Einführung in den

1. Johannesbrief

Gemeinschaft mit dem Vater und dem Sohn

·          Der 1. Johannesbrief warnt vor Irrlehren, die die Wahrheit der Person des Herrn Jesus Christus massiv angriffen. So leugneten die Vertreter der mystischen und moralisch freizügigen Gnostiker-Bewegung, dass der Herr Jesus wahrer Mensch und wahrer Gott in einer Person ist. Wer in dieser Weise den Sohn Gottes leugnet, ist ein „Antichrist“ (= „einer, der sich gegen Christus stellt“).[1] Wer aber den wahren, biblischen Jesus kennt und Gemeinschaft mit ihm hat, der hat auch Gemeinschaft mit Gott, dem Vater. Der wahre und unverfälschte Glaube an den Sohn Gottes wirkt sich aus durch Gehorsam gegenüber Gottes Wort und durch Liebe zu den Glaubensgeschwistern.

Autor

·          Der Apostel Johannes. So gemäss dem frühchristlichen Zeugnis:

          Polykarp (Schüler von Johannes; 70-155); Justin der Märtyrer; Irenäus (Schüler von Polykarp; ca. 140-202), Clemens Alexandrinus (ca. 150-215), Tertullian (160-220)

·          Augenzeuge (1,1; vgl. Joh 1,14) und Apostel (1,1-5; 4,6)

Adressaten

·          Das Schreiben richtet sich ohne genauere Angaben an Wiedergeborene (5,13), die schon länger oder erst seit kurzem im Glauben standen: Väter, Jünglinge, Kindlein (2,13.14.18). 1Joh 2,1-2 macht zudem deutlich, dass die Adressaten einen jüdischen Hintergrund hatten (vgl. Gal 2,8).

Zeit und Ort der Abfassung

·          Am Ende seines Lebens lebte Johannes in Ephesus (Clemens Alexandrinus). Er starb im
68. Jahr nach der Kreuzigung Jesus (Hieronymus
è 100 n. Chr.) in Ephesus (Polykrates von Ephesus, geb. 125 n. Chr.)

·          Wohl in den letzten Jahren des Apostels Johannes: 90-100 n. Chr. in Ephesus (West-Türkei)

Anlass: Warnung vor Irrlehren, die auf der Linie der Gnosis standen

Johannes warnt die Erlösten u.a. vor der Verführung durch die Gnosis.[2] Kennzeichen der Gnostiker:

·          Im Menschen stecke ein göttlicher Funke, der durch höhere Erkenntnis wieder entdeckt werden soll. Höhere Erkenntnis führe zu Erlösung.

          Johannes setzt dem die wahre Erkenntnis der nichtgnostischen Gläubigen entgegen (1Joh 5,20).

·          Materie sei schlecht. Der Körper sei schlecht. Christus habe deshalb nur einen Scheinleib angenommen, um Erlöser zu werden. Er sei auch nur scheinbar gestorben. (è Leugnung, dass Christus im Fleisch gekommen ist; Leugnung der Erlösung durch den Kreuzestod Christi)

          Johannes erklärt: Wer nicht bekennt, dass Christus im Fleisch gekommen ist, wird von einem bösen Geist getrieben und ist selber ein falscher Prophet und ein Antichrist
(1Joh 4,1ff), er gehört nicht zur Schar der Erlösten (1Joh 2,19).

·          Der sündige Lebenswandel im Körper könne der Reinheit des menschlichen Geistes nichts antun. Es komme nicht darauf an, wie man lebt.

          Johannes betont die Wichtigkeit des praktischen Lebenswandels gemäss den Geboten Gottes (1Joh 2,3-6). Wer in der Sünde lebt, ist nicht wiedergeboren, ist aus dem Teufel (1Joh 3,8).

·          Der höchste Gott sei nur eine Person. Später sei Christus aus Gott hervorgegangen
(
è Leugnung der ewigen Existenz Christi, Leugnung der Gottheit Christi; Leugnung der ewigen Sohnschaft Christi; Leugnung der ewigen Vaterschaft Gottes; Leugnung der Trinität).

          Wer den Vater und den Sohn leugnet, ist ein Lügner, ein Antichrist (1Joh 2,22-23). Der Sohn ist der wahrhaftige Gott und das ewige Leben (1Joh 5,20).

·          Die Lehre der Apostel war für die Gnostiker nicht verbindlich. Sie waren offen für Privatoffenbarungen.

          Johannes betont, dass wir nur das glauben sollen, was Christus und seine Apostel von allem Anfang an gelehrt haben. Es gibt kein Fortschreiten in der Offenbarung
(1Joh 2,24; 4,6).

·          Es gab viele verschiedene Lehren. Kein einheitliches System.

          Johannes spricht von der Wahrheit in der Einzahl: die Wahrheit (1Joh 1,6.8; 2,4.21.21; 3,18.19; 4,6; 5,6). Es gibt nicht Wahrheiten. Im 2. Brief spricht er von der Lehre in der Einzahl (2Joh 1,9.9.10; Gegensatz: falsche Lehren: 1Tim 1,3: andere Lehren; 1Tim 4,1: Lehren von Dämonen)

Aktualität

·          Der Islam (Koran) leugnet

          die Gottheit Christi

          die Existenz Christi vor seiner Menschwerdung

          die ewige Sohnschaft Christi und die Sohnschaft als Mensch

          den Kreuzestod Christi

          die Authentizität, und damit die Autorität der Bibel.

·          Die Arianer zur Zeit der christologischen Kämpfe (4. / 5.  Jh. n. Chr.)[3] leugneten die Gottheit Christi und seine ewige Sohnschaft.

·          Die Zeugen Jehovas, die Mormonen, die Christliche Wissenschaft leugnen die Gottheit Christi und seine ewige Sohnschaft.

·          In der liberalen Theologie ist die Leugnung der Gottheit Christi und seiner ewigen Sohnschaft üblich (bereits bei den so genannten Altliberalen des 19. Jh.).

Struktur

Die Struktur besteht aus vier Zyklen, die sich jeweils in der Anordnung und in der Thematik an der Thora (5 Bücher Mose) orientieren.

 

1Mo: Genesis: Das Buch der Anfänge

2Mo: Exodus: Das Buch der Erlösung

3Mo: Leviticus: Das Buch des Opferdienstes / der Heiligkeit

4Mo: Numeri: Das Buch der Wüstenreise

5Mo: Deuteronomium: Das Buch des Gehorsams

I.     1,1 - 2,11

·          1,1-5: Genesis: Neuanfang im Licht

          Stichwörter: Anfang (1Mo 1,1); Licht (1Mo 1,3); Finsternis (1Mo 1,2.4.5); Leben (1Mo ,20.21.24.30; 2,7; 2,9; 3,22.24)

·          1,6-10: Exodus: Gemeinschaft mit Gott durch das Blut Jesu

          Stichwörter: Blut (2Mo 12); Gemeinschaft im Licht (2Mo 10,23); Finsternis – Licht (2Mo 10,21-23); Wandel im Licht (2Mo 13,21-22)

·          2,1-2: Leviticus: Sühnung

          Stichwörter: Sühnung für unsere Sünden (3Mo 16); Sachwalter / Fürsprecher (3Mo 8 und 16); der Gerechte (3Mo 16,4)

·          2,3-6: Numeri: Wandel gemäss Gottes Geboten

          Stichwörter: wandeln (4Mo 1ff: Wüstenwanderung); Gebote halten / nicht halten; sein Wort halten (4Mo 6,37-41; Ungehorsam während der Wüstenwanderung)

·          2,7-11: Deuteronomium: Neues und altes Gebot

          altes Gebot / neues Gebot (5Mo 1ff: Wiederholung der Gebote aus der Wüste und neue Gebote für das Land); altes Gebot: das Wort (5Mo: ca. 50x beobachten / bewahren; ca. 50x hören / gehorchen)

II.   2,12 - 3,24

·          2,8-27: Genesis: Die reine Lehre vom Anfang an

          Stichwörter: Anfang (1Mo 1,1; 1Joh 2,13.14.24.24); Antichrist / Antichristen; verführen (1Mo 3); Lust des Fleisches, Lust der Augen, Hochmut des Lebens (1Mo 3,6; 1Joh 2,16)

·          2,28 - 3,3: Exodus: Die Welt und das geliebte Volk Gottes

          Welt – Kinder Gottes (2Mo: Ägypten – Kinder Israel; Ankunft (2Mo 12,12)

·          3,4-12: Leviticus: Wegnahme der Sünde

          Stichwörter: sündigen / nicht sündigen (3Mo: 150x heilig, heiligen etc.); Sünden wegnehmen (3Mo 16), Brüder lieben (3Mo 19,18)

·          3,13-18: Numeri: Wandel gemäss Gottes Geboten

          Stichwörter: Gegenpol: Welt – vom Tod ins Leben hinübergegangen (4Mo: Wandel getrennt von Ägypten); Leben darlegen; lieben in Tat und Wahrheit (4Mo: praktischer Wandel in der Wüste)

·          3,19-24: Deuteronomium: Gehorsam gegen die Gebote

          Gebot(e) halten (2x); das vor ihm Wohlgefällige tun (5Mo: Gebote werden vorgestellt, Gehorsam gefordert)

III.  4,1-5,5

·          4,1-3: Genesis: Scheiden zwischen Irrtum und Wahrheit

          Stichwörter: Geister prüfen; nicht jedem Geist glauben (1Mo 1,4: Scheidung zwischen Licht und Finsternis; 1Mo 3: Verführung durch Satan)

·          4,4-6: Exodus: Scheidung zwischen Volk Gottes und Verführern

          Stichwörter: aus Gott – aus der Welt (2Mo 10,23: Ägypten in der Finsternis – Israel im Licht; 2Mo 8,23: Scheidung zwischen meinem Volk und deinem Volk)

·          4,7-10: Leviticus: Opfer Jesu

          Stichwörter: Sühnung für unsre Sünden (3Mo 16)

·          4,11-21: Numeri: Gott gemässer Wandel

          Stichwörter: lieben / Liebe; Tag des Gerichts; Furcht / fürchten; Freimütigkeit (4Mo: Gericht über das Volk in der Wüste; Treue von Kaleb und Josua (4Mo 32,12)

·          5,1-5: Deuteronomium: Gebote halten = Liebe zu Gott

          Stichwörter: 3x seine Gebote; (5Mo: Vorstellen der Gebote Gottes); Liebe zu Gott (5Mo 6,1: shma jisrael!)

IV.  5,6-21

·          5,6-13: Genesis: Gott hat uns ewiges Leben gegeben

          Stichwörter: 5x Leben (1Mo 1,20.21.24.30; 2,7; 2,9; 3,22.24); Gott zum Lügner machen (1Mo 3); Zeichen des Todes: Wasser und Blut (1Mo 2,17; 3,15.19.21)

·          5,14-15: Exodus: Gebetserhörung

          Stichwörter: bitten; hören (2Mo 3,7-9)

·          5,16-17: Leviticus: Priesterliche Fürbitte

          Stichwörter: bitten (3Mo 1-7: priesterliches Darbringen der Opfer für das Volk; 3Mo 10,22‑24); 3Mo 6,22; 7,6-7: priesterliches Essen der Sündopfer und Schuldopfer

·          5,18-19: Numeri: Der aus Gott Geborene im Kontrast zur Welt

          Stichwörter: aus Gott geboren; sich bewahren; die Welt im Argen (4Mo: das erlöste Volk in den Gefahren der Wüste; 4Mo 32,12: Treue von Kaleb und Josua)

·          5,20-21: Deuteronomium: Das Verständnis des Wahrhaftigen

          Stichwörter: Verständnis gegeben (5Mo 1,5); den Wahrhaftigen kennen (5Mo 4,39; 8,5; 11,2; 29,6); Hütet euch vor den Götzen! (5Mo 4,15.23; 5,7; 6,14; 7,4.16.25; 11,16; 12,3; 18,20)

Wichtige Wörter

·          Leben (zoe): 12x + 1x: 1,1; 2,2.25; 3,14.15; 5,11.11.12.12.13.16 (natürliches Leben).20

·          Wort (logos): 6x: 1,1.10; 2,5.7.14.3.18

·          Vater (pater): 11x für Gott + 2x: 1,2.3; 2,1.13.13.14.15.16.22.23.24; 3,1; 4,14; 5,7

·          Gott (theos): 63x

·          Sohn (hyos): 22x: 1,3.7; 2,22.23.24; 3,8.23; 4,9.10.14.15; 5,5.9.10.10.11.12.12.13.13.20.20

·          Jesus (jesous): 12x: 1Joh 1,3.7; 2,1.22; 3,23; 4,2.3.15; 5,1.5.6.20

·          Christus (christos): 10x 1Joh 1,7.8.9.9; 2,2.12; 3,4.4.5.5.8.9; 4,10; 5,16.16.17.17

·          Antichrist (antichristos): 4x: 1Joh 2,18.18.22; 4,3

·          Gemeinschaft (koinonia): 4x: 1,3.3.6.7

·          Blut (haima): 4x: 1,7; 5,6.6.8

·          bleiben / wohnen (meno): 24x: 2,6.10.14.17.19.24.24.24.27.27.28; 3,6.9.14.15.17.24.24; 4,12.13.15.16.16.16 (vgl. 2Joh 1,2.9.9)

·          Licht (phos): 6x: 1,5; 2,8.9.11.11.11

·          Finsternis (skotia): 6x: 1,5; 2,8.9.11.11.11

·          Finsternis (skotos): 1x: 1,6

·          bekennen (homologeo): 5x: 1,9; 4,2.3.15 (vgl. 2Joh 1,7)

·          sagen (lego): 8x: 1,6.8.10; 2,4.6.9; 4,20; 5,16

·          Anfang (arche): 8x + 1x: 1,1; 2,7.7.13.14.24.24; 3,8.11 (vgl. Joh 1,1 = Anfang der Schöpfung; 2Joh 1,5.6; Joh 15,27 = Anfang des Christuszeugnisses)

·          kennen / erkennen (ginosko): 25x: 2,3.3.4.5.13.14.18.29; 3,1.1.6.16.19.20.24; 4,2.6.6.7.8.13.16; 5,2.20

·          wissen / kennen (oida): 2,11.20.21.21.29; 3,2.5.14.15.15.18.19.20

·          Verständnis / völliges Verständnis (dianoia): 1x: 5,20

·          aus (Gott) geboren: 7x: 1Joh 3,9.9; 4,7; 5,1.1.4.10 (vgl. Joh 1,12)

·          Welt (kosmos): 23x: 2,7.15.15.15.16.16.17; 3,1.13.17; 4,1.3.4.5.5.5.8.14.17; 5,4.4.5.19

·          Liebe (agape): 18x: 1Joh 2,5.15; 3,1.16.17; 4,7.8.9.10.12.16.16.16.17.18.18.18; 5,3

·          lieben (agapao): 28x: 1Joh 2,10.15.15; 3,10.11.14.14.18.23; 4,7.7.8.10.10.11.11.12.19.19.20.20.21.21; 5,1.1.2.2

·          geliebt (agapetos) 5x: 1Jo 3,2.21; 41,.7.11

·          Sünde (hamartia): 17x: 1Joh 1,7.8.9.9; 2,2.12; 3,4.4.5.5.8.9; 4,10; 5,16.16.17.17

·          sündigen (hamartano): 10x: 1Joh 1,10; 2,1.1; 3,6.6.8.9; 5,16.16.18

 

Bibliographie

Mauerhofer, E.: Einleitung in das Neue Testament, Vorlesungsscript, 2. Aufl., Basel 1988, S. 369ff.

Mauerhofer, E.: Einleitung in die Schriften des Neuen Testaments, 2 Bde, Neuhausen/Stuttgart 1995.

MacDonald, W.: Kommentar zum Neuen Testament, Bd. II, Bielefeld 1989.

Remmers, A.: Das Neue Testament im Überblick, Hückeswagen 1990.

Unger, M.F.: Ungers grosses Bibelhandbuch, Asslar 1987.

Walvoord / Zuck: Das Neue Testament erklärt und ausgelegt, Holzgerlingen 1990, Bd. V.



[1] Antichrist (griech. antichristos) bedeutet auch: einer, der sich an die Stelle von Christus setzt. Der kommende Antichrist (1Joh 2,18) wird sich als der verheissene Messias Israels ausgeben (vgl. Off 13,11: „wie ein Lamm“).

[2] Vgl. 1Tim 6,20: „Kenntnis“ = Gnosis.

[3] Vgl. Kassetten und Skript meines Vortrags: Wer ist ein Gott wie du? (Erhältlich beim CLKV.)