Prof.
Dr. Werner Gitt
Ein
Auszug aus dem Buch: „Fragen, die immer wieder gestellt werden“
16.
Auflage
Die
Methode der Kreuzigung wird im AT nicht direkt erwähnt, wohl aber werden
mehrere Details prophetisch genannt, die allein auf die Kreuzigung zutreffen
wie z. B. in Psalm 22, 17: „Sie haben meine Hände und Füße durchgraben.“ Paulus
bezieht die alttestamentliche Aussage „Ein Aufgehängter ist verflucht bei Gott“
(5. Mose 21, 23) auf den gekreuzigten Jesus (Galater 3, 13). Die von den
Persern übernommene Hinrichtungsart galt bei den Römern als die „grausamste,
entsetzlichste“ (Cicero) und „schändlichste“ (Tacitus). Das Kreuz
lag im Plan Gottes; Jesus „erduldete das Kreuz und achtete der Schande nicht“
(Hebräer 12, 2). „Er ward gehorsam bis zum Tode, ja zum Tode am Kreuz“
(Philipper 2, 8). Ob eine andere Methode des Todes – etwa durch Steinigen,
Enthaupten, Vergiften, Ertränken – auch denkbar wäre, ist durch die Analogie
von Fall und Erlösung auszuschließen: An einem Baum (1. Mose 2, 17: Baum
der Erkenntnis) kam die Sünde in die Welt; an einem Baum musste sie
getilgt werden: Das Kreuz von Golgatha ist der Baum des Fluches
(Galater 3, 13): Jesus stirbt ehrlos und aus jeder menschlichen Gemeinschaft
ausgeschlossen: Er ist verflucht. Das Mosegesetz spricht über den Sünder den
Fluch aus. Dieser liegt seit dem Sündenfall auf allen Menschen. Jesus hat den
Fluch Gottes über die Sünde an unserer Statt auf sich genommen. Das Wort vom
Kreuz ist nun die befreiende Botschaft für alle Menschen, die durch ihre Sünde
prinzipiell unter dem Fluch stehen. Papst Johannes Paul II bezeichnete
Auschwitz einmal als das Golgatha des 20. Jahrhunderts. In diesem Sinne gibt es
heute eine theologische Richtung, die Jesus in Solidarität sieht mit anderen
Leidenden, Gefolterten und Ermordeten, die wie er gelitten haben und eines
grausamen Todes gestorben sind. Aber: Der Kreuzestod Christi darf nie und
nimmer mit dem Tod anderer Menschen, sein Kreuz auch nicht mit den vielen
anderen Kreuzen, die um Jerusalem oder Rom standen, verglichen werden. Es hat,
weil es das Kreuz des Christus, des Gottessohnes ist, eine andere „Qualität“
als alle anderen Kreuze. Er durchlitt nicht nur die Ungerechtigkeit der
Mächtigen in dieser Welt, sondern als einziger den Zorn Gottes über die
Sünde. Nur er allein war das Opferlamm, das stellvertretend „für viele“ das
Gericht Gottes trug. „Das Wort vom Kreuz“ (1. Korinther 1, 18) ist seitdem das
Zentrum aller christlichen Verkündigung. Paulus hat darum nur eines
mitzuteilen: „allein Jesus Christus, den Gekreuzigten“ (1. Korinther 2, 2). A.
L. Coghill zeigt uns die Kreuzesbedeutung in einem bekannten
Erweckungslied:
„Wer
Jesus am Kreuze im Glauben erblickt, wird heil zu derselben Stund; drum blick
nur auf ihn, den der Vater geschickt, der einst auch für dich ward verwundt.“