Der Prophet Maleachi
Der Tempel, der von den Rückkehrern aus Babylon wiederaufgebaut worden war, stand nun schon 80 Jahre, aber von dem verheißenen Wohlstand war nichts zu spüren. So nahm das Volk die Gebote Gottes schon nicht mehr so genau. Etwa in dieser Zeit begann der Dienst des Propheten Maleachi, also um 420 v.Chr. Er macht nun seinem Volk klar, dass man von Gott nicht enttäuscht zu sein braucht, und ruft es zu ihm zurück. Maleachi muss dasselbe Problem der Mischehen ansprechen, mit dem auch Nehemia (und 36 Jahre vor ihm schon Esra) zu tun hatte. Die Botschaft des Propheten ist in einem sehr lebendigen Frage-Antwort-Stil verfasst und in einer Art gehobener Prosa.
1 1 Botschaft an Israel, die Jahwe seinem Boten[1] wie eine Last auferlegte:
„Ich habe euch lieb!“
2 „Ich habe euch lieb“, sagt Jahwe, „doch ihr sprecht: ‚Wo liebst du uns denn?‘“ – „Nun“, sagt Jahwe, „war nicht Esau Jakobs Bruder? Trotzdem liebte ich Jakob, 3 nicht Esau.[2] Sein Gebirge habe ich zur Wildnis gemacht, sein Erbteil den Schakalen der Wüste geschenkt.“ 4 Wenn Edom[3] sagt: „Unser Land liegt in Trümmern, aber wir werden die Ruinen wieder aufbauen“, dann sagt Jahwe, der allmächtige Gott[4]: „Mögen sie nur bauen, ich werde abreißen! Man wird sie ‚Land des Unrechts‘ nennen und ‚ein von Gott verdammtes Volk‘. 5 Ihr werdet es selber sehen und sagen: ‚Groß erweist sich Jahwe über Israels Grenzen hinaus.‘“
„Warum ehrt ihr mich nicht?“
6 „Gewöhnlich ehrt ein Sohn den Vater und ein Diener seinen Herrn. Wenn ich nun euer Vater sein soll – wo ist meine Ehre? Wenn ich Herr bin – wo ist eure Ehrfurcht vor mir?“ Das sagt Jahwe, der allmächtige Gott, zu euch Priestern, die ihr seinen Namen verachtet. Aber ihr sprecht: „Wieso verachten wir denn deinen Namen?“
7 „Ihr legt verdreckte Speisen auf meinen Altar und sagt noch: ‚Womit haben wir dich denn besudelt?‘ Ihr meint, Jahwes Tisch verachten zu können. 8 Wenn ihr ein blindes Tier opfert, denkt ihr, es sei nicht so schlimm. Bringt ihr ein lahmes oder krankes, meint ihr: ‚Es macht nichts‘. Bietet so etwas doch einmal eurem Statthalter an! Denkt ihr wirklich, dass er euch dann gnädig ansieht?“, sagt Jahwe, der allmächtige Gott. 9 „Und unseren Gott wollt ihr mit solchen Opfern erweichen, dass er uns gnädig ist? Ihr meint doch nicht im Ernst, dass der allmächtige Gott sich das gefallen lässt? 10 Ich wünschte, dass einer von euch die Tempeltore zuschließt, damit nicht umsonst Feuer auf dem Altar leuchtet. – Ich habe genug von euch und euren Opfergaben!“, sagt Jahwe, der allmächtige Gott.
11 „Auf der ganzen Welt – von dort, wo die Sonne aufgeht bis dahin, wo sie untergeht – wird mein Name unter den Völkern geehrt. An unzähligen Orten werden mir würdige Opfer gebracht, weil sie mich, den allmächtigen Gott, ehren. 12 Aber ihr zieht meinen Namen in den Schmutz und sagt, dass man es mit dem Tisch des Herrn nicht so genau nehmen muss, dass es auf die Opfergaben nicht besonders ankommt. 13 Und dann jammert ihr über euren Dienst und verachtet ihn, denn ihr bringt nicht nur lahme und kranke Tiere, sondern lasst sogar geraubte als Opfer zu. Soll ich, Jahwe, der allmächtige Gott, mich darüber noch freuen? 14 Nein, verflucht sei der Betrüger! – Da gibt es in seiner Herde ein makelloses männliches Tier, das er mir mit einem Gelübde versprochen hat. Doch dann schlachtet er ein beschädigtes Tier für mich. – Denn ich, Jahwe, der allmächtige Gott, bin ein Großkönig und mein Name wird von den Völkern gefürchtet.“
2 1 „Nun zu euch, ihr Priester, denn an euch ergeht diese Anordnung: 2 Wenn ihr meine Warnung nicht beherzigen und meinen Namen nicht ehren wollt, spricht Jahwe, der allmächtige Gott, werde ich einen Fluch auf euch werfen. Ich verfluche eure Segnungen, ja, ich verfluche sie, weil ihr es nicht zu Herzen nehmt. 3 Passt auf! Ich werde eure Nachkommen auslöschen. Die Exkremente eurer Festopfer werde ich euch ins Gesicht schleudern, und man wird euch draußen auf den Misthaufen werfen.“
4 „Dann werdet ihr erkennen: Ich, Jahwe, der allmächtige Gott, habe euch diese Anordnung zukommen lassen, damit mein Bund mit dem Stamm Levi fortbestehen kann. 5 Durch meinen Bund gab ich ihm Leben und Frieden, damit er mir ehrfürchtig diene. Damals fürchtete er mich und zitterte vor meinem Namen. 6 Meine Weisungen verkündigte er unverfälscht und gab zuverlässig Auskunft. Er war aufrichtig und lebte in Frieden mit mir. Viele brachte er zur Abkehr von Sünde. 7 Die Lippen des Priesters sollen Erkenntnis bewahren, und Weisung sucht man aus seinem Mund, denn er ist ein Bote Jahwes, des allmächtigen Gottes.
8 Ihr aber seid vom Weg abgewichen und habt mit falschen Weisungen viele zu Fall gebracht. Ihr habt meinen Bund mit Levi gebrochen. Darum sage ich, Jahwe, der allmächtige Gott: 9 Weil ihr meine Wege nicht achtet und den Menschen nach dem Mund redet, wenn ihr ihnen Weisungen gebt. Darum habe auch ich euch mit Verachtung gestraft und euch vor dem ganzen Volk verächtlich gemacht.“
„Warum brecht ihr mir die Treue?“
10 Haben wir nicht alle den einen Vater? Erschuf uns nicht der gleiche Gott? Warum brechen wir uns gegenseitig die Treue und entweihen den Bund, den Gott mit unseren Vätern schloss? 11 Juda hat Gott die Treue gebrochen. In Jerusalem und ganz Israel ist Abscheuliches geschehen. Männer von Juda haben das von Jahwe geliebte Heiligtum entweiht, indem sie Frauen heirateten, die zu fremden Göttern gehören. 12 Wer so etwas tut, den wird Jahwe samt seiner Familie aus den Zelten Jakobs entfernen, selbst dann, wenn er Jahwe, dem allmächtigen Gott, ein Opfer bringt.
13 Noch ein Zweites muss ich euch vorwerfen: Ihr überflutet den Altar Jahwes mit euren Tränen, ihr weint und stöhnt, weil er eure Opfer nicht mehr beachtet und wohlgefällig annimmt. 14 Ihr fragt: „Warum?“ Weil Jahwe als Zeuge gegen dich auftritt. Du hast der Frau deiner Jugend die Treue gebrochen, obwohl du den Ehebund mit ihr geschlossen hattest. 15 Das tut keiner, in dem noch ein Rest von Verstand ist. So einer würde alles tun, um Nachkommen zu erhalten, die Gott gehören. Darum hüte dich vor Treulosigkeit und verstoße deine erste Frau nicht. 16 „Denn wer ‹seine Frau› aus Hass verstößt“[5], hat Jahwe, der Gott Israels gesagt, „der macht sein Unrecht öffentlich bekannt.“[6] Ja, das sagt Jahwe, der Allmächtige. Darum nehmt euch sehr in Acht und brecht die Treue nicht!17 Ihr belästigt Jahwe mit eurem Gerede, aber ihr sprecht: „Wieso belästigen wir ihn?“ – „Indem ihr behauptet: ‚Jahwe gefällt es offenbar, wenn jemand Unrecht tut. Wo bleibt denn der Gott des Gerichts?‘“
„Ich, ich bin eure Zukunft!“
3 1 „Siehe, ich sende meinen Boten“, sagt Jahwe, der allmächtige Gott. „Er wird mir den Weg bahnen.“[7] Und plötzlich wird der Herr, auf den ihr wartet, zu seinem Tempel kommen. Ja, der Bote des Bundes, den ihr herbeisehnt, wird kommen. 2 Aber wer wird den Tag seines Kommens ertragen, und wer wird vor seinem Erscheinen bestehen können? Denn er ist wie das Feuer des Goldschmieds und wie die Lauge der Wäscher. 3 Er wird sich setzen, um das Silber auszuschmelzen und zu reinigen.
So wird er die Söhne Levis läutern, wie man das bei Gold und Silber macht. Dann werden gerechte Männer Jahwe Opfer bringen. 4 Und dann wird er – so wie es in vergangenen Zeiten war – Freude haben an der Opfergabe, die ihm von Juda und Jerusalem gebracht wird.
5 „Ich komme zu euch zum Gericht“, spricht Jahwe, der allmächtige Gott, „und ich werde mit all den Zauberern, Ehebrechern und Meineidigen kurzen Prozess machen. Ich werde gegen alle vorgehen, die keine Ehrfurcht vor mir haben, die ihre Arbeiter um den gerechten Lohn bringen, die Witwen und Waisen unterdrücken und die Ausländer verdrängen.
6 Denn ich bin Jahwe, ich habe mich nicht geändert. Und ihr habt nicht aufgehört, Jakobssöhne[8] zu sein!“ 7 „Wie alle eure Vorfahren habt ihr mir nicht gehorcht und meine Weisungen nicht beachtet. Bekehrt euch zu mir, dann werde auch ich zu euch umkehren!“, spricht Jahwe, der allmächtige Gott. „Aber ihr sagt: ‚Wieso sollen wir umkehren?‘ 8 Darf ein Mensch denn Gott betrügen? – Ja, ihr betrügt mich und sagt: ‚Wieso betrügen wir dich?‘ Mit dem Zehnten eurer Erträge und mit den Abgaben für die Priester! 9 Ihr seid mit einem Fluch belegt, denn die ganze Nation betrügt mich. 10 Bringt den ganzen Zehnten in das Vorratshaus, damit Nahrung in meinem Tempel ist, und stellt mich doch damit auf die Probe“, spricht Jahwe, der allmächtige Gott, „ob ich dann nicht die Schleusen des Himmels öffnen und euch mit Segen überschütten werde. 11 Euretwegen werde ich die Heuschrecken von den Feldern und Weinbergen fernhalten, damit sie die Ernte nicht verderben“, spricht Jahwe, der allmächtige Gott. 12 „Und alle Völker werden euch glücklich preisen, weil ihr ein Land seid, das Gott gefällt.“
„Wer mich fürchtet, hat Zukunft!“
13 „Heftig sind eure Worte mir gegenüber“, sagt Jahwe, „aber ihr sprecht: ‚Was haben wir denn gegen dich gesagt?‘ 14 Ihr sagt: ‚Es bringt nichts, Gott zu dienen. Was haben wir davon, dass wir seine Anordnungen befolgen und uns vor Jahwe, dem allmächtigen Gott, in Demut beugen? 15 Ja, wir preisen die Frechen glücklich, denn den Gottlosen geht es gut. Ja, wer Gott versucht, kommt ungestraft davon.‘“
16 Jahwe hörte aufmerksam zu, als die Menschen, die ihn fürchteten und seinen Namen achteten, so[9] miteinander redeten. Für sie wurde ein Gedenkbuch vor ihm geschrieben. 17 „Sie werden mein persönliches Eigentum sein. An dem Tag, an dem ich eingreife, werde ich sie verschonen, wie ein Mann seinen gehorsamen Sohn verschont“, spricht Jahwe, der allmächtige Gott. 18 „Dann werdet ihr wieder den Unterschied zwischen Gerechten und Ungerechten sehen, zwischen denen, die Gott dienen und denen, die es nicht tun. 19 [10] Denn der Tag kommt, der wie ein Feuer im Backofen lodert. Er wird alle Frechen und Gottverächter wie Strohstoppeln verbrennen und weder Wurzel noch Zweig übrig lassen“, spricht Jahwe, der allmächtige Gott. 20 „Aber euch, die ihr meinen Namen fürchtet, wird die Sonne aufgehen. Gerechtigkeit und Heilung strahlen für euch auf, und ihr werdet Freudensprünge machen wie Kälber, die man auf die Weide hinauslässt. 21 Dann werdet ihr die Gottlosen zertreten. An dem von mir herbeigeführten Tag werden sie wie Staub unter euren Fußsohlen sein“, spricht Jahwe, der allmächtige Gott. 22 „Denkt an das Gesetz meines Dieners Mose! Richtet euch nach den Geboten und Ordnungen, die ich ihm auf dem Berg Horeb für das ganze Volk Israel gab!“
23 „Gebt Acht! Bevor der große und schreckliche Tag Jahwes kommt, sende ich euch den Propheten Elija. 24 Er wird das Herz der Väter den Söhnen zuwenden und das Herz der Söhne den Vätern. Er wird sie miteinander versöhnen, damit ich nicht den Bann[11] am Land vollstrecken muss, wenn ich komme.“[12]
[1] 1,1: Seinem Boten. Maleachi heißt mein Bote.
[2] 1,3: Wörtlich: Esau hasste ich. Das direkte Gegensatzpaar lieben-hassen meint in der Bibel manchmal keine gegensätzlichen Emotionen, sondern erwählen-abweisen oder bevorzugen-benachteiligen. Gottes Handeln an Edom (Esaus Nachkommen) ist hier der Beweis dafür, dass Gott Israel (Jakob) liebt. Wird im Neuen Testament von Paulus zitiert: Römer 9,13.
[3] 1,4: Edom. Land östlich der Araba und südlich vom Toten Meer, bewohnt von den Edomitern, den Nachkommen Esaus.
[4] 1,4: der allmächtige Gott. Hebräisch: Zebaoth, das heißt „Heere“ oder „Kriege“. In der LXX wird der Begriff immer mit „pantokrator“ = „Allherrscher“ oder „Allmächtiger“ wiedergegeben.
[5] 2,16: Andere übersetzen mit Textänderung: Denn ich hasse Scheidung.
[6] 2,16: Wörtlich: bedeckt mit Unrecht sein Gewand.
[7] 3,1: Wird im Neuen Testament von Jesus Christus und Markus zitiert: Matthäus 11,10; Markus 1,2; Lukas 7,27.
[8] 3,6: Jakobssöhne. Das heißt, dass auch die Söhne Betrüger sind, wie ihr Stammvater Jakob es war.
[9] 3,16: so. Ja, auch Fromme können so reden wie in den vorhergehenden Versen beschrieben (vergleiche Psalm 73). – Andere denken, dass ab Vers 16 eine andere Menschengruppe beschrieben ist. Der hebräische Text ist hier nicht eindeutig.
[10] 3,19: Ältere (und englische) Bibelausgaben zählen Kapitel 3,19-24 als 4,1-6.
[11] 3,24: Bann. Das bedeutete die vollständige Vernichtung von Menschen, Tieren und Gütern.
[12] 3,24: Wird im Neuen Testament von den Jüngern des Herrn Jesus Christus erwähnt: Matthäus 17,10-11. Siehe auch Lukas 1,17.