Seitdem
das heilige Evangelium an den Tag gekommen ist, entlarvt und verurteilt es die
verschiedensten Werke der Finsternis, wie der heilige Paulus sie Römer 13, 12
aufzählt. Denn es ist ein helles Licht, das über die ganze Welt scheint und sie
lehrt, wie böse die Werke der Welt sind. Und es zeigt die richtigen Werke, die
man für Gott und den Nächsten tun soll. Deshalb sind auch unter den Kaufleuten
einige aufgewacht und haben begriffen, dass in ihrem Handel mancher böse
Schlich und manche unlauteren Finanzgebaren angewendet werden und man
befürchten muss, es könnte hier gehen, wie Sirach 26, 28 sagt, dass Kaufleute
kaum ohne Sünde sein können. Ja, ich meine, es trifft sie der Spruch des
heiligen Paulus 1. Timotheus 6, 10.9: ,,Die Habsucht ist die Wurzel für alles
Böse" und ferner: ,,Die reich werden wollen, fallen in die Fangstricke des
Teufels und in viele unheilvolle, schädliche Begierden, welche die Menschen in
Verderben und Verdammnis stürzen."
Obwohl
ich freilich annehme, dass dieses mein Schreiben völlig umsonst sein wird, weil
das Übel so tief eingerissen ist und in allen Ländern derart überhandgenommen
hat, andererseits diejenigen, die das Evangelium verstehen, selber aus dem
eigenen Gewissen in diesen äußerlichen und leichten Dingen beurteilen können,
was recht und was unrecht ist, bin ich doch ermahnt und gebeten worden, einmal
solche Finanzgebaren anzusprechen und an den Tag zu bringen, damit vielleicht
einige, wenn schon die große Menge nicht recht will, aus dem Schlund und Rachen
der Habsucht erlöst werden, wie wenige es auch sein mögen. Denn es muss doch so
sein, dass man unter den Kaufleuten so gut wie unter anderen Menschen noch
etliche findet, die zu Christus gehören und lieber mit Gott arm als mit dem Teufel
reich sein wollen, wie es Psalm 37, 16 sagt:
,,Für
den Gerechten ist weniges besser als die großen Güter der Gottlosen."
Wohlan, um derentwillen müssen wir reden.
Dass
Kaufen und Verkaufen eine notwendige Sache ist, kann man freilich nicht
leugnen. Man kann es nicht entbehren und kann es auch durchaus in christlicher
Weise tun, besonders in den Dingen, die notwendig sind und einem zur Ehre
gereichen. So haben auch die Patriarchen verkauft und gekauft Vieh, Wolle,
Getreide, Butter, Milch und andere Güter. Es sind Gaben Gottes, die er aus der
Erde gibt und unter die Menschen austeilt. Aber der ausländische Handel, der
aus Kalkutta, Indien und anderswoher Waren hereinbringt. z. B. diese kostbaren
Seiden, Goldwaren und Gewürze, die nur zur Prachtentfaltung dienen, aber keinen
Nutzen bringen, der zieht Land und Leuten das Geld aus [der Tasche] und sollte
nicht zugelassen werden, wenn wir eine Regierung und einen Fürsten hätten. Aber
darüber will ich jetzt nicht schreiben, denn ich meine, dass es. wenn wir dann
schließlich kein Geld mehr haben, von selbst unterbleiben muss so wie auch der
Kleiderluxus und das Fressen. Schreiben und Belehren helfen doch ohnehin nicht,
bis uns nicht Not und Armut zwingen.
Gott
hat uns Deutsche fallen lassen, so dass wir unser Gold und Silber in fremde
Länder wegwerfen müssen, alle Welt reich machen, selber aber Bettler bleiben.
England würde wohl weniger Gold besitzen, wenn ihm Deutschland nicht sein Tuch
abkaufte, und der König von Portugal würde auch weniger haben, nähmen wir ihm
nicht seine Gewürze ab. Rechne selber nach, wieviel Geld während einer
Frankfurter Messe aus Deutschland herausgebracht wird ohne Notwendigkeit und
Grund! Du wirst dich wundern, wie es kommt, dass überhaupt noch ein Heller in
Deutschland ist. Frankfurt ist das Silber- und Goldloch, durch das alles
abfließt, was wächst und gedeiht, bei uns gemünzt und geprägt wird. Wäre dieses
Loch zugestopft, brauchte man sich jetzt nicht die Klage anzuhören, dass es
überall nichts als Schulden gibt, aber kein Geld und dass alle Länder und
Städte mit Zinsen belastet und vom Wucher ausgesogen sind. Aber lass es gehen,
wie es will. Wir Deutsche müssen Deutsche bleiben. Wir lassen es nicht, wenn
wir nicht gezwungen werden.
Wir
wollen hier vom Mißbrauch und von den Sünden des Handels reden, soweit es das
Gewissen angeht. Was den Schaden des Beutels angeht, überlassen wir den Fürsten
und Herren, damit sie hier ihre Pflicht erfüllen.
Zuerst
[dieses:] Die Kaufleute haben unter sich eine allgemeine Regel. Das ist ihr
Wahlspruch und die Grundlage aller Geschäfte. Sie sagen: Ich kann meine Ware so
teuer verkaufen, wie ich es vermag. Sie halten das für ein Recht. [Tatsächlich
aber] ist damit der Habsucht Raum gegeben, und der Hölle sind alle Türen und
Fenster geöffnet. Denn was heißt das anderes als: Ich frage nicht nach meinem
Nächsten. Wenn ich nur meinen Gewinn habe und meine Habsucht befriedige, was
geht es mich an, wenn damit meinem Nächsten zehnfacher Schaden auf einmal
entsteht? Da siehst du, dass dieser Wahlspruch direkt und schamlos nicht nur
gegen die christliche Liebe, sondern auch gegen das Naturgesetz verstößt. Was
also kann Gutes am Handel sein? Was kann ohne Sünde sein, wenn ein solches
Unrecht die Hauptsache und Grundregel des ganzen Handels ist? Damit kann der
Handel nichts anderes sein als Raub und Diebstahl am Besitz des anderen.
Denn
wo das Schalksauge und der Geizwanst merkt, dass man seine Ware braucht oder
dass der Käufer arm ist, ihn aber braucht, macht er sich das zunutze zum
Gewinn. Da sieht er nicht auf den Wert der Ware oder darauf, was seine Arbeit
und das Risiko verdienen, sondern nur auf die Not und das Darben seines
Nächsten, aber nicht, um zu helfen, sondern um es zu seinem eigenen Vorteil
auszunutzen und seine Ware zu verteuern, die er sonst wohl billiger abgeben
würde, wenn sich der Nächste nicht in einer Notlage befände. Durch seine
Habsucht also muss die Ware um so viel mehr wert sein, je größer die Not ist,
die der Nächste leidet, so dass [also] die Not des Nächsten zugleich der Preis
und der Wert der Ware sein muss. Sage mir, heißt das nicht unchristlich und
unmenschlich gehandelt? Wird da dem Armen nicht seine eigene Not mit verkauft?
Denn weil er wegen seiner Not die Ware um so teurer nehmen muss, bedeutet das,
dass er seine Not verkaufen muss. Denn nicht die reine Ware wird ihm verkauft,
sowie sie an und für sich ist, sondern mit dem Zuschlag und Aufschlag, dass er
sie nötig braucht. Siehe, solche und ähnliche bösen Dinge müssen folgen, wo
solches Recht gilt: Ich kann meine Ware so teuer verkaufen, wie ich es vermag.
Es
darf nicht heißen: Ich kann meine Ware so teuer verkaufen, wie ich es vermag
oder will, sondern so: Ich kann meine Ware so teuer verkaufen, wie ich muss
oder wie es recht und billig ist. Denn dein Verkaufen darf nicht eine Tätigkeit
sein, die ohne Einschränkung deiner Macht und deinem Willen anheim gegeben ist
ohne alle Gesetze und Maßstäbe, als wärst du ein Gott, der an niemanden
gebunden ist. Sondern weil dein Verkaufen eine Tätigkeit ist, die dich in
Beziehung zu deinem Nächsten setzt, muss sie durch dieses Gesetz und durch das
Gewissen geordnet sein, damit du sie ohne Schaden und Nachteil für deinen
Nächsten ausübst und eher darauf achtest, diesem nicht zu schaden, als darauf,
etwas zu gewinnen. Ja, wo gibt es solche Kaufleute? Wie sollte wohl die Zahl
der Kaufleute abnehmen und der Handel zurückgehen, wenn man dieses böse Recht
verbesserte und in eine christliche, gerechte Form brächte.
Du
fragst vielleicht: Ja, wie teuer darf ich denn verkaufen? Wie treffe ich Recht
und Billigkeit, damit ich meinen Nächsten nicht übervorteile oder betrüge? Die
Antwort: Das wird mit keiner Schrift und mit keiner Rede je geordnet werden. Es
hat auch noch niemand unternommen, [den Preis] einer jeden Ware festzulegen, zu
steigern oder zu senken, und das aus dem Grunde, dass nicht alle Waren gleich
sind. Die eine holt man von weiter her als die andere, eine verursacht höhere
Kosten als die andere, so dass hier alles ohne Festlegung ist und auch bleiben
muss. man eben so wenig etwas allgemein Verbindliches festlegen kann, wie man
einen einzigen festen Ort bestimmen kann, woher man alle [Waren] holt, oder
feste Kosten, die auszugeben wären. Denn es kann geschehen, dass ein und
dieselbe Ware aus ein und derselben Stadt auf ein und derselben Straße
(eingeführt] in diesem Jahre mehr kostet als vor einem Jahre, weil vielleicht
der Weg und das Wetter schlechter sind oder sonst ein Umstand eintritt, der zu
größeren Unkosten zwingt als zu einer anderen Zeit. Nun ist es aber recht und
billig, dass ein Kaufmann an seiner Ware so viel verdient, dass seine Unkosten
bezahlt sowie Mühe, Arbeit und sein Risiko belohnt werden. Ein Ackerknecht
braucht doch auch Nahrung und Lohn für seine Arbeit. Wer kann umsonst dienen
oder arbeiten? Das Evangelium sagt: ,,Ein Arbeiter ist seines Lohnes wert"
[Lukas 10, 7].
Um
aber nicht ganz dazu zu schweigen: Es wäre der beste und sicherste Weg, wenn
die weltliche Obrigkeit hierfür vernünftige, redliche Leute einsetzte und sie
beauftragte, die verschiedenen Waren mit ihren Kosten zu überschlagen und
danach Maßstäbe aufzustellen dafür, wie teuer sie sein sollten, damit der
Kaufmann zurechtkommen kann und sein geziemendes Auskommen davon hat, sowie man
an einigen Orten Wein, Fisch, Brot und dergleichen (preislich] festgesetzt hat.
Aber wir Deutschen haben mehr zu tun. Wir haben zu trinken und zu tanzen, als
dass wir uns um eine solche Regierung und Ordnung kümmern könnten. Und weil
eine solche Ordnung nicht zu erhoffen ist, ist das der nächstliegende und beste
Rat, den Wert einer Ware danach zu bestimmen, wie der allgemeine Markt sie gibt
und nimmt oder wie es die Gewohnheit des Landes ist, [sie] zu geben und zu
nehmen. Denn hierin kann man das Sprichwort gelten lassen: Handele wie andere
Leute, so bist du kein Narr. Was auf solche Weise erworben wird, halte ich für
redlich und gut, zumal hier die Gefahr besteht, dass man zuweilen an der Ware
und den Kosten verlieren muss und keine großen Reichtümer gewinnen kann.
Wo
aber die Ware nicht [im Preis] festgesetzt ist und auch nicht allgemein
angeboten wird, wo du sie als erster [in ihrem Preis] bestimmen musst, kann man
tatsächlich keinen anderen Rat geben. Man muss es dir auf dein Gewissen legen,
damit du zusiehst, deinen Nächsten nicht übervorteilst und der Habsucht keinen
Raum lässt, sondern deine dir zustehende Nahrung suchst.
Einige
haben hierin [schon] eine Regel aufstellen wollen: man dürfe an jeder Ware die
Hälfte verdienen, andere sagen, man dürfe ein Drittel verdienen, wieder andere
noch anders. Nichts davon jedoch ist gewiss und sicher, es sei denn, es wird
von der weltlichen Obrigkeit oder durch das allgemeine Recht verordnet. Was
diese hier festsetzen, das ist sicher. Darum musst du dir vornehmen, in diesem
Handel nicht mehr als deine dir zustehende Nahrung zu suchen, danach die
Unkosten, die Mühe, Arbeit und das Risiko berechnen und überschlagen und so
also [den Preis] der Ware selber festsetzen, ihn steigern oder herabsetzen,
damit du [auch] einen Lohn für solche Arbeit und Mühe hast.
Damit
will ich aber das Gewissen nicht zu sehr beladen und auch nicht zu eng
begrenzen, als müsste man das Maß so genau treffen, dass man es auch nicht um
einen Heller verfehlt. Es ist ja nicht möglich, so genau festzulegen, wie viel
du mit solcher Mühe und Arbeit verdient hast. Es genügt, dass du mit gutem Gewissen
danach trachtest, das rechte Maß zu treffen, obwohl es doch eine Eigenart des
Handels ist, dass man das unmöglich schafft. Der Spruch des Weisen wird sich
sicher auch an dir bewahrheiten: ,,Ein Kaufmann kann nur schwer ohne Sünde
handeln, und ein Wirt wird nur schwer einen gerechten Mund behalten"
[Sirach 26, 28]. Falls du nun unwissend und ohne Absicht ein wenig zuviel
nimmst, so lege das ins Vaterunser, wo man betet: ,,Vergib uns unsere
Schuld" [Matthäus 6, 12]. Es ist doch kein Menschenleben ohne Sünde. Und
es kann auch umgekehrt kommen, dass du vielleicht zuwenig für deine Mühe
nimmst. Dann lass es sich gegenseitig ausgleichen, falls du [irgendwann] zuviel
genommen hast.
Ein
Beispiel: Wenn du ein Geschäft abwickelst, das sich im Jahre auf hundert Gulden
beläuft, und du über alle Unkosten und den angemessenen Lohn hinaus, den du für
deine Mühe, Arbeit und das Risiko dabei gewinnst und nimmst, ungefähr einen,
zwei oder drei Gulden zuviel verdienst, so nenne ich das einen Fehler, den man
wohl nicht vermeiden kann, zumal wenn sich das Geschäft über ein ganzes Jahr
erstreckt. Deshalb sollst du damit nicht dein Gewissen belasten, sondern [das
Ganze] wie eine andere, unvermeidbare Sünde (wie sie uns allen anhängt) im
Vaterunser vor Gott bringen und ihm befehlen. Denn zu solchen Fehlern drängt
dich die Notwendigkeit und die Art des Tuns, nicht der böse Wille oder die
Habsucht. Denn ich rede hier von den gutwilligen und gottesfürchtigen Menschen,
die nicht absichtlich unrecht tun, so wie auch die eheliche Pflicht nicht ohne
Sünde geschieht, und Gott doch um der Notwendigkeit willen bei diesem Tun durch
die Finger sieht, weil es nicht anders sein kann.‘
Wie
hoch aber dein Lohn zu schätzen sei, den du bei einem solchen Handel und einer
solchen Arbeit verdienen darfst, kannst du am besten so berechnen und erkennen,
dass du die Zeit und die Schwere der Arbeit überschlägst und zum Vergleich
einen gewöhnlichen Tagelöhner nimmst, der sonst irgendwo arbeitet, und siehst,
was dieser an einem Tage verdient. Danach berechne, wie viele Tage du dich
gemüht hast, die Ware zu holen und zu erwerben, wie schwer die Arbeit war und
wie groß das Risiko, das damit verbunden war. Denn schwerere Arbeit und viel
Zeit muss auch größeren Lohn haben. Näher, besser und bestimmter kann man in dieser
Hinsicht nicht reden oder lehren. Wem das nicht gefällt, der möge es besser
machen. Mein Fundament steht, wie gesagt, im Evangelium, dass ein Arbeiter
seines Lohnes wert ist [vgl. Lukas 10, 7]. Und Paulus sagt ebenso 1. Korinther
9, 7: „Wer das Vieh hütet, soll sich von der Milch ernähren. Wer kann auf
eigene Kosten und eigenen Sold in den Krieg ziehen?" Hast du ein besseres
Fundament, so gönne ich es dir wohl.
Zweitens
gibt es noch einen verbreiteten Fehler, der nicht nur unter den Kaufleuten,
sondern in der ganzen Welt zur landläufigen Gewohnheit geworden ist, nämlich,
dass einer für den anderen bürgt. Und obwohl das ohne Sünde, ja [im Gegenteil]
eine Tugend der Liebe zu sein scheint, verdirbt es doch gemeinhin viele Leute
und bringt ihnen einen nicht wiedergutzumachenden Schaden. Der König Salomo hat
es in seinen Sprüchen mehrfach verboten und verworfen und sagt Sprüche 6, 1-5:
,,Mein Kind, bist du Bürge deines Nächsten geworden, so hast du dich eidlich
gebunden. Du bist gebunden durch die Rede deines Mundes und gefangen durch die
Rede deines Mundes. Also handele entsprechend, mein Kind, und errette dich,
denn du bist damit deinem Nächsten in die Hand gegeben. Eile, laufe und
bedränge deinen Nächsten. Lass deine Augen nicht schlafen noch deine Augenlider
schlummern. Errette dich wie ein Reh aus der Hand (des Jägers), und wie ein
Vogel aus der Hand eines Vogelfängers." Ebenso Kapitel 20, 16: „Nimm dem,
der für einen anderen Bürge wird, sein Kleid und pfände ihn um des Fremden
willen." Ebenso Kapitel 22, 26: ,,Sei nicht bei denen, die sich eidlich
binden und für eine [fremde] Schuld Bürge werden." Und noch einmal Kapitel
27, 13f. ,,Nimm dem sein Kleid, der für einen anderen Bürge wird, und pfände
ihn um des Fremden willen."
Sieh
also, wie streng und nachdrücklich der weise König in der Heiligen Schrift
verbietet, für andere zu bürgen. Dazu passt auch das deutsche Sprichwort:
,,Bürgen soll man würgen", als wollte es sagen: Es geschieht dem Bürgen
recht, dass er gewürgt wird und zahlen muss, denn er handelt leichtfertig und
töricht, wenn er Bürge wird. Also ist es nach der Schrift beschlossen, dass
niemand für andere bürgen soll, es sei denn, er kann es sich leisten und ist
ohne Einschränkung bereit, [gegebenenfalls] selbst der Schuldige zu sein und zu
zahlen. Nun scheint es [aber] verwunderlich, dass solches Tun böse und
verwerflich sein soll. Denn dass es ein törichtes Tun ist, haben viele selber
erfahren, die das Kopfkratzen davon gekriegt haben. Und aus welchem Grund wird
es verworfen? Das wollen wir sehen.
Bürge
werden ist ein Tun, das für einen Menschen zu groß ist, das ihm nicht zukommt
und vermessen in das Tun Gottes eingreift. Denn erstens verbietet die Schrift,
einem Menschen zu trauen oder sich auf ihn zu verlassen [vgl. Jeremia 9, 3 f.;
1 7,5; Micha 7, 5]. Vertrauen soll man allein Gott. Denn die menschliche Natur
ist falsch, eitel, lügenhaft und wankelmütig, wie die Schrift sagt [vgl. 1.
Mose 8, 21] und auch die Erfahrung täglich lehrt. Wer aber Bürge wird, traut
einem Menschen und begibt sich mit Leben und Besitz in Gefahr auf einem
unsicheren Grunde. Deshalb geschieht es ihm recht, wenn er fällt und Misserfolg
hat und in dar Gefahr verdirbt. Zweitens traut er auch auf sich selber und
macht sich selber zum Gott (denn worauf ein Mensch vertraut und sich verlässt,
das ist sein Gott). Nun ist er aber seines Lebens und Besitzes keinen
Augenblick sicher und gewiss. [Er ist seiner selbst] so wenig [sicher] wie
dessen, für den er bürgt. Vielmehr steht alles allein in Gottes Hand, der es
nicht haben will, dass wir [auch nur] ein Haarbreit Macht und Recht in die
Zukunft hinein haben, und der will, dass wir in keinem Augenblick sicher und
gewiss sind. Also handelt jener unchristlich, und es geschieht ihm recht, weil
er etwas verpfändet und verspricht, was ihm weder gehört noch in seiner Macht
steht, sondern allein in Gottes Hand liegt.
So
lesen wir 1. Mose 43 und 44, wie der Erzvater Juda für seinen Bruder Benjamin
gegenüber seinem Vater Jakob bürgte, dass er ihn zurückbringen oder auf ewig
schuldig sein wolle. Aber Gott strafte diese Vermessenheit trefflich, ließ ihn
fallen und irren, so dass er Benjamin nicht zurückbringen konnte, bis er sich
selber für ihn gab und dennoch kaum aus Gnaden frei wurde. Und das geschah ihm
recht. Denn solche Bürgen tun gerade, als brauchten sie Gott nicht einmal darum
zu bitten und nicht daran zu denken, ob sie auch morgen ihres Lebens und
Besitzes sicher seien. Sie handeln so ganz ohne Gottesfurcht, als hätten sie
das Leben und den Besitz von sich selber und verfügten darüber, solange sie
wollten. Das aber ist nichts anderes als eine Frucht des Unglaubens. Auch
Jakobus nennt das im 4. Kap. seines Briefes Hochmut und sagt: „Wohlan, die ihr
nun sagt, heute oder morgen wollen wir in diese oder jene Stadt ziehen und dort
Handel treiben und [etwas] verdienen. Ihr wisst doch nicht, was morgen sein
wird. Denn was ist euer Leben? Ein Rauch ist es, der sich nur eine kurze Zeit
hält und dann vergeht. Ihr solltet dafür[besser] sagen: Wenn wir leben und Gott
es will, wollen wir dieses oder jenes tun. Nun aber rühmt ihr euch selbst in
eurem Hochmut" [Jakobus 4,1 3 - 1 6].
Auch
hat Gott eine solche Anmaßung über die Zukunft und solche Missachtung Gottes an
verschiedenen Stellen verdammt, wie Lukas 12,16-21, wo der reiche Mann in einem
Jahre so viel Getreide [geerntet] hat, dass er seine Scheunen abbrechen und
größere bauen wollte und seine Güter dort lagern. ,,Und er sagte zu seiner
Seele: Liebe Seele, du hast viele Güter [300] für viele Jahre. lss, trink und
sei guten Mutes. Aber Gott sprach zu ihm: Du Narr, in dieser Nacht wird man
deine Seele von dir fordern, und wem wird gehören, was du gesammelt hast? So
geht es allen, die nicht reich in Gott sind. So antwortet er auch
Apostelgeschichte 1,7 den Jüngern: „Es steht euch nicht zu, die Zeit und Stunde
zu wissen, die der Vater in seiner Macht bestimmt." Und Sprüche 27,1:
,,Berufe dich nicht auf den morgigen Tag. denn du weißt nicht, was sich noch
heute begeben kann." Deshalb hat er uns auch im Vaterunser aufgetragen, um
nicht mehr zu bitten, als uns heute das tägliche Brot zu geben, damit wir mit
Furcht leben und handeln und wissen, dass wir in keiner Stunde unseres Lebens
oder Besitzes sicher sind, sondern alles aus seiner Hand erwarten und nehmen,
wie es ein rechter Glaube tut. Und wir sehen es wahrhaftig auch täglich an
vielen Taten Gottes, dass es so geschehen muss, ob wir es nun gerne oder ungern
tun.
Salomo
hat sein ganzes Buch, das „Der Prediger" heißt, ganz auf diese Lehre
ausgerichtet. Er zeigt, dass der Menschen Absicht und Vermessenheit überall und
durch und durch vergeblich ist und nichts als Mühe und Unglück, wenn nicht Gott
mit einbezogen wird, indem man ihn fürchtet, sich mit dem Gegenwärtigen
zufrieden gibt und sich dessen freut. Denn Gott ist feind der sicheren,
ungläubigen Vermessenheit, die ihn vergisst. Deshalb wirkt er mit allen Taten
dagegen, lässt uns irren und fallen, nimmt uns Leben und Besitz, wenn wir am
wenigsten daran denken, und kommt zu der Stunde, in der wir es gar nicht
erwarten, so dass die Gottlosen, wie der Psalter sagt, ihr Leben nicht bis zur
Hälfte bringen, sondern stets unversehens, wenn sie erst richtig anfangen
wollen [zu leben], dahin sind und davon müssen [vgl. Psalm 55, 24], wie es auch
Hiob an vielen Stellen sagt [vgl. Hiob 4, 20f. u. ö.].
Du
sagst nun: Wie sollen denn die Menschen miteinander Handel treiben, wenn es
nicht nützlich ist zu bürgen? Auf diese Weise müsste mancher im Hintergrunde
bleiben, der sonst wohl hochgekommen wäre. Die Antwort: Es gibt vier
Möglichkeiten, äußerlich gut und christlich miteinander umzugehen, wie ich
schon oft geschrieben habe. Die erste ist, dass wir uns unseren Besitz nehmen
und rauben lassen, wie Christus Matthäus 5, 40 sagt: ,,Wer dir den Mantel
nimmt, dem lass auch den Rock und fordere nichts von ihm zurück." Diese Möglichkeit
gilt freilich unter den Kaufleuten nichts. Man hat das auch nicht für eine
allgemeine christliche Lehre gehalten noch gepredigt, sondern für einen Rat und
für eine gute Absicht für die Geistlichen und Vollkommenen gehalten, die es
doch noch weniger halten als ein Kaufmann. Aber richtige Christen halten es,
denn sie wissen, dass ihr Vater im Himmel ihnen Matthäus 6, 11 fest zugesagt
hat, [ihnen] das tägliche Brot zu geben. Wo man so handelte, würden nicht
allein unzählige Missbräuche in allen Handelsgeschäften unterbleiben, sondern
sehr viele würden [überhaupt] keine Kaufleute werden, weil die Vernunft und die
menschliche Natur diese Gefahr und solchen Schaden über die Maßen flieht und
scheut.
Die
zweite [Möglichkeit] ist die, einem jeden umsonst zu geben, was er braucht, wie
Christus dort auch lehrt [vgl. Matthäus 5, 42]. Das ist auch eine große
christliche Tat. Deshalb gilt es nicht viel unter den Menschen. Und wenn das
allgemein würde, würden sowohl Kaufleute wie Handel abnehmen. Denn wer das tun
soll, muss sich wirklich an den Himmel halten. Er darf nicht auf seinen Vorrat
oder seinen Besitz, sondern muss auf Gottes Hände sehen, um zu wissen, dass
Gott ihn ernähren will und wird, obschon alle Winkel leer wären. Denn er weiß,
dass es wahr ist, wie er [Gott] zu Josua sagte: ,,Ich will dich nicht verlassen
noch meine Hand abziehen" [Josua 1, 5]. Und wie man sagt: „Gott hat mehr,
als er je gab." Dazu gehört aber auch ein richtiger Christ, das seltenste
Tier auf der Erde. Die Welt und die Natur beachten ihn nicht.
Die
dritte [Möglichkeit] ist Leihen oder Borgen, dass ich [also] meinen Besitz
hingebe und wieder zurücknehme, wenn er mir zurückgebracht wird, aber darauf
verzichten muss, wenn man ihn mir nicht wiederbringt. Denn Christus hat selber
dieses Borgen Lukas 6, 34 in eine Ordnung gebracht, wenn er sagt: ,,Ihr sollt
so leihen, dass ihr nichts davon erhofft." Das bedeutet: Ihr sollt ohne
Bedingungen leihen und es aufs Spiel setzen. Wird es zurückgegeben, so sei es
geschenkt. Insofern besteht also nach dem Evangelium kein Unterschied zwischen
Geben und Borgen, außer dem, dass das Geben nichts zurücknimmt, Borgen aber
zurücknimmt, wenn es kommt, aber doch das Risiko eingeht, ein Geben zu sein.
Wenn man also leiht, um sein Eigentum besser oder vermehrt zurückzuerhalten,
ist das ein offenbarer und verdammter Wucher, zumal auch diejenigen noch nicht
christlich handeln, die so borgen, dass sie genau dasselbe wieder zurückfordern
oder erhoffen, also nicht offen das Wagnis eingehen, dass es nicht zurückkommt.
Auch
dies ist ja (wie ich meine) ein ausgesprochen christliches und seltenes Tun,
wenn man auf den Lauf der Welt sieht. Wenn es in allgemeinen Gebrauch kommen
sollte, würde es den verschiedenfachen Handel erheblich mindern und verhindern.
Denn diese drei Möglichkeiten halten entschieden daran fest, sich nicht zu
vermessen, auf die Zukunft [einzuwirken] noch sich auf Menschen oder sich
selber zu verlassen. Sondern sie hängen allein an Gott. Hier wird alles bar
bezahlt. Und das Wort, das Jakobus lehrt, kommt hier mit herein:
,,Wenn
Gott es will, dass es so geschieht" [Jakobus 4, 15]. Denn hier rechnet man
damit, dass die Menschen irren können und unzuverlässig sind, und bezahlt bar,
gibt umsonst oder geht das Wagnis ein, dass verloren ist, was man borgt.
Hier
wird man sagen: Wer kann dann selig werden? [vgl. Matthäus 19, 25]. Und wo
werden wir [solche] Christen finden? Ja, auf diese Weise würde auf der Erde
[überhaupt] kein Handel mehr getrieben werden. Einem jeden würde das Seine
genommen und abgeborgt werden. Den Bösen, Faulen und Unersättlichen, von denen
die Welt voll ist, würden alle Türen geöffnet, um alles zu nehmen, zu betrügen
und zu lügen.
Die
Antwort: Ich habe doch gesagt, dass Christen seltene Leute auf Erden sind.
Deshalb muss es in der Welt eine strenge, harte weltliche Herrschaft geben, die
die Bösen zwingt und drängt, nichts zu nehmen oder zu rauben, [sondern]
zurückzugeben, was sie borgen (obschon ein Christ es nicht zurückfordern und
auch nicht darauf hoffen darf), damit die Welt nicht durcheinander gerät. der
Friede nicht zerstört sowie der Handel und die Gemeinschaft der Menschen nicht
völlig zunichte gemacht werden. Denn das alles würde geschehen, wenn man die
Welt nach dem Evangelium regieren wollte und die Bösen nicht mit Gesetzen und
Gewalt dazu bringen und zwingen könnte, zu tun und zu dulden. was rechtens ist.
Deshalb muss man die Straßen sicher halten, in den Städten Frieden schaffen,
das Recht im Lande verwirklichen und frisch und getrost das Schwert auf die
Übertreter [des Gesetzes] einschlagen lassen, wie der heilige Paulus Römer 13,
4 lehrt. Denn Gott will haben, dass den Unchristen gewehrt werde, so dass sie
kein Unrecht begehen oder ungestraft unrecht tun können. Und niemand darf
meinen, dass die Welt ohne Blutvergießen regiert werden kann. Das Schwert darf
und muss rot und blutig sein, denn die Welt will und muss böse sein. So ist das
Schwert die Zuchtrute und Strafe Gottes über sie. Doch darüber habe ich in der
Schrift über die weltliche Obrigkeit genug gesagt.4
So
wäre wohl das Borgen eine gute Sache, wenn es unter Christen geschähe. Ein
jeder würde gern zurückgeben, was er geborgt hat, und wer [etwas] geliehen hat,
würde es gern entbehren, wenn jener es nicht zurückgeben könnte. Denn Christen
sind Brüder, und einer lässt den anderen nicht im Stich. Auch ist keiner so
faul und unverschämt, sich ohne Arbeit auf das Eigentum und die Arbeit des
anderen zu verlassen und mit Müßiggang von eines anderen Eigentum zu zehren. Wo
aber keine Christen sind, soll die weltliche Obrigkeit darauf drängen, dass
jeder bezahlt, was er geborgt hat. Drängt sie nicht darauf und ist sie
nachlässig, muss der Christ solchen Raub dulden, wie. Paulus 1. Korinther 6, 7
sagt: ,,Warum erleidet ihr nicht lieber das Unrecht?" Den Nichtchristen
aber lasse man mahnen, fordern und tun, was er will. Um ihn geht es [hier]
nicht, denn er ist kein Christ und beachtet die Lehre Christi nicht.
Auch
hast du noch den geringen Trost, dass du nur das zu leihen verpflichtet bist,
was du übrig hast und du nach Befriedigung deiner Bedürfnisse entbehren kannst,
wie Christus über die Almosen spricht: ,,Was ihr übrig habt, gebt als Almosen,
und alles wird euch rein sein" [Lukas 11, 41]. Wenn also so viel von dir
geborgt werden sollte, dass du selbst verderben müsstest, falls es nicht zurückgegeben
würde, und deine eigenen Bedürfnisse es nicht entbehren könnten, wärest du
nicht verpflichtet zu leihen. Denn am meisten bist du schuldig, deiner Frau,
deinem Kinde und deinen Bediensteten den [notwendigen] Unterhalt zu schaffen.
Was du ihnen schuldig bist, darfst du ihnen nicht entziehen. Deshalb ist das
die beste Regel, wenn dir das Borgen zu schwerfällt: Gib umsonst, oder leihe
nur soviel, wieviel du meinst, geben und wagen zu können, wenn es auch [für
dich] verloren wäre. Denn Johannes der Täufer predigte nicht: ,,Wer einen Rock
hat, gebe den weg." Sondern: ,,Wer zwei Röcke hat, gebe einen dem, der
keinen hat, und wer Speisen hat, handle entsprechend" [Lukas 3, 11].
Die
vierte Möglichkeit ist Kaufen und Verkaufen, und das mit barem Geld oder so, dass
Ware mit Ware bezahlt wird. Wer diese Möglichkeit gebrauchen will, sei sich
bewusst, dass er sich auf nichts, was kommen wird, verlassen kann, sondern nur
auf Gott, und dass er mit Menschen umgehen muss, die bestimmt Fehler machen
oder lügen werden [vgl. Psalm 116, 11]. Deshalb ist dies der nächstliegende
Rat: Wer verkauft, der borge nichts und nehme auch keine Bürgschaften an,
sondern lasse sich [alles] bar bezahlen. Will er aber leihen, so tue er das
gegenüber Christen. Anderenfalls muss er das Wagnis eingehen, dass [sein
Eigentum] verloren ist. Und er leihe nicht mehr, als er ohnehin geben würde und
als seine Bedürfnisse es zulassen. Wo ihm die weltliche Herrschaft und Ordnung
nicht wieder dazu verhelfen, lasse er es verloren sein. Und er hüte sich, [selber]
für jemanden Bürge zu werden. Er gebe lieber, was er vermag. Das könnte ein
richtiger christlicher Kaufmann sein, den Gott auch nicht verlassen würde, weil
er ihm ganz vertraut und hinsichtlich seines unzuverlässigen Nächsten fröhlich
etwas wagt und handelt.
Wenn
es nun das Bürgschaftswesen in der Welt nicht gäbe, wenn das freie
evangeliumsgemäße Leihen allgemeiner Brauch wäre, wenn der Handel nur mit
Bargeld oder verfügbarer Ware abgewickelt würde, dann wären die größten und
schlimmsten Gefahren, Mängel und Fehler im Handel glücklich beseitigt. Es wäre
leicht, mit allen Kaufleuten umzugehen, und auch gegen andere Sünden und
Verstöße könnte um so besser vorgegangen werden. Denn wenn es dieses Bürgen und
sichere Leihen nicht gäbe, müsste mancher bleiben, wo er ist, und mit einem
geringeren Einkommen zufrieden sein, der sich anderenfalls aufs Borgen und
Bürgen verlässt und Tag und Nacht nach Höherem strebt. Deshalb will ja auch ein
jeder ein Kaufmann und reich werden. Und daraus müssen solche Kniffe und Winkelzüge
folgen, die jetzt unter den Kaufleuten üblich sind, so dass ich schon daran
verzweifelt bin, dass das Ganze noch gebessert werden kann. Denn es ist so mit
Bosheit und Betrug beladen, dass es auf die Dauer nicht tragbar ist und von
allein zusammenbrechen muss.
Hiermit
will ich in Kürze einen jeden abgefertigt und ihm Belehrung gegeben haben über
dieses große, wüste und weitläufige Kaufmannsgewerbe. Denn wenn man alles gehen
und bleiben lassen sollte, sodass jeder seine Ware so teuer verkauft, wie er
kann, und das Borgen, das Leihen unter Bedingungen und das Bürgen recht wären,
und man dennoch raten und belehren sollte, wie man dabei christlich handeln und
ein gutes, sicheres Gewissen behalten kann - das wäre dasselbe, als wollte man
raten und lehren, wie Unrecht zugleich Recht ist, Böses gut sein kann und wie
man zugleich der göttlichen Schrift gemäß und gegen sie leben und handeln kann.
Denn diese drei Irrtümer, dass ein jeder das Seine gibt, so teuer er will,
ebenso das Borgen und Bürge werden, sind wie drei Quellen, woraus alle
Schändlichkeit, Unrecht, List und Tücke nach allen Seiten fließen. Wenn man nun
das Fließen nach Möglichkeit verhindern, aber doch die Quelle nicht verstopfen
will, ist Mühe und Arbeit verloren.
Deshalb
will ich hier einige solcher Tücken und bösen Dinge, die ich selbst beobachtet
habe und die mir durch rechtschaffene, gutherzige [Menschen] erzählt worden
sind, weitergeben, anhand derer man erfahren und merken kann, wie diese meine
obenerwähnten Gründe und Sätze Wirklichkeit werden müssen, wenn den Gewissen in
Sachen des Handels überhaupt geraten und geholfen werden soll. Auch kann man
daraus alle anderen schlechten Dinge, die hier nicht aufgezählt werden,
erkennen und ermessen. Denn wie sollte es möglich sein, alles aufzuzählen? Denn
durch die genannten drei Quellen sind der Habsucht und der bösen, tückischen,
eigennützigen Natur Tür und Fenster geöffnet, ihnen Luft und Raum gegeben,
Erlaubnis und Vollmacht. die verschiedensten Listen der Tücke unangefochten zu
üben und täglich mehr und mehr zu erfinden, so dass alles vor Habsucht stinkt,
ja darin ersoffen und ertrunken ist wie in einer großen Sintflut.
Einige
machen sich kein Gewissen daraus, ihre Ware auf Berg und auf Zeit [d. h. mit
Zahlungsfristen, auf Kredit] teurer zu verkaufen als für bares Geld. Ja. einige
wollen [überhaupt] keine Ware für bares Geld verkaufen, sondern alles auf
Kredit, und das nur, um ja viel Geld damit zu verdienen. Hier siehst du, dass
ein solches Vorgehen grob gegen Gottes Wort verstößt, gegen die Vernunft und
alle Billigkeit, sich aus lauter ungezügeltem bösem Willen der Habsucht an dem
Nächsten versündigt, dessen Schaden man nicht achtet, sondern ihm das Seine
raubt und stiehlt, und auch nicht sein angemessenes Auskommen dabei sucht.
sondern allein seine Habgier und seinen Gewinn. Denn nach göttlichem Recht darf
man [seine Ware] nicht teurer bergen oder auf Kredit verkaufen als für bares
Geld [vgl. 3. Mose 25.36 f.].
Ebenso
geschieht es auch, dass einige ihre Ware teurer verkaufen, als sie auf dem allgemeinen
Markt gehandelt wird und es im Handel sonst üblich ist. Sie steigern also [den
Preis] der Ware nur aus dem Grunde, dass sie wissen, dass es davon im Lande
nichts mehr gibt oder in absehbarer Zeit nichts mehr hereinkommen wird, man es
jedoch braucht. Das ist eine Arglist der Habsucht, die nur auf die Bedürfnisse
der Nächsten schielt, aber nicht, um ihnen zu helfen, sondern um sie für sich
auszunutzen und an dem Schaden seines Nächsten reich zu werden. Das sind alles
offenkundige Diebe, Räuber und Wucherer.
Ferner:
Einige kaufen in einem Lande oder in einer Stadt ein Produkt oder eine Ware
gänzlich auf, um dieses Produkt vollkommen in ihrer Gewalt zu haben und danach
[im Preise] festsetzen, anheben und verkaufen zu können, wie teuer sie wollen
oder können. Nun wurde oben gesagt, wie falsch und unchristlich die Regel ist,
dass jemand seine Ware so teuer verkauft, wie er will und kann. Viel schlimmer
[aber] ist es, wenn man allein ein Produkt aufkauft. Das verbieten sogar die
kaiserlichen und weltlichen Gesetze. Sie nennen das Monopole. Das sind
eigennützige Käufe, die man in Stadt und Land nicht dulden sollte. Fürsten und
Herren sollten, wenn sie ihr Amt ausüben wollten, dagegen einschreiten. Denn
solche Kaufleute tun gerade, als wären die Geschöpfe und Güter Gottes allein
für sie geschaffen und nur ihnen gegeben und als könnten sie nach Belieben
diese den anderen nehmen und ihren Preis festlegen.
[Vielleicht]
will jemand [hier] das Beispiel Josephs 1. Mose 41 heranziehen, wie der heilige
Mann alles Korn im Lande sammelt und danach während der Teuerung damit alles
Geld, Vieh, Land und Leute für den König von Ägypten aufkauft. Das will
scheinen, als sei es auch ein Monopol oder eigennütziger Handel gewesen.
Hierauf ist zu antworten:
Dieser
Kauf und Handel des Joseph war kein Monopol, sondern ein redlicher, allgemeiner
Kauf, wie er im Lande üblich war. Denn er verwehrte es niemandem, zur günstigen
Zeit einzukaufen. Es war aber seine Weisheit, [ihm] von Gott gegeben, dass er
des Königs Korn, als es in den sieben Jahren wohl geriet, einsammelte, als die
anderen nichts oder [nur] wenig sammelten. Denn der Text sagt nicht einfach,
dass er das Korn eingekauft hat, sondern dass er es in den Städten des Königs
eingesammelt hat. Haben die anderen das nicht getan, so ist das ihr Schade, wie
der gemeine Mann sorglos zu verzehren pflegt oder zuweilen auch nichts hat, was
er zu sammeln vermag.
Das
sehen wir auch noch [an folgendem]: Wenn Fürsten und Städte sich nicht mit
Vorrat für das ganze Land versehen, würde bei dem gemeinen Mann, der sich von
Jahr zu Jahr durch das jährliche Einkommen ernährt, kein Vorrat bleiben oder
doch nur wenig. Also ist dieses Einsammeln kein eigennütziges Tun oder ein
Monopol, sondern eine rechte, gute, christliche Vorsorge zum Wohle der Allgemeinheit
und der anderen. Denn es geschieht nicht so, dass man alles allein an sich
reißt wie jene Kaufleute, sondern man sammelt den Vorrat von dem, was der
allgemeine Markt oder das jährliche Aufkommen jedem in gleicher Weise bieten,
wovon andere nicht sammeln wollen oder können, sondern nur ihren täglichen
Unterhalt daraus bestreiten. Auch berichtet die Schrift nicht, dass Joseph das
Korn eingesammelt hat, um es so teuer wie möglich wieder zu verkaufen. Denn der
Text sagt deutlich, er habe es nicht aus Habsucht getan, sondern um Land und
Leute nicht verderben zu lassen [vgl. 1. Mose 41, 36]. Dagegen verkauft die
kaufmännische Habsucht so teuer wie möglich und sucht ausschließlich ihren
Nutzen ohne Rücksicht darauf, ob Land und Leute dadurch verderben.
Dass
Joseph dabei aber alles Geld und Vieh, dazu den ganzen Acker und alle Menschen
unter den König gebracht hat, scheint nicht christlich gehandelt zu sein, denn
er hätte dem Bedürftigen umsonst geben sollen, wie das Evangelium und die
christliche Liebe es lehren. Aber er hat [dennoch] richtig und gut gehandelt.
Denn Joseph führte die weltliche Herrschaft anstelle des Königs. Und ich habe
oft genug gelehrt, dass man die Welt nicht mit dem Evangelium und der
christlichen Liebe regieren soll oder kann, sondern nach strengen Gesetzen mit
dem Schwert und mit Gewalt regieren muss. Denn die Welt ist böse und nimmt
weder das Evangelium noch die Liebe an. Sie handelt und lebt nach ihrem bösen
Willen, sofern sie nicht mit Gewalt gezwungen wird. Anderenfalls, wenn man nichts
als Liebe übte, würde ein jeder essen, trinken und auf Kosten der anderen gut
leben wollen, aber niemand arbeiten. Ja, ein jeder würde dem anderen das Seine
nehmen, und es entstünden Verhältnisse, unter denen keiner vor dem anderen
[sicher] leben könnte.
Darum
hat Joseph recht gehandelt, weil Gott es so gefügt hat, dass er für einen
gleichen, angemessenen Preis, den die Zeit so ergab, alles an sich gebracht hat
und das Volk dem weltlichen Recht entsprechend in der Zwangslage beließ und
zuließ, sich und alles, was es hatte, zu verkaufen. Denn in jenem Lande gab es
allezeit eine strenge Herrschaft und den Brauch, Menschen zu verkaufen wie
andere Waren. Daneben hat er ohne Zweifel als Christ und rechtschaffener Mann
keinen Armen vor Hunger sterben lassen. Sondern er hat, wie der Text sagt,
nachdem er des Königs weltliches Recht und seine Herrschaft erhalten hatte, zum
Nutzen für das Land und die Menschen das Korn gesammelt, verkauft und
ausgeteilt. Darum sind das Beispiel des treuen Joseph und das Tun der betrügerischen,
eigennützigen Kaufleute so weit voneinander entfernt wie der Himmel von der
Erde. Das sei als Exkurs fürs erste [dazu] gesagt. Nun kehren wir wieder zur
Betrachtung der einzelnen Punkte zurück.
Ebenso:
Wenn einige [Kaufleute] ihr Monopol und ihren eigennützigen Kauf nicht
durchzusetzen vermögen, weil es andere gibt, welche die gleiche Ware und das
gleiche Handelsgut haben, verkaufen sie ihre Ware plötzlich so billig, dass die
anderen nicht mitkommen können, und bringen sie in die Zwangslage, entweder
ihre Ware [überhaupt] nicht verkaufen zu können oder diese nur zu ihrem Schaden
ebenso billig anzubieten wie jene. Auf diese Weise kommen sie dann doch zum
Monopol. Solche Leute sind es nicht wert, Menschen zu heißen und unter Menschen
zu wohnen. Ja, sie sind es nicht wert, dass man sie belehrt und ermahnt, zumal
sich hier die Habsucht und der Neid so unverhüllt zeigen, indem man den anderen
- auch unter eigenen Verlusten - schädigt, um ja allein am Platze zu sein. Hier
würde die Obrigkeit recht tun, solchen Leuten alles zu nehmen, was sie haben,
und sie aus dem Lande zu jagen. Eigentlich braucht man [auch] solche Sachen
nicht zu erzählen. Ich habe sie hier deswegen mit hereingenommen, damit man
sieht, was für Betrügereien es im Handel gibt, damit jeder klar erkennt, wie es
in der Welt zugeht, und sich vor einem derart gefährlichen Stande zu hüten
weiß.
Weiter:
Auch das ist etwas Schönes, wenn jemand dem anderen mit Worten die Ware im Sack
verkauft, die er gar nicht hat. So nämlich: Ein fremder Kaufmann kommt zu mir
und fragt, ob ich diese oder jene Ware zu verkaufen habe. Ich sage ja, habe
aber keine und verkaufe sie ihm doch für zehn oder elf Gulden, die man sonst
für neun oder noch weniger kauft, und verspreche ihm, sie ihm in zwei oder drei
Tagen zu liefern. Unterdessen gehe ich hin und kaufe solche Ware, weil ich
zuvor wohl wusste, ich könnte sie billiger kaufen, als ich sie ihm gebe, und
liefere sie ihm, und er bezahlt sie mir. Ich handle also mit seinem (des
anderen) eigenen Gelde und mit seiner Ware ohne jedes Risiko, ohne Mühe und
Arbeit und werde reich. Das heißt treffend, sich auf der Gasse mit fremdem Geld
und Gut ernähren, denn man braucht nicht über Land und Meer zu ziehen.
Weiter:
Auch das heißt, sich auf der Gasse ernähren: Wenn ein Kaufmann den Beutel voll
Geld hat und keine Lust mehr hat, mit seinen Waren über Land oder Meer
Abenteuer zu bestehen, sondern sichere Geschäfte haben will, bleibt er für
immer in einer großen Handelsstadt. Und wo er einen Kaufmann weiß, der von
seinen Gläubigern bedrängt wird, so dass er Geld braucht, um [seine Schulden]
zu bezahlen, und doch keines hat, aber dafür noch gute Ware, so sucht er einen,
der diesem für ihn die Ware abkaufen soll, und bietet ihm acht Gulden, während
es sonst gern zehn Gulden kostet. Will jener nicht, sucht er einen anderen, der
ihm sechs oder sieben [Gulden] bietet, so dass der arme Mann fürchten muss,
dass die Ware im Preise fällt, und froh ist, die acht Gulden zu nehmen, um
bares Geld zu bekommen und nicht allzu großen Verlust zu haben und Schande
[obendrein]. Es geschieht aber auch, dass solche in Schwierigkeiten geratenen
Kaufleute sich selber an derartige Tyrannen wenden und ihre Waren anbieten, um
Geld zu bekommen und bezahlen zu können. Und jene zeigen sich hart, bis sie die
Ware billig genug bekommen und danach wieder verkaufen können, wie sie wollen.
Solche Finanzleute nennt man Halsabschneider. [Öffentlich] aber werden sie für
große geschickte Leute gehalten.
Ferner:
Auch das ist so ein Kniff des Eigennutzes, dass zwei oder drei Kaufleute ein
und dieselbe oder zweierlei Ware in ihren Händen haben, welche andere nicht
haben oder nicht anbieten können. Wenn sie nun merken, dass diese Ware einen
guten Preis hat und täglich teurer wird durch Kriegsereignisse oder Unfälle, so
tun sie sich zusammen und reden vor anderen, wie dringend solche Ware gebraucht
würde und es gar nicht viele gäbe, die sie anbieten. Gibt es aber einige, die
sie haben, so bauen sie einen Fremden [als Strohmann] auf und lassen ihn die
Ware aufkaufen. Wenn sie diese Ware dann völlig in ihren Händen haben,
schließen sie miteinander ein Abkommen auf folgende Weise: Weil diese Ware
sonst nicht mehr vorhanden ist, wollen wir sie auf einem so und so hohen Preis
halten. Wer sie aber billiger abgibt, soll einer so und so hohen Strafe
verfallen sein.
Diesen
Kniff, höre ich, wenden am gröbsten und meisten die englischen Kaufleute an,
wenn sie englische oder Londoner Tuche verkaufen. Denn man sagt, sie
unterhalten einen besonderen Rat in Sachen dieses Handels, vergleichbar dem
Rate in einer Stadt. Und diesem Rat müssen alle Engländer, die englische oder
Londoner Tuche verkaufen, bei Androhung einer bestimmten Strafe gehorchen.
Durch diesen Rat wird bestimmt, wie teuer sie ihre Tuche verkaufen dürfen und
an welchen Tagen und zu welchen Stunden sie sie anbieten dürfen oder nicht. Der
Oberste in diesem Rate heißt der ,,courtmaster" und gilt als nicht viel
geringer als ein Fürst. Da siehst du, was die Habsucht vermag und anzustellen
wagt.
Weiter:
Auch diesen Kniff muss ich anführen: Ich verkaufe jemandem Pfeffer oder
dergleichen mit halbjähriger Zahlungsfrist, weiß aber, dass er ihn sofort
weiterverkaufen muss, um bares Geld zu bekommen. So gehe ich selber hin oder
lasse es durch andere tun, lasse ihm den Pfeffer für bares Geld wieder
abkaufen, aber so, dass ich ihm das, was er mir mit halbjähriger Zahlungsfrist
für zwölf Gulden abgekauft hat, [jetzt] für acht Gulden abkaufe, während es der
allgemeine Markt für zehn Gulden anbietet. So kaufe ich ihm die Ware um zwei
Gulden unter dem allgemeinen Preise ab, die er mir um zwei Gulden über dem
allgemeinen Preise abgekauft hat. So verdiene ich hinten und vorn, nur damit er
zu Geld kommt und Kredit behält und nicht in einen schlechten Ruf kommt, sodass
ihm niemand mehr borgt.
Solche
Betrügereien betreibt und muss betreiben, wer mehr auf Berg kauft, als er
bezahlen kann (z. B. wenn einer kaum 200 Gulden besitzt und wickelt Geschäfte
ab über 500 oder 600 Gulden). Wenn nun meine Schuldner nicht zahlen, kann ich
auch nicht zahlen. Und so frisst das Unheil weiter, ein Verlust kommt zum
anderen, je weiter ich dieses Geschäft treibe, bis ich merke, es geht an den
Galgen, entweder muss ich fliehen oder im Schuldturm sitzen. Also schweige ich
still und gebe meinen Gläubigern gute Worte, ich wolle redlich bezahlen.
Inzwischen gehe ich hin und nehme noch einmal so viel Waren auf Berg, so viel
ich nur bekommen kann, und mache sie zu Geld, oder ich nehme anderswo Geld auf
Wechsel oder leihe, soviel ich nur bekommen kann.
Wenn
es mir dann am besten passt, meine Gläubiger mir keine Ruhe mehr lassen,
schließe ich mein Haus zu, mache mich auf und laufe davon, verkrieche mich in
irgendeinem Kloster, wo ich frei bin wie ein Dieb oder Mörder auf einem
Kirchhofe. Da werden auch meine Gläubiger froh, dass ich nicht ganz aus dem
Lande entwichen bin, erlassen mir die Hälfte oder den dritten Teil aller meiner
Schuld und erklären, dass ich den Rest in zwei oder drei Jahren bezahlen soll.
Darüber geben sie Brief und Siegel. Da komme ich wieder in mein Haus und bin ein
Kaufmann, der mit seinem Aufstehen und Weglaufen 2000 oder 3000 Gulden verdient
hat, die ich sonst in zwei oder vier Jahren weder mit Rennen noch Laufen hätte
verdienen können. Oder, wenn keine Aussicht besteht, dass das helfen könnte,
wenn ich sehe, dass ich weglaufen muss, begebe ich mich an den Hof des Kaisers
oder zu seinen Statthaltern. Da kann ich für 100 oder 200 Gulden einen
Schutzbrief bekommen. Das ist ein kaiserlicher Brief mit Siegel, aufgrund
dessen ich zwei oder drei Jahre frei und unbehelligt von meinen Gläubigern
gehen und stehen darf, weil ich nach meinen Angaben einen so großen Schaden
erlitten habe, so dass auch dieser Schutzbrief aussieht, als ginge alles
göttlich und recht zu. Und doch muss man es ein Bubenstück nennen.
Ebenso
ein anderer Kniff, der in den Gesellschaften gängig ist: Ein Bürger gibt für
sechs Jahre einem Kaufmann 1000 oder 2000 Gulden. Damit soll der Kaufmann
Handel treiben, gewinnen oder verlieren und dem Bürger dafür jährlich 200
Gulden feste Zinsen zahlen. Was er darüber einnimmt, soll ihm gehören, gewinnt
er freilich nichts, muss er die Zinsen trotzdem zahlen. Und der Bürger erweist
dem Kaufmann damit [sogar noch] einen großen Dienst. Denn der Kaufmann hofft,
mit 2000 [Gulden] vielleicht 3000 zu verdienen. Umgekehrt erweist auch der
Kaufmann dem Bürger einen großen Dienst, denn dessen Geld müsste sonst
brachliegen und könnte keinen Gewinn bringen. Inwiefern nun dieser Brauch
unrecht ist und richtiggehender Wucher, habe ich im ,,Sermon vom Wucher"
ausführlich dargelegt.
Und
noch etwas muss ich als Beispiel erzählen, wie betrügerisches Bergen und Leihen
ins Unglück führt. Wenn einige merken, dass der Käufer unzuverlässig ist und
seine Zahlungsfristen nicht einhält, können sie sich selber auf folgende Weise
gut bezahlen: Ich hole mir einen fremden Kaufmann, damit der hingehe und jenem
seine Ware abkaufe, es sei [für] 100 Gulden oder so, und sage: Wenn du ihm
seine Ware abgekauft hast, versprich ihm bares Geld oder verweise ihn an einen
sicheren Schuldner. Und wenn du die Ware hast, führe ihn zu mir als zu deinem
Schuldner und stelle dich, als wüsstest du nicht, dass er mir [etwas] schuldig
ist. So bekomme ich die Bezahlung und gebe ihm nichts! So etwas heißt Betrug
und den armen Mann völlig zugrunde richten zusammen mit allen [anderen], denen
er vielleicht auch [etwas] schuldig ist. Aber so muss es ja gehen. wenn man in
unchristlicher Weise borgt und leiht.
Ebenso
hat man auch gelernt, eine Ware oder ein Produkt dort zu lagern, wo sie
zunimmt, z. B. Pfeffer, Ingwer oder Safran in feuchten Gewölben und Kellern, wo
sie schwerer an Gewicht werden, ebenso wollene Stoffe, Seiden, Marder- und
Zobelpelze in finsteren Gewölben oder Krambuden anzubieten und die Luftzufuhr
zu verstopfen, wie es überhaupt allgemein Brauch ist, so dass man nahezu für
jede Ware eine besondere Luft zu machen versteht. Es gibt auch keine Ware, für
die man nicht einen Kniff wüsste, sich mit Messen und Zählen, mit EIle, Maß
oder Gewicht einen besonderen Vorteil zu verschaffen.
Man
gibt ihr eine Farbe, die sie von sich aus nicht hat, oder man legt die
schönsten Stellen nach unten und oben und das Schlechte in die Mitte. So hat
also die Betrügerei kein Ende, und kein Kaufmann wagt dem anderen weiter zu
vertrauen, als er [selber] sehen und greifen kann.
Nun
wird unter den Kaufleuten viel über die Edelleute oder Räuber geklagt, dass sie
[also] ihren Handel unter großen Gefahren treiben müssen, dabei gefangen
werden, geschlagen, ausgeplündert und beraubt. Wenn sie das um der
Gerechtigkeit willen leiden müssten, wären die Kaufleute freilich heilige
Leute, die das dulden. Nun mag es wohl sein, dass einmal einem vor Gott Unrecht
geschieht, dass er für andere büßen muss, in deren Gesellschaft er angetroffen
wird, und bezahlen muss, was ein anderer verschuldet hat. Weil aber [allgemein]
durch die Kaufleute ein derart großes Unrecht und solches Stehlen und Rauben
über die ganze Welt gekommen ist und auch unter ihnen selber geschieht - was
Wunder, wenn Gott es verhängt, dass solches ungerecht erworbene Gut wieder
verloren oder geraubt wird und sie selber dazu auf den Kopf geschlagen oder
gefangen werden? Gott muss doch das Recht anwenden, so wie er sich als einen
gerechten Richter rühmen lässt, Ps. 10,18.
Damit
will ich die Straßenräuber und Strauchdiebe [gewiss] nicht entschuldigt oder
ihnen Erlaubnis gegeben haben für ihr Rauben. Es ist die Schuld der
Landesfürsten. Sie sollten ihre Straßen sicher halten, dem Bösen ebenso zum
Nutzen wie dem Rechtschaffenen. Und den Fürsten gebührt es [auch], solche
unrechten Handelspraktiken mit der gesetzlichen Gewalt zu bestrafen und zu
verhindern, damit ihre Untertanen nicht so furchtbar von den Kaufleuten
geschunden werden. Weil sie das [aber] nicht tun, benutzt Gott die Ritter und
Räuber, um durch sie das Unrecht an den Kaufleuten zu bestrafen. Sie müssen
seine Teufel sein, so wie er Ägypten und die ganze Welt mit Teufeln quält oder
durch Feinde zerstört. So schlägt er einen Spitzbuben mit dem anderen, nur dass
er dadurch zu verstehen gibt, dass die Raubritter kleinere Räuber sind als die
Kaufleute. Denn die Kaufleute rauben täglich die ganze Welt aus, während ein
Ritter [nur] ein- oder zweimal im Jahr einen oder zwei beraubt.
Über
die Gesellschaften müsste ich eigentlich viel sagen Aber hier ist alles grund-
und bodenlos voller Habsucht und Unrecht. Hier ist nichts zu finden, was mit
gutem Gewissen zu behandeln wäre. Denn wer ist so unverständig, nicht zu sehen,
dass die Gesellschaften nichts anderes als regelrechte Monopole sind? Auch die
weltlichen, heidnischen Gesetze verbieten diese als eine offensichtlich
schädliche Einrichtung auf der ganzen Welt. Vom göttlichen Recht und dem
christlichen Gesetz will ich [ganz] schweigen. Denn sie haben sämtliche Waren
in ihren Händen und machen damit, was sie wollen; ohne Scheu tun sie, was oben
geschildert worden ist, erhöhen oder erniedrigen [den Preis] nach ihrem
Gefallen, unterdrücken und ruinieren alle kleineren Kaufleute, so wie ein Hecht
die kleinen Fische im Teich [vertilgt], als wären sie die Herren über Gottes
Kreaturen und frei von allen Gesetzen des Glaubens und der Liebe.
Daher
kommt es, dass man in der ganzen Welt die Gewürze so teuer bezahlen muss, wie
sie es wollen, und jeweils im Wechsel:
In
diesem Jahre erhöhen sie den Ingwer, im nächsten den Safran und umgekehrt, so
dass es sich für sie jeweils ausgleicht und sie keinen Verlust und Schaden
nehmen oder [auch nur] ein Risiko eingehen müssen. Sondern: Verdirbt oder fällt
der Ingwer, halten sie sich am Safran schadlos und umgekehrt, so dass sie sich
ihres Gewinns sicher bleiben. Das aber ist gegen die Art und Natur nicht nur
der Verkaufsgüter, sondern aller zeitlichen Güter, die Gott unter der Gefahr
und in Unsicherheit haben will. Sie aber haben herausgefunden, wie sie mit
Hilfe gefährdeter, unsicherer, zeitlicher Waren sicheren, gewissen und
dauerhaften Gewinn erzielen. Dafür aber muss gleichwohl die ganze Welt
vollkommen ausgeplündert werden und alles Geld in ihre Kassen fließen.
Wie
sollte es [sonst] dem göttlichen Recht gemäß und mit rechten Dingen zugehen,
dass ein Mann in so kurzer Zeit so reich wird, dass er Könige und Kaiser
auskaufen kann? Aber weil sie es soweit gebracht haben, dass die ganze Welt in
Gefahr und mit Verlust handeln muss, dieses Jahrverdienen, nächstes Jahr
verlieren, sie aber immer und immer nur gewinnen und ihre Verluste mit
gesteigertem Gewinn ausgleichen können - was Wunder, dass sie bald das Gut der
ganzen Welt an sich reißen? Denn ein Pfennig, der mir auf ewig gewiss ist, ist
ja besser als ein unsicherer Gulden auf Zeit. Nun handeln aber solche
Gesellschaften mit nichts als ewigen, sicheren Gulden um unsere zeitlichen,
unsicheren Pfennige. Kann es da verwundern, dass sie zu Königen und wir zu
Bettlern werden?
Könige
und Fürsten sollten hierauf [genau] achten und mit strengen Gesetzen Einhalt
gebieten. Aber ich höre, dass sie selber ganz darein verwickelt sind. Es geht
nach dem Spruch Jesaja 1, 23: ,,Deine Fürsten sind Kumpane der Diebe
geworden." Während sie die Diebe hängen lassen, die einen oder auch nur
einen halben Gulden gestohlen haben, machen sie Geschäfte mit denen, die die
ganze Welt berauben und mehr als alle anderen stehlen, damit nur das Sprichwort
wahr bleibe:
,,Die
großen Diebe hängen die kleinen." Und wie der römische Senator Cato sagte:
,,Einfache Diebe liegen im Kerker und im Stock, öffentlich bekannte Diebe aber
gehen in Gold und Seide." Was aber wird zuletzt Gott dazu
sagen? Er wird tun, was er durch Hesekiel angekündigt hat [vgl. Hesekiel 22,
20]: Er wird Fürsten und Kaufleute, einen Dieb mit dem anderen, wie Blei und
Erz zusammenschmelzen, so wie eine Stadt ausbrennt, so dass es weder Fürsten
noch Kaufleute mehr geben wird. Und ich fürchte, es steht schon vor der Tür.
Wir denken noch nicht daran, uns zu bessern, wie groß auch Sünde und Unrecht
sein mögen. So kann er auch das Unrecht nicht ungestraft lassen.
Deshalb
darf niemand fragen, wie er mit gutem Gewissen Mitglied [einer solchen]
Gesellschaft sein kann. Es gibt keinen anderen Rat als den: Lass es! Anders
geht es nicht. Sollen die Gesellschaften bleiben, müssen Recht und Redlichkeit
untergehen. Sollen Recht und Redlichkeit bleiben, müssen die Gesellschaften
abgeschafft werden. Das Bett ist zu eng, sagt Jesaja, einer muss herausfallen
[vgl. Jesaja 28, 20]. Und die Decke ist zu schmal, beide kann sie nicht
bedecken. Nun weiß ich wohl, dass mein Schreiben keinen Gefallen finden wird.
Sie werden vielleicht alles in den Wind schlagen und bleiben, wie sie sind.
Aber ich bin wenigstens entschuldigt und habe das Meine getan, damit man sieht,
wie sehr wir es verdient haben, wenn Gott mit der Strafe kommen wird. Hätte ich
[aber auch nur] einer Seele damit die Augen geöffnet und sie aus dem Abgrund
errettet, so hätte ich nicht umsonst gearbeitet. Aber freilich hoffe ich, das
Ganze werde (wie ich oben schon gesagt habe) von sich aus so groß und
schwerwiegend werden, dass es sich nicht länger ertragen lässt und man zuletzt
davon ablassen muss. Kurz zusammen gefasst: Ein jeder achte auf sich selber.
Mir zuliebe braucht keiner davon zu lassen. Ebenso braucht auch niemand mir zum
Trotz oder um mir wehe zu tun [erst] anzufangen oder dabeizubleiben. Es geht um
dich, nicht um mich! Gott er leuchte uns und stärke uns, seinen guten Willen zu
erfüllen. Amen.
[WA
6,36]