Beim ersten und letzten Schritt ganz allein
von
Theo Lehmann
In Gethsemane kämpft Jesus den härtesten Kampf seines
Lebens. Er kämpft darum, sich und seinen Willen dem Willen Gottes zu ergeben.
„Dein Wille geschehe!“ Matthäus 26, 42
Er soll, so ist es der Wille Gottes, die Sündenlast der
ganzen Menschheit auf seine Schultern nehmen und ans Kreuz tragen. Und davor
hat er Angst. Todesangst. Er fängt an, am ganzen Leibe zu zittern, er schwitzt
Blut vor Angst.
Noch nie haben seine Jünger ihn so gesehen. Bisher kannten sie ihn nur als den
Wundertäter, den Tröster, den Sieger über Dämonen, den Sohn Gottes, den Herrn
der Lage – den Herrn. Und jetzt sehen sie ihn, wie er mühsam lernt, gehorsam zu
sein.
Die größte Liebestat der Geschichte - der Tod des Gottessohnes am Kreuz - war
eine Gehorsamstat. Die Jünger sehen Jesus vor Angst zitternd, verzweifelt,
fertig. Jetzt braucht er selber Trost. Jetzt braucht er seine Freunde. Die
können ihm zwar auch nicht helfen, die können nicht mal begreifen, was
eigentlich los ist.
Aber eins könnten sie: Bei ihm bleiben. Seine Bitte: "Bleibt hier und
wacht mit mir." Sein Schock: Als er vom Gebet aufsteht, sind seine Jünger
eingeschlafen. Jesus kämpft mit Gott um Leben und Tod, und seine Jünger kämpfen
mit dem Schlaf.
Jesus: "Könnt ihr nicht einmal eine einzige Stunde mit mir wach
bleiben?" Das ist doch nicht zuviel verlangt. Für die Jünger war’s zuviel.
Ihnen fielen die Augen zu. Als Jesus wieder gebetet hat "dein Wille
geschehe", sind sie wieder eingeschlafen.
Es gibt
Situationen, in denen ist man absolut einsam. Das ist in der Stunde des Todes
und der Stunde der Bekehrung genauso. Den letzten Schritt in den Tod und den
ersten Schritt ins Leben mit Gott geht jeder ganz allein. Wenn es ums Sterben
geht und wenn es ums Leben geht, sind wir allein. Beides, das Sterben und das
Leben, geht nur gut, wenn wir sagen können: Vater, dein Wille geschehe.
Theo Lehmann
Erschienen am: 18.03.2002 (idea spektrum)