Wilhelm Busch

Christus lebt!

Erlebnisse und Kurzgeschichten

 

„Jetzt geht wieder die schöne Zeit an!“

 

Es war vor Jahren am Vorabend des ersten Advent.

In dem Heim unsres Jugendkreises ist fröhliches, quirlendes Leben: Da wird noch einmal tüchtig geübt und geprobt für die Adventsfeier, zu der sich immer eine große Gemeinde aus Jungen und Alten zusammenfindet.

Der Hausmeister, der den Adventskranz aufgehängt hat, trägt eben die Leiter weg. Er kann manchmal recht verdrießlich brummen, wenn's die Jungen gar zu toll treiben. Aber heute summt er leise das liebe alte Adventslied: „Macht hoch die Tür, die Tor macht weit …“

Und als ich ihm lächelnd nachsehe, fällt mein Blick auf einen jungen Mann. Dieser schlanke, hochgewachsene Junge ist mir besonders lieb. Ich weiß, wie schwer er es hat. Seine Eltern sind überzeugte Freidenker. Da steht er zu Hause sehr allein. Denn schon früh hat er erkannt, dass er nicht ohne Jesus leben kann. Mit Petrus sagte er zum Herrn Jesus: „Wir haben geglaubt und erkannt, dass du bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes.“

An jenem Abend also fällt er mir auf. Denn sein Gesicht strahlt ganz unbeschreiblich.

„Was ist mit dir?“ frage ich. Da atmet er tief auf und sagt: „Jetzt fängt wieder die schöne Zeit an, wo es heißt: Er kommt, Er kommt mit Willen …“ Und dann geht er schnell davon, dass ich seine Bewegung nicht sehen soll. Ich aber muss nun diesen Vers leise vor mich hinsingen:

 

Er kommt, Er kommt mit Willen,

Ist voller Lieb und Lust,

All Angst und Not zu stillen,

Die Ihm an euch bewusst.

 

„Jetzt fängt wieder die schöne Zeit an!“ So oft Advent herannaht, ist mir, als höre ich den jungen Mann diesen Satz sagen.

Kurz nach Weihnachten erfasste auch ihn die Kriegsmaschine. Er wurde eingezogen. Und der Krieg ging über unser Jugendheim. Es wurde zur Ruine.

Als wir unter armseligen Umständen doch wieder unsre Adventsfeier hielten, brachte die Post einen Brief von unserem jungen Freund. Da schrieb er aus Russland. Man spürte aus jeder Zeile das Heimweh und die furchtbare Einsamkeit. Aber es stand auch noch etwas andres in dem Brief. Und das war die Freude, dass „jetzt wieder die schöne Zeit anfängt“. „Ich vereinige mich im Geist mit euch“, schrieb er, „und singe mit euch: Er kommt, Er kommt mit Willen / Ist voller Lieb und Lust / All Angst und Not zu stillen …“

Als wir im Jahre darauf Advent feierten, kam kein Brief mehr von ihm. Da war er irgendwo im fernen Osten gefallen.

Ja, „gefallen“ in die Hand seines Heilandes, von dem er sich erkauft und gerettet wusste. Und ich weiß: Als die tödliche Kugel ihn traf, wurde das für ihn zum rechten Advent. Da kam sein Heiland und holte ihn nach Hause, wo Er endgültig und für immer „alle Angst und Not des Herzens stillt“.