Wilhelm Busch – Das Urteil der Welt ist außer Kurs gesetzt

 

3. Advent 1944

»...dass der König der Ehre einziehe.« (Psalm 24, 7)

 

Es geht im Leben eines Christen wunderlich zu. Bald ist sein Glaube so groß, dass er meint, er könne »mit seinem Gott über die Mauern springen« (Ps.18,30), und bald wieder ist er so verzagt, dass er sich verloren gibt. Und wenn der Herr nicht so treu wäre, käme keiner bis ans Ziel. Das erfuhr einst Petrus. Da fuhren die Jünger über das galiläische Meer. Auf einmal sahen sie den Herrn Jesus über das Wasser zu ihnen kommen. Und dann geschah es, dass der Herr Petrus zu sich rief. Da war sein Glaube so groß, dass er es wagte, dem Herrn über die Wellen entgegenzu­gehen.

Denkt nur! Er spottete im Glauben aller Vernunft und aller Naturgesetze und traute seinem Heiland. Aber dann sah er eine riesengroße Welle daherkommen. Da erschrak er. Es fiel ihm ein, wie tief das Wasser unter ihm war. Und er fing an zu sinken und rief: »Herr, hilf mir! Und Jesus reckte alsbald die Hand aus und ergriff ihn« (Matthäus 14, 30). Wir müssen heute auch über ein wildes Meer gehen. Schauerlich toben die wilden Wellen. Und da machen wir es wie die Welt: wir berechnen, wie tief es ist, wie ge­fährlich ; wir sorgen: »Was soll das werden?« — Und schon sinken wir.

Glauben aber heißt: auf den Herrn sehen. Es ist doch Advent. Der Heiland ist doch gekommen! Und: »Welche auf ihn sehen, die werden erquickt, und ihr Angesicht wird nicht zu Schanden« (Psalm 34, 6). Wir wollen auch heute morgen auf ihn sehen.

 

Der König der Ehre.

 

1. Soll Jesus wirklich der König der Ehre sein?

Da erklingt nun dieser Adventsruf: »Machet die Tore weit und die Türen in der Welt hoch, dass der König der Ehre einziehe.« Mit diesem Wort deutet der Heilige Geist auf den kommenden Herrn Jesus. Der wird also König der Ehre genannt. Da empört sich die Vernunft: Der soll König der Ehre sein? Hat nicht sogar Jesaja von ihm gesagt: »Er war der Allerverachtetste und Unwerteste. Er war so ver­achtet, dass man das Angesicht vor ihm verbarg«, und: »Wir haben ihn für nichts geachtet« (Jesaja 53, 3). Hat er nicht als Ausgestoßener am Galgen gehangen? Ja, so war es doch!

Da hat man auf dem Palatin in Rom eine Kaserne ausge­graben. Und an der Wand der Wachstube fand man eine Spottkritzelei, mit der ein Legionär seinen christlichen Ka­meraden Alexamenos verspottete. Da kniet ein Soldat vor einem Kreuz. Und daneben steht: »Alexamenos betet seinen Gott an.« Der Gekreuzigte aber hat einen Eselskopf. Ja, geht nicht seit 2000 Jahren eine Flut von Spott über diesen Jesus? Hat man nicht sogar seinen Stammbaum beschimpft? Die edelsten seiner Vorfahren »Zuhälter« und »Viehjuden« genannt? Ist es aber nicht wirklich so, dass in seinem Stammbaum der in Schanden geborene Perez und eine Ehebrecherin vorkommen? Ja, hat man ihn nicht in einer Schrift, die von Tausenden ge­lesen wurde, einen »Feigling« und »Judenlümmel« ge­schimpft?

Ein seltsamer »König der Ehre«! Wie wenig er das ist, wird aber wohl am meisten daran klar, dass sogar wir Christen uns zu oft schämen, seinen Namen zu bekennen. Wie oft genieren wir uns, uns zu ihm zu bekennen, als ob es eine Schande wäre, es mit ihm zu halten! Und der soll »König der Ehre« sein?

 

2. Und er ist doch der König der Ehre

Da müssen wir eine kleine Überlegung anstellen. Wir meinen, es sei einer geehrt, wenn die Welt ihm Ehre gibt. Die Bibel hat auch hier wieder eine gänzlich andre Betrach­tungsweise. Da ist das Wort Jesu, das er seinen Gegnern sagt: »Wie könnt ihr glauben, die ihr Ehre voneinander nehmt, und die Ehre, die von Gott allein ist, sucht ihr nicht« (Johannes 5, 44). Das ist »Ehre«, wenn Gott mich aner­kennt.

In einem Roman sagt ein alter Kötter zu einem jungen Bauernsohn: »Das ist Ehre, wenn ich mich vor mir selber nicht zu schämen brauche.« Wie wunderlich befangen und verengt ist doch der Blick des natürlichen Menschen! Die Bibel würde sagen: »Das ist Ehre, wenn ich mich vor Gott nicht zu schämen brauche.«

Aber es ist verständlich, dass der Mensch das nicht will. Denn wer muss sich vor Gott nicht verstecken wie unser Stammvater Adam?

Nur einer brauchte sich vor Gott nicht zu schämen. Nur einer ist es, den Gott rückhaltlos ehren konnte: Jesus! Und darum, weil der himmlische Vater ihn ehrt, darum ist Jesus »der König der Ehre«. Mag die Welt über ihn denken, was sie will. Gott hat ihm den Titel »König der Ehre« gegeben. Und das ist entscheidend — Gott ehrt seinen Sohn. Bei der Taufe Jesu fiel die Stimme vom Himmel, die sagte: »Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe.« Und in Johannes 8, 54 sagt Jesus: »Es ist aber mein Vater, der mich ehrt.« Und ausdrücklich erklärt er: »Ich nehme nicht Ehre von Menschen« (Johannes 5, 41). Und als er um unseretwillen die Schmach des Kreuzes auf sich genommen hatte, hat ihn der Vater geehrt, indem er ihn von den Toten auferweckte. In Philipper 2 ist auch davon die Rede, dass Gott ihn ehrt: »Er ward gehorsam bis zum Tode am Kreuz. Darum hat ihn auch Gott erhöht und hat ihm einen Namen gegeben, der über alle Namen ist.« Und wer nun noch Zweifel hat, ob Jesus wirklich der König der Ehre ist, der lese Offenbarung 5. Da steht das erwürgte Lamm im Mittelpunkt der ewigen Welt. Die 24 Ältesten stimmen ihre Harfen, ihm zur Ehre. Und viele tausend Engel singen den brausenden Lobgesang: »Das Lamm, das erwürgt ist, ist würdig zu nehmen Ehre...« Oh, wie ist das Urteil der Welt außer Kurs gesetzt! Wie ist das als belanglos beiseite gesetzt, was Krethi und Plethi über Jesus gedacht haben. Wie ist da mit göttlicher Ironie heiligen Schweigens übergangen, was Professor Sowieso und Frau Anderswie sich zurechtgelegt hatten. Jesus! Er ist der König der Ehren. Gott hat es gesagt. Der Heilige Geist lässt es uns wissen. Und dabei bleibt's.

 

3. Nun gib du ihm die Ehre

Nun geht wieder der Adventsruf durch die Welt: »Machet die Tore weit und die Türen in der Welt hoch, dass der König der Ehre einziehe!«

Gib ihm die Ehre! Aber wie? Wir leben doch in einer armen Stadt. »Wir haben kein Wasser«, seufzt man allerwärts. »Wenn doch das Wasser einziehen wollte in die stillgelegten Röhren!« — »Wir haben kein Licht!«, ruft's von dort. »Wenn doch der Strom einziehen wollte in die stummen Drähte!«

Wie oft seufze ich selbst so. Aber ist es nicht eine viel wich­tigere Sorge in dieser Adventszeit, dass das »Wasser des Lebens« und »das Licht der Welt« bei uns einziehen? Dass wir doch danach seufzten!

Ach, es kommt ja, es ist schon da. Nun lasst es euren Durst stillen, nun lasst es eure bekümmerte Seele erleuchten. So gibt man ihm die Ehre. Man kann den Sohn Gottes gar nicht besser ehren, als dass man an ihn glaubt und ihn seinen Heiland sein lässt.

Ich will das noch einmal von einer anderen Seite her auf­zeigen.

Wir sagten vorhin: Wir müssen uns alle vor Gott schämen. Wir sind alle vor ihm ehrlos. Ein hartes Wort! Aber so sagt Gottes Wort: »Wir ermangeln des Ruhms, den wir vor Gott haben sollten« (Römer 3, 23).

Aber seht, der Adventskönig, der Sohn Gottes, ist dazu in die Welt gekommen, um uns unsere verlorene Ehre vor Gott wiederzugeben. Sein Blut macht mich rein von aller Sünde. Und wenn ich mich im Glauben in die Gerechtigkeit hülle, die er mir erworben hat, dann bin ich Gott an­genehm und lieb. Dann erkennt Gott mich an, als sei ich der reine und heilige Herr Jesus selber. Ehrt nur den Sünderheiland recht, indem ihr ihn euren Sünderheiland sein lasst. Dann habt ihr Anteil an seiner Ehre. Dann ehrt euch der Vater um seines Sohnes willen, wie er den Sohn selber ehrt. »Machet die Tore weit, dass der König der Ehre einziehe!«

 

»Schönster Herr Jesu, Herrscher aller Enden,

Gottes und Marien Sohn,

Dich will ich lieben,

Dich will ich ehren,

Du meiner Seele Freud' und Krön.«