Wilhelm Busch

Christus lebt!

Erlebnisse und Kurzgeschichten

 

Was sie dachten – – –

 

Beerdigung!

Wir stehen um das offene Grab. Der Mann, dessen Sarg da langsam in die Tiefe gleitet, war ein erfolgreicher Geschäftsmann. So wundert es mich nicht, dass eine große Menschenmenge sich eingefunden hat.

Ein leiser Regen setzt ein. Die Leichenträger werfen eilig eine Unmenge von nassen Kränzen von den schwarzen Karren. Dann verschwinden sie.

Nun spricht ein Pfarrer.

Heimlich schaue ich mich ein wenig um. Lautlos stehen die Leute und horchen zu … Ja, hören sie wirklich? Ich möchte, ich könnte in die Köpfe und Herzen hineinsehen. Das müsste doch interessant sein, festzustellen, was jetzt jeder denkt. Ob ich einmal versuche, es zu erraten?

Der dicke Herr mit dem spiegelblanken Zylinder (schaut verstohlen auf seine Uhr): Himmel, wenn der sich da vorne doch ein bisschen beeilen wollte, dann könnte ich noch eine Stunde auf mein Büro und die Post erledigen. So eine Beerdigung nimmt schrecklich viel Zeit weg!

Die schlanke Frau an seiner Seite: Schrecklich, so ein Grab! Nun liegt der arme Kerl da unten! Vor 14 Tagen hat er noch ein paar Flaschen Mosel mit uns geleert. Und nun …! Brr! Wenn man denkt, dass sich jetzt die Würmer an ihn heranmachen! Und dass man selber mal so …! Ich möchte, es wäre zu Ende!

Das junge Mädchen: Der Dr. X. schaut dauernd zu mir herüber. Und dabei! ... wie sehe ich aus! Schwarz steht mir einfach nicht! Ob er es wohl merkt?

Die arme Verwandte dort am Grab: Ja, der hat sich aufs Geschäft verstanden! Aber dass er nur einmal an uns gedacht und uns etwas hätte zukommen lassen … Nein! Lieber machte er schöne und kostspielige Ferienreisen! Ha, nun nützt ihm sein ganzes Geld nichts mehr! Ob er wohl im Testament an uns gedacht hat?

Die alte Frau mit dem zarten Gesicht: Ich werde wohl die nächste sein, die sie hier heraustragen … Ich freue mich darauf. Wie schön, dass ich von Jugend auf den Herrn Jesus als meinen Heiland kenne. Eine gewisse Hoffnung des ewigen Lebens hat Er mir geschenkt. Eine gewisse Hoffnung des ewigen Lebens – ! Wie schön ist das!

Der Mann mit den verbissenen Zügen: Da haben wir's! Nun fängt der Pfarrer wirklich wieder mit dem alten Unsinn an: Auferstehung der Toten! So ein Unsinn! Tot ist tot! Wie der Baum fällt, so bleibt er liegen. Am liebsten möchte ich unter Protest die Versammlung verlassen. Aber das geht ja wohl nicht gut …

Der nachdenkliche Mann: Auferstehung der Toten?! Habe lange davon nichts mehr gehört. Gut, dass man sich einmal Zeit nimmt für eine Beerdigung. Auferstehung der Toten! Wenn das wahr wäre? Ja, dann sollte man … dann sollte man … Nun, was denn? Wollen hören, vielleicht sagt der Pfarrer, was man sollte … Was empfiehlt er? Jesus! Wer ist Jesus? Doch irgend so ein Religionsstifter! Was sagt der Pfarrer da? Jesus errettet und macht selig! Dann wäre er doch mehr als ein Religionsstifter? … Wenn ich nur mehr Zeit hätte, mich um diese Sache zu kümmern! … Aber, wenn es eine Auferstehung der Toten gibt, dann sollte man sich doch die Zeit nehmen. Dann wäre das doch wichtiger als alles andre …

Der elegante junge Herr: Schrecklich! Nun verregnet mir mein gepumpter Zylinder! Mein Nachbar wird schön schimpfen! Hätte ich doch einen Schirm mitgenommen!

Der einfache Mann dort mit dem stillen Gesicht: Mein Gott, mein Gott, ich bitt durch Christi Blut: Mach's nur mit meinem Ende gut!

„Amen!“ sagt da der Pfarrer. – Eine leise Bewegung geht durch die Versammlung, als nun ein Chor zu singen beginnt.