Theo Lehmann – Jugendgottesdienst Nr. 52
Abschrift der Predigt vom 8. April 1979 über 1. Mose 1,27 (Gott schuf den Menschen Ihm zum Bilde). Anmerkung des Erstellers der Abschrift: Die Predigt enthält – vor dem Hintergrund der damaligen politischen Situation in der DDR – ausgesprochen mutige Äußerungen über das Verhältnis zwischen Marxismus und Christentum.
Liebe Freunde, ein alter Herr beschließt, seine Kinder zu besuchen. Er zieht sich an, er steigt in die Straßenbahn und als er an der Zentralhaltestelle aussteigt, da weiß er nicht mehr, wo er eigentlich hin wollte. Totale Mattscheibe. Er steht eine Weile ratlos rum, und schließlich fällt ihm wenigstens ein, wo er herkommt. Er geht also in die nächste Telefonkabine und ruft die zuhause an und fragt, wo er denn eigentlich hin möchte. Solche Dinge kommen vor, wenn der Mensch alt wird. Und da konnte der alte Herr noch von Glück reden, dass er sich wenigstens erinnern konnte, wo er herkam. Es ist durchaus möglich, dass er eines Tages auch noch das vergisst. Oder überhaupt nicht mehr weiß, wer er eigentlich ist. Altersverkalkung nennt man das. Wir brauchen gar nicht darüber zu lachen. Erstens wisst ihr ja gar nicht, was euch in dieser Hinsicht im Alter blüht. Falls ihr überhaupt alt werdet. Manchen von euch müsste man ja wünschen, dass sie wenigstens so alt werden, wie sie jetzt schon aussehen.
Ein frühes Grab dem Bürger winkt, der Karo[1] raucht und Wodka trinkt! Und zweitens Mal: wisst ihr denn eigentlich so genau, woher ihr denn kommt? Wisst ihr so genau, wohin ihr geht? Könnt ihr genau sagen, wer ihr seid? Über diese drei Grundfragen des Menschseins: woher, wohin, was ist der Mensch – da herrscht heute eine große Unsicherheit.
Drei Männer verursachen Desorientierung. Der Mensch: Krone der Schöpfung oder Schwein?
Der Mensch im stattlichen Alter von vielen Millionen Jahren hat die Orientierung verloren. Die große Unsicherheit entstand besonders durch drei Männer.
Der erste hieß Kopernikus. Der behauptete, die Erde ist nicht der Mittelpunkt der Welt, sondern ein erkalteter Planet. Dieser wird im Universum geführt unter „ferner liefen“, und der Mensch ist weiter nichts als ein Stäubchen auf einem Staubkorn. Damit wurde der Mensch zu einem bedeutungslosen Wesen.
Der zweite Hammer war Darwin. Der behauptete, die Vorfahren des Menschen waren Tiere. Damit wurde der Mensch zu einem würdelosen Wesen.
Und der dritte Hammer war Sigmund Freud. Der behauptete, der Mensch hat keinen freien Willen, sondern er wird von unbewussten Trieben gesteuert. Damit wurde der Mensch zu einem verant-wortungslosen Wesen.
Im Besitz dieser drei gewaltigen Erkenntnisse, da hat er sich dann erst einmal so richtig ausgetobt, der Mensch, in zwei Weltkriegen, und hat unvorstellbare, unbegreifliche Verbrechen begangen. Der ganze Ekel über die Unmenschlichkeit des Menschen liegt in dem Wort von Gottfried Benn[2]: „die Krone der Schöpfung: der Mensch – das Schwein“.
Heutzutage werden in der Welt in jeder Minute eine Milliarde Dollar ausgegeben für Waffenproduktion. In jeder Minute eine Milliarde Dollar! Über die Hälfte aller Wissenschaftler auf dieser Erde arbeiten für die Rüstungsindustrie. Die Frage wird immer dringlicher, was ist denn der Mensch? Ist er die Krone der Schöpfung oder Schwein. Gleicht der Mensch einem Gott oder gleicht er einem Tier.
Es geht ums heute so, wie dem alten Mann, der hilflos an der Haltestelle steht, zwischen lauter ankommenden und abfahrenden Zügen, und nicht mehr weiß, wo es lang geht. Wir stehen alle mitten zwischen Linien, die aus der Geschichte irgendwo herkommen und irgendwo hinführen. An der einen Linie steht A wie Aberglaube, an der nächsten steht B wie Buddhismus an der nächsten C wie Christentum, an der nächsten M wie M&L[3], an der nächsten W wie Wissenschaft und so weiter und so fort.
Die Kabine, in der die Grundfragen des Menschen beantwortet werden.
Wir stehen da und fragen uns: Wissen die wirklich alle so genau, wo es lang geht? Für wen sollen wir uns entscheiden? In diesem Dilemma wünschen wir uns, dass es, genau wie an der zentralen Haltestelle, eine Telefonkabine gebe. Wo wir reingehen und mal fragen können, woher wir kommen und wohin wir gehen. Wer wir sind.
Liebe Freunde, seit einer Stunde befinden wir uns in dieser Kabine drin. Wir haben das Buch aufgeschlagen und wir hören die Antwort, die auf der Postkarte steht, die ihr alle bekommen habt, und die die Jahreslosung für dieses Jahr ist. Erstes Buch Mose Kapitel eins, Vers 27: Gott schuf den Menschen nach seinem Bilde.
Freunde, in diesem Satz steht die Antwort drin auf die drei Grundfragen des Menschen, nämlich: woher, wohin, was ist der Mensch?
Eine Umkehrung von 1. Mose 1,27 mit fatalen Folgen.
Ihr alle kennt diesen Satz in seiner umgekehrten Form. Nämlich: der Mensch schuf Gott nach seinem Bilde. Das ist die Grundthese der marxistischen Religionsphilosophie und des Atheismus. Und diese These hat der Marxismus und Atheismus von Ludwig Feuerbach[4] übernommen.
Und über diesen Menschen habe ich ein Vierteljahr meines Lebens nachgedacht, als ich meine Examensarbeit über den geschrieben habe. Feuerbach hat behauptet, Gott gibt es gar nicht. Gott ist nur ein Fantasieprodukt des Menschen. Etwas, was sich der Mensch aus seinen Vorstellungen zurechtgebastelt hat. Und daher Feuerbachs Grundthese: der Mensch schuf Gott nach seinem Bilde. Und das ist auch der Satz, den Feuerbach auf seinen eigenen Grabstein[5] meißeln ließ. Der Mensch schuf Gott nach seinem Bilde.
Feuerbach hat also ein Wort Gottes, ein Wort der Bibel umgedreht. Nun heißt in der Bibel derjenige, der Gott das Wort im Mund rumdreht, der es verdreht, der das Wort Gottes ins Gegenteil verdreht, der heißt in der Bibel der „Durcheinanderbringer“, auf Griechisch der Diabolos. Auf Deutsch: der Teufel. Und wenn Feuerbach das Wort Gottes ins Gegenteil verkehrt, dann können wir das nicht als einen harmlosen Philosophen-Gag betrachten, sondern es ist eine Lästerung des Heiligen Geistes, durch dessen Inspiration die Bibel geschrieben worden ist.
Kein Christ kann Marxist sein[6].
Und wenn der Marxismus-Leninismus diese Bibelverdrehung auf seine Fahnen geschrieben hat, ist das der Grund, warum wir als Christen keine Marxisten sein können.
Die Bibel sagt: Gott schuf den Menschen nach seinem Bilde. Der Marxismus sagt: der Mensch schuf Gott nach seinem Bilde. Einen schärferen Gegensatz gibt es nicht! Klarer kann man den Unterschied zwischen Christentum und Marxismus überhaupt nicht formulieren.
Und es dürfte wohl auch dem harmlosesten Gemüte klar sein, dass es an dieser Stelle keine ideologische Koexistenz gibt. Dankenswerterweise lehnt auch der Marxismus eine ideologische Koexistenz ab. In diesem Punkt sind wir, Christen und Marxisten, uns absolut einig.
Der Mensch schuf Gott. Das ist die größte Herausforderung, die der Marxismus uns zu bieten hat. Denn damit wird die Unabhängigkeit des Menschen behauptet. Gott schuf den Menschen, das ist die größte Herausforderung, die wir Christen den Marxisten zu bieten haben. Überhaupt der ganzen Welt.
Dein Leben hat Sinn, weil es von Gott gegeben und gewollt ist.
Gott schuf den Menschen. Das heißt, dass du lebst, und wie lange du lebst, das hängt nicht von dir ab. Es hängt ab von Gott. Ihm verdankst du dein Leben schon im rein biologischen Sinne. Es gibt Menschen, die von ihren Eltern gar nicht gewollt sind. Die sind schon vor ihrer Geburt als Störenfriede nicht willkommen. Solche ungewollten und ungeliebten Kinder, die haben es schwer im Leben. Und solche gibt es massenweise auf unserer Erde. Es kann überhaupt keiner von uns mit völliger Sicherheit sagen, dass seine Eltern ihn wirklich gewollt haben. Aber hier in der Bibel, da wird uns gesagt, dass Gott uns wollte. Leute, wir sind Gottes Wunschkinder! Gott will, dass es dich und mich gibt. Ich und du, wir sind erwünscht. Wir sind da, weil Gott uns wollte. Vielleicht sitzt oder steht einer unter euch, der am liebsten gar nicht geboren wäre, den sein Leben so ankotzt, dass er es am liebsten wegwerfen möchte, dass er es sinnlos findet. Ich möchte dich erinnern an das Lied, dass wir vorhin gesungen haben. Wenn du denkst, dein Leben hat keinen Sinn, ist das einfach nicht wahr, mein Lieber. Gott hat dir es gegeben. Deshalb, das ist der Grund, hat es auch Sinn!
Der Mensch ist Gottes Ebenbild. Die Rolle des Spiegels.
Von diesem Sinn redet nun der zweite Teil dieses Bibelverses. Bis jetzt habe ich geredet über die Worte: Gott schuf den Menschen. Jetzt will ich reden über die Worte: Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde. Ich vermute, du hast zu Hause einen Spiegel. Der Spiegel an sich, beziehungsweise an der Wand, ist ein materielles Gebilde. Irgendeiner hat ihn gemacht, und jetzt hängt der nun bei dir in der Bude. Ich vermute ferner, dass du heute schon einmal einen Blick in deinen Spiegel geworfen hast, und was du da gesehen hast, das war dein Spiegelbild, das war dein Ebenbild.
Und ich vermute außerdem, dass du daneben noch viele andere Spiegel zu Hause hast. Verschiedene Größen, verschiedene Formen, mit verschiedenen Rahmen. Aus Holz der Rahmen, aus Gold, aus Plaste, was weiß ich. So verschieden und zahlreich die Spiegel sein mögen, die du hast, und in die du hinein siehst: jeder Spiegel in den du hinein siehst, spiegelt immer wieder nur dein eigenes Bild zurück. Aber nur solange du hineinsiehst. Also im Moment, da tut er mir ja gerade so ein bisschen leid, dein Spiegel zu Hause. Wenn ich mir vorstelle, wie er da alleine rumhängt, so in der leeren Bude. Gar keiner da, der hineinguckt. Muss ja ziemlich langweilig sein für den, der muss sicher ziemlich blöde und nutzlos vorkommen. Ein Spiegel, in dem keiner reinsieht, ist sinnlos! Der hängt zwar da, das ist nicht zu leugnen, aber er hat sozusagen kein Leben. Und nur in dem Moment, wo einer hineinsieht, wo einer in dieses materielle Gebilde hineinblickt, der Spiegel also zum Träger eines Ebenbildes wird, da erfüllt er seinen Sinn, da wird er sozusagen mit Leben erfüllt.
Der Mensch bekommt seinen Sinn dadurch, das Gott ihn ansieht.
Und jetzt wollen wir dieses Bild einmal übertragen auf uns Menschen. Die Menschen sind nach Form und nach Größe und nach was weiß ich alles ziemlich verschieden. Auch nach dem Rahmen. Der eine hat einen goldenen und der andere hat einen hölzernen Rahmen und so. Die Menschen sind ganz verschieden, aber in einem sind sie alle gleich. Alle Menschen sind zunächst einmal ein materielles Gebilde. Aber seinen Sinn, den kriegt der Mensch nur dadurch, dass Gott ihn ansieht. Dass es zu einem Blickkontakt zwischen Gott und ihm kommt. Dass er Gottes Ebenbild ist. Freilich, du kannst auch ohne Gott herumhängen, so wie dein Spiegel zu Hause auch ohne dich herumhängt. Er hat dich zwar gemacht, aber du machst dir vielleicht nichts aus ihm.
Du hast die Freiheit, und dadurch unterscheidest du dich von einem Glasspiegel, du hast die Freiheit, Gott den Einblick in dein Leben zu verwehren. Du kannst, wenn du willst, ohne Gott leben. Aber dann bleibst du eben leer. Du bleibst unerfüllt. Und erst wenn du Gott bei dir einziehen lässt, dann siehst du den Sinn des Lebens.
Die Kuh und der Sinn des Lebens. Die Unkuh und der Unmensch.
Das wäre alles ganz einfach, wenn du eine Kuh wärst zum Beispiel. Keine Kuh fragt nach dem Sinn des Lebens. Die Kuh steht einfach da, und frisst, und damit hat sich‘s. Also manchmal, wenn ich so predige vor jungen Leuten und die so dasitzen, reihenweise, und ihren Kaugummi von einer Backenhälfte in die andere schieben, da denke ich auch manchmal, ob ich nicht für Kühe predige. Ihr steht doch alle auf dem Standpunkt von Darwin, da braucht ihr euch dann doch nicht aufregen, wenn ich einmal eure Großtante ins Spiel bringe.
Es stehen zwei Kühe auf der Weide. Und – das ist jetzt Versöhnungsbonbon für die, die sich geärgert haben – die eine Kuh sagt: „Muh“. Da sagt die andere Kuh: „Das ist aber merkwürdig. Genau dasselbe wollte ich auch gerade sagen.“
Also: keine Kuh fragt nach dem Sinn des Lebens. Keine Kuh kann den Sinn ihres Lebens verfehlen. Ich hab noch nie von einer Unkuh gehört. Aber ich habe schon von Unmenschen gehört. Der Mensch ist das einzige Wesen, dass an seinem Ziel und seine Bestimmung vorbei leben kann. Der Mensch ist das einzige Wesen, das zum Unwesen, nämlich zum Unmenschen werden kann. In der West-Reklame, da wird immer die Milch von glücklichen Kühen angepriesen. Kühe sind weder glücklich noch unglücklich. Die sind, und das genügt denen. Der Mensch ist das einzige Wesen auf dieser Erde, dem es nicht genügt, einfach da zu sein. Der Mensch fragt nach dem Sinn des Daseins.
Der Mensch ist das einzige Wesen, das mit dem, was es ist, nicht zufrieden ist. Du brauchst bloß zwei Seiten weiter in der Bibel zu lesen. Da wird beschrieben, wie der Mensch unzufrieden ist mit der Rolle, die Gott ihm zugeteilt hat. Wie er nicht damit zufrieden ist, ein Ebenbild Gottes zu sein. Er will Gott nicht nur ebenbildlich, er will Gott ebenbürtig sein. Er will sozusagen nicht nur mehr ein Spiegel in der Hand Gottes sein, er will selbst Gott sein, er will sein Schicksal selber in die Hand nehmen. Und bei dem Versuch, zu sein wie Gott, da ist der Mensch, das Ebenbild Gottes, aus Gottes schützenden Händen herausgefallen. Und das ist der so genannte Sündenfall. Seitdem haben wir alle einen Knacks weg. Du weißt ja, was passiert, wenn ein Spiegel herunterfällt. Er wird dreckig, er kriegt Sprünge, er geht kaputt.
Durch jedes Menschenleben geht ein Sprung hindurch. Das ist die Erbsünde. Und auf jedem Menschen leben liegt ein Haufen Dreck. Das ist die Tatsünde - die Sünde, die du tust. Dreckige Witze, schmutzige Fantasie, schmierige Kompromisse, klägliche, schlechte Gewohnheiten.
Und unter einer solchen Dreckschicht, da ist dann von dem Ebenbild Gottes nicht mehr viel zu sehen. Es gibt Menschen, die sind so kaputt, dass man überhaupt bezweifelt, ob das noch Menschen sind. Es gibt eine Geschichte aus der Nazizeit. Da wird ein Häftling von einem Gestapo-Mann verhört und der Gestapo-Mann, der hat gerade einmal gute Laune, er will sich einmal von seiner menschlichen Seite zeigen. Und er sagt zu dem Häftling: „Nun hören Sie mal zu. Eines meiner Augen ist aus Glas. Wenn Sie mir sagen, welches, dann lasse ich sie laufen.“ Der Häftling sieht den Mann an und sagt: „Ihr linkes Auge ist das Glasauge.“ - „Richtig!“ sagt der Mann „Und woran haben Sie das erkannt?“ Da sagt der Häftling: „Das blickte so menschlich.“
Es gibt nicht nur Menschen, bei denen die künstlichen Prothesen das einzig menschliche sind, und über die wir erschrecken, weil sie so terroristisch und brutal und zynisch sind, sondern wenn du zum Beispiel einmal in ein Heim kommst, mit körper- und hirngeschädigten Menschen, da kannst du welche sehen, die sind angeschnallt an ihren Betten - solche Köpfe! Ganz dünne Arme. Entstellte Gesichter. Die sabbern, die lallen. Wenn du das siehst, da packt dich das Grauen. Da fragst du dich: ist das da in dem Bett überhaupt noch ein menschliches Wesen?
Und unweigerlich entsteht in deinem Hinterkopf der Gedanke, da kannst du machen, was du willst, hat das überhaupt einen Sinn, solche Menschen durchzufüttern? Wäre es nicht besser - und du wagst es nicht zu denken und es auszusprechen, aber der Gedanke kommt dir - dass man solche zerstörten Wesen leben lässt. Dass die Kirche sie pflegt. Dass die Kirche in der Nazizeit sich geweigert hat, sie töten zu lassen in den Gaskammern. Das hängt mit unserer Jahreslosung zusammen. Nicht bloß mit dem Wort: du sollst nicht töten[7]. Sondern mit diesem Bibelwort: Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zu seinem Ebenbilde[8].
Die Gottesebenbildlichkeit und die Würde des Menschen.
Das gilt vom größten Verbrecher und das gilt auch vom hilflosesten Kranken. Das gilt für jeden Menschen. Es gilt auch für dich. Die Gottebenbildlichkeit, das ist nicht eine Eigenschaft, die du hast, sondern das ist das Bild, das Gott von dir hat. Gott hat ein Bild von dir. Und deine Gottebenbildlichkeit die kann vielleicht bis zur Unkenntlichkeit kaputt gemacht werden. Aber du kannst sie niemals verlieren. Und auch wenn die anderen in dir nur einen Verbrecher, einen Idioten, einen unnützen Esser, einen Schädling der Gesellschaft sehen. Gott sieht in dir in jedem Falle und in jeder Situation sein Geschöpf. Das macht deinen einzigartigen Wert aus. Dass Gott dich mit liebenden Augen ansieht. Wenn der Wert des Menschen bloß noch nach dem bestimmt wird, was er für die Gesellschaft leistet, da sieht es schlecht aus für die Alten und für die Kranken und die Leistungsschwachen.
Aber die Würde des Menschen, der Wert deines Lebens, das hängt nicht von dem ab, was die anderen über dich denken. Das hängt nicht von dem Bild ab, das die anderen von dir haben. Sondern von dem Bild, das Gott von dir hat.
Der Vater erkennt sein Ebenbild, auch wenn es verdreckt ist. Das speziellste aller Reinigungsmittel.
Es steht in der Bibel eine Geschichte von einem jungen Mann, der dieses Bild ablehnt[9]. Dieser junge Mann weigert sich, das Abbild seines Vaters sein zu müssen. Der will er selber sein. Er will vom Vater unabhängig sein. Er will sein eigenes Image haben. Er trennt sich vom Vater, er rennt in sein Unglück, er zerstört sein Leben durch Sex und Saufen und am Schluss da sinkt er noch unter das Niveau eines Menschen. Hinab auf die Stufe eines Tieres. Er muss aus dem gleichen Trog fressen wie die Schweine. Die Krone der Schöpfung an, der Mensch – das Schwein.
Und in diesem Zustand kehrt er eines Tages zu seinem Vater wieder zurück. Stinkend, zerlumpt, bedeckt mit Narben und Schmutz. Gezeichnet von Sünde und Leiden, entstellt bis zur Unkenntlichkeit, und keiner erkennt ihn. Nur der Vater. Der Vater sieht durch alle Schichten des Schmutzes hinter diesem kaputten Typen das Gesicht seines geliebten Kindes. Der Vater hatte sich ein Bild von seinem Kind bewahrt. Es ist egal, wie viel Schmutz der Sünde auf deinem Leben liegt. Und wir sehr du durch eigene oder fremde Schuld deine Gottesebenbildlichkeit zerstört hast entstellt hast.
Es ist egal, welches Bild sich die Leute von dir machen oder welches Bild du selber von dir hast. Wichtig ist einzig und allein, welches Bild Gott von dir hat. Gott sieht in dir ja sein Kind. Er hat dich ja geschaffen. Und falls du Ihm davon gelaufen bist, und falls du dabei reingeflogen bist, falls du Schiffbruch erlitten hast, dann sagt Gott heute zu dir: dann komm doch wieder! Komm doch wieder heim.
Verdreckte Spiegel, liebe Freunde, das weiß jede Hausfrau, verdreckte Spiegel kann man wieder säubern. Gegen Spezialdreck gibt es Spezialmittel. Und gegen den Dreck, der auf deinem Leben liegt, gegen die Sünde, gibt es auch ein Spezialmittel. Ein einziges. Und das ist – so steht es in der Bibel, erster Johannesbrief - das ist das Blut von Jesus Christus. Das macht uns rein von aller unserer Sünde[10].
Ich bitte dich, lass dir von Jesus deine Schuld vergeben! Und dann gehörst du zu den Menschen, von denen die Bibel einmal sagt, im zweiten Korintherbrief[11]: jetzt aber spiegelt sich in uns die Herrlichkeit des Herrn, aufgedeckt in unserem Angesicht, und wir werden verwandelt in sein Bild.
Du kannst durch Jesus wieder ein reines Ebenbild Gottes werden. Aber ohne Jesus, da gehst du verloren. Du musst ja noch einmal nach deinem Tod vor Gott erscheinen, und von deinem Leben Rechenschaft abgeben. Und jeder andere hier auch. Und ich auch.
Zerbrochene Spiegel gehören in den Müll – oder?
Und ich will dir jetzt zum Schluss noch sagen, was sich dann abspielen wird, im jüngsten Gericht. Dann werde ich vor Gott stehen. Und Gott wird zu mir sagen: „Theo Lehmann, ich habe dich als Mein Ebenbild geschaffen. Als einen klaren und reinen Spiegel habe Ich dich in diese Welt gesetzt. Und du solltest mich, meine Güte, meine Liebe, meine Ehrlichkeit widerspiegeln. Und ich fordere dich jetzt wieder als so einen reinen Spiegel zurück. Du aber kommst als ein kaputter Spiegel, als ein von Sünde verdreckter Scherben zurück. Was soll ich mit dir machen? Meinst du“ so wird Gott zu mir sagen, „meinst du vielleicht ich sammle zerbrochene Spiegel und tapeziere damit meine Ewigkeit? Zerbrochene Spiegel gehören nicht an die Wand, sondern in den Abfall. Und zerbrochene Ebenbilder Gottes gehören nicht in mein Reich, sondern in den Abfall, in den Abgrund, in die Verdammnis. So wird Gott mit mir reden. Und ich werde mit keinem einzigen Wort etwas dagegen erwidern können, weil er nämlich Recht hat.“
Und dann wird Gott seine Hand heben, um mich aus seinem Reich hinaus zu weisen. Und in dem Augenblick, wo er dieses gerechte Urteil über mein Leben aussprechen will, da tritt Jesus zwischen Gott und mich. Und da stellt sich Jesus vor mich hin. Und Er verdeckt mich. Und Er verdeckt mich mit seinem ausgebreiteten Armen und den Riss der Sünde, der durch mein Leben hindurchgeht und alle Sünden, die auf meinem Leben liegen. Und ich verstecke mich hinter seinem Rücken, dass Gott mich nicht mehr sehen kann. Sondern Gott sieht dann nur noch seinen Sohn, den Reinen, den Sündlosen, den zweiten Adam. Und dann sagt Jesus zu Gott: „Vater, Du hast ganz recht. Der da, hinter meinem Rücken, der Theo Lehmann, das ist ein Sünder. Aber Ich stehe für ihn gerade! Ich stehe ein für ihn. Ich habe nämlich mit ihm getauscht. Er gab mir seine Schuld, und Ich gab ihm meine Vergebung.“
Siehst du, das ist meine ganze Hoffnung. Jesus. Der wird für mich eintreten, wenn ich kaputt nach Hause komme, das hat Er versprochen. Das glaube ich. Davon lebe ich. Und wenn du auch willst, dass Er für dich eintritt, dann komm doch, und tritt, heute noch, auf seine Seite.
* * * *
[1] DDR-Zigarettenmarke, auch heute noch erhältlich. – Anm. des Schreibers
[2] Gottfried Benn (1886 – 1956). Deutscher Schriftsteller und Arzt. – Anm. des Schreibers
[3] Marxismus und Leninismus – Anm. des Schreibers
[4] Ludwig Feuerbach (1804 – 1872), deutscher Philosoph. Seine Religionskritik beeinflusste u.a. Karl Marx. – Anm. des Schreibers
[5] Vgl. zur bis heute andauernden Kontroverse um die Grabinschrift den Wikipedia-Eintrag “Ludwig Feuerbach“. – Anm. des Schreibers
[6] Diese von Theo Lehmann 1979 in der DDR gemachten Aussagen kann man getrost als sehr mutig werten. – Anm. des Schreibers
[7] 2. Mose 20, 13
[8] 1. Mose 1, 27
[9] Lukas 15, 11 – Das Gleichnis vom verlorenen Sohn. – Anm. des Schreibers
[10] 1. Johannes 1, 7
[11] 2. Korinther 3, 18