„Durch den Glauben hielt Mose Passah und das Blutgießen, auf
dass, der die Erstgeburten würgte, sie nicht träfe."
Hebräer 11, 28
Bei meinen Besuchen im Krankenhaus gab ich kürzlich einem
jungen Zechenbeamten ein Blatt, in dem das Kreuz Christi bezeugt wurde.
Als ich ihn am nächsten Tage wiedersah, sagte er: „Ich habe
das Blatt gelesen. Aber es kommt mir so seltsam weltfremd vor." Da fiel
mir das Wort eines modernen Dichters ein: „Die Welt des Christlichen ist uns
ferner als die Ammoniten der Kreidezeit."
So ist es in der Tat: Die Welt und die Gemeinde Jesu haben
sich auseinandergelebt. Was bedeutet schon der Welt das Leiden Jesu?! Den
Christen aber ist es die höchste Freude, sich mit dem Kreuze Christi zu
befassen.
Wir wollen es uns jetzt deuten und erläutern lassen von
einem seiner alttestamentlichen Vorbilder.
1. Das Passah-Lamm in der Geschichte
Wir gehen zurück in
graue Vorzeit. Es ist etwa um das Jahr ein-tausendvierhundert vor Christi
Geburt. Wir befinden uns in Ägypten, das damals durch seine hohe Kultur eine
Weltmacht war. Wir gehen nun nicht in das Königsschloss. Wir lassen auch die
großen Häuser der übermütigen Ägypter hinter uns und treten in eine armselige
Hütte am Rande der Stadt.
Da wohnen arme Leute aus der Gemeinde des Herrn im Alten
Bund, aus Israel. Man sieht ihnen an, dass sie schreckliche Jahre hinter sich
haben: Die Ägypter haben Gottes Volk furchtbar bedrückt und sind dabei vor
grauenvollen Morden nicht zurückgeschreckt.
Es ist Abend. Aber niemand hat sich in der Hütte zur Ruhe
gelegt, sondern hier herrscht eine wunderliche Betriebsamkeit. Es ist, als wenn
zwei ganz verschiedene Tätigkeiten durcheinander liefen: Die Hausmutter packt
den notwendigsten Hausrat in Bündel zusammen; sie rüstet ihre Kinder zu einer
großen Reise. Es sieht aus wie bei unsern Flüchtlingen, wenn sie sich auf die
Reise machen mussten. Der Hausvater aber ist beschäftigt, ein Lamm zu
schlachten. Er trifft alle Vorbereitungen zu einem Festmahl. Was ist da los?
Von Gott gesandt, hat Mose am Morgen das Volk des Herrn
zusammengerufen. Er hat ihnen gesagt: „Heute nacht wird Gott an den Ägyptern
ein schreckliches Zeichen tun. Er wird alle Erstgeburt schlagen. Dann werden
sie uns ausziehen lassen. Und wir werden in das Land ziehen, das Gott uns gibt,
in das Land, wo Milch und Honig fließt. Aber ehe ihr auszieht, soll jede
Familie das Passah-Lamm schlachten und essen."
Nun, wir wissen, wie die Israeliten in jener Nacht auszogen.
Und wie sie in das verheißene Land kamen. Und Jahr für Jahr wurde zur
Erinnerung an diese Erlösung das Passah-Lamm geschlachtet — bis Jesus, der Sohn
Gottes, kam und als das wahre Passah-Lamm starb.
Gott hat es recht deutlich gemacht, dass Sein Sohn das
Passah-Lamm ist. Denn Jesus wurde gerade am Passah-Fest gekreuzigt. Vorher
hatten die Ältesten gesagt: „Ja nicht auf das Fest, weil da so viele Leute
beisammen sind! Da könnte es einen Aufruhr geben." Aber gegen ihren Willen
kam es so heraus, dass Jesus als Passah-Lamm erwiesen wurde.
2. Die neutestamentliche Bedeutung des Passah-Lammes
Alle, die in jener Nacht in Ägypten das Lamm aßen, waren
gegürtet zur Wanderung, waren Fremdlinge in Ägypten und waren bereit, nach
Kanaan zu gehen.
Und wer es mit dem gekreuzigten Jesus zu schaffen hat, wer —
wie Er selbst sagt — im Glauben „sein Fleisch isset und trinket sein Blut"
(Johannes 6, 56), der ist ein Fremdling in dieser Welt. Er hat einen anderen
Geist als die Welt. Sein Ziel ist das himmlische Kanaan. Allezeit ist er fertig
zur Abreise dorthin.
Aber in einem tieferen Sinn noch ist Jesus das Passah-Lamm.
Um das zu erklären, muss ich noch einmal auf jene Versammlung zurückkommen, in
der Mose die Anweisungen gab. Da sagte er: „Wenn ihr das Lamm schlachtet, dann
sollt ihr das Blut des Lammes oben an die Türschwelle der Haustüre streichen.
Heute nacht wird Gottes Gerichtsengel durch Ägypten gehen. Er wird alle
Erstgeburt töten, im Königsschloss ebenso wie in der Sklavenhütte. Nur wo er
das Blut des Lammes sehen wird, da wird er vorübergehen." Das wurde eine
schauerliche Nacht. Ägypten erfuhr, was bis zu diesem Tage jeder irgendeinmal
erfährt: „Irret euch nicht, Gott lässt sich nicht spotten." Da hebt das
Klagegeschrei der Heiden an im Königsschloss. Von Haus zu Haus geht das Weinen
und Schreien. Überall leuchtet Licht auf und zeigt an, wo der unsichtbare
Gerichtsbote sein Werk tut.
Erschrocken sitzt Gottes Volk in seinen Hütten bei dem Mahl
des Lammes. Erschrocken — und doch voll stolzer Ruhe. Das Blut ist ja über der
Türschwelle, das rettende Blut.
Und nun höre ich den Apostel Paulus jubeln: „Wir haben auch
ein Passah-Lamm. Das ist Christus, für uns geopfert" (1. Korinther 5, 7).
Das versteht nur der, der etwas weiß vom Zorne Gottes über die Sünde, der
diesen Zorn im Gewissen erfahren hat. Die blinde Welt verharmlost Gott. Wie
wird sie erschrecken, wenn Er Gericht hält! Denn: „Es ist dem Menschen gesetzt,
einmal zu sterben, danach aber das Gericht." Das sagt Gottes Wort. Findet
sich über der Tür unserer Wohnung — ist an der Schwelle unseres Herzens das
Blut Christi? Haben wir uns schon im Glauben unter den Schutz und die Bedeckung
des Blutes Jesu gestellt? Dann dürfen wir in stolzer Ruhe und in tiefem Frieden
Gottes leben.
Als der Gerichtsengel Gottes damals durch Ägypten zog,
fragte er nicht, ob die Leute, die unter dem Schütze des Blutes standen, gut
oder böse waren. Es gehörten sicher böse Buben dazu, die ihren Eltern viel
Herzeleid gemacht hatten. Aber nun standen sie unter dem Blut und waren
gerettet. Das Blut Jesu ist auch für die größten Sünder geflossen und rettet
die ärgsten Feinde Gottes im Gericht. Der Engel fragte auch nicht, ob der
Glaube der Leute dort hinter der blutigen Schwelle groß oder klein war. So wird
dich nur das eine im Gericht retten, ob du im Glauben Jesu Blut dir angeeignet
hast.
3. Die notwendige Voraussetzung für die Passah-Feier
Das war ein seltsames Mahl, das Gottes Volk in jener Nacht
einnahm. Man aß das Fleisch des Lammes, aber dazu auch Brot. Ein seltsames
Brot, ein Brot, bei dem keinerlei Sauerteig verwendet werden
durfte.
Bis zu diesem Tage wird es in den streng-jüdischen Häusern
so gehalten, dass zu Beginn des Passah-Festes der Hausvater mit einem Licht
durch das ganze Haus geht und sich überzeugt davon, dass kein Sauerteig im
Hause ist. Und damit machen die Juden deutlich, dass — wie Paulus sagt — „eine
Decke vor ihren Augen hängt"; dass sie Gottes Anweisung nur äußerlich und
mechanisch verstehen.
In 1. Korinther 5, 8 deutet uns Paulus diese Sache
geistlich. Er sagt: „Lasst uns Passah halten, nicht im alten Sauerteig (er
meint das alte Wesen des unbekehrten Menschen), auch nicht im Sauerteig der
Bosheit und Schalkheit, sondern in dem Süßteig der Lauterkeit und
Wahrheit."
Seht, da war in der korinthischen Gemeinde ein böser Fall
von Ehebruch vorgekommen. Das war schlimm. Aber wir sehen ja an David, dass
der Heiland sogar solch einen Sünder annimmt und dass Sein Blut rein macht von
aller Sünde. Aber furchtbar war es, dass man in Korinth sich mit der Sache
abgefunden hatte. Man ließ sie in der Gemeinde stillschweigend weiter
geschehen.
Sehr ernst straft Paulus die Korinther und sagt ihnen in Vollmacht: Das Blut Christi, das errettet, verträgt sich nicht damit, dass man den Sauerteig des alten Wesens duldet. Mit Jesu Blut, im Glauben ergriffen, beginnt ein Neues. Und wer den Schutz des Blutes haben will, der muss täglich das alte Wesen ausfegen. Der Herr schenke uns den Mut zu solch tapferem Tun!