Wilfried Plock
02.08.1995
Das Thema heute Abend soll
heißen: Gesetz und Gesetzlichkeit. Wir wollen anhand der Juden und ihrer
Gepflogenheiten dieses Thema angehen. Ihr wisst alle, dass den Juden das Gesetz
durch Gott mittels Mose gegeben war und dass sie aber zu diesem Gesetz viele
menschlichen Gebote, Regeln, Satzungen und menschliche Gesetze hinzugefügt
haben. Wie und warum es dazu kam – damit wollen wir uns heute abend
beschäftigen; dabei auch die Gefahren sehen, die damit verbunden sind, wenn wir
uns so verhalten würden wie die Juden es getan haben – und was wir dem
entgegensetzen wollen. Wir werden dabei auch mindestens zwei Schriftabschnitte
näher betrachten, die ich zu gegebener Zeit nenne.
Im NT fällt uns auf, dass wir
öfters einen Konflikt zwischen unserem Herrn Jesus und den Juden vorliegen
sehen – vor allen Dingen zwischen Jesus und den Pharisäern. Das zeigen ja die
Evangelien ganz klar und zeigen auch wie sich dieser Konflikt gegen Ende hin
dann immer mehr steigert. Und dieser Konflikt zwischen Jesus und den Pharisäern
hat sich hauptsächlich an der Stellung zum Gesetz entzündet. Zum Gesetz des AT
und zu dem was die Juden daraus gemacht haben. Jetzt müssen wir einmal in der
Geschichte noch ein paar Jahrhunderte zurückgehen. Ein paar Jahrhunderte in die
Zeit des AT. Wir nehmen gerade das Buch Daniel durch. Im Buch Daniel wird uns
das Volk Israel in der babylonischen Gefangenschaft gezeigt. Die Babylonische
Gefangenschaft ging eines Tages zu Ende, und unter Kyrus durften die Juden
wieder in ihr Land zurückkehren. Unter Esra und Nehemia kommen sie dann zurück
und bauen auch wieder den Tempel auf und dann haben sich einige der
gottesfürchtigen Juden hingesetzt und haben die Frage bewegt: warum mussten wir
als Volk Gottes in die babylonische Gefangenschaft? Warum kam dieses Gericht
unseres Gottes über uns und warum hat er
uns in die Hände unserer Feinde gegeben? Das war gut, dass sie darüber
nachgedacht haben, dass sie endlich so weit waren, sich darüber Gedanken zu
machen, warum musste denn Gott diesen Weg mit uns gehen? Das ist auch bei uns
gut, wenn uns irgendetwas widerfährt, dass wir uns Gedanken machen, was will
der Herr mir sagen? Ob es etwas Gutes, Schönes, Erfreuliches ist, oder auch
wenn es Misserfolg und Versagen ist – was will der Herr dadurch sagen? Das musste ich mich in der letzten Zeit auch einige
Male fragen, wo so manche Sachen daneben gegangen sind – Sachen kaputt gegangen
sind, usw. Immer wieder taucht dann die Frage auf, was will der Herr dadurch
sagen? Die Antwort, welche die Juden damals fanden,
war meines Erachtens die richtige Antwort. Sie erkannten, der Grund warum Gott
sie in die babylonische Gefangenschaft hatte wegführen lassen war
Nichtbeachtung des Gesetzes. Das hatte ihnen doch Gott im Gesetz – in den fünf
Büchern Mose klipp und klar angekündigt – vor allen Dingen in diesem einen
Kapitel 5. Mose 28 Segen und Fluch – da geht es nur darum, dass Gott sie sehr
als Volk segnen wollte, wenn sie sich an seinen Ordnungen halten. Und dass aber
große Gerichte über sie kommen würden, wenn sie das Gesetz verachten würden und
ungehorsam wären. Und so erkannten sie: Nichtbeachtung des mosaischen Gesetztes
bringt uns unter Gottes Fluch, unter Gottes Gericht, unter Gottes Zorn. Und
diese Erkenntnis führte sie dahin, dass sie sich ganz neu mit dem Gesetz mit
der Thora Gottes beschäftigt haben. Das sie diese ernstgenommen haben, dass sie
geforscht haben, was will denn Gott von uns als Volk? Wie können wir seinen
Willen tun und wann übertreten wir seine Gebote und wie können wir uns davor
schützen? Und so entstand nach der Rückkehr aus dem Exil zur Zeit des Esra eine
Schule in Israel, und zwar die Schule der Sopherim. Das ist ein hebräisches
Wort, der Singular heißt Sopher. Sopher ist ein Schriftgelehrter. Die Sopherim
waren Schriftgelehrte – da entstand die Schule der Schriftgelehrten. Im NT
lesen wir doch oft von den Schriftgelehrten und Pharisäern. Diese Schule
entstand nach der Rückkehr aus dem babylonischen Exil. Und diese Sopherim nahmen
jedes dieser 613 Gebote des mosaischen Gesetzes und erforschten es genau, gaben
dazu Auslegung, Erklärung, machten Exegesen sage wir heute – also sie legten,
aus was das Gebot bedeutet und wie es gehalten werden kann und wie es gebrochen
werden kann. Dadurch wollte man dem Volk helfen die Gebote zu halten und eine
zweite babylonische Gefangenschaft zu verhindern. Das war das ursprüngliche
Motiv – ein gutes Motiv, gut gemeint, geboren aus dieser Not der 70 jährigen
Gefangenschaft. Jetzt wollten sie eine zweite solche Heimsuchung Gottes mit
Gericht und Gefangenschaft verhindern. Als die erste Generation der Sopherim
gestorben war, nahm die zweite Generation ihren Auftrag noch ernster. Sie
sagten, wir müssen einen Zaun um die 613 Gebote machen. Wenn wir hier das
Gesetz haben mit den 613 Einzelgeboten der Mosebücher 2-5, das nennt man das
Gesetz – Die Thora. Und das sagten die Sopherim, wir müssen um dieses Gesetz
noch einen Zaun machen, damit es nicht gebrochen wird. Und dann fingen sie an,
noch einige Gebote und Regeln herumzubauen, damit man schon durch diesen
äußeren Zaun aufgehalten wird und nicht durchbricht und das Urgesetz bricht.
Das war die Motivation, das war der Sinn. Sie wollten noch einen Schutzzaun
außen herumbauen, damit man nicht die wirklichen Gebote bricht, denn davor
hatten sie inzwischen Respekt, sie dachten, dann kommt wieder das Gericht über
uns, und wir müssen wieder in irgend eine Gefangenschaft marschieren. Aber
durch diesen Zaun kamen neue Regeln zum alttestamentlichen Gesetz hinzu. Und diesen
Zaun, den die Sopherim bauten, nennt man die rabbinischen Gesetze – oder die
Gesetze vom Zaun. Alles das was ich hier sage weiß ich von Arnold Fruchtenbaum
– wir Europäer sind da hoffnungslos aufgeschmissen, da brauchen wir einen
Juden, oder überhaupt Juden die sich damit über Jahre beschäftigt haben, die
das studiert haben und Arnold Fruchtenbaum hat da eine ganz wunderbare Arbeit
gemacht, und ich habe Vorträge von ihm verwendet und zu Grunde gelegt. Also sie
bauten einen Schutzzaun außen herum und ihr Ansatz war, ein Jude könnte die
Gesetze des Zaunes brechen, aber das würde ihn dann hindern noch weiter zu
gehen und das Urgesetz zu brechen. Es war ein gut gemeinter Ansatz, den wollen
wir nicht verachten wir wollen sehen, die Motivation war, Achtung, Respekt,
Ehrfurcht vor dem Gesetz Gottes – vor der Heiligkeit der göttlichen Befehle.
Sie wollten ein neuerliches Gericht verhindern. Und ihr Prinzip war, ein Sopher
(ein Schriftgelehrter) kann eine andere Meinung haben als ein anderer Sopher,
aber er darf nicht eine andere Meinung haben als das Gesetz – die Thora, die
Thora ist heilig. Ist dieser Ansatz richtig, ist er gut? – Er ist gut und
wunderbar, den sollten wir auch haben. Wir unter uns können verschiedene
Erkenntnis haben und die haben wir ja auch. Wir haben nicht in allen Frage die gleiche Erkenntnis – noch nicht. Das ist in
Ordnung, aber hoffentlich ist es unser Anliegen, dass wir mit der Schrift
übereinstimmen. Wir müssen nicht unbedingt alle übereinstimmen, aber mit der
Schrift sollte jeder von uns übereinstimmen – das ist unser Bezugspunkt. Nicht
der Nachbar neben uns, sondern in erster Linie die Schrift. Wo ist aber jetzt
der Fehler an diesem Vorgang, der da geschah? Gott gab Mose die 613 Gebote –
das war das Gesetz, die Thora. Das Gesetz war heilig. Aber als die Rabbiner
anfingen hunderte- und später noch Tausende von neuen Gesetzen hinzuzufügen, da
bekam das eine Eigendynamik. Da trat das eigentliche Gesetz immer mehr in den
Hintergrund und die vielen Regeln – die vielen Ausführungsbestimmungen traten
immer mehr in den Vordergrund. Irgend wann ist man von
dem Eigentlichen so weit weg, dass man sich verheddert in dem Gestrüpp und
Geäst der vielen Regeln um die man sich kümmern muss, dass man kaum noch zu dem
eigentlichen durchdringt. Und das passierte dann auch. Ich will das an einem
Beispiel deutlich machen. Bitte schlagt mal mit mir 2. Mose 23, 19 auf. Da
steht ein alttestamentliches Gebot – ich glaube das kennen wir alle. Es ist
keines der 10 Gebote, aber ich glaube das haben wir alle schon gehört und
kennen das. Aber ich glaube nicht dass wir alle wissen wie es eigentlich
gemeint war. Da steht am Schluss dieses Verses: ... du sollst ein Böckchen
nicht in der Milch seiner Mutter kochen. Eines der 613 Einzelgebote des
mosaischen Gesetzes. Habt ihr das schon einmal gemacht? Wahrscheinlich nicht –
ist auch gar nicht unser Anliegen – wie kämen wir dazu? Aber was ist der
Hintergrund dieses Gebotes? Warum verbietet Gott das seinem Volk Israel? War
Israel in der Gefahr so etwas zu tun? Oh ja – warum? weil Israel umgeben war
von den heidnischen Völkern, vor allem von den Kanaanitern und die hatten eine
solche Unsitte – ein solches Gräuel. Das kam in der kanaanitischen
Baalsreligion vor. Das war ein Fruchtbarkeitskult. Wenn da eine Ziege ihr
Erstgeborenes geboren hatte, dann hat man das von der Mutter weggenommen, hat
Milch von der Mutter genommen und dann das Böcklein in der Milch seiner Mutter
gekocht und dann als Fruchtopfer den heidnischen Göttern geopfert Das sollte
einen Fruchtbarkeitsritus darstellen und Fruchtbarkeit im Volk auslösen. Da gab
es viele seltsame Riten in den heidnischen Völkern – das war eine davon. Und
weil das die Kanaaniter gemacht haben, hat Gott seinem Volk Israel gesagt, so
etwas sollt ihr nicht tun. Wir haben eine ganze Reihe Tierschutzgebote im Alten
Testament. Und er sagt hier, das sollt ihr nicht tun – er verbietet das seinem
Volk. Wann gab Gott dem Mose dieses Gebot? Grob gesagt, 1400 vor Christus haben
sie dieses Gebot bekommen. Inzwischen sind wir bei den Sopherim – tausend Jahre
später im Jahr 400 vor Christus. Gab es inzwischen noch Kanaaniter? Nein, die
waren schon lange von der Landkarte verschwunden, waren aufgerieben und
überhaupt kein Thema mehr. Und auch nicht ihre gräulichen heidnischen Sitten,
die sie da hatten. Und so haben die Sopherim den Hauptgrund dieses Gebotes
nicht gekannt. Das war nicht aktuell bei ihnen. Das war in Vergessenheit
geraten, das wussten sie nicht, warum Gott damals dieses Gebot gegeben hatte.
Und so stellten sie sich die Frage, als sie dieses Gebot studierten, als sie
sich Gedanken darüber gemacht haben, wie können wir es halten, wie werden wir
bewahrt, dass wir es ja nicht brechen? Da haben sie gefragt, wie können wir
sicher sein, dass wir niemals ein Böcklein in der Milch seiner Mutter kochen?
Dann sagten sie, wenn man ein Stück Fleisch isst – mittags vielleicht –und
trinkt dazu ein Schlückchen Milch, dann besteht doch die Möglichkeit, dass
diese Milch von der Mutter dieses Stück Fleisches gekommen ist. Und wenn man
das dann zusammen verschluckt, dann wird es quasi im Magen verarbeitet, wie
gekocht und dann hat man schon das Böcklein in der Milch seiner Mutter gekocht
– und das Gebot übertreten. Wir müssen da lächeln, diese Gedanken sind uns
fremd, aber es ist gut, wenn wir das einmal hören, wie die Juden denken, das
ist jetzt erst der Anfang. Das geht gleich noch weiter, es wird sich noch
steigern – dass wir denken und verstehen können, wie sie da hineingekommen sind
– in diese Gesetzlichkeiten. Es hatte ursprünglich einen guten Ansatz, sie wollten
Gottes Willen tun, haben sich dann aber verstiegen in Schutzklauseln und Zäunen.
Also daraus haben sie dann ein Grundgesetz abgeleitet – man muss fleischige und
milchige Nahrung völlig von einander trennen – Trennkost in dieser Weise. Und
wo das dann in einer Küche praktiziert wird, da nennt man das dann koschere
Küche. Bis zum heutigen Tag ist es unter den orthodoxen Juden in der ganzen
Welt Sitte, fleischige und milchige Nahrung zu trennen. Es gibt liberale Juden,
die scheren sich da überhaupt nicht darum, aber unter den orthodoxen ist das
bis auf den heutigen Tag so der Fall. Und so gibt es Restaurants in Israel, da
kann man nur milchig essen und andere, wo man nur fleischig essen kann. Es gab
einmal in Jerusalem ein Restaurant, da konnte man beides essen, aber da war das
Restaurant auf zwei Stockwerke verteilt. So wie wenn jetzt hier die
Milchspeisen wären und oben drüber dann die Fleischspeisen. Da wurde genau
geschaut, dass da keine Leute während dem Essen hinauf oder hinunter gehen –
damit das ja getrennt ist. Die Sorge der Sopherim ging noch weiter. Sie sagten:
stellen wir uns einmal vor, man hat zu Mittag milchig gegessen – Käse usw. Und
auf dem Teller, den man benutzt hat, da
ist jetzt noch ein Stückchen Käse darauf. Der Teller wird zwar gewaschen, aber
man war nicht so gründlich beim Waschen und da ist doch noch ein Krümelchen
Käse darauf. Und am Abend isst man fleischig. Und jetzt isst man von dem selben Teller Fleisch und da klebt noch ein
Käsestückchen am Teller und zusammen verschluckt man das und so wird es im
Magen gekocht. Und es könnte ja theoretisch sein, dass das Fleisch von dem Kind
und der Käse von der Mutter stammt und so hat man
wieder das Böcklein in der Milch seiner Mutter gekocht. Und so hat man ein
zweites Gesetz abgeleitet, um auch das auszuschließen. Man muss zweierlei
Geschirr benutzen. Geschirr für Milchprodukte, und Besteck und Geschirr für
Fleischprodukte. Bis zum heutigen Tag haben alle orthodoxen Juden zwei
verschiedene Geschirre im Schrank und zwei verschiedene Sorten Besteck. So ging
das weiter und weiter und Hunderte und Tausende von neuen Geboten haben sich
entwickelt. Wir haben ja jetzt nur mal
dieses eine betrachtet – mit dem Böckchen und der Milch. Da stehen ja noch
viele andere und zu denen wurden auch wieder solche Zusatzgesetze im Lauf der
Jahrhunderte entwickelt. Die Sopherim haben gründliche Arbeit geleistet und
zwar etwa 450 v. Chr. bis zum Jahr 30 v.Chr. Das ist die Zeit der Sopherim die
das gemacht haben und sich manchmal ihr ganzes Leben damit beschäftigt haben um
sicher zu gehen, dass ja nicht das Gesetz übertreten wird. Und dann kam nach
den Sopherim eine zweite Schule, das waren die Tannaim. Tannaim, ein
Mehrzahlwort – die Einzahl heißt Tanna und heißt auch Lehrer. Diese Tannaim
beobachteten die Arbeit der Sopherim und sagten, ja die Sopherim haben das ja
ganz gut gemacht, die haben da einen Zaun um das Gesetz gebaut, aber in diesem
Zaun sind viel zu viel Löcher. Da können noch viel zu viele Leute
durchschlüpfen, den Zaun müssen wir enger machen. Da müssen wir noch viel
sorgfältiger sein, dass das Gesetz nicht übertreten wird. Und so haben sich die
Tannaim daran gemacht und haben weiter Auslegungen geschrieben und weiter
Gesetze hinzugefügt, damit die Löcher im Zaun gestopft werden. Und ihr Prinzip
war: ein Sopher kann anderer Meinung sein, wie ein anderer Sopher, aber nicht
verschieden zur Thora. Und jetzt hatten die Tannaim das Prinzip, ein Tanna kann
eine andere Meinung haben wie ein anderer Tanna, aber nicht wie ein Sopher.
Versteht ihr was jetzt passiert? Sie haben nicht gesagt, ein Tanna kann eine
andere Meinung haben wie ein anderer Tanna, aber Hauptsache er stimmt mit der
Thora überein. Sie haben gesagt, Hauptsache er stimmt mit dem Sopher überein –
mit der Zwischenstufe. Und so haben sie sich von dem Wort Gottes entfernt. Das
würde heute bedeuten, entschuldigt wenn ich das jetzt so sage, wenn ein
Katholik heute sagen würde, ich als Katholik darf eine andere Meinung haben wie
ein anderer Katholik, aber Hauptsache wir glauben das gleiche wie unser Priester.
Statt zu sagen, Hauptsache wir stimmen mit dem Wort Gottes überein, sondern
Hauptsache wir stimmen überein mit der Zwischenstufe. Und die Zwischenstufe
waren hier die Sopherim. Und das war verhängnisvoll - dieses Prinzip der
Tannaim. Hier nimmt das ganze eine wirklich negative, verhängnisvolle Richtung
an. Schon vorher war das nicht ganz rein, was die Sopherim gemacht haben, aber
jetzt stürzt das ganz arg negativ ab. Der Bezugspunkt war nicht mehr das Wort
Gottes, sondern eine zuvor erstellte Menschenmeinung über das Wort Gottes. So
wurden neue Gesetze abgeleitet, die dann in der Praxis gleichbedeutend mit der
Schrift waren - manchmal noch wichtiger als die Schrift. Aber damit noch nicht
genug, die Tannaim haben eine verhängnisvolle Lehre entwickelt, an die bis
heute noch alle orthodoxen Juden glauben. Sie lehren nämlich, Mose habe am Berg
Sinai nicht nur ein Gesetz von Gott empfangen – dieses mit den 613 Geboten,
sondern er habe dort zwei Gesetze empfangen. Ein schriftliches, das er
niedergeschrieben hat, die 613 und dazu noch ein mündliches Gesetz das er nicht
niedergeschrieben hätte, sondern das er sich eingeprägt hätte, was er memoriert
hat, und was Mose dann weitergegeben hätte an Josua und Josua an die Richter
und die Richter an die Propheten und die Propheten an die Sopherim und die
Sopherim an die Tannaim. So haben sie das legalisiert, was sie gemacht haben,
und haben gesagt, das was wir jetzt hier langsam schriftlich zu Papier bringen,
das ist nichts anderes als die von Mose weitergegebene mündliche Lehre, das
mündliche Gesetz. So haben sie das nachträglich legalisiert, indem sie gesagt
haben, das ist nicht unsere Erfindung, das ist Moses mündliches Gesetz das wir
jetzt hier haben. Und deswegen haben sie dem einen so hohen Anspruch gegeben
und haben gesagt, das ist gleichbedeutend mit dem Schriftlichen – das kommt
auch von Mose. Und das war natürlich ganz verhängnisvoll. Die Sopherim haben
die Gesetze ausgelegt aber nicht weiterentwickelt! Sie haben sie zunächst
einfach gehalten. Aber die Tannaim haben die Gesetze weiterentwickelt und noch
verschärft. Und diese Tannaim lehrten von 30 v. Chr. bis 220 nach Chr. Das ist
wichtig für uns zu wissen. Als unser Herr Jesus in Israel lebte und wirkte und
Begegnungen mit den Juden, Pharisäern und Schriftgelehrten hatte, das war das
Zeitalter der Tannaim. Und Paulus war ein Tannaim. Er war vor seiner Bekehrung
ein Gesetzesgelehrter zu Füßen von Gamaliel. Man kann das auch an einem
Ausdruck im Galaterbrief erkennen, aber das würde jetzt zu weit führen. Aber es
ist ganz sicher, Paulus war in dieser Zeit in der Schule der Tannaim. Und dann
kam nach den Tannaim noch eine dritte Schule von Rabbinern und die hießen
Amoraim. Amoraim ist auch ein Pluralwort und kommt von Amora. Das ist ein
aramäisches Wort, also ein syrisches Wort und das heißt ebenfalls Lehrer. Und
so wurde diese dritte Schule Amoraim genannt – auch wieder Lehrer,
Schriftgelehrte, Rabbiner – das meint immer alles das selbe,
das sind jüdische Theologen. Und sie schauten auf die Lehre von den Tannaim und
sagten, na, ihr lieben Tannaim, ihr habt ja euch ja
viel Mühe gegeben, aber da sind noch viel zu viele Löcher im Gesetz. Durch
euren Zaun schlüpfen noch viel zu viele Leute durch – den müsst ihr noch viel
enger machen. Diesen Ansatz kennen wir jetzt schon, und so wurde ein dritter
Zaun um das Gesetz gebaut, um das eigentliche, von Gott gegebene Gesetz –
inzwischen vielleicht nicht mehr nur aus der heiligen Sorge, dass kein Gericht
Gottes in Form einer babylonischen Gefangenschaft kommt. Die war inzwischen schon
lange passe´, denn inzwischen waren schon die Römer im Land und sie waren
besetzt und dominiert von den Römern. Ich glaube nicht dass sie Sorge hatten,
von den Römern deportiert zu werden, denn das war nicht die Politik der Römer.
Die Römer haben besetzt und okkupiert. Aber trotzdem haben sie einen weiteren
Zaun um das Gesetz gezogen. Und die Amoraim haben an diesem Zaun Jahrhunderte
weitergearbeitet, bis ins 16. Jahrhundert nach Christus, indem weitere
Auslegungen, Regeln und Bestimmungen dem Gesetz hinzugefügt wurden. Wir werden
gleich sehen was das für einen Umfang angenommen hat. Aber zunächst fragen wir,
was hatten sie für ein Prinzip? Wir können schon ihren Grundsatz bei ihrer
Arbeit ahnen. Sie sagten, ein Amora kann eine andere Meinung haben, wie ein
anderer Amora, aber Hauptsache er stimmt mit einem Tanna überein. Wieder das selbe wie vorher. Sie kamen überhaupt nicht mehr auf die
Idee zu sagen, Hauptsache wir stimmen mit dem Wort Gottes überein, mit dem
mosaischen Gesetz, mit dem AT. Das war schon in weite Ferne gerückt –
Hauptsache, wir stimmen überein mit dem Tanna. Denn das hatten sie in den
Händen – die vielen Regeln der Tanna und die haben sie noch weiterverarbeitet.
Denn da gab es vielleicht noch scheinbare Widersprüche und Ungereimtheiten. Und
daran haben sie gearbeitet. Und so ging das immer weiter und es wurde immer
unübersichtlicher – wie manche Steuergesetze in Deutschland. Was die Sopherim
und die Tannaim zusammengestellt haben, das wird mit einem gut bekannten
Ausdruck benannt – die Mischnah. Das ist das Ergebnis der Sopherim und der
Tannaim. Die Mischnah hat 1500 Seiten. Ich habe hier einen Teil der Mischnah in
hebräisch, mit teilweise deutschen Erklärungen dazu
von der UNI Heidelberg. Und ich lese euch mal als Beispiel einen kleinen Abschnitt
aus der Mischnah vor. In diesem Buch geht es nur darum, wie Passah gefeiert
werden soll. Da gibt es ja einige Aussagen im AT und ihr seht was daraus
geworden ist, und hier geht es um die richtigen Passahregeln. Da heißt es z.B.
hier: wer das Passah schlachtet zu gesäuerten, der übertritt ein – du sollst
nicht tun. Rabbi Juda sagte, das gilt auch für das Tamit, Rabbi Simon sagte,
wer das Passah am vierzehnten für seine Bestimmung zu gesäuertem geschlachtet
hat, der ist schuldig. Aber nicht für seine Bestimmung, dann ist er frei. Und
was all die übrigen Opfer betrifft, sowohl für ihre
Bestimmung als auch für ihre Nichtbestimmung, so ist er frei und am Halbfest
für seine Bestimmung, so ist er frei und nicht für seine Bestimmung, so ist er
schuldig. Also, macht er es so, dann ist er frei, macht er es so, dann ist er
schuldig. Was all die übrigen Schlachtopfer betrifft,
sowohl für ihre Bestimmung, als auch nicht für ihre Bestimmung, so ist er
schuldig, ausgenommen das Sündopfer, das er nicht für seine Bestimmung
geschlachtet hat.
Und so geht das weiter –
schuldig, nicht schuldig, schuldig, nicht schuldig. Macht er sie, macht er es
an dem Tag, macht er es so – alles festgelegt in der Mischnah. 1500 Seiten –
das nennen wir Mischnah. Und was die Amoraim zusammengestellt haben, das nennt
man Gemorah, das ist ein Ausdruck, der kommt seltener vor. Das hat heute einen
Umfang, so groß wie die Enzyklopedie Britaannica – das kann ich mit meinen
Armen nicht umfassen. Dies weil fast 1000 Jahre daran gearbeitet wurde. Und
diese beiden zusammen – jetzt kommt wieder ein bekannter Ausdruck – das nennt
man Talmud. Der Talmud ist also ein Riesenwerk bestehend aus der Mischnah und
der Gemorah. Die ganze Arbeit dieser jüdischen Gelehrten über fast 2000 Jahre,
das ist der Talmud. Wenn wir also jetzt das neue Testament lesen, wenn wir
studieren, dann sollten wir im Hinterkopf haben, wir brauchen uns um die
Gemorah überhaupt nicht kümmern. Die hat mit dem NT nichts zu tun, die kommt da
nicht vor, weil sie ja erst nach 220 n. Chr. begonnen wurde. Aber wir haben im
neuen Testament mit der Mischnah zu tun, mit der jüdischen Mischnah. Und nach
der pharisäischen Theologie würde der Messias, den Israel erwartete natürlich
ein Pharisäer sein, ein gesetzestreuer Jude, der sich ganz an die Gesetze der
Mischnah hält. Die Pharisäer warteten auf einen Messias, auf einen Erlöser, auf
einen Juden der ganz gesetzestreu sein würde, das heißt, der sich auch an die
1500 Seiten der Mischnah halten würde. Die waren vielleicht damals noch nicht
ganz komplett, aber auf jeden Fall an das bis dahin bekannte Werk müsste sich
der Messias halten. Er würde an die Mischnah glauben und an ihre Gesetze und er
würde sich unter ihre Autorität unterordnen. So erwarteten sie den Messias.
So, nun kommt Jesus Christus
von Nazareth und tut Zeichen und Wunder und die Menschen sagen, er ist der
Messias. Und was interessiert die Pharisäer am meisten? Ordnet er sich unter
die Mischnah unter? Ist er wirklich ein ganz Gesetzestreuer? Einer der es so
genau nimmt wie wir, der sich an alle Gebot der Mischnah hält? Das hat sie
interessiert. Wenn er das nicht tut, kann er unmöglich der Messias sein. Also
im NT kommt das Wort Mischnah zwar nicht vor, aber die Sache selbst schon. Sie
wird im NT anders genannt. Kann jemand sich denken, welche Ausdrücke wir in den
Evangelien haben, die auf die Mischnah zurückgehen? Die „Überlieferung der
Väter“, oder „die Tradition der Väter“, bei Luther heißt es „die Aufsätze der
Ältesten“. Das alles meint die Mischnah – die Gesetze welche von den Sopherim
und Tannaim noch hinzugefügt waren zu den 613 einzelnen Geboten.
Unter den Mischnahgesetzen war
natürlich auch das Fasten. Das Fasten kommt ja im AT bei den 613 vor, also
haben sich die Gelehrten auch mit dem Fasten beschäftigt. Und das Fasten hat es
ihnen besonders angetan, den Juden. Das war eines der wichtigsten Gebote, dazu
hatten sie ganz viele Regeln. Z.B war es üblich, dass die orthodoxen Juden 2 mal in der Woche fasteten, nämlich an einem Montag und an
einem Donnerstag. Der Pharisäer im Tempel - der Pharisäer und Zöllner – der in
den Tempel kommt sagt, ich faste 2 mal in der Woche, d.h. ich bin ein Tannaim,
ein ganz Gesetzestreuer, ich halte mich an die Mischnah. Gott du musst doch mit
mir zufrieden sein.
Nun wollen wir einmal ins NT
gehen und so einen richtigen Konflikt oder Zusammenprall studieren, wo jetzt
die Erwartungshaltung der Pharisäer, der Rabbiner, der jüd. Theologen der
damaligen Zeit mit Jesus und seinem Erscheinungsbild aufeinander prallten. Lukas
5, 33-39 ... sie aber sprachen zu ihm, warum fasten die Jünger des Johannes oft
und verrichten Gebete, ebenso auch die der Pharisäer, die deinen aber essen und
trinken?
Die Jünger des Johannes haben
sich an die Mischnah gehalten, die haben oft gefastet – 2 mal
in der Woche und mehr. Und die Pharisäer taten das auch. Aber die Jünger Jesu
haben sich nicht daran gehalten. Das ist aufgefallen und jetzt stellen sie die
Frage, warum halten sich deine Jünger nicht an die Mischnah? Und jetzt kommt
eine Antwort Jesu die von vorneherein an Deutlichkeit nichts übrig lässt –
schon hier bei der ersten Begegnung macht er alles klar. Vers 34,35 gibt Jesus
eine vierfache Antwort. Ihr könnt doch nicht die Hochzeitsgäste fasten lassen,
während der Bräutigam bei ihnen ist. Jesus sagt, man kommt doch nicht zu einer Hochzeit
zum Fasten, sondern zum Feiern. Und er will damit sagen, jetzt ist Hochzeit –
der Bräutigam, der Messias ist da und jetzt ist keine Zeit zum Fasten. Jetzt
ist Grund zum Feiern. Und wenn wir die Evangelien anschauen, merken wir, dass
wir in der gesamten Zeit der öffentlichen Wirksamkeit kein Hinweis darauf
haben, dass Jesus in dieser Zeit gefastet hätte. Jesus hat viel gebetet aber er
hat vor seiner öffentlichen Wirksamkeit 40 Tage in der Wüste gefastet. Danach
haben wir keinen Hinweis darauf, dass er gefastet hätte. Das war Bräutigamzeit,
Zeit des Feierns – Jesus war da, er hat während der Zeit der öffentlichen
Wirksamkeit nicht gefastet und seine Jünger auch nicht. Dann Vers 36, geht
Jesus weiter und sagt, es werden Tage kommen und dann, wenn der Bräutigam von
ihnen weggenommen sein wird, in jenen Tagen werden sie fasten. Ich glaube, als
unser Herr gestorben war – am Kreuz, am Karfreitag und weggenommen wurde von
ihnen, glaube ich nicht, dass sie da groß gefeiert haben. Da war Fastenzeit, da
haben sie um ihn getrauert. Dann als er auferstanden war und sich als der
Lebendige gezeigt hatte, da war das auch wieder vorbei. Später im NT finden wir
das Fasten in einem anderen Zusammenhang, eben als Dienst- und
Konzentrationsfasten. Jetzt Jesu zweites Argument – das erste, jetzt ist
Hochzeit, keine Fastenzeit und damit will er sagen, ich bin der Messias – Vers
36 ein Gleichnis zu ihnen. Niemand schneidet einen Flicken von einem neuen
Kleid und setzt ihn auf ein altes Kleid, sonst wird er sowohl das neue zerschneiden,
wie auch der Flicken vom neuen zum alten nicht passen wird. Das ist ein
verständliches Bild für uns, man nimmt nicht ein neues Stück Stoff, um ein Loch
in einem alten Kleid zu flicken. Was würde da passieren? Ein altes Kleid ist
schon oft gewaschen worden und ist schon maximal eingeschrumpft. Und wenn da
jetzt ein Loch drinnen ist und ich neuen Stoff darauf nähe und das Kleid wieder
wasche, dann schrumpft der neue zusammen und zerreißt damit das alte Kleid. Und
damit will Jesus den Pharisäern etwas sagen und hier haben wir ein Gleichnis.
Das ist etwas schwieriger, als eine direkte Aussage. Wenn wir jetzt einen
Bibelgesprächskreis hätten, dann wäre ich sehr gespannt darauf, wie ihr das
deuten würdet, was Jesus hier sagen will. Jesus will hier deutlich machen, ich
bin nicht gekommen um die Löcher zu stopfen. Die Löcher in eurem Zaun, wo ihr
meint, dass immer noch Löcher da sind, dass ihr immer noch stopfen müsst an
eurer Mischnah. Dazu bin ich nicht gekommen. Der Hintergrund ist, die Löcher
des Gesetzes, die sie wähnten. Jesus sagt, in diese Linie stelle ich mich nicht
mit euch – da mach ich nicht mit. Das Gesetz ist gut so und braucht keine
weiteren Umzäunungen. Dann Vers 37 und 38 ein weiteres Gleichnis er sagt und
niemand füllt neuen Wein in alte Schläuche, sonst wird der neue Wein die
Schläuche zerreißen und er selbst wird verschüttet werden und die Schläuche
werden verderben. Sondern neuen Wein
füllt man in neue Schläuche. Uns ist das vertraut, dass das kein Mensch macht,
aber was wollte Jesus jetzt hier den Pharisäern entgegen halten, die brennend
interessiert waren zu seiner Stellung zur Mischnah? Darauf bezieht sich seine
Antwort in dieser Aussage. Jesus sagt, niemand tut neuen Wein in einen alten
Schlauch. Ein alter Schlauch ist maximal ausgedehnt. Neuer Wein hat erst
begonnen zu gären, neuer Wein dehnt sich noch aus. Und wenn man den in einen
alten Schlauch hinein tut der schon maximal gedehnt ist, dann zerreißt´s ihn.
Neuer Wein passt in neue Schläuche, denn dann dehnt
sich der Wein und der Schlauch, das geht. Was will Jesus mit diesem Bild sagen
er bringt das hier direkt aufeinander? Er will sagen, Leute ich bin nicht
gekommen, um meine Lehre in eure pharisäische Form hinein zu tun. In eure Form
von Sopherim und Tannaim und Mischnah usw. Diese Form ist brüchig, die hält das
nicht aus und würde zerreißen und das würde nicht zusammenpassen. Ich bringe
eine neue Lehre, die passt nicht in euer System – dass will Jesus hier deutlich
machen. Ich glaube seine damaligen Zuhörer, die Rabbiner und Pharisäer haben
ihn verstanden, die wussten was er meint.
Und dann sagt Jesus noch ein
viertes in Vers 39, und niemand will, wenn er alten getrunken hat, neuen, denn
er sagt, der alte ist milder. Hier sagt Jesus schon voraus, dass die Pharisäer das neue, den neuen Wein den Jesus
bringt, die Botschaft des Evangeliums verachten werden und am alten Wein des
Gesetzes festhalten werden. Das ist interessant, der alte ist milder – die
Botschaft des Gesetzes geht uns leichter und flüssiger hinunter, als das
Evangelium. Denn das Gesetz passt zu unserem Wesen – wenn da irgend so ein
Zarathustra kommt und so ein anderer Gesetzeslehrer kommt, der sagt, du sollst
und du musst und mach das, bring das, opfere das, das entspricht unserem alten
Wesen mehr, als wenn Jesus mit der Botschaft der Gnade kommt. Wir gehen noch
ein Stückchen weiter im Lukasevangelium. Wir haben jetzt die erste
Konfrontation gesehen, Jesus und die Pharisäer. Es geht um die Frage, wie steht
Jesus zur Mischnah – wird er sich unter die Autorität der Mischnah beugen oder
nicht? Und Jesus hat es nicht getan. Jesus hat sich voll und ganz zur Heiligen
Schrift, zum AT zum Gesetz und den Propheten gestellt. Er hat oft gesagt es
steht geschrieben und dann zitiert er die Mosebücher, die Propheten und
Psalmen, aber Jesus zitiert nie aus der Mischnah. Er zitiert nie aus den
jüdischen Schriften, er zitiert das Wort Gottes. Und das hat er dem Satan
entgegengehalten bei der Versuchung in der Wüste, nicht irgendwelche
hinzugefügten Menschenweisheiten aus der Mischnah. Gehen wir noch einen Schritt
weiter in Kap. 6 in Lk. gleich anschließend, dass ist ein Zusammenhang, da ist
bei uns eine Kapiteltrennung dazwischen, aber das bedeutet ja nichts. Hier geht
es jetzt um ein anderes großen Gebot, was zur Zeit
Jesu ganz oben stand. Man kann sagen, zwei Gebote überragten alle andern. Das
eine war das Fastengebot, und das andere war das Sabbatgebot. Die beiden hatten
ein solches Schwergewicht bekommen, dass sich fast alles darum drehte. Dass man
ja genug fastete und am Sabbat nichts machen würde, was nicht erlaubt war. So
hatte sich das entwickelt bis zur Zeit Jesu hin. Im AT
gibt es das Sabbatgebot, du sollst den Ruhetag heiligen. Aus diesem einen Gebot
hatten die Pharisäer, die Sopherim und die Tannaim inzwischen 1500 weitere
Gebote abgeleitet, daran gehängt, Zäune drum herum gebaut, dass ja niemand das
Sabbatgebot übertritt. Und so wurde das Sabbatgebot nach und nach das
wichtigste der Gebote des ganzen Gesetzes. Nicht mehr, ich bin der Herr dein
Gott, du sollst keine anderen Götter haben neben mir, oder, du sollst den Herrn
deinen Gott lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, mit deiner ganzen
Kraft. Das war in den Hintergrund gerückt, im Vordergrund stand, ja den Sabbat
halten und ja genug fasten. Zum Beispiel lehrten die Rabbiner über den Sabbat,
Gott schuf Israel nur zu dem Zweck den Sabbat zu halten. Das Volk Israel ist
nur geschaffen um den Sabbat zu halten – das war rabbinische Lehre. Im Denken
der Pharisäer wurde der Sabbat sogar zu einer Person, nämlich zur Königin und
zur Braut. Das kommt im Schriftgut vor, da wird der Sabbat gerade zu wie eine
Person angesprochen. Er wird als du angeredet und wie eine Königin oder Braut
angeredet. Wir lesen Lukas 6, 1 und es geschah am Sabbat, dass er durch die
Saaten ging und seine Jünger die Ähren abpflücken und aßen, indem sie sie mit
den Händen zerrieben. Und das haben einige der Pharisäer mitgekriegt. Einige
der Pharisäer aber sprachen zu ihm, warum tut ihr, was am Sabbat nicht zu tun
erlaubt ist? Nach Sicht der Pharisäer hatten hier die Jünger gleich vier, der
1500 Sabbatgebote übertreten. Was waren das für vier Sabbat-Gebote die sie
übertreten haben? 1. hatten sie ausgerauft, dass heißt sie hatten Ähren vom
Halm getrennt, so waren sie schuldig – sie hatten geerntet. 2. hatten sie die Körner
in der Hand gerieben und somit Korn und Spreu getrennt, somit waren sie
schuldig – sie haben gedroschen. 3. haben sie dann die Spreu von der Hand
weggeblasen und die Körner sind übrig geblieben, somit waren sie schuldig – am
Reinigen. Sie haben die Spreu vom Weizen getrennt. und 4. haben sie die Körner
hinunter Geschluckt in ihrem Bauch – und somit haben sie die Ernte gelagert.
Das war die Deutung, wodurch sie das Sabbatgebot gleich vierfach übertreten
haben. Wahrscheinlich sind sie auch mehr als 1000 Schritte gegangen. Aber jetzt
einmal nur das was in dem Kornfeld passierte. Hier sehen wir, wie extrem die
Pharisäer inzwischen schon geworden waren und wo dieser Weg zwangsläufig
hinführen musste. Jesus Christus gibt auf diese Anklage eine sechsfache Antwort.
Vers 3 und 4, Jesus antwortete – jetzt können wir wieder die Weisheit unseres
Herrn betrachten, denn es ist großartig, wenn wir ihn beobachten. Er der nicht
alle Mischnah- Gesetze studiert hatte, aber er hatte viel im AT studiert – habt
ihr auch dieses nicht gelesen, was David tat, als ihm und die bei ihm waren,
hungerte? Wie er in das Haus Gottes ging und die Schaubrote nahm und aß und
auch denen gab, die bei ihm waren, die doch außer der Priester niemand essen
darf? Also Jesus antwortet gleich mit der Schrift, dem AT, 1. Samuel 21, 2-7,
wo das beschrieben ist, wo David ein mal in einer
Notsituation Schaubrote gegessen hat aus der Stiftshütte. Und das entgegnet
Jesus hier. Mose hatte nie gesagt, dass ein Priester ein Schaubrot nicht an
einen Nichtleviten weitergeben dürfte. Aber die pharisäischen Gesetze sagen
das. Und die waren ja nach ihrer Meinung auch von Mose, nur mündlich
überliefert worden, über Josua, die Richter, die Propheten zu den Sopherim und
Tannaim. Und David wurde für seine Haltung nicht bestraft. Es steht nirgends,
dass David bestraft wurde, weil er die Schaubrote gegessen hatte. Und somit
folgert Jesus, wenn David die mündlichen Gesetze brechen konnte, ohne bestraft
zu werden, dann kann es Davids größerer Sohn, Jesus der Messias erst recht tun.
Das zeigt er hier. Hier steht jemand vor euch – noch größer als David. Und er
sagt damit indirekt, ich bin der Messias. Dann eine zweite Antwort, da müssen
wir nach Matthäus 12 gehen, da ist die gleiche Geschichte, nur wird uns da noch
weitere Information gegeben, noch ausführlicher. Matthäus 12, 5 oder habt ihr
nicht in dem Gesetz gelesen, dass am Sabbat die Priester in dem Tempel den
Sabbat entheiligen und doch schuldlos sind? Ich sage euch aber, größeres als
der Tempel ist hier. Wieder bezieht er sich auf das alte Testament – auf das
geschriebene Wort Gottes, auf die 5 Bücher Mose, wo von den Opfergesetzen die Rede ist. Und Jesus sagt
hier, ihr wisst doch, dass im Tempel Tag für Tag von den Priestern gearbeitet
wird und am Sabbat auch. Und am Sabbat wurde im Tempel die doppelte Arbeit
geleistet, weil die doppelte Anzahl von Opfern gebracht werden muss. Die
Priester müssen am Sabbat arbeiten, die doppelte Menge und ihr seht, Mose hat
Ausnahmen in dem Gesetz gemacht. Und wenn die Priester am Sabbat im Tempel
arbeiten dürfen, wie viel mehr darf das der Sohn Gottes. Denn hier steht,
größeres als der Tempel ist hier. Wieder zeigt er ihnen, seht ihr denn nicht
wen ihr vor euch habt? Dann in Vers 6, wenn ihr aber erkannt hättet was das
heißt, ich will Barmherzigkeit und nicht Schlachtopfer – hier zitiert er den
Propheten Hosea, merken wir wo Jesus seine Wurzeln hat und seine Autorität ist,
worauf er sich beruft? Keine Mischnah Gesetze, sondern nur das Wort Gottes und
Hosea, ich will Barmherzigkeit und nicht Schlachtopfer – so würdet ihr die
Schuldlosen nicht verurteilt haben. Denn der Sohn des Menschen ist der Herr des
Sabbats. Also Jesus zitiert Hosea und sagt, Werke der Barmherzigkeit dürfen am
Sabbat getan werden. Krankenschwestern, Ärzte – Werke der Barmherzigkeit, das
ist in Ordnung, damals und auch heute. Und notwendige Taten sind auch erlaubt.
Essen ist notwendig, wir brauchen nicht fasten an einem Sabbat und die Juden
damals brauchten es auch nicht. Jesus sagt, notwendige Dinge und Werke der
Barmherzigkeit sind in Ordnung. Und dann sagt er, der Sohn des Menschen ist
Herr des Sabbats- Vers 8. Jesus ist der Herr des Sabbats, er konnte erlauben,
was sie verbieten und er konnte verbieten, was sie erlauben. und damit erklärt
er ihnen auch ganz klar, ich bin der Messias. Wer anders könnte sonst eine
solche Aussage machen? Und noch ein letztes Argument von Jesus erfahren wie im
Markusevangelium in diesem Zusammenhang. Markus 2, 27 da sehen wir, wie die
Schrift sich wunderbar ergänzt. Hier wird noch berichtet, dass er in dieser
Auseinandersetzung erwähnt hat, der Sabbat ist um des Menschen Willen
geschaffen worden und nicht der Mensch um des Sabbats Willen. Was lehrten die
Juden, die Pharisäer, die Rabbiner? Israel ist für den Sabbat geschaffen
worden, den Sabbat zu halten. Was sagt der Herr Jesus? Der Sabbat ist um des
Menschen Willen geschaffen worden, nicht der Mensch um des Sabbats Willen! Ihr
habt es auf den Kopf gedreht. Die Absicht Gottes war, Israel zu erfrischen
durch den Sabbat und nicht zum Sklaven zu machen – einer Sabbatgesetzlichkeit.
Und ihr wisst, dass es eine Gruppe bis zum heutigen Tag gibt, die Menschen an
diesem Punkt wirklich versklaven, mit Sabbatgesetzlichkeit. Und ich scheue mich
nicht das offen zu sagen, das sind die Sieben Tags Adventisten. Sie machen
nichts anderes, als die Juden damals, sie versklaven Menschen mit
Sabbatgesetzlichkeit – was überhaupt nichts mit dem NT zu tun hat. Vielleicht
tun es nicht alle von ihnen, aber die Richtung, die Glaubensgemeinschaft der
Sieben Tags Adventisten ihre Literatur, ihre Lehren gehen ganz klar in diese
Richtung. Da sehen wir, wie sich die Juden verrannt hatten, in dieser Sackgasse
und sie versuchten zwar jetzt diese vielen Gebote, diesen ganzen Zaungesetze
noch zu halten, aber gleichzeitig war bei der ganzen Geschichte viel Heuchelei
dabei, das wissen wir – die konnten ja das alles gar nicht halten. Und so haben
sie sich auch noch doppelte Böden geschaffen, wo sie entwischen konnten –
Notausgänge usw., ich bringe noch einmal das Beispiel, ich habe es schon einmal
erwähnt, mit dem Sabbatgebot, dass man eben nur 1000 Schritte gehen durfte, auf
Land, am Sabbat, aber auf dem Wasser durfte man sich fortbewegen so weit man
wollte. Man konnte ja nicht das Schiff anhalten am Sabbat, wenn man auf hohem
Meer war und deswegen durfte man auf Wasser gehen so weit man wollte. Also was
haben sie gemacht, sie haben einfach am Sabbat einen Wassersack unter ihren
Sattel gelegt, und dann sind sie Kilometerweit geritten und haben das
Sabbatgebot ausgetrickst. Das haben sie gleich mitgeliefert,
Ausführungsbestimmungen, wie man das doch wieder deichseln konnte, dass man da zurecht kam. Mir ist heute beim Nachdenken darüber wirklich
klar geworden, Gesetzlichkeit und Heuchelei liegen oft ganz dicht
nebeneinander. Weil der gesetzliche Mensch Gesetze erfüllen will und doch
merkt, er kann es nicht. Bei aller Anstrengung kann er es doch nicht vollkommen
erfüllen und das treibt ihn in die Heuchelei. Vor anderen muss er dann so tun
als ob er sie erfüllen würde und da ist Heuchelei immer mit auf dem Plan. Da
muss man dann vor anderen vorspielen, dass man es erfüllen kann, und kann es doch nicht. Und so wollen wir jetzt
aus dem was wir gehört haben, wie diese ganze Sache sich entwickelt hat, über
die Sopherim zu den Tannaim und Amoraim, wie aus dem guten Gesetz Gottes noch
solche Menschengebote außen herum gebaut wurden, dass es am Schluss
unüberschaubar war. Wir wollen daraus lernen. Wir wollen daraus für uns
Ergebnisse ziehen, dass wir Gottes Wort höher achten, als alle Menschensatzungen.
Und dass wir uns hüten, Menschensatzungen hinzuzufügen, weder als Heilsweg,
noch als Heiligungsweg. Ich muss das erklären. Als Heilsweg, dass würde
bedeuten, wenn irgend welche menschliche Vorschriften hinzugefügt werden, ohne
die man nicht in den Himmel kommen kann. Dann bedeutet das, dass man diese
Dinge zum Heilsweg macht. Zum Weg der Rettung. Und wie oft ist das geschehen in
den letzten 2000 Jahren? Gesetzlichkeit in dieser Form, dass noch menschliche
Gebote und Satzungen hinzugefügt wurden, zu der klaren Lehre der Schrift, des
Evangeliums. Man hat das vermengt miteinander, und hat Dinge zum Heilsweg
gemacht, die das NT nicht lehrt. Wenn z.B. die Sieben Tags Adventisten lehren,
in ihrer Ursprungsliteratur, man muss an Jesus glauben und den Sabbat halten,
ohne Sabbat halten, kann man nicht in dem Himmel kommen, dann ist da so ein
Weg, über den Paulus sagen würde, verflucht - In Galater 1, 8-9. Da sagt er,
wenn ein Engel vom Himmel kommen würde, und ein anderes Evangelium bringen
würde, als ich es verkündigt habe, der sei verflucht. Und ein Paulus würde über
dieses Evangelium der Sieben Tages Adventisten sagen, verflucht – da werden
Dinge hinzugefügt, zu der Gnade allein. Das ist nicht die Botschaft von der
Gnade was die Adventisten lehren, wenn sie sagen, Jesus und den Sabbat halten.
Das Gesetz ist nicht Heilsweg, es ist auch nicht Heiligungsweg. Durch Halten
von solchen hinzugefügten Dingen kommen wir auch nicht in der Heiligung weiter,
werden wir nicht frommer, werden wir auch nicht in Gottes Augen angenehmer. Das
Gesetz ist nicht Heiligungsweg, sondern lasst uns doch
erkennen, Jesus Christus allein ist unser Heil, und er allein ist auch unsere
Heiligung. In 1. Korinther 1, 30 steht, er ist uns von Gott gemacht zur
Weisheit, zu Gerechtigkeit, zur Heiligung und zur Erlösung. Nicht das Gesetz
ist unsere Heiligung, sondern Jesus ist unsere Heiligung. Im Hebräer 10, 14
steht, mit einem Opfer hat er für immer vollendet, die geheiligt werden. In
seinem Opfer sind wir geheilt, gerettet und auch geheiligt. Er ist unsere
Heiligung, nicht das Gesetz. Das Gesetz ist nicht heiligungsfähig. Christus ist
unsere Heiligung, er ist unsere Lebensregel. Auf ihn wollen wir schauen. An ihm
wollen wir uns ausrichten. In diesem Zusammenhang fiel mir vorhin noch ein, als
wir das Lied gesungen haben, Jesus dir nach weil du rufst, wir haben von
Nachfolge gesprochen. Die Briefe des NT sprechen nie mehr von Nachfolge. In den
Evangelien, als Jesus hier als Mensch auf dieser Erde war, da ist von Nachfolge
die Rede, denn da konnte man ihm im buchstäblichen Sinn nachfolgen, mit ihm
gehen, wie es die Jünger getan haben. In den Briefen ist nie wieder von
Nachfolge die Rede, da ist die Rede von Nachahmen. Wir sollten Nachahmer
Christi sein. Das könnt ihr in allen Briefen des NT nachschauen, da werdet ihr
das Wort Nachfolge nicht mehr finden. Aber Nachahmen – im griechischen mimetes,
sollen wir sein. Mimen, das Wort kennen wir heute im Theater, aber das ist kein
Theater, sondern das ist etwas gutes, wenn wir Jesus Christus nachahmen. In dieser
Weise sind wir dann seine Nachfolger. Wir haben keinen menschlichen Guru mehr,
dem wir hinterherlaufen, wir haben einen auferstandenen Herren, den wir
nachahmen, der unser Erlöser ist, aber auch das größte und beste Vorbild, das
es für alle Bereiche gibt. Ich möchte schließen mit einem Zitat aus diesem
ausgezeichneten Buch, dass wir oft empfohlen haben. William MacDonald,
Kommentar zum NT Band 2, da hat William MacDonald den Galaterbrief ausgelegt
und dann bringt er am Ende des Galaterbriefes einen Exkurs über Gesetzlichkeit.
Hier heißt es: Gesetzlichkeit ist ein so wichtiger Teil des Christentums
geworden, dass die Menschen der Ansicht sind, sie gehört dazu. Ja die
Gesetzeslehrer sind immer noch unter uns – wie sollen wir sonst all die
Pastoren und Gemeindeleiter nennen, die z.B. lehren, dass Konfirmation oder
Taufe oder Gemeindemitgliedschaften notwendig für die Erlösung seien, dass das
Gesetz eine Lebensregel für die Gläubigen sei und dass wir durch den Glauben
gerettet sind, doch durch die Werke im Glauben gehalten werden müssen. Was
anderes ist das, als jüdisches Gedankengut im Christentum, wenn wir
aufgefordert werden, eine von Menschen ernannte Priesterschaft zu akzeptieren,
die eine besondere Kleidung hat und Gebäude kennt mit ihren steinernen Altären
und ihren ausufernden Ritualen nachgebildet sind? Und ein Kirchenjahr, das nach
Festen und Fastenzeiten aufgeteilt ist? William MacDonald nennt das
Gesetzlichkeit, weil das NT davon nichts sagt. Weil das von Menschen
hinzugefügt ist. Und dann schließt er diesen Exkurs mit folgenden Sätzen: möge
jedem von Gott die Weisheit gegeben werden, die schlimme Lehre der
Gesetzlichkeit in jeder Form aufzudecken in der sie auftreten mag. Mögen wir
niemals versuchen, Rechtfertigung – gerecht werden aus Glauben, aus Gnade –
oder Heiligung durch Zeremonien oder menschliche Bemühungen zu erlangen,
sondern völlig und ausschließlich in allen Angelegenheiten, vom Herrn Jesus
Christus abhängig sein. Mögen wir uns immer daran erinnern, dass Gesetzlichkeit
Gott beleidigt, weil sie einen Schatten für wichtiger hält als die Realität,
indem sie Zeremonien und menschliche Gebote über Christus stellt.
Das finde ich ganz großartig,
wie er das hier heraus arbeitet und uns mahnend ans Herz legt. Wollen wir uns
durchaus auch prüfen, wo noch Gesetzlichkeit in unserem Leben ist – so wie wir
es heute Abend definiert haben, vom AT her. Ich glaube, Reste sind bei jedem
von uns noch vorhanden – vielleicht bei dem einen mehr, bei dem anderen
weniger. Aber lasst uns auch da wachsam sein, dass wir die Dinge im Lauf
unserer Lebensgemeinschaft mit dem Herrn.