufen mußte, Gott thatsäch- vlich durch Christum gestiftet habe, hatte der Apostel schon in Kap. 7, 25 angedeutet; hier nun sagt er, was Gott für diesen Zweck gethan habe: er hat seinen Sohn gesandt in der Gestalt des sündlichen Fleisches und hat durch den Tod desselben das ganze Sündenwesen im Fleisch rechtmäßig abgethan und ihm die Macht ge- nommen, sowie andrerseits durch seine Auferweckung und Erhöhung das Geistesleben innerhalb der Mensch- heit real eonstituirt, indem Christus nun seinem ganzen, auch leiblichen Lebensbestande nach Geist geworden ist, und zwar so, daß er, weil seinem ganzen Wesen nach Herr und Haupt der ganzen Welt, zugleich Geistesquell für alle Menschen zu sein vermag (1. Cor. 15, 45 sf.; 2. Cor. 3, «17; Joh. 6,-51 sf.; 7, 37 sf.). So ist in Christo»die Herrschaft des Geistes aufgerichtet, welcher gleichmaßtg dem Fleisch und dem Buchstaben (des Ge- setzes) gegenübersteht (Kap. 7, 5f.) und nun in diesem Abschnitte die Hauptrolle spielt, während er im ganzen vorigen Abschnitt (Kap. 7, 7—25) nicht vorkam (zum Zeichen, daß Paulus dort nicht den Stand eines wiedergeborenen und in der Gemeinschaft des HErrn lebenden Christen, sondern den Stand eines solchen Jsraeliten unter dem Gesetz vor Augen hat, an dem das Gesetz seinen Heilsziveck erreicht hat, ihn zur Er- kenntniß nicht blos seiner Thatsünde, sondern auch seiner Sündhaftigkeit und seiner Ohnmacht zum Guten zu führen); durch ihn kommt denn die Wesensumwand- lung im ållienschen zu Stande, welche das Gesetz nicht zu bewirken vermocht hatte. Hat nämlich das Ge- wissen im Glauben das Wortvon Christo angenommen, so wird nun durch die Taufe einerseits das Fleisch in den Tod Christi versenkt nnd damit seiner verkehrten Uebermacht entkleidet, andrerseits der Geist von oben den Menschen mitgetheilt (Kap. S, 3 ff.; Tit. 3, 5 f.), was wir uns als eine göttliche, durch Christum ver- mittelte Einhauchung, ähnlich der bei der Schöpfung (1. Mos. 2, 7) zu denken haben. Jetzt ist das pneu- matische Element im Menschen nicht mehr blos ohn- mächtige Gesetzesstimme, sondern der Geist« ist jetzt lebendigmachende Kraft (2. Cor. B, 6), so daß nun die Rechtsforderung des Gesetzes in den Geistesmenschen wirklich zur Erfüllung kommen kann; das Fleisch um- gekehrt ist nicht mehr das dominirende, sondern es ist prinzipiell getödtet und außer Kraft gesetzt (Kap. S, 6.1l;Gal.5, 24; Col. Z, 3). So ist die Wieder- geburt geschehen; nicht mehr das Fleisch, sondern der Geist ist das Lebenselement, worin der Mensch .sich jetzt bewegt; er ist das geworden, was er seiner ur- sprünglichenBestimmung nach sein soll, ein pneumatischey Gott und dem Himmel angehöriger Ptensch (vgl. die Wem. unter «« zu Kap. 7, 25). Das Fleisch wird zwar jetzt ebensowenig aus dem Menschenwesen schlecht- hin entfernt, als vorher der Geist, es giebt noch einen fortwährenden Kampf zwischen Fleisch und Geist (Gal. 5, 17); aber der Mensch muß nun nicht mehr dem Fleische dienen, sondern ist befreit von dem Gesetze der Sünde und des Todes (V. 2 u. 12). Das Fleisch ist jetzt in einer ähnlichen Unniacht, wie früher das Gewissen (der inwendige Mensch), und der Kampf, geist- lich geführt, endet eben so gewiß mit dem Siege des Geistes, als früher mit dem des Fleisches. (Auberlen.) Das Gesetz konnte die Sünde wohl schelten, aber, weil es geschwächet ward durch das Fleisch, nicht effektiv verurtheilen; die Sünder konnte es ver- urtheilen (2. Cor. Z, 6 ff.), aber die Sünde nicht, diese lebte vielmehr auf durch das Gesetz (Kap. 7, 9). Hätte das Fleisch nicht der Sünde den Bergungsort dargeboten, so hätten die Scheltworte des Gesetzes er- folgreich sein können; denn wenn die Sünde nur vor- handen wäre als That, nicht aber als ein der mens·ch- lichen Natur einwohnender Hang, so könnten die vom Gesetze gegen die Sünde gerichteten Worte den Men- schen abhalten, neue sündige Thaten zu thun. Während nun also unter dem Gesetz die Sünder verurtheilt wurden und starben, die Sünde aber auflebte, so hat dagegen nunmehr Gott die Sünde verurtheilt, daß sie sterben muß; da enthalten nun aber die Worte: »Gott sandte seinen Sohn in der Gestalt des sündlichen Fleische»s« noch nicht den Verurtheilungsakt selbst, son- dern nur erst dessen Vorbereitung. (Geß.) Es ziemte Christo, der die Sünde im Fleische wegnehmen wollte, in keinem andern Fleisch sie wegzunehmen, als in-wel- chem die Sünde natürlich wohnte; denn, was hülfe es uns, wenn er in besserem Fleisch und in erhabenerer Natur den Sündenschaden getilgt hätte? Also, sprichst du, war Christi Fleisch sündlich, weil er unser Fleisch annahm? Mit nichtenl Da er unser Fleisch annahm, machte er es zu dem seinigen; da er es zu dem sei- nigen machte, macht er es zu nicht sündtichem (Ter- t11llian.) Gott that, was - das Gesetz nicht konnte, nämlich zugleich die Sünde verdammen und den Sün- der erretten: er sandte seinen Sohn in der Aehnlich- keit des Fleisches der Sünde und als ein Siihnopfer (Luther hat die Worte: »als ein Sündopfer« übersetztt ,,durch Sünde« und sie zum Folgenden gezogen; der Sinn ist dann der, den er selbst zu Gal.2, 19 angiebt: ,,Paulus macht zweierlei Sünde, wie der Prophet Hof. l3, 14 zweierlei Tod, die Sünde aber, die die andere verdammt, ist die rechte, wahrhaftige Gerechtigkeitz es nennt es aber St. Paulus eine Sünde aus fröhlichem Herzen, das des Geistes und Glaubens voll ist« — also s. v. a. durch sch einb are Sünde, d. i. durch einen Menschen, der mit den Sündenstrafen beladen starb, hat er die wahrhaftige Sünde verdammt), und ver- dammte die Siinde im Fleisch. »Der Sohn Gottes erschien in der Aehnlichkeit des Fleisches der Sünde«, d. i. Christus nahm, da er zuvor bei Gott als Gott war, Fleisch an, wie die sündigen, von Adam ab- stammenden Menschen es haben, doch ohne selbst Sünder zu werden (Joh. 8, 46; 14, 30); vermöge dieser An- nahme des Fleisches stellte er sich mitten in die Ge- meinschast der Sünder und ward versucht allenthalben, gleichwie wir, und mußte Gehorsam lernen an dem, das er litt, aber er hatte selbst und that keine Sünde und brach mitten in der verderbten Menschheit der Herrschaft des Geistes auf’s Neue die Bahn. Er er- schien aber ferner auch als »ein Sündopser«; die Strafe, die zu unsrer Versöhnung nothwendig war, lag auf ihm. Durch alles dies verdammte Gott die Sünde im Fleisch; er hielt Gericht und in demselben verurtheilte er sie, sie aber verlor nun ihr Recht und ihre Macht über den Menschen. (v. Gerlach.) Im Fleische erschien der Sohn Gottes, der, weil er selbst ein Sünder nicht war, deshalb eben auch nur dem Sünder ähnlich erscheinen konnte und damit, daß er, der Heilige, das Fleisch annahm, dies der Sünden- herrschaft entriß, durch sein heiliges Fleischesleben aber die Sünde im Fleisch verdammte und das gesammte 78 Römer 8, 12——1 5. Menschenwesen heiligte (,,denn er machte damit es offen- bar, I) daß die Sünde nicht zum Fleisch an sich gehört, sondern ihm inhärent ist als ein fremdes, unnatürliches verdammliches, uuszuscheidendes und scheidbares Ele- ment, und Z) daß sie nun auch ausgeschieden werden soll vermittels des von ihm ausgehenden Geistes aus der ganzen Menschennatur«: Lange). Ebenso ver- dammte an ihm, der für die Sünde starb, sie aufisich nahm, auch Gott die Sünde. Und was war der End- zweck solcher Sendung und Verurtheilung? Der, daß die Rechtsforderung des Gesetzes zur Erfüllung gebracht werde an denen, die nicht nach dem Fleisch, sondern nach dem Geist -leben. Es ist richtig, daß Jesus Christus Sündentilg er, Versöhner ist, und das ist er an erster Stelle; es ist aber auch das andere richtig, daß er Sündenbrecher ist, Erlöser, der uns frei gemacht hat von der Knechtschaft der Sünde —- erft mit diesen beiden Momenten ist ganz und voll ausgesaghwas er uns ist und sein soll· (Röntsch.) Mit dem Beisatz: »die wir nun nicht nach dem Fleisch wandeln, sondern nach dem Geist« will nicht gesagt sein, was dazu ge- höre, damit es zu jener Erfüllung der Gesetzesforderung komme, noch giebt er Aufschluß über die spezifische Art und Weise derselben; sondern er benennt die Christen nach dem, worin sich zu erkennen giebt, daß sie in ihnen zuwege gekommen ist, wobei sich freilich doch immer erst fragt, ob ein Christ auch wirklich dem Geiste und nicht dem Fleische nach wandelt, ehe er zu denen gezählt werden kann, in welchen die Absicht Gottes ihre Verwirklichung gefunden. (v. HofmannJ TM) Wer die erlösende Kraft Christi im Herzen er- fahren hat, der trachtet nach dem, das droben ist, sein Sinnen, Wollen, Denken und Empfinden hat Christum, fein Wort und Reich zum Mittelpunkt; denn er weiß, daß von dort allein Leben und Friede, zeitliches und ewiges Glück über ihn kommt, daß dagegen das Trach- ten des Fleisches an sich schon Tod im weitesten Um- fange des Wortes ist. Darum hasset ein solcher den Sinn des Fleisches als den Mörder seines seligsten Glücks; er fühlet diesen Tod in seinen Gliedern und seufzt täglich darüber, er vernichtet denselben täglich durch Reue und Buße mit der Kraft des Lebens Christi und strecket sich aus nach dem, was diesen Tod von ihm fern hält. Schärfer kann die Thorheit und Nichtigkeit des eiteln Strebens der Welt, das von Gott hinweg auf alles, was wider Gott ist, geht, nicht gezeichnet werden: die Welt und das Fleisch bilden sich ein, durch ihr Sinnen und Jagen nach Freude, Lust und Genuß, nach Reichthum, Macht und Ehre, nach Weisheit und Bildung, die des göttlichen Lebens ent- leert ist, ihr Leben glücklicher, beständiger, freier zu machen, den Tod zu bannen und möglichst fern zu halten; und siehe, dieser ihr Sinn ist selbst schon Tod, weil Gott, in welchem allein Leben und Glück ist, nicht darin ist, und ihre Wege neigen sich ohne Aufenthalt zum ewigen Tod hinab. Lasse sich daher nur nie- mand vom bösen Feind einbilden, man werde zu lauter Tod und Melancholie berufen, wenn man zur Buße und Glauben an den HErrn Jesum gelockt wird. O nein, es ist lauter Licht, Heil und Leben, eine frieden- und sreudenreiche Lebensart, darein Christen nach dem Geist, als nach dem besten Theil, versetzt werden durch wahre Bekehrung. s) Es ist dem natürlichen Menschen nichts ärger- licher, als wenn sein Sinn mit dem rechten Namen als Feindschaft wider Gott bezeichnet wird; niemand glaubt es, was für ein giftiger Haß wider die Wege Gottes, Zweifel an Gottes Güte und Gerechtigkeit, heimlicher Widerwille gegen Gottes Wort, insbesondere gegen dessen Verurtheilung und Verdammung alles menschlich - natürlichen Wesens und Werkes, sowie gegen Gottes» Liebesrathschluß der Erlösung durch Christum, den wahren Gott und Menschen, im Herzen verborgen ist; ja, die Welt will von Sinnen kommen, wenn sie hört, daß die besten Kräfte, das ganze Licht der Vernunft fleischlich und gottfeindlich sein sollen — nur wer es durch Gottes Wort und Geist erkannt hat, wie sein eigen Fleisch voll Empörung und Widerspruch gegen alle Sachen Gottes ist, giebt dem Apostel Recht und pflichtet Luther bei, der von der »Frau Ver- nunft« sagt, daß sie Gott nicht fürchtet, ihn nicht liebt, ihm nicht vertraut, sondern ihn freidahin ohn alle Scheu verachtet, sich weder an sein Dräuen noch Verheißen kehrt; dazu hat sie weder Lust noch Liebe zu seinem Wort und Willen, sondern n1urret und schnurret, zürnet und poltert, sonderlich wenn es übel zugegeh dawider. Summa, sie ist Gottes ärgste ein m. H) Höchst merkwürdig ist es, daß der Apostel hier in Einem Satze denselben Geist einen Geist Gottes und Christi nennt; der heilige Geist geht von dem Vater aus (Joh. 15, 26), aber ebenso auch von dem Sohne, wie alle die Aussprüche zeigen, die ihn einen Geist Jesu Christi nennen (1. Petri I, 11; Gal. 4, 6). Wie der Vater und der Sohn Eins sind in dem heil. Geiste, so ist nicht blos der Vater, sondern auch der Sohn Eins mit den Seinigen durch seinen Geist, den er ihnen giebt. Wäre der heil. Geist nicht auch ein Geist des Sohnes, dann würden die Gläubigen mit Christo durch einen andern als seinen Geist, also nicht unmittelbar mit ihm verbunden sein; daher sagt der Apostel von derselben Sache in V. 10: ,,Christus ist in euch«. —- Ohne diesen Geist des Vaters und des Soh- nes, der sein von ihm getrenntes, fleischlich gewordenes Geschöpf wieder aus’s Jnnigste mit ihm vereinigt, ist der Mensch noch fleischlich, oder ,,im Fleisch«, ja, er gehört nicht zu denen, die Christus die Seinen nennt (Matth. 7, 237 Luk. 13, 25), er darf sich mit Recht nicht einen Christen nennen. (v. Gerlach.) ist) In diesen beiden Versen zeigt der Apostel hin auf die höchste Stufe der Vollendung des individuellen Lebens, auf die Verklärung des Leibes; wie es im Paradiese hieß: »wenn du von dem Baume der Erkenntniß des Guten und Bösen issest, wirst du des Todes sterben,« so bringt der Genuß vom wahren Baume des Lebens, von Christo, wieder zum vollen Leben, auch der Leiblichkeit. Unsere Stelle hat ihren Commentar in Joh. S, wo Christus als das Leben nach allen Beziehungen hin sich darstellt, auch der Leiblichkeit ,,Euer Leib ist zwar todt«, sagt der Apostel; Jhr, die ihr Christi Geist und damit Christum selbst sammt dem Vater in euch wohnend habt, seid jetzt noch nicht ganz des Geistes, der Todesleib (Kap.7,24) haftet euch noch an und quält euch; aber seid nur getrost, der, welcher Christum von den Todten er- weckt hat, der wird, so lange ihr auf Erden lebet, mit seinem Leben auch den Todesleib durchdringen, daß, wenn er nun in Staub und Asche zerfallen ist, ein neuer Leib, der ganz des Geistes ist, auferstehen wird. Gleichwie die Verklärung des Geistes im Menschen hier auf Erden beginnt und erst am Tage der Aufer- stehung sich vollendet, so muß auch die Wiedergeburt der materiellen Seite des Menschen, des Leibes, hier auf Erden beginnen und allmälig fortschreiten, bis am jüngsten Tage der vollendete, wiedergeborene Leib aufersteht und es offenbar wird, daß Christi Geist, Christi Fleisch und Blut, vom sterblichen Leibe im heil. Abendmahl genossen, schon hier auf Erden den Auf- erstehungsleib zubereitet haben. Vers 11 bezieht sich demnach auf den Tag der Auferstehung, aber so, wie Wie so gar nicht die noch im Fleische seienden Juden das Gesetz zu erfüllen vermögen. 79 der HErr sagt: »wer mein Fleisch isset undtrinket mein Blut, der hat das ewige Leben, und ich werde ihn auferwecken am jüngsten Tage« (Joh. S, 54). Weil euch Gott, erklärt Luther, inwendig »schon lebendig, gerecht und selig gemacht hat, so wird er auch den eib, der da ist die Hütte des lebendigen Geistes, nicht dahintenlassen; sondern weil der Geist schon allhier von Sünden und Tod auferstanden ist, so muß die Hütte und der verwesliche Rock, welches ist Fleisch »und Blut, auch wieder herfür aus dem Staube der Erden, sinte- mal es ist. die Herberge und Wohnung des seligen auferstandenen Geistes, also daß beides wieder zusam- menkommen und ewiglich leben soll. Luther läßt hier das im Grundtext liegende wichtige Moment der bereits im diesseitigen Leben beginnenden Durchdringung des Todesleibes mit dem Auferstehungsleben Christi außer Betracht. Zunächst nun giebt es allerdings keinen andern Grund für den Auferftehungsleib, als daß der Auferstehungsgeist im Gläubigen wohnt und die neue geistliche Perfönlichkeit schafft: nur der geist- liche Mensch fordert den neuen geistlichen Leib, und nur das erste Wunder der neuen Persönlichkeit fordert das zw eite des neuen Leibes; darnach bereitet also das Abendmahl den Auferstehungsleib zunächst in keiner andernWeise,als daß es diegeistlichePersönlichkeit nährt, stärkt, erquickt. Aber eben damit bereitet das Abendmahl auch den neuen Leib; denn der Gläubige hat ja eben das verklärte Fleisch und Blut des HErrn empfangen, und die ganze Auserstehungsherrlichkeit hat sich ihm dadurch thatsächlich im Voraus geschenkt, nicht blos wie durch das Wort verheißen, sondern thatsächlich geschenkt, thatsächlich dem bestimmten Men- schen übergeben. Das ist mehr als bloße Stärkung der geistlichen Person, umsomehr als diese Schenkung sich durch unser leiblich Essen und Trinken vollzieht: damit ist dieser (Todes-) Leib selbst zur Auferstehung thatsächlich ausgesondert. Es ist das viel mehr, als das Empfangen eines bloßen Unterpfandes, es ist das That des HErrn, fertige, geschlossene That, that- sächliche Aussonderung zur Auferstehung; dieser arme, der Verwesung verfallende Leib ist damit ein- verleibt und eingegliedert zwecks der Aus- erstehung. Einen Leib, der den seinen empfangen, kann der HErr nicht mehr vergessen; der vorüber- gehende Abendmahlsakt hat ein unzerreißbar Band zwischen ihm und dem HErrn geschasfen, hat ihn zu des HErrn nicht blos erworbenem, sondern auch angeeignetem Eigenthum gemacht, hat ihn thatsäch- Fåch skiner Auferstehungsherrlichkeit zu- und angeeignet. lör e.) (Epi»siel am 8. Sonntage nach Ttinitati5.) Der 8. Sonntag n. Tr. ist der Sonntag der guten Werke. Das Evang. Matth. 7, 15—23 lehrt mit Be- zug auf die falschen Propheten, daß man die Menschen an ihren Friichten erkennen soll; gute Friichte oder Werke sind aber nur solche, die. ans dem Lichte der Erleuchtung, aus dem Glauben, hervorgegangen sind. Die Epistel führt den Gegensatz der guten und argen Werke, des Lebens nach dem Geist und dem Fleisch noch weiter aus; es wird in derselben die Thätigkeit in em Reiche Gottes, in der für die Ewigkeit reifen- den Ernte der Gerechtigkeih geschildert, wie das Leben nach dem Fleische Tod, das Leben nach dem Geiste Leben bringt, wie das Leben nach dem Geiste in der Gotteskindschaft erhält, deren uns der heil. Geist ver- sichert, und wie die Kinder Gottes Miterben Christi sind. Der selige Stand der Kinder Gottes: I) ein kindlicher Geist ist ihnen gegeben, 2) eine siegende Macht wohnt ihnen bei, Z) ein himmlisches Erbe ist ihnen verheißen (Sommer.) Die Gewißheit des G nad enstandes: 1) wie wir dahin gelangen, 2) worin sie besteht. (Münkel.) Das christliche Leben: 1) ein heiliges, 2)" ein seliges, Z) ein herrliches Leben. Der Weg zum Ziel: l) durch Tod zum Leben, L) durch Kampf zum Frieden, s) durch Leiden zur Herrlichkeit (Stählin.) Woran erkennen wir, daß wirEhristi Geist haben? daran, daß wir 1) nach dem Geist leben, 2) zuversichtlich Abba rufen, 3) des ewigen Erbes uns trösten. Die Kinder Gottes: I) ihre Pflicht, 2) ihr Recht. (Fuchs.) Wozu der Geist Gottes die Kinder Gottes treibet: 1) das Fleiich zu überwinden mit rechtem Ernst, 2) mit kindlichem Ver- trauen an den Vater sich zu halten, s) ihrer zukünf- tigen Herrlichkeit eingedenk zu sein. (Stier.) 12. So sind wir nun fals folche, als welche wir vorhin V. 5 ff. nach dem von den Andern uns unterscheidenden Merkmal uns er- kannt haben], lieben Brüder [vgl. Kap. 7, 1 u. 4],» Schuldner» nicht dem Fleisch fdürfen also nicht meinen, wir wären durch irgend etwas verpflichtet], daß wir nach dem Fleisch leben« [gleichwie sie, die nun einmal noch im Fleische sind V. 8., sondern nach dem Geiste zu wandeln V. 4 ist unsre Schuldigkeit]. 13. Denn wo ihr nach dem Fleisch lebet, so werdet ihr sterben miissen sgleichwie jene sich mit solchem Leben den Tod bereiten V— S; Ivh. 8, 21. 24]; wo ihr aber fso wenig nach dem Fleische lebt, daß ihr vielmehr] durch den [von Gottes und Christi Geist beseelten V. J] Geist des Fleisches [nach besserer Lesart: des Leibes] Geschäfte swomit er euch dem Gesetz der Sünde in seinen Gliedern Kap. 7, 23 will dienstbar machen] tödtet U. Cor. 9, 27; Matth. 19- 125 Hebt— 12, 16], so werdet ihr leben-H« fnicht blos hier zeitlich, sondern auch dort ewig- lich V. 10 u. 11., wie das Gott seinen Kindern verheißen hat V. 32; 4, 13]. 14. fSolche Verheißung aber euch zuzueignen, habt ihr in dem angegebenen Falle ein wirkliches, und nicht, wie die Andern, ein blos vermeintliches Recht.] Denn welche der Geist Gottes treibet [genauer: wieviel ihrer vom Geiste Gottes getrieben oder regiert werden Gal. 5, 18], die snicht aber auch die Andern, die vom Fleisch getrieben und regiert werden] sind Got- tes Kinder-«« [Gal. 3, 26 f.]. 15. [Dessen» ist die ganze Art und Weise der Wirksamkeit des euchi mitgetheilten Geistes an euren Herzen ein Siegel und Unterpfand 2. Cor. 1, 21 f.] Denn ihr habt nicht einen knecht- lichen Geist seinen Geist der Knechtschaft Gal. 4, 7..21 ff.] empfangen, daß ihr euch abermal fürchten müßtet lwie das euer Stand war, da ihr noch unter dem Gesetz euch befandet Kap. S, 145 Hebn 12, 18 ff.]; sondern ihr habt einen kindlichen Geist feinen Geist der Kindschaft Gal. 4, b; Ephes 1, b] empfangen, durch welchen 80 Römer 8, 16. 17. wir [Christen, gleichviel ob vormalige Heiden oder vormalige Juden Gal. Z, 28; 4, 28] rufen: Abba, lieber Vater [Gal. 4, 6]! 16. Dcrselbige Geist [genauer: er, der Geist, den wir empfangen haben, im Unterschied von einer bloßen selbstgemachten Einbildung die nichts als Selbstbetrug ist Joh. 8, 41 ff] giebt Zeugnis; unserm Geist, daß wir [wirklich, wie schon das Bewußtsein unsers neuen Lebens in Christo uns das sagt] Gottes Kinder sind-1- sund versichert uns dessen, daß wir uns nicht ebenfalls selbst betrügen]- 17. Sind wir denn Kinder swie nach dem eben Gesagten es gewiß sich also verhält], so sind wir auch Erben sdas ergiebt sieh von selbst schon aus menschlichen Verhältnissen], namlich fwas euch, die ehemaligen Juden betrifft, die ihr in vorlaufender Weise zwar schon Kinder, aber noch unter dem Zuchtmeister und da von bloßen Knech- ten noch wenig unterschieden waret Gal. Z, 23 f.; 4, 1 ff.] Gottes Erben sals die nun wirklich in das von ihm verheißene Erbe eingesetzt sind GaL 4, 7] nnd [was euch vormalige Heiden betrifft, die ihr ohne Gott waret in der Welt und fremd von den Testamenten der Verheißung Ephef 2, 12] Miterben Christi sin welchem ihr nun aber beide, vormalige Heiden und vormalige Juden, gleichwie zu der nämlichen Kindfchafh so auch zu der nämlichenErbschafbzusammengeschlossen seid, und werden denn wir Christen diese unsre Erbschaft dereinst gewißlich auch in Empfang nehmen], so wir anders mit [ihm, dem HErrn Christo] leiden, auf daß wir auch swie unter dieser von ihm gestellten Bedingung es ja ge- schehen soll Kap. 5, 2 ff.; Matih 10, 37 ff; Apostg:14,»22; L. Tim. 2,11 f.] mit [ihm] zur Herrlichkeit erhoben werden-H· [2. Cor. I, s; Hebn 12, 1ff.; l. Petri 4, 13; 5, H. V) Obgleich die Epistel des 8. Sonntags n. Trin. mit der vom 7. Sonntag (Kap. 6, 19 ff.) nicht in einem unmittelbaren, lo kalen Zusammenhange steht, so stehen beide Texte doch innerlich einander so nahe, daß der Gedankengang ununterbrochen fortgeht: wenn die vorige Epistel das alte und neue Leben einander gegenüber- etzte als Sündenknechtschafh welche in Schande und schließlich in den Tod führt, und als Gottes- dienst, welcher zur Heiligung und zu dem ewigen Leben ausschlägh so wird hier das alte Leben, die Sündenknechtschafh als Leben nach dem Fleisch e, und das neue Leben, der Gottesdiensh als Leben im Geiste der Kindschaft dargestellt. (Nebe.) Das Fleisch ist hier unter dem Bilde eines Herrn gedacht, wie in Kap. 6 die Sünde, und an dieses Bild knüpft sich die Vorstellung von einer Verpflichtung, nach dem Gesetz oder Willen des Fleisches zu leben (vgl. Kap. G, 16 f.), tvelche mit der Eiitsetzung dieses Herrn aufgehört hat und in die Schuldigkeih dem neuen Herrn Folgsamkeit zu leisten, übergegangen ist. (Maier.) »Nicht nach dem Fleische leben« heißt, ihm keine Herrschaft über unser Leben gestatten: gehorchen soll das Fleisch, und nicht befehlen; es darf unsern Wandel nicht ordnen, sondern muß sich fügen nach den Ge- setz en des Geistes-» (Chri)sostomus.) Die Verpslictk tung des Christen ist» eine solche, die ihm nichts weniger, als dem Fleische seinen Willen zu thun, zur Pflicht macht Nur verneinungsweise benennt der Apostel die aus dem Vorigen sich» ergebende Verpflichtung, nicht als unteffrdruckte er, wie man zu meinen sich versucht fuhlen konnte, ·irn lebhaften Fortschritt derRede den Gegensatz zu dieser Verneinung, sondern absichtlich be- schrankt er sich darauf, den Wahndes naturlichen Menschen auszuschließem als ob er sich» selber schulde, auf das bedacht zu sein, was zu seinem irdischen Wohl- befinden dient; statt sich’s wohl sein zu lassen, was, wie es im folgenden Verse heißt, den Tod bringt, der auf dem Wege des Fleisches liegt, inuß der Christ iåielbmehtrödhart gegeg sich sei)n und die Geschäfte des ei e en. . o mann. Ist) Außer Christo und ohne seinen Geist sind wir· allerdings Schuldner dein Fleische; denn wir stehen Ja» im Solde «der Sande, die unser Fleisch bewohnt. Dieser Sold ist der Tod, aber wir halten ihn einst»- weilen sur unser Leben, erlustigen uns mit des Flei- sches Lust und erwarten vom Fleische, was wir be- gehren, Wohlleben, Ehre bei der Welt, Wissenssätti- gnug, Ruhm der eigenen Gerechtigkeit u. s. «w.; dafür fordert denn das Fleisch, daß wir nach ihm leben und fleischlichen Wandel führen, Gottes Wort -verach- teBtunki)·?1ieis;erli)i, an unsere eigzenseemottenfgaßigie Je- re igei un äiigen, um e ammon un er übrigen Weltgötzen unsere Seele verwetten und keines Dinges uns enthalten, das·dem Fleische behagt. (Besser.) Es ist aber dem Fleische fein Tod bestimmt und das Urtheil längst über dasselbe gesprochen. Er- geben wir uns nun in seinen Dienst, so haben wir nichts Anderes zu erwarten, als daß wir mit ihm ins Verderben gestürzt werden; darum müssen wir viel- mehr das Fleisch, als die Ursache des Todes, bei uns selbst tödten. Wir müssen dem alten Stamm des alten Adam, den wir noch nicht mit der Wurzel aus der Erde bringen können, alle seine Ausschläge, wo er bei uns bald diese, bald jene sündlichen Lüste heraustrei- ben und Früchte bringen will, fein, ehe sie erstarken, abbrechen und abreißen, damit so des alten Stockes Kraft selbst mehr und mehr schwach wird und allge- mach erstirbt. (Spener.) Statt ,,Geschäfte des Fleisch es« heißt es nach richtiger Lesart im Grundtext vielmehr ,,Geschäfte des Leib es«; darunter sind die Thätigkeiten gemeint, deren Seele ein dem Geiste ungehorsamer, von ihm unabhängiger Fleischestrieb ist, die also der Leib für sich ausübt. (v. Gerlach.) Der natürliche Leib ist nicht blos Organ der Sünde, so daß die Sünde von außen her ihn dirigirte, sondern er hat» die Sünde in sich aufgenommen, sie hat ihn durchdrungen, ihn verderbt und sich dienstbar gemacht; der Leib, wie er jetzt von Natur ist, hat ein Gesetz in seinen Gliedern, welches mit dem Gottesgesetz im schärfsten Conflikt sich befindet, er bewegt sich aus eigeneni Antriebe der Sünde zu, ganz von selbst fängt er an sich zu regen und zu retten, zu machiniren wie zu operiren. Diesen seinen Geschäften nun sollen wir durch den Geist den Tod zufügen; solch Tödten aber der Sünde durch den Geist geht also zu, sagt Luther, daß der Mensch seine Sünde und Schwachheit erkenne, und wo er die sündlichen Lüste fühlet sich regen, bald in sich selbst schlage und sich erinnere Gottes Wortes, und durch den Glauben der Vergebung der Sünden sich dawider stärke und also ihr widerstehe, daß er nicht darein willige, noch sie in’s Werk kommen lasse. Ein Christ darf nicht dem Fleische Raum lassen, son- dern muß immerdar an ihm tödten, daß er nicht von Jhr aber seid Schuldner nicht dem Fleisch, sondern habt den Geist Gottes empfangen. 81 ihm getödtet werde. (Nebe.) Keiner fällt in die Hölle und steigt in den Himmel, es sei denn, daß er die dazu sührenden Wege geht: das Leben nach dem Fleische ist der breite Weg zur Hölle, des Geistes Leben ist der Fußsteig zum Paradies. (Lassenius.) Mk) Der vom Apostel gebrauchte Ausdruck: »ge- trieben werden« soll die dauernde Einwirkung des Geistes Gottes bei den Kindern Gottes bezeichnen, im Gegensatz gegen den augenblicklichen Antrieb durch denselben bei den Männern Gottes im alten Bunde; sodann aber liegt in dem Ausdruck, daß der Mensch, in welchem Gottes Geist wirkt, sich zunächst rein passiv verhalten muß, ehe er mit seinen eigenen geheiligten Kräften sich dem Treiben des Geistes Gottes anschließt. Auch bezeichnet diese Redensart schön das Lebendige nnd Kräftige in dem neuen, durch die Wiedergeburt dem Nienschen mitgetheilten Quell des Lebens, von welchem unübertrefflich Matth. Claudius schreibt: »und wie das Weizenkorn in der Erde erweicht und aufgelöst wird und nach und nach, ohne daß wir es verstehen und begreifen, ein Leben seiner Art annimmt, Keime treibt und im Stillen fortwächst, bis der Halm über der Erde zum Vorschein kommt, so geht es, nach der heiligen Schrift, auch in einem solchen Herzen. Es verliert nach und nach seine eigene Gestalt und die vorigen Neigungen und Ansichten, spürt in sich etwas Lebendiges und Krästiges, das den Geist mehr und mehr löset und über diese Welt erhebt, bis der Tag anbricht und der Morgenstern aufgeht, und das Ge- hcimnißx Christus in uns in ihm vollendet wird« —- Dies ist noch ein weit größerer Sie erkranz, als der vorige; darum sagt er nicht blos: » ie im Geiste Gottes leben«, sondern: »die von ihm getrieben wer- den«, und zeigt damit an, der Geist solle so sehr Herr unseres Lebens sein, wie der Steuermann des Schisfs und der Fuhrmann seines Gespanns Und nicht blos der Leib, sondern auch die Seele untergiebt er seinem Zügel; damit niemand, sein Vertrauen auf die Taufe setzend, an den christlichen Wandel nachher nicht denke, sagt er nicht: »die den Geist empfangen haben«, sondern: »die der Geist treibt-« (Chrysostomus.) Es muß der Geist erst im Menschen sein, ehe er ihn regieren kann, und es läßt sich wohl ein Zeitpunkt denken, in welchem der Geist bereits da ist, ohne noch den Menschen und seine Kräfte seinem heil. Reginiente unterthänig gemacht zu haben. Auch muß man sich hüten, zu schließen: ,,dieser oder jener hat sich in dem oder jenem Fall vom Geiste Gottes nicht leiten lassen, also ist Gottes Geist nicht in ihm«; denn es ist kein Mensch, der allewege und in allen Fällensich dem Geiste Gottes übergiebt: wäre der Geist nur bei denen, welche vollkommen Gehorsam leisten, so wäre er bei niemand, weil niemand vollkommen dem guten Geiste folgt. Es ist der heil. Geist barmherzig und gnädig, geduldig und von großer Güte und Treue, —- wenn er in einen Menschen einzieht, so weiß er am besten, daß er Mühe und Arbeit, Geduld und Erbar- men, langmüthiges und großes, an uns wenden muß, weil unsere Krankheit zu schwer und groß ist nnd zu tief geht, als daß wir schnell und bald heil und heilig werden könnten. Es ist daher schon ein hoffnungs- reicher Zustand, wenn im Allgemeinen der Wille und das treue Verlangen da ist, Christo zu dienen und seinem Geiste zu gehorchen. (Löhe.) Also heißet nun, vom Geist Gottes getrieben werden, ein solch Herz kriegen, das da Gottes Wort gerne höret und an Christum glaubet, daß er in ihm habe Vergebung der Sünde und Gnade, und solchen Glauben bekennet und auch beweiset vor der Welt, suchet vor allen Dingen Gottes Ehre, das; er ohn Aergerniß lebe und andern Leuten diene, gehorsam, geduldig, züchtig, keusch, wilde, gütig u. s. w. Und ob er schon etwa iibereilet ist und gestrauchelt hat, doch bald wieder aufstehet durch die Buße und aushöret zu sündigenx denn solches alles lehret und weiset ihn der heil. Geist, so er das Wort höret und annimmt und nicht selbst muthwillig den! Geist widerstrebet. Darum sehe hier jeder auf sich, damit er nicht sich selbst Beträge; denn Viele wollen Christen heißen, die es doch nicht sind· Das merket und siehet man dabei, daß sie nicht alle durch Gottes Geist getrieben werden; denn einen Geist müssen sie haben, der sie treibet: ist es nicht Gottes Geist, der sie treibet wider das Fleisch, so muß es sein der andere, böse Geist, der da treibet zum Fleisch und seinen Lüsten, wider Gottes Geist. Darum müssen sie auch sein entweder Gottes eigen und seine lieben Kindlein, Söhnlein und Töchterleim zum ewig-en Leben und Herrlichkeit berufen; oder wiederum von Gott ver- worfen und abgesondert, des Teufels Kinder, und mit ihm Erben des ewigen Feuers. (Luther.) s) Jn der palastinensischenLandessprache (Mark. 5, 41 Anm.) wurde das aramaische abba (Vater) statt des hebt. ab gebraucht; dieselbe Form findet sich noch in Mark. 14, 36 u. Gal. 4, 6. Nach diesen Stellen ist anzunehmen, daß die Anrede ,,Abba« aus den jüdischen Gebeten in die christlichen übergegangen, in diesen aber durch Christum selbst, welcher als Sohn den Vater so anredete, die Weihe besonderer Heiligkeit empfangen habe; dieses heilige Abba nun nahm allmälig die Natur eines Eigennamens an, und so kam es, daß die griechisch betenden Christen das aramäifche Wort als Eigennamen beibehielten und daneben in der Inbrunst des Kindschaftsgesiihls die spezifisch-christliche Vater- anrede durch den Gattungsnamen »Vater« noch beson- ders ausdrücktem sodaß nun das ,,Abba, Vater« stehend wurde. Gewöhnlich nimmt man an, Paulus habe das »Vater« zur Erklärung zugesetztz aber dagegen ist, daß an so empfindungsvollen Stellen, wie unsere und die in Gal. 4,6, eine Dolmetschung, noch dazu für ein Wort, welches bei der Bekanutfchast der jiidischen Sprache in Rom’s und Galatien’s Gemeinden zwei- selsohne keiner Erklärung bedurfte und gewiß auch durch die evangelische Geschichtstraditioii als ans dem Munde Jesu geflossene Gebetsanrede bekannt war, un- natürlich und unpassend erscheint, sowie daß an allen drei Stellen stets nur ,,Abba, lieber Vater« steht, ohne daß eine Dol1netschungsformel(wie: »das heißt« u.dgl.) beigegeben ist. (Meher.) Das hebräische Wort Abba, welches heißt: ,,lieber Vater, ist das Rasen, wie ein junges Kindlein, so der Erbe ist, aus einfältiger, kind- licher Zuversicht mit seinem Vater lallet und ihm rufet: ,,Ab, Ab«; denn es ist das leichteste Wort, so ein Kind kann reden lernen, oder wie die alte deutsche Sprache auch schier leichter geredet hat: ,,Etha, Etha«. Solch einfältig kindlich Wort redet auch der Glaube zu Gott durch den heiligen Geist, aber« aus tiefem Herzen und, wie Paulus hernach (V. 26) sagt, mit unaussprechlichem Seufzen, sonderlich wenn er in Kampf und Nöthen ist wider das Zweifeln des Fleisches und des Teufels Schrecken und Plagen, daß er sich da- gegen wehren muß, und sagen: »Ach, lieber Vater! du bist ja mein lieber Vater, denn du hast ja deinen einigen lieben Sohn für mich gegeben, darum wirst du ja nicht mit mir zürnen, noch mich verstoßen; item, du siehest meine Noth und Schwachheit, darum wollest du mir helfen nnd retten.« (Luther.) — Es sind in Bezug auf die ganze Verhandlung seit Kap.» 7, 7 mehrere menschliche Zustände in Betracht zu ziehen: der erste ist der Zustand der Sich·erheit, der andere der Zustand der Knechtschast oder der Furcht, der 82 Römer 8, 18—23. dritte der Zustand der Kindschaft. Der erste ist unser natürliches Leben und Wesen, in dem wir weder Liebe noch Furcht zu Gott haben, dem die ganze Re- ligion nur in Meinungen, vorübergehenden Ahnungen, Gefühlen und Regungen des Willens besteht, in wel- chem man aber keinen festen Grund, keine Zuversicht, geschweige Lust und Liebe zu Gott hat. Jn diesem Zustande leben und sterben die Meisten. Der zweite Zustand ist nicht natürlich, sondern erfordert schon eine Einwirkung Gottes und seines Geistes; es ist das der Zustand der Knechtschaft, der knechtischen, sklavischen Furcht Wenn die Stimme Gottes vom Sinai ergeht und die Posaunen des Weltgerichts erschallen und die Erde mit ihren Bergen bebt und hüpft, wenn Gott das Volk Jsrael in dem Lauf seiner Geschichte mit Strafwundern angreift und es ihnen durch Erweisung seiner Allmacht zu verstehen giebt, das; er Gott sei, da erwacht freilich ein Abhängigkeitsgesühh man fühlt sich im Nichts, im Unrecht, im Rechte und der Gewalt des Allerhöchsten. Dieser Zustand ist der der reinen, durch keine evangelische Erweisung gemilderten Gesetz- lichkeit, der sich nicht blos bei alttestanientlichen Juden, sondern auch bei neutestamentlichen Menschen und ge- tauften Christen findet. Wenn Gott einem Menschen durch seinen Geist die Augen über sich selbst und sein Verhältniß zum Allerhöchsten öffnet, da giebt’s oft ein Grauen, eine Furchh eine Knechtschaft, die hart genug lastet. Sie ist keine Sicherheit, und ohne Vergleich besser als diese; sie ist aber wie die grauenvolle Nacht, bevor es dämmert, schwarz, schaurig, doch nicht ohne Hoffnung. Der dritte Zustand ist nun der des Evan- geliums, des Tages, wo man, erlöst von Furcht und chrecken des Gesetzes, durch den Geist des HErrn vertraut gemacht wird mit dem in Christo vollendeten Heil. Was vor achtzehnhundert Jahren geschehen, was die Kirche bekennt und lehrt von unserer Freiheit und Frieden in Christo Jesu, das wird durch eine unaus- sprechliche Wunderwirkung des Geistes Gottes iii das Herz als Eigenthum gelegt; aus dem allgemeinen Heil entsprießt das Heil der einzelnen, eigenen Seele, und gelehrt, ermuthigt und gestärkt von dem Geiste des HErrn nennt man nun auch die Erlösung Jesu, die allgemeine, das Eigygenthum des glücklichen, einsamen eigenen Herzens. ian lernt mit Demüthigung und Erhöhung sagen: »Mein Jesu« — und in Folge des; »Mein Vater«, ,,Abba, lieber Vater«. Das fühlt und erkennt sich dann als eine hohe That, nicht als ein bloßes Wort; und in dem Recht und der Macht, so beten, also ,,Vater unser« im Geist und in der Wahr- heit beten zu dürfen, begreift man dann, daß der Geist in uns ist, daß wir Gottes Kinder sind. Trau- tes, süßes, aber auch heiliges, hehres Leben, wenn Einer, ein Mensch, der Staub und Asche dem Leibe nach, der Seele nach aber ein kleiner Geist gegen den unermeßlichen Abgrund des göttlichen Wesens ist, sprechen kann zu diesem unermeßlichen Wesen: ,,Abba, lieber Vaters« Man kann sagen, was man will, man kann die Würde, die Ahnung, Sehnsucht, die noch vor- handene Kraft des Menschen erheben, so viel und hoch man will: wer aber bist du, wer sind wir alle — vor ihm! Stille vor ihm alle Welt! Aber seine Kinder sind nicht stille und sollen es nicht sein, son- dern es löst sich von ihrem Herzen immerfort der Ruf, der Schrei: ,,Abba, Vater«. Das ist Rauchwerk von dem Altar, das steigt auf, das wird gewürdigt im Himmel —- und erkannt und gefühlt von denen auf Erden, welchen es gegeben ist. Und wenn sich die Rauchwolken der Anrufung des Vaters im Geist und in der Wahrheit mehren, da mehrt sich im Herzen der Gläubigen die Gewißheit, daß sie den Geist haben und Gottes Kinder sind. (Löhe.) H) Wen beerben Gottes Kinder? mit wem erben sie? Der alteGott ist es, den wir beerben, der aber selbst nicht aufhört zu besitzen, wenn seine Millionen von Kindern i«n’s Erbe eintreten, der ewig jung und ewig reich bleibt, wenn vor seinem Angesicht die Schaar der Kinder sich mehrt. Und mit wem erben sie? wer ist der Erben neidloser Erster und Herzog? Der, mit welchem zu leiden schon Seligkeit genannt werden kann, wie vielmehr der gemeinsame Eintritt in den ewigen Besitz und die gemeinsame Freude des Besitzes Wahrlich, wenn Gottes Kinder Gottes Erben und Miterben des Messias oder Christus sind, so ist das etwas mächtig zur Kindschaft Ziehendes und Lockendes Denn der Mensch hungert nach einem ewigen Loose — und gewiß, so findet er es herrlicher, als er’s ahnen und hoffen konnte. So ziehe denn und locke das Erbe so viel es kann, und die gedop- pelte Antwort vom Besitz des Geistes hier und dazu dort des ewigen, unvergänglichen Erbes erfülle uns alle mit der rechten Ehrerbietung vor der Würde eines Kindes Gottes. (Löhe.) Das Leben des Christen ist wesentlich ein Leben des Leidens, inner- lich und äußerlich, nur daß stets über Leiden und Druck das Bewußtsein der göttlichen Kindschaft empor- hält. Der nie aufhörende Schmerz über »die eigene und fremde Sünde, das Leiden durch das Leuchten in Worten und Werken mitten in einer Finsterniß, die das Licht nicht aufnimmt, ein eigentliches Leidensleben, ist eine so unumgängliche Bedingung der zukünftigen Verherrlichung, daß derjenige kein Kind Gottes, kein Christ sein kann, welcher diesem Zustande entfremdet ist; denn nur, indem der Christ durch den Glauben so innig verbunden wird mit feinem Heilande, daß Christus selbst in ihm lebt, er also ein dem Leben Christi auf Erden gleichartiges Leben in der Welt führt, hat er Hoffnung auf die zukünftige Herrlichkeit. (v. Gerlachs Wenn die Gläubigen nicht verfolgt werden, so liegt es nur daran, daß sie mit ihrem Christenthum keinen rechten Ernst m·achen, sondern es unter den Scheffel stellen »aus Feigheit und Menschenfurcht » (Harms.) Wie wurden uns die andern Heiligen im Himmel an- schauen, wenn wir das Zeichen des Kreuzes nichtmit- brächten? sie würden uns nicht kennen, und wir instr- den Fremdlinge unter ihnen sein. (Joh. Arndt.) Weil er, unser HErr und Haupt, solches hat müssen thun, warum wollten wir es besser haben? Summa: wer unter diesem HErrn sein will, der muß gewohnen, daß er auch auf dem Wege mit ihm trinke und leide. (Luther.) 6. V. 18-80. Nachdem der Itposlek im tetzten Vers« des« vorigen Abschnitte) beide Theile der römischen Ge- meinde, von denen der eine aus vorniakigeii Heiden, der andere aus vorniasigeii Juden bestand und deren jedem er in Rats. S, 16——23 einerseits und Rats. 7, 1——8, 18 audrerseits eine besondere Darlegung ihrer Verpflichtung zur Heiligung und der in der Erlösung durch Jesum Christum ihnen dazu auch uerkieheiieii Befähigung se nach dem besonderen Stand ihrer früheren Verhältnisse widmete, wieder zu dem Ganzen einer einzigen chrisllicheii heilsgeuieinde zusammen- geschlossen hat, nimmt er den Punkt, in wekiheni die beiden Linien sich vereinigen (vgk. V. 10 s. n. Rats. 6, 22 s.), den jetzigen Leidens· und liiitistigeii herrlich— tiefre-stand, zum Thema einer eigenen, die ganze, ans die Heiligung und den nenen Gehorsam beziigliihe partie seit Rats. 6, 1 abschtiesseiideii Iiiihandkung, um Die den Kindern Gottes beschiedene Heilsvollendung 83 nach der einen Seite hin zu zeigen, dass die von den Christen zu erwartende Heilsvoclendritig sie zu einer Herrlichkeit siihreii werde, an der anih die übrige sie nmgebende Schöpsungswett tietheitigt sei, nach der andern Seite hin aber anch daraus hinzuweisen, das, wie fiir diese Schöpstiiigswelt die Gegenwart eine Zeit des Seuszens sei, also sie es» auch sein niiisse siir die Christen selber, und selbst der Geist, der ihnen ein- rvohne, sei davon nicht ausgeschlossen (V. 18—27); gleichwohc aber sei sie auch eine Zeit der Gewissheit, dass wir an das Ziel unsrer llorherliestininiriicg ge- langen werden, die schon so wesenttiih verwirklicht ist, das) ihre Veeitetung undenhüar (V. 28—-30). »Es» ist ein hoher Text, eine tiefe Rede, ein wunderbare-·- Ztiicti nentesiancetttlicher Weissagnng, max- wir hier vor Eins« haben: Patilas hat ein feines Ohr, er hört das nnanssnrectjtictje and nicht in Worte gesaslte Seufzer: der armen, in die Richtigkeit und den Utitergaiig ge- bundenen Crenturl Und was er mit dem Ohre des , Geistes vernimmt, das weis! er zu deuten so tilar und getvislz sein Auge wird sticht von den Leiden dieser Zeit timflort, niiht von der Finliernisl des dnniiten Thaler» in dem wir in dieser Weltzeit wandeln, ge« halten, es sieht die zukünftige Herrlichkeit nicht wie den Schimmer einer besseren Morgenrölhh sondern in dem hellsten, vollsten Mittagsgtaiizeft (Epistel am El. Sonntage nach Crinitatiø) Das Evangelium des Sonntags (Luk. 6, 36—42) zeigt das Mitleid der Kinder Gottes mit den leiden- den und fehlenden Menschen, die Epiftel das Mitleiden der unvernünftigen Creatur mit den Kindern Gottes. (Löhe.) Was tröstet den Christen unter den Leiden dieser Zeit? 1) die Herrlichkeit der Frei- heit, die ihm verheißen ist; L) die Gewißheit, mit der er solche Freiheit erwarten darf. Die Sehn- sucht des Menschenherzens nach Erlösung: l) wie sie veranlaßt ist durch den Leidensstand unter der Sünde, 2) wie sie ihr Abbild hat im Ringen der Creatur nach Verklärung Z) wie sie sich bezeugt im Verlangen des Herzens nach der ewigen Freiheit. Der Zusammenhang zwischen dem Reich der Natur und dem Reich der Gnade; er stellt bei beiden sich dar l) in ihrem Leiden unter der Sünde, Z) in ihrem Sehnen nach Freiheit, s) in ihrer Ver- klärung zur Herrlichkeit. (Sommer.) Der Mensch und die Schöpfungt l) wie sie jetzt in klagender Sehnsucht einander begegnen, Z) wie sie dereinst ge- meinsame Erben der Freiheit sein werden. (Herold.) Wer darf sich der zukünftigen Herrlichkeit der Erlösten getrösten: l) wer ein Mitgefühl hat für die gegenwärtige Eitelkeit und Sehnsucht der Creatur; 2) wer eine Erfahrung hat von der Sünde und dem Tode in der eigenen Natur; 3) wer die Erst- lingsgabe des heil. Geistes hat, die zum Kinde Gottes macht. (Thomafius.) Was macht dem Christen die verheißene künftige Erlösung so theuer? l) die Herrlichkeih die seiner wartet; Z) die Eitelkeit, die ihn umgiebt; Z) das Warten auf diese Erlösung, das in seiner eigenen Brust sich findet. (Caspari.) Die Vollendung unsers Heils in Christo Jesu: l) wie weit sie sich erstreckt, Z) wann sie geschieht, Z) wodurch wir dafür zugerichtet werden. (Eig. Arb.) 18. [Jch meinestheils, soviel ich auch des Leidens Christi haben muß 1. Cor. 4, 9 ff.; Z. Cor. I, Z; U, 23 ff» unterwerse mich gleich- wohl demselben ganz williglich] Denn ich halte es dafür, daß dieser Zeit Leiden der Herr« lichkeit nicht Werth san Schwere nnd Gewicht nicht im Vergleich mit ihr zu stellen] sei, die an Uns [bei Christi Wiederkunft Col. Z, 4; 1. Petri b, 4] soll «offenbaret werden-i« svielmehr ist diese Herrlichkeit eine ewige und über alle Maße swichtige, während unsre Trübsal jetzt nur zeitlich und leicht ist 2. Cor. 4, 17]. 19. sAlles Weh stillend und alles Verlangen nach Heil und Wohlbefinden erfüllend wird die- selbige in so umfassender Weise sein, daß sie auch die ganze äußere Schöpfungstvelt in ihr Bereich hineinziehen wird; das können wir dieser jetzt schon anmerken und abfiihlen.] Denn das ångstliche sgleichsam mit erhobenem Haupt der endlichen Erreichung der ihr in Aussicht gestellten Zukunft Jes. 65, 17; Pf. 102, 27 sich entgegen- ftreckende und ganz in solcher Erwartung auf- gehende] Harren der Creatur [Weish. 16, 24; 19, S; T· Petri Z, 4] wartet auf die Offen- barung der Kinder Gottes «« sin ihrer vollen Ausgestaltung, mit welcher erst jene Zukunft ein- treten kann], 20, Sintetnal die Creatur [seit dem über sie gesprochenen Fluche Gottes 1..Mos. 3, 17 f.] unterworfen ist der Eitelkeit [Pred. 1, 2. 14] ohne ihren Willen, sondern um deß willen, der sie unterworfen hat sd. i. um Gottes willen l. Mos 5, 29, sie unterworfen hat] auf Hoffnung sder Wiederbefreiung von selbigem Dienstverhältniß und des Eintritts in den Stand der Verklärung 2. Petri Z, 13; Offenb. 21, 1]; 21. Denn snach Gottes, das gesamtnte Weltall umsassendem Heilsrathschlusse, wie er am Ende der Zeiten in Ausführung kommen soll Matth.19,28] auch site] die Creatur frei werden wird von dem Dienst des vergäng- lichen Wesens sin welchem jene Eitelkeit, der sie unterworfen worden, zur Reife kommt] zu der herrlichen Freiheit der Kinder Gottes-«« sum für diese eine ihrem nunmehrigen Wesen Matth. 13, 43 entsprechende neue Wohn- und Wirkungsstätte zu bilden Jes 65, 18 ff.; Apostg Z, 20 f.; Hebt 12, 26 f.]. 22. Denn wir [Christen, die wir den Geist aus Gott empfangen haben und alles geistlich richten 1. Cor.2, 12ff.] wissen, daß alle, Creatur sehnet sich mit Uns [richtiger: mit einander, von der herrlichsten bis zur geringsten] und ångstet fiel) sals mit Einem Herzen seit jener ihrer Unterwerfung unter den Dienst des vergänglichen Wesens] noch immerdar [ohne daß mit der Er- scheinung Christi im Fleisch ein wesentlicher Wandel darin eingetreten wäre] 23. Nicht allein aber sie ssehnet und ängstet sich noch immerdar] sondern auch wir selbst, die wir sim Vorzug vor ihr einen Anfang Sä- 84 Römer 8, 23. der zukünftigen Herrlichkeit schon in uns tragen s 2. Cor. Z, 1»7 f., indem wir] haben des Geistes Erstlinge [V. 15 f.; L. Cor. 1, 22; 5, 5; Ephes I, 14], sehnen uns auch bei uns selbst nach der Kindschaft sm derjenigen Hinsicht, m welcher sie zur Zeit uns noch abgeht 1. Johsz 3, L] und warten auf unsers Leibes Erlösung-i· sda das Sterbliche verschlungen wird von dem Leben 2. Cur. 5, 2 ff.; 1. Cur. 15, 42 ff.; Luk. 20, 36]. i) Wenn man, das will der Apostel mit dem Worte ,,werth« nach dessen Grundbedeutung im Griechischen sagen, in die eine Wagschale die Leiden dieser Zeit legt und in die andere die zukünftige Herrlichkeih so besteht zwischen diesen beiden Wagschalen durchaus kein Gleichgewicht; sie halten sich ganz und gar nicht die Wage, sondern stehen in einem offenbaren Mißver- hältniß zu einander· Die Leiden dieser Zeit sind gewichtlos, von keinem Belange, also nicht der Rede werth im Vergleich mit der Herrlichkeih welche an uns soll offenbaret werden. (Nebe.) Sie find kurz im Gegenhalt zur ewigen Freude, und sie sind klein in Betracht des Vollmaßes von Seligkeit, die wir dann zu genießen haben. (Sommer.) Der Apostel sagt Von- der künftigen Herrlichkeit nicht: »die uns zu Theil werden wird«, sondern: »die an uns soll offenbaret werden«; sie ist schon da, aber noch verhüllt, wie er deutlich in Col· 3, 3 sagt, unser Leben sei mit Christo verborgen in Gott. Sei daher ihrethalben guten Muths, sie ist dir schon bereitet, die auf deine mühe- vollen Kämpfe nur wartet. Betrübt es dich, daß sie zukünftig ist, so freue dich darüber vielmehr; denn weil sie eben so groß und so unaussprechlich ist und die gegenwärtige Weltordnung übersteigt, darum ist sie dort aufbewahrt. (Chrysostomus.) An uns soll sie offenbart werden; damit zeigt der Apostel an, daß nicht allein St. Petrus oder Paulus derselben Herr- lichkeit theilhaftig werden, sondern wir und alle Christen gehören mit in das ,,uns«; ja auch das geringste Kindlein, das getauft Ist und stirbt, das kriegt durch seinen Tod, als sein Mitleiden, diese unaussprechliche Herrlichkeit, welche ihm der HErr Jesus Christus, in welches Tod es getauft ist, erworben und geschenket hat. (Luther.) Bei Versen, wie dieser, der von den Leiden handelt, ist nichts gewöhnlicher, als daß man an die allen Menschen, sie seien Christen, Heiden oder Juden, gemeinsamen Leiden und Wcchselfälle des irdi- schen Lebens denkt; ja, so gewöhnlich und allgemein ist die Anwendung solcher Verse auf Krankheit, Armuth, Kummer und Nahrungsforge, daß derjenige, welcher das Recht zu dieser Anwendung zu bestreiten wagt, wie ein Mensch angesehen wird, der seinen Brüdern den noch vorhandenen einzigen Trost unbarmherzig raubt· Und doch redet nun einmal der Apostel weder in diesem noch in vielen anderen Versen von dem all- gemeinen Lebenslovse menschlicher Leiden; und man kann sich die allgemeine Gewohnheit, die angedeuteten apostolischen Stellen so auszulegen, nur dadurch er- klären, daß die Bekanntschaft mit denjenigen Leiden, von welchen der Apostel redet, bei uns wie verloren gegangen ist. Würde man die Leiden, von denen die Rede ist, aus Erfahrung kennen, so würde man sich keine falsche Auslegung unterschieben lassen, sondern sich den Trost vorbehalten und bewahren, welcher uns in solchen Stellen für eine hohe Nothdurst unsrer Seelen hinterlegt ist. Die Leiden unseres Verses sind nun einmal nur Christenleidem Leiden, die der Gläubige um Christi willen von den Ungläubigen und Feinden des Christenthums zu erdulden hat. Nur sie stehen zu der dereinstigen Herrlichkeit in Beziehung weil auch die Herrlichkeit nur eine Herrlichkeit Christ ist, von welcher wir Miterben genannt werden, soferi wir mit ihm, das ist, um seinet willen leiden. (Löhe. sit) Schwerlich hat Luther mit seiner späteren Ueber setzung (vom J. 1545): »das ängstliche Harren« de1 Sinn des Paulus bei dem im Grundtext gebrauchtei Worte (oi7conoxgocöossior) richtig getroffen; weit bes e« war seine anfängliche Uebertragung: »das endlich» Harren«, welches er so auslegt, daß die Creatur stets' denkt an ihr Ende (vgl. das ,,endlich« in. Luk. I, II) Nicht die Angst, sondern die Sehnfucht ist in den Harren das Moment, welches hier hervorgehobet werden soll; mit ausgerecktem Halse, mit hoch empor gehobenem Haupte gleichsam steht erwartungsvoll, di« Dinge, die da kommen sollen, erharrend und sehnlichs verlangend, die Creatur da. (Nebe.) Jm Gegensatz« zu den Kindern Gottes, dem Werke der erlösendei Thätigkeit Gottes, kann ,,Creatur« nur zusammen fassende Bezeichnung desjenigen sein, was als Wer der schöpferischen Thätigkeit Gottes von ihr dei Namen hat; hiermit ist aber dann die Menschenwel ausgeschlossen Von selbst versteht sich, daß es sich nur utn diejenige außermenschliche Schöpfung handelt, welchi die Welt des Menschen ausmacht und deren Geschic deshalb in die Geschichte der Menschheit verflochtenis im Unterschied von dem Geisterthume, welches Mach hat über diese Welt. (v. HofmannJ Das Reich de« Natur und das Reich der Gnade sind nicht getrennt« Dinge, sondern stehen in einem innigen Zusammen Hang, welcher z. B. bei Adam und dem Paradies, be dem gefallenen Menschenpaare und der verfluchtei Erde, bei dem Fall Israels und der Verödung de; Landes, bei Christi Tod und der Finsterniß, bei Christ Auferstehung und dem Erdbeben hierbei hervortritt dieser Zusammenhang macht sich nun auch bei de1 Worten auf die künftige Verherrlichung der Menschei und der Natur geltend. Das gleichsam mit erhabenen Haupte geschehende sehnliche Harren der Creatur ha zugleich mit dem Menschen einVerlangen nach einen besseren, vollkommeneren Stand, als der des gegen wärtigen Lebens ist: mit Sehnen sieht die Natur den Akt entgegen, in welchem die Herrlichkeit der Kinde« Gottes auch äußerlich sichtbar hervortreten und de1 vollen Glanz ihrer Erscheinung entfalten wird, wo di Creatur, nachdem sie die Sünde des Menschen mitzu büßen hatte, auch die Seligkeit der Kinder Gottes mit zugenießen haben wird. (Sommer.) Es ist nicht wahr das Dichterwort, daß die Erde sei vollkommen überall wo der Mensch nicht hinkomme mit feiner Qual; da; ist eine durchaus oberflächliche Naturbetrachtuug Da gegen hat der andere Dichter (Fr. Schlegel) Recht, de da singt: ,,es geht ein allgemeines Weinen, soweit di stillen Sterne scheinen, durch alle Adern der Natur es ringt und seufzt nach der Verklärung, entgegen schmachtend der Gewährung, in Liebesangst die Crea tur«. Dies Wort, ein dichterisches Echo der aposto lischen Sentenz hier, findet einen Widerhall in alle1 tiefer angelegten Menschen; es geht ein Zug de« Trauer und Schwermuth, eines unbewußten Sehnens und Verlangens auch durch die unvernünftigeSchöpfunx — wir fühlen und ahnen davon etwas, wenn in Herbst das dürre Laub unter unserm Fuße raschelt wenn wir den Aufschrei eines von seinem unbarm herzigen Treiber gequälten Thieres hören, wenn wi- den Krieg aller gegen alle in der Thierwelt wahr nehmen. Und die Schrift giebt uns Aufschluß übe« diese schmerzlichen Thatfachem der Mensch als Her der Schöpfung hat diese mit sich in seinen Fall unt dessen Folgen hinabgezogen. (Röntsch.) Schau einma Nach derselben sehnet sich mit ihnen die gesammte irdische Ereatmz 85 dem Thiere in’s stumme, freudenlose, fragende Auge, betrachte, wie ganz anders sein Lebenslauf ist, wie völlig anders seine Freude, als sie in Gottes Nähe sein würde, wie es im Dienste der Vergänglichkeit sein Leben beginnt und endet: ist dir das Seufzen und Sehnen nicht klar? Sieh die leblose Natur mit nüch- ternem Auge an: ist sie, was oft Weltmenschen, sich selbst belügend, behaupten, ist sie ein Paradies? Daß die Erde in weiten Länderstrecken wüst und leer, ver- ödet und versandet, oder in Sümpfen und Niorästeii daliegt, daß sie ohne Aussaat und Pflanzung, ohne Schweiß des Arbeiters nur an wenig Orten die Noth- dürft» trägt, daß sie da, wo ihr Ansehen noch am meisten einem Paradiese gleicht, in jenen viel geprie- senen südlichen Ländern, auch so viele Plagen, Gift- pflanzen, giftige Thiere und andere Schrecken des Tages und der Nacht hervorbringt, daß Unkraut, Dorn und Disteln den treuen Fleiß des Landmanns verhöhnen und als Zeichen göttlichen Fluches über die ganzeErde hingestreut sind, bedenken jene nicht, welche so gern tsich durch die Natur in ein Entzücken ver- setzeu lassen, ihr dienen, wie ihrem Gott, und ihren Gott die Natur nennen. Die kahlen Berge, die nackten Felsen, die wie alternde Gebeine zum Himmel starren, triefen vom ängstlichen Warten auf Erneuerung; das Abendroth und der Sonne täglich Abschiednehmen predigen die Sehnsucht dieser Welt nach der Offen- barung jener Welt. Nur wer selbst keine Sehnsucht hat und auf die Zukunft eines vollkornmnen Lebens nicht harrt, kann die Natur vergöttern, wie die Heiden; wer aber den Himmel von ferne gesehen hat, im Spiegel der Verheißung, wer gehört hat vom Strom des Lebens, vom Gehölz des Lebens in jener Welt und von der neuen Erde, auf welcher Gerechtigkeit wohnet, wer nur je die verheißene Herrlichkeit des Reiches Gottes in der Schrift mit gläubigem Herzen betrachtet hat, der kann sein Herz an diese irdischen Naturschönheiten nicht hängen, der fühlt sich auf den Gipfeln und in den Thälern der Alpen und auf den immer jungen Frühlingsinseln der Siidsee nicht da- heim, der kann diese Erde, diese Sonne nicht so gar schön heißen, da sie Menschen dienen, welche ohne Christum, den schönsten Helden und Heiligen Gottes, leben können. Was ist alle Herrlichkeit dieser Erde, auf der man ihn nicht sieht? was hilft’s, daß man feinen Namen in allen Jahreszeiten abgeschattet und auf den Fluren hingeschrieben findet, wenn er selbst nicht geschaut wird, auf deß Geheiß die Frühlings- schönheit blüht und der Herbst verwelkt? Wer mit der Erde zufrieden ist, kennt den Himmel nicht, wer sein Herz in ihre Freuden vertieft, macht es untüchtig für die Himmelsfreuden (Löhe.) Wenn ich einsam Nachts in der freien Natur stehe, da ist? mir, als ob sie ein Geist wäre und mich um Erlösung bäte; oft habe ich die Empfindung gehabt, als ob die Natur mich jam- mernd wehmüthig um etwas bäte, daß es mir das Herz durchschnitß nicht zu verstehen, was sie verlangte. (Bettina von Arnim.) Ohne leisen Mißton ist wohl keine, selbst nicht die lieblichste Form der Natur. (Forster.) IN) Daß die Schöpfungswelt desjenigen Wesens- gehalts entbehrt, welcher ihr Dasein zu einer Offen- barung des in sich selbst beständigen Lebens Gottes machen würde, setzt der Apostel als anerkannt voraus und macht nur geltend, daß es bei ihr im Gegensatze zum Menschen lediglich ein Widerfahrniß gewesen ist, das sie in solchen Zustand gebracht hat. Dies liegt schon in dem Pafsivutnt ,,unterworfen ist«; es wird dann aber auch noch besonders ausgedrückt durch den Beisatzz ,,ohne ihren Willen«, welcher in Verbin- dung mit jenem Passivum besagt, daß der Schöpsungs- welt nicht, wie dem Menschen, der willentlich that, was ihm den angedroheten Tod zuzog, nach ihrem eigenen Willen geschehen ist. Freilich nicht, als hätte sie wirk- lich so thun können, wie der Mensch; der Apostel ver- neint nur, daß bei ihr ein eigener Wille an dem, was ihr widerfuhr, Theil gehabt habe, ohne damit zu sagen, daß dies wirklich hätte der Fall sein können. (v. HofrnannJ Die Erlösung der MenschheitistGnade, die Erlösung der Natur Gerechtigkeit; denn der Fall der Menschheit ist freiwillige Schuld, der Fall der Natur unfreiwilliges Leiden. (Philippi.) Der Eitelkeit ist die Creatur unterworfen; diese Eitelkeit steht im Gegensatz zur künftigen Herrlichkeit und be- faßt also in sich die Schwäche und Mangelhaftigkeit, die Nichtigkeit und Vergänglichkeit der Gegenwart. Durch den Siindensall des Menschen hat die Natur ihren ursprünglichen Reiz, ihre Schönheit, Gleichheit und Dauerhaftigkeit verloren, sie ist durch viel Schäd- liches oder keinen Nutzen Bringendes verdorben wor- den; die Ereatur ist in einen Stand der Widerspenstig- keit gegen den Menschen und des Mißbrauchs von Seiten der Gottlosen gerathen; sie muß den thörichten, eitlen und selbstsiichtigen Zwecken des gefallenen Men- schen dienen, ob sie wohl sich dagegen sträubt, und sie muß sich mißbrauchen lassen im Götzendienst der« Heiden, in der Abgötterei derer, die ihr Herz daran hängen, in der Rohheit derer, die sie mißhandeln und verderben, in der Gewissenlosigkeit derer, die ihre Gaben vergeuden. (Sommer.) Als die liebe Sonne, die schönste und lieblichste Creatur, die dienet das wenigere Theil den Frommen; wo sie einen Frommen bescheinet, da muß sie tausend und abermal tausend Schälke be- scheinen, als da sind Gottes Feinde, Lästerer, Ver- folger, deren die Welt voll ist; item, Mörder, Räuber, Diebe, Ehebrecher: denen muß sie leuchten zu alle ihrem gottlosen Wesen und Bosheit, und also ihren schönsten und reinsten Dienst gegen die unwtirdigsten,. schändlichsten, losesten Buben gehen lassen; Das thut der Sonnen, sagt St. Paulus, herzlich wehe; nnd wenn sie eine vernünftige Creatur wäre und sollte nach ihrem Willen gehen, nicht nach unsers HErrn Gottes Schöpfung, der sie ohn ihren Willen der Eitel- keit unterworfen hat, so inöchte sie leiden, daß alle bösen Buben nicht ein Glänzlein von ihr kriegten; daß sie aber ihnen scheinen muß, das ist ihr Leiden und Kreuz, darüber sie seufzet und ächzet. Wiewohl sie nun solches nicht gerne thut, ist sie dennoch Gott gehorsam, und nicht allein sie, sondern die ganze Ereatur; und ist sehr fein tröstlich geredet, daß er die ganze Ereatnr einzeucht, gleich als in Eine Person, die mit uns ein Verlangen habe, aus diesem Leben in ein anderes zu kommen. Die Sonne wartet eines andern Schmucks, den sie haben soll, sammt der Erde und allen andern» Ereaturem nämlich, daß sie gereinigt soll werden von allem Mißbrauch des Teufels und der Welt. (Luther.) Wie die gebärende Mutter das lebendige Kind gleichsam dem Tode abringt, so ringt »die unter der Gewalt des Todes seufzende Natur, eine neue, unvergängliche Schöpfung aus sich herauszu- gebären. (v. Gerlach.) Wie es demnach eine Wieder- geburt des Jndividuums giebt, so auch eine Wieder- geburt des Alls (Matth.19, 28; Apstg.3, 21). Luther bezeichnet diese Verklärung der Natur mit kindlichem Ausdruck als Anziehen des Osterrockes Gottes, statt des jetzigen Werkelkleides, wobei die Vergleichung des Weltlaufs mit der Schöpsungswoche zu Grunde liegt, auf die dann auch ein neuer Sabbath folgen wird. Aus diese Zeit deuten die Weissagungen der Propheten, daß die Wüsten wieder blühen sollen (Jes. 35, I ff.), 86 Römer 8, 24—28. daß Lamm und Löwe zusammen weiden werden (Jes. n, e; ff.; 35, o; 65, 25). s)«Auf ein Wissen bezieht sich der Apostel, das seine Leser mit ihm theilen, auf ein Wissen von dem gegenwärtigen Zustande der Schöpfunm daß durch den ganzen weiten Umfang derselben ein Stöhnen geht und ein Wehenschmerz wie einer Kreisenden, daß ihr Gesainmtleben ein in ihren Lebensäußerungen sich knndgebender Schmerz angstvollen Ringens mit steter Todesnoth dnrchzieht Der Christ kennt beides, die gespannte Erwartung, mit welcher sie nach einer Wand- lung der Dinge ausschaut, und das Seufzen und Stöhnen, welches ihr die Schmerzensangst ihrer Gegen- wart auspreßt; die erstere kennt er vermöge seiner Hoffnung »auf die Verklärung der Kinder Gottes, das letztere vermöge des Eindrucks, den ihm das Welt- leben macht, er kann das gegenwärtige Wesen der Schöpfung nicht für ein in sich selbst befriedigtes und diese Welt nicht für die beste ansehen. Jndem so der Apostel von seiner Hinweifung auf eine Zukunft, wo es mit uns und mit der Schöpfung so gar anders werden wird, zu einer Gegenwart übergegangen, die eine Zeit des Seufzens ist für die Schöpfung, fügt er nun in V. 23 hinzu, daß sie eine Zeit des» Seufzens sei auch für uns; wie nämlich Jesus zwar im Fleische schon Gottes Sohn gewesen, aber vom Tode erstehen mußte, um Gottes Sohn in Machtherrlichkeit zu sein (Kap. l, 4), so sind wir durch Empfang des Geistes Gottes zwar Gottes Kinder schon geworden, gleich- wohl steht uns eine Herstellung zur Gotteskindschaft durch Verklärung zu einem Naturlebem welches unsers christlichen Personlebens entsprechende Offenbarung sein wird, erst noch bevor, und das ist’s, wonach ·wir uns sehnen und seufzen. (v. Hofmann.) Zwar hier schon werden wir durch den Glauben an den gekreuzigten Sohn des Vaters Kinder, spüren oft seinen Frieden, genießen seine Liebe, doch aber nicht ungestört, sondern oft und viel unterbrochen. Wir sind auf Erden nur in Hoffnung selig, und wozu wir das Recht empfangen haben, das haben wir noch nicht in Händen. Der ganze Himmel ist uns zugesprochen, aber noch stehen wir vor seinen Thoren; alle Güter des ewigen Lebens sind uns verschrieben, aber noch nicht ausgethan; wir sind eines großen Königs Erben, aber unmündig; wie man unmündigen Kindern nicht freie Hand läßt über ihr Vermögen, so haben auch wir, so lange wir hier wallen, weder Freiheit noch Geschicklichkeit, sondern nur Hoffnung, unsere Kindschaftsgüter zu verwalten. An jenem Tage aber wird uns alles ausgethan, und wir werden mit auferstandenen Leibern in allen Gütern unseres Vaters freudenvoll wandeln. ,,Unsers Leibes Erlösung« bringt nicht der Tod; dieser löst uns zwar von dem Leibe, aber er erlöst den Leib, die andere Seite unseres Wesens, nicht, er überantwortet ihn viel- mehr erst recht dem vergänglichen Wesen, der Unehre, der Schwachheit Es ist also vielmehr die Erlösung des Leibes von allen Unvollkommenheiten und Schwächen in der Auferstehung und Verklärung gemeint. 24. sLaßt es euch nicht Wunder nehmen, wenn ich von uns, die ich doch in V. 14 als schon jetzige Kinder Gottes bezeichnete, soeben nun sagte, wir sehnten uns erst nach der Kind- schast; es verhält sich mit beiden Llussagen ganz richtig«] Denn wir sind sdurch die Erlösung, so durch Jesum Christum geschehen Kap. Z, 24] wohl selig fals solche, die da gesegnet sind mit allerlei geistlichem Segen in himmlischen Gütern Ephes l l i, 3], doch in der Hoffnung [Tit. Z, 7., vgl. 2. Cor. s, 7]. Die Hoffnung aber, die man siehet swo das, worauf sie gerichtet ist, man vor Augen siehet], ist nicht Hoffnung sdaß von ihr noch die Rede sein könnte]; denn wie kann man deß hoffen, das man siehet? sman hat’s ja schon vor sich und braucht also nicht mehr darauf zu warten.] 25. So wir aber deß hoffen, das wir nicht sehen swie ja das wesentlich zu unsrer Signatur als Christen gehört 2. Cor. 4, 18; Col. 1,5], so warten wir sein durch Geduld sso bringt das ein Warten mit sich, wie von einem solchen vorhin V. 23 ebenfalls die Rede war, und das schließt die unter dem Leid der Gegenwart aus- harrende Geduld ein Kap. 5, 2 ff.]. Das Wort «Hoffnung« wird auf zweierlei Weise in der Schrift gebraucht. Einmal heißt es der große Muth, der in aller Anfechtung und Unglück fest bleibt und harrt des Sieges und der endlichen Seligkeit; auf diese Meinung braucht es St· Paulus, da er spricht: ,,wie kann man deß hoffen, das man siehet«? Zum Andern heißt es derselbe Sieg und endliche Seligkeit, welche die Hoffnung und Muth des Herzens erwartet und kriegen soll; auf diese andere Meinung braucht er es, da er spricht: »die Hoffnung, die man siehet, ist nicht Hoffnung« — das ist von der Hoffnung geredet, die da ist die Seligkeit selbst, der wir warten. Solcher Seligkeit warten wir mit Geduld und großem Ver- langen; denn solange wir hier leben, klebt die Sünde immerdar in unserm Fleisch, auch bleibt das Gesetz in unsern Gliedern, welches dem Gesetz unsers Gemüths widerstrebt und uns gefangen nimmt, der Sünde zu dienen, werden dazu mit mancherlei Plage und Unglück angefochten, sind auch keinen Augenblick vor dem Tode sicher. Jn solchem Kampf des Fleisches wider den Geist hält die Hoffnung fest, wartet des Siegs und der endlichen Seligkeit und zweifelt nicht daran, sie werde zu seiner Zeitdasjenige erlangen, deß sie wartet. (Luther.) 26. Desselbigengleichen ladet, wie unser, im Hoffen des Zukünftigen bestehendes Christenwesen uns lehrt, dieses Zukünftigen in Geduld zu warten, und so uns hilft, den gegenwärtigen Leidensstand zu überstehen] auch der Geist fden wir empfangen haben als Siegel unsrer Gotteskindschaft V. «16 und unsers Antheils am einstigen Erbe L. Cor. 1, 221 hilft unsrer Schwachheit shilft uns in unsrer Schwachheih in welcher wir solchen Lei- densstand zu überstehen haben] auf findem er unsers Vetens, als zu welchem unser Sehnen und Warten V. 23 sich gestaltet, sich annimmt] Denn wir fnoch in einer Schwachheit befindlich, die das Widerspiel der uns zugedachten Herrlichkeit ist] wissen nicht, was wir beten sollen, wie sich’s ge- bühret sverstehen uns auf das, um was gebetet sein will, nicht in dem Maße, daß wir das Wort auch wirklich träfen, welches den VolIinhalt jener Herrlichkeit entsprechend ausdrückte, derselbe ist eben für uns ein unermeßlicher; doch soll er darum gleichwohl bei unserm Seufzen und Beten Mark.7, 34 nicht unausgedrückt bleiben], sondern Und auch der Geist, der ihnen ei1iwohnt, nimmt Theil an ihrem Stande des Seufzen-A 87 der Geist selbst sder hienieden mit uns gewisser- maßen ebenfalls im Leidensstande sich befindet, indessen gar wohl auf das sich versteht, worauf wir uns nicht verstehen] vertritt Uns sbei Gott] auf’s Beste mit· unaussprechlichem Seufzen snnt einem Seufzen in unserm Herzen, das unendlich mehr besagt, als in nienschliche Rede sich umsetzen ließe]- 27. Der aber szu dem das Seufzen aufsteigt und der nun] dieHerzeIi forschet sdaß er gar wohl siehet, was in ihnen vorgeht Pf. 139, 1 und wer eigentlich es ist, der aus ihnen heraus zu ihm betet], der weiß [auch]», was des Geistes Sinn sei swas derselbe mit seinem Seufzen meint und will 1. Cor. 14, 14., nnd thut denn nach dessen Sinnen und Trachten]; denn er sder Geist] vertritt die Heiligen sin denen er wohnt und betet] nach dem, das» Gott gestillt sdamit ihr Wunschen und Beten nicht auf blos tnenschlichem Wohl- meinen, sondern auf göttlichein Vorhaben bernhe und ihm die Erfüllung gewährleistet sei]. Wie es in V. 16 von dem Geiste hieß, daß er unserm Geiste unsre Gotteskindfchaft bezeuge, so heißt es hier von ihm, daß er mit unaussprechlichem Seufzen vor Gott für uns eintrete: dort redet er zu uns, hier zu Gott; wie nun dort sein an uns komniendes Zeugniß unterscheidbar ist von dem unsers eigenen Bewußtseins und ihm eine außer uns begründete Ge- wißheit verleiht, so ist auch hier unterscheidbar, daß solch Seufzen zu Gott, obgleich es aus uns aufsteigt, doch einen über unser eigenes Geistesleben zurück- liegenden Ursprung hat, ohne den es nicht eines, unser Gebetsvermögen soweit übersteigenden Juhalts wäre. Danii ist aber solch Thun des Geistes allerdings, wie der Apostel sagt, ein »für uns Eintreten auf’s Beste«: im Gebete reden wir für uns selbst zu Gott; haben nun jene in kein Gebetswort faßbaren Seufzer ihren Ur- sprung im Geiste, so redet er in ihnen für uns zu Gott. Um uns behilflich zu sein, daß wir in unsrer Schwachheit das Leid der Gegenwart bestehen, achtet er, da wir das Gebetswort nicht zu finden wissen, welches der volle Ausdruck unseres Gebetsbedürfnisses wäre, die Sprache des Seufzens nicht zu gering, um in ihr besser zu Gott zu reden, als wir in Worten zu reden vermöchten, und um darin auszudrücken, was sich in menschliche Rede nicht fassen läßt. Für Gott aber, so fügt der Apostel darauf hinzu, ist diese seine Sprache wohl verständlich. (v. HosmannJ Höchst wichtig ist diese Stelle wegen des tiefen Blicks, den sie uns in das Verhältniß des Geistes Gottes zu den von ihni geleiteten Gläubigen thun läßt; sie sagt uns, er vertritt sie, d. h. er bitiet für sie. Es ist hier nicht die Rede von einem Vertreter: des heil. Geistes außer uns, in der Gottheit, sondern sofern er in uns wohnt und uns geschenkt ist; dessen ungeachtet wird dieser Geist klar und bestimmt von unserem Geiste, und zwar nicht etwa von dem alten, sondern von dem noch schwachen neuen Menschen in uns unterfchieden. Die Vertretung und Fürbitte Christi (V.34) geschieht außer uns, von ihm, der zur Rechten Gottes sitzt und das Verdienst seines ewig giltigen Sühnopfers vor dem Vater geltend macht; die Vertretung des heil. Geistes aber geschieht in den Gläubigen selbst, indem der göttliche Geist Eins wird mit ihrem Geist, in alle Noth und Schwachheit der kämpfendew sich sehnenden und harrenden Kinder Gottes si-ch ganz und gar hinein- versetzt, und nicht blos ihr Herz und ihren Geist zum Gebet entzündet und ihr Auge auf den rechten Ziel- punkt leitet, sondern auch, wenn dessen ungeachtet ihre Schwachheit fehlgreift und ihre Inbrunst zu erkalten droht, mit unaussprechlichen Seufzern, die in die Worte schwacher fündhafter Menschen sich nicht fassen lassen, aus ihnen selbst zu Gott redet. Das; auf diese Weise der heil. Geist, Gott zu Gott redet, darf uns nicht mehr befremden, als daß Christus, unser Hoherpriester, da er aufErden war, und noch jetzt zur Rechten Gottes für uns bittet; vielmehr muß uns dies große, uns hier enthüllte Geheimniß von diesem Eintreten des Geistes Gottes für uns zu staunender Anbetung der göttlichen Liebe und Herablassung erwecken. Die Persönlichkeit des Menschen ist kein vorübergehender Schein, geht nicht auf in das allgemeine Leben; aber sie lebt nur dann wahrhaft ein Leben des Geistes, wenn der persönliche Geist Gottes die Seele ihres Lebens, Gott in ihr ist, der Geist der ewigen Gemein- schaft des Vaters und des Sohnes, Gottes und seiner Schöpfung Von Ewigkeit ist Gott die allmächtige, heilige Liebe, und um es zu sein, bedurfte er nicht der Welt, hing nicht in dieser seiner Eigenschast von ihr und ihrem Dasein ab; der ewig ihm gleiche, voll- kommene Gegenstand seiner Liebe ist vielmehr der Sohn, durch den er die Welt erschafft zu seiner Ver- herrlichung in der heiligen Liebe. Aber die zwei Per- sonen, Vater und Sohn, würden ewig einen unauf- gehobenen Gegensatz bilden, wenn nicht der persönliche Geist der freien, heiligen Liebe, der von beiden aus- geht, sie ewig vereinigte; und das, was Gott erschaffen link, würde ihm-fremd werden und ausscheiden aus seiner Gemeinschaft, wenn die Seele alles Lebens darin nicht Der wäre, durch welchen der Vater und Sohn ewig Eins sind. Wie der Sohn Gottes daher, als der Weltschöpfer, die Erlösung ein für allemal vollendet und den Weg gebahnt hat zu dieser neuen Verherr- lichung Gottes, so tritt in und mit dieser Erlösung der Geist Gottes, der die Schöpfung beseelende Geist, in die neu erschaffenen Menschen ein, belebt sie, redet und handelt aus ihnen und macht sie persönlich heilig und Gott gefällig; ja, wie Christus nicht zum Scheine, sondern wahrhaftig unsere nicht scheinbare, sondern wirkliche Noth fühlte und unter ihrer Last unaus- sprechlich litt, und obwohl er der Sohn war, an dem, das er litt, Gehorsam lernte, so sendet auch, in unsere schwache Natur versetzt, der heil. Geist unaussprechliche Seufzer aus den Eins mit ihm gewordenen Gläubigen unter allen ihren Kämpfen und Leiden zu Gott em- por; ihre Noth wird ganz und gar die seine, und durch ein Mitleiden in ihnen überwindet er sie. (von Gerlach.) (Epistel am Tage St. Ialiobh v. 28—89). Vgl. zu Matth. 20, 20 ff. 28. Wir wissen aber swenn so, wie vor- hin darauf hingewiesen wurde, alles um uns her und alles an und in uns in einem Seufzens- und Leidensstande sich befindet], daß denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen [1. Mos. 50, 20., also gerade dieser Stand am meisten zu ihrer Förderung auf dem Wege zur Herrlichkeit beitragen muß; und zwar muß er das, weil sie ja solche sind], die nach dem fin Ewigkeit von Gott gefaßten] Vorsatz szur Herr- lichkeit] berufen sind* fund nun diesen durch die 88 Römer 8, 29—37. Berufung verwirklichten Vorsatz nichts stören und erschüttern darf]. 29. Denn welche er [Gott, gemäß seinem Vorsatz] zuvor versehen [Kap. 11, 2; 1. Petri 1, Z. 20; Apostg. 2, 23] hat, die hat er auch ver- ordnet U. Cur. 2, 7; Ephes I, 5. 11], daß sie ssowohl leiblich als geistlich 2.Eor..3, 18; Phil- 3, 21; 1. Joh Z, 2] gleich sein sollten dem Ebenbild seines Sohnes [Matth. Z, 17; 17, 5], aus das; derselbige sals in welchem das Jdeal der Menschheit schon verwirklicht und ihr Ziel der Verherrlichung auch bereits erreicht ist V. 17;- Offenb. Z, 211 der Erstgeborene sei unter vielen sihm nachgeborenen Ephes 4, 13] Brüdern [Col. 1,18;Hebr.1,6; 2, 10ff.;Offenb.1, 5]. 30. Welche er aber verordnet hat, die hat er auch berufen [2. Theff 2, 13 f.]; welche er aber berufen hat, die bat er auch gerecht gemacht[Kap. 5, 1f.]; welche er aber hat gerecht gemachh die hat er auch herrlich gemachttt [Kap. 5, 2 ff.]. d) Wie Vers 23 im Anschlusse an V. 22., so hat auch V. 26 im Anschlusse an V. 23 von einer Gegen- wart gehandelt, von welcher jetzt etwas Andersartiges ausgesagt wird, als vorher. Wir wissen, hieß es zu- vor, daß die Schöpsnngswelt ihr gegenwärtiges Dasein unter Seufzen hinbringt, wir seufzen auch selbst, ob- gleich wir den Geist besitzen, welcher die Erstlingsgabe unsrer Erlösung ist; und auch der Beistand, den der Geist unsrer Schwachheit leistet, besteht in Seufzern, die er für uns zu Gott sendet. Aber andrerseits, so fährt der Apostel nun hier fort, wissen wir, daß denen, die Gott lieben, alles zum Guten dienlich ist, indem sie die vorsatzmäßig Berufenen sind. Man hat wohl Ursach, sich zu fragen, wie der Apostel dazu kommt, als diejenigen, denen alles zu Gutem förderlich»ist, die Gott Liebhabenden zu benennen, nachdem er doch in diesem ganzen Zusammenhange keinen Anlaß gehabt hatte, den Christenstand nach dem ihm wesentlichen Verhalten zu benennen; wir sehen denn da seinen Gedankengang, nachdem er gezeigt hat, daß Unter- gebung itnter das Gesetz nicht nöthig noch dienlich ist, um Erfüllung des Gesetzes und einen Stand der Gott- gestilligkeit zuwege zu bringen, sondern daß beides sammt der Hoffnung der leiblichen Verlebendigung und Verherrlichung in und mit dem Geiste des Lebens in Christo Jesu gegeben ist, jetzt bei dem Punkte wieder angelangt, wo er bereits in Kap. 5, 1 ff., als er von der auch unter Trübsalen nur um so gewisseren Hoff- .11ung göttlicher Herrlichkeit redete, welcher wir, die vermöge Glaubens Gerechtfertigtem uns rühmen und welche uns nicht wird zu Schanden werden lassen, weil durch den uns gegebenen heil. Geist die Liebe Gottes in unsre Herzen ausgegossen ist (nur daß nun zu der Liebe Gottes zu uns, wie sie in der Recht- fertigung zu Tage tritt, hier unsre Liebe zu Gott, dieses Grundprinzip der Heiligung, als Gegenstück hinzukommt). Zu den Worten: ,,denen, die Gott lieben« fügt Paulus dann noch die andern hinzu: »die nach dem Vorsatz berufen sind« und begründet seinen Satz, daß den Gott Liebhabenden alles zu Gutem dienlich sei, damit, daß sie die vorsatzmäßig Berufenen sind. Das ,,nach dein Vorsatz« schließt die Zufälligkeit aus; die göttlichen Berufungen ergehen nicht unvorbedachter Weise, je nachdem es eben Gott zu Sinne kommt, daß man sürchten könnte, sie möchten ebenso wieder zunichte werden, wie sie geschehen sind, sondern ein Vorsatz vollzieht sich in ihnen und ein durch sie u erreichendes Ziel hat Gott sich vorgesteckt. Die Berusung als solche ist Vollzug »eines Vorsatzes: daß sie ergangen sein kann, ohne daß der Mensch ihr die entsprechende Folge leistete, bleibt da außer Betracht, wo nur von denen die Rede ist, die ihr Folge geleistet haben. (v. Hof- mann.) So gut ist Gott, daß er nichts Böses zulassen würde, wenn er nicht so mächtig wäre, daß er aus jedwedem Bösen etwas Gutes hervorzwingen könnte. (Augustin.) Nicht allein das Unglück, so wir leiden und uns von Andern zugerichtet wird, sondern auch das Böse, das wir selbst thun, muß uns zum Guten gerathen. Ja, sagst du, wie geht das zu? Antwort: Also, daß ein frommer und gottseliger Mensch, wenn er seinen Fall sieht, dadurch zu Schanden und ge- demüthigt wird, und darnach auch Gott fleißig und brünstig muß anrufen; und treibt uns unsre verderbte Natur, so noch in unserm Fleische steckt, eben dazu, das; wir uns selbst feind werden, verdammen müssen und mit Paulo sagen (Kap. 7, 24): «HErr, nimm und kreuzige unser Fleisch!« Also nimmt der Glaube zu durch Gelegenheit der Sünde und Gebrechlichkeih die noch in unserm Fleisch übrig ist. (Luther.) Das macht der unwandelbare Rath der göttlichen Liebe, die ihren Freunden und Liebhabern lauter Gutes zudenkt und nicht zugeben kann, daß es ihren Seelen übel gehe; und ob sie gleich keine guten Tage für das Fleisch suchen, sondern sich stracks in der Bekehrung gutwillig unter das Joch und Kreuz Christi geben, so muß doch auch eben dieses und alles andere Leiden dem Geist zu lauter Seligkeit werden. Wo es der höllische und alle andern Feinde auf’s Aergste ineinen, da richtet Gott alles zum Seligsten ein. (Berleb. Bib.), «) Jn diesen beiden Versen stc-llt der Apostel den Vorsatz Gottes dar, von welchem er am Schluß des 28. Verses redete, wie er sich nach den einzelnen Mo- menten entfaltet und verwirklicht: er selber entfaltet sich als vorzeitliche und ewige Grundlage der geschicht- lichen Heilsordnung in den beiden Momenten der Vor- ersehung und der Verordnung mit Beziehung auf das ewige Ziel, die Herrlichkeit; er verwirklicht sich dann geschichtlich in den Heilsakten der Berufung und der Gerechtmachung, und vollendet sich endlich in der Verherrlichung der Gläubigen, welche letztere durch den Ausdruck: »die hat er auch herrlich gemacht« so nothwendig und gewiß hingestellt wird, daß es so gut ist, als ob sie jetzkschon geschehen wäre. Die Vor- ersehung geht im Grunde von Ewigkeit zu Ewig- keit; die Verordnung geht von der Ewigkeit aus herüber in die Zeit, und die Verherrlichung aus der Zeit wieder hinüber in die vorzeitliche Ewigkeit, während in der Berufung und Gerechtmachung sich die beiden Ewigkeiten verketten und die Ewigkeit in der Zeit offenbar tnachen. Eine erläuternde Pa- rallele zu unsrer Stelle bildet die Stelle Ephes. l, 4—14: wie hier Vorersehung der Verordnung vorangeht, so geht dort die Erwählung der Ver- ordnung voran, woraus folgt, daß Vorersehung und Erwählung im Wesentlichen dasselbe bedeuten, und zwar ein der Verordnung, der Prädestination voraus- gehendes Moment. (Lange.) Es ist ein zwiefaches Thun Gottes, welches der Vorsatz, demzufolge die Berufung ergangen ist, in sich schließt, ein Vor- ersehen, welches die Personen, und ein Verordnem welches die ihnen zugedachte Beschaffenheit zum Jn- halt seines Vorsatzes machte; diese beiden Stücke unter- scheidet der Apostel, um zu sagen, daß das eine nicht ohne das andere ist. Wer in und mit dem Bewußt- sein, Gott zu lieben, die Gewißheit besitzt, ein vorsatz- Alle Dinge dienen denen zum Besten, die Gott lieben, die nach dem Vorsatz berufen sind. 89 mäßig Berufener zu sein, da er sonst nicht dazu ge- langt wäre, Gott zu lieben, der weiß hiermit au»ch, daß er in die Vorersehung Gottes eingeschlosse11·ist, und braucht sich, um ferner gewiß zu sein, daß ihm alles zum Besten diene, nur darauf zn besinnen, wozu er vermöge dessen von Gott verordnet oder voraus- bestimmt worden ist. Wenn Paulus hierauf »das Weitere aufzählh was Gott denen gethan habe, die er seinem Sohne ebenbildlich zu gleichen bestimmt hat, so erinnert er damit, wie vieles schon geschehen sei, seinen Vorsatz zu verwirklichenz es will da im dritten Satze das ,,herrlich gemachttt nicht ausschließlich auf die Zukunft bezogen sein, denn mit dem, welchen Gott fur gerecht erklärt hat, steht es nicht mehr so, wie init dem, welcher noch in seinen Sünden ist (Kap. Z, 23), daß er gleich diesem des Ruhmes mangelte, den wir an Gott haben sollen. Wer den Geist empfangen hat, der da lebendig macht in Christo Jesu (V. 2 und ein Geist der Herrlichkeit ist 1. Petri 4, 14), der entbehrt der Gottesherrlichkeit nicht mehr, sondern besitzt sie schon, wenn aiich vorerst nur innerlich und verborgen, weshalb der Apostel die Zuwendung der uns bestimm- ten künftigen Herrlichkeit in V. 19 eine Offenbarung der Kinder Gottes selbst genannt hat; ist sie dies, so ist unsre zukünftige Berherrlichung nur die Vollendung einer bereits geschehenen, welche sammt der göttlichen Berufung und Rechtfertigung die schon hinter uns liege1ide Verwirklichung dessen ausmacht, wozu uns Gott vorausbestimmt hat, daß wir es werden sollen. (v. Hofinannh Christus ist das wahre und reale Jdeat menschlicher Tugend, dem wir ähnlich-werden sollen und als Christen ähnlich zu werdeti bestimmt sind. (Heubner.) Er ist der Erstgeborene und deshalb der Vorzüglichste, der Chorführer einer zahlreichen Familie; sein Vorzug vor uns besteht aber darin, daß er von Natur ist, was wir durch Adoption werden, daß er an sich ist, was wir durch ihn werden, und daß er der G ottmensch ist, wir aber nur Mensch en G ot- tes. (Philippi.) Wen Gott verordnet hat vor der Welt, den hat er berufen von der Welt, gerechtfertigt in der Welt, und wird sicherlich ihn herrlich inachen nach der Welt. (Augustin.) 7. V. st——39. Ju lehrbegrisslieher Hinsicht ist das in Katz. 1, 16 s. aiisgesiellte Thema nun vollständig erschöpft; es ist nachgewiesen, dasl das Evangelium von Christo wirklich, wie es dort hieb, eine Krast Gottes sei selig zu niacheii alle, die daran glaubeti, iiideni es rechtfertigt und heiligt nnd so ans deiii Elend dieser Zeit eiiier ewigen und iiber alle Masse wichtigen Herrlichkeit entgegensiihrt Da solgt denn nunmehr ein trinniphirenderAbschlusl dieses ganzen Theils: der Itiiostel isk ini Geiste schon aiigelaiigt auf dein Gipfel des Berges der Vertilärniig; er weist, dass in Gottes Gericht dereinst nichts ihn verlilageti nnd oerdainnieit und des ewigen Erbes net-lustig iuacheii kann, aber auch nichts in dieser Welt ihn aufzuhalten verniag, seinen Laus zu vollenden und Glauben zu halten bis an’s Ende, selbst die Mächte der Finsleriiisl vermögen das sticht, Judeiu er im Begriff steht, demnächst nach Rom zu tioninieik maiht Gottes Geist ihn zum Propheten desjenigen Geschicke» das ihn dort erwartet; indem er aber nicht blos in seineni eigenen, sander1i zugleich ini Namen seiner Glaubensgenossett redet, iiiacht Gottes Geist ihn zugleich zum paratileteii derer, die nach wenigen Jahren schon die erste Christen« versolgung der römischen Kaiser unter Nera würden zu erdnldeii haben, und gewisl hat sein Wort: »in den: allen überwinden wir weit durch den, der uns geliebet hat« die röniische Gemeinde gar niiichtig ge— skärtit (Rap.1, 1t), als nun diese Verfolgung iu schauderhastesler Weise hereinbrach (a». 64 n. Chrch « ihr mit Löwenmuth zn begegnen. 31. Was wollen wir denn sann] hiezu sagen swelche Folgerung daraus, daß Gott unser Heil so allewege sicher gestellt hat, alle den Widerwärtigkeiten gegenüber ziehen, die uns in dieser Welt noch be- gegnen]? Jst Gott für Uns sso rufen wir, denselbigen Trotz bietend, aus], wer mag wider uns sein«-ask Mos. 14, 9; Pf. 91, 1ff.]? 32. Welcher [ja] auch seines eigenen Sohnes [Joh. 5, is; 20,17] nicht hat ver- schonet, sondern hat ihn für uns alte sin Noth und Tod Kap. 4, 25; 5, 8] dahin gegeben [Joh. Z, is; 1. Mos 22, i3 Anm.]: tote sollt er uns mit ihm nicht alles schenken« swas er im Himmel und auf Erden besitzt, d. i. die ganze Welt V. 17; 4, is; I. Cor. 3, 22 f.; Joh 17, 1012 33. Wer lvill [wenn nun am Tage des Gerichts es zur Entscheidung kommt über ihre Ererbuug des Reiches, das ihnen bereitet ist von Anbeginn der Welt Matth. 25, 34] die Aus- erwählten Gottes [Mart. 13, 20; 2. Thess 2, IS] beschuldigen sdaß um ihrer auf Erden begangenen Sünden willen sie unwtirdig wären, in solche Erbschaft einzutretensii Gott ist hie, der da gerecht machttti lJes 50, 8 f.]. 34. Wer will verdammen sHiob 34, 2912 Christus ist hie, der sfür uns Gottlose Kap. s, S] gestorben ist, ja vielmehrsGat 4,9], der auch auferwectet ist sKap.4, 25; 5, I0], welcher ist zur Rechten Gottes und ver- tritt unss [Mark. 16, i9; Ephes i, 20 ff.; Hebt. 9, 24; 1. Joh. 2, 1]. 35. Wer will uns scheiden von der Liebe Gottes snach richtiger Lesart: von der Liebe Christi- vgl. V. 37]? Trübsal, oder Angst, oder Verfolgung, oder Hunger, oder Btbße, oder Fähr- lichkeit, oder Schwert? 36. Wie snämlich in Pf. 44, 23 in Be- ziehung auf die Leiden der alttestamentlichen Gottesgemeinde, die sie von der gottfeindlichen Welt zu erdulden hat] geschrieben stehet: Um deinetwillen werden wir getödtet den ganzen Tag; wir sind geachtet fiir Sihtachtschafe sso können wir, die neutestamentliche Christusgemeinde, das- selbe auch von uns sagen Matth. 5, 12; J. Cor. 4,11ff.; 15, 30 f.; 2.Cor.4,11; 6, 4 ff. ii; 11, 23 ff.]· 37. Aber in dem allen überwinden wir weit [2. Cor. 4, 7 ff.; 6, 9 f.; Phil. 4, 11 sf.;iApostg. 5, 40 ff.; 7, 55 ff.; 16, 22 ff.] um deß willen snach anderer Lesart: durch den], der Uns geliebet hatH [Gat. 2, Do; Offenlx i, s; Joh. 16, 33; J. Joh. 5, 4]· 90 Römer 8, 38 39· 38. sJa, in dem allen überwinden wir weit l] Denn ich bin gewiß [2. Tun. 1, 12], daß weder Tod noch Leben [Kap. 1«4, 8], weder Engel [Gal· 1- 8] noch Fitrstenthnm noch Gewalt [Kol. 2, 15; Ephes S, 12; 1. Cor. 15, 24], weder Gegen- wärtiges noch Zukimftiges [1· Con Z, M, 39. Weder Hohes noch Tiefes, noch keine andere Creatnr sdie etwa mit all dem Voran- stehenden noch nicht bezeichnet sein sollte Kap- 13, g; i. Tim, 1, «10] mag Hei-s mit Anwen- dung von Recht, sei’s mit Anwendung von Ge- malt] uns scheiden von der Liebe Gottes, die in Christo Jefu ist, unserm HErrusH [Kap. 5, 5 ff.; Ephes 2, 7; 2. Tini. i, 9]. V) Die Frage: ,,was wollen wir nun hiezu sagen?« (vgl. Kap. J, so) wirft der Apostel namens derer auf, namens derer er den Satz, daß denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen, in V. 28 mit den Worten eingeführt hat: »wir wissen aber«; sie können im Hinblick auf die Thatsachew in denen fich ihre Be- stimmung bereits verwirklicht hat, auf keinen andern Gedanken kommen, als der mit jenem Satze im Ein- klang steht. Da sie sehen, daß sie Gott für fich haben, so bieten sie dem Trotz» der wider sie sein will; denn in diesem Sinne macht der Apostel den aus dem Vor- hergegangenen gewissen Saß: »Gott ist für uns« zum Vordersatze der Frage.: »wer mag wider uns sein?« welche nicht sowohl verneint, da der Christ ja nicht rühmen kann, er habe niemanden gegen fich, als vielmehr heraussordert (v. Hofmann.) Der gottbegeisterte, alles Jrdische tief unter seinen Füßen zurücklassende Glaube des Apostels spiegelt fich auch in der erhobenen Form des Ausdrucks wieder; dies haben fast alle Ausleger empfunden, und schon Erasmus hat dieser Empfindung in seiner Weise Worte geliehen, wenn er fragt: quid usquain Cicero dixit gisandjloquentiussi Jn der That, wie V·19—23 eine heilige Elegie, so kann V.31—39 ein heiliger Hymnus genannt werden, jene eben so zart und innig, als dieser kühn und er- haben nach Jnhalt und Form, jene eine Ausführung des »wir sehnen uns und sind beschweret« in ·2. Tor. 5, 4., dieser ein Commentar zu dem »Unser Glaube ist der Sieg, »der die Welt überwunden hat« in 1· Joh- 5, 4. (Phtlippi.) — » · · H) Nachdem der Apostel im vorigen Verse die Er- habenheit der Gotteskinder über die feindliche Welt in negativ er Beziehung dargestellt hat, stellt er sie nun in positiver Beziehung dar. (Lange.) Mit welcher Zuversicht der Christ auf Grund dessen, daß er Gott für fich hat, die herausfordernde Frage: »wer mag wider uns sein?« thun könne, foll er nach der That- sache bemessen, daß Gott, wie fich der Apostel im An- schluß an 1 Mos 22, 16 ausdrückt, seines Sohnes nicht verschont, sondern ihn, der mit gleicher Betonung, wie in V. 3 sein, so hier sein eigener Sohn (d. i. der es von Natur ist, im Unterschiede von den Adoptiv- fühlten) heißt, für uns alle, nicht etwa nur diesem oder " nem zu Liebe und zugute, in das Gefchick, welches ihm thatsächlich widerfahren ist, dahingegeben hat. Darm, daß Gott solches gethan und also, wie sehr er für uns sei, hinreichend bewiesen hat, um uns trutzig zu machen für jedweden, der wider uns sein mag, schließt sich dann als ein Weiteres, daß wir uns von demselben Gott auch dessen versehen dürfen, er werde uns, nachdem er seinen Sohn uns nicht vorenthalten der Dinge (:o2 weinen) schenken, um es zu besitzen Die Welt, nämlich die Welt der Zukunft, zgcm Erbe zu haben, ist dem Geschlecht Abrahams zugesagt; Gott hat sie ihmzunterworfem Jesu voran und uns als seinen Brüdern (Hebr. 2, 5 ff.). Während nun jenes Erste, daß wir im Vertrauen aus den Gott, der so sehr für uns ist, jedwedem Trotz bieten können, der wider uns sein mag, fich auf die Gegenwart bezieht, in der wir uns vor niemandem zu sürchten brauchery als könnte er uns um das Heil bringen, das wir be- sitzen, bezieht fich dieses Andere, daß derselbe Gott, der uns mit« Christo das All der Dinge schenken wird, es zu besitzen, auf die Zukunft, in der fich unser Heil damit vollenden wird, daß Gott uns die Welt zu eigen giebt. Auf diese Zukunft bezieht fich nun auch die folgende Frage, deren Fassung wohl nicht zufällig an Sach. Z, 2 erinnert. EIN) Wie das: »wer mag wider uns sein?« in V. 81, so ist auch das: »wer will die Auserwählten Gottes beschuldigen?« nicht sowohl V erneinend, als heraus- sordernd gemeint: Gotterkorene sind über alle Anklage« hinaus; nachdem sie Gott einmal an fich ge- nomn1en hat, mag, wer da will, gegen sie anbringen, was er will, es wird ihnen keinen Eintrag thun, sie dessen nicht verlustig machen, worauf ihnen ihre Ers- wählung Anwartschaft giebt. Der Uebergang zu dieser Frage ergiebt sich» aus dem Zusammenhang zwischen der schließlichen Heilsvollendung und dem schließlichen Gerichtsvollzuge; denn daß fich der Apostel eine An- klage denkt, welche dann erhoben würde, wenn die Angeklagten im Begriff stehen, den erhofften Besitz anzutretem also eine Anklage zur Zeit des Endgerichts, findet in der Fassung des Satzest »Gott ist hie, der da gerecht macht« seine Bestätigung. Hiermit ist also nicht die Gerechtfprechung gemeint, mit welcher Gott je und je die Bitte des fich zu ihm Bekehrenden er- widert (Luk. 15, 20 fs.), sondern die schließliche, mit der er die Guten von den Bösen scheidet (Matth. 12, 36 f.): wenn wir, heißt es, an Gott Den haben, der uns alsdann für gerecht erklärt, woher sollte uns ein Urtheil der Verurtheilung kommen? (v. HofmannJ Die Frage: »wer will beschuldigen?« ist ganz all- gemein und schließt alle nur erdenklichen feindlichen Mächte, Satan, Gesetz, Gewissen, Welt u. s. w. ein, ohne irgend eine derselben bestimmt oder ausschließlich bezeichnen zu wollen. Gleichwie nun die Bezeichnung: »die Auserwählten Gottes« in dem Sinne gemeint ist: ,,solche Menschen, welche Auserwählte Gottes sind«, ist der Ausdruck: »Gott ist hie, der da gerecht macht« energifcher, als wenn es blos hieße: »Gott macht sie gerecht« — rechtfertigt Gott, so versteht sich, daß niemand anktagen wird oder doch seine Anklage nich- tig ist; er würde dadurch erfunden als ein solcher, der wider Gott streitet. (Philippi.) s) Das Verdammen folgt auf das Beschüt- digen und wird deshalb hier von demselben zur Stei- gerung des Gedankens noch unterschieden. Mit den Worten: ,,Christus ist hie, der gestorben ist« wird dann die in der negativen Frage: »wer will ver- dummen ?« von selbst schon enthaltene Antwort bestätigt; der Tod Christi ist natürlich als Versöhnungstod zu denken, der eben als solcher jegliche Verdammniß aus- gehoben hat. Die darauf folgenden Worte: »ja viel- mehr« enthalten eine Correktur; denn nicht sowohl als der todte, als vielmehr als der lebendige Christus vermag er uns vor der Verdammniß zu schützen Wie aber schon die Auferstehung Christi, so enthält mehr noch sein Sitzen zur Rechten Gottes die Bürgschaft unsers Geschütztseins vor jeglicherVerdammnifx denn hat, mit ihm, den wir schon zu eigen haben, das All h als der zur Rechten Gottes Erhöhte hat er eben Theil Triumphirender Abschluß des lehrbegrifflichen Abschnitts 91 an göttlicher Herrschaft und vermag deninach die Sei- nigen allmächtig zu schirmen Wie nun als solcher er schirmen kann, so besagt das: »und vertritt uns«, daß er auch schirmen will. (Philippi.) Der Aus- druck, dessen Paulus sich bedient, indem er nach wört- licher Uebersetzung des Grundtextes schreibt: »wer ists’s, der verdammt?« spricht aus, daß es in berechtigter Form nur Einer sein könnte, Christus: dieser aber gerade ist unser Versöhner und Vertreter. (Lange.) ff) Wenn nach V. 34 von Christo so wenig zu befurchten ist, er werde da verdammen, wo nach V. 33 Gott gerecht spricht, daß er uns in seiner überwelt- liche1i Hoheit vielmehr vertritt, damituns Gott für gerecht achte, so kann es uns, die wir Gott für uns haben und seine Erkorenen sind, an der schließlichen Vollendung unsers Heils nicht fehlen, wenn nur die Liebe Christi auf uns gerichtet bleibt und nicht auf- hört, sich an uns zu erzeigen; daher die weitere und letzte, von jener Zukunft in die Gegenwart zurüc- kehrende Frage des 35. Verses: »wer will uns scheiden von der Liebe Christi?« bei welcher von der Liebe zu Christo die Rede darum nichtsein kann, weil wir nur von dem, was außer uns ist, geschieden werden können· Die Dinge, von denen hierauf der Apostel sagt, daß wir in ihnen allen (,,eine scheinbar fürchterlicheSie b en - zahl, welche aber das siebente: Schwert, womit Paulus seine eigene Todesart voraus bezeichneh zum festlichen Abschluß des Märthrerthums bringt« Apostg 12, 2) durch den, welcher uns geliebet hat, weit über- winden (,,so daß wir also diesen Leiden nicht nur gewachsen, sondern auch weit überlegen sind«), sind wirklich der Art, daß es scheinen kann, als ob der- jenige, der sie einem Christen widerfahren läßt— denn auf ihren Ursächer weist die Frage: »wer will scheiden?« zurück —, der Liebe Christi den Weg versperre, sich in der That an ihm zu erweisen. Es geht ja den Gliedern der neutestamentl. Gemeinde, wie es lautdem angezogenen Psalmtvort den Gliedern der alttestamentlichen ergangen ist. Die Feinde Jsraels, die es um des Gottes willen verfolgten, dessen Volk es war, achteten die Knechte Jehova’s, die sie erwiirgten, für preisgegeben wie Schafe, die in des Schlächters Hand gegeben sind, nnd wähnten also damit die Zuversicht, mit der sich Jsrael der Liebe seines Gottes getröstete, Lügen zu strafen; hätten sie darin Recht gehabt, so würden sie, da Je- hova sein Volk wirklich liebte, in Wahrheit ihm durch ihr Thun unmöglich gemacht haben, seine Liebe ferner zu erzeigen. Gleiches gilt jetzt von den Christen: was ihnen um Christi willen widerfährt, ist in den Augen ihrer Feinde ein Beweis, daß es nichts ist mit der Liebe Christi, deren sie sich getrösten; sie selbst aber, da Christus lebt und sie lieb hat, müßten in dem, was ihnen widerfährt, wenn es mit der Liebe Christi gegen sie unverträglich wäre, einen Sieg ihrer Feinde über Christum sehen und sich von seiner Liebe, die sich ihnen nicht mehr erzeigt, abgeschieden achten. Aber was man ihnen auch anthue, und sei es der Tod, sie bleiben obenauf und siegen ob durch eben Den, welcheni die Feindschaft ihrer Widersacher gilt; denn er hat sie nicht blos seiner Zeit geliebt, sondern beweist ihnen seine Liebe fort und fort durch die Kraft, die er ihnen verleiht, in allem, was ihnen um seinetwillen wider- fährt, den Sieg zu behalten. (v. Hofmann.) Hi) Der Apostel spricht in der begeisterten Rede aus seinem eigenen Jnnenleben heraus, setzt aber na- türlich den selbstgefühlteii Zustand des eigenen inneren Lebens bei allen wahren Christen voraus. (Maier.) Der Widerwärtigkeiten, die uns entgegentreten könnten, hat er vorhin sieben aufgezählt (Hiob 5, l9)-; hier zählt er der Potenzen, die uns anfechten könnten, zehn und ordnet da zweimal zuerst paarweise, darnach stellt er je drei Momente zusammen. (Lange.) Das erste der zweitheiligen Glieder erinnert noch an die vorher ausgeführten Leidensmächte (V. 35: ,,Schwert«) durch die Voranstellung des ,,Tod« vor »Leben« (anders als in 1. Cor. Z, 22). Jn den drei folgenden sind wohl mit ,,Cngel« die guten Engel bezeichnet, bei denen allerdings die Absicht einer solchen Trennung der Christen von Gott nicht vorausgesetzt werden kann; aber der Apostel spricht hier hypothetisch und will in dem, was er hier nennt, überhaupt nur das Moment der Macht hervorheben. (Tholuck.) Nachdem denn die höchsten persönlichen Mächte und Gewalten genannt sind, schließt sich daran in den Worten: »Weder Gegen- wärtiges noch Zukitnftiges, weder Hohes noch Tiefes« alles, was überhaupt nur in Zeit und Raum befindlich zu denken ist, mit dem ,,noch keine andere Creaturlt aber wird der Begriff alles nur Erdenklichen voll- ständig erschöpftz zwar findet in der Wirklichkeit jedes Geschöpf sich schon in Zeit und Raum beschlossen, aber die ganze Sphäre der denkbaren Endlichkeit ist doch erst» durch diesen Zusatz mit Sicherheit durchmessen. lPhlltpplJ Das 9. Kapitel. Die Erwählung hängt nicht am äußerlichen Vorzug, sondern an igoiies Hunde. b. Auf den so unifangceiehen tehrbegrifflichen Theil läßt Paulus in Lieb. 9, 1——11, 36 einen, wenn auch nicht eben so langen; doch ausführlich genug gehaltenen lehr- geschichtlichen Abschnitt folgen (vgl. die Eint. zu Rad. l, 18); derselbe war gleich von vornherein dadurch nöthig gemacht, daß bei Angabe des Themas in Rad. l, 16 f. zu den Worten, das Evangelium von Ghrislo sei eine Kraft Gottes, die da selig macht alle, die daran glauben, der Zusatz gemacht war: die Iluden vornehmlich oder in erster Linie, und in zweiter Linie dann auih die Heiden, was doch aber der bisherigen geschichtlichen Gr- sahtung, die in Zukunft sogar noch enlsehiedener sich geltend machen würde (Apoltg. Es, 17 ff.), schnurstracks zu wider- sprechen fehlen. Denn eben dies Evangelium war ja der unübersehtiar großen Mehrheit der Juden vielmehr ein Gegenstand des Aergcrnisses und des Hasses, statt daß es- vernioiht hätte, dieselben fiir den Glauben zu gewinnen und sie dadurch selig zu machen; thatsiichticlz sind es im Gegrntheit zunieist nur die Heiden. die sich davon angezogen und befriedigt fühlen, und diese sind denn auch bereits in die erste tEinie eingetreten, die jenen bestimmt war. Wie erlitärt sich das? inwieweit hat sich Gottes ursprüng- liihe Grdnung dennoch wirlisam erwiesen? inwiefern ist aber auch die faktisch gewordene lllmtiehrung seiner Ged- nung von Gott schon vorgesehen? und welches sind seine heilogcdanllen fsir die weitere Zukunft? Das sind denn die Fragen. iiber welehe der Apostel kraft göttlicher Er— leucylung und mit prophetifcliem Siharfblicli in diesen! von den Auslegcrn vielfach für einen bloßen Anhang ange- sehenen Abschnitt Auskunft giebt. I- V. 1—33. Es schmerzt den Apostel tief, daß ein so großer Theil Jsraels von der Gnadenanstalt Gottes in Christo ausgeschlossen bleibt, doch ist darum dir Ver— heißung nicht zunichte geworden: von Anfang hat die göttliche Verheißun nur das reihte Israel vor Augen gehabt; daher wurden schon in der äußeren Theoleratie nur die auf dein Wege wunderbaren: Beugung entstan- denen ttaehlioniiiien Abrahain’s, die Kinder Mantis, als Bundesgtieder angesehen, ja, unter diesen wurde wieder 92 Römer I, 1—18. deni Jakob vor dein Gsau das Grstgeburtsreott iiiit allen seinen Segnnngen zuerliannh ohne auf beiderseitige Werke Rücksicht zu nehnien (id.1——t3). Von Seiten Gottes liegt hierin kein Unrecht; »denn Erbarmen ist der letzt: Grund, wenn er jeniand Wohlthat erweist, nicht aber ein Laufen und wollen von Seiten des Men- schen; und wie er iiun deni Messe, auf dessen hohe Be— gnadrmg die Juden so stolz sind, diese eben nur aus freier Entschließung hat zu Gheil werden lassen, so hat er auch andrerseits den ihm Widerstrebenden und gegen seinen willen sich auslehnenden slharao versteckt, uni seine Macht an ihm zu erzeigen, worin zu jehiger Zeit des nngläubigen Israel Geschick sich spiegelt (lt1.14—18). Dasselbe hat an und siir sich schon kein Recht, iiber Gottes verfahren mit ihm sich zu lieschweren, am wenigsten aber bei der großen Geduld und tlangmutlk womit es von ihm getragen worden, ehe es zu dem schließlichen Gericht der ttlersiorliung und Vermerfung ge— lioitiiiienz und nun steht ihm eine ans Heiden und Juden gesammelte Ghristengenielnde gegenüber, an der sich der lteichthuin der göttlichen Bariiiherziglieit offenbart und an der siih zeigt, daß auch Israel hätte selig werden können, wenn es nur der Gnadenordnung Gottes sich hätte unterwerfen wollen und nicht an den Stein des Jlnlanfens sieh gestoßen hätte (V.19—33). I. Jch sage die Wahrheit in Christo und lügt nicht [1. Tun. Z, 7J- deß sdaß ich nämlich mit dem, tvas ich jetzt von mir aussagen werde, die Wahrheit rede in Christo und nicht läge] mir Zeugnis; giebt mein Gewissen sdessenseugniß zwar an sich nicht zuverlässig wäre, wohl aber wird es das, weil es geschiehet] in dem heiligen Geist sder mein Jnneres dnrchwaltet und vor Selbstbetrug mich bewahrt 1. Joh. Z, 27], 2. Daß ich [wegen der immer mehr sich herausstellenden Verstockung Jsraels Kap. 11, 7; 2. Eor. Z, 141 große Traurigkeit und Schmerzen ohii Unterlaß iii meinem Herzen habe. Z. Jch habe sin derselben Liebe zu meinem Volk, die Moses in 2. Mos. 32, 31 ff. an den Tag legt] gewünscht [wo das möglich wäre Gal. 4- 155 Pf— 49- 8 f-] verbannet zu sein von Christo fund all des Heils zu entrathen, dessen ich in der Gemeinschaft mit ihm zu genießen habe] für meine Brüder, die metiie Gefreundte sind nach dem Fleisch* [für die Juden, bei welchen solche Verbannung wirklich stattfinden und ihnen jenes Heil gewissermaßen abzutreten]: 4. Die da sind von Israel sGottes auser- wähltem Volk 2. Cor. 11, 22; Phil. 3, 5], tveichen gehöret die Kindschaft s2. Mos. 4, 22 f.; 5.Mos. 14, 1f-; Jes Es, 167 Hof. 11, I] und die Herr- lichkeit [Hebr. 9, 5; 2. Mos. 40, 35 Anm.] und del? Bund [1. Mos. 17, 7; Z. Mos. 19, 5 f.; 24, 3ff.; Jes 54, to] und das Gesetz so. Mos. 4, 7; 33, 2 f.; Pf. 19, 18 ff] und der Gottes: dienst [Ps. 27, 4; Joh. 4, 22] und die Ver- heißung sEphes 1, 11 s; 2,« 12;»Offb. 12,1 ff.]; 5. Welcher auch sind die Vater [Kap. 4, i; 9, 10; Joh. 4, 12; 7, 22], aus welchen Christus herkommt nach dem Fleisch [Kap. 1, 3], der da ist Gott über alles [Kap. 1,4; 1.Ti:n· 3, to; Tit— 2, 133 I· J0h· 5- 201- gelobet in Einigkeit [Kap. l, Zpz 2. Cor. 11, Bis. Amensst v V) Jn einen schwungvollen Hymnus feines freu- digen, weltüberwindenden Glaubens hatte der Apostel die Erörterungen über den Gnadenstand des Christen aus- gehen lassen (Kap. 8, 31 fs.); und nun eine ergreifende Elegie, in die seine Rede fast unvermittelt übergeht! Bedingt ist das durch den im Augenblick ihm vor die Seele tretenden Gegensatzt in dieser Glaubensseligkeit wir Christen, und dagegen — Israel! (Röi1tsch.) Den Gegenstand oder Anlaß seiner Betrübnis; nennt der Apostel nicht sogleich und nicht direkt; sein großer Schmerz bezieht sich aber nicht nur auf den bereits vorhandenen großen Fall seines herrlichen Volks, fon- dern auch auf seine tragische Stellung zu den Brüdern nach dem Fleisch (das Reich Gottes von ihnen zu nehmen und es den Heiden zu bringen 9Jiatth. 21,43), und auf den schweren prophetischen Beruf, jetzt das ganze Gericht der Verstockung über Jsrael niit seinen unabsehbaren traurigen Folgen offen aufzudecken (vgl. Apostg. 28, 25 ff.). Auch Christus weinte, als er Je- rusalems Schicksale voraussagte. (P. Lange) Aus- geschlossenheit von Christo, in der er alle die Güter entbehren würde, welche die Gemeinschaft mit Christo in sich schließt, meint der Apostel, wenn er sagt: ,,ich habe gewünscht verbannet zu sein von Christo für meine Brüder, die meine Gefreundte sind nach dem Fleisch«; er selbst würde, wenn sein Wunsch sich erfüllte, von Christo weg verbannet sein, und seine Volks- genossen befänden sich dagegen da, wo er jetzt ist, in der beseligenden Gemeinschaft Christi. (v. Hofmann.) Die ganze heilige Nationalliebe, die noch heute zwischen Jude und Jude in einzelnen so ergreifenden Zügen zu Tage tritt, hat nie heller geglänzt, als in diesen Auslafsungen des Paulus. (Wangemanii.) is) Sind sie doch, fährt der Apostel fort und macht damit feinen Wunsch noch erklärlichey Jsraelitem und was dann der hieran sich anschließende Satzi ,,welchen gehört« aufzählh liegt alles auf heils- geschichtlichem Gebiet und soll den Schmerz begreiflich machen, mit dem er sein Volk, welches alle diese Güter hat, nun desjenigen entbehren sieht, in welchem sie ihren Abschluß gefunden haben. Es ist im Gegensatz, zur übrigen völkerweise lebenden Menschheit 1) das Volk, zu welchem sich Gott in das Verhältnis; eines Vaters zu seinem Sohne geslellt hat; 2) das Volk, deß die Herrlichkeit war, nämlich die wesei1hafte Er- scheinung Gottes, die nirgend sonst, als hier, zu sehen kam; B) das Volk, mit dem er in den Tageii Abrahums zuerst und in den Tagen Mosis hernach eine Lebens- gemeinschaft eingegangen ist, sein Gott sein und es zu seiner Gemeinde haben zu wollen; 4) das Volk, dessen Gemeinleben, wie bei keinem andern Volke, durch ein Gesetz geordnet war, welches Gott ihm als den wirklichen Ausdruck seines Willens wunderbar geoffenbart hatte; 5) das Volk, dessen Gottesdienst das einzige auf Erden war, mit welchem wirklich und in rechtschaffener Heiligkeit Gott verehrt wurde; S) das Volk, welchem Gott die Verheißungen gegeben und zu wissen gethan hat, deren Erfüllung das Heil der Welt aus-macht. Dies die sachlich en Vorzüge dieses einzig- artigen Volksthumsx und wenn nun andere Völker auf Männer stolz sind, von denen sie stammen oder die aus ihnen hervorgegangen sind, so gehören diesem Volke diejenigen an, auf welche die Gemeinde Gottes als auf ihre Ahnen zurückblickh nämlich Abraham, Jsaak und Jakob, die Anfänger des einigen Heils- gemeinwesenszund ist ausihm derjenige hervorgegangen, Il. Der lehrgeschichtliche Abschnittt Israels Verstoßung und Wiederannahma 93 in dessen Person das Heilsgemeinwesen zu seiner Voll- endung gelangt ist, Christus nämlich, der Mensch, welcher Gott ist. (v. Hofmann.) Die Beziehung der Schlußworte: »der da ist Gott über alles 2c.« aus Christum, so daß in denselben Christus dem Vater völlig gleich gestellt wird, ist nicht nur die einzig natür- liche, sondern auch die nothwendige; denn da: ,,nach dem Fleisch« offenbar einen Gegensatz fordert, so ist es das Natürlichste, daß, wenn ein solcher, wie hier thatsächlich der Fall ist, in den gleich folgenden Worten sich findet, diese auch als Ausdruck dieses Gegensatzes verstanden werden. Es ist dies aber nicht nur natür- lich, sondern auch nothwendig: im entgegengesetzten Fall müßte der Gegensatz zu: ,,nach dem Fleisch« ver- schwiegen und müßte also in Gedanken ergänzt werden; das ,,nach dem Fleisch« steht aber nur um des fol- genden ,,welcher ist Gott über alles« willen da. Ohne diesen Gegensatz enthielte es eine hier gewiß nicht beabsichtigte Verkleinerung der Vorzüge Israels. Der Apostel würde dann einsach: »aus welchen Christus herkommt« geschrieben haben; denn daß der Messias von den Juden herkommt, ist ein höherer Vorzug, als daß er nur nach dem Fleische von ihnen herstamn1t. Daß aber Der 11ach dem Fleische von ihnen herstammt, welcher Gott ist über alles, das ist der denkbar höchste Vorzug. 6. Aber nicht sage ich solches sdaß ich näm- lich große Taurigkeit und Schmerzen ohn’ Unter- laß in meinem Herzen habe und sogar gewünscht habe, verbannet zu sein von Christo, wenn ich damit Israels Verbannung von ihm abwenden könnte V. 2 f., in der NieinungL daß Gottes Wort darum sweil nun gerade Israel des Heiles in Christo verlustig gegangen] aus sei [hinfällig und zu Schanden geworden] Denn es sind nicht alle Jsraeliter sAngehörige des Israel Gottes Gal· S, 16], die von Israel sind fin nationalem Sinne Israeliter sich nennen dürfen] 7. Anch nicht alle, die sdem äußeren Wort- verstande nach] Abkahams Same sind [insofern sie leiblich von ihm abstatnmen], sind darum auch Kinder sdesselben im Sinne Gottes, denn leiblich statnmte auch Ismael von ihm ab]; sondern in Jsaak sso lautet der Gottesspruch in I. Mos. 21, 12] soll dir der Same genannt sein lihn allein meine ich, wenn ich bei meinen Verheißungen von deinem Samen rede]. 8. Das ist sum das gleiche Sachverhältniß nun auch auf die anzuwenden, welche allerdings verniittels des Isaak von Abraham abstammen, auf die von Israel V. 6 nämlich], nicht sind das sohne Weiteres schon auch] Gottes Kinder ssolche, denen Gott die Kindschast bei ihm zuspricht], die nach dem Fleischa [nach der natürlichen; leiblichen Abstammung] Kinder sind szu demjenigen Volke zählen, welchem die Kindschast gehört V. 4]; son- dern die Kinder der Verheißnng [die dem Jsaak zugleich darin gleichen, daß sie über das hinaus, . was der gewöhnliche Lauf der Natur zu Stande bringt, durch die höhere Macht der Verheißung geboren sind Gab 4, 21ff.] werden fvor Gott] für Samen gerechnet ]Joh. 8, 37 ff.;Luk. Z, 8]. 9. Denn dies ist ein Wort der Verheißnng sund macht den Isaak ausdriicklich zum Kinde der Verheißungs da er sder HErr in 1· Mos. 18, 10] spricht: Um« diese Zeit will ich snächstes Jahr wieder] kommen, und Sarabsollsdann kraft außer- ordentlicher Wirkung meiner GotteZmachtJ einen Sohn habend fder ist denn auch nachher Abra- hams alleiniger Erbe geworden 1.Mos. 25, 5 ff.]· 10. Nicht alleiu aber ists mit dem smit Abrahams Sohne, dem Jsaak] also· [daß nur er, und nicht auch Jsmael, das Kind der Verheißung in Gottes Augen war], sondern auch, da Rebekka von dem einigen Jsaak, unserm sder Juden, an- deren Erz-] Vater, schwanger ward kund es also um zwei gleichzeitige Zeugungen eines und desselben Ahnherrn Israels sich handelte], 11. Ehe die Kinder geboren waren und sder eine wie der andere] weder Gutes noch Böses gethan hatten [wodurch sie, der eine nach dieser, der andere nach jener Seite hin, mitbestitnmend hätten einwirken können], auf daß der Borsatz Gottes sseine Willensbestimmung, wer von ihnen beiden, die doch sonst einander ganz gleich standen und in keinerlei Weise einer vor dem andern etwasvoraus hatten, der Träger der Verheißung sein solle] bestünde nach der Wahl, ward zu ihr sbei ihrem Besragen des HErrn] gesagt- 12. Nicht swie aus dem, in der ersten Hälfte des vorigen Verses erwähnten Umstande erhellt] aus Verdienst der Werke, sondern swie bereits» in der zweiten Hälfte des vorigen Verses bemerkt wurde] aus Gnaden des Vernfers [Ephes. J, n; 2. Tim. I, 9], also: Der Grdßere soll dienstbar werden dem Kleineren [1. Mos. 25, 21 ff.]·; 13. Wie denn [in Beziehung auf diese, ledig- lich in Gottes zugeneigter, resp. ab geneigter Ge- sinnung begründete Heranziehung des einen und Zurüekziehung des andern bei Mal. I, 2 f.] ge- schrieben stehet: Jakob habe ich geliebet, aber Esau habe ich gehassettt ]Luk. 14, 26; Ich. 12, 25; Mos. 21, 15]. it) In der That wäre, wie der Apostel hier es ausspricht, wenn das Geschick Israels mit der Schrift in Widerspruch stünde, nicht etwa nur ein einzelner Bestandtheil des Wortes Gottes oder das Wort Gottes in einer einzelnen Beziehung hinfällig geworden; denn die gesammte heilsgeschichtliche Offenbarung faßt sich zusammen in der Verheißung welche auf Israel lautet, und ist, wenn Israels Geschick damit in Widerspruch steht, gleichsam von da, wo sie ihren Standort hatte, entfallen. (v. Hosmannh Die messianischen Verheißungen waren dem Samen Abrahams ertheilt; der rohe, fleischliche Sinn nun eignete sie der gesammten fleisch- lichcn Nachkommenschaft zu, daher jener gangbare jüdische Grundsatz, welchen der Talmud ausspricht: ,,ganz Israel hat einen Antheil an dem zukünftigen Leben«, und die Gemara zu der Stelle nimmt von jener Gesammtheit niemand aus, als die verschiedenen Arten von Ketzern (z.B. Saniariter). Dieser sleischlichen Auffassung tritt denn der Apostel hier durch eine 94 Römer 9, 14——22. geistige Deutung des Begriffs der Nachkominenschaft Abrahams entgegen und weist zunächst darauf hin, daß Gott schon bei den unmittelbaren Nachkommen Abrahams nicht alle, die leiblich von ihm herkommen, auch als Kinder, welchen die Rechte des Erbes zu- kommen, anerkannt, sondern nur die, deren Abstam- mung durch Jsaak hindurchgeht; darnach macht er geltend, daß Jsaak nicht durch natürliche Zeugungs- kraft, sondern nach einer objektiven göttlichen Verheißung geboren war. Wenn daher Abraham durch Jsaak hin- durch eine Nachkommenschaft mit Kindesrechten erhält, so liegt darin die Andeutung, daß Gott auch nicht der fleischlichen Abstammung von Jsaak für sich allein die Kindesrechte zugesteht, sondern nur den zugleich nach seinem Vorbild in geiftlicher Weise (Gal. 4, 29) Ge- borenen. (Tholuck.) IV) Gegen das Beispiel von Jsaak konnte ein- gewendet werden, daß es zum Beweise einer, von leib- licher Abstammung unabhängigen göttlichen Erwählung aus dem Grunde nicht tauge, weil zwischen jenem und dem hintangesetzten Jsrael mütterlicherseits ein wesentlicher Unterschied der Herkunft bestehe: Jsmael ist ein Sohn der Magd, und dem Jsaak falle so als dem Sohne der Freien rechtmäßig der Vorzug vor ihm zu (Gal. 4, 21sf.). Deshalb bringt der Apostel noch ein anderes Beispiel bei, das keinen Widerspruch gegen seine Beweiskraft zuläßt, weil hier, bei Zwil- lingen, die Eltern dieselben sind. An diesem Beispiele tritt aber noch ein weiteres Moment hervor, das der Apostel sehr nachdrucksam behandelt, nämlich die Unab- hängigkeit der göttlichen Erwählung von sittlicheu Leistungen, die unter die Kategorie der Gesetzes- werke gehören. (Maier.) Es ließe sich zwar gegen das Moment: ,,ehe die Kinder geboren waren und weder Gutes noch Böses gethan hatten« einwenden, daß doch dem göttlichen Vorherwissen die zukünftig en Werke schon gegenwärtig gewesen seien und demnach die Vorherbestimmung den vorhergesehenen Werken gemäß geschehen fein könne; indeß, die Ankündigung tritt doch in der alttestameiitlichen Geschichtserzählung in der reinen Form absoluter göttlicher Bestimmung auf und es ist dort keine Spur von Andeutung einer Rücksichtnahme auf zukünftige Verdienste der Bethei- ligten vorhanden. Der Apostel hatte also Grund zu schließen, daß, wenn die Werke der Zwillingsbrüder ihr Loos entschieden hätten, dasselbe dann, wie sonst gewöhnlich, während des Verlaufs ihres Lebens nach vollbrachter guter oder böser That, und nicht schon vor ihrer Geburt, durch göttlichen Ausfpruch festgestellt worden wäre. (Philippi.) Völlig verwerflich ist es, wenn reformirte Theologen unsere Stelle so deuten, als habe Gott durch einen ewigen Rathschluß Jakob zum ewigen Leben und Esau zur ewigen Verdamm- niß bestimmt: der Gegenstand, den Paulus er- läutern will, liegt ja nicht jenseit der Zeit, sondern mitten in der Zeit; es handelt sich um das zeit- weilige Eintreten in das theokratische Erbe und darum, daß zeitweilig die Heiden in diesem Stück den Juden vorangekommen seien. Dies soll an Esau’s und Jakobs Beispiel erläutert werden; im Uebrigen war Esau weder in Bezug auf äufzerliche Segensgaben noch in Bezug auf das ewige ErbtheilGegenstand des Hasses Gottes; sein äußerlich Segenserbtheil empfing er aus Gottes Hand durch Jsaaks Segen in dem Lande Seir, und seine Verheißung des Antheils am Messiasreiche empfing er durch den Mund der Pro- pheten (A·in. 9, 11 s.; Apostg. 15, 15 ff.). Daß also Edom ewig verdammet sei, ist durchaus gegen die Schrift. (Wangemann.) 14. Was wollen wir denn hie smit einer folchen Ausdeutung der eben erwähnten heils- gveschichtlichen Thatsache und des darauf bezüg- lichen Schriftworts] sagen [Kap. Z, 5·; 6, l; 7, 7; 8, 31]? Jst denn swenn ihm so ein Lieben und Hassen zugefchrieben wird, das keinen Grund habe in den Gegenständen des einen und des andern] Gott ungerecht? Das sei ferne [5. Mos. 32, 4]! 15. Denn er [wahrt ausdrücklich auch dem Mittler des alten Bandes gegenüber die Unbe- schränktheit seines freien Wahlrechts bei dessen Begnadigung in Z, Mos. 33, 12 ff. und] spricht zu Mose: Welchem ich gnädig bin, dem bin ich gnädig; nnd welches ich mich erbarme, deß erbarme ich auch. 16. So liegt es nun [wie aus dem eben angeführten Wort sich unzweideutig ergiebt, beim Vegnadigtwerderq nicht an jemandes Wollen oder Laufen seigeninächtigem Sichbemühens sondern an Gottes Erbarmen« [genauer: an dem, dessen Sache es ist, sich zu erbarmen, an Gott]. 17. sUnd gleiche Bewandtniß hat es sonach auch mit dem Widerspiel der Erbarmung, mit der Verstockung.] Denn die Schrift lund in ihr der, dessen Wort sie ist Gal. Z, 8] sagt zu Pharao sin 2. Mos. 9, 16]: Eben darum [zu keinem andern, als zu dem Zwecke] habe ich dich erwecket sauf » dem Schauplatz der Geschichte des Reiches Gottes austreten lassen Mich. b, 4], daß ich an dir meine sauch den hartnäckigsten und bös- artigsten Widerstand zuletzt doch siegreich über- windendeJ Macht erzeige, auf daß mein Name ver- kündiget werde in allen Landen lwenu du nun wirst umgekommen fein mit alle deinen Wagen und Reitern 2. Mos. 14, 17; 15, 11 f.]. 18. So erbarmet er sich nun sum hier beides, sowohl das, was sich aus dem in V. 15 ange- führten Schriftworte ergiebt, als das, was aus der eben erwähnten anderen Stelle hervorgeht, in einen Doppelsatz zusammenzustellen] welches er will, und verstockeh welchen er will" sund zeigt sich nach beiden Seiten hin Gottes unbeschränkte Macht- vollkommenheit]. V) Der Vorwurf der Ungerechtigkeit auf Seiten Gottes, den Paulus hier zurückweisen will, scheint allerdings durch den Jnhalt des angeführten Citats eher noch gesteigert als gehoben; indeß diese Art, die Gegenrede mehr zurückzuschlagem als zu erledigen, entspricht ganz der Verfahrungsweise des Apostels da, wo er es mit felbstgerechten Gegnern zu thun hat (vgl. Kap. s, 3 ff.), und die Widerlegung liegt darin, daß das angeführte Eitat einSchriftwort ist, dessen Verbindlichkeit und Ueberführungskraft auch der Ein- redner zugestand. Er konnte deninach weder die pau- linischen Schlußfolgerungen aus der Geschichte der Söhne Abrahams und Jsaaks etwa nur für irrthiim- liche, subjektive Auffassung erklären, da das Wort Gottes selber ihnen zustimmte, noch auch durfte er einwenden, daß aus ihnen der Vorwurf der Ungerech- tigkeit gegen Gott resultire, da das, was Gott von sich selbst in der Schrift aussagt, auch ohne Zweifel Gottes unbeschränkte Freiheit, sich zu erbarmen oder aber zu verwerfen. 95 der Jdee Gottes als des Gerechten entsprechend sein wird. (Philippi.) Man darf nicht übersehen, welch ein Gewicht darauf liegt, daß es gerade Mose ist, an den das angeführte Gotteswort erging: selbst ein Mose hat die Begnadigung, die ihm zu Theil wird, als eine freie Gabe Gottes anzusehen, die ihren Grund nicht in seinem Thun, sondern im Willen Gottes hat. (von HofmannJ Die Juden meinten, unter keinen Um- ständen könnten sie von Gott verworfen und dagegen die Heiden von ihm angenommen werden; wie daher auch ein rechtschaffener Mann gegen eigensinnige und neidische Förderer mit größerer Schroffheit verhandelt, als sonst seine Sinnesweise ist, unt sein gutes Recht zu wahren und das Lob der Güte und Freigebigkeit nicht für andere Fälle preiszugeben, so vertheidigt hier Paulus gegen die auf ihren Namen und ihre Verdienste sich steifenden Juden Gottes Macht und Recht und bedient sich dabei ganz opportun derselben Redeweise, welche er früher in der pharisäischeii Schule gelernt zu haben scheint (nur daß man sie dort zu Gunsten des Vorzugs der Jsraeliten in Uebung hatte): Gott dem HErrn darf niemand etwas vorschreibem noch etwas als seine Schuldigkeit von ihm verlangen und durch Unverschämtheit erpressen wollen; man darf sich, sozu- sagen, nicht auf Wechsel zu ihm stellen. (Bengel.) Wie der Apostel hier nachdrücklich hervorhebh daß nicht das Wollen oder Laufen eines Menschen die Ur- sache sei, daß er Gottes Gnadengabe erlangt, so er- mahnt er anderwärts (1. Cor. 9, 24sf.; Phil. 3, 12 ff.) auf’s Entschiedenste zum Wollen und Laufen; aber zu einem Wollen, dessen Seele Gottes Erbarmen gegen den Sünder, zu einem Laufen, dessen Kraft Gottes erneuernde Gnade ist. »Es) Daß alle Begnadigung als freies Thun Gottes angesehen sein wolle und nicht in dem, was der Mensch ist oder thut, seinen ursächlichen Grund habe, ist der Saß, welchen der Apostel in V. 17 bestätigen will; und die Schriftstelle, welche er zu seiner Be- stätigung verwendet, lehrt uns die Geschichte des Gott Widerstrebenden äghptischen Königs so verstehen, daß Gott seine Macht erzeigen, seinen Namen verherrlichen wollte und zu diesem Zwecke dem Könige Raum und Möglichkeit gab, dasjenige zu , thun, was Gottes Machterweisungen nach sich zog. Die wunderbaren Dinge, welche derselbe zu sehen, die Plagen und Schreck- nisse, die er zu erleben bekam, hätten einen Eindruck auf ihn machen können, der ihn bestimmte, Israel ziehen zu lassen, nur um der Macht aus dem Wege zu gehen, die ihm darin entgegentrat: daß er diesem Eindrucke nicht Raum gab oder immer wieder sich von ihm erholte, wird auf göttliche Wirkung zurijckgeführh die ihn zu dem Zwecke in sich selbst verfestigte, damit es zuletzt zu jener mächtigsten That Gottes käme, deren Erinnerung das ganze nachmalige Leben Jsraels be- herrschte. (v. HofmannJ Wenn nun der Apostel, in- dem er in V. 18 das Resultat aus dem in V. 15—17 Gesagten zieht, seine Argumentation rücksichtslos auf die äußerste Spitze treibt, so ist der Gegensatz, mit dem er es zu thun hat, fest im Auge zu behalten, damit die allerdings vorhandene Möglichkeit der prädestinatianischen Auffassung seiner Worte uns nicht unnöthiger und unbegründeter Weise als unbedingte Nothwendigkeit erscheine. Er will ja bisher durchgehends nur den abstammungs-, beschneidungs- und gesetzes- stolzen Juden mit demselben Gottesworte überwinden, auf das er seinen angebornen Vorzug und sein unver- äußerliches Anrecht, sowie die göttliche Verpflichtung und Gebundenheit ihm selbst gegenüber meint gründen zu können; solchen Ansprüchen entgegen galt es eben . vor allen Dingen, das durch nichts außer ihm gebundene, also in dieser Hinsicht völlig freie Wahl- und Ver- werfungsrecht Gottes zu behaupten und zu sichern, damit ist aber an sich noch keineswegs ausgesprochern daß Gott nun auch von diesem Rechte nach zufälliger Willkür Gebranch mache, daß er mit Barmherzigkeit und Gericht nach beliebigen Einfällen und dem des- potischen car tel est mon plaisir entsprechend spiele, vielmehr läßt sich damit an sich gar wohl vereinigen, daß diese göttliche Freiheit ein immanentes Gesetz und eine selbstgegebene Bestimmung in sich trage. (Philippi.) Ein Anderes ist es zu sagen, Gottes Erbarmen sei frei, ein Anderes, es sei absolut; jenes schließt aus die Nothwendigkeit einer Verpflichtung und die Berück- sichtigung von Verdiensten, dieses aber schließt alle und jede Rücksicht aus und beseitigt sogar auch die Ansehung des Glaubens. Die Freiheit des Erbarmens hat nichts gemein mit der ealvinistischen Absolutheit desselben. (Ealov.) 19. So sagest du [mit dem ich’s schon bei der Frage in V. 14 zu thun hatte und der du nun bei dem im zweiten Theile des vorigen Verses Gesagten fühlst, daß dies Wort wohl auch in Be- ziehung auf dich zur Geltung kommen könnte Kap. 11, 7 ff.] zu mir sin Ablehnung des schweren Vorwurfs, den ich dir und Deinesgleichen machen muß Kap. 2, 5]: Was schuldigt er denn uns [wenn er, Gott selber, es ist, der da verstocket, welchen er wills? Wer kann seinem Willen wider: stehen* fdaß er nicht auch also thun müßte, toie einmal die göttliche Verordnung es über ihn ver- hängt hat]? 20. Ja [Luk. 11, 28], lieber Mensch [so gebe ich auf solche deine Frage als Gegenfrage dir zurück Hiob 9, 12], wer bist du denn, daß du mit Gott rechten willst? Spricht auch fwie es in Ies. 45, 9 solchem Haderer gegenüber weiter heißt] ein Werk zu seinem Meister: Warum machst du mich also fwie ich nun, in Folge dieses deines Machens, bin, und nicht vielmehr zu etwas An- derem, Besserem]? 21. Hat nicht ein Töpfer fvon Rechtswegen, seiner ganzen Würde und Stellung nach] Macht, ans Einem Klumpen faus einer und derselben Thonmassej zu machen ein Faß zu Ehren und das andere zu Unehrentt [Weish. 15, 7; Sie. 33, 13 s.; 2. Tun. 2, 2019 22. Derhalben [wenn auf Seiten eines Töpfers das Recht unzweifelhaft feststeht, die aus einem und demselben Klumpen gebildeten Gefäße theils hierzu, theils dazu für den Gebrauch hinauszu- geben], da Gott [als der Töpfer, um den es sich hier handelt, wieder, gleichwie vormals bei der in V. 17 angezogenen egyptischen Geschichte] wollte Zorn. erzeigen und kund thun seine Macht, hat er sin diesen unsern Tagen ebenfalls, wie er’s da- mals mit Pharao gethan] mit großer Geduld ge- tragen die Gefäße des Zorns, die da zugerichiet [schon vollständig ausgereift] sind zur Verdammniß [des Zerschlagenwerdens Pf. 2, 9], 96 Römer 9, 23——29. 23. Aus das; er sdabei zugleich andrerfeits ebenfalls, wie es damals an den Kindern Israel geschehen ist] kund thäte den Reichthum seiner Herrlichkeit sKap. 2, 4; Weish. 19, 21; Ephes. 1, 7; Z, 16] an den Gescißen der Barmherzigkeit, die er bereitet szuvor versehen »und verordnet Kap. 8, 29 f.] hat zur Herrlichkeit, 24. Welche sAls welche, d. i. als Gefäße der Barmherzigkeit] er berufen hat sdie bereits zur Gemeinschaft feines Sohnes Jesu Christi Be- rufenen 1. Cor.1, 9], nämlich uns, sdie wir be- rufen sinds nicht allein ans den Juden [wie diese es erwarteten und in Anspruch zu nehmen ein Recht zu haben vermeinten Apostg. 11, 1 ff; 13, 44 ff.], sondern auch fund zwar vorzugsweise Jes. 65, 1 f.] aus den Heiden-Nr; 25. Wie er [Gon] denn auch swas die Be- rufung derer aus den Heiden betrifft] durch Hoscam sin Kap. 2, 23 u. 1, 10 des prophetifchen Buches desselben] spricht: Jch will das mein Volk heißen, das nicht mein Volk s5. Mos. 32, 21] im, und UJeiUe Liebe, die nicht die Liebe— war [1.Petri 2, 10 ; 26. Und soll gescheheir an dem Ort, da zn ihnen gesagt ward: Jhr seid nicht mein Volk, sollen sie Kinder des lebendigen Gottes genannt werdens. 27. Jesajas aber swas andererseits die Jud en betrifft und den geringen Samen, der allein aus ihnen zum Heil gelangen werde] schreiei sin Kap. 10, 22f. seiner Weiffagungsredenf für Israel srufet über dasselbe in feierlicher und zu- versichtlicher Rede ans Joh. 1, 153 7, 28. 87; 12, 44; Apostg 23, e; 24, 21]: Wenn die Zahl der Kinder Israel würde sein wie der Sand am Meer s1. Mos. 22, 17; 32, 12], so wird doch [ausfchließlich] das Uebrige sdas nur einen ver- schwindend kleinen Rest ausmacht Jes. 6, 13 u. 7, 3 Anm.] selig werden [vgl. Kap. u, 5]. 28. Denn es wird ein Verderben sdes Volkes] nnd smittels desselben ein] Steuern geschehen zur Gerechtigkeit, und der HErr wird dasselbige Steuern sdnrch Bewahrung und Beseligung Jes. 6, is] thun auf ErdenH [vgl. die Bem. zu Jes.10,22]. 29. Und wie Jesajas zuvor sin Kap. 1, 9 seines Buches] sagt sfo vollzieht sich’s nun auch in dieser unsrer Zeit, was die Antheilnahme der Juden an dem Heile in Christo betrifft]: Wenn uns nicht der HErr Zebaoth hätte lassen seinen kleinen] Samen überbleiben sder das Heil wirklich erlangt hat], so wären wir sdas vorerwählte Bun- desvolk V. 4] wie Sodoma worden, nnd gleichwie GomorraHf [d. i. dem gänzlichen Untergang verfallen] V) Der Apostel denkt sich unter dem Gegner, von dem er sich hier einen Einwand machen läßt, offenbar einen hoffärtigen Juden, wie er es ja in der ganzen vorliegenden Entwickelung nur— mit einem solchen zu thun hat. Der Einwand, daß er feinen Brief ja nicht an Juden, sondern an Christen geschrieben habe, kann diese Auffassung nicht widerlegen, ist doch auch die ganze Deduction in Kap 2,17 ff. direkt gegen die Juden gerichtet; dies könnte nur ausfallen, wenn feine Leser für sich keinen Nutzen daraus zu ziehen ver- mocht hätten, es ist aber bekannt, wie sehr auch die Judenchrift en überall in Gefahr standen, in die jü- dische Anschauungsweife zurückzufallen (Philippi.) Der schon in V. 14 angenommene Gegner versteht das ,,welchen er will« am Schlufse des vorigen Verfes von einem positiv auf Verftockung des Menschen ab- zielenden göttlichen Willen, dem eine positive göttliche Einwirkung entspreche, die aber nun auch alle Schuld auf Seiten des Verftockten aufhebe: »wenn Gott die Verstockung will und sein Wille für den Menschen eine unwiderftehliche Macht ist, wie kann er dann noch dessen Ungehorsam und Unglauben fchelten?« (Maier.) Der Ausdruck: ,,tadelt« (Luther: ,,schuldiget«) scheint absichtlich gewählt zu sein, um das Willkürliche in einem Schelten hervorzuheben, wo von keinem wirk- lichen objektiven Schuldverhältniß die Rede fein kann; und bei dem »er« denkt der Jude nicht unmittelbar an Gott selbst, sondern an die Voraussetzung der Gottesidee, wie sie Paulus aufzustellen scheint. (Lan» e.) H) Jn diesen beiden Versen ist nur eine Art b- weifung enthalten: der Apostel will dem Gegner nicht den Standpunkt einräumen, den er immerfort einnimmt; erst nachdem er ihn in die rechte Herzens- ftellung zu Gott verwiesen, folgt dann in V. 22 ff. die Lösung seines Einwurfs (Tholuek.) Das »Ja« wo- mit er beginnt, führt mit dem Anschein der Billigung dessen, worauf geantwortet wird, einen desto schnei- denderen Widerspruch dagegen ein; die Anrede: ,,lieber Mensch« aber erinnert den Angeredeten daran, was er Den! gegenüber schuldig ist, mit dem er rechtet, und betont dies im Hinblick auf das nachfolgende ,,mit Gott«. Bei der weiteren Frage nun: ,,spricht auch ein Werk zu seinem Meister: warum machft du mich alfo?« handelt es sich nicht etwa (im Anschluß an V. 19) darum, daß der Mensch Gott so, wie er ist, nichtrecht ist, sondern vielmehr darum, daß es dem Mensch en nicht recht ist, so zu fein, wie er ist; der Gedanke, daß er Gegenstand eines göttlichenWillens sein könne,welcher sich mittelst Verftockuiig an ihm vollzieht, ist dem Gegner unleidlickn und da geht denn das »also« in der Art auf die Weise des Schaffens oder Machens, daß sie um der Beschaffenheit dessen willen, was dadurch zu- wege kam, Ursach des aus-gedrückten Mißvergnügens ist. Daß es sich hierbei nicht um eine fittliche B e- schaffenheit handelt, sondern um dieBeftimmung, wofiir das Geschöpf gefchaffen ist, erhellt, abgesehen von dem Zusammenhang mit der Schriftftelle, um deren Giltigkeit sich die Rede und Gegenrede bewegt, schon aus der (im Grundtext mit ,,oder« angeschlosfenen) weiteren Frage, ob etwa ein Töpfer nichtMacht habe über den Lehm, aus einem und demselben Teige ein Gefäß mit ehrlicher und eins mit unehrlicher Bestim- mung zu machen: auf Gott und den Menfchen an- gewendet heißt dies, Gott habe gleicherweife Macht, Menfchen werden zu lassen, welche, wie Mofe, seine Güte zu erfahren bekommen sollen, und Menfchen werden zu lassen, die im Voraus dazu bestimmt sind, wie Pharao als Gegenstände feines Zorns zur Offen- barung feiner Macht zu dienen; die letzteren verftockt er dann, was aber eben, nach Maßgabe der Geschichte Pharao’s verstanden, etwas ganz Anderes ist als Ver- setznng in diejenige geistige Verfassung, in welcher man kein Gegenstand göttlicher Huld fein kann. Die Das ungläubige Israel steht jetzt in Parallele zu dem einst sich verstockenden Pharao. 97 göttliche Wirkung, welche den eghptischen König fest machte gegen den Eindruck, den Mosis Wort und Werk wohl hätten auf ihn üben können, hat ihn nicht in eine andere sittliche Befchassenheit umgesetzt, als in der sie ihn vorgefunden hatte, sondern hat nur gemacht, daß er letztere in derjenigen Richtung beharrlich be- thätigte, in welcher er den ihm zugedachten göttlichen Gerichten verfiel. Eben weil es mit dem Verstocken diese Bewandtniß hat, kann es als ein dem endlichen Zorngericht nicht blos vorläufiges, sondern auch gleich- artiges Thun Gottes dem Sicherbarmen gegenüber- stehen, welches, wie das Beispiel aus Mosis Geschichte gezeigt hat, den Menfchen ebensowenig in eine andere sittliche Beschaffenheit umsetzt, als in der es ihn vor- gefunden hat, sondern ihn Gottes Güte an sich er- fahren läßt, wie der Verstockte seinen Zorn an sich zu erfahren bekommt· (V. Hofmanwi Die, an welchen sich Gottes Wille in verderblicher Weise vollzieht, waren ja auch mit den übrigen Jsraeliten derselbe Teig (Kap. 11, 16); sie waren auch, schon bevor sie zu individuellem Dasein kamen, in der Masse, aus der Gott die Gefäße für die Verwirklichung seines heils- geschichtlichen Willens bilden wollte, sie konnten also auch Gefäße werden, an und in denen Gottes Wille sich in heilsamer Weise vollzog. Daß sie nun aber Gott dennoch hat werden lassen, obwohl sie nur in einer ihnen selbst verderblichen Weise der Ausrichtung des göttlichen Heilswillens dienen sollten, das ist Gottes Sache: er macht sie nicht zu etwas Anderem, als die Andern, sondern er schafft sie nur, ob- gleich sie in einer andern Weise der Verwendung seinem Willen dienen werden; gleichwie ein Töpfer nicht qualitativ verfchiedene, ehrliche und un- ehrliche, sondern nur der Beschaffenheit nach gleiche Gefäße macht, nur aber so, daß wenn er sie hinausgiebt, die einen zu Ehren, die andern zu Un- ehren von den Menfchen verwendet werden mögen. (Schott.) Wir sehen also, daß wir in V. 20 u. 21 in keiner Weise eine Lösung des in Frage stehenden Problems zu suchen haben, sondern nur eine Zurüc- weisung des gegen dasselbe in V. 19 erhobenen Ein- wandes durch Verweisung auf die unbedingte und unbestreitbare Machtvollkommenheit des Schöpfers. Der Apostel setzt eine Abstraktion gegen die andere: wie der Gegner von der freien Machtvollkommenheit Gottes abftrahirt und nur Ansprüche erhebt an die göttliche, durch menschliche Rechtsforderungen gebundene Gerechtigkeit, so hebt der Apostel nur diese unbeschränkte Oberherrlichkeit Gottes hervor mit Abstraktion von der dieselbe ordnenden Liebe. Die Ereatur muß schlechter- dings erst in diese Stellung der Selbftvernichtung dem Schöpfer gegenüber gebracht sein, daß sie ihm als dem unbeschränkten Herrn das freie Recht zuerkennt, zu erretten oder zu verderben nach seinem Wohlgefallen, ehe die immanente Liebes- und Gerechtigkeitsordnung sich ihr enthüllen kann; und was schon der Ereatur als solcher geziemt, das gebührt noch viel mehr der sündigen Creatuiz welche die Seligkeit nicht nur von der freien Liebe des Schöpfers, sondern auch von der freien Gnade des Richters zu erwarten hat, doch hat der Apostel es hier, dem vorliegenden polemischen Gegenfatze entsprechend, nur mit der Creatur als solcher zu thun, der gegenüber, weil sie Gott in seinem Thun durch ihre eigenen Ansprüche gebunden glaubte, die völlige Freiheit» dieses göttlichen Thuns sicher zu stellen war. (Phil1pp1·) · Its) Der ganze Saß m V. 22 f. hat den Aus- legernunsägliche Mühe verursacht. Jm vorigen Verse hatte der Apostel Ifagtt wie ein Töpfer aus seinem Teige nach freiem elieben Gefäße der Ehren und der Unehren, d. h. Gefäße zu edlem und Gefäße zu ge- meinem Gebrauche daraus macht, so gehtauch das Walten Gottes als des Bildners nicht weiter, als daß er einen großen Unterschied constituirt zwischen edlen und gemeinen Gefäßen der Berufung nach den Selbst- bedingungen, welche sich die mit der Heilsbediirftigkeit correspondirende Berufung gesetzt hat. Allein in dieser Richtung führt der Apostel das Bild nicht aus, viel- mehr urgirt er nur momentan das Bild, nach welchem Gott die freie, volle Macht habe, welche wesentlich Recht zugleich ist, aus dem Teige seines Volkes (denn nach Kap. 11, 16 ist der hier in Betracht kommende Teig das jüdische Volk) Gefäße zur Ehre und Gefäße zur Unehre zu machen; er macht dann aber in B. 22 f. eine Wendung, welche sagen will, Gott habe von diesem Rechte nicht einmal den vollen Gebrauch ge- macht, er habe vielmehr vorgefundene Gefäße des Zornes sogar noch mit Langmuth getragen, und zwar zu d em Ende, um damit die Offenbarung seiner Herrlichkeit an den Gefäßen der Gnade zu vermitteln. Wenn Gott, so ist des Apostels Meinung in diesen beiden Versen, ungeachtet jener vollkommenen Macht, von der vorhin die Rede war, und obschon bereits willens, seinen Zorn hervortreten zu lassen und seine Macht zu erzeigen, ebenso an sich gehalten hat, wie damals, als er das Vertilgungsgericht über den Pharao suspendirte (2. Mos. 9, 14 ff.), indem er jetzt mit großer Langmuth Gefäße des Zorns, die zum Untergang schon fertig waren, noch getragen hat, und zwar auch zu dem Endzweck, daß er die Fülle seiner Herrlichkeit an den Gefäßen der Gnade, von ihm zuvor bereitet zur Herrlichkeih kund machte: wie steht es dann mit der Beschwerde, daß er mit Ungerechtigkeit Gebrauch mache von seiner Macht (V. 19 u. 14)? Offenbar tritt hier schon der Gedanke hervor, den das 11. Kapitel weiter ausführtt im Walten Gottes sind Gerichte und Erbarmun en verkettet; die Gerichte sind die Vermittelungen des r- barmens. (Lange.) Die beiden Satztheile: »Gott wollte Zorn erzeigen und kund thun seine Macht« und: »auf daß er kund thäte den Reichthum seinerHerrlich- keit« stehen einander parallel, so daß letzteres, von dem wiederholungsweife zu ergänzenden ,,hat ge- tragen« abhängig, den Nachsatz bildet: hat Gott mit dem Willen, seinen Zorn zu beweisen und seine Macht kund zu thun, in großer Langmuth Gefäße des Zorns getragen, die zum Verderben fertig waren, so zugleich auch mit der Absicht, den Reichthum seiner Herrlichkeit kund zu thun über Gefäße der Barmherzigkeit, die er für Herrlichkeit zuvor bereitet hat. Während oben der sich immer nur selbst vollziehende göttliche Wille prin- zipiell unter den Gesichtspunkt der Gerechtigkeit gestellt war, so wird hier die Heilsamkeit feines geschichtlichen Vollzugs an einer bestimmten historischen Thatsache aufgezeigt; die Thatsache aber, an welche der Apostel hierbei denkt, ist die jüngste und größte Erfahrung dieser Art, die Verstockung Jsraels, welche dazu ge- dient hat, die Heidenwelt zur Stätte des Reiches Gottes zu machen. Durch den Anschluß des 24. Verses: ,,welche er berufen hat« an das ,,Gesäße der Barm- herzigkeit, die er zuvor bereitet hat zur Herrlichkeittt will nun gesagt fein, daß die Berufung war, was sie sein mußte, wenn sie an Juden und Heiden zugleich, also ohne Berücksichtigung der leiblichen Zugehörigkeit zu der israelitischen Gemeinde, erging, nämlich eine Berufung aus freiem göttlichem Gnadenwillen, gerade wie auch bei der endlichen Begnadigung Jsraels so wenig das maßgebend fein wird, was Jsrael ist, daß dieselbe Jsrael vielmehr nur als Errettung zu Theil wird, für die es lediglich dankbar zu sein hat. (Schott.) 7 « nach auch von 98 Römer I, 30——33. f) Mit den Worten: ,,wie er denn auch durch Hoseam spricht« will Paulus besagen, die Berufung aus den Heiden sei nicht nur neutestamentliche Thatsache, son- dern auch alttestamentlich schon vorher beglaubigt. (Lange.) Es werden zwei, im Originale gesundem, aber dem Sinne und der Beziehung nach zusammen- ehörige Stellen verbunden; sie handeln im Originale ällerdings nicht von den Heiden sondern von dem Israel der zehn Stämme, aber d«er Apostel stellt dies Israel ind seiner dsitstlichgcsålzrsiinkektcheit den Hckäideii gleich, un von ie em ei tspun te aus ma ter von dessen Wiederbegnadigung eine typische Anwendung auf die Berufung der Heiden zum messianischen Heil. (Maier.) Indessen ist doch die Eitation des »Apostel-T- nicht als bloße Anwendung, sondern als eigentliche Beweisstelle zu betrachtenx in der That enthält ja das Verfahren Gottes gegen das abtrünnige Israel das Gesetz seines Thuns gegen die Abtrünnigen überhaupt, auch war Israel in seinem Abfalle den Heiden gleich sgkeltxordemFFiedVerkgzndigung izerfWifferaniåcåhnkle e en zu in ern ottes ent iet a o in ir i eit auch eine Weissagung der Annahme der Heidenwelt Das ,,an dem Orte, da zu ihnen gesagt ward« paßt gut zu dem Sinne des Apostels, welchem das Zehn- stämmereich im Lande des Exils Repräsentant der Heiden in den Heidenländern ist; zu diesem nun ward g;s2ks»s.k»--;ks trinke» ihr: aa te nerungu eraenei on o je en or, enn au m n 1 nen er- Fkrcdt gititttlighervscgsxeåibcjclrung un; das? Zzcrchhdas kro- nommen oder nichtiiufgenommem doch im heil. Lande gegen sie erschallte. Was nun das Reich Israel im Gelgensgtze fzu Iuda alså åxepbräsentatYnf der Heiden; vö er etri t, o war a el e von nang an un tdrähreigph der Ejkizatcihzendseit seines dBestandesh ein götzigw ieneri es« ei « arum war es au unter ie Heiden weggeworfm ohne jemals als Reich in’s ge- lobte Land zurückzukehren, es löste sich auf und ging unter in die Heidenwelh der es sich gleich gemacht hatte· (Philippi.) Das Urtheil: ,,nicht mein Volk« versetzt Israel unter die Heiden zurück, und die Bezeichnungx ,,nicht die Liebe« stellt es sogar noch unter die Heiden selbst als ein schwer heimzubringendes Volk dar; wenn nun an dieses Nichtvolk mitten unter den H eideki iäezräkteilsruffyrfegehz s; hst derselbe schökpferiK origina e e eutung att . , ) — er erge t ni t an Israel all? Gottgs Volk, sscgndern er ilekrsimaffz ksich ein ottesvo aus em gemi ten Nichtvo er In en und der Heiden. (Lange.) H) In sehr vielen Stellen verkündigen die Pro- pheten, daß nach großen Strafgerichten Gottes uber sein Volk nur ein kleiner Theil desselben zu der Selig- keit des Reiches des Messias im neuen Testament ge- Znxzhenssollg (Jås.ck;t, 13; F) 135 Engl Si; 5Zk Am.ch9,d9; ep.,1« a.«’,;aele rütau er hier vom Apostel angeführte Prophetenspruch aus, der stark unt? krgtigl cc1hll)e flkedischlsiischen Ansprüchx zu Jskzosden Wirt. v. er a . ie redigt von em e te, welcher allein selig werden sollte, dünkte dem Volke damals, hals sie di; PropheteE gegchah ebenso, wie nach er zu riti eit, eine hor eit und war ihm ein Aergerniß (Dre·chsler.) · » rchffsj Essas zuvdlelnoZeiteZ itites Tsårgphzteziti sich[ led1b- 1 anIrae ozgen ae, a aez en Zeiten des Apostels sich geistlich an ihm erfüllt: es ist dasselbe Volk, welches sich in derselben Weise, wie da- mais, « auch jetzt zu demselben Gott verhält und dem- leichem Geschick betroffen wird, nur daß eben das trafgericht nicht in alttestamentlich- leiblicher, sondern in neutestamentlich-geistlicher Form auftritt. (Philippi.) Durch den geretteten Rest ward dem Ganzen das Leben erhalten; ohne denselben wäre ganz Israel dem Verderben versallen und dann freilich Gottes Verheißung aufgehoben. (Olshausen.) 30. ·Was wollen wir nun [indem wir nach den Ausführungen in V. 6——29 jetzt wieder zu. der Sache zurückkehren, die in V. 1———5 uns be- schäftigteJ hie sagen? Das wollen wir sagen: Die Heiden, die nicht fwie es mit den Juden der Fall war Ephes 4, 18 f.; 1. Thess 4, 5 f.; Röm. 2, 17 ff; 10, 2] haben nach der Gerechtigkeit sals Ziel des religiösen Wettlaufs] gestanden, haben [gleichwohl den Siegespreis oder das Kleinod 1. Cor. I, 24; 2. Tim. 4, 7 f., nämlichs die Gerechtigkeit erlanget [Kap. 10, 20f.]; ich sage aber [was ich da von erlangter Gerechtigkeit rede] von der Gerechtigkeit, die aus dem Glauben kommt fund von der in Kap. Z, 21f. nachgewiesen worden, daß sie allein eine Gerechtigkeit ist, die vor Gott gilt, vgl. Sir. 27, 9]. 31. Israel aber hat [zwar] dem Gesetz der Gerechtigkeit nachgestanden [d. i. nachgetrachteh ist hinter seinem Gesetz, welches Gerechtigkeit lehret 5· Mos 6, 24 f.; Pf. 119, 7·, allerdings her gewesen], Und hat [dennoch] das Gesetz der Gerechtigkeit sdasjenige Gesetz, welches zur Gerech- tigkeit wirklich verhilst Kap. 3, 27; s, 2] nicht iiberkommenk 32. Warum das? Darum, das; sie es [das Gerechtwerden] nicht ans dem Glauben fauf wel- chem Wege es doch allein zu finden ist Hab. 2, 4], sondern als aus den Werken des Gesetzes sgleich als wenn es schlechterdings auf diesem Wege und sonst nirgends zu finden wäre] suchen [Phil. Z, 6 ss.; und da sind sie denn mit ihrem Suchen zu Schanden worden und des Heils verlustig ge- gangen]. Denn sie haben sich gestoßen an den Stein des Anlausens soder Anstoßens Luk. 2, 34; 1. Cor. I, 23]; 33. Wie [ja Christus längst zuvor als ein solcher Stein in der Schrift beschrieben worden und als ein Seligmacher und Heiland nur für die Gläubigen bezeichnet ist, wenn i-n Jes.28,16 u. 8, 14] geschrieben stehet: Siehe da, ich lege in Zion einen Stein des Anlausens und einen Fels der Aergernißz und wer an ihn glaubt, der soll nicht zu Schanden werden» [1. Petri 2, 6 sf.]. s) In einem Oxymoron spricht Paulus den Ge- danken aus, daß die versunkenen, um keine Gerechtig- keit sich kiimmernden Heiden dieselbe, als sie ihnen in Christo angeboten ward als Gnadengeschenk, ergriffen, während die der Gerechtigkeit nachjagenden Juden sie nicht erreichten; diese Worte kommentiren den Ausspruch in V. 16 authentisch, alles Wollen und Laufen der Juden half zu nichts, indem sie zwar die fleischlichen Sünden und Götzendienst ängstlich mieden, dafür aber in desto größere geistige Sünden, in Dünkel, Härte, Lieblosigkeit verfielen, und so der zweite Betrug ärger war als der erste. (Olshausen.) Das spezifisch Eigentlicher Grund des Ausschlusses Jsraels von dem Heile in Christo. 99 judaistische Streben nach Gerechtigkeit war den Heiden fremd; denn das geoffenbarte Gesetz, das unter Jsrael solches Streben entzündete, besaßen sie nicht, und auch das in ihre Herzen beschriebene Gesetz (Kap. Z, 14 f.) hielten sie nicht, entweder gar nicht oder doch nur vereinzelt und mangelhaft. Der eigenthümliche Charakter des heidnischen Lebens ist nicht das Streben nach ab- soluter Rechtbeschaffenheit, die der Forderung des gött- lichen Gesetzes vollkommen genügt, sondern das Streben nach Lust im Genusse des Augenblicks. (Philippi.) Auch Goethe in seiner Schrift über Winkelmann sagt, das Charakteristische des heidnischen Lebens sei das Leben in der Gegenwart; Jsrael dagegen hat einen Eifer um Gott, die Religion ist in einem höheren Sinne, als bei den heidnischen Völkern, das Confii- tuirende ihres Volkscharakters (Tholnck.) Jn dem Ausspruch über Israel: ,,es hat dem Gesetz der Ge- rechtigkeit nachg estanden, und hat das Gesetz, der Gerechtigkeit nicht überkommen« ist unter dem ,,Gesetz der Gerechtigkeit« das erste Mal offenbar das mosaische Gesetz gemeint, das als Gesetz der Ge- rechtigkeit bezeichnet wird von seinem Ziele, welches eben Gerechtigkeit ist (vgl. Kap. 10, 5);»indem nun Jsrael diesem Gesetze nachsteht oder nach1agt, so kann man dem Gedanken nach allerdings dafür setzen, es hat der Gerechtigkeit des Gesetzes oder aus dem Gesetz nachgeftanden, nur darf man nicht meinen, jener Ausdruck sei in diesen aufzulösen (sondern Paulus hat absichtlich so geschrieben: dem Gesetze, als Gerechtigkeit verschaffend, hat Israel nachgestanden). Nun wird auch das zweite Mal das ,,Gesetz der Gerechtigkeit« von einigen Auslegern vom mosaischen Gesetz ver- standen und das ,,nicht überkommen« dahin aufgefaßt, Israel ist nicht zur vollkominenen Gesetzeserfüllung und damit zur Gerechtigkeit gelangt; aber diese Auf- fassung ist nach Kap. 10, 3 verfehlt, man kann hier nicht abermals an das mosaische Gesetz denken, son- dern nur an den idealen Weg zur Gerechtigkeit, der wirklich zu ihr führt, oder an die Norm, nach welcher man wahrhaft vor Gott gerecht wird. (Maier.) Pf) Der Apostel giebt hier zum ersten Mal den eigentlichen Grund des Ausschlusses Jsraels vom messianischen Heile an: es ist kein anderer, als die Werkgerechtigkeit und der selbstverschuldete Unglaube des olkes an seinen ihm von Gott verordneten Messias; diese Behauptung entwickelt er dann noch ausführlicher im folgenden 10. Kapitel. Trägt aber der Unglaube Jsraels die Schuld feiner Verwerfung, so kann nicht die absolute göttliche Prädestination als die Ursache derselben gedacht werden; nur prä- destinatianische Sophistik kann das Gegentheil behaupten nnd die Vereinigung so eontradictorisch entgegengesetzter Thesen für möglich halten. Der Widerspruch ist ein- mal ein logisch er; denn wenn den Juden ihr Un: glaube vorgeworfen wird, so mußten sie auch glauben können, stand aber das Glauben oder das Nicht- glauben in ihrer Macht und ist ihr Unglaube nur in ihrem widerspenstigen Willen begründet, wie nicht nur hier, sondern namentlich auch in Katz. 10, 11—13. 16. 21 das direkt und unwidersprechlich ausgesagt wird, so kann nicht zugleich Glaube oder Unglaube von der Willkür der göttlichen Vorherbestimmung abhängig sein. Denn es würde sonst in ihrer Macht stehen, was doch zugleich nicht in ihrer Macht steht. Der Widerspruch ist aber zugleich auch ein ethischer; denn unmöglich kann Gott fordern, was er selbst versagt, und strafen, was er selbst gewirkt. Mag immerhin in abstkacto dem trotzigen Widersprecher gegenüber dieses Recht der göttlichen Allmacht vertheidigt werden, die Ausübung desselben widerspricht nicht nur dem gottgestifteten sittlichen Bewußtsein, sondern auch der gottgeosfenbarten Idee göttlicher Gerechtigkeit und Liebe. Endlich widerfpricht aber auch der Zusam- menhang der paulinischen Entwickelung selber der in Rede stehenden Annahme; denn hätte der Apostel schon in Kap. 9, 6—19 als Grund des Aus- schlusses Jsraels den ewigen Rathschluß Gottes (das decretum abs01utum) angegeben, so könnte er unmög- lich in V. 32., wo er die Frage nach diesem Grunde aufwirft, die früher gegebene Antwort gänzlich ignoriren, ja an ihrer Stelle die entgegengesetzte Antwort geben. Er würde dann entweder, die schon im Vorhergehenden enthaltene Lösung recapitulirend, sich wiederum, kurz zus ammenfass end, auf die unbedingte Vorherbestimmung Gottes berufen haben, oder doch wenigstens den Un- glauben und die Werkgerechtigkeit Jsraels, welche er hier als einzigen Grund der Verwerfung aufführh auf diese Vorherbestimmung zurückgesührt und mit ihr in Zusammenhang gesetzt haben; da der Apostel keins von beidem thut, so müßte man geradezu zu der Be- hauptung fortschreiten, daß er sich gleichsam in Einem Athem widersprochen habe, und während er in V. 6—-29 die Lehre von der unbedingten Gnadenwahl aufstellte, ihr in V. so— 10, 21 die Lehre von der Bedingtheit der göttlichen Gnadenwahl durch den vorhergesehenen Glauben oder Unglauben des Menschen entgegenstella Allerdings nun haben einige neuere Ausleger sich nicht gescheut, dem Paulus, dem klaren und tiefen Denker, dem scharfen Dialektikey dem hei- ligen Apostel, einen folchen Selbstwiderspruch aufzu- bürden; doch in der Weise würde ihn in der That selbst der beschränkteste und profanste Schriftsteller nicht leicht begangen haben. Es muß demnach viel- mehr der dunkle Schatten prädestinatianischer Doetrim wie er auf V. 6——29 zu fallen scheint, vor dem Lichte universalistischer Anschauungsweife, wie es mit V. 30 ff. aufgeht, verschwinden und sich eben als bloßen Schein erweisen. (Philippi.) Das 10. Kapitel. Die Erkenntnis; der Ermähluiig ist nicht zu finden im gesetz, sondern im Eoangelia 1I. b. 1——21. Der Ztposlel erörtert in diesem Abschnitt noch weiter die Frage, wie es gekommen, daß Israel vom Heile in Christo oorliiusig ausgeschlossen bleibt, und zwar legt er den in V. 30—33 des vorigen Kapitels hiervon angegebenen Grund, nämlich Israels Werk— gerechtigkeit und tlnglaubettz näher dar. Jluch hier beginnt er mit der Versicherung seines Schmerzes über den ilnglauben und die daraus hervorgegangene Verwerfung seines Volks; dann bezeichnet er die schon in Rast. 9, 32 ausgesprochene Schuld der Juden noch bestimmter. Allerdings, sagt er, eifert das Volk um Gott und um die Gerechtigkeit vor Gott; aber zu dem Ziele der Gerechtigkeit nor Gott können sie auf dem Wege der eigenen Geselzeserfüllung niemals gelangen, sondern nur durlh den Glauben an Christum (U.1—-4). Diesen doppelten Weg, den der Gerechtigkeit aus dem Gesetz und den der Gerechtigkeit aus dem Glauben, hat schon Moses selbst, theils unmittelbar, theils mittelbar, in seinen Jlussprüchen angedeutet, im neuen Testament aber ist der weg der Rechtfertigung durch den Glauben als der allein sithere Weg zur Seligkeit für Juden und Heiden noch klarer offenbart w. 5—13). Uun können die Juden sieh damit nicht unschuldigen, es sei ihnen der richtige weg zur Rechtfertigung nicht genügend 7918 100 Römer 10, 1—10. oerleündigt worden; denn es smd verständiger des Evan- geliums in alle Welt ausgegangen, aber es haben nicht alle dem Gvangelio gehorcht Es ist aber auch dieser tlnglaube Israels schon von den Propheten oorauss verlisindigt worden; darum hann von einer Nichterfüllung des Wortes Gottes über Israel Man. 9, is) um so weniger die ikiede sein (v. 14—2l). 1. Lieben Brüder [1. Eor. 14, 20; Gal. S, 15], meines Herzens Wunsch sgenauert Lust 1. Thess 2, s] ist, nnd flehe auch Gott für Israel ssoviel ihrer an den Stein des Anlaufens sich gestoßen haben Kap. s, 31 f.], daß sie selig werden [Kap. I, 3]. 2. Denn ich gebe ihnen das Zeugnis, daß sie eifern um Gott [Apoftg. 22, 3], aber ssie thun es] mit Unverstand sindem sie in Betreff der Art und Weise, wie dies zu geschehen habe, von fal- schen Ansichten und Meinungen sich leiten lassen]. Z. [Und nun ist es eben dieser Unverstand, der sie um das neutestamentliche Heil gebracht hat, vgl. die Bem. zu Hohel. b, Z] Denn sie erkennen die Gerechtigkeit nicht, die vor Gott gilt [Kap. 1- 17]- und trachten ihre eigene Gerechtig- keit auszurichten [Kap. 9, 32], und sind also der Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, nicht unterthan [wie ich meinestheils ihr bin unterthan worden, der ich früher auf demselben Standpunkte mit ihnen mich befand Phil. Z, 4 ff.]. 4. sHätten sie das gethan, sich der göttlichen Ordnung, welche auf den Glauben an Christum Jesum sie verwies Apstg Z« 38 ; 16, 31.,unterworsen, so stünde es jetzt in zwiefacher Hinsicht anders mit ihnen: sie würden nun nicht mehr über die Maße eifern um das Gesetz Gal. 1, 14 und sie würden der Gerechtigkeit wirklich theilhaftig geworden sein, die sie noch immer auf falschem Wege suchen und da nimmer finden werden Kap. 9, Z1.] Denn Christus ist des Gesetzes Ende [daß mit ihm eine andere Heilsordnung an die Stelle der bisherigen tritt Kap. 7, 1 ff.; Luk. 10, 23 ff.; 16, 16; Hehre. 8, 6ff.]; wer an den glaubt, der ist gerecht [und das können wir denn,-die wir ihm wahrhaftig angehören, aus fröhlichem Herzen von uns bezeugen Kap. 5, 1]. Wenn der Apostel feine Leser mit ,,liebe Brüder« anredet, so hat diese Zuwendung zu ihnen ihren Grund darin, daß er von ihnen nicht mißverstanden sein will, als ob er zwar traure um das Geschick seines Volks, aber nur, wie man um etwas trauert, was nicht zu ändern ist; im Gegentheih deß ungeachtet, daß ihm Christus ein Stein des Anlaufens geworden, erbittet er ihm noch Heil, und weist nun auf die Lebensrich- tung hin, die dieses Volksthum auszeichnet Und zwar rühmt er als etwas, wodurch Israel sich vor der in das irdische Wesen versenkten heidnischen Welt (Kap. 9, sc) auszeichnet, seinen Eifer um Gott und dessen Ehre: wie sollte er sich angesichts desselben damit zu- frieden geben, daß Jsrael nun eben des Heils ver- lustig gegangen, welches in der heidnischen Welt selige Menschen schafftl Aber freilich ist es nicht genug, Eifer um Gott zu besitzem man muß Gott meinen, wie er ist, und nicht, wie man ihn will; sonst wird es ein Eifern der Eigensucht, und ein solches Eifern ist das die Juden kennzeichnende. (v. Hofmannh Das Gesetz hatte keine Erkenntniß der Sünde in ihnen gewirkt, wie es doch dessen Bestimmung war (Kap. Z, 20); daher ergriffen sie auch nicht den neuen Heils- weg, der ihnen hätte geben können, was das Gesetz ihnen nicht zu bringen vermochte. Sie hielten fest am Gesetz, obgleich es in Christo sein Ende erreicht hatte; an ihrem Geschick erkennt man demnach, wie der Mensch nicht an einer momentanen Wirkung Gottes hängen solhsondern an Gott selbst, um dem Wechsel seiner Wirkungen folgen zu können. Die Juden stritten eben dadurch wider den HErrn, daß sie eine Institution, die allerdings von ihm herrührte, festhalten wollten, als er sie aufhob: wahre Frömmigkeit liebt Gott, nicht seine Gaben. (Olshausen.) Z. Moses [auf dessen eigene Aussage es für das Gesetz und den Grund, warum dasselbe schließlich ein Ende nehmen mußte, besonders an- kommt] schreibet wohl von der Gerechtigkeit, die aus dem Gesetz kommt smit dem Wort in 3. Mos. 18, 5 sie genau charakterisirendp Welcher Mensch dies salles das, was in diesem Gesetzbuche geboten wird] thut, der wird darinnen sdurch solches fein Thun der Gebote Jak. l, 25] leben [Leben und Seligkeit haben Luk. 10, 28; Gal. Z, 12]. 6. Aber die Gerechtigkeit aus dem Glauben scharakterisirt sich selber als diejenige, die nicht erst von dem Menschen beschafft zu werden braucht, sondern ihm so nahe gebracht wird, daß er sofort sie ergreifen kann, und] spricht [um für ihr Selbst- zeugniß ihr einen Ausdruck zu leihen, der an die Stelle in 5. Mos. Z0, 11—14 sich anschließts also: Sprich nicht in deinem Herzen [wie du allerdings jenem mosaischen ,,welcher Mensch dies thut« gegenüber also sprechen durftest]: Wer will hinauf gen Himmel fahren [um das Leben nun auch wirklich zu erlangen, das die Verheißung in Ausficht stellt]? — das ist nichts anderes, denn Christum herab holen sder allerdings es zu bringen der rechte Mann ist, aber auf den als den vom Himmel her schon Gekommenen weise ja eben ich, die Gerechtigkeit aus dem Glauben, dich hin]. 7. Oder [auch, gleich als müßte es von der entgegengesetzten Seite her erst noch erworben werden]: Wer will hinab in die Tiefe fahren? —- das ist nichts anderes, denn Christum sbehufs der Auferstehung] von den Todten holen [und das verkündige ich dir ja eben, daß aus dem Ab- grunde oder dem Reiche der Todten Offenb. 9, 12 Anm. er als der Auferstandene wieder her- vorgegangen 1. Petri Z, 18 sf.; Apoftg. 2, 22 ff.]. 8. Aber was sagt sie [die bis daher mit ihrem Verbot dir nur etwas Negativ es gesagt hat, im weiteren Anschluß an die Stelle bei Moses nun positiv]? Das Wort ist dir nahe, ncimlich in deinem Munde und in deinem Herzen sund darum das, um was es sich handelt, dir eben so Israel eifert um Gott, aber die Werkgerechtigkeit verschließt ihm das Herz gegen Christum. 101 leicht faßbar und erfaszbar, als es dir völlig unerreichbar bleiben würde, wenn du es aus dem Himmel von oben oder aus der Hölle von unten Sprüchw. 30, 4 erst noch erholen müßtests (Epistel am St. Zlndrekisscagex V. 8b—-—t8.) Vgl. die Bem. zu Matth. 4, 18. Dies [dasjenige Wort, das dir hier als so nahe gelegt beschrieben wird] ist das Wort vom Glauben [1. Tim.4, 6], das wir [die Apostel des HErrn, und darunter vornehmlich ich, Paulus, mit dem eigens mir vertrauten Evangelio Kap. l6,25f.;1.Cor.1,23;15,9 ff.; Gal.5, l1] predigen« [damit es in Mund und Herz der Leute komme und diese so selig werden]. 9. sMit gutem Grunde ist aber bei diesem Wort von einem Nahesein in deinem Munde und in deinem Herzen die Rede.] Denn so du mit deinem Munde bekennest Jefum, daß er der HErr soder Christ Apostg. 2, 36; Phil. 2, II] sei U. Cor.12, 3], und glaubest in deinem Herzen, daß ihn Gott von den Todten auserweclet hat [1. Cor.15, 17], so wirst du selig [nur daß die hier in Gemäßheit des in V. 8 angeführten Ausfpruchs aufgestellte Folge dem eigentlichen Sachverhalte nach die umgekehrte ift]. 10. Denn snach Pf. US, 10 müßte es viel- mehr so heißem] so man von Herzen glaubt, so wird man gerecht; und so man mit dem Munde bekennet, so wird man selig» sso daß also das Herz allerdings das Erste ist und der Mund das Zweite Apoftg. 8, 37; Matth. 10, 32]. V) Wir haben hier eine Gegenüberftellung des Charakters beider Oekonomienx und zwar wird zu- nächst in V. 5 der eigenthümliche Charakter der Ge- setzesökonomie mit einem Ausspruche des Mose selbst angegeben, bei Auslegung der dunklen Worte aber, die dann in V. 6—8 folgen, fragt es sich einer- seits, welchen Gedanken kann der Apostel dem in V. 5 ausgesprochenen entgegenzufetzen beabsichti en, und andrerseits, welchen Gedanken setzt die n- wendung, die er in V. 9sf. von dem Ausfpruche macht, voraus? Von V. 5 nun ausgehend wird man den Gedanken erwarten: bei Christo aber kommt es auf den Glauben an; damit stimmt denn auch V. 9 f. zu- sammen. (Tholuck.) Um den Sinn unsrer Stelle rich- tig zu fassen, muß man einerseits von V. 3——5, andrer- seits von 8 u. 9 ausgehen· Jsraels Fehler ist, daß es, die Gerechtigkeit aus Gott ignorirend, bei dem eigenen Bewirken der Gerechtigkeit beharren will, während doch Christi Kommen dem Befchaffen der Gerechtigkeit durch Gesetzesvollbringung das Ende brachte (V. 3 f.); denn welcher Gegensatz zwifchen Mosis Mei- nung und der, welche nach Christi Gekommensein gelten muß (V. 5 ff.)! Moses beschreibt die Gerech- tigkeit aus dem Gefetz als resultirend aus des Men- schen Thunx die Glaubens erechtigkeit verweist auf das in unserm Mund und erzen vorhandene Wort von Jesu als dem HErrn und feinem Erwecktsein von den Todten: sobald wir dieses bekennen und glauben, gehöre »aus die Gerechtigkeit und das Heil. Moses stellt die Gerechtigkeit an das Ende der von uns zu vollbringenden Thatenx die Glaubensgerechtigkeit spricht sie unserm läubigen Bekenntniß Jesu sofort zu (V. 8 f.). In . 6 f. geht dieser positiven Sprache der Glaubensgerechtigkeit eine n eg ativ e voraus: sie warnt davor, im Herzen zu sprechen: »wer wird hinausfahren in den Himmel«, nämlich, um Christum herabzuholen, oder: »wer wird hinabfahren in den Abgrund«, näm- lich um Christum aus den Todten heraufzuholenx sie will, nachdem Christus gekommen ist, nicht den Sinn dulden, als wäre das Heil in der Ferne, erst durch machtvolle Anstrengung an uns zu reißen. (Geß. Aus Z. Mos. 18 erweist der Apostel das Thun als den Charakter des Gesetzes und im Anschluß an 5. Mos. 30 das Glauben als den des Evangeliums: jenes fetzt die active, dies die passive Seelenfte1lung voraus; während nun die erstere Stelle für das, was Paulus sagen will, vortrefflich sich eignet, ist dagegen die andere, in der die Glaubensgerechtigkeit gleichsam per- fonificirt und als redend gedacht ist, gar schwierig, und stimmt der Wortlaut weder mit dem Grundtext noch mit der griechischen Uebersetzung der Septuaginta überein. (Olshausen.) Gleichlautend mit den Worten bei Mose it in dem, was der Apostel die Glaubens- gerechtigkeit sagen läßt, nur die Frage: »wer will hinauf gen Himmel fahren?« jedoch ohne daß ,,uns« dabei stünde, und der Sah: »das Wort ist dir» nahe (nämlich) in deinem» Munde und in deinem Herzen«, wo jedoch nicht nur das ,,fas « bei ,,nahe«, sondern auch, was bezeichnend ist für die Art und Weise der Ver- wendung der Stelle, das ,,daß du es thues « hinter den Worten: »in deinem Munde und in deinem Herzen« weggelassen ist. Das Wort, welches die Glaubensgerechtigkeit meint, ist eben ein anderes, als das, von.welchem Mose spricht, nicht ein Wort des Gebots, welches gethan fein will, sondern das von den Zeugen Jesu verkündigte Wort, welches geglaubt fein will; und hiermit hängen die übrigen Verschiedenheiten zusammen. Ei) Jm 9. Verse bringt der Apostel zunächft den Grund, warum es sich so verhält, daß wir dies Wort so nahe, im Munde und im Herzen, haben; inwiefern nun aber der Grund hierfür darin beftehe, daß wir Heil erlangen und vor dem tödtlichen Zorne Gottes bewahrt bleiben werden, wenn wir den HErrn Jesum bekannt und an seine Auferweckung geglaubt haben, kann nur in dem Maße klar werden, als man sich verdeutlicht, was die Glaubensgerechtigkeit dem An- geredeten damit sagt, daß sie fpricht: »das Wort ist dir nahe«; sie meint damit, wie Paulus erklärend hin- zugefügt hat, das Glaubenswort der apoftolifchen Verkündigung, und kann es auch meinen, ohne die altteftamentliche Stelle, welche sie verwendet, dem Sinne zu entfremden, den sie als Schriftwort hat. Denn was Mose feinem Volke gegenüber geltend macht, ist die Thatsache, daß es in dem Worte, welches ihm gegeben ist, die Offenbarung des Willens Gottes be- sitzt und nicht in der Lage sich befindet, rathlos dar- nach ausfchauen zu müssen, wie es dazu gelange, den Willen Gottes zu erfahren; in Gestalt des Wortes hat es ihn zu eigen bekommen, das war aber freilich ein Wort des Gebots, und sofern es als folches dem Einzelnen sordernd gegenüberstand, half es ihm nicht zum Heile, während dagegen Jsrael als Volk an iefer Offenbarung des Willens Gottes das vor aller Welt es auszeichnende Heilsgut besaß (Osfenb. H, 1). Anders im neuen Testamenter hier ist der im Worte geoffenbarte Wille Gottes sein verwirklichter Heilswille; was nun von der Offenbarung des Willens Gottes im Worte alttestamentlicher Weise gilt, das gilt auch neu- testamentlicher Weise von ihr. Wer das Wort ver- nimmt, bekommt es in Mund und Herz; der darin 102 Römer 10, 11-—17. geosfenbarte Wille Gottes giebt sich ihm zum Inhalte seiner Rede und seiner Herzensgedankem aber da es jetzt der verwirklichte Heilswille Gottes ist, der sich ins Wort gefaßt hat, so hat nun der Einzelne das Gut seines nicht erst zu erwirkenden, sondern für ihn vorhandenen Heils an dem Worte. Es steht nicht so, sagt die Glaubensgerechtigkeih daß du nach dem Heile, dessen Verwirklichung Christus heißt und Christi Sache ist, rathlos ausschauen müßtest oder dürftest: du hast es im Worte der apostolischen Verkündigung, welches dir in Mund und Herz gelegt ist; denn Jesus ist der erschienene und durch seine Auferweckung vollendete Christus und somit das verwirklichte Heil. Wer nun mit dem Munde ihn bekennt, daß er der HErr ist, und mit dem Herzen glaubt, daß Gott ihn auferweckt hat, dem ist das Heil gewiß; von dem neutestament- lichen Worte, welches ihn zum Inhalte hat, gilt wirk- lich im Unterschiede von dem alttestamentlichen, welches Gebote zu erfüllen befahl, daß zum Heile genügt, es im Munde und Herzen zu haben, der in’s Wort ge- faßte Christus will geglaubt und bekannt sein, und solches Thun des Herzens und des Mundes gedeiht zu Gerechtigkeit und Heil, ohne daß ein Anderes da- neben, ein Erfüllen geschriebener Gebote, welche außer uns sind und äußerlich uns gegenüberstehen, erfordert wird. War nun dem Juden gegenüber, welcher den lebendigen Gott bekannte, in V. 9 im Anschlusse an die alttestamentliche Stelle zuerst das Bekenntniß des HErrn Jesu zu nennen und dann derGlaube an seine Auferweckung ohne welchen solch Bekenntniß nicht möglich ist, so hebt dagegen der Apostel in V. 10 mit dem inwendigen Glauben an und schreitet fort zu dessen Aeußerung, um die zureichende Heilsamkeit der einen und der andern auszusagen Gerechtigkeit und Heil ist alles, was wir bedürfen; und alles, was uns noththut, um sie zu erlangen, ist ein Zwiesaches, das so natürlich beisammen ist, wie Herz und Mund, Ge- danke und Rede, nämlich daß wir das mit dem Herzen glauben, was uns in’s Herz, und das mit dem Munde bekennen, was uns in den Mund gelegt ist. Wie aber der Jnnerlichkeit des Glaubens die unsichtbare Ge- rechtigkeit des Gläubigen entsprichh so der Offenbarkeit des Bekennens die offenbarliche Heilszuwendung an den schließlich zu verklärenden Gerechten. (v.Hofmann.) 11. [Ja, so du glaubest in deinem Herzen, daß ihn Gott von den Todten auferwecket hat, so wirst du selig; das Gesetz, kommt dabei nicht weiter in Betracht.] Denn die Schrist spricht [in dem schon am Schluß des vorigen Kapitels angeführten Spruch Jes. 28, 16, sowie in dem ähnlichen Wort Pf. 25, 3]: Wer an ihn glaubt ser sei, wer er wolle, sich glaubend auf ihn stützt], wird smit seiner Heilserwartung] nicht zu Schanden werden [vgl. V. 4]. 12. Es ist [also] hie swas diese Sache, das Seligwerden durch den Glauben an Christum, betrifft] kein Unterschied swie er allerdings bei dem, das Volk Gottes von den Weltvölkern scheidenden Gesetze stattfand Apostg. 10, 1»0 ff. 34 f.] unter Juden und Griechen [Kap. Z, 23]; es ist aller zumal Ein HErr [Joh. 17, 2; Matth· 28, 18fs.; Apostg. 10, 36], reich san Gnade] über alle, die ihn anrufen [ihnen Heil und Leben in vollem Maße mitzutheilen]. 13. Denn sheißt es in Joel Z, b] wer [nur immer] den Namen des HErrn wird anrufen, soll selig werden« [Apostg. Z, 21]. 14. Wie sollen sie aber sgenauerx nun, wenn nämlich nach dem eben Gesagten zum Seligwerden das Anrufen des Namens Christi nothwendig ist, einen solchen] anrufen, an den sie nicht glauben? Wie sollen sie aber glauben san einen], von dem sie nichts gehöret haben? Wie sollen sie aber sdas ihn und sein Heil verkündigende Wort] hören ohne Prediger sselbigen Worts]? 15. Wie sollen sie aber ldie des Wortes Zeugen sind] predigen, wo sie nicht szur Verkün- digung desselben von Dem, der das Heil zu seiner Zeit wollte predigen lassen 1- Tim. Z, S] gesandt werden? sdarum ist auch solche Sendung schon im alten Testament ausdrücklich verheißen und hat sich in dieser unsrer Zeit gar herrlich erfüllt] Wie denn sin Jes. 52, 7] geschrieben stehet: Wie lieblich [schön zu erschauen, erfrenlich] sind die Füße derer, die den Frieden verkimdigen, die das Gute verkündigenltt [so ist es in der That und Wahrheit geschehen V· 18; Apostg. 10, 36 ff.] Its. Aber sund das ist der Grund, warum die Heilswirkung der in der Welt erschallenden Heilspredigteine so allgemeine nicht ist, als sie es sein könnte und sollte] sie sind nicht alle swie doch ihre Pflicht wäre] dem Evangelio gehorsam sdaß sie demselben auch Glauben schenkten, wenn sie es zu hören bekommen; darin denn abermals sich erfüllt, »was die prophetische Weissagung zu- vor verkiindigt hat Joh. 12, 37 f.]. Denn Jesaias [Kap. 53, 1] sprtcht: HErr, wer glaubet unserm Predigen?*" [es sind der Gläubigen so wenige, daß sie der Unmasse der Andern gegenüber zu einem Nichts verschwinden.] r) Zu welcher Begründung dient das »denn« zu Anfang des 11. Verses? Es ist diese: das Schrift- wort verheißt dem Glauben Errettung; so— erweist sich also auch, daß diese nicht von der Erfüllung des mosaischen Gefetzes abhängt, daß der Ausspruch in V. 10 Wahrheit hat, und V. 10 u. 11 bestätigen zu- sammen den Jnhalt von V. 4. Befrerndend ist es nun, daß der Apostel, gleichwie schon in Kap. 9, 33, so auch hier dem aus Jes. 28, 16 angeführten Schrift- wort dem »wer« im Grundtext ein ,,1eder« wisse) vorangestellt hat; indeß liegt dies eben in dem un- beschränkt lantenden ,,wer«. (Tholuck.) Dies, dem »wer« vorangestellte ,,jeder«, das köstlicher ist als die ganze Welt und wie hier, so auch in V. 12 und 13 steht, wird dann in V. 14 f. dahin bestätigt, daß es nicht nur bedeutet: »wer immer anruft, soll selig werden«, sondern auch, Gott wolle es, daß er von allen heilsam angerufen werde 1. Tim· 2, 4 ff. (Bengel.) Das ,,jeder, der da glaubt« wird hierauf in V. 12 im Gegensatz, zum jüdischen Partikularismus näher dahin erläutert, daß es sich gleichmäßig auf Heiden wie auf Juden beziehe; die Worte: ,,es ist aller zumal Ein HErr« wären besser zu übersetzen gewesen »ein und derselbe ist HCrr aller«, darunter aber ist nicht Gott, wie man nach Kap. Z, 29 f. annehmen zu müssen Die Signatur der jetzigen Zeit als Zeit der Heilspredigt entspricht dem, was das prophetische Wort sagt. 103 geglaubt hat, sondern Christus zu verstehen. So- wenig der allgemeine Gottesglaube den Juden ab- gesprochen werden konnte, ebensowenig konnte das An- rufen des Namens Gottes als das spezisische Cha- rakteristikum des rechtfertigenden und heilbringenden Christenglaubens bezeichnet werden; überhaupt ist »der HErr« iiach paulinischeni Sprachgebrauch aus- nahmslos Christus (vgl.Phil. 2, 11). Weil nun dieser HErr aller ist, hat er den Willen, weil reich über alle, hat er das Vermö g en, sie alle,Heiden wie Juden, wenn sie anders gläubig ihn anrufen, des Heils theil- haftigzu machen. (Philippi.) Der Apostel beruftsich sur diesen seinen Ausspruch auf eine prophetische Schriststelle, in welcher aber von der Anrusung Je- hova’s, des Gottes Jsraels, die Rede ist; da indessen der von der alttestamentlichen Schrist bezeugte Gott des Heils in dem von Gott ausgegangenen und zu Gott hingegaiigenen Christus neutestamentlich geoffen- bart ist, so ist Anru ung Jehova’s und Anrusung Christi in der Art Eins, daß die an erstere geknüpfte Verheißung in der neutestanientlichen Zeit für die- jenigen und nur für sie gilt, welche ihre Heilszuversicht aus Jesum setzen und also ihn anrufen. (v. Hofmann.) Wie Paulus oben (V. 9 f.) das Glauben und das Bekennen mit einander verband, so verbindet er hier mit einander den Glauben und das Anrufen; Anrufen und Bekennensind beides Ae u ß er u n g en des Glaubens, die eine zum Himmel, die andere zur Welt ge- richtet, aber während oben dem Zusammenhange gemäß es sich um das Bekennen handelte, ist hier mehr das Anrufen an seiner Stelle, indem das Heil als dessen Erividerung, gleichsani als der Lohn für gläubig Bittende dargestellt werden soll. VI) Die Bewahrheitung des Satzes in V. 4: ,,Christus ist des Gesetzes Ende; wer an den glaubt, der ist gereiht« ist durch eine Reihe von Sätzeii in der Art geschehen, daß die Begründung schließlich auf den Satz in V. 13 hinauskann jeder, der Jehova, somit aber, da Jesus der HErr ist, in welchem sich der Gott Jsraels geosfenbart hat, jeder, der Jesum anrufe, werde Heil erlangen; von hier aus kommt denn der Apostel dahin zurück, wo er vor dem 4. Verse stand, also auf die Verschuldung seines Volks. Es steht fest, daß, nachdem Christus erschienen ist, das Heil durch Anrufung Jesu, und nicht durch gesetzliches Thun erlangt sein will; dann ist dies aber nothwendig auch die Zeit, in welcher Gottes Sendboten Jesum ver- kündigen, daß man an ihn glaube, dann inuß man ihn als den Heiland anrufen, um schließlich Heil zu finden und vor dem Zorn bewahrt zu bleiben, so ist Glaube an ihn nöthig, ohne den man ihn nicht an- riefe, und muß also der Endzeit, in welcher die Schei- dung zwischen denen, die verloren gehen, und denen, die Heil erlangen, sich vollzieht, eine Zeit vorausgehen, in der er verkündigt wird, weil man nur da an ihn glauben kann, wo man von ihm gehört hat. Erwartete nun der Jude (wie sicl) auch an Johannes im Ge- fängniß zeigt Matth. 11, 2 ff.) von der Offenbarung Christi eine Verwirklichung des Heils, welche so nicht eingetreten war, und stieß er sich an derjenigen, welche geschehen war, weil sie sich nicht anders als in dem Wort der apostolischen Verkündigung dargab, so eigt dem entgegen der Apostel, daß so gewiß, als Anrusung des HErrn die Voraussetzung ist, unter welcher man des Heils theilhaftig wird, die Gestalt der gegen- wärtigen Heilszeit gerade die sein muß, welche sie ist; Sendboteii müssen vorhanden sein, welche Den ver- kündigen, an den geglaubt sein will, damit man ihn anrufe. Dies ist nothwendig die Gestalt der Zeit, in welcher das Heil zwar vorhanden ist, aber, wie vorhin ausgeführt, im Worte; und es entspricht solche Ge- stalt auch der Schriftstelle von den erwünschten Boten, die da Frieden verkündigen, das Gute verkündigem denn auch ihr zufolge geht der schließlichen Heils- Vollendung eine Botschast voraus, der man Glauben schenken muß, um, wiees dort weiter heißt, der Offen- barung Jehova’s frohlich entgegenzusehem aus »Babel auszubrechemund dem Gotte, »der sein Volk· erlost, zu folgen. (v. Hofmann.) An dieser Stelle tritt uns der wichtige Gedanke entgegen, daß das Evangelium sich nur auf dem Wege der Predigt durch die Menschheit verbreitet; es kann nicht etwa durch unmittelbare Geisteswirkung hie und da sporadisch erzeugt» werden, sondern es wird stets vom Mittelpunkt der Kirche aus eine Mittheilung erfordert, um es zu verbreiten. Die Kirche Christi theilt die Natur jedes geschlossenen Or- ganismus, der sich nur so entwickeln kann, daß alle Glieder im Zusammenhange mit dem Ganzen bleiben; eine Gemeinde von Christen kann nicht nur nicht ent- stehen ohne Zusammenhang mit dem Ganzen der Kirche, ohne daß ihr »die Geschichtepon Christo» ge- predigt wird, sondern sie kann auch nicht aus die Lange bestehen ohne diesen Lebenszusamnienhankx ohne ihre III-Heini« iekspskrsixis dkikskksiFchtå Fsr akjsksispiisen eee1. ra au mirien Charakter des Christenthums, das wesentlich auf den Thatsachen der Geschichte Jesu beruht, und sodann aus Zensi G5e3iste, ders in tåer Fresdigtodeis Tlgirkeifidiepistx ie es rinzip it an ie er on Je u ge nüpt Joh. 7, 39) und verbreitet sich in zusammenhängender Wir- kung von ihm aus, Die Missionstljätigkeit gehört also zum Wesen der ·Kirche, und der Befehl in Matth 28, 19 gilt sur sie -bis ans Ende der Tage. (Olshausen.) » IN) Die Aussendung der Boten ist» wohl geschehen, will der Apostel sagen, und damit sur alle die Be- dingung, unter der sie zum Glauben und zur An- Fuksung gellaxgenhkoifntienk wengter rclibeg daräach fortt- ä rt: ,,g ei wo in ie ni a e em vangeio gehorsam«, so bezieht sich das auf die Masse des Vol- kes Jsrael, welche nicht geglaubt hatte. Paulus hat es also hier nicht mit »den einzelnen Jndividuen (2. Thess 1, 8), sondern mit den beiden Volks-ganzen, mit der Judenwelt und Heidenwelt zu thun; er handelt ja überhaupt in diesen drei Kapiteln von dem Un- glauben Jsraels, nicht von dem Unglauben der Heiden, vielmehr umgekehrt von der Annahme der Heidenwelt an Jsraels Statt, und war sonach durchaus keine Veranlassung für ihn vorhanden, das Faktuin, daß auch unter den Heiden, deren Gesammtbekehrung er im Prozesse fortschreitender Verwirklichungbegrisfensieht (Kap.11, ··25), bis dahin noch viele unglaubig geblieben waren, hier besonders» hervorzuheben. Gleicherweise handelt auch die angeführte Prophetenstelle, bei deren Anführung das: »denn Jesaias spricht« soviel ist als: ,,also mußte es geschehen, denn also war es durch Jesaias vorhergesagt«, von dem Unglauben des Volkes Israel an de? Knechtß Gottes, desseågrniedrigiibiig dden Juden ein ergerni war; im merze ü er ie Masse der Ungläubigen übersieht der Prophet, und mit kslzznälder)Apostel, die geringe Zahl der Gläubigem iippi. 17. So sdem eben angeführten Propheten- spruche gemäß] kommt der Glaube aus der Predigt sund bestätigt sich damit das in V. 14 Gesagte], das Predigen aber [kommt, wie daraus sich er- giebt, daß der Spruch an den HErrn gerichiet ist, welchem der Prophet in demselben gleichsam Rechenschast giebt von dem Erfolge des ihm auf- 104 Römer 10, 18——21. 11, 1——7. getragenen Werkes] durch das Wort Gottes* fdas an den Prediger ergangen ist, der die Sendung V. 15 empfangen, und wird dadurch das, was die Hörer aus seinem Munde vernehmen, zu einer göttlichen Predigt 1. Thess Z, 13]. 18. Jch sage aber [in Betreff derer, die nicht dem Evangelio gehorsam sind V. 16., um zu- nächst die eine denkbare Möglichkeit in Betracht zu ziehen, die ihnen etwa zur Entschuldigung dienen könnte]: Haben sie es [was die Prediger in V. 15 zu verkündigen haben] nicht gehbrefs Zwar [d. i. ja gewiß haben sie es gehört 1. Kön. 8, 13 Anm. I; denn es verhält sich in der That so, wie es in Pf. 19, 5 von den Predigern heißt] es ist je [Pred. 4, 8 Arm] in alle Lande aus- gegangen ihr Schall, und in alle Welt ihre Worte« [so daß auch die, so unter den Heiden wohnen, sie haben hören können] 19. Jch sage aber [noch einmal, um dem- nächst auch eine andere denkbare Möglichkeit vor- zubringen]: Hat es Israel fwenn es auch das Wort göttlicher Predigt gleich den Andern hörte, doch] nicht erkannt [was es demselben gegenüber zu thun habe I. Thesf 2, 13]? Der erste Moses [d. i. Moses, der als der älteste Prophet zuerst sein Zeugniß über den wirklichen Sachverhalt ab- geben mag] spricht: Jch will euch eifern machen über dem, das nicht mein Volk [genauer: ein Nichtvolk, ohne alle Beziehung zu mir und meiner Offenbarung im alten Bunde stehend] ist; und über einem unverständigen Volk sdas nicht einmal meinen Namen kennt Käse. 2, 19rf.; Apoftg. 17, 22 ff.; Ephes. 2, 12; l. Petri l, 14] will ich euch erzürnen [5. Mos. 32, 21]. 20. Jesajas aber darf wohl swagt sogar Kap. 5, 7 Anm. im Namen eben des Gottes, in dessen Namen schon Mose jenes Wort gesprochen, bestimmt und offen zu] sagen: Jch bin erfunden von denen, die mich nicht gesucht haben, nnd bin fals Helfer und Heiland] erschienen denen, die nicht nach mir gefragt haben [Jes. 65, 1]. 21. ZU [richtiger: in Beziehung auf] Israel aber spricht er san dieser Stelle V. 2 weiter und giebt als den wahren Grund von Jsraels Unglauben sein hartnäckiges Widerstreben gegen Gottes Heilsabsichten an]: Den ganzen Tag habe ich meine Hände ausgestreckt zu dem Volk, das sich nicht sagen läßt und widerfpricht*t* [Matth. 23, 37; Hebr. 12, 3; Apostg 7, 51f]. s) Ehe der Apostel das, was er vorhin V. 16 mit Beziehung auf die Juden gesagt und als Erfüllung einer prophetischen Weissagung charakterisirt hat, weiter verfolgt und erledigt, faßt er zunächst den in V. 14 u. 15 ausgeführten Gedanken noch einmal zusammen, ihn nachträglich zum Abschluß bringend. (Wangemann.) Wo das leibliche äußerliche Wort nicht gepredigt wird, da vermuthe man sich nicht, daß der heil. Geist allda wirke. Gleichwie es mit der Sonne zugeht, die hat zwo Arten an ihr, nämlich den Schein und die Hitz e; wo nun der Schein und der Glanz hingeht, da kommt auch die Hitze hin, wo aber der Glanz nicht hingeht, da bleibt auch die Hitze aus. Also geht’s mit dem äußerlichen Worte und mit dem heil. Geiste auch zu: der heil. Geist wirkt nirgend, wo er nicht zuvor HEXE, da)s Wort, als durch eine Röhre, in’s Herz kommt. ut er. ist) Steht es fest, daß zum Glauben das Hören, zum Hören das Predigen erforderlich ist und daß es bei den Juden an dem Gehorchen oder Glauben ge- fehlt hat, so fragt.sich, ob ihnen etwa die Predigt nicht zugekommen und deshalb das Gehorchen und Glauben unmöglich war: dieser Entschuldigungsgrund wird hier vom Apostel abgeschnitten (Philippi.) Er eignet sich da Psalmworte an, die von der Stimme Gottes in der Natur gesagt sind, was aber von ihr gesagt wird, das realisirt sich nun auch bei der Offen- barung durch das Evangelium; denn das ,,ihr« und ,,ihre«, welches im Psalm auf die Himmel geht, be- zieht er auf die Boten des neuen Bandes. Bedenkt man, was es einem Juden bedeuten mußte, die gött- liche Offenbarung, die bis dahin nur in dem engen Kreise Judäcks verkündet wurde, nun durch viele Boten an die Griechen, an -die Römer, an.die Barbaren ge- bracht zu sehen, wie sich ein Paulus dabei vorstellen mußte, daß nun ein Feuer in die Menschheit geworfen worden, welches von Geschlecht zu Geschlecht fort- zündend eine ganz neue Ordnung der Din e auf der Erde bewirken würde, so kann es nicht au allend er- scheinen, wenn sich der Apostel, obwohl bis dahin erst ein kleiner Theil des Erdkreises das Wort des Lebens empfangen hatte, dennoch so umfassender Ausdrücke bedient; auf ähnliche Weise spricht er begeistert von der Wirkung des Evangeliums in Col. I, 6 u. 23. (Tholuck.) » , Its-«) Nachdem im vorigen Verse der Gedanke ab- gewehrt worden, als ob etwa die der Heilsbotschaft nicht Gehorsamen das, was den Glauben wirkt, näm- lich die durch ein Gotteswort gegebene Kunde, nicht ehört haben, blieb eine zweite Frage gleichartigen Jnhalts in besonderer Beziehung auf Israel zu stellen, um dessen Ungehorsam gegen die Heilsbotschaft es ja sonderlich zu thun ist. (v. Hofmannh Schonend hatte der Apostel in V. 16 u. 18 Israel als Subjekt nur gedacht, nicht ausdrücklich namhaft gemacht; letzteres geschieht erst hier, wo er nicht sowohl eine Anklage, als vielmehr die Israel im Grunde ehrende Verwun- derung:»,,hat es Israel nicht erkannt?« ausfpricht (Ph1lipp1.) Das ,,nicht erkannt« steht dem »nicht ge- hört« m V. 18 parallel, es ist daher dasselbe zu er- gänzen, was dort ergänzt werden muß: die Predigt vom Glauben (Gal. Z, 2), auf welchen Begriff auch der ganze Zusammenhang der Stelle leitet. Paulus antwortet nun indirekt auf diese Frage, indem er sagt, da die Heiden glauben, wie hätte da Jsrael nicht sollen glauben können, wenn es nur gewollt hätte! Dieser Gedanke ist es denn, der, gleichwie in der aus Mose beigebrachten ersten, so auch in der aus Jesaias angeführten zweiten Schriftstelle liegt, welche ganz unumwunden ausspricht, was dort nur erst andeutend gesagt wird: ,,selbst die mich nicht suchten, fanden mich« — wie vielmehr hätte mich Jsrael finden können; aber vergeblich breitet Gott seine Arme aus gegen das untreue Volk, sie haben eben nicht gewollt. (Olshausen.) Jsrael hat darum keine Entschuldigung wenn es der Heitspredigt nicht glaubt. 105 Das 11. Kapitel. Die Ermählung ist unwandelbar. XII· its· t——32. nachdem Paulus bisher die Ursache dar· gelegt hat, wie es gekommen, daß Israel, das Volk, das so hohe göttliche Vorzüge empfangen, von dem Heil in Ghristo ausgeschlossen geblieben, und zu dem lliesultat gelangt ist, daß die Schuld hiervon im Geringslen nicht auf Gott falle, sondern allein auf Igraets ungehorsam gegen Gottes ihm klar verliiindigten Gnadenwilleitz wie dies ja auch Moses nnd Slesaias geweissagt, wendet er sich nun von dem düstern, demüthigenden Bild der einem großen Theil non Israel widerfahreneu derslockung zu dem Troß der Zukunft, wo es sich noch in einem weit höheren Sinne zeigen wird, daß Gottes verbeißung keineswegs zu nichte Man. 9, s) geworden, sich biet— mehr auch an dem ioolke Israel als Ganzem herrlich erfüllen wird. Gott hat, sagt Paulus, sein illotk nicht willkürlich verstoßen, sondern schon jetzt eine Auswahl aus Gnaden errettet, die Uebrigen aber um ihrer Werkgerechtigkeit willen dem Gericht der berstomung übergeben Oh. l—10). Aber die itlerstociiung Jsraels ist« keineswegs das Ziel der Wege Gottes mit Israel ge- wesen, sondern nur ein Mittel seiner ewigen Liebe, daß er einstweilen die itjeidenwelt begnadige und darnach auch Qlsrael als Volk wiederaunehme und selig mache (id. 11—15). Zdiese zukünftige Wiederannahnte Israels folgt schon aus seiner ihm non Gott selbst ge- gebenen, auf dem ewigen ltiatlssclsluß der triebe be- ruhenden Berufsstellung unter den Völkern aus Erden; darum sollen sich die Heiden durch die zeitweilige ver— werfung des Volkes Gottes und ihre Grmählung an seiner Statt nicht etwa zur Selbsiiiberlsebung und zu hochmüthiger Verachtung Stsraels verleiten lassen, sondern vielmehr allezeit eingedenk bleiben, daß sie nicht gebotene Kinder der Gottesfatnilig sondern nur Gäste im Hause Gottes sind, daß das Schictisal der ungehor- samen Kinder noch viel sicherer die ungebührlichen Gäste treffen werde und daß das nähere ltiecht der Kinder vor den Fremden irotz ihrer augenblicklichen Verweisung aus dem tljause nur außer Kraft gesetzt sei, seiner Bett aber wieder austeben werde (io.16——24). Aus diese Darlegung der durch die tlatur der Sache begründeten Hoffnung folgt die ausdrückliche prophetisehe Ankiindigung der in Zukunft, zur gottgesetzten Zeit, bevorstehenden Gesammtbekehrung Beweis, welche der— heißung auch ihrerseits wieder theils durch Zeugnisse der heil. Schrift, theils durch die Treue, Mannigfaltigkeit und Allgemeinheit der göttlichen tiarmherzigkeitbegrsindet wird w. 25—32). l. So sage tch nun swenn der gegenwärtige Stand der Dinge der ist, wie er nach Kap. 10, 19 ff. von dem prophetischen Wort des alten Testaments längst vorausgesehen worden, daß das Reich Gottes von den Juden genommen wird und den Heiden gegeben Matth. 2t, 43]: Hat denn Gott sein Volk verstoßen? Das sei ferne [Ps. 94, 14; Jer. 31, 35 ff.]! Denn ich sder Heiden Apostel V. 13] bin auch ein Jsraelitey von dem Samen Abrahams, [und zwar als einer] aus dem Geschlecht Venjamini svon so acht israelitischer Herknnfh wie es nur irgend wer sein kann 2. Cor. 11, M; Phil. 3, 5]. Z. Gott hat sein Volk nicht verstoßen, welches er zuvor versehen sund ihm damit auf alle Zeiten eine unwiderrufliche heilsgeschichtliche Bestimmung Kap. 8, 29 s. gegeben] hat swie das selbst der gegenwärtige so betrübende Stand der Dinge ausweist]. "Oder [um euch an einen, schon in der alttestamentlichen Geschichte dagewesenen ganz pa- rallelen Fall zu erinnern] wisset ihr nicht, was die Schrift sagt von Elia sgenauerx in Elia, d. i. in dem von Elia handelnden, hierher gehörigen Abschnitt Mark. 12, 26; Luk. 20, 37]? Wie er sin i. Kön. 19, 9 ff.] tritt vor Gott wider Israel [als dessen Ankläger] und spricht: 3. HErn sie haben deine Propheten getödtet, und haben deine Altare ausgegraben [von Grund aus umgestürzt], und ich bin allein svon deinen Verehrerxq über blieben, nnd sie stehen mir nach meinem Leben [auch mich, den letzten von den Deinen, noch umzubringen]! 4. Aber was sagt ihm szur Berichtigung seines menschlichen Jrrthums] die göttliche Ant- wort? sNämlich dies:] Ich habe mir sats hei- ligen Samen, der aus dem allgemeinen Ver- derben errettet worden] lassen überbleiben sieben tausend Mann, die nicht haben ihre Kniee gebeugt vor dem Vaal [dem alle Andern als ihrem Gotte dienen] 5. Also swie damals] gehet-s auch jetzt zu dieser [unsrer] Zeit mit diesen sder großen Masse der Verstockten gegenüber allerdings nur wenigen] Ueberbliebenen [Kap. 9, 27., die es sind] nach der Wahl der Gnaden» [und sind demgemäß in die christliche Gemeinde eingetreten als solche, die das Gegenstlick bilden zu jenen siebentausend Mann Apostg 6, 6 Anm.]. 6. Ist? aber sdies Uebrigbleibenlassen der Wenigen, von Seiten Gottes geschehen] aus Gnaden, so ist es nicht aus Verdienst der Werke; sonst würde Gnade nicht Gnade sein sda deren Wesen ja eben darin besteht, daß sie frei handelt und umsonst schenkt]. Ists aber sum zu desto nachdrücklicherer Geltendmachung dieser Schluß- folgerung der Werkgerechtigkeit der Andern gegen- über auch den gegentheiligen Sachverhalt auszu- sprechen] aus Verdienst der Werke, so ist die Gnade nichtsz sonst wäre Verdienst nicht Ver- diensts« [s. 5. Mos. I, 4 s.]. 7. Wie denn nun [wird demgemäß der Satz lauten, den wir an die Stelle des in V. I be- strittenen zu setzen haben, Gott habe sein Volk verstoßen]? Das Israel sucht sso muß es heißen] das erlanget es nicht sund das ist die Gerechtig- keit aus den Werken Kap. 10, 3]; die Wahl aber [von der in V. 5 die Rede war] erlanget ess- swas sie ihrerseits sucht, nämlich die Gerech- tigkeit aus dem Glauben Kap. 9, 30], die Andern sind berstockt sdaß sie eine solche Gerech- tigkeit, die sie ja ebenfalls erlangen könnten, nicht 106 Römer 11, 8———16. haben mögen Kuh. 9, 32 f.; und darin vollzieht sich an ihnen ein Gericht], 8. Wie geschrieben stehet swenn man die beiden Stellen: Jes. 29, 10 u. 5. Mos 29, 4 mit einander verbindet]: Gott hat ihnen gegeben einen erbitterten Geist [richtiger: Geist des Schlafs], Augen, daß sie nicht sehen, und Ohren, daß sie nicht hören, bis auf den heutigen Tag [vgl. Jes. S, 10; Apostg. 28, 26 f.; Luk. 8, 10]. 9. Und David fin Pf. 69, 23 f.] spricht: Laß ihren lmit niedlicher Speise und köstlichem Getränk wohl besetzten] Tisch fdaran sie in Wohl- leben schwelgeiq zu einem Strick sfür sie] werden sdarin sie sich fangen] und zu einer Beruckung [zu einem Jägergarn Pf. 35, 8] und zum Aetgetniß szu einer Falle, in die sie unver- sehens gerathen], nnd lzwar mache hierzu ihren TischJ ihnen zur Vergeltung ffijr ihre Verachtung. deiner Gnade und Verwersung deines Heils-J; 10. Verblende ihre Augen, daß sie nicht sehen [was·zu ihrem Frieden dient Luk. 19, 42], und beuge ihren Rucken allezeitH sso zusammen, daß sie lendenlahm seien und nicht aufrecht stehen und gehen können Pf. 66, 11]. V) Darin, daß der Apostel statt ,,Jsrael« die Be- zeichnung ,,sein Volk« wählt, liegt schon die Unmög- lichkeit und der Selbstwiderspruch der in der Frage enthaltenen Voraussetzung angedeutet, was dann noch bestimmter in V. 2 in der Beifügung hervortritt: ,,welches er zuvor versehen hat«. Wenn dann Paulus bei der Berufung aus seine eigene Person zu ,,auch ein Jsraeliter, von dem Samen Abrahams« den enealogischen Zusatz macht: ,,aus dem Geschlecht enjamin«, so dient derselbe dazu, den Begrissder reinen Jsraelitenschaft und des ächten Theokratenthums scharf hervorzuheben; denn bei der Trennung des Staates in zwei Reiche schlossen sich die Benjaminiten an den Stamm Juda an (1. Kön. 12, 21), und auch nach dem Exil bildeten diese beiden Stämme den Kern der neuen jüdischen Colonie in Palästina, vgl. Esra 4, 1; 10, 9. (Philippi.) Verstoßung Jsraels, welche Zurücknahme seines heilsgeschichtlichen Berufes wäre, ist, so will Paulus mit der Berufung auf seine Person sagen, unverträglich mit der Thatsache, daß derjenige ein Glied dieses Volks ist, den Gott dazu bestellt hat, die Heiden in die Gemeinde Christi einzuführen, indem hierdurch eben da, wo das Reich Gottes von Jsrael übergeht in das Völkerthum, Jsraels heilsgeschicht- licher Beruf besiegelt würde· (v. Hofmann.) «) Eine völlige und für alle Zeiten geltende Ver- wersung Jsraels brächte Gott auch insofern mit sich selbst in Widerspruch, als er nach ewiger Vorsehung dies Volk sich zum Eigenthum erkoren hat; und da muß denn sein in Ewigkeit über dasselbe gefaßter Gnadenrath allezeit, es sei so oder anders, zu seinem eschichtlichen Vollzuge kommen-· Wenn dem jetzt die hatsache entgegenzustehen scheint, daß Jsrael sich zum Heile in Christo abweisend verhält, so ist nicht zu vergessen, wie diese Thatsache in der Geschichte bereits ihre Analogie hat; gleichwie aber damals, so hat auch jetzt Gott sich einen Rest, ein Ueberbleibsel erhalten, das sind die, die an Christum gläubi ge- worden. (Röntsch.) Die christliche Kirche ist die ort- setzung der wahren Theokratiez diejenigen Juden also, die zu ihr übergetreten, sind die Ueberbliebenen, und sie sind das »durch Auswahl der Gnade«, d. i. durch eine Auswahl,welche die Gnade gemacht hat. (de Wette.) ANY) Das ,,nach der Wahl der Gnaden» am Schluß des vorigen Verses hat der Apostel aus den Worten V. 4: ,,ich habe mir lassen überbleiben« entnommen; es bildet, wie er nun hier ausdrücklich hervorhebt, den Gegensatz zu dem anmaßlichen Rechtsanspruche der jüdischen Werkgerechtigkeir Hierin also, nicht im absoluten göttlichen Dekret, ist die Verwersung der großen Masse des Volkes begründet; das absolute Dekret besteht vielmehr, wie Bengel sagt, darin, daß Gott beschlossen hat: «gerecht mache ich allein aus dem Glauben, keinen aber aus den Werken«, und dies Dekret kann niemand durchbrechen. (Philippi.) T) Das, wovon der Apostel sagt, daß Jsrael es nicht erlange, kann nicht ein und dasselbe sein mit dein, worauf sein Dichten und Trachten gerichtet ist (das Heil an sich oder die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt); wenn Jsraels Trachten auch darauf gerichtet wäre, und es erlangte es nicht, so müßte es ihm Gott lediglich deshalb geweigert haben, weil er’s ihm nicht geben wollte. Wohl aber ist Jsraels Sinn und Wille darauf gerichtet, eigene Gerechtigkeit zu beschaffen, durch Werke das Heil zu verdienen, auf dem nach V. 6 ausgeschlossenen Wege der Werkgerechtigkeit das zu werden als Volk, was die Wahl der Gnaden ge- worden ist; was es nun nicht erlangt, ist Gerechtigkeit vor Gott, Besitz der Gnadengabe des Heils, man kann also nicht sagen, es habe nicht erlangt, wonach es ver- langt und trachtet. Wohl aber hat die Wahl, wie der Apostel die Gesammtheit der Erkorenen nennt, das erlangt, worauf ihr Sinn und Wille steht, denn sie begehrt nichts Anderes, als aus Gnaden die Ge- meinde des Heils zu sein; es ergänzt sich also zu: ,,erlanget es« nicht: »das Jsrael sucht«, sondern: »das es (selber) sucht«, wie denn auch der Ton nicht auf Jsrael ruht, sondern auf sucht. (v. Hosmann.) H) Daß der Apostel sich hier wieder auf den objeetiven Standpunkt der Betrachtung stellt und die freigewollte menschliche That unter dem Gesichtspunkte der gottgeordneten Begebenheit auffaßt, hat darin seinen Grund, weil er von V. 11 an weiter entwickeln will, welche höheren Zwecke die göttliche Weisheit an diese, in ihren Vorsehungsplan mit aufgenommene Menschenthat geknüpft habe; denn wie die Behauptung, daß Gott das Volk Jsrael als solches verstoßen habe, schon dadurch widerlegt wird, daß eine Auswahl aus demselben zum Heile gelangt ist, die Gefallenen aber über den Fels ihrer eigenen Werkgerechtigkeit gestürzt sind, so findet sie weiterhin noch eine geniigendere Widerlegung darin, daß Gott diesen Sturz selbst geordnet hat, um durch denselben Andern den Weg zum Heile, ihnen selbst aber den Weg zur Rückkehr zu ebnen. (Philippi.) Es wäre durchaus unrichtig den apostolischen Gedanken in V. 12, daß Jsraels Fall der Heiden Reichthum geworden sei, dahin zu verstehen, daß so überhaupt nur die Möglichkeit ge- schaffen worden wäre, die Heiden zum Heile zu bringen; dann müßte von vornherein der Fall des Gottesvolks göttlicher Rathschlußgewesen sein, Jsrael hätte dann nicht anders gekonnt, als das Heil von sich abweiseih damit stünde es aber auch nun in seinem Unglauben gerechtfertigt da — eine Annahme, die den Apostel in grellsten Widerspruch mit sich selbst bringen würde (Kap. 9, 19 fs.). Gewiß, Jsrael sollte und konnte Christum und mit ihm das Heil ergreifen, und auf dies Ziel hin hat der HErr auch mit allem Ernste bei seinem Volke hingearbeitet; was Paulus behauptet und darlegt, ist nur das, daß Gott, dem vermöge Jsraels Verwerfung ist keineswegs das Ziel der Wege Gottes mit seinem erwählten Volke. 107 seiner Vorausficht alles bekannt ist, den Widerspruch und Ungehorsam Jsraels in seinen Heilsplan mit verflochten und eingeordnet hat. Weil und da es widerstrebt, hat Gott dies sein Widerstreben sich in seinen Planen dienstbar für die Heiden gemachtt wenn Jsrael gläubig geworden wäre, auch dann wäre die Heidenwelt des Heiles theilhaftig geworden, nur auf anderem Wege. Wir erhalten an diesem Beispiele einen Einblick, wie Gott die Ergebnisse menschlicher Freiheit in seine Heilsplane einzuordnen versteht, und gewinnen da den Grundsatz, den heilsgeschichtlichen Kanon, daß das menschliche Verhalten nur die Art und Weise des Vollzugs göttlichen Willens bestimmt, nicht aber dessen Vollzug selbst; nicht auf das Daß, wohl aber aus das Wie der Durchführung göttlichen Willens influirt unser Wille. Doch gilt dieser Kanon nur für das Ganze undGroße, für die Menschheit und die Völkerwelt, während, den Einzelnen an- gesehen, eine völlige Verneinung göttlichen Willens denkbar ist; denn Gottes Gnadenabsicht mit jedem Einzelnen ist es, ihn selig zu machen, und doch wissen wir, wie der Einzelne diese Liebesabsicht Gottes über und an sich verneinen kann. (Röntfch.) 11. So sage ich nun sin dem, was ihnen widerfahren ist, sogar etwas Heilsames erblickend, weiter]: Sind sie setwa] darum san den Stein des Anlaufens Kap. 9, ZZJ angelausen sals sie gegen Christum ungläubig sich verhärteten], das; sie fallen sollten sum nach Gottes Willen für immer liegen zu bleiben]? Das sei ferne! Sondern snachdem erfahrungsmäßig schon das hat angefangen zu geschehen, daß] aus ihrem Fall ist den Heiden das Heil widerfahren sKap. 9, 23 ff., läßt sich nach den Worten in«5. Mos. 32, 21 als Endziel der Wege Gottes mit ihnen auch bereits das er- kennen: sie find lediglich darum angelaufen], auf daß sie denen swelchen aus ihrem Fall das Heil widerfahren] nacheifern solltetti san ihnen wieder schätzen lernten, was sie ihrerseits muthwillens ver- scherzt, und schließlich ihnen wieder zuvorkämens 12. Denn so sgenauert So aber, wie ja bereits zu Tage getreten] ihr Fall der sbis dahin ohne Gott und fremd von den Testamenten der Verheißung dahin lebenden und darum für gar arm zu rechnenden] Welt Reichthnm ist sindem diese in Folge solchen Falles hinzugeführt worden zu Dem, durch den wir Menschen überhaupt erst in geistlichem Sinne reich werden Apostg 13, 46; Z— END· S, 7 U— 9]- Und ihr Schade sden sie am Heil dadurch erlitten haben, das; ihre bei Weitem größte Zahl von demselben ist ausgeschlossen worden] ist der Heiden Reichthum sindem nun diese in den vollen Heilsbesitz eingetreten find]: wie vielmehr swird es der Heiden-Welt Reichthum an Gnade und Heil einbringen], wenn ihre sjetzt so geminderte] Zahl san wahrhaftigen Abrahams- kindern und Erben der Verheißung durch Be- kehrung zu Christo] voll würde« [was gewiß noch einmal geschehen wird V· 25 f.]? 13. Mit euch Heiden sgerade] rede ich swenn ich folches, wie eben in V. 11 u. 12 ausge- sprochen worden, Vortrage, auf daß ihr nicht ver- kennet, was bei meinem Dienst an euch im tiefsten Grunde mich treibt und bewegt]; denn dieweil ich der Heiden Apostel bin szu einem solchen vornehmlich von dem HErrn berufen und als ein solcher von den andern Aposteln aus- drücklich auch anerkannt Kap. 1, M; Apostg 9, 15; Gal. 2, 7 sf.], will ich szwar durch treue Arbeit unter den Heiden] mein Amt preisen saber ich thue es doch nur im beständigen Hinblick auf Jsrael], 14. Ob ich setwa, je mehrere ich von den Heiden für Christum gewinne] möchte die, so mein Fleisch sind sdie Juden Kap. 9, 3], zu eifern reizen snicht länger hinter den in’s Reich Gottes in Fülle eingehenden Heiden zurückzubleiben] Und ihrer swenigstens] etliche sda freilich mein Absehen immerhin nur bei einer geringen Anzahl mir gelingen wird] selig machenspsp sdadurch, daß auch sie sich bewegen lassen, dem Evangelio ge: horfam zu werden Apostg. 28, 17 sf.]. 15. sOhne Zweifel ist und bleibt die Ge- winnung der Juden für Christum, die, wenn die Vollzahl V. 12 erreicht sein wird, auch die Wiedereinsetzung derselben als Volksganzes in die organische Gliederung des göttlichen Reichshaus- halts zur Folge hat, für die Heilsvollendung auch der Heidenwelt von der größten Wichtigkeit.] Denn so ihr Verlust [richtiger: ihre Verwerfung » von Seiten Gottes, daß sie aufgehört, sein Volk zu sein] der Welt Versöhnung ist [2. Cor. 5, 18 sf.], was wäre das anders, denn das Leben von den Todten nehmenf sdie revidirte Ausgabe vom J. 1867 hat hierfür« dem Grundtext gemäß: was wird ihre Annahme anders sein, denn Leben von denTodten — s. dieBem. zu Jes. 57, 21; Jer. Z, 25 u. Hes. 47, 12]? 16. sZu dieser Wiederannahme aber wird es dermaleinst um des durch eine zweimalige Gottesthat dem ganzen Jsrael aufgeprägten Charakters der Heiligkeit willen auf jeden Fall kommen :] Jst der Anbruch sder Abhub des Erst- lings-Teiges 4. Mos. 15, 17 ff., durch Abgabe an das Heiligthum] heilig swie es doch thatsäch- lich sich also verhält, daß an das Heiligthum der christlichen Heilsgemeinde Jsrael einen Theil seines Volksbestandes schon hat abgeben müfsen], so ist auch der sganze übrige, aus dem Jahres-Getreide bereitete] Teig heilig; und so die Wurzel heilig ist swie das ja mit dem Baume des israelitischen Volkes vermöge seiner wunderbaren Pflanzung durch Gottes eigene Hand Jes. 51, 1 f. wirklich der Fall] so sind auch die Zweige heiligH [vgl. V. 28; 1. Cor. 7, 14]. i) Gleich von vornherein deutet der Apostel den Endgedanken der nachfolgenden Entwickelung an, daß nämlich Jsraels Verwerfung nicht als eine schließliche 108 Römer 11, 17—20. und immerwährende, sondern nur als eine zeitweilige, als ein Fall, von dem noch ein Aufstehen in Aussicht -steht, zu bezeichnen sei; wenn er nun zugleich als Mittelzweck der göttlichen Liebe bei dieser Verwerfung Jsraels diesen angiebt, daß den Heiden das Heil widerfahre, so darf daraus nicht geschlossen werden, daß ohne den Fall Jsraels die Heiden gar nicht zum Heile gelangt wären. Die Glaubensannahme des Messias von Seiten Jsraels würde für den göttlichen Weltplan kein anderes Ziel, sondern nur einen an- deren Modus seiner geschichtlichen Verwirklichung er- geben haben. (Philippi.) Die messianischen Ver- heißungen haben von Anfang an auch den Heiden ge- golten (Kap. 4, 9sf.; 15, 9 ff.); der Unglaube der Juden hat nur bewirkt, daß die Einladung der Heiden und ihre Aufnahme desto eher erfolgt ist. Zuerst sollte der alttestamentlichen Vorbereitung gemäß ganz Jsrael für das messianische Heil gewonnen werden und den Stamm des neuen Gottesreichs bilden, an den sich die Heidenwelt anschlösse; als aber Jsrael die Einladung verschmähte, so erging sie unmittelbar an die Heiden, und es hat sich hiermit der Gang der Heilsökonomie dahin abgeändert, daß diejenigen, welche der Bestimmung nach die Ersten sein sollten, die Letzten eworden sind, doch soll die Aufnahme der Heiden elber dazu beitragen, daß Jsrael schließlich noch u seiner Bestimmung gelange. (Maier.) Jhr Fall ist ökonomisch beschränkt, daß er nicht zu einem Hinfallen in’s Verderben geworden; und er ist ökonomisch gewendet und verwendet zum Heil der Heiden. (Lange.) Japhet wohnt zwar jetzt in den Hütten der Kinder Sem’s (1. Mos. 9, 27), diese tragen die Schuld ihrer Väter und haben aufgehört, der Mittelpunkt der göttlichen Heilsanstalt zu sein; aber sie sind nicht auf immer verstoßen, sondern nur für eine Zeit ist ihnen der Vorzug entzogen, er bleibt ihnen aufgehoben. Sie gleichen einem durch Schuld der Vorfahren vom Thron gestoßenen Königsstamm, dem aber die Krone ausbehalten bleibt für die Zeit, da es Gott gefällt, ihn wieder in sein Reich einzuführen. (Olshausen.) Wie in einer Frau, die durch ihre Schuld von dem Manne verstoßen ist, die Eifersucht entbrennt, so daß sie dadurch sich getrieben fühlt, mit ihrem Ehegatten sich wieder zu versöhnen: so soll es ge- geschehen, daß die Juden, indem sie die Heiden an ihre Stelle getreten sehen, im Schmerz über ihre Ver- stcåißliingfndlich nach der Versöhnung mit Gott trachten. a vm. s IV) Schon an und für sich mußte der Gedanke, daß Jsraels Verwerfung so heilsame Folgen gehabt, und die Auszeichnung Gottes, welche hierin"gewisser- maßen für Jsrael liegt, zu dem andern überleiten, wie herrlich die Folgen von der Wiederannahme Jsraels fein würden; der Apostel kommt darauf in V. 15 zurück. (Tholuck.) Der erste Vordersatzx »so ihr Fall der Welt Reichthum is« hat keinen Nachsatz; er würde heißen: ,,wie viel mehr wird es ihr Wieder- aufstehen sein!« Paulus verschmilzt ihn aber in den Nachsatz zum zweiten Vordersatz: ,,wie viel mehr, wenn ihre Zahlvoll würde!« Denn »die volle Zahl«, die Bekehrung von ganz Jsrael (V. 26), ist eben ihr Wiederaufftehen (v- Gerlach.) Der künftige Voll- bestand Jsraels ist nicht blos ein gedachter Fall, der aber nicht wirklich wird, so daß man mit Luther über- setzen dürfte: »wenn ihre Zahl voll würd e«, sondern es muß heißen: ,,voll wird«; so gewiß jenes, der Schaden Jsraels ist, so gewiß wird dieses werden, die volle Zahl. Obgleich dies Volk jetzt so zerrissen und zersplittert ist in alle Welt, bilden doch die ciisjecta membra (aus einander gerissenen Glieder) desselben ein zusammengehöriges Ganze; ein Band der Einheit hält sie alle zusammen und hindert sie, sich zu verlieren unter die Völker, unter denen sie wohnen; sie sind nicht blos eine Summe Vieler, sie sind ein einheitliches Ganze. Dies einheitliche Volksganze also wird sich bekehren; gerade ihr Zusammenhang, in dem sie mit einander stehen, wird es möglich machen, daß— die Bekehrung eine allgemeine sei und Jsrael ein christliches sein wird, wie es jetzt ein nichtchrist- liches ist ——- eine Volksbekehrung Jsraels findet statt und ein bekehrtes Volk Jsrael ist das Resultat. (Luthardt.) Schon vor 300 Jahren erklärte ein spanischer Rabbinen »Auf uns Juden ruht ein Fluchi und ein Segen; man wird uns heben wollen und es nicht vermögen, denn es ruht ein Fluch auf uns (vgl. Hes. 20, 37), man wird uns vertilgen wollen, End es wird nicht gelingen, denn auf uns ruht ein egen. »Es-V) So groß war die Liebe des Apostels zu seinem Volke, und so durchdrungen war er von dessen hohen Gnadenv"orzügen, daß er, ungeachtet er Heidenapostel war, es doch als eine Verherrlichung seines Amtes ansah, wenn durch seine Thätigkeit unter den Heiden auch nur einige Juden nach Gottes heiliger Absicht zur Eifersucht gereizt und bekehrt würden; er sagt dies zu den Heiden, damit sie, wie er«in dem Fol- genden noch näher darauf eingeht, nie vergessen möch- ten, daß Gott bei ihrer Bekehrung noch immer an sein altes Bundesvolk denke und dessen Bekehrung durch die ihrige vorbereite. (V. Gerlach.) f) Wie hier Luthers Uebersetzung zu verstehen sei, wird man nicht so leicht einsehen; in der Randglosse sagt er: »von .den Todten das Leben holen ist nichts; wie sollte denn der Heiden Leben daher kommen, daß die Juden gefallen und todt sind? vielmehr sollen die todten Juden von der Heiden Exempel zum Leben gereizt werden«. Aber abgesehen davon, daß diese Auffassung eben das bestreitet, was der Apostel in V. 11f. ausdrücklich behauptet, bezeichnet auch der griech. Ausdruck (aus-solch, den Luther nach derVulgata mit ,,Verlust« übersetzt (Apostg. 27, 23), vielmehr die Wegw erfung-(Mark. 10, 50 ; Hebn 10, 35)- oder Ver- stoßung, zu der dann die (Wieder-) Annahme (-r9(5gtyis«g) in Gegensatz tritt. (Tholuck.) Wenn sich Jsrael bekehrt, so ist das nicht wie eine Bekehrung irgend eines andern Volkes, sondern die Bekehrung des erwählten Volkes: alle andern Völker haben nur kirchengeschichtlichen Beruf, Jsrael ist das Volk des heilsgeschichtlichen Berufs, ist es aber das, so wird seine Bekehrun Folgen haben nicht blos für die Kirrhengeschichta sondern— die Heilsgeschichta welche seit dem Schluß der apostolischen Zeit stille steht, wird einen Schritt vorwärts thun, die Erfüllung der neu- testamentlichen Weissagungen wird beginnen und sich anschließen an die-Heilsgeschichte, deren Bericht im neuen Testament niedergelegt ist. (Luthardt·) Als Gott das jüdische Volk von sich warf im Zorn, daß es aufhörte, seine Gemeinde zu sein, gedieh dies der Welt (die im Verhältniß der Feindschaft zu Gott sich befand Ephes 2, 1 ff.) zur Versöhnung mit ihm (ver- möge ihrer Berufung zu Christo): was wird, hiernach «zu urtheilen, damit eintreten, wenn er es sich nimmt in Güte, daß es wieder seine Gemeinde sei? Gewiß- is? HEXE-»F; I?T«k3«9eikis2« IF? dkåß Eis? 2FV"»T«L’TET.T ist für die außerisraelitische Welt, so mußgeg bei dem andern auch sein; es ann sich da nur fragen, ob eine g eistlich e Neubelebung der geistlich erstorbenen Heidenwelt gemeint sei (und das» ist mit Beziehung auf Osfenb Z, 16; 11, 7ff. allerdings der Fall), oder Jst der Anbruch heilig, so ist Eiuch der Teig heilig re. 109 ein Lebendigwerden innerhalb des Bereichs des leib- lichen Todes, so daß die Gott versöhnte Welt nun åskkdsausskdåmkkisp"ie ieikFdks ists-käme ist-Tit i mi o in er eiien er arungi - end?tte. (v. Hoftäilantli.) Aber gegen dåeskef von djen mei en neueren us egern vorgezogene r ärung, ie iederannahme Jsraels werde die Auferstehung der odten nach sich ziehen, haben wir (abgefehen davon, daß dafür sich sonst nirgends der Ausdruck: gest; Z« sue-posi- im neuen Testament findet, sondern immer nur czcviiegelrgisecäarg 158730342 End Fuge-IT) Fitkveiterlets einzug ia rai,a a or, enne wirklich die Auferstehung der Todten als das bekannte göirekgnißmirrsi Tugechhätktdeßdes Akktikegs niäekht eiånilangeln ür te; a li , a' ier ei er ara e ismus des Gedankens zwischen ,,diPr Welt Versöhnung«, d. i. der dem Reiche Gottes fern stehenden Heiden, und »Auferstehung der Todten« völlig wegfiele, während ihn der Zusammenhang (vgl. V. 1-: »der Heiden Reichthum«) schlechterdins fordert. Wir fassen also das Wort» im geistigen åinne (s. Kap. G, 13: cög Es» Hex-Ha«- d;m-Zi;d——- als kdie di; agisVdkki Frocidgen llebevndgg : ie ie eranna me e o e rae ir , wie vormals dessen Verstoßung zur Vedsöhnung der Heiden geholfen, so nunmehr Leben zeugen, wo alles dLem Ende verfallen· war åHef 47, 8 f.); ung) fsolcge rwe ung aus geitigem ode, aus einem utan e tåer Erstorbenheit ist gewiß mehr, als jene Versöhnfung s wird also, wenn der Zeitraum des Heidenchri ten- thums verflossen sein wird (Luk. 21,24) und das Volk Jsrdaeløkziei seigeräeksthrung wiedeg aufgdenomkxiien i? in ie emein e ri i, ein neue , wie erge orene Fretkelrcihedjer kJixizilschkzeit (Offenb. Z, 20; 11, 11 u. 13) . e er. d· syst) Zighchdegi lder Tlposstselk kåie groß? Ailigsichtssauf ie erri en ogen er ee rung «; rae ero ne hat, kommt er aus die Gründe für die Hoffnung dieser Fekegruiäklx xeklbstz es fszitnd zwlsi Gleicäjnåssleb dbied nitcht, ie ie u eger mei anne men, a e e e eu en, sondern während das zweite allerdings auf die »Erz- Väter und die Nachkommen derselben geht und mit dessen Wiederaufnahme in V. 17 ff. dann ein neuer Gedanke eintritt, bezeichnet das erste mit dem Anbruch jgxläubigzlen bJudåmbmitchdem Tizget ctzheersdkgüksigzni «e. nru ezeinena . o. , —- das Erftlingsbrod welches, wenn der Teig geknetet wurde, von dem vorweggenommenen Theile für den Priester gebacken ward; indem so der Anbruch als Repääsgntant ges chGanzen dem sEsFrn geheiligth wär, war e en da ur die ganze a e als gewei t e- Fraclhtet Was nun die Deutung des Bildes betrifft, o iegt es nahe, in Rückbeziehung auf die voran- gegangene Entwickelung den"»Anbruch« von der ,,Wahl der Gnadeix in V. 5 u. Z, d. i. von den gläubig ge- wordenenJuden zu erklaren, den ,»,Teig hingegen vorn! kubrksgen gjiasse des Fodlksksm xxrbieä Oiäelghe z g ei ie run mauer un en run e an er neutestamentlichen Kirche abgeben) ist gleichsam das ganze Volk geheiligt und sie bieten als Erstlinge das Unterpfand dafür, daß künftig noch das ganze Volk zum Heil gelazigen tråerde (Philippi.) Da der Aszzoskgb wie man im olgen en sieht, in dem zweiten i e mit den Zweigen die Glieder des jüdischen Volks in dieser ihrer Eigenschaft meint (Zweige des Baumes), so hat man· bei der Wurzel nicht an Christus Jesus, noch an die aus Jsrael hervorgegangene Christen- gleknieihndh fondexn ai(1 dgi fAhnherrnO des Vlrklskzs, Er; ra am zu den en. v. o mann.) ie zwö po e und die erste Zahl der bekehrten Juden gelten dem Paulus als der Anbruch, dessen Weihung an den HErrn ihm eine Bürgschaft dafür bietet, daß auch der übrige, jetzt noch zurückgebliebene Theil von Jsrael dennoch dem HErrn angehöre und seiner Zeit von ihm werde nachgeholt werden in sein Reich. Jst nun der An« bruch nur ein Theil von der Gesammtmasse, so ist dagegen die Wurzel dasjenige, woraus die Zweige hervorwachsem die Wurzel aber, aus der Jsrael hervorgewachsen, ist Abraham, mit ihm hängen die Juden organisch zusammen und haben also die Aus- sicht, auch der Segnungen dieser Wurzel theilhaft zu werden.— Wunderbar ist es, daß Jsrael unter Be- dingungen, die keinem Volke eine nationale Existenz fristen würden, nun fchon über 1800 Jahre aufgespart wird: dieses Faktum allein läßt fchon erwarten, daß der HErr mit diesem Volke noch große Dinge vorhat. (Wangemann.) 17. Ob aber nun fwie der Stand der Dinge gegenwärtig ist] etliche [Kap. Z, Z] von den Zweigen sdes edlen Oelbaumes Israel V. 24; Jer. 11, 16; Hof. 14, 7; Sach. 4, II] zerbrochen [ausgebrochen, von dem Baume abgethan] sind, Und du sder Christ aus den Heiden], da du ssolchem deinem heidnischen Volksthum gemäß] ein wilder Oelbaum warest, bist san Stelle der ausgebrochenen] unter sie fdie -noch verbliebenen Zweige V, b] gepfropset [1. Kön G, 31 Anm.], und theilhaftig worden der Wurzel und des Safts im Oelbaum [Kap. 4, 11. 16; 15, 27; Ephef 2, 11ff-1; . 18. So rühme dich nicht wider die [natur- lichen] Zweige sweder wider die ausgebrochenen, noch wider die verbliebenen, gleich als wärest du mit deiner Heidenschafh aus der du herkommst, etwas Besseres als alles, was Jude heißt]. Rühmest du dich aber sgleichwohh deines Gnaden- standes dich überhebend] wider sie sindem du der Meinung huldigst, daß du nun für alle Zeiten das Centrum des Reiches Gottes einnehmest, sie dagegen auf immer in die Peripherie hinaus- gedrängt seien], so sollst du wissen swohl bedenken, um solches Riihmen ein für alle Mal zu ver- lernen l. Cor. II, 16], daß du die Wurzel nicht trägst, sondern die Wurzel träger dichr sworaus folche Meinung als eine durchaus irrige sich ergiebt]. l9. So sprichst du sum dem gegenüber eine jetzt offen vorliegende Thatfache geltend zu machen und daraus deine Meinung zu begründen]: Die Zweige sind zerbrochen, das; ich hinein gepfropfet würde [oder, wie der HErr in Matth. 21, 43 sagt: das Reich Gottes ist von den Juden genommen und den Heiden gegeben]. 20. Jst wohl geredet ssolange es sich blos um die äußere Thatsache handelt; faßt man aber Grund und Ursache in’s Auge, so giebt die Thatsache dir, dem Heiden, keinen Anlaß zur Selbstüberhebung, sondern vielmehr zu kluger Vorsicht und ernster Besorgnißs Sie sind zer- brochen sausgebrochen aus dem Oelbaum der 110 Römer 11, 21—24. Theokraties um ihres Unglaubens willen, du stehest aber [als demselben eingepsropfter Zweig] durch den Glauben san Christum Jesum, in welchem die alttestamentliche Theokratie zu neutestament- licher Vollendung gekommen]; sei [nun] nicht stolz sals wäre solcher Stand schlechterdings ein un- verlierbarer für dich], sondern fürchte dich [1. Cor. to, 12]. 21. Hat Gott [nämlich] der natürlichen saus- Wurzel und Stamm selber hervorgewachsenen und also dem Baum unmittelbar angehörigen] Zweige nicht verschonet sso liegt» Ja die Befürchtung nur allzunahe]», daß er vielleicht dein sder du lediglich ein kiinstlich eingepflanzter Zweig bist] auch nicht verschonetr [Matth. 22, 11 ff.]. 22. Darum schau die Güte und den Ernst [d. i. die Strenge] Gottes [vgl. Kap. 2, 4]: den Ernst an denen, die gefallen sind, die Güte aber an dir, so ferne du an der Güte bleibest [Apostg. 13, 43; 1. Cur. 7, 24]; sonst wirst du auch abgehalten werden. — 23. Und jene sihrerseitss so sie nicht bleiben in dem Unglauben, werden sie [in den Oelbaum der Gemeinde Gottes wieder] eiugepfropfet werden [2. Cor. Z, 16]; Gott [bei dem kein Ding un- möglich] kann sie wohl wieder einpfropfen M. 24. sUnd zwar kann das nicht blos ge- schehen, sondern es wird auch einmal mit leichter Mühe von Seiten Gottes vollbracht werden.] Denn so du aus dem Oelbaum, der von Natur wild war [aus dem heidnischen Völkerthum, das dem Reiche Gottes gänzlich fern stand Ephes 2, 12], bist ausgehauen und wider die Natur [nach deren Gesetzen nur Verwandtes mit Verwandtem zUsammeUwächstJ in den guten Oelbaum gepfropfet [was doch ohne Zweifel ein äußerst schwieriges Werk und nur der allmächtigen Gnade Gottes möglich war, indem sie dich von Grund aus umschuf], wie vielmehr werden die natürlichen [Zweige, welche von Haus aus aus ihm heraus- gewachsen und so gleichsam ihm blutsverwandt waren] eingepfrohfet in ihren eigenen OelbaumH It) Von Wurzel und Zweigen hat der Apostel in der zweiten Hälfte des vorigen Verses geredet, also vom Baume; da verfolgt er denn das Bild weiter, und zwar ist es das Bild vom Oelbaume, das er aufnimmt, ein schon den Propheten geläufiges Bild fiir Jsrael als theokratisches Volk. (Röntsch.) Als Volk des heilsgeschichtlichen Berufs verhält sich Israel zu jedem andern Volke, wie der edle Oelbaum zum wilden: es ist in der Wurzel verschieden, weil es allein einen Ahnherrn hat, der es heiliger und heils- geschichtlicher Weise geworden ist, und der Saft, den es seinen Zweigen mittheilt, ist ein anderer, weil es die Heilsthaten Gottes«sind, aus denen es seine eigen- thümliche Lebensnahrung zieht. Da ist denn die Versetzung eines Nichtisraeliten in die Heilsgemeinde Christi Einpfropfung in den edlen Oelbaum Israel, indem er eines Gemeinlebens mittheilhaft wird, dessen Ursprung und ganze Vorgeschichte israelitisch ist; hieran erinnert der Apostel seinen heidnischen Leser, der etwa den Juden gegenüber darauf stolz sein wollte, daß er des Heils theilhaft ist. (v. Hofmannh Die Einpfropfung wilder Oelzweige auf den edlen Oel- baum kommt im Orient wirklich vor; diese Operation wird indessen vorgenommen, um mit dem Zweige dem Stamme zu nähen, nämlich seine Fruchtbarkeit zu fördern, und während der wilde Zweig zwar den Nahrungsfaft des edlen Baumes aufnimmt, so wird er selbst doch nicht veredelt. Allein es kommt dem Apostel in seinem Gleichniß nicht darauf an, genau die Naturwahrheit zu treffen, sondern nur, seinen Ge- danken klar zu machen, der in die Augen springt. Sind die Zweige die einzelnen Glieder des jiidischen Volks, so ist der Oelbaum oder dessen Stamm das Volk als Ganzes; aber das Voll? ist nicht nach seiner Nationalität gedacht, sondern als theokratischer Körper, und man kann also auch das Abstraktum »Reich Gottes« dafür setzen. So erklärt sich das ,,ausge- brochen«; es werden nämlich einzelne Glieder von dem Volke losgetrennt, inwiefern es der Körper der Theokratie ist, das Gottesreich constituirt, sie fallen um ihres Unglaubens willen beim Uebergang der alten Theokratie in die neue Form des geistigen Gottesreichs weg, während sie in Hinsicht auf Nationalität Glieder des Volkes bleiben. (Maier.) So erfcheint nun aber auch das von jenem Pfwpfverfahren entlehnte Bild nach allen Seiten hin als die denkbar treffendste Veranschaulichung des gesammten Sachverhältnisses; denn obschon der Wildlingszweig eingepfropft wird, damit der keine Frucht tragende Baum fruchtbar werde (Luk. 13, 6sf.; Matth 21, 43), so kann jener eben doch nur reichliche und gute Frucht tragen, weil er der Wurzel und des Safts des edlen Stammes theil- haftig geworden. (Riehm.) Sowohl aus zarter, schonender Liebe gegen sein Volk, als auch zurDämpfung der hochmiithigenSelbstüberhebung der Heiden gebraucht der Apostel den beschränkenden Ausdruck: ,,etliche von den Zweigen«, wiewohl doch in der Wirklichkeit das Volk in Masse abgefallen und nur ein Rest übrig ge- blieben war; im Anfchaun des stolzen Baums der durch Verheißung und Glauben geheiligten Theokratie, bestehend aus den Patriarchen und allen Gläubigen des alten Bandes, sowie den gläubigen Juden seiner Zeit, schwindet gleichsam vor seinen Blicken die Zahl der abtrünnigen Juden zusammen, und er ist um so weniger geneigt, die Größe dieser Zahl hervorzuheben, da sie ja auch an sich eine zum Verschwinden, d. h. zurWiederaufnahme in das Gottesreich, bestimmte Zahl war. Der Heidenchrist nun stand in Gefahr, auf Israel, welches er als Volksgan es verworfen sah, mit Verachtung herabzublicken und sich derGemeinschaft, aus der er stammte, weil sie mit der Aufnahme in das messianische Reich vor Jsrael bevorzugt war, stolz zu Überhebenz in individualisirender Weise redet denn der Apostel ihn mit »du« an (vgl. Kap. «2, 17), betrachtet ihn aber nicht als einen einzelnen Zweig des wilden Qelbaums, sondern bezeichnet ihn als solchen selber: ,,da du ein wilder Oelbaum warest«, weil dieser mit seinem sich Rühmen die Sache so ansiehet, als wäre schon die ganzeHeidenwelt dem Reiche Gottes einverleibt, in V. 24 dagegen gelangt der wahre Thatbestand zu seinem Ausdrucke. (Philippi.) Nach dem voraus- gegangenen Bilde vom wilden Oelbaum konnten die Heiden versucht sein sich zu rühmen, durch das Heiden- thum seien erst die Glieder der jüdischen Glaubens- kirche neu belebt worden, so wie man etwa gerühmt hat, das Germanenthum, das Lutherthum insbe- sondere, habe das Christenthum selbst reformirt, während doch das Christenthum von seinem Grunde Jhr eingepfropften Zweige des Oelbaums, rühmet euch nicht wider die natürlichen Zweige! 111 aus seine Erscheinungsformen reformirt hat und noch reformirt. (Lange.) Mögen diejenigen zusehen, daß sie nicht ,,wider sie sich rühmen«, welche die dereinstige Bekehrung der Juden nicht ugeben wollen. (Vengel.) «) In V. 19 stellt der rwidernde der Thatsache, die der Apostel im vorangehenden Verse geltend ge- macht und die ihn demüthigt, eine andere entgegen, von der er meint, daß sie ihn gleichwohl zum Rühmen berechtige: er macht geltend, was geschehen ist, näm- lich ein Ausbrechen von Zweigen, und mit welcher A bsicht es geschehen ist, nämlich um ihn einzupfropfen; und daraus, daß solches und daß es mit dieser Absicht geschehen, will er beweisen, daß er doch Grund habe, das zu thun, wovon der Apostel ihn abgemahnt hat. Die Thatsache selber nun konnte der Apostel, wie er in V. 20 dann thut, einräumen, auch so, wie sie der Heide ausdrückt, wenngleich er die Gesinnung nicht gutheißt, welche dem Ausdrücke der Heiden zu Grunde liegt; sein ,,ist wohl geredet« rechtfertigt sich aus dem richtigen Verständnisse dessen, was er selbst von der Verblendung des jüdischen Volks und von dem hieraus der Völkerwelt erwachsenen Segen gesagt hat. Ein ander Ding aber ist es mit dem Rühmen gegen- über dem jüdischen Volke, zu welchem der Heide darauf hin berechtigt zu sein wähnt: er sieht nur auf das, was geschehen ist, und läßt außer Acht, wie es ge- schehen ist, während gerade dies für sein Verhalten dazu maßgebend sein müßte. Der Unglaube hat gemacht, daß die Zweige ausgebrochen worden sind, und der Glaube ist es, vermöge dessen der Heide da steht, wo jene entfallen sind; wenn er dies erwägt, wird ihm die Furcht näher liegen als Hoffart, indem er, wie in V. 21 gesagt wird, nicht erwarten darf, daß Gott ihn ungestraft lasse, wenn er vom Glauben läßt, da er derer nicht verschont hat, die als natürliche Glieder seiner Gemeinde durch Unglauben sich ver- sündigt haben. (v. Hofmann.) Während der Apostel im Hinblick auf die göttliche Erwählung des Ganzen in V. 17 nur von etlichen abgebrochenen Zweigen redet, behauptet der Uebermuth der Gegner des Vol- kes Jsrael im Hinblick auf die vorliegende Thatsache seines allgemeinen Abfalls, daß sämmtliche Zweige ausgebrochen, d. i. die ganze jiidische Nation verworfen sei (V. 1); die Anmaßung und das hochmüthige Selbst- gefühl der Heidenchristen wird dann in den Worten: »daß ich hineingepfropft würde«, in welchem Satze das ,,ich« den Accent hat, markirt. Der Apostel ge- steht nun das Fakturn zu, giebt aber den wahren Grund desselben an, welcher nicht etwa in willkürlicher Vorliebe Gottes für die Heiden und in willkürlichem Hasse gegen Jsrael, sondern im Unglauben Jsraels und feiner Einbtldung auf eigene Trefflichkeit besteht. (Philippi.) Was der Heide, d. i. der Heidenchrish aus der Umkehrung des ursprünglichen Verhältnisses sich zu entnehmen hat, ist etwas ganz Anderes, als was er in seiner Selbstüberhebung sich daraus entnimmt, die ernste Warnung nämlich, daß, wenn Gott mit seinen Gerichten der natürlichen Zweige nicht verschont hat, er das um so weniger mit den von Haus aus wilden und später erst durch die Einpfropfung ver- edelten thun werde. (Röntsch.) Jene hatten doch vermöge ihrer natürlichen Verwandtschaft mit dem eigentlichen Stamm gewissermaßen ein Anrecht und konnten erwarten, Zweige zu bleiben; aber wenn jenen das nichts geholfen hat, wieviel weniger hast du, der ehemalige Heide, Aussicht, verschont zu werden, wenn du dieselben Bahnen einschlägst, wie das alte Israel. (Wangemann.) Hiernach ist es recht wohl möglich, daß der Heidenwelt ihr Leuchter weggerückt werde (Offenb. 2, 5); partielle Erscheinnngen der Art bietet schon die bisherige Geschichte dar, namentlich in der orientalischen Kirche (Olshausen.) IN) Hat der Apostel vorher an das menschliche Verhalten erinnert, in welchem die in Rede stehende Thatsache ihre Erklärung findet, so ermahnt er nun mit den Worten: ,,darum schau die Güte und den Ernst Gottes«, ein zwiefaches göttliches Ver- halten, welches hier vorliegt, in’s Auge zu fassen, eine göttliche Strenge, die sich an denen, die gefallen sind, erzeigt hat, und eine göttliche Güte, welche dem Angeredeten unter der Bedingung zugewendet ist, daß er sich an sie hält; denn hält er sich nicht an sie, so wird es ihm ebenso ergehen wie jenen, welche umge- kehrt, wenn sie von ihrem Unglauben lassen, ebensogut werden eingepfropst werden, wie es ihm geschehen ist. Gott ist wohl im Stande, fügt der Apostel hinzu, nicht ohne mit diesem selbstverständlichen Satze den Heiden zu befchämem welcher ganz außer Acht läßt, daß dies geschehen kann, Gott ist wohl im Stande, die ausgebrochenen Zweige, wenn die Bedingung sich erfüllt, ohne welche allerdings keine Rede davon sein könnte, dem Baume wieder einzupfropfem von dem er sie ausgebrochen hat. (v. Hofmann.) Was nach der zu V. 21 angeführten Bemerkung von Olshausen für möglich erklärt wurde und in partieller Weise der Kirchengeschichte gemäß bereits zur Wirklichkeit ge- worden, das wird nach richtigem Verständniß der Worte in Offenb 3, 16: »weil du aber lau bist, und weder kalt noch warm, so werde ich dich ausspeien aus meinem Munde«, die der siebenten und letzten Entwickelungsform der heidenchristlichen Kirche, der Gemeinde zu Laodicea, gelten, sowie des Gesichtes in Offenkx 11, 1—10 noch einmal zu voller Wirklichkeit werden, wie wir im Bibelwerk das sattsam an vielen Stellen nachgewiesen haben; weder hat der Apostel es mit einzelnen Personen, sondern nur mit der Heiden- christlichen Kirche in corpore zu thun bei dem ,,du«, dessen er sich seit V. 17 bedient, noch ist das Wort in V. 21: »daß er vielleicht dein auch nicht verschone« und das andere am Schluß des 22. Verses: ,,sonst wirst du auch abgehauen werden« ein bloßes Schreck- bild, das er der Heidenwelt vorhält — er weiß wohl, welchen Ausgang die kirchengeschichtliche Entwickelung znletzt nehmen werde. Vgl. zu Jer. Z, 25; Hes 36, 28; 37, 14 u. 28; 38, 3· s) Die durch das Wort am Schluß des vorigen Verses: »Gott kann sie wohl wieder einpfropfen« als mö glich erwiesene Thatsache der Zukunft stellt dieselbe hier in der Art als eine wirklich zu erwartende in Aussicht, daß es eine schon vorliegende dafür bürgen läßt: wie sollte, sagt der Apostel, das Eine geschehen sein nnd das Andere unterbleiben, während doch das Zweite weniger verwunderbar ist als das Erste? Das Eine besteht darin, daß ein Zweig von dem Baume, welchem er natürlicher Weise angehörte, einem wilden Oelbaume, abgehauen und, was gegen seine Natur war, in einen edlen Oelbaum eingesenkt worden ist; das Andere darin, daß mit denen, von deren Ein- pfropfung vorhin die Rede war, diese als ein ihrem natürlichen Verhältniß zu dem Baum entsprechender Vorgang sich vollzieht. Es handelt sich bei dieser Schlußfolgerung des Apostels um das verschiedene Verhältniß des Völkerthums und Jsraels zur Ge- meinde Gottes: der Heide steht in feiner Eigenschaft als Volksgenosse nicht nur außer Beziehung zur Ge- meinde Gottes und zu ihrer Geschichte, sondern auch in einem, von dem Wesen des natürlichen Volksthums untrennbaren Widerspruche mit ihr; er muß hinsicht- lich seines Verhältnisses zu Gott nicht nur aus dem Zusammenhange des adamitifchen Geschlechts heraus- 112 Römer II, 25—32. gehoben werden, um zu Christo sich zu bekehren, son- dern auch dem Geiste und der Geschichte feines Volks entfremdet werden, um ein Glied der Gemeinde Christi zu sein. Der Jude dagegen ist in seiner Eigenschaft als Volksgenosse der Gemeinde des Heils in dem Maße verwandt, als ihr Ursprung und ihre Geschichte Eins ist mit dem Ursprunge und der Geschichte seines Volks; seine Bekehrung zu Christo ist eine Bekehrung zu dem, was das unterscheidende Wesen seines Volks- thums ausmacht(vgl. zu es. 36,15).Je schmerzlicher nun es dem Apostel war, da dieses Volk als Volkseinheit außerhalb der Gemeinde Christi zu stehen kam, desto näher lag es ihm aber auch, zu hoffen, daß dieser unnatürliche Zustand nicht von Dauer sein werde. (v. Hofmann.) Es ist naturgemäß, will der Apostel sagen, daß der Zweig auf seinem eigenen Stamm bleibe, und es ist naturwidrig, daß er abgehauen werde, um in einen andern eingepflanzt zu werden; ist nun an den Heiden das Naturwidrige geschehen, so wird gewiß an den Juden das ursprünglich Natur- gemäße. wieder in sein Recht treten und» sich auf’s Neue erfüllen. (Philippi.) Die urspriingliche Anlage im Heilsrathschlusse Gottes war es ja doch, daß der in Abraham gepflanzte Stamm seine eigenen Zweige aus sich heraustreibe und entsaltez wenn nun·in solchen natürlich gewachsenen Baum andere Zweige eingepfropst werden, so geschieht an diesen zweierlei Unnatürliches —- das Eine, daß sie von ihrem eigenen Stamm ab- gehauen werden, das Andere, daß sie in einen fremden eingesenkt werden. Gott hat also die Heiden nur durch ein zwiefach widernatürliches Verfahren zu Zweigen im Reiche Gottes machen können; zwiesach hat hier die Natur durch die Gnade überwunden werden müssen. Dagegen, daß die von Abraham nach dem Fleisch Ab- stammenden auch Theil haben an den Verheißungen, die Abraham und seinem Samen gegeben sind, das ist etwas Naiürliches, Selbstverständliches; wenn also Gott die Unnatürlichkeit der Heiden überwunden hat, um sie in sein Reich einzunehmen, wievielmehr wird er doch geneigt sein, da, wo ihn außer seiner ·egen Juden und Heiden gleich großen allgemeinen iebe, Freundlichkeit und Barmherzigkeit, noch seine, an Jsrael gegebenen Verheißungen und das 2000 Jahre v. Chr. einnehmende natürliche Wachsthum seines Reichs in den Schranken des Abrahamssamens an seine Bundes- treue erinnern, da auch diese abgehauenen Oelzweige wieder in den Stamm, welchen sie ihren eigenen Stamm zu nennen berechtigt sind, aufzunehmen! (Wangemann,) · » 25. Ich will euch nicht verhalten [·Kap. 1, 13], lieben Bruder [die ihr aus den Heiden zu Christo bekehrt seid V. 13], dieses Geheimniß sdas durch besondere göttliche Offenbarung mir kund geworden 1. Cor. 15, 51], auf daß ihr nicht stolz [genauer: be-i euch selbst weise Jes. 5, 21; Spr. Z, 7] seid [d. i. nach der eigenen, vermeintlich klugen Vernunft euch über Jsraels Verwerfung eine Ansicht z1irecht macht und diese dann für Wahrheit haltet]. Blindheit [wörtlich: Verstockung gegen das Evangeliums ist Jsrael eines Theils szum Theil, was die »Andern« in V. 7 betrifft] widerfahren sdoch nur auf eine bestimmte Zeit], so lange bis die Fulle der Heiden [die Vollzahl aller derjenigen heidnischen Völker- schaften, die zuvor zum ewigen Leben verordnet sind V. 12; Apostg. 13, 48., in’s Reich Gottes Luk. 11, 521 eingegangen sei sauf daß sie dann ein Ende nehme Matth. 23, 39; Luk. 21, 24], 26. Und alsv lschließlich doch noch] das ganze Jsrael [durch Christum Jesum] selig werde fin derGesaniintheit der aus allen zwölf Stämmen Verstegeltetl Offevkb 7, 2 ff.1, wie geschrieben stehet sin Jes. 59, 20 s. u. 27, 9]: Es wird kommen aus Zion, der da erlose und abwende das gottlose Wesen von Jakob. 27. Und sso sagt der HErr selber in jenen Stellen bei Jesaia und bei Jerem. 31, 33 s.:] dies [was dort weiter folgt] ist mein Testament mit ihnen sder Bund, den ich alsdann anf’s Neuemit ihnen schließe], wenn ich ihre Sünde werde wegnehmen [vgl. zu Hes se, 32 u. 38]. Der Apostel läßt es nicht dabei, seine Hoffnung für Jsrael nur bedingter Weise im Vorhergehenden ausgesprochen zu haben; der letzte Satz: ,,wie viel mehr werden die natürlichen Zweige eingepfropfet in ihren eigenen Oelbanm« hat ihm schon den Uebergang gebahnt zur unbedingten Vorhersagung, die er nun zur Bestätigung der Thatsache, deren Erwartung er als eine durch die Bekehrung der Heiden verbürgte vorgestellt hat, mit den einleitenden Worten: ,,ich will euch nicht verhalten« anfchließt; und ein ,,Geheimniß« nennt er das auf diese Weise Eingeleitete, weil es nicht anders kund geworden ist noch gewußt werden kann, als vermöge heilsgefchichtlicher Offenbarung. »Auf daß ihr« nicht euch selber klug seid«, setzt er hinzu; denn wer sich selber klug ist, beurtheilt eine Sache nur so, wie sie ihm erscheint. Die bekehrten Heiden konnten es aus sehr erheblichen Gründen für undenkbar achten, daß sich das jüdische Volk, welches Jesum gekreuzigt und den Zeugen seiner Auferstehung nicht geglaubt hatte, doch noch einst als Volkseinheit von seiner Feindschaft gegen ihn zum bußsertigen Glauben an ihn sich bekehren sollte. Freilich, die Bekehrung einzelner Juden, weniger oder vieler, würde vernünftiger Weise niemandem haben unglaub- lich scheinen können; denn warum sollte nicht auch ferner vorkommen, was bisher so reichlich vorgekommen war? Wenn also hierauf sich beschränkte, was der Apostel seinen Lesern vergegenwärtigt haben wollte, so wäre unverständlich, wie er dies ein Geheimniß nennen konnte; wohl aber liegt daraus der Ton, daß die Verblendung, welche dem jüdischen Volk für jetzt widerfahren ist, ein Ende haben, nicht über einen gewissen Zeitpunkt hinaus währen wird, und der End- punkt, bis zu welchem es bei dem bisherigen Stande der Dinge bleibt, ist der, wenn »die Fülle der Heiden eingegangen ist«, nämlich da wird eingegangen sein, wohinein zu kommen dem jüdischen Volke durch seine Blindheit unmöglich ist. Jn dem Satze, daß alsdann, wenn dies geschehen fein wird, auch das gan e Jsrael werde selig werden, kommt denn nun zum bschlusse, was der Apostel als geoffenbarte Wahrheit angekündigt hat; es ruht da der Ton zumeist auf dem »ganz« im Gegensatz gegen den dermaligen Stand der Dinge, wo nur ein Theil des jüdischen Volks zum Heile ge- langt ist. Nächstdem ist aber auch das ,,also« betont, welches auf die im 25. Verse ausgesagte zeitliche Be- schränkung der dem jüdischen Volke widerfahrenen Verblendung sich bezieht: dadurch, daß sie ihm mit Be- schränkung ihrer Zeitdauer widerfahren ist und also seiner Zeit aufhört (vgl. zu Offenb. 12, 7 ff.), ist ihm die Möglichkeit gegeben, als Volk das Heil zu er- Das wirkliche Endziel der Wege Gottes mit seinem Volke. 113 langen, wie es jetzt als Volk verblendet ist. (v. Hof- mann.) Das Fortbestehen des israelitischen Volks unter allen übrigen Völkern, diese ganz einzige Er- scheinung in der Geschichte, hat also den -Zweck, daß Gott seine Vundestreue durch eine noch bevorstehende Gesainmtbekehrung des Volks dereinst verherrlichen will. (v. Gerlach.) Der Zeitpunkt, wo dieses eink treten werde, wird nicht bestimmt; aber man kann ihn nicht unmittelbar vor das Weltende setzen, weil nach V. 12 u. 15 von der gänzlichen Bekehrung Jsraels eine Rückwirkung auf ie schon bekehrten Völker zu erwarten steht, die doch wohl einen andauernden Zu- stand begründen soll. (Maier.) Auch wird jenes Ziel schwerlich durch die Thätigkeit der Mission erreicht; diese müßte zuvor ein ganz anderes Leben und Gestalt gewinnen, vor allem müßte es (was aber nach den eben angeführten Versen im guten Sinne nicht geschieht, sondern im gerade gegentheiligen) mit der Kirche der Heimath ganz anders werden. (Luthardt.) 28. Nach dem Evangelio halte ich sie für Feinde sso Luther nach Theodorets Erklärung der Worte, richtiger aber ist zu übersehen: Nach dem Evangelio zwar find sie Feinde, nämlich für. Gott, stehen zu ihm so, daß sie ihn wider sich haben, und das geschieht] um euret- willen [kommt euch zugute V. 11]; aber nach der Wahl [V. 2; Ies 48, 12] habe ich sie lieb srich- tiger: hat er sie lieb] um der Väter willen [Luk. J, 54f.; Hohel. 8, 6 f.]. 29. Gottes Gaben [Kap. 9, 4 f.] nnd Be- rufung swomit er nun einmal Israel zum Volke seiner Wahl gemacht hat Kap. 9, 13] mögen ihn nicht gereuen* [daß er je sie für immer zurüc- nehmen sollte Kap. 3, Z; 4. Mos. 23, 19]. 30. sUnd so wird zu dem gegenwärtigen Stande der Dinge noch einmal ein Gegenstück hinzukommen] Denn gleicher Weise, wie auch [besser fällt dies ,,nach« hinweg, da es in den besten Handschriften des Grundtextes fehlt] ihr weiland sda ihr noch im Heidenthum standet] nicht habt geglaubet an Gott ssondern seiner na- türlichen Offenbarung den Gehorsam verweigert Kap. 1, 18 ff.], nun aber [feit eurer Bekehrung zu Christo] habt ihr Barmherzigkeit überkommen [Kap. 15, 9., und zwar] über ihrem [der Juden] Unglauben saus Veranlassung des. Unglaubens, womit sie dem Evangelio nicht haben gehorsam sein wollen Kap. 10, Z. 16; Apostg. 13, 46]; 31. Also auch jene sdie Juden] haben jetzt nicht wollen glauben an die Barmherzigkeit, die sin Christo Jesu] euch widerfahren ist isund sind so gleichsam auf euren ehemaligen heidnischen Standpunkt von Gott heruntergesetzh aber das ist doch nur in der Absicht geschehen], auf daß sie [dereinst, wie davon in V. 25 f. die Rede war] auch sgleichwie ihr jetzt] Barmherzigkeit über- kommen-» « 32. geschichte mit ihrem Anfang zusammenschließen, der eine Gesammtwelt vorfand, wo beide, Juden sSo wird sich das Ende der Kirchen- und Griechen, alle unter der Sünde waren Kap- 3, 9]. Denn Gott hat alles [beide, von denen bisher die Rede war, Juden und Heiden] be- schlossen unter den Unglauben, auf daß er sich aller [der einen sowohl wie der andern, ebenfalls in ihrer Gesammtheit, doch nicht so, daß nun auch alle einzelnen Jndividuen darin eingeschlossen wären] erbarmeM sGat 3, 22]. V) Der Apostel will in diesen beiden Versen aus- sagen, wie die Juden dermalen zu Gott stehen: ihm sind sie einerseits Feinde, andrerseits Gegenstand seiner Lieb e; das eine sind sie ,,nach dem Evangelivo«, das anderes ,,nach der Wahl«, mit welchen Bezeiely nungen angegeben wird, was bestimmend dafur ist, daß sie das eine oder das andere sind. Er würde das Evangelium verleugnen, wenn er nicht wider sie wäre, nachdem sie demselben den Gehorsam weigern; und er müßte seine Erwählung verleugnen, wenn er ihnen nicht zugethan wäre, sofern sie eben sein Volk sind. Dem ersteren entspricht das ,,um euretwillen«, dem andern das ,-,um der Väter willen«: wenn Gott wider die Juden ist, so hat er dabei die Heiden im Auge, welche des Heils nicht theilhaft würden, wenn er den Ungehorsam der Juden gegen die Heilsbot- schaft nicht damit strafte, daß er sich eine Gemeinde schafft, von der sie ausgeschlossen sind; und wenn Gott den Juden deß ungeachtet andrerseits zugethan bleibt, so hat er dabei die Väter im Auge, welche um die Erfiillung der Hoffnung kämen, mit der sie auf Grund göttlicher Verheißung dem Endgeschick ihres Volks entgegensahenpwenn er das Verhältniß aufgäbe, in welchem er vermöge seiner Erwählung Jsraels bis jetzt zu diesem Volke sonderlich gestanden hat. (v. Hof- mann.) Gottes Berufung Jsraels muß sich noch ein- mal wirksam erweisen, weil sie unter keine Bedingung gestellt war, als sie geschah, sondern unbedingt das Volk zum Bundesvolk bestimmte; diese Bestimmung bezieht sich aber immer nur auf das Volk im Ganzen, die einzelnen Jsraeliten dagegen konnten bleibend abfallen, weil-Gott mit ihnen» den Bund nicht ge- schlossen. (Philippi.) Es verhält sich also gerade»so, wie der Baum nicht umgehauen wird, wenn der Gart- ner ihn der verdorreten und unfruchtbaren Zweige be- raubt, da es nie seine Absicht gewesen war, da er den Baum pflanzte, jeden Zweig zu erhalten, selbst zum Schaden des Baums. (v. Gerlach.) H) Das Räthsel, warum Gott sein Volk ein un- gläubiges Volk hat werden lassen, welches als Volk außerhalb der christlichen Gemeinde bleibt, findet seine Lösung darin, daß er schließlich ebenso, wie jetzt die Heidenwelt, nämlich wie diese als heidnische·Welt, und nicht in· einer Anzahl von Gläubigen, »die»sich Israel anschl1eßen, so auch die Juden alsjudisches Volk, und nicht in einer Anzahl von Gläubigen, die sich, einzeln der heidnischemChristenheit anschließen, zum Heile gelangen lassen will. (v. Hofmannh Wenn auch nicht unmittelbar, so doch mittelbar, wenn man auf das in V. 12 u. 15 Gesagte zurückblickh läßt sich aus V. 30 f. der Schluß ziehen: ward der Unglaube der Juden die Veranlassung zur Berufung der Heiden, so wird auch wiederum ein Abfall der Heiden der Anlaß der Wiederannahme der Juden sein. »Es) Der apostolische Ausspruch in diesem Verse bildet gleichsam den Schlußstein des ganzen bisher aufge- sührten Lehrgebäudesx preisgegeben hat Gott alle ohne Ausnahme, Heiden wie Juden, dem Unglauben, aber doch nur in der Absicht, sich aller zu erbarmen; nurist dies Handeln kein schöpferisches, setzendes, son- 114 Römer U, 33——36. dern ein aufnehmendes, ordnendes zielführendes Sünde und Unglauben hat Gott in seine Plane, und zwar in seine ewigen Liebesplane verflochten: ein tvundervoller Accord, in dem alle Dissonanzen sich versöhnend auflösen! (Röntsch.) IV· d. 33-—36. Wie Paulus in Nah. Z, 3t—39 den lehrbegrisslichen Kbsthnitt dieses didaktisrhen Gheils seiner Gpislel mit einem Griumphliede til-schloß, so thut er’s nun auch hier mit dem lehrgeschichtlichen Abschnitt; nur daß der Eobpreis hier die Ehre Gottes selber zum Inhalte hat, während dort die hohe Seligkeit der Gtäubigen und deren ttnerschtitterlichkeit allen störenden und feindlithen stlächten gegenüber es war, die im ltlordergrunde stand. »Der Apostel hat die kühne Höhe erreicht, von der sein Auge die weiten der Geschichte überschaut; Anfange— und Gndrunkt der heilsgeschichtlichen Entwickelung zeigen sich seinem Blicke, und öder dem dunkeln Gewölke der Sünde heht er he leuchten, die Sonne der göttlichen Gnade (tjohel. s, 6f.). Da beugt er seine Kniee und, überwöltigt von dem Reichthum göttlicher Gnade und Weisheit, bricht er in diesen itobpreis Gottes aus. So werden wir Gott einst preisen, wenn wir im Lichte der Gwigkeit die Dinge erkennen, wenn die tausend und abertausend dtäthseh die uns die Geschichte im Ganzen und Einzelnen vorlegt, sich uns lösen und die Fäden, die hier sieh oft zum wirren Knäuel zusammenrolltem nch einer nach dem andern ausrollencki (Epistel am Trinitatisssesteh Die Epistel des ersten Pfingsttages berichtet die Aufnahme von Juden und Judengenossen in die Ge- meinde, also die Stiftung der Kirche unter Jsrael; die Epistel des zweiten Festtages berichtet die Auf- nahme von Heiden in die Gemeinde, also die Stiftung der Kirche unter den Heiden. Die vorliegende Epistel knüpft hieran an; von den Anfängen der Kirche ver- setzt sie uns an das Ende der Wege Gottes, da Eine Heerde und Ein Hirte sein wird. (Nebe.) Jn dem Feste Trinitatis, dem Angelpunkt und Pol des Kirchen- jahres, begegnet sich beides, das selige Geheimniß der göttlichen Dreieinigkeit, das der Himmel anbetet, » und ihr größtes Werk auf Erden, die Wiedergeburt des erlösten Menschen. Die Kirche schaut auf das Festsemester zurück und zieht die Summe aller Er- fahrungen, welche sie in der Betrachtung der großen Thaten Gottes zu unserer Erlösung gemacht hat, und faßt dieselben in die Anbetung des dreieinigen Gottes, in welchem sie durch den Glauben das neue Leben hat, zusammen. Ehre dem dreieinigen Gott! denn er ist 1) aller Dinge Ursprung; Z) Bestand; Z) Ziel. (Sommer.) Die heiligen Tiefen der Gottheit: 1) wie sie vor uns stehen in Gottes Werken, Wegen und Wesen; Z) wie wir vor ihnen stehen in Demuth, Glauben und Hoffnung. (Gerok.) Der Christ vor den Tiefen der Gottheit. Er steht davor 1) in Demuth; L) in heiliger Ehrsurcht; Z) in dankbarem Lob Gottes. (Caspari.) Unser ganzes Heil ruht in der heil. Dreieinigkeit: 1) im Gnadenrath des Vaters, 2) in der Gnadenthat des Sohnes, Z) in der täglichen Ar- beit des heil. Geistes. (Ahlfeld.) Was der Apostel zum Lobe des allein wahren G ottes Ver- kündigt: er ist 1) der ewig Reiche, der alle Fülle in sich trägt;· 2) der unerforschlich« der ohne Offenbarung mcht erkannt werden kann; Z) der Hoch- erhabene, vor dem keiner ein Verdienst aufzuweisen hat; 4) der Einzige, dem allein Ehre gebührt. (Lehmus.) Der unerforschliche Gott: 1) uner- forschlich groß in seinem Wesen, darum müssen wir ihn ehrfurchtsvoll anderen; Z) unerforschlich reich an Erbarmen, darum müssen wir ihn über alle Dinge lieben; Z) unerforschlich weise in allen seinen Füh- rungen, darum müssen wir ihm kindlich vertrauen. (Couard.) Unser Gott ist ein verborgener Gott: I) woran man das gewahre, 2) wie oft man das erfahre, s) wovor uns das bewahre. (Schultze.) 33. O welch eine Tiefe soder überschwäng- liche Fülle] des Neichthums [so muß man hier am Schluß der ganzen Erörterung seit Kap. 9 mit anbetender Bewunderung ausrufen], beide [Jes. 27, 1 Anm. 2], der Weisheit und Er- kenntniß Gottes« [die er njcht nur besitzt und in sich trägt, sondern auch nach außen hin bei der Verwirklichung seiner Rathschlüsse in der Mensehenwelt walten läßt und bethätigt]! Wie gar unbegreiflich [auch für die höchste mensch- liche Vernunft und Einsicht] sind seine Gerichte swenn er die einen versteckt, während er der andern sich erbarmet Kap. 9, 18] Und Uner- forfchlieh [auch für den schärfsten Verstand und das tiefste Denken] feine Wege« sauf welchen er alles unter den Unglauben beschließt, um zu- letzt sich aller zu erbarmen V. 32]l 34. sUnd wie sollte es anders sein, als daß sich Gottes Gerichte und Wege allem Forschen und Begreisen der Menschen völlig entziehen?] Denn sheißt es mit Recht in Jes. 40, II] wer hat des HErrn Sinn erkannt? oder wer ist sein Nathgeber gewesen [1. Con 2, 16]? 35. Oder swie der HErr selber so fragt in Hiob 41, e] wer hat ihm etwas zuvor ge- geben, das ihm werde wieder vergoltenYikk 36. [Eine derartige Stellung irgend eines Menschen zu ihm, wie die drei Fragen sie ver- neinen, ist auch schlechterdings undenkbar.] Denn ser ist der Urselbständige und nach«jeder Rich- tung hin durchaus Unabhängige] von ihm und durch ihn und in ihm sso nach der Vulgata, richtiger schreibt Luther anderwärts: zu ihm] sind alle Dinge-s· ser ist als Schöpfer, Regierer und Vollender der gesammten Welt aller Dinge letzter Grund und letztes Ziel Ephes. 4, 6].i Ihm set Ehre in Ewigkeit! Amen [1.Petr1 4, 11; Gal. I, 5; ·Eph·es. 3,’21]. »Es) Durch das Wortletn«beide, welches Luther zwischen ,,des Re1chthums« emer- und »der Weisheit und Erkenntniß Gottes« andrerseits eingeschoben, hat er den ersten Genitiv: ,,des Reichthumstf von dem Wort »Tiefe«, von diesem ersten Genitiv aber dann weiter den zweitenund dritten: »der Weisheit und Erkennt- niß· Gottes« abhängig gemacht,· wie das auch ·die meisten älteren Ausleger thun; die Tiefe des Reich- thums bildet dann einen zusammengehörigen Begriff, der zwar der Sache nach gleichviel bedeutet wie ,,tiefer, unerschöpflicher Reichthum«, aber doch. der Form nach ein viel eonereterer, inhaltsvollerer Aus- druck ist, indem er Gottes Reichthum an Weisheit und Erkenntniß unter dem Bilde eines Meeres mit seiner unausschöpfbaren Wasserfälle vergegenwärtigg«(vgl. das glaserne Meer in Offenlx 4·, S; «15, 2). te unter«- schetden sich nun aber ,,Wetsheit« und ,,Erkenntniß Lobpreis der Weisheit und Erkenntniß Gottes. von einander? denn wenn wir einmal bei Luthers Auffassung der Worte des Grundtextes bleiben, so muß, damit das vorangestellte ,,beide«, welches s. v. a. unser Jetziges ,,svwvhl als auch« ist (griech. nat' —- nat)’, zu seinem Rechte komme, ein bestimmter, erfaßbarer Un- terschied zwischen beiden Eigenschaften nachzuweifen sein. Nun ist es ja herkömmlich geworden, die Weis- heit auf diejenige Thätigkeit Gottes, vermöge deren er sich die besten Zwecke setzt und zur Erreichung der- selben auch die besten Mittel wählt, zu beziehen, und wir können auch ohne Bedenken es bei dieser Er- klärung»bewenden lassen; hinsichtlich der Erkenntniß dagegen ist die Begriffsbestimmung schwieriger und wird darum auch verschieden von den Auslegern ver- sucht. Soviel steht indessen fest, daß das Erkennen im biblischen Sprachgebrauch nicht ein blos theoretisches Wissen um etwas bezeichnet, sondern vielmehr ein Eingehen des erkennenden Subjekts auf’den Gegen- stand, damit es sich zu thun macht, ein Aufheben der zwischen ihm und diesem Gegenstand bestehendenFremd- heit, ein an sich Heranziehen und sich Aneignen des- selben; daraus erklärt sich der Gebrauch dieses Worts theils im geschlechtlichen Sinne (1. Mos. 4, 1), theils zur Bezeichnun des göttlichen Erwählungsrathschlusses (Amos Z, 2 nm.), die älteren Theologen pflegten daher zu sagen, nicht blos ein nosse cum affectu, sondern auch cum effectu werde durch ,,erkennen« ausgedrückt. Wenden wir denn das auf die vor- liegende Stelle an, so steht Gott bei Ausführung und Durchführung seines Heilsrathschlusses ja Wesen gegen- über, die mit Freiheit des Willens begabt sind und den Wegen, die er nach seiner Weisheit einschlagen will, den größten Widerstand entgegensetzem wohl gar sie durchkreuzen und vereiteln; aber er kennt genau die menschlichen Herzen und ihre Anschläge, er weicht vor der Versunkenheit der Heiden und vor der Ver- stocktheitJsraels nicht als vor einem unbezwinglichen Hinderniß zurück, sondern weiß, wie er jenen dennoch beikommen und diese endlich herumholen soll. Engel wie Menschen würden angesichts einer solchen Aufgabe, wie er sie sich zur Ausrichtung seines Reiches auf Erden gesteckt hat, freilich rath- und machtlos dastehen; sie vermögen im Voraus nicht die Schwierigkeiten der Lösung nach allen Seiten hin zu übersehen, sie erkennen nicht die Tiefen des Satan (Offenb. 2, 24), der in den Kindern des Unglaubens sein Werk treibt. Aber Gottes Augen sind auch diese Tiefen nicht verborgen, und er findet wohl Mittel und Wege, selbst aus ihnen die Menschheit herauszuholen und sie an das Licht seiner Gnade zu führen. Anders nun, als Luther, betrachten die neueren Ausleger die drei Begriffe: »Reichthum, Weisheit, Erkenntniß« meistentheils als einander coordinirt und lassen sie in gleicher Weise von »Tiefe« abhängig sein: O welch eine Tiefe des Reichthums und der Weisheit und der Er- kenntnis; Gottes, worin denn das Erstaunen darüber sich ausdrückt, in welche unabsehbare Tiefe hinab a) Gottes Reichthum, b) seine Weisheit und c) seine Erkenntnis; sich erstrecke; er hat, wie von Hofmann diese dreifache Aussage von Gott erklärt, reichlich, um zu geben (Kap. 10, 12; PhiL 4, 19), ver- steht mit dem, was er hat, wohl umzugehen, und hat im bestimmten Falle die durchdringende Einsicht in die Verhältnisse, unter denen es verwendet fein will (vgl. die Bem. zu 1. Eor. 12, 8). Zu Gunsten dieser Auffassung hat man bemerkt, daß, wenn man mit Luther den ,,Reichthum« mit der »Tiefe« zu Einem Begriffe zusammenfaßh gerade diejenige Eigenschaft Gottes fehlen würde, deren Erwähnung man dem Zusammen- hange gemäß» vor allen Dingen erwartet, der Reich- er sich o tief deutüthigta 115 thum seiner Gnade in Christo Jesu (Ephes. I, 7; Z, 7) oder seiner Güte, Geduld und Langmiithigkeit (Kap. Z, 4). Jndessen ist es doch nicht sowohl die Univer- salität der göttlichen Gnade an sich, was den Apostel zu dem Lobpreis Gottes anregt, als vielmehr die Mannigfaltigkeit der Mittel, welcher die göttliche Weis- heit sich bedient, um diese Gnade geschichtlich zu ver- wirklichen und durch alle Gegensätze hindurch, ja ver- mittelst derselben zu ihrem Ziele zu leiten. Vgl. Ephes 3, 10; l. Petri 1, 12. . Es) Der Ausruf des Apostels besteht in zwei Sätzen, welche unverbunden einander nebengeordnet sind: bewundert der erste, in welche unabsehbare Tiefe hinab Gottes Reichthum und Weisheit und Er- kenntniß sich erstreckt, so redet der andere davon, wie so völlig sich Gottes Entscheide und Wege dem forschenden Blick des Menschen entziehen. Jene, die Entscheide (Luther: ,,Gerichte«) Gottes, sind seine Willensentschließungem die er dann selber ins Werk setzt, und die sind dem Menschen, der ja Gott nicht in’s Herz zu schauen vermag, unerforschban der Mensch erfährt, was Gott beschlossen hat, nur dann, wenn er es ihm kund giebt; diese, die Wege Gottes, sind die- jenigem welche er sich bahnt für die Verwirklichung seiner Entscheide, und die ausfindig zu machen, fehlt es dem Menschen an der nöthigen Spur, erst hinterher kann er sehen, welchen Weg Gott gegangen ist. (von Hofmann.) Unter den Rechtsfestsetzungen Gottes, was das im Grundtext für ,,Gerichte« stehende Wort zu- nächst bedeutet Maine-roh, sind wohl auch hier (vgl. Pf. 36,7; 119, 75; Weish. 12,12) seine Richtersprüche zu verstehen, so daß man an die im Vorhergehenden erwähnten Verstockungsgerichte zu denken hätte; im Gegensatze dazu bezeichiien dann die ,,Wege Got- tes« speziell die Gnadenwege, welche das Endziel seiner Gerichte bilden. (Philippi.) Alle Wege Gottes sind Gerichte, denn es giebt keinen Weg der Erlösung, wo nicht die Sünde zugleich gerichtet wird (1. Petri 4, 17); wiederum sind alle seine Gerichte, solange es noch nicht das letzte Gericht ist, verborgene Wege der Gnade. Wie Gott gerecht bleibt in der Gnade und gnädig in der Gerechtigkeit, das zu ermitteln ist eben , die Tiefe der göttlichen Liebesweisheit. ·(Stier.) sitt) Dreierlei verneint der Apostel von den Menschen- kindern, damit der Welt aller Ruhm in göttlichen Sachen genommen ist: den Sinn des HErrn erkennen, was er gedenke und vorhabe oder bei ihm selbst von Ewigkeit beschlossen habe; Rath geben oder weisen, was und wie er es vornehmen, angreifen und thun soll; und auch ihm geben, das ist, mit ihrem Vermögen " Kraft und That dazu helfen. Das ist alles men chs licher Natur unmöglichx denn weil sie seinen Sinn nicht kann erkennen, so wird sie viel weniger mit ihrer Weisheit und Thun ihm Rath geben oder was geben können. Darum ist es ja eine schändliche Vermessen- heit, daß sich die Welt solches untersteht, vermeint nicht allein Gottes Wesen, Willen und Werk durch sich selbst zu ersehen und zu treffen, sondern auch ihm Rath zu geben, wie er es machen solle und was er ihm solle gefallen lassen, ja, auch selbst mit ihren Werken ihm abverdienen und soviel thun, daß er ihnen müsse dafür vergelten. (Luther.) Wir brauchen uns nicht zu schämen, wenn' wir nicht mehr wissen als Der, welcher bis in den dritten Himmel entrückt worden nnd unaussprech- liche Geheimnisse gesehen hat (2. Eor. 12, 3f.), und der do hier kein ander Erzzelsindsn konnte, als daß a vin. s) Alles ist aus Gott: aus Gottes Schöpferkraft ist alles hervorgegangen, und er ist der Urgrund und Urquell aller Dinge; wäre neben Gott auch der 88 116 Römer 12, I. Z. Mensch Grund seines Werdens, so müßte er auch um das Werden wissen. So ist es aber nicht, vielmehr hat alles Bestehende seinen Grund und Ursprung nur in der Schöpfungsthat Gottes. Alles ist durch Gott: alles Vorhandene existirt nur durch Vermittlung Gottes, durch Gottes continuirliche Einwirkung, wie sie in der Erhaltung und Leitung der Welt hervortritt; könnte d er Mensch seinen Fortbestand sich vermitteln, so würde er auch selbständiges Bewußtsein von dem in dieser erhaltenden Thätigkeit zum Vollzug kommenden Ge- danken haben. So ist es aber nicht, vielmehr hängt des Menschen Fortbestand lediglich von göttlicher Machtäußerung ab. Alles ist zu Gott: nichts auf Erden und im Himmel kann sich eine von Gott unab- hängige Bestimmung geben, sondern alles muß dem Zwecke Gottes dienen; wäre für das Ziel der Ent- wicklung des Menschen neben Gottes auch der mensch- liche Wille maßgebend, so wäre neben Gott auch der Mensch als letzter Zielpunkt und ein Bewußsein des Menschen hiervon denkbar. So ist es aber nicht, Gott ist aller Dinge einiges Ende; denn weil alles aus ihm geflossen, so suchet alles auch in ihm seine Ruhe. Alle Dinge haben ihr bestimmtes Ziel erreicht, wenn Gott ist alles in allen (1. Cor. 15, Z8). Man hat in unsrer Stelle eine Hindeutung auf die Dreieinigkeit Gottes gefunden: der Vater ist der Urquell von allem, der Sohn ist der Vermittler und Ordner alles Daseins, der heil. Geist ist der Lebensstrom, der alle Dinge beseelt und sie auf ihren Ursprung zurückleitet (1. Cor. 8, 6); wenn wir indessen erwägen, daß das ,,ihm« doch nur auf den in V. 34 genannten HErrn oder nach V. 33 auf Gott sich beziehen kann, und wenn wir den Zusammenhang in’s Auge fassen, in welchem unsre Stelle steht und in dem nur davon die Rede ist, wie wunderbar Gott die Geschicke der Völker, insonder- heit auch Jsraels leitet, so ist es sicherlich nur die einheitliche Person Gottes, welche der Apostel bei seinem Ansspruch im Sinne hat. Es ist richtig, daß die Trinitätslehre im Bewußtsein Pauli lebendig war; aber hier hat er sie nicht ausgesprochen. (Sommer.) Auch ist es biblisch nicht richtig, den heil. Geist als das letzte Ziel der Dinge hinzustellen (dies fühlend, hat man eben statt ,,zu ihm« das »in ihm« gesetzt); wenn der Sohn nach 1. Cor. 15, 24 ff. am Ende das Reich Gott dem Vater überantwortet, alles, was ihm unterthan ist, dem Vater unterstellt und sich selbst ihm unterwirft, damit Gott sei alles in allem, so kann hiernach der heil. Geist nicht als dasletzte Ziel aller Dinge bezeichnet werden. (Nebe.) Das 12". Kapitel. Chrisicirhe Lebens-regeln. C« Es folgt ietzt der zweite, paränetische Theil« (vgt. die Eint. zu ileiap 1, 18 ss.); derselbe zeigt die Früchte aus, an denen die Gesundheit des Glaubens der Römer gemessen werden soll, erinnert sie an ihren Beruf, auf Grund der erfahrcnen Barmherzigkeit Gottes den lebendigen Gottesdienst in der Vollziehung des realen srandopfcrs darzuslellen, und geht nach einigen naehdrsirlilichen Gr- Mahnungen, die auf den Ghrislenwandel im Allgemeinen gerichtet sind, darnach auf mehrere spezielle Verhältnisse des Gemeindetebens ein. I- U. 1«—Kap. II, 7. Ist der Glaube die ljiunahme des Opsers Christi, so ist wiederum des Glaubens Frucht die Hingabe des Ghristenmenschen an Gott zum Opfer seines Wohlgefallens in Christo: die Ermahnung zu diesem Sellsstopfer stellt Paulus an die Spitze der vierlehatls Kapitel, worin er die heiligen zu Rom aus- ruft, mit ihrem neuen Erben den ltjGrrn zu preisen. hat er nun damit die Stellung des Christen zu Gott liurz und tsestimmt gekennzeichnet (v.1 u. 2), so charak- terisirt er daraus weiter auch des Christen Stellung zur Gemeine und zum Uärhsten überhaupt, auch zum Feind e W. 3—2l), und ebenso dessensteltung zur irdischen Obrigkeit (Kap.13, l—7). (Episiel am l. Sonntag nach Epiphania.) Mit feinem Sinn hat die alte Kirche das 12· Kap. des Römerbriefs zu den Episteltexten der drei ersten Epiphaniensonntage verwendet: angeschienen von der Barmherzigkeit Gottes und seiner heilsamen Gnade, die in dem Christkinde erschienen ist allen Menschen, leuchte die Gemeinde herwieder von dem Lichte, welches über ihr anfge angen. (Besser.) Das Evangelium des l. Sonntags (guk. Z, 41 sf.) zeigt uns den zwölfjährigen Jesus im Tempel zu Jerusalem, wie er Gott dienet, wie er in dem Hause seines Vaters so ganz und gar ist in dem, das seines Vaters ist, daß er alles Andere darüber hintenansetzt und vergißt:-die Epistel führt uns auch in das Haus Gottes, um den vernünftigen Gottesdienst, das lebendige, heilige, gottwohlgefällige Opfer, das wir darbringen sollen, uns zu le en. (Nebe.) Von des Christen gottwohlgesälligem Opferdienste: 1) er opfert sich selbst mit Leib und Leben seinem Gotte; Z) was die Welt an ihm hat, das opfert er täglich, um nach Gottes Willen zu wandeln; Z) was er an Gaben empfangen, das stellt er in demüthig dienender Liebe seinen Brüdern zu Dienst. (Langbein.) Worin erzeigt sich der vernünftige Gottesdienst des Christen? I) in dem Opfer, das er bringt; Z) in dem Gehorsam, den er be- thätigtz Z) in der De1nuth, mit der er dient. Der durch den heil. Geist erneuerte Christ: 1) der Dienst, den er übt, Z) die Regel, danach er lebt, B) das Ziel, dem er zustrebt. (Sommer.) Das Leb en des Christen ist ein Opferdiensh es ist dies 1) in der Hingabe an Gott, Z) in der Verleugnung der W elt, Z) in dem Wirken für die Brüd er. (Stählin.) Wozu die Erfahrung der göttlichen Barm- herzigkeit uns bewegen soll? I) zu entschiedener Verleugnung der Welt, Z) zu völliger Hingabe an Gott, 3) zu detnüthigem Dienst an den Brüdern. (Wiesinger.) Was gehört dazu, ein lebendiges Glied am Leibe Christi u sein? 1) der rechte Gottesdienst, Z) die rechte ildung, Z) die rechte Arbeit. (Otto.) Wollen wir der Welt uns nicht gleichstellen, wie haben wir da uns zu stellen: I) zu Gott, Z) zu uns selbst, 3) zu dem Nächsten? (E1gene Arbeit) · 1. Ich» ermahne euch snunr Ephes.4,1], lieben Bruder lnachdem ich in den bisherigen Kapiteln das Evangelium von Christo Kap. 1, 16 f. so ausführlich euch vorgetragen habe], durch die Barmherzigkeit Gottes sauf Grund der Barmherzigkeit, die Gott mittels desselben auch über euch wie einen Strom ausgeschüttet, indem er in Christo euch Vergebung der Sünden ge- schenkt, zu seinen Kindern euch gemacht, Friede und Freude im heil. Geist, Kraft zur Heiligung und die Hoffnung des ewigen Lebens euch mit- getheilt hat 15, 9], daß ihr sin herzlicher Dank- barkeit gegen ihn] eure Leiber lund zwar ein jeder ser seit Kap Der zweite, paränetische Theil: I. hinsichtlich des Christenwandels im Allgemeinen. 117 unter euch den seinen] begebet sihm darstellet, wie beim vorbildlichen Opferdienst die Opferthiere an den Altar gebracht und damit Gott zur Em- pfangnahme dargeboten werden 3. Mos. 16, 20] Im Opfer, das da lebendig, heilig und ott wohlgefallig set, welches sBegeben eurer Leiber zu einem solchen Opfer] sei euer ver- nünftiger sder Idee eines Gottesdienstes wahr- haft entsprechenders Gottesdienstkii 2. Uud stellet euch fda Gottesdienst nicht zusammen mit Weltdienst bestehen mag Matth. S, 24; 1. Joh. 2, 15; Jak. 4, 4J nicht dieser Welt gleich [daß ihr euch so halten und ver- halten wolltet, wie die, welche noch der gegen- wärtigen argen Welt Gal. 1, 4 angehören, in der das Fleisch die Herrschast führt und die fleischliche Gesinnung ihre Feindschast gegen Gott zum Ausdruck bringts sondern verändert euch [indem ihr euch umgestaltet nach einem andern Muster und Vorbild I. Petri 2, 21] durch [be- ständige] Verneuerung eures Sinnes sder vordem ja auch der der Weltkinder gewesen],»auf daß ihr [in solcher neuen Verfassungs prufen möget, welches da sei der gute stm All- gemeinen über das, was gut und recht ist, ent- scheidende], der wohlgefållige [auch in dem jedesmal vorliegenden speziellen Falle zur An- wendung kommende] und der vollkommene fdem uns gesteckten Ziele der Vollkommenheit Matth. 5, 48 entgegenführende] Gotteswillesllc V) Wie Ein Gedanke liegt dem Apostel vor, was . l, 16 f. im Anschlusse an jenen Satz und als Ausführung desselben geschrieben hat; aber damit hatte er seinem Bedürfnisse, der Gemeinde eine geist- liche Gabe zukommen zu lassen (1,11), noch nicht völlig Genüge gethan, er mußte auch aus das Ein- zelne des christlichen Lebens eingehen und darin den Christenstand zu bewähren sie ermahnen, insonderheit wie er gerade diese Gemeinde dessen bedürftig oder ihr es dienlich wußte. (v. HofmannJ Aus dem Glauben an Christum und seine geschehene Erlösung muß das ächt sittliche Leben sich freilich nothwendig erzeugen, so gewiß als, wo Feuer ist, Licht und Wärme sich verbreiten muß; wollte man indeß daraus folgern, daß es demnach keiner besonderen ethischen Er- Mahnungen bedürfte, so würde man die Verkehrtheit der menschlichen Natur verkennen. Hätte nämlich in jedem Individuum das Glaubensleben seinen durch- .aus richtigen Verlauf, so wäre allerdings nicht nöthig, besonders an die Früchte zu erinnern, die aus demselben hervorgehen sollen, sowenig als es beson- derer Vorkehrungen bedarf, um einen edlen Baum zum Tragen edler Früchte zu veranlassen; allein im wandelbaren Menschen hat das Leben keinen so physisch normirten Verlauf, das aus einander gefallene Ver- hältnis; von Kopf und Herz läßt ihn oft sich einreden, er habe das Glaubensleben, ohne daß er es wirklich besitzt Daher ist es nothwendig; auf die Früchte des Glaubens hinzuweisen, indem er Mangel derselben ein entscheidendes Kennzeichen für die Mängel des Inneren ist. Die Absicht bei den ethischen Er- mahnungen ist daher zunächst nicht, durch dieselben die Früchte zu erzeugen: das ist überall nicht die Fähig- — keit des Gefetzes, auch nicht in seiner neutestamentlichen Form. Jnzwischen ist ihr Zweck doch auch nicht jener rein negative, blos einen Spiegel bilden zu sollen, in dem der Leser erkennen könne, was er nicht hat und ist; vielmehr haben die ethischen Ermahnungen des neuen Testaments darin ihren positiv en Charakter daß sie zwar nicht produeirend wirken (denn das kann blos der Glaube oder die die Ermahnungen begleitende Kraft des Geistes) wohl aber das Bewußtsein wecken sollen, wie weit die Glaubenskraft in alle, auch die feinsten Lebensverhältnisx hineinwirken muß. Die geförderten Glieder der irche, vor allen die Apostel, haben den-nach den andern den Weg zu zeigen, um allmälig zu allseitiger Durchdringung des christlichen Prinzips zu gelangen. (Olshausen.) »Es) Jn der Heiligung des Lebens nach außen, welches eben leibliches Leben ist, muß sich die Wand- lung erzeigen, welche durch Gottes Erbarmen inner- lich mit dem Christen vorgegangen ist; er muß also fort und fort seinen Leib Gotte begeben als etwas, das nicht ferner ihm, wie er von Natur ist, gehört, sondern Gotte, in dessen Dienste er steht. Dies heißt aber ihn als Opfer darstellen; und daß nun der Apostel dieses Opfer ein lebendiges, heiliges, gottwohlgefälliges nennt, geschieht nicht im Gegensatz, zu den Thieropfern des alttestamentlichen Gottesdienstes, welche ja nicht von alle dem das Gegentheil, sondern alles dies in ihrer Weise auch waren, sondern was dieselben alt- testamentlicher Weise gewesen sind, das soll der Chrisst in seinem gottgeweiheten Leben neutestamentlicher Wei e sein, indem er sich selbst zum Opfer begiebt. Solche Selbstbegebung an Gott bezeichnet Paulus als einen ,,verniinftigen Gottesdiens «, weil er dem denkthätigen Wesen des Menschen gleichartig ist, im Gegensatz gegen einen auf das Gebiet des Stofflichen eingeschränkten und deshalb auch gedankenlos vollziehbaren Gottes- dienst. (v. Hosmann.) Als lebendiges Opfer soll der Christ sein Leibesleben darstellen, d. h. als ein Opfer, das nicht blos in einem äußeren Thun besteht, sondern das auch von Herzen kommt, aus freiem Antrieb in dankbarer Liebe Gott dargebracht wird. (Sommer.) Die Leiber sollen wir dann weiter als heiliges Opfer Gott darbringen. Was wir Gott darbringein nehmen wir aus dem gewöhnlichen, gemeinen Gebrauche heraus; was heilig ist, ist für Gott ausgesondert. Indem wir unsre Leiber Gott darbringen, stellen wir sie in seinen Dienst, in den Gehorsam seines Willens, zur Förderung seiner Ehre. Dieses lebendige, heilige Opfer ist nun aber auch Gott wohlgefällig. Was kann es Gott wohlgefallen, wenn wir ihm alle Güter in der Welt geben, aber unser Herz, nach welchem er verlangt, ihm vorenthalten? doch was hülfe es, wenn wir Gott unser Herz, unsern inwendigen Menschen übergeben wollten, aber den äußeren Menschen, unser leibliches Leben ihm nicht weiheten? Der wahrhaftige Gottesdienst soll ein Anbeten Gottes im Geist und in der Wahrheit sein: dieses Wort ist solange unerfüllt, als wir Gott blos Seele und Geist opfern, und nicht auch den Leib; die Anbetung im Geist wird dadurch erst eine Anbetung in der Wahrheit, wenn wir das, was der Geist Gott gelobt, in dem Leibesleben leisten. (Nebe.) Vernünftig ist unser, in christlichem Selbst- opfer bestehender Gottesdienst, weil dieser Gottesdienst ein gotteswürdiger und gottgemäßer ist, gleichwie die lautere Milch des Evangelii vernünftig heißt (l.Petri 2, 2), weil sie die den Kindern Gottes gemäße Nahrung ist. Jm Geist und in der Wahrheit dienen wir Gott, der Geist und Wahrheit ist (Joh. 4, 24), indem wir unsre Leiber begeben zum lebendigen, heiligen, Gott wohlgefälligen Opfer: todte Werke erzwungenermaßen 118 leisten, mit Werken umgehen auf Verdienst und Eigen- lob, Werke erfinden nach eigenem Gutdünkel, ist un- vernünftiger Gottesdienst. Die ungläubigen Juden sind in diesem Stück nicht oder doch nur zu ihrem Nachtheil unterschieden von den gottlosen Heiden mit ihren unvernünftigen Gottesdiensten (Kap. 1, 25); unser christlichesOpferleben aber ist ein rechtschaffenes Priester- thum und recht vernünftiger Gottesdienst, wie er ziemt den Gläubigen an Jesum Christum, der sich selbst zum Opfer dargegeben und sich ein Volk geheiligt hat zur Priesterschaft in seinem Namen. (Befser.) Bemerkens- werth ist, daß der vernünftige Gottesdienst gerade der römischen Gemeinde empfohlen wird. (Lange.) sitt) Der Apostel verlangt hier, daß die Christen nicht in Meinung und Sitten, im Denken und Thun den Weltkindern gleich werden, welche noch in dem Machtgebiet des Satan sich befinden und in welchen noch die Sünde herrscht (Kap. 13, 13; Ephes.4,18f.), sondern sich verändern, d. h. in ihren Gedanken, Worten und Werken diejenige Form annehmen, in welcher sich die Gestalt Christi wiederspiegelt (Gal. 4, 19); diese Veränderung soll denn vor sich gehen durch Verneuerung ihres Sinnes. Der Sinn des Geistes steht im natürlichen Zustande unter der Herrschaft der Sünde und bedarf der Erneuerung, welche zwar durch die Wirkung des heil. Geistes jedem Gläubigen zu Theil wird, bei welcher aber auch der Christ durch sein Wollen thätig fein muß. Auch der Christ bedarf der fortwährenden Verneuerung seines Sinnes durch die erneuernde Wirkung des heil. Geistes, weil auch in ihm, solange er in diesem Leibes-leben sich befindet, die alte Natur nie ganz aufhört, sondern immer Fleisch und Geist sich widerstreiten; er hat täg- lich an sich zu bessern, vom alten Menschen abzubrechen und vom neuen hi usetzen und so immer mehr der Herrschaft des Geistes Gottes sich zu untergehen, auf daß er immer mehr aufhöre zu sein, was er von Natur ist, und immer mehr anfange und fortfahre zu sein, was er aus Gnaden werden soll. Die Verän- derung durch Verneuerung des Sinnes soll nun bei dem Christen zu dem Zwecke sich vollziehen, daß er prüfe, was der Wille Gottes, und zwar, was der gute, der wohlgefällige und der vollkommene Gottes- wille sei. (Sommer.) Der natürliche Mensch ist des Sinnes, nur immer darnach zu fragen, was dem Fleische wohl thue; je mehr aber die innerliche Er- neuerung fortschreitet, desto mehr prüfen wir in jedem einzelnen Falle, was Gottes Wille sei. (v. Hofmann.) Das Christenleben soll nicht durch eine äußere Ge- setzgebung, sondern durch die innere, welche durch geistige Prüfung und Selbstbestimmung geleitet wird (Gal..6, 4; Ephes. 5, 10; Phil. I, 10), seine Ent- wickelung erhalten. (Lange.) Gottes Gebot in seinem heil. Gesetz ist eine allgemeine Regel, deren Anwendung im einzelnen Falle auch gewußt werden muß. Er sagt: du follst deinen Nächsten lieben wie dich selbst; aber wann diese Liebe durch Geben und wann durch Versagen, wann durch Verzeihen und wann durch Strafen, wann durch Milde und wann durch Strenge zu üben, das sagt das Gesetz nicht. Und wenn ihr nun in das Leben eingehet, giebt es da nicht in den ehelichen Verhältnissen, zwischen Eltern und Kindern, Dienstboten und Herrschaften, Vorgesetzten und Unter- ebenen, Fremden und Bekannten, und in den Ge- sjchästen und hundert Verrichtungen des Lebens, giebt es da nicht überall Fälle, wo euer Gemüth im Zweifel steht? Oftmals in nicht geringen, sondern in den allerwichtigsten Dingen, was gäben wir nicht darum, wenn uns jemand mit Sicherheit sagen könnte, was hier das Rechte, nämlich der Wille Gottes sei zu thun? Römer 12, 3——6. Es ist bedenklich, in solchen Fällen das Loos ent- scheiden zu lassen; es ist Thorheih sich durch sogenanntes Bibelausschlagen zu helfen, Gott zu versuchen und sem Wort zu mißbrauchen Aber was ist denn nun sein Weg der Erkenntniß und die jrechte Erforschung des göttlichen Willens? Jhr fühlt wohl, das Unklare liegt nicht in dem Willen Gottes, der geoffenbaret ist, sondern in unsrer Unfähigkeit, ihn mit Sicherheit zu erkennen, um ihn zu üben. Womit werden wir denn fähig zu solcher Prüfung? Paulus sagt es deutlich. Zum Ersten: ,,stellet euch nicht dieser Welt gleich!« Die Welt, die sich Gott nicht geopfert hat, wird vom Geiste der Selbstsucht regiert, von Augenlust, Fleisches- lust und hoffärtigem Leben: das ist wie ein Nebel, der ihre Sinne blendet; dasist eine Trunkenheit, darin sie taumelt. Dem stellet euch nicht gleich; fondert euch, scheidet und unterscheidet euch von ihr, daß der Nebel, das Blendwerk zerreiße und euer inneres Auge klar bleibe. Dann aber: ,,verändert euch durch Berneuerung eures Sinnes«; lasset durch die Kraft und Gnade des heil. Geistes euren inneren Sinn neu und gottgeneigt, hell, klar und scharf werden! Denn auch der Verstand, die Erkenntniß ist geschwächt und getrübt durch die Sünde und dadurch unfähig geworden, Gottes Willen zu verstehen. Gleichwie das Auge in langer Finster- niß oder anhaltender Dämmerung fchwach wird und unsicher im Sehen, so ist unter der Herrschaft der Sünde der innere Sinn geschwächh lasset das Licht hereinfallen, lasset euer inneres Auge mehr und mehr an die Sonne sich gewöhnen, licht aft werden, so werdet ihr immer sicherer Gottes illen erkennen! Durch Gewohnheit erlangt man geübte Sinne zur Unterscheidung des Rechtem durch gründliche, wahr- hafte Aenderung, Reinigung und Heiligung des inneren Menschen wird auch der Sinn, das Auge des Geistes, tüchtig, Gottes Willen zu erkennen, und durch sonst nichts. Denn dies ist nicht eine Wissenschaftz die man lernt, wie man die Regeln einer Kunst oder eines Gewerkes lernt; sondern dies ist eine Wissenschafh die nur ein Herz lernt, das aus Gottess Geist wieder- geboren ist und täglich in der Heiligung wächst. (Petri.) 3. Denn sum eure Aufmerksamkeit jetzt auf ein einzelnes, bestimmtes Gebiet zu lenken, auf welches es mir besonders bei der vorhin ausge- sprochenen Ermahnung ankommt, nämlich auf euer gegenseitiges Verhältniß zu einander] ich sage sin anordnender, gebietender Weise als Christi Diener Mattkx 5, 34. 39. 441 durch die Gnade, die mir gegeben ist [da ja der HErr mir das Apoftelamt besonders unter den Heiden anver- traut hat, demgemäß ihr denn mein Wort als sein eigenes Wort hinzunehmen habt Kap. 1, S; Ephes. 3, 2], jedermann unter euch ser sei Knecht oder Freier, Einfältiger oder Weiser, Weib oder Mann, Jüngling oder Greis], daß niemand sin Selbstüberschätzung und Anmaßung] weiter von ihm halte, denn sich? gebühret u halten; sondern daß er von ihm maßigli sder ihm beschiedenen Stellung und Aufgabe gemäß] halte, ein eglicher, nachdem Gott ansgetheilet hat as Maß des Glaubens« snach welchem Grundsatz nun allerdings derjenige wird höher von sich halten dürfen, dem ein besonderer Stärke- grad des Glaubens 1. Cor. 13, 2 verliehen ist, Wie rechte Stellung zu Gott, so auch rechte Stellung zur christlichen Gemeinde! 119 als ein Anderer, der in engere Schranken sich gewiesen siehet 2. Cor. 11, 23]. 4. lSehen wir denn zu, daß wir in richtiger Selbstschätzung auf Grund des uns geschenkten Glaubensmaßes ein jeder die richtige Stellung im großen Ganzen der Gemeinde einnehmen i] Denn gleicher Weise, als wir sMenschens in Einem ·Leibe [wie ein jeder ihn für sich hat] viel Glieder haben sals Augen, Ohren, Hände, Füße u. s. w.], aber alle Glieder nicht einerlei ssondern das eine Glied dies, das andere jenes] Geschäft sdas es ausrichten soll] haben fund behufs solcher Ausrichtung nun die verschiedenen Glieder nicht mit einerlei, sondern mit ver- schiedenen Kräftenund Geschicklichkeiten begabt sind] ; Z. Also sind wir Viele [die wir die Christenheit ausmachen] Ein Leib in Christo [in unsrer Glaubens- und Lebensgemeinschaft mit Christo, der unser gemeinsames Haupt ist l. Cor. 12, 12; Ephes 1,»22 f.]; aber unter einander swas das gegenseitige, zwischen uns bestehende Verhältnis; betrifft] ist einer des anderen Glied-«« [indem er zu einer einzelnen bestimmten Verrich- tung verordnet ist, womit er einem jeden von den Andern dienen soll], » b. Und haben [wir nun in Gemäßheit der verschiedenen, einem jeden übertragenen Verrich- tungen] mancherlei [Geistes-] Gaben [wie sie ja auch bei euch Römern in mannigfacher Art zu finden sind V. 7 f.] nach· der Gnade, die uns gegeben istiW [1· Petri 4, 10]. - V) Die erste Besonderheit, zu der der Apostel von dem Allgemeinen übergeht, ist die D emuth, die eigen- thümlich-christliche Tugend, die Trägerin aller übrigen; durch sie erkennt jeder seine ihm gewordene Stellung und Gabe an und macht so eine gemeinsame Wirksam- kcit möglich. Diese, wie die folgenden Ermahnungen, spricht aber der Apostel nicht als subjektive gute Wünsche, sondern vermöge seiner apostolischen Macht- vollkommenheit aus, und nur für Gläubige; denn nur für den Standpunkt des Glaubenslebens passen die folgenden Mittheilungen, wie denn auch das »unter euch« zu verstehen geben will, daß die Ermahnung an Gläubige, an Glieder der Kirche gerichtet ist. (Ols- hausen.) Durch sden vom Apostel gewählten Ausdruck: ,,jedermann unter euch« wird die Richtung seiner Er- mahnung ausnahmslos auf jeden Einzelnen scharf hervorgehobem denn nur durch die Befolgung der- selben von Seiten jedes Einzelnen konnte ihr Ziel, die gegliederte Einheit des Leibes Christi herzustellen und vor jeglichem Bruch und jeder Verrenkung zu bewahren, erreicht werden. (Philippi.) Paulus will keinerlei Ausnahme, auch nicht einer einzigen Person gestatten und trifft damit auch den vornehmsten Geistlichen oder Bischof zu Rom, der sich nachher unter dem Namen des Papstes zum Haupt der ganzen Kirche und zum Statthalter Christi aufwarf und unter dem Namen eines Knechts der Knechte unersättliche Herrschsucht übte und die ganze Christenheit zu seinem Knechte machen wollte. (Münkel.) Es ist zwar in keiner Uebersetzung möglich, wörtlich und tresfend den Sinn des Apostels wiederzugeben, namentlich aber den dreifachen Aus- druck von der rechten Selbstschätzung: ,,daß er nicht übermäßig halte neben dem Maß hin, darnach er halten soll, sondern daß ein jeder von sich also denke, daß es mäßiglich oder gesund, besonnen sei, sowie Gott einem jedeiiz das Maß des Glaubens ausgetheilt hat«; aber was er will, das ist dennoch klar. Er giebt ein Maß an, nach welchem man sich selbst zu schätzen hat; und das ist nichts anderes als das Maß des Glaubens, das Gott einem jeglichen Gliede am Leibe Christi mit- getheilt. Man wird unter dem Worte ,,Glauben« in dieser Stelle wohl nicht blos den rechtfertigendeii Glauben, sondern alles- dasjenige zu verstehen haben, was wir Glaubensleben, geistliches Leben, inneres Leben zu nennen pflegen; und wenn wir auch den Ausdruck nicht völlig aus dein 6. Verse verstehen, Glauben und Gnadengaben nicht ganz gleichbedeutend nehmen dürfen, so wird doch zur richtigen Auffassung des Verhältnisses eines jeden Gliedes am Leibe Christi zu den andern Gliedern und zum Ganzen die Er- kenntniß und Erwägung der vom HErrn geschenkten Gnadengaben besonders viel beitragen, auch die Gabe zum Glaubensleben zu rechnen sein. Wer dasMaß feines Glaubenslebens und seiner Gabe richtig erkeniit und schätzt und seine Stellung in der Gemeinde darnach beurtheilt, von dem kann man sagen, er habe das richtige Verhältniß zur Kirche gefunden, er halte nicht weiter von sich, denn sich gebührt zu halten, sondern er halte mäßiglich von sich.. Wenn z. B. der heil. Paulus in jenen bekannten Stellen, darin er sein Ver- hältniß zu den andern Aposteln beschreibt, sagt, er halte dafür, daß er nicht weniger sei, als die hohen Apostel, daß er mehr gearbeitet, als die andern alle u. s. w., so schätzt er sich nach dem Maße des Glaubens- lebens und der ihm verliehenen Gaben; und so groß auch das Urtheil von ihm selber lautet, so ist es doch nicht übertrieben, nicht unmäßig, sondern im Gegen- theil das gerechte, gesunde Urtheil eines Mannes, dem die heilige csmhigocsiiisy (1. Tim. 2, 15 — Luther: ,,Zucht«, eigentlich Enthaltsamkeit, bald als Ent- haltsamkeit des Leibes oder Keuschheit, bald als Ent- haltsamkeit der Seele oder Bescheidenheit gedacht) oder die Tugend des rechten Maßes und der gesunden Ansicht aller Dinge zur andern und neuen Natur ge- worden ist. Jst es etwa eine Demut-h, wenn der Mensch nicht wahrhaftig ist und sich selbst nicht richtig schätzt und erkennt? ist nicht Wahrheit und Wahrhaf- tigkeit eine solche Grundlage der Demuth, » daß man ohne sie selbst zum Heuchler und Gleißner wird? Darf jemand seine Gaben gering schätzen, wenn sie groß sind, oder ist’s ein Beweis von geiftlichem Leben, wenn einer das Maß des Glaubens nicht kennt, das in ihm ist? Man kann ja nicht blos durch die Menge der Sünden demüthig werden, sondern auch durch die Große der Gabe und durch die Fülle des inwendigen Lebens, welche Gott beigelegt hat. »Er hat Großesan »Mir gethan, der da mächtig ist und deß Name heilig ists, ruft die Mutter Gottes, sie weiß ihre Größe; sie weiß aber auch ihre Niedrigkeit, wie sie denn ausruft: ,,er hat die Niedrigkeit seiner Magd angesehen-«. Da hebt das Gefühl der Niedrigkeit das Gefühl der Große nicht aus; beide gehen wunderschön zusammen, wie auch David sagt: »wenn du mich demuthigst, machst du mich groß«. (Löhe.) Auch Luther hat nicht weiter von sich gehalten, denn sich’s gebühret zu halten, wenn er zu seiner Käthe von dem ,,edlen Wilde« geredet, welches sie erjagt habe. (Besser.) «) Auch bei dieser Darstellung geht der Apostel, wie in andern Stellen, die von der Kirche reden, ganz von der Einheit der unsichtbaren und sichtbaren Kirche aus. Er weiß sehr wohl, daß eigentlich zur Kirche nur die wahrhaft Gläubigen gehören; aber er behandelt 120 Römer 12, 7. 8. alle Glieder der sichtbaren Kirche insolange als wahre Glieder, als nicht durch das Mißglücken der brüder- lichen Zucht an dem oder jenem der handgreifliche Beweis gegeben ist, daß er kein Glied der Kirche sei. Wie könnte »das auch von einem praktischen Manne anders geschehen, zumal wenn man das Verhältniß des Einzelnen zur Kirche darzustellen im Begriff ist! Kann ich denn zur unsichtbaren, d. h. meiner Wahr- nehmung entzogenen, mir unbekannten Kirche in ein Verhältniß treten? muß nicht alles, was Geist heißt, wenn es dem mit einem Leibe verbundenen Menschen- geiste bemerklich werden soll, selbst irgendwie leiblich werden? Mit einer unsichtbaren Kirche, welche sich in der sichtbaren verbirgt, kann ich in keine mir bewußte Gemeinschaft treten; wohl aber mit einer solchen un- sichtbaren Kirche, die sich mir sichtbar macht, mit einer sichtbaren Kirche, die ich für den Leib der unsichtbaren nehmen kann und in welcher ich die unsichtbare Kirche als vorhanden be rüßen darf. Kurz, die Lehre von der unsichtbaren Kirche ist zum Troste für die Zeiten und Orte aufgefunden, wo sich offenbar die Kirche im Verfall befindet und unter dem Hausen der Gottlosen und Maulchristen verborgen ist; nicht aber zu einer Grundlage des Verhaltens eines Gliedes zum andern oder zur ganzen Kirche. (Löhe.) Nicht als Einzel- personen stehen die Christen neben einander da, auch nicht ein durch einander gewürselter Haufe sind sie; sondern durch allerlei Gelenke zusammengefügt hangen sie an einander als Glieder Eines ganzen Leibes (Ephes. 4, 16). Weder der einzelne Christ, noch eine einzelne Gemeinde besitzt alle Gaben des Geistes zur Erbauung, sondern vertheilt hat Gott die mannig- faltigen Gaben des Einen Geistes unter die Glieder des Leibes, damit nicht eine Spaltung im Leibe sei (1. Cor. 12, 25), sondern ein Glied für das andere sorge und eins vom andern sich versorgen lasse im Geben und Nehmen der Liebe. (Besser.) Ein jegliches Glied ist zufrieden und läßt ihm genügen daran, das es hat, und fragt nicht darnach, ob ein ander Glied edler sei. Also z. B. die Nase ist nicht so edel als-das Auge: noch halten sich die beiden also gegen einander, daß die Nase nicht zürnet, ob sie nicht Auge sei, son- dern gönnet dem Auge seinen Adel und gefällt ihr wohl; wiederum brüstet sich das Auge nicht wider die Nase noch verachtet sie, sondern gefällt ihm allerdinge wohl, was andere Glieder haben. Ja, wie auch St. Paulus sagt (1. Cor. l2, 23), die unehrlichen Glieder, deren wir uns schämen, haben größere Ehre denn die ehrlichen. Da sehen wir, wie die Hand und das Auge ihres Adels vergessen, sorgen und schafsen, die Unehr- lichen Glieder zu decken und zu fchmücken, und setzen ihre Ehre für jener Unehre und Schande, wie sie mögen. Ein jegliches Glied führet seine Werke zu Nutz dem andern Gliede und dem Leibe; denn das Auge siehet, wo die Hand thun und der Fuß gehen soll, und der Fuß gehet und trägt den Leib, daß dem Auge nicht Sxhaden geschiehet, und ist immer ein Glied für das· andere und nicht für sich selbst sorgfältig und geschäftig, also daß man kein feiner Exempel der Liebe und guten Werke finden kann, denn an den Gliedern unsres eigenen Leibes, darin Gott solch Gesetz der Liebe mit so lebendigen und kräftigen Exempeln geschrieben hat, das wir täglich an uns tragen und immer vor Augen haben. (Luther.) sit) Die Christen sind in Christo Ein Leib, sie haben die Bestimmung für die Einheit und für das gegenseitige Dienen unter einander; was aber die Gnadengaben, die dem Einzelnen zu Theil gewordenen Gnadengeschenke betrifft, so waltet eine Verschiedenheit unter ihnen ob, indem Gott dem einen diese, dem andern eine andere Gabe gegeben hat. (Sommer.) Durch diese Verschiedenheit der Gaben wird die Ein- heit nicht zerstört, sondern verklärt. (v. Gerlach.) Nicht widerstrebe also einer dem andern, wenn er sieht, daß ihm etwas Anderes übergeben ist; sondern er freue sich mit, daß der Leib Christi vollkommen sei. (Am- brosius.) Zum gesunden Gemeindeleben gehört l) Ein- heit in Christo, Z) Mannigfaltigkeit der Gnadengaben. (Lange.). Man irrt sich sehr, wenn man behauptet hat, die Charismen (Gnadengaben), welche in der apostolischen Kirche so mächtig trieben, wie im Früh- jahr der frische Saft in den Bäumen, seien in der Kirche mehr und mehr in’s Stocken gerathen, und in unsern Tagen sei von Charismen gar nicht mehr die Rede. Diese Behauptung verstößt arg gegen des Apostels Satz hier; denn wenn ein jedes Glied am Leibe des HErrn sein Charisma hat, so heißt, es giebt jetzt keine Charismen mehr, nichts Anderes als, es giebt auch keinen Leib des HErrn mehr, der Leib des HErrn liegt im Grabe und ist ein Raub der Ver- wesung geworden. Wie der reale Leib des HErrn nicht in dem Grabe geblieben, sondern von den Todten auferstanden und gen Himmel gefahren ist, so kann auch der andere Leib des HErrn, sein idealer, sein mystischer Leib, die Kirche, nicht verwesen, auch er triumphirt über Zeit und Vergänglichkeit Besteht der Leib des HErrn, hat er lebendige Glieder, so fehlt ihm auch die charismatische Ausstattung nicht. Man wolle aber beachten, daß der Leib des HErrn in dieser Zeit lebt und daß die Zeit wechselt. Der Baum lebt anders im Frühjahr, als im Sommer, Herbst und Winter; mit dem Menschen steht es ebenso, die Kinder treiben es anders, als die»Jünglinge, der Greis denkt anders, wie der Mann. Weil die Kirche mitten in dieser Welt darinnen steht und ihr gegenüber ihre Aufgabe zu erfüllen hat, so kann es leicht kommen, daß die Aufgabe, welche die Kirche heute zu lösen hat in dieser Welt, eine andere ist, als welche ihr in den ersten Zeiten ihres Bestandes gestellt war; und wenn dies der Fall sein sollte, so versteht» es sich von selbst, daß die Kirche mit andern Mitteln, auf andern Wegen, in andrer Weise heute vorgehen muß. Die Erscheinungsformen der Charismen sind »zeitlich, wan- delbar: der Geist, welcher damals diese Gaben aus- theilte, theilt heute andere Gaben aus je nach Be- dürfniß. Wer wollte denn leugnen, daß Gott der nachapostolischen Kirche eine ganz vorzügliche Geistes- abe gegeben hat, welche der apostolifchen Kirche ast fehlte? ich meine, die heil. Kunst, Dichikunst, Ton- kunst, Malkunst, Baukunst. Wer wollte in Abrede stellen, daß selbst in unsern Tagen, welche uns viel- fach so arm erscheinen, der heil. Geist in der Kirche die Fülle seiner heiligen Gaben austheilt? Weisen uns die Werke der äußeren wie der inneren Mission nicht darauf, daß Kräfte der zukünftigen Welt unter uns wirksam sind? So fest es steht einerseits, daß der HErr, welcher Leben und Wohlthat an uns thut, das menschliche Geschlecht nicht von Jahr zu Jahr im- potenter an Geist, Seele und Leib geboren werden läßt, sondern jetzt noch eine reiche Fiille natürlicher Gaben austheilt, und so wenig andrerseits geleugnet werden kann, daß der HErr heute noch große Menge zur Beute und die Starken zum Raube hat, so sicher ge- gründet ist die Behauptung, welche wir in aller Demuth aufstellten, daß die Kirche heutzutage noch der charis- matischen Ausstattung nicht ermangelt; denn die Charismen entspringen ja aus diesem Darüberkommen des heil. Geistes über die Naturgaben des Menschen, aus der Heiligung und Förderung unsrer natürlichen Begabung durch den Geist Gottes. (Nebe.) Jeder richte das Seine aus nach Maßgabe seines Berufs und seiner ihm gewordenen Gabe! 121 (Episiel am Z. Sonntag nach Epiphaniä.) Als Evangelium des Tages ist Joh. 2, 1 ff., von der Hochzeit zu Cana, verordnet; wie dieses ,,Hochzeits- Evangelium« dem Prediger die beste Gelegenheit dar- bietet, die christliche Ehe, Christum als Helfer in der Noth oder als Freudenspeudey und den christlichen Hausstand zum Gegenstand der Betrachtung zu machen, so fordert auch die Epistel zur Predigt von den ·häus- lichen Tugenden und dem Verhalten des Christen in den verschiedenen Verhältnissen des geselligen Lebens auf. (Alt.) Die einzelnen Rathschläge des Apostels- betreffen theils geradezu häusliche Tugenden, theils können sie auf dieselben bezogen werden· Uebrigens scheint der Gegensatz geistlicher Freude gegen die fleisch- liche in den Schmausereien und Trinkgelagen des schon beginnenden Carnevals die Wahl mit bestimmt zu haben. (Strauß.) Laß dich aus dem Text be- lehren, wie du dein Haus fest gründen kannst! I) Was du auch seist, sei ganz und gar; 2) bei aller Lieb sei fest und wahr; Z) in Demuth weich, getrost im Schmerz; 4) für fremde Noth ein warmes Herz; S) dazu ein Aug, das aufwärts schaut — dann ist dein Haus auf Fels gebaut. (Sehbold.) Der christ- liche, von Gott gesegnete Hausstand: 1) die Liebe zu Gott muß den Haus-stand beseelen, 2) und unter einander darf Liebe nicht fehlen; 3) von Müssig- . gang muß man nichts wissen zu sagen, 4) und jegliche Trübsal geduldig ertragen; 5) den Elenden muß man zu Hilfe stets eilen, 6) und Freuden und Leiden mit einander theilen· Christo nach, ihr Christen: 1) in der Treue in unserm Berufe, 2) in der Liebe zu Gott und den Menschen, Z) in der Geduld in Trübsal, 4) in der Herablassung zu den Niedrigenl (Fuchs.) Die Schule des Lebens: i) die Schule des Be- rufs, 2) die Schule der menschlichen Gemeinschaft, Z) die Schule der Trübsal. (Ziethe.) Das Rechte auch recht zu thun) darin bestehe die wahre Vollführung unsers christlichen Berufs! Sie zeige sich darin, daß jeder l) in seinem Amt oder Dienst gewissenhaft, L) in Uebung der Liebe herzlich und wahrhaftig, Z) in alle seinem Trachten demüthig und bescheiden sei. (v. Burger.) Von dreierlei Friichten der Gerechtigkeit: l) gewissenhafte Treue in dem vom HErrn verliehenen Berufe, 2) auf- richtige Liebe in unserm Verhalten gegen den Nächsten, Z) eifrigesSchaffen des eigeuenSeelenheils. (Wiesinger.) Das rechte Verhalten I) in unserm besonderen Lebensberufe, Z) in unserm allgemeinen Chriftenstande. (Eig. Arb.) 7. Hat jemand sunter euch] Weissagung sdie Gabe, von Gottes Geist eingegebene Aus- sprüche zu thun Apostg. 21, 9; J. Sam. 7, 2 u. 10, 10 Anm.], so sei sie sseine Weissagung oder prophetische Rede] dem Glauben ähnlich [bleibe im Zusammenhang und in der Ueberein- stimmung mit den ein für alle Mal feststehenden Grundzügen der christlichen Wahrheit, daß sie nicht etwas Anderes dafür an die Stelle setzen wolle GaL 1, 8; 6, 16; PhiL 3, 16; 1. Tini. Z, 15 f.]. Hat jemand ein [Diakonen- oder Pfleger-] Amt, so warte er des Amtes [dazu ihm der HErr die besondere Gabe verliehen, und greife nicht in ein fremdes Amt 1. Petri 4, 11 u. 15]. Lehret jemand fund ist also mit dieser speziellen Gabe betrauet Apostg. 13, 1], so warte er der Lehre fnach Maßgabe des Gebets: ,,gieb, daß ich thn mit Fleiß, was mir zu thun ge- bühret, wozu mich dein Befehl in meinem Stande führen« 1. Cor. 12, 30 Anm.], 8. Grmahnet jemand sals mit der Gabe ausgerüstet, mit besonderer Eiudringlichkeit die Erweisung der Liebe gegen Gott und den Nächsten einzuschärfen und durch stetiges Anhalten zu reizen, zu wecken, zu treiben, auf daß die Christen nicht träge und faul werden, auch in Trübsal und Angst zur Treue und Standhaftigkeit zu ermun- ternL so warte er des Ermahnens lohne sich auf Anderes einzulassen, das ihm nicht befohlen ists. Giebt jemand [Vou dem Seinen, um Diirf- tigen» mitzutheilen Ephef s, 28], so gebe ·er emfalttglich sin Herzenseinfalt und Aufrichtig- keit, welche nur der Bruderpflicht zu genügen be- dacht ist, alle Lohnsucht und Ruhmsucht aber ausschließt Matth. G, 2 f.; 2. Cor. 8, Z; 9, 7]. Negieret jemand sals Vorsteher und Ordner von Gemeindeangelegenheiten], so sei er sorg- faltig [und richte seine Sachen mit aller Ge- wissenhaftigkeit und Treue aus]. Uebet jemand Barmherzigkeit san Kranken und andern Elendeiy ihnen Trost, Rath und Hilfe zu bringen Jak. I, 27], so thue er’s mit Lust fweil so erst sein Wohlthun ein wirkliches Wohlthun wird]. Von mancherlei Gaben, die wir haben nach der Gnade, die uns gegeben ist, hat der Apostel vorhin (V. G) geredet; das griech. Wort für ,,Gabe«: charjsina kommt außer in 1. Petri 4, 10 nur im paulinischen Sprachgebrauch vor, es bedeutet im Allgemeinen »das aus Gnaden Gegebene«, speziell ist es das einem Ein- zelnen zu Theil gewordene besondere Gnadengeschenk, eine zur Förderung der christlichen Gemeinde durch Gottes Gnade verliehene und in der Kraft des heil. Geistes wirksame besondere Fähigkeit und Tüchtigkeit (vgl. l. Cor. 12). Was nun die Ordnung betrifft, in» der Paulus die einzelnen Guadengaben anführt, so nennt er zuerst die Gnade, welche in ihrer Erweisung nicht an eine bestimmte Regelmäßigkeit ge- bunden ist; denn der mit der Prophetie oder Weis- sagung Begnadete gebraucht diese Gabe, je nachdem gerade der Geist über ihn kommt. Sodann nennt der Apostel die Gnadengabe, welche eine regelmäßige Thiitigkeit bedingt, nämlich die Diakonie (Luther: »Amt«) Hierauf hebt er zwei Gaben hervor, welche mit der Weissagung in einem gewissen inneren Zu- sammenhange stehen, nämlich die Lehre und Er- mahnung; worauf er dann drei Thätigkeiten anführt, welche als einzelne, besondere Erweisungen der Dia- konie betrachtet werden können, nämlich das Mit- theilen (Luther: ,,Geben«), das Vorstehen (Luther: ,,Regieren«), das Ueben der Barmherzigkeit. (Sommer.) Unter dem Ausdruck Geistesgabe oder Gnadengabe versteht der Apostel eine Offenbarung des Geistes zum gemeinen Besten (1. Cor. 12, 7; 14, 12), d. h. eine bestimmte Kraft und Aeußerung des vom heil. Geiste entzündeten und geleiteten Glaubenslebens, welche zur Erbauung der Kirche dient, die vorherrschende religiöse Tüchtigkeit, das göttliche Pfund des Einzelnen, womit er in die Lebensthätigkeit des Ganzen organisch eingreifen und dessen Wachsthum befördern soll; sie ist also, wie schon der Name anzeigt, etwas übernatürlich 122 Römer 12, 8. Gewirktes und aus freier Gnade Geschenktes (1. Cor. 12, 11), schließt sich aber dennoch, wie das Christen- thum überhaupt, an eine natürliche Basis, an die an- eborenenintellectuellen und sittlichen Fähigkeiten des enschen an, die ja auch Gaben Gottes sind, ertheilt ihnen die Geistes- und Feuertaufe und entfaltet sie zu höherer und freierer Wirksamkeit. Es giebt viele Charismen, entsprechend den verschiedenen Kräften des geistigen Lebens und Bedürfnissen des Leibes Christi, und gerade in ihrer Fülle und Mannigfaltigkeit offen- bart sich der wunderbare Reichthum der göttlichen Gnade (1.Petri 4, 10); wie sie aber alle aus derselben Quelle fließen, von Gott durch denselben heil. Geist gewirkt und aus Gnaden verliehen sind, so dienen sie alle demselben Ziele, nämlich der Erbauung des Leibes Christi, und daher findet auf sie das schöne Gleichniß vom leiblichen Organismus, von dem einheitlichen Zusammenwirken verschiedener Glieder seine Anwendung V· 4 ff.; 1. Cor. 12, 12 fs.). Jeder hat seine eigene abe, die gerade seiner natürlichen Eigenthümlichkeit am meisten entspricht und für seinen Wirkungskreis une11t- behrlich ist (1. Cor. 7,7); aber es können auch mehrere Charismen in Einem Individuum vereiniät sein. Sspies war besonders bei den Aposteln der Fa , deren Amt ja ursprünglich alle andern geistlichen Aemter und ihre Funetionen in sich schloß Freilich haben nicht alle dieselben Gaben in gleichem Maße; Johannes scheint besonders die Charismen der Liebe, des Tiefblicks und der Prophetie, Petrus die des Kirchenregiments, der Wunderwirkung und der Geisterprüfung, Jakobus die der treuen bischöslichen Leitung der Gemeinde und des stillen geduldigen Dienstes am Altar gehabt zu haben. Am vielseitigsten war in dieser Hinsicht der Apostel Paulus, gleich ausgezeichnet in der Er- kenntniß wie in der Darstellung göttlicher Geheimnissq in schöpferisch bahnbrechender wie in erhaltender Wirk- samkeit, in Gesichten und Offenbarungen einheimisch, im Zungenreden alle Corinther übertrefsend (1. Cor. 14, 18) und auch durch Zeichen und Wunder sich unter ihnen ausweisend oder legitimirend(2.Cor.12,12). Nach der herrschenden protestantischen Ansicht gehören die Charismen oder wenigstens ein Theil derselben, wie die Wundergabe und das Zungenredem nicht zum Wesen und bleibenden Bestande der Kirche, sondern bilden blos einen hinzutretenden Schmuck, eine zufällige Efflorescenz der apostolischen Periode, gleichsam das Hochzeitkleid der jugendlichen Braut, und verschwanden nachher aus der Geschichte, um der ordnungsmäßigen und natürlichen Art sittlich-religiöser Wirksamkeit Platz zu machen. Die Jrvingianer dagegen sehen, ähnlich den Montanisten im 2. Jahrh., in diesen apostolischen Geistesgaben und Aemtern die nothwendigen Be- dingungen eines gesunden Zustandes der Kirche über- haupt, leiten ihr Verschwinden aus der Schuld der Christenheit ab und halten eine Heilung der kirch- lichen Gebrechen ohne Wiederbelebung der Charismen und des Apostolats für unmöglich, mit Berufung auf Stellen wie 1. Cor. 12, 27 ff. 31 u. 14, 1; Ephes. 4, 11 ff.; 1. Thess 5, 19 s.; auch die Mormonen, deren Entstehung (am S. April 1830) fast gleichzeitig ist mit dem Austritt des Jrvingismus in England, machen tm? ihrer sonstigen radikalen Verschiedenheit ebenfalls An pruch auf den Besitz aller Aemter und Geistesgaben der apostolischen Kirche. Es scheint uns hier Wahr- heit und Jrrthum auf beiden Seiten gemischt zu sein. Man muß in diesen Charismen zwischen Wesen und zeitlicher Form iinterscheiden; das erstere ist geblieben, die zweite verschwanden, bricht aber doch zuweilen sporadisch wieder hervor, obwohl nicht mit demselben Grade der Stärke und Reinheit, wie in der apostolischen» Periode. Eslag in der Natur der Sache, daß das Wirken des heil. Geistes bei feinem ersten Eintritt in die Menschheit mit besonders fchöpserischer Kraft, Fülle und Frische ich geltend machte, zu der Masse der un- christlichen elt einen ausfallenden Contrast bildete und eben durch das Außerordentliche und Wunderbare eine gewaltige Anziehungskraft auf diese ausübte, ohne welche sie gar nicht hätte überwunden werden können. Das Christenthum strebt aber darnach, sich in die Menschheit hinein zu leben und sich in allen ihren Zu- ständen und Thätigkeiten als das herrschende Prinzip, als die zweite höhere Natur einheimisch zu machen; indem es das Natürliche immer mehr in die Sphäre— des Geistes erhebt, so wird eben damit auch das Ueber- natürliche immer mehr natürlich. Es sind dies nur— die beiden Seiten eines und desselben Prozesses; wir finden daher, daß in demselben Maße, in welchem die herrschende Macht des Heidenthums gebrochen wurde, gerade diejenigen Charismen, welche am meisten einen wunderbaren Charakter an sich tragen, abnehmen und vom 4. Jahrh. an fast ganz zurücktreten. Es ist dies nicht eine Folge der Schuld der Christenheit, die ja gerade damals mehrere ihrer größten Lehrer, einen Athanasius und Ambrosius, einen Chrysostomus und Augustinus, aufzuweisen hatte, sondern vielmehr ihres Sieges über die Welt. Jedoch verschwanden sie damit nicht völlig und für immer; denn in Zeiten großer Erweckung und mächti er Geistesausgießung in schöpfe- rischen Epochen der irche zeigen sich je und je ganz ähnliche Erfcheinun en, wie im ersten Jahrhundert, sammt den entspre enden Gefahren und Mißbräuchem ja sogar auch däinonischen Nachäffungen und Ver- zerrungen, und nehmen dann allmälig wieder ab nach dem eben angeführten Gesetze, welchem die Entwickelung eines neuen Prinzips unterworfen ist. Solche Er- fahrungen können zur Bestätigung und Erläuterung apostolischer Zustände dienen. Uebrigens muß bei Beurtheilung derselben, besonders des Legendenkreises der römischen Kirche, welche noch fortwährend aus den Besitz der Wundergabe Anspruch macht, mit der größten Vorsicht und schärssten Kritik verfahren werden; und gegenüber der montanistischen und irvingischen Ueber- schätzung der Charismen darf man nie vergessen, daß Paulus gerade diejenigen, welche sich unsrer klaren Anschauung am meisten entziehen und am seltensten vorkommen, wie das Zungenredem weit unter die andern stellt, welche zu der regelmäßigen Thätigkeit der Kirche gehören und zu allen Zeiten in größerem oder ge- ringerem Maße vorhanden sind, wie die Gaben der Weisheit, der Erkenntniß, der Lehre, der Geisterprüfung, des Regiments (Schafs.) Jch sehe zwar deutlich, daß die Gemeinfchast der Jrvingianer Männer zu den Jhren zählt, die ausgezeichnete Einsicht in Gottes heiliges Wort und große Tugend im Leben besitzenx aber gerade ihr Dringen aus ein immerwährendes Apostolat kann ich nicht für schriftmäßig erkennen, und das, was sie als Fortsetzung der uralten Gabe des Weissagens und Zungenredens rühmen, hat mir keine Ueberzeugung verliehen, daß ihre Sehnsucht nach den uralten Gaben bei ihnen in dem Maße erfüllt sei, wie sie es glauben. Dagegen aber ist die Frage, ob die Wunder und Weissagungen in der Kirche aufgehört haben oder noch bestehen könnten und sollten, keines- wegs blos eine irvingianische. Ebensowenig können diejenigen, welche behaupten, Wunder und Weisfagungss Habe habe längst aufgehört und blos zum Behuf der irchengriindung stattgehabt, Anspruch auf alleinige Geltung ihrer Meinung machen; denn sie haben eben blos eine Meinung, die man wohl in der Kirche dulden kann, die sich aber keineswegs auf ein klares Wort Die Liebe sei nicht falsch! der heiligen Schrift stützt. - (Löhe.) Besonders in der Corinthergemeinde fand sich eine große Fülle und ein reiches Wogen der mannigfachsten Geistesgaben; die Römergemeinde dagegen scheint spärlicher bedacht ge- wesen zu fein, namentlich an außerordentlichen oder wunderbaren Charismen im engsten Sinne des Worts, weshalb wohl der Apostel an unsrer Stelle außer der Weissagung ·keine derartigen Charismen aufführt (Phil1ppi.) Weissagenhetßt überhaupt aus gottlicher Erleuchtung, aus gottlichem Geistestrreb heraus, unter unmittelbar göttlichem Einfluß reden; damit verbindet sich das Merkmal einer gehobenen, ergreifenden, ein- dringenden Sprache und Darstellung. Jn der aposto- lischen Zeit war es eine besondere Gnadengabe, welche auf die Besserung, Ermahnung und Tröstung zielte; es handelte sich dabei nicht um Mittheilung neuer Er- kenntnisse, sondern um kräftige Anregung des Gefühls und Willens durch Auslegung und Anwendung des geoffenbarten Worts. (Fronmüller.) Wer da prophezeit oder weissagt, sagt, was er weiß, durch Offenbarung von Gottes Rath und Willen, sei es die verhüllte Zu- kunft, die er enthüllt, oder die unverstandene Gegen- -wart, die er deutet; sei es der geheime Rathschluß Gottes, den er kund macht, oder das Verborgene des Menschenherzens, das er aufdeckt; sei es endlich, daß er mit zeu enhafter Gewißheit, die der Geist giebt, die großen haten Gottes predige und den Weg des Heils verkündige, redend den Menschen zur Besserung und zur Ermahnung und zur Tröstung ( esser.) Wenn nun der mit der Gabe der Weissagung Betraute den vom heil. Geist empfangenen Inhalt aussprach, so könnte es scheinen, als sei die Weisung des Apostels, die Weissagung sei dem Glauben ähnlich, halte sich an die regula Mai, an den prinzipiellen Kanon der christ- lichen Wahrheit, ohne rechten Grund; denn was vom heil. Geiste kommt, kann ja gar nicht anders, als mit dem Glauben in Uebereinstimmung stehen. Es ist aber u bedenken, daß ja der vom heil. Geist empfangene Jnhalt doch erst durch das menschliche, sündige Subjeet hindurchgehh bevor er zum Ausdruck kommt; da ist es wohl nöthig, daß eine objective Norm vorhanden sei, nach welcher der vom heil. Geist empfangene Inhalt von etwaiger menschlicher Zuthat, die von Gott ge- offenbarte Wahrheit von etwaigen Eingebungen des eigenen Geistes frei erhalten werden kann. (Sommer.) Mit der Weissagung stehen, wie schon oben gesagt, in einem gewissen inneren Zusammenhange die Lehre und Ermahnung; wie jene, so konnte auch diese der Prophet üben (1. Tor. 14, 31), nur daß dann beides in eigenthümlich prophetischer Form geschah. Doch gab es auch eine ruhige, verstandesmäßige«Lehrent- wickelung, die von dem Lehren des von pneumatischem Ergriffensein getragenen Propheten sich unterschied; richtete aber das Lehren sich an den Verstand, so richtete weiter das Ermahnen sich an Gemüth und Willen —- wie es scheint, knüpfte es sich öfter an die Vorlesung alttestamentlicher Schriftstellen an (Apostg. 13, 15). Nun ist eine der eigenthümlichsten und weit- verbreitetsten Aeußerungsweisen des menschlichen Hoch- muths, vor welchem der Apostel warnt (V. 3), das in ein fremdes Amt Greifen (1. Petri 4, 15); darum verlangt er mit den Worten: ,,lehret jemand, so warte er der Lehre; ermahnet jemand, so warte er des Er- mahnens« die Selbstbeschränkung auf die der Gabe entsprechende Thätigkeit —- Das griech. Diakonie kommt allerdings in 1· Eor. 12, 5; Ephef 4, 12 von jeglicher Dienftverrichtung jedem kirchlichen Amte über- haupt vor; in dieser Bedeutung hat Luther das Wort nach Ehrysostomus auch hier genommen (anders in seiner Predigt über den Text, wo er sich dahin aus- Die brüderliche Liebe unter einander sei herzlichl 123 läßt: ,,dies Amt war unter den Christen, daß man den armen Wittwen und Waisen diente und unter sie das zeitliche Gut austheilte, wie St. Stephanus und seine Gesellen waren«). Doch sind hier überall spezielle Leistungen und Verrichtungen genannt; wir haben darum die Diakonie vielmehr auf das spezielle Amt der Diakonen oder Diener (Apostg. 6, I ff.; Phil I, I; I. Tim. 3, 8. 12; l. Petri 4, 11), welches es mit der Besorgung der äußeren Gemeindeangelegenheiten, der leiblichen Pflege der Armen, Kranken u. s. w. zu thun hatte, zu beziehen, vgl. die ,,Helfer« in I. Eor. 12,28. Auch da wird eine demuthsvolle Beschränkung auf die dem eigenthümlichen Eharisma entsprechende besondere Sphäre der Thätigkeit von selbst vor dem ,,weiter von sich halten, denn sich’s gebührt zu halten« bewahren und das »von ihm mäßiglich halten, nachdem Gott einem jeglichen ausgetheilt hat das Maß des Glau- bens« zuwege bringen. (Philippi.) Der, welcher ein Amt hat, will der Apostel sagen, soll ganz, mit Seele, Geist und Leib in dem sein, was seines Amtes ist; er soll weder in seinen Gedanken noch in seinen Werken über die Sphäre seines Amtes hinausgehen, er soll von feinem Amte so hingenommen sein, daß er außerhalb seines Amtes gar nicht zu finden ist. (Nebe.) Bei den Sätzent »Aiebt jemand, so gebe er einfältig- lich; regieret jemand, so sei er sorgfältig; übet jemand Barmherzigkeit, so thn er’s mit Lust« handelt es sich nicht mehr um Begabungen, sondern um Thäti keiten, und deshalb auch nicht mehr um eine der Be onder- heit der Begabung entsprechende Selbstbeschränkung, sondern um die jeder sonderlichen Thätigkeit ent- sprechende Weise, sieszu üben; die Ermahnung geht also hiermit von der ichtung ab, welche sie mit dem ,,ich sage« in V. 3 eingeschlagen hatte, ohne aber das sittliche Gebiet zu verlassen, auf welchem sie sich von da ab bewegt hat«, indem auch die Thätigkeiteih welche hier genannt werden, auf demGebiete des christlichen Gemeindelebens liegen. (v. Hofmann.) Alle drei Eigenschaftem in welchen die Genannten wirken sollen, charakterisiren ebenfalls das Wesen des »von sich halten, wie sich’s gebührt zu halten«. ·(Meyer.) Auf drei Thätigkeiten macht der Apostel aufmerksam, von welchen die erste, das Geben, und die letzte, das-Barmherzig- keit-Ueben, allerdings in Verwandtschaft stehen zur. Diakonie; während aber die Diakonen das Austheilen oder Vertheilen des fremden, zu diesem Zweck ihnen anvertrauten Gutes zu besorgen hatten (Apstg. 4, 35; 6, 1 ff.), ist hier vielmehr mit dem Geben ein Mit- theilen von seinem Eigenen (Luk. Z, 11) gemeint, und während jene in amtlicher Weise der Kranken, Ge- fangenen, Verwundeten u. s. w. sich anzunehmen hatten, geht hier das Barmherzigkeitiueben mehr auf die privaten, freiwilligen Werke der Barmherzikgkeit Offenbar erweitert Paulus den Begriff der Gabe irch- licher Wirksamkeit nunmehr zu dem der christlichen Wirksamkeit überhaupt (1. Eor. 7, 7); er schiebt jedoch zwischen beide Süße, die aufalle Glieder der Gemeinde ohne Unterschied des Amts und der besonderen Be- gabung gehen, in dem, was er von dem Regieren sagt, das Amt des Gemeindevorstehers ein· Das thut er ohne Zweifel, um jetzt alles Sichüberheben auf Grund der empfangenen Gabe und der Berufsstellung gänzlich abzuschneidem es ist da besonders aufsällig, daß er den Vorsteher mitten hineinstellt unter solche, welche Diakonats- oder Helfersdienste thun, und das auch nicht einmal in amtlicher Eigenschaft, sondern als einfache Christen, derselbe soll also am wenigsten sich über irgend jemand erheben. Wie verkehrt doch St. Paulus die Ordnung, schreibt Luther, daß er das Regieren nicht oben und vorn an seht, sondern 124 läßt die Weissagung vorgehen, darnach dienen, lehren, ermahnt-n, geben, und setzt das Regieren am aller- letzten unter den gemeinen Aemtern, nämlich am fechsten Ort! Es hat der Geist ohne Zweifel dies gethan um des zukünftigen Greuels willen, daß der Teufel würde in der Christenheit eine lautere Tyrannei und welt- liche Gewalt anrichten, wie denn jetzt ist, das Regieren das Oberste ist und muß sich alles, was in der Christenheit ist, nach der Thrannei und ihrem Muth- willen lenken und ehe alle Weissagung Dienst, Lehre, Ermahnen und Geben untergehen, ehe dieser Tyrannei Abbruch gelitten würde. I. Die Liebe sgegen den Nächsten, dieses Band der Vollkommenheit Col. s, 141 sei nicht falsch [sei eme ungeheuchelte 2. Cor. S, S; 1. Joh. 3, 18; 1. Petri 1·, 22]. Hasset Darum, weil ohne das eine ungeheuchelte Liebe nicht bestehen kann] das Arge, banget dem Guten ans« fAmos 5, 15; Pf. 97, 10]. 10. Die briiderliche Liebe unter einander fwomit ein Christ den andern liebt 1. Thess 4, 9; 1. Petri 1, 22; L. P, 1, 7;. Hebrn 13, 1] sei herzlich feine so zärtliche, wie sie unter nahen Blutsverwandten, besonders auch unterGeschwistern als Eines Vaters Kindern und Einer Faniilie Gliedern stattfindet; und bei solcher Zärtlichkeit beobachte sie auch die rechte Zartheit] Einer komme Daher] dem andern mit Ehrerbietung zuvor« fnicht daraus wartend, daß Ehre und Achtung von dem andern ihm zuerst bewiesen werde, um sie dann auch ihm zu erwidern, son- dern vielmehr mit dem Exempel gegenseitiger Hochachtung ihm vorangehend]. . d) Auf die Ermahnung, daß niemand weiter von sich halte, denn sich’s ebührt zu halten, in V. 3., welche der Apostel bis . 8 durchgeführt hat, folgen nun andere Ermahnungen zu verschiedenen christlichen Tugenden, die, im Ganzen gemischter Natur, nur im Einzeln durch innere Verwandtschaft ihrer Objekte mit einander verknüpft sind. An der Spitze steht die Lieb e als des Gesetzes Erfüllung (Kap. 13,10); sie reiht sich auch am leichtesten an das im vorigen Verse zuletzt genannte Barmherzigkeit-when als dessen allgemeine und nothwendige Basis an. (Philippi.) Die Liebe, des Glaubens Schaffnerin, folgt im I. Vers, auf die mancherlei Gnadengaben eben so, wie im 13. Kap. des 1. Corintherbriefs der Preis der Liebe auf das 12. Kalb. folgt, worin die gliedliche Art der Kirche und die unterschiedliche Begabung der Glieder beschrieben ist· (Besser.) Von der Liebe verlangt der Apostel, daß sie mit Abwischung aller Schminke aus einem lauteren, aufrichtigen Sinne entspringex und das war auch vor allem noth, denn es ist schwer zu sagen, wie erfinderisch fast alle Menschen sind, um Liebe zu erdichten, die sie doch nicht haben. Sie lügen dieselbe nicht allein An- dern vor, sondern bilden sie auch sich selber ein, in- dem sie sich überreden, sie liebten diejenigen gar wohl, die sie doch nicht blos vernachlässigen, sondern sogar thatsächlich von sich stoßen. Ein jeder mag da sich selber Zeuge sein, ob er nichts im Innersten seines Herzens habe, was der Liebe widerstrebh (Calvin.) ,,Hasset das Arge, hanget dem Guten an«, sagt Paulus, indem er von der Liebe redet; das Arge ist aber die heuchlerische Eigenliebe und der falsche Eigennutz, die Römer 12, 9—13. sich so oft mit dem Namen der Liebe des Nächsten schmücken. Die wollen dann mit den Leuten es nicht verderben, und um sie warm zu halten, deckt man mit dem Mantelsogenannter Liebe alle ihre Verkehrtheiten zu, lacht, wo man weinen, lobt, wo man schelten sollte. Steht die Liebe nicht auf Seiten des Guten, des Rechts, der Wahrheit, so ist sie die gemeine, fleischliche, weltliche Liebe, die wie eine feile Buhldirne den Men- schen in die Netze des Verderbens verstrickt (Münkel.) Solche falsche, unheilige Liebe ist sehr oft die Zu- neigung der Brautleute und Ehegatten gegen einander im Anfang, -eine blinde Leidenschaft, eine verkehrte Lust, die gut und böse gar nicht unterscheidet; und darum ver ehet sie auch gewöhnlich bald, weil sie nicht als reine iebe in Gott gegründet war. (Stier.) H) Hat die allgemeine Liebe, von der vorhin die Rede war, einen schweren Stand wegen der Falsch- heit und Bosheit der Menschen, so verlangt der Apostel hauptfächlich nur das, daß sie aufrichtig sei; dagegen verlangt er von der brüderlichen Liebe mehr, die soll herzlich sein. (Münkel.) Die Christen sollen unter einander eine sondere Liebe haben, über die gemeine Liebe gegen andere Leute, denn das Wörtlein ,,herzlich« heißt die Liebe, so Vater und Mutter gegen Kinder und Brüder unter einander haben; als sollte er sagen: ihr Christen sollt euch nicht allein lieb haben unter ein- ander, sondern ein jeder soll gegen den andern herzlich- mütterlich, väterlich, brüderlich sein: 1. Thess 2, 117 I. Petri Z, 8. (Luther.) Die nun als Blutsverwandte sich herzlich unter einander lieben, sollen sich ebenso von Herzensgrund unter einander ehren, denn was man lieb hat, das hält man auch werth, und nur da allein kann die Gemeinschast gedeihen, wo man sich gegenseitig achtet· (Nebe.) Die Liebe stirbt oder wird schaah unbefriedigend und eitel, sowie der Mensch nicht Achtung und Ehrerbietung mit ihr verbindet. Freun- desliebe, Elternliebe, Kinderliebe, Geschwisterliebe, na- tiirliche oder geistige Liebe bleiben wohlschmeckend, stark, andauernd, langen Lebens, wenn man sich nicht allzusehr nahet, nicht zu sehr in einander auf- und übergeht, mit dem Herzen das Fernen vom Herzen (Pred. B, 5) verbindet. Das eben ist heiliges, gött- liches Gemeindelebem wenn die Brüder vermögen mit wallendem Herzen einander entgegen zu gehen, und mit Ehrerbietung vor einander zurück zu treten. (Löhe·) In der Ehrenbezeigung einander den Vorrang zu geben, wird durch die Erwägung der Vorzüge Anderer und der e1igenen Gebrechen sehr erleichtert (Bengel.) l. eifrig in dem], was» ihr thun sollt [Jerem. 48,- 10]- Seid brunstig tm Geiste [»Ap.ostg. 18, 25., auf daß, wenn der erste Eifer bei einem angefangenen Werk nachlassen will , in eures Herzens Grunde, in eurem von Gottes Geist durchdrungenen Menschengeiste Kap. 8, 4 ein Feuer vorhanden sei, das ihn immer von Neuem ent- zündet]. Schicket euch in die Zeit« fwenn trotz, allem Eifer eurerseits eine Sache doch nicht so vorwärts schreiten will, als ihr gern möchtet, und seid lieber mit einem kleinen Erfolge zu- frieden, wie er unter obwaltenden Umständen allein sich erreichen läßt, statt daß ihr die that- sächlichen Verhältnisse außer Acht lassen und da- mit allen Erfolg euch abschneiden wolltet] 12. Seid funter allen Umständen, wären sie zur Zeit auch noch so widrig] frohltch in Seid nicht träge ffondern vielmehr» mahnung ergänzend Seid nicht träge, sondern brünstig im Geist! Schicket euch in die Zeit! Seid fröhlich in Hoffnung! 125 Hoffnung sob der zukünftigen Herrlichkeit, die Gott geben soll Kap. b, 2], geduldig [ausharrend] in Trübsal sda ihr ja des göttlichen Beistandes in der Noth, des herrlichen Ausgangs derselben, und des Segens, der aus ihr erwächst, euch ver- sichert halten dürfet Kap. 8, 28; 2. Cor. 4, 17 s.], haltet saber auch, daniit die Fröhlichkeit in Hoff- nung und die Geduld in Trübsal euch nie aus- gehege Pl: am Gebet« sEol. 4, L; 1. Thesf. Z) Frisch am Werk ist der Liebe Art: dasselbe Wort ,,Eifer« (Luther: ,,Sorgfalt«), swelches Paulus vorhin dem Regierer zugerufen hat (V. 8),, kehrt hier wieder; allen Brüdern ziemt Eifer in ihrem Christenberufe Jm Eifer nicht träge! oder wie es Luther mit Hervorhebung des einem jeglichen besohlenen Werks, woran er feinen Eifer setzen soll, verdeutscht: seid nicht träge, was ihrthun sollt! Saumseliges Zaudern, schläfriges Angreifen, Anfängen ohne Fortfahrem wankelmiithiges und wählerisches Treiben bald hierhin, bald dorthin, weichliches Zurücksehem wenn die Arbeit am Pfluge Schweiß kostet, gehört nicht in die Ge- meinde Gottes. (Besser.) St. Paulus will, daß wir wacker, ausrichtig und geschäftig sein sollen, nicht wie die, die heute Eins ansahen, morgen ein Anderes, bleiben auf keinem Dinge, und werden’s leicht müde und verdrossen: als man findet, die etwas Gutes an- fangen, geschwinde und mit großem Ernste, wenn sie es aber zwei oder drei Mal gethan haben, werden sie laß und führen’s nicht hinaus, denn die erste Brunst hat sich geleget, wie ein Vorwitz sich leget, wenn er gebüßet wird; dann werden denn eitel unbeständige, untüchtige Leute aus. (Luther.) Es kann in unserm Eifer ja Vieles uns träge machen: wir sehen so wenig Erfolge unsrer Arbeit; dieselbe nimmt unsre Kräfte länger und stärker in Anspruch, als wir gerechnet hatten, sie verliert am Ende auch den Reiz der Neuheit. Wie mancher, der in hellem Eifer sein Werk anfing, hält nur noch aus Pflicht-, ja aus Schamgefühl bei seinem Werke aus! Darum tritt der Warnung: ,.seid nicht träge, was ihr thun sollt« sogleich die positive Er- zur Seite: «seid brünstig im Geiste« (Nebe.) Es ist ein großer Unterschied zwischen den Wallungen des eigenen Geistes, zwischen einer selbstischen geistigen Erhitzung und zwischen der ver- rgenen Lebenswärme des Geistes Gottes, von wel- cher der Christ nach des Apostels Mahnung seine Seele durchdringen lassen soll. Man kann brünstig im Geiste sein, und doch dabei recht nüchtern, was·bei dem bloßen Enthusiasmus nicht der Fall ist; aufge- regte Gefühle geben uns selten Wahrheit, die Inbrunst des Geistes aber ist ein Durst nach dem lebendigen Gott —- ,,der im Geiste glüht, der kalt geworden ist für die Welt«, sagt Hieronymus. Der im Geiste Brünftige vermag daher auch die Dinge klar zu er- kennen, wie sie sind, die irdischen nach ihrer Vergäng- lichkeit, die himmlischen nach ihrem überschwänglichen Werth, und ist im Stande, bei aller Geiftesgluth die Schranken der christlichen Klugheit zu bemessen und zu beachten, zu deren Einhaltung der Apostel weiter ermahnt, wenn er den Christen bedeutet, daß auch der regste Eifer den Zeitumständen Rechnung tragen muß. (Sommer.) Wie es einerseits das Thun der Liebe ist, in welchem der Christ nicht lässig, sondern brennenden Eifers voll erfunden werden muß, so muß ihn auch dieselbe Liebe dazu bestimmen, sich den je- weiligen Umständen fügsam zu unterwerfen, um das, was dem Nächsten dient, immer so zu thun, wie es den Umständen nach am besten geschehen mag, anstatt eigensinnig es nur so thun zu wollen, wie er es sich in den Kopf; gesetzt hat, und also lieber nichts zu thun oder zu erzielen, als sich Mittel und Wege durch die Umstände vorschreiben zu lassen. If) Von den wechselnden Umständen kommt der Apostel auf die Hosfnungzu sprechen, welche über sie hinausblickt; und von ihr auf die Drangfale, welche die Gegenwart belasten; und von ihnen aus das« Gebet, welches den Druck der Drangsale durchbricht und über- windet. Sofern der Christ Hoffnung hat, soll er fröhlichen Muthes sein; sofern er Draugsale zu tragen hat, soll er in Geduld ausharren; sofern ihm Gebet gegeben ist, soll er ihm obliegen ohne Unterlaß. (v.Hosmann.) Wie der dreigliedrige Satz des vorigen Verses die rechte Aetivität in Beziehung zu den Verhältnissen der Zeit bestimmte, -so bestimmt der drei- gliederige Satz des vorliegenden Verses die rechte Passivität in diesen·Verhältnissen. (Lange.) Paulus ermahnt zum Fröhlichseinin Hoffnung als zur Ersullung einer Christenpflicht: freudlos und mit schwerem Herzen thun, was wir thun sollen, ist nicht evangelisch; derhalben wollen wir uns schänien, daß die Geistesfrucht der Freude (Gal. 5, 22) so kärglich bei uns wächst, und wollen dem Unglauben Abschied geben, der den Helm der Hoffnung (Ephes. 6, 17) von unserm Haupte stiehlt. (Besser·) Ein Mensch, der sich nicht freuen kann der Hoffnung, die ihm gegeben, ist mit jeder Zeit unzufrieden, klagt und jammert über sie und zieht sich in seinen Schmollwinkel zurück, statt daß er die Hand rühre und ergreife, was sie ihm in ihrem Schoße-darbietet; weil die Heiden keine Hoff- nung haben, trauern sie (l. Thess. 4», 13), dagegen— freuen wir Christen uns allewege, weil wir zu einer lebendigen Hoffnung wiedergeboren sind. Hoffend nun hat sich »der Christ über die Gegenwart·hinwegzusetze·n; geduldig aber hat er sich mitten in diese Zeit hinein- zustellen, denn sie ist böse, voll Trübsal und Drangsal sur ihn. (Nebe.) Das Evangelium giebt allenthalben den Christen böse Tage und das Kreuz; darum rüstet es uns auch nicht anders denn mit geistlichen Waffen, das ist, es lehret uns nicht, wie wir des Unglücks los werden und Friede haben, sondern wie wir darunter bleiben und überwinden, daß es nicht diirch unser Zuthun und Widerstreben abgewendet werde, sondern daß es sich an uns matt und müde arbeite und solange uns treibe, bis daß es nimmer kann und von ihm selbst aufhöre und kraftlos abfalle, wie die Wellen auf dem Wasser »an dem Rande sich stoßen und von ihnen selbst zuruckfahren und verschwinden. Es gilt nicht weichen» sondern beharreii. ·(Luther.) Wenn die Welt ihre Feinde dadurch überwindet, daß sie ihnen Trübsal anlegt, so überwindet der Christ die Welt dadurch, daß er von ihr Trübsal leidet; aber auch, wie der Text sagt, anhält am Gebet. Die Trübsal findet allezeit schwache Menschen, die auf den ersten Stoß von ihr umgeworfen werden; findet sie aber Christen, die vor ihr zu Gott fliehen im anhaltenden Gebet, so findet sie stählerne Herzen und eiserne Arme, die den Kampf niit ihr aufnehmen und den Sieges- kranz der Hoffnung mitFreuden davontragen. (Münkel.) Das Aug voll Licht der Hoffnung, das Leben voll Ge- duld, das Herz voll brünstiger Andacht und Flehens, daß er das Ziel erlange und den Sieg gewinne, so geht der Christ vorwärts von Schritt zu Schritt durch’s Jatnmerthal (Löhe.) 13. Nehmet euch swenn ihr nicht selber in Trübsal stehet, sondern andere Christen darin 126 Römer i2, 14—18. stecken sehet] der Heiligen [der durch ihre Be- rufung zu Christo von der Welt abgesonderten und unter der Erziehung des heil, Geistes stehen- den Gläubigen Kap. 1, 7; 15, 26; Ephef 6, 18; Apostg. 9, 131 Nothdurft an [wörtlich: nehmt Theil an den Bedürfnissen der Heiligen, indem ihr sie stillet, den Bedürftigen gebet und mittheilets Herberget [insbefondere] gerne [reisende und obdachlose Glieder auswärtiger Gemeindencnicht blos aufnehmend, wenn sie ein Unterkommen bei euch suchen, sondern selber ein solches ihnen entgegenbringend 1. Tim. 5, 10; Hebr. 13, Z; I. Petri 4, 9]. Diese beiden Ermahnungem welche eng zu einander gehören, schließen sich an die des vorhergehenden Verses ungezwungen an: dort hat der Apostel ermahnt, daß die Christen in der Trübsal, die sie selber betrifft, als Christen sich verhalten sollen (l. Petri 4, 16); nun sagt er, was sie zu thun haben, wenn sie an den Andern, die in einer Trübsal stecken, als wahrhaftige Christen sich erweisen wollen. (Nebe.) Wer das Be- dürfnis; des Bruders wie fein eigenes fühlt, wird auch den aus der Fremde angekommenen Brüdern, die Obdach, Nahrung und Kleidung nöthig haben, dasselbe ·ern gewähren; er wird der Gastsreundschaft sich be- 3eißigen, die zu den Zeiten des Apostels für verfolgte und reisende Christen besonders nöthig war. Origenes macht aufmerksam, daß der Apostel nicht schreibe: übet Gastfreuiidschaft, sondern befleißig et euch derselben; sie sollen also nicht blos die Kommenden bei sich auf- nehmen, sondern auch die aufsuchen, welche auf den Straßen sitzen. ·(Sommer.)· Jaget der Gastfreund- schaft nach, schreibt Paulus im Grundtext, richtet auch ein Verfolgen an, verfolget die Flüchtlinge und Fremd- linge; aber nicht, um sie zu quälen, wie ihre andern Verfolger, sondern um sie unter euren Hausfrieden einzuführen und ihnen wohlzuthun. (Lohe.) 14. Segnet, die euch verfolgen [wie ja der HErr selber das befohlen hat und mit seinem Exempel es uns vor die Augen gemalt l· Petri Z, 23]; segnet [ich wiederhole das köstliche Wort noch einmal 1. Cor. 4, 12; 1. Petri Z, I] und fluchet nicht sso sehr man euch auch fluchet]· Während im l2. Vers das eigene Verhalten des verfolgten Christen dargethan wird (denn überall fast, wo im neuen Testament das Wort ,,Trübfal« vor- kommt, ist nicht an das Leiden des gewöhnlichen Lebenslaufes, sondern an die Noth der Verfolgung VI denken), und im 13. V. das gegen die mitversolgten rüder, giebt uns nun der 14. Vers einen neuen Zug des Gewölbes: er zeigt die Gemeinde und ihre Glieder in ihrem Verhältniß gegen die Verfolger. Der Christ duldet nicht blos, er kann und thut mehr; er hält nicht blos die Hand rein von Gewaltthat und roher Vergeltung, sondern auch das Herz von Rache und läßt sich den Haß der Verfolger nicht dahin treiben, auch zu hassen. (Löhe.) Der Ausspruch des Verses erinnert an Matth. 5, 447 Luk. S, 28., welches Wort des HErrn dem Apostel hier wohl auch vorgeschwebt aben mag; ähnliche Beziehungen in den apostolischen riefen, welche vorherrschend auf die Bergpredigt zurückweisem finden sich in Kap. 2, 19; I. Cor. 4, 12 f.; 7, 10; . , 9; 5, 12; l. Petri 3 9. 14; 4, 14. (Phiiippi.) Worte» die Feinde nichts. Gutes vom Christen annehmen, daß er ihnen ebensowohl erweisen niöchte,» wie »den Freunden und Brüdern, so können sie doch nicht hindern, daß er sie segnet, daß er für sie bitter, Gott wolle ihnen zur Erkenntniß ihrer Sünde verhelfen, vom Wege des Verderbens sie herumholen auf den Weg des Friedens, und mit solcher Bitte im Herzen alles Gute ihnen wünscht. (Sommer.) Dies Segnen ist nun freilich eine fchwere Section; darum wiederholt sie der Apostel und drängt das zurück, was dem natürlichen Herzen so nahe liegt: ,,segnet und fluchet nicht«. (Starke.) Es ist dies: ,,segnet und fluchet nicht« aber auch ins· emein geredet für jeder- mann, ob sie gleich nicht erfolger sind, nnd will sagen: nicht allein sollt ihr die Verfolger segnen, son- dern auch euer ganzes Leben soll also angethan sein, daß es niemand fluche, sondern jedermann segne, daß ihr niemand etwas Böses wünscheh sondern jedermann eitel Gutes. (Luther.) 15. Freuet euch [in aufrichtiger, neidloser Theilnahme an ihrem Glück] mit den Fröhlikheih lmd sgleich fern von heimlicher Schadenfreude wie von selbstgefälligem Sichweiden an dem eigenen Wohlbefinden — ,,im Unglück unsrer bestenFreunde ist etwas, das uns nicht ganz mißfällt«: Kant] weinet mit den Weinenden sSirach 7, 38; im Grundtext steht: Sich freuen mit den Fröh- lichen und weinen mit den Weinenden —- das sei eure Loosung]. Hat der Apostel in V. 13 von der Theilnahme an den Bedürfnissen der Brüder gefprochen und in V. 14 ermahnt, auch die Verfolger zu segnen, so bringt er jetzt zwei Ermahnungem darauf bedacht zu sein, daß wir überhaupt dem Nächsten wohlthun, was auch dadurch geschieht, daß wir an seinem Leid und an seiner Freude ausrichtigen Antheil nehmen und unsere Mitempfindun ihm in entsprechender Weise ausdrücken. (Sommer.) iehe, wie wenig Paulus schwere Lasten auflegt; denn er sagt nicht: reiße ihn aus dem Unglück, damit du nicht einwendeft, das fei dir unmöglich; er gebietet dir das Leichtere, dessen du Herr bist. Denn kannst du ihm die Noth nicht lindern, bring ihm deine Thränen, und du hast schon das Meiste gelindert; kannst du sein Glück nicht mehren, bring ihm deine Mitfreude, und du hast ihm viel hinzugeschenkt. (Chrh- sostomus.) Mit den Weinend en zu weinen ist noch minder schwer, denn zuni Mitleid fühlt der Mensch leichter sich gestimmt, zumal jeder wohl an sich selbst wissen kann, was Leid ist; obwohl es auch hier sich nicht handelt um schwächliche Empfindsamkeih sondern um die Kraft des Trostes, die mein Mitgefühl dem Nächsten bieten soll und nur bieten kann in dem Maße, als ich selbst die Kraft des Trostes in Gott kenne und genieße. Aber auch mit den Frö lichen sich freuen und sich durch eigenes Leid und ummer darin nicht hindern lassen, das ist schwerer, denn es fordert ein neidloses Gemüth; Neid und Mißgunst aber von sich fern zu halten ist eine Kunst, in welcher sich die Demuth zeigt und ihre innige Verwandtschaft kund giebt mit der Liebe. Washilsks jedoch, den Schmnck aller dieser Tugenden auszubreitem wo die Kraft fehlt, ihnen nachzukommen? Sie sind wohl köstlich und ein- ladend, ihrem Reiz kann niemand widersprechem ihnen Beifall spenden muß auch das natürliche Gemüth; aber sie üben und in solcher Uebung leben und Freude und Genuß darin empfinden, das muß gegeben sein von oben. Wem wird es gegeben? Glaube an den HErrn Jesum Christum und werde mit ihm Eins im Geiste der Liebe, die er giebt, die von ihm ausgeht, Jst’s möglich, so viel an euch ist, so habt mit allen Menschen Frieden! 127 und du kannst es! (v. Burger.) Werden wir hier nicht erinnert an Den, der in Cana mit den Fröhlichen sich freute, dessen Herz aber auch von Mitleid brach: ,,mich jammert des Volks«? (Brückner.) Its. Habt fals Glieder Einer Familie, deren Vater der rechte Vater im Himmel, deren erstgeborener Bruder Jesus Christus und deren Familiengeist der Geist des Vaters und des Sohnes ist] einerlei Sinn unter einander fwas ja recht wohl möglich ist, wenn ihr nach der· einen Regel, darein wir kommen sind, wandelt Phil »3, 16]. Trachtet nicht nach hohen Dingen, sondern haltet euch herunter n den Niedrigen lnach andrer Uebersetzung: lagt euch mit fortziehen von den Niedrigen —· statt dem Zuge hoher Dinge zu folgen, gehet vielmehr den Ansprüchen und Aufgaben nach, welche von den niederen Lebensverhältnissen an euch ergehen].- Wie im vorigen Verse schon, so will auch hier des Apostels Spruch aus der christlichen Gemeinde eine Familie machen, die durch die Abstammung von Einem Vater, Gott, durch die Bande des Blutes Christi, durch die gemeinsamen Leiden und Freuden so mit einander verbunden ist, daß die Sache des einen zur Sache aller wird; er empfiehlt also diesen Sinn, da sich einer in den andern schickt, einer dem andern nach- Bebt, weil eben jeder des andern Sache zu seiner ache macht und sie auf dem Herzen trägt. Nun aber hat von Natur jeder seinen eigenen Sinn und trä t allein sich und seine Sache auf dem Herzen, und ist Ho vielerlei Sinn, wie es Köpfe giebt; die rechte Schule ist da die, daß man sich fleißig darin übe, nicht hinauf, sondern herunter zu steigen, nicht nach Ruhmund Ehre, sondern nach einem stillen, verborgenen Leben zu trachten und Gott in den geringen, alltäglichen Geschäften treu zu dienen, als wären es große Reichs- angelegenheiten. (Münkel.) Statt hoch hinaus zu wollen, sagt der Apostel (nach Luther’s Uebersetzung, die sich an die Auffassung der alten Väter anschließt), und also einen eigenen Weg einzuschlagem welcher über die Köpfe der Andern hinweggeht, sollt ihr euch in die Schaar derer, die niedrigen Stand einnehmen und auch nichts Anderes begehren, hineinziehen und als Jhresgleichen, verschwindend zwischen ihnen, des Weges, den sie gehen, mit fortziehen lassen. (v. Hof- mann.) Jn dem gewähltenWort: ,,haltet euch herunter« liegt die Wahrheit verborgen, daß der Mensch von Natur nach Oben gerichtet, auf hohe Dinge versessen ist, daß er den Weg nicht aus eigenem Antrieb ein- schlägt und in eigener Kraft wandelt; er wird auf diesem Wege der Demuth geführt, getrieben gleichfam wider Wunsch und Willen, von einer fremden, starken Hand daraus fortgestoßen — diese starke treibende Hand ist die Hand der heilsamen Gnade. (Nebe.) Die Christen sollen sich den Niedrigen eben machen, denn also hat Christus auch gethan: alles, was hoch in ihm war, hat er nicht weggeworfen noch geleugnet, aber er brüstete sich nicht damit; er machte sich unserm Elend eben, verachtete uns nicht und dienete uns mit seinem hohen Wesen. (Luther.) (Epistel am Z. Sonntag nach Epiphansiäh Diese Epistel schließt sich als Fortsetzung der vor- hergehenden eben so sehr dieser, als dem Evangelio des Tages (Matth. 8, 1 ff.) an, insofern die Predigt der Liebe, die wir hier hören, gewissermaßen die Er- gänzung zu der bußfertigen Demuth und dem zuver- LichtJPeU EGlauplicelnu isstbr davknækileö Yuptznaniä edigrt ur ein xeme n eig. . ie rie n- liebe des Christen: I) wie sie aller Wiedervergel- tung des Bösen entsagt, 2) wie sie dem Unfrieden jede Handhgbe 4e)ntziehtf, 3)d wiå g; akklleä Gerjicht Im HErrn überlä t, wie ie ur o t un en egner ge- winnt. Die Friedfertigkeit der Kinder Gottes: I) sie haben Frieden, 2) sie stören nicht den Frieden, s) sie suchen Frieden und jagen ihm· nach. (Sommer.) Die Friedenskunst der Kinder Gottes: 1) das Lehrlingsstiick heißt, Andern keinen Anlaß zumfllnfrieden geben; 2) das Gesellenstiick heißt, sich in den Un rieden Anderer nicht hinein- reißen lassen; Z) das Meisterstuck heißt, Andere von ihrem Unfrieden heilen. (Wiesing«er.) Von der christ- lichen Friedensschule mit ihren dreiKlassent l) in der untersten Klasse» heißt die Lection,· brich nicht den Frieden durch eigene Schuld; 2)«in »der Mittelklasse heißt’s, halte am Frieden mit stiller Geduld; 3) in der Oberklasse heißt’s, känipfe um den Frieden mit Großmuth und Huld. (Gerok.) Laß dich nicht das Böse uberwindenx 1·) nicht das Böse in dir selbst, »2) nicht das »Vose »in Andern. (Couard.) Ueberwinde das Bose mi»t Gutemz I) das Gute allein vermag das Böse zu uberwinden, a . . - F’s"«s23i«åi?ch"s«? FFiIhBiit EZZTZZZTITKEETISEQZLTZd aufgabe, die nkir ntieckgattiz elrcfhüllen werden, der wi a e o äg i immer von gineueni »unsrversu1cl)en sollen: ·1)christlich«lieben, Z) christlich leben, Z) christlich leiden. (Eig. Arb.) 17. Haltet euch nichz selbst fur klug [Kap.V11k,) Spr. 3S·7; Jåf 5, DE» jdaßWihlrt euer er a en gegen ie eu umge en e e und ihre Feindschafctj nach dem, was eurer eigenen Meinung als das erathenste erscheint, einrichten wolltet, sondern höret auf die Weisungen Gottes, die ihr nachstehend aus meinem apostolischen Munde vernehmet]. Bergeltet lso sage ich nach der Gnade, die mir gegeben ist V. Z] niemand fer sei Christ oder Nichtchrist] Böses mit VBseMY [Spr· 20, 22; 1. Petri 3,·9]. Fleißiget euch der Ehrbarkeit gegen jedermann« sstellet euch gegen einen jeden also, daß ihr ihm gefallen möget und er nur Gutes von euch denken kann 1. Thess 5, 15; 2. Cor. 8, 20 f.; Spr. 3, 4]. 18. Ist? möglich· fsoweit es nicht Gottes Ehre und das Heil des Nächsten verbietetL soviel an euch ist [daß ihr’s könnet mit Verzichtleistung auf euer Eigenes und mit Nachlassen oder Nach- geben in Dingen des zeitlichen Lebens bewirken], so habt mit allen Menschen Friedetjit sund lasset ihnen allen eure Lindigkeit kund sein Phil. 4, s; I· Petri Z, 11; Hebr. 12, 14]. V) Der Apostel hat bisher den Gläubigen neben den Selbstpflichten vorherrschend (doch»vgl. V. 14) ihre briiderlichen Pflichten gegen einander eingeschärftz nun- mehr richtet sich sein Blick vorherrscheiid auf die, welche draußen sind, und er regelt das Benehmen der Christen zu denselben in einigen, im Verhältniß zu ihnen be- sonders nahe liegenden Punkten, indem er namentlich das Verbot der Selbstrache und das Gebotder Fried- fertigkeit und Gutthätigkeit aufstelln (Philippi.) Bei 128 Römer 12, 19. 20. dem Sa e nun: ,,haltet euch nicht selbst für klug« hat der Apo tel die oben citirte Stelle aus den Sprüch- wörtern in Erinnerung, welche im Zusammenhange besagt, man soll sich nicht für klug genug achten, um seinen Weg selbst zu finden, sondern auf die Weisung Gottes hören· (v. HofmannJ Der Aäosteh welcher in V. 20 wieder ohne Weiteres eine telle aus den Sprüchwörtern sich aneignet, führt auch hier eine solche an, ohne den Ort anzugeben, wo er dieselbe gefunden, weil er an eine überwiegend aus Heidenchristen be- stehende Gemeinde schrieb, bei welcher eine vertraute Bekanntschaft mit dem alten Testament nicht voraus- zufetzen war, und bahnt mit dieser Ermahnung aus Gottes Wort sich den Weg zu den folgenden Vorschriften Was er nun da den Römern an’s Herz legt, wie sie u ihren Feinden sich zu stellen haben, wenn anders sie dem Ehristennamen nicht Schande machen wollen, ist ja der gerade Gegensatz zu dem, was wir Men- schen in solchen Fällen für gerecht »und heilsam er- kennen. Das Unrecht, welches uns jemand angethan hat, giebt uns —- so denken wir nicht blos in dem Momente, da das erfahrene Unrecht uns in eine Ge- miithsaufrefgung und Wallung versetzt hat, die ein ruhiges Ue erlegen nicht mehr aufkommen läßt, son- dern selbst dann noch, wenn unser Blut wieder ruhig seine Bahnen geht und wir wieder Herren unsers Asfekts geworden sind — das vollständige Recht, nach der Norm, welche jemand gegen uns in Anwendung gebracht hat, ihn unsrerseits zu behandeln; ja, wir gehen noch weiter und sagen: wenn wir nicht nach dem Gesetz der Wiedervergeltung gegen unsre Wider- sacher verfahren, so leisten wir damit seinem Muth- willen nur Vorschub, und unsre Geduld und Sanft- muth reizt ihn nur zu weiteren Gehässigkeiten, die ihn in’s Verderben stürzen und uns in’s Verderben bringen können, woraus am Ende der Schluß gezogen wird, wir seien es ihm und uns selbst schuldig, daß wir ein- greifen und Böses mit Bösem heimzahlen. (Nebe.) Droben (V.14), da der Apostel lehret, man solle nicht fluchen, redet er von denen, die sich nicht rächen noch wieder Böses thun konnten; denn diefelbigen haben nicht mehr, ohne daß sie fluchen und alles Unglück wünschen denjenigen, so ihnen zu mächtig sind. Hier redet er von gleichen Leuten unter einander, da eins dem andern kann wiederum Böses mit Bösem be- zahlen und einen bösen Tück um den andern beweisen, es sei mit Thun oder Lassen, am meisten jedoch ge- fchiehet es mit Lassen; aber ein Christ soll Gutes thun dem, der ihm übel thut, und nicht ablassen, wie Gott seine Sonne läßt scheinen über die Gerechten und Un- gerechten. (Luther.) »Es) Es ist dies vom äußerlichen Wandel ge- sagt, daß ein Christ nicht soll denken, er möge thun, was er will, unangesehen, es gefalle niemand oder gefalle jedermann; denn folches soll er thun nur in Glaubenssachen, aber im äußerlichen Wandel soll er sich so halten,·daß man nichts Sträfliches an ihm finde, sondern jedermann er gefalle, 1. Eor. 10, 32f.; 1. Petri 2, 12. (Luther.) Es giebt nicht einen welt- lichen Anstand blos, sondern einen christlichen auch: die Kinder des Lichts lassen allezeit ihr Licht leuchten; wo man sie sieht, sieht man sie getrieben vom Geiste Gottes. Es ist eine sittliche Schönheit, eine sittliche Gleichmäßigkeit über ihr ganzes Leben aus-gegossen; in den verschiedensten Lagen und Verhältnissen sind sie doch immer dieselben. Der Apostel trifft mit seinem Worte eine Seite, die wir viel zu wenig beachten. Gar leicht gestatten wir uns sittliche Gebrechen, die uns klein erscheinen und es doch nicht sind. Wie oft treten in heiteren Stunden Dinge zu Tage, die wider ( den christlichen Ernst verstoßen! wie oft zeigen unbe- wachte Augenblicke Schwächen auf, die wir sonst zu überwinden vielleicht redlich bemüht sind! Es ist eine traurige Wahrnehmung, daß auch christlich gesinnte Menschen, die man aus der Ferne bewundert, ver- lieren, wenn man sie in der Nähe betrachtet. Bei dem Christen soll es nicht also sein: je näher du ihn kennst, desto mehr muß» er gewinnen in deinen Augen. (Brückner.) »Es) Laßt uns die apoftolische Forderung: ,,habt mit allen Menschen Frieden« erst in’s Herz fassen und uns prüfen, ob wir durch Christum willig und mäch- tig sind, sie zu erfüllen; dann tröste es uns, die wir in der unfriedfamen Welt sind, daß der Apostel dazu setzt: ,,ist’s möglich, soviel an euch is «. (Besser.) Einmal sagt der Apostel: ,,habt mit allen Menschen Frieden« —- mit allen, d. h. es ist kein Mensch so schlecht, kein Mensch so lieblos gegen dich, keiner der Verwandten hat so sehr alle Verwändtschaft gegen dich verleugnet, daß du ein Recht hättest, im Unfrieden mit ihm zu leben. Geld kann viel, Liebe kann alles; es steht dir wohl, wenn du auf Feindschaft mit Freund- schaft antwortest, und du darfst dich nichtschämen, wenn du auch dem ein gutes Wort gönnest, der eines guten Wortes nicht werth scheint. —- Sprichst du: ,,ich habe es gethan, er will den Frieden nicht; tausendmal habe ich ihm die Hand geboten, und er hat sie zurückge- stoßen; er leidet’s nicht, er wills nicht«, dann kommt die zweite Ermahnung: ,,haltet Friede, soviel an euch ist«. Das will sagen: Lasset euch verfolgen, nur verfolgt selbst nicht; lasset euch schmähen, nur schmähet selbst nicht; lasset euch wehe thun, nur thut selbst nicht wehe; laßt als Feinde euch behandeln, handelt aber selber als Freunde. Zanken zwei, so haben beide Unrecht. Hat jemand den, welcher unser Vorbild ist, Jesum Christum, zur Feindseligkeit zwingen können? Verleumdeth verklagen und plagen, in’s Angesicht schlagen, anspeien, verspotten konnte ihn betrüben, aber nicht ein einziges Scheltwort, nicht eine einzige spitze Rede ihm ermessen. (Easpari.) Soviel immer an ihnen ist, sind die Friedfertigen niemals Ursächer des Streits, Anfänger des Haders, sondern Quellen des Friedens; denn Frieden haben sie selbst, und darum haben sie ihn überall im Sinn und bei allen ihren Werken zum Ziel und zur Absicht, also daß es nicht ihre Schuld ist, wenn dennoch Unfrieden kommt. Denn der wird freilich kommen, es wird eben nicht möglich sein, allewege Frieden zu bewahren und zu üben mit allen Menschen, denn sie sind nicht alle Kinder des Friedens. Die Friedfertigen sind keines- wegs gehalten oder gesonnen, der Welt und ihrem Fürsten das Feld zu räumen und eine unbestrittene Herrschaft zu lassen; sie sind nicht gehalten oder ge- sonnen, aller Unwahrheit, Ungerechtigkeit und Gott- losigkeit freies Spiel zu lassen, den Mörder von Anfang frei und ungehindert würgen zn lassen, beide, die Leiber und die Seelen, beide, zeitliihe und ewige Wohl- fahrt; sie sind nicht gehalten oder gesonnen, vor dem Toben und Wiithen der feindseligen Welt wie furcht- same Hasen zu fliehen. Nein! soviel allerdings an ihnen selbst ist, soviel es ihren Willen und ihre Sache betrifft, ihre Meinung und ihr Recht, ihre Güter und ihre Ehre, halten sie Frieden mit Nach- geben, Weichen, Opfern, Leiden; soviel es aber Gottes Willen und Gottes Sache betrifft, sein Wort und Ehre, sein Gebot und Verheißung, sein Regiment und Ordnung, seine Gaben und Güter und seine Diener und Kinder, da erhalten sie den Frieden durch Streit und Kampf, nicht allein durch Widerstehen, son- dern auch durch Angreifen. (Petri.) Wir machen aber Rächet euch selber nicht, sondern gebet Raum dem Zorn! Ueberwinde Böses mit Gutem! 129 nur gar zu oft gerade es umgekehrt: handelt es sich um zeitlich Gut und eigene Ehre, da sind wir allemal auf dem Platze, daß wir es mit den Zähnen vertheidigen; aberGotte s Sache — ja Gottes Sache, die mag er selbst schützem wir wollen uns darum nicht die Finger verbrennen! (Münkel.) 19. Nächet euch selber nicht [an denen, die trotzdem, daß ihr ihnen nichts Böses mit Bösem vergeltet, sondern auch gegen sie euch der Ehr- barkeit befleißiget, dennoch in einer Weise fort- fahren, euch Unrecht zu thun und so hartnäckig alle eurem Friedehalten widerstreben, daß aller- dings es sich nun um eine Rache über die Uebel- thäter handelt], meine Liebsten, sondern gebet Naum dem Zorne [Gottes, daß der rein und voll, wie zur rechten Zeit, so auch in dem rech- ten Maße sich an ihnen vollziehen könne, greifet ihm also nicht vor, noch stört ihm seine Maßnahmen mit den euren, womit ihr ja eures Gottes Ma- jestätsrechte kränken würdet]; denn es stehet lin 5-M1)s-32- 351 geschrieben: Die Nache ist mein, ich will vergelten, spricht der HErrsk fvgt Hebr. 10, 30 u. l. Sam. 24, II; 25, 32 f.]. 20. So nun snachdem du alle Rachsucht aus deinem Herzen verbannt hast und statt der- selben vielmehr von dem Verlangen jetzt getrieben wirst, wo möglich auch Gottes Rache von ihm abzuwenden durch seine Bekehrung] deinen Feind hungert, so speise ihn; dürstet ihn, so tranke ihn swieschon in Sprüchw. 25, 21 f. hierzu er- mahnt wirds Wenn du das thust, so wirst du [wi·e es dort weiter heißt] feurige Kohlen auf sein Haupt sammeln« sihm so empfind- liche Schmerzen »Über sein bisheriges Verhalten gegen dich im Gewissen bereiten, daß er in seiner Stellung dir gegenüber nicht beharren kann, son- dern seine Bosheit von sich abschütteln muß]. V) Der erste und der vierte Satz in dem Abschnitt ,,Vergeltet niemand Böses —- ich will vergelten, spricht der HErr« sind verwandten Jnhalts, ebenso wie der zweite und dritte, aber ohne in Eins zusammen zu fallen; der erste verbietet, sich damit gütlich zu thun, daß man das Böse zurückgiebt, das man erlitten hat, der vierte verbietet, die Strafe selbst zu vollzieht» die der Andere dafür verdient, daß er an uns Unrecht gethan hat. (v. HofmannJ Stellt euch mit eurer Selbstrache nicht an die Stätte, die Gottes Zorn ein- geräumt fein will, ermahnt der Apostel: es ist recht, den Gottlosen zu zürnen und auch Gott anzurufen, daß er seine Ehre, welche die Feinde der Christen schänden, herstelle durch Gerechtigkeit und Gericht; aber es ist nicht recht, in Gottes Amt zu greifen durch Selbstrache, denn in dem Selbst steckt immer etwas vom Fleifche, und unserm Zürnen ist das Sündigen so nahe, wie das Fleisch dem Geist Ephes. 4, 26. (Besser.) Je schwerer der Mensch dem Verbote der Selbstrache sich unterwirft, je leichter er es iibertritt, desto an- gemessener sucht der Apostel— es hier durch die in- ständige und gewinnende Anrede: »meine Liebsten« seinen Lesern eindringlich zu machen. (Philippi.) Christenftand ist Leidensstand, wie geschrieben steht (Kap. 8, 17): »wir sind Gottes Kinder und seine Erben Däcbseps Bibe1werk. V1L Band. 2. Aufl. und Miterben Christi, so wir anders mit leiden«; und dazu schickt dir Gott einen Haufen Widersacher, damit er daran deinen Sinn prüfe, ob du dich wohl mit Ge- duld und ohne Bitterkeit in deinen Stand und seine Ordnung schicken kannst. Dagegen die Rache hat sich Gott vorbehalten; die wird er auch gewiß üben an allen denen, welche Böses thun. Es ist ihm eine heilige ernste Sache, die Leidenden zu schützen und zu rächen; auch wird er kein Unrecht ungerochen lassen, wenn er gleich eine Weile ruhig darein siehet — seine Mühlen mahlen langsam, mahlen aber trefflich klein; ob aus Langmuth er sich säumet, bringt mit Schärf er alles ein. Aber das alles kommt dir nnr zu gute, solange du leidest, ohne dich zu rächen, und deine Sache Gott heimstellstx rächest du dagegen dich selber, so fällst du Gott in sein obrigkeitliches Recht und Amt, begehst eine schwere Sünde gegen ihn und häufest seinen Zorn auf deinen eigenen Kopf. (Münkel.) Darum halt deine Faust stille und gieb Raum seinem Zorn und Strafe und laß ihn machen, als der es nicht will ungerochen lassen und härter straft, denn du be- gehren magst; denn wer dir Leid oder Schaden thut, hat nicht dich, sondern viel höher Gott selbst ange- tastet und ist schon in seinen Zorn gefallen, dem wird er nicht entlaufen, wie ihm denn noch keiner entlaufen ist. Was willst du denn zürnen, weil schon Gottes Zorn, der unermeßlich größer und schwerer ist, denn aller Welt Zürnen und Strafen, über ihn angegangen ist und du bereits höher gerochen bist, denn du dich rächen könntest, und hat (er, der Widerfache»r) dir noch nicht das zehnte Theil so wehe gethan, alsihm selbst? Warum willst du denn viel fluchen und rächen, weil du siehst, daß-er in solchem schweren Urtheil liegt, daß du dich vielmehr seines Jammers erbarmen solltest und für ihn bitten, daß er möchte herauskommen und sich bessern? (Luther.) Siehe dich aber auch wohl vor, wenn du die Rache Gott befiehlst, daß du nicht heimliche Rachgier behaltest in dem Wunsche, daß Gott deinen Feind nachdrücklich strafen möge; erst wenn du wünschest, daß dies nicht geschehen möge (sondern der Widersacher herumgeholt werde von seinem bösen Wege und erleuchtet mit dem Lichte der Lebendigen) hast du es Gott recht befohlen. (J. Lange.) »Es) Wer aus aufrichtigem Herzen alles Gericht über das Böse, das sein Feind ihm zufügt, Gott dem HErrn befiehlt, und wessen Seele darnach verlanget, daß sein Feind zur Erkenntniß seiner Sünde komme, Vergebung derselben vom HErrn erlange und sich bessere, der wird nicht blos alle Selbstrache unterlassen, sondern wird seinen Feind durch Liebeserweisung zu über- winden suchen. Es werden auf Grund der Stelle, auf welche Paulus hier Bezug nimmt, ohne sie anzuführen, einzelne Verhältnisse, in welchen man dem Feinde Gutes erweisen soll, von ihm namhaft: gemacht, um damit überhaupt die Erweisung jeder Art von Liebe zu bezeichnen. (Soinmer.) Wenn wir bemerken, daß unsern Feind hungert, so sollen wir ihm uns nahen, und keine Miene in unserm Angesicht darf ihm ver- rathen, daß es uns im Herzen wohlthut, in dieser Weise ihn zufbeschämem denn selbst unser Herz darf nichts von einer inneren Genugthuung, von einem inneren Wohlgefallen, daß es so gekommen ist, em- pfinden. Sehr zart ist nun, was schon die Sprüch- wörter gebieten, wenn·wir unsern Feind hungern sehen; das Wort für ,,speisen« heißt nämlich eigentlich: »kleine Bissen geben«, wie man sie einem Kinde dar- reicht, also: ,,fÜttere ihn« — wir sollen ihm nicht blos mit unsrer Hand die Speise in den Mund stecken und dieselbe nicht etwa blos so hinstellen, daß er weiß, wo er nun seinen Hunger stillen kann, sondern ihn l) 130 Römer 12, 21. 13, I—i4. behandeln wie eine Amme, wie Vater und Mutter das Kind behandeln, mit väterlicher, herzlicher Liebe. Gleicherweise liegt in dem ,,tränken« angedeutet, daß du dem Dürstenden das Getränk selbst hinhaltestz beide Ausdrücke sind höchst malerisch und bezeichnen ein durchaus liebevolles Thau, das denn auch seiner Wir- kung nicht verfehlen wird. (Nebe.) Wenn man einen Haufen glühender Kohlen auf ein hartes Metall legt, so wird das Metall darunter erst heiß, darnach weich und fängt endlich an zu schmelzen So wirst auch du durch dem Wohlthun dem Feinde die schlimmen Ge- danken von dir benehmen und sein Herz zur Gegen- liebe entzünden. (Hedinger.) So wenig man gegen glühende Kohlen auf dem Haupte unempfindlich bleiben kann, so wenig wird der Feind, welcher Gutthat em- pfängtsür Uebelthat, hiegegen unempsindlich bleiben können, daß er nicht über das, was er gethan, un- ruhig werden und sein Unrecht bereuen sollte. (v. Hof- mann.) Daran, wie du innerlich zu deinen Feinden stehst, kannst du merken, wie du zu deinem besten Freunde, deinem Heiland stehst; daran, wie du ver- giebst, was Andere an dir gethan, kannst du merken, wie du durch Christum die Vergebung empfangen hast für das, was du wider Gott gethan; daran, wie du wohlthust denen, die es um dich nicht verdienten, kannst du merken, ob du die Gnade Gottes gewürdigt hast, die du auch nicht verdientest (Brückner.) 21. Laß dich nicht das Böse [dadurch, daß du dich durch die Bosheit des Widersachers selber zur Bosheit in wiedervergeltender Rach- s»ucht hin-reißen lässest] altes-winden, sondern Uberwinde svielmehr auf die Weise, die in V. 20 dir gezeigt worden, indem du nämlich des Feindes Bosheit durch deiner Liebe Gutthat brichst, ihn durch Wohlthun zu reumüthiger Erkenntniß seines Unrechts und zur Umkehr von seinen schlimmen Wegen bringst] das Böse mit Gutem [Weish· 7, 30]. Der Christ soll nie geschlagen und überwunden aus dem Kampfe mit seinen Gegnern hervorgehn; seine Siegeswasfe gegen deren Böses istsdas Gute. (von Gerlach.) Wie Feuer nicht mit Feuer ausgelöscht wird, so auch nicht Böses mitBösem, oder Scheltwort mit Scheltwort: das ist der herrlichste Sieg, für Böses Gutes erzeigen und den Feind zum Freunde machen. (Starke.) Nach der Welt Urtheil ist’s umgekehrt; da hat der überwunden, der sich an seinem Feinde gerächt hat, aber bei Gott heißt dies, daß uns das Böse überwunden hat. Jn der Welt meint man, der sei überwunden, der sich muß Unrecht thun lassen und es leidet; aber bei Gott heißt dies, er habe überwunden. (Spener.) » Hat dich dein Widersacher dahin gebracht, daß du roiederverg1ltst, so hat er dich sich ähnlich ge- macht und dich also besiegt; wenn du es aber durch Geduld dahin gebracht hast» daß er vom Unrecht ab- steht, so hast du gesiegt. (Hieronymus.) Ob du gleich hier den Sieg des Guten, der Sanftmuth und Demuth, der Barmherzigkeit und Freundlichkeit, selten sehen magst, dennoch ist der Sieg gewißlich dein: der HErr wird dich krönen entweder mit dem Gewinn Bekehrter oder mit Reinheit von dem Blute derer, welche dem Zorne heimfallem (Besser.) Wer dagegen das Böse mit Bösem zu überwinden unternimmt, wird vielleicht den Feind seinerseits an Bosheit überbietem aber doch nur zu seinem eigenen Verderben. (Calvin.) Das 13. Kapitel. Wie man sich gegen die Obrigkeit, den Nächsten und sich selbst verhalten soll. I. Jedermann [wörtlich: jede Seele ohne Ausnahme Kap. 2, J] sei saus freiwilliger Ent- schließung, ohne sich erst durch äußeren Zwang dazu nöthigen zu lassen] Unterthan der Obrigkeit, die Gewalt über ihn hat«« [der Obrigkeit« in ihrer verschiedenartigen Zusammenfetzung und Gliederung, der er nach den thatsächlichen Verhältnissen nun einmal unterstellt ist] Denn es ist keine Obrigkeit, ohne Von Gott [die obrigkeitliche Gewalt als solche oder der Idee nach hat von niemand anders als von Gott ihren Urfprung]; wo aber Obrigkeit ist [in welchen Trägern ihrer Gewalt auch immer- hin sie zur Erscheinung komme], die ist von Gott berordnetkk sso daß man eben diese Träger für die jedesmal von ihm eingesetzte oder doch von ihm verhängte Obrigkeit anzusehen und deshalb sich ihnen zu unterwerfen hat Weis-h. 6, 4 f·]. 2. Wer sich nun [da es in der That sich also verhält, wie eben gesagt wurde] wider die Obrigkeit swie sie nun einmal besteht] setzet, der widerftrebet Gottes Ordnung fund macht sich zu einem solchen, der wider Gott streiten will Apostg b, 39]; die aber widerstreben, werden [da Gott sich nicht spotten läßt Gal. 6, 7] über sich sschon hie zeitlich, sei es durch das Schwert der Ver- geltung in der Hand der Obrigkeit, sei es durch die Schergen des göttlichen Gerichts, die wohl auch jenseit des Meeres sich finden] ein Urtheil [zur Verdammniß Kap. 2, Z; Matth. 23, 14.; Iak. 3, 1] empfahenftt 3. sEs braucht aber auch niemand wider — die Obrigkeit sich zu setzen, sondern kann eben der, die Gewalt über ihn hat, ohne alle Sorge um seine Wohlfahrt Unterthan sich erweisen B. 1.] Denn die Gewaltigen [die jedesmaligen Inhaber der obrigkeitlichen Gewalt] sind nicht den guten Werken, sondern den bösen zu fürchten fes ist also gar keine Ursach vorhanden, auf ihre Beseitigung zu sinnen, gleich als könne man unter ihnen seines Lebens nicht froh werden] Willst du dich aber nicht fürchten vor der Obrigkeit swas man allerdings dir nicht verdenken kann, denn die Furcht hat Pein 1· Joh. 4, 18 und läßt es zu keinem frohen Lebensgenuß kommen], so thue Gutes; so wirst du Lob von derfelbigen haben sinsosern sie dich als einen guten Bürger und getreuen Unterthan behandeln wird] 4. Denn sie ist Gottes Dienerin, sdie er zunächst und vor allen Dingen] dir zu guts]- shat eingefetzt, daß du ein ruhiges und stilles Leben führen mögest in aller Gottseligkeit und Ehrbar- keit 1. Tim. 2, L; und da wird er’s auch nicht Jedermann sei unterthan der Obrigkeit, die Gewalt über ihn hat! 131 daran fehlen lassen, daß solche Wohlthat dir wirk- lich m gewissem Maße zu Theil werde]. Thust du aber Böses, so furchte dich [allerdings, nämlich vor dem Arm der göttlichen Strafgerechtigkeit, der in der Obrigkeit in dieses zeitliche Leben schon heremreichts Denn sie trägt das Schwert sdas sie als Abzeichen ihrer Gewalt selbst über Leben und Tod führt] nicht Umsonst ssondern gebraucht’s auch, wo es nöthig ist]; sie ist Gottes Dienerin fauch nach der andern» Seite hin], eine Rächetin znr Strafe [näml1ch] uber den, der Böses thntH. V) Das feindliche Element, gegen welches Paulus das Verhalten der Christen in Privatverhältnissen bis daher bestimmt hatte, trat in der apostolischen Zeit gleichsam conceiitrirt in der Staatsgewalt des römischen Reichs der Kirche entgegen; eine mißver- standene Auffassung der Idee der christlichen Freiheit hätte daher die Christen leicht verleiten können, sich gegen die heidnische Obrigkeit in ein falsches Verhält- niß zu setzen, wie bekanntlich unter den Juden die Partei des Judas Galiläus (Apostg. 5, 37) es zu einem Glaubensartikel machte, daß es unerlaubt sei, den Heiden Abgaben zu zahlen, indem der ächte Jude nur Jehova als theokratischen König anerkennen könne. Jn dem Bericht des Suetonius (Apostg.18, 2 Anm.), daß die Juden in Rom unter Anführung eines ge- wissen Chrestus sich empört hätten, liegt vielleicht eine Andeutung, daß die römischen Christen zum Theil das Verhältniß zur Obrigkeit im regen Gefühl der christ- lichen Freiheit nicht ganz richtig aufgefaßt hatten. Erwägt man nun, daß der Brief an die Römer unter Nero geschrieben ist, nachdem schon Tiberius, Caligula und Claudius mit ihren Greueln und Unsinnigkeiten vorhergegangen waren, so tritt in der Ermahnung des Apostels eine Größe und Reinheit der Gesinnung heraus, die auf ergreifende Weise mit der Bosheit und Gemeinheit contrastirt, welche sich in der herrschenden Potenz des römischen Reichs offenbarte.· (Olshausen.) Der Gedanke des Uebergangs von dem vorigen Kapitel zu der nunmehrigen Ermahnung ist wohl dieser, daß auch in dem heidnischen Staate das Böse müsse über- wunden werden durch das Gute. Bei dem universellen Charakter unsers Briefs, auch auf der praktischen Seite, mußte es dem Apostel Bedürfniß sein, von seinem Prinzip aus das Pflichtverhältniß der Christen zum Staate zu bestimmen, auch ohne daß er erst durch be- sondere Umstände darauf geführt wurde. (P. Lange) Zu dem ,,besleißiget euch der Ehrbarkeit gegen jeder- Mann« in Kap.12, 17 gehört auch die gehorsame Un- terwerfung unter die össentlichen Gewalten, welche sich in der getreuen und willigen Erfüllung der bürger- lichen Pflichten bethätigtz in gleichem Verbande stehen solche Ermahnungen in I. Petri 2, 12 ff. (Maier.) Uebrigens ist unsre Stelle die einzige ausführliche und nachdrückliche Einschärfung des Gehorsams gegen die Obrigkeit in den paulinischen Briefen; theilweise Aehn- lichkeit damit hat die vorhin angeführte Stelle bei Petrus. (Met)er.) Wie der Apostel mit der Ermahnung zum gliedlichen Gemeinschaftswandel in Kap 12, 3 an jedermann in der Gemeinde sich gewandt hat, so verpflichtet er hier jedermann zur Unterthänigkeit gegen die Obrigkeit; und zwar sagt er nachdrücklich: ,,jede Seele« — Christen oder Heiden, gleich viel, es sind eben Seelen, die unter obrigkeitlicher Gewalt stehen. DieChristen sind also nicht ausgenommen von der Unterthanenschaft unter den Obrigkeiten dieser Welt, sondern vielmehr um des Gewissens willen zu ehrfürchtigem Gehorsam verpflichtet; gehorsam (Tit. 3, l) sollen sie unter die Obrigkeit sich stellen als an die Stelle, die Gott ihnen anweist, gleichwie nach Ephes. 5, 22 die Weiber unterthan sein sollen ihren Männern als dem HErrn. Die Zinsmünze mit des Kaisers Bildniß in den Händen der Juden war genug, ihnen die kaiserliche Gewalt über sie zu beweisen (Matth. 22, 19); in der Gewalt, welche der Kaiser über sie hatte, wies sich die Obrigkeit aus, welcher man unterthan sein sollte. (Besser.) » H) Die erste Satzhälfte: ,,es ist keine Obrigkeit ohne von Gott« drückt im Allgemeinen das Herrühren aller Obrigkeit überhaupt von Gott aus; in der zweiten Satzhälfte wird dann dies Verhältniß hin- sichtlich der in concreto bestehenden Obrigkeiten noch näher bestimmt als göttliche Einsetzun g: ,,wo aber Obrigkeit ist, die ist von Gott verordnet«. Der Christ soll also jedwelche Obrigkeit, wenn ihr Regiment über ihn thatsächlich besteht, als göttlich verordnet betrachten, da sie nicht ohne Gottes bewirkenden Willen zum Vorhandensein gekommen ist, was auch von der tyrannischen oder usurpatorischen Obrigkeit gilt, wenn gleich eine solche nach Gottes Rathschluß vielleicht nur eine zeitweilige ist und Uebergangsbestimmung hat. Von diesem Gesichtspunkte ausAgehorcht der Chrisnaber auch nicht der menschlichen illkür und Ungerechtigkeih sondern dem Willen Gottes, welcher im Zusammen- hange mit seinem, der menschlichen Einsicht unzugäng- lichen Regierungsplane auch den unwürdigen und un- rechtmäßigen Herrscher als die faktisch bestehende Obrig- keit zur Erscheinung gebracht und zum Werkzeug seiner Maßnahmen gemacht hat. Casualsragem wie sich der Christ in politischen Katastrophen zu verhalten, welche Obrigkeit er in solchen Zeiten für die faktisch bestehende anzusehen habe, läßt Paulus hier unberücksichtigt und giebt nur die prinzipale Vorschrift des Gehorsams, welche er auch nicht etwa von dieser oder jener Ver- fassungsform abhängig macht. (M»eyer.) »Der Christ, der als solcher sich als Bürger einer hoheren Welt weiß, hat, wenn er nicht zugleich durch seine bürger- lichen Beziehungen dazu verpflichtet ist, nicht die Auf- gabe, sich in Untersuchungen über die Rechtmäßigkeit der bestehenden Gewalt einzulassen, die ohnehin ge- meiniglich sehr schwierig sind und daher unmöglich jedem Individuum überlassen bleiben können; er ge- horcht derjenigen, welcher Gott über ihn die Gewalt gegeben hat — die bösen Obrigkeiten haben ihre Richter allein an Gott, nicht an Menschen (Olshausen.) Mit Gott geschieht es nicht, wenn man sich selbst berust zum Streiter für einen ,,legitimen« König, der nicht da ist, wider einen ,,Emporkömmling«, der da ist; Gott setzt Könige ab und setzt Könige ein (Dan.2, 21), und bedient sich dazu meistens der Gottlosen, die im Uebertreten seiner Gebote seine Gerichte vollstrecken müssen. Dawider sollen Christen nicht murren noch sich auflehnen, sondern Raum geben dem Zorne Gottes, der zu seiner Zeit und Stunde die großen Diebe richtet wie die kleinen. Vaterlandsliebe ist edel, und es ist Gottes Naturordnung, daß ein Volk seine Sprache und Sitte und alle die zeitlichen Güter, die ihm geschichtlich zugewachsen sind, werth halte und schütze; aber ein Götze wird aus dem Volksthuin»ge- macht von denen, welche ihrer »Nationalität« zu Liebe sich dem Weltregimente Gottes und den Schickungen seiner gewaltigen Hand widersetzen und sich die Vor- sehung anmaßen, wie lange und wie weit ein Volk wohnen soll Apostg. 17, 26. (Besser.) » sitt) Der Christ kennt kein Recht der Revolutionx er kann in die Lage kommen, der Obrigkeit den Ge- horsam zu verweigern, aber nur, wenn die Obrigkeit II« 132 Römer IS, 5—10. ihn nöthigen will, ein Unrecht zu begehen, nie, wenn es nur gilt, ein Unrecht zu leiden· Das Leiden eines Unrechts hat noch keinem Christen Schaden gebracht, hat vielmehr eine kräftige Verheißung des HErrn; der Christ sieht auch in der verbrecherischen Obrigkeit noch Gottes Ordnung, der er nicht widerstreben darf. Jsrael weinte und seufzte unter Pharao’s Druck; aber denselben abzuwerfen, das überließ es Gott dem HErrn. (Wangemann.) T) Ohne si durch den ihm vorliegenden Zustand im römischen eich im Mindesten einnehmen oder er- bittern zu lassen, bleibt der Apostel ganz bei der Jdee der Obrigkeit stehen, welche allerdings nie ganz realisirt wird, weil die Obrigkeit durch sün liche Menschen re- präsentirt ist, die aber auch in der schlechtesten Obrig- keit sich noch erkennen läßt, indem ihre eigene Existenz ihr nothwendig macht, die gesellschastliche Ordnun im Wesentlichen aufrecht zu erhalten; hiernach ers eint die Obrigkeit als ein Heil für "eglichen, selbst für den, der durch einzelne Ungerechtig eiten, die von ihr aus- gehen, leiden sollte. (Olshaufen.) Allerdings war da- mals noch die bessere Zeit des Neronifchen Regiments Lom Oktober 54 bis Ende 59 n. Chr.); doch würde aulus auch später sein Prinzip und seine Vorschrist nicht geändert haben. Ueberhaupt macht er die Ge- horfamspflicht gegen die Obrigkeit nicht von der Be- schaffenheit der letzteren, sondern von dem gottgeord- neten Bestände derselben abhängig. Dei« Zweck ihres Bestehens ist die Aufrechthaltung des Rechtes; dieser Zweck wird auch unter dem tyrannischsten Regiinente, trotz noch so vieler Ungerechtigkeiten im Einzelnen, im Allgemeinen doch immer noch realifirt, und kein Tyrann hat jemals prinzipmäßig das Unrecht an sich als Rechtsgrundsatz proklamirh vielmehr selbst das mannig- fache Unrecht, was er faktisch beging, gemein1glich noch unter den Formen und dem Scheine des Rechts zu decken gefucht. (Philippi.) Das weltliche Regiment ist eine herrliche göttliche Ordnung und eine treffliche Gabe Gottes, der es auch gestiftet und eingesetzt hat, und auch will erhalten haben, als das man allerdinge nicht entbehren kann; und wo es nicht wäre, könnte kein Mensch vor dem andern bleiben, es würde einer den andern fressen, wie die unvernünftigen Thiere unter einander thun. Darum, gleichwie des Predigtamts Werk und Ehre ist, daß es aus Sündern eitel Heilige, aus Todten Lebendige, aus Verdammten Selige, aus Teufelskindern Gotteskinder macht, also ist es des weltlichen Regiments Werk und Ehre, daß es aus wilden Thieren Menschen macht und Menschen erhält, daß sie nicht wilde Thiere werden. (Lut·her.) Es giebt in Heidenländern Gesetze und vermeintlich gute Werke, die zu thun einem Christen zwiefache Scha11de wären; dennoch ist ein Abendschimmer der unter- gegangenen Sonne göttlicher Rechtsbezeugung auch den Heiden verblieben, und vornehmlich im römischen Rechte iebt der Mond des natürlichen Rechts einen Wider- chein des Lichts göttlicher Rechtsoffenbarung mitten in der Nacht des Heidenthums Da waren die Christen in Rom in der glücklichen Lage, daß sie ihr Licht in Christo nur recht leuchten lassen durften, und siehe, die Leute, auch die Gewaltigen, sahen ihre guten Werke, Werke ehrerbietiger Unterthanen, getreuer Knechte und Mägde, gehorsamer Kinder, frommer Eheleute, barmherziger und hilfreicher Nächsten, ehr- licher Handelsleute, fleißiger Arbeiter, wahrhaftiger Zeugen- guter Nachbarm uneigenniitziger Freunde. Diesen Werken sind die Gewaltigen nicht zu fürchten, ja selbst gottlofe Gewaltige pflegen einen Amtssinn zu haben, der etwas davon merkt, daß die Christen gute und erwünschte Unterthanen sind; wiederum sind auch solche Gewaltige, die selbst mit Lust Böses thun, doch elten so unverständig, daß sie nicht zu sein wünschten, was die Obrigkeit sein soll, ein Schrecken der Misse- thäter. (Be:sser.) H) Der Apostel zeigt uns hier, daß die Obrigkeit das Amt des Gesetzes aus Erden übt: wie Gottes Gesetz, die Guten belohnt, die Bösen bestraft, wie es Recht schasst, Gottes Recht herstellt an denen, durch die es verletzt worden, so die Obrigkeit. (v. Gerlach.) Jn der Regel haben denn nur die Gottlosen Ursach, sich vor der Obrigkeit zu fürchten, weil ihre Straf- gewalt vornehnilich gegen die Auswüchse der Sünde erichtet ist. Dazu hat die Obrigkeit das Schwert be- onimen, ein Zeugniß, daß ihre Macht von Gott sei; denn der Mensch als Mensch hat keine Macht über das Leben seines Nächsten. (Wangemann.) Z. So seid nun aus Noth unterthan snach besserer Lesart im Grundtext: So muß man nun, weil man, wie vorhin gesagt, in der Obrig- keit mit einer Dienerin Gottes es zu thun hat, die seine Ordnung auf Erden handhabt, unter- than s ein], nicht allein swie Widerstrebende es thun] um der Strafe willen [welcher diejenigen verfallen, die sich widersetzenL sondern auch swie Christen gebührt, die bei allen Dingen nach Gott und seinem Willen fragen] um des Gewissens willent [1· Petri 2, 13]. 6. Derhaiben [indem ihr die Nothwendigkeit solcher Unterordnung recht wohl fühlt] müsset ihr auch Schoß geben [besser: gebet ihr auch, um von andern Leistungen der Unterthanen abzu- sehen, Steuer Esra 4, 13; Luk. 20, 22]; denn sie sdie Gewaltigen V. Z] sind Gottes [mit dem Amt der Rechtsverwaltung auf Erden betränte] Diener, die solchen Schutz swie ihr ihn im bürgerlichen Gemei1iwesen denen gegenüber, die da Böses thun, genieße] sollen handhaben» sund das nur be- ständig zu thun vermögen, wenn ihnen die er- forderlichen Geldmittel dazu gereicht werden] 7. So gebet nun sals die, welche sich üben zu haben ein unverletzt Gewissen allenthalben, beide, gegen Gott und Menschen Apostg. 24,16] jedermann [von den obrigkeitlichen Personen] was ihr schuldig seid: Schoß, dem der Schoß gebührt [dem, der mit Erhebung des Schosses oder der Personalsteuer beauftragt ist], Zoll [oder Waaren- steuer], dem der Zoll gebührt [dem Zollerheber]," Furcht soder Scheu vor seiner] Strafgewalt], dem die Furcht gebuhrt [den Richtern und Rechts- pflegern], Ehre soder Ehrerbietung], dem die Ehre gebUhrtVH [den obrigkeitlichen Personen in Stadt und Land]. V) Der Apostel verbietet nicht das Gehorchen »Um der Strafe willen«, sondern bezeichnet es nur als das- jenige Motiv, welches für den Christen nicht das letzte u höchste ist: auch er, soweit er noch Fleisch ist, soll gehorchen um der Strafe willen; aber soweit er Geist ist, gehorcht er um des Gewissens willen. (Philippi.) Pf) Seher, ·wie gut es ist, Schoß geben und» ge- horchen, daß ihr damit helset die Frommen schutzen und die Bösen strafen; darum laßt es euch nicht ver- Seid niemand nichts schuldig, denn daß ihr euch unter einander liebet! 133 drießenl (Luther.) Vermittelst der Steuerzahlung nimmt der Unterthan auch selber Theil an dem Re- iment der Obrigkeit; er betheiligt sich faktisch an der Zlusrechthaltung dieser Verwaltung, welche im höchsten Sinne, bewußt oder unbewußt, ein Reichsdiener, ein Liturg Gottes im weiteren Sinne ist, analog dem Li- turgen des Tempels. (Lange.) »Es) Die Aufzählung unterscheidet erstlich im An- schlusse an das Nächstvorhergegangene zweierlei Amt der Erhebung von Abgaben, indem Schoß (dasjenige, was von den einzelnen Häuptern zusammengeschos en wird) die Abgabe ist, die man als Angehöriger des Gemeinwesens, Zoll die Abgabe, die man im Handel und Wandel zu entrichten hat. Und zweitens unter- scheidet sie zweierlei Art des persönlichen Bezeigens, nämlich Furcht egenüber dem, welcher Macht hat zu strafen, und Egrerbietung gegenüber dem, wel- cher in Würden steht. (v. Hosmann.) II- di. 8—14. Jln die Ermahnung zum Gehorsam gegen die Obrigkeit schließt sich in unmittelbarer Folge die an, einem jeden überhaupt zuleistein was man ihm schuldig ist; der Apostel faßt das alles in eine tljauptsumnicy welche das Gebot der Liebe des Nächsten ist, zusammen und bezeikhnet diese Liebe als die Grsiillung des Gesetzes (v. Z——10). Alsbald aber nimmt er einen neuen Lin— sah und fiihrt aus, wie die Belhiitigung des Glaubens auch darin sich zu erweisen habe, daß der olhrist die ihm geschenkte Gnadenzeit nach Gottes willen benuhe und sie zum heil seiner Seele anmende (v. 11——14). ((Lpiltel am Ali. Sonntag nach Epiphaniii.) Das Evangelium des heutigen Sonntags (Matth. 8, 23 ff.) handelt vom Schifflein Christi und von der reichen Hilfe aus der guten Hand dessen, der auf dem Meere fuhr und im Sturme schlief; das Herz des Schlafenden war und ist eine Schatzkammer der Liebe und großer Barmherzigkeit, aus welcher zu allen Zeiten alle Bedürftigen ihren Antheil und ihren Segen nehmen konnten. Man könnte daher in der Liebe, die er den Seinen auf dem galiläischen See erweist, den Punkt der Anknüpfung und des Zusammenhangs finden, der zwischen Evangelium und Epistel wäre; allein welches Evangelium, welche Erzählung aus dem Leben Jesu würde nicht auf diese Weise zu unserer heutigen Epistel passen? Der HErr ist die Liebe, und nach dieser Liebe sucht man in keinem seiner Worte und Werke umsonst. Darum wollen wir den Scharfsinn sparen, der nach dem Zusammenhang der Epiphaniem Evangelien und Episteln forschet, und erinnern uns nur daran, daß sich in den Evangelien dieser Sonntage der Lebenslauf Christi in seinem herrlichen Gedeihen ent- faltet, in den Episteln aber der Lebenslauf und Wandel der Gemeinde. (Löhe.) Jn dieser Epistel fassen sich die vorhergehenden drei zu einer lebendigen Einheit zusammen; die in ihnen zerstreuten, gesonderten und besonderen Ermahnungen fließen in diesem Gebote der Liebe wie die Flüsse uud Ströme insgesammt in dem tiefen Meer in Eins zusammen. (Nebe.) Warum all unser Thun von der Liebe getragen wer- den soll? weil durch die Liebe I) alle Gebote erfüllt werden, L) die Erfüllung leicht wird, Z) diese leichte Erfüllung doch wahren Werth hat. (Sommer.) Das Verharren in der Liebe; es ist 1) in Ansehung des Nächsten eine Schuld, die niemals abgetragen werden kann, 2) in Ansehung des Gesetzes aber dessen Erfüllungsp (Fay.) Die Liebe des Gesetzes Er- füllungx sie erfüllt das Gesetz l) aus dem reinsten Grunde, 2) im vollsten Umfange, Z) mit der größten Leichtigkeit. (Schuur.) l) Sie lehrt das Gesetz am besten auslegen, Z) hilft das Gesetz am treuesten er- ·"llen. (Beck.i I) Sie nimmts schwer, Z) sie macht’s leicht. (Gerok.) Die Nächstenliebe eine Schuld: 1) wem liegtsie ob? 2) wer mahnt sie ein? Z) wie trägt man sie ab? 4) wann kommt man von ihr los? (Schultze.) DieLiebesschuld gegen den Nächsten: 1) eine unbezahlbare und doch keine drückende Schuld; 2) eine alle eigene Gerechtigkeit aufhebende und doch zur wahren Gerechtigkeit hinführende Schuld. (Eig. Arb.) 8. Seid niemand nichts schuldig slasfet gegen niemand irgend eine Schuldigkeit, die ihr nach bürgerlichem Recht gegen ihn habt, uner- Iedigt Psalm 37- 21]. denn daß ihr euch unter einander liebet [in dieser Schuldigkeit freilich werdet ihr niemals dahin kommen, daß ihr sie nun ganz geleistet hättet und niemand mehr etwas schuldig wäret, aber doch werdet ihr mit derselben alle eure Schulden, die ihr nach gött- lichem Recht gegen den Nächsten habt, auf ein- mal los-J; denn wer den andern licbet, der hat das Gesetz» erfüllett [insofern bei ihm dasjenige wirklich erreicht ist, worauf die Gebote der andern Tafel mit ihren einzelnen Forderungen hinaus wollen Gal. b, 14; Jak· 2, 8]. 9. Denn das da sin 2. Mof. Do, 13——17 u. b. M. 5, 17—21] gesagt ist: Du sollst nicht ehebrechen, du sollst nicht tödten sin Betreff dieser Umstellung der beiden Gebote vgl. Mark. 10, 19«; Luk. 18, 20 u. die Bem. zu Matth. 19, 19], du sollst» nicht stehlen, du sollst nicht falsch Zeugnis; geben, dich soll nichts geluften, und so ein ander Gebot mehr ist sda ja das Gesetz in so vielerlei Einzelvorschriften sich auseinanderlegt, wie das z. B. auch in Z. Mos. 19, 11 ff. gefchieht], das wird indiesem Wort verfasset sin dasselbe wie in eine Summa zu- sammengefaßt Z. Mos. 19, 18]: Du sollst deinen Nächsten lieben als dich selbst-«« [so daß, wer dieses Gebot hält, keinem der übrigen Gebote jemals entgegenhandelt, wenn er ihrer auch nicht immer einzeln sich erinnert) 10. Die Liebe thut dem Nächsten nichts Böses [von all der mancherlei Art, wie die ver- schiedenen zahlreichen Verbote des Gesetzes es namhaft machen, so daß, wenn sie überall und im rechten Maße vorhanden wäre, es dieser Ver- bote gar nicht bedürfte; sie thut vielmehr dem Nächsten alles Gute, welches die Verbote zu ihrer Kehrseite haben 1. Cor. 13, 4———7]. So ist mm [weil es also sich verhält, wie eben gesagt] die Liebe des Gesetzes Erfüllung-««- sin ihr ist solche Erfüllung thatsächlich vorhanden) V) Seid niemand nichtsschuldig, bezahlt redlich und pünktlich alle eure Schulden, wie Schoß und Zoll, Furcht und Ehre an die Obrigkeit (V.7), so an jeder- wann, was ihr ihm schuldet nach bürgerlichem Recht und Gesetz: in diesem Stück sollen sich Christen nicht übertreffen lassen von ehrbaren und ordentlichen Welt- kindern, die darauf halten, daß sie niemand etwas schuldig bleiben, sondern mit jedermann im Reinen 134 Römer 13, 11—14. seien. Aber unsre Christenschuldigkeit können wir freilich nicht so abtragen, daß wir jemals mit einem ; Menschen fertig würden und nicht mehr seine Schuld- ner blieben; diese Schuld, die Liebe des Nächsten, hat die Art, daß man immerfort daran bezahlt und doch nimmer sie abbezahlt (Besser.) An der Liebe behält jeder ein Kapital auf sich, davon er die Zinsen ohne Aufhören entrichten muß. (Starke.) Die Erfüllung der Liebe vermehrt auch deren Anforderungen; denn je mehr wir Liebe beweisen, desto weiter tritt uns das Feld entgegen, auf dem es gegenseitige Liebesarbeit gilt. (Sommer.) Wie ist es mit der Buße: nimmt die nicht auch zu, je mehr wir zunehmen an Weisheit, Alter und Gnade bei Gott und den Menschen? Wie tief wir gefallen sind, wie verderbt unsre Natur ist, erkennen wir, je länger wir das Werk der Heiligung treiben, desto gründlicher, die Heiligkeit Gottes und die Gnade Jesu umleuchtet uns mit jedem Schritte voller; die letzte Buße ist ungleich tiefer als die erste, die unergriindlichen Geheimnisse in unserm und in unsers Gottes Herzen erschließen sich erst allmälig. Es steht mit dem Gebote der Lie ganz ähnlich: wir meinen zu wissen, was lieben heißt; wie bald werden wir es inne, daß wir es nicht wissen! Je eifriger wir diesem Gebote nachdenken und nachjagen, desto mehr weitet sich unser Gesichtskreis aus; wir übersehen erst allmälig dieses unendliche Feld der gegenseitigen Liebes- arbeit, und desto klarer erkennen wir, daß die Er- weisungen der Liebe, wenn sie sein wollen, was sie sein sollen, mit einem ganz andern Geist voll selbstver- leugnender Hingebung müssen getrieben werden- (Nebe.) Die Nächstenliebe, obwohl so eine unabtragbare Schuld, ist gleichwohl eine solche, die der Christ mit Ehren tragen darf. Während in andern Verhältnissen der Mensch um sobesser steht, je weniger er schuldig ist, steht es mit der Liebe am besten, je mehr sie sich schuldig weiß. (Olshausen.) Göttliches Sollen und menschliches Wollen in Einklang zu bringen vermag die Liebe. (Heubner.) Pl) Es ist nicht soviel an der Ordnung der Gebote gelegen, als daß sie alle wohl in Acht genommen werden; daß der Apostel das sechste voransetzn geschieht wohl darum, weil Ehebruch und Hurerei bei den Römern alle Scham verloren hatten. (Starke.) Viel- leicht hat es darin seinen Grund, daß Paulus seine Ermahnung in Kap. 12 mit der begonnen hatte, die Christen sollten ihre Leiber Gott zu einem Opfer be- geben. Das vierte Gebot ist ohne Zweifel darum weggelassen, weil es in V. 8 heißt: »den Andern lieben«, die Eltern stehen aber mit den Kindern nicht auf gleichem Niveau; sie sind die dem Kinde über- geordneten, die dasselbe beherrschenden Nächften und verschwinden hier aus der Reihe der Nächften, weil das Wort nur von sich gleichstehendem von gleich- berechtigten Personen gebraucht wird» (Nebe.) ,,Du sollst n1chtehebrechen«: das ist eine Pflrcht des Hauses; sie ist in der Liebe verfasset. Wenn sie nur da wäre, wo wären die unglücklichen Ehen? Es würde keine Gattin mehr verborgene Thränen weinen, daß der, dem sie sich angetraut, sie einsam läßt und leer an Liebe; es würde aber auch kein Gatte mehr mit Traurigkeit an die Stätte· denken, die er sein Daheim nennt und wo er statt des höchsten Glückes die bitterste Täuschung nur erfahren. Der Fluch der Zerrissenheit, der jetzt aus so vielen Familien lastet, würde verschwinden; Friede würde sein, wo jetzt Unfrieden ist; dauerndes Glück würde sich gründet» wo jetzt der Kummer sein düsteres Angesicht zeigt. Die Liebe begründet das häus- liche Glück! ,,Du sollst nicht tödten, nicht stehlen«: das sind Pslichten des Lebens, des Verkehrs; sie sind in der Liebe verfasset. Der Mörder wird ge- i i richtet; aber Seelen zu werfen in die Arme des ewigen Todes, solche Thaten erreicht die ftrasende Gerechtig- keit nicht. Der Dieb wird verdammt; aber unreine Künste zur Mehrung des Gewinns gestattet man sich. O wollte man nur lieben lernen, wie sehr würde auch hierin ein feineres Gefühl herausgezogen werden! Niemand würde, wenn er seine Blüthen pflückt, kalt- sinnig das Blümchen seines Nachbars zertreten; die in Fülle haben, wie die in Entbehrung schmachten, sie hätten alle nur Ein Ziel, sich gegenseitig zu segnen und einander zu—dienen. Die Liebe lehrt das Leben nach Leib und Seele achten und reinigt den Verkehr! »Du sollst nicht falfch Zeugnis; geben«: das ist eine Pflicht der Rede; sie ist in der Liebe verfasset. Jetzt wird falfch Zeugniß verurtheilt; aber alle die über- eilten, verleumderischen Urtheile, diese erlaubt man sich. O wenn man nur lieben lernte, würde man dies auch dann noch thun? Ausrichtiger Sinn, freundliche Nachsicht, brüderliche Geduld wären der allgemeine Sinn; wo Hände sich drückten, würde sich kein falscher Sinn hinter dem Lächeln des Mundes mehr verbergen, und wo Auge in Auge schauet, sähe man die lautet-e Flamme reinen Wohlwollens leuchten. Die Liebe läutert das Urtheil! ,,Dich soll nichts Zelüsten«; das ist ein Gebot für das Herz; es ist in er Liebe ver- fasset. Wie oft treibt jetzt der Neid sein geheimes Wesen und die Mißgunst bestimmt das Denken und Thau; aber wollte man nur lieben lernen, es würde auch hierin anders werden. Niemand würde mehr sich gelüsten lassen nach dem, was seines Nächften ist; es wäre ja allen die höhere Lust ausgegangen, zu haben, als hätte man nicht. Die Liebe reinigt die Herzen! (Brückner.) « IN) Wenn die Liebe dem Nächften Böses überhaupt nicht thut, so thut sie ihm auch das einzelne Böse nicht, was die einzelnen Gebote ihm anzuthun unter- sagen, und fassen sich also sie alle in das eine Gebot der Nächstenliebe zusammen. Daß der Apostel nur die Verbote darin ausgehen läßt, kann eben so wenig besremden, als daß er nur den aus das Verhalten gegen den Nächften bezüglichen Theil« des Gesetzes in Betracht zieht; denn daß der, welcher den Andern lieb hat, ihm Gutes thut, versteht sich von selbst, es handelt sich also nur darum, daß er ihm das Böse nicht thue, das im Gesetz» verboten ist. Die Liebe aber, welche der Apostel von dem Gläubigen fordert, ist aus dem Grunde immer die Nächstenliebe, weil sich die Liebe zu Gott da von selbst versteht, wo man an den Vater Jesu Christi glaubt, während die Nächstenliebe dieses Glaubens Bethätigung ist. (v. HosmannJ Die Liebe giebt dich deinem Nächften mit allen deinen Gütern; die Liebe will und thut dem Nächften nur Liebes und Gutes, sie ist deshalb vollständig unfähig, dem Nächften Böses anzuthun. Jn dieser Position sind alle nega- tiven Sätze eingeschlossen, wie umgekehrt jene Ne- gationen diese Position in sich bergen. (Nebe.) Das Gebot der Liebe ist ein kurz Gebot und ein lang Gebot, ein einig Gebot und viel Gebot; es ist kein Gebot und alle Gebot. Kurz und einig ist es an ihm selbst, und des Verstandes halber bald gefaßt; aber lang und viel nach der Uebung, denn es begreift und meistert alle Gebote. Und ist gar kein Gebot, so man die Werke ansiehet, denn es hat kein eigen sonderes Werk mit Namen; aber es ist alle Gebote, darum daß aller Gebote Werke seine Werke sind und sein sollen. (Luther.) Die Liebe ist mehr als ein vereinzeltes losgerissenes Handeln, mehr als ein Hier oder Da, sie ist der heilige Odem, der alle unser Thun durchwehen soll; sie ist die leitende Triebkrast, die alle unsre Be- strebungen regieren muß; sie ist der Verklärungsglanz . Ein Adventsgr « werden will: 1) dein Heiland hat den Tag gebracht, Die Liebe ist des Gesetzes Erfüllung Die Stunde ist da, aufzustehen vom Schlaf. 135 der von innen heraus über unser ganzes Leben sich ausbreiten soll. Sie ist nicht eine einzelne That, son- dern ein immerwährender Sinn. (Brückner.) Jst es dir nicht immer möglich, alle Seiten der heil. Schrift aufzufchlagcm halte die Liebe fest und du wirft in ihr alle Wissenschaft finden. (Augustin.) Der ganze ethische Theil des Römerbriefs (seit Kap. 12) ist im Grunde eben so sehr eine Darlegung der Natur der Liebe, als der dogmatische Theil (Kap. 1——8) eine Ent- wickelung des Wesens des Glaubens und der Anhang desselben (Kap. 9—11) eine Entwickelung des Wesens der Hoffnung war. (Olshausen.) (Epiftel am 1 Sonntage des Advent) Mit diesem Sonntag tritt das Kirchenjahr seinen ge- segneten Kreislauf wieder an; was nun ein Kirchen- jahr fiir eine Bedeutung hat, das sagt auch diese Epistel (vgl. das Ev- Matth. 21, 1 ff.): es trägt das Heil unter feinen Flügeln, es bringt vom Himmel wieder den Abglanz der Herrlichkeit Gottes, das Ebenbild seines Wesens, das Licht vom Licht geboren, das Licht der Welt; ein neuer Gnadentag bricht an — die Nacht ist vergangen, der Tag aber herbeigekommen. (Nebe.) ,sDie Nachtift vergangen, der Tag aber herbeigekommen«: das ist der Grundton aller Adventspredigt und die Quelle der rechten Adventsftimmung in den Herzen der Gemeinde; und gleich der erste unter den Advents- texten kommt uns mit dieser Verkündigung entgegen. Wie sollten wir eine so freudenreiche Verkündigung nicht gern vernehmen und nicht willig länger dabei verweilen mit unserm Nachdenkem um ihren Inhalt zu beherzigen? Die Nacht ist vergangen, der Tag aber herbeigekommem 1) zuerst lernen wir die vergangene Nacht und den gekommenen Tag näher kennen; 2) hierauf prüfen wir uns, ob auch für uns die Nacht vergangen und der Tag herbeigekommen ist. (J. Müller) Der neue Lebensanfang: dazu fordert uns auf der Blick 1) auf die Zeit, in der wir stehen; 2) auf die Gnaden, die wir bereits empfangen haben; Z) auf das Heil, das sich uns auch heute wieder in Christo zu erfahren giebt. (Thomasius.) Der Christ an der Pforte des neuen Kirchen- jahres: 1) welche Aussicht sich ihm da eröffnet, 2) welche Verpflichtung sich ihm da auferlegt. Die Adventsbotschaft: Christus kommt! l) Heil Verkündigt sie, ·2) Heiligung fordert sie. (Sommer.) uß an jede Seele, die selig Z) entschlag dich drum der Sündennachtz 3) mit lichten Waffen zieh zum Streit, 4) halt Seel undLeib in Niichternheitl (Seybold.) Es ift Zeit, daß du 1) auf- stehest vom Schlaf, Z) dich ankleidest und riistest, Z) die Werke des Tages vollbringest. (Baur.) Das Heil in Christo Jesu und das neue Kirchenjahrt l) seinem Anfange nach ist das Heil in Christo fchon erfchienen, das neue Kirchenjahr aber bietet es« uns von Neuem an, daß wir immer besser es ergreifen; Z) in feiner Vollendung rückt das Heil in Christo uns fort und fort näher, das neue Kirchenjahr aber will von Neuem die Gefahr von uns abwenden, daß wir seiner verlustig gehen. (Eig. Arbeit) 11. Und weil wir solches [das, was mir bei meiner nachstehendeaweiteren Ermahnung im Sinne schwebt] wissen, namlich [welcherleiArt] die Zeit [sei, in welcher wir gegenwärtig leben, in- dem dieselbe sich kurz dahin charakterisiren läßt], daß die Stunde da ist, Nunmehr] aufzustehen vom Schlaf [der vorher uns gefangen h1elt], sintemal unser Heil svon Seiten feiner schließ- lichen Vollendung bei Christi Wiederkunft vom HimmelKan W« f·; I. Petri 1, 7 ff; Apstg. Z, 20 f] jetzt naher ist, denn da wir? snach dem- jenigen Maße, in welchem es in der Predigt des Evangelii als bereits vorhanden uns angeboten wird] glaubten« sim Glauben zuerst annahmen oder erfaßten, nach andrer, einfacherer Uebersetzung: denn da wir gläubig wurden Apostg. 4,4]; 12. Die Nacht ist vergangen [genauer: im Vergehen begriffen], der Tag aber herbeikommen shat sich also genähert, daß er sich seiner Zeit auch vollends einstellen wird 1. Joh. Z, 8., nämlich der Tag, der schlechthin »der Tag« heißt l. Cur. 3, 13; I. Thess 5, 4; Hebt: .10, 25 oder ,,jener Tag« 2. Tim. 1, 12 u. 18., auch »der Tag der Erlösung« Ephes. 4, 30]: so laßt uns [thun, was bei entschwin- dender Nacht und herbeikommendem Tage zu thun sich gebührt; laßt uns also] ablegen sdie Nacht- kleidet, die wir bis daher getragen, ich meine] die Werke der Finsternis; [Werke, wie sie unter der Obrigkeit der Finsternis; vollbracht und von ihr unter ihre Decke genommen werden V. 13; Ephes 5, II] und sauf dem Untergrunde des rechten Tageskleides, des HErrn Jesu Christi, den wir anzuziehen haben V. 14] anlegen die Waffen des Lichts« sum vielmehr gegen die Mächte der Finsterniß zu streiten, statt ihnen zu dienen Ephef. S, 10 ff.; 1. Thess Z, 8; 1. Tim. 1, 18; 2. Cur. S, 7; 10, 4f.]. 13. Lasset uns ehrbar-lich wandeln [1. Thess 4, 12] als am Tage [so, wie man am Tage wandelt, wo man alles Unanständige meidet, und durch die ganze Art und Weise unsrer Lebens- fährung zeigen, wir seien solche Leute, für welche die Nacht vergangen und der Tag des sich voll- endenden Heils im Aufgehen begriffen ist], nicht salso sei euer Wandel ein Wandeln] in Fressen und Sausen [wie es bei den noch von der Macht der Finsterniß gefangen gehaltenen Un- gläubigen der Fall ist], nicht in Kammern und Unzuklfjfts nicht in Hader und Neid [Gal. 5, 19 »; 14. Sondern ziehet an den HErrn Iefum Christttt [Gal. Z, 27], und wartet des Leibes sdurch die ihm gebührende Pflege oder indem ihr dem Fleische seine Ehre thut zu seiner Nothdurft Col. 2, 23; Ephes 5, 29], doch also, daß er nicht [durch übermäßig ihm» zu- geführte Kräfte] geil siippig und zu ausschwelfelp den Begierden gereizt] werde-f. V) Die Verse t1—14 haben darin eine geschichtliche Merkwürdigkeit, daß sie es waren, welche die Be- kehrung Augustins vermittelten, dieses größten Lehrers, den die Kirche bis auf die Reformation gehabt» hat. (Olshaufen.) »Nimm und liess« lautete jene Stimme im Garten zu Mailand, die er vernahm, während seine 136 Römer 13, 14. Seele im Kampf mit seinem bisherigen sündigenTreiben lag; er öffnete die Schrift und fand unsre Stelle, da drang ein klares Licht in seine Seele, das ihn seines Weges fest und sicher machte. (Augustin’s Bekenntn VIII, 12). Der Apostel ermahnet darin die Christen zu Rom, ermahnet uns Christen hier, an die jetzt sein Wort ergeht, aufzustehen vom Schlaf: und warum? Einmal, weil es schon Tag ist, Gnadentag um uns her durch das Licht des Evangeliums; und sodann, weil der Tag immer näher kommt, der große Tag des Gerichts und der Entscheidung (Stier.) Wir wissen, daß nicht blos die Zeit da ist, d. h. im Ganzen und Großen jetzt die Zeit erfiillet ist, in welcher die schwindende Nacht und der angebrochene Tag zum Aufstehen auffordert, sondern auch schon die Stunde ist da, d. h. die speziell für jeden Einzelnen nahe ge- rückte Zeit, die nur noch eine sehr kurze Frist zur Besinnung übrig läßt, wenn man überhaupt dem Rufe Gottes folgen will. (Wangemann.) O, es liegt ein starker Nachdruck für die Verpflichtungem die wir haben, für die Ermahnungen, die man uns zu den- selben giebt, in der Berücksichtigung des Zeitpunktes, da sie geschehen: es ist ganz etwas Anderes, wenn ich zur Vollführung meiner Pflichten noch eine lange, weite Zukunft vor mir sehe, und ganz etwas Anderes, wenn die Zeit zusammengeht und die Sanduhr ver- rinnt» und die Aufgabe gelöst sein soll und die Rechen- schaft vor der Thür steht. (Löhe.) Da Paulus und die Erstlinge Roms gläubig wurden, umfing sie des Heils gnädige Nähe im Evangelio, aber voran zur künftigen Herrlichkeit schickten sie ihre Herzen in Hoff- nung; nun war ihnen das Kleinod und Ziel ihrer Hoffnung, das Ende ihres Glaubens um so viel näher, als Jahre der pilgernden und streitenden Kirchehinter ihnen lagen. Seitdem Paulus dies geschrieben, sind 1800 Jahre verronnent freuet euch, die ihr wartet auf den Tag des HErrn und seine Erscheinung lieb habet, freuet euch und jauchzet, daß die endliche Erlösung soviel näher gekommen ist! Was wir gelebt haben, seitdem wir gläubig wurden und uns aufmachten, in’s Reich Gottes einzugehen, es sind Staffeln unsrer Wall- fahrt, Strecken unsers Leidensweges, die uns dem vor- gesteckten Ziele näher gebracht haben; freuet euch, der HErr ist nahe! (Besser.) Die Erscheinung des HErrn, welche er selbst schlechtweg als die Erlösung bezeichnet ·(Luk. 21, 28), wird hier als das Heil im absoluten Sinne charakterisirt: wie kann nun aber von dem Apostel ausgesprochen werden, daß dieser Moment der Erscheinung Christi (Tit. 2, 13) viel näher uns ge- kommen sei, als es damals stand, da wirgläubig wurden? Lassen sich die wenigen Jahre, welche, seit- dem die Römer zum Glauben an den HErrn gelangt sind, bis zu dem Zeitpunkt verflossen, in welchem der Apostel ihnen schreibt, so bemessen, daß in Rücksicht aus sie die Wiederkunft des HErrn als eine nähere bezeichnet werden kann? wie können. diese wenigen Jahre in Betracht kommen, wo die Zeit bis zur Wiederkunft des HErrn über Jahrhunderte und Jahr- tausende sich erstreckt? Das Räthsel löst sich nicht anders, als wenn wir uns zu der Behauptung entschließem daß der Apostel in dieser Stelle den Zeitpunkt der Wiederkunft Christi als sehr nahe bevorstehend sich gedacht habe: vgl. 1. Cor·«7, 29z 15, 51; Phil 4, 57 l. Thess 4, 15 fs.; 1. Petri 4, 7; Hebr.10, 37. (Nebe.) Für das Individuum ersetzt einstweilen, solange der Tag des HErrn sich verzieht, sein Kommen zum Heil durch den Tod das Kommen des Heils zu ihm durch die Auferstehung von den Todten. (Philippi.) ist) Es liegt etwas Räthselhaftes in diesen Worten; denn als Paulus sie schrieb, da war das Heil bereits in die Welt gekommen und das Evangelium von Christo leuchtete weithin über die Länder der Erde, die zuvor in Finsterniß und Todesschatten saßen. Es war Tag geworden nach der langen Nachtx und auch in den Herzen der Christen, an die der Apostel schreibt, war dieser Tag bereits angebrochen durch den Glauben an Den, der das Licht der Welt ist. Dennoch redet er also, als ob noch immer die Dunkelheit über der Welt, auch über der Christenheit lagerte und nur erst die Strahlen der Morgensonne am Horizont herauf- leuchteten, die Nähe des Tages zu verkünden; das hat darin seinen Grund, daß er noch von einem andern Tage weiß, mit deni das volle Licht, das vollkommene Heil erscheinen wird, das ist der Tag des HErrn, der Tag der Offenbarung unsers HErrn Jesu Christi. Diesem Tage gegenüber dünkt dem Apostel alles, was von Licht und Leben in der christlichen Kirche und im christ- lichen Leben sich findet, doch nur wie Schattenwerh wie die Dämmerung des Morgens; und weil nun dieser Tag nahe ist und immer näher kommt, so ruft er in die Christenheit hinein, daß es Zeit sei, aufzu- stehen vom Schlafe. Denn wenn der Tag anbricht, der Tag der letzten großen Entscheidung, da muß jeder bereit und wohlgerüstet stehen, wer bestehen will. (Thomasius.) Das, was St. Paulus hier den Tag heißt, ist der volle Mittag des Reiches Christi; es ist dasselbe, was er vorhin das Heil genannt und davon gesagt hat, es sei jetzt näher gekommen, als da wir gläubig wurden. Darnach ist denn die Zeit, in der wir leben, und die von uns beachtet sein will, der Morgen, wo Tag und Nacht sich scheiden, die Stunde, wo man Ursach hat, vom Schlafe aufzustehen: die apostolische Zeit, das ist der frühe Morgen, und unsre Zeit, das ist der späte Morgen, an dem sich wache Sinnen um so mehr geziemen; Advent und Morgen ist Eins, und wenn der Apostel den Römern zurust: ,,schon ist’s Zeit und Stunde, vom Schlafe aufzustehench wie seine Worte genauer lauten, so müssen wir Wächter auf der Zinne in dieser unsrer Zeit sagen: ,,schon ist bald nicht mehr Zeit« oder: ,,es ist höchste Zeit, wer erwachen will; die Sonne steigt, der Mittag kommt, es geht mit der Welt zur Vollendung« Ernste Zeit, ernste Jahre, alle Jahre ernsterer Advent —- das beachtet, und wer Ohren-hat zu hören, der höre! (Löhe.) Wer aufgewacht ist und wirklich aufsteht zum Tagewerk, der legt ab und zieht aus, was der Nacht gehörte, ziehet an und’ ergreift, was am Tage sich ziemt. So, lieber Christ, willst du mit Wahrheit behaupten: »ich schlafe nicht mehr«, wohlan, so müssen die Werke der Finsterniß aus deinem Leben hinweg. Was sind aber Werke der Finsterniß? Das ist alles, was vor dem heil. Lichte Gottes nicht offenbar werden kann, ohne gestraft zu werden; alles, was aus der Finsternis; unsers natür- lichen, unbekehrten Sinnes noch von selber hervor- kon1mt und in die Finsternis; der Hölle führt. Das sind ja nicht etwa blos die groben Sünden, argen Laster und Verbrechen: o nein, auch das träge, todte Träumen, selbst über Gottes Wort nur Träumen in unkräftigem matten Gedanken, als wäre es damit kein Ernst für die Ewigkeit; das Liegenbleiben, Warten und Aufschieben, auch nur bei der geringsten Sünde Meinen, es habe noch Zeit damit; das so dahin Leben, ohne daß man mit vollem Ernst überall Hand anlegt und Schritte thut im großen Werk der Heiligung, gleich als ob nicht mit jedem Tag der Tag der Rechenschaft über uns hereinbrechen könnte. Dagegen sollen wir anlegen die rechten Tagkleider, die einem aufgewachten Christen geziemen; weil aber unser Christenleben hie- nieden ein Kampf und Streit ist, nennt sie der Apostel Wartet des Leibes, doch also, daß er nicht geil werde! 137 gleich eine Rüstung oder Waffen des Lichts; und wie er das meint, lehrt er uns an einem andern Ort, wo er zu den Thessalonichern (1. Thess 5, 4 ff.) fast redet, wie hier zu den Römern. (Stier.) Auf der Wacht und im Streit ist der Stand aller, welche sich der Finsterniß entwinden und im Lichte wandeln wollen; und es gilt, die Waffen des Lichtes beständig anzu- legen oder, was dem gleich ist, seine Glieder zu be- geben zu Waffen der Gerechtigkeit (Kap. 6, 13), wollen wir anders den Sieg behalten gegen die nächtlichen Gewalten, Fleisch, Welt und Teufel, und unbefleckt und unsträflich erfunden werden vor dem HErrn auf den Tag seiner Zukunft. (Besser.) its) Am Tage thut man kein Werk der Finsterniß, jedermann schämt sich vor dem andern und stellt sich ehrbarlich. Man spricht: »die Nacht ist unv-erschämt«; das ist auch wahr, darum thut man auch die Werke in der Nacht, deren man schämt sich am Tage. Der Tag aber ist schamhaftig und zwinget zum ehrbarlichen Wandel. Also soll auch ein christlich Leben geschehen und sich halten, daß alle seine Werke dergestalt seien, daß sie sich nicht schämen, ob sie alle Welt sehe. (Luther.) Was unsre deutsche Bibel mit ,,Fressen und Sausen« ausdrückt, sind nach dem Grundtext Schmausereien und lustige Umzüge berauschter Jünglinge, denen es in den Häusern zu enge wurde und die dann singend und tanzend auf den Straßen ihren Muthwillen und ihre Neckereien trieben. Was damit gewöhnlich verbunden war, hebt Paulus noch besonders hervor: ,,Kanimern und Unzucht«, jenes auf außerehelichenBeischlaf zielend, dieses die ausgelassene schamlose Frechheit weinend, welche in unzüchtigen Geberden, Worten und Werken sich kundgiebt Solche Festivitätem wie sie der Apostel in dem ersten Paare von Lastern andeutet, endigen gewöhnlich mit Hader und Streit, bei weniger gebil- deten Leuten vielfach mit Prügeleien; aus dem zweiten Paare aber entspringt gar häufig Eifersucht, daher als drittes Paar »Hader und Neid« hinzukommt. Nun hat Paulus keineswegs in diese drei Gruppen alle Laster unterbringen wollen; die Nacht hat noch weit mehr Werke der Finsternis; in ihrem Schoße, ihre Familie heißt Legion- (Mark. 7, 21 ff; Gal. H, 19 ff.). Es ekelt aber den Apostel, diese Brut Stück für Stück an das Tageslicht hervorzuziehen; er meint, es sei genug mit diesen drei Paar-en. (Nebe.) Einem solchen, allem Wandel im Licht und im Wohlanstand geradezu widerstreitenden Verhalten gegenüber geziemt dem Christen, den HErrn Jesum Christ anzuziehen, worin das Mittel liegt, Völlerei, Geschlechtslust und Gehässig- keit zu bekämpfen 1ind zu überwinden. Hier redet der Apostel nicht mehr blos von Werken, sondern er führt zu Höherem hinauf, zur Gemeinschaft mit Christo, der Kraft zu allen Tugenden. (Sommer.) Fasset das Wörtlein ,,sondern« recht: nicht in Fressen und Sausen, sondern ziehet an den HErrn Jesum Christum, so werdet ihr essen und trinken als Christen und die Lust des Vauches nicht vollbringen; nicht in Kammern und Unzucht, sondern ziehet an den HErrn Jesum Christum, so werdet ihr eure Leibesglieder in Ehren halten als Christi Glieder und dämpsen die schändliche Brunst in keuscher Liebe zu eurem Seelenbräutigam; nicht in Hader und Neid, sondern ziehet an den HErrn Jesum Christum, so werdet ihr die Liebe selbst angezogen haben, seine Freundlichkeit wird eure Zank- sucht und seine Holdseligkeit euren Neid« begraben. (Besser.) Ziehet an den HErrn Jesum Christum: was heißt das? Es ist zunächst ein bildliches Wort voll des reichsten, seligsten Trostesx denn darin liegt doch vor allem, daß es sich hier nicht um etwas handle, das von uns erst erarbeitet oder errungen werden müßte, sondern das allbereits für uns da ist und uns nun dargeboten, geschenkt, wie ein Kleid zum Anziehen dargereicht wird. Und was das für ein Kleid sei? Jch könnte antworten, es ist dasselbe, von dem der Prophet (Jes. 61, 10) gesagt hat: »ich freue mich im HErrn und bin fröhlich in meinem Gott, denn er hat mich angezogen mit Kleidern des Heils und mit dem Rock der Gerechtigkeit mich bekleidet«; das- selbe, von dem die Kirche singt: ,,Christi Blut und Gerechtigkeit, das ist mein Schmuck und Ehrenkleid, damit will ich vor Gott bestehen, wenn ich werde zum Himmel eingehen« — und ich hätte doch die ganze Tiefe des apostolischen Worts noch nicht erreicht; denn das nennt ja nicht die Gerechtigkeit, die uns Christus erworben hat, sondern ihn selbst, seine heilige, gott- menschliche Person. »Es lautet: »ziehet an den HErrn Jesum Chrcstum«; ihn selbst also, zu welchem der Vater gesagt hat, du bist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgesallen habe, ihn selbst, die leibhaftige Ver- söhnung, die persönliche Gerechtigkeit und Heiligkeit, ihn selbst können wir anziehen, so anziehen, daß er im eigentlichen Sinne unser wird und alles, was sein ist, unser ist. Solches Anziehen aber geschiehet durch den Glauben; denn das ist die wunderbare Macht des Glaubens, daß er Christum ergreift und sich ihn zu- eignet, ja vielmehr, daß er Christum in sich schließt und in sich beschlossen hält, wie der Vrautring den Edelstein. Haben wir denn Christum angezogen und halten wir ihn fest im Glauben, dann bleibt uns seine Heiligkeit und Gerechtigkeit nicht wie ein von außen angelegtes Kleid, sondern die Schönheit des Gottes- bildes, das in ihm leuchtet, bildet sich auch unserm inwendigen Menschen ein; sein Geist beginnt in unserm Geiste zu wirken, seine reinigende, heiligende Liebe senkt sich in unsre Seele; im stillen Umgang mit ihm gewinnen wir einen neuen, zarten, edleren Sinn, eine heilige Scheu vor der Sünde, eine verborgene Kraft zum Guten. So fangen wir an vorsichtig zu wandeln als am Tage, seinen Fußtapsen nachzufolgen — und das sind wir auch seiner Ehre schuldig, besonders in dieser ernsten Zeit. Da gilt es nicht nur von seinem Namen zu reden, sondern mit dem Leben, mit dem ganzen Wandel es zu bezeugen, daß das Christenthum noch eine Wahrheit, eine Kraft zur Gerechtigkeit und zum Leben ist. (Tho»inasiu·s.) · f) Zärtlinge, die ihr seid, Wächter eures Fleisches und des Fleisches eurer Kinder, die ihr mit der Er- ziehung, welche ihr euch selbst und euren Kindern gebt, nicht dem Leibe, dem ewigen Genossen der Seele, son- dern dem vergänglichen, verderblichen Fleische Ehre thut und fröhnet: merket diese Mahnun ! Wenn der Apostel von dem hohen Gedanken des nziehens Jesu zur Mißbilligung eurer leiblichen Gewöhnung und Erziehung übergeht, so ist’s freilich, wie wenn er von einem hohen, lichten Gipfel in eine wüste Lache oder Pjütze niederführez aber der Uebergang ist ganz recht, seine praktische Weisheit erfordert ihn. Es wird bei vielen Römern gewesen sein, wie bei euch, bei manchen unter euch, daß über dem üppigen fleischlichen Leben des Leibes alle Fähigkeit und alle Kraft verloren geht, die Zeit zu benutzen iind auszubeutenx wie sollen die, die ihre Glieder der Sünden nicht tödten, die im Wasserbade dargestellten Glieder des neuen Menschen waffnen mit der Wasfefnrüstung Christi und stählen, die steile Vahn der Heiligung zu gehen? Nein, Jesum anziehen ist ein Gegensatz gegen alles weichliche, üppige, fleischliche Leibesleben! Wer Jesum anzieht, der er- kennt nicht den Leib und sein Wohlsein als Absicht und Zweck des Lebens, sondern er hat höhere Ziele, denen auch der Leib unterthänig gemacht werden muß. 138 Römer 14, 1—6. Er sorgt schon für den Leib, aber so, daß er der Seelen Zweck nicht hindert, die Verklärung in Christi An« glesicht nicht aufhält; er ordnet das ganze leibliche Leben so an, daß es dem Geiste dient, daß es bei Hut und Pacht und Kampf und Streit und Heiligung und Vorwartsdringen zu allem Guten nicht hinderlich sei, sondern auch wo mö lich förderlich. (Löhe.) Das; Fleisch ist zu kasteien, da es diene und unterthan sei Text; Geist untzhdeliisosjperåcnßnikt auhs dem Faktxell tgeeerrsrce ieerum au a , a e geen un tragen könne. (Luther.) Sorge für deinen Leib, aber nicht anders, als daß du ihn für seine Wanderschast hienieden unterstützestx nicht aber so, daß du dich hie- durch deines Vaterlandes vergessen machest. (Calvin.) Das 14. Kapitel. Wie man sich gegen die Schmachgläuhigen verhalten soll. III. b. 1———uap. 15,13. Nachdem der Apostel bisher Grmahnungcn ausgesprochen, welche dem Thristen als solchem und also allen auf gleiche Weise gelten, folgen jetzt solche Weisungem die sich auf eine, bei gleicheni Thristenstande verschiedene Weise christlichen Lebens beziehen; die Fortführung der tliede geschieht daher im Grundtext mit einem ,,aber«·. Uorab fordert Paulus die Glieder der Gemeinde zu brüderlirhem Ver— halten gegen die Schwachen im Glauben, die unter ihr siih befinden, auf (tt.1), worauf er zwei Difserenzpiiniite zwischen beiden Theilen, den Starken und Schwachen namhaft macht, einem jeden Theile den rechten Gesichts- puulit für seine Stellung zum andern an die ltjand giebt und das, was er in dieser Beziehung aussprichh näher begründet, aber auch das dem rechten Gesichtspunkte widersireitende Benehmen, wie es bisher vielfach zu Tage getreten, einem scharfen Tadel unterwirft und als rcchtswidrig zuriirliweish da der hoirr allein Richter sei und nur ihm ein jeder Rechenschaft zu geben srtiuldig W. 2—12). Der Apostel behennt jetzt in Betresf des Esseiis von allerlei Speise (v. L) seine eigene Meinung, deren er im hGrrn Iesu sich gewiß sei, und tritt dafür seine person auf Seite der Starken und Freien, an die er gleich anfangs vornämliclz sich gewendet hatte (i).1); aber desto eindringlich» ermahnt er nun auch diese, daß sie nicht etwa durch schonungslose Geltendmachung ihres prinzipi- den Sctswacligläubigen einen Anstoß be- reiten, sondern lieber ihrer Freiheit sich begeben und in die weise der Jindern sich schicken uiiichten, als diesen irgend welche Seclengefahr zu bereiten W. 134231 Zu solchem Tragen der Schwachen in Geduld und Selbst— oerleugnung reizt er denn noch weiter mit Grinnern an das Vorbild aller deuiiithigen Selbstverleugnung, an Christum, dem es niiht zu viel war, um unsertwillen Schmach auf sich zu nehmen; da tiann es uns auch nicht zu schwer werden, mit den Schwächen der Brüder uns zu tragen (Kap. 15, 1—-4). Indem nun aber. Paulus dasjenige, was er so eben von Thristo aussagte, in ein alttestamentliches Schriftwort kleidete, kommt er über- haupt auf die Schrift zu reden und tiehrt noch einmal- zu dem Grundsprucli seiner Gptstelx »die Juden vor- nämlich und auch die Heiden« zurück, auf daß er in der Gemeinde, an die er schreibt, ein recht etnmiithiges und einhelliges wesen pflanze w. 5——l3). 1. Den Schwachen [aber] im Glauben seinen jeden solchen Christen in eurer Mitte, der noch nicht im Stande ist, von der den Gläubigen an Christum geschenkten Gnade, vermöge deren wir es alles Macht haben 1· Cor. 6, 12 und nichts verwerflich ist, das mit Danksagung empfangen wird l. Tim. 4, 4., den vollen Gebrauch im täglichen Leben zu machen, sondern der allerlei Bedenken hegt, mit denen er doch sein Gewissen nicht zu beschweren brauchte, wenn er schon die volle Consequenz von der Freiheit, damit uns Christus besreiet hat Gal. 5, 1·, zu ziehen ver- möchte] nehmet [ihr, die ihr den Hauptbestandtheil der Gemeinde bildet, nämlich ihr Starken Kap- 15, l] auf sindem ihr ihn um seines Glaubens willen, obwohl derselbe noch ein schwacher Glaube ist, als einen euch zugehörigen, vollberechtigten Bruder in Christo anerkennt und behandelt V. Z; 15, 7], nnd verwirret die Gewissen nicht [damit, daß ihr irgend einen äußerlichen Brauch, wie Fleischessen und Weintrinken, darin ja das Reich Gottes nicht stehet V. l7., zur Bedingung eurer Anerkennung machen wolltet; denn dadurch brächtet ihr den Schwachen in die Versuchung, etwas zu thun, was er nach seiner ihn noch beherrschenden Gewissensrichtiing nicht thun darf V. 23]. Jn diesem Kapitel ·eht der Apostel von dem Ge- biet der all emeinen rmahnungen auf ein ganz be- sonderes Fe d der christlichen Pflichten über, auf das Verhtiltniß der Starkgläubigen und der Schwach- gläubigen oder der Strengeren und der Freieren zu einander; ihn veranlaßte dazu der Zustand und das besondere Bedürfniß der römischen Gemeinde, die ja aus Heidenchristen und Judenchristen zusammengesetzt war. Die Heidenchristem die ohne Gesetz, durch den Glauben allein, Glieder Christi geworden waren, konnten leicht auf die Meinung kommen, das ganze Halten der Juden über ihr von Alters her ihnen heiliges Gesetz sei eine Gott mißfällige Starrheit und darum zu bekämpsende Sünde; desgleichen konnten die Judenchristen leicht auf den Gedanken kommen, die christliche Freiheit gegen die Vorschriften des Ge- setzes, welcher die Heiden sich bedienten, schließe die Gefahr der Zügellosigkeit in sich und sei nicht zu ver- einigen mit der Ehrerbietung, die doch jeder Gläubige dem Worte Mosis, das ja Gott selbst geoffenbaret habe, schuldig sei. Wenn den Strengeren die Freiheit als Zügellosigkeit erschien, so erschien den Freien die Strenge als Gesetzlichkeit und Knechtschafy es waren also Momente genug vorhanden, um sie gegeneinander mißtrauisch 1ind feindselig zu machen. Paulus, wie dies schon seine Stellung als Heidenapostel mit sich brachte, stand auf der Seite der Freien, deren Glauben er als den stärkeren bezeichnet; von diesem Stand- punkte aus nennt er den Strengeren einen ,,Schwachen im Glauben«. Der Standpunkt nämlich, auf tvelchem man durch den Buchstaben des Gesetzes sich in seiner freien Bewegung gehemmt glaubt, ist ein unter- geordneter im Vergleich dem, wo man weiß, das Gesetz ist in Christo erfüllt und sein Buchstabe zwingt uns nicht mehr; aber es kann einer noch also in den Fesseln des Gese es sein und doch schon sein Heil in Christo allein su en, also im Glauben stehen. (Wangemann.) Das Prädikat ,,stark im Glauben» bezeichnet einen solchen Standpunkt, wo der Glaube an den Erlöser, das Vertrauen auf die durch ihn er- langte Gerechtigkeit in solchem Maße beseelendes Prin- zip der Ueberzeugung geworden und die ganze Denk- weise so durchgebildet hat, daß der Mensch alle Lebens- IFI. Sp e z ielle Ermahnungen Den Schwachen im Glauben nehmet anfund verwirret die Gewissen nicht! 139 verhältnisse darnach zu beurtheilen und zu behandeln vermag, daß er durch kein fremdartiges Element einer andern Denkweise, die ihn früher beherrschte und von der er sich noch nicht ganz zu befreien vermag, darin irre gemacht werden kann, wie namentlich damals, wer von dem jiidischen gefetzlichen Standpunkte zum Glauben gelangt war, erst allmälig von dem Einflusse desselben auf die Beurtheilung aller Lebensverhältnisse sich lossagen konnte, indem das aus dem Glauben an den Erlöser hervorgehende neue christliche Prinzip seine Denkweise immer mehr durchdrang. Diese, das Urtheil beherrschende Glaubenskraft bewies sich also z. B. darin, daß Einer, seines Heils in der Gemeinschaft mit Christo gewiß, in dem Gebrauche äußerlicher Dinge nicht mehr durch die Bedenken, welche er sich früher auf dem gesetzlichen Standpunkte gemacht hatte, ·sich bewegen ließ, als ob dies oder jenes ihn verunreinigen könne. Den Gegensatz, gegen diese Stärke des das Leben beherrschenden Glaubens bildet das ,,schwach sein im Glauben«, wo neben dem Glauben noch ein anderes, aus dem früheren Standpunkte herrührendes Element die Ueberzeugung beherrscht; daher der Wider- streit, die gegen das Glaubensprinzip streitenden Be- denken! Wenngleich Paulus vermöge der durch die damaligen Zeitverhältnisse gegebenen Veranlassung dies besonders in Beziehung auf den jüdisch-gesetzlichen Standpunkt entwickelt, so gilt dasselbe in seinem Sinne doch auch von dem Verhältnisse jedes andern Stand- punktes zu dem chriftlichen, in der Lebensbildung durch den Glauben begründeten; die das Leben beherrschende Glaubenskraft giebt daher den selbständigen christlichen Charakter, die christliche Charakterfeftigkeit, die christ- liche Geistesstärke und Geistesfreiheit. Das eigenthüm- liche Wesen der christlichen Freiheit besteht darin, daß, »» indem der Christ sein ganzes Leben auf Christum als « seinen Erlöser und durch ihn auf Gott bezieht, indem er nur von dem Bewußtsein dieser Abhängigkeit be- seelt wird und keine andere als die darin begründete anerkennt, er eben dadurch sich unabhängig fühlt von allen Gefchöpfen, von allem Weltlichen, welcher Art es auch sei; daß er in dem Bewußtsein dieser inneren Unabhängigkeit handelt, durch den beseelenden Geist Christi alles beherrscht und sich keinem Menfchem keinem Verhältnisse dienstbar macht, daß nichts so auf ihn einwirken kann, um ihn anders, als es der Geist Christi verlangt, zu bestimmen (1· Cor. 7, 31 ff.; 6, 12; Z, 22). Diese von dem Glauben ausgehende, wie alles Christliche im Jnneren begründete Freiheit und Welt- beherrschung kann sich aber auch unter allen äußer- lichen Beschränkungen offenbaren, und sie erweiset sich gerade dadurch, daß diese äußerlichen Beschränkungen für den über dieselben erhabenen, in dem Glaubens- bewußtsein sich von allem unabhängig fühlenden Geist etwas Beschränkendes u sein aufhören; Paulus-be- weiset seine christliche Freiheit gerade darin, daß er zum Besten Anderer, um alles dem Geiste Christi dienstbar zu machen, alles so zu behandeln, wie es zur Förderung des Reiches Gottes am meisten dient, durchaus frei in alle Formen der Abhängigkeit eingeht (1. Cor. 9, 19) — der von allem Freie, der sich Allen dienstbar macht. (Neander.) 2. Einer [wer nämlich zu den Starken 15, 1 zählt] glaubt, er möge allerlei essen [indem ja keinerlei Speise ihm an dem Leben in Jesu Christo hinderlich sei Matth. 15,11]; welcher aber schwach ist sim Glauben V. 1 und sich wegen der Götzen- opfer Gewissensbedenken macht, daß er unver- sehens an dergleichen Fleisch gerathen könne und nun sich damit verunreinigen würde 1. Cor. 8, 7], der ifset [einfach blos] Kraut [oder Gemüse, sich des Genusses von Fleisch sowie auch des Weines V. 17 u. 21 lieber ganz enthaltend]. 3. Welcher sdenn allerlei] isset, der verachte den nichtsals einen beschränkten und abergläubischen MenschenL der da nicht [allerlei, sondern nur Kraut] ifset ssondern schone sein Gewissen, das nun einmal ein ängstliches ist 1. Cor. 8, 12]; nnd welcher [Fleisch] nicht isset [sondern dessen sich enthält], der richte den nicht sgleich als wäre er ein gewifsenloser Mann, der des rechten christ- lichen Ernstes ermangele], der da ifset, denn Gott hat ihn sin seine Gnadengemeinschaftdurch Christum] ausgenommen sGottes Auserwählte aber soll man nicht beschuldigen Kap. 8, 33 f.; 15, 7]. 4. Wer bist du, daß du einen fremden Knecht sder nicht dein, sondern eines Andern Knecht ist] richtest sindem du nach deinen selbstgemachten Geboten ihn meisterst Iak. 4, 12]? Er steht oder fallt seinem HErrn [nämlich Christo, der als der HCrr allein zu entscheiden hat, wer vor ihm stehen und bestehen soll oder nicht V. 9 f.; Luk. 21, 36]. Er mag aber sso sehr -dn auch dafür hältst, daß die Freiheit, deren er sich bedient, so viele Gefahren für seine Seele in sich schließe, daß er schließlich nothwendig zu Falle kommen müs e] wohl ausgerichtet werden sum bis an’s Ende sich aufrecht zu erhalten, ohne daß es zu einem Fallen mit ihm kommt]; denn Gott kann ihn wohl lzu beständigem Stehen im Glauben 1. Cor. 16, 13; Z— Cvrs l, 241 aufrichtenk [oder im Aufrecht- stehen beständig erhalten]. 5. Einer swer zu den Schwachen zählt] halt einen Tag vor den andern szieht ihn als heiliger den andern vor Gal. 4, 10; Col. L, 16]; der andere aber [vermöge seines stärkeren Glaubens] halt alle Tage gleichisp swill jeden Tag gleich heilig gehalten wissen]. Ein jeglicher sder eine sowohl, der zwischen den Tagen einen Unterschied macht, als der andere, welcher keinen macht] sei in seiner Meinung gewiß« sund stelle nun dieser seiner Ueberzeugung gemäß für s ein Theil sich zur Sache, vermeide aber dabei das Richten oder Verachten des Andern]. 6. Welcher auf die Tage hält sso denke von selbigem der andere Theil, der da stark ist im Glaubens, der thurs dem HErrn sihm will er damit dienen und nach seinem Willen leben, so gut er ihn erkennt]; und welcher nichts drauf hält, der sso denke nun seinerseits wieder der erste, schwächere Theil von ihm] thurs auch dem HErrn [indem er alle Tage in gleicher Weise heilig halten will]. Welcher sum hier wieder auf den in V. 2——4 besprochenen Unterschied zurück- zukommen, allerlei] ifset, der isset dem HErrn ffo halte sich der schwächere Theil, der ihn essen sieht, 140 Römer 14, e. überzeugt], denn er dunkel Gott [indem er sein Tischgebet auch über dem Fleische hält, das er genießen will, was er ja nicht thun würde, wenn er fürchten müßte, mit folchem Genusse Christum zu verlieren und von der Gnade zu fallen Gal. 5, 4]; welcher nicht isset, der sfo halte auch andrer- seits der im Glauben Starke sich von ihm über- zeugt] isset dem HErrn nicht lmeidet des! Fleisch- und Weingenuß um Christi willen, daß er in feiner Weise ihm treu verbleibe], und danket Gott-s- süber seiner geringeren Speise, dem Kraut, weil er der Meinung ist, daß eben mit solcher Ent- haltsamkeit er am besten das Interesse seines HErrn wahrnehmes V) Aus der vorwiegend heidenchristlichen Zusammen- setzung der römischen Gemeinde, wie aus dem Einfluß paulinischer Perfönlichkeiten in ihrer Mitte (vgl. Kp. 16), folgt, daß wir bei ihr, namentlich zur Zeit unseres « Briefes, die christliche Lehr- und Lebensrichtung des Paulus voraussetzen müssen, welcher auch manche Christen aus den Juden, wie Aquila und Priscilla angehörtenx das schließt jedoch nicht aus, daß eine kleinere Fraction daselbst judaisirte, wenn man diesen Ausdruck gebrauchen will, nur ist dabei jeden- falls nicht an den exclufiven Judaismus der galatischen Jrrlehrer zu denken. Bevor das Gottesgericht über das erwählte Volk und die jüdische Institution in der Zerstörung des Tempels durch Titus erfolgt war, war die Beibehaltung der jüdischen Bräuche, zumal von Seiten der Judenchristen Palästina’s, durch welche sie nur auf die für das christliche Heil zunächst ver- ordneten Volksgenossen einwirken»konnten, nichtsKrank- haftes, sondern naturgemäß (l. Tor. 7, 17 ff.), wenn jene nur nicht in pharisäischem Sinne zur nothwendigen Bedingung der Seli» keit gemacht wurden. Jnftructiv für die Ansicht des aulus ist die in dieser Beziehung noch wenig beachtete Stelle unsers Briefs: Kapj 4, 11 ff; zu dem geistigen Samen Abrahams, d. i. der wahren Christenheit, die denselben rechtfertigenden Glauben hat, werden hier gerechnet: l) solcheHeid en- Christen, die, ohne sich beschneiden zu lassen, den rechtfertigenden Glauben besitzen, den auch Abrahani in der Vorhaut hatte (,,die da glauben in der Vor- Haut« V· 11); und-Z) Jud enchristen, die den recht- fertigenden Glauben haben, und zwar a) solche, die ,,nicht aus der Beschneidung allein sind« (V. 12a), sie nicht zur alleinigen, mithin nothwendigen Bedingung des Heils machen (Gal. 5, Z; Apostg. 15, 1),«sie nicht auch von den Heiden fordern, wenn sie für ihre Person sie auch befitzen und das mofaifche Gesetz beobachten, b) solche,· welche auch für ihre Person das mofaifche Gesetz, nicht mehr oder doch nur unter Umständen beobachteii, also »in den Spuren des vorhautlichen Glaubens Abrahams wandeln« (V. 12bs, wie z. B. Paulus selber und die paulinischen Judenchristen. Während hiernach Paulus folche Judaisten, wie die des Galaterbriefs, welche die Beschneidung als noth- wendige Bedingung des Heils ansehen und die Beob- achtung des mosaischen Gesetzes fordern (,,die vom Gesetz« Kap. 4, 14), von dem geistigen Samen Abrahams und dem Erbe der Verheißung ausschließt, rechnet er dagegen solche zum geistigen Abrahains- samen, welche für ihre Person das mofaifche Gesetz noih beobachten, ohne jedoch feine Erfüllung für zum Heile nothwendig zu halten und es den Heiden auf- zuerlegen, wie sie namentlich in Palästina sich fanden; denn auch sie glaubten durch die Gnade des HErrn Jesu selig zu werden (Apostg. la, 11; Pl, 20 ff.). Zu dieser Klasse von Judenchriften gehorte denn die judaifirende Fraetion in Rom, mit welcher die stark- gläubige Majorität Frieden halten soll; letztere bestand vorwiegend, wenn auch nicht ausschließlich (da Paulus in Kap.15,1fich mit ihr zusammensaßt), aus ge- borenen Heiden. Während nun der Starkgläubige wegen seiner höheren Erkenntniß aus den schwach- gläubigen Judenchriften leicht verächtlich herabfah, war dieser in seiner Serupulosität geneigt, jenen zu richten, d. h. sein freies Verhalten als leichtfertig und sündlich zu tadeln, ohne gerade ihm die Seligkeit abzusprechen. Daß unter den Schwachgläubigen Christen aus den Juden zu verstehen sind, geht bestimmt daraus hervor, daß sie einen Unterschied zwischen reinen und unreinen Speisen statuiren und auch einen 1Interschied zwischen den Tagen machen, also an den jüdischen heiligen Zeiten, vornämlich den Sabbathen noch fest- halten; in ersterer Hinsicht aber geht ihr Verhalten über die Speisegebote des Pentateuch hinaus, wenn sie kein Fleisch, sondern Gemüse essen, und auch keinen Wein trinken (vgl. zu Col. 1,17). Jst damit eine gänzliche, nicht blos zeitweilige Enthaltung ausgesagtz so war sie wohl in einer ascetischen, durch das sittliche Streben nach Beherrschung der Materie motivirten Lebensweise begründet, wie sie nach der kirchlichen Tradition auch die Apostel Matthäus und Jakobus der Gerechte geübt haben sollen; man griff darauf zurück, daß dem Menschen ursprünglich die Pflanzenkost zur Nahrung angewiesen war (l. Mos.1, 29), Fleisch und Wein aber erst später hinzugekommen sei (l. Mos. 9, Z. 20 ff.), »und. nun konnte gerade in Rom sich der dortigen Ueppigkeit und Schwelgerei gegenüber in den ernsteren Gemüthern leicht eine Werthschätzung derEnt- haltsamkeitausbilden (Wiefeler.) Durch die Rabbinen war den Juden alles von den Heiden gefchlachtete Fleisch, sowie der Wein der Heiden verboten, um sich nicht durch etwas, was in Beziehung zum Götzendienst stand, zu verunreinigenz während nun die Juden von dem geselligen Zusammenleben mit den Heiden und die strengeren, namentlich die palästinenfischen Juden- christen auch von dem mit den Heidenchristen sich lieber ganz zurückzogen, ohne sich deshalb den Genuß des Fleisches und Weines überhaupt zu versagen (Apostg. 11, Z; Gut. 2, 12 ff.), thaten die Judenchristen von jener Fraction zu Rom ersteres nicht, fürchteten aber doch, wenn sie Tischgemeinschast mit den Heidenchristen unterhielten, durch den nicht leicht zu vermeidenden Genuß des auf den heidnischen Fleischmärkten käuf- lichen Opferfleisches und des Libationsweines sich zu verunreinigen nnd in entheiligende Gemeinschaft mit den Götzen zu treten, und trugen nun Bedenken, wenigstens in diesem ihrem Zusammenleben mit den Andern, die an derartige Besorgnisfe sich nicht kehrten, gerade Fleisch und Wein zu genießen, weshalb sie mit bloßem Gemüse sich begnügten (Dan. 1, 8 ff.). Einer solchen Glaubensrichtung pflegt der Apostel auch sonst als einer in der alttestamentlichen Gottesoffenbarung wurzelnden und auf der geschichtlichen Entwickelung des Volkes Israel ruhenden, wo sie sich nur nicht in direkten Gegensatz zur evangelischen Heils-lehre stellt, mit der zartesten Rücksichtnahme zu begegnen (1. Cor. 9, 20; Apostg. 16, Z; 18, 18. 21; 21, 20 sf.); ebenso hatte schon der Apostelconvent zu Jerusalem die be- sondere Aengstlichkeit der Judenchristen in Hinsicht auf die Unsauberkeit der Abgötter oder die Götzenopfer den Heidenchristen zur besonderen fchonenden Berück- sichtigung empfohlen (Apostg. 15, 20. 29; 21, 25). Nun finden wir als charakteristisches Kennzeichen der Der Starke verachte den Schwachen nicht, und der Schwache richte den Starken nicht! 141 »in genere aber Schwachen auch ,,das Halten eines Tages vor den andern«; die Judenchristen dieser Richtung dürften aber von jenen, welche nur Gemüse aßen, wohl zu unterscheiden sein als die strengeren, wahrscheinlich palastmensischen Judenchristen (Ap»stg». 21,·20ff.). Ihrer mochten nur wenige in Rom ansassig sein; daher ihr Tagewählen in V. 5 f. nur mehr beiläufig berührt wird.- (Philippi.) Es beruhte wohl daraus, daß der Sabbath von Anfang der Schöpfung an geheiligt war. (v.Hofmann.) Sowie der Name: »die Schwachen« kein unbedingter Tadel ist, so der Name: »die Starken« kein unbedingtes Lob; dem Schwachen gereicht seine Befangenheit zu einem gewissen Schutz, solange er seine Schwachheit rein hält, d. h. nicht zur Norm für Andere macht, dagegen gereicht dem Starken sein an sich berechtigtes Freiheitsgefühl zur Gefahr der Selbst- überhebung —- diese Sätze können durch die Beispiele frommer Katholiken und unfrommer Protestanten be- legt werden. Gleichwohl ist der Standpunkt des Starken an sich der höhere, und der Apostel bezeugt ausdrücklich: der Starke wird in seiner Glaubens- freiheit stehen bleiben; er spricht da nur von der Zu- kunft des Starken in genere, nicht von jedem Ein- zelnen, denn daß einzelne vermeintlich Starke der Gesetzlosigkeit verfielen, das hat er schon früh erfahren, hat sich sein Wort herrlich erfüllt (Lange.) M) Jn dem ,,hält alle Tage gleich« spricht sich die altapostolische Ansicht aus, die nicht besondere Feste unterschied, weil ihr das ganze Leben in Christo Ein Fest geworden war; mit dem Zurücktreten der Blüthen- zeit der Kirche mußte sich indeß alsbald das Bedürf- niß wieder geltend machen, in dem allgemeinen Fluß des Alltagslebens sestliche Lichtpunkte herauszuheben. (Olshausen.) Nach der idealen Auffassung soll das ganze Leben des Christen ein ununterbrochener Sonn- tag, jeder Tag und jede Stunde dem Dienste des HErrn gewidmet sein; und was uns hier als sittliche Aufgabe vorschwebh der wir ernstlich nachjagen sollen, das wird dereinst auch seine volle Verwirklichung finden in der ewigen Sabbathsruhe der Heiligen, die dem Volke Gottes verheißen ist (Hebr. 4, 1 ff.). Allein wie die sinnlich räumliche Beschränktheit unsers irdischen Lebens einen örtlichen Cultus verlangt, so macht der zeitliche Charakter unserer Existenz und die Natur unsrer Berufsgeschäfte schon der Ordnung halber die Aussonderung gewisser Stunden und Tage für aus- schließlich religiösen Gebrauch nothwendig. Während das Wo und Wann, zwar nicht der tieferen alttestament- lichen, aber doch der populären jüdischen sowie der heidnischen Gottesverehrung im Gegensatz gegen das Ueberall und Jmmer der christliche11 Gottesverehrung stand, kann sich dagegen die letztere unbeschadet ihres Universalismus an Ort und Zeit accommodiren, und thut es auch, bis die irdische Ordnung der Dinge ganz in ein himmlisches und ewiges Dasein verklärt sein wird. Aehnlich verhält es sich ja auch mit dem Ge- bete: wir sollen immer in Gebetsstimmung und im Gebetsgeiste, unser ganzes Leben soll ein ununter- brochenes Gebet sein (1. Thess 5», 17); dessen unge- achtet müssen wir zu gewissen Zeiten im engeren Sinne beten und unser Herz in Bitte, Fürbitte und Dank- sagung vor Gott ausschütten Von diesem Gesichts- punkte aus sind denn die festlichen Zeiten der Kirche zu betrachten, nicht als ein jüdisches Joch, sondern als eine heilsame und unentbehrliche Ordnung der evangelischen Freiheit, in der sich der Christ freudig und dankbar bewegt, über das Geräusch des alltäglichen Lebens und Treibens zum Genusse der himmlischen Geistesfeier sich emporschwingt und alle seine Berufs- geschäfte zum Dienste Gottes weiht. Sie sind nicht ein Abfindungsquantum so daß man, wie leider noch heutzutage von vielen Christen in ihrer fleischlich jiidischen Gesinnung geschieht, seine Frömmigkeit auf den Sonntag und die Betstunden beschränkt und da sozusagen seine Rechnung mit Gott wieder für eine ganze Woche in’s Reine bringt, um in dieser der Welt desto ungehinderter zu dienen; sondern sie sind ein Mittel, um immer mehr zu dem Beten ohne Unterlaß zu gelangen und den Zustand herbeizuführen, wo der Unterschied zwischen profanen und heiligen Zeiten verschwinden wird, wo wir allezeit vor dem Stuhle Gottes sein und ihm dienen werden Tag und Nacht. (Schuff·) EIN) Gewiß werden kann man nur der Meinung, die auf einem göttlichen Grunde ruht; daher will der Apostel damit nicht abmahnen von der Erforschung der göttlichen Wahrheit und die Schwachen aus den Sandgrund ihres eigenen Meinens bauen lassen, son- dern gerade durch das Trachten nach Gewißheit, durch immer weiteres Forschen solle jeder von ihnen wahr- haft befestiget werden. (v. Gerlach) Der folgende Vers ist dann ein Leitstern, nach welchem jeder in seinem Geistesleben seiner Ueberzeugung gewiß werden soll: je mehr Einer seine Meinung religiös zu heiligen, vor den HErrn zu bringen, in Danksagung zu ver- wandeln sucht (statt richtend über den Andersdenkenden sich zu erheben oder verächtlich auf ihn herabzublicken), desto mehr muß er dazu kommen, im Lichte Gottes Wahres und Falsches zu unterscheiden. (Lange.) Die beiden Richtungen finden sich in der Christenheit bis auf diesen Tag, und selten verstehen sich ihre Vertreter völlig; der Unterschied zwischen jetzt und der Apostel-- zeit liegt nur in dem Gegenstande, um welches willen die strengere und die freiere Richtung von einander abweichem Jn unsern Tagen sind die Fragen, über welche die Anschauungen auseinander gehen, z. B. die, ob ein Christ Blut essen dürfe, ob er Branntwein trinken, Tabak rauchen dürfe, ob er sich an Tanz und Concert und Schauspiel betheiligen dürfe; darum ist es sehr wichti für uns, daß wir in unserm Kapitel sowie im 1. Forintherbrief bestimmte und klare Wei- sungen des Apostels besitzen auf die solche Streitfragen entscheidenden Grundgedanken» (Wangemann.) Von jeher hat man in der Kirche die apostolische Unter- weisung auf das Verhalten der Christen in allen sog. Mitteldingen (adiaph0ra) bezogen, d.h. in Dingen, die von Gott weder geboten noch verboten sind. Daß Branntwein an sich selbst schädliches Gift sei, also der Genuß desselben eine Sünde wider das fünfte Gebot, ist eine Sage, die schwerlich begründeter ist als manche andere Gift-Erklärung, wonach z. B. auch Kaffee und Tabak Gifte wären. Etwas Anderes dagegen ist es, wenn Manche Bedenken tragen, mit Danksagung etwas zu trinken, was der Teufel zu einer Mordwasfe an jämmerlich vielen Menschen macht; ebenso, wenn der- gleichen Genüsse, die über des Leibes Nothdurft hinaus-- gehen, einen Christen entweder an der Liebe des Nächsten hindern, daß er dem Armen abbricht, was er zur gütlichen Leibeswartung verbraucht, oder an der unbeschwerten, nüchternen und munteren Hingabe Leibes und der Seele an den Dienst Gottes mit Beten und Arbeiten, so sind es ihm keine Mitteldinge mehr, sondern Dinge wider die Liebe Gottes und des Näch- « sten, die er nicht mit Danksagung genießen kann. Wer sich aus Scheu vor Hinderun an einem heiligen Leben in der Liebe möglichst bedürfnißlos hält, thut Jeden- falls wohl; auch der thut nicht Unrecht, wer der Ver- suchung, irgend welchen Genusses Knecht zu werden, durch gänzliche Enthaltung sich entzieht als im Gefühl 142 Römer 14, 7——15. seiner Schwachheit. Aber nicht richtig nach dem Glauben und der Liebe handeln diejenigen, welche ihre eigene Wahl und Weise in dergleichen äußerlichen Dingen zu einem wesentlichen Stück des christlichen Lebens machen mit Richten der Brüder, die andere Weise halten. (Besser.) · f) Der Apostel setzt selbst in Liebe von jeder der beiden Parteien voraus, was er will, daß eine von der andern voraussehen soll; seine Ausdrucksweise enthält eine indirecte Aufforderung zur gegenseitigen Anerkennung und Duldung und zugleich eine mittel- bare Ermahnung zur Selbstprüfung für jeden Ein- zelnen, ob er auch der vertrauensvollen Voraussetzung des Apostels entsprechend gesinnt sei und handele. Gleichwie nun aber die hier ausgesprochene Voraus- setzung, so schließt auch die in den nächsten Versen folgende eine indirekte Aufforderung zur Selbstprüfung und zur wirklichen Erfiillung des Vorausgesetzten in sich; wie nämlich der Apostel an unsrer Stelle voraus- setzt, daß das auf die Tage Halten und das nicht darauf Halten, das Essen und nicht Essen dem HErrn zu Dienst und Ehren geschehe, so setzt er nachstehend voraus, daß überhaupt keiner unter den Christen sich selber, sondern jeder dem HErrn lebe und sterbe, wo- durch eben die Richtigkeit der ersten Voraussetzung be- gründet wird. Denn wer sich im Allgemeinen und Ganzen dem HErrn gewidmet hat, der hat sich ihm auch im Einzelnen und Besonderen gewidmet. 7. [Wenn ich aber in der eben angegebenen Weise annehme, daß die einen unter euch eben- sowohl wie die andern das, was sie thun oder nicht thun, nicht sich selber, sondern dem HErrn thun oder nicht thun, nicht sich selber zu Ehre und Dienst, sondern dem, der unser aller Haupt ist; so nehme ich nicht mehr an, als was bei Christenja wirklich der Fall ist-J Denn Unser keiner ldie wir uns nach Christo nennen] lebt ihm selber sführt sein Leben so, als ob der eigene Wille ihm Gesetz und die eigene Person ihm Zweck wäre und er also seinem Vortheil und seiner Ehre nachjagen dürfte], Und keiner stirbt ibm selber [2· Cor. 5, 15]. 8. Lebe-mir, so leben wirdemHErrn sJesu Christus; sterben»w1r, so sterben wir demHErrn. Darum wirleben oder sterben, so sind wir des HErrtti sin allen Voxnahmen 1. Cor. 10, 31., wie in allen Widerfahrnissen sein Eigenthum]. 9. Denn dazu ist snach göttlicher Absicht] Christus auch gestorben und auferstanden und wieder lebendig worden snach der Auf- erstehung auf’s Neue in ein zu der Menschenwelt in Beziehung stehendes Leben eingetreten], daß er uber Todte und Lebendige HErr sei« fund dereinst auch alle sie richte Apostg 10, 42z 2. Tim. 4, l; damit aber sind wir, gleichwie verpflichtet, so auch ermächtigt, ihm zu leben und zu sterben 1. Thess. b, 9f.]. · V) Es ist hier nicht von unsrer ob1ectiven, sondern von unsrer subjectiven Abhängigkeit von dem HErrn die Rede; denn daß Leben und Tod in seiner Hand stehen, damit wäre nur ein allgemein menschliches, kein spezifisch christliches Verhältniß ausgedrückt. Ebenso ist bei dem Satze: ,,sterben wir, so sterben wir dem HErrn« nicht an ein dem HErrn Leben nach dem Tode, sondern an ein dem HErrn Sterben beim Ende des gegenwärtigen Lebens zu denken. Es tritt also hier das naturnothwendige Sterben in der Form eines sittlich freien, Gott wohlgefälligen Aktes auf; nicht nur opfert der Christ sein Leben im Dienste und zur Ehre des HErrn in freiwilliger Hingabe, sondern er erduldet auch den Tod im Gehorsam gegen das gött- liche Verhängniß in freudiger Annahme, während da- gegen derjenige sich selber lebt und sich selber stirbt, der im Eigenwillen oder im Unwillen lebt und ebenso im Unwillen oder im Eigenwillen stirbt. (Philippi.) Auch das Sterben des Christen — in so idealer Weise ist sich Paulus der sittlichen Macht und Weihe der Lebensgemeinschaft mit Christo bewußt — ist ein sitt- licher Akt im Angehörigkeitsverhältnisse zu Christo, in welchem mit seinem Leben gestanden zu haben und nun auch mit seinem Sterben zu stehen der Christ im Tode fühlt und weiß; das ist das selbstbewußte »in dem HErrn« Sterben (Offenb. 14,13., vgl. Phil. 1, 20; Rönn 8, 38. (Meyer.) Dem Halten und Nichthalten, »dem Essen und Nichtessen (V. 6) liegt ein stärkerer Gegensatz zu Grunde, das Leben und Sterben; beide aber fallen darin zusammen, daß wir des HErrn, ihm angehörig sind. (Lange.) M) Luther übersetzt nach der herkömmlichen Lesart im Grundtextez nach der wohl richtigeren, einfacheren Lesart aber müßte es heißen: ist Christus ge- storben und lebendig worden. Nicht das betont hier der Apostel, daß der HErr nicht im Tode geblieben, sondern daß er gestorben und so aus dem Tode in sein jetziges Leben eingetreten ist; dadurch hat er ein Leben gewonnen, in welchem der Gegensatz von Leben und Tod aufgehoben und er unser HErr ist, gleichviel ob wir leben oder sterben. Jn solchem Rechte seiner ob- jeetiven Herrenstellung im Verhältnisse zu uns liegt denn aber weiter die Pflicht unserer subjectiven Knech- tesstellung im Verhältnisse zu ihm begründet. Nach dieser andern Lesart nun besteht zwischen Vorder- und Nachsatz ein Parallelismus: auf der einen Seite entsprechen sich die beiden Worte: ,,gestorben« und ,,Todte«, auf der andern: ,,lebendig worden« und ,,Lebendige«. Die Ausleger erklären das mit Be- rufung auf Kap. 10, 10 in der Regel ftir einen blos formalen Parallelismus, so daß Paulus nicht sagen wolle, Christus sei gestorben, damit er über Todte HErr sei, und wieder lebendig geworden, damit er’s Über Lebende sei; und allerdings ist dieWechselbeziehung der Ausdrücke insofern blos formell, als einerseits das ,,Sterben und Lebendigwerden« und andrerseits das ,,Todte und Lebendige« zusammengenommen werden muß in dem Sinne: durch Tod und Auferstehung zu- sammen hat Christus das Herrenrecht gemeinsam über Todte und Lebendige erworben. Jndessen liegt doch dem formalen Parallelismus nach 1. Petri 3, 18f.; Ephef 4, 9 f.; Phil. 2, 10 f. auch ein materialer zu Grunde. 10. Du aber sder du nicht issest], was richtest du deinen Bruder sder da ifset, als» nähme er’s mit seinem Christenthume nicht ernst V. 3]? Oder du anderer sder du issest], was verachtest du deinen Bruder sder da nicht isset, als wäre er ein beschränkter Kopf, ein engherziger Thor]? Wir werden alle sdie einen sowohl, die auf freierem Standpunkte stehen, als die andern, die ängstlicheren Gewissens sind] vor den Richistnhl Christi dargestellt werden-« sum aus dem Munde erweisen, sondern er will darthun, daß Das richtet, daß niemand seinem Bruder einen Anstoß oder Aergerniß darstelle! 143 dessen, der der HErr ist über Lebendige und Todte V. I; Joh. 5, 27., unser Urtheil zu em- pfangen 2. Cor. s, 10]; 11. Nachdem [oder: gemäß dem, daß] ge- schrieben stehet sin Jes. 45, 23., welchen Spruch man auch auf den jüngsten Tag beziehen kann, wo sein Inhalt zu vollkommener Erfüllung kommt]: So wahr, als ich lebe, spricht der HErr, mir sollen alle Kniee gebeuget werden sPhil 2, 10], und alle Zungen sollen Gott sals den alleinigen HErrnJ bekennen» 12. So wird nun swir wir aus diesem Schrift- worte erkennen] ein jeglicher lohne Ausnahme, da ja dort von allen Knieen und allen Zungen die Rede ist] für sieh selbst Dereinst] Gott Rechen- schafi geben [über sein Thun und Lassen hier aus Erden und also gegenwärtig vor allem darauf sehen müssen, wie er alsdann selber bestehen möge Matth. 12, IS; Gab 6, 5]. 13. Darum lasset uns nicht mehr swie es leider noch vielfach von uns geschiehet] einer den andern richten [1. Eor 4, 5], sondern das richtet vielmehr sstatt ein richtendes Urtheil zu fällen, fasset vielmehr ein s ittl-iches Urtheil, indem ihr’s euch zu einem Lebensgrundsatz macht], daß niemand fund da wende ich mich besonders an euch, die Starken, die ich schon in V. 1 ermahnet habe, die Gewissen nicht zu verwirren] seinem Bruder einen Anstoß oder Aergerniß darstellettt sin den Weg lege, darüber er zu Falle kommen könnte] is) Das ,,du aber«, womit der Apostel diesen Vers anhebt, deckt den Contrast auf, in welchem das von ihm gerügte Richten einerseits und Verdammen andrer- seits (welches letztere aber auch ein Richten in sich schließt) mit Christi Herrschast steht. (Meyer.) Oben (V. 4) stand das »du« im Gegensatz zu dem fremden Knechte, der aber nun als Bruder bezeichnet ist. Wie aber das Richten über den Bruder in das Herrscher- amt Christi eingreift, so greift es auch seinem Richter- stuhl vor. (La»nge.) » » v IV) Merkwurdig ist diese Stelle, wie auch schon V. 8 u. 9, dadurch, daß sie ein so starkes Zeugniß für die Gottheit Christi enthält, ja daß sie zeigt,.wie nahe es dem Apostel lag, das, was im alten Testament von dem allerhöchsten Gott ausgesprochen wird, ohne Weiteres auf Christum zu beziehen. (v. Gerlach.) Zwar will der Apostel hier nicht die Gottheit Christi wir vor keinem menschlichen, sondern vor Christi Richterstuhl dar- gestellt werden sollen, weshalb auch in dem Citate wohl auf ,,mir« und »Gott« der Nachdruck ruht; indem er nun aber seinen Erweis durch eine Belegstelle führt, in welcher Gott, der HErr, als HErr und Richter auftritt, folgt unmittelbar von selbst, daß mit dieser Bezeichnungx »Gott der HErr« Christus gemeint sei — markirt doch auch sonst beim Apostel das »HErr« als Prädikat Christi diesen als den Jehova des alten Bandes; daß er aber speziell die hier citirte Jesaias- Stelle direkt auf Christum bezogen, zeigt Phil ·2,10f. lPhilippiå · , IN) Bisher hat der Apostel·gezeigt, daß der, welcher nicht ißt, weder von wegen des Andern (V. 3—9), noch von wegen seiner selbst (V. 10——12) Ursache oder Berechtigung habe, den ungiinstig zu be- urtheilen, welcher ißt, und daß ebensowenig letzterer Ursach oder Berechtigung habe, auf den ersteren gering- schatzig herabzusehenzxetzt dagegen geht» er zu einer Weisung uber, die sich fast ausschließlich auf das Essen bezieht. Denn wer nicht ißt, kann hieran nichts ändern, weil er innerlich gebunden ist, nicht zu essen; dagegen wer ißt, kann das Essen lassen, weil er innerlich frei ist, es so oder anders zu halten. (v. Hofmannh Alles ist an sich rein, sagt da der Apostel; aber es ist unrecht, nach diesem an sich wahren Prinzipe rücksichtslos zu handeln, da es eben nur an sich, aber nicht für deinen schwachen Bruder gilt. (Tholuck.) Dem Ansich der Sache wird die subjeetive Vorstellung von derselben entgegengestellt: gilt sie in dieser als unrein, so ist sie es auch wirklich für die betr. Person, welche in sittlicher Hinsicht durch den Genuß sich verunreinigen würde, indem sie thäte, was sie doch für unerlaubt hält. Während nun die Worte Anstoß oder Aergerniß in Kap. 9, 33 in gleichem Sinne verbunden sind, werden hier beide Ausdrücke durch ein ,,oder« grammatisch geschieden, und das Nach- folgende gestattet es nicht blos, sondern scheint es so- gar zu fordern, sie auch in verschiedenem Sinne zu nehmen, nämlich ,,Anstoß« von einem Anstoß gegen die fremde Ueberzeugung, welche nicht ein Wankend- werden der eigenen oder ein überzeugungswidriges Verhalten, sondern nur Unwillen oder Betriibniß (V.15) zur Folge hat. (Maier.) Der ängstliche Bruder kann sich entweder verbittern und noch mehr in seiner Befangenheit verhärten, oder aber in frivoler Weise über seine Gewissensbedenken sich hinwegsetzen (V. 23) und sich frei machen ohne Verständniß des Prinzips der Freiheit. (Lange.) 14. Jch weiß und bin-s gewiß in dem HErrn Jesu [spreche demnach keineswegs eine blos sub- jective Ansicht meinerseits aus, wie es unter Um- ständen wohl einmal geschieht 1. Cor. 7, 25 u. 40], daß nichts swie im vorliegenden Falle Fleisch und Wein V. 21] gemein lund mit der Heiligkeit eines Christen unverträglich] ist an ihm selbst [Matth. 15, 11; l. Cor.10,26; 1.Tim.4, 4 f.]; ohne der swie der»Schwache im Glauben thut V. I] es rechnet sur gemein, demselbigen ists gemein [ihn würde es allerdings verunreinigen oder entheiligen, wenn er’s genösse, weil er ja solches Genießen für unrecht hält und also sein Gewissen mit etwas, das für ihn Sünde ist, be- lastete V. 23; 1. Cor. 8, 7; Tit. 1, 15]. 15. sDarnach kannst denn du, der du glaubest, du mögest allerlei essen V. 2., wenn du es mit dir allein zu thun hast V. 22., allerdings auch demgemäß dich Verhalten] So aber swenn du es mit Andern zu thun hast] dein Bruder sdessen Gewissen ihm das Essen solcher Speise, wie du sie genießest, verbietet] itber deiner Speise be- trübet wird [indem er dich etwas essen siehet, wovon er meint, daß dadurch die Heiligkeit des Christenstandes überhaupt verletzt und insbesondere dir selber dein Verhältniß zu Christo beeinträch- tigt werde], so wandelft du schon [durch Erregung solchen Anstoßes V. 13] nicht nach der Liebe swelche dir vielmehr gebietet, dem Bruder die 144 Römer 14, 16— 23. 15, 1. 2. Betrübnis; zu ersparen, wenn sie gleich auf einem blos eingebildeten Grunde beruht]. Lieber [Richt. 4, 19 Am. 1], verderbe den nicht mit deiner Speise [dadurch, daß du vielleicht gar es ihm verleidest, zur christlichen Gemeinde übergetreten zu sein, da er hier ein Verhalten wahrnehmen müsse, das ihm als Zuchtlosigkeit und Ungebun- denheit erscheintL um welches willen Christus ge- storben ist [sondern hat er, der HErr, zur Be- seligung desselben selbst sein Leben daran gegeben, so gieb du, um ihn auf dem Wege zur Seligkeit zu erhalten, doch willig das Geringere, deine Speise und die an sich dir zustehende Freiheit, allerlei zu essen, daran]. 16. Darum schasfet sihr in der Gemeinde, die ihr das hohe Gut der Freiheit, die wir in Christo Jesu haben, ergriffen habt], daß [dieser] euer Schatz [1.Cor. 10, 29; 2. Cor. Z, 17; Gar. Z, 4] nicht verlästert werde svon denen, die kein Verständniß dafür haben und noch nicht im Stande sind, sie von Libertinage oder Ungebundenheit zu unterscheiden]. 17. [Solchen ängstlichen und befangenen Gemiithern gegenüber leistet denn auf den Ge- brauch eurer Freiheit Verzicht, um der Gemeine Gottes kein Aergerniß zu geben 1. Cor. 8, J; 10, 32; ihr erleidet damit keine Einbuße am Reiche Gottes, auf dessen Besitz es doch allein euch ankommen soll] Denn das Reich Gottes ist nicht Essen und Trinken sBesitz und Genuß desselben bestehet nicht darin, daß ihr auch that- sächlich esset und trinket, was ihr wollet, wozu ihr ja grundsätzlich allerdings die Macht habet V. 2 u. 14], sondern Gerechtigkeit fvor Gott aus dem Glauben an Christum Jesum] und Friede sin Folge der Versöhnung mit ihm] und Freude in dem heiligen Geiste fFreudigkeit des Gemüths, von dem im Herzen wohnenden heiligen Geiste bewirkt Kap 3, 22; 5, J; 8, 15 ff., vgl· Blum. 4 zu l. Thess. l, l]. 18. Wer darinnen fdiese drei Güter vor allem festhaltend und von ihrem Besitz bei allem sich bestimmen lassend] Christo dienet, der serntet den zwiefachen Segen, daß er] ist Gott gefällig und den Menschen werth [indem Gott ihn für einen ächten Bürger seines Reiches schätzt, Menschen aber, statt Anstoß an ihm zu nehmen, sich seiner vielmehr freuen und ihm nach- zuarten suchen]. 19. Darum fweil wir, die wir stark sind, unter Umständen auch wohl aus den Gebrauch der Freiheit, deren wir uns bewußt sind, ver- zichten können, ohne am Reiche Gottes etwas ein- zubüßen] lasset uns sim Verhältniß zu Schwachen] dem nachstreben, das zum Frieden dienet [dadurch, daß wir ihnen das Betrübtwerden V. 15 er- sparen], Und [dem nachstreben] was zur? Besserung unter einander dienet Dadurch, daß wir ihnen uns werth machen V. 18 und so am besten von ihrer Schwachheit sie heilen]. Solche Geister allerdings will Paulus nicht geschont oder geduldet wissen, welche ihre leibliche Uebung zu einem nothwendigen Stück des Reiches Gottes machen und den Reichsbefitz dadurch verdienen wollen, während sie denselben allen aburtheilen, die nach anderer Mei- nung ihr äußerliches Leben führen; aber wo es Brüder sind, Mitgläubige und Mitheiliga die solcher leiblichen Uebung warten nicht im Dünkel von Verdienst und überleier Frömmigkeit, sondern in der Furchtsamkeit schwacher Gewissen, die den empfangenen heil. Geist bei Nichtenthaltung von diesem oder jenem Genuß zu betrüben meinen, da soll die Erkenntniß, daß das Reich Gottes Gerechtigkeit Friede und Freude im heil. Geist ist, uns, die wir« diese Güter durch keinerlei Speise,- Kleider, Gebrauche u. s. w. vertreiblich halten, zur Liebesiibung und zu dem thatsächlichen Beweise an- treiben, daß wir das Reich Gottes nicht in das Haben und Brauchen der Dinge setzen, welcher jene sich ent- halten. Allerdings ist Freiheit dem Reiche Gottes wesentlich, dessen Bürger lauter Könige sind; es wäre aber eine ärmliche Freiheit, nicht nach dem Geiste des HErrn (Matth. 17, 25 ff.), wenn man ihrer verlustig ehen sollte durch Verzicht auf ihren Gebrauch in sseu und Trinken und andern Niitteldingen Vielmehr ist das die rechte Freiheit im Reiche Gottes, daß Christen vermöge des Glaubens ungebunden sind in ihrem äußerlichen Verhalten, und doch nach der Liebe in allen Dingen sich zu jedermanns Knecht machen können: wer allerlei essen und trinken müßte, wäre schon un- frei, gefangen genommen unter die Uebung seiner Macht (1. Tor. S, l2). Alles mögen Gottes Reichs- genossen thun und alles mögen sie lassen, wobei sie ihren Schatz unversehrt behalten, auch des Reiches Gut und Ehre, Gerechtigkeit und Friede und Freude im heil. Geist: G erechtigkeit durch den Glauben, woraus Friede mit Gott folgt (Kap. 5, l), und die Freude im heil. Geist (1. Thess 1, 6), welche nicht kommt und nicht geht, wie die Freude dieser Welt, sondern aller Gläubigen und Hausgenossen Theil ist (Kap. 15, 13), sie essen Fleisch und trinken Wein oder sie essen Kraut und trinken Wasser. (Besser.) Gerechtigkeit, Friede und Freude im heil. Geist ist eine schöne Stufenfolge; alle drei erlangt man nur durch den heil. Geist, aber mit der Gerechtigkeit —- der negativen, die in Vergebung der Sünden besteht, und der positiven, die in der Ertheilung des neuen Lebensstandes besteht — fängt es an, aus ihr erwächst dann der Friede, das wiederhergestellte richtige Verhältniß zu Gott, zu dem Nächsten, zum eigenen Gewissen, und das Bewußt- ein darum, und die» Frucht aus Gerechtigkeit und Friede endlich ist die Freude im heil. Geist, eine ungetrübte Seligkeit. (Wangemann.) 20. Lieber sso nehme ich meine Mahnung in V. 15 nach einer andern Seite hin wieder auf], verstbre nicht um der Speise willen [damit dieser, die ja immerhin nur ein nichtiges Ding bleibt 1. Cor. 6, 13., ihr Recht widerfahre, daß sie nämlich genossen werden dürfe und nicht, wie der Schwache meint, zu meiden sei] Gottes [Bau-] Werk sdas in demselben mit seinem schon vor- handenen, wenn auch noch mit mancherlei Schwach- heit behafteten Christenthnm angefangen ist Phil l, S; l. Cor. Z, 9., indem du etwa ihn ver- Was nicht aus dem Glauben gehet, das ist Sünde. 145 leiten wolltest, allerlei zu essen, wie du thueft]. Es ist zwar [wie ich bereits in V. 14 erklärt habe, an ihm selbst] alles rein; aber es fdas an sich Reine] ist nicht gut [sondern vielmehr ein siindlicher und die Verdammniß mit sich führender Genuß V. 23] dem, der es isset mit einem Anstoß seines Gewissens swelches so, wie es nun einmal gerichtet ist, den Genuß ihm verbietet, aber unter dem Essen gewaltsam von ihm unterdrückt wird]. 21. Es ist besser, du sder du ohne solchen Anstoß essen und trinken kannst, was du willst] essest kein Fleisch und trinkest keinen Wein, oder sthuest überhauptsnicht I. Cor. 10, 31] das, daran sich dein Bruder stößet oder ärgert oder sdariiber er sonstwie] schwach wird [selbst, wenn sein Schwach- werden nicht bis zu einem eigentlichen Anstoß- oder Aergernißnehmen fortschritte I. Cor. 8, 10 sf.; 10,32-—11,1]. 22. Hast du den Glauben [du mögest aller- lei essen V. 2], so habe ihn süberall da, wo du es mit schwachen Brüdern zu thun hast] bei dir selbst vor Gott [trage ihn aber nicht zum Anstoß für Andere öffentlich zur Schau 1. Cor.14,28 und 1iöthige ihn nicht denen, die ihn nicht von selber haben, zu einem Aergerniß für sie aus]. Selig ist [von solchen, die da essen, ausschließlich nur derjenige], der sich selbst kein Gewissen macht in dem, das er annimmt [oder zu thun sich erwählet hat, vielmehr sich dessen gewiß ist, daß er so recht thut, wie er eben thut V. 5]. 23. Wer aber darüber zweifelt sob das Essen, um welches es sich handelt, auch recht sei], Und isset doch lsich damit auf die Seite der Stark- gläubigen stellend, ohne doch ihnen innerlich an- zugehören], der ist verdammet sdem göttlichen Verwerfungsurtheil anheimgefallen Joh. 3, 18]; denn es gehet ssein Thau] nicht aus dem Glauben sfondern aus Lllienschenknechtschafh sei es Menschen- furcht oder Menschengefälligkeit, hervor]. Was aber sdies der hier in Anwendung kommende allgemeine Grundsatz] nicht aus dem Glauben gehet, das ist Sünde. Nun verstehen wir, warum dem Apostel so mächtig viel daran liegt, daß die fchwachen Anfänger im Christen- glauben, die dessen Tragweite in das ganze äußerliche Leben hinein noch nicht durch Erfahrung erprobt haben, liebreich aufgenommen und nicht im Gewissen verwirrt werden; als zarte Pflänzlein will er sie behandelt sehen, die man nicht bestürmt mit Suchen von Frucht, wie sie die Sonne zeitigt an stämmigen Bäumen, noch dem Wetter aussetzt, welches den festgewurzelten Eichen gut ist: sie stehen in« Gefahr zu verlieren, was sie haben, wenn man ihnen anmuthet zu leisten, was sie nicht vermögen. (Besser.) Man mißverstehet das Wort: »was nicht aus dem Glauben gehet, das ist Sünde«, wenn man mit Augustin den Satz daraus herleitet, alle Tugenden der Heiden seien glänzende Laster, ebenso alle bürgerliche Gerechtigkeit unbekehrterChriften beurtheilt, desgleichen alles Culturleben der Gegen- wart; es ist schon mißlich, wenn man die Gläubigen Dcichseks Bibelwertä VIL Band. T. Aufl. als fertig betrachteh aber noch mißlicher, wenn man: von diesen nur fertige Ungläubige unterscheider Unser Wort bezieht sich gar nicht auf Heiden oder unbekehrte Christen, sondern recht eigentlich auf erweckte Bekenner des Evangeliums; an diese richtet es die Aufforderung, alles zu lassen, was sie nicht mit voller Freudigkeit des Glaubens thun können. (Lange.) Der Christ versündigt sich mit allem, was er anders als auf Grund seiner Glaubenszuversicht zu Gott thut: wozu sie ihn nicht berechtigt, dazu hat er kein Recht; leidet er also an einer Schwäche derselben, mit der ja ihre Lauterkeit sich gar wohl verträgt, so muß er fich alles dessen enthalten, was bei ihm der Voraussetzung entbehren würde, unter welcher allein es christlich recht gethan ist. (v. Hofmannh Wo es sich um positive Gebote oder Verbote Gottes handelt, da hat die sub- jektive Ueberzeugung gar keine Stimme; in Adiaphoris aber — d. h. nicht in sittlich indifferenten Verhältnissen, denn die giebt es überall nicht, sondern in solchen, für die keine objektive Norm möglich, weil sie durch Um- stände bald sittlich gut, bald verwerflich werden können, in denen die größere oder geringere Entwickelung der Subjektivität von Einfluß ist —- ist die momentaiie persönliche Ueberzeugung oder der Glaube der ent- scheidende Bestimmungsgrund. Man kann daher auch nicht sagen, der wahre Glaube, die richtige Ueber- zeugung allein darf der entscheidende Bestimmungs- grund zum Handeln sein, nein, auch der objektiv falsche! Die Ueberzengung dieser Asceten in Rom war eine objektiv falsche; und doch räth ihnen Paulus, derselben gemäß solange zu handeln, bis sich in ihnen das christliche Leben zu einer reineren Ueberzeugung durchgebildet habe. (Olshausen.) Das 15. Kapitel. Warum die Schmachgliiubigeii mit igeduld zu tragen, und mie man zum christlichen Leben kommen inäge I. Wir aber, die wir [ogl. Kap. 14, 14 u. 20] stark sind, sollen sstatt diejenigen, die es nicht sind, zu einem Thun zu verleiten, das wider ihr Gewissen wäre] der Schwachen Gebrechlichkeit tragen sindem wir ihrem Standpunkt so viel als möglich uns anbequemen 14, 21 f.; Gal. 6, Z; 1. Cor. 9, 22], und nicht Gesallen an uns selber haben« sdaß wir dächten, wir müßten unsern eigenen Standpunkt um jeden Preis zur Geltung bringen 1. Cor. 10, 33]. 2. Es stelle sich aber [vielmehr, da uns eben nicht gebühren will, daß wir an uns selber Ge- ifallen haben] ein jeglicher unter uns [gerade hier- durch als die Starken, die alles vermögen durch Christum Phil. 4, 13., uns Beweisend] also sin " seinem ganzen Verhalten, sei es Thun oder Lassen], daß er seinem Niichsten gesalle zum Guten, zur Besserung« [oder Erbauung 1. Cor. s, 1., also für den Zweck und mit dem Erfolge, daß dieser sich im Guten fördern und in seinem Glaubens- leben weiter bringen läßt und so auch zu einem Starken heranwachse]. 10 146 Römer 15, 3—7. 3. Denn [was das am Schluß des 1. Verses Gesagte betrifft] auch Christus sder ja in allen Dingen und für alle« Verhältnisse unser. Vorbild ist 2. Cor. 8, J; Ephes. 5, P; Phil 2, 5; I. Petri 2, 21; Heim. 12, 21 nicht an ihm selber Gefallen hatte sdaß er irgendwie seine eigene Ehre gesucht hätte], sondern [mit seinem ganzen Leben verhält es sich also], wie sin Pf. 69, 10 prophetisch von ihm und aus seiner Seele heraus] geschrieben stehet: Die Schmache sSchnzähungens derer, die dich [Gott] schmahen, sind uber mich gefallenkstt F) Jm natürlichen Leben wird das Schwache durch das Starke vielfach niedergedrückt, vergewaltigt; im Reiche des Geistes dagegen ist mit der Stärke schon die Bestimmung und Pflicht ausgesprochem die Schwach- heiten der Schwächeren zu tragen. Diese Schwach- heiten sind allerdings eine Last und somit eine Hem- mung für den Fortgang der Starken; allein um die Schwachen mitzunehmen, müssen sie ihre Schwachheiten auf sich nehmen, wie dies Gesetz ist bei einem Reife- zug. Das Tragen besteht aber nicht blos im Dulden, sondern viel mehr noch im Schonen. (Lange.) Indem sich hier die Ermahnung an die Stärkeren fortsetzt, geschieht dies mit Erweiterung ihrer sachlichen Be- ziehung; denn sie geht nicht mehr blos aus den einen und andern bestimmten Gegenstand der christlichen Frei- heit, sondern auf alles, was in diesem Betresf Schonung und Selbstverleugnung gegen die Schwachen fordert und worin sich die Sorgfalt für ihr Heil bethätigen kann. (Maier.) «) Suchst du nur Gottes Willen und nicht deine Meinung, so wird der Nächste auch Vertrauen zu dir fassen, und du wirst aus ihn Einfluß gewinnen; während er, solange er den widerwärtigen Anblick hat, daß du dir selber gefällst, sich von dir wenden wird. (Wange- mann .) » Ist) Uebernahm Christus, um Gott zu gefallen, in selbstverleugnender Hingebung an Gottes Sache die ärgsten Schmähungen der Gottesfeinde, so geht daraus hervor, daß er nicht sich selbst zu gefallen lebte. So wäre also nur das negative: ,,er hatte nicht Gefallen an ihm selber«, nicht auch das positive: »dem Nächsten gefallen zum Guten, zur Besserung« belegt: es genügt aber auch an jenem Ersten. Denn wer nicht sich selbst zu gefallen lebt, sondern, Gott zu gefallen, Schmach erduldet, der wird auch, da Gottesdienst immer zugleich Bruderdienst mit einschließt, eo ipso dem Nächsten zu gefallen suchen zum Guten, zur Besserung. (Phil1ppi.) (Epistel am 2. Sonntage des Advent) Ganz adventmäszig, ja ganz eigentlich von der Wiederkunft des HErrn Jesu spricht das heutige Evan- gelium (Luk. 21, 25 ff.); dagegen aber die Epistel, die wir hier lesen, wie paßt sie zum Evangelium und zum Adventsgedanken? Scheinbar spricht sie ja von etwas völlig Anderem, von der Geduld mit den Schwachen, von der Behandlung derer, die in die christliche Freiheit nicht einzugehen vermögen und den Gefreieten des HErrn Aufenthalt, Mühe und Beschwerden verursachen! Aber doch wird der Haupt- inhalt der Epistel, wie er in den letzten Worten der- selben angegeben ist, durch die Art und Weise, wie ihn der Apostel behandelt und durch die Begründung, die er unter feinen Händen findet, ganz adventmäßig und schlägt eine Saite aus der Offenbarung Gottes vom Ende der Welt und der Wiederkunft Christi an, die zwar nicht unter diejenigen gehört, welche häufig an- geschlagen werden, die aber neben dem gewaltigen Donner des heutigen Evangeliums eine süße, helle Melodie von der letzten Zeit anstimmt; denn unser Text will, daß wir in Kraft des heil. Geistes völlige Hoffnung haben oder überfließen an Hoffnung, d. i. an der sicheren, freudigen Aussicht auf das Ende der Weltperiode, in der wir leben, und den Beginn eines ewigen Reiches der Herrlichkeit (Löhe.) Es ist aber auch die Zeit der Heiden, von der unser HErr un- mittelbar vor dem Beginn unsers heutigen Evangelii redet (Luk. 21, 24), also die Annahme der Heiden, die Bekehrung der Völker zu Christo, ein rechter Advents- gedanke: Christus feiert seinen Advent nicht blos unter dem Volke, dem er verheißen ist (Matth. 21, 4 f.), sondern auch unter den Heiden, unter allen Völkern; es ist noch immer Adventszeit auf Erden, denn der HErr nimmt die Heiden noch fort und fort an, und die Heiden hoffen immer mehr auf ihn. Die Sonne, welche am 1.Adventssonntage aufgegangen ist, sie» neigt sich noch lange nichtzum Niedergang« sie steigt am Himmel der Gnade immer hoher auf und sendet ihr Licht in immer weitere Kreise und entlegenere Länder. Der Tag des Heils, welcher angebrochen ist (2. Cor. 6, 2., vgl. Röm. 13, 11 ff.), freuet sich wie ein Held zu laufen den Weg Pf. 19, S. (Nebe.) Vom Segen der Ankunft unsers HErrn Jesu Christi in der Welt: l) welchen Segen seine An- kunft der Welt bereits gebracht hat, 2) wie wir dazu helfen können, daß dieser Segen der Welt in immer ausgedehnterem Maße zu gute komme. (Baur.) Die Ermahnung zur Liebe und zur Hoffnung als eine Ermahnung des Advent: l) die Ermahnung zur Liebe, und zwar a. zu einmüthigem Sinn, b. ein- müthigem Wort und c. eininüthigem Werk; 2) die Ermahnung zur Hoffnung, von dieser Hoffnung lesen wir zu Anfang und zu Ende des Tertes, und so giebt es auch a. eine angehende, b. eine voll- endete Hoffnung. (Westermeier.) Wozu uns der Heiland auffordert, der da kommt: l) zur Ge- duld unter den Leiden dieser Zeit, 2s zu einerlei Ge- sinnung gegen die Brüder, 3) zu völliger Hoffnung in des heil. Geistes Kraft. (Sommer.) Das Glaubens- leben in der Liebe Christi: es zeigt die Christen l) verbunden unter sich, 2) gebunden an Christum. (Berk.) Die Einigkeit der Christenheit bei aller ihrer Verschiedenheit: l) einerlei sind sie unter einander gesinnet nach Jesu Christo, 2) ein- müthiglich loben sie mit Einem Munde Gott und den Vater unsers HErrn Jesu Christi. (Couard.) Der Heiland ist gekommen: 1) an dieser Wahrheit wollen wir bleiben, 2) dieser Wahrheit wollen wir uns getrösten, Z) aus dieser Wahrheitwollen wir unter einander leben und in ihr wandeln. (Petri.) Was ist das Leben eines ernsten Christen? 1) ein Leben in der heil. Schrift, daß er wachse in heilsamer Erkenntnißx 2) ein Leben in der Nachfolge Christi, daß er fortschreite auf dem Wege der Heiligung; B) ein Leben in der Hoffnung, daß er Geduld be- weise und Trost genieße in den Nöthen dieser Welt. (Eig. Arb.) 4. Was aber sum zum Schluß bei der Schrift des alten Testaments, auf die ich soeben V. 3 Beziehung nahm, eure Gedanken noch etwas langer festzuhalten] zuvor geschrieben ist, das ist falles mit einander] uns [auf welche das Ende der Welt kommen ist l. Cor. l0, U; 1. Petri l, 12] zur Lehre geschrieben [Kap. 4, 23 f.; Nehmet euch unter einander auf, gleichwie euch Christus hat aufgenommen! 147 2. Tim. Z, 16], auf daß wir sindem wir aus solcher Lehre lernen, daß Gottes Heil sich immer erst durch große Schwierigkeiten hindurcharbeiten muß und vielen Kampf zu bestehen hat, zuletzt aber doch sicher und herrlich sein Ziel erreicht] durch Geduld und Trost der Schrift swelches beides sie uns reichlich darreicht, die] Hoffnung haben« [d. i. mit der zuversichtlichen Erwartung unsre Christenhoffnung in uns tragen, wir werden die Vollendung des Heils, um welche es bei ihr sich handelt, nachdem die Herbeiführung desselben bereits geschehen, gewißlich noch sehen, ein wie schwieriger und dornenvoller Weg auch bis dahin noch zurückzulegen ist Kap. 5, 2 ff.]. 5. Gott aber der Geduld und des Trostes fGott aber, von dem als dem Brunnquell aller guten Gaben Jak. l, 17 Geduld und Trost herkommen und der sie in uns wirkt durch das Gnadenmittel seines heil. Worts] gebe euch [als weitere, nur da eine Stätte findende Gabe, wo jene schon vorhanden sind], daß ihr einerlei gesinnet seid unter einander [Phil. Z, 16] nach Jesu Christo «« [wie es seinem Geiste und Vorbilde, aber auch seinem ausdrücklichen Willen gemäß ist, den er z. B. in seinem hohepriester- lichen Gebet kund thut Joh. 17, 20 f.]; 6. Auf daß ihr fvermöge solchen einerlei- Gesinntseins unter einander nun] einmüthiglieh mit Einem Munde lobet Gott und den Vater unsers HErrn Iesu Christi-Hi« [2- Cor. 1,3;11,31; Ehes.1,3; Col. 1, 3., wie es einer christlichen Gemeinde, die in der That und Wahrheit das sein will, was sie heißt, zukommt Apostg. L, 46 f.; Ephes. 5, 19 f.; Col. Z, 16f.]. 7. Darum fdamit es an solchem einmüthigen und einmündigen Loben Gottes bei euch nicht fehle] nehmet euch unter einander auf [zu gegenseitiger Gemeinschaft der Starken mit den Schwachen und der Schwachen mit den Starken] gleichwie euch ldie einen wie die andern] Fhristus sin seine Gnade und Gemeinschaft, ohne die einen den andern vorzuziehen oder die einen hinter die andern zurückzustellen] hat aufge- nommen uGottes Lohe-Xa V) Der ’irche Gottes, in welcher die Predigt des Evangelii zur Wirkung und Erhaltung des Glaubens schallt, kommt alles, was Gott geredet hat (Kap. Z, 2), zu heilsamer Lehre heim; denn die Bibel ist das Buch desselbigen Geistes, der von Christo pfingstlich aus- strömend die Christen mit Licht und Leben erfüllt und. alles zu Stand und Wesen bringt, was in der Vor- geschichte des Heils abgeschattet und von heil.Menfchen Gottes Verkündigt ist (Apostg. B, 24). Nicht allein die wörtliche Weissagung von dem zukünftigen Christus und der Seligkeit in seinem Reich (1. Petri l, 10 f.), sondern auch die Lebensbeschreibung der Heiligen und die Aufzeichnung der heil. Volksgeschichte, alle Schrist- bezeugung vom Walten und Wirken des Geistes Christi in dem Volke der Wahl, in dessen Sitten und Rechtem Liedern und Gebeten, Sprüchwörtern und Weisheitsregeln, es ist alles uns zur Lehre geschrieben, auf welche das Ende jenes Anfangs gekommen ist, wovon Samuel sagt (1. Sam. 12, 22): »der HErr verläßt seinVolk nicht um seines großen Namens willen; denn der HErr hat angefangen, euch sich selbst zum Volk zu machen«. (Besser.) «· Daß niemand aus eigenen Kräften sich ver- messe, Geduld und Trost der Schrift zu haben, zeigt St. Paulus mit diesem Gebet an, daß es Gottes Gab-en sind, die man mit Bitten erlangen soll; viel weniger aber ist das in unsrer Kraft, daß einer des andern Gebrechen trage und einmüthig mit dem andern über den Glauben sei. (Luther.) Die Geduld wächst nicht in dem Garten der Natur, sondern sie ist Gottes Gabe und Gnade; Gott ist der rechte Meister, der sie wirket. So mag auch ein Troftspruch im Herzen nicht haften, wenn ihn nicht Gottes Finger hineindrückr (H. Müller) Gott aber nimmt sich unsrer Seele an (Jes. 38, 17) als Gott der Geduld, als der Gott, der den Sünder duldet und Mitleid mit ihm hat, wie der Vater mit seinem kranken Kinde, und der zugleich das vertrauensvolle Harren auf ihn, die Geduld im Leiden und im Umgang mit den schwachen Brüdern wirkt. Gott nimmt sich unser weiter an als Gott des Trostes, als der Gott, der die vollkommene Fülle des Trostes in sich schließt und von derselben den Seinen mittheilt, um sie unter allen Widerwärtigkeiten und Trübsalen ruhig und gefaßt zu erhalten und ihnen alle Bitterkeit genießbar zu machen, indem er sie ihnen versüßr Die Erfahrung der göttlichen Geduld und des Trostes aus Gott verändert nun das Herz: sobald der Mensch anfängt zu fühlen, wie nur die Liebe und die Barmherzigkeit Gottes es ist, die ihn trägt und tröstet, wird er auch anfangen, seinen schwachen Nächsten zu tragen und zu trösten. Da ist denn bereits der Anfang zur Bewährung der einmüthigen Gesinnung gemacht, die Gott als weitere Gabe den Gläubigen schenken will. (Sommer.) Bei den Römern fand kein einerlei-Gesinntsein unter einander statt; sie bildeten wohl eine Gemeinde, aber diese war mehr äußere Form, es fehlte ihr die Seele. Es bestand ja eine Verbitterung zwischen den Gemüthern, ein tiefer Riß ging durch die ganze Gemeinde: es standen auf der einen Seite die starken Geister, welche sich ihrer christ- lichen Freiheit bedienten ohne briiderliche Liebe und den Schwachen Anstoß und Aergerniß bereiteten; und auf der andern Seite schwache Seelen mit scrupulösem Gewissen und ängstlichem Glauben, die, wie sie von den Starken verachtet wurden, an diesen durch ein liebloses Richten und Verdammen sich rächten. So drohte die Gemeinde, welche der HErr aus beiden Völkern, aus Juden und Heiden gesammelt hatte, aus einander zu fahren, in eine judaistische und in eine heidenchristliche Sekte sich zu theilen; der Apostel nun hat das Seine reichlich gethan, den Riß zu heilen, da befiehlt er denn Gott die Sache und bittet ihn, auch das Seine zu thun und den zerfallenen feindlichen Brüdern den rechten Brudersinn zu schenken. (Nebe.) Gemeinsame Geduld und gemeinsamer Trost in gemein- samen Trübsalen ist Quell und Bindemittel der Ein- tracht, zumal wenn die Trübsal in der Schmähung und Verfol ung von Seiten der Gottesfeinde besteht, welche die ottesfreunde zu desto festerem Zusammen- halten anfforderr Wie die Christenheit u jeder Zeit, so war gewiß auch die Römergemeinde schon vor dem Ausbruch der eigentlichen, blutigen Verfolgung von dieser Trübsal betroffen; so findet also von der Ge- duld und dem Troste zur Eintracht kein blos zu- fälliger Uebergang statt, wie aber alle gute Gabe von i Oben herab kommt, so auch die Eintracht, und sie 10’s 148 Römer 15, 8—13. muß so gut wie Geduld und Trost von Gott verliehen und darum auch von ihm angewünscht und erflehet werden. (Philippi.) Die Christen sollen gesinnt sein nach Jesu Christo; der ist nicht nur die Regel, wonach der Sinn geprüft werden muß, sondern auch die Ur- sach neuer Gesinnung. Unter dem Kreuz Christi stirbt aller Eigensinn: da sind zwar viele Glieder, aber nur Ein Haupt und Ein Sinn. (Steinhofer.) ist) Während es hier allerdings heißt: ,,unsers HErrn Jesu Christi«, steht im Grundtext am Schluß des 5. Verses: ,,nach Christo Jesu«; die Umkehrung der beiden Bezeichnungen ist hier von wunderbarer Feinheit und Wirkung. Die gemeinsame unerschöpfliche Quelle aller neutestamentlich gereiften Geduld und alles alttestamentlich vorbereiteten Trostes ist Gott, und von ihm muß die Gabe kommen für die Gläubigen, daß sie aus das Gemeinsame unter sich denken, wie es dem Christus Jesus gemäß ist; auf diesem Wege der Selbsterniedrigung allein sollen und können sie auf den glorreichen Weg kommen, daß sie verherrlichen den Gott und Vater unsers HErrn Jesu Christi, den, welcher den Jesus als Christus verherrlicht hat, nachdem der Christus den Jesusweg der Erniedri ung gegangen ist, und den sie verherrlichen in dem or- gefühl, daß er sie auch mit ihm verherrlichen wird, wie er sie schon in ihm verherrlichet hat. (Lange.) Das ,,einmüthig« besagt, daß alle aus Einem Muthe heraus Gott preisen sollen -—- alle sollen die Liebe und Barmherzigkeit Gottes bedenken, die ohne ihr Verdienst und Würdigkeit ihnen zu Theil geworden, und solche Erwägung soll in allen das gleiche Dankgesühl rege machen, das sie treibt zum Preise der Gnade; weß aber das Herz voll ist, deß gehet der Mund über, haben nun Alle den gleichen Muth und den gleichen Trieb des Geistes, so wird auch die Aeußerung als eine solche hervortreten, die wie aus Einem Munde kommt — dawird alle Rücksicht aus Alter und Ge- schlecht, auf Stand und Beruf ferne bleiben, und alles Parteiwesen wird heiliger Eintracht Platz machen. (Sommer.) T) Christus hat an euch noch viel mehr zu über- winden gefunden und hat alle eure Schwachheit nur um so mehr als Grund gelten lassen, euch in Liebe nachzugehem daran nehmt euch nichtnur ein Exempel, sondern bedenket auch, daß, wenn der HErr Christus nicht so gegen euch verfahren wäre, keiner von euch gerettet würde. Zahlt also die Schuld, die ihr ihm schuldet, durch gleiches Benehmen gegen die Brüder ab: damit preiset ihr Gott am meisten. (Wangemann.) Siehe, das heißt St. Paulus Gottes Ehre angerichtet durch Christum, daß er uns angenommen hat und unsre Sünde getragen und vertilgt; also sollen wir unsres Nächsten Sünde, Bürde und Gebrechlichkeit auch auf uns laden, sie dulden, bessern und helfen. Wenn das denn die Gebrechlichen hören oder empfin- den, so wird ihr Herz gegen Gott wohlgemuth und muß sprechem Ei, das ist ja ein feiner, gnädiger Gott und rechter Vater, der solch Volk hat und will von ihnen haben, daß sie uns arme Sünder und Gebrech- liche nicht urtheilen, nicht verdammen, nicht verachten, sondern annehmen, helfen und mit uns verfahren sollen, als wären unsere Sünden und Gebrechen ihr eigen. Wer wollte solchen Gott nicht lieben, loben, preisen und ehren und aus Grund des Herzens ihm allerdinge vertrauen? Was will er selber sein, wenn er sein Volk also haben will! (Luther.) Auch wir haben allerlei Gegensätze unter uns; auch unter uns giebt es Schwache und Starke, ja wir haben noch eine dritte, heuchlerische und gleißnerische Partei, die weder schwach noch stark ist, aber wohl weltlich und frech genug, sich ihre Fleischesfreiheit zur christlichen Freiheit und Stärke umzudeuten. Wahrlich, da gilt es dulden und sich gedulden zur Rechten und zur Linken, beten und arbeiten und nicht müde werden, bis entweder der Zweck erreicht oder doch die Arbeit zu Ende ist, bis die verschiedenen Parteien zu Einer werden oder der Widerstand der Bösen sie aus den Pforten der Kirche hinausgesührt hat, oder wir von der thränenreichen, betrübten Arbeit, die Wider- strebenden zu Christo einzusammeln, durch den Tod entbunden sind. Brüder, die wir von Gott ermahnt sind, heilige Hände ohne Zorn und Zweifel an allen Orten aufzuheben, laßt uns allenthalben Gott an- rufen, daß wir aus dem Muth und Werk der Geduld nicht entfallen! Laßt uns doch Keinen aufgeben, so lange es Tag heißt, laßt uns einander nicht aufgeben, uns nicht zur Verachtung des Bruders wenden, nicht zu der verdammten Gesinnung, die Andern ihr grun- miges Racha und Narr zuschreitl Jn aufrichtigen treuer Liebe laßt uns aneinander arbeiten, ob wir vielleicht doch noch einmüthig werden, um einhellig den gotht und Vater unsers HErrn Jesu Christi zu preisen! o e. 8. Jch sage aber sum über diese meine Worte; ,,gleichwie euch Christus hat aufgenommen zu Gottes Lohe« V. 7 mich näher zu erklären] daß Jesus Christus sei ein Diener gewesen der Beschneidung [d. i. der Juden, wie er selber in Matth. 15, 24 bezeugt, daß er nur zu ihnen gesandt sei] um der Wahrheit [Wahr- haftigkeit oder Treue Kap. Z, 4] willen Gottes ssie aufrecht zu halten durch] die That], zu be- stätigen die Verheißung, den Vätern ge- schehenV [Apostg. Z, 25 f.; 2. Cor. 1, 20]; 9. Daß die Heiden aber [dafür, daß auch sie zum Heile gelangt sind] Gott loben [Apstg. 10, 46; 11, 18] um der Barmherzigkeit willen« sdie sie damit überkommen haben Katz. 11, 30], wie geschrieben stehet [in Pf. 18, 50 u. 2. Sam. 22, 50]: Darum will ich [Christus, der durch David vorbedeutet ist] dich loben unter den Heiden und deinem Namen [unter ihnen] singen sindem ich dieselben ebenfalls meinem Reiche einverleibe]. l0. Und abermal [an einer andern Stelle, nämlich in b. Mos. 32, 43] spricht er [besser: sie, nämlich die Schrift Kalb. 9, 17]: Freuet euch, ihr Heiden, mit seinem Volk swie die Worte so in der griechischen Uebersetzung jener Stelle sich finden, vgl. die dort gemachte Wem. sowie die zu Hebr. 1, 6]. 11. Und abermal [in Pf. 117, 1]: Lobet den HGrrn, alle Heiden, nnd preiset ihn, alle Völker sdie ihr, vormals Heiden, nun erst zu Völkern Hes.30, 3 Anm. geworden seid 1. Petri I, 10]. 12. Und abermal spricht Jesaias sin Kap. 11, 10,, und zwar auch hier nach dem Wortlaut der Septuaginta]: Es wird fein die Wurzel Jesse [Jes. 11, l; 53, Z; Offenb Z, s; 22, 16; Sir. 47, 25], und der auferstehen Der Gott der Hoffnung erfülle euch mit aller Freude und Frieden im Glauben! 149 kfich erheben] wird, zu herrschen über die Heiden, auf den werden die Heiden hoffenEEH »F) Die Aufnahme vormalend, womit Christus uns alle ausgenommen hat,,will der Apostel davon reden, wie aus Juden und Herden die Eine heilige Kirche ge- sammelt wird; also erstlich davon, daß Jesus Christus sei ein Diener geworden der Beschneidung. Als Jesus, Mariens Sohn, ist Christus, der König von Israel, in sein Eigenthum gekommen, ein Diener des Beschneidungsvolks solch ein Diener, der selbftdie Be- schneidung an sich» nahm und unter das Gefetz sich thun ließ, um durch Hingabe seines Lebens zu erlösen, die unter dem Fluche des Gesetzes waren. Jn die Schei- dung ging er ein, die Gott durch die Beschneidung zwischen Juden und Heiden gesetzt hatte;« die verlorenen Schafe vom Hacufe Jsrael zu suchen hielt er sich ge- sandt, mit den Juden schloß er sich» zusammen als zu dem Volke, von welcheni das Heil kommt zu allen Geschlechtern auf Erden. Und zwar um der Wahr- heit Gottes willen ist er geworden, was er werden sollte nach der Verheißuiig den Vätern geschehen; diese Verheißung hat er bestätigt durch»Erfülluiig, auf daß feststehe das prophetische Wort, ein Wort des wahr- haftigen Gottes, des Helden in Jsrael, der nicht lügt und den seine Zusage nicht gereut. (Besser.) Jst nun Christus den Juden zu gute gekommen, so sind auch die Schwachen nicht zu verachten, welche aus den Satzun en· dieses Volkes noch nicht völlig zur christ- lichen reiheit durchgedrungen sind. (Sommer.) sit) Die Heiden, sagt der Apostel, loben Gott um der Barmherzigkeit willen, ein Ausdruck, der auf das vorhergehende ,,um der Wahrheit willen Gottes« zu- ruckbliikr. Gott war den Heiden gegenüber keine Ver- pflichtungen eingegangen; denn wenn er auch im alten Testameiite von der Berufung der Heiden geredet uiid ihre Bekehrung vorhergesagt hat, so hat er doch nur guchJäraaselLgcs geFproZeiM ugdsdse Hekitveii könitiven ihni i r eine un e or a en —- enn er sie annimmt, so ist er ihnen gegenüber dazu nicht ver- pflichtet, es ist dann sein Annehmen das Schalten und Wcikijltgen seiåieiz freier; Gnade? (Nebc;.) Den Heiden ist ni ver eißen, arum ie an nichts gewarten konnten; wiewohl auch die Juden den Heiden darin gleich sind, daß Christus ja aus lauter Gnade den Juden verheißen, als er den Heiden ist gegeben. Doch, nachdem er verheißen ist, haben sie redliche Ur- sach gehabt, sein auch zu warten, als der ihnen Eegeben werden sollte; darum haben die Juden hristum nicht allein aus der Gnade der Verheißung, sondern auch aus der Wahrheit Gottes, die feine Ver- heißung erfüllen sollte. Aber die Heiden haben weder die Gnade der Verheiszung, noch die Wahrheit der Erfüllung, sondern die lautere, bloße, unbedachte, un- versehene Barmherzigkeit, die ihnen Christum giebt, ginteh akle Pflicht der Wahrheit Gottes zu erfüllen. u er. IN) Die vier Stellen des alten Teftaments, die St. Paulus hier anführt, haben im Allgemeinen denselben Inhalt, sie reden von der Vereinigung der Juden und Heiden zu Ciner Kirche;·mit einander verglichen aber erfullen sie» einen Fortschritt und Stufengang des großen Werkes. Jn der »ersten Stelle sieht man den rloser der Welt nach seinem prophetischen Amte unter den Volkern thätig, wie er die großen Thaten Gottes (durch seine Apostel) unter ihnen Verkündigt, den HCrrn lobt und seinem Namen singt; die zweite Stelle giebt den Völkern die Erlaubniß, sich des Evan- geliums anzunehmen, gleicherweise wie die Juden, und was diese zweite Stelle wie dem Anfange nach zeigt, das zeigt die dritte im schwellenden Fortgang, solcher Fortschritt im Werk ersteigt aber in der vier- ten Stelle den höchsten Gipfel. Der lobsingende sMtzessidasKdessen Sfang sie viälltönixghe Aisizwogt gåskukisdem et ie rone au un wir zum err en en e iasz Jesus von Nazareth, der Juden König, erscheint als angebeteter Herrscher und Zuversicht aller Völker. (Löhe.) Wie in den drei ersten Stellen der Heiden- preis im Allgemeinen, so ist in der vierten »der Grund Lin; Jlånhdaltpdeist gpeidenhofxjnung äizgtirpiipamitsszugleiidch e ei en reie angege en. ii i» ur ie Judenchristen enthalten diese Bibeleitate die Mahnung: verachtet die Heidenchristen nicht, die ja keineswegs so sich zu euch verhalten, als sei euch» von Altersher die Gnade allein verbeißen, den· Heiden aber durfe keine widerfahren; diese haben vielmehr ebenfalls in Zerß Prgfitheten Fchrifteifi Ekårsii Gnsadeiäverheisßung nur a ni zu i iien e gepro)en it, wie zu Israel, daß sie es gewußt hätten und sie Gott bei seiner Bundestreue fassen könnten, wohl aber ist von ihnen geredet. (Wangemann.) Die Judenchristen sollen nicht stolz sein «auf ihre Berufung und sich nicht uber die Heidenchristen erheben, denn auch diese sind berufen, die Heidenchristen faber sollen bescheiden sein, indem·sie der iinverdienten Gnade Gottes ge- denken, die sie berufen hat. (Soninier.) 13. Gott aber der Hoffnung [vgl. V. s] erfülle euch mit aller snur möglicheUJ Freude und smit allem nur möglichen] Frieden [Kap. 14, 171 im Glaubknjim Staude des Gläubig- seins], daß ihr vollige Hoffnung habt san ihr überaus reich seiet] durch die Kraft des heiligen Geistes sder sie in euch wirket, damit sie nicht unter dem schweren Druck der Zeit euch ausgehe, sondern vielmehr durch alles Gewölk des natürlichen Kleinglaubens immer siegreicher und strahlender hindurchbreches Wie V. 1——4 in einen Segenswiinsch (V. 5 u. G) übergingen, so geht auch jetzt die mit V. 7 neu an- · hobene Ermahnungsrede in einen Segenswunsch über, welcher zugleich den Schluß des ganzen Abschnitts von Kap.14 an bildet. (Meher.) Der Segenswunsch schließt fiel) aii die Worte in V. 12 an: »auf den werden die Heiden (zu denen ihr ja euerm Herkommen nach meistentheils gehört) hoffen« Gott ist der Ur- heber der Hoffnung, wie der Geduld und des Trostesz und wie nach V. 4 die Geduld und der Trost der Schrift die Hoffnung wirken und doch selbst aus der schon vorhandenen Hoffnung hervorgehen, so soll hier Gott als der Gott der Hoffnung die Freude und den Frieden verleihen, insofern beide aus der Hoffnung hervorgehen, die sie doch auch selbst wieder in ge- steigertem Maße zur Folge haben. (Philippi.) Gott ist die Quelle aller guten Gaben; und da er alle diese iiicht blos hat, sondern sie sein eigentliches Wesen sind, da er die Liebe, die Allmacht 2e. nicht hat, sondern die Liebe und Allmacht selbst ist, so kann er nach jeder herrlichen Eigenschaft und Gabe auch benannt werden. Was die Heiden in ihrer Vielgötterei voraus zu haben glaubten, wenn sie eine Göttin z. B. der Treue, der Hoffnung u. s. w. verehrten, das besitzt der gläubige Christ noch viel gewisser und wirksamer, wenn er lebendig erkennt, daß der wahre Gott die persönliche Treue, Hoffnung, Liebe selbst ist, so alle diese Eigen- schaften hat, als hätte er nichts als sie. (v. Gerlach.) Der Gott der Hoffnung nun soll mit aller möglichen Freude und Frieden die Römer erfüllen. Freude ist 150 Römer 15, 14—21. jene heilige Freude des Christen, die aus dem Heils- « besitze entspringt, die Freude an seinem roßen Gott und Heiland Jesus Christus (V. 10); ist iese Freude voll in allen Herzen, so ist auch Friede in denselben. Selbige Freude will nicht blos Gehilfen ihrer Freude haben, die Freude an dem Gott, der uns in Gnaden angenommen hat, macht uns auch willig und» geschäf- tig, Gnade zu üben, jede Schwäche des Bruders als ein sanftes Joch zu tragen, die Eintracht zu pflegen, die Einigkeit im Geist durch die Liebe, das Band der Vollkommenheit, zu bewahren, Friede zu machen und Friede zu halten mit jedermann. Wer in seinem Gott sich freuet und in dieser Freude feiert, daß nun alle Fehd’ ein Ende hat, daß nun Friede mit Gott ge- schlossen ist, der ist ein Kind des Friedens, ein Fried- fertigen (Nebe.) Alles, was rechte Freude ist in diesem Leben, ist ein Vorschmack der Freude des ewigen Lebens: Freude am HErrn und seinem Wort, Freude an allen seinen Wohlthaten, die Leib und Seele fröhlich machen, Freude an seinen Reichsgeschäf- ten allenthalben in der Welt, Freude der Brüder an einander, der starken an den schwachen, die Christus nicht verachtet, der schwachen an den starken, die Christus so mächtig gemacht, aller gemeinschaftliche und höchste Freude Jerusalem, droben und hienieden! Aller wahre Friede in dieser Welt des Unfriedens und der Angst ist ein Vorgenusz des Friedens im Reiche der Herrlichkeih Friede mit Gott durch das Blut der Versöhnung, Friede in Zufriedenheit mit allen seinen Wegen, die sich enden in lauter Segen, Friede in Ge- lassenheit unter den Leiden dieser Zeit, die der zu- künftigen Herrlichkeit nicht werth sind, Friede in Fried- samkeit mit allen, die berufen sind auf einerlei Hoff- nungddes Christenberufs, aller gemeinsamer und tiefster Frie eEr selbst, Jesus! Weit aller Freude und Frieden erfülle uns' Gott der Hoffnung im Glauben! Zu glauben an unsern HErrn Jesum Christum, imGlauben zu bleiben und zuzunehmen, das Eine gebe uns Gott in Gnaden; so sind unsre Herzen Krüge und Krüglein, die er füllt mit aller Freude und Frieden nach dem Maß seines Wohlgefallens (Besser.) Die Erfüllung der Römer mit Freude und Frieden im Glauben soll ihnen dazu dienen, daß sie überfließen mögen in der Hoffnung, und das soll an ihnen geschehen durch die Kraft des heil. Geistes; vermöge dieser in ihnen wirkenden Kraft sollen sie die Christenhoffnung die Gewißheit der Vollendung ihres Heils im reichsten Maße haben. Die Kraft des heil. Geistes ist es, welche die Hoffnung weckt, unter Kämpfen und Schwach- heiten bewahrt und stärkt und zur Gewißheit Voll- endet, daß Der, welcher alle berufen hat zu seinem Reich und zu seiner Herrlichkeit, der Getreue ist, der dazu auch aushelfen wird. (Sommer.) D- Der-Sextus- ocx apum. or: Apostel ist jetzt niit den siinimtliihen Beicht-ringen und Ermahnungem welche er den dtöinern zu ertheilen fiel) vorgenommen hatte, zu Ende; er ssigt daher seiner Gpislet nunmehr den Schluß hinzu, der aber nicht in-eine1n, sondern in drei Als— sthnitten verläuft. In Belress dieses mehrtheiligen Seltlusseg bemerkt Bengel: »der Ausgang aus einer Hauptstadt pflegt durch Thore mit mehr als einen: portale zu siihrenls I. b. 14—33. Zu dem Eingange in Kap. l, Bis. bringt der Apostel zunächst das Gegenstiicle eines Zluggangz indem er einerseits wegen seiner Wagnisseeg an die Römer zu schreiben, sich entschuldigt und andererseits iiber seine jetzigen tlteisepliine ihnen iilittheilung innen. 14. Jch weiß aber [wenn ich in solcher Weise, wie ich mit dieser meiner Epistel gethan, mich lehrend und ermahnend an euch wende] fast wohl von euch, lieben Brüder, daß ihr selber voll . Gütigkeit [d. i. Gutheit, religiös-sittlicher Trefflich- keit Gal. 5,’ 22; Ephes 5, 9] seid, erfüllet mit aller Etkenniniß [der göttlichen Wahrheit und Einsicht in die Pslichterh die sie euch auferlegt], daß ihr euch unter einander könnet ermahnenr [ohne erst noch eines auswärtigen Ermahners, wie ich bin, zu bedürfen 2. Petri I, 12; 1. Joh. 2, 21]. 15. Ich hab’s aber dennoch strotz der euch eignenden Trefflichkeit und Einsicht] gewagt sals Lehrer und Ermahner euch gegenüber aufzutretenL und euch etwas wollen schreiben, lieben Bruder, euch zu erinnern san das euch schon Bekannte und Bewußte], um der Gnade [des Apostelamtes Kap. 1, 5; 12, »Es] ·willen, die mir von Gott ge- geben ist« sdamit ich nämlich der Pflicht, welche diese Gnade mir auferlegt, entspräche], 16. Das; ich soll· sein ein Diener Christi Unter die Heiden ssür dieselben oder in Beziehung auf sie Kap. 11, 13], zu opfern sd. i. in priester- licher Weise zu verwalten] das Evangelium Gottes, auf daß die Heiden sindem sie dasselbe im Glauben annehmen und sich dadurch lassen neugebärens ein Opfer werden, Gott angenehm, geheiliget durch den heiligen Geistiii [Apostg. 26, 18]. r) Daß nicht bloße Klugheit, sondern neben liebe- voller Zartheit auch aufrichtige Demuth und wirkliches Zutrauen zur Römergemeinde im Ganzen dem Apostel diese Worte eingegeben habe, geht sowohl aus Kap. I, 8 u. l2., als aus der Sache selbst hervor, weil er im entgegengesetzten Falle dem Vorwürfe der Unwahr- haftigkeit nicht entgehen könnte; allerdings aber sind die Worte zugleich als Ausfluß pädagogischer Weisheit zu betrachten, welche den Menschen leichter zu dem bildet und in demjenigen befestigt, was sie ihm zu- traut. (Philippi.) Mit schöner Bescheidenheit und ausrichtiger Demuth spricht der hohe Apostel den Namen ,,Brüder« aus; nicht ein leerer Name ist der Brudername in seinem Munde, sondern mit Ehr» erbietung erkennt er in christlichen Brüdern Leute, die ihm selber ebenbiirtig sind an Adel durch den heil. Geist, über deren Glauben auch ein Apostel nicht Herr ist, wohl aber ein Gehilfe ihrer Freude (2. Cor. 1, 24). Nachdem er aber so, Christo zu Ehren und den Brüdern zur Befestigung, die ihnen gegebene Gnade anerkannt hat, verschweigt er auch die siir die Römer und alle Heiden ihm gegebene Gnade nicht, deren Werk und Werkzeug dieser Brief ist. (Besser.) H) Der Grund, warum der Apostel unerachtet der vorhin in Betreff der römischen Gemeinde ausge- sprocheiien Ueberzeugung gleichwohl nachdrückliche Er- mahnungen an sie gerichtet, liege, so sagt er hier, in seinem apostolifchen Berufe, der ihn dazu angewiesen und verpslichtet habe. (Maier.) Berufsgefühl und Berufspflicht macht kühn; so hat den Apostel das Ge- fühl von seinem großen Berufe getrieben, etwas zu thun, was an sich als ein Wagniß erscheinen könnte. (Lange.) Er hat an eine Gemeinde gefchrieben, welche ohne sein Zuthun entstanden war und von welcher er in Kap. l, 8 gesagt hat, daß man von ihrem Glauben in der ganzen Welt erzähle; da äußert er denn am Schluß der Epistel. Wie der Apostel dazu gekommen, an die Römer zu schreiben Schlusse sich darüber,·wie er dazu gekommen sei, ihr solchen Brief zu schreiben (v. Hofmann.) » its) Seinen apostolischen Amtsdienst stellt Paulus im Bewußtseinder hochheiligen Würde desselben» nicht blos als offentl1che Verwalterschafh sondern als priester- lichen Opferdienst dar; dabei ist das Evangelium zwar nicht, wie Luther’s Uebersetzung das ausdrückt, das Opfer, welches dargebracht, wohl aber das göttliche Institut, welches durch die Opferdarbringung verwaltet sisdaeiirxiosr«Tlsrissckiiesixklssssutlishiiisti Zdsitxipiiiebrsinxtsiflikiikis vielmehr die durch das Evangelium bekehrten und durch den Geist zu Gottes Eigenthum geweiheten Heiden. (Meyer.) Wie Kap. 12, 1 eine Grundstelle ist für die neutestamentliche Lehre vom allgemeinen Priesterthum der Gläubigem so unser Vers für die Fårechsgiitng gen Scgienst apnxizhBkort )als ein priester- i es m zu ezei neu. iippi 17. Datum sweil ich die Gnade von Gott empfangen habe, der Heiden Apostel zu sein, um sie durch priesterliche Verwaltung des Evangelii ihm zum Opfer darzubringen V. 15 f.] kann ich mich ruhmen in Jesu Christo, daß ich Gott diene sals ein solcher, der seine bestimmte Stellung im göttlichen Haushalte hat und eine ihm eigens überwiesene Aufgabe vollbringen muß, wenn ich dergleichen thue, wie ich mit meiner Epistel zu thun gewagt] 18. Denn ich dürfte nicht- etwas reden lwürde allerdings nicht wagen Kap s, 7 Anm., in irgend welchem vorkommenden Falle etwas zu reden], wo dasselbige Christus nicht durch mich wirkte sdas thut er denn aber wirklich und reichlich nach Maßgabe meines Berufs], die Heiden zum Ge- horsam sdes Glaubens an seinen Namen Kap. 1, 5] zu bringen durch Wort und Werk, 19. Durch Kraft der Zeichen und Wunder sbethätigt er sich aber an mir, daher meine Werke einen erwecklichen Eindruck auf die zu Bekehrenden hervorbringen Apstg. 13, 9 ff.; 14, 8 ff.; 19,11ff.; 28, 3 ff.], und durch Kraft des Geistes Gottes sindem auch mein Wort geschieht in Beweisung des Geistes und der Kraft l. Cor. 2, 4], also, ge se se« ,is«:.,s««sst2zlEIi;«s-ss- « , U. , Um. l All I mUcl «? UcU sdiese Grenzscheide zwischen Orient und Occident] alles mit dem Evangelio Christi erfullt habe; 20. Und mich sonderli efli en sdas als .. . S . Ehrensache fur mich angesehn], das Evangelium süberall nur da] zu predigen, wo Christi Name nicht lschon durch die Predigt Anderer] bekannt war, auf daß ich nicht ais einjen fremden svon andern Arbeitern gelegten] tun bauete [2. Eor 10, 15 f.], « 21. Sondern ysvielmehr also thäte] wie [»in Jes 52, 1:)] geschrieben stehet: Welchen nicht ist von ihm sdem Knechte Gottes] gerkundigeh die sollen’s sdas durch ihn bewirkte eil] sehen, Und welche nicht sdas Evangelium von Christo] gehötet 151 haben, sollews verstehen sdurch gläubige Annahme sich aneignen] Paulus bezeichnet mit ,,Jerusalem und umher« die Sphäre seiner anfän glich e nWirksamkeit(Gal. l, 15 ff. ; Apostg. 9, 20 ff.; 11, 25 ff.), nicht, wie man öfter sich ausdrückt, den östlichsten Punkt derselben, denn dieser war Lykaonien, Eappadocien und Galatien (Apostg. 14, 6 ff.; 16, s; 18, 23); in Parallele dazu steht dann »Jllyrien«, der Küstenstrich an der Ostseite des adria- tischen Meeres oder das heutige Croatien und Dak- matien mit Vosnien, Herzegowina und Montenegro nebst deni nördlichen Theil von Albanien umfassend, als der Schlußpunkt seiner bis jetzt, zu Anfang des J. 58 n. Ehr. absolvirten Thätigkeit Um eben solcher Parallele willen muß nun aber Jllyrien eine mit einzuschließende, wirkliche Stätte dieser Thätigkeit gewesen sein, und sie war das auch nach den Aus- einandersetzungen zu § 161 in der Uebersicht über die Ereignisse des apostolischen Zeitalters (Anh.11.) zu Ende des J. 57. Nachdem der Apostel die Inten- sivität seines Wirkens durch ,,Kraft der Zeichen und Wunder und Kraft des Geistes Gottes« charakterisirt hat, kommt er nun auf die Extensivität zu reden; es kann da mit der Bezeichnung: ,,bis hin nach Jllyrien«' nicht gesagtseim ,,bis an die Grenze dieses Landes«, so daß letzteres nicht mit inbegriffenszu denken sei, denn sonst könnte es in V. 23 nicht heißen: ,,nun ich aber iiicht mehr Raum habe in. diesen Ländern«, son- dern in Apostg 20, 2 ist unter ,,denselbigen Ländern« auch an Jllyrien zu denken, so sehr auch viele Aus- leger diese Auffassung zu bestreiten suchen. Luthens Uebersetzungr , ,,ich habe alles mit dem Evangelio Christi erfüllen« ist allerdings sowohl wort- als sach- widrig; Paulus will nicht sagen, daß in dem be- schriebenen Gebiet des Orients überall das Evan- gelium auch schon angenommen, sondern nur, daß der Schall desselben überall hin durch seinen Dienst ge- drungen sei (Kap. 10, 18; Col. l, 28). Da indessen die Schrifterklärer noch gar sehr uneins sind, welches denn die wort- und sachgemäße Deutung des griech. Ausdrucks: ,,ich habe das Evangelium Christi erfüllet« eigentlich sei, und mit ihren verschiedenen Deutungen im Grunde doch nur denselben Sinn herausbringen, der schon in den Worten unsrer deut- schen Bibel liegt, wenn man sie dahin versteht, daß der Apostel seinen Priesterdieiist am Evangelio, von dem er in V. 16 redete, in den Ländern des Orients nun soweit ausgerichtet habe, als dies seine Aufgabe war, so ziehen wir es vor, jene Worte ungeändert zu lassen; die Aufgabe des Apostels war nämlich überall nur eine grundlegende, nicht aber die, daß es für das Evangelium überhaupt in den betreffenden Ländern nichts mehr zu thun gebe, vielmehr hatte er nur an gewissen Centralorten die christliche Kirche zu pflanzen, von welchen aus sie dann gleichsam von selbst in immer weiteren Kreisen sich verbreiten würde. Jn- wiesern der in V. 20 f. von Paulus ausgesprochene Grundsatz darauf hinweist, daß die Gemeinde zu Rom nicht von einem andern Apostel, namentlich dem Petrus, wie die katholische Tradition behauptet, gestiftet sein könne, wurde schon zu Kap.1,7 angedeutet; auch von besonnenen katholischen Gelehrten wird daher jene Tradition aufgegeben. Aber jener Grundsatz schließt nicht aus, daß Paulus jetzt an die römische Gemeinde schreibt und die Absicht hegt, zu ihr zu kommen und auch unter ihr Frucht zu schaffen, gleichwie unter andern Heiden (Kap. 1, 13 ff.); denn eben darum, weil noch kein anderer von den Aposteln dagewesen, die Gemeinde vielmehr sich sozusagen wie von selbst ge- 152 Römer 15, 22——32. bildet hat und dies in einer Weise gefchehen ist, daß er Rom als ein Pertinenzstück des ihm als dem Heiden- apostel zugehörigen Arbeitsfeldes betrachten darf, schreibt er an sie mit demselben Recht, wie später an die Gemeinde zu Eolossä, deren Stiftung ja auch nicht unmittelbar auf seine Rechnung fällt, sondern von Epaphras bewirkt worden war (Col. 4, 12f.); was aber seinen Besuch bei ihr betrifft, so will er diesen auch nur auf der Durchreise machen, während fein eigentliches Ziel Hispanien ist (V. 24). 22. Das fdaß ich bisher die in V. 19 be- schriebene Aufgabe zu erfüllen hatte] ist auch die Sache fdie eigentliche Ursach], darum ich vielmal fsooft ich auch mir vorgesetzt hatte es zu thun Kap. 1, 13] verhindert bin [getvesen], zu euch zu kommen. 23. Nun ich aber nicht mehr Raum habe in diesen Ländern fdes Orients, keinen solchen Central- ort mehr, dessen ich mich erst noch bemächtigen miißte, wenn ich meinem apostolischen Amte nach allen Seiten hin genugthun will], habe aber Ver- langen, zu euch sdie ihr den Eentralpunkt der abendländischen Völkerwelt bildet] zu kommen, von vielen Jahren her fschon seit Bekehrung des römischen Landvogts Sergius Paulus auf Cypern Apoftg. 13, 6sf., besonders aber seit ich das Gesicht in Apostg. 16, 9 gehabt habe, gedenke ich mein Vorhaben demnächft auszuführen]: 24. Wenn ieh [nämlich] reisen werde in Hjspgnien [1. Macc. 8, Z» was bald geschehen soll V. 25 u. 28], will ich zu euch kommen. Denn ich hoffe, daß ich [bei dieser Gelegenheit] da [näm- lich durch Rom] durchreisen und euch sehen werde, und von euch dorthin snach HispaUienJ geleitet werden möge [Apostg.15, Z; 17, 14 f.; 20, 38; 21, H; 2. Cor. 1, 16]; so doch, daß ich zuvor sehe ich von Rom wieder abreise] mich ein wenig mit euch ergöhe* [vgt. die Bem. zu Kind· 1- 12li 25. Nun aber [was die gegenwärtig von mir auszufiihrende Reise betrifft] fahre ich hin gen Jerusalem, den Heiligen [der christlichen Gemeinde daselbst] zu Dienst [Apostg. 19, 21; 20- 3 M· 26. Denn die aus Macedonia und Achaja fdie Gemeinden in diesen Ländern] haben willig- lich lohne durch einen Zwang meinerseits dazu getrieben worden zu sein, wenn auch auf meine Veranlassung hin] eine gemeine Steuer zusammen gelegt den armen Heiligen zu Jerusalem [genauer: den Armen unter den Heiligen dort Apostg. 24, 17; Gal. 2,10; 1. Cor.16, 1ff.; 2. Cor. 8 u. 9]. 27. »Sie haben es williglich gethan [so sagte ich von ihnen], und sind auch fwie ich meinerseits ihnen vorgehalten, als ich sie dazu veranlaßte] ihre Schuldner. Denn so die Heiden sind ihrer geistlichen Güter fder in Kap. 14, 17 genannten Güter des HimmelreichZJ theilhastig worden, ist’s billig, daß sie ihnen auch in leiblicheu Gütern fzum Entgelt für jene höheren Güter] Dienst be- weisen« [1. Cor. 9, 11]. 28. Wenn ich nun solches [die zunächst von mir zu vollbringende Dienstreise nach Jerusalem] ausgerichtet und ihnen [den dortigen Christen] diese Frucht fder Liebe ihrer Brüder in der Heiden- welt 2. Cor. 8, 8; Phil 4, 17] versiegelt habe, will ich durch euch [meinen Weg über eure Stadt Rom nehmend 2. Con 1, is] in Hispanien ziehen. 29. Jch weiß aber, wenn ich [so aus der Durchreisej zu euch komme, daß ich mit vollem Segen des Evangelii Christi kommen werde-M« fund auch euch wird es an der rechten Empfäng- lichkeit zur Aufnahme dieses Segens nicht fehlen Apostg 28, 28]. V) Die Verkündigung des Apostels bewegte sich in regelmäßigem Fortschritt vorwärts; wie ein kühner und kluger Feldherr hat er sich einen sicheren und eonfequenten Angriffsplan gebildet, von dem er nicht willkürlich Und launenhaft abspringL Erst jetzt, wo er von Jerusalem an und umher den ganzen Orient bis Jllyrien bin durch das Evangelium erobert oder doch wenigstens die Hauptplätze und Bollwerke des Heidenthuins für dasselbe in Besitz genommen hat, geht er nach dem Occidente über, um nun vom west- liehsten Punkte, von Spanien aus in entgegengesetzter Richtung zu operiren. Rom bleibt da allerdings wieder nur Durchgangspunkt, eben weil dort schon Grund gelegt war; aber er konnte auch zu dieser bei- läusigen Befuchsreise und diesem flüchtigen Aufenthalt in Rom bisher nur deshalb nicht kommen, weil seine apostolische Aufgabe im Orient bis dahin noch nicht gelöst war. (Philippi.) Auffallend ist, wie Paulus sagen kann: ,,nun ich aber nicht mehr Raum habe in diesen Ländern«, da er doch in Griechenland und Klein- asien noch bei Weitem nicht überall gepredigt hatte. Wir sehen ihn aber stets in den großen Hauptftädten der Provinzen wirken, und dann die weitere Ver- breitung des Evangeliums von denselben aus seinen Gehilfen, die dort fest stationirt wurden, überlassen; seine Aufgabe schien ihm daher überall Bahn zu brechen und das Evangelium zu predigen allen Völkern zu einem Zeugnis; über sie (Luk. 24, 46f.; Matth. 24, 14), und diese Aufgabe konnte er in den östlichen Provinzen als gelöst ansehen. (Olshausen.) Der Grund, weshalb Paulus nicht auf einen fremden Grund bauen, sondern überall selber erst Grund legen wollte (V. 20; I. Cur. 3, 10), lag in dem hohen Bewußtsein seiner apostolischen Bestimmung (Apostg. 26, 17 s.), nach welchem er das Größte und Schwierigste, die Grundlegung der Kirche, als des Apostels Aufgabe erkannte und in der Lösung dieser Aufgabe seine apostolische Ehre fand. (Meher·) VI) Es « die Pfiugstreise nach Jerusalem, seine fünfte und letzte Reise dorthin (Apostg. 9, 26 f.; 11, 29 f.; 15, 2 ff; 18, 22; 21,17 fs.), wovon der Apostel hier redet: an der Diakonie (12, 7), womit er die Heiligen bediente, betheiligte er sieben Männer, Erst- linge der Heidenernte aus allen drei Hauptgebieten seiner Apostelarbeit; diese Sieben waren ein Zeichen, daß dem heiligen Anbruch zu Jerusalem (11, 16) heiliger Teig in der Heidenwelt ähnlich geworden, und der Heidenapostel wollte nicht fürder reisen den Heiden zu Dienst, ehe er mit solchem Pfingstopfer die Einig- keit der Heiligen, beide, am Orte tausendjähriger Hei- ligkeit und an den Orten jüngstgeheiligter Heiden, ver- Paulus ist jetzt auf der Reise nach Jerusalem begriffen, darnach will er durch Rom kommen. 153 siegelt hatte. (Besser.) Nicht wenige Ausleger nehmen an, Paulus habe durch das in V. 26 f. Gesagte mittel- bar und verdeckt die römischen Christen auffordern wollen, die armen Judenchristen in Jerusalem gleich- salls zu unterstü en; doch einmal würde er wohl, wenn dies seine bsicht gewesen wäre, es direkt und offen gethan haben, und dann betrachtete er auch die Collekte als abgeschlossen. Eher ließe sich eine wieder- holte allgemeine Hinweisung der Heidenchristen auf ihr Bärhalten gegen ihre jüdischen Brüder annehmen. iippi IN) Die bloße Ueberbringung der gesammelten Collekte that noch nicht die Hauptsache; wenn aber der Apostel dann dazu erzählte, mit welcher Liebe und Bereitwilligkeit sie gesteuert worden sei, dann war erst das Siegel auf die Gabe gedrückt und das brüderliche Band recht fest geknüpft (Apostg. 21, 19s.). Und daß er nun, wenn er darnach nach Rom käme, mit vollem Segen Christi (das dazwischen eingeschobene ,,des Evangelii« ist wohl ein unächter Zusatz) kommen werde, dessen konnte er von vornherein sich versichert halten; eine reiche Erfahrung hatte es ihm ja bestätigt, daß, wo heilsbegierige Christen waren und wohin der mit Gnadengütern für die Kirche von Gott reich ausge- rüstete Apostel kam, es nicht ohne den reichsten Segen für die Christen abgehen konnte· (Wangemann.) Von Rom aus nach Spanien, so dachte der Apostel nach unsrer Stelle zu Anfang des J. 58; indeß bereits im April desselben Jahres ward ihm offenbar, daß in Jerusalem Ketten und Banden seiner warteten (Apostg. 20, 22 f.). Der HErr hatte andere Gedanken über ihn; die Schrift verbürgt, daß er mindestens bis zum Frühling des J. 63 theils in Cäsarea, theils in Rom gefangen lag, er also auch nach Rom nicht kam, weil er sich vorgenommen hatte, dahin zu gehen, sondern weil der HErr die Begebenheiten so fügte, daß er dahin» kam. Nach der allgemeinen Weisung, die Paulus in Apostg 22, 21 bei seiner Berufung empfangen, hatte er die volle subjektive Berechtigung, an die spanische Reise zu denken; als ihm aber der HErr in der auf das Verhör vor dem Synedrium im J. 58 folgenden Nacht erklärte (Apostg. 23, 11): ,,wie du von mir zu Jerusalem gezeuget hast, also mußt du auch zu Rom zeugen«, war letztere Stadt das Ziel sekigses Faufsgjäiiisd mit iåer åssredigt Les gsvangeliå da- e t eine ifion vo en et —— ie em rü eren Verständiiisse angehörige Reise nach Spanien erledigte sich von da an von selbst, daher in Apostg 19, 21 nicht einmal des auf sie beziiglichen Vorsatzes gedacht wird. (Otto.) Auch in allen Briefen, welche Paulus aus der römischen Gefangenschaft geschrieben hat, ist jede· Spur des fürderhin von ihm gehegten spanischen Reiseplans verschwunden; in Phil. 1, 25 f.; Z, 24 hat er für den Fall seiner Befreiung als das weitere Ziel nicht den fernen Westen, sondern Macedonien, also die Rückkehr in den Osten, im Auge. (Meyer.) 30. Jch ermahne euch aber, lieben Bruder, durch unsern HErrn Jesum Christum [vgl. Kap. 12- l; 2. Cor. 10, 1] und durch die Liebe des Geistes sdie er doch gewiß in euren Herzen zu mir als eurem Bruder und des HErrn Apostel schon gewirkt hat Gut. ·5, 22], daß ihr mir helfet kämpfen mit Beten sur mich zu Gott«· [Col. 4, 12; 2.Cor. 1,11;Phil.1,19u.27;2.Thess.3,1;Phil.22], » 31. Auf daß ich errettet werde von den Un- glaubigen in Judiia [die mir sogar nach dem Leben stehen Apastg 20, 22 ff.; 21, 11. 27 sf.; 22, 22; 23- 12 ff; 25- 3], und daß mein Dienst, den ich gen Jerusalem thue smit Ueberbringung der Collekte dahin V. 25 ff.], angenehm werde den Heiligen-«« [daselbst, die noch gar sehr wider mich einge- nommen sind Apostg 21, 20 ff.]; 32. Auf daß ich mit Freuden [mit freudiger Erinnerung an das, was ich in Jerusalem habe ausrichten dürfen] zu euch komme swenn ich nun nach Rom gelangen werde] durch den Willen Gottes [Kap. 1, 10; 1. Cor. 4, 19; Hebr. S, 3], und mich mit euch erquickettk sindem wir uns in unserm gegenseitigen Glaubensverkehr an ein- ander erfreuen Kap. 1, 11 f.; 1. Tor. 16, 18; 2. Cur. 7, 13]. V) Das Wissen um die göttlichen Pläne, auf welches Paulus in·V. 29 hingedeutet hat, war bei ihm nicht ein fatal1stisches; er sagt nicht, ich weiß, ich musi doch nach Rom kommen, ich bedarf daher keiner Vorsicht, keiner Fiirbitte, es war vielmehr ein lebendiges, freies Wissen um die Pläne des freien persönlichen Gottes, die· sich erfüllen durch Zusammenwirkung freier Thaten freier Wesen. (Olsh·ausen.) Jn mannigfacher Beziehung kann das Gebet ein Kampf genannt werden: theils sind es innere geistliche Feinde, wider die zu kämpfen ist — das Fleisch mit seiner Lust und Furcht, die Welt mit ihrer Lockung und Drohung, der Teufel, der die Seele bestürmt; theils sind es äußerliche Feinde, bestimmte Leiden und Gefahren, gegen welche der Gebetskainpf zu richten ist. Aber das Gebet ist nicht nur ein Kampf, insofern es die Feinde der Seele zu- rückfchlagem sondern auch sofern es den Freund der Seele, den die Erhörung verzögernden und prüfend sich als Feind verstellenden Gott (1. Mos. 82, 24 ff.), gewinnen will» (Philippi.) «) Dreimal hinter einander (V. 25. 26 u. 31) nennt Paulus die gläubigen Juden Jerusalems ,,Heilige«: in ihnen war übrig das heilige Volk, zu welchem Gott Mitbiirger aus den Heiden annimmt, wogegen die Ungläubigen in Judäa, die auf ihr heiliges Land und ihre heilige Stätte trotzten, dem heiligen Israel Gottes entstorben waren. Daß er errettet werde von diesen ismaelitisch und edomitisch gearteten Kindern Jsraels, die mit Unverstand und Unglauben das letzte Mittel ihrer Rettung, die Botschaft von dem Segen des Evangelii unter den Heiden, von sich stießen, darob zuerst inöchten die Römer ihrem Apostel kämpfen helfen in ihren Gebeten; und hierzu mußte sie der Geist der Liebe um so mehr treiben, als um ihret- willen, um der Heiden Opferung willen, Paulus zu einem Fluch und Fegopser seiner blinden Brüder nach dem Fleisch sich her-gab. Aber auch darum möchten sie mit ihm bitten, daß der Dienst heiliger Gemein- schaft, worin er nach Jerusalem reiste, angenehm werde den Heiligen; die Apostelgeschichte (Kap. 21) zeigt uns die Meinung dieser Bitte —— die Befestigung der Ein- tracht zwischen Juden- und Heidenchristen war Pauli Anliegen, und die schwachen Brüder in Jerusalem, welche das unjüdische Leben der gläubiggewordenen Heiden mit Mißtrauen und Befremdung ansahen, zu gewinnen und zu stärken, war sein apostolisches Ver- langen. (Besser.) IN) Der Apostel stellt es noch in Gottes Willen, ob feine Reise überhaupt und in welcher Gestalt sie ausgeführt werden sollte; sie kam auch ganz anders, als Paulus zuvor gedacht hatte. (Wangemann·) Das wäre seine Freude und Wonne gewesen, hätte er nach 154 Römer 15, 33. 16, 1—16. Rom kommen können mit dem Bericht von Jerusalems i Ausgrünen aus verdorretem Gezweig: diese Freude ward ihm nicht befchieden, er hat die große Traurig- keit seines Herzens, von der er in Kap. 9, 2 redet, mit in’s Grab genommen. Dennoch ist seine Bitte mit der Römer Fürbitte für ihn nicht unerhört ge- blieben; denn durch den Willen Gottes ist er endlich doch mit Freuden nach Rom gekommen, vgl. Apostg. 28, 15. 3o f. (Besser.) 33. Der Gott aber des Friedens sder Gott, der den Frieden für uns und in uns schasft Kap. 16, 20z 2. Eor. 13, 1«1; PhiL 4, 9; 1.Thess. 5, 23; 2. Thess Z, IS; Hebt. IS, 20] sei mit euch allen [Kap. 16, 20 u. 24]. Amen [Kap. i, 25; 9, 5;11, 36;1. Tini. 1,17]. Was der Apostel mit Kap. 1, 8 begonnen, ist in der Art zu Ende gebracht, daß das Ende sich mit dem Anfange berührt; denn wie er in Kap. 1, 8—15 versichert hat, daß es sein Herzenswunsch sei, die Ge- meinde zu besuchen, und daß er von lange her Willens gewesen und nur immer verhindert worden sei, auch in Rom die Heilsbotschaft auszubreiten, so hat er jetzt in V. 14——32 sich darüber ausgesprochen, kraft welchen Berufs er an die ohne sein Zuthun im rechten christ- lichen Stande befindliche Gemeinde einen Brief schreibt, wie diesen, und warum er nach seinen bisherigen Ver- hinderungen auch jetzt nicht lieber selbst zu ihr kommt, sondern erst nach einem Besuche in Jerusalem seine beabsichtigte Reise nach Spanien so anstellen wird, daß sie ihn über Rom führt. Mit dem nun, was er der Gemeinde Sachliches zu schreiben hatte, zu Ende ge- kommen, schließt er ab mit einem Segenswunsche und geht dann zu solchem über, was einzelne Personen betrifft. VI. HofmannJ Daß er da Gott den »Gott des Friedens«« nennt, wird ihm nahe gelegt durch seine Kämpfe und ihre Differenzen. (Lange.) Das 16. Kapitel. Empfehlung der Phönix schließliche-r Zeug. Warnung und Danksagunxf II. h. 1——24. Auf den ersten Schluß läßt Paulus hierauf einen zweiten Schluß folgen in Empfehlung der Ueberliringerin deH Eritis, in Grüßen von seiner Seite, mit welchen er eine Warnung verbindet, und Griißcn oon Seiten der in Corinth ihn ausgehenden-personen, nach welchen er noch einmal den srhon vorhin ausge- sproihenen Segenswunsai vorbringt. I. Jch befehle euch aber sdie Ueberbringerin dieser meiner Epistel] unsere Schwester sin Christo] Phöbh welche sals Diakonisse oder Helferin] ist am Dienst der Gemeine zu Kenchreci sdem östlichen Hafenort von Corinth Apostg. 18, 1 Anm. 2]; ·2. Daß ihr sie sindem sie jetzt auf ihrer Reise zu euch kommt] aufnehmet in dem HErrn sPhkl- 2, 29], wie sichs ziemet den Heiligen sdaß sie ihre Brüder und Schwestern in Christo um seinetwillen gern und mit allen Ehren ausnehmen und nicht blos die gewöhnliche Gastfreundschaft ihnen erzeigen], und thut ihr Beistand in allem Geschäfte, darinnen sie sin den Privatangelegen- heiten, die sie nach Rom geführt haben] euer bedarf. Denn sie hat auch [1hrerseits] vielen sm Ausübung ihres Berufes] Beistand gethan, auch mir selbst fund da gebührt sich’s noch besonders, ihr Gleiches mit Gleichem zu vergeltenss Der männliche Eigenname Phöbus und der weib- liche Ph öb e, die beide auch bei weltlichenSchriftstellern des Alterthums sich finden, könnte an den heidnischen Gott Apollo erinnern, der- häufig den Beinamen Phöbos, d. i. der Reine, Klare, Glänzende, führt, auch nicht selten einfach selber so genannt wird; in- dessen hat wohl bei der Häufigkeit der Namen diese Beziehung aus die Götterlehre sich gänzlich verwischt oder es ist gleich anfangs das Eigenschaftswort selber dasjenige, welches den Eigennamen zu Grunde liegt, daher es keinem Bedenken unterlag, wenn letztere von Christen beibehalten wurden. Nach der sehr wahr- scheinlichen Annahme der meisten Ausleger nun ist die hier gemeinte Phöbe die Ueberbringerin des Briefes an die Römer gewesen. Sie war, wie der Apostel ausdrücklich angiebt, Diakonissin der corinthischen Zweig- gemeinde zu Kenchreä. Wir finden nämlich neben dein Helfer-(Diakonen-)Llmt (Kap.12,7) in der apostolischen Kirche auch das Institut der weiblichen Helferinnem welches dem ersteren ergänzend zur Seite steht und in der griechischen Kirche bis in’s 13. Jahrh. sich erhalten hat. Man leitet dasselbe gewöhnlich von den heiden- christlichen Gemeinden her, wo die Weiber sehr zurück- gezogen lebten uiid ihr Verkehr mit den Männern in engere Grenzen eingeschlossen war, als unter den Juden. Aber nicht nur die Gesetze des Anstandes, sondern das allgemeine Bedürfnis; brachte es mit sich, für die spezielle Seelsorge, die Arnien- und Krankenpflege unter dem weiblichen Theil der Gemeinde ein ent- sprechendes Amt zu griinden; hier war den Frauen, welchen der Apostel das öffentliche Auftreten in den Versammlungen untersagt, ein schöner und weiter Wirkungskreis zur Entfaltung ihrer eigenthümlichen Gaben, zur Uebung ihrer reichen Liebe und Auf- opferung eröffnet, ohne daß sie aus ihrer natürlichen Sphäre herauszutreten brauchten. Vermöge dieses Amtes konnten sie die Segnungen des Evangeliums in die geheimften und zartesten Fugen des häuslichen Lebens einführen und ungesehen von der Welt, in aller Stille und Bescheidenheit unsäglich viel Gutes schaffen. An diese Verpflegung der Wittwen, der Armen und Kranken schlossen sich dann wohl, wie bei den männ- lichen Diakonen, noch manche andere Dienstleistungen an, obwohl wir keine ausdrücklichen Nachrichten darüber besitzen; dahin wäre zu rechnen die Erziehung ver- waister Kinder, die Verpflegung der Fremden, die Ausübung der Gastfreundschaft (1. Tim. 5, 10), und wohl auch der nöthige Beistand bei der Taufe von Personen weiblichen Geschlechts, besonders wenn diese in der Form völliger Untertauchung vollzogen wurde. Höchst wahrscheinlich dienten die Frauen Tryphena, Tryphosa und Persis, welche der Apostel in V. 12 wegen ihrer Arbeit in dem HErrn belobt, in derselben Eigenschaft an der römischen Gemeinde; in welcher Weise nun die Phöbe ihm Beistand gethan, dafür läßt ein geschichtlicher Nachweis sich nicht geben, doch liegt die Vermuthung nahe, daß er einmal bei seiner An- wesenheit in Kenchreä krank gewesen und da der Pflege bedurfte, oder daß er überhaupt Handreichung in der Weise von ihr empfangen, wie die Frauen in Luk. 8, 2 f. sie dem HErrn erwiesen. 3. Griißet die Priseilla sPrisca 2. Tim. 4, 19] und den Aquila, meine Gehilfen [Mit- Empfehlung der Ueberbringerin des Briefs Grüße an bekannte Gen1eindeglieder. 155 arbeiter Apostg 18, 26] in Christo Jesu sdie nun wieder bei euch in Rom sind Apostg. 18, 2 Anm.], 4. Welche [vor Jahresfrist in Ephesus] haben für mein Leben ihre Hälse dargegeben [zur Rettung desselben sich selbst der äußersten Todesgefahr aus- gesetz