Theo Lehmann – Jugendgottesdienst Nr. 81

Abschrift der Predigt vom 12. Juni 1983 über  Lukas 8, 22-25 (überschrieben mit dem Titel: Der Kahn kentert nicht).

 

Liebe Freunde,

Die meisten Menschen haben vor irgendetwas Angst. Es gibt zwar welche, die behaupten, sie hätten keine Angst, aber da behaupte ich: sie haben nur Angst, zuzugeben, dass sie Angst haben. In Wirklichkeit erlebt jeder Mensch Situationen, wo ihm das Wasser bis zum Hals steht.

Werde Christ - und die Probleme gehen los.

Ich rede aber heute nicht über die Schwierigkeiten, in die jeder Mensch hineingerät, sondern ich rede über die Schwierigkeiten, in die speziell die Christen hineingeraten. Manche denken nämlich, wenn sie Christen werden, dann haben sie keine Schwierigkeiten und keine Probleme mehr. Gerade Anfänger im Glauben denken, wenn sie Christ werden, dann sind ihre Probleme gelöst. Und dann staunen sie Bauklötze, wenn sie merken, dass dann die Probleme erst einmal richtig losgehen.

Christ werden heißt nicht, dass du nach einer unruhigen Berg- und Talfahrt in einem ruhigen Hafen landest, wo du dich dann dein Leben lang in einem stillen Winkel aufs Ohr schmeißen kannst. Wahre Nachfolge heißt, dass Jesus dich herausreißt aus deinem ruhigen Plätzchen und dich auf die hohe See schmeißt, wo dir der Wind um die Ohren pfeift und dir der Geifer deiner Gegner ins Gesicht spritzt. Jesus nachfolgen ist eine äußerst problematische Angelegenheit. Denn jeder, der Jesus nachfolgt, der kommt eines Tages in Schwierigkeiten, und zwar deswegen, weil er Jesus nachfolgt.

Ich will einmal mit einem ganz harmlosen Beispiel anfangen. Als ich noch im Gemeindedienst gewesen bin, konnte ich mich zum Mittagessen hinsetzen, wann ich wollte, ob das nun mittags um zwölf war oder nachmittags um zwei, ich brauchte mich bloß hinsetzen und nach dem Löffel greifen, schon klingelte es. Irgendjemand kommt und will den Pfarrer sprechen. Und jedes Mal, wenn ich mit vollem Munde maulend zur Türe ging, rief mir unsere Jüngste hinterher, schadenfroh: „Das hast du nun davon, du wolltest ja unbedingt Pfarrer werden!“

Damit hat sie natürlich recht gehabt. Wenn ich beispielsweise Handwerker geworden wäre, ich möchte die mal sehen, die sich erlaubt hätten, mich beim Mittagessen zu stören. Einen Handwerker beim Mittagessen stören, das ist ja wie so eine Art Gottesdienststörung. Aber wenn so ein Pfarrer am Mampfen ist, da kann man ja ruhig klingeln. Das war ein harmloses Beispiel, ich habe es bloß erzählt, um auszuprobieren, ob ihr noch an Deck und wirklich da seid.

Es gibt Schlimmeres, als wenn die Leute Sturm klingeln, zum Beispiel wie das bei folgendem Erlebnis gewesen ist, was die Jünger einmal mit Jesus hatten, Lukas 8: Eines Tages stieg Jesus mit seinem Jüngern in ein Boot, und sagte zu ihnen: wir fahren hinüber an das andere Ufer. So fuhren sie ab. Unterwegs schlief Jesus ein. Plötzlich kam ein Sturm auf. Das Wasser schlug ins Boot und sie waren in großer Gefahr und riefen: Herr, Herr, wir gehen unter!

Wären die Jünger nicht mit in das Boot bei Jesus  eingestiegen, da wären sie gar nicht erst den Sturm reingekommen. Wären sie am Strand liegen geblieben, an einem Tag wie heute, da hätten sie sich am Nachmittag schön den Buckel von der Sonne bräunen lassen können und abends, als dann der Sturm kam, da hätten sie sicher in ihrer Bude drinnen gesessen, hätten ihre Bratkartoffeln gemampft, und der Sturm hätte ihnen überhaupt nichts ausgemacht.

Zwei Männer, die es lieber ruhig haben wollen.

So war das bei den beiden Männern, die im letzten Moment noch zu Jesus kamen und mitfahren wollten. Da kamen im letzten Moment noch zwei Männer an und sagten: Ich möchte dir nachfolgen. Erlaube mir aber, dass ich vorher noch gehe, und meinen Vater beerdige![1] Ich meine, das sieht ja jeder ein, erstens hat so eine Familienangelegenheit Vorfahrt, und so pietätlos wird Jesus ja nicht sein, dass Er dafür kein Verständnis hätte, und außerdem ist das mit der Bekehrung ja auch nicht so eilig, ich meine die paar Tage wird Jesus ja noch warten können. Aber das kann Er nicht! Für Leute, die ihre Bekehrung hinausschieben, hat Jesus nichts übrig. Diesem Mann sagt Er: „Da wird nichts draus! Entweder du steigst ganz ein, sofort, oder du lässt es ganz sein!“ Und dem anderen, der dann noch kommt, den warnt Er geradezu vor dem mitkommen. Zu dem anderen sagt er: Die Füchse haben ihre Höhlen, die Vögel haben ihre Nester, aber ich habe keine Wohnung, ich habe kein Bett, wo ich mich zum schlafen hinlegen kann[2].

Also mit anderen Worten: ich kann dir keine sichere Existenz bieten. Und tatsächlich schläft Jesus dann ja auch auf dem Kahn in einer Ecke, nicht in einer Hängematte, sondern auf den Bootsplanken unter freiem Himmel. Den beiden Männern ist das „Unternehmen Jesus“ zu riskant. Die steigen nicht mit ein, sie bleiben am Ufer, sie bleiben zu Hause. Als der Sturm kam, sitzen die beiden folgerichtig zu Hause. Sie sagen: „Gut, dass wir nicht so blöde waren, bei diesem Jesus mit einzusteigen. Die Jünger, die mit ihm fahren wollten, die kämpfen jetzt da draußen um ihr Leben, während wir es jetzt hier schön mollig haben. Und was  die da draußen haben, das ist jetzt alles was sie davon haben!“

Nachfolge geht erst einmal harmlos los.

Das ist nicht alles, was sie davon haben! Aber zunächst, das stimmt, haben die Jünger von der Nachfolge nichts weiter als Scherereien. Das geht immer ganz harmlos los. Eines Tages stieg Jesus mit seinen Jüngern in einem Boot und sagte zu ihnen: wir fahren ans andere Ufer. Und so fuhren sie ab. An diesem Vorgang wird deutlich, was Nachfolge, was Bekehrung ist. Jesus steigt ins Schiff, die Jünger mit Ihm und sie fahren gemeinsam hinüber ans andere Ufer.

So sieht Nachfolge aus. Auf der einen Seite ist das sichere Ufer, und ein paar Schritte davon entfernt ist das schwankende Schiff von Jesus. Und du brauchst nur einen Schritt zu tun, und du bist mit dabei und schon geht die Post mit dir ab. Kein Mensch kann dich jemals zwingen, diesen Schritt zu Jesus tun. Wer ihn tut, der tut ihn absolut freiwillig. Und jeder von uns hat in seinem Leben die Chance, bei Jesus einzusteigen und sich von Gott mitnehmen zu lassen. Und wer die Chance bis heute noch nicht hatte, wer heute vielleicht zum ersten Mal in solch einer Kirche ist und ein erstes Mal die Einladung von Jesus erhält, der hat eben heute die Chance.

Heute legt Gottes Boot am Ufer deines Lebens an. Jesus sagt zu dir: „Komm, steig bei mir ein und ich nehme dich mit, in ein neues Leben!“ Das ist eine freundliche Einladung an uns alle, und alle von euch, die schon einmal mitgefahren sind und wieder ausgestiegen sind, die können jetzt wieder mit einsteigen.

Wie gesagt, am Anfang sieht das mit der Nachfolge ganz harmlos aus. Der See ist glatt, die Brise ist schwach, das Ganze wirkt zunächst wie so eine vergnügte Dampfervergnügungsfahrt. Die Sonne scheint, die Jünger haben sich die Hosenbeine hochgekrempelt, hängen ihre Flossen über den Rand ins Wasser und plätschern, der Petrus spielt auf der Ziehharmonika, die Jünger summen das Lied: „Ein Schiff, das sich Gemeinde nennt“, der Herr Jesus gestattet sich ein Mittagsschläfchen in der Ecke, es herrscht Frieden an Bord. So stelle ich mir die Kirche vor. Aber so bleibt das ja nicht. Plötzlich, so heißt es hier: Plötzlich kam ein Sturm auf. Das Wasser schlug ins Boot und sie waren in großer Gefahr. Am Anfang sieht das mit der Nachfolge immer ganz harmlos aus. Als kleines Kind wirst du in die Kirche gebracht und getauft. Später trabst du in den Kindergottesdienst, dann marschierst du zur Konfirmandenstunde, später gehst du zum Gottesdienst, und das ist immer schön. Es ist schön feierlich, es ist schön langweilig, es ist jedenfalls schön ungefährlich.

Irgendwann kommt der Gegenwind.

Aber auf einmal, da geht der Sturm los. Plötzlich geht es nicht mehr glatt, sondern schief, da heißt es: „Sie liegen schief, Herr Kollege, und zwar deswegen, weil sie zur Kirche gehören!“ Und du kommst in Schwierigkeiten, weil du dich einen Christen nennst.

Nachfolge bringt unweigerlich Gegenwind, und wenn du bei Jesus einsteigst, dann musst du mit Sturm rechnen. Heute sitzt du noch ruhig hier auf der Bank und guckst mich noch mit glaubens-starken Augen an, so wie Petrus vor der Verleugnung, aber eines Tages kommst du in einen Sturm, dass dir Hören und Sehen vergeht, in einen Sturm, wo du dich umguckst, wo der Gegenwind dich herunter blasen wird, vielleicht von dem Posten, auf den du so fleißig hochgekrabbelt bist. Eines Tages gibt es vielleicht um deine Person einen Wirbelwind, dass die Fetzen fliegen, dass du nicht mehr ein noch aus weißt. Und alles bloß deswegen, weil du im Kirchenschiff gesessen bist, weil du mit Jesus in einem Boot gesessen bist.

Wenn du also deine Ruhe haben willst, dann empfehle ich dir dringend, steige schleunigst aus. Dann komm zum Beispiel gar nicht erst hierher in den Jugendgottesdienst in die Petrikirche, sonst kann es dir zum Beispiel passieren, dass du von denen, die da draußen ihre Fotografieübungen[3] machen, eben auch gefilmt wirst, und du weißt, in welche Akte und in welche Schwierigkeiten du dann eines Tages gerätst.

Wenn du keine Scherereien haben willst, rate ich dir, steig aus, ehe der Ärger los geht. Wenn du möchtest, dass die Fahrt deines Lebens glatt verläuft, dann bist du bei Jesus auf dem falschen Dampfer. Wenn du bei Jesus einsteigst, dann gehen die Wellen eines Tages so hoch, dass es dir hochkommt. Jesus ist kein Talisman, der dir eine unfallfreie Lebensfahrt garantiert. Wohlgemerkt, es ist nicht Jesus, der den Terror macht. Er macht ja gar nichts. Er liegt ganz ruhig und friedlich da. Er schläft. Er tut nichts Böses, Er jagt dir keine Angst ein, Er macht dich nicht fertig, dass du das Leben zum Kotzen findest, wie seine Jünger, die, grün vor Angst, über der Reling hängen.

Der Urheber des Sturmes ist nicht Jesus, sondern sein Gegenspieler. Auf wen er abzielt.

Aber draußen, die Mächte außerhalb des Kahns, also der Teufel, der läuft Sturm. Der Teufel ist es, der die Katastrophen einfädelt, der es nicht ertragen kann, dass es Menschen gibt, die sich im Kahn der Kirche, im Kirchenschiff wohl fühlen. Er kann das friedliche Schiff einfach nicht in Ruhe lassen, er muss immer stänkern, das ist der Grund, warum das Leben mit Jesus so unruhig ist.

Wenn du also den lieben Gott einen guten Mann sein lässt, und dich hübsch ferne von Jesus hältst, wenn du möglichst selten in der Bibel liest, niemanden merken lässt, dass du etwas mit der Kirche zu tun hast, dann wirst du vor dem Teufel so ziemlich deine Ruhe haben. Solche halbgeweihten Christen hat der Teufel ja sowieso schon in der Tasche. Die sind für den Teufel völlig uninteressant, denn halbe Christen sind gar keine Christen. Also wenn du einer von denen bist, wie ich es eben hier geschildert habe, die eben nur so halb bei Jesus mitmachen, da wird der Teufel deinetwegen keinen Sturm organisieren.

Aber in dem Moment, wo du mit deinem Glauben ernst machst, wo du voll bei Jesus einsteigst, da geht die Hölle los. Da setzt der Teufel alles in Bewegung, um dich von Deck wieder runter zu spülen. Er manövriert dich in Situationen rein, wo du denkst, es ist aus, da geh ich unter, da geh ich kaputt, da geh ich krachen, weiß ich nicht weiter. Manche von euch haben solche Situationen im Leben doch auch schon erlebt, wo du denkst, es wächst ja alles über den Kopf, du packst es nicht mehr, du guckst nicht mehr durch, wo du gar nicht weißt, was du zuerst machen sollst, so wie die Jünger hier in dieser Geschichte, die direkt handlungsunfähig werden. Sie wissen einfach nicht mehr, was sie machen sollen. Sie wenden sich an Jesus: Herr, Herr, wir gehen unter!

Warum wir manchmal glauben, dass Jesus auch heute schläft.

Das muss man sich einmal vorstellen. Während die Mannschaft des Schiffes um ihr Leben kämpft, da schläft Jesus. Ich denke, das haben wir alle auch schon erlebt. Wir haben manchmal den Eindruck, dass alle Teufel hellwach sind, aber dass Gott schläft. Da gibt es Krieg, da gibt es Leiden, da gibt es Hunger, da gibt es Ungerechtigkeiten, da versetzt uns das Leben einen Hieb nach dem anderen, und wir denken, jetzt müsste Gott eingreifen und wir fragen uns, wie kann Er das denn zulassen? – und Er zeigt sich nicht. Und dann fragen wir uns: weiß Er überhaupt, wie es mir geht? Hat Er überhaupt eine Ahnung davon, in welchen Problemen ich drin stecke? Sieht Er denn nicht, dass ich aus dem letzten Loch pfeife, dass meine Kraft zu Ende geht? Guckt Er denn stillschweigend zu, wie die mich hier fertigmachen, ist Gott denn überhaupt noch da?

Aber ja doch, Leute, Gott ist da, das ist ja der Sinn dieser Geschichte. Gott ist da, wo auch immer du dich befindest. Jesus sitzt mit uns im gleichen Boot. Und solange Jesus bei uns im Leben mit drin sitzt, kann das Boot nicht untergehen. Die ganze Aufregung der Jünger ist im Grunde genommen umsonst. Angst ist sinnlos, Angst ist Unglaube. Und weil das so ist, weil Angst Unglaube ist, deshalb verteilt Jesus keine Beruhigungspillen. Er sagt nicht: „Also, liebe Leute: habt doch keine Angst, das kommt schon alles wieder ins Lot, der Sturm geht wieder vorbei, nach Dezember folgt wieder ein Mai, Trallala!“ Er brüllt die verängstigten Jünger auch nicht an. Er sagt nicht: „Ihr feigen Säcke, was seid ihr denn für miese Flaschen, reißt euch einmal zusammen!“ Er sagt auch nicht: „Als Kapitän dieses Schiffes befehle ich: auf meinem Schiff ist Angst verboten!“

Mit Befehlen, mit Anbrüllen, mit Beschwichtigungen, mit Argumenten ist der Angst nicht beizukommen. Denn der Angst mit vernünftigen Argumenten beikommen zu wollen, geht nicht. Die Angst sitzt ja nicht im Kopf, die sitzt ja viel tiefer, im Herzen, also in Bereichen, wo die vernünftigen Argumente gar nicht hinreichen. Die Angst sitzt in einem Bereich, wo nur der Glaube hinreicht, nämlich der Glaube an den Frieden, der stärker ist als alle Vernunft[4]. Angst kann nur der Glaube überwinden.

Wo Glaube ist, ist für Angst kein Platz.

Deswegen stellt Jesus seinen verängstigten Jüngern, nachdem Er mit einer Handbewegung für Ruhe gesorgt hat, nur eine einzige Frage, nämlich die Frage: „Wo ist euer Glaube?“ Er stand auf und bedrohte den Wind und die Wellen, da hörten sie auf zu toben, und es wurde ganz still. Dann sagte Er zu den Jüngern: wo ist euer Glaube?

Das ist die Frage, die heute an uns gestellt wird. Mit allen möglichen Mitteln wird heute versucht, von außen den Kahn der Kirche zum Kentern zu bringen. Und Hände reibend warten manche schon auf den Moment, wo die Kirche verschwindet. Manche möchten gerne noch ein wenig nachhelfen. Und wir, die wir drinsitzen, fragen uns verängstigt: wie lange wird denn noch dieser altmodische und überholbedürftige Kahn, die Kirche, sich über Wasser halten können? Wir werden immer weniger und wir kriegen es mit der Angst. Wir haben Angst, weil unsere Kinder nicht auf die Oberschule können, wenn sie Christen sind, wir haben Angst vor den Nachteilen der Nachfolge, Angst aus tausend Gründen. Und jetzt fragt Jesus: „Wo ist euer Glaube?“

Jesus hat einmal gesagt: Jedes Haar auf deinem Kopf ist gezählt. Fürchtet euch nicht, ihr seid in Gottes Hand![5] Aber Jesus hat auch einmal gesagt: In der Welt habt Ihr Angst.[6] Das hat Er ganz genau gewusst. Außerdem hat Er selber welche gehabt. Als Er kurz vor dem Sterben war, da hat Er vor Angst Blut geschwitzt. Er hat vor Angst gezittert. Und als sie ans Kreuz genagelt haben, da war sein Schiffbruch perfekt, dann schlief Er wieder, und zwar einen Schlaf, aus dem wir Menschen niemals  mehr erwachen, nämlich den Schlaf des Todes. So sah das damals am Karfreitag doch aus. Totaler Schiffbruch! Und Gott schläft! Da war auch eine große Stille. Eine Grabesstille war das. Und dann trat Jesus heraus, der Schiffbrüchige, der Tote. Er tat einen einzigen Schritt aus dem Grab in das Leben. Aus dem Tod in den Ostersieg. Weil Er diesen Schritt getan hat, deswegen kann Jesus sagen, dass ihr in der Welt Angst habt: „Ich habe sie mitgemacht, Ich habe sie durchgemacht. Aber ich habe die Welt überwunden.“

Zur Überwindung deiner Angst kommst du bloß dadurch, wenn du erst einmal mit Jesus durch das Leiden und durch den Kampf gehst. Vom Sieg der Auferstehung kriegst du bloß dann etwas mit, wenn du vorher die Niederlage mitgemacht hast. Wenn du dich vor dem Leiden mit Christus drücken willst, da ersparst du dir in diesem Leben bestimmt ganz viel. Aber du bringst dich auch um die herrliche Erkenntnis, dass Jesus stärker ist als alles und als alle, zum Beispiel stärker als deine Schwäche. Denn unser Glaube ist ja meistens in dem Augenblick, wo er gefordert ist, nicht mehr viel wert. Wenn es mal drauf ankommt, wenn wir wirklich mal als Christen gefordert sind, da werden wir gleich nervös, meistens versagen wir. Wir sind Versager. Dann bleibt uns nichts anderes übrig, als zu Jesus zu schreien: „Herr, Herr hilf mir. Ich weiß nicht weiter, ich gehe unter!“

Die Überfahrt mit Jesus wagen, um ans herrliche Ziel zu gelangen.

Wer am sicheren Ufer bleibt, der kommt gar nicht erst in den Sturm, der kommt gar nicht erst in die Lage, um Hilfe zu schreien. Wer nichts riskiert, der steht niemals als Versager da, der ist natürlich fein raus. Aber er sieht und hört niemals das, was die Jünger gesehen und gehört haben, als sie um Hilfe schrien: Da stand Er auf und bedrohte den Wind und die Wellen, da hörten sie auf zu toben und es wurde ganz still. Ein Wort von Jesus genügt, um das ganze Getue um deine Person zur Ruhe zu bringen. Ein Wort von Jesus, und deine Situation ist schlagartig verändert. Wie tief du gesunken bist oder wie groß der Wirbel um dich ist, oder wie festgefahren du mit deinem Lebensschiff bist, Jesus möchte dich wieder flott machen. Deswegen ist die letzte Frage für heute: wer ist Jesus für dich? Hier heißt es: Die Jünger waren erschrocken und sehr erstaunt und sagten zueinander: was ist das für ein Mensch? Er befiehlt dem Wind und den Wellen und sie gehorchen Ihm.

Also: wer ist Jesus für dich? Ist Er für dich die Galionsfigur an deinem Schiffsbug? So eine fromme Verzierung an der Außenwand, ein frommer Aufkleber – oder glaubst du, dass Jesus der Kapitän deines Lebensschiffes sein kann, der dich sicher an dein Ziel bringt? Auf alle Fälle lädt Jesus dich wieder ein, bei ihm einzusteigen. Dass das keine gemütliche Fahrt wird, ist ja jetzt klar, aber ich hoffe, dass auch klar ist, dass es jetzt besser ist, dass du bei Jesus einsteigst als dass du mit dem Teufel Schlitten fährst. Denn bei dem Teufel geht es auf jeden Fall nach unten. Im Augenblick versuchen die Springfluten der Gottlosigkeit uns alle vom Deck runter zu spülen und den Kahn der Kirche zu kentern.

Leute, der Kahn der Kirche kentert nicht. Dieser Kahn kann überhaupt nicht kentern. Er fährt nun schon seit 2000 Jahren durch das Meer der Weltgeschichte und es haben schon viele versucht, ihn anzubohren und zu versenken – und noch niemandem ist es gelungen. Weil nämlich die Kirche von  der Verheißung von Christus lebt, dass die Pforten der Hölle sie nicht überwältigen werden[7], das heißt, der Teufel kann sie nicht kaputt machen. Und wer in diesem Kahn, genannt die Kirche, drin sitzt, der landet am Schluss, nach allen Problemen und Schwierigkeiten, am anderen Ufer, in Gottes Reich, in seinem Frieden.

Nachfolge heißt also nicht, dass du ein gemütliches Leben führen kannst, sondern Nachfolge heißt: rausfahren auf die offene See, preisgeben, leiden, kämpfen. Wenn dir das alles zu viel ist, ich wieder-hole es noch einmal, dann steige gar nicht erst ein. Bleib ruhig am sicheren Ufer, distanziere dich von Jesus und du wirst keinen Ärger kriegen. Du musst bloß bedenken, dass du dann auch niemals am anderen Ufer ankommen wirst. Und das wäre schade. Denn es kommt ja im Leben nicht darauf an, dass du deine Ruhe hast, sonst es kommt im Leben darauf an, dass du Gottes Frieden erreichst. 

 

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[1] Dieser chronologische Ablauf erschließt sich nicht aus der Stelle bei Lukas 8, die Grundlage dieser Predigt ist, sondern aus der Parallelstelle bei Matthäus 8, 18-27. – Anm. des Schreibers.

[2] Lukas 9, 58 sowie die chronologisch passende Parallelstelle bei Matthäus 8, 20

[3] Eine recht deutliche Anspielung auf die Überwachungpraxis der Stasi. – Anm. des Schreibers.

[4] Vgl. dazu Philipper 4, 7

[5] Matthäus 10, 30-31 und Lukas 12, 7

[6] Johannes 16, 33

[7] Matthäus 16, 18