Der Prophet Obadja

Der Verfasser dieses nur 21 Verse umfassenden Prophetenbuches ist nicht näher bekannt. Er trug den Namen Obadja, „Diener Jahwes“, wie viele Personen im Alten Testament. Der Text dieses kürzesten Buches im Alten Testament lässt auch keine eindeutigen Schlüsse auf die Entstehungszeit zu. Am wahrscheinlichsten ist noch die Annahme, dass Obadja in der Zeit Jorams (848-841 v.Chr.) wirkte, nachdem die Edomiter von Juda abgefallen waren und zusammen mit den Arabern und Philistern Jerusalem überfallen hatten. Sein Thema: Die Gerechtigkeit Gottes fordert das Gericht über Edom.


Das Gericht über Edom

1 Vision Obadjas. Von Jahwe haben wir eine Botschaft gehört, und ein Bote wurde zu den Völkern geschickt: „Los, auf zum Kampf gegen Edom[1]!“ So spricht Jahwe, der Herr, über Edom:

„Pass auf! Ich mache dich klein vor den Völkern. / Man verachtet dich tief. Dein Übermut hat dich getäuscht, / weil du in den Felsklüften wohnst, / deinen Sitz auf hohen Bergen hast / und im Innersten denkst: / ‚Wer stürzt mich schon zu Boden?’ Auch wenn du dein Nest so hoch baust wie der Adler, / ja wenn du es zwischen die Sterne setzt: / Selbst von dort stürze ich dich hinab“, spricht Jahwe. Wenn Diebe über dich kommen oder Räuber in der Nacht – ach, wie hat man dich zerstört! –, dann nehmen sie doch nur bis sie befriedigt sind. / Und wenn Winzer über dich kommen, / lassen sie dann nicht eine Nachlese übrig? Wie hat man Esau[2] durchsucht, / wie seine Verstecke durchwühlt! Bis an die Grenze haben sie dich getrieben, / die mit dir in einem Bund standen! / Betrogen, überwältigt haben dich die, / mit denen du im Frieden warst. / Einst aßen sie dein Brot, / jetzt legen sie dir eine Schlinge / und denken: ‚Er merkt es doch nicht!’

„Ja, an jenem Tag“, spricht Jahwe, / „lass ich die Weisen aus Edom verschwinden / und aus Esaus Bergen die Einsicht. Da packt deine Helden der Schrecken, Teman[3], / dass keiner im Gebirge Esaus mit dem Leben davonkommt. / Wegen des Mordens, 10  der Gewalt an Jakob[4], deinem Bruder, / deswegen bedeckt dich die Schande, / deshalb wirst du für immer beseitigt! 11 Als Fremde sein Heer in die Gefangenschaft führten, / als Ausländer durch seine Tore zogen / und das Los über Jerusalem warfen, / warst auch du wie einer von ihnen, / denn du standest an dem Tag dabei. 12 Nun weide dich nicht am Tag deines Bruders, / an seinem Missgeschick! / Freu dich nicht über die Judäer / am Tag ihrer Vernichtung! / Reiß dein Maul nicht auf am Tag der Not! 13 Tritt nicht ein ins Tor meines Volkes / am Tag seines Verderbens! / Sieh nicht auf sein Unheil herab / am Tag seines Verderbens / und vergreif dich nicht an seinem Vermögen / am Tag seines Verderbens! 14 Stell dich nicht am Engpass auf, / um seine Flüchtlinge niederzumachen, / und liefere seine Überlebenden nicht aus / am Tag der Not!“

Das Gericht über die Völker

15 „Denn der Tag Jahwes ist nah, / der alle Völker trifft. / Dann wird man dir tun, / wie du es getan hast. / Dein Tun fällt auf dich selbst zurück. 16 Denn wie ihr getrunken habt auf meinem heiligen Berg, / werden alle Nationen ohne Unterlass trinken, / ja, sie werden trinken und schlürfen / und werden sein, als wären sie nie gewesen.“

Die Rettung Israels

17 „Doch auf dem Zionsberg[5] wird Rettung sein. / Er ist ein heiliger Ort. / Und die Nachkommen Jakobs erben ihre Besitztümer neu. 18 Dann werden die Nachkommen Jakobs wie ein Feuer sein / und die Nachkommen Josefs wie eine Flamme. / Doch die Nachkommen Esaus werden das Stoppelfeld sein. / Es wird vom Brand erfasst und verzehrt. / Dem Haus Esau wird kein Überlebender bleiben. / Denn Jahwe hat gesprochen.“

19 Dann werden sie den Negev[6] besitzen und das Bergland von Esau, die Schefela[7] und das Gebiet der Philister, auch die Gebiete Efraïms[8] und Samarias. Benjamin wird Gilead[9] besitzen. 20 Die Verbannten dieses Heeres der Israeliten nehmen in Besitz, was den Kanaanitern gehört, bis Zarpat[10], und die Verbannten Jerusalems, die in Sefarad[11] sind, die Städte des Negev. 21 Retter ersteigen den Berg Zion, um das Bergland Esaus zu richten. Und das Königtum wird Jahwe gehören.



[1] 1,1: Edom. Land östlich der Araba und südlich vom Toten Meer.

[2] 1,6: Esau war der Bruder Jakobs und Stammvater der Edomiter.

[3] 1,9: Teman heißt so viel wie „Süden“ und bezeichnet hier wohl ganz Edom als Südland.

[4] 1,10: Jakob war der Bruder Esaus und Vater der Stammväter der zwölf Stämme Israels.

[5] 1,17: Zionsberg. Ein Hügel in Jerusalem, der auch für die ganze Stadt stehen kann.

[6] 1,19: Negev. Das Südland Israels.

[7] 1,19: Schefela. Niedriges, sehr fruchtbares Hügelland Judas, das sich in nordsüdlicher Richtung zwischen dem Gebirge und der Küstenebene des Mittelmeeres erstreckt.

[8] 1,19: Efraïm. Einflussreichster Stamm im Nordreich Israels. Sein Name kann für das ganze Nordreich stehen.

[9] 1,19: Gilead bezeichnet das mittlere, manchmal auch das ganze Ostjordanland.

[10] 1,20: Zarpat (Sarepta) war ein Küstenort zwischen Tyrus und Sidon.

[11] 1,20: Sefarad wird gewöhnlich mit der Stadt Sardis in Kleinasien oder mit Sparta in Griechenland gleichgesetzt.