3. Advent 1944
»...dass der König der Ehre einziehe.« (Psalm 24, 7)
Es geht im Leben
eines Christen wunderlich zu. Bald ist sein Glaube so groß, dass er meint, er
könne »mit seinem Gott über die Mauern springen« (Ps.18,30), und bald wieder
ist er so verzagt, dass er sich verloren gibt. Und wenn der Herr nicht so treu
wäre, käme keiner bis ans Ziel. Das erfuhr einst Petrus. Da fuhren die Jünger
über das galiläische Meer. Auf einmal sahen sie den Herrn Jesus über das Wasser
zu ihnen kommen. Und dann geschah es, dass der Herr Petrus zu sich rief. Da war
sein Glaube so groß, dass er es wagte, dem Herrn über die Wellen entgegenzugehen.
Denkt nur! Er spottete im Glauben aller Vernunft und aller
Naturgesetze und traute seinem Heiland. Aber dann sah er eine riesengroße Welle
daherkommen. Da erschrak er. Es fiel ihm ein, wie tief das Wasser unter ihm
war. Und er fing an zu sinken und rief: »Herr, hilf mir! Und Jesus reckte
alsbald die Hand aus und ergriff ihn« (Matthäus 14, 30). Wir müssen heute auch
über ein wildes Meer gehen. Schauerlich toben die wilden Wellen. Und da machen
wir es wie die Welt: wir berechnen, wie tief es ist, wie gefährlich ; wir
sorgen: »Was soll das werden?« — Und schon sinken wir.
Glauben aber heißt: auf den Herrn sehen. Es ist doch Advent.
Der Heiland ist doch gekommen! Und: »Welche auf ihn sehen, die werden erquickt,
und ihr Angesicht wird nicht zu Schanden« (Psalm 34, 6). Wir wollen auch heute
morgen auf ihn sehen.
Der König der Ehre.
1. Soll Jesus wirklich der König der Ehre sein?
Da erklingt nun dieser Adventsruf: »Machet die Tore weit und
die Türen in der Welt hoch, dass der König der Ehre einziehe.« Mit diesem Wort
deutet der Heilige Geist auf den kommenden Herrn Jesus. Der wird also König der
Ehre genannt. Da empört sich die Vernunft: Der soll König der Ehre sein? Hat
nicht sogar Jesaja von ihm gesagt: »Er war der Allerverachtetste und
Unwerteste. Er war so verachtet, dass man das Angesicht vor ihm verbarg«, und:
»Wir haben ihn für nichts geachtet« (Jesaja 53, 3). Hat er nicht als
Ausgestoßener am Galgen gehangen? Ja, so war es doch!
Da hat man auf dem Palatin in Rom eine Kaserne ausgegraben.
Und an der Wand der Wachstube fand man eine Spottkritzelei, mit der ein
Legionär seinen christlichen Kameraden Alexamenos verspottete. Da kniet ein
Soldat vor einem Kreuz. Und daneben steht: »Alexamenos betet seinen Gott an.«
Der Gekreuzigte aber hat einen Eselskopf. Ja, geht nicht seit 2000 Jahren eine
Flut von Spott über diesen Jesus? Hat man nicht sogar seinen Stammbaum
beschimpft? Die edelsten seiner Vorfahren »Zuhälter« und »Viehjuden« genannt?
Ist es aber nicht wirklich so, dass in seinem Stammbaum der in Schanden
geborene Perez und eine Ehebrecherin vorkommen? Ja, hat man ihn nicht in einer
Schrift, die von Tausenden gelesen wurde, einen »Feigling« und »Judenlümmel«
geschimpft?
Ein seltsamer »König der Ehre«! Wie wenig er das ist, wird
aber wohl am meisten daran klar, dass sogar wir Christen uns zu oft schämen,
seinen Namen zu bekennen. Wie oft genieren wir uns, uns zu ihm zu bekennen, als
ob es eine Schande wäre, es mit ihm zu halten! Und der soll »König der Ehre«
sein?
2. Und er ist doch der König der Ehre
Da müssen wir eine kleine Überlegung anstellen. Wir meinen,
es sei einer geehrt, wenn die Welt ihm Ehre gibt. Die Bibel hat auch hier
wieder eine gänzlich andre Betrachtungsweise. Da ist das Wort Jesu, das er
seinen Gegnern sagt: »Wie könnt ihr glauben, die ihr Ehre voneinander nehmt,
und die Ehre, die von Gott allein ist, sucht ihr nicht« (Johannes 5, 44). Das
ist »Ehre«, wenn Gott mich anerkennt.
In einem Roman sagt ein alter Kötter zu einem jungen
Bauernsohn: »Das ist Ehre, wenn ich mich vor mir selber nicht zu schämen
brauche.« Wie wunderlich befangen und verengt ist doch der Blick des
natürlichen Menschen! Die Bibel würde sagen: »Das ist Ehre, wenn ich mich vor
Gott nicht zu schämen brauche.«
Aber es ist verständlich, dass der Mensch das nicht will.
Denn wer muss sich vor Gott nicht verstecken wie unser Stammvater Adam?
Nur einer brauchte sich vor Gott nicht zu schämen. Nur einer
ist es, den Gott rückhaltlos ehren konnte: Jesus! Und darum, weil der
himmlische Vater ihn ehrt, darum ist Jesus »der König der Ehre«. Mag die Welt
über ihn denken, was sie will. Gott hat ihm den Titel »König der Ehre« gegeben.
Und das ist entscheidend — Gott ehrt seinen Sohn. Bei der Taufe Jesu fiel die
Stimme vom Himmel, die sagte: »Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich
Wohlgefallen habe.« Und in Johannes 8, 54 sagt Jesus: »Es ist aber mein Vater,
der mich ehrt.« Und ausdrücklich erklärt er: »Ich nehme nicht Ehre von
Menschen« (Johannes 5, 41). Und als er um unseretwillen die Schmach des Kreuzes
auf sich genommen hatte, hat ihn der Vater geehrt, indem er ihn von den Toten
auferweckte. In Philipper 2 ist auch davon die Rede, dass Gott ihn ehrt: »Er
ward gehorsam bis zum Tode am Kreuz. Darum hat ihn auch Gott erhöht und hat ihm
einen Namen gegeben, der über alle Namen ist.« Und wer nun noch Zweifel hat, ob
Jesus wirklich der König der Ehre ist, der lese Offenbarung 5. Da steht das
erwürgte Lamm im Mittelpunkt der ewigen Welt. Die 24 Ältesten stimmen ihre
Harfen, ihm zur Ehre. Und viele tausend Engel singen den brausenden Lobgesang:
»Das Lamm, das erwürgt ist, ist würdig zu nehmen Ehre...« Oh, wie ist das
Urteil der Welt außer Kurs gesetzt! Wie ist das als belanglos beiseite gesetzt,
was Krethi und Plethi über Jesus gedacht haben. Wie ist da mit göttlicher
Ironie heiligen Schweigens übergangen, was Professor Sowieso und Frau Anderswie
sich zurechtgelegt hatten. Jesus! Er ist der König der Ehren. Gott hat es
gesagt. Der Heilige Geist lässt es uns wissen. Und dabei bleibt's.
3. Nun gib du ihm die Ehre
Nun geht wieder der Adventsruf durch die Welt: »Machet die
Tore weit und die Türen in der Welt hoch, dass der König der Ehre einziehe!«
Gib ihm die Ehre! Aber wie? Wir leben doch in einer armen
Stadt. »Wir haben kein Wasser«, seufzt man allerwärts. »Wenn doch das Wasser
einziehen wollte in die stillgelegten Röhren!« — »Wir haben kein Licht!«,
ruft's von dort. »Wenn doch der Strom einziehen wollte in die stummen Drähte!«
Wie oft seufze ich selbst so. Aber ist es nicht eine viel
wichtigere Sorge in dieser Adventszeit, dass das »Wasser des Lebens« und »das
Licht der Welt« bei uns einziehen? Dass wir doch danach seufzten!
Ach, es kommt ja, es ist schon da. Nun lasst es euren Durst
stillen, nun lasst es eure bekümmerte Seele erleuchten. So gibt man ihm die
Ehre. Man kann den Sohn Gottes gar nicht besser ehren, als dass man an ihn
glaubt und ihn seinen Heiland sein lässt.
Ich will das noch einmal von einer anderen Seite her aufzeigen.
Wir sagten vorhin: Wir müssen uns alle vor Gott schämen. Wir
sind alle vor ihm ehrlos. Ein hartes Wort! Aber so sagt Gottes Wort: »Wir
ermangeln des Ruhms, den wir vor Gott haben sollten« (Römer 3, 23).
Aber seht, der Adventskönig, der Sohn Gottes, ist dazu in
die Welt gekommen, um uns unsere verlorene Ehre vor Gott wiederzugeben. Sein
Blut macht mich rein von aller Sünde. Und wenn ich mich im Glauben in die
Gerechtigkeit hülle, die er mir erworben hat, dann bin ich Gott angenehm und
lieb. Dann erkennt Gott mich an, als sei ich der reine und heilige Herr Jesus
selber. Ehrt nur den Sünderheiland recht, indem ihr ihn euren Sünderheiland
sein lasst. Dann habt ihr Anteil an seiner Ehre. Dann ehrt euch der Vater um
seines Sohnes willen, wie er den Sohn selber ehrt. »Machet die Tore weit, dass
der König der Ehre einziehe!«
»Schönster Herr Jesu, Herrscher aller Enden,
Gottes und Marien Sohn,
Dich will ich lieben,
Dich will ich ehren,
Du meiner Seele Freud' und Krön.«