Roger Liebi – Überblick über die 27 Bücher des NTs - Teil 4/9

Details: Die 4 Evangelien

Audioabschrift

 

 

Ich versuchte, eine Vogelschau der neutestamentlichen Bücher zu geben. Es war mir wichtig, ohne abgelenkt zu werden von irgendwelchen Einleitungsfragen, einfach prägnant die Botschaft jedes einzelnen Buches des Neuen Testaments zu erfassen. Das entspricht so im Kleinen dem Stil der Synopsis von Darby. Da geht es auch nicht um Einleitungsfragen, sondern es geht um die Botschaft jedes einzelnen Kapitels und dann jedes einzelnen Buches der ganzen Bibel. Aber heute möchte ich jetzt mehr eingehen auf Einleitungsfragen. Damit meint man: Wer hat das Buch geschrieben, wann wurde es geschrieben, an wen wurde es gerichtet, was war der unmittelbare Anlass dazu? In dem Skript stehen dann auch gewisse Dinge, die ich letztes Mal schon gesagt habe, als Supplement zu dem, was im Skript vom letzten Mal stand und darum werde ich das dann nicht unbedingt heute wiederholen, aber es steht dann schon mal schriftlich da zum Nachlesen. Das Thema heute umfasst die vier Evangelien in einem ersten Block, dann gehen wir zur Apostelgeschichte über und anhand der Apostelgeschichte wollen wir dann die Paulusbriefe zeitlich einordnen und eben näher angehen. Im letzten Teil, der mir dann noch bleibt, werde ich dann die allgemeinen Briefe behandeln und die Offenbarung.

Also nun zu den vier Evangelien. Das Wort Evangelium kommt aus dem Griechischen eyaggelion und heißt auf gut Deutsch frohe oder gute Botschaft. Das kommt so vor in Markus 1, 1. Von daher kann man das also begründen, dass das Markusbuch ein Evangelium ist und die ihm gleichgearteten Bücher Matthäus, Lukas und Johannes ebenso. Es geht darin um vier geschichtliche Biographien oder Beschreibungen des Menschen Jesus Christus auf der Erde. Frage: Warum haben wir vier Evangelien und nicht nur eines? Es gibt ja solche, die bemühen sich um eine Synopsis und sie denken, eine Zusammenschau der Evangelien wäre doch das Ideale. Aber Gott hat uns nicht eine synoptische Beschreibung gegeben, sondern vier Evangelien. Warum? Es gibt einen wichtigen juristischen Grundsatz im Alten Testament, 5. Mose 19, 15. Vor Gericht musste eine Aussage durch mindestens zwei Zeugen belegt sein, um als glaubwürdig akzeptiert werden zu können. Gott wollte über den Höhepunkt der Heilsgeschichte, Gottes Sohn ist Mensch geworden und hat am Kreuz das Heil im Blick auf die ganze Welt vollbracht, besonders glaubwürdig bezeugt haben. Und darum hat er uns nicht zwei Zeugen gegeben, sondern zweimal zwei Zeugen. Das entspricht den vier Evangelien. Wenn wir die Evangelien untersuchen, stellen wir fest, dass wir sie immer wieder in Zweiergruppen einteilen können.

Zwei Schreiber waren Apostel, Matthäus und Johannes. Die beiden anderen waren keine Apostel, jedoch neutestamentliche Propheten, Markus und Lukas. Neutestamentlicher Prophet heißt, jemand der in neutestamentlicher Zeit unter der Inspiration des Heiligen Geistes schreibt. Die Gemeinde ist ja nach Epheser 2, 20 aufgebaut auf der Grundlage der Apostel und Propheten. Das ist das Fundament. Also wir haben zwei Apostel und zwei Propheten. Dann zwei Augenzeugen, die Apostel. Und zwei Zeugen durch Nachforschung, Markus und Lukas. Lukas schreibt ja in seinem ersten Kapitel des Evangeliums, er sei den verschiedenen Zeugnissen nachgegangen und hat so das Quellenmaterial gesammelt. Markus hatte eine Mutter, in deren Haus die Gemeinde in Jerusalem war, Apostelgeschichte 12, und dort gingen die Augenzeugen ein und aus und so hatte Markus eben auch Zugang zu einer Großzahl der Augenzeugen. Aber sein Bericht ist also eine Zusammenstellung von Nachforschungen. Zwei haben Wert auf eine strenge Chronologie gelegt, Markus und Johannes und zwei haben ihre Berichte zum Teil nach anderen Kriterien geordnet, Matthäus und Lukas. Natürlich im Grundansatz ist bei allen die Chronologie durchgehalten, die Geburt kommt nirgends am Schluss. Dann kommt bei allen das Leben Jesu und sein öffentlicher Dienst und darauf dann erst die Passion, die Leiden am Kreuz, und danach dann erst die Auferstehung. Aber in diesem chronologischen Gerüst gibt es dann eben Freiheit bei Matthäus und Lukas.

Zwei zeigen eine amtliche Herrlichkeit des Herrn Jesus, Matthäus und Markus und zwei zeigen eine persönliche Herrlichkeit. Wir werden noch sehen und ich habe das letztes Mal schon angetönt, Matthäus beschreibt den Herrn Jesus als König und Markus als Knecht. Das sind Dienste. Aber zwei zeigen persönliche Herrlichkeiten. Lukas legt den Akzent bei seiner Beschreibung darauf, dass Jesus ein wirklicher Mensch ist. Das ist nicht eine Funktion, ein Amt. Und Johannes betont, der Herr Jesus ist der wahre Gott. Auch das ist kein Amt, das ist sein Wesen. Und merken wir noch? König, ganz erhaben – Knecht, Erniedrigung. Gott, die höchste Stellung, die es überhaupt gibt – Mensch, das ist die Erniedrigung des ewigen Gottes, der Mensch geworden ist. Also auch da sehen wir eine Parallele in dieser zweimal zwei Darstellungen. Zwei beschreiben ferner Christi Erhabenheit. Das hängt nun eben damit zusammen. Matthäus beschreibt den König und ich könnte mir keine höhere Karriere vorstellen als König zu werden. Und Johannes zeigt, was absolut am höchsten ist: Jesus Christus ist der wahrhaftige Gott. Und zwei beschreiben eben seine Erniedrigung, Knecht und Mensch. Zwei, Matthäus und Johannes, beschreiben eine Herrlichkeit, die Jesus Christus schon vor der Menschwerdung hatte. Der Herr Jesus ist nämlich nach Jeremia 10 der ewige König. Also der Herr Jesus war schon König, bevor er in die Welt kam. Und Johannes beschreibt ihn als Gott, der von Ewigkeit her Gott ist. Und zwei beschreiben eine Herrlichkeit, die Christus durch seine Menschwerdung erhielt. Der Herr Jesus wurde Knecht durch seine Menschwerdung. Er war nicht von Ewigkeit her Knecht. Er ist Knecht geworden und er ist Mensch geworden. Wenn man sich das mal so aufzeichnet, stellt man fest, dass alle möglichen Zweierkombinationen da sind. Also alle sind mal als Zweiergruppe verknüpft und das zeigt, wie die vier zusammen eine unzertrennliche literarische Einheit bilden, die vom Geist Gottes so gewollt ist. Das ist also nichts Zufälliges, dass wir nicht fünf Evangelien haben oder drei, sondern genau die vier.

Dann noch etwas zu der Bedeutung der Unterschiede in den Zeugnissen. Durch die Unterschiede in den Aussagen der Evangelien, ergibt sich eine zusätzliche Glaubwürdigkeit. Es sind nämlich Berichte, die aus verschiedenen, sich ergänzenden Perspektiven verfasst worden sind. Ein Beispiel vom Autounfall. Vier haben es gesehen und sie erzählen vier verschiedene Dinge. Und wenn man die Berichte zusammen nimmt, im Moment ist es vielleicht schwierig, aber am Schluss sieht man, dass es sich zusammen reimt. Das erhöht die Glaubwürdigkeit der Zeugen. Aber wenn Zeugen vor Gericht so erstaunlich einstimmig sind, dann könnte man den Verdacht auf Kollusion haben, dass die sich miteinander abgesprochen haben. Darum muss man ja manchmal Leute in Untersuchungshaft halten wegen der Kollusionsgefahr, das heißt, dass sie sich mit den Kollegen absprechen könnten. Also gerade die Unterschiedlichkeit macht die Darstellung glaubwürdig. Im Matthäusevangelium lästern beide Mitgekreuzigten und im Lukasevangelium ermahnt der eine den anderen und sagt: Wir sind zu Recht in diesem Gericht. Ein Widerspruch? Nein, am Anfang haben beide gelästert und im Laufe der Zeit am Kreuz ist einer zur Umkehr gekommen und das beschreibt uns Lukas. Also man hat da nicht versucht, das aus Angst irgendwie abzugleichen. Es ist auch gar nicht nötig, denn wenn man die Wahrheit sagt, dann kann man auch so Unterschiedliches beschreiben.

Wie gesagt, wir haben vier verschiedene Aspekte in den Evangelien. Matthäus beschreibt den König, das habe ich letztes Mal erklärt. Sacharja kündigt ihn an, Sacharja 9, 9: Siehe, dein König kommt. Das ist ein wunderbarer Titel für Matthäus. Markus beschreibt den Diener und in Sacharja 3, 8 sagt Gott vom Messias: denn siehe, ich will meinen Knecht, Spross genannt, kommen lassen. Sacharja 3, 8 ist der Titel für das Markusevangelium. Lukas beschreibt den Menschen, wie letztes Mal erklärt, Sacharja 6, 12 spricht über den Messias: Siehe, ein Mann, sein Name ist Spross. Das ist ein wunderbarer Titel für Lukas. Nebenbei gesagt, Spross ist ein schöner Deckname für Nazarener, weil Nazareth auf Deutsch Sprosslingen heißt. Nezer heißt Spross und Nazareth ist demzufolge Sprosslingen. Also wenn man über Jesus den Nazaräer spricht, dann ist das Jesus, der Spross. Mein Knecht, Spross genannt, kommt. Siehe, ein Mann, Spross genannt. Dann haben wir das Johannesevangelium und da spricht Jesaja 35, 4 von dem Messias und sagt: Sieh, euer Gott kommt. Eindrücklich, siehe, euer Gott kommt, das ist das Johannesevangelium.

Man kann dann auch die vier Gesichter der Cherubimengel im Alten Testament damit in Verbindung bringen. Hesekiel 1, 10: das Gesicht eines Löwen passt zu Matthäus. Das Gesicht eines Ochsen, der ja als Diener zum Dreschen eingesetzt wurde, passt zu Markus. Das Gesicht eines Menschen passt wunderbar zu Lukas und das Gesicht eines Adlers trifft sich perfekt mit dem Johannesevangelium, der Sohn Gottes, der vom Himmel her gekommen ist. Es gibt im Alten Testament vier verschiedene Blutopfer, die auch schön mit den vier Evangelien übereinstimmen. Ich beginne mit Johannes, das Brandopfer in 3. Mose 1, das Opfer zur Verherrlichung Gottes. Und das Johannesevangelium betont immer und immer wieder, der Herr Jesus ist gekommen, um Gott hier zu verherrlichen. Die Finsternis am Kreuz wird dort auch gar nicht genannt. Wir gehen rückwärts. Das Lukasevangelium beschreibt das Friedensopfer. Das Friedensopfer ist das Gemeinschaftsopfer, wo man einen Teil selber essen durfte und ein anderer Teil für Gott verbrannt wurde. So hat man mit Gott Gemeinschaft und genießt den Frieden mit Gott. Das Lukasevangelium zeigt wie kein anderes, wie oft der Herr Jesus zu Menschen auf Besuch geht. Das ist geradezu frappant. Zum Beispiel die Geschichte von Zachäus kommt nur hier vor, und noch viele andere Geschichten, die man nur im Lukasevangelium findet, das Friedensopfer. Und da haben wir auch die Weihnachtsgeschichte mit dem: Friede auf Erden. Das ist das Friedensopfer. Und nur im Lukasevangelium haben wir den Mitgekreuzigten, der zum Glauben kommt. Und der Herr Jesus sagt: Heute wirst du mit mir im Paradiese sein. Markus beschreibt das Sündopfer, 3. Mose 4. Und Matthäus das Schuldopfer, 3. Mose 5. Der Unterschied ist der. Beim Schuldopfer ging es darum, wenn jemand gestohlen hatte, dann musste er das Gestohlene zurückgeben und zwanzig Prozent dazu und ein Schuldopfer, denn meine Sünde hat Schaden angerichtet. Und so betont das Schuldopfer, dass durch das Opfer des Messias auch der Schaden der Sünde wieder gut gemacht werden sollte. Und das ist das Thema im Matthäusevangelium. Nur dort schreit das Volk vor Pilatus: Sein Blut komme über uns und unsere Kinder! Das heißt: Wir nehmen die Folgen, die Konsequenzen unseres Tuns auf uns. Das kann niemand tragen. Und wenn dann Matthäus die Passion beschreibt, zeigt er, wie der Herr Jesus gerade für die Folgen der Sünde, den Schaden, gestorben ist. Das Markusevangelium zeigt den treuen Diener, der nur gekommen ist, um Gutes zu tun. Und trotzdem wurde er getötet. Das zeigt die Boshaftigkeit der Sünde, das Sündopfer betont viel mehr die Quelle, woher das Böse kommt, nämlich aus der Boshaftigkeit der menschlichen Natur. Und wenn Markus die Passion beschreibt, ist das die Antwort: Jesus Christus ist auch für die Boshaftigkeit meines Herzens gestorben.

Ein weiterer Punkt. Matthäus, Markus und Lukas haben viele gemeinsame Berichte. Deshalb werden sie die synoptischen Evangelien genannt. Das heißt auf gut Deutsch: Die Evangelien mit dem gleichen Gesichtswinkel. Also so kann man die Evangelien auch einteilen in drei plus eins. 5. Mose 19, 15 sagt ja, es sollen mindestens zwei oder drei Zeugen für eine Sache sein. Da haben wir eine Dreiergruppe beieinander. Und dann kommt noch Johannes dazu als Supplement. Drei ist zwar schon eine starke Bezeugung, aber Gott gibt noch eins dazu. Nun, die synoptischen Evangelien haben schon Lessing beschäftigt. Er hat diesen Spruch vom synoptischen Problem aufgebracht. Wieso sind die so ähnlich? Wieso haben die so viel gemeinsamen Stoff? Und er hat dann die Lüge in die Welt gesetzt, die hätten einfach voneinander abgeschrieben. Und das ist ein wichtiger Ausgangspunkt für die spätere Bibelkritik, für die liberale Theologie, geworden. Ich spreche nicht vom synoptischen Problem, denn es ist kein Problem, sondern von der synoptischen Frage. Das Matthäusevangelium hat 1068 Verse, Markus hat 666 Verse, Lukas 1149 Verse, Johannes 879 Verse. Nun, 606 Verse von Markus finden sich inhaltlich bei Matthäus und 350 haben bei Lukas eine Parallele. Das heißt, nur 31 Verse sind absolut ohne Parallele. Und das nennt man das Sondergut eines Evangelisten. Aber diese Ähnlichkeit darf uns nicht zu ähnlich vorkommen, denn wenn man die Parallelen wirklich gut vergleicht, stellt man fest, wie oft gerade die Wortwahl unterschiedlich ist. Oder wie Texte von Markus dann eine Parallele haben in den anderen Evangelien, aber trotzdem Details dort erwähnt werden, die man in den anderen Evangelien nicht findet. Und wenn in der liberalen Theologie dauernd behauptet wird, die hätten alle von Markus, oder von einem Urmarkus, abgeschrieben, dann können sie uns aber nicht erklären, woher all diese Überhänge kommen, die man eben in den beiden anderen Evangelien nicht findet. Also der Begriff des Sondergutes ist etwas Nützliches, aber es darf uns nicht dazu verleiten, dass wir denken. dass das Gemeinsame auch das Gleiche wäre, so dass wir uns darüber keine Gedanken zu machen brauchen. Das soll eben nicht sein, denn jedes Evangelium ist in sich ein Original, inspiriert durch den Heiligen Geist. Ja, das zur synoptischen Frage.

Das Evangelium nach Matthäus. Der Autor ist Matthäus, der Zöllner. Er beschreibt seine Bekehrung in Matthäus 9, 9-13. Dort wird er als Zöllner vom Herrn in die Nachfolge berufen. Er macht darauf ein Fest und lädt seine ehemaligen Freude dazu ein, damit sie den Erlöser kennen lernen. Und er wird später Apostel, also einer der Zwölf, Matthäus 10, 3. Nun, wenn wir jemandem begegnen, der sagt dann plötzlich: Ja, das stimmt ja überhaupt nicht. Wer sagt mir, dass Matthäus der Autor ist? Das hat doch die Wissenschaft schon längst widerlegt. Wo kann man die Beweise und Argumente finden? Ich habe ganz am Schluss im Literaturverzeichnis Bücher angegeben. Zuerst zu den Evangelien im Allgemeinen, dann Einleitungen zu allen biblischen Büchern des Neuen Testaments. Und da verweise ich speziell auf Mauerhofer, Erich: Einleitung in die Schriften des Neuen Testaments, 2 Bände, 1995. Und da findet ihr eine Zusammenstellung von dem Quellenmaterial. Also wo man außerbiblisch aus der frühesten Zeit Quellen findet, mit denen wir beweisen können, dass Matthäus der Autor ist. In diesem Buch findet man solches Material und kann dann Bibelkritiker mundtot machen, auf freundliche Art und Weise meine ich natürlich. Es geht ja darum, haltbare Argumente vorzubringen.

Übrigens, Matthäus war offensichtlich ein Jude, der einem großen König dienen wollte, sonst wäre er nicht Zöllner geworden. Ein Diener des Kaisers und ein Verräter seines Volkes. Aber dann kam plötzlich der König der Könige auf den Plan und sagt zu ihm: Folge du mir nach. Und so hat er den Dienst für den Kaiser quittiert und ist dem wahren König nachgefolgt. Gott hat ihn ausgewählt um das Evangelium zu schreiben über den König Jesus. Dann habe ich verschiedene charakteristische Merkmale schon letztes Mal erklärt. Die sind jetzt hier auf dem Blatt. Zum Datum, Matthäus hat sein Evangelium vor 65 nach Christus geschrieben. Das können wir aus den Quellen erkennen, aber wir können nicht genau sagen, in welchem Jahr. Das « vor» könnte also auch bedeuten, es war das Jahr 36. Das wissen wir nicht, es war aber auf jeden Fall vor dem Jahr 65. Das ist wichtig, weil es liegt eindeutig vor dem Jahr 70, als Jerusalem zerstört wurde. Und das macht deutlich, dass die Prophezeiungen, die der Herr Jesus zum Beispiel in Matthäus 24 gesagt hat über den Fall Jerusalems und des Tempels, echte Prophetie war, und keine Prophetie im Nachhinein. Warum hat man das Matthäusevangelium als Heilige Schrift aufnehmen müssen? Matthäus war einer der zwölf Apostel. Und ich habe zu der Einleitung der Fragen zur Entstehung der Bibel und der Bildung des Kanons bereits erklärt, ein neutestamentlicher Schreiber musste einer der Apostel Jesu Christi gewesen sein, also einer der Zwölf oder Paulus, oder ein Prophet, der von den Aposteln Jesu Christi anerkannt war.

Etwas noch zur Grobstruktur. Wir können das Matthäusevangelium grob in zwei Teile gliedern. I. Der König für Israel. Er bietet sein Königreich an, aber Israel verwirft ihn, Kapitel 1-12. Der Höhepunkt ist Kapitel 12, wo Pharisäer sagen, er treibe die Dämonen durch Satan aus. Da ist ein Vollmaß erreicht. Und das führt über zum nächsten Teil, II. der verworfene König und sein Königreich in geheimnisvoller Form. Ab Kapitel 13 spricht der Herr Jesus über die Geheimnisse des Reiches Gottes. Ein Geheimnis ist in der Bibel eine Offenbarung, die im Alten Testament nicht bekannt ist, jetzt aber neu geoffenbart wird. Das heißt, das Königreich, wie es im Alten Testament angekündigt war, der Messias herrscht über die ganze Erde, bekommt eine neue Form, die nicht prophezeit war, und zwar in der Weise, dass der König ins Exil geht, in den Himmel. Und er hat hier seine Knechte und es kommt zu einer totalen Vermischung hier auf Erden. Das wird in diesen Königreichsgleichnissen dargestellt. Das Wort soll jetzt zu den Völkern gehen. Der Herr Jesus erwähnt erst in diesem zweiten Teil die Gemeinde Gottes als etwas völlig Neues. Hier spricht er über die Zukunft des Königs, Matthäus 24, dann kommt sein vollendetes Werk und das ist die Grundlage für das zukünftige Königreich in Herrlichkeit, das der Herr Jesus in Matthäus 24 ankündigt. Er wird erst am Ende der Zeit kommen als König über alle Könige, Matthäus 13-28.

Jetzt gehen wir zum Markusevangelium über. Der Autor ist Johannes Markus, so wird er in Apostelgeschichte 12, 12 genannt. Johannes war sein jüdischer und Markus sein römischer Name. Oft hatten Juden damals eben zwei Namen, einen jüdischen und einen nichtjüdischen Namen. Petrus nennt ihn in 1. Petrus 5, 13 mein Sohn. Das heißt also, dass er zu Petrus eine besondere Beziehung hatte und wohl durch ihn zum Glauben gekommen war. Er war Diener des Apostel Paulus auf dessen ersten Missionsreise, Apostelgeschichte 13, 5. Aber es wurde ihm dann in den unwirtlichen Gegenden der Türkei zu ungemütlich und so hat er seinen Dienst aufgegeben, Apostelgeschichte 13, 13. Er hat versagt im Dienst und deshalb wollte Paulus ihn auf die zweite Reise nicht mehr mitnehmen, Apostelgeschichte 15, 37f. Also jemand, der im Dienst versagt hatte, schreibt das Evangelium über den vollkommenen Diener. Es ist interessant, wie das biographische des Autors sich mit dem Inhalt des Evangeliums verbindet. Aber er wird völlig wieder hergestellt. Jahre später sehen wir ihn, in Philemon 24, Kolosser 4, 10-11 und 2. Timotheus 4, 11 als Mitarbeiter von Paulus. Und er wird sogar in 2. Timotheus 4, 11 so gelobt: Nimm Markus mit, denn er ist mir nützlich zum Dienst. Er war ein Verwandter des Leviten Barnabas, Kolosser 4, 10. Barnabas war ein Levit, also ein Tempeldiener und das könnte bedeuten, dass auch Markus levitisches Blut hatte. Also ein Levit schreibt über den vollkommenen Diener.

Zu den charakteristischen Merkmalen habe ich letztes Mal schon einiges gesagt. Das wiederhole ich nicht mehr. Aber ich möchte noch betonen, es ist das Bibelbuch, das im Neuen Testament mit der höchsten Dichte im Gebrauch des Wortes kai, und. Das kann man statistisch mit dem Computer berechnen und in keinem Buch kommt das so häufig vor, so dicht, wie hier, 1094 Mal in den sechzehn Kapiteln. So soll man keine deutschen Aufsätze schreiben, aber Markus hat nicht deutsch geschrieben, sondern Griechisch, und zwar ein hebräisch geprägtes Griechisch. Dieses und, und, und, zeigt den unermüdlichen Diener. Häufig kommt das Wort eytheos oder eythys, alsbald vor, ca. 40 Mal. Das betont den Eifer Christi. Er hat nicht nur unermüdlich gedient, sondern alsbald, sogleich. Das übrige habe ich letztes Mal erklärt und so gehen wir zu Datum und Kanonizität. Er hatte also eine besondere Beziehung zum Apostel Petrus, wie wir bereits gesehen haben. Und frühchristliche Schreiber, wie Papias, Irenäus, Clemens von Alexandria, machen deutlich, dass Markus dieses Evangelium geschrieben hat und dass dies in Übereinstimmung mit Petrus geschah. Da haben wir das apostolische Ja dazu. Er schrieb sein Evangelium um 64-67 nach Christus. Es ist also nicht das älteste Evangelium, wie die Bibelkritiker das wollen. Das Matthäusevangelium ist davor geschrieben worden.

Die Grobstruktur: I.) Der Diener Gottes handelt in Güte gegenüber Israel. Dennoch beschließt die Führerschaft ihn zu töten, Kapitel 1, 1-3, 6. II.) Der verworfene Diener. Nach diesem Höhepunkt ist er der verworfene Diener. Er weist andere Diener im Dienst an, denn gleich darauf kommt seine Berufung der Apostel. Er ist treu bis in den Tod, also bis Kapitel 15, 47. Mit der Passion endet dieser Teil. III.) Die Erhöhung und Verherrlichung des Dieners, Kapitel 16. Das Evangelium des Dieners zeigt, wie Jesus Christus schließlich auf dem Thron Gottes sitzt, was ohne Parallele ist zu den anderen Evangelien.

Das Evangelium nach Lukas. Autor ist der Arzt Lukas, Kolosser 4, 14. Er hat Menschenkenntnis, Mitgefühl für die Kranken und Armen und das macht deutlich, warum gerade im Lukasevangelium so besonders viele Beschreibungen über Kranke und Arme, also solche, die am Rand der Gesellschaft waren, enthält. Er ist der einzige Bibelschreiber, von dem wir wissen, dass er kein Jude war. In Kolosser 14, 14 werden drei und drei Grüße weiter gegeben. Von der einen Dreiergruppe wird gesagt, dass sie aus der Beschneidung sind, das sind Juden. Und dann kommt noch mal eine Dreiergruppe, das sind demnach keine Juden, und da ist Lukas drin. Und es gibt auch eine frühchristliche Überlieferung, die das auch bestätigt. Also schon etwas ganz Besonderes, der einzige nichtjüdische Autor, oder einzige nichtisraelitische Autor eines Bibelbuches. Das erklärt auch, warum im Lukasevangelium die Gnade für alle Völker so wichtig ist. Und nur Lukas bringt das Geschlechtsregister, das bis auf Adam zurück geht, eben um zu zeigen, dass der Erlöser mit der ganzen Menschheit verwandt ist und nicht nur mit Israel. Lukas ist ein Historiker. In den ersten fünf Versen beschreibt er, wie er den verschiedenen Zeugnissen nachgegangen ist und wie ein Historiker die Quellen gesammelt und zusammengeführt hat. Und gerade diese Sorgfalt ist eine menschliche Garantie für eine glaubwürdige Überlieferung. Und gerade die moderne Archäologie hat Lukas als Historiker darstellen können in einer ganz umwerfenden Art und Weise. Zu diesem Thema gibt es gute Literatur. Besonders durch die Grabungen in Griechenland und der Türkei, hat man zeigen können, wie Lukas in der Apostelgeschichte in kleinsten Details so verblüffend exakt ist, menschlich gesehen, so dass man zum Urteil kommen musste, er steht als Historiker wirklich auf der höchsten Linie.

Einige charakteristische Merkmale. Begriffe wie Freude, sich freuen etc. kommen am häufigsten im Lukasevangelium vor. In Matthäus 13, in Markus 3, in Lukas 33 und in Johannes 20 Mal. Übrigens wird beim Friedensopfer im Alten Testament betont, dass man sich dort freuen muss, 5. Mose 27. Das ist das Evangelium der Freude, das Evangelium des Friedensopfers. Friede ist ein charakteristischer Begriff. Er kommt bei Matthäus 3, bei Markus 2, bei Lukas 14 und bei Johannes 6 Mal vor. Es geht hier eben um das Friedensopfer. Dann sind in diesem Evangelium die Wörter, Rettung, Heil, retten vorherrschend, auch Wörter wie Lob oder loben. Und das Friedensopfer konnte auch speziell als Lobopfer gebrachte werden. Gnade, Barmherzigkeit sind auch eindeutig charakteristische Begriffe hier. Es geht um die Gnade Gottes, die die Grenzen Israels sprengt. Gemeinschaft steht hier im Vordergrund, viele Besuche, persönliche Unterredungen. Und in Lukas 1, 78 heißt es, dass Gott die Menschen besucht hat, und auch in Lukas 7, 16. Gott kommt zu uns Menschen auf Besuch. Dieser Ausdruck ist einzigartig. Es geht hier um den abhängigen Menschen im Gebet. Ich habe hier alle 11 Stellen aus dem Lukasevangelium aufgeführt, wo der Herr Jesus betet.[1] Was ist der wahre Mensch. Der wahre Mensch ist der, der sich von Gott abhängig weiß. Und so hat der Herr Jesus uns das Beispiel gegeben. Kein Evangelium hat so viel über das Gebetsleben Jesu zu berichten.

Datum und Kanonizität. Lukas schrieb sein Evangelium vor der Apostelgeschichte. Das ist logisch, denn sie ist ja die Fortsetzung, wie wir gleich sehen werden. Und die Apostelgeschichte wurde 62 nach Christus geschrieben. Also wurde das Lukasevangelium noch vor 62 nach Christus geschrieben. In 1. Timotheus 5, 18 zitiert der Apostel Paulus Lukas 10 als die Schrift, die heilige Schrift. Dies Evangelium ist also bereits durch einen Apostel Jesu Christi voll anerkannt. Zur Grobstruktur: Es gibt eine Einführung, Verse 1-5. Und dann folgt der erste Teil, I. Das Kommen Jesu Christi. Jesus Christus kommt in diese Welt. Und dort, bei Lukas 9, 50, kommt es zu einer Wende. Dort sehen wir, wie der Herr Jesus nun sich festsetzt, nach Jerusalem zu gehen, um dort zu leiden und dann in die Herrlichkeit zu gehen. Also dort haben wir den Wendepunkt. Und so können wir sagen, der erste Teil zeigt das Kommen Jesu Christi und der zweite Teil, II. Das Weggehen Jesu Christi. Und alles weitere wird beschrieben als eine Reise des Herr Jesus, bis er nach Jerusalem hinaufgeht, dort leidet und schließlich aufersteht und dann ganz am Schluss in den Himmel auffährt.

Jetzt gehen wir noch zum Johannesevangelium. Der Autor ist Johannes, der Fischer, der in Matthäus 1, 24 sein Netz flickte, als der Herr Jesus ihn in die Nachfolge berief. Das Johannesevangelium wurde am Ende des 1. Jahrhunderts geschrieben, wie wir gleich sehen werden, als die Irrlehre der Gnostiker eine unwahrscheinliche Bedrohung für díe Christen war. Eine Irrlehre, die die Person Jesu Christi angriff, seine wahre Menschwerdung und auch seine Gottheit. Und Johannes muss die Gläubigen wieder zurückführen zu den Fundamenten des Glaubens. Er muss also das Netz flicken, kann man sagen, das kaputt geht. Er ist ein wirklicher Netzflicker. Und in Markus 3, 17 hat er zusammen mit seinem Bruder Jakobus den Beinamen Boanerges bekommen, Donnersöhne. Das war von Natur kein sanfter Mensch, sondern ein explosiver und er hat ja auch den Wunsch, einen besonderen Platz zu haben, Matthäus 20, 20-28. Das ist auch das Problem des Hochmuts. Aber Johannes ist es, der zum Beispiel in Johannes 3, so wunderbar über die Neugeburt schreibt. Die Neugeburt verändert einen Menschen von innen heraus gründlich und vollständig. Und darum kommt uns aus seinen Schriften nicht das Bild eines hochmütigen Explosiven entgegen, sondern das eines Menschen, der durch die Neugeburt wirklich ins Bild des Sohnes Gottes umgewandelt worden ist. Er war der Jünger, von dem es heißt: den Jesus liebte. Ich habe hier die Stellen aufgeführt aus dem Johannesevangelium. Er war der Jünger, der im Schoß Jesu lag beim letzten Passah. Übrigens, wie geht das, ein Erwachsener im Schoß Jesu? Also ich weiß, wie man kleine Kinder so auf den Schoß nimmt. Hier geht es um die Sitzordnung beim Abendmahl, beim letzten Passah. Man saß an einem Triklinum, das ist ein Tisch, der aus drei Teilen besteht und rund um diese Dreiteilung waren die Polster, worauf man lag beim Essen nach römischer Sitte. Und da konnte Johannes grad neben dem Herrn auf Platz 2 so auf dem Polster liegen, dass er, was sage ich ? auf Platz 1, der Herr war auf Platz 2, das war immer der Ehrenplatz. Auf Platz 1 konnte Johannes so liegen, dass er mit dem Kopf an die Brust des Herrn kam. Ganz natürlich. Er hatte also den Herzschlag des Herrn so erlebt und er schreibt über Jesus Christus, den Sohn Gottes, im Schoß des Vaters, Johannes 1, 18. Das drückt diese ewige Gemeinschaft der Liebe zwischen dem ewigen Vater und dem ewigen Sohn aus.



[1] Siehe: Überblick NT, Teil 2