Und der König zog
hinaus und sein ganzes Haus ihm nach."
2. Samuel 15, 16
Wenn wir eine
Zeitung zur Hand nehmen, so sind wir erstaunt, wie alles wirr durcheinander
steht: Kino, Politik, Toto, kirchliche Nachrichten, Verbrechen,
Wunderheilungen, Kunst, Witze... Dasselbe Durcheinander findet sich im heutigen
Normalmenschen: Er gleicht einem Schiff ohne Steuer.
Aus diesem Elend
ist ein gläubiger Christ errettet: Sein Leben hat eine Mitte — das Kreuz Jesu.
Als ich mich bekehrte, gehörte das zu den schönsten Erfahrungen meines neuen
Christenstandes, dass mein verworrenes Leben nun eine Achse bekommen hatte, um
die sich bis heute alles dreht — das Kreuz!
Und dann lernte ich
immer mehr verstehen: Das Kreuz ist ja nicht nur die Mitte meines Lebens,
sondern auch das Zentrum alles Weltgeschehens und der Weltgeschichte. So ist
uns nichts nötiger als die Besinnung auf diese „Mitte", wobei uns die
Betrachtung der alttestamentlichen Vorbilder helfen will.
Es beschäftigt uns
heute
1. „Der König zog
hinaus..."
Es handelt sich
hier um den König David. Der war ein großer Held und ein besonderer Freund
Gottes. Wir kennen ihn ja aus seinen herrlich-starken Psalmen. Als er auf der
Höhe seines Lebens stand und sein Königreich gefestigt schien, traf ihn ein
schrecklicher Schlag: Sein eigener Sohn Absalom machte einen Aufruhr. David
musste aus seiner Hauptstadt fliehen. „Und der König zog hinaus ..." Ein
trauriger Zug!
Vielleicht auf
derselben Straße zog Jahrhunderte später ein anderer, der aus dem Hause und
Geschlechte Davids war, Jesus, der Sohn Gottes. Der trug auf Seinen
blutiggeschlagenen Schultern ein großes Kreuz. An dem hing ein Schild: „Jesus
von Nazareth, ein König." O seht euch diesen ausgestoßenen König recht an!
Wer ist denn der Absalom, der diesen König auf die schreckliche Marterstraße
getrieben hat? Wissen wir es? Er muss doch entdeckt werden, er muss doch an das
Licht gebracht werden, dieser furchtbare Absalom, der den Sohn Gottes, den
König der Herrlichkeit, zu einem ausgestoßenen König machte.
Bald darauf hängt
der ausgestoßene König Jesus am Kreuz. Selbst die Sonne verhüllt ihren Schein.
Wer ist der Absalom? Paul Gerhardt hat für sich selbst und für uns alle
geantwortet: „Ich, ich und meine Sünden, / die sich wie Körnlein finden / des
Sandes an dem Meer, / die haben dir erreget / das Elend, das dich schlaget, /
und das betrübte Marterheer. / Ich bin's, ich sollte büßen / an Händen und an
Füßen / gebunden in der Höll'..."
Ehemalige
Frontsoldaten können sich vorstellen, wie es ist, wenn über einer dunklen
Landschaft auf einmal eine grellstrahlende Leuchtkugel hochgeht. Ähnlich ist
es uns zumute, wenn Gottes Geist uns aufdeckt, dass wir — du und ich
— der Absalom sind; dass unsere Schuld den Sohn Gottes an das Kreuz gebracht
hat. So schrecklich aber diese Erkenntnis ist, so herrlich ist sie auch. Denn
das sieht man zugleich: Nun trägt Er meine Schuld fort, nun büßt Er für sie.
„Die Strafe liegt auf ihm, auf dass wir Frieden hätten..." (Jesaja 53, 5).
2. „...und sein ganzes Haus zog ihm nach."
David war ein sehr einsamer Mann, als er „hinauszog".
Noch viel mehr war das so bei Jesus. Wir können nur schaudernd in die Abgründe
Seiner Einsamkeit schauen. Sie war am tiefsten, als Er rief: „Mein Gott! Warum
hast du mich verlassen!"
Und doch — hinter dem David her wurde die Straße belebt: „.
. . und sein ganzes Haus zog ihm nach." Wohl lief das Volk in Scharen dem
aufrührerischen Absalom zu. Aber eine kleine Schar fand sich zusammen und ging
mit David. „Sein Haus." Dazu gehörten ein paar Frauen, Kinder und treue
Streiter. O dies Haus Davids, das an seiner Niedrigkeit keinen Anstoß nimmt,
sondern ihn in seiner Niedrigkeit um so mehr liebt!
Dies gibt uns Licht für unseren Weg! Wollen wir nicht auch
zu dem „Haus Gottes" gehören? Der Gemeinde der Gläubigen ist die Niedrigkeit
ihres ausgestoßenen und gekreuzigten Königs Jesus nicht ein Ärgernis. Im
Gegenteil! Durch die Erleuchtung des Geistes dürfen wir es wissen: Dieser
Ausgestoßene trägt ja am Kreuz meine Last, hier wirkt Er mir ewiges Heil, hier
schafft Er Versöhnung mit Gott.
Ja, der wahren Gemeinde ist Sein Leiden das Liebste. Sie
singt: „Ewig soll er mir vor Augen stehen, / wie er als ein stilles Lamm / dort
so blutig und so bleich zu sehen, / hängend an des Kreuzes Stamm..."
Man versucht heute wieder einmal, der Welt ein
einleuchtendes Christentum zu bringen, in dem das Kreuz leise unterschlagen
wird. Da kann das „Haus Davids" nicht mitmachen. Sie folgen ihrem ausgestoßenen
König nach. Es geht gerade um Ihn, um das Kreuz. Da ist ja die Erlösung!
Nun müssen wir noch einmal in die Davidsgeschichte schauen. Als der König seine einsame Straße zog, trat ihm ein Fremdling entgegen, Itthai, der Gathiter. David machte ihn auf seine elende Lage aufmerksam und legte ihm sehr deutlich nahe, doch schleunigst sich in Sicherheit zu bringen. Da aber sagte dieser Itthai ein herrliches Wort: „So wahr der Herr lebt und so wahr mein Herr König lebt, an welchem Ort mein Herr, der König sein wird, es gerate zum Tod oder zum Leben, da wird dein Knecht auch sein." Itthai, der Vorläufer aller Fremdlinge, welche die verborgene Herrlichkeit des verstoßenen Königs erkannt haben! So kommen aus aller Welt die Fremdlinge zu dem Gekreuzigten und sprechen überwunden: „An welchem Ort mein König sein wird, es gerate zum Tod oder Leben, da will ich auch sein." Haben wir schon diesen Entschluss gefasst?
Als ich den Itthai ansah, ging mir der Missionsvers von
Knapp durch den Sinn:
„Und siehe, tausend Fürsten
Mit Völkern ohne Licht
Stehn in der Nacht und dürsten
Nach deinem Angesicht.
Auch sie hast du gegraben
In deinen Priesterschild,
Am Brunnquell sie zu laben,
Der dir vom Herzen quillt."
3. Aber die Zurückbleibenden?
Wenn wir die Geschichte von dem Aufstand des Absalom aufmerksam
lesen, dann werden wir sehen, dass es in Jerusalem eine ganze Anzahl von Leuten
gab, die sich nicht offen für Absalom erklärten. Sie hatten eine gewisse
Sympathie für David. Aber so weit ging ihre Liebe nicht, dass sie mit dem
ausgestoßenen König ausgezogen wären.
Es gibt viele Christen, welche diesen Zurückgebliebenen
gleichen. Sie sind „christlich", sie haben es mit dem Davidssohn zu tun,
sie verkehren sogar manchmal in Seinem Hause.
Aber — ja, das ist das große „Aber": Sie sind nicht auf dem Kreuzesweg mit Ihm zu finden. Diesen Weg mit Jesus gehen heißt: mit Jesus gekreuzigt sein. Der alte Mensch, die geistliche Trägheit, die Lüste und Begierden — ans Kreuz damit! Darum sagt der Hebräerbrief (13, 13): „Lasset uns hinausgehen mit Jesus aus dem Tor und seine Schmach tragen!" Diesen Weg gehen nur die mit Ihm, die Ihm herzlich anverlobt sind. dass wir nur nicht den Zurückgebliebenen gleichen!