U n t e r w e g s n o t i e r t

 

Eine Handreichung für Dienende

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„..., die wir in der Kraft Gottes durch Glauben bewahrt werden für die Rettung,

die bereit ist, geoffenbart zu werden in der letzten Zeit, worüber ihr hoch erfreut seid,

die ihr jetzt ein wenig, wenn es sein soll, betrübt wurdet in mancherlei Prüfungen,

damit die Erprobung eures Glaubens,

der viel kostbarer ist als Gold, das vergeht, aber durch Feuer erprobt wird,

sich erweise zu Preis, Ehre und Herrlichkeit in der Offenbarung Jesu Christi“

1. Petrus 1, 5-7

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Nr. 112: September, Oktober 2018

 

Der Galaterbrief (2)

 

 


(Fortsetzung von der vorigen Nummer)

Übersicht über den 1. Teil des Briefes:

I: Wer spricht? K. 1 u. 2: Paulus bezeugt: Seine Botschaft bekam er unmittelbar von Gott.

  A: Der Briefeingang 1, 1-10

  B: Eine Erklärung 1, 11.12

  C: Des Apostels Anfänge 1, 13-17

  D: Sein Verkehr mit Aposteln in Judäa 1, 18 - 2, 10

  E: Die Auseinandersetzung mit Petrus 2, 11-21

B: Eine Erklärung: Sein Evangelium ist nicht nach der Menschenart 1, 11.12

Hiermit beginnt Paulus, den geschichtlichen Nachweis seiner Vollmacht zu liefern.

    „Ich setze euch aber in Kenntnis, Brüder: Das Evangelium, das von mir als gute Botschaft gesagt wurde, es ist nicht nach Menschen, 12 denn ich empfing es nicht von einem Menschen, noch wurde ich gelehrt, sondern durch Enthüllung Jesu Christi [empfing ich es].“

    Diese Erklärung setzt er an den Anfang, und die wird er in den beiden ersten Kapiteln belegen.

    In V. 11 argumentiert Paulus, dass sein Evangelium nicht nach der Menschenart ist. In V. 12 gibt er eine zusam-menfassende Begründung, warum das so ist:

. Es stammt nicht von Menschen, denn er nahm es nicht von einem Menschen entgegen.

. Er wurde nie von einem Menschen darüber belehrt.

. Er nahm es von Jesus Christus entgegen.

. Jahre bevor er die anderen Apostel sah, hatte er schon das Evangelium von der Gnade verkündet.

. Als er die Apostel sah, war nichts hinzuzufügen. Sie aner-kannten ihn uneingeschränkt (2, 6-10).

C: Seine Anfänge 1, 13-17

1:  Er selbst war ein Eiferer für das Judentum gewesen. 1, 13.14

„... denn ihr hörtet von meiner einstigen Lebensweise im Judentum, dass ich die Gemeinde Gottes über die Maßen verfolgte und zerschlug 14 und im Judentum Fortschritte machte über viele Altersgenossen in meinem Geschlecht hinaus, und ich war im Übermaß ein Eiferer für die Überlieferungen meiner Väter.“

    War der, der sie verführte, ein Eiferer für das Gesetz? Er, Paulus, war der vornehmste gewesen. Von diesem Wege aber hatte Gott selbst ihn abgebracht, wie er gleich bezeugt. Er sagt: Ich habe aber das Judentum für eine bessere Botschaft verlassen.

 

2:  Seine Umkehr  1, 15-17

„Aber als es Gott, der mich von Mutterschoß an absonderte und mich durch seine Gnade rief, für gut hielt, 16 seinen Sohn in mir zu enthüllen, damit ich ihn als gute Botschaft unter denen, die von den Völkern sind, künde, beriet ich mich nicht sogleich mit Fleisch und Blut, 17 noch ging ich hinauf nach Jerusalem, hin zu denen, die vor mir Apostel waren, sondern ich ging weg nach Arabien und kehrte wieder nach Damaskus zurück.“

    Die Umstände seiner Umkehrgeschichte sprechen dagegen, dass seine Sendung von Menschen sei. Es war Gott gewesen, der schon von Mutterleib an seine Pläne mit ihm hatte. Dem Verfolger der Jesusanhänger war er gnädig, und er rief ihn – mit dem Vorhaben, in ihm seinen Sohn zu enthüllen, damit er imstande sei, ihn als gute Botschaft zu künden, vornehmlich denen aus den Völkern – wie die Galater. Gerufen wurde er von Gott persönlich, worauf er den Rat keines Menschen suchte, sondern sich in die arabische Stille begab. Danach ging er nicht nach Jerusalem, dem Herd der neuen Botschaft, sondern kam zurück nach Damaskus.

 

V. 16: „... seinen Sohn in mir (d. h. seinen Sohn, der in mir war) zu enthüllen ...“:

    Gott wollte ihm, in dem der Sohn Gottes bereits war, seinen Sohn enthüllen. V. 16 bezieht sich nicht auf die Umkehr, sondern auf die Enthüllung (Offenbarung) des Sohnes in ihm. „Als Gott vorhatte, seinen Sohn in mir zu enthüllen“ meint also nicht, „als Gott vorhatte, mich, Paulus, zu einem Nachfolger Christi zu machen“, sondern Gott wollte ihm den Gottessohn, der schon in ihm war, enthüllen (offenbaren). Die „Enthüllung des Sohnes“ bezieht sich auf die speziellen Offenbarungen nach der Umkehr. Der Sohn war ja schon „in“ Paulus, als Gott ihn ihm enthüllte.

    Das Evangelium ist demnach nicht eine Sache, sondern eine Person. Der Sohn ist das Evangelium, weil er das Heil ist. Gott hat dem Apostel Paulus den Herrn Jesus gezeigt. Nun wusste Paulus, was er zu sagen hatte. Nicht: Jesus bringt das ewige Leben und das Heil, sondern: Jesus ist das Leben. Er ist Heil. Christus ist das Evangelium.

    Gott sonderte Paulus von Mutterleib ab; nicht Paulus trug etwas dazu bei. Gott rief Paulus. Und Gott rief ihn aus Gnaden.

D: Sein Verkehr mit Aposteln und den Heiligen in Judäa 1, 18 - 2, 10

Seine Kontakte in Jerusalem und Judäa sprechen dagegen, dass seine Sendung von Menschen sei.

 

1:  Kontakte anlässlich des 1. Jerusalembesuches 1, 18-24

„Nach dem, nach drei Jahren, ging ich hinauf nach Jerusalem, um mit Petrus Bekanntschaft zu machen, und ich blieb fünfzehn Tage bei ihm.“

    Lukas berichtet (Apostelgeschichte 9, 26-29): „... er versuchte, sich den Jüngern anzuschließen. Und alle fürchteten ihn, da sie nicht glaubten, dass er ein Jünger sei. 27 Aber Barnabas nahm sich seiner an, führte ihn zu den Aposteln [von welchen wohl zur Zeit nur Petrus und Jakobus da waren] und erzählte ihnen, wie er auf dem Wege den Herrn gesehen und dass er zu ihm geredet hatte und wie er in Damaskus mit Freimütigkeit gesprochen hatte im Namen Jesu. 28 Und er war bei ihnen, ging ein und ging aus in Jerusalem und sprach mit Freimütigkeit im Namen des Herrn Jesus. 29 Und er redete und disputierte mit den Griechischen.“

    V. 19: „Aber andere der Apostel sah ich nicht – außer Jakobus, den Bruder des Herrn.“

    Und mit diesen Zweien verbrachte er augenscheinlich wenig Zeit. Man könnte also nicht sagen, dass er von diesen ersten Zeugen Jesu groß eingeführt wurde.

    V. 20: „Was ich euch schreibe – siehe! – vor Gott [sage ich es]: Ich lüge nicht!

    21 Nach dem kam ich in die Gegenden von Syrien und Kilikien [wo er aufgewachsen war]. 22 Ich war aber den Gemeinden Judäas, die in Christus sind, [Israel ist mit dem Messias jetzt geteilt] dem Gesicht nach unbekannt. [Auch aus der Richtung kam keine Prägung.]

    23 Sie hörten nur: ‚Der, der uns einst verfolgte, sagt nun die gute Botschaft, den Glauben, den er einst zerschlug.’ 24 Und sie verherrlichten Gott an mir.“

    Und dieses Zeugnis der Christusjünger in Jerusalem und Judäa möchten doch die Gläubigen in Galatien zur Kenntnis nehmen.

 

2:  Kontakte während eines späteren Besuches  2, 1-10

„Nach dem, vierzehn Jahre später ...“ 

    Wie harmonisieren die 14 Jahre mit Daten der Apostelgeschichte?

    In V. 1 stellt sich die Frage: Wie passen die geschicht-lichen Angaben des Galaterbriefes in die Apostelgeschichte? Paulus erwähnt hier Dinge, die dort nicht erwähnt werden. Er lässt uns hier wissen, dass er bei den theologischen Lehrern dort in Jerusalem schon bekannt war; denn er entkam von Damaskus nach Jerusalem. Dann ging er von Jerusalem nach Tarsus in Kilikien (Galater 1, 21). Tarsus liegt westlich von Syrien. Es kann sein, dass er unterwegs über Syrien reiste (1, 21) und dort Zeugnis ablegte. Von Tarsus gelangte er mit Barnabas, der ihn holte, nach Antiochien. Dort hielt er sich ein Jahr mit Barnabas auf (Apostelgeschichte 11, 22-26). Gemäß Apostelgeschichte 11, 29.30 waren Paulus und Barnabas danach einmal kurz in Jerusalem, um eine Kollekte abzuliefern; aber auf diesen Besuch bezieht sich Paulus in Galater 2, 1ff nicht.

    Es folgt in Apostelgeschichte 13, 1 - 14, 28 die erste Missionsreise des Paulus nach Zypern und Antiochien in Pisidien und zurück nach ihrem Ausgangsort Antiochien. Dort entstand danach Unruhe durch Gesetzeslehrer. Diese Irrlehrer kamen von Jerusalem. Daher sollte die Sache dort besprochen werden. Davon handelt dann Apostelgeschichte 15 und dem entsprechen die Angaben in Galater 2, 1ff.

    Daher lesen wir in Galater 2, 1: „Nach dem, vierzehn Jahre später, ging ich wieder hinauf nach Jerusalem ...“ – was aber nicht heißt, dass er dazwischen nie in Jerusalem war. Die Zahlenangabe meint hier wohl vierzehn Jahre nach sei-ner Bekehrung, sodass es nur elf Jahre nach dem Arabien-aufenthalt war.

    „Nach dem, vierzehn Jahre später [wohl nach seiner Bekehrung], ging ich wieder hinauf nach Jerusalem mit Barnabas – und nahm auch Titus mit. 2 Ich ging aber aufgrund einer Offenbarung hinauf.“

    Lukas erwähnt in der Apostelgeschichte 15, 2 nur den Wunsch der Gemeinde, aber Paulus macht klar, dass er persönlich Klarheit vom Herrn für die Reise nach Jerusalem bekommen hatte. Das war ja auch wichtig angesichts der Bedeutung der Angelegenheit für die Sache des Evangeliums.

    Paulus nahm gemäß Galater 2, 1 Titus mit nach Jerusalem. Und er ging aufgrund einer Offenbarung dorthin. Das ist kein Widerspruch zu Apostelgeschichte 15, 2, wo ihn die Gemeinde in Antiochia schickte.

    Barnabas war anfänglich der Leiter des Teams, aber dann zeigte sich die besondere Funktion des Paulus, und Barnabas unterordnete sich. Paulus, der seinen Ruf direkt von Jesus Christus hatte, hatte den Herrn befragt. Der Herr offenbarte sich ihm und sagte ihm, er solle nach Jerusalem gehen. Es sollte so den anderen klarwerden, dass das Evangelium des Paulus dasselbe war wie das der Apostel in Jerusalem.

 

2, 2M: „Und ich legte ihnen die gute Botschaft vor [er unterrichtete sie; nicht sie unterrichteten ihn], die ich unter denen, die von den Völkern sind, verkünde, ...“

    Paulus hatte da bereits sein Evangelium, das er schon den Heiden verkündet hatte. Dieses Evangelium legte er in Jerusalem dar. Er fragte nicht: „Bin ich hier im Recht?“, sondern er sagte ihnen, was er verkündete.

 

„Und ich legte ihnen die gute Botschaft vor, die ich unter denen, die von den Völkern sind, verkünde, den Angesehenen aber für sich allein (d. h.: in gesonderter Zusammenkunft), [um zu erfahren bzw. um die Frage zu stellen,] ob ich denn etwa umsonst liefe oder gelaufen wäre.“

    Die implizierte Antwort ist: „Natürlich bin ich nicht umsonst gelaufen!“ Die Frage, drückt nicht einen Zweifel von Seiten des Apostels aus. Der Galaterbrief zeigt, dass Paulus sich seiner Sache gewiss war. Er hatte sein Evangelium nicht von Menschen empfangen. Es geht nicht darum, dass Paulus befürchtete, er wäre vergeblich gelaufen. Aber er stellte die Frage, um sicherzustellen, dass die Arbeit, die er getan hatte und noch zu tun beabsichtigte, nicht durch ein judaistisch gefärbtes „anderes“ Evangelium zerstört oder behindert werden würde, denn die Frage, ob Paulus denn wohl das rechte Evangelium verkündete, war – offen oder indirekt – durch judaistische Verkünder bereits aufgeworfen worden bzw. stand im Raum. Vgl. Apostelgeschichte 15.

 

2, 3: „Jedoch nicht einmal Titus, der mich begleitete, wurde, obwohl er Grieche war, genötigt, beschnitten zu werden. 4 Wegen der nebenher eingeführten falschen Brüder [tat ich das, V. 2], welche nebenher hereingekommen waren, um unsere Freiheit, die wir in Christus Jesus haben, auszukundschaften, damit sie uns in Versklavung brächten.“

    Eine deutliche Sprache führt er in diesem Bericht. Er hatte es in Jerusalem mit unechten „Brüdern“ zu tun, die nichts weniger als eine „Versklavung“ vorhatten.

    2, 5: „Denen gaben wir nicht nach – auch nicht für eine Stunde –, uns [ihnen] zu unterordnen, damit die Wahrheit der guten Botschaft bei euch bliebe.“

    So grundsätzlich war die Frage. Die Wahrheit des Evangeliums stand auf dem Spiel.

    Aus der Aussage in Vers 5 ergibt sich, dass Paulus zu der Zeit schon vordem in Galatien gewesen sein muss. Hätte er den Judaisten dort nachgegeben, hätte dies Wellen bis nach Galatien geschlagen! Aber Paulus blieb treu. Er ging keinen Kompromiss ein. 

    2, 6: „Aber von denen, die dafür angesehen waren, etwas zu sein – was immer sie auch waren, macht für mich keinen Unterschied; Gott nimmt das Äußere eines Menschen nicht an – mir nämlich haben die Angesehenen keine Auflagen gemacht; 7 sondern im Gegenteil, nachdem sie gesehen hatten, dass ich mit der guten Botschaft der Unbe-schnittenheit betraut war, so wie Petrus mit der der Beschneidung 8 (denn der, der in Petrus für eine Apostel-schaft der Beschneidung wirkte, wirkte auch in mir für [eine Apostelschaft] derer, die von den Völkern sind), 9 und nachdem sie die Gnade zur Kenntnis nahmen, die mir gegeben worden war – Jakobus, Kephas und Johannes, die dafür angesehen waren, Pfeiler zu sein –, gaben sie mir und Barnabas die rechte ‹Hand› der Gemeinschaft, damit wir für die, die von den Völkern sind, [da wären], aber sie für die Beschneidung, 10 nur dass wir der Armen gedächten, was ich mich auch mit Fleiß bemühte zu tun.“

    Die drei Apostel haben Paulus und seine Mitarbeiter anerkannt. Sie gaben ihren Segen zur Arbeit des Paulus.

    So wurde auf dieser so wichtigen Zusammenkunft klar, dass Paulus in keiner Weise von den Jerusalemaposteln für seine Botschaft abhängig war, sondern ganz ebenbürtig war, weil er, wie sie, das Evangelium vom selben Herrn erhalten hatte.

    Mit Galater 2, 10 endet der erste Teil des Zeugnisses des Paulus für sein Argument in 1, 11, dass seine Botschaft nicht nach der Art der Menschen ist. Dieses Zeugnis bezog sich von Galater 1, 12- 2, 10 auf den nichtmenschlichen Ursprung seines Evangeliums.

    (Nb: Wir begegnen hier übrigens in den Versen 7 und 8 grammatisch zwei Objekten, der „guten Botschaft“ bzw. einer „Apostelschaft“, die jeweils mit einem Genitiv verknüpft sind: „der guten Botschaft der Unbeschnittenheit bzw. der Beschneidung“ und einer „Apostelschaft der Beschneidung bzw. derer, die von den Völkern sind“. In V. 9 finden wir durch die griechische Präposition eis (für) die Erklärung, wie diese Genitivkonstruktionen zu verstehen sind, nämlich im Sinne einer „guten Botschaft bzw. Apostelschaft für die, die von den Völkern sind“ und „für die Beschneidung“.)

E:Auseinandersetzung mit Petrus 2, 11-21

1:  Das Verhalten des Petrus 2, 11-14

    Wir Menschen sind so geartet, dass wir gerne selber etwas leisten möchten. So ist es bei allen Religionen. Das ist die Art von Menschen. Der Mensch will etwas leisten. Paulus aber sagt: Mein Evangelium ist ein Evangelium, das nicht von menschlichen Leistungen abhängig ist oder solche fordert.

    2, 11: „Aber als Petrus nach Antiochien kam,...“

    Wann war das? ­­Nach der Zusammenkunft von Ältesten und Aposteln in Jerusalem (Apostelgeschichte 15, 6-29). Sogar nach dieser Konferenz war es demnach für Petrus noch möglich, nachzugeben und sich von denen aus den Völkern abzusondern. Aber gerade in dieser Situation schien das Licht des Evangeliums umso heller. Paulus führt in den Versen ab 2, 11 die Episode mit Petrus an, um dessen falsches Verhalten gegenüber dem Evangelium darzulegen.

   2, 11:„Aber als Petrus nach Antiochien kam, widerstand ich ihm ins Gesicht, weil er schuldig geworden war;“

    Zur Handlung des Petrus vergleichen wir Apostelgeschichte 10, 15 und 11, 9: „Was Gott gereinigt hat, erkläre du nicht für unrein!“

    2, 12: „denn bevor etliche von Jakobus kamen, hatte er mit denen, die von den Völkern waren, gegessen. Aber als sie kamen, zog er sich zurück und sonderte sich selbst ab, da er sich vor denen, die aus der Beschneidung waren, fürchtete.“

    Wie wurde Petrus schuldig? - Leute, die sich auf Jakobus beriefen, aber weiter gingen als jener, kamen auch nach Antiochien. Und Petrus machte Kompromisse. Das Essen mit Heiden war gerade die Schwierigkeit des Petrus gewesen: Apostelgeschichte 10. Dort hatte er dann aber mit den Heiden gegessen (10, 48; 11, 3). Gott hatte ihm gezeigt, dass die Heiden in Christus nun nicht mehr unheilig seien.

    In Antiochien jedoch, als Judaisten kamen, machte Petrus einen Rückzieher und sonderte sich von denen, die aus den Völkern waren, ab, indem er sich wiederholt zurückzog.

    2, 13: „Und zusammen mit ihm heuchelten auch die übrigen Juden, sodass auch Barnabas durch ihr Heucheln mit fortgerissen wurde.“

    Der Ausdruck „heucheln“ ist nicht im heutigen Sinne zu verstehen. Gemeint ist: Sie „handelten nicht der Wahrheit entsprechend“, so wie sie vorher auf der Jerusalemkonferenz allgemein erkannt worden war. Paulus zeigt, wie groß der Rückfall war: Petrus „heuchelte“, d. h. er wollte vorge-ben, dass er etwas glauben würde, was er in Wirklichkeit nicht glaubte.

    Es gibt zwei Formen von Heuchelei: Die eine: Man gibt vor, etwas zu sein, das man nicht ist. Die zweite: Man gibt vor, etwas nicht zu sein, was man ist (bzw. nicht zu glauben, was man glaubt). Petrus gab durch sein Benehmen vor, er würde nicht glauben, dass Gott die Heiden ohne Gesetz annahm und reinigte, obwohl er es in Wirklichkeit glaubte. Aber vor den judaistischen Brüdern gab er es nicht zu. Er verleugnete das Evangelium. Das war eine ernste Sache. Paulus „widerstand ihm ins Angesicht“ (wie auch bei den anderen, Galater 2, 5).

    Wir dürfen uns nicht in religiöse Praktiken einlassen, durch die wir unseren Glauben verleugnen (zum Beispiel in der katholischen Kirche), indem wir Dinge mitmachen, die der Wahrheit des Wortes Gottes widersprechen (z. B. in der katholischen Messe zur Kommunion gehen).

    Indem Petrus sich absonderte, signalisierte er den Ge-setzesleuten, dass es richtig sei, sich von denen, die von den Völkern waren, abzusondern. Damit führte er das Gesetz Mose wieder ein. Wer das Gesetz den Gläubigen auferlegt, versucht Gott, indem der den Jüngern ein Joch auf den Hals auflastet. Petrus selber hatte gesagt (Apostelgeschichte 15, 7-11): „Euch ist bekannt, dass … Gott … erwählte, dass die von den Völkern das Wort … hören und glauben sollten. Und Gott ...  legte für sie Zeugnis ab und gab ihnen den Heiligen Geist, so wie auch uns. Und er machte keinen Unterschied zwischen uns und ihnen: Er reinigte ja ihre Herzen auf den Glauben hin. Was versucht ihr also nun Gott, ein Joch auf den Nacken der Jünger zu legen, das weder unsere Väter noch wir zu tragen vermochten? Vielmehr glauben wir, durch die Gnade des Herrn Jesus Christus gerettet zu werden, auf dieselbe Weise wie auch jene.“

    Beachten wir: Petrus sagte damals nicht: „Die, die von den Völkern sind, sollten auf dieselbe Weise gerettet werden wie wir (bekehrte) Juden“, sondern: „Wir Juden sollten auf dieselbe Art und Weise gerettet werden wie die, die von den Völkern sind“, die (bekehrten) Heiden – ohne jegliche Bindung ans Gesetz Mose.

    2, 14: „Als ich jedoch sah, dass sie nicht auf dem richtigen ‹und geraden› Weg gingen mit Blick auf die Wahrheit der guten Botschaft, sagte ich zu Petrus vor allen: Wenn du, der du ein Jude bist, wie die, die von den Völkern sind, lebst (d. h., nach Art und Sitte der Heidnischen lebst) und nicht jüdisch, was nötigst du die, die von den Völkern sind, nach Art der Juden zu ‹leben›?“

    „... den geraden Weg nach der Wahrheit ...“: Paulus ist ein noch junger Reichgottesarbeiter, aber er hat helles Licht und bleibt dabei: Die Wahrheit des Evangeliums ist ein gerader Weg, und dieser Weg ist einzuhalten; es ist nicht davon abzuweichen!

    „... vor allen ...“: Manchmal muss öffentlich gesprochen werden, damit den anderen geholfen werden kann. Und Paulus beginnt seine Rede an Petrus mit „Du“:

    „Wenn du ... wie die, die von den Völkern sind, lebst ...“ – nämlich damals in Cäsarea (Apostelgeschichte 10, 48; 11, 3) und bis vor Kurzem auch hier in Antiochien (Galater 2, 12). Petrus wusste, warum er so gehandelt und sich den Heiligen aus den Völkern gleichgestellt (mit ihnen gegessen) hatte. Paulus beruft sich hier also auf des Petrus’ eigenes Handeln zuvor. Paulus konnte Petrus quasi „zitieren“, um ihn zurecht-zuweisen.

    „..., was nötigst du die, die von den Völkern sind, nach Art der Juden zu ‹leben›?“ Petrus „zwang“ mit seinem Vorbild die anderen geradezu, jüdisch zu werden und jüdisch zu leben. Petrus hatte Vorbildfunktion in der Gemeinde Jesu. Mit seinem Handeln sagte er indirekt, dass die, die aus den Völkern sind, sich also doch beschneiden zu lassen hätten. Er hatte einen Weg eingeschlagen, der dazu geführt hätte, dass die anderen Judaisten die, die von den Völker waren, gezwungen hätten, jüdisch zu werden (d. h., sich beschnei-den und unter das Gesetz Mose stellen zu lassen).

 

2: Die Auswertung des Themas 2, 15-21

 

„Wir, die wir von Natur aus Juden sind“: Paulus ist ein demütiger Gesprächspartner. Er sagt nicht weiterhin „du“, sondern spricht im Weiteren von „wir“ und „ich“. Er tut so, als ob er selbst Petrus sei. Er identifiziert sich mit dem, dem er helfen will.

„... und nicht Sünder aus denen von den Völkern, ...“:

Die Heiden waren, vom Gesetz aus gesehen, Sünder.

 

2, 16: „..., die wir wissen, dass ein Mensch nicht aus Gesetzeswerken gerechtfertigt wird, sondern durch Glauben an Jesus Christus,...“

    Wenn ein Israelit gerettet werden will, muss er sich bekehren, genau wie ein Heide. Ein auf den Messias hoffender Jude muss genauso wie ein Heide Buße tun! Weder israelitisches noch heidnisches Fleisch kann aus Gesetzeswerken gerechtfertigt werden. Die Juden werden auf dieselbe Weise gerettet wie die Heiden. Es gibt keinen anderen Heilsweg.

 

2, 16M: „..., auch wir glaubten an Christus Jesus, damit wir gerechtfertigt würden – aus Glauben an Christus und nicht aus Gesetzeswerken, weil aus Gesetzeswerken kein Fleisch gerechtfertigt wird.“

    Als wir – die, die aus der Beschneidung sind – uns bekehrten, stellten wir uns den Heiden (den „Sündern“) gleich, abhängig von Christus, ohne das Gesetz als Mittel der Rechtfertigung zu verwenden. D. h., wir kamen zur Erkenntnis, dass wir ohne Christus genauso Sünder waren wie die „Sünder aus den Heiden“ (V. 15). Durch den Glauben an Christus wurden wir zu „Gerechten“. Wir gaben damit alle unsere Hoffnung auf das Gesetz als Mittel zur Rechtfertigung auf. Wir erkannten: Es ist in Christus kein Unterschied zwischen Jude und Heide. Wir Juden gingen den Weg ohne das Gesetz, um gerechtfertigt zu werden (V. 16). Und das war richtig so.

    2, 17: „Wenn aber, während wir suchten, in Christus gerechtfertigt zu werden, auch wir selbst als Sünder erfunden wurden, ist dann Christus ein Diener (o.: Förderer) der Sünde? Das sei fern!“

    Paulus stellt den judaistisch denkenden Gläubigen eine Frage (V. 17): Wenn (nun) wir (die, die aus der Beschneidung sind) aber, während wir (als wir zum Glauben an Christus kamen) suchten, in Christus gerechtfertigt zu werden, selbst auch als Sünder (wie die Heiden, V. 15) erfunden wurden (uns auf die gleiche Stufe wie die „Sünder“ aus den Heiden stellten), ist dann Christus ein Diener der Sünde (ein Förderer der Gesetzesübertretung bei uns jüdischen Gläubigen; denn dieser Weg [d. h.: wie die Heiden als Sünder erfunden zu werden durch das Abbrechen der Gesetzesmauer] führte ja — aus jüdischer Sicht — zur Gesetzesübertretung)?

    Antwort: „Das sei fern! – 18 denn wenn ich dieses, was ich niederriss, wieder aufbaue, stelle ich mich selbst als Übertreter hin;“ 

    In V. 18-20 erklärt Paulus nun die Frage: „Ist Christus ein Diener (Förderer) der Sünde?“:

    18 „denn (nämlich:) wenn ich (als Gläubiger aus der Beschneidung, der ich durch den Glauben allein gerecht-fertigt wurde) dieses, was ich niederriss (d. h., das Gesetz, die Mauer) wieder aufbaue, stelle ich mich selbst als Übertreter hin“ – was Petrus nämlich tat: Er baute mit seinem Verhalten das Gesetz, das er vorher niedergerissen hatte, indem er durch den Glauben an Christus gerechtfertigt wurde, wieder auf. Er stellte auf diese Weise sein vorheriges Essen mit den Heiden als Gesetzesübertretung (d. h., als Sünde) dar.

    Paulus sagt: Wenn wir (die wir aus der Beschneidung sind) uns wieder unter das Gesetz stellen und meinen, wir müssten die jüdischen Vorschriften (z. B. bzgl. Tischge-meinschaft) einhalten (wie Petrus und seine judaistisch den-kenden Mitgläubigen durch ihre Absonderung von denen, die von den Völkern sind, beim Essen bekundeten, 2, 11-13), so erklären wir damit, dass der Weg der Rechtfertigung aus Glauben nicht genügt.

    Wenn du diese zusätzliche Last des mosaischen Gesetzes denen, die von den Völkern sind, auferlegst, um das Heil effektiv zu machen, das uns Christus erwirkt hat, dann heißt das, dass alle, die sich nicht beschneiden lassen, immer noch als „Sünder“ unter dem Zorn Gottes stehen. Vorher aber hattest du die Mauer zwischen denen aus der Beschneidung und denen aus den Völkern niedergerissen (hast sogar gegessen mit den heidnischen Gläubigen), jetzt baust du sie wieder auf! Wenn ich etwas, das ich zuvor abgebrochen habe, wieder aufbaue, dann zeige ich, dass ich falsch gehandelt hatte, als ich es zerstörte, – denn ich baue es ja nun wieder auf!

    2, 19 „..., denn durch das Gesetz starb ich dem Gesetz, damit ich ‹für› Gott lebe. Mit Christus zusammen bin ich gekreuzigt worden. 20 Aber ich lebe – nicht mehr ich: Christus lebt in mir. Was ich aber jetzt lebe im Fleisch, lebe ich im Glauben, ‹im Vertrauen› auf den Sohn Gottes, der mich liebte und sich selbst für mich hingab.“

    In V. 19.20 erklärt Paulus die Antwort „Das sei fern!“ (V. 17 Ende): Es ist nicht so, dass das Abbrechen des Gesetzes ein Sündenweg ist. Warum nicht? Aus zwei Gründen: Erstens, ich starb dem Gesetz! – und somit kann ich das Gesetz nicht mehr übertreten. Tote können nicht zur Verantwortung gezogen werden. Und zweitens, mein Leben (in Christus) ist nun ein Leben „für Gott“.

    19 „nämlich durch das Gesetz (das mich verurteilte) starb ich (juristisch — in und mit Christus; ich bin tot in Bezug auf das Gesetz; somit ist das Gesetz – in dieser Form – für mich nicht mehr gültig; Römer 6 u. 7) dem Gesetz, damit ich Gott lebe. (Also: nicht, damit ich hinfort der Sünde diene, sondern für Gott lebe; vgl. Römer 6, 10-13. Christus ist also nicht ein Förderer von Sünde.). Mit Christus zusammen bin ich gekreuzigt worden. (Juristisch betrachtet, bin ich zusammen mit Christus verurteilt [tot] und kann nicht mehr vom Gesetz belangt werden.)

    Durch das Gesetz starb Paulus dem Gesetz, denn das Gesetz sagte: Wer nicht immer alles einhält, muss sterben! Nun kam Jesus und nahm meinen Tod auf sich: V. 19. Daher bin ich mit Christus gestorben – aufgrund des Gesetzes. Aber wenn ich gestorben bin, bin ich für die „Polizei“ tot; sie kann mich nicht mehr belangen.

    Wann wurde ich gekreuzigt? –  Damals, als Christus gekreuzigt wurde. (Vgl. 2. Korinther 5, 14.15.)

 

2, 20: „Aber ich lebe – nicht mehr ich (nicht länger ich bin es, der lebt): Christus lebt in mir. (Das Leben, das ich lebe, ist nicht meines, sondern das des auferstandenen Christus, der in mir lebt.) Was ich nun im Fleisch (im Leibe) lebe, lebe ich im Glauben, ‹im Vertrauen› auf den Sohn Gottes, der mich liebte und sich selbst für mich hingab“ – und so mit seinem Tod stellvertretend die vom Gesetz geforderte Strafe auf sich nahm, das Gesetz somit erfüllte.

    Diese Wahrheit ist die Wahrheit, von der ich im ganzen Glaubensleben lebe: Christus ist für mich gestorben. Ich lebe jetzt Tag für Tag in der Gnade. Ich habe kein selbständiges Leben mehr. Ein Christ bezieht sein Leben von Christus.

 

2, 21: „Ich mache die Gnade Gottes (die göttliche Gnade der Rechtfertigung durch Christi Tod) nicht ungültig (was ich aber tun würde, wenn ich das Gesetz wieder aufrichtete), denn wenn Gerechtigkeit durch Gesetz kommt, dann starb Christus umsonst.“

    Wenn Christus starb und zwar an meiner Stelle, bin ich dem Gesetz gestorben. Aber wenn ich noch dem Gesetz gehorchen will, dann ist Christus vergebens gestorben. Für den, der nach dem Gesetz leben will, ist Christus nicht gestorben. Für den war Golgatha völlig umsonst.

 

Wir unterstreichen die Wichtigkeit von V. 19 und 20:

    Ich bin zusammen mit Christus gekreuzigt worden. Aber ich lebe – ich lebe zwar, aber um es genau zu sagen, nicht mehr ich, sondern Christus lebt in mir! Das sind die Grundwahrheiten des gesamten Glaubenslebens! Ohne diese zwei Wahrheiten kommen wir nicht zum Heil. Manche sagten, Gerechtfertigte müssten sich selbst töten oder ihr Ich „ersäufen“ (Luther) oder selber den alten Menschen kreuzigen. – Nein, wir müssen unsere „Glieder töten“, d. h., die Lebensweise, die wir früher hatten, die „Glieder“, unsere fleischliche Lebensweise von früher: Kolosser 3, 5: „Tötet also eure Glieder, die auf der Erde sind: Unzucht, Unreinigkeit, Leidenschaft, böse Lust und die Habsucht ...“. Aber das Kreuzigen vollziehen nicht wir. Auch Christus hat sich nicht selbst gekreuzigt. Als er am Kreuz war und starb, hauchte er freiwillig sein Leben aus. (Nb: Galater 5, 24 und 6, 14 sagen nicht, dass wir unseren alten Menschen kreuzigen sollen. Wir sind nicht schizophren und tun nicht so, als ob wir gleichzeitig leben und tot sind. Mein „alter Mensch“ ist die Lebensweise, die ich früher hatte. Die muss ich aufgeben, und zwar immer wieder und beständig.

Exkurs: Der alte Mensch und der neue

In 1. Korinther 15, 47 ist Adam der „erste Mensch“ und Christus der „zweite Mensch“.

    In Epheser 2, 15 bezieht sich Paulus auf die alte Menschheit ohne Christus und die neue Menschheit in Christus. Letztere nennt er „neuer Mensch“. Christus ist das Haupt, und die Erlösten sind sein „Leib“. In 2. Korinther 5, 17 und Galater 6, 15 ist die Rede von einer „neuen Schöpfung“. Diese neue Schöpfung ist die neue Menschheit in Christus. Im eigentlichen Sinne ist der Christus die neue Schöpfung („Erstling der Entschlafenen“, 1. Korinther  15, 20; vgl. Kolosser 1, 18), der Anfang der Schöpfung Gottes (Offenbarung 3, 14; vgl. 1, 5). In Christus Jesus „vermag weder Beschneidung noch Unbeschnittenheit etwas, sondern eine neue Schöpfung“ (Galater 6, 15). Weil er in Person das Neue ist, sind alle, die in ihm sind, Teil dieser neuen Schöpfung: „Somit, wenn einer in Christus ist, ist er neue Schöpfung.“ (2. Korinther  5, 17). Beachten wir, dass Paulus keinen Artikel vor „neue Schöpfung“ setzt. Es geht um eine Wesensbeschreibung (wie in 1. Korinther 12, 27: „Ihr seid Leib Christi“, d. h., die Korinther sind dem Wesen nach Leib Christi; sie als Gruppe sind Teil des Leibes Christi). Wenn jemand in Christus ist, ist er dem Wesen nach „neue Schöpfung“, weil der Christus, in welchem er ist, das neue „Leben“ und die neue „Schöpfung“ ist. Er ist Teil der neuen Schöpfung namens „Christus“.

    In Römer 6, 6 spricht Paulus vom „alten Menschen“: „..., von diesem in Kenntnis, dass unser alter Mensch zusammen mit [ihm] gekreuzigt wurde“. Wenn Paulus den „alten“ und den „neuen“ Menschen gegenüberstellt, bezieht er sich auf die alte bzw. die neue Lebensweise. Dies ist (neben Römer 6, 6) der Fall in Epheser 4, 21-25: „..., wenn ihr wirklich ihn hörtet und in ihm gelehrt wurdet – wie ja Wahrheit in Jesus ist –, abzulegen, was die frühere Lebensführung betrifft, den alten Menschen, der dabei ist, zugrunde zu gehen, infolge der trügenden Lüste, aber erneuert zu werden am Geist eures Denksinnes und den neuen Menschen anzuziehen, der nach Gott geschaffen wurde in Gerechtigkeit und Heiligkeit der Wahrheit. Darum legt die Lüge ab und redet Wahrheit,...“.

    Der „Mensch” ist die Lebensweise, die aus mir hervorkommt. Ich als Unerlöster war früher ein anderer. Ich wurde mit Christus gekreuzigt, weil Christus für alle starb. Aber mit mir wurde auch meine alte Lebensweise gekreu-zigt. Ich muss nun nicht mehr der Neigung zur Sünde in meinem Fleisch gehorchen. Als Christus starb, starb ich der alten Lebensweise. Ich bin daher der Sünde gegenüber nicht mehr verpflichtet. Wenn Christus in mir lebt, ist da die Dynamik des neuen Lebens.

    Römer 6, 6: „... von diesem in Kenntnis, dass unser alter Mensch mitgekreuzigt wurde“: Was ich vorher war, betref-fend meine Handlungen, mein Reden und Denken  (nicht mein Sein!), gilt: Ich wurde am Kreuz auf Golgatha mit Christus mitgekreuzigt. In dem Augenblick, als ich zu Chris-tus kam, nahm ich das für mich in Anspruch. Paulus ver-gleicht die alte Lebensweise mit einem Kleid. Ich soll Zorn, Unwille, Bosheit, Lästerung, schändliches Reden „auszie-hen“, d. h., die alte Lebensweise ausziehen, (vgl. Epheser 4, 22: „abzulegen, was die frühere Lebensführung betrifft, den alten Menschen“), weil ich den alten Menschen mit seinen Handlungen (d. i. die alte Lebensweise) in Christus bereits ausgezogen und den neuen Menschen (die neue Lebenswei-se) angezogen habe (Kolosser 3, 9.10: „..., belügt nicht einander, da ihr den alten Menschen mit seinen Handlungen ausge-zogen und den neuen angezogen habt, der zur Erkenntnis erneuert wird nach dem Ebenbilde dessen, der ihn schuf, ...”). Ich soll nun diese neue Lebensweise ganz praktisch „anziehen“, zur Schau tragen (Kolosser 3, 12.13): „Zieht also an als Erwählte Gottes, Heilige und Geliebte herzliches Erbar-men, Freundlichkeit, Demut, Sanftmut, Geduld, einander ertragend …“. Vgl. Epheser 4, 24. Liebe, Friede, Freude, Geduld, Freundlichkeit, Güte, Glaube (Treue), Sanftmut, Selbstbe-herrschung (Galater 5, 22), das sind Bekundungen des neuen Lebens (des Lebens Christi) in mir; das ist die neue Lebens-weise, die „nach Gott geschaffen“ wurde „in wahrhaftiger Gerechtigkeit und Heiligkeit“. Das soll werden! Wie ein Kleid soll diese neue Lebensweise nun nach außen hin zu sehen sein. Ich soll mit diesen Dingen umgeben sein. Wir sollen nicht von den alten schmutzigen Dingen umgeben sein. Die sollten nicht mehr an uns hängen, weil (was die Lebensweise betrifft) unser alter Mensch mit Christus mitge-kreuzigt wurde (Römer 6.6), „damit der Leib der Sünde außer Wirksamkeit gesetzt sei, ‹damit› wir der Sünde nicht länger Leibeigenendienst zu leisten hätten“.

    Paulus sagt, der Leib ist das Instrument, mit dem mein Geist sich bekunden soll. Der Leib der Sünde wurde „außer Wirksamkeit gesetzt“, d. h., außer Funktion, außer Betrieb gesetzt. Der Leib der Sünde, der Leib, der unabhängig han-deln möchte, der sich immer wieder selbständig und von Christus unabhängig machen möchte, dieser Leib muss nun auch im praktischen Leben außer Funktion gesetzt werden, muss gleichsam auf einem Nebengeleise abgestellt werden. Ich habe nur einen Leib. Daher soll ich „alle Glieder“ ein-zeln dem Herrn übergeben: Hände, Arme, Beine, Mund.

    Mein schwacher, von Sünde behafteter Leib kann diszipliniert werden. Er kann durch mein Bestimmen, das heißt, durch „Gesetz“, in Zucht genommen werden. Paulus „boxt“ seinen Leib (1. Korinther 9, 26). Er sagt (Römer 6, 11-13): „Rechnet euch selbst ‹stets› als solche, die für die Sünde tot sind, andererseits als solche, die Gott leben, [und zwar] in Christus Jesus, unserem Herrn. Lasst also die Sünde nicht König sein in eurem sterblichen Leibe, um in seinen Lüsten ihr zu gehorchen. Stellt auch nicht eure Glieder der Sünde zur Verfügung als Waffen der Ungerechtigkeit, sondern stellt euch selbst Gott zur Verfügung als Lebende aus den Toten und [stellt] eure Glieder als Waffen der Gerechtigkeit Gott [zur Verfügung]!“

    Es ist juristisch feststehende Tatsache, dass ich gestorben bin. Ich rechne mich deshalb für tot. Und der Christus liefert mir die Kraft, nun mein Leben für Christus zu leben. Es geht also nicht um eine bestimmte Technik, sondern um die Realität. Wenn ich mit der juristischen Tatsache rechne: „Ich bin mit Christus gekreuzigt!“ und zur Sünde Nein sage, wird die Sünde nicht Herr sein können. Ich muss der Sünde nicht mehr gehorchen, weil nun ein Boden geschaffen ist, auf welchem Gott handeln kann. Nicht ich muss etwas tun oder eine Siegestechnik entwickeln. Nein, Gott hat etwas getan! Ich starb zusammen mit Christus. Gott hat das herbeigeführt. Ich habe nun damit zu rechnen – und Nein zu sagen zu aller Versuchung. Nicht ich bin es, der die Kraft hat. Christus in mir liefert die Kraft für ein Leben im Sieg. Es ist die Kraft des Heiligen Geistes (Römer 8).

    Paulus sagt (Galater 2, 20): „Nicht mehr ich lebe. Christus lebt in mir.“

    Viele Gläubige tun so, als ob sie ein ewiges Leben als ein Gut (als Besitz) hätten. Aber es gibt kein „Leben“ ohne ein dazugehöriges Wesen. Wenn ich ein Leben habe, dann des-halb, weil ich eine Person bin, denn eine Person lebt. Chris-ten sind als Menschen in sich selbst eigentlich nicht wieder-geboren, sondern das Neue in ihnen ist der Christus, die Person Christi in ihnen. Was in mir lebt, ist nicht „Ich“. „Ich“ bin ein Parasit, „ich“ habe keine eigentliche Existenz – auch nicht als Christ. Ich habe Christi Leben. Ich bin gleich-sam ein Parasit, der sich an Christus klammert, und dadurch wird sein Leben mein Leben.

    Es gibt Gläubige, die herumlaufen, als ob sie in sich neue geistliche Existenzen wären; aber sie pflegen dieses Leben nicht und wissen nicht, dass sie geistlich halb krank herum-laufen, weil sie ihre Beziehung zu Christus nicht nähren. Sie meinen, sie würden schon irgendwie an Bord gehalten, wenn sie sich zu einer guten Gruppe von Gläubigen halten und sich zweimal in der Woche versammeln, am Frühstückstisch die Losung lesen oder ihre „stille Zeit“ halten. Aber während des Tages denken sie kaum an Christus. Sie denken an die Welt, denken an sich selbst.

    Die Fragen, die wir uns stellen müssen, sind: Wo sind meine Gedanken? Wo sind meine Interessen? An was binde ich mich innerlich? Worin finde ich meine Freude? –

    Ich bin nicht in mir eine neue Existenz. Würde ich meine Beziehung zu Jesus Christus nicht nähren, hätte ich kein Leben in mir! Ich habe ja nur deshalb Leben, weil ich – wie ein Parasit – an Christus hänge, an seinem Leben.

    Jesus sprach vom Weinstock und den Reben (Johannes 15). Ich habe nur insofern „neues Leben“, als durch den Glauben die Verbindung zu Christus erhalten wird. Wenn der Kanal des Lebensstromes offengehalten wird und das „Wasser“ des Christus durch Wort Gottes und Gebetsverbindung in mir fließen kann, nur in diesem Maße ist der Strang des Lebens gesund. In dem Maße, in dem dieses nicht vorhanden ist, ha-be ich nicht Leben.

    Paulus spricht also nicht von einem geistlichen Leben, das er nebst Christus hat. Christus ist sein Leben. – Und Christus ist mein Leben. Und wenn dieses der Fall ist, habe ich Kraft, der Sünde zu widerstehen, zu predigen, Zeugnis abzulegen, für Jesus Christus zu leben. Er ist mein alles! Alles ist in Christus „eingepackt“. Alles, was ich brauche, ist er! Brau-che ich Leben? – Christus ist die Antwort. Brauche ich Mut, Gerechtigkeit, Sauberkeit, Heiligkeit, Freude, Kraft? Die Antwort auf alles ist: Christus!

    – H. Jantzen (Erg. T. Jettel). Fortsetzung in der nächsten Nummer.

Gebet / Dienste

9. 9. Saland  16.9.: Hohentengen  20.-23. 9.: Espelkamp

24.-28. 9.: Bad Driburg 

30. 9. u. 7. 10.: Hohentengen            8.-12. 10.: Höningen

Zusammen mit dem überarbeiteten NT von H. Jantzen soll auch das AT herausgegeben werden. Dazu braucht es noch Zeit, Kraft und Gebet. Danke für alle Fürbitte!


 

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In „Unterwegs notiert” geben wir (seit 1999) Gedanken weiter, die im geistlichen Gespräch oder im Dienst am Wort eine Hilfe sein können. Die Zustellung ist unentgeltlich. Frühere Nummern können bei www.sermon-online.de heruntergeladen werden. Hrsg. Th. Jettel ([email protected] Breitistr. 58, CH-8421 Dättlikon; +41 52 3010215). Mitarbeit von H. Jantzen (Kanada; +1 587 343 0017). Beiträge zum Inhalt bitte an den Herausgeber. Inhalte dürfen vervielfältigt werden. (Bankverbindung: Thomas Jettel, IBAN: DE73 684922000001462814) Zur Erleichterung des Versandes bitte E-Mail-Adressen dem Herausgeber bekannt geben. Wer das Blatt nicht mehr erhalten möchte, darf es ohne weiteres abbestellen.