Streiflichter aus der Kirchengeschichte –

War Augustinus wirklich der erste „Calvinist“

 

 

 

Roger Liebi

23.05.2020

Bibelstudientag, Hunzenschwil

ID 33345

 

 

 

Guten Morgen. Möchte alle ganz herzlich begrüßen zu diesem Bibelstudientag, der leider wegen der Corona-Krise nicht in Herznach – wie gewohnt – stattfinden kann. Und wir sind so dankbar für die Möglichkeiten der Technik, so dass wir diesen Tag hier aus dem Studio in Hunzenschwil ausstrahlen.

Wir haben heute Morgen ein sehr wichtiges Thema. Es geht uns um die große Frage, ob Augustinus wirklich der erste Calvinist war. Wir beschäftigen uns mit Kirchengeschichte. Und natürlich ist Kirchengeschichte nicht dazu da, damit man anhand der Kirchengeschichte die Bibel auslegt. Aber es ist sehr wichtig, dass man die Kirchengeschichte bei der Bibelauslegung mitberücksichtigt und weiß: Was wurde ganz früher gedacht? Was wurde früher gedacht? Was wird heute gemeint? Diese Dinge muss man unbedingt mitberücksichtigen. Und so stellen wir uns also diese sehr ungewöhnliche Frage, ob Augustinus der erste Calvinist gewesen sei.

Zuerst ein paar Hinweise zum Leben von Aurelius Augustinus, wie er mit vollem Namen hieß. Aurelius war der Familienname. Er wurde geboren um 354 n. Chr. in Tagaste. Diese Ortschaft befindet sich im heutigen Algerien. Wie man auf der Karte sieht, ganz oben im Nordosten. Und er war aus Berberabstammung. Die Berber sind ja ein ursprüngliches Volk in dem heutigen Algerien. Die waren schon lange da, bevor die islamische Eroberung geschah später in der Geschichte. Und Augustin war also aus einer Familie, die die Berbersprache benutzte, auch die lokale Sprache von damals und sie waren stolz, in ihrer Familie sprach man Latein. Nicht wahr, Nordafrika gehörte damals zum römischen Reich. Und selbst da in Nordafrika sprachen sie Lateinisch. Sie hatten auch römisches Bürgerrecht, waren also eine Familie mit Stand. Augustin wurde – nachdem er größer geworden war – schließlich ein Rhetor, also ein Spezialist für schöne Rede. Und das war dann auch verbunden eben mit Kenntnis der Literatur und mit Kenntnis der Philosophie. Und so war er zunächst Rhetor in Tagaste, das bedeutet auch Lehrer. Und später auch in Karthago, immer noch Nordafrika. Aber er ging dann auch nach Rom und nach Mailand.

Er führte über viele Jahre hinweg ein Leben ganz offen und ausgesprochen in der Sünde. Und gerade in sexueller Sünde. Das war ein besonderes Problem bei ihm. Das war eine große Not für seine Mutter. Monika war eine gläubige Christin. Und sie hat jahrelang für ihren Augustinus gebetet, dass er doch eine Umkehr erleben möge. Und das Wunder geschah um 386/87. Da – besonders durch den Kontakt, den er, Augustinus, mit dem Bischof Ambrosius von Mailand hatte, – kam er schließlich zum christlichen Glauben. Und dabei spielte die Philosophie des Neoplatonismus eine wichtige Rolle. Und zwar war dieser Bischof Ambrosius selber stark in seinem Denken neuplatonisch beeinflusst. Und mit der Brücke über den Neuplatonismus hat er Zugang gefunden zu Augustin. Und Augustin war wirklich der Meinung, dass in dieser heidnischen Philosophie – so muss man das bezeichnen – dass da viele göttliche Wahrheiten drin seien. Und über diese – ich nenne das mal 'gefährliche Brücke', aber sie ist noch mehr als gefährlich, – kam er schließlich zum Glauben.

Wir wissen das aus einem seiner Bücher, 'Confessiones' heißt das, 'Bekenntnisse', da schreibt er ganz interessant autobiographisch über sein Leben. Und dieser Mann beschreibt auch sein Innenleben. Wenn man sich vorstellt, also vor 1600 Jahren, und wir haben dieses Buch immer noch. Da sieht man wirklich ins Herz, in die Tiefe der Seele eines damals lebenden Menschen hinein und sehen, wie er gedacht hat, wie er innerlich argumentiert hat, aber auch, wie er innerlich gefühlt hat. Und in diesem Buch schreibt er das auch, wie das war mit der Bekehrung und wie da eben schließlich dieser Neuplatonismus eine wichtige Rolle spielte bei der Bekehrung, weil er dachte, da gibt es ganz deutliche Überein­stimmungen mit dem Evangelium.

Er wurde dann auch getauft. Und Jahre später wurde er Bischof von Hippo Regius. Hippo Regius befindet sich auch im heutigen Algerien, nicht so weit weg von Tagaste, noch etwas nördlicher auf der Karte als Tagaste. Und das war eigentlich erstaunlich, dass er Bischof von Hippo werden konnte, weil es damals ein Kirchengesetz gab, das sagte: Christen, die früher bei der gnostischen Sekte der Manichäer waren, die dürfen niemals eine solche leitende Funktion in der Kirche übernehmen.

Und da muss ich jetzt erklären: Eben dieser Augustin war in seinem alten Leben tief in der griechischen Philosophie drin und er war 10 Jahre lang auch bei den Manichäern, bei einer gnostischen Sekte und hat da natürlich auch vieles aufgesaugt. Und man war damals im Allgemeinen in den Kirchgemeinden der Überzeugung, dass diese Lehre so gefährlich ist, dass – selbst wenn einer sich bekehrt – die Gefahr besteht, dass er da nicht alles abstreift und dass er dann schließlich dieses Schlangengift doch in die Christenheit hineinbringt. Und darum gab es das Gesetz, das darf gar nicht geschehen. Aber es war eben so, Augustin hat sehr stark argumentiert und gegen die Manichäer – eben als er Christ geworden war – argumentiert und debattiert, so dass er die Leute überzeugen konnte: Der Mann hat sich so völlig gelöst von dieser Sekte, dass da keine Bedenken sind. Aber, wie wir später noch sehen werden heute Morgen, die Bedenken waren berechtigt.

Nun, er war also von 395 bis zu seinem Tod 430 Bischof von Hippo Regius. Hier sehen wir ein Bild von ein paar Ruinen in Hippo. Augustin war äußerst intelligent und sehr sehr gewandt eben in der Sprache, d.h. also in Latein. Er hat viele Kommentare geschrieben, Kampfschriften, Lehrbücher, aber auch Briefe und Predigten, die uns in sehr sehr großer Zahl überliefert sind. Also er hat eine wirklich mächtige Bibliothek hinterlassen. Und ein großes Schrifttum von ihm haben wir bis zum heutigen Tag lateinisch.

Und an dieser Stelle ist es noch wichtig, auch wenn Augustin klar dreisprachig war, wie ich das schon gesagt habe, muss man doch betonen: Er konnte kein Griechisch. Er hat zwar später dann begonnen Griechisch zu lernen, aber es war nicht so, dass er wirklich ein sattelfester Griechisch-Kenner wurde. Das ist sehr wichtig, gerade in Verbindung mit der Tatsache, dass das NT eben auf Griechisch aufgeschrieben worden ist. Und wenn es um Details der Lehre geht, ist natürlich der griechische Text – und nicht etwa der lateinische als Übersetzung – von entscheidender Bedeutung.

Hier sehen wir in der Übersicht einen Zeitstrahl der letzten 2000 Jahre. Wir sehen das NT, die Schriften des Neuen Testaments wurden verfasst zwischen 32 n. Chr., das ist Pfingsten, Apostelgeschichte 2, Entstehung der Gemeinde, bis 100 n. Chr. Das ist näm­lich ungefähr das Todesdatum des letzten Apostels Jesu Christi. Johannes starb um 100 n. Chr. in den ersten Jahren des Kaisers Trajan. In diesem Zwischenraum wurde das NT auf Griechisch verfasst. Nun sehen wir, es vergingen wenige Jahr­hunderte bis Augustin dann auf die Welt kam, 354, und lebte bis 430 n. Chr.

Nun sehen wir, von da an ging es noch eine ganz lange Zeit bis zur Reformation, bis zu dieser Zeit, wo verschiedene Männer aufstanden und forderten: „Wir müssen zurück zur Bibel, und zwar zur ursprünglichen Bibel, so wie sie aufge­schrieben worden ist, das AT in Hebräisch/Aramäisch und das NT auf Griechisch. Das ist die einzige Basis des Glaubens und des Lebens.“ In dieser Zeit der Reformation waren also ganz herausstechende Männer: Martin Luther 1483 – 1546. Die Reformation selber startete im Oktober 1517. Und Calvin, Johannes Calvin, er lebte 1509 (war also etwas jünger als Luther) und lebte bis 1564.

Nun ist Folgendes wichtig, wenn wir uns die Frage stellen: 'War Augustinus der erste Calvinist?', das ist eigentlich eine ganz komische Frage, nicht wahr, weil Calvin ja 1200 Jahre rund später gelebt hat, und wie können wir sagen 'Augustin war ein Calvinist?' Es ist so: Johannes Calvin schrieb selber als Bekenntnis: „Augustinus ist so völlig in mir, dass ich meine gesamte Theologie aus seinen Schriften zusammenschreiben könnte.“ Und gerade das, was wir heute als 'Calvinismus' bezeichnen – nicht alle lieben diesen Ausdruck, denn man muss eigentlich immer erklären, was man damit meint, wenn man sagt 'Calvinismus', – aber das, was heute allgemein als 'Calvinismus' bezeichnet wird, das finden wir alles in den Schriften von Augustinus. Gerade z.B. man spricht ja oft von den 5 Säulen des Calvinismus – auch das lieben nicht alle – aber man weiß dann wenigstens, wovon man spricht. Die 5 Säulen des Calvinismus, man findet das alles in den Schriften von Augustinus. Und nach seiner eigenen Aussage bekennt Calvin, dass er das eigentlich alles von Augustin übernommen hatte. Und von daher versteht man die Frage 'War Augustinus der erste Calvinist?'.

Nun ist es aber so: Im Leben von Augustin – wir sehen hier nochmals den Zeitstrahl von der Zeit des NT bis zu Augustinus – im Leben von Augustin als Christ müssen wir zwei Perioden unterscheiden: die erste Periode 387 – 412 und 412 – 430, denn bzgl. dieser Themen, die wir heute Calvinismus nennen, geschah da die grundlegende Änderung in seinem Denken. Also in den Jahren 387 – 412 war Augustinus das Gegenteil von einem 'Calvinisten', und auch das wieder in Anführungs- und Schlussstrichen gesagt. Aber in den Jahren 412 – 430 da finden wir – kann man sagen – das komplette System des 'Calvinismus' bei ihm in seinen Schriften.

Diese zwei Perioden muss man klar unterscheiden und dabei betonen, dass Augustin in der ersten Periode in diesen Fragen, was 'Auserwählung' und 'Zuvorbestimmung' anbetrifft, da war er in breiter Übereinstimmung mit dem, was andere Bibellehrer in den Jahrhunderten vor ihm – also in diesem Zwischenraum, den wir hier auf der Folie sehen zwischen Vollendung des NTs bis zu ihm hin – was die da gelehrt haben, da war Übereinstimmung. Aber ab 412 hat er diesbezüglich sein Denken völlig verändert und anders gelehrt, als was man in den Schriften der Bibellehrer bis dahin findet, also in all den Schriften, die uns bis heute überliefert sind. Und natürlich ist uns nicht alles überliefert. Aber wir haben die Schriften von Dutzenden von Bibellehrern aus dieser Zwischenzeit zwischen NT und Augustin. Und da ist bzgl. der Frage 'Prädestination', 'Auserwählung', 'Souveränität Gottes', 'freier Wille des Menschen' usw., da ist eine ganz verblüffende Einheit festzustellen. Und mit dieser Einheit stimmte Augustin überein bis 412. Um 412 hat eine deutliche Wende in seinem Denken stattgefunden. Und wir wollen dem nachgehen, woher das kam.

Nun ist es so: In diesem ganzen Thema spielt ein Brief eine ganz ganz wichtige Rolle. Und zwar ist das der Brief an Simplicianus. Der wurde geschrieben 396. Und allgemein unter Spezialisten für Kirchengeschichte ist da die Meinung vorhanden – wenigstens bis vor Kurzem – dass Augustin damals, als er diesen Brief schrieb, in seinem Denken eine Wandlung erlebt habe bzgl. Prädestination und Auserwählung, und zwar so, dass diese Wandlung gekommen sei durch das Studium des Römer- und Galaterbriefes. Und da sei er eben zu einer anderen Ansicht gekommen und das habe er in diesem Brief an Simplicianus niedergelegt. Nun, durch die allerneueste Forschung – und von der soll noch weiter die Rede sein – konnte deutlich gemacht werden, dass dies nicht stimmt. Sondern dieser Brief an Simplicianus wurde Jahre später von Augustinus revidiert, umge­schrieben, und zwar so, dass er seine spätere Ansicht dort in den Brief hineinbaute. Und das ist ganz entscheidend. Das ist – man könnte sagen – eine gewisse Bombe in der Kirchengeschichte, das festzustellen, dass diese Wandlung eben nicht in Verbindung steht mit diesem Brief, sondern dass dieser Brief eben so verändert wurde später. Augustin hat übrigens auch andere Schriften später bearbeitet und verändert, nicht nur diesen Brief. Und das war auch etwas, was im Altertum nicht unüblich war, dass man später ältere Schriften nochmals neu überarbeitete und veränderte. Aber in diesem Fall spielt das – wie wir noch sehen werden – eine sehr wichtige Rolle. Und es kommt noch dazu: Wenn man Augustin im Detail anschaut, wie er schreibt, stellt man fest, dass er die Dinge später so formuliert, dass man meinen könnte, er hätte auch schon früher anders gedacht, vor 412. Also irgendwie schreibt er so, dass man diesen plötzlichen Wandel nicht so klar erkennen kann. Und darum hat er jahrhundertelang Gelehrte darin getäuscht. Und jetzt ist das ganz klar ans Licht gekommen. Wir werden noch sehen, warum und wie.

Und es ist auch so, dass man diese erste Periode 387 – 412 nochmals unterscheiden kann. Es ist nämlich so, dass in den Jahren 387 – 394 da dachte Augustinus, dass verdienstvolle Werke eine Rolle spielen im Zusammenhang mit der Errettung. Aber durch einen anderen Christen wurde er da eines Besseren belehrt und ab 394 da hat er erkannt, dass der Mensch gerettet wird allein durch Glauben, allein durch die Gnade, nicht durch eigene Leistung. Dann aber später, 412, kam dann eben diese Prädestinationslehre, die man als 'Calvinismus' bezeichnen kann, dazu. Und das ist sehr wichtig, weil das auch den meisten Spezialisten für Kirchengeschichte entgangen ist, dass man drei Phasen sogar unterscheiden kann. Aber im Zusammenhang eben mit Auserwählung und Zuvorbestimmung ist besonders wichtig: erste Phase – so wie früher, zweite Phase – eine neue Lehre. Und wichtig: diese Lehre nicht ab 396 sondern erst ab 412 – 430.

Nun, in dieser Zeit nach Vollendung des NTs, sogar etwas mit Überschneidung, bis zu Augustin gab es viele sogenannte Kirchenlehrer, Bibellehrer, die Schriften verfasst haben und dieses sehr umfassende Schrifttum ist uns in großen Teilen bis heute erhalten. Man nennt diese Schreiber, die ganz frühen im 2. Jahrhundert, 'apostolische Väter'. Und dann auch im 2. Jahrhundert gewisse, die besonders den christlichen Glauben gegenüber Ungläubigen verteidigten, nennt man die Apologeten. Und dann spricht man weiter von den Kirchenlehrern als 'Kirchenväter'. Ich habe hier bewusst 'apostolische Väter' und 'Kirchenväter' in Anführungs- und Schlusszeichen gesetzt, weil ich diesen Ausdruck eigentlich grundsätzlich ablehne. Der Herr Jesus hat in Matthäus 23 seinen Jüngern, den Aposteln, erläutert, dass sie sich nie von irgendjemandem auf der Erde als 'Vater' ansprechen lassen sollen: Nur einer ist euer Vater, der Vater im Himmel. Und der Titel 'Vater' – damit ist nicht gemeint der Vater in der Familie – sondern der Titel 'Vater' als geistlicher Vater sollte man ablehnen. Und dennoch hat man eben diese Ausdrücke eingeführt: 'apostolische Väter' und 'Kirchenväter', zu denen auch Augustinus gezählt wird.

Und nun, alle diese Kirchenlehrer haben Folgendes in Bezug auf Prädestination und Auserwählung gelehrt, da wo sie dieses Thema behandeln. Und es sind Dutzende von solchen Lehrern, deren Schriften wir heute noch haben, die sich zu diesem Thema äußern. Und sie haben gesagt: Gott hat bestimmte Menschen auserwählt und zuvor bestimmt zu seinen Kindern. Aber dies aufgrund dessen, dass Gott allwissend ist, und aufgrund dessen, dass er in seiner Vorkenntnis wusste, wer einmal, wenn der Ruf des Evangeliums an sie gelangen würde und wenn Gott an ihren Herzen wirken würde und sie ziehen würde, wer diesem Ruf schließlich nachgeben würde und wer nicht. Und sie haben gelehrt, aufgrund dieses Vorherwissens hat Gott gesagt: Diese Menschen, die einmal meinem Ruf des Evangeliums und bei meinem Zug zusammenbrechen werden, die möchte ich als meine Kinder, als meine Söhne und Töchter, die bestimme ich dazu.

Und nun, das hat Augustin auch so gelehrt in seinen früheren Schriften 387 – 412. Aber wie gesagt, in einer ersten Phase spielte der Gedanke an verdienstvolle Werke noch eine Rolle, bis er das ablegen konnte und wirklich die gesunde Lehre der Bibel in diesem Punkt erkannte: Nein, allein durch Glaube, allein durch Gnade. Aber dann hat sich das eben grundsätzlich verändert 412 – 430. Und das eben nicht durch Bibelstudium Galater- und Römerbrief, wie man meinte, in Verbindung mit diesem Brief an Simplicianum. Denn dort spielte  Galater- und Römerbrief eine wichtige Rolle. Aber damals hat er diese calvinistische Prädestinationslehre noch nicht gehabt.

Nun sehen wir: Das Thema 'Vorkenntnis' spielt also eine riesige Rolle in den Schriften der – ich sag jetzt – sogenannten 'Kirchenväter' von der Vollendung des NTs bis zu Augustin. Und das wollen wir jetzt genauer anschauen.

Wo kommt in der Bibel dieser Ausdruck vor? 'Prognosis' als Hauptwort, Griechisch für 'Vorherwissen' kommt das vor in 1. Petr 1, 2, wo der Apostel Erlöste, und zwar ganz klar Wiedergeborene, anspricht. Er sagt in 1. Petr 1, 3 sie seien wieder­geboren worden. Und da sagt er – ich lese ab Vers 1:

1 Petrus, Apostel Jesu Christi, den Fremdlingen von der Zerstreuung von Pontus, Galatien, Kappadozien, Asien und Bithynien, auserwählt 2 nach Vorkenntnis Gottes, des Vaters, durch Heiligung des Geistes, zum Gehorsam und zur Blutbesprengung Jesu Christi: Gnade und Friede sei euch vermehrt!

Nun hier steht nicht einfach 'auserwählt', sondern 'auserwählt nach oder gemäß der Vorkenntnis Gottes'. Und dieses Wort 'Prognosis' steht da. 'Pro' heißt im Griechischen eben hier 'voraus'. Nicht zu verwechseln mit Lateinisch 'pro', ja. 'Pro Senectute' heißt 'für das Alter', 'Pro Juventute' 'für die Jugend'. Aber im Griechischen hat 'pro' nicht die gleiche Bedeutung. 'Prognosis' heißt 'vorherwissen'.

Und so haben also diese Kirchenlehrer aufgrund diese Stelle geschlossen: Gott hat Menschen auserwählt. Und zwar wozu?: zum Gehorsam und zur Blutbesprengung Jesu Christi, dass sie Teilhaber der rettenden Kraft des Blutes seines Sohnes werden sollten. Aber diese Auserwählung geschah nicht einfach so, sondern aufgrund von Vorherwissen. Nun gibt es aber viele heute, die sagen: Nein, nein, nein. 'Prognosis' bedeutet nicht einfach 'Vorherwissen', sondern das bedeutet 'ein herzliches sich Zuwenden zu diesen Personen', denn das Wort 'Wissen' schon im Alten Testament 'jada`' das heißt nicht einfach nur 'Information' – 'Wissen'. Das kann es auch bedeuten. Aber 'jada`' wird z.B. auch verwendet, um zu sagen 'durch Erfahrung wissen', also nicht nur theoretisch, sondern indem man als Person damit richtig verbunden ist. Das Wort 'jada`' wird auch benutzt für die 'eheliche Gemeinschaft', wenn es in 1. Mo 4 heißt, dass Adam seine Frau Eva 'erkannte', das ist 'jada`'. Und dieses 'kennen' meint also eine 'innigste Gemeinschaft' zwischen Mann und Frau. Und so haben gewisse geschlossen, also 'prognosis', heißt nicht einfach, dass Gott im Voraus etwas weiß, sondern dass er im Voraus eben eine Herzensbeziehung zu künftigen Personen aufgebaut habe.

Nun kommt das Wort 'prognosis' noch einmal vor im NT, und zwar in Apostelgeschichte 2, und zwar nochmals von Petrus, denn er war ja der Prediger an Pfingsten, der diese lange Pfingstrede gehalten hat. Und Petrus selber benutzt das Wort 'prognosis' noch einmal in Apostelgeschichte 2, 23. Ich lese des Zusammenhangs wegen ab Vers 22:

22 Männer von Israel, hört diese Worte: Jesus, den Nazaräer, einen Mann, von Gott vor euch bestätigt durch mächtige Taten und Wunder und Zeichen, die Gott durch ihn in eurer Mitte tat, wie ihr selbst wisst – 23 diesen, hingegeben nach dem bestimmten Ratschluss und nach prognosis Gottes, habt ihr durch die Hand von Gesetzlosen an das Kreuz geschlagen und umgebracht.

Hier haben wir das Wort 'prognosis' nochmals, und zwar in Verbindung damit, dass der Herr Jesus durch die Bosheit der Menschen ans Kreuz geschlagen wurde. Und zwar wurde der Herr Jesus hingegeben in die Hände von sündigen Menschen, die ihn brutal misshandelten und schließlich kreuzigten. Aber dieses Geschehen, dieses scheußliche Geschehen, das die Bosheit des Menschen eben in ihrer größten Schrecklichkeit entfaltete, geschah nicht zufällig, sondern nach/gemäß dem bestimmten Ratschluss und nach Vorkenntnis/Vorherwissen Gottes. Da haben wir grad beides zusammen: Einerseits das, was Gott in seiner unumschränkten Souveränität festgelegt hat, beschlossen hat, und die prognosis/die Vorkenntnis. Diese zwei Dinge werden hier aufs Engste miteinander verbunden, d.h., die gehören wirklich zusammen, obwohl die einzelnen Begriffe nicht dasselbe sind, aber sie gehören ganz eng zusammen. Und hier sehen wir, 'prognosis' hat da jetzt nicht zu tun mit herzlicher Zuwendung an eine Person. Also wenn in 1. Petr 1, 2 jemand sagt: „Dieses Vorherwissen Gottes ist nicht nur das Wissen von Gott, um das, was einmal geschehen wird, sondern das hat auch etwas mit seiner Zuwendung zu bestimmten Personen zu tun. Das liegt auf der Hand und ist sprachlich gerechtfertigt. Aber hier ist Vorkenntnis effektiv in Verbindung damit, dass Gott im Voraus – von Ewigkeit her – in seiner unum­schränkten Allwissenheit wusste, dass Menschen in ihrer Bosheit einmal seinen Sohn so verwerfen würden und ihn schließlich kreuzigen würden. Aber Gott hat beschlossen, dass das, was die Menschen in ihrer Bosheit und Verantwortung tun würden, das sollte dazu führen, dass Erlösung am Kreuz zustande kommen konnte. Und darum hat Gott eben in seinem bestimmten Ratschluss festgelegt: So, auf diesem Weg, wird einmal für sündige Menschen Erlösung geschehen. Alles beides gehört zusammen: Gott wusste im Voraus, was der Mensch in seiner eigenen Verantwortung tun würde, und Gott beschloss: Ja, das wird geschehen. Wie wir aus Hiob 1 + 2 wissen, wenn der Satan etwas Böses tun möchte, er kann es nicht, es sei denn, dass Gott sagt: Bis da und dahin erlaube ich es, aber nicht darüber hinaus. Gott hätte das verhindern können, dass die Menschen sich vor 2000 Jahren auf diese unbeschreiblich üble Art an dem Sohn Gottes hätten vergreifen können. Aber er hat gesagt: So. Und dennoch haben die Menschen das in ihrer eigenen Verantwortung getan. Gott hat mit dem Bösen gar nichts zu tun. Das müssen wir festhalten. 1. Johannes 1, 5: Und dies ist die Botschaft, die wir von ihm gehört haben ...: dass Gott Licht ist und gar keine Finsternis in ihm ist. Gott hat nicht im Geringsten etwas zu tun mit der Sünde, mit dem Sündenfall, mit der Bosheit der Menschen, die den Herrn Jesus ans Kreuz gebracht hat.

Und es ist ganz wichtig und da möchte ich all die besonders ansprechen, die sich als 'Calvinisten' bezeichnen: Wir haben das Vorbild von Hiob, am Ende von Hiob 1, dass er in all seinem Elend, das er erlebt hatte, das aus Gottes Hand nahm, obwohl er nicht wusste warum. Und er sagte, dass Gott die Ehre gehört und wir lesen dort, dass er Gott nichts Ungeziemendes zuschrieb, also nicht einen Hauch von etwas, was mit Dunkelheit zu tun hätte. Und da lernen wir von Hiob: In unserer Ausdrucksweise müssen wir darauf achten, dass wir auch nicht das Geringste, was mit Unrecht zu tun haben könnte oder den Anschein erweckt, Gott hätte mit dem Bösen etwas zu tun, dass wir das eben auch in unserer Aus­drucksweise berücksichtigen und Gott so nichts Ungeziemendes zuschreiben.

Nun gibt es aber im NT noch das Verb, das Tätigkeitswort, das zu 'prognosis' gehört, und das heißt 'pro-ginosko'. Ich hab einen Strich dazwischen gesetzt, einfach um anzudeuten – für die, die nicht Griechisch können, – dass das ein zusammengesetztes Wort ist, wie 'pro-gnosis', so auch 'pro-ginosko'. 'Vorher' und 'ginosko' heißt 'wissen'. Und da lesen wir in Römer 8;29, dass Gott Menschen 'zuvor erkannt' hat. Und die habe er dann auch zuvor bestimmt, dass sie seine Söhne werden sollten. Und wir kommen später noch ausdrücklich auf diese Stelle zurück. Einfach mal in der Übersicht. In Römer 11, 2 heißt es, dass Gott das Volk Israel zuvor erkannt hat. Und dann in 1. Petr 1, 20, diese Stelle schlagen wir sofort auf, da wird das Wort verwendet in Verbindung mit dem Lamm Gottes. Ich lese 1. Petr 1 ab Vers 18:

18 indem ihr wisst, dass ihr nicht mit vergänglichen Dingen, mit Silber oder Gold, erlöst worden seid von eurem eitlen, von den Vätern überlieferten Wandel, 19 sondern mit dem kostbaren Blut Christi, als eines Lammes ohne Fehl und ohne Flecken; 20 der zwar zuvor erkannt ist vor Grundlegung der Welt, aber offenbart worden ist am Ende der Zeiten um euretwillen,

Hier wir auch das Wort 'zuvor wissen' verwendet. Und wir stellen uns die Frage: Warum steht hier nicht, dass er als Lamm Gottes zuvor bestimmt war, sondern zuvor erkannt? Nun, jemand könnte sagen: „Das bedeutet ja im Prinzip dasselbe.“ Ja und genau das hat auch Augustin gesagt im Zusammenhang mit Römer 8, 29:

die, welche er zuvor erkannt hat, die hat er auch zuvor bestimmt

dass das ungefähr das Gleiche ausdrückt. Das stimmt nicht. Und hier nochmals den Hinweis: Augustin war nicht ein Spezialist für Griechisch, für Latein ja, aber nicht für Griechisch. Und z.B. das Wort 'providere', 'videre' heißt 'sehen', ja. 'Providere', das ist das Wort für 'Sorgen'. Auf dem 5-Franken-Stück der Schweiz steht auf dem Rand – das erinnert daran, dass die Schweiz einmal christlich war, – dieses wunderbare Wort 'DOMINUS PROVIDEBIT'. D.h. nicht 'der Herr sieht voraus', sondern der Herr 'sorgt', in seiner Voraussicht sorgt er zugunsten, ja. Aber eben 'pro-ginosko', wir müssen das vom Griechischen her anschauen, nicht vom Lateinischen. Und wenn 'zuvor erkennen' im Prinzip das Gleiche bedeutet wie 'zuvor bestimmen', ja dann wäre das – man nennt das gescheit – eine Tautologie. Eine Tautologie ist, wenn man etwas doppelt sagt: ein 'weißer Schimmel'. Man braucht nicht zu sagen 'weiß', denn der Schimmel ist sowieso weiß. Und so ist uns klar aus dieser Verkettung zuvor erkannt – zuvor bestimmt, das ist nicht einfach das Gleiche. Und darum stellt sich die Frage: Warum heißt es in 1. Petr 1, dass das Lamm Gottes zuvor erkannt war? Wir kommen darauf zurück.

Aber dann – und es wird wichtig – nochmals von Petrus verwendet, 2. Petr 3, 17. Und zwar geht es dort im Zusammenhang um die Endzeit. Petrus prophezeit in 2. Petr 3, wie es in der Endzeit sein wird, und wir finden da ganz eindrückliche Prophezeiungen, die sich unseren Tagen erfüllt haben. Und dann sagt er zusammenfassend in Kapitel 3 Vers 17:

Ihr nun, Geliebte, da ihr es vorher wisst, so hütet euch, dass ihr nicht, durch den Irrwahn der Frevler mit fortgerissen, aus eurer eigenen Festigkeit fallt.

Da ihr es vorher wisst, das ist 'proginosko'. Also die Gläubigen wissen im Voraus, wie es einmal in der Endzeit sein wird. Und es hat nichts damit zu tun von Beziehung und Liebe und Kenntnis von Personen, nein, es geht hier um Fakten, wie es sein wird mit den Menschen in der Endzeit. Und das wissen sie im Voraus. So verwendet Petrus das Wort hier. Er, der schon in Kapitel 1 Vers 2 gesagt hat: auserwählt nach Vorkenntnis 'prognosis'.

Und übrigens, das Wort kennen wir doch im Deutschen von der Wetterprognose. Und selbst Kindern ist klar, wenn die von der Wetterprognose sagen, dass jetzt für ein paar Tage Schluss ist mit Sommer, die Temperaturen gehen runter, es wird wieder etwas unangenehm kühl – gut, gewisse Menschen schätzen das, – aber dann ist doch klar, dass nicht die vom Wetteramt und von der Prognose das Wetter beeinflussen durch ihr Vorherwissen, dass jetzt die Temperaturen fallen. Dieses Vorherwissen hat keine bestimmende Funktion, sondern es ist ein Wissen, wie es sein wird, völlig unabhängig. Aber die verschiedenen Komponenten, die in den Naturabläufen zusammenwirken und schließlich zu diesem Resultat führen und das in einer wunderbaren Maizeit, die sind völlig unabhängig von dem Vorherwissen. Und das macht uns auch wieder klar: Das Vorherwissen Gottes hat nichts damit zu tun, dass er Menschen in eine bestimmte Richtung festlegt.

Und dann haben wir das Wort noch einmal im NT in Apostelgeschichte 26, und zwar dort im Mund von Paulus. Also der Mann, der das Wort benutzt in Römer 8 'zuvor erkannt' und darum 'zuvor bestimmt', sagt in Apostelgeschichte 26 vor König Agrippa, ich lese ab Vers 4:

4 Mein Lebenswandel nun von Jugend auf, der von früher her unter meiner Nation und in Jerusalem gewesen ist, ist allen Juden bekannt, 5 die mich von Anfang an kennen – wenn sie es bezeugen wollen –, dass ich nach der strengsten Sekte unserer Religion, als Pharisäer, lebte.

'die mich von Anfang an kennen', dort haben wir das Wort 'proginosko'. Da geht es auch nicht um ein sich Zuwenden zu dieser Person. Paulus sagt: Diese feindlichen Personen, die mich von früher her kennen, die wissen genau, wie das damals war. Und hier hat dieses Wort 'proginosko' einfach die Bedeutung 'früher wissen', hier im Sinn dann von 'früher her wissen', Kenntnis zeitlich vorher.

Aber es ist also wichtig, wenn man ein Wort untersucht im NT, ein Begriff, dass man nicht vom Deutschen ausgeht, sondern vom griechischen Grundtext. Und dann ist es auch wichtig, dass man schaut, wie im NT ein Wort an anderen Stellen verwendet wird. Aber selbst da kann man sagen: Ja, ein Wort hat eine Wortbreite, eine Breite an Bedeutungen. Und man muss immer vom Zusammenhang her wieder schauen. Jawoll, das ist ganz wichtig. Aber es ist doch wichtig zu sehen, in welcher Breite wird ein bestimmtes Wort im NT verwendet, nicht einfach so unbedingt bei den alten Griechen. Das ist auch wichtig, aber noch wichtiger ist zu sehen innerhalb des NTs. Und im NT wiederum ist es wichtig zu schauen, wie hat ein bestimmter Bibelschreiber das Wort an verschiedenen Stellen wieder verwendet? Und das haben wir jetzt bei Paulus gesehen und bei Petrus.

Aber noch etwas: Das Griechisch im NT ist ganz stark geprägt von der ältesten Bibelübersetzung des ATs auf Griechisch. Das ist die Septuaginta. Die wurde im 3. Jahrhundert vor Christus übersetzt in Alexandria/Ägypten von Juden. Und die ist sehr wichtig, weil das die Bibel war, die die Apostel benutzten, wenn sie in neutestamentlicher Zeit auf Griechisch predigten. Das war eine wichtige Text­grundlage für Predigten und – wie wir sehen auch im NT immer wieder, nicht immer, – haben sie sehr oft die Septuaginta verwendet, wenn im NT aus dem AT zitiert wird. Also: Wie wurde das Wort dort verwendet in einem jüdischen Kontext, denn das Griechisch des NTs  ist ganz stark vom Judentum und von der hebräischen und aramäischen Sprache, die beide sehr eng miteinander verwandt sind, geprägt? Und es ist so, man findet das Wort 'prognosis' in der Septuaginta. Und da muss ich sagen: In dieser Übersetzung wurden nicht nur die alttesta­mentlichen Bücher übersetzt, sondern noch einige jüdische Schriften aus der Zeit nach dem letzten Propheten. Das war Maleachi. Man wusste im Judentum: Damals ist der Heilige Geist von Israel weggegangen. Und die Bücher, die später geschrieben wurden, die gehören nicht zur Bibel. Aber die Septuaginta hat eine Reihe von solchen Büchern auch übersetzt – also nicht die Septuaginta, sondern die Übersetzer der Septuaginta. Da ist z.B. das Buch 'Judith' zu erwähnen. Und ich lese am besten jetzt aus der Übersetzung der Septuaginta. Es gibt diese neue Ausgabe 'Septuaginta Deutsch' von der Deutschen Bibelgesellschaft herausge­geben. Und da hört man Judith in Judith 11 sprechen. Ich lese da ab Vers 19:

Und ich werde dich mitten durch Judäa führen [Sie spricht hier zu einem General der feindlichen Armee, sie als Jüdin.]. Und ich werde dich mitten durch Judäa führen, bis du vor Jerusalem kommst. Und ich werde mitten in ihr [der Stadt Jerusalem] deinen Sessel aufstellen, und du wirst sie [die Juden] treiben wie Schafe, die keinen Hirten haben [Interessant, eine Ausdrucksweise, die wir aus dem Matthäusevangelium kenne.]. … wie Schafe, die keinen Hirten haben und kein Hund wird mit seiner Zunge gegen dich knurren. Denn dies wurde entsprechend meinem Vorauswissen zu mir gesprochen und mir mitgeteilt, und ich wurde gesandt, es dir zu berichten.

Also Judith sagt als Jüdin: Ich habe von Gott Vorherwissen bekommen und noch mehr Dinge, was ich dir mitteilen sollte. Und sie sagt: Entsprechend meiner Vorkenntnis. Ja, das hat eine sehr große Nähe zu 1. Petr 1, 2: auserwählt ent­sprechend nach Vorkenntnis (prognosis).

Und dann findet man den Ausdruck auch später noch in dem Buch – ich habe hier die Stellen auf der Folie zusammengestellt – auch vorher in Kapitel 9. Und da lese ich aus dem Gebet von Judith ab Vers 4 am Schluss:

Gott, mein Gott, erhöre auch mich, die Witwe! Du machtest nämlich, was vor jenen Ereignissen geschah, und jene Ereignisse und die danach. [Also Gott hat gemacht, was geschehen ist, früher, danach und die jetzigen.] Und die noch kommenden plantest du. Und es geschah, was du im Sinn hattest. Und die Ereignisse, die du beschlossen hattest, standen da und sagten: Siehe, wir sind da! Alle deine Wege nämlich sind schon bereitet. Und dein Gericht geschieht mit Vorauswissen.

Da geht es auch nicht um gnädiges sich Zuwenden, sondern einfach um das Wissen Gottes über das, was kommen wird, und eben auch, wie Gott richten wird, weil die Menschen nicht auf ihn hören. Dein Gericht geschieht mit 'prognosis'.

Und dieses Wort kommt dann auch vor als Verb 'proginosko' wiederholt in dem Buch 'Weisheit' von Salomo, und zwar dort in Kapitel 6 Vers 13. Es wird über die Weisheit gesprochen:

Denen, die sie begehren, kommt sie zuvor, sich erkennen zu lassen.

Also da geht es um das Erkennen der Weisheit. Und da ist etwas Persönliches drin, wenn die Weisheit zuvor kommt, um sich erkennen zu lassen. Und dann weiter in Kapitel 8, 8.

Wenn aber jemand auch viel Erfahrenheit begehrt, sie kennt das Vergangene und errät das Künftige. Sie versteht sich auf wohlgeformte Reden und Auflösungen von Rätselhaftem [und jetzt kommt es:]. Zeichen und Wunder kennt sie im Voraus [proginosko]. Zeichen und Wunder kennt sie im Voraus und was zu bestimmten Zeitpunkten und Zeitabschnitten herauskommen wird.

Also auch da geht es wieder um bestimmte Ereignisse, die geschehen sollen, die bekannt sind schon im Voraus, die im Voraus schon gewusst sind.

Und dann noch Kapitel 18, 6. Also wie gesagt, diese Schriften haben nichts zu tun mit der Heiligen Schrift, aber sie zeigen, wie man im Judentum Griechisch gesprochen hat schon in alttestamentlicher Zeit. Dort steht:

Jene Nacht [Es geht um das Passah in Ägypten.] Jene Nacht wurde unseren Vätern im Voraus zu erkennen gegeben, damit sie sich freuten im untrüglichen Wissen um die eidlichen Zusagen, denen sie glaubten.

Also da wird gesagt: Die Israeliten in Ägypten, die wussten, bevor der Auszug aus Ägypten kam, was geschehen soll, nämlich, sie würden befreit werden. Und darum wurde es ihnen im Voraus zu erkennen gegeben. Auch da geht es um Information, zu wissen, was – bevor es in der Zukunft in Erfüllung geht – was geschehen soll. Und das ist bekannt in der Vergangenheit.

Jetzt kommen wir zu dieser goldenen Kette in Römer 8, 29. Aber davor machen wir jetzt die versprochene Pause.

Wir fahren weiter und zunächst möchte ich gerne auf eine Reihe von Fragen eingehen, die aus dem Publikum während des ersten Teils eingegangen sind. Da gibt es zwei Fragen bzgl. Luther in Verbindung mit Augustin.

Und da wird die Frage gestellt: „Aber bei Luther ist doch dieser Zusammenhang mit Augustin auch da, nicht nur bei Calvin.“ Natürlich, das ist genauso. Und zwar war Martin Luther als Mönch im Augustinerorden mit dabei. Und der Augustiner­orden, der hat sich eben ganz stark auf Augustinus bezogen. Und es ist so: In der römisch-katholischen Kirche gilt Augustin als einer der vielen Heiligen. Sein Tag ist Ende August, also wo er als Heiliger quasi gefeiert wird. Es ist aber so, dass die katholische Kirche nicht alle Lehren von Augustin übernommen hat. Seine Lehre über – um es jetzt ein bisschen platt zu sagen – calvinistische Prädestination, das wurde von der katholischen Kirche abgelehnt. Aber die Augustiner waren natürlich ganz stark verbunden mit Augustin und seinem Werk und darum ist es so, dass auch die lutheranische Kirche in den Ausformulie­rungen von Luther ganz stark geprägt worden ist durch dieses calvinistische Denken bei Augustin. Das ist so. Und darum hat Luther auch ein Buch geschrieben 'Über den unfreien Willen'. Und das geht ganz direkt zurück auf Augustin und wird jetzt im Folgenden noch von großer Bedeutung sein.

Dann wurde auch gefragt: „Wie ist denn das mit Augustin, er war Bischof, gehörte er zu römisch-katholischen Kirche?“ Ja, Augustin war katholisch. Er war ein katholischer Bischof, aber man muss natürlich erklären, dass das Papsttum erst mit Leo I. geboren war, der um 430 gesagt hat: „Ich, Leo I. von Rom, bin nicht nur einfach Bischof von Rom, sondern ich bin Bischof über aller Bischöfe der Welt.“ Und damit war das Papsttum der römisch-katholischen Kirche geboren. Nun, der Übergang in der Kirchengeschichte eben zum Papsttum der römischen Kirche war ein Entwicklungsprozess und Augustin war also grad zeitlich unmittel­bar in diesen Jahren vor diesem Höhepunkt – negativen Höhepunkt - der Errichtung der Papstkirche.

Und dann wurde gefragt: „Ob Augustins Prädestinationslehre eben zurück geht auf andere Irrlehrer?“ Davon wird gleich noch die Rede sein.

Also es ist so, dass manche Fragen reinkommen, die dann sowieso im Weiteren automatisch beantwortet werden.

Und dann wird auch gefragt: „Ob die Reformation eine Rückkehr war zur ursprünglichen römisch-katholischen Kirche?“ Und da muss man sagen: Nein. Das Anliegen der Reformation war, zurückzukehren zum ursprünglichen Christen­tum des NTs. Aber – wie gesagt – das Anliegen. Es ist eben so, dass die Reformatoren selber in manchem immer noch in ihrem Denken römisch-katholisch geblieben sind. Aber in den ganz grundlegenden Dingen des Evangeliums, wie wird ein Mensch errettet? usw., da haben sie den ursprünglichen biblischen Standpunkt wieder neu entdeckt. Und ganz wichtig: Die Reformatoren haben selber gesagt 'Ecclesia semper reformanda est'. Das war so ein markiger Spruch, natürlich in der Zeit auf Lateinisch. Die Kirche muss ständig reformiert werden. Reformiert bedeutet wiederhergestellt, zur ursprünglichen Form zurückgebracht. Und die haben ganz klar erkannt: Diese Reformation ist ein Prozess und der war nicht abgeschlossen mit der Zeit der Reformation im 16. Jahrhundert, sondern das sollte weitergehen. Und darum kann man sagen, dass viele Gläubige – sagen wir z.B. im 19. Jahrhundert – viel reformierter waren als die Reformatoren, weil sie nicht nur die Grundlagen der Heiligen Schrift, das Evangelium und den Weg der Errettung, Rechtfertigung allein aus Glauben wiederentdeckt haben, sondern noch viel mehr. Z.B. haben die Reformatoren die prophetischen Bücher der Bibel sträflich vernachlässigt. Aber wenn ich sage 'sträflich', sie mussten zuerst mal die Grundlagen wieder auf den Leuchter stellen, bevor man weitergehen konnte. Und so hatten es die Gläubigen später viel einfacher, die konnten auf dem, was die Reformatoren erkämpft haben an Wahrheit, aufbauen und weitergehen. Diesbezüglich haben wir es heute viel viel einfacher, weil andere schon aus dem Chaos heraus sich teilweise befreit haben. Und darum sieht man eben selbst bei einem Luther noch manche Gedanken, die waren katholisch, grad im Zusammenhang mit dem Abendmahl. Und Calvin war sehr reformiert was das Abendmahl anbetrifft, aber in anderen Gedanken wieder katholisch, wenn man an die Taufe denkt.

Und dann wurde weiter gefragt: „Die Vorkenntnis, die 'prognosis', ab wann ist die? Von Ewigkeit her?“ Ja, unbedingt. Also Gott ist allwissend. Er ist ewig, ohne Anfang. Und er wusste von jeher alles, was sein würde. Also die 'prognosis' ist Gottes vollkommene Allwissenheit von Ewigkeit her.

Und dann gibt es eine weitere Frage im Zusammenhang mit dem Wort 'prognosis', und da wird gesagt: „Es ist ja klar, dass die vom Wetteramt, dass die das Wetter nicht bestimmen. Aber es wird kritisiert, der Vergleich sei nicht gut, denn bei Gott ist das völlig anders, Gott sei ja der, der alles aus dem Nichts erschaffen hat. Also Gott selber macht alles.“ Und da muss man sagen: Ja, Gott hat alles erschaffen, aber bei der Vorkenntnis im Zusammenhang mit den Bibelstellen, die wir behandelt haben, da geht es darum, was Menschen tun würden. Und Gott wusste das im Voraus. Aber dass Menschen in ihrer Bosheit den Herrn Jesus kreuzigen würden, das hat Gott nicht so bestimmt, dass die das tun mussten, sondern Gott hat Geschöpfen einen Willen gegeben und in diesem eigenen bösen Willen, den sie zum Bösen benutzt haben, haben sie sich entschieden. Es war nicht Gott, der sie dazu gezwungen hat, so etwas Böses zu tun. Also Gott ist da nicht der, der das Böse gebildet hat, das hat mit Gott nichts zu tun. Und darum, was die Vorkenntnis anbetrifft, Gott weiß es, aber das Böse hat mit ihm nichts zu tun und nicht er hat es bestimmt. Aber in seiner Vorkenntnis konnte er sagen: Das erlaube ich und das erlaube ich nicht. Man denke nochmals an Hiob 1 + 2.

Und dann kam eine gute Frage zu dem Wort 'erkennen', Hebräisch 'jada`', das ja verschiedene Bedeutungen hat wie 'Information', 'Wissen' oder 'etwas wissen durch Erfahrung' oder eben auch die 'geschlechtliche Gemeinschaft' in der Ehe, 'jada`'. „Wie übersetzt dann die Septuaginta?“ Nun, sie übersetzt üblicherweise 'jada`' mit 'ginosko', das in dem Wort 'proginosko' – 'vorher wissen' drin ist. Natürlich kann jetzt jemand sagen: „Ja gut, aber 'jada`' wird ja manchmal benutzt eben für die Gemeinschaft, die Beziehung. Korrekt, aber nicht überall. Und ich habe gesagt, wenn jemand sagt in 1. Petr 1, 2 'auserwählt nach Vorkenntnis Gottes', dass dort nebst dem Vorherwissen auch noch der persönliche Bezug zu denen, die auserwählt sind, mit drin ist, grundsätzlich kein Problem. Aber es ist so, dass in der Stelle Apostelgeschichte 2, 23, wo es geht um das, was die Menschen in ihrer Bosheit gegen den Herrn Jesus getan hatten, dort haben wir auch 'prognosis'. Gott wusste darum und in seinem Ratschluss – der eng damit verbunden ist – hat er beschlossen: Ich lasse die Menschen das tun. Und das wird der Weg zur Erlösung werden.

Und dann gibt es noch eine weitere Frage zu Römer 8, 29: Ich hätte ja gar nicht gesagt, wozu Gott Menschen zuvor bestimmt hat. Nein, hab ich noch nicht. Soweit sind wir noch nicht, aber wir kommen jetzt gleich dazu. Und zwar schlagen wir auf Römer 8 des Zusammenhangs wegen Vers 28:

28 Wir wissen aber, dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Guten mitwirken, denen, die nach Vorsatz berufen sind. 29 Denn welche er zuvor erkannt hat, die hat er auch zuvor bestimmt, dem Bild seines Sohnes gleichförmig zu sein, damit er der Erstgeborene sei unter vielen Brüdern. 30 Welche er aber zuvor bestimmt hat, diese hat er auch berufen; und welche er berufen hat, diese hat er auch gerechtfertigt; welche er aber gerechtfertigt hat, die hat er auch verherrlicht.

In der Reformation wurde das genannt 'die goldene Kette', diese Reihe: zuvor erkannt – zuvor bestimmt – berufen – gerechtfertigt – verherrlicht. Und eben es ist ganz klar nicht so, wie Augustin gesagt 'zuvor erkannt' und 'zuvor bestimmt' ist ungefähr dasselbe. Sondern in der Vorkenntnis haben wir auf jeden Fall das Vorherwissen Gottes drin. Und aufgrund dieses Vorherwissens, das bei Personen eben auch die Zuneigung miteinschließen kann, aufgrund dieses Vorherwissens hat Gott zuvor bestimmt, festgelegt, und zwar, dass diese Menschen, die sich von Gott einmal ziehen lassen würden, dass die dann auch seine Kinder werden sollten. Zuvor bestimmt dem Bild seines Sohnes gleichförmig zu sein, damit er der Erstgeborene sei unter vielen Brüdern. Also Gott sagte: Diese Menschen rette ich nicht nur – so wie wir das haben in 1. Petr 1, 2, dass sie auserwählt sind zur Blutbesprennung Jesu Christi. Nicht nur einfach retten, sondern die sollen meine Kinder sein, und zwar als Söhne. Und das Männliche schließt auch das Weibliche mit ein. In 2. Korinther 6 spricht Paulus auch über die Töchter Gottes. Also das beinhaltet 'dem Bild seines Sohnes gleichförmig zu sein', dass wir in die Beziehung von Kindern – von Söhnen und Töchtern – zu Gott kommen und bedeutet, Gott zu kennen als 'abba' – 'Vater'. Hier in Römer 8 wird das ja ausdrücklich gesagt, dass wir Gott durch den Heiligen Geist 'abba' nennen. Eine Bezeichnung für Gott, die im Judentum zu verwenden, untersagt ist. In keinem jüdischen Gebetsbuch wird Gott 'abba' genannt, denn das hat das Zärtliche in sich, also entspricht dem Deutschen 'Papa' im Kontrast zu 'Vater'. Und diese Nähe – hat man im Judentum gesagt – die haben wir nicht, darum soll man Gott nicht 'abba' nennen. Aber die Bibel sagt: Wir dürfen das, die Gläubigen, die zur Gemeinde gehören ab Pfingsten, die haben diese Stellung. Und man kann sagen, die haben im Heilsplan Gottes die höchste Stellung, die es geben kann, höher als Israel im AT und auch als Israel nach der Entrückung der Gemeinde, die höchste Stelle. Darum werden die Gläubigen der Jetztzeit auch genannt in Hebräer 12 'die Erstgeborenen', die im Himmel angeschrieben sind, die den ersten Platz haben in einer ganz besonderen engen Beziehung zu Gott als 'abba' – 'Vater'. Das ist gewaltig. Und Gott hat gesagt: Diese Menschen sollen diesen Platz bekommen. Andere Gläubige, wie ein Abraham, ein David, ein Daniel, die sind auch errettet. Gott hat sie aber nicht zuvor bestimmt zur Sohnschaft. Und da sehen wir, dass die Prädestination nicht einfach immer etwas zu tun hat mit der Errettung, sondern auch mit der Stellung. Und da geht es um diese besondere Stellung. Und die, die er zuvor bestimmt hat, diese Stellung zu bekommen, die hat Gott in der Zeit dann auch durch das Evangelium gerufen. Und das hat dazu geführt, sie sind zum Glauben gekommen. Und jeder, der des Glaubens an Jesus ist, sagt Römer 5, 1, wird von Gott gerecht gesprochen, und das ist das Nächste: gerechtfertigt. Von Gott gerecht gesprochen: Alle Schuld ist am Kreuz abgetan, getragen, vergeben, verschwunden, abgeschafft. Dann bleibt nur noch die Gerechtigkeit Christi. Und dann wird weitergesagt: und die, die er gerechtfertigt hat, die hat er auch verherrlicht. Er hat eine Neuschöpfung gemacht aus diesen Menschen und sie werden die himmlische Herrlichkeit ererben. Und hier wird es schon abgeschlossen ausgedrückt, wie die prophetische Vergangenheit im AT: zuvor erkannt, zuvor bestimmt, berufen, gerechtfertigt und verherrlicht. Aber die Verherrlichung ist bereits eine Realität dadurch, dass nach 2. Korinther 5, 17 ein Erlöster eine neue Schöpfung ist.

Ja, das sind die allermeisten Fragen gewesen. Es gibt noch Fragen, die den Rahmen schon sprengen, grad zum Neuplatonismus. Aber wir kommen darauf sowieso noch. Vielleicht gibt es dann doch eine teilweise Beantwortung. Aber wir müssen ja in der Zeit durchkommen.

Und nun möchte ich darauf hinweisen: 2013 hat ein Amerikaner eine neue Doktorarbeit vorgelegt. Es ist Kenneth M. Wilson. Der Titel heißt: 'Augustine's Conversion from Traditional Free Choice to 'Non-free Free Will'. Auf gut Deutsch: Augustins Abwendung von der bisherigen Lehre des freien Willens bzw. der freien Wahl hin zu der Lehre, dass der Mensch keinen wirklichen freien Willen hat. Nun, diese Doktorarbeit ist eine Sensation.

So unsensationell der Titel klingt, über 400 Seiten, und darin macht er eben klar: Augustin hat ab 412 n. Chr. seine Ansichten vollkommen geändert und unter all den sogenannten Kirchenvätern, Apologeten, apostolischen Vätern vor ihm hat keiner diese Prädestinationslehre vertreten wie er ab 412. Und in dieser Arbeit weist er nach, dass dieser Brief an Simplicianus von ihm verändert worden ist – später, so dass viele Gelehrte darauf reingefallen sind und gemeint haben, so allmählich sei diese Prädestinationslehre beim ihm gekommen durchs Bibellesen. Nein. Aber Augustin hat die Spuren in seinen Schriften verwischt. Und trotzdem kann man eben zeigen … Er hat sich die Mühe gegeben Ken Wilson, alle Bücher, alle Schriften von Augustin zu lesen. Das ist eines. Aber er hat sich die Mühe gegeben, alle zu lesen in der zeitlichen Reihenfolge. Und er meint, dass hat vor ihm noch keiner genauso gemacht. Und gerade dadurch ist ihm aufgefallen, wo Augustin in seinen Gedanken ändert. Und damit konnte er das klar zeigen – worauf andere schon hingewiesen haben – aber wirklich belegen im Detail: Es ist so. Und diese Entdeckungen sind eine Revolution – und gerade im Zusammenhang mit dem Thema 'Calvinismus', das viele bewegt. Aber ist wichtig zu wissen, in diesem Buch im Stichwortverzeichnis in dieser Doktorarbeit kommt das Wort 'Calvin' und 'Calvinismus' kein einziges Mal vor. Also es geht einfach um die sachliche Darstellung dieser Fakten.

Aber Ken Wilson wurde gebeten: „Könntest du nicht ein einfaches Büchlein machen für Leute, die deine Doktorarbeit nie lesen würden und auch keinen Profit davon hätten, weil's so wissenschaftlich geschrieben ist, wo du diese Erkennt­nisse nochmals darstellst und eben auch im Zusammenhang mit dem Calvinismus erläuterst?“ Und das hat er gemacht. Da hat er dieses Büchlein herausgegeben 'The Foundation of Augustinian-Calvinism'. Also die Grundlage der Lehre, der Prädestinationslehre, von Augustin und Calvin. Und man sieht hier den schiefen Turm von Pisa. Er sagt am Anfang: 'Eine ausgeklügelte Lehre, die auf einem schlechten Fundament steht, ist zum Scheitern verurteilt.' Und dieses schlechte Fundament zeigt er eben darin auf und ganz genau bewiesen in der Doktorarbeit. Und da kam der Wunsch auf: „Könnte man dieses Büchlein nicht auf Deutsch übersetzen?“ Das wäre so wichtig, weil es heute ja an vielen Orten Gemeinden gibt, die im Zerbruch sind wegen der Frage vom Calvinismus. Und das plötzlich rein kommt und es gibt Streit und es gibt wirklich Durcheinander und Chaos. Und das dürfte nicht sein. Und nun ist das übersetzt, aber noch nicht erschienen, auf Deutsch heißt es 'War Augustin der erste Calvinist?' Untertitel: 'Wenn ein Lehrsystem auf Sand gebaut ist'. Und ich wurde gebeten, ob ich dazu ein Vorwort schreiben würde. Und das hab ich gemacht. Also in möglichst kommender Zeit wird das herauskommen und man sieht am Schluss des Films und auch unten bei dem Livestream heute, wo man das in der Schweiz und wo in Deutschland vorbestellen könnte.

Nun, das Ganze ist eine Sensation. Wir werden gleich sehen, warum. Ich habe erklärt: Die neue Lehre von Augustin kam ab 412. Da hat er nicht mehr gelehrt wie die früheren Bibellehrer. Und die früheren Bibellehrer haben in diesen Jahrhunderten von ca. 100 bis auf Augustin gekämpft gegen Philosophen, die man 'Stoiker' nannte. Denn die haben eine absolute Prädestinationslehre gehabt, gnadenlos. Und auch die Neuplatoniker, auch die haben eine Lehre, die einen erschreckt und die dem Menschen den freien Willen absprechen, gelehrt und diese Bibellehrer haben aufgrund der Bibel argumentiert und gezeigt: Das stimmt nicht. Das kann nicht sein. Das ist nicht das, was die Bibel lehrt. Ja gut, aber das waren ja Heiden. Und dann gab es aber die Gnostiker. Das war eine Irrlehrerbewegung, die hat begonnen schon im 1. Jahrhundert, schon zur Zeit des NTs, also als das geschrieben wurde. Und diese haben ganz viele Gedanken der Stoiker und Neuplatoniker übernommen und zu einer Irrlehre innerhalb der Christenheit aufgebaut, die eine tödliche Gefahr war für die Christen in den ersten Jahrhunderten – und geblieben ist bis heute. Und dann ist es so, die Manichäer waren eine Religionsgemeinschaft, die aus den Gnostikern heraus­kamen und auch die haben eine gnadenlos Prädestinationslehre gelehrt. Und da war ja Augustin mit dabei 10 Jahre, nicht als Lehrer, aber als Hörer. Und er hat in seinen Büchern veröffentlicht gegen die Manichäer und hat gesagt: 'Was ist das für ein Gott, an den ihr glaub, ein Gott, der den Menschen zur Verdammnis verurteilt, ohne dass er auch nur die Gelegenheit hätte, errettet zu werden? Das geht ja überhaupt nicht.' Später hat er genau das gelehrt.

Und jetzt sehen wir das Problem des Manichäismus und woher diese Gedanken kamen. Schauen wir uns einmal die Stoiker an. Die stoischen Philosophen, die es ja schon in der Zeit vor Christi Geburt gab unter den Griechen, die haben gesagt: Alle Ereignisse im Universum werden durch göttliches Schicksal bestimmt. Alles ist im Voraus festgelegt. Es geschieht nichts einfach so. Und wir wissen: Diese Philosophen waren Feinde des Evangeliums. Es waren ja u.a. stoische Philo­sophen, die Paulus in Athen auf dem Marktplatz angriffen und ihn als Saatkrähe bezeichneten. Schwätzer auf Deutsch, aber wörtlich Saatkrähe, die mal da, mal da, mal da ein Korn pickt, aber von philosophischen Zusammenhängen keine Ahnung hat. Alles ist durch Schicksal bestimmt. Und sie sagen: Der Mensch ist auch bestimmt in allem, was er tut. Aber dann hat man sie kritisiert. „Ja, ihr sagt, der Mensch sei eine Maschine, hat gar keinen freien Willen.“ Und das hat sie natürlich gestochen und dann mussten sie irgendwie den freien Willen reinbringen und sie sagten: „Doch, der Mensch hat einen freien Willen.“ „Ja, aber ist alles bestimmt.“ „Ja, aber er will das eben, was er macht und was bestimmt ist. Und darum kann man sagen: Der freie Wille ist bei ihnen unfrei.“ Die Stoiker haben den Vergleich gebracht: „Ein Hund wird hinten an einen von Pferden gezogenen Wagen angebunden. Und jetzt der Pferdewagen geht los. Was macht der Hund? Er rennt hintennach.“ „Warum? Will er das?“ „Ja, er will es.“ „Ja, wenn er es nicht wollte, was würde dann geschehen?“ „Dann wird er geschleift und dann stirbt er.“ Also er will dem Wagen nachrennen, aber er kann auch gar nicht anders. Und darum sagen die Stoiker: „Doch, wir glauben an die Verantwortlichkeit des Menschen. Der Mensch ist verantwortlich, weil er sich ja doch entscheiden kann.“ Und nun, Augustin war in seinem Leben vor der Bekehrung ganz stark durch die Stoiker bestimmt. Gerade Cicero, ein berühmter Stoiker, hat ihn ganz besonders beeindruckt.

Und dann schauen wir die Neuplatoniker an, die wie die Stoiker eben von christlichen Lehrern bekämpft wurden in diesen ersten Jahrhunderten und mit der Bibel widerlegt wurden. Die Neuplatoniker die lehrten: Der Mensch ist – solange er an den Körper gebunden ist – ohne freien Willen. Er ist nicht frei. Er muss einfach das Böse tun. Aber sie lehrten: Durch göttliches Wirken – sie glaubten an eine ganz eigenartig unbestimmte höchste Gottheit – durch göttliches Wirken kann die Willensfreiheit des Menschen wiederhergestellt werden. Aber eben der Mensch im Körper, der muss das Böse tun. Und dann lehrten sie weiter: Das Göttliche – ich sag jetzt eben nicht 'Gott' sondern ebenso unbestimmt – das Höchste, das Göttliche habe eine Anzahl von Menschen zur Verdammnis bestimmt, und zwar ohne Chance, dass sie sich entscheiden könnten, ohne Chance zur Wahl. Und weiter lehrten die Neuplatoniker: Aber das Göttliche ist vollkommen gerecht. Jetzt könnte jemand sagen: „Ja, das ist ja ungerecht, wenn Menschen einfach gegen ihren Willen – ja weil sie nicht anders können, als böse zu denken, – für die Verdammnis bestimmt sind. Das ist doch ungerecht.“ „Nein“, sagen sie, „Gott ist so erhaben – nicht wahr – ist quasi so erhaben und unver­ständlich für uns. Er ist gerecht.“ Merkt man etwas? Gerade da im Calvinismus, wo geglaubt wird, dass Gott Menschen zur Verdammnis bestimmt habe, ohne dass sie eine Möglichkeit gehabt hätten, errettet zu werden, da wird gerade so argumentiert. Und Calvin schreibt darüber in seinen Büchern: 'Es ist ein Geheimnis.' Ich habe hier u.a. den Römerbrief von Calvin. Da spricht er von dem Geheimnis, um zu sagen: Gott ist gerecht und wir können nicht verstehen, warum er gerecht ist, auch wenn er so handelt.' Einer würde sagen: „Aber Calvin hat nie gelehrt, dass Gott Menschen zur Verdammnis bestimmt hat. Er hat nur einfach Menschen erwählt, gerettet zu werden. Und die anderen lässt er ihren Weg gehen, die sind böse und die wollen auch nicht gerettet werden.“ Aber das stimmt nicht. In seinem grundlegenden Werk 'Institutio' da schreibt Calvin in 3.21, ich zitiere: 'So sagen wir denn nach der klaren Lehre der Schrift, dass Gott in seinem ewigen und unabänderlichen Ratschluss ein für allemal festgesetzt hat, welche Leute er zum Heil annehmen und welche er dem Verderben weihen wollte.' Sehen wir das: Er wollte sie zum Verderben weihen. 'Dieser Ratschluss gründet sich für die Auserwählten auf Gottes freie Gnade, nicht auf irgendein menschliches Verdienst. Welche er aber für das Verderben bestimmt hat, denen verschließt er nach seinem gerechten und über jeden Tadel erhabenen für uns freilich unbegreiflichen Urteil den Zugang zum Leben.' Also er sagt: Es ist unbegreiflich. Und eben da, wo man merkt, da stimmt etwas nicht, da wird das – und das würde ich bezeichnen als einen 'Trick' – das wird als ein Geheimnis bezeichnet, damit man nicht mehr argumentieren kann. Aber das hat er so klar gelehrt.

Wir gehen weiter zu den Gnostikern. Die Gnostiker, die haben eben als sektiererische vielfältige Gruppe innerhalb der Christenheit, haben ganz viele Gedanken der Stoiker und Neuplatoniker – so ganz grundlegende Gedanken – übernommen. Und das war eine ganz gefährliche Sekte. Übrigens, das Johannesevangelium ist nichts anderes als eine Kampfschrift gegen die Gnostiker. Auch der 1. und der 2. Johannesbrief, die vor Irrlehrern, die die Antichristen genannt werden, die den Vater und den Sohn angriffen und geleugnet haben, dass Jesus Christus ein wirklicher Mensch geworden ist, im Fleisch gekommen ist … 1. und 2. Johannesbrief sind Kampfschriften gegen diese tödliche Irrlehre. Und der Apostel Paulus erwähnt diese Sektenbewegung in 1. Tim 6. Da sagt er zu Timotheus ganz am Schluss feierlich, 1. Tim 6, 20:

20 O Timotheus, bewahre das anvertraute Gut [Er meint das Glaubensgut der gesunden, reinen apostolischen Lehre], bewahre das anvertraute Gut, indem du dich von den ungöttlichen, leeren Geschwätzen und Wider­sprüchen [also die dagegen reden] der fälschlich so genannten Gnosis [Kenntnis auf Deutsch] wegwendest, 21 zu der sich bekennend etliche von dem Glaubensgut abgeirrt sind. Die Gnade sei mit dir. Amen.

Diese schreckliche Irrlehrerbewegung sagte, alles Körperliche sei böse. Aber wir wissen ja aus 1. Mo 1 + 2, Gott hat ja die Welt und das Körperliche geschaffen. Ja, aber sie sagten, alles Körperliche sei böse. Und darum haben sie im NT einfach das genommen, was ihnen passte, und anderes weggeworfen. Oder gesagt: Der Gott des ATs sei ein böser Gott. Die haben einfach genommen, was ihnen passt. Sie haben gesagt, alles Körperliche sei böse. Der Mensch sei böse geboren, weil er einen Körper habe. Und sie lehrten, er sei unfähig, das Gute zu tun, und sein Wille sei völlig böse. Und zwar haben sie weiter gelehrt 'Gott' – und das hab ich in Anführungs- und Schlussstriche gesetzt, weil es eben nicht der Gott der Bibel ist, – also dieser gnostische Gott erneuere gewisse Personen, damit sie errettet werden. Also dieser gnostische Gott mache, dass gewisse böse Menschen umgewandelt werden und dann können sie plötzlich wieder frei wählen und dann bekehren sie sich. Und sie lehrten, dieser gnostische Gott habe eine kleine Zahl von Personen der Menschheit auserwählt zur Rettung. Aber die andern seien zur Verdammnis bestimmt worden von vornherein. Und zwar wurde aber weiter gesagt: Allen Menschen wird die Rettung angeboten. Aber nur die, die eben erneuert werden, ohne dass sie das gewählt haben, können sie dann, weil ihr Wille quasi durch die Erneuerung befreit wird, das dann freiwillig annehmen. Und die andern, die können nicht. Sie wollen nicht, aber sie können auch nicht und die gehen verloren. Interessant, das ist auch das, was gewisse Calvinisten lehren, dass man den Menschen allen das Evangelium predigen soll, aber ein Teil kann es gar nicht annehmen, weil die sowieso zur Verdammnis verurteilt sind. Die haben gar keine Chance, errettet zu werden. Das haben die Gnostiker genauso gelehrt. Und von da hat Augustin das gehabt, denn er war ja in dieser speziellen gnostischen Gemeinschaft als Hörer mit dabei, bei den Manichäern.

Das geht zurück auf den Perser namens Mani. Er lebte 216 bis ungefähr 276 n. Chr. Und er hat etwas aufgebaut, ein Glaubenssystem, das Verbreitung fand vom weströmischen Reich – also da, wo Augustin war, - bis nach China. Wenn man sich das vorstellt, bis in den fernen Osten. Es war eine gnostische Sondergruppe. Und dabei wurde eine Vermischung geübt zwischen Judentum, also Dinge aus dem AT, Buddhismus, Zoroastrismus – das ist eine alte Religion in Persien – und dem Christentum. Und die Manichäer lehrten: Ein Kind gebären, das ist Sünde. Warum? Ja weil man damit eben einer Seele, die ursprünglich einmal frei gewesen sein soll, eben die Gebundenheit in der Materie, im Körper, bewirke. Das sei Sünde. Und sie lehrten, dass es einen bösen und einen guten Gott gäbe. Aber der gute Gott habe gewisse Personen im Voraus zur Rettung bestimmt und andere im Voraus zur Verdammnis. Der Wille des Menschen sei völlig versklavt und unfähig, sich für Gott zu entscheiden. Also selbst wenn die frohe Botschaft kommt, sie können es gar nicht aufnehmen, sie sind so völlig taub gegenüber Gott. Der Mensch sei unfähig, auf Gott zu reagieren. Ja, und es gibt Calvinisten, die sagen: „Jawoll, das ist so.“ Der Mensch müsse zuerst wiedergeboren werden und das mache Gott einfach so, bei denen, die er von Anfang an dazu bestimmt hat, und dann könne der Mensch sich entscheiden und sich bekehren und glauben.

Aber was lesen wir in Johannes 5, 25 und an vielen anderen Stellen? Aber konzentrieren wir uns auf das, was der Herr Jesus dort sagt. Er spricht im Zusammenhang über die Auferstehung der Toten in der Zukunft. Und er spricht in dem gleichen Zusammenhang über die Auferstehung der geistlich toten Menschen, die als Ungläubige getrennt von Gott ihren Weg gehen und damit – in Bezug auf Gott – tot sind. Johannes 5, 25:

Wahrlich, wahrlich [Ein Wort, das zweimal mit 'Amen, Amen' eingeführt wird und diese Bibelworte sind ganz besonders herausgestrichen durch den Sohn Gottes.] Wahrlich, wahrlich ich sage euch: Es kommt die Stunde und ist jetzt [Jetzt ist schon diese Zeit.], da die Toten die Stimme des Sohnes Gottes hören werden, und die sie gehört haben, werden leben.

Also hier wird klar gesagt, die geistlich Toten, die hören die Stimme, die sind fähig, die Stimme Gottes zu hören. Aber die Manichäer sagten: Nein, sie sind unfähig, geht gar nicht. Aber die Bibel sagt: Doch. Und die Calvinisten, die sagen – das sind längst nicht alle – aber die, die sagen, der Mensch muss zuerst wiedergeboren werden, ja, die widersprechen hier. Denn der Herr Jesus sagt: Die Toten hören die Stimme. Und die, die sie gehört haben, werden dann leben. Zukunft. Die sie gehört haben, der Akt des Hörens ist vorbei und dann werden sie leben. Und der Vers davor sagt dann, ganz in Übereinstimmung:

Wahrlich, wahrlich [Amen, Amen] ich sage euch: Wer mein Wort hört und dem glaubt, der mich gesandt hat, hat ewiges Leben und kommt nicht ins Gericht sondern ist aus dem Tod in das Leben übergegangen.

Und wenn in diesem Vers eben noch nicht ganz klar ist, wie sind die zeitlichen Verhältnisse, dass sie glauben, dann wird eben in Vers 25 gesagt: die sind tot, hören und dann kommen sie zum Leben. Also die Manichäer sind widerlegt und auch eben verschiedene bekannte Lehrer, auch im deutschen Sprachraum und je nachdem aus dem englischen Sprachraum kommend, aber hier bekannt durch Schriften, durch Bücher, die das lehren. Und das geht überhaupt nicht. Das ist im Widerspruch zum Wort Gottes.

Und ein weiterer Punkt. Das hab ich schon vor Jahren mir gesagt: Warum haben die Qumran-Leute von der Gemeinschaft in Qumran, da wo man die Schriftrollen vom Toten Meer gefunden hat, eine solche totale Prädestinationslehre in ihren Schriften? Woher kommt das? Und ich hab mir gesagt: Das muss kommen durch die griechische Philosophie, denn Alexander hat ja die ganze Welt bis nach Indien erobert im 3. Jahrhundert vor Chr. und da kam das griechische Denken eben auch in die jüdische Welt hinein, denn Israel wurde auch ein Teil des Alexander-Reiches. Und im 2. Jahrhundert vor Chr. entstand die Gemeinschaft von Qumran. Und die bringt plötzlich Gedanken, die man sonst im Judentum nicht findet, bis hin, man solle dort ehelos leben. Das ist ja völlig unjüdisch. Im Judentum hat man betont aufgrund von 1. Mo 1 + 2, die ersten Kapitel der Thora, die zeigen die Schönheit der Ehe, wie Gott das gewollt hat. Und jetzt sagen die da, wir leben hier ehelos. Woher kommt das? Das kommt aus der griechischen Philosophie, wo eben grad in der Lehre von Platon das Irdische, das Körperliche, das Materielle, das Physische als schlecht bezeichnet wird. Und das hat Eingang gefunden in Qumran. Und Ken Wilson zeigt in seiner Doktorarbeit: Jawoll, die Qumran­gemeinschaft hat das von den Stoikern übernommen. Darum findet man dort schon diese Prädestinationslehre in dem Judentum selbst.

Nun lehrt die Bibel, dass Gottes Liebe allen Menschen gilt. Und wenn man also sagt – wie verschiedene Calvinisten das tun, aber nicht alle, – Gottes Liebe gelte nur einer Gruppe, und das sind dann die Auserwählten, dann muss man sagen: Die Heilige Schrift sagt ganz klar, das ist falsch. Das ist ein klar offener Irrtum. Und da möchte ich sehr ermutigen die Zuhörer: Wenn man einfach spricht von Calvinisten und Nichtcalvinisten, dann kriegt man ein Problem und es gibt auch Streit, wo es gar keinen Streit geben müsste. Denn das Wort 'Calvinisten', das ist ein Gummibegriff. Für die einen bedeutet das 'das', für die einen bedeutet das '5‑Punkte-Calvinismus', aber für die andern nur 3 oder nur 4 oder nur 1. Und darum ist es wichtig, wenn man über diese Dinge miteinander spricht als Gläubige, als Erlöste, da muss man fragen: Was meinst du, was glaubst du genau? Und dann sollte man eben offen sagen – und das fällt mir auf bei manchen, die an Orten verschrien sind als Calvinisten, da würde ich sagen: Das ist gar nicht gerecht. Da spreche ich mit einem Bruder und sage: „Ja wie siehst du das, hat Gott alle Menschen geliebt und ihnen das Heil angeboten?“ „Ja natürlich, das sagt die Schrift.“ „Ja, wie ist das, hat Gott gewisse Menschen von Anfang an zur Verdammnis bestimmt?“ „Nein, das widerspricht der Heiligen Schrift.“ „Ach so. Und wird der Mensch zuerst wiedergeboren und dann kommt er zur Bekehrung?“ „Nein, das ist im Widerspruch zur Schrift.“ Ja, das ist natürlich etwas ganz anderes, wenn jemand sagt: „Ich glaube, dass Gott souverän über allem steht und seinen Ratschluss festlegt, aber ich glaube auf der anderen Seite an die Verantwortung des Menschen. Und der Mensch muss sich bekehren. Und wenn er sich nicht bekehrt, da geht er verloren, weil er dafür verantwortlich ist. Aber“, sagt diese Person, „ich bring das einfach nicht zusammen.“ „Aber du könntest es zusammenbringen, wenn du akzeptierst, dass 'prognosis' wirklich von dem Vorherwissen spricht.“ „Nein, ich denke 'prognosis' muss man ein bisschen anders verstehen. Aber ich bring es einfach nicht zusammen. Aber Gott weiß es.“ „Gut. Dann kann ich doch gut schlafen.“

Aber man muss eben fragen: „Was meinst du genau?“ Und dann wird klar, ob es ein Problem gibt oder kein Problem. Und ich möchte auch die Brüder und Schwestern ermutigen, die einfach sagen: „Ja, ich halte zu dieser Lehre.“ Dass man offen sagt, was glaubt man ganz genau. Denn es gibt so manche, die verschleiern das. Und dann ist es nicht klar. Und das gibt Probleme. Man muss offenlegen, was wie. Und das kann viele Konflikte lösen oder die Basis geben, damit man sie lösen kann.

Aber die Bibel lehrt klar Johannes 3, 16:

Also hat Gott die Welt geliebt. [Das heißt nicht 'hat die Auserwählten geliebt'. Das wäre auch wahr. Aber es heißt:] Also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen einzigen Sohn gab, damit jeder der an ihn glaubt, nicht verloren gehe, sondern ewiges Leben habe.

Und in Titus 2, 12 sagt der Apostel Paulus. Ich möchte das ganz lesen, es ist so wunderbar. Und das sind Grundlagen des Evangeliums. Titus 2, 11:

Denn die Gnade Gottes ist erschienen, heilbringend für alle Menschen, Merkt man das Partizip 'heilbringend', das ist ein Prozess. Das Heil wird gebracht. Ob die Menschen das annehmen, ist eine andere Sache. Aber es ist heilbringend für alle Menschen.

Und dann 1. Tim 2, 4. Da geht es um unseren Heiland-Gott, Retter-Gott, das ist sein Wesen, das gehört zu seiner Majestät. Er ist ein Heiland, ein Retter-Gott und von ihm heißt es:

Welcher will, dass alle Menschen errettet werden.

Und da sagen die Irrlehrer der Allversöhnung: „Ja seht ihr, Gott will es und was Gott will, das macht er auch.“ Falsch, hier steht 'thelo' und das ist im Kontrast zu 'bulomai', was der Apostel Paulus ein paar Verse später benutzt, wenn er über die sittliche Kleidung der Frauen u.a. spricht. Da sagt er: Ich will nun 'bulomai', das ist Gottes Ratschluss, Gottes Willen, den er durchziehen will. Aber da steht 'thelo' und 'thelo' kann bedeuten 'wünschen'. Welcher wünscht, dass alle Menschen errettet werden. Aber es heißt hier 'alle Menschen' und nicht einfach 'alle Arten von Menschen', 'alle Menschen' errettet werden. Und dann wird es umgedreht, für die, die sagen, 'alle Menschen' ist nicht klar genug. 2. Petr 3, 9, es heißt von Gott:

da er nicht will, dass irgendwelche verloren gehen, sondern dass alle zur Buße kommen.

Gott ist ein Retter-Gott und er schließt keinen seiner Menschen aus. Er bietet es allen an. Und jetzt kommt dazu: Das Werk Christi reicht für alle. Wir können das Evangelium weltweit auf allen Kontinenten verkündigen und zwar mit dem Brustton der Überzeugung. Jedem, den ich da durchs Evangelium rufe, ist die Möglichkeit gegeben, errettet zu werden. Keiner kann sagen: „Meine Sünden wurden eh nicht getragen.“ Nein. Johannes der Täufer sagt auf den Herrn Jesus hinweisend, Johannes 1, 29:

Siehe, das Lamm Gottes, welches die Sünde der Welt wegnimmt!

Warum steht hier nicht 'die Sünde der Auserwählten', sondern 'die Sünde der Welt'? Weil das Werk des Messias im Blick auf die ganze Menschheit ist: 'also hat Gott die Welt geliebt'.

Und dann lesen wir in 1. Johannes 2, 2 von dem Herrn Jesus:

Und er [im Griechischen betont] Und er ist die Sühnung für unsere Sünden [Aber dann geht der Satz weiter.], nicht allein aber für die unseren, sondern auch für die ganze Welt.

Und jetzt muss man genau lesen. Und darum ist es auch wichtig, dass man eine gute, genaue Übersetzung hat. Die Elberfelder macht das klar. Hier steht nicht 'sondern auch für die der ganzen Welt'. Sondern es heißt, er ist die Sühnung für unsere Sünden, nicht allein aber für die unseren sondern auch für die ganze Welt. Das drückt aus: Das Werk des Herrn Jesus reicht für die ganze Welt. Jeder könnte kommen und dann könnte er gerettet werden. Und 1. Tim 2, 6 sagt von dem Herrn Jesus, dem Menschen Christus Jesus:

der sich selbst gab als Lösegeld für alle,

Das Lösegeld steht bereit auf Golgatha gewissermaßen, man muss es abholen. Für alle. Jetzt sagt einer: „Halt, halt halt! Das ist nur die Hälfte der Wahrheit.“ „Was?“ „Markus 10 steht 'für viele'.“ „Ja, tatsächlich, Markus 10, 45“:

der Sohn des Menschen ist nicht gekommen, um bedient zu werden, sondern um zu dienen und sein Leben zu geben als Lösegeld für viele.

„Ja eben. Nur für die Auserwählten, für die andern reicht es nicht.“ Ha, was machen wir jetzt? In 1. Tim 2 steht 'für alle', Lösegeld für alle, in Markus 10 'Lösegeld für viele'. Auf Deutsch das Gleiche, aber auf Griechisch nicht dasselbe. Das Wort 'für' – 'für alle' heißt 'hyper'. Aber für 'viele', dort steht 'anti'. Und 'anti' bedeutet Verschiedenes 'gegen' usw., aber auch anstelle von. Als der Königssohn in Matthäus 2 König wird anstelle von Herodes heißt es 'anti' – 'an seiner Stelle', auf dem selben Thron, wo der Vater früher saß. 'Anti' 'für viele'. Nun 'hyper' heißt 'im Blick auf'. D.h., der Herr Jesus ist ans Kreuz gegangen und er hat dort bezahlt 'im Blick auf alle'. D.h., was er bezahlt hat, ist so viel, dass es für alle reicht, die kommen und ihre Sünden bekennen. Aber, es ist so, wenn ein Mensch sich bekehrt und seine Schuld Gott bekennt, dann macht er sich mit Jesus Christus eins. So wie beim Opferdienst, wo der Opfernde, der Sünder, seine Hände auf den Kopf des Opfertieres stützte. Diese Identifikation ist wichtig. Der Sünder sagt – das sollte er bei der Bekehrung lernen –: Jesus Christus ist genau für mich gestorben. Und dann identifiziert Gott diesen Menschen mit dem Herrn Jesus. Und man kann sagen: „Was der Herr Jesus da gelitten hat, ist genau für diese alle einzelnen Sünden, auch die ich bei der Bekehrung gar nicht mehr wusste, an meiner Stelle.“ Aber wenn einer mal vor dem großen weißen Thron steht und sagt: „Nein, ich muss nicht verloren gehen. Jesus Christus hat ja bezahlt für alle.“ „Ja, für dich?“ „Ja.“ „Nein, du hast dich ja nie mit ihm identifiziert. Und darum ist das Werk des Herrn Jesus und sein Leiden unter der Hand Gottes, unter dem Gericht Gottes, dir gar nie zugerechnet worden.“ Und darum heißt es von den Gläubigen, von denen, die errettet werden: das Lösegeld für viele 'anstelle von', und von denen, die es nie abgeholt haben 'im Blick auf'. Sie hätten können, aber sie haben nicht gewollt.

In Hebräer 9, 28 heißt es darum:

einmal ist der Herr Jesus geopfert worden, um vieler Sünden zu tragen.

Warum steht 'vieler'? In Jesaja 53, 12 genau gleich:

er aber hat die Sünde vieler getragen

Eben, weil die zugerechnete Stellvertretung gilt für alle die, die sich mit ihm eins gemacht haben. Und es wäre aber genügend bezahlt gewesen, so dass es für alle gereicht hätte. Aber die können sich dann nicht darauf berufen und sagen: „Gott ist ungerecht. Der bestraft zweimal.“ Nein, denn das war nicht für sie. Es wurde nie ihnen zugerechnet.

Und dann stellt sich die Frage zum Schluss immer wieder: Ja, wer ist denn, der die Bekehrung bewirkt, Gott oder der Mensch? Nun in Matthäus 23, 37 macht der Herr Jesus die Menschen, die ihn Jerusalem verworfen haben, verantwortlich und er sagt zu ihnen, Matthäus 23, 37:

Jerusalem, Jerusalem, die da tötet die Propheten und steinigt, die zu ihr gesandt sind! Wie oft habe ich deine Kinder versammeln wollen, wie eine Henne ihre Küken versammelt unter ihre Flügel, und ihr habt nicht gewollt!

Er hat gewollt, hat sich so eingesetzt, wie eine Henne, die die Kücklein versammelt unter die Flügel, um sie zu schützen. Und er sagt: Ihr habt nicht gewollt. Und er macht den Menschen verantwortlich und es ist nicht wie der manichäische Gott, der sie verantwortlich macht, aber sie hätten ja gar nicht können. Nein, das geht nicht. Und Augustin hat das nicht durch Bibelstudium gelernt, sondern das von der alten Sekte kam hoch. Und da hätten die Menschen damals sagen können: „Wir haben's doch gedacht. Der Manichäismus ist so eine Gefahr, das kann später wieder hochkommen.“ Und es kam hoch. Man könnte Augustin mit seinen früheren Schriften widerlegen für das, was er später gelehrt hat.

Und in Römer 2, 4 steht – und das ist auch wieder ein ganz ganz wichtiger Punkt, weil er klarmacht, dass Gott zieht, auch die, die eben nicht auserwählt sind, die möchte er retten, Römer 2, 4:

Oder verachtest du den Reichtum seiner Güte und Geduld und Langmut und weißt nicht, dass die Güte Gottes dich zur Buße leitet?

Ja, es heißt ja in Römer 3, 10: Da ist keiner, der Gott suche. Niemand von uns wäre auf die Idee gekommen, Gott zu suchen. Aber er hat uns gezogen. Und hier wird zu einem gesagt, der sich nicht retten lässt, Vers 5:

5 Nach deinem Starrsinn und deinem unbußfertigen Herzen aber häufst du dir selbst Zorn auf am Tag des Zornes und der Offenbarung des gerechten Gerichtes Gottes, 6 der jedem vergelten wird nach seinen Werken: … [und später] Zorn und Grimm

Also macht das klar, dass Gott nicht nur die, die einmal sich bekehren, zieht, sondern auch solche, die widerstehen, bis sie dann verloren gehen.

Und da hat einer geschrieben: „Ich verstehe den Calvinismus nicht richtig.“ „Ja, wieso?“ „Ja, ich unterscheide nicht zwischen der äußeren und der inneren Berufung.“ „Aha.“ „Also es gibt eine äußere Berufung – das sind die, die sowieso verloren gehen. Die werden gerufen, aber sie gehen verloren. Und dann gibt es die innere Berufung. Und das sind dann die, die eben gerettet werden: zuvorerkannt – zuvorbestimmt – berufen.“ „Hm.“ Aber diese Ausdrücke gibt es in der Bibel nicht. Und hier wird klar gesprochen, das ist nicht einfach ein äußerlicher Ruf. Gott zieht in seiner Langmut und Güte, aber der Mensch hat eine Verantwortung und darin eben eine Wahlfähigkeit, auch als gefallener Mensch. Und wir sehen: Die Sektierer haben gesagt: Der Mensch hat keine Möglichkeit, sich zu entscheiden. Aber hier wird gesagt: 'nach deiner Störrigkeit' und das wird als Schuld angerechnet, als persönliche Schuld.

Und dann – ganz wichtig – in Römer 9, 22, da heißt es von Gefäßen der Begnadigung, die er, Gott, zuvor zur Herrlichkeit bereitet hat, Römer 9, 23. Aber in  Vers 22 – davor – steht:

Wenn aber Gott, willens seinen Zorn zu erweisen und seine Macht kundzutun, mit vieler Langmut ertragen hat die Gefäße des Zorns, die zubereitet sind zum Verderben,

Nun da hat Calvin einen großen Fehler gemacht. In seiner Auslegung im Römerbrief sagt er, Gott habe diese Gefäße des Zorns zubereitet zum Verderben. Man muss eine genaue Bibelübersetzung haben. Die Elberfelder macht das ganz wörtlich und darum wird klar in Vers 23, da steht, dass es Gott war:

die er zuvor zur Herrlichkeit bereitet hat

Aber in Vers 22 wird einfach gesagt:

die Gefäße des Zorns, die zubereitet sind zum Verderben,

Es wird nicht gesagt, wer das gemacht hat. Aber in Römer 2, 4 + 5 hat Paulus erklärt, das ist der Mensch, der in seiner Entscheidungsfähigkeit 'nein' gesagt hat. Und er hat sich selber Zorn aufgehäuft. Er hat sich zum Verderben bereitet. Und wenn wir denken an das wunderbare Gleichnis des Herrn Jesus in Lukas 15, aus drei Teilen. Da steht nämlich ein Gleichnis und da kommen 3 Geschichten, die bilden eine Einheit. Und da geht es um den guten Hirten, der das Schaf sucht und findet. Es geht um die Lampe, die Licht bringt in die Finsternis, die verlorene Drachme wird gefunden. Und es geht um den Vater, der bereit steht und den verlorenen Sohn dann in die Arme nimmt. Und das entspricht Johannes 6, 44: Der Vater zieht. Und Lukas 19, 10: Der Sohn sucht. Der Sohn des Menschen ist gekommen, zu suchen und zu erretten, was verloren ist, in der Zachäus-Geschichte. Und der Heilige Geist überführt. Johannes 16, 8: Der Herr Jesus sagt, der Heilige Geist wird von Sünde überführen.

Und so sehen wir: Der dreieine Gott ist es, der nach Römer 2, 4 an jedem Menschen zieht, weil Gott möchte, dass alle errettet werden. Aber der Mensch hat eine Entscheidungsfähigkeit. Und Augustin hat das früher gesehen. 'Free choice' das ist nicht einfach nur 'freier Wille', aber die Möglichkeit, sich frei zu entscheiden. Und er hat das geändert in 'keine Freiheit'. Und das ist nicht biblisch. Aber es braucht das Wirken Gottes an uns. Und wir können nicht sagen: „Ja, ich bekehre mich vielleicht nächstes Jahr.“ Nein, wenn der Ruf jetzt kommt, müssen wir uns jetzt bekehren. Gott ruft mindestens dreimal (Hiob 33, 29), vielleicht auch mehr. Aber wir können uns nicht darauf berufen. Heute, wenn ihr seine Stimme hört, verhärtet eure Herzen nicht. Man muss sich jetzt bekehren und seine Schuld Gott bekennen und sich eins machen mit dem Opfer des Herrn Jesus. Danken dafür, dass auf Golgatha der Herr Jesus für jede einzelne Sünde im Leben bezahlt hat. Und dann wir klar, dass in Apostelgeschichte 3, 19 das nicht eine Farce ist, wenn der Apostel Petrus die Volksmenge in Jerusalem aufruft und sagt: So tut nun Buße und bekehrt euch, damit eure Sünden ausgetilgt werden. Natürlich die Manichäer hätten gesagt: „Ja, die hören das. Aber die können das sowieso nicht annehmen, die, die nicht zur Rettung einfach bedingungslos bestimmt sind.“

Aber all diese Befehle hier und an so vielen anderen Stellen der Bibel zeigen: Gott macht den Menschen verantwortlich. Warum? Weil er verantwortlich ist. Warum ist er verantwortlich? Weil er sich entscheiden könnte. Aber der Mensch ist böse. Jawoll. Und darum zieht Gott ihn mit Seilen der Liebe, wie es in Hosea heißt. Das ist kein Erfolg, auf den man stolz sein könnte, als wäre die Bekehrung ein Werk. Nicht wahr, wenn ein Präsident sagt: „Ich begnadige diesen Menschen, der im Todesknast ist.“ Dann geht man hin, macht den Knast auf. Und jetzt, ist das eine Glanzleistung, wenn er aus dem Gefängnis rausgeht mit offener Türe? Nein. Und so ist das mit der Bekehrung. Gott zieht und er ruft auf: Tut nun Buße und bekehrt euch! Bereut eure Schuld! Kehrt um! Das ist der Sinn. Und in Jeremia 31, 18 am Schluss heißt es so wunderbar als Gebet:

bekehre mich, dass ich mich bekehre,

Gott muss ziehen, sonst ginge nichts. Alles geht von ihm aus. Und Gott hat vorausgesehen, dass der Mensch in Sünde fallen würde, dass der Sündenfall kommen würde, aber es war nicht Gottes Wunsch, dass der Sündenfall geschieht. Aber schon von Ewigkeit her wusste er: Und dann werde ich meinen Sohn als Lamm Gottes schicken. Darum heißt es in 1. Petr 1, dass der Herr Jesus zuvor erkannt ist als Lamm Gottes. Der Sohn war bei ihm und die Gemeinschaft war ja da. Er musste nicht im Voraus Gemeinschaft und Nähe ausdrücken. Diese Vor­kenntnis bedeutet: Gott wusste um den Sündenfall und hat darum vorgesehen in seinem Ratschluss, dass der Herr Jesus das Lamm Gottes werden soll und sein Blut geben soll. Und nun sagt Jeremia 31, 18: bekehre mich. Gott muss wirken, aber dann ist es unsere Verantwortung, unsere Möglichkeit zur freien Entscheidung, dass ich mich bekehre. Es sind diese beiden Seiten: Gott wirkt, aber ich bin verantwortlich, dass ich auf das Wirken eingehe und mich nicht verhärte, sonst gehe ich verloren und dann wäre es meine Schuld gewesen.

Und der Name des Hohepriesters in Nehemia 3, 1 Eljaschib drückt genau das aus: 'El' heißt ja 'Gott' und 'jaschib' kommt von der Wurzel 'zurückkehren' 'umkehren' 'schuv'. Aber die spezielle Form 'jaschib', das ist in der hebräischen Grammatik eine Verursachungsform. Man kann ausdrücken, dass diese und diese Tätigkeit von jemandem bewirkt wird, damit jemand das dann tut. Und hier heißt es 'Eljaschib' 'Gott bewirkt, dass er sich bekehrt'. Das drückt wieder aus: Gott wirkt und zieht und der Mensch ist dann verantwortlich und muss zusammenbrechen und umkehren, sonst verpasst er den Ratschluss Gottes.

 

 

Und damit möchte ich enden. Können wir aufschlagen im Lukasevangelium und damit wird das morsche Fundament eines wirklichen Calvinismus – ich habe gesagt, man muss genau definieren, was man meint, – eines wirklichen Calvinismus wird dort zerbrochen. Dieser Vers dürfte nicht in der Bibel stehen. Aber er steht da, und zwar in Lukas 7 Vers 30. Nachdem gesagt wird in Vers 29: Und das ganze Volk, das zuhörte, und die Zöllner rechtfertigten Gott … Sie gaben Gott Recht. Er ist gerecht und wir sind Sünder. ... und die Zöllner rechtfertigten Gott, indem sie mit der Taufe des Johannes getauft worden waren Die haben ihre Sünden bekannt und bereut. Und dann heißt es in Vers 30 und das ist der Punkt:

die Pharisäer aber und die Gesetzgelehrten machten in Bezug auf sich selbst den Ratschluss Gottes wirkungslos, indem sie nicht von ihm getauft worden waren.

Der Ratschluss Gottes, das ist das, was Gott durchzieht. Und Gott hat einen Ratschluss und hat das durchgezogen. Aber der einzelne Mensch kann in Bezug auf diesen Ratschluss den Segen zerstören. Und so wurden diese Menschen nicht gerettet, weil sie in Bezug auf sich selbst – in eigener Verantwortung – den Ratschluss Gottes für sich unwirksam gemacht haben. Aber für all die, die es angenommen haben, bringt das ewiges Heil.

Und das ist das, was wir in Apostelgeschichte 2, 23 gesehen haben: Der bestimmte Ratschluss und die Vorkenntnis zusammen. Und dann gibt das völlige Harmonie. Und dann muss man auch nicht mehr sagen: „Ja, man bringt das logisch nicht zusammen.“ Wie bitte? Gott ist ja der Ursprung der Logik. Im Anfang war das Wort, der Logos. Und von daher kommt das Wort 'Logik'. Gott hat ein logisches und vernünftiges Universum erschaffen. Überall sehen wir, dass 1 + 1 gibt 2. Und Gott hat den Menschen in seinem Bild erschaffen und darum kann er logisch denken. Und darum kann er erkennen, wenn Menschen einfach so zur Verdammnis bestimmt würden, ohne dass sie eine Möglichkeit gehabt hätten, errettet zu werden, da kann man nicht sagen: „Das ist gerecht.“ Und kann man auch nicht sagen: „Ja, das verstehen wir nicht.“ Doch, wir verstehen. Und wir sehen auch aus der Heiligen Schrift, dass das ganz bestimmt nicht stimmt, sondern der Ehre, Herrlichkeit, Majestät, Größe, Erhabenheit Gottes Abbruch macht. Und das macht die Souveränität Gottes als in einem richtigen Calvinismus: Dort bestimmt der calvinistische Gott alles und der Mensch hat gar keine Verantwortung. Aber dass Gott seinen Ratschluss durchzieht trotz der Tatsache, dass er Geschöpfe, Engel und Menschen, gemacht hat mit einem eigenen Willen. Das macht die Souveränität Gottes noch viel erhabener. Und das hat Augustin früher gesehen. Und dann hat er das verloren, weil er in diesen Dingen ins Alte zurückgegangen ist.

Es ist noch eine Frage eingegangen, die heißt: „Sind Reformatoren wie Luther, Calvinisten oder bekannte Christen wie Charles Spurgeon falsche Lehrer, nicht errettet? Gibt es errettete Calvinisten? Sind sie Irrlehrer? Ist es heilsrelevant?“

Nun, diese Frage hat mit der Frage der persönlichen Errettung gar nichts zu tun. Errettet werde ich, wenn ich meine Schuld Gott bekenne und von Herzen glaube an das Erlösungswerk des Herrn Jesus für mich. Und wenn ich mich in Dingen irre, hat das nichts mit dem Heil zu tun. Und darum sollte man diese Frage gar nicht da hineinbringen. Und es ist eben so, dass Luther und Calvin, die waren noch so stark in ihrer katholischen Tradition und gerade im Augustinianismus drin. Und die haben sich in so vielen Dingen freigekämpft. Und das muss man anerkennen, diese Pionierleistung. Und ich habe so vieles von Calvin gelesen wirklich mit Freude, wenn er über die Größe Gottes spricht. Aber da, wo ich sehe, das stimmt nicht mit der Schrift überein, muss ich das ablehnen. Und zu sagen, Gott hätte einfach bestimmte Menschen für die Verdammnis vorgesehen, das ist eine üble Lehre. Ja. Aber eben nicht alles in einen Korb werfen und sagen: Das stimmt, das stimmt nicht. Und das hat mit der Errettung und dem Heil, dem persönlichen Heil, gar nichts zu tun. Und wenn schon Spurgeon erwähnt wird in dieser Frage, ist zu betonen: Spurgeon war ein Calvinist. Aber er predigte nicht in seinen Evangelisationsverkündigungen wie ein Calvinist. Er handelte ganz anders. Er predigte nämlich so wie man predigen muss, dass man den Menschen das Heil vorstellt und sie zu dem Herrn Jesus ruft. Und er forderte die Menschen auf zur Entscheidung. Und viele haben sich entschieden und andere nicht. Aber nicht, – wie er im Hinterkopf dachte – weil sie nicht konnten, sondern weil sie nicht wollten.

 

 

 

 

AT = Altes Testament

NT = Neues Testament