Roger Liebi – Überblick über die 27 Bücher des NTs - Teil 6/9 – Rest Philemon, Hebräer, Titus, 1. und 2. Tim., Fragen

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Noch eine kleine Korrektur zum Römerbrief. Bei Zeit und Ort der Abfassung, Seite 9[1], da darf natürlich nicht Apostelgeschichte 19 stehen, sonst kommt die ganze Chronologie durcheinander. Also das war bei einem späteren Korinthbesuch, den man in Apostelgeschichte 20 einordnen muss.

Jetzt noch zur Grobstruktur des Philemonbriefes. Es ist ja nur ein Kapitel. I.) Begrüßung und Dank, Verse 1-7. II.) Fürsprache zugunsten des Osenimus, Verse 8-21. III.) Grußübermittlung und Segen, Verse 22-25.

Jetzt gehen wir zum Hebräerbrief. Jetzt haben wir dreizehn Paulusbriefe behandelt und es ist ja üblich, dass man dauernd so vorsichtig sagt: Der Schreiber des Hebräerbriefes. Und jetzt schreibe ich da einfach Paulus bei Autor. Ja es ist so, der Hebräerbrief richtet sich ja nicht ausdrücklich an eine Gemeinde. Es muss irgendwie ein Rundschreiben sein und zwar an Juden, eben an Hebräer. Sonst sind die Paulusbriefe an bestimmte Einzelpersonen oder an bestimmte Gemeinden gerichtet; hier im Hebräerbrief wird solches nicht gesagt. Aber es richtet sich an Juden. Und nun, in 2. Petrus 3, 15 schreibt der alte Petrus kurz vor seinem Märtyrertod im Jahr 66/67 nach Christus: „Und achtet die Langmut unseres Herrn für Errettung, so wie auch unser geliebter Bruder Paulus nach der ihm gegebenen Weisheit euch geschrieben hat, wie auch in allen seinen Briefen, wenn er in denselben von diesen Dingen redet, von denen etliche schwer zu verstehen sind, welche die Unwissenden und Unbefestigten verdrehen, wie auch die übrigen Schriften, zu ihrem eigenen Verderben.“ An wen schrieb Petrus seine beiden Briefe? Das kommt nächstes Mal, aber das nehme ich vorweg. Sie sind gerichtet an Juden in der Zerstreuung, die in verschiedenen Provinzen der heutigen Türkei lebten. 1. Petrus 1, 1 macht das deutlich. Es ist also ein Rundschreiben an Juden. Der zweite Brief wurde an die gleichen Leute geschrieben, 2. Petrus 3, 1. Und nun sagt er: wie auch unser Bruder Paulus euch geschrieben hat.

Welcher Brief des Paulus richtet sich an Juden und zwar überörtlich? Es gibt keinen. Ja gut, es könnte ja ein Brief sein, der nicht in den Kanon aufgenommen wurde. Aber dieser Brief soll zum Kanon gehören, denn Petrus sagt: wie auch die übrigen Schriften. Also gehörten diese Briefe, die er da erwähnt, zu den Schriften. Es muss ein kanonischer Brief sein und es gibt keinen anderen, als den Hebräerbrief, der passen würde. Und dann kommt noch dazu, dass Petrus sagt: Achtet die Langmut unseres Herrn für Errettung. Das ist doch genau das Thema des Hebräerbriefes. Dort heißt es doch dauernd: Heute, wenn ihr seine Stimme hört, verhärtet eure Herzen nicht. Und das wird immer wieder wie ein Refrain wiederholt. Achtet die Langmut des Herrn als Gelegenheit, um noch errettet zu werden. Das ist auch genau das Thema hier. Und dann sagt er noch: Wie unser geliebter Paulus euch nach der ihm gegebenen Weisheit geschrieben hat. Gut, die Weisheit des Paulus finden wir in allen Briefen, aber gerade im Hebräerbrief ist das ein besonderes Kennzeichen, die Weisheit alttestamentlicher Schrifterkenntnis. Also der 2. Petrusbrief verrät uns den Autor des Hebräerbriefes. Schön oder, wie die Bücher des Neuen Testaments sich gegenseitig zitieren und wie der Apostel der Beschneidung den Apostel der Vorhaut als kanonisch bestätigt. Da haben wir schon die 14 Paulusbriefe beieinander.

Also die Adressaten sind Juden in Israel und in der Zerstreuung. Zeit und Ort der Abfassung: 62 nach Christus, erste Gefangenschaft in Rom. Der Brief kommt nämlich aus Italien, das passt doch wieder. Hebräer 13, 23-24: „Wisset, dass unser Bruder Timotheus freigelassen ist, mit welchem, wenn er bald kommt, ich euch sehen werde. Grüßet alle eure Führer und alle Heiligen. Es grüßen euch die von Italien.“ Das können wir ganz schön einordnen. Paulus in Italien und auch Timotheus werden frei und so kann er mit ihm wieder herumreisen. Da haben wir wieder so ein Zeugnis dafür, dass es eine erste Gefangenschaft gab, aus der Paulus wieder freigelassen wurde, 62 nach Christus.

Die Grobstruktur ist eine Dreiteilung. Kapitel 1-7 zeigen die Erhabenheit des Messias. Die Kapitel 8, 1-10, 18 zeigen die Erhabenheit des messianischen Bundes. Und die Kapitel 10, 19-13, 25 die Erhabenheit des messianischen Glaubensweges. Und da kommt dann Kapitel 11 drin vor, über den Weg der Glaubenshelden und der Weg, Hinschauend auf Jesus, so zum Ziel hin gehen. Die Detailstruktur können wir auf dem Blatt selber durchlesen.[2] Also es geht um die Erhabenheit der Person des Messias, die Erhabenheit seines Werkes und dann die Erhabenheit des Weges des Glaubens hinter ihm her.

Nun haben wir weitere Paulusbriefe, nach der ersten Gefangenschaft in Rom. Nach der Freilassung ist Paulus, wie wir aus außerbiblischen Zeugnissen ersehen können, wohl nach Spanien gereist. Das war ja sein Wunsch, den er schon in Römer 16, 24 Jahre zuvor geäußert hatte. Und es gibt eine frühchristliche Überlieferung, die davon spricht, dass er also bis an das äußerste Ende des Westens gegangen sei. Dann ging er offensichtlich nach Kreta, denn in Titus 1, 5 sagt er zu Titus: „Deswegen ließ ich dich in Kreta, dass du, was noch mangelte, in Ordnung bringen und in jeder Stadt Älteste anstellen möchtest, wie ich dir geboten hatte.“ Und dann kommen die Kriterien für einen Ältesten. Ja, diesen Kretabesuch können wir in der Apostelgeschichte nicht einordnen und diesen Befehl an Titus. Das muss also offensichtlich nachher gewesen sein. Weiter ging er dann nach Nikopolis, eine Stadt auf einer griechischen Insel. In Titus 3, 12 sagt er: „Wenn ich Artemas oder Tychikus zu dir senden werde, so befleißige dich, zu mir nach Nikopolis zu kommen, denn ich habe beschlossen, daselbst zu überwintern.“ Das finden wir in der Apostelgeschichte nicht, in den vier Missionsreisen, diese Überwinterung in Nikopolis. Und er muss auch nach Mazedonien gereist sein, denn in 1. Timotheus 1, 3 liest man: „So wie ich dich bat, als ich nach Mazedonien reiste, in Ephesus zu bleiben, auf dass du etlichen gebötest, nicht andere Lehren zu lehren, noch mit Fabeln und endlosen Geschlechtsregistern sich abzugeben, die mehr Streitfragen hervorbringen, als die Verwaltung Gottes fördern, die im Glauben ist ....“ Das müssen wir auch in die Zeit der ersten Gefangenschaft ansiedeln.

Und der letzte Brief des Paulus ist der zweite Timotheusbrief, wie wir sehen werden, den er aus der Todeszelle in Rom geschrieben hat. Und dort sagt er in 2. Timotheus 4, 13: „Den Mantel, den ich in Troas bei Karpus zurückließ, bringe mit, wenn du kommst, und die Bücher, besonders die Pergamente.“ Also, jedenfalls ist Paulus nach Troas gekommen und dort hat er seinen Mantel und viele Bücher gelassen. Das könnte der Ort gewesen sein, wo er verhaftet worden ist. Und nun bittet er Timotheus den Mantel zu bringen, weil der Winter in Rom vor der Tür stand. Er sagt ihm ja, er solle bitte noch vor dem Winter kommen, darum brauchte er den Mantel, um in der kalten Zelle in Rom besser ausharren zu können. Und dann noch Bücher lesen. Jetzt weiß man, er lebt doch jetzt nicht mehr lange. Er braucht doch jetzt keine Bücher, da muss man doch keine Bücher mehr lesen. Es gibt ja andere, die denken, ich lebe noch lange, aber ich lese keine Bücher. Das zeigt uns den Wert. Und das waren nicht irgendwelche Bücher, also keine Romane, und die Pergamente waren ja sowieso die ganz wertvollen Schriftrollen. Also insbesondere war es ein Bibellesen in der Todeszelle.

Ja, das hilft uns, den Titusbrief einzuordnen, geschrieben an Titus, der in Kreta war. Zeit und Abfassungsort, ca. 65 nach Christus. Wir müssen den ja jetzt einordnen zwischen der ersten und der zweiten Gefangenschaft. Geschrieben wurde dieser Brief in Nikopolis. Die Grobstruktur ist ganz einfach. I. Lehre über den Ältestendienst, Kapitel 1. II. Lehre über das Verhalten in verschiedenen Positionen, Kapitel 2. Es wird dort über ältere Männer und Frauen gesprochen, über junge Männer und Frauen und über Herren und Knechte. Es wird erklärt, wie ein christliches Verhalten in allen möglichen Altersklassen und Positionen genau aussieht. Sehr praktisch. III. Lehre über das Verhalten gegenüber Staat und Gesellschaft, Kapitel 3. Also wie verbindlich es ist, was der Staat uns sagt. Das betrifft viele praktische Bereiche unseres Lebens.

Der 1. Timotheusbrief wurde an Timotheus geschrieben, der in Ephesus war. Zeit und Ort: ungefähr 65 nach Christus. Wir müssen ihn noch vor dem zweiten Brief einordnen. Er wurde in Mazedonien geschrieben. Er ist ja abgereist nach Mazedonien, 1. Timotheus 1, 3. Die Grobstruktur. I. In Kapitel 1 geht es um die gesunde Lehre. Er soll aufpassen und sich gegen all das Üble zur Wehr setzen, was in die Gemeinde hineingebracht werden will. Gesunde Lehre ist natürlich ein Gegensatz zur Irrlehre, aber es ist auch ein Gegensatz zu kranker Lehre. Es gibt nämlich manche Lehren, da hätten wir Probleme, sie als Irrlehre zu bezeichnen, aber sie sind trotzdem so leicht daneben. Aber kranke Lehre macht auch die Leute und das Glaubensleben krank. Und genau daran erkennt man sie nämlich auch. Das bringt Schäden in die Gemeinde hinein. Darum ist die gesunde Lehre ganz wichtig. II. Gebet und Gott wohlgefälliges Verhalten, Kapitel 2. III. In Kapitel 3 geht um Älteste und Diakone, welches ihre Qualifikationen und Kennzeichen sind, Kapitel 3. IV. Die Umsetzung der gesunden Lehre im täglichen Leben, Kapitel 4-6. Wir sehen, wie Lehre und Leben einfach unzertrennlich verknüpft sind.

Und nun geht es weiter während der zweiten Gefangenschaft in Rom. Der 2. Timotheusbrief ist adressiert an Timotheus, der damals offensichtlich in Ephesus war. Es ist noch interessant, es gibt Handschriften, die manchmal noch am Schluss Bemerkungen machen darüber, wo zum Beispiel der Adressat gerade war. Also die gehören nicht zur Bibel, aber es sind doch sehr alte frühchristliche Überlieferungen, die eben dabei helfen, die Dinge richtig einordnen zu können. Und gerade beim 2. Timotheusbrief hat man auch solch eine Nachschrift, so habe ich es in Erinnerung, die sagt, dass Timotheus in Ephesus war. Zeit und Abfassungsort ist 66/67 nach Christus im Gefängnis zu Rom, kurz vor dem Märtyrertod. Ich lese 2. Timotheus 1, 16-18: „Der Herr gebe dem Hause des Onesiphorus Barmherzigkeit, denn er hat mich oft erquickt und sich meiner Kette nicht geschämt; sondern als er in Rom war, suchte er mich fleißig auf und fand mich. Der Herr gebe ihm, dass er von Seiten des Herrn Barmherzigkeit finde an jenem Tage! Und wie viel er in Ephesus diente, weißt du am besten.“ Also da sehen wir Paulus in Rom und wie er sich da noch erinnert an diese spezielle Person, die ihn da in Rom gesucht und auch gefunden hatte. In Kapitel 4 sagt Paulus zuerst in Vers 5: „Du aber sei nüchtern in allem, leide Trübsal, tue das Werk eines Evangelisten, vollführe deinen Dienst.“ Also bringe es zum Abschluss. Und dann Vers 6: „Denn ich werde schon als Trankopfer gesprengt, und die Zeit meines Abscheidens ist vorhanden.“

Nicht wahr, wenn das Opfer am Ende war, auf dem Brandopferaltar in Jerusalem, hat man dann noch einen Krug genommen mit Wein und hat ihn in der Ecke des Altars in ein Gefäß hineingeleert. Das war das Trankopfer, das gewissermaßen das Opfer abschloss. Das Ausleeren des Weines war symbolisch das, was man in Jesaja 53 liest von dem Messias: Er hat seine Seele ausgeschüttet in den Tod. Und Paulus sagt: Ich werde schon als Trankopfer gesprengt. Also sehr feierlich, was er da sagt. Vers 7-8: „Ich habe den guten Kampf gekämpft, ich habe den Lauf vollendet, ich habe den Glauben bewahrt; fortan liegt mir bereit die Krone der Gerechtigkeit, welche der Herr, der gerechte Richter, mir zur Vergeltung geben wird an jenem Tage; nicht allein aber mir, sondern auch allen, die seine Erscheinung lieben.“ Also da sehen wir wirklich, dass Paulus weiß: Ich habe nun alles vollbracht in meinem Leben, was ich tun musste. Wenn ich jetzt sterbe, ist das kein ein Zufall. Es ist nicht, weil ein furchtbarer Diktator an der Macht ist, Nero, sondern es ist Gottes Plan.

Aber tragisch, das habe ich schon letztes Mal gesagt, er sah gleichzeitig, wie sein Werk in der Provinz Ephesus, so groß wie die Schweiz, zusammenbrach. In Kapitel 1, Vers 15, sagt er: „Du weißt dieses, dass alle, die in Asien sind, sich von mir abgewandt haben, unter welchen Phygelus ist und Hermogenes.“ Also dort wo er besonders viel gearbeitet hat, verglichen mit allen anderen Missionsorten, hat man Paulus aufgegeben. Das kennen wir auch. Die Leute, die Leute, die einen Paulus aufgeben, die gibt es auch heute. Also so sah er gewissermaßen sein Lebenswerk zerbröckeln und trotzdem wusste er, jetzt ist der Zielpunkt erreicht und die Belohnung steht bevor. Und das Eindrückliche ist, unter diesem feierlichen Aspekt ist die Tatsache zu sehen, dass wir hier einen Endzeitbrief haben. Kapitel 3, 1: „Dieses aber wisse, dass in den letzten Tagen schwere Zeiten da sein werden; denn die Menschen werden eigenliebig sein, geldliebend, prahlerisch, hochmütig, Lästerer, den Eltern ungehorsam, undankbar, heillos, ohne natürliche Liebe, unversöhnlich, Verleumder, unenthaltsam, grausam, das Gute nicht liebend, Verräter, verwegen, aufgeblasen, mehr das Vergnügen liebend als Gott, die eine Form der Gottseligkeit haben, deren Kraft aber verleugnen; und von diesen wende dich weg.“ Also er schreibt über die letzten Tage, über schwere Zeiten. Der Ausdruck schwer hier im Text, chalepos im griechischen Text, kann übersetzt werden mit: schwer, schwer  zu behandeln, schwierig, schwer zu ertragen, schmerzhaft, schmerzlich, rauh, wütend.[3] Zum Bespiel in Matthäus 8, wo die besessenen Gardarener nackt aus den Grüften kamen, da heißt es: sie kamen wütend heraus, chalepos. Das kommt nur an diesen Stellen vor. Das drückt gut die Wut der Dämonen aus.

Also die letzte Zeit ist eine rauhe, winterliche Zeit. Und Paulus sah zu seiner Zeit schon voraus, wie alles zerbröckelt. Und das war gewissermaßen wie ein Vorgeschmack für das Zerbröckeln am Ende der Zeit. Und denken wir daran, die letzten Tage, das ist in der Bibel immer die Zeit, in der das jüdische Volk aus seiner weltweiten Zerstreuung zurückkehrt ins Land der Väter. Darum ist der Brief so aktuell. Und dann wird erklärt, wie man sich in solch einer Zeit als Gläubiger bewähren soll. Und da werden dreißig Befehle durchgegeben, wie man sich verhalten soll. Und schauen wir noch in Kapitel 4, Vers 20. Dort sagt er: „Trophimus aber habe ich in Milet krank zurückgelassen. Befleißige dich, vor dem Winter zu kommen.“ Also Paulus sah vor sich die kalte, rauhe Zeit und bereitet sich darauf vor. Und so ist der 2. Timotheusbrief eigentlich ein Vorbereitungsbrief für die kalte, rauhe Endzeit, in der man bestehen soll. Es haben sich doch schon manche gefragt in Zusammenhang mit der Inspiration der Bibel: Also wenn die Bibel inspiriert ist, warum kommen dann Sätze vor wie: „Den Mantel, den ich in Troas bei Karpus zurückließ, bringe mit, wenn du kommst, und die Bücher, besonders die Pergamente.“ Ja müssen wir wissen, dass er da den Mantel vergessen hat und dass er ihn jetzt braucht? Ja, so wird gefragt. Aber das hat alles seine Bedeutung. Also er wollte sich für die bevorstehende kalte Zeit anziehen.

Und was sagt das Neue Testament immer wieder? In Römer 13, 11-14 heißt es: „Und dieses noch, da wir die Zeit erkennen, dass die Stunde schon da ist, dass wir aus dem Schlaf aufwachen sollen; denn jetzt ist unsere Errettung näher, als da wir geglaubt haben: Die Nacht ist weit vorgerückt, und der Tag ist nahe. Lasst uns nun die Werke der Finsternis ablegen und die Waffen des Lichts anziehen. Lasst uns anständig wandeln wie am Tage; nicht in Schwelgereien und Trinkgelagen, nicht in Unzucht und Ausschweifungen, nicht in Streit und Neid; sondern ziehet den Herrn Jesus Christus an, und treibet nicht Vorsorge für das Fleisch zur Erfüllung seiner Lüste.“ Zieht den Herrn Jesus Christus an. Das ist so wichtig, dass wir eine ganz persönliche Beziehung zu dem Herrn pflegen, tagtäglich, und zwar so, dass uns dabei warm wird. Wir müssen ja auch unser Wissen, das wir in der Schule sammeln, umsetzen und praktisch verwerten, wenn wir einen Nutzen daraus haben wollen. Aber wir müssen sehen, dass es in unserem Glaubensleben unser Wissen nicht allein Werkzeug bleibt, sondern dass dabei unsere innerlichen Gefühle der Verbundenheit mit dem Herrn aufgewärmt werden. Also wenn wirklich dabei eine innere Freude erleben, dann können wir sicher sein, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Und wenn froh darüber sind, wie viel Wissen wir erworben haben, dann sind wir auf dem falschen Weg. Also das ist der Mantel, und dann sagt er im gleichen Satz: und die Bücher, besonders die Pergamente. Also Mantel und Bücher, das brauchen wir für die Endzeit. Die Heilige Schrift und diese engste Verbindung mit dem Sohn Gottes, wie eben ein Mantel einem ganz nah ist, wenn man ihn trägt.

Ja, ich bin schneller als sonst. Aber so haben wir jetzt noch Zeit für Fragen. Teilnehmer: Ich habe eine Frage zu dem Matthäus. Ich bin da grad drüber gestolpert. Im Markusevangelium heißt es bei der Berufung von Levi, dem Zöllner, der Levi, der Sohn des Alphäus. Und dann in Kapitel 3, wo es um die Berufung der zwölf Apostel geht, wird Jakobus genannt, der Sohn des Alphäus. Sind das jetzt Brüder, weiß man das von irgendwoher? Da wird ja auch der Matthäus genannt. Liebi: Also, dass Väter gleich heißen können, das ist nicht so ungewöhnlich. Es gab damals in der Gesellschaft durchaus Namen die häufiger vorkamen, als andere. Es gibt sogar gewisse Statistiken darüber. Also wenn der Vater gleich heißt, ist das noch kein Beweis dafür, dass es Brüder waren. Und wenn es Brüder gewesen wären, könnte man ja davon ausgehen, dass gerade hier im Text, wo ja beide erwähnt werden, dies gesagt worden wäre. Grad hier in Markus 3 werden diese Namen nicht so in Beziehung zueinander gesetzt, dass man erkennen könnte, dass diese Brüder sind. Dagegen wird das bei Johannes und Jakobus sehr deutlich gemacht, dass es Brüder sind. Teilnehmer: Ich bin ja nur darüber gestolpert, dass zweimal kurz hintereinander vom Sohn des Alphäus gesprochen wird. Liebi: Ja, aber an zwei verschiedenen Stellen, oder? Teilnehmer: Ja, einmal Kapitel 2, Vers 14 und dann in Kapitel 3, Vers 18. Liebi: Ja, aber zum Beispiel Matthäus 10, 3 wird auch gesagt: Thomas und Matthäus, der Zöllner, Jakobus, der Sohn des Alphäus. Ja, da wird das doch auch abgesetzt voneinander. Das würde doch vermerkt werden, wenn die aus einer Linie kommen würden. Aber so wie es geschrieben ist, kann man es als Hinweis sehen, dass es eher keine Brüder waren.

Teilnehmer: Was heißt eigentlich Kanon genau? Liebi: Kanon heißt Mess-Schnur. Damit sind die Bücher gemeint, die der göttlichen Mess-Schnur entsprechen. Das sind die Bücher, die zur Heiligen Schrift gehören. Also die Kanonizität ist somit die Zugehörigkeit eines Buches zum Kanon, will sagen zur Heiligen Schrift.

Teilnehmer: Kannst du uns noch was zu den Kriterien sagen? Ich hab mal gehört, dass es da besondere Kriterien gab für die Kanonizität. Liebi: Also fürs Neue Testament, das habe ich ja am ersten Abend erklärt, galt, es musste von einem der zwölf Apostel Jesu Christi geschrieben sein oder von Paulus, die direkt vom Herrn Autorität bekommen haben, oder von einem Propheten, der von den Aposteln anerkannt war, weil aufgrund von Epheser 2, 20 die Gemeinde auf der Grundlage der Apostel und Propheten gegründet ist. Und im Alten Testament ist es so, dass Mose durch die Zeichen und Wunder in Ägypten und am Sinai als Prophet Gottes bestätigt wurde. Und darum empfing man die fünf Bücher Mose direkt von Gott. Und die späteren Propheten wurden immer an den fünf Büchern Mose geprüft. Wenn ein Prophet von den fünf Büchern Mose abwich, war er als falscher Prophet entlarvt. Und ebenso wenn er für die nahe Zukunft etwas voraussagte und dies nicht eintraf. In 5. Mose 13 und 18 werden diese Grundsätze gezeigt. Und so wurden also die echten Propheten erkannt, aufgrund ihrer zutreffenden Voraussage und ihrer völligen Übereinstimmung mit dem Gesetz Mose.

Weitere Fragen? Teilnehmer: In Judas, Vers 9, steht: „Michael aber, der Erzengel, als er, mit dem Teufel streitend, Wortwechsel hatte um den Leib Moses', wagte nicht ein lästerndes Urteil über ihn zu fällen, sondern sprach: Der Herr schelte dich!“ Woher kommt dieser Gedanke, dass der Teufel um den Leib Mose stritt? Liebi: Also es gibt ein pseudepigraphisches Buch, in dem dieses Ereignis erwähnt wird. Ein pseudepigraphisches Buch ist ein Buch, das unter falschem Namen verfasst wurde in alttestamentlicher Zeit. Zum Beispiel das Buch Henoch, das unter dem Namen von Henoch geschrieben wurde, aber es war nicht von Henoch. Pseudo heißt gelogen. Pseudepigraphisch heißt ein Buch mit einem gelogenen Namen. Davon gab es eine ganze Reihe und aus der Überlieferung wissen wir, dass das in einem solchen Buch vorkam, nämlich in der Himmelfahrt des Jesaja. Aber in Judas wird nicht gesagt, wie geschrieben steht in der Schrift. Also hier wird nicht ein gefälschtes Buch zitiert, sondern diese Geschichte einfach kurz erwähnt. Es gab eben Dinge, die geschehen sind, und in der jüdischen Tradition mündlich weiter gegeben wurden, mündlich, aber auch aufgeschrieben. Das heißt aber nun nicht, dass Judas hier diese gefälschte Schrift im Auge hatte. Diese Sache war im Judentum jedenfalls bekannt und ganz korrekt. Das Gleiche haben wir auch später in diesem Brief mit Henoch, Vers 14: „Es hat aber auch Henoch, der siebte von Adam, von diesen geweissagt und gesagt: «Siehe, der Herr ist gekommen inmitten seiner heiligen Tausende, Gericht auszuführen wider alle und völlig zu überführen alle ihre Gottlosen von allen ihren Werken der Gottlosigkeit, die sie gottlos verübt haben, und von all den harten Worten, welche gottlose Sünder wider ihn geredet haben».“ Und dieses Zitat finden wir in einem gefälschten Buch, im Buch Henoch. Das kommt dort vor. Und da hat man gesagt: Seht ihr, Judas zitiert ein pseudepigraphisches Werk, das Buch Henoch. Stimmt es, dass er das zitiert? Er sagt überhaupt nicht: wie im Buch Henoch geschrieben steht. Und er sagt auch nicht: Wie die Schrift sagt. Sondern er sagt nur: Henoch hat das geweissagt.

Und wir finden diese Prophetie nirgends im Alten Testament. Henoch kommt ja vor in 1. Mose 5. Woher hat er es? Das war auch etwas, das überliefert wurde, neben der Bibel her. Und so war es natürlich möglich, dass der Schreiber des gefälschten Buches Henoch, auch diese richtige Überlieferung in sein Buch einbaute. Nun, manchmal wird gesagt, Judas hat dieses Buch zitiert, aber er zitiert es ja nicht als Heilige Schrift, sondern einfach weil das richtig war. Das wäre ja theoretisch eine Möglichkeit. Aber er zitiert es offensichtlich nicht, denn der Wortlaut ist nicht so wie im Buch Henoch. Im Buch Henoch ist eine ganz falsche Lehre drin, dort heißt es nämlich: „Siehe, der Herr ist gekommen inmitten seiner heiligen Tausenden, um sie zu richten.“ Das steht hier nicht. Das Gericht geht nur über die Gottlosen. Und im Buch Henoch steht: um sie zu richten. Das ist eine falsche Lehre. Der Herr wird nie kommen mit den Gläubigen und sie dann richten. Und da sehen wir, das ist gar nicht das Zitat aus dem Buch Henoch. Das äthiopische Buch Henoch, das wir heute kennen. Also wir können gut davon ausgehen, dass das im Judentum bekannt war und Judas hat das übernommen. Aber gar nicht unbedingt aus dieser falschen Quelle. Und so gibt es noch mehr Dinge im Neuen Testament, die erwähnt werden, ohne dass man sie im Alten Testament finden würde. In 2. Timotheus 3 zum Beispiel werden die Namen der Zauberer in Ägypten zur Zeit Mose genannt, Jannes und Jambres. Das steht nirgends im 2. Buch Mose, aber in der aramäischen Übersetzung im Judentum, im Targum zu 2. Mose 7, kommen diese Namen sehr wohl vor. Also das war eine richtige Überlieferung, die Paulus benutzt hat, aber das heißt nicht, dass das Targum zu 2. Mose von Gott inspiriert war. Aber das, was Judas geschrieben hat und das, was Paulus geschrieben hat, das ist inspiriert. Und so gibt es keine Stelle, die uns in irgendeiner Weise Bauchschmerzen bereiten müssen.



[1] Skript: Überblick NT, Teil 2

[2] Skript: Überblick NT, Teil 2

[3] oder bösartig, schlimm