Mit Volldampf nach China Hudson Taylor Der Mann, der ein unbekanntes Volk gewann Mit Volldampf nach China - Hudson Taylor : der Missionar, der ein fremdes Volk für Gott gewann ; 1832-1905 / von Marlee Alex. III. von Giuseppe Rava. [Aus dem Engl, von Janet Reinhardt], -Bad Liebenzell : Verl, der Liebenzeller Mission, 1995 (TELOS-Bücher; Nr. 3972 : TELOS-Kinderbuch) Einheitssacht.: Hudson Taylor
ISBN 3-88002-581-9 NE: Alex, Marlee; Rava, Giuseppe; Reinhardt, janet [Übers.]; Hudson Taylor; EST; GT Mit Volldampf nach China Hudson Taylor Der Mann, der ein unbekanntes Volk gewann ©Copyright 1995 by Scandinavia Publishing House, Kopenhagen/Dänemark Originaltitel: Hudson Taylor - The Missionary Who Won a Nation by Prayer © Copyright 1995 am englischen Text by Marlee Alex Illustrationen von Giuseppe Rava Graphikdesign, art direction and illustration/photos research by Ben Alex Aus dem Englischen von Janet Reinhardt ISBN 3-88002-581-9 TELOS-Bücher TELOS-Kinderbuch 73972 Alle Rechte Vorbehalten, auch der fotomechanischen Wiedergabe © Copyright 1995 der deutschen Ausgabe by Edition VLM im Verlag der St.-johannis-Druckerei Umschlaggestaltung: Grafisches Atelier Arnold, Dettingen/Erms Satz: St.-Johannis-Druckerei, 77922 Lahr (Schwarzwald) Abenteuer mit Gott Ein spannendes Hörspiel über den Chinamissionar Hudson Taylor Bestell-Nr. 11018 Diese MC bringt 4 packende Szenen aus dem Leben Hudson Taylors -hautnah und spannend. Abenteuer mit Gott I Ein spannendes Hörspiel Uber den Chinamissionar Hudson Taytor TiotS Inhalt: Seite 2 Sturm auf dem Meer 26 4 6 Kindheitserinnerungen Hudson erhält einen Ruf 34 8 Politische Geschichte Chinas 37 10 14 Lehren des Glaubens Die goldene Gelegenheit 44 15 Hudsons Weg nach China 47 16 Das Leben in Schanghai 48 22 Der Traum, das Innere Chinas zu erreichen 49 22 Christentum in China 49 Hudsons Liebesgeschichte Ein neues Glaubensabenteuer Die Wiedergeburt eines Traumes Hudsons Traum wird wahr Das heutige China Meilensteine in Hudson Taylors Leben Hudson Taylors China Literaturverzeichnis Mit Volldampf nach China Hudson Taylor Der Mann, der ein unbekanntes Volk gewann 1832-1905 Große Männer und Frauen haben es nicht nötig, von uns gelobt zu werden. Wir sind es, die es nötig haben, sie kennenzulernen. "v \ \ Sturm auf dem Meer Ein dünner, großer Mann stand an der Reling eines Segelschiffes und schaute hinaus auf das offene Meer. Ich kann es kaum erwarten, nach China zu kommen, dachte der junge Mann. Vor Aufregung lief es ihm kalt den Rücken hinunter. Herr, schicke uns guten Wind. Bringe dieses Schiff nach Osten. Im Wind kann ich fast die Rufe des chinesischen Volkes hören. Sie haben noch nie das Wort Gottes gehört. Noch nicht einmal den Namen Jesus. Ich gehe hinein in das große Kaiserreich und werde der erste protestantische Missionar sein, der ihnen das Evangelium bringt. Blase, Wind, blase und bringe uns nach China. Während der Morgen verging und der Mann weiterhin an der Reling hin-und herlief, wurde die See rauher. Seine Gebete um eine sichere Reise schienen im Schaum der wilden Wogen verlorengegangen zu sein. Schließlich kämpfte er sich zur Brücke hinauf. Die Wogen türmten sich über den Männern der Mannschaft, die an Deck die Segel bedienten. Kaltes Wasser krachte mit der Stärke eines Wirbelsturmes gegen den Bug, zersplitterte fast die Balken und drohte, die Matrosen in das tosende Meer hinauszuspülen. »Wie weit sind wir von der Küste entfernt?« schrie er über das Tosen des Meeres hinweg. Kapitän Morris kämpfte gerade mit dem Segel und horchte darauf, ob das Holz zu bersten drohte. Sein Schiff, die Dumfries, hob sich steil aus dem schwarzgrauen Wasser, legte sich dann zurück und segelte mit großer Geschwindigkeit weiter. »Nicht sehr weit«, rief Morris zurück. »Das ist der schlimmste Sturm, den ich je erlebt habe. Wir segeln auf einen steinigen Strandwall zu. Ich kann das Schiff nicht herumreißen!« Der junge Mann kroch unter Deck. Von dem starken Schlingern des Schiffes wurde er in seiner Kabine hin und her geworfen. Er fischte einen Stift aus seinem Schreibtisch und kritzelte klar seinen Namen - HUDSON TAYLOR-in ein Notizbuch, das er dann fest in seiner Jacke verankerte. Vielleicht können sie so wenigstens meinen Körper für meine Eltern identifizieren, wenn sie ihn finden, dachte er. Er kämpfte gegen seine Angst an und trauerte schon um den Verlust seines Traumes -den Menschen im Inneren Chinas das Evangelium von Jesus Christus zu bringen. Jahre der Vorbereitung im Meer begraben, dachte er. Alles, wofür ich gearbeitete habe, umsonst. Er kletterte wieder auf das schlüpfrige Deck. Dort sah Taylor sofort, daß das schlingernde, schaukelnde Schiff nur noch zwei Schiffslängen von der steinigen Küste entfernt war. Kapitän Morris zog wie ein Verrückter am Segel. Taylor griff nach einem dicken Tau und hielt es fest. Werde ich China nie sehen? dachte er. Wird das das Ende meines Traumes sein? In dem eisigen Chaos erinnerte er sich an die Vergangenheit und ließ Bilder seiner Kindheit vor seinem inneren Auge entstehen, Bilder von Barnsley in England ... Kindheits- erinnerungen » Di u kommst schon wieder zu spät, Hudson!« riefsein Vater, James Taylor, aus. Der fünfjährige Junge zitterte ein wenig, als er in seinen Stuhl zwischen seinen beiden Schwestern am Tisch kletterte. Er wußte, daß es nicht erlaubt war, zu spät zum Essen zu kommen. Aber Mr. Taylor sagte nur: »Es wird nicht noch einmal Vorkommen. nicht wahr, mein Sohn?« »Nein, Vater«, erwiderte Hudson. »Dann laßt uns jetzt Gott für das Essen danken. Nach dem Essen, Hudson, werden du und ich noch eine Stunde lang zusammen in der Apotheke arbeiten und danach vor dem Tee unsere Lateinstunde beginnen. Du wirst ihn zubereitet haben, liebe Amelia?« Manchmal störten Hudson die strengen Regeln seiner Eltern, aber er j liebte sie trotzdem sehr. Durch sie er- wenn sie so streng auf Ordnung achteten. Hudsons Zuhause war voller Wärme: das ordentliche Wohnzimmer mit den glühenden Öllampen, Tee- und Mürbekuchen zum nachmittäglichen Tee, der gebeugte Kopf seines Vaters bei den langen Gebeten am Frühstückstisch. Gebete schienen ihm immer viel zu lang, als daß sie ein kleiner unruhiger Junge aushalten könnte. Aber in dem Geschäft seines Vaters, wo Apothekerflaschen in allen Farben und Formen in den Regalen standen, konnte sich Hudsons Fantasie voll entfalten. Er sah seinem Vater gerne beim Mischen, Zerstoßen und Einwickeln der verschiedenen Medikamente zu. An den Nachmittagen saßen Hudsons Schwestern mit gerunzelter Stirn neben ihm über den Büchern, während sie Sprachen. Geschichte und Mathematik lernten. Aber am besten gefielen ihm die langen Winterabende vor dem Kohlenfeuer. Die Stimmen seiner Eltern und ihrer Freunde tönten weiter und immer weiter, begleitet von dem leisen Klingen des Teegeschirrs aus Porzellan. Als Junge fiel Hudson oft in den Schlaf, während er zuhörte, wie die Erwachsenen über Theologie, Politik und den Dienst innerhalb der methodistischen Kirche diskutierten. »Lerne deine Bibel über alles lieben«, sagte Hudsons Vater oft zu ihm. »Gott läßt dich nie im Stich.« Oft führte er seinen Sohn hinüber zu dem hohen Bücherregal mit den Türen aus Glas. Mr. Taylor nahm dann ein Buch nach dem anderen heraus, oft aus der Kollektion von Büchern über China. »Wer hat das Schießpulver erfunden?« fragte er dann. »Den Kompaß? Papier? Die Druckerkunst? Welches Volk dieser Erde lebt in einem uralten Reich, das hundertmal so groß ist wie England?« Hudson wußte jedesmal die Antwort. »Die Chinesen«, sagte er. Jetzt kniete der 21jährige Hudson auf dem Deck eines schwankenden Schiffes und rief Gott ums Überleben an und um sichere Fahrt zu dem Land, das er so gerne sehen wollte. Seine Erinnerungen gaben ihm Kraft, und er dachte an den Moment, an dem er von Gott nach China gerufen wurde. Hudson tat so, als ob ihm das nichts ausmachte. Aber er dachte, es ist wahr, Vaters Gebete und die ganze Kirchensprache kommen mir so albern vor! Ich habe es so satt. Trotzdem konnte sich Hudson nicht vom leisen Werben Gottes losreißen. Schließlich traf er seine Entscheidung und sagte zu den jungen: »Ich werde das glauben, was ich will. Gott ist der weiseste Weg. Er läßt mich nie im Stich.« Aber Hudson war sich nicht so sicher, ob er nicht doch nur die Worte seines Vaters nachplapperte. Es ist nicht mein Glaube oder meine Wahl, Hudson erhalt einen Ruf Dein Vater ist ein alter religiöser Fanatiker!« sagte ein junge zu Hudson. Hudson öffnete die Bücher der Barnsley Bank und begann die Zahlen zu addieren und die Konten einzutragen. Obwohl er erst 15 jahre alt war, wohnte er schon alleine und verdiente sich seinen Lebensunterhalt. »Alle Christen sind Heuchler«, sprachen seine Freunde weiter. »Du mußt dein eigenenes Leben leben, Hudson. Warum gibst du dich weiter mit dem altmodischen Gott deines Vaters ab?« mm sagte er zu sich selbst. Außerdem ist der Gottesdienst langweilig, und ich muß dort nicht mehr hin, da ich ja nicht mehr zuhause lebe. Hudson brütete darüber, unsicher, wo genau er nun hingehörte. Er wünschte sich Abenteuer und Herausforderungen, aber er war unglücklich, / wenn er die anderen jungen imitierte und sich an ihren Streichen beteiligte. Eines Nachmittags, als er siebzehn war, wandelte Hudson in die Bücherei seines Vaters, weil er einen langweiligen Nachmittag zu füllen hoffte. Er nahm eine kleine Evangeliumsbroschü-j re in die Hand, die aussah, als ob sie eine amüsante Geschichte enthielt. Ich werde die Predigt einfach übersprin-, gen, dachte er. Ich habe sie alle schon tausendmal gehört. Aber Hudson irrte sich. Die einfache Wahrheit, die die kleine Geschichte enthielt, machte ihn aufmerksam. Er brauchte die Predigt nicht, Gott sprach persönlich zu ihm. rief ihn zu einem Leben im Glauben. »Herr, ich nehme jesus als meinen Erlöser an«, betete Hudson an dem Tag. Als die Monate vergingen, wurden seine Verwirrung und der innere Aufruhr durch Gewißheit und einen klaren Auftrag ersetzt. Hudson war nicht mehr damit zufrieden, in die Kirche zu gehen und nur dem Namen nach ein Christ zu sein. Er wollte etwas Kühnes tun. Etwas, das noch nie vorher getan worden war. »Ich werde überall hingehen, alles tun, alles ertragen für dich, Herr«, betete er. »Bitte gib mir Gewißheit darüber, was du gerne von mir möchtest.« Als er betete, konnte er fast Gottes Gegenwart spüren. Es war so, als ob Gott sagte: »Dein Gebet ist erhört, deine Bedingungen sind angenommen. Ich werde dich zu einem harten Leben rufen, das körperlich sehr anstrengend sein wird. Dadurch wirst du lernen, dich auf mich zu verlassen und nicht auf irgendeinen Menschen.« Hudson glaubte, daß Gott ihn nach China rief, in das Land, von dem seine Eltern so gerne sprachen. Er entschied sich, sofort mit den Vorbereitungen für den Missionsdienst zu beginnen. Hudson begann seinen Körper abzuhärten und unter den Armen in den schlimmsten Vierteln seiner Heimatstadt zu predigen. Er besuchte die Gassen und Marktplätze, verteilte Evangeliumsbroschüren und predigte aus der Bibel. ]e mehr er mit anderen über Jesus sprach, desto näher fühlte er sich Gottes Willen. Aber jeden Tag wuchs sein Wunsch, bei den Menschen zu evangelisieren, die noch nie auch nur den Namen Jesus gehört hatten und wo es im Inneren des Landes keinen einzigen protestantischen Missionar gab, der ihnen die Gute Nachricht bringen konnte. Hudson wußte, daß China zu der Zeit keine Ausländer in das Land hereinließ. Die Taiping-Rebellion, eine Art Bürgerkrieg, hatte sich dort voll entfaltet. Aber diese Hindernisse stärkten nur seinen Entschluß. Er fing an, von dem Unmöglichen zu träumen. Ich werde gehen, dachte er. Ich muß der erste sein, der diesen Millionen von Menschen in China die Gute Nachricht bringt. Hudson nahm eine Arbeit als Assistent eines Arztes an, weil er hoffte, daß er als Mediziner vielleicht nach China einreisen durfte. Damit er sich auf die kulturellen Herausforderungen des Landes besser einstellen konnte, zog er aus seinem eigenen gemütlichen Heim aus und lebte unter den Armen. Er mietete sich eine kalte, kaum eingerichtete Wohnung und aß nicht mehr so gut, wie er es gewohnt war. Er weigerte sich, gut zu leben, während seine Nachbarn litten, und aß nur Haferbrei oder Reis, trockenes Brot und Hering oder ein paar Äpfel. In seiner freien Zeit besuchte er die Armen, brachte ihnen Arzneien, Trost aus der Politische Geschichte Chinas «r China ist ein Land mit einer reichen kulturellen Tradition, die bis an den Anfang aller Zivilisation zurückreicht. Nach jahrhundertelangen Unruhen und Kriegen zwischen kleinen Fürsten in vorgeschichtlicher Zeit, entwickelte sich ein Kaiserreich, das sich aus 36 Staaten oder Provinzen zusammensetzte. Der erste Kaiser, Qin Shihu-ang (259-210 vor Christus) erbaute die berühmte Chinesische Mauer zum Schutz vor den nomadischen Stämmen des Nordens. Er gründete eine Kultur, die in den nächsten Jahrhunderten zur größten Zivilisation der Welt wer- den sollte. Im frühen dreizehnten Jahrhundert wurde China von dem mongolischen Kaiserreich übernommen und der Handel mit Europa wurde erstmals begünstigt. Der berühmteste Europäer, der China besuchte, war der Forscher Marco Polo. Er kehrte nach Europa zurück und berichtete von diesem hochzivilisierten und reichen Land im Osten. Die Mongolen wurden schließlich verjagt und die Ming-Dy-nastie herrschte 300 Jahre lang in China, bis die Manchus im Jahre 1644 von Norden her eindrangen. Während der Herrschaft der Manchus öffnete sich China immer mehr eu- ropäischen und amerikanischen Handelsbeziehungen und Einflüssen. Im Jahr 1840 verbrannte ein Manchu-Beamter eine Schiffsladung Opium, die den Briten gehörte und in China verkauft werden sollte. Zwischen den beiden Ländern brach Krieg aus. England gewann und zwang China dazu, einige ihrer Häfen für den europäischen Handel zu öffnen. Die Europäer begannen, die Manchu-Herrscher gegen die chinesischen Bauern zu unterstützen. weil die Manchus den europäischen Handel begünstigten. Die Bauern gerieten in Aufruhr, was zu der Rebellion von Taiping führte. Der Aufruhr wurde niedergeschlagen, aber die Manchu-Dynastie ging geschwächt daraus hervor. Im Jahr 1911 wurde die kaiserliche Regierung endgültig von chinesi- schen Revolutionären gestürzt und eine Republik gegründet. Das chinesische Volk hatte aber keine Erfahrung mit der Demokratie. In den folgenden Jahren litt das Land unter lokalen Militärführern oder Kriegsherren. die sich gegenseitig bekämpften. um an die Macht zu kommen. Im Jahr 1931 brach ein erschöpfender Krieg gegen Ja-pan aus. der schließlich zu einem Teil des Zweiten Weltkrieges wurde. China schloß sich den Allierten gegen Deutschland. Italien und Japan an. Als der Krieg vorbei war. übernahmen die Kommunisten in China die Macht. Im September 1949 wurde in Beijing die Volksrepublik China, eine neue kommunistische Regierung, gegründet. An ihrer Spitze stand als Vorsitzender Mao Tse-tung. China wird noch heute von kommunistischen Diktatoren beherrscht. HF HB' 1 f 1 r I 1 f P' P mm 1.31,S fkm * r,n Lehren im Glauben ines Tages vergaß der Arzt, für den Hudson arbeitete, ihn zu bezahlen. Der Mann war so vergeßlich, daß er Hudson gebeten hatte, ihn daran zu erinnern, ihm jede Woche sein Gehalt auszuzahlen. Aber Hudson hatte sich überlegt, was er noch machen könnte, um sich auf ein Leben als Missionar vorzubereiten. Er entschied sich, die Vergeßlichkeit seines Chefs als Gelegenheit zu nutzen, Gott zu vertrauen. Ich werde Dr. Har-dey nicht erinnern, dachte er. Ich werde einfach nur um das Geld für meine Miete und mein Essen beten und mich dazu erziehen, meine Hoffnung auf den Herrn zu setzen anstatt auf Menschen. Hudson erfuhr, daß es nicht einfach war, seinen Glauben zu testen. Eines Sonntagabends, als Hudson nur noch eine kleine Münze übrig hatte, trat ein armer Mann auf in zu und bat ihn, zu ihm zu kommen und mit seiner Frau zu beten, die im Sterben lag. Hudson fragte ihn, warum er nicht seinen eigenen Priester gerufen hatte. »Das habe ich«, sagte der Mann. »Aber er wollte nicht kommen, wenn wir ihn nicht bezahlen, und wir haben sammen weiter, über einen Hof, dann eine winzige Treppe hoch und in ein ärmliches Zimmer. Da saßen fünf Kinder mit vor Hunger eingefallenen Gesichtern auf dem Fußboden. Auf dem Boden neben ihnen lag die Mutter, neben sich einen Säugling. Hudson fiel auf, daß das Baby nicht weinte, sondern vor Schmerzen völlig erschöpft schien. Wenn ich nur ein zweites Geldstück hätte, dachte Hudson. Ich würde es so gerne geben, damit sie Nahrung für die Kinder kaufen können. »Seid nicht entmutigt«, sagte Hudson zu der Familie. »Ihr habt einen lie- nichts mehr. Meine Kinder verhungern.« Hudson dachte an die Münze in seiner Tasche, das einzige Geld, das er noch hatte. Er dachte an den letzten Rest Haferbrei und das Stück Brot, das er in seiner Wohnung noch hatte. »Wieso haben Sie zugelassen, daß Ihre Familie in solche schlimmen Umstände gekommen ist?« fragte er. »Sie hätten die Behörden um Hilfe bitten sollen.« Bei sich selber dachte Hudson, wenn ich nur zwei Münzen hätte, würde ich dem Mann eine davon abgeben. Die beiden Männer gingen zu- benden Vater im Himmel, der um eure Nöte weiß.« Aber in seinem Inneren hörte Hudson eine Stimme. »Heuchler!« sagte die Stimme. »Du sagst diesen Leuten, daß sie auf Gott vertrauen sollen, aber du willst ihm ja selbst nicht vertrauen mit der Münze in deiner Tasche!« Hudson hatte langsam das Gefühl, daß er derjenige war, der Trost und Hilfe brauchte. »Wollen wir zusammen beten?« fragte er. Aber wieder sprach die innere Stimme ihn an: »Willst du Gott verspotten, Hudson? Verschenke das Geldstück!« Hudson betete zuende, schaute in die Augen der Kinder, steckte die Hand in seine Tasche und nahm die Münze heraus. Er drückte sie dem dankbaren Vater in die Hand. Dann ging er mit freudigem Herzen nach Hause und aß die Mahlzeit, von der er annahm, daß sie für viele Tage seine letzte sein würde. Am nächsten Morgen erhielt Hudson einen Brief mit einem verschmierten Absender. Die Schrift konnte er auch nicht erkennen. Als er den Umschlag öffnete, fiel eine Münze heraus, die viermal soviel wert war als die, die er verschenkt hatte. Es gab keinen Brief dazu und Hudson hat nie erfahren, wer das Geld geschickt hat. Das Geld reichte gerade, bis seine nächste Miete fällig war. Zwei Wochen später ging Hudson wieder auf die Knie und bat Gott um das Geld für die Miete. Er wollte nicht, daß seine Vermieterin unter seiner Entscheidung, auf Gott zu vertrauen, zu leiden hatte. Als Dr. Hardey wieder vergaß, ihn zu bezahlen, betete Hudson so lange, bis er die Gewißheit hatte, daß Gott auf andere Weise helfen würde. Er blieb in seinem Zimmer, be- tete und dankte Gott im Glauben für die Antwort . Spät an dem selben Abend kam Dr. Hardey lachend die Stufen zu Hud-I sons Wohnung hoch. »Hier, nimm das fl Geld«, sagte er zu Hudson. »Einer mei-| ner Patienten kam eben und hat seine t ganze Rechnung bezahlt. Er muß ver- 1 rückt sein, daß er auf einen Sonntag so spät mit so viel Geld kommt! Nimm dir, was ich dir schulde.« Die goldene Gelegenheit Während der folgenden Jahre nahm sich Hudson immer fester vor, seinen Traum, nach China zu gehen, zu verwirklichen. Er lehnte Angebote, sein Studium zu bezahlen, ab, um zu zeigen, daß er lieber einen festen Glauben als eine gute Ausbildung haben wollte. Er lebte von braunem Brot und Wasser. »Ich möchte tun, was ich predige«, schrieb er in sein Tagebuch. »Es ist mein Ziel, Männer und Frauen allein durch Gebet zum Herrn zu bringen.« Außerdem läuft mir die Zeit davon, dachte er. Wenn ich warte, bis ich Arzt bin, bevor ich nach China gehe, werden schon Millionen Chinesen gestorben sein, ohne Jesus zu kennen. Ich muß um eine Gelegenheit beten, bald dorthin zu kommen. Da kam eines Tages die Gelegenheit, auf die Hudson gewartet hatte. Führer der Rebellion in China hatten in dem Krieg die Oberhand gewonnen und zeigten Offenheit für westliche Einflüsse. Hudson erfuhr, daß sie christliche Lehrer in Schanghai suchten und sah seine goldene Gelegenheit gekommen. Er war der Meinung, daß es vielleicht jetzt oder nie sein könnte, daß die Tür geöffnet wurde. Obwohl Hudson keinen medizinischen Schulabschluß hatte, nicht an der Universität studiert hatte oder als Geistlicher eingesetzt worden war, hatte er die Begeisterung und den Mut von zehn, als er seine Pläne machte. Hudson erhielt von der Chinesischen Missionsgesellschaft in England das Versprechen finanzieller Unterstützung und packte sorgfältig Arzneien und medizinische Geräte, chinesische Bibeln und Bücher für die Reise, die vier Monate dauern würde, ein. Mit viel Gepäck beladen, verabschiedete er GutenjJdoffnung herum, an Australien vorbei und weiter bis irktdas pstchine-sisch£ Meer. ♦«''ft w Hudsons Weg nach China Jetzt, nur ein paar Tage später, gefangen in den unvorhersehbaren Stürmen der Irischen See, betete Hudson um Rettung vor Schiffbruch. Während er Gott noch anflehte, sie zu bewahren, drehte die Dumfries ab von der steinigen Küste und wandte sich wieder aufs offene Meer hinaus. Danach segelte sie tagelang mit hoher Geschwindigkeit weiter -zum Golf von Biskaya, um das Kap der •ü T -------' sich am Pier in Liverpool, England, von seiner Familie und wandte sich nach Osten. England Als die Dumfries endlich an einer kleinen Insel nahe der chinesischen Küste anlegte, winkte Hudson der Mannschaft zum Abschied zu. Er sprang vom Schiffsdeck hinunter auf ein kleines Pilotboot, das flußaufwärts nach Schanghai fuhr. Die Strömung des Flusses war beständig und ruhig im Vergleich zu dem Hin und Her der Meereswogen. Hudson ließ sich nieder und überprüfte sein Gepäck. Er hatte genug Arzneien, um eine kleine Klinik aufmachen zu können, viel Tinte und Papier, um zu schreiben, viele Bücher und ein paar Bekleidungsstücke. Als Hudson in Schanghai an Land ging, machte er sich auf den Weg in Richtung einer britischen Flagge, die er in der Ferne erkennen konnte. Die feste Erde schien unter seinen Füßen zu schwanken und sein Herz klopfte wild. Endlich in China! Die rot-weiß-blaue britische Flagge, die über dem britischen Konsulat flatterte, versprach ihm Hilfe, sich in Schanghai niederzulassen. Er erwartete, daß er Geld von dem Konto seiner unterstützenden Gesellschaft, der Chinesischen Missions- ren auf dem Weg zur Exekution, verurteilten Männer stöhnten vor Schmerz und griffen verzweifelt Hudsons Beinen, als sie wurden. Und so entdeckte Hudson, das Land, das er schon so lange hatte sehen wollen, von einem Bürgerkrieg zerrissen wurde. In den folgenden Tagen gab es viele politische Aufstände in der Stadt. Die Chinesen mißtrauten den Menschen aus dem Westen. Das erschwerte es den Missionaren, in das Innere des Landes vorzudringen. Hudson konnte nicht wissen, daß der Krieg gesellschaft (C.E.S.), abheben konnte und einen Brief abholen würde, der ihn willkommen hieß und ihm weitere Anweisungen geben würde. Aber das einzige Willkommen, das Hudson erhielt, bestand aus Gewehrfeuer und Kanonenbeschuß. Schanghai war ganz von Soldaten besetzt - den Rebellionstruppen - und von den kaiserlichen Armeen Chinas eingezingelt. Verwundete und sterbende Soldaten lagen stöhnend auf den Straßen. Hudson mußte um sie herumlaufen. Er hielt kurz inne, damit eine sich noch weitere elf Jahre hinziehen würde, was seine Arbeit bei jedem Schritt behindern würde. An dem ersten Tag im Konsulat fand Hudson keinen Brief mit Anweisungen, kein Geld und keine Kontaktperson zu der Missionsgesellschaft. Er wandte sich ab und blickte auf die Kämpfe außerhalb der Stadtmauer. Es gab keine Unterkunft außer schäbigen Hütten und wenn es Nahrung gab, dann war sie alt, schal und schrecklich teuer. Schanghai war voller ausgebrann- ter und ausgebombter Häuser. Verhungernde Kinder, Waisen und Bettler schlurften die Gassen entlang, trotz der eisigen Kälte. Hungrige Frauen starrten ihn aus Unterständen hervor an. Säuglinge lagen nackt in ihren Armen und saugten verzweifelt an den leeren Brüsten ihrer Mütter. Ab und zu hörte Hudson ein Kind schreien. Hudsons frohe Erwartungen verdüsterten sich. Seine Vision wurde zu grimmiger Entschlossenheit. Hudson wollte diesen Menschen helfen und ihnen Hoffnung schenken. Er erschauerte in der feuchten, kalten Luft und verließ das Konsulat. Nach einiger Zeit traf Hudson in einem Krankenhaus in Schanghai einen als % kAV C^A^jrm Hudsi in Taylors China c/tnV %gt i \ itv t ■ Y . -i Literaturverzeichnis Hudson Taylor - Abenteuer mit Gott (früherer Titel: Das geistliche Geheimnis Hudson Taylors), von Howard und Geraldine Taylor. 176 Seiten. Verlag der Liebenzeller Mission Im Herzen Chinas - J. Hudson Taylor, ein Mann des Glaubens, von Roger Steer, 400 Seiten, Brunnen Verlag Abenteuer mit Gott - Ein spannendes Hörspiel über den Chinamissionar Hudson Taylor (MusiCassette) Verlag der Liebenzeller Mission Arzt Hudson Taylor erfuhr schon in jungen Jahren, was es bedeutet, bedingungslos Gott zu vertrauen. Als er zum ersten Mal In China an Land ging, befand er sich in der fast ausweglosen Lage, dieses riesengroße Land für Christus zu gewinnen. Dieses Buch zeigt, wie vor etlichen Jahrzehnten die Situation in China noch war; weitgehend verschlossen, nur die großen Hafenstädte waren ohne Probleme zugänglich. Und da hinein ging Hudson Taylor, um mit medizinischer Hilfe und dem Evangelium etwas ganz Neues ln das Landesinnere für dieses Riesenvolk zu bringen. In dieser Serie sind erschienen: Hudson Taylor Mit Volldampf nach China David Livingstone 3000 Meilen durch den Dschungel Marlin Luther Der Rebell auf der Ritterburg