Der Galaterbrief
Über die Freiheit des Gläubigen vom Gesetz
Betrachtungen zum Brief des Paulus an die Galater
von Herbert Jantzen
bearbeitet und ergänzt von Thomas Jettel
Vorwort
Der vorliegende erbaulich gehaltene Kommentar zum Galaterbrief wurde in unserer Zeitschrift „Unterwegs notiert“ (ein Zweimonatsblatt, das wir seit über 20 Jahren – hauptsächlich elektronisch – gemeinsam herausgeben) veröffentlicht. Nun liegt er als Büchlein vor, begleitet von unseren Gebeten, dass er den Lesern zur Erbauung dienen darf.
Die Gedanken sind hauptsächlich von Herbert Jantzen, die er in verschiedenen Vorträgen geäußert hat. Er hat also die entscheidende Arbeit getan. Danach wurde ausgefeilt, umformuliert, ergänzt.
Bibelzitate sind der Übersetzung von Herbert Jantzen „Das Neue Testament in deutscher Fassung“ (Verlag FriedensBote, 2018) entnommen.
So der Herr will und Gesundheit und Kraft schenkt, sollen weitere erbauliche Kommentare bzw. Betrachtungen zu biblischen Büchern folgen.
Wir wünschen den Lesern Gottes reichen Segen.
Thomas Jettel
Dättlikon, im Sommer 2019
Der Galaterbrief ist ein Ringen des Apostels Paulus um die Freiheit kürzlich befreiter Menschen. Es geht um das Evangelium das der Apostel Paulus verkündet, über das Verhältnis des Christen zum Gesetz.
Paulus, der Apostel.
. Die ursprünglichen Galater waren Kelten, ein kriegerisches Volk. Sie hießen auch Gallier bzw. Galati oder Kelti. In der Völkerwanderung kamen sie im 3. Johannesdt v. Chr von Frankreich nach Griechenland. Darauf kamen sie nach Kleinasien. Ankara war eine ihrer Hauptstädte. Vom König von Bithynien wurden sie eingeladen, ihm im Bürgerkrieg zu helfen. Eine Anzahl folgte dieser Einladung. Dort ließen sie sich nieder und breiteten sich aus. Obwohl sie nicht in der Mehrzahl waren, beherrschten sie große Gebiete. Das Herrschaftsgebiet variierte von Zeit zu Zeit.
Als 25 v. Chr die Römer dieses Gebiet im mittleren Kleinasien einnahmen, hatte der letzte Gallierkönig es bereits in erheblichem Maße ausgeweitet. Unter der neuen Herrschaft wurde es die große Provinz Galatien, in der verschiedene Völker wohnten, ethnische Gruppen, die bis dahin Phrygier oder Lykaonier oder sonst etwas gewesen waren. Jetzt hießen alle „Galater“.
Zur Zeit des Neuen Testamentes sind sie ein gemischtes zum großen Teil griechisch sprechendes Volk. In den Städten befinden sich viele zugezogene Römer, Griechen und Juden. Die ethnischen oder keltischen Galater befinden sich mehr im Norden dieser Provinz. Als die Römer die Provinz Galatien schufen, wurde Phrygien aufgeteilt. Nur ein Teil kam zur Provinz Galatien. Lykaonien wurde ebenfalls aufgeteilt und ein Teil Galatien zugefügt. Vgl. Apostelgeschichte 16, 6; 18, 23.
Die Gelehrten streiten sich seit Langem in der Frage, ob die Galater, an die Paulus schrieb, im Norden oder im Süden dieser römischen Provinz wohnten. Vergleicht man die geschichtlichen Angaben im Brief mit denen in der Apostelgeschichte des Lukas, so kann Verwirrung entstehen. Nicht dass sie sich widersprechen würden, sondern man muss wissen, dass in der Bezeichnung geographischer Gebiete Lukas und Paulus verschieden vorgehen. Während Lukas eine Gegend nach dem ethnischen Volk benennt, das dort zu Hause ist, gebraucht Paulus amtliche römische Bezeichnungen. Wo er von „Galatien“ spricht, kann Lukas vielleicht vom lykaonischen oder phrygischen Gebiet sprechen. Es sind höchstwahrscheinlich Gemeinden in der so gen. südgalatischen Gegend der römischen Provinz Galatiens, an die der Apostel den Brief richtet. Diese Region schloss die Städte Antiochien in Pisidien, Ikonium, Lystra und Derbe ein.
Gemeinden in der römischen Provinz Galatien, die mit dem Dienst von Paulus und Barnabas – und evtl. in der anschließenden Zeit – entstanden waren, sind von solchen besucht worden, die es für wichtig achteten, das Gesetz Moses einzuhalten, wenn man in der Gunst Gottes leben wollte. Dazu gehörte, dass man sich beschneiden lassen und heilige Kalenderzeiten einhalten sollte.
In 1, 7 beschreibt Paulus sie als „etliche, die euch verwirren und das Evangelium Christi verkehren wollen.“ In 4, 17 sagt er: Sie eifern nicht im Guten um euch, sondern wollen euch ausschließen, damit ihr um sie eifert.“ In 5, 7 fragt er: „Wer hielt euch davon ab, von der Wahrheit nicht überzeugt zu sein ‹und ihr nicht zu gehorchen›?“ Das „Wer“ könnte auf eine konkrete Person hindeuten, und V. 10 könnte von einem verantwortlichen Anführer der Gruppe sprechen: „Wer euch aber verwirrt, wird das Urteil tragen, wer er auch sei.“
Wenn im Eingangswort unter den „Brüdern, die mit mir zusammen sind“, die waren, die Paulus Bericht von der Verwirrung in den Gemeinden brachten, so scheint die vage Erwähnung der Verführenden zunächst unverständlich zu sein. Es kann aber auch sein, dass die Lehre am östlichen Ende der Reihe von Gemeinden Einzug hielt, sich dann unter den Gläubigen verbreitete und dass die Berichterstatter, die ihre Bedenken hatten, eher aus der westlichen Gegend kamen und nicht mehr genau sagen konnten, wer die Besucher waren.
Auf jeden Fall waren wohl noch nicht alle in den Gemeinden von der falschen Lehre befallen, denn es scheint erhebliche Unruhe unter den Gläubigen gegeben zu haben, wenn der Apostel in 5, 15 von „Beißen und Verzehren“ schreiben muss. Es gab aber immer noch solche, die der Apostel als „Geistliche“ bezeichnen konnte (6, 1). Vielleicht gehörten die „Brüder, die mit mir zusammen sind“ (1, 2) zu ihnen.
Die Beschreibung des Treffens in Jerusalem, die wir in Ga 2 vorfinden, deckt sich mit der des Lukas in der Ag 15. Voran stand die Frage der Beschneidung der Neubekehrten aus den nichtjüdischen Völkern. In dem erwähnten Gespräch durfte es zu einem Konsens kommen. Das hinderte jedoch einige hartnäckige Judaisten nicht, hinterher in Antiochien und danach in Galatien Unruhe zu stiften, zum Teil mit erheblichem Erfolg. Im syrischen Antiochien widerstand Paulus Petrus, was dort zur endgültigen Klärung gedient haben darf.
Von dort aus zogen Paulus (für ihn die 2. Missionsreise) und Silas durch Südgalatien und stärkten die Gemeinden. Aber hinterher folgten ihnen, was sie damals nicht ahnten, die Verführer. Paulus und Silas reisten weiter über Troas nach Philippi, Thessalonich, Beröa, Athen und Korinth. Hier blieb der Apostel eine längere Zeit. Und hier scheint eine Gruppe aus Galatien ihn aufgesucht zu haben. Die könnten die „Brüder“ sein, die in Ga 1, 2A erwähnt sind. Da seine Umstände es nicht erlaubten, persönlich schnell zurück nach Südgalatien zu reisen, schrieb er selbst, mit eigener Hand, einen Brief. Der könnte noch vor dem ersten an die Thessalonicher, den er ebenfalls von Korinth aus schrieb, verfasst gewesen sein, also der erste von denen, die uns von Paulus im NT erhalten sind.
Der Brief ist ein Ringen um die Freiheit kürzlich Befreiter. Das Ohr dieser jungen Christen haben Juden gewonnen, die als Evangeliumsboten maskiert waren. Es geht um Gesetz und Evangelium in einem herzlichen Ringen um Gefährdete. Von dem Apostel Paulus wird Christus mit seiner Botschaft dem Gesetz gegenübergestellt, der Glaube den Werken, der Geist dem Fleisch im Leben des Christen, die Freiheit der Knechtschaft.
Sogar Eingang und Schluss des Briefes sind von diesem Thema gekennzeichnet.
Es geht um ein Ringen des Apostels um die Freiheit der Christen vom Gesetz.
Das Thema des Galaterbriefes lautet demnach:
Christus und das Gesetz im Leben des Gläubigen; oder: Die Frage nach dem Verhältnis des Gläubigen zum Gesetz.
Die Frage von Apostelgeschichte 15 (Muss man beschnitten werden, um Christ zu werden?) war bereits geklärt. Aber diese schlauen Verführer, die von Jerusalem herabgekommen waren und sich auf Jakobus beriefen, kamen nach Galatien und verführten die Galater dennoch. Jakobus selbst aber stand klar, hielt als Jude jedoch das Gesetz.
Nun war das Problem nicht mehr: Wie kommt man zu Christus? Oder: Wie wird man mit Gott versöhnt?, sondern jetzt hieß das Problem: Was braucht es, um als Christ zu leben?
Die Verführer sagten: „Aus Gnade gerettet werden ist richtig, aber nun braucht es noch mehr: das Einhalten des Gesetzes.“ (Man könnte damit die Aussagen mancher heutiger Christen vergleichen, die sagen, es brauche mehr! Eine Form dieses „Mehr“ in unserer Zeit ist z. B. die charismatische Irrlehre.)
Es geht also um die Frage, welche Rolle das Gesetz im Leben des Gläubigen für sein Heiligungsleben spielt?
Paulus betont in den ersten Kapiteln, dass es kein anderes Evangelium gibt als das, welches er den Galatern verkündigt hatte. Dieses Evangelium hatte er nicht von Menschen empfangen, es ist auch nicht menschlicher Art. Denn Paulus hat es in einer Offenbarung von Gott empfangen. Dennoch ist es kein anderes Evangelium als das, das die anderen Apostel verkündigten.
Dieses Evangelium bricht die Mauer zwischen Juden und Heiden nieder. Es bringt die Heiden zu dem Heil, das Gott dem Abraham im Alten Testament verheißen hatte, ohne sie unter das Gesetz zu stellen; denn das Gesetz war lediglich Zuchtmeister auf Christus hin gewesen.
Die Galater sind daher in Christus der „Same Abrahams“, dem die Verheißung galt. Und weil sie in Christus sind, sind sie auch die Erben aller Segnungen, die Gott Abraham verheißen hatte. Sie haben in Christus die Freiheit vom Gesetz und sollen sich in keiner Weise von den Judaisten belasten lassen. Gleichzeitig sollen sie sich aber vor Missbrauch ihrer christlichen Freiheit hüten, denn nicht unter dem Gesetz zu stehen, heißt nicht, gesetzlos zu sein. Sie stehen unter dem Gesetz Christi, dem Gesetz der Liebe.
Der Galaterbrief ist der schärfste Kampfbrief des Apostels. Gleich am Anfang betont Paulus seine apostolische Autorität, die sich nicht auf Menschen, sondern auf den auferstandenen Herrn gründet. Im Briefeingang unterbleiben die üblichen Danksagungen und am Schluss die Grüße an die Gemeindeglieder. Der ganze Brief ist eine Verteidigung des Evangeliums und der Freiheit, die es bringt.
. Der Brief an die galatischen Christen schafft Klärung für sie, und zwar eine dreifache:
K. 1 und 2 beantworten die Frage: Wer spricht?,
K. 3 und 4 die Frage: Was sind seine Argumente?,
K. 5 und 6 die Frage: Wie lebt man das, wie geht es weiter?
Entsprechend geschieht zuallererst eine Vollmachtsklärung: Wer war es, der in Galatien verkündigt hatte? Wer sandte ihn? Wer ist es, der jetzt schreibt? Wer steht hinter der verkündigten Botschaft?
- Wenn das klar ist, kann der Schreiber die Lehre klären, und zwar auf dem Hintergrund des Alten Testaments (AT), denn die verwirrende Lehre, die Einzug gehalten hatte, berief sich auf die bisherige Bibel der Glaubensgruppe, aus der die neue Botschaft gekommen war. Und die war unser AT, die gemeinsame Bibel des historischen Israel als auch der neuen Christusgemeinde.
- Ist die Beziehung der neuen Christusbotschaft zur früheren Glaubensbasis klar, so darf die Anwendung geklärt werden: Wie lebt man in der neuen Lehre?
Alles dieses muss allerdings, da es sich um einen Brief handelt, knapp gehalten werden. Alle Briefe jener Zeit waren kurz. Im Verhältnis sind die, die wir in unserer Bibel vorfinden, bereits lang. Dem Apostel wurde es aber geschenkt, in kurzen Worten so viel zu sagen, das sofort helles Licht auf die Lage wirft.
Die K. 1 und 2 sind autobiografisch, zeugnishaft. Paulus verteidigt seine Apostelschaft und die Herkunft seines Evangeliums
Die K. 3 und 4 sind argumentativ, lehrhaft. Paulus stellt die Hauptpunkte über die Beziehung des Evangeliums (und daher des Christen) zum Gesetz dar: Rechtfertigung und Heiligung geschehen unabhängig vom Gesetz. Christus befreit vom Joch des Gesetzes.
Die K. 5 und 6 sind lehrhaft, mit stärkerem Bezug auf das praktische Leben. Paulus gibt Hilfen zur Umsetzung des Evangeliums ins praktische Leben. Man soll nun wählen: Freiheit oder Versklavung; Geist oder Fleisch. Die Kraft des Christen liegt nicht im Gesetz, sondern in der neuen Schöpfung, d. i. Christus in den Seinen.
I. Teil: Wer spricht? K. 1.2: Paulus bezeugt: Seine Botschaft bekam er unmittelbar von Gott.
A: Der Briefeingang 1, 1-10
B: Eine Erklärung 1, 11.12
C: Des Apostels Anfänge 1, 13-17
D: Sein Verkehr mit Aposteln in Judäa 1, 18- 2, 10
E: Die Auseinandersetzung mit Petrus 2, 11-21
II. Teil: Was sind die Argumente? K. 3.4 Paulus lehrt aus dem AT.
A: Verwunderung wird zum Ausdruck gebracht. 3, 1-5
B: Pl. zieht Lehren aus dem Leben Abrahams. 3, 6- 4, 31
III. Teil: Wie geht es weiter? K. 5.6 Paulus ruft auf, wendet an.
A: Er fordert auf, in und zu der Freiheit zu stehen. 5, 1-15
B: Er fordert auf, sich nach d. Geist auszurichten. 5, 16-6, 10
C: Der Schluss 6, 11-18
Paulus bezeugt seine Apostelschaft: Seine Botschaft bekam er unmittelbar von Gott.
Der Eingang macht einen abrupten Eindruck. Das ist aber nicht als Zeichen von Gereiztheit auszulegen. Jedes Wort ist hier auf die Goldwaage gelegt.
„Paulus, Apostel“
. Dass Paulus der Verfasser dieses Briefes war, ist selten in Frage gestellt worden. Zu Hause und unter seinen Volksgenossen hieß er Saulus, wohl nach dem ersten König Israels so benannt, der aus seinem Stamm, dem Stamm Benjamins, kam. Als Kind von Eltern, die in der Zerstreuung unter Griechisch Sprechenden wohnten, hatte er auch einen zweiten Namen, Paulus, den er in der Gesellschaft außerhalb Israels gebrauchte. Der Unterschied wird in der Apostelgeschichte klar, wenn die kleine Mannschaft auf der ersten Missionsreise auf Zypern wirkt.
. Paulus grüßt als „Apostel“.
- Die Bedeutung dieser Bezeichnung gewinnt in diesem Fall vielleicht an Stärke, wenn wir das Lehnwort aus dem Gr. ganz ins Deutsche übersetzen. Und statt eines Kommas wird es wohl geraten sein – im Blick auf die nächsten Worte – eine kurze Pause zu machen und also zu lesen: „Paulus, Gesandter – nicht von Menschen her …“
- „Gesandter“: Nicht im eigenen Namen war er in Galatien aufgetreten. Er stand im Schatten eines anderen.
Aber auch dann muss geklärt werden für die Leser, wer es war, der ihn gesandt hatte. Die Antwort auf diese Frage bleibt nicht lange aus:
- „... nicht von Menschen her noch durch einen Menschen, sondern durch Jesus Christus und Gott, den Vater, der ihn von den Toten erweckte ...“
Es war für Paulus schwierig, als Apostel anerkannt zu werden, weil er nicht bei Jesus gewesen war. In diesem Fall war eine Rechtfertigung nötig. Der einzige Apostel im NT, der sich in besonderer Weise ausweisen muss, ist Paulus – weil man sonst das Vertrauen in seine Botschaft verloren hätte.
Hier geht es nicht nur um ein Vertrauen in den Charakter des Paulus, sondern in einen, der seine Botschaft unmittelbar von Gott als Offenbarung bekommen hatte.
Paulus will klarmachen: ‚Jesus hat zu mir gesprochen. Er hat mich zu seinem Sendboten gemacht. Was ich sage, ist Gebot des Herrn.’
Er ist Apostel, nicht von Menschen her, ist nicht von Menschen geschickt, nicht von Menschen zu einem Apostel ernannt, untersteht auch nicht Menschen, sondern Gott selbst. Er legt Wert darauf, deutlich zu machen, dass seine Berufung von der höchsten Instanz kommt, von Gott, dem Vater, und von Jesus Christus.
Den Namen Jesus Christus nennt er allerdings zuerst. Er war es, der ihn vor Damaskus gestellt hatte. Dort erfuhr er in der persönlichen Begegnung, dass Gott den Gekreuzigten von den Toten „erweckt“ hatte. Und als dem Verfolger der Gemeinde des Gekreuzigten das aufging, sprach er ihn sofort als „Herrn“ an. So schnell war seine Umkehr – vielleicht auch, weil das Zeugnis von Stephanus ihm in den Ohren geblieben war und ihn innerlich gebohrt hatte.
Und kaum war Saulus ein Jünger des „Herrn“ Jesus geworden, so bekam er auch seinen Auftrag – und bald darauf auch vom selben Herrn die Botschaft, die er auszurichten hatte.
- Paulus gehört also zu den Grund legenden Aposteln, die die Heilsbotschaft unmittelbar von Jesus Christus bekommen haben. Mit der Verkündigung dieser Botschaft haben sie für andere und spätere das Fundament gelegt. Auf diesem Fundament bauen auch wir heute, auf keinem anderen Evangelium. Zusammen mit dem Wort der Propheten Gottes ist ihre Verkündigung unsere Bibel.
. Paulus ist nicht alleine mit seinem Briefgruß. Er schreibt: „und alle Brüder, die mit mir zusammen sind“.
Diese Aussage dient
1.) zur Abgrenzung (die, „die mit mir zusammen sind“), weil ausnahmsweise keine Namen genannt werden, und
2.) zur Unterstützung: Alle Begleiter – eine Mehrzahl und die ganze Zahl –, „alle“ anerkennen die Apostelschaft des Paulus und sind mit seiner Botschaft einverstanden.
3.) Nicht als Angabe von Mitverfassern des Briefes dient die Aussage.
. Dass Paulus keine Namen nennt, fällt auf, denn es ist ungewöhnlich – auf jeden Fall im Vergleich zu seinen späteren Briefen, wenn dieser sein erster ist. Warum nennt er keinen weiteren Namen?
Es sollte wohl allen klar werden, dass nur ein einziger Name hier als Autorität gelte. Als apostolischer Verfasser ist nur er zu nennen.
. Dennoch ist er nicht allein. Es sind schon andere da, die derselben Auffassung sind. Und auch sie lassen grüßen, teilen seine Liebe und seine Sorge. Zu diesen dürften auch die gehören, die ihm aus Galatien Nachricht von der judaistischen Lehre brachten.
. Im Wesen waren sie alle Brüder in Christus, in der Aufgabe verschieden.
„Den Gemeinden Galatiens“, eine Reihe von Gemeinden, die auf der ersten Missionsreise mit Barnabas in der südlichen Gegend des mittleren Raumes in Kleinasien, der heutigen Türkei, entstanden waren und die Paulus und Silas auf dieser zweiten Missionsreise wieder besucht hatten.
„Gnade [sei] euch ‹zuteil› und Friede“.
Die biblischen Grüße sind keine leeren, wie wir sie manchmal im Munde führen. Diese zwei Begriffe sind gefüllt von Heilswert.
Die Leser litten geistlich. Was sie brauchten – und was jeder Christ stets braucht – war echte Gnade und echter Friede. Wir leben alle von diesen selben Segensströmen. Und da ist für alle Not volles Genüge.
A:. Einmal werden Gnade und Frieden erbeten „von Gott, dem Vater“.
Das macht die Gemeinde zu einer Familie. Daran sollen die Galater denken. Paulus deutet an: Wenn Christen unter sich sind, dann sprechen sie von Gott als ihrem Vater. Seine Leser sollen wissen: Sie sind Brüder, alle aus Gott geboren.
Obwohl Gott zu alter Zeit Israel seinen Sohn genannt hatte, war die neue Sohnschaft durch den Messias eine andere, eine, die der Geist des Messias bewirkte. Die Gemeinde ist nicht Israel gleichzusetzen, einem irdischen Volk mit staatlicher Form und entsprechenden Satzungen. Diese Form lag nämlich im Hintergrund des Denkens der Verführenden, die aus Judäa nach Galatien gekommen waren.
B:. „und unserem Herrn, Jesus Christus“
Nicht Mose ist jetzt Herr, sondern Jesus Christus.
Dem Anliegen des Briefes entsprechend wird die Person unseres Retters nun scharf herausgestellt:
1:. Er ist der, der sich hergab. V. 4A
„... dem, der sich selbst gab für unsere Sünden …“
Das Nötige zu unserer Rechtfertigung vor Gott ist also schon geschehen; nichts ist dem hinzuzufügen.
2:. Nun konzentriert er sich auf die Absicht der Hingabe. V.4M
„… auf dass er uns für sich herausnehme ...“
. Das Wort „herausnehme“ bereitet Schwierigkeiten, trotz dessen, dass es ein einfaches ist.
Es besteht aus zwei zusammengesetzten Wörtern, einem Hauptwort, „heben“, und einer Vorsilbe, „aus / heraus“. Gewöhnlich setzt man in der Übersetzung des Wortes voraus, dass es um ein gewaltsames Handeln geht, und man gibt es mit „retten“, „befreien“ oder „erlösen“ wieder. Ganz verkehrt sind diese Wiedergaben nicht, aber das Gr. hat für diese Begriffe andere Wörter. Zwei Beispiele vom Gebrauch des gr. Wortes für „herausnehmen“ mögen helfen, es besser zu verstehen.
Wenn Stephanus in seiner Verteidigungsrede erzählt, wie Josef aus dem Gefängnis gerufen wurde, um zu dem Pharao zu kommen, dann war das für ihn persönlich natürlich eine Befreiung, aber das war nicht die Absicht des Holens. Er wurde „herausgenommen, -geholt“, weil er am Hof ein Problem lösen sollte, und ob er aus dem Kerker bleiben würde oder nicht, war noch nicht klar. Wenn der Täufer Johannes ruft: „Das ist das Lamm, das die Sünde der Welt hinwegnimmt“, dann wird die Sünde nicht „gerettet“, sondern getilgt, weggenommen.
Man kann also nicht vorsichtig genug sein, wenn man Texte übersetzt. Bleibt man in Galater 1 bei der einfachen Bedeutung des Wortes „herausnehmen“, so ist es leichter, den Sinn der Aussage mitzubekommen.
. Wer nimmt heraus?
Er holt uns heraus – in Umkehr, Heiligung und schließlich Vollendung –, nicht durch Leistung unsererseits. Die Galater sollen wissen, sie können nichts zu ihrem Heil beitragen. Später (5, 22.23) wird er klarmachen, auch was wir als Befreite tun, ist seine Frucht.
. Aus was soll nun herausgeholt oder genommen werden? Wozu wurden unsere Sünden ans Kreuz gebracht?
- „… auf das er uns herausnehme aus der gegenwärtigen bösen Weltzeit ...“
Wir sind unterwegs. Diese Welt ist jetzt nicht mehr unser Zuhause. Es geht in eine andere. Die ist nun Ziel unseres Lebens. Das macht der Apostel auch an anderer Stelle klar, zunächst in diesem Brief:
Galater 3, 3: „So unverständig seid ihr? Nachdem ihr im Geist anfingt, werdet ihr nun im Fleisch ans Ziel gebracht?“ Unser Ziel liegt nicht in der Welt des Fleisches, sondern des Geistes.
Galater 4, 1-6: „Ich sage aber: Solange der Erbe unmündig ist, unterscheidet er sich in nichts von einem Leibeigenen, obwohl er Herr von allem ist, sondern er steht unter Vormündern und Verwaltern bis zu der vom Vater festgesetzten Zeit. So waren auch wir, als wir unmündig waren, den elementaren Dingen der Welt als Leibeigene unterworfen. Aber als die Fülle der Zeit gekommen war, sandte Gott seinen Sohn aus, geworden aus einer Frau, geworden unter Gesetz, damit er die unter [dem] Gesetz freikaufte, damit wir die Sohnesstellung empfingen. Dass ihr aber Söhne seid: Gott sandte den Geist seines Sohnes aus in eure Herzen ...“
Epheser 4, 4: „Ein Leib [ist es] und ein Geist, entsprechend dem, dass ihr auch gerufen wurdet in einer Hoffnung eures Rufes.“
Philipper 3, 14: „... jage ich dem Ziel entgegen – es geht um den Siegerpreis des von oben ergangenen Rufes Gottes in Christus Jesus.“
- Von Israel hieß es (1. Mose 6, 23): „Und er führte uns von dort heraus, um uns hineinzubringen, uns das Land zu geben, das er unseren Vätern zugeschworen hatte.“ Israel erlebte eine physische Befreiung aus einem irdischen Lande, um ein irdisches Land zu erben. Dem entsprechend erhielt es eine irdische Gesetzgebung. Diese Ordnung entsprach der Tatsache, dass sie in einer Welt lebten mit Naturgesetzen. Paulus nennt diese Ordnung „das Elementarische“, das Erste. Mit Christus kommen wir in die zweite Welt, eine des Geistes. Mit dem Leibe wohnen wir zwar noch in dieser ersten Welt, aber im inneren Menschen sind wir bereits versetzt in die himmlischen Bereiche in Christus, und unser wahres Leben (Kolosser 3) ist verborgen worden in ihm im Jenseits. Für jene Welt sind wir gerettet worden, gerettet, um sie zu erben. In diesem Zeichen bedürfen wir nicht das leibliche Zeichen der Beschnei-dung, denn wir sind kein irdisches Volk, sondern ein geistliches, versehen mit dem neuen Gesetz des Heiligen Geistes (Römer 8, 1M.2A: „... die nicht nach dem Fleisch wandeln, sondern nach dem Geist, denn das Gesetz des Geistes des Lebens in Christus Jesus machte mich frei ...“).
Der Apostel steckt also hier am Anfang seines Schreibens sofort den Rahmen seines Themas ab. Mit Christus sind wir dem alten Wesen gestorben, um im Geist dem Auferstandenen zu leben, wie Paulus am Anfang von Römer 7 klarmacht. Dort schließt er ab mit den Worten:
„Aber nun wurden wir dem Gesetz enthoben, da wir [in dem] starben, in dem wir festgehalten wurden; und so sollten wir Leibeigenendienst tun im Neuen, im Geist, und nicht im Älteren, im geschriebenen [Gesetz].“
Den Philippern schreibt er (3, 20): „... unsere bürgerliche Heimat hat ihren Bestand in den Himmeln, von woher wir auch einen Retter erwarten, den Herrn Jesus Christus ...“
Die Galaterchristen waren von Sünde und Schuld gerettet worden, um schließlich von dieser „bösen Weltzeit“ ganz herausgeholt zu werden. Sie lebten mit dem Haupt emporgehoben in der Erwartung ihrer sich bald zu erfüllenden Hoffnung. Sie schielten nicht zurück zum alten Wesen, dem Elementaren. Paulus macht ihnen in 3, 22-24 klar:
„Die Schrift schloss ... alles unter die Sünde zusammen, damit die Verheißung aus Glauben an Jesus Christus gegeben würde den Glaubenden. Aber ehe der Glaube kam, wurden wir unter [dem] Gesetz in Verwahrung gehalten, zusammen eingeschlossen auf den Glauben hin, der geoffenbart werden sollte. Somit ist das Gesetz unser Beaufsichtiger geworden auf Christus hin, damit wir aus Glauben gerechtfertigt würden.“
V. 4E: Dieses alles geschieht
„nach dem Willen unseres Gottes und Vaters, dem die Herrlichkeit ‹gebührt› in ‹alle› Ewigkeit.“
Das anschließende „Amen“ ist eine feierliche Bestätigung: So ist es, und so soll es sein.
„Mich wundert, dass ihr so schnell wegbewegt werdet von dem, der euch in [der] Gnade Christi rief, hin zu einem anderen „Evangelium“, 7 welches nicht ‹noch› ein anderes ist; nur sind da etliche, die euch verwirren und das Evangelium Christi verkehren wollen.“
. „Mich wundert“
Ein bewundernswertes Wort! So hoch in Ehren hält der Apostel die Christusbotschaft und so groß ist das Vertrauen, das sie bei ihm genießt, dass er sich nur wundern kann, wenn Menschen, die diese Botschaft der Freude empfingen, sich bald in die Welt oder in die Sekten begeben, wie das bei uns allzu häufig der Fall ist – so häufig, dass wir uns nicht mehr wundern.
. „wegbewegt werdet“
Die Schuld für diese unglückliche Wendung liegt aber nicht nur bei den Galatern. Das sieht Paulus ein. Sie „wurden“ nämlich „wegbewegt“. Jemand setzte sie in Bewegung, und zwar in die verkehrte Richtung. Die jungen Christen Galatiens meinten, sie werden mit der neuen Lehre näher zu Gott gebracht, aber Paulus nimmt kein Blatt vor den Mund und erleuchtet sie: Damit gingen sie weg von Gott, von dem, der sie durch die Verkündigung des Paulus gerufen hatte.
Gerufen waren sie geworden von Gott „in der Gnade Christi“, einer Gnade, die der möglich gemacht hatte. Paulus wundert sich, warum jemand eine solche freie Gnade vertauschen möchte mit der kümmerlichen Leistung von Menschen. Und diese Leistung nannte man noch „Evangelium“, „gute Botschaft“. Aber Paulus erklärt, die Botschaft ist ganz anderer Art als das Evangelium Gottes. Die zwei lassen sich nicht vergleichen noch vermengen. Was die Galater zugeführt bekommen haben, ist keineswegs eine „gute“ Botschaft, sondern eine ungute. Entweder kommt man durch die Gnade Christi zu Gott, oder man kommt überhaupt nicht zu ihm.
. „nur sind da etliche, die euch verwirren und das Evangelium Christi verkehren wollen.“
Verwirrung entsteht, wo die einfache Christusbotschaft durch Vermengung verkehrt wird. Das geschah in Galatien. Wer bei der ursprünglichen Wahrheit bleibt, darf im Licht „wandeln“ und den Weg zum Ziel beschreiten.
„Jedoch wenn auch wir oder ein Bote aus dem Himmel euch ein „Evangelium“ sagen sollte, das verschieden wäre von dem Evangelium, das wir euch sagten, sei er verflucht.
9 Wie wir zuvor gesagt haben, sage ich auch jetzt wieder: Wenn jemand euch ein „Evangelium“ sagt, das verschieden ist von dem, das ihr annahmt, sei er verflucht! 10 Hole ich mir denn jetzt die Zustimmung der Menschen oder Gottes? – oder suche ich, Menschen zu gefallen? – denn wenn ich noch Menschen gefiele, wäre ich nicht Christi leibeigener Knecht.“
. „Jedoch wenn“: Das „wenn“ ist hier kein ungewisses. Man könnte auch lesen: „Wo“ oder „Wann …“
Um keine Ausnahme bei den Lesern aufkommen zu lassen, stellt der Apostel sich vorne an und sagt: „Wenn auch wir …“ Auch er müsste mit einem Fluch belegt werden, sollte er die Rettungsbotschaft Gottes irgendwie ändern.
. Der „Bote aus dem Himmel“ ist ein Engel. Für diesen Begriff hatten die Griechen kein Wort. Aber auch im Hebräischen wird das Wort für Bote für einen Engel gebraucht. Paulus will es klar machen: Sollte der Bote aus dem Himmel oder von der Erde kommen, jede Botschaft, die sich von der unterscheidet, die er in Galatien verkündete, steht unter einem Fluch.
. „Fluch“ heißt: Todesurteil. Es kann ja auch nicht anders sein, denn schon Jesus hatte gesagt: „Niemand kommt zum Vater, denn durch mich.“ Er ist das Leben und der Weg dahin. Jeder andere Weg führt in den Tod.
. „Wie wir zuvor gesagt haben“ (V. 9): Dieses scheint nicht auf V. 8 Bezug zu nehmen, sondern auf eine frühere Warnung. Das Warnen vor Irrlehre gehörte zur Botschaft Jesu und der Apostel. Die Warnung, an die Paulus hier denkt, könnte er auf der ersten Reise oder auf der jetzigen ausgesprochen haben. Besonderen Anlass zu einer solchen könnten die Ereignisse in Jerusalem und in Antiochien in Syrien gegeben haben.
. V. 10 zeigt die Spannung auf, in der wir alle stehen. Gott gebe uns die Entschiedenheit des Apostels, wenn er sagt: „Hole ich mir denn jetzt die Zustimmung der Menschen oder Gottes? – oder suche ich, Menschen zu gefallen? – denn wenn ich noch Menschen gefiele, wäre ich nicht Christi leibeigener Knecht.“
Hiermit beginnt Paulus, den geschichtlichen Nachweis seiner Vollmacht zu liefern.
„Ich setze euch aber in Kenntnis, Brüder: Das Evangelium, das von mir als gute Botschaft gesagt wurde, es ist nicht nach Menschen, 12 denn ich empfing es nicht von einem Menschen, noch wurde ich gelehrt, sondern durch Enthüllung Jesu Christi [empfing ich es].“
Diese Erklärung setzt er an den Anfang, und die wird er in den beiden ersten Kapiteln belegen.
In V. 11 argumentiert Paulus, dass sein Evangelium nicht nach der Menschenart ist. In V. 12 gibt er eine zusammenfassende Begründung, warum das so ist:
. Es stammt nicht von Menschen, denn er nahm es nicht von einem Menschen entgegen.
. Er wurde nie von einem Menschen darüber belehrt.
. Er nahm es von Jesus Christus entgegen.
. Jahre bevor er die anderen Apostel sah, hatte er schon das Evangelium von der Gnade verkündet.
. Als er die Apostel sah, war nichts hinzuzufügen. Sie anerkannten ihn uneingeschränkt (2, 6-10).
„... denn ihr hörtet von meiner einstigen Lebensweise im Judentum, dass ich die Gemeinde Gottes über die Maßen verfolgte und zerschlug 14 und im Judentum Fortschritte machte über viele Altersgenossen in meinem Geschlecht hinaus, und ich war im Übermaß ein Eiferer für die Überlieferungen meiner Väter.“
War der, der sie verführte, ein Eiferer für das Gesetz? Er, Paulus, war der vornehmste gewesen. Von diesem Wege aber hatte Gott selbst ihn abgebracht, wie er gleich bezeugt. Er sagt: Ich habe aber das Judentum für eine bessere Botschaft verlassen.
„Aber als es Gott, der mich von Mutterschoß an absonderte und mich durch seine Gnade rief, für gut hielt, 16 seinen Sohn in mir zu enthüllen, damit ich ihn als gute Botschaft unter denen, die von den Völkern sind, künde, beriet ich mich nicht sogleich mit Fleisch und Blut, 17 noch ging ich hinauf nach Jerusalem, hin zu denen, die vor mir Apostel waren, sondern ich ging weg nach Arabien und kehrte wieder nach Damaskus zurück.“
Die Umstände seiner Umkehrgeschichte sprechen dagegen, dass seine Sendung von Menschen sei. Es war Gott gewesen, der schon von Mutterleib an seine Pläne mit ihm hatte. Dem Verfolger der Jesusanhänger war er gnädig, und er rief ihn – mit dem Vorhaben, in ihm seinen Sohn zu enthüllen, damit er imstande sei, ihn als gute Botschaft zu künden, vornehmlich denen aus den Völkern – wie die Galater. Gerufen wurde er von Gott persönlich, worauf er den Rat keines Menschen suchte, sondern sich in die arabische Stille begab. Danach ging er nicht nach Jerusalem, dem Herd der neuen Botschaft, sondern kam zurück nach Damaskus.
V. 16: „... seinen Sohn in mir (d. h. seinen Sohn, der in mir war) zu enthüllen ...“:
Gott wollte ihm, in dem der Sohn Gottes bereits war, seinen Sohn enthüllen. V. 16 bezieht sich nicht auf die Umkehr, sondern auf die Enthüllung (Offenbarung) des Sohnes in ihm. „Als Gott vorhatte, seinen Sohn in mir zu enthüllen“ meint also nicht, „als Gott vorhatte, mich, Paulus, zu einem Nachfolger Christi zu machen“, sondern Gott wollte ihm den Gottessohn, der schon in ihm war, enthüllen (offenbaren). Die „Enthüllung des Sohnes“ bezieht sich auf die speziellen Offenbarungen nach der Umkehr. Der Sohn war ja schon „in“ Paulus, als Gott ihn ihm enthüllte.
Das Evangelium ist demnach nicht eine Sache, sondern eine Person. Der Sohn ist das Evangelium, weil er das Heil ist. Gott hat dem Apostel Paulus den Herrn Jesus gezeigt. Nun wusste Paulus, was er zu sagen hatte. Nicht: Jesus bringt das ewige Leben und das Heil, sondern: Jesus ist das Leben. Er ist Heil. Christus ist das Evangelium.
Gott sonderte Paulus von Mutterleib ab; nicht Paulus trug etwas dazu bei. Gott rief Paulus. Und Gott rief ihn aus Gnaden.
Seine Kontakte in Jerusalem und Judäa sprechen dagegen, dass seine Sendung von Menschen sei.
„Nach dem, nach drei Jahren, ging ich hinauf nach Jerusalem, um mit Petrus Bekanntschaft zu machen, und ich blieb fünfzehn Tage bei ihm.“
Lukas berichtet (Apostelgeschichte 9, 26-29): „... er versuchte, sich den Jüngern anzuschließen. Und alle fürchteten ihn, da sie nicht glaubten, dass er ein Jünger sei. 27 Aber Barnabas nahm sich seiner an, führte ihn zu den Aposteln [von welchen wohl zur Zeit nur Petrus und Jakobus da waren] und erzählte ihnen, wie er auf dem Wege den Herrn gesehen und dass er zu ihm geredet hatte und wie er in Damaskus mit Freimütigkeit gesprochen hatte im Namen Jesu. 28 Und er war bei ihnen, ging ein und ging aus in Jerusalem und sprach mit Freimütigkeit im Namen des Herrn Jesus. 29 Und er redete und disputierte mit den Griechischen.“
V. 19: „Aber andere der Apostel sah ich nicht – außer Jakobus, den Bruder des Herrn.“
Und mit diesen Zweien verbrachte er augenscheinlich wenig Zeit. Man könnte also nicht sagen, dass er von diesen ersten Zeugen Jesu groß eingeführt wurde.
V. 20: „Was ich euch schreibe – siehe! – vor Gott [sage ich es]: Ich lüge nicht!
21 Nach dem kam ich in die Gegenden von Syrien und Kilikien [wo er aufgewachsen war]. 22 Ich war aber den Gemeinden Judäas, die in Christus sind, [Israel ist mit dem Messias jetzt geteilt] dem Gesicht nach unbekannt. [Auch aus der Richtung kam keine Prägung.]
23 Sie hörten nur: ‚Der, der uns einst verfolgte, sagt nun die gute Botschaft, den Glauben, den er einst zerschlug.’ 24 Und sie verherrlichten Gott an mir.“
Und dieses Zeugnis der Christusjünger in Jerusalem und Judäa möchten doch die Gläubigen in Galatien zur Kenntnis nehmen.
„Nach dem, vierzehn Jahre später ...“
Wie harmonisieren die vierzehn Jahre mit Daten der Apostelgeschichte?
In V. 1 stellt sich die Frage: Wie passen die geschichtlichen Angaben des Galaterbriefes in die Apostelgeschichte? Paulus erwähnt hier Dinge, die dort nicht erwähnt werden. Er lässt uns hier wissen, dass er bei den theologischen Lehrern dort in Jerusalem schon bekannt war; denn er entkam von Damaskus nach Jerusalem. Dann ging er von Jerusalem nach Tarsus in Kilikien (Galater 1, 21). Tarsus liegt westlich von Syrien. Es kann sein, dass er unterwegs über Syrien reiste (1, 21) und dort Zeugnis ablegte. Von Tarsus gelangte er mit Barnabas, der ihn holte, nach Antiochien. Dort hielt er sich ein Jahr mit Barnabas auf (Apostelgeschichte 11, 22-26). Gemäß Apostelgeschichte 11, 29.30 waren Paulus und Barnabas danach einmal kurz in Jerusalem, um eine Kollekte abzuliefern; aber auf diesen Besuch bezieht sich Paulus in Galater 2, 1ff nicht.
Es folgt in Apostelgeschichte 13, 1 - 14, 28 die erste Missionsreise des Paulus nach Zypern und Antiochien in Pisidien und zurück nach ihrem Ausgangsort Antiochien. Dort entstand danach Unruhe durch Gesetzeslehrer. Diese Irrlehrer kamen von Jerusalem. Daher sollte die Sache dort besprochen werden. Davon handelt dann Apostelgeschichte 15 und dem entsprechen die Angaben in Galater 2, 1ff.
Daher lesen wir in Galater 2, 1: „Nach dem, vierzehn Jahre später, ging ich wieder hinauf nach Jerusalem ...“ – was aber nicht heißt, dass er dazwischen nie in Jerusalem war. Die Zahlenangabe meint hier wohl vierzehn Jahre nach seiner Bekehrung, sodass es nur elf Jahre nach dem Arabienaufenthalt war.
„Nach dem, vierzehn Jahre später [wohl nach seiner Bekehrung], ging ich wieder hinauf nach Jerusalem mit Barnabas – und nahm auch Titus mit. 2 Ich ging aber aufgrund einer Offenbarung hinauf.“
Lukas erwähnt in der Apostelgeschichte 15, 2 nur den Wunsch der Gemeinde, aber Paulus macht klar, dass er persönlich Klarheit vom Herrn für die Reise nach Jerusalem bekommen hatte. Das war ja auch wichtig angesichts der Bedeutung der Angelegenheit für die Sache des Evangeliums.
Paulus nahm gemäß Galater 2, 1 Titus mit nach Jerusalem. Und er ging aufgrund einer Offenbarung dorthin. Das ist kein Widerspruch zu Apostelgeschichte 15, 2, wo ihn die Gemeinde in Antiochia schickte.
Barnabas war anfänglich der Leiter des Teams, aber dann zeigte sich die besondere Funktion des Paulus, und Barnabas unterordnete sich. Paulus, der seinen Ruf direkt von Jesus Christus hatte, hatte den Herrn befragt. Der Herr offenbarte sich ihm und sagte ihm, er solle nach Jerusalem gehen. Es sollte so den anderen klarwerden, dass das Evangelium des Paulus dasselbe war wie das der Apostel in Jerusalem.
2, 2M: „Und ich legte ihnen die gute Botschaft vor [er unterrichtete sie; nicht sie unterrichteten ihn], die ich unter denen, die von den Völkern sind, verkünde, ...“
Paulus hatte da bereits sein Evangelium, das er schon den Heiden verkündet hatte. Dieses Evangelium legte er in Jerusalem dar. Er fragte nicht: „Bin ich hier im Recht?“, sondern er sagte ihnen, was er verkündete.
„Und ich legte ihnen die gute Botschaft vor, die ich unter denen, die von den Völkern sind, verkünde, den Angesehenen aber für sich allein (d. h.: in gesonderter Zusammenkunft), [um zu erfahren bzw. um die Frage zu stellen,] ob ich denn etwa umsonst liefe oder gelaufen wäre.“
Die implizierte Antwort ist: „Natürlich bin ich nicht umsonst gelaufen!“ Die Frage, drückt nicht einen Zweifel von Seiten des Apostels aus. Der Galaterbrief zeigt, dass Paulus sich seiner Sache gewiss war. Er hatte sein Evangelium nicht von Menschen empfangen. Es geht nicht darum, dass Paulus befürchtete, er wäre vergeblich gelaufen. Aber er stellte die Frage, um sicherzustellen, dass die Arbeit, die er getan hatte und noch zu tun beabsichtigte, nicht durch ein judaistisch gefärbtes „anderes“ Evangelium zerstört oder behindert werden würde, denn die Frage, ob Paulus denn wohl das rechte Evangelium verkündete, war – offen oder indirekt – durch judaistische Verkünder bereits aufgeworfen worden bzw. stand im Raum. Vgl. Apostelgeschichte 15.
2, 3: „Jedoch nicht einmal Titus, der mich begleitete, wurde, obwohl er Grieche war, genötigt, beschnitten zu werden. 4 Wegen der nebenher eingeführten falschen Brüder [tat ich das, V. 2], welche nebenher hereingekommen waren, um unsere Freiheit, die wir in Christus Jesus haben, auszukundschaften, damit sie uns in Versklavung brächten.“
Eine deutliche Sprache führt er in diesem Bericht. Er hatte es in Jerusalem mit unechten „Brüdern“ zu tun, die nichts weniger als eine „Versklavung“ vorhatten.
2, 5: „Denen gaben wir nicht nach – auch nicht für eine Stunde –, uns [ihnen] zu unterordnen, damit die Wahrheit der guten Botschaft bei euch bliebe.“
So grundsätzlich war die Frage. Die Wahrheit des Evangeliums stand auf dem Spiel.
Aus der Aussage in Vers 5 ergibt sich, dass Paulus zu der Zeit schon vordem in Galatien gewesen sein muss. Hätte er den Judaisten dort nachgegeben, hätte dies Wellen bis nach Galatien geschlagen! Aber Paulus blieb treu. Er ging keinen Kompromiss ein.
2, 6-10: „Aber von denen, die dafür angesehen waren, etwas zu sein – was immer sie auch waren, macht für mich keinen Unterschied; Gott nimmt das Äußere eines Menschen nicht an – mir nämlich haben die Angesehenen keine Auflagen gemacht; 7 sondern im Gegenteil, nachdem sie gesehen hatten, dass ich mit der guten Botschaft der Unbeschnittenheit betraut war, so wie Petrus mit der der Beschneidung 8 (denn der, der in Petrus für eine Apostelschaft der Beschneidung wirkte, wirkte auch in mir für [eine Apostelschaft] derer, die von den Völkern sind), 9 und nachdem sie die Gnade zur Kenntnis nahmen, die mir gegeben worden war – Jakobus, Kephas und Johannes, die dafür angesehen waren, Pfeiler zu sein –, gaben sie mir und Barnabas die rechte ‹Hand› der Gemeinschaft, damit wir für die, die von den Völkern sind, [da wären], aber sie für die Beschneidung, 10 nur dass wir der Armen gedächten, was ich mich auch mit Fleiß bemühte zu tun.“
Die drei Apostel haben Paulus und seine Mitarbeiter anerkannt. Sie gaben ihren Segen zur Arbeit des Paulus.
So wurde auf dieser so wichtigen Zusammenkunft klar, dass Paulus in keiner Weise von den Jerusalemaposteln für seine Botschaft abhängig war, sondern ganz ebenbürtig war, weil er, wie sie, das Evangelium vom selben Herrn erhalten hatte.
Mit Galater 2, 10 endet der erste Teil des Zeugnisses des Paulus für sein Argument in 1, 11, dass seine Botschaft nicht nach der Art der Menschen ist. Dieses Zeugnis bezog sich von Galater 1, 12- 2, 10 auf den nichtmenschlichen Ursprung seines Evangeliums.
(Nb: Wir begegnen hier übrigens in den Versen 7 und 8 grammatisch zwei Objekten, der „guten Botschaft“ bzw. einer „Apostelschaft“, die jeweils mit einem Genitiv verknüpft sind: „der guten Botschaft der Unbeschnittenheit bzw. der Beschneidung“ und einer „Apostelschaft der Beschneidung bzw. derer, die von den Völkern sind“. In V. 9 finden wir durch die griechische Präposition eis (für) die Erklärung, wie diese Genitivkonstruktionen zu verstehen sind, nämlich im Sinne einer „guten Botschaft bzw. Apostelschaft für die, die von den Völkern sind“ und „für die Beschneidung“.)
Wir Menschen sind so geartet, dass wir gerne selber etwas leisten möchten. So ist es bei allen Religionen. Das ist die Art von Menschen. Der Mensch will etwas leisten. Paulus aber sagt: Mein Evangelium ist ein Evangelium, das nicht von menschlichen Leistungen abhängig ist oder solche fordert.
2, 11: „Aber als Petrus nach Antiochien kam,...“
Wann war das? Nach der Zusammenkunft von Ältesten und Aposteln in Jerusalem (Apostelgeschichte 15, 6-29). Sogar nach dieser Konferenz war es demnach für Petrus noch möglich, nachzugeben und sich von denen aus den Völkern abzusondern. Aber gerade in dieser Situation schien das Licht des Evangeliums umso heller. Paulus führt in den Versen ab 2, 11 die Episode mit Petrus an, um dessen falsches Verhalten gegenüber dem Evangelium darzulegen.
2, 11:„Aber als Petrus nach Antiochien kam, widerstand ich ihm ins Gesicht, weil er schuldig geworden war;“
Zur Handlung des Petrus vergleichen wir Apostelgeschichte 10, 15 und 11, 9: „Was Gott gereinigt hat, erkläre du nicht für unrein!“
2, 12: „denn bevor etliche von Jakobus kamen, hatte er mit denen, die von den Völkern waren, gegessen. Aber als sie kamen, zog er sich zurück und sonderte sich selbst ab, da er sich vor denen, die aus der Beschneidung waren, fürchtete.“
Wie wurde Petrus schuldig? - Leute, die sich auf Jakobus beriefen, aber weiter gingen als jener, kamen auch nach Antiochien. Und Petrus machte Kompromisse. Das Essen mit Heiden war gerade die Schwierigkeit des Petrus gewesen: Apostelgeschichte 10. Dort hatte er dann aber mit den Heiden gegessen (10, 48; 11, 3). Gott hatte ihm gezeigt, dass die Heiden in Christus nun nicht mehr unheilig seien.
In Antiochien jedoch, als Judaisten kamen, machte Petrus einen Rückzieher und sonderte sich von denen, die aus den Völkern waren, ab, indem er sich wiederholt zurückzog.
2, 13: „Und zusammen mit ihm heuchelten auch die übrigen Juden, sodass auch Barnabas durch ihr Heucheln mit fortgerissen wurde.“
Der Ausdruck „heucheln“ ist nicht im heutigen Sinne zu verstehen. Gemeint ist: Sie „handelten nicht der Wahrheit entsprechend“, so wie sie vorher auf der Jerusalemkonferenz allgemein erkannt worden war. Paulus zeigt, wie groß der Rückfall war: Petrus „heuchelte“, d. h. er wollte vorgeben, dass er etwas glauben würde, was er in Wirklichkeit nicht glaubte.
Es gibt zwei Formen von Heuchelei: Die eine: Man gibt vor, etwas zu sein, das man nicht ist. Die zweite: Man gibt vor, etwas nicht zu sein, was man ist (bzw. nicht zu glauben, was man glaubt). Petrus gab durch sein Benehmen vor, er würde nicht glauben, dass Gott die Heiden ohne Gesetz annahm und reinigte, obwohl er es in Wirklichkeit glaubte. Aber vor den judaistischen Brüdern gab er es nicht zu. Er verleugnete das Evangelium. Das war eine ernste Sache. Paulus „widerstand ihm ins Angesicht“ (wie auch bei den anderen, Galater 2, 5).
Wir dürfen uns nicht in religiöse Praktiken einlassen, durch die wir unseren Glauben verleugnen (zum Beispiel in der katholischen Kirche), indem wir Dinge mitmachen, die der Wahrheit des Wortes Gottes widersprechen (z. B. in der katholischen Messe zur Kommunion gehen).
Indem Petrus sich absonderte, signalisierte er den Gesetzesleuten, dass es richtig sei, sich von denen, die von den Völkern waren, abzusondern. Damit führte er das Gesetz Mose wieder ein. Wer das Gesetz den Gläubigen auferlegt, versucht Gott, indem der den Jüngern ein Joch auf den Hals auflastet. Petrus selber hatte gesagt (Apostelgeschichte 15, 7-11): „Euch ist bekannt, dass … Gott … erwählte, dass die von den Völkern das Wort … hören und glauben sollten. Und Gott ... legte für sie Zeugnis ab und gab ihnen den Heiligen Geist, so wie auch uns. Und er machte keinen Unterschied zwischen uns und ihnen: Er reinigte ja ihre Herzen auf den Glauben hin. Was versucht ihr also nun Gott, ein Joch auf den Nacken der Jünger zu legen, das weder unsere Väter noch wir zu tragen vermochten? Vielmehr glauben wir, durch die Gnade des Herrn Jesus Christus gerettet zu werden, auf dieselbe Weise wie auch jene.“
Beachten wir: Petrus sagte damals nicht: „Die, die von den Völkern sind, sollten auf dieselbe Weise gerettet werden wie wir (bekehrte) Juden“, sondern: „Wir Juden sollten auf dieselbe Art und Weise gerettet werden wie die, die von den Völkern sind“, die (bekehrten) Heiden – ohne jegliche Bindung ans Gesetz Mose.
2, 14: „Als ich jedoch sah, dass sie nicht auf dem richtigen ‹und geraden› Weg gingen mit Blick auf die Wahrheit der guten Botschaft, sagte ich zu Petrus vor allen: Wenn du, der du ein Jude bist, wie die, die von den Völkern sind, lebst (d. h., nach Art und Sitte der Heidnischen lebst) und nicht jüdisch, was nötigst du die, die von den Völkern sind, nach Art der Juden zu ‹leben›?“
„... den geraden Weg nach der Wahrheit ...“: Paulus ist ein noch junger Reichgottesarbeiter, aber er hat helles Licht und bleibt dabei: Die Wahrheit des Evangeliums ist ein gerader Weg, und dieser Weg ist einzuhalten; es ist nicht davon abzuweichen!
„... vor allen ...“: Manchmal muss öffentlich gesprochen werden, damit den anderen geholfen werden kann. Und Paulus beginnt seine Rede an Petrus mit „Du“:
„Wenn du ... wie die, die von den Völkern sind, lebst ...“ – nämlich damals in Cäsarea (Apostelgeschichte 10, 48; 11, 3) und bis vor Kurzem auch hier in Antiochien (Galater 2, 12). Petrus wusste, warum er so gehandelt und sich den Heiligen aus den Völkern gleichgestellt (mit ihnen gegessen) hatte. Paulus beruft sich hier also auf des Petrus’ eigenes Handeln zuvor. Paulus konnte Petrus quasi „zitieren“, um ihn zurechtzuweisen.
„..., was nötigst du die, die von den Völkern sind, nach Art der Juden zu ‹leben›?“ Petrus „zwang“ mit seinem Vorbild die anderen geradezu, jüdisch zu werden und jüdisch zu leben. Petrus hatte Vorbildfunktion in der Gemeinde Jesu. Mit seinem Handeln sagte er indirekt, dass die, die aus den Völkern sind, sich also doch beschneiden zu lassen hätten. Er hatte einen Weg eingeschlagen, der dazu geführt hätte, dass die anderen Judaisten die, die von den Völker waren, gezwungen hätten, jüdisch zu werden (d. h., sich beschneiden und unter das Gesetz Mose stellen zu lassen).
„Wir, die wir von Natur aus Juden sind“: Paulus ist ein demütiger Gesprächspartner. Er sagt nicht weiterhin „du“, sondern spricht im Weiteren von „wir“ und „ich“. Er tut so, als ob er selbst Petrus sei. Er identifiziert sich mit dem, dem er helfen will.
„... und nicht Sünder aus denen von den Völkern, ...“:
Die Heiden waren, vom Gesetz aus gesehen, Sünder.
2, 16: „..., die wir wissen, dass ein Mensch nicht aus Gesetzeswerken gerechtfertigt wird, sondern durch Glauben an Jesus Christus,...“
Wenn ein Israelit gerettet werden will, muss er sich bekehren, genau wie ein Heide. Ein auf den Messias hoffender Jude muss genauso wie ein Heide Buße tun! Weder israelitisches noch heidnisches Fleisch kann aus Gesetzeswerken gerechtfertigt werden. Die Juden werden auf dieselbe Weise gerettet wie die Heiden. Es gibt keinen anderen Heilsweg.
2, 16M: „..., auch wir glaubten an Christus Jesus, damit wir gerechtfertigt würden – aus Glauben an Christus und nicht aus Gesetzeswerken, weil aus Gesetzeswerken kein Fleisch gerechtfertigt wird.“
Als wir – die, die aus der Beschneidung sind – uns bekehrten, stellten wir uns den Heiden (den „Sündern“) gleich, abhängig von Christus, ohne das Gesetz als Mittel der Rechtfertigung zu verwenden. D. h., wir kamen zur Erkenntnis, dass wir ohne Christus genauso Sünder waren wie die „Sünder aus den Heiden“ (V. 15). Durch den Glauben an Christus wurden wir zu „Gerechten“. Wir gaben damit alle unsere Hoffnung auf das Gesetz als Mittel zur Rechtfertigung auf. Wir erkannten: Es ist in Christus kein Unterschied zwischen Jude und Heide. Wir Juden gingen den Weg ohne das Gesetz, um gerechtfertigt zu werden (V. 16). Und das war richtig so.
2, 17: „Wenn aber, während wir suchten, in Christus gerechtfertigt zu werden, auch wir selbst als Sünder erfunden wurden, ist dann Christus ein Diener (o.: Förderer) der Sünde? Das sei fern!“
Paulus stellt den judaistisch denkenden Gläubigen eine Frage (V. 17): Wenn (nun) wir (die, die aus der Beschneidung sind) aber, während wir (als wir zum Glauben an Christus kamen) suchten, in Christus gerechtfertigt zu werden, selbst auch als Sünder (wie die Heiden, V. 15) erfunden wurden (uns auf die gleiche Stufe wie die „Sünder“ aus den Heiden stellten), ist dann Christus ein Diener der Sünde (ein Förderer der Gesetzesübertretung bei uns jüdischen Gläubigen; denn dieser Weg [d. h.: wie die Heiden als Sünder erfunden zu werden durch das Abbrechen der Gesetzesmauer] führte ja — aus jüdischer Sicht — zur Gesetzesübertretung)?
Antwort: „Das sei fern! – 18 denn wenn ich dieses, was ich niederriss, wieder aufbaue, stelle ich mich selbst als Übertreter hin;“
In V. 18-20 erklärt Paulus nun die Frage: „Ist Christus ein Diener (Förderer) der Sünde?“:
18 „denn (nämlich:) wenn ich (als Gläubiger aus der Beschneidung, der ich durch den Glauben allein gerechtfertigt wurde) dieses, was ich niederriss (d. h., das Gesetz, die Mauer) wieder aufbaue, stelle ich mich selbst als Übertreter hin“ – was Petrus nämlich tat: Er baute mit seinem Verhalten das Gesetz, das er vorher niedergerissen hatte, indem er durch den Glauben an Christus gerechtfertigt wurde, wieder auf. Er stellte auf diese Weise sein vorheriges Essen mit den Heiden als Gesetzesübertretung (d. h., als Sünde) dar.
Paulus sagt: Wenn wir (die wir aus der Beschneidung sind) uns wieder unter das Gesetz stellen und meinen, wir müssten die jüdischen Vorschriften (z. B. bzgl. Tischgemeinschaft) einhalten (wie Petrus und seine judaistisch denkenden Mitgläubigen durch ihre Absonderung von denen, die von den Völkern sind, beim Essen bekundeten, 2, 11-13), so erklären wir damit, dass der Weg der Rechtfertigung aus Glauben nicht genügt.
Wenn du diese zusätzliche Last des mosaischen Gesetzes denen, die von den Völkern sind, auferlegst, um das Heil effektiv zu machen, das uns Christus erwirkt hat, dann heißt das, dass alle, die sich nicht beschneiden lassen, immer noch als „Sünder“ unter dem Zorn Gottes stehen. Vorher aber hattest du die Mauer zwischen denen aus der Beschneidung und denen aus den Völkern niedergerissen (hast sogar gegessen mit den heidnischen Gläubigen), jetzt baust du sie wieder auf! Wenn ich etwas, das ich zuvor abgebrochen habe, wieder aufbaue, dann zeige ich, dass ich falsch gehandelt hatte, als ich es zerstörte, – denn ich baue es ja nun wieder auf!
2, 19 „..., denn durch das Gesetz starb ich dem Gesetz, damit ich ‹für› Gott lebe. Mit Christus zusammen bin ich gekreuzigt worden. 20 Aber ich lebe – nicht mehr ich: Christus lebt in mir. Was ich aber jetzt lebe im Fleisch, lebe ich im Glauben, ‹im Vertrauen› auf den Sohn Gottes, der mich liebte und sich selbst für mich hingab.“
In V. 19.20 erklärt Paulus die Antwort „Das sei fern!“ (V. 17 Ende): Es ist nicht so, dass das Abbrechen des Gesetzes ein Sündenweg ist. Warum nicht? Aus zwei Gründen: Erstens, ich starb dem Gesetz! – und somit kann ich das Gesetz nicht mehr übertreten. Tote können nicht zur Verantwortung gezogen werden. Und zweitens, mein Leben (in Christus) ist nun ein Leben „für Gott“.
19 „nämlich durch das Gesetz (das mich verurteilte) starb ich (juristisch — in und mit Christus; ich bin tot in Bezug auf das Gesetz; somit ist das Gesetz – in dieser Form – für mich nicht mehr gültig; Römer 6 u. 7) dem Gesetz, damit ich Gott lebe. (Also: nicht, damit ich hinfort der Sünde diene, sondern für Gott lebe; vgl. Römer 6, 10-13. Christus ist also nicht ein Förderer von Sünde.). Mit Christus zusammen bin ich gekreuzigt worden. (Juristisch betrachtet, bin ich zusammen mit Christus verurteilt [tot] und kann nicht mehr vom Gesetz belangt werden.)
Durch das Gesetz starb Paulus dem Gesetz, denn das Gesetz sagte: Wer nicht immer alles einhält, muss sterben! Nun kam Jesus und nahm meinen Tod auf sich: V. 19. Daher bin ich mit Christus gestorben – aufgrund des Gesetzes. Aber wenn ich gestorben bin, bin ich für die „Polizei“ tot; sie kann mich nicht mehr belangen.
Wann wurde ich gekreuzigt? – Damals, als Christus gekreuzigt wurde. (Vgl. 2. Korinther 5, 14.15.)
2, 20: „Aber ich lebe – nicht mehr ich (nicht länger ich bin es, der lebt): Christus lebt in mir. (Das Leben, das ich lebe, ist nicht meines, sondern das des auferstandenen Christus, der in mir lebt.) Was ich nun im Fleisch (im Leibe) lebe, lebe ich im Glauben, ‹im Vertrauen› auf den Sohn Gottes, der mich liebte und sich selbst für mich hingab“ – und so mit seinem Tod stellvertretend die vom Gesetz geforderte Strafe auf sich nahm, das Gesetz somit erfüllte.
Diese Wahrheit ist die Wahrheit, von der ich im ganzen Glaubensleben lebe: Christus ist für mich gestorben. Ich lebe jetzt Tag für Tag in der Gnade. Ich habe kein selbständiges Leben mehr. Ein Christ bezieht sein Leben von Christus.
2, 21: „Ich mache die Gnade Gottes (die göttliche Gnade der Rechtfertigung durch Christi Tod) nicht ungültig (was ich aber tun würde, wenn ich das Gesetz wieder aufrichtete), denn wenn Gerechtigkeit durch Gesetz kommt, dann starb Christus umsonst.“
Wenn Christus starb und zwar an meiner Stelle, bin ich dem Gesetz gestorben. Aber wenn ich noch dem Gesetz gehorchen will, dann ist Christus vergebens gestorben. Für den, der nach dem Gesetz leben will, ist Christus nicht gestorben. Für den war Golgatha völlig umsonst.
Wir unterstreichen die Wichtigkeit von V. 19 und 20:
Ich bin zusammen mit Christus gekreuzigt worden. Aber ich lebe – ich lebe zwar, aber um es genau zu sagen, nicht mehr ich, sondern Christus lebt in mir! Das sind die Grundwahrheiten des gesamten Glaubenslebens! Ohne diese zwei Wahrheiten kommen wir nicht zum Heil. Manche sagten, Gerechtfertigte müssten sich selbst töten oder ihr Ich „ersäufen“ (Luther) oder selber den alten Menschen kreuzigen. – Nein, wir müssen unsere „Glieder töten“, d. h., die Lebensweise, die wir früher hatten, die „Glieder“, unsere fleischliche Lebensweise von früher: Kolosser 3, 5: „Tötet also eure Glieder, die auf der Erde sind: Unzucht, Unreinigkeit, Leidenschaft, böse Lust und die Habsucht ...“. Aber das Kreuzigen vollziehen nicht wir. Auch Christus hat sich nicht selbst gekreuzigt. Als er am Kreuz war und starb, hauchte er freiwillig sein Leben aus. (Nb: Galater 5, 24 und 6, 14 sagen nicht, dass wir unseren alten Menschen kreuzigen sollen. Wir sind nicht schizophren und tun nicht so, als ob wir gleichzeitig leben und tot sind. Mein „alter Mensch“ ist die Lebensweise, die ich früher hatte. Die muss ich aufgeben, und zwar immer wieder und beständig.
In 1. Korinther 15, 47 ist Adam der „erste Mensch“ und Christus der „zweite Mensch“.
In Epheser 2, 15 bezieht sich Paulus auf die alte Menschheit ohne Christus und die neue Menschheit in Christus. Letztere nennt er „neuer Mensch“. Christus ist das Haupt, und die Erlösten sind sein „Leib“. In 2. Korinther 5, 17 und Galater 6, 15 ist die Rede von einer „neuen Schöpfung“. Diese neue Schöpfung ist die neue Menschheit in Christus. Im eigentlichen Sinne ist der Christus die neue Schöpfung („Erstling der Entschlafenen“, 1. Korinther 15, 20; vgl. Kolosser 1, 18), der Anfang der Schöpfung Gottes (Offenbarung 3, 14; vgl. 1, 5). In Christus Jesus „vermag weder Beschneidung noch Unbeschnittenheit etwas, sondern eine neue Schöpfung“ (Galater 6, 15). Weil er in Person das Neue ist, sind alle, die in ihm sind, Teil dieser neuen Schöpfung: „Somit, wenn einer in Christus ist, ist er neue Schöpfung.“ (2. Korinther 5, 17). Beachten wir, dass Paulus keinen Artikel vor „neue Schöpfung“ setzt. Es geht um eine Wesensbeschreibung (wie in 1. Korinther 12, 27: „Ihr seid Leib Christi“, d. h., die Korinther sind dem Wesen nach Leib Christi; sie als Gruppe sind Teil des Leibes Christi). Wenn jemand in Christus ist, ist er dem Wesen nach „neue Schöpfung“, weil der Christus, in welchem er ist, das neue „Leben“ und die neue „Schöpfung“ ist. Er ist Teil der neuen Schöpfung namens „Christus“.
In Römer 6, 6 spricht Paulus vom „alten Menschen“: „..., von diesem in Kenntnis, dass unser alter Mensch zusammen mit [ihm] gekreuzigt wurde“. Wenn Paulus den „alten“ und den „neuen“ Menschen gegenüberstellt, bezieht er sich auf die alte bzw. die neue Lebensweise. Dies ist (neben Römer 6, 6) der Fall in Epheser 4, 21-25: „..., wenn ihr wirklich ihn hörtet und in ihm gelehrt wurdet – wie ja Wahrheit in Jesus ist –, abzulegen, was die frühere Lebensführung betrifft, den alten Menschen, der dabei ist, zugrunde zu gehen, infolge der trügenden Lüste, aber erneuert zu werden am Geist eures Denksinnes und den neuen Menschen anzuziehen, der nach Gott geschaffen wurde in Gerechtigkeit und Heiligkeit der Wahrheit. Darum legt die Lüge ab und redet Wahrheit,...“.
Der „Mensch” ist die Lebensweise, die aus mir hervorkommt. Ich als Unerlöster war früher ein anderer. Ich wurde mit Christus gekreuzigt, weil Christus für alle starb. Aber mit mir wurde auch meine alte Lebensweise gekreuzigt. Ich muss nun nicht mehr der Neigung zur Sünde in meinem Fleisch gehorchen. Als Christus starb, starb ich der alten Lebensweise. Ich bin daher der Sünde gegenüber nicht mehr verpflichtet. Wenn Christus in mir lebt, ist da die Dynamik des neuen Lebens.
Römer 6, 6: „... von diesem in Kenntnis, dass unser alter Mensch mitgekreuzigt wurde“: Was ich vorher war, betreffend meine Handlungen, mein Reden und Denken (nicht mein Sein!), gilt: Ich wurde am Kreuz auf Golgatha mit Christus mitgekreuzigt. In dem Augenblick, als ich zu Christus kam, nahm ich das für mich in Anspruch. Paulus vergleicht die alte Lebensweise mit einem Kleid. Ich soll Zorn, Unwille, Bosheit, Lästerung, schändliches Reden „ausziehen“, d. h., die alte Lebensweise ausziehen, (vgl. Epheser 4, 22: „abzulegen, was die frühere Lebensführung betrifft, den alten Menschen“), weil ich den alten Menschen mit seinen Handlungen (d. i. die alte Lebensweise) in Christus bereits ausgezogen und den neuen Menschen (die neue Lebensweise) angezogen habe (Kolosser 3, 9.10: „..., belügt nicht einander, da ihr den alten Menschen mit seinen Handlungen ausgezogen und den neuen angezogen habt, der zur Erkenntnis erneuert wird nach dem Ebenbilde dessen, der ihn schuf, ...”). Ich soll nun diese neue Lebensweise ganz praktisch „anziehen“, zur Schau tragen (Kolosser 3, 12.13): „Zieht also an als Erwählte Gottes, Heilige und Geliebte herzliches Erbarmen, Freundlichkeit, Demut, Sanftmut, Geduld, einander ertragend …“. Vgl. Epheser 4, 24. Liebe, Friede, Freude, Geduld, Freundlichkeit, Güte, Glaube (Treue), Sanftmut, Selbstbeherrschung (Galater 5, 22), das sind Bekundungen des neuen Lebens (des Lebens Christi) in mir; das ist die neue Lebensweise, die „nach Gott geschaffen“ wurde „in wahrhaftiger Gerechtigkeit und Heiligkeit“. Das soll werden! Wie ein Kleid soll diese neue Lebensweise nun nach außen hin zu sehen sein. Ich soll mit diesen Dingen umgeben sein. Wir sollen nicht von den alten schmutzigen Dingen umgeben sein. Die sollten nicht mehr an uns hängen, weil (was die Lebensweise betrifft) unser alter Mensch mit Christus mitgekreuzigt wurde (Römer 6.6), „damit der Leib der Sünde außer Wirksamkeit gesetzt sei, ‹damit› wir der Sünde nicht länger Leibeigenendienst zu leisten hätten“.
Paulus sagt, der Leib ist das Instrument, mit dem mein Geist sich bekunden soll. Der Leib der Sünde wurde „außer Wirksamkeit gesetzt“, d. h., außer Funktion, außer Betrieb gesetzt. Der Leib der Sünde, der Leib, der unabhängig handeln möchte, der sich immer wieder selbständig und von Christus unabhängig machen möchte, dieser Leib muss nun auch im praktischen Leben außer Funktion gesetzt werden, muss gleichsam auf einem Nebengeleise abgestellt werden. Ich habe nur einen Leib. Daher soll ich „alle Glieder“ einzeln dem Herrn übergeben: Hände, Arme, Beine, Mund.
Mein schwacher, von Sünde behafteter Leib kann diszipliniert werden. Er kann durch mein Bestimmen, das heißt, durch „Gesetz“, in Zucht genommen werden. Paulus „boxt“ seinen Leib (1. Korinther 9, 26). Er sagt (Römer 6, 11-13): „Rechnet euch selbst ‹stets› als solche, die für die Sünde tot sind, andererseits als solche, die Gott leben, [und zwar] in Christus Jesus, unserem Herrn. Lasst also die Sünde nicht König sein in eurem sterblichen Leibe, um in seinen Lüsten ihr zu gehorchen. Stellt auch nicht eure Glieder der Sünde zur Verfügung als Waffen der Ungerechtigkeit, sondern stellt euch selbst Gott zur Verfügung als Lebende aus den Toten und [stellt] eure Glieder als Waffen der Gerechtigkeit Gott [zur Verfügung]!“
Es ist juristisch feststehende Tatsache, dass ich gestorben bin. Ich rechne mich deshalb für tot. Und der Christus liefert mir die Kraft, nun mein Leben für Christus zu leben. Es geht also nicht um eine bestimmte Technik, sondern um die Realität. Wenn ich mit der juristischen Tatsache rechne: „Ich bin mit Christus gekreuzigt!“ und zur Sünde Nein sage, wird die Sünde nicht Herr sein können. Ich muss der Sünde nicht mehr gehorchen, weil nun ein Boden geschaffen ist, auf welchem Gott handeln kann. Nicht ich muss etwas tun oder eine Siegestechnik entwickeln. Nein, Gott hat etwas getan! Ich starb zusammen mit Christus. Gott hat das herbeigeführt. Ich habe nun damit zu rechnen – und Nein zu sagen zu aller Versuchung. Nicht ich bin es, der die Kraft hat. Christus in mir liefert die Kraft für ein Leben im Sieg. Es ist die Kraft des Heiligen Geistes (Römer 8).
Paulus sagt (Galater 2, 20): „Nicht mehr ich lebe. Christus lebt in mir.“
Viele Gläubige tun so, als ob sie ein ewiges Leben als ein Gut (als Besitz) hätten. Aber es gibt kein „Leben“ ohne ein dazugehöriges Wesen. Wenn ich ein Leben habe, dann deshalb, weil ich eine Person bin, denn eine Person lebt. Christen sind als Menschen in sich selbst eigentlich nicht wiedergeboren, sondern das Neue in ihnen ist der Christus, die Person Christi in ihnen. Was in mir lebt, ist nicht „Ich“. „Ich“ bin ein Parasit, „ich“ habe keine eigentliche Existenz – auch nicht als Christ. Ich habe Christi Leben. Ich bin gleichsam ein Parasit, der sich an Christus klammert, und dadurch wird sein Leben mein Leben.
Es gibt Gläubige, die herumlaufen, als ob sie in sich neue geistliche Existenzen wären; aber sie pflegen dieses Leben nicht und wissen nicht, dass sie geistlich halb krank herumlaufen, weil sie ihre Beziehung zu Christus nicht nähren. Sie meinen, sie würden schon irgendwie an Bord gehalten, wenn sie sich zu einer guten Gruppe von Gläubigen halten und sich zweimal in der Woche versammeln, am Frühstückstisch die Losung lesen oder ihre „stille Zeit“ halten. Aber während des Tages denken sie kaum an Christus. Sie denken an die Welt, denken an sich selbst.
Die Fragen, die wir uns stellen müssen, sind: Wo sind meine Gedanken? Wo sind meine Interessen? An was binde ich mich innerlich? Worin finde ich meine Freude? –
Ich bin nicht in mir eine neue Existenz. Würde ich meine Beziehung zu Jesus Christus nicht nähren, hätte ich kein Leben in mir! Ich habe ja nur deshalb Leben, weil ich – wie ein Parasit – an Christus hänge, an seinem Leben.
Jesus sprach vom Weinstock und den Reben (Johannes 15). Ich habe nur insofern „neues Leben“, als durch den Glauben die Verbindung zu Christus erhalten wird. Wenn der Kanal des Lebensstromes offengehalten wird und das „Wasser“ des Christus durch Wort Gottes und Gebetsverbindung in mir fließen kann, nur in diesem Maße ist der Strang des Lebens gesund. In dem Maße, in dem dieses nicht vorhanden ist, habe ich nicht Leben.
Paulus spricht also nicht von einem geistlichen Leben, das er nebst Christus hat. Christus ist sein Leben. – Und Christus ist mein Leben. Und wenn dieses der Fall ist, habe ich Kraft, der Sünde zu widerstehen, zu predigen, Zeugnis abzulegen, für Jesus Christus zu leben. Er ist mein alles! Alles ist in Christus „eingepackt“. Alles, was ich brauche, ist er! Brauche ich Leben? – Christus ist die Antwort. Brauche ich Mut, Gerechtigkeit, Sauberkeit, Heiligkeit, Freude, Kraft? Die Antwort auf alles ist: Christus!
Paulus erteilt nun Lehre aus der Schrift. Dabei wird er Geist und Fleisch gegenüberstellen, Verheißung und Gesetz, Evangelium und Gesetz, Glauben und Leistung.
„O unverständige Galater!“
In dieser Verwunderung liegt zunächst eine leise Anklage. Sie hätten es besser wissen müssen. Das zeigt sich in den weiteren Ausführungen, wo der Apostel einiges voraussetzt.
Andererseits wird angedeutet, dass Mangel an Kenntnis da ist. Diesen Mangel füllt er jetzt aus.
Erste Frage: „Wer bezauberte euch …?“
Die Frage nach der Autorität: Wer glänzte da als eine höhere Autorität als Gott?
Das könnte eine Anspielung auf die erste Versuchung sein. Sie wurden verführt. Damit wird ein Teil der Schuld auf einen anderen gelegt.
Worum ging es denn? Sie waren „von der Wahrheit“ abgerückt, hatten sich also dem geöffnet, was Unwahrheit war. Im Mittelpunkt der „Wahrheit“ war „Jesus Christus als Gekreuzigter“ gestanden.
Diese Gegenüberstellung hatte er zu Anfang seines Briefes als „Evangelium“ und „nicht ein Evangelium“ bezeichnet.
In 3, 2 wird er, in seinem Bemühen, sie zurechtzuführen, konkreter. Mit welchen Worten er das aber tut, überrascht:
Zweite Frage: „Dieses allein begehre ich von euch zu erfahren: Empfingt ihr den Geist aus Gesetzeswerken oder aus [dem] Hören (d.h.: aus der Verkündigung) des Glaubens?“ (Die Frage nach dem Zugang zur wichtigsten Heilsgabe.)
Das Kennzeichnende bei einem Christen ist der Besitz des Geistes. Wie man den Geist bekommt, das kennzeichnet die Botschaft, durch die man vor Gott gerechtfertigt wird. Daher kann er in V. 6 inmitten eines Satzes den Vergleich mit Abraham einführen.
Die dritte Frage: V. 3-5: „So unverständig seid ihr?“ (Die Frage nach der Vernunft)
Christen haben ja einen erneuerten Sinn, mit dem man rechnen darf.
Die vierte Frage: „Nachdem ihr im Geist anfingt, werdet ihr nun im Fleisch ans Ziel gebracht? (Die Frage nach der Lebenskraft)
Die fünfte Frage: V. 4: „Littet ihr so vieles vergebens? – wenn es tatsächlich vergebens war.“ (Die Frage nach dem Wert des Leidens)
Die sechste Frage: V. 5: „Er also, der euch den Geist darreichte und Krafttaten unter euch wirkte, [tat er dieses] aus Gesetzeswerken oder aus dem Hören (d. h.: aus der Verkündigung) des Glaubens?“ (Die Frage nach dem Zusammenhang der Gottesbezeugungen)
Für das Verständnis dieses Verses ist die Zeitform von zwei darin stehenden Wörter entscheidend: „darreichend“ (im Gr. epichoreegoon) und „wirkend“ (energoon). In der Grammatik nennt man diese Wörter Partizipien (Mittelwörter). In welcher Zeitform sollen sie übersetzt werden?
Üblich ist die Gegenwartsform, wohl weil sie diese Form tragen. Man sollte jedoch Folgendes beachten:
a: Das gr Partizip im Präsens drückt nicht Zeit, sondern Aspekt aus. D.h., es ist eine grammatische Form, die im Zeitverständnis sich nach der Zeitform des Hauptverbs im betreffenden Text richtet.
b: Die Zeitform von V. 2 ist also bestimmend. Die Partizipien in Ga 3, 5 sind also rückbezüglich auf die Tätigkeitswörter von V. 2 als Vergangenheit aufzufassen. Den Gedanken von V. 2 greift V. 5 wieder auf.
Das Darreichen des Geistes ist nicht ein ständiges Verleihen des Geistes an Gläubige, was die Schrift nicht kennt, sondern es ist das Verleihen des Geistes zum Zeitpunkt der Wiedergeburt. Die Galater waren Christen, weil sie immer noch den Geist hatten, der ihnen dargereicht worden war.
„... so wie Abraham Gott glaubte, ‚und es wurde ihm zur Gerechtigkeit gerechnet.’ {1. Mose 15, 6 n. d. gr. Üsg.}
7 Dann nehmt zur Kenntnis: Die, die aus Glauben sind, diese sind Söhne Abrahams.
8 Da die Schrift voraussah, dass Gott aus Glauben die, die von den Völkern sind, rechtfertigt, sagte sie dem Abraham die gute Botschaft im Voraus: „In dir werden alle Völker gesegnet werden.“ {1. Mose 12, 3}
9 Somit werden die, die aus Glauben sind, zusammen mit dem glaubenden Abraham gesegnet.“
. „so wie Abraham glaubte“
Was wird mit Abrahams Glauben verglichen? Die Antwort ist eine offenbare, die nicht nur in der Frage von V. 5 liegt. Alle sechs Fragen des Apostels gehen darauf hinaus, zu zeigen, dass die Galater nur auf Grund des Glaubens bei Gott in Gnaden standen.
Auf der Hand liegt, und die Galater wissen es ja nur zu gut aus der eigenen Erfahrung, dass Gott in ihrer Mitte auf ihren Glauben an Jesus Christus hin gewirkt hatte. Sie hatten von Paulus und Barnabas das Evangelium gehört und im Vertrauen angenommen, und Gott hatte gezeigt, dass sie bei ihm in Gnaden standen.
Nun teilt der Apostel ihnen mit, dass ihre Erfahrung eine Ähnlichkeit mit Abraham hat. Auch er glaubte Gott, worauf er von Gott angenommen wurde. Auf seinen Glauben hin wurde er als gerecht vor Gott angesehen.
. Dieser Vergleich führt Paulus zu der Aussage von V. 7:
„Dann nehmt zur Kenntnis: Die, die aus Glauben sind, diese sind Söhne Abrahams.“
Normaler Weise würden wir sagen: Zwei, die glauben, sind Glaubensbrüder. Warum die Galater in diesem Fall als Kinder von Abraham gelten, wird er gleich zeigen.
. In V. 8 teilt Paulus mit, die Schrift sah voraus, dass Gott Menschen aus den Völkern auf Grund ihres Glaubens rechtfertigte. Hat die Schrift Augen zum Sehen? Kann sie wissen? In Israel war klar: Was die Schrift sagte, das sagte Gott. Wo die Schrift eine Aussage machte, war das eine Aussage Gottes. Die Begriffe Gott und Schrift waren also austauschbar. Das ist auch heute noch so. Die Bibel ist in der Tat Gottes Wort, sein Reden.
„Da die Schrift voraussah, dass Gott aus Glauben die, die von den Völkern sind, rechtfertigt, sagte sie dem Abraham die gute Botschaft [das Evangelium] im Voraus: ‚In dir werden alle Völker gesegnet werden.“ {1. Mose 12, 3} Der letzte Satz: In dir werden alle Völker gesegnet werden, ist eine Verheißung auf Jesus Christus. Unser Evangelium geht auf dieses Wort an Abraham zurück.
. V. 9: „Somit werden die, die aus Glauben sind, zusammen mit dem glaubenden Abraham gesegnet.“ Über Jesus Christus sind nun die, die an ihn glauben, als Verbundene mit ihm Same (Nachkommen) Abrahams, wie er Same (ein Nachkomme) Abrahams war.
. Dass der Apostel in V. 8 das Wort Evangelium gebraucht, um Gottes Reden an Abraham zu kennzeichnen, ist nicht von Ungefähr. Nach seinen einleitenden Worten in K. 1 geht es ihm darum, den Begriff zu klären. In diesem Kapitel zeigt er, dass die Botschaft des Evangeliums von Christus älter ist als das Gesetz (durch welches sie ihr Heil vervollständigen wollen).
Nach V. 7 sind die, die an Jesus Christus glauben, Same (Nachkommen) des glaubenden Abrahams. Nun vergisst der Apostel nicht die Umstände des Glaubens Abrahams: Er glaubte Gott, als er ihm einen Erben verhieß. Spätere Glaubende erben nun die an dem Glaubensvater gegebene Verheißung, denn, wie er zeigen wird, in der Verheißung des Erben lag die Verheißung des Messias.
„... denn so viele aus Gesetzeswerken sind, sind unter einem Fluch, denn es ist geschrieben:
‚Verflucht ist jeder, der nicht bleibt in allem, was im Buch des Gesetzes geschrieben ist, es zu tun.’ {Vgl. 1. Mose 27, 26 n. d. gr. Üsg.}
11 Dass im Gesetz niemand vor Gott gerechtfertigt wird, ist offenkundig, weil ‚der Gerechte aus Glauben leben wird‘. {Vgl. Hab 2, 4.}
12 Aber das Gesetz ist nicht aus Glauben, sondern: ‚Der Mensch, der diese Dinge tat, wird durch sie leben.‘ {Vgl. 1. Mose 18, 5.}
13 Christus kaufte uns frei vom Fluch des Gesetzes, da er an unserer Statt ein Fluch wurde (denn es ist geschrieben: ‚Verflucht [ist] jeder, der an einem Holz hängt‘) {Vgl. 1. Mose 21, 23.}, 14 damit denen, die zu den Völkern gehören, der Segen Abrahams zuteil werde in Christus Jesus, damit wir die Verheißung des Geistes empfingen durch den Glauben.“
Der Grund für das harte Urteil von V. 10 ist der, dass niemand das Gesetz einhält, denn das Urteil lautet: Jeder, der nicht bleibt in allem, das geschrieben ist, muss sterben. Paulus gebraucht das Wort Fluch, weil es, im Gegensatz zu Segen, den Tod ankündigt.
In V. 11 heißt „gerechtfertigt“: frei von Schuld – in diesem Fall, weil das Gesetz eingehalten wurde. Dass keinen dieses günstige Urteil trifft, zeigt Paulus an dem Spruch des Haggai. Dieser geht einen Schritt weiter als der Spruch an Abraham: Nur die, die Glauben, sind die Gerechten. Und das, sagt er in V. 12, steht natürlich im Gegensatz zum Spruch des Gesetzes.
Warum der Glaube Leben bringt, wird dann in den Versen 13 und 14 gezeigt: Der Messias nahm an unserer Statt den Fluch des Gesetzes auf sich, was den Weg für uns frei machte, den Segen des glaubenden Abrahams zu erben, der mit dem Geist kommt.
Die Formulierung in V. 14: „Verheißung des Geistes“ zeigt, dass der Apostel dabei in Gedanken im Alten Testament steht: Er schaut nach vorne und sagt, Gott habe Abraham eine Verheißung in Bezug auf den Messias gegeben. Diese Verheißung war für „den Samen (die Nachkommen) Abrahams“, nicht nur für das Volk Israel, sondern auch für glaubende Kinder Abrahams aus anderen Völkern.
Wofür sollte man die Verheißung vom Messias Jesus bekommen, d.h., in den Genuss des Evangeliums treten? Damit man die „Verheißung des Geistes“ bekäme. Der verheißene Geist konnte nur durch Jesus Christus kommen. Erst kommt der Christus selbst, danach der Geist. Davor spricht man von der Verheißung des Geistes.
Wenn nun der Heilige Geist vom Messias gesendet wird, bringt er und ist er die Erfüllung der langen Reihe von Geistverheißungen. Der von den Propheten verheißene Geist wurde von Jesus Christus gegeben (Apostelgeschichte 2, 33).
Wer nun den Geist hat, hat das verheißene Heil des Gekreuzigten. Hier ist er zu der Frage von V. 2 zurückgekehrt: „Empfingt ihr den Geist aus Gesetzeswerken oder aus [dem] Hören des Glaubens?“
Nicht umsonst steht im Galaterbrief der Geist dem Gesetz gegenüber, dem Gesetz, das Gott zwischen Verheißung und Christus dazwischen schob, denn der Geist verkörpert den Segen, den Gott dem Abraham verhieß, das Heil für alle Menschen. Es ist unmöglich, den Geist von dem in Christus erfahrenen Heil zu trennen. Er ist das „Neue“ (im Gegensatz zum „Alten“), in dem wir jetzt zu wandeln haben (Römer 7, 6: „Aber nun wurden wir dem Gesetz enthoben, da wir [in dem] starben, in dem wir festgehalten wurden; und so sollten wir Sklavendienst tun im Neuen, im Geist, und nicht im Älteren, im geschriebenen [Gesetz].“).
„Brüder, nach Menschen[weise] spreche ich: Auch eines Menschen Bund, der gültig gemacht (d. h.: rechtsgültig bestätigt; ebenso V. 17) wurde, lehnt niemand ab, und niemand verordnet [etwas] dazu. 16 Aber Abraham wurden die Verheißungen zugesprochen und seinem Samen. Er sagt nicht: ‚und den Samen’, als [ob es sich] auf viele [beziehe], sondern als auf einen, ‚und deinem Samen’: Der ist Christus.
17 Aber dieses sage ich: Einen Bund, der von Gott auf Christus im Voraus gültig gemacht war, macht ein Gesetz, das 430 Jahre danach kam, nicht ungültig, um die Verheißung außer Kraft zu setzen, 18 denn wenn das Erbe aus Gesetz [kommt, ist es] nicht mehr aus Verheißung. Aber dem Abraham schenkte Gott es durch Verheißung.“
Das griechische Wort für Bund wird auch für „letzter Wille“ gebraucht. Es lohnt sich nicht, lange darüber zu rätseln, genau welche Bedeutung nun hier vorliegt. Es kommt auf dasselbe hinaus; denn so, wie ein letzter Wille eine Handlung nur einer Person ist, so war es mit Gottes Bund mit Abraham: Er war einseitig. Seine Gültigkeit hing nur von Gott ab.
Als nun das Gesetz einige hundert Jahre nach dem Bund mit Abraham und seiner Verheißung an ihn auf dem Sinai eingeführt wurde, war die Verheißung noch nicht erfüllt. Sie stand noch aus – und wurde mit der Einführung des Gesetzes nicht verändert oder gar ungültig gemacht.
Diese Tatsache ist für Paulus höchst wertvoll, um den Galatern klarzumachen, dass das Gesetz nicht höher steht als das verheißene Evangelium von Christus.
Exkurs zu den 430 Jahren
„430 Jahre danach“: Gemäß den Angaben des hebräischen Textes in 2. Mose 12, 40 („Die Zeit, die die Söhne Israels in Ägypten gewohnt haben, ist 430 Jahre.“) betrug Israels Zeit in Ägypten bis zur Gesetzgebung am Sinai (ca. 1445 v. Chronik ) 430 Jahre. Nach den Angaben des hebräischen Textes vergingen von der Zeit der ursprünglichen Verheißung Gottes an Abraham (ca. 2090 v. Chronik ; vgl. 1. Mose 12, 4; 21, 5; 25, 26; 47, 9) bis zur Gesetzgebung am Sinai ca. 645 Jahre, nicht 430 Jahre. Wie kann die Diskrepanz gelöst werden?
Eine mögliche Lösung: Paulus zitiert ja bekanntlich aus der griechischen Übersetzung des AT und bezieht sich bei seinen Angaben auf den Text dieser Übersetzung. Dort steht bei 2. Mose 12, 40: „Die Aufenthaltszeit der Israeliten, die sie im Land Ägypten und im Land Kanaan zubrachten, war 430 Jahre.” Die griechische Übersetzung halbiert durch den Zusatz von „und im Land Kanaan” den Ägyptenaufenthalt auf 215 Jahre. Auf diese Weise kommt man von Gottes Verheißung an Abraham bis zur Gesetzgebung auf insgesamt 430 Jahre.
Ein anderer Lösungsvorschlag: Paulus bezieht sich auf den hebräischen Text, rechnet aber erst von der letzten Wiederholung (o. Bestätigung) der göttlichen Abrahams-Verheißung an, nämlich derjenigen an Jakob (1. Mose 46, 2-4), kurz vor seinem Hinabzug nach Ägypten (ca. 1875 v. Chr.).
Es geht also um die Verheißung.
„Was [ist es] also [um] das Gesetz?“ fragt der Apostel. Zwei Antworten gibt er.
. Das Gesetz ist eine Hinzufügung zur Verheißung. V. 19-21
„Der Übertretungen wegen wurde es hinzugefügt (bis der Same käme, dem die Verheißung galt), angeordnet durch Engel in der Hand eines Mittlers.
20 Aber der Mittler [z.B. bei der Gesetzgebung] ist es nicht von einem. Gott ist aber [beim Geben der Verheißung] einer [und ein Mittler ist da nicht nötig, wo nur ein Einziger handelt].
21 Ist das Gesetz also gegen die Verheißungen Gottes?
Das sei fern! – denn wenn ein Gesetz gegeben worden wäre, das die Kraft besessen hätte, Leben zu verleihen, wäre es wirklich so, dass die Gerechtigkeit aus dem Gesetz käme.
. Das Gesetz ist eine Hinführung zur Verheißung. V. 22-24
„Die Schrift schloss jedoch alles unter die Sünde zusammen, damit die Verheißung aus Glauben an Jesus Christus gegeben würde den Glaubenden.
23 Aber bevor der Glaube kam, wurden wir unter [dem] Gesetz in Verwahrung gehalten, zusammen eingeschlossen auf den Glauben hin, der geoffenbart werden sollte.
24 Somit ist das Gesetz unser Beaufsichtiger (griech. paidagoogos, meist ein Sklave, der die Kinder beaufsichtigte oder/und zum Unterricht führte.) geworden auf Christus hin, damit wir aus Glauben gerechtfertigt würden.“
„Aber nachdem der Glaube gekommen ist, sind wir nicht mehr unter einem Beaufsichtiger,
26 denn ihr seid alle Söhne Gottes durch den Glauben in Christus Jesus,
„In Christus Jesus“: Die Präposition „in“ verlangt hier den Wemfall. Früher hätte man geschrieben: „in Christo Jesu“. Nach V. 25 handelt es sich um solche, die nun in Christus Jesus sind. Sie üben einen Glauben, der in ihm Platz genommen hat, und sind und bleiben so Söhne Gottes.
27 denn so viele [ihr] (ergänze: mit einer rechten Taufe) auf Christus getauft wurdet, ihr zogt (ergänze: zuvor bei der Umkehr) Christus an.
Zur Übersetzung: Die Präposition eis, die im Grundtext hier dem deutschen „auf“ zugrunde liegt, wird im Griechischen nicht nur vorausblickend gebraucht, sondern durchaus auch rückblickend. Wollte man hier vorausblickend übersetzen („in Christus hinein“), so wäre diese eine falsche Lehre, denn in Christus muss man bereits vor der Taufe sein (auf jeden Fall vor einer echten Wassertaufe). Eine Wassertaufe darf hier angenommen werden, da kein anderer Bezug genannt wird, wie das üblich ist, wenn etwas anderes als die eigentliche Taufe gemeint ist. Dass es dem Apostel um eine echte Taufe geht, ist daran zu sehen, dass die, die getauft wurden, auch Christus angezogen hatten. Es muss also rückblickend beschrieben werden, wenn es um ihren Bezug geht. Entsprechend ist hier die Präposition im Deutschen also mit „auf“ wiederzugeben, wie in Römer 6, 3.4.
Zum Inhalt: Nicht während der Taufe zieht man Christus an. So will Paulus nicht verstanden werden. Er würde sich ansonsten selber widersprechen. Die Taufe ist ein Bild auf ein Begrabenwerden. Das Begrabenwerden soll darstellen, dass man (rechtlich, juristisch) mit Christus gestorben ist. Begraben wird man bekanntlicherweise erst, nachdem man gestorben ist. Die Identifikation mit dem Tod Christi geschieht durch den Glauben. Der Glaube ist die Voraussetzung für die Taufe. Durch den Glauben zieht man Christus an. Folglich kann Paulus hier nicht meinen, dass alle Galater im Augenblick der Taufe Christus anzogen (was der Text ja auch nicht sagt). Paulus sagt lediglich, dass das alle Galater sich taufen ließen und dass sie, als sie sich taufen ließen, solche waren, die (durch den Glauben, nicht durch die Taufe!) Christus angezogen haben (bzw. hatten).
28 „Es ist [da bei denen, die Christus angezogen haben] nicht Jude noch Grieche; es ist nicht Sklave noch Freier; es ist nicht männlich und weiblich; denn ihr seid alle einer in Christus Jesus.“
Es geht um das innere Wesen und die Stellung vor Gott, nicht um die äußere Stellung in der Gesellschaft. Paulus will nicht behaupten, dass es nicht mehr Mann und Frau bzw. Sklaven und Freie gibt. Nein, zur Zeit des NT gab es weiterhin Sklaven und Freie, selbst unter den Christen. Ebenso gab es Männer und Frauen. Es geht darum, dass es geistlich vor Gott keinen Unterschied mehr gibt. Der irdische Unterschied (z. B. dass Sklaven ihren Herren gehorchen sollten; 1. Petrus 2; 1. Timotheus 6; Titus 3; Phm) bleibt bestehen. Auch der Unterschied der Stellung der Geschlechter in der Gesellschaft (Familie) bleibt bestehen. (Vgl. Epheser 5, 21-23.)
29 „Aber wenn ihr des Christus seid, dann seid ihr Abrahams Same und nach der Verheißung Erben.“
Alle in Christus werden als der eine Same (Christus) gerechnet. Weil der Christus Abrahams Same ist, sind alle, die in Christus sind, ebenfalls Abrahams Same. Damit fällt in Christus die Unterscheidung zwischen Juden und Nichtjuden gänzlich weg.
Dieser Same erhält das im AT dem Volk Israel verheißene ewige Erbe. Somit gibt es keinen Unterschied unter allen Erben. Die aus den Völkern erben in Christus zusammen mit Israel.
Vgl. Epheser 2, 11-14: „Darum denkt daran, dass ihr einst, die ihr im Fleisch von den Völkern wart, „Unbeschnittenheit“ genannt von denen, die „Beschneidung“ genannt werden, [eine Beschneidung, die] am Fleisch mit der Hand geschieht –, 12 dass ihr zu jener Zeit ohne Christus wart, ausgeschlossen von der Bürgerschaft Israels und Fremde den Bündnissen der Verheißung, keine Hoffnung hattet und ohne Gott in der Welt [wart]. 13 Nun aber, in Christus Jesus, seid ihr, die ihr einst „fern“ wart, „nahe“ geworden durch das Blut des Christus, 14 denn ER ist unser Friede, er, der die beiden eins machte und die Scheidewand des Zauns auflöste, … 19 Dann seid ihr also nicht mehr Fremde und Ausländer, sondern Mitbürger der Heiligen und Hausangehörige Gottes, … 3, 6: dass die von den Völkern Miterben und ein Mitleib und Mitteilhabende seiner Verheißung seien in dem Christus durch die gute Botschaft.
In K. 4 zieht Paulus die Gedanken von K. 3 weiter.
Den Gedanken der Sohnschaft erwähnte er zum ersten Mal in Galater 3, 7: Der an Christus Glaubende ist ein Sohn des glaubenden Abrahams. Das macht ihn zum Erben des Christussegens Abrahams (3, 9). Dieser Segen bringt die Verheißung des Geistes (3, 14) mit sich. In 3, 18 wird der Inhalt der Verheißung an Abraham ein „Erbe“ genannt. Zusammenfassung (3, 29): „Aber wenn ihr des Christus seid, dann seid ihr Abrahams Same und nach der Verheißung Erben.“
Im Bild des zuerst unmündigen, dann mündigen Sohnes führt er nun den Gedanken des Erbes weiter:
V. 1.2: „Ich sage aber: Solange der Erbe unmündig ist, unterscheidet er sich in nichts von einem Leibeigenen, obwohl er Herr von allem ist, sondern er steht unter Vormündern und Verwaltern bis zu der vom Vater festgesetzten Zeit.“
„So waren auch wir, als wir unmündig waren, den Elementen der Welt als Leibeigene unterworfen.“
„Unmündig“ waren sie, weil sie als Leibeigene „unter“ Satzungen standen, die er mit „Vormündern und Verwaltern“ vergleicht. Diese waren das „Elementare“, das Grundlegende und Vorbereitende, eine äußere Form, die ihrem Verhalten die rechte Gestalt geben sollte. Weil Israel eine irdische Volksgemeinschaft war, gehörte es zu dieser „Welt“. Die Wiedergeburt, die zu Kindern des Himmlischen macht, stand für die einzelnen noch aus (Hesekiel 36).
Wir lernen: Menschen also, die unter dem Gesetz leben wollen, müssen als unmündig betrachtet werden.
Zum Ausdruck „[Grund]elemente der Welt“: Dieser Begriff stammt von dem griech. Wort für „Reihe“ („Abfolge“) und bezeichnete elementare, grundlegende Dinge wie die Buchstaben des Alphabets. Aus seiner Verwendung in V. 9 können wir schließen, dass es hier die grundlegenden Elemente und Rituale des Nahens zu Gott im AT bezeichnet (Vgl. Kolosser 2, 8.20). Paulus beschreibt jüdische (Galater 4, 3) wie auch heidnische (4, 9) „religiöse“ Elemente als primitiv, weil sie nicht das eigentliche göttliche Niveau erreichen können. Sowohl jüdische als auch heidnische Religion dreht sich um Irdisches, Fleischliches, um mit Menschenhänden Gemachtes. Da geht es um Gesetze und Zeremonien, die es zu beachten und durchzuführen gilt, um von Gott angenommen zu werden. Alle derartigen Dinge sind primitiv und elementar. Sie gehören zu den Elementen „dieser Welt“. Die Menschen unter dem alttestamentlichen Gesetz sind in einem Stadium der Unreife, sie sind wie Kinder, die an einen Vormund gebunden sind.
Paulus spricht in V. 3 die Dinge der alttestamentlichen Ordnung an. Diese sollten vorbereiten auf das eigentliche, auf die bessere „Ordnung“ (Hebräer 9, 10: „Speisen und Getränke und verschiedene Tauchwaschungen und Verordnungen des Fleisches, auferlegt bis auf die Zeit des Ins-Rechte-Bringens”). Es handelte sich dabei um „fleischliche“ (Hebräer 7, 16; 9, 10) und „weltliche“ (Hebräer 9, 1) Dinge, das heißt, Dinge, mit denen man mittels der fünf Sinne in Verbindung treten konnte. Da waren Opferspeisen (Geschmack) und Räucherwerke (Geruch), reine und unreine Dinge (die man berühren oder nicht berühren durfte), da waren schöne Gebäude und Kleider, da waren besondere Festzeiten und Feiertage im Jahr, und da waren Menschen als Vermittler zwischen Gott und dem Volk.
„Aber als die Fülle der Zeit gekommen war, sandte Gott seinen Sohn aus, geworden aus einer Frau, geworden unter Gesetz, damit er die unter dem Gesetz freikaufte, damit wir die Sohnesstellung empfingen.“
Eine Änderung des Knechtschaftsverhältnisses konnte nur der schaffen, der das Gesetz verhängt hatte. Aber wie? – Mit dem teuersten Preis „kaufte“ er die Leibeigenen frei, mit dem Leben des Gottessohnes, der Mensch und Knecht geworden war.
„…, damit wir die Sohnesstellung empfingen“:
Die „Sohnesstellung“ war als solche nicht eine Adoption, sondern die Einsetzung in die Vorrechte und die Verantwortung eines erwachsenen Sohnes – im Unterschied zu der Stellung des unreifen Sohnes, die der eines Sklaven ähnlich war.
Was das für die Heiligen in Galatien (und auch für uns) bedeutet, sagt der Apostel in den nächsten zwei Versen.
V. 6.7: „Dass ihr aber Söhne seid, ‹kommt daher›: Gott sandte den Geist seines Sohnes aus in eure Herzen, der ruft: „Abba! Vater!“ 7 So bist du nicht länger Leibeigener, sondern Sohn; wenn aber Sohn, auch Erbe Gottes durch Christus.“
Nach V. 5 waren die Galater nun Söhne, weil Christus sie vom Gesetz freigekauft hatte, nach V. 6, weil Gott den Geist seines Sohnes in ihre Herzen gab. Durch diesen innewohnenden Geist entstand eine Lebensverbindung, eine Verwandtschaft mit dem Sohn Gottes, ebenfalls durch diesen Geist eine Gemeinschaft mit dem gemeinsamen Vater, die so beten lässt, wie der Christus betete. Die Söhne rufen „Abba“ – so wie Jesus es tat (Markus 14, 36).
Wer sagt: „Abba, Vater“? – Der Heilige Geist in den Söhnen; aber er tut das nicht unabhängig von den Söhnen. Denn sie sind es, die das aussprechen (Römer 8, 15). Aber er ist der Rufende. Die Liebe bewirkt der Geist, und das Gebet bewirkt der Geist, aber er gebraucht die Stimmbänder der Söhne, um das zu sagen, was er sagt. Warum tut der Heilige Geist das? – weil er immer schon mit Gott gesprochen hat. Innerhalb der Gottheit herrscht seit je Liebe. Sie drückt sich aus im Gespräch.
Wenn nun dieser Gott in mich hineinkommt, hört er nicht auf zu lieben, sondern er nimmt mich hinein in seine Liebe, in diese Gemeinschaft; und nun ruft der Geist in mir.
Ein Christ, der nicht betet, der dieses ständige Rufen zum Vater nicht kennt, ist krank. Der Geist will uns mitnehmen in sein ständiges Gespräch mit dem Vater.
Man ist also nicht mehr ein unmündiger Sklave. (Man ist entweder Sohn oder Sklave: Wer das Erste ist, ist nicht das Zweite.) Ist man Sohn, so hat man eine entsprechende Zukunft: Man erbt mit Christus, dem Sohn.
Der hohen Stellung als Söhne wird ihre frühere kümmerliche gegenübergestellt.
V. 8: „Damals jedoch, als ihr Gott nicht wirklich kanntet, wart ihr denen als leibeigene Knechte unterworfen, die von Natur (d. h.: im Wesen) nicht Götter sind.“
Darauf folgt dann die Frage: Warum zurück? Auf diese Weise wird den Galatern das größere Bild ihrer Wirklichkeit gezeigt, und sie werden fähiger, die rechte Entscheidung zu treffen und die Irrlehre zu verlassen.
V. 9.10: „Nun aber, nachdem ihr Gott kennenlerntet, viel mehr noch (d. h.: was noch wichtiger ist): von Gott erkannt wurdet ( und zwar als seine Kinder erkannt wurdet; d. h., in die Vater-Sohn-Beziehung hineingenommen wurdet, wie es seit je sein Plan gewesen war), wie wendet ihr euch wieder um zu den schwachen und ärmlichen Elementen, denen ihr wieder von neuem als leibeigene Knechte unterworfen zu sein wünscht? Ihr beobachtet Tage und Monate und bestimmte Zeiten und Jahre.“
Anmerkung: In V. 3 hatte der Apostel das Leben des Israeliten unter dem Gesetz „das Elementare“ genannt. Jetzt gebraucht er dieselbe Bezeichnung für ihre frühere Gebundenheit an heidnische falsche Gottheiten. Wo liegt die Ähnlichkeit? Nach V. 3 gab es in Israel ein Unterworfensein unter die elementaren Dinge der (sichtbaren) Welt, und zwar nach de alttestamentlichen göttlichen Vorschriften. Die „Tage und Monate und bestimmte Zeiten und Jahre“, die die Galater beobachteten, gehörten zum Lauf jener vergänglichen Welt. Im Heidentum gab es ebenfalls ein Unterworfensein unter „elementare Dinge“ der Welt, zum Teil nach dem Gewissen (wie Paulus in Römer 2 ausführt), zum Teil aber auch nach eigenen Vorstellungen (wie er in Römer 1 zeigt). Alle Religionen haben Dienst- und Lebensvorschriften, denen sie verpflichtet zu sein meinen und wodurch sie sich bei Einhalten einen religiösen Gewinn erhoffen. Ob aber jüdisch, heidnisch oder gar „christlich“, alle solche Systeme haben es mit diesseitigen Dingen zu tun und fordern Leistung als Zahlung für Seelenfrieden, und der Apostel erklärt sie als „schwach und ärmlich“: Das Erhoffte können sie nicht liefern, und sie lassen arm und leer. Wie er schon im Grußwort andeutete: Durch die Gnade Gottes kommt der Friede, die Versöhnung mit allen Segnungen, und zwar durch Jesus Christus.
Die Bilder wechseln. Nach den „Söhnen“ kommen die „Mütter“ (der Apostel als Mutter, dann die Frauen Abrahams). Diese Familienbilder sind geeignet, die Herzen der Galater anzusprechen und wegzuziehen von der Knechtschaft in die Freiheit der Sohnesstellung.
Er vergleicht sich mit einer fürsorglichen, besorgten Mutter:
V. 11: „Ich fürchte um euch, dass ich vergebens für euch gearbeitet haben möchte.“
Er sieht die Möglichkeit, vergeblich an ihnen gearbeitet zu haben; das wäre dann, wenn sie sich gänzlich von der Gnade in Christus (und damit von Christus) abwenden. Sie waren wirklich an Christus gläubig und Kinder Gottes geworden. Nun standen sie in Gefahr!
V. 12-15: „Werdet, wie ich [bin], weil auch ich so [wurde], wie ihr [wart]. Ich flehe euch an, Brüder!“ (Sie sind immer noch Brüder!) „Ihr tatet mir kein Unrecht. 13 Aber ihr wisst, dass wegen Schwachheit des Fleisches ich euch beim ersten Mal die gute Botschaft sagte, 14 und meine Prüfung in meinem Fleisch verachtetet ihr nicht, noch verschmähtet ihr sie, sondern wie einen [himmlischen] Boten Gottes nahmt ihr mich auf, wie Christus Jesus. 15 Was war also eure Seligkeit? – denn ich bezeuge euch, dass ihr, wenn es möglich gewesen wäre, eure Augen ausgerissen und mir gegeben hättet.“
Mütterliche Worte (V. 16-20)
V.16-18: „Bin ich mit dem, dass ich euch mit [der] Wahrheit begegnet bin, euer Feind geworden? Sie eifern nicht im Guten um euch, sondern wollen euch ausschließen, damit ihr um sie eifert. Aber gut ist es, in einer guten Sache allezeit eifrig zu sein und nicht allein während meiner Anwesenheit bei euch.“
Sie sollen wissen: Die Absicht dieser Gesetzeslehrer ist nicht gut: Sie wollen die Galater ausschließen. Es ist nur eines möglich: entweder Jesus oder das Gesetz.
Er sagt: „Wenn ihr jenen Leuten nachfolgt, dann seid ihr aus Christus ausgeschlossen. Das aber wollen jene Gesetzeslehrer. Sie wollen euch aus unserem Kreis ausschließen, damit ihr um sie eifert.“ Die Liebe eifert, aber nicht im negativen Sinne, sie „neidet nicht“ (1. Korinther 13, 4). Paulus fragt „Lauft ihr, wenn ich abwesend bin, zur anderen Seite über?“
V. 19: „Meine Kindlein, um die ich wieder Geburtsschmerzen habe, bis Christus in euch gestaltet worden ist!“
Das ist das Ziel: dass Christi Charakter Form annimmt.
Eine Mutter, die um ihr Kind Sorge trägt, kann gleichsam ähnliche Schmerzen haben, die sie bei der Geburt hatte, als sie das Kind zur Welt brachte.
V. 20: „Ich wollte jetzt bei euch anwesend sein und meine Stimme wandeln, …“ –Er will wie eine Mutter reden, sodass es ankommt. Wenn er bei ihnen wäre, könnte seine Körper-sprache mitschwingen. Welch ein Mann, der ein Herz hatte wie eine Mutter!
Gott gebe uns solch ein Herz und mache uns so!
„… weil ich um euch in Verlegenheit bin.“ – „Ich weiß nicht, wie ich mit euch dran bin.“
„Sagt mir, ihr, die ihr unter [dem] Gesetz sein wollt, hört ihr nicht das Gesetz?“
Die anschließenden Bemerkungen zeigen uns, was mit „Gesetz“ gemeint ist. Für Paulus gehört 1.Mose zum „Gesetz“. Wenn sich die Galater schon nach dem Gesetz Moses ausrichten wollen, sollten sie im ersten Buch beginnen, und – siehe! – sie stoßen auf Evangelium!
Hinzu kommt: Paulus hatte in K. 3 gezeigt, dass man durch den Glauben ein Sohn Abrahams wird; jetzt zeigt er, dass es auch unter den Kindern Abrahams zwei Arten gibt: die, die „nach dem Fleisch“ geboren sind, und die, die „nach dem Geist“ („durch die Verheißung“) geboren sind. Es gilt also, klarzumachen, nach welcher Linie man Nachkomme des Erzvaters ist.
„... denn es ist geschrieben, dass Abraham zwei Söhne hatte, einen von der Magd und einen von der Freien. Der jedoch, der von der Magd war, ist nach dem Fleisch geboren, aber der, der von der Freien war, durch die Verheißung ...“
. Abraham hat zwei Söhne.
. Mutter des ersten ist eine Sklavin, Hagar.
. Mutter des zweiten ist eine Freie, Sara.
. Ismael wird „nach dem Fleisch“ geboren, aus menschlicher Erwägung, fleischlichem Handeln.
. Isaak ist „durch die Verheißung“ geboren, als die Menschen nichts vermochten und Gott auf übernatürliche Weise seine Verheißung wahrmachte,
. „Nach dem Geist“ erklärt der Apostel: Der Geist machte die Geburt möglich.
„..., welches als Bild dient, denn diese sind die zwei Bündnisse.“
Wir beachten hier den Gebrauch des Wortes „sind“: Das meint nicht immer ein Gleichungszeichen im Sinne einer Gleichsetzung. An dieser Stelle muss „sind“ als „bedeuten“ verstanden werden.
„…, welches als Bild dient
Paulus gebraucht die Begebenheit als Allegorie.
V 24M-27: „Der eine Bund ist der, der vom Berge Sinai ist, der Versklavung erzeugt, welcher Hagar ist, denn Hagar ist der Berg Sinai in Arabien. Er entspricht dem gegenwärtigen Jerusalem: Sie ist mit ihren Kindern in Versklavung. Aber das obige Jerusalem ist frei, welches unser aller Mutter ist, denn es ist geschrieben: ‚Sei fröhlich, Unfruchtbare, die du nicht gebierst. Brich in Jubel aus und rufe, die du keine Geburtsschmerzen [zu leiden] hast, weil zahlreich die Kinder der Einsamen sind, mehr als derjenigen, die den Mann hat.’“
. Jesaja 54, 1 wird wegen der Parallele zu Sara zitiert.
. Die Frauen stellen Örtlichkeiten dar, an denen entscheidende Ereignisse stattfanden. Hagar ist der Berg Sinai in Arabien. Er entspricht dem „gegenwärtigen Jerusalem“ zur Zeit des Apostels. Sara stellt das „obige“ Jerusalem dar.
. Die Frauen stellen Bündnisse dar. Der eine Bund ist der vom Berge Sinai. Er erzeugt Versklavung. Da die Mutter Sklavin ist, sind auch die Kinder Sklaven. – Sara stellt den neuen Bund dar. Da sie frei ist, sind ihre Kinder frei.
. Mütter und Kinder werden unterschieden. Die Mütter und die Kinder stellen jeweils etwas anderes dar: Die Mütter sind Quellen: Vom Sinai-Jerusalem geht Knechtschaft aus, vom obigen Jerusalem geht Geburt aus dem Geist aus, Freiheit, neues Leben.
Die Kinder sind Menschen: Hagars Kinder sind die unter dem Gesetz, Saras Kinder die unter der Gnade, die Schar des Messias. Das obige Jerusalem ist also nicht die Erlöstenschar an sich, sondern der Geburtsort mit dem Bürgerrecht der Schar der Erlösten. Daraus folgt, dass die wahren Christusgläubigen Himmelsbürger sind. Vgl. Philipper 3, 20.21; Epheser 2, 6; 2, 19; Kolosser 3, 3.4; Hebräer 11, 39-12, 1.22.
V. 28: „Aber wir, Brüder, sind nach [der Art] Isaaks Kinder der Verheißung.“
Isaak wurde kraft des Heiligen Geistes geboren, der in Sara das Wunder wirkte.
V. 29-31: „Jedoch gleichwie damals der, der nach dem Fleisch geboren war, den verfolgte, der es nach dem Geist war, so ist es auch nun. Was sagt jedoch die Schrift? Tue hinaus die Magd und ihren Sohn, denn auf keinen Fall darf der Sohn der leibeigenen Magd mit dem Sohn der Freien erben!“
Gesetz und Verheißung haben nichts miteinander zu tun. Entweder gilt das Gesetz oder es gilt die Verheißung.
V. 31: „Dann, Brüder, sind wir [also] nicht Kinder einer Magd, sondern der Freien.“
Kinder einer Sklavin sind Sklaven. Die Galaterchristen aber sind keine, sondern Kinder einer Freien und daher frei.
Paulus ruft auf und wendet an. Der nun zu beschreitende Weg wird jetzt angezeigt. Jetzt kommen die Imperative im Brief. Die bisherigen Sätze waren Aussagen mit dazwischengestreuten Fragen. Nun erfahren die Leser, was sie daraufhin zu tun haben. Die K. 5 und 6 sind anwendender Art: Was folgt aus dem Gewonnenen? Negatives und Positives. Was jetzt folgt, ist Ergebnis der bisherigen Ausführungen. Das Ergebnis wird anhand von zwei Aufrufen besprochen:
Steht in der Freiheit (5, 1-15)! Und:
Richtet euch nach dem Geist aus! (5, 16- 6, 10)
„In ‹und zu› der Freiheit also, zu der Christus uns frei machte, steht!“
. Es hat also eine Befreiung stattgefunden.
. Diese Befreiung ist Werk Christi. Mit seinem Opfertod kaufte er uns frei von der Schuldigkeit, Gottes Forderungen nachzukommen. Wir sind nicht mehr unter dem Gesetz, denn das Gesetz gilt nur Lebenden, nicht Verstorbenen.
. Da wir aber mit Christus nicht nur gestorben, sondern auch auferstanden sind, leben wir nun mit Christus in einer anderen Sphäre, im Himmlischen, befreit vom Gesetz, dem Elementaren. Die Befreiung soll als Geschenk geschätzt werden. In ihr dürfen und sollen wir nun, während wir noch im Leibe in dieser Welt leben, bewusst stehen und uns bewegen, mit dem Ziel, unserem Befreier zu gefallen. Man steht ja in der Schuld eines neuen Herrn.
V. 1M: „Und lasst euch nicht wieder in einem Joch der Versklavung festhalten.“
Man soll sich nicht auf eine andere Bindung einlassen. Das würde heißen, sich in einem Joch der Versklavung festhalten zu lassen. Es würde im Grunde auch heißen, es „wieder“ zu tun, denn, obwohl die Galater zum größten Teil Heiden gewesen waren, war ihr religiöser Zustand (nach 4, 3.8) vergleichbar gewesen mit demjenigen Israels.
Diese Alternativen werden im Folgenden verschärft.
Die Herausstellung geschieht auf mehrere Weise:
„Sieh!“
„Ich, Paulus, sage euch.“
Wörner bemerkt: „Insonderheit warnt Paulus ... und setzt hierfür sein volles persönliches Ansehen als eines in Gesetz und Evangelium gleich erfahrenen Mannes.“
„Sieh! Ich, Paulus, sage euch: Wenn ihr beschnitten werdet, wird euch Christus überhaupt nichts nützen.“
Das Heil steht also auf dem Spiel. Der Apostel stellt sie vor die unausweichliche Wahl: Christus oder Verlorenheit.
„…, wird euch Christus überhaupt nichts nützen.“
Paulus verurteilt niemanden. Obwohl er ja nicht genau wissen kann, wie weit die Verirrung gediehen ist, setzt er zunächst das Positivste voraus, dass sich bis jetzt noch niemand hatte beschneiden lassen.
Lässt man sich aber auf das Beschneiden ein, so kommt das der Aussage gleich: ‚Christus ist nie gekommen’, in welchem Fall man auch keinen Retter und Helfer mehr hat.
Mit der Beschneidung wird man verpflichtet, das ganze Gesetz einzuhalten.
V. 3: „Ich bezeuge wiederum einem jeden Menschen, der beschnitten wird: Er ist schuldig, das ganze Gesetz zu tun.“ – Wir halten fest:
. Die Beschneidung ist die Tür zu einem Leben unter dem Gesetz. Ist sie Pflicht, so ist sie Pflicht in allem. Die Schuldigkeit ist umfassend. Das Gesetz ist als Regent ein Ganzes und fordert ganze Leistung, es zu „tun“.
. Er spricht in der Gegenwartsform. Er will nicht annehmen, dass es bisher geschehen war, muss aber befürchten, dass es in der Zeit in seiner Abwesenheit geschehen kann.
. Die Regel kennt keine Ausnahme. Sie gilt jedem Menschen, ohne Ansehen der Person.
. „Nützen“ in V. 2 und „schuldig“ in V. 3 sind im Grundtext gleichlautend. Mittels eines Wortspiels wird der Gegensatz verstärkt, wie wenn man im Deutschen sagen würde: „Die Beschneidung ‚nimmt dir die Huld’ des Christus und ‚bringt dir die Schuld’ des Gesetzes.“
„Ihr wurdet beseitigt, von dem Christus weggetan, so viele ihr im Gesetz gerechtfertigt werdet; ihr fielt aus der Gnade.“
. Der Apostel sagt: „gerechtfertigt werdet“. Man ist auf dem Wege, gerechtfertigt zu werden. Wir sehen hier, wie Paulus über das Heil denkt: Einerseits ist man durch den Glauben bereits gerechtfertigt (Römer 5, 1). Andererseits lebt man die ganze Zeit seines Lebens in der Bewährung. Die versiegelnde Rechtfertigung steht noch aus.
. Das Gesetz ist der Raum, in dem man gerecht werden will.
. Als Raum einer Rechtfertigung steht er dem der Gnade konträr gegenüber. Man befindet sich in nur einem der Räume.
. Aus der Gnade zu geraten, heißt, von Christus weggetan zu werden.
. Die Passivform ist wohl auf die Irrlehre als Täter zurückzuführen. Sie wären verantwortlich, die Galater von Christus abgewandt zu haben.
. Unversöhnlich stehen zwei Rechtfertigungswege einander konträr gegenüber: einerseits menschliche Leistung, ein Versuch, stets das Gesetz einzuhalten, und andererseits Rechtfertigung durch Christus aus Gnade. Diese schließen einander aus.
A:. Die erste (V. 5): Wir warten aus Glauben auf die Gerechtigkeit als Hoffnungsgut.
„... denn durch den Geist, [und] aus Glauben, warten wir auf die Hoffnung der Gerechtigkeit ...“
Das „wir“ ist das echter Christen und steht dem „ihr“ in V. 4 gegenüber.
Diese Aussage begründet die in V. 4, weil es auf einem anderen Wege ist, auf dem man der Hoffnung der wirklichen Gerechtigkeit zuteil wird.
Diesen Weg beschreiten Paulus und alle, die wie er die Hoffnung nur auf Christus gesetzt haben, denn „wir warten (hoffen) aus Glauben“ heißt: wir warten (hoffen) indem, wir uns allein auf Christus verlassen.
Dieser Christus wiederum setzt sich für die Glaubenden ein durch seinen Geist, den er ihnen als dem Gesetz entwachsenen Söhnen gegeben hat (4, 6).
Von Anfang bis Ende ist alles Werk des Geistes. Das macht das Hoffen zuversichtlich. Das Hoffen drückt sich in einem zuversichtlichen Warten aus, einem, das der kontinuierlichen Gesetzesleistung gegenübersteht.
Das Heil ist zu gleicher Zeit Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft. – Ernst Wörner (in: Auslegung des Briefes an die Galater) erklärt: „Hoffnung der Gerechtigkeit könnte nun entweder (vgl. Epheser 1, 18) die der Gerechtigkeit angehörige Hoffnung sein, auf den Lohn derselben hinweisen, oder (vgl. Römer 5, 2) die Gerechtigkeit selber als Hoffnungsgut bezeichnen. Für letztere Annahme entscheidet der Gegensatz V. 4: im Gesetz gerechtfertigt; und wir haben somit an den Zustand der vollkommenen Gerechtigkeit als Hoffnungsziel zu denken (vgl. Hebräer 12, 23; Philipper 3, 8-14). Während also der Gesetzliche mit seinen Werken Gerechtigkeit erwirbt – und doch nicht erwirbt (Galater 3, 11; 2, 16), erwartet sie der Christ als göttliche Gnadengabe, dies aber nicht so, als ob er jetzt noch gar keine Gnadengerechtigkeit hätte, vielmehr so, dass es die Vollendung der in ihm angelegten Gerechtigkeit ist, worauf seine Hoffnung steht (Vgl. Römer 8, 15.23).“
Ergänzung: Die „Hoffnung der Gerechtigkeit“ ist also die Gerechtigkeit als Hoffnungsgut, d. h. etwas, das wir als Gläubige dann bekommen werden, wenn wir am Ziel sind.
Der Gesetzliche will sich die Gerechtigkeit mit seinen Leistungen erarbeiten, und bekommt sie nicht. Der Glaubende erwartet sie als Geschenk Gottes, das er eines Tages bekommt: Er wird dann gerecht und ohne Sünde sein.
Genauer gesagt: Bei der Rechtfertigung in der Heilswende (als wir gerecht gemacht wurden in der Wiedergeburt) traten wir ein in eine Hoffnung. Das Eigentliche, das Gott für uns hat, ist aber noch zukünftig. Er hat uns gerufen zu einer Hoffnung. Und diese Hoffnung ist die Hoffnung jener Gerechtigkeit, die wir in der Wiedergeburt bekamen.
Die Tatsache, dass wir in Christus gerecht gemacht wurden, hat uns in eine ewige Hoffnung eingeführt. Aber es ist der Heilige Geist, der diese Hoffnung stärkt, sodass ich die Hoffnung nicht fallen lasse und Tag für Tag immer wieder hoffen darf. Ich brauche nicht aufzugeben, sondern darf hoffen. Der Heilige Geist ist am Werk – hauptsächlich in unserem Denken. Und dort stärkt er diese Hoffnung.
(Anm. im Blick auf V. 8E: Der Eintritt in diesen Zustand geschieht durch ein „Rufen“. „Ruf“ und „Hoffnung“ ist ein Wortpaar. Vgl. Epheser 4, 4. Der Ruf brachte uns in Bewegung, die Hoffnung hält uns in Bewegung.)
B:. Die zweite Begründung: In Christus gilt nicht Beschneidung, sondern der Glaube. V. 6
„... denn in Christus Jesus gilt weder Beschneidung noch Unbeschnittenheit etwas, sondern Glaube, der durch Liebe wirkt.“
– also Glaube, der liebt. Es kommt auf zwei Dinge an. Paulus erwartet diese beim Gläubigen: Glaube und Liebe. Glaube ist der Schlüssel, Liebe der Inhalt dieser Beziehung.
Wir stellen fest:
. Dieser Vers will V. 4.5 erklären.
. „In Christus“ ist ein Raum. „In Christus“ steht „im Gesetz“ (V. 4) gegenüber.
. Wenn in Christus – zur Rechtfertigung – weder Beschnei-dung noch Unbeschnittenheit etwas gelten, wörtlich, „stark sind“, in dieser Hinsicht etwas auszurichten, dann sind beide auch kein Hindernis.
. Und wenn es der Glaube ist, auf den es ankommt, dann ist es der besondere Glaube, in Christus Jesus, und dieser steht dem Sich-Verlassen auf die Beschneidung konträr gegenüber, sodass es nicht um Beschneidung bzw. Unbeschnittenheit als solche geht, als wäre das eine oder andere in sich gut / schlecht.
. Der Glaube ist nicht der eines Untätigen, als würde er dem „Sich-gehen-Lassen“ das Wort sprechen (d. h., der Gesetzlosigkeit), wie die Gegner wähnen. Er bringt die zentrale Frucht der Liebe, die wiederum nicht nur den Namen trägt, sondern gegen Gott und Menschen tätig ist. Er ist ein inständiger Glaube, der am Laufen ist (V. 7A), dessen Erwartung der Hoffnung ihn stets nach vorne streben lässt.
. In diesen Versen begegnen uns die drei großen Tugenden Glaube, Liebe, Hoffnung.
. Wörner bemerkt: „Wenn jedoch eben hier der echte Christenglaube ein durch Liebe sittlich wirksamer genannt, in dieser Bestimmtheit hervorgehoben wird, so ist jenes Abwarten der Gerechtigkeit nicht als ein sittlich untätiges Verhalten aufzufassen, ... vielmehr ist die Vollendung des Menschen an die Liebe wie an den Glauben geknüpft. Oder noch genauer ist es nach V. 5.6 der durch Liebe tätige Glaube, welcher innerhalb der Christusgemeinschaft die Hoffnung vollkommener Gerechtigkeit mitbringt; durch die gegenwärtige sittliche Wirksamkeit des Glaubens wird die künftige sittliche Vollendung vom Glauben aus verbürgt.“
. V 7: „Ihr lieft fein.“
Der Anfang war gut gewesen, ja „trefflich“; so könnte man übersetzen. Paulus hatte Freude an ihnen gehabt.
. „Wer hielt euch davon ab, der Wahrheit nicht zu gehorchen (o.: von ihr überzeugt zu sein)?“
Wer schnitt euch ab? Wer hielt euch an? Von der Wahrheit waren sie überzeugt gewesen. Wer kam dazwischen?
Paulus fragt nicht „Warum“, sondern „Wer“. Offenbar lag da das Problem. Wer konnte sich erkühnen, sich als höhere Autorität als die Wahrheit auszugeben? Und Wahrheit verpflichtet. Sie verlangt Zustimmung, was Paulus „gehorchen“ nennt.
. V. 8: „Das Überzeugtsein ist nicht von dem, der euch ruft.“
Die Frage von V. 7 ist hiermit beantwortet: Von Gott war er nicht gewesen.
„der euch ruft“: „Ruft“ ist Gegenwartsform. Gott ruft nicht nur in die Nachfolge, auch danach, ständig, bis wir am Ziel angelangt sind. „Mir nach!“, spricht Christus, unser Held.
. V. 9: „Ein wenig Sauerteig durchsäuert den ganzen Teig.“
Was die falschen Boten aus Jerusalem verkündeten, mag nicht viel gewesen sein, aber es war „Sauerteig“ und drohte die Gemeinde im ganzen Gebiet zu durchsäuern. Der Kampf gegen die Unwahrheit ist ein pausenloser. Man kann nicht wachsam genug sein.
„Sauerteig“ – ein wenig Irrlehre hat einen Einfluss auf das ganze Leben. Natürlich hängt es von der Qualität der Irrlehre ab. Es fängt mit ein wenig Sauerteig an. Das andere bringt die Zeit mit sich.
. V. 10: „Ich bin in Bezug auf euch überzeugt in dem Herrn, dass ihr nicht anders gesinnt sein werdet.“
Was seine Person betrifft, ist er zuversichtlich. Welch ein Vertrauen bringt der Apostel diesen Irrenden, die er so fest anfassen musste, zum Ausdruck! Es mag auch prophetisches Vertrauen gewesen sein. Der Herr mag es ihm geoffenbart haben. Auf jeden Fall haben wir hier zu lernen, dass der Herr wirklich Abirrende zurechtbringen kann.
. „Wer euch aber verwirrt, wird das Urteil tragen, wer er auch sei.“
Jeder Irreführende wird sein Gericht erleben. Gott hält über seine Wahrheit Wache.
. V. 11: „Aber ich, Brüder, wenn ich noch Beschneidung verkünde, was werde ich noch verfolgt?“
Die Beschneidung war zu einem Zeichen der Selbstrettung durch das Gesetz geworden.
Paulus hatte Timotheus aus Süd-Galatien beschneiden lassen, nahm auch eine tolerante Haltung seinen Mitjuden gegenüber ein, die immer noch das Gesetz einhielten. Daran konnten die falschen Boten aus Jerusalem anknüpfen. Es war dann nur noch ein Schritt weiter, wenn sie behaupteten, Paulus verkünde ja auch Beschneidung. Aber das gerade tat der Apostel nicht. Dass er von Juden die schlimmste Verfolgung erlebte, war ja das Zeichen dafür. Von ihnen war er ja in der Gegend der Galater von einem Ort zum anderen vertrieben worden. Der Inkonsequenz einer solchen Behauptung müssten sich die Leser bewusst sein.
Mit dem betonten „Ich“ (V. 11) weist er auf seinen eigenen Fall hin. Gerade da könnte die Behauptung nicht stimmen. Das erste „noch“ („wenn ich noch Beschneidung verkünde“) heißt: Früher hatte er sie verkündigt, als Bote Christi jedoch nicht mehr. Das zweite „noch“ („was werde ich noch verfolgt“) weist auf den Gegensatz hin: Beschneidung predigen – oder verfolgt werden.
Mit der Anrede „Brüder“ hält er sie in Liebe fest.
. „Dann ist das Kreuz als Ärgernis ‹und Anstoß› beseitigt.“
Die beschnittenen Gesetzes-Juden hatten Christus gekreuzigt, um ihren Standpunkt festzuhalten. Der Gekreuzigte war gestorben, um aller Selbstgerechtigkeit ein Ende zu bereiten. Wer Heil durch den Gekreuzigten verkündete, musste den Unwillen der Kreuzigenden erleben. Wird jetzt aber immer noch Beschneidung als Zeichen des Gesetzes als Heilsweg verkündet, so ist man der Schande der Solidarität mit dem Gekreuzigten los.
. V. 12: „Ich wollte, sie würden sich auch verschneiden (o.: abschneiden) lassen, [sie], die euch aufwiegeln, verstören.“
Das griech. Wort für „abschneiden“ bezeichnete häufig die Kastration. Heidnische Priester (z. B. beim Kybele-Kult) ließen sich in ihrem religiösen Eifer oft verscheiden. Sie machten sich zu Eunuchen (Zeugungsunfähigen). Paulus scheint anzudeuten, dass jüdische Beschneidung so wenig Wert hat wie heidnische Religion. Da die Judaisten so nachdrücklich auf Beschneidung bestanden und sagten, dadurch könne man Gott wohlgefallen, empfiehlt Paulus ihnen hier wohl mit Ironie, diese religiöse Übung ins Extrem zu treiben und sich selber zu verstümmeln.
„… denn ihr wurdet im Blick auf Freiheit gerufen, …“
Die Sache ist ernster als die damalige Befreiung aus der ägyptischen Sklaverei. Hier geht es um die Freiheit des ewigen Lebens. Das „ihr“ ist betont. Es steht im Gegensatz zu den Judaisten. Um die Freiheit der Leser geht es. „Im Blick auf“ diese Freiheit wurden sie aus ihrem „Ägypten“ gerufen. Wer sie jetzt auf dem Wege zum Ziel aufhalten will, muss sein Gerichtslos tragen, wie Amalek damals.
„…, Brüder“, als Zeichen der liebenden Verbundenheit, soll sie wieder motivieren.
„Allein lasst die Freiheit nicht ein Vorwand für das Fleisch sein, sondern durch die Liebe leistet einander Leibeigenendienst, …
Paulus gibt Auskunft über den rechten Umgang mit der Freiheit.
. „Allein“: Das Wort steht da wie ein Warnschild. Für die Freiheit wurden sie aus ihrer Knechtschaft gerufen. Für diese Freiheit hat der Apostel in diesem Brief gekämpft. Er rechnet auch damit, dass sie sich nicht wieder versklaven lassen. Jetzt gilt es, sich im neuen Raum zu orientieren. Was heißt „frei sein“? Die Glaubensfrage ist geklärt. Nun ist die Verhaltensfrage dran – denn sie sind immer noch unterwegs zum endgültigen Ziel. Sie sind immer noch im Fleisch, in einem Leib, in dem die Neigung zum Bösen da ist. Wie wird man mit dieser Neigung fertig, wenn der Zaun des Gesetzes nicht mehr da ist?
. „… lasst die Freiheit nicht ein Vorwand für das Fleisch sein …“
Auffallender Weise steht gleich ein Befehlssatz. Also, solange man im Fleisch ist, braucht es Befehlsschranken, auch wenn das Gesetz als Regime weggefallen ist. Der Gott des Gesetzes ist immer noch da, gerade der Gott, der vom Gesetz befreite. Und dieser Gott ist als Hirte der Seele Herr und bestimmt den Kurs seiner Herde.
Die Freiheit soll nicht zu Vorwand werden. Paulus weiß: Wenn das Gesetz als Lebensschema wegfällt, denkt man: „Jetzt kann ich tun, was ich will“ – und prompt meldet sich ein Wille in uns, der des Fleisches. Die Leser werden gewarnt: Nicht, damit man macht, was man selbst will, ist man vom Gesetz frei. Die Galater werden an einen Willen erinnert, der höher steht als der der innewohnenden Neigung.
. „… sondern durch die Liebe leistet einander Leibeigenendienst …“
Paulus polt um. Das Fleisch denkt an sich selbst. Der vom Gesetz befreite steht in einer Gemeinschaft von Befreiten, die an einander gebunden sind. Von der alten Knechtschaft befreit zu werden, heißt, in eine neue Knechtschaft gestellt zu sein. Diese ist aber eine heilsame, eine bewahrende, ein neues Sein. Man ist in eine Familie gestellt, wo jeder nach dem anderen schaut in Liebe.
V. 14 „… denn das ganze Gesetz wird in dem einen Wort erfüllt: ‚Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst!‘„ {1. Mose 19, 18}
Nun beruft der Apostel sich doch auf das Gesetz. Ja, denn die Forderung des Gesetzes bleibt, wenn auch das Regime, die Herrschaft, des Gesetzes der Vergangenheit angehört. Im Römerbrief bespricht er das ausführlicher (8, 3.4): „… was dem Gesetz unmöglich war – es war ja schwach durch das Fleisch –, [das machte] Gott [möglich]: Er schickte seinen ‹eigenen› Sohn in der Ähnlichkeit des Fleisches der Sünde und ‹als das Opfer› für Sünde und verurteilte die Sünde im Fleisch, damit das Gerechte des Gesetzes in uns erfüllt werde, die wir nicht nach dem Fleisch wandeln, sondern nach dem Geist.“
Von der neuen Möglichkeit des Geistes wird er in den folgenden Versen (5, 16ff) sprechen. Bevor das tut, muss er aber eine Warnung aussprechen.
V. 15 „Wenn ihr einander aber beißt und verzehrt, seht zu, dass ihr nicht voneinander vertilgt werdet.“
Bruderliebe ist Gesetzeserfüllung. Die Alternative ist gegenseitige Vernichtung. Er sagt nicht, dass sie das tun, aber er kennt das menschliche Wesen, und wenn „die Freiheit … ein Vorwand für das Fleisch“ wird, kann es bald zu einem solchen Verhalten kommen. – Also: nicht abbauen (V. 15) , sondern aufbauen (V. 13)!
Paulus fordert zuerst dazu auf, den Weg des Geistes zu wählen. Diese Aufforderung ist mit einer Zusage verknüpft.
„Aber ich sage: Wandelt ‹durch› den Geist“
Durch den Geist zu wandeln, ist mehr als die Tatsache, dass der Geist in uns lebt. Es geht um ein „Wandeln“. In Römer 8, 13 sagt Paulus, dass wir „durch den Geist ...“ die Handlungen des Leibes töten sollen. Wie geschieht dieses „durch den Geist“ Handeln und Wandeln?
Das Wort „Geist“ steht im bloßen Dativ, ohne Präposition. Deshalb kann übersetzt werden: „im“ Geist, „durch den“ Geist, „kraft des“ Geistes, „mit Hilfe des“ Geistes, „mittels“ des Geistes oder „auf Veranlassung des“ Geistes hin.
Es geht also darum, unter der Leitung (Herrschaft) und mit der Hilfe des Geistes zu leben, aus seiner Kraft und aus seiner Weisheit.
Wenn wir vom Heiligen Geist umgeben sind, gibt es viele Berührungspunkte. Der Geist kann mahnen, drängen, aufmerksam machen, erinnern, ermuntern oder zurechtweisen.
Was ist Voraussetzung für einen Wandel im Geist?
Eine Anleitung gibt Paulus in Römer 12, 1.2: „Ich rufe euch also auf, … eure Leiber als ein Opfer darzubieten, ein lebendes, heiliges, Gott wohlangenehmes; das sei euer schuldiger Gottesdienst, und formt euch nicht nach dieser Welt, sondern werdet umgestaltet (o.: lasst euch umgestalten) durch Erneuerung eures Denksinnes, um prüfen zu können, was der Wille Gottes sei, der gute und angenehme und vollkommene“.
Wenn wir unseren Leib und unsere einzelnen Glieder dem Herrn rückhaltlos zur Verfügung stellen und uns sauber halten vom weltlichen Wesen, uns dem Muster der Welt nicht anpassen, erfüllen wir die Voraussetzungen dafür, dass wir prüfen und feststellen können, was der Wille Gottes ist.
Wir vergleichen Römer 8, 5: „die, die nach dem Geist sind, sinnen auf das, was des Geistes ist“.
Es geht um ein Sinnen, Denken. Die Gedanken sind beim Herrn, sie sind tagaus, tagein auf den Herrn ausgerichtet. Wenn wir geistgemäß (d. h.: wie der Heilige Geist) denken, werden wir auch geistgemäß handeln.
Gott kommuniziert mit uns über das Denken. Der Heilige Geist tritt uns nicht über das Empfinden – über Gefühle – nahe. Daher ist es nicht nötig, dass wir Gottes Gegenwart spüren. Wir haben auch keine Verheißung dafür. Es hilft auch nicht viel weiter, denn es könnte geschehen, dass wir uns dann nach Empfindungen ausrichten, nicht mehr nach den Aussagen des Wortes Gottes.
Die, die „nach dem Geist sind“, nach ihm ausgerichtet sind, befassen sich gedanklich mit dem, „was des Geistes ist“, mit dem, was dem Geist gehört, was aus ihm kommt und ihn interessiert.
Was ist „des Geistes“? Was besitzt der Geist? Was interessiert ihn? Was ist seine Welt? Gott, das Wort Gottes, die Sache Gottes, der Sohn Gottes, die Charaktereigenschaften Gottes, das Königreich Gottes, die Gemeinde Gottes, die Ewigkeit, die geistliche Frucht, das Gebet, das Evangelium, die einzelnen Menschen, die ja für die Ewigkeit geschaffen sind.
Christen sollten sich nicht zu viel dem Denken der Welt aussetzen. Jedes Wort, das wir hören, bestimmt unser Sein. Alles, was wir tun, uns ansehen oder anhören, prägt uns. Alles bildet uns, alles formt unser Denken. Christen sollten das aufnehmen, was ihr Denken in Gottes Gedanken bringt. Wer sich mit dem beschäftigt und von daher lebt, darf Sieg haben, einfach deshalb, weil er es sich angewöhnt hat, auf den Herrn zu vertrauen und mit seiner Gegenwart zu rechnen. Wer sich mit den Dingen des Geistes Gottes abgibt, wird Gott zur Verfügung stehen und Gott dienen. Dann ist man zu beschäftigt, um sich einem Leben der Sünde hinzugeben.
Wer sich von diesseitigen Dingen und weltlichen Interessen bestimmen lässt, begibt sich in Gefahr. Er wird dahin tendieren, nach dem Fleisch zu leben.
Jeder Christ sollte sich fragen: „Was bannt mich? Wo sind meine Interessen? Was ist meine Welt? Was tue ich? Und warum tue ich das, was ich gerade tue? Wie arbeite ich? Wie gehe ich mit den Kindern um, mit der Frau, dem Ehemann, den Eltern? Wie spreche ich? Wie treffe ich Entscheidungen?“
Wer sich lediglich eine halbe Stunde pro Tag mit Gott, seinem Wort und dem Gebet beschäftigt und den Rest des Tages nach dem Diesseitigen, dem Sinnlichen, lebt und seine Gedanken mit weltlichen Informationen, Bildern und Mustern füllt, darf sich nicht wundern, wenn er keinen Sieg über Sünde hat und keine Kraft erfährt – und wenn das Interesse an geistlichen Dingen abnimmt statt zunimmt.
Der Heilige Geist ist dazu da, mich daran zu erinnern, wofür ich leben soll. Aber er kann mich nur dann erinnern, wenn ich mit ihm in Verbindung gebracht bin, und dies geschieht über das Wort Gottes. Wenn ich jedoch meine Gedanken die meiste Zeit bei den Dingen der Welt habe, hat der Geist wenig Zugang zu meinem Denken. Dann kann er mir nicht das Verständnis („den Denksinn“, Lukas 24, 45) öffnen. Dann ist er für mich wie ein ausgeschaltetes Radio. Viele Christen leben durch den Tag, ohne ihr geistliches Radio eingeschaltet zu haben. Sie stehen am Morgen auf und stürzen sich in den Kaffee oder ins Mobiltelefon, anstatt ins Wort Gottes.
– Wie wollen sie Sieg haben?
Oder sie stehen am Morgen auf, und der erste Gedanke ist die Arbeit, der Tagesplan, die Kleider.
Nein, der erster Gedanke darf das Lob Gottes sein: „Herr, ich danke dir, dass deine Gnade für den heutigen Tag frisch und neu ist. Und deine Treue ist groß.“ (Dann sind wir schon nahe beim Herrn.) – oder ein Vers wie Philipper 4, 5.6: „Der Herr ist nahe. Sorgt euch um nichts“. Das genügt natürlich nicht für den ganzen Tag, aber vielleicht für die nächste halbe Stunde. Danach machen wir uns bereit und nehmen uns Zeit zum Lesen des Wortes Gottes, zum Nachdenken, zu einer frischen Begegnung mit Gott (Matthäus 4, 4; Psalm 1, 1-3).
Ein Leben nach dem Fleisch ist ein Leben für die diesseitige Welt und in der Kraft der diesseitigen Welt. Ein Leben nach dem Geist ist ein Leben für die jenseitige Welt und in der Kraft der jenseitigen Welt.
Setzen wir voraus, Sie sind Kind Gottes: Sie sind „in Christus“. Sie sind in der anderen Welt, in seiner Welt. Sie sitzen in jener Welt mit Christus. (Epheser 2, 6: „Und er erweckte uns zusammen mit ihm und setzte uns zusammen mit ihm in den himmlischen Bereichen in Christus Jesus“.) Daher sollten Sie nun auch Ihr Leben nach jener Welt ausrichten, in das Sie hineingestellt sind. Gleichzeitig leben Sie auch in der irdischen Welt – mit dem Leib und den fünf Sinnen, mit denen Sie mit der irdischen Umwelt in Beziehung treten. Aber die irdische Welt ist nicht die wichtigere. Sie hat nicht Priorität. Und Sie werden für Ihre irdische Umwelt nur dann zum Segen und Nutzen sein, wenn Sie mit der geistlichen Welt in reger Verbindung stehen. Nur der, der mit Gott in Verbindung steht, kann auf dieser irdischen Welt wirklich so „Mensch sein“, wie Gott es sich gedacht hatte. Und nur solch einer kann wirklich glücklich und zum Segen für andere sein.
Wir sollen uns daher immer wieder Zeiten der Stille suchen. Und Gott gibt sie uns. Beten wir dafür!
Der Psalmist weiß, dass er das Nahesein zu Gott nötig hat. Psalm 73, 28: „Aber ich, die Nähe Gottes ist mir Gutes.“ Wir dürfen unsere Gedanken tagsüber beim Herrn weilen lassen, auch dann (und gerade dann), wenn wir viel zu tun haben. Psalm 16, 8.9: „Ich halte mir Jahweh allezeit vor Augen – weil er zu meiner Rechten ist –, damit ich nicht ins Wanken gebracht werde. Deswegen ist mein Herz fröhlich“.
Was ich bin, das denke ich. Was ich denke, danach richte ich mich aus. Und das, was ich bin, mein Sein, das muss ich pflegen. Bin ich vor allem Körper, so betreibe ich Körperpflege. Bin ich vor allem ein Gotteskind, pflege ich vor allem mein wahres Sein. Mein Inneres ist wichtiger als der Leib.
Ich muss mich fragen: „Was hat bei mir Priorität?“ Wenn ich von der Bibel lebe, werde ich so denken wie die Bibel. Wenn ich von der Zeitung lebe, werde ich so denken, wie die Massenmedien wollen, dass ich denke.
In welcher Welt lebe ich vor allem? Kolosser 2, 20: „Wenn ihr mit Christus den Elementen der Welt gestorben seid, was unterwerft ihr euch Satzungen, als lebtet ihr in der Welt?“
In erster Linie lebe ich nicht in der diesseitigen Welt, sondern im Himmel. Philipper 3, 20: „… denn unsere bürgerliche Heimat ist in den Himmeln, von woher wir auch einen Retter erwarten, den Herrn Jesus Christus“.
Setzen wir uns daher nicht zu viel dem Denken der diesseitigen Welt aus! Alles formt unser Denken. Daher sollen wir das aufnehmen, was unser Inneres nach Gottes Gedanken ausrichtet.
Geben wir Acht, was für Information wir uns aus dem Internet holen! Auch nicht alle christliche Literatur ist von der Bibel geprägt, auch die meisten so genannten „zeitgenössischen“ Lieder nicht. Überhaupt sollten wir mehr die Bibel lesen und erforschen, mehr miteinander auf den Knien beten.
Wir sollten nicht zu viel Elektronisches lesen und hören. Auch die Nachrichten sind nicht wirklich so wichtig. Wir müssen nicht immer auf dem Laufenden sein, was das Tagesgeschehen betrifft. Wichtiger ist zu wissen, wohin Gottes Weg mit uns geht. Und wichtiger ist es, das Geschehen um uns herum im Lichte der Bibel richtig einzuordnen. Dazu müssen wir viel Gottes Wort lesen.
Deshalb ist es so wichtig, dass wir nicht mehr so stark wie früher auf das hinhören, was die Welt sagt. Wir können heute nicht mehr so die Zeitung lesen wie früher. Christliches Gedankengut beherrscht heute die Bereiche Politik, Sport und Kultur nicht mehr so wie früher. Wir müssen achtgeben, was wir aus den Massenmedien aufnehmen. Es gibt heute wenig Gutes zu lesen und zu hören. Es ist bereits viel weltliche Denkstruktur und Empfindungsstruktur in christliche Kommunikation hineingekommen. Diese weltlichen Strukturen sind auch in viele christliche Bücher sind gekommen. Es ist schwerer geworden, dieses zu identifizieren.
Wir werden in vermehrtem Maße vorsichtig sein müssen, was wir von der Welt hören, lesen und sehen. Und wir werden in vermehrtem Maße selektiv sein müssen mit dem, was an christlicher Literatur auf uns zukommt. Wir werden das, was Christen heute produzieren, mehr mit der Bibel vergleichen und an der Bibel messen müssen.
Man muss übrigens gar nicht so viel lesen und hören, es ist nicht notwendig. Wir brauchen nicht so viel von diesen Dingen. Wir können mit viel weniger auskommen. Was wir müssen, ist, die Bibel lesen – und miteinander beten. Das ist existentiell notwendig!
Wir fragen uns: „Was bannt mich? Was fesselt mich? Wo halte ich mich auf? Bin ich in allerlei Aktivitäten, oder bin ich im Wort Gottes? Lebe ich wirklich eng mit dem Herrn?“
Wer Gott dienen will, muss von Gott her kommen.
Und wie mache ich „Stille Zeit“?
Auch dabei kann man fleischlich handeln. Man kann es als reine Äußerlichkeit tun. Ich brauche grundsätzlich Stille in der Nähe zu Gott. Ich soll die Zeiten, die der Herr mir gibt, ausnutzen.
Wenn ich jemanden liebe, denke ich viel an ihn. Wenn ich Gott wirklich liebe, werde ich viel an ihn denken und über ihn nachdenken. Dann werden meine Gedanken Tag und Nacht bei ihm sein; dann werde ich auf ihn ausgerichtet sein.
„… und ihr werdet keinesfalls die Lust, das Begehren, des Fleisches ausführen.“
Wenn ihr durch den Geist wandelt, seid ihr auf einem Wege, wo ihr überhaupt nicht die Lust des Fleisches vollbringt.
„… denn das Fleisch gelüstet gegen den Geist und den Geist gegen das Fleisch. Diese widerstreben einander, dass ihr nicht das tut, was ihr wollt.“
Entweder man tut, was das eigene Fleisch bestimmt, oder man lässt sich vom Geist Gottes bestimmen.
Der Christ muss wählen: Was will ich? – vom Geist her leben oder vom Fleische her?
Sowohl Fleisch als auch Geist haben eine Eigendynamik. Und sie sind in Feindschaft zueinander. Sie haben jeweils Wünsche, die denen des anderen entgegengesetzt sind.
Paulus sagt: Wenn ihr euren natürlichen Trieben Raum gebt, tut ihr die Werke des Fleisches. Das ist das, „was ihr wollt“ (V. 17E). Das kommt von eurem Innern, von euch selbst.
(Übrigens spricht Paulus hier nicht von zwei „Naturen“ in dem Gläubigen. Der Mensch hat immer nur eine einzige Natur, ein inneres Wesen: das ist das, was er von seinem Fleisch her ist: ein ichbezogener Mensch. Bei der Bekehrung kommt jemand hinzu: Christus kommt in sein Leben – durch den Heiligen Geist. Aber das ist nicht der Gläubige – oder eine neue Natur im Gläubigen –, sondern das ist eine andere Person: Christus, der Heilige Geist! Daher gibt es nun eine neue Kraft, durch die der Gläubige leben kann. Er muss nicht ein ichbezogener Mensch bleiben. Er ist nicht mehr verpflichtet, nach dem Fleisch zu leben, weil nun die Kraft Christi bei ihm wohnt. Vgl. Römer 8, 12.13.)
„Wenn ihr aber vom Geist geführt werdet, seid ihr nicht unter [dem] Gesetz.“
Warum nicht? – weil ein anderer dann euer Herr und eure Kraft ist.
Der Christ muss wählen, welcher Autorität er sich unterstellen will: dem Geist oder dem Gesetz. Es ist nicht möglich, unter beiden zu sein. Entweder man stellt sich unter den Geist, dann ist man nicht mehr unter dem Gesetz; oder man stellt sich unter das Gesetz, dann steht man nicht mehr unter der Führung des Geistes. Dann handelt man fleischlich, „nach dem Fleisch“.
Was ist Führung des Geistes? Und wie lebt man das?
1) Sich vom Geist bestimmen zu lassen heißt nicht, zu spüren, dass der Geist einen führt!
Es gibt Christen, die denken, der Geist würde sich im Bereich des Wahrnehmens ihrer Sinne, ihrer Gefühle, melden. Aber der Heilige Geist meldet sich üblicherweise nicht im Bereich der Empfindungen, sondern im Denken. Sein Melden ist üblicherweise nicht etwas, das von außen auf mich zukommt. Gott wohnt durch seinen Geist in mir, genaugenommen in meinem Geist, in meinem Denken. Der Heilige Geist ist mit meinem Geist verflochten. Wenn der Geist Gottes im Denken des Christen vorhanden ist, dann ist normalerweise (wenn der Christ geistlich gesund ist) das Denken des Christen durchtränkt vom Denken des Geistes.
Er meint vielleicht, es sei sein eigenes Denken, mit dem er denkt, es ist aber der Heilige Geist! So läuft ja üblicherweise das Christenleben ab: Es ist, als ob der Christ selber denkt, aber von der Schrift her weiß er – was er selbst nicht spürt –, dass der lebendige Gott selbst in seinem Denken ist und ihm in diesem Denken hilft. Selbst merkt er das nicht so. Manchmal kann es wohl vorkommen, dass er feststellt: „Ah, da ist ein Gegenüber“, aber üblicherweise ist es so, dass man sich in die Gedankenwelt des Heiligen Geistes vertieft und so bestimmt wird (o. gelenkt wird).
2) Denken im Geist ist Denken in der Schrift.
Die Gedankenwelt des Heiligen Geistes ist die Heilige Schrift, weil die Heilige Schrift das Denken Gottes ist. Die Bibel ist das Denken des Heiligen Geistes! Wenn ich im Heiligen Geist zu Hause sein will – und er in mir wirklich zu Hause sein soll (er wohnt ja in mir, und ich bin in ihm) –, dann habe ich in seinem Wort zu „wohnen“. Mein Denken muss im Wort Gottes gewurzelt sein, in der Bibel „zu Hause sein“. Es muss von der Heiligen Schrift durchtränkt sein. In dem Maße, in dem ich in der Schrift zu Hause bin, in dem Maße ist der Geist bei mir „zu Hause“. Dann hat der Heilige Geist eine Gelegenheit, mein ganzes Denken zu prägen. Dann werde ich auch bewahrt in der Versuchung – über mein Bitten und Verstehen hinaus. In solch einem Fall merke ich dann nicht, wie sehr ich bewahrt werde (oder wurde). Ich merke dann auch nicht in vollem Umfang, wie sehr ich von ihm geführt werde (oder wurde). Ich bete zwar, ich treffe auch Entscheidungen vor dem Herrn, aber die ganze Zeit ist der Geist gleichsam hinter den Kulissen wirksam und hilft mir, die rechte Entscheidung zu treffen – in der Versuchung, und auch in den ganz normalen Entscheidungen des Tages. Wenn wir vor Gott und mit Gott leben, sind diese normalen Entscheidungen vom Heiligen Geist „getragen“.
3) Geistesführung an sich ist nicht leiblich wahrnehmbar.
Es gibt Christen (oder so genannte „Christen“), für die das langweilig ist. Sie meinen, das geistliche Leben laufe mittels wahrnehmbarer Impulse ab. Das ist unrichtig – und fleischlich gedacht. Die Impulse geschehen im Bereich meines „leiblichen“ (diesseitigen, „fleischlichen“) Bewusstseins.
Der Begriff „Fleisch“ ist in der Heiligen Schrift mit dem Begriff „Leib“ verbunden (z. B. Römer 8, 12.23). Fleischliche Sünden sind aber nicht nur die, die mit dem Leib geschehen (z. B. sexuelle Lust). „Fleisch“ beschreibt die Dynamik meines Leibes und deren Einfluss auf meinen inneren Menschen.
Wenn also jemand etwas im Bereich des Wahrnehmbaren erleben will, sucht er ein inneres Empfinden im Bereich seines natürlichen Seins. Und das nennt Paulus „Fleisch“. Christen, die dauernd etwas erleben wollen, sind (bei all ihrem Geistlich-Sein-Wollen) letztlich furchtbar fleischlich! Solche stehen auch in der Regel unter einem Zwang. Sobald sie meinen, Gott hätte sie „erfüllt, meinen sie, Gott müsse sie nun im Rahmen ihrer Empfindungen leiten und allerhand Spektakuläres tun.
NB: Seit Jahren herrscht in machen christlichen Kreisen ein großes Bedürfnis nach einer menschlichen „Autorität“. Eine neue Gesetzlichkeit ist eingezogen. Man hat dann beispielsweise einen so genannten „Hirten“ oder „Seelsorger“ über sich, der über die Einzelheiten im Leben des Gläubigen verfügt – einer, der ihnen sagt, was sie zu tun und zu lassen haben, einer, dem sie dann völlig unterstellt sind. Das ist schlimme Gesetzlichkeit! Fleischlichkeit und Gesetzlichkeit gehen oft eng Hand in Hand.
Ähnlich war es auch bei den Galatern.
Der Christ hat also zu wählen, welchem Trieb er sich unterstellen will. Er kann wählen, welcher Autorität er sich unterstellt: dem Geist oder dem Gesetz.
Der gesunde Christ tut nicht, was er selber will. (Vgl. Kolosser 3, 17).
Was ist der Unterschied zwischen einer Fabrik und einem Garten? – In der Fabrik gibt es Werke, im Garten Frucht. In der Fabrik wird etwas hergestellt (da geht es um Leistung), im Garten wächst etwas (da geht es um Gnade).
„Offenbar sind aber die Werke des Fleisches, welcher Art sind: Ehebruch, Unzucht, Unreinheit, Zügellosigkeit, 20 Götzendienst, Zauberei, Feindschaften, Streitereien, Eifersüchteleien, Zornesausbrüche, Rechthabereien, Zwistigkeiten, Parteiungen, Neidereien, Mordtaten, 21 Trunkenheiten, Völlereien und dergleichen, …
Als erstes nennt Paulus den „Ehebruch“, wohl deshalb, weil hier eine besondere Gefahr besteht.
„Unzucht“ (außereheliche Geschlechtsverbindung) ist der Raub dessen, was zur Ehe gehört, ob außerhalb einer bestehenden Ehe oder vor der Ehe. Unzucht ist also auch das Praktizieren der Dinge, die zur Ehe gehören, ehe man heiratet, das Vorwegnehmen dessen, was in die Ehe gehört. Das Zusammenschlafen zweier Menschen, ist nicht Eheschluss, sondern Sünde (1. Korinther 7, 1-9).
„Unreinheit“: Damit ist ein Sündigen auf geschlechtlichem Gebiet – neben der Unzucht – gemeint, das verunreinigt (3. Mose 18, 23-25; 20, 14-17).
„Ausschweifung“ (o.: Zügellosigkeit) meint alles, was mit dem Sinnlichen zu tun hat und dieses zügellos sättigen will.
„Götzendienst“ ist das, was man anbetet, das, was mit Gott konkurriert. (Das können auch materielle Dinge sein; es hängt davon ab, in welchem Maß es mit Gott konkurriert.)
„Zauberei“ ist das, was hinter dem Götzendienst steht.
Das griechische Wort pharmakeia, von dem der deutsche Begriff „Pharmazie“ stammt, bezeichnete ursprünglich die Medizin allgemein, später jedoch ausschließlich stimmungs- und bewusstseinsverändernde Drogen sowie den Bereich des Okkulten, der Hexerei und Magie. Heidnische Religionspraktiken erfordern häufig den Einsatz von Drogen, um dadurch Kontakt zu so gen. „Gottheiten“ aufzunehmen.
„Feindschaften, Hader, Eifersucht“ sind Sünden in der zwischenmenschlichen Beziehung. Die Zeichen solcher Sünden sind dann: „Zorn, Ränke, Zwietracht, Parteiungen, Neid, Morden“. Die vielen Spaltungen unter Christen zeigen, dass sehr viel fleischliches Wesen in den Gemeinden ist.
Es wird immer Trennung und Verbindung geben. Aber die Frage dabei ist: In welchem Zeichen geschieht Verbindung (z. B. Ökumene) oder Trennung. Verbindung ist nicht immer gut und Trennung ist nicht immer schlecht. Diese Dinge müssen im Zeichen der Liebe zu Gott stehen. Trennung, die aus Liebe zu Gott und zur Wahrheit geschieht, ist gut. Sie entspricht dem Hass gegen Sünde und Irrlehre aus Liebe zu Gott.
Verschiedene Sünden der Triebe wie „Trunkenheit“ und „Gelage“ bilden den Abschluss der Liste. Sie könnte verlängert werden.
Diese Sünden charakterisieren alle unerlösten Menschen, jedoch praktiziert nicht jeder Mensch alle im selben Maße. Die Liste hier, die nicht erschöpfend ist, umfasst drei Lebensbereiche: Geschlechtlichkeit, Religion und zwischenmenschliche Beziehungen. Ähnliche Listen finden wir in Römer 1, 24-32 und 1. Korinther 6, 9.10.
V. 21E: „…, wovon ich euch voraussage, so wie ich auch zuvor sagte: Die, die solches verüben, werden das Königreich Gottes nicht erben.“
Das Los derer, die in diesen Dingen leben, d. h. deren Leben von diesen Dingen gekennzeichnet ist, ist, dass sie das Königreich Gottes nicht erben werden (Epheser 5, 5; 1. Korinther 6, 9.10).
Im Griechischen heißt es wörtlich: „die solches Verübenden …“. Das bezeichnet ein fortdauerndes Verhalten. Wer reuelos in diesen Dingen lebt und nicht umkehrt, wird nicht in das Königreich Gottes kommen, sondern geht ewig verloren.
„Die Frucht des Geistes ist aber Liebe, Freude, Friede, Geduld, Freundlichkeit, Gütigkeit, Glaube und Treue, Sanftmut, Selbstbeherrschung. Gegen solche ist das Gesetz nicht.“
. Diese Frucht ist eine Einheit:
Man hat alles, wenn man sie überhaupt hat. Hat man die ganze Frucht, heißt das allerdings nicht, dass man die Teile in vollendetem Maße hat. Christen bleiben bis zum Ende wachstumsfähig in jeder Hinsicht.
. Obzwar sie die Frucht des Geistes ist, also von ihm stammt, ist damit des Christen Verantwortung für ihr Vorhandensein nicht ausgeschaltet. Es wird in der Schrift den Gläubigen geboten, zu lieben, friedsam und geduldig zu sein, gütig und treu, usw.
„Die Frucht des Geistes ist aber Liebe, …“:
Manche setzen nach Liebe einen Doppelpunkt: „Die Frucht des Geistes ist aber Liebe: Diese drückt sich aus in Friede, Freude, Geduld, Freundlichkeit usw.“. Aber Paulus stellt die Begriffe wohl nebeneinander. Dennoch fasst die Liebe sie zusammen. Liebe ist das erste Gebot im Gesetz (Matthäus 22, 37), das Größte in der Gnade (1. Korinther 13, 13), das Wesentliche im Evangelium (1. Timotheus 1, 5). Liebe ist das Kennzeichen des Gläubigen (Johannes 13, 35). Sie ist gegeben durch den Heiligen Geist (Römer 5, 5; 2. Timotheus 1, 7). Und Liebe ist der Zug zum anderen, zu seinem Wohl (Römer 15; 2Timotheus 1, 7)
Freude ist der Ausdruck erfüllten Verlangens und der Zuversicht im Leben. Sie muss aber stets genährt werden (Nehemia 8, 10; Hebräer 12, 2). Bleibend ist sie nur dann, wenn sie auf Jesus Christus hin ausgerichtet ist und dem Heiligen Geist entspringt (1. Thessalonischer 1, 6). Freude braucht Vertrauen (Glauben) und hat Liebe zur Grundlage. Freude kann auch geboten werden. (Z. B. 5. Mose 6, 11: „Und du sollst dich an all dem Guten freuen, das Jahweh dir und deinem Hause gegeben hat!“)
Friede: Gott ist nicht von Unordnung und des Tumultes Gott, sondern von Frieden (1. Korinther 14, 31-33). Die Frucht des Wirkens Gottes ist ein Friede, der den Ordnungssinn zur Ruhe kommen lässt. Friede ist nicht Bewegungslosigkeit, sondern geordnete Bewegung.
Elemente die zum Frieden gehören, sind: Notwendige Entspannung der Gefühle, Abwesenheit von Bedrohung, ausgeübte Vergebung, göttliche Bewahrung. Wenn Friede da ist, kann Leben gedeihen. Das heb. Wort heißt schalom; es bedeutet: Wohlergehen und Gedeihen.
Geduld (Langmut): Das griech. Wort bedeutet „langsam zur Gemütserregung (zum Zorn), langsam zur Gefühlsaufwallung“. Langmut ist Friede in Bewährung – sowie Verzicht auf (sofortige) Veränderung der unangenehmen Umstände. Gott sieht mit Geduld dem sündigen Treiben des Menschen zu.
Langmut ist die Fähigkeit, zugefügtes Unrecht zu ertragen und die Bereitschaft, ärgerliche oder schmerzliche Situationen hinzunehmen (Epheser 4, 2; Kolosser 3, 12; 1. Timotheus 1, 15.16). Dazu gehört auch das verzeihende Verstehen und Ertragen der Schwächen anderer. Dies wird leichter durch das Bewusstsein der eigenen Fehlerhaftigkeit. Weil alte Leute aufgrund ihrer Erfahrung sich dessen eher bewusst sind als junge, sind Leute im Alter eher geduldig als junge.
Freundlichkeit ist vom Griechischen her Nützlichkeit und Nutzbarkeit. Sie ist die Bereitschaft, das zu sein und zu tun, was dem anderen nützt. Sie ist ein liebevolles Interesse für andere, das sich im Wunsch ausdrückt, sich ihnen liebevoll zu erzeigen, so wie der Herr seine Kinder behandelt.
Güte ist Tun und Geben von Gutem. Nur aus der Heiligen Schrift können wir letztlich erfahren, was gut und gütig ist. Der natürliche Mensch hat nicht die Fähigkeit Gut von Böse zu unterscheiden. Reife Christen haben „aufgrund von Gewöhnung ernsthaft geübte Sinne zur Unterscheidung sowohl des Edlen (und Guten) als auch des Schlechten (und Bösen)” ( Hebräer 5, 14).
Treue und Glaube: Das griech. Wort (pistis) bedeutet beides. Hier ist wahrscheinlich auch beides gemeint.
Mit „Glaube“ ist nicht der rettende Glaube gemeint, auch nicht die Gnadengabe, sondern das Vertrauen zum Herrn und zum Bruder, das durch das Wirken des Geistes wächst. Gott möchte das Vertrauen des Menschen haben. Wenn er vertraut, vermehrt der Geist das Vertrauen und auch die Treue. Wenn jemand in einer Sache treu ist, ist das auf das Wirken des Geistes zurückzuführen. Treue ist Überzeugtsein, Zuverlässigkeit, Vertrauenswürdigkeit. Ihre Grundlage ist die Zuverlässigkeit und Vertrauenswürdigkeit Gottes und seines Wortes.
Zum Treubleiben, wie zu allen hier aufgeführten Tugenden, gehört eine aufrichtige Bereitschaft des Christen.
Paulus schreibt (2. Korinther 4, 13): „Da wir aber denselben Geist des Glaubens haben (nach dem, das geschrieben ist: ‚Ich glaubte. Darum redete ich.’), glauben auch wir …“ Aus dem zweifachen Zusammenhang (2. Korinther 4 und Psalm 116) ergeht, dass Paulus hier den Glauben (das Vertrauen) an den Gebet erhörenden Gott im Auge hat.
Sanftmut: Sanftmut ist das Ergebnis der Erkenntnis, dass jeder Mensch sehr, sehr großen Wert hat, vor allem der, der mir unmittelbar gegenüber ist. Sanftmut ist also eine rücksichtsvolle Einstellung, die im Gegenüber einen Wert sieht, auch wenn dieser im Benehmen nicht sichtbar sein sollte.
Sanftmut ist ausgeübte Demut. Jesus Christus war von Herzen demütig und daher sanftmütig (Matthäus 11, 29). Sanftmut ist ohne Demut nicht zu denken. In der Geistverheißung bei Hesekiel fällt eine Bemerkung Gottes durch den Propheten auf: „… und ich werde das Herz von Stein aus eurem Fleisch entfernen und euch ein Herz von Fleisch geben. Und ich werde meinen Geist in euer Inneres geben.“ (Hesekiel 36, 26.27). Sünde macht grob und rücksichtslos. Wenn Gott in seinem Geist bei Menschen Einzug hält, werden sie empfindsam für ihn und sein Wort, auch empfindsam für den Bruder, die Schwester. (Epheser 4, 32: „Werdet freundlich gegeneinander, feinfühlig“.)
So wird die Sanftmut also von der Demut getragen. Sanftmut setzt Demut voraus. Demut ist richtige Selbsteinschätzung, Sanftmut ist richtige Nächsteneinschätzung. Letzteres kann man nicht, bis man sich selbst richtig eingeschätzt hat.
Selbstbeherrschung (griech. enkrateia, Regierungsmacht im Innern) ist die Fähigkeit, sich selbst (seine Lüste, Triebe, seinen Appetit) zu zügeln; das Wissen um das rechte Maß, die Bereitschaft zum Verzicht, die nicht das Vorhandensein von Lüsten und Trieben leugnet, aber bereit ist, auf deren Erfüllung zu verzichten. Auch die Keuschheit gehört dazu. Sie ist Selbstzucht (2. Timotheus 1, 7).
Wer sich selbst unter die Herrschaft Jesu Christi stellt, ist imstande, sich selbst zu beherrschen, hat Macht über sich – durch die Kraft des in ihm wohnenden Heiligen Geistes. Ein solcher Mensch wird nicht wie ein Roboter vom Heiligen Geist genommen und beherrscht, sondern der Geist ruft ihn auf zum Gehorsam, zur Nachfolge. Und dann ist derjenige imstande, mithilfe des Geistes, sich dorthin zu bringen, wo der Geist möchte.
Neben Galater 5, 22.23 finden sich weitere Beispiele für die Verflechtung der Frucht, so in Epheser 5, 9 und Römer 5, 5; 15, 13.
Die Beschreibung der Geistesfrucht hier ist eine Beschreibung des Charakters Jesu. Wenn dieses alles Frucht des Geistes ist, ist das Gegenteil davon unerwünscht. Der Geist ruht nicht, bis seine Frucht wächst.
Die Frucht des Geistes ist auch eine Veränderung des psychischen Verhaltens. Der Geist prägt die menschliche Seele, die Psyche, und formt ihre Verhaltensweise um (Epheser 5, 18).
Gegen solche ist das Gesetz nicht.
Gegen all das ist ein Gesetz – wie das mosaische – nicht. · Man wird, wenn man sie tut, auch nicht bestraft.
· Diese Frucht ist eigentlich das, was Gott wollte, als er das Gesetz gab. Wer diese Dinge tut, der ist auf der Linie des Gesetzes.
„Aber die, die des Christus sind, kreuzigten das Fleisch mit den Leidenschaften und Begierden.
Erklärung zum Thema „Der alte und der neue Mensch“:
Der alte Mensch (Römer 6, 6) ist das, was wir waren (d. h. unsere frühere Lebensweise). Als Christus gekreuzigt wurde, starben wir juristisch mit ihm, weil Christus an unserer statt starb. Als wir zu Christus fanden, wurde dieser sein stellvertretender Tod auf uns angewandt, sodass Paulus sagen kann, wir kreuzigten unser Fleisch (weil wir in unserer Bekehrung die stellvertretende Kreuzigung Christi von Golgatha für uns in Anspruch nahmen). Aber die eigentliche Kreuzigung fand auf Golgatha statt. Und deshalb, weil Jesus für uns gestorben ist, sind wir dort gestorben (2. Korinther 5, 14E).
(„Fleisch“ sagt er wegen des Themas, das er gerade bespricht.
In Galater 5, 17 hatte er den Kampf beschrieben. Bei dem Kampf geht es um die Triebe, den Trieb des Geistes und den des Fleisches. Wir haben diese Triebe in uns, weil – seit dem Sündenfall – in unserer Diesseitigkeit das Kraftgesetz der Sünde und des Todes in unseren Gliedern steckt.)
Die damalige Kreuzigung hat Konsequenzen für mein heutiges Christenleben. Paulus sagt: An dem Tag, als ich Christ wurde, habe ich mich (durch den Glauben) mit Christi Tod eins gemacht. Ich kam zum Kreuz und eignete mir das an, was Christus damals auf Golgatha für mich tat. Er starb für mich, also starb ich dort. Indem ich zu Christus kam, habe ich auf diese Weise in meiner Bekehrung mein „Fleisch“ gekreuzigt. Jesus starb für mein sündiges Tun, für die Art und Weise, wie ich lebte. Das habe ich angenommen; ich habe mich bekehrt.
Paulus sagt nun: „Wenn du in der Bekehrung beim Kreuz gewesen bist, musst du wissen, dass du kein Recht mehr hast, deinen sündhaften Trieben noch weiter zu gehorchen. Du bist ein Gekreuzigter! Du hast Ja gesagt zum Kreuz. Das ist so viel, wie wenn du dich selbst „gekreuzigt“ hättest. Du hast eine Entscheidung getroffen, und dieses Ja zum Kreuz darfst du nie mehr zurücknehmen.
Demnach bin ich also verpflichtet, zur Sünde „Nein“ zu sagen. Warum? Weil die Werke des Fleisches für mich Vergangenheit sind. Würde ich diese Dinge (Galater 5, 19-21) wieder tun, wieder darin leben, so würde ich gleichsam zurückgehen. Das Kreuzigen des Fleisches mit seinen Leidenschaften und Begierden bei meiner Bekehrung (V. 24E) hat also Konsequenzen heute: Ich brauche diesen Begierden nicht mehr zu gehorchen. Sie sind zwar vorhanden und sie melden sich auch (d. h., die Versuchung ist noch da), aber ich muss nicht mehr gehorchen. Dasselbe sagt Paulus in Römer 6, 12.13; 8, 12.13.
V. 25: „Wenn wir ‹durch› den Geist leben, sollen wir uns auch ‹durch› den Geist ausrichten.“
Wenn unser geistliches Leben durch den Heiligen Geist entstanden ist, soll er es nun auch bestimmen.
Erklärung zum Thema Umkehr und Heil:
a. Umkehr: = was ich tun muss: Buße (Abkehr) und Glaube (vertrauensvolle Hinkehr)
b. Heilszueignung = was Gott tut: Rettung (durch Vergebung, Absonderung, Vermittlung neuen Lebens, Geben des Heiligen Geistes).
Die Buße, das Nein zur Sünde und die Abkehr von ihr, ist die Voraussetzung zur Vergebung. Sie ist noch nicht die Vergebung selbst. Die Rettung liegt also nicht in dem, was ich tue, sondern in dem, was Gott tut. Ich komme zu Jesus, um mich retten zu lassen, nicht um mich selbst zu retten.
Der Heilige Geist brachte das neue Leben. Und dieser Geist erhält und trägt nun auch das neue Leben. Daher ist der Geist unser Leben. Es ist ihm zuzuschreiben, dass ich geistlich lebe.
Wenn das der Fall ist, ist es meine Verantwortung, mich nun nach dem Geist auszurichten – wie eine Kolonne von Soldaten, die hintereinander in einer Reihe gehen: Die Hinteren richten sich nach den Vorangehenden aus, bleiben in der von diesen vorgegebenen Linie.
Ich muss auf der Linie der Heiligen Geistes bleiben.
Und was ist die Linie des Geistes? Wo will der Geist hin? Das erfahren wir in den V. 25 bis 6, 10.
V. 26: „Werden wir nicht solche, die auf leere Herrlichkeit aus sind, die einander herausfordern, die einander beneiden!“
Paulus fordert, dass wir nicht auf leere Herrlichkeit aus sein und nicht einander provozieren sollen. Dabei ist das Letztere eine Folge des Ersteren. Wenn ich andere provoziere, dann deshalb, weil ich auf eigene Herrlichkeit aus bin, also auf mich selbst und meine Befriedigung und mein Wohlergehen ausgerichtet bin.
Es gibt zwei Arten von Herrlichkeit: eine gefüllte, sinnvolle, und eine leere. Es ist grundsätzlich nicht verkehrt, herrlich sein zu wollen. Wir dürfen in den Spiegel schauen und uns freuen, dass Gott uns geschaffen hat, und wir dürfen uns über alles freuen, was er uns geschenkt hat. Aber es ist verkehrt, auf leere Herrlichkeit aus sein zu wollen.
Wir selbst haben keine Herrlichkeit (Römer 3, 23). Welche Herrlichkeit gibt der Herr? In der rechten Beziehung zu Jesus Christus gibt er mir die Ehre und den Ruhm, die mir zustehen, und ich darf das annehmen.
Wenn du geehrt wirst und man dir dankt, darfst du das annehmen. Du brauchst nicht zu antworten: „Keine Ursache“, denn es gab ja eine Ursache.
Wenn wir aber meinen, besser gewesen zu sein als wir waren, dann ist diese Herrlichkeit eine leere.
Jeder von uns hat ein Bild von sich selbst mit einem Rahmen. Manchmal kommen Leute auf uns zu und schmälern den Rahmen unseres Selbstimages. Sie erinnern uns daran, dass wir nicht so „groß“ sind, wie wir meinten. Das schmerzt – bis wir wieder „nach Hause kommen“, d. h., bis wir wieder die niedrige Gesinnung einnehmen, die, die uns zusteht.
Wenn wir über den angemessenen Rahmen hinaus geehrt sein wollen, provozieren wir oder missgönnen wir einander die Herrlichkeit, d. h., wir sind dann neidisch aufeinander.
„Brüder, wenn auch ein Mensch von einem Fehltritt übereilt würde, ihr, die Geistlichen, helft einem solchen im Geist der Sanftmut wieder zurecht, und achte dabei auf dich selbst, dass nicht auch du versucht werdest.“
Ein vom Heiligen Geist regierter Christ hilft anderen zurecht: Die Frucht des Geistes ist Liebe (5, 22).
Es geht hier nicht um Hilfe für jemanden, der ständig in diesen Sünden lebt, sondern für jemanden, der davon übereilt wird.
„... ihr, die Geistlichen, ...“ - das Wort „geistlich“ wird oft missbraucht. Ein Bibellehrer schuldet es den Gläubigen, ihnen zu sagen, was „geistlich“ ist.
„Geistlich“ ist nicht ein Wertausdruck. Ein „geistlicher“ Christ ist nicht ein „besserer“ Christ, sondern einer, der sich vom Heiligen Geist führen lässt, unter der Herrschaft des Heiligen Geistes steht. Er ist einer, der so ist, wie der Heilige Geist ist.
Jemand ist menschlich, wenn er wie ein Mensch ist, denkt, handelt. Männlich ist jemand, der wie ein Mann ist, denkt, handelt. Man ist christlich, wenn man wie ein Christ ist und handelt. Man ist geistlich, wenn man wie der Heilige Geist denkt, ist und handelt, sich von ihm führen lässt, nach ihm lebt.
„... im Geiste der Sanftmut ...“
Das heißt, dass der Heilige Geist ein Geist der Sanftmut ist. Wer sich also vom Heiligen Geist bestimmen und führen lässt, wird sich vom Heiligen Geist Sanftmut schenken lassen. Das bedeutet, dass man den Nächsten richtig einschätzen muss, denn der Nächste braucht Hilfe, nicht den Hammer.
Und: „... sieh dabei auf dich selbst, ...“.
Wer meint, er stehe, sehe zu, dass er nicht falle! (1. Korinther 10, 12).
Das Tragen der Lasten anderer: V. 2.3
„Tragt einer des anderen Lasten und erfüllt auf diese Weise das Gesetz des Christus;
Das Gesetz Christi ist das Gesetz der Liebe. Liebe trägt. Ein Mädchen trägt einen schweren Knaben. Jemand sagt zu ihr: „Schwer, nicht wahr?“ Sie darauf: „Nein, das ist mein Bruder!“ Die Liebe trägt.
V. 3: „… denn wenn jemand meint, etwas zu sein, und ist doch nichts, betrügt er sich selbst.“
Den Verzicht darauf, die Lasten anderer zu tragen, führt Paulus auf Hochmut zurück. Wer meint, etwas zu sein, der lässt sich von einem anderen die Koffer tragen. Aber wer die Rolle eines Sklaven anzieht, packt zu und hilft anderen – aus Liebe.
Das persönliche Tragen der eigenen Bürde: V. 4.5
V. 4: „Ein jeder prüfe aber ‹stets› sein eigenes Werk, und dann wird er im Blick auf sich allein den Ruhm haben und nicht im Blick auf den anderen,…“
Das eigene Werk „prüfen“ heißt zu fragen, ob ich meine eigene Bürde getragen habe. Das persönliche Tragen geht dem Tragen der Lasten anderer voraus.
V. 5: „denn ein jeder wird seine eigene Bürde tragen“, nämlich dann, wenn er gerichtet wird.
Man könnte auch übersetzen: „denn jeder soll seine eigene Bürde tragen. Die „Bürde“ ist in dem Fall mein Werk, das der Herr mir gegeben hat, es zu tun. Jeder Christ sollte wissen, was das Werk ist, das der Herr von ihm getan haben möchte.
Kolosser 1, 9: „Deswegen hören wir auch nicht auf, seit dem Tage, da wir es hörten, für euch zu beten und zu bitten, dass ihr erfüllt werdet mit der Erkenntnis seines Willens in aller [geistlichen] Weisheit und [allem] geistlichen Verstehen ….“ Gott will, dass wir wissen, was er von uns will, dass wir es tun. Und diesen Willen zu tun, das ist unsere Bürde, unsere Verantwortung! Das ist das, was wir zu tragen bzw. zu tun haben. Wenn wir unsere eigene Aufgabe wahrnehmen, tragen wir unsere eigene Bürde, unsere Last.
Und dann gibt es Ruhm – vielleicht nicht in diesem Leben, aber später. Erwarten wir hier nicht zu viel! Aber sollte der Ruhm hier, in diesem Leben, kommen, dann seien wir dankbar, und geben wir ihm die Ehre! Kommt der Ruhm nicht hier, so dürfen wir wissen: Der Herr wird uns eines Tages belohnen.
Erste Aufforderung: Gutes an den Arbeitern V. 6
Eine erste Aufforderung dazu: Unterstützen der Lehrenden:
V. 6: „Wer im Wort unterrichtet wird, gebe dem, der ihn unterrichtet, an allem Guten Anteil.“
Jemand, der ein geistlicher Christ ist, wird Lehrende in den Gemeinden unterstützen.
Bekräftigende Hinweise V. 7.8
(Diese Aussagen betreffen auch die Verse 9 und 10.)
V 7.8: „Werdet nicht irregeleitet; Gott lässt sich nicht spotten; denn was immer ein Mensch sät, das wird er auch ernten, ….“
v. Hofmann, bei Dächsel: „Damit nun die Leser bedenken, welche ernste Sache es um die Verwendung dessen sei, was man besitzt, verändert der Apostel den Satz, dass jeder ernten wird, was er jetzt sät, in V. 8 in den anderen, dass jeder von daher ernten wird, wohin er jetzt sät.“
V. 8: „… weil der, der für sein eigenes Fleisch sät, vom Fleisch Verderben ernten wird, aber der, der für den Geist sät, vom Geist ewiges Leben ernten wird.“
Säen ist das Handeln, das im Gericht beurteilt wird.
V. 8: „... der, der auf sein Fleisch sät, ...“
– das meint denjenigen, der auf das Fleisch gestützt handelt.
Zum Beispiel tut man etwas auf dem Gebiet des Physischen, um daraus für sich einen Vorteil, eine „Ernte“, herauszuschlagen. Dieses Tun von etwas geschieht als Reaktion auf eine Einladung des Fleisches, als Antwort auf das Versprechen von Gewinn, von Vorteil.
„... der, der auf den Geist sät, ...“ – das zielt auf den, der etwas tut als Antwort, als Reaktion, auf eine Einladung und Verheißung des Heiligen Geistes. Derjenige investiert seine Energie in den Einsatz für die Ziele des Geistes.
„... vom Fleisch Verderben ernten wird ...“
„Verderben“ ist das Gegenteil von ewigem Leben. Wer sich vom Geist führen und bestimmen und helfen lässt, sät für den Geist, und der Geist wird ihm dann eines Tages die Ernte geben. Wer für sein Fleisch lebt, sich vom Fleisch diktieren lässt, wird dann auf diesem Boden eines Tages das Entsprechende ernten, nämlich: Verderben.
Zweite Aufforderung zum Gutestun V. 9.10
Hier sind drei zeitgleiche Verhaltensweisen angesprochen: Wohltun. – Nicht ermatten. – Warten auf die Ernte.
V. 9.10: „Lasst uns aber im Tun des Edlen nicht müde werden, denn zu seiner Zeit werden wir ernten, wenn wir nicht ermatten. 10 Dann lasst uns also, wie wir Gelegenheit haben, das Gute wirken gegen alle,…“
– Gutes tun an allen, aber am meisten an der Glaubensfamilie:
„… am meisten aber gegen die Hausangehörigen des Glaubens.“
Wir könnten weit und breit Gutes tun, aber wir müssen wählen, wo wir unsere Prioritäten setzen sollen. Wir haben nicht unbegrenzt Zeit und Güter, um Gutes zu tun. Die Not der Gemeinde Jesu hat Priorität.
Aber der Ungläubige soll auch nicht außer Sicht geraten bei unserem Gutestun. Nicht deshalb, damit er sich bekehrt, tun wir ihm Gutes, sondern weil es an und für sich gut ist, einem Menschen zu helfen. Wenn die gewünschte Bekehrung das Motiv wäre, fehlte uns die Motivation zu weiterem Gutestun, dann, wenn die Menschen sich nicht bekehren. Ja, was dann?
Wir sollten uns fragen: Warum tue ich, was ich tue!
Man hilft einem Menschen auf der Autostraße, weil es etwas Gutes ist, ihm zu helfen, nicht, damit er sich bekehrt. Wir sollten acht geben, dass nicht dies die Motivation ist.
Auch beim „Kontaktschließen“ mit Menschen soll nicht deren Bekehrung die Motivation sein. Als Beispiel dafür nenne ich das so genannte „Brückengespräch“. (Man schafft eine „Brücke“, um mit dem anderen ins Gespräch über geistliche Dinge zu kommen. Zu Beispiel, wir beginnen das Gespräch, indem wir über das Wetter sprechen, oder über seinen Wagen.) Geben wir acht! Der andere merkt es! Das Gespräch über das Wetter ist nicht nur ein Mittel zum Zweck für ein evangelistisches Gespräch. Der andere durchschaut uns! Für ihn hat das Wetter oder das Auto an und für sich einen Wert und soll nicht bloß als Übergangsthema dienen. Es lohnt sich durchaus, über das Wetter oder den Wagen zu sprechen, auch wenn sich kein evangelistisches Gespräch daraus ergibt. Für ihn hat es einen Wert – und auch für uns.
Viele Christen haben hier Schwierigkeiten. Sie können nichts mit dem schönen Auto anfangen oder mit dem Wetter. Sie meinen, es könnte ja ein Stolz auf das Auto aufkommen, oder es sei nicht gut, sich der schönen Sonne zu erfreuen. Sie haben keine Beziehung zu den irdischen Werten als solchen. Sie können sich nicht richtig freuen an diesen Dingen. Echte Christen, die vom Geist erfüllt sind, müssen einen Wert in der Schöpfung Gottes als solcher finden – und sich darüber freuen. Freuen wir uns über die Farben, die Ordnung der Schöpfung, z. B. bei den Blumen. Wir dürfen die Schönheit der Schöpfung von der Perspektive des Schöpfers aus sehen und uns darüber freuen. Wenn wir das tun können, dann können wir auch mit Unbekehrten in rechter Weise darüber sprechen. Dann merken sie, dass ich einen Blick dafür habe (denn manch ein Ungläubiger hat keinen Sinn mehr für Schönheit und Kostbarkeit, für Werte. Ich kann ihm das auf diese Weise zeigen.
Es ist auch nicht verkehrt, Freude am Schnellfahren zu haben (natürlich alles im Rahmen!); Gott hat den Schwung, die Geschwindigkeit, geschaffen; Gott hat die Farben und Töne geschaffen.
„Seht, mit welchen großen Buchstaben ich euch mit eigener Hand geschrieben habe.“
Nicht jeden Brief schrieb Paulus mit eigener Hand. Die meisten diktierte er. Diesen nicht. Die großen Buchstaben könnten darauf hindeuten, dass er ein Augenleiden hatte. (Vgl. 4, 15.)
„So viele im Fleisch wohl angesehen sein wollen, diese nötigen euch, beschnitten zu werden, nur damit sie nicht für das Kreuz Christi verfolgt werden, 13 denn die, die beschnitten werden, befolgen selbst nicht das Gesetz, sondern sie wollen, dass ihr beschnitten werdet, damit sie sich an eurem Fleisch rühmen können.“
Paulus deckt die Beweggründe der anderen, der Gesetzeslehrer, auf. Sie wollen Ruhm, Schwärmerei. Als Prophet – und wohl aus eigener Erfahrung – kann er das sagen.
„Von mir sei es aber ferne, mich zu rühmen, als nur des Kreuzes unseres Herrn, Jesu Christi, durch den mir die Welt gekreuzigt worden ist und ich der Welt ‹gekreuzigt worden bin› …“
Das Kreuz des Christus ist das Ende des Alten.
„Ich rühme mich des Kreuzes“: Es hört sich an wie ein Widerspruch. Wie kann man sich des Todes rühmen? Tod bedeutet doch das Aufhören der Existenz!
Paulus zeigt hier drastisch: „Ihr Galater seid stolz auf eure Leistung; nun, dann will ich euch etwas erzählen: Ich bin so dankbar, dass Jesus gestorben ist und mit allem Stolz aufgeräumt hat. Ich bin ein Gestorbener. Das ist mein Ruhm! Die Welt ist Asche für mich: Christus am Kreuz ist mein Tod der Welt gegenüber, und Christus am Kreuz ist der Tod der Welt mir gegenüber. Der Schöpfer starb für die Schöpfung; somit ist die Schöpfung, das Irdische an dieser Welt, für mich tot! Sie zieht mich nicht mehr an – im Gegensatz zu Gott. Die Schöpfung kann Gott in keiner Weise nicht ersetzen. Sie befriedigt überhaupt nicht.
V. 15: „… denn in Christus Jesus vermag weder Beschneidung noch Unbeschnittenheit etwas, sondern neue Schöpfung.“
Die Macht des Auferstandenen ist der Anfang des Neuen. Er selbst ist die neue Schöpfung.
Paulus rühmt sich der Auferstehung Jesu Christi. Denn durch ihn ist neues Leben gekommen, und das ist es, worauf es ankommt! Das kann das Gesetz nicht. Nur der Geist kann neues Leben bringen.
Ein Segenswunsch für alle, die sich in Zukunft nach dieser Regel verhalten werden – und für das Israel Gottes:
V. 16: „Und so viele sich nach dieser Regel ausrichten werden, Friede ‹komme› auf sie und Barmherzigkeit – und auf das Israel Gottes!
Der Ausdruck „und auf das Israel Gottes“ bereitet den Auslegern Schwierigkeiten. Wie soll kai („und“) übersetzt werden? Die Frage hängt damit zusammen, wie der Ausdruck „Israel Gottes“ gedeutet werden soll.
Wir bringen im Folgenden drei Vorschläge.
Vorschlag A: im Sinne von: „und im Besonderen das Israel Gottes“. Vorschlag B: im Sinne von: „und zwar“ bzw. „und nämlich das Israel Gottes“. Vorschlag C: im Sinne von: „und das Israel Gottes überhaupt“ bzw. „und das Israel Gottes im Gesamten“.
Die meisten dt. Übersetzungen haben für kai das einfache „und“ stehen.
Adolf Schlatter (Erläuterungen zum Neuen Testament) spricht sich für Vorschlag A („und im Besonderen das Israel Gottes“) aus. Er schreibt:
„Zu diesen Gesegneten, die Gottes Friede und Barmherzigkeit umfängt, gehört auch das Israel Gottes. Es gibt in Israel ein Israel, das sich nicht an seine Beschneidung hängt, sondern eine neue Schöpfung in dem Christus ist. … Dieses Israel schließt er eben jetzt ausdrücklich in seinen Segen ein, da er das falsche Israel völlig weggewiesen hat. Er vergisst darüber seine echten Brüder nicht. Am äußeren Bau ihres jetzigen blutmäßigen Volkstums und an ihrer irdischen Stadt liegt ihm nichts. Aber inmitten dieses vergänglichen Gebildes hat Gott sich ein Volk bereitet, das ihm wahrhaftig eigen und geheiligt ist. Ihm wird Paulus durch nichts entfremdet; denn es wandelt mit ihm nach derselben Regel und genießt denselben Frieden und dieselbe Barmherzigkeit.“
Ebenso bezieht Theodor Zahn das „Israel Gottes“ auf die Judenchristen. Er meint, Paulus dehne nachträglich „den … Segenswunsch auf einen zweiten Kreis aus, auf dasjenige Israel, welches im Gegensatz zu dem Israel nach dem Fleisch, welches als Volk sich von Gott abgewandt und seinen Messias verworfen hat (…), Gotte angehört. Dies ist dann aber nicht die gesamte Christenheit, das geistliche Abraham-Geschlecht, zu welchem die galatischen Heidenchristen gehören (3, 29; 4, 28; Römer 4); denn dieses müßte als das ganze bezeichnet sein, dessen Teil die galatischen Gemeinden bilden, sondern die christgläubige Judenschaft, in welcher auch nach Paulus Israel als Gottes Volk noch fortlebt. Für sie ist Platz neben den vorwiegend heidenchristlichen Gemeinden Galatiens; und dieser jüdischen Christengemeinden (1, 22) noch einmal am Schluß des Briefes in Liebe zu gedenken, lag ihm umso näher, als er den von ihnen hergekommenen Judaisten eben hier wieder V. 12 ff. schroff entgegengetreten ist. Er ist kein Feind seiner Nation geworden. .… Aber er kennt auch ein ungöttliches Israel, mit dem nicht behelligt zu werden sein Wunsch ist.“
Für Vorschlag B („und zwar das Israel Gottes“) ist Meyer: “… Der ‚Israel Gottes‘ …, die Israeliten, welche Gotte zu eigen gehören, also das wirkliche Gottesvolk seiner Idee nach ausmachen, sind jedenfalls die wahren Christen. Aber je nachdem kai („und“) entweder erklärend oder verbindend gefasst wird, werden entweder die wahren Christen überhaupt, Juden- und Heidenchristen (…), oder die wahrhaft bekehrten Juden (…) verstanden. Bei letzterer Fassung müsste man … den Gedankengang so bestimmen: Heil über alle wahren Christen, und besonders noch (um diese noch besonders zu erwähnen …) über alle wahren Judenchristen. Allein Paulus hatte nicht nur keinen Grund im Zusammenhange, seine Volksgenossen, so sehr sie ihm auch am Herzen lagen (…), hier insonderheit noch hervorzuheben, sondern es wäre sogar vor Gemeinden, welche vornehmlich aus Heidenchristen bestanden und durch jüdische Eingriffe in heftige Streitigkeiten verwickelt waren, eine solche Auszeichnung, noch dazu am feierlichen Schluss des Briefs, unweise angebracht. Und selbst abgesehen davon, so konnte kein Leser, dem die Lehre des Apostels von den wahren Israeliten bekannt war (…), bei dem ‚Israel Gottes’ nur an Judenchristen denken.“ (Meyer, H. A. W. , 1862. Kritisch Exegetisches Handbuch über den Brief an die Galater; 4. Auflage, Bd. 7, S. 285, Göttingen)
Wenn Paulus diejenigen, die „nach jener ganz antijüdischen Richtschnur wandeln werden“ als „das Israel Gottes“ bezeichnet, so ist das (nach Meyer) „am feierlichen Schlusse gleichsam der Triumph des ganzen Briefes!“
Ebenso Lenski: Kai [und] ist im Sinne von „und zwar“ bzw. „nämlich“ zu verstehen:
„So viele sich nach dieser Regel ausrichten werden, machen das ‚Israel Gottes’ aus. Dem Einwand, dass Paulus dann sagen müsste ‚das ganze Israel Gottes’ kann man entgegenhalten, dass Paulus vorher die Zukunftsform gebraucht (‚sich ausrichten werden’, d. Verf.). Das ‚ganze Israel’ würde alle alttestamentlichen Heiligen mit einschließen; aber Paulus spricht nicht von diesen. Paulus hat einen besonderen, vielsagenden Grund dafür, dass er den erklärenden Zusatz (‚und zwar das Israel Gottes’) anfügt. Es ist ein letzter Schlag gegen die Judaisierer, sein abschließender Triumph über sie und deren Argumentation. So viele sich nach dieser Regel ausrichten werden, sie und sie alleine, machen von nun an das ‚Israel Gottes’ aus – allen Judaisierern zum Trotz.“ (Lenski, R. C. H., 1937. The interpretation of St. Paul’s Epistles to the Galatians, to the Ephesians and to the Philippians; S. 321, Columbus, OH)
Ähnlich Wieseler: „Dasjenige Israel, welches Gott dafür gilt, das als Israel vor Gott geltende und wahre Israel, bezeichnet nach dem Zusammenhange und der Ausdrucks- und Anschauungsweise des Apostels jedenfalls Christen, nicht das jüdische Volk, …Unser ‚Israel Gottes’ sieht deutlich zurück auf das über die ‚Beschneidung‘ (V. 15) Gesagte, und bildet daher den Gegensatz zu dem Israel nach dem Fleische (1. Korinther 10, 18), mit seiner peritomee (Beschneidung), dem dazu gehörigen Cultus und Gesetzeswerken (…), welche jene Judaisten auch im Christenthume aufrichten wollten. Eher könnte man noch an die wahrhaft Gläubigen aus den Juden (…) denken, … so, dass aus der in dem Relativsatze hervorgehobenen Gesamtheit der Gläubigen noch besonders die gläubigen Juden hervorgehoben würden, … Allein nach der Grundanschauung des Paulus ist an die Stelle des Israel nach dem Fleisch mit seiner Beschneidung und seinen gesetzlichen Institutionen in der Fülle der Zeit als Volk Gottes die Gesamtheit der Gläubigen aus Juden und Heiden eingetreten, und jene (nicht das nicht an Christum glaubende fleischliche Israel) sind ihm das Israel Gottes, oder auch das ‚Israel nach dem Geist‘ (vgl. … 4, 26.29; Philipper 3, 3 ...) denn wir (...) sind die Beschneidung; .… Bei dieser Fassung steht das ‚und’ explicativ (erklärend), … und es wird dadurch mit grossem pragmatischen Nachdruck hinzugefügt, dass die durch ‚so viele‘ Bezeichneten eben keine Andere seien, als das Israel Gottes.“ (Wieseler, K. (Hrsg.), 1859. Commentar über den Brief Pauli an die Galater: Mit besonderer Rücksicht auf die Lehre und Geschichte des Apostels; (S. 512). Göttingen)
Ebenso Moses Stuart: „Das ‚Israel Gottes’ wird hier im übertragenen Sinne für die wahren Christen gebraucht. Paulus hatte in dem vorhergehenden Abschnitt des Briefes gezeigt, dass die, die aus Glauben sind, seien es Juden oder Heiden, ‚Söhne Abrahams‘ sind (3, 7.29). Schließlich spricht er einen Segen aus über alle, die jene Prinzipien annehmen und jener Richtschnur, die er dargelegt hatte, gehorchend sich ausrichten werden; und er beschließt dies, indem er sie — in einer seiner Absicht trefflich passenden Weise — das „Israel Gottes“ nennt: … Das ‚und‘ [kai] … scheint hier deutlich ein erklärendes ‚und‘ zu sein, nicht ein verbindendes. Es kommt unserem ‚nämlich‘ bzw. ‚und zwar‘ gleich ….“
Vorschlag C (eine Abwandlung von Vorschlag B):
Wir meinen, dass das kai ist im Sinne von „und das Israel Gottes überhaupt“ bzw. „und das Israel Gottes im Gesamten“ gebraucht ist: „Israel Gottes“ synonym für „Volk Gottes als Ganzes“.
Dazu könnten einige dogmatische Überlegungen hilfreich sein: „Israel Gottes“ steht im Gegensatz zu dem „Israel nach dem Fleisch“ (1. Korinther 10, 18), welches sich — durch Verwerfen des Messias — von Gott abgewandt hat. Auch wenn sich Paulus damals noch selbst zum historischen Israel zählte (Er konnte es damals sogar noch „Gottes Volk“ nennen, denn Gott hatte das historische Israel damals noch nicht gänzlich verstoßen; Römer 11, 2), so ändert es nichts daran, dass alle, die in Christus waren, das wahre Gottesvolk ausmachten. In Christus gab es weder Jude noch Nichtjude (Galater 3, 28).
In Römer 2, 17ff wandte sich Paulus an den Juden, der sich, um sich als gerecht vor Gott hinzustellen, auf das Gesetz berief. Paulus machte klar: Es geht im Evangelium nicht um völkische Zugehörigkeit. Damit war nicht gesagt, dass durch die Hinkehr zu Christus die völkische Zugehörigkeit an sich aufhörte. Man hörte mit dem Christwerden nicht auf, Nachkomme Abrahams zu sein; aber die Volkszugehörigkeit war für den Stand vor Gott nicht mehr wichtig.
Gemäß Kolosser 2, 11 galten alle, die in Christus waren, als „beschnitten mit einer Beschneidung, die nicht mit Händen geschah“ (vgl. Philipper 3, 3: „wir sind die [wahre/rechte] Beschneidung“). In 1. Petrus 2, 9.10 wurden sämtliche Gläubigen „Volk Gottes“ genannt, in Galater 3, 7.28.29 sogar „Söhne“ und „Abrahams Same“ (Einzahl, Galater 3, 16.26-28), der „Same“, der erben sollte, der Same, dem die Verheißung („in Isaak soll dir der Same genannt werden“, Römer 9, 7) galt. Alle Heiligen in Christus waren die „Kinder der Verheißung“ (Römer 9, 8.24; Galater 4, 28). In Christus waren die Gläubigen aus den Heidenvölkern nicht zum historischen Israel geworden, aber als „Abrahams Same“ waren sie in geistlicher Hinsicht Gottes Volk („Gottes Israel“) geworden. In diesem Sinne gehörte jeder heidnische Christ zu dem Israel Gottes und war in Christus Miterbe der Verheißungen: Epheser 3, 6: „…, dass die von den Völkern Miterben und ein Mitleib und Mitteilhabende seiner Verheißung seien in dem Christus durch die gute Botschaft”.
Paulus sagte, in Christus seien die Heidenchristen, die früher Fremde hinsichtlich der Verheißungen und aus der Bürgerschaft Israels Ausgeschlossene gewesen waren (2, 12), mit Israel „Mitleib“ und „Miterben“ geworden. Petrus drohte denjenigen Israeliten, die den Messias verwarfen, sie würden „aus dem Volk ausgetilgt“ werden (Apostelgeschichte 3, 23). Mit dem Kommen des Geistes wurden diejenigen aus Israel, die an den Messias glaubten, in Christus zum „wahren Gottesvolk“ (Israel Gottes) – zusammen mit den Christusgläubigen aus den heidnischen Völkern, die in Israels „Ölbaum“ (Römer 11) eingepfropft wurden. Sie zusammen bildeten das Volk Gottes. Daher konnte Paulus sagen, sie seien das „Israel Gottes“.
Dieses „Israel“ darf nicht als Ersetzung des alttestamentlichen Israel betrachtet werden, sondern es ist dasselbe Israel, mit Ausschluss derer, die den Messias ablehnen und unter Einschluss derer aus den Völkern, die den Messias annehmen (Römer 11, 16ff).
Das alttestamentliche Israel kam in Christus zur Erfüllung seiner Verheißungen! Von den Verheißungen ausgeschlossen waren die, die im Unglauben verharrten; und eingeschlossen wurden alle Heiden, die den Messias annahmen und so in Christus hineinkamen.
Paulus spricht in Ga 6, 16 allgemein: „So viele“ (wie vorher in 6, 12: „So viele im Fleisch wohl angesehen sein wollen, …“) – so viele sich nach dieser Regel (o. Richtschnur) ausrichten werden, über sie komme Friede und Barmherzigkeit „und über das Israel Gottes“! Diejenigen, die sich in Zukunft nach dieser Richtschnur ausrichten werden (d. h.: ihr Vertrauen einzig und allein auf Christus setzen werden), über die möge Gottes Friede und Barmherzigkeit kommen — „und über das Israel Gottes“, das gesamte „Israel Gottes“, das (zum Zeitpunkt des Schreibens) bereits in Christus war.
Dass mit dem Zusatz „und über das Israel Gottes“ die Gesamtheit des neuen Gottesvolkes gemeint ist (nicht die gläubigen Juden gesondert von den gläubigen Heiden), das wird durch den Zusammenhang sehr deutlich: In 6, 15 war ausdrücklich von Unbeschnittenheit und Beschnittenheit die Rede gewesen (V 15: „denn in Christus Jesus vermag weder Beschneidung noch Unbeschnittenheit etwas, sondern [da ist] neue Schöpfung.“). Die „neue Schöpfung“ ist Christus. Wer in dem Christus ist, ist – wie der Christus – Same Abrahams, und ist somit Teil der neuen Schöpfung. (Vgl. 2. Korinther 5, 17: „Darum, wenn jemand in Christus ist, ist er neue Schöpfung“.) Dies betrifft alle in Christus, sowohl die aus Israel wie auch die aus den heidnischen Völkern. Die „neue Schöpfung“ besteht aus Heiden wie aus Juden. Vers 16 ist ein wichtiger Schlusssatz eben dieses Gedankens.
Würde Paulus an dieser Stelle einen Unterschied zwischen den Bekehrten aus den Heiden und den Bekehrten aus den Juden machen, würde er das zuvor deutlich Ausgesprochene (3, 26-29) entkräften: „… denn ihr seid alle Söhne Gottes durch den Glauben in Christus Jesus, denn … ihr zogt Christus an. Es ist da nicht Jude noch Grieche; … denn ihr seid alle einer in Christus Jesus. Aber wenn ihr des Christus seid, dann seid ihr Abrahams Same und nach der Verheißung Erben.“
In Anbetracht dieser Überlegungen erscheint Vorschlag C am wahrscheinlichsten. Daher bietet sich an, kai einfach mit „und“ zu übersetzen, wie es die meisten Übersetzungen auch tun.
Paulus sagt: Wer in aller Zukunft nach dieser Regel einhergehen wird, über dem sei der Friede Gottes – und über das zum Zeitpunkt des Schreibens bereits existierende wahre „Israel Gottes“, diejenigen, die nach dieser Regel einhergingen.
Eine ernste Mahnung: V. 17
„In Zukunft bereite mir niemand Arbeit, denn ich trage die Malzeichen des Herrn Jesus an meinem Leibe.“
Damit sagt er: „Ihr müsst wissen: es gibt Narben an meinem Körper, weil ich mich zu Jesus gestellt und auf das Gesetz Moses verzichtet habe. Wenn ihr länger so verharrt, werdet ihr mir Kummer machen!“
Paulus ist wohl bereit, sich mit ihnen abzugeben. Aber er stellt sie vor eine Entscheidung. Er stellt sich selbst in den Riss und sagt: „Denkt auch an mich! Denkt daran, was ich habe leiden müssen!“
„Die Gnade unseres Herrn, Jesu Christi, …“
Alles ist Gnade! Am Ende unseres Lebens wird es nur der Herr sein, der etwas getan haben wird. Jesaja 54, 10: „Die Berge mögen weichen und die Hügel wanken, aber meine Güte, ‹meine Treue›, wird nicht von dir weichen und mein Friedensbund nicht wanken, sagt Jahweh, dein Erbarmer.“
Oft geschieht es, dass Reichgottesarbeiter am Schluss ihres Lebens sagen: „Alles war Gnade!“ Wieviel sie auch geleistet haben mögen, das fällt gar nicht ins Gewicht – das sieht man dann gar nicht. Man sieht nur noch das Kreuz und das Geschenk Gottes. Paulus legt Wert darauf, dass man die Gnade im Auge behält.
„… [sei] mit eurem Geist, Brüder.“
- die, die es mit dem Gesetz zu tun haben, haben es mit dem Leib zu tun, mit Beschneidung, mit dem Einhalten von Tagen - das ist das Irdische. Aber Paulus betont: „Im Geistlichen, dort wünsche ich euch Heil.“
„Amen.“
Wahrlich, so ist es! So soll es sein!“
„In Wirklichkeit ist es so!“ Der Herr bewahre uns davor, dass wir sein so großes Heil gering achten!