Prof. Dr. Werner Gitt

Ein Auszug aus dem Buch: „Fragen, die immer wieder gestellt werden“

16. Auflage

 

Was machte Jesus mit den Mücken und Bremsen? Hat er sie erschlagen?

 

Von Albert Schweizer ist das bekannte Wort von der „Ehrfurcht vor dem Leben" geprägt worden, das - würde es konsequent auf den Menschen angewandt - verhindern würde, dass es weltweit jährlich 80 Millionen Abtreibun­gen gibt. Schweizer zog den Bogen jedoch weiter und ver­suchte, nie auf ein Insekt im Urwald zu treten. Im Hinduis­mus darf ebenso grundsätzlich kein Tier getötet werden, weil man glaubt, ein Mensch könne nach seinem irdischen Tod in irgendeinem beliebigen Tier weiterleben. In Konse­quenz daraus gibt es in Indien achtmal so viel Ratten wie Menschen. Der Nahrungsbedarf dieser Ratten wird zum unlösbaren Problem; der angerichtete Schaden ist unbe­schreiblich. Das biblische Gebot „Du sollst nicht töten" (2. Mose 20, 13) bezieht sich ausschließlich auf den Menschen. Für die Tiere gilt dieses Gebot nicht, denn sie sind dem Menschen ausdrücklich als Nahrung erlaubt (1. Mose 9, 3). Auch die Verschärfung des Tötungsverbots durch Jesus in der Bergpredigt (Matthäus 5, 21-26) wird keinesfalls auf die Tier­welt ausgedehnt.

 

Die oben gestellte Frage rückt Jesus in eine hinduistische Verhaltensweise oder in Verhaltensmuster von Albert Schweitzer und Franz von Assisi, der sich Strafen auferlegte, wenn er auf ein Insekt getreten hatte. Den rechten Umgang mit der Tierwelt zeigt uns Gott in der Bibel. In der ursprüngli­chen Schöpfung stand alles unter dem Urteil: „Und siehe da, es war sehr gut" (1. Mose 1, 31). Es gab somit keine Krank­heiten, keinen Tod, keine schädlichen Insekten und keine gefährlichen Tiere. Mit dem Sündenfall kam es zu einem tiefen Einbruch auch in die Tierwelt, der von Tierart zu Tier­art mit deutlich graduierten Unterschieden markiert ist. So gibt es die Kategorie von reinen und unreinen Tieren (1. Mose 7, 2). Es wird weiterhin zwischen bösen (3. Mose 26, 6) und nütz­lichen Tieren unterschieden, wobei der Schutz der letzte­ren sogar in den Zehn Geboten Gottes verankert ist (2. Mose 20, 10+17). In 5. Mose 25, 4 wird dem Ochsen, der beim Dreschen eingesetzt ist, von Gott das Futterrecht des Brot­getreides eingeräumt. Andere Tiere verloren mit dem Sün­denfall ihre ursprünglich positive Rolle bezüglich des Men­schen und wurden zu ausgemachten Schädlingen. Insbeson­dere nennt die Bibel Heuschrecken, Käfer, Raupen, Frö­sche und Ungeziefer, die in ihrem massenhaften Auftreten zum Gericht Gottes werden (2 Mo 10,12; Psalm 78, 45-46; Psalm 105, 30-34; Joel 2, 25; Amos 4, 9). Ebenso verkörpern Schlan­gen und Skorpione feindliche Mächte, vor denen Gott be­wahren kann (4. Mose 21, 8-9; Lukas 10, 19) oder die in Gerichts­situationen Gewalt über den Menschen bekommen (4. Mose 21, 6; 1. Könige 12, 11).

 

Die meisten Krankheiten werden durch Mikroorganismen (Viren, Bakterien, Parasiten) verursacht. Wenn Jesus alle Krankheit heilte (Matthäus 4, 23), dann tötete er damit auch diese den Menschen bedrohenden und schädlichen Lebewesen. Wir zeichnen ein falsches Bild von Jesus Christus, wenn wir ihm eine unrealistische Einschätzung dieser gefallenen Schöpfung unterstellen. Zerstörerischen Mächten wie Wind und Wellen (Matthäus 8, 27), Krankheit und Tod (Matthäus 8, 3; Johannes 11, 43-44), Dämonen und bösen Geistern (Lukas 11, 14) gebie­tet er in seiner Vollmacht. Jesus kam als Sohn Gottes und zugleich als Mensch zu uns. Er „ward gleich wie ein ande­rer Mensch und an Gebärden als ein Mensch erfunden" (Philipper 2, 7), d.h., er war damit allen Situationen ausgeliefert wie jeder andere Mensch und somit auch der Plage von Moskitos, Mücken, Bremsen und Fliegen. Die Bibel berich­tet nirgends explizit, wie er damit umgegangen ist. Aus dem oben Gesagten können wir dennoch annehmen, dass er sie sowohl verjagt als auch getötet hat.