GEMEINDETAG UNTER DEM WORT 29. LUDWIGHOFACKERKONFERENZ 6. JUNI 1985 STUTTGART KILLESBERG Nicht vergeblich! Nicht vergeblich! Ansprachen vom 7. Gemeindetag unter dem Wort 29. Ludwig-Hofacker-Konferenz am 6. Juni 1985 in Stuttgart auf dem Messegelände Killesberg Im Auftrag der Ludwig-Hofacker-Vereinigung e. V. (Ev. Arbeitsgemeinschaft für Bibel und Bekenntnis) Saalstraße 6, 7015 Korntal Für den Druck bearbeitet von Beate Scheffbuch-Eichele Druck: Buch- und Offsetdruckerei Paul Schürrle, Stuttgart 70 Umschlag: Atelier Heinz Giebeler, Metzingen INHALT Schwäbische Hofacker-Konferenz Wach bleiben zum Beten — Klaus Vollmer 7 Interview mit D. Fritz Grünzweig 12 Dein Reich komme — Bruce Nicholls 16 Erlebt im Dienst — Marianne Wienand 17 Erneuerte Familien — Dr. Christel Hausding 18 Zeugnisse — 19 Wir brauchen das Gebet der Christen — Hans Eißler 23 Die Zukunft liegt in deiner Hand — Dr. Eduard Ostermann 24 Neue Kraft aus der Stille des Gebets — Lienhard Pflaum 28 Orientierung in theologischer Verwirrung Laßt euch nicht verwirren! — Dr. Heiko Krimmer 32 Wider die Ideologie der Selbstbestimmung — Claus-Dieter Stoll 38 Wir sind nicht klugen Fabeln gefolgt ■— Dr. Gerhard Maier 45 Der Herr ist wahrhaftig auferstanden! — Rudolf Bäumer 53 Antworten müssen reifen — Hartmut Schmid 63 Gott erhört Gebet — Werner Trick 65 Der soziale und politische Auftrag der Christen — Reinhold Rückle 66 Hier beginnt mein Auftrag — Eberhard Hahn 74 Diakonie Nicht vergeblich mit den anvertrauten Pfunden gewuchert — Ernst Fuhr 76 Diakonie — auch im Sozialstaat — Theo Schnepel 82 Nicht vergeblich — in der offenen Diakonie — D. Helmut Claß 85 Nicht vergeblich — in der stationären Diakonie — Paul Nollenberger 88 Wort und Tat gehören untrennbar zusammen — Klaus Scheffbuch 92 Zeugendienst in der Ausbildung — Bernhard Kurrle 95 Als Zeugen im diakonischen Dienst im Krankenhaus — Irmgard Daser 98 In der Gemeindediakonie — Helga Schöller 98 Geistliche Lebenshilfe Willst du gesund werden? — Dr. Fritz Laubach 100 Von der notwendigen Liebe zu sich selbst — Dr. Erwin Scharrer 104 Neue Lebensfreude durch Heilung seelischer Verletzungen — Hannelore Risch 109 Seelsorgerliche Hilfe bei seelischen Schäden durch ein falsches Gottesbild — Kurt Scherer 114 Ehe und Familie Alte mit den Jungen — Edgar Schmid 119 Erziehungsprobleme in der modernen Familie — Werner Stoy 126 Worauf es in einer christlichen Familie ankommt —■ Lotte Bormuth 133 An den Grenzen der Erziehung — Dr. Michael Dieterich 140 Erfahrungen aus der Arbeit mit Kindern — Walter Hahn 145 Erfahrungen mit Jugendlichen und Berufsschülern — Dieter Meng 147 Weltmission Das unaufhaltbare Zeugnis — Dr. Peter Beyerhaus 149 Die Gemeinde Jesu wächst weltweit — Bruno Herrn 157 Der Islam fordert uns heraus •— Walter Wassermann 161 Wir brauchen gute Gemeindeleiter — Manfred Bluthardt 163 Nicht vergeblich gearbeitet — Traugott Ockert 165 Unter revolutionären Umwälzungen in Südamerika — Willi Sartorius 166 Unter den Massen Asiens — Wolfgang Merdes 169 Missionarische Gemeinde Botschafter der Versöhnung — Dr. Helmuth Egelkraut 173 Missionarische Gemeinde in der Volkskirche — Johannes Hasselhorn 180 Besuchsdienst per Telefon 185 Kinderhauskreis •— Wolfgang Schumann 187 Miteinander unter demselben Meister — Friedhelm Böker 190 Erfahrungen in missionarischer Jugendarbeit — Joachim Seule 197 Wie wird mein Leben geistlich fruchtbar? — Herbert Bauer 200 Darum werden wir nicht müde — Klaus Haag 202 öffentliche Verantwortung Selbstvertrauen trägt nicht — Horst Marquardt 204 Die Verantwortung der Christen in der heutigen gesellschaftlichen Lage — Dr. Bodo Volkmann 212 Medien Christen und Medien — Bärbel Wilde 220 Meine Mitverantwortung für die Meinungsmacher — Frank Elsner 224 Durchs Radio zum Glauben — Arno Krüger 226 Jugendveranstaltung Glücklich sind ... — Eugen Reiser 228 Schlußveranstaltung Jesus Christus gestern —• Kurt Heimbucher 234 Jesu Christus heute — Theo Sorg 235 Jesus Christus in Ewigkeit — schon heute, aber dann erst recht! — Rolf Scheffbuch 237 Schwäbische Hofacker-Konferenz Wach bleiben zum Beten Bibelarbeit zu Kolosser 4, 2—4 Paulus ist im Gefängnis. Wenn er mich gefragt hätte: „Was soll ich denn schreiben?“, dann hätte ich wohl geantwortet: „Schreib’ eine Theologie der Befreiung! Das ist doch jetzt dein Thema! Oder schreib’ etwas zum Thema Ungerechtigkeit; es ist doch ungerecht, daß du hier sitzst!“ Aber die direkte Problematik ist die Versuchung der Kirche. Denn es gilt, die Wirklichkeit dieser Welt hellwach zu durchschauen vom Gebet her. Im Gebet bekommen wir einen Durchblick für das Hintergründige. Im betenden Danksagen werden wir wach aus dem Empfangen, nicht aus dem ständigen Produzieren. Wer sich Vergebung der Sünden Zusagen läßt, wird frei, wird wach! „Und betet zugleich auch für uns!“ so schreibt Paulus, weil die Sache der Verkündigung nicht die Sache der Boten ist. Das Geheimnis Jesu ist der Gemeinde anvertraut. Die Gemeinde Jesu steht für das Wort; in ihrem Auftrag gehen die Boten. Das Wort Jesu gehört nicht mir und auch nicht dir. Die Gemeinde muß für das Wort gerade stehen. Die Gemeinde muß sich auch für das Wort beugen. „Paulus, kannst du denn das nicht allein — predigen? Du bist doch ein Gigant des Redens!“ — Ich sehe den Paulus da sitzen, wie er antwortet: „Doch, reden kann ich allein. — Reden! Aber das Wort im Namen Jesu so sagen, daß es nicht wie ein Brecheisen wirkt, sondern Menschen in der tiefsten Lebensmitte erreicht, das kann ich nicht!“ Propaganda, Stars, Methoden bekommen keinen Zugang zur Wesensmitte des Menschen. Das hat sich der heilige Gott selber Vorbehalten. Darum betet Paulus mitten im Gefängnis: „Betet für uns, daß Gott uns eine Tür des Wortes auftue, zu reden“ — nicht einige moralische Anwandlungen für die Menschheitsgeschichte, auch nicht zu einer Neugestaltung der Welt — „das Geheimnis Jesu Christi.“ Ich sage „nein ,nein, nein“ dazu, daß Christen etwas zu sagen haben aus der Welt, aus den großen Problemen unserer Zeit. Sondern wir haben ein Geheimnis! Aus diesem Geheimnis hören wir ein Wort. Und wenn eine Welt sprachlos daneben steht, wir reden aus dem Geheimnis des gekreuzigten Herrn. So meint es Paulus: Betet, daß ich keine Gesetze und keine Moral verkündige, daß ich nicht in vordergründiger Weltgestaltung mache, daß ich nicht zu frommer Aktion aufrufe. Sondern betet, daß ich beim Geheimnis Jesu bleibe! Das ist etwas anderes als Weltgestaltung! Ihr Eltern, wenn wir an unsere Kinder denken, dann ist doch unsere große Versuchung, sie aus unseren christlichen Idealen heraus zu erziehen! Laßt das! Wir erreichen die Herzen nicht. Die Kinder werden nur störrisch. Gebt doch euren Kindern aus dem Geheimnis Christi etwas. Und ihr werdet erleben, daß sogar Rabauken plötzlich still werden. Könnte es sein, daß wir Pastoren und Professoren bitten, Bischöfe und Dozenten, Diakonissen und Jugendwarte: Nehmt doch Abschied von der Vordergründigkeit einer Weltgestaltung? Macht doch euch auf in das Geheimnis Christi, damit ihr der Welt etwas geben könnt, was die Welt sonst niemals erfahren würde! Paulus war doch nicht gefangengesetzt, weil er silberne Löffel gestohlen hatte. „Um des Geheimnisses Christi willen bin ich gebunden.“ „Das soll ich offenbaren. Davon will ich recht reden.“ Nun lassen Sie mich dazu drei Dinge sagen: 1. Betet und werdet wach für eine neue Wirklichkeit Daß Jesus Sünden vergibt, das hatten sie in Kolossä und das haben auch wir begriffen. Daß Jesus den Frieden schafft, das haben wir begriffen. Aber, und das war die Frage einst in Kolossä, wie ist das eigentlich mit den Dingen, die nichts mit Vergebung zu tun haben? Wie ist das mit der Natur, mit dem Kosmos, mit der Kultur? Der Kolosserbrief des Paulus ist eine große Antwort auf diese Fragen. Paulus sagt: Der Jesus, der für uns am Kreuz gestorben und der auferstanden ist, der kleine Nazarener, begründet, erhält und vollendet den ganzen Kosmos. Die Wirklichkeit sieht nicht so aus: Hier Welt und dort Gott! Nein, alles ist durch ihn, alles ist in ihm, alles wird durch ihn und alles ist auf Vollendung durch ihn hin unterwegs. Gott ist alles in allem! „Geheimnis Jesu“ heißt: In diesem Nazarener, in diesem Juden Jesus von Nazareth, verbirgt sich der Sinn des Kosmos. Es gibt gar keinen Sinn der Welt losgelöst von Jesus. Der Sinn aller Dinge liegt nicht in den Dingen, sondern in Jesus. Er liegt bei dem, zu dem wir beten: „Ich bin klein, mein Herz mach rein. Soll niemand drin wohnen als Jesus allein.“ Werdet doch wach dafür! Jesus ist keine religiöse Figur am Rande der Geschichte; er ist das Herz aller Dinge. In Jesu Elend am Kreuz verbirgt sich der Glanz Gottes, der Glanz der ewigen Welt. In der Schwäche des sterbenden Gottessohnes verbirgt sich der mächtige Gott. In dieses Sterben legt Gott die Macht, eine Welt zu verwandeln. In diesem einen kleinen Punkt der Weltgeschichte, in diesem Kreuz von Golgatha verbirgt Gott das Leben, nadi dem im Augenblick fünf Milliarden Menschen lechzen. Unter der Unscheinbarkeit des Gekreuzigten verbirgt sich der Glanz Gottes. Wenn nun ein Mensch es wagt, sich das Geheimnis Jesu Zusagen zu lassen, erfährt er diesen verborgenen Glanz. Ich weiß, wovon ich rede; sonst stünde ich hier nicht. In der letzten Woche war ich bei einer Evangelisation in einem kleinen Ort in Norddeutschland. An einem der Abende stand ein Journalist fast fassungslos vor mir und sagte: „Eigentlich kam ich zum Schreiben, aber ich habe aufgehört. Ich weiß nicht, ob ich das jemals gehört habe; vielleicht hat es mir ein Pfarrer früher gesagt. Aber sagen Sie es mir noch einmal. Verbirgt sich wirklich in diesem Nazarener das Leben?“ Ich sage: „Ja! In diesem Jesus verbirgt sich die Stillung des Lebensdurstes. In ihm verbirgt sich der Trost, den die Welt nicht geben kann. In ihm verbirgt sich die Aufhebung des Fluches, der auf uns liegt. In Jesus verbirgt sich das ewige Ja Gottes, das niemals zurückgenommen werden kann.“ Da sagte der Pressemann: „Ja, dann ist das ja etwas ganz Neues!“ Dies Neue wird nie mehr überholt, es veraltet nie mehr. 2. ~Was heißt denn jetzt „beten“ ? Es gibt Erlebnisse, die scheinen zuerst ganz nebensächlich; aber später merkt man: man kriegt sie nicht mehr los. Es sind richtige „Ur-Erlebnisse“. Solch ein Ur-Erlebnis hatte ich vor einigen Jahren. Mein alter Seelsorger hatte eine schwierige Sache zu klären. Es war so eine Situation, wo sich ein Seelsorger einen anderen dazuholt. Etwa bei Krankheit oder bei okkulten Belastungen oder wenn man Ehegeschichten reparieren muß. Der alte Seelsorger sagte zu mir: „Komm mal, da ist ein junges Ehepaar; es ist besser, wenn wir das gemeinsam besprechen.“ Da saßen wir also zu viert zusammen und es kam beim Gespräch Not um Not heraus. Es ist ja wirklich furchtbar, was in einem jungen Menschenleben passieren kann. Plötzlich sagte der alte Seelsorger: „Wir kommen so nicht weiter! Laß uns mal beten!“ Eigentlich war mir zum Diskutieren zumute. In aller Keuschheit darf ich das sagen. Er band das Elend von zwei jungen Menschen und die Ratlosigkeit von zwei Seelsorgern an die Gegenwart Jesu: „Herr, wir binden jetzt unser Elend an dich! Und wir binden dich an das Elend. Und nun hast du unser Elend und wir haben dich.“ Das ist Gebet: Ich binde mein Elend an dich und ich binde dich an mich Elenden, so wie man einen jungen Baum an einen Pfahl festbindet! Unauflöslich festbindet! Solltest du Bedenken haben, das zu tun, ihn mit dir zu beschmutzen und zu beschweren, dann bitte ich dich: Nimm dein Elend und binde es an ihn; er wartet auf dich! Du darfst den ewigen Herrn mit all dem Schmutz und den höllischen Abgründen belasten. Ein normaler Mensch begreift das nicht. Aber dazu ist der Gekreuzigte gekommen; dazu ist der Auferstan-dene bei uns, um zu ertragen, was du nicht mehr ertragen sollst. Das ist mein Trost, das ist der Glanz meines Lebens geworden. Ich darf ihm aufhalsen, was ich nicht ertragen kann. Ich habe bei einem Menschen der Bibel das Beten gelernt, nämlich bei dem mit Jesus gekreuzigten Mörder, dem Schächer. Als der Schächer sich fünf Minuten vor dem Sterben an Jesus wandte, da nahm er nochmal alles zusammen und sagte den Satz: „Herr, gedenke an mich!“ Er bindet seine höllische Existenz an diesen Jesus. Und Jesus antwortet: „Wahrlich, du wirst heute mit mir im Paradiese sein!“ Du, das ist Gebet! Und wenn in unseren Tagen so viel davon gesprochen wird, daß wir Weltverantwortung zu tragen haben, dann würde ich sagen: „Ja, wir Christen sind an vielen Stellen dieser Welt gerufen, im Verborgenen und im Offenbaren mitzutragen. Aber gewiß! Aber bevor ich Verantwortung trage, übergebe ich mein Leben ihm! Ich kann die Verantwortung für mich nicht übernehmen.“ Erst wer das weiß und glaubt, daß er für sich selbst keine Verantwortung übernehmen kann, daß er sein Leben nicht gestalten kann, wird — so seltsam das klingt — bevollmächtigt, in dieser Welt Verantwortung zu tragen. Wer aber sagt: „Ärmel aufkrempeln, wir schaffen das schon!“, der wird „verarmen, bevor der Abend kommt“ (Bezzel). Wer aus dem Eigenen versucht, Welt zu gestalten, wird von der Welt erdrückt. Wer aus dem Geheimnis Jesu der Welt begegnet, wird auf eine erstaunliche Weise auf die Welt Einfluß nehmen können. Aber anders, als sich mancher das gedacht hat. Nur den Betern wird auf eine seltsame Weise gelingen, auf diese Welt Einfluß zu nehmen. Sie kommen dann nicht mehr von sich, sie kommen dann von IHM. 3. Betet auch für uns! Paulus war bevollmächtigt: er hatte den Heiligen Geist. Brauchte denn er das Gebet der Gemeinde? Ja, denn wer redet, der redet im Auftrag Jesu und im Auftrag der Gemeinde Jesu. Wer dies löst, kommt schnell in Schwärmerei. Du, Dein Pastor, Dein Mitarbeiter braucht Dein Gebet! Die Mission lebt aus den Gebeten der Gemeinde. Und die Missionare und die Pastoren haben sich auch zu verantworten vor den Gemeinden. Das sage ich Ihnen als Bote Jesu: Ich verstehe, wenn Paulus sagt: „Betet, daß Gott das Geheimnis Jesu öffnet.“ Wie oft stehe ich vor jungen und vor alten Leuten, die nicht böse sind; aber sie sind verschlossen! Ich komme nicht an sie heran mit dem Geheimnis Jesu. Ich rede mir die Zunge aus dem Hals und versuche alle möglichen Methoden, aber ich komme nicht ran! Da rufe ich meine Brüder an und sage: „Das Evangelium scheint nicht zu laufen; ist es Kleinglaube oder habe ich keine Vollmacht?“ Aber wenn dann die Brüder beten, dann tut sich plötzlich etwas. Es geht weiter. Plötzlich wird ein Mensch wieder angerührt. Betet doch dafür! Schreib Dir doch heute einen Namen in Dein Notizbuch, den Namen eines Boten und schreib darunter: „Für dich will ich vor Gott eintreten!“ Tu es bitte! Für wen willst Du vor Gott eintreten? Paulus braucht dies Gebet, weil er das „Geheimnis Christi“ sagen will. Moral sagen — doch, das muß es geben. Es müssen Ordnungen in der Welt manchmal mit äußerster Leidenschaft gesagt werden. Es gibt auch Männer und Frauen, die haben den Auftrag, bei Unordnung zu sagen: „Dies ist nicht Ordnung; und wer Unordnung verbricht, hat die Ordnung gegen sich. Doch!“ Wenn mein Sohn sagt: „Vati, um halb eins komm ich nach Hause“, dann steh ich um halb eins vor seinem Zimmer. Ich will wissen, ob der Ordnung einhält. Wenn er dann nicht kommt, dann sage ich ihm beim Heimkommen: „Wenn du später kommen willst, dann sag: „Ich komm’ um halb zwei; aber du mußt dein Wort, das du sagst, halten!“ Ordnungen müssen sein, sonst geht die Welt drunter und drüber. Das muß es also auch geben. Aber das steht hier bei Paulus nicht. Denn die Boten Jesu haben nicht Moral, sondern ein Geheimnis zu sagen. Ich bitte meinen Herrn für mich und für meine Kirche: „Mach uns zu Geheimnisträgern, zu Menschen, die das Leben Jesu offenbaren können!“ Das kann man nicht aus sich. Man kann nur beten: „Herr, erobere du selbst Menschen für dich, indem du selbst das Herz aufmachst durch die Glut deines Evangeliums.“ Bei einer Mitarbeiterschulung saßen wir an einem Abend zusammen. Es ging um die Frage: Wie predigt man? Die Mitarbeiter schrieben auch alle heftig mit. Plötzlich aber merkte ich: Ich mache etwas falsch. Es geht ja gar nicht darum, w i e man predigt. Darüber kann man später reden. Aber die erste Frage ist: Was sollen wir predigen? Da spreche ich einen jungen Mann an: „Du, Gerd, du bist doch verliebt.“ Er lachte. Ich kannte seine Freundin. Ich sage: „Gerd, wenn du das Geheimnis dieser Liebe sagst, was sagst du dann?“ Er sagte: „Dann, ach ja, dann . . . Ich weiß auch nicht, dann bin ich ganz weg!“ Ich frage: „Kannst du das so richtig beschreiben?“ Er lacht wieder verlegen und antwortet: „Ich werde immer ganz verlegen; aber alle wissen, was ich meine.“ Laß uns doch auch so das Geheimnis der Liebe zu Jesus erkennen. Und wenn wir auch nur davon stammeln können, dann werden doch die Menschen begreifen: „Ach, der meint eine große Sache!“ Laßt uns doch für uns und für die ganze Kirche erbeten, daß aus uns das Geheimnis Jesu offenbart werde. Laßt uns um solche Erneuerung unserer Kirche beten. Der Herr fange bei uns an und mache uns zu Menschen, die sein Geheimnis bezeugen können. Klaus Vollmer Interview mit D. Fritz Grünzweig Wenn man in Daressalam das sozialistische Nationalmuseum des Staates Tansania betritt, kommt man in den Raum Nr. 1; der ist der Mission und den Pionier-Missionaren gewidmet. An der Wand sind die beiden Bilder der ersten Ostafrika-Pionier-Missionare zu sehen: Ludwig Krapf und Johannes Rebmann. Beide sind ja auf dem Korntaler Friedhof, dem Auferstehungsgarten der Brüdergemeinde, bestattet. Was war es denn, was diese beiden Männer hin in dies völlig unerforschte Afrika getrieben hat? Am 11. Mai 1848, vormittags 10 Uhr, trat Johannes Rebmann, damals 2 8jährig, bei einer seiner Unternehmungen, weiter ins Landesinnere vorzudringen, in eine Urwaldlichtung. Zuvor hatten ihm Afrikaner gesagt, er werde nun bald an einen sehr hohen Berg kommen. Auf dem gebe es Silber. Und wenn man es heruntertrage, werde es zu Wasser. Er dachte: Das kann doch nur Schnee und Eis sein. Aber das ist doch hier unter dem Äquator ganz unmöglich. Und nun hatte Rebmann in dieser Urwaldlichtung plötzlich das mächtige, breite, schneebedeckte Haupt des sechstausend Meter hohen Kilimandscharo vor Augen, des höchsten Berges Afrikas. Als erster Weißer hatte er ihn gesichtet. Rebmann fiel auf die Knie und sprach: „Dein Name werde geheiligt, dein Reich komme!“ Und dann betete und flehte er, daß Gott doch auch die Menschen, auf die dieser Berg niederblicke, unter die gute Herrschaft Jesu stelle, befreie von der sie zerstörenden Sünde, von Geisterfurcht und Not. Und daß doch Gott auch von den Völkern hier Ehrung empfange. Ja, das wollten die beiden sein, Ludwig Krapf aus Derendingen und Johannes Rebmann aus Gerlingen, Werkzeuge der Barmherzigkeit Gottes für die Menschen Ostafrikas, ihnen zum Heil und Gott zur Ehre. Aber war denn nicht das ganze Bemühen der beiden Männer umsonst? Wenn ich recht weiß, dann hat Ludwig Krapf nicht einen einzigen Afrikaner selbst taufen können. Einen hat er zum Glauben führen können, aber nur einen, und das war ein armer Krüppel: Krapf erzählte in afrikanischen Dörfern den Menschen immer wieder von Jesus. Doch die Leute schwatzten und interessierten sich nur wenig. Doch da, eines Tages, sah er unter seinen Worten im Hintergrund ein Gesicht, das unverwandt auf ihn gerichtet war. Nachdem er geendigt hatte, trat er auf den Mann zu und sah, daß es ein armer, verkrüppelter Mensch war. Mringe hieß er. Krapf blieb eine Zeitlang an diesem Ort und besuchte in der Folge diesen Mann täglich in seiner Hütte am Rand des Dorfes und pflegte ihn liebevoll. Der gebrechliche Mensch war für das Evangelium wie der trockene Schwamm fürs Wasser. Nicht genug konnte er hören. Und der Missionar staunte, wie klar er das Evangelium aufzunehmen vermochte und auch rasch in der Glaubenserkenntnis vorankam. Bald wurde im Dorf bekannt, welche Veränderung bei Mringe eingetreten war. Wie konnte ein so elender Mensch so fröhlich, getrost und zuversichtlich sein? So etwas mußte man gesehen haben. So kamen die Leute von früh bis spät zu ihm in die Hütte. Auf sein Zeugnis von Jesus hörten sie. Wenige Monate später kamen sie an einem Morgen wieder. Da lag Mringe mit gefalteten Händen und mit friedlichem Gesicht auf seiner Matte. Der Herr hatte ihn in der Nacht abgerufen. Das war der Erstling im Glauben ganz Ostafrika südlich von Äthiopien. Dieser eine war für Krapf eine große Glaubensstärkung. — Auch Rebmann, der sehr lange in Ostafrika war, mußte fast zwanzig Jahre warten, bis eine kleine Christengemeinde entstanden war. Die Tränen rannen dem Mann über sein abgezehrtes Gesicht, als er sie zum erstenmal ein Lied zu Gottes Lob singen hörte. Lassen auch wir uns nicht entmutigen, wenn wir nicht viel Frucht sehen von dem, was wir wirken. In der Bibel steht: „Die mit Tränen sehen, werden mit Freuden ernten.“ Lind: „Eure Arbeit ist nicht vergeblich in dem Herrn.“ Auf der Weltkirchenkonferenz in Nairobi wurde ein Spiel aufgeführt, das ein abschreckendes Bild des ehemaligen Missionars zeigte — mit Branntweinflasche und mit umgehängtem Karabiner. Damals schon sagte ein afrikanischer Kirchenführer: „Wenn es wirklich so gewesen wäre, dann würdet ihr doch heute nicht so viele afrikanischen Christen sehen.“ Aber wie war es wirklich bei Rebmann und bei Krapf? Bei Tag und Nacht waren diese Missionare für die Menschen dort in ihrer großen äußeren und inneren Not da. Ludwig Krapf erwies sich dabei als ein besonders kluger, einfallsreicher und tatkräftiger Mann. Trotzdem er mit einer schweren tropischen Krankheit zu kämpfen hatte, begann er doch immer wieder neu und forderte sich das Letzte ab. Doch er mußte dann nach Hause und trug von dort aus die Arbeit mit. Johannes Rebmann hielt nun allein aus. Er trug die Not der Einheimischen mit, insbesondere auch die der immer wieder neu aufflammenden Stammeskämpfe. Immer wieder wurde er ausgeraubt. Die Engländer, die damals, ihre Kolonialmacht ausbauend, an der Küste saßen, boten ihm mindestens für seine Forschungsreisen ins Landesinnere zum Schutz einen Trupp bewaffneter Männer an. Doch Rebmann wehrte entschieden ab: „Ich bin nach Afrika gekom- men, um Wunden zu heilen und nicht, um Wunden zu schlagen!“ Darauf empfahl man ihm, doch wenigstens gegen die zahlreichen Löwen ein Gewehr mitzunehmen. Doch er sagte: „Lieber sterbe ich! Die Leute hier hatten immer wieder unter arabischen Sklavenjägern zu leiden, die Handfeuerwaffen mit sich führten. Sie würden mir nicht glauben, daß ich mein Gewehr nur gegen die Löwen verwende.“ Neunundzwanzig Jahre hielt Krapf in Ostafrika ohne Heimaturlaub aus. Die Leute waren mehr und mehr davon beeindruckt, wie er unter ihnen lebte und wirkte. Schließlich war er fast erblindet. Ein junger afrikanischer Christ begleitete ihn nach England, ein Christ übrigens, der anschließend die Arbeit Rebmanns aufs beste weiterführte. Erstaunlich, was das Evangelium, was Jesus auch aus ostafrikanischen Menschen machte! Die Verantwortlichen der Missionsleitung sahen mit Bewegung in das Gesicht mit den lichtlosen Augen des deutlich gesundheitlich gebrochenen, nun fünfundfünfzig Jahre alten Mannes. Ein englischer Staatsmann, der für jene Gebiete zuständig war, sagte: Rebmann hat durch sein heiliges Leben der Mission und seinem Herrn wahrhaft Ehre gemacht. Aber die beiden Pionier-Missionare waren doch auch menschlich und im Blick auf ihren geistigen Horizont einfach „Könner“! Hat man das schon zu ihrer Zeit begriffen? Zunächst begegneten sie viel Unverständnis. Rebmann erhielt einmal einen Brief aus Europa: „Es ist ja schön von dir, daß du so lange in dem unkultivierten Ostafrika ausharrst. Aber das ist doch alles vergeblich. Diese Ostafrikaner sind doch gar keine Menschen mit einer unsterblichen Seele, sondern nur eine besondere Affengattung.“ Rebmann taten solche Worte weh. Er wußte, die Menschen hier sind ebenso wie wir in Jesus zur Gotteskindschaft berufen. Und er liebte sie. So tat er um so unbeirrter seinen Dienst weiter. Von Kundigen wurde jedoch bald die großartige Missionsstrategie, insbesondere von Krapf, erkannt und bewundert. Für seine sprachkundlichen Arbeiten, zusammen mit Rebmann, in sechs ostafrikanischen Sprachen, verlieh ihm die philosophische Fakultät der Universität Tübingen den Ehrendoktor. Rebmann empfing eine selten verliehene Auszeichnung der Internationalen Geografischen Gesellschaft in Paris. Eine Karte, die er von Ostafrika zeichnete, wurde als ein besonders wertvolles Stück in das Deutsche Geografische Museum in Berlin aufgenommen. Doch alles Derartige war diesen Männern nicht das Wichtigste. Es ging ihnen um etwas anderes. Rebmann kam im Frühjahr 1876 nach Korntal. Die Augenoperation gelang. Aber er starb 56jährig, bereits im Herbst jenes Jahres an Erschöpfung. Zuvor sagte er noch beim Missionsfest, zwar unter großer Schwachheit, aber voll Lob und Dank: „Ich kann meinem Herrn nicht genug dafür danken, daß ich die Kraft erhielt, so lange auszuhalten, bis ich die Überzeugung haben konnte: Auch in Ostafrika ist nun das Evangelium fest eingepflanzt.“ Wenn diese beiden Männer aber so herausragende Persönlichkeiten waren, hat dann für sie das Gebet überhaupt eine Rolle gespielt? Wissen wir davon etwas? Ja, insbesondere durch Tagebücher und Briefe. Johannes Rebmann stand oft am Grab seiner Frau und seines Kindes, die er in die Erde Afrikas betten mußte, und betete und flehte für die Menschen hier, für die auch die beiden ihr Leben hingegeben hatten. Rebmann lag nicht selten bei Nacht unter Dorngestrüpp versteckt: Vor den Speerwürfen feindseliger Stämme mußte er flüchten. Unweit brüllten die hungrigen Löwen. Und den einsamen Missionar quälte einer seiner häufigen Fieberanfälle. Und auch da betete und flehte er für dieses Land. So nahm er es für seinen Herrn ein. Die Ewigkeit wird es offenbar machen, wie sehr die Treue solcher Menschen zu der ostafrikanischen Erwek-kungsbewegung unserer Tage, zu dem Aufbruch zu Jesus, beigetragen hat. Ludwig Krapf wohnte in seinen späteren Jahren ebenfalls in Korntal. Am Abend arbeitete er noch ziemlich lange an Probeabzügen von Bibelteilen in einer ostafrikanischen Sprache, in die er sie übersetzt hatte. Am anderen Morgen wunderte sich seine Tochter, die ihm den Haushalt führte, daß Vater entgegen seiner sonstigen Gewohnheit heute so lange nicht erschien. Schließlich öffnete sie die Schlafzimmertür. Das Bett war unberührt. Und der Vater kniete daran zusammengekauert. Sie rührte ihn an. Er war schon kalt. Im Gebet hatte ihn sein Herr heimgerufen. Die Bibel sagt: „Ihr Ende schauet an und folget ihrem Glauben nach.“ Dein Reich komme! „Gott ist mit großer Macht am Werk in unserer Welt von heute. Mehr als die Hälfte der heute lebenden Christen leben in der Drit- ten Welt. Zu Beginn dieses Jahrhunderts lebten kaum Christen in Asien, in manchen Ländern waren es weniger als ein Prozent der Bevölkerung. Nun gibt es gar nicht so wenige asiatische Länder, in denen zehn Prozent der Bevölkerung Christen sind, in Süd-Korea sind es sogar ein Viertel der Bevölkerung. Aber wir danken Gott besonders dafür, daß er einheimische Missionare in Asien gerufen hat. Es gibt heute Tausende von Missionaren aus der Dritten Welt, die nun hinausgehen in die anderen Länder der Dritten Welt. Wir haben heute eine Stunde großer Partnerschaft zwischen Missionaren aus der westlichen Welt und aus den Ländern der Dritten Welt. Betet doch dafür, daß Gott seine Kirche in aller Welt erweckt für die Missionsaufgabe, die vor uns liegt. Betet dafür, daß die Kirche festhält in Treue an der Wahrheit des Evangeliums. Daß die Kirche wieder besorgt ist für die Heiligkeit des Lebens, daß sie bereit ist zu Verbundenheit und Mitleiden mit denen, die um des Evangeliums willen leiden. Eine vom Heiligen Geist erweckte Kirche kann zum Gewissen der Nationen werden, daß sie das Böse eindämmen, sie trägt Hoffnung hinein in die Nationen, daß es ewiges Heil Gottes gibt. Denn es gibt keinen anderen Namen, durch den wir gerettet werden können, als allein den Jesusnamen. Betet für die Evangelisation der Großstädte unserer Welt! In der armen Dritten Welt wachsen gerade die Großstädte so sehr. Als ich vor dreißig Jahren nach Indien kam, hatte Delhi gerade etwa eine Million Einwohner; heute aber sind es mehr als sieben Millionen. Und wir rechnen damit, daß es in zwanzig Jahren fünfzehn Millionen sind. Dies alles sind Menschen, die Jesus brauchen. Betet für die Erweckung der Städte, denn die Städte bestimmen das Geschick unserer Nationen. Mehr als alles andere brauchen wir die Erweckung der Kirche durch den Heiligen Geist, daß sie bereit wird zu einem neuen Aufbruch in der Weltevangelisation.“ Dr. Bruce Nicholls, New-Delhi-Neuseeland Erlebt im Dienst Jesus baut sein Reich auch da, wo Schuld und Hoffnungslosigkeit zu Hause sind. Das war bei Jesus noch nie anders. Als er über unsere Erde ging, hat er sich bei Zöllnern und Sündern, bei Betrügern und bei Ehebrechern aufgehalten und es zugelassen, daß eine Prostituierte mit ihren Tränen seine Füße benetzt hat. Jesus hat schon immer die Menschen auf der Schattenseite des Lebens gesucht und geliebt. Seit etwa zehn Jahren arbeite ich in der Mitternachtsmission in Heilbronn vor allem mit solchen Menschen, die aus diesem Bereich kommen. Solche Leute sind in unseren Kirchen und Gemeinschaften nicht mehr zu finden. Aber sie brauchen so notwendig wie wir Jesus und sein Heil . . . Wer einmal hinter die Kulissen geschaut hat, wie elend diese Menschen sind, der läßt sich nicht mehr so leicht täuschen: Die Sünde macht Menschen kaputt. Ein solches Leben lohnt sich nicht. Aber ich weiß, daß Jesus auch Menschen aus diesen Bindungen herausholen kann. Jesus kann frei machen. Jesus kann aus Abhängigkeiten erlösen und neue Lebensmöglichkeiten schenken. Es lohnt sich mit Jesus, wenn jemand bereit ist, umzukehren und Schuld beim Namen zu nennen. Was ist das für ein Sieg, wenn Jesus einen Menschen erneuert! Wir wollen Mitarbeiter dieses Gottes sein auch dort, wo er uns hingestellt hat, so daß sein Name dort genannt wird, wo dies normalerweise nicht mehr vorkommt. Das Entscheidende aber tut der Herr, dem wir zur Verfügung stehen wollen. Schwester Marianne Wienand Erneuerte Familien Wir stehen wohl manchmal in der Gefahr, den großen Einbruch des Reiches Gottes herbeizusehnen und dabei die kleinen Anfänge im Leben einzelner Menschen gering zu achten. Einen solchen Neuanfang durften wir in unserem Hauskreis miterleben. Eine junge Frau kam zu uns in großer Verzweiflung, nachdem ihr Mann sie ganz plötzlich verlassen hatte. Nun saß sie da mit einem kleinen Kind, einem neugebauten Haus und den Schulden, die sie nicht abzahlen konnte. Wir führten ein Gespräch mit ihrem Mann — ohne Ergebnis. Es war alles aus! In dieser bedrängenden Situation begriff die Frau das Evangelium und kam zum Glauben an Jesus Christus. Derweil ging ihre Ehe weiter bergab. Der Scheidungstermin nahte, und sie begann gerade, sich mit der neuen Lage abzufinden, da kam sie eines Abends, nun restlos verwirrt: Ihr Mann wollte zurückkommen! Darum hatten wir die ganze Zeit gebetet, aber jetzt konnten wir es kaum glauben und waren durchaus skeptisch, was das nun werden sollte. Wir bemühten uns dann, die beiden auf ihrem mühsamen und oft notvollen Weg der Wiederannäherung zu begleiten. Während der Dorfklatsch immer neue Blüten trieb und die Leute sie mieden, freuten wir uns, daß er nun auch in den Hauskreis kam und anfing, sich für Gottes Wort zu interessieren. Irgendwann — für uns zunächst unbemerkt — hat die Liebe Jesu ihn dann auch überwunden und er hat Vergebung erfahren. Es hat noch eine ganze Zeit gedauert, bis die tiefen Wunden einigermaßen verheilt waren, aber ohne ihre Bindung an Jesus wären Vergebung und neues Vertrauen zwischen ihnen wohl kaum möglich gewesen. Jetzt sind sie eine fröhliche Familie. Inzwischen ist noch ein kleiner Sohn dazugekommen — mein erstes Patenkind! Jesus Christus kann völlig heilen, wo aus menschlicher Sicht alles aussichtslos und endgültig zerbrochen ist. Nicht, daß wir so etwas dauernd erleben — aber es ermutigt uns, uns weiter um Menschen zu bemühen und für sie zu hoffen, wie verfahren ihre Lage auch sein mag. Und es gibt unendlich viel Not in Ehen und Familien. Die Menschen brauchen Jesus. Wir können ihnen nicht helfen; wir stoßen dauernd an unsere Grenzen. Aber wir können Wegweiser sein zu Jesus hin. Und ab und zu dürfen wir miterleben, wie seine Herrschaft anbric it in einem Menschen oder in einer Familie. Dr. Christel Hausding Die Chiripa-Indianer, unter denen ich in Paraguay arbeite, haben eine Vorstellung von dem Schöpfergott. Sie haben eine Sehnsucht nach einem Land ohne Tod und ohne Leid. Sie wissen aber nicht, wo das ist. Sie haben dieses Land gesucht. Sie sind von Paraguay bis an die Küste Brasiliens gepilgert, viele sind unterwegs gestorben; sie kamen nicht über den Atlantik. Dieses ersehnte Land schien ihnen verschlossen. Aber mit dieser Vorstellung hat Gott selbst vorgearbeitet für unseren Dienst. Können Sie sich vorstellen, wie diese Indianer zuhören, wenn wir ihnen erzählen, wie Gott die Welt geschaffen hat, daß er das Paradies gemacht hat und daß die Menschen von Gott sind und daß es trotz aller Sünde durch Gott die Möglichkeit gibt, in das Land ohne Übel durch Jesus zu kommen. Die Augen der Indianer strahlen dann. Es sind nicht wenige, die Jesus als Herrn angenommen haben. Sie bezeugen dann unter ihren Stammesgenossen: „Ich bin auf dem Jesusweg.“ Aber andere haben es schwer, den Teufelsweg zu verlassen und auf den Jesusweg zu kommen. Es kam einer zu mir, der sagte: „Ich sehe, daß ihr recht habt! Aber ich kann einfach die Zauberei nicht lassen!“ Darum brauchen wir Leute in Deutschland, die beten, daß wir als Missionare Jesus recht bezeugen können und daß Indianer frei werden aus der Sklaverei des Teufels, dem sie schon Jahrhunderte dienen. Wilma Kunz, Deutsche Indianer-Pionier-Mission „Was denkst du über Arafat?“ Diese Frage wurde uns öfter gestellt als die Frage: „Was denkst du über Jesus?“ Wer von Jesus spricht, muß damit rechnen, daß gar nicht so kleine Steine fliegen. Mit einem Literaturbus sind wir durch die Dörfer der Westbank gefahren, zusammen mit einem jungen Araber. Die breite Masse des Volkes aber ist nicht gehässig. Elia, der junge Araber, und ich haben viel Freundschaft erfahren. Immer wieder haben wir erlebt, daß Palästinenser uns gebeten haben, über Jesus, den Gottessohn zu erzählen. Das ist ja für einen Moslem die größte Gotteslästerung. Dort unten ist auf religiösem Gebiet etwas los. Die Westbank ist im Augenblick so offen wie nie zuvor für die Evangelisationsarbeit. Kein Land in der arabischen Welt bietet solche Missionsmöglichkeiten. Wir haben erlebt, daß uns die Leute christliche Traktate und Bibelteile aus den Händen gerissen haben. Und wir wissen von Moslems, die lebendige Christen geworden sind. Aber wir haben auch das Gegenteil erlebt. Darum möchte ich Sie bitten, daß Sie in Ihren Gebeten an diesen Bücherbus und an den Elia denken, der jetzt in diesem Augenblick in einem arabischen Dorf ist. Und an Helmut, den Fahrer. Daß die Nachricht vom Heil Jesu weitergetragen werden kann auch unter den Palästinensern. Missionar Gebhardt, Evangelische Karmel-Mission Ein Fünftel der Weltbevölkerung sind Chinesen. Der größte Teil der nichtkommunistischen Chinesen lebt auf Formosa. Formosa/ Taiwan hat über 18 Millionen Einwohner. Schon über hundert Jahre gibt es dort Mission. Leider ist der Anteil der Christen in den letzten Jahren von fünf auf drei Prozent zurückgegangen. Denn die Bevölkerungszahl hat sich in dieser Zeit verdreifacht. Die Zahl der Christen konnte mit diesem Wachstum nicht mithalten. Dazu kommt, daß die Chinesen selbstbewußt geworden sind. Sie pflegen ihre 4000 Jahre alte Kultur. Die Chinesen sind auch sehr fleißig. Taiwan ist heute nach Japan der zweitgrößte Industriestaat in Ostasien. Vor allem aber sind die Chinesen ein sehr religiöses Volk. Daß es ihnen immer besser geht, das schreiben sie ihren Götzen zu. Als Dank dafür werden immer neue Tempel, auch heute, gebaut. Mission ist darum überaus notwendig. Persönliche Gespräche müssen gesucht werden. Die Arbeit am einzelnen Menschen ist wichtig. Ich denke an einen jungen Mann. Er sprach mich auf der Straße an. Er wollte mein Freund sein. Wir haben miteinander diskutiert. Auch miteinander Sport getrieben. Eines Tages fragte er mich, ob er meine wertvolle Kamera ausleihen dürfe. Ich gab sie ihm. Später ließ er sich in unsere christliche Jugendgruppe aufnehmen. Er fing an, in der Bibel zu lesen. Das Vertrauen hatte den Weg geebnet. Und dann brauchen Chinesen, wenn sie Christen sein wollen, den Schutz der Gemeinde, daß sie dem Druck der Familie widerstehen können. Und daß sie auch bestehen können in den Versuchungen und in dem unbarmherzigen Geschäftsleben der Großstädte. Danke für all Ihre Gebetsunterstützung dieser wichtigen Arbeit. Missionar Ulmer, Liebenzeller Mission Mission ist wichtig. Aber ich will hinzufügen: Vergeßt aber auch nicht die alten und kranken Menschen bei uns! Gerade absolviere ich ein diakonisches Praktikum in der Gemeindekranken- und Altenpflege. Vor einem Jahr noch erschien mir Diakonie als ein Fremdwort; mein Interesse dafür war nicht besonders groß. Zur Zeit aber erfahre ich, wie wichtig und interessant dieses Arbeitsfeld ist. Es gibt so viele Alte und Kranke, die sich alleingelassen, überflüssig und mutlos fühlen. Oftmals ist ihr Geist nur noch mit Klagen oder mit der „guten alten Zeit“ beschäftigt. In der Diakonie mangelt es noch an Mitarbeitern, die diese Einsamen und Kranken versorgen, die sie pflegen, sich im Gespräch für sie interessieren. Wer ist bereit, mitzumachen bei der wichtigen Aufgabe, ihnen zu helfen? Aber nicht nur das, sondern die ihnen auch geistlich den Rücken stärken. Wenn ich in die Häuser komme, dann erlebe ich immer wieder, wie sehr sich die Menschen an einem Losungswort, an einem Choral-vers oder an einem Gebet freuen, wie sehr sie sich danach sehnen. Sie brauchen doch besonders den Trost Jesu, die Erfahrung seines Reiches in ihrem Leben. Kürzlich durfte ich mit der Schwester zu der Pflege eines Sterbenden. Als wir das Zimmer betraten, war der alte Mann kaum noch ansprechbar. Nachdem wir ihn versorgt hatten, durfte ich ihm zum Abschied noch lesen: „Hoff, o du arme Seele/hoff und sei unverzagt/Gott wird dich aus der Höhle, da dich der Kummer plagt/mit großen Gnaden rücken/erwarte nur die Zeit/so wirst du schon erblicken/die Sonn der schönsten Freud.“ Und plötzlich ging über das Gesicht des Alten ein herrliches Strahlen, und er sagte voller herzlicher Freude: „Ja, unser Gott weckt auch Tote auf!“ Das darf man auch in der Diakonie erleben. Mach mit! Ulrich Scheffbuch Ein Bengel ist nicht nur ein rüpelhafter Junge; in Tübingen ist es ein Student, der an der Universität Theologie studiert und im Tübinger Albrecht-BengeTHaus Begleitung erfährt. Mich hat in der letzten Zeit sehr bewegt, zu erfahren, wieviel gerade aus diesem Land für das Albrecht-Bengel-Haus gespendet wurde. Aber wenn es dabei bleibt, dann ist es zu wenig. Wir hatten am letzten Sonntag einen stillen Tag. Das ist wichtig, daß wir uns prüfen, wo wir eigentlich in der Nachfolge Christi stehen. Stehe ich da, wo Gott mich haben will? Ich bin sehr erschrocken, als ich so die letzten Monate für mich durchging. Kann ich eigentlich nie Gott mit ganzem Herzen dienen? Kann ich wirklich einmal Pfarrer sein, den Gott gebrauchen kann? Wir können lange studieren, wir können sogar ausgezeichnete Theologen werden. Aber wir können uns nicht selbst zu Pfarrern machen, die der Herr gebrauchen kann. Das kann auch nicht das Bengel-Haus, auch keiner der dortigen Lehrer. Das könnte nicht einmal, wenn er noch leben würde, Johann Albrecht Bengel höchstpersönlich. Das kann nur Gott allein. Aber wir können zusammen — Sie als Gemeinde und wir als Studenten — darum beten, daß Gott uns einmal als seine Boten gebrauchen kann, die mitwirken können daran, daß Gott sein Reich baut. Im Namen aller Studenten, der heutigen und der früheren, kann ich Ihnen nur von ganzem Herzen für all Ihre Gaben und für all Ihr Beten danken. Bleiben Sie bitte dabei! Tobias von Böen Wir brauchen das Gebet der Christen Für die Verantwortlichen beten Von Zeit zu Zeit entsteht eine knisternde Hochspannung an den Stacheldrähten in Mutlangen, in den Gerichtssälen von Schwäbisch Gmünd oder Münsingen, an den Gefängnistoren von Stammheim. Da begegnet der Staatsbürger den Grenzen seiner Freiheit, der Gewalt des Staates. Da stehen sie einander zähneknirschend gegenüber. Wir sind schnell geneigt, Partei zu ergreifen für die Friedenskämpfer gegen die Bullen oder für die Ordnungshüter gegen die Anarchisten. Es gehört zur Klugheit des Glaubens, die Dinge differenziert und nüchtern zu sehen. Lassen Sie mich, der ich ein Richter bin, ein Wort einlegen für meine Kollegen im weitesten Sinne, für die Verantwortlichen auf den Ministerien und Ämtern, für die Richter und für die Polizeibeamten. Begegnen Sie uns in dem Bewußtsein, daß wir eine wichtige und schwierige Aufgabe zu erfüllen haben. Es steht einem Christen wohl an, sich klarzumachen, daß Freiheit geschützt werden muß. Es ist eine Illusion anzunehmen, daß Menschen ohne Herrschaft, Macht, Gewalt und Waffen Zusammenleben könnten; leider vorerst eine Illusion. Das einzugestehen, gehört zur Nüchternheit des Glaubens. „Homo homini lupus“ — der Mensch ist dem Menschen ein Wolf. So hat es ein Philosoph klassisch formuliert. Das ist kein Evangelium, aber eine Tatsache, von der auch die Bibel ausgeht. Deshalb brauchen wir Polizeibeamte, leider, wir brauchen Richter, leider, ja, wir brauchen auch Militär, leider. Aber wir verstehen auch, daß die Grenzlinie zwischen Macht und Freiheit immer umstritten bleibt. Da spielt sich ein natürliches Ringen ab um Einzelfragen wie die der Raketenbewaffnung, der Umweltvernichtung und ähnliches. Wie schnell ist der Staatsbürger da voreingenommen, ja gehässig und feindlich. „Vor denen da oben kann ich dich nur warnen“, heißt es da. „Wenn du denen ausgeliefert bist, dann laß’ alle Hoffnung fahren!“ Oder: „Da kann man nicht laut genug protestieren und demonstrieren.“ Warnen, schimpfen, protestieren, demonstrieren? Haben Sie schon einmal daran gedacht, für diese Leute „da oben“ zu beten? Dafür zu beten, daß sie den rechten Weg finden, nicht nur die Demonstranten und Freiheitskämpfer, sondern auch die Richter, die Regierung, die Politiker. Wie wäre es denn mit einer Demonstration unseres Herzens vor Gott? Wenn wir glauben, daß Gott die Erde geschaffen hat, und es in seiner Hand liegt, ob sie erhalten bleibt oder zerstört wird, dann laßt uns vor ihm unsere Herzen öffnen. Vor ihm dürfen wir unsere Sorgen, unsere Angst um die Zukunft unserer Erde und unserer Kinder demonstrieren und sagen: Herr, der du Himmel und Erde geschaffen hast und nicht willst, daß wir und unsere Kinder deine Schöpfung vernichten und in einer vernichteten Schöpfung zugrundegehen, wir bitten dich im Namen deines Sohnes Jesus Christus: Erbarme dich über uns. Zeige allen, die Verantwortung tragen, den Weg, den sie gehen sollen, und gib ihnen Weisheit und Geduld. Amen. Hans Eißler Die Zukunft liegt in deiner Hand Wir leben auf einer einzigartigen Erde. Wir können gar nicht weg. Es gibt weder eine Ersatzerde noch eine heimliche Hintertür, durch die wir uns leise aus dem Staub machen könnten. Nein, wir sitzen alle in einem Boot. Allerdings mit unterschiedlichen Kabinen und Decks. Dafür verfügen wir über einen großartigen Planeten, ausgestattet mit phantastischen Möglichkeiten und reichen Vorräten. Es gelang uns, diese Vorteile zu nützen und den höchsten Lebensstandard zu schaffen, den es jemals gab. 0 Wir besitzen einfach alles. Unsere Wohnungen sind mit jedem erdenklichen, arbeitssparenden Komfort ausgestattet. Durch Radio, Fernsehen und Video läßt sich auf Wunsch die Welt nach Hause einladen. 0 Unsere Löhne und Gehälter erlauben uns einen Lebensstandard, von dem wir Alten nicht einmal zu träumen wagten. 0 Wir verfügen über so viel Freizeit, daß wir nicht mehr Sklaven der Arbeit sein müssen. Wir können uns entfalten und unseren Hobbies nachgehen. Pflichtversicherungen gewähren uns Sicherheit bei Erkrankung, bei Unfällen, bei Arbeitslosigkeit und im Alter. Und wenn alle Stricke reißen, gibt es immer noch die Sozialhilfe. Es müßte uns glänzend gehen, und doch fehlt uns viel. Wir sind nicht glücklich, denn unerwartet hat uns eine panische Angst erfaßt. Eine unverständliche, unerklärbare Angst, die uns das Erreichte nicht genießen läßt. — Wir haben Angst, das Geschaffene zu verlieren. — Wir haben Angst zu versagen. — Wir haben Angst, unsere Umwelt durch Verschmutzung zugrunde zu richten. — Wir haben Angst, zuwenig Rohstoffe und Energie zur Verfügung zu haben. — Wir haben Angst vor einem 3. Weltkrieg. — Wir haben Angst, krank zu werden. — Wir haben Angst, zu sterben. — Wir haben Angst. .. Für ängstliche Menschen lassen sich Probleme nicht lösen. Angst macht einsam, unsicher und lieblos. Überall sehen wir heute Sachzwänge — übrigens das neue Modewort der zweiten Hälfte der Achtzigerjahre —, Sachzwänge schränken immer ein, verhindern Alternativen und lassen kaum Bewegung aufkommen, alles erstarrt. Sachzwänge führen zum Entropietod der Gesellschaft. Fasziniert schauen wir nur noch auf die Verteidigung, in den meisten Staaten wohl der größte Budgetposten. Jahr für Jahr werden viele Tausende Milliarden DM allein für ein „Militär“ ausgegeben. Nur eine Verteidigung, die den Gegner restlos vernichten kann — so lehrt man uns —, kann uns noch helfen. Aber genau das Gegenteil ist der Fall. Die Angst wird nur noch größer. Der 3. Weltkrieg wird heraufbeschworen, ein Krieg, den in Wirklichkeit niemand will. Alle wollen den Frieden, reden aber ständig vom Krieg. Wie läßt sich diese verkrampfte Situation überwinden? Die Wissenschaft meint, daß die Theorien, die unsere Situation erklären könnten, noch entwickelt und geschrieben werden müßten. Von ihr ist also wenig zu erwarten. Auch der berühmte Bericht von Jimmy-Carter mit dem Titel „Bericht an den Präsidenten“, bringt nichts Neues. Die Studie zeigt, daß, wenn sich nichts ändert, wenn wir unsere Ziele nicht ändern und es auch keinen 3. Weltkrieg gibt, im Jahr 2000 der Konkursantrag gestellt werden muß. Es gibt jedoch einige Einzelstimmen, auf die man heute sehr gerne hört: 0 Die Stimme von Hermann KAHN, bekannter Zukunftsforscher, Gründer des Hudson-Institutes in New York und Präsidenten- beraten Er meint, daß unsere Generation über rund 70 Möglichkeiten verfügt, unseren Planeten zu vernichten. Erst unsere Enkel könnten über die guten Jahre, die vor uns liegen, sprechen. Kahn bezeichnet sich selbst als Optimist. 0 Die Stimme von Gerd v. HASSLER. Er schließt sein Buch „Welt ohne Notausgang“ mit dem Satz: „Mag unsere Zukunft aussehen wie sie will, auch sie geht vorbei, gut oder schlecht, nichts bleibt ewig.“ Hassler gilt als Fatalist. 0 Die Stimme von Aurelio PECCEI, Gründer des Club of Rome und dessen langjähriger Präsident. Auch Peccei geht es nicht um den einzelnen Menschen. Er ist Agnostiker und glaubt, nach dem Tod sei alles vorbei. Ihm geht es nur um die Gattung Mensch, die Gattung ist gefährdet und ihr muß geholfen werden. Deshalb sollte alles diesem Ziel untergeordnet werden. Seine Forderungen, es sind auch die Forderungen des Club of Rome, lauten: Weg mit den Grenzen, weg mit dem Militär, weg mit der Obrigkeit, keine Nationalstaaten mehr, alle Macht müßte vom Volk ausgehen. Seine Theorien bereiten den Welteinheitsstaat vor, von dem die Bibel in der Offenbarung berichtet. Peccei ist ein Bewunderer von Karl Marx und bezeichnet sich, ähnlich wie der Philosoph Ernst Bloch, als utopischer Realist. All diese Stimmen gehen aber am Grundproblem vorbei. Unser Problem ist und bleibt der Mensch. Der Mensch ist also das wirkliche Problem. Er ist beschränkt, begrenzt, egoistisch und hat immer Angst. Eine Welt, die sich um diesen armseligen Menschen dreht, zerstört sich immer wieder selbst. Unsere Angst kommt daher, daß wir ohne Gott leben, daß wir bewußt Gott abgelegt und daher auf unsere Zukunft verzichtet haben. In keinem dieser bekannten Zukunftsbücher, die ich hier in der Hand halte, kommt das Wort GOTT vor. Liebe Freunde, erkennen wir die Situation: — Ohne Gott geht es einfach nicht. — Gott läßt sich nicht spotten. — Es geht Gott nicht um die Welt, er kann zu jeder Zeit eine neue schaffen. Es geht Gott auch nicht um die Gattung Mensch, sondern immer nur um den einzelnen Menschen, also um dich oder um mich. Gott ist unser Schöpfer. Wir kennen ihn durch Jesus Christus sehr gut, und dieser lehrt uns: Mensch, du hast deine Zukunft selbst in deiner Hand. Du bestimmst, ob du in panischer Angst verloren gehst oder mit Jesus Christus ewig lebst. Du mußt dich nur nicht immer selbst sehen. Die 10 Gebote, die uns die Heilige Schrift lehrt, haben immer noch, auch für dich, volle Gültigkeit. Liebe Gott über alles, stelle deinen Schöpfer an die erste Stelle in deinem Leben, und alles andere löst sich von selbst. Im Frühjahr beeindruckt mich die neue Fülle des Lebens, die uns Gott Jahr für Jahr immer wieder schenkt. Genau diese Fülle, allerdings die ewige Lebensfülle, schenkt uns Gott, wenn wir wollen. Wir müssen Gott nur ernstnehmen, ihn in den Mittelpunkt unseres Lebens stellen. Wir müssen uns für Jesus Christus entscheiden, ihn aufnehmen, in ihm bleiben. Lassen Sie mich mit dem Bibelwort schließen: „Also hat Gott die Welt geliebt, daß er seinen eingeborenen Sohn gab, auf daß alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben.“ Joh. 3, 16 „Wie viele ihn (Jesus Christus) aber aufnahmen, denen gab er Macht, Gottes Kinder zu werden, die an seinen Namen glauben; welche nicht von dem Geblüt noch von dem Willen des Fleisches noch von dem Willen eines Mannes, sondern von Gott geboren sind.“ Joh. 1, 12 + 13 Lies diese Worte immer wieder durch, es lohnt sich. Ja, alles hängt für Dich davon ab, Deine ganze Zukunft, ob Du sie wirklich ernst nimmst. Deine Zukunft liegt wahrhaftig in Deiner Hand. Dr. Eduard Ostermann Unter dem Titel „Die Zukunft liegt in deiner Hand“ ist beim Hänssler-Verlag ein Taschenbuch erschienen, 64 Seiten, DM 2,80. Neue Kraft aus der Stille des Gebets „Wenn der Herr nicht das Haus baut, so arbeiten umsonst, die daran bauen. Wenn der Herr nicht die Stadt behütet, so wacht der Wächter umsonst!“ (Psalm 127, 1 f.) Umsonst! Vergeblich! Das ist niederschmetternd! Der Bau eines Wolkenkratzers war bis zum 20. Stockwerk emporgezogen worden. Da stellten sich Fehler im Fundament heraus. Alles umsonst! Vergeblich! Aktivitäten und Programme im christlichen Bereich. Einsatz bis zum Streß. Opfer an Zeit und Geld. Und was ist die Frucht? Die Frage heißt nicht: Wieviel Betrieb kommt dabei heraus? Wie groß ist der greifbare Erfolg? Sondern sie lautet: Was ist die Frucht? Es ist schmerzlich, wenn bei der Selbstbesinnung, dem Rückblick auf unsere Aktivitäten, in der Prüfung vor Gottes Angesicht die Erkenntnis aufkommt: Vieles war vergeblich! Das Urteil des Herrn wird endgültig offenbar an seinem Tag. Gottes Wort, die Bibel, bezeugt uns: „Wir müssen alle offenbar werden vor dem Richterthron Christi, damit ein jeder empfange, was er gehandelt hat bei Leibesleben, es sei gut oder böse“ (2. Kor. 5, 10). Man kann diese Stelle auch so übersetzen: „Vor dem Richterthron Christi werden wir völlig offenbar. Ein jeder wird das mit davontragen, was dem entspricht, was er bei Leibesleben gehandelt hat, es sei gut oder nichts wert.“ — „Wenn jemand baut Gold, Silber, edle Steine, Holz, Heu, Stroh, so wird eines jeglichen Werk offenbar werden; der Tag wird’s klarmachen. Denn mit Feuer wird er sich offenbaren; und welcherlei eines jeglichen Werk sei, wird das Feuer bewähren. Wird jemandes Werk bleiben, das er gebaut hat, so wird er Lohn empfangen. Wird aber jemandes Werk verbrennen, so wird er Schaden leiden; er selbst aber wird gerettet werden, doch so wie durchs Feuer hindurch“ (1. Kor. 3, 12—15). Holz, Heu, Stroh. Aus Holz kann man wundervolle Attrappen bauen. Aber an jenem Tag wird alles zu Asche verbrennen: Umsonst! Vergeblich! Trotz aller Aktivitäten. Das andere Wort steht im 1. Korintherbrief, Kap. 15, dem großen Auferstehungs-Kapitel der Bibel. Der Apostel Paulus ermutigt: „Darum, meine lieben Brüder, seid fest, unerschütterlich und nehmet immer zu in dem Werk des Herrn weil ihr wisset, daß Eure Arbeit nicht vergeblich ist in dem Herrn.“ Nicht umsonst! Nicht vergeblich! Das ist ermutigend! Die Arbeit, der Einsatz, die Mühe, das Opfer für Jesus lohnen sich. Frucht soll erwachsen, die in die Ewigkeit hineinreicht. Gold, Silber, Edelsteine — wie Paulus sagt — können vor dem prüfenden Blick unseres Herrn bestehen. Nicht umsonst! Nicht vergeblich! Das gibt Hoffnung, Mut, neue Kraft, Geduld, auch neue Liebe zu den Menschen, die ohne Jesus und ohne Hoffnung leben. Was ist das Geheimnis des nicht vergeblichen Lebens und Wirkens für Jesus? Es ist ein Doppeltes. Einmal schreibt Paulus im Blick auf seinen Dienst für Jesus: „Von Gottes Gnaden bin ich, was ich bin. Und seine Gnade an mir ist nicht vergeblich gewesen, sondern ich habe viel mehr gearbeitet als sie alle; nicht aber ich, sondern Gottes Gnade, die mit mir ist“ (1. Kor. 15, 10). Ist Jesus, der Christus und Herr, vergeblich für uns am Kreuz auf Golgatha gestorben? Ist er uns in Seinem Wort vergeblich begegnet? Ist er uns heute an diesem Tag vergeblich begegnet? Oder geben wir Ihm in unserem Leben Raum? Nehmen wir Ihn und Gottes Gnade im Glauben an? Der Herr ist dem Paulus, seinem Verfolger, vor Damaskus nicht umsonst begegnet. Nehmen wir Jesus an und geben wir unser Leben in Seine Hände, dann kann Gott durch Ihn, Seinen Sohn, Sein Werk in uns tun. Wir staunen über die Kraft der Gnade Gottes. Wir werden, wie es Jesus in Seinem Gleichnis sagt, Reben an Ihm, dem Weinstock. Dann kann er durch uns, die Reben, wirken und Seine Frucht bringen. Das ist das Zweite des Geheimnisses einer nicht vergeblichen Nachfolge und eines nicht vergeblichen Dienstes für Jesus: das erhörliche Gebet. Jesus gibt uns Sein Wort in die Hand: „Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht; denn ohne mich könnt ihr nichts tun. Wenn ihr in mir bleibet und meine Worte in euch bleiben, werdet ihr bitten, was ihr wollt, und es wird euch widerfahren. Darin wird mein Vater verherrlicht, daß ihr viel Frucht bringet und werdet meine Jünger“ (Joh. 15,5.7-8). Nicht vergebliches Beten! Erhörliches Beten! Dies ist eine der größten Verheißungen, die Jesus den Seinen gegeben hat. Das Gebet ist der Schlüssel zu den Schatzkammern Gottes. Das Gebet ist der Kanal für den Zufluß der himmlischen Kräfte. Das Gebet ist die Tür, durch die der Herr eintreten und wirken kann. Ohne Gebet ist auch unser größter Einsatz, unser Mühen und Himmelstürmen umsonst. Mit Gebet bringt auch der unscheinbarste Dienst reiche Frucht. Der Apostel Paulus erzog die jungen Gemeinden, die durch seinen Missionsdienst entstanden sind, von Anfang an zum Gebet, und zwar zum Gebet für die Mission. „Haltet an am Gebet und wachet in ihm mit Danksagung; und betet zugleich auch für uns, auf daß Gott uns eine Tür für das Wort auftue, zu sagen das Geheimnis Christi, um deswillen ich auch gebunden bin, auf daß ich es offenbar mache, wie es mir zu sagen gebührt“ (Kol. 4, 2—4). Darum konnte Martin Luther sagen: „Nächst dem Predigtamt ist das Gebet das höchste Amt der Christenheit.“ Die letzte große Erweckung der Kirchengeschichte in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts, die auch in unser Jahrhundert weit hineinreichte und die evangelische Mission neu belebte, begann als Gebetserweckung. Im Osten Nordamerikas kamen regelmäßig und Jahre hindurch jeden Mittag um 12 Uhr Christen zum Mittagsgebet zusammen. So konnte der Herr eine neue Erwek-kung wirken. James Hudson Taylor, der bekannte China-Missionar, war umgetrieben von den Millionen Menschen in diesem Riesenland, die ohne Jesus dahinlebten und dahinstarben. Das Geheimnis seines segensreichen Wirkens und seines gesegneten Werkes der China-Inland-Mission waren Gottes Wort und das Gebet. Er zeigt uns das Geheimnis des Betens: „Wenn ich einen allmächtigen Vater habe, warum soll ich dann ohnmächtige Menschen bitten?“ — „In großen wie in kleinen Dingen erhört Gott das Gebet derer, die ihr Vertrauen auf Ihn setzen.“ — „Ein Nachlassen in der Fürbitte öffnet dem Feind die Tore.“ — „Gott ist bereit, uns alles zu geben, aber er will gebeten sein. — Gott versagt nie!“ In einem Buch über die Bedeutung des Gebets in der Mission lesen wir: „Gebet geht jedem Missions-Fortschritt voraus. Auf keinem Gebiet erweist sich die Macht des gläubigen Gebets königlicher als in der Geschichte der Ausbreitung des Reiches Gottes auf Erden. Jedem neuen Missionserwachen ging gläubiges Gebet voraus. Wir sind immer in Gefahr, dieses zu vergessen. Wir sind so sehr damit beschäftigt, Gelder zu sammeln, Organisationen zu gründen, schwierige Probleme zu lösen, daß es uns manchmal vorkommt, als hinge die Mission von uns ab. Immer wieder müssen wir an die Tatsache erinnert werden, daß das Gebet allein uns den Weg für unsere Missionsarbeit weist, die Ziele zeigt und unserer Arbeit den Erfolg gibt.“ — „Die Heimat ist viel mehr ein Feld für Fürbitte als für die Sammlung von Geldern. So wichtig es scheinen mag, Mittel für das Missionsunternehmen zu sammeln, die Notwendigkeit der Fürbitte ist unendlich größer.“ Bewegt uns das ewige Schicksal der vielen Menschen in der Heimat und in der weiten Welt? Milliarden leben und sterben ohne Jesus. Bewegen uns die Millionen der Städte? Bis zum Jahr 2000 werden schätzungsweise 70 bis 80% der Menschen unserer Erde in Städten leben, in Städten mit ihrer Kultur der Einsamkeit. Die Zeit drängt. Sie ist kurz. Die Statistik über Missionare in Westdeutschland ist erschütternd: Auf eine Million Protestanten kommen 49 Missionare, während es in anderen Ländern über 200, in Norwegen sogar über 300 sind. Wie soll das Werk des Herrn vorankommen? Sind wir nicht total überfordert? Wir — ja! Aber Jesus steht bereit. Er will wirken durch uns, nicht wir durch Ihn. Tief bewegt sah der Herr die verlorenen Menschen, zugleich aber ermutigt er die Seinen: „Die Ernte ist groß, aber wenige sind der Arbeiter. Darum bittet den Herrn der Ernte, daß er Arbeiter in seine Ernte sende“ (Matth. 9, 37—38). „Wenn ihr den Vater bittet in meinem Namen, wird er’s euch geben“ (Joh. 15, 16). Neue Kraft aus der Stille des Gebets! Dies ist dringlich und notwendig angesichts der harten Gottlosigkeit unserer Zeit, des Gegenwindes des Zeitgeistes und der Schlaffheit in der Christenheit. Bibelbewegung — Gebetsbewegung — Missionsbewegung. Das gehört zusammen. Das wollen wir. Dazu ruft uns der Herr auf. Lienhard Pflaum Orientierung in theologischer Verwirrung Laßt euch nicht verwirren Bibelarbeit über Matthäus 24, 3—8 Eine ganze Schafherde stürzte in den Tod. Aufgeschreckt von wilden Hunden war die Herde blindlings hinter dem Leithammel hergerast. Geradewegs auf einen Steinbruch zu — und abgestürzt. Davor warnt Jesus seine Leute, vor solchem aufgeschreckten, blindlings folgenden Sturz ins Verderben. Verführen heißt eigentlich wörtlich „in die Irre vorausgehen“! Das versucht der Satan bei den Leuten Jesu. Er will sie von Jesus Christus wegziehen und sie in die Irre führen. Deshalb warnt der Herr. Die Gefahr der Verführung wird besonders in der „letzten Zeit“ zunehmen. Denn nun setzt der Satan seine größten Kräfte ein. Er will die Heilsvollendung verhindern. In unseren Versen redet der Herr ganz nüchtern von dieser drohenden Verführung. Gerade darin wird aber seine Bewahrung deutlich. Wer sich dieses sein Wort einprägt, ist vor der Verführung, vor den vielerlei Irrwegen gewarnt. 1. Verführung droht, denn der Feind — verharmlost Die Jünger sind tief beeindruckt. Aus Jesu Worten vom Untergang des Tempels hören sie die Verheißung der messianischen Heilszeit heraus. Wenn der Messias in Herrlichkeit regiert, wird er keinen Tempel mehr brauchen. Die Welt wird zu Ende sein. Die neue Welt Gottes wird dann sein. Sie fragen begierig nach dem Wann? und den Zeichen der Vollendung. Jesus weist die Frage nicht ab. Aber er warnt sie vor jeder Verharmlosung. Sie können nicht neutral beobachten und abwarten. Die Heilsvollendung Gottes geschieht durch erbitterte Verhinderungsangriffe des Satan hindurch. Der Böse will Gottes Heil verhindern. Er will die Heiligen verführen. Da beobachteten sie — die Jünger Jesu damals und heute — Entwicklungen der Welt, rechnen Daten der Wiederkunft aus, legen Fahrpläne des Weitendes fest, machen eindeutige Zeichen aus und — merken gar nicht, wie sie in die Irre abgeführt werden. Sie kämpfen nicht mehr mit ihrem Herrn, gehorsam seinem Befehl zur Mission. Sie stellen sich abseits, überlassen die böse Welt ihrem Schicksal und notieren die Zeichen der Endzeit. Sie streiten um den Zeitpunkt der Entrückung. Sind wir in der großen Trübsal noch da? Wann ist das tausendjährige Reich? Gibt es eine Halb-Wieder-kunft Jesu in den Wolken? Achtung, sagt der Herr: Verführung droht. Wider die Harmlosigkeit der Neutralität. Der Jünger geht so in die Irre. Er ist nicht Beobachter sondern Kämpfer, Zeuge seines Herrn. Er tritt mit dem Zeugnis der Gnade gegen den Bösen an, in der Vollmacht seines Herrn. Er ist nicht Beobachter des Weltunterganges. Er ist Rettungsbote in einer der Vernichtung verfallenden Welt. Nicht Rückzug, sondern der Angriff der Liebe. Nicht neutraler Beobachter, sondern brennende Retterliebe. Dazu mahnt der Herr die Seinen. 2. Verführung droht, denn der Feind — verstellt sich Die Christusfrage wird diese letzte verführte Zeit bestimmen. Der Christus ist ja der Heiland Gottes. Sein Name ist der Heilsname. Und der Böse wird seine Heilande senden. „Ich bin der Christus“, ich bringe und garantiere das Heil. Wie viele treten und traten unter diesem Anspruch auf. So geschieht Verführung. Der Satan verstellt, verkleidet sich in seinen Larven der Heilandsgestalten. Wo ist Heil? Wer bringt Heil? Die historisch-kritische Theologie zeichnet einen Christus sympathischer Menschlichkeit, nur — daß er Gottes Sohn ist, das wird wegerklärt. Der biblisch bezeugte Jesus Christus wird vielfach umgedeutet, verkürzt, zurechtgebogen. Das ist unsere Not heute: Der Name Jesu Christi, sein Anspruch muß für gefährliche theologische Verführung herhalten. So weit ist die Verstellung und Verführung eingedrungen. Ganz zu schweigen von den vielen Heilsbringern, denen so viele verfallen: Die neue Prophetin vom Bodensee, die Bhagwans und Gurus, die Friedensbewegten und Umweltheiler, die politischen und sozialen Heilsideologen — sie alle erheben den Heilsanspruch. Bis hin zu den „Geistbewegten“ und religiösen Erneuerern, den Kho-meini-Radikalen und den Religionsvereinigern — wer das schlichte Zeugnis von Jesus von Nazareth, der der Christus Gottes ist, losläßt, der verfällt der Verführung. Deshalb sagt der Herr das so klar. 3. Verführung droht, denn der Feind — treibt in Angst Die letzte Zeit ist Zeit des Großangriffes des Satans. Er will seine Macht behaupten und übt sie gewalttätig. Kriege, Kriegsdrohungen — er treibt die Menschen gegeneinander. Er versetzt die Leute weltweit in Angst und Schrecken. Seine Macht scheint ungefährdet. Angst ist ein schlechter Ratgeber. Wer in Angst lebt ist leicht verführbar, fällt auf Heilsangebote leichter herein. Jesus redet mit seinen Jüngern ganz offen. Darin wird sichtbar, wie er solcher Gefahr der Verführung entgegentritt. Was zuvor gesagt ist, kann nicht mehr in letzten Schrecken versetzen. Sein deutliches, prophetisch aufdeckendes Wort ist Schutzwall gegen die Angstwelle. Nicht: Die Welt wird immer besser, sondern: Die Welt treibt auf die Zerstörung zu. Damit sind die falschen Heilsrezepte entlarvt, der Verführung gewehrt. „Erschrecket nicht“, so tröstet der Herr. Gerade angesichts der zunehmenden Kriegsgefahr, ja der vielen Kriege heute: „Krieg der Sterne“, Atomkrieg bis zum völligen Aus, „Die Menschen werden verschmachten vor Warten der Dinge, die da kommen sollen“, sagt Jesus. Wir sind heute eine Angstgesellschaft geworden. Leicht manipulierbar deswegen. Wie viele Ängste werden in der sogenannten Friedensbewegung erzeugt und ausgenützt. Statt nüchterner Überlegung schwappen die Emotionen auf. „Erschrecket nicht“, Christen können nüchtern urteilen. Die Welt wird nicht im Atomknall zerstäuben. Gott wird diese Erde vollenden. Wir sind die eigentlichen Optimisten. Wir warten nicht auf den Untergang der Welt. Wir warten auf die Wiederkunft unseres Herrn. Wir leben nicht in willenlos machender Angst. Christen leben in dieser Welt in sich ständig steigernder Freude: Unser Herr kommt. 4. Verführung droht, denn der Feind — vernebelt Gott sitzt im Regiment. Wo der Böse zu triumphieren scheint, vollzieht sich doch das göttliche „muß“, der Heilsplan Gottes zur Vollendung. Diesen Durchblick gibt Jesus den Seinen. Dort geht ein Mensch in die Irre, wird verführt, wo er sich vom Vordergründigen in den Furchtbann schlagen läßt. Hat der Satan allein die Macht? Er regiert doch, treibt die Menschen und Völker gegeneinander. Er sät Haß und vergiftet die Herzen. Millionenfaches Morden und Töten. Die Zeitungen sind voll von Schreckensberichten: Bombenanschläge, Terrorakte, offene und schwelende Kriege, Haßausbrüche. Er scheint der unumschränkte Herr. Und solchen Eindruck verstärkt der Böse. Er vernebelt. Die Gottesfrage wird zur Gottesanklage, ja zur Gotteswiderlegung. Wie kann Gott das Böse zulassen? Welche Vernebelung steht hinter dieser Frage? Wie böse ist der Mensch geworden in seiner Gottesferne, in seiner Auflehnung gegen Gott? — so muß die Frage richtig heißen. Wie machtlos ist doch Gott! Welche Vernebelung. Welchen Herrschaftsraum räumen wir Menschen dem Bösen ein; wir tragen die Schuld. Es ist tückische Vernebelung, Gott die Schuld zuzuschieben. Jesus sagt: „Es muß so geschehen.“ Gott lenkt auch mitten in der Aufgipfelung des Bösen. Es ist das „muß, das den unverbrüchlichen Liebeswillen Gottes verdeutlicht. Er zwingt keinen, er läßt dem Bösen Raum und Zeit zur Reife, aber sein Heilswille bleibt bestehen. Die Schreckensmeldungen sind wie Horrorbilder eines Filmes. Der Film der Geschichte. Das macht kopflos. Doch Jesus schaltet zu diesem Film den Ton an. Sein prophetisches Wort ist der Ton, der diesen Film des Schreckens deutet. Deutet von Gottes Herrschaft, von Gottes Heil, von Gottes Liebe her. Hier wird die Nebelwand aufgerissen. Gott schaut dem allem nicht hilflos oder unbeteiligt zu. Er vollzieht sein „muß“. Er herrscht, regiert und führt die Geschichte zu seinem Ziel. Gott leidet unter dem Bösen der gottvergessenden Menschen, aber — seine Liebe, sein Angebot der Rettung, ohne jeden Zwang, bleibt unwandelbar. 5. Verführung droht, denn der Feind — rät zur Aufgabe Das Ende ist unvermeidlich. Viele denken so und resignieren. Der die Erde vernichtende Krieg ist nur noch eine Frage der Zeit; eine immer tiefer werdende Kapitulation erfaßt die Völker. Die Umweltkatastrophe wird explodieren und uns alle in den Untergang ziehen. Jahreszahlen geistern. Spätestens im Jahr 2050 wird — wenn es dann noch Menschen gibt — die Erde unbewohnbar sein. 1988 ist das Datum für den großen Atomschlag. Im 21. Jahrhundert wird die Bevölkerungsexplosion uns alle gegeneinander treiben. So werden viele End- und Schreckensvisionen verbreitet, oft völlig widersprüchlich. Eine Generation ohne Zukunftshoffnung, ohne Perspektive wächst unter uns heran. Wo keine Ziele mehr da sind, erstirbt jeder Antrieb. „Das ist noch nicht das Ende“, sagt Jesus ganz nüchtern. Gott hat andere Ziele. Wer das biblische Wort ernst- und annimmt kennt nicht nur Gottes Heilsplan, er weiß auch um Gottes Heilsziel. Christen haben eine weit geöffnete Perspektive. Sie müssen nicht den Einflüsterungen zur Kapitulation erliegen. Sie warten in hoffendem Vertrauen auf das Ende, das Gott selbst setzen wird. Das Ende als lOOOjähriges Christusreich, das der Erde volle Zeit zur ungetrübten Entfaltung gibt: das Ende — das mit der Wiederkunft Jesu Christi Gottes Gerechtigkeit offenbaren wird; das Ende, das Neuschöpfung, neuer Himmel und neue Erde sein wird. Wie sollten wir aufgeben? Wer solche Hoffnung hat, wessen Zielblick so klar ist, der steht unter den Antrieben der Hoffnung. Der kann wagende, vertrauende Schritte in das Neue tun. Schritte hinter Jesus her; Schritte der Ankündigung des Gottesreiches. Wir erwarten in freudiger Ungeduld, in wirkendem Warten Gottes Ende. 6. Verführung droht, denn der Feind — greift frontal an Der Böse gibt sich nicht leicht geschlagen. Er will auch zu seinem Ziel kommen. Wo die Verführung nicht greift, da führt er alle Untergangsmächte heran. Jesus unterschätzt den Bösen nicht. Und wir tun gut daran, die Macht des Bösen ernstzunehmen. Er wird die Völker in blindem Haß gegeneinander treiben. Königreiche — auch als Machtideologien zu übersetzen — werden einander bekriegen. Teure Zeit wird sein — die Schöpfung läuft aus. Nahrungsund Lebensmittel werden knapp; Energieträger gehen zur Neige; Wasser, Luft und Boden sind in ihrer Verunreinigung bedrohlich. Die Schöpfung Gottes soll aufhören. Erdbeben durchschütteln im wahrsten Sinne des Wortes alles Bestehende. Der Satan hat Macht und er wird sie immer unverhüllter einsetzen. Doch Jesus kündigt das den Seinen vorab an und damit wird dies alles entlarvt als das, was es in Wirklichkeit ist: Die vergeblichen Anläufe des Teufels. Seit Christi Auferstehung ist die Machtfrage in dieser Welt ein für allemal gelöst. Er ist der Erstling der Neuschöpfung. Jeder, der ihm nachfolgt, wird von ihm umschützt. Der königliche Herr: Mir ist gegeben alle Gewalt, im Himmel und auf Erden. Hier steht nicht Macht gegen Macht, sondern noch zulassende Allmacht gegen wütende Ohnmacht. Mitten im zerstörenden Frontalangriff wird der Jünger Jesu umgestaltet, von einer Klarheit in die andere; widerspiegelt er die Herrlichkeit des allmächtigen Herrn, vollzieht sich an ihm die Neuschöpfung — durchs Sterben hindurch. Wo der Satan zu triumphieren scheint — er wird die Jesusleute bis zur Vernichtung be- drängen — siegt doch des Herrn neuschaffende Kraft. Das ist die tragende Gewißheit des Jüngers auch und gerade im Erleiden. Er läßt sich auch hier nicht in die Irre führen. Er darf in der Nachfolge seines Herrn gewiß bleiben: Durch Leiden zur Herrlichkeit der Vollendung. 7. Verführung droht, denn der Feind — will vernichten Der Satan hat die Vernichtung der Welt und der Menschen als Ziel. Er will Gottes Schöpfung und Geschöpfe zerstören. Letztlich geht damit sein Wüten gegen Gott selbst. Er will seine Ehre in seinem Geschaffenen schänden. Und die Gotteslästerung nimmt überhand. Die Geschöpfe Gottes sollen verführt werden — in die Irre, in die Vernichtung getrieben werden. Doch Jesus sagt ein überwältigendes Trostwort: Das alles ist der Anfang der Wehen. Welch einen Tiefblick gibt er damit den Seinen. Die Welt liegt nicht in den Todeszuckungen. All das Schreckende, Schmerzende, Durchschüttelnde — es sind Wehen. Wehen sind schlimm, bereiten große Schmerzen — aber Wehen künden an: Neues wird geboren. Wo der Feind vernichten will, schafft Gott Neues. Wo der Feind abbrechen will, schreitet Gott zur Vollendung. Wo der Feind Untergang will, setzt Gott Auferstehung. Wo der Feind die Ehre Gottes antastet, singt die Gemeinde das neue Lied, das Halleluja der Anbetung. Die Schöpfung geht ins Nichts. Sie geht auf Gottes Heilsziel zu. Die Zuckungen des Bösen werden zu Wehen der Neuschöpfung. Jesus hat es zuvor gesagt. Wer seinem Wort vertraut, der wird der Verführung entgehen, wird nicht in die Irre gehen, sondern zum Ziel Gottes geführt. „Lasset euch nicht verführen.“ Die Nachfolge ist nicht vergeblich. Glaube, Vertrauen, Hoffnung sind nicht vergeblich. Gott wird Erfüllung geben. „Verführen“ kann auch mit „ausbluten lassen“ übersetzt werden. Der blutet aus, der nicht täglich neuen Zustrom aus dem Wort Gottes hat. Wer sich von Gottes Wort füllen läßt, der kommt durch, hat Kraft zu zielgerichtetem Gehen. Dr. Heiko Krimmer Wider die Ideologie der Selbstbestimmung „Gemessen an den anstehenden Aufgaben und Herausforderungen im Weltmaßstab ist der Mensch eine Fehlkonstruktion!“ So kann man es allemal hören und lesen. Tatsächlich ist es eine häufig zu machende schmerzliche Erfahrung, daß wir als einzelne wie als ganze Gruppen und Völker im Bemühen um Frieden, Notbewältigung und Erhaltung der Schöpfung versagen, egal, ob wir Christen sind oder nicht. Am Ende des Berichtes von der Erschaffung des Himmels und der Erde in 1. Mose 1 heißt es ausdrücklich, daß Gott sein Werk als „sehr gut“ beurteilte. Auch der Mensch als „Bild Gottes“ und „Krone der Schöpfung“ gehört zu Gottes gutem Werk. Wer vom Menschen als einer Fehlkonstruktion spricht, gibt sich demnach mit Gottes Werk und damit mit Gott selbst nicht zufrieden. Es ist so vieles zu verbessern, und vielfach weiß man auch schon wie. In solchen Heilskonzeptionen wird der biblische Glaube selbst entweder über Bord geworfen oder bedarf dringender Ergänzung durch weiterführende Anschauungen und wissenschaftliche Erkenntnisse. Diese Unzufriedenheit mit dem Schöpfer ist nicht neu. Schon in der Bibel hat sie verbreitet ihren Niederschlag gefunden. Wir fragen deshalb zuerst zurück nach dem Menschen, wie ihn Gott geschaffen und gewollt hat, und vergleichen diesen dann mit dem Menschen in der Selbstbestimmung. Abschließend sollen die Möglichkeiten des von Gott bestimmten Menschen aufgezeigt werden. 1. Ton in der Hand des Töpfers — der von Gott gewollte Mensch „Wenn ich sehe die Himmel, deiner Finger Werk, den Mond und die Sterne, die du bereitet hast: was ist der Mensch, daß du seiner gedenkst, und des Menschen Kind, daß du dich seiner annimmst? Du hast ihn wenig niedriger gemacht als Gott, mit Ehre und Herrlichkeit hast du ihn gekrönt. Du hast ihn zum Herrn gemacht über deiner Hände Werk, alles hast du unter seine Füße getan: Schafe und Rinder allzumal, dazu auch die wilden Tiere, die Vögel unter dem Himmel und die Fische im Meer und alles, was die Meere durchzieht. Herr, unser Herrscher, wie herrlich ist dein Name in allen Landen!“ (Ps. 8, 4—10). So lobt der von Gott zu seinem Bild geschaffene Mensch den Schöpfer, wenn er seine eigene Kleinheit im Vergleich zu Gottes großem Werk erkennt und über die hohe Würde, mit der er dennoch versehen ist, ins Staunen gerät. Das ist der Platz, an den Gott ihn gestellt hat mit dem Segensauftrag zur Vermehrung und Beherrschung der Erde (1. Mo. 1, 28). Die Würde des Menschen hat demnach mit der Erklärung der Menschenrechte nichts zu tun. Sie hängt ausschließlich daran, daß Gott den Menschen „zu seinem Bilde“ geschaffen, ihn so gewollt hat. Ob man sich Gott deshalb wie den Menschen vorzustellen habe, ist hier abwegig zu fragen. Vielmehr müssen wir zu verstehen suchen, worin sich diese Gottebenbildlichkeit erweist. Das erste ist, nach dem ausführlichen Bericht in 1. Mose 2, daß sich der Mensch grundsätzlich vom Tier unterscheidet. So sehr manche Verhaltensweisen z. B. bei Ratten, Affen oder Graugänsen denen des Menschen vergleichbar sind, daraus für unser Menschenverständnis bindende Schlußfolgerungen zu ziehen, heißt, ihn zum Tier zu erniedrigen. Aber Gott hat den Menschen als ein Gegenüber geschaffen, das hören und antworten kann. Darin unterscheidet er sich von jedem Tier. Indem der Mann in der Frau den Mitmenschen zur Seite gestellt bekommt, findet er in der zwischenmenschlichen Beziehung die nötige Entsprechung zu seiner Beziehung zu Gott auf menschlicher Ebene. Kein Tier kann diese Beziehung ersetzen. Damit ist ein weiteres Merkmal der Gottebenbildlichkeit angegeben: Indem der Mensch zum hörenden und antwortenden Gegenüber Gottes geschaffen ist, kann und muß er sich auch klar unterscheiden von Gott. Der Mensch ist nicht Gott, ist nicht sein eigener Schöpfer. Er empfängt sich selbst aus Gottes Hand, indem er sein Ich in der Begegnung mit dem Du Gottes erkennt. Damit wird er zur Person. Weil Gott Person ist, hat auch der Mensch Personwürde. Das kann man sich beim Tier nicht vorstellen, auch wenn der Mensch manche Haustiere zu Fast-Personen erhebt (sie können allerdings nicht antworten). Schließlich ist der Mensch, weil er hören und antworten, sein Tun auf sein Gegenüber einstellen kann, verantwortungs- und damit schuldfähig. Als Gott den Menschen nach dem Fall aufsuchte, mußten sich Mann und Frau nacheinander verantworten (die Schlange konnte nicht antworten, sie empfing als Un-Person nur ihr Urteil; 1. Mo. 3, 11 ff.). Wo der Mensch dagegen als Produkt seiner Triebe und des Umwelteinflusses verstanden wird, wird er seiner Personwürde beraubt und seine Schuldfähigkeit zumindest eingeschränkt. An diesen Merkmalen der Gottebenbildlichkeit des Menschen hat sich nach dem Sündenfall nichts geändert. Bis heute ist der Mensch, so wie Gott ihn gewollt hat, Mensch allein im Gegenüber zu Gott, vom Tier unterschieden dadurch, daß er Person ist, und von Gott dadurch, daß er ihm Verantwortung schuldet. Darin liegt aber auch seine große Versuchlichkeit, der er mit dem Sündenfall auf Dauer erlegen ist: Daß er sich mit dem Tier vergleicht und auf eine Stufe mit ihm stellt und daß er sich seinem Auftrag, seiner Verantwortung entzieht, Schuld bestreitet und seine Begrenztheit und Abhängigkeit gegenüber dem Schöpfer verkennt. Damit hat er aber auch seine Gottebenbildlichkeit preisgegeben. Ebenbildlichkeit setzt einen bleibenden Unterschied voraus. Ebenbildlichkeit ist keine Ebenbürtigkeit. Der Ton ist etwas grundsätzlich anderes als der Töpfer (vgl. Jer. 18, 1—10). 2. Der 7on als 7öpfer — der selbstbestimmte Mensch Beim Propheten Jesaja ist ein eindrückliches Beispiel einer Auseinandersetzung um die Selbstbestimmung des Menschen zu lesen: „Weh dem, der mit seinem Schöpfer hadert, eine Scherbe unter irdenen Scherben! Spricht denn der Ton zu seinem Schöpfer: Was machst du? und sein Werk: Du hast keine Hände! Weh dem, der zum Vater sagt: Warum zeugst du? und zum Weibe: Warum gebierst du? So spricht der Herr, der Heilige Israels und sein Schöpfer: Wollt ihr mich zur Rede stellen wegen meiner Söhne? Und wollt ihr mir Befehl geben wegen des Werkes meiner Hände? Ich habe die Erde gemacht und den Menschen auf ihr geschaffen. Ich bin’s, dessen Hände den Himmel ausgebreitet haben und der seinem ganzen Heer geboten hat“ (Jes. 45, 9—12). Es scheint zur Bestimmung des Menschen zu gehören, mit seiner gottgewollten Begrenztheit als Ton in der Hand des Töpfers unzufrieden zu sein. Ein wirksamer Griff in die Trickkiste der Versuchung ist nach wie vor die Frage, warum Gott den Menschen überhaupt so unvollkommen und schwach geschaffen hat. Dabei widerstreitet das eigene Bedürfnis nach Freiheit und Selbstbestimmung, oft ohne daß man sich dessen bewußt ist, der Erkenntnis, daß Gott den Menschen damit gerade in eine unheimlich große Freiheit hineingestellt hat, ja, daß dies wesentlich zu seiner Gottebenbildlichkeit gehört. Die offenbar tief im Menschen sitzende Abneigung gegen jede Fremdbestimmung, sein „sein wollen wie Gott“, hat so gleich am Anfang zum Umsturz geführt. Gott wurde abgesetzt, und seither bemüht der Mensch sich verzweifelt, mit den Folgen fertig zu werden. „Siehe, es ist überhaupt nicht gut!“ Wenn Gottes Schöpfer-Urteil ins Gegenteil verkehrt wird, hat er auch nichts mehr zu bestimmen bei dem, was Besseres herauskommen soll. Dies gilt auch von Christen, die vor sich selbst und anderen Gottes Willen zu halten bemüht sind. Insgeheim aber, oft ohne sich dessen bewußt zu sein, suchen sie nur das Eigene. Erst in der Seelsorge, wenn das starke Ich unter die Heiligung kommt und gebeugt wird, wird auch die Sünde der Selbstbestimmung und des Ungehorsams deutlich. Vergebung macht dann einen neuen Anfang möglich. Der Weg dorthin ist freilich mit schier unüberwindlichen Hindernissen verstellt. Der Mensch hat entdeckt, welche Fähigkeiten er besitzt, mit den Herausforderungen des Lebens fertig zu werden. Sie geben ihm eine große Macht über das Leben, die Natur, die Welt, aufbauend wie zerstörend. Erschreckend dabei ist, daß das Gute, das er will, oft auch das Gegenteil bewirkt. So sucht er durch immer tiefergreifende Forschungen und wirksamere Methoden lebenswertes Leben zu schaffen. Er benutzt, was Gott in seine Schöpfung gelegt hat, ohne Beziehung zum Schöpfer. Verschiedenste Methoden, die die Humanwissenschaften bereitstellen, lassen einen neuen Menschen machbar erscheinen. Tatsächlich beeinflussen Erziehung, Methoden der Verhaltenswissenschaft und die Bezugsgruppe unser Verhalten. Der gesteuerte Mensch wurde in den letzten Jahren, zumal in Verbindung mit „1984“, immer mehr zu einer Schreckensvision. Dennoch: Die Machbarkeit des Menschen ist offenbar keine Utopie mehr und viele suchen darin ihr Heil. Der Mensch wird zu seinem eigenen Schöpfer. Vertreter solcher Menschenbeeinflussung rechtfertigen ihre Methoden damit, daß sie faktisch vorhanden und nachweislich wirksam sind. Warum soll man sie dann nicht anwenden dürfen? — Wie in anderen Bereichen ist auch hier zu fragen, ob Macht und Mittel, die uns gegeben sind, auch gut sind. Die Frage nach Gut und Böse wird so schnell ausgeblendet, wenn ein ersehntes Ziel in greifbare Nähe rückt, wenn Macht und Einfluß vergrößert werden können. Was gut ist, kann der sich selbst schaffende Mensch nicht mehr an Gott, an einem Maßstab außerhalb seiner selbst messen. Erlaubt ist dann, salopp gesagt, was nützt, oder was machbar ist, wie z. B. gesund zu sein, wenig unangenehme Arbeit tun zu müssen, seine Fähigkeiten entfalten zu können, befriedigende persönliche Kontakte zu haben und sich angemessen ausruhen zu können. Diese Maßstäbe werden durch systematische Beobachtung des menschlichen Verhaltens ermittelt. Aber auch dort, wo absolute Werte, unabhängig vom menschlichen Verhalten, als Maßstab dienen, wie Nächstenliebe, Ehrlichkeit, Rücksichtnahme, Hilfsbereitschaft, geht es letztlich um Ideale des Humanismus. Der Mensch wird hier zum Maß aller Dinge erhoben. Auch christliche Tugenden können so in ein Machbarkeitssystem eingefügt werden, in dem nicht Gott, sondern das eigene Ich am Dirigentenpult steht. Bei diesen vernünftig begründeten und sogar wissenschaftlich belegbaren Maßstäben ist nicht zu übersehen, daß sie nur scheinbar objektiv sind. Alle Forschung hat ihre Ursache in menschlichen Beweggründen und führt letztlich auf den Menschen zurück. Vielfach wird heute erst gar nicht mehr nach allgemein gültigen Maßstäben gefragt. Gut ist, wonach einen verlangt, was man als Bedürfnis verspürt. Je mehr aber die Gefühle zum Richtwert gemacht werden, desto deutlicher ist auch hier, daß der Mensch ohne Gott sich um sich selbst dreht, in sich selbst verkrümmt ist, wie es der Kirchenvater Augustin ausdrückt. Wer gewohnt ist, seine Entscheidungen und sein Verhalten aus sich selbst zu bestimmen, hat die größten Schwierigkeiten mit dem biblischen Menschenverständnis. Nicht nur kann er keine höhere Instanz als entscheidende Person über sich anerkennen, er wird auch wenig anfangen können mit den Werten wie Hingabe, Opferbereitschaft, Verzicht, Treue. In der Öffentlichkeit bekannte Menschen, die solche „Ideale“ Vorleben, werden bestaunt wie ein Wunder und mit Orden geehrt, weil man merkt, daß hier etwas lebt, was einem selbst, dem zum Gott erhobenen Selbst, fehlt. Entsprechend ist man auch hilflos gegenüber Kranken und Sterbenden. Spätestens mit dem eigenen Sterben muß die Illusion zerstäuben wie eine Seifenblase, daß der Ton sein eigener Töpfer sein könnte. 3. Der Ton lobt den Töpfer — der Mensch in der Waffenrüstung Gottes „Zuletzt: Seid stark in dem Herrn und in der Macht seiner Stärke. Ziehet an die Waffenrüstung Gottes, daß ihr bestehen könnt gegen die listigen Anläufe des Teufels.“ Diese Ermahnung des Apostels Paulus am Ende des Epheserbriefes (6, 10. 11) weist uns den richtigen Weg in der Auseinandersetzung um die Selbstbestimmung. Das biblische Verständnis wird oft verzerrt dargestellt dadurch, daß die Ergebung in Gottes Willen mit völliger Unfreiheit und Selbstaufgabe verbunden sei. Demgegenüber macht das Pauluswort deutlich, daß sehr viel an uns, an unserem Tun liegt. Wir sind voll dafür verantwortlich und haben selbständig zu entscheiden. Keineswegs funktionieren wir wie Marionetten. Dennoch: Unsere Größe und Stärke liegt nicht in uns selbst begründet, sondern „im Herrn“. Gerade im Sich-Verlassen auf Gott und nicht auf den Menschen, sich selbst, liegt das Entscheidende und zugleich Befreiende. Um bestehen zu können, braucht der Mensch einen Halt außerhalb seiner selbst, in dem, der Macht hat, nicht nur Leben zu nehmen, sondern auch Leben zu geben — zu schaffen aus dem Nichts, aus reiner Barmherzigkeit. Deshalb vermag der Christ von Herzen dankbar zu sein für solche Abhängigkeit vom Schöpfer. Erst mit ihm und durch ihn vermag er seine Aufgabe zu tun. Indem wir „in Christus bleiben“, freuen wir uns daran, daß wir „ohne ihn nichts tun“ können (Joh. 15, 5). Alle Möglichkeiten, die dem Menschen gegeben sind, müssen wir deshalb daraufhin prüfen, wieweit sie unser in Christus gegründetes Ich fördern oder behindern oder wieweit sie eher den alten Menschen, das sich selbst genügende und bestimmende Ich stärken. Dies können wir nicht tun ohne feste Bindung an Christus, weil wir unterscheiden müssen zwischen dem, was geistlich (pneumatisch) und was fleischlich oder seelisch (psychisch) ist (vgl. D. Bonhoeffer). „Der natürliche Mensch vernimmt nichts vom Geist Gottes“ (1. Kor. 2, 14). In dieser geistlichen Sicht wird dann deutlich, daß die vielen Möglichkeiten und Fähigkeiten des Menschen keineswegs unbesehen verwirklicht werden dürfen. „Die listigen Anläufe (oder Schliche) des Teufels“, denen wir standhalten sollen, werden im griechischen Urtext bezeichnenderweise mit dem Wort „Methoden“ benannt. Tatsächlich können wir hinter jeder Methode, mit der wir menschliche und selbst göttliche Ziele an Gott vorbei zu erreichen versuchen, die Taktik des „Durcheinanderbringers“, des Diabolos sehen, den Menschen aus seiner Christusbindung zu lösen und auf sich selbst zu stellen. Das Heimtückische dieser Taktik ist, daß sie dem Menschen selbst sehr wohltut. In dieser geistlichen Sicht wird dann aber auch deutlich, daß wir aus uns selbst heraus nicht die geringste Chance haben, Gott Wohlgefälliges zu tun. Auch was wir nach eben menschlichen Maßstäben als gut ansehen, steht immer schon unter dem Vorzeichen der Sünde. Der von Gott getrennte Mensch kann nicht mehr erreichen als was unter der Sünde steht. Das gilt von der Arbeit an der Lösung der Menschheitsfragen genauso wie von unserem persönlichen Bemühen um die Klarheit unseres Lebens. Wir werden manchmal angegriffen, weil Christen — zumal im Blick auf die Schuld der 2000 Jahre alten Christenheit — das Gute nicht tun, das sie wollen, und andere, nichtchristliche Menschen demgegenüber geradezu vorbildlich wirken. Tatsächlich werden wir von solchen „idealen“ Menschen beschämt, und dennoch: Ohne Christus sind sie verloren. Auch wo wir als Christen, als geheiligte Menschen aus Gott leben, bekommt unser Tun dadurch keinerlei Heilsqualität. Wo immer Ziele, Werte, Handlungs- und Verhaltensweisen unabhängig von Gott als gültig oder wirksam gesehen werden und gesehen werden können, haben sie damit an sich schon keinerlei Heilsbedeutung. Ausschließlich Gottes Gnade bleibt es Vorbehalten, Menschen im Ewigkeitshorizont zu heilen und neu zu machen. Nun wäre es freilich kurzschlüssig, zu meinen, als Christen müßten wir uns von solchen Möglichkeiten und Methoden fernhalten. Im Gegenteil, weder können wir uns selbst reinhalten noch ganz ohne sie im täglichen Leben auskommen. So können wir z. B. ohne konkrete Einflußnahme unsere Kinder nicht erziehen. Ohne klare Wertmaßstäbe geriete unser Verhalten in Familie, Gemeinde und Gesellschaft in Unordnung. Wo wir aber meinen, mit unserem eigenen Tun, mit unserer Erziehungsarbeit, mit unserer Seelsorge usw. den Absichten Gottes nachhelfen zu können, da greifen wir ihm doch wieder ins Ruder. So ist schließlich deutlich, daß unser Tun und Verhalten zwar wichtig und notwendig ist, aber niemals das Letztentscheidende sein kann. Auch die großen Fragen der Menschheit nach Frieden, Gesundheit, Nahrung und Umwelterhaltung können in diesem Sinn immer nur etwas Vorläufiges sein. Tatsächlich ist unser Ziel in Erziehung und Seelsorge ja nicht, daß der Mensch mit einer bestimmten Verhaltensordnung, sondern mit dem lebendigen Christus in Einklang steht. Seine Gnade, daß er aus Liebe zu uns Sündern sein Leben in Austausch brachte, ist und bleibt allein das Entscheidende — und sie reicht aus. Ihr gegenüber muß all unser eigenes Tun im Grunde in Nichts zerrinnen. Nicht das menschliche Tun, nicht unsere Selbstbestimmung schafft das Heil, sondern Gottes Gnade in seinem Sohn allein. Wo wir uns von ihm ergreifen, von seiner Liebe bewegen lassen, da wird es auf die Dauer nicht ausbleiben, daß er Gestalt findet in unserem Leben, in unserem Miteinander, in unserem Verhalten. Freilich nicht automatisch. Gottes Heiliger Geist macht uns bereit zum Vertrauen und zum Gehorchen: Dein Wille, Herr, ist gut. Nicht mehr Selbstbestimmung, sondern die so verpönte Fremdbestimmung durch den, dem allein man wirklich vertrauen kann, die Christusbestimmung ist der uns Christen kennzeichnende Weg. Wo er so in unserem Leben zur Geltung kommt, wo wir aus der Vergebung leben, uns an seiner Gnade genügen lassen, da haben wir auch in Christus den neuen Menschen angezogen (Eph. 4, 24), in dem Gottes Bild erkennbar wird. In ihm haben wir die Waffenrüstung Gottes, die wir so nötig brauchen. So darf uns unser Tun oder Nicht-Tun in keiner Weise blenden oder blockieren. Ausschließlich in ihm, in dem, was er längst für uns getan hat, haben wir unseren Halt. Darin finden wir dann auch zurück zu unserer ursprünglichen Bestimmung, daß das Werk den Schöpfer lobe, daß aus unserer Art zu leben — und zu sterben — der Glanz zurückstrahlt auf den, dem wir gehören und der uns zu seiner Ehre geschaffen hat. Unser Singen und Beten, unser Loben und Danken kann dazu im Grunde nur einen winzigen Tropfen beitragen, der hinweist auf das Meer seiner Gnade. Claus-Dieter Stoll Wir sind nicht klugen Fabeln gefolgt —Die Autorität der Bibel — I. Das angegriffene Wort „Mir können Sie nichts mehr vormachen“, sprach mich nach einem Jugendabend einer der Teilnehmer an, „ich war zwei Jahre lang Kinderkirchhelfer. Das mit der Bibel glaube ich nicht mehr. Da ist nichts dran.“ Unzählige unserer Zeitgenossen empfinden die Bibel eher als Problem. Ja, viele sprechen sehr aggressiv dagegen, wenn man von der Zuverlässigkeit der Bibel spricht. Soweit es Menschenwort ist — okay. Da ist die Bibel sogar in manchen Teilen vorbildlich. Die Bergpredigt etwa ist geradezu ein Renner in unseren Tagen — wie übrigens auch bei Gandhi. Aber soweit sie Gottes Wort sein will, mit göttlichem Anspruch auf mich zukommt — nein, da schaltet man ab. Schon immer war das biblische Wort ein angegriffenes Wort. Sogar zur Zeit des Petrus. Sonst würde Petrus nicht so entschieden betonen: „Wir sind nicht ausgeklügelten Mythen (oder Fabeln) gefolgt“ (2. Petr. 1,16). Wo liegen die Angriffe heute? Es gehört zu den Unbegreiflichkeiten der Geschichte, daß vor Jahren Rudolf Bultmann eine „Entmythologisierung“ des Neuen Testaments forderte, obwohl das Neue Testament selbst entschlossen alle Mythen hinausgeworfen hat! „Wir sind nicht ausgeklügelten (oder: ausgedachten) Mythen gefolgt“, sagt Petrus. Mit Mythen will er nichts zu tun haben. Denn Mythen sind immer Menschengedanken über Gott. Es war ein Grundfehler Bultmanns, daß er sich die richtigen Begriffe, die sachgemäße Sprache für die christliche Botschaft nicht von der Bibel selber, sondern von der Philosophie seiner Tage geben ließ. Das ging soweit, daß er seine Studenten nötigte, seine Begriffe zu übernehmen. So berichtet Helmut Thielicke in seinen Erinnerungen, wie Bultmann aufbegehrte, als ein Seminarteilnehmer mit eigenen Worten formulieren wollte: „Das ist zwar nicht ganz falsch, aber bitte gebrauchen Sie meine Terminologie!“ Nun wollen heute nur noch wenige „Bultmannianer“ sein. Aber das biblische Wort ist ein angegriffenes Wort geblieben. Das beginnt mit dem Religionsunterricht an vielen Orten. Beispielsweise wird angehenden Schreinern im ersten Berufsschuljahr vermittelt, daß es zwei Schöpfungsberichte aus zwei verschiedenen Zeiten und von ganz verschiedenen Verfassern gebe. Man fragt sich, was damit die jungen Schreiner sollen. Ihre Probleme kommen hier ja gar nicht vor. Daß die Bibel eine Anrede Gottes an mich ist, kommt hier kaum zum Zug. Stattdessen werden sie mit Vermutungen bombardiert, ohne daß klar genug gesagt wird, daß es sich nur um Vermutungen handelt, die von vielen Theologen als ganz falsch betrachtet werden und jedenfalls aus der Bibel nicht begründbar sind. Was läuft heute an sogenannten „Informationen“ z. B. in Bibelstunden ab? Da sind angeblich die Petrusbriefe nicht von Petrus, die Epheser-, Kolosser- und Hirtenbriefe nicht von Paulus, das Johannesevangelium nicht von Johannes, Matthäus nicht von Matthäus, zahlreiche Jesajakapitel nicht von Jesaja, das Gesetz nicht von Mose. Dabei wird uns zum Trost gesagt, es käme auch gar nicht darauf an, wer was geschrieben habe. Manche sagen mit Heinz Zahrnt: „Diese historisch unechten Stellen brauchen nicht auch sachlich-theologisch unecht zu sein, sondern können eine. . . (berechtigte) Auslegung des historisch Echten darstellen. Darum kann ich mit gutem Gewissen auch über sogenannte historisch unechte Stellen predigen.“ Aber was zurückbleibt, ist eine tiefe Ungewißheit in der Gemeinde darüber, was nun wirklich geschehen ist. Ich möchte bei diesen Beispielen, die ja nur einen winzigen Auszug aus den Anfechtungen bilden, die uns im Zusammenhang mit der Bibel begegnen, eines nicht übergehen. Das ist der Abgrund, der sich in uns selber auftut. Der Abgrund, der von der Frage aufgerissen wird: Ist es nicht doch ein reines Menschenwort? Was wäre denn, wenn Matthäus wirklich das Matthäusevangelium, Johannes das Johannesevangelium, Mose das Gesetz niedergeschrieben hätte — und hier nur Matthäus, Johannes, Mose usw. schreiben würde? Wenn ich also nur den Menschen Matthäus usw. höre? Wenn hier nur gläubige Menschen am Werk wären? Wenn alles also lediglich fromme Illusion wäre? Jeder Prediger steht vor dem Abgrund der reinen Menschlichkeit des Wortes. Und in den Abgrund dieser Anfechtung stößt nun Petrus vor, wenn er in 2. Petr. 1, 16—21 darlegt, wie die Apostel zu ihrer Botschaft gekommen sind (2. Petr. 1, 16—21 lesen!). II. Das reale Wort Der ganze Abschnitt 2. Petr. 1, 16 ff. beginnt mit einem machtvollen, kristallklaren „Nein“! Weg mit der Vorstellung, Menschen hätten hier etwas ausgedacht! Der Ursprung der Bibel liegt nicht in der Menschenebene — das ist eine Grundthese des Neuen Testaments. Das Neue Testament ist niemals ein Mythos gewesen. „Mythos“ ist im Neuen Testament stets Bezeichnung von Irrlehre. Im neutestamentlichen Wörterbuch wird das griechische „mythos“ übersetzt mit: „erdichtete Geschichte“, „Sage“, „Fabel“. Alle diese Begriffe fallen unter das scharfe „Nein“ des Petrus: keine „erdichtete Geschichte“ — sondern reale Geschichte; keine „Sage“ — sondern gewissenhafte, treue Überlieferung des Wirklichen; keine „Fabel“ — sondern heilsames Geschehen in Zeit und Raum. Oder mit dem Theologischen Wörterbuch zum NT formuliert: „Der Mythos“ wird im Neuen Testament rundweg abgelehnt; denn er ist das Mittel und Merkmal einer fremden Verkündigung“. Stattdessen führt uns Petrus zum realen Wort. Es ist ihm begegnet in der Gestalt des Messias Jesus. Wie hat er Jesus erlebt? Petrus antwortet: „Wir sind zu Augenzeugen seiner Größe geworden.“ So übersetzt Schiatter den Schluß von 2. Petr. 1, 16. Ja, das griechische Wort, um das es hier geht, ist noch schärfer zugespitzt. Es meint den „Beobachter“, u. U. heißt es sogar „Kontrolleur“! Von dieser Augenzeugenschaft redet nicht nur Petrus. Davon reden auch Johannes (vgl. Joh. 1., 14; 21, 24f.; 1. Joh. 1, 1 ff.; Apg. 4, 20), Lukas (1, 2) oder Paulus (Apg. 22, 6ff.; 26, 12ff.; Gal. 1,12ff.). Und wieder muß man fragen: Warum ist der Bibel die Augenzeugenschaft so wichtig? Weil sie zutiefst einschneidende Konsequenzen hat. Einige dieser Konsequenzen möchte ich hier wenigstens andeuten. Augenzeuge kann ein Mensch nur bei dem sein, was real passiert ist. Spekulationen kennen keine Augenzeugen! Für Erfindungen, Erdichtungen gibt es wohl Ohrenzeugen, aber wiederum keine Augenzeugen. Augenzeugenschaft gehört ganz und gar in die Welt der Realität. Augenzeugenschaft bedeutet ferner Gewißheit. Die Botschaft des Neuen Testaments geht gewissermaßen freiwillig auf den Teststand der Geschichte. Erdachtes bleibt immer zweifelhaft. Geschehenes kann nur dadurch bekämpft werden, daß man daran zweifelt, ob es geschehen ist. Steht es also fest, daß es geschehen ist, dann kann ich es nicht mehr ausradieren. Ich kann seine Gültigkeit bloß noch für mich ablehnen. Das ist die Eigenart des christlichen Glaubens, daß er sich an das anhängt, was real passiert ist. Er kann dann allerdings auch dadurch erschüttert werden, daß man beweisen will, was an ihm ungeschichtlich sei. Und gerade deshalb — weil wir Augenzeugen haben! — fragt die Gemeinde mit Recht nach dem, was denn in Wirklichkeit vorgefallen ist. Es ist außerordentlich interessant, daß Petrus an dieser Stelle auf ein ausgesprochenes Wunder verweist: auf die Verklärung Jesu. Statt Jesus als Menschen, als moralisches Vorbild o. ä. vorzuführen, spricht er von der Gottesstimme, die Jesus laut und deutlich „mein lieber Sohn“ nennt, und fährt fort: „Diese Stimme haben wir gehört, als wir mit ihm waren auf dem heiligen Berge“ (2. Petr. 1, 18). Alles ist hier nüchtern und real: das Hören, die Worte, der Aufenthalt auf dem Berg. Petrus verbürgt sich selbst für die Tatsächlichkeit des Wunders. So real ist das Wort, mit dem wir es in der Bibel zu tun haben! Gott hat auf dem Berg gesprochen — und nicht ein Mensch! Der Neutestamentler Gustav Stählin hat den Nagel auf den Kopf getroffen, wenn er schreibt: „Das NT konnte nicht sagen, daß ein Wort oder eine Geschichte „Wahrheit enthält“, wenn sie mit der Wirklichkeit nichts gemein haben. Man steht entweder auf der Seite des Mythos oder auf der rechten Seite der nt.-liehen Wahrheit.“ 1942, mitten im Tosen des zweiten Weltkrieges, verfaßte der Liederdichter Rudolf Alexander Schröder als Nichttheologe ein Geleitwort zu dem größten Theologischen Wörterbuch, das wir besit- zen. In diesem Geleitwort zieht er einen Trennungsstrich zur historisch-kritischen Methode. Er habe „seit je ein sehr bedingtes Verhältnis gehabt zu dem, was man philologisch-historische Kritik nennt“. Es „scheint mir, angesichts des Buches, das wie kein anderes Anspruch auf das unbedingte Vertrauen seiner Leser erhebt, ein Verfahren besonders bedenklich, das zugestandenermaßen vom Zweifel seinen Anfang nimmt, und — gleichnisweise gesagt — dem geschenkten Gaul ins Maul schaut, um nach Käuferart zu prüfen, wie weit er noch zu brauchen sei und wie weit nicht.“ Ist es richtig, daß Gott gesprochen hat, daß ein reales Wort ergangen ist, daß Menschen sich als Augenzeugen für die Wirklichkeit dieses Wortes verbürgen, dann allerdings kann das Bibelwort nicht menschlich — allzumenschlicher Kritik unterworfen werden. Dann verbietet sich jede Besserwisserei. Umgekehrt aber haben wir allen Grund, uns total auf dieses Wort zu verlassen. III. Das zur Bibel gewordene Wort Stellen Sie sich vor, Sie gingen zu Ihrem Arzt. Und Ihr Arzt würde Ihnen genau sagen, was Ihnen fehlt. Er hätte z. B. ein wunderschönes Modell von einer menschlichen Wirbelsäule im Zimmer, würde es zusammendrücken und auf diese Weise klarmachen, woher die grausamen Schmerzen kommen, die Sie beim Sitzen quälen. Und dann, am Schluß des Gespräches, würde er erklären: „Für die Heilung bin ich nicht zuständig, da müssen Sie anderswo suchen.“ Sie würden den Kontakt mit diesem Arzt abbrechen und tatsächlich einen anderen suchen. Jetzt nicht mehr im Bild gesprochen: Wenn unsere Bibel nicht das echte, heilende Wort ist, das wir für Leben und Sterben brauchen, wenn sie nur Hinweise auf das Eigentliche gibt, dann haben wir eben das heilende Wort nicht! Dann stecken wir noch im Sumpf! Vor uns öffnet sich die grausame Möglichkeit — und die kritische Theologie stößt uns mit der Nase darauf — daß zwar das echte, heilende Wort damals da war, aber nicht mehr heute. Damals: bei den Augenzeugen wie Petrus. Damals: bei Jesus selbst. Heute aber hätten wir nur noch das Echo, nur noch den menschlichen Einschlagtrichter, Zeugnis, nur noch den undeutlichen Widerschein in einem Buch namens Bibel. Bibel und lebenschaffendes, heilendes Wort verhalten sich dann wie ein Gespräch über das Leben zum Leben selbst. Steigen wir noch einmal von einer anderen Seite her ein. Stellen Sie sich vor, Sie müßten dringend jemand sprechen. Er hat Telefon. Sie schlagen im Telefonbuch seine Nummer nach. Sie rufen an. Die Sekretärin meldet sich. „Moment mal“, sagt sie, „ich werde ihn fragen.“ Und dann kommt sie nach einer Weile zurück und sagt: „Einen schönen Gruß vom Herrn X und das sei so und so.“ Sie fragen weiter. Und Sie haben immer nur die Sekretärin am Telefon. Sie wissen überhaupt nicht, was Herr X wirklich gesagt hat! Wären Sie befriedigt? Wir verlassen wieder das Bild und reden im Klartext: Wenn in der Bibel immer nur Menschen reden würden, immer nur Zeugen, aber nicht der dringend Gesuchte, nicht der lebendige Gott selbst, dann wüßte keiner von uns, wie er wirklich dran wäre. Aber: Was sagt denn die Bibel selbst? Die Antworten, die sie auf unsere Fragen bietet, sind glasklar. Das prophetische Wort des Alten Testaments ist von oben, von Gott selbst (V. 19). Den Zugang zu diesem Wort kann der Mensch weder erzwingen noch eigenmächtig regeln. Keine Weissagung der Schrift wird durch menschliche Deutung richtig erfaßt (V. 20). Wir sind beim Auslegen vielmehr abhängig vom Heiligen Geist. Weil das Wort von oben kommt, weil es als Licht der Tröstung und Weisung bis in die Dunkelheiten unserer Existenz, ja sogar der antichristlichen Verfolgung hineinleuchtet, deshalb sagen die Bekenner des lebendigen Gottes das, was in der Losung vom 8. Mai stand: „Mag es uns erwünscht oder unerwünscht sein: dem Gebot des Herrn, unseres Gottes, wollen wir gehorchen“ (Jer. 42, 6). Es lohnt sich, noch einmal genauer in das 1. Kapitel des zweiten Petrusbriefes hineinzulauschen. „Es ist noch nie eine Weissagung aus menschlichem Willen hervorgebracht“ heißt es da (V. 21). Was dann? „Sondern vom Heiligen Geist getrieben, redeten Menschen von Gott her“ (V. 21). Selbstverständlich haben „Menschen geredet“! Ich habe noch bei keinem Prediger gehört, bei keinem Verfasser gelesen, daß „die Bibel vom Himmel gefallen“ sei, wie das als Meinung vielen gläubigen Christen unterstellt wird. Selbstverständlich hat Gott menschliche Boten, volle runde Menschen-Origi-nale benutzt, menschliche Sprache. Aber — und das ist der entscheidende Punkt: sie haben nicht von Menschen, sondern „von Gott her“ geredet, in seinem Namen, in seinem Auftrag. Nicht „menschlicher Wille“ hat die Gottesreden der Bibel produziert, sondern göttlicher. Der „Heilige Geist“ selbst hat die betreffenden Boten und Verfasser der Bibelbücher „getrieben“: d. h. in Bewegung gesetzt, bei ihrem Mühen geleitet und schließlich dafür gesorgt, daß es zuverlässiges Gotteswort wurde, was da in der Bibel steht. Wir fassen zusammen: Das reale Wort, von dem wir oben sprachen, ist zur Bibel geworden. Die Bibel ist nicht weniger Gottes Wort, als das damals von Jesus und den Aposteln gepredigte Wort. Die Bibel ist mehr als ein Echo, ein Widerschein jener Tage, mehr als ein schriftlich-blasser Aufguß des einstmals „wie ein Hammer“ ergangenen Wortes. In ihr wird „von Gott her“ geredet. Oder noch einmal knapp und genau: Hier redet Gott selbst mit uns. Mit Recht haben die Reformatoren diese Bibel zur höchsten Autorität in christlichen Lehr- und Lebensfragen erklärt. Mit unnachahmlicher Treffsicherheit hat Martin Luther das im Gebet ausgesprochen: „Herr Gott, mir ist also, daß mir ein jeglicher Spruch von dir die Welt zu enge macht.“ IV. Das erlebte Wort Im Mai dieses Jahres sind die Felder, Wiesen und Bäume förmlich explodiert. Nachdem sich der Frühling um Wochen verspätet hatte, brach jetzt die große Wärme auf. Noch niemals habe ich den Flieder so schön in unserem Garten gesehen. Aber jeder weiß: Eine Blüte kann noch so atemberaubend schön sein — wenn sie nicht zur Frucht wird, ist sie umsonst gewesen. Nicht anders ist es mit dem Wort Gottes. Es kann der schönste Ausdruck der Liebe Gottes sein. Es kann einzigartig zuverlässig sein. Es kann zur höchsten Autorität erklärt werden. Aber wenn es als geisterfülltes, inspiriertes Wort nicht Leben schaffen darf — dann ist es jedenfalls für mich umsonst gewesen. Deshalb sprechen wir jetzt bewußt vom erlebten Wort. Erlebtes Wort: Was ist das eigentlich? Hudson Taylor hat im Gespräch mit Studenten ein großartiges Bild gebraucht. Bedrängt von kritischen Fragern sagte er zu ihnen: „Meine Herren, was machen Sie, wenn Sie morgen früh nach Tübingen zurückfahren wollen? Sie nehmen den Fahrplan, schauen nach der Abfahrtszeit des Zuges und finden sich zur angegebenen Zeit am Bahnhof ein. Dort steht Ihr Zug, der tatsächlich zur angegebenen Zeit abfährt und Sie nach Tübingen zurückbringt. So mache ich es mit meiner Bibel auch. Ich schlage sie auf, schaue nach, versuche zu tun, was sie sagt, und finde tatsächlich, daß es so ist, wie sie sagt.“ Wenn wir unsere Bibel niemals aufschlagen, wenn wir niemals tun, was sie sagt, werden wir auch nie Erfahrungen mit ihr machen. Wir wissen niemals, ob sie stimmt. Wer niemals einen Fahrplan aufschlägt, niemals zum Bahnhof geht, der weiß auch nicht, ob der Fahrplan stimmt. Wir reden heute viel von den „Medien“. Wir meinen damit die Geräte, die uns etwas vermitteln, als ob wir selbst dabei wären. Die Bibel ist das einzigartigste aller Medien. Sie zeigt uns das Bild Gottes, sie ist durchsichtig, daß man durch sie in perfekter Weise den Erlöser der Welt erkennt, sie ist Sprechgerät für alles Reden Gottes mit uns und unser Reden mit Gott, sie ist Hörgerät, in dem Gottes Stimme hörbar wird. Sie wird niemals zur matten Scheibe. Und sie vermittelt uns das alles nicht nur, als ob wir dabei wären. Wir sind hier tatsächlich dabei! So dabei, daß ich weiß: sie zielt auf mich, ist exakt auf mich eingestellt. Ja, das ist bei weitem noch nicht alles. Sie ist der größte Impulsgeber der Weltgeschichte unter allen Medien. Durch sie strömt Gotteskraft in mein Leben. Durch sie werde ich endlich und einmalig aufgeklärt: über mich selbst und, was viel wichtiger ist, über Gott. Erlebtes Wort: Da muß man hin, hinein, hineingreifen. Wollen wir dieses Medium nur als Spielerei benutzen? Es ist ein Medium für den Ernstfall des Lebens. Vor mir steht ein flüchtiger Bekannter. Am Montag geht er zur lebensentscheidenden Operation. Ein Sänger, der am Kehlkopf operiert wird! Wie ein unfaßlicher Schlag ist das in die Familie hineingefahren. Operation dringlich! Am Sonntag kommt er zum Abendmahl. Die Familie ist mitgekommen. Als Entlaßwort empfängt er das Wort vom großen Frieden: „In der Welt habt ihr Angst, aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden“ (Joh. 16, 33). Er schreibt das Wort auf, nimmt es mit, mit in die größten Tiefen von Verzweiflung, ständig zerschlagener Hoffnung, Bangen, entsetzlicher Angst. Er ist nicht mehr derselbe, als er heimkommt. Aber er ist im wörtlichsten Sinne ein Durchgetragener. „Seid getrost, ich habe die Welt überwunden“, sagt Jesus. Er ist getrost. Erlebtes Wort: Lassen Sie das Wort Leben schaffen! Machen Sie den Ansatz zur Frucht in sich nicht kaputt! Als wir im Bengelhaus Halle 6 ankündigten, passierte ein Versprecher: „Verwirrung in theologischer Orientierung“. Wäre das nicht ein ausgezeichnetes, echt modernes Thema gewesen? Es ist ja völlig wahr, wenn wir unsere Situation angucken: „Verwirrung in theologischer Orientierung“ ist heute massenhaft da. Aber unser Ziel heißt Orientierung und nicht Verwirrung! Diese Orientierung ist in Halle 6 erst dann fruchtbar geworden, wenn wir alle an diesem Vormittag mit dem Herrn ein geistliches Abkommen schließen: Ich will mit deinem Wort leben! Dr. Gerhard Maier Der Herr ist wahrhaftig auferstanden „Ist Christus aber nicht auf erstanden, so ist unsere Predigt vergeblich, so ist auch euer Glaube vergeblich. — Hoffen wir allein in diesem Leben auf Christus, so sind wir die elendesten unter allen Menschen. Nun aber ist Christus auferstanden!“ (Aus 1. Kor. 15) 1. Die theologische Verwirrung Deutlicher kann ich’s auch nicht sagen als jener Deutschgläubige im 3. Reich: „Wenn Jesus nicht auferstanden ist, dann ist alles, was wir Heiden machen, richtig, und alles, was ihr Christen macht, falsch; allerdings, wenn Jesus wirklich auferstanden ist, dann ist alles, was wir machen, verkehrt, und alles, was ihr macht, ist richtig!“ So hart damals auch viele Christen verfolgt wurden und so erschütternd vielen der Christenglaube zerstört wurde, eins war trotz aller Not erfrischend: Die Fronten waren klar. Heute nicht mehr! Die theologische Verwirrung ist doch perfekt, wenn ein Professor für Neues Testament, der zukünftige Pfarrer für ihren Zeugendienst, für ihre Seelsorge, für ihr Hirtenamt ausbilden soll, die Auferstehung des Herrn und die Realität von Himmel und Hölle bestreitet. Er sagte hier auf dem Killesberg damals in Halle 6 beim Deutschen Evangelischen Kirchentag wörtlich: „Wir lassen uns von niemand — auch nicht von irgendeinem Apostel — vorschreiben, wie unser Hoffnungskatechismus auszusehen habe!“ Und derselbe Professor: „Der Himmel ist weder droben noch sonstwo. Er ist überhaupt nirgends.“ Viele solche der Heiligen Schrift widersprechende Zitate könnte man nennen. Ich belasse es bei diesem einen. Sie haben sie vermutlich schon selbst gehört in Predigten und im Fernsehen. Man liest sie in sogenannten theologischen Büchern und Blättern. Sie bringen Menschen in Zweifel, verhindern, wenn man sie ernst nimmt, Bekehrung und bringen um die ewige Seligkeit. Seit den Tagen der Urkirche bezeugen dagegen die Christen in ihrem Taufbekenntnis die Auferstehung von den Toten und das ewige Leben; Gott schenkte ihnen die weltüberwindende Hoffnung. Wenn aber Angehörige der Gemeinde Jesu nicht mehr von der Realität des Himmels und der Hölle überzeugt sind, hat ihre Mitgliedschaft in der Kirche ihren Sinn verloren. Darum ist eine Theologie, die nur von dieser sichtbaren Welt spricht, der tödliche Stoß in die Mitte des Glaubens. 2. Die löcherigen Brunnen Ein großer Teil unseres Volkes hat der evangelischen Kirche, wo sie die Antwort auf die Ewigkeitsfrage schuldig blieb, längst die verdiente Quittung gegeben. Solche Predigten interessieren nicht. Die Kirchen werden leerer und leerer. Und man erkundigt sich anderen Ortes, ob es eine Auskunft über das Leben nach dem Tode gibt: Man fragt Philosophen und Spiritisten, fernöstliche Gurus, Parapsychologen und Visionäre, und — nicht zu vergessen — die „Scheintoten“, die schon halb oder dreiviertel gestorben waren. Ich will darauf hier eingehen: a) Wir wissen, daß christliche und heidnische Philosophen seit Jahrtausenden darüber nachgegrübelt haben, ob sich die Fortexistenz des Menschen beweisen läßt, etwa unter dem Stichwort: „Unsterblichkeit der Seele“. Es ist zuzugeben, daß sie gescheite Dinge dazu geäußert haben und man manches ernstzunehmen hat. Trotzdem müssen alle, die die Behauptung „Es gibt ein ewiges Leben“ nur auf Überlegungen und Schlüsse ihrer Vernunft stützen, damit rechnen, daß ein anderer ihnen an irgendeiner Stelle einen Trugschluß oder mindestens eine unzureichende Beweisführung nachweist. Auch wenn man die praktische Vernunft zu Hilfe nimmt, wie der Philosoph Kant, so kann man damit einen Gegner nicht schlüssig von der „Unsterblichkeit der Seele“ überzeugen. Auch seine „Postulate“, seine „Forderungen“, hängen in der Luft. b) Und wie steht es mit einem physikalischen Beweis? Es ist erstaunlich, daß in den letzten 70 bis 80 Jahren scharfsinnige Mathematiker, Astronomen und Physiker erkannt haben, daß der Weltenraum in sich selber zurückkurvt und damit gerechnet werden muß, daß unsere sichtbare Welt eine für uns unzugängliche andere Welt, eine vierdimensionale, umschließt und auch außerhalb unseres geschlossenen Kosmos noch andere Räume da sein können. Es bedeutet sicherlich eine Verstehenshilfe für uns Heutige, wenn Astronomen und Physiker uns versichern, man müsse damit rechnen, aber niemand unter ihnen kann beweisen, daß diese Räume, selbst wenn sie existieren, mit irgendwelchen Inhalten gefüllt sind, etwa mit anderen Welten oder gar geistbegabten Wesen. Darum kommen wir mit diesen Annahmen auch nicht weiter. Wir können nur sagen: Andere, überdimensionale Räume sind nach dem heutigen Stand der Forschung denkmöglich. c) Wie ist es nun mit der spiritistischen Praxis? Ist sie nicht ein deutlicher Beweis dafür, daß Tote noch leben, daß Verstorbene einer anderen Welt angehören und daß sie wiederum in diese Welt in neuer Geistigkeit eindringen können, um hier mit uns zu reden und an uns Botschaften aus dem Jenseits zu vermitteln? Wir stehen hier vor einer ernsten Frage und müssen nach der Heiligen Schrift darauf antworten, daß Gott weder seine Seligen zu solch einem Spiel freigibt — „Niemand wird sie mir aus meiner Hand reißen“, sagt der Herr — noch die in die Hölle Verdammten zu solch einem Spektakel zur Verfügung stellt. Jesus selbst sagt, daß die Menschen sich dadurch nicht zu Gott bekehren würden, wenn jemand aus dem Totenreich zu ihnen käme. Wir werden vielmehr erkennen, daß es die Dämonen sind, die den Spiritisten vorgaukeln, es handle sich um die Manifestation Verstorbener. In Wahrheit kleiden sich die Dämonen in die Stimme der Toten oder auch gelegentlich in ihre Gestalt. Auf die Eingebung von Dämonen aber kann ich mich nicht verlassen. Sie werden uns belügen und betrügen, wie von Anfang an „ihr Vater“, der Teufel, ein Vater der Lüge war. Wohl kann der lebendige Gott seinerseits zur geistlichen Hilfe — wie bei Jesu Verklärung — oder zur Entlarvung seiner Feinde — wie in Endor — himmlische Gestalten zur Erde entsenden. Aber sie erscheinen dann nicht durch die Bemühungen eines „Mediums“, sondern auf Gottes Geheiß. d) Und was sollen wir von visionären Erlebnissen halten, vom Spuk, vom Phänomen der Wiedergänger, vom „Zweiten Gesicht“, vom Hellsehen und all diesen okkulten Dingen, die Dr. Bergmann in seinem bekannten Buch über das Jenseits gesammelt und besprochen hat? Die Parapsychologie, die Wissenschaft, die sich mit okkulten Phänomenen beschäftigt, hält diese Dinge zwar für unerklärlich im Rahmen unseres kausal-mechanistischen Weltbildes, aber dennoch für unabweisbar real. Auch wir Christen können okkulte Wirklichkeiten nicht einfach bestreiten. Aber wir haben es hier mit einer solchen Verfilzung von Betrug, Scharlatanerie, Einbildung, Suggestion und Teufelswerk zu tun, daß wir uns weder daran beteiligen dürfen noch davon Erkenntnisse und Entscheidungen herleiten können. Das gilt auch für alle aus dem Heidentum eingeschleppten Praktiken, wie z. B. die sogenannte „transzendentale Meditation“. Darum hat Gerhard Bergmann genau den Nagel auf den Kopf getroffen, wenn er sagt, daß wir für unsere Ewigkeitshoffnung eine andere Autorität gebrauchen, auf die wir bauen können, eine „Erst- und Letztautorität“. e) Schließlich haben sich in den letzten Jahren viele Menschen — auch gläubige Christen! — aus wahrhaft metaphysischer Neugier auf die Berichte Scheintoter gestürzt, die scheinbar schon einen Blick hinter den Vorhang taten, der diese Welt von der andern trennt. Ihre Aussagen scheinen auch weithin mit den Aussagen der Bibel übereinzustimmen. Neuerdings aber haben Mediziner diese angeblich bereits überirdischen Erlebnisse entmystifiziert. Sie stellten fest, daß sich durch die Sterbeschwäche im Gehirn Substanzen bilden, die in ihrer Wirkung den psychedelischen Drogen, also chemischen Substanzen mit sinnetäuschender Wirkung, wie z. B. LSD, entsprechen und Halluzinationen verursachen, die ohne den geringsten Erkenntniswert sind. Wir können diese Phänomene und Spekulationen, die ich eben in Kürze aufgezählt habe, zusammenfassen mit dem einen Satz: das Jenseits scheint zu existieren und es ist denkmöglich. Aber die Frage bleibt: existiert es tatsächlich? Etwas Festes haben wir weder durch philosophische Spekulationen noch durch wissenschaftliche Hypothesen noch durch okkulte Erlebnisse in der Hand. Wir brauchen aber für unser Leben und Sterben und für unsere Auferstehungshoffnung ein festes Fundament, auf das wir bauen können. Wir Menschen gleichen einem Treck von Flüchtlingen, die vom Feinde gejagt werden und im Morgengrauen auf einen unbekannten Strom stoßen. Nebel liegt über dem Wasser. Man sieht nur, wie einer nach dem anderen hineinstürzt und versucht, das andere Ufer zu erreichen. So ziehen wir alle auf den Strom des Todes zu — unaufhaltsam. Was wir beobachten ist nur, daß dieser und jener, ein lieber Freund oder ein Unbekannter, in das Wasser des Todes eintaucht, aber dann kommt Nebel, und wir sehen nicht, ob er das andere Ufer, das Jenseits, erreicht. Unsere Situation wäre mit einem Schlage geändert, wenn einer in die Wasser des Todes hineintauchte, hindurchschwömme und dann am anderen Ufer stehen würde und uns zuriefe: Es geht, habt Mut, ich habe den Tod überwunden. 3. Die Antwort des lebendigen Gottes Wir, meine lieben Schwestern und Brüder, sind in der unvergleichlich seligen Situation, daß das, was ich im Gleichnis sagte, reale Wirklichkeit ist. Einer ist eingetaucht in den Strom des Todes und hat ihn überwunden. Der Nebel ist gewichen. Er steht am anderen Ufer als der ewig Lebendige und spricht: „Ich lebe, und ihr sollt auch leben!“ Jesus lebt! Er hat dem Tode die Macht genommen! Ihm gehört das letzte Wort. Wenn uns der Tod fragt, können wir nicht antworten; wenn aber Jesus fragt: „Tod, wo ist dein Stachel? Hölle, wo ist dein Sieg?“, dann muß der Tod schweigen. Die Wirklichkeit der Auferstehung Jesu Christi verbürgt uns, daß w;r das Wasser des Todes durchschwimmen und das andere Ufer erreichen können. Ist Christus wahrhaftig von den Toten auferstanden, ist auch der Tod der Seinen entmächtigt; denn der Aufer-standene verbürgt, daß sein Kreuzestod unseren Namen aus dem Strafregister löscht. Wenn es aber in der ganzen Welt keine hieb- und stichfeste Auskunft über unser Leben jenseits der Todesgrenze gibt außer durch die Auferstehung Jesu Christi von den Toten, dann hängt für uns alles im Leben und im Sterben von der Realität dieser seiner Auferstehung ab, und es kann keine dringlichere Frage überhaupt geben als diese: „Ist er wirklich auf erstanden?“ Wir besitzen keine Urkunde vom römischen Landpfleger über das leere Grab. Wir besitzen kein Dokument der Hohenpriester, in dem sie bekannt hätten: „Der von uns gekreuzigte Jesus lebt.“ Wir haben keinen Film von Jesu Auferstehung. Aber wir haben Zeugenaussagen! Es gibt zwei Wege, die echten Zusammenhänge zu erfassen und das Wahre vom Falschen, die Wirklichkeit von der Täuschung zu unterscheiden: einerseits das Experiment und andererseits die Zeugenaussage. Welcher von beiden Wegen zu benutzen ist, hängt immer von der Sache selbst ab. Naturkundliche Zusammenhänge, sogenannte physikalische, chemische oder biologische Gesetze, erkennt man durch Experimente; denn sie sind wiederholbar und darum nachprüfbar. Geschichtliche Vorgänge und menschliche Erlebnisse dagegen sind einmalig, unwiederholbar und darum durch Experimente nicht nachprüfbar. So kann beispielsweise ein Richter die Schuld an einem Verkehrsunfall nicht durch eine Wiederholung des betreffenden Unfalls feststellen. Aber er kann dennoch zu einem eindeutigen Urteil kommen, wenn er glaubwürdige Zeugen hat. Mir sagte einmal ein Rechtsanwalt, er habe eine Zeugenaussage vor Gericht für ein sehr einfaches Ding gehalten. Warum sollte man nicht sagen können, was man erlebt oder gesehen hat? Aber dann habe er selbst eines Tages in den Zeugenstand gemußt; da sei ihm klar geworden, nicht nur welche Verantwortung an dieser Aussage hänge, sondern wie schwer es sei, eine Aussage zu machen, von der man sagen kann, sie sei ganz und gar richtig und Irrtum oder Mißdeutung seien ausgeschlossen. Er habe sich gefragt, wie man über- haupt auf Zeugenaussagen einen Urteilsspruch gründen könne. Schließlich habe er erkannt, daß ein Richter, wenn mehrere Zeugen unabhängig voneinander mit verschiedenen Worten, aber inhaltlich dasselbe sagen, allerdings das Recht hat, sich auf dieses Zeugnis zu verlassen. Da sei ihm klar geworden, welch eine Gnade Gottes es sei, daß wir vier Evangelisten haben und nicht nur einen. Sie alle bezeugen zusammen mit den Briefen der Apostel, daß Jesus Christus nach seiner Kreuzigung und seinem wirklichen Tode auferstanden ist von den Toten. „Was wir gehört haben, was wir mit unseren Augen gesehen haben und unsere Hände betastet haben . . ., das verkündigen wir euch!“ (1. Joh. 1, 1 ff.). Es ist eine seelsorgerliche Weisheit Gottes, daß er den Menschen nicht ermöglicht, durch naturwissenschaftliche Experimente die Existenz jenseitiger Welten nachzuprüfen. Er könnte es, aber er will es nicht. Jesus ist zu uns gekommen und erwies uns seine Liebe, damit wir uns ihm anvertrauen. Eine nachprüfbare Existenz überirdischer Räume würde lediglich unser Weltbild erweitern, aber nicht unser Herz aussöhnen mit unserem Schöpfer. Darum können wir nicht durch transzendentale Bewußtseinserweiterung Gott erkennen, sondern nur durch die persönliche Begegnung mit dem Sohne Gottes wissen, daß wir eine ewige Heimat haben. Pascal sagt: „Menschliche Dinge muß man kennen, um sie lieben zu können. Aber göttliche Dinge muß man lieben, wenn man sie verstehen will.“ So verändert unser Vater im Himmel unser Herz nicht durch spektakuläre Beweise seiner Macht. Denn seine Allmacht braucht er nicht unter Beweis zu stellen. Jeder kann sie täglich sehen am Aufgang und Untergang der Sonne, an allen Wundern der Schöpfung. Vielmehr verwandelt der allmächtige Schöpfer unser Herz dadurch, daß er uns schauen läßt, was der einmal schuldig gewordene Mensch nicht mehr sehen kann: Er öffnet uns das Auge für seine Liebe. Er tut es durch den unzweideutigen Erweis im stellvertretenden Sühnetod seines Sohnes. Wer die darin angebotene Begnadigung annimmt, sieht in Gottes Herz. Er weiß, daß sein Schöpfer nicht nur der Allmächtige, sondern auch der Barmherzige ist. — Und das Siegel auf die Gültigkeit dieses Sühnetodes ist Ostern. So läßt mich der Auferstandene wissen, wer er ist und wer sein Vater ist — und wer ich bin, hilflos in mir selbst, und wer ich sein werde, wenn ich mich in seine Liebe versenke und er mich durch seinen Heiligen Geist ruft, diese seine Liebe ebenso von Herzen zu erwidern. Darum ist im Zeugnis der Apostel beides da: die eigene Überzeugung ihrer- seits und das Angebot an uns zur freien Entscheidung, die Gnade des Heilandes unsererseits anzunehmen. 4. Mein Bekenntnis Ich muß allerdings von mir persönlidi bekennen: Obwohl Jesus Christus in seiner seelsorgerlichen Weisheit heute keine Beweise seiner Auferstehung zuläßt und es sicherlich kein Zufall ist, daß es damals vor zweitausend Jahren noch keine Fotoapparate gab, habe ich trotzdem sehr viel stärkere Gründe für den Glauben als für den Unglauben. Ich habe sehr viel bessere Argumente, mich den Zeugen des Auferstandenen anzuvertrauen als ihnen zu mißtrauen. Meine Gründe sind folgende: a) Die Apostel Jesu Christi sind nicht nur Männer der Wahrheit gewesen, sondern Freunde der Wahrhaftigkeit. In welcher Gewissenhaftigkeit wägen sie ihre Worte! Sie imponieren mir als Menschen. Ich vertraue ihrem Wort. — Und wie hätte es Paulus wagen können — vermutlich im Frühjahr 54 —, über 500 Brüder, von denen die meisten damals noch lebten, als nachprüfbare Zeugen dafür zu bennen, daß sie Jesus als Auferstandenen persönlich gesehen haben, wenn es nicht wahr wäre? b) Die Apostel Jesu Christi haben als Zeugen seiner Auferstehung für diese Predigt Kopf und Kragen riskiert. Sie verbürgten das Auferstehungszeugnis durch das Opfer ihres Lebens. Wahrscheinlich haben alle Apostel die Predigt durch ihren Märtyrertod unterstrichen. Wir können ihnen nicht dankbar genug dafür sein, daß sie die äußerste Konsequenz auf sich nahmen. Wir können dem Herrn der Kirche nicht dankbar genug dafür sein, daß er die Apostel nicht in bürgerlicher Geborgenheit sterben ließ, sondern in der Auseinandersetzung mit dem Heidentum und daß sie die Welt überwunden haben, weil Jesus Christus die Welt überwunden hat. — Ich weiß wohl, daß auch Heiden für ihre Überzeugung sterben können; Ideologen und Politiker können es auch, aber die Apostel Jesu Christi sind für dieses Zeugnis gestorben, das sie vor dem Hohenrat und den Heiden bekannt hatten: Der gekreuzigte Jesus ist auferstanden. Sie hätten ja auch dieses Zeugnis aufgeben und in allgemeiner religiöser Belehrung weitermachen können. Dann wäre ihnen kaum etwas angetan worden. Aber für das Osterzeugnis sind sie in den Tod gegangen. Der Märtyrertod der Apostel ist das Echtheitssiegel für dieses Zeugnis geworden. c) Es ist eine sehr kurze Kette, die mich geschichtlich mit dem Ostermorgen verbindet. Johannes, gestorben um das Jahr 100, hat Poly- karp seine Botschaft weitergegeben; der gab sie an Irenaus von Lyon, der im Jahre 202 starb. Es sind nur etwa 30 Christen, die einer Staffette gleich die Osterbotschaft an mich weiterreichten; man kann leicht ihre Namen zusammenstellen. Glaubwürdig ist die Nachricht vom auferstandenen Herrn weitergereicht und vertrauensvoll aufgenommen worden. Es ist mir nicht unwichtig, daß das unmittelbare schriftliche Zeugnis der Heiligen Schrift durch lebendige Botschafter durch die Jahrhunderte begleitet wurde. Zudem gibt es nicht nur die eine Reihe, die anfängt mit Johannes — Polykarp — Irenaus. Es gibt viele solche Stafetten. Wir sind geschichtlich dicht dran am Ostermorgen. Wir leben ja auch in der gleichen heilsgeschichtlichen Epoche, nämlich in der Endzeit. d) Der vierte Grund, den ich habe, den Zeugen der Auferstehung Jesu Christi zu glauben, ist der wichtigste, der in allen anderen die treibende Kraft ist. Es ist die Wirklichkeit des Heiligen Geistes. Gott behandelt uns in seiner Barmherzigkeit nicht nach einem Schema, sondern er müht sich um uns persönlich durch seinen Heiligen Geist. Darum hat jeder Christ seine eigene Geschichte mit seinem Heiland, und jedem einzelnen wird es in sei-men Leben deutlich: Er ist der Herr, ich kann mich ihm anvertrauen. Er hat mein Herz beim Lesen der Schrift bewegt, so daß es undankbar und unsinnig wäre, an diesem Zeugnis des seligmachenden Evangeliums zu zweifeln. Der Heilige Geist ist die entscheidende Gnadengabe. — Und so ergeht es uns wie den Emmaus-Jüngern: unser Herz brennt, wenn uns der Auferstandene durch seinen Heiligen Geist die Schrift öffnet — einschließlich der Verheißungen des Alten Bundes. Schon Jesaja 53 bezeugt, daß Christus nach seinem Opfertode wieder leben wird — leben in Ewigkeit. e) Jesus ist von Herzen demütig. Jesus ist so demütig, daß er sich testen läßt. Es ist niemand hier in diesem Saal, der von diesem Test ausgeschlossen sein müßte. Jesus sagt in Joh. 7, 17: „So jemand will des Willen tun, der mich gesandt hat, der wird innewerden, ob diese Lehre von Gott ist.“ Da kommt zu mir ein ehemaliger Nationalsozialist, aus der Kirche ausgetreten. Er möchte wieder eintreten. Ich frage ihn: „Glauben Sie an Christus?“ „Nein“, war die Antwort, „aber ich hoffe, in der Kirche die Wahrheit zu finden.“ Ich unterrichte ihn. Sein Glaube wächst. Eines Tages fragt er mich: „Ich könnte jetzt eintreten; es ist mir alles klar, aber eine Frage: Gibt es einen eindeutigen und letzten Beweis für die Wahrheit des Evangeliums?“ Ich antworte ihm mit Joh. 7, 17: Gott läßt nicht am grünen Tisch zum Glauben kommen, sondern durch die Wahrheit und Wirklichkeit der Jesus-Nachfolge. „Wenn Sie Jesus gehorchen und der Gültigkeit seiner heiligen Gebote mehr Zutrauen als Ihrer eigenen Urteilskraft, dann werden Sie erkennen, daß Jesus Christus die ganze ewige Wahrheit ist!“ Kopfschüttelnd geht er davon. Der Herr war so gnädig, daß er diesem Mann zur Klarheit verholfen hat. Er sagte zu mir: „Sie brauchen mir nichts mehr zu sagen, es ist alles klar. Ich habe nicht mehr bewußt gelogen. Diese acht Tage meines Lebens waren von Gott gesegnet.“ So darf jeder in die Nachfolge Jesu eintreten, und er wird in der Nachfolge erkennen, daß Jesus Gehorsam segnet — gewiß nicht immer durch äußere Erfolge, aber durch ein inneres Wachsen in Frieden und Freude. Vor allen Dingen erkennt der Christ in ehrlichem Bemühen um den ganzen Gehorsam seine eigene sündige Natur und damit seine Erlösungsbedürftigkeit immer deutlicher, und das führt ihn zum Kreuz. Wenn hier im Saal jemand sein sollte, der an der Wahrheit des Evangeliums zweifelt, der darf Jesus beim Wort nehmen, bei diesem Wort: „Wer da will des Willen tun, der mich gesandt hat, der wird innewerden, ob diese Lehre von Gott sei!“ Und er wird den Osterzeugen Jesu glauben. f) Auch unter Nichtchristen kann ich fröhlich sein; ich weiß ja, daß Jesus auch sie liebhat und berufen will. Aber die Geborgenheit und innige Freude ist für mich da, wo Christen beieinander sind. Die Gemeinde Jesu Christi ist für mich der beste Ort auf der ganzen Welt. Ich bin dankbar, daß ich zu ihr gehören darf. Die beglückenden Erfahrungen mit Menschen, die an den Auferstandenen glauben, sind für mich ein wichtiges Argument, dem christlichen Glauben auch meinerseits Glauben zu schenken. g) Die Wissenschaft — soweit sie sachlich forscht — hat sich in den letzten Jahrzehnten im Eiltempo nicht etwa von der Heiligen Schrift entfernt, sondern sich ihr genähert; die Naturwissenschaft — die Argumente für die Evolution wurden z. B. immer fragwürdiger — und auch die Archäologie, viele Erkenntnisse exegetischer Art im Neuen und Alten Testament. Ich bin jedem dankbar, der als gläubiger Christ Wissenschaft treibt. Christlicher Glaube zerstört nicht die Wissenschaft, sondern öffnet uns für eine saubere exakte Wissenschaft. — Ich will dazu nur auf ein Beispiel hinwei-sen: Vielen Christen macht es immer wieder Not, daß die Auferstehungsberichte im Neuen Testament, namentlich in den vier Evangelien und am Anfang des 15. Kapitels im 1. Kor.-Brief, eine solche Vielfalt von Ereignissen darbieten, daß wir sie oft schwerlich in eine Ordnung zueinander bringen können. Wesentlich beruht das darauf, wie Karsten Bürgener, Pastor in Bremen, überzeugend gezeigt hat, daß nach jüdischem Recht jedes Urteil auf zweier oder dreier Zeugenmund besteht. Darum führen die Evangelisten außer den Erscheinungen vor Frauen (entsprechend den jüdischen Rechtsgepflogenheiten) je drei Erscheinungen an. Leider hat Martin Luther an einer wichtigen Stelle, Joh. 21, 14, einen Übersetzungsfehler gemacht, der ganz geringfügig zu sein scheint: „Das war nun das dritte Mal, daß Jesus geoffenbart ist seinen Jüngern, nachdem er von den Toten auferstanden ist.“ Es steht aber im griechischen Urtext eindeutig: „Dieses war ei n drittes Mal — also ein weiteres, drittes, Mal —, daß Jesus sich offenbarte.“ Durch diese Erkenntnis fallen viele Bedenken gegen eine „Osterharmonie“, eine widerspruchslose Gesamtschau der Osterberichte, mit einem Schlage fort. Hinzu kommen andere Erkenntnisse Bür-geners. Ich zitiere ihn: „Ich bin der Meinung, daß man alle auftretenden Schwierigkeiten und Widersprüche der Bibel bis zum Beweis des Gegenteils für bloß scheinbare Widersprüche halten sollte.“ — Bürgener, der zunächst selbst ein etwas kritisches Verhältnis zur Heiligen Schrift hatte, legte jetzt ein gottgeschenktes Bekenntnis ab: „Inzwischen ist mein Vertrauen zur Bibel absolut geworden!“ — Ich gestehe, daß mir selbst die Lektüre dieses Buches von Bruder Bürgener mit dem Titel „Die Auferstehung Jesu Christi von den Toten“ zum Segen geworden ist. Ich habe es deswegen auf unserm Büchertisch auslegen lassen. Das ist nur ein Beispiel. Kürzlich sagte ein Althistoriker, Dr. Jürgen Spieß: „Auf jeden Fall gelten Auferstehung und leeres Grab unter Althistorikern unabhängig von ihrer Glaubenshaltung als die am besten bezeugten Indizien der Antike überhaupt.“ — Und hier muß man ja auch voller Dankbarkeit darauf hinweisen, daß es in unserer Zeit auch bibeltreue Theologieprofessoren gibt, deren wissenschaftliche Qualifikation nicht anzuzweifeln ist! — Die Wissenschaft hat sich im Eiltempo der Heiligen Schrift genähert. Ich will daraus keine äußeren Beweise konstruieren; ich würde dem sonst widersprechen, was ich eben von der seelsorger-lichen Weisheit Gottes und von der freien Entscheidungsmöglichkeit der Christenmenschen gesagt habe. Aber es ist einfach nicht wahr, daß der Unglaube bessere wissenschaftliche Argumente auf seiner Seite hätte. Das ist einfach nicht wahr! Ich weiß, daß ein guter Wissenschaftler ein gläubiger Christ sein kann. 5. Unsere Antwort Darum also, weil ich den Zeugen des Auferstandenen und des leeren Grabes — seit dem Ostermorgen gibt es keinen Leichnam Jesu mehr! — volles Vertrauen schenke, darum vertraue ich mich im Leben und — möge er es mir in seiner Gnade schenken! — auch im Sterben meinem Heiland Jesus Christus an und traue ihm aufs Wort. Er ist auferstanden. Darum ist sein Sühnetod für mich und auch für Dich gültig. Darum erfüllt er alle seine Zusagen. Darum ist das, was er in Gnade und Gericht über die Realität von Himmel und Hölle gesagt hat, auch heute leibhafte Wirklichkeit. Denn dazu ist er ja leiblich auferstanden, dazu gab er die Erlaubnis, seine Nägelmale zu betasten, dazu aß er mit seinem Auferstehungsleib vor seinen Jüngern Honig und Fisch — und hernach fehlte der Honig in der Schüssel und der Fisch auf der Schale! —, dazu gab Gott dem Auferstehungsleib Jesu trotz aller verklärenden Wandlung physikalische Realität, damit wir Himmel und Hölle auf unseren eigenen Auferstehungsleib nicht als Luftschlösser, sondern als Realität glauben können! Darum wollen wir uns nicht mit halben Lösungen zufriedengeben. Wir wollen nicht ein Leben in halbem Glauben und halber Skepsis führen. Wir wollen nicht nachlassen, den Äuferstandenen um ganze Glaubens- und Heilsgewißheit inständig anzuflehen: „Ich lasse dich nicht, du segnest mich denn!“ Ich möchte dieses Bekenntnis zu Christus, meinem auferstandenen Heiland, zusammenfassen in Anlehnung an die Worte eines Bruders: „Wenn tausend Professoren, der,Wissenschaft’ verschworen, als Mythos und Legende sehn, was einst zu Ostern ist geschehn; wenn Zweifel Angst und Tod gebiert, Unglaube scheinbar triumphiert; wenn alle Welt im Zorn erbebt, die Wahrheit sieget: Jesus lebt!“ Amen. Rudolf Bäumer Antworten müssen reifen Ganz am Anfang meines Studiums, bei einem meiner ersten Gemeindebesuche als Student im ABH, fand ich auf dem Büchertisch eine Einladung. Auf der Vorderseite stand nur: „Wenn einer Theologie studiert. . .“ Dieser offene Satz wurde mir zu einer typischen Beschreibung des Theologiestudiums. Wer heute Theologie studiert — da ist die Entwicklung völlig offen. Dies war auch für mich eine belastende Frage. Wie würde ich mich während des Theologiestudiums entwickeln? Im Innern der Einladung wurde der Satz fortgesetzt. „Wer heute Theologie studiert steht vor vielen Fragen.“ Ich erfuhr selber, wie viele Fragen auf einen während des Studiums einstürmen, insbesondere die Frage des Bibelverständnisses. Ich möchte nun zwei Punkte nennen, die mir im Studium eine Hilfe waren. 1. Ich habe gelernt, daß ich nicht alle Fragen beantworten muß. Besonders am Anfang des Studiums stellen sich einem eine Menge Fragen. Diese wollen beantwortet sein, bzw. werden einem Antworten angeboten, z. T. eben auch in einer der Bibel gegenüber kritischen Weise. Es ist ein richtiger Druck, in einer kurzen Zeit auf so viele entscheidende Fragen eine Antwort zu finden. Für mich persönlich war eine Erleichterung zu lernen: Ich muß jetzt, in dieser gedrängten Zeit des Studiums, nicht auf alles eine Antwort finden, ich kann ruhigen Gewissens Fragen offenlassen. Dies galt vor allem dann, wenn ich merkte, daß die angebotenen Antworten mit der Bibel im Widerspruch standen, ich sie innerlich einfach nicht übernehmen konnte, ich selber aber auch keine befriedigende Lösung bereit hatte. Dazu kam ergänzend eine andere Erkenntnis. Die Beantwortung theologischer Fragen ist nicht nur eine Sache des Verstandes, obwohl man diesen gebrauchen soll. Theologische und biblische Fragen sind geistliche Fragen. Geistliche Fragen sind aber nicht auf einen bestimmten Zeitpunkt beantwortbar, das geschieht in einem geistlichen Hineinwachsen. Da gilt es aufzumerken, was Gott mir zeigen will und was noch nicht. 2. Ich habe die Gefahr erkannt, die Bibel von außen her, von einem System her zu lesen und zu verstehen. Im Studium hört und liest man unheimlich viel. Aber es ist doch mein Eindruck, daß durch die viele Literatur über die Bibel die Arbeit an der Bibel oft zu kurz kommt. Die Gefahr besteht, nicht nur für Theologen, daß man die Bibel von einer Theologie her, von einer bestimmten Tradition her, von einem bestimmten Ausleger her versteht; also immer durch die Brille eines anderen. Oft merkt man gar nicht, wie schnell es zu Verkürzungen oder Erweiterungen kommt, wie oft eine Aussage der Bibel einseitig betont und der Rest vernachlässigt wird. Angesichts dieser Gefahr, in der jeder steht, wurde mir eine Mahnung wichtig am Anfang und am Ende der Bibel: nichts hinzuzufügen und nichts hinwegzutun. In diesem Sinne wollte ich zwei Grundregeln festhalten für mein persönliches Arbeiten und Studieren: allein die Schrift und die ganze Schrift. Hartmut Schmid Gott erhört Gebet Gottes Wort ist nichts Erdachtes. Hinter Gottes Wort, wie es uns in der Bibel aufgeschrieben ist, steht Gott selbst, und er hält, was er verspricht. Ich möchte Ihnen eine kleine Begebenheit aus meinem Leben erzählen, in der ich neu erlebt habe, daß Gott Gebet erhört, und daß ich tatsächlich alle meine Sorgen so auf Gott werfen darf, wie er uns dazu in seinem Wort auffordert: Alle eure Sorgen werfet auf ihn, denn er sorgt für euch. Vor einiger Zeit hatte ich in einem Jugendkreis neu die Leitung zu übernehmen. Schon kurz danach war in diesem Kreis etwas vorgekommen, was ich nicht bejahen konnte und was auch ein Teil der Gruppe nicht gutfand. Mir war klar: Bei der nächsten Gelegenheit muß darüber gesprochen werden, weil das ganze auch ein geistliches Problem war. Der nächste Jugendkreisabend kam näher; und vielleicht können Sie es sich vorstellen, daß ich mit Angst und Sorge auf den Abend geblickt habe: Werden wir brüderlich miteinander reden können? Wird das Vertrauen untereinander zerbrochen werden? Werden sich einige vom Kreis distanzieren? Im Wissen um diese Schwierigkeiten und in der Sorge um diesen Abend habe ich gebetet. Ich bat Gott um Weisheit für das Gespräch und, daß er doch den ganzen Abend in seine Hand nehme, damit seine Sache keinen Schaden leidet. Kurz bevor der Abend begann, führte ich noch ein Telefongespräch mit jemandem, zu dem ich Vertrauen habe. Ich erzählte ihm, daß heute Abend noch ein schwieriges Gespräch anstehe und bat ihn, den Abend doch im Gebet zu begleiten. Als der Abend und das intensive Gespräch vorbei war, konnte ich nur staunen darüber, was Gott an diesem Abend geschenkt hat. In guter und offener Weise war miteinander geredet worden. Kein Riß war im Kreis entstanden. Im Gegenteil! Gott hat das Unerwartete geschenkt, daß das Vertrauen untereinander sogar gewachsen ist. Ich hatte den Eindruck, daß noch kein Abend so gut und so gewinnbringend verlaufen war wie dieser. In diesem kleinen Erlebnis ist mir wieder neu bewußt geworden, daß wir mit allen unseren Sorgen so zu Gott kommen dürfen, wie er es uns in seinem Wort sagt, und daß er für uns sorgt. Mir ist neu deutlich geworden, daß Gott Gebet erhört, wie es uns in seinem Wort verheißen ist, und daß er bis in die kleinsten Dinge des Lebens hineinwirken kann. Wenn wir uns auf das Wort Gottes verlassen, setzen wir unser Vertrauen nicht auf kluge, erdichtete Fabeln, sondern auf das Wort dessen, der Macht hat, der treu ist und zu seinem Wort steht. Werner Trick Der soziale und politische Auftrag der Christen Zuerst möchte ich Ihnen am Modellfall „Unser Auftrag gegenüber der Schöpfung“ zeigen, daß das Wort Gottes uns wirklich Orientierung gibt. Dann der zweite Schritt unter der Frage, in welchem Zusammenhang und an welcher Stelle unser politischer und sozialer Auftrag als Christen steht. Und zum Schluß noch ein paar Anmerkungen zu praktischen Konsequenzen daraus. 1. Biblische Orientierung am Modellfall „ Unser Auftrag gegenüber der Schöpfung“ Ich kann und will mich einfach nicht damit abfinden, daß aus der Bibel scheinbar alles zu begründen ist, was man selber für richtig hält. Der eine geht zur Sitzblockade nach Mutlangen und schreibt „Schwerter zu Pflugscharen“ auf sein Transparent. Der andere hält sich aus allem heraus, um damit nach Römer 13 der Obrigkeit untertan zu sein. Die Bibel ist kein Selbstbedienungsladen, wo sich jeder das holen kann, was er braucht und wegläßt, was ihm nicht in den Kram paßt. Sie hat Zusammenhänge, die Linien aufzeigen und Grenzen ziehen. Einer solchen Linie wollen wir jetzt am Thema „Schöpfung“ entlang gehen. Fangen wir vorn an beim Schöpfungsbericht: „. . . und Gott sah alles an, was er gemacht hatte, und siehe, es war sehr gut“ (1. Mo. 1, 31). „. . . und Gott der Herr nahm den Menschen und setzte ihn in den Garten Eden, daß er ihn bebaue und bewahre“ (1. Mo. 2, 21). Was heute mit unserer Luft, dem Wasser, dem Boden, der Ozonschicht, den Weltmeeren geschieht, das hat mit „bebauen und bewahren“ nichts mehr zu tun, das ist Zerstörung und Vernichtung. Aber lesen wir weiter auf den ersten Blättern der Bibel: 1. Mose 3 — da steht die Geschichte vom Sündenfall. Wir leben in einer Welt, die Gottes Schöpfung ist, aber wir leben als gefallene Geschöpfe in einer gefallenen Schöpfung. Als erlösungsbedürftige Menschen in einer erlösungsbedürftigen Welt. „Wir wissen“, schreibt der Apostel Paulus in Rö. 8, 22, „daß alle Kreatur (= Schöpfung) sehnt sich mit uns und ängstet sich noch immerdar.“ Aber in 1. Mo. 3 steht noch mehr: dort findet sich der allererste Hinweis auf Jesus, der als Erlöser der Welt verheißen ist. Und von Jesus aus läuft die Linie weiter zur letzten großen Heilszeit, die diese Welt noch erleben wird im 1000jährigen Reich bis hin zur ganz neuen Schöpfung. Wer zum Thema Verantwortung für die Schöpfung biblisch argumentieren will, der darf nicht nach 1. Mose 2 auf hören, der muß auch Kap. 3 mitlesen. Und eben das geschieht oft nicht und dann wird alles schief. Dann wird von Gottes guter Schöpfung geredet und die Realität des Bösen und der Sünde wird ausgeblendet. Und was die Bibel zur Zukunft der Schöpfung sagt, spielt auch keine Rolle mehr. Aber wenn man auch diese Realität des Wortes Gottes ernstnimmt, dann heißt das gerade nicht, daß man den verfahrenen Karren einfach im Dreck stecken läßt. Unsere Politiker und Wirtschaftsleute müssen sich an ihre Verantwortung erinnern lassen. Und wenn sie noch so viel reden von Sachzwängen, von internationalen Verpflichtungen, von Verlust von Arbeitsplätzen, so entschuldigt das weder die Versäumnisse der Vergangenheit, noch entläßt es sie aus der Pflicht, jetzt und in der Zukunft etwas zu tun. Mehr zu tun als seither, konsequenter zu handeln. Aber genauso müssen sich alle, denen der Umweltschutz wichtig ist, daran erinnern lassen, daß kein Katalysator, keine Rauchgasentschwefelung, keine Kernkraftwerksstillegung und kein Vollkornmüsli den Weg zurück ins Paradies freimacht. Wir Menschen können die Natur nicht erlösen und die Natur kann uns Menschen nicht erlösen. Die Schöpfung hat teil an den Folgen des Sündenfalles bis hinein in die Gerichte der Offenbarung (vgl. „Waldsterben“ in Offb. 8, 9)! Sie braucht einen Erlöser wie wir auch. Das Wort Gottes sieht das alles sehr nüchtern. Es erlaubt uns Christen nicht, Gottes Schöpfung preiszugeben. Es erlaubt uns aber auch nicht, sie als „Mutter Erde“ zu vergöttern und unser Heil im Grünen zu suchen. Wir können uns als Christen sehr wohl und sehr kräftig für den Umweltschutz engagieren und wir sollten’s noch viel mehr tun als seither. Aber dort können wir nicht mitmachen, wo Umweltschutz zur Religion geworden ist, wo man der Schöpfung dient statt dem Schöpfer (auch Paulus hat das in Rö. 1, 25 sehr deutlich ausgedrückt!), wo statt Heilung das Heil von der Natur erwartet wird. Es klingt gut, wenn von einem Leben im Einklang mit der Natur geredet wird, Gott aber will, daß wir in Einklang mit ihm leben und dazu braucht es eine Erlösung, die uns auch die gesündeste Umwelt nicht geben kann. Dazu brauchen wir Jesus Christus. Das zieht eine sehr deutliche Grenze zu anthroposophischen Gedanken, zur Schöpfungsmystik der Naturvölker, zu einem Umweltschutz, der ideologischen Charakter hat. 2. Zusammenhang und Stellenwert unseres politischen und sozialen Auftrages Es gibt ja bei uns im Bereich des Pietismus nicht selten Stimmen, die sagen: Wir haben hier überhaupt keinen Auftrag. Unser Glaube ist unpolitisch. Politik und Soziales, das ist nicht unser Geschäft. Da sollen sich die in Bonn drum kümmern oder die Gewerkschaften, vielleicht auch noch die Diakonie. Uns als Christen geht das gar nichts an. Ich halte diese Meinung für kurzsichtig und für falsch. Im dritten Reich ist solches Denken falsch gewesen, katastrophal und furchtbar falsch, und ich kann nicht sehen, daß es seither richtiger geworden ist. Und es ist gar nicht so unpolitisch, wie es den Anschein hat. Gustav Heinemann hat einmal gesagt: „Wer schweigt, der fördert, was im Gange ist.“ Könnten Sie vielleicht alles fördern, was in unserem Land gerade im Gange ist? Wer als Christ den „Ohne-mich-Standpunkt“ vertritt, der vertritt auch eine politische Meinung damit, ob er’s nun will oder nicht! Nun aber zur Einordnung unseres politischen und sozialen Auftrages: Drei Leitgedanken dazu: 1. Unser erster Auftrag ist das missionarische Zeugnis von Jesus Christus. 2. Um dieses Zeugnis auch weiterhin glaubwürdig und in aller Freiheit ablegen zu können, nehmen wir politische und soziale Verantwortung wahr. 3. Um derer willen, die schutzlos und bedrängt sind, sehen wir hier einen Auftrag. Zum ersten: Unser 1. Auftrag ist das missionarische Zeugnis von Jesus Christus Nach dem, was ich gerade gesagt habe, klingt das fast wie ein Widerspruch. Wenn wir jedoch die Aussage des NT an dieser Stelle ernstnehmen, führt kein Weg an der Feststellung vorbei: Auch wenn es einen „unpolitischen Glauben“ nicht gibt, ist doch Politik und Gesellschaft nicht unser erster und vorrangiger Auftrag. Das NT jedoch nennt das Zeugnis von Jesus Christus als klaren vorrangigen Auftrag für die Gemeinde Jesu: „Gehet hin in alle Welt und predigt das Evangelium aller Kreatur" (Mk 16, 16). Das schließt politische und soziale Verantwortung nicht aus, aber es stellt diese Dinge nicht an erste Stelle. Das Zeugnis von Jesus ist unser erster Auftrag. Das ist unser vordringlichster Dienst in dieser Welt. Das ist auch der Dienst, den niemand anderes tun kann als wir Christen. Lassen Sie uns doch das einmal ganz nüchtern hören: Politik können Nichtchristen auch machen und sie muß deshalb noch lange nicht schlecht sein. Sozialarbeit tut z. B. das Rote Kreuz in vorbildlicher Weise. Aber von Jesus weitersagen, das können doch wohl nur wir als Gemeinde Jesu. Eine praktische Konsequenz daraus: Lassen Sie sich von niemand ein schlechtes Gewissen machen, wenn Sie „nur“ Kinder-kirchmitarbeiter sind, wenn Sie „nur“ einen Jugendkreis oder einen Chor leiten, wenn Sie „nur“ Kirchengemeinderat sind. Sie müssen dann nicht auch noch für den Gemeinderat kandidieren, in einer Bürgerinitiative mitmachen, ein Amt in einem Verein übernehmen oder einen Hausaufgabenkreis für türkische Kinder gründen. Das wären zwar alles notwendige und gute Dinge, aber ich muß nicht all dieses tun, um Jesu Auftrag gerecht zu werden. 2. Um dieses Zeugnis auch weiterhin glaubwürdig und in aller Freiheit wahrnehmen zu können, nehmen wir politische und soziale Verantwortung wahr. Wir haben doch viel Grund, dankbar zu sein, daß wir in unserem Land völlig ungehindert und in aller Freiheit unseren Herrn bezeugen können. Solche Dankbarkeit kann durchaus auch ein Motiv sein, daß wir uns an der Gestaltung der politischen und sozialen Wirklichkeit in unserem Land aktiv beteiligen. Lassen Sie mich das auch deutlich sagen: Dieser Staat hat es nicht verdient, daß er von Christen verächtlich gemacht und ständig nur kritisiert wird. Ich sehe in der Erhaltung unserer staatlichen und gesellschaftlichen Ordnung durchaus ein Ziel, für das wir uns einsetzen können. Christen in anderen Ländern wären froh für die Verkündigung des Evangeliums, die wir haben. Und dann geht’s auch noch darum, daß unser Zeugnis von Jesus glaubwürdig bleibt. Das ist es dann, wenn Worte und Taten zusammengehören. Jesus hat gepredigt und geheilt (Mt 4, 23). Jesus hat die 70 mit diesem Doppelauftrag losgeschickt. Christliche Mission hat immer beides getan. Jesus hat eben jene Massenversammlung der 5000 nicht mit Gebet und Segen abgeschlossen und die Leute dann heimgeschickt. Die Jünger hätten’s so gemacht: „. . . laß das Volk von dir, daß sie hin in die Dörfer gehen und sich Speise kaufen“ (Mt 14, 15). Für Jesus aber war der leere Magen dieser Leute ein Anlaß, sogar ein Wunder zu tun. Und er hat’s getan, obwohl er wußte, daß viele ihn damit mißverstehen würden. Sie wollten ihn ja auch prompt zum Brotkönig machen (Joh. 6, 15). Diese Menschen wären ohne die wunderbare Speisung nicht verhungert. Es bestand keine Lebensgefahr — aber Jesus hat gehandelt. Heute verhungern Menschen. Alle 2 Sekunden ein Kind. 1800 in der Stunde, über 40 000 am Tag, an jedem Tag. Sollten wir da nicht handeln? Heute sterben vor unseren Augen, in unserem Land ungezählte Menschen den sozialen Tod. Körperlich sind sie noch lebendig, aber sie spüren deutlich: Ich werde nicht gebraucht. Ich bin überflüssig. Junge Menschen spüren das, wenn sie keine Arbeit bekommen. 55jährige spüren das, wenn ihnen auf dem Arbeitsamt gesagt wird, daß sie nicht mehr vermittelbar seien. Alte Menschen spüren das, wenn sie im Heim auf ein Taschengeld angewiesen sind, weil die Rente, für die sie ihr ganzes Leben lang gearbeitet haben, nicht mal den Pflegesatz deckt. Kann uns das alles gleichgültig lassen? 3. Um derer willen, die schutzlos und bedrängt sind, sehen wir hier einen Auftrag. Martin Luther hat das in seiner Schrift „von weltlicher Obrigkeit“ schon 1523 so treffend ausgedrückt, daß es genügen soll, ihn zu zitieren: „Wenn du siehst, daß dein Nächster es braucht, so drängt dich die Liebe, das als notwendig zu tun, was zu tun oder zu lassen dir sonst freigestellt oder unnötig ist“ (28). Wie nun ein Mann im Ehestand, im Ackerbau oder Handwerk Gott dienen kann, zum Nutzen des andern, und wie er dienen müßte, wenn sein Nächster es nötig hätte — ebenso kann er auch als Träger der Amtsgewalt Gott dienen und soll ihm drin dienen, sofern das Bedürfnis des Nächsten es erfordert“ (30). Es gibt unter uns genug „Nächste“, die zu schwach sind, daß sie für sich selber sprechen könnten. Ungeborene Kinder, Behinderte, Ausländer, alte Menschen. Sie brauchen Für-sprecher und Für-sorger. Für uns selber werden wir es wohl wieder lernen müssen, auch auf Rechte zu verzichten, Nachteile in Kauf zu nehmen. Für uns selber brauchen wir nicht zu sprechen, aber für andere. Für die, die keine mächtige Lobby haben. Für die, die kein großes Wählerpotential darstellen. Für die, die schnell übersehen und überfahren werden. 4. Praktische Konsequenzen Da schrieb also der Prophet Jeremia im Auftrag Gottes einen Brief an seine Landsleute in der babylonischen Gefangenschaft. Er schreibt an Leute, die dringend Orientierung brauchten in theologischer Verwirrung. Unter ihnen gab es Propheten, die viel von der baldigen Befreiung redeten und immer wieder verwiesen sie dabei auf großartige Träume, die sie hatten. Jeremia hat diesen Leuten etwas ganz anderes zu sagen. Keine großartigen Visionen. Sehr nüchterne Worte: „Suchet der Stadt Bestes, dahin ich euch habe wegführen lassen, und betet für sie zum Herrn, denn wenn ihr’s wohlgeht, so geht’s euch auch wohl“ (Jer. 28, 7). Ein klarer Auftrag. Ich will daraus zum Schluß noch vier Möglichkeiten aufzeigen, die unseren politischen und sozialen Auftrag noch etwas präziser beschreiben: A) FÜRBITTE ÜBEN „Betet für sie zum Herrn!“ — für die feindliche Hauptstadt! Das ist, als wenn der Reichspropagandaminister Göbbels sein fanatisches „Gott strafe England“ angestimmt hätte und die Massen hätten mit der englischen Nationalhymne geantwortet: „God save the King“. In gleicher Weise fordert der Apostel Paulus auf zur Fürbitte für „die Könige und alle Obrigkeit“ (1. Tim. 2, 2) und das zur Zeit Neros und seiner Nachfolger, die die Christen zu lOOen an die Kreuze schlagen ließen! Wieviel mehr haben w i r dann den Auftrag zur Fürbitte für unseren Staat und seine Organe! Wir, die wir alle Freiheiten des Glaubens haben! Fürbitte üben! Bitte nehmen Sie diesen Auftrag ganz ernst. Lassen Sie sich fragen, wann Sie das letztemal gebetet haben für Ihre Gemeinde- und Stadträte, den Rektor, die Lehrer Ihrer Kinder, für den Gewerkschaftssekretär, den Betriebsrat, die Manager, den Unternehmer in Ihrem Betrieb; für Ihre Abgeordneten und die Regierung, für die Redakteure der Medien? Für Ärzte, Schwestern, Pfleger in Krankenhäusern und Heimen? „Suchet der Stadt Bestes — und betet für sie zum Herrn!“ — Mag man uns doch für naiv halten, wenn wir das Gebet als Praxis unserer politischen und sozialen Verantwortung begreifen, wir sollten es noch viel mehr tun! „Allein den Betern kann es noch gelingen, Das Schwert ob unsern Häuptern aufzuhalten Und diese Welt den richtenden Gewalten Durch ein geheiligt Leben abzuringen . . Das sind prophetische Worte, die Reinhold Schneider so im Jahr 1936 formuliert hat. Worte aber auch, die über treuer Fürbitte ein großes „NICHT VERGEBLICH!“ ausrufen. B) GEWISSEN SCHÄRFEN Reden Sie doch mal mit verantwortlichen Leuten in Politik und Gesellschaft. Oder schreiben Sie ihnen. Nutzen Sie das wichtige Instrument des Hörer-, Zuschauer-, Leserbriefes. Das gilt schon ganz äußerlich: Nicht vergeblich! Das wird registriert. Schreiben Sie doch einfach mal „danke“, wenn eine gute Sendung kam. Da gibt’s zum Beispiel beim SWF die „Mitternachtsspitzen“, eine Sendereihe zwischen 23.00 und 24.00 Uhr. Dort kommen immer wieder ganz hervorragend gemachte biblische Hörspiele. Wenn darauf überhaupt kein Echo erfolgt, dann machen sie eben was anderes. „Anprangern“ ist nicht unsere Aufgabe. Wir haben niemand fertig zu machen. Aber es gehört auch zu unserem Zeugnis als Christen, daß wir unsere Standpunkte vertreten und auch öffentlich sagen. Soviel Arbeit ist das gar nicht. Manchmal ist es schon ein wenig unbequem, aber vergeblich ist es nicht. C) MODELLE ENTWICKELN Es ist schon oft ausgerechnet worden, wieviel arbeitslose Lehrer Anstellung finden könnten, wenn ein Tornadoflugzeug weniger angeschafft würde. Aber es ist bis jetzt noch selten praktiziert worden, daß einige Christen sich zusammen tun; jeder verzichtet auf einen Teil seines Gehaltes, und sie finanzieren damit die Anstellung eines Gemeinde-diakones, Lehrers, Sozialarbeiters, einer Erzieherin. Staatliche und auch kirchliche Stellen sind von diesem Weg nicht begeistert. Macht nichts. Es ist ein Anfang, der einem jungen Menschen zeigen kann: Ich werde doch gebraucht. Es ist bis jetzt auch selten praktiziert worden, daß eine Frauengruppe es als Aufgabe sieht, in einem Alten- oder Behindertenheim regelmäßige Besuche zu machen, eine Art von Patenschaft zu übernehmen. Es ist bis jetzt auch selten praktiziert worden, daß christliche Familien ein gemeinsames Haus bauen, um dort miteinander zu leben, füreinander und für andere dazusein. Es ist bis jetzt auch selten praktiziert worden, daß eine Familie ganz bewußt an einem Tag in der Woche ihre Wohnung für andere öffnet. Es ist bis jetzt auch selten praktiziert worden, daß jemand einem Gefängnispfarrer schreibt, er habe ein möbliertes Zimmer, das er einem Haftentlassenen zur Verfügung stellen wolle. Es ist bis jetzt auch selten praktiziert worden, daß ein Hausherr inseriert, er habe eine preiswerte Wohnung, aber nur für eine Familie mit vier kleinen Kindern. Bitte lassen Sie sich das einmal durch den Kopf gehen. Denken Sie nicht an jemand anderen, der so etwas machen könnte. Denken Sie auch nicht an den lähmenden Gedanken vom Tropfen auf den heißen Stein. Wenn wir solche Modelle entwickeln, solche ersten Schritte machen, dann sind das Licht-, Zeichen- und Salzkörner in unserer Welt. Und die sind ganz bestimmt nicht vergeblich. D) BERUFUNGEN HÖREN Jeremia schreibt: „Wenn’s eurer Stadt wohlgeht, so geht’s auch euch wohl.“ Er verbindet das Wohlergehen der Gemeinde ganz eng mit dem Wohlergehen der Stadt. Wir dürfen also auch die Sorge ums politische und gesellschaftliche Wohl unter der Verheißung „nicht vergeblich“ sehen. Wenn Sie in ein Amt gerufen werden, in dem Sie anderen wohltun können, dann sollten Sie nicht von vornherein nein sagen. Dann sollten Sie ganz offen sein dafür, daß das auch ein Ruf Gottes für Sie sein könnte. Gott kann Sie gebrauchen, in einem Elternbeirat, einem politischen Amt, in einer sozialen Funktion. Schluß Für uns Christen ist die allerwichtigste Frage gelöst, die Frage nach der Vergebung unserer Schuld. Jesus Christus schenkt uns Gemeinschaft mit Gott in Zeit und Ewigkeit. Wo diese Frage auch bei uns ganz persönlich gelöst ist, da sind wir frei, da sind wir auch beauftragt zur Mitarbeit in den Fragen dieser Welt. Reinhold Rückle Hier beginnt mein Auftrag Neulich hörte ich von einem jungen Mann, der lange Zeit in christlichen Kreisen zu Hause war. Später kehrte er allem den Rücken, stürzte sich in Sport und Vergnügungen, und lebt heute nur noch in seiner Gruppe und in seinem Verein. „Aber weißt du“, sagte er, „so eine Atmosphäre und so einen Zusammenhalt wie damals im Jugendkreis gibt’s jetzt bei uns nicht.“ Eine Frau erzählt vom ersten Zusammentreffen mit einem jungen christlichen Ehepaar und sagt: „Das sind Menschen, bei denen man schon beim Reinkommen eine Verbindung hat.“ Einer könnte einwenden: „Was sollen diese Alltäglichkeiten angesichts des politischen und sozialen Auftrags der Christen im Weltmaßstab?“ Und doch wird gerade hier Wirken Jesu Christi sichtbar: er dringt von innen nach außen; ihm liegt das Kleine am Herzen, und daraus schafft er Großes. Mein gesellschaftlicher Auftrag beginnt bei dem, der mir gerade zum Nächsten wird. So sagt es Jesus im Gleichnis vom barmherzigen Samariter. Bei dem z. B., der in einer gemütlichen Abendstunde unerwartet vor der Tür steht. Er hofft auf eine offene Familie, eine Tasse Tee und ein hörbereites Ohr. Aber was wird jetzt aus dem freien Abend? Oder bei dem, der mir schon zum wiederholten Male meinen gemieteten Parkplatz belegt hat, so daß ich nun Zusehen kann, wo ich mit meinem Auto bleibe. Jetzt ist der Friede Christi gefragt — „Friede, der nach außen dringt.“ Das heißt nicht, daß ich mir alles gefallen lasse. Aber die Art, wie ich mit dem anderen umgehe, wird von der Freundlichkeit und Liebe Christi geprägt sein. Die Losung von heute morgen nennt den Maßstab: „Höre, Israel, der Herr ist unser Gott, der Herr allein“ (5. Mose 6, 4). Von diesem Mittelpunkt aus will Gott die Fäden eines Christenlebens in alle Bereiche hineinspannen. „Der Herr allein ist unser Gott“: Dies gilt für das Gespräch zwischen Hausfrauen und für die Beratung in der Chefetage; wenn ich über andere rede, wenn über das berufliche Schicksal anderer entschieden wird: wir sind dem Herrn gegenüber verantwortlich. Ob es sich um den Kauf eines Wagens oder um die Anschaffung einer Wohnzimmereinrichtung handelt: Jesus Christus will auch darin unser Herr sein und von allen anderen Ländern. Das gilt für meine Worte über den politischen Andersdenkenden hier wie über die Regierungschefs anderer Staaten. Wenn er der Herr ist, werde ich voll Hoffnung beten: „Dein Reich komme!“ Zugleich werde ich mutig dort zupacken, wo ich stehe und wo Gott will, daß ein Stück seiner Herrschaft sichtbar werde. Eberhard Hahn Diakonie Nicht vergeblich mit den anvertrauten Pfunden gewuchert Matthäus 25, 14+15 Vorbemerkung: Behinderte Menschen, insbesondere geistig Behinderte und Mehrfachgeschädigte können das verbal ausgesprochene Wort Gottes nicht oder nur zusammenhanglos aufnehmen. Johannes, der Lieblingsjünger Jesu, schreibt in seinem 1. Brief: „Ich verkündige euch das, was wir mit unseren Augen gesehen, mit unseren Ohren gehört und mit unseren Händen betastet haben. Es ist das Wort des Lebens, das wir euch verkündigen.“ Behinderte, übrigens auch gesunde Kinder und Erwachsene, nehmen das Wort Gottes, das sie sehen, hören und betasten können, intensiver auf als nur das gehörte Wort Gottes. Es war und ist „nicht vergeblich“, daß wir uns seit acht Jahren die Mühe machten, biblische Geschichten und Gleichnisse mit Bild, Musik und Spiel so zu verdeutlichen, daß die Zuhörer das gesehene, gehörte und gespielte Wort Gottes nach Jahren noch in sich tragen. Für unseren Textabschnitt gilt folgender Grundsatz: „Gleichnisse müssen ausgelegt werden, Beispielgeschichten haben ihren Zielpunkt.“ Das Gleichnis von den anvertrauten Pfunden muß also ausgelegt werden. Die entscheidenden Aussagen sind mit den Worten ausgedrückt: Talente, ein Mensch, seine Knechte, seine Habe, er teilt aus, jedem nach seiner Tüchtigkeit, er sagt: handelt bis ich wiederkomme, der Herr kommt zurück, er fordert Rechenschaft, er belohnt die Treuen, er schickt den faulen und bösen Knecht in die Finsternis. Bei der Auslegung des Gleichnisses stellen wir fest: Der Mensch ist Jesus. Talente sind Gewichte, Zahlungsmittel, Loskaufmittel (das Kreuz, das Fleisch und Blut Jesu, Abendmahl, die Taufe, das Wort Gottes). Die Knechte sind Leute, die zu dem Reich des Herrn gehören. Treue heißt, den Auftrag ausführen. Bös und faul sein heißt, sich distanzieren, Abstand nehmen. Die Treuen stellt der Herr ins Licht, den Bösen und Faulen schickt der Herr in die Finsternis. Diese Botschaft wollen wir mit Wort, Musik und Spiel weitersagen und weitertragen. In Reimen und Versen mit Personen und Symbolen verdeutlichen wir die Inhalte. Dieser Mann, den wir hier sehn, möchte auf die Reise gehn, außer Landes ziehen weit, ferne bleiben lange Zeit. An den Beuteln merkt man gleich: Er hat Geld und ist sehr reich. — Wieviel Pfunde! — es sind acht; was er wohl mit ihnen macht? Seht nun ruft der Mann herbei seine Knechte — es sind drei. Und die drei, die bei ihm stehn, läßt er seine „Habe“ sehn. Und nun — übergibt er dieses Geld, wie er es für richtig hält; klug und weise er ermißt, wozu jeder fähig ist. Der Herr spricht: „Nun — gehet mit den Pfunden hin, handelt und bringt viel Gewinn.“ Nun ist er bereit, zu gehn, grüßt und sagt: „Auf Wiedersehn." (Der Chor singt und musiziert und die ganze Gemeinde stimmt mit ein in den Liedvers): „Ein guter treuer Knecht, der macht seinem Herrn es recht. Er nimmt die Pfunde hin, bringt reichlichen Gewinn.“ Diese Pfunde oder Talente, die der Mann seinen Knechten übergeben hat, sind in unserem Bild Geld — Zentner — Pfunde. Was bedeuten sie? Sie bedeuten Kaufmittel, Loskaufmittel, Zahlungsmittel. Jesus Christus will seinen Jüngern sagen: „Die Talente sind die Botschaft vom Kreuz auf Golgatha, vom Lamm Gottes, das die Sünden der Welt trägt, die Botschaft von der Auferstehung, von der Taufe, vom Abendmahl, vom Gebet und dem Heiligen Geist.“ Die Knechte sollen in der Kraft dieser Heilstaten Christi Jesu arbeiten. Sie sollen in den Liebes- und Glaubenswerken für ihren Herrn Menschen zum Reich Gottes dazugewinnen. Darum gehen die Knechte in alle Welt und gewinnen Menschen zum Reich Gottes dazu. Gott gab ihnen dazu die Gaben des Geistes, der Seele und des Leibes. Die natürlichen Gaben sind nicht die Talente. Die Talente sind die Heilstaten und Heilskräfte Jesu Christi. Ihr Herr will in den Knechten den Glauben wirken. Dieser Glaube wird in der Liebe tätig. Darum predigen sie die Heilstaten mit Worten und begleiten die Worte mit Liebeswerken. Glaube und Liebe, Worte und Werke, bleiben untrennbar beieinander. Betten und beten sind eine Einheit. Leib- und Seelsorge dienen dazu, die Menschen für das Reich Gottes zu gewinnen. Der Herr hat gesagt: „Handelt bis ich wiederkomme.“ Deshalb sind die Knechte nicht absichtslos tätig. Wir wollen nun mit einigen Beispielen aus dem Alltag zeigen, wie Wort und Tat, Glaube und Liebe, Leib- und Seelsorge zusammengehören. (Chor und Gemeinde singt): Die Knechte sind bereit, zu dienen allezeit, sie helfen jedem gern im Namen ihres Herrn. Knechte (Mägde) können Hausfrauen, Konfirmanden, Männer und Missionare sein. Jeder Mensch kann in seiner Situation mit den Gaben Jesu, des Herrn (Talenten-Loskaufmitteln), Menschen zum Reich Gottes dazugewinnen. Daß kein Mensch mit seinen Naturgaben Menschen zum Reich Gottes dazugewinnen kann, zeigen die zwei folgenden Kurzgeschichten: „Ein Verkehrsunfall hat sich ereignet. Ein Mann liegt schwerverletzt im Straßengraben. Der Notarzt und die Sanitäter sind'zur Stelle und mühen sich um den Verunglückten. Der verletzte Mann bittet, daß jemand mit ihm betet. Er weiß, daß er sterben muß. Doch die Umstehenden sind hilflos. Keiner kann den Wunsch erfüllen. Da tritt ein Junge vor. Er kniet neben den Sterbenden in den Straßengraben und betet mit ihm einen Liedvers, den er gerade im Konfirmandenunterricht gelernt hat. Das Wort des Trostes und der Hoffnung haben dem Verunglückten Hoffnung über den Tod hinaus gegeben.“ (Chor und Gemeinde:) „Die Knechte gehen fort, verkünden Gottes Wort. Sie gehn in alle Welt, wo Gott sie hingestellt.“ Losgekauft von den Sklavenhändlern. „Wir hatten das Nationalmuseum von Daressalam in Tansania besucht. Als wir in unser Quartier ins Martin-Luther-Haus kamen, war uns bewußt, welche Bedeutung die Gossner-Missionare für die Bantus im letzten Jahrhundert hatten. Dieser Volksstamm, Animi-sten oder Heiden genannt, wurde damals von Sklavenhändlern aus dem Innern des Landes zur Küste getrieben und zu harter Arbeit verkauft. Die Gossner-Missionare kauften diese gequälten Menschen mit einer Summe von 200 Millionen Goldmark frei. Dann durften die Freigekauften wieder ins Innere des Landes zurückkehren. Sie waren Freigekaufte aus der Hand der Sklavenhändler, aber Gefangene im Götter- und Ahnenkult. Deshalb verkündigten die Gossner Missionare den Bantus, daß Jesus Christus sie freigekauft hat mit seinem Blut von der Macht des Bösen, der Sünde und des Todes. Es entstand eine Gemeinde von getauften Heiden, die Christen geworden waren. Die Knechte Jesu Christi hatten mit den Loskaufmitteln Jesu Christi Menschen für das Reich Gottes gewonnen.“ Drum sei ein frommer Knecht und mach deinem Herrn es recht. Nimm gern die Pfunde hin, bring reichlichen Gewinn. Jesus hat im Missionsbefehl hinterlassen: Zuerst das Predigen, dann das Tun des gepredigten Wortes. Seht, in diesem Augenblick kommt der reiche Mann zurück. Wohlbehalten, unversehrt ist er wieder heimgekehrt. — Noch vor Anbruch dieser Nacht will er von den Knechten wissen, ob sie ihm Gewinn gebracht. Seht, der erste tritt heran, der fünf Pfunde hat bekommen, zeigt sich als ein treuer Mann. „Herr, fünf Pfunde gabst du mir; fünf hab ich dazugewonnen, die gehören alle dir.“ Der Herr sagt: „Wohl dir, du getreuer Knecht, gut gemacht! Ich freue mich. Über Wen’ges warst du treu, über vieles setz’ ich dich. Gehe ein — so sag ich gerne — zu der Freude deines Herrn.“ Auch der zweite Freund hat gearbeitet und dazugewonnen. Er hört die gleichen Worte und wird für seine Treue belohnt. Der Herr kommt heut zurück, zwei Knechte sind voll Glück. Treu wart ihr, als ich fern; kommt nun zu eurem Herrn. Und der dritte kommt heran, der das eine Pfund erhielt. Ist auch er ein treuer Mann? Er hat sich sein eigenes Bild und Urteil von seinem Herrn gemacht. „Herr, ich habe dich erkannt, daß ein harter Mann du bist: erntest, wo du nicht gesät, sammelst immerdar bis heut, wo du gar nicht ausgestreut. — Voller Furcht ich also lief, nahm das Pfund, das du mir gabst, grub es in die Erde tief. Siehe, da ist kein Gewinn. Nimm dein Pfund nun wieder hin.“ Der Herr antwortet: „O du böser, fauler Knecht! Sage mir nur: wußtest du, daß ich ernte fremde Saat und noch and’res Unrecht tu’? — Hättest du es so gemacht: Dieses Pfund zur Bank gegeben, hätt’ es Zinsen mir gebracht. Darum nehmt das Pfund ihm fort, gebt es dem, der zehn empfangen, — diesem treuen Knechte dort.“ Denn — wer da hat, dem wird gegeben, und er wird die Fülle haben. Dem, der nicht hat, wird auch das, was er hat, genommen werden. — „Werft den faulen Knecht hinaus; er bleibt nicht in meinem Haus!“ (Chor und Gemeinde:) Der faule Knecht muß fort, darf nicht an diesen Ort; — sein Abstand zu dem Herrn hält ihn jetzt von ihm fern. Hätte er die Talente in der Weise benützt, daß er die Missionare unterstützt hätte, dann würden ihm noch Zinsen angerechnet. Seine Distanz zu Jesu Heilstaten und Heilskräften bewirkte Jesu Distanz zu ihm. (Chor und Gemeinde:) Der Knecht, der muß jetzt fort von diesem sel’gen Ort. Sein Abstand zu dem Herrn hält ihn jetzt von ihm fern. Drum sei ein frommer Knecht und mach deinem Herrn es recht. Nimm gern die Pfunde hin, bring reichlichen Gewinn. Ernst Fuhr 81 Diakonie — auch im Sozialstaat Viele Dienste an leidenden, alten und pflegebedürftigen Menschen entstanden aus christlicher Verantwortung in den vergangenen Jahrhunderten. Manches entstand aus Bürgersinn, der dem anderen helfen wollte. So gab es z. B. christliche Spitäler, christliche Altersheime, christliche Gemeindepflegestationen, christliche Kindergärten u. a. Im Laufe der letzten Jahrzehnte übernahmen der Staat, die politischen Gemeinden, die Landkreise, die Städte immer mehr Aufgaben dieser Art, z. B. Stadt-Krankenhäuser, Kreis-Krankenhäuser, Altersheime und Kindergärten. In den letzten Jahren wurde, durch den Schwesternmangel bedingt, auch im Gemeindepflegedienst die Sozialstation oder die zentrale Diakoniestation von den politischen Gemeinden bzw. den Kirchengemeinden oder anderen Trägern übernommen. Darum ergibt sich aus dieser Lage folgende Frage: Soll die Gemeinde Jesu Christi diese Dienste an alten und jungen Menschen in Zukunft dem Staat bzw. den politischen Gemeinden überlassen? Kann die öffentliche Hand dies nicht viel umfassender finanzieren und für ganze Regionen insgesamt flächendeckend planen? Es ist richtig, daß der, der die Steuern einnimmt und über Steuermittel verfügt, umfassender finanzieren kann und der, der die Planungshoheit hat, auch eher gesetzlich solche Dinge verankern kann. Wenn also Finanzen und Planung bei der öffentlichen Hand umfassender aufgehoben sind, — warum mühen sich dann engagierte Christen um diakonische Hilfe? — warum versucht man im diakonischen Bereich die eigenen Krankenhäuser, die eigenen Kindergärten, die eigenen Gemeindepflegestationen, das eigene Altersheim weiter durchzuführen? Will man nur festhalten? Wir müssen deutlich sagen: Nein! Wir sagen als Christen „Ja“ zu diesen Diensten aus drei Gründen: 1. Gerade der leidende alte oder junge Mensch braucht in seiner besonderen Lage das Angebot des Lebens mit Jesus Christus. Dazu braucht er das Gebet und das Wort Gottes dringend, um in seiner ganzen Menschlichkeit diese schwere Wegführung des Leidens durchzustehen. Wer kann in der tiefsten Not eines Menschen — das ist die Schuld vor Gott — Vergebung zusprechen, wenn nicht Jesus Christus? Dieses Angebot des Lebens mit Jesus Christus, das Angebot des Gebets und des Wortes Gottes, des Zuspruchs der Vergebung Jesu Christi, kann nicht Sache des Staates sein. Hier sind Christen gefragt. 2. Gerade die Mitarbeiterinnen und die Mitarbeiter, die am Krankenbett den leidenden Menschen begleiten, den heimatlosen Menschen aufnehmen, brauchen angesichts der oft unbegreiflichen Lebensschicksale der anvertrauten Menschen den Zuspruch des Wortes Gottes. Gerade die Mitarbeiter in solchen notvollen Situationen menschlicher Schicksalsführungen brauchen das gemeinsame Gebet zu Jesus Christus, sie brauchen den gegenseitigen Trost: Dennoch bleibt Jesus Christi s Herr und Heiland, auch in ganz dunklen Tälern der Lebensführung. Diesen Zuspruch brauchen sie untereinander und von der Leitung des betreffenden Hauses oder der betreffenden Einrichtung. 3. Diakonie soll auch in einer immer mehr dem Nutzungsdenken verfallenen Gesellschaft Freiräume schaffen. Freiräume für Mitarbeitende im Krankenhaus, sowohl im Pflegebereich wie im ärztlichen Dienst. Ohne Angst muß es möglich sein, die Mitwirkung bei leichtfertiger Handhabung des Abtreibungsgesetzes (§ 218) zu versagen. Hier können Krankenhäuser der Diakonie Zeichen in der Gesellschaft aufrichten. Auch im Kindergarten braucht es den Freiraum für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Sie müssen von ihrem Vorstand und ihrem Träger her wissen: Erziehung und Wort Gottes sind keine repressiven Maßnahmen, sondern gute Hilfen, um ein ganzer, gesunder Mensch zu werden. Freiräume setzt die Diakonie in ihren Altenheimen, so daß ein alter Mensch keine Angst zu haben braucht vor unmenschlicher Verlängerung seines Lebens oder vor einer von Menschen bestimmten Beendigung seines Daseins. Leider liegt es in der Luft unserer Gesellschaft, daß man fragt: „Werden uns die alten Menschen nicht zu teuer?“ Will man ihnen darum das „humane Sterben“ nahebringen? Diakonie ist in unserer Gesellschaft immer warnende Stimme. Es ist nicht leicht, diesen Dienst durchzuhalten. Die freigemeinnützigen Krankenhäuser sehen mit Sorge die Entwicklung der Veränderung der Bundespflegesatzverordnung, die am 5. Juli d. J. im Bundesrat beschlossen werden soll. Alle Fachleute haben hier die große Sorge, daß immer mehr der Freiraum persönlicher Verantwortung eingeschränkt wird. Aber die Menschen um uns herum bitten um ein Krankenhaus, in dem man betend begleitet wird, in dem man das Wort Gottes hört und in dem Jesus Christus bei aller menschlichen Schwäche auch der Mitarbeitenden doch letzte Hoheit hat. Zum Schluß ein Dreifaches: 1. Liebe Mitarbeiterin und lieber Mitarbeiter in der Diakonie! Herzlichen Dank jedem, der sein Gebet, sein persönliches Wort von Jesus mit in diesen Dienst, mit in unsere dienstlichen Besprechungen hineinbringt! 2. Liebe Gemeindeglieder! Wer betet für uns an den Krankenbetten, in den Kindergärten, in der Gemeindepflege? Wer schließt in sein Abendgebet die Nachtwachen an den Sterbebetten mit ein? Wir brauchen die Fürbitte, gerade da, wo wir bei den leidenden und einsamen Menschen stehen, wo menschliche, medizinische Hilfe keine entscheidende Wende mehr bringen wird. Wer betet aber auch in den Gemeinden um Berufungen von Diakonissen und Diakonen, von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die ihre Kraft ganz in den Dienst Jesu Christi stellen? Ohne solche Berufungen kann Diakonie nicht leben. 3. Liebe Parlamentarier und Mitarbeiter in den Städten, in den Kreisen, in den Ländern, im Bund, wir bitten Sie: Hört, daß der Mensch nicht vom Brot allein lebt, sondern von einem jeglichen Wort, das aus dem Munde Gottes kommt. Darum helfen Sie uns, die diakonischen Freiräume zu erhalten und zu fördern. Wir aber wollen in aller eigenen Schwachheit bekennen: Gelobt sei Jesus Christus, der uns in seinen Dienst an leidenden, einsamen, alleingelassenen Menschen mit hineinnimmt! Theo Schnepel Nicht vergeblich — in der offenen Diakonie 1. Was ich mir von Ihnen für die vielen kranken Opfer unserer krankmachenden Gesellschaft erbitte Wir sind Beschenkte. Nicht im Sinne eines christlichen Genießer-tums, das sich ausruht und zufrieden ist mit dem, was man hat. Das, was man geschenkt bekommen hat, hat man zum Weitergeben. Wir sind Beschenkte, aber wir sind auch in Pflicht Genommene. Diakonie ist infolgedessen nicht nur eine Angelegenheit für ein paar sozial besonders Engagierte, weil sie interessiert und sensibilisiert sind. Diakonie ist nicht nur ein Reservat für entsprechend fachlich Ausgebildete. Das gehört alles auch dazu, soziales Gewissen und eine gute Fachausbildung. Diakonie ist aber eine Sache für jedermann, jedenfalls für jeden Christen, der sein Leben in der Nachfolge Jesu zu leben gewillt und bereit gemacht worden ist. Nach Luther: Was nicht im Dienst steht, steht im Raub. Christen wollen keine Räuber sein, die Gaben an sich ziehen und für sich konsumieren wollen. Sie wollen vielmehr diese Gaben empfangen und weitergeben. Es wäre ein Gottesgeschenk an die Christenheit von ganz großem Ausmaß, wenn das Selbstverständnis eines jeden Christen so zu formulieren wäre: Ich bin ein Dienstmann oder eine Dienstmagd Jesu Christi, ganz gleich, welchen Beruf ich wahrnehme; ganz gleich, aus welcher sozialen Ecke ich komme. Jesus Christus ist der Diener aller geworden und geblieben. Er hat dies auch bis in unsere Zeit hinein durchgehalten. Was nicht im Dienst steht, steht im Raub. Bitte seien Sie keine Räuber. Gehen Sie mit Gaben verantwortlich, behutsam, aber entschlossen um. 2. Die Diakonie im allgemeinen und die offene Diakonie im besonderen möchte das Wort „alle“ besonders wichtig nehmen Die offene Diakonie kümmert sich um Menschen, die nicht in Heimen, nicht in Anstalten untergebracht sind, sondern in Wohnungen, in guten und mittelprächtigen, aber auch in miserablen, ihr Dasein zu fristen haben. Oder sie kümmert sich um solche, die auf der Straße zu leben haben und an Leib und Seele verkommen. Auch und gerade diese Menschen gehören zu dem biblischen Zentralwort „alle“, weil es keinen Menschen gibt, der auf dieser Erde lebt und ein ungeliebtes und ein von Golgatha unerlöstes Geschöpf wäre. Kein Mensch ist ungeliebt, kein Mensch ist unerlöst. Man muß es ihm aber sagen, weil er es von sich aus nicht weiß. Das ist Kern und Stern, das ist Mitte und Ziel aller offenen Diakonie, die sich um dies „alle“ zu bemühen hat. Waren Sie schon einmal in einer Elternversammlung, wo Eltern zusammen sind, deren Kind an der Nadel hängt? Ahnen Sie, was da gelitten wird? Haben Sie schon einmal Begegnung gehabt mit einem eben Strafentlassenen? Gewiß, der erste Weg führt ins Pfarrhaus. Da erbettelt man ein paar Mark mit ein paar Gründen, die triftig oder auch nicht sein mögen. Doch dann steht er vor dem Nichts, weil sich seine Frau in der Zwischenzeit von ihm hat scheiden lassen. Was denn nun? Wo bleibt hier die Kirche mit ihrer offenen Diakonie? Oder haben Sie etwas Einblick in das Nachbarhaus, wo eine Trinkerfamilie wohnt und der Mann sich um keinen Preis einer Therapie unterziehen will. Die Frau will es einfach nicht wahrhaben, wie tief ihr Mann schon gesunken ist. Darum beschönigt und vertuscht sie es, so als ob alles in Ordnung wäre. Das ist es eben nicht, sondern es ist ein massives, von Tag zu Tag sich steigerndes, im Herzen der Frau sich auswirkendes Elend, das man beinahe nicht mit an-sehen, geschweige denn ertragen kann. Da sind Kinder, die das sehr genau gemerkt haben, daß sie eben keine gewünschten Kinder sind. Sie wurden hereingezwungen in diese Welt, ohne jemals wirklich angenommen worden zu sein. Es ist ganz gewiß Schimpf und Schande für unsere verkommene Gesellschaft, diese Abtreibungsziffern. Darüber darf man nicht vergessen, welches Elend geschieht, wenn Kinder zur Welt gebracht werden, denen nicht die Gnade des Angenommenwerdens widerfährt. Oder da sind alte Menschen. Unsere Bevölkerungspyramide ist ja auf den Kopf gestellt. Das Kind ist in ungezählten Fällen eine Last geworden. Wir sind vielerorts eine kinderfeindliche Gesellschaft geworden. Die alten Menschen aber sind da, die kann man nicht einfach ausradieren, hinauskatapultieren aus dieser herzlos gewordenen Zeit und Welt. Alte Menschen haben im Grunde alles, was man braucht, um ein nettes Leben zu führen. Es ist bloß niemand da, der Zeit hat zum Zuhören, der sich hineintastet in das, was man eigentlich gesagt hat oder sagen wollte. Einsamkeit auf der letzten Wegstrecke, die man zu gehen hat. Wo ist hier wirklich leibhaftige Gemeinschaft, christliche Nachbarschaft? Wo sind die besagten Brüder und Schwestern? Wo ist denn die „liebe Gemeinde“ in Aktion? Bei uns gibt es auch keine neue Armut, wenn man uns mit der dritten Welt vergleicht. Beobachten sollte man aber doch, wie bei uns die Dinge sehr merkwürdig auseinander laufen. Die einen haben und fügen immer noch mehr dazu. Und bei anderen wird es merklich weniger von Monat zu Monat. Dann gibt es tatsächlich bei uns eine neue Armut. Darauf nicht zu achten, wäre ein Höchstmaß an Lieblosigkeit und ein Verrat an dem biblischen Wort „alle“. Ganz zu schweigen von Asylanten und der Ausländerproblematik, auf die ich hier jetzt nicht eingehen will. Sie merken, offene Diakonie hat eine offene Tür zu den Menschen hin, die nicht in Anstalten und ähnlichen Einrichtungen untergebracht sind. Ich wollte Ihnen eine Zielvorstellung geben. Ich weiß, wie weit wir tatsächlich hinter dem Zurückbleiben, was wir eigentlich sollten und wollten: den Rettungs- und Heilungswillen Jesu weitervermitteln in eine Welt, die immer mehr vom Tod bestimmt und durchtränkt ist. 3. Begegnungen Bevor das Sinaikloster von Israel wieder an Ägypten übergeben wurde, war ich noch einige Tage mit einer kleinen Gruppe im Kloster. Einer fragte den Mönch, der uns führte: „Was haben Sie eigentlich studiert?“ Seine Antwort: „Eigentlich nichts. Ich habe nur die Volksschule besucht.“ — „Ja, brauchen Sie denn da nicht mehr als Volksschule?“ — Da kam die Antwort: „Doch. Ich habe mich selbst mitgebracht.“ Wer Dienstmann oder Dienstmagd Jesu sein will, ganz gleich in welchem Beruf, wird nur dann nicht zum kalten und herzlosen Funktionär, wenn er sich selbst einbringt mit Haut und Haar, so wie Jesus ganz da war und ist und bleiben wird. Vor wenigen Jahren war ich Gast der rumänischen orthodoxen Kirche. Ich war eingeladen zur Feier anläßlich des Gedenkens an Konstantin und Helena in der riesigen Bukarester Kathedrale. An einem ganz normalen Werktag war die Kirche voll von hinten bis vorne. Wie arm waren diese Leute. Die Frauen so schlicht angezogen. Am Ende des vierstündigen Gottesdienstes erklärte mir der Metropolit, warum immer wieder während des Gottesdienstes irgendwelche Leute auf mich zukamen und mir irgend etwas in die Hand drückten. Es waren geistig Behinderte, die als Geliebte Jesu mitten im Gottesdienst ihren Platz haben. Warum sind sie in unseren Gottesdiensten kaum jemals zu sehen? Zehn Jahre lang war ich Dozent für Religion an der höheren Fachschule für Sozialarbeit. Ich fragte nach dem Praktikum die Studenten: „Welche Fragestellungen haben Sie am meisten geplagt?“ Man konnte sicher sein, es zielte alles in die eine Richtung: „Gibt es hoffungslose Fälle?“ Ich fragte dann zurück: „Warum fragen Sie mich das?“ Dann wurde mir geantwortet: „Wir haben uns gemüht um einen Menschen, drei Monate, sechs Monate, um ihn mit allen fachlichen und geistigen Fähigkeiten zu stabilisieren. Doch dann kommt von irgendwoher so ein Querschuß und alle Arbeit ist vergeblich.“ Wer sich auf den vielfach Versehrten Menschen unserer Tage einläßt, muß mit mancherlei Rückschlägen und Bitterkeit rechnen. Entgegen diesen Erfahrungen, die man mit den eigenen Augen macht, muß man es mit Hörnern und Zähnen verteidigen: Nicht vergeblich in dem Herrn! Der Herr selbst verbürgt sich dafür! D. Helmut Claß Nicht vergeblich — in der stationären Diakonie Stationäre Diakonie — was ist denn das? Man nennt sie auch institutioneile Diakonie, eine Diakonie, die eine eigenständige Institution darstellt. Das sind Einrichtungen, die sich selbst verwalten und oft in der juristischen Person eines e. V., das heißt eines eingetragenen Vereines für allgemeine Wohltätigkeit geführt werden. Die meisten dieser Diakoniewerke entstanden im vorigen Jahrhundert. Unsere pietistischen Väter, wie auch Männer und Frauen der Erweckungsbewegung waren maßgeblich an ihren Gründungen beteiligt. Gott hat sich in wunderbarer Weise zu dieser Arbeit bekannt und tut es bis heute. Lassen Sie mich anhand des Diakoniewerks Martha-Maria, dem ich vorstehen darf, verdeutlichen, welche Aufgaben ein solches Werk erfüllt. Ich stelle in unserem Werk fünf verschiedene Funktionen fest: 1. Wir sind als stationäre Diakonie Hilfestation In drei Krankenhäusern in Nürnberg, München und Stuttgart haben wir 600 Krankenbetten. Über 15 000 Patienten im Jahr suchen in diesen Häusern Hilfe und Heilung. Obwohl wir, was die Ausstat- tung angeht, in der Regel nicht mit kommunalen Krankenhäusern konkurrieren können, sind unsere Häuser sehr gefragt. Einer, der uns etwas kennt, meinte im Blick auf unsere Situation in Nürnberg: „Sie haben ein gutes Krankenhaus. Es kommen zwar nicht alle wieder lebend heraus, aber man wird bestens versorgt.“ — Im Grunde können wir nur am Leben bleiben, wenn wir eine gute Belegung haben und durch die Einnahmen aus den Pflegesätzen eine Wirtschaftlichkeit erzielen. Im Gegensatz zu kommunalen Häusern werden bei uns Verluste nicht mit Hilfe der Steuermittel der Bürger abgedeckt. Wir müssen sie selber tragen. Diese Chancenungleichheit und die starke Einbindung in die Krankenhausgesetzgebung des Staates machen uns zunehmend Sorgen. Neben der Krankenhausarbeit führen wir in Nürnberg auch ein Alten- und Pflegeheim, das mit seinen 125 Plätzen der großen Nachfrage bei weitem nicht gerecht werden kann. Dazu unterhalten wir eine Kindertagesstätte mit 50 Kindern als Angebot für unsere Mitarbeiterfamilien. Unser Dienst gilt also Menschen aller Altersgruppen. Ihnen allen möchten wir ganzheitlich dienen, nach Leib und Seele. 2. Wir wollen als stationäre Diakonie eine Rettungsstation sein Wir möchten den Menschen nicht nur Heilung vermitteln oder Versorgung bieten. Wir möchten ihnen allen die Botschaft von der Rettung durch Jesus Christus, das heißt das Heil nahebringen. Wir wollen Missionsstation sein. Dazu gehört das Angebot des Wortes Gottes. In jedem Krankenbett gibt es ein Hörkissen und in jedem Zimmer unserer Altenheimbewohner gibt es eine Übertragungsanlage für unsere regelmäßigen Morgenandachten, Abendandachten, Gottesdienste und sonstigen Veranstaltungen. Daneben steht das Angebot der Seelsorge, ein Krankenhausbesuchsdienst, ein Bücherwagen mit guter christlicher Literatur, der Zuspruch des Glaubens und das Gebet. Die uns Anbefohlenen und vielfach in der Krisensituation Befindlichen, die nach Sinn und Ziel ihres Daseins fragen, sollen vom Evangelium her Antworten erhalten. Wir wollen, daß sie Jesus finden und nicht vergeblich leben. Beispiele: Da geht ein Patient durch eine schwere Krankheitskrise. Es wird ihm bewußt: Ich muß mit allem rechnen. Aber was wird aus mir? So wie ich bin, kann ich vor Gott nicht bestehen. Mein Leben muß in Ordnung kommen. — Er erbittet Seelsorge, legt eine General- beichte ab, empfängt Vergebung und darf sich der Errettung durch Christus bewußt werden. Nachdem er durch Gottes Gnade wieder aufkommen und entlassen werden durfte, suchte er wieder Anschluß an seine Kirche, aus der er ausgetreten war. Da berichtet ein Professor in einer Veranstaltung, welch große Hilfe es für ihn gewesen sei, als die Schwester, die ihn mit dem Bett in den Operationssaal fuhr, sich nicht gescheut habe, mit ihm vorher zu beten und ihn der Fürsorge Gottes anzubefehlen. Da sei er ruhig und getrost geworden. Da begegnet eine ältere Patientin in der Intensivstation einer Diakonisse, die neben ihr totkrank liegt. Sie wird von der Sterbensbereitschaft und der Glaubenskraft dieser Schwester tief beeindruckt und erfährt durch sie seelsorgerliche Hilfe. Beide dürfen wieder aufkommen und wissen sich seitdem miteinander verbunden. Die Frau hat sich in unserem Altenheim gemeldet mit der Begründung: „In Ihrem Hause möchte ich sterben.“ — Wie wichtig ist doch gerade auch unser Auftrag beim Geleit von Sterbenden! Ich wünschte, wir könnten der Aufgabe der Seelenrettung an Kranken und Gesunden in unserem Werk noch viel besser nachkommen. 3. Wir haben eine Kommunität Die Diakonissen, mit denen vor 96 Jahren das Werk durch einen schwäbischen Prediger der Evangelisch-methodistischen Kirche in Nürnberg begonnen wurde, bilden bis heute die eigentliche Trägerschaft. Die Mutterhausdiakonie, in der auf Lebenszeit berufene Frauen eine Glaubens-, Lebens- und Dienstgemeinschaft praktizieren, ist die Kernzelle der ganzen Arbeit. Unter den Zeichen der Ehelosigkeit, der Armut und des Gehorsams wissen sich die Diakonissen voll für ihr Werk verantwortlich. Es ist für sie Gottes Werk, für das sie sich einbringen, so lange sie können. Und das mit Freuden. Der priesterliche Dienst der alten und betagten Schwestern, die sich viel Zeit nehmen zum Gebet, ist der besondere Reichtum in einem solchen Werk. Leider geht die Zahl der Diakonissen wegen Überalterung rapide zurück. Der Nachwuchs stellt sich nur schleppend ein. Wir haben jetzt nur noch 203 Diakonissen, davon sind 116 im Einsatz. Die andern sind im Feierabend. So dankbar wir für gute und christlich motivierte freie Mitarbeiter auch sind, die wir dringend brauchen und ohne die wir unsere Arbeit nicht tun können, so können sie unsere Diakonissen doch nicht voll ersetzen. Sie haben kaum Anteil am kommunitären Leben, am gemeinsamen Le- ben, an der gemeinsamen Freizeitgestaltung, an den Erbauungsstunden unter dem Wort, an der Gebetsgemeinschaft und an dem Maß der Mitverantwortung für das Werk. Sie bleiben eben weitgehend Arbeitnehmer. Manche sind der Meinung, die Mutterhausdiakonie sei im Aussterben begriffen und nicht mehr zeitgemäß. Ich bin mit vielen Vertretern der Mutterhausdiakonie anderer Meinung. Ich glaube, daß Gott den Stand der Diakonisse, dem wir so viel Segen verdanken, auch in der Zukunft erhalten will. Ich möchte an dieser Stelle Sätze aus einem Schreiben zitieren, das 1981 vom Präsidium der Kaiserswerther Generalkonferenz verfaßt wurde. Da heißt es: „Man kann diesen Schrumpfungsprozeß nicht nur soziologisch beschreiben . . . Der Nachwuchsmangel ist vor allem eine geistliche Herausforderung an die Verkündigung der Kirche . . . Wir erhoffen eine Verkündigung, in der auch der Ruf zur Nachfolge in konkreter Lebensform ausgeht und neben der Bejahung der Ehe die Möglichkeit der Berufung zum ehelosen Stand um Christi willen in den Blick kommt. Für den Nachwuchs brauchen wir neben dem überzeugenden Beispiel vor allem die Fürbitte der gesamten Kirche für ihre Mutterhausdiakonie“ (aus „Übergänge — Mutterhausdiakonie auf dem Wege“, 1984, Seite 351). 4. Wir sind als stationäre Diakonie auch Ausbildungsstätte In unserer dreijährigen Krankenpflegeschule in Nürnberg bieten wir 80 Ausbildungsplätze für Schwestern und Brüder. Vor dieser Ausbildung besteht die Möglichkeit, ein Diakonisches Jahr zu absolvieren. Da haben wir ca. 40 Plätze. Dazu kommen noch 15 Lehrstellen für Lehrlinge in verschiedenen Berufszweigen. Leider müssen wir sehr viele Bewerbungen abweisen. Auch eine ganze Anzahl von Zivildienstleistenden können bei uns das Gute mit dem Nützlichen verbinden. Wir haben an diesen vielen jungen Leuten eine wichtige Aufgabe, der wir lange nicht so nachkommen können, wie wir gerne möchten. 5. Wir sind als stationäre Diakonie auch Arbeitgeber Dieser Tatbestand gewinnt in unserer Zeit der Massenarbeitslosigkeit und der mangelnden Ausbildungsplätze zunehmend an Bedeutung. Wir sehen auch hier einen wichtigen diakonischen Auftrag. Unsere Mitarbeiterschaft wurde bis jetzt nicht reduziert, son- dem von Jahr zu Jahr etwas vergrößert und das Ausbildungsangebot erweitert, weit über das Maß hinaus, das wirtschaftlich verantwortbar wäre. Alles in allem bieten wir rund 1000 Beschäftigten einen Arbeitsplatz, darunter nicht wenigen Behinderten und auch ausländischen Arbeitnehmern. Wir haben in Nürnberg in Verbindung mit dem Arbeitsamt im Rahmen einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme ein Pilotprojekt übernommen, wo versucht wird, 15 arbeitslosen Jugendlichen, die seit Jahren nirgendwo untergekommen sind, durch ein Einführungsjahr eine Ausbildungsmöglichkeit zu verschaffen. Das ist eine schwere Aufgabe. Wir hoffen, daß es uns mit Gottes Beistand geschenkt wird, den meisten von ihnen den Einstieg zu einem geordneten Leben zu vermitteln. Bitte beten Sie für uns! Beten Sie für die großen Aufgaben in der stationären Diakonie, daß durch sie auch weiterhin viel Gutes geschieht und Reich Gottes gebaut werden kann! Paul Nollenberger WORT und TAT gehören untrennbar zusammen Die Liebe Gottes begegnet uns in seinem Wort, mit dem er uns anredet. Und sie begegnet uns in seinem Werk; in dem, was er für uns tut. Unser Herr predigte das Evangelium vom Reich Gottes, und er heilte die Kranken. Seine Jünger haben von ihm den Auftrag bekommen, beides weiterzutragen, sein Wort und seine helfende Tat: „Gehet hin und saget ,das Reich Gottes ist zu euch gekommen’ und macht die Kranken gesund“ (Matth. 10). Die ersten Christen in Jerusalem „blieben beständig in der Apostel-Lehre und in der Gemeinschaft und im Brotbrechen und im Gebet“ — und sie teilten ihre Güter (Apg. 2). Das erste Amt in der christlichen Gemeinde war das Amt der Apostel. Aber schon nach wenigen Wochen leitete der Heilige Geist die Gemeinde dahin, das Amt der Diakonie zu schaffen (Apg. 6). Beides gehört untrennbar und gleichwertig zusammen: Mission und Diakonie, Seelsorge und Leibsorge, das Weitertragen der Liebe Gottes im Wort und in der Tat. Haben wir als Christen heute diese wichtige Dimension unseres Glaubens im Blick? Oder sind wir dafür weitgehend blind? Diakonie ist nicht nur eine Aufgabe der Diakonie und Diakonissen, der diakonischen Einrichtungen und der hauptamtlichen Mitarbeiter der Diakonie, sondern sie ist Auftrag und Ausdruck des Glaubens für jeden Christen und für alle Gemeinden. Und zwar nicht nur mit dem Geldbeutel durch gelegentliche Spenden. Sondern „Herz und Mund und Tat und Leben soll von Christus Zeugnis geben“. So heißt es in einer Kantate von Johann Sebastian Bach. Diakonie und Seelsorge haben dieselbe Wurzel. Sie beginnen damit, daß wir SEHEN lernen. Daß wir die Menschen, denen wir begegnen, mit den Augen Jesu sehen lernen und wahrnehmen. Sehen wir die leidenden Menschen an unserem Weg: den kranken Nachbarn im Haus gegenüber oder im Krankenhaus? Die Alten und Gebrechlichen in unserer Nachbarschaft oder im Pflegeheim? Die ausländischen Mitbürger, die Asylanten, die farbigen Studenten? Sehen wir die Behinderten und ihre Familien? Sehen wir das Elend der Nichtseßhaften? Sehen wir die Not vieler Frauen, die meinen, auf Grund der Verhältnisse ihr Kind nicht zur Welt bringen zu können? Sehen wir die Ehepaare, die sich nicht mehr verstehen können; die Familien mit ihren manchmal unlösbar erscheinenden Problemen? Sehen wir die jungen Leute an der Ecke mit ihrer Hoffnungslosigkeit und ihren Enttäuschungen? Sehen wir die Gefangenen, die Strafentlassenen und ihre Familien? Wissen wir, wer in unserer Gemeinde arbeitslos ist und wie diese Familien finanziell durchkommen? Sehen wir die verschämten Armen in unserer Gemeinde? Welche Familien werden in unserer Gemeinde regelmäßig unterstützt? Wissen wir, wie klein manche Renten sind? Sehen wir die Suchtkranken und ihre Familien? Sehen wir die psychisch Kranken in unserer Mitte? Sehen wir die überlasteten Mütter und ebenso die kinderlosen Ehepaare? Sehen wir den Lazarus vor unserer Türe oder sind wir blind dafür? Unser Herr öffne uns durch seinen Geist die Augen, daß wir sehend werden für die Not der Brüder und Schwestern, in denen uns unser Herr selbst begegnet. Und dann? Was sollen und können wir dann tun, um Leidenden zu helfen? Jedem Jünger Jesu sind viele Gaben anvertraut, mit denen er anderen dienen und helfen kann. Wir alle haben von unserem Herrn viel mehr Gaben zugeteilt bekommen, als uns bewußt ist. Im Neuen Testament heißt es: „Erwecke die Gabe, die in dir ist“ (2. Tim. 1, 6). Es geht darum, diese Gaben zu entdecken und anzuwenden und wachsen zu lassen. Lassen Sie uns doch ganz neu anfangen, auf Menschen zuzugehen, mit ihnen zu reden und ihnen mit.unseren Möglichkeiten zu helfen: durch Besuche, durch Begleitung, durch Öffnung unserer Wohnungen und Familien, durch praktische Hilfsdienste, durch Vermittlung von Wohnung und Arbeit, durch Mitarbeit in Dienstgruppen für Ausländerkinder oder im Altenheim, durch Patenschaften für Familien oder Einzelpersonen, durch offene Angebote für junge Menschen, durch Zuhören und durch materielle Hilfen. Und lassen Sie uns teilnehmen an der Arbeit der diakonischen Einrichtungen in unserem Ort oder Bezirk; an der Arbeit der Diakonischen Bezirksstellen und der Beratungsstellen, an der Arbeit der Diakoniestationen und der Altenheime, an der Arbeit der Jugendhilfeeinrichtungen und der Krankenhausseelsorger, an der Arbeit der Suchtkrankenberater und der Bewährungshelfer. Sie brauchen unser Mittragen und auch unsere Mitarbeit. Und lassen Sie uns für diese Mitarbeiter und für die Leidenden beten. Beim Beten zeigt uns unser Herr durch seinen Geist, was wir tun können und was er durch uns tun will. Wahrscheinlich denken Sie jetzt: Das ist ja eine uferlose Aufgabe! Wo sollen wir da anfangen und wo aufhören? Lassen Sie uns doch einfach bei dem Notleidenden anfangen, der vor unseren Füßen liegt. So wird es uns im Neuen Testament gezeigt. Die Schuld des reichen Mannes war nicht, daß er die Sozialstruktur seiner Zeit nicht geändert hat. Sondern seine Schuld war, daß er den Lazarus vor seiner Türe übersehen hat. Und auch Jesus hat nicht alle Blinden seiner Zeit geheilt, sondern den Blinden an seinem Weg durch Jericho. Petrus hat nicht allen Behinderten geholfen. Aber dem Gelähmten, der an seinem Weg zum Tempel saß. Gott legt uns unsere Aufgabe vor die Füße. Fangen wir doch an, das Naheliegende zu tun und dem Nächsten zu helfen. Und wenn wir damit anfangen, dann stellt sich für uns nicht mehr die Frage des Aufhörens; weil wir bei diesem helfenden Tun nicht arm, sondern beschenkt werden. Gott läßt sich nichts schenken. Er beschenkt vielmehr die, die in der Nachfolge Jesu Schritte des Glaubens wagen. Wer nur für sich selbst lebt, findet den Sinn seines Lebens nicht. Denn der Sinn unseres Lebens liegt nicht in uns selbst. Der Sinn unseres Lebens liegt nach dem Willen des Schöpfers in einer doppelten Ausrichtung unseres Lebens: „Du sollst Gott lieben und deinen Nächsten.“ Wer sich im Glauben dazu einspannen läßt, für Gott und für den Nächsten zu leben, der gleicht einer Saite, die zwischen zwei Festpunkten gespannt ist und dadurch erst zum Klingen kommt. Solche klingenden Saiten der Liebe Gottes sollen wir und unsere Gemeinden nach dem Willen Gottes sein. Klaus Scheffbuch Zeugendienst in der Ausbildung In einem fünfjährigen Ausbildungsgang werden in der Diakonenausbildungsstätte Karlshöhe Ludwigsburg junge Christen, Männer und Frauen für den Dienst in der Gemeinde, in der Jugendarbeit, im Religionsunterricht, in der Krankenpflege ausgebildet. Und nicht zuletzt auch für die Soziale Diakonie, die Arbeit mit verhaltensgestörten, behinderten, nichtseßhaften Menschen. Am Ende dieser Ausbildung steht die Berufung in das Kirchliche Amt des Diakons. 40 Ausbildungsplätze stehen jährlich zur Verfügung, um die sich aber derzeit jeweils über 100 junge Menschen bewerben. Eine hohe Verantwortung für eine Ausbildungsleitung, den Weg freizugeben für solche, die Gott in diesem Dienst haben will und anderen zu wehren, die mit verkehrten Vorstellungen und Erwartungen in eine solche Ausbildung gehen möchten. Schuldig wird man da allemal. Wer von uns kann in das Herz dieser jungen Menschen sehen! — Zeugendienst ist von den Lehrern in einer solchen Ausbildung vom ersten Tag an gefordert, und zwar in einer fünffachen Weise. Es gilt immer wieder, diesen jungen Menschen vorzustellen und vorzuleben: 1. Diakonie ist etwas anderes als fachlich gekonnte Sozialarbeit. Diakonie ist helfendes Tun um Gottes willen und aus der Kraft des auferstandenen und gegenwärtigen Christus. Diakonie ist die so verstandene Tat, getragen vom bezeugenden Wort. Wir müssen heraus aus einer wortlos gewordenen Diakonie. Dieses gilt es zu lernen. Und wir lernen es. 2. Diakone sind zum schlichten Dienst gerufen, etwa in der Altenpflege. Es werden ihnen aber auch leitende Aufgaben übertragen, beispielsweise in einer Diakonischen Bezirksstelle oder in der Leitung einer großen Einrichtung für Geistigbehinderte. Herrschen wollen ist eine Versuchung, der ein Diakon an seinem Platz genauso ausgesetzt ist wie ein Pfarrer auf der Kanzel oder ein Prediger am Rednerpult. Dem gilt es bereits in der Ausbildung zu wehren. Einer ist der Meister, ihr aber seid Brüder! 3. Schwierige Aufgaben, etwa mit alkoholabhängigen oder psychisch kranken Menschen, verlangen fachliches Wissen und Können, das gelernt und geübt werden muß. Die Humanwissenschaften — Psychologie und Pädagogik beispielsweise — oder Rechtsund Sozialkunde ermöglichen wichtige Hilfen, auf die wir um der Menschen und um Gottes Willen nicht verzichten dürfen. Alles aber, was sich uns als eine solche Hilfe anbietet, muß es sich gefallen lassen, an biblischen Aussagen und Forderungen gemessen zu werden. Methoden, Wege, die sich vom Wort Gottes nicht durchdringen und bestimmen lassen, sind für die Diakonie untauglich. Auch das muß gelernt werden. 4. Die Ausbildung zum Diakon setzt eine Bewährung in der Gemeindearbeit voraus, ein Leben in der Gemeinschaft aus dem Wort und in Mitverantwortung für unsere Kirche. Diakonenausbildung heißt vor allem, dieses gemeinsame Leben aus Wort, Gebet und Sakrament zu vertiefen, um so zu lernen: Gott den Herrn zu lieben aus ganzem Herzen und von ganzer Seele und den anderen wie mich selbst. Und dieses auch über Gräben hinweg, die — Gott sei’s geklagt — nicht selten durch theologische Meinungsunterschiede aufgerissen werden. 5. Diakone sind gefordert und haben es zu lernen, mit ganzer Kraft ganz in dieser Welt zu sein, dort, wo das Elend am größten ist — und doch nicht von dieser Welt zu sein. Sie sollen dazu auch andere Mitchristen ermutigen und befähigen. Um es mit den Worten von Karl Barth zu sagen, die er im Blick auf Blumhardt den Jüngeren gebraucht hat: Darum geht es: Die Welt liebhaben und Gott ganz treu sein. Die Welt emportragen zu Gott und Gott hinein in diese Welt. Es ist Grundzur Freude und zum Dank, daß sich junge Menschen einlassen auf den diakonischen Dienst in der oben beschriebenen Weise. Eine Wirklichkeit ist aber auch, daß manche dieser jungen Menschen in der Gefahr sind, die Hoffnung zu verlieren und müde zu werden über den erdrückenden Nöten dieser Welt, denen sie auch in ihrer Ausbildung immer wieder in besonderer Weise begegnen. Sei es, daß sie in großer Betroffenheit erfahren, wie trotz allem Bemühen nichtseßhafte Menschen nicht zurückfinden auf einen geordneten Weg, psychisch Kranke nicht herauskommen aus ihren Depressio- nen, die Welt — Natur und Kreatur — weiterhin dahinstirbt, daß sich Gemeindekreise selbstgenügsam von solchen Nöten verschließen. Wie nötig, daß gerade auch immer wieder junge Menschen aus mittragenden Gemeinschaften des Pietismus als Hoffnungsträger in unsere diakonischen Ausbildungsstätten hereinkommen. Wir warten auf sie! Wie nötig, daß Sie, liebe Schwestern und Brüder, junge Menschen in einer diakonischen Ausbildung fürbittend begleiten und dabei auch die Lehrenden nicht vergessen. Ich bitte Sie darum! Damit dort in unseren Ausbildungsstätten und von dort aus ermutigender Zeugendienst geschieht, eben in diesem Sinne: Werdet fest, unerschütterlich, allzeit reich im Werk des Herrn, weil ihr es wißt, daß eure Arbeit nicht vergeblich ist im Herrn! Bernhard Kurrle Als Zeugen im diakonischen Dienst im Krankenhaus Unser Krankenhaus hat 300 Betten und etwa 400 Mitarbeiter. Außer dem Pflegebereich gibt es die Bereiche der Verwaltung, der Wirtschaft und der Technik, wo viele junge Leute eingesetzt sind, u. a. auch Zivil dienstleistende und nicht wenige ausländische Mitarbeiter. Lange Jahre habe ich diese Menschen größtenteils übersehen. Vielleicht war ich mit mir selbst und meinen Aufgaben zu sehr beschäftigt. Das hat sich geändert. Unsere Mitarbeiter sind mir alle wichtig geworden, auch die jungen Männer. Deshalb frage ich sie im Vorbeigehen nach ihrem Namen und richte ein paar Worte an sie oder wenigstens einen frohen Gruß bei der Begegnung. Ich möchte sie lieben, weil ich eine von Gott Geliebte bin. Ich möchte Zuversicht verbreiten, weil Gott meine Hoffnung ist. So bin ich immer am Namenlernen. Er strahlt, der Türke, wenn ich ihm zurufe: „Guten Morgen, Herr Keskinkaja.“ Eine Namensverwechslung ist nicht schlimm. Die Angeredeten helfen mir zurecht. Am Morgen bin ich oftmals gespannt, welche Begegnungen Jesus heute einfädeln wird. Im Winter habe ich einen Fall getan und den Arm gebrochen. Nie hätte ich gedacht, daß ein Unterarmgips in unserem Krankenhausgelände der Rede wert wäre. Aber da fragt mich im Aufzug eine Verwaltungsangestellte, als sie meinen spitz angewinkelten Arm sieht: „Ja, was machen Sie denn?“ Ich: „Frau H.“, ich weise nach oben. „Da ist einer, der unser Leben in seiner Hand hält und uns auf alle Fälle richtig führt.“ Sie: „Daß Sie das wissen ist gut für Sie.“ Ich: „Für Sie auch!“ So werden uns Bälle zugeworfen, die wir gezielt zurückwerfen dürfen. Ob sie treffen, ist nicht unsere Sache. Aber wo es im Aufblick auf Jesus geschieht, steht darüber irgendwie: Nicht vergeblich. Fährt da doch neulich ein Zivildienstleistender mit seinem Transportwagen über den Hof. Er winkt mich heran: „Ich bin fertig mit dem Zivildienst und möchte mich von Ihnen verabschieden.“ Nach einigen Fragen über seine Zukunft sage ich: „Nehmen Sie den Herrn Jesus mit in Ihre Arbeit.“ Er: „Ich finde es toll, daß Sie das so sagen können. Ich habe manchmal Zweifel an Gott.“ Ich: „Bei mir ist’s auch nicht alle Tage Sonnenschein. Und wenn es dunkel ist und ich keinen Mut habe, dann bete ich für mich: ,Der Herr ist mein Hirte . . Er: „Welcher Psalm ist das?“ Ich: „Der dreiundzwanzigste. Und dann spreche ich noch den 34. oder den 103. Ich kann sie auswendig. Dann ist das ein gutes Sprungbrett für den Tag oder für die Widerwärtigkeiten, vor denen mir angst ist.“ Er: „Aber daß Sie das andern einfach so sagen können!“ Ich: „Ja, wie ist das bei Ihnen, wenn Sie vom Fußballstadion kommen, wo Rummenigge die beiden entscheidenden Tore geschossen hat? Sagen Sie das nicht gleich weiter einem Freund oder Passanten, der’s nicht gesehen hat? Was man erlebt und was einen erfüllt, das kann man doch nicht für sich behalten, sonst zerreißt es einen. Das geht Ihnen doch auch nicht anders!“ Schwester Irmgard Daser Als Zeugen im Diakonischen Dienst in der Gemeindediakonie Gemeindeschwester — Mitarbeiter in der Diakonie-/Sozialstation oder sonst in der Gemeinde. Der Alltag ist Alltag wie anderswo auch. Wir kennen seine Mühsal. Wir kennen aber auch seine Freuden. Es ist doch einfach schön, wenn ich die Arbeit beherrsche und routiniert mein Geschäft im Griff habe. Routiniert gehe ich mit Auto, Maschinen und Geräten um. Meine Patienten kenne ich, auch ihre Krankheiten und Nöte. Ich habe gelernt, gezielt darauf zu reagieren und zu helfen. Das macht Freude. Die Besuche in den Häusern laufen nach gut eingespieltem Schema ab. Es sind manchmal sehr viele an einem Tag. Bei etlichen Kranken gehört das „Lesen“ zur Pflege. Im Klartext: Wir Schwestern lesen das Kalenderblatt oder das Losungswort des Tages unseren Patienten vor. Routine, Gewohnheit, so dachte ich je und dann. Bringt’s was? Was soll’s? Ist’s überhaupt gefragt? Ein Sonntagmorgen. Die Mitschwestern hatten frei, so war es für mich viel Arbeit. Um Va 7 Uhr morgens kam ich zu Frau X, einer zuckerkranken, fast blinden und sehr einsamen Frau. Eine Insulinspritze war zu verabreichen. „Frau X“, sagte ich, „heute hab’ ich viel zu tun. Zum Lesen reicht’s heut’ nicht. Ich gebe Ihnen die Spritze und dann muß ich gleich weiter!“ Frau X zögert einen Augenblick, schiebt mir dann den Neukirchener Kalender zu und sagt: „Bitte — dann lassen Sie lieber die Spritze!“ Und ich? Ich schäme mich zu sagen, was ich zuvor von der Frau dachte: Das ist halt Gewohnheit — Routine. Deshalb mach ich’s. Doch was wissen wir denn, was der andere braucht — zum Leben braucht! Aber denken Sie nicht, die Frau hätte nicht um die Wichtigkeit ihrer Insulinspritze gewußt. Nicht vergeblich . . . Ich möchte Sie ermutigen, das Kalenderblättle, die Losung bei Ihren Patienten zu lesen. Wir haben doch die Verheißung Jesu, daß sein Wort nicht le;r zurückkommt. Es sind Worte des Lebens, Worte zum Leben, auch wenn wir manchmal denken: Das ist doch nur Gewohnheit — Routine. Nichts ist vergeblich, was wir in Jesu Namen und Gehorsam tun. Schwester Helga Schöller Geistliche Lebenshilfe Willst du gesund werden? Bibelarbeit über Johannes 5, 1—15 Im Überdenken dieses Bibeltextes müssen wir immer zweierlei im Blick behalten: Jesus ist der unvergleichliche Herr, dessen Vollmacht wir nicht an uns reißen können, den wir nicht nachahmen können. Er bleibt in seinem Handeln als Sohn Gottes einzigartig. Und doch ist sein Handeln zugleich wegweisend für seine Gemeinde. Weil „Jesus Christus derselbe ist gestern, heute und in Ewigkeit“ (Hebr 13, 8), gibt er seiner Gemeinde heute von seiner Vollmacht, nimmt sie mit hinein in sein Wirken an Menschen. Jesus aktualisiert sein Handeln damals immer wieder neu durch seinen Heiligen Geist. Und so dürfen wir das Geschehen, das in unserem Bibeltext berichtet wird, gewissermaßen zu uns herüberziehen. Wir wollen das in vier Schritten tun. 1. Seelsorge wendet sieb immer dem ganzen Menschen zu Jesus isoliert nie die leiblichen Nöte der Menschen von ihren geistlichen Bedürfnissen. Jesu Seelsorge verbindet sich mit der Leibsorge. Hier hilft Jesus einem Menschen zuerst in seiner irdisch-leiblichen Not. Er geht durch ein großes Krankenhaus: fünf Hallen mit vielen Kranken. Jesus weiß, daß in jedem Menschenleben mit der körperlichen Krankheit viel seelisches Leid verbunden ist. Krankheit kann einen Menschen innerlich einsam machen: „Ich habe keinen Menschen!“ Kranke können sich oft nicht mitteilen, sie fühlen sich den Gesunden gegenüber oftmals ausgeliefert, ohnmächtig, nicht verstanden. Und tatsächlich vermag ja ein Gesunder einen Kranken nicht völlig zu verstehen, es sei denn, er sei selbst schon einmal ebenso krank gewesen. Während der Gesunde voll am Leben teilhat, dem Kranken gewissermaßen wie ein Mensch ohne Probleme erscheint, empfindet sich ein Kranker zunehmend an den Rand des Lebens gedrängt. Er wird empfindlich und spürt es — gerade bei langandauernder Krankheit, wie die anderen ihn aufgeben. Die Menschen um ihn herum versorgen ihn noch, aber sie lassen ihn innerlich allein. Natürlich waren Menschen da, die den Kranken am Teich Bethesda versorgten, mit Almosen, sogar 38 Jahre hindurch. Und doch hat Jesus ihn in seiner Einsamkeit gesehen, ihn, der seine Hilfe am meisten braucht. Er spricht ihn an als Menschen, nicht als Patienten; er wendet sich dem Kranken zu, nicht seiner Krankheit. Auf den Spuren der Seelsorge Jesu müssen wir die irdisch-leibliche Bedrängnis des anderen sehen. Es sind doch nur wenige, die in der Seelsorge zuerst die Frage nach dem persönlichen Heil aussprechen. Oft sind es handfeste Nöte im Alltag, die sie in die Seelsorge treiben. Sie müssen spüren, daß wir uns ihnen selbst zuwenden, nicht nur ihren Problemen, daß wir Zeit haben, ein offenes Ohr, daß wir intensiv nachdenken und mit ihnen nach Lösungsmöglichkeiten suchen, um ihnen praktisch zu helfen. 2. Seelsorge sucht die Schäden in den Tiefen des menschlichen Herzens zu heilen Die sichtbare Not dieses Menschen, von dem unser Bibeltext erzählt, war seine Krankheit. Die verborgene Not, die nur Jesus sah, war seine Sünde. In der Seelsorge bagatellisieren wir nicht die Lebensprobleme unseres Gesprächspartners, aber wir reden vor allem von Sünde und Vergebung. „Sündige hinfort nicht mehr!“ (V. 14). Was soll dieser Mensch schon gesündigt haben? Er hatte mit Sicherheit keine Gelegenheit zu Mord und Totschlag oder zum Ehebruch. Weil er nie unbeobachtet war, immer mit anderen zusammenlag, war er auch kein heimlicher Dieb oder Betrüger. Was war denn seine Sünde? Ein Kranker, der durch eine langandauernde Krankheit an den Rand des Lebens gedrängt wird, kann in seinem Herzen bitter werden. Neid gegenüber den Gesunden kommt auf; Eifersucht: Warum können die anderen noch alles mitmachen und ich nicht? Und schließlich rutscht ein solcher Mensch ins Selbstmitleid ab: „Ich habe niemanden . . . Wie arm und bedauernswert bin ich doch!“ Bitterkeit, Neid, Eifersucht, auch Selbstmitleid — das ist in Gottes Augen Sünde. „Sündige hinfort nicht mehr!“ Wir beobachten in der Berichterstattung der biblischen Schreiber immer wieder, daß sie nur ein oder zwei Sätze aus Gesprächen wiedergeben, die Jesus mit Menschen geführt hat. Auch dieses Gespräch hier war umfassender. „Sündige hinfort nicht mehr!“ Jesus spricht den Kranken nicht nur auf seine Sünde an, er spricht ihn von seiner Sünde frei! Im Gespräch mit Jesus erfährt der jetzt Geheilte die Vergebung seiner Schuld. Unser Bibelwort sagt: „Jesus fand ihn im Tempel und sagte zu ihm: „Siehe, du bist gesund geworden; sündige nicht mehr.“ Erst hier, als der Geheilte im Tempel Jesus erneut begegnet, ist der Genesungsprozeß abgeschlossen. Die körperliche Wiederherstellung ist nicht alles. Es geht um mehr — um den ganzen Menschen. „Jesus fand ihn.“ Wenn ein Mensch sich von Jesus finden läßt, dann wird er in den tiefsten Schichten seines Wesens gesund. „Sündige nicht mehr, damit dir nicht etwas Schlimmeres widerfährt.“ Gibt es etwas Schlimmeres als 38 Jahre krank zu sein? Jesus sagt: Ja! Seinen Jüngern gegenüber hat er das einmal so ausgedrückt: „Fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten, doch die Seele nicht töten können; fürchtet euch aber viel mehr vor dem, der Leib und Seele in der Hölle verderben kann.“ Nicht das körperliche Leiden ist das Schlimmste; die ewige Gottesferne ist schlimmer. Darum muß ein Mensch aus seinem gestörten Verhältnis zu Gott heraus, wenn er wirklich gesund werden will. Nicht jede Krankheit ist unmittelbare Folge einer Sünde. Aber es kann sein, daß im Leben eines Menschen Sünde und Krankheit in einem ursächlichen Zusammenhang stehen. Dann wirkt sich die Vergebung der Sünden auch im leiblichen Bereich aus. Innerlich gesund ist der Mensch, der die ewige Herrlichkeit Gottes vor Augen hat, der der Vergebung seiner Schuld und des ewigen Heils gewiß ist. Darauf zielt die Seelsorge Jesu: Vergebung der Schuld, Befreiung von der Macht der Sünde und Heilung von Krankheit. Damit gibt er dem Menschen eine neue Lebensrichtung. Eingebunden in Gottes gute Lebensordnung kann er zu einem befreiten und erfüllten Leben finden: „Siehe, du bist gesund geworden; sündige nicht mehr, damit dir nicht etwas Schlimmeres widerfährt.“ 3. In der Seelsorge ist der Mensch nicht Objekt unserer Hilfe Jesus fragt den Kranken „willst du gesund werden?“ (V. 6). Die Frage ist weder ironisch noch taktlos. Sie ist weder dumm noch überflüssig. Wie die Antwort ausfallen wird, ist nicht mit Sicherheit vorauszusehen. Ein Kranker kann sich an seinen Zustand gewöhnen, er kann passiv werden, er kann sich sogar in seine Krankheit flüchten. Nach 38 Jahren gesund werden, nachdem er solange von Almosen gelebt hat, das bedeutet ja den Anfang eines neuen Weges. Soll er den wirklich gehen? Wenn er gesund wird, muß er die Verantwortung für sich übernehmen. Wie unsicher er ist, zeigt eine ausweichende Antwort: „Ich habe keinen Menschen“ — das ist keine Antwort auf die Frage „willst du gesund werden“? Erstaunen und Zweifel schwingen auch mit. Nach 38 Jahren noch einmal neu anfangen können, soll das wirklich möglich sein? Mit der Frage „willst du gesund werden?“ verbaut Jesus ihm den Fluchtweg heraus aus der Verantwortung. Der Kranke soll durch seine Entscheidung an seiner eigenen Therapie mitwirken. Er soll eben nicht nur Almosenempfänger sein. — Es gibt heute eine wachsende Zahl unserer Mitmenschen, die sich im Grunde selbst aufgegeben haben, die „sich gehen lassen“, die sich an ihre Sünden und Verhaltensweisen gewöhnt haben, mit denen sie ihr Leben selbst zerstören und sich damit entschuldigen: „Ich bin nun einmal so; was kann ich dafür? Ich kann nun einmal nicht anders sein.“ Und mit ihren Unarten oder auch mit ihren Krankheiten tyrannisieren sie ihre Mitmenschen. Wenn Jesus uns begegnet, läßt er uns nicht so, wie wir sind. Er fragt: „Willst du gesund werden?“ und erwartet eine deutliche Antwort. Seelsorge zielt immer auf Lebensveränderung im Sinne einer Neuorientierung nach dem Willen Gottes. 4. In der Seelsorge gehören Geduld und Zielstrebigkeit zusammen Jesus läßt dem Kranken Zeit. Er verliert ihn nie aus den Augen, er geht Schritt für Schritt den Weg mit ihm. Jesus wendet sich mit seiner Hilfe und seiner Seelsorge dem zu, der für die anderen ein „hoffnungsloser Fall“ war. Es sind gewissermaßen einige Stationen auf dem Weg zum Glauben, die Jesus geduldig mit ihm geht. Zuerst fragt er den Kranken. Jesus nimmt das Gespräch mit ihm auf. Dann gibt er die Anweisung: „Steh auf, nimm deine Schlafmatte und geh!“ (V. 8). Der Kranke erlebt die körperliche Heilung, ohne zu wissen, wer Jesus ist. Scheinbar läßt Jesus ihn laufen, überläßt ihn sich selbst. Aber die Rückfrage der Juden „wer ist der Mann?“ zwingt den Geheilten, weiter darüber nachzudenken. Und schließlich in der erneuten Begegnung mit Jesus, also erst einige Zeit später, kommt dieser Mann zum lebendigen Glauben und wird innerlich gesund. Jesus hat ihn nicht bedrängt, er hat gewartet. Aber alles, was Gott in den Weg des Geheilten hineinfügt, dient dem einen Ziel der geistlichen Genesung. Dieser Mann empfängt persönliche Glaubensgewißheit und wird zum Zeugen Jesu. Weil es für Jesus keine „hoffnungslosen Fälle“ gibt, kann Jesus auf die rechte Stunde der Begegnung mit einem Menschen warten. Er schenkt beides zu seiner Zeit und nach seinem Willen, Heilung und Heil, nicht als Erfolg des Glaubens von Seiten der Menschen, sondern als Wirkung seines barmherzigen Handelns, das nie vergeblich ist. Und weil Jesus Christus uns als Glieder seiner Gemeinde in sein Handeln an Menschen einbeziehen will, können wir Menschen in gleicher Weise wie unser Herr begegnen, in großer Geduld, ohne zu drängen, und in der Gewißheit, daß Seelsorge Jesu durch uns nie vergeblich sein wird, auch wenn wir manchmal auf die Auswirkungen warten müssen. Wenn Jesus Christus Menschen in der Seelsorge erneuert, dann wissen beide, der, der Seelsorge übt, und der, der sie empfängt: „Mir ist Erbarmung widerfahren, Erbarmung, deren ich nicht wert. Das zähl ich zu dem Wunderbaren, mein stolzes Herz hat’s nie begehrt. Nun weiß ich das und bin erfreut und rühme die Barmherzigkeit.“ Dr. Fritz Laubach Von der notwendigen Liebe zu sich selbst Das Liebesgebot Jesu an seine Jünger lautet: Du sollst Gott lieben, deinen Nächsten wie dich selbst (Matth 22, 37). Dieses Liebesgebot enthält eine dreifache Liebeserfahrung: Ich darf Gott lieben, meinen Nächsten lieben, mich selbst lieben. Es erscheint mir wichtig, daß diese Liebeserfahrung des „Dürfens“ sich ableitet von dem Liebesgebot „Du sollst lieben“. In diesem Sinne erscheint es wichtig, dieses dreifache Liebesgebot abzuleiten von dem ersten Gebot: Ich bin der Herr dein Gott, du sollst keine anderen Götter neben mir haben. Auf diesen Zusammenhang von Gebot und Erfahrung kann ich im folgenden nur bedingt eingehen, indem ich mich, entsprechend dem Titel meines Vortrags, auf den dritten und letzten Teil des Liebes-gebotes konzentriere, nämlich auf die notwendige Liebe zu sich selbst. Wenn in dieser notwendigen Liebe zu sich selbst eine dritte Liebeserfahrung ausgedrückt ist, nämlich eine Erfahrung, die neben der Nächstenliebe und der Gottesliebe steht, dann soll nicht die Vorstellung einer Rangfolge damit verknüpft sein. So hat es m. E. Jesus nicht gemeint, sondern Jesus hatte die Absicht, seinen Jüngern zu verdeutlichen, daß der wahrhaft liebende Mensch — und Jesus selbst allein ist dieser wahrhaft liebende Mensch — nicht von einem Solo-Gebot der Liebe ausgehen darf, nämlich Gott zu lieben — auch nicht von einem Duo- oder Doppelgebot der Liebe zum Nächsten, sondern von einem dreifachen Liebesgebot ausgehen muß: Die Liebe zu Gott, die Liebe zum Nächsten und die Liebe zu sich selbst gehören zusammen wie die drei Seiten eines Dreiecks. Die Liebeserfahrung ist eine ganzheitliche, und sie umfaßt diese drei unterschiedlichen Erfahrungs-Richtungen. Wer liebt, liebt ganzheitlich. Wer liebt, liebt nicht nur verstandesgemäß oder mit dem Willen, sondern auch mit dem Gefühl, mit dem Herzen, mit den innersten Phantasien. Wer liebt, stellt fest, daß es in ihm liebt, daß eine andere, eine größere, eine tiefere Macht ihn erfaßt hat und treibt und bewegt und leitet und führt, eben die Macht der Liebe. Und diese Macht der Liebe, das verdeutlicht unser Thema, ist eine Macht, die zuerst uns erfaßt und bewegt, bevor sie von uns selbst ausgehen kann. Einfacher gesagt: Bevor ich lieben kann, muß ich zuvor geliebt worden sein. Wenn ich jetzt in wenigen Sätzen von der notwendigen Liebe zu sich selbst sprechen darf, möchte ich versuchen, es in drei kurzen Sätzen zu tun. Erstens will ich sprechen von den Wurzeln, der Genese der menschlichen Liebeserfahrung als einer unabdingbaren Voraussetzung des späteren, für ein normales Menschenleben wichtigen Selbst-Wert-Gefühls. Wer später den anderen lieben können will, muß zuvor die Erfahrung des Geliebtwordenseins gemacht haben. Daraus wächst und entsteht das Selbst-Wert-Gefühl. Dieses Selbstwertgefühl ist nicht nur ein Gefühl, wie es das Wort auszudrücken scheint, sondern vielmehr noch ein Bewußtsein, ein Verstehen, Ausdruck: einer Selbst-Identität. Das Wort Selbstbewußtsein leitet sich ab von dem Bewußtsein eines anderen, der mich verstanden, der mich gemeint, der mich geliebt hat. Hieraus wächst die Identität, dieses Gefühl, mit sich selbst eins zu sein. Die Entwicklungspsychologie kennt hierfür ein charakteristisches Wort: wir sprechen von der primären Liebe oder der narzißtischen Liebe. Hiermit ist eine Liebeserfahrung gemeint, die ganz eindeutig Liebe zu sich selbst ausdrückt als eine Erfahrung aber, die vom an- deren, von der Mutter herkommt. Ohne die mütterliche Liebe ist das kleine Kind lieb-los, leb-los. Die liebevolle, wohlwollende Beziehung, die ein Säugling spürt: zunächst von der Mutter ausgehend, später natürlich auch vom Vater und von den älteren Geschwistern ausgehend, schafft ein Lebensgrundgefühl einer Gemeinschaft, das Dasein, das in der Welt sein eines Menschen rechtfertigt. Ohne dieses Gefühl, einen Wert zu haben, lebt im Menschen das unbewußte dumpfe Gefühl, eigentlich besser nicht da zu sein, lieber tot zu sein. Die sehr intensiven und hartnäckigen Suicid-Phanta-sien psychisch gestörter Menschen leiten sich sehr häufig ab von einem Defizit dieser frühen Liebeserfahrung. Die realitätsgerechte, anpassungsfähige, leistungsfähige innere Haltung eines Menschen, seine Liebesfähigkeit, auch seine Leidensfähigkeit, drückt diese innerste Erfahrung aus: Ich bin gewollt, ich bin bejaht, ich darf mich selbst lieben; meinen Körper, meine Gefühle, meine Triebe, mein Ich. Hier gibt es viele Defizit-Erfahrungen. Je kleiner das Kind ist, um so tiefer und echter und verwundbarer spürt es die Echtheit der Liebe seiner Eltern: Bin ich nur geliebt und gewollt, wenn ich brav bin, wenn ich den Wünschen meiner Eltern entspreche, also angepaßt lebe, oder bin ich auch geliebt, wenn ich es wage, so zu sein, wie ich selbst bin? Es kann hier nicht genügend betont werden, daß der kleine Mensch, das kleine Kind ein absolutes Recht hat auf diese narzißtische Liebe: ein Recht, sich selbst lieben zu dürfen als Erfahrung, daß andere es lieben. Auf der Basis dieser natürlichen frühkindlichen Liebeserfahrung, welche ausdrückt, daß der Mensch ein Beziehungswesen ist, das vom ersten Augenblick des Lebens an mit seiner Umwelt, d. h. mit seiner Primär-Familie verknüpft ist, möchte ich jetzt zweitens von den Dialogentgleisungen der Liebe zu sich selbst im späteren Leben sprechen. Wenn ein Kind, ein Jugendlicher, ein junger Erwachsener, ein älterer Erwachsener sielt nicht selbst lieben gelernt hat in der Frühzeit seines Lebens; nicht die Erfahrung des Angenommenseins entdeckt hat, dann kann er auch die nächsten, die Eltern, die Mitmenschen nicht lieben. Das zeigt sich oft in sehr unterschiedlicher Weise: Das kleine Kind beispielsweise schreit und tobt, ist ungehorsam, ungenießbar, böse und gibt durch dieses Verhalten signalhaft zu erkennen, daß es sich nicht genügend verstanden, geliebt weiß. Das Gefühl, der Eindruck fehlender Wahrnehmung von den Eltern her wird gleichsam ausgeschrien, ausagiert durch ein kindlich-böses Verhalten. Der Jugendliche, der Mensch einer späteren Reifungsstufe gleichsam, hat andere Möglichkeiten, seine Unfähigkeit zur Selbstliebe auszudrücken: Beispielsweise könnte ein Pfarrersohn ein atheistischer Marxist werden und diese Ideologie ausdrücken, die Erfahrung einer fehlentwickelten Religiosität seines Vaters, der ihn in seiner Frühzeit mit frommen Geboten und Verboten bombardiert, ihn aber nie wirklich geliebt und angenommen hat, oder wenn eine ältere Tochter eine fanatische Kämpferin für die Frauen-Emanzi-pation wird und sich darin scharf von ihrer bürgerlichen Mutter abhebt, könnte auch hierin der innere Protest ausgedrückt sein, signalhaft nonverbal der Mutter gegenüber „jetzt zeig ich dir deine lieblose Rechthaberei". Oder: Der Sohn eines reichen Vaters bricht in die Alternativ-Szene aus, lehnt jedes Erwerbsdenken als Ausbeutung ab und zeigt dadurch seinen Eltern die Lieblosigkeit ihrer materialistischen Fehlhaltung. Diese Beispiele von Dialog-Entgleisungen könnten fortgeführt werden, wir erleben sie in der Klinik tagtäglich in gestörten Beziehungen zwischen älteren und jüngeren Männern und Frauen, reicheren und ärmeren Menschen: immer ist ausgedrückt ein Defizit an Liebeserfahrung. Die innere Fähigkeit zur Selbstliebe ist nicht genügend deutlich entwickelt, nicht genügend entfaltet und ausgereift. Hierbei wird dann deutlich, daß die Erfahrung: ich bin geliebt, ich bin gewollt, zur Selbsterfahrung führt: ich darf mich selbst lieben, ich darf mich selbst annehmen und hieraus wiederum die dritte Erfahrung folgt, ich darf den anderen gleichsam wieder zurücklieben, das Empfangene zurückgeben, ich darf den Nächsten lieben, ich darf Gott lieben. Bei diesen Dialog-Entgleisungen als Folgen mangelnder Liebeserfahrung sprechen wir auch von Selbstwertkrisen. Lebenskrisen sind Selbstwertkrisen. Diese Lebenskrisen wachsen aus Vertrauenskrisen, Vertrauenskrisen wachsen aus Verstehenskrisen und diese wiederum sind Ausdruck frühkindlicher Entwicklungskrisen. Auf der Basis des bisher Gesagten komme ich zum dritten Schritt und möchte zum Schluß hinweisen auf einen sehr wichtigen biblischen Begriff, der aus dem bisher Gesagten näher erläutert werden soll: der Begriff der Selbstverleugnung. In Markus 8, 34 sagt Jesus: „Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach.“ Hören wir genau auf den Wortlaut dieses Textes, und fühlen wir uns in den Sinn ein, dann wird deutlich: 1. Jesus spricht zu Menschen, die wollen, die ihm nachfolgen wollen. Mit diesem Ausdruck, wer will, ist an ein stark entwickeltes Selbstwertgefühl als Folge empfangener Liebeserfahrung appelliert. Es wird deutlich: Nur der kann wollen, der wirklich einen Willen hat. Nur der hat wirklich einen Willen, der zu sich selbst „Ja“ sagen, der also im wahren Sinne sich selbst lieben kann. Jesus scheint im Jünger die Haltung herausreizen zu wollen, der sagen kann: Ich will dich Jesus und verzichte auf mich; ich will dein Reich und verzichte auf mein Reich; ich will deine Gerechtigkeit und verzichte auf meine Gerechtigkeit; ich will deine Wahrheit und verzichte auf meine Wahrheit. Diese Vorstellung von Selbstverleugnung bezieht sich auf eine sehr tiefe und innige Jesus-Beziehung, in der zunächst das Gebot anderer Menschen zurücktritt. Es geht also bei dem Begriff der Selbstverleugnung nicht darum, daß ich immer dem anderen zu gehorchen, gleichsam immer den unteren Weg zu gehen habe. Dies würde bedeuten, daß der andere Mensch, der Vorgesetzte gleichsam an die Stelle Gottes tritt und mir zu befehlen hätte. Sondern zunächst scheint es in diesem Begriff der Selbstverleugnung um die absolute Jesus-Beziehung zu gehen, mit der verglichen die anderen Beziehungen deutlich in den Hintergrund treten. Womit wiederum nicht gesagt werden soll, daß der Vorgesetzte, der Bischof, der Leiter einer Gruppe mir nichts zu sagen hätte, ganz im Gegenteil, aber es soll doch deutlich werden ein Beziehungsnetz innerhalb der Gemeinde, in dem Jesus das absolute Haupt für jeden ist und daneben eine Rangordnung gelernt werden muß. In der Nachfolge geht es um Jesus-Nachfolge, und mein Kreuz auf mich nehmen kann ich nur in der Beziehung zu ihm, mein Leben verlieren kann ich nur um seinetwillen, und erst danach kann ich herausspüren, was dies für die Beziehung zu meinen unterschiedlichen Mitmenschen bedeutet. Zusammenfassend soll festgestellt werden: Liebe geben kann nur, wer Liebe empfangen hat. Aus empfangener Liebe wächst die Nächstenliebe, aus empfangener Jesus-Liebe wächst — Jesus-Liebe. Indem die göttliche Liebeserfahrung in die zwischenmenschliche Liebeserfahrung einbezogen ist, und die dreifache Liebeserfahrung wachsen darf, verknüpft sich in dieser Liebeserfahrung die Selbstverwirklichung und die Selbstverleugnung. Dies sind dann keine unüberbrückbaren Widersprüche mehr, sondern unterschiedliche Er- fahrungen des liebenden Menschen: indem ich mich selbst vergesse, finde ich mich, indem ich liebe, werde ich geliebt, indem ich immer wieder neu sterbe, erwache ich zu neuem ewigen Leben. Dr. Erwin Scharrer LITERATUR: H. v. Knorre: „Seelische Krankheit — Heilung und Heil, Francke-Verlag, Marburg 1981 A. Miller: „Das Drama des begabten Kindes“, Suhrkamp, 1979 E. Scharrer: „Heilung des Unbewußten“, Francke-Verlag, Marburg 1982 E. Scharrer: „Psychisches Fehlverhalten und die Heilung der Gottesbeziehung“, Francke-Verlag, Marburg 1984 A. Schleyer: „Im Spannungsfeld — Psychotherapie und Seelsorge“, Francke-Verlag, Marburg 1983 J. Willi: „Ko-Evolution, die Kunst gemeinsamen Wachsens“, Rowohlt 1985 Neue Lebensfreude durch Heilung seelischer Verletzungen Vor kurzem hatte ich mit meiner Schwiegermutter ein Gespräch über das Thema: „Wie beurteilt es Gott, wenn Mütter sehr stolz auf ihre Kinder sind?“ Ich schmunzelte: „Mir hat Gott es nicht erlaubt, auf meine sechs Kinder stolz zu sein — höchstens auf meine einzige Schwiegertochter; denn sie ist eine Herzensfreude, ohne daß ich nur das Geringste dazu beigetragen habe!“ Darauf meine Schwiegermutter: „Dann will ich stolz sein auf meine Schwiegertochter Grete!“ — „Genauso ist es richtig“, bestätigte ich mit Nachdruck. Gleichzeitig stellte ich mit Erstaunen fest: Ich empfinde ja keinen Stich in meinem Herzen! Denn meine Schwiegermutter hat zwei Schwiegertöchter, Grete, die auch ich sehr schätze, und mich, die ich gerade vor ihr sitze! Ein solcher Ausspruch, vor Jahren gesprochen, hätte mich zutiefst verletzt. Darum packt mich jetzt eine große Freude: Siehst du, an diesem Punkt bist du nicht mehr verletzbar! Wo du früher so empfindlich warst, hat sich jetzt eine Narbe gebildet. Ein erfreulicher Fortschritt! Ich überlege: Seit wann ist diese Stelle geheilt? Ich erinnere mich an den Vorabend eines Familienfestes einige Jahre nach dem Tod meines Mannes. Diesmal war auch ich mit meinen Kindern eingeladen. Ich nahm mir fest vor, endlich einmal meiner Verwandtschaft zu sagen, wie sehr ich mich als Witwe übersehen fühle, sogar mißachtet, abgeschoben aufs tote Gleis. Mit diesem Vorsatz bin ich eingeschlafen und habe geträumt, ich würde eine Art Kindspech von mir geben, eine schwarze, zähe, alte Masse. Beim Aufwachen dachte ich, meinen himmlischen Vater fragend, darüber nach. Dann kniete ich vor meinem Bett, was ich nur in ganz markanten Situationen meines Lebens gemacht habe, und sagte etwa so: „Mein Vater im Himmel, diesen jahrealten Dreck, den ich in mir hatte und nicht verdauen konnte, der mein Wesen vergiftet und rachsüchtig gemacht hat, den will ich jetzt dir überlassen!“ Ich klagte meinem Vater noch einmal all das Weh und die Verletzungen meiner Witwenschaft, jede Ablehnung durch die, von denen ich Begleitung und Freundschaft erwartet hatte. Ich klagte ihm alle Einzelheiten, auch wo meine Kinder benachteiligt wurden, und weinte viele Tränen. Mein inneres Zerwühltsein, alle Bitterkeit und Vorwürfe habe ich ihm zu Füßen gelegt. Seltsam getröstet bin ich dann mit meinen Kindern zum Familientag gefahren. Es wurde für mich ein Verwandtenfest ohne einen einzigen Tropfen Wermut. Tage später schrieb mir meine Schwägerin: „Ich mußte dich immer wieder ansehen! Du hattest eine gelöste und harmonische Ausstrahlung!“ Darum ist in meiner Bibel dick unterstrichen, was Jeremia 30, 12 und 13 steht: „Dein Schade ist verzweifelt böse, und deine Wunden sind unheilbar. Deine Sache behandelt niemand, daß er dich verbände. Niemand kann dich heilen. Aber ich will dich wieder gesund machen und deine Wunden heilen, spricht der Herr, darum weil man dich nennt die Verstoßene, und Zion, nach der niemand fragt!“ Am offenen Grab meines Mannes erkannte ich, daß Gott tiefer verwundet als Menschen es je vermögen. In meinem Büchlein „Gott tröstet“ berichte ich, wie ich mich bis in die Tiefen meines Seins auseinandergerissen fühlte. Ich dachte, an dieser Wunde muß ich verbluten. Sie ist unheilbar. Doch nach einer Reihe von Jahren konnte ich die Wahrheit des Psalmwortes bestätigen: „Der Herr heilt, die zerbrochenen Herzens sind, und verbindet ihre Wunden.“ (Ps. 147, 3) Unter uns sind viele innerlich Verletzte und noch mehr, die andere verletzt haben, ohne es zu merken. Seit Adams Zeiten, seit der Trennung von Gott, sind wir Verletzte und Verletzende, Gekränkte und Kränkende, Getretene und Tretende, Ungeliebte und Lieblose, Verachtete und über andere verächtlich Denkende. Seit Adams Zeiten sind wir auch solche, die — menschlich gesprochen — immer wieder Gottes Vaterherz verletzen und enttäuschen. Seit Adams Zeiten ist Satan Unheilstifter, Kaputtmacher, Zerstörer, teuflischer Registraturbeamter, der nichts löscht, sich freut, wenn andre bluten. Darum hat Gott in seiner überfließenden Liebe einen Heilungsplan für diese verletzte und sich verletzende Menschheit. Sein Ziel ist Gesundung und Erneuerung des ganzen Menschen, indem er uns durch Jesus Christus zurückbringt zu ihm, bis dahin, wo er uns in den Arm nimmt und die letzten Tränen abtrocknet und spricht: „Das Alte ist vergangen — ein Neues ist geworden!“ Alle, die eine Lebensverbindung mit Jesus Christus, dem Zurückbringer, eingegangen sind, die erfahren eine solche schöpferische Heilung. Bis dieser Heilungsprozeß beginnt, ist für manche ein weiter Weg zurückzulegen; denn die Tatbestände sind zerstörerisch. In unseren „seelischen Darmzotten“ sind unverdaute Reste, die dauernd ihre Giftstoffe ins Gemüt abgeben: Bitterkeit, Vorwürfe, Negationen und vieles mehr. Sie sind jedoch nur sekundäre Erscheinungen. Manchmal frage ich mich: Warum hast du jetzt auf diese Lapalie so scharf und bitter reagiert? Wenn ich dann vor Gott darüber nachdenke, wird mir manchmal klar: Diese Kleinigkeit hat eine Verbindung mit einer alten Sache, die mich damals sehr verletzt hat. Und diese Wunde ist der primäre Tatbestand. Vielleicht haben Sie sich im normalen Gespräch mit anderen über deren aggressive Reaktionen gewundert. Obwohl Sie zu Ihrem Gesprächspartner eine wohlwollende und wertschätzende Haltung haben, stoßen Sie auf Ablehnung, bis Sie vielleicht merken: Diese Schärfe hat wenig mit Ihrer Person zu tun, sondern mit Ereignissen in der Vergangenheit Ihres Gesprächspartners. Und diese sind die verborgenen Wurzeln der unguten Reaktion. Hier reagiert der innere Mensch der Vergangenheit: das Kind, das nicht erwünscht und geliebt wurde, der Teenager, der unter Druck gesetzt wurde, die junge Frau, die enttäuscht und gedemütigt wurde, der Mann, der nicht bestätigt und anerkannt wurde . . . Wie ist unsere Reaktion auf solche Verwundungen? 1. Wir versuchen, sie tapfer unter die Füße zu kriegen, indem wir schlucken oder schweigen oder gar verdrängen. Dazwischen reagieren wir unvermutet aggressiv. Für die Verdrängung unter den Was- serspiegel unseres Bewußtseins brauchen wir angeblich 50% unse-serer seelischen Energie. Kein Wunder, wenn wir erschöpft sind und den Alltag kaum bewältigen! 2. Wir hegen und pflegen unsere Wunden, halten sie offen durch Selbstmitleid, Groll und Unversöhnlichkeit. Wir führen in Gedanken Wortgefechte und legen immer wieder die alte Platte auf. 3. Viele gehen zum Psychiater. Da habe ich keine Erfahrung und kann mir deshalb kein Urteil bilden. Wenn es unbedingt sein müßte, ginge ich zu einem gläubigen Psychiater, und das nur im Ausnahmefall. 4. Andere gehen zu einem Seelsorger und beichten leider nur das Erscheinungsbild, nämlich die sekundären Tatsachen wie z. B. Verbitterung und stellen dann fest, daß die Bitternis nach wie vor in ihrem Wesen eitert. Der normale Weg zur Heilung ist der biblisch-seelsorgerliche Weg. Zwei Vorbedingungen: 1. Aufrichtigkeit und Bereitschaft, die „Kellerfenster“ seines Lebens zu öffnen, Gott um Hilfe zu bitten, Untensitzendes in den Kopf und auf die Zunge zu bringen. 2. Wissen: Gott kennt mich durch und durch; er war in seiner Allgegenwart damals dabei, als ich verletzt wurde; er heilt Wunden, denn sein Wesen ist nur Liebe und Güte. Mit dieser Einstellung geht der Ratsuchende entweder direkt zu Gott, wie ich es anfangs berichtet habe, oder besser mit Hilfe eines erfahrenen Seelsorgers; nicht zu einem Pseudoseelsorger oder Pseu-docharismatiker, der sich selbst berufen hat und nicht das vorlebt, was er aussagt; am besten Frau zu Frau, Mann zu Mann oder Frau zu einem Ehepaar, um seelisch-erotische Hängerei von vornherein zu vermeiden. Haltung des Seelsorgers: hörend und betend, daß der Heilige Geist die Wurzelprobleme aufdecken möge und Erkenntnis schenke. Ab und zu stellt er eine Frage, z. B.: Wie war es in deiner Kindheit? Wie waren deine Eltern? Der Ratsuchende kann a) Jesus, den Heiland, in sein Leben und seine Vergangenheit einlassen, b) sich verzeihen lassen und sich selbst verzeihen, c) bereit werden, denen, die ihn verletzt haben, zu vergeben. Gebete um Heilung schließen sich dem seelsorgerlichen Gespräch an. Dabei kann man sich das Leben wie einen Weg vorstellen, den der Ratsuchende und der Seelsorger zurück in die Vergangenheit gehen, begleitet von der Liebe und Allgegenwart Gottes. Oder sie beginnen den Lebensweg von Mutterleib und Geburt an und durchwandern ihn bis zur Gegenwart. Szenen, wo Verwundungen vorkamen, werden noch einmal nacherlebt, jedoch jetzt mit der Vorstellung: Jesus hat damals zugesehen und es zugelassen; jetzt ist er auch wieder dabei, aber nun als der Handelnde. Er bietet seine Vergebung an, er tröstet, wie nur er trösten kann, er füllt den Mangel an Liebe auf mit seiner göttlichen Liebe. Seine Gegenwart verwandelt die bösen Bilder der Vergangenheit in tröstliche. Ein aus verschiedenen Erfahrungen erdichtetes Beispiel: Helga sollte schon gar nicht zur Welt kommen. Ihre Mutter versuchte, sie abzutreiben. Aber Jesus hat schützend seine Hände um dieses kleine Lebewesen gelegt. Als bei der Geburt kaum einer sich freute, da sagt er: „Willkommen auf dieser Welt, Helga! Ich habe einen liebevollen Plan für dein Leben, ein herrliches Ziel für dich!“ An den Stellen, wo Helga keine Geborgenheit erlebt hat, sich in keinen Vaterarm schmiegen konnte, da erkennt sie, wie Jesus die Kinder liebhat, sie herzt und segnet — auch das Kind Helga. Da, wo sie voller Minderwertigkeitsgefühle ist, ausgelacht wird und sich wie eine Null fühlt, da sagt Jesus zu ihr: „Du bist geliebt von Gott, meine Schwester, Königskind des himmlischen Vaters!“ Da wo Helga sich in Unversöhnlichkeit verhärtet hat, erlebt sie, wie Jesus den sie verletzenden Personen seine Verzeihung anbietet. Und Jesus fragt sie: „Kannst du das gleiche wie ich tun? Kannst du mit mir ihnen verzeihen?“ Wo Helga in Aberglaube und tiefsitzendem Haß gebunden ist, da darf sie ein Lossagebet sprechen und Befreiung erfahren. Wo Gott sie zutiefst verletzt hat durch den Verlust eines lieben Menschen, da sieht sie die väterliche Liebe und zärtliche Fürsorge in allem Leid. Die beiden Heilmittel, die wie Balsam auf innere Verwundungen wirken, sind: 1. Liebe und Segnungen deines himmlischen Vaters empfangen. 2. Seine Vergebung weitergeben an die, die dich verletzt haben. Innere Heilung ist ein Prozeß, der sich oft über eine gewisse Zeit ausdehnt und wo manchmal weitere Betreuung nötig ist. Bei der Genesung hilft, wenn ein Anschluß an eine Gruppe oder einen Hauskreis innerhalb einer lebendigen Gemeinde möglich ist. Eingebettet in eine solche Gemeinschaft unter Gottes Wort, geschieht weitere Heilung. Gewöhnlich hat sie auch Auswirkungen auf den Körper und wird nach außen sichtbar durch bessere Gesundheit und guten Schlaf. Der innerlich Geheilte hat nun weniger Ängste; mehr und mehr erhält er eine positive Lebenseinstellung bis in die Träume hinein und ein gesundes Selbstwertgefühl anstelle der Minderwertigkeitsgefühle; er erlebt eine Befreiung von Zwängen, ungut reagieren zu müssen, gewinnt Lebensmut und Stabilisierung seines Vertrauens. Überwunden ist das eingefleischte Gefühl: „Aus dir wird nichts!“ Am ehesten erkennen seine Nächsten, wie seine Persönlichkeit sich festigt und greift. Nun werden nicht mehr die Wunden gezählt, sondern Gottes Segnungen. Wer sich geliebt weiß, kann lieben. Wer Vergebung hat, kann vergeben. So werden Kräfte frei zu einer christlichen Lebensgestaltung und zur Mitarbeit in der Gemeinde. Soli deo gloria, denn er ist ein Gott, der Wunden heilt und neue Lebensfreude schenkt. Hannelore Risch Seelsorgerliche Hilfen bei seelischen Schäden durch ein falsches Gottesbild Die Brief- und Telefonseelsorge im ERF zeigt, daß ein falsches Gottesbild an Leib, Seele und Geist krank machen kann. 1. Wie kann solch ein falsches Gottesbild aussehen? 1.1. Z. B. in der einseitigen Vorstellung des nur zürnenden und strafenden Gottes; 1.2. oder in der einseitigen Vorstellung des nur nachsichtigen und liebenden Gottes. 1.3. In Wirklichkeit aber haben wir es in der Bibel mit dem zürnenden und strafenden sowie mit dem nachsichtigen und liebenden Gott zu tun. „Denn welchen der Herr liebhat, den weist er zurecht“ (Hebr 12, 6). 2. Wie kann ein falsches Gottesbild entstehenf 2.1. Durch „falsche“, d. h. einseitige Verkündigung. Folgende Aussagen verdeutlichen das: — „Mit Jesus bist du nie mehr einsam." Doch! Wer mit Jesus lebt ist zwar nicht mehr allein (Mt 28, 20), aber einsam kann er trotzdem sein. — „Bei Jesus bist du immer fröhlich.“ — Das ist doch nicht wahr! Denken Sie nur an das Heer der Depressiven, an die von Schmerz Geplagten und von Kummer und Trauer Bedrückten. — „Jesus löst alle deine Probleme.“ — Auch das stimmt nicht! Jesus kann sie lösen, ganz gewiß. Er kann aber auch meine Einstellung dazu ändern. Er kann mir die Kraft geben, die Probleme zu tragen und zu ertragen. Ja, er kann sogar wollen, daß ich an den Problemen reife, und deswegen läßt er sie mir (2. Kor 12,9). — „Jesus gibt Antwort auf alle Fragen.“ — Nein! Es gibt in meinem Leben und im Leben vieler Nachfolger Jesu unbeantwortete Fragen. 2.2. Ein falsches Gottesbild kann auch entstehen durch „ falsch verstandene“ V erkiindigung. — Z. B. versteht jemand den Satz falsch: „Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur. Das Alte ist vergangen, siehe, es ist alles neu geworden“ (2. Kor 5, 17). Es ist eben nicht „alles neu geworden“, sondern eine neue Schöpfung hat begonnen. Man ist Christ und muß doch erst Christ werden. Das ist aber etwas anderes, wie wenn „alles neu geworden“ ist. — Oder der andere Satz wird mißverstanden: „Jesus heilte sie alle“ (Mt 12, 15). Ja, die man in dieser angesprochenen Situation zu ihm brachte, aber doch nicht alle Kranken in Palästina. Es gilt auch, Krankheit anzunehmen und mit ihr leben zu lernen. — Oder: „Wer in Gott bleibt, sündigt nicht“ (1. Joh 3, 6). Ja, in Jesus Christus sind wir sündlos vor Gott, aber wir selbst werden, so lange wir auf dieser Erde leben, sündigen, auch wenn wir es nicht müssen. — Noch ein letztes Beispiel für „falsch verstandene" Verkündigung: Man meint, vergeben sei gleichzusetzen mit vergessen. Wieviel Krampf entsteht durch solches Denken. Vergeben ja, aber Vergessen muß nicht sein. Wer es trotzdem zwingt, wird nicht selten seelisch krank. 2.3 Ein falsches Gottesbild kann entstehen durch eine falsche christliche Erziehung. — Wenn Eltern oder ein Elternteil durch sein Reden und Verhalten ein falsches Bild von Gott vermitteln: den nur strafenden, angstmachenden, moralisierenden, fordernden, gesetzlichen, miesmachenden Gott; — oder wenn durch pseudofromme Erziehung eine Lebens-, Liebesund Leibesfeindlichkeit vermittelt wird; — oder wenn aus falsch verstandener Liebe — gutgemeint und daher falsch — dem Kind alle Belastungen und Entscheidungen abgenommen werden; 3. da kann es gar nicht ausbleiben, daß seelische Schäden entstehen. 3.1. Wer nicht gelernt hat, an Belastungen, Schwierigkeiten, anstehenden Entscheidungen zu reifen, braucht sich nicht zu wundern, wenn er nicht belastbar, nicht widerstandsfähig, nicht entscheidungsfähig ist. 3.2. Wer die Sexualität, den Leib, das Leben nicht als gute Gabe Gottes vermittelt bekommen hat, für den ist es schwer, liebesfähig, lebenstüchtig sein Dasein zu gestalten. 3.3. Wie schnell entsteht aufgrund „falscher und falsch verstandener“ Verkündigung, sowie falscher christlicher Erziehung Angst. 3.3.1. Angst vor dem Versagen: „Ich bin nicht gut genug; genüge nicht den Ansprüchen; bin nicht zu gebrauchen!“ Hier liegt die negative menschliche Erfahrung zugrunde, immer wieder hören zu müssen: Du bist nichts, du kannst nichts, aus dir wird nichts. Die Folge kann ständiger Zwang zur Leistung sein, bis hinein in das Denken: Auch zu meiner Bekehrung muß ich noch etwas dazuleisten. Daher bekehrt man sich immer wieder. 3.3.2. Die Angst, nicht geliebt zu werden: „Ich kann nicht glauben, daß Gott mich liebt, wenn ich immer wieder Fehler mache und versage.“ Solches Denken führt in die Resignation. Die Erfahrung zeigt, daß es im Leben dessen, der denkt, große Defizite an menschlicher Zuwendung und Liebe gibt. Daher wird man lebensmüde! 3.3.3. Da ist die Angst, nicht vergeben zu bekommen: „Ich kann doch nicht immer aus Gottes Vergebung leben. Einmal kann er mir nicht mehr vergeben. Solches Denken resultiert aus der Erfahrung, im zwischenmenschlichen Bereich keine echte Vergebung erlebt zu haben. Da wurde eine Strichliste geführt und aufgerechnet. So findet keine Entlastung statt, sondern ständig quält ein schlechtes Gewissen! 3.4. Daraus resultiert dann die Unfähigkeit, — zu lieben und sich lieben zu lassen; — zu vertrauen und sich anzuvertrauen; — Vergebung anzunehmen und auszuteilen; — Beziehungen aufzubauen und zu beenden; — Belastungen zu tragen und zu bewältigen; — Entscheidungen zu treffen und warten zu können; — sich zu freuen und Freude zu bereiten; — Verantwortung zu übernehmen und abzugeben. 3.5. Das ganze führt nicht selten zu psychosomatischen Erkrankungen, wo der Leib zum Austragungsort der seelischen Konflikte wird, zu Neurosen, Psychosen, Depressionen. 4. Seelsorgerliche Hilfen . . . Das seelsorgerliche Gespräch hat zunächst das Ziel, 4.1. Einsichten in die Zusammenhänge zu vermitteln, also aufzudecken, was zum falschen Gottesbild und den damit zusammenhängenden seelischen Schäden geführt hat. Dazu sind notwendig: — Ein Herz voll Liebe (1. Kor 13); — ein Kopf voll Sachwissen; — die Bitte um Weisheit (Jak 1, 5). 4.2. Im seelsorgerlichen Gespräch gilt es dann ein neues Bild von Gott aufzubauen 4.2.1. durch eine umfassende Bibelarbeit. Gottes Wort macht nicht krank! (Darum ist Seelsorge in hohem Maße Rückfrage an die Verkündigung und damit nicht zuletzt an die theologischen Ausbildungsstätten!); 4.2.2. durch intensives Gespräch mit Gott, das ebenso ein Herzausschütten wie ein Sich-öffnen für den Einfluß des Heiligen Geistes ist; 4.2.3. durch Sachinformation über die Zusammenhänge (wobei auch die Erkenntnisse der Humanwissenschaften in ihrer dienenden Funktion herangezogen werden können). 4.3. Beim Vermitteln des neuen Gottesbildes geht es dann darum, deutlich zu machen, daß Gott eben nicht nur der zürnende und strafende Gott ist, sondern auch der nachsichtige und liebende, ja der gerechte. Und als solcher hat er sich in Jesus Christus mit sich selbst versöhnt. Nun ist das Gesetz von Schuld und Strafe für uns durchbrochen. Obwohl strafwürdig, ergeht jetzt Gnade vor Recht. Ich kann also alle Versuche einstellen, mich selbst vor Gott richtig zu machen, auch alle Ängste drangeben, ich wäre vor Gott nicht richtig. In Jesus Christus bin ich es, als „begnadigter Sünder“. Das zu akzeptieren ist echte Selbstannahme (Lk 18, 13). 4.4. Wer dies für sich persönlich in Anspruch nimmt, kommt in eine neue Gottesbeziehung, die ein neues Selbstwertgefühl vermittelt. Das Wissen, aufgenommen ins gottvertrauende Denken: Gott liebt mich — Gott vergibt mir — Gott hat mich angenommen — Gott ist für mich — Gott kennt mich — Gott achtet mich wert ■—• Gott hat mich begabt — Gott bejaht mich — Gott ruft mich beim Namen — Gott führt mich . . . (Jes 43) leitet einen Gesundungsprozeß der seelischen Schäden ein, so daß innere Heilung geschieht, die ihre Auswirkung auf Leib, Seele und Geist nach sich zieht. 4.5. Gott macht dies allerdings nicht ohne mich und auch nicht an mir vorbei. Meine Mitarbeit ist gefragt, wenn das neue Bild von mir selbst entstehen soll, das der Sicht der Bibel entspricht. Heil — Heilung — Heiligung stehen in einem kausalen Zusammenhang. 4.5.1. Diese Mitarbeit sieht so aus, daß ich bereit bin, — mich von meinem alten Denken (Sprechen und Verhalten) zu distanzieren, es loszulassen; — umzudenken, d. h. Buße zu tun; — ein neues Denken (Sprechen und Verhalten) einzuüben. 4.5.2. Konkret: — Ich werde schuldig (Mt 18, 21—35) — aber Gott vergibt mir, daher kann ich mir und auch anderen vergeben (Mt 6, 12)! — Ich bin nie gut genug (Röm 7,18. 19) — aber Gott hat mich angenommen wie ich bin, daher kann ich mich und auch andere annehmen (Jes 43, 1; Ps 139, 14)! — Ich bin ein Versager (Joh 21, 15 —17) — aber bei Gott bin ich keine Null, sondern wertgeachtet, daher kann ich mich und auch andere wertachten (Jes 43, 4; Phil 2, 3)! — Ich habe ein Liebesdefizit in meinem Leben — aber Gott — (der mich zuerst liebt) — füllt es aus (1. Joh 4, 19), daher kann ich mich und auch andere lieben (Mt 22, 39)! 4.5.3. „Aber Gott.. .!“ — aus diesem Gottvertrauen erwächst — gottgewolltes Selbstvertrauen und daraus reift — gottgewollte Selbstverwirklichung im Sinne des Paulus Wortes: „Ich lebe, doch nun nicht ich, sondern Christus lebt in mir“ (Gal 2, 20). Solches Umdenken ist nicht vergeblich. Es bringt eine neue Lebensqualität hervor: sinnvolles und damit reiches Leben (Joh 10, 10)! Kurt Scherer Ehe und Familie Alte mit den Jungen Bibelarbeit über Psalm 148, 12—14 Ich bin dankbar, daß dem aktuellen Thema Worte der Bibel zugrunde liegen. Damit stehen wir auf einem soliden Lundament. Wir haben Boden unter den Büßen und eine verheißungsvolle Ausgangslage. Der tragende Grundakkord in diesem Psalm ist der Lobpreis der Mächtigkeit Gottes. Gott, der Herr und Schöpfer des Himmels und der Erde, wird hochgepriesen. Zuerst ist an den Himmel gedacht, den Wohnsitz Gottes. Es ist das Amt der Engel und ihrer Heere, den Herrn zu preisen. Dann ruft der Beter die Sonne, den Mond und die Sterne auf, dazu die Wasser über der Feste, in den Lobpreis der Engel einzustimmen. Sie alle haben von Gott ihre Ordnung empfangen, und die wahre Bestimmung des Geschaffenen hat seinen Zweck, dem Namen Gottes Ehre und das ihm gebührende Lob darzubringen. Dann ertönt der Lobpreis von der Erde her. Auch die Meerestiefen und die ungestümen Naturgewalten wie Feuer, Hagel, Schnee, Rauch und Sturm stehen unter Gottes Herrschaftsbereich. Zusammen mit den Bergen und Hügeln und mit den Tieren soll sich alles am Lob des Schöpfers beteiligen. Die Reihenfolge entspricht dem Bericht aus 1. Mose 1, wo Gott in den gewaltigen Terrassen des Sechstagewerkes den Wunderbau seiner Schöpfung errichtet hat. Als letztes seiner Werke ging der Mensch aus seiner Schöpferhand hervor. Könige und Fürsten und Richter, Jünglinge und junge Frauen, Greise mitsamt ihren Kindern sollen „loben den Namen des Herrn“. Alte und Junge sind einbezogen in die Vielzahl der Stimmen, die sich zu einer einzigen, gewaltigen Symphonie vereinigen, um dem allmächtigen Gott Huldigung darzubringen. Nun aber trüben diese Aussagen den Blick nicht für die Tatsache, daß vielerorts ein tiefer Graben die Generationen trennt. Es ist eine Binsenwahrheit, daß es immer Probleme gab, wo junge und alte Menschen beieinander sind. In unserer Zeit treten aber die Spannungen besonders zutage. Die jungen Menschen leben in einer faszinierend-beängstigenden Umbruchsituation und finden dadurch einen anderen Lebensraum vor, als dieser in früheren Zeiten gegeben war. Ich denke z. B. an den soziologischen, wissenschaftlichtechnologischen und sexuellen Umbruch, an die Manipulation durch die Medien, an die Auflösung aller bisherigen Wertmaßstäbe und Wertwirklichkeiten, an die Erziehung zur Emanzipation, an die Konfliktpädagogik und antiautoritäre Erziehung, an die Ideologi-sierung des Wirklichkeitsverständnisses, an die Einschränkung und Konzentration auf das Diesseits mit der Folge einer immer mehr um sich greifenden Orientierungslosigkeit. Dazu kommt, daß ein Teil der heutigen Theologie nahtlos zu dieser außengeleiteten Gesellschaft ohne absoluten Wertmaßstab paßt, z. B. in der Frage der Situations- und Sexualethik. Jugendliche spüren den Unterschied zwischen gelebtem Glauben und aufgesetzter Frömmigkeit. Der kirchlich-gemeinschaftliche Raum wird oft als Museum erfahren und nicht als Ort lebendiger Begegnung, wo Heimat und Geborgenheit gefunden wird. Die Erwachsenenwelt ist häufig kalt und intellektuell technisiert, und oft fehlen profilierte, leuchtende Vor- und Leitbilder. Einander allein lassen im Sinn einer „friedlichen Koexistenz“ ist keine Lösung. Appelle, fromme Wünsche, gute Vorsätze und bittere Vorwürfe überwinden den „Generationen-Konflikt“ nicht. Die Kluft kann nur überbrückt werden, wenn von beiden Ufern her gebaut wird. Ein Weg, wie das Zusammenleben von Jungen und Alten zu verwirklichen ist, könnten „vier k“ sein: konzentrieren, kontrollieren, korrigieren, kooperieren. 1. Konzentrieren Konzentration heißt Gruppierung und Zusammenziehung auf einen Mittelpunkt. Diese unaustauschbare Mitte kann nur das Wort Gottes sein. Was Gottes Wort sagt, gilt es zu hören und zu tun. Die Bibel können wir den Alternativen, den Ideologien und Meinungsmachern unserer Zeit wirksam entgegensetzen. Die Bibel gibt Signale, die uns die Richtung zeigen und wie der Weg zueinander und miteinander gefunden werden kann. Gottes Auftrag heißt: „Nehmet einander an, so wie Christus euch angenommen hat“ (Röm. 15, 7). Weiter wird das Bild des Leibes gebraucht (Röm. 12; 1. Kor. 12). Darin wird deutlich: Jünger Jesu — Junge und Alte — gehören organisch zusammen, ohne daß die Frage des Alters angeschnitten wird. Immer hat die Bibel auch eine erzieherische Aufgabe (2. Tim. 3, 16) mit dem Begleitziel: Einweisung des Menschen in den Willen Gottes. Einander annehmen, kennen und verstehen lernen, entspricht dem Willen Gottes. Da der junge Mensch kaum eine Vergangenheit hat, lebt er voll in der Gegenwart mit dem Blick nach vorne. Die Rückschau in die Vergangenheit ist von der Jugend her naturgemäß nicht voll verständlich. Sie fühlt sich oft, besonders wenn die Vergangenheit glorifiziert wird, abgestoßen und nicht verstanden. Verstehen heißt nicht, alles bejahen, entschuldigen oder sich billig anbiedern. Es kann nicht darum gehen, daß die Älteren alles bejahen, was die Jüngeren wollen, sagen und tun. Und auch die Jüngeren können nicht einfach ungeprüft Meinungen, Konzepte und Traditionen der Älteren ablehnen oder übernehmen. Verstehen heißt, einander ernst nehmen. Es ist das Gegenteil von Gleichgültigkeit, Distanziertheit und Reserviertheit. Man denkt, fühlt und leidet mit, nimmt Anteil, tief und ehrlich, und man läßt es nicht fehlen an Herztönen der Liebe. Verstehen ist sachliche Umgänglichkeit, auf die Verlaß ist, einen „langen Atem“ hat und verwehrt, im eigenen Begehren zu überfordern. Da wird nicht „kurzer Prozeß“ gemacht, und man bricht nicht gleich den Stab. Verstehen heißt auch „aushalten“ (Kol. 3, 13), d. h. den Mitmenschen ertragen, auch mit den Schwierigkeiten, die er bereitet, und auch als die Last, die er bedeutet. Besonders die Alten sollten durch ihr Vorbild und ihre Verhaltensweise wegweisenden und brückenbauenden Dienst tun. „Aushalten“ nicht unter Seufzen und Druck und erzwungener Ruhe, sondern im Hinhalten in die heilende und zurechtbringende Gnadenwelt Gottes. 2. Kontrollieren Kontrollieren heißt Überwachung, Prüfung, Gegenprobe. Für Jung und Alt gilt zu prüfen, ob die Lebensweise und -haltung, das Denken, Reden und Tun den Direktiven des Wortes Gottes entspricht. Viel mehr als der junge Mensch beschäftigt sich der ältere mit der Vergangenheit. Die Umrisse von allem Erleben sind in seinem Leben schärfer als der Blick in die Zukunft. Er hat durch seine Erfahrungen gewisse Schlüsse gezogen. Das Stabile, Bewährte überwiegt. Veränderungen steht darum der ältere Mensch oft kritisch, abweisend, ja ablehnend gegenüber. Gegenwart und Zukunft als Entwicklung kann er oft nicht recht verstehen. Diese Rückschau in die Vergangenheit ist für den jungen Menschen nicht ohne weiteres verständlich, und er empfindet diese Haltung oft als festgefahren oder stur. Hier gilt es zu prüfen, ob das Lob Gottes, vor dem es „kein Ansehen der Person“ gibt, durch „Greise mitsamt ihren Kindern“ ertönt. Hier gilt zu prüfen, ob wir Gott die Ehre dadurch geben, daß wir uns gegenseitig annehmen, „wie Christus uns angenommen hat“. Erkennen wir im Jungen bzw. Älteren das Glied, das zum „Leib Christi“ gehört? Haben wir das „neue Kleid“ angezogen — Kol. 3, 12ff.: „herzliches Erbarmen, Demut, Sanftmut, Geduld“? 3. Korrigieren Korrigieren heißt verbessern, berichtigen. Gottes Wort zeigt sehr ernüchternd, daß es wirklich nichts ist mit der Vollkommenheitsgemeinde der Sündlosen und mit der fleckenlosen Gemeinschaft. Das Zusammenleben der Christen war auch schon in den ersten Christengemeinden ein Problem (Apg. 15, 2; Phil. 4, 1 ff.). Darum vernehmen wir oft Ermahnungen, die allen Gliedern der christlichen Gemeinde gelten. Hier stellt sich aber die Frage, ob wir zu solcher Ermahnung, Korrektur und Kursänderung bereit sind? Ich nenne einige Punkte, die mir in diesem Zusammenhang wichtig erscheinen: — Wissen die Älteren, daß die wichtigste Lebenshaltung zu jungen Menschen das Lieben, das Warten und hoffnungsvolle Beten ist? — Schaffen wir Formen und Kontakte der Begegnungen zwischen den Generationen? — Sind wir bereit, begangenes Unrecht einzugestehen und für offenkundige Fehler und Schnellentscheidungen, die sich als untauglich erwiesen haben, um Verzeihung zu bitten? Von den Fragen an die Jungen stelle ich voran das Gebot: „Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren, auf daß du lange lebest in dem Lande, das dir der Herr, dein Gott, gibt“ (2. Mose 20, 12). — Ist den Jungen bewußt, daß Lebenserfahrung, Reife und Bewährung der Älteren auch einen besonderen Stellenwert haben, von denen sie lernen können? — Wissen sie, daß „bewahren“ lateinisch „conservare“ heißt, und daß einer, der bewahrt, also ein Konservativer heißen kann? Ich weise etwas Rückständiges, Übles, weil man besessen ist vom Wahn des Fortschrittes. Da wird doch deutlich einmal dem Bewahren und dem Festhalten das Wort geredet (Beispiel: „Bewahre, was du hast. . .“). — Ist den Jüngeren bewußt, daß Gott das Leben reich machen kann durch die Gaben und Erfahrungen der Älteren? — Verstehen wir die Nähe eines anderen Menschen, gerade auch des Älteren, prinzipiell als Bereicherung, und können wir in der Beziehungsaufnahme zum anderen Menschen einen positiven Wert sehen? Dazu zeigt die jüngere Generation oft verhältnismäßig geringe Bereitschaft. Und für Jüngere und Ältere gilt: Gemeinsam Lobende können wir nur sein, wenn die „Liebe, die da ist das Band der Vollkommenheit“, uns umgürtet. Liebe bedeutet eine enge Beziehung. D. h. praktisch: Ich gehe den anderen nicht grundsätzlich kritisch an. Ich bejahe ihn in seiner Eigenart, und ich will mich freuen am Reichtum der Prägungen, die Gott in der Gemeinde schenkt. Gottes Geist ist ein „Geist der Liebe“ (2. Tim. 1, 7), der uns so umstrukturieren will, daß wir den anderen in seinem Anders- und Sosein und in seinem Lebensentwurf achten. In der Gemeinde Jesu gibt es nie ein Konkurrenz-, sondern immer nur ein Ergänzungsverhältnis. Andersartigkeit und die Begrenzung sind anzunehmen als Gabe Gottes. Das bedeutet für den älteren Menschen, nicht gleich nervös oder ungeduldig zu werden, wenn die Jüngeren viel Neues denken und unternehmen. Warum sollte es nicht möglich sein, daß die Erwachsenen auch einmal ihre Meinung korrigieren und sich von den Jungen einen neuen Weg zeigen lassen? Das kann Bereitschaft zum Nachgeben erfordern, was nicht gleich Schwäche bedeutet, sondern oft der Versuch ist, den „unteren Weg“ zu gehen. Und den Jüngeren gilt, nicht unter allen Umständen hart und eigensinnig ihren Willen durchsetzen, wodurch sie die Älteren oft sehr demütigen (Beispiel: 1. Könige 12, Jerobeam). Nie dürfen wir vergessen: Die Sündenschuld trennt die Menschen von Gott und voneinander. Weil wir nicht richtig stehen vor Gott, darum steht es nicht richtig zum Nächsten. Denn so wie unser Verhältnis zu Gott ist, so ist es auch zum Mitmenschen. Dieses Unheil kann nur dadurch beseitigt werden, daß Gott selbst sich mit uns verbindet, indem er uns die Sünde vergibt. Das ist die wahre Heilung, daß Gott uns wieder mit sich verbindet und wir durch ihn wieder zueinander finden. Gottes Wort ist ein Frontalangriff auf das innerste Widerstandszentrum, gegen die Selbstgerechtigkeit, die Selbstsicherheit und gegen die Meinung: „Mit mir steht es ja schon gut.“ Viel Eigenstolz, sei er nun Glaubensstolz oder Tugendstolz oder Bildungsstolz oder Fortschrittsstolz, muß zerbrechen. Denn dieser Stolz ist es, der uns wie eine Isolierschicht von Gott und dem Nächsten trennt, so daß sein Geist der Liebe nicht in uns eindringen und durch uns wirken kann. Das Wort Gottes belehrt nicht nur, es verwandelt auch. Es schafft eine Ortsveränderung des Herzens, damit aber auch des Willens und des Verstandes. Damit geschieht Weltverwandlung und Situationsverwandlung nur durch Menschenverwandlung. 4. Kooperieren Kooperieren heißt Zusammenwirken, Zusammenarbeiten, solidarisch sein. Es geht darum, sich besser kennen und verstehen zu lernen. In der christlichen Gemeinde muß ein Klima geschaffen werden, wo man sich schutzlos öffnen und mitteilen kann und wo auch einmal „ins Unreine“ geredet werden darf. Ja, es dürfen auch einmal Utopien entwickelt und jugendliche Einseitigkeiten vertreten werden, ohne daß gleich gemaßregelt wird. Dringend nötig ist, daß Erfahrungsaustausch zwischen den Generationen geschieht — Austausch in der gemeinsamen Öffnung für den sich für uns offen haltenden Gott. Immer wieder auftretende Unfehlbarkeitsansprüche sollten aufgegeben werden. Man hört oft die Formulierung: „Wir vertreten unseren Standpunkt“. Hier stellt sich für Jüngere und Ältere die Frage: Entspricht dieser wirklich den Maßstäben des Wortes Gottes und dem Willen Gottes? Das Angebot von organischer Einheit entsteht nicht durch Erklärungen, Vorstandsbeschlüsse und gutgemeinte Ratschläge, sondern vor allem durch das GESPRÄCH zwischen Jungen und Älteren. Erst wenn die Cliquenwirtschaft aufhört, kann das eigene Leben durch den anderen Menschen bereichert werden. Lebendige und fruchtbare Gemeinschaft ist nur möglich auf der Grundlage des Vertrauens. Unter uns Menschen herrscht viel Mißtrauen. Viele Ältere sind mißtrauisch gegenüber den Jüngeren. Sie befürchten, daß sie alles verändern wollen. Die Jungen sind mißtrauisch gegenüber den Älteren, die nach ihrer Meinung „vereinnahmen wollen“. Mißtrauen aber zerstört die menschliche Gemeinschaft, und christliche Gemeinden werden gespalten. Zum Vertrauen gehört, daß Ältere den Jüngeren Verantwortung übertragen und sie die Gaben, die ihnen von Gott gegeben sind, einsetzen lassen. Es gibt einen grundsätzlichen Unterschied zwischen dem Kollektiv, in dem der einzelne zwar für das Funktionieren wichtig, aber austauschbar und für sich alleine unbedeutend ist, und der christlichen Gemeinde, die ein Organismus ist. Wieder weist das Bild vom Leib (1. Kor. 12) die Richtung. Der Organismus der Gemeinde ist etwas Lebendiges und wird von dem Haupt, Jesus Christus, gesteuert. Eine Gemeinde ist oft die Aneinanderreihung einzelner gläubiger Individuen. „Gemeinschaft“ aber ist mehr als das. Wie alle Organismen entsteht sie nicht durch Organisation, sondern durch gottgewirktes Wachstum. Die inneren Strukturelemente ihres geistlichen Lebens sind nicht Produkte organisatorischer Maßnahmen. Sie werden vielmehr gestaltet und erhalten durch die Wirksamkeit des Heiligen Geistes. Lebendige Gemeinschaft kann nicht „organisiert“ und durch „Entwürfe“ und „Methoden“ geschaffen werden. Es ist vielmehr der erhöhte Herr selber, der als das Haupt seines Leibes seine Auferstehungs- und Lebenskräfte den ganzen Leib durchdringen läßt. Von ihm gehen die Ordnungskräfte aus, die den Dienst der Glieder und ihre Zuordnung zueinander regulieren. Die „Glieder“ sind nicht mechanisch-organisatorischer Art, sondern bestimmt von dem Energiestrom der göttlichen Liebe. Da ist das Wissen um ein Zusammengehören und um die Zugehörigkeit als Ganzes zu Gott. In diesem „Ganzen“ — dem Volk Gottes — sind Junge und Ältere, Starke und Schwache, Gute und weniger Gute miteinander aufgehoben. Als Menschen, die von Gottes Taten und Gottes Willen angesprochen sind, können wir uns nicht abmelden aus dem Netz von Beziehungen und Verbundenheiten untereinander. Sobald wir uns aber herauslösen aus dem „Vereinzelungsglauben“, kommen auch jene Menschen in den Blick, die sonst außerhalb bleiben: die Armen, die Schwachen, die Problematischen — die Jüngeren und die Älteren, die alle genau wie ich zu „seinem Volk“ gehören. Zum Kooperieren gehört auch der gemeinsame Dienst. Von den natürlichen, altersmäßig bedingten missionarischen Aktionen sollte Kenntnis gegeben werden. Die Älteren sollten Interesse zeigen, aus ihrer Erfahrung Grenzen menschlicher Möglichkeiten aufzeigen, ohne zu bremsen, und sich einsetzen lassen, wo es der Dienst für Jesus erfordert und Gelegenheiten gegeben sind. Missionarische Aufgaben können oft am besten dadurch gemeinsam angegangen und erfüllt werden, wenn regelmäßig und gezielt dafür gebetet wird. „Junge und Alte loben den Herrn!“ Das heißt doch, beide stehen vor dem gleichen Herrn, dem „kein Ding unmöglich ist“ (Jer. 32, 17; Luk. 1, 37) und der auch zwischen den Generationen neue Verhältnisse schaffen kann. Wo das Wort Jesu gilt: „Trachtet am ersten nach dem Reich Gottes“ (Matth. 6, 33), erfahren wir das Wirken des Geistes Gottes, der Kraft schenkt zur Veränderung und Erneuerung (siehe auch 2. Kor. 5, 15. 17). Wenn wir alle bereit sind zur Buße — und selbst damit beginnen — wird das gemeinsame Lob zeugniskräftig ertönen und eine zeichenhafte Funktion haben in der Welt — zur Ehre Gottes. Edgar Schmid Erziehungsprobleme in der modernen Familie Leben Sie in einer Familie mit Kindern — egal ob mit Säuglingen oder Teenagern? Dann kann ich Ihnen, ohne Hellseher zu sein, auf den Kopf Zusagen, daß Sie Erziehungsprobleme haben. Ich brauche sie Ihnen nicht um die Ohren zu schlagen; Sie wissen selbst am besten, welche Probleme Sie haben. Die kurze Zeit erlaubt auch nicht, für jede Erziehungskrankheit eine Medizin zu verschreiben. Einige wenige Grundsätze aber will ich Ihnen am Ende doch nennen. Jetzt sollen Sie erst einmal hören, daß wir alle Erziehungsprobleme haben. Auch wir, meine Frau und ich, haben deren genügend bis zum heutigen Tage mit unseren vier Söhnen zwischen 17 und 23 Jahren. Z. B. ist einer von ihnen zornig und im Unfrieden mit uns ausgezogen. Vielleicht tröstet es Sie schon ein wenig, daß wir mit unseren Erziehungsproblemen alle in einem Boot sitzen. Denn wir müssen nun nicht die ganze Schuld auf unsere Kinder laden, daß sie uns die erträumte Idylle eines harmonischen Familienlebens zerstören. Die Schuld liegt auch nicht beim Ehepartner allein und auch nicht nur bei Ihnen. Die Stürme unserer Zeit sind es, die das Boot, das den Namen „Erziehung“ trägt, gefährlich gepackt haben. 7. Ursachen heutiger Erziehungsprobleme 1. Ursache: das Zerbrechen der Ehen in Deutschland, so daß auch die Familien zerstört oder zerstückelt werden. Sicher wissen Sie, daß Vs aller Ehen geschieden wird, jährlich weit über 100.000, und wir dadurch über 1 Million Scheidungswaisen haben. Was bedeutet das für die Erziehung? Eine Zahlenangabe eines Arztes reicht dafür aus: 70% aller Kinder, die wegen Verhaltensstörungen behandelt werden, stammen aus geschiedenen Ehen. Und das Zerbrechen der Ehen geht weiter, denn die Massenmedien diffamieren die Ehe scharf und propagieren Scheidung und freie Verhältnisse, so daß die Zahl der unverheiratet zusammenlebenden Paare schon jetzt 1 Million beträgt, und die Bevölkerung akzeptiert das stillschweigend. 2. Ursache: die Emanzipation der Frau zur Berufstätigkeit, auch wenn Kinder da sind. Mangelnde Zuwendung der Mutter zu ihrem Kind aber, besonders in den ersten 4—5 Jahren, schädigt die seelische Entwicklung des Kindes, meist unheilbar; und auch dann, in der Schulzeit, in den Jahren also des Lerndrucks und der Auseinandersetzung mit Lehrern und Mitschülern braucht das Kind die Eltern als Gesprächspartner, die sich wirklich Zeit nehmen, damit Kontaktschwierigkeiten und Beziehungsstörungen, das große Problem unserer jungen Generation, vermieden wird. Eine Frau muß sich entscheiden zwischen Beruf und Familie. Beides zusammen gelingt nur äußerlich. 3. Ursache: der Jugendkult in der Bundesrepublik. „Wer die Jugend hat, hat die Zukunft“, sagte nicht nur Hitler, sondern das sagen auch Wirtschaft und Parteien heute. Deshalb gab man unseren jungen Leuten zu früh juristische Mündigkeit. Als damals die Volljährigkeit von 21 auf 18 Jahre herabgesetzt wurde, erörterte lt. Protokoll der Bundestagsdebatte niemand die Frage, ob die Jugendlichen denn seelisch reifer geworden seien. Es ging nur um Wählerstimmen. Und dann machte man die Jugend auch wirtschaftlich von den Eltern unabhängig (Bafög), so daß sie von zu Hause ausziehen konnten. Und es wurden ihr möglichst viele Freiheiten zugesprochen, auch für ihr Verhalten: Alles ist erlaubt, bis zu sexuellen Exzessen; nicht einmal Christen wagen es heute noch, die frühen Freundschaften aufzuspießen. Die Erwachsenengeneration hat längst die weiße Fahne der Kapitulation gehißt, und dabei wäre es unsere Pflicht gewesen und ist es noch heute, der Jugendrevolution liebevoll, aber selbstbewußt Widerstand zu leisten. Zwar hat sich die antiautoritäre Erziehung die Hörner abgerannt, aber die heutige, die sog. demokratische Erziehung faselt auch von Gleichberechtigung von Eltern und Kindern in der Erziehung. Wir Erwachsenen sind aus Faulheit und Bequemlichkeit, aus Egoismus und Mangel an Zivilcourage an der Misere in Deutschland schuld, während andere Länder den Aufstand der Jugend wie eine Krankheit überwunden haben. 4. Ursache: das Wesen der Industriegesellschaft, in der es um Leistung und nicht mehr um Menschen, um Rationalität und Automaten geht und nicht um Gefühle; Technik und Wissenschaft sind groß da und nicht Natur und Leben, wirtschaftliches Wachstum, materieller Besitz und Karriere stehen obenan, aber nicht menschliche Gemeinschaft und ideelle Werte, Streß und Reizüberflutung, z. B. vom Fernsehen, beherrschen das Feld statt Ruhe und Besinnlichkeit. Wundert es Sie da, wenn eine Jugendliche an ihre Eltern schreibt: „Damit wir gleich klar sehen: Versöhnung gibt es nicht zwischen uns und eurer Generation. Versöhnung mit eurer Tyrannei der Technokratie wäre Einwilligung in den Mord an uns. Es ist Schluß. Wir sind wir, ihr seid ihr“ (so in dem Buch „Nullbock auf euer Leben“ zu lesen). 5. Ist es die Angst, besonders der jungen Generation, über die Existenzbedrohung und zugleich der Zorn über uns Erwachsene, die das verschuldet haben: Verseuchung der Umwelt, Ermöglichung der Zerstörung der Welt durch einen ABC-Krieg, Verhungern von Millionen usw. Alles das gab es in der Menschheitsgeschichte noch nicht, erst unsere Moderne bescherte es. Uber allen erwähnten Punkten aber könnte der Satz aus der Bibel stehen: „Die Liebe wird in den meisten er- kalten.“ Und wissen Sie, wo Jesus das sagt? In einem Kapitel, in dem er die Endzeit beschreibt (Matth. 24, 12). Endzeit aber bedeutet nach der Bibel, daß die Macht des Bösen und des Dämonischen überhand nimmt, bis zu dem Moment, an dem Jesus Christus wiederkommt und das Antichristentum durch seine gute Herrschaft ablöst. Was aber hilft uns diese Darstellung? Sitzen wir jetzt hier nicht wie ein Häufchen Elend beisammen, mit unseren Erziehungsproblemen und ihren Ursachen? II. Grundlagen zur Lösung der Probleme Gerade eben fiel in unser Grübeln über die Ursachen der Erziehungsprobleme der Name Jesus Christus, der zum Sieg über das Böse kommt; aber er ist schon gekommen und ist auch heute da: „Jesus Christus gestern und heute und derselbe auch in Ewigkeit.“ Er ist gekommen, um ein wesentliches Fundament zu legen: 1. Gottes Vergebung und Versöhnung Mehrfach schon sind wir an die wunde Stelle unserer Erziehungsprobleme gekommen, an unsere Erziehungsfehler, unser Versagen beim Erziehen, unsere Schuld und Sünde gegen Gott und unsere Kinder. Jedesmal wenn ich Bücher über Erziehung lese — auch vor diesem Vortrag —, werde ich darauf aufmerksam, was ich alles falsch gemacht habe. Das tut manchmal so weh, daß ich am liebsten kein Buch über Erziehung mehr aufschlagen möchte. Aber das hieße ja: den Kopf in den Sand stecken. Wir müssen uns unseren Fehlern stellen; aber — das ist für mich so schön — ich darf sie Gott sagen und darf wissen und in mein Herz, in Fühlen und Wollen hineinnehmen: Weil Jesus am Kreuz für jede Sünde gestorben ist, ist alle Schuld vergeben; sie ist ausgewischt, sie ist weg. Die Vergangenheit ist hell, so hell, als hätte ich nicht einen Fehler gemacht. So kann ich neu anfangen, auch wenn der Scherbenhaufen noch vor mir liegt. Diese Vergebung Gottes gilt auch Ihnen, auch wenn Sie schon lange Christ sind, heute neu. Mit Gottes Vergebung aber sind Sie auch mit ihm versöhnt und können in dauerndem Kontakt mit ihm stehen. Welch eine Entlastung ist es doch, ihm im Gebet alle Erziehungssorgen und -nöte, ja jedes kleinste Problem zu sagen und zu wissen: Er hört und hilft! Hier in der Stille vor Gott können Sie von ihm täglich die Kraft für die Erziehung empfangen. 2. Erneuerung durch Gott Mit Vergebung und Versöhnung Gottes beginnt ein neues Leben. Die Bibel nennt es Wiedergeburt. Die Lösung unserer Erziehungsprobleme fängt nicht mit neuen Rezepten an, sondern imdem Sie selbst neu werden. Wenn eine Ursache Ihre zerbrochene oder zerbrechende Ehe ist, dann kann ich Ihnen sagen: Gott will, daß Ihre Ehe neu wird, und zwar indem Sie und Ihr Ehepartner neu werden durch Gottes Eingriff, aber zuerst Sie selbst. Denn Veränderung gibt es nur, wenn man selbst sich verändern läßt. Sind wir egoistisch gewesen und hatten nur unsere Bedürfnisse vor Augen, Karriere und materielle Vorteile, dann kann auch das anders werden: Gott will Sie und mich durch seinen Geist erneuern, und er will heute damit beginnen. Das hat natürlich Auswirkungen auf unsere Erziehung. Der deutsch-amerikanische Psychologe Tobias Brocher, der selbst kein Christ ist, sagte, die Kinder der Christen in den USA wüchsen unter anderen Verhältnissen und Bedingungen auf als andere Kinder. In den christlichen Familien gebe es ein ganz anderes Klima der emotionellen Zuverlässigkeit und des gegenseitigen Vertrauens. Die Christen hätten in der Orientierungslosigkeit der heutigen Zeit ein Urvertrauen entwickelt, nämlich das Vertrauen zu Gott. 3. In-Dienst-nahme durch Gott Wenn Gott Sie erneuert, dann ist das kein Scheck, mit dem auf einen Schlag alles anders ist, wenn Sie heute nach Llause kommen. Vielleicht beginnt sogar erst die mühsamste Strecke, weil der Teufel unbedingt verhindern will, daß Familie und Erziehung neu werden. Mancher Heilungsprozeß ist halt sehr schmerzhaft, manche Wunden heilen nur langsam, und viele hinterlassen Narben, die man ein Leben lang spürt. Sie bekommen heute also keine Erfolgsgarantie mit. Vor allem sollten Sie die Hoffnung aufgeben, mit einer neuen Erziehung könnten Sie Liebe und Vertrauen Ihres Kindes erzwingen. Erwarten Sie das nicht! Denn es ist immer nur Geschenk, das in manchen, vielleicht wenigen Momenten aufleuchtet. Tun Sie trotzdem, was Gott will! Denn das ist die fröhliche Nachricht für Sie: Gott nimmt Sie in Dienst, auch beim Erziehen. Sie müssen es nicht mehr allein und nicht in eigener Regie und mit eigenen Kräften machen. Gott hat Ihnen Kinder anvertraut, und jedes ist ein eigenes Werk Gottes. Ist es nicht eine großartige Auf- gäbe, an Gottes Stelle für dieses Kind zu sorgen und es an Gottes Stelle zu erziehen? Eine Frau hat einmal gesagt: „Ich arbeite in der wichtigsten Werkstatt des Atomzeitalters; ich bin Mutter dreier Kinder.“ Sie hat recht: Für Kinder da sein ist die wichtigste Tätigkeit für die Gesundung der Familien und damit der ganzen Gesellschaft. Kindererziehung aber hat nirgendwo so günstige Bedingungen wie in der Familie. Denn, sagt eine Ärztin, der Kreis der Familie ist bis heute eine der Konstanten, die das Wohl der Menschheit bewahren. Niemand ist ja so viel und nahe mit den Kindern zusammen wie Eltern; nirgends können Vertrauen und Offenheit so gedeihen. Noch in ihrer dürftigsten Form bringt Familie viel. Wenn die Mutter ihrem Kind Nahrung und Wärme und Sauberkeit gibt, es schützt und an sich drückt, fühlt es sich in der Welt angenommen und geborgen. Es entsteht jenes Urvertrauen, ohne das ein Mensch kein Selbstvertrauen findet, um fröhlich und unbekümmert etwas zu wagen. Wie aber kann eine Mutter das, ohne selbst in einer Familie geborgen zu sein? Das Kind lernt früh wie von selbst Verhaltensmuster. Man gibt beim Begrüßen z. B. die Hand. Wie soll man dies und vieles mehr cnne Familie lernen? Entweder wird man so lange geprügelt, bis man’s kann, oder man bleibt ein ungehobelter Klotz. In der Familie, umgeben von vertrauten und ab und zu auch lieben Menschen haben wir gelernt, Rücksicht zu nehmen, um des andern willen Opfer zu bringen und zu verzichten. Wer hätte das von uns geborenen Egoisten gedacht? Wo haben wir nur gelernt, Streit zu schlichten oder einem, der einem weh getan hat, zu sagen: „Schwamm drüber!“ Doch nur in der Familie. Wo macht man das sonst so oft und vielleicht sogar gern? Und wo kennt man die Eigenarten jedes einzelnen so genau und akzeptiert sie trotzdem und lebt irgendwie mit ihnen? Den größten Teil der Erziehung macht Nachahmung aus. Was das Kind in der Familie erlebt, an Ihnen sieht und hört, das erzieht. Aber verkrampfen Sie sich nun bitte nicht mit dem Vorsatz: „Ich muß Vorbild sein, ich muß Vorbild sein.“ Das ist doch nur Fassadenfarbe, die die Kinder recht schnell abklopfen. Leben Sie schlicht als Christ — das ist echt —, wahrhaftig, demütig, geduldig und lieben Sie Ihre Nächsten von Herzen! Kraft dazu kriegen Sie von Gott, und versagen dürfen Sie auch — Gott wird Ihnen vergeben —, und Sie dürfen immer wieder neu anfangen. Auch dürfen Sie damit rechnen: Familienerziehung steht unter Gottes Segen, denn er hat die Ehe und die Familie gegründet. Die Bibel sagt: „Er segnete sie und sprach: Seid fruchtbar und mehret euch!“ Weil Sie bei Ihrer Erziehung in Gottes Dienst stehen, gilt Ihnen das Motto des Gemeindetages: „Nicht vergeblich!“ Denn Gottes Wort in 1. Kor. 15, 58 lautet: „Liebe Brüder, setzt euch ganz ein im Dienst des Herrn, denn ihr dürft wissen, daß eure Mühe für ihn nicht vergeblich ist!“ Sie werden mich freilich fragen: War und ist meine Erziehung nicht doch vergeblich? Und zum Beweis werden Sie mir die Schatten an Ihren Kindern zeigen. Ich aber antworte: Jedes Kind ist wieder ganz anders — auch von seiner Erbanlage her. Wissen Sie denn, wie viel schlimmer es mit dem schwarzen Schaf in Ihrer Familie geworden wäre, ohne Ihre Erziehung? Und wenn Sie dann auf andere sog. wohlerzogene Kinder zeigen, deren Eltern sich kaum um sie gekümmert oder sie schlecht erzogen haben: Wissen Sie, wie viel mehr bei guter Erziehung aus diesen Kindern geworden wäre? Kindererziehung ist Wagnis — so lautet der Untertitel des Buches „Unsere Kinder sind unmöglich“. Ein Abenteuer war sie schon immer. Erziehung aber in der modernen Familie ist zugleich Mühe und Kampf gegen die Trends unserer Zeit, die ich anfangs vor Ihnen abspulte, Kampf gegen die endzeitlichen antichristlichen Mächte. Aber sie ist trotzdem nicht vergeblich, weil sie Dienst für Gott ist, unter seinem Schutz und Segen. Eigentlich wollte ich nun in einem 3. Teil Grundsätze christlicher Erziehung zeichnen, wie sie sich als göttliche Maßstäbe aus der Bibel ergeben, aber die Zeit reicht dafür nicht aus. Darum hier nur sieben Stichworte: 1. Lieben Sie Ihr Kind selbstlos, aber verwöhnen Sie es nicht! 2. Geben Sie ihm für sein Verhalten klare Regeln, aber setzen Sie sie auch durch! 3. Sprechen Sie viel mit Ihrem Kind, auch über die Regeln! 4. Haben Sie Geduld mit Ihrem Kind, bis Sie es an richtiges Verhalten gewöhnt haben! 5. Machen Sie ihm Mut zum Leben und Tun! 6. Nehmen Sie sich viel Zeit für Ihr Kind! 7. Gestalten Sie Ihr Familienleben fröhlich und lebendig! 8. Fassen Sie immer das Ziel Ihrer Erziehung ins Auge: die Selbständigkeit Ihres Kindes! Ich bin am Schluß: Erziehung ist Dienst für Gott. Und er ist allmächtig. Deshalb ist ihm nichts unmöglich, auch in der Erziehung. „Unmöglich“, hat Jay Adams gesagt, „ist ein unmögliches Wort." Gott kann auch noch nach vielen Jahren, wie die Bibel sagt (Mal. 3, 24), das Herz der Väter zu den Kindern bekehren und das Herz der Kinder zu den Vätern. Ich weiß von Fällen, in denen es Eltern nicht mehr erlebten, wie sich ihre Kinder bekehrten und die Erzie- hung doch noch zum Ziel kam. Sie sehen: Erziehung im Auftrag Gottes und als Dienst Gottes ist nicht vergeblich. Er selbst, Gott, bürgt dafür, weil er es versprochen hat. Glauben Sie: Gott steht zu seinem Wort! Auch Ihre Erziehung ist nicht vergeblich. Werner Stoy Worauf es in einer christlichen Ehe ankommt Daniel, trag den Abfall raus! Wir sind eine große Familie und es ist bei uns üblich, daß jedes der Kinder ein wenig mit zupackt bei der Arbeit. So gehört es zu den Pflichten unseres Jüngsten, daß er Kartoffelschalen, Gemüsereste und verwelkte Blumen in einem kleinen weißen Eimerchen auf den Komposthaufen tragen muß. Nicht selten wird dieser Dienst vom Murren begleitet, und manchmal muß ich sogar zwei- oder dreimal sagen: „Daniel, trag den Abfall raus!“ Eines Tages sitzen wir vollzählig um den Mittagstisch. Nach einem guten Essen kommt wie von selbst ein lebhaftes Gespräch in Gang. Diesmal geht’s ums Verloben und Hochzeit machen. Wenn man Kinder im heiratsfähigen Alter hat, spricht man hin und wieder über dieses Thema. Unser Fünfjähriger sitzt dabei und spitzt die Ohren. Kein Wort entgeht ihm. Plötzlich fragt mein Mann ganz unvermittelt: „Na, Daniel, willst du auch mal heiraten?“ Die Antwort kommt wie aus der Pistole geschossen: „Nö, nö, Papa, sonst sagt die Braut: Daniel, trag den Abfall raus!“ Wir brechen in ein schallendes Lachen aus. So klein der Knirps auch ist, das hat er doch schon begriffen: Heiraten und eine Familie gründen bringt auch immer Pflichten mit sich. Ein echtes Miteinander kann nur da entstehen, wo sich Mann und Frau die Verantwortung teilen und auch die Kinder lernen, nach ihren Gaben und Fähigkeiten mit anzupacken. Das Wort im Neuen Testament: Einer trage des anderen Last, so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen, findet gerade in der christlichen Familie ein weites Erprobungsfeld. Da kann ich früh lernen, die Mühe des anderen zu meiner eigenen Mühe zu machen. Wie gut tut das zu wissen. Mein Mann ist mir als Gabe von Gott gegeben. Er ist Gottes Geschenk an mich, er liebt mich, erträgt mich und er leidet mit mir. Es war vor der Geburt unseres zweiten Kindes. Ziemlich abgekämpft und müde hockte ich bei brütender Mittagshitze im Sessel. Meine Beine waren geschwollen, ich fühlte mich schwach und elend. Voller Angst wartete ich auf meine schwere Stunde, denn schon beim ersten Kind hatte ich Komplikationen durchstehen müssen. Mein Mann saß an seinem Schreibtisch und korrigierte die Englischarbeiten seiner Oberprima. Als er von seinen Heften aufblickte und mich so sitzen sah, packte auch ihn der Jammer. Er legte den Rotstift beiseite und stöhnte laut auf: „Ach ja, wenn wir nur erst das Kind geboren hätten!“ Etwas unsanft fuhr ich ihn an: „Was heißt hier wir, ich muß es doch kriegen!“ und schon taten mir meine Worte leid. Wie konnte ich völlig übersehen, wie er mit mir litt. Ganz neu begriff ich: Mein Mann identifiziert sich so sehr mit mir, daß er sogar den Geburtsschmerz miterleidet. Ich erfuhr die Wahrheit aus Epheser 5, 25: „Ihr Männer, liebet eure Frauen, gleichwie Christus auch geliebt hat die Gemeinde und hat sich für sie gegeben.“ So hoch denkt Gott von der Ehe, daß er die Liebe Christi zu seiner Gemeinde zum Maßstab für die eheliche Gemeinschaft setzt. Diesem Wort sollten wir alle nachdenken und es beherzigen. Wo eine Frau sich so geliebt weiß in der Ehe, wird es ihr nicht schwerfallen, sich dem Mann unterzuordnen, denn auch das ist Gottes Gebot: „Die Frauen seien untertan ihren Männern als dem Herrn“ (Eph. 5, 22). Einer muß das Sagen haben in der Familie, und der Heiligen Schrift nach ist dies der Mann. Und doch muß ich zugeben, daß mir diese Rolle, meinem Mann untertan zu sein, nicht immer behagte. In dieser Beziehung weiß ich um Versagen und um Schuld. Wir zwei sind in unserem Wesen total verschieden. Mein Mann ist mehr ein intellektueller Typ, meist in irgendwelchen theologischen Gedankengängen versunken. Wenn wir abends gegen 22.30 Uhr zu Bett gehen, nimmt er immer einen Stoß Bücher mit und nach 28 Ehejahren kommt es zu Debatten, wann denn das Licht gelöscht wird. Als er neulich mit unserem Ältesten, der auch Theologe ist, den Garten umgrub, ereiferten sie sich so sehr über Luthers zwei Reichelehre, daß er sich dabei die Mistgabel durch den Schuh stieß. Mein Mann ist in seinem Wesen still, zurückhaltend, für unsere fünf Kinder der gütige Vater. Ich hingegen bin mehr praktisch veranlagt, voller neuer Ideen, temperamentvoll, fast wie ein wildes Pferd, das man an die Kandarre legen muß, und in der Familie die strenge Mutter. Meine Unternehmungslust drängt mich nach schnellen Entschlüssen, und manchmal packt mich die Angst vor der eigenen Courage. Wir sind also ein Paar, das nach menschlichem Empfinden nicht zusammenpaßt, aber das sich wunderbar ergänzt. So sind wir nicht nur als einzelne originell in unserer Art, sondern auch als Ehepaar, und Gott hat sicher gut gewußt, warum er uns in eine Ehe- und Dienstgemeinschaft zusammenstellte. Aber diese Gegensätzlichkeit führt auch zu kleinen Reibereien. Wir waren jung verheiratet und erwarteten Familienzuwachs. Wir wohnten in nur einem Zimmer mit Küche, das zudem im Winter naß und kalt war. Mein Vater hatte versprochen, uns beim Bau eines Eigenheims zu helfen. So drängte ich darauf, daß wir uns nach einem Grundstück umsähen. Aber mein Mann zögerte, wollte, wie es so seine Art ist, die Sache gut durchdenken, viel darüber beten und alles vor Gott bringen, was ja auch richtig ist. Mir dauerten seine Überlegungen viel zu lange: „Hast du jetzt Klarheit, ob wir bauen sollen?“ fragte ich ihn in gewissen Abständen. „Noch nicht“, lautete seine monotone Antwort, und sie blieb über Monate hinaus gleichbleibend. Für mich wurde die Haltung meines Mannes zu einer Herausforderung, mich in Geduld zu üben, eine Gabe, die mir bei meiner Geburt nicht in die Wiege gelegt war. Als er dann nach sieben oder acht Monaten das Startzeichen für unser Haus gab, war ich glücklich. Meine Lektion hatte ich gelernt, und vereint trugen wir dann auch die Belastungen und die Engpässe, die mit einem solch großen Unternehmen verbunden sind. Es zahlt sich immer aus, dem Wort der Bibel gehorsam zu sein. Das war meine Erfahrung. Aber bei allen guten Vorsätzen, die Ehepartner in ihr gemeinsames Dasein einbringen, gibt es immer mal kleine oder auch große Querelen, manchmal auch einen handfesten Krach. Ich wüßte nicht, wie ich in meiner Ehe existieren könnte, ohne Gottes großes Vergeben. Nie brauche ich die Scherben von gestern in den neuen Tag hineinnehmen, sondern darf sie Gott bringen, daß er sie wegräumt. Das Wort „Karl-Heinz, verzeih mir“, habe ich oft in meinen Mund nehmen müssen, obwohl mir das nie leicht gefallen ist. An der Stelle merke ich, wie trotzig ich sein kann. Ich will das an einem Beispiel verdeutlichen. Krach um eine alte Kommode Wir sind in unser neues Haus eingezogen, und ich bin mit großem Eifer dabei, die Wohnung einzurichten. Endlich haben wir mit un- seren fünf Kindern viel Raum. Ein herrliches Gefühl bemächtigt sich meiner, aus der Enge in die Weite zu ziehen. Alles ist neu, das Parkett glänzt, die Tapeten leuchten in strahlenden Farben, und in den bunten Fliesen kann man sich sogar spiegeln. Die Kinder bekommen zum Teil neue Möbel, und für das Wohnzimmer wird eine wunderschöne Polstergarnitur angeschafft. Natürlich fällt bei einem solchen Umzug auch allerhand Abfall an. Ausgedientes Inventar wird weggeworfen, Boden und Keller werden entrümpelt und die unbrauchbaren Dinge im Auto fortgeschafft. Aber immer wieder beobachte ich, daß mein Mann an Sachen Gefallen findet, die andere ausrangiert haben und aus denen er für unseren jüngsten Sohn Spielzeug bastelt. Manchmal bringt er mehr mit als er fortgefahren hat. So finden sich im Gartenhaus alte Bretter, gebrauchte Kinderfahrräder, Fensterrahmen, eine Menge Schrauben, mehrere dicke Kataloge mit Teppichfliesen und dergleichen mehr. Ich bin nicht gerade erbaut von diesen Errungenschaften meines Mannes und runzle schon beim Anblick dieses „kostbaren Gutes“ die Stirn. „Na, wie war die Ausbeute heute?“ lautet meine ironische Frage. Eines Tages kommt mein Mann schon früher als gewöhnlich nach Hause. Das freut mich, denn es kommt selten vor und ist für mich eine richtige Überraschung. „Schon fertig mit der Arbeit?“ begrüße ich ihn. Erst jetzt entdecke ich, daß die hintere Autotür halb geöffnet ist und ein Möbelstück dreißig Zentimeter über den Rand hinausragt. „Stell dir vor, ich habe eine alte Kommode mitgebracht, die ausrangiert wurde. Ich wollte sie mir nicht entgehen lassen. Sie ist noch aus massivem Holz und ganz stabil. Ich werde sie aufpolieren und in das Kinderzimmer stellen. Du glaubst gar nicht, wieviel Spielzeug darin Platz findet.“ „Aber siehst du denn gar nicht“, falle ich meinem Mann ins Wort, „wie schäbig das alte Ding ist? Die linke Tür fehlt ganz, rechts sind keine Griffe, und die scheußlichen Wasserflecken verdeckt keine noch so gute Politur. Schaff mir die Kommode wieder fort! Sie kommt mir nicht ins Haus.“ Ärger steigt in mir hoch. Diesmal werde ich mich gegen meinen Mann durchsetzen, beschließe ich im stillen. Ich kann mir doch nicht das herrliche Haus mituraltem Kram vollstellen lassen! Mein Mann versucht, mich umzustimmen. Er ist so begeistert von diesem edlen Stück aus Omas Zeiten, daß er sich auf keinen Fall davon trennen will. Inzwischen hat er auch noch Verstärkung be- kommen. Unser vierjähriger Junge freut sich über seinen Spielzeugschrank und steht ganz auf Papas Seite. Er packt sogar mit an beim Ausladen. Über die Türschwelle kommt mir das schäbige Stück nicht. Das habe ich mir geschworen. Schließlich bin ich dafür verantwortlich, wie es in unserer Wohnung aussieht. So wird die Kommode zunächst im Garten abgestellt und wirkt wie verloren inmitten von blühenden Rosen und Begonien. Beim Mittagessen geht es recht wortkarg zu. Der Appetit ist mir vergangen. Ich stochere nur in meinem Essen herum. Jedesmal, wenn ich aus dem Fenster sehe, fällt mein Blick auf das verhängnisvolle Streitobjekt. Mein stiller Triumph, mich diesmal durchgesetzt zu haben, ist nicht von langer Dauer. Es herrscht eine mulmige Atmosphäre. Mein Ärger klingt nur langsam ab. Aus diesem Grunde unternehme ich am Nachmittag einen Spaziergang, um mich abzureagieren. Jetzt habe ich mich einmal gegen meinen Mann durchgesetzt. Ich müßte doch zufrieden sein, denke ich. Aber mir ist elend zumute. Das Wetter trägt auch nicht gerade dazu bei, meine Stimmung aufzuhellen. Es fängt an zu tröpfeln, und ich muß umkehren. Als ich zu Hause ankomme, traue ich meinen Augen nicht. Unser Untermieter müht sich, unterstützt von unserem Jüngsten, die Kommode die Treppe hochzutragen. Ich eile herbei und muß mit zupacken, weil ich Angst habe, das kleine Kind könnte zu Schaden kommen. „Es fing zu regnen an“, erklärte mir der Student. „Ihr Sohn hat mich gerufen, ich möchte doch die Kommode hereintragen, damit sie nicht naß wird. Die Mama mag nämlich keine Wasserflecken.“ Da stand nun das alte schon ausrangierte Stück im nagelneuen Haus, und ich mußte selbst mit Hand anlegen, es hereinzutragen. Ob der kleine Kerl wußte, was er damit bewirkt hatte? So kann Gott die Einfalt eines Kindes benutzen, um mich von meinem Starrsinn zu befreien und mich wieder zurückzuholen auf seine Spur. Das Kind hatte mich zur Besinnung gebracht, und mir war klar, daß ich mich für mein Verhalten bei meinem Mann entschuldigen mußte. Wie gut, daß ich es früh in unserer Ehe gelernt habe, die Sonne über unserem Zorn nicht untergehen zu lassen. Dieses neutestament-liche Wort ist eine echte Hilfe. Es stiftet Frieden, söhnt aus und schafft ein neues Vertrauensverhältnis. Ich krame gern in alten Briefen und Schriften. Neulich fiel mir ein ganzer Packen Zeugnisse meines Mannes in die Hände. Früher war es üblich, daß außer den Noten noch eine Beurteilung abgegeben wurde. Ich habe doch laut lachen müssen, als ich las: „Karl-Heinz zeichnet sich durch besonderen Fleiß im Altmaterialsammeln aus.“ Ob von daher die Lust am Sperrmüll herrührt? Einen ganz wesentlichen Punkt des guten Miteinander in der Ehe sehe ich im Gespräch. Lassen Sie nie das Reden miteinander und das Hören aufeinander verstummen, denn das bedeutet den Tod einer jeden Ehe. Gott will, daß wir uns verstehen. Er sagt selbst in 1. Mose 2, 18: „Es ist nicht gut, daß der Mensch allein sei, ich will ihm eine Gehilfin machen, die um ihn sei.“ Wir waren vielleicht ein halbes Jahr verheiratet und erlebten unsere erste Krise. Es gab allerlei Nöte. Ständig litten wir unter Geldmangel. Mein Mann war mit seiner Ausbildung noch nicht fertig. Hinzu kamen Schwierigkeiten mit der Verwandtschaft. Auch das ist ein heikler Punkt, denn man heiratet ja nie nur den Partner, sondern meist Schwiegereltern, Geschwister, Tanten und Onkels mit. Mir ging es körperlich äußerst schlecht. Die Schwangerschaft war mit starkem Übelsein und Erbrechen verbunden. Wie das häufiger der Fall war, wurde mein Mann am späten Abend noch zu seiner Mutter gerufen, mit der wir zusammen unter einem Dach wohnten. Es wäre noch etwas Wichtiges zu regeln, hieß es. Mein Mann kam und kam nicht wieder die Treppe hoch. Ich lag in meinem Bett, wartete ungeduldig: eine Stunde, dann zwei Stunden. Ich war verärgert, denn es war nicht das erstemal, daß Mutter gerade zu nachtschlafender Zeit etwas mit ihm zu besprechen hatte. Als er nach Mitternacht endlich zu mir kam, war das Faß am Überlaufen. Ich explodierte. Ersparen Sie es mir bitte, daß ich das näher ausführe. Es fielen häßliche, verletzende Worte. Mein Mann legte sich ins Bett und sagte keinen einzigen Ton. Das machte meinen Zorn noch größer. Ich verfiel dann auch in Schweigen, weil mein Reden ihn anscheinend nicht erreichte. Es war, als spräche ich gegen eine Wand. Eine Stunde, zwei Stunden lagen wir nebeneinander, ohne daß ein Wort über unsere Lippen kam. Ich hörte meinen Mann schwer atmen, und er hörte mich atmen. Keiner konnte ein Auge zumachen. Ab und zu wälzte sich einer unruhig in den Kissen hin und her. Schließlich hielt ich es nicht mehr länger aus. Ich packte meinen Mann am Ärmel und schüttelte ihn. „Karl-Heinz, sag was, mach was!“ Und damit war das eisige Schweigen gebrochen. Wir haben dann bis in den grauen Morgen hinein miteinander gesprochen und nach Lösungen für unsere vielfältigen Probleme gesucht. Und dann fiel ein Wort, ein bedeutsames und entscheidendes Wort in unserem Gespräch: Vertrauensbasis. Unser Miteinander sollte vom Vertrauen getragen sein. Nie mehr wollten wir durch trotziges Schweigen uns verletzen und Wunden schlagen, vielmehr wollten wir im befreienden Gespräch alle Ungereimtheiten, alle niederträchtigen, häßlichen Gefühle, allen Zorn und alle Mißverständnisse bereinigen. 28 Jahre unserer Ehe haben wir das so gehalten und sind gut damit gefahren. Dieses Vertrauen aber hat seinen Grund in Jesus Christus, der die Mitte unserer Ehe ist. Mit ihm haben wir unseren gemeinsamen Lebensweg gewagt, er hat unsere Liebe gemehrt, es wird immer schöner in unserer Ehe, und das ist uns keine Selbstverständlichkeit. Er hat uns fünf Kinder anvertraut. In guten Tagen freuen wir uns seiner Güte, und in schweren Tagen hält uns seine starke Hand. Wir wollen es lernen, mit Hiob zu sprechen: „Haben wir Gutes empfangen von Gott und sollten das Böse nicht auch annehmen?“ (Hiob 2, 10) Auch das ist ein Wunder, wenn ich bereit bin, das Schwere und Unbegreifliche anzunehmen. Eine Zeitlang klammerten wir uns an das Wort, als wir durch Krankheit und Anfechtungen gingen: „Der Herr hat uns lassen wachsen im Lande des Elends.“ Wie liegt gerade im Leid die Tragkraft meines Heilandes verborgen, und in der Hitze des Schmelztiegels erfahre ich: „Herr, wer ist wie du!“ So ist Jesus das Fundament unseres gemeinsamen Handelns und Wirkens in der Ehe. Aus der Verbindung mit ihm erwächst uns eine neue Lebensqualität, um die wir Christen zu beneiden sind. Wir haben Jesus, den Heiland und Retter auf unserer Seite, und so ist es eine Lust zu leben, zu schaffen und zu dienen, bis der Herr dieses Band der innigen Liebe durchtrennen wird. Das ist dann eine wehe, schmerzhafte Erfahrung, aber sie darf eingebündelt sein in den Trost Christi. Aus dieser Hoffnung leben wir und danken Gott, der uns zusammenführte, uns glücklich machte und uns bis auf den heutigen Tag wunderbar führte. Ihm will ich weiter vertrauen. Lotte Bormuth An den Grenzen der Erziehung Einleitung Mit einer solchen Überschrift zu einem Vortrag könnte man ab-schrecken: „Warum redet ihr denn immer von den Grenzen, bleibt doch mehr in der Mitte . . hört man sagen. Bei den Grenzen der Erziehung geht es nicht um billige Abgrenzung, sondern um eine biblisch-realistische Einschätzung. Und diese Einschätzung zeigt uns Grenzen in mancherlei Hinsicht. Da geht es vor allem um die Frage, wie weit christliche Erziehung führen und leiten soll. „Bei Gott gibt es keine Enkelkinder, sondern nur Kinder“, wäre eine mögliche Antwort —• aber wir wollen dies differenzierter untersuchen. Grenzübergänge gibt es aber auch immer dann, wenn es zu einem Neuanfang kommen soll. Und solche Grenzen hindern uns häufig, einen ganz neuen Schritt zu wagen. Vieles hat in der Erziehung nicht geklappt. Bei den Eltern zu Hause, den Pädagogen in Schule und Kindergarten, den Meistern mit ihren Azubis . . . Der heutige Tag soll also auch für pädagogische Fragen ein „Nicht vergeblich“ aufzeigen und Mut zum Neuanfang machen — Mut, die Grenzen zu überschreiten. Erziehungsziele Es klingt sehr einfach, wenn ich sage, daß Erziehung immer dann am Ende ist, wenn Grenzen erreicht sind. Aber wo sind diese Grenzen? Das heißt, wo müssen wir als Erzieher aufhören und anderen „Mächten“ das Feld überlassen? Sicherlich hängt diese Frage mit den Erziehungszielen zusammen. Und hier gibt es in pädagogischen Fachkreisen seit Jahrhunderten immer wieder äußerst kontroverse Ansätze — oftmals zu Lasten der „Zöglinge“, die sich dagegen kaum wehren können. Wir wollen uns aber heute nicht mit allgemeinen Erziehungszielen beschäftigen, sondern über die Ziele des „christlichen Erziehers“ Gedanken machen. Hierzu lesen wir in Epheser 6, 4: „Zieht sie auf in der Zucht und Vermahnung des Herrn“ und in Galater 4, 19 „Bis daß Christus in euch Gestalt gewinne“. Es geht hier also um die „paideia kyriou“, die „Erziehung zum Herrn“, darum, daß Christus in den zu Erziehenden „Gestalt“ annimmt. Die Erziehungsziele des Christen — und damit auch seine natür- liehen Grenzen — sind dann gegeben, wenn er die Erziehung an Christus selbst weiterzugeben hat. Er kann (und sollte) die ihm Anbefohlenen so weit führen, daß „Christus in ihnen Gestalt gewinnt“, das heißt in modernerer Sprache, daß sie Christus in ihrem Denken, Fühlen und Handeln erkennen können. Hier ist dann aber die Grenzstation erreicht: Die Entscheidung, ob der zu Erziehende über die Grenze gehen will, muß er alleine fällen . . . Erziehungsmethoden Im AT bis hin zur Zeit Jesu läßt sich für das Volk Israel keine ausgewiesene Erziehungslehre oder besondere Erziehungsidee nach-weisen. Zusehen und Zuhören ließ die jungen Leute in das Erbe der Väter hineinwachsen. Ziel aller Erziehung war der Mensch, der im Gehorsam gegen Gottes Willen lebte. Es gab aber auch recht handfeste „Erziehungsmedien“, so z. B. die 12 Steine, die Josua nach dem Durchgang durch den Jordan extra für die Kinder aufstellen ließ: „Wenn eure Kinder später einmal fragen ... als ewiges Andenken . . .“ (Jos 4, 6f.). Zusammengefaßt kann das Erziehungsziel aus Eph 6, 4 für AT und NT gemeinsam gesehen werden, „Ziehet auf in der Vermahnung des Herrn.“ Nun geht aber dieses „Ziehen“ bekanntlicherweise nicht von alleine. Und wenn es darum geht, daß wir Christus im Denken, Fühlen und Handeln als Erzieher erkennbar machen sollten, dann könnten wir hierzu drei aus der Lerntheorie bekannte Lernarten anbieten: Lernen durch Nachahmung Lernen durch Erfahrung Lernen durch Einsicht Diese drei Lernarten treten in der Praxis fast nie alleine auf, sind also immer miteinander verwoben. Lernen durch Nachahmung Es gibt eine Reihe von wissenschaftlichen Untersuchungen zum „Nachahmungslernen“. Diese Art des Lernens findet insbesondere dann statt, wenn die Lernenden wenig von sich selbst halten, das Gefühl der Abhängigkeit haben, oftmals zweifeln und isoliert sind, und wenn die Erzieher Macht, hohes Ansehen und gutes Aussehen haben. Auf unsere Aufgabe als christliche Erzieher bezogen bedeutet dies, daß wir uns darüber im klaren sein müssen, daß die Kinder von uns als „Vorbildern“ lernen. Und da tauchen schon die ersten Grenzen auf: „Ich, ein Vorbild — ich bin ja häufig so am Ende, bin müde, kann mein Glaubensleben gar nicht so darstellen, wie es eigentlich sein müßte . . Diese Grenze müssen wir heute als Erzieher überspringen! Denn es geht bei unserer Vorbildfunktion nicht darum, daß wir ein permanentes Einhalten von Gesetzen zu demonstrieren haben — dies führt unweigerlich zu einem falschen Bild. Vorbilder sind wir dann, wenn die zu Erziehenden in allen Bereichen unseres Lebens merken, daß wir ohne Christus nicht leben wollen und können. Dann werden sie (auch wenn im einzelnen immer wieder ein falsches Verhalten auftaucht) zu unserem Erziehungsziel geführt. Anders gewendet heißt dies: Mein Glaubensleben als Erzieher und Christ muß „durch und durch“ — und nicht „furniert“ sein. Lernen durch Erfahrung Von den Lerntheorien ist bekannt, daß sich ein neues Verhalten immer dann stabilisiert, wenn es sofort nach seinem Auftreten verstärkt wird bzw. mit etwas Positivem verbunden wird. Praktisch bedeutet dies, daß unser Weg zum Erziehungsziel „Christus erkennen“ von einer langen Kette positiver Verstärker gesäumt werden sollte. Dies könnte beispielsweise folgendermaßen erfolgen: — Immer wenn ein Gottesdienst besucht wird, dürfen die Kinder ihr liebstes Kleid anziehen (auch wenn es Opa und Oma vielleicht gar nicht so sehr gefällt. . .). — Nach dem Gottesdienst wird immer etwas besonders schönes „angestellt“ (es muß ja nicht immer Sonntagsbraten geben . . .). — Die Kinder werden nicht zum Bibellesen gezwungen, sondern immer dann, wenn sie es alleine tun, eine anregende Atmosphäre geschafft. Das heißt, über den Text gesprochen, auf sie eingegangen und so verstärkt, daß neues Lesen angeregt wird. — Für das Wiedererzählen eines Bibeltextes in eigenen Worten werden Preise ausgesetzt. Lernen durch Erfahrung heißt aber auch, den zu Erziehenden nicht in allen Fällen „goldene Brücken“ zu bauen. Wer „nichts von Christus wissen möchte“ (und damit ist ja zumeist nicht Christus gemeint, sondern irgendein „christlicher“ Mensch oder eine nicht akzeptierte biblische Aussage) darf seinen Weg auch ohne ihn gehen. Das Gleichnis vom verlorenen Sohn zeigt uns dies recht deutlich. Es sollte aber in allen Fällen signalisiert werden, daß ein Neuanfang möglich ist. Lernen durch Einsicht Die Bibel spricht in Römer 12, 2 von einer „Erneuerung eures Sinnes“. Lerntheoretiker konnten nachweisen, daß durch Neubewertungen Lernprozesse in Gang gesetzt werden. Neubewerten verlangt aber Nachdenken. Und vielleicht sind wir deshalb so häufig an den Grenzen der Erziehung angelangt, weil wir den Lernstoff nicht auf der dem Kind bzw. Jugendlichen entsprechenden Denkebene vorstellen? Kindern bis zum Ende des Kindergartenalters sollten wir deshalb ein „Evangelium zum Anfassen“ anbieten, denn sie denken und verstehen in dieser Entwicklungsstufe insbesondere das, was man anlangen, fühlen, schmecken und riechen kann. Biblische Geschichten zu spielen wäre demnach die optimale Lernmethode in diesem Alter. Alle theoretischen Begriffe wie Gnade, Sühne, Schuld, Erlösung usw. werden in ihrer abstrakten Form nicht verstanden — sie müssen, sofern sie vermittelt werden sollen, handhabbar gemacht werden. Grundschulkinder können zunehmend in Klassen/Kategorien einteilen, systematisieren — und zudem hervorragend auswendig lernen. Nicht alles, was gelernt wird, ist auch verstanden und die Frage, wie es sich denn anhöre, wenn einer „ganz“ sänge, wo doch schon „derhalben singt vor Freude jauchzt" so schön klingt, ist auf diesem Hintergrund gut zu verstehen. Dieses teilweise schematische Auswendiglernen bildet jedoch einen guten Grundstock für das Gedächtnis und kann im höheren Alter ja noch rechtzeitig genug reflektiert werden. Grundschulkinder können auch schon recht gut (aufgrund der erfolgten Kategorienbildung) zwischen „gut“ und „böse“ unterscheiden und es ist ohne Schwierigkeiten möglich, über „Sünde“ zu sprechen und „Vergebung der Schuld“ anhand von konkreten Beispielen zu erfahren. Persönliche Entscheidungen für Jesus Christus sind also in diesem Alter sehr ernst zu nehmen und nicht als „religiöse kindliche Entwicklungsphase“ abzutun. Das ältere Schulkind und der heranwachsende Jugendliche lernen immer mehr in übergeordneten (formalen) Prinzipien denken. Sie können jetzt von allgemeinen Gesetzmäßigkeiten auf die praktische Anwendung schließen. Die göttliche Dreieinigkeit, göttliche Liebe auch im Leiden, oder auch das gleichzeitige Nebeneinanderbestehen zweier sich widersprechender Aussagen, sind jetzt denkbar. Und damit wird die Größe Gottes im Sinne unseres Erziehungszieles „Christus im Denken, Fühlen und Handeln erkennen“ immer deutlicher sichtbar. Jetzt kommt es aber auch zur Auseinandersetzung mit Ideologien und bibelfremden Weltanschauungen. Und jetzt kann einem jungen Menschen auch klargemacht werden, welch endgültigen (normativen) Charakter das Jesuswort „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben, niemand kommt zum Vater, denn durch mich“ hat. Verständlich wird auf diesem Hintergrund, daß Jugendliche Eltern und Lehrer als echte Gesprächspartner suchen, mit denen sie auf derselben Denkebene Kommunikation haben können. Wichtig wird es auch für Pfarrer und Jugendleiter, daß sie zusammen mit den jungen Menschen um intellektuell redliche Ergebnisse bei theologischen Bemühungen ringen. Und es ist wahrhaftig keine Schande, wenn auch Erwachsene — nachdem sie sich um Lösungen bemüht haben — zugeben, daß sie mit ihrem Denken nicht weiterkommen. Welch entscheidendes Vorbild könnte es dann sein, wenn der erfahrene Erwachsene zugibt, daß er nicht weiterkommt und den jungen Gesprächspartner gerade deshalb zur Anbetung Gottes führt? Junge Menschen wollen Ehrlichkeit, so könnte man die Erziehungsmethode in kurzen Worten beschreiben. Und damit ist eine Ehrlichkeit gemeint, die zugibt, daß es auch im Glaubensleben „gestandener“ Männer und Frauen immer wieder Schwierigkeiten gibt, daß Zweifel auftauchen — ja, daß auch der „reife“ Christ vor „Betriebsunfällen“ nicht abgesichert ist. Ehrlichkeit heißt dann aber auch, immer wieder ungekünstelt und realistisch von den Siegen mit Jesus zu erzählen, von seinem Durchtragen in schweren Stunden und von der Hoffnung, die in vielen Lebenssituationen die einzige Grundlage ist. Und Ehrlichkeit heißt vor allem ein integres Glaubensleben zu führen. Nicht nur in den Versammlungen, sondern durchgängig. Nun haben wir eine Reihe von Möglichkeiten behandelt, die zum Erreichen unseres Lernzieles sehr hilfreich sein können. Immer wieder sind wir dabei an die Grenzen gestoßen und vielleicht könnte man jetzt wünschen, mit der Erziehung nochmals von vorne beginnen zu können. So bleibt die Frage offen, was ist zu tun, wenn unsere Kinder oder Jugendlichen weder durch Nachahmung noch durch Erfahrung und auch nicht durch Einsicht lernen wollen. Wenn sie von Gott oder Jesus nichts (mehr) hören wollen. Auch hier wollen wir heute nachmittag über eine Grenze springen und vielleicht hilft dazu die Aussage einer betroffenen Mutter: „Ich habe gelernt, mehr mit Gott über meine Kinder als mit meinen Kindern über Gott zu sprechen . . Bitten wir deshalb unseren starken Herrn und Heiland — nicht, daß unsere Kinder lieb oder brav werden, daß sie fleißig arbeiten und keine falschen Freunde haben, denn dies könnten insgesamt gesehen doch sehr egoistische Gebete sein; sondern bitten wir ihn, daß sie ihn als ihren persönlichen Herrn und Heiland finden möchten — und daß wir dabei nicht im Wege stehen. Haben wir Fehler in der Erziehung gemacht, dann wollen wir dies vor Gott und unseren Kindern bekennen. Und das ist ja dann das besondere, wenn wir an diese Grenze gekommen sind: Danach geht es nicht mehr im alten Trott, sondern mit neuen Ansätzen weiter. Wir wollen nach der Grenze bewußt und nicht mehr ins „alte Land“ zurückkehren, sondern mit Hilfe unseres Herrn Neues wagen. Er segnet uns dabei. Dr. Michael Dieterich Erfahrungen aus der Arbeit mit Kindern „Mutti, Mutti, tut Gott heute auch noch Wunder?“ So fragte ein Kind vom Lande. „Ja“, erhielt es zur Antwort. „Sieh doch mal dort auf die Wiese. Die schwarzen und braunen Kühe fressen grünes Gras und geben weiße Milch, und wenn du die Milch trinkst, bekommst du rote Backen.“ „Schon recht, aber ich meine ja Wunder, wie sie in der Bibel stehen, z. B. die Speisung der 5000 oder die Verwandlung des Wassers in Wein bei der Hochzeit zu Kana. Was hätten Sie wohl auf die Frage dieses Kindes geantwortet? Ich darf Ihnen bezeugen, daß Gott heute noch Wunder wirkt! Ein Wunder ist doch Gottes Handeln aus seiner Unsichtbarkeit, das dann in unserer realen menschlichen Welt sichtbar wird. Wer als Erzieher im Elternhaus oder als Helfer in Kirche oder Gemeinschaft die Gute Nachricht erwartend und einladend weitersagt, der erlebt auch heute Gottes Handeln. 1. Lassen Sie mich von drei Wundern berichten. Das 1. Wunder und vielleicht auch das größte ist, wenn ein Kind zu einem persönlichen Glauben an Jesus kommt! Jede Bekehrung eines Kindes, die allein der Heilige Geist wirkt, ist für mich ein großes Wunder. Beim Erzählen biblischer Geschichten, die eine Veränderung und Neuerung des sündigen Menschen zum Ziele haben, sollten wir den Kindern ganz konkret eine Gelegenheit zur Umkehr geben. Leider gibt es nur wenige Eltern, die ihre eigenen Kinder zu Jesus führen. Auch gibt es nur wenige Gemeinden, in denen die Mitarbeiter in ihrer oft guten Verkündigung die Kinder einladen, sich dem guten Hirten, Jesus, anzuvertrauen. Das ist ein Mangel und ich bete dafür, daß viele Eltern und viele Helfer ihren Kindern den Weg bereiten, auf dem sie persönlich zu Jesus Christus kommen können. 2. Das 2. Wunder erkenne ich darin, daß der gute Hirte sich selbst seiner jungen „Schafe“ annimmt (Joh 10, 27—29). Dadurch ist allein die Garantie gegeben, daß sein Werk, durch uns ausgeführt, nicht vergeblich ist. Das entbindet uns allerdings nicht von der Verantwortung, gläubige Kinder liebevoll und seelsorgerlich zu begleiten. Wir dürfen diesen Dienst schon seit 15 Jahren in vielen Gemeinden praktizieren. Sogenannte Gebetsmütter und -väter helfen uns dabei. Sie sammeln jede Woche eine kleine Schar Kinder zu einem Gebetstreff. Diese verantwortlichen Gemeindeglieder sind vielfach die Anlaufstation „ihrer“ Kinder, die mit ihren Problemen und Fragen nicht allein gelassen werden dürfen. Da ist zum Beispiel Andreas. Er war 10 Jahre alt, als er im Januar d. J. zum Glauben kam. Nach einem Familien-Gottesdienst verteilten wir speziell für die Kinder einen Brief mit dem Inhalt, warum sich Christen nicht am Faschingstreiben beteiligen. Andreas nahm solch einen Brief mit und kam einige Tage später zu seiner Mutter, die auch einen Kindergebetskreis leitet. Er hatte sich ganz allein entschlossen, nicht am Fasching mitzumachen und bat seine Mutter, seine Kostüme wegzugeben. Sein jüngerer Bruder Rainer traf diesen Entschluß eine Woche später. Der Heilige Geist weht, wo er will. Er verändert das Leben der Kinder und wirkt sichtbare Zeichen neuen Lebens. Eine meiner frohmachendsten Erfahrungen sind Besuche und Gebetsversammlungen bei gläubigen Kindern. 3. Ein 3. Wunder bedeuten für mich die vielen lebendigen Gemeinden und Gemeinschaften, in denen entschiedene Jungen und Mädchen in ihrem Neuanfang mit Jesus ganz ernst genommen werden! Das erklärte Ziel Satans ist es, alles geistliche Leben zu zerstören. Ein Kind ist hier viel leichter der Willkür des Feindes ausgeliefert. Besonders ist das Christsein gefährdet, wenn die eigenen Eltern die Entscheidung des Kindes nicht mittragen können und wollen. Ohne eine verständnisvolle Gemeinde wäre ein junger Christ schutzlos dem Bösen ausgeliefert. Draum brauchen sie eine Heimat-Gemeinde, in denen sie angenommen und akzeptiert sind. Die Gemeinde hat hier die Aufgabe, den Kindern ein Übungsfeld für Heiligung und praktischen Glauben zu bieten. Kinder-Mission und Kinder-Evangelisation ist niemals vergeblich! Besonders dann nicht, wenn sich alle Verantwortlichen das Wort aus Psalm 78, 4 zu eigen machen: „. . . wir wollen es den Kindern nicht verschweigen; wir verkündigen der kommenden Generation den Ruhm des Herrn und seine Macht und seine Wunder, die er getan hat.“ Und auch noch heute unter uns tut. Walter Hahn Erfahrungen mit Jugendlichen und Berufsschülern Laut einer Umfrage des Kölner Pädagogen Prof. Henning Günther ist für 75% der mittleren Generation der 25- bis 45jährigen Selbstverwirklichung wichtiger als das Familienleben. Sie würden auf das persönliche Glück auch dann nicht verzichten wollen, wenn es die Situation der Familie erfordere. Diese Tatsache führt dazu, daß wir in den Schulen immer mehr Kinder zu unterrichten haben, die zu Hause wenig Liebe empfingen und deshalb selbst wenig liebesfähig und in ihrem Sozialverhalten gestört sind. Aggressionen gegen Mitschüler und Lehrer sind die Folge. Aber auch eine zunehmende Gleichgültigkeit und mangelnde Belastungs- und Konzentrationsfähigkeit. Diese Defizite sind aber nicht nur negativ zu sehen. Sie können gerade eine große Chance für die Schule sein. So beobachte ich eine zunehmende Offenheit der Schüler gegenüber Antworten, die aus christlicher Sicht gegeben werden. Während noch vor 10 Jahren die vielen Abmeldungen vom Religionsunterricht beklagt wurden, sind es heute nur noch wenige, die aus dem Religionsunterricht austreten. Das Interesse an Schülerbibelkreisen wächst. Die Offenheit für das persönliche Gespräch mit gläubigen Lehrern oder Mitschülern ist größer geworden. An Schulveranstaltungen mit christlicher Zielrichtung nehmen wieder mehr Schüler freiwillig teil. Drei kurze Erlebnisse mögen meine Beobachtungen bestätigen: 1. Gegen die Bedenken einiger Religionslehrer nahm ich ein Angebot des christlichen Technikerbundes an und lud Keith Rudkin, ein Evangelist von der Freiversammlungs-Mission, in den Religionsunterricht ein. In einer Klasse des Gymnasiums, die sich im Religionsunterricht sehr kritisch, teilweise ablehnend verhielt, sprach er über „Evolutionstheorie und biblischer Glaube“. Man konnte während der Stunde eine Stecknadel fallen hören. Zum Schluß sagte Keith Rudkin: „Und nun wollen wir mit diesem Schöpfer reden. Wer bereit ist, sein Leben ihm neu oder wieder neu zu übergeben, möge in seinem Herzen mitbeten, wenn ich nun ein Übergabegebet spreche.“ — Kein Widerspruch — andächtige Stille — Betroffenheit. Ein Schüler sagte am Ende der Stunde: „So etwas haben wir im Religionsunterricht noch nicht gehört, es war einfach Spitze.“ 2. Die Verantwortlichen des Schülerbibelkreises baten mich um ein Gespräch, um organisatorische Dinge abzuklären. Wir kamen darüber in ein geistliches Gespräch. Am Schluß sagte ich: „Bevor Sie gehen, wollen wir doch noch miteinander beten.“ Zunächst einige Verwirrung. — Beim Abschied sagte ein Mädchen: „Daß Sie beten, war für mich heute die positivste Überraschung.“ 3. Im Oktober 1983 hatten die Friedensinitiative und die Gewerkschaften zu einem Unterrichtsboykott und zu Friedenkundgebungen in den Schulen aufgerufen. Es war mir ein großes Anliegen, daß dieser Tag an unserer Schule ruhig verläuft. Die äußeren Umstände deuteten aber in ganz anderer Richtung. Am Morgen des kritischen Tages schlug ich die Bibel auf und bekam das Wort aus Jos. 1, 9: „Siehe, ich habe dir geboten, daß du getrost und unverzagt seist. Laß dir nicht grauen und entsetze dich nicht, denn der Herr, dein Gott, ist mit dir in allem, was du tun wirst.“ Da wußte ich: Heute wird alles ruhig bleiben. Mir scheint, daß heute in unseren Schulen nicht große christliche Aktionen gefragt sind. Das persönliche Zeugnis von Mann zu Mann bewirkt mehr. Deshalb bekommt das Wort aus Jes. 30, 15 für meine Arbeit auch immer größere Bedeutung: „Durch Stillesein und Hoffen würdet ihr stark sein.“ Wenn wir viel von unserem Herrn erhoffen, wird unsere Arbeit nicht vergeblich sein. Dteter Meng Weltmission Das unaufhaltbare Zeugnis Bibelarbeit über Matthäus 24, 14 Das Wort, das uns für unsere Bibelarbeit aufgegeben ist, hat für mein eigenes Leben eine große Bedeutung gewonnen. Es steht nämlich mit großen Lettern eingeschrieben in die Stirnwand jenes Saales im Ostberliner Missionshaus, in welchem meine Frau und ich vor 29 Jahren abgeordnet worden sind in den Dienst der Berliner Missionsgesellschaft in Südafrika. Seither hat es mir wie ein Leitstern auf meinem Weg vorangeleuchtet, nicht nur in jenen 9 unvergeßlichen Jahren unter den Basotho und Zulus, sondern auch hernach bei meinem tieferen theologischen Nachdenken über den Sinn der Mission. Und auch gerade in unseren Auseinandersetzungen über den biblischen Kurs der Mission, der seit Uppsala 1968 zwischen „ökumenikern und Evangelikalen“ so umstritten ist, hat uns dies Wort — wie schon vor uns unseren unvergessenen Lehrern und langjährigen Führern der deutschen evangelischen Missionsbewegung, Karl Hartenstein und Walter Freytag — immer wieder Klarheit, Trost und Orientierung geschenkt. Es steht Matthäus 24 Vers 14 und lautet: Und es wird gepredigt werden das Evangelium vom Reich in der ganzen Welt zum Zeugnis für alle Völker, und dann wird das Ende kommen. Wann kommt das Ende? Um unser kurzes, aber gewichtiges Wort recht zu verstehen, müssen wir den Zusammenhang beachten, in welchem Jesus es ausgesprochen hat. Das geschah im Rahmen seiner großen ölbergrede über die Endzeit, in welcher er seinen Jüngern Antwort gab auf die sie bedrängende Frage: „Sage uns, wann wird das geschehen, und was wird das Zeichen sein für dein Kommen und das Ende der Welt?“ Auch heute werden viele Christen von derselben Frage bewegt. Hören wir darum Jesu Antwort. Er beginnt mit einer ernsten Mahnung: „Seht zu, daß euch niemand verführe!“ (Vers 4). Nachdrücklich warnt der Herr uns vor den falschen Christussen und den falschen Propheten, die immer wieder auftreten werden, um die Gemeinde in die Irre zu führen. Jesus spricht dann von schweren Katastrophen in den Bereichen von Völkergeschichte und Natur. Sie alle sind eindringliche Warnungen im Blick auf das kommende Weltgericht. Sie sollen uns zur Buße treiben. Auch wollen sie uns davon abhalten, uns oberflächlichen Weltverbesserungsidealen zu verschreiben, mit denen uns falsche Heilbringer und ideologische Bewegungen immer wieder zu verlocken suchen. Dies geschieht gegenwärtig sogar im kirchlichen Gewände und mit biblischen Mottos auf ökumenischen Konferenzen, auf Kirchentagen und bei demagogischen Friedensdemonstrationen. Aber eindeutig ist Jesu Aussage im Blick auf die Weltkriege und Revolutionen: „Das muß so geschehen, aber es ist noch nicht das Ende da“ (Vers 6). Ebenso beachtenswert ist seine Beurteilung der künftigen Hungersnöte und Erdbeben, wie wir sie gerade in unserer Generation in noch nie dagewesenem Ausmaß erleben: „Das alles aber ist erst der Anfang der Wehen“ (Vers 8). Und dann nennt Jesus noch eine dritte Gruppe von Geschehnissen unter den Vorzeichen des Endes: Es sind die besonderen Be-drängni sse der Gemeinde um des Evangeliums willen. Sie kommen durch die Verfolgungen der Welt und — ich weiß nicht, was schwerer durchzustehen ist — sie kommen durch den großen Abfall innerhalb der Christenheit: durch den gegenseitigen Verrat, durch das Auftreten raffinierter Irrlehrer; sie kommen durch den Einbruch bewußter Unmoral in Auflehnung gegen alle Gebote Gottes (Vers 12). Von daher wird sich geistliche Grabeskälte — das gerade Gegenteil von einer Erweckung! — auch in der Kirche ausbreiten. Selbst denen, die mit Ernst Christen sein sollen, wird es immer schwerer fallen, ihren Glauben zu bewahren. Und, liebe Brüder und Schwestern, gibt es nicht bei uns in Deutschland ganze Gebiete, wo Christen schon heute solche Erfahrung machen müssen? Verzweifelt fragen sie: Was wird aus unserer Kirche? Ist sie überhaupt noch die Kirche Jesu Christi? Gerade in diesen Tagen hat sich unser Theologischer Konvent bekennender Gemeinschaften gedrungen gesehen, auf solche Fragen zu antworten mit einer „Geistlichen Handreichung für kirchlich verunsicherte Gemeindeglieder“. Sie will bibeltreuen Christen zeigen, wie die Gemeinde Jesu auch in einer in Auflösung und Abfall befindlichen Kirche auf kla- rem Kurs bleiben und wieder zu einem gemeinschaftlichen Leben unter dem Wort Gottes kommen kann. Liebe Brüder und Schwestern, lassen Sie es mich klar sagen: So sehr diese Unheilswellen im Bereich von Völkergeschichte, Natur und Religiosität uns auch ängstigen, so turmhoch die Probleme sind, die sich vor Politikern, Militärstrategen, Wirtschaftsexperten, ja auch vor den Führern der Bekenntnisbewegung auftun: Nicht sie sind die wesentlichen Ereignisse, welche der Weltgeschichte ihren Inhalt geben und welche sie ihrem Ende entgegentreiben. Nein, nach Aufzählung all jener Schrecknisse dringt plötzlich freudig hell wie ein Fanfarenstoß der Ausspruch Jesu durch: „Und dies Evangelium vom Reich wird in der ganzen Welt verkündigt werden, zu einem Zeugnis für alle Völker, und dann — erst dann, will Jesus sagen, dann aber ganz gewiß — wird das Ende kommenDies Ende wird für die Gemeinde Jesu Christi kein Ende mit Schrecken oder gar ein Schrecken ohne Ende sein: Nein, es wird ein Ende aller Bedrängnisse sein, wenn unser Herr wiederkommen wird, um sein Reich in Macht und Herrlichkeit aufzurichten. Dann werden sich die großen Verheißungen der Propheten, nach deren Erfüllung sich das Volk Israel durch alle Jahrhunderte der Fremdherrschaft gesehnt hatte, und nach deren Vollerfüllung sich die Christengemeinde heute noch sehnt, verwirklichen: Denn dann wird Jesus der Herr mit all seinen Engeln und Heiligen im strahlenden Glanz erscheinen und seine Gemeinde von allen Enden der Erde zu sich versammeln, um mit ihr vereint seine messianische Herrschaft des Friedens und der Gerechtigkeit über die ganze Völkerwelt zu verwirklichen. Warum der Wiederkommende noch zögert Was aber hat ihn bis dahin davor zurückgehalten, diesen Triumph nicht schon viel früher zu offenbaren? Was hält ihn auch heute noch zurück, all unserem Schwanken zwischen Hoffen und Bangen, allen menschheitlichen Nöten in Politik und Natur durch sein persönliches Erscheinen ein Ende zu setzen? Für viele Christen ist dies ein großes Rätsel. Und doch ist dies Rätsel nicht unlösbar, die Frage nicht unbeantwortet. Denn Jesus selber hat sie ja mit dem klaren Ausspruch unseres Bibel Wortes gegeben: Zuerst muß das Evangelium vom Reich in der ganzen Welt gepredigt werden, zu einem Zeugnis für alle Völker. Das, was das Ende bisher noch aufgehalten hat — den einen zum Trost, den anderen zur Betrübnis — ist die Predigt des Evangeliums vom Reich. Denn ihr ist es bestimmt, noch in dieser Zwischenzeit zwischen Jesu Himmelfahrt und Wiederkunft die ganze Welt zu durchdringen, alle Völker zu erreichen. Ja, jedes einzelne Volk, nicht nur hier in Europa und Amerika, wo dies Ziel schon vor Jahrhunderten erreicht war, sondern jedes Volk, jeder noch kaum berührte Indianerstamm in den Urwäldern des Amazonas, jede Kastengemeinschaft in Indien, auch jede Studentenschaft an den Universitäten Rotchinas soll die Möglichkeit erhalten, die gute Nachricht von der Rettungstat Jesu Christi zu hören und ihre eigene Antwort darauf zu geben. Denn durch seinen Opfertod hat Jesus sie alle freigekauft aus ihrer Gefangenschaft unter ihren eigenen Sünden, unter dem Zorn Gottes, unter der Macht der Dämonen und des Todes. Dort am Kreuz hat Er sie sich selber zum Eigentum erworben. Und darum konnte Er als Auferstandener seinen Jüngern triumphierend Zurufen: „Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden . . Das heißt, von nun an hat niemand anderes als Er einen Rechtsanspruch auf alle geschaffenen Lebewesen. Christus ist nun der Herr über die guten und bösen Engelmächte im unsichtbaren Bereich, welche ihre Macht bewahrend oder zerstörend über die sichtbare Welt ausüben. Und Er ist auch der Herr über alle Menschen und menschlichen Gemeinschaften sowie über die übrige Kreatur, welche die Menschen sich zu ihrem Wohl oder Wehe untertan gemacht haben. Christus will seine erlösende und segensreiche Herrschaft über die ganze geschaffene Welt ausüben. Er will sie aus ihren Banden lösen und sie wiederherstellen durch die erneuernde, lebensspendende Kraft des Heiligen Geistes. Er will und er wird herrschen, bis er alle gottfeindlichen Mächte abgetan hat und die Welt dereinst als eine Gott völlig botmäßig gemachte dem Vater zu Füßen legen kann, auf daß Gott sei alles in allem (1. Kor. 15, 28). Dann werden wir ewig leben in einer heilen Welt, ohne Widerspruch, ohne Zertrennung, ohne Schmerz und Leid. Damit aber die Völkerwelt zu dieser ihrer wunderbaren Bestimmung gelange, ist es zuerst nötig, daß sie von dieser ihrer Befreiung aus aller bisheriger Gefangenschaft erfährt. Sie muß doch die Möglichkeit erhalten, Gottes Gnadenangebot zu erkennen und anzunehmen. Darum macht der erhöhte Herr Christus seine Jünger zu seinen Aposteln. Er sendet sie, und durch sie dann ihre Nachfolger, die Evangelisten und Missionare, in alle Welt, um Menschen aller Kulturen und Sprachen das Christuszeugnis zu bringen. Jesus verspricht nicht, daß alle Menschen ausnahmslos diese Botschaft auch annehmen werden. Im Gegenteil, im Missionsbefehl nach Markus (16, 15—16) sagt er nachdrücklich: „Wer glaubt und getauft wird, der wird gerettet werden, wer aber nicht glaubt, der wird verdummt werden.“ Gott sucht den freien Glaubensgehorsam der Menschen; er will sie nicht versklaven, sondern sie zu seinen geliebten und ihn liebenden Kindern machen. Aus ihrer bisherigen schicksalhaften Unwissenheit sollen sie durch die Predigt des Evangeliums befreit werden; die Verblendung ihres inneren Auges soll von ihnen genommen werden. Ganz klar sollen sie den Gegensatz zwischen den beiden miteinander ringenden Mächten erkennen, um frei zwischen ihnen wählen zu können: Hier Christus, der Fürst des Lebens, dort Satan, der Fürst der Finsternis. Wer in Wahrheit Geschichte macht So geht denn seit der Aussendung der ersten Apostel eine machtvolle Bewegung durch die Völkerwelt. Sie kann nicht zum Stillstand gebracht werden, bis sie ihr Ziel erreicht hat, auf allen Kontinenten in der Liebesmacht Gottes um jede Gemeinschaft von Menschen zu werben. Diese Bewegung wird nicht ruhen, bis es endlich weltweit entschieden sein wird, wer sich hat gewinnen lassen und wer durch seine eigene Schuld erneut zurückgefallen ist in die Feindschaft gegen Gott und das von ihm geschenkte wahre Leben. Diese Entscheidung aber wird ihren dramatischen Höhepunkt und Abschluß finden in der kommenden Konfrontation zwischen Christus und dem Antichristen. Ist das nicht eine aufregende Schau, für die uns Jesus mit diesem Wort die Augen öffnet? Und ist es nicht geradezu tollkühn, wenn Christen angesichts der gewaltigen Konflikte, welche die Menschheit heute erschüttern, zu behaupten wagen: Die eigentlich bewegende Kraft, die den Lauf der Geschichte bestimmt, ist die Predigt des Evangeliums vom Reich Gottes? Aber es ist in der Tat so: Wir Christen haben nicht nur das Recht, sondern sogar Jesu Auftrag, uns in die großen Dispute unserer Tage einzuschalten. Wir müssen es frei heraus sagen: Die wahrhaft große Frage, die über das Schicksal dieser unserer Generation entscheidet, ist nicht die: Wie können wir das atomare Wettrüsten stoppen? Wie können wir das Waldsterben in den Griff bekommen? Wie können wir das wirtschaftlich-soziale Nord-Süd-Gefälle und damit das Hungerproblem bewältigen? Nein, die entscheidende Frage ist vielmehr die: Wie antwortet Ihr auf den Ruf der Boten Jesu Christi: Erkennt, daß Gott diesen Jesus zum Erlöser und Herrn der Welt eingesetzt hat! Laßt Euch deswegen durch seine Kreuzestat versöhnen mit Gott, damit auch Ihr das wahre, neue Leben empfangt! Nur so könnt Ihr selber, nur so kann die Welt endlich Frieden finden! Gewiß, zu allen Zeiten haben die Mächtigen und Weisen der Welt über solchen Anspruch gelacht. Wie oft haben sie die Predigt der Christusbotschaft als weltfremdes Hirngespinst abgetan! So erging es ja schon dem Apostel Paulus, als er auf dem Marktplatz zu Athen den Philosophen Griechenlands erklärte, daß Jesus von den Toten auferstanden ist. Manche begannen, ihn als Schwätzer zu verspotten, andere stahlen sich davon mit der unverbindlichen Bemerkung: „Wir wollen dich darüber ein andermal weiterhören“ (Apg. 17, 32). Und nicht immer ging es dabei äußerlich so glimpflich ab. Wir wissen ja, wie oft das Christuszeugnis des Paulus und seiner Begleiter eine viel dramatischere Wirkung hatte: Es kam in den Synagogen, auf den Straßen und in den Gerichtshöfen zu tumultartigen Szenen. Menschen gerieten in Aufregung, rotteten sich zusammen, fielen über die Apostel her, verprügelten sie, jagten sie mit Schimpf und Schande aus der Stadt oder ließen sie einkerkern. Paulus und Barnabas wurden verklagt mit den Worten: „Diese sind es, die den ganzen Weltkreis erregen!“ (Apg. 17, 6). Hören wir die unfreiwillige Bewunderung, die sich dahinter verbirgt? Nicht die römischen Kaiser und Feldherren waren die eigentlichen Schlüsselfiguren der damaligen Geschichte des römischen Weltreiches, nein, sondern diese unscheinbaren Zeugen Jesu. Wie konnte es dazu kommen? Jesus selber hat es ihnen in Matth. 10, 17 f. bei ihrer ersten Aussendung vohergesagt: Dem Zeugnis wird beim ersten Hören Widerstand entgegengesetzt. Man sucht es zum Schweigen zu bringen. Um dies zu tun, ruft man die nächsthöhere Instanz an. Aber gerade dadurch wird dem Zeugnis eine erneute Gelegenheit bereitet. Und so kommt es zu einer wahren Eskalation des öffentlichen Zeugnisses, des Aufruhrs und des erneuten Zeugnisses auf höherer Ebene. Die Welt in ihrem Widerstand sorgt also selbst dafür, daß die Botschaft an die höchsten Adressaten gelangt, sogar vor Fürsten und Könige, vor die Gerichtshöfe und Parlamente. So bekam Paulus gerade aufgrund des wütenden Widerstandes gegen sein Zeugnis schließlich die Gelegenheit, im Zentrum des Weltreiches, vor dem kaiserlichen Gerichtshof in Rom, sein Evangelium zu verkündigen (Apg. 25, 9-12). So war es zu biblischen Zeiten, so war es in jedem Lande, das die Missionspredigt neu erreichte, so geschieht es auch in unseren Tagen. Denken wir doch an die gewaltige Wirkung, die von dem mutigen Zeugnis der verhafteten Evangeliumschristen in der Sowjetunion bei ihren Prozessen ausgegangen ist. 70 Jahre der Gottlosen-Pro-paganda konnten den Christusglauben nicht ersticken. Kürzlich kehrte eine Gruppe Tübinger Theologen von einer Reise in die Sowjetunion zurück. Sie berichteten bewegt davon, welch starkes Verlangen dort durch das Volk geht, wieder Anschluß zu finden an die Glaubensgeschichte des christlichen Rußland. Selbst in den staatlichen Theatern kann bei einem Schauspiel von Dostojewskij („Schuld und Sühne“) ein riesengroßes Kreuz auf der Bühne aufgerichtet werden, und ehrfurchtsvolles Staunen geht durch den Zuschauerraum! Die Durchschlagskraft des Zeugnisses „Das unaufhaltbare Zeugnis“ — so lautet das Thema unserer Bibelarbeit. Was gibt dem Christuszeugnis diese unwiderstehliche Kraft? Es ist nicht das Pathos, mit dem es vorgetragen wird, es ist nicht die hochgeistige Argumentation, mit der Theologen es erklären, es ist nicht das Gedröhne elektronischer Musikinstrumente im Rahmenprogramm, mit dem manche Evangelisationsgruppen heute die Aufmerksamkeit ihrer Hörer auf die Botschaft zu lenken suchen. Nein, es ist das nackte Zeugnis selbst vom Sieg Jesu Christi auf Golgatha und am Ostermorgen, es ist das unerschrockene Bekenntnis zur Gewißheit seiner Wiederkunft am Ende der Tage; es ist das Zeugnis, daß in Jesus Christus auch Dein und mein verkorkstes Leben wieder in Ordnung kommen kann, wenn es von der verwandelnden Kraft des Auferstehungslebens Christi erfüllt wird. Ich denke an jenes blinde Chinesen-Mädchen, das ich in einem Kinderheim der Marburger Mission auf Taiwan kennenlernte. Die Schwestern veranstalten gelegentlich offene Abende mit musikalischen und spielerischen Darbietungen ihrer Kinder. Dazu laden sie auch in benachbarten Lehranstalten ein. Eines Tages kam auch eine Gruppe von Studenten aus einer Hochschule, deren Rektor bisher strikt jede christliche Einflußnahme auf sie abgewehrt hatte. Diesmal aber — die Missionarinnen trauten kaum ihren Augen ■—■ kam er sogar selber mit, vielleicht aus einer gewissen Neugier oder aus Freude am Chorgesang. An diesem Abend nun wird jene blinde Schülerin auf das Podium geführt. Mit schlichten, aber bewegenden Worten schildert sie ihr Lebensschicksal. „Als Mädchen in einer armen chinesischen Familie geboren zu sein, das ist an sich schon ein hartes Los“, so beginnt sie zu erzählen. „Aber dazu noch blind auf die Welt zu kommen, das ist ein Fluch! Ich wurde immer wie- der zur Seite gestoßen, niemand beschäftigte sich mit mir, ich galt als völlig unnützes Wesen, keiner hatte mich lieb. Dann aber fanden mich die deutschen Schwestern. Sie erzählten mir von Jesus, von seiner Liebe zu den Schwachen, zu den Verlassenen und Kranken. Sie nahmen mich in ihr Heim auf, und ich übergab diesem Jesus mein Herz. Seither hat sich bei mir alles gewandelt. Ich bin glücklich über mein ganz neu gewordenes Leben und über die christliche Gemeinschaft, in der ich stehe. Nun möchte ich selber Lehrerin an einer Bibelschule werden!“ — Die Gäste hörten gebannt zu, unter ihnen jener antichristliche Schulleiter. Das Zeugnis hatte bei ihm eingeschlagen, es ließ ihn auch an den folgenden Tagen nicht mehr los. Nach einer Woche schickte er eine Einladung an jene Schwester, eine solche musikalische Evangelisation doch auch einmal an seiner Schule zu veranstalten! Liebe Brüder und Schwestern! Jeder unter uns ist ebenfalls aufgerufen, das Christuszeugnis weiterzusagen. Denn auch uns gilt der Anruf Jesu: „Ihr sollt meine Zeugen sein!“ (Apg. 1, 8). Jeder Christ wird, ob er es weiß oder nicht, ob er sich darüber freut oder dagegen wehrt, schon immer von seinen Mitmenschen als Zeuge Jesu betrachtet. Die Frage ist nur die, ob Du mit Deinem Leben für Jesus oder gegen Jesus Zeugnis ablegst. Wie kannst Du ein echter Zeuge für Jesus werden? Wie kannst auch Du mit Deinem Zeugnis Wegbereiter sein für das Kommen des Herrn Jesus Christus, für sein Kommen schon heute zu den Menschen, die ihn bisher noch nicht aufgenommen haben und für sein Kommen am Ende der Geschichte zum Gericht und zum Heil? Ein Zeuge ist ein Mensch, der sich mit seiner ganzen Existenz einsetzt für die Wahrheit gegen deren Bestreitung, weil er von dieser Wahrheit durch eigene Erfahrung unbeirrbar überzeugt worden ist. Ein Zeuge Jesu Christi ist ein Mensch, der sich unerschrocken durch allen Widerstand mit seinem ganzen Leben für Christus verbürgt. Denn er hat Christus erfahren als den Weg zum Heil, die Wahrheit gegen allen Irrtum, das Leben inmitten der Todesangst. Ein solcher Zeuge aber braucht sich nie zu fürchten; denn er ist nie allein. Christus, den er mit seinem Zeugnis vertritt, steht unsichtbar hinter seinem Zeugen; er rüstet ihn aus mit seinem Heiligen Geist, dem Geist der Wahrheit; und in dieser göttlichen Gemeinschaft werden wir es erfahren, was Zeugen Jesu Christi zu allen Zeiten erleben durften: Das Zeugnis von ihm ist unwider-stehbar, denn in ihm erfährt der Widersacher Gottes, der die nichtchristlichen Hörer in seinen Banden halten will, erneut, daß Chri- stus ihm bereits die Macht genommen hat. Darum können Zeugen Jesu Christi mit Martin Luther siegesfroh singen: Der Fürst dieser Welt wie saur er sich stellt, tu er uns doch nichts, das macht er ist gericht, ein Wörtlein kann ihn fällen. Dr. Peter Beyerhaus Die Gemeinde Jesu wächst weltweit Zunächst eine Definition: Was meinen wir mit „Gemeinde Jesu“? Wir meinen die neutestamentliche „Ekklesia“, die Schar der Herausgerufenen — nicht zahlende Mitglieder einer Kirche oder Freikirche, sondern lebendige Glieder am Leib Jesu, nicht Namenschristen, sondern Christen, die das Heil im Namen Jesu angenommen haben, nicht Steuerzahler, sondern lebendige Zeugen Jesu. 1. Ist Wachstum der Gemeinde Jesu so etwas Besonderes? 1.1. Nein. Es sollte etwas ganz Natürliches sein. In vielen Gebieten der Welt ist es auch etwas Selbstverständliches, so wie das Wachstum eines Kindes. Von den Tagen nach Pfingsten heißt es in der Apg. 2, 47: „Der Herr tat hinzu täglich, die gerettet wurden.“ 1.2. Für uns in Deutschland ist es allerdings etwas Besonderes. Wir haben uns an Stillstand und Rückgang gewöhnt. Wir sind mißtrauisch allen positiven Berichten gegenüber und nennen es „Erfolgsdenken“. Besonders argwöhnisch sind wir gegenüber allen Zahlen. Wir glauben nicht mehr, daß der Heilige Geist nicht nur Einzelne, sondern Tausende zur echten Bekehrung und Wiedergeburt führen, in Gemeinden zusammenschließen und zu lebendigen Zeugen machen kann. Doch gerade das geschieht heute in der Welt. In Mittelamerika z. B. verzeichneten einige Gemeinden Wachstumsraten von 10 bis 15% in den letzten Jahren, das ist drei- bis fünfmal so viel wie die Zuwachsrate der Bevölkerung. In El Salvador ist die Zahl der Gläubigen in den letzten 10 Jahren von 250 000 auf 750 000 gestiegen, das ist ein Wachstum von 300%. Von Guatemala sagt man, daß heute 25 % der Bevölkerung gläubige Christen sind. Ganze Indianerstämme sind zum Glauben gekommen. Pfarrer John de Vries berichtet aus Indien, daß sich monatlich etwa 6 000 Hindus zu Christus bekehren. Ein indischer Evangelist hat vor einigen Jahren 20 000 Neue Testamente und Bibelkurse verteilt. Nach zwei Jahren waren 23 neue Gemeinden mit durchschnittlich 40 Mitgliedern entstanden. Auch in Nepal ist die Zahl der Christen, trotz Schwierigkeiten und Verfolgungen, in den letzten Jahren sprunghaft angestiegen. In Burma, wo schon vor 20 Jahren alle Missionare ausgewiesen wurden, bereiten einheimische Christen eine Evangelisation in einem Stadion vor, das 20 000 Besucher faßt. Das stete Wachstum der Gemeinden in Korea ist bekannt. Auf einer Konferenz in Asien, wo ich einen Theologie-Professor aus Korea traf, antwortete dieser auf die Frage, ob die Gemeinden in Korea immer noch so stark wachsen: „Oh ja, im letzten Jahr konnten etwa 2 000 neue Gemeinden gegründet werden“ (das sind auf die Tage des Jahres umgerechnet etwa 6 pro Tag). Ich erhielt kürzlich einen Brief aus einem moslemischen Land Afrikas, aus dem vor fünf Jahren einer unserer Missionare ausgewiesen wurde, weil er auf der Straße einigen jungen Leuten das Evangelium verkündigt hatte. Heute wird von einheimischen Evangelisten berichtet, die von Dorf zu Dorf und von Stadt zu Stadt gehen und das Evangelium verkündigen. Einer von ihnen hat im letzten Jahr 375 Ortschaften besucht. Er fand viel Offenheit für das Evangelium. Nachts kamen Fragende zu ihm und bekehrten sich. Ein Missionar schreibt aus diesem Land: „Wir säen heute nicht mehr in harten, trockenen Boden, wir stehen in der Zeit der Ernte.“ Aus einem anderen moslemischen Land in Afrika erhielten wir vor wenigen Tagen einen Bericht des Feldleiters unserer Partnermission: „Unsere Missionare berichten von etwa 1000 Bekehrungen im letzten Jahr. Die Zahl der Christen ist in diesem Distrikt in diesem Jahr von 2 000 auf 3 000 gestiegen. Die meisten Bekehrungen fanden am Ende des Jahres statt. Von vielen Orten hören wir, daß Männer und Frauen — manchmal ganze Familien — ihre Dörfer verließen, um einen Pastor oder einen Christen aufzusuchen, der sie zum Herrn Jesus Christus führen könnte.“ 1.3. Das Wachstum der Gemeinde Jesu in der Welt ist auch etwas Besonderes angesichts der pessimistischen Voraussagen der letzten Jahre und der Bemühungen, in verschiedenen Ländern die Gemeinde Jesu völlig auszurotten. Das treffende Beispiel dafür, das uns immer wieder in Erstaunen setzen sollte, ist die Entwicklung in China. Nach offiziellen Angaben der chinesischen Regierung ist die Zahl der protestantischen Christen von etwa 700 000 im Jahre 1948 auf 3,5 bis 5 Millionen angewachsen, das ist ein Wachstum um das fünf-oder siebenfache. Damit sind natürlich die Christen gemeint, die in der offiziellen Drei-Selbst-Kirche registriert sind. Doch wer weiß, wie viele Christen sich in kleinen Hausgemeinden und Hausbibelkreisen versammeln? Von evangelikalen Forschungsinstituten in Hongkong wird die Zahl der Christen heute auf 30 bis 50 Millionen geschätzt. Das steht am Ende einer 30jährigen maoistischen Herrschaft mit dem Ziel, alle Religionen, und besonders das Christentum, auszurotten! Man wird dabei an den Bericht über das Volk Israel in Ägypten aus 2. Mose 1 erinnert, wo es heißt: „Aber je mehr sie das Volk bedrückten, um so mehr nahm es zu und breitete sich aus, so daß ihnen vor den Israeliten graute.“ Jesu Wort über seine Gemeinde erfüllt sich vor unseren Augen: „Die Pforte der Hölle werden sie nicht überwältigen.“ Ein anderes Land, das sich ebenfalls zum Ziel gesetzt hatte, alle Religionen und alle Christen auszurotten, nachdem 1959 alle Missionare gehen mußten, ist Mozambik. Wir hören heute aus diesem Land, daß in einigen Gebieten über 50% der Bevölkerung wiedergeborene Christen sind. Wenn die Gemeinde in diesem Land in den nächsten 20 Jahren weiterhin so wachsen würde, wäre das ganze Land evangelisieft. Ähnliches kann aus Gebieten Äthiopiens gesagt werden, wo wir einerseits von schweren Verfolgungen, andererseits von großem Wachstum der Gemeinden hören. Ja, es ist etwas Besonderes, daß wir heute, im Jahre 1985, vom Wachstum der Gemeinden Jesu in aller Welt berichten können. Wir sollten darüber staunen, anbeten, danken, uns aber auch vermehrt einsetzen, daß dieses Wachstum anhält und noch stärker wird. Wir wissen, daß dieses Werk nicht vergeblich ist im Herrn. 2. Hat denn das Wachstum der Gemeinde Jesu solche Bedeutung für die Welt? 2.1. Ja, denn wo Gemeinden wachsen, da verändert sich die Gesellschaft. Ich werde erinnert an einen Besuch auf den Salomoninseln bei unserer Schwester Leonide Graumann. Ich hatte mein Gepäck, meine Kamera und alles, was man in Asien so sorgsam behüten muß, im Wagen und wollte natürlich beim Aussteigen den Wagen fest verriegeln. Sie jedoch ließ die Fenster offen, schloß den Wagen nicht einmal ab und meinte: „Vor einigen Tagen ließ ich mein Portemonnaie auf dem Sitz liegen. Und obwohl das Fenster offen war, lag es, als ich zurückkam, immer noch dort. Die ganze Situation in diesem Land wird geprägt von den Gemeinden und dem starken Einfluß des Evangeliums. Es ist — um ein anderes Beispiel zu nennen — ein großer Unterschied, ob wir in Äthiopien im Süden, wo es Tausende von Gemeinden gibt, für die Hungernden sorgen müssen oder im Norden, wo kaum evangelikale Gemeinden zu finden sind. Im Süden haben wir Tausende von Christen, die sich uneigennützig im Hilfsprogramm beteiligen. Es ist auch eine bekannte Tatsache, daß sich da, wo in den Slumgegenden der Großstädte dieser Welt Gemeinden entstehen, das äußere Bild dieser Elendsquartiere positiv verändert. 2.2 Das Wachstum der Gemeinde in der Welt hat jedoch noch einen viel wichtigeren Aspekt: Jesus wartet auf die Vollendung der Gemeinden aus allen Nationen, Völkern und Stämmen, um wiederzukommen und Seine Herrschaft auf dieser Erde aufzurichten. Jede neugegründete Gemeinde in einem Volk, in einem Stamm bringt Jesu Kommen näher. Doch noch immer gibt es viele Völker, Stämme und Volksgruppen ohne Gemeinden, ohne lebendige Zeugen von Jesu Tod und Auferstehung. Auch dort müssen Gemeinden gegründet und betreut werden. 3. Was sind die Bedingungen, daß Gemeinden wachsen? Warum kann es in der Apostelgeschichte heißen: Der Herr tat hinzu täglich die gerettet wurden? Warum? Weil die Gemeinde die Voraussetzungen dazu schaffte. 3.1.1 „Sie blieben beständig in der Lehre, in der Gemeinschaft, im Brotbrechen, in den Gebeten . . . Sie waren täglich einmütig beieinander im Tempel.“ Das ist ein lebendiges, missionarisches Gemeindeleben. 3.2. Aber auch ihr Privatleben war auf Evangelisation und Mission ausgerichtet: Ihr Geld, ihr Besitz, ihre Güter standen dafür zur Verfügung. Ihre Häuser waren offen für Gäste, für Hausversammlungen zum Brotbrechen, und selbst von ihren Mahlzeiten wird berichtet, daß es da froh und dankbar zuging. Der ganze Lebensstil war auf Gemeinde, auf Evangelisation ausgerichtet, das Geld, die Zeit, die Wohnung, die Mahlzeiten, alles stand dem Herrn zur Verfügung, alles wurde gebraucht und in den Dienst des Herrn gestellt, damit Er täglich hinzufügen konnte. Gemeinde Jesu wächst in aller Welt. Wir wollen Gott dafür danken. Doch sie wächst nur da, wo Christen ihrem Herrn völlig zur Verfügung stehen, in der Gemeinde und in der Familie, im Tempel und in der Wohnung, am Sonntag und im Alltag, im Gebet und im Geben, im Zeugnis und im Liebesdienst. Was Gott in der Welt tut, kann er auch in Deutschland tun, wenn jeder von uns seinen Teil dazu beiträgt. Bruno Herrn Der Islam fordert uns heraus Der Islam setzt sich heute aus mindestens 850 Millionen Moslems zusammen. Diese Zahl wächst schnell, nicht in erster Linie durch missionarische Aktivitäten der Moslems, sondern durch einen enormen Geburtenüberschuß. Jährlich werden 25 Millionen Moslems dazugeboren. Jeder 6. und bald jeder 5. Mensch der Erde ist ein Moslem. Aber nur 2—3 % aller Missionare und missionarischen Aktivitäten richten sich auf den Islam, der bereits 16—20% der Menschheit ausmacht. Dieses Mißverhältnis sollte durch Gebet, Opfer und persönlichen Einsatz schnell geändert werden. Der wachsende Islam bleibt eine Herausforderung an die Kirche Jesu Christi. Gott sei Dank hängt die Ausbreitung des Evangeliums nicht allein von Missionaren und Kirchen ab, sondern von Jesus Christus selbst. Er hat in verschiedenen islamischen Ländern eine beachtliche Zahl von alleinstehenden Konvertiten aus dem Islam herausgerufen, die einen Eifer, eine Liebe und Gebetskraft an den Tag legen, die uns oft beschämen. Aus Bangladesh bekamen wir von einem vertriebenen und verfolgten Gläubigen ein Telegramm: „Sechslinge geboren!“ „Arme Frau“, dachten wir. As wir sie später besuchten, waren sechs Männer getauft worden: ein Arzt, ein Offizier, ein Studienrat, ein Farmer, ein Schneider und ein Abiturient. Sie waren so begeistert von ihrem Glauben, daß sie sofort die staatliche Lizenz für die Eröffnung einer Universität für christliche Theologie in Bangladesh beantragten, das zu 83% vom Islam geprägt und beherrscht ist. Da die Antragsteller alle islamische Vornamen tragen, wurden sie erstaunlicherweise nach mehreren kritischen Anfragen nicht abgelehnt. Jetzt besitzen sie die Lizenz für eine Bibelschule, aber haben kein Gebäude, keine Lehrer und kein Geld. Sechs junge Männer, ehemalige Moslems, enteignet, geschlagen oder gefoltert, sitzen in un- möblierten, kahlen Zimmern zusammen und lesen die Bibel oder lernen lange Textabschnitte auswendig. Zwischendurch gehen sie miteinander auf Missionseinsätze, die nicht ungefährlich sind, wie die Praxis bewies. Das Feuer des Glaubens in diesen ehemaligen Moslems brennt hell. In Ankara traf ich einen Studenten der islamischen Theologie. Er interessierte sich für Christus. Im Gespräch wurde deutlich, daß er früher aktiver Kommunist gewesen war, dann polizeilich gesucht wurde und die Flucht nach vorne wagte und ein fanatischer Kho-meinist wurde. Aber das alles stillte die Fragen seines Herzens nicht. Er hat dann von Jesus durch Trans World Radio in arabischer Sprache gehört und las in Büchern, die speziell für Moslems geschrieben sind. Als ich ihn fragte: „Warum willst du Christ werden? Wäre es für dich nicht besser, wenn du Kommunist oder Kho-meinist geblieben wärest?“, da lächelte er und sagte: „Christus gibt einen Trost ins Herz, den die anderen nicht haben. Alle müssen schreien, Propaganda machen, hassen und kämpfen. Christus allein gibt Vergebung, Feindesliebe und Geduld.“ Als der junge Mann seinen Eltern sagte, daß er Christ geworden sei, weinte seine Mutter und antwortete: „Ach, daß ich dich doch nicht geboren hätte! Wärest du doch Kommunist oder Khomeinist geblieben, so hättest du unsere Familie nicht in solche Schande gebracht.“ Der Vater war pragmatischer und sagte: „Du kommst schon wieder zurück, denn du suchst immer die Wahrheit. Wenn du erst einmal siehst, wie die Christen in ihren Ländern leben, begreifst du die Wirklichkeit ihrer Religion.“ Heute besteht dieser junge Mann darauf, getauft zu werden und dient Jesus mit großer Treue. Er braucht unsere Fürbitte. In Marokko gibt es eine Untergrundkirche mit 100—300 Konvertiten aus dem Islam. Im Frühjahr 1984 startete die Regierung eine Großrazzia. 13 der Ältesten wurden inhaftiert, über 100 verhört und mit dem Tode bedroht. Manche leben noch unter dem Schock dieser Verfolgungswelle. Aber aufs Ganze gesehen ist diese kleine Kirche stärker geworden, denn Druck erzeugt Gegendruck. Es kommt kein öl aus Oliven heraus, wenn nicht ein schwerer Mahlstein über sie gewälzt wird. So sagte ein Ältester, der selbst schon zweimal im Gefängnis war: „Wir müssen unsere Gemeinde fürs Leiden vorbereiten, damit sie nicht in den bequemen Westen fliehen, wenn Verfolgungen kommen und anhalten.“ Wir hier leben in einem Land mit großer Freiheit. Kein Gesetz verbietet die Ausbreitung des Evangeliums. So wurde in Hamburg auf dem Jungfernstieg ein Türke von dem Reporter des Evangeliumsrundfunks gefragt, wie es ihm hier gefalle. „Gar nicht. Immer graues Wetter und unfreundliche Gesichter.“ „Warum gehen Sie dann nicht zurück?“ „Keine Arbeit und gefährliche Situation.“ „Also lohnt es sich doch, hier in Deutschland zu bleiben?" „Natürlich, hier gibt es gut bezahlte Arbeit, Kindergeld und Sozialversicherungen.“ „Wie lange wohnen Sie schon in Deutschland?“ „13 Jahre.“ „Dann haben Sie sicher viele Freunde gewonnen?“ „Nein, wir sind hier unerwünscht. Die wollen uns alle loswerden.“ „Aber wenn Sie so lange schon in Hamburg leben, haben Sie sicher schon Kontakt mit einigen Christen bekommen?“ „Nein, hier in Hamburg habe ich noch keinen Christen gesehen.“ „Aber die Passanten hier auf dem Jungfernstieg sind doch alle Christen!“ „Aber mit mir hat noch keiner über Christus geredet. Wenn ihnen Christus wichtig wäre, würden sie doch mit mir darüber reden!“ Hier in Stuttgart ist das sicher anders. Hier redet man doch mit den Türken über Christus. Nicht wahr, Sie haben das doch sicher schon getan, oder wann wollen Sie damit beginnen? Jesus lebt! Er ist auch heute unterwegs, zu suchen und zu retten, was verloren ist. Helfen Sie mit, daß Er nicht vergeblich gelitten hat — gerade auch im Blick auf die wachsende Zahl von Moslems in aller Welt und in unserer Heimat. Walter Wassermann Wir brauchen gute Gemeindeleiter Wachstumszahlen und missionarische Erfolgsquoten decken sich nicht unbedingt mit Gottes exakter Statistik. Wie manches, was in unseren Augen ein unbedeutender Dienst ist, hat große Ewigkeitsprojektion. Und sicher ist der Öffentlichkeitseindruck nicht identisch mit Gottes unfehlbarer Wertung. „Denn nicht der ist bewährt, der sich selbst empfiehlt, sondern den der HERR empfiehlt“ (2. Kor. 10, 18). Es ist deshalb ein besonderes Vorrecht, Zeuge von Gottes Wirken zu sein. Und im Blick auf Gottes wunderbares Handeln in den 24 Jahren Missionstätigkeit in Lateinamerika können wir wohl dankbar sagen: ES WAR NICHT VERGEBLICH! Nicht vergeblich war die Pionierarbeit unter den Araukanern oder Mapuchen-Indianern, deren es noch rund 500 000 gibt. Wenn nach zunächst hartem Widerstand selbst Schamanen oder Zauberfrauen, die u. a. auch für Kinderopfer verantwortlich sind, die verwandelnde Kraft des Evangeliums erfahren, ist das ein Sieg des Evangeliums. Wenn in einer feierlichen Morgenstunde unter den Axthieben eines Ältesten der stolze Götze fällt, die Zaubertrommel vom Feuer verzehrt wird und das notwendige Lossagegebet gesprochen wird, bestätigt sich wahrlich: „Wen der Sohn frei macht, der ist recht frei.“ Neue Gemeinden entstanden vom Pazifik bis zur hohen Kordillere, andere Gruppen wurden selbständig und konnten einen Absolventen des Bibel-Instituts als Pastor berufen. Nicht vergeblich! steht auch über der LATEINAMERIKANISCHEN THEOLOGISCHEN FAKULTÄT. Obwohl es in Lateinamerika rund 650 bis 700 theologische Ausbildungsstätten, d. h. kleine Bibelschulen, Institute und Theologische Seminare gibt, bleibt doch vielen bewährten Christen und Führungskräften der Zugang zur Ausbildung verschlossen. Bereits im Dienst stehende Pastoren und Gemeindeleiter hatten nie eine formelle biblisch-theologische Ausbildung und sind einfach überfordert. Andere können der Familie die Existenzgrundlage nicht entziehen und 3 bis 4 Jahre dem theologischen Studium nachgehen. Aufgrund der sozio-ökonomischen Situation Lateinamerikas ist es vielen Interessenten gar nicht möglich, trotz starker Subvention die hohen Ausbildungskosten aufzubringen. Dabei verlangt das schnelle Gemeindewachstum möglichst viel und gut befähigte Führungskräfte. Aufgrund dieser Tatsachen kam es 1980 zur Gründung der Lateinamerika Theologischen Fakultät (FLET). Es handelt sich um den Zusammenschluß von mehreren Evangelischen Institutionen aus Argentinien, Chile, Uruguay und Zentralamerika, die alle Mitarbeiterschulung zum Ziel hatten. Das Studienprogramm ist weithin autodidaktisch und ist der Methode der „Offenen Universität Englands“ angeglichen. D. h. kleine lokale Studiengruppen von vier bis sechs Personen treffen sich zum wöchentlichen Austausch, zur Ergänzung und zum gemeinsamen Studium. Das erste Niveau ist für Laien und dauert zwei Jahre. Danach wird ein theologisches Studium von weiteren vier bzw. sechs Jahren angeboten. Die hohe Zahl von rund 10 000 imatrikulierten Studenten aller Altersstufen, und aus verschiedenen kirchlichen Denominationen unterstreicht die Notwendigkeit dieser Ausbildungsmöglichkeit. Nahezu 600 Absolventen stehen bereits im vollzeitlichen oder teilzeitlichen Dienst, in Gemeinden bis zu 8 000 Mitgliedern. Im Blick auf dieses reiche Potential an Arbeitern für die Ernte können wir nur dankbar wiederholen: „NICHT VERGEBLICH GEARBEITET!“ Manfred Bluthardt Nicht vergeblich gearbeitet „Warum gerade Japan? Die haben doch alles was sie brauchen und Götter mehr als wir.“ Diese Einstellung eines Mannes aus unserem Dorf ist mir immer wieder begegnet. Missionsarbeit in Japan ist unnötig, so meinen diese Leute. Andere betrachten alles vom rein wirtschaftlichen Standpunkt aus und kommen dadurch zu einem nicht freundlicheren Ergebnis. Nicht effektiv. Zu teuer und zu wenig Erfolg. Nur 1% Christen. Selbst manche Missionsgesellschaften lassen sich von derartigen Statistiken beeindrucken und erwägen ernsthaft, ihre Missionare auf anderen Missionsfeldern erfolgversprechender einzusetzen. „Ist denn der ganze Aufwand wirklich umsonst?“ Solche oder ähnliche Gedanken sind auch dem Missionar selber nicht unbekannt. Viele Stunden hatte ich an der Sonntagspredigt gearbeitet und dann am Ende des Gottesdienstes die deprimierende Frage eines Gemeindegliedes: „Worüber haben Sie denn heute gepredigt?“ Vergeblich gearbeitet oder doch nicht? Fräulein Terada war gerade zwanzig geworden. Als Erbin eines größeren Speiselokals konnte sie sorglos in die Zukunft blicken. Dennoch hatte ihr das Leben nichts mehr zu bieten. Ihre logische Konsequenz: Selbstmord. Es blieb nicht nur bei dem Gedanken. Wie durch ein Wunder wurde sie noch gerettet. Nun begannen die Schwierigkeiten erst recht. Ob die Kirche ein Ausweg aus meiner Sackgasse sein könnte? Fräulein Terada wählte den Umweg über die Englischklasse, um die Gemeinde kennenzulernen. Bald war ihr klar: sie mußte eine eigene Bibel haben. Täglich nahm sie sich Zeit, größere Abschnitte darin zu lesen, auch wenn sie vieles davon nicht verstehen konnte. Persönliche Gespräche mit Christen sowie die regelmäßige Teilnahme an den Veranstaltungen der Gemeinde gaben ihr entschei- dende Hilfen. Sie lernte sich als einen Sünder kennen und suchte unter dem Kreuz Jesu Vergebung aller ihrer Schuld. Jetzt zog Freude in ihr Leben ein. Durch die Taufe bekannte sie sich öffentlich zu Jesus Christus. Heute arbeitet sie treu in der Gemeinde mit und stellt ihre Gaben in der Kinderarbeit dem Herrn zur Verfügung. Ein Einzelschicksal. Gewiß! Und doch steht es für viele, auch in Japan. Vergeblich gearbeitet? Nein, niemals. Vielmehr gilt auch in diesem Lande: „Gott aber sei Dank, der uns den Sieg gegeben hat, durch unsern Herrn Jesus Christus.“ 1. Kor. 15, 57 Traugott Ockert Unter revolutionären Umwälzungen in Südamerika Darf ich Ihnen drei Schwerpunkte von revolutionären Umwälzungen in Südamerika nennen; dabei beziehe ich mich in erster Linie auf Peru, Bolivien und Paraguay. 1. Politische Umwälzungen Wir sind Zeugen, wie auf raffinierte Art und Weise in Peru Stoßtrupps ultramarxistischer Gruppierungen am Werk sind. Vor allem in den ländlichen Gegenden von Südperu wird das Leben der Einwohner zusehends terrorisiert. In den letzten Monaten mehrten sich die Berichte, daß Angehörige evangelischer Kirchen -— und vor allem deren Leiter und Pfarrer — mehr und mehr Ziel der terroristischen Anschläge geworden sind. Ebenso klar geht auch hervor, daß der europäische Journalismus die Situation einseitig verdreht schildert in der Weise, daß die Ordnungskräfte als die Urheber des Terrors geschildert werden, währenddessen die Guerillas für Gerechtigkeit kämpfen. Wahrheit ist, daß die Terrororganisation „Sen-dero Luminoso“ ihre Aktionen gegen Polizeistationen und zivile Autoritätspersonen und mehr und mehr auch gegen die Landbevölkerung richtete. Ziel dieser Aktionen ist einerseits die Verunsicherung in der Bevölkerung und andererseits die Unterwanderung des Staates und seiner Einrichtungen. Auf diese Weise soll das Land „vorbereitet“ werden auf die Machtübernahme durch eine kommunistisch geprägte Regierung. Die Aktionen der Terroristen rufen nach verstärktem Polizeieinsatz. Da die Angst ein schlechter Ratgeber ist, fanden Übergriffe von allen Seiten statt. Keiner traute keinem; viele Verbrechen blieben unbestraft, weil niemand den Mut hatte zur Anklage. Die Einsätze der Terrororganisationen sind bis in die letzten Einzelheiten geplant und gesteuert letztlich von Kuba und deren Verbündeten. Daß dabei europäische Mächte tonangebend sind, wurde offensichtlich. Mitten in diesen Schwierigkeiten hat das Konzil der Evangelischen Kirchen von Peru mit dem Projekt „Friede und Hoffnung“ eine Bewegung in Gang gesetzt, die nicht nur für Opfer des Terrorismus hilfreich ist, sondern ebenso für die daran beteiligten Kirchen und Missionsgesellschaften. Überlebende des Terrorismus bekommen wertvolle Hilfe zum Neuanfang, währenddem die Gemeinden, die sich zur Hilfe entschlossen haben, näher zusammenrücken und durch ihren gemeinsamen Einsatz gesegnet werden. Ein Beispiel: In einem Gefängnis im Bergland warten eine große Anzahl von evangelischen Flüchtlingen auf das Urteil. Sie wurden auf der Flucht von Terroristen verhaftet unter dem Verdacht, sie seien selber Mitglieder einer Terrororganisation. Nun fristen sie auf mehr als kümmerliche Art und Weise unter scheußlichen Bedingungen in diesem Gefängnis wochen-, ja monatelang ihr Leben. Hilfe, geistliche und materielle Hilfe von seiten evangelischer Gemeinden und Werke bedeutet für sie einerseits die Chance zum Überleben und andererseits vor allem Ermutigung, in dieser Lage für ihre Mitgefangenen Zeugen Jesu Christi zu sein. 2. Ideologische Umwälzungen Hand in Hand mit dieser politischen Umwälzung geht die ideologische, gesteuert einerseits wieder letztlich von Moskau und andererseits von Theologen der Befreiungstheologie, die sowohl der katholischen als auch der evangelischen Kirche angehören. Traurig stimmt uns bei dieser Tatsache, daß Befreiungstheologen evangelischer Provenienz u. a. an theologischen Seminaren ihr Rüstzeug holen, die von europäischen Kirchen finanziert werden. Vom Weltrat der Kirchen in Genf gesteuerte ökumenische Ideologie, wonach Christus bereits in den vorhandenen ursprünglichen Kulturen zu finden, zu entdecken ist, droht echtstehende Gemeinden und Werke zu überfahren. In der ganzen Auseinandersetzung haben vom Evangelium geprägte Bibelinstitute eine ganz besondere Bedeutung. In diesen In- stituten werden Pfarrer und Älteste mit dem Evangelium ausgerüstet, damit sie in der ganzen Auseinandersetzung an Ort und Stelle den Gemeinden klar Gottes Wort und seinen Auftrag zum Bau der Gemeinde Jesu weitergeben können. Dabei bleiben freilich Anfechtungen nicht aus, ist doch die Gegenseite mit viel Geld und großen, daraus folgenden Versprechungen am Werk. Immer wieder taucht die Frage auf: Was hat unser Einsatz für einen Sinn? Trotzdem finden unsere Brüder und Schwestern Mut durch schlichtes Studium des Wortes und eindeutiges Bauen auf Gottes Verheißungen, Mut zur Bruderschaft und zum Dienst. Dabei dauert es oft Jahre, bis die Frucht des Dienstes aufgeht. Beim ganzen ist es für unsere Geschwister entscheidend, daß sie sich nicht einlassen auf Dialoge mit ökumenisch geprägten Gruppierungen und ihren Vertretungen. Vielmehr gilt der Auftrag, auf Jesus Christus und auf sein Wort völlig zu vertrauen. Dieses Rechnen mit Jesus ist besonders an der Basis, d. h. in den Dörfern der verschiedenen Indianerstämme, aktuell. Dort sind es Anthropologen, die nicht selten die ökumenische Theologie kräftig praktizieren. Aber gerade dort sind es Brüder und Schwestern, die in Bibelinstituten ihre Ausbildung bekommen haben, die sich hinstellen und in Predigt und konkretem Gemeindebau Dämme aufrichten gegen diese Ideologien. 3. Materielle Umwälzungen Umwälzungen, die wie Revolutionen in gegebene Situationen ein-greifen, sind oft auch wirtschaftlicher, finanzieller und sozialer Art. So sind im peruanischen Urwald Ölgesellschaften auf der ölsuche; dabei werden Indianerdörfer mit ihren landwirtschaftlichen Anbauflächen rücksichtslos niedergewalzt. Negative Umwelteinflüsse werden eingeschleust und Einheimische vereinnahmt. Sie haben ja kaum bereits Berührung gehabt mit der Zivilisation! So lassen sie sich leicht kaufen mit Geld und schlechten Fabrikaten westlicher Zivilisation. Andererseits ist z. B. das ganze Volk in Bolivien und mit ihm auch die Mitarbeiter der Schweizer Indianer Mission verunsichert durch eine gewaltige Inflation, die in den letzten Jahren durchschnittlich 2000—2400 Prozent betrug. Wieviel Zeit geht verloren, um z. B. in dieser Situation ein Bibelinstitut zu realisieren? Gerade in dieser höchst brisanten Lage ist es den Missionaren der Schweizer Indianer Mission und anderen Werken und Gemeinden ein Anliegen, daß im Rahmen der Ausbildung Pfarrer und Älteste instruiert werden, wie sie das ihnen zur Verfügung stehende Terri- torium landwirtschaftlich besser nutzen können. Im Rahmen der Ausbildung werden auch praktische Anregungen für die Errichtung von Produktionsgemeinschaften und zur Verwirklichung von Verkaufs- und Ankaufsgenossenschaften gegeben. Der Indianer steht geistlich und materiell im Existenzkampf. Es gilt, vom Wort her bis in alle Einzelheiten des Alltags hinein, aufzuzeigen, wie Gott freimacht zu neuen Aufbrüchen, freimacht von kurzfristigen, auf den Augenblick bezogenen Plänen, freimacht hin zur Schau des Wortes und des Herrn, der dahintersteht, um Gemeinde zu bauen auf seine Wiederkunft hin. Nicht vergeblich, trotz vieler Schwierigkeiten: Menschen mit Christus erfahren auch — und gerade in Südamerika, das so unter Beschuß steht — wie sie mit ihrem Herrn zusammen nie auf verlorenem Posten stehen! Weder politische noch ideologische noch materielle Umwälzungen haben Zukunft, weil nicht Menschen und ihre Organisationen — und seien sie die kirchlichsten Organisationen —, letztlich Gewicht haben. Letztes Wort hat Jesus Christus. Mit ihm zusammen stehen die Menschen dort — und stehen wir hier — nie auf verlorenem Posten. Viele dort in Peru, Bolivien, Paraguay beten für uns in Europa. Treten wir in Christus neu hinein in die Verbundenheit mit ihnen in der Fürbitte! Stehen wir selber eindeutig in der Nachfolge, indem wir uns nicht einschüchtern lassen durch Strömungen in dieser Zeit und Welt, sondern indem wir uns im Gehorsam diesem Herrn zur Verfügung stellen und uns dort brauchen lassen von ihm, wo er uns hinstellt! Meine Bitte ist es, daß gerade heute hier in Stuttgart Menschen neu die missionarische Dimension neutestamentlicher Gemeinde entdecken und sich in dieser Schau brauchen lassen mit allem, was sie sind und haben, zum Bau der Gemeinde Jesu in der Nähe und in der Ferne. Tun Sie es heute, so stehen auch das Heute und das Morgen im Lichte dieses Herrn, der bald wiederkommt. Willi Sartorius Unter den Massen Asiens In seinem 1. Brief an die junge Christengemeinde in Korinth schrieb der große Missionar Paulus aus Ephesus, wo er gerade missionierte: „Mir ist eine große Tür aufgetan, die viel Frucht wirkt, und sind viele Widersacher da.“ Möglichkeiten auf der einen, Schwierigkeiten auf der anderen Seite. Damals vor fast 2000 Jahren — wie heute! Was für Schwierigkeiten begegnen uns heute in Asien? — In einer ganzen Reihe von Ländern ist es nicht mehr möglich, Missionsarbeit im herkömmlichen Sinne zu tun. Politische oder religiöse Motive sind der Grund dafür. — Für Christen in einigen Ländern Asiens ist es zur Zeit nicht erlaubt, öffentlich Gottesdienste zu halten. Sie müssen dies heimlich tun. Pfarrer, Prediger und erfahrene Leiter fehlen, da seit vielen Jahren solche nicht mehr ausgebildet werden dürfen. — Visaschwierigkeiten, nicht erteilte Arbeitsbewilligungen, Einschränkungen in der Ausbreitung der Frohen Botschaft stehen in manchen Ländern der Missionsarbeit entgegen. — Zunehmender Materialismus, Gleichgültigkeit und Orientierungslosigkeit nehmen rasch zu. — Eine Renaissance einheimischer Religionen, Kulte und Ideologien ist in vielen Gebieten Asiens festzustellen. So werden immer mehr Buddha-Statuen und Tempel errichtet und auf die Bedeutung der traditionellen Landesreligion aufmerksam gemacht. — Ein Mangel an erfahrenen und demütigen, von Gott berufenen und begnadeten Mitarbeitern in der evangelischen Gemeindeaufbauarbeit und in der Schulung von einheimischen Mitarbeitern ist in Asien festzustellen. Aber es gibt nicht nur Schwierigkeiten! Nein, wir haben als Gemeinde Jesu auch viel Grund zum Danken! Denn wir wissen, daß es nicht vergeblich war und nie vergeblich sein wird, den guten Samen des Wortes Gottes auszustreuen. Gott selbst wacht darüber, daß Frucht entsteht! Hier einige weitere Tatsachen: Mehr als die Hälfte der Gesamtbevölkerung lebt in Asien, etwa 2,8 Milliarden. Offizielle Statistiken gehen davon aus, daß 5 % der Asiaten Christen sind, also 95 % bewußte Nicht-Christen. Dabei nimmt die Bevölkerung ständig zu. Die „Bevölkerungsexplosion“ macht vielen Regierungen asiatischer Länder enorm zu schaffen. Auch wächst im allgemeinen die Bevölkerung schneller als die Zahl der Christen. Die Verstädterung Asiens bereitet ebenfalls haushohe Probleme. Es gibt in Asien mehr Millionen-Städte als in irgendeinem anderen Kontinent. Manche dieser bereits hoffnungslos übervollen Städte nehmen trotzdem noch Monat um Monat um 10000 Menschen zu, die vom Lande fliehen und ihr Glück in den Großstädten suchen. Hochhäuser, in denen 3 000 bis 5 000 Menschen leben, worunter kein Christ ist, sind Tatsachen und Herausforderung zugleich. Auch daß etwa 50% der Bevölkerung Asiens unter 20 Jahre alt sind, zeigt uns deutlich, was für Möglichkeiten bestehen und wie dringend es ist, die Massen Asiens mit der Frohen Botschaft von Jesus Christus zu erreichen. Wie viele dieser jungen Leute sind geprägt von Hoffnungslosigkeit, dem „no-future-Denken“. Sie sind in Gefahr, in die Kriminalität zu geraten. Auch wenn die Zahl der Christen in diesem Kontinent Asien verhältnismäßig gering ist — in Afrika sind es 15% und in Lateinamerika 25 % — so freuen wir uns doch über viele Anzeichen von Gottes Wirken! Eines der größten Beispiele ist gewiß China! Als 1949—1951 alle Missionare dieses Land verlassen mußten — und seither gab es keine westlichen Mitarbeiter in China — lebten in China 800 000 evang. Christen. Heute geht man davon aus, daß in China 50 Millionen Jesus Christus als ihren Herrn kennen. Gerade im vergangenen Monat erhielt ich einen Brief eines deutschen Dozenten, der auf seinem Fachgebiet an einer Hochschule in China tätig ist. Er schrieb: „In China gibt es jetzt mehr echte Christen als in jedem anderen Land der Erde; aber auch mehr Menschen, die noch nie etwas von Tesus Christus gehört haben, als in jedem anderen Land der Welt.“ Auch wenn heute in China keine Missionare tätig sein können, so haben Christen in ihrem Fachbereich manche Gelegenheit, durch ihr Leben und ihr persönliches Zeugnis auf Jesus Christus, den Retter der Welt, hinzuweisen. Wie dankbar dürfen wir auch sein für Radiosendungen, die z. B. von Manila oder Guam nach China, Kambodscha, Laos, Vietnam, Nord-Korea, Burma gestrahlt werden können, um den Christen in diesen nach außen abgeschirmten Ländern Mut zu machen, sie zu unterweisen, auch anderen, die nach dem wahren Sinn des Lebens suchen, Jesus bekanntzumachen, der von sich gesagt hat: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. Niemand kommt zum Vater außer durch mich!“ (Joh. 14, 6) Viele Chinesen in China sagen heute: „Wir sind sehr dankbar für den treuen Dienst der Missionare vor 30 und mehr Jahren. Sie haben den Samen des Wortes Gottes ausgestreut. Gemeinden und Missionsfreunde in der Heimat haben ohne Unterlaß für unser Volk gebetet. Heute dürfen wir ernten. Nein, es war nicht vergeblich!“ Wir hören in diesen Tagen viel über das phänomenale Wachstum der Gemeinde Jesu in Süd-Korea. Mehr als 25% der Bevölkerung bekennen sich bereits zu Jesus. Im Durchschnitt sollen jeden Tag sechs neue Gemeinden entstehen. Wie kommt das? Einer der Gründe scheint definitiv darin zu liegen, daß die Christen in den letzten 100 Jahren durch viel Leiden und Verfolgung gegangen sind. Viele haben den Märtyrertod erlitten. Hier gilt wieder das alte lateinische Sprichwort, daß das Blut der Märtyrer der Same der Kirche ist. Aber auch das unerschrockene persönliche Zeugnis der Koreaner, ihr Einsatz im Gebet und ihre Opferbereitschaft sind wichtige Kennzeichen der wachsenden Kirche Jesu Christi in Korea. Große Offenheit herrscht zur Zeit in vielen Großstädten unter Schülern, Jugendlichen, Studenten, auch unter Akademikern. Kürz-liche Veröffentlichungen sagen, daß im Landesdurchschnitt 12% der Bevölkerung Singapurs Christen sind. Im Vergleich dazu sind 25 % der Angestellten und Beamten in höheren Positionen praktizierende Christen, 35% der Lehrer, 40% der Ärzte, 73% der gegenwärtigen Medizinstudenten. Können wir uns eine Kirchengemeinde vorstellen, in der 70 gläubige Ärzte aktive Mitglieder sind? Das gibt es in Singapur! Gott hat seinen Segen in besonderer Weise auf die Verkündigung des Evangeliums unter Schülern und Studenten gelegt, aus der diese Frucht entstehen durfte. Allerdings: Nur 40% der Arbeiter-Bevölkerung sind Christen. Da ist noch viel zu tun! Wir sind heute oft in der Gefahr, zu sehr über die „geschlossenen“ Türen zu klagen, anstelle die offenen Türen zu nutzen. Hunderte von Missionaren könnten gerade jetzt noch in Asien, von der Türkei bis nach Japan, eingesetzt werden, durch ihren Beruf oder als vollzeitliche Verkündiger des Evangeliums. Aber wo sind die Leute, besonders die Männer, die dem Ruf Gottes gehorsam sind? Hudson Taylor, der Gründer der China-Inland-Mission, der heutigen Überseeischen Missions-Gemeinschaft, konnte kaum mehr schlafen, als ihm als jungem Mann bewußt wurde, daß Monat für Monat eine Million Chinesen starben, ohne je von Jesus gehört zu haben. Er brach sein Medizinstudium ab und segelte als 21 jähriger nach China! 95% der Asiaten leben auch heute noch ohne Jesus Christus in der Finsternis! Gilt das bekannte Wort auch uns noch? „Mission ist Dank für Golgatha!“ Bodelschwingh, der ein Herz für die Mission und die Menschen hatte, die ohne Jesus lebten und verlorengehen, rief oft in seinen Vorträgen besonders den jungen Leuten zu: „Beeilt euch, sie sterben uns sonst!“ Allein in den Ländern, in denen wir als Überseeische Missions-Gemeinschaft (ÜMG) zur Zeit noch mit 900 Missionaren arbeiten, leben 450 Millionen Menschen: In Thailand, Malaysia, Singapur, Indonesien, Philippinen, Hong Kong, Taiwan, Süd-Korea und Japan. 95% sind Nichtchristen! Danke, wenn Sie mit uns den Herrn der Ernte um Arbeiter in Sein Erntefeld in Asien bitten. Wolfgang Merdes Missionarische Gemeinde Botschafter der Versöhnung Bibelarbeit zu 2. Kor. 5,17—21 Missionarische Gemeinde, das ist eine verdächtige Sache. Missionarisch aktive Leute sind immer verdächtig. Sie stehen unter dem Verdacht, grenzenlose Fanatiker zu sein; sie stehen unter dem Verdacht des Aktivismus; sie stehen unter dem Verdacht der Rechthaberei, und sie stehen unter dem Verdacht, Unruhe zu erzeugen, wo sie auch nur auftreten. Dieser Abschnitt des 2. Korintherbriefes, den wir miteinander bedenken wollen, verdankt seine Entstehung der Tatsache, daß der Apostel Paulus mit seinem ununterdrückbaren missionarischen Eifer der Gemeinde in Korinth nicht nur verdächtig, sondern anstößig war. Dieser Mann, der nichts anderes im Sinn hat als „Wohlgeruch Gottes an allen Orten“ zu sein (2, 14), ist ihnen einfach ein Rätsel, wenn nicht ein Greuel. Und wenn man den Brief liest, dann hört man förmlich die Fragen, die sie an Paulus richten: Paulus, bist du nicht doch zu überheblich, wenn du meinst, daß durch dich die Erkenntnis Gottes zu den Menschen käme? Ist das, was du als „Wohlgeruch Gottes“ ausgibst, nicht ein Stück stinkende Selbstvermessenheit? (2, 14). Paulus, ist es nicht doch ein Stück Dummheit, daß du nicht einfach mitmischt, wenn sich ein frommes Geschäft anbietet, sondern daß es dir nur um das eine geht, „in Reinheit der Motive von Gott zu reden?“ (2, 17). Paulus, ist es nicht leichtfertig, sich ständig neuen Gefahren auszusetzen, nur damit du von Jesus reden kannst. Du könntest es doch viel leichter haben, wenn du nur den Mund halten würdest (4, 7-17). Und Paulus, muß man denn so grenzenlos in seinem Einsatz sein, daß man nur noch für Christus lebt? Achtunddreißig Stunden, viereinhalb Tage Dienst wären doch auch genug. Der Rest für dich (5, 15). Hier steht einer um seines missionarischen Wirkens willen vor Gericht und unter Anklage, nicht vor den staatlichen Instanzen, sondern vor dem Gericht der Brüder und Schwestern und der eigenen Gemeinde. Missionarische Christen sind verdächtig, und zwar nicht nur nach außen vor den Nichtchristen, sondern vielmehr nach innen. So muß Paulus vor den Christen sich rechtfertigen für seinen Missionsdienst, und er muß vor den Brüdern aussprechen, was ihn motiviert, was ihn antreibt und was ihn nicht schweigen, sondern immer wieder reden läßt. Und die zentrale Stelle in der Verteidigung des angeklagten Missionars Christi vor dem Gericht der Gemeinde Jesu Christi sind die Zeilen, die wir vorhin gelesen haben. Eines fällt dabei schon auf den ersten Blick auf: Paulus redet hier weder von seinen Empfindungen noch von dem jämmerlichen Zustand der Welt, sondern von dem, was Gott getan hat. In Gottes Tun liegt der Grund für sein Tun! 1. Gott hat zugedeckt! Das zentrale Stichwort heißt hier Versöhnung. Das ist keineswegs nur eine christliche Vokabel. Wo immer Feindschaft und wo immer Streit war und wo immer Menschen sich entzweit haben, ruft man nach Versöhnung. In den letzten Wochen wurde uns das anläßlich des vierzigsten Jahrestages des Kriegsendes unübersehbar vor Augen gestellt. Mit bewegenden Szenen und Gesten wollte man an Stätten ehemaligen Grauens und Verbrechens „Versöhnung demonstrieren und zelebrieren“. Das mag gut so sein. Aber dazwischen hörte man schrille Töne, Töne, die sich tief verwundeten und gequälten Herzens entrangen: Was da geschehen ist, das darf und das kann weder vergessen noch vergeben werden. Keine Versöhnung ohne Sühne! Und weil es für so etwas keine Sühne gibt, deshalb gibt es auch keine Versöhnung. Verbrechen müssen gesühnt werden, und Vergehen müssen gesühnt werden. Das ist eine Grundüberzeugung, die man überall auf der Welt findet. Und nun sind Menschen überall auf der Welt dabei, für ihre Vergehen vor Gott und den Menschen zu sühnen. Das wird nicht immer so deutlich wie bei jenem Mann, den ich vor Jahren in Singapur vor Augen hatte. Ich war auf dem Weg zum Flughafen. Doch wir kamen nicht voran. Vor uns war die Straße von Menschen verstopft. Nur langsam gelang es meinem Freund David Chan, dem Generalsekretär des Bibellesebundes für Südostasien, sein Auto an der Menschenmenge vorbeizudrücken. Und da sahen wir den Grund für den Menschenauflauf: Ein Mann mit nacktem Oberkörper hatte sich an Brust und Rücken überall Angelhaken ins Fleisch gedrückt, sie mit grünen Zitronen beschwert und bei jedem Schritt fraßen sie sich tiefer. Er wollte sühnen für begangenes Unrecht. Nur so meinte er Frieden zu finden. Einige mag bei diesem Erzählen trotz der Wärme ein wenig gefrö-stelt haben, da ihnen ein Schauer durchs Gemüt ging; andere haben vielleicht die Nase heimlich gerümpft: Bitte nicht so primitiv! Ist es nicht ein Zeichen unserer Fortschrittlichkeit, daß in unserer Strafrechtstheorie der Gedanke der Sühne weithin ausgeschaltet ist. Wenn über einen Rechtsbrecher die Strafe verhängt wird, dann entweder, um die Gesellschaft vor ihm zu schützen oder um abzuschrecken oder ihn zu bessern oder umzuerziehen. Sitzt er dann in der Strafanstalt, dann kann er drei Gedanken nachhängen: Die Gesellschaft will mich unschädlich machen, mein Schicksal soll andere abschrecken, man will mich umerziehen. Ist das fortschrittlich? Ist das nicht zum Verzweifeln, denn hier wird doch der Mensch nicht mehr ernstgenommen. Wo man nur noch abschrecken, umerziehen oder unschädlich machen will, ignoriert man einerseits die Schuld und nimmt andrerseits den Menschen nicht ernst, der zutiefst weiß, daß, wo Schuld ist und wo ein persönliches Verhältnis lädiert ist, man nicht einfach die Schuld durchstreichen und so tun kann, als sei nichts gewesen. Es bedarf der Sühne, die die Schuld sühnt und die Gemeinschaft wieder herstellt. Also, es geht nicht ohne Sühne. Deshalb begegnen uns so viele kleine Aktionen Sühnezeichen. Man will wiedergutmachen, man will den Boden der Versöhnung vorbereiten wo Streit war und läßt es sich wahrlich oft dabei sauer werden. Doch wo wir meinen, wir könnten unser Verfehlen an Menschen und unser Vergehen vor Gott so schnell wieder gutmachen, da haben wir zum einen nicht erkannt, wer Gott ist in seiner Majestät und Heiligkeit. Wir haben aber auch nicht erkannt, wie weit unser Verfehlen in uns hineinreicht. Denn hinter all den unzählbaren Durchschnittssünden und Edelsünden und Skandalsünden steht ja die Ursünde, daß wir Gott die Gemeinschaft aufgekündigt, den Gehorsam versagt und ihn weder als Gott noch als Herr anerkannt haben. Gott nimmt sich selbst ernst, und er nimmt uns als Sünder ernst, und er nimmt sein heiliges Recht ernst und setzt es nicht außer Kraft. Das wäre ja das Ende der Welt. Deshalb rechnet er mir meine Übertretungen an. So bejaht und respektiert er sich als Gott und sein Recht als göttliches Recht. Und er nimmt mich ernst in meinem Sündigen: Das ist nicht nichts, das du, Helmuth Egelkraut, getan hast. Du hast dich allen Ernstes von mir, dem lebendigen Gott losgesagt. Du wolltest nicht mein Geschöpf sein. Du hast mich nicht als Gott und Schöpfer angebetet, nicht mir gedankt. Du bist ein Desserteur. Wer von der Truppe dessertiert, wer Gott den Rük-ken gekehrt hat, kann nicht einfach zurückkehren, als sei nichts gewesen. Wer einem Menschen die Gemeinschaft aufkündigte, ihn verachtete, mißhandelte, verleugnete ,verhöhnte, kann nicht einfach zurück. Da ist ein Graben. Da ist Schuld. Da sind Herzenswunden. Weil Gott das Wohl dieser Welt will, kann er sich nicht einfach negieren lassen und das, woran wir und die Schöpfung kaputtgehen, einfach ignorieren. Das geht nicht, nein, das wäre unser aller Unheil. Gott ignoriert nicht, Gott negiert nicht, Gott hat in der für die Welt und für uns aussichtslosen Lage aktiv eingegriffen. Bei allem guten Willen kann ich Desserteur nicht zurück. Da handelt Gott. Dick müßte man sich die Worte in unserem Bibeltext unterstreichen: DAS ALLES VON GOTT! Damit werden wir hineingenommen in das in der Bibel beschriebene Handeln Gottes, das mit Abraham begann und mit Jesus und dem Karfreitag seinen Höhepunkt erreichte. Das alles von Gott! Man kann ja den Karfreitag unter doppelter Perspektive sehen: Es ist der Tag der Grausamkeit, Herzenskälte und Gottwidrigkeit des Menschen. Jesus ist die reine Passivität, gefangen, geschlagen, geschoben und getötet. So sieht es die Bibel nicht. Karfreitag ist nicht der Tag des Menschen, sondern der Tag Gottes, der in Jesus die Welt mit sich versöhnt! „Niemand nimmt mein Leben von mir — ich habe Macht es zu behalten und Macht es hinzugeben“, sagt Jesus. Gott sühnt, indem er in Jesus die Sünden aller Zeiten auf sich nimmt und mit der Sünde die Schuld und mit der Schuld die Strafe. Er sagt nicht nein zur Sünde, er sagt nicht wie wir so schnell, ach, das ist nicht so schlimm, sondern er sagt ja zur Sünde. Ja, was du Mensch getan hast, das ist ganz schlimm, so schlimm, daß niemand es gutmachen kann. So wie ein Vater zu seinem Kind gelegentlich sagen muß: Was du getan hast, ist ganz arg schlimm. Das kannst du nie wieder gutmachen, nie wieder. Haben Sie schon einmal dieses Gefühl gehabt: nie wieder? Nur geht es bei Gott anders weiter. Weil du das nie wieder gutmachen kannst, deshalb will ich zur Sünde werden — für dich. Und damit wirst du zur Gerechtigkeit vor mir. Damit ist genau beschrieben, was Versöhnen im Neuen Testament bedeutet: katallasesthai, wie das griechische Wort lautet, heißt ja zunächst ganz einfach „verändern“, „vertauschen", und zwar „von oben her verändern“! Von oben her! — das ist entscheidend. Deshalb ist Gott durchgängig das Subjekt und der Handelnde, wenn es ums Wiedergutmachen oder um das Sühnen geht. Erstaunlicherweise wird ja auch nirgends gegen das Hinrichtungskommando oder gegen Pilatus Klage geführt, als ob sie jemanden umgebracht hätten. Gott hat unsere Lage radikal verändert, in dem er sich an den Platz des Ehebrechers, des Betrügers, des Mörders, aber vor allem an den Platz des Gottlosen, des Gleichgültigen und Gottesverächters begab. Sehen wir nicht gerade bei Jesus, wie er sich an den Platz all dieser Leute begibt. Und das sind doch auch wir! Und was tut er? — Er gibt ihnen seine Gerechtigkeit und Heiligkeit, so daß sie vor Gott dem Vater so gerecht und heilig sind wie er, und läßt sich zum Ungerechten, zum Unheiligen, zur Sünde vor Gott machen. Wer sühnt hier? Nicht der Schuldige, sondern der Unschuldige, nicht der Treter, sondern der Getretene, nicht der Sünder, sondern der Sündlose, nicht der Mensch, sondern Gott. Das ist einmalig; dazu gibt es nirgends eine Parallele in der weiten Religionsgeschichte. Deshalb muß das überall verkündigt werden. Gott deckt zu. Das Wort, von dem in der hebräischen Bibel „versöhnen“ abgeleitet ist, kipper, kann man mit „zudecken“, „bedecken“ übersetzen. Gott deckt die Sünde zu, damit sie nicht mehr zwischen uns und ihm stehen kann und verwendet dazu das Herzblut seines eigenen Sohnes. Dieses Handeln Gottes, das der ganzen Welt gilt, ist der Grund für die missionarische Aktivität des Paulus. Größeres kann es nicht geben und Kleineres genügt nicht. 2. Gott hat beauftragt! Nun muß man sich einfach noch einmal das verlesene Bibelwort ansehen. Oben drüber steht das: Das tat Gott. Und dann wird zweimal betont: Er hat versöhnt, er hat versöhnt. Und dem steht zweimal gegenüber: Er hat uns den Dienst der Versöhnung, er hat uns das Wort der Versöhnung gegeben. Man kann diese Struktur etwa so darstellen: Der Grund: DAS TAT GOTT Er hat uns mit sich selber versöhnt durch Christus. Gott versöhnte in Christus die Welt und rechnete ihnen ihre Sünde nicht zu. Er hat den, der von keiner Sünde wußte für uns zur Sünde gemacht. Er hat uns das Amt gegeben, das die Versöhnung predigt. Er hat unter uns aufgerichtet das Wort der Versöhnung. Wir bitten an Christi Statt: Lasset euch versöhnen mit Gott. Ziel und Zweck: Damit wir würden in ihm die Gerechtigkeit Gottes. So wird deutlich: Was Gott in Christus ein für allemal getan hat, ist Grund und Inhalt des Dienstes der Versöhnung. Jetzt muß es kundgemacht werden, damit Menschen sich mit Gott versöhnen lassen. Ich muß hier von einem dreifachen Wunder reden. Es ist ein Wunder, daß die Versöhnungsbotschaft noch erhalten ist. Dieser Tage war ich mit dem Zug auf der Heimfahrt von Zürich. Kurz vor Tuttlingen fiel mein Blick oben auf einem Berg auf drei weiße Kreuze. Diese und viele andere Kreuze sind ständiger Hinweis darauf, daß das Wort der Versöhnung noch unter uns auf gerichtet ist. Jesus selbst rief die Apostel. Der Heilige Geist bewegte Menschen, daß die Geschichte Jesu, das Wort der Versöhnung erst erinnert, dann verstanden, dann aufgeschrieben, dann aufbewahrt und weitergegeben wurde in unserer Welt. Und es ist dieser gleiche Heilige Geist, der dafür Sorge trägt, daß nicht nur immer wieder Menschen dieses Wort der Versöhnung vernehmen, sondern daß sie selbst zu Boten der Versöhnung werden. Der Erhalt der Botschaft der Versöhnung in dieser Welt ist ein Wunder Gottes, für das wir danken sollten. Es ist ein Wunder, daß sich immer wieder Menschen in den Dienst der Versöhnung stellen lassen. Es hat der Kirche durch die Jahrhunderte hindurch nie an Menschen gefehlt, die bereit waren an Christi Statt zu bitten, laßt euch versöhnen mit Gott! An Christi Statt — das ist keinesfalls nur eine Ehre, ja, die damit verbundene Ehre und Würde ist verborgen. Die sieht man nicht. Vielmehr trifft sie die ganze Niedrigkeit und Lächerlichkeit und Schändlichkeit des Kreuzes. Und auf diese Boten der in Christus geschehenen Versöhnung trifft auch der ganze Christushaß und die Christusfeindschaft. Gott will, daß sie sich in Demut und Niedrigkeit den Menschen nahen, als Bittende, nicht als Fordernde, als Einladende, nicht als Befehlende: Laßt euch versöhnen mit Gott. Man muß sich einmal dieses lächerliche Bild vorstellen: Gott bittet auf den Knien den Sünder: Nimm die Versöhnung an, der Vater bittet unter Tränen das Kind, laß mid deine Schuld bezahlen, es soll Frieden werden. So zeigt sich die Erniedrigung Jesu, die Gnade des Evangeliums, in der Art und Weise, wie die Boten der Versöhnung mit den Menschen umgehen. Es ist der Widerspruch des Evangeliums, daß der große Gott sich erniedrigt, daß der Heilige den Sünder sucht. Anbetung vor seiner Gnade. Es ist ein Wunder, daß Gott das Wort seiner Versöhnung an allen Orten aufrichtet. Stephen Neill schreibt in seiner Geschichte der christlichen Mission: „Wir erleben, was kein Jahrhundert vor uns sah: Daß in allen Kontinenten und nahezu in allen Ländern das Evangelium von der Versöhnung Gottes in Christus Jesus gepredigt wird. Und auch da muß man sagen: Das aber von Gott. Denn es war keine Kirchenleitung und keine Institution, die zu diesem weltweiten Dienst der Versöhnung den Aufruf ergehen ließ: Menschen wurde die Versöhnung in Christus zuteil, sie lasen sein Wort und der Heilige Geist gab es ihnen so ins Herz, daß sie nicht mehr davon loskamen: Wenn einer für alle gestorben ist, dann kann ich hinfort nicht mehr für mich selbst leben, sondern für den, der für mich gestorben und auf erstanden ist (V. 15). Sie ließen sich von ihm zum Dienst der Versöhnung rufen, ließen sich senden, und ihr Leben galt in Neuguinea und Japan, in Tanzania und Iran, in Peru und Paraguay dem Dienst am Wort der Versöhnung. Es ist Gottes Werk, daß die Versöhnten immer zugleich zu Botschaftern der Versöhnung ernannt werden. Das aber von Gott! Daß wir doch ein Auge für Gottes Wirken in dieser Welt hätten. Dann würden wir auch das Letzte wahrnehmen, das ich nur noch kurz andeuten kann: 3. Gott macht neu! Die Bibel endet mit dem Ruf: Siehe, ich mache alles neu. Dann werden die Tränen getrocknet, Krankheit und Not überwunden und der Tod wird nicht mehr sein. Gott alles in allem, d. h., daß er seine ganze Schöpfung erneuern wird. Das steht noch aus bis auf den Tag, da Christus sichtbar wiederkehren wird. Aber das andere gilt jetzt schon: Ist jemand in Christus, dann ist er eine neue Kreatur; das Alte ist vergangen und das Neue ist da. Was ist alt und was ist neu? Alt ist, daß wir in Feindschaft Gott gegenüberstanden. Neu ist, daß wir ihn als Vater anrufen, lieben und ehren in Jesus Christus. Alt ist, daß wir vor Gott sündig und ungerecht waren. Neu ist, daß uns Christi Gerechtigkeit und Heiligkeit gehört, so daß wir jetzt vor Gott heilig und gerecht treten dürfen. Alt ist, daß wir eigenmächtig und in anmaßendem Selbstvertrauen unser Leben führten. Neu ist, daß wir in allen Phasen des Lebens wissen, was wir haben, verdanken wir alles Gott. Ihm sei Dank, Lob und Anbetung, auch für die sogenannten natürlichen Dinge. Alt ist, daß wir nur für uns lebten. Neu ist, daß wir für ihn leben (V. 15). Und alt ist, daß wir Menschen des Streites und Haders waren. Neu ist, daß wir gedrungen von der Liebe Gottes in dieser Welt zu Botschaftern der Versöhnung werden, nicht so, daß wir jeden Streit überwinden, nicht so, daß wir vollen Frieden schaffen, nicht einmal so, daß wir es fertig brächten, mit jedermann in Frieden zu leben, sondern so, daß wir das Wort der Versöhnung, die Gott in Christus geschaffen hat, in Niedrigkeit und Beugung als Gottes Gebot und Angebot aufrichten. Dazu helfe uns Gott. Amen. Dr Helmuth Egeikraut Gottes Werkstatt Missionarische Gemeinde in der Volkskirche Nach einer umfassenden Darstellung der Volkskirche und der verschiedenen Gestalt biblischer urchristlicher Gemeinden wurde in einem III. Teil ausgeführt: Ein sorgfältiges Hineinhören in die Schriften des Neuen Testaments kann uns noch mehr von der Vielfalt urchristlicher Gemeinden zeigen. Sie alle waren missionarische Gemeinden, die sich mehrten und ihr Glaubensleben vertieften. Davon leben wir noch heute. Der christliche Glaube verbreitete sich mit überraschender Geschwindigkeit über das ganze römische Reich und darüber hinaus. Wo immer Christen hinkamen, hinterließen sie Spuren, die heute noch ahnen lassen, wie kraftvoll der Glaube damals gelebt wurde. Die Gemeinden wuchsen aber auch nach innen. Die Ergebnisse berühren uns noch heute, wenn wir das Neue Testament in die Hand nehmen und die Glaubensbekenntnisse der frühen Kirche aufmerksam lesen. Die Schriften des Neuen Testament sind von der Urchristenheit aufbewahrt als klarster Ausdruck des Zeugnisses von Jesus Christus. Welch eine geistige und geistliche Leistung, uns ein solches Buch zu hinterlassen! Welch eine Wohltat bis zum Jüngsten Tage, dies als Grundlage aller christlichen Verkündigung zu haben. Die Bibel ist Gottes größtes Barmherzigkeitswerk an uns. Hier redet Gott so mit uns, daß wir sein Lebenswort empfangen, unabhängig von Bildung, Geschlecht, Alter, Rasse, Sprache oder Hautfarbe. Wer aber vermag die Tiefen der Bibel in einem Leben auszuschöpfen? Martin Luthers letzte Sätze beziehen sich auf die Auslegung der Bibel: „Wir sind Bettler, das ist wahr!“ Können wir die missionarische Weite und Einseitigkeit, die Tiefe und die Höhe dieser jungen Gemeinden neu erwecken? Kürzlich hatte ich das Büchlein eines schwäbischen Pfarrers in Händen, in dem er humorvoll mit wenigen Strichen Bilder von der Kirche zeichnet. Ein Bild trägt die Unterschrift: „Lebendige Volkskirche“. Seine rasche Feder zeigt einen Reigen von Schäflein, die sich munter im Kreise drehen. Ich hoffe sehr, daß dieser Pfarrer sich restlos geirrt hat. Missionarische Gemeinde ist ja nicht ein fröhlicher Kreislauf — bis zum Kreislaufkollaps! Nur der von Gott ferne Mensch dreht sich um sich selber! Missionarische Gemeinde hat ein Ziel, dem alle Kräfte gehören. Sie versteht sich als eine Schar von Menschen in dieser Welt und in dieser Volkskirche mit dem „zentralen Anliegen, Menschen zu Christus als ihrem Heiland und Herrn zu bringen und sie teilnehmen zu lassen an seinem ewigen Leben. Das ist der Kern der Sache. Es muß zu einer persönlichen Begegnung mit Christus kommen“ (Bericht über die zweite Weltkirchenkonferenz Evanston 1954, Hrsg. H. Grüber und G. Brennecke, Berlin 1954, unter dem Titel „Christus, Hoffnung der Welt“, S. 152). Dieses Ziel kostet sie ihr Leben! Preisnachlaß wird nicht gewährt. „Wer einen Ju- gendlichen zu Jesus bringen will, muß sein Herz an die Angel hän-hen!“ So lernten wir vor 50 Jahren Jugendarbeit! Jeder Überschläge die Kosten (Lukas 14, 28), wenn es darum geht, Menschen in das volle Leben der Kirche einzuführen“ und „menschliche Institutionen und Lebensformen stärker dem anzunähern, was Gott will, und dem Grenzen setzenden Vorrecht Gottes Achtung zu verschaffen“. Das sind Zielangaben einer missionarischen Gemeinde heute, denn „von der persönlichen Beziehung zu Christus hängt die ewige Bestimmung eines jeden Menschen ab“ (alle Zitate Evan-ston 1954 a.a.O.). Gewiß bedarf es dazu auch bestimmter Formen, um diesen Dienst tun zu können. Im westlichen Teil der Welt gibt es mehr missionarische Möglichkeiten, als überhaupt wahrgenommen werden können. Von entscheidender Bedeutung aber bleibt die Beachtung geistlicher Grundgesetze, unter denen wir persönlich fähig werden zu diesem Dienst. Die zweite Weltkirchenkonferenz in Evanston 1954 hat eine Erfahrung gemacht, die heute die Christenheit weltweit aufgenommen hat: „Die Laien stehen auf den äußersten Vorposten des Reiches Gottes. Sie sind die Missionare Christi in jedem weltlichen Bereich“ (Evanston a.a.O. S. 155). Damit wird erkannt, daß die missionarische Gemeinde nur wiedergewonnen werden kann, wo die neutestamentlichen geistlichen Grundgesetze in unserer Zeit zur Geltung kommen: Gott will mit jedem Einzelnen große Dinge tun. Gott will von jedem Einzelnen etwas ganz Bestimmtes und vielleicht Einmaliges. Er hat uns ja bei unserem Namen gerufen. Wir sind sein Eigentum. Geht es um die Erbverteilung des erstgeborenen Bruders, dann geht es auch um die Bruderschaft mit ihm. Diese bedeutet Opfer des ganzen Lebens. Wir sollten aufhören danach zu schielen, was andere tun sollten für den missionarischen Gemeindeaufbau. Wir können nur radikal, d. h. bis an die Wurzel gehend fragen, welche persönlichen Opfer wir einzubringen bereit sind. Die missionarische Gemeinde besteht aus lauter Einzelnen! Sie diskutiert nicht mehr darüber, was die Aufgabe der missionarischen Gemeinde in der Volkskirche wäre. Sie Stellt vielmehr zuerst die „echte“ Frage: „Was ist meine, was ist deine missionarische Aufgabe in dieser Volkskirche?“ Nur der Einzelne kann das Geschenk aus der Erbverteilung des erstgeborenen Bruders täglich neu ergreifen und damit leben. Der Einzelne ist in seinem Handeln unvertretbar die eine Kirche Jesu Christi. Daher sollen unsere letzten Erwägungen dem Laien dienen, der heute wie einst in hervorgehobener Weise Missionar ist, ein lebendiger „Brief Jesu Christi“ (2. Korinther 3, 3). Er muß geistlich gesund sein, um missionarisch leben zu können. Welches aber sind Merkmale geistlicher Gesundheit? Ich möchte nur wenige aufzählen. 1. Merkmal: Die Fähigkeit zum sinn- und sachgemäßen Handeln Der Mensch ist zum Handeln bestimmt (1. Mose 1, 28). Die edelste Form des Handelns ist das Helfen. Welch ein Augenblick, wenn ein Kind sich vom Spiel erhebt und der Mutter helfen will! Sach-und sinngemäß ist ein Handeln, das sich auf diese Welt und diese Menschen bezieht, um sie heimzuholen in Gottes Herrschaftsbereich. Geringe Dinge brauchen keine große Beachtung. Auf wichtige und wesentliche Dinge muß aber entsprechende Zeit verwandt werden. Dazu gehört die Treue im Beruf und in den Alltagsfragen. Wie soll aber recht gehandelt werden, wenn man es versäumt hat, sich entsprechend zu informieren? Wer seine Kräfte ständig überzieht, kann nicht mehr sinnvoll handeln, er fängt an zu „hudeln“! Wie oft vertun wir damit unsere Zeit nutzlos? Wer sich an die Arbeit verliert, zerstört sich selber. Wohl dem, der seine eigenen Grenzen ernst nimmt. 2. Merkmal: Fähigkeit zur Gemeinschaft Jeder Mensch ist auf Gemeinschaft angewiesen und angelegt. Gerade eine arbeitsteilige Gesellschaft macht uns deutlich, wie wenig selbständig wir leben können. Von Zinzendorf stammt der Satz: „Ohne Gemeinschaft statuiere ich kein Christentum.“ Die Herrnhuter Brüdergemeinde hat aufgrund ihres gemeinschaftlichen Lebens in staunenswerter Weise Mission und .Diakonie entwickelt. Ein Christ ist kein Einzelgänger, er sucht sich Gemeinschaft. Wer das Vater-Unser betet, betet in einer weltweiten Gemeinschaft und für diese Gemeinschaft und mit ihr. Der barmherzige Samariter konnte dem unter die Räuber Gefallenen nur helfen, indem er von seinem Esel herabstieg und zu ihm ging (Lukas 10, 34). Wenn Jesus auffordert, sich selbst zu verleugnen (Matthäus 16, 24 parr), dann will er, daß wir vom anderen her denken. Dies formt Gemeinschaft. Gewiß bin ich nicht jedermann gleich nahe. Der Unterschied im Verhältnis zu Familienmitgliedern, Arbeitskollegen oder Verkehrsteilnehmern bleibt zu beachten. Aber jeder ist ein besonderer Gedanke Gottes, wer es auch immer sei. 3. Merkmal: Die Fähigkeit, Fehlschläge im Leben zu ertragen Jeder Mensch muß in seinem Leben durch Trauer und Schmerz hindurch (Offenbarung 7, 14). Die Mitmenschen, mit denen wir Zusammenleben, sind uns nur auf Zeit gegeben. Sie gehen entweder vor uns oder wir verlassen sie. Nur wer um seinen Tod weiß, kann getrost leben. Wer um nichts weinen kann, dem ist nichts wichtig gewesen im Leben. Er schiebt Trauer und Schmerz beiseite. Wer ihm begegnet, spürt die Gefangenschaft seiner Unmenschlichkeit. „Unter Leiden prägt der Meister in die Herzen, in die Geister sein allgeltend Bildnis ein“ (Karl Fr. Harttmann, EKG 305, 2). Wir reifen unter dem Leid. Wer viel gelitten hat, kann viel lieben. 4. Merkmal: Die Fähigkeit zum unablässigen Wachstum „Menschliches Leben ist ein Werden, kein Gewordensein“, sagt Martin Luther (WA 40, 2; 533, 10). Die Heilige Schrift ist voll von Bildern des Wachstums. Sie sind geradezu eines der entscheidenden Merkmale des Reiches Gottes. Wir wissen heute aus der Wissenschaft der Psychologie, was uns die Bibel schon immer bezeugt hat, daß dem menschlichen Wachstum keine Grenzen gesetzt sind. Wo das äußere Wachstum zum Stillstand kommt, will Gott das innere Wachsen bis zum letzten Atemzug. Alt werden heißt in der Ordnung Gottes, daß wir weise werden dürfen. Unsere Welt braucht wahrhaftig Weisheit zum Leben und Überleben. Wer sich nicht auf Wachstumsraten im geistlichen Leben einstellt, braucht sich nicht über die gähnende Leere seines Lebens zu wundern. Dabei kann unser Verstand durchaus ein Bremsklotz für unser geistliches Wachsen sein. Wir fragten nach der missionarischen Gemeinde in unserer Volkskirche und sind auf unserem Weg des Nachdenkens bei der geistlichen Gesundheit und ihren Merkmalen angekommen. Das war nötig, weil der Einzelne in dieser Welt des 20. Jahrhunderts in besonderer Weise der Missionar unserer Zeit ist. Ohne ein Mindestmaß an geistlicher Gesundheit des Einzelnen hat es zu keiner Zeit und auf keinem Kontinent dieser Welt jemals eine missionarische Gemeinde gegeben. Wir schließen mit dem Gebetsruf eines indischen Christen: „Herr, erneure deine Kirche und fange bei mir an. Amen.“ Johannes Hasselhorn Besuchsdienst per Telefon Persönlicher Kontakt ist nötig Viele Menschen unserer Zeit haben sich dem Glauben, der Gemeinde und der Kirche entfremdet. Für die Gemeinden ist es darum nötig, neue Wege und Formen zu finden, ihnen nachzugehen und sie wieder anzusprechen. Die Einladungen zu kirchlichen Veranstaltungen erreichen wenige und setzen nur einzelne in Bewegung. Die Distanz zum Angebot der Gemeinde ist groß. Es fehlen Zwischenglieder, Brücken zu den entfernten Gemeindegliedern. Sie lassen sich zwar manchmal zu Großveranstaltungen einladen, doch der Mangel an persönlichen Kontakten hindert sie dann oft daran, Schritte in die Gemeinde hinein zu tun. Mit der Flut des Papiers, das in die Häuser gelangt, werden die Einladungen der Gemeinde häufig weggeschwemmt. Wir brauchen darum Formen der persönlichen Kontaktaufnahme und sollten die Möglichkeiten nutzen, die uns durch die Technik gegeben sind. Eine dieser Möglichkeiten ist das Telefon. Heute ist in fast jedem Haushalt ein Telefonanschluß vorhanden. Er kann gezielt benutzt werden, um Menschen in der Gemeinde mit dem Angebot der Kirche und mit der Botschaft des Evangeliums vertraut zu machen. Der Kontakt über das Telefon ist ein Weg zur persönlichen Evangelisation. Die Schwelle heim Hausbesuch ist hoch Wer einem Besuchsdienst angehört oder schon einmal Hausbesuche gemacht hat weiß, wie schwer es ist, an einer Haustür zu klingeln und wie viele innere Hemmungen vorher zu überwinden sind. Dieser Dienst ist jedoch nötig und darf in einer Gemeinde nicht vernachlässigt werden. Eine gute Ergänzung dazu wäre ein „Telefon-Besuchsdienst“. Das Telefon soll den persönlichen Kontakt, den persönlichen Besuch nicht ersetzen, es kann aber eine persönliche Begegnung vorbereiten. Wenn jemand direkt an der Haustür steht, ist das Mißtrauen in der Regel groß, denn zu viele wollen etwas anbieten oder verkaufen. Man fühlt sich leicht überrumpelt und darum versucht, den Besucher abzuweisen. Oft ist auch der Zeitpunkt für einen Besuch ungünstig. Vielleicht nimmt die Familie gerade eine Mahlzeit ein oder sieht gemeinsam ein Fernsehprogramm an. So scheitern viele Hausbesuche an dieser unverhofften Begegnung. Durdi das Telefon kommen wir direkt in die Wohnung und bleiben nicht an der Haustür stehen. Der am Telefon Besuchte fühlt sich nicht überfordert, da er das Gespräch jederzeit leicht beenden kann. Auch das Umfeld spielt beim telefonischen Besuch nicht die Rolle, die es beim direkten Besuch hat. Für den Anrufenden und für den Angerufenen ist die Schwelle zum Gespräch nicht so hoch, und die Gefahr, daß der Besucher nicht aus einer inneren Haltung heraus, sondern durch ungünstige Umstände abgewiesen wird, ist geringer. Das Telefon wird zu wenig missionarisch genutzt Jesus hat uns beauftragt, zu anderen hinzugehen, und wir dürfen die modernen technischen Mittel gebrauchen, um dieses Hingehen zu verwirklichen. Der telefonische Kontakt im persönlichen Bereich kann als Dienst im Auftrag Jesu gesehen werden: Wir rufen Menschen an, die in der Nachbarschaft zugezogen sind, stellen uns vor und wünschen ihnen, daß sie sich gut eingewöhnen. Wir erzählen mit ein paar Sätzen von der Gemeinde, in der sie nun wohnen. Wir schließen mit einem guten Wunsch und drücken die Hoffnung aus, sie einmal persönlich kennenzulernen. Eine solche Kontaktaufnahme kann bei Neuzugezogenen die Basis für eine spätere persönliche Begegnung schaffen. Wenn in einer Gemeinde eine Veranstaltung geplant ist, könnte eine „Besuchsaktion per Telefon“ durchgeführt werden, bei der es Gemeindeglieder übernehmen, andere in ihrer Umgebung auf diese Weise einzuladen. Eine solche Aktion müßte natürlich organisiert werden. Man müßte feststellen, in welchen Haushalten Telefonanschlüsse vorhanden sind. Die Gemeinde müßte in Bezirke eingeteilt werden, um zu klären, wer die Anrufe in welchem Bereich übernimmt. Die Gemeindeglieder, die diesen Telefondienst zu tun bereit sind, sollten von einer Gruppe von Betern begleitet werden. Kontakte mit einsamen und kranken Menschen Ein weiterer Bereich des Telefondienstes könnten Anrufe bei kranken und einsamen Menschen sein. Wer aus irgendeinem Grunde zurückgezogen lebt, scheut oft zunächst die persönliche Begegnung eines Besuches, ist aber dankbar für ein paar Sätze am Telefon. Die Erfahrung zeigt, daß der Wunsch nach einem persönlichen Besuch über das Telefon ausgesprochen wird, daß die Begegnung dann aber vorbereitet und erwartet ist. In der Gemeinde könnte eine Telefondienstgruppe gebildet werden, deren Mitarbeiter die Aufgabe haben, regelmäßig — evtl, einmal in der Woche — einen einsamen oder kranken Menschen anzurufen. Der so hergestellte und gepflegte Kontakt kann dazu führen, daß beim Angerufenen ein Fragen wach wird, daß er sich öffnet und vielleicht auch bereit wird, sich mit den Fragen des Glaubens, mit den Aussagen des Evangeliums einzulassen. Jeder Telefonanschluß ist Angebot zu einem Kontakt, den wir nutzen können. Wenn in einer Gemeinde Menschen bereit sind, diesen Telefonbesuchsdienst zu übernehmen, ist es nötig, daß sie sich darüber austauschen. In Zurüstungen könnten Hilfen erarbeitet werden zu Fragen, die sich vor allem am Anfang stellen: Wie kann ich ein Gespräch beginnen? Wie rede ich den anderen an? Wie stelle ich mich vor? Wovon rede ich? Jeder, der einen Dienst in der Gemeinde tut, braucht die Erfahrung des anderen zur Korrektur und zur Ermutigung. „Ruf doch mal an“ Sollten wir diesen Hinweis nicht auch für unseren Dienst in den Gemeinden aufnehmen und über das Telefon Verbindungen zu Menschen knüpfen, die in Not sind oder den Kontakt zur Gemeinde im Augenblick nicht haben? Es wäre gewiß gut, wenn sich mehrere Christen einer Gemeinde zu diesem Telefondienst zusammentun würden, um einander in dieser Aufgabe zu bestärken und zu ermutigen. Ziel des Telefonbesuchsdienstes sollte es letztlich sein, den Weg zu einem persönlichen Besuch vorzubereiten. Wolfgang Schumann Kinderhauskreis Kinder werden heute sehr früh von verschiedenen Gruppen umworben. Haben sie einmal in einer Gruppe Fuß gefaßt, sind sie in der Regel für andere Angebote nicht mehr frei. Wir sollten unsere Kinder nicht nur weltlichen Gruppen überlassen, sondern ihnen auch die Möglichkeit geben, in die Gemeinde hineinzuwachsen. In vielen Gemeinden gibt es nur wenig Kinderarbeit. Die Gründe dafür können recht unterschiedlich sein. Man ist etwa der Meinung, Kinder sollten nicht zu früh beeinflußt werden oder die Kinderarbeit im Kindergarten und im Kindergottesdienst reiche aus. Da die Sonntagsgestaltung in den Familien dem Angebot unseres Kindergottesdienstes jedoch vielfach entgegensteht, ist es für den Gemeindeaufbau wichtig, im Bereich der Kinderarbeit weitere Formen zu finden. Viele junge Mütter und Hausfrauen waren einmal in der Kinderoder Jugendarbeit tätig. Nachdem sie nun verheiratet sind und selbst Kinder haben, ist es ihnen nicht mehr möglich, in der bisherigen Weise in der Gemeinde mitzuarbeiten. Warum sollten diese Mütter nicht mit den eigenen Kindern einen Kinderhauskreis beginnen? Auch für kinderlose oder alleinstehende Frauen, die die Gabe haben, mit Kindern umzugehen, könnte ein solcher Dienst eine schöne Aufgabe sein. Wie ein Kinderhauskreis aussehen kann, soll an einem Beispiel verdeutlicht werden. Frau Margarete Bauer aus Heilbronn-Horkheim berichtet: Wir haben 3 Jungen im Alter von 11, 12 und 14 Jahren. Sie ließen sich immer gerne biblische Geschichten vorlesen und besuchten den Kindergottesdienst. Manchmal kamen sie aus der Schule mit Fragen nach Hause, für die ich eigentlich gar keine Zeit hatte. Ein originell gestalteter Stundenplan, der zum Schülerbibelkreis ein-laden sollte, war der Anlaß für die Entstehung unseres Kinderhauskreises. Er brachte unseren Jüngsten — damals in der 4. Klasse der Grundschule — auf die Idee, seine Klassenkameraden zum Bibellesen einzuladen. Zuerst fragte er mich allerdings, ob ich mitmachen würde. Ich war dazu bereit, auch wenn ich mir nicht recht vorstellen konnte, was auf mich zukommen und wie sich diese Zusammenkünfte gestalten würden. Zum ersten Treffen kamen 10 Kinder, später waren es 7, die regelmäßig teilnahmen. Nachdem sich der Montag als günstiger Termin herausgestellt hatte, trafen wir uns jede Woche am Montag um 17.00 Uhr im Zimmer unseres Jüngsten. In der Regel waren wir eine Stunde zusammen. Wir haben viel gesungen, einen Abschnitt in der Bibel gelesen und miteinander darüber gesprochen. Die Kinder haben viel gefragt und sich lebhaft darüber ausgetauscht, wie sie den gelesenen Text verstanden. Ein Mädchen brachte seine Flöte mit und begleitete die Lieder. Das Gebet am Anfang und am Schluß habe ich übernommen. Ich könnte mir aber gut denken, daß auch die Kinder selbst zum Beten ermutigt werden. Eine gute Hilfe war uns das Bibelleseheft des Bibellesebundes ,Guter Start’. Es enthält u. a. Rätsel und Lieder, die den Kindern zwischendurch viel Spaß machten. Zusammenfassend möchte ich sagen, daß es eine Freude ist, mit Kindern zu arbeiten. Ich möchte jeder Frau Mut machen, in ihrem Haus einen solchen Kinderhauskreis zu beginnen.“ Die Altersgruppe der 10jährigen, von der in diesem Beispiel berichtet wird, ist vielfach schon durch die Jungschararbeit in die Gemeinde eingefügt. Nötiger wäre darum ein Angebot für Kinder von etwa 5—8 Jahren. Wenn die Kinder noch nicht lesen können, muß der Kreis natürlich etwas anders gestaltet werden. Wie kann ein Kinderhauskreis beginnen? Die Gemeinde könnte eine Kinderwoche durchführen. Interessierte Kinder werden danach den bestehenden Gruppen zugeordnet, die Jüngeren zu einem Kinderhauskreis eingeladen. Ein anderer Anfang könnte ein Kindergeburtstag sein, zu dem die Kinder der Nachbarschaft eingeladen werden, ein kleines Gartenfest oder eine Art Nachbarschaftstreffen für Kinder. Es ist wichtig, Kontakt mit den Eltern aufzunehmen, ihnen mitzuteilen, daß eine wöchentliche Zusammenkunft der Kinder geplant ist und wie sie inhaltlich gestaltet werden soll. Viele Eltern werden froh sein, wenn ihre Kinder Gemeinschaft in dieser Form erleben und miteinander spielen können. Vielleicht sind sie auch dafür dankbar, daß auf diese Weise ein Teil dessen realisiert werden kann, was sie als Eltern einmal bei der Taufe ihrer Kinder versprochen haben. Auch zwischendurch sollte immer wieder der Kontakt mit den Eltern gesucht werden, um vielleicht auch so denen näherzukommen, die der Gemeinde entfremdet sind. Für die verantwortliche Hauskreismutter wäre es sicher gut und hilfreich, wenn die eine oder andere Mutter dazu bereit wäre, den Hauskreis gelegentlich mitzugestalten. Ein Kinderbauskreis hat seine Zeit Wenn die eigenen Kinder aus dem entsprechenden Alter herausgewachsen sind, wird diese Aufgabe möglicherweise beendet sein. Solche Überlegungen sollten jedoch nicht daran hindern, diesen Dienst an Kindern für Jesus zu beginnen. Wolfgang Schumann Material zur Kinderarbeit wird von folgenden Organisationen angeboten: Bibellesebund e. V., Postfach 1129, 5277 Marienheide Deutscher Verband der Jugendbünde für entschiedenes Christentum e. V. (EC), Frankfurter Straße 1, 3500 Kassel-Niederzwehren Schriftenversand des Diakonissenmutterhauses Aidlingen, 7031 Döffingen Kinder-Evangelisations-Bewegung, Hermannstraße 46, 6000 Frankfurt Missionswerk Neues Leben e. V., Kölner Straße 23, 5230 Altenkirchen Miteinander unter demselben Meister Missionarische Arbeit geschieht nicht durch Engel, nicht durch himmlische, makellose Wesen, sondern durch Menschen, d. h. durch fehlerhafte Werkzeuge. Auf diese Weise ist Gott ein großes Risiko eingegangen. Durch unsachgemäßes Werkzeug kann u. U. mehr kaputt- als gutgemacht werden. Nicht umsonst sagen Kritiker: „Der Herr da oben mag ja ganz recht sein, aber sein Bodenpersonal . . .“ Eine missionarische Gemeinde wird deshalb auf größtmögliche Übereinstimmung mit ihrem Herrn bedacht sein, sowohl im Leben und Dienst des einzelnen wie der ganzen Gemeinde. „Miteinander unter demselben Meister!“ Um zur Übereinstimmung mit ihm zu gelangen, müssen wir ihn genau und immer wieder anschauen. Damit ist der erste Hauptpunkt angesprochen: 1. Wer ist dieser Meister, der uns in seinen Dienst stellt? Wer ist der, der sich das leisten kann, mit fragwürdigen Mitarbeitern sein Werk zu verrichten? Aus der unerschöpflichen Fülle dessen, was über diesen Meister zu sagen wäre, greife ich dreierlei heraus: a) Er ist der, der sein Leben für uns gab Unter solch einem Meister kann man leben und arbeiten. Meister und Vorgesetzte in einem Betrieb können ihre Untergebenen überfordern. Sie können sie plagen und schikanieren. Das tut unser Herr nie. Dazu hat er uns viel zu lieb. Der, der sein Leben für uns gab, kann uns nichts Böses wollen. Er hat ein für allemal bewiesen, wie gut er es mit uns meint. Diesem Herrn gehören und dienen zu dürfen, ist wahrlich ein edler Stand. Darum wollen wir ihm gehorsam folgen. Darum wollen wir willige Knechte und Werkzeuge sein. b) Er ist der, der uns sein Beispiel gegeben hat Er, der Meister, ist Diener aller geworden. Er hat sich den Schurz umgebunden und seinen Jüngern die Füße gewaschen. Er war sich selbst für den geringsten Sklavendienst nicht zu schade. Er ging an den Verachteten und Elenden nicht vorüber. Bei einem Gauner wie Zachäus kehrt er ein. Von einer moralisch fragwürdigen Frau wie der Samariterin am Jakobsbrunnen läßt er sich einen Erfrischungstrank reichen. Einem einsamen Siechen schenkt er Gesundheit und neue Zukunft. Von seiner suchenden Retterliebe wollen wir uns anstecken lassen. Sein Beispiel will und kann uns motivieren zu aufopferndem Dienst. c) Er ist der, der begabt und beauftragt Ohne uns käme unser Herr gewiß leichter zum Ziel. Genügend „dienstbare Geister“ stehen ihm zur Verfügung. Dennoch will er auf uns nicht verzichten. Jeder Chef ist darauf bedacht, die qualifizierten Mitarbeiter zu bekommen. Unser Herr stellt auch die größten Nieten ein. Er fragt nicht nach dem Notendurchschnitt, sondern nach der Bereitschaft zum und der Treue im Dienst. Wer sich von ihm beauftragen und senden läßt, den begabt er audt. Ja, er selbst ist es, der in den Seinen und durch sie wirkt. So kann Paulus sagen: „Ich vermag alles durch den, der mich mächtig macht, Christus (Phil 4, 13), und an die Epheser (2, 10) schreibt er: „Wir sind sein Werk, geschaffen in Christo Jesu zu guten Werken, welche Gott zuvor bereitet hat, daß wir darin wandeln sollen.“ Welch eine Entlastung und Befreiung: Ehe wir Hand anlegen, ist das Eigentliche schon geschafft. Welch ein Herr, der selbst die Arbeit tut und uns dabei mitnimmt! Kann es etwas Größeres geben, als diesem Meister dienen zu dürfen? 2. Wer sind die Mitarbeiter, die er gebrauchen will? Auch hierüber wäre vieles zu sagen. Manches klang schon an: Es sind Menschen, bei denen oft mehr Grenzen als Gaben sichtbar werden. Es sind Menschen, mit Fehlern behaftet, die eher dazu neigen, sein Werk zu zerstören, statt zu bauen. Lassen Sie mich hier nur zwei Dinge betonen: a) Es sind die, die geistlich arm sind Die beste Voraussetzung dafür, Mitarbeiter Jesu sein zu können, ist die Hilflosigkeit, das Wissen darum, daß ich nichts weiß, nichts kann und nichts bin. Gott liebt die leeren Hände und die leeren Herzen. Solche geistliche Armut darf aber nicht mit Resignation verwechselt werden. Davon haben wir genug in unseren Tagen, auch in unseren Gemeinden und Gemeinschaften. Zu oft hört man Christen sagen: „Da kann man halt nichts machen.“ Oft geht es dabei um das eigene Leben nach biblischen Maßstäben, das nicht gelingen will, oder es geht um unsere missionarischen Bemühungen, die scheinbar erfolglos bleiben. Viele haben sich dadurch entmutigen lassen und die Waffen gestreckt. Man kann halt nichts machen — gegen die eigene Schwäche und gegen die Gleichgültigkeit und Gottlosigkeit der anderen. Geistliche Armut weiß zwar darum, daß wir nichts machen können. Sie weiß aber ebenso, daß der große Meister alles kann. Zu dem früheren Evangelisten und Leiter der EC-Zeltmission, Bruno Draeger, kam eines Tages die vierjährige Tochter während einer Besprechung mit ihrer Puppe ins Arbeitszimmer gestürmt. Den Kopf hielt sie in der einen, den Rumpf in der anderen Hand. Mit den Worten: „Papa, mach die bitte wieder ganz“, legte sie die Trümmer auf Vaters Schreibtisch, um das Zimmer gleich wieder zu verlassen. „Das kann dein Papa doch gar nicht“, rief der Bekannte ihr nach. Entrüstet drehte sie sich um und sagte beim Hinausgehen: „Übrigens, mein Papa kann alles!“ Mehr noch als ein vierjähriges Kind seinem Vater dürfen wir unserem Vater im Himmel und seinem Sohn Jesus Christus Zutrauen. Für ihn gibt es kein Unmöglich. Nicht umsonst ist der Missionsbefehl in Mt 28 umschlossen von zwei wunderbaren Verheißungen: „Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden“, und „Siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende!“ Mit diesen beiden Zusagen können auch Bettelarme leben und wirken. b) Es sind die, die brüderliche Ergänzung und Korrektur brauchen In Jesus Christus sind geistlich Arme unendlich reich. Aber er gibt seinen Reichtum oft nicht direkt, sondern über den Bruder oder die Schwester. So wie in der Ehe der eine Partner nicht Ganzes ohne den anderen ist, so auch in der Gemeinde. Ein Glied ist auf das andere angewiesen. Denn Gott verteilt seine Gaben unterschiedlich. Der Reichtum seiner Gaben ist nicht den einzelnen verheißen, sondern nur der ganzen Gemeinde „zu gemeinem Nutzen“ (1. Kor 12, 7). So wie Gott durch die Gaben der anderen auch mich bereichern will, so soll auch ich mit meinen Gaben den anderen dienen. An zwei Spannungsfeldern möchte ich noch aufzeigen, wie wir Ergänzung und Korrektur brauchen: Da ist der Generationenkonflikt. Da sind die Älteren mit ihrem reichen Schatz an Erfahrung. Und da sind die Jungen, die sich nicht nach rückwärts orientieren, sondern vorwärts drängen und neue Wege gehen wollen. Da, wo die Generationen bewußt für sich bleiben, führt das zur Verarmung und Erstarrung oder zu geistlichen Fehlentwicklungen. Was aber kann geschehen, wenn die Jungen auf die Erfahrungen der Älteren hören und die Älteren sich durch den Tatendrang und Wagemut der Jungen selbst in Bewegung halten lassen. Da kann die natürliche Spannung, wie sie nun einmal zwischen den Generationen da ist, in fruchtbare, gesteuerte Energie umgewandelt werden. Oder ich denke an das Spannungsfeld Kirche — Gemeinschaft. Die Deutsche Gemeinschaftsbewegung hat von Gott ihre Platzanweisung innerhalb der evangelischen Landeskirche erhalten. Das bejahen wir bewußt und wollen es auch nicht ändern. Theodor Haarbeck, einer der Väter des Gnadauer Gemeinschaftsverbandes, hat es so ausgedrückt: „Die Gemeinschaftsbewegung will die offizielle Kirche nicht ersetzen, sondern ihren Dienst ergänzen durch Gemeinschaftspflege und Evangelisation.“ Dazu brauchen die Gemeinschaften den nötigen Freiraum. Der alte Grundsatz: „In der Kirche, soweit wie möglich mit der Kirche, aber nicht unter der Kirche“, hat nach wie vor seine Gültigkeit. Da ist es nur konsequent, wenn die Gemeinschaftsbewegung eigene Strukturen, eigene vollzeitliche Mitarbeiter und eigene Versammlungsräume hat und — oft auch parallel zur Kirchengemeinde — eigene Kinder- und Jugendarbeit betreibt. Wo aber eine solche selbständige Organisation innerhalb einer anderen besteht und wirkt, bleiben Reibungsflächen nicht aus. Lassen Sie mich einige Reibungspunkte nennen. Dabei will ich von dem geistlichen Notstand in vielen Kirchengemeinden gar nicht reden. Darunter leiden ja nicht nur die Gemeinschaftsleute, sondern die ganze Gemeinde, wenn auf der Kanzel nur politische Predigten zu hören sind, wenn nur vom Frieden auf Erden, und nicht mehr vom Frieden mit Gott gesprochen wird. Auch wo vor Ort das Wort Gottes biblisch klar verkündigt wird, machen uns Gemeinschaftsleuten manche Dinge not: — Manche Pfarrer tun sich schwer, selbst, wenn sie uns geistlich nahestehen, sich zu den Gemeinschaftsleuten zu bekennen und ihr missionarisches Bemühen zu unterstützen. Wir wollen doch keine Konkurrenz, sondern Unterstützung sein. Und gehören nicht oft die Gemeinschaftsleute zu den treuesten Gottesdienstbesuchern und Betern? — Welchen Stellenwert haben Mission und Evangelisation in unseren Kirchengemeinden? Haben die vielerlei Aktivitäten von der Jugendarbeit bis zu den Altenklubs das eine Ziel, Menschen durch Buße und Bekehrung zu Jesus Christus zu gewinnen? Oder ist man offen für alles? — Warum grenzen sich unsere Kirchen und Kirchenleitungen nicht deutlicher ab gegen falsche Lehren und Lebensweisen? Warum hört man so wenig biblisch klare Unterweisung in ethischen Fragen, warum so wenig eindeutige Stellungnahmen zum Beispiel gegen die Ehe ohne Trauschein und gegen den Schwangerschaftsabbruch? — Wohin geht der Weg der Genfer Ökumene? Werden hier Glaube und Ideologie, Christentum und Religion miteinander vermischt? Wenn das Bemühen um eine Kursänderung in Genf keine Früchte zeitigt, müßte man dann nicht die Mitgliedschaft ruhen lassen? Aber auch wir Gemeinschaftsleute müssen uns Fragen gefallen lassen: — War unsere Kritik an der Kirche nicht oft lieblos? Oder sprach aus ihr das Mitleid an den Nöten unserer Volkskirche? Haben wir das unsere getan, der Kirche geistliche Impulse zu geben? Oder haben wir uns nicht auch manchmal in den Schmollwinkel zurückgezogen? — Sind wir noch geistlich lebendige und fruchtbare Zellen innerhalb der Kirche? Haben wir bei unserer Arbeit das Ganze im Auge oder sind wir nur auf unser eigenes Süppchen bedacht? Haben wir allem Trend zur Separation gewehrt? — Ist die Gemeinschaftsbewegung noch eine missionarische Bewegung? Oder haben wir uns in unseren vier Wänden zur Ruhe gesetzt und lassen uns an uns selbst genügen? Treiben uns noch das brennende Herz für Jesus und die suchende Retterliebe an Hecken und Zäune oder leben wir in einem frommen Ghetto? Haben wir noch genügend Kontakt zu den Menschen unserer Zeit? Wer Menschen aus der Welt gewinnen will, braucht Kontakt zu eben diesen Menschen. Das muß und darf nicht zu einer Anpassung führen. Nachgehen durch Nachgeben ist eine schlechte Parole. Das sind nur einige Fragen, die uns im Miteinander von Kirche und Gemeinschaft bewegen. Von beiden Seiten könnten sie gewiß ergänzt werden. Wichtig ist, daß wir diesen Fragen auf beiden Seiten standhalten und sachlich miteinander darüber reden. Ich freue mich, daß das sowohl auf EKD-Ebene als auch hier in Württemberg geschieht in den Gesprächen zwischen Kirchenleitung und Pietismus. In brüderlicher Atmosphäre werden Nöte und Reibungspunkte angesprochen, ohne daß eine Seite die andere verurteilt. Man spürt: Wir wollen ja miteinander, wenn auch an unterschiedlichen Plätzen und mit teilweise unterschiedlichen Methoden, das Evangelium treiben. Dabei wissen wir: Die Gemeinschaftsbewegung braucht die Kirche, sonst gerät sie in die Isolierung und übersieht zu leicht die Gefahr einer falschen Engführung. Umgekehrt braucht die Kirche die Gemeinschaft. Die Gemeinschaftsbewegung kann ihr helfen, das Wesentliche, die Rettung des Menschen vom ewigen Verderben, nicht aus dem Auge zu verlieren. Zu wünschen und hoffen wäre, daß dieses Bewußtsein sich bis in die letzten Winkel vor Ort durchsetzt: Wir brauchen einander, denn wir brauchen Korrektur und Ergänzung. Miteinander unter demselben Meister! Wir haben gefragt: wer ist dieser Meister, der uns in Dienst stellt? Und wer sind die Mitarbeiter, die er gebrauchen will? Und dabei sind wir auf Spannungsfelder unter verschiedenen Mitarbeitern eingegangen. Zum Schluß stellen wir uns noch die Frage: Wie kann es zu einem echten Miteinander kommen? Pfarrer Siegfried Kettling von der Ev. Missionsschule Unter-weissach sagte einmal im Blick auf die Ehe: „Die Gemeinschaft zwischen Mann und Frau lebt nicht davon, daß die zwei sich andauernd staunend und verliebt anschauen. Die Ehe lebt vielmehr davon, daß die zwei miteinander in die gleiche Richtung schauen, auf den gemeinsamen Herrn und auf ein gemeinsames Ziel.“ Wieviel mehr gilt das vom Miteinander in der Gemeinde und im Dienst unseres Herrn! Wenn wir uns dauernd gegenseitig anschauen, werden wir allzuleicht neidisch, weil wir beim anderen Gaben und Möglichkeiten entdecken, die wir bei uns vermissen: eine großartige Begabung, jugendliche Frische oder reiche Erfahrung. Die Gemeinschaft sieht bei der Kirche größere Mittel und Möglichkeiten. Die Kirche könnte die Gemeinschaft um geistlich qualifizierte Mitarbeiter beneiden. Oder wir werden stolz, weil wir nur sehen, was der andere falsch macht und was uns besser gelingen könnte. Der eine ist zu unbeweglich und einseitig, der andere nicht biblisch zentral genug. Der eine zu forsch, der andere zu bedächtig. So kritisieren wir einander und verdächtigen uns gegenseitig falscher Grundhaltung und Motive, um uns selbst damit nur zu bestätigen. Auf diesem Wege kommen wir nicht zu einem fruchtbaren Miteinander. Wir müssen lernen, von uns weg auf den einzigartigen Meister zu schauen. Die Konzentration auf Jesus, den gemeinsamen Herrn und Auftraggeber macht ein Miteinander möglich. Wo wir ihn als unseren gemeinsamen Erlöser und Herrn anerkennen, ihm nachfolgen und dienen, da wachsen wir auch untereinander zusammen. Er ist das Haupt, das alle Glieder miteinander verbindet und zusammenhält. Er ist aber auch das Haupt, die Kommandozentrale, die jedem Glied entsprechend seiner Gaben den Dienst zuweist. Er stellt jeden an den rechten Platz. Er überfordert keinen. Und wo ich an meine Grenzen komme, da stellt er mir den Bruder an die Seite, der das kann, was ich nicht schaffe, und wer mich wieder an einer anderen Stelle braucht. Das Miteinander unter demselben Meister wird so zu einem fruchtbaren Miteinander für denselben Herrn. Friedhelm Böker Erfahrungen in Missionarischer Jugendarbeit Irgendwo in einer größeren Stadt in Deutschland: Das TEE-Mobil von „Jugend für Christus“ rückt mit 8 Mitarbeitern an. Auf Einladung einer Gemeinde wollen wir mit einigen örtlichen Mitarbeitern eine Jugendwoche veranstalten. Zwei Nichtseßhafte kommen ab und zu in den als Teestube umgebauten Bus — neben meist jugendlichen Besuchern. Es gibt viele Gespräche und tatsächlich kommt einer der beiden zum Glauben an Jesus Christus. Die Gebete vieler Christen wurden sichtbar erhört. Die Freude war natürlich groß. „Wohin gehst Du?“ Unter diesem Thema warben wir vor einigen Jahren vom Jugendbund EC Plochingen für zwei „offene Abende“. Vorbereitungen wurden getroffen: Einladungen erarbeitet, Getränke und Knabbereien besorgt, um bei Nachgesprächen nicht so ohne dazusitzen. Wir gingen in viele Häuser, um Jugendliche einzuladen. Wir hatten Erwartungen. Der damalige EC-Bundeswart hatte zugesagt, die Predigt zu halten. Außerdem hatten wir einen Film besorgt, der auch im Jugendhaus gezeigt wurde. (Leider war er schon älter und die Kopie war auch nicht mehr die beste.) Das Echo von den Besuchern war fast gleich null (an einem Abend kamen zwei, am anderen niemand). Wir waren ziemlich enttäuscht und haben seither nichts in dieser Richtung mehr unternommen. Zwischen diesen beiden Beispielen liegen meine Erfahrungen in missionarischer Jugendarbeit. Wo und wie ist sonst noch missionarische Jugendarbeit möglich? Ich denke zunächst innerhalb eines Jugendkreises. Ich wünsche mir mehr Mut und Initiative, um auf andere zuzugehen. Es ist mir wichtig, andere einzuladen, unserm HERRN Jesus ganz nachzufolgen. Das kann im Gruppengespräch sein oder wenn sich ein Einzelgespräch ergibt. Manchmal denke ich, daß alles Reden umsonst ist, weil sich im Leben derer, die nur mitlaufen, nichts tut. Rede ich zuviel und begleite ich den anderen zuwenig? Was ist mit denen, die einmal in unserem Kreis waren und jetzt nicht mehr kommen? Wenn es dazu kam, war bestimmt nicht nur eine Seite schuld. Missionarisches Leben und Gebet hängen eng zusammen. Einige Male fand bei uns keine Gebetsgemeinschaft statt, weil eben niemand kommen konnte oder wollte. In den letzten drei Wochen hat sich ein Aufschwung gezeigt — ob er anhält? Wenn Gott uns Mitarbeiter in Bewegung bringt, dürfen wir auch für andere hoffen. Allgemeine missionarische Arbeit eines Jugendkreises Damit meine ich Dienste bzw. Aktivitäten, die nicht speziell auf Jugendliche ausgerichtet sind. 1. Krankenhaussingen Es ist fast eine Angewohnheit zu nennen, daß wir schon seit vielen Jahren einmal im Monat im Plochinger Krankenhaus singen. Nach einer kurzen Wortbetrachtung und Gebetsgemeinschaft ziehen wir los, mit Gitarre, Liederbüchern und Schriften „bewaffnet“. Nach zwei bis drei Liedern auf einer Station gehen wir meist zu zweit in die Zimmer, um Patienten und Besuchern Schriften dazulassen. Es ergaben sich hier und da längere und gute Gespräche. 2. Hausbesuche Einen kleinen Teil unserer Stadt haben wir so mit dem Evangelium schon erreicht. Wir melden uns ein paar Tage vorher mit Einladungsschreiben an (nicht zuletzt, um uns gegen Sekten abzugrenzen). Die Teilnehmerzahl ist unterschiedlich: anfangs waren wir sechs bis sieben, bei den letzten Malen nur drei oder vier. Man kann sicher fragen, ob das das Richtige für einen Jugendkreis ist. Von Haus zu Haus gehen ist nicht jedermanns Ding — wir wollen auch niemand zwingen, mitzugehen. Dennoch: besser als gar nichts. Sichtbare Ergebnisse sehen wir noch keine, wenn wir auch schon gute Gespräche führen konnten. Missionarische Arbeit unter Jugendlichen Unser Jugendbund beteiligte sich mit CVJM, Methodisten und der Gesamtkirchengemeinde an einer Jugendevangelisation vom 3. bis 9. 12. 1984. Nach fast zweijähriger Vorbereitung startete die „Tour ins Leben“. An den sechs Abenden kamen ca. 250—300 junge Leute in die Stadthalle. „Leben — Lust oder Frust“, „Glaube — eine Fata Morgana“ waren zwei der Themen. Soweit ich weiß, fingen vier junge Menschen die „Tour ins Leben — mit Jesus“ an. Durch die lange Vorbereitung ergab sich ein gutes Kennenlernen und eine gute Gemeinschaft im Vorbereitungskreis. Bei einigen wurde der Wunsch wach, sich in diesem Kreis weiter zu treffen. Das geschah auch — allerdings schrumpfte die Teilnehmerzahl ziemlich. Doch das muß ja nicht so bleiben. Ein weiteres Ergebnis dieser Jugendwoche war die Bildung eines Hauskreises für junge Leute im CVJM. Unser HERR Jesus Christus ist nicht nur Anfänger unseres Glaubens, sondern auch von missionarischer Arbeit jeglicher Art. Mir wurde das in meiner Heimatgemeinde besonders deutlich. Unser Gemeindepfarrer fragte vor über 2V2 Jahren eine Erzieherin, ob sie einen Bibelgesprächskreis für junge Leute anfangen will. Auf ihr Gebet hin fand sich noch ein Mitarbeiter aus dem Jugendbund, damit war der Weg geebnet. Einer der Teilnehmer kam, weil er eingeladen wurde — durch einen Zettel im Briefkasten. Dieser junge Mann ist für mich ein großes Beispiel der Kraft Jesu Christi geworden. Mit der Zeit fand ich auch Zugang zu diesem Hauskreis und erlebte, wie junge Menschen verändert wurden und das Interesse an Gottes Wort wuchs. Inzwischen ist diese Erzieherin meine Frau und der „Bibelgesprächskreis für junge Leute“ findet seit unserer Hochzeit in unserer Wohnung statt. Wir wollen nun in nächster Zeit die Konfirmanden der letzten zwei Jahrgänge besuchen und sie einladen. Am 19. 5. gestalteten wir einen Abendgottesdienst zum Thema „Wege". Leider war die Resonanz nicht so groß — trotzdem gibt es keinen Grund zur Resignation. Was unser HERR begonnen hat, wird ER auch weiterführen und zu einem guten Ende bringen. Zum Schluß komme ich noch einmal an den Anfang zurück — und damit zu Erfahrungen aus der TEE-Mobil-Arbeit. In den Jahren 1977 bis 1981 machte ich im Urlaub einige Einsätze mit. Im ersten Einsatz hatten wir jeden Abend lange Gespräche mit Mitgliedern einer „Motorradgruppe“, wie wir sie nannten. Sie kamen anfangs zwar nur wegen des kostenlosen, heißen Tees, doch mit der Zeit bekamen die Gespräche Tiefgang. Am letzten Abend sagte einer von ihnen: „Ich glaube, ich werde auch einmal Christ.“ Es würde mich sehr interessieren, was aus ihnen allen geworden ist. In einer Kleinstadt begann nach einem Einsatz ein Jugendkreis, den ein Mitarbeiter aus der Kirchengemeinde anfing. IV2 Jahre spä- ter hatte ich Gelegenheit, diesen Kreis zu besuchen, weil ich mich gerade in der Nähe aufhielt. Es war gut, einige Bekannte wiederzusehen. Ein junger Mann, mit dem andere und auch ich Gespräche geführt hatten und für den wir viel gebetet hatten, war in der Zwischenzeit ums Leben gekommen. Ob er noch an Jesus gläubig geworden ist? Freuden und Enttäuschungen erlebte ich in missionarischer Jugendarbeit. Es fiel mir leicht, das Frohmachende aus Gottes Hand zu nehmen — doch auch Enttäuschungen haben ihren Sinn. Gottes Zeit ist manchmal eine andere, wie ich es mir wünsche. Ich will, so gut es geht, weitermachen — nicht nur durch besondere Aktionen, sondern gemeinsam mit meinen Geschwistern aus dem Jugendbund und Bibelgesprächskreis bzw. Allianz „aus dem Glauben heraus, der durch die Liebe tätig ist“. Joachim Seule Wie wird mein Leben geistlich fruchtbar? Aus der Fülle der Aufgaben, die Gott mir aufgetragen hat an dem Platz, den er mir zugewiesen hat, will ich drei herausgreifen: Es ist der Zeugendienst in der Familie, in der Gemeinde und am Arbeitsplatz. Als Zeuge Jesu Christi darf in diesen Bereichen unerschrocken sagen, was mein Herz in Jesus fand. a) In der Familie Ich bin dankbar, daß ich im Kreise der Familie die Segnungen Gottes erfahren darf. Hier zeigt sich am deutlichsten, ob ich das Gebet der Christusliebe ernstnehme, die Nächstenliebe praktiziere und bereit bin, Eigeninteressen zurückzustellen. Und ich will bezeugen: „O selig Haus, wo man dich aufgenommen du wahrer Seelenfreund, Herr Jesu Christ!“ Jungen Paaren, die sich auf den Ehestand vorbereiten, gebe ich gerne den Ratschlag: Nehmt als Grundlage eurer Ehe und Familie 1. Kor. 13. Diesen Rat möchte ich gerne uns allen mitgeben. Jesu Liebe trägt auch unter widrigen Verhältnissen. b) Am Arbeitsplatz Es ist mir ein besonderes Anliegen, daß auch die Menschen, mit denen ich an meinem Arbeitsplatz zusammengeführt werde, das Zeugnis von Jesus Christus in Wort und Tat erfahren. Gib mir Umsicht, Ruhe und Klarheit. Ich habe an meinem Diensttelefon für den Ernstfall das Gebet angebracht: „Herr, sei mir jetzt nahe — und dem Betroffenen. Gib mir Umsicht, Ruhe und Klarheit. Laß mich das Nötige überlegt, rasch und entschieden sagen. Du rufst mich zum Helfen und Trösten. Schenke mir Kraft dazu, in Jesu Namen. Amen.“ In den Sitzungen und Besprechungen, in den Auseinandersetzungen des Alltags ist mir wichtig, daß Menschen durch mein Tun und Lassen, durch mein Reden und Schweigen erfahren, wer mein Herr ist: Jesus Christus! Eine feine Möglichkeit sehe ich auch im Anbieten von guter christlicher Literatur, durch Briefe zu freudigen oder traurigen Anlässen und vor allem in Gesprächen. Es tut gut, wenn hin und wieder ein Echo kommt: Es war das rechte Wort zur rechten Zeit! Wir wissen durch das Wort Gottes, daß es für Hohe und Niedrige, für Junge und Alte, für Gesunde und Kranke nur einen Weg zu einem sinnerfüllten Leben — auch bei unerfüllten Wünschen — gibt, und dieser Weg heißt Jesus Christus. Natürlich erfahren wir damit nicht nur Zustimmung! Aber diese Erfahrung habe ich sehr wohl gemacht: Wenn Menschen in innerer Not sind, gehen sie nicht zu denen, die Sprüche klopfen, sondern zu denen, die mit ihnen beten können und mit ihnen nach Hilfe suchen — Hilfe suchen bei dem, der allein helfen kann. c) In der Gemeinde Meine Frau und ich sind uns einig, daß wir die Zeit und die Gaben, die uns der Herr gibt, zum Bau seines Reiches nutzen wollen. Sei es in der Gemeinschaftsarbeit, im Jugendkreis, im Lektorendienst, in der Kinderstunde oder in der Blättermission. Gott schenkt viele Möglichkeiten, missionarisch zu wirken. Wir haben unsere geistliche Heimat in der Süddeutschen Vereinigung. In unserem Haus haben wir auch einen missionarischen Hauskreis, wozu wir Menschen einladen, um miteinander den Weg zu suchen und zu finden. Wir erleben das Wunder, wie Irrungen entwirrt werden, Verirrte zurückfinden und Betrübte wieder zur Freude kommen. Wie wird unser Leben geistlich fruchtbar? Wir können es nicht machen! Aber wo wir Gottes Vergebung im Glauben annehmen, uns Freude an seinem Wort schenken lassen, uns nicht an der Niedrigkeit seiner Gemeinde stoßen, da läßt er uns die Freude in seinem Dienst erleben. Das ist dann eigentlich nichts besonderes, sondern normales Christendasein. Herbert Bauer Darum werden wir nicht müde Vor kurzem war ich in einer Autowerkstätte. Ganz intensiv wurde an verschiedenen Plätzen gearbeitet. Lärm und Staub erfüllten die Halle. Ob Termine gehalten werden mußten? Jedenfalls waren die meisten konsequent und zielstrebig bei der Sache. Dazwischen aber ruhten sich einige aus. Waren sie müde geworden? Brauchten sie eine Schnaufpause, um dann wieder weitermachen zu können? Oder hatten sie einfach genug? — Als sie dann aber den Chef in die Halle kommen sahen, waren sie alle eifrig am Werk. Was ich in jener Werkstatt gesehen hatte, stand mir als Bild vor Augen, als ich an das Thema dieses Tages dachte: In der Werkstatt Gottes. — Im Dienst an der Gemeinde. Und doch müssen hier ganz andere Akzente gesetzt werden. Der Apostel Paulus denkt groß von dem Dienst, in den der lebendige Herr Jesus Christus seine Gemeinde berufen hat. Aber er redet nicht dem nimmermüden, pausenlosen Schaffen das Wort. Sein Antrieb ist nicht zuerst der ständige Blick auf das noch Unerledigte und auch nicht der Gedanke, daß der Herr von ihm Rechenschaft fordern wird. Was ihn treibt, ist Gottes große Barmherzigkeit: „Weil wir einen solchen Dienst haben, zu dem wir begnadigt worden sind, werden wir nicht müde“ („. . . verzagen wir nicht“ — 2. Kor 4, 1). Sagen wir es also ganz deutlich: Der Dienst der Gemeinde bekommt nicht sein Gepräge durch das, was die Dienstleute mitbringen, was sie können oder leisten, sondern durch die unumstößliche Tatsache: Gott hat uns Gnade erwiesen, indem er uns in seinen Dienst genommen hat. Das also ist der Adel, der auf allem Wirken der Christen in der Gemeinde und in der Öffentlichkeit liegt: Sie sind vom lebendigen Gott beauftragt. Sie stehen in seinem Dienst. Sie treiben sein Werk (1. Kor 15, 58; 2. Kor 4, 1—6). Und doch soll die Frage an den Apostel gerichtet sein: Paulus, kennst du das denn nicht, daß sich dir Widerstände in den Weg stellen? Daß Menschen dich enttäuschen? Daß die Arbeit zu schwer und der Auftrag zu verantwortungsvoll werden will? Paulus, ist das nicht manchmal zum „Drauslaufen“? Zum Verzagen? Nein, sagt Paulus, das ist es deshalb nicht, weil es sich da um das „Werk des Herrn“ handelt. Darum „verzagen wir nicht“; denn wir mühen uns ja „nicht vergeblich“! Genau das aber ist der Punkt, an dem manchen unter uns der Dienst schwer werden will. Wir denken dann, wir arbeiteten „vergeblich“ und all unser Mühen hätte keinen Wert. — „Das ist Sisy-phus-Arbeit“, sagen wir — und möchten am liebsten aufgeben. Wissen wir, was wir dabei sagen? Sisyphus gehört in die Sagenwelt der Griechen. Weil er die Götter gegen sich aufgebracht hatte, war er dazu verurteilt, einen großen Felsblock einen steilen Berg hinaufzuwälzen. Mit aller Kraft mühte er sich ab; endlich war der Gipfel in Sicht. Aber so oft er wähnte, am Ziel zu sein, verlor er das Felsstück aus seiner Gewalt und es rollte wieder den Berg hinunter. Von neuem begannen seine Anstrengungen — unaufhörlich — tagaus, tagein. Nein, damit kann unser Dienst nicht verglichen werden. Wir stehen nicht im Dienst irgendeiner Macht, die sich an unseren Qualen ergötzt. Wir stehen im Dienst des Herrn, der das beste für uns gewollt hat und will. Er hat sein eigenes Leben für uns gegeben und uns zuerst gedient (Mark 10, 45). Wenn Jesus Christus uns in seinen Dienst nimmt, dann will er uns damit nicht beladen, sondern adeln. Wir tun unseren Dienst „in dem Herrn“, sagt Paulus. Damit erinnert er an das Vorrecht, daß Christen durch den Glauben fest mit Jesus Christus verbunden sind. Bei ihm ist die Quelle ihrer Kraft. Sein Auftrag ist maßgebend für ihr Wirken. Seine gnädige Zuwendung befähigt sie zum guten Werk und selbstlosen Einsatz (Tit 2, 11 — 14). Fassen wir die Gute Nachricht dieses Tages zusammen: Wer durch Jesus Christus mit Gott versöhnt ist, kann zum „Botschafter der Versöhnung“ werden. Wer durch den Glauben Eigentum des lebendigen Gottes ist, wird in seiner Gemeinde fleißig und unverdrossen mithelfen wollen. Wer zu Jesus als dem „einen Meister“ gehört, wird mit anderen „unter demselben Meister“ wirken. Und über allem leuchtet als Verheißung und Gewißheit — „nicht vergeblich“! „Nicht vergeblich“ ist der Dienst in der Gemeinde, in der Sonntagschule oder in der Jungschar, im Mütterkreis oder in der Literaturarbeit. „Nicht vergeblich“ ist, was wir in Liebe dem Nächsten als Trost zusprechen oder als Hilfe erweisen. „Nicht vergeblich“ sind die Schritte, die wir auf den Verzagten zugehen. „Nicht vergeblich“ ist das Zeugnis, das wir weitersagen in der Familie oder in der Nachbarschaft, am Arbeitsplatz oder in der Schule. Weil „nicht vergeblich“ ist, was wir im Namen und Auftrag des Herrn Jesus Christus tun, „darum werden wir nicht müde“, „darum verzagen wir nicht“! Kkus Haag öffentliche Verantwortung Selbstvertrauen trägt nicht 2. Korinther 1, 8—11 Der Umgang mit Menschen, die ein übertriebenes Selbstbewußtsein haben, ist problematisch. Man fühlt sich gegenüber einem, der ein übertriebenes Selbstbewußtsein hat, an die Wand gedrängt. Aus dem Gefühl der Unterlegenheit heraus wird häufig zurückgeschlagen oder Rache geübt. Ein gesundes Selbstvertrauen dagegen ist eine gute Sache. Der Mensch braucht es. Fehlt ein solches Selbstbewußtsein, dann ist der Mensch befangen, unsicher, gehemmt. Es ist schwer, mit ihm auszukommen. Mancher Ehegefährte kann davon ein Lied singen; mancher Kollege; mancher Christ in der Gemeinde. Der Herr Jesus Christus will uns durch den Glauben vor beidem bewahren: Vor einem übertriebenen und vor einem fehlenden Selbstvertrauen. Der wiedergeborene Christ kann als ein an Geist, Seele und Leib völlig Erneuerter mit einem gesunden Selbstvertrauen leben. Das heißt, er wird Gott die erste Stelle in seinem Denken und Leben einräumen und seinen Nächsten lieben wie sich selbst. In den Ländern der westlichen Welt ist es in den letzten anderthalb Jahrzehnten Mode geworden, zur Selbstverwirklichung aufzurufen. In vielen Fällen führt diese Selbstverwirklichung zu einem übersteigerten Selbstvertrauen, zu einem überzüchteten Selbstwertgefühl. Das aber ist etwas zutiefst Unchristliches. Der vorliegende Schriftabschnitt macht deutlich, daß sogar etwas — das an und für sich nicht negativ ist, nämlich ein gesundes Selbstvertrauen — in Frage gestellt werden kann. Paulus schildert sich in diesem Kapitel als einen, dem das letzte bißdien Selbstvertrauen genommen wurde. Wir wollen über diese seine Erfahrung sprechen und darüber, was sie uns zu sagen hat: 1. Glaube wird bedrängt 1.1 Über die Maßen beschwert Dem Paulus widerfuhr Bedrängnis in der Provinz Asien. Es wird nur gesagt, daß er in schwierige Verhältnisse geriet, nicht welcher Art diese Bedrängnis war. Die Schriftausleger haben keine einhellige Meinung. (1) Tertullian meinte, Paulus könnte an den Kampf mit den wilden Tieren in Ephesus gewesen sein (1. Kor 15), 32). (2) Ein anderer erinnert an die 5 x 39 Geiselhiebe (1. Kor 11, 24). (3) Wieder ein anderer denkt, es könnte der Aufruhr im Theater von Ephesus gewesen sein (Apgl9,28 ff.). Die ganze Volksmenge richtete sich damals gegen Paulus und seine Gefährten. (4) Waren es die Nachstellungen der Juden, als er nach Syrien wollte? (Apg 20, 3. 19) oder (5) sprach er von seiner Krankheit? Jedenfalls war es eine Bedrängnis, die über die Maßen beschwerte; eine Bedrängnis, die über die Kraft ging. In dieser Schilderung — so traurig sie eigentlich ist, liegt dennoch etwas Trostreiches. Wer von uns wäre nicht schon in eine Situation gekommen, die ihn seufzen ließ: „Es ist alles aussichtslos . . .“ Dabei ist besonders angefochten, wer sich sagen muß, er sei in diese oder jene Situation wegen seines Glaubens geraten. So hörte ich von einer Theologin, die nach einigen Ehejahren, nachdem dem Ehepaar drei Kinder geschenkt worden waren, zum lebendigen Glauben an Jesus Christus kam. Der Ehemann hatte eine andere theologische Position. Die unterschiedliche Ansicht beider führte sie so auseinander, daß es zu einer Trennung kam. Welch eine Bedrängnis! 1.2 Nicht zu ertragen „Die Last, die ich zu tragen hatte, war so groß, daß es über meine Kraft ging . . .“ (V. 8). — So schwer können Lasten drücken! Wir denken aber auch an die Last der Verantwortung: Erziehung, Leitung, Rechtsprechen. Wir sprechen von der Last der Entscheidung: Bei Eheleuten, bei Betriebsleitern, bei Ärzten. Und dann ist da die Last des andern (Gal 6, 2), seine Fehler, seine Mängel, seine Sünden. — Wie oft könnte man sagen: „Es ist nicht zu ertragen . ..“ Aber nun hier. Paulus ist persönlich gefordert, bis zum Letzten „. . . so daß wir auch am Leben verzagten“ (V. 9). Ist es nicht wirklich so, daß dieses ehrliche Eingeständnis des Apostels noch nach Jahrtausenden tröstet? Welche der schon zuvor genannten Ursachen nun auch tatsächlich Anlaß der Beschwernis war (vermutlich wird es die Verfolgung gewesen sein, die ihm zu schaffen machte), Paulus bricht fast darunter zusammen. Das Leid, das Gott ihm zumutet, überschreitet alles Maß. Wer von uns kann wohl mit Paulus fühlen? Wer war schon in einer ähnlichen Bedrängnis? Wir sind ja nicht verfolgt. Man belächelt unseren Glauben höchstens. Dennoch: Mancher von uns hat Lasten zu tragen, die fast erdrücken. Ich denke an Menschen, die unter einem ungläubigen Ehepartner leiden oder unter einem süchtigen Familienangehörigen, oder denen eigene Krankheit zu schaffen macht, oder die lieber Menschen, sei es nun physische oder psychische Erkrankung. Wie viele unter uns gibt es, die froh sind, wenn es endlich Abend wird, die sich aber dann doch vor der Nacht fürchten und mehr noch vor dem neuen Tag, denn das Elend geht weiter! Paulus war selbst betroffen. Er konnte nicht mehr weiter: „Ich hatte keine Hoffnung mehr, mit dem Leben davonzukommen“ (V. 8b GN). „Wenn ein solch ,Großer’ im Reich Gottes mit seiner persönlichen Kraft nicht zureicht, dann ist es kein Wunder, wenn es auch uns oft so scheinen will, als gingen die Belastungen weit über unsere Kraft“ (E. Schnepel). Aber nun macht Paulus eine Erfahrung, die auch unsere geistliche Erfahrung werden kann (oder schon geworden ist): Das Leben zerbricht nicht! Der Herr hält fest! Jesus ging ja voran! Wichtig ist, daß wir dabeibleiben, ihm nachzugehen, wobei wir allerdings daran denken sollten, daß er selbst gesagt hat: „Der Jünger ist nicht über seinen Meister“ (Matth 10, 24). Nirgendwo ist uns versprochen, daß uns Kummer, Schmerz oder Leid erspart bleiben — weil wir zu Christus gehören. Im Gegenteil, unser Herr hält gerade seine Nachfolger für fähig genug, das zu ertragen, was andere nicht tragen können. Ein Blick in unsere Vergangenheit läßt uns darüber staunen, was wir alles durchgestanden haben. Es bleibt wirklich nur Dank darüber, daß und wie Jesus uns zurechtgebracht hat! 2. Glaube wird vertieft Paulus: . und es bei uns selbst beschlossen hielten, wir müßten sterben“ (V. 9 — Luther). „Ich fühlte mich wie einer, der sein Todesurteil empfangen hat“ (V. 9 — GN). Es ist und bleibt wohl das Bitterste, wenn wir erkennen und vielleicht hinausschreien: „Ich muß sterben!“ Wenn keine Aussicht mehr auf Hilfe ist, wenn alles ratlos ist. Wenn wir wissen: Das ist das Ende! Da hilft nun wirklich kein Selbstvertrauen mehr! Selbst Nächstenliebe — so sie einem zuteil wird — kann lästig fallen! Man ist allein! Keinem bleibt das ja erspart. Nur die wenigen, die mit einem Herzschlag im Bett sterben oder die — aus welcher Krankheitsursache es auch sein mag — ganz plötzlich sterben oder die bei einem Unfall in einer Sekunde vom Leben zum Tode kommen — bei ihnen mag es etwas anderes sein, aber alle anderen haben diesen Augenblick vor sich: Ich muß sterben. Paulus ist zu der Zeit, als ihm diese Bedrängnis widerfährt, nicht mehr jung. Er ist längst ein „Vater in Christus“. Doch muß er durch solche Tiefen hindurch, damit er das werden kann, was Gott aus ihm machen will. Die Seelsorge Jesu geht mit ihm (aber auch mit uns!) Schritt für Schritt weiter. Jesus gestaltet nicht alles auf einmal, da wir sonst den Mut verlieren würden. Er will aus Paulus (und er will aus uns) einen Menschen des Glaubens machen, der in jeder Lage aushält, der sich auf seinen Herrn verläßt und ihn bezeugt. Gerhard Hamm berichtet (in „Du hast uns nie verlassen“), daß sein KGB-Major sogar einen Abendmahlsgottesdienst störte. Als er die Geräte mit Brot und Wein berühren wollte, sagte einer der Brüder: „Genosse Buchankow, wenn Sie das Heilige Abendmahl anrühren, wird Gott Sie strafen!“ Der Major zuckte zurück und ließ die Hand sinken. — Aber wie oft hat verfolgte Gemeinde den Tod vor Augen, und der Verfolger oder der Wächter läßt nicht seine Hand sinken! Und die Zahl der Märtyrer wächst, die Zahl derer, die ihren Glauben bezeugen in einem Land, wo das verboten ist; die Zahl derer, die bestraft werden, weil sie Kinder im christlichen Glauben unterwiesen haben oder die Notleidenden geholfen haben. — Und es gibt Länder, die das verbieten! Es ist das Hochziel Gottes mit uns, aus uns Männer und Frauen des Glaubens zu machen, wie sie im 11. Kapitel des Hebräer-Briefes geschildert werden. Ein Mann des Glaubens, eine Frau des Glaubens wird man dadurch, daß man sich in der Anfechtung bewährt, dadurch, daß man standhält, auch wenn der Tod vor Augen steht und nichts weiter gedacht werden kann als: „Jetzt muß ich sterben!“ Aber — wie kann Gott so etwas zulassen? Die Antwort steht hier: „Das geschah aber, damit wir unser Vertrauen nicht auf uns selbst setzten, sondern auf Gott, der die Toten auferweckt“ (V. 9 b). Christen haben erfahren, daß sie ihrem Herrn — auch wenn das erst nachträglich möglich ist — danken können für schwerste Lebensführungen und bitterste Stunden. Dann sagt einer und ist dabei zutiefst dankbar: „Da konnte ich nichts mehr machen.“ In diesem Zusammenhang hat mich eine geistliche Erfahrung der russischen Christin Tatjana Goritschewa sehr bewegt. Tatjana wurde 1947 in Leningrad geboren, studierte Philosophie und Radiotechnik, mit 26 Jahren wurde sie Christin, gründete mit Leningrader Frauen die erste Frauenbewegung in der Sowjetunion, organisierte religiöse Seminare und veröffentlichte zwei Zeitschriften im Untergrund. Nach vielen Verhören und Verhaftungen wurde sie 1980 ausgewiesen. Sie lebt heute in Paris. — Enttäuscht vom Marxismus suchte sie in der Philosophie ihr Heil, schließlich lernte sie auch die Religionen des Fernen Ostens kennen, praktizierte Yoga, eine ihrer Yoga-Übungen war — es ist seltsam genug — das „Vaterunser“. Sie sprach es ausdruckslos und automatisch etwa sechsmal, da wurde sie plötzlich vollständig umgekrempelt. Sie beschreibt das selbst so: „Ich begriff — nicht etwa mit meinem lächerlichen Verstand, sondern mit meinem ganzen Wesen — daß er existiert. Er, der lebendige, persönliche Gott, der mich und alle Kreatur liebt. Der die Welt geschaffen hat, der aus Liebe Mensch wurde, der gekreuzigte und auferstandene Gott. In jenem Augenblick be-und ergriff ich das ,Geheimnis’ des Christentums, das neue wahre Leben. Das war die wirkliche, die echte Rettung! In diesem Augenblick veränderte sich alles in mir. Der alte Mensch starb. Ich gab nicht nur meine früheren Wertvorstellungen und Ideale auf, sondern auch alte Gewohnheiten“ (Tatjana Goritschewa „Von Gott zu reden ist gefährlich“, Herder-Verlag, Seite 27). Sie ging durch viele Anfechtungen und Verfolgungen. Auf ihre Weise erfuhr sie, daß Selbstvertrauen nicht trägt. Ihr Seelsorger verbot ihr — und zwar, als er ihre geistliche Begeisterung erlebte — den Gebrauch des Wortes „ich“. Es geht nicht um mich. — Wie gut, wenn Gott uns so ernstnimmt, daß er uns erfahren läßt: Da kann i c h nichts mehr machen. 2.1 Der Gott, der Tote auferweckt In der Christus-Nachfolge gilt es zu lernen: Kampf aller Selbstverwirklichung. Mißtrauen gegenüber allem zu starken Selbstvertrauen. Keiner braucht zu verzweifeln, wenn er entdeckt, daß sein Selbstvertrauen überhaupt nicht trägt. Gott lenkt unseren Blick weg von uns, von den Verhältnissen auf sich. Er ist der Gott, der die Toten auferweckt. Jesus Christus, der erst Gekreuzigte und dann Auferstandene ist der Garant dafür! Wo der Tod eingezogen ist, sind alle Menschenmöglichkeiten zu Ende. Aber nicht für den lebendigen Gott! Kühn rechnet der Glaube mit den Möglichkeiten Gottes, wo nach menschlichem Urteil alles aus ist. Wieviel Trost hat diese geistliche Erfahrung doch schon Ratlosen gegeben, die ans Bett Kranker oder Sterbender getreten sind. Wir erlebten es vor wenigen Tagen, als wir an das Krankenbett eines Schwerkranken traten, der darum gebeten hatte, daß „die Ältesten der Gemeinde“ noch einmal mit ihm beten. Die Bibelstelle — Jakobus 5 — spricht ja nicht davon, daß der Kranke in jedem Fall gesund werden wird. Es heißt „Das Gebet des Glaubens wird dem Kranken helfen, und der Herr wird ihn aufrichten . . .“ (Jakobus 5, 15). Aber das ist es — zu sehen, wie der lebendige Gott einem Kranken durch das Gebet hilft oder ihn aufrichtet, läßt ahnen, daß es Gott ein Kleines ist, auch Menschen, die dem Tode geweiht sind, wieder dem Leben zurückzugeben. Der Apostel Paulus hat solche Erfahrung gemacht. Er muß sich wie tot vorgekommen sein. Wie dankbar war er, daß Gott ihm das Leben verlängert hatte. 2.2 Der Gott, der aus Todesnot erretet hat und erretten wird Paulus ist wiederholt in Todesnot gewesen. Aber offensichtlich hat eine Erfahrung ihn ganz besonders angesprochen, eben jene, von der er hier spricht. Sie hat ihn so tief gebeugt und so angefochten wie zuvor keine. Doch nun — nachdem alles überwunden ist — bezeugt er den Gott, der ihn so oft gerettet hat und — der ihn erretten wird! Diese Aussage halte ich für bemerkenswert! Er war eben noch in Gefahr, aber er weiß, so etwas kann mir wieder passieren. Nicht nur das. Er weiß, der Gott, der zuvor geholfen hat, der kann auch in Zukunft wieder helfen. Es ist derselbe Gott, derselbe Herr — gestern, heute und in Ewigkeit. Paulus kennt die Treue Gottes. Darum sieht er der Zukunft mit „heiliger Gelassenheit“ entgegen: Krankheit, Gefahren, Verfolgung, Hunger (Römer 8, 35) — was kann ihm geschehen? „Es kann nichts an uns heran, was nicht zuvor an Gott vorbeigegangen ist“ (Angelus Silesius). Der Gott, der vom Tod erwecken kann, hat die Macht, auch aus dem „Griff des Todes“ zu befreien. In vielen unserer Gemeinden leben Männer und Frauen, die schon als „Todeskandidaten“ galten und doch früher oder später geheilt wurden! 3. Glaube wird immer wieder neu geschenkt Weil auch in Zukunft Gefahren, Verfolgung und Todesnot sein werden — und weil der Glaubende darauf angewiesen ist, daß Gott ihn rettet —, darum soll die Gemeinde Fürbitte leisten. 3.1 Konkrete Fürbitte ist mehr als christliche Sympathiekundgebung In der Missionsgeschichte hat es immer wieder Beispiele gegeben, in denen Missionare bezeugen, daß Gott ihnen aus härtester Bedrohung half. Später stellte sich heraus, daß die Hilfe zu einer Stunde geschenkt wurde, in der in der Heimatgemeinde besonders intensiv gebetet wurde. Aber auch das, was Gott an wunderbarem Wirken unter uns tut — wieviel Errettung aus Todesgefahr —, soll gläubige Gemeinde veranlassen, dankbarer zu werden und in der Fürbitte nicht zu ermüden. Es ist mehr als eine fromme Pflichtübung, wenn der Gemeindetag für die Gemeinden betet, aus denen die Besucher kommen. Ich muß noch einmal Tatjana Goritschewa zitieren, die eines Tages von einem Priester eingeladen worden war, an einem Ausflug teilzunehmen, der von der Dorfgemeinde des Dorfes organisiert wurde. Der junge, lustige Geistliche, ein sportlicher Typ, war zwei Tage lang am Reden. Im Verlauf dieser zwei Tage sprach er über alles, was gerade gewünscht wurde, über Flugzeuge und Fußball, über die Wahlen und über das Essen. Er lachte viel, bemühte sich, alle zu erheitern. Gleichzeitig zeigte sich vor den Fenstern eine Welt, die unerwartet schön war, mit steilen Berghängen, mit dem Leuchten tiefblau-violetter geradezu überirdischer Farben. Die rus- sische Christin erinnerte sich des Psalmes: „Wunderbar sind deine Werke, Gott, unser Herr, mit großer Weisheit hast du alles geschaffen." Später, als sie zurückgekehrt waren, fragte sie den Priester: „Warum haben Sie nidtt ein einziges Mal etwas von Gott gesagt? Wieso haben Sie nicht von der Schönheit seiner Welt gesprochen?“ Er antwortete: „Wenn ich von Gott zu sprechen beginne, verliere ich meine Leute und bleibe allein.“ Solche Haltung gibt es ja heute leider in allen Kirchen. Der russischen Christin fiel es auf. Hoffentlich führt ihre Überraschung noch viele ins Staunen. Gemeinde Jesu — das ist mehr als eine Schar fröhlicher Menschen auf dem Ausflug. Gemeinde Jesu, das ist eine Schar von Menschen, die gebunden an sein Wort Gott die Ehre gibt, den Nächsten zu dienen versucht und durch das Gebet die Verbindung mit dem himmlischen Vater sucht. Wobei wir hier sagen wollen: Daß die Gemeinde nicht erst anfangen soll zu beten, wenn es irgendwo brennt, sondern daß auch der ganz „normale Alltag“ Grund genug zum Gebet gibt. 3.2 Treues Gebet ist A beit Ab Vers 11 kann man auch lesen: „Indem auch ihr durch das Gebet ans Werk für uns geht.. .“ Richtig verstandenes und geübtes Gebet ist Arbeit. Die schweren Wege unserer Brüder und Schwestern in anderen Ländern und ihr Leiden um Christi willen sollte uns veranlassen, treuer zu beten, das heißt häufiger, inniger, gewissenhafter. Wir wollen keinen heiligen Krieg, aber eine große geistliche Mobilmachung der Gemeinde Jesu an allen Orten, eine Mobilmachung zum Gebet! Wir brauchen eine Gemeinde, in der nicht nur der Pfarrer oder ein anderer aus dem Leitungskreis betet. Wir brauchen in jeder Gemeinde viele Beter. Wir brauchen betende Gemeinden. Dabei soll uns nicht hindern oder zögern lassen, daß es Mißbrauch des Gebetes gibt, geschwätziges Beten = wichtigtuerisches Beten, selbst Gebetsgemeinschaften aus Gewohnheit. Paulus sagt: „Eure Gebete haben zu meiner Rettung mit beigetragen!“ Wozu soll unser Gebet beitragen? 3.3 Lebendiges Beten verbindet Mich freut es, wenn mir unbekannte Mitarbeiter aus der weltweiten TWR-Familie, zum Beispiel vom Sender auf Sri Lanka, schreiben: „Wir beten für Dich!“ — Oder wenn ich irgendwo im Land Männer und Frauen treffe, die sagen: „Wir beten für den Evangeliums-Rundfunk!“ Wir werden im weiteren Verlauf unseres Zusammenseins über die „Verantwortung des Christen in der heutigen gesellschaftlichen Lage“ sprechen. Da wird es viele Anregungen zum Gebet geben. Hören wir das nicht nur, sondern halten wir es fest, schreiben wir es auf. Begreifen wir neu: Ich kann für Freund und Feind beten! Der Freund rückt mir näher, wenn ich für ihn bete. Der Feind bleibt nicht länger ein Mensch, den ich bekämpfe. Indem ich ihn Gott anbefehle, kann ich auch dafür bitten: „Bewahre ihn vor falscher Selbsteinschätzung und vor falschem Selbstvertrauen. Führe ihn zu dir, o Gott. Mache dich ihm bekannt. Laß ihn dahinkommen, daß er dir vertrauen lernt.“ Für Freund und Feind kann ich das erbitten! Doch bevor ich es tue, sollte ich sagen: „Herr, vergib mir alle Selbstverwirklichungsideen. Bewahre mich vor trügerischem Selbstvertrauen. Laß mich in Freud und Leid einer sein, der sein Vertrauen nicht auf sich, sondern auf dich setzt!“ Horst Marquardt Die Verantwortung der Christen in der heutigen gesellschaftlichen Lage Die beiden Extreme Wenn von gesellschaftlicher Verantwortung die Rede ist, begegnen wir unter Christen zwei extremen Auffassungen. Die einen halten alles, was mit Gesellschaft und Politik zusammenhängt, für schmutzig und sündhaft. Sie überlassen die Verantwortung im Staat anderen, lesen kaum eine Zeitung und gehen zu keiner Wahl, weil sie sich nur im Reich Gottes zu Hause wissen. — Die andern sehen politische Verantwortung als vorrangig für alle Christen an. Für sie ist in der heutigen Lage der Dienst der Gemeinde oder Kirche letztlich eine Form des gesellschaftlichen Engagements für bestimmte Ziele, die sie für wichtig halten. Die Kanzel dient dann der politischen Bewußtseinsbildung, und selbst zentrale Glaubensaussagen der Bibel werden dann oft nur noch durch die Brille der jeweiligen politischen Theologie betrachtet. Drei Thesen zur Klarstellung Beide Auffassungen sind in der Sicht der Bibel grundfalsch. Dazu drei Feststellungen: 1. Die Verantwortung eines Bürgermeisters, Bundestagsabgeordneten oder Regierungschefs ist nicht „schmutziger“ als die eines Bäckermeisters, einer Filialleiterin oder des Chefs eines Krankenhauses. Denn bei all diesen Aufgaben geht es für den Glaubenden darum, den Willen Gottes in dieser Welt zu erfüllen — zu seiner Ehre und zum Wohl der Menschen. Wer biblische Vorbilder für gesellschaftliche Verantwortung sucht, der braucht nur an Mose oder Joseph, an Daniel, Jeremia oder Esra zu denken, an den Prokonsul Sergius Paulus (Apg. 13, 7), den Gefängnisaufseher von Philippi und viele andere. 2. Das Zusammenleben unter Milliarden von Menschen ist nur in geordneten Strukturen möglich. Sie gehören zur Schöpfungsordnung Gottes und haben den Auftrag, den Bürger vor Gewalttätigkeit zu schützen, so daß er „in aller Frömmigkeit und Rechtschaffenheit ungestört und ruhig leben kann“ (1. Tim. 2, 2). Das gilt insbesondere auch vom Staat, der seine Autorität von Gott empfangen hat (Röm. 13), und von der Stadt, deren Bestes wir suchen sollen. 3. Das Reich Gottes ist in der Tat nicht von dieser Welt, sondern es ist ein geistliches Reich mit anderen Ordnungen. Die Zugehörigkeit zu diesem Reich steht für den Glaubenden an erster Stelle. Er soll im Konfliktfall Gott mehr gehorchen als den Menschen. Die Bindung an die Herrschaft Gottes aber macht den Glaubenden erst frei dazu, in aller Treue auch „dem Kaiser (also dem irdischen Staat) zu geben, was ihm zukommt“. Der Glaubende bejaht die politische Verantwortung, zu der Gott ihn persönlich beruft. Daher bleibt zu fragen: A) wer diese Verantwortung trägt, B) was sie inhaltlich ist und C) wie sie wahrgenommen werden soll. A. Alle tragen Verantwortung vor Gott Wer ist nach dem Willen Gottes Träger dieser Verantwortung? Die Antwort ergibt sich daraus, daß alle, die Jesus Christus nach-folgen, den Auftrag haben, Licht der Welt und Salz der Erde zu sein. Alle sollen in seiner Kraft Orientierung vermitteln und Fäulnis verhindern. Sie alle sind gemeint, wenn das Reich Gottes mit einem Sauerteig verglichen wird. Wir alle sollen Zeugen Jesu sein und Verantwortung für das Heil wie das Wohl unserer Mitmenschen übernehmen. Natürlich können weder alle Christen vollzeitliche Missionare sein, noch sind alle dazu beauftragt, Berufspolitiker zu werden. Vielmehr beruft Gott im Einzelfall einen Menschen zu den für ihn vorgesehenen Aufgaben. Niemand braucht sich krampfhaft Verantwortung zu suchen, indem er womöglich aufgrund manipulierter Informationen ständig gegen irgendwelche Übel in anderen Erdteilen opponiert. Vielmehr ergibt sich Mitverantwortung organisch da, wo ein Glaubender zu einem Personenkreis gehört: einer Familie, einer Schulklasse, einer Betriebseinheit, einer Station im Krankenhaus usw. Auch dann, wenn wir vorübergehend in einem Abteil oder Flugzeug sitzen, tragen wir dort Mitverantwortung für die Menschen um uns herum. Oft gilt daher unsere Nächstenliebe zunächst denen, die uns räumlich und der Zugehörigkeit nach am nächsten sind. Hier geht es um die Bereitschaft, aus Verantwortung eigene Wünsche und Bedürfnisse zurückzustellen, um von Jesus Christus empfangene Liebe tatkräftig an andere Menschen weiterzugeben. In einer Zeit, da viele nur sich selbst verwirklichen wollen und ihr ganzes Leben in der Jagd nach ichbezogenen Inhalten wie Lust, Besitz und Ansehen vertun, in einer solchen Zeit ist ganz neu die Form des Zeugnisses von uns gefordert, die mit der opferbereiten Verantwortung für andere in der Gesellschaft zusammenhängt. Wenn Leistung und Engagement aus der Verantwortung vor Gott und der Liebe zum Nächsten erwachsen, nur dann haben sie letztlich einen Sinn. Leistung zum Zweck der Selbstverherrlichung wirkt oft peinlich und ist abzulehnen. Umgekehrt ausgedrückt: Unser Staat braucht heute mehr denn je Politiker und andere Verantwortungsträger auf allen Gebieten, die deutlich sichtbar von dem opferbereiten Glauben und nicht von eigennützigen Zielen motiviert sind. B. Der Inhalt der gesellschaftlichen Verantwortung In Vergangenheit und Gegenwart ist christliche Verantwortung oft so verstanden worden, als ob es um die machtpolitische Durchsetzung des Glaubens und seiner Verhaltensweisen ginge. Dieses Miß- Verständnis hat zu gewaltsamer Christianisierung ganzer Länder geführt, zu Kreuzzügen und unseliger Verquickung von Staat und Kirche. Für die Sache des Reiches Gottes ist dadurch großer Schaden entstanden. Das biblische Modell christlicher Verantwortung ist nicht das der politischen Christianisierung, sondern das vom Salz der Erde, vom Licht der Welt, vom Sauerteig und von der kleinen Herde. Eine Minderheit von Menschen, in denen das Feuer der Liebe Jesu wirklich brennt, soll vor Gott Verantwortung tragen für die gesamte Gesellschaft. Die Gemeinde Jesu soll keine institutionelle Macht im Staat ausüben, sondern durch Verkündigung, Zeugnis, Fürbitte und leidensbereiten Einsatz ihrer Glieder als Salz das Ganze vor Fäulnis bewahren. So steht der einzelne immer in beiden Reichen, dem geistlichen und dem staatlichen. Nicht erst Luther hat bemerkt, daß Gott die Welt nach zwei Ordnungen regiert, der Heilsordnung für die Erlösten und der Schöpfungsordnung für die ganze Menschheit. So gibt die Bergpredigt Leitlinien für das persönliche ethische Verhalten der Erlösten, während Römer 13 von der durch Gott gewollten Machtausübung des Staates in einer sündhaften Welt spricht. Wo beides verwechselt wird — wie bei manchen lautstarken Bewegungen heute — da kann es zu schwerem Schaden für beide Reiche kommen, für die Sache Gottes und für den Staat. Im persönlichen Bereich hat für den Erlösten die Bergpredigt ihren tiefen praktischen Sinn: Verzicht auf Durchsetzung eigener Interessen und Rechte aus Nächsten- und Feindesliebe. Wer aber die Bergpredigt politisch verstehen wollte, der müßte konsequenterweise die Gerichtsbarkeit („Richtet nicht!“) und die Polizei („Widersteht dem Bösen!“) ebenso abschaffen wie die Rentenversicherung („Sorgt nicht für die Zukunft!“), die Banken („Sammelt euch keine Schätze auf Erden!“) und die Gewerkschaften („Wenn dich jemand anstellt, 40 Stunden pro Woche für ihn zu arbeiten, so arbeite freiwillig für den gleichen Lohn 80 Stunden!“). Nicht nur die Bundeswehr müßte er abschaffen, sondern alle staatlichen Einrichtungen zum Schutz des Bürgers vor dem Bösen. Kurz gesagt: Die Bergpredigt politisch durchsetzen zu wollen hieße, im Großen die Zustände eines Brüsseler Fußball-Stadions herbeizuführen. Stattdessen ist es der biblische Auftrag an die Erlösten, sich im Sinn der Schöpfungsordnung gesellschaftlich voll mit einzusetzen für die Erhaltung des Lebens, für den wirksamen Schutz des ein- zelnen vor Übergriffen anderer, für seine Würde, seine körperliche Unversehrtheit, seine Ernährung, Kleidung, Wohnung, seine medizinische Versorgung, seine Bildung, sein Eigentum, vor allem für seine Menschenrechte einschließlich seiner Freiheit. Zum Auftrag der Christen gehört es, sich mit allen Friedfertigen für die Erhaltung des Friedens einzusetzen. Zugleich aber gilt es, die von Gott geschenkte, verfassungsmäßig verankerte Freiheit zu bewahren, um die uns so viele in der Welt beneiden. Schließlich gehört es auch zu unserer Verantwortung, nicht nur den eigenen Garten zu pflegen, sondern unseren Planeten als Ganzes bewohnbar zu erhalten. Wer an Jesus Christus glaubt, der ist aufgerufen — und zwar heute mit besonderer, aktueller Dringlichkeit —, unseren Staat voll bei der Erfüllung dieser genannten Aufgaben zu unterstützen. Was vorrangig zur christlichen Verantwortung gehört, hängt in jeder politischen Situation davon ab, welches die größten Gefahren sind, die ein Volk, einen Erdteil und die Menschheit bedrohen. Lassen Sie mich daher ganz offen sagen, welche Probleme ich in der gegenwärtigen Lage als Christ, der zugleich von Gott als Staatsbürger in die Bundesrepublik hineingestellt ist, für die dringendsten halte: 1. Die Tötung ungeborenen menschlichen Lebens Keiner von uns sollte ruhig schlafen, solange etwa jede dritte Schwangerschaft in unserm Land mit der Tötung des ungeborenen Kindes endet. Sollte das wirklich in Hunderttausenden von Fällen pro Jahr mit „sozialen“ Gründen vor Gott zu rechtfertigen sein? Wie weit muß ein Volk von Gott abgefallen sein, wenn viele sich zwar für die Erhaltung von Robben und Bäumen zu Recht ein-setzen, die Tötung von ungeborenen Babys aber noch weiter liberalisieren wollen? 2. Die militärische Bedrohung Sie ist in unserem Teil der Welt heute größer als vor 15 oder 20 Jahren. Bei den vielen Diskussionen der letzten Zeit sind starke Ängste vor einem weltweiten Atomkrieg hochgepeitscht worden, so als ob diese Form des Krieges die einzige wäre, die uns bedroht. Wäre unser Land ohne starke Bündnispartner, so würde uns womöglich bald das Schicksal von Afghanistan ereilen. Hier gilt es, ohne Panik alle erkennbaren Formen der Bedrohung nüchtern zu betrachten. Utopische Auslegungen der Bergpredigt, die zum Chaos führen, sind abzulehnen, wie bereits dargelegt. Die Erhaltung des Friedens einschließlich der Freiheit in unserem Land erfordert für die unmittelbare Zukunft viel Gebet, Wachsamkeit und Opfer. 3. Der Geburtenrückgang Seit etwa 15 Jahren ist bei uns die Geburtenquote die niedrigste der ganzen Welt. Entgegen beschwichtigenden Falschmeldungen bleibt festzuhalten, daß die deutsche Bevölkerung in der Bundesrepublik in einem rapiden Aussterbeprozeß steht, nicht etwa nur in einem langsamen Rückgang. Vor Gott aber ist der Selbstmord eines Volkes nicht zu verantworten, schon gar nicht mit dem Hin-weis auf die Übervölkerung anderer Weltgegenden. Sollte es wirklich mit christlicher Verantwortung vor Gott zu vereinbaren sein, wenn manche nur wegen hoher Karriere- und Konsumansprüche oder wegen unchristlicher Zukunftsängste auf Kinder verzichten, aber dennoch im Grunde erwarten, daß später einmal jüngere Menschen da sind, um sie zu pflegen und ihre Rente zu finanzieren? Wo der Segen der Elternschaft und die Freude an Kindern nicht mehr empfunden wird, zerbricht etwas von dem Wertvollsten und Schönsten, das Gott unserem Leben geschenkt hat. 4. Die Auflösung der Familie Die Zahl der Ehen ohne Trauschein, die Zahl der Ehescheidungen, die Zahl der zerrütteten Familien hat bei uns stark zugenommen. Ohne intakte Familien aber geht ein Volk bald zugrunde. Auf richtige Fragen über die Stellung der Frau hat der Zeitgeist teilweise ganz falsche Antworten mit zerstörerischen Folgen gegeben. Fielfen und heilen kann nur eine fröhliche Bejahung der biblischen Familienordnung, in der Mann und Frau ihre hohe Würde und die Berufung zu lebenslanger Einheit unmittelbar von Gott empfangen haben. 5. Die Aushöhlung der staatlichen Autorität Ein falscher Freiheitsbegriff hat dazu geführt, daß viele den Sinn von Staat, Verfassung und Rechtsordnung nicht mehr bejahen. Als Zeichen von Fortschrittlichkeit gilt es dann, Gesetze zu übertreten, Politiker respektlos mit Brüllkonzerten am Reden zu hindern, Sol- daten als Mörder zu diffamieren. Manche sind in Parlamente gewählt worden, nachdem sie sich damit gebrüstet hatten, daß sie „diesen Staat unregierbar“ machen wollen. Hier kann es für die Menschen, die an Jesus Christus glauben, nur eine klare Absage geben. Gott erwartet, daß wir den Staat als von ihm eingerichtet bejahen, die Gesetze einhalten, Steuern zahlen, für Regierungen und Abgeordnete beten und erkennbare Mängel mit liebevoll helfenden, legalen Mitteln zu beheben suchen. 6. Die Schädigung der Umwelt Erst viel zu langsam nimmt die Öffentlichkeit davon Kenntnis, wie stark das Leben auf dieser Erde in vielen Gegenden einschließlich Deutschlands ökologisch gefährdet ist. Mehr und mehr rächt sich der verschwenderische Umgang mit Rohstoffen und Energiequellen wie die gefährliche Verseuchung von Luft, Gewässern und Boden durch Schadstoffe. Hier sind alle aufgerufen, die an Gott als den Herrn der Schöpfung glauben, in Verantwortung vor ihm an durchführbaren, sachgerechten Schritten zur Lösung dieser Probleme mitzuwirken. Vermieden werden muß hier besonders jener Zug unseres deutschen Nationalcharakters, der bekanntlich oft von einem Extrem in das andere fällt und mitunter sozusagen Medikamente anwendet, die noch schlimmer sind als die vorhandene Krankheit. C. Das Prinzip der konzentrischen Kreise — Bei mir selbst anfangen Christliche Verantwortung in der heutigen Gesellschaft sollte vor allem daran erkennbar sein, wie sie wahrgenommen wird — aus welchen Motiven, nach welcher Strategie und mit welchen Zielen. Während nämlich Ideologien zuerst die gesellschaftlichen Verhältnisse verändern wollen und dann als Folge den neuen Menschen erwarten (so Karl Marx), weiß demgegenüber jeder, der Jesus Christus als seinen Herrn anerkennt, daß bei ihm die Erlösung und Veränderung der Welt viel radikaler ist: Zuerst wird ein einzelner Mensch neu geboren durch Vergebung seiner Lebensschuld, für die Christus gestorben ist. Zuerst empfängt ein einzelner diese totale Neuwerdung. Dann wird als Folge davon auch in der Umgebung dieses Menschen die Welt in vielem geheilt und verändert. Die Wirkungen Gottes gehen von innen nach außen wie die Wellen, die ein ins Wasser geworfener Stein schlägt. Mathematisch gesprodien: Gott wirkt bei der Erlösung nach dem Prinzip der konzentrischen Kreise. Biblisch ausgedrückt heißt das: „Zuerst werdet ihr meine Zeugen sein in Jerusalem, dann in Judäa und Samarien, dann bis an die Grenzen der Erde“ (Apg. 2, 8 b), also zuerst am Wohnort, dann in den Nachbargebieten, dautn weltweit. So ist die von Gott gegebene Verantwortung wahrzunehmen, anders als bei denen, die die ganze Welt revolutionär verändern wollen, nur nicht sich selbst. Bei Gott wird aber zunächst jeweils ein Mensch von seinem Unfrieden, seinen haßerfüllten Aggressionen, seiner Selbstvergötterung erlöst. Er wird von der Liebe Gottes durchflutet. Als Folge davon kommt Friede in eine Ehe, eine Familie, eine kleine Betriebseinheit, vielleicht in eine Schulklasse. Wo einzelne Menschen gereinigt werden, hat dies sogar Einfluß auf die Sauberkeit von Straßen und Gebäuden. Wo Menschen mit Gott versöhnt werden, da können sie auch einander vergeben. Die Erfahrung zeigt, daß dies sogar die Umgangsformen in Parlamenten und die Beziehungen zwischen Parteien, Sozialpartnern oder gar zwischen Staaten zum Guten beeinflußt hat. Aber immer fordert Gott zunächst den modellhaften Gehorsam eines einzelnen Menschen. Der Umweltschutz fängt sozusagen beim Verzicht auf das Rauchen an, der Lärmschutz beim Verzicht auf bestimmte Diskotheken oder Motorräder. Das Energieproblem kommt einer Lösung näher, wenn ich meinen persönlichen Verbrauch an Benzin, öl und Strom stark einschränke. Das Nord-Süd-Problem wird dadurch am ehesten gelöst, daß einzelne für sich in der Kraft Gottes das Anspruchs- und Konsumdenken sichtbar durchbrechen, bewußt unter dem Niveau ihrer Einkommensgruppe leben und mehr von dem, was Gott ihnen schenkt, fröhlich weitergeben. Die furchtbare Schuld, die wegen der Massenabtreibung und Kinderfeindlichkeit auf unserem Volk lastet, wird nur dann von Gott vergeben und später geheilt werden, wenn die Glaubenden stellvertretend für alle Buße tun und sich von Gott neu die Verantwortung für die kommenden Generationen, neu die Freude am Geheimnis des keimenden, von ihm geschützten Lebens schenken lassen. Dazu gehört die tatkräftige, liebevolle Hilfe für Kinder, die unter ungünstigen Verhältnissen geboren werden. Wo immer eine Berufung von Gott zu gesellschaftlicher und politischer Verantwortung erkennbar wird, sollte ein Christ ihr gehorsam folgen. In manchen Bereichen öffentlichen Lebens würde es besser aussehen, wenn wir Christen uns nicht aus einer falsch ver- standenen Weltferne und Endzeithaltung heraus so stark von ihnen zurückgezogen hätten. Dem Auftrag aber, Salz der Erde zu sein und im Sinne Gottes diese Welt zu verwalten, diesem Auftrag sind solange keine Grenzen gesetzt, bis er dereinst am Ende dieser Geschichte erfüllt sein wird. Denn unser Herr will uns bei seiner Wiederkunft weder schlafend noch beschaulich mit uns selbst beschäftigt antreffen. Christus nachfolgen heißt, in aktiver, tätiger Verantwortung vor Gott in dieser Welt zu leben, besonders in einer so gefährdeten, aus den Fugen geratenen Lage wie der heutigen. Dr. Bodo Volkmann Medien Christen und Medien Das Evangelium ist der Beweis, wie sehr Gott daran liegt, die Barriere niederzureißen, die den Rebell Mensch von ihm trennt. Gott will wieder in enge Beziehung zu uns treten. Diese Nachricht muß zu den Menschen. Das bedeutet, daß die Christen im zwanzigsten Jahrhundert prüfen müssen, wie weit ihnen die verschiedenen Massenkommunikationsmittel dabei helfen können. Wie weit eignen sie sich dazu, die Botschaft, daß jeder Mensch zu Gott nach Hause kommen darf, bis zu dem letzten Menschen und bis in den letzten Winkel unserer Erde zu tragen — ergänzend zu allen übrigen evangelistischen-missionarischen Bemühungen? Medienarbeit ist nicht nur etwas für Experten, sie geht jeden einzelnen Christen etwas an. I. DIE TAGESZEITUNG — nur Papier zum Schiffchenfalteni — In Tageszeitungen steht vieles, was Christen nicht paßt. Und meistens fühlen sie sich im Blick auf die Berichterstattung über ihre eigenen Aktivitäten (zu Recht) vernachlässigt. Missionarische Möglichkeiten 1. Der Leserbrief Einen netten Brief schreiben können viele (nett meint hier: freundlich, höflich, wenn’s geht, mit einem bißchen Humor, in den Argumenten sachlich und mit klarer Beweisführung). Auf diese Weise kann man als Christ zu vielen Geschehnissen in der Welt Stellung nehmen und die eigene christliche Position einbringen. Leserbriefe sind beliebt, und selbst wenn nur jeder zehnte veröffentlicht würde: Wieviel Tausende von Menschen können wir auf diese Weise mit relativ geringem Einsatz erreichen. 2. Evangelistische Artikel auf Anzeigenbasis Viele Zeitungen verkaufen Anzeigenraum auch im Textteil. Auf diesem Weg kann man zeitungsgerechte evangelistische Kurzartikel in die Zeitung bringen. Textentwürfe für das Wort zum Sonntag und evangelistische Anzeigenvorlagen können Sie u. a. bei der AJH, Markgrafenstr. 15, 5830 Schwelm, erhalten. Besonders wichtig ist der persönliche Kontakt mit der Redaktion. Wirkungsvoll ist eine evangelistische Einladung, die sich auf das Thema einer Gemeindeveranstaltung bezieht. 3. Beilagen Man kann Zeitungen, lokal oder regional, Werbeschriften beilegen. Auf diese Weise lassen sich evangelistische Zeitungen oder andere geeignete Informationsschriften auf den Frühstückstisch der Bürger unserer Stadt bringen. 4. Ein persönlicher Kontakt mit dem zuständigen Lokalredakteur kann dazu beitragen, die Berichterstattung über christliche Aktivitäten zu verbessern. Selbstgeschriebene Artikel haben gute Chancen für die Veröffentlichung. Oft ist es kein böser Wille, wenn nicht berichtet wird, sondern einfach fehlende Information. II. DAS BUCH Es gibt viel Wertvolles zu entdecken. Ein Grund zur Freude: Die evangelikalen Verleger und Verlagsgruppen haben in den letzten Jahren ihr Angebot wesentlich erweitern können. Wir können uns gegenseitig helfen, indem wir in Ergänzung zu Katalogen und Prospekten versuchen, von christlichen Buchhändlern und Büchertisch- warten möglichst detaillierte Informationen über bestimmte Titel oder Themenbereiche zu bekommen. Missionarische Möglichkeit Ein Buch ist ein gutes Geschenk, ein unaufdringlicher Missionar. Man sollte sich aber liebevoll darüber Gedanken machen, welches Buch für welchen Menschen geeignet ist. Das bedeutet auch, daß man sich in die Lage des Lesers versetzt. III. DER RUNDFUNK — Kann man noch etwas tun, damit’s bei uns so richtig funkt? — In den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten liegen die Zeiten für kirchliche Sendungen fest. Da wird sich auch in Zukunft wenig bewegen. Und natürlich macht kirchlicher Pluralismus vor den Türen der Programm-Macher nicht Halt. Manches präsentiert sich dann mehr sozialistisch als evangelistisch, mehr psychologisch als missionarisch. In erfreulichem Gegensatz dazu gibt es den Evangeliumsrundfunk. Hin und her im Land entstehen private Lokal- und Regionalsender. In den neuen Programmen gibt es sicher Lücken, die sich durch evangelistische Sendungen füllen lassen. Hier ist etwas in Bewegung geraten, das wir beobachten und womöglich nützen und unterstützen sollten. Missionarische Möglichkeiten 1. Im Bereich der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten gibt es Morgenandachten und Gottesdienste. Durch Hörer-Briefe und andere Aktivitäten (z. B. Vorschläge an die zuständigen Landeskirchen) können wir dazu beitragen, daß hier das Evangelium klar gesagt wird. 2. Auf die Sendungen des Evangeliumsrundfunks und christlicher Lokalsender können wir Nachbarn und Freunde generell (z. B. Weitergabe der ERF-Programmzeitschrift Antenne) hinweisen. IV. DAS FERNSEHEN UND DIE NEUEN MEDIEN — Das Evangelium zu matt auf der Scheibe — Das Fernsehen ist das Medium mit der intensivsten Wirkung. Information und Unterhaltung werden gesendet ohne christliche Wert- Vorstellung. Fraglos ist manche Fuhre Mist darunter. Wer sich angesichts der mit dem Fernsehen verbundenen Gefahren zum völligen Fernsehverzicht entschließt, verdient Respekt (man kann zu diesem Entschluß übrigens nicht nur aus christlicher Überzeugung kommen). Aber die Mehrzahl der Bundesbürger sieht nun einmal fern. Es geht darum, daß der Christ sich im Sinne des Schöpfungsauftrages die Welt des Fernsehens untertan macht und sich nicht von ihr bestimmen läßt. Gott hat ihm dazu den Kopf gegeben, und die Industrie hat ihre Geräte mit einem Ein- und Ausschaltknopf ausgestattet. Der Tageslauf eines Christen wird von seinen unterschiedlichen Aufgaben in Gemeinde und Welt, Beruf und Familie bestimmt. Hier muß jeder für sich vor Gott den richtigen Weg finden. Wer versucht, sein Tagesprogramm anhand der Fernsehzeitschrift auszurichten, wird die Welt des Fernsehens nicht verwalten, sondern von ihr verwaltet werden. Es wäre sicher gut, nach der Tagesschau das Gerät einmal auszuschalten und als Familie oder mit Freunden zusammen über die Probleme, mit denen wir konfrontiert werden, zu sprechen und für betroffene Menschen zu beten. Auch mit dem Ausschaltknopf bestimmen wir letztlich nicht nur unser eigenes Programm. Da die Einschaltquoten für die Programm-Macher ein Zeichen sind für das, was von der Bevölkerung gewünscht wird, können wir auch so unsere Meinung zum Ausdruck bringen. Der Ein- und Ausschaltknopf entscheidet aber vor allem darüber, wer Herr in unserem Wohnzimmer ist. Und das gilt um so mehr, je vielseitiger das Programm der audiovisuellen Programme wird. Hier haben wir als christliche Gemeinde bisher viel versäumt. Vielleicht brauchen wir auch eine christliche Programmzeitschrift, die uns hilft, die Spreu vom Weizen zu trennen. Missionarische Möglichkeiten 1. Eine im weitesten Sinne missionarische Möglichkeit ist auch bei ARD und ZDF durch Zuschauerbriefe gegeben. Wir unterschätzen meist, wie wichtig für die Programm-Macher die Meinung des Publikums ist. Auch hier hat der freundliche, sachliche Brief die größte Chance (Adressen der Rundfunkanstalten). 2. Die Entwicklungen im kostspieligen Satelliten-Fernsehen müssen wir beobachten. Vielleicht wird ein missionarisches Programm hier einmal auch von unserer finanziellen Unterstützung abhängen. 3. Bei fortschreitender Verkabelung ist mit der Entstehung lokaler Sendestationen zu rechnen. Hier können sich für die Christen am Ort neue Möglichkeiten entwickeln. 4. Der Videorekorder als technisches Gerät ist wertfrei. Es kommt allein darauf an, welche Kassetten wir anschaffen und in unserem Wohnzimmer dulden. Christliche Programme zum besseren Bibelverständnis und die Demonstration neuer missionarischer Modelle rücken in den Bereich der Möglichkeiten. Daneben aber auch speziell darauf zugeschnittene evangelistische Programme, die man gemeinsam mit Freunden im Wohnzimmer anschauen kann (zu bestellen z. B. bei der Video-Abteilung des ERF). Einer solchen privaten Einladung wird mancher folgen, bei dem wir uns vergeblich bemüht haben, ihn zur Evangelisation oder zum Gottesdienst mitzunehmen. Was jeder tun kann Wir sollten beten für die Menschen, die die Programme bestimmen und machen, und junge befähigte Christen ermuntern, sich als Publizisten ausbilden zu lassen, damit mehr Evangelium in die Medien kommt. Jeder kann und sollte dafür beten, daß in Rundfunk und Fernsehen nicht das Böse zum Maßstab wird in Form von Unmoral und Gewalt, sondern der Geist des Evangeliums. Alle können mitmachen, beten und unter Gleichgesinnten werben für die Aktion „Mehr Evangelium in den Medien“. Bärbel Wilde Meine Mitverantwortung für die Meinungsmacher Wir sind ein Brief Christi. Wo ein Christ sich zu Jesus Christus bekennt, wird das ablesbar für die Menschen seiner Umgebung — auch durch die Art, wie er sich zu seinem Versagen bekennt. Die Christen sind darum alle Meinungsmacher; denn sie sind häufig der einzige Brief Gottes, den der säkularisierte Mensch heute noch liest. Wir sollten nicht Thermometer sein, Menschen, die die Temperatur ihrer Umgebung annehmen und dadurch gleichförmig und nicht mehr ablesbar werden, sondern Thermostaten sollten Christen sein, die die Temperatur ihrer Umgebung bestimmen, die der Wirkungskraft des Evangeliums etwas Zutrauen. Unsere Welt braucht das Evangelium. Heute ist es möglich, die Botschaft von Jesus Christus auch über die elektronischen Medien in fast jedes Haus zu bringen. Darum brauchen wir auch mehr Evangelium in den Medien. Die Forderung heißt: Mehr Evangelium — nicht: Mehr Medien! Mehr Evangelium in den Medien kann nur durch mehr Evangelisten in den Medien kommen. Mt. 9, 38 „Bittet den Herrn, daß er Arbeiter in seine Ernte sende.“ Den „Meinungsmachern“ in den Medien kommt eine besondere Verantwortung zu. Denn sie erreichen wesentlich mehr Menschen, als das für einen einfachen Christen durch personale Kommunikation möglich ist. Eine Übertragung von verschiedenen weltweiten Sendern über den Papstbesuch z. B. erreicht so viele Menschen, als ob ein Redner von Christi Geburt an bis zur Gegenwart jeden Abend vor 1000 Zuhörern sprechen würde. ...70% der Journalisten in den öffentlich-rechtlichen Anstalten bei der SPD oder links von ihr angesiedelt sind? Bei einer der wichtigsten Informationsquellen in Deutschland, Tagesschau und Tagesthemen der ARD, sind von fast 80 Redakteuren 68 links orientiert. Nur vier stehen den Unionsparteien nahe. Alexander Solschenizyn: „Die Medien sind in den westlichen Ländern zur größten Macht geworden; mächtiger als die Legislative, die Polizeigewalt und die Rechtsprechung.“ Wer wagt heute noch gegen den Druck der öffentlichen Medien Gesetze zu beschließen und sich z. B. für den § 218 einzusetzen? „Die Christen sollten nicht so feige sein. Ein Beispiel: In einem Betrieb gibt es zwei Kommunisten und etwa 50 Christen. Von den beiden weiß jeder. Die Christen aber kennen sich nicht mal untereinander. Ich hätte noch vor einem Jahr nie den Mut gehabt, öffentlich so von Jesus Christus zu sprechen, wie ich es heute tue. Es gilt, durch ein überzeugendes, mutiges Bekenntnis gerade die anzusprechen, die dem Glauben noch fernstehen.“ Der Geschäftsführer des Ersten Privaten Fernsehens, Lothar Jetten-berger (Ludwigshafen), gegenüber idea wenige Monate vor seinem Tod am 20. Mai 1985. „Ich schäme mich nicht zu sagen, daß ich ein gläubiger Mensch bin, der das Beten nicht verlernt hat und für den Nächstenliebe kein Fremdwort ist.“ Frank Elsner Durchs Radio zum Glauben Meine Frau und ich durften das auf ganz wunderbare Weise erfahren. Wir kommen beide aus christlichen Elternhäusern, wenn auch aus verschiedenen Denominationen. Wir hatten beide unsere sogenannte „christliche Erziehung und Tradition“, so ging jeder seinen Weg, besser gesagt: Mittelweg. Wir waren kompromißfähig, wir versprachen einander, keiner versucht den anderen in seine Konfession hinüberzuziehen. Das kann äußerlich gut gehen. Nur hier war der Umstand, daß ich durch verschiedene familiäre und wirtschaftliche Ereignisse psychisch schwer angeschlagen war, woran auch monatelange psychotherapeutische Behandlungen in einem Fachkrankenhaus nichts änderten. Ich hatte Angstzustände, konnte keinen Gottesdienst mehr besuchen und konnte auch meinen beruflichen Verpflichtungen als selbständiger Handwerksmeister nur noch bedingt nachkommen. Es gab daher schon echte Probleme. In dieser schweren Krisenzeit wurde ich von meinem Vater, einem treuen Hörer des Evangeliums-Rundfunks, auf die Sendung des ERF aufmerksam gemacht. Durch meine innere und äußere Not war ich für den Zuspruch durch diese Verkündigung sehr offen und dankbar. Aber dann trat etwas ein, was ich so nicht vorausgesehen hatte. Das Wort, welches durch den Rundfunk ausgestrahlt wurde, meinte mich, mich persönlich! Die Sache wurde hochinteressant, hier wurden Dinge angesprochen, welche mein Innerstes betrafen! Da ich die Früh- und Abendsendungen durch die Sendezeit bedingt fast immer im Schlafzimmer hörte, war meine Frau unfreiwilliger Ohrenzeuge der evangelistischen Verkündigung durch den ERF. Der Geist Gottes begann an uns spürbar zu arbeiten. Nach einem Schriftwechsel mit der Seelsorge-Abteilung des ERF und auf den Rat des Seelsorgers dort, schlossen wir uns einer bibeltreuen Gemeinschaft an. Wir hörten weiterhin die Sendungen, und als ich einen vom ERF angebotenen Bibelfernkurs absolvierte, traf mich bei der Bibellese das Wort aus Joh. 3, 3 + 5: „Es sei denn, daß jemand von neuem geboren werde, so kann er das Reich Gottes nicht sehen.“ Liebe Freunde, das Wort saß! Meine ganze Werkgerechtig- keit brach zusammen. Ich wußte, daß ich so nicht in Sünde weiterleben kann. Der goldene Mittelweg, den ich beging, stellte sich als vergoldeter Seitenstreifen des breiten Weges heraus. Zu meinem Erstaunen stellte ich fest, daß meine Frau vom Wort Gottes genauso getroffen war wie ich. Wir faßten uns ein Herz, zum erstenmal in der Ehe beteten wir miteinander und übergaben unser Leben unserem Herrn Jesus Christus. Das war nicht nur der schönste, sondern vor allem der wichtigste Tag in meinem Leben! Wir durften alle unsere Schuld bei Jesus abladen, wir waren von neuem geboren! Jesus war unser Herr geworden und hat uns die Gewißheit des ewigen Heils geschenkt! Wir haben durch den ERF Gottes Hilfe hautnah erfahren! Wenn auch die Verkündigung durch den ERF kein Ersatz für Gemeindeleben darstellt, kann sie doch eine lebenswichtige Hilfestellung und Wegweisung zur Gemeinde Jesu hin sein, und wir danken Gott für diese wunderbare missionarische Einrichtung. Alte, Kranke und auch Menschen, welche aus irgendwelchen Gründen nicht unter die Wortverkündigung in einer Gemeinde können, haben hier die Möglichkeit der Weite führung im Glauben und das Wissen, durch den ERF mit der weltweiten Gemeinde Jesu verbunden zu sein. Besonders auch junge Menschen, welche unter den Problemen der modernen Konsum-Gesellschaft besonders leiden sowie Drogen-und Alkoholabhängige und am Leben Verzweifelte dürfen hier die ausgestreckte Hand Jesu erkennen, um sich aus allen Gebundenheiten herausretten zu lassen. Ich bin deshalb fest überzeugt, daß der ERF in der Medienlandschaft eine ganz wichtige Stellung einnimmt und es ist unser tägliches Gebet, daß Gott durch dieses Werk weiterhin Großes tut. Arno Krüger Jugendveranstaltung Glücklich sind . . . „Glücklich ist, wer vergißt, was doch nicht zu ändern ist.“ Ein alter Operettenschlager. Und mancher mag nun denken: Ja, das ist es. So sagen wir es ja heute auch wieder. „Vergiß es“; vergiß, was es an Weltproblemen gibt und an privaten Problemen — warum sich mit Dingen belasten, die man doch nicht ändern kann. „Glücklich ist, wer vergißt, was doch nicht zu ändern ist.“ Ich glaube nicht, daß wir mit dieser Vogel-Strauß-Politik glückliche Menschen werden. Ich glaube nicht, daß es gut ist, wenn wir einfach vergessen, was um uns her an Mühevollem und Belastendem ist und so tun, als wäre mit Jesus alles happy. Ich glaube aber, daß dort, wo wir uns von Jesus vergeben lassen und wo wir einander vergeben, daß wir da zu glücklichen Menschen werden. Nicht also das Vergessen, sondern das Vergeben macht uns glücklich. Ein Werbespruch behauptet: „Milch von glücklichen Kühen.“ Na ja, bei diesem Satz da könnte man fast zum Philosophen werden und darüber nachgrübeln: Wie ist das denn eigentlich mit den glücklichen Kühen? Wie und auf welche Weise werden Kühe glücklich? Oder dann in der zweiten Lektion des Philosophie-Kurses: Müssen eigentlich Kühe glücklich sein? Und dann die Endstufe, wo man dann wirklich zum Philosophen wird, wenn man die Frage gelöst hat: Wie macht man Kühe glücklich? Liebe Freunde, ich glaube nicht, daß es sich lohnt, über glückliche Kühe nachzudenken. Nicht jedes Rindvieh muß schließlich glücklich sein. Aber ich glaube, es lohnt sich darüber nachzudenken, wie wir einander glücklich machen können und wie wir die jubelnde, herrliche und frohe Botschaft hinein in die Welt tragen können. Es ist in aller Munde — das Wort Bio — glücklich bist Du mit einem Bio-feed-back. Glücklich bist Du mit Deinem Bio-Rhythmus, glücklich bist Du mit Deinem Bio-Sessel, mit Deinem Bio-Müsli, mit Deinem Bio-Sex, glücklich bist Du mit Deinem Bio-Fernseher und, und, und. Allerorten „Bio“. Das ist „in“. Das ist eine Masche. Und es wird nicht lange dauern, bis es dann irgendwann auch einmal nicht nur den Bio-Lehrer gibt, sondern ganze Bio-Schulen. Wobei das dann im übrigen gar nicht so neu ist. Das gab es früher auch schon einmal. Da sagten die Leute zu mir: Ich glaub, Du warst wohl auf der „Baumschule“ beim Wildschütz. Freunde, ich glaube nicht, daß wir durch die Bio-Mode und durch die Bio-Welle und durch den Bio-Kult hindurch glückliche Menschen werden. Aber ich glaube, daß da, wo wir wieder ein vernünftiges, ein respektvolles, ein heiliges Verhältnis zur Natur gewinnen, daß wir da ein glückliches und gutes Verhältnis — auch untereinander — finden und zu den Bäumen, zur guten Schöpfung Gottes. Noch ein Werbespot: „Soll die Ehe glücklich sein, kauf bei Kurz die Ringe ein.“ Na ja, was müssen das für Ringe sein? Sind das etwa Zauberringe? Oder muß man da beim Kauf einen Vertrag unterschreiben, wo es dann heißt: Ich will dafür sorgen, daß meine Frau jeden Tag mindestens einen glücklichen Moment hat — so eine Art Garantieurkunde. Oder verspricht da etwa der Herr Geschäftsführer dieses Juwelierladens, daß er jeden Tag einmal in diese Ehe reinschauen wird, ob es auch noch stimmt mit dem Glücklichsein? Wie viele mögen wohl in diesem oder einem anderen Juwelierladen ihre Ringe gekauft haben, um nach wenigen Wochen oder Jahren festzustellen: Das ist nicht eigentlich ein schöner Ring, sondern mehr ein Fangeisen. Ich fühle mich eingeengt, ich bin nicht glücklich, sondern sterbensunglücklich. Ich glaube nicht, daß wir glücklich werden, wenn wir in einem bestimmten Juwelierladen einen bestimmten Ring kaufen. Aber ich glaube, daß Ehen sehr wohl glücklich sind und werden, wo Christus selbst Menschen zusammenführt und durch den Ring seiner Liebe weiterführt — auch mitten im sogenannten grauen Ehealltag. So also können wir nicht glücklich werden — weder durch das „Vergessen“, noch durch das „Bio“, noch durch die „glücklichen Rindviecher“ oder die „glückmachenden Ringe“, die es irgendwo gibt. Wir brauchen ein anderes Glück. Wir sind in der Regel glücklich, wenn wir ein Ziel erreicht haben. Nicht wahr, wenn Du eine Prüfung bestanden hast, dann bist Du glücklich — und das zu Recht; wenn Du endlich das Geld beieinander hast für das Mofa oder gar die große Maschine. Du bist glücklich, wenn es Dir gelungen ist, ein schwieriges Gespräch, das anstand, doch noch einigermaßen befriedigend und gut über die Bühne zu bringen. Jetzt ist es ja bald wieder soweit. Wir packen die Koffer und die Badehose ein, und dann endlich — der verdiente Urlaub — dann sind wir glücklich. Ein Ziel also. Das macht uns glücklich, wenn wir es glückhaft erreicht haben. Jesus sagt in den Seligpreisungen: „Glücklich bist Du, weil ich Dich an das Ziel bringe, weil ich Dich ans Ziel gebracht habe, weil ich selber das Ziel bin.“ Er will uns an das Ziel bringen. Das hat er versprochen, das hat er verheißen. Dafür hat er alles eingesetzt, dafür hat er das bittere und erbärmliche Leiden und das höhnische Verspotten auf sich genommen. „Ich bin der Weg, ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben.“ Nur so kommst Du an das Ziel, nämlich zum Vater. Alles andere ist Zielverfehlung und das bedeutet: Jetzt und in alle Ewigkeit unglücklich zu bleiben und sein zu müssen. Wenn Jesus in der Bergpredigt sagt: Selig sind die geistlich Armen, denn sie sollen das Himmelreich ererben, dann heißt das: Selig sind diejenigen, die alles von Gott brauchen, die nichts mehr selber zustande bringen, die ganz und gar auf ihn angewiesen sind, die Habenichtse. Du Habenichts, Du sollst ein Habender werden; Du Besitzloser, Du sollst das Himmelreich besitzen. In dem Lied, das Ihr alle kennt, „Hört, wen Jesus glücklich preist“, da wird dieser Vers so übersetzt: „Dem, der Gott nichts bieten kann, bietet Gott die Freundschaft an.“ Wenn Du Gott nichts zu bieten hast, wenn alles, was in Deinem Leben drin und dran ist, Du von ihm empfangen mußt, dann gehörst Du zu denen, die von Jesus glücklich gepriesen werden. Ich will mal versuchen, Euch das an einem ganz verrückten Beispiel klarzumachen. Nehmen wir an, Du bist in Mathe schlecht, Du bist in Deutsch schlecht und Du bist in Englisch auch auf einer Fünf. Also, so durchgängig mangelhaft. Dann hörst Du plötzlich, daß Du in all diesen Fächern, wo Du mangelhaft warst, plötzlich eine Eins mit Sternchen bekommst. Die Lehrer haben sich nämlich nicht bloß hingesetzt und mit Rotstift Deine Arbeiten korrigiert, sondern die haben sie wirklich korrigiert, die haben die richtigen Ergebnisse hingeschrieben, die haben das in Ordnung gebracht, was Du nicht konntest. Die haben das in Ordnung gebracht und genauso macht es Jesus. Da, wo über meinem Leben mangelhaft steht, da gibt er mir eine Eins mit Sternchen. Ohne Jesus ist mein Leben mangelhaft, mit Jesus ist mein Leben fabelhaft. Ach ja, Du denkst nun, verrückt, so geht es nun auch wieder nicht. Aber lies doch mal bitte bei Paulus nach. In Römer 3 formuliert er es so: „Wir sind allzumal Sünder und mangeln des Ruhms, den wir vor Gott haben sollten.“ Also mangelhaft: Fünf, mit Abwärtstendenz. Dann aber schreibt er weiter und sagt: Nun aber sind wir gerecht allein aus der Gnade, nun sind wir gerechtfertigt durch das Werk Jesu Christi. Nicht wahr, mangelhaft ist die eine Aussage, und dann werden wir erhoben durch das Werk Jesu Christi zu einer Eins plus Sternchen. Glücklich ist. . . Ich will es noch einmal anders deutlich machen. Vielleicht ein bißchen mit mir selber, weil’s da manchmal so wirkungsvoll ist. Also, wenn ich heute abend nach Hause komme und dann klingelt das Telefon und der Helmut Kohl würde bei mir anrufen und sagen: „Du, Eugen, es ist dringend, wir brauchen Dich unbedingt bei uns im Kabinett, komm und übernimm ein Ministeramt!“ Ich weiß nicht, ob ich darüber glücklich wäre. Ich weiß nur, ich tauge nicht zum Minister und dem Helmut würde das nie einfallen, bei mir anzurufen und zu sagen: „Komm und sei Minister.“ Oder manche Leute halten es ja mit dem Sport. Ich nicht so sehr. Aber ich weiß immerhin, der Ball ist rund, und ich weiß, wo die Tore sind und in welches Tor ich im Notfall schießen müßte. Aber ich kann wohl kaum damit rechnen, daß der Franz Beckenbauer mich eines Tages in die National-Elf beruft. Denn er wird sagen: Wir brauchen Kicker und keine Komiker. Aber Freunde, genau dies tut Gott. Die unmöglichsten Leute beruft er zu Ministern. Er beruft Leute in eine Aufgabe, von der sie vorher gedacht haben: Na, mit mir nicht — da braucht man Profis, da braucht man Könner, da braucht man die Perfekten. In der Bibel stehen da unzählige solche Stories: Da werden die Kinder von ihm gesegnet — die, die normalerweise nichts zu melden haben. Die Erwachsenenpartys dürfen sie nicht mitmachen; wenn die Erwachsenenthemen aufkommen, dann müssen sie aus dem Zimmer usw. Und die Kinder ruft Jesus zu sich her, nimmt sie auf den Arm, putzt ihnen die Rotznäschen ab und segnet sie und sagt: Der Papa im Himmel hat euch lieb. Jesus nimmt die, die Gott nichts zu bieten haben. Oder er beruft den Petrus — diesen Burschen, den ich mir nie aus- gesucht hätte — in ein Team, wo es drauf ankommt, wo alle stabil und stark sein und Durchhaltevermögen besitzen müssen. Oder er beruft sich den Saulus-Paulus — ein erklärter Gegner Jesu, der aber zu ihm sagt: Komm, Dich kann ich brauchen, Dich drehe ich um; Dich beauftrage ich. Als Paulus dann auch noch einige neue Kräfte, Tricks und neue Möglichkeiten zum Evangelisieren haben möchte, da sagt ihm Gott: Es ist genug. Laß Dir an meiner Gnade genügen. Mehr brauchst Du nicht, mehr kann ich Dir nicht geben. Da hängt einer neben ihm am Kreuz und der sagt: Herr, kannst Du noch etwas für mich tun? — Mann, über dem seinem Leben stand wirklich drüber: Mangelhaft, Ausschuß wäre. Da würden wir heute sagen: „Den kannst Du vergessen.“ — Aber Jesus vergißt ihn nicht und sagt: „Heute noch, heute noch wirst Du mit mir im Paradiese sein." So geht Jesus mit den Menschen um. Aus einem Mangelhaft wird eine Eins mit Sternchen. Selig sind die geistlich Armen. Glaubst Du das, daß Gott dieses Dein Leben umkehrt, total umkehrt und Dich zu einem wichtigen Menschen macht, obwohl Du Dich selber für klein, mickrig und kümmerlich hältst? Die zweite Seligpreisung heißt: „Selig sind die Leid tragen, glücklich sind, die Leid tragen, denn sie sollen getröstet werden.“ Leid gibt es unendlich viel in unserer Welt. Nicht nur in den Katastrophen- und Hungergebieten. Nein, auch hier, in unserer satten Wohlstandsgesellschaft. Und wer könnte nicht auch leidvolle Stories erzählen? Die Karin, die todunglücklich ist, weil ihr der geliebte Ralf davongelaufen ist. Oder da der Jens, der mit seinem Motorrad einen schweren Unfall erlitten hat und nun wahrscheinlich sein Leben lang ein verkrüppelter Mensch sein muß. Leid. Oder da sind die anderen, die mit sich selber nicht klarkommen und die sagen: Herr, meine pummelige Figur und mein pickeliges Gesicht, das bringt’s nicht. Todunglücklich, Leid, großes Leid. Aber über diesem Leid sagt Jesus: Ihr sollt glücklich sein, denn ihr werdet getröstet. Trost will er geben, nicht mit einfachen Kopf-hoch-Parolen, sondern Trost will er geben, indem er uns manchmal einen Menschen an die Seite stellt, der mitträgt, mitleidet. Aber auch, weil dieser Jesus selber mitleidet, alles mitgelitten hat, deshalb können leidgeprüfte, leidvolle Menschen alles bei ihm ab-legen. „Kommet her zu mir, ihr Mühseligen und Beladenen, ich will mit euch schuften und tragen, ich will euch erquicken, erleichtern, helfen.“ Es ist einer da, der Dein Leid mitträgt, der es nicht einfach geschwind wegwischt, indem er sagt: „Heile, heile Sege, drei Tage Rege.“ Er will von uns nur, daß wir schreien. So wie die Jünger damals auf dem Kahn, als sie mit dem Schiff unterwegs waren und das Wetter umschlug. Da haben sie geschöpft wie wild und waren erschöpft. Jetzt fällt ihnen ein: Jesus schläft. Sie schreien: Herr, merkst Du denn nicht, daß wir untergehen? So möchte der Herr, daß wir mit unserem Leid nicht heroisch und gewaltig versuchen, selbst fertigzuwerden, sondern ihn mittragen lassen. Also schrei nach diesem Herrn. Selig, glückselig, glücklich bist Du, der Du diesen Jesus kennst. Selig sind die geistlich Armen, die, die Leid tragen, die um Gerechtigkeit willen hungern und dürsten, die, die ein reines Herz haben und, und, und. Ihr könnt es bitte nachlesen in der Bergpredigt. Jesus spricht uns glücklich. Ich weiß, Du denkst: Ja, irgendwann einmal. Nein, wenn Jesus das sagt, dann wird auch die Gegenwart schon verändert. Jetzt kannst Du fröhlich, schlicht und einfach vielleicht damit beginnen, ein bißchen zu glauben und ein bißchen in der Bibel zu schmökern und einen ersten zaghaften Versuch machen, mit Gott ins Gespräch zu kommen. Vielleicht gelingt es Dir, ein stammelndes Zeugnis zu geben in Deiner Klasse, in Deinem Büro, an Deiner Werkbank. Vielleicht gelingt es Dir, einmal denen zu vergeben, die Dir übel zugesetzt haben und die Dich eigentlich schneiden und mißachten und Deine Würde unterbuttern. Vergib ihnen. Vielleicht gelingt Dir das, weil Du aus dem heraus lebst. Jesus liebt Dich, Jesus macht Dich glücklich. Bleibt am Schluß nur noch einmal die Frage: Glaubst Du das? Hältst Du das für möglich? Willst Du Dich darauf einlassen und dieser Zusage Jesu vertrauen? Oder ist in Deinem Herzen womöglich die Frage: Sollte Gott das gesagt haben? Ihr wißt ja, es hat schon einmal ein ganz großes Übel angefangen mit dieser sticheligen Frage: Sollte Gott das gesagt haben? Freunde, legt die Frage auf die Seite und laßt Euch glücklich sprechen, glücklich preisen vom Herrn. Ich möchte Euch zum Schluß im Namen Jesu zusprechen: Ihr seid glückliche Menschen, geistlich arm, aber Euch gehört das Himmelreich. Ihr seid glückliche Menschen im Namen Jesu, auch wenn Ihr Leid tragt und Kummer habt, denn der Herr tröstet Euch. Amen. Eugen Reiser Schlußveranstaltung Jesus Christus gestern Meist interessiert uns nicht, was gestern war. Aber Jesus Christus gestern, wenn uns das nicht interessiert, dann haben wir kein echtes Heute und kein gesichertes Morgen. Jesus Christus ist ja nicht irgendeiner. Er ist zu uns gekommen und grüßt uns mit dem Wort „Ich bin gekommen, daß sie das Leben im Überfluß haben sollen“. Jesus Christus kam aus der ewigen Welt Gottes in diese unsere Welt, um das Verlorene zu suchen und zu retten. Meine Freunde, wir sind eine verlorene Generation, das wissen viele heute. Wir haben die Maßstäbe verloren, wir haben den Weg verloren, wir haben das Ziel verloren, wir haben Gott verloren, wir sind dem Tod und Verderben verfallen. Für solche Leute kam der Sohn Gottes in unsere Welt, sie zu suchen und zu retten. So geht er heute mit seinem Evangelium durch unser Land. Uber dem Leben Jesu steht als Programm „Des Menschen Sohn ist gekommen, zu suchen und zu retten, was verloren ist“. Keiner von uns kann im Gericht Gottes bestehen. Wir müssen alle durch dieses Gericht hindurch, ob groß oder klein, arm oder reich. Wir werden nur bestehen und hindurchkommen, wenn wir den Heiland an der Seite haben, der das Verlorene rettet. Um uns zu retten, das ist das Größte, was von Jesus Christus gestern zu sagen ist, gab er sein Leben. Wenn Ihr von Jesus Christus gestern redet, dann leuchtet sein Kreuz auf, an dem er für Sie und für mich und für jeden Menschen auf dieser Erde gestorben ist. Davon werden wir nicht lassen, daß wir von dem Mann am Kreuz reden, der sein Leben für uns dahingegeben hat. Das Sterben des Weltenheilandes hat ja unendliche Konsequenzen. Er bezahlt mit seinem Blut für Ihre und für meine Schuld. Ich darf ihm mein Leben anvertrauen und darf aus der Vergebung der Sünde leben. Meine Freunde, ich weiß gar nicht, wie man in den Spannungsfeldern unserer Welt und in den Konfliktsituationen des Lebens, in denen wir andauernd schuldig werden, anders durchkommen und aushalten kann, als unter der Vergebung der Sünden. Dort am Kreuz hat Christus mich von Tod und Teufel befreit. Er hat mich aus meinem Gefängnis geholt und hat mich zu einem Leben im Frieden mit Gott und in der Freiheit der Kinder Gottes geführt. Jesus Christus gestern! Sieh auf den Mann am Kreuz! Dort hat er Dein Heil vollbracht! Was er gestern für Dich tat, hat ungeheure Konsequenzen für Dein Heute. Und auch das ist gestern geschehen, er ist nicht am Kreuz und nicht im Grab geblieben, er ist am dritten Tag leibhaftig von den Toten auferstanden. Über dieser dunklen Welt ist die Sonne von Ostern aufgegangen. Weil es Ostern geworden ist, weil Christus ein lebendiger Heiland ist, darum ist er nicht von gestern. Von gestern sind alle die, die das nicht zur Kenntnis nehmen wollen, daß Jesus Christus der Heiland aller Menschen ist, der für uns sein Leben gab und der von den Toten auferstanden ist. Meine Freunde, in einer Zeit der Krisen und Katastrophen, in der Menschen wieder um ihre Verlorenheit wissen, ist es unsere einmalige und einzigartige Aufgabe, in Deutschland Jesus Christus zu verkündigen, als den einen Heiland und den einen Herrn. Kurt Heimbucher Jesus Christus heute Man muß das selbst einmal erlebt haben, einen Besuch in der Walhalla, diesem Tempel der großen Geister, hoch über der Donau bei Regensburg. Ehrfürchtig erschaudernd geht man durch die Hallen und bestaunt die Büsten der Dichter und Denker, der Könige und Staatsmänner, die dort in langen Reihen zu sehen sind. Jeder von ihnen trägt einen großen Namen; jeder einzelne hat Bedeutendes geleistet. Aber nun sind sie tot. Ihr Ruhm ist vergangen. Alles, was in der Walhalla gezeigt wird, ist „von gestern“. Selten einmal umgibt einen so drastisch wie hier der Hauch der Vergänglichkeit. Wenn wir von Jesus sprechen, dann reden wir nicht von einer Gestalt der Vergangenheit. Er gehört nicht in die Ahnengalerie der großen Menschengeister. Er ist ein lebendiger Herr, auferstanden von den Toten, heute und hier gegenwärtig in seinem Wort und wirkend durch seinen Geist. Jesus ist nicht, wie wir Menschen alle, der Vergänglichkeit unterworfen; er lebt. Alle Zeiträume, die wir kennen, sind von ihm umschlossen, auch unsre Gegenwart mit ihren vielen Ängsten, die sie verbreitet, und mit den Zwängen, denen sie uns unterwirft. Jesus Christus heute. Weil er keine Größe der Vergangenheit ist, will er heute mit uns Verbindung aufnehmen — und er hat das an diesem Tag hier auf dem Killesberg nachdrücklich getan. Und was heute geschah, setzt er fort, auch wenn wir auseinandergehen, an jedem neuen Tag, solange es „heute“ heißt. Er spricht uns an, wenn wir daheim unsre Bibel aufschlagen. Er ist uns nahe, wenn wir uns in Gottesdiensten und Gemeinschaftsstunden, in Hausbibelkreisen und Jugendabenden versammeln. Er begegnet uns als der Vergebende in seinem Heiligen Mahl. Wir empfangen von ihm Trost und Mahnung, Weisung und Warnung, wenn wir die Seelsorge suchen, die er zu üben befohlen hat. Und nicht zuletzt gibt er uns Aufträge, überträgt er uns Verantwortung, öffnet uns die Augen für Menschen, die uns brauchen, die unser Wort und unsre Hand brauchen, unsre Zeit und unser Geld; er gibt uns ein Herz für solche, die keinen Sinn mehr in ihrem Leben sehen, die mit sich selbst am Ende sind; für die Jungen, die in der Resignation versinken und für die Älteren, die sich überflüssig Vorkommen. Und vor allem: Der lebendige Christus möchte heute mit uns in einem neuen missionarischen Aufbruch die vielen, vielen Menschen rufen und retten, die dem Geist dieser Welt verfallen sind, die in Gleichgültigkeit und ohne einen Lebenssinn durch ihre Tage gehen, die sich einer politischen oder pseudoreligiösen Ideologie verschrieben haben oder einfach nur kurzlebigen Abenteuern oder Lebensgenüssen nachjagen. Auch heute gilt unverkürzt: „Gott will, daß alle Menschen gerettet werden und sie zur Erkenntnis der Wahrheit kommen.“ Und er will, daß wir als Christen uns den großen Fragen stellen, die heute die Welt bewegen, den Fragen von Frieden und Versöhnung, von Mangel und Überfluß, den Fragen um die Bewahrung der Schöpfung Gottes. „Mit uns will Gott in die Welt hinein“ — dieses Wort von Johann Christoph Blumhardt gibt die Richtung an, in der Jesus Christus, der Lebendige, heute mit uns. unterwegs sein will. Auf der Schwäbischen Alb, an der Straße zwischen Urach und Münsingen, steht ein Schild mit der Aufschrift: „Wasserscheide zwischen Rhein und Donau.“ Heute — das ist die Wasserscheide zwischen Vergangenheit und Zukunft. Heute — das bezeichnet den Scheitelpunkt der Zeit, die Stunde der Entscheidung. Jesus Christus heute. Ob wir wohl den großartigen Zuspruch hören, der in diesem Satz liegt? „Ich muß heute in deinem Haus einkehren!“ Und ob wir zugleich den Anspruch vernehmen, den er enthält? „Ermahnet euch selbst alle Tage, solange es heute heißt!“ Jesus Christus heute. „Heute, wenn ihr seine Stimme hören werdet, so verstockt eure Herzen nicht.“ Theo Sorg Jesus Christus in Ewigkeit — schon heute, aber dann erst recht! In Tübingen lebte zu meiner Studienzeit Ludwig Schmidt, der frühere langjährige CVJM-Sekretär. Er beschenkte Studenten mit wertvollen Bücherpaketen. Unter einer Bedingung! Sie mußten den Philipperbrief auswendig lernen und ihm vorsagen. Ein Medizinstudent sagte: „Seitdem ich das gemacht habe, konnte ich in meinem Gedächtnis all das viele Wissen so stapeln, daß ich das Staatsexamen mit Bravour bestanden habe.“ Aber Ludwig Schmidt ging’s um mehr als um ein Gedächtnistraining für schwäbische Studenten. Ihm ging es um die packende Botschaft Jesu im Philipperbrief: „Freuet euch im Herrn Jesus allewege!“ Also immer, täglich. „Der Herr ist nahe!“ Dein Herr Jesus, mit Gottes ewigen Vollmachten ausgerüstet, ist nahe! Der Jesus, der zu einem Petrus gesagt hat, „ich habe für dich gebeten, daß dein Glaube nicht aufhöre“, ist Dir nahe! Der Jesus, der mit bangem Herzen auf die damalige Kirche geschaut und darauf gewartet hat, ob sich die Frommen bei ihm sammeln wie Küchlein unter die Flügel der Glucke, der ist nahe. Der Jesus, mit dem man sagen kann: „Ich vermag alles durch den, der mich mächtig macht, Christus!“ — der ist nahe. Der Jesus, der alle Bruchstücke unseres Lebens in seine Hand nehmen und heilend zusammenfügen kann, so daß nichts „vergeblich“ ist — der ist nahe! Aber das ist noch nicht alles! Im Philipperbrief steht das unvergleichlich große Wort: „Der in euch angefangen hat das gute Werk, der wird’s auch vollführen bis an den Tag Jesu Christi.“ Denn „wir warten auf unseren Heiland Jesus Christus vom Himmel, welcher unseren nichtigen Leib verklären wird, daß er gleich werde seinem verklärten Leibe nach der Wirkung seiner Kraft, mit der er kann auch alle Dinge sich untertänig machen“. Es ist ja schon groß, was wir heute mit Jesus erleben können. Nicht nur am heutigen Festtag, sondern auch morgen früh an unserem scheinbar nebensächlichen Platz. Wenn Jesus dabei ist, ist es ein wichtigerer und schönerer Platz als der ganze Killesbergpark! Aber es wird noch einmal ganz anderes sein, wenn Jesus alle Dinge sich untertänig macht: Alles Ungeordnete in dieser Welt, alle Ungerechtigkeit, an der unser wohlgemeintes Wollen und Verändern zersplitterte wie ein untaugliches Werkzeug. Was wird das sein, wenn die ganze Armseligkeit unseres Christenlebens, die Schwäche unserer Körper, die Versehrte Erde überstrahlt werden wird von der Klarheit Jesu! Wenn der Name Jesu ausgerufen wird, und „aller Knie sich beugen werden: derer, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind und alle Zungen bekennen müssen: Jesus ist Herr! — zur Ehre Gottes, des Vaters!“ Mit diesem Jesus, das hat Zukunft! Rolf Scheffbuch Zu den Bildern Bild-Seite 1: Schon morgens kurz nach 9 Uhr waren die meisten Hallen, wie hier der Kongreßsaal, hoffnungslos überfüllt. Viele junge Menschen waren unter den aufmerksam Hörenden. Doch die Alten durften nicht fehlen. Bild-Seite 2: Mittagspause im Park bei herrlichem Sonnenschein. Pfarrer D. Fritz Grünzweig, der langjährige Leiter der Ludwig-Hofacker-Vereinigung, und sein Nachfolger, Dekan Rolf Scheff-buch bei der Schwäbischen Hofacker-Konferenz in Halle 4. Bild-Seite 3: Festival der Jugend in der Freilichtbühne. Panya Baba, der Leiter der nigerianischen evangelikalen Missionsgemeinschaft (links) mit einem afrikanischen Gast. Bild-Seite 4: Die Besucher saßen und standen, wo nur überhaupt Platz war. Die erfahrenen Teilnehmer brachten Vesper und Kaffee mit. Mittagspause der Begegnung im Park bei der Kleinbahn. Bild-Seite 5: Großes Gedränge bei der Kinderkonferenz in Halle 5. Bild-Seite 6: Von links: Prof. Dr. Sunand Sumithra/Indien, D. Fritz Grünzweig, Präses Kurt Heimbucher, Prälat Theo Sorg, Winrich Scheffbuch, Dekan Rolf Scheffbuch, Prof. Dr. Bruce Nicholls/Indien-Neusee-land mit Übersetzerin. Die Chöre der Sänger und Bläser sind vom Gemeindetag nicht wegzudenken. Bild-Seiten 7 und 8: Schlußkundgebung im Tal der Rosen Fotos: Kurt Eppler (15), idea-Bleß (1) «* tik» Die anfangs nur als regionaler Gemeindetag unter dem Wort vorbereitete 29. Ludwig-Hofacker-Konferenz hat überraschend in den Medien für großes Aufsehen gesorgt. Vergleiche mit dem gleichzeitig in Düsseldorf stattfindenden Kirchentag standen dabei im Vordergrund. Diese Terminkollision wurde vom Kirchentag durch planerische Zwänge begründet. Der Gemeindetag unter dem Wort könnte aber dadurch leicht als Anti-Protestdemonstration gegen den Kirchentag mißverstanden werden. Dabei machten die Veranstalter nie einen Hehl daraus, daß die Gemeindetage zwar als Alternative zum Kirchentag zu sehen sind, nicht aber das Kontra zum Thema haben, sondern das Pro. Eine Durchsicht der hier in diesem Buch gesammelten Vortragsmanuskripte macht deutlich, daß in keiner der über 50 Ansprachen auch nur einmal der Kirchentag erwähnt wurde. Das Thema war Jesus Christus und sein Wort. Mitten in den verworrenen Problemen der Zeit gibt er Orientierung. Weil Christen sein Wort haben, brauchen sie nicht richtungslos in einer heillosen Welt hin und her zu irren. Ohne Angst können sie in die Zukunft blicken, weil sie „ihr Vertrauen nicht auf sich selbst setzen, sondern auf Gott, der Tote auferweckt“. Auf dem Stuttgarter Killesberg wurde auch viel gesprochen und diskutiert, in kleinen Gesprächsrunden und in persönlichen Begegnungen. So möchten diese Vorträge noch manches Gespräch ermöglichen, das in Gemeinden, Gemeinschaften und Hauskreisen weitergeführt werden muß. Darum können sie nur ganz bruchstückhaft widerspiegeln, was dieser Tag an Eindrücken bei vielen Teilnehmern hinterlassen hat. Es wäre zu berichten von Chören und dem bunten Programm der Jugendtreffs, von Spielen mit Kindern und den weiten Diensten, die sich in den Ausstellungen widerspiegelten. Wie dankbar begrüßten viele an dem schwülen Tag bei der Schlußveranstaltung im Freien die gnädigen Wolken, die vor der prallen Sonne schützten. Und sie waren voll Dank gegenüber Gott, als erst bei der Heimfahrt die Regentropfen gegen die Windschutzscheibe prasselten. Nichts anderes will dieses Buch, als daß die Leser viel von dem hören und bedenken, was uns Gott heute in seinem großen Evangelium zu sagen hat. Winrich Scheffbuch