Das Buch der Psalmen

 

Bei den Psalmen handelt es sich um ein göttlich inspiriertes Gesangsbuch, in dem alle Gefühls­regungen der Seele entfaltet werden: Kummer, Sorgen, Zweifel, tiefste Niedergeschlagenheit, Befürchtungen, Ängste, Schrecken... Dennoch, alle menschlichen Erschütterungen werden stets durch die alles übertönenden Triumph-Fanfaren der Hoffnung und der Glaubensgewissheit mit Dank, Jubel und Anbetung durchbrochen. Angesichts der unabänderlichen Treue Gottes wird der durch Glauben Gerechtfertigte aus der Finsternis zum Licht geführt. Der Gottlose jedoch wird im Gericht enden.

Zur Stellung innerhalb des Kanons

·          Luk 24,44: „Das Gesetz“ (= thorah, 5 Bücher Mose), „die Propheten“ (= nevi’im, Jos, Rich, 1+2Sam, 1+2Kön, Jes, Jer, Hes, Hos-Mal); „die Psalmen“ (= ketuvim = „die Schriften“; Ps, Spr, Hi, Hld, Ru, Klgl, Pred, Est, Dan, Esr, Neh, 1Chr, 2Chr)

Zum Namen

·          „Psalmen“ (vgl. LXX; > griech. psalmos = Loblied > psallo = [Saiten] rupfen, [zur Laute] singen; vgl. 1Kor 14,15; Eph 5,19; Jak 5,13), „Buch der Psalmen“ im NT: Luk 20,42; Apg 1,20; als hebr. Name des Buches sepher tehillim = Buch der Lobpreisungen (> hillel = loben; vgl. Hallelu-jah, Ps 146-150); „Psalmen“ (in den Überschriften, z.B. Ps 4): mizmor = Gesang mit instrumentaler Begleitung

Die Autoren

·          David (73+2; gemäss LXX: 11 weitere von David; Ps 3; 2Sam 23,2; Apg 4,25; Heb 4,7); Salomo (1; Ps 127); Asaph (12; Ps 73); die Söhne Korahs (10; Ps 84); Ethan (1; Ps 89); Heman (1; Ps 88); Mose (1; Ps 90); gemäss LXX: Haggai und Sacharja (Ps 146-148)

·          Zeitraum: Von Mose (1560 v. Chr.) – Sacharja (520 v. Chr.): über 1000 Jahre

·          Widmungen: für Jeduthun: Ps 39,1; 62,1; 77,1; für Salomo: Ps 72,1

Die Psalmen und der Erste Tempel

·          Die meisten Psalmen stammen aus der Zeit Davids

·          Das musikalische Phänomen David: 1Sam 16,18-23; 2Sam 23,1

·          Einrichtung der Tempelmusik durch David: 1Chr 15; 16; 25; 2Chr 29,25

·          David erfindet Musikinstrumente: Am 6,5; 1Chr 23,5; 2Chr 29,26

·          Aufbau der Tempelmusik: 3 Musikdirektoren: Asaph, Jeduthun und Heman (1Chr 25,6); 4000 Tempelmusiker (1Chr 23,5); Musikstudenten (1Chr 25,8)

Zur Struktur: die 5 Bücher

          I.          Ps 1-41 (vgl. 1Mo)

            Refrain: Ps 41,13

       II.          Ps 42-72 (vgl. 2Mo)

            Refrain: Ps 72,18-19

     III.          Ps 73-89 (vgl. 3Mo)

            Refrain: Ps 89,52

    IV.          Ps 90-106 (vgl. 4Mo)

            Refrain: Ps 106,48

       V.          Ps 107-150 (vgl. 5Mo)

Zur hebräischen Poesie im AT

Der Parallelismus

Die Grundstruktur der Poesie im AT ist der Aufbau eines Verses aus zwei parallelgestellten Verszeilen.

1. Synonymer Parallelismus

In den parallelen Verszeilen wird derselbe Gedanke mit anderen Worten ausgedrückt (z.B. Ps 19,7; 119,105).

2. Antithetischer Parallelismus

Dem in der ersten Verszeile ausgedrückten Gedanken wird in der zweiten ein Kontrast gegenübergestellt (z.B. Spr 28,13; Ps 119,67).

3. Synthetischer Parallelismus

Der Gedanke der ersten Verszeile wird in der zweiten ergänzt (z.B. Ps 119,9; Spr 4,18).

Charakteristische Merkmale und Besonderheiten

·          Die Psalmen drücken auf einzigartige Weise die Gefühle und Empfindungen der Erlösten zu allen Zeiten der Heilsgeschichte aus. Gerade deshalb spricht dieses Bibelbuch die Gläubigen im Allgemeinen so direkt an. Sie sprechen einem förmlich aus dem Herzen.

·          Verschiedene Bedeutungsebenen: Historische Aspekte (vgl. z.B. Titel von Ps 3); Anwendung für heute (vgl. Heb 13,5-6; Röm 15,4); Prophetie (Luk 24,44).

·          Konflikte und Triumphe des Gläubigen.

·          Die Psalmen erhielten den Glauben der verfolgten und geprüften Gläubigen durch die Jahrtausende hindurch aufrecht.

·          Der Gerechte und der Gesetzlose (vgl. Ps 1); vgl. 1Joh 3,10; 2Kor 6,14ff; Eph 5,8

·          Die Gefühlsseite des Glaubens, das Echo, das die Stimme Gottes im Herzen des Menschen weckt.

·          Der She’ar Jisra’el (= der Überrest Israels; vgl. Jes 10,20-22; 37,31-32) in der Zeit des Antichrists, in der grossen Drangsal und im messianischen Königreich (I. Der Überrest im Land; II. Der Überrest auf der Flucht und im Exil; III. Die 12 Stämme Israels; IV. Die Nationen aus aller Welt; V. Gottes Heilswege von Anfang an bis zum messianischen Königreich).

·          Der Messias (seine Leiden und seine Herrlichkeit; z.B. Ps 2; 8; 16; 22; 40; 45; 68; 69; 72; 88; 89; 110; 118).

·          Lob und Anbetung (Ps 150), Bitten (Ps 13), Flehen (Ps 130), Demütigung / Bussgebete (Ps 51), Jubel (Ps 66), Belehrungen (Ps 32,9ff), Nachsinnen (Ps 73); Geschichte (Ps 105), Prophetie (Ps 22) etc.

·          Wochentags-Psalmen im Tempel: So: Ps 24; Mo: 48; Di: 82; Mi: 94; Do: 81; Fr: 93; Sa: 92; vgl. die Beziehung zu den Wochentagen der Passion: Palmsonntag – Auferstehung

·          Hallel-Psalmen (113‑118): für Passah-Mahl (vgl. Mat 26,30); Passah-Woche; Laubhütten-Fest.

·          Lieder der Hinaufzüge (Stufenlieder; shir ma’aloth): Ps 120 - 134, anlässlich der Reisen nach Jerusalem (Passah, Pfingsten, Laubhütten) gesungen; mit Flötenbegleitung (Jes 30,29); vgl. die 14 halbkreisförmigen Stufen als Orchester- und Chorpodest im Frauenvorhof des Zweiten Tempels.

·          Psalmen für den 8. Tag des Laubhüttenfestes: Ps 12 und 29.

·          Psalm für den Sabbath: Ps 38.

·          Alphabetische Psalmen: 9; 10; 25; 34; 37; 111; 112; 119; 145.

·          Ca. 1/3 der etwa 360 direkten Zitate des AT im NT: aus dem Buch der Psalmen.

·          1Mo (Schöpfung / Patriarchen): Ps 104-105; 2Mo: Ps 78; 106; 4Mo: Ps 106; Jos: Ps 78; Samuel, Könige, Chronik: Ps 78; 127; Verankerung der Glaubensgefühle in den Fakten der Heilsgeschichte.

·          Seligpreisungen (26x): Ps 1,1; 2,12; 32,1.2; 33,12; 34,8; 40,4; 41,1; 65,4; 84,4.5.12; 89,15; 94,12; 106,3; 112,1; 119,1.2; 127,5; 128,1.2; 137,8.9; 144,15.15; 146,5.

·          „dem Vorsänger“ / „dem Chorleiter“: la-mnazeach = für den Dirigenten (z.B. Ps 4,1).

·          Selah = Pause, musikalisches Zwischenspiel, „Ritornell“ (z.B. Ps 3,4).

·          Maskil = Lehrgedicht (= w. macht weise): Ps 32,1; 42,1; 44,1; 45,1; 52,1; 53,1; 54,1; 55,1; 74,1; 78,1; 88,1; 89,1; 142,1; vgl. die „Verständigen“ (maskilim) in: Dan 2,21; 11,33.35; 12,3.10

Literatur (Auswahl)

AEBI, E.: Kurze Einführung in die Bibel, Winterthur / Wuppertal, 4. Aufl. 1973.

ARCHER, G.L.: Einleitung in das Alte Testament, Bad Liebenzell, Bd. I: 1987, Bd. II: 1989.

ARCHER, G.L.: Encyclopedia of Bible Difficulties, Grand Rapids, Michigan 1982.

ELLISEN, A.E.: Von Adam bis Maleachi, Das Alte Testament verstehen, Dillenburg 1984.

KEIL, C.F. / DELITZSCH, F.: Commentary on the Old Testament, Psalms, Bd. V, Peabody, Massachusetts 1989.

LEE, R.: Abriss und Gliederung der biblischen Bücher, Neustadt Weinstrasse 19713.

LIEBI, R.: Der Messias im Tempel, Bielefeld 2003.

REMMERS, A.: Das Alte Testament im Überblick, Hückeswagen 1988.

SPURGEON, C.H.: Die Schatzkammer Davids, Eine Auslegung der Psalmen, 4 Bde., Bielefeld 1996.

UNGER, M.F.: Ungers grosses Bibelhandbuch, Asslar 1987.

WALVOORD, J.F. / ZUCK, R.B.: Das Alte Testament erklärt und ausgelegt, Holzgerlingen 1990.

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(Erhältlich bei: CLKV, Sanddornweg 1, 3613 Steffisburg; [email protected])