Theo Lehmann – Jugendgottesdienst Nr. 39
Abschrift der Predigt vom 10. Oktober 1976 über 2. Samuel 12, 1-31 (Nathan - David - Bathseba)
Liebe Freunde,
Eines Tages bekommt David (David war der König von Israel, er hat ungefähr 1000 Jahre v. Chr. gelebt) Besuch von einem Propheten. Wisst ihr, was ein Prophet ist? Manche denken, Propheten sind Menschen, die etwas in die Zukunft voraussagen. Das stimmt schon, aber es stimmt auch nicht ganz, denn die Propheten sind nicht die Wetterfrösche vom lieben Gott; es sind Sprecher Gottes. Es sind Menschen, die im Auftrag von Gott reden, und zwar so reden können, dass die Angeredeten davon getroffen werden. Und so ein Prophet, der diese Gabe hatte, die Menschen so anzureden, das war Nathan. Nathan kommt eines Tages zu König David, und erzählt ihm eine Geschichte. Ich lese sie euch vor, sie steht in der Bibel, 2. Samuel Kapitel 12:
Nathans Geschichte und Davids Urteil.
Es waren zwei Männer in einer Stadt, der eine reich, der andere arm. Der Reiche hatte viele Schafe und Rinder, und der Arme hatte nur ein einziges kleines Schäflein. Er ernährte es, dass es groß wurde bei ihm wie seine Kinder. Es aß von seinem Bissen, und trank von seinem Becher und schlief in seinem Schoß, und er hielt es wie eine Tochter. Als aber zu dem reichen Mann ein Gast kam, brachte er es nicht über sich, von seinen Schafen und Rindern zu nehmen, um dem Gast etwas zuzurichten, der zu ihm gekommen war, sondern der Reiche nahm das Schaf des armen Mannes und er richtete es dem Mann zu, der zu ihm gekommen war.[1]
An dieser Stelle hält es David schon gar nicht mehr aus und unterbricht den Propheten Nathan. Er fällt ihm ins Wort. Schon die ganze Zeit ist der König unruhig auf seinem Königsthron hin und her gerutscht. Als der oberste Rechtsprecher des Volkes hat er ein ausgesprochenes Rechtsgefühl und entdeckt natürlich sofort, dass das, was der Reiche hier dem Armen angetan hat, eine große Schweinerei ist. Und da hat er den Propheten Nathan unterbrochen und hat auch auf der Stelle sein Urteil gefällt: Der Mann, der das getan hat, der ist, so wahr Gott lebt, ein Kind des Todes.[2] David wusste Bescheid im Gesetz. Er kennt sich im bürgerlichen Strafgesetzbuch aus, er weiß ganz genau, was da steht. Da steht zum Beispiel, dass das Schaf, wenn es einem weggenommen wird, vierfach bezahlt werden muss, das muss man außerdem noch machen, und dann muss er eben sterben. Da gibt es gar nichts zu diskutieren – der Kerl muss weg.
Es ist merkwürdig: Wenn ein anderer einen Fehler macht, die Schuld des anderen sehen wir immer genau, die sehen wir überscharf. Bloß wenn sich's um uns selber dreht, dann merken wir nichts. David merkt überhaupt nicht, dass es bei der ganzen Geschichte um ihn geht. Er kapiert gar nicht, dass hier sein eigener Fall zur Debatte steht. Deshalb sieht sich der Prophet Nathan genötigt, mit dem Mann Deutsch zu reden, deutlich zu werden. Als der König gerade gesagt hat: „Wer das getan hat, der muss sterben!“ Da sagte Nathan zu ihm: Du bist der Mann, von dir ist hier die Rede![3] Und da klingelt's beim David, und da weiß er Bescheid.
Und für die unter euch, die in der Bibel nicht so gut Bescheid wissen, will ich jetzt erzählen, auf welche Geschichte der Prophet Nathan anspielt. Eine Geschichte, die schon ein ganzes Jahr zurückliegt. Die Geschichte die jetzt kommt, ist nicht ganz jugendfrei. Das ist ein Sex-Krimi übelster Sorte, der könnte sich die Bild-Zeitung eine Scheibe davon abschneiden. Aber es steht so hier in der Bibel drin, 2. Samuel[4].
Die Vorgeschichte. David guckt zulange hin und langt dann hin.
Also es war so. An einem schönen Sommerabend, da erging sich der Majestät, der König David, auf dem Dachgarten seines Hauses, und während er den obersten Knopf seiner Uniformjacke schon etwas aufknöpft, da schließt er genießerisch die Augen. Er hört das Pfeifen eines Uhus (da war der Uhu noch nicht in der Tube) und als er die Augen wieder öffnet, das sieht er im Nachbargrundstück eine Frau. Die Frau ist bei der Wäsche. Und zwar wäscht die sich selber. Es ist also einiges interes-santes zu sehen. Dass David das sieht, dafür kann er nichts. Man wird ja wohl noch auf seinem eigenem Balkon ein bisschen frische Luft schnappen dürfen.
Aber dass er nicht wegsieht, sondern dass er noch hinsieht, dafür kann er was. Dass uns dauernd gut aussehende Menschen des anderen Geschlechts über den Weg laufen, das können wir nichts dafür.
Es gibt nun einmal einen Typ Mädchen, die legen es drauf an, sich so anzuziehen, dass sie immer den Blick der Männer auf sich ziehen. Am schlimmsten sind die, die das mit einem frommen Augenauf-schlag machen, das geht einem ja nun total auf den Wecker. Sie tun so, als ob sie zum Herrn Jesus wollen, aber im Grunde genommen wollen sie nur zum Herrn Pfarrer. Früher, so im innerkirchlichen Sprachgebrauch, da hat es das schon immer gegeben. Dann nannte man das „Sakristeihyänen“ oder „Talarwanzen“. Also ich würde sagen, solche frömmelnden Schnepfen muss man eiskalt abfahren lassen. Da kommt zum Beispiel eine zum Pfarrer und sagt: „Herr Pfarrer, wenn ich mich so im Spiegel betrachte, da finde ich mich immer so schön. Sagen Sie, ist das eine Sünde?“ – „Ich kann sie beruhigen, Irrtum ist keine Sünde!“ (...).
Wie gesagt, dass uns dauernd gut aussehende Menschen des anderen Geschlechts über den Weg laufen, da können wir nichts dafür. Aber dass wir noch hin gaffen, dafür können wir etwas. Und David gafft. Und David vergafft sich. Es war wie Manfred Krug auf seiner ersten Platte singt: „Es war nur ein Moment“. Es war im wahrsten Sinne des Wortes nur ein Moment, ein Augenblick, ein Augenblick zu lange hat er hingeguckt. Und das wurde ihm zum Verhängnis.
Jesus hat einmal gesagt: Wer eine Frau auch nur ansieht und sie haben will, der hat schon die Ehe mit ihr gebrochen in seinem Herzen.[5]
Verstehst du, der Ehebruch fängt nicht erst an, wenn du den anderen im Bett hast, der fängt schon auf der Straße an. Im letzten Krieg, als die Männer alle in der Front waren, sang die Zara Leander (…) ein Lied: „Kann denn Liebe Sünde sein?“ – und sie hat mit diesem Lied ungezählten deutschen Ehepaaren ein Alibi zum Ehebruch geliefert.
Es ist doch immer wieder dieselbe alte Platte, ob bei der Zarah Leander oder bei dem Manfred Krug oder bei dem ollen David. Der olle David hat die auch schon drauf gehabt. Und er pfeift nun diese Melodie: „Kann denn Liebe Sünde sein?“ - und er pfeift seinen Dienern und man holt die Frau aus dem Nachbargrundstück, sie heißt Bathseba, holt sie ins Haus, und man legt sich ins Bett, und man schläft zusammen, und man kriegt ein Kind, und dann hat man noch ein kleines Problemchen zu lösen. Das Problem ist nämlich, dass die Bathseba verheiratet ist. Sie ist verheiratet mit einem Fremdenlegionär. Der ist gerade draußen beim Manöver. Er kommt also als Vater des Kindes nicht in Frage. Das ist eine peinliche Sache, sowas.
David beseitigt den betrogenen Ehemann.
Der König David weiß das. Er gibt dem Uria, so heißt der betrogene Mann, dem gibt er einen Sonder-Heimaturlaub. Aber der Uria riecht die Lunte. Er weigert sich strikt, bei einer Frau zu übernachten, und schläft auf der Türschwelle von König Davids Palast. Am nächsten Tag redet ihm König David gut zu. Er sagt: Du hast so einen schweren Dienst gehabt, willst du nicht nach Hause gehen? Am über-nächsten Tag macht er ihn sogar besoffen. Es ist nichts zu machen, Uria schläft demonstrativ auf der Türschwelle des königlichen Palastes. Das wird nach ein paar Tagen dem David lästig, und der schickt er den Uria eben wieder raus an die Front. Er schickt noch einen Brief mit, den muss Uria mitnehmen an den seinen Hauptmann, und in dem Brief steht drin: Stellt Uria vorne drin, wo der Kampf am härtesten ist, und zieht euch hinter ihm zurück, damit er erschlagen wird, und stirbt.
Genau so wird's gemacht, Führer befiehl und wir folgen dir. Und wie der Zufall so spielt, wird der Kurier im passenden Moment an der Mauer erschossen. So steht es hier im Vers 20 (tosender Applaus)[6].
Gastarbeiterfrau wird Königin.
Wisst ihr denn nicht, dass von der Mauer geschossen wird? - Ja, das wusste der David. Und er bedauert natürlich auch vor den Trauergästen den Tod des befreundeten Ausländers. Und er tröstet die Witwe, und er tröstete wunderbar, er nimmt sie mit in sein Bett, ins königliche Bett und macht sie offiziell zur Königin. Und damit ist der Gartenlaubenkrimi fertig, Gastarbeiterfrau wird Königin.
Das war alles wie gesagt schon ein Jahr her. Da war schon so ziemlich Gras drüber gewachsen. Natürlich wusste jeder im Volk Bescheid. Die offizielle Version - Gefallen im Kampf für Vaterland - glaubt kein Mensch. Die wussten doch alle, was der David mit der Frau von Uria gemacht hat und dass der Uria auf die Seite geschafft werden musste. Aber es wagte keiner im ganzen Land, darüber zu reden. Sie haben bloß alle hinter vorgehaltener Hand davon gesprochen. Und am besten war’s, man hat dazu geschwiegen.
Gott schweigt lange – aber Er vergisst nichts.
Auch gut. Gott schweigt manchmal sehr lange. Er schweigt manchmal jahrelang, aber eines Tages fängt Gott an, zu reden, eines Tages steht unsere alte Schuld vor uns riesengroß auf[7]. Und eines Tages schickt uns Gott einen Nathan oder Lehmann oder einen anderen Mahner, der uns dann die unangenehmen Fragen stellt.
Wie zum Beispiel: Wie war denn das, junge Frau, als dein Mann bei der Armee gedient hat. Würdest du die Affäre, mit dem anderen, die du gehabt hast, immer noch aus einen harmlosen Flirt betrach-ten, oder willst du nicht lieber zugeben, dass das ein ganz gewöhnlicher Ehebruch gewesen ist. Oder du junger Mann, wie war denn das bei dir, als voriges Jahr, nach dem Sommerurlaub von der Ostsee, der Brief kam von dem Mädchen, sie hätte was abgekriegt und was nun werden soll. Hast du da nicht zurückgeschrieben: Lass es wegmachen, das Kind? Und würdest du dich immer noch wissenschaftlich distanziert ausdrücken und sagen: Wir haben eine ‚Schwangerschaftsunterbrechung‘ vornehmen lassen? Oder willst du nicht endlich einmal zugeben, dass das ein ganz gewöhnlicher Mord gewesen ist? Oder falle ich euch allmählich auf dem Wecker, weil ich immer die gleichen alten Beispiele bringe. Ich möchte euch auf den Wecker fallen damit. So lange, bis es endlich mal klingelt bei euch.
Ihr denkt vielleicht, dem David hat das Spaß gemacht, wie der Nathan zur Türe herein kam und die alten Geschichten aufwärmte? Nathan kannte alle Spuren, die David so schön verwischt hatte. Er hatte gedacht, es ist längst verjährt. Das denkt ihr vielleicht auch.
Vor Gott verjährt überhaupt nichts. Gott sagt jahrelang nichts, aber eines Tages gräbt er die alten Geschichten wieder aus. Und du kannst jahrelang, jahrzehntelang mit deiner Schuld durchs Leben gehen. Du kannst sogar mit deiner Schuld aus dem Leben gehen, aber das ist ein verflucht schweres Sterben, das kann ich dir sagen. Denn deine Schuld müsst du mitnehmen, die kannst du nicht zurück lassen, wie deinen Körper und wie deine Klamotten. Deine Schuld, das, was in deinem Leben drin war, das geht mit, und mit deiner Schuld stehst du eines Tages vor deinem Gott. Und denk jetzt ja nicht, du wärst nicht gemeint, weil du noch keinen Ehebruch begangen hast und keinen Mord. Die Geschichte von David ginge dich deswegen nichts an.
Der David hat auch keine Schäfchen gemaust, aber halt eine Frau geklaut. Und wenn du auch keinen Ehebruch gegangen hast, dann ist es bei dir vielleicht etwas anderes. Ich weiß nicht, welche Schuld es in deinem Leben ist, die dich belastet und die dich vielleicht niederdrückt und die dich fertig macht und die dich deprimiert oder die du vertuschst und die du überspielst und die du verharmlost.
Das weiß ich nicht, aber ich weiß nur eins, und das weiß ich aus der Bibel: Es gibt kein Menschen-leben ohne Schuld[8]. Und dann weiß ich noch was, das weiß ich auch aus der Bibel: Wenn man mit seiner Schuld zu Jesus hingeht, dann kann man Vergebung erlangen. Eine Schuld, die du zu Jesus gebracht hast, die kann dich nicht mehr belasten für Zeit und Ewigkeit – davon bist du frei[9].
Damit wir frei werden, damit wir leben können, deswegen schickt Gott immer wieder solche Propheten wie den Nathan, die uns an unsere Sünde erinnern und sagen: Du bist der Mann, du bist gefordert. Ihr könnt euch vielleicht vorstellen, Nathan hat viel riskiert, als er seinem Landesfürsten so direkt ins Gesicht gesprochen hat. Diese altorientalischen Herrscher damals haben sich verehren lassen wie die Götter. Sie ließen sich von keinem zur Rechenschaft ziehen. Und sie umgaben sich mit Heuchlern und Schmeichlern und waren in einer solchen Atmosphäre der Lobhudelei, da konnte es einem den Kopf kosten, wenn er die Wahrheit sagte.
Ihr kennt ja vielleicht die Geschichte von Johannes dem Täufer, der zu seinem Landesfürsten gesagt hat: Es ist nicht richtig, dass du Ehebruch begangen hast[10]. Daraufhin wurde Johannes der Täufer eingebuchtet und einen Kopf kürzer gemacht.
Die Geschichte des modernen Propheten Paul Schneider.
Und als der Paul Schneider[11] im KZ Buchenwald gewesen ist, da hat ihn die Offenheit, mit denen er die Verbrechen der Nazis angekreidet hat, auch sein Leben gekostet. Damals haben sie in Deutschland alle, auch die Pfarrer, die Hitlerfahne gegrüßt. Es waren ganz wenige in unserem Volk, die nicht mitgemacht haben. Paul Schneider war einer von denen. Er hat noch nicht einmal im KZ Buchenwald die Hitlerfahne gegrüßt. Und das steht in seiner Biografie zu lesen, dass er auch dem Lagerkomman-danten von Buchenwald sogar entgegen getreten ist und ihm gesagt hat: „Ich klage sie an des Mordes an diesen Häftlingen. Sie sind ein Massenmörder!“ Und in seiner Biografie steht, in diesem Freimut war er wahrscheinlich der einzige in Deutschland, der die Teufel beim Namen nannte: „Mörder, Ehebrecher!“ Paul Schneider war ein Prophet aus unserer Zeit. Es war ein Sprecher Gottes, der den Machthabern ins Gesicht geredet hat, um den Preis seines Lebens.
Denk ja nicht, dass so ein Prophet sein Leben leichtfertig riskiert. Das macht keiner. Dazu hatte auch Nathan keine Lust. Deshalb können wir auch verstehen, dass Nathan es erst einmal auf die diploma-tische Tour versucht. Er erzählt dem König die rührselige Geschichte von dem gemausten Schäfchen. Er redet sozusagen erst einmal vorsichtig durch die Blume.
David versteht zwar die Geschichte, aber er versteht nicht, dass er gemeint ist. Er fällt ein gerechtes Urteil, aber er weiß nicht, dass er sein eigenes Todesurteil spricht. Deshalb bleibt Nathan nichts anderes übrig als ihm ins Gesicht zu sagen: Du selber bist der Mann, den du verurteilt hast. Dann sagt Nathan zu ihm: Warum hast du denn das Wort des Herrn verachtet, indem du getan hast, was ihm missfiel? Uria hast du erschlagen mit dem Schwert und seine Frau hast du genommen.[12] Er sagt ihm was los ist. Und David fängt jetzt nicht an, nun seine Sünde und seine Schuld zu erklären und nach mildernden Umständen zu fischen. Erklären lässt sich jede Sünde. Das war damals so ein traumhafter Sommerabend, und der Uhu hat so schön geuhut, und der Jasmin hat geduftet und dann sah ich diese rassige Ausländerin in der Badewanne, das kann man verstehen, dass das einen Mann umhaut.
Davids mannhaftes Bekenntnis.
Aber so solche Erklärungen und der Hinweis auf die Umstände hat David nicht gemacht. Das hatte in der Beichte überhaupt nichts zu suchen. Mord bleibt Mord, auch wenn ihn ein Staatschef wie der David verübt oder geschickt kaschiert. Und Ehebruch bleibt Ehebruch, auch wenn ihn einer verübt, der zur staatlichen oder kirchlichen Prominenz gehört. David als König beschönigt nichts und er nimmt kein Wort von seinem Urteil zurück. Und als er begreift, dass er selber derjenige ist, über den er eben das Todesurteil gesprochen hat, da sagt er: Ich habe gesündigt gegen den Herrn. Oh Lord da sagt er: Ich habe gesündigt gegen den Herrn. It's me, it's me, oh Lord - ich bin's, oh Herr, stehen muss ich nun vor Dir. Wie oft singen wir das so leicht vor uns her. Das hatte David erfahren, und er hat gesagt: Ich bin jetzt dran, ich habe gesündigt vor dir.
Versteht ihr, es geht bei David nicht um Sex und Mord und ein bisschen Moral. Sondern es geht um die Frechheit, mit der er die Gebote Gottes übertreten hat. Und diese Frechheit, diese Eigenmächtig-keit, das ist das, was die Bibel Sünde nennt. Und deswegen sagt David: Ich habe gesündigt vor dem Herrn.[13] Und als dieses Bekenntnis raus ist, als er das gesagt hat, da sagt nun der Nathan zu ihm: Im Namen Gottes, so hat auch der Herr deine Sünden weggenommen. Du wirst nicht sterben.[14]
Ein Mann, der ein Todesurteil erwartet, bekommt einen Freispruch. David hat erlebt, wie Gott ihn vergibt. Er darf leben. Ich weiß genau, was viele von euch jetzt denken. Viele von euch denken: „Nun das ist ja einfach! Da brauche ich also weiter gar nichts zu machen, als dass ich mit meiner Schuld zu irgendeinem hingehe, und dem was erzähle, und dann sagt er mir im Namen Gottes: Es ist vorbei, und damit ist nun alles in Ordnung!“ Du findest das einfach, weil du jetzt ganz sicher in deiner Bank sitzt. Wenn du das wirklich so einfach findest, dann komm doch nach dem Gottesdienst einmal vor zu den Seelsorgehelfern, komm doch einmal zu einem und sprich mal deine Sünde aus! Und da wirst du merken, dass das überhaupt nicht einfach ist, sondern dass das schwer ist. Es ist unheimlich schwer, es ist vielleicht das schwerste, was es gibt im Leben.
Mit irgendeiner Frau ins Bett gehen, das kriegt jeder Konfirmand fertig. Aber zu seiner Schuld stehen, da war David eben ein Mann, dass er gesagt hat, das habe ich getan, und dass war Unrecht, und das bekenne ich.
Manche bringen das ein Leben lang nicht fertig, manche gehen am Sonntag um neun in die Kirche rein und um zehn wieder raus ohne ein einziges Mal wirklich ihre Schuld vor Gott auszusprechen – und demzufolge ohne sie auch loszukriegen. Und denke bloß nicht, dass das dem David leicht gefal-len ist. David war Staatsoberhaupt. Wann gibt denn so einer zu, dass er ein Verbrechen begangen hat. Du bist zwar kein Staatsoberhaupt und kein König über ein Land, aber vielleicht benimmst du dich wie so ein kleiner König in deiner Familie und in deiner Ehe und in deiner Brigade und in deiner Klasse, und du bildest dir ein, es fällt dir ein Zacken aus deiner Krone, wenn du einmal einen Fehler zugeben musst vor deinen Mitmenschen und vor Gott. Es ist wirklich unheimlich schwer. Aber ich möchte dir trotzdem dazu Mut machen. Es ist die einzige Chance, die du hast, um Frieden in dein Herz zu kriegen.
Mensch, es ist doch gar nicht nötig, dass du dich abquälst, mit dem was dich belastet. In einer sol-chen Kirche wie der hier mit so vielen Menschen, da sind so viele Menschen darunter, die kaputt-gehen an ihrer Schuld. Hab doch den Mut, dass du einmal kommst, heute, am besten heute Abend, oder irgendwann anders, geh zu deinem Pfarrer. Mann, lass dich doch einmal davon freisprechen. Als Nathan zu David gesagt hat: So hat auch der Herr deine Sünden weggenommen und du wirst nicht sterben, da setzt er noch etwas hinzu. Er sagt nämlich noch: Aber weil du die Feinde des Herrn durch diese Sache zum Lästern gebracht hast, wird der Sohn, der dir geboren ist, sterben[15].
Das ist merkwürdig. Der im Ehebruch gezeugte Sohn, der gar nichts mit der ganzen Sache zu tun hat, muss sterben, weil David schuldig geworden ist. An dieser Stelle wird Nathan zu einem Propheten, der etwas sagt über die Zukunft. Auch über deine Zukunft!
Dann ist es nicht nur der Sohn Davids, sondern tausend Jahre später stirbt in Jerusalem der vom heiligen Geist gezeugte Sohn Davids, nämlich Jesus, der aus dem Geschlecht Davids kommt. Jesus, der Sohn Davids, der völlig unschuldig ist, muss sterben, weil wir gesündigt haben.
Das ist das merkwürdigste, und das ist auch das unverständlichste, was hier auf unserer Erde geschehen ist. Aber es ist so. Du kannst am Kreuz von Jesus sehen: So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen einzigen Sohn gab, damit alle, die sich an den anhängen, nicht vor die Hunde gehen.[16] Das Kreuz ist der einzige Punkt in dieser Welt, der einzige, wo du ein neues ein Leben empfangen kannst. Komm und fang an!
* * * *
[1] Verse 1-4
[2] Vers 5
[3] 2. Samuel 12, Vers 7
[4] 2. Samuel 11, 1-17
[5] Matthäus 5, 28
[6] Die Gottesdienstbesucher erkannten wohl die Anspielung Theos auf die Praxis des DDR-Grenzschutzes, sog. „Republikflüchtlinge“ auf der Flucht zu erschießen. – Anm. des Schreibers.
[7][7] Siehe z.B. Lukas 12, 2
[8] Römer 3, 23
[9] Johannes 5, 24
[10] Markus 6, 18
[11] Paul Schneider (1897 – 1939). Mitglied der bekennenden Kirche, bekannt als „Prediger von Buchenwald“, 1939 dort ermordet. – Anm. des Schreibers.
[12] 2. Samuel 12, 9
[13] 2. Samuel 12, 13
[14] Ebenda.
[15] Vers 14
[16] Etwas frei nach Johannes 3, 16