Die Passion Jesu

 

Dr. Theo Lehmann

 

Schon einmal erschütterte eine Kreuzigungsszene das Publikum: Das Musical ,,Jesus Christ Superstar" war für viele Theaterbesucher ein unvergessliches Ereignis. Reiner Schöne, der Hauptdarsteller der deutschen Erstaufführung, hat viel mit mir über diese Rolle diskutiert. Wie kann ein Mensch den Sohn Gottes spielen? ,,Und überhaupt", sagte er zu mir, ,,kannst du dir vorstellen, was das rein körperlich für eine Anstrengung ist, wenn man da minutenlang mit dem Rücken zum Publikum mit ausgebreiteten Armen stehen muss?"

Ja, sicher; aber irgendwann konnte der Reiner Schöne die Arme wieder runterklappen, in seine Garderobe gehen, ein Bier trinken, sich duschen - und außerdem bekam er' s noch bezahlt. Das war bei Jesus nicht so. Der konnte nicht irgendwann die Arme runterklappen. Der musste am Kreuz hängen bleiben, bis der letzte Blutstropfen aus ihm gewichen war. Der bekam kein Bier. Dem haben sie Essig zu trinken gegeben. Und der bekam es nicht bezahlt, sondern er bezahlte am Kreuz mit seinem Blut für die Sünden der Menschheit. Einer muss ja für unsere Sünden bezahlen. Entweder bezahlen wir eines Tages in der Hölle, oder Jesus für uns am Kreuz. Und das hat er für dich gemacht. Kennst Du irgendjemanden, der sein Leben für dich gegeben hat? Ich frage dich: Was kann Gott mehr tun, als seinen Sohn für dich zu opfern? Welchen Beweis von Gottes Liebe willst du noch? Was brauchst du noch, um zu begreifen, wie viel Gott an dir liegt und wie sehr er dich liebt?

 

Der Weg zum Verbrecherkreuz fing an in der Futterkrippe, in die der Mensch gewordene Gottessohn gelegt wurde. Aufgewachsen ist er in einer normalen Familie, er arbeitete als Zimmermann auf dem Bau wie sein Vater. Er hat nie ein Buch geschrieben. Nie eine Vorlesung vor Studenten gehalten. Keine Partei gegründet. Er hatte keine Armee, keine Leibgarde, kein Geld. Der Mann, nach dessen Geburtsjahr wir die Jahre zählen und dem Millionen Menschen folgen, war Zeit seines Lebens arm und hat doch so viele unendlich reich gemacht. Er sagte von sich, dass er nicht mal ein eigenes Bett hatte. Er wurde geboren in einer geborgten Futterkrippe. Er predigte in einem geborgten Boot. Er ritt nach Jerusalem auf einem geborgten Esel. Er hielt sein letztes Abendmahl in einem geborgten Saal. Er wurde bestattet in einem geborgten Grab. Er beanspruchte nichts für sich. Der einzige Raum, den er beansprucht, ist das menschliche Herz. Viele Menschen haben kein Herz für Jesus. Hätte Jesus bei ihnen mehr Platz, hätten sie weniger Probleme. Hätten sie für ihn mehr übrig, würden sich viele ihrer Sorgen erübrigen. Bei Jesus geht es um die Machtfrage: Wer ist der Herr in deinem Lebenshaus? Die meisten wollen Jesus nicht als ihren Herrn anerkennen. Sein Anspruch, der Sohn Gottes zu sein und der einzige Weg, der zu Gott führt, war vielen zu viel. So machten sie ihm mit Tricks und falschen Zeugen den Prozess. Er bekam die Todesstrafe. Sie wurde, wie damals üblich, dadurch vollstreckt, dass man ihn an ein Kreuz nagelte.

 

Dort, auf der Müllkippe von Jerusalem, ließ man ihn in der Sonnenglut hängen, bis sein Kreislauf zusammenbrach und er erstickte. Als er am Kreuz hing, hing er nicht zwischen zwei feierlichen Altarkerzen, sondern zwischen zwei fiesen Anarchisten. Einer der beiden hatte einen Mord auf dem Gewissen. Er kann jetzt nur noch fluchen oder beten. Und da betet er „Jesus, denk an mich, wenn du in dein Reich kommst." Es ist eine groteske Situation. Ein Lump, der am Kreuz hängt, bittet in letzter Minute Jesus, der auch am Kreuz hängt, um Aufnahme ins Reich Gottes. Und Jesus, der größte Lumpensammler aller Zeiten, nimmt ihn auf. „Heute wirst du mit mir im Paradies sein." Dieser Mann ist der erste, der durch das Kreuz gerettet wurde. Er starb in Frieden. Der auf der anderen Seite starb mit einer Lästerung, obwohl er direkt neben Jesus hing. Das Kreuz trennt die Menschen haarscharf in Gläubige und Ungläubige, Gerettete und Verlorene. Jesus ist gekommen, um die Verlorenen zu retten. Keiner ist für ihn zu schlecht. Egal, wie tief einer gefallen ist, die Liebe von Jesus reicht bis in die untersten Schubladen menschlicher Schuld. Jesus, der sogar für seine eigenen Mörder um Vergebung bat, vergibt jedem, der ihn darum bittet. Die Bibel sagt: „Wer den Namen des Herrn anrufen wird, soll gerettet werden." (Apostelgeschichte, Kapitel 2, Vers 21). Am Kreuz hat Jesus wie ein Blitzableiter die Strafe auf sich gezogen, die eigentlich uns als die Schuldigen hätte treffen müssen. Wer sich unter das Kreuz von Jesus stellt, ist vor dem Strafgericht Gottes sicher. Gerettet! Die Zukunft der Welt liegt nicht in der Hand von Menschen, die sich an die Stelle Gottes setzen. Sie liegt in der Hand Gottes, der sich an die Stelle des Menschen gesetzt hat. Also in den Händen von Jesus.

Das sind die Hände, die sich für mich am Kreuz durchbohren ließen. Mit diesen Händen hat er meine Schuld weggenommen. Deswegen ist es gut zu wissen, dass er auch meine Zukunft in die Hand genommen hat. Es gibt tausend Gründe, sich vor der Zukunft zu fürchten. Es gibt einen einzigen Grund, sich nicht vor ihr zu fürchten: Jesus.