Roger Liebi – Das Buch Josua

Teil 13 – Josua 19, 1-51 und Josua 20, 1-9 und Josua 21, 1-42

Audioabschrift – Bibelklasse Bodensee 09.05.1999

 

 

Wir stehen immer noch im Buch Josua. Wir sind, was die Landverteilung anbetrifft, bis Kapitel 18 gekommen. Wir haben letztes Mal noch die Verteilung für den Stamm Benjamin gesehen. Jetzt in Kapitel 19 kommt die Austeilung durch das Los für den Stamm Simeon, Vers 1. Vers 10 für Sebulon, Vers 17 Issaschar, Vers 24 für den Stamm Aser, Vers 32 für den Stamm Naphtali und schließlich Vers 40 für den Stamm Dan. Und nun lesen wir in Kapitel 19 ab Vers 49 bis einschließlich Kapitel 20.

„Und als sie die Verteilung des Landes nach seinen Grenzen vollendet hatten, gaben die Kinder Israel Josua, dem Sohne Nuns, ein Erbteil in ihrer Mitte. Nach dem Befehle Jehovas gaben sie ihm die Stadt, die er verlangte, Timnath-Serach im Gebirge Ephraim; und er baute die Stadt und wohnte darin. Das sind die Erbteile, welche Eleasar, der Priester, und Josua, der Sohn Nuns, und die Häupter der Väter der Stämme der Kinder Israel durch das Los austeilten zu Silo, vor Jehova, an dem Eingang des Zeltes der Zusammenkunft. Und so vollendeten sie die Verteilung des Landes. Und Jehova redete zu Josua und sprach: Rede zu den Kindern Israel und sprich: Bestimmet euch die Zufluchtstädte, von welchen ich durch Mose zu euch geredet habe, dass dahin fliehe ein Totschläger, der jemand aus Versehen, unabsichtlich, erschlagen hat; und sie seien euch zur Zuflucht vor dem Bluträcher. Und er soll in eine von diesen Städten fliehen, und an dem Eingang des Stadttores stehen und vor den Ohren der Ältesten jener Stadt seine Sache vorbringen; und sie sollen ihn zu sich in die Stadt aufnehmen und ihm einen Ort geben, dass er bei ihnen wohne.

Und wenn der Bluträcher ihm nachjagt, so sollen sie den Totschläger nicht in seine Hand ausliefern; denn er hat seinen Nächsten unabsichtlich erschlagen, und er hasste ihn vordem nicht. Und er soll in jener Stadt wohnen, bis er vor der Gemeinde zu Gericht gestanden hat, bis zum Tode des Hohenpriesters, der in jenen Tagen sein wird; alsdann mag der Totschläger zurückkehren und in seine Stadt und in sein Haus kommen, in die Stadt, aus welcher er geflohen ist. - Und sie heiligten Kedes in Galiläa, im Gebirge Naphtali, und Sichem im Gebirge Ephraim, und Kirjath-Arba, das ist Hebron, im Gebirge Juda. Und jenseits des Jordan von Jericho, gegen Osten, bestimmten sie Bezer in der Wüste, in der Ebene, vom Stamme Ruben; und Ramoth in Gilead, vom Stamme Gad; und Golan in Basan, vom Stamme Manasse. Das waren die bestimmten Städte für alle Kinder Israel und für den Fremdling, der in ihrer Mitte weilte, auf dass dahin fliehe ein jeder, der jemand aus Versehen erschlagen würde, damit er nicht durch die Hand des Bluträchers sterbe, bis er vor der Gemeinde gestanden habe.“

Also nachdem auch Josua noch ein spezielles Erbteil bekommen hatte, er als Volksführer und Leiter der Landnahme, kommen wir jetzt in Kapitel 20 zu den sogenannten Zufluchtsstädten. Diese sechs Städte sollten im ganzen Land Kanaan verteilt sein. Wenn man das auf der Karte nachschaut sieht man, dass sie in zwei Dreiergruppen angeordnet sind. Wenn man einen Kreis zieht im Umfeld dieser Dreiergruppen, ist man erstaunt, wie großartig das Land abgedeckt ist, damit man, wo irgend solcher Unfall hätte geschehen können, möglichst schnell Zugang zu einer dieser Zufluchtsstädte hatte. Wir können vielleicht mal zusammenfassen, was genau der Sinn dieser Zufluchtsstädte ist. Teilnehmer: Schutz vor Bluträchern. Liebi: Aus welchem Grund? Aus welchem Grund sollte es einen Schutz geben vor dem Bluträcher? Teilnehmer: Weil er ja nicht absichtlich getötet hat. Teilnehmer: Auge um Auge, Zahn um Zahn, das war das Gesetz Mose. Liebi: Ja, nun es war eben die Gefahr, dass man jemanden, der nicht wirklich ein Mörder war, sondern nur ein Totschläger, hinrichtete. Und die Hinrichtung wäre ja durch den sogenannten Bluträcher geschehen. Das ist ein wichtiger Begriff aus dem Familienrecht im Gesetz Mose.

In Vers 3 haben wir diesen Bluträcher. Weiß jemand, wie dieses Wort auf Hebräisch heißt? Ja, es könnte sein, dass man das kennt, weil es ein ganz besonders wichtiges Wort in der Bibel ist. Das ist go’el und ist sonst das Wort für Löser. Go’el ist der Erlöser. Dieses Wort wird aber auch im Propheten Jesaja für Gott benutzt. Gott ist der Erlöser, der go’el von Israel. Dann wird es in welchem Zusammenhang noch gebraucht? Teilnehmer: Frau auslösen, nämlich weil der Mann wollte die Frau nicht heiraten, obwohl er es sollte und da durfte er von einem anderen dann ausgelöst werden. Liebi: Ja, also beim Leviratseherecht. Im Buch Ruth geht es ja um den Fall, ein Israelit stirbt, lässt seine Witwe zurück. Dadurch entstand natürlich die Gefahr, dass das Erbteil in Israel verloren gehen könnte. Und nun hatte der nächste Verwandte des Verstorbenen die Pflicht, diese Witwe zu heiraten. Und dadurch wurde er gewissermaßen zum Löser oder Erlöser für die Frau und für das Erbteil, das dadurch gesichert wurde, indem die Linie des Verstorbenen weitergeführt wurde. Das ist also ein familienrechtlicher Begriff. Und dann kommt eben die dritte Bedeutung, der Bluträcher. Also wenn in einer Familie jemand ermordet wurde, dann war der nächste Verwandte verantwortlich dafür, diese Tat zu rächen. Aber das Gesetz Mose enthielt eine Sicherheitsklausel, um zu verhindern, dass jemand als Totschläger wie ein Mörder hingerichtet würde. Das waren diese Zufluchtsstädte. Aber das gilt natürlich nur für den Fall, dass jemand zufällig einen Menschen tötet. Das kann ja mit einer Fahrlässigkeit zusammenhängen. Also es geht hier sicher nicht um Mord, aber man kann auch bei unabsichtlichem Töten nicht sagen, dass da überhaupt keine Schuld vorlag. Und das ist auch in unserem Recht nicht so gehandhabt, dass jemand, der aus Versehen jemanden auf der Straße überfährt, einfach frei ausgeht. Sondern da muss untersucht werden, wie viel Fahrlässigkeit vorliegt. Also die Zufluchtsstädte waren auch für jemanden, der fahrlässig gehandelt hatte, ein Ort der Sicherheit, obwohl das nicht bedeutete, dass er unschuldig war, sondern es konnte auch eine gewisse Schuld dabei vorliegen. Es gab also einen Zufluchtsort.

Und das macht es uns einfach, das jetzt neutestamentlich zu übertragen. Wie können wir das neutestamentlich anwenden, die Zufluchtsstädte? Teilnehmer: Das erinnert uns ständig an die Gnade Gottes. Liebi: Ja. Teilnehmer: Hat das übertragen auch etwas mit dem Kirchenrecht zu tun, wenn sich jemand in eine Kirche flüchtet und die staatliche Obrigkeit draußen bleibt? Liebi: Ja, das geht natürlich geschichtlich auf diese biblischen Einrichtungen zurück. Aber rein neutestamentlich gesehen weist das eben hin auf Gott, der unsere Zuflucht ist. Gott ist uns Zuflucht und Stärke, so heißt es in den Psalmen. Das schlagen wir mal auf. Psalm 46, 2-5: „Gott ist uns Zuflucht und Stärke, eine Hilfe, reichlich gefunden in Drangsalen. Darum werden wir uns nicht fürchten, wenngleich gewandelt würde die Erde, und wenn die Berge wankten im Herzen des Meeres, Wenn seine Wasser tobten und schäumten, die Berge erbebten durch sein Ungestüm. Ein Strom - seine Bäche erfreuen die Stadt Gottes, das Heiligtum der Wohnungen des Höchsten.“ Ja, das reicht schon. Übrigens das Lied von Martin Luther «ein feste Burg ist unser Gott» geht zurück auf diesen Psalm, hat hier seine Wurzeln. Psalm 46, Gott ist uns Zuflucht und Stärke, erklärt uns die geistliche Bedeutung dieser Zufluchtsstädte. Der Mensch, der Schuld auf sich geladen hat, findet in Gott Zuflucht und Sicherheit. Und es war ja so, wie wir in Josua 20 gelesen haben, der Schuldige, der Totschläger, hatte dann die Möglichkeit, eine richtige Gerichtsverhandlung zu bekommen. Also die ganze Sache wurde dann im Detail abgeklärt, also wie groß seine Schuld effektiv war.

Aber es gab eine ganz eigenartige Einrichtung in Vers 6: „Und er soll in jener Stadt wohnen, bis er vor der Gemeinde zu Gericht gestanden hat, bis zum Tode des Hohenpriesters, der in jenen Tagen sein wird; alsdann mag der Totschläger zurückkehren und in seine Stadt und in sein Haus kommen, in die Stadt, aus welcher er geflohen ist.“ Also eine eigentümliche Einrichtung. Sobald der damalige Hohenpriester gestorben war, war die Schuldfrage endgültig geregelt. Also ab dann konnte man ihm nichts mehr anhaben. Da konnte er sogar aus der Zufluchtsstadt nach Hause gehen. Es durfte ihn niemand mehr etwas antun. Und das hat im Judentum sogar dazu geführt, dass Frauen von Hohenpriestern Angst hatten, dass die Leute für einen vorzeitigen Tod ihres Mannes beten würden. Das hat tatsächlich in der Theologie des Judentums eine Rolle gespielt, denn der Tod des Hohenpriesters brachte schließlich die Sühnung. Und da merken wir natürlich eine Nähe zum Neuen Testament, die wirklich überraschend ist. Der Hohepriester stirbt und das bringt die Sühnung, die endgültige Aufhebung der Schuld. Wir können dazu etwas aus dem Hebräerbrief lesen, wo Jesus Christus zehn Mal als unser Hohepriester vorgestellt wird. Hebräer 7, ab Vers 26: „Denn ein solcher Hoherpriester geziemte uns: heilig, unschuldig, unbefleckt, abgesondert von den Sündern und höher als die Himmel geworden, der nicht Tag für Tag nötig hat, wie die Hohenpriester, zuerst für die eigenen Sünden Schlachtopfer darzubringen, sodann für die des Volkes; denn dieses hat er ein für allemal getan, als er sich selbst geopfert hat. Denn das Gesetz bestellt Menschen zu Hohenpriestern, die Schwachheit haben; das Wort des Eidschwurs aber, der nach dem Gesetz gekommen ist, einen Sohn, vollendet in Ewigkeit.“

Ja, also der Hebräerbrief zeigt Jesus Christus als unseren großen Hohepriester. Dabei wird der Gegensatz zu den Hohenpriestern des Alten Testaments betont. Es wird gezeigt, dass die Priester des Alten Testaments selber sündhafte Menschen waren und deshalb auch für sich selber Opfer darbringen mussten. Und der Hohepriester brachte auch für das Volk Opfer dar. Aber es waren immer Tieropfer. Und nun der Gegensatz, Jesus Christus als unser Hohepriester hat sich selber geopfert. Und sein Opfertod hat die Schuldfrage endgültig gelöst für alle, die an ihn glauben. Aber eine kleine Ausnahme, was die Hohenpriester im Alten Testament anbetrifft, haben wir hier. Wenn der Hohepriester starb, dann war ein Totschläger gewissermaßen freigesprochen. Also hier haben wir die nächste Annäherung von dem schwachen, schattenhaften, alttestamentlichen Vorbild zur Wirklichkeit, wie sie in Jesus Christus Realität geworden ist. Teilnehmer: Ist das eine ähnliche Parallele wie es heute noch gelegentlich ist, oder zumindest zur Zeit der Fürstentümer war, wenn jemand sein neues Amt antrat als König, dann erließ er eine Amnestie und auch andere Schulden wurden vergeben, weil die Könige früher ja auch immer die obersten Priester des Landes waren? Liebi: Ja gut, vielleicht. Aber der Gegensatz ist hier ja eigentlich mit dem Tod und nicht mit dem Amtsantritt eines Nachfolgers, sondern mit dem Tod des Hohenpriesters gibt es die Amnestie. Es kommt natürlich in die Nähe, denn auf den Tod folgt ja dann ein neuer Hohepriester. Aber das Gesetz spricht nicht über Amnestie, wenn ein neuer Hohepriester kommt, sondern Amnestie, wenn der Hohepriester gestorben ist.

Teilnehmer: Galt das nur für die Totschläger oder auch für die Mörder, diese Amnestie? Liebi: Nein, nur für die Totschläger. Aber in Verbindung mit diesen Zufluchtsstädten können wir noch eine ganz dramatische Parallele ziehen zum Neuen Testament in Bezug auf den Prozess Jesu. Wir haben die Problematik, wenn ein Gericht jemanden zu Unrecht verurteilt, dann wird ja auch ein Gericht zum Totschläger. Ein Gericht kann natürlich auch jemanden vorsätzlich falsch verurteilen und dadurch kann ein Gericht auch zum Mörder werden. Aber es ist doch interessant in Verbindung mit der Verwerfung Christi, dass Jesus am Kreuz betete, Lukas 23, im Blick auf die römischen Soldaten, die die Kreuzigung ausgeführt hatten. Wir lesen Lukas 23, 33-34: „Und als sie an den Ort kamen, der Schädelstätte genannt wird, kreuzigten sie daselbst ihn und die Übeltäter, den einen zur Rechten, den anderen zur Linken. Jesus aber sprach: Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun! Sie aber verteilten seine Kleider und warfen das Los darüber.“ Ja, er sagt, sie wissen nicht, was sie tun. Diese Soldaten haben offensichtlich gedacht, sie machen ihre Arbeit als Ausführende des höheren Gerichts. Und sowohl die römische Rechtssprechung und erst recht die jüdische Rechtssprechung hatten als Ideal eine wirkliche Gerechtigkeit. Und der Herr Jesus betet für die Soldaten: Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun. Und dadurch sind sie zu Totschlägern geworden und für sie stand die Türe offen, später in Gott Zuflucht zu finden, trotz dieser Tat, also Vergebung der Schuld zu finden für das, was sie damals ihm, dem Herrn Jesus, angetan hatten.

Noch dramatischer wird es, wenn Petrus kurz nach der Kreuzigung, kurz nach Pfingsten, in Apostelgeschichte 3 im Tempel in Jerusalem zur Volksmenge spricht. Apostelgeschichte 3, 13-18: „Der Gott Abrahams und Isaaks und Jakobs, der Gott unserer Väter, hat seinen Knecht Jesus verherrlicht, den ihr überliefert und angesichts des Pilatus verleugnet habt, als dieser geurteilt hatte, ihn loszugeben. Ihr aber habt den Heiligen und Gerechten verleugnet und gebeten, dass euch ein Mann, der ein Mörder war, geschenkt würde; den Urheber des Lebens aber habt ihr getötet, welchen Gott aus den Toten auferweckt hat, wovon wir Zeugen sind. Und durch Glauben an seinen Namen hat sein Name diesen, den ihr sehet und kennet, stark gemacht; und der Glaube, der durch ihn ist, hat ihm diese vollkommene Gesundheit gegeben vor euch allen. Und jetzt, Brüder, ich weiß, dass ihr in Unwissenheit gehandelt habt, gleichwie auch eure Obersten. Gott aber hat also erfüllt, was er durch den Mund aller Propheten zuvor verkündigt hat, dass sein Christus leiden sollte.“ Jetzt noch Vers 19: „So tut nun Buße und bekehret euch, dass eure Sünden ausgetilgt werden, damit Zeiten der Erquickung kommen vom Angesicht des Herrn.“ Ja, bis dahin. Also das ist doch sehr überraschend, dass Petrus zur Volksmenge sagt: Ich weiß, dass ihr in Unwissenheit gehandelt habt. Und er bietet selbst diesen Menschen, die noch kurze Zeit zuvor vor Pilatus geschrien haben: Kreuzige ihn!, Vergebung an. Und der Aufruf, Vers 19, folgt: Tut nun Buße! Also bereut eure Sünden, bekehrt euch, dass eure Sünden ausgetilgt werden. Und das ist dieses Prinzip, der Totschläger hat Möglichkeit auf einen Zufluchtsort. Da ging es jetzt nicht darum, dass dieses Volk einige dieser Zufluchtsstädte hätte aufsuchen müssen, sondern hier geht es wirklich um die Realität, in Jesus Christus Zuflucht zu suchen und selbst von dieser Schuld, von dieser Blutschuld befreit zu werden.

Wo wird sonst im Alten Testament sogar für Blutschuld ausdrücklich Vergebung angeboten? Teilnehmer: Bei Kain. Liebi: Ja, obwohl dort nicht ausdrücklich von Vergebung gesprochen wird, sondern mehr von der Verschonung vor der Todesstrafe. Aber es geht natürlich schon auch in diese Richtung. Aber noch ausdrücklicher. Wenn ich den Vers sage, dann kommt sicher ein Aha. Jesaja 1, 18: „Kommt denn und lasst uns miteinander rechten, spricht Jehova. Wenn eure Sünden wie Scharlach sind, wie Schnee sollen sie weiß werden; wenn sie rot sind wie Karmesin, wie Wolle sollen sie werden.“ Ja, wenn eure Sünden wie Scharlach sind. Scharlach, oder nachher Karmesin, ist ein Rot, das ausgesprochen der Farbe des arteriellen menschlichen Blutes gleicht, ein sehr leuchtendes Rot, das man aus Kermeswürmern hergestellt hat. Hier wird sagt: wenn eure Sünden rot sind wie Karmesin, wie Schnee sollen sie werden. Das heißt, wenn ihr Blutschuld auf euch geladen habt, es soll vergeben werden. Und vielleicht ist das ja noch eindrücklich: Die Volksmenge vor Pilatus hatte ja nach Matthäus 27 die Verantwortung so auf sich genommen, indem sie gerufen hat: Sein Blut komme über uns und unsere Kinder. Also sie waren bereit, die Verantwortung für dieses Gerichtsurteil auf sich zu nehmen. Im Judentum hat man aufgrund von Jesaja 1, 18 am großen Versöhnungstag um die Hörner des Sündenbockes eine Karmesinschnur gebunden. Der Hohepriester legte die Hand auf das Tier, bekannte alle Schuld des Volkes, die sie im vergangenen Jahr auf sich geladen hatten, und übertrug diese damit auf das Tier. Danach wurde der Sündenbock aus dem Tempelbezirk durch das Osttor hinausgeführt und dann über die steinerne Brücke übers Kidrontal hinüber zum Ölberg gebracht. Dann jagte man ihn in die judäische Wüste hinaus über Kilometer hinweg bis er über eine Klippe abstürzte. Und dann ging man zum Sündenbock hin. Und der Talmud sagt, – Im Traktat Joma, ein spezielles Traktat nur über den großen Versöhnungstag. – dass man immer wieder erlebt hat, wie diese karmesinrote Schnur weiß geworden war.

Aufgrund von Jesaja 1, 18 hat man dieses Ritual so eingeführt. Und das hat offensichtlich funktioniert. Diese Art von Wunder liegt auf der gleichen Linie wie zum Beispiel das Wunder in Bethesda, Johannes 5, wo das Wasser im Teich sich immer wieder durch einen Engel bewegte und der erste, der hinabstieg, geheilt wurde. Das wird uns ja in den Evangelien berichtet. Oder auf ähnlicher Linie wie das Wunder, dass der Scheidevorhang in dem Moment, wo der Herr Jesus gestorben ist, von oben nach unten zerriss. Also das hat man erlebt. Aber noch viel interessanter ist, dass der Talmud ebenso sagt, dass in den vierzig Jahren vor der Zerstörung des Tempels, die Karmesinschnur rot blieb und nicht mehr weiß wurde. Also ab dem Tod Jesu, sagt der Talmud und ist keine spätere Legende von Christen, ist dieses Wunder nicht mehr geschehen. Die Schnur blieb rot und jeder wusste, wir haben Blutschuld und Gott vergibt nicht. Und wenn man das bedenkt, wird natürlich dieser Ausspruch von Petrus noch viel dramatischer, wenn er sagt: Ich weiß, dass ihr aus Unwissenheit gehandelt habt, so tut nun Buße und bekehret euch, dass eure Sünden ausgetilgt werden. So hat er gewissermaßen für diese Blutschuld die Zufluchtsstadt angeboten. Und wir sehen, grade in Apostelgeschichte 3 und 4, da wuchs die Zahl der Gläubigen in Jerusalem auf 5000 Männer. Also da können wir sicher sein, dass Leute, die damals geschrien haben, Zuflucht genommen haben in Jesus Christus und Vergebung ihrer Sünden bekommen haben. Wir können das aufschlagen, Apostelgeschichte 4, 4: „Viele aber von denen, welche das Wort gehört hatten, wurden gläubig; und es wurde die Zahl der Männer [bei] fünftausend.“ Ja, ist doch eindrücklich. Man muss übrigens noch bedenken, wie viele Leute hatte damals die Partei der Pharisäer als feste Mitglieder? Etwa 6000. Und jetzt muss man sich vorstellen, das Christentum ist eben entstanden, Apostelgeschichte 2 an Pfingsten, und nach ganz kurzer Zeit, sagen wir einige Monate, und da ist die Zahl der Männer bereits auf 5000. Also das war eine Bewegung, die Wachstum zeigte, wie keine Bewegung sonst. Übrigens die Sadduzäer, das war die zweitwichtigste Partei, hatten etwa 4000 Mitglieder. Also die waren schon überholt in ein paar Monaten Christentum. 5000 Männer und da kommen noch die Frauen und Kinder dazu. Also aus dieser Volksmenge, die Petrus angesprochen hat, haben sich viele wirklich bekehrt.

Jetzt noch ein Vers aus dem Propheten Joel. Da wird die Prophetie über die letzte Zeit Israels ausführlich beschrieben, wo das jüdische Volk bereits ins Land zurückgekehrt ist, durch die große Drangsal hindurch muss. Dann kommt im letzten Kapitel der Messias und übernimmt die Herrschaft auf Zion, also da sind wir im 1000-jährigen Friedensreich. Und da hört der Prophet Joel auf. Kann jemand die zwei letzten Verse lesen? Joel 3, 20-21: „Aber Juda soll ewiglich bewohnt werden, und Jerusalem von Geschlecht zu Geschlecht. Und ich werde sie von ihrem Blute reinigen, von dem ich sie nicht gereinigt hatte. Und Jehova wird in Zion wohnen.“ Also da sind wir ganz klar in der Endzeit, der Herr wird in Zion wohnen. Und in Verbindung mit diesem Schlusswort betont Joel Gottes Ausspruch: Ich werde sie von ihrem Blute reinigen, von dem ich sie nicht gereinigt hatte. Denn wir können sagen, damals in der Apostelgeschichte haben wir einen Überrest aus dem Volk, der sofort die Zufluchtsstadt in Jesus Christus ergriffen hat. Aber es wird für das jüdische Volk eine Vollendung geben in der Zukunft und da wird ihnen auch Reinigung von ihrem Blut zugesprochen.

Teilnehmer: Das kann man aber nicht so einfach als Automatismus verstehen, dass Gott einfach das gesamte Volk reinigt, sondern da muss doch die Buße vorangehen. Und ich dachte da an Maleachi 3, 2b-3, da lesen wir: „Denn er wird wie das Feuer des Schmelzers sein und wie die Lauge der Wäscher. Und er wird sitzen und das Silber schmelzen und reinigen; und er wird die Kinder Levi reinigen und sie läutern wie das Gold und wie das Silber, so dass sie Opfergaben dem Jehova darbringen werden in Gerechtigkeit.“ Liebi: Ja, das ist ganz wichtig. Also wenn von Israel in der Zukunft gesprochen wird, das von Blut gereinigt wird, dann geht es ja um den gläubigen Überrest aus Israel. Sacharja 13, 8 erklärt ja, dass in der kommenden großen Drangsal zwei Drittel im Land umkommen werden. Ein Drittel wird überleben und Gott sagt: Ich werde ihn ins Feuer bringen, in den Schmelzofen, wie man Gold im Feuer läutert. Und in dieser Zeit wird dieser Überrest zur Umkehr kommen. Also dieses Prinzip zieht sich durch die ganze Bibel hindurch, Vergebung aufgrund von Schuldbekenntnis und Reue. Darum sagte ja auch Petrus nicht: Ihr habt in Unwissenheit gehandelt, also alles in Ordnung. Sondern er sagt: Tut Buße und bekehrt euch. Also Gott vergibt nur auf der Grundlage von Sündenbekenntnis.

Teilnehmer: Jetzt habe ich noch eine Frage zu Apostelgeschichte 7, die Rede von Stephanus. Da bezeichnet er die Obersten als Mörder. Kann man sagen, dass es eine spezielle Gruppe war, die ihn tatsächlich ganz bewusst umgebracht haben und wussten, was sie tun? Liebi: Sehr gut. Lesen wir mal Apostelgeschichte 7, 51-53: „Ihr Halsstarrigen und Unbeschnittenen an Herz und Ohren! Ihr widerstreitet allezeit dem Heiligen Geiste; wie eure Väter, so auch ihr. Welchen der Propheten haben eure Väter nicht verfolgt? Und sie haben die getötet, welche die Ankunft des Gerechten zuvor verkündigten, dessen Verräter und Mörder ihr jetzt geworden seid, die ihr das Gesetz durch Anordnung von Engeln empfangen und nicht beobachtet habt.“ Und jetzt Vers 54 noch: „Als sie aber dies hörten, wurden ihre Herzen durchbohrt, und sie knirschten mit den Zähnen gegen ihn.“ Also hier haben wir die starken Ausdrücke Verräter und Mörder. In Kapitel 3 hat Petrus zur Volksmenge gesagt: Ihr habt in Unwissenheit gehandelt. Und er spricht auch von den Obersten. Hier haben wir wohl eine Ergänzung dazu, denn im Synedrium selbst gab es solche, die genau wussten, was sie taten, die wirklich aus Bosheit den Messias hinrichten ließen. Und es gab andere, die eben mitgerissen worden sind. Es ist übrigens noch interessant über den ganzen Prozess Jesu nachzudenken. Es gibt viele Arbeiten darüber und man hat herausgearbeitet, dass es in diesem Prozess etwa 40 Unstimmigkeiten gegeben hat, gegen das Gesetz Mose und gegen die damals geltenden rabbinischen Gesetze. Also wenn man unter diesem Aspekt die Evangelien liest, dann ist man schockiert von Stelle zu Stelle, was da alles an Gesetzlosigkeit verübt worden ist. Nur ein Beispiel: Der Talmud sagt, mit jemandem, der zum Tode verurteilt werden muss, sollen die Richter freundlich sprechen. Es war also verboten, mit diesen irgendwie hart zu sprechen. Und wenn wir den Prozess Jesu lesen, sehen wir eine ganz andere Sprache bei Kajaphas. Oder es wird gesagt: Ein Prozess darf nie nachts stattfinden. Und dann finden wir, wie einige dieser sechs Prozessphasen nachts stattfinden, zum Beispiel der im Haus des Hohenpriesters Kajaphas. Das war also absolut gesetzlos, nach den eigenen rabbinischen Gesetzen. Und so findet man 40 Punkte.[1] Also der Prozess war durch und durch gesetzlos. Und dennoch muss man davon ausgehen, dass manche einfach in ihrer Verblendung mitgerissen worden sind. Und so kann man also von solchen sprechen, die Totschläger waren und von solchen, die zu Mördern des Messias geworden sind.

Teilnehmer: Man kann sagen, dass das der größte Justizmord aller Zeiten war. Aber es steht auch geschrieben im 1. Petrusbrief, dass uns Christus ein Beispiel hinterlassen hat. Der, gescholten nicht wiederschalt, leidend, nicht drohte, sondern sich dem übergab, der recht richtet. Was ist das für eine Belehrung für uns. Liebi: Ja natürlich. Er hat sich in diesem Prozess überhaupt nicht gewehrt. Wobei ich glaube, dass es wichtig ist, wenn man das überträgt, – Petrus sagt ja, das ist ein Beispiel für uns, er hat ein Beispiel gegeben, – dass man das nicht so weit treibt, dass man sagt, ein Christ dürfe sich nicht verteidigen. Auf keinen Fall, sondern wenn wir in die Evangelien schauen, dann sehen wir, wie der Herr immer wieder in Diskussionen mit Rabbinern verwickelt wurde, mit denen man ihn zu Fall bringen wollte, aber der Herr durchaus argumentierte. Er hat mit ihnen gesprochen, ist auf die Argumente eingegangen. Zum Beispiel bei der Frage: Darf man dem Kaiser Steuern zahlen? Er geht darauf ein und viele andere Beispiele gibt es, wo wir seine Weisheit bestaunen können, wie er mit seinen Gegnern umgegangen ist. Aber beim Prozess selber schwieg Jesus. Jesaja 53: „Wie ein Lamm, das stumm ist vor seinen Scherern; und er tat seinen Mund nicht auf.“ Der Grund ist der, es stand von Anfang an schon fest, vor Prozeßbeginn, was das Ziel des Prozesses sein sollte. Der Tod stand von Anfang an fest. Also es war ein durch und durch gesetzloses Verfahren und es war von Seiten des Herrn gar nicht mehr zu erwarten, dass ihm Gerechtigkeit widerfährt. Und darum hat er sich nicht mehr verteidigt. Also es geht eigentlich darum, dass in einem Fall, wo sowieso keine Gerechtigkeit mehr zu erwarten ist, der Herr einfach geschwiegen hat. Aber man kann das nicht generalisieren, dass man in jeder Situation, in die man als Christ hineinkommt, schweigen und sich nicht wehren sollte. Der Herr selbst hat ja sogar gesagt, auch in den Evangelien, wenn ihr um eures Glaubens willen vor Gerichte gezerrt werdet, dann sollt ihr euch nicht überlegen, wie ihr euch verteidigen sollt, was ihr sagen sollt, sondern der Geist eures Vaters wird euch in der Stunde die Wort geben. Also da hat der Herr ganz klar gelehrt, dass ein Christ vor einem Gericht sogar die Kraft des Heiligen Geistes bekommen kann, um da richtig zu argumentieren. Der Herr hat es nicht mehr getan, weil gar nichts mehr zu erwarten war. Und solche Situationen kennen wir auch.

Teilnehmer: Könnte man sagen, dass von der Apostelgeschichte 3 die Rede von Petrus bis Stephanus, einige der Obersten eventuell erkannten – wie ja auch Gamaliel sagte: Wenn es von Gott ist, dann könnt ihr dagegen nichts ausrichten – dass viele hinterher zur Erkenntnis kamen und die anderen, die eben noch daran festhielten, also dagegen zu arbeiten, dass da Stephanus zu Recht sagen konnte, ihr seid Mörder? Dass die anderen möglicherweise doch zur Erkenntnis kamen und nur aus Unwissenheit gehandelt haben. Liebi: Ja, das heißt, du meinst, dass sie in dieser Zeit zu Wissenden geworden sind und dass er sie dann als Mörder anspricht? Das wäre eine Möglichkeit. Und die zweite ist, dass es schon beim Prozess selber zwei Gruppen im Synedrium gab, eine solche, die blind war und eine solche, die wusste, was sie tat. Teilnehmer: Also man findet ja hier noch in Vers 60 in Apostelgeschichte 7, dass Stephanus sogar für diese Leute betet, dass Gott ihnen diese Sünde nicht zurechnen sollte. Er lässt auch hier die Türe noch offen. Und Paulus hat dann später diese Tür benutzt, kann man sagen, oder? Denn in 8, 1 steht ja: „Saulus aber willigte in seine Tötung mit ein.“ Also in dieser Hinsicht war Saulus, der spätere Paulus, ein Mörder, oder? Und trotzdem sagt er dann in 1. Timotheus 1, Vers 13, dass ihm Gnade widerfahren ist, weil er in Unwissenheit und im Unglauben gehandelt hat. Liebi: Ja genau.

Teilnehmer: Aber die waren ja nicht alle unwissend. Wir können doch davon ausgehen, dass der Prozess gegen Stephanus auch von vornherein mit dem Tod enden sollte für viele im Hohen Rat. Denn sie haben ja falsche Zeugen aufgestellt. Das tut man ja nicht, wenn man nicht darauf aus ist, den anderen zu Tode zu bringen. Liebi: Ja genau. Also auch da kann man mit einer Mischung rechnen. Das Synedrium selber war ja aus einem breiten Spektrum von Leuten zusammengesetzt. Selbst im Prozess Jesu war ja Nikodemus immer noch einer der Synedriumsmitglieder, und er war ja dagegen. Aber es gab eine Mehrheit, die dafür war und darum konnte man einen Prozess durchziehen. Teilnehmer: Musste das Synedrium eigentlich immer vollständig sein? Also mussten alle Mitglieder anwesend sein? Liebi: Auf jeden Fall war man angewiesen auf zwei Drittel, auf zwei Drittel Zustimmung von 72.[2] Gut wir wissen nicht, ob er beim Prozess anwesend war, aber damit ist eigentlich schon zu rechnen. Auf jeden Fall brauchte es eine Zweidrittelmehrheit, um einen Prozess durchzuziehen. Pause.

Wir fahren weiter mit Josua 20. Wir haben noch gar nichts gesagt über die Namen der Zufluchtsstädte. Auch das hat seine Bedeutung. In Vers 7 wird ja die erste Kedes genannt. Weiß grad jemand die Übersetzung von Kedes? Also heilig, Heiligtum. Dann Sichem, schechem, heißt Schulter. Hebron, chevron ist Gemeinschaft. Bezer heißt Golderz. Ramoth heißt Höhe. Und Golan heißt Exil, Fremde. Nun, grad zum Beispiel was Hebron anbetrifft, da können wir natürlich eine neutestamentlich sehr schnell eine Beziehung herstellen. Nämlich? Teilnehmer: 1. Johannes 1. Liebi: Ja sehr schön, 1. Johannes 1. Also wenn wir davon ausgehen, der Herr Jesus Christus ist gewissermaßen die Zufluchtsstadt, wo ein Schuldiger Sicherheit finden kann. Und was findet er, wenn er in Jesus Christus Zuflucht findet? 1. Johannes 1, 3-4: „Was wir gesehen und gehört haben, verkündigen wir euch, auf dass auch ihr mit uns Gemeinschaft habet; und zwar ist unsere Gemeinschaft mit dem Vater und mit seinem Sohne Jesus Christus. Und dies schreiben wir euch, auf dass eure Freude völlig sei.“ Also ein schuldiger Mensch findet in Jesus Christus Gemeinschaft. Gemeinschaft mit dem Vater, mit seinem Sohn Jesus Christus und auch mit den Geschwistern. Also das wäre für Hebron. Hat jemand einen Gedanken für einen weiteren dieser sechs Namen eine Beziehung zu schaffen?

Teilnehmer: Zu Kedes, dem Heiligtum, kann man vielleicht Hebräer 6 lesen, wo wir sehen, dass das himmlische Heiligtum eigentlich unsere Zufluchtsstätte ist. Hebräer 6, 18-20: „Auf dass wir durch zwei unveränderliche Dinge, wobei es unmöglich war, dass Gott lügen sollte, einen starken Trost hätten, die wir Zuflucht genommen haben zum Ergreifen der vor uns liegenden Hoffnung, welche wir als einen sicheren und festen Anker der Seele haben, der auch in das Innere des Vorhangs hineingeht, wohin Jesus als Vorläufer für uns eingegangen ist, welcher Hoherpriester geworden in Ewigkeit nach der Ordnung Melchisedeks.“ Jawohl, das ist ein sehr schwieriger Text. Kannst du uns einige Erklärungen geben? Teilnehmer: Ja man sieht hier eben den Herrn Jesus als den Hohenpriester, der in dem wahrhaftige Heiligtum, also im Himmel selbst, in der Gegenwart Gottes ist, und wie er dort eigentlich unsere Hoffnung ist, unsere Sicherheit. Die Tatsache, dass er dort ist, ist die Garantie dafür, dass auch wir dahin kommen werden. Deshalb ist er unsere Hoffnung und diese Hoffnung wird als ein Anker beschrieben. Liebi: Es ist ja eigenartig, dass hier Bilder aus ganz verschiedenen Bereichen genommen werden. Es geht um den Priesterdienst. Der Hebräerbrief zeigt, dass es einen originalen Tempel im Himmel gibt. Der Tempel in Jerusalem war nur ein Abbild davon. Und Jesus Christus unser Hohepriester ist jetzt schon im Himmel, in diesem himmlischen Heiligtum. Und das ist gewissermaßen die Garantie dafür, dass wir auch einmal an dieses Ziel kommen werden. Weil er als Mensch, als Auferstandener, dorthin gegangen ist, uns voraus gegangen ist.

Aber das Ganze wird mit einem Bild aus der Schifffahrt noch in Verbindung gebracht. Das ist doch eigenartig. Was sucht denn hier dieser feste Anker der Seele? Das ist ein Bild aus der antiken Schifffahrt. Wenn es für ein großes Schiff gefährlich war in einen Hafen hineinzukommen, ließ man das Schiff weit draußen und es kam ein kleines Schiff, nahm den Anker des Schiffes auf und lotste das große Schiff sicher in den Hafen. Und so ist also Jesus Christus vorausgegangen. Er hat unseren Anker, den Anker der Seele, ergriffen und dadurch, dass er heute im himmlischen Heiligtum ist, gibt uns die Sicherheit, dass er uns nachziehen kann. Aber dass diese beiden Dinge, die eigentlich aus ganz verschiedenen Welten kommen, hier kombiniert werden, hat wohl seinen Grund in Folgendem. Es wird überliefert aus dem Judentum, dass man am großen Versöhnungstag aus Angst, dass vielleicht der Hohepriester, der mit dem Blut des Opfers ins Allerheiligste hineinging, im Falle, dass Gott dieses Opfer ablehnen würde, tot umfällt. Und darum hat man ihn mit einem Seil gesichert, so dass man ihn, sobald er im Allerheiligsten tot umfallen würde, nach draußen ziehen könnte, ohne dass jemand hineingehen musste. Da gibt es ja im Judentum ein von Unsicherheit gezeichneten Bild, wie sie sich Gedanken machen, wie der Hohepriester dann im Fall der Fälle herausgeholt werden könnte. Und der Hebräerbrief dreht das Ganze um und zeigt, wie der Herr Jesus vorausgegangen ist. Er hat zwar auch ein Seil dabei, aber nicht um selbst herausgezogen zu werden, weil sein Opfer vielleicht nicht angenommen wäre von Gott, sondern damit er uns sicher ins Allerheiligste hineinführen kann. Teilnehmer: Wir haben eine Hoffnung, die jetzt schon hineinreicht ins Allerheiligste. Liebi: Ja, das ist diese Stelle, nur hast du jetzt aus Luther zitiert. Also das zeigt uns etwas von Kedes, Heiligtum, als Zufluchtsstadt.

Weiter haben wir Sichem. Was sagen uns die Schultern? Teilnehmer: Stärke und Kraft. Liebi: Stärke und Kraft, und denken wir daran: Was hatte der Hohepriester auf den Schultern? Teilnehmer: Die Steine, die das Volk, die Stämme Israels, repräsentierten. Liebi: Ja, zwei Onyxsteine mit eingravierten Namen, sechs und sechs Stämme. Der Hohepriester trug sozusagen auf seinen Schultern das ganze Volk Gottes, wenn er im Heiligtum vor Gott erschien. Und übertragen, unser große Hohepriester – das ist übrigens ein sehr interessanter Ausdruck im Hebräerbrief, der große Hohepriester. Im Alten Testament wurde nie ein Hohepriester so genannt, sondern nur Hohepriester und zwar auf Hebräisch kohen gadol, Priester großer, auf Hebräisch spricht man auch rückwärts. Aber jetzt im Hebräerbrief wird der Herr Jesus großer Hohepriester genannt, eine totale Überhöhung des Ausdrucks. – trägt gewissermaßen das Volk Gottes, alle Erlösten, auf seinen starken Schultern. Teilnehmer: Ich habe immer gemeint, er trägt das Volk hier auf der Brust. Liebi: Das auch. Das kommt noch dazu. Die Onyxsteine, die waren auf den Schultern und dann gab es noch eine Brustplatte mit zwölf verschiedenen Edelsteinen. Auf jedem Edelstein war auch jeweils ein Name der zwölf Stämme Israels eingraviert. Und in 2. Mose 28 heißt es, er solle dieses Brustschild auf seinem Herzen tragen. Es steht dort nicht auf der Brust, sondern es steht ausdrücklich auf seinem Herzen soll er sie tragen. Also Jesus Christus trägt sein Volk auf seinen starken Schultern und auf seinem liebenden Herzen. Das sind zwei Aspekte.

Und wenn wir bei den Schultern noch Jesaja 9 aufschlagen, Vers 6. Ich hatte vorgestern einen Vortrag in der Schweiz über Jerusalem, über die Prophetie, und es kamen eine ganze Reihe Israelis dorthin. Nachher ist einer von ihnen zu mir gekommen und hat noch etwa eine halbe Stunde mit mir gesprochen. Er wollte zuerst einmal wissen, wozu wir eigentlich ein Neues Testament brauchen. Das ist eine gute Frage, oder? Und dann kam plötzlich die Frage zu Jesus auf: Wie kann es da plötzlich in den Evangelien heißen, dass Jesus Christus Gott ist und so? Und da habe ich gesagt: Schlagen wir auf, Jesaja 9, Vers 6. Und das haben wir dann auf Hebräisch gelesen. Und liest jetzt jemand Jesaja 9, 6: „Denn ein Kind ist uns geboren, ein Sohn uns gegeben, und die Herrschaft ruht auf seiner Schulter; und man nennt seinen Namen: Wunderbarer, Berater, starker Gott, Vater der Ewigkeit, Friedefürst.“ Ja, ich habe ihn erklärt, schon die alten Rabbiner haben gelehrt, dass diese Stelle vom Messias spricht. Und dann habe ich ihm gesagt: Es heißt hier: Ein Kind ist uns geboren. Der Messias ist also ein Mensch. Und dann heißt es weiter: Sein Name ist unter anderem starker Gott, El-Gibbor. Und dieser Name El-Gibbor kommt noch einmal in der Bibel vor und wird auf den unaussprechlichen Namen Gottes bezogen, auf Jahwe, nämlich in Kapitel 10, 20-21. In Vers 20 geht es um Jahwe, den Heiligen Israels. Und dann Vers 21: Der Überrest wird umkehren, der Überrest Jakobs zu dem starken Gott, zu El-Gibbor. Nur an diesen zwei Stellen kommt dieser Ausdruck vor. El-Gibbor ist Jahwe. Und hier in Vers 6 wird der Messias El-Gibbor genannt. Dann ist er Gott. Und dann habe ich gesagt, das ist ein Geheimnis. Da hat er gesagt: Ja, es ist ein Geheimnis.

Ja, ich meine, das steht im Alten Testament so. Und nun, ich wollte darauf hinaus, weil es hier vom Messias heißt, und die Herrschaft ruht auf seiner Schulter, dass die künftige Weltherrschaft Jesus Christus gehört. Auf seinen Schultern wird sie ruhen und das heißt, in dieser Weltherrschaft in der Zukunft, wird der Herr Jesus alle politischen, sozialen, religiösen und wirtschaftlichen Probleme der Menschheit lösen. Alle Probleme, die wir nicht haben lösen können, wird er lösen. Auch die Frage des Hungers, die ja nach Matthäus 24 in der Endzeit sogar noch zunehmen soll. Und wir wissen, wie viele Menschen in der heutigen Welt hungern und unterernährt sind. Es sind einige hundertmillionen Menschen. Und dann auch das Problem der Krankheit, der Seuchen. Das Problem der Naturkatastrophen, die in der Endzeit auch zunehmen werden, Erdbeben und so weiter. In diesen Punkten sind wir völlig wehrlos, niemand kann etwas dagegen tun. Das Problem des Krieges, das in der Endzeit auch noch verstärkt werden wird, haben wir nie lösen können. Und der Herr Jesus wird all die Probleme lösen. So mächtig ist er. Die Herrschaft ruht auf seiner Schulter. Aber nun, wenn wir ihn kennen als unsere Zufluchtsstadt, als unsere Schultern, Sichem, dann wissen wir, dass wir mit all unseren Problemen, die wir jetzt haben, zu ihm kommen können und er hat die Macht. Also das zu Sichem.

Weiter, was können wir zu Bezer, Golderz, sagen? Dazu eine Stelle aus Hiob 22. Da ist ein wunderbares Wortspiel. Da spricht Eliphas, der älteste Freund Hiobs, in Vers 24: „Und lege das Golderz in den Staub und das Gold von Ophir unter den Kies der Bäche; so wird der Allmächtige dein Golderz und dein glänzendes Silber sein. Denn dann wirst du an dem Allmächtigen dich ergötzen und zu Gott dein Angesicht erheben. Du wirst zu ihm beten, und er wird dich erhören, und dein Gelübde wirst du bezahlen.“ Ja, also da wird das Golderz auf den Allmächtigen bezogen. Also gib doch quasi den irdischen Reichtum hin, hänge dich nicht daran, dann wird der Allmächtige dein Golderz sein. Und das ist noch ein wunderbares Wortspiel, weil der Name Eliphas «mein Gott ist Feingold» bedeutet. Eli heißt «mein Gott» und phas bedeutet Feingold. Und der mein-Gott-ist-Feingold gibt dem Hiob den Rat: Gib dein Golderz, so wird der Allmächtige dein Golderz. Und dann weiter: Du wirst zu ihm beten und er wird dich erhören. Und vorher: Dann wirst du dich an dem Allmächtigen ergötzen, erfreuen. Das wäre die Zufluchtsstadt Bezer, Golderz.

Und was bleibt uns noch übrig? Ramoth, Höhe. Da können wir an Jesaja 57 denken, Vers 15: „Denn so spricht der Hohe und Erhabene, der in Ewigkeit wohnt, und dessen Name der Heilige ist: Ich wohne in der Höhe und im Heiligtum, und bei dem, der zerschlagenen und gebeugten Geistes ist, um zu beleben den Geist der Gebeugten und zu beleben das Herz der Zerschlagenen.“ Ja, Gott bezeichnet sich hier als in der Höhe wohnend und bei dem, der zerschlagenen Geistes ist. Der Zusammenhang ist eigentlich recht einfach herzustellen. Stellen wir uns den Totschläger vor. Der Unfall ist geschehen und jetzt weiß er: In Kürze kann ich erschlagen werden. Also er kommt in größte Angst und Bedrängnis und es gibt nur eines: Jetzt nach Ramoth hinauf. Und Gott sagt von sich: Ich wohne in der Höhe, gewissermaßen in Ramoth. Und bei dem, der zerschlagenen und gebeugten Geistes ist, um zu beleben den Geist der Gebeugten und zu beleben das Herz der Zerschlagenen. Also Ramoth, die Höhe, erinnert uns an den Gott, der in der Höhe wohnt und gleichzeitig ganz speziell bei dem, der in der tiefsten Not ist. Das ist, grad auch was Gotteserfahrung betrifft, ganz interessant. Wenn man unter Christen eine Umfrage machen würde: Wann hast du in deinem Leben die Nähe Gottes auf ganz besondere Weise erfahren?, dann würden wir ganz verschiedene Antworten bekommen. Aber es gibt viele Christen, die bezeugen, dass sie die Nähe Gottes besonders in Momenten, wo es ganz schlimm war, erlebt haben. Man kann das gar nicht mit Worten beschreiben, wie sie ihn auf ganz spezielle Art erfahren haben, so tief. Das ist etwas von der Erfahrung von Ramoth als Zufluchtsstadt.

Ja und dann bleibt uns noch Golan, Fremde oder Exil. Schlagen wir mal 1. Petrus 1 auf. Da lernen wir die Adressaten dieses Briefes kennen. Vers 1-2: „Petrus, Apostel Jesu Christi, den Fremdlingen von der Zerstreuung von Pontus, Galatien, Kappadocien, Asien und Bithynien, auserwählt nach Vorkenntnis Gottes, des Vaters, durch Heiligung des Geistes, zum Gehorsam und zur Blutbesprengung Jesu Christi: Gnade und Friede sei euch vermehrt!“ Also die Adressaten werden als Fremdlinge bezeichnet. Fremdlinge von der Zerstreuung. Übrigens das Wort Zerstreuung ist das griechische Wort diaspora. Das ist der Fachausdruck für Juden, die im Ausland sind, anstatt in der Heimat. Der Brief richtet sich also besonders an Menschen, die sich fremd fühlen in dieser Welt. Und von ihnen spricht er dann in Kapitel 2, 11: „Geliebte, ich ermahne euch als Fremdlinge und als die ihr ohne Bürgerrecht seid, dass ihr euch enthaltet von den fleischlichen Lüsten, welche wider die Seele streiten, indem ihr euren Wandel unter den Nationen ehrbar führet, auf dass sie, worin sie wider euch als Übeltäter reden, aus den guten Werken, die sie anschauen, Gott verherrlichen am Tage der Heimsuchung.“ Ja also er spricht sie als Fremdlinge an und sagt ihnen, wie sie in einer Gesellschaft unter den Völkern auf ehrbare Art und Weise leben sollen, damit sie wirklich ein Zeugnis sind. Nun können wir sagen: Ja, diese Juden, an die Petrus schreibt, die waren eben in der Diaspora, die waren nicht assimiliert und lebten so wie Asylanten unter uns heute. Und denen gibt er Anweisung, wie man unter einem fremden Volk leben soll. Aber in der Übertragung auf unsere Situation hat das sehr viel zu sagen. Denn eigentlich sind Christen auch Fremdlinge in dieser Welt, denn Philipper 3, 20 sagt ja: Unser Bürgertum ist in den Himmeln, woher wir auch den Herrn Jesus Christus erwarten als Heiland. Also können sich gewissermaßen alle Gläubigen im 1. Petrusbrief wiedererkennen als Fremdlinge. Wir sind hier fremd als Gläubige, Fremdkörper. Unsere Ideen sind ganz anders, als die in der Gesellschaft. So hoffe ich wenigstens. Je mehr wir durch Gottes Wort geprägt werden, desto fremder werden wir in unserem Denken. Aber wir sind nicht allein. Der Herr Jesus sagt ganz am Schluss vom Matthäusevangelium: Siehe, ich bin bei euch alle Tage, bis zur Vollendung des Zeitalters. Einerseits ist er als Mensch im Himmel, aber er ist gleichzeitig auch Gott und somit allgegenwärtig. Dadurch ist er uns in unserer Fremdlingschaft so nahe, dass er sagen kann: Ich bin bei euch alle Tage. Und so können wir gewissermaßen ihn als die Zufluchtsstadt Golan betrachten, der bei uns ist und Sicherheit gibt in der Fremde. Also so kann man diese Zufluchtsstädte seelsorgerlich, praktisch, neutestamentlich beleuchtet übertragen.

Ist bis dahin noch eine Frage? Teilnehmer: Ich würde gerne wissen, ob diese Zufluchtsstädte heute noch für die orthodoxen Juden ein Thema sind? Liebi: Ja, das Problem dabei ist, zum Beispiel ist Hebron selbstverständlich ein Thema, aber es ist ein weltpolitisches Thema. Hebron ist bei den orthodoxen Juden von heute von großer Bedeutung. Und auch Sichem, das auch ein weltpolitisches Thema ist. Dann Golan in Basan, auch das ist ein weltpolitisches Thema. Es ist schon interessant, dass eine ganze Reihe dieser Städte genau dort sind, wo der Kampf heute am heißesten ist. Aber im orthodoxen Judentum ist es nicht so, dass diese Städte jetzt wieder als Zufluchtsstädte eingeführt werden. Also soweit ist die Wiederherstellung noch nicht gegangen. Aber im Zusammenhang mit diesen Vorschriften haben diese Städte erst recht ganz besondere Bedeutung im Judentum. Teilnehmer: Ich wollte einfach hinzufügen, dass wir als Christen alle auf dem Weg nach Golan sind. Hebräer 13, 14 sagt: Wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern wir suchen die Zukünftige. Also in Christus suchen wir die zukünftige Stadt. Liebi: Wunderbar. Sehr schön, danke.

Übrigens, die Tatsache, dass es ja bei all diesen Zufluchtsstädten um levitische Zufluchtsstädte geht, steht in Verbindung mit Kapitel 21, das als nächstes kommt. Da werden nämlich die weiteren Levitenstädte noch ganz genau bestimmt, angegeben und unter die verschiedenen levitischen Familien verteilt. Also diese sechs Levitenstädte in Kapitel 20 sind ein Teil all dieser Levitenstädte aus Kapitel 21. Der Stamm Levi war ja ausgewählt zum Priesterstamm und hatte dadurch das besondere Vorrecht, die Aufgabe am Heiligtum erfüllen zu dürfen, im Gegensatz zu den anderen Stämmen. Und dadurch bekamen sie kein Stammeserbteil, sondern nur einzelne Städte mit dem entsprechenden Weideland, verteilt über das ganze Land Israel. Das war, wie wir das schon früher gesehen haben, die Erfüllung des Fluches von Jakob in 1. Mose 49. Da hat er für Levi, der sich schwer vergangen hatte, den Fluch ausgesprochen, dass der Stamm Levi in Israel zerstreut werden solle. Aber dieser Fluch ist später in Segen umgewandelt worden, weil der Stamm Levi, als die Sünde mit dem goldenen Kalb geschah, sich ganz besonders für die Treue zu Gott eingesetzt hatte. Dadurch wurde der Stamm Levi zum Priesterstamm eingesetzt. Der Fluch hat sich erfüllt, der Stamm Levi ist in ganz Israel zerstreut worden, aber er ist zum Segen geworden, weil der Stamm Levi eben dadurch das Priestertum bekommen hat und damit eine höhere Aufgabe, als alle anderen Stämme. Also hier in Josua 21 haben wir gewissermaßen die Erfüllung des Fluches aus 1. Mose 49, aber umgewandelt in Segen. So kann Gott also Fluch in Segen umwandeln. Und dazu kommt der Name Levi. Was bedeutet er eigentlich? Er hat gerade in Verbindung mit diesem Thema eine schöne Bedeutung. Levi heißt Anhänglichkeit, Anschließung. Das hing damit zusammen, dass Lea, die Mutter von Levi, bei seiner Geburt sagte: Jetzt wird sich mein Mann endlich mir anschließen. Da gab es ja dauernd diese Streitigkeiten zwischen Rahel und Lea. Also Anhänglichkeit, Anschließung war der Wunsch von Lea im Blick auf ihren Mann Jakob. Aber der Stamm Levi wurde schließlich dieser Stamm, der sich ganz besonders Gott angeschlossen hat. Eben damals schon in 2. Mose 32 bei dem Goldenen Kalb und das hat dazu geführt, dass Gott diesen Stamm ganz besonders nahe zu sich heranzog, er durfte nämlich den Priesterdienst erfüllen.

Dazu noch ein Vers aus Psalm 63, wo einfach das Thema der Anhänglichkeit an Gott so schön ausgedrückt wird. Psalm 63, 9: „Meine Seele hängt dir nach, es hält mich aufrecht deine Rechte.“ Meine Seele hängt dir nach, das charakterisierte den Stamm Levi. Und das drückte sich aus im Priesterdienst. Das ganz Thema Levi hat natürlich neutestamentlich eine ganz besondere Bedeutung, denn für das neutestamentliche Volk Gottes gibt es diese Unterscheidung von Priesterstamm und den übrigen nicht mehr. Das ist auch das, was die Reformatoren so großartig erkannt hatten, das allgemeine Priestertum. Jeder Erlöste gehört gewissermaßen zum Priesterstamm. Wo finden wir das neutestamentlich bestätigt? Teilnehmer: 1. Petrusbrief 2, 9. Liebi: Schlagen wir das auf. 1. Petrus 2, 9: „Ihr aber seid ein auserwähltes Geschlecht, ein königliches Priestertum, eine heilige Nation, ein Volk zum Besitztum, damit ihr die Tugenden dessen verkündigt, der euch berufen hat aus der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht.“ Ja, ihr seid ein königliches Priestertum, eine heilige Nation. Und vielleicht können wir noch einen Vers aus der Offenbarung 1 hinzufügen. Also Johannes schreibt den sieben Gemeinden in Asien. Und was sagt er? Offenbarung 1, 5b-6: „Dem, der uns liebt und uns von unseren Sünden gewaschen hat in seinem Blute, und uns gemacht hat zu einem Königtum, zu Priestern seinem Gott und Vater: Ihm sei die Herrlichkeit und die Macht von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen.“ Ja, also ganz deutlich, alle Gläubigen, all diese Gemeinden, werden da eingeschlossen. Er hat uns zu Priestern gemacht.

Es ist tragisch, dass in der Kirchengeschichte diese Unterscheidung von Klerikern und Laien bereits im 2. Jahrhundert eingesetzt hat. So früh. Und dann ist das Jahrhunderte hindurch so verdunkelt geblieben, bis das allgemeine Priestertum in der Reformation wieder neu entdeckt worden ist, also dass jeder Gläubige gewissermaßen ein Levit ist. Die Frage ist, ob wir wirkliche Leviten sind, die Anhänglichkeit, Anschließung an Gott, Hingabe im Dienst an Gott, zeigen. Und ob wir wirklich solche Leviten sind, die etwas von diesen Zufluchtsstädten verstanden haben für sich persönlich und auch anderen Menschen zeigen können, wie sie aus ihrer Not, ihrer Sündennot, in Gott die Zuflucht finden können. Teilnehmer: Aber trotzdem man in der Reformation das allgemeine Priestertum wieder entdeckt hat, hat man doch bei Pastoren eine Art Priesterschaft, wenn auch eine andere Art. Liebi: Ja, das Ganze sitzt natürlich sehr tief. Man kann also sagen, in der Reformation ist das allgemeine Priestertum zumindest theoretisch ganz deutlich geworden, aber in der Praxis noch nicht wirklich umgesetzt. Luther sagte ja auch, uns fehlen die Leute. Und es kommt ja auch noch dazu, dass es damals eine soziale Schwierigkeit gab, nämlich, dass nicht alle Leute lesen konnten. Und dadurch gab es natürlich auch eine andere Schwierigkeit: Wer kann die Bibel auslegen und erklären? Das ist ja schwierig, wenn man nicht lesen kann. Und das hat natürlich dazu beigetragen, dass es in dieser Hinsicht nicht so umgesetzt worden ist, wie es in der Urgemeinde der Fall war. Aber wenigstens wurde damals doch deutlich auf den Leuchter gestellt und als wichtig erkannt, dass jeder Erlöste den Auftrag hat, Gott als Priester zu dienen, als Levit.

Teilnehmer: Ja, deswegen haben wir ja immer noch die Staatskirche. Weil zu wenig Leute ??. Sonst muss man sich ja entscheiden, entweder Staatskirche oder Glaubenskirche. ?? Liebi: Natürlich, manche hatten auch erkannt, das muss ja nicht über den Staat laufen, das waren die Wiedertäufer, zur gleichen Zeit. Aber das ist dann eine traurige Geschichte, wie es da eben zu keiner Verständigung gekommen ist. Teilnehmer: Darf ich noch darauf hinweisen, im Hebräerbrief wird ja ausdrücklich vom Priestertum der Gläubigen gesprochen, aber in Kapitel 10, 19 heißt es doch: Da wir nun, Brüder, Freimütigkeit haben zum Eintritt in das Heiligtum. Und wer hat denn Eintritt in das Heiligtum, wenn nicht der Priester? Das Volk konnte ja im Alten Testament gar nicht ins Heiligtum hinein, sondern nur die, die am Heiligtum dienten. Liebi: Ja, und heute ist der Zugang für jeden offen. Das meinst du? Teilnehmer: Ja genau. Liebi: Und noch mehr, er darf sogar ins Allerheiligste gehen. Genau. Ja und interessant ist Folgendes. Ich weiß nicht, ob ich das schon mal erzählt habe. Auf einer meiner Reisen bin ich einmal in eine katholische Kirche gegangen. Eindrücklich dabei ist mir geblieben, dort wo in der Kirche quasi die Abtrennung kommt für das Allerheiligste, war ein riesiges Gemälde über die ganze Seite des Kirchenschiffes. Es zeigte Jesus Christus am Kreuz. Habe ich das hier mal erzählt? Man sah ihn am Kreuz, die Seite geöffnet. Und der ganze Hintergrund zeigte den Scheidevorhang des Tempels. Aber er war auf diesem Bild nicht zerrissen. Das hat mich so beeindruckt, diese Dramatik dieser Situation. Christus ist gestorben und die Bibel sagt, da ist der Scheidevorhang zerrissen, der Zugang zu Gott ist offen. Aber hier wird er dargestellt als geschlossener Scheidevorhang. Und das ist die Situation, die die Kirche seit dem Mittelalter und leider bis heute gekennzeichnet hat, vor allem die katholische Kirche, dass der Zugang zu Gott für das Volk als nicht offen angesehen und dargestellt wird. Und so viele Millionen von Menschen wissen nichts von einem geöffneten Heiligtum, von einem Zugang zu Gott mit Freimütigkeit, von einem befreiten Gewissen. Nichts davon. Aber es wurde in dieser Kirche auch so plastisch dargestellt, dass sie nicht an einen geöffneten Vorhang glauben, wenigstens in der Praxis nicht.

Teilnehmer: Darf ich noch eine Frage stellen zu diesem Fluch in 1. Mose 49? Da wird doch davon gesprochen, dass Simeon und Levi zerstreut werden sollten. Simeon hat aber doch ein Stammesgebiet bekommen. Liebi: Ja, laut Josua sogar innerhalb von Juda. Aber in der späteren Geschichte hat es Verschiebungen für Simeon gegeben, so dass Simeon eben auch eine gewisse Zerstreuung innerhalb von Israel erfahren hat. Aber bei Levi ist es noch eindrücklicher, die Zerstreuung wirklich über das ganze Land. Aber die Zerstreuung über das ganze Land hat auch dazu geführt, dass auch die verstreuten Zufluchtsstädte überall bereit waren.



[1] Wird u. a. ausführlich behandelt in: Arnold Fruchtenbaum – Höhepunkte im Leben Jesu aus jüdischer Sicht, Teile 5-7

[2] Laut Arnold Fruchtenbaum bestand der Sanhedrin aus 71 Mitgliedern, davon mussten mindestens 23 anwesend sein. Außerdem durfte ein Schuldspruch nicht einstimmig sein.