Ludwig Unter Hofacker Gottes Schild Dieses Buch ist eine Veröffentlichung der TELOS-Verlagsgruppe. TELOS-Taschenbücher und TELOS-Paperback-Ausgaben sind „zielbewußt“, wegweisend und biblisch orientiert. TELOS-Bücher können Sie unbedenklich weitergeben, sie wurden verantwortlich ausgewählt. Ludwig Hofacker Unter Gottes Schild Verlag der St.-Johannis-Druckerei C. Schweickhardt Lahr-Dinglingen 1. Auflage der neubearbeiteten Fassung Umschlagentwurf: Imanuel Enderle Textillustrationen: Wilhelm Thiele © 1972 by Verlag der St.-Johannis-Druckerei C. Schweickhardt Lahr-Dinglingen (Baden) Gesamtherstellung: St.-Johannis-Druckerei C. Schweickhardt, 763 Lahr-Dinglingen Printed in Germany • 5608/1972 Am Abend eines heißen Tages im Jahr 1548 trat ein bäuerlich gekleideter Mann, wohl gegen 50 Jahre alt, aus der Herberge in Zuffenhausen, wohin er sich im Gewittersturm geflüchtet hatte. Er war müde von der Reise, schleppte sich aber doch auf der Straße nach Stuttgart fort, das er bei anbrechender Dunkelheit erreichte. Am Tor wurde er angehalten und nach seinen Papieren gefragt, die ein Offizier durchmusterte und mit der Frage zurückgab: „Die unruhigen Zeiten werden Euer Hochwürden veranlaßt haben, den pfarrlichen Amtsrock mit der bäuerlichen Kleidung zu vertauschen.“ Johann Brenz, der Pfarrer von Schwäbisch Hall, schaute den Offizier fragend an. Der aber sagte: „Hab Euch vor einer Reihe von Jahren häufig in Tübingen gesehen und weiß wohl, daß Ihr damals im Auftrag Seiner Durchlaucht des Herzogs neue Ordnung in die verlotterten Universitätsverhältnisse zu bringen bemüht wart.“ „Schönen Dank, Herr Leutnant“, erwiderte Brenz, „und zugleich eine Bitte, wenn ich sie aussprechen darf. Heut trete ich als Flüchtling vor herzogliche Am Tor wurde er angehalten und nach seinen Papieren gefragt Gnaden, und wenn ich in meinem seltsamen Anzug als Pfarrer Johann Brenz verraten werde, kann es mir mancherlei Ungelegenheiten bringen, denen ich bisher durch Gottes wunderbare Bewahrung entgangen bin.“ „Ich verstehe, was Euer Hochwürden sagen wollen“, antwortete der Offizier; „bin stumm wie das Grab, und niemand soll innewerden, daß ich den gelehrten Herrn Magister heute durchs Tor gelassen habe.“ Er verneigte sich freundlich, und Brenz schritt dem herzoglichen Schloß zu. Die Turmglocke schlug halb zehn Uhr. Als Brenz durch die Gänge des Schlosses schritt, drangen Stimmen aus der Bedientenstube an sein Ohr. Er trat ein und bat einen der Diener, dem Herzog unver-weilt zu melden, daß Johann Brenz von Hall ihn in dringender Angelegenheit zu sprechen hätte. Der Diener brummte etwas zwischen den Zähnen, wie wenn der Herzog bereits zur Ruhe gegangen wäre. Aber in demselben Augenblick öffnete der Fürst die Tür eines anstoßenden Gemachs, denn er hatte die Stimme erkannt, und lud Brenz zu sich in sein Kabinett. „Was in aller Welt führt Euch in dieser eigentümlichen Verkleidung so spät hierher?“ rief der Herzog. Brenz berichtete kurz seine Erlebnisse. Es sei dem Herzog ja schon bekannt, wie er vor zwei Jahren vor dem Kaiser aus Hall habe fliehen müssen, weil man unter seinen Papieren eine Predigt gefunden, in der er für den Schmalkaldischen Bund eintrat. Er sei dann auf Bitten des Rats später wieder in die Stadt zurückgekehrt, habe aber nicht umhin können, sich gegen die kaiserliche Verordnung, das sogenannte Interim1, auszusprechen, und habe es unter anderm einen Interitus (Untergang] genannt. Von da an habe des Kaisers Kanzler, Granvella, versucht, ihn zum Schweigen zu bringen und einen Beauftragten nach Hall geschickt, ihn gefangenzunehmen. Der habe die Mitglieder des Rats zusammenberufen und ihnen erst, nachdem er sie hatte schwören lassen, die Sache geheimzuhalten, kundgetan, daß er vom Kaiser den Auftrag habe, den Brenz gefangen nach Augsburg zu liefern. Allein der Ratsherr Philipp Büschler sei nach dem Schwur erst unbemerkt eingetreten. Er habe ihm nun gleich nach der Ratssitzung heimlich einen Zettel zugehen lassen mit den Worten: „Fuge, fuge, Brenti, cito, citius, citissime!“ (Flieh, flieh, Brenz, schnell, schneller, am schnellsten!] Er habe gerade im Kreis der Seinen und einiger Freunde seinen Geburtstag gefeiert, sei aber eilig aufgestanden und, ohne die Ursache zu sagen, in den Wald vor der Stadt geflüchtet. Unter freiem Himmel sei er 1 Das Interim ist eine vorläufige Regelung der religiösen Verhältnisse. Kaiser Karl V. ordnete es im Mai 1548 auf dem Augsburger Reichstag an. Es enthielt hauptsächlich Richtlinien in Lehre und Brauch nach katholischer Auffassung, machte aber den Protestanten einige Zugeständnisse, um ihnen das Zurückkommen in die römisch-katholische Kirche zu erleichtern. Diese vorläufige Regelung wurde durch den Passauer Vertrag von 1552 und durch den Augsburger Religionsfrieden von 1555 zugunsten der Protestanten aufgehoben. lange umhergeirrt und nur des Nachts bisweilen durch die Güte des Schenken Erasmus von Limburg mit den Seinen an einem verborgenen Ort zusammengetroffen. Der Beauftragte habe nun zwar Hall verlassen, aber der Rat getraue sich nicht, ihn wieder aufzunehmen, und habe ihn gebeten, einen andern Dienst zu suchen. So sei er im Vertrauen auf die Güte des Herzogs hierher gewandert. Der Herzog seufzte: „So müßt auch Ihr, mein lieber Brenz, das Brot der Verbannung essen, wie mir’s so oft beschieden war. Aber sie sollen Euch nicht ans Leben. Zwar hörte ich heute, daß der Kaiser von Augsburg aufgebrochen und mit seinem Bruder Ferdinand die schwäbischen Lande besuchen wolle. Dieser Ferdinand hofft noch immer, meinen Herzogshut an sich reißen zu können, mit dem ihn der Kaiser vorzeiten belehnt hat, um mich zu ärgern. Doch wird’s ihm, will’s Gott, nicht gelingen. Aber Sorge müssen wir tragen, daß die fürstlichen Herren Euch, lieber Brenz, nicht im Land treffen. Denn auch ich habe erfahren, wie sehr sie den Haller Pfarrer suchen, nicht aus Liebe, sondern aus Ungnade, da er ihr Interim einen Interitus gescholten und es damit bei seinem rechten Namen genannt.“ Jetzt klingelte der Herzog seinem Kammerdiener und ließ den Geheimschreiber Jakob Kornmesser zu sich rufen, der nicht nur mit der Feder umzugehen wußte, sondern auch um Rat und Hilfe in Staatsgeschäften selten verlegen war. Als er kam, rief ihm der Herzog entgegen: „Der hochwürdige Pfarrer Brenz von Hall nimmt unsre Hilfe in Anspruch. Die Haller Bürger glauben ihn vor den Nachstellungen des Kaisers nicht länger schützen zu können. Nun sorgt Ihr für einen angemessenen Schlupfwinkel in einem unsrer Schlösser. Ihr dürft mir aber den Ort keinesfalls verraten; denn wenn Seine Majestät der Kaiser kommen sollte, will ich ihm mit ehrlichem Gesicht unter die Augen treten, und wo er nach Brenz fragen sollte, möchte ich mit gutem Gewissen antworten: Wo er sich aufhält, ist mir bei meiner Ehre unbekannt.“ Kornmesser verbeugte sich gegen den Herzog. Dann bot er dem Flüchtling die Hand und sagte: „Willkommen in Stuttgart! Für die kommenden Tage ist der Schlupfwinkel bereit in meiner Wohnung. Wenn aber Seine Majestät der Kaiser kommt, sollt Ihr sichern Gewahrsam irgendwo im Land finden, daß die listigen Spanier Euch nicht fassen.“ Der Herzog wollte zur Ruhe und verabschiedete sich. Kornmesser aber schritt mit Brenz dem Zwinger zu, wo er seine Wohnung hatte, und sorgte dafür, daß sein Gast gut unterkam. Wieder war der Kaiser nach Ulm gekommen und von dort nach Kirchheim unter Teck vorgedrungen, wo er im herzoglichen Schloß wohnte. Sein Kanzler Granvella und viel spanisches Kriegsvolk begleiteten ihn. An einem heitern Sommermorgen stürzte die 17jäh-rige Nichte des Kanzlers in dessen Zimmer und rief: „Ich habe mir den Zelter (Damenreitpferd) satteln lassen, Onkel, und will in den Wald reiten. Euer Sohn, der Bischof von Arras, ist gestern angekommen und will uns begleiten. Er hat etliche Priester mitgebracht, unter denen auch ein Chorherr aus dem früheren Kloster Denkendorf ist, der spanische Erzählungen weiß, wie ich’s einem Deutschen nicht zugetraut hätte. Der hochwürdige Bischof will ihn mit uns reiten lassen; und so wird’s eine lustige Jagd werden.“ Der Kanzler streichelte lächelnd die Wange seines Lieblings. Leichtfüßig wie ein Reh hüpfte Isabella die Treppe hinab zum gesattelten Reitpferd. Der Chorherr war ihr behilflich, in den Bügel zu steigen. Dann schwang er sich selbst auf einen mutigen Rappen, und der Bischof von Arras ritt ihr zur Rechten. Vor der Stadt griffen die Pferde munter aus, und so eilig ging’s in den dichten Buchenwald, daß die Jäger und Diener die Vorausreitenden fast aus den Augen verloren. Um die Mittagszeit, als schon mehrere Stücke Rotwild erlegt waren, wurde haltgemacht und an einer schattigen Lichtung des Waldes der Imbiß verzehrt. Dabei begann der Bischof: „Erzählt doch, Base, was Ihr in Deutschland gesehen habt. Wie mir scheint, tragt Ihr kein Verlangen nach dem sonnigen Süden, und mein Vater hat Euch für Abwechslung gesorgt.“ „Es ist schön in Deutschland“, erwiderte Isabella. „Hab in den dunklen Wäldern manche Jagd mitgemacht. Den kalten Winter haben wir in Augsburg zugebracht. Dort hat sich Graf Bruno, den Ihr ja kennt, besonders um Onkels Gunst bemüht. Vor Wochen ist er aus Hall zurückgekehrt, wo er den Ketzer Brenz fangen sollte. Kaiser Karl hätte ihn lieber heute als morgen, weil er ihm sein Schoßkind, das Interim, gescholten; und seither sind Fürsten und Städte widerhaarig, es anzunehmen. Graf Bruno sollte ihn lebendig oder tot dem Onkel ausliefern.“ „Und ist ihm dies nicht gelungen?“ unterbrach der Bischof. „Erzählt schnell! Die Sache ist mir sehr wichtig; ich wollte, der Kaiser hätte mit den Ketzern längst aufgeräumt!“ Isabella fuhr fort: „Der Tölpel kam leer heim. Er ließ den Vogel entwischen, und seither ist’s vorbei mit der Gnade des Kaisers.“ „Hat man denn die Fährte des Wildes verloren“, fragte der Chorherr, „das der Graf in Hall zu pirschen gesucht?“ „Onkels Spürhunde haben Wald und Feld nach ihm durchstreift“, erwiderte sie; „aber der Hirsch ist entsprungen, und man will wissen, er habe sich in den Schutz des Herzogs von Württemberg begeben.“ Der Chorherr fuhr auf: „Verwünscht! Der Alte nimmt sich aller Ketzer an! Doch ich will mich auf die Suche machen; vielleicht gelingt mir’s, den Ketzer zu finden. Und hab ich ihn bekommen, will ich ein Hühnlein mit ihm rupfen. Ich kenne ihn von Tübingen her.“ „Tut das“, sagte der Bischof, „und die Gunst des Kaisers wird Euch nicht fehlen, wenn Ihr meinen Vater an das Ziel seiner Wünsche gebracht habt.“ Darauf bestiegen sie wieder die Pferde. Der Chorherr ritt mit ihnen bis an die Stadt; dann schlug er die Straße nach Eßlingen ein. In scharfem Ritt ging’s bis vor das Burgtor des Schlosses Württemberg im Neckartal. Die Zügel seines Pferdes band er an einen Baum und klopfte an das Fenster der Pförtnerwohnung. Drin saßen zwei Reitknechte. Der eine von ihnen war aus Denkendorf und erkannte den Chorherrn. Unter tiefer Verbeugung fragte er nach seinem Begehr. Der Chorherr nahm ihn beiseite in eine Ecke und sagte: „Kann man auf Euch rechnen, Jörg, daß Ihr still seid wie das Grab?“ Damit ließ der Chorherr einen Goldgulden in die Hand des Knechtes gleiten und flüsterte weiter: „Ist der Burgvogt zu Hause, und was treibt der Erzketzer?“ „Die Schwarzröcke sind bei ihm, und vorhin hat man sie Lieder singen hören“, antwortete Jörg. „Könnt Ihr mir nicht Gelegenheit verschaffen, unbemerkt die Versammelten zu sehen?“ „Das wird schon gehen“, war die Antwort. „Sie sind hinten im Burggraben und sitzen um den eichenen Tisch. Der Turm hat ein Fenster nach dieser Seite. Von da aus können Euer Hochwürden alles hören, was verhandelt wird. Vier Ketzerpfarrer sitzen um das dicke Buch, das sie Bibel heißen.“ Der Jörg holte den Schlüsselbund und führte den Chorherrn in den Turm. Deutlich klang’s aus dem Burggraben herauf, wie einer der dort Anwesenden den andern eröffnete: „Mir ist gesagt worden, daß sie Brenz samt seinem Söhnlein in Hall haben fangen wollen. Aber sie mußten unverrichtetersache abziehen. Er wurde gewarnt und begab sich mit den Seinen in Sicherheit. Seit Wochen ist jede Spur von ihm verschwunden.“ Der Burgvogt blickte sich scheu um, und als er keinen unberufenen Zeugen gewahr wurde, sprach er gedämpft: „Seiner Durchlaucht Schreiber, der Kornmesser, hat gestern angefragt, ob ich für Brenz eine sichere Herberge im Schloß hätte; die hintern Kellergewölbe, so dunkel sie seien, wären wohl das beste Versteck. Ich antwortete ihm bejahend und erwarte die Ankunft des geehrten Pfarrers in dieser Nacht.“ Dem Chorherrn waren diese leise gesprochenen Worte nidit entgangen. Sichtliche Freude spiegelte sich in seinem Gesicht wider, daß er so schnell die Spur des Verfolgten fand. Unten an der Pforte glitt noch ein Goldgulden in Jörgs Hand, dann ritt der Chorherr nach Eßlingen und am anderen Morgen Kirchheim zu. Den Bischof von Arras traf er bei seinem Vater, dem Kanzler Granvella. Beide riefen ihm wie aus einem Mund zu: „Bringt Ihr gute Botschaft, Chorherr?“ „Sie könnte nicht besser sein“, erwiderte er. „Der Vogel ist so gut wie gefangen; wir dürfen nur die Maschen zusammenziehen. Von früheren Zeiten her weiß ich, daß der Burgvogt auf dem Stammschloß im Neckartal ein Freund der ketzerischen Pfarrer ist und sie öfters bei sich sieht. Der Reitknecht auf der Burg ist mir wohlbekannt, und mein Gold öffnete mir den Zugang zu der frommen Sitzung, die just drunten im Burggraben am eichenen Tisch gehalten wurde. Hier vernahm ich, gut versteckt vor den Augen der Gesellschaft, daß des Herzogs Schreiber, Kornmesser, den Brenz auf die Stammburg bringen wolle. Dies wird heute nacht geschehen sein. Selbst den hinteren Kellerraum im Schloß, wo ihn der Burgvogt bergen soll, hat mir der Jörg gewiesen.“ Der Bischof klatschte in die Hände, und der Kanzler sagte: „Ich lasse ein Fähnlein Reiter gegen Abend aufsitzen, die Burg umstellen und morgen früh im Namen des Kaisers Einlaß begehren. Wollt Ihr mit, Chorherr, so wird Euch der Bischof, mein Sohn, gewiß gern begleiten.“ Gegen Abend saßen die Reiter auf. Der Bischof ließ es sich nicht nehmen, dem Hauptmann der Schar noch die nötigen Verhaltungsmaßregeln zu geben. Er wollte dann in der Morgendämmerung des folgenden Tags mit dem Chorherrn nachkommen. So sprengte denn der Hauptmann mit seinen Reitern in den schönen Abend hinein. „Es wird eine erbärmliche Unterkunft sein, die wir bei den Bauern beziehen müssen“, sagte der Hauptmann während des Ritts zu seinem Unterhauptmann. „Siehst du die Lichter der Burg? Dort tafelt gewöhnlich der Herzog; dort wird auch für uns noch eine Hammelkeule und ein Humpen Wein zu finden sein. Der Bischof meinte, wir sollen uns still verhalten bis zum Morgen und im Dorf unten Herberge nehmen. Aber das fürstliche Lager auf der Burg ist mir lieber als das faule Stroh der Bauern.“ Damit ritt er den Burgberg hinan, klopfte an das Tor und begehrte Einlaß im Namen des Kaisers für sich und seine 30 Reiter. Lange regte sich nichts hinter dem Tor, und der Hauptmann rief: „Wird’s bald? oder wir brauchen Gewalt!“ Das Tor blieb verrammelt. Im Fenster des Torhäuschens aber zeigte sich das greise Gesicht des Schloßvogts. Der rief: „Und wo ist der kaiserliche Brief, kraft dessen Ihr hier Einlaß begehrt?“ „Dies bedarf’s nicht“, rief der Hauptmann; „der Bischof von Arras, Kanzler Granvellas Sohn, folgt uns auf dem Fuß und wird Euch Gehorsam lehren, wenn Seine Majestät der Kaiser befiehlt!“ Der Schloßvogt erwiderte: „Seine Durchlaucht der Herzog, mein Gebieter, hat mich in diesen kriegerischen Zeiten mit einem Eid verpflichtet, nur ihm selbst die Tore zu öffnen. Wenn Ihr aber, Herr Hauptmann, Gewalt brauchen wollt, so versucht’s nur; die Pfosten des Tors sind fest wie Mauern, und hinter der Brüstung steht ein Dutzend Geschütze, mit denen wir uns zu verteidigen wissen.“ Der Hauptmann wetterte und schrie: „Das soll Euch schlecht bekommen, Schloßvogt! Morgen stehen wir wieder da, und wir wollen sehen, ob Ihr uns nicht einlaßt!“ Damit gab er den Befehl zum Rückzug, und der Trupp zog ins Dorf hinab, wo in Eile die Ställe geleert und den Pferden für die Nacht Platz gemacht wurde. Die Bauern beeilten sich, der Mannschaft Brot und Wein zu bringen; denn sie hatten längst erfahren, daß die Spanier beim leisesten Widerspruch kurzerhand den Säbel schwangen. Spät am Abend trat Granvella in des Bischofs Zim- mer und sagte: „Du willst also morgen reiten? Ich hoffe, der Vogt im Stammschloß der Württemberger wird dich schon einlassen, wenn du sagst, wer du bist, und dich auf kaiserlichen Befehl stützt. Für alle Fälle habe ich den Kaiser um ein Handschreiben an den Herzog Ulrich gebeten. Läßt dich der Vogt nicht ein, so reitest du nach Stuttgart und verlangst vom Herzog kraft dieses kaiserlichen Auftrags, daß dir das Schloß geöffnet wird, weil einige dem Kaiser widerwärtige Personen sich darin verborgen halten sollen. Freut mich“, setzte er hinzu, „daß du hier auch etwas zu tun bekommst; und hast du den Ketzer, will ich schon dafür sorgen, daß dir der kaiserliche Dank nicht fehlt. Der Chorherr muß mit einem gnädigen Lächeln zufrieden sein. Dir aber muß ein goldener Orden zuteil werden; vielleicht setze ich’s durch, daß der Kaiser dich dem Papst für den nächsten Kardinalshut vorschlägt. Aber nun leg dich noch ein paar Stunden schlafen; der Morgen wird bald grauen.“ „Schlaf wird wohl wenig in meine Augen kommen“, erwiderte der Bischof; „denn ich brenne vor Begierde, das Ketzernest da unten auszuheben.“ Etliche Stunden später — es war noch dunkel, nur die Mondsichel verbreitete einiges Licht —, saß der Bischof zu Pferd, und der Chorherr nebst einigen Dienern ritten mit ihm von dannen. Es war zwischen 5 und 6 Uhr, als er am Burgtor klopfte, und es überraschte ihn, daß der Schloßvogt offenbar auf seine Ankunft in dieser frühen Morgenstunde gefaßt war, unters Tor trat und nach dem Begehren des hochwürdigsten Bischofs fragte. Der Bischof berief sich auf den Kaiser und wünschte Einlaß in die Burg. Der Schloßvogt erwiderte entschuldigend: „Schon gestern hat ein kaiserlicher Hauptmann dasselbe Begehren an dieser Stelle ausgesprochen, und ich mußte ihn abweisen, weil er mir einen eigenhändigen Befehl des Herzogs nicht vorzeigen konnte. Er kündigte uns den heutigen Besuch von Eurer Hochwürden an und fügte bei, daß Ihr strenge Rache an uns nehmen werdet. Doch rechtfertigen gerade solche bewaffneten Überfälle die Vorsicht des Herzogs. Dem friedlichen Begehren Eurer Hochwürden hätten wir für Eure Person wohl Folge geben können. Doch der Hauptmann, der gestern so keck auftrat, hat Euch das Spiel verdorben und nötigt uns, auch Euch zurückzuweisen, bis Ihr uns eine eigene Vollmacht des Herzogs zum Eintritt vorweist. Nehmt den Verzug nicht allzu ungnädig auf und bedankt Euch bei dem Hauptmann dafür. Wir dürfen bei herzoglicher Ungnade nicht anders handeln.“ Der Bischof war außer sich vor Zorn über das eigenmächtige Vorgehen des Hauptmanns. Auch bestärkte ihn anderseits die Bedingung des Burgvogts in seinem Vermuten, daß die Burg tatsächlich den Gesuchten in ihren unterirdischen Gewölben birgt. Im stillen lobte er die Vorsicht seines Vaters, daß er ihm den kaiserlichen Brief für den Herzog mitgab. Noch vor Mittag war der Bischof von Stuttgart zurück. Am Burgtor traf er den Hauptmann, der immer noch wetterte und tobte, und empfing ihn sehr ungnädig. „Hätte guten Grund“, redete er ihn an, „Euch zu meinem Vater nach Kirchheim zurückzuschicken. Herzog Alba wird Euch den Lohn für Eure Willkür bezahlen. Ich werde ihm alles pflichtgemäß melden. Vorläufig bestrafe ich Euch damit, daß Ihr mit Euren Reitern noch eine Stunde im Sattel sitzen bleibt, bis wir Euch ins Innere des Burghofs rufen lassen.“ Als der Schloßvogt das herzogliche Wappen auf dem überreichten Brief sah, wurden schleunigst die Verrammlungen beseitigt und das Tor für den Bischof und seine Begleiter geöffnet. Auf der Feste Wittlingen bei Urach war an diesem Morgen ein herzoglicher Wagen vorgefahren. Der Diener sprang an den Schlag und half einem Herrn in vornehmer Kleidung heraus, dem ein bäuerlich gekleideter Mann in mittleren Jahren folgte. Als die beiden in einem Zimmer des Erdgeschosses verschwunden waren, ließ der Schloßhauptmann eine stattliche Rehkeule mit Brot und Wein auftragen. „Das war eine wilde Jagd!“ begann der Kämmerer von Gültlingen, dessen Obhut Kornmesser den Reformator Brenz anvertraut hatte. „Oft schon bin ich den Weg geritten, aber noch nie hat mich ein Wagen die Steige heraufgebracht. Nun wollen wir uns gütlich tun; denn ich bin wie gerädert von der langen Fahrt.“ Auch Brenz sprach den Vorgesetzten Speisen zu. „Wie deutlich kann ich die Fürsorge Gottes wieder sehen!“ sagte er mit erleichtertem Herzen. „Oft schon hing mein Leben an einem Haar. Aber es bleibt wahr: Aus sechs Trübsalen wird er dich erretten, und in der siebenten wird dich kein Übel rühren. Schon war’s verabredet, daß mir Kornmesser in den unterirdischen Gewölben der herzoglichen Stammburg meinen Bergungsort anwies. Doch wunderbar, der Umzug auf Burg Württemberg mußte um einen Tag verschoben werden. Da wurden wir gewarnt. In der letzten Nacht klopfte der dortige Schloßvogt an unsre Tür und meldete, daß ein kaiserlicher Hauptmann mit einem Trupp Reiter vor den Toren des Schlosses erschienen sei und den Eintritt erzwingen wollte. Als er abgewiesen wurde, drohte er, am heutigen Morgen in Begleitung eines Abgesandten von Granvella wiederzukommen. Da hat Kornmesser alsbald zu Euch geschickt, und mir tut’s leid, daß Ihr um Eure Nachtruhe gekommen seid. Doch es war Gefahr im Anzug, und wir mußten eilen, wenn die Flucht hierher noch während der Nacht gelingen sollte.“ Gültlingen sorgte nun dafür, daß Brenz bequemere Kleidung bekam. Dann hatte er eine Unterredung mit dem Schloßvogt und vertraute den Flüchtling seiner besonderen Obhut an. Kein Schloßbewohner erfuhr, wer der Fremde war; doch bestellte er sich einen Psalter in der Ursprache, in dem er eifrig las. Gültlingen hatte noch befohlen, Im herzoglichen Schloß zu Stuttgart war’s heute früher als sonst lebendig geworden daß man ihn „Herr Magister“ anrede und mit allen neugierigen Fragen bei herzoglicher Ungnade unbehelligt lasse. Auch im herzoglichen Schloß zu Stuttgart war’s heute früher als sonst lebendig geworden. Der Herzog hörte Pferdegetrappel vor seinen Fenstern und rief seinen Diener, der ihm über die Störung seines Morgenschlafs Bescheid bringen sollte. Da meldete sich ein Schloßbeamter beim Herzog und überreichte ihm einen Brief mit kaiserlichem Siegel. Er fügte hinzu: „Der Bischof von Arras, der Sohn des Kanzlers Granvella, hat den Brief überbracht und wünscht herzogliche Durchlaucht zu besuchen.“ Nachdem der Herzog sich fertiggemacht und das kaiserliche Schreiben überflogen hatte, befahl er, den Bischof ins Empfangszimmer zu führen. Dort sagte der Herzog zu ihm: „Euer bischöfliche Gnaden wollen mein Stammschloß drüben durchsuchen. Der Kaiser schenkt mir kein gutes Zutrauen. Er meint, daß ich Feinde Seiner Majestät dort beherberge. Doch weiß ich mich rein von solchem Beginnen und befehle dem Schloßvogt mit diesem Brief und meinem fürstlichen Siegel, daß er Euch das Tor öffnen und Euch nach Eurer Willkür in den Gemächern, Kellern und Gewölben herumführen soll. Findet Ihr etwas Ungerades, so ist es ohne meine Schuld im Schloß versteckt. Denn mir ist niemals die Anwesenheit eines Feindes Seiner Majestät in dem Schloß bekannt geworden.“ Dabei hatte der Herzog einige Buchstaben aufs Papier ge- bracht, es gefaltet und versiegelt, und der Bischof ist nach einer tiefen Verbeugung mit dem Schreiben von dannen gezogen. Auf seinem Angesicht glänzte ein Lächeln, das wohl besagen sollte: „Der Ketzer ist uns gewiß, und der Interitus wird nun über ihn kommen.“ Im Herbst desselben Jahres 1548 schüttelte der Wind das Laub von den Bäumen, und kalter Regen prasselte an die Scheiben. Der Kämmerer von Gült-lingen trat in die herzoglichen Gemächer, fand aber seinen fürstlichen Herrn in sichtlicher Verstimmung. Der Kaiser war tags zuvor mit seinem Gefolge abgezogen. Er hatte den Herzog seinen Unmut darüber merken lassen, daß es ihm wider Erwarten mißlungen war, Brenz gefangenzunehmen. Auch ließ er den Herzog wissen, daß nur die rückhaltlose Einführung des Interims ihn vor der Absetzung schützen könne. König Ferdinand von Böhmen verlange mit Ungestüm, in seine herzoglichen Rechte in Württemberg eingesetzt zu werden. Daher kam Herzog Ulrichs Verstimmung. „Ich habe von Kornmesser gehört“, begann der Herzog, „daß Ihr den Brenz nach Wittlingen gebracht. Was bringt Ihr für Nachricht von dort?“ Gültlingen erwiderte: „Der Pfarrer wird gut versorgt, wie ich’s befohlen. Er jagt nicht wie einst Junker Jörg auf der Wartburg, aber verdeutscht und erklärt Psalmen wie er. Vorgestern gab er mir zu verstehen, daß er keine Langeweile habe. Mit der Erklärung des 93. Psalms sei er eben fertig geworden, und nun komme der 130. dran, falls ihm solche Stille weiterhin beschieden sei.“ „Nein, ich kann ihn dort nicht länger lassen“, warf der Herzog ein. „Der Kaiser hat mir zu erkennen gegeben, daß er ihn wohl noch aufzustöbern wisse, denn der Pfaffe müsse in Württemberg verborgen sein. Sucht eine passende Verkleidung für den Magister und bringt ihm diese 50 Gulden mit meinem fürstlichen Gruß. Sagt ihm, daß ich ihn vor dem Kaiser nicht länger schützen könne. Er möge sich zu seinen Basler Freunden machen und unterwegs in Mömpelgard (Montbeliard) bei meinem Sohn vorsprechen. Christoph hält große Stücke auf ihn und will ihm wohl. Vielleicht weiß er Rat und Hilfe.“ Gültlingen nahm das Geld und verabschiedete sich, während der Herzog sich seufzend auf sein Ruhebett niederließ. Gültlingen ging in den herzoglichen Marstall, ließ sich einen Rappen satteln und ritt auf die Feste Wittlingen, von einem Reitknecht gefolgt. Brenz begrüßte den adligen Kämmerer, der immer ein gutes Wort hatte, herzlich und freudig. Doch als Gültlingen den herzoglichen Auftrag ausrichtete, umwölkte sich des Reformators Stirn, und er seufzte tief: „Ach, soll mir denn keine Ruhe mehr werden? Ich bin wie ein heimatloser, flüchtiger Vogel, und es ist nicht abzusehen, wann ich mich der Meinen am häuslichen Herd wieder freuen werde. Meine Frau wußte es einzurichten, durch den herzoglichen Rat einige Zeilen an mich gelangen zu lassen. Sie befindet sich übel und muß häufig das Bett hüten; sie glaubt, ihre kranke Lunge werde es nicht allzulange mehr aushalten. Wer mag’s ihr verargen, daß sie für mich und die Kinder besorgt ist, falls sie wegsterben sollte? Kornmesser hat mir den Brief durch einen vertrauten Boten geschickt, und ich habe ihn diesen Morgen erwidert, wollte sie trösten aus der Bibel, aber mußte meinem Glauben selbst erst den 93. Psalm Vorhalten, wo es heißt: Die Wasserwogen im Meer sind groß und brausen mächtig; der Herr aber ist noch größer in der Höhe.“ Dann meinte er: „Ich hätte so gern die Auslegung des 130. Psalms vollendet, wofür ich kaum noch anderthalb Tage brauche, und nun ist nach des Herzogs Meinung auch dieser Plan zunichte, und ich muß mein unstetes Wanderleben fortsetzen.“ Der Kämmerer erwiderte: „Solche Eile hat es nicht, wenn ich den Herzog recht verstanden. Die Arbeit über den 130. Psalm könnt Ihr getrost vollenden. Zeitig genug ist’s, wenn Ihr kommenden Montag aufbrecht. Bis dahin wird wohl auch das Wetter wieder schöner, und ich kann Euch den Anzug und die Ausstattung eines Kaufmanns verschaffen. Als Magister dürft Ihr nicht reisen noch weniger als Bauer, denn die Straßen sind voll spanischen Kriegsvolks, und wer sich nicht ausweist, kann in Gefahr kommen.“ Anfang der kommenden Woche verließ Brenz, als Kaufmann verkleidet, die Feste Wittlingen. Er vermied die breite Heerstraße und ging durch die immergrünen Wälder des Schwarzwalds. Drüben am Horizont sah er den Silberstreifen des Rheins, und in deutlichen Umrissen hob sich der Münsterbau vom Himmel ab. Als er ins badische Land hinabstieg, tummelten sich die Leute in der lachenden Septembersonne und schnitten saftige Trauben von den Reben. Bald ging’s durch die Tore Straßburgs. Hier fand er gastliche Aufnahme bei Paul Fagius, der früher Prediger in Isny und nun seit einigen Jahren Prediger und Professor in Straßburg war, sehr gelehrt in der hebräischen Sprache, von frommem Sinn und männlichem, aber mildem Wesen. Außerdem wohnte in der Stadt der gediegene Prediger und Lehrer Hedio sowie Butzer, von dem man sagen konnte, er genieße nächst Melanchthon das größte Ansehen der Kirche. Im Umgang mit diesen Männern, die mit ihm einig waren in der Verwerfung des Interims, fand Brenz viel Trost und Stärkung. Eines Abends saßen Fagius und Brenz in traulichem Gespräch beieinander. Da kam Besuch. Fagius begrüßte ihn: „Was schafft mir die Ehre, Doktor Renatus Stadmann zu empfangen? Herzlich willkommen! ’s ist schon lange her, seit ich Euch zuletzt gesehen!“ Auch Brenz kam herbei, den Gast zu grüßen, und sagte: „Wie wohl tut’s in diesen bösen Zeiten, einem treuen Freund zu begegnen! Ich hätte mir ein Wiedersehen in Straßburg nicht träumen lassen. Sagt, wo kommt Ihr her, und was ist das Ziel Eurer Reise?“ Fagius half dem Freund die Reisekleidung ablegen. Dann begann Stadmann zu erzählen: „Engelmann in Mömpelgard hat von Eurer Reise nach Straßburg erfahren, lieber Brenz. Er sieht den jungen Prinzen Christoph fast täglich, und dieser vertraute es ihm, daß Ihr wohl von Straßburg nach Mömpelgard kommen werdet. Wir rieten hin und her, wo Ihr wohl in Straßburg Herberge nehmen werdet, und Engelmann gab mir den Auftrag, Euch bei Fagius zu suchen und einen Gruß des Prinzen zu bestellen. Dieser hat nämlich den Wunsch, Euch zu sprechen, und weil ihm Kornmesser schrieb, daß Ihr über Straßburg nach Basel reist, läßt er Euch ersuchen, auch ein paar Tage in Mömpelgard zu verbringen und ihm von seinem württembergischen Vaterland zu berichten.“ „Wie gern wollte ich ihm Gutes sagen vom schönen Schwabenland!“ erwiderte Brenz. „Aber dort sieht’s greulich aus, und sein herzoglicher Vater kann sich des Kaisers kaum erwehren, der das Interim eingeführt haben will und je eher, je lieber die Meßpriester ins Land zurückbringen möchte. Besonders denke ich an Prinz Christoph. Obwohl er noch jung war, hat er sich schon vor zehn Jahren geweigert, dem Papst den Pantoffel zu küssen, und ist, wie ich hörte, dem evangelischen Bekenntnis seit vielen Jahren treu geblieben.“ „Luthers Bibel ist auch heute noch sein liebstes Buch“, ergänzte Stadmann. „Engelmann weiß, daß er täglich darin liest.“ Geleitet von Doktor Stadmann und einem Boten des Herzogs, reiste Brenz wenige Tage später über Mömpelgard nach Basel weiter. Dort traf er am Abend des 1. Oktober ein. „’s hat 11 Uhr geschlagen, und die Suppe ist auf dem Tisch“, rief die Frau des Basler Professors Grynäus. „Walter, geh auf Vaters Stube und rufe ihn zum Mahl; und du, Hans, kannst zu Herrn Brenz gehen. Der steckt wieder seit dem frühsten Morgen hinter den Büchern. Er möge sich sputen und zum Mittagessen kommen.“ „Ich weiß, was er treibt“, antwortete Hans. „Gestern hat er mir seine hebräische Bibel gezeigt. Er übersetzt den Propheten Jesaja und legt ihn aus. Es soll ein Buch werden wie die Psalmenauslegungen, die er mitgebracht und hier in Druck geben will.“ Damit sprang er zur Tür hinaus und die Treppe hinunter. Walter ging zum Studierzimmer seines Vaters. Bei ihm fand er seine beiden Schwestern Hildegard und Mechthild. Sie hingen sich an des Vaters Arme, die eine rechts, die andre links, als ihr Bruder zum Essen rief. Der Vater lüftete das Käppchen und betete andächtig das „Aller Augen“. Nach dem Gebet setzte sich die muntere Gesellschaft zu Tisch, und die junge Schar sprach den aufgetragenen Gerichten mit be-sonderm Eifer zu. Brenz aber sagte traurig: „So war’s noch vor wenigen Monaten auch in meinem Haus zu Hall. Jetzt sind wir getrennt.“ Vater Grynäus entgegnete tröstend: „Den Abend lang währt das Weinen, aber des Morgens ist Freude. Auch Euch wird einmal wieder die Sonne scheinen.“ „Ihr habt recht“, erwiderte Brenz. „Hinter den trüben Regenwolken der Gegenwart lugt schon da und dort die Sonne hervor. Habe heute morgen meine Erklärung des Jesaja unterbrochen und an Calvin, den Mann Gottes in Genf, ein Schreiben gerichtet, das ihm wieder Nachricht von uns geben soll. Zwar vom leidigen Interim durfte ich nichts verheimlichen. Doch die herzliche Gastfreundschaft, die mir hier in Basel entgegengebracht wird, konnte ich ihm auch nicht verschweigen. Vom Prinzen Christoph berichtete ich ihm Erfreuliches, was ich in Mömpelgard bei meinem Besuch sah. Er hat an der Prinzessin Anna Maria von Ansbach eine Frau nach seinem Herzen erhalten. Sie lesen jeden Abend zusammen in den Schriften Luthers. Einmal wird er ja noch Herzog von Württemberg. Ich habe dem Prinzen Mut zugesprochen, geduldig auszuharren, wenn’s ihm schon bisweilen unter den Füßen brennt, dem Vater in seinem Kämpfen um das Innere und Äußere Württembergs zu Hilfe zu kommen.“ Wenige Tage darauf trat Doktor Renatus Stadmann ins Zimmer des Reformators und brachte einen umfangreichen Brief Calvins, dem eine tröstliche Zuschrift an Brenz beilag. Der strenge Kirchenmann war kaum wiederzuerkennen in seinen herzlichen teilnehmenden Worten für den vom Kaiser Verfolgten. Professor Grynäus dankte er für seine Gastfreundschaft. Brenz zeigte dem Hausherrn den Brief, doch sagte der: „Ei, Calvin lobt mich, als ob ich geben würde, und doch empfange ich viel mehr.“ Ende November hielt der Winter schon seinen Einzug. Frau Grynäus ließ ihre Kinder die Wintersachen anziehen. Es hatte etwas geschneit, und manche Wege waren glatt und nicht mehr sicher zu begehen. Aber heute am 24. November schien die Sonne noch einmal warm. Ein lauer Wind wehte und schmolz Eis und Schnee. „Heute ist so schönes Wetter, Herr Brenz, hättet Ihr da nicht Freude, eine Stunde mit den Kindern im Freien vor der Stadt spazierenzugehen?“ Nach Tisch wandte sich Frau Grynäus an ihren Gast: „Heut ist so schönes Wetter, Herr Brenz, hättet Ihr da nicht Freude, eine Stunde mit den Kindern im Freien vor der Stadt spazierenzugehen und Euch dabei von der Arbeit über Euren Büchern etwas zu erholen? Eine Hausfrau hat vor Weihnachten manches zu tun, sonst würde ich wohl mit den Kindern gehen.“ Brenz hatte Kinder gern und war einst selbst bisweilen mit den Seinen vor die Tore Schwäbisch Halls hinausgegangen. Die Mutter konnte in letzter Zeit allerdings wegen ihres bösen Hustens nicht mehr hinaus. Als sie es im vergangenen Frühjahr doch einmal gewagt hatte, bekam sie einen solchen Brustkrampf, daß Brenz Mühe hatte, sie nach Hause zu bringen. Ein Blutsturz zwang sie dann mehrere Wochen zur Bettruhe. Nun ging Brenz gern mit den Kindern hinaus über die Rheinbrücke. Dort sahen sie manche Schiffe zwischen den Brückenpfeilern hindurchsteuern. Als sie wieder heimkamen, erzählten die Kinder der Mutter viel von dem, was sie gesehen hatten. Brenz aber erhielt einen Brief, den der Bote eben gebracht hatte. An der Schrift erkannte er den herzoglichen Schreiber Kornmesser als Absender. Beigelegt war ein kleiner Brief von seinem Schwager Gräter. „So ist denn das Schmerzliche geschehen“, stand darin, „daß Eure liebe Frau gestern abend am 18. November nach langem Leiden und zuletzt sehr beschwerlichen Krankheitszuständen ihren Heimweg in die Wohnungen des Friedens angetreten hat. Sie ließ mich rufen, als sie ihr Ende nahen fühlte, und legte ihren Kindern segnend die Hand auf. Dann gedachte sie, männlich gefaßt, an Euch und bat mich, Euch ihren letzten Gruß zu bestellen. Beate, die treue Hausgehilfin, pflegte sie mit Aufopferung bis zuletzt und hatte Tränen in den Augen, als ihr die Sterbende die Hand zum Dank reichte. Wir suchten ihr noch so viel Erleichterung wie möglich zu schaffen. Zuletzt sagte sie noch leise: .Christus ist mein Leben, und Sterben ist mein Gewinn.1 Dann öffnete sie die Augen weit, als ob sie eine himmlische Erscheinung wahrnehme. Gleich darauf legte sie den Kopf zur Seite und verschied ohne jeglichen Kampf.“ „Der Herr hat sie mir gegeben und viel Freude mit ihr“, sagte Brenz wunderbar gefaßt, „der Herr hat sie genommen; der Name des Herrn sei gelobt!“ Dann griff Brenz zu dem Schreiben Kornmessers und las: „Die Trauerbotschaft, die vor wenigen Stunden bei uns in der herzoglichen Kanzlei einlief, will ich sogleich an Eure Hochwürden weiterbefördern und mitteilen, daß Seiner Durchlaucht die schmerzliche Nachricht aus Hall nahegegangen ist. Der Herzog befiehlt mir, Euch zu schreiben, daß auch in solchen Fällen das Wort Gottes den besten Trost gibt. Da Durchlaucht zugleich vermuten, daß Ihr wegen Eurer Kinder gern in die Heimat zurückkehrt, um sie über dem Tod der Mutter zu trösten, so geht zugleich ein Schreiben an Euren Schwager Gräter in Hall ab, worin der Herzog die Begräbniskosten übernimmt und anordnet, daß Eure Kinder im Geleit Eures Schwagers in den letzten Tagen dieses Monats in Stuttgart eintreffen möchten, wo Euch herzogliche Durchlaucht ebenfalls erwarten.“ Mit den üblichen Begrüßungen und Teilnahmsbezeugungen schloß der Brief, den Brenz selbst bis zum Schluß vorgelesen hatte. „Es ist wohltuend“, sagte Frau Grynäus, „wie väterlich Herzog Ulrich für Euch und Eure Kinder sorgt. Wir hätten uns gefreut, Euch in der Weihnachtszeit noch bei uns zu haben, aber ich verstehe, daß Ihr jetzt heim zu Euren Kindern reisen wollt, die Euch nötig brauchen.“ Hans rief dazwischen: „Aber ich laß mir meine Freude nicht verderben. Da hol ich gleich die Amsel aus ihrem Käfig, und ihr Lied wird gewiß den Herrn Magister auch heute schon erfreuen!“ Und ehe ihn die Mutter aufhalten konnte, war er zur Tür hinaus und brachte den Vogel, der nach einigem Zureden mit schöner Stimme sang. Hans ging nah an Brenz heran und flüsterte: „Diese Amsel habe ich Euch, Herr Magister, zu Weihnachten schenken wollen. Wenn Ihr aber nun nach Stuttgart geht, so nehmt sie bitte Eurem Sohn Hans mit und sagt ihm einen schönen Gruß von mir.“ Kanzler Granvella saß in seinem Arbeitszimmer in Regensburg und hatte einen Brief aus Stuttgart von einem seiner zahlreichen Spione in Händen. Er las: „Heute kann ich Euer Gnaden mitteilen, daß der Ketzer Brenz hier eingetroffen ist und viel im Kabinett des Herzogs Ulrich verkehrt. Seine Frau ist vor kurzem in Hall verstorben. Wie man jetzt vernimmt, soll er bei Basler Freunden Zuflucht gefunden haben und vom Herzog hierher beordert worden sein. Mein Gewährsmann versichert, ihn gestern in des Herzogs Kabinett gesehen zu haben, wo er mit Abfassung wichtiger Schriftstücke beschäftigt war. Hiermit habe ich die Ehre, meine Dienste Euer Gnade für die Zukunft zu empfehlen, und bemerke, daß meine Angaben aus den sichersten Quellen stammen.“ Der Kanzler legte den Brief auf die Seite und durchmaß die Stube mit gewaltigen Schritten. Dabei sprach er für sich: „Es ist kein Verlaß mehr auf meine Leute, seitdem sie den Brenz schon einigemal wieder entschlüpfen ließen, nachdem sie ihn beinah gefaßt hatten.“ Plötzlich kam Isabella ins Zimmer und strich mit ihrer Hand die Falten von des Onkels Stirn. Er aber redete weiter: „Auch mein Sohn hat mich zum besten gehabt, ebenso Graf Bruno, als sie mir den Fang des Ketzerpfaffen unlängst so bestimmt in Aussicht stellten.“ Isabella warf begütigend ein: „Auch der Bischof von Arras war enttäuscht vom Ungeschick seiner Helfer, mit denen er den Ketzer fangen wollte. Nun soll Graf Montgelas ihm den Ketzer festnehmen.“ „Es ist dein Lebensretter“, bemerkte der Kanzler. „Durch seinen Einsatz bei der Jagd hielt er den gefährlichen Eber von dir ab. Es war eine Heldentat. Wir dürfen ihm dankbar sein.“ „Er soll auch ein schneidiger Reiterführer sein“, sagte Isabella. „Ja“, bestätigte Granvella, „aber bitte geh jetzt, ich habe Besprechungen.“ Als Isabella hinausgegangen war, griff der Kanzler zur Glocke. Der Bischof von Arras trat ein, und der Kanzler sagte sogleich: „Wir müssen endlich den Ketzer Brenz in unsre Gewalt bekommen. Seine Majestät der Kaiser tadelte, unser Netz habe allenthalben Löcher, wodurch die Brenzen entwischen. Eben erhielt ich nun die Mitteilung, daß Brenz in Stuttgart gesehen wurde. Wenn’s uns doch noch gelingt, ihn lebendig oder tot in unsere Gewalt zu bekommen, wäre unsre Ehre gerettet und dem Kaiser ein bedeutender Dienst getan. Ich werde Oberst Montgelas rufen und ihn mit dem ehrenvollen Auftrag betrauen, den Ketzer zu fangen und sich damit die Gunst des Kaisers zu erwerben.“ Eine Viertelstunde später wurde Oberst Montgelas gemeldet. Der Kanzler überreichte ihm einen Brief an Herzog Ulrich und machte ihn mit dem Inhalt bekannt. Dann sagte der Kanzler: „Eilt Euch, Oberst, und trabt mit zwei Fähnlein Eurer spanischen Reiter über München nach Stuttgart. Der Herzog von Württemberg kann Euch eine strenge Durchsuchung aller Schlupfwinkel in der Stadt nicht verweigern, wenn Ihr Euch auf Seine kaiserliche Majestät beruft und den Brief vorzeigt. Mit diesem Auftrag steht Eure Ehre auf dem Spiel. Werdet Ihr den Brenz ergreifen, so ist Euch die Gunst des Kaisers sicher.“ Der Oberst verbeugte sich und versicherte: „Ich werde mein möglichstes tun, damit diesmal der Fang gelingt.“ Im Prunksaal des herzoglichen Schlosses zu München tafelte eine frohe Gesellschaft. Der Herzog von Bayern erhob sich und sagte: „Oberst Graf Montgelas, der im Auftrag Seiner Majestät des Kaisers nach Stuttgart reitet, hat uns die Ehre angetan, einen Brief des Kanzlers Granvella mit höflichen Grüßen zu überbringen. Ich habe den Grafen zu unsrer Tafel geladen und weiß, daß mein Hof gern von den Kreuz- und Querzügen Seiner Majestät des Kaisers und seinen glorreichen Feldherrntaten Näheres hören würde.“ Der Graf hatte sich bei diesen Worten gleichfalls erhoben, und sein Brustharnisch funkelte neben der edelsteinbesäten Kleidung der Prinzen und Prinzessinnen. Ganz in der Nähe des Herzogs saß seine Schwester Maria Jakobäa. Sie war die Tante der Herzogin Sabine, der Frau des Herzogs Ulrich. Dem Evangelium war sie zugetan und hatte schon manches von den wiederholten Verfolgungen gehört, die Johann Brenz durchmachte. Als der Oberst vorgestellt wurde, kam ihr der Gedanke, seine Sendung nach Stuttgart könnte mit Brenz irgendwie in Zusammenhang stehen. Im Verlauf des Gesprächs fragte der Herzog den Oberst nach dem Grund seiner Reise. Da wurde er verlegen, worauf der Herzog begütigend sagte: „Wollen uns nicht in Eure Geheimnisse drängen.“ Der Oberst antwortete leise dem Herzog über Tisch: „Durchlaucht, ich soll den Ketzer Brenz fangen und Seiner Majestät dem Kaiser tot oder lebendig nach Regensburg bringen.“ Diese geflüsterten Worte waren der Schwester des Herzogs nicht entgangen. Als der Zeiger auf 10 Uhr rückte, ging sie unbemerkt hinaus und zog sich in ihre Gemächer zurück. Ihr Diener rückte der alten Dame den Lehnstuhl an den Schreibtisch und zündete die Lichter auf dem Tisch an. Dann ließ sie den Fähnrich Paulstorfer rufen. Schon nach einer Vier- telstunde stand er reisefertig vor ihr und verneigte sich höflich: „Stehe zu Befehl, Euer Gnaden. Die Nacht ist sternhell, kann sofort reiten.“ In den ersten Dezembertagen des Jahres 1548 fegte ein gewaltiger Sturm durch das württembergische Land. Er schüttelte die letzten Blätter von den Bäumen. Die Wetterfahne ächzte und stöhnte auf dem Turm des alten Schlosses. Herzog Ulrich lag seufzend auf seinem Bett. Die Gichtschmerzen verscheuchten ihm den Schlaf. Er dachte an Brenz, der vor einigen Tagen zurückkehrte und seine Kinder wiedersah. Seitdem arbeitete er jeden Tag einige Stunden im Kabinett des Herzogs und gab ihm schon so guten Rat, daß Kornmesser dem Herzog sagte: „Hätten wir den Pfarrer Brenz immer im Kabinett, so wären wir gut beraten. Sein Verstand ist so groß wie seine Frömmigkeit.“ Nun überlegte der Herzog auf seinem Bett, ob dieser Vorschlag nicht auszuführen wäre. Da hörte er Getrappel eines Pferdes. Der Kammerdiener eilte, um zu erfahren, was dieser späte Lärm bedeutet. Inzwischen war der Reiter abgesessen und meldete: „Ich habe den Auftrag, einen Brief sogleich in Herzog Ulrichs höchsteigene Hände zu bestellen.“ Als der Herzog dies erfuhr, ließ er den Boten sogleich zu sich führen. Der Fähnrich grüßte den Herzog mit einer tiefen Verbeugung und übergab ihm den Brief. Der Herzog überflog das Schreiben und ordnete an, daß der Bote und sein Pferd gut mit allem Nötigen versorgt werden und ihnen dann Ruhe gegönnt wird, denn sie müßten am nächsten Morgen wieder zur Rückreise aufbrechen. Dann ließ er Pfarrer Brenz wecken, er möge sich zum Herzog bemühen, der ihm Wichtiges mitzuteilen hat. Als Brenz nach einer Viertelstunde eintrat, sagte der Herzog: „Ich habe Euch diesmal etwas zu sagen, worauf Ihr mir nicht antworten sollt. Hört mich schweigend an und tut, was Gott Euch befiehlt; denn ich bin mit Euch in neuer Gefahr. Eben hat mir ein Eilbote aus München von meiner Base Maria Jakobäa diesen Brief gebracht: Viellieber Herzog und Vetter! Diesen Abend war Graf Montgelas zur Tafel meines Bruders geladen. Er ließ dabei verlauten, daß er von Kanzler Granvella, der sich gegenwärtig in Regensburg befindet, mit einem wichtigen Auftrag nach Stuttgart befohlen worden sei. Er soll Pfarrer Brenz, der in diesen Tagen bei Euch weile (woher nur diese Füchse alles wissen?), lebendig oder tot nach Regensburg ausliefern, wo in einigen Wochen Seine Majestät der Kaiser zurückerwartet wird. Den Brief sende ich durch einen Eilboten, den ich zur Rückreise einen andern Weg gewiesen, damit er den Spaniern nicht in die Hände fällt. — Mit freundnachbarlichen Grüßen bin ich Eure Base Maria Jakobäa. Also, habt Ihr’s vernommen? Ich will keine Schuld an Eurem Blut haben. Tut, was Euch das beste dünkt, und rettet Euch, wie und wohin Ihr wollt. Ich will es aber nicht wissen; denn ich will’s frei mit einem Eid bekräftigen können, daß ich nichts von E.uch weiß. Geht also in Gottes Namen! Gott be-w/ahre Euer Leben!“ Brenz stand im ersten Augenblick wie vom Schlag gerührt. Er ermannte sich aber schnell und verabschiedete sich mit stummer Verbeugung. Der Herzog soll ihm dabei mit nassen Augen nachgesehen umd ihm zugerufen haben: „Wenn Ihr Gott lieb seid, so wird Er Euer Leben behüten!“ A.m nächsten Tag schon rückte Graf Montgelas ein. Eir überreichte seine Vollmacht, und der Herzog erlaubte, daß die Stadttore und die Tore seines Schlosses besetzt wurden. Auch eine Haussuchung ini der ganzen Stadt ließ der Herzog zu, um sein W/ort zu bekräftigen, daß er nicht wisse, wo sich der Gesuchte befindet. Ein Haus um das andre Wiurde vom Keller bis zum Dachraum durchstöbert. Diie spanischen Säbel und Spieße durchstießen Ki-stten und Kästen, Betten und Fässer, Holzstöße und Fuitterböden, aber man fand Brenz nicht. Nach vierzehn Tagen meldete sich Graf Montgelas wie- der beim Herzog, dankte für das Quartier und bemerkte verlegen, daß die Suche erfolglos war. Am folgenden Morgen zog er mit seinen Reitern wieder weg. Wohin aber war Brenz entflohen? Noch lange erzählte man sich, er habe seine Kinder zu Verwandten und Freunden geschickt und dann sein Haus schweigend verlassen. Einen Laib Brot unter dem Arm, sei er der Leitung Gottes in die obere Stadt gefolgt. Im ersten Haus, das offenstand, stieg er unbemerkt mehrere Treppen hinauf bis auf den Speicher, wo er zwischen einem Holzstoß und dem Dach hindurchkroch und sich in einen Winkel kauerte. Das Brot war bald aufgezehrt. Aber da kam am ersten Mittag und dann jeden Tag eine Henne die Treppe herauf, legte in seinem Schlupfwinkel ein Ei und ging, ohne zu gackern, wieder fort. Als Brenz die Spanier hörte, wie sie bei ihrer Haussuchung immer näher kamen, lag er auf den Knien und betete. Schließlich stiegen sie lärmend die Treppe zum Speidier herauf und durchsuchten alles. Mit ihren Spießen stachen sie durch den Holzstoß, so daß Brenz einem der Stiche ausweichen mußte. An dem Tag, als die Spanier die Stadt verließen, kam dann die Henne nicht mehr, und Brenz hörte von der Straße herauf: „Jetzt sind sie fort!“ Noch am Abend ging er zum Herzog. Hocherstaunt über sein Erscheinen, soll der Herzog mit ihm an ein Fenster getreten und niedergekniet sein und Gott für seine Rettung gedankt haben. Herzog Ulrich hielt Brenz in Stuttgart nun nicht mehr sicher vor den kaiserlichen Spionen und berief ihn eines Morgens zu sich. „Brenz“, sagte er, „ich kann Euch nicht länger schützen; der Spürhunde sind zu viele. Gerne wollte ich Euch hierbehalten, wenn ich wüßte, daß es unbekannt bliebe.“ „Gott hat seine eigene Uhr“, fügte Brenz ein, „und führt uns nach seinem Ermessen.“ „Euer Leben ist mir wert“, fuhr der Herzog fort, „darum sollt Ihr mein Burgvogt in Hornberg werden. Macht Euch bis spätestens in zwei Tagen dorthin auf den Weg. Ihr seht zwar keinem Burgvogt gleich, aber nehmt Euch Doktor Martinus zum Vorbild. Der wußte sich gut als Junker Jörg auf der Wartburg zu führen. So tut Ihr es ihm nach als Untervogt in Hornberg. Dabei habt Ihr für Eure Kinder Brot und könnt sie selbst erziehen. Vor allem aber seht Euch vor, daß niemand erfährt, wer Ihr seid. Nehmt dazu einen andern Namen an, haltet Euch nicht von allen Festlichkeiten fern und predigt mir nicht zuviel, auch wenn Ihr möchtet. Sonst spürt Euch Granvella mit seiner listigen Nase auch dort auf.“ — Dichte Schneewolken hingen über dem Schwarzwald. Die Strohdächer der Bauernhäuser im Gutach-tal waren von Schnee bedeckt. Im Städtchen Hornberg traten die Leute vor die Häuser, um den mit vier starken Pferden bespannten Planwagen zu betrachten, der jetzt den Schloßberg hinauffuhr. Jost Münch von Rosenberg, der eigentliche Burgvogt der Umgegend, schaute aus dem Fenster in den Burghof und fragte den Fuhrmann, der die Pferde eben ausspannte: „Kommt Herr Engster, der Untervogt, bald nach?“ „Er hat in Alpirsbach mit seinen Kindern übernachtet und hofft, gegen Mittag hier zu sein“, erwiderte der Fuhrmann. Nicht lange dauerte es, da fuhr in einem geräumigen mit drei Rossen bespannten Schlitten der neue Untervogt vors Haus, das ihm in der Burg zur Wohnung angewiesen war. Der Obervogt schleppte sich mühsam am Stock die Treppe hinab, um seinen neuen Amtshelfer zu begrüßen. Sein Sohn Max, der dem Schlitten bis zum Stadttor entgegengegangen war, eilte auf seinen Vater zu und stellte ihm den neuen Untervogt vor: „Herzog Ulrich läßt Euch seinen Gruß entbieten und empfiehlt Herrn Engster Eurem Wohlwollen und Eurer Liebe.“ Der Obervogt streckte seinem neuen Mitarbeiter die Rechte entgegen. Dann schaute er auf die Jungen Die Leute traten vor die Häuser, um den mit vier starken Pferden bespannten Planwagen zu betrachten und Mädchen, die aus dem Schlitten stiegen, und fragte: „Sind das Eure Kinder, Herr Untervogt? Denen wird die warme Stube guttun.“ Engster dankte dem Obervogt für den freundlichen Willkomm und brachte dann seine Kinder hinauf in die Stube, in der der Obervogt ein wärmendes Feuer anmachen ließ. Max von Rosenberg erschien mit zwei Männern, die er dem Untervogt als dessen Amtsdiener vorstellte. Inzwischen wurde der Planwagen abgeladen, und bald hatte der Untervogt sein Gepäck in der neuen Wohnung. Engster sprach das Abendgebet, in dem er dem Herrn Jesus für seinen Schutz auf der Reise dankte und sich mit den Seinen weiterhin der Gnade des Herrn anvertraute. Die Amtsdiener, die auch ins Zimmer gebeten waren, horchten auf, als sie den Untervogt so beten hörten. Der eine meinte nachher: „Das ist kein richtiger Untervogt; denn solches Beten hab ich mein Lebtag noch von keinem dieser Herren gehört.“ Aber der andere sagte: „Dann hast du den Blitz nicht gesehen, der aus seinen Augen schießt, wenn er etwas befiehlt. Ein Vogt ist er freilich; aber mir will ein andres nicht dazu passen: er hat noch nie geflucht. Gib acht, wir werden einen guten Herrn an ihm haben.“ Solche Gespräche führten in den nächsten Tagen auch die Bürger von Hornberg, wenn sie im Wirtshaus „Zur Tanne“ zusammenkamen. „Ein seltsamer Herr“, sagte der Wolfram Mitscheie, der am Tag des Einzugs beim Abladen geholfen hatte. „In der großen Truhe sind lauter Bücher gewesen. Sie war so schwer, wir haben sie fast nicht ins Haus gebracht. Die Bücher sahen aus wie die Bibeln, die Kaspar Veit vor einigen Wochen in den Ort gebracht hat. Ich bin doch nicht der Dümmste, hab aber kein Wort herausgebracht; die Schnörkel sind nicht zu verstehen. Was gilt’s, der Untervogt muß ein grausam gelehrter Herr sein.“ Am darauffolgenden Sonntag aber wußten sie sich vollends nicht zu fassen, als der Untervogt befahl, seine Kutsche anzuspannen, und mit seinen Kindern zur Kirche fuhr. Auch der Pfarrer im silberweißen Haar verwunderte sich sehr über den neuen Brauch. Der Untervogt folgte mit Andacht der Predigt. Daß solcher Kirchgang unter den Vögten des Landes vordem nicht Brauch war, konnte man dem Benehmen des Obervogts nur zu deutlich abspüren. Er hatte seinen Spott über den alten Pfarrer, als der Untervogt berichtete: „Ich habe eine gute Predigt von ihm gehört.“ Dann sprach der Obervogt davon, daß er am Abend ein Festmahl anläßlich der Amtseinführung des Untervogts veranstalten will, zu dem auch die Barone und Herren der Nachbarschaft kommen sollen, und lud den Untervogt ein. Als der Abend kam, fuhren die Schlitten der Adligen vor, und bald begann ein Lärmen und Zechen, wie’s der Untervogt noch selten mitgemacht hatte. Als aber die Uhr Mitternacht zeigte und der Lärm immer größer wurde, empfahl er sich nach einer kurzen Dankesrede für den ehrenvollen Empfang. In der Wirtschaft „Zur Tanne“ wollten es die Bürger den großen Herren gleichtun und zechten ebenfalls bis nach Mitternacht. Hierbei war es besonders die Person des Untervogts, um die sich immer wieder die Unterhaltung drehte. „Das lob ich mir“, rief einer, „wenn solch ein Herr dem Bauernvolk mit gutem Beispiel vorangeht.“ „Ich selber“, rief zustimmend ein anderer, „habe heute morgen beobachtet, wie andächtig der Vogt lauschte und wie manierlich sich seine Kinder während der Predigt verhielten.“ „Mir gefällt es besser“, rief der Mehltoni, „daß er heute abend auch zu dem Singsang hinübergegangen ist. Die Frömmigkeit in allen Ehren, aber man kann nicht alle Tage Psalmen singen.“ Die Lacher waren auf seiner Seite, doch es wurde im Grunde nichts Ungünstiges gegen den Untervogt vorgebracht. Bald kam Weihnachten. Am Heiligabend brachte der Untervogt einen Vogelbauer ins geschmückte Zimmer, und die Amsel darin begann zu singen. Zu seinem Sohn Hans sagte er: „Das schenkt dir Hans Grynäus von Basel, der denselben Vornamen hat wie du, und grüßt dich zum Geburtstag unseres Herrn Jesus.“ Dann erinnerte er bewegt seine Kinder: „Im vorigen Jahr war die Mutter noch da und feierte mit uns Weihnachten.“ Darauf stimmte er ein Weihnachtslied an, und auch die beiden Amtsdiener sangen mit. Am Weihnachtsmorgen fuhr der Vater mit seinen Kindern zum Gottesdienst. Die Predigt des Pfarrers dauerte ihm wohl zu lange. Daheim erzählte er bei Tisch mit Lächeln, daß er dem Pfarrer von der Länge der Predigt sagte. Da habe der fast ergrimmt geantwortet: „Den Vögten wird die Zeit in der Kirche immer zu lang, doch nie beim Zechen.“ Im Frühjahr 1549 erhielt der Untervogt einen Brief von Herzog Ulrich. Mein viellieber Untervogt Engster! Durdi die Hand meines Geheimschreibers Kornmesser will ich Euch einiges zu wissen tun. Seine Majestät der Kaiser drängt uns noch immerfort, das Interim ganz und mit Ernst einzuführen. Darum steckt das Land wieder voll Meßpriester, und die nehmen überall, wo sie hinkommen, den Rahm von der Milch und drücken die lutherischen Pfarrer, wo sie können, in ein Mausloch hinein. So hat mir dieser Tage der junge Jakob Andreä, den ich zum evangelischen Diakon in Tübingen eingesetzt, bittere Klage geführt, wie alle seine Pläne, die Studierenden mit der lautern Lehre Luthers vertraut zu machen, von den Meßpriestern hintertrieben werden und er kaum seines Lebens sicher sei. In Kirchheim, Schorndorf und Reutlingen liegen noch die Spanier. Diese Welschen hausen heidnisch unter der ehrsamen Bürgerschaft. Etwa 40 Bürger von Reutlingen taten sich unlängst zusammen, umzingelten den betrunkenen Hauptmann der welschen Schar, als er eines Nachts vom Zechen nach Hause gehen wollte, und tauchten ihn ins kalte Brunnenwasser. Der Hauptmann aber schwur Rache für den Überfall. Acht Tage darauf ritten zehn Fähnlein Spanier in die Stadt ein. Und nun sengen und brennen mehr als hundert in dem Städtchen, in dem vorher nur vierzig solcher Halunken gelegen haben. Darüber bin ich froh, daß ich für Euch das Versteck in Hornberg ausfindig machen konnte; denn der Kaiser fahndet durch seine Spione noch immer nach Euch. Unter solchen Umständen und bei der andauernden Unsicherheit unserer Verhältnisse könnte ich Euch nicht gram sein, liebwerter Herr Untervogt, wenn Ihr der ehrenden Berufung, die Seine Majestät König Eduard von England hiermit durch unsre Vermittlung an Euch gelangen läßt, Folge leisten wolltet. Freilich scheint der junge Fürst, der dem Evangelium aufrichtig zugetan ist, selbst auch noch viel zu tun zu haben mit den Katholischen und den gewaltigen Herren an seinem Hof. Erzbischof Cranmer, der bis zur Mündigkeit des Königs an der Spitze der Regierung steht, läßt in seinem Brief, den er Euretwegen an mich gerichtet hat, laute Klagen darüber kundwerden. Ihr habt also schon einen Namen überm Meer. Doch wäre ihnen drüben auch Butzer oder Fagius von Straßburg recht, wenn man Euch hier nicht entbehren könnte oder wir Euch den Abschied nicht gäben. Ich weiß wohl, daß Ihr aller Gefahr von seiten des Kaisers enthoben wäret, wenn Ihr nach England ginget, rechne es Euch auch wohl an, daß Ihr Euch von öffentlichen Geschäften zurückgezogen und nach meinem Willen nun schon ein halbes Jahr unterlassen habt, das Evangelium zu verkündigen. Gern lasse ich Euch nicht ziehen. Aber macht Euch kein Bedenken meinetwegen. Sitzt mir ja doch immer die leidige Gicht wie ein Ameisenhaufen in den Gliedern, und es kann wohl sein, daß ich bald aus diesem Elend fahre. Aber meinem Wohlwollen seid stets versichert. Habt Ihr auch einen verträglichen Obervogt? Tut bald Bericht hierher! Ulrich, Herzog zu Württemberg Kann nicht umhin, Euch selbst auch meine eigenhändigen Grüße zu übermitteln, hochwürdiger Herr Untervogt, und Euch zu der ehrenvollen Berufung nach England Glück zu wünschen. Bei der Gewissenhaftigkeit, die ich an Euch kenne, ist mir’s frei- lieh zweifelhaft, ob Ihr dem Ruf Folge leisten werdet. Denn in den schwierigen Umständen, in denen sich unser gnädiger Herzog befindet, wird’s Euch ja schwer werden, ihn zu verlassen. Jakob Kornmesser, der Schreiber dieses Briefs Diese Zeilen hätten wohl einen wilden Sturm im Herzen des Reformators hervorrufen können; aber er war gewohnt, alles vor seinem Herrn zu erwägen. Schwer war ihm allerdings, daß er seine Gedanken nicht mehr seiner Frau mitteilen konnte. Seine beiden Töchter merkten manchmal, wie bei seinen Studien die Augen über die Bücher hinwegsahen. Vielleicht weilten seine Gedanken dann in der Vergangenheit. Als die Töchter am Abend emsig die Spindel drehten und Johannes im griechischen Testament las, machte Brenz die Kinder zu Mitwissern seines Geheimnisses. Die elfjährige Barbara hatte ihre ältere Schwester schon mit der neugierigen Frage bestürmt, was wohl im Brief des Herzogs steht. Denn als ihn der Bote gebracht, war sie jubelnd in des Vaters Amtsstube gesprungen. Die Schriftzüge Kornmessers brachten sie auf die richtige Spur, und so rief sie: „Hier ist ein Brief aus dem Schloß zu Stuttgart!“ Nun setzte sich der Vater zu seinen Kindern und begann zu berichten. Da ruhte die Spindel für eine Weile, und Johannes blickte vom Testament auf und lauschte den Worten des Vaters. „Der König von England beruft mich in seinen Rat“, sagte Brenz. „Er möchte die evangelische Lehre befestigen, und ich soll ihm dabei behilflich sein. Der Herzog läßt mir freie Wahl. Aber er hat Prinz Christoph in Mömpelgard auch um seine Ansicht in der Sache gefragt. Würdet ihr wohl zu der weiten Reise mit mir bereit sein?“ Barbara sprang von ihrem Stuhl auf und hüpfte frohlockend durch das Zimmer. Denn sie war immer erfreut, wenn irgendeine Abwechslung in dem einförmigen Leben winkte. „Ich würde wohl gerne noch etwas mehr von der Welt sehen, als es mir bisher geglückt ist“, rief sie. „Vetter Johannes Grä-ter hat mir unlängst von der Reise erzählt, die er als Kaufmann den Rhein hinab gemacht. Und von den großen Schiffen, die er in Amsterdam gesehen, hat er nicht Wunder genug zu erzählen gewußt.“ Aber die 17jährige Sophie schalt ihre jüngere Schwester: „Du denkst immer nur an dich selbst.“ Johannes meinte: „Vater hat in den letzten Monaten genug durchgemacht. Vielleicht bekommt er es in England ruhiger.“ Brenz antwortete seiner jüngeren Tochter: „Du hast recht, Barbara, die Welt sehen dürfen ist auch ein Gottesgeschenk. Wir wollen unsere Anliegen dem Herrn Jesus ans Herz legen, denn er sorgt für uns. Er weiß, wie lange er uns hier im Schwarzwald bleiben läßt und ob er uns dann die großen Schiffe in Amsterdam zeigen wird. Jetzt wollen wir den Abendsegen beten und uns dann zur Ruhe legen. Der Herr gebe auch dem schwer erkrankten Pfarrer von Gutach eine gute Nacht. Morgen will ich hinuntergehen und mich nach ihm erkundigen.“ Am nächsten Vormittag machte sich Brenz auf den Weg das Tal hinab nach Gutach. Auch in dieser rauhen Gegend war schon das Nahen des Frühlings zu spüren. Der Kranke richtete sich, so gut es ging, in seinem Bett auf, als ihm der Besuch des freundlichen Untervogts gemeldet wurde. „Wollte nach Euch sehen, wie es Euch geht“, redete der ihn an. „Gestern erfuhr ich von Eurer schweren Erkrankung. Der Wolfram Mitscheie hat Euch schon so gut wie tot gesagt. Aber ich erwiderte ihm, daß Hoffnung nicht zuschanden werden läßt und der Tod nicht das letzte Wort hat.“ „Gottlob ist’s noch nicht soweit“, sagte der Pfarrer mit schwacher Stimme. „Der Doktor gab mir Arznei und hofft, daß das Fieber weiter zurückgeht, das mir gestern abend sehr zugesetzt hat. Der Herr wird’s tun — sein Wille geschehe — ich bin getrost.“ „Kürzlich spracht Ihr in Eurer Predigt von der Hitze der Trübsal“, schaltete der Untervogt ein, „von der Petrus sagt: Lasset sie euch nicht befremden, als widerführe euch etwas Seltsames.“ „Daran habe ich auch gedacht, Herr Untervogt“, erwiderte der Pfarrer. „Außerdem bewegte mich das Wort: .Alle Züchtigung, wenn sie da ist, dünkt uns nicht Freude, sondern Traurigkeit zu sein“, und ich habe mich wegen meines Kleinmuts geschämt. Es ist mir beinah nach dem Wort gegangen: ,Daß ich nicht den andern predige und selbst verwerflich werde.1“ „Ja“, antwortete der Untervogt, „das Wort Gottes dient zur Lehre, zur Aufdeckung der Schuld, zur Besserung, zur Erziehung. Es tröstet uns, daß schließlich eine friedsame Frucht der Gerechtigkeit denen erwächst, die durch die Trübsal geübt sind.“ „Haltet zu Gnaden, Herr Untervogt“, bemerkte der Pfarrer, „Ihr scheint die Heilige Schrift zu kennen und versteht Euch aufs Trösten.“ Brenz lächelte, stand auf und verabschiedete sich. Er wollte sich durch seine Worte nicht etwa noch verraten und den Kranken wieder ruhen lassen. Im obern Stock der Untervogtei hatte sich Brenz ein Studierzimmer eingerichtet. Umgeben von seinen Büchern, saß er am Tisch bei eifriger Arbeit. Er war mit der Auslegung des Propheten Jesaja soeben fertig geworden und schrieb noch eine Vorrede dazu, ehe er das Werk in Druck gab. Darin stand: „In meiner Verbannung habe ich mir den Propheten zum Begleiter gewählt. Er sollte mir mit himmlischer Lehre meine schwere Trübsal erleichtern, und er hat es getan. Oftmals ist’s mir unter der Arbeit gewesen, als sei ich nicht ein Verbannter auf Erden, sondern ein Bürger und Hausgenosse im Himmel. Mit dieser Auslegung gebe ich der Kirche Rechenschaft, wie ich die Zeit meiner Verbannung genutzt habe und daß ich bei der wahren Lehre der Propheten und Apostel geblieben bin, wegen der ich verfolgt werde.“ Während Brenz noch schrieb, klopfte es an der Tür, und herein traten drei Männer, die den Untervogt ehrerbietig grüßten. Als Brenz die Besucher erkannte, streckte er den Freunden überrascht die Hände zum Gruß entgegen. „Willkommen, teurer Doktor“, so redete er Stadmann an, der ihn voriges Jahr in Straßburg aufgesucht und nach Mömpelgard und Basel geleitet hatte. Der andere, etwas ältere Gelehrte war Butzer. Überaus erfreut begrüßte ihn Brenz. Dann ging er auf den jungen Fagius zu und sagte: „Und da ist ja auch mein lieber Gastgeber von Straßburg her!“ Brenz wandte sich rasch zur Tür und rief hinaus: „Geschwind, Kinder, bringt Stühle! Es sind liebe Freunde gekommen!“ Sogleich kamen die Kinder. Johannes gefiel den Gästen besonders, um so mehr, als der Vater ihnen erzählte, wie fleißig er lernt. Die Töchter richteten eifrig den Mittagstisch, an dem dann alle in freudiger Stimmung Platz nahmen. Sophie und Barbara übernahmen die Bedienung, und der Vater gab den beiden Amtsdienern heute frei, damit man mit dem Besuch allein war; denn die Gäste vergaßen hin und wieder, den Namen Brenz zu vermeiden, obwohl der Vater ihnen sogleich einschärfte, daß er hier „Untervogt“ genannt sein will, damit auch den Amtsdienern sein wirklicher Name unbekannt bleibt. Bei Tisch fragte Brenz, was ihm denn eigentlich die Ehre verschaffe, daß so liebe Freunde ganz unvermutet ihn hier in Hornberg überfallen und ihm die Freude ihres Besuchs gemacht haben. Seiner ältesten Tochter hatte er schon gesagt, den Gästen im obern Saal für die kommenden Tage eine Lagerstatt zu richten. Da erzählte Doktor Renatus Stadmann, er habe vorige Woche mit dem Prediger Engelmann beim Prinzen Christoph in Mömpelgard zu Tisch gesessen und von dem Berufungsschreiben gehört, das der junge König Eduard VI. von England durch seinen Erzbischof Cranmer an Herzog Ulrich sandte, worin er dringend um einen Gottesgelehrten wie Brenz, Butzer oder Fagius bat. „Prinz Christoph liegt aber viel daran“, sagte Stadmann, „daß Ihr, teurer Brenz, seinem zukünftigen Erbland erhalten bleibt, und hat bald nach Empfang des eng- lischen Briefes an den Juristen Amerbach in Basel geschrieben, er möge doch beim dortigen Stadtrat für Euch eine Prediger- oder Professorenstelle erwirken. Er selbst, der Prinz, würde sich mit Freuden anbieten, die Besoldung aus seiner eigenen Kasse zu bestreiten. Dabei erwog er lebhaft den Gedanken, daß die Freunde Butzer und Fagius dem Ruf des Königs von England folgen. Da das Evangelium dort anscheinend einer kräftigen Unterstützung bedarf, sollten sie sich bald dahin auf den Weg machen. Die schönen warmen Tage der vorigen Woche ermunterten mich, diese Gedanken nicht erst brieflich den Straßburger Freunden auseinanderzulegen, sondern sie persönlich aufzusuchen und eingehende Rücksprache mit ihnen zu nehmen.“ „Bei der Unterredung fehlte uns Euer überlegter Rat, ehrsamer Herr Untervogt“, nahm jetzt Butzer das Wort, „und ich machte den Vorschlag, da es von Straßburg nach hier nicht allzuweit sein wird, zu Euch zu wandern.“ Er berichtete, wie er sich in Straßburg fast nicht mehr halten kann; denn er widersetze sich dem Interim beharrlich. Der Kurfürst von Brandenburg habe ihn vor zwei Jahren nicht dazu gebracht, das Interim zu unterschreiben, obgleich er ihn 23 Tage lang an seinem Hoflager in Haft gehalten und alle Mittel an ihm versucht habe. Ebensowenig lasse er sich heute von jemand zwingen, seine Zustimmung zu geben. „Denn“, so schloß er, „man darf nichts gegen das Gewissen und die Wahrheit tun.“ Brenz äußerte auch seine Ansicht, daß es ihm in den letzten Wochen gewiß wurde, er dürfe seinem Vaterland, für das er schon soviel gekämpft und gelitten habe, in diesen schweren Zeiten nicht untreu werden. Auf sich selbst gesehen, würde er nichts dagegen haben, fern von den Nachstellungen des Kaisers sich in England niederzulassen. Aber schon wegen Herzog Ulrich, der betagt und leidend sei, wolle er dem Ruf des englischen Königs nicht folgen. So scheine ihm die Reise der beiden Freunde Butzer und Fagius an den Hof des Königs Eduard als die gottgewollte Lösung der so dringenden Berufungsfrage. Wenn sie den Dienst fürs Evangelium in England als ihren Auftrag erkennen, riete er, eher heute als morgen dorthin aufzubrechen. Barbara hörte gespannt zu und brach plötzlich in Tränen aus. Die Gäste sahen sich verwundert an. Darauf erklärte Brenz: „Dem jungen Mädchen fällt es schwer, auf die Reise zu verzichten. Unser Vetter hat ihr schon blaue Wunder von Amsterdam und seinen mächtigen Schiffen vorgemalt. Seitdem sehnt sie sich nach dem dortigen Hafen und dem duftigen Meer, das sich vor den holländischen Dünen ausbreitet.“ Dabei zog er seine Tochter tröstend an sich und sprach: „Tränen ist’s nicht wert, mein Bärbele. Wenn der Herr Jesus Gnade gibt, wirst du noch manches von der Welt sehen können.“ Doch der Sturm im Herzen des Kindes wollte sich nicht so bald legen. Unter allerlei Gesprächen verstrich Brenz und seinen Gästen der Abend rasch. Butzer und Fagius gin- gen auf den Rat ihres Gastgebers ein und wollten im April den Rhein abwärts fahren, um so schnell wie möglich nach England zu kommen. Butzers Frau aber wollte bis zum Verkauf des schönen Hausgärtchens, das sich wohlgepflegt an ihr Anwesen schmiegte, in Straßburg bleiben und sollte im September in Begleitung von Martin Brenz, dem Bruder des Reformators, nachfolgen. Am Abend vor dem Abschied saß man noch einmal beisammen. Die Stimmung der Freunde war ernst; denn wer von ihnen wußte, ob sie vielleicht zum letztenmal auf Erden beisammen waren? Butzer und Fagius überquerten den Kanal und wurden von dem jungen König Eduard wohlwollend empfangen. Zum großen Schmerz von Butzer war Fagius noch im gleichen Jahr von einem schleichenden Fieber ergriffen und im November weggerafft worden. Auch Butzer betrat den deutschen Boden nicht mehr. Er starb nach segensreichem Wirken am 28. Februar 1551 in Cambridge. Der wiedergenesene Pfarrer von Gutach sah in dem Untervogt einen schriftkundigen Mann und machte daraus seinen Freunden gegenüber kein Geheimnis. Er habe schon an den Haller Pfarrer Johann Brenz gedacht. Manches wurde bekannt über die Verfolgungen, die er vom Kaiser erlitt. Nun aber hörte man schon eine geraume Zeit nichts mehr von ihm, weder Gutes noch Schlimmes. Einige Freunde hielten zwar eine solche Vermutung für abwegig, aber Untervogt Engster sah sich vor, als er von diesen Gesprächen erfuhr. Zu Herzog Ulrichs Freude zog ein Teil der spanischen Besatzung aus dem „kalten, unwirtlichen Württemberg“, wie sie es nannten, in die spanische Heimat zurück. Nur wenige Fähnlein blieben auf Veranlassung des Königs Ferdinand von Böhmen zum Schutz der Meßpriester zurück. Plötzlich tauchte Brenz im Pfarrhaus des abgelegenen Alborts Mägerkingen bei dem ihm befreundeten Pfarrer Müller wieder auf. In den ersten Novembertagen des Jahres 1550 kam er von Tübingen über Urach und kehrte reisemüde bei dem Freund ein. Mehrere andere Freunde des Pfarrers waren zugegen. Brenz war getrost und lobte den Herrn, der ihn und seine Familie stets wohl geführt hat, auch nachdem er seine Frau zu sich rief. Wo er sich mit seinen Kindern verborgen hielt, erwähnte er nicht, sagte aber: „Auch unserm Herzog habe ich für seine Leutseligkeit gedankt, als ich ihn in Urach besuchte. Mir ist unerklärlich, ob es Heimweh war, das mich nach Tübingen zog, wo ich früher einmal zu tun hatte. Doktor Leonhard Fuchs, mit dem ich seit Jahren gut bekannt bin, nahm mich freundlich in seinem Haus auf. Er legte mir nahe, den jungen Jakob Andreä, von dem mir der Herzog unlängst schrieb, mit nach Urach zu nehmen und ihn dem Herzog vorzustellen. Die Professoren seien nämlich darüber entrüstet, wie die Meßpriester dem begabten Andrea vielfach Schwierigkeiten bereiten. Doktor Fuchs hoffte, wenn der Herzog ihn kennenlernt, wird er ihn schützen vor den Verfolgungen durch die Meßpriester. Diese Hoffnung erfüllte sich. Der Herzog gestattete Andrea, in Urach vor ihm zu predigen. Unmittelbar danach Unterzeichnete er ein Schreiben, durch das Andrea in eine höhere Pfarrstelle in Tübingen aufrückte. Es enthielt außerdem eine Mahnung an die Meßpriester, daß sie bei Androhung herzoglicher Ungnade alle gehässigen Reden gegen Andreä zu unterlassen hätten. Als ich allein beim Herzog vorsprach, bedauerte er, daß er wegen des Kaisers noch nicht wagen kann, mich im Land anzustellen.“ Plötzlich wurde lebhaft an die Haustür geklopft. Ein bäuerlich gekleideter Mann stand draußen und sagte: „Herrn Pfarrer Müller habe ich eine wichtige Nachricht zu bringen.“ Der Mann wurde eingelassen und teilte mit: „Herzog Ulrich ist auf dem Schloß Hohentübingen gestorben.“ „Gott hab ihn selig!“ tönte es aus aller Mund, und Brenz bemerkte: „Er ist bei all seinen Schwächen ein Fürst gewesen, der das Wort Gottes hochgeachtet und geliebt hat. Wären ihm nicht die Hände überall gebunden gewesen, hätte unser Land durch ihn zu neuer Blüte gelangen können.“ „Herzog Ulrich ist auf dem Schloß Hohentübingen gestorben“ Der Landmann, der die Botschaft brachte, berichtete: „In Tübingen hörte ich viele sagen: Der Herzog ist zur rechten Zeit abgeschieden, denn König Ferdinand erhebt immer entschiedener Anspruch auf das Herzogtum.“ Brenz fragte dazwischen: „Ist Prinz Christoph noch rechtzeitig in Tübingen eingetroffen, ehe sein Vater starb?“ Der Mann erwiderte: „In Calw hat ihn die Todesnachricht erreicht, und gleich darauf ist er nach Tübingen aufgebrochen. Gestern früh sah ich ihn unter großer Teilnahme der Bevölkerung aufs Schloß zur Leiche des Vaters reiten.“ Herzog Ulrich wurde nach seinem Wunsch im Chor der Stiftskirche in Tübingen neben Eberhard im Bart beigesetzt. Zuvor hatte im Schloßhof das Volk mit jubelndem Zuruf dem Herzog Christoph gehuldigt. Den meisten schien in dem Huldigungseid, den der Kanzler dem Volk vorlas, besonders das Gelöbnis des jungen Herzogs zu gefallen: . . das heilig Evangelium mit Zucht, Gelindigkeit und rechter Gottesfurcht lauter und rein verkündigen zu lassen.“ Gleich darauf ritt Christoph nach Stuttgart zur Huldigung. König Ferdinand von Böhmen saß in seinem Schloß zu Prag. Er hatte eben die Meldung eines spanischen Oberst empfangen, daß die in Württemberg zurückgebliebene spanische Besatzung sich nach und nach auflöst. Ein Teil der Soldaten habe die Erlaubnis erhalten, nach Spanien zurückzukehren. Nun ließen sich auch die übrigen nicht mehr halten. Sie sehnten sich nach der Heimat, und er, der Oberst, sei abgeordnet worden, den Wunsch der Hauptleute und Mannschaften, sich nach Spanien absetzen zu dürfen, vor Seine Majestät zu bringen. König Ferdinand runzelte die Stirn und sagte: „Unmöglich. Dem Herzog Ulrich wird eben der Prozeß gemacht, daß er sich den Schmalkaldenern anschloß. Lang genug hat mein Bruder, der Kaiser, gezögert, ihn abzusetzen. Ich habe ihn in diesen Tagen erneut gebeten, dies zu tun, und er versprach mir, daß der Herzogshut vor Jahresende mein ist.“ „Halten zu Gnaden, Majestät“, erwiderte der Oberst, „der Herzogshut ist schon vergeben. Herzog Ulrich ist am 6. November gestorben, und sein Sohn, Prinz Christoph, läßt sich eben in den Städten des Landes den Huldigungseid schwören.“ Der König zerknirschte ein böses Wort zwischen den Zähnen. „Der alte Herzog, der Ketzer, hätte noch etliche Wochen leben sollen, bis das Kammergericht die Sache endlich entschieden und ihn der angemaßten Herzogswürde enthoben hätte.“ Da wurde angeklopft, und der Diener überbrachte ein Schreiben mit der Aufschrift: „An Seine Majestät dem König Ferdinand von Böhmen.“ Der König besah es und sagte dann: „Das ist das herzogliche Wappen von Württemberg, meinem Eigentum. Wie kommt der Mömpelgarder, der Prinz Christoph, dazu, mir mein rechtmäßiges Erbe streitig zu machen? Er und kein anderer hat mir den Brief gesandt und ist wohl so dreist, mir seinen Regierungsantritt zu melden.“ Der König befahl seinem Schreiber, sogleich auf den Umschlag des Briefes zu setzen: „Wird nicht angenommen, weil nicht ,An den Herzog von Württemberg' überschrieben.“ Dann übergab er den Brief dem Oberst und sagte: „Ihr seid jetzt mein Gesandter nach Stuttgart. Meldet Christoph meinen Zorn und höchstes Mißfallen, daß er es gewagt, nach dem Herzogshut zu greifen, der seinem Vater endlich vom Haupt gefallen und mir seit Jahren durch das Kammergericht zugesprochen ist. Den Offizieren aber, die Euch hierher abgeordnet haben, meldet, daß ihr Abzug in die Heimat mitnichten bewilligt werden kann. Sie sollen es, wo nötig, mit Gewalt der Waffen hintertreiben, daß das Volk dem Christoph huldigt, und bekanntgeben, daß ich, der König von Böhmen, der rechtmäßige Herrscher in Württemberg bin. Und wenn ich selber dort erscheine, werde ich diejenigen gut zu belohnen wissen, die mir die Treue gehalten, den andern aber meine höchste Ungnade erzeigen.“ Der Oberst verneigte sich und versprach, die gewünschten Befehle auszuführen. Als er wieder ins Württembergische kam, hörte er in den Städten allerwärts den Ruf: „Hier gut Württemberg in Ewigkeit!“ Und auch da, wo man der Huldigung Schwierigkeiten entgegenstellen wollte, blieb das erfolglos, als bekannt wurde, daß die angesehenen Städte Herzog Christoph willig aufnahmen. Im allgemeinen Jubel machte es nur geringen Eindruck, daß König Ferdinand den Brief des Herzogs zurücksandte. Der Kaiser, der sich in Augsburg aufhielt, gab dem jungen Herzog zu verstehen, es werde gut für ihn sein, wenn er die alte Religion wiederherstellt. Doch Herzog Christoph tat, als ob er diese Andeutung nicht verstände, und schlug im Vertrauen auf Gott die Wege ein, die er zum Besten seines Volks für richtig hielt. Der Kaiser traute dem Kurfürsten Moritz von Sachsen immer weniger und überzeugte sich nach und nach, daß sich die evangelische Bewegung im deutschen Volk nicht mehr rückgängig machen ließ. So befaßte er sich angelegentlich mit der Wiedereröffnung der allgemeinen Kirchenversammlung zu Trient und trieb die Evangelischen an, das Konzil zu besuchen. Eben wurde ihm berichtet, daß der Kurfürst Moritz von Sachsen sich bereit erklärt hat, seine Gottesgelehrten dorthin abzuordnen, da meldete man, daß sich Herzog Christoph mit seinem Gefolge nähert. Dem Kaiser lag daran, daß die Kirchenversammlung auch von den Württembergern beschickt wird, und empfing ihn freundlich. Der Herzog brachte zuerst die Klagen vor, die Schorndorf und Kirchheim wegen der spanischen Besatzungstruppen erhoben. Der Kaiser hatte von seinem Bruder Ferdinand bereits erfahren, daß diese Besatzung die Rückkehr nach Spanien wünschte; auch wußte er, daß König Ferdinand kaum anders als durch einen siegreichen Krieg gegen Herzog Christoph das Herzogtum Württemberg erhalten konnte. So willigte er endlich ein, jene Städte zu räumen. Schien es doch dem Kaiser möglich, daß sidi der Kurfürst Moritz von Sachsen im Fall eines Krieges auf die Seite Württembergs stellen wird, was die ungünstige politische Lage des Kaisers noch verschlechtern würde. Im Verlauf des Gesprächs fragte Herzog Christoph: „Und wird wirklich Pfarrer Brenz, dem Eure Majestät schon lange nicht wohlwill, wenn ich ihn nach Trient abordne, auf sicheres und freies Geleit dahin seitens Eurer Majestät rechnen können?“ „So, der Brenz ist noch am Leben?“ erwiderte der Kaiser. „Den hat mir Euer Vater aus den Augen getan, sonst hätte ich ihn meine kaiserliche Ungnade fühlen lassen, weil sein eigensinniger Kopf das Interim, das ich mit vieler Mühe den streitenden Parteien zur Einigung vorgelegt, in württembergi-schen Landen allenthalben lächerlich und verhaßt gemacht hat. Aber er ist ein kluger Kopf, und ich habe mein kaiserliches Wort unter die Geleitbriefe gesetzt, mit denen ich nach Trient eingeladen habe, und mein Kaiserwort gilt mir an Eides Statt.“ Herzog Christoph entgegnete bescheiden: „Johannes Hus von Prag hat vor über hundert Jahren auch einem solchen vertraut und ist doch verbrannt worden, wie Eurer Majestät besser bekannt ist als mir.“ „Mein Kaiserwort gilt“, antwortete der Kaiser ärgerlich. „Ich will mit Ernst Friede und Einigkeit im Reich schaffen durch das Konzil zu Trient.“ „Solchem kaiserlichen Versprechen wollen auch wir nicht mißtrauen, und so werde ich Pfarrer Brenz mit der Ausfertigung einer Bekenntnisschrift der württembergischen Kirche beauftragen, die dem Konzil bald vorgelegt werden soll.“ Herzog Christoph verabschiedete sich vom Kaiser, und von der Erbfolge König Ferdinands wurde kein Wort erwähnt. Der erste, der sich nach der Rückkehr des Herzogs bei ihm in Stuttgart einfand, war Brenz. Herzog Christoph war von dem Erfolg seiner Reise nach Augsburg befriedigt und empfing Brenz, den er seit seinem Regierungsantritt zum erstenmal sah, sehr gnädig. „Ihr macht Euch rar“, sagte er, „und doch brauche ich Euch nötig. Der Kaiser ist ganz von seinem Plan erfüllt, daß das Konzil stattfindet. Auch von Euch hat er gesprochen, Euren Starrsinn wegen des Interims gescholten, wegen dessen Ihr mir allerdings einst noch lieber geworden seid. Aber andererseits hat er auch Euch sicheres Geleit nach Trient versprochen, wenn Ihr neben dem von Melanchthon erwarteten sächsischen Gutachten ein württembergi-sches Bekenntnis dort den versammelten Kirchenhäuptern vorlegen wollt. Er beteuerte sein Versprechen, daß Ihr ungefährdet nach Trient reisen könnt, so feierlich, daß ich mein Mißtrauen aufgebe. Wiederholt betonte der Kaiser, daß ihm die Anwesenheit protestantischer Theologen in Trient höchst willkommen ist, und ließ durchblicken, daß man in Trient vielleicht noch zu einer besseren Anpassung der Gegensätze gelangt, als sie das Interim nach seiner Überzeugung ermöglichen konnte. So versprach ich dem Kaiser, daß Ihr das württem-bergische Bekenntnis abfassen werdet, und dies ist der erste Auftrag, zu dem ich Euch berufe.“ Brenz antwortete: „Durch meinen Aufenthalt in Hornberg und die weltlichen Amtsangelegenheiten dort habe ich Verlangen nach einer solchen Arbeit bekommen. Euer Durchlaucht danke ich, daß ich sie in Angriff nehmen darf. Aber zuvor möchte ich mit Katharina, der Tochter meines Freundes Pfarrer Eisenmann in Urach, eine neue Ehe nach Gottes Willen schließen und erbitte mir von Euer Gnaden hierzu die nötige Erlaubnis.“ Der Herzog gab gern seine Einwilligung und be- stimmte, daß er mit seiner Familie im ehemaligen Kloster Sindelfingen wohnen dürfe. Zum Schluß sagte er zu seinem Ratgeber: „Über die Bekenntnisschrift verlieren wir kein Wort; denn in dieser Hinsicht bin ich Euer Schüler, und der Schüler ist nicht über seinen Lehrer.“ Das Trienter Konzil erlitt einen Aufschub nach dem andern. Am 18. März 1552 trafen die württem-bergischen und Straßburger theologischen Abgeordneten in Trient ein, unter ihnen Johann Brenz mit der Bekenntnisschrift. Selbst manche welsche Prälaten bezeugten ihre Freude über die Ankunft des Reformators und suchten seine Bekanntschaft zu machen. Der gute Ruf des gelehrten und dabei maßhaltenden Württemberger Gottesmannes war wie nach England so auch nach Italien gedrungen. Der päpstliche Legat Kardinal Crescentius bemerkte die Ruhe, mit der Brenz auftrat, und war verstimmt. Das Glaubensbekenntnis der Württemberger fand in Trient zwar manchen Beifall und wurde von Bischöfen als eine gemäßigte Schrift bezeichnet, aber Crescentius widersprach. Als die Württemberger zudem beantragten, daß ihre Sache bald verhandelt wird, und der kaiserliche Gesandte diesem Antrag zustimmte, war der päpstliche Legat erbost. Er verschob darauf die Sitzung am 19. März, bei der die Württemberger und Straßburger zum erstenmal am Konzil teilnehmen sollten, um 40 Tage. In dieser Wartezeit traf in Trient plötzlich die Nachricht ein, daß Kurfürst Moritz von Sachsen mit seinem Heer in Eilmärschen nach Süddeutschland gezogen ist, Augsburg genommen und in Innsbruck den kranken Kaiser überrumpelt hat, der sich mit knapper Not bei Nacht, in einer Sänfte getragen, über Gebirgspässe nach Villach in Kärnten retten konnte. So fand die Sitzung am 28. April nur statt, um die Vertagung des Konzils um zwei Jahre zu beschließen, aus denen allerdings zehn wurden. Die Teilnehmer am Konzil gingen auseinander, auch die württembergischen Theologen rüsteten sich zur Abreise. Aber vorher übergaben sie dem kaiserlichen Gesandten ein Schreiben, in dem sie erklärten, daß sie mit getäuschten Hoffnungen abziehen und die vom Konzil bisher gefaßten einseitigen Beschlüsse feierlich ablehnen. Nach seiner Rückkehr von der Kirchenversammlung diente Brenz weiterhin dem Herzog als Ratgeber, der jetzt guten Rat brauchen konnte; denn seine Lage war durch den Krieg zwischen Moritz von Sachsen und dem Kaiser sehr schwierig geworden. Herzog Christoph konnte sich nicht gut auf eine der beiden Seiten stellen, und doch schien es unmöglich, neutral zu bleiben. Dennoch gelang es, und Brenz hatte durch seinen klugen Rat und durch inständiges Gebet das Seine dazu beigetragen. Das Amt als Propst an der Stuttgarter Stiftskirche wurde Brenz 1553 übertragen. Außerdem erhielt er Das Amt als Propst an der Stuttgarter Stiftskirche wurde Brenz 1553 übertragen den Titel Herzoglicher Rat. Nun stand er an der Spitze der württembergischen Kirche. Das leidige Interim war abgetan, und Brenz hat für Bekenntnis und Ordnung der evangelischen Kirche unermüdlich gesorgt. So war nach vielen Drangsalen auch an ihm das Schriftwort in Erfüllung gegangen: Um den Abend wird es licht sein. Ein Zeuge des Evangeliums Johann Brenz wirkte als Reformator nicht nur in Schwäbisch Hall und im damaligen Württemberg zum Segen, sondern sein Einfluß reicht weit über die Grenzen und seine Zeit hinaus. In Weil der Stadt, nicht weit von Stuttgart, wurde er am 24. Juni 1499 als Sohn des Stadtschultheißen geboren. Schon mit etwa 14 Jahren begann er an der Universität Heidelberg zu studieren und erwarb 1517 die Magisterwürde. In diesem Jahr, als Luther die 95 Thesen anschlug, wandte er sich dem Studium der Theologie zu. Im Frühjahr 1518 kam Luther zum Augustiner-Konvent nach Heidelberg und hielt über Glaubensfragen eine öffentliche Disputation, durch die Brenz so nachhaltig beeindruckt wurde, daß er danach mit Butzer und anderen Luther aufsuchte, sich noch gründlicher einführen ließ und fortan dem Evangelium zugetan war. Nach einem Jahr erhielt Brenz einen Lehrauftrag an der Hochschule und erklärte den Studenten dabei das Matthäusevangelium. Diese Vorträge fanden solchen Anklang, daß die Theologen Einspruch erhoben, ein Ungeweihter dürfe keine theologischen Vorlesungen halten. Da wurde Brenz die Stelle als Stiftsherr der Heilig-Geist-Kirche angebo-ten. Er sagte zu, wurde in Speyer zum Priester geweiht und verkündigte das Evangelium nicht nur in Vorlesungen, sondern auch in der Kirche unter großem Zulauf. Nun bezichtigte man ihn der Irrlehre. Er verteidigte sich zwar ausgezeichnet, folgte aber bald einem Ruf als Prediger in die freie Reichsstadt Schwäbisch Hall. Dort begann er 1522 mit fleißiger Verkündigung des Gottesworts als Grundlage des Glaubens und führte besonnen die Reformation durch. Im Bauernkrieg ermahnte er die Aufständischen zum Gehorsam gegen die Obrigkeit, und als die Erhebung niedergeschlagen war, trat er für die Bauern ein und erinnerte die Obrigkeit an Gerechtigkeit und Barmherzigkeit. Seine 1. Haller Kirchenordnung wurde ab 1526 in der Stadt und ihrem Gebiet durchgeführt. Auf die Unterrichtung der Jugend wirkte er nachdrücklich hin. So wurde bereits 1524 im Barfüßlerkloster eine Schule eingerichtet und ein tüchtiger Lehrer nach Hall berufen. Für den Unterricht schuf Brenz 1527/28 in seinen „Fragestücken des christlichen Glaubens“ einen Katechismus noch vor Luther. Schon dadurch, daß sich Brenz an Erörterungen der Abendmahlsfrage beteiligte, wurde er weit bekannt. 1529 sieht er beim Marburger Religionsgespräch Luther zum zweitenmal und lernt Herzog Ulrich kennen. Markgraf Georg von Brandenburg nimmt ihn im folgenden Jahr als Berater zum Reichstag nach Augsburg mit. Aber Herzog Ulrich zieht Brenz immer mehr zur Reformation seines Landes nach Württemberg. So entstehen unter seinem beratenden Beistand 1536 die ersten kirchlichen Ordnungen dieses Herzogtums, und 1537/38 läßt er sich fast ein Jahr lang nach Tübingen beurlauben, um die Universität neu zu ordnen. An den Religionsgesprächen in Hagenau und Worms nimmt er 1540 teil und begibt sich 1546 zum zweitenmal nach Regensburg, um die Einigung zu erreichen, aber vergebens. Kaiser Karl V. beginnt den Schmalkaldischen Krieg, siegt und denkt, durch das Augsburger Interim die Reformation zu beenden. Doch Brenz, der nach Luthers Tod neben Melanchthon als führender Reformator angesehen war, legte dem Rat von Schwäbisch Hall ein theologisches Gutachten vor und forderte darin auf, sich wegen des Interims beim Kaiser zu beschweren. Dadurch zog sich Brenz den Haß des kaiserlichen Kanzlers Granvella zu, der von Karl V. den Befehl erwirkte, daß Brenz unschädlich zu machen ist. Was nun folgte, ist in der vorangehenden geschichtlichen Erzählung „Unter Gottes Schild“ berichtet. Die Neuordnung der württembergischen Kirche schloß Brenz 1559 mit der großen Kirchenordnung ab, die heute noch wirksam ist und auch für andere Landeskirchen Vorbild wurde. Am 31. August 1570 ließ er morgens um 7 Uhr die Geistlichen von Stuttgart zu sich rufen, ermahnte sie unter Tränen zur Beständigkeit und Einigkeit im Glauben und sagte: „Siehe, wie fein und lieblich ist’s, wenn Brüder einträchtig beieinander wohnen!“ Am 11. September verschied er und wurde in der Stuttgarter Stiftskirche nahe der Kanzel begraben. Brenz verkündigte trotz aller Widerstände zwei Generationen der Reformationszeit die Frohe Botschaft vom Heil in Jesus Christus. 1001 Oswald Smith Sieg des Gebets 1012 1002 Wilhelm Busch Gottes Auserwählte 1013 1003 Douglas Hall Fackel für die Welt O.-Smith-Biographie 1014 1004 A. E. Wilder-Smith Ist das ein Gott der Liebe? 1015 1005 Fritz Hubmer Im Horizont leuchtet 1016 der Tag 1017 1006 Anny Wienbruch Alle Geschichten der fröhlichen Familie 1018 1007 L. v. Winterfeld-Platen Und nicht müde werden 1019 1008 Fritz Hubmer Weltreich und Gottesreich in Prophetie und 1020 Erfüllung 1021 1009 Elli Kühne Kraft für zwei 1022 1010 Karl-Erich Wilken Auf den Spuren biblischen Geschehens 1023 1011 Otto Riecker Herausforderung an die Gemeinde 1024 Watchman Nee Freiheit für den Geist Anny Wienbruch Der Leibarzt des Zaren Watchman Nee Zwölf Körbe voll -Band 1 Fritz May Die Drogengesellschaft Norbert Fehringer Thema: Frömmigkeit Fritz May Der verfälschte Jesus Ernst Modersohn Die Frauen des Alten Testaments Ernst Modersohn Die Frauen des Neuen Testaments Paul Möller Die unsichtbare Welt Ruth Frey Arbeit unter Kindern Oswald Smith Glühende Retterliebe Oswald Smith Ausrüstung mit Kraft Erich Schnepel Das Werk des Christus in uns 1025 Immanuel Sücker Weltraum, Mensch und Glaube 1026 Anny Wienbruch Im Schatten der Zaren 1027 Watchman Nee Zwölf Körbe voll — Band 2 1028 Watchman Nee Zwölf Körbe voll -Band 3 1029 Werner Krause Freuet euch allewege TELOS-Großdruck-Paperback-Reihe 2001 Ludwig Hofacker Unter Gottes Schild TELOS-Wissenschaftliche Reihe 4001 A. E. Wilder-Smith Die Erschaffung des Lebens 4002 A. E. Wilder-Smith Herkunft und Zukunft des Menschen 1 Werner Penkazki Wö~bt Gott? 2 Dale Rhoton Die Logik des Glaubens 3 Fritz Schmidt-König Gib acht auf diesen hellen Schein 4 Anna Lawton Frauen dienen Christus 5 W. MacDonald Wahre Jüngerschaft 6 Ernst Modersohn Sieghaftes Leben 7 John Meldau Der Messias in beiden Testamenten 8 K. H. Caspari/Jörg Erb Nichts kann uns scheiden von der Liebe Gottes 9 Otto Riecker Ruf aus Indonesien 10 Anton Schulte Es gibt einen Weg zu Gott 11 Konrad Zeller Dorothea Trudel von Männedorf 13 Watchman Nee Der normale Mitarbeiter 14 Watchman Nee Sitze, wandte, stehe 15 Faith Coxe Baily Auch sie wurden frei 17 Elisabeth Seiler Berufen und geführt 18 Elisabeth Seiler Tut seine Wunder kund 19 Elisabeth Seiler Wunderbar sind seine Wege 20 WilhelnrGottwaldt Wissenschaft contra Bibel? 21 Wolfgang Heiner Fragen der Jugend 22 W. MacDonald Gottes Antwort auf Fragen des Menschen 23 Hans Pförtner Sieg über den Alltag 24 Wilhelm Steinhilber Einer von den Siebzig 25 W. lan Thomas Christus in Euch — Dynamik des Lebens 26 Karl-H. Bormuth Alte Gebote und neue Moral 27 George Verwer Jesus praktisch erleben 28 Klaus Vollmer Chance und Krise des Lebens 29 Billy Graham Allein in der Masse 30 George Verwer Konfrontiere Menschen mit Christus 31 Hellmuth Frey Zusammenschluß der Kirchen? 32 Wolfgang Heiner Botschafter Gottes -Band 1 33 Wolfgang Heiner Botschafter Gottes -Band 2 TELOS-Kindertaschenbücher 3001 Anny Wienbruch Brigitte und die Wunderkiste 3002 Oswald Smith Andys Abenteuer 3003 I. Mintoft Seltsame Fracht TELO S-V erteilschriftenreihe 001 Dale Rhoton 005 Watchman Nee 010 A. E. Wilder-Smith Was ist der Mensch Lobpreis der Wege Haben wir noch eine wert Gottes Zukunft 002 Dale Rhoton 006 Watchman Nee 011 George Verwer Zu schön, um wahr zu Dienst für das Haus Revolution der Liebe sein oder den Herrn 012 A.W.Tozer 003 J. N. D. Anderson 007 The Life Messengers Schlüssel zur ganzen Beweis der Auferstehung Dies ist der Weg Hingabe 004 Harvey Woodson 008 J. R. W. Stott 013 Dale Rhoton Das Dilemma des mo- Christ werden Christliche Kampf- dernen Menschen 009 J. R. W. Stott führung Christ sein Weitere Bücher in gleicher Aufmachung aus dem Verlag der St.-Johannis-Druckerei 763 Lahr-Dinglingen Anny Wienbruch, Im Schatten der Zaren (160 Seiten und 8 Seiten Bilder) Das einzigartige Schicksal Burkhard Christoph von Münnichs, der als Sohn eines Oldenburger Deichgrafen bis zum siegreichen Feldherrn und Ersten Minister Rußlands aufstieg. Sein Hauptverdienst war jedoch ein Friedenswerk. Gott beugte ihn auf dem Gipfel seiner Macht: Während 20 Jahren Verbannung in Sibirien wurde sein Glaube geprüft. Als 79jähriger kehrte er an seine Arbeit zurück. Elli Kühne, Kraft für zwei (256 Seiten) Die Geschichte einer Ehe, die durch manche Nöte führte. Sie wird in der Hauptsache von der Frau getragen, die „Kraft für zwei“ aufbringen mußte, um eine fruchtbare Gemeinschaft mit dem Mann zu gestalten. Diese Kraft ließ sie sich immer wieder im Gebet schenken. Ein ermutigendes Buch. Karl-Erich Wilken, Auf den Spuren biblischen Geschehens (96 Seiten) Von seinen Forschungsfahrten in Palästina berichtet Wilken in seinen Büchern „Biblisches Erleben im Heiligen Land“ (2 Bände) und „Der Stein des Pilatus“. Im vorliegenden neuen Buch erleben wir besonders seine Beobachtungen inJerusalem und Umgebung mit. Auch Bibelunkundige vermögen der volkstümlichen Schilderung mit Spannung zu folgen. Leontine von Winterfeld-Platen, Und nicht müde werden! (224 Seiten) Was ein Mensch an unermüdlicher Hingabe und Liebe aufbringen kann trotz und gerade in vielen Nöten und großem Leid, das ist in dieser Erzählung anschaulich nahegebracht. In all seiner Lebenswirklichkeit ist es ein aufrichtendes, stärkendes Buch mit dem Grundgedanken: Gott gibt Sieg in jedem Leid. Anny Wienbruch, Der blaue Chris (96 S.) Ein 16jähriger, dieser Chris, muß gegen seinen Willen einige Wochen in einem großen, fremden Haus zubringen. Eines Tages bekommt er Einblick in das Leben echter Jesusnachfolge und entscheidet sich. Ein Buch für junge Menschen. Ludwig Hofacker TELOS Bücher Der württembergische Reformator Johann Brenz hielt an der Wahrheit des Evangeliums unverbrüchlich fest. Auch eine kaiserliche Verordnung vermochte ihn nicht davon abzubringen. So wurde er von Kaiser Karl V. verfolgt und mußte fliehen. Herzog Ulrich von Württemberg durfte sich den Kaiser nicht zum Feind machen, half aber Brenz im verborgenen, soweit er konnte. Obwohl Brenz unter anderem Namen in einem entlegenen Schwarzwaldort notgedrungen einen weltlichen Beruf ausübte und die Verkündigung der Frohen Botschaft unterlassen mußte, lehnte er eine ehrenvolle Berufung nach England ab; denn er sah seine Glaubensaufgabe in Württemberg. Tatsächlich wurde er bald darauf vom jungen Herzog Christoph nach Stuttgart berufen und durfte, weiterhin unter dem Schutzschild des Glaubens und der Wahrheit, noch Wichtiges für das evangelische Bekenntnis in Württemberg leisten. Der Segen seines Werkes ist noch heute wahrzunehmen. — In dem kurzweilig geschriebenen Buch wird viel von den Familienfreuden und -leiden des Reformators erzählt, doch die Freude am Wort Gottes überwiegt.